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ALDR1CH
HARVARD COLLBGE LIBRARY
ML75/C LIBRARY
! ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG,
SECHS UND VIERZIGSTER JAHRGANG.
Mit den Portrait von
Friedrieb Chopin.
LEIPZIG,
Druck und Verlag von Breitkopf $ Hlrtel.
1844.
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HARVARD
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LIBRARY
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INHALT
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seohsund vierzigsten Jahrganges
der
allgemeinen musikalischen Zeitung
vom Jahre 1844.
/. Theoretische und historische Aufsätze.
Dorn» B. 9 Original »der Bearbeitung ? (Ueber Handels Jephta n. e. w.)
S. »4*.
Bin Blick auf Weimars Kuastleben. & 161.
J£in Brief von Joseph Haydn. S. 145.
Einige Worte aber den EinBoes der Musik» S. 361.
Geissler,C, Beschreibung der neuen grossen Orgel in, der Stifts-
kirche so Ossegg in Böhm*» q. s.w. S. 2^17.
Raul er t, |)r. A M Zar musikalischen Littarntur. S. 281.
Kossmaly, C, Ueber Robert Schumanne CUviereompositionen.
S. 1.
— Ueber den wahren Endzweck und Werlh der Musik, mit
Bezog anf „ Narkotische Componisten." S. 481.
Mosewins, Sebastian Bacb's Gboralgesäjige nnd Gantaten.
S. 105. 377. 466. 593.
Musikalisebe Zulande in Paris. £. 43».
Neuen J>urg, G., Die neuen Liedereempoaieten. S. 745.
Paul Heinlein, ein Gomponist des 17. Jahrhunderts. S, 249.
Wilk-e, Bemerkungen aber Qerrn Bsckow's Aufsatz: „Da*
Doubletteosystem ist keiqe neue Erfindung." S. 81.
Zwr Geschichte de* Maanergesanges. S, 49.
//. Nekrolog.
Maser, Aug. Far4., Musikdirelor in Weimar, S, 849.
///• Recensionen*
1. Schriften über Musik.
feaniiter, Henry J., Pemesüc Umm Tor tbe urtalthy, or a Pia«
- for tbe arj* and tts prograss. $. 859.
Becker, C. F., Evangelisches Choralbucb, 8. 177.
£riv*Ui» Art of Staging, witn alUraftioo and new solfeggioe for
the enltivation of tbe Bass voice. 8. 85A.
«Farial, Pellegrino, Letiara aopra la Munlea. 8. 851.
Ferrari, A., Progetio. dt Uifermf de' Teairj musicali italiani.
$. 853.
Fürstenau, A. B., Die Knast des FlötenspieU in tbeoretiseh-
praetiseber Beziehung. S. 713.
üaefcale, Emanaele, 1 Baaai najaerati di Fadela Fenarftli. S.853u
Rnorr, Jul., Materialien für das mecbajafcba Clavifirapiel. S. 822.
Ku*kai, F. J., Kleine Mnsiklebre. S. 817-
Lo*e, 4. C, Compeeitionslehre. 8. 647.
Oulibioheff, Alex., Nooveile Biographie de Mozart, snivie d'un
aperen snr l*fcisteire gfatreia 4* la maajqne ei de
l'nnajyse de prioeJfiale* oeuvres de Mozart. Ja. 282«
Seidel, J. J., Die Orgel and ihr Ban. & 24.
Snl Ttraatiame. Santo 4\ an» Memoria <W1 *>ttor I*ujft Venture
da Trani. S, 853-
The Book; #f scetüsb *>agt. S. 813..
Ueber den Bau der Geige und anderer Saiteninstrumente. Nach
einem in Paris von Savart gehaltenen Vortrage ina
Deutsche übertragen. S. 123*
Wallbridge, A., The seqoential System of mosieal notion, an
eatirely aew Metbod of writing Music. S. 862.
2. Musik.
A. Gesang.
a) Kirche.
Blumentbai, Jos. v., Vater uoaer, fiir 4 Siagstimmen mit Be-
gleitung von 2 Violiaea, 3 Violoncello, Contra bass, 2 Hörner,
2 Trompeten , Pauken und Orgel. Op. 90. Part u. St.
S. 694.
Grell, A. E., Pfiugstlied für 5 Solo- u. 4 Cborstimmen. Op. 11.
8. 222.
— Selig sind die Todtaa, für 4 Solo r u. 4 Chorstimmen.
Op. 18. S. 222.
— Der Qerr ist mein Hirte, für 5 Säle- u. 4 Chorstlmmea-.
Op. 19. S. 222.
— 3 kurze u. leichte «stimmige Motetten: „Herr neige
Deine Ohren," „Harr, Deine Güte reicht ao weit/ 4 and
„Lobe den Herrn, meine Seele." Op. 13. S. 223.
— 2 Motetten für 8 Singstimmen : ,, Herr; lehre mich thun,"
und: „Lasset uns uater einander lieben." Op. 22.
S. 223.
— „Barmherzig und gnädig " u. s.w., 4etimmig mit Or~
•ohester. Op. 26. Cl.-Ausz, n. Singst. S. 834.
— * Der 95. Psalm, 4stimmig mit Orchester. Op. 27. CL-Aosz.
p. Singst. S. 834.
— Fünf 6stimmige Kirehengeaünge nebst einigen 4stimmigen
Antworten auf jeden Hauptgettesdianst des Jahres. Op.3fc
Part. u. Singst. S. 834.
— Evannulisehe Festgraduale. 11 Satimmige Motetten für die
Kircbenfesta. Op. 33. 3 Hefte. Part. a. St. 8. 834.
— Drei 4stimmie» Motetten. Op. 34. Part. u. St. S. 834.
Hopfe, J., Protestantische Kirche nmusikea auf alle Feste des
Jahren. S. 221,
Löwe, Dr. C-, Die Fastzeiten. GeisUwbes Oratorium in 3 Ab-
tbeilaogen. Op. 66. Part. u. Cl.-Ausz. S. 577.
Marx, A.B., Mose, Oratorium ans der heiligen Sab rift. Cl.-Ausz.
S> 657.
Spohr, L., Der Fall Babylons, Oratorium in 2 Abtbeilongen naeh
dem Englischen des Prof. Taylor von Fr. Oetker. Part;
a. CI. Ans». 3. 613.
b) Oper etc.
Deoizetti, G., Don Pnaquale, komische Oper In 3 Anten, naeh
dam Italienischen übersetzt von H. Precb. Vollst. Cl.-Ausz.
Wien, bei A. Wekjili u. Comp. S. 166,
— Maria di Reh an, tragische Oper in 3 Aetea, nach dem
Italienischen vorn Ruppelwifaer. CL-Aosz. Wien, bat
A. Diabelli u. Comp. S. 778.
ffl
IV
Esser, H., Thomas Riqniqui oder die politische Heirath, komische
Oper io 3 Acten, nach dem Französischen bearbeitet von
C. Gollmiek. Vollst. Cl.-Aus«. Mainz , bei B. Schotts
Söhnen. S. 5.
Halevy, Carl VI, grosse Oper in 5 Acten, nac* deni Französischen
von Casimir ä. Germ. Delavigne. Vollst. Cl.-Ausz. mit
deutschem u. franzos. Texte. Leipzig, bei Breitkopf u.
Hartel. S. 780.
Mendelssohn-Bartholdy, F., Musik zum Sommernacbtstraum
vsjtfShakespeaYc. Vierhänoiger Cl.-A.osz. vom Compdnhtfen.
Leipzig, bei Breitkopf n. Härtel. Op. 61. S.614.
Taubert, W., Chöre zur Medea des Eoripides. Op. 57. Cl.-Ausz.
Berlin, bei Trautwein. S. 793.
Verdi, G., Nabucodonosor, lyrische Tragödie in 4 Acten, gedichtet
von Temistoele Solera, übersetzt von H. Proch. Vollst.
' Cl.-Ausz. Wien, bei A. Diabelli u. Comp. S. 265.
c) Kammer.
a) Mehrstimmige Lieder and Gesinge.
Banek, C, 2 Duetten: ,,Im Herbst " von Heine, und: „In der
Nacht" von Lenau, für 2 Singst, mit Begleitung des
Pianoforte. Op. 50. S. 27.
Beer, J., Lieder für 4 Maonerstimmen. Op. 6. S. 126.
Blätter und Trauben, Lieder von Joh. N. Vogl, mit Melodieen von
den vorzüglichsten Compooiaten Oestreiehs. S« 49.
Bronn er, CT., 4 3stimmige Lieder für Sopran, Tenor n. Bass
mit Begl. äeg Pfte. Op. 42. S. 439.
Dammas, Hellmuth, 3 Duette für Sopran u. Alt mit Begl. des
Pfte. Op. 8. S. 439.
Ernst und Scherz, Original- Compositionen für grosse und kleine
Liedertafeln. Nr. 1. 7 Lieder von C. Kreutzer, Fr. Sehnei-
der, H. Truhn, A. Zöllner, V. £. Becker »od A. Ifeit-
hardt. S. 437.
— Nr. 2. 6 Lieder von A. Neithardt, C. Kreutzer, A. Zöll-
ner o. H. Truhn. S. 765.
Gantzert, Berthold, 6 Lieder für 4 Männerstimmen. S. 764.
Grell, A.B., Urflnsterniss, Gedicht von Bora eraaoo, für 4 Männer-
stimmen. Op. 24. S. 224.
— A. v. Chamisso'a Canon : Das ist die Noth der schweren
Zeit, Tor 4 Männerstimmen. S. 224.
Hacke 1, A.» Zigeunerlieder von N. Vogl, für Männerstimmen.
Nr. 1 n. 2. S. 224.
Häser, W. , 6 4stimmige Lieder schwäbischer Dichter für Männer-
stimmen. Op. 20. S. 126.
Huth, Louis, Lieder für Männerstimmen. 2 Cah. S. 763.
Kalliwoda, W., 4 Gesänge für Sopran, Alt, Tenor uod Bass.
Op. 124. S. 438. 582.
Keller, C, 6 Gesänge für 4 Männerstimmen. Op. 49. S. 126.
Kempt, F. A., 3 4stimmige Mäonergesänge. S: 203.
Kohl, R., 44 Mutter-, Kose- uod Spiellieder von Fr. Fröbel,
2stimmig gesetzt. S. 467.
Kossmaly, C. r 6 Lieder. (Apollini. Tafelgesäoge für Manner-
stimmen. Heft XV1I1.) Op. 10. S. 126.
Krug, Fr., Der Schiffer und sein Liebchen, von L. Bechstein,
und Wiedersehen, von A. v. Chamisso', 2 Duetten für
Sopran und Tenor, mit Begl. des Pfte,. Violine und
Violoncello. Op. 17 u. 18. 2 Hefte. S. 26.
Kücken, Fr. , 5 Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass. Op. 41 .
S. 291.
Rnustmann, J. G., Nachtwäcbterweisheit, für Männerstimmen.
S. 202.
Laehner, Fr., 3 Lieder für 4 Männerstimmen. Op. 71. S. 126.
Lührss,C, 4 Gesänge Für Stimmigen Männerchor. Op. 5. S.268.
Ma r sehn er, Dr. H., Rheinweinlied vonG. Herwegh, für 4 Männer-
stimmen. S. 224.
Marsch ner, A.B., 6 Lieder für 4 Männerstimmen. Op. 15. S. 762.
Marx, A. B., Nahid and Omar, eine Novelle aus den Bildern des
Orients erlesen, für Gesang und Pianoforte. S. 329.
Marxsen,Ed., ff Tafellieder für 4sHmm igen Mannerchor. Op. 50.
S. 126.
Mal oh er, J., 6 Gesänge für Sopran. Alt, Tenor an* Bass. 2 Hefte.
S. 438.
Methfeisel, A., Di« Rheinländer. Heitere Cborgesaoge and
Quartette für Männerstimmen. Heft VII. S. 764.
M5hring,Ferd., 4 Gesänge für 4 Mänoerstimmen. Op. 11. S.224.
Molitor, L., Eine Liederkransprobe, Burleske für Männerchor.
S. 4*B. r
Neithardt, A., 6 Lieder für 4 Männerstimmen. 2 Hefte. Op. 126.
S. 224. *
Otto, Fr., Letzte Lieder, für 4 Männerstimmen. S. 126.
RebUng, G., 5 Gesänge für 4 Männerstimmen. Op« & S. 126.
Rtithel, A., 6 Ittfnfmfee Lieder Air Sopran, Alt. fener und
Bass. Op. 10. Nr. 2. S. 236.
Re issiger, C. G.» Männerchorgesänge und Quartetten. Op. 176.
2te Sammlung. Heft 1. S. 581. f
Seh äff er, Aug., Heitere Lieder für 4stimmigen Männergesaog.
Op. 8. Heft 3. S. 580.
— Heft 4 und 5. S. 764.
S c h n e i d e r, Dr. F. , 6 Lieder für 4etimmigen Männerchor. Op. 100.
S. 270.
Spei er, W., Liebesfrühling von Fr. Rückert, für Sopran uod
Tenor. Mit Begleitung des Pfte. Op. 48. S. 440.
— Gesänge für Mänoerehor. Op. 44. Nr. 2. S. 764.
Stolze, H. W. , Wanderung durch den thüringer Wald von L. Sech-
stem, für 4 Männerstimmen. Op. 47. S. 237.
Truhn, H., Duett für Sopran ond Tenor: „Ah, che mi manca
Tanima." Op. 52. S. 88.
Wiehtl, G., 6 Gesänge für 4 Männerstimmen. Op. 7. S. 224.
Zöllner, A. , Liebe. Religiöser Chorgesang von Hoffmann von
Fallersleben, för Männerchor mit Begleit, von 2 Hörnern
und 2 Posannen ad libitum. S. 763.
Zöllner, C, Nachtklänge der Liebe, 5 Gesänge für 4 Männer-
stimmen. S. 762.
ß) Lieder und Gesänge für eine Singstimme. _
An ecke r, A. F., 6 geistliehe Lieder für eine Bariton- oder Alt-
stimme, mit Begleit, des Pfte., und 2 Choräle. Op. 26.
S. 608.
Banck, C, 5 Lieder für eine Bass- oder Baritonstimme mit Begl.
des Pianoforte. Op. 52. S. 27.
— 6 Lieder von Otto A. Banck, für eine SingsUmme mit
Pianofortebegleitung. Op. 55. S. 697.
Bergson r M., 2 Romances. S. 347.
Brandenburg, Ferd., Ein Ton voll süssen Klanges, Lied für
eine Sing stimme mit BegL des Pianoforte uod Violonoello
• (oder Hörn). Op. 13. S. 699.
Burgmüller, Fr., Den* souvenir. Melodie. Paroles d'Hippolyte
Dugied, mit französischem und deutschem Texte. S. 37.
Corner, Fr., 6 Lieder mit Begl. des Pfte. Op. 33. S. 698.
C ramer, H., „Du," Gedicht von C. Rode, mit Begl. des Pfte.
S. 453.
De s sauer, Lieder und Gesänge. 4 Nummern. S. 87.
Drieberg, Louise von, 6 Lieder für Sopran oder Tenor,, mit
Begleit, des Pfte. Op. 5. S. 70.
Bügel, C, 3 Lieder mit Begfeit. des Pfte. Op. 5. S. 88.
Esser, H., „Hol' über," Gedicht von Tenner, mit Begleit, des
Pfte. S. 37.
— „ Mutterseelenallein ," Lied von Tenner, mit Begk den
Pfte. S. 37.
— Schlummerlied und „Sie liebt Dich," gedichtet von
Tenoer, mit Begleit, des Pfte. S. 37.
Evers, C, Orientalische Bilder, mit Begleit, des Pfte. Op. 15.
S. 86.
— 4 Gedichte von N. Leoan. Op. 17. S. 86.
Fräst, R., 12 Gesänge für Sopran oder Tenor, mit Pfte. Op. i» '
2 Hefte. S. 90.
Grell, A. E., 6 Lieder mit Begleil. de* Pfte. Op. 23. S. 26.
Gumbert, Ferd., 6 Lieder für Sopran nnd Tenor mit Beaieit.
des Pfte. Op. 2. S. §9.
Eäser, C, 3 Lieder mit Begleit, des Pfte. Op. 6. S. 700.
Habn, W., Lied des Rindes, von Goethe, mit Begleit, des Pfte.
Op. 1. S. 85.
Belttedt, C. r O Gesänge mit Begleit, des Pfte. Op. 1. S. 70.
HiLler r F., 6 Gesänge mit deutschem und italienischem Texte n.
Begleit, des Pianof. Op. 23. % Hefte. S. 700.
VI
Heren, J., 5 Gesinge von O.Preebtler ondGtfthe. Op. 30. S. 345*
— Sonntag auf dem Heere, mit Bereit. des Piaof. Op. 24.
S. 584.
Laehner, Fr., 3 Lieder mit Begleit. des Planet Op. 76. S. 55?.
— 3 Lieder mit Begleit, des Piano'. Op. 77. S. 552.
Lei cht, Vioe., Die Noane, Gedieht von J. Mose« mit Befleit.
des Pianof. Op. 13. S. 38.
— „Auf Flögein dee Gesanges," Gedieht toi Heine, mit
Begleit, des Pianof. Op. 14. S. 38.
Leu, Leop., 12 Gedichte reo Fr. RHekert, mit Piano and obli-
gatem Violoncelle. Op. 36. Nr. 1—6. für Sopran oder
Tenor. Nr. 7-12. fiir Alt oder Bariton. S. 346.
Liebe, Lonis, 6 Gedieh te von Fr. Ludwig, mit Begl. des Piano f.
Op. 2. S. 698.
— „Schwinge, Lüftchen," Gedieht von Fr. Ludwig, mit
Begieit. dee Piano u. Violoncello. S. 698.
Lffwe, C, Meerfohrt, Ballade von Freiligrath, mit Begleit, des
Pianof. Op. 93. S. 694.
Lahrs», C, 6 Lieder mit Begleit, des Piano. Op. 6. S. 699.
Marse hner, Dr. H., Caledon. N. Motherwells Lieder, übersetzt
von Heime, für' Sopran oder Tenor nnd Piano. Op. 125.
Heft. 1. S. 24.
— 2Vigilien für eine Sopran- oderTenorstimme mit Begl.
des Piaoof. Op. 120. S. 85.
— Junge Lieder von Wotfgaog Müller, für eine Teoor-
oder Sopranstimme. Op. 126. S. 583.
Matthienx, J., 6 Lieder mit Piano. Op. 18. S. 699.
Molen ort, J., Was willst Da mehr, Lied fo> Sopran oder Tenor
mit Begleit, des Pianof. Op. 12. S. 693.
— Die Entdeckungsreise, für Tenor mit Pianof. Op. 14. S.693.
Mö bring, Ferd., 5 Lieder mit Begleit, des Pianof. Op. 12. S.25.
Moser, C, 3 Lieder. Op. 14. S. 346.
Moli quo, B., 6 deutsche Lieder mit Begleit, des Piano. Op. 23.
2te Sammlang der Lieder. S. 583.
Neithardt, A., 2 Lieder mit Begl. des Piaao. Op. 129. S. 345.
Not x er, J., Mein Element, von Ritter von Treuberg. Mit Pianof.
Op. 14. S. 90.
Nicolai, G., Der näehtliehe Ritter, und: das Schifflein, 2 Ro-
manten von Uhland, mit Begl. des Pianof. Op. 12. S. 89.
— Des Seilers Tochter, Ballade von Ferrand, mit Begl.
des Pianof. Op. 14. S. 89.
— Der Liebe Lost nnd Leid, Licderkranx von Gentzel,
mit Begl. des Pianof. Op. 19. S. 89.
Oechsaor, A., In die Ferne, Gedieht von Riet ke, mit Begl. des
Piaoof. Op. 3. S. 38.
— Das Fischermädehen, Gedieht von Heine, mit Begl. des
Piaoof. u. Violoncello. Op. 4. S. 38.
— 3 Lieder mit Begl. des Piano. Op. 2. S. 452.
Reiasifer, CG., 3 komische Lieder für Bariton oder Base (mit
Chor ad libitnm) mit Begl. des Piano. Op. 172 b. S. 345.
Rosenhain, J., Das öde Hans, Ballade von Kahlert, mit Begl.
des Pianof. S. 38.
Schladebach,J., 7 Lieder mit Begl. des Pianof. Op. 12. S. 203.
Seh amano, Clara, 6 Lieder mit Begl. des Piaoof. Op. 13. S. 254.
Scbwencke, C, 6 Gedichte von Goethe, für Tenor oder Sopran,
mit Begl. des Piaoof. Op. 61. 2 Hefte. S. 25.
— 3 Gedichte aas der Fritbiofs-Sage, für Sopran oder Tenor,
mit Begl. des Pianof. Op. 57. S. 25.
— 3 Gedichte für eine Sopran- oder Tenorstimme mit Begl.
des Pianof. Op. 59. S. 69.
Speier, W., Die Stille, Gedicht von M. v. Eicheaderff, mit Begl.
des Pianof. Op. 46. S. 37.
— Die Einsame, Gedieht von Schuhmacher, mit Begl. des
Pfte. Op. 47. S. 37.
Staadigl, J., 6 Lieder für eine Bass- oder Baritonstimme mit
Begl. des Pianof. Op. 20. S. 71.
Stern, J., 4 Lieder Kr eioe Sopran- oder Tenorstimme mit Begl.
des Piaoof. Op. 17. S. 109.
Tiehsen, O., 6 Gedichte von Uhland, Mosen, Brentano «.s.w.
Op. 22. S. 347.
Tomaschek, Gedichte von Schiller. Op. 85— 89. 5 Hefte. S. 111.
— 3 Gesänge mit Begl. des Pianof. Op. 92. S. 111.
— 3 Gesänge von Schutt, mit Begl. des Pianof. Op. 77.
S. 111. r
Trommel und Fahne. Bin Ltedercyelns; von Job. N. VogU mit Mo-
lodieeo von den vorzüglichsten Capellmcistern der k. k.
batreich. Armee. S. 26.
Truhn, H., Das Blumenmädchen, für Mezzosopran und Pianof.
Op. 63. S. 88.
— Prinzessin Ilse, Gedicht von Heine, für eineSepraastimme
mit Begl. des Piaao. Op. 55. S. 597.
Veit, W. H., 6 Gesänge mit Begl. des Piaaof. Op. 21. S. 598.
Weiss, J., Waoderlieder, für eioe Sopran- oder Tenorstimme.
Op. 9. S. 70.
Wichtl, G., Sehosueht, von C. Heinemao n, für eine Tenor- oder
Sopranstimme mit Begleit, des Piaaof. nnd Violoncello.
Op. 6. S. 255. i
B. Instrumentalmusik.
a) Symphonieen und Ouvertüren fiir Orchester.
Berlin. Grande Ouvertüre triomphale a graad Oreheetre. Op. 66.
S. 691.
M ü 1 1 e r, Fr. , Denxiemo Symphonie pour graod Orchestre. Op. 54.
S. 729.
b) Concerte nnd Solostücke mit Orchester-
begleitnng.
Handel, G., 4ieme Coneert pour le Piano ou Orgne avee aoeom-
pagnement de 2 Violons, Alto, Basses et 2 Hautbois, re-
dige par Mortier de Footaine. S. 568.
Ole Ball, Fantaitie etVariatioos de hravoure sur un theme de Bel-
lini, pour Violon avec Orchestre ou Piano. Op. 3. S.735.
c) Kammermusik.
aa) Für mehrere Instrumente.
Briccialdi, G., II primo Amore, Fantaisie pour la Flute avec
aecompagnement de Piano. S. 729.
Gade, N. W., Sonate fdr Pianof. und Violine. Op. 6. S. 151.
Kalkbrenner et Panofka, Duo poor Pianof. et Violoo sur
Charles VI. Op. 168. S. 287.
Lach ner, Fr. , 3 Qoatuors pour deux Violon», Alto et Violoncello.
Op. 75. 76. 77. S. 873.
Leo n ha r dt, J. E., 2 Sonaten für Pianof. und Violine. Op. 10.
Nr. 1. S. 689.
LSschhorn et Griebel, Grand Don pour Pianof. et Violoncelle
ou Violon sur la fille du Regiment. S. 287.
Mendelsschn-Bartholdy, F., Sonate fdr Piaaof. u. Violon-
cello. Op. 58. S. 149. •
Molique, B., 3 Qoatuors pour 2 Violons, Viola et Violoncelle.
Op. 18. S. 233.
— Duo ooncertant poor Piano et Violoo. Op. 20. S, 733.
Motte bohm, G., Premier Trio pour Piano, Violon et Violoncelle.
Op. 4. & 733.
Schubert, L., Grand Qfoatuor pour Piano, Violon, Viola et
Violoncelle. Op. 32. S. 287.
Schumann, R., Quintett für Pianof., 2 Violinen, Viola u. Violon-
cello. Op. 44. S. 148.
Spobr, L n Sieme Trio coneertant pour Piano, Violon et Violon-
celle. Op. 124. S. 150.
Thalberg et Panofka, Graod Duo pour Piano et Violen sur
Beatrice di Tenda. Op. 49. S. 287.
Wolff etVieuztemps, Grande Fantaisie pour Piano et Violen
sur Oheron. Op. 89 et 14*. S. 287.
bb) Eür ein Instrument.
et) Für Orgel.
Grell, A. B., 36 karte und leichte 4 stimm ige Orgelpralndieo.
Op. 29. S. 277.
Jag er, J., 12 leichte Vorspiele u. s.w. fdr die Orgel. Heft 2. S. 658.
Her sog, J. €., Practisehes Hulfsboeh für Organisten. Op. Iß.
8 Hefte. S. 658.
Zundel, J., 2 Orgelfbgea mit 3 Suhjecteo. Op. 4. S. 058. . ,
VH
VW
ß) Fir PiaoofbHft,
aa) Zu zwei H&nden. •
Alvensleben, 6. ▼., 4 Charakterstück«. Op. 3. S. 53.
Bad t k# ve o, L. v. , Christo* am Oelberge, für Pianof. ohne Worte
von C. Czeray. S. 692,
B»rti*i,H., 50 Etadea mdlodiqaas. Op. 142. Livr. 1 et*. S. 22.
— Le double bemal, Roodiae-Etude. Op. 144. S. 2&.
— Etüde et Andante. Op. 147. S. 22.
— L' Impromptu, Roodo-valsc. Op. 146. S. 53.
— Fantaisie brillaate für Marie de Roban. Op. 151. S. 304.
Beyer, F., Bouquet de melodies de Lucia di Lammermoor. Op. 42.
S. 304.
— La fe*te an coovtnt S. 53.
Burgmüller, Fr., Empfindungen am Ciavier. 12Uebungen. Op. 73.
8. 53.
Chopin, F., 3 Mazurkas. Op. 56. S. 820.
~~ 2 Nocturnes. 0p. 55. S. 820.
Cranz, A. F., Sooates dramatioues. Nr. l.'S. 63.
— Sooates dramatiques. Nr. 2. 8. 689.
Damcke, Berthold, La footaine, le feo fallet, 2 morceaax de
saloo. Op. 13. Cah. 1 et 2. S. 40.
— . La deinaode. Allegro caraetertstiqne. Op. 16. S. 568.
Deich ert, Musicalische Empfindungen während des Gebrauchs
der Kaltwasserkur io Wolfsanger. S. 695.
Dotier, Tb., 50 Etodes de Saloo. Op. 42. Cah. 4. S. 23.
' — , Fantaisie sur Ssppho de Pocini. Op. 49. S. 661.
— FanUisie sor la Favorite. Op. 5t. S. 734.
— 8ieme, 9ieme et lOieme Nocturne. Op. 52. Nr. 1 —3.
S. T34.
Duvernoy, J. B., Fantaisie snr Follette. Op. 131, S. 661.
— Los roses de Noel, Valses. Op. 132. S. 661.
Ender, J. N., Rondo pastorale. Op. 3. S. 662.
Engel, D. H., Rondo capriceioso. Op. 5. S. 126.
Kvere, C* 3ieme Sonate. Op. 22. S. 732.
Fese«, A., Hommages aux Dames. Op. 35. 3. 735.
.*. Le Dlsir. Morceau de Saloo. Op. 36. S. 735.
— Iatrod. et Rondo espagool. Op. 34. S. 735.
Goldtchmidt, S., Sonate. Op. 5. S. 53.
Coline 11 i, Steif., Dodiei studj. Op. 15. S. 365.
Gouppey, Felix de, 12 Etudes expressives. S. 734.
6ns gl, Madobenträume, Walzer. S. 695.
Heller, St., Morceaax de Salon. Etudes melodiques. Op. 16.
S. 53>
— FantaUie sor Charles VI. Op. 37. S. 304.
> — 25 leichte, melodieose Uebnngs(ücke. Op. 45. Livr. 1 — 3.
S. 313.
«-. Impromptus et 2 Caprices snr des melodiea favorites de
Reber. Op. 20. S. 735.
Harz,, 3 Divertissemens snr Dom Sebastian. Op. 139. S. 304.
,-h. H., Grande Fantaisie snr nn motif de Linda di Cha-
mounix. Op. 138. S. 569.
Hiller, F., 3 Moroeaux de Saloo. Op. 29. S. 568.
• Hunten, Fr., Variations snr Maria Padilla. S. 53.
.«_ Fantaisie brillante snr Nabucodooosor. Op. 127. S. 53.
La Cerrito. Valse italienne. S. 53.
-*- Los DlUces des jeuaes Pianistes. 4* Rondeanx Nr. 1 et 2.
Op. 130. S. 304.
~» Rose et Bleuet. 2 Airs varie«. Op. 131. S. 304.
Ralkbrenner, Fr., Fantaisie brillante snr la romaocei Le fil
de la vierge. Op. 170.. S. 569.
Souvenirs de la Sirene. Fantaisie. Op. 180. S. 569.
Köhler, L., Compositioni de Salon (saos paroles) modernes et
caracteristiques. Op. 1. S. 570.
Rullaok, Tb., Morceanx de Salon (Portefeuille de Musiqne).
Op. 20. 5 Cah. S. 552.
— Transseriptioos, Egmont. Op. 6. S. 696.
— Premiere grande Fantaisie snr Marie la Alle dl regiment.
Op. 13. S. 696.
— riniaisie -de Concor* sur Preeiosa. Op. 14. S. 696.
Liszt, F., Remiaiscehces de Nerma. S. 394.
— Heroiseber Marsch in ungarischem Styl. £ 695.
Liwe, C, Bibliseha Bilder. Op. 96. 3 Haft* 9. 551.
Lntrsi, C, DatJanb* Lieder fe> Plana allein. & 696;
Lysberg, Cb. B. de, Barearolle. Op. 1. 8. 660«
— Andante. Op. 12. S. 660.
-» 4 Romaoeee saas parelea. Op. 16. S. 660»
Mayer, Gh., Le treaoU. Grande etude. Op. 61. Nr, 2. S. 566.
— 2 grandes etadea de eoneert. Op. 75. S. 666.
M eich ert, J., 2 Morceaax de Salon. Op. 11. S. 661.
Meyer, Ltop. de, Valse* brillantes. S. 766.
Müller, R., Nocturne. Op. 15. S. 570.
— Fantaisie snr Lneia di Lammermaor. Op. 22. S. 579.
Oesteo, Th., Variations brillantes avee Finale alle Maxorka snr
na tbeme Italien. Op. 8. S. 567.
Paeber, J. A., 3 Etudes de Salon. Op. 3. S. 765.
Pirkhert, Ed., 6 Melodies. Op. 9. S. 571.
Prndent, E., L' hiroodelle. Etnde. Op. 11. S. 53.
— Souvenirs de Schobert snr la Sirenade. Op» 14. S. 734.
Raff, J., 3 Pieces caracteristiques. Op. 2» S. 666.
— Scherzo. Op. 3. S. 566.
— . Fantaisie brillante. Op. 4. S. 566.
— 4 Galopa bri Hanta. Op. 5. S. 566..
— Fantaiaie et Vsriatioas brillantes. Op. 6. & 566.
Ro ecket, Ed., Denx Caprices. Op. 3. S. 669.
— Reveries. Op. 6. S. 659.
— 2 Romano*. Op. 7. S. 659.
— 2 Serloades. Op. 11. S. 734*
Ro s e 1 1 e o, H., Decameron des jeonea Pianistes. Op* 55. Nr. 1 - 10.
S. 53.
— Fantaisie snr Charles VI. Op. 56. S. 53.
— Rondo valse. Op. 57. S. 53.
— 12 Etndes brillantes. Op. 60. 2 Snitea. S. 453.
Schliefen er, A., Sonnte. Op. 1. S. 662.
S c h m i 1 1, J., Amusemens de salon. 3 nouveUen nocturnes. Op. 329.
S. 4t.
Schreins er, F. M., 6 Eglognes. Op. 7. S. 304,
Sehnbert, Fr. ,5 Ciavierstücke. S. 168.
Sowiaeki, A., Grandes Etndes de oeoeert a aaieU d{velopati.
Op. 60. S. 23.
Spehr, L., Sonate. Op. 125. S. 151.
Tbälberg, S., Grande FanUisie surLncreaiaBorgis.Op.50. S.569.
— Grande Fantaisie snr Semiremide. Op. 51. S. 569.
Voss, C, Le Gondolier. Op. 50. S. 303.
— FanUisie ellg. snr la Sirene. Op. 59. S. 734.
— Morceau burleeque de Salon. Op. 56. S. 735.
— Coneertstück in Form des Concertino. $. 821*
Wichmann, H., Sonate. Op. 1. S. 767.
Wi.elhorski, Joseph Comte, 2 Nocturnes. Op. 11. S. 552.
— Grande FanUisie snr des motifs dn Pirate. Op. 13. S. 765.
— 3ieme Impromptu. Op. 14. S. 765.
Wolff, E., Grande Valae aar Charles VI. Od. 88. S. 53.
— L'art de l'expressioa, 24 etadea facilea et progress.
Op. 90. Liv. 1 et 2. S. 313.
— Bolero. Op. 93. S. 569.
— Grande Valse originale. Op. 97. S. 569.
— Grand Caprice snr Dom Sebastian. Op. 99. S. 569.
— 8 oonvelles Polkas favoritea. 2 Livr. 8. 570.
ßß) Zu rier Händen.
Bert in i, H., Duo sur la Part dn diable. Op. 148. S. 53.
Burgmüller, Fr., La Pete an conveoL S. 53.
Duvernoy, J. B., (Joe peusle de Bellini, Variations). Op. 129.
S. 661.
Fesca, A., Scene de Bai, morceau de Salon. Op. 14. S. 766.
— La Melancolie, piece earacteristique. Op. 15. S. 767.
— FanUisie et variations snr Le cor des Alpes. Op« 17.
S. 767.
Moscheies, J., Tägliche Studien. Op. 107. Heft 1 a. 2. S. 313.
Schumann, R., Andante aad Variationen für 2 Pianof. Op. 46.
S. 303.
Schwenke, C, 6 Divertissemens en forme de manuhes. Op. 60.
Cah. 1 et 2. S. 39.
Wolff, E n Grand Dno brillant snr Charles VL Op. 66. S. 53.
— Duo brillant« Op. 96. S. 569.
— Fantaisie sur Dom Sdbastien. Op. 98. $. 660.
IX
ff) Zu acht Händen.
Beethoven, L. v. , Ouvertüre zur Oper Leenore (Nr. 3.), zu
8 Händen eingerichtet von G. M. Schmidt. S. 692-
— Ouvertüre zur Oper Fidelio, zu 8 Händen eingerichtet
von G. M. Schmidt. S. 768.
r ) Für Violine.
Bach, Seh., 6 Sonaten für die Violine allein, herausgegeben von
F. David. 3 Hefte. S. 169.
IV. Correspondenz.
Berlin. S. 75. 172. 241. 315. 366. 442. 445. 489. 4V1. 752. 822.
859. 860.
Brannschweig. S. 735.
Breslau. S. 191.
Cassel. S. 209. 321. 663. 799.
Cöin. S. 275. 386.
Bannstadt. S. 641.
Dresden. S. 27. 440. 650.
Erfurt. S. 192. 796.
Frankfurt. S. 136. 411. 473. 719. 748.
Genua (Hcrzogthum mit Grafschaft Nizza). S. 116. 372. 524. 827.
Gent. S. 534.
Görlitz. S. 883.
Göttiogeu. S. 289. 701.
Hamburg. S. 57. 474. 652. 704.
Italienische Opern ausserhalb Italien. S. 207. 557. 881.
Kirchenstaat. S. 193. 353. 507. 809.
Königsberg. S. 185. 493.
Leipzig. S. 9. 41. 59. 72. 97. 129. 134. 152. 169. 226. 256. 309.
385. 553. 584. 667. 682. 706. 741. 754. 755. 769. 786.
804. 825. 842. 863. 867. 883.
Lemberg. S. 239.
Lombardisch -Vene tianise hos Königreich. S. 99. 388. 525. 828.
London. S. 405. 454. 502.
Modeoa und Parma (Herzogtümer). S. 142. 368. 523. 812.
Nordhansen. S. 460.
Paris. S. 324. 424. 433. 574. 585.
Petersburg. S. 332.
Piemont (Königreich). £. 116. 369. 524. 827.
Poaen. S. 454.
Prag. S. 91. 260. 347. 456. 517. 598. 837. 877.
Radotstadt. S. 663.
Salzburg. S. 673.
Sardinien (Insel). S. 141. 372.
Sicilien (Königreich beider). S. 196. 337. 505. 808.
Stressbarg. S. 631.
Toscana (Grossberzogthnm). S. 174. 357. 521. 811.
Weimar. S. 161. 243. 290.
Wien. S. 14. 634.
Zullichau. S. 653.
V. Mis c eilen.
Aeademie derKiiaste in Berlin, MusikaufFnhrungen derselben.
S. 491.
A g u i 1 a r, Componist und Pianist ans London (in Frankfurt). S. 428.
Association des Artistes-Musiciens in Paris. S. 213.
Bazzini, Antonio, Violinist (in Leipzig). S. 808. 826. 868.
Becker, C. F. , dessen Orgeleoneerte in Leipzig. S. 584. 758.
Beförderungen und Anstellungen: Bader S. 743. Damcke
S. 622. Dreysehock S. 80. D ärmer S. 830. Freiherr von
Freys S. 118. Halevy S. 158. Hermann S. 814. Hesse
S. 772. Hallen S. 118. Hummel Sohn S. 620. 830. Lvoff
S. 80. Pentenrieder S. 772. Preyer S. 463. Ritter S. 543.
Ronconi S. 104. Rubini S. 326. Thomas S. 772.
Berlioz, Heftor (in Paris). S. 437. Dessen Rieseneoncert S. 586?
Birch, Miss, Sängerin (in Leipzig). S. 12. 43. 69. 72. 73. (in
Weimar^ S. 292. (in Berlin) S. 317.
Bott, J. J., Violinist (in Leipzig). S. 60.
Brendel, dessen Vorlesangen in Leipzig. S. 385.
Briccialdi, Flötist (in Prag). S. 96.
Burchardt, Mad., Sängerin (in Leipzig). S. 98. 129.
Ciabatta, Sänger (in Leipzig). S. 43.
CÖln, Sammarischer Bericht über die dasigen musikalischen Kräfte
und deren Leistungen im Winterhalbjahre 1843 — 44.
S. 306.
Cooservatorinm der Musik in Leipzig. S. 754.
Dessaoe, dessen Erfindung des Melophon. S. 80. 446.
Dommusikverein in Salzburg, dessen Festcoacert. S. 673.
Dreysehock, Pianist (in Frankfurt). S. 140.
Ehrenbezeugungen: Becker S. 80. BelckeS. 176. Berlin S. 846.
Berlioz S. 430. Commer S. 262. 321. Donizetti S. 462.
Dreysehock S. 494. Ernst S. 870. Evers S. 120. Franck
S. 144. Gläser S. 846. Googl S. 814. Kalkbrenner
S. 686. Körner S. 543. Kopisch S. 262- Lindpaintner
S. 198. Nicola» S. 544. Panseroo S. 103. Pauer S. 686.
Reissiger S. 559. Ruagenhagen S.886. Schneider S.464.
Spontini S. 886. Stuckeoschmidt S. 672. Täglichsbeck
S.230. Westmoreland, Graf von, S. 118.
Ernst, Violinist (in Leipzig). S. 786. 808. 866.
Eophonion, erfunden von Sommer in Weimar. S. 32-
Evers, Pianist (in Prag). S. 96.
Fassmann-Seckendorff, Frau von, Sängerin (in Leipzig).
S. 707.
Festeper, die neue, und die Eröffnung des neuen Opernhauses ia
Berlin. S. 860.
Fisch er- Achten, Mad., Sängerin (in Leipzig). S. 770.826.
Ge b u r t s f e s t des Königs von Preussen, dessen musikalische Feier
in Erfurt. S. 796.
Göttingen, Concert daselbst bei der Hauptversammlung des
Gustav-Adolph-Vereines. S. 701.
Goldschmidt, Pianist (in Berlin). S. 172.
Gundy, Sänger (in Frankfurt). S. 473.
Här tinger, Sänger (in Berlin). S. 189. 258.
Hellmesberger, Bruder (in Frankfurt). S. 723.
Herder, J. G., dessen Säcularfeier durch die Liedertafel in Weimar.
S. 618.
Inaugurationsfest in Darmstadt. S. 641.
Joachim,.!., Violinist (in Leipzig). S. 74.
Italien, Garneyal- und Fastenopern. S. 337. Frühlingsstagioae
S. 505. Herbstopern S. 99. Sommerstagione S. 784.
Italienische Oper in Berlin. S. 753.
Kai li wo da, Violinist (in Leipzig). S. 13.
Kaufmann, Akustiker (in Berlin). S. 367. 442.
Königsberg,' MusikaufTuhrungen' bei dem Uni versitäts-Jubel feste
daselbst. S. 742.
Leipzig, Concerte der Enterpe. S. 256. Uebersicfat der in den Ge-
waodhausconcerten im Winterhalbjahre 1843 — 44 auf-
geführten Musikstucke. S. 373. Verzeichniaa der von
der neuen Theaterdircction angestellten Sänger und
Sängerinnen. S. 553. Stadttheater. S. 667. 863.
Leschetitzky, Pianist (in Prag). S. 841. 877.
Lincoln, Miss, Sängerin (in Leipzig). S. 867. 884.
Liszt (in Weimar) S. 163. 243. 292. (in Paris) S. 324.
Litolff, Pianist (in Leipzig). S. 826.
Lvoff , Violinist (in Dresden). S. 440.
Macasy, FräuL, Sängerin (in Leipzig). S. 132. 171.
Mahl, Dr. Moritz, in Lemberg. S. 238.
Marx, Fräul., Sängerin (in Leipzig). S.226.
Meyer, Leop. von» Pianist (in Frankfurt). S. 748.
Milanollo, Schwestern, (in Leipzig) S. 134. 153. (in Prag) S. 273.
(in Berlin) S. 315. 366. (in Hamburg) S. 478.
Moralt, Bruder, (in Leipzig). S. 45.
Moria n i, Säoger, (in Leipzig) S. 41. (in Prag) S. 91. (in Berlin)
S. 259. (in Hamburg) S. 476.
Mortier de Fontaine, Herr u. Mad., (in Berlin) S. 241. 317.
(in Leipzig) S. 741. 771. 788. 804. 825. 843. (in Prag)
S. 840.
Mescheles, Mendelssobn-Bartholdy und Ernst, deren
Concert in London. S. 454.
XI
xn
Mozartttiftuftg in Frankfurt S. 830.
Musik feste: Sehnllehrergesangfest in Beedenbottel. S. 416. Ge-
saugfest in Berohofen. S. 7*6, Sebnllehrergesangfest ia
Bielefeld. S. 46. Gesangfest in Bocken em. S. 709. Schal-
lehrergesangfest in Büren. S. 46. Musikfest in Cb'ln.
S. 446. Gesaegfest in Darmstadt. S. 796. in Freisinn
S. 527. Wettgesangfest in Gent. S. 5*6. 534. 560.
Lieder- und Turnfest in Gmünd. S. 462. Liederfett des
Thüringer Sängerbundes in Getht. S. 602. Seh ul lehrer-
gesangfest in Hagen. S. 46. Norddeutsches Liederfest in
Hameln. S. 527. Gesangfest in Johtnngeorgenstndt. S.640.
Das erste Badische Sängerfest in Karlsruhe. S. 726.
Schweizerisches Masikfest in Kreuzungen. S. 510. Musik-
fest in Lübeck. S. 527. Gesangfest in Meissen. S. 571.
Sängerfest der Nassanisehen Lehrer. S. 726. Sängerfest
in Niederrad. S. 620. Gesangfest der Constantia in Nord-
hausen. S. 460. Masikfest in Pnris. S. 586. 588. Sänger-
fest In Rödelheim. S. 726. in Schleswig. S. 589. Gesang-
fest in Sehwarzenbeck. S. 589. in Unter bannen. S. 726.
SehuUehrergesnngfeit in WaAndorf. S. 46. Gesangfest
in Wertheim. S. 726. Musikfest in Züllicbau. S. 653.
in Zweibrücken. S. 590.
Musikwerke (vermischte), in Nachrichten besprochen t C o m m e r,
Fr., Der Zauberring, Cautate (in Berlin) S. 318. Gadc,
N. W. , Concertoavertare (in Leipzig) S. 806. 844.
H a r t m a n n, P. E., Ouvertüre an Haken Jarl (in Leipzig)
S. 741. Mendelssobn»Bartholdy, F., Musik au
Shakespeare'* Sommernachtstraum (in Leipzig) S. 10. (in
Hamburg) S. 475. Musik zur Antigene (in Caasel) 8. 663.
Müller, Tb., Ouvertüre (in Leipzig) S. 97. Schu-
mann, Hob., Das Paradies nnd die Perl (in Dresden)
S. 28. Skraup, J. N., Trio für Pianof., Violine und
Violoncello (in Prag) S. 94.
Naumann, dessen Denkmal in Blasewitt. S. 264.
Neureuther, Fr aal., Sängerin (in Posen). S. 445.
Nissen, Fräul., Sängerin (in Dresden). S. 651.
Ole Ball (in Hamburg). S. 57.
Opern, in Nachrichten besprochen t A u b e r, Des Teufels Anthell
(in Prag) S. 261. (in Hainbarg) S. 474. Die Sirene (in
Paris) S. 424. (in Leipzig) S. 864. Benedict, J., Die
Bräute von Venedig (in London) S. 405. Donizetti,
Linda di Chamounbc (in Prag) S. 456. Dorn, H., Der
Schöffe von Paris (in Leipzig) S. 681 . Lindpairitner,
P. , Die sicilianisebe Vesper (in Caasel) S. 209. L o r t a i n g,
A., Der Wildschütz (in Prag) S. 260. (in Frankfurt)
S. 412. (in Gassei) S. 800. Die beiden Schützen (In
Cassel) S. 336. M e y e r b e e r, Ein Feldlager in Schlesien
(in Berlin) S. 860. Moz ar t , Die Zauberflöte (in Berlin)
S. 443. N e tz er, J., Mara (in Leipzig) 8. 682. (in Cassel)
S. 684. (in Berlin) S. 752. Nicolai, O., 11 Templario
(in Berlin) S. 752. Schmitt, AI., Das Osterfest zu
Paderborn (in Frankfurt) S. 138. Seidelmann, Das
Fest zu Kenilworth (in Breslau) S. 191. Verdi, G., Na-
bueodonosor (in Berlin) S. 752. Wagner, R., Der flie-
gende Holländer (in Berlin) S. 187. Cola Rlenzi (in Ham-
burg) S. 474.
Oratorien und gel stürbe Werke, In Nachrichten be-
sprochen: Assmayr, J., 2 Psalmen (In Wien) S. 31.
Händel, Hercules (in Wien) S. 30. Judas Maccabaeus
(in Berlin) S. 242. Jepbta (in Dresden) S. 307. Messias
(in Cassel) S. 336. Huydn, Die Sehtipfting (in Wieo)
S. 29. Hiller, F., Die Zerstörung Jerusalems (in
Leipzig) S. 169. (1° Berlin) S. 173. Kittl, Grosse Messe
inCdur(inPrag) S.837. Mendelssohn-Bartholdy,
Paulus (in Prag) S. 353. Mozart, Requiem (in Leipzig)
8.309. Spohr, Der Fall Babylons (in Brannschweig)
S. 735. (in Leipzig) S. 768.
Palmsonntagseoneert in Dresden. S. 306.
Paltrio ieri, Sänger (in Berlin). S. 444.
Paris, Abgaben der daafcjen Theater am dt* Armen. S. 102. Die
Industrieausstellung daselbst in Bezug auf musikalische
Gegenstände. 8. 726.
Paner, B., Pianist (in Frank fort). S. 155.
Pellegrinl, Sänger (in Berlin) S. 444.
Pischek, Sänger (in Prag) S. 855.
Pro isanssch reiben de» Musikvereins in Mannheim. S. 829.
Prüme, Violinist (in Frankfurt) S. 154. (in Ctssel) S. 228. (in
Berlin) S. 823.
Riets, J., Violoncellist (in Leipzig). S. 133.
Roeekel, E., Pianist (in Leipzig). S. 98.
Rosenhain, J., Pianist (in Frankfurt). S. 155.
Rosetti, Fräul., Sängerin (in Leipzig) S. 42. 91. (in Berlin)
S. 476.
Sehachner, Pianist (in Leipzig). S. 884.
Schmidt, J. P., Biographische Notizen Über denselben. S. 724.
Schmitt, Aloys (in Cassel). S. 335.
Sehrbder-Devrieet, Mad., (in Königsberg) S. 187. (in Berlin)
S. 258. (in Weimar) S. 291. '
Sehnmann, Dr. Rob. nnd dessen Gattin (in Königsberg), S. 188*
u (iB « Sl - p «te*»*«w) S. 332. (ia Leipzig) S. 843. 868.
Sehwars, Fräul., Sängerin (in Pmg). S. 92.
Servals, Violoncellist (in Berlin) S. 173. 241. (ii Leipzig) S. 800.
Siugacademie in Berlin. S. 77. 318.
Sollerseher Verein in Erfurt. S. 798.
«fi tt «!7." 6 2v? tn,lomo > Mli :i «*■***■ (N i*pkb s-«8.
Stigbelli, Sänger (in Berlin) 8. 444.
Symphonieen, in Nachrichten besprochen t Asfttuyr, J«,
Symphonie in B dnr (in Wien) S. 31. Beethoven,
Pnstoraisymphoaie (in Dresden) u. 308. Gade, N. W.„
Iste Symphonie (in Cassel) S. 322. (tn Leipzig) S. 885.
2t» Symphonie (in Leipzig) S. 60. Hesse, A., 6te Sym-
phonie in B (in Breslau) S. 191. (Ia Cassel) S. 334.
Ki ttl, J. F., Jagdsymphonie (in Prag) S. 349. Rftum-
atedt, 2te Symphonie (in Cassel) S. 323. Rietz, J.,
Symphonie in G noli (in Leipzig) 8. 130. Spohr, L.,
Historische Symphonie (in Prag) S. 9&
Symphoniesoirlen in Berlin. S. 76. 172. 242. 319. 859.
Tätlichste«*, Violinist (in Prag). 8.96.
Tantiemen der dramatischen Autoren, Bestimmangen darüber
in Wien und Berti n. S. 325.
The Handel Society iu London. & 502.
Thorwaldsen's Ehrenfeier in Berlin. & 445.
Tichatseheek, Sänger (in Hamburg). S. 57.
Tonhalle in Hamburg. 8. 853.
Todesfälle: Baini, Director der päpstlichen Capeile In Rom.
S. 446, 508. Bender, Orehesterebef In Antwerpen.
S. 687. Be r t o n , Operncompooist nnd Professor in Purin.
S. 376. Blum, C, Operoregissenr in Berlin. S. 491.
Clarke, M., Organist in Weroester. S. 463. Cttt>
pagaoli, Sänger in Italien. 8*846. Decker, von,
Generalmajor, in Mainz. S. 494. Eichhorn, Violinist
und Kammermasikus in Coburg. 8. 464. Ena Icke,
Sänger in Berlin. S. 760. Cfänsbneber, HefcapcIL
meister in Wien. S. 544. Häser, Musikdirnetor in
Weimar. S. 760. H n u s m a n n , Violoncellist in Berlin»
S. 104. Kistner, F., Musikalienhändler in Leipzig.
S. 886. Klnge, Geb. Medizinal rttb in Berlin. S. 446.
Mazzinghi, Graf, Compontst in England. S. 198.
Mosel, J.F. Edler von, Hofruth u.a. w. in Wien. S.296.
Mozart, Musikdireetor in Lemberg. S. 589. S n 1 1 o r i,
Pianist in Dresden. 8. 246. Schmid, Bofcaptan und
Chordirector in München. S. 846. Töpfer, Violoncellist
In Berlin. S. 198. Weber, Sohn des C M. von, Maler
in Dresden. S. 813. Witt, Harfenspieler In London.
8. 430.
Weber'*, C. M. v., Asche. S. 198. 463. 544. 813.
Wi1imers,R., Pianist (in Hamburg) S.59. pn Leipzig) S. 152.170.
(in Berlin) S. 317. (in Cassel) S. 802.
2
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 5 1 *" Januar.
1844.
Inhalts (Jeher Robert ScbomaDn's Claviercompositionen.
let*n. — Ankündigungen.
Recenriün.— Nachrichten: Aus Leipzig. Wiener Musikleben. — Fetul-
Claviercompo-
lieber Robert Schumann 9 s
sitionen.
Von C. Kossmaly.
„ Den lasten Markt mag Moidds unterhalten,
„ Ein edler Sinn liebt edlere Gestalten."
In jeder Kunst erlangt das Aeusserliche , Oberfläch-
liche immer eher Beachtung, gewinnt das Leichte, Her-
kömmliche schneller Eingang und dringt früher zu einer
gewissen Geltung und Anerkennung durch, als das wirk-
lich Gediegene und Eigentümliche. So auch in der Mu-
sik : — Der Componist, der sich der eben vorherrschen-
den Geschmacksrichtung zu bemächtigen, sie in sich auf*
zunehmen weiss, und die momentan beliebte Weise glück-
lich anzuschlagen versteht, der es ferner nicht ver-
schmäht, seine Denk - und Empfindungsweise den Anfor-
derungen der launischen Mode, den weiterwendischen
Wünschen und Gelüsten der Menge unterzuordnen und
zu aecommodiren und dem Götzen des Tages zu huldi-
Sn; — ein Solcher wird immer eher sich eines ver-
inenden Resultats zu erfreuen haben, und seine Bestre-
bungen von Erfolg und Buf begleitet sehen, als der vor
Allem nach Ursprünglichkeit, Natur und Wahrheil stre-
bende Tonkünstler, der — das Herkömmliche, die Ste-
reotype zugleich fürchtend und verachtend, — stets nur
aus eigner Machtvollkommenheit, aus eignen Mitteln und
Kräften, und von wirklicher, innerer Noth wendigkeit ge-
trieben, schaffen, kurz, der in sich selbst beruhen und
auf sieb selbst gestellt sein will.
Es ist dies eine alte, längst Tradition gewordene
Wahrheit, wofür die Kunstgeschichte aller Zeiten und
aller Länder hinlängliche» bestätigende Belege enthält.
Keinesweges ist jedoch von dieser Erscheinung ge-
rade auf besondere ästhetische Verwilderung, auf eine
grössere Entartung des Geschmacks irgend einer Kunst-
epoche zu schliessen, sondern die Sache geht vielmehr
Einz natürlich zu und ist aus gewissen Gründen, die wir
er zu erörtern versuchen wollen, leicht erklärlich.
Das Alltägliche und Herkömmliche, das Mittelmäs-
sige, was, ä la pertee de taut ie monde und gleich all-
gemein verständlich und zugänglich, sich mit seinem ge-
schmeidigen AUerwehscharacter, seiner verschwommenen
Jedermanns -Physiognomie und mit jener, der Mittelmäs-
sigkeit immer eigenen Leichtigkeit und Gewandtheit (Ei-
genschaften, die dem Genie selbst oftmals fehlen, eben
weil es von Haus aus mehr und schwerere geistige Fracht
16. Jahrgang.
mit sich führt) präsentirt, findet immer ujid überall gleich
offene Thüren und Ohren; sein Verständniss erfordert
keine besondere Anstrengung, kein Kopfzerbrechen; es
bedarf dazu keines bedeutenden geistigen Aufwandes ; wir
werden dadurch nicht aus unserer Bequemlichkeit aufge-
rüttelt, während dies bei einer durchaus neuen und ori-
ginellen, dem tiefsten Born der Individualität entquolle-
nen Kunstschöpfuog in hohem Grade der Fall, wo die
Leute anfangs noch gar nicht recht wissen, woran sie
sind, und wo gerade das Neue und Ungewohnte der*Er-
scheinung sie scheu und befangen macht; je eigentüm-
licher die letztere, in desto grösserer Verlegenheit befin-
den sie sich, wie sie dieselbe aufzunehmen haben, und
wie sie's mit deren Würdigung halten sollen*, weil ihnen
eben noch alle geistige Handhabe für die richtige Auffas-
sung des betreffenden Kunstwerks fehlt, und sie noch keinen
passenden Maassstab für dessen wirklichen Werth besitzen.
Man erinnere sich z. B. nur an die unschlüssige,
durchaus nicht günstige Aufnahme einer Iphigenie, oder
der Zauberflöte, des Don Juan, Figaro, an den zweifel-
haften, keinesweges allgemeinen Erfolg von Beethovens
Fidelio, den Symphonieen, von C. J#. v. fVeber's Eu-
ryanthe u. s. w.
Doch nach und nach verschwindet diese Unschlüssig-
keit im Publicum; allgemach geht in immer mehreren
Köpfen das Licht der Erkenntniss des Bessern auf; die
Nebel unverdienten Dunkels, in welchem der Unverstand
der Menge ein solches Werk schmachteo liess, zerreissen
alle vor den Strahlen der Wahrheit und des unwider-
leglich für sich sprechenden Verdienstes.
Jener Zeitpunot der richtigen und gerechten Wür-
digung und Anerkennung — sollte er auch hin und wie-
der sich einmal später, als in der sonst gewohnten Frist,
einstellen — ganz bleibt er nie aus ; allem wahrhaft Vor-
trefflichen , sei es auch bislang noch so verborgen und
unbekannt gewesen, schlägt einmal seine Stunde; jeder
künstlerischen Vollendung, Grösse oder Schönheit, jedem
noch so feinen, tiefsinnig - genialischen Zöge ist in irgend
einer wahlverwandten Menschenbrust sein Echo, irgend-
wo im Leben und in der Welt eine sympathetisch mit-
klingende und mitfühlende Seele beschieden, oft da, wo
es am) Wenigsten zu vermuthen stand, und wo seihst die
entferntesten Ahnungen nicht hinreichten.
Ein Gleiches lässt sich , ohne besondere Sehergabe,
auch den Schumann'schen Claviercompositionen prophe*
zeihen, mit denen es, in Bezug auf ihre zeitweilige War-
t
1844. Januar. No. 1.
digung, seine ähnliche Rewandniss hat. — Auch sie sind,
ungeachtet ihres, sie aaszeichnenden, bedeutenden musika-
lischen Werthes, bis jetzt aar in einen kleinen,, wenn
anch gewählten, kunstsinnigen Kreise bekannt und aner-
kannt; das eigentliche grosse Publicum ist bisher cien-
lich unberührt davon geblieben; bis in's Volk selbst, in
die Massen zu dringen, ist ihnen noch nicht gelungen,
während gleichzeitig so manche hohle, äusserlich aufge-
stutzte Mittelmässigkeit auf gut Jericho'isch als ein Aus-
bund von Trefflichkeit ausposaunt wurde, und sich eine ge-
wisse, wenn auch nur vorübergehende Celebrität erwarb.
Aus diesen und ähnlichen Gründen, — zu denen
sich noch der Umstand gesellt, dass über Schumann?*
musikalische Leistungen noch eigentlich nichts Ausführ-
liches, sondern nur hin und wieder einzelne flüchtige
Andeutungen erschienen, — finden wir uns bewogen,
unsere Ansichten und Ueberzeugungen davon in einem
grössern, selbständigen Artikel öffentlich niederzulegen,
und indem wir dadurch zunächst dem von je her uns
leitenden Princip werkthätige Genüge leisten: stets das
Rechte und Aecnte, wo es sich findet, fordern zu helfen
und nach Verdienst hervorzuheben, wird es uns selbst
keine geringe Genugthuung gewähren, durch unsere un-
umwundene Besprechung zugleich den ersten Impuls zur
Verwirklichung unserer vorhin ausgesprochenen Prophe-
zeiung gegeben zu haben, welche letztere nur denen zu
Swagt und problematisch erscheinen kann, die nicht über
i Entwickelungsprocesse menschlichen Kunstgeistes im
Allgemeinen, über den Bildungsgang alier Zeiten und
und über die intellectuellen Fortschrittsphasen der Mas-
sen aus der Geschichte sich aufgeklärt h»ben.
Werfen wir, um vor allen Dingen den sowohl kri-
tisch als historisch richtigen Standpunct für den betref-
fenden Gegenstand zu gewinnen, einen Blick zurück auf
die musikalischen Zustände der letzten 10 — 15 Jahre,
auf die in diesem Zeitraum vorwiegende Richtung, so
wie auf die hervorragendsten Erscheinungen oder Er-
rungenschaften im Gebiete der Kunst, so stellt sich im
Allgemeinen folgendes Resultat heraus. Einerseits : Ueber-
triebene Begünstigung der mechanischen Fertigkeit, Vor-
liebe für das Executive, Practische, eine übermässig ge?
pflegte und ausgebildete Virtuosität, eine allen Grenzen
und Hindernissen trotzende, alle frühere bekannte Schwie-
rigkeiten weit überflügelnde Bravour, mit einem Wort
eine auf den höchsten Gulminationspunct der Vollendung
getriebene, wahrhaft staunenerregende Technik*
Andererseits hingegen: Eine mehr oder minder be-
deutende Ebbe der eigentlichen geistigen Production, ein
allmäliges Zurücktreten und Versinken des einst so voll
und mächtig einherbrausenden Gedankenstromes, des ei-
gentlichen, schöpferkräftigen Elements, kurz: der Man-
gel an genialen, ursprünglichen Naturen, das Verschwin-
den selbständiger Originalgeister.
Wir verkennen keinesweges die mannichfachen Vor-
theile einer immer mehr sich vervollkommnenden und er«
weiternden Technik; wir wissen das Verdienst der mit
Maass und Ziel cultivirten mechanischen Fertigkeit, die
grossen Vorzüge einer fortwährend zunehmenden Vir-
tuosität sehr wohl zu würdigen; dadurch, dass sie eine
immer grössere Vollendung und Sicherheit in der Ans*
fuhrang, eine immer mehr unumschränkte Herrschaft über
die materiellen Ausdrucksmittel bewerkstelligt, muss sich
uothwendig 4er Ideenkreis des Componistei erweitern,
muss der Letztere — in dem Maasse, ab des sogenann-
ten „Unpractisohen, Unausführbaren" immer weniger
wird und die eigentliche „Schwierigkeit" mehr und mehr
verschwindet — von selbst auf ganz fremde, eigentümli-
che Bahnen gelenkt, durch die grössere, äussere Freiheit
und Leichtigkeit und durch den Reichtbum der ihm zu Ge-
bote stehenden Kräfte zu 'ganz neuen, kühnen und überra-
schenden Gombinationen angeregt und zu immer höheren
Zumuthungen an die Executanten ermuthigt werden.
Nur das Uebermaass, die Uebertreibung ist es, wo-
gegen wir eifern, — gegen jene Virtuosität, die in sich
selbst schon den höchsten und einzigen Entzweck der
Kunst erblickt, da doch alle Virtuosität nur immer Mittel
ist und bleiben, und dem höhern Vortrag — der Seele
und dem geistigen Ausdruck in der Musik — dienstbar
sein soll. Das neue Virtuosenthum will jedoch das Ver-
hältniss umkehren, wie aus den sogenannten Composi-
tionen dieser Gattung deutlich wahrzunehmen, von deren
geistiger Verflachung, deren stofflicher Dürftigkeit und
Frugalität man mit Shakespeare sagen kann : „Sie ent-
halten eine unendliche Menge Nichts Ihre vernünfti-
gen Gedanken sind wie zwei Waizenkörner in zwei
Scheffeln Spreu versteckt; ihr sucht den ganzen Tag,
bis ihr sie findet, und wenn ihr sie gefunden, so verloh-
nen sie das Suchen nicht." —
Nach dieser, nicht zu umgehenden Abschweifung ist
nochmals zu bemerken , dass wir obige Darstellung der
neueren und neuesten Musikzustände und Verhältnisse
nur im Allgemeinen angewandt wissen wollen 5 Ausnah-
men — einzelne höher und edler Strebende — gibt und
gab es von je her immer und bat es auch in unserer in
Rede stehenden Epoche gegeben.
Diese Einzelnen vermochten jedoch gegen die allge-
meine Manie, gegen die Missbräuche und Uebertreibun-
gen der Virtuosität im Ganzen, nur wenig auszurichten 9
auch war ihnen nicht immer hinlängliche, prägnante Ei-
gentümlichkeit , ihrem Talent nicht genug imponirende
geistige Kraft eigen, um dem herrschenden Geschmack
oder richtiger: Ungeschmack entschieden entgegentreten
und ihm eine andere, mehr innerliche Richtung gebiete-
risch aufdringen zu können.
Unter so bewandten Umständen will es sehen im-
mer viel heissen, sich nicht nur immer oben, sondern
auch selbst noch stets in eigner Strömung erhalten zuhaben.
Dieses Verdienst muss den Claviereompositionen R.
Schumanns durchgehends und zwar in einem ungewöhn-
lichen Grade zuerkannt werden. Obwohl grössten Theils
Zeitgenossen der eben bezeichneten, überpractisehen, äus-
serlichen Richtung, welche — beiläufig bemerkt — nach-
gerade immer mehr in's Oberflächliche, Alltägliche und
Blasirte auszuarten droht, sind sie doch von den Einflüs-
sen derselben, von den Einwirkungen jener luxuriösen,
Geist- und Gedanken -tödtenden Virtuosität unberührt ge-
blieben; eher könnte man ihnen den entgegengesetzten
Fehler vorwerfen, obwohl dies nur halb und halb und in
einem gewissen Sinne ein Fehler zu nennen, da derselbe
eigentlich aus einem Vorzug entspringt. „Man behaup-
1844: Jaraar. No. f.
tot» dass einige Tugenden und Untugenden von einem
Valer and zwei Muttern wären, " sagt v. Hippel.
So viel ist gewiss, das« Subalternköpfe nie in den hier
gemeinten Fehler verfallen können.
Wir gedenken übrigens nochmals anf diesen Punet
zurückzukommen, und nns dann deutlicher und ausführ-
licher darüber auszulassen.
Da es nicht unsere Absicht sein kann, eine vollstän-
dige, kritische Zergliederung jedes einzelnen Opus zu
liefern, sondern wir vorläufig nur beabsichtigen, zu nä-
herer Bekanntschaft mit dem Gomponisten anzuregen, und
die Aufmerksamkeit mehr auf dessen Leistungen hinzu-
lenken, so wollen wir hauptsächlich nur jene Arbeiten
Schumanns näher in's Auge fassen, welche durch her-
vorstechende Eigentümlichkeit, durch scharfe characte-
ristische Züge — nach unserer Ansicht — sich beson-
ders auszeichnen, weil gerade an jene Eigenschaften am
Ersten sich interessante , ästhetisch - wie kunstphiloso-
phisch-wichtige Erörterungen knüpfen lassen; weil sie
die reichlichste Ausbeute von allerhand Folgerungen und
Entdeckungen im Gebiete der Tonkunst überhaupt ver-
statten, und somit zu wesentlichen Bereicherungen und
Erweiterungen der Kunsterkenntniss führen können, und
weil schlüsslich jene Compositionen, eben ihrer entschie-
denem Physiognomie wegen, eher zu einem bestimmten
und treffenden Urtheil gelangen lassen.
(Fortsetzung folgt.)
R E C E H
I O IN.
Thomas Riqoiqui , oder die. politische Heirath , komische
Oper in drei Acten, nach dem Französischen bearbei-
tet von C. Gollmick, in Musik gesetzt von Heinrich
Esser. Vollständiger Ciavierauszug. Mainz, bei B.
Schott's Söhnen. Preis 9 FL
Eine neue Oper von einem deutschen Componisten
muss und wird, in Betracht der jetzigen Opernzustäude,
schon an sich als ein interessantes Ereigniss betrachtet
werden. Dazu kommt, dass dies Werk als das Debüt
eines, wie wir vernehmen, noch sehr jungen Mannes er-
scheint, und so nahm denn Referent den in Rede stehen-
den Ciavierauszug mit der besten Gesinnung zur Hand.
Die Durchsicht des beigefügten Libretto ergab eine Ret-
tangsgeschichte aus der Zeit der französischen Revolu-
tion, von dem talentvollen jetzt besonders thätigen Goll-
mick zwar recht geschickt übertragen, aber ursprünglich
keines der bessern Producle der oft so glücklichen fran-
zösischen Operndichter. Wahrhaft komischen Stoff und
eigentliche vis comica enthält nun vollends das Buch in
höchst sparsamer Vertheilung; Barnabä, der Lehrjunge
(er singt übrigens schon Bass !), ist die einzige wirklich
komische Figur, und die Art, wie er den Begriff der
französischen Revolution auffasst und zur Anschauung
bringt, erscheint oft drollig und belustigend genug. Die
Handlung selbst ist nicht ohne Geschicklichkeit hingestellt,
allein eine wirkliche Tbeilnahme für die bändelnden Per-
sonen und eine bis zur Catastrophe gesteigerte Span-
nung vermag sie nicht zu erregen. Die Versiftcation ist
leicht, ungezwungen und vorzüglich rhythmisch recht
günstig für die Compotkion. Einige Hirten, so wie man-
ches Unklare in der Dietion hätte der gewandte deutsche
Bearbeiter, der wirklich entschiedenes Talent für dies
Genre zeigt, leicht verbessern können.
Betrachten wir nnn, was unser junger Componist
aus diesem Stoffs gebildet hat, so tritt uns zunächst eine
nicht gewöhnliehe Leichtigkeit in Handhabung der Form
günstig entgegen, was bei einem Op. 10, wie diese Oper
bezeichnet ist, schon etwas sagen will. Auch müssen
wir es ab bemerkenswert!! hervorheben, dass der Com-
ponist eine nicht gewöhnliche Gewandtheit in Form und
Führung des Ensemblesatzes zeigt, in welcher Beziehung
zunächst No. 3, 4, 14 zu erwähnen sein dürften. Ohne
übrigens die einzelnen ansprechenden Melodieen und ori-
ginellen Wendungen zu verkennen, die das Werk uns
bringt, müssen wir doch der Wahrheit gemäss erklären,
dass Eigentümlichkeit der Erfindung, gewinnende Melo-
dik und prägnante Characteristik nicht eben die starken
Seiten unseres jungen Maestro zu sein scheinen, insofern
nämlich ein Urtheil darüber aus dem vorliegenden Werke
hervorgeht. Es ist ihm offenbar nicht schwer geworden,
das Werk zu schaffen ; der Genius hat ihn nicht gestört,
er hat ihn aber auch nicht eben kräftig unterstützt. Ver-
einigen sich aber bei einem künftigen Werke glücklicher
Stoff, günstige Stimmung und prüfende Besonnenheit, so
dürfen wir gewiss auf etwas Treffliches von dem begab-
ten Künstler hoffen !
Beginnen wir nuu die kurze Spezialrevue !
Die Ouvertüre kündigt sich mit einem leidenschaft-
lich aufgeregten Motiv an (Allegro molto, Amoll, %),
worauf, nach einer Generalpause von zwei Tacten, der-
selbe Gedanke, frappant genug! nacbGmol! transponirt,
und eben so deeidirt nach B dur geleitet wird, um in die-
ser Tonart (Andante sostenuto , %) ein Moüy aus der
Oper erklingen zu lassen. In (Messender, aber für den
Zweck wohl zu düster gehaltener Harmonieenfolge wird
der Satz nun auf die Dominante von A zurückgeführt,
worauf, abermals in A moll und in der ersten Bewegung,
ein zwar lebhaft aufregender, aber doch mehr ernst als
heiter gehaltener Allegrosatz folgt, der von einem kur-
zen Allegretto in Bdur, mit freundlichem, aber gewöhn-
lichem Motiv unterbrochen, sich, zwar etwas nüancirt,
aber doch immer aui A moll basirt, in der vorigen Weise
ziemlich breit entwickelt. Endlich behauptet, mit Wie-
dereinführung des erwähnten Allegro - Motivs , nunmehr
förmlich woblthuend , das heitere A dor seine Herrschaft
bis zum lebhaften, effeetvollen Schlüsse. — Bilden wir
nun aus diesen einzelnen Bemerkungen ein Gesammtnr-
theil über diese Ouvertüre, so müssen wir sie als eine
Cemposition bezeichnen, die zwar eine geschickte Hand
verrät b, doch ohne eigentlichen geistigen Nerv sich dar-
stellt, leicht und fasslich vorüberrausebend, ohne Sensa-
tion zu machen. Die etwas düstere Färbung wird frei-
lieh durch die rasehe Bewegung minder fühlbar werden,
auch ist, wie wir oben erwähnten, der Ernst fast vor-
herrschend in dieser komischen Oper, doch wäre eine
weniger düstere Einleitung dem Ganzen gewiss vorteil-
hafter gewesen.
No. 1. Lied des Schosterlehrtings Barnabi. — Die
analogen Standes - und Handwerkslieder sind in den Opern
1844. Jum«r. No. I.
8
französischen Ursprungs fast unerttsalich geworden, und
gelingen sie so gut, dass sie, wie z. B. im Postillon von
Lonjumeau oder im Maurer and Schlosser, eine Art Pointe
der Oper bilden, so werden sie überall willkommen sein.
Das vorliegende Sehasterlied tritt mit einer gewissen
Derbheit und Ungezwungenheit auf, die ihm nieht ibel
steht. Es ist ziemlich declamatorisch gehalten, und über-
lässt mehr dem Orchester die Führung der Melodie. Bei
einem solchen Liede kommt es vorzüglich aof einen glück-
lichen, populären Refrain an; der hier gewählte ist na-
türlich,, aber nicht frisch uno\ eigentümlich genug, um
raschen Anklang zu finden.
No. 2. Lied des (Meisters) Riqoiqui; sangbar und
S mathlich, aber ohne hervorstechende, gewinnende Züge;
s Motiv des Refrains lernten wir bereits in der Ouver-
türe kennen.
No. 3. Quintett. — Dies Ensemblestüek sengt in der
Thal von der Geschicklichkeit des Componisten ; die Füh-
rung ist höchst lobenswerth, und eine gewisse Conse-
quenz in Ton and Haitang verleiht dem Ganzen etwas
Festes and Abgeschlossenes. Besonders günstig hebt sieh
die Cantilene des Riqoiqui hervor, so wie der wirkungs-
volle Ensemblesatz am Schlüsse. Kleine Declamations-
schwäcben wären leicht zu verbessern gewesen.
No. 4. Sextett (AUegro moderato, % , Dmoll). Auch
dies Sextett bestätigt unsere gute Meinung von dem Ta-
lente des Componisten für den Ensemblesatz. Theatra-
lisch möchte indess dieses an sich trefflich gehaltene Sex-
tett wohl einige Kürzungen wünscbenswertn machen, um
so mehr, da die Handlung völlig stillsteht, und die Sin-
genden sich noch überdies gegenseitig zur Eile und zur
Rettung auffordern. An die Tenorhöhe des Meisters Ri-
quiqui werden an einigen Stellen bedeutende Ansprüche
gemacht. — Der Schluss erscheint wohl etwas zu matt.
No. 5. Lied; verschiedene Ansiebten von dem Besitz
einer — Equipage ; ansprucbles und natürlich, durch eine
belebte Begleitung gehoben; die Coda macht sich vor-
zugsweise geltend.
No. 6. Finale. In diesem Finale wird man kaum an
die komische Oper erinnert. Amalie, von den Revolutions-
männern verfolgt, stürzt berein; Riqoiqui kann sie nur
durch den heroisch -genialen Einfall reiten, sie als seine
Braut zu proclamiren. — Auch dieses Finale gibt Zeug-
niss von dem Talente and der Routine des Componisten.
Die Stretta in Cdur (bisher war Cmoll vorherrschend)
nimmt einen lebhaften, und, recht erwünscht, auch ziem-
lich heitern Character an; nur die etwas extravagante
Solfeggie des Meislers Riqoiqui bat uns in mehrfacher
Beziehung gestört. —
Zweiter Act. Nach einem kurzen, ziemlich lugobren
Entreact in GmoU (das Motiv ist aus der bald folgenden
Baritonarie des Chevalier genommen) folgt eine ebenfalls
düster gehaltene Ariette der Jacqueline in derselben Ton-
art. Der Sinn des Liedchens hätte offenbar eine weit
freundlichere Composition und mehr eine naive und treu-
herzige Auffassung verdient und gefordert. Auch ist die
Melodie etwas ungelenk, und nur die Begleitung haucht
einiges Leben ein.
Das darauf folgende Duett zwischen Jacqueline und
Barnabe, No. 8, ist heiterer, frischer, doch könnte die
Steigerung der glanzenden Verbetseungen , üt 4er vct-<
liebte Revolutionär seiner präsumtiven Gemahlin macht,
noch weit wirksamer dargestellt sein; noch findet man
steh nicht oberall von der dechmatorisehen Behandlung
der Worte befriedigt; so ist z. B. die dreim alige Wie-
derholung des gedehnten:
sei - - ber
unschön und wäre doch so leicht zu verbessern gewesen.
Das unmittelbar sich anschliessende Duett, No. 9,
zwischen Riquiqui und Amalie, worin er ihr die Gründe
für seine Scheinehe darlegt und sie über ihre zu spie-
lende Rolle iostruirt, ist mit Geschicklichkeit entworfen
und ausgeführt, und enthält recht ansprechende Züge.
An einigen Stellen wäre indess eine mehr heitere Färbung
dem Ganzen wohl erspriesslicher gewesen, wie es denn
überhaupt scheint, als begünstige der Componist die Moll-
tonarten zuweilen auf Kosten der Wirkung und des Sinnes.
No. 10. Grosse Arie der Prima Donna, ziemlich he-
roisch gehalten ; die Preghiera ist recht innig empfunden,
und würde auch in einer weniger fremden Tonart, als
der gewählten (Ges dur), ihre Wirkung machen. Da das
Colorit dieser Arie wieder sehr düster erscheint, so war
es recht gut, dass der Dichter zuletzt noch einen Hoff-
nungsstrahl aufgehen liess, der dem Componisten zu ei-
nem wohllhuenden, versöhnenden Schlüsse Veranlassung
Sab. (Die Dehnung auf „glücklich" ist aber nicht beson-
ers glücklich.)
Der Spottchor, No. 11, ist derb und drastisch; ei-
nige pikante Züge wären ihm aber dennoch zu gönnen
gewesen, wozu der Text passenden Stoff bot. Ueberhaopt
scheint unser junger Componist seinem Humor noch nicht
recht zu vertrauen, und so streift er oft wohl an eine
unerfreuliche Nüchternheit, da es ihm doch, wie wir
glauben, weder an Laune noch an Geist fehlt.
Die folgende Scene und Arie des Chevalier ist als
Einlage bezeichnet, und also wohl auf den Wunsch des
Baritonisten , der gern in einer Arie glänzen wollte,
nachcomponirt. Sie ist in der That nicht undankbar zu
nennen ; die Cantilene des Andante, wie das feurige Al-
legro geben einem guten Sänger erwünschte Veranlas-
sung, Herzen und Hände in Bewegung zu setzen.
Aus einem nun folgenden, besonders durch gute Füh-
rung sich auszeichnenden Ensemble, in welchem sich recht
wirksam die glücklich eingeführte Reminiscenz: ,,Mein
lieber, guter Riquiqui," hervorhebt, entwickelt sich eine
recht lebensfrische Romanze mit Chor, die Entstehung
des Namens Riquiqui schildernd, ein kleines, aber ge-
wiss eines der gelungensten und wirksamsten Stücke der
ganzen Oper.
Auch das darauffolgende Terzett, No. 14 (Edor, %),
hat eine wohlthuende Frische, einen gesicherten Bau, und
wirkt durch seine prägnante Kürze nur um so eindringender.
Auch das Nachspiel ist treffend, und das Entschlum-
mern des Riquiqui geschieht unter recht passender und
sprechender Musikbegleitung.
Dritter Act. Zuerst eine kurze, heitere und belebte
Einleitung, dann folgt ein eben so heileres, allerliebstes
Liedchen der Jacqueline, das recht ungezwungen in ein
Duettino mit Barnab6 übergebt. Das Ganze ist eben so
9
1844. Januar. No. 1.
10
geechkfct geformt als in Styl der konischen Oper gehal-
ten; die engeeuchtc, wirksame Verbindung beider The-
sen und Stimmen an Schlaue loht sieb selbst.
Asch die leicht and natürlich dahinffiessende Anette,
No. 16, sengt yen einer geschickten Handhabung der
Form, and entwickelt einige recht ansprechende Zöge ge-
sunden Humors; die kleine Episode ist trefflich mit dem
Hauptgedanken verbunden.
Mo. 17. Quartettino. Die leidenschaftliche Aufregung
bei dem Wiedersehen der Heimath ist gat ausgedrückt;
der Antritt der begleitenden Stimmen, und die consequent
festgehaltene Figur in der Orcbesterbegleitung unterstützen
die hervortretende Individualität wirkungsvoll. Bei der
Wiederholung des Hauptgedankens wäre es indess dem
Ganien wohl vortheilbafter gewesen, die begleitenden
Stimmen gleich mit der Oberstimme eintreten zu lassen,
vielleicht nachschlagend und durch einige harmonische Nuan-
cen gehoben. Uebngens verdient die kurze Piece nur Lob.
No. 18. Ein munterer Chor, den wiederkehrenden
Riquiqui zu begrüssen. Die selbständige und doch dem
Gesänge sich gut anschliessende, lebensfriscbe Orcbester-
begleitung wird ihn bei der Ausführung doppelt anzie-
hend machen.
Die liedförmige Arie des Riquiqui, No. 19, ist aber
nicht eben ein glücklicher Wurf. — Die Motive erman-
geln der Frische; die längst nicht mehr neue Modula-
tion nach der Unterterz mit ihrem enharmonischen Ge-
folge, so wie die liegenbleibenden Bässe hätte eine ein-
zige glückliche Melodie überflüssig gemacht.
No. 20. Duett und Quartett. — Amalie und der Che-
valier linden sich wieder; ihre Freude ist mit Wärme
und Wahrheit wiedergegeben. Wo der Satz sich zum
Quartett gestaltet, tritt mit einer neuen Bewegung ein
sehr belebtes Motiv ein; es soll uns freuen, wenn bei
dieser Veranlassung das Theaterpublicnm durch Ideenas-
sociation nicht an eine beliebte Rossini*sche Ouvertüre
erinnert wird.
No. 21. Finale. Rasch und gewandt, aber ohne be-
merkenswerthe Züge wird die Handlung musikalisch zum
Ende geführt. Auf die Frage, wie der Zauber heisse,
der Meister Riquiqui so glücklich und fröhlich mache?
antwortet er mit dem Motiv seines früher schon erwähn-
ten Liedes : Arbeit und Frohsinn u. s. w., das hier frei-
lich entschiedener wirken würde, wenn es frischer und
eigentümlicher wäre. — Der Chor gibt eine allgemeine
Zustimmung und der Vorhang fällt.
a Rönnen wir nun auch das Debüt des jungen Com-
ponisten nicht für vollständig gelungen erklären, so be-
weist es doch jedenfalls sein nicht gewöhnliches Talent,
dem gewiss noch Treffliches gelingen wird. AI.
Nac
HRICHTEN.
Leipzigs den 2. Januar 1844. Unserem zeitherigen
Theaterunternehmer, Herrn Director Ringelhardt f kann
man wenigstens die Anerkennung nicht versagen, dass
er stets bemüht gewesen ist, alle neue bedeutende Kunst-
erscheinungen dem Publicum möglichst bald vorzufuhren.
Zuerst nach dem Hoftheater von Berlin hat unser Stadt*
tbealer Darstellungen der Antigone und jetzt des Som-
mernachtstraums mit Musik von FeKx Mendelssohn-Bar*
iholdu gebracht ; Beides Kunsterscheinungen, die auf Be-
sprechung in diesen Blättern um so« grössere Ansprüche
haben, als der musikalische Theil derselben ein sehr we-
sentlicher, ja von solcher Bedeutung ist, dass man wohl
annehmen kann, es dürfte ohne denselben eine Darstel-
lung dieser Werke auf der Bühne gar nicht unternom-
men worden sein. Wir beabsichtigen mit diesen Bemer-
kungen durchaus nicht einen Zweifel an der classischen
Schönheit dieser Dichtungen auszusprechen ; aber bei dem
jetzigen allgemeinen Zustande der deutschen Bühnen, bei
dem Kunstsinne und der Kunstbildung ihrer Directionen
und Künstler, bei den künstlerischen Bestrebungen Bei-
der und bei der hierdurch herbeigeführten Geschmacks*
richtung des Publicums dürfte es allerdings ein gewag-
tes Unternehmen sein, Darstellungen solcher Dichtungen
zu versuchen, ohne dabei zugleich ein so wirksames Hilfs-
mittel, wie die Musik es ist, in Anspruch zu nehmen
und dadurch das Interesse des Publicums zu fesseln, sei-
nen Sinn zu läutern und das Verständniss des Werkes
selbst erleichtern zu helfen. Die Aufführung des Som-
mernachtstraumes auf unserer Bühne (am 30. und 31.
v. M.) hat uns hiervon einen recht deutlichen Beweis
gegeben. Eine so meisterhafte, so reizend poetische Schö-
pfung, wie diese Dichtung Shakespeares, die unserer Zeit
nur deshalb entrückt und fremd scheint, weil sie so un-
endlich hoch über allen dramatischen Erzeugnissen der«
selben steht, erfordert, wenn sie auch von dem Publicum
eben Nichts als gesunden und natürlichen Sinn verlangt,
selbst in der Darstellung der kleinsten, scheinbar unbe-
deutendsten Rollen, tüchtige, wahrhaft gebildete Künstler;
es kommt viel weniger darauf an, wie sie sonst in Scene
gesetzt wird, ob hierbei die Einrichtung der alten eng-
lischen Bühne berücksichtigt ist, oder ob man sich der
jetzigen viel reicheren und practischeren Bühnentechnik
bedient ; denn dies sind durchaus unwesentliche Rücksicht
ten, die man der Curiosität wegen, oder aus historischem
Interesse wohl nehmen kann, aber der Wirkung des Stü-
ckes wegen durchaus nicht zu nehmen hat. Der Sommer-
nachtstraum wurde uns angekündigt: „in Scene gesetzt
von Tieck," was wohl darauf hindeuten sollte, dass die
Darstellung auf dem Hoftheater zu Berlin , bei welcher
Tieck vorzugsweise thätig gewesen sein soll, zum Mu-
ster genommen sei. Wir sind aber der Meinung, dass
die Thätigkeit Tieck* s sich dort gewiss vielmehr auf die
künstlerische Auffassung und Ausführung der Dichtung
durch die darstellenden Künstler, als auf die Anwendung
der Scenerie erstreckt haben dürfte, die man immerhin
und überall einem gebildeten Regisseur, einem tüchtigen
Maschinisten und einem nicht gar zu öconomischen Thea-
terunternehmer überlassen kann und mag. In jeder Hin-
sicht wäre nun allerdings der Darstellung auf unserm
Theater eine wirksame Beihilfe gar sehr zu wünschen
gewesen. Wir haben es jedoch hier weniger hiermit, als
mit der Musik zu thun. In der musikalischen Welt ist
die Ouvertüre Mendelssohns zum Sommernachtstraum,
unstreitig eine seiner genialsten und poesievollsten Schö-
pfungen, bekannt und geschätzt genug, um jedes Wei-
tere darüber hier unnöthig zu machen ; aus dieser Ouver»
ii
1*44. Jaunr. Nq. f.
19
Iure ist» wie die Aeste und Zweige aus dem Summ*
eines Baume«, die ganze übrige Musik zum Sommernachts-
tranm gleichsam herausgewachsen ; wie aber die Ouver-
türe auf bewundernswürdige Weise alle einzelnen Theilc,
die wesentlichen Elemente der Dichtung in sich Concen-
trin nnd mit allem poetischen Zauber in Tönen klar and
verständlich vorfahrt, lernt man jetzt erst würdigen, da
man das Ganze in seiner Vollendung vor sich sieht. Die
Musik ausser der Ouvertüre besteht aus EntreacU, die
jedoch meist unmittelbar in die Darstellung eingreifen,
aas melodramatischen Sätzen, besonders während der
verschiedenen Verzauberungen, aus Elfenliedern» Chören
and Tänzen und aus anderen, mehrere einzelne Situatio-
nen der Dichtung, wie z. B. die Sceneu der Hand wer«
ker u. dergl., characteristiscb begleitenden Musikslücken.
Wer den reichen, bunten Inhalt der Dichtung kennt,
wird daraus auf den Reichthum der Musik scbliessen kön-
nen; wie conform diese aber der Dichtung ist, wie in-
nig sie sich ihr anschliesst, wie sehr sie den Zauber der*
selben erhöht und erhält, so dass sie als fast noth wen-
dig und unentbehrlich, als die Illusion des Ganzen erst
recht vollendend erscheint, das lässt sich durch Worte
nicht überzeugend genug darstellen, das muss man selbst
hören und mitfühlen. Wir kennen keine Musik, die cha-
racteristischer, poetischer, geistreicher und feiner wäre,
als diese Musik zum Sommernachtstraum, and zwar in
allen Sätzen und Einzelnheiten, von der Ouvertüre bis
zur letzten Elfenscene am Schlosse, wo der so ausseror-
dentlich schöne Schluss der Ouvertüre wiederklingt; sie
ist so ganz aus einem Guss, wie in einem glücklichen
Momente geschaffen; und wie bewundernswürdig das,
wenn man bedenkt, dass die Ouvertüre bereits vor 18
Jahren, alles Uebrige aber erst jetzt geschrieben wurde.
Wir können nnd wollen jetzt auf Einzelnheiten nicht ein-
gehen, da wir nach einmaligem Hören nur über den To-
taleindruck zu berichten vermögen und einer baldigen
Veröffentlichung der Musik entgegen sehen dürfen; sagen
wollen wir nur noch, dass die Ausführung der Musik»
besonders von Seiten des Orchesters, dem allerdings eine
grosse Aufgabe gegeben ist, trefflich war in jeder Hin-
sicht ; ganz vorzügliche Anerkennung hierbei sind wir der
ausgezeichneten Directum des Herrn Musikdirectors Bach
schuldig, eines Mannes, der im wahren Sinne und in der
gewichtigsten Bedeutung des Wortes ein Künstler genannt
zu werden verdient. Es mag nicht viele Theaterma-
sikdirectoren geben, die in ihrem schwierigen, oft geist-
und zeittödtenden Berufe mit gleicher Sorgsamkeit und
fleissigen Gewissenhaftigkeit arbeiten; wenige nur aber
gibt es, die es mit gleich ausgezeichneten Kräften, mit
C'rieh tüchtiger, solider Kunstbildung vermögen, davon
t uns mehrjährige Kenntnissnahme der ■ Leistungen
Herrn bacKs die innigste Ueberzeugung gegeben , und
wir beklagen aufrichtig, dass, wie wir hören, die uns
bald bevorstehende neue Theaterunternehmung sich sei-
ner Mitwirkung nicht erfreuen wird, und wir daher ei-
nen Künstler vielleicht ganz aus unserer Stadt scheiden
sehen müssen, der seinem Wirkungskreise wahrhaft för-
derlich and eine Zierde gewesen ist, and für dessen Ver-
last nar sehr schwer ein genügender Ersatz gefanden
werden durfte.
Eilftes AhoAnement-Concert im Satte das Gewand-
hauses, am 1. Januar 1844 Dar 9. Psalm von Feeca
für Chor, Soli und Orchester. — Ouvertüre von L. vom
Beethoven (C dur, Op. 124). — Arie von Händel, „Holy,
holy, Lord God Almigbty," gesungen von Miss Birch. —
Introduotion und Rondo für die Violine, eomponirt nnd
vorgetragen vom Herrn CaneDmeiater Kaltiwoda.— Ca-
vaüne aus der Oper Semiramide, gesangen von Miss
Birch. — Symphonie von Frans Schubert (Cdar).
Es ist eine alte löbliche Gewohnheit, das Goncert am
Neujahrstage mit einer kirchlichen Musik zu eröffnen,
wodurch dasselbe eine erhöhte, ernstere Bedeutung er-
hält und als besondere Feier des festlichen Tages er-
seheint. Die Wahl des Psalms von Fesca (bei Fr. Hof-
meister in Druck erschienen) können wir nnr billigen;
die Gomposition ist das, was sie sein soll, der Ausdruck
frommen Gefühls und religiöser Gesinnung, nicht gross«
artig oder genial erfunden , aber gut gearbeitet mnd im
Ganzen ihrem Zwecke entsprechend. Die Ausfuhrung war
zu loben und besonders zeichnete sich Miss Birch durch
recht angemessenen Vortrag des nicht unbedeutenden
Sopransolo 's vorteilhaft aus.
Die Ouvertüre von Beethoven, in Conception, Styl
und Arbeit allen seinen übrigen Orchesterwerken wenig
ähnlich, und deshalb vielleicht weniger allgemein, als diese,
verehrt und aufgeführt, hat für uns hohes Interesse, theils
dieser interessanten Eigentümlichkeit wegen, theils in
Rücksicht auf den unbestreitbaren grossen jtunstwertb, der
ihr au und für sich inwohnt Sie ist ein Werk , das in
jeder Hinsicht und nach allen Seiten hin die wunderbare
schöpferische Kraft, hauptsächlich aber den ernsten, ed-
len Sinn Beethovens unverkennbar darthut. Wir wünsch-
ten, dass man überall die Ouvertüre so fleissig and mit
Vorliebe zur Aufführung brächte, wie dies in uasern Ge-
wandhausconcerten geschiebt, und sind überzeugt, sie
würde dann immer und bei jedem gebildeten Publicum
die Anerkennung und Theilnahme sich erringen, welche
unser Publicum lange schon ihr bewiesen und fortwäh-
rend erhalten bat.
Miss Birch trug beide Arien, besonders aber die von
Händel sehr schön vor; es ist ein eigener, unbeschreib-
licher Zauber in ihrer Stimme, wenn sie HändeTuint
Com positionen, hauptsächlich so frommen and erhabenen
Characters, wie dieses „Holy, holy" singt; .die ganze
Auffassung and Behandlung des Stücks wirkt eigentüm-
lich, der Vortrag ist, namentlich was das Tempo nnd den
rhythmischen Theil betrifft, so frei, dass mancher ängst-
liche und bedenkliebe Musiker wohl daran Anstoss neh-
men möchte, wenn nicht die Wirkung hiervon so tief
und unwiderstehlich wäre , dass man gern jede pedanti-
sche Kritik bei Seite stellt. Eines jedoch müssen wir bei
der diesmaligen Aufführung der HändeFtchtn Arie ent-
schieden missbilligen, ohne jedoch damit dar Miss Birch
direct einen Vorwurf machen zu wollen. Händel hat be-
kanntlich sehr viele Sologesangstücke in seinen Orato-
rien u. dergl. grossentheib ohne weitere ausgeführte Be-
gleitung und nur mit einem bezifferten Baas geschrieben $
jeder gebildete Musiker weiss, dass dieser bezifferte Bass,
gewöhnlich durch Händel selbst auf der Orgel , bei der
jedesmaligen Aufführung frei harmonisirt wurde; es ist
13
1844. Januar. No. 4.
14
aber sogleich eine dien so bekannte and ausgemachte
Seeiie, dass eine Harmonieausfuhrung notbwendig erfol-
gen muss and man nicht die Singstimme allein und le-
diglich durch die teeren Bassnoten begleitet wie in der
Luft berumirren lassen darf. Wir haben froher schon
oft in nnseren Goneerten, namentlich durch englische Sän-
gerinnen» Gelegenheit gehabt, dergleichen Gesangstüeke
zu hören, wobei Mendelssohn immer die bezifferten Bässe
entweder selbst frei, und zwar auf höchst interessante
Weise, auf dem Pianoforte harmonisirte, oder die Har-
monie auf Blasinstrumenten u. s. w. durch das Orchester
ausfuhren Hess. Weder von der einen noch anderen
Musikausfährung war aber diesmal die Rede. Man liess
Miss ßirch nur von den einfachen Bassnoten begleitet den
grösstenTbeil der Arie singen, wodurch das Ganze wie "ein
Skelett hingestellt wurde, so dass nur durch den vollen-
det schönen Vortrag der geehrten Künstlerin theilweise
dem unangenehmen Eindrucke begegnet werden konnte,
den ein solches Verfahren auf jeden nur einigermaassen
musikalischen Zuhörer nothwendig machen muss. Die Ca-
vatine von Rossini saug Miss Birch fein und geschmack-
voll, doch nicht so schön und bedeutend wie die Hän-
defsche Arie, was allerdings in der Sache selbst, d. h.
in der Compositum seinen natürlichen Grund haben mag.
Herr Capellmeister Kalliwoda erfreute uns durch
den Vortrag einer seiner Violincompositionen ; die Wahl
hätte vielleicht für ihn als Virtuosen vorteilhafter getrof-
fen werden können, da das gewählte Stück nicht zu den
dankbarsten und brillantesten Virtoosencempositionea Kai-
liwodds gehört, indess haben wir überhaupt an dem, was
nur einseitig das Virtuosenwesen berücksichtigt, nur auf
ausserordentlichen Effect hinarbeitet, wenig Freude, auch
schätzen wir Herrn Kalliwoda als Künstler im Allgemei-
nen viel zu hoch, als dass bei seinen Kunstleistongen für
uns mehr oder weniger Effect durch Virtuosenkunststücke
«ehr in Frage kommen könnte. Herr Kalliwoda bat im«
mer auch als Geiger zu unsere Lieblingen gehört; man
hört ans seinem Spiel immer und überall den talentvol-
len tüchtigen Künstler heraus; sein Ton ist voll und
schön, von seltener Elasticitäl und Klarheit, seine Virtuo-
sität so aasgezeichnet, dass man nie in Zweifel sein kann,
er besitze Alles, um, wenn er wollte, bald keinem der
grössten Virtuosen an glänzender Ausführung technischer
Schwierigkeiten nachzustehen. Seine äussere Stellung,
sein innerer Beruf zu Besserem, vielleicht auch eine na-
türliche Aengstliehkeit, die wir immer bei seinem öffent-
lichen Auftreten bemerkt haben, halten ihn jedoch ab, die
Virtwoseulsufbahn so so betreten, dass er diejenige Rou-
tine im Solospiel zu erlangen vermöchte, welche allein
ein sicheres Gelingen aller technischen Wagnisse mög-
lich macht. Er verliert dabei nichls und der musikalischen
Welt ist dadurch vielleicht ein Künstler erhallen worden,
der ziun Nutzen und zur Förderung der Kunst Besseres
leisten kann, als Virtuosentriumphe schaffen können und
werden. Das PnbKcum empfing Herrn Kalliwoda bei sei-
nem Auftreten und dafckte ihm tat seine Leistung mit
dem allgemeinsten und lebefidigsifen Ifeifall.
Die Ausführung der Symphonie von Franz Schubert
war im Gänzen sehr gut; über die Grossartigkeit und
Genialität des Werkes selbst bedarf es keines Wertes
weiter $ auch unser Publicum war von demselben wieder
tief und wahrhaft ergriffen und sprach seine grosse Theil-
nabme nach jedem einzelnen Satze auf das Lebhafteste
**»• R. f.
Wiener Musikleben. Grossen Anstrengungen folgt
ein anhaftender Schlaf. Unser Musikleben rieb sich zwar
noch vor Kurzem ein klein wenig die Augen, als wollte
es, eingedenk seiner grossen Herculesarbeiten, noch im-
mer nicht recht daran ; allein das half Alles nichts, es
mosste. Der grosse Musikmarkt unserer Residenz — nur
ungerne bediene ich mich des vulgaren, doch nicht un-
passenden Ausdruckes — braucht Jahr aus Jahr ein so
und so viel spirituelle und materielle Kunstartikel, so und
so viel ganze und halbe Berühmtheiten und Wunder, so
und so viel grösste, grosse und kleine Coucerte, Opern,
Sänger und Virtuosen, — mit einem Worte das Publi-
cum braucht sein gewisses Quantum Musikentzücken und
Musikspectakel zur vergnügten Existenz; das muss her-
beigeschafft werden. Nun, daran, Gottlob, fehlt es denn
nach ganz und gar nicht; wir könnten sogar mit dem,
was alljährlich an unabgesetzten Vorräthen aufgespeichert
wird, einen ganz hübschen überseeischen Handel treiben,
Factoreien errichten, Zucker und Kaffee dafür eintau-
schen — nm welche, nebenher gesagt, hier bestandig
viel Nachfrage — denn gross ist die Zahl der Kaufenden,
um wie Vieles grösser aber noch die der Verkäufer. Ach
Gott! das ist ja ein Musiksegen, dass man oft nicht
weiss, wohin damit!
Theater. — Der Portier des Opernhauses öffnet und
schliesst es Tag für Tag; man kommt und geht, und
hört wieder «od hört noch, und immer — keine neue
deutsche Oper. Sie wird uns endlich so heilig werden,
wie den Juden der Messias, der auch nicht kommen will.
Doch halt, — die Regimentslochter und Lucrezia Borgia
wurden ja verdeutscht gegeben ; ist das etwa nicht auch
ein Stückchen von einer Erlösung? Marie, die Regiments-
tochter , von der Lutzer gegeben, hört und sieht sich
allerliebst an. Sie legt eine Weichheit und Empfindsam-
keit in ihre Noten, dass die bärtigen Väter des Regi-
ments, gleich Ulysses, Wachs in die Ohren stopfen müss-
ten, um ihr nicht auf Schritt und Tritt überall nachzu-
laufen. Nebstdem trommelt sie *twb ein Solo, trotz man-
chem modernen Ciaviergenie. Erl als Tonio und Scho-
ber als Sulpice machen ihre Sache nicht schlecht : die
Militärchöre thun ebenfalls das Ihre, Gapellmeister Proch
hat' zum Uebeirflusse ffit Schober auch noch ein gefühl-
volles Liedchen hineinoomponirt, das sich gut anhört.
Die Direction ist zufrieden nnd die Leute sind es auch,
was braucht es mehr ! NB. Als Goriosnm muss angeführt
werden, dass diese Oper vor mehreren Jahren , mit der
originellen €abnssi y von den Italienern hier gegeben,
Fiasco machte. Lucrezia Borgia, die zweite entwälschte
Qper, gefällt da Gapo, und nicht etwa weil Genaaro saft-
los, Oraini schwerfällig, der Duca manierirt und Gubetta
phimp gegeben wird, sondern wegen der vortrefflichen
Pro^gonistin Mad. Stockt- üewtfetter , als grossartige,
feurige, kunstvolle Darstellerin ihrer schwierigen Partie,
fiiase Künstlerin mnas sieh in unserer stimmarmen Zeit
15
1844. Januar. No. f.
16
ordentlich erat ibr Publicum siebe« ; was Wunder auch !
man ist die halb and mz derungirten Organe so ge-
wöhnt worden, dass solch ein voller, prächtiger Orgel-
ton anfangs frappiren, ja manchen Nervenschwachen viel-
leicht sogar erschrecken mnss. Das ist endlich wieder
eine jener Stimmen, welche die Natur nur bei sehr gu-
ter Laune verleiht. Wohllaut, Reinheit, Vollkraft, Bieg-
samkeit, Umfang, dies Eigenschaften eines Organes, dem
sich gegenwärtig, wo es gerade in seiner Culminatioo,
in Deutschland vielleicht kein zweites an die Seile stel-
len lisst. Dabei bat Mad. Stockt an Kehlenfertigkeit be-
deutend gewonnen, trägt das Meiste äcbt künstlerisch
vor und ist eine tüchtige Actriee. Durch die Lucreaia,
in welcher sie sich der Vnger rucksichtlich der Reprä-
sentation gleichstellt, nicksichtlich der Stimme aber, wie
natürlich, diese Diva zurückdrängt, ist das hiesige Pu-
blicum für diesen grandiosen Sopran erst recht warm,
und der Wunsch, ihn zu besitzen, ein allgemeiner ge-
worden. Vorläufig ist Mad. Stockt für mehrere Monate
hier acquirirt, was bei der anhaltenden Kränklichkeit der
Mad. Hasselt-Barth für die hiesige Oper ein sehr glückli-
cher Wurf. Ihr Fidelio, ihre Valentine, Norma, Sara u.a.».
interessiren ebenfalls sehr. Wird diese Künstlerin ihre
Partieen musikalisch feiner ausarbeiten, überhaupt mit
den Subtilititen des hiesigen Geschmackes sich mehr be-
freunden, so stehen ihr noch genug auszeichnende Er-
\ folge bevor. Um übrigens der strengeren Kritik zn geni-
En, müsste sie ihren Gebilden nebstiem mehr acht künst»
•ische Totalität verleiben, anstatt sich {rewisse Gipfel-
puncte des Effectes za fixiran, um welche her andere
Scenen gleichsam nur als Staffagen gruppirt werden, was
notbwendig zu dem Runstvergeben führt, das die Tbea-
tersprache mit dem Ausdrucke : das „absichtliche Fallen-
lassen" bezeichnet. Ein Verfahren, das freilich selbst von
den namhaftesten Grössen der Opernbühne in Anwendung
gebracht wird, doch darum nicht aufhört, vor dem Rich-
terstuhle der Kunst als ein sehr unstatthaftes gänzlich
verworfen zn werden.
(Beseklost folgt.)
Feuilleton.
Das Theater in Wartburg iat durch Ankauf des Magistrats
zum Eigentkome der Stadt geworden. Die neu gebildete Gesetl-
sehaft ist namentlich in der Oper sehr so frieden stellend. Mad.
Hammermeister ist die Prima Donna, Den. Baum Soubrette» Herr
Baumhauer erster Tenor, erster fiass Herr Pichon ; Capellmeister
Herr Fit eher.
Lisst ist in Stuttgart, soerst bei Hofe, dann öffentlich auf-
getreten und hat denselben Beifall gefunden, wie kürzlich in Augs-
burg und München. Unter Anderen gab er ein Concert lediglieh
für die Lehrer und Schüler des Gymnasiums, dessen Ertrag zu
einer Schnlstiftung bestimmt ist.
Ankündigungen.
Im Verlage der Unterzeichneten werden erscheinen :
& Thaltoerg
Faitaisle p«ir le Piano
sur
ZfUcreofia Borgia.
Op. 50.
JFantaUie pour le MHano
sur
Semiramide.
Op. 51.
Leipzig» den 1. Januar 1844.
Breitkeipf «* Matrtel.
Uuterseickneter setxt deutsch* Tkenterdirectiouen in Kenatnsss,
!••• die von ihm sack Reger und Vaets in's Denlscke ukersetste
irwaetige komische Oper* Dm PmtauaU ton Donisetti — am 5.
Januar r. J. tu» ersten Mal in der italienische« Oper gegeben,
and seitdem eine Lieblingsoper der Pnriser — bei inm m bezie-
he* ist Darauf Reflectirende erhalten den in Paris gestochenen,
mm Oirigiren eingeriebteten Cutferaummg mit unterlegtem deut-
schem Texte , die gentoonenen Orebesterstiminai , das vollständige
Böen, die Cost&mca- Blatter und Mise cn Scene in einem sekr aa-
nekmbaren Preise.
Carl «oUitlieni in Frankfurt t. Bf.
NEUE MUSIKALIEN
im Verlage von Fr« Hoftnelftter in Leipiig.
Dotzauer, Op. 168. Six gr. Btudes p. Violoncello. 17j. Ngr.
Haydn. 44ieme Qnat. arr. p. Pfte & 4 mains par Gleichauf.
Op. SO, No. 9, in C. 90 Ngr.
Iitwe, Op. 69. v. GerttenbergV* nachgelassene Gediente für
eine Singstimme mit Pianoforte. 99i Ngr.
HetlafeMel« E., Od. 7. Kerne FanUisie p. Hantkok ay. »
Viol., Alto, Vcelle et Basse. 1 Tblr. ot. Pfte. SO Ngr.
Uffosjelaelesj, Melange snr la Serenade et Airs de Don Pasquale
de De*i%etti p. Pfte. 90 Ngr.
HOMsrt« Dix Quatnors p. Viol. arr. pour Pfte n 4 mains par
Gleichauf. No. 4, in Es. 95 Ngr.
IMssjenhaln, Op. 40. Fantasia appaesioaata. Gr. Dan p. 9
Pftes (ou Harpe et Pfte). 1 Tblr. ö Ngr.
Idem en Duo p. Pfte a 4 mains. I Tblr.
In unserm Verlage ersekien so eken nnd iat in allen Bück-
und Musikalienkandlungen tu erkalten :
Mlieine Harnumteiehre
für Dilettanten.
Oder:
Anweisung zur leichtem Erlernung der Kunst , eine
Melodie mit Pianoforte, Guüarrc, Harfe oder mehren
verschiedenen Instrutnenten zu aecompagniren.
Nach dem Französischen bearbeitet voo
t#«f f. Becher.
Gr. 8. Geheftet. % Tblr.
Leipsig, im NoTcmkcr 1845.
VrietUeln o% Hirsen.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipsig nnd unter deren Verantwortlichkeit.
VT
18
A L IGE ME I N E
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 10"" Januar.
M 2
1844.
Imfealtt Uebcr Robert Scbova*n~B CUWercompftsitiooea. (Fortsetzung.) — Recenrione*. — Nachrichten: Aas Dresden. Wfeier Ma-
sikteken. (Beteblass.) — fWtteto«. — AwJm*dUj%mjtn.
lieber Robert Schumann* $ Claviercomposi-
tionen*
(F.rt.et.ao*.)
In allen Cnviercompomttoneu Schumanns vmcht sich
ein stetes Streben nach EigenlhämJichkeit, Originalität in
Form und Inhalt bemerklich , ob auch das Erster« .nicht
immer von gleich glücklichem Erfolge begleitet erscheint
und letzterer oft keineswegs erquicklich genannt wer-
den kann. So sind die gewaltigen, nachhaltigen Eindrücke
des Stadiums classischer Muster, z. B. Seb. Bach?** Beet-
hoven**, bei Schumann gar nicht tu verkennen; so kaoh
man zuweilen auch aegar Neuere, wie z. B. Fr. Schu-
bert, F. Mendelssohn- Bartholdy, Chopin u. s. w. deut-
lieh bei ihm heraushören.
Nur ist, wie sich beinahe von selbst verslebt, hier
nicht sowohl von eigentlichen, speeieilen Reminiszenzen,
von geflissentlicher, sklavischer Nachahmung, als vielmehr
von dem in ähnlichem Ton und verwandtem Geist Ge*
scbaffenen die Rede — ein Unterschied , der leider nur
zu oft von einseitigen , beschränkten, so wie von vor-
sätzlich befangenen und pertenSehea Kritikers überse-
hen wird.
Was die* von Sehmnann immer erstrebte Originali-
tät betrifft, so wirkt, es mitunter recht störend, die Ab»
sieht : überall neu und frappant zu sein und stets etwas
Aussergewöhnliches zu bringen, allzndeutlich hervortre-
ten zu hören ; noch mehr verstimmt es uns jedoch, wenn
jenes Streben zuweilen in Mose Sucht nach befremden-
den, unerhörten Wendungen und Effecten, ia völlig »ü-
geniessbare Bizarrerie ausartet. BrstKeh gebt durch solch
vorbereitetes , berechnetes Wesen die gottgegebene gei-
stige Spontaneität, die glückliche Unbefangenheit, kürz,
jener unaussprechliche Naivetätszauber ' völlig verloren,
worin gerade der hftehste Reiz jedes ächten Kunstwer-
kes beruht, und tweiteas wird die reine, ruhige, künst-
lerische Schönheit dadurch fortwährend beeinträchtigt.
Namentlich ist dies bei den einer früheren Periode
ungehörigen Stücken der FaU, weiche fast alle an Veit
worrenheit und Ueberladung leiden ; und wenn nach iVe*
vahV Ausspruche die letalem Eigenschaften last immer
mit Gewissheit auf Ideenfiitte, auf bedeutenden, wenn
auch zur Zeit noch ungeordneten geistigen Retobtbttm
scUiessen tasten, so sagt doch derselbe Dichter a. a. 0^
dass man das Künstliche gewöhnlich besser verstehe, als
4ä. Jakrftaf .*
das NattirKehe , und dass mehr Geist zum Entfachen, ab
zum Complicirten, aber weniger Talent gehöre.
Nun lässt sieh annehmen, dass Schumann vielleicht
gerade, um desto entschiedenere Reaetion gegen das AH-
tägliche; Philiströse zu bilden, und ans oppositionellem
Gelüst und Uebermuth oder Unmutb gegen das seidhte,
frivole und zerfahrene Virtuosennowesen im Allgemei-
nen, manchmal des Guten zu viel gethan, des Kernigen.
Gedrungenen und inbaltsehweren zu viel auf einmal und
es zu stark aufgetragen, so dass man oft Mühe hat, sich
durchzuarbeiten, und man, wie eingeschlossen in einen
dichten, wildverwachsenen Wald, nur mit genauer Noth ?
alle Augenblicke durch mächtige Baumstämme oder knor-
riges wurselwerk aufgehalten, bald von gewaltigem
SchKngkreut gehemmt und von Dornen zerfetzt, sich
durchzuschlagen vermag. — " *
Aber auch noch ein anderer Grund lässt sielt , att
bei den gerügten Eigenschaften besonders obwaltend-; mit
Wahrscheinlichkeit voraussetzen, dun wir hier im Vor-
beigehen flüchtig berühren wollen. —
Seit A. v. Beethoven s übermächtiger, titanenhafter
Erscheinung, seit bald darauf C. M. v. Weber'* Seelen*
und charaktervolle Weisen erklungen, und nachdem die
edebt, überirdischon Zauber ansstsnhlenden Gebilde des
berrliphen, reieb und hochbegabten Fr. Schubert f und F.
Mendelssohn'* acht poetische und fceistreiobe Ouvertü-
ren, Meteoren gleich am musikalischen Horizont aufge-
stiegen, ist es unter den Kunstkritikern und musikali-
schen Aesthetikern Mode oder Ton geworden, von einei 1
„romantische« Musik par exeoJknee" als von eisern,
erst in neuerer Zeit der Tonkunat erworbenen und fort-
zucullivirenden Felde zu sprechen. —
„Musikalische Romantik" — man glaubte Wunder,
welch seltenen Fisch aus dem musikalischen Termiuolo-
gieen^ Teiche man da gefangen, während man doch ei-
gentlich nur einen absonderlich und hoch tönenden Na«
men, ein neues Schlagwort ausfindig gemacht hatte für
Etwas, was wir der Sache nach — wenn auch in. eini-
gen Tondichtern minder, ah in anderen vorwiegend —
schon längst besessen. Oder umwebt uns etwa nicht auch
schon bei Seb. Back (vergl. seine beiden „Passionen; 41
H «oll -Messe, die Clariereompoattionen) , bei Bändet *
Oratorien (Saut, Samsen, Jephta, Semole n. s. w.) — des
Don Juan und der Zaaberflöte gar nicht erst zu erwth-
•nun — jener wunderbare tterirdisebe Zauber, jener nra-
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1844. Januar. No. 2.
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sikalisch - romantische Geist» der uns f später fus den
wältigen Symphonieen, aus dem Preisebote uod der Eu-
ryanthe', so wie ans den eben so tief empfundenen als
gedachten Liedern und aus dem „Sommernachtstraum"
und der „ Fingalshohle " deli genannten Heister entge-
genströmt?
Dem sei nun, wie ihm wolle; genug, in Folge je-
ner, jedenfalls einseitigen, zu ausschliesslichen und darum
ijTigen Ansicht, bei welcher zugleich der Begriff „Musi-
kalische. Romantik" selbst auf die äusserste Spitze ge-
trieben und allzusehr in'* Willkührlicbe , Excentrische,
Formlose überschroben erseheint, traten gerade die be-
deutendsten, meist versprechenden jungem Kräfte zu ei-
nem förmlichen Bunde zusammen, zu dessen ersten Be-
dingungen und Verpflichtungen es u. A. gehörte: das,
was man an ,, romantischer ^ Willkükr, Uegebundenbeit
und Ueberspanntheit früher versäumt — ao zu sagen:
4en rückständigen Anlheil daran — getreulieh und reif-
lichst nachzuholen, indem man sieh gegenseitig mit Hand
und Mund gelobte, jederzeit so bizarr, so wunderlich,
so mystisch - tiefsinnig und so ausbündig genial, als nur
immer irgend möglieb, sein zu wollen.
Ausserdem gehörte noch dazu, dass man zu jeder
beliebigen Stunde von den seltensten Wahrnehmungen,
von den edelsten, kostbarsten Empfindungen überiosa»
alle Augenblicke die tiefsinnigsten Dinge, die ausgesuch-
testen Maximen und Kunst wahr heilen in Petto hatte und
fortwährend die feinsten, subtilsten Ueberschwängiichkei-
ten, womit man, wie mit Rechenpfennigen, um sieh warf,
für einander in Bereitschaft hielt. Zugleich wurde —
wie sieb von selbst versteht — es immer so eingerich-
tet und Sorge dafür getragen, daas alle diese Herrlichkei-
ten auch immer zu gehöriger Oeffeallichkeit gelangten.
Dies nannte man : neue Romantik, sich selbst aber]:
die Entdecker, Propheten und Spender des neuen Lichts»
die romantisch -priviiegirten Neu -Romantiker von Göl-
te* Gnaden. — .
Von einer starken, wenn auch nur vorübergehen»
den Hinneigung zu dieser sogenannten „ neu - romanti»
sehen Schule' 4 dürfte auch unser Autor heimgesucht wot*
den sein, und indem wir hier nochmals auf die bereits
erwähnten, einer frühern Periode Angehörigen, Stücke
zurückkommen, wollen wir zur Begründung unserer Be-
hauptung und als veranschaulichende Belege für dieselbe
die betreffenden, vorzugsweise jenen Einfluss verreiben-
den Gompositionen namhaft machen.
Zu diesen zählen wir z. B. :
Allegro in H. Op. 8. Leipzig , bei Friese.
Etudes symphoniques. Op., 13. Wien, bei Haslingor.
Concert sans Orchestre. Op. 14. Ebendaselbst«
Piauoforte- Sonate. Öp. 15. Leipzig^ bei Friese.
Fantaisie. Op. 17. Leipzig, bei Breilkopf und Härtel.
Manches Eiganthümlkbe ♦ Gediegene und Tiefge-
dachte ist in diesen jugendlichen Schöpfungen enthalten;
manche, ungewöhnliche Begabung verratbende Schönheit
ten und einzelne treffliche Züge sind darin niedergelegt;
und besonders blitzt uns aus den beiden letzten Produc-
tipnen (Op. 15 und. 17) manch edles Gestein entgegen j
aber noch ist es unverarbeitet, noch nicht von den
bülletoden Schlackte gereinigt und mit grobem, unedlem
Erdstoffen und Erzen noch zu stark versetzt
Neben der schon getadelten, fast durchgängig bei-
behaltenen Ueberladung und Verworrenheit findet man
auf jeder Seite Schwierigkeiten vom ersten und bedroh-
lichsten Caliber ohne Noth und dermaassen gehäuft, dass
selbst der tüchtigste, geübteste Spieler, wenn er nicht
zu den eigentlichen Virtuosen von Profession, zu den
Lisst's, Thalberg's rangirt, davor zurückschrecken und
an einer nur einigermaassen genügenden Ausführung der-
selben verzweifeln muss.
Die reichlichste Ausbeute von üppig wuchernden,
höchst unerquicklichen Auswüchsen neuromantiseber Hy-
pergenialität liefert unstreitig die „ Fantasie für Piano-
forte," Lütt zugeeignet. Das Excentrische, Willkühr-
Kche, das Unbestimmte und Zerflossene lässt sich kaum
noch weiter treiben — die vor Allem so beliebte Ueber-
scbwänglichkeit artet hier zuweilen in Schwulst und com-
8 leite Unverständlichkeit aus, so wie das Streben nach
Originalität hin und wieder in Ueberapanntheit und Un-
natur sieb verliert. Es gemahnt uns — um uns eines
Gleichnisses zu bedienen — der Componist wie ein rei-
cher, vornehmer Mann, der, um in aristoeratiseber Ueber-
hebung zieh jedem Zuspruch unzugänglich zu machen,
sich selbstsüchtig und eigensinnig vor der Welt absperrt,
rings um sein Territorium tiefe Gräben, gewaltige, hohe
Dornenhecken ziehen und Sehreckschüsse und Fussan-
geln legen lässt und sieh dermaassen verschanzt und ver-
pallisadirt, dass die Leute wohl entmuthigt werden müs-
sen, seine nähere Bekanntschaft zu machen. Als einzelne
erfreuliche Ausnahmen sind die „ DavidsbündleriXnze €t
und die „ Carnevalssceuen " zu bezeichnen. — Die er-
steren, mehr skizzenhaft hingeworfene, als ausgeführte
Characterstöcke , zeichnen sich dessen ungeachtet durch
liannichfaltigkeit und Eigentümlichkeit in Haltung und
Ton aus, eben so die letztem, geistvoll und interessant
behandelte „musikalische Genrebilder, " aus denen ein
gewisses je ne sais quoi von acht französischem Esprit
voll epigrammatischer Spitzen und witziger Widerhäk-
eben herrorblitzt. Toll und bunt geht es darin her; ein
achtes, keck- phantastisches Itasken^ewühl, voll Launen
und lntriguen. — Aber aus dem wilden, chaotisch sich
dureh einander treibenden Gedränge, zwischen den, wie
Champagnerblasehen flüchtig aufsteigenden Klängen des
Ucbermuths und der Lust dringt — rührend und überra-
schend — zuweilen ein einzelner, wie verlorner Ton
zarter, süsser Innigkeit und humoristischer Genüge und
Stetigkeit an unser Ohr
Geht man Schumann' s Claviercompoeitionen der Rei-
henfolge nach dureh, so ist es interessant, wahrzuneh-
men, wie der Componist nach und nach an Einfachheit
gewinnt und sich mehr und mehr zu geistiger Selbstän-
digkeit durcharbeitet. Allgemach tritt das eigentliche Na-
turell des Componisten selbst, seine musikalische Subjee»
tivität immer reiner, bestimmter und schärfer hervor, so
wie sich in der Behandlung der Motive grössere Leiehr
tigkeit und bewusste Sicherheit bemerklieh macht; es
verschwindet jene störende und unbequeme Schwerfällig-
keit, weit der Componist sieh alte überflüssigen Bagage,
alles Mufittiigea Nebenwerks zu entäuseern sucht und eich
Sl
1844. Januar. Nö. 2.
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nur auf das Wesentliche und Unumgängtiebe beschränkt;
während er im Anfang immer so schwer schrieb, dass —
nach Börne* Ausdruck — iy die Achse unter ihm zw-
sammenzubrechea drehte 9 * g kann man sieh hier schon
mit minderer Eäkriiebkeit ihm anvertrauen.
(*et«äl«»» folgt.)
Reg Eil sioif en.
Die Orgel und ihr Barn» Ein systematisches Handbuch für
lantoren, Organisten, SebnBehrer, Musikstodiremle
ii. s. w.> so wie für 6ewtiiebe, Kirchen Vorsteher and
Freunde der Orgel «nd des Orgelspiels, von Johann
Julius Smdcl, Organisten an der Kirche St. Christo*
pbori in ßresla«. Mit Notenbeispielen and sehn Figu-
ren tafeln. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage«
Breslau, Verlag von F. E. C> Leuckart, 1844.
Der ersten Ausgabe des Buches : „Die Orgel and ihr
Bau, von Seidel," wurde nicht nur in dem theologischen
Literaturblatte zur Darmstädter Allgemeinen fürebenzei-
tnng, No. 50, vom Jahr 1843, ferner in der Aachener
ZeRung, No. 180, des Jahres 1843, so wie im katboli*
sehen Jutendbildner vom August, 84. Heft, 1843, und
in No. 217 der Oberrheinischen Zeitung und in noch ver-
schiedenen anderen periodischen Schriften, sondern auch
von mir, in No. 16 dieser Zeitschrift (1843), rühmlichst
S dacht, dessen Nützlichkeit und sorgfältig durchdachte
arbeitung anerkannt, und deshalb, theils von hohen
Behörden, theils von mehreren anderen Sachverständigen
den Canteren, Lehrern und lfusifcstadirenden, ganz ins-
besondere aber den angehenden und schon im Amte be-
findlichen Organisten zum Studium anempfohlen.
Da nun hiermit, so wie durch die baldige Ersehet«
tiung der zweiten Anlage desselben, der Wertb des tu*
cbes hinlänglich documentirt worden ist, so bleibt mir
liier nur noch übrig, meine Ansichten aber die Verbes-
serungen und die Vermehrung der zweiten Auflage des
hier in Rede stehenden Buches mitzulheilen.
Es ist damit nicht, wie es mit der sogenannten ver-
besserten und vermehrten zweiten Aullage ues theoretisch-
practischen Handbuches der Orgelbaukunst, von Kützing,
der Fall, die im vorigen Jahre von den Herren Buch-
händlern feilgeboten wurde und in welcher der hier Un-
terschriebene keine Verbesserungen und nur auf dem Ti-
telblatte die einzige Vermehrung , nämlich: „zweite ver-
mehrte und verbesserte Ausgabe" fand.
Herr Seidel hat, wie von ihm nicht anders zu er-
warten war, Das gegeben, was er auf dem Titel Watte zu
geben verspricht; denn, obgleich der Herr Verfasser in
den Ausdrücken sich vielfacher Zusammenziehungen be-
dient bat uod hierdurch schon für manche Zusätze Raum
(gewonnen war, ist doch der Umfeng des Werkes von
210 auf 280 Seiten gestiegen; es ist überdies mit zehn
Orgeldispositionen, durch ein reichhaltiges Verzeichnis!
der Orgeletinrtnen, durch Angabe mehrerer verschiedener
Koppelarten, duroh mehrere lehrreiche und nützliche Be-
merkungen, so wie durch eine Tafel mit zwölf Figuren,
welche der Herr Verfasser selbst entworfen und die assb»
rere zum Regierwerk* einer Orgel gebarende Tbeüe sehr
klar veranschaulichen, vermehrt und verbessert worden.
Die hinzugekommenen Bemerkungen und wertvol-
len Zusätze habe» die Bedeutung der hier in Rede ste-
henden Auflage so sehr erhöht, dass kaum zu bezweifeln
ist, es werden nicht nur viele von den Besitzern der
enteren Ausgabe und die einen Thaler nicht anzusehen
haben, sich auch die hier besprochene zweite Ausgabe
noch anschaffen , sondern es wird auch , in vielleicht
nicht langer Zeit, wenn nur erst der wahre Werth des
Buches duroh mehr allseitigen Absatz anerkannt ist, noch
eine dritte Ausgabe nöthig werden.
Schliesslich erlaube ich mir noch, dem Drange mei-
nes Herzens folgend, den Wunsch hier zuäussern« dass
dies vertiwfltohe Werk hohe Behörden, so wie Kifchen-
patreM and Gemeinen, denen an einem tüchtigen Orga-
nisten und an einem eben so tüchtigen und fleissigen
Lehrer im Portepianospiel gelegen ist, veranlassen möge,
dem Herrn Verfasser, welchen ich selbst im verflossenen
Monate August au Breslau als Beides, so wie als einen
daselbst allgemein hoch geachteten und höchst anspruchs-
losen Manu kennen au lernen das Vergnügen hatte,
amen sorgenfreieren und grösserem Wirkungskreis, als
es sei« jeUiger ist, au eröffnen und ihm so Gelegenheit
zu geben, sein so reiches und schönes Talent der Wis-
senschaft und Kunst zu weihen. JVilke.
Studien für* das Piano forte.
Bertini: 50 Etudes melodiques. Op. 142. Liv. 1 et 2.
— Le Double bemol, Rondino- Etüde, Op. 144.
— Etüde et Andante. Op. 147. Sämmllich bei Schott's
Söhnen in Mainz.
Es ist anzuerkennen, dass Bertini's Compositionen
im Allgemeinen sehr wohlklingend und melodiös sind,
dass er die schönsten Tonlagen des Instruments vortreff-
lich zu benutzen versteht; auch ist seinen bessern Werken
eine edle, schwungreiche Sentimentalität nieht abzuspre-
chen. Eine gediegene Ausführung dagegen, ein tüchtiges
Ganze erwartet man von diesem Conroonisten vergebens,
dazu fehlt ihm tieferes Studium und kritische Gewissen-
haftigkeit. Ueberdies bat sich derselbe einer bequemen,
schnell fertigen Manier ergeben, und verflacht durch eine
Unzahl Kleinigkeiten, die nur für geringe, ephemere Be-
dürfnisse berechnet sind, mehr und mehr die Eigenschaften
seines Talents, von denen noch etwas Gutes zu hoffen
gewesen wäre.
Die etudes melodiques, davon die beiden ersten Lie-
ferungen No. 1—20 enthalten , bestehen aus kleinen
Tonbilderu, Characterskizzen , Imitationen von Gesang-
formen und ähnlichen kurzen, leicht hingeworfenen Sä-
tzen, unter denen sich manches recht Hübsche befindet,
aber auch Vieles, was ein nur einigermaassen sorgsam
prüfender Blick leicht hätte abgerundeter, geschmackvol-
ler gestalten können. Bertini scheint es zu machen, wie
ein gewisser vielschreibender Dichter, den ich einmal
sagen hörte, dass er nie etwas an seinen Werken än-
dere oder «orrigire. Wenn maa's merkt» ist das kein
Ruhm. "•' ■
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1844/ Januar/ Nö. 2i
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Melodisch sind dies« Stucke, den Namen Etudes füh-
ren sie aber »eigentlich , denn es tritt darin kein be-
sonderer Uebungszweek denüieh hervor.
Das ganze Werk ist ab für die Jagend bestimmt zq
betrachten, tu deren Ergötzlichkeit auch die mitunter all-
zanaiven Titel der einzelnen Nummern bestimmt scheinen.
Zar Entwickelung eines tonreieben Spieles sind Ber»
ttui'sebe Werke überhaupt mit Nutzen zu gebrauchen und
für diesen Zweck mag auch da* vorliegende zu geeignet
ter Auswahl berücksichtigt werden.
Die beiden feigenden Opera geboren zu denen, welche
in ihrer flüchtigen, nachlässigen Fassung nor den Musi*
katienmarkt fimen und jede künstlerische Intention des
Compontsten verläogaen.
Das sogenannte Rondiuo- elude ist weder das eine
noch das andere, sondern ein unzusammenhängender Zu?
sammenbang, der einem Walzer am ähnlichsten sieht, -~
ein Aggregat von Walzer - Phrasen , die ebne Ordnung
und deutlicbe Absonderung in einander verOiessen. — *
ilm den Xitel (Double Bemol) zu rechtfertigen, hat sieh
der Verfasser Mähe gegeben, einige Doppel-B anzubringen*
Die Etüde, Op. 147, zur Uebung des Schneller* und
ruhigen Abnebmeus und Einsetzens der Hände, hat eine
gewöhnliche Figur, und ist in der Harmonie und Fat*
tura äusserst trivial und fade. Das darauf folgende An-
dante besteht aus einer Melodie in B dar, welche naeh
einem bewegteren Mittelsatz in E moll mit etwas lebhaf-
terer Begleitung wiederholt wird. — Der erste Tbeil der
Melodie (16 Tacte) ist das einzige Gute am ganzen
Werke.; Der Mittelsatz ist weniger als schülerhaft. Es
ist unbegreiflich, wie ein Musiker, wie Bertini, so etwas
Erbärmliches ab Op. 147 in die Welt schicken kann.
50 Etudes de Salon par Th. Döhler. Op. 42: Cahier 4.
Mayence, chez Schott et fils.
Das Heft enthält die Nummern 26 — 31 der Samm-
lung. Döhier's Weise ist J ei cht, gefällig, fliessend, nicht
ohne feine graziöse Wendungen. So auch diese Studien,
welche ausserdem nicht zu schwer sind und sehr gut
in den Fingern liegen,, weshalb sie sich zur Gewinnung
eines eleganten, klaren Spieles besonders eignen. Die
Studie in Gismoll ist interessant erfunden, und bat den
doppelten Zweck, 1) die Selbständigkeit der Finger
der .rechten Hand zu befördern, und 2) zwei Noten
JPg 611 drei gleichmässig zu spielen. Um Letzteres zu
erreichen, . empfiehlt der Componist folgende, in Zahjen
ausgeführte, Einteilung: \ * \ 3, deren praeftischen
Nutzen, in langsamem Zeitmaasse, wir nicht in Zweifel
ziehen, die aber freilieb in ähnlicher Weise, wie z. B.
hei 3 gegen 4, nicht weiter anwendbar ist.
Dater den übrigen ist No. 30 ein sehr artiges, ei-
gentümliches kleines Stück.
Die erste Studie des Heftes hat eine gleiche Figur
und Tendenz, wie Chopin's Op. 25, I. Vergleicht man
Beide, so wird freilich die Wahl nicht schwanken.
Grandes Etudes de cooeert ä snjets devcloppes par Al-
bert Sowinski. Op. 60. Ebend.
Diese Studien enthalten, wie die meisten derartigen
Virtuoseneompositiooen, gute Ideen, glänzend ausgestat-
tet, einen gewissen kühnen Wurf, viel Klaugefeet; lei-
den dagegen ebenfalls an Unbestimmtheit der Form, plan*
loser Modulation und einzelnen Unsicherheiten des Sa**
tzes. — Betrachten wir gleich die erste in As. Ein schö-
nes Motiv beginnt — aber schon im vierten Tact sitzt
der Componist fest, findet für seine Idee nicht den rech-
ten Ausdruck, verlässt gewaltsam die Stimmenführung,
und bringt nur eine matte Portsetzung des Gedankens
zu Stande. An solchen Knoten prüft sieb die Geschick-
lichkeit des Tonsetzer«. Aus dem erwähnten Motiv ist
eine Periode gebildet, die im zehnten Tacie in As sobüesst.
Darauf wird dasselbe fünfzehn Tacte fortgeführt, von
Cmoll ans durch viele Tonarten modolirend, bis sich in
Esdur jene Periode wiederholt, um gleich darauf in der
Heapttonart eben so repetirt und zum Schluan erweitert
zu werden. In dieser Aneinanderfugnng ist aber weder
Plan noett Logik, und daran gebrieht es mehr oder we-
niger atteh den übrigen Studien.
Die Durchführung der Motive , welche der Compo-
nist auf dem Titel, besonders bemerkt, ist mehr ein ans-
serliches Festhalten des Thema, eioe Fortsetzung der Fi-
gur von Tact zu Taei» Phrase zu Phrase, als eine gei-
stige Bearbeitung, weshalb denn auch dadurch, oft Mo-
notonie entsteht.
Die Aufgaben der einzelnen Studien sindi 1) Aus-
dehnung der Hände ; 2) doppelte Noten (eine unergiebige,
trockene Figur)« 3) Triller (Utile brist)* 4) gesangvol-
les Spiel $ 5) Uebung für die linke Hand allein; 6) Ab-
gesleseene und gebundene Oetaven. Dem Spieler bieten
dieselben sattsam Gelegenheit, zu üben and zu glänzen»
und durah geschickten Vortrag* wird er manche Unvoll«
kommenbeiten derselben verschleiern können. Es ist aber
ein Uebei, wenn die danstellende Kunst zur Hehlerin der
Schwachen des Dichtere werden
Lied
e r.
Galedpn. .N. Matherwells Lieder, übersetzt von H. J.
Heinze> für Sopran oder Tenor und Piano componirt
von Dr. H. Marschner. Op, 125. Heft I. Hannover,
bei C. Bachmann, Preis 1 Thlr.
• Nicht ebne sehr günstiges Vorurtheil hat Recenseat
dieses neue Liederheft des .geehrten Verfassers in die
Hand genommen und gesteht mit Vergnügen, auch hier die
ergiebige Erfindungskraft und die gereifte Feder desselben
überall bewährt gefunden zu* haben, während es sonst
keineswegs zu den seltenen Vorkommnissen gehört, dasn
einmal beliebt gewordene Componisten , anf die . Festig*
keit ihres Ruhmes bauend, sich da und dort — ein we-
nig gehen lassen und selbst auch weniger Tüchtiges, nur
flöchtig Hingeworfenes in's Publicum bringen. Kein ein«
ziges der hier gebotenen Lieder ist des Verfassers an*
würdig* Gleich das erste, „Entzücken" überschrieben,
ist aehr ansprechend und für den Sänger vorzüglich be-
lohnend. No. 2. „Die Stimme der Liebe," durch eine sin-
nig erfundene ßegleitungsßgur eigenthümlich colorirt,
überragt ea aber an Tiefe der Empfindung. No. 3, „Er
*t
1844, Jaj**r. No, f.
iet fort! " iaft sehr , vieUsiobt zu, leiden«* afiKcb 48sier
gehalten, indem manche Zage im Texte eine mildere Fer*
bengebnng moliviren dürfton. Doch wollen wir darüber
mit dem Verfasser nicht rechten, zumal wenn er» wie
es uns wahrscheinlich dünkt, dieses Lied mit dem fol-
genden vierten: „ Liebes vertrauen" in einem gewissen
Eyrchologiscbea Zusammenhange gpdacht und au%efasst
tte. Das fürte Lied« M Kinder ans dem Elfealande ".
ist elfeahafl leicht und unheimlich gehalten» also gut,
verlangt aber einen besonders feinen und gewandten Vor-
trag, wean ihm Genüge geschehen soll, — Die Ansatat»
lang ist löblich.
1) Sechs Gedichte von Goethe, in Musik gesetzt für eine
Tenor - oder Sopranstimme , mit Begleitung des Pia-
noforle, von Carl Schwencke. 61. Werk. 2 Hefte.
Brannschweig, bei Meyer, k 10 6gr.
2) Drei Gedichte aus der Früh iofo- Sage, von Tegner,
in Musik gesetzt für eine Sopran - oder Tenorstimme
mit Begleitung des Pianofbrte, von Carl Schwende.
57. Werk* Ehend. Preis 12 Ggr.
Der Herr Verfasser dieser Lieder ist bereits als ge-
wandter und talentvoller Componist zu bekannt, als dass
er noch einer besonderen Einführung and Empfehlung
beim Pablieom bedürfte. Vorzüglich gut scheint ihm das
Anmuthig- Graziöse, das leicht hingeworfene Scherzhafte
und Humoristisch - Komische zu gelingen, für welches Fach
die dahin einschlagenden Lieder und Gesänge in den zwei
erstgenannten Heften «ein so glückliches Talent verrathen,-
dass Vir in derTbat wünschen mtiehteu, es für die ko-
misch« Oper in ThMtigkeit zn sehen, deren Styl vorzöge
lieh in No. 6 („Dortshen" aaa Goethe's „ Fischer! n ")
sehr gut getroffen ist. Dtr Verfasser hat hier gezeigt,
wie geschickt er es verstanden hat, zwischen den Zei-
len seines Dichters na lasen, indem er gerade da, wo
das Dorteben seinen grossen Entsehlnss ausspricht : „Aber
ich will auch nicht länger " e. s. w. mit feinem Tacte,
durch die musikalische Behandlung dieser heroischen Stelle
darauf hingewiesen hat, dass es der kleinen Amazone um
die Sache der Emaneipalien doch nicht der rechte rolle*
Ernst sei. Auch in den übrigen Liedern finden sich- feine,
oder sonst tüchtige Züge von glücklicher Erfindungskraft
und gereifter RunsireBexion ; allein das „ Freudvoll und*
Leidvoll" möchte doch wohl eine lliade post Homerm*
sein. Da nimmt uns der Verfasser einen viel zu schwe-
ren gelehrten Anlauf) eian Bemerkung, welche zum Theil
auoh die Lieder aus der Frithiofs-Sage treffen möchte,
deren harmonische Tiefe und Kraft wir übrigens durch*
ans nicht verkennen. No. % derselben „Fritbiofs Fahrt
auf dem Meere" vorzüglich heben wir als eine tüchtige,
jedoch über die Liedform in's Balladenmtfssige hinausstre*
sende Arbeit hervor. Dass beide Sammlungen einer näheren
Bekanntschaft mit ihnen würdig sind» glauben wir hinläng-
lich angedeutet zu haben.-* Die Ausstattung ist anständig.
Fünf Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pia-
noforte, componirt von Ferd. Mohring. Op. 12. Ber-
lin, bei Trautweiu. Preis % t Thlr.
Der deutsche Eichenhain hat nicht {fandm, sioh über
Mangel an Singvögeln zu beklagen. Da machen wir schon
wieder wenigstens die erste praktische Bekanntschaft mit
einem neuen und zwar sogleich in 0p. 12. — Das ist
uns sehr fatal. — Aber nicht etwa die Bekanntschaft,,
sondern dass wir sie nicht früher gemacht; denn ein
Lied in diesem Hefte „Sehnsucht, nach Norden," von Gei-
bel, ist sehr ausprechend. Auch „Der April u von dem-
selben Dichter, so wie Heine's ,, Mädchen mit dem rothen
Mündchen" bat seiu Gutes, wiewohl der April — was
am Ende in der Ordnung — sogleich beim Anfange etwas
keck modulirU in dem „Fahr wohl!" hat uns der Ver-
fasser zu wenig auf belebte Deetamation gedacht. Das
„Unter den dunklen finden 4 « ist uns nicht einfach und
ungesucht genug. — Stich und Papier sauber.
Sechs Lieder für eine Singsümme mit Begleitung des Pia-
no fori e von A. E. Grell. Op. 23. Berlin, bei Traut-,
wein. Preis x / 2 Thlr.
Diese Lieder sind saunrtlish in Einern heiter aaspsu*/
chendeo Volkston gehalten und empfehlen sich durch hüb-
sche Ausstattung.
Trommel und Fahne. Ein Liedercyclus ,. enthallend : die
kleine Marketenderin, von Jon. N. Vogl, jnitMelo-'
dieen von den vorzüglichsten CapeDmeistern der k. k.'
östreichischen Armee. 52 S. in 8. Wien, 1843, bei
Jasper.
Eine recht dankeuswerthe Gabe des fruchtbaren Dich-
ters; den Volkston anschlagend, und doch nicht in's Ge-
meine versinkend, vielmehr wohl dazu geeignet, derglei-
chen zu verdrangen und den Gesang stehender Heere,
wenn er nichts Höheres berühren soll, unschuldig genug
zu beschäftigen. Nur furchten wir fast, dass der Verfas-
ser gegen die überwiegende Mehrzahl der Marketenderin-
nen deutscher Zunge einen schweren Stand" bekommen
werde, indem sie leicht seine artigen Liederchen für eine
böswillige Persiflage ihrer weltbekannten Tugendhaftig-
keit ansehen könnten, während jeder unbefangene sich
freuen muss, dass nun dieser ehrsame Stand endlich auch
seine Dicbterblumen gefunden hat. Die grösstenteils recht
futen, ia zum Theil wirklich frisch erfundenen dem
exte eingedruckten Melodieen machen das Werkchen
doppelt angenehm, und wir müssen hochgestellten Mili-
tärs zur Anschaffung dieser kleinen gedruckten Ideal-
Marketenderin und zur Einführung in ihre Regimenter
um so ernstlicher rathen, je seltener sie in Natura zu
finden sein möchte. — Das artig ausgestattete Büchlein
bringt sie in qffigie.
Der Schiffer und sein Liebchen, Gedicht von L. Beck-
stein, und Wiedersehn, Gedicht von A. e, Ch*müeo>
zwei Duetten fiir Sopran und Tenor, mit Begleitung
4ss Pianoforte, der Violine und des Violoncello, com*
ponirt von Friedrich Krug. Op. 17 und 18. II Hefte.
CarUruhe, bei Kreuzbauer, k 1 Thlr. 2 Ggr.
Zwei recht ansprechende Compositionen , welche»
leicht ausfahrbar, wie sie es sind, znaml in engem gn-
97
i#44. JaoMuv. No> 2.
20
selKgtfft Kreisen äne angenehme Unterhaltung bereiten j
werden; die ausgedruckten Stimmen, zweckmässig ein-
gerichtet, werden sie sehr erleichtern. Die Aufstauung
iit sehr sauber und splendid, aber die Noten sind doch
allzusch windsichtig zart!
1) Zwei Duetten. „Im Herbst" von H. Heine und „In
der Nacht" von N. Lenau. Für zwei Singstimmen
mit Begleitung desPianoforte, componirt von C. Banclr.
Op. 50. Hamburg nnd Leipzig, Schuberth u. Comp.
Preis % Thlr.
Z) Fünf Lieder für eine Bass- oder Baritonstimme mit
Begleitung des Piano/orte, componirt von demselben.
Op. 52. Ebend. Preis % Thlr«
Was uns die Compositionen des Herrn Verfassers
immer werth gemacht hat — eine gesunde, sichere Be-
handlung der Stimme, das müssen wir auch diesen nach-
rühmen, in welchen übrigens die ihm zur Manier gewor-
dene übermässig lange Dehnung einzelner Sylben und
Worte auf einem Tone, welche uns stets auch beim Vor-
trage durch die trefflichsten Stimmen als etwas Gesuch-
tes und Unnatürliches missfallen hat, so wie die ihm
ebenfalls eigene, bis zum Missfälligen gehäufte Wieder-
holung einzelner Phrasen und Worte immer noch da und
dort zu finden ist. Wir können diese Dehnungen uud
Wiederholungen, in solchem Uebermaasse gebraucht, nicht
billigen. Jene heben zu geflissentlich den materiellen Ton
hervor, und diese verflüchtigen die Bedeutung des Worts
und machen seine poetische Kraft oft völlig zu nichte.
Haben wir Unrecht, so wolle uns der Verfasser, den wir
als denkenden Künstler achten, eines Bessern belehren.
Uebrigens ist er als Liederkomponist zu bekannt und zu
beliebt, als dass wir es für nöthig erachten könnten, das;
Publicum von den Vorzügen und Mängeln seines Styls
hier noch weiter zu unterrichten. Nur das sei noch be-
merkt, dass die fünf Lieder zu den originellsten und
geistreichsten gehören , welche wir von ihm nicht nur,,
sondern auch von vielen anderen beliebten Liedercompo-
nisten der Gegenwart kennen. Aber auch hier finden sich;
harmonische Harten und Eckigkeiten, wie man sie einem
deutschen Componisten nicht gern verzeiht.
Dr. Kef erstem.
Nachrichten.
Dresden. Wir sind gewohnt, am 23. December all-
jährlich ein Concert im Opernhause zu hören, welches
von den Mitgliedern unserer Hofbohne und der vortreff-
lichen Capelte ausgeführt wird und bestimmt ist, zu Un-
terstützung der hiesigen Stadtarmen beizutragen. So viel
auch stets geschieh«, diese Coacerte durch Wahl inter-
essanter Musikstücke, so wie durch sorgsame Ausführung
derselben und Mitwirkung der besten Kräfte anziehend
ztt machen und so den vorgesetzten edlen Zweck mög-
lichst zu fördern, so bringt es schon die Zeit — so un-
mittelbar vor dem Weihnachtsfeste — mit sieb, dass
diese Coastrte stets nur sehr spärlich besucht werden.
Dm so erfreulicher war es diese* Mal fett bemerken, dass
das Haus nach Verhältnis! wohlbesetzt war; auch der
König und die Königin, die ganze königliche Familie, so
wie die zufällig anwesende Herzogin von Cambridge hal-
ten sieh dazu eingefunden.
Das Concert selbst wurde mit ۥ M. v. fFeb^s
unvergleichlich schöner Onvertnre za Oberon eröffnet,
und es ist wohl kaum nöthig, zu erwihnen, dass die«
selbe von unserer Capelle, die durch die grosse Zahl der
sie bildenden Virtuosen eben so berühmt ist, als sie dorch
ihr herrliches Zusammenspiel sich seit Jahren die glän-
zendste Anerkennung zu gewinnen und zu erballen
wusste, auf das Vortrefflichste ausgeführt wurde. Gapell-
meister Keimger dirigirte dieselbe mit der an ihm ge-
wohnten Gewandtheit and Präzision, würdig des dahin-
geschiedenen Meisters, der vor ihm an gleichem Platze
stand nnd dem wir so viele herrliche Schöpfungen ver-
danken.
Den Haupttheil des Coneerts aber bildete Dr. Re-
bert Schumann'* nettestes nnd zugleich grösstes Werk:
„Das Paradies und die Pori*' nach der Dichtung von
Thomas Moore aus dessen Lalla-Rukh. Das Werk ist
bei Ihnen in Leipzig bereits zwei Mal, wie wir hören,
mit grosstem Beifalle gegeben worden, nnd wir freuen
uns wahrhaft, aussprechen zn können, dass dasselbe auch
bei uns von dem Publicum, das die Elite der hiesigen
Musikfreunde in sieh fasste, mit dem lebhaftesten Applaas
aufgenommen worden ist. Ueberall war die gespannteste
Aufmerksamkeit, das grösste Interesse an dem Werke
sichtbar, nnd so -wie einzelne Nummern besonderen An«
klang, der laut sieh geltend machte , fanden , so sprach
sich am Schlüsse jedes einzelnen Theiles die Stimmung
der Versammelten in lautsehalleodem Beifall aus.
Ohne hier näher auf das interessante Werk nnd
seine einzelnen Schönheiten eingehen zu wollen nnd zn
können, mössen wir diese Anerkennung eine vollkommen
gerechte, dem Componisten in solcher Allgemeinheit nur
zu lange vorenthaltene, nennen. Die herrliche, hochpoe-
tisebe Dichtung Thomas Moortfs bot demselben in der
Versohiedenartigkeit ihrer einzelnen Tbeile die schönste
Gelegenheit^ sein Talent zn bewahren, und das hat er
denn auch auf die entschiedenste und glänzendste Weise
getban, so dass wir nicht zweifeln, es werde sein schö-
nes' Werk bald überall gegeben und mit gleichem Enthu-
siasmus aufgenommen werden , wie hier und bei Ihnen.
Hierzu dürfte schon die eigenth&mlicbe Gattung der
Compositum selbst beitragen, die sieb durch ihre völlig
neue Form, zwischen Oper und Oratorium innestehend,
obachon im Wesentlichen mehr dem Letzteren sich nä-
hernd, namentlich zn Aoffiährungen in Concerten eignet,
nnd, da sie eben nur die gewöhnlichen, überall zu Ba-
denden Mittel für ihre Ausführung erfordert, auch nicht
übermässige Schwierigkeiten dabei bietet, eben so allen
Stngacademieen nnd grösseren Privatzirkeln willkommen
sein wird and zu empfehlen ist.
Die Aufführung war, trotz dem, dass das Ganze in
wenig Tagen einstuitirt werden musste, eine sehr gelun-
gene zu nennen, und wir fühlen uns gedrungen, nament-
lich die Leistungen der Fräul. Wüst (Peri) und Babnigg,
so wie der Herren Bielciski und Mitterwvrser hervor»
29
1844. Jawwr. Nor. %
30
zuheben. Zu behauen war bot» dass die Chöre nicht
stärker besetzt waren, als durah das gewöhnliche Oper-
chorpersonal, so wie wir es nicht eine glückliche An-
ordnung nennen können, dass das Orchester hinter den
Sängern amphitheatraliseh auf der Bühne aufgestellt war,
wodurch die Singer zu sehr gedeckt werden, auch zu
viel Ton in den Coulissen verloren gehl, was bei der
Grösse unseres herrlichen Opernhauses namentlich scha-
dete. Unserer Meinung nach wäre der Effect ein ungleich
schönerer, das Verhältnis« des Orchesters zu den Säu-
gern ein weit richtigeres gewesen, wenn die Cspelle ih-
ren gewohnten Platz inne gehabt hätte.
Herr Dr. Schumann dirigirte selbst sein schönes
Werk, das uns hoffentlich bald zum zweiten Male vor*
geführt wird. Dies ist der Wunsch der zahlreichen Ver-
ehrer, die er sich dadurch bei uns gewonnen.
Wiener Musikleben. (Beschluss.) Die erste origi-
naldeutsche Novität des Kärnthnerthortheaters , in wel-
cher eine ziemlich gute französische Schauspielergesell-
schafl auch diesen Winter sich's recht bequem macht,
soll eine Oper vom Capellmeisler Nicolai sein, von wel-
cher die Sage geht, dass sie eigentlich italienischer Her-
kunft sei. Es wird sich bald zeigen, ob die Sage oder
die Oper acht.
Das philharmonische Concert brachte unter der Lei-
tung dieses wahrhaft begabten Dirigenten die Sinfonie
eroica und Mendelssohn-Bartholdy's Ouvertüre zum Som-
jnernachtslraum nebst einem Duette aus Sacchinfs Oedipe
ä Colonne und Arien aus Titos und Coai fae tutte, unter
Mitwirkung Staudig Ps und der Lutser, Heinefetter und
Mayer. Diese Concerte bleiben stets die Krone aller hie-
sigen Musikauffuhrungen. Ein aus lauter Künstlern beste-
hendes Orchester, das durch seinen Chef zu allen Fein-
heiten eines eben so geist- als geschmackvollen Vortra-
ges geleitet wird — eine Reihe der gewissenhaftesten
Proben, während welcher das ganze Tonwerk mit allen
geistigen und technischen Speaalitäten sich jedem Ein-
zelnen tief einprägt — eine exquisite Zuhörerschaft, ver-
traut mit dem Geiste des Classisoheii , feinfühlend und
zum Enthusiasmus geneigt, — wahrlich solch em, der
schönsten Runstweibe entsprossenes Concert fällt schwer
in die Wagschaale der hiesigen Musiksustände. Der
grosse Beethoven ! ach, er musste heimgehen, ohne anch
nur 'eine seiner meistens übereilt eingeübten Symphonieen
in dieser strahlenden Vollendung zu hören. Doch der ver-
ehrte Meister, der den Paulus schuf, lebt; er lebt und
wirkt und schafft zum Heile der Kunst. Hätte er gehört,
wie seine von zauberischer Romantik nmbäuchten Tow»
gestalten hier vorüberrauseben , wie seine Partitur als
süsses, reizend verschlungenes, sinnvolles Traumleben von
dieser Tonbühne aasgebt, ja hätte er auch nur die schwir-
rende Elfehfigur der gelheilten Violinen so ausführen ge-
hört, — gewiss, seine herrliche Schöpfung, die man hier
so sehr liebgewonnen, würde ihn in diesem Augenblicke
doppelt gefreut haben. —
Das diesjährige Musikrest brachte in wiederholten
Aufführungen Hayanf Schöpfung , wie gewöhnlich mit
mehr als lausend Individuen., Es ist zweifelhaft» was grös-
ser war, ob die Liebe, mit der dieses geist- und gemüth-
volle Meisterwerk gegeben, oder die, mit der es von der
entzückten Menge empfangen wurde ; dass aber Slaudigl,
der in der Partie des Raphael das Vollendetste lieferte*
was der Oratoriengesang bieten kann, ja dass er in
mehreren Stellen Thränen der Rührung entlockte, ist
Thalsacbe. Die Tenorpartie wurde vom Hofopernsänger
Kraus mit richtigem Eingeben in das Wesen dieses StyU
ausgeführt und seine ungewöhnlich gleich timbrirle, mark*
volle, sonore Stimme hob auch die tieferen Lagen, in
welchen sich sein Part häufig bewegt, vorteilhaft her*
vor. Den Sopran sang Frau e. Hazek, eine Kunstfreua*
din, begabt mit allen Eigenschaften, die zur würdigen
Lösung einer solchen Aufgabe erforderlich sind, und dies
will wahrhaftig nicht wenig sagen, zumal in einem se
eolossalen Räume, als der von der kaiserl. Reitschule ge»
botene ; vielleicht das imposanteste und grösste Loeal, in
welchem Musikauffuhrungen Statt finden. — Mehrere
Nummern mussten wiederholt werden, man schwamm in
diesen vertraulichen, das Herz ausfüllenden Melodieen,
wie in Fluten des Entzückens. Das Meisterwerk, zu de*
seu Einübung nicht mehr als zwei Proben erforderlieh
waren, hatte in Schmiedl, unterstützt von den Professo-
ren Helbneeberger und Fuchhof und dem VereinsmiC-
gliede Krall, einen bewährten Musikfestdirigenten ; da
fehlte auch nicht ein Zug von einiger Bedeutung. Es
mag dies zugleich einen Maassstab für die Masse, Qua-
lität und Beweglichkeit der hiesigen ausübenden Kräfte
geben. Ein Aufruf — ein animirendes Werk — ein ver-
lässlicher Dirigent — etliche Proben, von welchen höch-
stens eine vollständig genannt werden kann — und im
Nu steht eines der grandiosesten Musikfeste da, hervor-
gezaubert aus den Mitteln einer musikalischen Bevölke-
rung, die in gewohnten Linien fortwogend, einige Stun-
den vor- und nachher kaum davon spricht. Ein Musik-
fest, zu dem anderwärts von allen Seiten Conliogente
geliefert werden müssen, dessen Abhaltung ein Ereigniss,
das selbst fernen Kreisen seine Bewegung mittheilt, wird
hier gleich einem Walzenspielwerke aufgezogen, und
läuft auch wie ein solches wieder ab. Ehe man sich es
versiebt, steht eine kleine Armee Kunstfthiger auf den
Beinen und gewinnt eine musikalische Schlacht, ohne
Aufhebens, ohne Vorbericht und mit wenig Nachberich-
ten. Man musicirt entzückt, hört entzückt an, verlässt
entzückt den Saal und liest im Nachhausegehen,
was Abends die Theater bringen. Aufmerksame und un-
befangene Beobachter werden mir in der Behauptung ge-
wiss beipflichten, dass die ganze hiesige — von der „Ge-
sellschaft der Musikfreunde*' eifrig in Schwung gebrachte
— Musikfestaffaire zu den charakteristischsten Zügen m
Wiener Musikleben gehöre.
Der „Wiener Chorregentenverein" gab mit mehre-
ren hundert Individuen „Hercules, " Canlate in drei Ab-
tbeilungen von Bändel (1744). Es ist dies die letzte der
Bearbeitungen aus der erprobten Feder des geehrten Ton-
veteranen üofralh v. JlfoseV. Bürgschaft genug für die
Sachkenntniss, den Geschmack und die Schonung des Ori-
ginals, mit welchen das ginne Werk uns nlher grtiAt
wurde. Nur wenig hatte der Herr Bearbeiter aus der
Oper „Semele" desselben Tonsetzers (t743; in die Can-
»
1843. JattU* N«. fi:
32
tele toriftogenoimnen. Bei tltedein vermochte dato Werk
sieht die Wirkung der andern Ififircfef sehen Oratorien
hervorzubringen. Einmal ist die Handlung za wenig drt-
analtscb, da sie eigentlich nur das Ende des Helden, von
der eifersüchtigen Bejanira herbetgeföhrt, behandelt, und
flen Chören Mos reieelirende Stimmungen zuweist ; dann
htarirt aber auch ein grosser Tbeil der Musik an einer
Steifheit, Kälte und Monotonie, mit welcher selbst die
wtrnrateu Verehrer Bändet s, deren Zahl hier erheblich,
rieh nicht befreunden können. Doch hat , , Hercules' l wie*
der viele Partieeu, namentlich in der dritten Abtheilung,
von solch deutscher Urkraft, Wahrheit nnd ergreifendem
Ausdrucke aufzuweisen, dass, meines Erachtens, dieses,
Bändet* jedenfalls würdige, Tonwerk, bei gehörigen
Kürzaugen, den Freunden dieser elassischen Mustkgat»
tilg immerhin hoebst willkommen sein müsste. — Zur
Ausführung ist einSologesangquartett von virtuoser Durch-
kitduog erforderlich. Hier war es durch Staudigt, den
Gesangditettanten Bettinger nnd die Hofopernsängerinnen
t*r* Hasselt -Barth und Diehl besetzt. Das schwierige
Tonwerk, dorch dessen Wahl die Unternehmer jedenfalls
One schöne Kunstintention bewiesen, ging unter Leitung
Schmiedet* so gut zusammen , als die dürftigen Proben
es nur immer gestatteten. — Der k. k. Hof- VicecapeM-
meister Herr Ignax Assmayr veranstaltete auch in die-
nern Herbste eine musikalische Academie, worin er eine
neue Symphonie (Bdur), zwei Psalmen und zwei Num-
mern ans dem Oratorium „ Das Gelübde , " sämmtltche
Pieren von eigener Coms*Sftmr, anfahren lies* Au*
mayr ist ein gereifter, Jtenntnissreicher Componist von
umfassendem Partiturstudium. Er wein für jeden Vor-
wurf gute Formen, gute Mittel und gute Effecte zu wäh-
len, und hält sich, seiner künstlerischen Thiügkeit nach,
nor an grössere, meistens kirchliche Aufgaben. Oben an«
geführte Stocke, von entsprechenden Klüften ausgeführt
nnd von ihm selbst dirigtrt, landen in diesem Sinne denn
auch beifällige Anerkennung.
Von den Goncerten, welche den Soleinstrnmenten
gewidmet, machten sieh bisher blos die des hier anwe-
senden 13jährigen Pianisten CarlFiltsch höchst vorteil-
haft bemerkbar, über welchen ich in meinem Nächsten
berichten werde.
Feuillet ort.
Am 1. Decemker ward« ao der Pariser komisehen Oper anm
ersten Male mit vielem Beifall gegeben: L'eselare de Cameens, Musik
reo dem jungen ans Mecklenburg gebartigen Compt nisten Flöte*.
Coneertmeister Sommer in Weimar kat daselbst ein nener-
fundeoes Instrument prodneirt, Namens Eophonion. Es maebte
durch seinen Wohlklang, ähnlich einer Posaune, doch zweifach
starker als diese, einen sehr angenehmen Eindruck, namentlich
mit Begleitung der Orgel (durch Herrn Professor Töpfer)*
Der Kosteoansehlag für das in Hannover au erbauende neue
Theater betrügt 600,000 TWr. Die Forderung aoll deu nächstens
Busammentretenden Lands linden vorgelegt werden.
Ankündigungen.
Im Verlag der Unterzeichneten werden nächstens
mit Eigentumsrecht erscheinen :
Trois Divertissements
pour le Piano
oqr Dom Sebastian de Donlsettl
par
Henri Hers.
0p. 139.
Leipzig, den 10. Januar 1844.
Breltltmpf dfc Härtet
Bei l?» Klfjtiter in Leipzig ist so eben erschienen:
Heber den JBau der Geige
und anderer Saiteninstrumente.
Zum Gebrauche für Künstler. Dilettanten und Instru-
mentenmacher. Nach einem in der Acadimie des Scien-
ces in Paris von Savart gehaltenen Vortrage ins
Deutsche übertragen.
Iff Ngr.
nnd dutek Harm
In Verlage derÜnUraeiekneten ist
Fr. «MaTtMr in Lei» »ig; an besonbemi
»Utfer, TH^ Adien a Cmwnmagne.
et Vielen, iftfr Kgr.
¥ y M« BT« » La Carnetal de Veuise, erränge pour le PSu-
•oforte seul par B. G. 12* Hgr.
Elegie. Ckent pour le Violon arec Piano (Edition nour. et
corrigee p. Tanteur) ar. Portrait. 15 Ngr.
Gatte* BT* W», Frühlingsblume*. 3 Stacke Ar da* Pbnoforft.
Op. 2> 10 Ngr.
, Nordiake Tonebilleder. FanUaieen Ar da« Piano/orte an 4
Händen. Op. 4. 17i Ngr.
Gmde et Helnted, Napoli. Ballet arr. p. lePfte. ITklr. 7$ Ngr.
Heinted, Ed., Le Toreador. Ballet arr. f. le Pfle. 17i Ngr.
Iitotmslijeald. H.V., Romance med Chor og Plte. ff Ngr.
Iiiamfcje, Wilhelmioc« Polka pour le Pianoforte. 4 Ngr.
MUitair- Polka Ar das Pianoforte. 4 Ngr.
Svcnsk* Sauger (Schwedische Gesänge) r. Lindklad v. Gejer med
Pianoforte - Aeeomp. ff Ngr.
Unter der Presse befindet sich :
Bfsullll, L'Eiulc. Romance arec Acc. da PUno.
D5lller, Adien ä Copenkagne. Romanee arr. ponr le Piano ■
4 matas.
kMhtMaa, Otto, Matrosen. Romane« med Pianoforte.
tjUatlCt» !¥• W,, Agnete og Havmanden. Lyriak Drama of Aa-
denen. Clareer - Udtog. Op. 5.
Skandinavische VoHugesftnge, karmon. bearbeitet Är's Pisw
noforte allein.
Ctemrlltt, C, 6 Gesänge mit Pianoforte Ace.
Ii*ve»«mJ»ld, M. T., Geainge ans der Oper Holen i Hoi-
afjeld mit Pianoforte Ace.
I/Utnbje, Seeha TiroJi- Tinte Ar*e Pianoforte.
Polrbyrnnia. Sammlung von Liedern Ar 4 Männerstimmen rom
ekundinarieeken Componisten. 1* Heft.
Cepcnkogen, im December 1843.
C. C. Lerne As OLsea.
Druck und Verlag voo Breitkap/ und Härtel in Leipzig und unter deren Verantwrlltebkeit.
5«
ALLGEMEI NE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 17 len Januar.
M 3.
1844.
■ ■ ■ '
taMalts Ueker Rsbstt S*»u»ta«*t Clsv l ews m psglttoBeB. (BesehlaM.) —
— iYdUtet Ast Leipsig. — Ifr n flfift m. —
Cktviere0mjHh
Ueber Robert Schumann'*
sitionen.
(BeichUn.)
Hier muss um der „ Kindemeenen " — Op. 15,
Leipzig, bei Breükopf und Härtet — gedieht werden,
welche unstreitig zu Schmmmm's besten Leitungen in
diesen Genre gebären, nnd worüber» wir uns etwa» aus-
führlicher zu Mossern gedenken. Vermögt einer belb pre-
phetiseben nnd halb poetischen Intuition nnd jener vor*
zugsweise nur der djyeeüvea Anschauung eigenen geisti*
gen Geschmeidigkeit ist es de« Ce m p on istcn bier getan»
gen, eich dergestalt in einzelne Stimmungen, Zustünde
nnd hervortretende Momente der Kinderwelt zu versen~
ken und sich derselben in einem Grade mnsikalisch xa
bemächtigen» dess ein sinniges Gemüth sich davon im In*
Mieten ergriffen nnd aufs Lebhafteste angesprochen fuhr
len muss. Wodurch ist diese ungewöhnliche Wirkung
hervorgebracht, wodurch wird der Zuhörer in eine so
vollkommene Illusion versetzt? Durch die Wahrheit der
Schilderung, durch die Natnrtreue des ColoriU; dadurch,
dass der Tondichter ganz in seinem Gegenstände aufge-
gangen ist, sich ganz nnd gar in ihn hinein oder viel-
mehr zurück gelebt und zurück empfunden, mit einem
Wort: dass er den lieblich naiven, in süsser Sorglosig»
keil aufquellenden, lebt kindlieben Ton aufs Glücklichst*
getroffen hat.
Diese „Kinderseenen" beweisen am Einleuchtend-
sten, dass. auch in engern Raum, in die Grenzen einer
bestimmten Form sich Bedeutsames und Cheracteristisebe*
drangen lässt* dass es. dasu nicht gerade immer nüthig»
der wild und planlos schweifenden Phantasie. den Zügel
scfaiessen zu lassen, nnd sich dem Zufall, der Willkür
in die Arme zu werfen. Gerade überlegene Runstgeister
fiihlen sich oft von einer Art edeln und feineren Stolzes
geslaishelt, und setzen eine Ehre darein , sieb der Herr-
schaft gewisser Gesetze nnd Segeln willig zu unterwer-
fen; denn sie sehen sehr wohl ein, dass es ja gerade
desto ruhmvoller, und ihr Verdienst ihren Triumph nur
erhöht» bei oder trotz aller. Achtung formeller Grenzen
nnd Fesseln doch Gmjmma nnd EigentfcealieJhee, gelei-
stet zu haben» i —
Auch de/ „Arabeske*" Op. 18, und des „Blnmenr
Stucks," Op. 19, muss lobend gedacht werden, welche
Arbeiten sieh indess mehr durch melodischen Fluss, durch
4S. Jasrgtng.
Klarheit und Fassliebkett und durah ihre liederartige Hal-
tung, als durch besondere Originalität bemerklieh ma-
chen. — Letzlere wird durah eine hin nnd wieder her-
vortretende Familienähnlichkeit mit Mendelssohn'* „Lie-
dern ohne Worte" und J. FieUs Notturnen und Roman*
zen einigermaassen beeinträchtigt. Das Weiche, Schwär-
merische, der zarte, lyrische, fast weibliche Character
der Fitö schon Gantilene klingt unverkennbar aus bei-
den Stücken uns an ; doeh wird man von dieser Aehn-
Bebkeit eben nicht unangenehm berührt; vielmehr wirkt
sie dadurch höchst wohlthuend, dass Schumann ihr noch
einen Vorzug beizugesellen wusste, der dem Engländer
stets fremd geblieben und der ihn weit über J. Field
erhebt ; und zwar gründet sioh diese Deberlegenheit auf
den Umstand, dass in Hinsicht auf harmonische Ausstat-
tung und sonstige Zuthat in Figuren und Begleitungsfor-
men sieb Alles ungleich gediegener, voller und maanioh»
mliiger gestaltet, kurz künstlerisch bewusster, fertiger
erscheint, als es bei J. Field jemals der Fall ist, wo
so manches Lose, unsicher und unwillkürlich Zusammen-
gestellte beinahe auf eine Dilettanten band scbliessen lässt.
Seihständiger und bedeutender ist jedenfalls die „Hu-
moreske" (Wien, bei Pietro Mecbelti) und die „Gmoll-
Sonate" (Leipzig, bei Breitkopf und Härtel), welche beide
wir unbedenklich als die bedeutendsten, die Glanzslücke
der ganzen, des Gediegenen und Eigentümlichen so viel
enthaltenden Sammlung glauben bezeichnen zu dürfen. *~
In der „Humoreske" ist es die grosse Manniohfalligkeit
in Inhalt und Form, der stete und rasche, obwohl im-
mer natürliche und ungezwungene Wechsel der verschie-
denartigsten Bilder, Vorstellungen und Empfindungen, der
ph#ntt*liseb und trsnmhnft duraheinanderwogenden und
verdämmernden Erscheinungen, wodurch das Interesse
von Aofaog bis zu Ende nicht nur wach erbalten, sonr
den fortwährend immer gesteigert wird. —
Es wird immer. eine der schwierigsten Aufgaben für
den Aeatbeliker bleiben, die musikalische Wirkung durch
Worte auszudrücken •— das Unbeschreibliche, Geistigste
durch Umschreibungen zu erklären und zu versiunlichen \ —
das Sinnigste, Feinste und Gewiegteste, was er in die-
sem Falle auch immer vorbringen »eg, wird nnd muss
neben der Sache selbst immer unvollkommen, dürftig,
kalt und gezwungen erscheinen. Doch soll uns
dies nicht abhalten , wenigstens einen Versuch zu ma-
chen, den eigentümlichen Eindruck, den die „Hwno-
3
1844. Januar. No. 5.
reske" bei um hervorrief, — wlntües auct ntf* hilf
und halb und ungefähr — zu schildern ; aollte diese Schil-
derang *uch ftaiaer ekic reit sufrjeslive, ganz *Mt gif
den individuellen Gefühl entspringende «in nnd wir uns
dMbst bei unserer Auslegung nuweilen etwa» Von den
eigentlichen Intentionen des Componistcn entfernen, so
wollen wir uns darüber mit dem allgemeinen Loose der
Commentatoren beruhigen, die oft Manches, was den
Künstler > in der Pulle der Gefühle und im Feuer und
Aufschwung der Begeisterung, seinem Werke, sieh selbst
unbewusst, einverleibte — - scharfsinnig herausfinden, da-
gegen aber. auch sich Manches, was der Erster* mit vol-
ler Bewnsstheit und bestimmter Intention hineintrug, ent-
JBncn lassen« üeberdies nnd Ja mehrere , verschiedene
uffassungen ein und desselben Werkes gar wohl denk*
bar, und jede einzelne kann, vom individuellen Stand*
puncto des Auf essenden aus, im hohen Grade verständig«
entsprechend und scharfsinnig sein, kann — so zu sa-
gen — irgend ein neues Thor der Verständnis* eröffnen
und den Schlüssel zu bisher noch verborgenen Geheim-
nissen des Geistes liefern, worauf unter Andern auch
Növa&s hinzudeuten scheint, wenn er irgendwo sagt«
„dass ein Werk desto interessanter und ein ächter Aus*
flnss der Persönlichkeit ist, je mehr Veranlassungen, Be*
deutungen, mehrfaches Interesse, mehr Seiten, überhaupt
{» mehr Arten, verstanden und geliebt zn werden, es
at." Dies scheint uns gerade bei der mehrerwähnten
Composition der Fall zu sein. — Wenn wir daher ohne
weitere Umschweife bekennen, dass wir uns dararis mit
einer ganz eigenthfimlioben , herben, aber kräftigenden
Frische, wie von reiner Bergluft angeweht fohlten, ball
wieder von stürzenden Waldbächen in jugendlich fr**
ftehem Ungestüm uns uttbrauat Vermeinten; wenn wir
hinzufügen , dass ein eigenes , sehauerKeh süsses Gefühl
von Kraft, von geistiger Fülle und Gesundheit dieser
>, Humoreske " inne zu wofcfen scheint, das sich nach
nnd nach dem Zuhfirer mittheilt, und ihn allmäKg mit
einer so vollkommenen, seligen und tiefen Befriedigung
erfüllt, wie nur dem innersten, geheimsten Born des
Gemüths entquollene Weisen nnd ächte, erdentrüekte Be-
geisterung sie zu Wege zu bringen * vermögen , — so
Silben wir damit die Wahrheit eben nicht verfehlt zu
>cn , sondern ihr vielmehr •— ■ wenn such auf eigene
Weise — ziemlieh nähe gekommen ftti sein» "—
Noch reichlichere Ausbeute für die Besprechung und
bedeutendem Stoff zu allerhand Erörterungen undaben»
theuerlichen Auslegungen würde die Gmoll- Senate darr
bieten ; wir wollen uns jedoch auf die Erwähnung des
umstände» beschränke», dass der Cdmponist hier sich de*
bestehenden, vorgefundenen Sonatfcnforro bedient und diene
fast durchgehend* -consequent festgehalten hat. '
Was bereits bei den „Kinderscentta" ift Bezog atif
Beobachtung gewisser Schranken und Runstgesebte gesagt
wurde, findet auch auf die „Humoreske" und „GmolX-
*Sbnate" wiederhohe Anwendung, mir ist zu unterscheid
den; dads in den Heiden - letztem ComposMonen Plan und
Anlage ungleich ausgedehnte* und bedeutender, dass die
'Formen und Dimensionen entwickelter tftd grösser sind
nnd Allee hier ausgeführter, durchgearbeiteter (Wlhrertd
Arirt meht skizzenhaft und BüeMig Angedeutet) erscheint,
ffwiMupt «in liohirer nnd kühnerer Gedankenlug sieh
darin offenbaret«
Noch *M die „Naahtstidcn," öo. tf , Wien, bei
Mechetfti, zu erwähnen, die in ihrer rtNpsodiscken, w8U
küsfichen Zn aai iun stn llnng etwa* foprovisatormehes*
\ etwas, wie dem Augenblick, der zufalligen Laune Abge-
nommenes au sich tragen. —
* . Ferner der „Faschingsschwank aus Wien,** Op. 26.
|5a Seitenstück zu den Garne valsaeeaeo) weniguteneln»
det man ganz die bunte Abwechselung, die heitere, ver-
gnüglich übersprudeln ae ljanne dann wieder« ■"— An
eilen Enden buumrietiacbes
Wetterleuchten;
Seiten fahren die Raketen des Witzes nnd Instigen Geber»
muths in die Hohe, nmtisehen [uns die SpruhteuM
schalkischen Spottes nnd des ausgelassensten Muthwil-
laua, n. & Sdte 7 und 8^9, wo unter Ander* das
altvaterische, auch in den Garnnvalsscenen auftauchende,
acht spiessburgerliche und philiströse Motiv: „Als der
Grossvater die Grossmutter nahm" — einen grotesken
Gontrnst herbeMhvt nnd eine acht komische Rocoeowir»
ktrng hervorbringt. Das musikalisch Gehaltreichste dieser
Ffcntasiebtider ist unstreitig das Intermezzo No. 4, das
uns von der ganzen Sammlung am Meisten zusagte. —
j Wie indess ein so finsterer Gesell, so ein Störenfried
| und ächter Binder Griesgram, der aus seinem Bsmoll«
| Visier unheimlich und drehend ge nug hervorblickt, steh
in die heilere Umgebung »verlieren und in diese fröhliche
Gesellschaft gernthen konnte, ist in der Thai nicht woU
Abzusehen. — Der rauhe, ernste nnd strenge Ton , vor
dem plötzlich alle Lust und Heiterkeit zum Tode erster*
reu moss, ist jedenfalls für 1 einen „Schwank" nicht pas-
send. Ist es erst glücklich überstanden, dieses „Inter-
mezzo," so atbmet matt hoch und frei auf, als fühle man
sich von einem bäsen Zauber erlast und möchte ihm
nachrufen, was Shakespeare den Orlando zu Maitre Ja*»
ques*) sagen fifisst: „Ich freue mich Aber euren Ab-
schied: Gott befohlen, guter Monsieur Melancholie ! 4f —
* Hiermit wollen wir denn unser Thema einstweilen
als erledigt betrachten nnd die Verhandlungen darüber
beechliessen. 6b es uns gelungen, uns dabei jener Ob»
JeetivifRt im Unheil nnd jener Unbefengeahert zu he*
mächtigen, welche bei Erforschung und Entdeckung den
Wahrheit in allen Dingen uncriässtich ist, nnd ohne
welehe selbst der noch so erleuchtete Kunstkritiker nie
«twas allgemein Gütiges nnd durchaus Erschöpfendes wird
tttt liefern vermögen, dies bleibe fremder Einsicht zu
entscheiden überlassen ; indess dürfen wir immerhin
Versichern, fortwährend unser Augenmerk darauf ge-
richtet nnd überall nach Kräften vnd mit bestem Witten
mindestens darnach gestrebt zu haben, so dass mit Wis-
sen und Absicht gewiss Nichts in unsere Arbeit Öberre-
gärigen ist, was durch zu individuellen Austrieb, oder
durdi einen Beigeschmack von 'Privatvorurtheü vnd per»
sffnlicker Yortiebe die Unparteilichkeit und somit 'die
Wahrheit und ComftOtenz unserer Aussprüche vdrdäcfc»
1fg*n oder bezweifeln lassen ktanfe. Ob dtese letztern
auch zuweilen tadelnd ausgefallen, und zu weldhen Aus-
stellungen wir uns auch Kn «tod wieder Verahlaset ge-
'),,Wfeeft«*riJrtltt>'
st
1844/ J
jw/m
SA
m *» vi* ist jpmiee und Ksst sieh
als Geummtresnltat vetficgender Erörterung feststeifen,
das* Sckummnme CkvieroonposämM den merkwtfrdjf
gan, bedeutenden Knusterscheinungen der Gegenwart heim-
zuzahlen sind, welche durchweg sich durch ein edle*
hohes Strehea auszeichnen aad manche Keime einer nenef
Zeit in sich schliefen. ;
Wie alles tiefe nnd Tüchtige, wie alle* Ernste *nf
hrnerticfasteigene werten auch m erst mit dar Zeit und
nicht ohne Mühe in's gro sse i fr h li e nm Irinnen nnd nnr
langsam na w eil er e r Verbr ei tn ng und Aucrkenmeag g**
lanifea, dann aber desto' aaafam» tat tauMaetlerlssW
Richtung überhaupt, wie auf das musikalisch* Denken
insbesondere, eine naekhabkn Wirkung ansähen. —
Vorliegender Versuch, zu allgemeiner Theilaahme un^
ertröbfer Autaerlsamkeit ftir die fo Rede steheftfar Cdm^
Positionen anzuregen -^ wie frth oder spät auch er sich
eines Erfolgs sn erfreue* haben möchte — in uns lebt
die Ueberzeugung, dem wahren Interesse, dberhaupt der
Sänke 4er Kaadt dadnrah ekmn wesentliche* nnd federn-
den dienst
R m o e fi s i a 11 i if«
Doux Souvenirs (Holder Traum schöner Tage). Mflofffe 1 .
Paroles dtBippolite Üugied, MusTque de Fr. $iirg-
' mülter. Mit' französischem und deutschem ' Texle'j
Mainz u. s. w., hei Schollt Söhnen. Preis 27 Kr. '\
äo ]¥Je fest alle (Jeder diese* Compouisleu, so hat
auqfc dieses artige alla Pblacca gehaltene , ohne gerade
tief und originell zu sein» etwas Frische* und Gefälliges^
Es ist, wie auf dem Titelblatt* nicht bemerkt worden^
für ejne Singstunde mit Begleitung des Piaeoforte gesetzt.
t) Hai «her, Gedicht von Jtowms flfr *ine
mit Begleitmag des Piaaefoi4e , to Musik •gesetzt w*
HHnrich Esser. Btoadasfclbst. Paris 27 Kr.
J) Mutterseclcua'rrein, Lied Iran demselben rar einh Sing*
stimme mit Begleitung* des Pianoforte, componirt von
demselben. Ebendaselbst. Preis 18 Kr.
3) Scbfcmmerlied und Sie liebt dich, Gedichte von dem-
selben , Ar eine Singstimme u. s. w, , cemponirt von
demselben. Ebendaselbst. Preis 27 Kr. .
j)*se, Lader scfcUaesenmeh der,ZeM der besseren
an» Sin sJnd.simmHieh in nipem leichten, reinen nnd ras*
den Gjpa entworfen «ad sauber ausgeführt, näi aeugtu
von einem acbtbmma, wühl ealtivirten Talente. Originell
and dabei doch gefall» fct vemüglicb das „linttoräeekftr
nlleinl! und das „SeWwnmerüed. Beide habe» uns t/er*
wgttc^eügeaewocheiu . ^
|) Md Wille, Gedicht <#on Wfixrv. Btcktndötff, in -IN»
Sit gesetzt für eine Stagstimme fnlt Begleitung den
Pfauoforte von ßf. Sptfrr. Op. 46. Hfend. Pr. 27 Kr\
2) Die Bfa aame, feffc ht Vo n - Sekmkmjtch&j jn Mtoft
gnvctst Ar' eise SfhgMunM tirit Begleitung Ate fta*
• nofoHe von «T. ÄMfer. Op. 47. Müfttti. s. w.> M
Schorfs Stbnen. Preis 27 Kr.
Der Cempoadet hat aus diesen, eben nicht vorzugö-
eben Gedickten mehr an ssaefaen gewasst, als wir's für
möglieh gehalten hätten, und Jemen Texten viel Ehre
ängelhan. „Die Stille 4 * hat Recenseutmit Vergnügen wie*
derholt gehört. Schade um die hühsake Musik gu 09. nur
bedeutendem Texte !
Dan öde Hans, Ballade von KaMert, «reine «Bfca ti t m im
mit Bereitung des Pianoforte* componirt von J. Jtn»
t&nham. Ebendaselbst. Preis 49 Kr.
Herr Dr. Lfiwe in Stettin hat durch seine geistrep
eben Balladen den Comporfisten, die sich in dieses FacB
wagen, einen sehr schweren Stand gemacht. — — Ob»
gleich es dieser Rosenbain'schen Ballade nicht an ein*
Seinen gnten Zügen fehl!, so hat doch der Verfasser^
nach unserem Gefühl, durchaus nicht den rechten Balla-
dfertton getroffen und sein sonst achtbares Talent scheint
uns nicht für dieses Genre geeignet zu sein. Es kommt
AUp* an gesucht, oder wie man sagt: an gemacht her*
aus, 6s fehlt dem Werke die innere stöbere Hakangi
der Acht künstlerische Flosa nnd Guas. Dann mochte ea
selbst einem geistvollen und gewandten .Singer schwer
bllep, etwas Rechtes ans dieser Ballade an stachen uni
sich damit Beifall au erwerben« — Es thut uns leid, die*
se* strenge Urtheil aussprachen an ssossen. Aber wit
käpnef lueht gcfan unser Knnelgefrissen nrihaÄeiu —
t> fn dfe Peine, Gedieht Von Rhtke, flrr eine Siagstunme
•ntit Begleitung des Pianoforte componirt von Ä>
Oetksner. Op. 3. Ebendaselbst. Preis 27 Kr.
t) Be* Fisehermädehen , Gedicht von Heine. Barcarole
' t$t< eine Singstimme mit Begleitung des Piapbforte und
• Violoncello, voh demselben. Op.4. Eben*. Pr, 45 Kr.
• Wenn der Verfasser sich überall ,' zumal, in No. \ %
Hiner natürlichen Declamaiion beDeissigt hatte, so wür-
den Wir über diese Compositionen , die ersten, die wir
VOö Ihm kennen gelernt, ein unbedingtes Lob ausspre^
chen können. No. 2 kennen wir schon in einer ziemlif
eben Mebge von Compositionen. Doch haben wir auch
diese mit Interesse gebort und die Zugabe des obligaten
st ein guter Gedanke.
i) Die 'Nonne, Gedicht von V. v. Mosen? componirt für;
eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von
' '' Finnen* Leicht. Op. 13. Ebendaselbst.. Preis 36 Kr,
2) Auf Flügeln des Gesanges, Gedicht von Heine, für
ejne SingsWme mit -fl^gleitung -des Pianoforte von
demselben. Op. 14. Ebendaselbst Preis 36 Kr.
An des Verfcssers Stelle bitten wir dfcs widrige Ge t
dicht No. 1 nicht componirt. Sollte ej aber doch geschel
hen, so mnsste SS die Färbung verzetfluogsvoller Bitter*
keit erhatlen nnd tragisch gefasst werden. No.2istgan4
artig. eomponirt f ^aitdta ne- fehlt das südliche Golorit* AU{
diese Lieder sind sehr bplendid ausgestattet nnd, blos die
Speiei^sckan ausgenommen, mit zum Theii recht artigen
59
1844. JaMMW. Nö. 5»
40
Six Divertissemens cn forme de marebes
U Piano
8>ianoforte) k 4 mains, coaposes per Ol Schwenke.
euv. 60. Gab. 1 et 2. ßraunachweig, bei Mever jun.
Preis k 1 Thlr. , . ,
Wer diese Divertissements auf sein Pianoforlepuft
bekommt, lasse sieh nur nicht etwa, wie es beinahe uns
selbst geschehen wäre, sogleich durch den Anfang des
ersten vom Weiterspielen abschrecken. Recensent be-
greift nicht, wie dem Verfasser, der sogleich im Trio je-
nes ersten Stückes, so wie in allen folgenden , so feine
picante und zum Theil schöne und edle Gedanken bringt,
jene, nach unserem Dafürhalten ziemlich unerquickliche
Partie entschlupfen konnte. Im (Jebrigen aber kanq man
sich von diesen Divertissement*, wenn man sieb die Mähe
giebt, die rechten Tempi für sie aufzufinden und den ew
genthümlichen Intentionen des Verfassers nachzudringen,
weit mehr, als — ein Divertissement versprachen. Wer
indess kühne, halsbrechende Turnübungen für die Fin-
ger, wer das Pfefferkuchenwerk modischen Pfcssagenwu»
stes begehrt, der findet hier seine Rechnung nicht.
Schliesslich ertauben wir uns noch an den Herrn
Verfasser, dessen eigentümliche Erfindungskraft und des»
sen Reiebtbum an interessanten melodischen und harmo-
nischen Wendungen und Effecten wir achtungsvoll aner-
kennen* die Präge: Warum ist die herkömmliche, m ei-
nigen dieser Divertissements mit Geist und Geschick durch*
brocbenc Harschform, der zu Folge man auf das Trio
(wozu überhaupt noch diese, ganz bedeutungslos rewor-
dene Benennung!) die kahle Wiederholung des ersten
Satzes eintreten jässt, dennoch in anderen beibehalte*
worden? Es scheint uns vor dem Forum einer gesunden
Aesthetik unstatthaft, dass man in solcher Weise den
Anfang auch wieder zum finde m#che. Wo bleibt M die
lebensvoll sich steigernde Progression der Gedankcnentr
wickelung? — Nach unserer Lieberzeugung muae, wenn
in die Marschform Geist und Leben, Sinn und Bedeutung
kommen soll, auf den Mitlelsatz (Trio) ein, die in dem
ersten vorherrechende Stimmung noch steigernder Schluss-
satz folgen. Die kahle Rückkehr des ersten erscheint uns
malt, unbelebt, unkünstlerisch, unerquicklich. Der Herr
Verfasser bat dies wobl auch gefühlt, allein nicht überall,
mit strenger Consequenz , praclisch gellend gemacht, Z
Eine von ihm gebrauchte u*d in «im besoadeseft
Anmerkung erörterte „Quintenfolge*' (Cah. 2, S. 8) er-
scheint auch unserem Ohr, bei discretem Vortrage, nicht
sonderlich ansfössig, allein doch immer nur, ujrter höhe-
rer Notbwendigkeit der Idee, statthaft. Man sehe die
Sache selbst und entscheide darüber.
Die Süssere Ausstattung den Werkes ist elegant. Sa vc*-
langt zwar keine Bravourspioler, «ttei» dock sehr auf-
Blätter und Trauben, Lieder für heitern Kreise von Joh.
N. Vogl % mit Melodieen von den vorzüglichsten Gom>
ponisteu Oestreichs. Zweite Auflage. ISA S.S. Wien,
.. bei Jasper 1843.
.Dar Masige Singer bietet hier 61 Lieder, säumt»
lieh mit trosstenlbeils mehntimmken Tonweiscn verse-
hen. Frohen Zechern eine empfehlenswerthe Gabe. Dass
nicht alle Lieder und Weisen in diesem artigen Hefte
gleich neu, eigentümlich und ansprechend sind, kann,
bei einem sehen so vjeUach bebänderen. Gegenstände, nicht
zum Vorwurfe gereichen. Es ist vielmehr zn bewundern,
dass der Dichter auf einem so ausgedeuteten Felde im-
mer noch seine frischen Blüthen zu brechen gewusst hat,
wie denn gar manche dieser Trinklieder in der That von
höherem dichterischen Werthe sind, während sich wie-
derum die meisten durch glücklich erfundene Tonweisen
auszeichnen, unter deren Verfassern indess auch manche
nicht Oesterreich angehörende Namen vorkommen. Dass
nicht nur der Character und Aufenthaltsort der Compo-
nisten, sondern auch Ort, Jahr und Datum ihrer Geburt
angegeben sind , giebt der Sammlung noch einen beson-
deren literarischen Wertb, welche sich übrigens den Bei-
fall, den sie bereits in ihrer ersten Auflage gefunden,
auch, in noch weiterem Kreise, in der verliegenden »wei-
ten erwerben wird» Die Ausstattung ist des gefeierten
Dichters, und seiner hier gebotenen Gaben würdig.
La fontaine. Le feu follet. Delix morceaux de Salon
> ponr le Piano(forte), eompose* nar Betthold Damcke.
Oeuv. 13. Cah. 1. 15 Sgr* Gab. %. 25 Sgr. Ber-
lin, bei Paes.
Es ist sehr lobenswerlh , dass der Herr Verfasser
nicht, so wie so viele Andere, in'e Blaue hinoincompo-
nirt, sondern nach Ausprägung poetischer Ideen gestrebt
und dieselben durch jene Öeberschriften : „La fontaine"
und „Le feu follet" angedeutet hat. So weiss man doch
gleich , was er gewollt und erstrebt hat, und kann mit
Sicherheit darüber entscheiden, wie es ihm gelungen ist,
seine Intentionen zu erreichen* Unserer Quellentbeorie
nach ist aber seine,,Fontaine" nicht sowohl «ine Quell*
als vielmehr eine «sehr ansprechende Scene an einem sanft
zwischen schaltigen blumenreichen Ufern dahingleitenden
§irome. Für das enge gebeimnissvolle Arbeiten , Spru-
deln und Murmeln einer .Quelle ist uns die von, ihm ge-
4t
IS44.
No. 3.
48
brauchte sanft, woge^e, und in dieser Hinzieht «ehr ma«
lerische Bassfigur zu brat und in saäebtig. Damit atei-t
len wir übriges» keineswegs in Abrede, das* dies* Ar-
beit ein recht freundliches, geistvolles NalurhiM gebe.
Die w«as^riwreti Skalier ^iiies Irriiebttaocesscbeiet
der |V«rfeeser «och nicht selbst «riebt so beben. Er würde,
sonst gewiss dem „Fe« fdUet" elfte andere, unbeimli-
obere» grausigere Färbung gegeben beben» als sie die an
und für sich sehr brav durchgeführte Trioleufigur bietet.
Gebrigen* ist da» tief Schauerliche, Sehleichende und daM
wieder seltsam Hüpfende, dan ans tiefer Nacht HesuefMin*
bende eines Irrliebla ein sehr ergiebiger Gegenstand für
einen musikalischen Landschafter, den nsau indess* wie
alle anderen ans der Natur gegriffenen , nnr naeh tuet
tigern Stadium ihres geheimnissvollen Lebens treffen kenn«
An und für sieh bieten beide tiefte woMgeflbten Spielern
eine interessant* Unterhakung. AnestaUMg .splendid.
Amusemetis de salon. Trois nouvelles nocturna poarlc
Pianoforte par Jacques Schmitt. Oeuv. 320. Ram-
barg, bei Kranz. Preis t Tblr. %
Ansprechende Themen, frei in Thalberg'scber Manier
variirt, also ganz fiir den „Salon" geschaffen« Wir zwej*
fein nicht, dass der Verfasser damit dort sein Glück ma-
chen werde. . K. .
Naghaightbh.
Leipzig, Atn J6. Januar 1844» Am 3. Januar d. J<
gab im Saale des Gewandhauses Herr NepoUone Mo*
riani, unterstützt von einem Präul. ifotsttp und einem
Herrn Ciabatta, eine musikalische AbendunterhaUnng, in
welcher, blos mit Pianofortebegleitung, folgende Stucke
ausgeführt wurden : Terzett aus Luercaia ßorgie, gesue*
gen von Fräul» Rosetti und den Herren Moriani und
tXabattu. — Romanze ven Donizetti, gesungen vng
Herrn Moriani. — Introdnetion und Variationen über
ein Lied „Das Lob der Thranen," von Fr. Schubert^
componirt von F. David, vorgetragen von Herrn Joseph
Joachim aus Wien« .— Cavatine aas der Oper ,Jfolla,''
von RiccL gesungen von Prfiul. Rosetti* — Deeltn buifo
uns Doli, Fasuuale ven Doninetti 9 gesungen von Präul*
Rosetti und Herrn Ciabatta. . — Arie aus dem Piraten
▼on Beüiw, gesungen von Herrn Moriani. — Zwei Lin»
der, psuugen von Herrn Ciabatta. — Duett aus Figaro
von Sloiart, gesungen von Präul. Rosetti und Herrn
Ciabatta* — Duett aus Linda di Cbamouny von Dom*
xetti, gesungen von Fräul. Rosetti und Herrn Miriam*
Wir wissen nicht, ob Herr Moriani in Italien, sei*
nem Vatertande, als Gesangkünstler hoch gestellt und ge-
schätzt wird; in Deutschland bat er sich, hauptsächlich
durch seine wiederholten GastdanteUungen auf dem Thea-
ter zu Dresden 9 enthusiastische Anerkennung und gros*
neu ftuf erworben, ja so entschiedenes Aufsehen erregt»
dass wir mit Recht Ungewöhnliches erwarten und bedeu-
tende Ansprüche an seine Leistungen machen durften*
Als ganz vorzüglich ,jron t seltener Schönheit, Kraft und
Frische ist uns immer seine. Stimpe.gf rühmt wor4e*b
während man seine GecaughOdung nieht seilen einteilig»
nur auf die neueste italienische Opernmusik geschult, den
Anforderungen, welche man überhaupt an einen durefe»
gebildeten italienischen Gesangkünstler su machen g*»
wohnt ist, nicht entsprechend linden wellte» Aus eigener
Uehterzcugung können wir jetzt dem leinten Urtheile oiebt
widersprechen, und dem Lobe der Stimaie nicht gann
beistimmen. Es ist nicht nu leugnen.» man hört Hern
Moriani 's Stimm* an, dass nie schön war» man hat im*
mer noch ein tüchtiges Material vor sieh, allein Frische
und jede schöne , gewinnende Eigeutbümliohkeit der Ja-
gend sind nicht mehr da $ es ist nicht mehr Wohllaut in
jedem Tone» nicht mehr die natürlich* Macht im Klange,
die, oft ohne Absicht und Verdienst des Sängers, unwi-
derstehlich wirkt, die tief in's Herz dringt, auch wenn
sie nicht vom Heran kommt Unter selchen Verhältnis-
sen tritt nun Das, was man bisher in der Geacbmack**
fiobtunf der Leistungen des Herrn Moriani als eine zu
einseitige Ausbildung für die neuesten italienischen Opern-
eompositionen erkannte, überhaupt als ein Mangel der
Gesangbildung im Allgemeinen hervor. Es scheint in Ita-
lien nicht besser, als in Deutschland, su sein, und die ita-
lienischen Singer scheinen eben auch nnr Das nu ler-
nen, was sie für die Opern brauchen, die gerade jetzt
auf der Bühne besonders gelten und beimisch sind. Die
Italiener haben hierbei allerdings viel leichteres Spiel, als
wir Deutsehe, denn sie singen und brauchen nur italie-
nische Musik» während wir die Musik aller Welt singen
und brauchen, wenigstens zu brauchen glauben. Seit nicht
mehr „Rossinis Coloraturen- und Guirlanden- Arien die
italienischen Theater beherrschen» sondern BeUmfs durch«
sichtige noten- und passagenarme Sentimentalität durch
Doni*eUP s nachgeformte Opernlegion darauf, heimisch ge-
worden ist, scheinen sieh auch die italienischen Sänger
nnr wenig um Volnbilitäl der Stimme, um Coloratur ui
dergl. nu kümmern; die einzige und immer wiederkeh-
rende sogenannte Ausschmückung ihres Gesanges, Ja auch
Das, was sie vielleicht Vortrag nennen mögen, besteht in
einem aus Frankreich .erhaltenen grellen SchaUiren durci|
Porte und Piano, und in ejnem säuselnden» leicht hinge*
bauchten Mezza voce. In solcher Art zn siugen ist Herr
Moriani ein Musler; ein gutes Musler deshalb, weil er
nichts übertreibt, weil er Maess hält überall, weil er der
an sich armen Vortragsweise, durch gute Oeconomie Inf
teresse zu gewinnen und sie dpduroh weniger, unleidlich
zu machen weiss, als sie ausserdem ist und sein muss.
Es ficht vielleicht keine Manier in der Kunst, die nicht
ursprünglich wenigstens etwas wirklich Interessantes oder
Gutes rar sich anführen könnte, von dem sie eben aus-
geartet ist; und Herrn Moriani muss man das Zeugniss
geben, dass er die eben geschilderte Gesangmanier. theiU
weise interessant zn machen, namentlich aber, dass er
sich von den Extravaganzen derselben ziemlich frei zu
halten weiss, obwohl er über die Manier selbst sich nicht
zu erbeben vermag, oder wenigstens es niemals versucht.
Wie weit in technischer Hinsicht die Gesangbildung Herrn
Moriani $ reicht, lässt sich in dieser Art zu singen gar
nicht beurtbeilen; wir haben eine gute Tonbildnng, ein
ziemlieh gutes nur nicht ganz leichtes Porlamento, gute
VocalisaüQn, aber nicht die gering** 6 Coloratur, nicht
46
1644, Ja
, f > N«.-5i
ein* Senr rdtt Tritt«-, ja kaum eten ftsnpeteklag oder
dettleMna von ihm gehurt* aW kuastfcrisebe Aaftu-
saag, Intention, Vortrag kann natttrliea bat mi aal*
eben ftepertoir* wo aha Cu s a a is ft k lm sscr aar mm
schlechte Variation den anderen tat, gar nicht weiter g*>
sprechen werden. Es ist überhaupt mm schwere Auf*
gäbe, solche Maaik einen ganzen Abend hindurch im Gen*
eert, utid zwar na» vom Pianoforte begleitet, mit anhe^
ren *tt müssen. Auf der Nim*, für imMM derg l ei chen
Musik gemacht ist, greift *o Vieles zusammen , und der
Zuschauer tritt gewöhnlich Mit den Zuhörer in so nahe
Verbindung und Wechselwirkung, das* «um am Bnda
dieht weise, von wo der Effect ausgegangen md bei wem
er eigentlich erreicht wordea ist« Im Concert aber, wo
man eben Nichts bat, als die Musik und jkreo SRngerj
da weis» man aar gar an gut, was keinen Effect maekt
oder gemacht bat.
Frliui. Bosetti ist eine noch jngendlkhn Singerini
mit «War üerfsugrclcher, klangvoller* aber sonst unbede*«»
tender Stimme ; ihre Ausbildung ist, was Cotoratnr, Tril-
ler« n. dergl. betrifft, gat, im uebrigen aber gesehnmekJ
md geistlos.-
Herr Ciabatta besitzt einen angenehmen Bariton,
aber noeh sehr wenig Ausbildung, und ist fast nur ab
schwacher Dilettant zu betrachten. In dem Bnffo- Duett
aus Don Pasquale von Dtoritetti, das er mit I*raal. Rö+
setti sang, war er übrigens recht lobenswertb ; das Duett
aus Figaro von Mo%nri „Crudel, nerobe," ebenfalls mit
Frifal. Rosetti gesungen,- War dagegen tou beiden Seiten
eine sehr schwache Leistung. Unter den Liedern, weiche
Herr Ciabatta sang , befand sieh eines von Felix Mtn*
ÄeUsokn-Bartheidy („Venetianisehes Gondellied," No. 5
ans dem neuesten Heft Op. 57, ans HmoH nach A odrtr
Asmoll transpomrt), das «war viel an langsam im Tfempb
und gar au sentimental im Vortrage genommen, aber
sonst, und zwar mit deutschem Text, recht gut gesun-
gen wurde. Ueberhaupt dürfte Herr Ciabatta > bei recht
fletssirer and guter Ausbildung, ein angenehmer nnd
brauenbarer Singer worden , da er zumal eine sehr ge*
winnende Persönlichkeit besitzt.
Das einzige wirklich Interessante, ja sehr Ausge*
zeichnete in dem ganzen Concert war ein Rinderspiel,
da* Violinspiel nämlich des jungen Joseph Joachim ans
Wien, welcher Variationen von F. David über „De*
Loh der Tbfünen" -von Fr. Schubert, ebenfalls mit Pia-
nofortebegleitung so gelungen vortrug, dass ihm wieder
holt der allgemeinste und lebhafteste Beifall zu Theit
wurde. —
' Zwölftes Abonnement - Conoert im Saale des Gewand*
hhuses, Donnerstag', den 11. Januar 1844: Symphonie
Von W. A. Mo*art (Omotl). — Redtativ nnd Arie mit
obligatem Hanoforte von W. A. Mozart, gesungen von
Miss Birch, das Piänoforte gespielt von Herrn MD. Bit-
ler. — Adagio für Waldhorn von Lübeck y vorgetragen
von Herrn A. Mar alt, königl. baier. Rammermus. aus
München. — „Agnus Dei" von L. Cherubini (nach dem
Origtnalmanuscript und zum ersten Male). — Fantasie
für die' Violine, componirt und vorgetragen von Herrn F.
Meralt, kffnigl. baier. Hammarmusikus aus München. —
Cavatine ans der Soanambula von Bettfai, gesungen von
44
ÄrcA. ~ Oaterturo nnd InhwimiMii aas „WH«
Mm Tau« von BossmL
Die Aasflbrong der CUtoe in diesem Coneerte hat*
eine bedeutende Anzahl hiesiger Dilettanten «amammett.
Wir haben schon iftar a us g as p iuthe n, wds reich und
gNektica Leipzig ia dinier Knaeht ist, wie leMrt um*
schnell es biet arigtieh wird, grossartfae and wirklich
»ertrefKehe Gceangauffuhrau*<m an machen , namentlich
arftdem unter und durah F. Mendelssohn «in so frischer,
eritfhlee Streben, aha- so adln Mcbtaa* In die Wer an
allgemein verbreitete KunetHebe gebracht worden ist. BS
mag gewiss sehr selten gefunden werden, dam, wie in
unseren tiewaadhaaseoncerten, dasConcertpubtienm in sieh
salbet so reiche nnd kunatnebUdete. musikalische Mittel
vnrainigt nnd jederzeit ans liebe aar Kunst gern geneigt
ist, Mesikaaföbrengeu , für die es keaahlt, noeh selbst
thitig auf da* Wirksamste an mtaratntzan. Wr wissen
recht wohl, dass, wie die Sache, so daa Publicum, vor-
ausgesetzt, dass es so gebildet ist wie daa nnserige, nur
dabei gewinnen können $ aber selten sind solche Erfah-
rungen dennoch gewiss und für uns und. unsere Kunst-
freunde nur desto ehrenvoller.
Die beiden Stücke, zu deren Ausfuhrung Dilettan-
ten mitwirkten, waren: das Agnus Dei von Cherubint
und die Iniroductiou zu Wilhelm TellvOa Rossini ; beide
in ihrer Art vortrefflich, das Agnus Dei aber noch be-
sonders dadareh interessant, daas es, so viel uns bekannt,
bis jetzt noch nicht im Drucke erschienen ist. Hier wurde
es nach einem Manoscripte anffeefhbtt, das Herr MD.
Hitler noch von Cherubim selbst als Geschenk erhalten
hat Sa besteht aus zwei Sitzen, dem Agnus Dei (in
C-Tact in Gmoll) und dem Dona nobis (%-Taet in
©der), letzterer besonders schon in canonischer Führung
der Stimmen, und vorzugsweise interessant durch eine
Insserst complicirte, dabei aber auf die meisterhafteste
Weise gemsehte harmonische Modulation. In der Intr*»
dttdtion in Wilhelm Teil blieb das Quartett mit der flft
deutsche Teuere kaum ausführbaren hohen Partie des „Fi*
Schers m aus, wogegen nfehts zu sagen ist, da die Wir-
kung des Ganzen durch Weglassung dieser eingeschobe-
nen Episode, im Concert wenigstens, durchaus nichts ver*
licrt. Die Ausführung war durchgängig sehr lobenswertb
und' vorzüglich schön spielte das Orchester die Ouver-
türe, welche, trotz mancher Schwachen, doch Sehr viel
Eigentümliches bat nnd jedenfalls das beste Orchester*-
stuck ist, was Bossini überhaupt geschrieben haben mag.
Miss Birch gelang diesmal am Meisten der Vortrag
8er Cavatine von Bellini, in wfeteher sie allen Zauber
ihrer schönen Stimme entfaltete; zwar etwas zu folge*
big mit Trillern, Ritardando n. dergl. war, Alfes aber,
1a selbst die TriHer, die' sonst nicht' itnmer ganz voll-
kommen sind, so meisterlich ausführte, dass nichts zu
Wünschen übrig bHeb. Weniger ausgezeichnet, Obwohl itt
Auflassung und Stylsbbr vorzüglich, war die Ausfuhr
rung der sfchönea'Arfe von Moxart; bei welcher ein
feineres Zusammengehen der Gesang- und Planofortepais
tte zu wünschen bfieb. Miss Birch erfreut sich mit Recht
immer grösserer Tbfcünahme unseres Publicuing nnd ihm
diesmaligen Leistungen wtarden wieder mit dem leben«
digsten BeHhH aafgenommeO. ' - 1 -
4S
1*44 ' 1
NcU5;
4*
Von Jap üerrtatx Gabn-dcrm Mfrmft aus MSücbeo
haben wir Bereit* vor *wci oder drei Jahren den Tiolin-
▼irtnoses Hetr» jP. Mormti im einem unserer Gewjud-
hans^Goneerle gehört ond daftah mk ▼erditater Aner-
kennung «na ober seine Leistungen ausgesprochen. Er
hat jedenfalls seitdem in seiner Aasbildung Portsehritte
gemacht; er spielt nicht nur feiliger, sondern freier,
eleganter; auch sein Ton hat gewonnen und seine
Vortrags wjt* Amt tapprigttr and seHder geworden;
obwohl seine Gomposhfonen hienfait ■gleichen Sehritt zu
halten scheinen, so gebt ihnen doch höherer Knnstwerih
nur Zeil- noch ah, der ajneh in solehoo Virtnosenstücken
ond Coneeri Variationen, wie die Fantasie Herr)) Moratfs,
nicht so ganz ausser Acht gelassen werden sollte, Herr
A. Moralt halte in dem Adagio von Lübeck keine Ge-
legenheit, seine Ausbildung und Fertigkeit auf dem Wald-
horn zn zeigen* sein Ton ist weich «nd ziemlich sonor,
doch nicht eben stark und kräftig« Es th«i m*J leM, mehr
nicht über ihn sagen zu köunen ; die Bemerkung aber
fügen wir noch bei, dass beide Künstler, hauptsächlich
aber Herr P. Moraü, sich vieler Anerkennung von
Seiten unseres Publicums zu erfreuen hatten.
Die so ausserordentlich schone, in hohem Grade poe-
tische G n>oll~ Symphonie von Mozart, mit welcher dos
Coneert eröffnet wurde und mit welcher wir diesen Be-
richt schliessen, ging gut, doch nicht so fein und xart,
sie war nicht so vollendet in Auffassung und Vortrag,
wie wir sie schon in unseren Gewandhäusconcerten ge-
kört haben. Einige Nachlässigkeit, vielleicht auch Unglück
(denn man moss hier sehr vorsichtig, nrtheiien, am nicht
ungerecht zu werden) der Horo- Blaser wirkte störend.
Wir sollten meinen «.en müsste . solchen unangenehmen
Unfertigkeiten durch Achtsamkeit und Fieiss fast für im-
mer hqgegoet werden können, R, f.
Feuilleton.
In Madrid ersebeiecn jetzt drei musikalische Zeitschriften:
der Aofion Madrideuse, die Iberia musical and La Filarmoaia.
Straues will a>it seiaem Orchester eine Reite nach flaatfe,
KSaigsberg, Bis«, Petersburg und Meekae machen.
Sebüg|%/ft«er«ei dem bevaegliea AnMt-*mt*V*e*ttt Ho?
tbeater engestellt, ist bei dar ft ai s an t r fiahae eagagirt worden.
Die Leitung der öperamasfk am Darmsladter rfoftheater,
miefebe bisher todigiieb de« Herre Hofeaaeflmerstei» Mangold ob*
las, **ri derselbe in Zukauft mit den Herrn Hofcaeellmeister
Thomas theilea. . .
Die in der prent». Provini Weatahalea bestehende* vier
Mallehrei-geMagfeste siad auch bat vortgee Jahr« gefeiert wer»
des, and aarar an Weaeadorf an 0. Seateanhe*' mit 128 Singer»,
seter Leitung des Schallehren Herrn üeUmmnn aas Mäaster; an
Bären am 27. September, mk uogefäar 26* Saagera, unter Let-
tnng det Semiaariebrera Herrn H&meamp; sa Bielefeld am %&.
September, mit 180 Saugern, anter Leitaag det Semiaarfobrere
Herrn Glämtmer aai Peterabagea * «a Buges aat 4. feaaeer, mst
2*8 Saagera, eater LeHaag des Seariaariehmrs Herrn Emgwikmrdt
aas Seett. Die vorgetragenen Gesangslücke, Cberile, Motetten and
andere kirebliebe GborgetSege and Lieder, meist efassische WerkeJ
waren naeb einer darebgebeadea leitenden Idee geordnet and an-
ter eiaaader verbanden. Ms Aaffibraagea gereiebtea durchgängig
. dam lahlreioh vereammeltea Publicum aar wehre* Hrbaaaag.
Dat aene Tbeater in Hamburg, von Herrn Maurice, dem Ei-
geuthfimer deaaetaea, Thalia *■ Tbeater genannt, bat vaa musikulP
aebea Werken bit jetat aar Peteen and Vaadevitte's mit Gesang
aar Aaräbrang gebrecht. Für «peFB-DtebJer und Cemaoaiatea
acheint alte diene Tbatia keine Hoffnungen darzubieten.
Mad. Schröder -Devrient itt, wie man versichert, flfr drei
Wlntermonale in Berlin, dann aber, wieder für eine Reihe von
Jahren in Dresden engagirfc
la Weimar Ist eia jugendliches Talent, Franl. v. Ottcnburg
aas Prag, am dasigeu Hoftbeater angestellt worden« Sie ist eine
Schülerin von der Sandrini, der tvtzer und dem Capellmeistef
Nicolai in Wien, nnd maa verspricht tieb für die Zukunft Bedeu-
tendes von ihr.
Mendelssohns Oratorium Paulus ist von Herrn Maurice Bour-
res in's Französische und vom Marcbese Domenioo Capranica la's
Italienische fibersetzt worden.
Miss Clara Novelle bat sich cn London mit dem aus Perms
im Kirchenstaate gebürtiges Grafen Giglived vermSbU und Eng-
land verlassen, um sieb aaeh dem Pestlande zu begeben.
Donitettts Don Sebastian ist In Paris durchgefallen; seine
Maria di Robaa (ursprünglich fftr Wieb geschrieben) hat jedoch
den Tag darauf Beifall gefunden. .
An litt nd Ig an gen.
Kunst - AnzMge.
Nach Jeat ftckaaatea , ia Jahr 1817 aaeh der Natu and ia
matartieaer Graue ton A. «. Klöber gezeickartea aad ia deaaea
Aimm U4k IM aa p a aMHra . dhWUr«
MrwtMlde Beethoven**
tat jetat alsteV AtJbfea* des jreaaautca Kaasders ebne -getreu* «aal
tiBrhst gebaageae verkleiaerfe littiagaaaliiHe Ausgabe ceacsii ca aav
eüe auf cbiaesiidKOi Parier a f Taaler, and h» gewabaliebefn Abi
draek k \ Tbaler vew am* and dareb alte Bacb-, Kamst • aMd Ma>
ailaiKaalaiardlaagea aa teafetwa Isl* kaem aamlreftebea V«rebja*a
Saaael!
tertebewd alftiUahei aaab ia det Iillbev
bie sebr gelaageae Bild am so »ehr empfeblea« alade^ Kam
Ibew hahg geaiem^ift, *U aäcb müe sjerfagea Rotten des Eia-
_ H. a 1.-JB. --1-- — 1 -»-■-« ffcl» flaaftaaat lM«kj
tarUcac» Craaaa, v*U^*»^^**mah*mw*to*»^M*¥k^
p^ieleH bleibe, ist fortwabresid Ar i| Tbaler vaa ama iaiilaadel
aa beaiehan*
Berlin , aaa Jaaaar 1844.
Tmiitweiai #f> Ce>maaK
Ia attse¥m Verlage erschien so eben nuid ist ia allen Bucb-
and MasihaHeubaadlangeB aa erbaleeä:"
a>tte>. Frans , l*tue Lieder. eompoaiH ftr vier Üftaaerstia.-
Partitur un4 Stimmea. I Tblr. •
Früber «ersebiea bei was» '
Wtta>> Fr»»*, Saabs Lieder für vier Mm*n; H tmmm. Op. SO.
Partitur ärod «Ümaaea. i TUr. '
B6llta*3*tf Casrl, 2esW Lieder sauf tfcsAtje fiir vkr Mätmer»
'>■ stimmen. Ia A Hefiea. Paaiilara. Stiaamea. JeeVa Haft ff) für.
- Lebaalg, isa ffaaesabea 1843. ...
«
1*44. J
No* 3u
48
im Verlag von Breltkopf & Hftrtel in Leipzig
erschienen ui durch alle Buch- and Mi
•• eiaä; Thlr.Sfr*
i, A., Variation* brillaatet et Finale aar na
theme de 1« Sonnambule de Bellini, pour le Violon avec
aecomp. d'Orcheetre. Op. *.... S 10
_> — Lee memet avec aecomp. da Pia»«....». .*.. — » 2sf
Coacertia» paar le Viola» am aeeeeap. d'Oaaho-
atra. Op. 14 . 4 — .
— — Le mime avee aecomp. da Piano 2 —
HlereT, €1« B., Kyrie «ad Glavia für 2 ChArc «ad
Orcheater, ia Partita* 4 20
■•y. J. B., La Heia Michel aa ~
;kal. Elena mnslrnle anar la l*lana a «
— 1*
Elegie m nt i c al s paar la
In vie d*en £knt
maiue. Op. 127.
, R., Sehilflieder von N. Leaaa. Na. 1. Auf ge-
Waldee Pfade. Na. 2. Droben geht die Senne
Na. 5. Trabe wird'., die Walke» jage». Na*.
4. Sonnenuntergang: Sebwana Wolke« aieh'a. No. 8.
Auf dem Teich, dem regungslosen. Für eine SingtÜmme
mit Pianoforte. Op. 2
H*leTT,F», Potpourri nach Themen der Oper t Karl VI.
ftr da» Pianoforte. (Na. 98 d. Samml. v. Patp.) — 20
Heller, St., Faataisin aar la Ramaaaea En retpeet
mon amoar se dünge, da 1' Opera i Gbarka VI. da F.
— 18
— 20
Tblr.Rgr.
WelaT, F., L'Art de rKipressioa. 24 Stades aeilea
et n i e gr ctt i vct poar le Plane o« inlrodattien k eellee
Op. 10 et 2Ä, de Fr. Chopin, et Op. 20 et 80, de
l'Aoteur. Op. 90. Liv. I, 2 M kl —
Im Verlag der Unterzeichneten werden nächstens
folgende Werke von
Fr. Hunten
mit Eigenthnmsrecht erscheinen :
Op. 130. IiC» dtSllces des Jeunes Plaail-
Stes« Qoatre petits rondeaux p. le Pianoforte.
Na. I. La Chatte, theme de C. Kremser.
- 2. La Valse, de Fr. Bunten.
- 5. La Polonaise, theme de Jtetfum'.
- 4. Li Marone, theaw de
Op. 131. lfese e< Bleuet« Deirx airs varies ponr
le Piano.
Na. 1. Air Suitte.
- 2. Air Allemand.
Leipzig, den 15. Januar 1844.
Halevy poar le Piano. Op. 3'
Herold, F«, Potpourri nach Themen der Oper: Zampa.
Für dat Pianoforte. (No. 60 d. Samml. v. Potpourris.) —
Hers, S., 3 Airt de BaUet de l'Operat Charlct VI.
de Halevy , arraagea en Randeanz panr le Piano a 4
maint. Op. SO. No. 1. La Pavanne. No. 2. La Mat-
carade. No. 5. La Bourree k — 20
H&nten, Fr«, Let Emeraudet, ponr le Piano. No. 1.
Gnade Valte brillante. No. 2. Melodie de Mercadaote
variee. Op. 128 k — i»
Let Topases, poar le Piano. No. 1. Grande Vabe
brillante. No. 2. Troit ReVeriet melaneoliques. Roman-
eet tant parolet. Op. 120 k — • 18
HÜmten, W M Moeaiaue. 4 Sottet de Melange* det
morceaux de l'Operai Charles VI. de F. Halery poar
le Piano. Saite 1 — 4 k — 20
Kjtlfebrenmer, F., et Paneflta, Duo nur l'Operai
Charlet VI. poar Piano et Violon. Op. 168 1 »
Reeller, «., Roadoletto tnr nn mofif de Charlet VI.
ponr le Piano. Op. 80 „ — 15
Schumann, Clara, 6 Lieder. No. 1. Ich ttaad
in dunklen Traumen , von Heine. No. 2. Sie liebten
«ich beide, tob Heine. No. 5. Liebeiaanber : Die Liebe
täte alt Nachtigall, von Geibel. No 4. Der Mond kommt
•tili gegangen, von Geibel. No. 8. leb hab' in deinem
Auge, Ton Rackert. No. 6. Die ttille Lotosblume, von
Geibel. Für eine Singttimme mit Pianoforte. Op. 18..— 20 ;
Schumann. R., Andante and Variationen für zwei
PSanokartta. Op. 46. 4 8
Senmladebaeh, 3.. 7 Lieder und Gesinge. No. 1.
Abtchiedi Schöne Wiege meiner Leiden, von Haine.
Na. 2. Lyda's Träumt Lame flüstert! in den Zweigen,
von Lyter. No. 3. Ständchen» Wenn Abend kommt,
von Lyter. No. 4. Dann deahe an ihn t Dn bl&heat in
holder Lieblichkeit, ron Jager. No. 8. Irrstem: Nach-
tigall, Nachtigall, rieb mir deine Flügel, von Wacher-
nafcel. No. 6. Ewig nah : Bin ich auch fern von dir,
von J. S. No. 7. Abtebiedtgrnti i Dir, da Thcare, gern
ergeben, von J. S. Ftr eine Singilimmt mit Piano*
forte. Op. 12 „ ...„ — M
Spmlar, Ij*, Potpourri nach T hemen der Operi Ze-
mir* und Amor, fer dat Pianoforte, (No. 06 d. Samnv
hang van Potpoarrit.). — SO
Bei Frleelriclt Flelgefcer in Leipzig enehien to
C« JP. Becher*
Organitt an St. Nicolai in Leipaig,
Evangelisches Chortiibueh.
138 vierstimmige Choräle mit Berücksichtigung
des neuen Leipziger Getmngbuchet.
4? Preie 2 Thaler.
TeUstofodlges Cltoi^teaelodteiiliaeli
xu dem neuen Leipziger Gesangbuche
inm Gebrauche in Kirchen and Schalen.
Preie 8 Ngr.
In Janaar 1844 erscheint die ertte Lieferung von :
Kermer, W« 9 Potttadienbock
— — Der vollkommene Organitt.
— — Musikalisches Beiblatt zum Orgelfreund.
— — Der Cantar and Organitt, oder: Album ftr Gesang und
Orgelspiel. Sammlang von OrgeUtucken aller Gattung, nebet
föreheageaarai, ab: Chorale, Psalmen, Hymnen , Motet-
ten n. t. w. Mit Originalbeitrigen der berühmtesten und be-
Gesang- und Orgelcompon
den 2. Januar 1644.
liebtesten
Erfurt,
npomsten.
W. K*
Unteraeichneter setzt deottche The ateid irectionen in I
data die von ihm nach Roger und Y***« »'• Denttche ihersetxte
dreiaetig« komische Oper: Aon PmsqumU von Doniaetti>— am S.
Jaauar v. J. «am ersten Mal . in der italieniachea Qaer gna^benv
and seitdem eine Uehlingtoper der Pariter — . bei inm an bezie-
hen itt Darauf Renoatireade erhalten den in Paris gestochenen^
aum Dirigiren eingeriebtelen Clavierantang mit unlerlegtem damt-
eehem Texte» die g at t aah en en Orehesterttimmeo , dat voUsUndige
Buch, ti» Cettamea- Blatter. and Mite en Saene «u einem seh* aa>
nehmbaren Preiae.
. Carl Crnllnmlala in Frankiart a. M.
Dwwk nad Verlag tob Breitkopf und Härtet in L*npwg nnd oakr fartn Vcmntwortlicbkeit
48
ÜÖ
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 24"* n Januar.
M 4.
1844.
Itt Zur Geschiente des attaaerfeeaafes. — JlMtMAmai. — /VawMa**»; Am Haftbar*;. Am Leipuif. — Amkfindig umgen .
Zur Geschichte des Männergesanges.
Seit die Meistersinger aufgehört, geschah ausser der
Kirche wenig mehr für gemeinschaftlichen Gesang. Die
Fürsten Hessen sieh in ihren Hofopern und Goneerten von
Wälscben unterhalten (wie sicb's jetzt, dein Kreislauf der
Dinge gemäss, wiederholt) — in grossen Städten hörte
das Volk zu, in kleinem begnügte es rieh mit Gurrende
und Chor, mit Neujahr- und Gregoriussingen. Die 8ta>
denten übten ihre Commerslieder, meist unisono , nur
mit beliebiger zweiter Stimme; ans ihren Kreisen wur-
den in den damals abgeschlossenen der Familie die bes-
seren Melodieen und Lieder übertragen — ; „Bekränzt
mit Laub,' 4 „Vom boh'n Olymp," „Gaudeamus," „Des
Jahres letzte Stunde ," „Lasst die Politiker nur spre-
chen" und so viele andere bekamen Bürgerrecht; man
sang sie so ehrbar lustig, wie es Ifflmd in seinen Ja*
Srn aufs Beste anschaulich gemacht hat. In den Bürger»
useru blieb das geistliehe Lied verherrschend ; das Volks-
lied war wieder in die Hände der untern Gassen gefallen.
Unter dem Druck der Jahre 1806 — 13 erwachte
das Volksbewnsatsein $ man fing an, sieh zu erinnern»
dass Alles, was deutscher Zuge sieh bediene, auch zu
Deutschland gehöre $ Männer wie Am dt s dachten , was
sie spater begeistert sangen: dass nicht Fommerland,
nicht Preusscnland, triebt Baieriand, nicht Steteriand,
sondern :
„Se ireit die deutsche Zuge klingt
Und Gott in Himmel Lieder aisgt — "
des Deutschen Vaterland zu nennen sei. Und nicht blieb
da* lebendige Interesse dafür Mos in den Binden der
Dichter, wie zur Zeit fFoUrams ton Eechmbmsh, Ul-
richs von Hütte*, Daniel Sdmbarte — , nein, es durch-
drang Hohe und Niedrige, Arme und Reiche, Adel und
Bttrgerthum <-, es führte die Menschen zusammen. Als
Deatache fühlten sie das Bedürfnis*, nicht allein zu spre-
chen, sondern aneh zu singen.
An zwei Orten bildeten sich zuerst Vereine für IHav
nergesaag, in Berlin «ater ZeJfcr, in Zürich unter Nä-
goü, an dem eisen entsprungen «ans der Singaeademie,
an dem andern ans der Gesaagschule, die Nagelt errich-
tet. Allgemeiner aber wurde die Sache erst nach 1814,
als die Zeit „stand mitten in zwischen der rasatasea
Heldeathitigkeit und dem ernsten Niedersetzen und Ar*
bei tett des QeJs tcs," als die Qctfjiher aufs Htthaft» be-
46. Jabrgaag.
wegt worden durch das Gefühl, einem Vaterlande anzu-
gehören. Erst waren es noch die Kriegslieder, die na-
mentlich Korner in begeisterter Stimmung gesungen, die
Weber gleich glocklich in Musik gesetzt, ja die noch
jetzt als Muster musikalisch frischer Erfindung und gu-
ter Declamation gelten. Sie wirkten um so mehr, als die
meisten der damaligen Sänger wohl selbst zu Felde ge-
zogen waren und beim Wiederholen der Lieder sich
in die Tage des Handelns lebhaft und gern zurückver-
setzten; spater wurden auch die Lieder von Arndt,
Schenkendorf u. a. patriotischen Dichtern öfters compo-
nirt und gesungen. In der stillen Zeit von der Wart-
burgsfeier bis zur Juürevolution trat darin eine Unter*
brechnng ein, man nahm vorzugsweise zu Trink- und
Liebesliedern seine Zuflucht (wahrscheinlich ist in die-
ser Periode auch der Gebrauch der Brummstimmen ent-
standen). Wo zuerst gebrummt worden, ist ungewiss —
vielleicht in Berlin und Potsdam, denn da hat das Bram-
men den günstigsten Boden gefunden und ist am Mei-
sten und Sorgsamsten etütivirt worden —
„naa that veo Tag so Tag siel» gar
„drin starken aod fortweiten.«'
Endlich ward man es überdrüssig, immer zu singen:
„Du schwabisches Mädchen, «' „Holde Liebe, 4 * „Holde
Freundschaft,' 4 „Schhimmre sanft," „Schlaf wohl auf
weichem Flaum, 44 „Alles liebt und paart sich wieder/ 4
„Speisezettel/* „ Gewerbausstellung/ ' „Zauberflötenou-
verture." (Alles ward und wird noch zum Theil mit einer
rührenden Hingebung, wie sie nur dem Deutschen mög-
lieb, exercirt; man fragt nicht» was man singt, — man'
singt; die rührende Naivität unserer Vorväter, die frei-
lich znm Theil anderer Art war *) , kommt immer wie-
der zum Vorschein.) Sucher erwarb sieh das Verdienst,
die Schätze des Volksliedes zum Gemeingut zu machen,
indem er nicht allein bekannte Volksmelodieen vierstim-
mig setzte, sondern auch mit vielem Glück nene dich-
tete, wie z. B. „Die Loreley," „In einem kühlen
Grunde, " „Klosterfrielein." Kreutaer wählte sich vor-
*) Der ehrliche Cantor Nicoleus Hermann gweifelte sieht, das»
die Böget Ihren himmlischen Contraauaet «ad Musik | a ihren
Capetten nod Chören bitten, dass «in Orfaaist vad Laateaiat
hier auch dart sein* Orgel ead Liste spielen werde, das*
eis Mar werde allein aad aasweadig auf vier oder ffia! Stirn-,
aen sortisiren and singen können, und dabei keine Coafnsioa
uad fehler, was jetst manchen Musikos unlustig waebe, mehr
•Statt haben werde. -
4
öl
1844. Januar. No. 4.
8Ä
zugsweise Uh/anaTs Gedichte. — Einen neuen Schwang
bekam auch die Sache durch Bernhard Klein, der seine
Kraft, seine Begeistereng vorzüglich dem religiösen Män-
nergesang (in den Jahren 1824—29) zuwandte. Veran-
lassung gab ihm seine Stellung als Universititsmusikdr*
rector in Berlin; zu den Uebungen wurden nicht allein
Studenten, sondern auch die Zöglinge des Instituts für
Kirchenmusik veranlasst. Die Seminarien, wo vorzugs-
weise ernster Gesang gepflegt wurde, verbreiteten be-
sonders Klein'* Motetten, und bei den Männergesang-
festen, die zuerst in Schlesien und Sachsen entstanden,
wurden meist Chöre von Klein vorgetragen. — Später
schrieben Fr. Schneider, Re issig er, Stolte Hymnen zu
diesem Zweck, Löwe sogar Oratorien.
Alle die besseren Lieder waren aber in den Jahren
von 1831 — 39 wieder vergessen worden — wenigstens
bei den gewöhnlichen Liedertafeln; die Gesangfeste in
Schlesien und Sachsen regten nur vorübergehend etwas
Ernsteres an, hörten auch zum Tbeil aus Mangel an
Theilnahme bald wieder auf. Da erklang das Rheinlied:
„Sie sollen ibn nicht haben," — Hunderte com-
ponirten es , Tausende sangen es , und mit ihm wurde
Arndts: „Was ist des Deutschen Vaterland " u. s. w.
wie durch ein Zauberwort wieder hervorgerufen and
zwar nach G. Reichard fs Composition (die unter den
vorhandenen bis jetzt die beste und kräftigste geblie-
ben ist, obschon das Ohr in der Mitte bei dem Ueber-
gange von Es nach C meist schmerzlich getroffen wird).
— Mehrere jüngere Dichter sangen mit neuer Begeiste-
rung von den Freuden und Leiden des Vaterlandes und
regten die Theilnahme dafür allgemeiner an. Hoffmann
von Fallersieben, dessen Jugend noch in das erste Sta-
dium neuen Aufschwungs deutscher Nation fallt , sprach
in „Deutschland über Alles," „Treue Liebe bis zum
Grabe," „Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald **
seine innige Verehrung des Vaterlandes, in dem „Ewi-
gen Demagogen " die Vorliebe für neues, lebensfrisches
Wirken aus. Herwegh, noch im ersten Jugendfeuer,
dichtete den „Prolest," das „Rbeinweinlied" (von Lisut
zur Qual der Liedertafeln componirt), den „Aufruf, 4 '
das „Reiterlied 4 ' u. s. w. Mancher der jüngeren Tonsetzer
versuchte sich an diesen Liedern, und wenn auch noch
keine der dazu erfundenen Weisen allgemein geworden
ist, so haben sie doch in verschiedenen Kreisen ange-
regt. — Wo man keine derartige Poesie haben wollte,
setzte man sich wenigstens kräftige Worte zusammen,
wie z. B. :
„Deutschet Land, da schönet Land!
SUrk doreh deutscher Trete Band.
Wenn der Krirge Stürme feraasao,
Wenn der Schlachten Wetter sauen,
Daare fest in deutscher Treu,
Bleibe eiotff, bleibe frei!"
Unsere bewegliche Zeit bat Vieles schon wieder in
den Hintergrund geschoben ; die friedlichen Elemente, als
da sind; Liebe, Wein, Frühling, Examen (der liedertaf-
ler — von Fr. Schneider mit rechter Ueberzeugung ge-
schrieben), versiert mit den Bildern von Blüthenduft, Blu-
menpracht, Turteltauben, „die Geliebte, im Bettchen von
Engeln bewacht/ 4 — sind wieder an der Tagesordnung;
in Berlin und Potsdam schreibt man aufs Neue mit Brumm-
Stimmen, in Leipzig und Dresden artige Trinklieder,
wie z. B.:
„'• ist doch afrrisefa, #en* wir eben
Nor vom Weia einmal genippt,
Dass der Hat so wauderbarlicb
Gleich nach einer Seite kippt, — *'
wo die begleitenden Stimmen begeistert kip, kip, kip,
kip singen. Indess das Gute bat sich doch so verbrei-
tet, dass dergleichen Auswüchsen nur ein kleiner Kreis
Geschmack abgewinnen wird.
Auch auf dem Theater wurde der Minnerchor mehr
und mehr eultivirt. Noch zu Anfang des Jahrhunderts
brauchte man ihn in der Oper nur dreistimmig (wie im
Wasserträger, Joseph in Egypten, Cortez — Beethoven 3 *
Chor der Gefangenen in Pidelio steht vielleicht für seine
Zeit einzig da) — jetzt überall wenigstens vierstimmig —
Mendelssohn in den Chören zur Antigone oft ach is tim-
mig. — Leider werden nun, da diese Composilionsgat-
tung immer höher ausgebildet wird, der guten Tenor-
stimmen immer weniger. Bei den Männergesangfesten
hört man selten frische, kräftige Stimmen, oder wenn
nach eine da ist, wird sie durch viele heisere und kräch-
zende so bedeckt, dass sie sich nicht bemerkbar machen
kann. Von mehreren Seiten haben sich schon Stimmen
gegen de* „Zuviel" erhoben, allein der Eifer, einmal
erwacht, kann nicht leicht die nöthige Beschränkung ein-
treten lassen. Am Meisten schaden sich die Sanger wohl
bei den Festen der Liedertafeln, wo zugleich Speis- und
Trankopfer gebracht werden und die in der Begel in
Trinkgelage mit Geschrei und Tabaksdampf ausarten.
Die meiste Verbreitung hat der Männergesang in
Sehwaben und Franken gefunden — in dem Vaterlande
der deutschen Lyriker, dem Hauptsitze der Minne- und
Meislersänger. Fast jede Stadt , ja jedes grössere Dorf
bat seinen Liederkranz (wie die Liedertafeln dort ge-
nannt werden). Hier ist der eigentümliche Fall vorge-
kommen, dass die letzten der Meistersinger ihr Eigen-
thum dem Liederkranze vermacht. In 01m hatten nämlich
die Meistersänger ihre Scbaustube auf dem Bathhause noeb
bis zum Untergange der Reichsverfassung, wo sie Jahr-
hunderte lang jeden Sonntag „Schule 4 * gesungen und
dazu das Publicum durch Aushängung und Oeffnung der
„Schultafel" eingeladen. Später setzten sie ihre Uebun-
gen in der „Herberge" fort. 1836 waren noch zwölf,
meist alte Männer; 1839 waren sie bis auf vier zusam-
mengeschmolzen, die eben noch hinreichten, das Mehr-
bare Gewerk" (so biess die Benennung des Vereins)
vorzustellen. Die Lieder waren meist von geringem Ge-
balt, einige der Weisen oder Töne, obwohl selten schön
und anmuthig, doch künstlich, und es ist zu bewundern,
wie sie sich durch blose Tradition erhalten* — Nach der
Urkunde, unterzeichnet von dem Gewerk der letzten
deutschen, der Ukn'schen Meistersinger (dem Büchsen-,
Schlüssel-, Werk- und Kronmeister) , soll die Schult*»
fel mit den Originalgemälden der Fahne, samml Fahne
und den dazu gehörigen alten Kleinodien, desgleichen der
Lade, den Tabulatoren, Schul- und Liederbüchern, dem
Uederkranze zu Ulm , als dem natürlichen Nachfolger
nnd Stellvertreter des alten Meisteraänperthuns in der
Zeit, zum Geschenk gegeben sein, mit der Bitte,
55
1844. Januar. N*. 4.
54
die Fahne von Einem' der Ihrigen, so lange sie Dicht
Kiz ausgestorben, an Festzögen neben 4er des Lieder-
nses tragen iu lassen.
(Besehlnsf folgt.)
Recensioneu.
Für Pianoforte zu zwei und vier Händen.
1) E. Prüden t: L'hirondelle , Etüde. Op. 11. Mainz,
Schott'« Söbne. Preis 1 Fl.
2) H. Rosellen: Decameron des jeunes Pianistes. Op.55.
No. 1 — 10. Ebendaselbst. Jede Nummer einzeln 48
Kr., zusammen 7 PI. 12 Kr.
3) : Fanlaisie sur l'0pe>a: Charles VI. Op. 56.
Ebendaselbst. 1 Fl. 30 Kr.
4) : Rondo Valse. Op. 57. Ebend. 1 Fl. 12 Kr.
5) Fr. Bunten : Var. sur nne Cavatine de l'Opera : Ma-
ria Padilla.
: Fantaisie brill. sur l'Opera: Nabacodonosor.
Op. 127. No. 1, 2. Leipzig, bei Breitkopf und Här-
te!, k 20 Ngr.
6) : La Cerrito. Valse italienne. Ebend. 10 Ngr.
7) E. WoWx Grand Duo brill. sur l'Opera : Charles VI.
ponr le Piano k 4 mains. Op. 86. Ebend. 1 Thlr.
8) : Grand Valse sur Charles VI. Op. 88. Eben-
daselbst. 15 Ngr.
9) Fr. Burgmüller: La feto au couvent. Quadrille k 2
et k 4 mains. Mainz, Scholl's Söhne. Pr. k 2 mains
45 Kr. , A4 mains 1 Fl. 12 Kr.
10) — — : Empfindungen am Ciavier. 12 characteristi-
sehe Uebongen, 0p. 73, in zwei Abtheilungen. Eben-
daselbst. Jede Abtheilung 45 Kr.
11) H. Bertini: L'Impromptu , Rondo valse. Op. 145.
Ebendaselbst. 1 Fl. 21 Kr.
12) : Duo k 4 mains sur des themes de l'Opera:
La pari du diable. Op. 148. Ebeud. 1 Fl. 48 Kr.
13) A* F. Cranz: Sonate* dramatiques. Hamburg, A.
Cranz. No. 1. 1 Thlr. 8 Ggr.
14) & Goldschmidt: Sonate. 0p. 5. Hamburg, Schuberth
und Comp. Preis l'/ 8 Thlr.
15) 6. v. Alvenslehen: Vier Characterstücke. 0p. 3.
Leipzig, F. Hofmeister. Preis 1 Thlr.
16) Stephan Heller: Moreeaux de Salon. Etudes melo-
diques. Op. 16. Berlin, A. M. Schlesinger. 4 Liefe-
rungen, k % Thlr.
a Eine-Menge Neuigkeiten, Werke verschiedener Com»
pouisten, liegen sur Besprechung vor uns, deren Durch-
sieht ms 1 heile unangenehm, theü freudig berührte, in*
sofern sie Schlechtes, Mittelmässiges und Gutes enthiel-
ten, oder Erzeugnisse unkünstlerischen oder künstleri-
acben Geistes waren.
Sehen wir, wessen Werke unter den angeführten
4er einen oder andern Clause angehören.
Die Binde von Prudent ist eine so geistlose Arbeit,
wie deren nne jetzt so häufig aufgetischt werden. Der
Tonsetaer hat wollen Etwas schreiben und wusste nicht
gleieh was, er verfiel endlich auf den Namen Etüde und
suchte darin einen oder den andern Bekannten naoksuah-
seen. Dass hier vorzugsweise der Sehwalbenflug gemalt
wurde, versteht sich nach dem Titel von selbst, und
diese Erfindung ist Prudent's Geiste allein zuzuschreiben ;
aber in welch trauriger Gestalt zeigt sich dieser Geist
in harmonischer Hinsicht I Das Stück geht aus Esdur,
man darf aber blos auf den tonischen Dreiklang und den
Dominantaccord nebst einigen Tacten in der Unterdomi-
nante und Parallele gefasst sein. Wie mögen die frühern
Werke aussehen? vielleicht ist da blos ein einziger Ae-
cord angewandt zu finden! —
Rosellen giebt in seinem Decameron das 55. Opus
in 10 Nummern. Dies würde ein sehr respectables Opus
sein, wenn Alles, was darin steht, aus Rosellen*« Kopfe
entsprungen wäre. Die Aufschriften der einzelnen Hefte:
Motifs de — Donizetti — Rossini — Adam — Merca-
dante — belehren uns jedoch, dass dem nicht so ist,
sondern dass das Onus aus den Ideen dieser Heroen in
mannichfacher Gestalt zusammengesetzt wurde; ja, diese
reichten noch nicht einmal aus, und so vergreift sich
Rosellen noch an den Werken der Geweihten der Kunst,
Weber, Spohr, sogar Beethoven. Es kostete ihm aber
Swiss viel Mühe, deren göttliche Melodieen in diese Nie-
igkeit herabzuziehen, da sich dieselben für dergleichen
Fabricat gar nicht fugen wollen und immer, wie Oel auf
dem Wasser, obenauf schwimmen.
Doch was kümmert das Rosellen? er braucht Melo-
dieen; nächstens wird er sich an Bach versuchen, wir
freuen uns zum Voraus auf diesen Genuss. Möchte doch
die Zeit musikalischer Trübsal bald einmal ihr Ende er-
reicht haben ! Was das 56. und 57. Opus nnler No. 3
und 4 betrifft, so machen diese dasselbe Gesicht, wie
das 55. , nämlich Alles ist wieder über die Ideen Ande-
rer verfertigt.
Wie jede Sache in der Welt, können die Rosellen'-
schen Arbeiten doch auch etwas Gates an sich haben.
Und worin besteht dies? In den vielen durchzuspielen-
den Noten, welche nicht ohne Einfluss für die Finger
sein dürften , auf der andern Seite wird aber dem Ge-
scbmaeke, der Schüler zumal, so zugesetzt, dass der we-
nige Vortheil der Fingerübung gegen den vielen Nach-
theil, welcher der Geschmacksbildung zugefügt wird,
nicht mehr in Anschlag gebracht werden kann. —
Hünten's Manier ist zu bekannt und zu oft darüber
gesprochen worden, als dass Neues zu sagen nöthijr wäre.
Es ist genug, seine Verehrer auf die drei neuen Werke
aufmerksam zu machen, sie werden ihnen willkommen
sein. Hunten wählt nie geschmacklos, verarbeitet nicht
Alles, was ihm vor die Hand kommt ; daher klingen seine
Arbeiten auch stets um Vieles besser und sind viel schwung-
hafter, als die mancher seiner Collegen. —
Die Wolffschen Werke stehen , obgleich sie eben-
falls über Opernthemate geschrieben sind, in der Behand-
lung des Stoffes und ihrer Ausführbarkeit nach weit über
den vorbergenannten. Der Walzer erinnert an Cbopin's
Compositionen dieses Namens und dürfte sich, so wie
das Duo brillant, Freunde erwerben. Beide Stücke for-
dern geübte Spieler. —
Bnrgmüller's Fete au couvent ist eine für Familien-
cirkel passende Kleinigkeit, in Klöstern wird bmu» sie
ÖS
1844. J
Nd. 4.
m
nmht tanzen, obdiieb w die Titefeignette tan-
zend* Kinder in einen rUostorraume in Umgebung tob
Nonnen zeigt. —
Die Empfindungen im Ciavier unter No. 10 sind
Sitze, welche unsern ganzen Beifall erbalten und zu
BurgmüMer's besten Compositionen geboren. Die zwei
Abtheilungen enthalten deren zwötf and beiseen , da sie
zum Unterricht bestimmt sind: Uebungen.
Die Verleger haben bei der Ausstattung dieses Wer-
kes sich sehr stiefmütterlich benommen ; findet man doch
auf den Titeln sehr unbedeutender moderner Musikalien
riesige Buchstaben, die einen die Gattung des Stacks
und den Componislen in weiter Entfernung entdecken
lassen. Dieses Werkeben wird guten Absatz finden und
es wSre deshalb sehr zu wünschen, dass es mit der Zeit
ein grösseres Format bekäme. —
Bertini's Compositionen haben sich schon seit lan-
ger Zeit bei allen tüchtigen Ciavierspielern eingebürgert,
und das mit Recht. Im Fach der Etüde hat er wahrhaft
Vorzügliches geliefert und die meisten seiner Compositio^
nen haben auch für den Musiker Interesse. Wird Bertini
dann und wann ja versucht oder ersucht, irgend eine Ge-
legenheitscomposition über Opernlbemate zu schreiben, so
erscheint seine Arbeit doch eine ganz andere, als diq
musikalischer Handwerker. Beide vorliegende Werke be-
stätigen auPs Neue das Gesagte. Das Impromptu kann
als schöne Etüde den Capricen — oder den cbaracteri-
stischen Etüden desselben Componisten einverleibt wer*
den, und tüchtige Ciavierspieler werden es willkommen
heissen; das Duo ist leichter; ausführbar und nicht un-
interessant. —
Mitten zwischen Arrangement und eigener Compo-
sition stehen die Sonates dramatiques von Cranz. Ar-
rangement sind sie, sofern sie, wie die vorliegende No. 1,
aus fremden Ideen bestehen. Genannte Nummer ist aus
Motiven der Oper Don Juan zusammengesetzt und da in
derselben die Mozart'soben Ideen mit Hecht überwiegen»
so könnte man eine solche Sonate auch für eine eigene
Mozart'sche Compositum annehmen, zumal wenn die Zu-
sammenstellung mit so viel Glück geschah, wie es hier
der Fall ist. Die vorliegende Sonate ist, weit entfernt
vom Potpourri, ein sauber gearbeitetes Musikstück die-
ses Namens, dessen Bestandteile Mozart'sche Melodieen
ausmachen. Man kann das Unternehmen ein glückliches
nennen und die erste geschmackvoll ausgestattete Liefe-
rung macht die Fortsetzung wünschenswert. Mögen diese
und die folgenden wohl aufgenommen werden! dies ist
unser Wunsch. —
Eigene Compositionen machen sich unter den Alles
überströmenden Arrangements ietzt so rar, dass man be-
" gierig nach einer jeden derselben greift.
Um wie viel mehr muss dies aber geschehen, wenn
es das Werk eines Componisten betrifft, von. dem man
schon Gutes gehört und gesehen hat.
So war es der Fall mit der Goldschmidt'schen So*
nate. Zeigte sieh uns der Componist vor Kurzem auf dem
Felde der modernen Musik, — wir meinen seine Etü-
den, — so tritt er uns hier in einer der Vergangenheit
angehörenden Form entgegen;
Di* Senate besteht aas drei Sitaeut Allegre — An-
dante — Allegro aseai — . Der erste Satn ist in Anfina-
sung und Durchführung der gelungenste derselben, frisch
und kerngesund ; mit wahrem Vergnügen haben wir ihn
gespielt. Dem Mittelsatze hätten wir vielleicht etwas mehr
Ausbreitung gewünscht; es war ein glücklicher Gedanke
des Componisten, die Tonart des Satzes, Desdur, im Ver-
lauf in Cismoll zu verwechseln, wodurch interessantere
Tonreihen, als bei den Be- Tönen in's Spiel kommen,
doch bedingen dieselben dann eine grössere Ausbreitung,
um dann eine plötzliche oder allmäüge Annäherung an
die Grundtonart zu erlangen. Der Componist hält sieh
jedoch hierbei blos, und wie es denn nicht anders sein
konnte, eine Wendung naeh der Paralelle Edur abgerech-
net, in Cismoll auf, und geht hierauf sogleich wieder zum
ersten Thema über. Aber auch in dieser Gestalt ist der
Satz befriedigend.
Dem letzten Satze hätten wir ein schwungvolleres
Thema und nicht zu häufige Rückkehr auf einzelne Mo-
tive gewünscht; im Uebrigen ist auch er, wie seine Vor-
gänger, mit Gewandtheit und Nettigkeit geschrieben.
Möge der junge Tonsetzer auf dem gewählten , wirkli-
chen Kunstwege rüstig fortschreiten, eine freudige Zu-
kunft versprechen wir ihm dann; möge das feste Wol-
len, Vorzügliches zu leisten und Mitarbeiter an dem Er-
halten der ächten Kunst zu sein, Anerkennung und Be*
lohnung finden !
Einige Druckfehler hätten können vermieden wer-
den, z. B. im Andante finden sich auf der ersten Seite
anstatt fünf b blos deren vier verzeichnet; im letzten
AUegro, S. 27, Tact 9, ist in der Begleitung ges zn
nehmen. —
Gleich willkommen heissen wir die Characlerstücke
von Alvensleben; es spricht sich darin ebenfalls der Sinn
für das Edle und Gute aus; dass doch unsere jungen
Künstler bei ihrem öffentlichen Auftreten alle diesen Vor-
satz fassen fassen möchten, um immer mehr dafür zu wir-
ken, dass die flachen und nüchternen Fabrikarbeiten mehr
und mehr verdrängt würden. No. 1, % und 4 gefallen
uns in ihrer Düsterheit ganz besonders. No. 3 würde
sich in anderer Umgebung vorteilhafter ausnehmen, hier
wird es durch dieselbe verdeckt. Hieran ist auch der Cha-
rpicter des Impromptu schuld; stände an seiner Stelle ein
gleich den anderen Sätzen ausgeführter Dur Satz, so
würde jeder der Sätze, die man beim Spiel zusammen-
stellte, einer den andern mehr heben. Für sieh, genom-
men ist jedoch das Impromptu ein eben so schätzenswer-
ter Satz, als die übrigen. Seite 7, von System 5 an, be-
findet sich eine befremdliche Fortschreitwig, —
Die Etüden von Heller werden auf dem Titel melo-
dische genannt, es muss demnach aueh onmelodische ge»
ben, was auch in der That der Fall ist, nicht Mos hei
den Etüden, welche vorzugsweise zur Debang bestimmt
sind, sondern auch bei denen, die dem Salon angehören.
Die in Rede stehenden Tonsticke dieses Namens sind
für den Salon geschrieben, der Ausdreck Etüde könnte
auch mit einem andern vertauscht werden oder eben so
rganz wegfallen, da sie der Titel ebenfalls Moreeaox
Salon nennt. Die vier Hefte der Sammlung enthalten
lft Emden oder Clavierstiioke, und bekunden, wie die
87
mu.
■*i Nd. ? '4*.
58
vorfaefgenannte» Werke, einen tüoMgen Künstler. Mit
Freuden führen wir sie den musikalisehen Publicum zu ;
sie sind nicht eitler Virtoosenkram, sondern wahre Mu-
sikstücke.
Am Meisten beben uns die No. 1, 5, 8, 10, 11,
13, 15, 16, 18 gefallen. Die No. 14 und 15 können
eben so gut Lied heissen und sind es mehr, als die so
benannten No. 4 und 13. No. 16 ist dagegen ein wirk-
liches Lied nach Mendelssohn's Vorbilde.
Wir empfehlen diese Etüden, -wie die beiden vor
ihnen genannten Werke allen Musikfreunden zur gröss-
ten Beacbtnnn und wünschen schliesslich, von diesen treff-
lieben Künstlern bau wieder zu hören.
Hermann Sckeüenierg.
Nachrichten.
Hamburg 9 im December 1843. Seit meinem letalen
Berichte sind bereits fünf Monate verflossen und ich will
daher 9 um den Baum Ihres hochgeschätzten Blattes nicht
auf ungebührliche Weise in Anspruch zu nehmen, in Fot-
K dem nur eine gedrängt kurze Uebersichl dermusika-
hen Vorkommnisse alibier geben. Im August und Sep-
tember machte ich eine Erholungsreise, kann also über
diese Monate nicht berichten. Herr Tichatscheck aus
Dresden hat während der Zeit gastirt und soll besonders
stanzende Triumphe gefeiert haben als „Raoul" in den
Hugenotten, „MasanieUo," und „Eleazar" in der Jüdin
Ton Halevy. Auch ein junger Tenorist ans Hannover,
Herr Wiedemann^ soll sich durch seine hübsche Stfaame
recht viel Beifall erworben haben. Die übrigen Gaste in
diesen beiden Monaten sind gewesen: Herr Stritt* her-
zog!. Nassaniseber Sänger, Früul. Walter von Brunn,
and Herr Brassin von Mannheim. Herr Stritt fand we-
nig Beilall; Fräal. Walter soll eine hübsche, aber noch
wenig gebildete Stimme besitzen und als „Romeo' 4 sehr
beiflUUg aufgenommen worden sein. Herr Brassin ist fifr
Herrn Wrede ab Baritonist eagagirt worden. * Seine mu-
sikalische Bildung ist aber noch so mangelhaft, dass der-
selbe sich wohl eben so wenig;, wie sein Vorgänger, hier
lange wird halten können. Eine neue Operette von Louis
Maurer: „Die Müllerin von Marly" hat geringen Anwerft
gefunden und ward nur zwei oder drei Mal gegeben« Der
Violinvirtuos Bdzztni ans Mailand soll mit grossein Bet-
fall zwei Concerte im Theater gegeben haben. Besonders
wird die Ausführung des Quartetts aus den' Puritanern
auf der Violine allein gerühmt. Er ist von hier nach Ko-
penhagen abgereist. — Im October gestufte hier die ge-
leierte Fanny Elssier und fesselte natürlicherweise die
ganze Aufmerksamkeit des Publicum«. Sie trat im Gan-
zen eUf Mal auf, stets bei iberCütttera Hanse und. bei fast
auf das Doppelte erhöhten Preisen. Die grösste» Trium-
phe feierte diese Künstlerin in dem fiaUefeDtaertissemeat:
„Des Malers Traumbild" als „Bianca d'Oviedo" und als
„Gisela" in dem gleichnamigen Ballet mit der hübschen
Musik von Adam, Ihr letztes Auftreten fand zmn'Bene-
fisantbeile des Ghorpemmala Statt. — Herr O/s Buli&b
am 10. October ein Gonccrt ie> StfcdtftheaterümUstaa-
dsttn nach Amerika abgereist. Das Coucert war nur spür-
lieft besacht, der Beifall aber sehr lebhaft. Ole Butt ist
in seiner Geschmacksrichtung derselbe geblieben, und da
diese hinlänglich bekannt und gewürdigt worden ist, so
will ich mich hier jeder weitem Bemerkung darüber ent-
halten. Was aber seine Fortschritte in der Compositum
betrifft, worüber in letzter Zeit von eroer gewisse*
Seite her so viel gefabelt wurde, so man ich in dieser
Hinsioht doch erwähnen* dass er in dem obbenanaten
Concerte eine neue Pie$e vorführte — Sieiliano e Ta-
rantella — und diese ein höchst unbedeutendes Matifc-
werk ist, wobei die Castagnetten in der Begleitung eine
Hauptrolle spielen sollen. Am Tage vor dem Concerte
machte Oh Bull dem hiesigen Orchester - Peesionsfoid*
ein Geschenk von 30 Duoaten« — Den 26. ward untir
Leitung des Herr Otter Schneiders Oratorium „Dan
Weltgericht" in dm* grossen Micbaeliskirche zum Besten
des Waisenhauses aufgeführt. Die Chöre waren gut ein*
studirt und Mad. Comet zeichnete sieh in dem Vortrage
einiger Soli besonders aus. Das Concert war nur schwach
besucht, fand aber so vielen Antheil, dass eine Wieder-
holung desselben am 8. November im Apollosaale — eben-
falls zu einem wofalthätigen Zwecke — möglieh wurde,
und es erwarb sich dicke gleichfalls reichlichen Beifall. —
Im Theater Hessen sich zwei Gäste hören: Fräul. Köh-
ler von Riga, und Mad. JanikiMZ Lemberg. Ereifere sang
die „Donna Anna" im Don Juan und die „Königin der
Nacht 44 in der Zaoberflöte und bewährte sich als eine
gut geschulte, talentbegabte Sängerin, die für Bühnen
zweiten Ranges stets eine sehr erfreuliehe Acquisitum
sein' wird. Mad. Janik wnrde mit grossem Pomp ange-
kündigt und sogar die deutsehe Matibran genannt, machte
aber als „Norma" last Fiasco. Dem Gesänge dieser Dame
fehlt Schule und Geschmack und sie scheint ihre Fähige
keiten selbst sehr zu überschätzen. — Im November be-
gann Priul. Evers y königh Würtembergisehe Kanunei*-
sängerin, ihr Gastspiel mit dem glänzendsten Erfolge,
sang im December noch einen zweiten Cyclus Gastrol-
len und ward sodann auf den einstimmigen Wunsch des
Publicums engagirt. Sie erhält eine jährliche Grfge von
12,000 Mark Courant, nebst zwei Monaten Urlaub. Präul.
Svers ist als Gast aufgetreten in Norma (zwei Mal),
Lucrezia, Puritanern, sodann ah „"Donna Anna" im Don
Juan, '„Sextus 44 im Titos, „Valentine" in den Hugenot-
ten, „Desdemona' 4 im Otello, und „Romeo, 44 und zeigte
m diesen verschiedenartigen Partieen sich durchweg als
«ine ausgezeichnete Künstlerin. Die 'Stimme hat viel
Schmelz und ist in vortrefflicher italienischer Schule ge-
bildet. In allen ihren Leistungen ist eine gewisse geniale
Au&ssung zu gewahren, welche von einem tieffihlenden
fiemüthe ausgeht und ihrem Gesänge den seelenvollsten
Ausdruck leibt. Auch in der Darstellung leistet diese
Singerin das Aussergewöbnliche, wobei ihr schönes, ju-
gendliches Aenssere natürlich auch' aufs Vortheilhafleste
einwirkt und einwirken muss. — Nen gingen in Soene
die Opera: „Der Feensee" ven-dfefcr und „Der Wild-
schütz" von LorUting. Entere ist in den Partieen der
„Zeila 44 und des „Albert 44 vom Capellmeister Krebs fast
gaud mmmlnponirt, wodurch besonders dio 3onranpartie
-vkl-tedetttsmaor geworden ist. Die Mnsik gehurt bekannt-
50
1844. Janttor. No. 4.
60
lieh iu Ambene schwächsten Preduetionen and hat sich
hier auch keinen Beifall erworben. Die glänzende Aus-
stattung hierselbst sieht aber noch immer die Menge an,
so das« sie bis jetzt nenn Mal bei vollem Hanse gege-
ben worden ist. — Lortung's Oper bat eine sehr bei-
fällige Aufnahme gefunden und füllt fortwährend das Haus,
so dass sie wohl bald die Tantieme erhalten wird, wel-
ches dann die erste sein wird, welche die Theaterdirec-
tion von der Oper zn zahlen gelobt hat. Herr Bost ist
als „Schulmeister" ausserordentlich brav und erhält je-
desmal lebhaften Beifall. Die- Arie zum Schlosse des zwei-
ten Acts rnuss er gewöhnlich repetiren. — Von Concor*
ten ist noch zn erwähnen: die des Pianisten WiUmers
im Apollosaale und Stadttheater, eines von dem Violon-
cellisten £ Arien, ein Orgelooncert von Hepworth, einem
jungen Engländer, Schüler des hiesigen Organisten Hat-
telfeldU und die Aufführung der »«Schöpfung 44 zum Besten
eines hiesigen Musiklehrers. Herrn WiUmers Technik
ist in der That ausserordentlich und möchte der Liset-
acheu Bravonr wenig nachstehen. Als Componist steht
Herr WiUmers aber bis jetzt auf keiner bedeutenden
Stufe, obgleich seine Compositionen ein sehr ehrenwertbes
Talent verrathen. Beide Goncerte waren bedeutend schwach
.besucht. Das Concert im Stadttheater hatte kaum hun-
dert Hörer versammelt! Später spielte Herr WiUmers
noch zwei Mal im zweiten Theater vor einem zahlreiche-
ren Publicum. Uebertriebene Lobhudeleien von unver-
nünftigen Freunden haben ihm in der Meinung des Pu-
blicnms sehr viel geschadet , da man ja leider oft den
Künstler entgelten lässt, was die Tactlosigkeit nnd Be-
schränktbett der sogenannten Freunde verschuldet ha-
ben. — Das Orgelooncert von Hepworth gereichte dem
Talente des Goncertgebers und seines Lehrers zur Ehre.
Bach, Händel nnd Rink waren die Hauptbestandteile
des Programms.. Grosses Interesse erregten zwei Violin-
soli von Spohr mit Orgelbegleitung, welche von Herrn
v. Königlöw ausgeführt wurden. Derselbe ist ein junger
Mann von etwa 17 Jahren und berechtigt zu den erfreu-
lichsten Hoffnungen für die Zukunft. Ein hiesiger Kriti-
tiker bemerkte über sein Spiel: „Der Ton des Herrn
p. Königlöw ist voll und rund, die Bogenfährung solid,
die Intonation fest und rein nnd der Vortrag zeugte durch-
wag von verständiger Auffassung der Compositum" —
ein Urtheil, welchem ich freudig beistimme. — Die Ausfüh-
rung der „Schöpfung" war tbeüweise interessant, beson-
ders durch die von Herrn Wurde und Mad. Comet ge-
sungenen Soli. Die übrigen Soli, so wie die Chöre, Hes-
sen aber sehr an wünschen übrig. — Herr Hafner bat
für diesen Winter statt der gewöhnliehen acht nur vier
Quartettunterhaltunffen angekündigt, von denen zwei be-
reits staltgefunden nahen. Auch werden diesen Winter
nur zwei „philharmonische Concerte" gegeben werden ;
das erste im Februar. Im Theater werden die Opern:
„Des Teufels Antheil" von Auber und „Rienzi" von
Wagner vorbereitet. Shakespeare'* „Sommernachtstraum"
mit Mendelssohn'* Musik steht auch in Aussicht und
man ist besonders auf letztere sehr gespannt. — -r.
Leipzig, den 23. Januar 1844. Dreizehntes Abon-
nement -Concert im Saale des Gewandhauses, den 18. Ja-
naar 1844. Ouvertüre zum Freischütz von C. Af . v. We-
ber. — Seene und Arie aus dem Freischütz, gesungen
von Miss Bireh. — Sonst und Jetzt. Conccrtieo für die
Violine von L. Spohr, vorgetragen von Herrn Jean Jo-'
seph Bott aus Cassel (erstem Beneficiaten der Mozartstif-
tung zn Frankfurt am Main). — Cavatine von Päcmi,
gesungen von Miss Bireh. — Variationen über ein Thema
aus dem Piraten von Beläm 9 für die Violine componirt
von Vieuxtemps^ vorgetragen von Herrn Bott. — Fan-
tasie für die Flöte von A. B. Fürstenau, vorgetragen
von dessen Schüler, dem blinden Herrn Raimund Nietz-
sche aus Dresden. — Symphonie von Niels W. Gade y
No. 2, Edur (neu, zum ersten Male), unter Directum
des Componisten.
In Abwesenheit des Herrn MD. Hiller hatte Herr
Concertmeister F. David die Leitung der einzelnen Mu-
sikstücke, mit eben erwähnter Ausnahme der Symphonie
von Code, übernommen, und da wir oft schon Gelegen-
heit hatten, die Sorgfalt und Umsicht seiner Direction ken-
nen zu lernen und öffentlich zu rühmen, so bedarf es
jetzt kaum noch der Versicherung, dass die Ausführung
sämmtlicher Stücke, hauptsächlich aber der Ouvertüre zum
Freischütz, sehr effectvoll war und wirkte. —
Es ist eine interessante Erscheinung, dass englische
Künstler und Künstlerinnen in der Regel weit leichter
und besser als Künstler anderer Nationen deutsche Mu-
sik auffassen und ausführen, und dadurch zugleich eine
ernstere, solidere Riehtung ihres Kunstsinnes und Stre-
bens beweisen. Bei Miss Birch müssen wir sogar die
Ausführung deutscher Musik, wie z. B. der Arien von
Moeart , zu ihren besten Kunstleistungen zählen, wäh-
rend die Ausführung italienischer Compositionen ihr, in
der Regel, weniger ausgezeichnet gelingt. Auch die be-
kannte grosse Scene und Arie aus dem Freischütz, welche
Miss Birch mit deutschem Text sang, war groasentheils
eine sehr ausgezeichnete Leistung, in manchen Theilen — -
besonders im Recitativ und der ersten Cantilene, also in
der eigentlichen Soeue — so vortrefflich, dass gar manche
deutsche Sängerin sich daran ein Muster nehmen könnte.
Nur mit der Auffassung und dem Vortrage des letzten
Allegro können wir uns nicht ganz einverstanden erklä-
ren ; es wurde zu süss und weich, fast tändelnd wie ein
italienisches Rondo vorgetragen, da es doch die höchste
Steigerung leidenschaftlicher Sehnsucht ist und sein soll.
Wahrscheinlich halte sich die geehrte Künstlerin durch
die, allerdings nicht recht treffenden Textworte „Süss
entzückt entgegen ihm " irre leiten lassen über den ei-
gentlichen Charaeter des Stücks, den sie jedoch am Schlosse
herauszufühlen schien und daher dort auch mit grösserer
Wärme und Innigkeit vortrug. Die Wirkung auf das
Publicum war tief und bedeutend nnd der Beifall daher
auch sehr gross. Die Cavatine von Pacini sang Miss Birch
recht gut, weniger bunt und reich mit Trillern e. s. w.
geschmückt, als sie es sonst zu thun pflegt, was wir
nur loben können und überhaupt anrathen möchten» da
man mit dergleichen Zugaben nicht vorsichtig und spar-
sam genug sein kann.
Interessant tat ea nns gewesen» Herrn Jean Joseph
Bott aus Cassel kennen zu lernen. £r ist noch jung,
wie wir hören erst 17 Jahr alt, ein Schüler L. SpohP*
61
1844. ' Januar. No. 4.
62
und der erste Beneficiat der Mozartstiftung iu Frankfurt
am Main. (Jeber diese schöne Stiftung, deren Zweck in
der musikalischen Welt hinreichend bekannt und gewür-
digt ist, brauchen wir hier nichts weiter an sagen ; wir
haben es lediglich mit den Leistungen Dessen zu thun,
der so glücklich war, durch sein Talent zuerst die Theil-
nahme und Unterstützung dieses Instituts zu erringen. Ein
Schüler Spohr's bleibt sehr leicht länger Schüler, als die
Schüler manches anderen Lehrers ; es mag dies wohl an der
Grosse des Meisters liegen, die auf den Schüler nach allen
Seiten hin so gewaltig einwirkt, dass er spater selbstän-
dig wird, als er ausserdem vielleicht geworden sein wurde.
Die Eigentümlichkeiten Spohr* s sind überdies so ver-
führerisch und prägen sich namentlich seinen Schülern
so tief ein, dass man oft nur schwer zu beurlheilen ver-
mag, ob die Leistungen derselben blos reproductiv, oder
ob sie productiv zugleich sind. In dem Spiele des Herrn
Bott findet man Alles wieder, was die SooAr'sche Schule
Treffliches zu bieten vermag : grossen schönen Ton, aus-
gezeichnete Bogenfübrung , Solidität in Allem. Dabei ist
die Ausbildung Herrn Botfs schon in einem hoben Grade
vorgeschritten; und wenn auch von Meisterschaft nir-
Snds noch die Rede sein kann, so hört man aus seinem
iele doch den künftigen guten Meisler schon heraus;
den Meister in der Technik wenigstens, denn in anderer
künstlerischer Hinsiebt lässt sich aus so jugendlichen
Virtuosenleistungen überhaupt kein sicheres Prognosticon
stellen, bei Herrn Bott aber deshalb um so weniger»
weil seine ganze Kunstbildung bis jetzt nur eine gese-
hene, nicht eine aus ihm selbst herausgearbeitete ist,
hauptsächlich aber auch, weil das Kunstleben, in welchem
er sich bisher bewegt hat, wohl nicht weitgreifeud ge-
nug, nicht alle bedeutenden künstlerischen Erscheinungen
der Zeit vorführend gewesen sein mag. Wir scbliessen
Das aus dem Vergleiche der beiden Leistungen, welche
uns Herr Bott in diesem Concerte gab; die Composition
von Spohr hat er sehr gut und ohne allen Vergleich bes-
ser als die Variationen von Vieuxtemps gespielt, aus de-
ren Vortrage man ganz deutlich sah, dass ihm die neuere
Virtuosität ihrem innern und äussern Wesen nach fast
völlig fremd geblieben sein muss. Wir sind nun weit ent-
fernt, dem jetzigen Virtuosen wesen, so weit es ein Un-
sen geworden ist, irgendwie, das Wort reden zu wollen ;
es hat jedoch neben vielem Verwerflieben auch gar man-
ches Treffliche, das als ein Portschritt betrachtet werden
darf und an dem sich, namentlich bei Zusammenstellung
des Guten jeder Schule und jeder Zeit, der Geschmack
und das Urtheil eines Künstlers zu bilden vermag. Bei
der trefflichen Leitung und der sichern Grundlage , welche
die Kunstbildung des Herrn Bott durch Spohr erhalten
hat, müssen wir dringend wünschen, dass er an irgend
einem musikalisch wirklich bedeutenden Orte, d. b. an
einem Orte, der ihm Gelegenheit bietet, alle bedeu-
tenden Kunsterscbemungen anmittelbar durch eigene
Anschauung kennen zu lernen, längere Zeit seinen Auf-
enthalt nehmen möchte. Er würde dann selbständiger,
mehr mit eigener Kraft an seiner Ausbildung arbeiten
und diese dadurch mehr fördern und vielseitiger sein Ta-
lent, entwickeln, als es ausserdem möglich sein dürfte.
Eine Kunstreise, wie sie Herr Bott unternehmen zu wel-
len scheint, nnd berührte sie auch die bedeutendsten Orte,
brächte sie ihn auch mit den berühmtesten Kunstnotabi»
litäten in kürzere oder längere Verbindung, kann einen
sehr wohltbätigen Einfluss auf ihn schon deshalb nicht
haben, weil die Eindrücke, welche er erhält, zu plötz-
lich und flüchtig, daher blos vorübergehend sein werden,
seine eigenen Leistungen aber, um deren Producirung es
ibm jetzt hauptsächlich zu tbun ist , dabei , einige Rou-
tine mehr oder weniger abgerechnet, in ihrem innern
Wesen ziemlich unverändert bleiben dürften. Es würde,
im besten Falle, immer nur eine Entwickelung und Port-
bildung in der engen Bahn erfolgen die ihm bisher an-
gewiesen wurde, nicht aber ein wirkliches Fortschreiten
auf einem Wege möglieb sein, den er aus eigener Kraft
und nach eigenem Urtheil gewählt und eingeschlagen hätte.
Wir haben uns über Herrn Bott hier ausführlicher aus-
gesprochen, nicht nur weil wir an seinem Talent In-
teresse nehmen, sondern auch weil uns die künstlerische
Zukunft des ersten Schützlings eines so trefflichen Insti-
tuts, wie die Mozartstiftung ist, wahrhaft am Herzen
liegt — Die Aufnahme des Herrn Bott von Seiten un-
seres Publicums war sehr wohlwollend , würde aber ge-
wiss glänzender gewesen sein, wenn er zu seinem ersten
Auftreten niebt ein Stück gewählt hätte, das in seiner
ironischen oder sarcastischen Tendenz den Erfolg des
ausführenden Virtuosen allzusehr vernachlässigt, ja ge-
radezu erschwert.
Wenn die Kunst im Geleite des Unglücks auftritt,
wird man ihren Leistungen gern auch dann eine wohl-
wollende Theilnabme und Anerkennung schenken, wenn
sie strengeren Anforderungen der Kritik nicht entspre-
chen sollten; das Flötenspiel des blinden Herrn Nietz-
sche verdiente aber den lauten Beifall wirklich, den es
erhielt. Es ist auch in der That bewnndernswerth , zu
welcher tüchtigen Ausbildung in der Teehnik sowohl wie
im Vortrage es derselbe trotz seiner Blindheit gebracht
hat, und wenn man bedenkt, dass Herr Nietzsche blind
geboren wurde, so sind seine Leistungen gewiss ein un-
widerlegliches Zeugniss bedeutenden Talents, das ihm der
Himmel zum Trost in seinem Unglück gegeben zu haben
scheint und zu dem wir ihm von Herzen Glück wün*
sehen.
Von wahrhaft künstlerischer Bedeutung war die neue
Symphonie von Niels W. Gade, ein Werk, das unbestritten
zu den werthvollsten Gompositionen gehört, welche die
neueste Zeit in dieser Gattung hervorgebracht hat. Wir ha-
ben über den grossen Erfolg berichtet, welchen die erste
Symphonie Herrn Gadefs, in der vorjährigen Goncertsaison
unter Mendelssohns und in diesem Winter unter des Com-
ponisten eigener Leitung batte, nnd welche demselben die
Hochachtung aller Künstler, die regste Theilnabme unseres
Publicums wie im Sturme errang; das grosse, entschie-
dene Talent, was uns in dieser ersten Symphonie in ju-
gendlicher Kraft und mit einer seltenen Beherrschung atter
Kunstmittel entgegentrat, finden wir in der zweiten Sym-
phonie wieder, nur tiefer, inniger und grossartiger noch
in seinen poetischen Gebilden, gemessener, zarter und
feiner noch in deren Zeichnung und vor Allem künstle-
rischer, meisterhafter in der musikalischen Ausführung
ad Arbeit, in letzterer Hinsicht hauptsächlich stellen wir
TO
1944* Januqr. No> 4.;
64
41« pwMe Syngamie btter «ock *!# die erste, obgleich
<liqse aa «dringender, augenblicklicher Wirkung jene über»
tfeffeD dürfte, was indess eine natürliche Folge der tie-
feren Innerlichkeit,, der grösseren könstlerisehen Bedee-
tong der zweiten Symphonie, keineswegs ein Tadel der-
selben ist oder sein kann. Es webt ein eigentümlicher
(seist in Gade's Compositionen , nrsprünglich und origi-
nell jn Allem, was und wie er es giebt; dabei so na-
türlich und klar in seinen Inientioqen, so sieher und
kräftig, in den beabsiebügten Wirkungen, wie es eben
nur eine wahrhaft ausgezeichnete geistige Kraft vermag.
Auch diese zweite Symphonie erscheint sehr bald im
Druck — bei Breitkopf und Härtet — und alle Freunde
achter Kunst werden sich an dem trefflichen Werke er-
freuen, wie wir und alle hiesigen Kunstfreunde durch
dasselbe erfreut worden sind. Als ganz besonders aus-
gezeichnet müssen wir hierbei noch das Directionstalent
des Herrn Gade erwähnen * es ist nicht die grosse Si-
cherheit nnd Umsiebt allein, mit welcher er das Orcher-
ster fuhrt, zu rühmen: er besitzt eine eigene, seltene
Gabe, ähnlich, der unvergleichlichen Gabe MendelssoJtn**,
der Ausführung eines Werkes ohne grosse nnd auffal-
lende Mühe das rechte Verständnisse den rechten Geist
desselben aufzuprägen, die poetische Stimmung hineinzu-
bringen, die das Werk haben soll, nnd durch welche
allein es erst zu vollkommener Darstellung und Wirkung
gelangen kann. Wie wenig Dies durch eine technische
tadellose Ausführung allein erreicht werden kann, weiss
jeder Sachverständige*
Die Ausführung der Symphonie war vortrefflich in
jeder Hinsicht; der Beifall des Publicum* gross nnd all-
gemein. Herr Gade wird uns jetzt verlassen, am auf
einige Zeit nach Paris, Italien u. s. w. zu gehen. Möge
er recht bald wieder Gelegenheit geben, uns seines aus-
gezeichneten Talents erfreuen zu können ! R. f.
Ankündigungen.
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enthaltend die tollständige Erklärung aller musikalischen Realien ,
wie zugleich die Biographien aller um die Tonkunst nur irgend
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nUtsn, Virtuosen, Singer, Schriftsteller n. s. w. nnd zwar von
den ältesten bU auf die neuesten Zeiten , wie aller Länder nnd
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ScUUiiäf;. S Bde. gr.8. Zweite Aufl. 5 Fl. od. IThlr.
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Welches wichtige Work wir dorn» bieten, sagt der Titel, so
wU für die Gedunrnbeit, Gründlichkeit und Vollständigkeit der
Ausarbeitung der Name des als Musikgelehrten längst schon rühm-
liehst bekannten Verfassers sowohl, als das schnelle Vergreifen der
fl. Anlage hinlänglich bürgt.
So eben Ut erschienen nnd in allen Buch- und
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liehrlmcli der Tonsetzkuttst.
IL Band. 3. Abtheiluug.
JLehre aer Wuge.
Preis mit dem Portrait des Verfassers 5 Fl. 24 Kr. =
3 Thlr.
IHe früheren Bände enthielten:
I IieHre der Hariqosnto ,
Ijelire de» Contru^unlU«..
liefere des Canons
! Offenbach a. M. , im Januar 1844.
Ö= Thlr.
S
Jon* Andre*
Gern eh.
Bei dem städtischen feststehenden Musikcorps in Halle an der
Saale wird ein tüchtiger erster Clarhi eltist unter annehmbaren Bc-
cangoagen gesucht. Nähere Auskunft hierüber ertheilt
W. Stürm in Helle , Ko. S86.
Nachricht, die Musikschule zu Dessau betreffend.
Verschiedene Grunde veranlassen mich, die seit 16B9 f*>»
mir geführte musikalische Lehranitalt mit Ende Mira diesem Jak.
res gäuslieh an schliessen.
Dessau, den 17. Januar 1844.
Frftestrfels gefettet clor.
Droek und Verlag von Breitkatf und äärtol in Lcipng «nd aller deren V«ra»4worÜtchkeit.
$*
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 31"°* Januar.
M 5.
1844.
Inhalt! Zur Geschieh le des Mlniiergesaiigos. (BeteMtfts.) — Jteeeiuäm*»* — iVncAncAfe*: Aus Leipzig.
tarn. — jämkümdigvmge*.
Aa 8 Berlin. — Feuäfe-
Zwr Geschichte des Männergesanges.
(BeuhJaii.)
Der grössere Hang zur Geselligkeit, der den Bewoh-
nern südlicherer Gegenden eigen, lässles auch erklären,
wie die jährliches Zusammenkünfte in der Seh weil, im
Würtembergisehen u. s. w. so zahlreich besucht werden.
Dax« kommt, das* man dort überhaupt noch mehr Ver-
liebe für einhebe Kunstformen hat, die Zustände sind
noch naiver, frischer. — Iq Morddeutschland versammel-
ten sich zuerst die Lehrer; es blieb aber bei einigen
Versuchen in der Mark, in Weissenfeis und Jena; nur
in Schlesien, in Weslphalen und am Rhein hat man es
fortgesetzt. — Die Liedertafeln von Leipzig, Halle, Mag-
deburg, Dessau, Barby, Göthen und Zerbst kommen jähr-
lich gegen Pfingsten zusammen, um sich gegenseitig an-
zusingen. — in Dresden versuchte man der Sache da-
durch mehr Halt zu geben, dass den einen Tag religiöse
Gesänge, den andern weltliche ausgeführt wurden. Doch
scheinen Zerwürfnisse dies Unternehmen rückgängig zu
inachen. Vielen Anklang hat der „Tbiiringer Sängerbund,"
in Erfurt gestiftet, gefunden. Er versammelt sich jährlich
an einem passenden Ort, in einer schönen Landschaft
gefegen. Und die letztere gehört dazu; sie vervollstän-
digt, sie ergänzt das Unvollkommene, was z. B. in der
Monotonie des Männergesanges, in dem Verfliegen des
Tones im Freien (darum bei so grossen Massen das un-
befriedigende Resultat hinsichtlich der Kraft) liegt. Da
scheint es, als würden die Harmonieen bis zu den fer-
nen Bergen fortgetragen, — Waldesnacht, Waldesdun-
kel treten uns lebendig entgegen, wir fühlen die Wahr-
heit der Worte :
„Aas dem Boden ist's gedrungen,
Vefcel habe*'* aaebgesungeo,
.Vot 4m Zweiget klingt «s tot,
Lüde trageo** weiter fort.*'
Möge es mir noch erlasbt sein, anzuführen, was un-
sere Tondichter uns für den Minnergesang gegeben.
Für Chöre geistlichen Inhalte sorgte feuerst Bern-
hard Klein. Er sollte den Sinn für ernste Musik weeken
und fand wenig Steif vor. Die Gesänge von 1813 waren
▼erklungen (seine Wirksamkeit begann in des . trüben
stillen Jahren von 1822—26); so übertrug er die in-
nere Gluth der Begeisterung ssf das religiös* Element,
und aensf ouermüdet, *> da** nach und narii die saht»
4t. Jahrgans.
reichen, jetzt allgemein verbreiteten Hymnen entstanden,
die gewiss überall, wo das Edlere, Höhere in der Musik
gesucht wird, nie in Vergessenheit geratben werden. —
Am Urängsten war nächst ihm Berater in Breslau, des-
sen 150. Psalm vielen Anklang gefunden hak Ausserdem
schrieb er Motetten, Choräle uud viele kleinere Chöre
(zunächst für das Breslauer Seminar). — Friedrich
Sehneider , Reissiger, E. Richter , Stolze, Rinck, A.
IV* Bach, Neidhardt u. A. lieferten auch Manches; ja
Löwe ging so weit, ganze Oratorien, wie „Die eherne
Schlange 4 ' und „Die Apostel zu Philippi*« zu schreiben
(w* sber Monotonie hiebt zu vermeiden ist). Er blieb
nicht ohne Nachfolger — Wagner lieferte vorigen Som-
mer „Das Abendmahl des Herrn" für das Dresdner Ge-
sangfest. Immer ist es anzuerkennen, wenn talentvolle
Männer geneigt sind, Massen, werden sie einmal zusam-
mengerufen, auch mit etwas zu versehen, was Ernst
und Aufmerksamkeit für längere Zeit in Anspruch nimmt.
Des weltlichen Liedes nahmen sieb Anfangs Zelter
und NägeK am Meisten an — ein paar Männer, die den
Cborgesang unter den Dilettanten mit am Ersten ange-
regt haben« Für Zelter war der Männerg»sang Erholung
nach den Geschäften des Tages und dem ernsten Treiben
in der Singakademie; er schrieb also meist Trinklieder,
von denen einige, wie z. B.t „Sanct Paulus war ein
Medicas," zu den gelungensten ihrer Art gehören ; auch
bei launigen Sachen, wie „DieFriihIingsmusikanten i 'u.a.
traf er den Nagel auf den Kopf. — Nägeli suchte auf
das Volk zu wirken, den Sinn für höhere Interessen in
ihm zu erwecken. So entstand sein: „Kennt ihr das
Land, so* wunderschön in seiner Eichen grünem Kranz/ 4
„Holde Eintracht/* „Das Lied vom Rhein," und man-
ches andere, Vaterlandsliebe athmende Lied — Sind
auch seine Compositionen nicht begeisternd, so spricht
sieb doch in allen ein tüchtiges, ernstes Streben aus.—
Für des gewöhnlichen Bedarf schrieben Call, Blum und
Eüenktfcr, zu ihren meist trivialen Prodoctionen auch
'triviale Texte nehmend. BlmCs Notturno: ., Singet der
Nacht ein etiHes Lied " u. s. w. hat sich noch erhalten
(es zeichnet sieb, wie die meisten Sachen von Blum,
dadurch *«s, dass es sehr stimmwirksam ist); Eisenho-
fe?* SoklmMnerÜeder und Ständchen sind dagegen alle
vUakiieherwieise vergessen. — Weber gab nicht allein
Bedestesdes in „Leyer and Schwert, 44 auch in den Opern
wirkte er auf dio Masse. Wen hat nicht der Jigercbor
5
«7
1844. Januar. No. 5.
m
aus Euryantbe durch die Kraft, — ^Singet dfem' Gesang i
zu Ehren" u. s. w. durch die Innigkeit und Gemülhlich-
keit erfreut? Ihm zur Seile giug Kreutzer, der die herr-
lichen Lieder Uhlancts in aller Weise dem Volk zugäng-
lich machte. „Die März nacht," „Die Gapelle, 4 * ,, Schä-
fers Sonntagslied " zeichnen sich aus; unter den Quar-
tetten eins: ,, Abendfeier, " Gedicht von Hessemer, be-
sonders in der zweiten Hälfte sehr wirksam und klang-
voll gesetzt. — Berner's „Studentengruss" fallt auch in
diese Zeit. Ein anderes, „Der Genius der Ruhe,' 4 ist
weniger bekannt, so wie das vortreffliche Arrangement
von: „Wie sie so sanft rubn." — Fr. Schneider war
unerschöpflich in Trinkliedern, von denen nur zwei all-
gemeiner bekanntgeworden : „Lasset die Freud" u. s. w.
und: „Jetzt schwingen wir den Hut." Viele andere,
z. B. ,, Der Demagog," „Das Paradies, " „Contrapunct"
u. s. w. sind vergessen. In seinen neuesten Harzliedern
ist ein Liedertafelexamen, in dem die Schüler „trin-
ken" recht energisch coojugiren. — Unter den ernsten
ist: „Als mein Leben voll Blumen" u. s. w. sehr tief
gefühlt. — Spohr's elegische Weise spricht sich vorzüg-
lich in dem „Gute Nacht" aus; von überraschend kraf-
tiger Wirkung ist dagegen sein : „Auf und lasst die Fah-
nen fliegen," „Dem Schnee, dem Regen," zur gelunge-
nen Ausführung fast zu schwer. — In diese Periode ge-
hören noch : Berger, Fink, Fesca, B. Klein („Des Men-
schen Seele gleichet dem Wasser"), Kuhlau, Landpaint-
ner, Mühling, Methf esset, Neidhardt, Panny („Rbein-
lied"), Pohlenz, Rungenhagen, Rex („Die Maikäfer,"
eins der ältesten mit Brummstimmen, und dasjenige, wo
der Gebrauch derselben noch einigen Sinn hat), Schny-
der von Wartensee, Sutor, Seyfried, Schärtlich (Be-
förderer des Brummens), Werner (Soldatenlied : „Lustig
in den Kampf," und das Volkslied: „Sah ein Knab ein
Röslein stehn"). — Auch von Bergt, Flemming, Winter
(„Im Arm der Liebe"), B. A. Weber („Rasch tritt der Tod")
hat sich noch Manches erhalten , wie auch ein Trinklied
(„Das Glas gefüllt, der Nordwind brüllt") von M. Haydn.
Besonders muss noch Sucher erwähnt werden, der
Volkslieder herausgab. Ein ausserordentlich glücklicher
Tact hat ihn dabei geleitet. Nicht allein sind die Harmo-
nieen dem Cbaracler des Volksliedes angemessen, die
Stimmführung einfach und bequem, dass sie selbst von
geringeren Kräften können genügend ausgeführt werden,
auch die Auswahl ist so glücklich. Ich will nur einige
hervorheben, da die Sammlung gewiss in den Händen al-
ler wahren Freunde des Männergesanges ist, und zwar :
„So viel Sterne," „Morgenroth, u „Die Schildwacht,"
„In einem kühlen Grunde" (auch die Poesie so schön),
„Loreley," „Das Klosterfräulein," „Abschied" u. s. w.
Nach der Rheinliedsperiode ward die Zahl der Com-
ponisten Legion — jeder Liedertafeldirigent bereitete
Stoff zum Singen. Doch interessirten sich auch die ersten
Tondichter der Gegenwart dafür. Mendelssohn'* „Der Jä-
ger Abschied" wird überall mit vieler Liehe gesungen,
$o Mehreres von Marschner, z. B. Liedesfreiheit, „Bür-
fer ist jeder Sohn." (Aus früherer Zeit existiren viele
rinklieder von Mar sehner, z. ß. „Was perlet im Glase"
u. s. w., „Tunnelfestlied," „Im Herbst da nrass man
trinken"), ftaläwoda's „Das deutsche Lied,," wird gewiss
allgemeinen Anklang finden, namentlich bei grossem Ver-
sammlungen.
Für Liebes - und Trinklieder (vorzugsweise) sorg-
ten Banck, Chwatal („Nacht, o Nacht"), 5. W. Dehn
(Scherzlied von Lessing), Dorn, Elster. Girschner
(„Gute Nacht," sehr weichlich), Hetsch (15 Chöre mit
leichten Weisen und guten Texten), Kunz, Kücken, Lo-
renz, Metz, Mangold, F. Otto („Klage"), J. Otto („Die
Wette," „Trinklied"), Philipp (lieferte alle Arten Trink-
lieder, in den- verschiedensten Stadien der Weinseligkeit
zu gebrauchen), C. G. Reissiger („Blücher am Rhein"),
A. Reissiger („Die rothe Nase"), E. Richter („Der
Husar von 1813," etwas zu sehr trompetend), S. Seif-
fort, Skraup, J. Strauss („Kriegers Schwur"), Tau-
bert (der auch neuerlich Chöre zur Medea geschrieben),
Truhn, Tägächsbeck (seine Sammlung: Deutsche Lie-
derballe, ist sehr empfeblenswerth), Feit, Ziegler, Zoll-
ner („Heda, Wein her" u. s. w., — viel im trivial ko-
misohen Genre). — G. Reichardt bat ausser „Des Deut-
schen Vaterland" ein gutes sentimentales gegeben ; „Das
Bild der Rose," so süss, wie Honig von Hybla; — Adam
mehrere von Herwegh, unter denen „Das Rheinlied"
kräftig wirkt; — Kunkel „Mein Vaterland" von Ha-
mann von Fallersleben.
Mögen unsere deutschen Dichter und Componisten
fortfahren, einen Theil ihrer Kräfte dem Valerlandc zu
widmen, um das Volk für dasselbe, für seine höchsten
und heiligsten Interessen zu begeistern. Der Deutsche
kann noch wenig sprechen — aber singen kann er, und
das muss ihm vorläufig vieles Andere ersetzen. Darum
ist es aber auch wünschenswert , dass der Geschmack
sich immer mehr reinige 5 dass man zwar Liebes-, Scherz-
und Trinklieder singe, sie aber nicht zur Hauptsache
mache, nicht dem plumpen Witz huldige, der darauf fusst,
dass man einer Nation angehöre, die am Meisten trin-
ken könne. — Je mehr eine gewisse geistige Bildung auch
die Musiker erreichen, die besonders ihre Kräfte dem
Liede zuwenden, je seltener werden wohl dann die Miss-
geburteu werden, an denen jetzt der unmusikalische Laie
noch so viel Geschmack findet. — „In der jetzigen Zeit,
nicht der Völkerwanderung nach Aussen, sondern der
Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander be-
wegen und ein Land um das andere zum Vaterlande reift,
wird auch der Dichter mit fortgezogen, und wenigstens
das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann
nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzt
Mos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen
die Zeit zu kehren," — so sprach Jean Paul vor 30
Jahren , und ich denke , auch jetzt noch können diese
herrlichen Worte ihre Anwendung finden.
Recew&iohen*
Liederschau.
Wäre das schöne Wort des trefflichen Senme:
Wo mtn singt! dl lese (lieh rihig aiederl
BSf« Measekeo hskes keine Lieder.
in seiaer volle» Bedeutung wahr, so müsste unser ge-
09
1844. Jan*»r. No. 5.
70
l i n k es Deutschland förwahr ein Paradies seil»: Lieder
giebl es bei uns in Haue and Fälle. Eine vergleichende
moralisch -musikalische Statistik wäre vielleicht geeignet,
den Etnfluss des Gesanges auf die Moral und also auch
auf wahres Glück näher zu bestimmen. — Als Beweis,
wie fruchtbar das schöne Feld der Lieder sich auch in
der neuesten Brate erweist, mag gegenwärtige kurze
Liederschau gelten. Wir nehmen aus dem reichen, uns
dargebotenen Fü'llborne die manniehfaltigen bauten Blu-
men, wie sie ans, eine nach der andern, der Zufall in
die Hand fahrt, am sie, mit kurzer Bezeichnung ihrer
Individualität, zur Erleichterung der Anschauung und be-
liebiger Auswahl den Gesangesfreunden zu Nutz and
Frommen vorzulegen.
Sechs Lieder für Sopran oder Tenor, mit Begleitung des
Pianoforte, von Ferd. Gumbert. Op. 2. Berlin, bei
Schlesinger. Preis 17% Sgr.
Ein anmuthig duftendes, kleines Bouquet, um so
freundlicher von uns begrü'sst, da es erst die zweite
Gabe ist, die der sinnige Gärtner uns bietet. Mögen nur
die folgenden, bei fortgesetzter, noch sorgsamerer Pflege,
dieselbe Frische und gesunde Natur bewahren , welche
wir an diesen anspruchlosen Liedesblumen so anziehend
finden. Hier und da scheint es uns, als habe das Bestre-
ben, die gewöhnlichen Schlussformen zu umgeben, den
Gomponisten zu einigen gesuchten und wohl auch an-
passenden Wendungen veranlasst. Wir erkennen recht
wohl die Schwierigkeit, gut und neu zu schliessen, zie-
hen aber doch einen natürlichen, wenn auch nicht durch
Neuheit überraschenden Schluss einem gezwungenen bei
Weitem vor. Jedes der sechs hier gebotenen Lieder bat
etwas mehr oder minder Anziehendes 5 indess wird das
erste, Herlosssohn's schönes Gedicht : „Ob ich dich liebe ! 4A
wohl überall den meisten Anklang, den schnellsten Ein-
gang finden Der Componist lässt, zu allerdings wohl-
tuender Erweiterung der Schlussperioden, eine Zeile
wiederholen, die aber keinen abgeschlossenen Sinn giebt :
dieser kleine Cebelstand hätte sich bei schärferer Prü-
fung wohl vermeiden lassen ; sonst ist das Lied scbön
empfunden und trefflieb gesungen. — Was wir über diese
aomuthige Erstlingsgabe sonst noch auf dem Herzen hät-
ten , sprächen wir gern sogleich aus : wir haben aber
noch einen weiten Weg zu wandeln, und finden uns
wohl bald wieder mit dem talentvollen Debütanten zu*
«ainmen. — Also auf Wiedersehen !
Drei Gedichte, in Musik gesetzt für eine Sopran- oder
Tenorstimme, mit Begleitung des Pianoforte von Carl
Schwende. 59, Werk. Braunschweig, bei G. M.
Meyer. Preis 12 Ggr.
Drei gnt gedachte Compositionen, mit fast zu grosser
Sorgfalt in Nachbildung der einzelnen Wendungen des
Gedichtes behandelt. Wir lieben wohl recht sehr eine
sprechende und schildernde Begleitung — hier ist indess
in dieser Beziehung wohl zu viel gethan. Die Gedichte
sind gewiss von wahrem , poetischem Gehalte ; aber für
Msikalische Behandlung geeignet, und um sieh singend
daran zu ergötzen, möchten wir eigentlich nur das erste :
„Hoffe, liebes Herz!" erkläre». - Der gewandte Har-
moniker, wie der denkende Künstler, der reiflich über
seine Aufgabe meditirt, bewährt sich hier überall. Die
zuweilen etwas störende Trennung der Perioden und
manche ungefügige Gliederung im dritten Gesinge müs-
sen wir wohl mehr dem Dichter (oder dem Uebersetzer),
ab dem Gomponisten zur Last legen.
Sechs Lieder für Sopran oder Tenor, mit Begleitung des
Pianoforte, componirt von Louise v. Drieberg. (Aus
ihrem Nachlasse.) Op. 5. Berlin, bei Bote und Bock.
Preis y a Tblr.
Diese anspruchlosen, einfachen Lieder sind wohl
mehr bestimmt und geeignet, ein Erinnerungszeichen für
die Freunde der Heimgegangenen zu bilden , als durch
ihren intensiven Runstwerth sich geltend zu machen. —
Einige sind übrigens recht sangbar, wie No. 1 und 3,
und werden sich, in ihrer Weise, auch abgesehen von
persönlichem Interesse , Freunde und vorzüglich Freun-
dinnen erwerben. Für das Posthorn, No. 4, halle sich
aber gewiss in dem Nachlasse ein etwas bedeutende-
res Stück gefunden; das hier aufgenommene ist doch
wohl gar zu matt und farblos, und die Dilettantin ver-
räth sich Damenilich durch den mangelhaften Rhythmus,
der ihr auch in den andern Gesängen nicht recht gehor-
chen will.
Sechs Gesänge für eine Singsümme, mit Begleitung des
Pianoforte, von Carl HeUtedt. Op. 1. Leipzig, bei
Breitkopf und Härtel. Preis 20 Ngr.
Dies Opus 1 giebt offenbar Zeugniss von dem Ta-
lente und dem Berufe des jungen Sängers. — Er scheint
übrigens durchaas nicht gesonnen zu sein, auf der brei-
ten Heerstrasse zu wandeln, denn fast aus jedem der
sechs Gesänge klingt ans etwas Ursprüngliches und Ei-
genthümliobes entgegen. Ja er greift wohl zuweilen, zu-
mal was die begleitende Harmonie betrifft, fast zu keck
in die Saiten, wobei denn auch oft Härten, ja .selbst
Misstöne zum Vorschein kommen, die der Gang der Me-
lodie keineswegs bedingt. Der Componist scheint phanta-
stische Gebilde der Poesie vorzugsweise zu seinen musi-
kalischen Illustrationen zu wählen, and doch möchten
wir ihm den gutgemeinten Ratb geben, sein Talent zu-
nächst lieber an dem eigentlich Lyrischen zu versuchen»
bis sein Styl sich regelt und erstarkt. Auch gestehen
wir offen, dass ans in dieser Beziehung das erste ein-
fache Lied: Frühliogsglanbe, ungleich lieber ist, als die
mit vielem Aufwände von Mitteln ausgestattete altdeut-
sche Ballade, No, 4. Jedenfalls erscheint uns diese Erst-
lingsgabe sehr beachtenswert!!.
Wanderlieder, gedichtet von G. Tietz, für eine Sopran-
oder Tenorstimme , mit Begleitung des Pianoforte,
componirt von Jul. freies. Op. 9. Berlin, bei Bote
«ftd Bock. Preis 15 Sgr.
Diese vier Wanderlieder sind so frisch und natür-
lich hingtsnngen, dass man sie bei aller Einfachheit bald
lieb gewinnt und mit ihnen vertraut wird. Schon die
Dichtung sieht durch ihren harmlosen Gan£ and gemüth-
licbe Naturtreue uwiHkärüch an, und bildet in ihren
71
1844. Januar. No; «."
73
Uebenohrifteni Abschied, Wand'rw» Gnus, Heimkehr,
Wiedersehen, ein kleines Drama , wahrend dock jedes
der vier Lieder für «ich beateben kann. Der Abschied
wird mit leichten Herzen genommen, denn liebendes
Vertrauen erleichtert ihn; und so athmet auch der
Gesang nur Liebe und Hoffnung. Dm gewählte, Motiv
ist so anmutbig und gewinnend, und wird durch die
tröstende Episode (Liebchens Thränen zu trocknen) so
günstig hervorgehoben , dass man das hübsche Lied fast
zu kurz findet. Auch Form und Ton von No. 2, Wand-
rers. Gruss, sind gefällig, und man muss nur bedauern,
dass der Dichter nicht auf eine bessere Schlusspointe oder
mindestens auf eine bessere Dielion bedacht war, die
dann auch dem Gesänge zu gut kommen mussle. Das
dritte Lied, Heimkehr, spricht in unverkünsteller Melo-
die, analog begleitet, recht freundlich das Gefühl seh-
nender Hoffnung aus. Die widerstrebende Declamation in
dem Refrain der zweiten Strophe kann und wird von
dem Sänger leicht verbessert werden. Im vierten Liede :
Wiedersehen, lässt der Componist recht sinnig und sehr
wirksam das Motiv des ,, Abschiedes'* wieder anklingen,
wodurch sich das kurze Drama günstig abrundet. Die
neue Zutbat ist nicht minder passend und ansprechend. —
Mit einem ungemein fröhlichen, aufregenden Nachspiele,
einem maskirten Walzer nicht unähnlich, scbliesst das
kleine, anmnthige Werkchen, das leicht sein Publicum
finden dürfte.
Sechs Lieder für eine Bass- oder Baritonstimme, mit Be-
gleitung des Pianoforte, componirt von Jos. Staudig l.
Op. 20. Stuttgart, Allgem. Musikhandlung. Preis
1 Thlr. 4 Ggr.
Wir waren darauf gefaest, in diesen Liedern des
gefeierten Sängers, den die allgemeine Stimme als den
Ersten seines Faches bezeichnet, zunächst nnr den schim-
mernden Abglanz seiner Individualität als ausübender
Künstler, mit Darlegung der vollendeten Ausbildung sei-
ner umfangreichen Stimme zu erblicken, und finden nun
zu unserer Ueberrascbung, aber auch zu geistiger Befrie-
digung, dass uns der treffliche Künstler, statt des Er-
warteten, sechs ungemein einfache, gut gedachte und ge-
lungene Gesänge bietet, die jeder nur einigermaassen
gebildete Sänger sich mit Theilnabme and Genuss aneig-
nen und mit bestem Erfolge ausfuhren wird. Die drei
ersten Gedichte (sämmilich von Prankl) haben das Meer
zum Gegenstande ; man konnte annehmen, dass der gleiche*
Stoff etwas Monotones im Gefolge haben werde ; Dem ist
aber nicht so. — Das Interesse an den Gesängen erhöht
sieh sogar im Verfolge, wozu denn die characteristisebe,
nüancirte und immer consequent durchgeführte , im driU
ten Liede wirklieb originelle Begleitung wesentlich bei-
trägt. Dass der Gesang bei aller Einfachheit dennoch
tobst
höchst ansprechend und fliessend erscheint, wollen wir
noch besonders hinzufügen, obgleich es bei einem Sän-
ger von solcher Bedeutung vorausgesetzt werden kann.« —
No. 4, „Das Süsseste und Schwerste," von Baltenkron.
Das Gedicht spricht einen schönen Gedanken ia prägnan-
ter Kürze trefflieb ans, und der Componist giebt ihn glück",
Hob wieder. In diesem Gesänge ist übrigens schon deut-
licher das Bestreben sichtbar, den Sänger geilend, zu «*,
eben, aber es geschieht in so naturgetreuer^ «u v
ter Weise* dass man durch die Absicht nicht verstimmt
wird. Dem Eintritt der Melodie hallen wir wohl eine
gefälligere Biegung gewünscht $ das drei Mal angesehlaf
geney bat etwas Starres, das durch die mildernde Be-
gleitung nicht ganz vergütet wird. — No. 5. Seinen ge*- a
läuterten Geschmack bewährt der Componist schon durch
die Wahl seiner Dichtungen; „Der Himmel im Thal"
von Reüiick ist wieder ein treffliches Gedichi, dessen
naiv- sentimentale Färbung ungemein wobltbuend wirkt
und in ieder Beziehung glücklich vom Componisten wie»
dergegebeu wird. — No. 6. An die Nacht, von W. v. ■
Schemnitz. Einfach und edel in Melodie und Harmonie.
Wir würden die fast resignirende Einfachheit neck wil-
liger anerkennen, wäre nur der Rhythmus nicht gar zu.
einförmig; wenigstens würde eine etwas belebtere Be-
wegung in der Begleitung der zweiten Hälfte die Mo-
notonie günstig unterbrochen haben. Es gehört, wie das
Lied nun vor uns liegt, gewiss eine sehr sonore Stimme,
ein sehr inniger Vortrag dazu, um diesem Liede Geltung
zu verschaffen, das nicht eben verfehlt, doch gewiss das
schwächste der ganzen Sammlung ist.
(Fortsetzung folgt.)
Nachhichten.
Leipzig, den 30. Januar 1844. Fünfzehntes Abon-
nement - Concert im Saale des Gewandhauses, Donners-
tag, den 25. Januar. Frühlingsgruss , Concertouverture
von Sigismund Goldschmidt (zum ersten Male, Manu-
script). — ,,La Partenza," Scene und Arie von Ferd.
Hiller, gesungen von Miss Birch (zum ersten Male, Ma-
nns cript). — Concertino für die Oboe von J. W. Kalti-
woda, vorgetragen von Herrn Diethe (Mitglied des Or-
chesters). — Cavatine aus ,,La Donna del Lsgo" von
Rossini, gesungen von Miss Birch. — „Die Weihe der
Töne/* Gedicht von P/ejfer, in Form einer Symphonie
componirt von L. Sponr.
Die Ouvertüre von Goldschmidt (Ddur) ist eine ach-
tungswerthe Arbeit nach guten Mustern. Die Motive der-
selben sind weder neu und eigentümlich, noch beson-
ders geschmackvoll, wie z. B. das erste und Hauptmotiv
des Allegro;' die Verarbeitung derselben ist jedoch geschickt
und oft sehr wirksam durch sorgsame und kenntnissreiche
Instrument irung. Die Ouvertüre macht überhaupt in ihrer
Totalität recht guten Eindruck, wenn auch derselbe Dein
nicht ganz entsprechend sein dürfte, was der Componist,
nach dem Titel „Frühlingsgruss 44 damit beabsichtigt zu
haben scheint. Die Ausführung war' sehr lobeftsWerth und
die Theilnabme des Publicums eine günstige: '
Miss Birch erwarb sich vorzüglich mit der Cavaltm*
von Rossini sehr grossen und anhaltenden Bei MI» oh**
wohl sie die. Scene .und. Arie' von Butler im Grunde noeb>
besser vortrug. Letztere ist ein wohl angelegtes nndi
durchdachtes, ordentlich und fleissir gearbeitetes Musik»
stück, fesselt aber weder Ohr noch Herz fetaifc genug* ■
um eine lebendige oder tief ergreifende Wirkung hervor*',
zubringe», Sie scheint für die. Buhne berechnet za san
TS
1844.
Nor 61
74
«nd madtf darf vielleicht grösser«*iirtro«k $ sie ist'breH
angelegt und lang, fast zn lang ausgeführt, sehr stark
wstrumentirt und sonst ganz dramatisch gehalten. Mög-
lich auch, dass die gar so volle Instrumentirting , durch
welche Ate Singsthnme sehr gedeckt wnrde, der Wirkung
einigen Eintrag gethan hat. .
Unser erster Meist des Concertorohesters, Herr Die-
the, . dessen tüchtige Leistungen wir schon öfter zu röh-
men Gelegenheit hatten , zeichnete sieb durch den sehr
gefangenen Vortrag eines recht ansprechenden Conccit-
stboks* von KäUhooda ans nnd erhielt allgemeinen, sehr
lebhaften Beifall. Sowohl der. Ton, als die Fertigkeit und
der Vbrtrag des Herrn Diethe sind sehr vorzüglich, nnd
unser Orchester hat alle • Ursache", sieh über den Besitz
eines Stichen Künstlers zn freuen, der, bei rostigem Fort-
schreiten, bald nur wenige seines Gleichen haben dürfte»
Obwohl wir , vielleicht aus früher und besonderer
Vorliebe, die Symphonie in Cmoll von Spohr fast noch
höher stellen, als „Die Weihe der Töne/« so ist doch
ohne alle Frage diese letztere eine der grossartigsten
nnd tief empfundensten Symphonieen des geehrten Mei-
sters. Wir sind sek Jahren gewohnt, gerade diese in
vieler Hinsicht sehr schwierige Symphonie besonders
schön ausgeführt zn hören, vielleicht weil wirklich be-
deutende Kräfte immer mit der Schwierigkeit ihrer Auf«
gäbe wachsen* vielleicht anch, weil die Symphonie hoch-
geachtet nnd von dem Publicum stets mit Warme auf-
genommen ist Anch die diesmalige Ausfuhrung war sehr
gut und erhielt nach jedem einzelnen Satze Beifall.
Am 29. Januar gab Miss Birch im Saale des Gc*
wasdbanse* ihr Abschiedsooncevt.
Die ausgezeichneten Leistungen der trefflichen Künst-
lerin, wie nicht weniger ihr hebenswürdiges, bescheide-
nes Benehmen haben ihr die Gunst unseres Publicums in
hohem Grade erworben; das Concert war daher auch
sehr zahlreich besucht* und Miss Birch wurde 1 bei ihrem
Auftreten mit Applaus empfangen, eine Auszeichnung,
mit welcher man hier ausserordentlich sparsam ist. Das
Reperteir bestand in: Ouvertüre zum Wasserträger von
L. Cherubini. — Arie von Marliani, gesungen von Miss
Birch. — Concert für die Violine, in Form einer Ge-
sangseene eomponirt von Spehr, vorgetragen von Herrn
Joseph Joachim. — Arie ans der Sonnambula von BeU
Äw, gegangen von Miss ÄroA. — Ouvertüre zu Fidette
von L* 9. Beethoven (No. 4, E dur). — Englische und
schottische Äalienallicder, im Pia notorte gesungen von
Miss Birch. — Hommage ä Hindel, Duo für zwei Pi#J
nofoAe von J. Mesohefes, vergetragen von Fröul. Con^
stmme Jacebi nnd Herrn MO. Uilier. — Variationen^ v«tf
Rode y gesungen von Miss Birch. —
Mit aUriniger . Ausnahme . der IfatfonaUieder , kön-
nen wir die Wahl der Gesangstöcke nicttlobtmj' obwohl
sie der -geehrte» Künstlerin sehr gute* Gnlegenbrit boten/
ihre Virtuosität zn »eigen;; diese ist es abdr durchatitf
liebt «llehi, worauf der eigentümliche Kaaslwerth' irinei*
Leistung beruht, und wir hätten daher wohl wünschest
mögen, dasa Miss Birch noch einmal adle ihto schöne»
Kräfte in dem Vortrage einen Würdigen. GeMfagsttoktf
ceaoentrirt and «rii dadurch ..eine ffünstkistnna^'gabotmil
haue, wie wir sie vielleicht nicht 1 an 'bä* wieder tabeel
durften. Technisch am ausgezeichnetsten und in der ttiat
ganz vortrefflich war die Ausführung der Arie von Mär-
itnni und der Variationen von Rode ; letztere sind be-
kanntlich Violinvariationen, 4ki, wenn sie gesangen nicht
geradezu unangenehm wirken sollen , in höchster tech-
nischer Vollendung ausgeführt werden müssen. Wir ge-
ben nun allerdings auf dergleichen Kunststuckohen, denn
etwas Anderes ist es nicht, nicht viel, halten aber die
Muhe, welche man auf das Studium solcher Sacheu veiv
wendet, deshalb nicht für verloren, weil doch immer eine
Ausbildung damit verbunden ist , die bei dem Vortrage
besserer Dinge gar sehr von Nutzen sein kann. Wer
solche Künsteleien gut auszuführen vermag, besitzt jeden-
falls eine bedeutende technische Fertigkeit und dadurch
zugleich das Mittel, sich im Vortrage bedeutender Kunst-
werke ganz dem geistigen Wertbe derselben ungestört
md ungehindert zuwenden zu können. — Vortrefflich in
jeder Hinsicht war der Vortrag der Lieder, welche Miss
Birch mit solcher Innigkeit, mit so viel natürlichem Ge-
fühl sang, dass eine bedeutende Wirkung nicht ausblei-
ben konnte. Eines nur möchten wir anders wünschen,
Swiss zum Vortbeil der Lieder wie des Vortrags; Miss
roh verzieht nämlich das Tempo leicht allzusehr, so
sehr, dass der Rhythmus, bekanntlich ein nicht unbedeu-
tendes Element namentlich der schottischen Nationallie-
der, ja sogar die Melodieen ziemlich unkenntlich werden
und verleren gehen, oder zum Wenigsten nicht so deutlich
und ausgeprägt hervortreten, wie es zur klaren Auffas-
sung derselben noth wendig ist. Nun liegt aber gerade in
diesen Eigenschaften, in Melodie und Rhythmus, das Ei-
gentümliche solcher Lieder, und Reiz wie Wirkung ge-
ben verloren, wenn diese Eigentümlichkeiten nicht be-'
stimmt nnd leicht fasslich heraustreten. Kleine Verzie-
rungen, wenn sie den Gang und PIuss der Melodie nicht
stören, die prägnante Wirkung des Rhythmus nicht auf-
heben, schaden viel weniger, ja können sogar ein wirkv
lieber Schmuck des Liedes sein und seine Wirkung er*
höben helfen ; nur versteht sich, dass auch hierin Maass
und Geschmack eine strenge Kritik fähren müssen. Dass
alle Leistungen der Miss Birch mit grossem, entschiede-
nem Bei falle aufgenommen worden, bedarf nach so vie-
len Erfolgen, wie die geehrte Künstlerin bereits hier ge-
habt hat, kaum noch weiterer Versicherung. Wie wir,
sieht unser Publicum sie ungern scheiden, und immer
wird ihr ein ehrendes Andenken bei uns gesichert bleiben.
* Ueber die Leistungen des jungen Jos. Joachim aus
Wien haben wir bereits, wie verdient, sehr rühmend be-
richtet; was wir früher von ihm hörten, waren reine'
Virtuosen saefcea, Stöcke, in welchen es hauptsächlich auf
Produoirung einer glänzenden Technik, weniger auf Darstel-
lung einer künstlerischen Idee, überhaupt nicht auf ein*
Kunatleistnng im höheren Sitme abgesehen ist. Wir konnten
daher mit Besiimmtbcitaucb nur sagen, dass seine teithniscbe^
Ausbildung sehr ausgezeichnet und bereits so vorgesebrit*
tev sei, dass man in ihm einen Virtuosen ersten- RaftM
ges sicher und bald au- erwarten *b*be 5 in- anderer, Mofa*
künstlerischer Hinsiebt gab nus der toattre Cbaracter sei-
ner Leistungen, dfc Richtung «eine's Gttobmaebs in de"
re» 1 Vortrage, einigea Anhalt* der Hoffnung, »dass Uta)
ächte» TWent», ein *üahUge* Kaniuinn intfewobntf» di»
7&
1844w' Jauur. . No* 5.
78
wohl verbaten könnten, du» der . Künstler im Virtuo» '
sen untergehe. Jetzt, nach dem Vortrage der Gesang»
seene von Spohr, einer zwar sehr dankbaren, aber im
Uebrigen auch so bedeutenden Composition, dass sie seihst
für erfahrene nnd sehr ausgebildete Künstler eine schwere
Aufgabe bleibt, halten wir uns für berechtiget, von dem
jungen Joachim das Bedeutendste zu erwarten. Er hat
das Stück mit so klarem, richtigem Verständnis«, mit so
vielem und gutem Sinn und Geschmack vorgetragen, wie
es nur wahrhaft bedeutendes Talent vermag. Möchte die»
sem Talente die ruhige, solide Ausbildung fortwährend
zu Theil werden, die ihm jetzt so förderlich gewesen ist
und durch welche allein es einem hohen und schönen
Ziele zugeführt werden kann i
Das Duo für zwei Pianoforte von Moscheies wurde
von Fräul. Jacobi und Herrn MD. Hiller sehr gut vor-
getragen und erhielt vielen Beifall. Fräul. Jacobi ist eine
sehr talentvolle Schülerin des hiesigen Conservatorioms
und hat als solche hauptsächlich im Ciavierspiel bereits
den Unterricht Mendelssohns und Bob. Schumanns ge-
nossen. Nach ihrer beutigen Leistung zu urtbeilen, die
vielleicht die erste öffentliche, für uns aber jedenfalls die
erste war, wird ihr Spiel mehr fein und graziös, als
kräftig und grossartig, sicher aber in seiner Art sehr aus-
gezeichnet werden. Bei der vielseitigen und gründlichen
musikalischen Ausbildung, die das Conservatorium ver»
spricht, darf man in Fräul. Jacobi eine bedeutende Kunst*
lerin erwarten und ihr eine ehrenvolle Zukunft voraus-
sagen. Die beiden Pianoforte - Flügel waren mit der Ta-
statur unmittelbar neben einander gestellt, eine Stellung,
welche das Zusammenspiel allerdings sehr erleichtert, der
Gesammtwirkung aber nachtbeilig ist, weil sich die Par-
tieen der Instrumente nicht genug von einander schei-
den, ein Instrument das andere deckt und dadurch Un-
klarheit herbeigeführt wird. Alle diese Uebelstände wer-
den vermieden, wenn die Instrumente gewissermaassen in
einander, d. h. so gestellt werden, dass die Tastatu-
ren derselben einander gegenüber stehen und die Spieler
sich vis- ä- vis sitzen.
Die Ausführung der beiden Ouvertüren von Cheru*
bini und Beethoven war sehr lobenswerth, das Concert
im Ganzen zwar nicht von grosser künstlerischer Bedeu-
tung» aber doch interessant und unterhaltend. fi.f.
Bertin, den 4. Januar 1844. So wäre denn mit dem
gelind nassen December auch wieder das für die Ton-
kunst in hiesiger Residenz in mancher Beziehung wich-,
tige Jahr 184« beendet, und wir sehen neuen Hoffnun-
gen, bei dem rasch vorschreitenden Neubaue des köaigl.
Opernhauses, der Anwesenheit des für die evangelische
Kirchen - und höhere Instrumentalmusik thätig wirksamen
GMD. Mendelssohn- Bartholdy und der Wiederkehr des
um die königl. Oper hochverdienten GMD. Meyerbeer,
entgegen. Mögen diese erneuerten Hoffnungen zum Nu-
tzen wahrer Kunst in Erfüllung gehen.
Wir heginnen nachstehenden Berieht mit den über-
mässig sich anhäufenden Concerten. Ein junger Pianist*
Gustav Füller, Schüler des KM. Mohs, begann die Rci-
hefölge derselben am 1. v. M. Dea 2. folgte der solide,
Mehtige VioKniM J. Bmmm, welcher mVwnat mit
dem recht fertigen Pianisten G. Schumann am 16. v. M»
noch ein zweites Concert gab, worin derselbe das An-
dante und Rondo rosse des zweiten Violineoncerts von
de Beriet, Souvenir de Bellini von Artet, und zuletzt
Variationen von Paganini auf die italienische Ganzenette:
„0 rnarnma mia oara" mit lebhaftem Beifall, eben so
rein und geistreich , als seelenvoll und kunstfertig im
modernen Geschmack vortrug. Jedenfalls ist Hemmers z«
den ersten Violinvirtuosen neuester Zeit zu zählen* Herr
Schumann trug die Beethoven'scbe Dmoll- Sonate sehr
fertig, in fast zu rapidem Zeitmaasse, vor, nnd Hess uns
eine recht geschmackvolle Fantasie in neuerer Weise,
auf Motive aus Lucrezia Borgia, gut ausgeführt, nur mit
Schwierigkeiten überhäuft, hören. Im zweiten Abonoe-
mentconcerte des J. Sohneider'eeuen Gesang -Instituts
wurde /. Haydn's Missa No. 3 in D, ein Psalm von
der Composition eines Dilettanten D. AJL Fränkel, a Ga-
pella, und F. L. Kunzens gediegenes „HaUeluja der
Schöpfung " im Ganzen gelungen ausgeführt. Den mei-
sten Eindruck bewirkte die schöne //oyda'sebe Compo-
sition. Im nächsten Cencerte soll Cherubin? s Requiem
zur Aufführung kommen.
Den grössten Kunstgenuss gewährten die beiden Sym*
phoniesoireen der köntgl. Gapelle. In der zweiten Soiree
wurden unter der feurigen, umsichtigen Leitung des Herrn
(MD. Mendelssohn-Bart holdy die schöne Es dur- Sympho-
nie von MoMart, die Ouvertüre zu Euryanthe von C. M.
v. Weber und die B dur-Symphonie von Beethoven durch«
aus vollkommen ausgeführt. Nach der ersten Symphonie
trug der Musikdirector B. Molique aus Stuttgart sein
fünftes Violinconcert, eine vorzügliche Composition, mit
der diesem Meister eigenthümlichen Solidität, Eleganz
und vollendeten Kunstfertigkeit vor. Die dritte Soiree
brachte uns Haydns lebensfrische Ddur- Symphonie, das
von Herr GMD. Mendelssohn -Bartholdy mit bewundern*»
werther Energie und Rapidilät, eben so geschmackvoll, alz
fertig vorgetragene, erfindungsreiche und charaeteristi*
sehe Pianoforteconcert in Gmoll von seiner eigenen Com-
position, ferner Cherubim** Ouvertüre zu Elisa und Beet*
heven's grossartige Cmoll- Symphonie, unter Leitung des
Herrn MD. Taubert vortrefflich ausgeführt. Der Andrang
zu dieser Soiree war so gross, dass noch Stehplätze an
der Casse ausgegeben werden mnssten, da das Abonne-
ment längst geschlossen ist. — Auch drei Soireen von
Tanzmusik, haben im Hotel de Russie unter GungFs Lei-
tung seiner Steiermärkschen Musikgesellschaft Statt ge-
funden, welche gleichfalls ihr Publicum fanden. — Aeoh-
ten Kunstgenuss gewährten zwei Quartettuntorhaltungen
der Herren Zimmermann und seiner Kunstgenossen. In
denselben wurden die Quartette von Onsfow in Adur,
Baydn in B und F dur, von MoMart in Dmoll, und endlioh
von Beethoven in G und Cdur mit der Schlüsselte, letz-
teres ganz besonders gelungen, ausgeführt. Die vier Spie-
ler dringen immer tiefer in den Geist der classischen
Compositionen ein, nnd vereinen sich mehr und mehr
im Ensemble nnd den feineren Nuanprungen des Vor-
trages. Seitdem die Moser whtn Soir6en aufgekört ha-
ben, gewährt der Zimmermann'aekt Quartettverein allein
Knalz fiir diesen Verlast.
77
I64i*
N*- 5.
78
Die Stngaeadcmie Shrle in ihrem zuzeiten Abonne-
mentconcerte vier Vocalcompositionen sehr gelungen aus.
Die erste a Capeila war die kunstreiche Motette des
Grossmeisters der Tonkunst Joh. Seb. Bach; „Ich lasse
dich nicht" für zwei Chöre. 2) Der 95. Psalm von Ed.
Grell mit Orchesterbegleitung, besonders melodisch und
in würdigem , wenn gleich modernem Styl «ehalten. 3)
Ein kurzes Oratorium : „Die Enthauptung Johannis" von
E. Sobolewski (Musikdirector zu Königsberg in Prenssen).
Dem Referenten schien dies meistens wertbvolle Werk
nur ein Theil eines grossem Ganzen zu sein und des-
halb eines innern Zusammenbanges, wie des Gesammt^
eindruckes zu entbehren. Ein Männerchor der Johannes-
jünger begann kräftig und ausdrucksvoll , scbloss jedoch
bei den Worten: „ Laset uns zerreisaep ihre Bande*'
nicht energisch geno£ ab. Die Arie des Johannes mit
hinzutretendem Chor ist recht gelungen, die in moder-
ner Weise die Tenorarie begleitende obligate Violine hin-
gegen nicht ganz zum Oratorienstyi passend. Einige Chöre
sind ausdrucksvoll und gut modulirt. Eine gewisse Mo-
notonie des Ganzen Hess indess einen nachhaltigen Ein-
druck nicht zu, so anerkennungswerth auch das Streben
des Tonsetzers nach Einfachheit nnd Wahrheit des Aus-
drucks in dieser Composition ist, welche nur zu wenig
melodischen Reiz enthält. Die Ausführung, unter persön-
licher Leitung des anwesenden Compouisten, war beson-
ders von Seiten der Chöre gelungen. 4) Der 42. Psalm
von Mendelssohn Bart ho tdy, welcher hierauf folgte, ist
ein zu anerkannt gediegenes Werk, reich an Erfindung,
edel im Ausdruck nnd wirksam instrumenta, als dass
es enier weiteren Auseinandersetzung der vielen Schön-
heiten desselben bedürfte. Die Ausführung war durchaus
lobenswert!) und von allgemein ergreifender Wirkung. —
Am 9. Decerober führte der pensionirte Capellmeister C.
Moser zn seinem Vortheile J. Haydn's „Jahreszeiten 44
unter Mitwirkung der königl. Capelle im Saale der Sing-
academie, von Seiten der Instrumentalbegleitung und der
Chöre recht gelungen auf. Die Sopransolopartie hatte,
statt der Damen Tuczeck und Marx, Frau v. Fassmann
gefällig übernommen, und trug solehe einfach nnd an-
sprechend, Herr Böttcher die ßasssolopartic ausgezeich-
net sicher, rein und kräftig vor. Leider war der Teno-
rist sehr unsicher, was öfter die Wirkung der Enseni-
hle's störte. Es ist zu beklagen, wenn ein so günstig
begabter Sänger sich nicht zeitig der musikalischen Aus-
bildung befleissigt. Das unvergänglich schöne Orato-
rium wurde übrigens mit grosser Theilnahme aufgenom-
men. Eben so anziehend war das von dem Herrn MD.
Motique veranstaltete eigene Concert, in welchem der-
selbe sein vortrefflich eomponfrtea drittes VioHnconcert
mit vollendeter Virtuosität, später eine Fantasie über
Schweizerlieder höchst elegant und kunstfertig, mit schö-
nem, gesangreichem ^Tin.. aüsfitkrte, auch die von dem
Herrn. GMD. Mendelssohn- Bartholdy meisterhaft vorge-
tragene Pianofortesonate von Beethoven in A moll eben
so vonuigtiofc mit täftVtelin» kegleitete. Das ganze Con-
cert. bestand aus lauter elassischeu, wohl gewählten Mu-
sikstücken, wie die Ouvertüren zu Fidelio und Oberen,
Arie.. ans Aleeste von Gluck, von. Frau v. Fassmannt
Arie ans Paulos* von Dem. T mo*$ ck , nnd das ücMtfhe
Btnmenduett ans Spf*hr>s Jessönda, von Frau v. Fass-
mann nnd Dem. Tuczeck gesungen. In einer von Dm.
Laura Ernst veranstalteten musikalisch -declamatorischeu
Soiree wirkte, ausser hiesigen Kunstlern, auch der noch
hier anwesende Violinvirtuos CM. Riefstahl mit. — So
war denn im December in der That des musikalisch
Guten fast zu viel ! — Dm se sparsamer waren die Lei-
stungen der königl. Oper, welche ausser der neu in
Scene gesetzten , seit zwölf Jahren ruhenden Oper Bel-
monte nnd Constanze von Mozart, nur Wiederholungen
des „Wildschütz" (drei Mal) und „Carlo Broschi" (fünf
Mal) lieferte. Belmonte wurde von Herrn Mantius recht
gefühlvoll und künstlerisch gebildet gesungen. Leider blieb
indess die schönste Arie: „Wenn der Freude Thränen
Wessen" aus. Dem. Marx sang die hohe Partie der
Constanze, besonders die Coloralurenarie : „Martern al-
ler Arten" mit vielem Fleiss, nicht ohne Anstrengung,
doch im Ganzen recht gelungen. Die schöne Arie: „Ach!
ich liebte " u. s. w. verlor etwas an Frische durch die
Transposition. Die tief gefühlte Adagio - Arie in 6 mott
(welche Frau von Hasselt- Barth so meisterhaft vortrug)
blieb aus. Osmin wurde von Herrn Zschiesche (obgleich
das erste Mal ungünstig disponirt) gut gesungen. Die
Darstellung, wie die des Pedrillo, welcher, statt des
Herrn Bader, von Herrn Heinrieh gegeben wurde, er-
fordert noch mehr Humor. Sehr gut war Blondcben durch
Dem. Tue» eck in jeder Hinsicht besetzt. Obgleich das
Stick veraltet nnd einförmig ist, anch grosse Ensemble-
gesinge fehlen, interessirte dennoch der Zauber Mozati?-
scher Melodieen und die schöne Instrumentation die Mu-
sikfreunde angemein. Der „ Sommernach tstraum" wurde
zwei Mal wiederholt. Am ersten Weib nachts tage wurde
Don. Juan im königl. Theater deutsch, im Königsstädti*
sehen Don Giovanni italienisch gleichzeitig gegeben und
letztere Vorstellung zwei Mal wiederholt. Signora Mal-
vani konnte den Vergleich mit Frau v. Fassmann als
Donna Anna recht wohl bestehen , nnd übertraf Letztere
selbst in Geläufigkeit der Coloratnren und Wärme des
Gefühls, obgleich die deutsche Donna Anna als eine edle
Dulderin erscheint. Beide Arien sang Signora Matvani
einen Ton tiefer, wodurch die Charakteristik (besonders
der ersten Arie) leidet. Donna Elvira wird von Dem.
Marx vorzüglicher gesungen 5 Signora Ranzi ist zwar
kunstgebildet, ihre Stimme indess etwas scharf. Dem.
Tuczeck ist als Zerline eine überaus liebliche Erschei-
nung. Der deutsche Don Juan, Herr Böttcher, ist in Ge-
sang nnd Darstellung vorzüglich. Bei Signor Capitini
findet nur die erste Eigenschaft Statt Leporeilo würde
von Signor Carozsi recht gnt gegeben werden, wenn der
Buffo nicht etwas zu stark vorträte. Ottavio wird von
Her* Jlfrtift«* noch kunstzebildeter, als von Signor Stella
gestfltgen, dessen Tenor übrigens stark nnd wohlklingend
ist. Üebrigens werden die bei der deutschen Oper weg-
bleibenden unbegleiteten Recitative wie die Arien der El-
vira (die kleinere im HändePteben Styl), des Masetto
und Leporeilo (nach dem Sextett) von den Italienern ge-
sungen. Die reichen Instrumentalpartieen werden sowohl
voa der königl. Capelle, als, nach Verbältniss der Mittel,
auch von dem Orchester des Königsstädtischen Theaters,
«nter Leitung der Herren Jhtmsola und Sfc Lubin, he*
79
1844,
N#.;&
fineCgend «üÄgtftkrU Eisig* Tlamfi netmcn beife fiirfh
gurten sn langsam, wie Sigtor Btixzoür auch einige
fk$en übereilte. — Am Todes- u*d fiegriümiaslage (d.
b. der feierlichen Abfährong der Leiohe) des Königs von
Holland wurde das königi. Theater auf allerhöchsten Be-
fehl geschlossen. Nächstens soll B. fVagner's ^Fliegen-
der Holländer* 4 gegeben werden, an welcher Oper den
Deoesber über studirt ist. Der Componist» wie aneh
Meyerbeer und Mad. Schröder- Devrient werden erwar-
tet. — In der Hof- und Domkircbe ist seit dem Weih-
nachtsfeste eine neue Ordnung des Gottesdienstes einge-
führt. Am ersten Festtage begann derselbe mit einem
Psalm a Capeila, von der Gomposition de* Herrn GMO.
Mendelssohn - Bartholdy , vom neu organisirleu Dom-
chore gesungen. Diesem schloss sich der Chor aus Hän-
de? s Messias : „Uns ist ein Kind geboren" u. s. w. mit
voller Orchesterbegleitung ergreifend an. (Ein Tbeil der
königi. Capelie ist für diesen ausserordentlichen Dienst
mit Besoldung besonders angestellt.) Demnächst folgte
der Gesang der Gemeinde, von der Orgel und. den In-
strumenten begleitet. Ansser den liturgischen Gesängen
und Besponsorien sang dann nach der Predigt die Ge-
meinde und der Chor noch das „Herr Gott, dich loben
wir ! " und schloss nach dem Segen mit Amen. So er-
baulich nun diese Ordnung des Gottesdienstes auch ist,
so wird der musikalische Theil desselben dadurch doch
etwas zerstückelt, und es ist deshalb zu hoffen, daas
künftig — wie es in Leipzig beim musikalischen Gottes-
dienste geschieht — ganze, wenn auch kürzere Gesang-
stücke ausgeführt werden, da es an Motetten, Psalmen
und andern Kirchenmusiken von Joh. Seb. Bach, Hän-
del u. A. nicht fehlt. — Capellmeister £« fVagner ist
bereits hier angekommen, um den letzten Proben des
„Fliegenden Holländers" und der Aufführung beizuwoh-
nen. — Der Pianist Goldschmidt aus Prag hat am 3. d.
ein sehr besuchtes Concert veranstaltet, und sich darin
mit dem C. M. v. fFeber'schen Pianoforteconoert in
Es dur, eigenen Etüden und einer Gaprice von Thalberg
mit allgemeinem Beifall hören lateen. Auch als sinniger
Componist machte sieb Herr Goldschmidt durch eine
recht wirksame Ouvertüre, „ Frühlingsgruss " bezeich-
net, geltend.
F « u i l l b r ö'-nv * • '
Dai Regensbnrfer Theater bat sich sikr der Leiten* eto
neuen Direktors Herr» Ferdinand ßöder, welcher früher den Hof-
tbeater zu Meiningea und den Stadttbeater zn Bamberg vorstand,
sehr gehoben. Die Hauptmitglieder der Oper sind ; Frftut. Meyrat,
«rate Sängerin, Fräol. Mittermayr, eine talentvolle AeTaagerli,
Herr tiirsckberg t erster Tenor* mit ■ebener Stimme oid f uter
Scbule, Herr Mehrt, der rfibmitch bekannte Bassist und Base-
bnffo, Herr Meisinger, Tenorbuffo.
Schwanthaler in Machen bat IA$%?s Bildnis* In Medefllen-
ferm gefertigt) es giett die Zuge d«s KKnstlew mit grassier Trete
uad ScbönkeH wieder. \
Uoter deo j Sogst gehaltenen wissenschaftlichen Vortragen im
Museum zn Mönchen fand auch eine Vorteanag über Geschieht»
der Musik tob» Professor Scnqfkäuti Statt, «rebei derselbe ein-
zelne Tnuwerke ab Belege «einer Deratellnng auffahren iieas. So
wurde eine Reihenfolge Gesänge vom alltestameutlieben Psalm and
vom grieebisehen Cborgesang an bis auf die Leistungen der Ge-
Senwart vorgeführt, ans deoen die allmalige Weiterbildung des
lusiksystews deutlich in die Sinne Bei.
Der Violoncellist Herr Franchemm* jn Paris bat eines dar
berühmtesten Instrumente, das früher dem gefeierten Dvpprt ange-
hörige Stradivarios- Violoncell, für 27,000 Franken käuflich an
sich gebracht.
Per Gesangverein „Harmonie** zu Darmstadt feierte jüngst
die Enthüllung und Einweihung der neuen Vereinsfahne durch ein
entsprechendes Fest. — Ebendaselbst bat Herr Lauts Dtssane aas
Parts sei* nenes Blas- and ßogeninstrament „Meloekon" ktinen
Jensen und damit vielen Beifall geerotet. (Vergi. über dies Inatrn-
ment Allgem, Mnsikal. Zeitung, Jahrgang 1841, S. 501. und Jahr-
gang 1842, S. 438 )
Herr Organist Becker in Leipzig hat von der Fürstin vom
Sonwarzburg-Soadersaausee für Ueberaeadnag seines so eben bei
Fr. Fleischer in Leipzig erschienenen „Evangelischen Cboralba-
epes" ein Dsnkssguogsscbreiben und einen Stock mit einem Kno-
pfe von bedeutendem Werthe erbalten.
i ■ i 1 1 ■
Der Herzog von Sachsen - Coburg -Gotha bat.dea CapeUmet-
stera Lindpaintner in Stuttgart und Schneider in Dessen den Er-
nestiniseben Hausorden verliehen.
Drey schock ist vom Grossherzog von Hesse» - Darmstaelt
»um Hofcapellmeister ernannt worfle*. — Der Keiner von Run.
Und bat deo als Violinvirtuos und Componist bekannten Obersten
Alexis Lvoff, mit Belassuog desselben in seinen bisherigen Char-
gen und als Dirigent der kaiserliehen Hauscapetle , zum General-
major befördert.
Ankündigungen.
Im Verlag der Unterzeichneten ist erschienen;
MAederbuch des deutschen Volkes.
Eine Sammlung von IliB sangbaren Liedern, nnter 19 Rubriken
. geordnet. 1) Kinderlieder. 2) Turn- und Wanderlieder. 5) Stu-
dententieder. 4) Berufslieder. 3) Gesellsckaftslieder. 6) Zeit-,
Natur- und Süntnungslieder. 7) Liebeslieder. 8) Balladen und
Rmmnnae». 9) Vaterlnndslieder. iO) Gedachtn« - , Heiden -ond
Enrenlieder. U) Scherz . nnd Sekelmenüeder. 19) Gejetfieke
- Lieder. Broackirt. Preis 17 Ngr. oder 1 R, rkei*.
Leipzig , Januar 1841. '
Im Verlege der Ch. Ifcb MMlenfeekem HofnneWunaUnai^
in Carle ruhe ist ersekienen unfl durch alle Back- nnd Musika-
lienhandlungen zn erkalten :
Bildnis*
des grossherzogl. ßadiseben Hofausikdirectora
Ar. JP. Ä Glassner.
Preis..* Schwarz....
Chinesisch Papier.
SO Kr. =f 8 Ggr.
Drück and Vsnlkg mm Breitkagf und Häriel in Lm?ta& und aote>v 4m& VcnrmwoitUrfikfl*
et
02
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 7* n Februar.
Md.
1844.
■■Aal*! Bameftuagaa Aber die Mittaeilung des Orgelfaaomeisters Herrn Bttokow in No. 42 d. Z. ▼. vor.
Aas Prag. Abi Leipzig. Herbstopero io halte* a. s. w. — FcuUUton. -
J. n. s. w. — Jteeenjfe-
Bemerkungen
über die Mittheilung des Orgelbaumeisters Herrn
Buekow, in. No» 42 dieser Zeitung, vom 18« Oeto-
kerv. J«, unter der Aufschrift: „Das Doubletten-
System ist keine neue Erfindung. 64
Der Oraxelbaumeister Herr Buekow aus Hirsch berg
giebt in vorgenannter liiltheüung den Lesern dieser Zeit*
nebrift dankenswertbe Nachriebt über zwei Arten von
Koppdungen, nach welchen ein Pfeifencnor einer Orgel«
stimme von zwei Manualen zugleich; ohne durch einen
Keppelzng verbanden zu werden, gespielt werden kann $
oder, mit anderen Worten: wie zwei Manuale aus einer
Windlade einerlei Pfeifencböre spielen können ; oder aucht
dass ein Mannet seine Stimmen ans einem zweiten Ma-
nuale entlehnt, und fordert zur Namensbekanntmaehung
des Erfinders dieser Einrichtung auf» glaubt aber au eh
die Zeit dieser Erfindung in die Jahre versetzen zu kön*
nun, in welchen die Orgelbauer Buchholz sen. , Brüder
fVogener y Mar» sen. , .Miegend und Grüneberg ans
Stettin lebten.
Wenn mir gleich der Name des Erfinders dieser
Einrichtung in keinem Buche vorkam, so muss ich den*
noch die von Herrn Buekow muthma&sslioh angegebene
Zeit der hier in Rede siebenden Erfindung aus folgen*
dem Grunde bestreiten, und sie viel weiter noch, als an*
gegeben wurde, hinaussetzen, weil die vorgenannten Or*
geLbaumeister sömmtlich noch tbeils gegen das Ende des
vorigen, tneiis im Anfange des jetzigen Jahrhunderts leb*
ton, naeh Adlung aber, wie ich hernach noch näher be»
zeichnen werde, diese Erfindung sehon im Jahre 1649
bekannt war. Ferner sagt Werkmeister in seiner erwei-
terten und verbesserten Orgelprobe (herausgekommen zu
Quedlinburg und Ascbersleben , bei Gottlob Ernesti und
Struntz, im Jahre 1716, Seite 42 und 43) hnefaetibliea
darüber Folgeades:
„Baas auch Etliche Behebung zn solchen Registraturen
haben, da man eine Stimme im Pedal und Manual in-
sonderheit allein brauchen kann, ist auch nicht alle*
mahl rathsam, denn es bezeuget die Erfahrung, dass
es nieht allemabl gerate, und ofte falsch klinget, be*
vorab in Schnarrwerken, aus den Ubrsacben, wenn
der Znflnss des Windes nicht gleich ist (?), oder wenn
der Wind in denen Winkeln sich stowet (?), oder von
46. Jahrgang.
einem Orte weiter als vom andern zu den Pfeifen {ge-
führt wird (?) und dannenhero seine aequalität vertie-
ret. Derobalhen ist besser, man gebe jeder Stimme ihr
sonderliches Register, oder überlege es vorher genau 9
ob man es also haben könne . damit die Arbeit nicht
vergebens geschehe, alsdann ist es ein fein Compen-
dium vor arme Kirchen, die nicht viel grosse Stimmen
bezahlen können , dieses pfleget gemeiniglich in gros-
sen Stimmen zu geschehen, auch machen die so ge-
genannten Fladder - Klappen in denen Springladen
offlmahls Ungelegenheit."
Hiernach war also diese Koppelart zur Zeit der
Springladen, welche man schon im 15. Jahrhunderte ar-
beitete, bekannt.
Die älteste mir bekannt gewordene Nachricht über
die Anwendung dieser Doufelettenart giebt Adlung in sei-
ner Musica mechanica Organoedi, Theil I, S. 226, wo
es heisst:
„Ludwig Compenios*) erbaute im Jahre 1649 eine
Orgel für die Hauptkirche der Prediger in Erfurt, an
der er aus dem Rückpositive derselben, Trompete 8'
und Schallmey 4' für das Pedal durch eigene Register
entlehnte.'*
Hiernach muss also die Zeit dieser Erfindung we-
nigstens bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts hin-
ausgeschoben werden **).
Herr Buekow sagt ferner in seiner vorgenannten
Mittheilung, nachdem er die Einrichtung einer Dooblet-
tenwindlade beschrieben und den Vortheil der dabei statt-
findenden Geldersparniss bemerkt hat:
,, Nachtheile sind aber: dass so ein Werk mit Doublet-
ten, wie ieh aus eigener Erfahrung aus Pasewalk ken-
nen gelernt habe, höchst schwierig und nie ganz rein
*) Walther und Gerber nennen ihn Compenitt*.
**) Da es aus den vorhioerwähnten Worten fferkmeitter* klar
hervorgeht, dass zn seiner Zeit (er wurde 1645 geboren) schon
die Pedaltboe aas den Pfeifen des Manoales entlehnt wurden,
»o benutze ich die Gelegenheit, zur Ehre der Wahrheit und
aar Berichtigung der Orgeigeschichte, das z« widerrufen, was
ich vor mehreren Jahren, meiner damaligen Ansicht nach, ia
dieser Zeitschrift in Beziehung auf die Koppelung des Peda-
les mit dem Manuale sagte, — nämlich: dass, wenn gleich
diese Art von Koppelung eine schon sehr alte Erfindung sei,
dennoch dem Abte FogUr das Verdienst bleib«, der Erste ge-
wesen sein, der sie aar Verbindung des Pedale« mit dem Ma-
nnale benutzt habe (Pogler's Wirken für den Orgelba« be-
gann erst gegen finde des 18. Jahrhunderts).
6
85
1844. Februar. No. 6.
84
zu stimmen ist. — Dean es ist natürlich: jede* Cla»
Tier einzeln gespielt, bekommt die Pfeife aus einer
Oeffkwmg (Canztlle> de« Wind, während gekoppelt
oder schon in der Octave angehalten, die eine Pfeife
(hier das zweite C) aus njwei Canmetkn den Wind
bekommt, mühin viel hoher klingt, als es mit den übri-
gen gestimmt ist. Auch ferner : wird eine nicht com-
binirte Stimme mit einer combinirten oder Doubletteu-
stimme gekoppelt, diese Doubiette aber zugleich ins
Untermanns! gezogen, so klingt die Doubiette, welche
nun den doppelten Wind erhält, bedeutend höher."
Wenn ich gleich den Herrn Buckow im verflosse-
nen Sommer v. J. aus seinen in Schlesien gelieferten
Meisterwerken nicht nur als tüchtigen Practiker, sondern
auch aus den mit ihm gepflogenen Unterhaltungen über
den Orgelbau als einen in seiner Kunst wissenschaftlich
gebildeten und hochachtbaren Mann kennen lernte, so
kann ich dennoch dieser seiner hier geäusserten Ansicht :
— dass der Ton einer Pfeife höher wird, wenn ihr der
Wind aus zwei Windführuagen , als wenn er ihr nur
aus einer solchen zuOieest, — nicht beitreten, glaube
vielmehr, sie zum Wohle der guten Sache, wie folgt,
bestreiten zu müssen.
Ich behaupte, dass, wenn die zwei Windföhrungen,
von denen hier die Rede ist, gleich und hinlänglich weit
sind, die nölbige Qualität des Windes, welche zur richtigen
Ansprache der Pfeife nöthig, abgewogen, die Pfeife regel-
recht intonirt worden ist, der Wind ohne Störung, d. h.
weder geschwächt noch verstärkt, zu ihr hinfliegst, der Ton
derselben, gleich viel, ob ihr der Wind durch eine Wind-
Führung oder durch beide zugeführt wird, in vollkommen
J [leicher Höhe bleiben mnss, weil das Höher- oder Tie-
erwerden eines Tones nicht durch die Quantität, son-
dern einzig und allein durch die Qualität des Windes
bewirkt werden kann«
Wäre dem nicht also, so müsste ja jeder angehal-
tene und nur durch einen Blasebalg erzengte Ton oder
Accord beim Hinzutreten mehrerer Bälge immer mehr
und mehr erhöht werden, was doch, wie allgemein be-
kannt ist und an jeder Orgel bewiesen werden kann,
nicht der Fall ist.
Da das, was ich hier niederlegte, unumstössliche
Wahrheit ist , so nehme ich an , dass Herr Buckow in
jener Zeit, als er zu Pasewalk die Doublettenwindladen
gearbeitet hatte, von der Richtigkeit seiner Ansicht durch-
drungen war, nämlich: dass die Ursache der gehörten
ungleichen Tonhöhe einer und eben derselben Pfeife dnreh
vermehrten Wind entstehe, dass er, als ihm die Einrich-
tung der Doublettenwindlade deshalb nicht zweckmässig
erschien, bis hierher diese Angelegenheit nicht weiter
verfolgte, seine frühere Ansicht seinem Gedächtnisse treu
geblieben war und er sie so den Lesern dieser Zeitschrift
als richtig mittheilte.
Hätte Herr Buckow zu jener Zeit den Grund der
Ton Veränderung gefunden , so würde er nicht auf den
Gedanken gekommen sein, dass sie durch doppelten Wind-
zufluss erzeugt werde, und gewiss, er hätte ihn schon
damals meisterhaft gehoben. Ich bin überzeugt, dass,
wenn Herr Buckow jetzt dergleichen Windladen zu ar-
beiten hätte, er sie bei seiner erreichten Meisterschaft so
vollendet regelrecht arbeiten würde, dass er diese Erfin-
dung-lieb gewönne, und sie gewiss da anbrächte, wo sie
anzubringen zweckmässig ist. Ihre Zweckraäs^jgkfit be-
weisen mir einige zwanzig Orgeln, die so ante* meiaer
Oberleitung erbaut wurden. . » »
Der Grund vom Abweichen des Tones einer Doo-
bletteupfeife, wodurch die reine Stimmung einer Orgel
allerdings sehr erschwert, ja fast unmöglich gemacht wird,
liegt nicht in der Vermehrung des .Winde*, sondern U
der Ungleichheit der Contraventile, was ich mit Polgen*
dem beweisen zu können glaubet
1) befaud sich noch vor vier Jahren in der hiesi*
gen Klosterkirche eine mit einer Doublettenwindlade ver-
sehene Orgel, aus der zwei Manuale, bei freier Registri-
rung, spielten. Dies Werk spielte ich sehr oft, und zwar
gewiss stets mit grosser Aufmerksamkeit, aber niemals
hörte ich (die Orgel war kurz vor meinem Amtsantritte
sehr rein gestimmt worden) eine Erhöhung oder Ver-
stimmung irgend eines Tones, obgleich ich schon zu jener
Zeit die durch beide verwandte Manualtasten angegebe-
nen Töne mit denen verglich, welche ich durch den An-
schlag einzelner Manualtasten erhielt; folglich mussten
die Contraventile , welche auf der unteren Hälfte des
Pfeifenstockes liegen, durchaus regelrecht gearbeitet sein«
2) Es befindet sich noch jetzt in der hiesigen Pfarr-
kirche eine von Buchhol* sen. vor ungefähr 38 Jahren
erbaute Orgel, deren Pedal nur den einzigen Pfeifenebor»
Posaune 32', für sich allein* hat und die übrigen Pedal-
stimmen (18 an der Zahl) aus drei Doublettenwindladen
entlehnt. Wenn ich diese Orgel gleich seit 34 Jahren
spielte, sie folglich genau kenne, mir aber nie ein er-
höhter, aber wohl hier und da ein um ein Weniges ver-
tiefter Ton vorgekommen war, so ging ich dennoch so-
gleich nach Durchlesuug des hier besprochenen Aufsatzes
zu derselben und experimentirte darauf folgendermaassen :
ich zog zuerst Robrflöte 8', sowohl im Manual, als auch
im Pedal an, untersuchte sowohl sämmtliche Töne der
zwei tiefsten Manualoctaven , als auch die des Pedals,
verglich sie nicht nur bei einzelnen Anschlägen, sondern
auch bei Anschlägen mit beiden verwandten Tasten zu-
gleich, fand aber keinen erhöhten Ton, wohl aber, dass
die Töne D und G im Pedale ein wenig tiefer, als ihre
verwandten Manualtöne (D und G), klangen.
Da ich hiervon den Grund nnr einsig und allein in
den Contraventilen, die Walther „Fladder -Klappen"
nennt, vermutbete, so trug ich die Pfeifen dieser Stim-
men ab, öffnete den Pfeifenstock nnd fand, dass die le-
dernen Contra ventile (Herr Buckow arbeitete sie au*
Zinn), die zu den beiden Pedaltönen D uud~£ gehör-
ten, ein wenig stärker und härter, als ihre verwandten
Contraventile, welche zu ihren verwandten Manualtönen
führen, waren, sich folglich nicht vollkommen so hoch,
als jene öffnen konnten , daher sie den Wind um ein
Weniges geschwächt zu den Pfeifen führten, die daher
im Pedale tiefer als im Manuale ansprachen. Hierauf löste
ich die beiden genannten Pedalventile vom Stocke ab,
leimte an ihre Stelle leichtere hin, die vollkommen durch
den Orgelwind geöffnet wurden, und als der Leim hin-
länglich trocken war, brachte ich den Pfeifenstock wie-
der an seine Stelle, trug sein Pfeifenchor darauf und er-
85
1844. Februar. No. 6:
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hielt sowohl bei • wechselseitigem Anschlage der Pedal- I
«ad Manuakasten D «od G 9 als ancb beim Zusammen- I
schlage derselben* durchaus weder Verliefung noch Er*
hebuitg der- Töne, sondern vollkommene Tongleichheit
derselben.
SckHentteh empfehle ich, diese Erfindung überall da
n beNSaen, wo i) die Kirche nicht sehr feucht ist (in
feuchten Kirche* könnten die Cootraventile, welche am
Zweckmäasigsten ans Leder verfertigt werden, Feuchtig-
keit anziehen, in welchem Falle sie beim Wiedereintrock-
nen hart wurden und sieh dann nicht so vollkommen,
als cur richtigen Ansprache der Pfeifen nöthig ist , öff-
nen würden); 2) wo es an Raum zur Lagerung einer
Pedalwindlade fehlt, and 3) wo durchaus Geld erspart
werden muss, welche Ersparung aus Entlehnung der Ma-
eaalpfeifen fär's Pedal hervorgeht
Neu- Hupp«. fVilke.
Recensioneh.
Liederschau.
(Fortsetzung.)
Lied des Riudes (aus der Novelle Goethes) für eine Sio#-
stimme mit Begleitung des Pianoforte von Werner
Huhn. Op. 1. Leipzig, bei E. Götz. Preis 10 Ngr.
Dass der Debütant gerade dieses Lied ans der fast
verschollenen Novelle Goethe's aufgestöbert hat, können
wir nicht eben ein Glück nennen. Auch hat der Compo-
Bist offenbar nicht recht gewnsst, wie das (nur durch
den Zusammenhang Bedeutung gewinnende) Lied an - und
aufzufassen sei. Die unstäte Begleitung soll nun das Beste
Uran. Ob übrigens an mehreren Stellen die gleiche Fort-
schreituag der Melodie mit dem Basse absichtlich geschah,
wollen wir för's Erste dem musikalischen Gewissen des
Compenistea anheimstellen. Möge er für sein zweites
Werk von einer recht glücklichen Textwahl begünstigt
werden!
Zwei VigUien von F. D. für eine Sopran- oder Tenor-
atimme mit Begleitung des Pianoforte, compooit t von
Dr. B. Marschier. Op. 120. Leipzig, bei Breitkopf
and Härtel. Preis 10 Ngr.
Man hat ein begründetes Recht, von dem Manne,
der uns diese neue Gabe reicht, Etwas zu erwarten, das
Geist nnd geübte Kunst verrieb, wenn auch nicht Alles,
was ein guter Künstler schafft, die höchste Weihe des
Genius empfangen kann. Diese beiden empfindungsvollen
«od sangbaren Vigilien nun zeigen jedenfalls den geist-
vollen, routinirten Componisten ; wenn sie sich auch nicht
als höhere Inspirationen kund geben, so entwickeln sie
doch so viele schöne und ansprechende Züge, dass man
eine scharf ausgeprägte Characteristik weniger vermisst. —
De« Wunsch nach einem eigenthümlichern Schlüsse konn-
ten wir in beiden Stücken kaum unterdrücken. Wir wis-
sen es wobl, dass solche Schlüsse, wie sie der Compo-
nkt hier wählte, den Dilettanten vorzüglich willkommen
sind; aber sie sind doch auch empfanglich und dankbar
für einen recht ergreifenden, sinnigen Schlass. — Ohne
hemmende Schwierigkeiten bieten diese Vigilien einer
wohllautenden Stimme die schönste Veranlassung, sich
geltend zu machen; die Begleitung ist nur im zweiten
Gesänge hervortretend, erhöht aber auch die Wirkung
bedeutend.
Orientalische Lieder für eine Singstimme mit Begleitung
des Pianoforte, componirt von Carl Evers. Op. 15.
Wien, bei T. Haslinger. Preis 45 Kr. Conv.-M.
: Vier Gedichte von Lemau. Op. 17. Ebendaselbst.
Preis 1 PL
Herr Evers hat es in der That verstanden, den orien-
talischen Liedern eine gewisse Warme nnd eigentimnlieheB
Golorit zu geben ; nor ist es ihm weniger gelungen, sei-
nen Goneeplionen jene Rundung und Abgeschlossenheit zu
verleihen, die jedem Kunstgebilde, und vorzugsweise dem
Liede, erst die wahre tpdeutung sichern. Die beste Auf-
fassung, und auob wobl die sicherste Haltung müssen wir
dem ersten Gesänge, „Das Hindumädcben," nachrühmen.
Der Wechsel von Tonart und Bewegang ist dem Gan-
zen vortheithafl und erscheint auch verständig motivirt —
Wenn wir im Allgemeinen uns mit dem harmonischen
Bau einverstanden erklären, so sekdiesst das doch nicht
aus, dass eine etwas schärfere Peile wohl auch hier und
da Manches richtiger und wirksamer gestalten könnte;
so wäre z. B. im 13. Tacte der Melodie, bei den Wor-
ten: flüstert der u. s. w« cü statt e gewiss viel wohl-
thuender.
Wollte der Comnonist in dem zweiten Liede („Al-
lah giebt Lieht in Nachten") durchaus den gemischten
Rhythmus von % und V 4 anwenden (er erscheint uns
nicht motivirt), so hätte er auch weiter gehen und über-
haupt alle daraus hervorgehende Declamationsvorlheile
benutzen müssen. Die Stelle : Allah giebt Trost in Noth,
ist melodisch eben so gezwungen, als harmonisch incor-
rect ; das Bestreben, piquaat zu sein, bat den Autor au
Irrpfade geleitet. — In der Betonung, wie im Perioden*
bau ist der Componist nicht immer glucklich, was in „Der
Mobrin Gesänge, " wie im „Dankfiede" an mehreren
Stellen recht fühlbar wird. — Möge der talentvolle Com-
ponist sich nur nicht durch Streben nach Originalität sei-
ner wahren, offenbar begabten Küastlernatur entfremden
lassen — dann wird er ganz gewiss noch Vortreffliches
schaffen.
Auch in den GomposHionen der vier Gedichte von
Lenau entdecken wir, neben Spuren von schönem Ta-
lente, manches Gesuchte und Verfehlte. Das erste Lied:
„Einsamkeit" überschrieben, hätte unvermisst in der Ein-
samkeit bleiben können ! — Wie starr und gesucht ist
der Anfang dieses Liedes, und als es, etwa im 16. Tacte,
in Fluss kommt, wie matt und gewöhnlich fliesst es da-
hin! Hat man sich kaum über die störende Trennung
der Periode, die den Gedanken unterbricht, beruhigt, so
erneut und verstärkt der misslungene, gedehnte Scbluss
die unmuthige Stimmung. Herr Evers kann viel Besse-
res geben, darum hätte er diese Einsamkeit sich selber
überlassen sollen! — Einen merkwürdigen, aber sehr
erfreulichen Gegensatz zu diesem verfehlten Liede bildet
das lotete dieser Sammlung : „Die Thräne," ein Gesang,
M
1844, Febraaiu No. «,
88
der so weich und ausdowksvoU, recht aas den Honen
stammend, so miW «od doch so ergreifend datunströmt,
«ad Alles vergütet, was uns an der „Einsamkeit" «ad
und wohl auch an den andern Liedern störte. Herr Erers
lasse nnr sein natürliches Gefühl wallen, und er wird
uns wahrhaft schöne Lieder geben können. —
Lieder und Gesinge, Musik von Dessauer. Berlin, bei
Schlesinger.
Es Hegen uns von diesen Gesingen, die einer um-
fassendem Sammlung angehören, vier Nummern zur Be-
sprechung vor, die alle in der bekannten, ansprechenden,
nweilen etwas stark französirenden Weise geschrieben
sind, welche diesen mutinirtea und talentvollen Gesang-
componisten cbaraoierisirt. Interessant sind sie summt»
lieh, nur dass sie nach Form und Inhalt mehr oder min-
der anziehend erseheinen. Als <fcn gelungensten und an-
sprechendsten dieser vier Gesänge bezeichnen wir das Lied
vom sterbenden Schwan; in seiner ruhigen Einfachheit
berührt es sanft und wohltbuend das Gemtith, bei höchst
angemessener Form und Haltung. „II masnadiere sici-
liano" (Der sieHianiscbe Bandit, mit beigefügter Ueber-
setanng von Grüabaum) für eine Bassstimme. Eine (wohl
nur meroantilisebe) Anmerkung besagt: dies Stück sei
von Lablacbe in vielen Gonoerten gesungen worden. Wir
wollen es gern glanben ; denn eine ausgiebige Bassstimme
kann sich trefflich geltend machen mit diesem Cbaracter-
stück, das eben so gut geeignet ist, den declamatorischen,
wie den getragenen Gesang glänzen zu lassen. —
Aach Goelhe's schönes Lied: ,,Ich denke dein! 4 '
finden wir hier, und zugleich die untergelegte französi-
sche Nachbildung von norel; ja es hat ganz den An-
schein, als nahe der Componiat seine Melodie ursprüng-
lich für die französischen Verse bestimmt und das deut-
sche Original erst später seiner Composition aecommodirt.
Für diese allerdings auffallende Erscheinung sprechen
mehrere sonderbare Wiederholungen, Aendernngen nnd
— Entstellungen; so heisst es z. B. „wenn auf dem
fernen Wege, auf fernem Wege der Staub — der Staub
sieb hebt." Aus dem einfachen „Wand'rer" Goethe's
wird ein „müder Wand'rer" u. s. w. — Nicht minder
undeutsch und unsre Conjectur bestätigend sind auch viele
Stellen declamirt; wir geben einige zum Beaten:
mm
=*
=s^
m
in
Quel
pente
leo malt.
cn - cor.
h
jiii i r riTT-ip -.^ . f
loh bin bei Dir, seist Du auch noch so
Oui, ton i - tna - ge en de - pit etc.
Mais, liebwerther deutscher Herr Dessauer, das ist in der
That nicht schön von Ihnen, und eher hätte sich wohl
Monsieur Borel einige Accommodatioas gefallen lassen ken-
nen, als unser Goethe diese Transscription erdulden
musste! — Dass der Gomponist. diese .... Pie^e vorzüg-
lich in harmonischer Bezieheng so besonders sorgfaltig
ausgestattet hat, können wir ihm .also kaum danken l
Das vierte Lied („Sans le nennner 4 ») ist
zösischeo Ursprungs (mit deutscher Uebertetseeg von
Grünbaum), gefällig, mehr declamirt als gesangen, aber
ohne eigentlichen Nerv und Heia. Dass der sonst so um-
sichtige Uebersetzer dem Singer mehrmals zumatbet, daa
Wort : ,, Pflicht' 4 auf das hohe a auszusprechen, ist wirk-
lich eine — harte Pflicht 1 Die vollständige Saumtuug
dieser Gesänge (nach dem Titelblatte enteilt sie 2t Hum-
mern) verdient jedenfalls die Anfoerkaamkmt dea-gesang*
liebenden Pubticusna.
1) „Das Blumenmädchen" (La Boraja napolitana) ffir
Mezzo- Sopran und Pianoforte (mit italienischem and
deutschem Text), Op. 63, und
2) „Ah, che mi maoea l'anima," Dnett für Sopran und
Tenor, mit Begleitung des Pianoforte (mit deutschem
und italienischem Texte). Op. 52. Beide pomponirtvon
Tru/rn. Im Verlage von Schlesinger in Berlin.
Beide Stücke wurden, wie wir vernehmen, bereits
in den Concerten au Berlin mit günstigem Erfolge aus-
geführt; namentlich soll die Fioraja, von Mad. Viardot-
Garcia gesungen, bedeutend effectuirt haben. Dies ist in
der Tbat eine recht interessante Composition, mit Geist
und Leben aufgefasst, und gewiss geeignet, bei guter
Ausfuhrung lebhaft zu interessiren. Die Singerin bat biet
Gelegenheit, eine lebhaft aufgeregte Vortragsweise, wie
nicht minder ihre Gewandtheit in Fiorituren und mancher-
lei Vorzüge der italienischen Methode geltend zu machen.
Doch bedarf sie dazu eines ziemlich geübten und zugleich
folgsamen Begleiters, wenn das Ganze den rechten Ein-
druck machen soll. Schon die einleitenden und verbin-
denden Bitornelle müssen sehr lebhaft und zugleich fein
nüan^irt vorgetragen werden. Auch das (ziemlich weit
ausgeführte) Duett ist geübten Sängern mit Recht zu em-
pfehlen. Der Gomponist hat es wohl verstanden, nicht
allein einzelne Züge dieses Duettes, sondern wirklich die
ganze Physiognomie desselben nach moderner italienischer
Weise zu gestalten; dass es bei dieser Gestaltung nicht
ganz ohne individuelle Aebnlichkeiten und Reminiscenzen
abgehen konnte, ist leicht zu begreifen und zu verzeihen.
Gewiss ist es, dass dies Duett, wenn es nicht durch man-
gelhafte oder auch durch mühselige Aasföhrung beein-
trächtigt wird, ein höchst unterhaltendes, dankbares Salon-
oder Concertstück bildet. — Wie sehr übrigens der Gom-
ponist bedacht gewesen ist, durch allerlei Mittel dem
Ganzen eine wohlthätige Abwechselung w verleihen, an
wird es doch wohl kaum dem Vorwurfe einer zu grossen
Ausdehnung entgehen können: einige der Wirkung vor-
iheilhafte Kürzungen würden sioh angesucht ergebe*»
Dtr harmonische Antheil an dem Ganzen ist nicht unbe-
deutend; nur ist manche Wendung, statt nach des Coam-»
ponisten Absicht piquant zu erscheinen, scharf gewofe»
den, so z. ß. S. 14 im dritten und vierten Tacte (de*
Druckfehler a statt h gar nicht mitgerechnet). Der zweite
Tact auf S. 9 ist sogar ziemlich problematisch. Jedack
das Ganze interessirt und wird gefidlen«
Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung dos Pia>
noforte von Carl Engel* Op. 5« Berlin, bei Bote und
Bock. Preis V» Tblr. . • .
H44/ Febraaril No. ß.
W
Wir wofanr *b warten, wie die künftigen mukikali«
nebe* Gebe* des ine loch unbekannten Aulers «ck sei«
gen werden! In de» vorliegenden drei Gesungen scheint
wenigstens die Leiebligkeii des Hervorbringen« nicht do-
emeotiri in sein-: sie sind mehr «nicht als emphnr»
e; eine zu absichtliche , lad nicht immer glückliche
billig hemmt, sUtt zu heben.
1) „Der tihfttliche Ritter/« und „Das Schifflein/ 4 zwei
Roaftmfen von Oktana. Op. 12. Preis V 2 Thlr.
t) „Des Seilers Tochter," Ballade von Ferrand. Op. 14.
Preis % TMr. 5 nnd
3) „Der Liehe Lust nnd Leid,** Liederkranz Ton Gentxel.
Op. 19. Preis 14 Ggr. — Sämmtlich componirt für
eine Singstimine mit Begleitung des Pfanoforte von
G. Nfaolai. Im Verlag von Schuberth und Comp,
in Hamburg.
„Der nächtliche Ritter" nahm uns schon durch sein
monotones Vorspiel gegen sieh ein, und seine nähere Be-
kanntschaft war nicht geeignet, uns för ihn zu inleres-;
siren. Die Romanze verlässt nur da den Weg des All-
täglichen, wo sie incorrect und wunderlich wird. . Statt
jedes andern Beweises beschaue man sich nur die Stelle
auf S. 5 ; da heisst es nach den Worten : „wo mein
Herz in Lieb' entglühte" (langes Zwischenspiel! dann:)
für «et tbeu - - reu lin - b« - - kauten.
nnd von welcher haarsträubenden Harmonie wird der
Tbeufe begleitet! Nnn das gewaltsam zurückführende
Nachspiel, das selbst nach dem corrigirten Stichfehler Im
lebten Taete (a statt h) nicht an Reiz gewinnt ! — Alle
Absonderlichkeiten hervorzuheben, welche in der Comp
pesition der zweiten Romanze : „Das Schifflein" sich be*
merkbar maoben, würde zu weit führen; die Selbstao«
schalung der etwa Lusttragenden wird reiche Beute fin-
den: wir wollen nur bei der nickt allein unpassenden, 1
nein, förmlich widerstrebenden Begleitung stehen bleiben;
welche das leise Dahingleiten des Schiffleins bezeichnen
soll. Vergütete nur eine glückliche, treffende Auffassung
des Geizen die einzelnen Schwächen, so würden wir
uns kaum darüber beklagen $ aber, wenige Momente ab-
gerechnet, die wir als gelungen bezeichnen konnten, sind
Weder Motive, neeb Rhythmus and Gruppirung geeignet,
Interesse und Wohlgefallen zu erregen»
Wenn wir die Ballade „Des Seilen Tochter'* auch
liebt für vollkommen gelungen erklären können (es aftöft
uns Manches dar», was sich nicht «ben seheu verbirgt);
so ist doch niebt zu leugnen, dass Ton und Haltung bei
Weitem glücklicher getroffen sind, als in den beiden Ro-
Des kleinen Uederkraoies haben wir auch niehl
recht froh werden können ; statt frischer, gesander Me«
MKeen kante, abgebrochene Phrasen ohne geistigen Zu-
sammenhang. Zuweilen treten einzelne wirklich glücke
Kehle 2üge, Spuren wirklichen Talentes hervor; Alles
aber atrflamrt ohne Halt und Eindruck. Im Rhythmus
und Harmonie grosse Nonchalance, die sehr an den Dt*
leUariamt* erinnert. -~ Maiebe dieser Lieder liessei
sieb mit leichter MIAe vortbeilhaft umgestalten ; geschickte
Singer mögen den Versuch machen !
Zwilf Gesinge für Sopran oder Tenor, mit Kanofotte
componirt Ton Robert Franx. Op. 1. 2 Hefte. Lein*
zig, bei F. WbistKng. Preis jedes Heftes % Thlr.
Eil interessantes Opus 1 1 Nicht, ah ob wir dadurch
um zwölf vollkommen schöne Lieder reicher geworden
wären, aber Talent und wahren Beruf erblicken wir un-
verkennbar in dieser recht beachtenswertben Erstlings*
gäbe. Wir würden nach manchem Kennzeichen, das diese
Gesänge tragen, last annehmen müssen , dass dies erste
Werk ein langbedachtes und jetzt erst der Oeffentiich»
keit übergebenes sei (um wenigstens andeutend das:
nonum prematur in annum zu bewähren), gehörten nicht
die Dichtungen fast ausschliesslich der Neuzeit an , und
trügen nicht die Cömpositiottea selbst m anderer Bezie-
hung unleugbar die Spuren der allerneuesten, bochroman-
teseheo Zeit. Wenn wir bevorworten , dass diese Ge-
sänge jedenfalls diejenigen Konstfreunde interessiren wer-
den, die mit Freude und Theilnahme der Entfaltung einer
künstlerischen Natur -folgen, so dürfte aber auch 4it Vor-
aussetzung sich bewähren, dass der Componist der vor-
liegenden Gesänge «r'a Erste niehl auf Popularität, selbst
im bessern Sinne nicht, wird reebnen dürfen. Nicht al-
lein, dass diese «wölf Gesinge fast ausschliesslich dem
tiefsten Ernste angehören , einige sogar förmliche Nacht-
stücke bilden , so seheint auch die Geistesrichtung des
Cemponisten überhaupt sich mehr zu dunkeln, mysti-
schen Pfaden, als zu sonniger Helle hinzuneigen; das
gebt nicht nur aus der Wahl setner Gedichte her-
vor, die fast alle ein trübes Colerit tragen; selbst die
heitern, gemöthliche* Dichtungen, wie z. B. Hoffmann's
fröhliches „Tanzlied im Mai" bleibt, trotz des spielen-
den, hüpfenden Afaytbmus, nicht frei von einigen verdü-
sternden Zügen« — Das „Schlummerlied«« würden wir
unbedingt nie schön und vollständig gelangen bezeichnen
müssen., erdrückte zieht fast die Begleitung die einfoeh-
anmuthige Melodie. Wir schätzen eine sinnige, hebende
BegleiUMg ungemein : das Talent der feinen Nüancirung
kam sich. darin fest noch mehr bewähren, als in Bil-
dung der Melodie ; — wenn aber, wie es hier geschieht,
des Gesaag allzusehr in Schatten gestellt wird, dann
können wir darin nur eine Verschwendung erblicken,
würde sie aieb noch so geistreich ausgeübt. Hier nuA
erscheint überdies diese Begleitung so anspruchsvoll und
so schwierig, — ja ein wahrer Wald von Kreuzen starrt
uns entgegen, — dass das arme Veilchen der Melodie
ganz davon erdrückt wird. Dieser offen ausgesprochenen
Herzeiameinung fügen wir nun um so freudiger die Ver-
sicherung hinzu, dass die Durchsicht des besprochenen,
Werkes ins wahres Interesse gewährt bat, und dass wir
von dem Talente des Componisten für die Zukunft das
Beste erwarten, zumal wenn er, an rechter Stelle, bei
de* Parbengebung auch heile und heitere Töne nicht ver-
»cfartmht. Seine Befähigung ist unverkennbar.
„Mein Element," Gedicht von Ritter v. Treuberg', fffr
eine Singstimme mit Pianoforte, componirt von Jos\
Netter. Op. 14» Berlin, bei Trautwein. Ft. 10 Sgr.
1844. Febraar. Na- 6.
82
Der Compenist bat sieh bekanntlich durch seit« Oper |
„Mara" (in Wien) einen ziemlich günstigen Ruf erwor- ■
ben , den diese Kleinigkeit nicht eben schmälern , aber
anch nicht fördern wird. — Routine ist wohl die her«
vorstehendste Eigenschaft des anspraohlosen Gesanges;
wir wollen also abwarten, bis wir den Autor in seinem
ttgtntlichen Elemente erblicken. — Die Wahl des Ge-
dichtes ist nicht eben eine glückliche iu nennen; na-
mentlich ist das Bild vom „Wühlenden Wurme" nicht
sehr ansprechend, und dürfte den Sanger in einige Ver-
legenheit bringen ; diesem wird dagegen der Schluss mehr
zusagen, als dem Beurtheiler; überraschen wird er Nie-
mand.
(Besobloss folgt.)
Nachrichten.
Prag, im Januar 1844. Unsere Oper hat seit de*
„Mara" keine Novität gebracht, und fristet ihr Dasein
nebst einigen Gastrollen nnd Debüts durch das magere
Rapertoir von „ Aschenbrödel ," „Opferfest," „Zwei*
kämpf" u. s. w.
In den drei Gastdarstellangen des Herrn Napoleon*
Moriani, Kammersangers des Kaisers von Oesterreich und
des Grossherzoe* von Toscana, der Dem. Ghueppina Ro~
setti nnd des Herrn Giov. Battista Ciabatta hörten wir
in den Zwischenacten von „Vor hundert Jahren," „Erste
liebe oder Jugenderinnerungen" nnd „Ein Herr und eine
Dame" einige mehr und minder interessante italienische
Opernfragmente. Eine ganze Oper wäre dem Publicum
gewiss lieber gewesen, um den berühmten Künstler in
einer Totalität als dramatischen Sänger kennen zu ler-
nen. Hier bekamen wir von ihm nur eine Ahnung in
den letzten Scenen des zweiten Actes ans „Luerezia Bor-
gia" nnd den beiden grossen Scenen des zweiten Actes
aus „Roberto Devereux" und ,,Lucia di Lammermoor."
Anch für die Direction, welche den fremden Künstlern
ein hohes Honorar zahlen musste, würde sich der Er-
folg wahrscheinlich lucrativer gezeigt haben, denn leider
zeigte nur der erste Abend ein wohlbesetztes — noch
nicht sehr volles Haus.
Herr Moriani besitzt eine schöne nnd, was mehr
sagen will, edle, vorzüglich in den mittlem nnd höheren
Chorden ausgezeichnete Bruststimme, wenn diese gleich
ihren Jobanni«tag überlebt zu haben scheint. Seine Me-
thode ist im vollen Sinne des Wortes vollendet zu nen-
nen, nnd sein Gesang erfreut eben so sehr durch Klar-
heit und Deutlichkeit, Geschmack nnd Grazie, als durch
Ausdruck und Gefühl. Ganz trefflich ist seine Mezza-voce,
nnd die Falsette, worin so viele Tenoristen ihr höchstes
Heil suchen, scheint er zu verschmähen. Dem. Rosetti
ist eine wohlgeschulte Sängerin mit sehr scharfer Stimme,
die vielleicht mehr gefallen haben würde, wenn sie nicht
an Monom** Seite erschienen wäre. Herr Ciabatta hat
eine Stimme, mit welcher man anch bei dem fleissigsten
Studium nicht viel wirken kann. Die interessanteste Num-
mer nebst den obengenannten Pieren war: Duett aus
Anna Bolena (Herr Moriani nnd Dem. Rosetti), zwei
Pieren von M ercadante ; Quartett ans: „II Giuramento"
und Duett aus „fiabrielle di Vagi « apmfcen gar nicht
ah. Eine neue Ersohetaungi für uns war eine Gafnftinn
nnd ein Duett aus Donitettis „Linda di Chanmput"
(Herr Moriani und Dem. Rosetti), eine recht piqoatte et*
was capriztöse Compositum, welche gefiel and im drit-
ten Gonoert wiederholt wurde.
Herrn Damcke vom Hamburger StadUheaier sahen
wir bisher in drei Gastdarstellungen, Nadori in „Jes-
sopda," Gennaro in „Luerezia Borna" nnd Elvin im
der „Nachtwandlerin.*' Herr Damcke besitzt nicht al-
lein eine schöne jugendfrische und schon bedeutend ans*
gebildete Stimme, sondern er versteht zugleich mit Ge-
fühl nnd Ausdruck zu singen und vereiniget eine enge»
nehme Bühnengestalt mit einem recht lebendigen nnd
zweckmässigen Spiel. Seine Aufuahme von Seilen des
Publicum* war mit vollem Recht glänzend zu nennen.
Dem Vernehmen nach ist Herr Damcke bereits engagirt
und gewiss eine sehr erfreuliche Actfuisition für,,nnsere
Bühne.
Iu der Nachtwandlerin machte Fräul. n. Grünwald
ihren dritten theatralischen Versuch als Amine, welche
aber f(ir ihre Individualitat eben nicht besonders passte*
Dem. Therese Schwarz aus Wien erschien in zwei
Concerten im Theater mit einem wahrhaft brillanten Er-
folge. Sie erfreut sich nicht allein einer wunderschönen
ziemlich umfangreichen Contraltstimme, sondern hat diese
bereits vielseitig nach der edelsten italienischen Methode
culüvirt, und weder Vortrag noch die treffliche Colora-
tur mahnen an die Anfängerin, sondern lassen uns nur
eine vollkommen gebildete Sängerin der neuen Schule
hören. Dem. Schwärs sang im ersten Coneert eine Arie
aus der Oper: „U Giuramento" von Morcadante^ dann
„Elfengesang/' Ballade von Ernst v. Schuhe, in Musik
gesetzt von Randhartinger, und zum Schiaase : Arie mit
Chor aus der „Italienerin in Algier " von Rossini 4 im
zweiten Concerte hörten wir von ihr eine Arie aus
„Donna Caritea" von MercadatUe, Lied „Warum? •'
Gedicht von Ludwig Beckstein* Musik von Julie Baroni-
Cavalcabo, und Duett aus der Oper« „Semiramide" von
Rossini, mit Herrn Runs. Alle diese Nummern wurden
mit eben so stürmischem, als verdientem Beifall auffcc-v
nommen. Wie wir hören, ist auch Dem, Schwor* für
unsere Bühne gewonnen und soll nächstens als Maffio
Orsini in der „Lucrezia Borgia" debütiran. Herr Sloger
scheint ernstlich darauf bedacht, die Oper wieder auf den
Punct zu erbeben, den sie einnehmen muss, wann das
Prager Theater grünen und blühen soll. Herrn Neuen-
dorf, fürstlich Schwarzburgischen Hofopernsänger, sahen
wir nnr einmal als Gennaro in der „Lucrezia Borgia "
Und — verlangten keine nähere Bekanntschaft.
Zum V ortheile des Herrn Johann N. Magr erschien
in böhmischer Sprache zum ersten Male Rossini? s „Be-
lagerung von Rorintb," worin Herr Run» den Mahomet
als Gast gab; die Oper machte ein volles Haus, erlebte
aber keine Reprise. Rossinis Werke erfordern grosse»
Kräfte.
In dem Prager localen Feenmähreben: „Ein Traum«
leben, oder Schuster, Postillon nnd Lord" von F. C Seh.
trat ein neuer Compositeur auf: X. Stiasny, ehemaliger
Schüler des Conaervatoriums , welcher viel Talent für
95
1&44« Febmar, # Na* 6.
94
toe Gattung xii habe» «hebt; Er verschaMt esnwa*
eben so wenig, sieb fremde Meiodieen anzueignen, ata
unsere neuen seriösen Compositeovs , doch geschieht es
mit viel Geschick vnd jugendlicher Prisehe und Heiterkeit.
Das zweite Abonnementconcert zum Vortbeile des
Tbeatefiorehester» brachte zuvorderst die Ouvertüre in D
von Joh. Fr. RHU, Director des Conservatoriums der
Musik in Prag (gewidmet Ihrer Majestät der Kaiserin
Mutter), eine edelgedachte und geistreich durchgeführte,
vorzüglich aber durch die herrliche Instrumentation ans*
aeaeithnete Tondichtung, welche uns nur bedauern liest«
dass die gegenwärtige Stellung zur Prager Tonkunst dem
tüchtigen Meister weniger Müsse vergönnt, uns mit ihn«
Beben Werken zu beschenken. Die Production war prä-
cis, der Beifall stürmisch.
Der böhmische Vocalchor: „Czeska wlast" von J.
Stroms munste abermals repetirt werden. Auf die treff-
liche achtstimmige Harmonie in Cmoll von W. A. Mo*
»ort folgte zum Beschluss die historische Symphonie im
Styl und Geschmack vier verschiedener Zeitabschnitte von
L. Spohr. (Erster Satz : Back - ffcWef sehe Periode
1720. — Adagio: Ray dn-Mo*arf sehe Periode 1780.—
Scherzo: Beethoven'iche Periode 1810. — Finale: AI«
lerneueste Periode 1840.) Wenn gleich dieses letztere
Werk in einer trefflichen Aufführung hier lebhaften Bei-
fall erregte, so ist die Wahl des Vorwurfe auf jeden Fall
ein Missgriff zu nennen, der an den meisten Orten, wo
die Symphonie gegeben wurde, Opposition gefunden hat,
Spohr gehört gewiss unter diejenigen Tonkünstler, die am
Wenigsten ihre Individualität verleugnen and sich gleich-
sam in eine andere Natur hineinversenken können. So
ist in der ersten (gelungensten) Periode die Instrumen-
tation modern ; die zweite wäre trefflich zu nennen, wenn
nie nicht Mozart reprüsentiren sollte ; Beethoven Ist eine
von Spohr gar zu verschiedene Natur» als dass es die-
nern hatte gelingen können, ihn zu copiren; der letzte
Satz ist eine treffende Satyre der neuen Musik, und ent-
faltet mehr Humor, als man bei Spohr zu faden gewohnt
ist. Der Referent der „Bobemia" sagt über die Wahl
dieses Stoffes: „Wann hat man einen Maler gesehen,
der zugleich Albrecht Dürer > Raphael, Michel Angeto
und ausserdem noch Pfarodist der schlechten Manier sei-
ner Zeit gewesen wäre, wenn sieht etwa den köstlichen
Eulenbock in der Tieek'tthen Novell? , mit dem der herr-
liche Meister Spohr sieh doch - nicht wird in Partielle
setzen wollen? Wenn sich ein Dichter hinsetzte, um erst
das Buch Hob, dann die Oden des Pindar, dann den Ko-
ni* Lear zu schreiben, und zuletzt noch einige weh-
schmerzliche Lieder »i singen, so könnte man ihm, ehe
er noch die Feder ergreift, zurufen : „Freund, du willst
Unmögliches I " — Im dritten Abonnement* Coocert folgte
auf die bekannte und beliebte Ouvertüre zu „ Oberon "
von C. M. v. Weber ein Goocertino für das Violoncell
von Rummer, trefflich vorgetragen von Herrn Professor
Bühnert, der am Schlüsse hervorgerufen wurde. Der dar-
auf folgende Chor aas der grossen Litanei von Monart:
„Viatieum in Domino« morieatium, miserere aabis, pignus
faturae gkriae, misOrere aobis," War eine Novität für
ans, die wir mit Vergnügen begrüsstea. Er ist ein groae-
artiges Meisterstück and zumal gebort die Paget „Pignus
futarae gfariee« au dem Höchsten in dieser Gattung. Ein
treffliches finis coronat opus bildete die Symphonie in
Cmoll von L* e. Beethoven.
In dem zweiten Coocert des Cäcilieuaureins, das mit
Spohr e 128. Psalm eröffnet wurde, war eine Neuigkeit
ein Trio für Pianoforte, Violine uad Violoncell von «Herrn
J. N. Skravp, welcher am Schlüsse einstimmig hervor-
gerufen wurde. Ein gediegener Kenner der Knnst hebt
dieses Trio als die gelungenste von allen Composttionen
hervor, die wir bisher noch von Herrn Skrmtp gehört
haben. Klarheit und Fasalichkeit in Idee und Form zeich-
nen es vorteilhaft aus. Der erste Satz (AUegro moda*
rato, Emoll, %) ist über ein sehr interessantes Motiv
gebaut, das, anfänglich von den drei Instrumenten im
inklaage vorgetragen, später zu anziehenden Gombina-
üonen Gelegenheit giebt. Sehr gelungen und vielleicht
unter allen vier Sitzen der beste ist das Scherzo (AN
legro molto e vivace, E moll, %). Es ist melodisch und
rhythmisch sehr anmutbig, und voll eines gewissen sanft
neckenden Humors. An eine Romanze (Largbetto, Edur,
%), in welcher, wie billig, das melodische Element vor-
waltet, aehliesst sieh ein rasches und viel intensive Kraft
entwickelnden Finale (AUegro vivace, Emoll, V 4 ). Die
Ausführung war sehr brav. Herr Deutsch fand Gelegen-
heit, die Fertigkeit, den ungemein schönen Ansehlag und
die Eleganz, die ihn auszeichnen, geltend zu machen.
Herr Professor Mildner und Herr Tücher wirkten mit
Lust und Liebe mit. Auch diese drei Herrn wurden nach
vollem Verdienste gerufen. Von Gesangstecken hörten
wir noch drei geistliche Lieder und einen Jagdchor im
Quartett von Mendelssohn - Bartholdy und ein gemütUt»
ehes Lied von Rücken.
Das dritte Concert, mit dem Gloria aus Spohr 9 s Vo-
ealmesse eröffnet, brachte abermals ein Trio von Beet*
hoven (Op. 1, No. 2), eine solid gearbeitete Pianoforte-
sonate von Herrn Deutsch, auch von ihm vorgetragen,
and mehrere Gesangstücke von Lachner , Rücken und
Am*.
In dem Goncert zum Vortheil dürftiger Hörer der
Technik debütirte eine Schülerin der Madame CaranogKa-
Sandrmi, Dem. Claudius (die wir schon im vorigen
Jahre als angenehme Harfenspielerin kennen gelernt hat-
ten), zuerst als Singerin mit der Cavatiae der Mathilde
aus „Wilhelm Teil." Dem. Claudius hat ausgezeichnet
schöne Mittel, und leistet für die kurze Zeit, die sie bis-
her dem Gesangstudium geweiht bat, so Ausgezeichne-
tes, dass sie zu den erfreulichsten Hoffnungen für ihre
Zukunft berechtiget. Zwei Chöre von Lachner und J.
N. Skrmtp, eine Fantasie für das Violoncello von Schu-
bert, mit Auszeichnung vorgetragen vom Professor Bah-
ner t, und ein neues Lied von J. N. Skraup bildeten
die übrigen Nummern dieses Concertes.
Die musiealische Academie zam Vortbeile das St.
BarLhelomät- Armenhauses wurde nach der Ouvertüre zmr
Oper ,, Faust*' von L. Spohr eröffnet mit : „St. Martin,"
Legeade stau eines Prologs, verfasst von Herrn Profes-
sor Swoboda, trefflich gesprochen von Med. Binder. Nea
war dem Publicum das Duett aus der Oper: „Linda di
Chamouaüc*' von Dom*ett£, vorgetragen von den Herrn
Ruhm und Slrakatg, welches mit rauschendem JMfhtte
1844« Fefam*. 7 N<k Du
regrüs* trude. 1km, äMssurk mär eine Arie von As«
dbr mit glänzender Virtuosität, and wirkte nebst Dem.
Claudius und den Herren Mayer, Straiafy, Aa>t and
Marion in den Are Marin für vier Sitigstiminen , Pbys-
barmonika nnd Harfe, componirt von J. N« Skraup, mik
Herr Damcke sollte Tapino'a Arie aa» far „Zauberllöte"
ringen, welche, seiner UnpässKchkeit wegen» Herr lfm*
mmger vortrug. Concertante's waren: Variationen für
das chromatische Wakborn , componirt und. rorgetragen
von Herrn GottwaU, absolvirtem Zögling des Prager
Conserratoriums, und Conoertino für die Violine, comp»*
nift and vorgetragen von Herrn Maym. Dreyschoek (bei
ihm seheint man den Zusatz i „absolvirter Zögling des
Conservatoriums" niebt mehr für nötbig zu ballen), worin
der jnnge Künstler sowohl darch Gompesttien als Vor*
trag auf das Angenehmste überraschte nnd bewies» das«
er mit löblichem Eifer vorwärts strebt. Die „Boheme"
sagt über ihn: „Der Künstler stand da wie ein junger
Held, nnd spielte «ach so." Das Coneert selbst ist sehr
brav componirt, und dabei eine eigensinnige Anhäufung
aller erdenklichen Schwierigkeiten ; wenn es einmal nicht
in Doppelgriffen gebt, so geschieht das gleichsam nur zur
Erholung, und dann ist es noch immer halsbrecbend. Den
Beschluss machte ein Chor von Schickt, vorgetragen von
den Mitgliedern des Cäcilien- Vereins.
Die Quartett- Soireen der Herren Mildner, Bartak,
Wirih und Bühnert (ehemals Pixis) im gräflich Clor*'-
sehen Palais waren heuer nicht minder erfreulich durel
ein ganz merkwürdiges Zusammenspiel , Wahl und prä*
eise Ausführung, als im vorigen Jahre, und wurden auch
eben so fleissig besucht. Wir hörten in diesen drei Sei*
reen zwei Quartetten von Haydn (Bdur und Fdur), zwei
von Beethoven (Bsdur und Emoll), eines von Spohr
(AmoU), eines von Feit (Ginoll, das erste Werk die*
ses jungen Künstlers, welches ihm sogleich das Bürger*
recht in diesem Genre erworben hat), eines von Fesoa
(Bdur) und ein Quintett von Jf osar* (Es dur).
Von fremden Goncertspielern lernten wir in der letz-
ten Zeit drei kennen: Herrn 7%. TägUchsbeck, fürst-
lich Hohenzollern-Heebingen'schen Hofcapellmeister, den
bekannten Pianisten Carl Even, und den Flötenheros
OiuHo Briccialdi.
Das Coneert des Herrn TägHchsbeck fand im Thea-
ter Statt und schloss sieh der Vorstellung von Bayards
„Vorleserin" an. Es begann mit einer Symphonie in
Ddur von Herrn TA. TägHchsbeck, worauf ein Cancer*-
tino für die Violine, componirt und vorgetragen von dem-
selben, folgte, und nach dem „Wa*derer u von Schu-
bert, vorgetragen von den Herrn Strakaty und /. -2v\
Skraup, machten Variationen für die Violine über ein
Steierisches Volkslied von dem Goaoertgeber den Sehtass
des Ganzen. Herr TägHchsbeck ist ein sorgfältig ge-
schulter, solider, acht deutscher Compositeur mit ernster
Erfindungsgabe und wohldurchdachter Instrumentation, die
für den Geschmack der Zeit nur etwas reicher sein dürfte.
Die Symphonie hat nur einen Fehler: dass sie etwas sn
lang ist. Herr TägHchsbeck gleicht den Dichtern, die
wohl au reden wissen, sieh aber gar au gerne hö-
ren. Auch ab ausübender Virtuose beweist Herr Tüg-
tiahsbeck b ed e uten d es Studium, und nuss unter 4ic sehätft-
K (testier, wenrf auch sich* taste die
Heroen seine* Faches, gezählt werden.
Ea dürfte nicht leicht eine 1 Schwierigkeit auf de»
caprieiöset) Pianoferte zu erfinden sein« welche Her»
Euere nicht mit Leichtigkeit, Sicherheit und Reinheit
durchzuführen im Stande wäre; doch ist seine Brave«
fern ve» aller Coquetterie, er giebt den Schmuck, aber
er giebt ihn als Schmuck, nicht als Hauptjache, und de*
Kunstfreund hteressiren bei diesem Künstler weit mehr
der Geist und die Seele , der Ausdruck und Geschmack*
in welchen Eireuschaftea er wenige Nebenbuhler habeqt
dürfte. Herr Euer* eröffaete sein erstes Coneert mit einer
Senate in Es von seiner eigenen Composition, von weU
eher insbesondere das Andante ungemein ansprach. Von
seinen Chansons d'Amoor hörten wir noch: Provence
(das schönste der Motive), Styrie und Hongrie. I* den
dritten (wie nicht minder in der Sehlossetude^bewiee
Herr Evers eine Virtuosität im Ootavenspiele, worin er,
nach dem Aussprach hiesiger Kunstkenner, nur an lAsat
und Dreyschoek ein Paar Rivalen haben dürfte. Diese
Chansons sind reisend gedacht und mit vielem Geist durch-
geführt, wie überhaupt Herr Evers unter die voraffgE-
chem Compositeurs für sein, Instrument gehört Zun
Schlüsse spielte Herr Evers eine Fuge, AmoU, von/oA.
Seb. Bach und ein Presto von Domenice Searlaiti, wel-
ches er wiederholen musste, und, nebst der obenerwähn-
ten üetavenetude, noch als Zugabe ein brillantes Scherzo
gleichfalls von seiner eigenen Composition. Die Zwischen«-
Wime der, Couoerisfcocke füllte die wackere Sebüleritt
der Mad. Caravoglia- SandHni, Dem. Bervauer, mit
einem rührenden Liede von Director J. Fr. KüUi „Des
Waldes Zuruf* 4 und einer recht artigen Caazonefte aus :
„La zingara." Auf dem Zettel stand: von Thaiberg,
was mir aber nicht gans wahrscheinlich ist Im zweites
Coneert spielte Herr Evers lauter eigene. Compositionen
(mit Ausnahme des Scartattfechen Presto, das er, mit
der Octavenetnde am Schlüsse als Zugabe vortrug): 1)
Sonate in Gmoll. 2) noch ein Paar Chansons d'Amour,
Mauresque und Allemagne , welche jedoch nicht so sehr
ansprachen. 3) Pregbiera, eine wunderschöne Composi-
tion mit einem merkwürdigen Tremolo, und auf eine
Weise ausgeführt, die als Norm Ar dieses Genre aufge»
stellt werden kann . und 4) Jours sereins, jours d'orag*
No. 3, 4. Fräul. fFander v. GrUnwuld sang die: „Ab-
fahrt des Corsaren" von KiUl und ein Lied von Löwei
„Hinaus, Hinauf, Hinab. "
Auch Herr Giulto Briccialdi gab zwei Coneerte, in
deren erstem er eine Fantasie aus der „Nachtwandlerin,"
Elegie von Ernst, von dem Concertgeber für die Flöte
eingerichtet, und eine grosse Fantasie aus den „Hage*
rotten" vortrug. Das zweite Coneert brachte nebst zwei
Compositionen des Goneertgebers, feeides Faatasieen über
Motive aus „Linda di Cbamounix" und die Schlussarie
aus „Lucio di Lammermoor," noch Flötenvariationen tob
Frisch. Herr Briccialdi ist nicht allein Herr seines Isv
strumentes* wie Wenige, sondern vereinigt damit das sei»
tene Verdienst, dessen Gebiet auf eine höchst erfreuliche
Weise erweitert und demselben erhöhte Energie des TV
nes verliehen zu haben, ohne die Zartheit nnd Weiche
an vermindern. Mit Geist, Seele und Gesaäih verbindet
W
'VktflMltt, wai 4m
welche wir ehe» Herrn, Raara nachrühmten , nie damit
m oaaaettmn and zu prunken, ams* euch Herr© Brie-
cHiUi lagestandc» werde»*. Sein» . Cqapeeitiejftr» ai*d
gjänzcad ead vollkommen zweckmässig für de* erweis
terlen Snielraem seines Instrumenta» Aaf diese frei In*
otremeatalnrtnocea folgte »nca eia Sänge r„ der Barito-
Biil Seltf aas Bologna • weicher im kieme» Seele der
Sophie*» - Insel eis Prjvetenaeeri veranstaltete- Herr
Sotti» welcher dienea Tag nicht im rolle» Betitle «einer
Mittel sn teie aebie» (wenigstens bebe» wir tbe ver
aiacm Jahre hesaer siege» gebärt)» aaag vier Nummern:
1) Cavatina nclT Opera: «II Brav*" di Mercaiante.—
Ä) Bemanne neu' Oper*: „Beatrico dt Teada" di P. BeL
O*. -, 3) Duette «IL' Opera: „Marina Falier»" diG,
D*ni*eUi mit FräeL R-, Schülerin des rVafessntn Gar-
digiani, und 4) Dnetto bnfib «eil' Opcrms „Chiaj» di
Bneanberg»" di F. ßicd mit Professor Gardßgieui, wel-
eber LeUtere ausserdem aoeh sie iljfeAcrf'schce Lied
¥«o seiner eigenen Compeoitioa mit seiner herrlichen
Methode, Geist und Gejäel vertrug. Die ialrroecauleeta»
Kammern des Coucertes waren iedech: ArianeU' Operm
„Linda dt Chsmonnix i( di G. DoniteUi ven FiauL B.,
und ein Daettiao oemiao (Werte nach einer Seen» ans
Georg Sanis »Coasuel»") von Gioa* Gardigimri* von
derselbe» mit. dem Cemposkenr gssnagen. Dieees kleine
Duett» welchen mit einer üheratremanden Fülle ven He>
mor, mit Geist and Chaaacter ausgeeUttet ist, gebort ge-
wiss aater die erbeeliohnien Blüthea der heberen komir
ecaen Musik, and wird boJTeatlieh bald in einem grosse-
ren Hbrerkreiee vorgetragen werde». Was Fräul, A be>
trifft, an ist sie «war noch Aufangeria, dürfte aber bei
ihrer scbteenjegeudfricchea Stimme, tceffliebem Vortrag,
Fener und Geist eine sebnelle Gerrere n erwarten haben.
Leider waren meist alle diese Goncerte so reich an
überströmenden» Beifall« aber an schwach besucht, das*
man» den alte italienische: „Molt' oaoro ma> poehi con-
taali" auf dieselbe anwenden konnte« Der Embarrue de
richeese an Ceacerteu nnd der State weeheeade Dilettaav
tiemua droben die Masikleeale der Präger nach and nach
na ersticken, und bald wird kein Virtuose es mehr wa-
gen wollen, bier für sein Geld Comeerl» na geben *)•
mtv FtfrMuV* *fo. *
kern»
aar Ebne
Leipzig, den 5. Februar 1844. Fünfzehntes Abon-
nement- Coucert im Saale des Gewandhauses , Donners-
tag , den 1. Februar. Ouvertüre von Theodor Müller
(grossherzogt. Weimarischem Kammermusiker), zum ersten
Haie, Ifanoscript. — Arie und Scene aus Jessonda von
Spokr, gesungen von Mau 1 . Marie Burchardt aus Ber-
lin. — Concertioo Dir das Pagott von L. Maurer, vor-
getragen von Herrn FFeüsenSom (Mitglied den Orche-
sters). — Scene und Arie aus Do» Juan von Moxart^
Klangen von Mad. Burchardt. — Concertstficl für das
anoforfe von C. Maria t. Weber % vorgetragen von
Herrn Eduard Rücket aus London. — Symphonie von
L. v. Beethoven (Cmoll, Ifo. 5).
•) 0*i Reiuftaf eiber nierfge* Contertes warlrRr.» «ad dabei
»fistele» sieg der G*«*ert*el»r ■•oü WMtofcv #rf| erfsfevei-
«o** aiar» CJun»aauQUvaOT w^p>w ihmp aaBW' •• omww«
(Za Na,
Die Ouvertüre vew Jawodbr MUbt ist
Orchester wepk, des wir vom di e se«
aea lernten, aber jedeeJaUa eia Wert den'il
gereift nad Ulm die Achtung gebildete» Kaassler
wenn es nach ewbt eben geeignet iet, das grössere rV
blicum sofort lebaaft au iateresskea nad deenen laataa
Beifall im erwerben. LeUteten findet aeiae Begrfindang
darin, dasa die Cempeaitinn sieh weniger eatek.£rfia>
düng, weniger datek besonders pefeWige oder urteree-
sante Motive, als durch geschickte end geeehnmekvette
Arbeit auazeicheeU Im Gannen liegt der Oovertnre ein
tüchtiger Sinn » eine gute, dem Triviale» abholde Tc*~
denat xnm Grunde 5 man hört überall das Streben nach
Schi küastleriscber Wirkung heran», aadi wen* die Kräfte
dem Willen entspreche»* so werde» sie nach «nach
Uebuug sieb steimw, and späte»» Werke des Compans»
sten dürften vielleicht Allen das naareiehead biete», was
bei dieser Ouvertar» jetst noch nie ei» Mangel sieb bwr*
aunxtellU Die Auafünrung dereeibea war sehr gat.
Eine nicht uninteremnnte Erscheinung wem» die
GesangleieUingeu der Med. Marie Bmrehardl aas Ben-
Jio« Wir begegve» dieser Snageria snai nmtee
and wisse» nichts ob and wie niesele» eich bereits
öffentlichen Leiste egen geneigt und- bekannt ge:
bat. Auf der Bübne scheint sin nicht thntig gewönne an
«eia, den beri ma» nun ihrem Geenag» 9 denn nie die
geben und böse» Eigenschaften fable»« wekbe TbeaSee-
rontiae ja» verscbalhn vermag» Die Stimme <
Burchardt ist woblktingead» aiekl stark, aber ui
icich» leicht ansereebead end bicfiam» bat aber an Pfi»
eche und ElasticOät schon vedoren undaebeint
durch übermässige Anstrengttng gelitlea au beben
Felge der lautere» iai die nicht awmer gaaa reia» Into-
nation, di» selbst in de» UtUeJtoTie», wenn dien» stark
and kräftig raujajea werden seilen, leaeai elwae nn
hoch wird. Die Ausbildung der Stimme ist aber recht
gut, ziemlich gleichmässtg in allen Stimmlagen, die Vo-
calisation offen und klar und die Aussprache im Ganzen
sehr zu. {oben. Der Vortraf zea^t von mpsikaticeto, über*
haupt von besserer geistiger Bildung, tonnte aber aller-
ding» tetaudiger, invertfoh bedeutender sehr; v*u eiaem
höheren poetischen Schwange ist noch wenige* die Bede.
Vonegewvice. ioheaewerUi trag Mad. BureJmrdi die Be-
eUativ* beidet Sceaea, den Adagio- fehluaseata der Arie
ven Spohr, so wie daa.achwierig» Alfegvo der Arie ven
Mozart vor , und erwarb sieb überhaupt mit ihren Lei-
stungen anerkennende Theilnabme den Pabiicuma.
Wenn Herr IVeieeeabara an aeineei Sokvortrage
eift Wserea Stück gewühlt hätte, würde» die nicht ga-
rioieu Vorzüge aeiaer Virtuosität and sei»es Vertnagi
Cswisa nnch lebendigecen Beifail erbaue» aabea v nie ans
ebaediee schon ei hielte». Heer IVeieeembar* ist
aar zweiter Fagottist unseres Cenner t eeeb ee te re «
wenige Orohestar könnte» aich jeec*h.£lüak w
weoa sie eise» s» tüchtigen. Virtsmaea auf dtna
flaue hatten*
Wir habe» sehn» (ruber Gelegenheit gehabt f aas
über die, aebätzenawerthe» Leistungen den Meer nßdamd
Backet anefubrlich und mii Anerkennung aesaasppcshe»,
.eis er vor euHgen Jahre» mi einem aiasaret Ge^ indhaus
«0
*£44> FdMttAr.' Nd, Ö.
100
sfeh Kfta lies». Stil* SfM feft scRdeta fertiger
und hauptsächlich noch musikalischer geworden ; ftament-
üeh m leisterer Hinsieht verdient sein Vortrag des so
«eMnen Goneertstüoks von 6. Jfaf. *. Weber nicht wo»
Big Lob, and wir möchten fast nur das zu schnelle Tempo
des letzten Satzes tadeln, durch dessen, leider heut zu
Tage Mode gewordene, Uebertreibung die Ausführung der
Pianefortepartte undeutlich wurde und an Wirkung sehr
verlor. Ueberbaopt müssen wir Herrn Rocket, bei gar
manchen schönen Eigentümlichkeiten seines Spiels, an-
tatben, auf eine kräftige, deutliche und klare Ausführung
schneller Passagen vorzügliche Aufmerksamkeit zu ver-
wenden; wahrscheinlich ist er mehr an das Salonstoiel,
das Spielen in kleineren Räumen gewöhnt, welches aller-
dings eine duftige, leicht hingeworfene Ausführung zu-
ttsst, ja oft gerade dadurch besonders interessant wird.
Das Speien in grossen Silen und namenllich mit Orehc-
sterbegleitang erfordert dagegen viel kräftigeren An-
schlag u. dergl. ; namentlich aber muss auf die deutliehe,
in jedem einzelnen Tone besonders ausgeprägte Ausfüh-
rung schneller Passagen grosse Rücksicht genommen wen-
den. Wenn Herr Rocket viel öffentlich spielt, wird er
das leicht selbst finden und sich gewiss sehr bald zn
machen. Das Publicum schenkte übrigens seiner
Leistung verdienten Beifall.
Die Ausführung der grandiosen Cmoll- Symphonie
war im Ganzen sehr gut, besonders gelungen das Ada-
gio, wogegen wir in dem prächtigen Schlusssatze ein
etwas bewegten» Tempo, em kräftigeres, frischeres Co-
lorit in der Auffassoog und Darstellung gewünscht hat-
ten. Der SeMoss der Symphonie ist überhaupt in seiner
grossartigen Anlage etwas breit und lang ausgeführt, und
«in nicht recht lebendiges, energisches Tempo kann hier
leichter als anderswo sohleppend werden , was der kräf-
tigen Wirkung des Satzes sehr nachtheilig werden muss.
Ä. f.
Herbstopern in Halten u. 9. w.
Lombardisch - Venetianisches Königreich«
Mmbmd (Teatro aHa «eala). Säneer- und Opern-
reichtbum der neuern Zeh, d. h. Armuth an allen Ecken;
no wenigsten« in Italien. Prime Donne und Gomprima-
rie hatten wir 7, Primi Tenori und sogenannte Altri
Primi 4, Primi Bnssi und Altri abermals 4 % vier der Er-
sten i die De Giulj, Atboni, Colleoni aftid Gambaro, zwei
der Andern : Perretti and Gardoni, nebst den beiden Bas*
sisten De Bassini und Latour waren die besten , simmt-
Issh sind sie aber Sänger zweiten Ranges, wie Oberhaupt,
sehr wenige ausgenommen, die ganze dermalige bedeutende
ftshaar der italienischen Ersten Sttnger die sich über 1000
beläuft (Referent bat sie alle aofuotirt), eigentlich Com-
ßnarj, oder zweiten Ranges sind. Fcrretti, der zehn
re auf S. Carlo zu Lissabon sang, zeichnet sich be-
sonders durch kräftige Stimme aus, ist also ein Scala-
'Singer; Gardoni, für grosse Theater wohl zu schwach,
hat eine ziemlich gute Genangmethode , seiner Stimme
fehlt es aber an Reinheit; Die Stngtone begann mit Do-
li'* Fatoriu, worin Ferretti, für Mailand neti, lato
Meisten interessiHe, die mim TMI v*r*t#mmctte Musik
kaum hier und da, die Alboni wenig, noch weniger Bas-
sist Pedrighini und Bariton Latour. Mit der Gatnbaro
wurde die unwillkommene Elena da Peltre von ihrem
Schwager Mercadante aufgetischt, eine Oper, der die
Fiasco's ganz und gar nicht fremd sind; einer ihrer Acte
gesellte sieb bald zum vierten Act Asr Pavorita, oder
zweiten und dritten Act der Beatriee di Tenda. Die Pin-
Sterniss der Oper suchte man indess mit der Loeia di
Lammermoor aufzubetten, worin die De Giuljj, benannter
Gardoni und De Bassini, in Mangel etwas Bessern, die
ganze Stagione heraushalfen, weil Dontzettt's Oper weit
mehr, ah die vor- und nachher gegebenen, gefiel. Belli-
ni'e unmittelbar darauf wiederholte Beatrice da Tenda mit
der Colleoni verunglückte , meist der Protagonistin we-
gen. "Es folgten dann 3, sage drei neue Opern: die
Anclda di Messina, del Maestro Edoardo Vetü* die
Lara, von Maestro Matten Sätvi< und h'Auedi* di Eres*
etil, von Maestro Gievami Bttjetti, die stamtlieh, im
strengsten Sinne, einen bescheidenen Piasco gemacht,
wiewohl es bei ihnen an Händeklatschen und Hervorru-
fen, was besonders heut zu Tage in den meisten ähnli-
chen Palten hier zu Land nichts sagen wiM, keineswegs
fehlte; jede von ihnen erlebte kaum aus Noth fünf bis
sechs Vorstellungen. Herr Vera, Dilettant, von Paris
kommend, ist der Sohn der einst rühmlich bekannten,
mit einem Advocaten dieses Namens in Rom verbeiratbe-
ten Haser ; seine Musik ist ziemlich melodisch, ohne Ei»
genbeit, und im Ganzen matt, bei allem lnstnunentaUirmr.
Von Herrn Salvi , einem Bergamasker , der unter Mayt
im Vaterlande, unter Sechler zu Wien die Musik studirt,
überdies von seinem Landsmanne Donizetti besonders
protegirt wird, hatte man sieh Manches erwartet, wurde
aber in seinen Erwartungen getäuscht, und es ist bes-
ser, abzuwarten , was dieser Maestro in Zukunft liefern
Wird. Herr Mereüi, Impresario der Scala, ebenfalls des-
sen Landsmann, bat inn einstweilen für den Garneval
1845 engagirt ; das Hönorarium ist aber unbekannt. Herr
Bajetti, Impresario der Scala, ganz und gar mit alten ein-
heimischen Opern vertraut, zupfte aus den bessern Par-
tituren überall etwas heraus, componirte meist damit seinen
Assedio, vergass dabei das tüchtige Prügeln der grossen •
Trommel sogar in einer in dieser Oper verkommefaden
geheimen Verschwörung nicht, und wurde von Freunden
nicht wenig beklatscht.
Dieser melancholische Reich th um an Opern, Sangern
und Kesseltrommeln wurde durch die beiden allerliebsten
Schwestern Milanollo im November ganz besonders er-
beitert! Mit ihrem Erscheinen auf der Buhne ging am
5 rossen, aber finstem musikalischen Horizonte der Scala
ie Sonne und Nebensonne auf. Beide Künstlerinnen ent-
falteten in ihrem Spiele Kunstfertigkeit und Gefühl, die
mit Berücksichtigung ihres Geschlechts und zarten Alters
doppelt überraschten f nun der schmachtende Vortrag der
Lehrerin Tere*a % der lebendige, etwas kühne ihrer Schwe-
ster Marietta, Alles zusammen wirkte auf die Zuhörer,
wie ein Eleetromagnetismus ; Beifallssturm, oftmaliges
Hervorrufen, Bis, Gedichte, Krönen waren hier an der
wahren Tagesordnung, und so haben denn die MilanoL
io'e auf der Seala acht Geteerte gegeben; etwas User-
ftt
IM** Fefam*. Na* 6.
hörte» für l a t tt a «uuUio6üöW ' U *« i mltaliea. Hitte*«*
nicht ihre Reite nach Deutschland antreten müssen, sie
wären so bald von hier nicht wettekommen. Die Leser
dieser Blätter werden bereits im November vorläufig von
ihren beiden ersten hiesigen Actdemieen, sugleioh aber
davon in Kenntniss gesetzt» dass sie um die Hälfte December
in Leipzig einzutreffen gedenken * wenn das aber, wie
nicht so nweifeln ist, anf ihrer Durohreise in Verona»
Venedig n. s. w. derselbe Fall ist» so werden sie wohl
viel spater in Sachsen eintreffen.
Im Theater Canobbiana liess sich am 20. December
der Knabe Alfredo Jael ans Triest auf dem Pianoforte
mit Beikll boren. Man sagt, er besitze für sein zartes
Alter grosse Geschicklichkeit auf diesem Instrumente.
Von einem andern sogenannten Wunderkinde, von der
9jäbrigen MkheUina Bellotta aus Palermo heisst es , sie
überrasche in Neapel als Pianistin.
Dem. Francilla Pixi*, die künftigen Carneval auf
dem Theater zu Genua singt» wurde hier zu Ejde. No*
vember in der Kirche S. Pedele mit dem Cavaliere di S. '
Onofrio de' Marchesi del . Castillo aus Palermo » der. von
guter Familie sein soll» vermählt. Ihr Adoptivvater ist
nach Paris abgereist.
forts#. Dieses in einer reizenden Gegend, nahe bei
Mailand gelegene Grenzstädtehen» wo die vornehme Welt
der le mba s dischm i HauaWadt ihre flerbstvilleggistara auf-
schlägt» bei welcher Gelegenheit Oper und Ballet stets
Gesellschalt leisten» unterhielt beuer seine willkomme-
nen Gäste mit der wohlbekannten Lucrezia Borgia. Die
Protagonistin Gazzaniga, Tenor Santi und der exotische
Bassist Stefano di Broglio (de Breus) waren für unser
kleines Theater gewiss grosse Helden. Weniger beglückt
war Fieravanti's in Oberitalien verstümmelter, allenthal-
ben mit Beifall aufgeaompe^er Columella {ursprünglich
PuJoinella), worin Herr Pranchi die Titelrolle machte.
Pavün -Der arme vergessene Rossini hat denn doch
wieder gefeiten. Sein Barbiere di Siviglia, welcher in der
heutigen Glanzepoche der Oper seinen ehemaligen bleu-
denden Glanz fast gänzlich verloren bat und von der mo-
dernen- Schnnrrbartgeneration nur ailenblls noch geduldet
wird, erregte hier, von der Agostini, der Aononi, dem
Tenor Pelosio, den beiden Buffi Guiddo und Terri vorge-
tragen, eine allgemeine Fröhlichkeit, die sich darauf in
Donizetti's FSglia del reggtmento nur theilweis kund gab,
indem der Vergleich ganz und gar nicht aushielt, wie-
wohl Jemand die possierliche Bemerkung machte: Ros-
sini sei anlikclassisch und Donizetll modernclassisch.
Codogno. Dieser reiche Marktflecken hatte so gut
seine Assoluti, wie die erste Stadt, und zwar die Prima
Donna De Ponti, Tenor Bozzetti, Bassisten Antoni , Ba-
riton Golmenghi, Buffo Leoni, sädimttioh assoluti; über»
dies noch ein Ballet. Die Ponti, aus dem Mailänder Con-
servatoriem, und Tenor Bozzetti können etwaa werden i
die übrigen sind alte Bekannte. Mit Bellini's Puritani und
Donizetti's BKsir d'amore waren beide, Zuhörer und Sän-
ger, zufrieden.
Cambtmggiore. Die ans ihrem leichten Schlafe aber-
mals wachgewordene Gemma di Vergy, del Cavaliere Do»
nizetti, hat sieh diesen Herbst hierher verirrt. Die Brisv
son, Tenor Olivkri und Baseist Casanova hielten sieh so
wacker in. dieser Oaer, dass soger der Ilnpreeario und
der Maler auf die Bühne gerufen wurde. Nachdem die Ge-
sellschaft das Auditorium auch mit dem Barbiere di Siviglia
erfreut, ist sie nach Guastalla im Modenesischen abgereist.
Castiglione deiie Stiviere (reicher Marktflecken im
Mantoaniscben). Das hiesige neuerbaute Theater wurde
am 7. October mit Herrn Nioi's allzumagerer Virginia
glänzend eröffnet, wozu ohne Weiteres die Sänger * die
wackere Matthey, Tenor Baldanzi und Bassist Superehi
das Allermeiste beigetragen haben, weil die Musik an
sich sehr wenig anzog. Superehi machte sich ebenfalls
Ehre in Donizetti's Belisano, worin auch die Altistin
Clorv Morandi (eine Wienerin, wahrer Name unbekannt)
mit hübscher umfangreicher Stimme als Irene vorteil-
haft mitwirkte. Abermals ein Beispiel, dass selbst Markt*
flecken in Italien schöne, grosse, elegante Theater und
Opere serie geben können. Dass zuweilen auch berühmte
Sanger und Tänzer ersten Ranges in diesen Orten wir-
■ kco, hat vor nicht lauger Zeit der Marktflecken Sore-
sina bewiesen*
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Die Pariser Journal« vsrtflbatltaJMfc» elf» Zusammenstellung
der uegebearea Abgaben , welche die Theater aa die Armeneasse
so Parii zu zahlen haben. WKbrend eines Zeitraums von 35 Jah-
ren zahlte unter Andern die groaae Oper (Aeademie royale de rnn-
aiqae) 2,573,000, die komische Oper 2,060,000, die italienische
Oper wahrend der letzten 25 Jahre §51,000 Franken, nämlich:
Jahre: Ondra: Opera womieaa i Italien. Oper:
1807 — 1811 293,000 334,000 —
1812 — 1816 305,000 337,000 —
1817 — 1621 282,000 323,000 113,000
1822—1826 314,060 306,000 1*6,00*1 *
1827 — 1831 300,000 243,000 179,000
1832-1836 498,000 215,000 224,000
1837-1841 572,000 302,000 315,006
Die Abgabea, mitbin auch die Ein nahmen, haben sieh alse aeit 30
Jahren in der grasten Oper fast verdoppelt, in der tonischen aber
verjptaiert i i» de* iuUeassea« ■ Oper sind aie aeit 25 Jahren fast
aura Dreifache gestiegen.
In Copeahsgan »sielt seit dem 1, November t. J. eine itaUe-
aebe Operagesellsehaft unter Leittfag dei Berrn Maresini. Beapt-
mitgliedet sind die Damen Fononivtf #av**ta£, ejejpcflea Jims',
PaUrinifi t Torri* iVo/ctt.
Wie die Revue masicale de Paris sagt* lauten die Namen der
sieben Töne der Tonleiter im Chinesischen folgendermaassen : ee
(C), yo (D), pico -hang (B), krag (F), aeang (G), kio <A),
pien-ce (H).
- - f.
Die Hanroaic - Gesellschaft in London bat ihre Winter*
Coaeerte mit Bändet» Debora erSffnet, einem noch nie ond nir-
gend (?) aufgerührten Oratorium, welche* anf alle Hörer den leb-
hm&oatea Eindruck machte.
S§b. Ba*#$ grosse Passion ist, mit franzfctseber Ue%cr»e*i*ng
von Maurtf Bourges, bei Schlesinger ia Paria erschienen.
Der Pariser Cassatioashof hat eine Batacbeidnng des dasigen
ktinigliehen Gerichtshofes bestätigt, wonach du Bigentbua drama-
tischer Werke 10 Jahre lang aaeh dem Tode in Verfasser» deo
flrbea desselben verbleibt.
Hrixrick Bishop bat seine Stelle als Prefeater 4er Mueik am
Bdiuberger Coaeenratorlum uiedergetegt.
1M4. Feiwml-, Na4
Ia «Penn? geftftl maf am* nUlhnnineken
Oper» M FaaUem», Manik. vo& Pwtiani, dem Gatte* der Mtiu*
tea SÜngetia dieses Namens.
fn Pari* M eia Gtmite miii .
eise State* in ertiemten «od m euerem Zwenke «tat Sah-
eertprieo ia eeffeea. DU Stntaa coli entveder aal« 4c» Perist*!
der grasten Oper, ader io dt« Peyer dereelbea kommen.
Pmuer&n ist so* Mtglfede der pfcflnwmn elBtf t a a Gsee B ee keft
fc Bern ernennt worden.
U 4em ia einer antiken griechischen Bahne umgeformtes Cir-
oaa Francoef zu Paris soll Euripides* Rieden, atfgefoVt werdet;
Jfcefof Btrliox fehreiht daza die Mtfsfi:.
fttenstea Amrest »all in Meiste* ain greeeee Maeawrg eneacfteft
gefeiert werden , das mehrere Tage daaarn wird. Ea hat sieh, ein
QeakntfeMtden,
den die Aameldaagea aar Theüoekme an deauTaate sn aewirkensiaeU
In PYaekfnrt am Mai» tat eine new* ernste Oper *en //iby*
SVkmM: „Dee Oetsrieet sn Psderfcere" arte Bettelt angebea war»
nrn. Dar Blank wird atenr aVaaiaisaala and karajaniaaW lä
keil, ala JnVlodie and originell« BrUodaag beigelegt.
' An 98. Deeemfcer r. h etarf/ fn HerHn eVr «ehr eJr aekf-
0/a Bull ist ietat in Nordamerika und kel in New -York
slarmiscbeei Beifan Ceneerte gagrftev.
Dar not ernten J ah iee In Prankfart tm
geeoiekneie Gesanglekrer ¥%Ux Rommti Ufc nU Proisasar da» <*e>
aaages an das MaU&adar Caaservntorinm der Musik berufen worden.
An Kündigung- eil.
las Verlage der fJaferaeiekacten sind aa i
Troln IHTertlmemento
snr Don Sebastlett
pour k Puoo
■it Bifeathuu- _ Bei IV. MlmtmtT !■ Leipafg mf to e&ea erschiene* .-
JHe erste Walpurgisnacht.
Balbde m Gectke far Cb«r «ad Ordaerter
Henri Vier*.
Op. 199. Lir. 1. 2. 3. 4 25 Ngr.
i nefc ei« « efce« Mt
Da» brill»Bt pour le Pfauio, »or Min» tAmbr.
Tbonac par Ed Wolff. Off. 97.
I/AaaAlonse« Trottteme gnnde VaUe originale
pac JM. iT«^. Op. 98.
teipaip, *ea »v Mnm* M44.
fei
C. m. v. Webers
Ouvertüren In Pnrtitnr
n 4e> Opera Oheroa u« Freifehatv, m nie ü» Jätet- Ottveit
law k ti— IJ TUr. (Sakicriptioaapreb ll>i| TWr.) auri
jttU ant EigeaCbuawrecttt eneueaea. Äther erteUeMB i
Mozarts
■leben Opera -Ouvertüren ia Parfltor.
ncr.-Vrata ajaaaplat ir> ainaai BaanU S| TUr., elanel« aj&Thlr.
lanreb nlla Maei* und BarnkkaBeUnanjen am '
in> Branma«kweig er-
JIC a r a*
Opa« in. drei Aden vom Onü AnvJkatrr, Hmai|t
.iram oft^amV Aefcev, GapaUmeaner am Stadltlicntar in Laipnia> "■
rallsandigen CUrier - Aasnge rem Canapimislan, JKn csnnaUaB
Sttcka» aa wie die nblieka» A aa anf cm cnta, feigen sogleich aaet.
(Pmümt
Op. 4M.
CbnrifMonusg 4 Tblr. Suggtimmen 2% Thlr.
Dinar inssf OrekcsUrMtwum** entktmem Anfimaß Min oL
entknmt* At^mat Man eL •/.)
In der nünfgt aielts. üaf > WnsflnrBen - Hk n el f aug ran €7« F.
«BV fc> Dresdew taraekrind »it E%s n a e aus aa nni im rnaJag
nag« aat4an1aa)-nnaägam a^kriiiafclialmminrinaagaaaaa
jnRI^MmVaV
der letzte der Tribunen»
gvowe tTttgiadie Opcnr in f&nf A«tea 9
nodt
Her fliegende IKoUAnder.
fomtnti9cbe Oper In drei Anfzti^eit,
▼an
tiiehard Wagner*
Im Verbg von C»rl Pi
BigenflittmsiTcnt erschienen
in Berlin sine! se eken mit
:kt erschienen : .
IitMHfeoril el CTrlelbel. Grand Ona ponr Pknra et VU-
^•Mltjmtarii el «rlenel , Grand Duo pour Plana et Vie>
teneeAe sitr des metife de rOpera i Le fifie «a Regiment Ja Da>
miaeOL I* Tklr.
— idem pene Kane> et Violaew I* Ikdr.
Cham
71. 7t Sgr.
Gmtorlel&l, "W., frei* Dfrertmtemenle nregfem.
ponr Plön« et fite, Op. I0T- Ur. ft. Mk myr.
VvtalMI, M«, Lord Leeiiaren kunsnrmlimbo Bsdmdenack WsnV
ler Scott Ton Wolfgang Müller, für eine Bnisstiinean m. Piano.
Mm**** Jpkll-vrla»,. Secoade Valae-Etade, ponr Rnno. Oy.
Off . »7. HO Sgp.
•er, €., Orei CleaVr ron DBia Vdeae. Urefire SHfgttimme
mit Reme, Op. t4. «9 Sgrv
Druck and Venia* g#a Bnitiurf tmi B&Ul in Lmipceg «aj «rta* defe» Ve^otwocUkUwrU
108
108
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 14 uo Februar.
M 7.
1844.
t So*, fach'» Choral -Gesänge und CasUateo. — JleeeiMMMt». — tf«e*neAnm .•
Aus Leipzig. — Feutfleloii. — j*°nk«*digungen.
Herbstopero in Italien u. s. w. (Fortsetzung.)
Set. Baeh's Choral- Gesänge und Cantaten*
Mitgetheilt von Mosewius *).
Der wahre Kwrstrkhter folgert keine Regeln ans seinem
Geschmacks, sonder» hat seinen Geschmack nach den
Hegeln gebildet, welohe die Natur der Sache erfordert.
Lessing.
Es i>t schon öfters angedeutet und wiederholt auf
das Bestimmteste ausgesprochen worden: dass die von
Phil. Em. Bach herausgegebenen Choralgesänge Seb.
Baeh's nicht für die Leitung des Gemeindegesanges haf-
monisirt und bearbeitet wurden. Nichts desto weniger Ba-
det sich bei Beurtheilungen /falscher Kircbencomposj-
tionea der früher von Abt Vogler ond von Carl Maria
v. Weber* für ihr Urtheil aber die Bearbeitung Bacli-
scher Choräle genommene Slandpunct immer wieder bei-
behalten; ja man geht sogar noch weiter und verwirft,
einseitig nur den nächsten Zweck des Chorales für den
kirchlichen Gebrauch im Auge behaltend, die ganze künst-
lerische Form der in fiede stehenden Bearbeitungen als
eboralwidrig and nnkirchlich. Allerdings leitet die Vor-
rede selbst, welche Phil, Em. Bach der Choralsammlung
Vordrucken Hess, zum Verkennen des eigentlichen Zwe-
ckes dieser Gesänge, ihres Verhältnisses zur Kirche und
zum Gottesdienste und legt den Grund zur Voraussetzung
einer Absiebt, welche unser Meister bei dem Entwürfe
seiner Choralgesänge nie gehabt bat, nie haben konnte.
Phil. Em* Bach verspricht nämlich in dieser Sammlung
ein vollständiges Choralbuch zu liefern, freilich, wie
ausdrücklich gesagt wird, nicht zu kirchlichem Zwecke,
sondern „für Kenner der Harmonie, für Lernbegierige
in der Setzkunst, um Muster für fliessende Miltelstim-
men zu geben, den Anfang in der Composition, statt mit
dem steifen Contrapuncte , mit Chorälen zu machen. "
') Die nachfolgenden, sebon im Jahre 1839 geschriebenen Auf-
sitze waren ursprünglich zur Begleitung einer Aosgabe Bacfi-
seher Cboralgesänge mit unterlegten dasa gehörigen Textes-
worten bestimmt. Di« Becker' tebe Aasgabe der Chorale hat
jene beabsichtigte überflüssig gemacht. Das hier umständlich
Erörterte ist dort in der. Vorrede ebenfalls besprochen wor-
den und bat weitere Aaseinandersetzangen zur Folge gehabt.
Dennoch hoffe ich , dnreh Veröffentlichung dieser nun abge-
kürzten nnd theilweise veränderten Artikel auf Seb. Baefit
Cantaten und Choralgesänge nicht nur von Neuem aufmerksam,
sondern noch sogleich die ifeo/csr'sebe Ausgabe der Gesänge
Qocu gemeinnütziger zu machen.
Der Verfasser.
46. Jahrgang.
Beiläufig wird angeführt, dass sSmmlKcbe Choräle von
Bach für vier Siugstimmen gesetzt wären , und der den
Teuer zuweilen überschreitende Bass wird dadurch ent-
schuldigt, dsss der Verfasser jederzeit ein sechszehnfiüssi-
ers bassirendes Instrument zur Begleitung mitgespielt habe.
(Jeher die ursprüngliche Bestimmung dieser Gesänge
schweigt die Vorrede , und es bleibt Jedem überlassen,
das Nächste anzunehmen, die Choräle seien an und Mr
sich, wie sie nach ihren Ueberscbriften nns vorliegen,
bannonisirt und die mehrmalige harmonische Bearbeitung
eines und desselben Chorals (wir finden einige sechs, ja
sieben Mal verschieden harmonisirt) sei eben nur als ein
Beispiel vielfach möglicher technischer Behandlung ent-
worfen. Zwar bemerkt schon Seb. Baeh's Biograph Fer-
kel bei Erwähnung dieser durch Phil. Em. Bach her-
ausgegebenen vierstimmigen Cboralgesänge: „dass sie
meistens aus des Verfassers Kirckerqakrgangen genom-
men ssWeV Nichts desto weniger enthält noch die AU-
gem. Musikal. Zeitung in No. 28 des zwölften Jahrgang»
(1810) neben der haibriebtigen Bemerkung : ,.B*ch schrieb
diese Choräle nicht, dass davon bei der Gemeinde Ge-
brauch gemacht werden sollte/* ebne weitere Prüfung
die durchaus unrichtige: „jene vierstimmigen Choräle
schrieb Back einzeln und gelegentlich tbeils für die Tho-
maser, damit sie dieselben bei Privatveraalassungen (Neu-
jahrsingen u. dergl.) in Gesang ausführen möchten, theüs
für seine Schüler in der Composition, damit sie diesen
als Beispiel und Muster dienen sollten. *« — Weiter fin-
det sieh in den ersten zwanzig Jahrgängen der Allgem.
Musikal. Zeitung laut seines allgemeinen Registers keine
Erwähnung dieser Cboralgesänge. Erst mit dem Hervor-
treten der Passionsmusik nach dem Evangelium Matthäus
wurde die richtige Einsiebt in das Wesen dieser Gesänge
gegeben. A. B. Marx bat sich mehrfach und eben so
umfassend, als ein inniges Verständniss der /tauschen
Werke offenbarend, in den die Aufführung der Passions-
Musik einleitenden Abhandlungen, wie sie in der Berli-
ner musikal. Zeitung erschienen, darüber ausgesprochen.
In dieser, wie in der bald darauf im Verlage der geach-
teten Traut wein'schen Musikhandlung erschienenen Pas-
sionsmusik nach dem Evangelium Johannis liegt die Ab-
sicht und der Zweck der verschiedenen Bearbeitungen
dieser Choräle deutlich 2u Tage. Die bei Simrock er-
schienenen, von Marx herausgegebenen sechs Kirchen-
canlaten enthalten ebenfalls Cboralgesänge, in gleicher
7
MB
1044. Februar. No. 7.
Weise, wie in der Passionsmusik *mjcwe n d<*. |a j+
nun diese mit in ienc Sammlung unbenommen befinden,
so Ustf mq, Vef%Hißk ihwjr Form m?d Mamnonisjrmm; mjt
den üWgüt *«r Snomlmg *e PüsteWg wie 4)t •*
ieutgemkeft jedes einleben ?on ihneu ehenfalln ueraaa-
setzen. Schon die vier in der Matthäus- Passion enthal-
tenen verschiedenen Bearbeitungen der Melodie zu: ,.0
Haupt voll Blut and Wunden/' von welchen drei ihren
fibar*ft#r aufs Vollständigste umgestalten, zeigen deut-
lich, dass sie eben dadurch mit dem ganzen Werke auf
das Innigste verschmolzen, wesentliche Tbeile dessen ge-
worden §Mt wd dass» wie schätseuswerthe Beispiele
sie auch immer für die harmonische Behandlung des Cho-
rals an sich sein mögen, sie ausser dem Zusammenhange
mit dem Werke betrachtet, aus ihrer Sphäre gerissen,
ihre« eigentliche« Wesens entkleidet und falscher Bewr-
theileng Preis geaebep sind. Wenn die Cborelgesauge einen
und denselben Gesang in verschiedenen Top Versetzungen
enthalte»» wenn dfese» ehdeieb unter einer und dtrasihan
Uf&enchrift» eicht nur durch die Vernetzung, sondern
*uoh dur^h kleine Abänderungen der Melodie in der
Hanptatimmei vorzüglich aber durch ganz auffallende, mit
4*n duroh die Uebcreohrift cng a d e u l ek m Texienreraen k
gar keine Beziehung zu bringende harmonisch beden-
tuagweUe Behandlung sich vea einander unterscheiden^
ao müaste anaa doch wohl verausaeUe*, dasa nicht Muco
WiUfcür odejp der ZqfcU »Hein , sondern eine besondere
Ycrailwrag au solcher mit Conseqaena durchgeführten
Absichllichkeit geleitet beben mime. Und kennte man
nichts weiter Y<>* dep Choralgasingea, als die fünf Bc*
arbeitungen zum Gerhard? sehe« b#rrliohen liede: „0
Haupt wl ßh|t «od Wunden,** «e mfisete eine Vergieß
ehnng dieser mit den einzelnen Tejttessttophen. nicht nur
auf den, richtigen Wep, sondern euch weit eher zur B*
Wtt«derneg und geföblteatea Anerkennung der tiefen Auf-
fassung dee Textgebaltes durch Seb. Bach, ab zu einem
Vergleiche mit eitern hiragtspinnatiacben , angeblich in
Attgriachenland erwachsenen Choielaystem geleitet haben.
DoQh wie »eben erwähnt, ist der Herausgeber der Che»
salgeseflge *•*&•* *"** °^ w Seh q W an diesen entsAaa*
denen Irrthüm^m. Ausser der Vorrede leiten eimb dt*
Ueherscbriflen der einzelnen Gesänge dahin, welche pröss*
tontheife nur die Ueder bezeichnen, au welchen die Ale*
ledieee wprwglioh gesetzt worde», ebne alle Rücksicht
dampf, w welchen m$h der Melodie jeuer Lieder ge-
sungenen Dichtungen, geschweige deon au welchen Tex-
teatfrephea aus innen Seh. Bafih sie angewendet hat.
So steht z, B. der Choral; „Befiehl du deine Weg*.«
wie wir ib« in der Matthäus -Passien finden, unter No. 87
der Chwalgesinge, Ausgebe von 1784, mit der Ueher-
sotuift* ,*Q Haupt voll Blut und Wunden,' 4 was allen-
feil* noch *u rechtfertige* w$re, da die unter New 78
der $ema»lueg stetonde Bearbeitung dieses Chorals zu
dmftTe*tfts*tcc»bePt »»Ich will hier bei dir stehen'* und
„Erkenne mm mein Hüter" nur in einigen Zügen im
jener abweicht, Wenn wir aber unter Ne. 338 den Bus*-
Choral» „Ich unwer Mensch* ich armer Sünder etö
kißr wr G+tte* Strtfgf rieht" mit der Uebersohrift:
„Wer nvt de» liehm Gm W*U waitm« finden, so int
ea mimöglicb 9. 4Ü0 Bearbeitung mit irgend einer Strophe
4e* |i«J« ip EimUaiig zu bringen. Ben selbst ihre Be-
ziehung auf die zweite Strophe des Liedes: „Was hel-
fen uns die schweren Sergen* 4 wift mwilfcsÄ du jepo
Be a r beit u n g gllenlUM fco schwer feflUhee Dmek dos
Kummers und dar iosms, nmmnli «heu den Trust in Leu
und Traurigkeit anschaulich und fühlbar machen kann.
Man urtheile selbst.
Sehhusckoral aus derCantatt zum eilfhn Sonn-
tag mach Trimüatü;
„Siebe sm, 4ms «eftse GettoSrarekt sieht leeoheen u**i«
Ick *r - ner Measck, ick sr - «er Su-
*, « ~ ._* «* ^ wfcfct ge - Ms«
ftck ar ~ • mrlfeoteh,icfc ar - »er Sun-
,':J I f r tl
der *teb T hier vor Got - tes Aö - ge - »cht , £^
der, und geh 1 nicht mit mir las Ge - riebt t
Singitimmc,
Fundament.
108
1844« FefcnmK No, 7*
110
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U*fmjp n m ^ li m i fc 1 * n — i | |»m»+ t i iti nn
f- ■ ■ r ■ 11
mein Br - bar - mer, tt - bef mich.
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P t r r r l%Vi II
la 4m Abdrucke dieses Chorals, MU 196 der oftge-
sanftteo Sammlung* finden rieh nachstehende Varianten»
Taet 4 in All/, Taet 5 im Tenor o:
Da meine Abschrift nicht dem ifacA'scben Atltogrspben
entnommen ist, so bleiben diese beiden Tone unverbürgt.
Im ersten und zweiten Tacte des zweiten Theiles fehlt
die Singstimme im Bass, an deren Stelle steht der Pun-
damentalbass, in Folge dessen der Tenor verändert ist in :
l h" r r ' ^f"f ' ' | ' Wir *wd«i Gelegenheit Anden,
Mf diese Cantate zurückzukommen. —
Diese wenige Beispiele aHein zeigen anf das Den**
liebste, dass die m Bede stehenden ChoralbcarbeitengCtt
weder rar Begleitung des Gemeingesanges bestimmt waren*
noch überhaupt dazu gebraucht werden können, da die be*
wegliehen ans dem speeielien Sinn* und Wertausdruck
terromehendeo Mittelstimmen, selbst dieGnrndstnnme, bei
der Führung des Volksgesanges ginn im Gegeatheile den«
selben geradezu stiren und verwirren würden, statt ihn
an regeln nnd en leiten.
(Fejrttctaasf f»lf u)
RECEMflIOlfER.
Lieder schau.
(Beaeblaas.)
Vier Lieder für eine Sopran- oder Tenorstimme mit Be-
gleitung des Pianoforte, eomponirt von Jut. Stern.
Op. 17. Berlin, bei Schlesinger. Preis % Tblr.
f , Erstes Begegnen,« Poesie von JKugelstedt (Bruch-
stock ans seinem Gedichte : Die letzte liebe). Wie ist
nur Herr Stein gerade auf fiese gftnft vereinzelte Epi-
sode gekommen» um sie in Musik zn setzen? Gewiss
wird der Dichter selbst dadurch überrascht, de wir von
ihm so viele schöne, wahrhaft lyrische, selbststifn dige Ge-
dieht« besitzen, die zur CümnosHion anregen, wihrend
«os Prugmeut so matt und fmtios emhefat. So bat denn
«msh «o Phantasie den Compacten sieb meht dar« **
— ■ Uno», Gemto sid^e* tu solcher Apathie nceh
^ Ä - J — "*n> Wie ti B.t
so ist das Resultat wohl kaum zweifelhaft* und das nicht
glückliche Bestreben des Componisten, den fragenden
Schluss des Gedichtes wiederzugeben, vollendet erst recht
den Eindruck des Fragmentarischen und Ungenügenden.
Wie frisch und behaglich angeregt fühlt man sich dage-
gen durch das folgende Lied : „Morgen marschiren wir ! e<
(von Holfaaftti von Pallersleben). Es schreitet in seinem
kecken Marschrhythmus ungemein natürlich und abge-
schlossen einher, und krifnmt gerade so viel vöd dem
Volkston an, als es braucht, am popotir tu sein, ohne
verbraucht zu erscheinen. Zu bedauern ist es nur, dass
der Gofepotiist, offenbar ans derti Bestreben* durch etwas
Besonderes den hatüriiehen Gang des Ganzen zh unter»
brechen, in dem übrigens so ansprechenden Refrain (und
zwar iai fünften Taste« S. 5) durch eine förmlich wMer-
nirtige Harte dem günstigen Eindrücke schadet! Dass
Herr Steril des Dumpfer eines pp. anf seine Kühnheit
setzt, ändert wenig«
Auch der Auffassung des dritten Liedes : „DleThritoe"
von H» Heine, geben wir unsere Zustimmung. Das ein»'
fach- schüne, sanft klagende Gedieht regt dureh sein«
weiche, gut gefdhrte Melodie, wie überhaupt durch Ton
and Haltung die rechte Empfindung an« In Folge der
übrigens gut motivirton Harmoniewendung nach Fdttr
(6> 10 in* achten Taet) Würde es gewiss wohllbuenler
sein, Wenn auoh im neunten Taot das * statt des h nooh
vefuftttete, so dass der QuintiextenaCcord erst mit dem
letzten Viertel einträte.
Dos vierte dieser Lieder (nach dinem Gedieht vott
Rücken) bewegt sich in eirter nioht eben hervorstechen
den» ober recht wehlthoenden Cantfleue» und hinterUbMt
emtt sehr frouodlkhen Eindruck. Die wirklich störende
Dehnung anf:
^ Telti Wort - ck
Mb" WSrt - ehea
USd sei 9 ! -»*- M
Wie leicht Wäre sie zt vermeide« gewesen!
Noch wollen wir in Beziehung anf den werthen Com*
Conisten einer recht erfreulichen Wahrnehmung gedefi-
en , die für die freie f itfaltong leine* Talentes nicht
Oboe Bedeutung Ist, Wir bemerktet! Mmtichr ta dieser
9amrnhing mit wahrer Fronde* dass seine Begleitung**
weise viel sorgsamer und — rinfecher geworden ist, als
wir sie in einem früheren Werte fadeii. Sei es mm,
das* durch unsere freundliche Mahlung, oder rforch eigene
bessere Ucbs rneo r u ng diese günstige Metamorphose be-
wirkt wurde s wir freuen ans aofnehlig darüber. *~ Der
Artttg ist unverkennbar ! —
• i
Im Begriff, unsere eorsorisüfcü Lfedefiehim *t bei
sehliessen, werden wir nooh an eine sehr werthe küttsf*
mische Individualität erf uteri* der wir *u ünjem Be-
dauern in der neuesten Zeit so sehen auf dem Felde der
mosümüscheo Prodoetieo begegoelttn wir lüühtttf den
ehrenwertben Tossssehek te Prag, von dem uns nou wie-
der eine gaofte Mite *>it Gesiigwetfcoi kor kntä&
Ml
1844. Februar. No. 7.
119
und kurzen Besprechung vorliegen, die sämmtlich bei
A. Cranz iu Hamburg (und zwar in höchst sorgfältiger,
geschmackvoller Ausgabe) erschienen sind; nämlich:
Gedichte von Friedrich von Schiller, iu Musik gesetzt
und den Manen des Dichters gewidmet von IV. To-
maschek. Op. 85 — 89. Fünf Hefte. Preis jedes Hef-
tes 16 Ggr.
Ferner :
Drei Gesänge, componirt für eine Singstimme mit Beglei-
tung des Pianoförte. Op. 92. Preis 14 Ggr., und
Drei Gesänge, gedichtet von Schutt* componirt für eine
Singstimme mit Begleitung des Pianoförte» Op. 77.
Preis 14 Ggr,
Fünf Hefte von Schiller 1 * Gedichten ! Gewiss eine
seltene Erscheinung! — Jeder trägt Schillert Namen int
Herzen , oder doch auf den Lippen ; er ist Deutschlands
Stolz — 5 ja, es gab und giebt noch Viele, die ihn über
Goethe erheben: und doch, der schönste Lohn des Dieb*
ters, das beneidenswertbe Glück, getragen auf den Wal-
len der Melodie, im Munde des Volkes fortzuleben, wie
unverbSltnissmäasig karg wurden sie gerade Ihm zu Theil,
dessen Herz ungleich feuriger schlug für sein Vaterland,
als -i— manches andere grosse Dicbterherz ! — Wenn
es sich nicht längnen lässt, dass viele seiner Gedichte
durch ihre vorherrschende Reflexion, durch eine gewisse
rhetorische Breite der musikalischen Behandlung nicht
durchaus günstig sind , so sind sie dagegen dnreh ihre
Gedankenfülle, durch erhabene, rein menschliche Gesin-
nung, durch den Zauber ihrer überzeugenden Wahrheit
vor vielen andern geeignet, mit Sang und Klang durch'*
deutsche Vaterland zu ziehen und Sinn und Herz zu
stärken. — Zum Unmutb aber steigert sich die Wahr*
nebmung dieser auffallenden Vernachlässigung, wenn man
bedenkt, an welche unerfreuliche, oft ungeniessbare Dich-
tungen zuweilen die Componisten ihre Metodieen ver-
schwenden !
Wir ehren und loben daher die Pietät des trefflieben
Tomaschek, der durch seine Melodieen Schiller's Namen
in lyrischer Beziehung seiner Nation wieder in's Ge-
dächtniss ruft» und sinji überzeugt, dass er dadurch viele
Herzen erfreuen wird. Auch dürfte sein Beispiel nicht
ohne Folgen bleiben« —
Was nun die Auswahl und die musikalische Behand-
lung der hier gebotenen Gesänge betrifft, so wollen wir
nur im Allgemeinen erwähnen, dass diese fünf Hefte vier*
zehn nach Form und Inhalt sehr verschiedene Compoai»
tionen enthalten und einen Clunax bilden , von dem ein-
fachen Liede: „Das Mädchen aus der Fremde " bia.su
dem fast zur Cantate erweiterten „Früblntgsliede»" für
drei Solostimmen und abwechselnden Gbor.
Sinniger Ernst und ruhiges, gelalliges Abspiegeln
der edeln, gefühlvollen Dichtungen cbaracterisiren diese
Compositionen vorzugsweise; würden Einige darin den
Schimmer (oder zuweilen wohl auch den Firnis*) der
neueste n Schule, vorzüglich in Hinsicht auf den Gesangt
vermissen, so wollen wir ihnen nicht widersprechen.;
sie werden dann aber so gerecht sein, sieh durch die
wahrhaft gemüthliohe Auffassung, durch die seltene Cor-
reetheit und durch eine gewisse Innerlichkeit , die utf
diesen Gesingen ruht, entschädigt zu finden. Wir wol-
len nicht genaue Forschungen darüber anstellen, ob die-
ser Gesangcyclus, dieser Erinnemngskranz für den gros-
sen Dichter, nicht schon vor Jahren entstand ; wir wol-
len auch nicht eigensinnig darauf bestehen, dass Alles
gut und neu und schwunghaft sei, was er uns bringt —
wir würden sogar Einiges bezeichnen können, das ohne
Nacbtheil für den vollen Werlh des Ganzen einen ge-
fälligem, nun ja, geschmackvolleren Zuschnitt nicht ver-
schmäht haben würde. — Wir wollen nicht verschwei-
gen, dass gleich das erste Lied: „Das Geheimnisse sich
nur sträubend in die Form einer Melodie, einer Be-
tonnngsweise fügt ; wie wir denn überhaupt nicht unem-
pfindlich gegen eineeine Schwächen dieses umfassenden
Werkes sind. Dennoch begrüssen wir diese reiche Gabe
mit Dank und Freude, und empfehlen sia allen Gesau-
gesfreunden, und dem Kreise Derer noch besonders, die
durch die angedeuteten Restrietionen sich nicht verstim-
men lassen.
Haben wir uns in der Voraussetzung nicht geirrt,
dass mehrere Compositionen der Schiüer'scfaen Gedichte
einer frühern Periode angehören, so sprechen in der Thal
die beiden andern oben bezeichneten kleinen Liedersamm-
lungen schon durch ihren Gegensatz für unsere Conjeclur.
Jedes der zwei Hefte enthält drei Gesänge, und je-
des derselben athmet frisches geistiges Leben. — Auch
das durch die etwas dubiöse Preisertbeilung berühmt ge-
wordene Lied findet steh unter ihnen, und durfte wohl
den bessern Compositionen dieses Gedichtes vollkommen
ebenbürtig sein. — Auch das vielbesungene „Hochland"
beschenkt Tomaschek mit einer Melodie, und zwar mit
einer recht ansprechenden.
Unter den drei Gesängen nach Dichtungen von Schutt
beben wir, vorzüglich wegen der zarten und geschmack-
vollen Behandlung und Ausführung, „Da» letzte Lied der
Nachtigall" hervor, das t>bne Ziererei und ohne Ueher*
treibung die Situation so schön bezeichnet und überhaupt
in Melodie und Begleitung so trefflieh barmonirt, dass
man sich wahrhaft daran erfreuen kann. —
Uns aber sei es erlaubt, diese Liederschau mit einer
kurzen Apostrophe zu schliessen, die vielleicht hier nicht
unpassend erscheinen dürfte :
Wohlan, ihr deutschen Lieder, strömt bin durch'* weite Land,
Und schlingt um Deutschlands Gauen- der Eiltracht festes Band!
Dringt tief in edle Herzen, pflanzt kühnes Streben fort!
Tönt laut vor Königsthronen, und achirsat der Freiheit Hort!
Es aollen nnsre Lieder dem Edlen nur sich weih'o,
Und rein, wie deutsche Lieder, auch deutsche Herzen sein !
Nachrichten.
Herbstopern in Italien u. s. w.
(Fortsetzung.)
Verona (Teatro Filarmonko). Donieetli's Don PaJ-
quale befriedigte als Musik nicht sehr 5 der Buffo Rover*
(Protagonist), Bassist MarcheUi genügten, und die Prima
Donna Zecchini.... In DoniaeMi's Eläair ging es gans aa»
IIS
1844. Febrmär. Nö. 1.
114
den; nebet den iwnim Bovere und Marchelli wirkte
die brave Boccabadati (Auguste) und Tenor Ciaffei: Zu-
hörer «od Sänger waren vergnügt und die Theatercasse
lästig. Donizelti's dritte Oper : La Figlia del reggimento,
machte eine* abscheulieben Fiaseo, sog mit einer langen
Nase ab und machte schnell dem Elisir Platz. In der
nachher gegebenen vierten Dooizetti'scben Oper, der Re-
gina di Golconda, erwarb sich die Boccabadati (Titel-
rolle) und Rovere besondern Beifall. Da die Boccabadati
Ende Novembers, eingegangener Verpflichtungen wegen,
abreisen mussto, debiitirte die Caterina Delci (die meh-
rere Monate von der berühmten Pasta Unterricht genos-
sen) in den noch gegebene« wenigen Vorstellungen des
Barbiere di Sivigtia zur Zufriedenheit der Zuhörer.
Auf ihrer Durohreise nach Deutschland gaben hier
die rühmlich bekannten Schwestern Müatißl/o, Ter+sa
nnd M*rie$tM, mehrere Goneerte mit ausserordentlichem
Beifall.
Vicen%a (Tetro Berico). II ritorno di Pnlcinella dagli
studi di Padeva, ror wenigen Jahren von Fioravanti Sohn
zu Neapel componirt nnd seither stets mit Beifall gege-
ben, hat eine ursprunglich ächte Buffomosik und neapo-
litanische Physiognomie (sie ist dialogisirt im neapolita-
nischen Dialeel) ; in Oberitalien wurde ihr Mos der Nar-
renchor (worin Narren im Narrenbanse die Ouvertüre
aus Rossini's Semiramide äobt komisch vortragen) und
ein sehr hübsches Terzett gelassen, alles Uebrige gehöf t
allerliebsten andern Maestri moderni an» deren Slüeloe
zn jenen, den begnadigten von Fioravanti, wie die Faust
aufs Auge passen. PuleineUa in Columella umgewandelt*
ist statt einer Opera beffa eine abgeschmackte Pastete
geworden, die ohne die beiden Originalstücke ganz un-
geniessbae sein würde. So war es denn auch hier mit
diesem Columella, nach dem man so sehr lechzte, im
November der Fall. Die Sänger : die Agostini und Grini,
Buffo Cini (Protagonist) , Tenor Gsja, Bassist Mooa-
cbesi u. s. w. thaten ihr Mögliches, aber ausser benann-
ten beiden Stücken interessirte alles Uebrige der Oper
wenig. Denizetti's Gemma di Vergy gab hierauf benann-
ten Virtuosi weit mehr Gelegenheit, sich hervorzutbun.
Mit dem Barbiere di Stviglia scbloss die Stagione fröhlich.
Padua. Spät, den 31. Oetober, begann hier die Sta-
gione mit Domaetti's Don Pasqnale, ziemlich gut; eia-
beinusche und exotisebe Sänger (die Leva, Tenor Pau-
lin, Buffo Lazio und Bassist Bonafous) wetteiferten mit
einander, aber die Leva trug den Preis davon. Sonder-
bar wurde die beabsichtigte und so sehr gewünschte lu-
stige Figlia del reggimento nicht gegeben, dafür aber
dessen trauriger Marino Faliuro mit der Beltrami - Ba-
rozxi und einem anfänglichen Fiaseo, der sich in der
Folge kaum erholte.
Treviso. Eine traurige Seene fand hier am 28. Oeto-
ber, der ersten Vorstellung von Verdi's Nabucodonoser,
Statt. Die Belloni == Abigaille, die Dali' Argine = Fe-
nena, Herr Biaccbi = Nabucco, Eugcnio Sanü = Zaeca-
ria, nebst dem Tenor Röasi- Gnerra erfreuten sich sämmt-
lich einen sismlichea Beifalls, als im Augenblicke, in
welchem der Blitz dem Nabuoco die Krone entreissen soll,
Herr Biaccbi sich allzusehr dem Eieendratb nahte $ der
Blitz traf ihn heftig am Kopfe nnd stürzte ihn verwun-
det zu Boden, worauf sehneil der Vorhang herabgelas-
sen , die Oper geendigt und auf einige Tage verschoben
werden mussle, weil eine der zwei Wunden, % die der
Sänger durch jenen Zufall davon trog, ernsthafter Natur
war. Herr Santi übernahm hierauf die Rolle des Na-
bucco, Bassist Selva jene des Zaocaria, und schon am
1. November wurde die Oper wieder gegeben, [Herr Bi-
accbi auch bald hergestellt. Nachdem man einstweilen
um die Hälfte desselben Mouats Bellini's Gapoleti mit der
Franceschini • Rossi gab,, trat Herr Biacchi den 21. aber-
mals als Nabucco zur grössten Freude der Zuhörer auf.
In dem zu Anfang Decembers gegebeneu Bravo von Mer-
cadante fanden die Sänger nur. theil weise Applaus.
Venedig (Teatro S. Lucs). DonizeUi's Elisir d'amore
mit ziemlich gutem Winde, aber die Mannschaft (die
Mazza, Tenor Bertolasi, Vissnetti und Manari) meohteo
leider eine* sehr kurae Fahrt; die Kinder Vianesi lösten
sie ab und produoirten sieh in dem mit zwei Stücken
aus der Chiara di Roseeberg geflickten Columella (s.
Vicenza) ab.
(Teatro S. Samuele.) Mit sehr massigem Entreegeld
unterhielt man sich ziemlich langweilig bei Douizetti's
Marino Faliero, in welchem die Gabbi als Elena, die Be-
günstigte, Roddas (Titelrolle) niobt bei Stimme war, die
Herren Penso (Israels), Tenor Goama kaum genügten.
In. Pacini's Saffio, worin die Gabbi, die Adelaide Ceeconi,
Gosma und Roddas die Hauptstützen waren, ging es viel
besser, Herrn Gelli's nachher wiederholter Varbacb fand
wenig Anklang, und man tappte sogleich nach der Bea-
trice di Tendal
(Teatro S. Benedetto.) Donizetti's Figlia del Reggi-
mento mit der Zoja, der Lega, Tenor Malvezzi und Bas-
sisten Soarez, fand, obgleich die Zoja noch dazu einen
Walzer aus Fioravanti's Zoccolaja einlegte, nieht jene
Aufnahme als in Mailand; die Sänger, besonders die
Zoja, befriedigten indessen. Boffo Cambiaggio erschien
hierauf auf einem seiner Steckenpferde , auf CelomeUa,
worio ausser Herrn Soarez eine gewisse Giofldaoo (an-
Koemmener Name) debütirte, und Baasist Beneich, Buffo
:mi und Tenor Zuliant mitwirkten, Cambiaggio aber
natürlicherweise der Held des grossen Festes war« Con-
•pola's einst so siegreiche Nina pazsa per amore wurde
nach einmaligem Erscheinen sogleich von der Figlia del
Reggimento (welche Zoja doch ebenfalls die Nina machte 1)
aus der Scene verjsgt, weil der allerliebste und gar köst-
liche Rataplan mit der zarten Tambourbegleitung allein
weit mehr ergötzte. Um der armen Zoja Ruhe zu gen-
neu, gab man Anfangs Deeember den sosehr gewünsch-
ten, schon in seinen ßinderjahrea weltberühmten Den
Pasquale, del Maestro Doaizetti, worio jedoch der Part
für die Zoja zugestutzt werden musste. Der hiesige, sannt
geacheidte Zeitungsschreiber ist gan? entzückt über die
Musik dieses Don Pasqnale« Habeat $ibi! — Auf ihumr
Durchreise nach Deutschland wurde den beiden Schwe-
stern MtlanoUo auch hier in ihren gegebenen Concerteu
die glänzendste Aufnahme zu Theil.
Triest (Teatro grande). Den Anfang der Stagione
machte Donizetti's Linda di Chamounix , mit der Tado-
liai, der Bendini, dem Tenor Gnasco, den Bassisten Va-
resi nnd Derivii, für welche grosstentheils diese Oper
ub
1644- Ftbiw». No, 7.
U«
voriges Jahr na Wien cempotthrt wurde. Die Musik sprach
frier gar "wenig an» weil um sie als allzugetehrt betrachv
tele, die Sieger wurden iheilweiae applaodirtj inlftndi-
aehe Zeitschriften behaupten indessen, aie haken in der
folge Enthoiiaatnus erregt! — Eben dieses Eathusiae-
aina wegen gab man bald Herrn Verdi'* Lombardi alle
prima Crociata, deren Musik, in Mailand vorigen Garne-
Tal einen Hyper- Fanatismus erregte, hier aber der Linda
mit einem zweiten Fiasco nachhinkte ; die Sänger — man
köre ! — so sagt der hiesige Osservatore Triestiao, fein-
den jedoch darin mehr Beifall , wiewohl die Musik mo-
noton lärme nnd eine Carricatar des Nahacodonosor sei.
Der hier anwesende Mercadante stutzte indessen seinen
im vorigen Caraeval zn Turin neu componirten, angün-
stig aufgenommenen Reggente für die Sänger tu nnd
netzte ihn selbst in die Scene? er machte einen dritten
Fiasco, ao dass der Maestro, der in der ersten Vorstcl-
Inng am Glavier sass, in der aweiten ea wohl bleiben
Htsa, nnd nach der dritten reiste er nach Neapel ab.
Dass er bei alldem auf die Scene gerufen, dass Zeit-
schriften, darunter die Gazzetta teatrale nepelttana vom
28« November, von einer glänzenden Aufnahme sprechen»
sagt gar nichts, nnd es wäre sehr zu wünschen, dasa
deutsche Journale nicht so unbedingt unsere einheimi-
schen abschreiben möchten. Selbst in Italien mnss man
bei der Auffassung dieser (Jrtheile sehr behutsam sein
nnd ihre Quelle reiflich erwägen. In diesem Reggento
betrat zum ernten Mal aie Bühne eine Spanierin aus Bar-,
oolona, Namens Amalia Mafios, die ihre musikalische Bil-
dung in Mailand erbalten, und für ihre Kunst manches
Vorteilhafte besitzt ; ihrer Rotte in jener Oper war sie
aber nicht gewachsen*
Um die Theater des Königreichs zu vervollständi-
gen, folgen hier noch kürzlich:
Ckiari. Eine Adeodata Lasagna, sock dcHa dncale
Aocad. Ftfaruionica di Parma» Fanny Farrt, Tenor Saa-
tini nnd Bassist Gecconi wagten hier die Anna Bolena zn
geben, fanden aber reichlichen Applaus.
FtUre. Die wohlbekannte Demeric, Tenor Miraglia,
Silingurdi und Roddaa erfreuten die Zuht-
rer mit Donizetti's Gemma di Vorgy.
Gör%* In derselben Oper und in Rieci's Scaramnz
wirkten hier die GramagHa, benannter Miraglia und Bas-
sist Gorin.
Mantm. Dia Gesellschaft von Vioenza — die Ago-
ettni abgerechnet, anstatt welcher die Wanderer sang —
gab hier, bevor sie nach dieser Stadt ging, Ricoi's Esposti
nnd den Colomella, letztem mit einer sehr bescheide-
nen Aufaebme (a. Vioenza). In
Monttgmnm, wo die Sacoeui, Tenor Bertoteei und
nun! die Bassisten Torrn und Manari wirkten, ging es in
Donizetti's Marino Faliero, der Prima Donna wegen, nicht
gnt, besser damnf in Bellini'e Pnritani mk der «ieva-
nett-Biava.
Este. Die längst fertige Ahnerinda llanzoeehi pro-
ducirte sich hier in der Anna Bolena und Safe.
PlUmmmm* Dieselben Sänger nnd Oper wie in Feltre.
Aenfo*. Eine ziemlich gnte GeeeHsekafts die Hal-
len, die feumini -Setera» Tenor MBeai nnd Bassist Fiori,
" Menpadania'acbnOpenr na gebet: da*
Gforameato und die Veetela»
genommen wurde, letalem aber Fiaaeo annähte.
Viüdma ergtflzte sieh nnm Theil an Donizetti'a Ma-
rino Fallcro, worin die Marehetini, Tenor Boneatelli nnd
die Bumsten Natele und Dali 9 Asai wirkten.
Königreich Piemont, Heraogtbittn Genna und
Grafschaft Nizza.
Twin (Teatro Carignano). Hanptsänger: die Abbe-
dia und Caremoii-Clrivelli, die Tonern Miratn nnd Meekan,
Bassisten Grivelli nnd Riga, Verdi'* N a b neo fanee e r be-
gann die Stagione mit % Fiaaeo. Die Freunde dea Herrn
Verdi, die nicht begreifen können/wie dessen Nabneao
nnd Lombardi, die beide na Mailand einen grossen Fu-
rore gemacht, anderwärts scheitern ktinnen, geben ein>
zig und allein die Schuld dem, dasa die anderwärtigen
Theater weit kleiner sind und bei Weitem die Massen
der grossen Mailänder Scale nicht aufzuweisen haben.
Ihnen hierauf etwas zu entgegnen, wäre ganz nnd gar
annülz , weil aie es auch mit dem besten Willen nicht
verstehen würden; schweigt ja selbst der schlaue Ros-
sini, man möchte sagen mit hermetisch gesch l ossenen
Lippen, über so manche miraeukfee Erscheinung der neue-
sten Oper. Und so ring denn auch schon am 9. S ep tem -
ber die miraeultfse Lueia di Lammermoor von Doaizetti
in die Scene, worin die Ceriei die leider in ihrer frü-
hesten Jugend schon abgenutzte Abbadia ablöste und Al-
les, besonders in der Folge, weit besser mag. Die vori-
gen Carneval zn Palermo mit so iä ra wn iem BeifaU ae-
zebene nnd mit eben so vielen linaenden Lobeserhe-
bungen von eiaheioiisooen und ihren ausländischen Naefa-
aehreibern ausposaunte neue Oper Mmrim ttmgkiltorr*
von Pacini ist hier durchgefallen , wurde aber aus Noth
fünf Mal gegeben. Nichttnriner Zeitschriften haben aber-
mals ihre gute Anhahase in die Weit ausgesebiekts ja,
die Neapolitaner Tbeaterzeitang vom SS. November 4. J.
druckt sich hierüber wörtlich so aua i „ Maria d'Ingbü-
terra von Maestro Pacini wurde über allen Glauben ein
sehr glücklicher Empfang zn Theil ( tmt* fUtoUHm* ml
*V Ut di Bgmi ermhn)! diese Oper wM & ganze Well
durch wandeln, wie die Selb, die Fidenzata Corsa, die
in einem Jahre (ohol die Salb ist weil Mar) vom un-
sterblichen Pacini geschriebenen Mcieterwepbe." Diener
fast verrichten, vielleicht im Krater des Vesuv» nieder-
geschriebenen Nette müge die etwas harte Aeueeurung
über diene Oper vom hiesigen M eas a g g i ern Toraaeae zur
Seite stehen« „Wem könnte je (heiast ea unter andern
in diesem Blatte) die Grill© in den Kopf gekommen i
diesen Kraftaufwand 4er vi
(tforso delT mcallita fantasia pachdmä) auf die Seenn
zn bringen! Diese Maria d'Iagnctterra, S a her este r dea
Dnea d'Alba , der in Venedig >mm
maehtt.... Gewiss ist es, dnea I
die Zäherer den Fall der Oper, n<
hang anfaog, vefnnasubcn»... Die
fo, Singer nad
bevor man den Vor-
gewisee Wnlzennntodieen, Manen
wer respectiven, sebreefcttehen
einttrnrige lange Adagi erregten
dar Trompeten giebt dem Qanm
f
?
Ctan-
117
1844. Febm«. N*; 7,
«18
Dm Ahbadm hatte ki«ii Albes* »ehr, berer sie
noch ihre Ruhm« saug, Tage darauf muaste man wie-
der die Lada geben u. *. w." — Schliesslich gab man
noch die Gemma di Vergy; Aufnahme so so.
Die Sobwftstera Müantlk, die hier mrt ihre« treff-
lichen Spiele Lorbeer« einernteten, gaben in obigen Thea*
ter eine Beoefizecademio sunt Vortheil des Pio Instilnto
di Mcndicita, also fur'e Institut *ur Aufnahme der Bell-
kr. Die Einnahme war 610 Prankeo und 40 Gentimes;
das fromme Institut bekam aber nach Ahmt tlhnr tye»
nen bios 58 Franken und 7 Centimes. Der hiesige Mea-
stggiera Terineae, Nu. 4t. vom 4, «otember, *ieht hier-
9nm? genaue neennnngt
HnnaLne275 BiUetmim Parterre k% Fr\ - C. 550Fr. — C.
37 oberste Gallerte 4— - «0 - 58 - 40 -
lOaafdemAnfiteetro*.— - 20 - t - — -
610 Fr. 40 C.
ii 55SPr. 33G.
Saviglxäna. Auf ihrer Durchreise haben die berühm-
ten Schwostec u HUmotta in diesem ihrem Geburtsorte
mn wohsthätigen Zwecken eine mnsiWiaoha Aoadomie gnv
geben* Den Beifall kann man sieb denken.
Die Prima Donna Sarann, Tenor Tomasi, die Buffi
Btuaeoli und ZamkeUi aroducirten sich mit gotem Erfolge
in der Cenerentok und m Cenpoia'a Nina a ans per amoteu
Mond**. Dieselbe fieseliaehaft und Oper wie in Sa-
vigfiane.
Mha. Die Signpre Foccosi und Aufesst, die Sigaori
Franeeschini. Maggi und Miliar* fanden im Gannen eine*
aehmeieheihafte Aufnahme im S ca mmnccia» besonders die
schon ältliche Foccosi, die beinahe einen Famatismomaehi».
Hintendma kamen batd Anna Bofena und Etisir, leide
Opern del Maestro Owaizell*, wobei es. sogar Blumen und
G ed ic h te regnete. Wegen Austreten den Temas» mnssle
das Theater einige Tage gesch loss e n bleiben.
TtrUm*. Sowohl in Ricci's (Fed,) Prigione di Edmv
als in Doeisfttti's Lucia di Lammermoor fand die
Prima Donon Jfezodi jMd Bassist Snatag t-Man«.
gnu at^gemetne Anerkennung nun nugetneiiBen nematl*
Sie GoJmprimaria Corvetti und Tepor Zoni genügten.
JkÜ. DenizeUi'afiglkdelBegsimeatOv von der bub-
seben Catalina Ciuaai, dem TesmiTVesgani und fiasaisien
Mnasetti Terffetrejca , beteiligte des Audmorium ungf>~
meto, obgteico bei alldem die Musik nur tum Thett an>'
sog. Ricci's Chi dura wce.» worin Buflo Hitaret sieh
ebenfalls hervortust, desgleichen Bessinxs Barbiere di Si-
▼igfta, waren noch glücklicher«
Pfrerolo. Dieselbe Gesellschaft und Oper wie in der
vorigen Rnhob*
AUumdrim. Herrn Miccdefr Templarin Jand hier
Anfangs eine sehr laue Aufnahme. Von der Musik hican
es, %\t sei ein Gemisch von Planet, Classiscbem, Roman-
tischem und Originalität; der Maestro habe keinen Math*
sich allein in die musikalische Arena zu werfen ; er sollte
weder dem Melaphysiker Mercadante, noch dem zügellosen
Dontzetti ünterthan sein, und will et je Nachahmer sein,
so folge er Rossini und Bellini. — Die bekannte gute,
aber, wie so viele ihrer Kunstrerwandtinnen , durch die
moderne Lärnsoper abgenutzte Sängerin Tavola, Tenor
Zoboli und die Bassisten Meini und Lucchini bewährten
sich indessen ala gute Practiker» die Oper um annh in
der Felge etwas mehr an. la der Saffb, freiem* <fe Ta-
vola nebst dem dritten Act vwftt Vaccai zu Bellini's Ca-
puleti ala BeneftEvorsteHnog wählte, ging er weit besser.
(Portsetznag.fo.tgt.)
Ausg aben: 552 - 33 -
Nettobetrag fur's Institut : 58 Fr. 7C.
Hierbei speciflmrt jenes Blatt die gesammten Aus-
oben als:
Der Impresario ein fünflheil 122 Fr. 8G.
Oreheatc* ~w. .-. Ä» * ~ ♦
Beleuchtung, Druckerei, Maschinist, Portier,
Ansager» ZettelauatlmmUb MiKtajhupche,
PUnoforte, kleine Ankündigungen , Kut-
s*taru.s* w t , jeder so unAao vieU--^ 208 - 25 -
Leipzig, 14. Februar. Der Bericht über die Gen-
eerte der letstverleaaenen Woche, namentlie h amek über
die der Schwestern MümmtUo, welche sieb bereits drei
Mal im hiesigen Theater haben hören Fasse* , tarnt*
für dieses Slfiek der Allgemeinen Musikalischen Zeitung
nicht erlang! werden und wird daher im nächsten Stick
nachfolgen*
Feuilleton.
Läke r s neue Oper: „Rftaig enrd Pachter i# von dem Freiberrn
v. BiedeitfM asca dea Uterenaateo Loatt|r«Y: „Ctrl Xlf. s«f
Ragei* 1 bearbeitet, wird in Weimar zur bäM^em AnffBlrvag tot-
bereitet.
Mmrw rn Berlin lat na !föefc- „RbthtfaBenen*' eine sllerifshita
Ihm seirefert.
John Huttah ist ni Profeemr der C^Mjwmvai^ sm Mnifli-
•ken Collegiom. sa London ernennt wurden. '
Zam Ttettenntendaotea fn Mfirfchen , an dfe Stelle dm Gra-
fen v. Yrteh, Ist Pretberr v. F)rayt % bieberinr fif**teri*Mhfyu»,
früher Genedtrnieriebavptmtnn, ernanot forden.
Dm Sirerreienische Gonfenrttoritmi der'Matlt zn Wien naV.
den Grafen o. ^•stm^reland, enfKeenear Genffdfnt tu ticrffti,
inm Bhrennutftiede ernannt.
Heinrfch Marsehner bat eine neue Operi M RaJier Adoijrb von
Nassen " vollendet, Bneb von thribert natu St? solf niebstens 4
in Hannover anffenreart werden.
Halevy'* „Gvido ood G1oevrn (& ist fn WFeir, fW&zeirf aas-
geatittet, mit vielem Beifall über die Breter gefangen. Frfal.
Lutzer und Staudifl waren unter den Darstellern besonders ana-
Sezeiebnet.
ta dem wlsseasehaftlleben Vereine sar Berlin biett am 4. Ja*
near a\ar CmiSm des* köaigi. sUbimmob misr & IT* JM* •**
Vorleaonm watinereme osjnnmnmajmdmiaaYfsMt n»Cnmliebw
dm waUünbes Gesanges und der Ofejr gab^
Am 7. Januar wnrde in Berlin Mbkmrd Eigner 9 * Oner: „Der
fliegende Holländer« mit BetfaU gegeben. Comaaniat and Darstel-
ler w«rdaa g^rn/esu
fn Palermo. Ist P*eim dareh bTeafirebe Snisürfnlba fn dml
419
1&44; Februar. No/ 7;
11»
MeaUiebon Garte* Villa Ciatia ein sehr Schönes Beataal errich-
tet worden.
Bürgt chmiet in Nürnberg hal den Guts der für Bonn be-
stimmten Beethovenstatue begonnen. Der Kopf ist bereits gegos-
sen und vortrefflich gelungen.
Juber arbeitet an einer neuen Oper: „Die Sirene."
•er jetzt in lattberg auamjasjde Maeaartaapfeler Evers mit
▼ea dem Könige von DMecaeck, eis Asmrkeaeaeg für .eine de**
selben gewidmete grosse Sonnte in Es, eine Brastnadel mit Brit-
ta nlen geschenkt erbalten«
ta Jahre fS43 kamen in Paria 178 aeue Theaterstücke zur
Anführung, daruerer in dar greaeeo Oper 3, ia dar kemtseaen
Oper 7, im Halieaiseaea Theater 5.
A n kü n d Ig an g e n.
NEUE MUSTKAfiTEW,
welche so ehe»
im Verlag von llreltkanfpf Jb Hftrtel in Leipzig
erschienen und durch alle Buch- and Musikalienhandlungen za
beliehen aind : ThLr. Ngr.
Anbei», D« V» E.« Potpourri nach Themen der Oper:
Des Teufeia Anlheil, für das Piano forte. (No, 97 der
Sammlung von Potpourris.) — 90
Heimset, B, , Melodie et Rondo mifffaire tireo de
l'Oaeaut. Charles VI., paar 1« Piano. Op. 29 — 13
Duvaniair, Jf» JB~ Miutec d'italie. 6 Tableaux poar
le Piano. No. I. L'aequissc, Variations sur theme de
Bellini. No. 2. La Sepia. Rondo aur theme de Roesiai.
No. 5. L' Aquarell«, Variations aur theme de Bottiai.
No. 4. Le Paatel, Divertissement aar theme de Doai*.
aetti. No. IS. La Gouache, Variatioaa sur theme de
Rossiai. No. 6. La Miniature, Roado aar theme de
MercmUnte. Op. 128 v h — 10
Hmlevy, F., Karl Tl. (Charles VI.) Grosse Oper ia
Aaf Acten nach dem Fransesiteheu von Casimir und
Germain Delavigae, im vallstaad. Klevierauszag fran-
zösisch und deutsch 12 —
Potpourri nach Themen der Oper; Karl VI., für
das Pianoforte zu 4 Händen. (No. 28 d. Samml. t. Potp.) — 28
Hellen*, St». Gaprice brillante aar „nvec la doace ckan-
eoaette" de rOpern : Charles VI. ponr le Piano. Op.58. — 15
Herz, H^ 3 Divertissements aur des aira de Ballet de
Dom Sebnstieu de Donizetti pour le Piano. Op. 139.
No. 1-5 , a — 28
Htkllteii , Fr» , Leg Dclices des jeuaes Pianiates. 4
Roadeaui. No. 1. La Chasse, theme de Kreutzer. No. 2.
La Valse originale. No. 3. La Polonaise, theme de Ros-
sini. No. 4. La Marche, theme de Mercadante pour le
Piano. Op 130. Uv. 1.2 a — 20
— — Rose et Bleuet. 2 Aira varice. No. I. Air auisae.
No.2. Air allemaad ponr le Piano. Op. 131. No.l.2.k — 20
IiMftrpeantier, A., 36 et 57^ Bagatelle aur des
motife de Charles VI. pour le Piano a — 12£
Iisartelnsj, A», Der Wildschütz oder die Stimme der
Natur^ Komiachc Oper in drei Acten für das Pianoforte
allein ohne Worte 4 —
Schubert, P., Variations brillantes et non difficiles
aar le Chant national de Charles VI. p. le Piano. Op. 39. — 20
StsanaUstT« C, Souvenirs de Charles VL pour le Piano.
Op. 10 .T. - 20
Textbach zur Oper: Karl VI. von Casimir and Germain
Delavigne. Musik von F. Halevv n. — 13
Am 2. April a. c. erscheint ia meinem VerInge mit Eigentumsrecht i
Felix IflendelsfleliiM - Bartheldy
Sechs Lieder ohne Worte ftir das Pianoforte.
Op. Jß2.
Fünftes Heft.
Baaa , den 8. Februer 1844. Ä MmiMM*.
Bei Item» dt Hejfltamllta ia Prag aind erschleaeei
oad durch alle Bach - und Musikalienhaaaäaagea na beziehen :
JBranistaus - Walzer
95. Werk.
Für das Pianoforte 48 Kr. , zu 4 Händen 1 Fl. 18 Kr. , für
Orchester 2 Fl. 50 Kr.
Consemtoriiin der Hnsik
sü Leipzig.
Des Coueervatoriam bezweckt die höhere Ausbildung in der
Musik. D,er zu ertheileade Unterricht entrecht sieh theoretieck
oad praktisch aber alle Zweige der Musik, als Kaust und Wis-
senschaft betrachtet, und nmfasst namentlich : Harmonie- und Com-
positions - Lehre, Instrumentenspiel (Pianoforte, Violine, Orgel) und
Gesang (Solo- nnd Chorgesang^ auch wird durch Vorlesungen
über Geschickt« der Musik, Aestketik, musikaKsehe literetar o.s. w.
so wie für diejenigen, welche eich dem böhern Soda -Gesänge wid-
men, durch Unterricht in der italienischen Sprache, für umfas-
sende Ausbildung der Zöglinge gesorgt. Als besondere Bildungz-
mittel bietet sich ausserdem die unentgeltliche Theilnahmc an dem
in jedem Winterhalbjahre stattfindenden , auob hm Aaalande be-
rühmten , Abonnements - oder Gewandhaus - Cencertea und den
dazn gehörigen Proben, so wie an den Quartett-Unterhaltungen dar.
Das Honorar für den qesammten Unterricht betragt jährlich
80 Thalcr und ist vierteljährlich pränumerando nn die Casse der
Lehranstalt zn entrichten.
Za Ostern d. J. beginnt ein neuer Carsus s&mmtlieber Lehr-
fächer, zu welchem neue Schüler eintreten können. Es haben die-
selben sich baldigst bei dem unterzeichneten Directorium in fran-
kirten Briefen zu melden , und im Fall sie die znr Aufnahme er-
forderlichen Fähigkeiten and Vorkenntnisse besitzen , sich aar
rechten Zeit hier einzufinden, am nn der am 9. April «*. J. statt-
findenden Aufnahmt* Prüfung Theil zu nehmen. Zu dieser Prü-
fung heben die Angemeldeten geeignete, von ihnen bereits mög-
lichst gut eingeübte Musikstücke (Pianoforte - , Violin - , Orgel-
oder Gesangstücke) mitzubringen, um sie vor der Prüfung* -€asn-
mission auszuführen. Diejenigen , welche sieh bereits in eignem
Compoaitiooeu versucht haben, haben dieselben ebenfalls mitzu-
bringen, oder vorher einzusenden.
Anfragen sind in frankirten Briefen an das unterzeichnete Di-
rectorium zn richten, von welchem nnch der ausführliche Pro-
spectos aber die innere Einriehtang des Instituts na erbalten aal.
Aaf dem Wege des Buchhandels kaaa man diesen Prospectos dureb
die Buchhandlung des Herrn Joh. Ambr. Barth, und die Musika-
lienhandlungen der Herren Breitkopf u. Härtet und des Herrn
Friedrich Kistner, sämmtlich in Leipzig, erkalten.
Leipzig, im Februar 1844.
Das Directorium des Conservatoriums der Musik.
Druck and Verlag von Breükopf und Härtel in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
121
128
A L L G EME I N E
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 2i* ten Februar.
M 8.
1844.
Iltlmltt Seb. Bteh'i Choral - GesSoge und Cantaten. (Fortsetzung.) — Rezensionen. — Nachrichten:
Herbst »pero in Italien o. s. w. (Fertsetiung.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Ans Leipzig. Aas Frankfurt.
Seb. Bachs Choral- Gesänge und Cantaten.
(Fortsetzung.)
Eid grosser Theil der in der Aasgabe von Phil. Em.
Bach enthaltenen Cboralgesänge findet sieh in den mir
bekannt gewordenen Kirchencantaten von Joh. Seb. Bach
in gleicher, mindestens ähnlicher Weise, wie in den bei-
den durch den Druck bekannt gewordenen Passionsmusi-
ken nnd in den sechs von Marx herausgegebenen Can-
taten vor. Da sie sieh in der Behandlung wenig von den
nicht näher nachzuweisenden unterscheiden, so kann an-
genommen werden, dass auch diese ursprünglich der be-
kanntlich grossen Anzahl von Kirchencantaten Seb. Bach' 8
in gleicher Weise wie jene angehören, mithin die Phil.
Em. Back'sehe Cboralsammtung nie im eigentlichen Sinne
des Wortes ein Choralbach hat werden können, dass da-
her der an ein solches zu machende Maassstab bei ßeur-
ihc Hang der einzelnen Bearbeitungen nicht angelegt wer-
den darf, mitbin alle ans diesem Gesiehtspuncle gemach-
ten Forderungen an selbiges und daraus gefolgerten Be-
urteilungen als ungenügend and auf falscher Voraus-
setzung beruhend in sich zusammenfallen. Dagegen lässt
sich mit Bestimmtheit aussprechen : die ganze Sammlung
von Choralgesängen, wie sie uns in 370 Nummern vor-
liegt, bat Phil. Em. Bach aas seines Vaters Kirchencan-
taten zusammengetragen. Sie sind sämmtlich zur Ausfüh-
rung durch vier Singstimmen, theils mit unterstützender,
theils auch mit obligater, in der Sammlung beseitigter,
Orchesterbegleitong geschrieben und zu ganz bestimmten,
mit grosser Sorgfalt ms evangelischen Kirchenliedern ge-
wählten Textesstrophen mit grösster Berücksichtigung,
Belebung nnd Auseinandersetzung dieser Textesworte har-
monisirt nnd bearbeitet, wie eben die Gemeine, welche
in ihnen repräsefttirt wird, am Anfange, im Portgange
oder am Schlüsse der Cantaten zur Contemplation oder
zu lyrischem Ergüsse angeregt, an den bezüglichen Stel-
len gedacht werden kann. Es leuchtet demnach ein, dass
diese Gesänge ohne Verbindung mit dem ihnen ursprüng-
lich untergelegten Texte unverständlich bleiben müssen
und dass ihnen ohne diese der eigentliche Kern fehlt.
Ausserdem stehen sie mit den Cantaten, denen sie ent-
nommen sind, grösstentbeils in dem innigsten Zusammen-
hange. Sie bilden in ihnen recht eigentlich den Volks-»
ehor, wie er den Moment des gewonnenen Bewusstseins
in voller Subjektivität zur lyrischen Aussprache dessel-
46. Jahrgang.
ben benutzt und dadurch gewissermaassen selbst han-
delnd bei dem Gottesdienste erscheint. Als Beispiel mö-
gen die Choräle in der Passionsmusik dienen, unier wel-
chen vor allen in den Gesängen: ,, Erkenne mich mein
Hüter,** 9 , Ich bin's ich sollte büssen" und ,,Wenn ich
einmal soll scheiden, ** ungeachtet einer und derselben
Haoptmelodie, ein nicht allein auf höherer oder tieferer
Tonlage beruhender innerer Unterschied sich auch dem
nur halb aufmerksamen Zuhörer fast von selbst aufdrän-
gen muss. Zur Darstellung dieser Momente gewonnener
Selbständigkeit genügte unserem Meister die alte, auf all-
einiger, harmonischer Grundlage ruhende Form der Bear*
beitung nicht. Er bedurfte einer auch selbständigen freie-
ren Entfaltung der Stimmen, welche, ohne den engen
Rahmen des Cantns firmus auszudehnen oder zu über-
schreiten, den Moment im melodischen Ausdrucke zu be-
zeichnen im Stande waren, und so entstand die ganz ei-
gen thüm liehe Form, die wir an diesen Gesängen wahr-
nehmen und welche eigentlich als eine engere Durchfüh-
rung des Chorals betrachtet werden könnte, in genauer
Unterscheidung des einfachen, in gleichem Contrapuncte
gesetzten und des mit ganz freien Begleitungsstimmen
erweitert durchgeführten Chorals. Wir finden den Haupt-
gesang in der Oberstimme beibehalten, den lyrischen oder
den Ausdruck tieferer Betrachtung der Textesworte aber
melodisch meistentheils vorzugsweise dem Tenor zugo-
theilt, wiewohl der Bass und Alt nicht leer davon bleibt
Den charakteristischen Zusammenbang mit den Stellen,
in welchen sie sich in den Cantaten schliessen, finden
wir in der Wahl der Tonversetzungen und in der har-
monischen Behandlung. So steht in der Passionsmusik die
Bearbeitung des „Erkenne mich mein Hüter* • in hellem
Edur, „Ich will hier bei dir stehen * 4 in Es dar, „Be-
fiehl du deine Wege** in D dur, „0 Haupt voll Blut und
Wunden*' in Fdur, und endlich erst: „Wenn ich ein-
mal soll scheiden 4 * in un versetzter pbrygischer Tonart»
mit beibehaltenem pbrygisebem Schlosse, der hier schon
dadurch allein um so bedeutungsvoller wird und um so
mächtiger wirkt, da er den ersten Bearbeitungen fehlt,
welche alle im milden hellen Dur enden; wie schon die
kleine Abänderung des Cautus firmus in der zweiten
Zeile des zweiten Theiles durch die Wiederholung des
äolischen Grundlones und den dadurch herbeigeführten
Scbluss mit der kleinen Terz sich eigentümlich und
cbaracleristisch von jenen ersten Bearbeitungen unter*
8
123
1844. Februar. No. 8.
15*4
scheidet. Aebnliches findet sich bei : „Ich Mn's, ich sollte
biissen" und: „Wer hat dich so geschlagen," in wel-
ches Bearbeitungen je*« jn As, «lieee in E steht Wenn
die Wahl der Tonarten also keine zufällige, sondern zu-
nächst äusserlich schon durch den Zusammenhang mit
dem ganzen Werke bedingt ist, so zeigt sich auch für
sie eine innere Notwendigkeit, und abgesehen von die-
ser geht die Wahl der Harmonie, wie die ausdrucksvolle
Slinimctoführung nicht allein aus der besonderen Berück-
sichtigung des Textes hervor, Sondern weiset auch den
innigsten Zusammenbang mit den Tonstücken, denen sie
sich ansebliessen, nach, wie wir solches schon. aus die-
sen wenigen Beispielen und selbst aus den in gleicher
Tonart stehenden beiden Bearbeitungen derselben Cho-
ralmelodie zu: „Herzliebster Jesu, was hast du verbro-
chen ?" und „Wie wunderbarltch ist, doch diese Strafe 46
sehen können. In gleichem Verhältnisse stehen nun auch
die übrigen Gesänge zu den Cantaten, denen sie entnom-
men sind , und nur. mit ihrer Beziehung zu diesen kön-
nen sie recht genossen und gewürdigt werden. Mir liegt
ausser den beiden Passionsmusiken und den gedruckten
Motetten und Cantaten eine Sammlung von 134 Kirchen-
canlalcn von Job. Seb. Bach vor *), aus welchen ich die
Choräle mit denen in der gedruckten Sammlung vergli-
chen und deren ihnen ursprünglich angehörige Texte ich
nachzuweisen die Absicht habe. Da ausser den von A.
B. Marx herausgegebenen Cantaten keine weiter allge-
mein bekannt. geworden, diese auch nicht zu häufig ver-
breitet sind, so wenden wir uns. zunächst zu diesen, wo«
durch wir, nach gegebener Anschauung einiger von ih-
nen, ihren Werth im Allgemeinen, wie für die jetzig«
Zeit und zugleich . das Verbältniss einzelner Choralge«
sängt zu ihnen deutlicher erkennen werden.
^Fortsetzung folgt.)
R
ECEW8IOIHEN.
Uebervden Bau der Geige und anderer Saiteninstrumente.
Zum Gebrauche für Künrtlcr, DHettanten u»d Instre-
mentenmaeher. Mach einem in der Aoadeeiie des Seien-
ces in Paris von Stvart gehaltenen Vortrage in*s
Deutsche übertragen. Leipzig, bei Fr. Kistner. 1844.
Eine kleine, aber seht interessante und lehrreiche
Schrift, die bestens zu empfehlen ist.
Wenn die deutsche Intelligenz in abstractein For-
sehen und Wissen im Allgemeinen den Vorrang zu be-
haupten weiss vor Franzosen, Engländern und Italienern,
und eben die Wissenschaft der Wissenschaft, die Philo-
sophie, nur in deutschem Boden wurzelt, so ist dagegen
auch anzuerkennen, wie die Gelehrten jener andern Na-
tionen mit ihren Forschungen vom äusseren Leben, von
der praetiachen Anwendung sich weniger entfernen, als
t ■
*) Darob freundliche MitthoHurig der Herren Hans er, Dr. #**-
deU$oh**BarthoM& MD. Ringen ka gen aod anderer Freund«
Ut es mir gelingen, fyr die lUMiotnek des kgnigh aeedeal-
seben Instituts für Kirchenmusik einen Jahrgang von Bach's
Kirchen cantaten vollständig zusammenzustellen, und gegenwär-
tig bin leb* roefa in Her Sammlung des zweiten Jahrganges
. . «Qpoa bedeutend rorgaecb ritten. •
die Deutschen. "Was bei ihnen Philosophie heisst, werden
wir nicht immer so nennen wollen ; es bat oft eine reale
Grundlage un# realen Zlreck, um den sich die Philoso-
phie nicht zu kümmern braucht ; es biMet aber eine Ver-
mittlung »wischen abstrader - Wissenschaft und wissen-
schaftloser Empirie, zwischen Theorie und Praxis, wo
es nicht fehlen kann , dass diese letztere leicht zu bes-
serem und schnellerem Gedeihen gelangt, als da, wo sie
auf Versuche und Erfahrung allein angewiesen ist. .
In der vorliegenden Schrift theilt Herr Savart eine
Reihe acus lischer Beobachtungen mit, welche sich auf den
Bau der Violine und ihr verwandter SaiiemnatrumeftJata
ziehen , Untersuchungen über die acustischefc Functio-
nen der verschiedenen einzelnen Tbeile dieser Instru-
mente und ihre Wirkung zum Ganzen. Bei Instrumen-
ten* die einen Resonanzkörper haben» welcher jtu alle«
Töuen derselbe bleib», in welchem jeder Klang seinen
mitklingenden finden soll, kann von mathematisch ge-
nauer Bestimmung, von eigentlicher Berechnung der Ver-
hältnisse seiner Theile nicht wohl die Rede sein.; diese
kann nur bei einfachen Bedingungen Statt finden; hier
bandelt es sich mehr darum, den Klang im Allgemeinen
zu befördern, ihm nichts Hinderndes in den Weg zu le-
gen, einen Körper herzustellen, welcher far Resonanz in
den ungefähr bestimmten Grenzen eines Tonumfanges der
günstigste sei. Hierzu ist die qualitative und quantitative
Beschaffenheit jedes einzelnen Tbettcs, so wie der Luft-
inhalt des ganzen Körpers von Belang , ohne dass , der
combinirten Bedingungen wegen, eine mathematisch scharfe
Bestimmung dabei auszuüben wäre. Es ist aber deshalb
nicht weniger nützlich, die einfachen Bedingungen zu
kennen, unter welchen die Klangwirkung in ihrer gross-
ten Freiheil erfolgen kann, zu wissen, was die fordert
und was sie hindert; und darüber geben die hiermitge*
tbejlten theoretisch - praclischen Untersuchungen die beste
Aufklärung.
Der Bau der Violine, ihr Hauptkörper, der Hab, die
Schnecke, der Steg mit seinen Ausschnitten, die innere
eigentümliche Einrichtung mit Balken und Stimme, AI*
les seheint so eigen zufällig, dem Aeussern nach ans
dem Zeitgeschmack sich bersehreibend , das Innere, Bai*
ken und Stimme, leicht ersetzlieh durch irgend eine an-
dere Vorrichtung, die einfacher und symmetrisch sieh her*
steilen liesse; — und doch zeigten alle Versuche, w
der jetzigen, seit mehreren Jahrhunderten bestehenden
Beschaffenheit etwas abzuändern, dass eben diese, bis in*e
Kleinste, bis auf die Ausschnitte des Steges, welche man,
wie vieles Andere am Instrument, 4er Zeichnung natsh
für veraltete Verzierungen halten -könnte* die leicht im*
moderneren und geschmackvolleren fcu vertauschen sein
dürften, dass sie die einzige «ei, -mit weicher das- Instru-
ment in vorzüglieber Güte bestehen kann.
Wenn aber auch, wie es in gegenwärtige* Schrift
geschiebt, von der Notwendigkeit eines jeden Theils,
in mehr oder weniger bestimmter Gesielt und Lage, die
genügendste Erklärung. gegeben werden kann, nachdem,
durch unzählige abändernde Verbuche das Zweckmässige
der. bestehenden Einrichtung deutlich geworden ist: so
bleibt es doch nicht weniger bewundernswert!), wie man
eben Mos empirisch zu so * vollkommener und unverbe*»
? -
ASb
18M. Frimifcr. No. 8.
196
serliefaer Zusaamaneetnung hat gekrtinsn kdnedn, So dass
seit länger als hundert Jahren dem Verfertiger neuer In-
strumente niohu übrigbleibt, als die vorhandenen Muster
lu studiren , um sie so genau als möglich nachzubilden.
Während fast alle übrigen Tonwerkzeoge - nooh täglioh
neue Verbesserungen erhalten , das neuere Instrument
dem ehemaligen tn vielen Fällen kaum noch au verglei-
chen ist, dienen die Geigen der akaot Mefctentnoch beute
uusern geschicktesten Arbeitern cum j&lubttr, denen es
kaum in den Sinn kommt, etwas Besseres zu fertigen,
als wir es aus, den Zeiten der Amali, Slradivari, Guar-
neri und vor Allem .aus den Händen dieser beribmten
Gremoneser selbst noch besitzen j ihr Streben gebt- viel-
mehr nnr dahin, es diesen Alten in Fülle, Gleichheit und
leiohter Ansprache des- Klanges so nahe als möglich zu
bringen. Wie gut Dias in neuerer Zeit auch mehreren
französischen und einigen deutschen Geigenmachern ge-
lungen ist, aus deren Werkstätten in der That vortreff-
liche Instrumente hervorgehen, so wird den Solospieler
dennoch nur der Besitz einer ächten alten Violine ganz
zufrieden stellen kennen; denn ebesi das Alter seheint
hier aneh eine durch kein Mittel zu ersetzende Bedin-
gung vollendeter Gute zu sein.
Die Kunst des Instrumentmacher» besteht aber hier
nicht in der Fertigung neuer Instrumente allein ; die Re-
paratur, die Herstellung und Verbesserung älterer nach
neuem Bedürfnis*, oder wenn sie durch Verwahrlosung
oder ungeschickte Behandlung in Unordnung gerathen
sind, verlangt nkht weniger den talentvollen und erfah-
renen Arbeiter, und die geschicktesten unter ihnen er-
freuen sich eines eben so verbreiteten Rufes* als die Ven-
fertiger guter neuer Geigen. Es kann sein, dass solche,
durch eigenes Nachdenke*, durch Gefühl und ftraclik zu
ihrem Geschäft befähigte Männer in einer Schrift wie die
gegenwärtige wenig zu unmittelbarer Nutzanwendung
Dienendes zu. finden glauben werden. Viele der hier dar-
gelegten Untersuchungen und ihre bedeutenden Resultate
müssen aber auch für sie von Interesse sein, und eben
wo die Sicherheit des Handwerkes schon vorhanden ist,
kann eine theoretische Beleuchtung des Gegenstandes der
practisehen Ausübung recht förderlich werden, indem sie
viete vereinzelte Erfahrungen zur Kenntniss zusammen?»
zufassen und manchen Widerspruch zu erklären die Mit-
tel an die Hand giebt.'
Man hat hier auch nicht eine abstract theoretisch
entwickelte Abhandlung, an entarten, die eich an Unter»
suchungen der Geige, alt einem aus so mandiehfaltigen
Theilen .bestehenden Klangkörper, auch schwerer erge-
hen würde f die Untersuchungen sind aber mit wissen-
schaftliches • Kenntnis« unterneaunen und durchgeführt
und darum führen sie zu Aufschlüssen ,' die ohne tuest
Bedingung nicht erlangt werden können, wozu noch einb
eigene finnst des fixperimantiren& kommen muss, wie sie
rar dem geübten Physiker eigen ist.
.De» Ausdruck ist abwerten nicht gans deutlich; ob
dieser Menget *n solchen Stellen der Uebersetzung, oder
einet Unklarheit des Originals anzuschreiben ist, können
wir ans erstem* allein nicht beurtheilen.' Die allgemeine
Renntniis der fremden und . eigenen Sprache reicht bei
Uebestragtfngen nicht immer ans, sie erfordern
zugleich das rolle Verständnis* der S#drt tn hlton ihren
technischen Einzelheilen.
Compositum für Piano forte.
Rondo capriccioso pour le Pianoforle , compose et dedie
a son arai Fred. Ed. Wihing par Da». Herrn. En-
gel. Op.5. Berlin, chez Ed. Bote et Bock. Pr. 7* Thlr.
Der Verfasser dieser durchdachten und anspruchslo-
sen Arbeit, welcher zu Berlin als lhatiger, gewissenhaf-
ter und geschickter Musiklehrer lebt, giebt uns hier seine
erste Composilion für Forlepiano, welche er für Spieler
von mittlerer Fingerfertigkeit bestimmte, denen sie auch
besonders zu empfehlen ist. Sein Name wurde früher
schon durch seine Composilionen für Orgel rühmlich be-
kannt, und es ist bei seinem Streben nach möglichster
Vollkommenheit zu erwarten, dass er sich auf dem hier
betretenen Felde auch ebenfalls einen gleich guten Na-
men erwerben werde.
Vierstimmige Lieder.
Wie überhaupt beim Liede, so fordern wir vorzüg-
lich bei den vierstimmigen, bei aller Kunslgemässbeit, ein
einfaches, natürliches Gepräge. Ist diese Aufgabe, beson-
ders bei dem monotonen männerstimmigen Gesänge, keine
leichte, so ist das Talent um so mehr zu schätzen, wel-
ches jenes Erfordemiss zu erfüllen weiss, ja selbst das
Streben schätzenswerth , diese Aufgabe zu lösen. Der
Standpunct, von welchem aus wir die folgenden Lieder-
hefte beurtheilen wollen, soll uns aber nicht verleiten,
der Meinung zu huldigen, als hielten wir eine künstliche
Gestaltung für manche Lieder nicht für sachgemiss, da
ja auch in solchen Liedern , wie so viele Beispiele dar-
fbfrn, der lebendige Geist, bei natürlicher Entwickelung
de* Känstlichen. seine Herrschaft behalten wird.
Die Ltederhefte, die uns zur Beurtheilung vorliegen;
sind folgende:
1) Fr. Otto .-Letzte Lieder für 4 Männerstimmen. Leip-
zig, Friedlein und Hirsch. Preis 1 Thlr.
2) C. Keilers Sechs Gesänge für 4 Männerstimmen. Op.
49. Carlsrube, Creuzbauer und Nöldeke. Pr. 1 Thlr.
3) G. ßeUmg: Fünf Gesänge für 4 Männerstimmen.
Op. 3. Magdeburg, Heinriehshefen. Pr. 2 / 3 Tblr.
4) Ed. Marxttn .* Sechs Tafetlieder für 4stimmigen Man*
nerchor. Op. SO. Leipzig, Breitkopf und Härte!. .
Prob 1 Thlr. 5 Ngr; ■
5) C. Kossmaly: Sechs Lieder (Apollini. TalWgesänge flfr
. Männerstimmen. Heft XVHL). Op. 10. Leipzig, Fr:
Hofmeister. Preis 25 Ngr.
6) Fr. Laohneri Drei Lieder für 4 Männerstimmen. Op.
71. Rudolstadt, G> Malier. Preis 1 FI. 80 Kr.
7) J. Beer, Vier Linder fir 4 Mämferstimmen. Op. 0.
Ebendaselbst, Preis 1 Fi.
8) IV. Hasen Sechs 4stimmige Lieder schwäbischer Dich-
ter für Männerstimmen. Op. SO. Stuttgart, AUgem.
dlusikhandlung. Preis 1 TMr.
' No». 1 ist das Ventoächtniss eines Geschiedenen, der
sieh durch seine Gesänge viele Freunde erworben. M(h
127
1844. Februar. No. 8.
128
gen dieselbe* sieh an der leistet Gabe des talentvollen
Componisten, die an Werth den übrigen nicht nachste-
het, erfreuen, und somit empfehlen wir diese Sammlung.
Sie enthalt: „Der Plug der Liebe/ 4 „Wenn ich ein Vög-
lein wir*," ,. Jagdlied'* von E. Brinckmann, „Auf dem
Berge" von E. v. Houwald, „Der Todteogräber/' „To-
desbild" von Scheuzier.
Die Ansprüche, die wir in Bezug anf Einfachheit an
das Lied machten, erfüllen die Gesäuge No. 2 in zu wei-
tem Maasse. Hier ist Nichts, was auch nur im Entfern-
testen vom gewohnten Wege abführen könnte, keine
Wiese, kein frisches Grün, kein Blümchen zur Seile.
Nun, Mauche liehen die platte Chaussee, wir unserer SeiU
halten es mit dem frischen Grün. Das Heft enthält; 1)
„Der Abend," 2) „Das blaue Wunder," 3) „Frühliogs-
gesaug," 4) „Der Wanderer Trost," 5) „An Wina,"
o) „Das Mädchen am Fenster." Die Ausgabe ist schön.
Dass aber der Partitur kein Text hinzugefügt ist, kön-
nen wir nicht loben.
Frischer, interessanter erscheinen uns die Lieder von
No. 3. Der, nach der Onuszabl zu schliessen, junge Com«
ponist verräth ein tüchtiges Streben ; ihm wird die Brust
voller, wenn er singt, und so lässt sich manches Gnte
von ihm erwarten, wenn er das Unbedeutende, das Ge-
wöhnliche auszuscheiden noch erlernt. Stellen, wie z. R.
im dritten Liede:
haben wir oft gehört $ bei anderem Neuen möchten wir
eine bessere Abrundung wünschen. Dies Wenige hätten
wir im Allgemeinen über das Heft zu erwähnen. Es ent-
hält folgende Lieder» „ Morgengruss " von Eicbeodorff,
„Seelendrang," „Frühlingslied" von W. Müller, „Bei-
selied" von Elise Grube, „Abschied vom Wald" von
Vogl. Der Partitur ist Text beigedruckt.
Der Humor ist nicht Jedermann'* Sache ; doch möch-
ten wir Den nioht tadeln, welcher sich dieses Lebens-
elixir zu erringen sucht. In Sachen der Kunst ist das
freilich etwas Anderes; hier erhält Alles eine höhere Be-
deutung. Das Bestrehen, Heiterkeit zu schaffen, wekbes
qioh in den Liedern von No. 4 (meistens Trinklieder)
ausspricht, möchte wohl nicht die beabsichtigte Wirkung
hervorbringen. Wie dos Gesuchte immer die Wirkung
verfehlt, so scheint nns besonders der erfolgreiche Seherz
einer natürlichen Entfaltung zu hedirfen. Doeh, da es
mtsslich bleibt, ein Unheil über die Wirkung eines Kunst«
Werkes, namentlich eines humoristischen, abgeben zu wol-
len, bescheiden wir uns gern, wenn die offen ausgespro-
chene Ansicht über die vorliegenden Lieder nicht die rich-
tige sein sollte. Das schön gedrockte Heft enthält : „Va*
nites vanitatum vanitas" von Goethe, „Ein Unterschied"
von H. Hoffmann, „Punschlied" von Schiller, „Den Noah
mag ich leiden" von L. WihI, „Trinklied" von Hoffmann
X<w Fallersleben, „Trinklied anderer Art 1 ' von Griepenkerl.
Die Lieder in No. 5 gehören der nenesten Zeit an.
Dass sie theilweise unseren oben ausgesprochenen An-
sichten vom Liede nicht entsprechen, sagen wir unver»
bohlen. Die Bomanük, deren gute Früchte wir niemals
verkennen werden, scheint in der Musik länger aushal-
ten zu wollen, als in der Poesie, wo nachgerade die-
selbe als einseitig erkannt zu werden anfängt. Schüt-
telte sie mit heftigem Ungestüme den alten Schlendrian
aus seiner behagliehen Ruhe, so ist ihr die Welt zu
Danke verpflichtet; ob sie selbst den Keim des Todes in
sich trägt, oder das auflodernde Jugendfener mässigend
zn solider Existenz sieh bequemen wird, kann Niemand
im Voraus bestimmen. Wir unserer Seils hoffen, dass
sich etwas Gutes aus ihr entfahen werde. Jedenfalls aber
betrachten wir sie als Uebergangsperiode. Weniger noch,
als in Instrumentalsäftzen , können wir uns nach msern
Grundsätzen ihr im vierstimmigen Liede bequemen. Dass
die Vorliegenden Lieder viel Vortreffliches enthalten, wol-
len wir freudig anerkennen; als Beleg unserer Ansieht
verweisen wir vorzüglich auf das erste Lied, „Sonnen-
untergang" von Byron, besonders von Zeile 3 der Par-
titur an. Einfacher gehalten ist No. 2 „Wonniges Seh-
nen" von H. v. Chezy; weniger aber No. 3 „Ihr Bild-
niss" von H. Heine, und No. 4 „An den Abendslern."
No. 5. , »Wandrers Nachtlied" von Goethe, viel coropo-
nirt, edel gehalten, die Schlusstacte gesucht. Als gelun-
genstes halten wir No. 6 „Du bist die Ruh 9 " von Ra-
ckert, mit Ausnahme des Strophenschlusses, der uns nur
am Ende befriedigt. Wir empfehlen diese Lieder den Sän-
gerkreisen, die ihre Freude an Lösung schwieriger Anf«
gaben finden, gauz vorzüglich.
Die Sammlungen No. 6 und 7 sind ohne Partitur
erschienen, wir müssen uns daher mit deren Liederauf-
zählung begnügen. No. 6 enthält: 1) „Die Elemente der
Liebe' 4 von Seidl, 2) „Nachtstille" von Seidl, und 3)
„Der Frühling" von Koch. Man sollte die Lieder eines
so berühmten Componisten nicht ohne Partitur erschei-
nen lassen. No. 7 enthält: „In der Ferne" von Wolf,
„Pilgerlied" von demselben, „Bergmannslied" und „Des
iägers Heimath" von Hoffmann von Fallersleben.
Wir möchten den anspruchslosen Liedern von No. $
nicht gern wehe thun, und doch müssen wir gestehen,
dass uns hier Bekannte ans früherer Zeit zu begegnen
scheinen. Es geht uns hier, die wir uns in gegen wärt ige
Zeit hineingelebt haben, wie Dem, der, nach langer Zeit
aus der Fremde zurückkehrend, das nationale Gepräge
seiner frühem Heiniath plötzlich gewahrt. Wir hätten»
formeller Beziehung an den Liedern Nichts zto tadeln,
ein paar zn sehr in -die Augen fallende Quinten in den
Aussensfimmen ausgenommen. Altes ist so rein., no or-
dentlich abgeschlossen, ja schlicht, keine aufregende Mo«
dulalion, keine Tiefsinnigkeit, keine rhythmische Unebea«
heit v — alle benutzten Harmoniefolgen sind- seit langer
Zeit Gemeingut gewerden, die Texte tbeils längst be-
kannt; und mag dies in den Augen Mancher als Tadel
erscheinen, so glauben wir doch die Behauptung aufstel-
len zu können, dass diese schlichten Lieder in ihrer Na*
lörlichkeit gegen manche schwülstige Compositiea eine
grössere Wirkung hervorzubringen vermögen. Das Heft
eattält: „An den Gesang" von G. Schwab, „Seht«**
129
1644. Februar. Nö. 8;
450
merlied" von 6. SoUotterbeck , „Sängers Wanderlied"
von demselben, „Des Hirten Winterlied" von Unland,
„Abendfeier" von Mattbieson, und „Nahe der Geliebten"
von J. Hemer. 1.
Nachrichten*
Leipzig, den 20. Februar 1844. Secbszchntes Abon-
nement - Conefrt im Saale des Gewandhauses, Donners-
tag, den 8. Februar. Ouvertüre zur Zauberflöte von
Mozart — Srene und Arie aus Idomeneo von Mozart
(„Estinlo e Idomeneo 4 ')» gesungen von Madame Maria
Burehardt ans Berlin. — • Introduction und Variationen
für die Ctartnette von Kalliwoda (neu), vorgetragen von
Herrn Heinze jnn. (Mitglied des Orchesters). ~— Seene
and Arie aus Titus („Parto") von Mozart, gesungen
von Mad. Burehardt. — Adagio und Rondo für die Vio-
line von de Beriet, vorgetragen von Herrn Martin Be-
zetk ans Rotterdam. — Symphonie in GmoU von JuL
Rietz (zum ersten Mal, Manuscript). Unter Di rection des
Componisten.
Die gelungene Ausführung der Ouvertüre zur Zau-
berflöte, eines wahren Meister- und Musters tucks, eröff-
nete würdig das Concert, in welebem diesmal Mozart
mehr als gewöhnlich und zwar in Compositionen aee drei
seiner Opern vorgeführt wurde. Die Arie aus Idomeneo»
obwohl treulich als Compositum, eignet sich nicht zom
Vortrage in Coteerten, weil sie ganz dramatisch gedacht
und berechnet ist und nur in Verbindung mit der seeniJ
sehen Darstettuifg ihre volle Wirkung haben kann. Dias
war wohl auch Ursache« dass Mad. Burehardt damit
wenig Erfolg hatte, denn die Ausführung war sonst lo-
benswert, wenigstens künstlerisch nicht unbedeutender,
als der Vortrag der Arie aus Titus , welche allerdings
brillanter ist und der Sängerin hauptsächlich viel mehr
Gelegenheit giebt, durch leichter wirkende Mittel, durch
Entfaltung bedeutender technischer Gesangfertigkeit u.dgl.
das Publicum -zu interessieren und zu gewinnen. Wir ha-
ben unserem früheren ausführlichen Berichte über die
Leistungen der Mad. Burehardt nur hinzuzufügen, dass
die Ausführung der Arie aus Titus mit vielem Beifall
aufgenommen wurde. -
Herr Hemze jnn», ein schätzenswertes Mitglied un-
seres Orchesters, bat uns schon öfters Beweise seines
Talents und seiner tüchtigen Ausbildung gegeben, die zn
den besten > Hoffnungen berechtigen; er besitzt schöne
Mittet, um sieb als Virtuos seines Instrumenta auszt»-
zeichnen , und wenn nicht, was leider häufig geschieht,
der Virtuos in> seinen glücklichen Erfolgen das einzige
Streben und -Ziel eines Künstlers zu Iia4rn glaubt, so
dürfen wir in Herrn Heinzt einen aehtungsfc/erthen Künst-
ler um so mehr erwarten, als unsere so günstigen musi-
kalischen Verhältnisse jungen, ernst strebenden Talenten
reiche Gelegenheit zu vielseitiger künstlerischen Ausbil-
dung darbieten. Die Ausführung der recht dankbaren Com-
position von RalHwada war übrigens , zumal in einigen
Variationen, ausgezeichnet, und Herr Hemze erwarb sich
wiederholt den lebhaftesten Applaan*, .,
Herr M. Bezeth % Schüler unseres Concertmeistcrt
Herrn David und, wie wir hören, im hiesigen Conser-
vatorium aufgenommen, macht seiner Schule nicht wenig
Ehre; der Character seines Spiels ist sehr solid und ein
Beweis, dass die ganze künstlerische Ausbildung des jun-
gen, talentvollen Mannes in guter Richtung geleitet wird.
Auch in technischer Hinsicht war seine Leistung recht
lobenswerte, im Adagio jedoch vorzüglicher noch, als im
Rondo, wie denn überhaupt zu einer leichten, graziösen
Ausführung derartiger Virluosenstücke nicht folos bedeu-
tende Fertigkeit, die Herr Bezeth allerdings schon be-
sitzt, sondern auch viele Routine im Öffentlich Spielen
gehört, die man natürlich nur mit der Zeit erlangen kann.
Möge Herr Bezeth auf dem eingeschlagenen Wege mit
gleichem Fleisse und gleicher Sorgfalt seine weitere Aus-
bildung verfolgen, an schönem Erfolge kann und wird es
seinem Streben dann nie fehlen. Das Publicum ehrte die
Leistung des Herrn Bezeth durch lauten Beifall.
Das meiste Interesse in diesem Concerte war der
neuen Symphonie von Julius Wetz, Musikdirector iu Düs-
seldorf, zugewendet, deren Direction der 'geehrte Com-
ponist selbst übernommen hatte. Wir haben seit den letz-
tern Jahren schon mehrere bedeutende Werke, und un-
ter denselben einige Ouvertüren des Herrn Rietz in un-
seren Gewandbausconcerten wiederholt gehört, durch die
wir überzeugt worden sind, dass derselbe den tüchtig-
sten, gebildetsten Künstlern unserer Zeit ohne Widerrede
beigezählt werden muss. Was er giebt, bekundet stets
eine edle Richtung, einen feinen Geschmack, eine tiefe,
mit dem Besten und Schönsien der Kunst innig vertraute
lienntniss, eine sichere, gewandte Beherrschung des Stoffs
und der Form,. wie alles Dies vereint nur bei wirklich
bedeutenden, der Meisterschaft bald und unaufhaltsam ent-
gegenreifenden .Talenten gefunden wird. In seiner Art zn
erfinden und zu arbeiten, ja in dem ganzen Character sei-
ner Tondichtungen, schliesst sich Herr Rietz sehr Men-
defssohn an, ohne jedoch dadurch Eigentümlichkeit der
Gedanken, Originalität überhaupt aufzugeben. Auch diese
neue Symphonie giebt hiervon Zeugniss; sie bat neben
Manchem, was von. entschiedener Vorliebe für den Geist
und Sinn Mendeksohns zeugt, noch so vieles Eigen-
tümliche, so Redeutendes, was man nur selbst schaffen,
nicht Anderen nacberfiuden kann, dass sie vollkommen
. geeignet ist» die Achtung vor dem Talente und der Kennt-
nis* des Herrn Biet* zu erhöhen und die Hoffnung im-
mer fester zu begründen, welche wir oben schon ana-
sprachen und nach welcher wir Herra Rietz bald in der
ersten Reihe der ietzt lebenden deutscheu Componisten
erwarten dürfen. Wir geben, hier nur eine kurze Ueber-
siebt der Symphonie, da ein tieferes und ausführlicher^*
Eindringen in dieselben ohne Einsicht in die Partitur
nicht möglich ist und nicht erwartet werden kann. Der
ercte Satz (Allegro, %, GmoU) ist von sehr lebendigem-,
aufgeregtem, leidenschaftlich bewegtem Character; ihm
folgt ein Adagio (%, Es dur), sehr melodiös, mit vortrelfj-
lieber Stimmführung und Instrumenürung ; die Art dei
Ausarbeitung giebt ihm fast den Character eines Liedes
ohne Worte, denn überall treten die gesangreichen Mo-
tive so sehr hervor, dass sie das Interesse der Hörer
ungetheilt in Anspruch, nehmen ; eine Eigentbümlicbkeit*
151
JB44/ Febraafrt No. 8;
132
die, wenn sie geistreich und geschickt, wie hier, behan-
delt ist, jedenfalls ein wahrer Vorzug genannt werden
muss und dem Zwecke, welcher schon der Form wegen
mit einem Adagio gewöhnlich beabsichtigt wird, gewiss
am Meisten entspricht. Der dritte Satz ist ein sehr cha*
racteristisches und ausserordentlich fein gezeichnetes
Scherzo (Allegro, % , Gmoll), dessen melodiöses Motiv.
an das Hauptmotiv des Adagio erinnert und off Gelegen-
heit zu höchst interessanter üeberleituwg in das erste
Thema des Scherzo giebt. Der vierte Satz endlieh (AI-
legro appassionato, V 4 , Gmoll) ist kräftig und energisch
gehalten, sowohl in den Motiven selbst, als in der Ver*
'arbeitung ; in der Mitte des Satzes tritt eine sehr cha-
rakteristische Melodie ein, die gut wirkt, aber vielleicht
noch bedeutender wirken wurde, wenn sie etwas länger
festgehalten und ausgeführt wäre, nicht gar zu bald in
tlosen Figuren verloren einge; sie wird jedoch nooh na
einer schönen, breiten Ausarbeitung in den Blasinstru»
menten mit benutzt und bitft hauptsächlich hierdurch die
Wirkung des ganzen Satzes erhöhen. Gegen das Ende
hin verändert sich das Tempo in "%, der Cbaracler wird
Jross und erhaben und dadurch ein Scbluss herbeigeführt*
er nirgends ohne sehr bedeutenden Effect bleiben wird.
Wäre der letzte Satz im Ganzen etwas kürzer gefasst,
so möchten wir ihn fast für den gelungensten und wir-
kungsvollsten erklären. Die ganze Symphonie ist jeden*
falls ein Werk von wahrhaft künstlerischer Bedeutung;
unter der trefflichen Leitung des Componisten war die
Ausführung sehr vorzüglich und die Aufnahme von Sei*
teu des Publicums ausserordentlich glänzend; jeder ein-
zelne Theil erhielt den lebhaftesten Beifall, und dem g*
ehrten Componisten wird unser Publicum stets die vollste
Hochachtung bewahren.
Siebenzehntes Abonnement - Concert im Saale de*
Gewandhauses, Donnerstag, den 15. Februar. Symphonie
von fV* J. Mozart (Es dur). — Arie aus „I Mentecchl fc<
von Bellini > gesunken von Fräul. Bertha Macttsy atra
Prag (Schüleriu von Mad. Podhorsky, gebomer Cotnet).->>
Fantasie für Violoncell, componirt und vorgetragen von
Herrn MD. JuL Biets. — Scene und Arie aus ,,H Cro-
cialo" von Mey erbeer 9 gesungen von Fränl. Macttsy. —
Concert fiir Pianoforte, Violine und Violoncell von L. 0.
Beethoven , vorgetragen von den Herren Ferd. Hiller,
fr David und JuL Biet fr. — Chor von Jos. Haydn
,',Des Statibes eitle Sorgen" („Insanae et.vanae curae 4 *)
/Dmolh. — Fest - Ouvertüre von JnL Biet» (Adur).
]UMter Direclion des Componisten. '
Die Syinphonieen Jos. HaydiC* und Mozarts wer-
ben immer die unwandelbaren Grundsäulen der deutseben,
ia der ganzen Instrumentalmusik überhaupt bleiben ; sie
laben zuerst derselben einen gewaltigen Aufschwung ge-
geben und sie zugleich auf so hohen Gipfel erhoben, dass
4$ für alle Zeiten schwer sein wird, sie in solcher Höbe
z,u erbalten. Unter den Symphonien Mozarfs ist die
Es dur* Symphonie eine der* bedeutendsten in Gehalt und
Form», ja sie gehört intensiv zu den schönsten musikali-
schen Kunstwerken, die wir überhaupt besitzen; wiret<~
inoera hierbei nur an das kostbare Andante, das gewisff
ia seiner Art fast unvergleichlich dasteht; nicht weni-
ger vielleicht auch die Menuett, die so naiv und efearac-
i
teristisefc gehalten, dabei so nberau* fein und «ierlieh ge-
macht ist, wie es mir ein vollendetes Meisterstück ton
kann. Beide Sätze verloren bei der diesmaligen Autth»
rung jedoch ausserordentlich durch das völlige Vergrei-
fen der Tempi, die so langsam, so dem musikalischen
Geiste und der innern Technik der Composition unange-
messen genommen wurden, dass wir es ganz unbegreif-
lich finden, wie ein musikalischer Sinn,- zumal mit einem
Orchester an der Seite, das zu einer geistigen Auffassung
und Ausführung auf so ausgezeichnete Weise beraofge-
btldet worden ist, den IrrÜwm nicht sofort fühlen und
erkennen konnte. Im Uebrigen war die Ausführung der
Symphonie gut und erhielt Beifall.
Eine junge talentvolle Sängerin, Fräul. Macttsy y
sohien in diesem Concerte ihr erstes öffentliches Debfc
zu machen ; wenigstens ist sie gewiss nur sehr selten
noch öffentlich aufgetreten, denn ihre AengslliokkeU und
Befangenheit war, selbst mit Rücksicht auf ihre grqase
Jugend. — sie ist noch nicht 17 Jabr alt — so gross*
wie sie bei Sängerinnen mit auch nur einiger Routine
kaum verkommen- durfte. Wir können und darf« daher
auch ihren Leistungen mit strenger Kritik nicht begeg-
nen , oder müssen wenigstens bei derselben die Hinder-
nisse immer berücksichtigen , welche der jungen Künst-
lerin die freie Benutzung und Entfaltung ihrer JUiUel
nicht gestatteten. Dass diese Mittel schön und bedeutend
sind in jeder Hinsicht,, darüber kaun kein Zweifei sein*
Die Stimme ist umfangreich, zwar hiebt sehr stark und
kräftig — sie hat nooh nicht Fülle genng, die sie wohl
noch erhalten kann — aber wohlklingend, klar und rein,
biegsam und leicht ansprechend in allen Lagen, dabei 0*
velubil, dass die schwierigsten Coloratufea' ihr ohne
Mühe gelingen; es liegt in ihrem Tone zwar noch kein
ausgeprägter Cbaracter, was bei der grossen Jogend der
Sängerin sehr natürlich und begreiflich ist, aber der Ton
klingt warm und geht zum Herzen, wenn er auch viel-
leicht noch nicht ans dem Herzen kommt. Die Ausbil-
dung ist zwar durchaus noch nicht eine vollendete, aber
in ihren 'Grundlagen eine Sehr gute, and so weit sie vor-
geschritten ist, eine verständig and geschmackvoll gelei-
tete; wir wüssten an der Tonbildung, an der Respira-
tion, am Portamento, an der Coloratur fast Nichts zu rü-
gen, so weit dies nämlich die Art, nicht, den Grad der.
Bildung derselben betrifft. Nur die Aussprache iat ninbt
knmer ganz rein und klar, und namentlich in den tiefe-
ren Lagen der Stimme die Vocalisatien nicht gute offe»,
was jedoch vielleicht von einem zu starken Pressen and
Drücken' des Tones, um ihn scheinbar starker und vol-
ler zu machen, herrührt, einem sehr sobädlioben Hätfs«
mittel, vor, dessen Anwendung jnnge Sänger .and- Sänge«
rinnen nicht ernstlich genng gewarnt werden können,,
weil es nicht nur die freie Eni Wickelung Und Ausbildung
des Tones hindert , sondern dem Stimmorgane selbst ige*
radezu »achtteilig ist. Wir können nicht itagaen* da<*
wir an der Ausbildung des Fräul. Macasy, neben der
Rücksicht auf ihr schönes Talent, asch noch deshalb be«
»anderes Interesse nehmen, weil wir ihr* Lehrerin, Mad;
Pedkorsky in Prag, als tüchtige Künstlerin kennen, weil
wir dieselbe früher, als Don. Gamet, in denselben. Gon-
certen als Sängerin mit gwtfsee* Vergnügen gehor^baben.
L
155
1844: Februar. No. 8.
134
in welchen jettt ihre ScbÜteri» die Erinnerung an die
gefeierte Lehrerin wieder auffrischt. Es sind. viele Jahre
-seit jener Zeil verflossen, und doch nor Weniges ist in
der Kunst und den Leistungen der Künstler anders ge-
worden« Wenn wir nicht irren, erhielt Mad. Podhersky
ihren Unterricht von einer Schülerin des- alten Hitler,
ehemaligen Cantors an der hiesigen Thomasschule, einer
gewissen Podleska, welche später im Verein mit ihren
swei Schwestern ihrem Lehrer das Denkmal errichten
Hess , das hier unmittelbar neben unserer Thoroasschule
aufgestellt ist. Wenn man hiernach die Schule, aus wel-
cher Präul. Maeasy hervorgegangen, historisch verfol-
gen wollte , so würde man sie eigentlich eine Leipziger
Schule nennen müssen. Seit jener Zeit, in welche diese
Erinnerungen fallen, ist nun allerdings hier gar Manches
anders und um Vieles besser geworden, worüber wir uns
wahrhaft erfreuen können, was wir aber hier nicht wei-
ter berühren wollen. — Was die Ausführung der beiden
Arien durch Präul. Maeasy betrifft , so gelang die Arie
von Meyerbeer ungleich besser, als die von Beilini,
welche letztere übrigens zum Concertvortrage sich we-
nig eignet, da sie durchaus auf dramatischen Effect be-
rechnet ist; überdies intonirte Präul. Macasy in dieser
Arie nicht rein, wie sie denn überhaupt aus grosser Aengst-
lichkeit zu manchen Uebertreibungcn verführt zu wer-
den schien. Die Arie von Meyer beer sang sie dagegen
recht gut, besonders in den Kecilativen mit guter' Auf-
fassung, feiner Deelamation, überhaupt mit richtigem Sinn;
das letzte Allegro war nicht leicht und graziös genug in
der Coloratar, wa4 aber vielleicht mit durch das zu lang-
same Tempo herbeigeführt wurde, welches allerdings die
Ausführung erschweren musste. Das Publicum nahm Präul.
Macasy freundlich auf und lohnte besonders ihre zweite
Leistung mit vielem Applaus.
Dass ein so bedeutender Künstler wie Herr Julius
Biete, wenn er zugleich Virtuos ist, auch hier nur Aus-
gezeichnetes leisten werde, versteht sieb wohl von selbst.
Sein Ton ist voll, kräftig und elastisch, seine Fertigkeit
sehr ausgebildet, nnd wenn er auch nicht durch Ueber-
windung ausserordentlicher Schwierigkeiten , überhaupt
nicht durch reine Vjrtuoseneffecle blendet oder zu blen-
den sucht, so erfreut er um so mehr durch schönes,
geist- und gemülhvolles, acht künstlerisches Spiel, das
immer wohlthut und immer gern gehört wird» während
man anderes Virtuoseuwesen bald genug zum Ueberdruss
hat. Zur Entfaltung der schönen Eigentbümlichkeilen sei-
nes Spiels gab ihm besonders der gesangreiche Theil,
die Adagios&tze seiner recht interessanten , nur fa&t et-
was .zu laiigen Composition und das Tripel- Concert von
Beethoven^ welches von ihm und den Herren Hiller und
David sehr gut und mit grossem Beifall ausgeführt wurde,
Gelegenheit, und wir können nicht leugnen, dass wir
eintfü solchen- Künstler gar gern den unsrigen nennen
möchten. Wie sehr auch unser Publicum den Werth und
die Verdienste solcher Künstler erkennt, zeigte die grosse
Theilnabme, welche eg allen Leistungen des Herrn Biets
schenkte, und in diesem Coticerte besonders der laute Bei-
fall, mit welchem es die treffliche Ouvertüre desselben,
die unter seiner ausgezeichneten Leitung sehr Vorzüglich
ausgeführt wurde , aufnahm. -
Der Chor von im.Haydn, ein Meisterstück sotrder
Gleichen, machte, wie immer, grosse und tiefe Wir-
kung. Ä. f.
Leipzig, den 19. Pebroar. Seit einer langen'Reihe
von Jahren sind wir hier in Leipzig daran gewöhnt* dass
nicht leicht ein Künstler von einiger Bedeutung auf sei-
ner Rundreise durch die Länder, in denen er sich Lor-
beeren zu erwerben gedenkt, an unserer Stadt vorüber-
geht, öbne auch uns Proben seines Talents, seiner LeU
Stangen zu geben. Der längst bewährte rege Kunstsinn,
der sich hier namentlich in den letzten zehn Jahren nicht
nur über weitere Kreise verbreitet, sondern vorzüglich
auch seiner Richtung nach erhoben und veredelt hat, be-
fähigt und berechtigt unser Publicum, dazu, mit zu ge-
ttiessen und mit zu urtheilen. — So sah man hier auch
den Productionen der beiden Schwestern Milanollo mit
Ungeduld entgegen. Der von denselben uns bereits für
den December v. J. zugedachte Besuch wurde, wie be-
reits in diesen Blättern bei Gelegenheit der Besprechung
ihres Auftretens in Mailand richtig prophezeiht worden
war, durch den grossen Beifall, den die anmuthigen Schwe-
stern auf ihrer Reise von Italien nach dem nördlicheren
Deutschland überall gefunden hatten, und durch welchen
sie zu längerem Verweilen an diesem und jenem Orte
bewogen worden waren, verzögert, und in dessen Folge
trafen sie erst zu Anfang Februars hier ein.
Am 7. , 10, und 12; dieses Monats licssen sie sich
im hiesigen Theater hören. Warum dies nicht in dem
bekanntlich der Musik so günstigen Saale des Gewand-
hauses geschah , vermag Referent nicht zu. sagen > wohl
aber, dass es ihm und gewiss dem grösseren Theile des
Publica ms lieber gewesen wäre, wenn man den letzte-
ren gewählt hätte. Denn einmal kann es nicht fehlen,
dass der Bau unseres Theaters, überhaupt wohl eines je-
den, für das Solospiel niemals vorteilhaft, im Gegen-
teile bindernd und den Eindruck schwächend sein mus$.
Der Spieler steht da gewöhnlich — es war dies auch in
den beiden letzten der erwähnten Concerte der Fall —
isolirt von dem viel- liefer befindlichen, ihn begleitenden
Orchester Oben auf der Bübne, ein grosser Theil der
Tonfülle seines Instruments geht in den Coulissen und
Soffiten verloren, selbst die Gallerieen und) Logen verur-
sachen eine Brechung des Tones, welche dem Klange nur
nachteilig ist. Und dann die Vereinigung der Productio-
nen eines Virtuosen mit einer oder mehreren, wenn auch
kurzen, dramatischen Aufführungen, wie sie hier Statt
fand, muss nothwendig, wenn sie auch nicht gerade die
ers leren in den Genitiv stellt, doch das Interesse des
Hürers durch die ihm zugleich aufgedrungene Qualität
eines Zuschauers theilen; wenigstens gesteht Referent
offen, dass ihm in Theaterconcerten häufig die ftfr unge-
störten musikalischen Runstgenuss geeignete Stimmung
gefehlt hat, der er sich im Concertsaate so gern hidgiebt.
Dass dessen ungeachtet der Eindruck, den das Schwe-
sternpaar Milanollo bei dem zahlreich versammelten Pu-
blicum hervorbrachte, ein so tiefer und schöner war,
kann und muss daher unbedingt nur für die VörzügUcb-
keit ihrer Leistungen sprechen. Und in 4er*f hat handelt
155
1844. Februar. No. 8.
156
es sich hier nicht um da» Anstaunen tod sogenannten
Wanderkindern, — welchen, beiläufig gesagt, unser Leip-
zig niemals einen besonderen Geschmack abgewönne*
hat, — sondern um die Würdigung ausgezeichneter Ta-
lente, die bei der Jugend der damit Begabten nur um so
lebhaftere Bewunderung verdienen.
Das Spiel beider Schwestern zeugt vor Allem von
einer guten und soliden Vorbildung in Bezug auf die
Behandlung der Geige, eines Instruments, welches wir,
mit höchst seltener Ausnahme, nur in den Händen des
männlichen Geschlechts zu erblicken gewohnt sind. Dass
die Aeltere, Therese, in Ton, Fertigkeit, Sicherheit und
Vortrag ihre jüngere Schwester Marie bei Weitem über-
trifft, ist natürliche Folge der Altersverscbiedenbeit , ih-
rer jedenfalls längeren Uebung und ihrer gerade auf der-
jenigen Stufe des Alters , auf welcher sie steht , bereits
mehr entwickelten Selbständigkeit des .Gefühls. Zur
vermeintlichen Vermehrung der Merkwürdigkeit hat man
behauptet, Therese zähle erst 13 und Marie 11 Jahre;
wir schätzen sie vielmehr Jene 16 , Diese 14 Jahre, und
denken, dadurch weder ihrem Ruhme, noch ihren wah-
ren Verdienste zu nahe zu treten ; was an ihnen , an
ihrem Spiele nnd Vortrage gefallt und entzückt, das würde,
wenigstens uns, eben so gefallen und entzücken, wenn
Beide 10 Jahre älter wären. Mehrfach hatten wir schon
früher von der Characterverschiedenheit gebort und ge-
lesen, welche sich in den Productionen der Schwestern
erkennen lasse; man schilderte Theresen als die Reprä-
sentantin des Ernstes, des melancholischen Temperaments,
der elegischen Stimmung, Marien dagegen als Verküude-
rin des leichten Humors , des .Frohsinns. Dieser Unter-
schied ist uns keineswegs so auffallend, wenigstens nicht
als ein im Characler begründeter, erschienen. Die Ver-
schiedenheit ist unläugbar da, aber sie mag nach unserm
Dafürbalten eben mehr in der grössern und geringeru
musikalischen und künstlerischen Ausbildung, in dem ver-
schiedenen Alter und — zum grossen Theile — wohl
auch in der Wahl der Musikstücke ihren Grund haben,
Therese versteht ihrer Violine einen wunderbar vollen,
runden und schönen Ton zn entlocken, ihr Bogenstrich
ist breit und gross, ihr Vortrag edel und verständig, und
ihre wirklich erstaunenswerthe Sicherheit giebt ihr eine
Ruhe und Besonnenheit, die den Hörer, eben weil sie
ihn selbst ruhig geniessen lässt, einem tieferen Verständ-
nisse ihres ganzen Spieles zugänglich macht. Dazu die
Erscheinung der Virtuosin selbst, in der man eine schon
fast erblühte Jungfrau sieht, bei der wenigstens das Jung-
fräuliche vor dem Kindlichen die Oberband gewinnt, und
endlich der umstand, dass Tkerese sich besonders in
gross angelegten, mehr auf einen grossartigen und ge-
messenen Vortrag berechneten Compositionen producirt, —
alles Dies giebt ihr jenen Anstrich des lieferen Ernsles,
den man ihrem Character unterzulegen wohl zu geneigt
gewesen ist. — Bei Marien auf der anderen Seite fin-
den wir allerdings ebenfalls einen schönen Ton , anmu-
thige nnd graziöse Bogenführung , einen feinen und gu-
ten Vortrag, aber der geringere Grad, in welchem wir
Dies bei ihr entdecken, das rein Kindliche, welches ihr
Aeusseres. zeigt, und die Vorführung grösstentheils von
Werken einer, nicht technisch leichteren, aber ihrer
Tendenz qnd ihrem Chaneler stach leichter gehaltene*
Art, z. ß. concertirenden Polonaisen, den leisten Sätzen
von Concerten, neigt sie uns als ein fröhliches, naiv and
keck in die Welt blickendes Kind, dem es mehr darum
zu thun ist, seine Aufgabe geschickt tu lösen und sieh
den Dank des Publicum» zu erwerben , . als einen tiefe-
ren Eindruck zu erregen.
Dass dieses Schwesternpaar in der Tfaat eine höchst
interessante Erscheinung ist, die gewiss ihres Gleichen
nicht hat, ist nach dem Gesagten erklärlich, nnd gewiss
wird Jeder, der die Milanollo'* einmal hörte , noch oft
und mit Freuden sich des Kunstgenusses erinnern, den
ihm ihr Spiel bereitete. Allen ihren Leistungen wurde
der verdieute Beifall im vollsten Maasse zu Theil, und
namentlich war ein bei uns seltener vorkommendes mehr-
maliges Hervorrufen ein sprechendes Zeichen der Gunst,
in welche sich die jungen Künstlerinnen bei unserm Pu-
blicum zu setzen gewusst haben.
Was die Compositionen anlangt, welche in den er-
wähnten drei Concerlen zu Gehör gebracht wurden (rück-
sichtlich der ausfüllenden Gesangpiec,en genüge hier die
anerkennende Erwähnung der dadurch von einigen Mit-
gliedern unserer Oper den Concerlgeberinnen geleisteten
Unterstützung), so waren dies das erste und das drille
Concert von de ßeriot, das vierte Concert von Vieux-
temps , eine Polonaise und Variationen von May seder ^
Variationen von Artot und von Lafont, nnd ein Duo
von Dancia j sie gehören also sämmllich der neueren
Zeit an und huldigen mehr oder weniger dem Salonge-
schmacke. Wenn wir den Wunsch aussprechen, die
Schwestern möchten uns auch einmal das Werk eines
älteren Meisters, wie Rode, Spohr u. s. w. hören las-
sen, so soll darin nicht ein Tadel jener Auswahl liegen,
sondern dadurch die Ueberzeugung kund gegeben wer-
den , dass wir sie dem würdigen Vortrage auch classi-
scher Kunsterzeugnisse für gewachsen halten.
In wenigen Tagen werden die anmuthigen jugendli-
chen Künstlerinnen ein viertes Concert, und zwar, wie
wir hören, im hiesigen Gewandbause geben, und wir,
so wie alle Kunstfreunde, dadurch eine willkommene Ge-
legenheit erhallen, uns an ihrer seltenen Begabung wie-
derholt zu erfreuen. 22.
Frankfurt. Musik vom 22. Oclober bis 22. Januar
1844. Coursive Opern, die immer bereit liegen, ohne
weitere Vorbereitung bald hier bald da hineingeworfen
zu werden, Lücken auszufüllen, aus Verlegenheiten nu
reissen u, s. w. sipd Freischütz, Zampa, das Nachlla-
5er, Czaar und Zimmermann, Denizettf* Liebestrank,
oseph in Egypten, Norme, (Hello, Die Nachtwandlerin,
wohl auch Faust, Aschenbrödel und sogar Robert. Des
Teufels Antheil nnd die Regimentstochter machen immer
volle Häuser. Ob es aber Recht ist, dergleichen Opern
quasi im Neglige' vorzuführen, und gehen zu lassen, wie
sie eben gehen, wobei gewöhnlich der Chor nnd das Sce-
nenwesen die parties honteuses sind, ob eigentlich nicht
jede Aufführung eine wohlpräparirte Musterdarstellung
sein sollte, uud mit welchem Recht ältere Opern, die ihre
Schuldigkeit gclhan haben, von der Gewohnheit als Slief-
137
1844. Februar. No. 8.
IS8
kinder behandelt werden dürfen — das sind Fragen, die
man wohl an alle Theater richten kann. Dennoch gehen
mir gerade diese Opern Stoff tu folgenden Betrachtungen.
Fräul. Rmdersdorf gab in ihren italienischen Partieen
Gelegenheit, Das zu bestätigen, was der Kenner an ihr
schätzt and tadelt. Mit edler Persönlichkeit, vielseitig in-
telligenter Bildung, physischer Ausdauer und vortrefflichen
Mitteln ausgestattet, wäre Fräul. Rudersdorf berufen, eine
Zierde der italienischen Oper tu werden. Allein, mag es
ein verkehrter Geschmack, mag es Resultat einer ver-
nachlässigten Methode sein, — der Gesang des Fräul.
Rmdersdorf ist s« sehr auf Effect berechnet, um wirk-
lich schön genannt werden zu köonen. Dieses wurde nie
tiefer empfunden, als gerade jetzt, da sie, von wieder*
holten Indispositionen genesen, sich der ganzen Kraft
ihrer organischen Mittel bedienen kann. Indem diese San*
gerin auf der einen Seite den Beifall des grösseren Pu-
blicums geniesst, werden Renner nur bedauern, dass ein
ao schönes Talent, worin poetische Intentionen unver»
kennbar sind , solchen Weg eingeschlagen. ' Oder wer
möchte diesen ewig wilden Schlag des Pfcssagenwesens,
diese verwegene, geräuschvolle nnd dabei keineswegs ge-
regelle Art der Goloratnr, die endlosen, ohne Ursache
überall angebrachten, oft sehulwidrigeu Triller, die häufig
gegen das Gesetz der Harmonie geschmacklose Cadenzi-
rang, die Bildung unedler, fast eommuner Scbreitöne, die
frische Verbindung der Brust- mit den Mitteltönen —
was endlich Spiel anbelangt, ein Outriren, das nicht sei*
ten an Caricatur streift und in so grellem Widersprach
steht mit der zarten Bildung ieg Körpers und den reinen
Gesichtszügen — wer möchte dieses Alles entschuldigen?
Nur die Hochachtung vor so vielen hervorstechenden Gaben
und vor so manchem schönen Gelingen konnte mich ver-
anlassen , diesen Tadel um so mehr auszusprechen , da
Fräul. Rmdersdorf durch das unbedingte Lob ihrer Um-
gebungen, die nur keine musikalische Kritik haben, auf
Abwege gerathen ist, welche sie in der Nähe uuserer
Kratky, — ich rede hier von gründlicher Schulbildung
nnd musikalischem Geschmack -— leicht hätte vermeiden
kön*en. Da uns diese Sängerin verlassen wird, so möge
ihr dieser wohlgemeinte Fingerzeig nutzlich werden.
In Bezug auf FräuK l&pitein durfte es allerdings
St sein, wenn ihrer bisher überhäuften Beschäftigung
hranken gesetzt würden. Diese Sorge für die Gesund-
heit ihres Organs wird uns diese beliebte Sängerin nur
desto länger erhalten. Aber dass sie Partieen, wie Rös-
chen im Faust und Aschenbrödel, abgiebt, ist ein Verstoss
gegen das Gefahl des ganzen Publicums, wenn auch Fräul.
». Knoll in Besitz dieser Partie gekommen ist. Fräul.
v. Knoll ist ein artiges Talent und geniesst die allge-
meine Gunst — aber diese Gunst, der Anfängerin und
persönlichen Vorzügen gezollt, durfte sieh vis -ä- vis un-
yerhältnissmässigen Prätentionen doch verringern. Gerade
Das, was solche Partieen erfordern, und worin Fräul.
Capitain sich auszeichnet, ist eine höhere poetische Auf-
fassung, nnd die daraus resultirende Ruhe eines adeln
nnd immer sichern Vortrags. Was wäre die Kunst, wenn
der Wille Zeit und Schule überspringen könnte, wie der
kühne Reiter eine Barriere? Fräul. v. Knoll ist im Be-
sitz eines klangreichen , aber sehr dicken Organs, wes-
halb ihren Tönen noch die Verbindung unter einander
fehlt, das schöne Legato, ohne welches kein Adel des
Ausdrucks, den solche Partieen bedingen, möglich ist.
Aus demselben Grunde ist auch nicht zu billigen,
dass Fräul. Revtker die Alice übernommen bat. Sie hat
zwar ein Volumen in der Kehle, wie*! Wenige, kann
aber bis jetzt noch nicht in die Fusstapfen einer Collc-
gin treten, die zur Blüthe deutscher Sängerinnen ge-
zählt werden darf.
Neu einstudirt war Axor, hat aber nicht besonders
gezogen, obgleich sich Alles vereinigt hat, der Composi-
tum Ehre zu machen. Das Recept zu dieser Musik ist
verloren gegangen und mit ihm unser Geschmack daran.
Vielleicht auch sind unsere Kehlen in dem Grade, wie
unsere Obren, verwöhnt und aus dem Geleise jener an-
spruchslosen einfachen Gesangsweise gekommen, wie sie
zur Zeit Mozarts en vogve war. Jetzt läuft Alles auf
Virtuosität hinaus; sonst war die dramatische Composi-
tum auf gesunde Natur des Organs, Anmuth des Vortrags
und unmittelbaren Gefühlsausdruck basirt. Die Bildung
einer registerfreien Stimme und fesselfreier Uebergänge
gehörte zur Hauptsache. Es erfordert diese Weise aber
nicht minder ihr Studium. Nichts desto weniger war die
Aufführung eine lobenswertbe, wenn auch nicht in allen
Einzelnheiten. Die Oper wurde zweimal gegeben, und
wird hoffentlich nicht liegen bleiben ; das hiesse den Ge-
schmack nicht hinaufziehen. Des Herrn Conradi, der den
Axur zu seinem BeneBze gab, geschah in diesen Blät-
tern nur wenig Erwähnung. War es ein Fehler, so kann
ich ihn mit gutem Gewissen bei dieser Veranlassung wie-
der gut machen; denn er gab diese Partie mit Liebe und
Fleiss. Dieser Bassist besitzt eine durchaus schöne, starke,
sonore und biegsame Stimme, und dabei eine Persönlich-
keit, die sich keiner Partie, wo Männlichkeit dominiren
muss, zu schämen braucht. So sind deshalb der Caspar,
Sulpiz, Mephistopheles, Bertram, van Bett und ähnliche,
sehr gelungene Partieen. Im Ganzen möchten Herrn Con-
rad?* Repräsentationen durch grössere Energie in Spiel
und Vortrag, und durch deutlichere Aussprache gewin-
nen. Energie bedingt an und für sich Bewegung, wo-
durch denn anch das Schleppen und Nachzögein hinter
dem Orchester — eine leider über Hand nehmende Grippe
bei den Sängern — sich vermindern wird.
Ebenfalls renovirt waren: Der lustige Schuster von
Paisieüo, wo unser Komiker Hassel iu seinem Esse ist,
und der Calif von Bagdad, der für Pischeck*s Bariton doch
etwas zu hoch liegt. In Darstellungen verschmitzter Buf-
foniaden, wie Dulcamara, Andiol (Falschmünzer) u. s. w.
erfordern, ist unser fFtegandm seiner Stelle. Aber auch
der Wasserträger und selbst Jacob (in Joseph in Egyp-
ten) gehören zu seinen hervorstechenden Leistungen.
Seine metallvolle Stimme bat sich noch anf ihrem Höbe-
punet erbalten.
Ganz neu war das Osterfest zu Paderborn von Aloys
Schaut, wozu Dr. Cäsar Heigel das Libretto gedichtet.
Da ich mir vorbehalte, über dieses Werk einen detailiir-
ten Berieht zu geben , so genüge einstweilen die Nach-
richt, dass die Oper hier mit einem Pomp und einer Sorg-
fall in Scene gesetzt wurde, als wenn sie in's Deutsche
übersetzt direct aus Paris gekommen wäre. Sie wurde
Ne. 8.)
139
1844. Februar. No. 8.
140
zwei Mal bei gedrängt vollem Hause und gesteigertem
Beifall gegeben. Zum dritten Mal (als zum Benefiz für
den Componisten) waren wieder alle Logen genommen;
aus der Umgegend kamen Viele, sie zu hören, und diese
Vorstellung würde wobl für ihre Haltbarkeit auf unserer
Bühne enlscbeidend gewesen sein, wenn sie wirklich
Slatt gefunden hätte. Aber die Feindin aller Operndirec-
tionen, die Meuchelmörderin eroporblühender Cassen, aber
auch zugleich die Reserve- und Hilfsagenlin der Sänger,
das herumwandelnde Gespenst, das überall und nirgends
ist — mit einem Wort, die Dame Heiserkeit — über-
raschte unsern wackern Pischeck mit einem seltenen Be-
such und so musste die Oper noch am Mittage abgesagt
werden. Dass die Oper ihre Widersacher und ihre unbe-
dingten Panegyriker hat, dass sich Colerieen und Parteien
bilden, versteht sich von selbst. Guhr aber hätte das
grosse Capital so vieler artistischen Kräfte und das der
kostbaren Zeit wobl nicht an diese Oper gesetzt, wenn sie
nicht aus höchst achtbaren Elementen bestände. Sein Auf-
satz darüber in No. 7 des Frankfurter Conversationsblat~
tes verdient grosse Beachtung. Er sucht darzutbun, dass
sich ein Musikdirector auch auf den Standpunct eines un-
parteiischen Zuhörers setzen kann. Guhr, wie er selbst
sagt, nahm blos die Erfahrung des Directors zu Hilfe,
da eben sie ihm die Vorlheile verschafft, in den innern
Kern der Composition zu dringen. In seiner interessan-
ten Einleitung sagt er unter andern folgende memorable
Worte: „Jedes Land zeugt seine hohen Talente, Frank-
reich, das sich in glänzend romantisch und bizarr aben-
teuerlichen Bildern gefällt, Italien, das eigentliche
Land der Kehle, und unser Vaterland , der Boden, wor-
auf Gemütbstiefe und erhabene Schwärmerei am Schön-
sten blühen. Deshalb sei man nicht einseitig und engher-
zig, und pflege jede Bühne das Gute aller Länder so gut sie
kann. Hauptsächlich aber vergesse Deutschtands Bühne
ihre Söhne nicht, und ziehe nicht gewaltsam den auslän-
dischen Geschmack in unsere Begionen herüber. Schon
allzusehr trägt die deutsche Bühne die leichten Früchte
des Südens, obgleich sie mit jedem Jahre unschmackhaf-
ter werden. — Möchten deswegen die Träger und Be-
förderer vaterländischer musikalischer Bildung sich brü-
derlich die Hand reichen; an ihnen ist es, das Publicum
von dem kläglichen Druck der Ausländerei zu retten, von
welcher der Deutsche so schwer sich erlöst, obgleich ihn
schon oft ihr bitterer Fluch getroffen ! — Es verbinde
die deutschen Musikdirectoren nur ein fester Wille (ich
versiehe darunter nicht ein gewisses Monopol, um ihre
eigenen Werke unter einander aufzuführen), und bald
werden sie den ergiebigen Boden unserer Bühne vom
Schlamm gereinigt sehen, der ihn leider umzieht, seit
Martin Opit* das erste italienische Singspiel in deut-
sche Reime brachte. Hat der deutsche Componist Hoff-
nung, die Früchte seiner sauern Bestrebungen auch zu
gemessen, dann wird auch seine Phantasie zu einem hel-
lem Licht erwachen, Freude und Begeisterung werden
jeine Brust der Morgenrötbe einer Anerkennung öffnen,
und seine Melodieen nur anmulbiger, freier, leichter und
reicher Gemülh und Herz berühren. Aber der Druck,
unter welchem noch die meisten Talente Deutschlands
nach Emancipation schmachten, ist in der Thal niebt ge-
eignet, ihren Hang zur Elegie in eine heitere Lyrik zu
verwandeln."
Ich werde in der nächsten Zeit, die Partitur vor
Augen, die Oper — jedenfalls eine merkwürdige Erschei-
nung im Gebiete der deutschen dramatischen Literatur —
nach ihren wesentlichen Richtungen zu besprechen suchen.
Friedrichs Gesang -Schauspiel „Die neue Fanchon"
ist noch immer unser Steckenpferd und macht volle Häu-
ser. Vorzüglich ist Mad. Früha t/f (Chonchon), deren Ge-
sangstalent und Vortrag bei klangvoller Stimme schon in
einer musikalischen Zeitung Erwähnung verdient, weil
das Cultiviren des Gesangs bei Schauspielern bekanntlich
eine schwierige Sache ist. Ein Umstand, der Mad. Fräh-
auf unter Liedersängerinnen einen Ehrenplatz einräumen
dürfte, . ist der, dass schon wackere Componisten, nament-
lich Ferdinand .Hiller , Lieder für sie componirt haben.
Um nicht ungerecht zu scheinen, geschehe bei dieser Ge-
legenheit des Fräul. Albini Erwähnung, welche der nied-
lichste Rataplan ist, der jemals sein Lied zur Trommel
mit dem liebenswürdigsten Uebermuth vorgetragen hat.
Der Komiker Wallner, welcher mehrere Monate hier un-
unterbrochen gastirte, hat sich durch die Einführung des
Lieder- Drama's (er nennt es ein Lebensbild mit Gesang)
Treff- König, Musik von Proch nnd ßaldenecker, wie
durch die Neslroy'&cbe Posse: Die beiden Nachtwandler
neuen Credit erworben. Er gastirt gegenwärtig in Hamburg.
Ich schlies8e meinen Opernbericht mit der betrüben-
den Neuigkeit, dass uns Pischeck im Mai verlassen und
nach Stuttgart übersiedeln- wird. Er macht uns mit jeder
neuen Partie, die er singt , den bevorstehenden Verlust
nur empfindlicher.
Die bedeutendsten Concerte waren im Schauspiel-
hause : zuerst Alexander Dreyschock , der grosse Sen-
sation erregle. Er spielte zwei Mal in Theilung mit der
Theatercasse und gab ein Concert zum Besten der hie-
sigen Mozartstiflung, wofür ihm unser Liederkranz das
Ehrendiplom übersandte. Seine immense Virtuosität, die
For$e seiner linken Hand, sein Octavenspiel , seine Art
auf dem Ciavier zu singen, seine Compositionen , dabei
seine Reisen *), seine Jugend und gentile Persönlichkeit
bei Humor und anspruchlosem Wesen, haben ihm Inter-
esse bei allen Classen, namentlich beim schönen Ge-
schlecht, erworben. Ob er über Thalberg , Lüzt und
Chopin steht, oder dieser Clavierberoen Eigenschaften in
sich vereinigt (wie viele Journale ihm das Gompliment
machen), habe ich nicht untersucht, weil mir von je her
dergleichen Entdeckungsreisen fruchtlos schienen. Das ist
aber gewiss, dass Dreyschock bei gründlicher musikali-
scher Bildung und Geschmack eine Technik ausübt, die
von Keinem seiner Zeitgenossen übertroffen wird. Eine
fast durchgehend elegische Stimmung, die in seinen gros-
seren Compositionen herrscht, z. B. in seiner gediege-
nen Dm oll- Sonate, in dem gewaltigen Cmoll- Concert
und in der etwas rhapsodischsn Militärfantasie, so wie
das Aufthürmen von Schwierigkeiten (den Giganten der
Mythe gleich, die durch übereinander gewälzte Berge den
Himmel erobern wollten I) möchte ich vermieden, wenig-
•) Die Frankfurter Didafkalia No. 306 vom vorigen Jahr giebt
Umrisse seiner Biographie.
141
1844. Februar. No. 8.
142
stens vermindert wissen. Enthusiasmus aber erregte er
in den Städten der Umgegend, Mainz, Hanau, Darmstadt
and Offenbacbj deren Publicum ihn mit Föten, Kränzen
und Sonetten überschüttete.
(Besehlass folgt.)
Herbstopern in Italien u. s. w.
(Fortsetzung.)
Novara. Die Mancini-Rola, Tenor Tomasoni und
Bassist Lnisa Hessen sich oft ohne alle Ursache tüchtig
beklatschen in der himmlischen Gemma di Vergy del Ca-
valiere Dontzetti. Für diese Stadt waren es sogar mehr
als gute Sänger. In den darauf gegebenen Prigioni di
Edimbnrgo , der Maestro Federico Ricci, kam auch die
ganz unbekannte Virtuosa Virginia Dragoni binzn , wel-
che die Rolle der Ida so so machte; Opern und Sänger
gingen, wie man in Italien tu sagen pflögt, al cielo. Prosit!
Genua. Der Anfangs verunglückten Opera bnffa:
Chi piü guarda, metio rede, del Maestro Bauer , nebst
der ebenfalls verunglückten Sonnambula folgte die nene,
sehr magere Opera bnffa Osti non osti, del Maestro Pe-
reUi 9 in der blos einige Stücke besonders applaudirt wur-
den. Sänger waren : die Tirelli, Tenor Caggiati, Bassist
Corradi - Setti (beide mit mächtigen Stimmen) und Buffo
Scheggi. Der faroöse Don Pasquale, von dem Alles be-
zaubernden Maestro, in welchem die Griffini die Tirelli
ersetzte, erregte Enthusiasmus. Aber: sie transit gloria
mundi\ der Don Pasquale wurde gar bald wieder ver-
gessen durch Herrn Fed. Ricci'* Prigione di Edimbnrgo,
worin die Griffini die Giovanna, die Tirelli die Ida treff-
lich, Herr Scheggi den Tom nicht sehr trefflich, Tenor
Caggiati den Giorgio — kalt gab, wiewohl aber die Oper
ungemein gefiel. Herr Caggiati wählte auch zu seinem
nachberigen Benefiz Don Pasquale und andere Stücke.
Chiavari. Die .in Oberitalien dermalige Tagesoper,
Fioravanti's erbärmlich verstümmelter Pulcinella (hier Co-
lumella) dal ritorno degli studj di Padova, eröffnete hier
die Stagiona; die Bergognini, Buffo. Borelli und Bassist
Bighini anter den Sängern, der ursprüngliche Narrenchor
sammt dem Terzette der drei Bassisten in der Musik,
zogen am Meisten an. Douizetti's Regina di Golconda zog
hierauf mit einem ehrlichen Fiasco ab; Tenor Personi
machte jedoch darin mehr Figur, als im Columella. Etwas
glücklicher war Donizetti's Roberto d'Evreux, worin die
Pusteria die Sara machte. Im Barbiere di Siviglia war
die Bertuzzi - Ronconi die Prima Donna, unter den übri-
gen aber nicht die Beste.
Nizza, Die einige Zeit durch die französische Oper
hier verdrängte 'italienische Opel" hielt- ihren Einzug mit
der Cenerentola des so gräulich vergessenen Rossini. Die
Sanger: die Malugani, Tenor Cristofani, Buffo Picchi und
Bassist Smith thaten, was sie nur konnten, um sich der
Zuhörer Gunst zu erwerben. Meroadante's Elisa e Clau-
dio, dieser Opera buffa vom. alten guten Schlage, waren
die unbedeutenden Sänger weniger gewachsen.
Insel Sardinien.
Cagliari. Verdi's Nabucodonosor, worin die Lusig-
nani, die Duffö, Tenor Mugnai und die beiden Bassisten
Mazzotti und Fonti wirkten, fand hier die beste Auf-
nahme. Musik und Sänger gefielen hier um die Wette.
Bellini's Sonnambula machte als altmodische Musik Fiasco.
Mit der Opera buffa Columella (s. Vicenza), worin die
Tassini sang und Herr Michelini den un pässlichen Te-
nor ersetzte, ging es wieder besser; der Narrenchor und
das Terzett der drei Bassisten erregten sogar Fanatis-
mus; die Tassini und Buffo Rivarola waren die Begün-
stigten. Auch Donizetti's Roberto d'Evreux ging nicht
übel, allein das Finis coronat opus war Rivarola's Bene-
fiz: Rossini's Barbiere di Siviglia.
Sassari. Diese zweite Hauptstadt der Insel Sardinien
begann die Stagione mit Mercadante's Giuramento. Die
dieser Oper wenig gewachsenen Sänger : die Lanzi-Bruni,
die Altistin De Velo, Tenor Bozzolini und Bassist Loglio
erhielten aber eine ziemliche Portion Beifall. Weit mehr
ergötzte der wohlbekannte Columella, und Donizetti's
Figlia del Reggimenlo gab besonders der Prima Donna
Gelegenheit, sich hier vorzuthun. Aber der Barbiere di
Siviglia, worin Cipriani den Don Bartolo, Righi den Don
Basilio machte, steckte alles Vorhergegangene in den Sack.
Herzogtümer Modena und Parma.
Gvastalla. Dieselbe Gesellschaft und Oper wie in
Casalmaggiore (s. d.).
Finale. Hier labte man sich eine kurze Zeit an Bel-
lini's Beatrice di Tenda und Ricci's Chi dura vince, worin
die Zaguoli und die Bonetti, Tenor Bignami und Bassist
Battaglini die Zuhörer möglichst unterhielten.
■Modena. Donizetti's Don Pasquale bekräftigte hier
nur zum Tbeil seine Berühmtheit, den Tenor Gumirato
etwa abgerechnet, waren die übrigen Sänger: die Mon-
tucchielli, Buffo Napoleone Rossi und Bassist Nullt gar
nicht übel. Eine ähnliche halb gute Aufnahme fand des-
sen Figlia di Reggimento, worin sich die Prima Donna in
der nicht sehr leichten Titelrolle besondere Ehre erwarb,
auch Herr Gumirato etwas besser hervortrat.
Parma. Bei Gelegenheit des Namensfestes der Her-
zogin wurde den 12. December Ahends bei Hofe eine
grosse musicalische Academie gegeben, worin ausser den
Gesangslücken die braven Künstler Golinelli (Pianist),
Bottesini (Conlrabassist) auf ihren Instrumenten, Orche-
sterdireclor De Giovanni eine neue von ihm componirte
Fantasie fiir's ganze Orchester, Herr Marini auf der Flöte
und die Signora Cecilia Aini auf der Harfe sich mit Bei«
fall hören Hessen.
Einem Bologneser Blatte zufolge verlässl die Halle»
das Theater und beiratbet den hiesigen Maestro Pietro
Torriggiani 9 der voriges Jahr zu Bologna die Sibilla
componirt hat.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Die Revue musicale de Pari» bat im Jahre 1844 ein verschö-
nertes mit Illustrationen vertiertes Gewand angelegt and ver-
spricht ihren Abonnenten als Beilage zu No. 1 300 musikalische
FaeshniVs , so Ne. % eine« Diable roage > Album von 95 Wal-
143
1844. Februar. No. 8.
144
seru, i« Nn. 5 «ins Rammst ven Dem. Lia Duport % sn Ne. 4
die Portrait* der Herren Meyerbeer, Rossini, Halevv, Auber, Sporn»
tini, 0nslow 9 DonizetH y Mendelssohn und Berlioz. Ferser sollen
die Abonnenten am 1. and 15. jedes Monats ein Musikstück und
ausserdem 52 Zeichnungen von Gavrnmi erhalten. Bndliek wird
ihnen noch noch eine Reihe von Ceucerteu versprochen.
Das grosse englische Mnsikfest findet dies Jahr in Oxford Statt
nnd zwar im Juni. Die Leitung hat Sir Henry Bishop übernommen.
Birne mm Onor mu Jbjffci Tun ftssmmies glrl, int in Lon-
don mit vielem Beifall gegeben werden. — Letsteren fand uueh,
wie die englischen BoQonrnale versiebern, eine vom Priesen Al-
bert eomaenirte nnd in der Schlosscnpelle sa Windsor aufgeführte
Kirehenmnsik.
Der Pinnist Cäsar August Fronen in Paris hat vom König
der Belgier fdr drei Trlo's, die er ihm gewidmet, die grosse gol-
dene Medaille erhallen.
Ankündigungen.
B« ■>. MlatMer im Ldprif «nekeia« mit BigorthMM-
[Erste Sinfonie
für grosses Orchester in Gmoll
von
JTuUmm > JMeS*.
Op. 13.
Cancer*
flir Violonccll in Edur mit Orchester oder
Pianoforte
Julius miete.
Op. 16.
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der nngedentele Zweck sicherer, leichter nnd in weit kürzerer Zeit
erreicht wird, nls es nnch den bekannten Lehrmethoden möglich ist.
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Her Pianist
oder
die Kunst des Clavierspiels
in ihrem Gesammtumfange theoretisch - praktisch
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spielen und diese Kunst lehren oder lernen, jedoch
mit besonderer Rücksicht auf Dilettanten,
Ton
Cruatour Sei
Preis t Thlr.
hm Februar 1844.
A. Berate.
Bei Berns et» HaffsMasasn in Prag sind erschienen
and durch alle Bnch- und MunilmUesdmudlungen sn bestehen t
Ungarische Hammertünse
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Mo. i. Rozsafolgyi.
- 9. —
- £. Travnyk.
Kftrtancs. 56 Kr.
Körtancs. 36 Kr.
Rörtaucs. 36 Kr.
Da meine fortdauernde Kriuklichkeit mir nicht er-
laubt, meiner Sortiments • Handlung die ntithige Auf-
merksamkeit and Tbätigkeit za widmen, so beabsichtige
ich, solche zu verkaufen, und mich allein auf mein Ver-
lags 'Geschäft zu beschränken. Reelle Rlnfer wollen
sich mündlich oder schriftlich direct an mich wenden.
Berlin, den 15. Februar 1844.
CtaPl n*s*em»
Zu Terkmufeiio
Die Erben weiiaad Herrn Stndlenntnrs Bettieker an Gooiu-
gen beabsichtigen, dessen mnsiknliscben Nachlas* — bestehend in
einer grossen Sammlung meist noch nngedmekter Cempositloncn
für die Kirche, alsx Oratorien, gr. Passion« - Musiken , Psnlmc,
Cnntaten n. a. w. ron Bmeh f Händel, Grmun, Krebs, Henutius 9
Tcirmmw, Kellner, Gösset «. s. w. über 400 Nummern — im
Gänsen su verhuuJen. Bin nuslukriacbes Vemeichniss dieser Mn-
siken ist bei dem Unterseicbneten snr Einsicht niedergelegt und
sind bei demselben Abschriften davon su erlangen.
Wclajsj, Organist nn der Stndtkirche nn Göttingen.
Druck ud Verlag von Breükopf und Hürtel in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
145
146
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 28 ,,6a Februar.
M 9.
1844.
Inhaltt Bin Brief veo Joseph Haydn. — Recensionen. — Nachritten: Aas Leipzig.
Ankündigungen.
Am Frankfurt. (Betehlnsa.) — Feuilleton.
Ein Brief von Joseph Haydn.
Zum richtigen Verständniss des Dachfolgenden Brie-
fes von Joseph Haydn, — in dem sieh des unsterblichen
Meislers tiefe, innige Gemüthlichkeit so recht herzlich
aasdrückt und gleichsam in klaren Worten das ausspricht»
was jede Note seiner Werke uns in die Seele klingt, —
möchte es nothwendig und nicht ganz ohne Interesse sein,
die Veranlassung desselben kurz zu erzählen und ein
fluchtiges Bild von dem kleinen musikalischen Cirkel zu
geben , an den jene Zeilen gerichtet sind.
In dem Städtchen Bergen auf der Insel Rügen hat-
ten sich zu Anfang dieses Jahrhunderts einige begeisterte
Freunde der geistigsten aller Künste, der Musik , um so
inniger zu einem engen, aus gleichgesinnten Mitgliedern
bestehenden Kreise vereint, je unerbittlicher die Um-
stände ihnen den Genuss versagten, den einzelne be-
rühmte Kunstvirluosen oder grössere Kunstinstitnte den
Musikfreunden in grösseren Städten gewähren, und der in
solchen fast zum Bedürfniss jedes Gebildelen geworden
ist. — Wenn somit jenem kleinen Vereine, der sich we«
der mit dem Namen „Academie" brüstele, noch selbst
den bescheidenem eines „ Gesangvereins " in Anspruch
nahm, sondern der eben nichts weiter sein wollte, als
eine gern üth liehe Gesellschaft von Musikfreunden, die äus-
sere Anregung zur Kunst nnd ihrer Ausübung ganz abr
ging, so fanden doch seine Mitglieder die reichste Nah-
rung für ihre Liebe zur Musik' in ihrem eigenen Innern,
und Herz und Gemüth, nicht aber ein durch öfteres An-
hören grosser Kunstfertigkeit, oft Künstelei, verwöhntes
Ohr, oder ein durch die musikalischen Auswüchse der
Zeit blasirter Geschmack, legten den Maassstab an ihre
Kunstgennsse. — Welcher Componist also hätte bei ih-
nen wohl mehr Eingang finden, sie inniger beglücken
nnd erfreuen können, als Joseph Haydn mit seiner inni-
gen, einfachen und ruhigen Würde, seinem lieblichen
Ernst und dann wieder mit seinem gemüthlicben , spru-
delnden Humor, wer anders als dieser „Greis mit dem
Herzen eines Kindes und dem Kopf eines Mannes?"
Beethoven mit seinem kühnen, sich eine ganz eigene
Bahn brechenden Genius, mit seinen himmelanslürmen-
den Schöpfungen konnte ihnen zom Theil schon aus dem
40. Jahrgang.
Umstände nicht so zugänglich sein, weil ihnen kein ein-
ziges Orchesterinstrument zu Gebole stand; Mozarte
Opernmusik forderte dagegen wieder zu viel Gesangaus-
bildung; Gluck war zu jener Zeit Dilettanten wenig zu-
gänglich : so blieb Haydn ihr Alles, ihr Abgott. —
Es war an einem Winterabende, dass der kleine
Verein, der sich stets in der Wohnung des Assessors
Dr. Ä. versammelte, und dessen musikalische Leitung
der Cantor D. übernommen balle, mit besonderer Span-
nung dem „Beginnen der Musik'* entgegen harrte. Haydn 9 $
„Schöpfung" hatte in der Brust von vielen Tausenden neue
Saiten des entzückten Gefühls in mächtige Schwingun-
gen gesetzt, hatte die ganze musikalische Welt electri-
sirt, — heute sollte sie zum ersten Male auch diesem
engen Kreise vorgeführt werden. Wahre Begeisterung
missl nicht die eigenen schwachen Kräfte, sieht nur ein
schönes Ziel vor sich; wer hätte da an den Mangel der
Chorsänger, an das altmodische, doch damals allerdings
wohl weniger, als jetzt, anstössige Flötenfortepiano den-
ken und daran mäkeln sollen? — Was bedarf es der
Erzählung, wie jenes Werk, selbst nur durch so beschei-
dene Mittel vorgeführt, auf die Zuhörer uud Sänger wirkte !
Das ist wahre Musik, die rein durch ihren inuern Werth
eine überwältigende Macht ausübt, welche nimmer aus
der Seele weicht! —
Die Versammlung war in der wohlthuendslen Stim-
mung, als der begeisterte /f. sein volles Glas erhob und
dem Schöpfer dankte für die Wonne eines solchen Ge-
nusses; lauter, einstimmig zusagender Jubel aber er-
scholl, als er hinzufügte: „Wir sind nur Laien in der
Kunst, und unser Unheil würde in der Welt wohl wenig
gelten; aber das Herz haben wir doch auf der rechten
Stelle, und wer uns das so tief, zu so reinem Glücke
bewegt, wie Haydn es eben durch sein unsterbliches
Werk gethan, der ist unser Woblthäter, dem sind wir
Dank schuldig, und — er wird ihn nicht verschmähen.
Ja, meine Freunde ! wir wollen dieses überwallende Ge-
fühl des innigsten Dankes jenem grossen Manne ein-
fach und wahr schreiben, wie wir es empfinden]; ge-
wiss, es muss ihn freuen, so viele Menschen beglückt
zu haben, denn ein wahrhaft grosser ist auch immer zu-
gleich ein guter Mensch/ 1 —
Der Brief wurde sogleich aufgesetzt und von den
beiden Gründern des kleinen Vereins im Namen Aller
9
147
1844. Februar. No. 9.
148
unterzeichnet ; Niemand hoffte oder dachte auch ntir auf
Antwort; man war zufrieden, einer innern Stimme, die
Alle eu jenen Setireiben veranlasst balle» genur getban
zu haben; <— da erschien Hageln s 'Antwort, Zeilen, die
fortan als ein Heiligthum bewahrt wurden« In dem alten
Flötenfortepiano war der Aufbewahrungsplatz für diesen
merkwürdigen Brief, und da ist er mir denn als Kind
gezeigt worden, wenn mein lieber freundlicher Gönner
mit dem silberweissen Haar noch in seinem 70. Jahre
die Arie: „Mit Würd' und Hoheit angethan," schwach
und leise zitternd, aber mit demselben begeisterten Ge-
fühl sang, wie vielleicht an jenem ersten Abende, und
mein Vater ihn, wie damals begleitete, und Beiden in
Erinnerung an die Vergangenheit und ihre Begeisterung
die Thränen in die Augen traten. Der liebe Greis ruht
längst in der Erde, der Brief erbte auf meinen Vater,
an den er ja mit gerichtet war, und dieser schenkte ihn
mir, als ich ihm durch die That bewies, dass ich seine
Grundsätze 'in der Kunst auch zu den meinigen gemacht
habe. —
Möchte diese einfache aber wahre Angabe der Ur-
sache des hier folgenden Briefes, vor Allem aber der Brief
selbst manchem Verehrer für wahre, das Herz ergreifende
Musik die Ueberzeugung befestigen, dass Werke, welche
eine solche Wirkung auf das menschliche Gemülh machen,
und die aus so reinem, innerem Kunsttriebe herstammen,
niemals durch seichtes und fades Ohrengekitzel der heuti-
gen fremdländischen Musik verdrängt werden können.
Meine Herren!
Es war für mich eine wahrhaft angenehme Ueber-
rasebung aus einer Gegend ein so schmeichelhaftes
Schreiben zu erbalten, wohin ich nie wähnen konnte,
dass die Werke meines geringen Talentes dringen wür-
den. Wenn ich nun aber sehe, dass mein Name bei
Ihnen nicht nur bekannt, sondern meine Werke auch
mit Beifalle und Vergnügen ausgeführt werden, so ge-
hen dadurch die heissesten Wünsche meines Herzens
in Erfüllung: von einer jeden Nation, zu welcher
meine Arbeiten gelangen würden, als nicht ganz un-
würdiger Priester dieser heiligen Kunst beurtheilt zu
werden, Sie scheinen mich über diesen Punkt von
Seite Ihres Vaterlandes zu beruhigen, noch mehr, Sie
gehen mir die süsseste Ueberzeogung, die der ausgie-
bigste Trost in den Stunden meines bereits sinkenden
Allers ist, dass ich öfters die beneideuswertbe Quelle
bin, aus welcher Sie, und so manche für herzliche
Empfindung empfängliche Familie in häuslicher Stille —
ihr Vergnügen — ihre Zufriedenheit schöpfet. Wie be-
seligend ist nicht dieser Gedanke für mich ! — Oft,
wenn ich mit Hindernissen aller Art rang, die sich
meinen Arbeiten entgegen stammten, wenn oft die
Kräfte meines Geistes und Körpers sanken, und mir
es schwer ward, in der angetretenen Laufbahn auszu-
harren, — da flüsterte mir ein geheimes Gefühl zu:
„Es giebt hienieden so Wenige der frohen und zufrie-
denen Menschen, überall verfolgt sie Kummer und
Sorge, vielleicht wird deine Arbeit bisweilen eine Quelle,
aus welcher der Sorgenvolle oder der von Geschäften
lastende Mann auf einige Augenblicke seine Ruhe and
seine Erholung schöpfet/* Diess war dann ein mächti-
ger Beweggrund vorwärts zu streben, und diess ist
die Ursache, dass ich auch noch itzt mit seelenvoller
Heiterkeit auf die Arbeiten zurückblicke«, die ick eine
so lange Reibe von Jahren mit ununterbrochener An-
strengung und Mühe auf diese Kunst verwendet habe.
Uebrigens dank' ich Ihnen aus vollem Herzen für ihre
gütigen Gesinnungen, und bitte mir es zu vergeben,
wenn meine Antwort etwas spät erfolgt: Gebrechlich*
keil die unzertrennliche Gefährtin eines 70jährigen
Greises und unaufschiebbare Arbeiten raubten mir bis-
her dieses Vergnügen. Vielleicht gönnt mir die Natur
noch diese Freude, für Sie noch ein kleines Denkmal
zu verfertigen, aus welchem Sie die Empfindungen ei-
nes bereits allmäblig hinsterbenden Greises erkennen
mögen, der auch nach seinem Tode in einem so schö-
nen Zirkel noch gerne fortzuleben wünschte, von wel-
chem Sie ein so herrliches Gemälde entwarfen. Ich
habe die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu seyn
Wien, den 22. 7br. Gauz g eoorsaiIls ter Diener
Joseph Haydn.
1802.
Recehsionen.
Musik für Pianoforte mit Begleitung.
R. Schumann: Quintett für Pianoforte, zwei Violinen,
Viola und Violoncelle. Leipzig, Breitkopf und Härtel.
Op. 44. 3 Thlr.
Die bedeutende Reihe von Gompositionen dieses Künst-
lers, welche bereits der musikalischen Welt vorliegt, lie-
fert das Bild einer von vorn herein reich begabten Na-
tur, welche zuerst vor der eigenen Fülle und vor dem
Zwiespalte zwischen poetischen und rein musikalischen
Anforderungen nicht zur Ruhe gelangen konnte, ailmälig
aber sich immer mehr abklärt und dabei dennoch, wozu
wir Glück wünschen, seine Tiefe bewahrt. Unter seinen
nächsten Vorgängern wäre F. Schubert wohl als der zu
bezeichnen, für welchen er die meiste Sympathie dar*
legt. Von Meistern ersten Ranges sind es Beethoven und
Bach. Die norddeutsche Natur Schümanns bemächtigt sich
nämlich jenes tiefsinnigen Verscbliugens, Ueberbauens der
einzelnen, fest geführten Stimmen, welche Baeh*s grosses
Vermächtniss war, und vereint damit jene auf einzelnen
Intervallen träumerisch lauschende Beschaulichkeit, wie
jene durchaus humoristische Beweglichkeit des Gefühls,
für welche Beethoven die Geltung in der musikalischen
Literatur erobert hat. Diese humoristische Wellansicht
entspricht Schumann'* innerstem Wesen, wofür das Scherzo
dieses Quintetts mit seinen beiden sehr originellen Trio's
als Beispiel dienen kann. Mit Schubert bat Schumann die
Vorliebe und die Erfindungskraft für buntes, oft reizen-
des Figurenspiel gemein. Schon die Themata seiner In-
strumeutalstücke haben mehr von diesem figurirten, als
von dem cantablen Gbaracter, der in der Mozarf sehen
Schule heimisch ist. Das vorliegende Quintett hat ausser
149
1844. Februar. No. 9.
150
dem erwähnten Scherzo (dem dritten Satze) noch drei
andere Sätze, wovon das erste Ailegro und das Pinale
(Es) in einer nahen Verwandtschaft stehen. Das interes-
sante Thema des ersten Satzes wird nämlich im letzten,
oft mit einer an die besten Meister erinnernden Gewandt-
heit, benutzt, und wo nicht maassgebend, doch oft gleich-
sam scherzend in das übrige freie Tonspiel verwebt. Der
zweite Satz, Marsch mit bewegtem Alternativ, ist der
ruhigste, durchaus würdig und edel empfunden. Das
Ganze unterscheidet sich mächtig von den Werken einer
früheren Periode Scbumann's durch Sicherheit, Besonnen-
heit in der Verwendung aller Mittel, aber auch von vie-
len Erscheinungen der Gegenwart überhaupt durch Wärme
des Gefühls , durch poetische Fülle.
F. Mendelssohn- Bartholdy : Sonate für Pianoforte und
Violoncell. Op. 58. Leipzig, Kistner. 2 Tblr. 10 Ngr.
Der anerkannte Meister hat bereits früher die Zu-
sammenstellung von Ciavier und Violoncell zum Vortrage
einer Sonate mit grossem Erfolge benutzt; dieselbe ist
seinem Style in der That mehr, als manehe andere Zu-
sammenstellung angemessen, denn das der Cantabilitat
so ausgezeichnet günstige Violoncello wird für den lied-
mässigen Cbaracter, den fast alle Melodieen Mendelssohn's
an sich tragen, immer ein ungemein passendes Organ ab-
geben. Wer weiss es nicht, wie wirkungsvoll der Com-
ponist in seinen Orchesterstücken das Instrument, des-
sen Bedeutung für die moderne Musik Weber unmittel-
bar vor ihm hervorgehoben hat, zu verwenden weiss?
Bei Mendelssohn versteht sich Glätte, Eleganz in allem
Formellen von selbst; Zwang ist in seiner Schreibart
niemals wahrzunehmen; auch, wo die Erfindungskraft
weniger hervortritt, weiss er auf andere Weise das In-
teresse des Hörers zu beschäftigen. Er zeichnet sich oft
weniger durch melodischen Reichthum, als durch den
Reichthum von Verhältnissen aus, in welche er die ein-
zelnen in Bewegung gesetzten Stimmen zu einander zu
bringen weiss. Seine Melodieen sehen einander ähnlich,
denn sie quellen alle aus einer ruhigen Weltanschauung,
die zuweilen von einer mysteriösen Schwärmerei einen
leisen Anflug bekommt. Die Flulh der Leidenschaft aber
stört seltener jenen contemplativen Charaeter. Dies lässt
sich nun auf diese Sonate vollkommen anwenden, deren
Motive weniger entschiedenen Charaeter haben, von jener
liedmässigeu Ruhe sich nicht gern trennen. Der erste
Salz und das Scherzo sind nach unserer Ansicht am we-
nigsten frisch; das Finale bat uns am Besten gefallen.
Die Behandlung der Ciavierpartie zeigt, dass der Compo-
nist auf die Effecte, welche die neuere Zeit dem Instra-
mente abgelauscht hat und die sich ohne bedeutende Zu-
muthung an Virtuosität anwenden lassen , kein besonde-
res Gewicht legt. Er bleibt seinen Passagen und Figuren
sehr treu. Vortrefflich machen sich die gebrochenen Ac-
corde, welche die Introduction zum letzten Satze eröff-
nen; die Wahl der verdoppelten Intervalle verräth allein
schon den feinen Kenner des Instruments, wie wir denn,
wollten wir auf Detail eingeben, gar Vieles anführen könn-
ten, das ihn verräth; darauf 'einzugehen ist auch nicht
nöthig, da sich überall erfahrene Spieler gern mit diesem
Werke geschäftigen werden, und selbst Dilettanten in
der Solidität, welche ihnen in demselben entgegentritt,
unstreitig zu ihrer höheren musikalischen Fortbildung ein
weit bedeutenderes Mittel gewinnen, als ihnen der vir?
tuosenmässige Zuschnitt der meisten gegenwärtig erschei-
nenden Duo's gewähren kann.
Troisieme Trio concertant pour Piano, Violon etViolon-
celle par L. Spohr. Op. 124. Hambourg, Schubert
et Comp. Preis 2% Thlr.
Der Tonsetzer, welchen man jetzt den Nestor der
deutschen Tonkunst nennen kann, beschämt durch seine
rüstige Thätigkeit manches junge Talent, das sich in klei-
nen Aufgaben, einzelnen hingeworfenen Melodieen, mit
allenfalls einem kleinen iigurirten Mittelsalze, der die
Wiederholung der Melodie einleitet und dadurch die ganze
Arbeit bequem macht, zersplittert. Spohr fährt fort, grös-
sere Formen mit seiner gewohnten Sicherheit hinzustel-
len. An eine Aenderung seiner Schreibart ist dabei na-
I türlich nicht mehr zu denken, vielmehr wird er schon
, nach den ersten Tacten an diesem und jenem chromati-
, sehen Fortschritte leicht erkennbar. Seine Themata ver-
' läugnen ihre Stamm Verwandtschaft nicht, und dennoch
I muss man ihn um einen Vorzug, den er freilich schon
| so oft bewährt hat, stets von Neuem beneiden, nämlich
I um die Fähigkeit, das Ganze immer wie aus einem
Gusse geformt erscheinen zu lassen. Die Disposition, die
harmonischen Grundpfeiler jedes Musikstücks von ihm
sind mit jener mathematischen Sicherheil besorgt, welche
das ganze Stück immer leicht übersichtlich machen, und
erhallen trotz der fortwährend wechselnden Schatten, die
um seine Melodieen fliegen, jene Durchsichtigkeit und
Klarheit, woran der letzte consequente Nachfolger von
Mozart stets erkennbar sein wird. Gegenwärtig hat Spohr
das Pianoforte fleissiger, als in früherer Zeit, bedacht,
ja, er scheint das Instrument, das er früher nur beglei-
tend anwandte, lieber gewonnen zu haben. Dass man ihn
dennoch nicht allerwärts auf die Wünsche des Ciavier-
spielers Bedacht nehmend findet, dass Manches mit leich-
ter Aenderung weit claviermässiger gemacht werden könnte,
ist natürlich, denn jedes Instrument bat seine Launen,
die besonders studirt sein wollen. Wir müssen dies aber
erwähnen, Weil das Trio als „concertirend " bezeichnet
ist, und diese Bezeichnung besondere Ansprüche an die
Techniker begründet, welche Virtuosen sein müssen, wenn
sie dem geforderten Effect genügen sollen. Das Ganze
hat vier Sätze. Der erste leidet an der bei Spohr oft be-
merkten Aebnlichkeit und nahen Verwandtschaft der bei-
den zusammengewobenen Motive. Schön ist das Thema
zu den Variationen (Andante, Fdur), so zu sagen von
altem Schlage, breit und gediegen, die Variationen selbst
in bekanntem Style, übrigens sehr brillant. Scherzo in
Dmoll zeigt im Trio(Ddur) in den Ciavierstimmen ganz
violinmässige Passagen, die im raschen Tempo sich schwer
reinlich ausführen lassen werden; für die linke Hand,
die meist nur Verdoppelungen hat, ist Vereinfachung leicht
möglich und rathsam. Das Finale (Presto) hat rhythmi-
schen Reiz, viel Leben, doch wenig Melodie. Das Trio
ist, wie bereits bemerkt, schwer zu spielen, und zwar
151
1844. Februar. No. 9.
152
für alle Mitwirkende; der Geiger muss in Spohr's Spiel-
art genau eingeweiht sein.
Sonate für das Pianoforte von L. Spohr. Op. 125. Wien,
bei Mechetti. Preis 1 Thlr. 8 Ggr.
Das Wesentlichste, was auch diese Sonate angehl,
ist bereits oben bei Gelegenheit des Trio's erwähnt wor-
den, nämlich jene allgemeinen Sätze, die Spohr's neueste
Arbeiten immer wieder treffen. Acht Tacte bat man ge-
spielt, und die vorgehaltenen chromatischen Töne, die
harmonische Beweglichkeit, der dreitheilige Tact verra-
then den Componisten. Edel in der Form ist auch hier
jeder einzelne Satz, trefflich gerundet, klar übersichtlich
geordnet. Frische Gedanken vermissen wir, namentlich
gesangmässige ; dafür giebt es einzelne ganz überraschende
Wendungen der Harmonie, geschickte Melismen. Tonart
und Tactart der einzelnen Sätze aufzuzählen, ist unnö-
thig. Die Sonate ist Mendelssohn gewidmet, ein schönes
Zeichen künstlerischer Achtung. Mühe, claviermässig zu
schreiben , bat Spobr sich unstreitig hier vorzugsweise
gegeben ; und dennoch ist das Ganze schwerer, als Thal-
berg oder Chopin, zu spielen, denn bekanntlich rächt
sich bei Spohr jede kleine Unreinheit am Ganzen nur
allzuhart. Man kann leicht den Quartettstyl in dieser
Composition wiederfinden, und wird dann meinen, dass
Vieles, z. B. die sehr gefühlvolle Romanze in Amoll,
für das Streichquartett ausgeschrieben erst ihre wahre Wir-
kung machen werden.
Sonate für Pianoforte und Violine von N. W. Gade.
Op. 6. Leipzig, Breitkopf u. Härlel. 1 Thlr. 20 Ngr.
Ein heiteres, äusserst liebenswürdiges Musikstück I
Der Componist, bereits durch grössere Werke bestens
empfohlen, ist eine poetische Natur, erfüllt von einer
S «wissen schwärmerischen Anschauung, die bei Söhnen
es Nordens häufig angetroffen wird. Seine Verwandt-
schaft mit deutschen Tonmeistern war bei seiner ersten
Symphonie leicht erkenubar, und doch daneben etwas
Eigentümliches, das sich Luft sucht, und das der vor-
urteilsfreie Critiker durch eine gewisse Divination über-
all, wo es sich zeigt, leichter, als durch Grübelei, wel-
che ihm nur den Standpunct verrückt, herausfinden wird.
Auch die Schnelligkeit, womit er seine Productionen ein-
ander folgen lässt, verräth, dass er viel auf dem Her-
zen und der Welt anzuvertrauen habe. Die vorliegende
Sonate beginnt mit einem behende im %-Tact dabiuflat-
ternden Allegro, A dur, das uns besonders in der festge-
haltenen Ciavierfigur an Meudelssobn erinnert hat. von
gutem Effect ist das an der Stelle, wo man die Domi-
nante, Edur, erwartet, mit Emoll auftretende zweite
Thema, das sich aber natürlich von selbst nach Edur zu-
letzt hinleitet, und eben so im zweiten Theil die Paral-
lelstelle zwischen Amoll und Adur. Von kindlich einfa-
chem Gharacter ist das Andante, romanzenähnlicb (Fdur).
Es schliesst zwar selbständig ab , wird aber durch eine
rhapsodische Figur gleichsam recitativisch mit dem fol-
genden Stücke verbunden. Dieses Finale halten wir für
das Originellste vom Ganzen. Es tritt in A moil mit nicht
gewöhnlichem Thema auf. Amoll bleibt auch dieleilende
Tonart, die natürlich Gdor und Adur als Gegensätze for-
dert. Hier herrscht viel Freiheit, viel Phantasie. Zuletzt
nimmt Amoll noch einen Anlauf, sich zur Herrscherin
zu machen, bis Adur dennoch, obgleich durch plagalischen
Scbluss herbeigeführt, sein Recht behauptet. Das Musik-
stück hat Manches, das man sonderbar nennen könnte,
und das den Humor der Jugend verräth. Auf Gade darf
man gute Hoffnungen setzen; möge er für Gesang fleis-
sig zu schreiben nicht versäumen, damit er über der
Freude an Instrumentaleffecten nicht auf Abwege gerathe.
Nachrichten.
Leipzig, den 27. Februar 1844. Achtzehntes Abon-
nement -Gonoert im Saale des Gewandhauses, Donners-
tag, den 22. Februar. Ouvertüre zu Coriolan von L. v.
Beethoven. — Arie aus den Puritanern von BeUini> ge-
sungen von Fräulein Marie Sachs (,, Qui la voce sua
soave"). — „Ein Sommertag in Norwegen. u Fantasie
für Pianoforte mit Orchester, componirt und vorgetragen
von Herrn Rudolph IVillmers aus Copenhagen. — „La
tempesla," Chor mit Orchester von Joseph Haydn. —
„Sehnsucht am Meere. " — „Serenala eroica** für die
linke Hand allein. — „La Pompa di Festa." Heroische
Elude, sämmtlich für Pianoforte solo, componirt und vor-
getragen von Herrn R. IVillmers. — Symphonie (in
Amoll) von Felix Mendelssohn -Bartholdy.
Wegen Erkrankung des Friul. B. Macasy, welche
in diesem Concerte wiederholt auftreten sollte, war eine
Abänderung des ursprünglichen Repertoire nothwendig ge-
worden* daher kam wohl auch die allerdings ziemlich
unpassende Zusammenstellung der 2fe/tf*i'schen Arie mit
der ernsten, grossartigen Ouvertüre zu Coriolan von Beet-
hoven; früher war Kecitativ und Arie der Susanna (in
Fdur) dafür angesetzt, mithin eine würdigere Aufeinan-
derfolge beabsichtigt gewesen. Fräul. Sachs hatte bei sol-
chen Verhältnissen immerbin einen ziemlich schwierigen
Stand ; denn obwohl anderwärts das für Bellini schwär-
mende Publicum noch nicht eben vermindert zu sein
scheint, so bat doch bei uns die alte Zuneigung sehr
nachgelassen, und am Allerwenigsten findet man sich er-
baut, auf eine Composition wie die Coriolan -Ouvertüre,
eine BeUinfscht Arie hören zu müssen. Dessen ungeach-
tet erwarb sieh Fräul. Sachs durch ihre recht angenehme
und fertige Ausführung lebendige Anerkennung. Es ist
nicht zu leugnen, dass Fräul. Sachs in ihrer Ausbildung
sehr bedeutende Fortschritte macht j nur möchten wir ihr
rathen, sich nicht unverhältnissmässig schwere Aufgaben
zu stellen, bei welchen leicht die Solidität der Ausfüh-
rung und damit zugleioh die Ausbildung selbst leidet. —
Sehr grossen Beifall erhielt Herr Rudolph Will-
mersy der uubezweifelt den bedeutendsten Pianofortevir-
tuoseu unserer Zeit beigezählt werden muss. Sein An*
schlag ist vortrefflich, und der Ton dadurch so elastisch,
klar und bestimmt zugleich, dass auch in den schwierig-
sten und schnellsten Passagen mit ungewöhnlicher Deut-
lichkeit jede kleine Note unterschieden und gehört wird*
j Dabei ist die Fertigkeit des Herrn IVillmers in der That
153
1644. Februar. No. 9.
154
so gross, wie sie nur wenigen Virtuosen eigen sein dürfte;
die grössten Schwierigkeiten erscheinen unter seinen Hän-
den wie leichte Spielereien, und da Herr IVillmers nicht,
wie leider berühmte Virtuosen oft thun, auf dem Instru-
mente herum tobt und rast , nicht fortwährend den Däm-
pfer aufgehoben hält oder sich am Instrumente sichtlich
halb ohnmächtig arbeitet» sondern wirklich Ciavier spielt,
so macht auch sein Spiel einen angenehmen, erfreulichen
Eindruck und lässt sich geniessen. Nur mit den Compo-
sitionen des Herrn IVillmers können wir nicht einver-
standen sein; es ist kaum glaublich, was die ambulan-
ten Virtuosen, vor Allen aber die Claviervirluosen, dem
Publicum zumutben. Wir haben zwar in dieser Hinsicht
schon viele Erfahrungen machen und gar Manches als
musikalische Composition hinnehmen müssen, was kaum
Musik genannt werden konnte; zu beklagen bleibt es
aber doeb immer, wenn bei so trefflicher technischer Aus-
bildung, wie sie Herr IVillmers besitzt, die musikalische
Bildung so vernachlässigt erscheint. Dass ein Virtuos,
der sich ein Stück schreibt, um seine Virtuosität geltend
zu machen, Nachsicht verdient, wenn er hierbei die streng-
sten Kunstforderungen nicht immer im Auge behält, ver-
steht sich von selbst; allein ein Stück zu schreiben z. B.
wie die sogenannte heroische Etüde „La Pompa di Festa,"
welche Herr IVillmers zuletzt spielte, müsste eigentlich
einem Musiker geradezu unmöglich sein. Es kann wirk-
lich kaum etwas Geistloseres geben, und doch müssen
wir leider bekennen, dass gerade dieses Stück von un-
serem Publicum am Meisten und so sehr applaudirt
wurde, dass sich Herr IVillmers veranlasst fand, es wie-
derholt vorzutragen. Es ist eine eigene Sache mit dem
Beifall und der Theilnahme des Publicums ; wird ihm Et-
was geboten, das auf irgend eine Weise wirklich ganz
ausgezeichnet, gewissermaassen über die Critik hinaus
ist, so verliert es auch sofort jedes Urtheil ; es giebt sich
ungebunden und rücksichtslos dem Genüsse dessen hin,
was ihm eben vortrefflich geboten wird, und lässt alles
Andere unbeachtet bei Seite liegen. So war es auch hier
mit den Leistungen des Herrn IVillmers. Das Publicum
staunte über dessen Virtuosität und erfreute sich dersel-
ben, überhörte aber dabei gänzlich, was ihm dabei zu-
gleich als Musik geboten wurde. Nur ein Stück, die Se-
renata eroica für die linke Hand allein, war interessant,
besonders für seinen Zweck interessant und sehr ge-
schickt gemacht. Herr IVillmers wird noch ein eigenes
Coneert veranstalten, nach welchem wir Gelegenheit neh-
men werden, weiter über ihn zu berichten.
Die Ausführung der schönen und allerdings schwie-
rigen Symphonie von Mendelssohn- Bar tholdy war nicht so,
wie man es von einem Orchester, das noch vor kaum einem
Jahre gerade diese Symphonie so überaus vortrefflich spielte,
hätte erwarten dürfen. Die Tempi wichen im Ganzen zu
sehr von denen ab, an welche das Orchester unter Men-
delssohn'' s eigener Leitung gewöhnt worden war; dies
machte die ganze Ausführung unruhig, unsicher und feine
Nuan$irong geradezu unmöglich. Wir beklagen das um
so mehr, als Mendelssohn zufällig anwesend war und
dieser Ausführung seines Werkes beiwohnte.
Am Montag, den 26. Februar, gaben die Schwestern
Milanollo im Saale des Gewandhauses ihr Abschiedscon-
cert, das, obgleich ihr viertes Coneert seit ihrer Anwe-
senheit in Leipzig, sehr besucht war und den beiden jun-
gen Künstlerinnen wiederholt den grössten Beifall brachte.
Der sonore Gewandhaussaal vermag allerdings die Vor-
züge ihres Spieles mehr herauszustellen, als dies auf
der Bühne eines Theaters möglich ist, wo die Coulissen
dem Tone wie der Wirkung einer feineren Ausführung
sehr nachtheilig sind ; es lassen sich hier aber auch die
Schwächen leichter noch erkennen, und so hat sich denn
als Gesammturtheil immer fesler gestellt, dass von voll-
endeten Kunstleistungen bei beiden Schwestern, bei der
jüngeren natürlich viel weniger noch als bei der älteren,
zwar nicht die Rede sein könne, dass die Erscheinung
Beider aber, in Hinsicht ihres Talents sowohl, als ihrer
Ausbildung, eine höchst seltene, auch künstlerisch so in-
teressante und bedeutende sei, wie es wenige jemals ge-
geben haben dürfte. In diesem Concerte wurden nicht
weniger, als sieben verschiedene und sehr bedeutende
Solostücke von den beiden Schwestern vorgetragen ; wenn
man nun weiss, dass diese sieben Solostücke an demsel-
ben Tage Vormittags probirt, mithin an einem Tage bin-
nen wenigen Stunden vierzehn Solostücke von den bei-
den Kindern gespielt und mit aller nur möglichen An-
strengung und Aufregung gespielt werden mussten, so
kann man zu rechter Freude und zu ruhigem Genüsse
dabei nicht kommen. Man vermag sich eines innigen Be-
dauerns und Mitleids nicht zu erwehren, und kann die
Verantwortlichkeit nicht vergessen, welche Diejenigen auf
sich laden, denen allerdings zunächst das Wohl und Glück
ihrer Kinder am Herzen liegen sollte. R. f.
Frankfurt. (Beschluss.) Der Violinist Prüme spielte
ebenfalls zwei Mal im Schauspielbause, konnte aber jene»
romantische Interesse nicht wieder erringen, welches sein
erstes Erscheinen, wie aus den Wolken herab, einflösste.
Damals ein Jüngling mit schwärmerischen Augen und sei-
ner Melancholie — man wusste nicht wober er kam — ,
verschwand er meteorisch wie er auftauchte, wurde für
wahnsinnig, für todt gehalten, und erscheint nun plötz-
lich wieder wie durch den Wink einer Fee in dem Kreise
seiner früheren Bewunderer. Aber der Jüngling steht mit
einem Male an den Grenzen des männlichen Alters, der
Schnurrbart und etwas Embonpoint geben ihm einen bür-
gerlichen Pli, der etwas prosaisch die Bliilhen von der
Erinnerung abstreift — dazu sind seine Augen mehr auf
die Violine wie zum Himmel gerichtet — also ein Gei-
ger, wie schon viele da standen. Was Wunder, dass der
Nimbus des Idealen im Preise gesunken ist, und wir es
Mos mit dem Virtuosen zu tbun hatten, der recht schön»
rein und nett spielt, aber den Vergleich mit einem Be*
riot und Molique doch nicht ausbält. Selbst seine: „Me-
lancholie" (die, unter uns gesagt, eigentlich keine Melan-
cholie ist) war mit einem Male irdisch geworden, und
so kam es, dass Prüme kein drittes Coneert mehr gab,
und, wenn auch von Achtung begleitet, doch im Ganzen
ohne viel Aufhebens wieder verschwand. Ja , ja 1 Neu-
heit und Nimbus sind gewaltige Protectoren. Sie verfüh-
ren unser Gefühl und Urtheil, ohne dass wir es selbst
wissen. Paganini nur steht erhaben über beide. Er be-
durfte ihrer nicht. Paganini hätte auch ohne seine phan-
155
1844. Februar. No. 9.
156
tastische Persönlichkeit denselben Zauber aasgeübt. Die
Müanollo's? das ist eine Gewissensfrage. Ich, wie jeder
Andere, war hingerissen von dieser Erscheinung, unfä-
hig, das Secirmesser der Critik anzusetzen. Allein würde
das Spiel dieser Kinder, namentlich Theresens, — das
Enthusiasten ohne Weiteres neben oder gar über die er-
sten Meister stellten — würde es denselben Enthusias-
mus, dasselbe Urlheil ohne die Erscheinung, als Moses
Kunslerzeugniss genommen, hervorgerufen haben?
Auch Ernst Pauer aus Wieu unterstützte die Mo-
zartstiftung durch ein Concert im Saale des Weidenbu-
sches. Ich habe diesen jungen kaum achtzehnjährigen Pia-
nisten bereits früher angedeutet. Er ist nicht blos Clavier-
spieler, er ist zum Künstler geboren, wovon seine Com-
positionen Zeugniss ablegen, die fühlbar aus dem innern
Drängen des Genius entstanden sind. Obgleich er seinen
Pegasus tüchtig zu tummeln versteht auf der Rennbahn
der Tasten, so macht er doch keine englischen Reiler-
künste darauf, bekennt sich also nicht, wenigstens jetzt
noch nicht, zur Richtung unserer Techniker, die mit dem
Ungeheuern kosen. Es scheint vielmehr, er werde die
vergessene Methode eines Clements Field, Kiengel oder
Ries wieder hervorrufen. Jedenfalls dominirt der Drang,
zu schaffen, zu sehr in ihm, als dass er sich blos dem
Virtuosenthum hingeben sollte. Ein paar Tage, in Puuer's
und Streichens (seines Vetters) Gesellschaft zugebracht,
haben diese Meinung in mir erzeugt, und täuscht mich
nicht Alles, so wird Pauer einst ein sehr tüchtiger Com-
ponist werden. Er hat in seinem ganzen Wesen Aehnli-
ches mit Esser, obgleich dieser bereits selbständiger seine
Künstlerbahn betreten bat.
Der Soiree des Melophonisten Herrn Dessane konnte
ich nicht beiwohnen. Grösstenteils hielten mich die An-
E reisungen zurück, womit der Zettel angefüllt war. Ich
abe überhaupt kein Vertrauen zu diesen neuen Erfin-
dungen, die auf der einen Seite allerdings dem mensch-
lichen Geiste Ehre machen, aber auf der andern sich als
unpraclisch bewähren. Sie erzeugen nur momentanes In-
teresse, welches mit dem letzten Tone des Instruments
verstummt. Selbst Herrn Professor Kaufmanns acusli-
sches Orchester erregt Bewunderung, aber kein Schön-
heitsgefübl. Es ist eine complicirle Ironie auf das, was
es vorstellen soll.
Eine eigene Art von Concerten bilden hier verschie-
dene Regimentsmusikchöre in den Restaurationen. Sie füh-
ren Charivari's, Amaüen-Polka's, Melanges, Potpourri's,
Giganten - Galop's , Ermunlerungs - Walzer , Ouvertüren,
ja sogar Sympbonieen auf und zählen mitunter tüchtige
Mitglieder. Stimmung und Satz sind gewöhnlich gut go
hallen, und die Harmonie ist verständig gesetzt. Wer un-
ter dem nervenerschütternden Andrang dieser Töne in
einem Saale speisen mag, wird sich köstlich amüsiren.
Es werden gedruckte Zettel von diesen „Grossen Con-
certen" ausgegeben und angeklebt; folglich gehören sie
der Oeffentlichkeit an.
Am 28. November vorigen Jahres war die erste Soi-
r6e des Pianisten Eduard Rosenhain, im Geschmack der
früheren Rief stakt schtn Matinees, worin das Quartett
mit dem Lied abwechselte. In dieser Soirle wurde ein
Trio von Mendelssohn (Dmoll) und eines von Beetho-
ven (C dur) vorgetragen , worin sieh der junge Pianist
als seiner Aufgabe gewachsen auswies. Er spielt mit Ge-
schmack und richtigem Feuer. Er wurde von dem wa-
ckern Violinisten Herrn Eliason unterstützt. Da seitdem
aber keine zweite Soiree Statt fand, fürchten wir, dass
jene erste auch die eiuzige gewesen ist. Ein neues Bei-
spiel, dass unsere hervorragenden Museen, worin sich
alle Gattungen musikalischer Productionen , von der gi-
gantischen Symphonie an bis zur französischen Roman-
zelte herab» vereinigen, alle andern Concerte, heissen
sie wie sie wollen, überflüssig machen.
Ueber die sieben Museen vom 27. October bis zum
19. Januar d. J. ausführlichen Bericht zu geben, würde
zu weit führen. Es ist mir hauptsächlich darum zu thun,
den Leser des Auslandes auf einen Slandpunct der Beur-
theilung zu führen, in wie fern die Tendenz dieser Mu-
seen, und die darin herrschende Analogie zu loben oder
zu tadeln sei. Der Leser habe hier eine tabellarische
Uebersicht, welche ihm dieses Urtheil erleichtert.
Symphonieen: 1) Mendelssohns neueste ( A moll)
zum ersteu iYlale. 2) Siufonia appassionata von AI. Schmitt
(Fmoli) zum ersten Male. 3) Beethoven' s grosse (A dur).
4) Desselben (Cmoll). 5) Erinnerung au Jos, Haydn von
Schnyder von kVartensee. 6) Die Pastorale (diese bei-
den an einem Abend). 7) Die Eroica, und 8) die neueste
von Heinrich Esser, Festsympbonie (Es dur) zum ersten
Male (im Theater wiederholt).
Ouvertüren : 1) Sommernachtstraum. 2) Aus Zamori
von Vogler. 3)Meeresstille. 4) Fingalshöhle.
Concerte und Concert - Vorträge : 1) Clav.-Conc.
von Mozart (A dur), gespielt von K. Reiss, einem Schü-
ler Hom's. 2) Erstes Allegro aus dem Violin- Concert von
Beriot, gespielt von dem jungen Aloys Baldenecker. 3)
Fantasie für die Oboe, vorgetragen von Herrn Reuther
(grossherzogl. bad. Hofmusikus). 4) Concert heroique,
componirt und gespielt von Präme. 5) Ciavier - Concert
von Beethoven (C moll), gespielt von Ludw. Richter. 6)
Erster Satz aus HummeVs A moll -Concert, gespielt von
Fräul. Padjera. 7) Ciavier- Concert von AU Schmitt
(Dmoll), gespielt von des Componisten Sohn. 8) Concert
von Vieuxtemps, vorgetragen von dem jungen Max
IValdhäuser.
Arien : 1) Von Beethoven Scena ed Aria „Ah per-
fido" (Cdar), von Guhr instrumeutirt , vorgetragen von
Fräul. Reuther. 2) Sopran -Arie mit obligatem Fagott von
den Geschwistern Henriette und Gustav Däring.
Lieder zum Ciavier (alle von Guhr accompagnirt)
sangen Fräul. Capitain: von Preyer, Krebs, Gollmick
und Schober. Fräul. v. KnoU: „Das Hochland 4 ' von Ma-
scheck mit obligater Violinbegleitung, vorgetragen von
Gollmick Sohn, eines von einem Ungenannten, und das
„Ave Maria" von Kacken. Fräul. Reuther: das „Ave
Maria" von Cherubini. Herr Pischeki von fV. Speyer
„Der Einsame," „Die Stille" und „Die Tragödie," Lied
iu drei Abtheilungen von Kücken. Herr Conradi* „Der
Renegal" von Donisetti (nach Gollmick 's UeberseUung).
Duetten sangen ; Fräul. Capitain und Rratky, zwei
von Gabussi\ Fräul. Capitain und Herr Pischek „ Lie-
besfrühling 4 < von fV. Speyer (Gedicht von Rückeri) und
einen persischen Wechselgesang.
157
1844. Februar. No. 9.
158
Herr Bafson endlich sprach zu üPiJir^ Musik mit gan-
zem Orchester Schiller 9 * „Gang nach dem Eisenhammer."
So weil der musikalische Theil dieser Museen, nach
und zwischen poetischen Vorträgen der Damen Frühauf,
Hofman 9 Albini, und lehrreichen Abhandlungen des Herrn
Baison (aus Shakespeare und Calderon) ; Theodor Crei-
tzenach (die Meistersanger in der Zeit der deutschen Re-
formation) ; Carl Schneider (über die proven^alische Poe-
sie und die Troubadoars von Dr. Sattier), and von dem
Autor selbst gelesen.
Auch wem die Entstehung, die Schicksale und Käm-
pfe dieser Anstalt nicht bekannt sind, und wer ihre Sitzun-
gen mit unbefangener, oder mit der Miene des Criti-
kers besucht, wird eingestehen müssen, dass deutsche
Wissenschaft und Kunst an ihr eine treue Pflegerin ha-
ben ; dass sie aber eben jetzt in ihrem Zenith steht, kann
nur Der beurtheilen, der ihren Schritten gefolgt ist. Je-
denfalls ist sie der Boden, worauf die Symphonie empor-
blübt, wo das anspruchlose Verdienst aufgemuntert und
an das Licht befördert wird. Guhr hat darin mehr Tact
und Energie, als es sich mit seinem Theater- Orchester-
Di re ctorat verträgt. Darüber ein Weiteres in einer Cha-
racterislik des Frankfurter Orchesters, die ich unter der
Feder habe.
Ich kann diesen Artikel nicht schliessen, ohne die
Hoffnung auszusprechen, dass in den beiden obengenann-
ten jungen Virtuosen Aloyt Baldenecker und Max Wald-
häuser zwei tüchtige Geiger emporwachsen werden. Wo
wirkliches Talent, wie hier augenscheinlich, vorhanden,
bedarf es zur vollendeten Entwickelung wohl des Aus-
landes nicht, und in unserm deutschen Vaterlande, das
in allen Fächern der Kunst und Wissenschaft seine Mei-
ster erzeugte, wird wohl auch hier des gesunden Nah-
rungsstoffes zu finden sein. A. Baldenecker, fast noch
ein Kind, hat seinen eigenen Onkel zum Lehrmeister,
der selbst ein tüchtiger Geiger ist, wenn er auch nicht
selbst mehr auf dem Forum eines Virtuosenthums steht,
wie es unsere gesteigerten Zeitansprüche verlangen. Den
jungen tValdhäuzer, vielleicht in einem Alter von 15 Jah-
ren (dabei spielt er seine tüchtige Ciavier- Etüde, und
macht seinen Contrapunct durch), unterrichtet Guhr mit
grosser Liebe. Dieser Umstand allein mag für des Kna-
ben wirkliches Talent Garantie leisten. C. G.
Feuilleton.
Währeid des vergangenen" Jahres worden in Paris neue Opern
aufgeführt: in der Academie royale %, nämlich Halcvy's Carl VI.
und Donizettfs Don Sehastiao ; ausserdem noch die Peri, ein pan-
tomimisches Ballet mit Musik von Bvrgmüller; — in der komi-
schen Oper 7, nämlich .* Des Teufels Antbeil von Aubev, Die bei-
den Schäferinnen von B ou langer , Der Brennen der Liebe von
Balfe, Angelica und Medor von Thomas, Lambert Simnel von
Monpou, vollendet von Adam, Mint oder die Doppelwirthschaft
von Thomas, Der Sclave Csmoens*, von Flotow; — im italieni-
schen Theater 4: Don Pasquale von Donizetti, Taube flieg (Pigeon
vole) von Castilblaze, Maria di lUhaa von Donizetti, II Fantasma
von Persiani,
Die Academie der schönen Künste in Paris bat Halevy zum
Vieepräsideaten ernannt. Präsident ist der Baron Desnoyers.
Im ersten diesmaligen Coacerte des Pariser Conservatoriams
der Musik (den 14. Januar) kamen zur Aufführung: Mendelssohn 1 s
Symphonie in Amoll, Sanctus und Benedictus aus Haydn's Bdur-
Messe, Marsch und Chor ans den Ruinen von Athen von Beetho-
ven (musste wiederholt werden), Symphonie von Haydn in Adur.
Am 17. Januar fand in Hamburg eine öffentliche Prüfung der
Zöglinge des Jülich' sehen Blinden -Instituts Statt, die vorzüglich
anch in musikalischer Hinsicht interessant war. Die Zöglinge
führten verschiedene Gesang- und Instrumentalstücke sehr gelun-
gen aus ; den Preis im Pianofortespiel trug auch diesmal die be-
reits bekannte, auch in diesen Blättern erwähnte Pauline Bruns
davon, namentlich in Herz's Variationen über ein Thema aus Wil-
helm Teil.
Der junge Violinvirtuos und Compenist Carl Eckert aus Ber-
lin , welcher sich in Rom aufhält und daselbst an den alle Frei-
tage Statt findenden musikalischen Soireen des Herrn Landsberg
tbätigen Antbeil nimmt, bat eine Reihe von Coocerten im Saale
des Palastes Caffarelli eröffnet; Tbeilnahme und Beifall waren
gross.
In Danzig hat eine neue Peenoper in drei Aufzügen, „Maja
und Alpino, 4 * Buch von Ed. Gehe, Musik von dem dortigen Mu-
sikdirector und Organisten F. JP. Markuli > vielen Beifall gefan-
den; der Gomponist wurde nach den beiden ersten Aufführungen
des Werkes gerufen. — Uebrigens ist es dasselbe Buch, welches
der verstorbene Bürgermeister zu Teplitz, Wolfram, sehen frü-
her eomponirt hatte.
Drey schock hat den Ertrag eines* in Darmstadt gegebenen
Concertes, 228 Fl. 53 Kr., den aus Griechenland in Armuth zu-
rückgekehrten Deutsehen gewidmet.
Ankündigungen.
Unterricht in der musikalischen Compositum
Nicht %wei Schüler, geschweige denn mehrere, fand ich bis
jetzt, die mit ganz gleichem Talent und Begriffsvermögen begabt
gewesen wären. Deshalb habe ich wahrend dem dreijährigen Be-
stehen meines Instituts jeden einzeln unterrichtet. Diese Erfah-
rung bestimmt mich, es anch in der Folge so fortzuführen. Die
Resultate, die ich durch solchen Einzelunterricht und meine nicht
ans Lehrbi ehern geschöpfte, sondern ans dem Bildungsgang der
grössten Meister abstrahirte Unterrichtsmethode nun bereits erran-
gen , setzen mich in den Stand , jedem Schüler , der mit Talent,
Lern- und beharrlicher Arbeitslust zu mir kommt, in zweijähri-
gem Cursns alles theoretische Wissen und alles technische uud
ästhetische Bilden so vollständig mtfzutheilen , als nöthig ist, um
sich seibat weiter fortbilden zu können. Denn zum Meister einer
I Kunst macht jeder nur sich selbst. Die Beweise, dass ich nicht
i zu viel verspreche, liegen in Arbeiten meiner Schäler vor, welche
i > cu G f £ cn portofreie Znrücksendung auf Verlangen vorzulegen gern
erbätig bin. Zugleich bemerke ich, dass die sich anmeldenden
Schüler Wohnung, Kost u. s. w. gegen billige Bedingungen bei
mir finden können und mögen die Angehörigen der sorgfälligsten
Ueberwachung meiner Schützlinge sich versichert halten. Anmel-
dungen erbitte ich mir bald, da ich vor der Hand nur wenige
Sehüler noeh annehmen kann , und meine häuslichen Anordnun-
gen darnach treffen musa. Schliesslich erlaube ich mir auf einen
Theil meiner Compositionslehre aufmerksam zn machen, der die
thematische Arbeit nebst Formenlehre behandelt und zu Ostern
oder kurz nachher bei B. F. Voigt in Weimar erscheinen wird.
Weimar, im Februar 1844.
JT. C Iit>fee.
159
1844. Februar. No. 9.
160
recht:
Ab 7. Man erscheint in unserem Verlegt mit Eigenthoms-
j§. TliaHier»
Wantairte pour le JPumo
§cmiramldc.
Op. 51. Preis 1 Thlr. 10 Ngr.
Fctbct am 10. Mint
& Tftalberg
Fantatole pour le Piano
sur
MMcrexia Borgia.
Op. 50. Preis 1 Thlr.
Etwes später werden mit Eigenthumsrecht erscheinen:
Kd# 'Wolfft Bolero pour le Piano sur Mina. 0p. 93.
— — - Fantaisie pour le Piano k quatre mains sur Dom
Sebaslien. 0p. 98.
Grand Caprice pour le Piano sur Dom Sebastien.
0p. 99.
Zu kirchlichen Feierlichkeiten eignet sieh ganz vorzüglich die
so eben erschienene:
JTabel - Cantate
für vierstimmigen Chor mit Begleitung; des Orchesters
snr 100jährigen Kirchen feier und zum Gebranch bei jeder öffent-
lichen Sonn- und Festtags -Feier, componirt von Ernst Köhler.
Op. 66. li Rthlr.
Diese nach ihrer Aufführung als ganz vorzüglich gelungene
Composition anerkannte Cantate empfehlen wir den Herren Can-
toren zur baldigen geneigten Anschaffung. Zu ähnlichen Zwecken
sehr geeignet ist die ruhmliehst bekannte
Fest -Cantate: „Gott ist der Herr!"
Für 4 8ingstimmen uud Orchester. Componirt für die Feier der
Einweihung der Kirche zu Erdmannsdorf von T. J. Pachaly.
Sr. Majestät dem jetzt regierenden Könige von
Preusscn gewidmet. — Subscriptionspreis I Rthlr.
Der Werth dieses vortrefflichen Werks ist allgemein bekannt
und es darf nur noeh erwähnt werden , dass diese Cantate auch
mit geringen Mitteln leicht ausführbar ist.
Ferner empfehlen wir die bei uns von Pachaly erschienenen
Werke :
Chrlatnaehttj- Cantate für 4 Singstimmen und 9 Violi-
nen, Viola, Bass, 2 Flöten, 2 Hörn, mit Orgelbegleitung, com*
ponirt von T. J. Pachaly. Op. 10. Preis 1 Rthlr. und die
rühmlichst bekannte
Oftter-Cantate t „ Unendlich gross ist Gottes Huld und Macht "
Für 4 Singstimmen mit Orchesterbegleitung , eomponirt von T.
J. Pachaly. Nebst einem am Schlüsse beigefugten , leicht un-
terzulegenden Texte, zum Gebrauch bei anderen kirchlichen
Feierlichkeiten. Op. 8. Preis 1 Rthlr.
Ausnerdem ist noch erschienen :
!>»*- Cantate t „Meine Zeit steht in Deinen Händen, 1 ' für
4 Siugstimmen und Orchester in Musik gesetzt von Wilh. Win-
genberg, Cantor an der Hauplkirehe su St. Petri und Musik-
Direclor in Görlitz. Op. 16. Preis 1 Rthlr. 8 Sgr.
Alle Musikalien- und Buchhandlungen nehmen Bestellungen
hierauf an.
Die Verlagshandlung F. E. C. Leueltart.
Bei Frletfr» Miltner in Leipzig erscheint Anfang
März d. J. nur Eigenihumurceht t
jr. Moscheies.
Dens Fantaisies brillantes pour Piano snr des Airs favoris de
r Opera: „La Bohemienne" de hälfe. Op. 108. No. 1, 2.
Für Knallt freunde«
Von dem bereits ausführlich angekündigtem
miuÜLalisoh-kritisohen Reperterium
aller neuen Erscheinungen im Gebiete der Tonkunst,
herausgegeben durch einen Verein von Künstlern,
redigirt von
Merrmann Mirschbach,
welches nicht nur alle erscheinenden Musikalien u. s. w., und in
seinem reichen Feuilleton neue, ungedruckte, hier und anderwärts
aufgeführte bemerkenswerthe Werke anzeigt und bespricht, son-
dern auch allgemeine Aufsätze und musikalische Beilagen enthält,
und das gesammte Musikleben in Betrachtung zieht, ist so eben
das erste Heft erschienen« worin auch mehrere bisher ungedruckte
Skizzen von Beethoven.
Preis für den Jahrgang von zwölf Heften 4 Thlr. (auch $-
and \ jährlich zu beziehen).
Ferner ist erschienen das erste Heft vom
Monats -Anzeiger aller Musikalien,
so wie Schriften Aber Musik, Portrait« von Com-
poDisten u. s. w.,
welche im Jahre 1844 erscheinen,
alphabetisch geordnet von
V. sWhistling.
Preis V 2 Thlr.
Bei Abnahme von mindestens 25 Exemplaren tritt ein sehr
ermassigter Partiepreis ein. Probeoummern stehen zu Diensten •
Leipmg, Februar 1844. F# WMatlln*.
Vorthellhaftea Anerbieten«
Ton jetzt an erlasse ich und sind durch alle Musikalienhand-
lungen zu beziehen :
Mozarts
sämmtliche Original -Ciavierwerke
in 28 Heften, bisheriger Ladenpreis 1 Thlr. 18 Sgr. per
Heft, complet 44 Thlr. 24 Sgr.,
zum herabgesetzten Preise
von 16 Sgr. für jedes Heft, oder 14 Thlr. 28 Sgr. für
die ganze Sammlung.
Der gedruckte Bogen kostet bei dieser Preisherabsetzung nur
1 Sgr. 9 Pfennige.
Besondere Inhalts - Verzeichnisse werden auf Verlangen gratis
ausgegeben.
Bonn, im Januar 1844. w# g | mroek#
pk> Dringende AuffoHerung.
Der ruhmlich bekannte Violinvirtuose Joseph Genrlnff
(ehemals in Wien), von dem ich seit dem Jahre 1896 ohne Nach-
richt bin , wolle mir — da ich ihm sehr wichtige Mittheilungen
zu machen habe — seinen Aufenthaltsort anzeigen. Sollten übri-
gens Kunstgenossen oder Freunde Gehring* s glaubhafte Kunde
von seinem etwa erfolgten Ableben zu geben vermögen, so bitte
ich solche an mich gelangen zu lassen, damit ich (im letzteren
Falle) meine Eröffnungen an Gehring' s Hinterbliebene machen kann.
Carlsruhe, im Februar 1844.
J>r. F. 8. Gaaamer,
Grossherzoglich Badischer Hofmnsikdirector.
Druck und Verlag von BreilkopJ und Härtel in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
161
102
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 6 ten März.
M 10.
1844.
Inhalts Ein Blick a«f Weimars Musikleben. — Becensionen. — rtmekrickten : Aas Leipzig. Ans Berlin. Herbstopera iß Italien n. s. w.
(Fortsetzung.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Ein Blick auf Weimars Musikleben.
Liszt hat seit einigen Wochen als weimarischer Ca-
pellmeister fungirt. und bereiU mehrere Concerte bei Hof
und im Theater dirigirt. Für die hiesigen Musikfreunde
jedenfalls ein interessantes Ereigniss und eine Anregung
zu mancherlei Fragen und Betrachtungen. Wird sein Hier-
sein Polgen haben auf unser Musikireiben, und weiche?
Dies führt auf eine Vorfrage : wie stand es bis jetzt um
dasselbe?
Wir halten seit AmalitCs Zeil bis auf den heutigen
Tag» was einer Sladt ein interessantes Musikleben berei-
ten kann: ununterbrochene Gunst unserer Pursten, eine
gulbeselzte Capelle, Theater, bedeutende Männer als Ca-
pellmeister, Kirchen-, Sladt- und Militärmusik, ausge-
zeichnete Dilettanten und Sinn für Musik überhaupt im
grossen Publicum. Bei alle dem ist die Musikgeschichte
dieser ganzen Periode eine ziemlich unerfreuliche, weil
einseitige.
Das Vorherrschende bei uns war und ist die Oper.
Unter Carl Avgmt hatte sie durch einen glücklichen
Verein seltener Gesangmittel ihre Glanzepoche; doch bie-
tet sie auch jetzt des Erfreulichen und Anziehenden noch
genug. — Sehr im Nacbtheil dagegen standen die ande-
ren Zweige der Tonkunst, namentlich die reine Instru-
mentalmusik. Auf 120 Theatervorstellungen jährlich ka-
men nur zwei öffentliche Concerte im Theater, zum Be-
sten des Capell-Wittwcn- Pensionsfonds , und diese erst
seit wenigen Jahren auf Anregung unseres verehrten In-
tendanten und Hummets. Erschienen fremde Künstler, so
spielten sie meist in Hofconcerten , die natürlich dem
grossen Publicum nicht zugänglich sein konnten, oder sie
traten im Theater in den Zwischenaeten auf. Daher sind
die Meisterwerke der Instrumentalmusik bei uns theils
sehr selten, viele davon noch gar nicht zu Gehör gekom-
men. Eben so ist es mit der Quartettmusik, deren rei-
cher Schatz, für das Publicum wenigstens, zum grössten
Theile noch ungenossen vorliegt. Auch die Kirchenmusik
kann, obgleich die Capelle an Fest- und Geburtstagen
mitzuwirken verbunden ist, nur wenig leisten, da die
Chormittel spärlich und selbst der Raum zu grösseren
Aufführungen beschränkt ist.
Schöne Ausnahmen, wie z. B. die zweimalige Auf-
führung des Paulus unter Mendelssohns eigener Direc-
tum, haben uns wohl von Zeit zu Zeit erfreut ; im Gan-
46. Jahrgang.
zen genommen aber war unsere Capelle nur Dienerin
der Oper, und nebenher pomphafte Begleiterin des Ge-
sprächs in den Zwischenaeten des Schauspiels. Denn wie
der Canarienvogel zu schmettern anlangt, sobald Musik in
seinen Kä6g tönt, so der grössere Tneil des Poblicums
im Theater, wenn die Entreacts beginnen. Da diese Er-
scheinung, beiläuGg gesagt, in allen Theatern dieselbe
ist, so sehe ich die Zeit kommen, wo die Musik als über-
flüssig in den Zwischenaeten ganz bei Seite geschoben
wird. Welche Wirkung muss dann das ausgeruhte Ohr
bei der Oper empfinden! —
Diese eben besprochenen Umstände konnten für die
höhere und allgemeinere Musikbildung unserer Stadt nicht
besonders erspriesslicb sein und mussten in manchem Mu-
sikfreunde eine Leere empfinden lassen. Die Meisterwerke
der Instrumentalmusik, Beethovens Symphonieen z. B.,
sind doch etwas Anderes, als die meisten neufranzösischen
und italienischen Opern. Wenn diese eine oberflächlich
angenehme Stimmung, so bringen jene uns Ahnungen
eines höheren Seins, und regen das Edelste und Tiefste
in der Menscbennatur auf. Viele verlangen von der Mu-
sik nicht mehr, als sinnlich angenehme Bilder; man soll
ihnen das nicht verargen und sie ihnen nicht entziehen.
Aber der musikalisch höher Gebildete und nach höheren
Kunstgenüssen Verlangende will doch auch nicht darben.
Die Aufgabe wäre in dieser Beziehung für jede Sladt,
ein billiges Verhältnis* herzustellen, wie es z. B. in
Leipzig existirt durch dieGewandhausconcerte, die, obwohl
zum grössten Theil von demselben Orchester besetzt, das
in dem Theater beschäftigt ist, doch ein für sich bestehen-
des selbständiges Institut bilden, in welchem alle die herr-
lichsten Instrumentalschöpfungen unserer grössten älteren
und neueren Meister in glänzendem Reigen an den da-
für empfänglichen Geistern vorüberziehen*
Soll sich aber ein solches Kunstleben vollständig ent-
falten, so gehört vor Allem ein Verein seltener Eigen-
schaften in dem Dirigenten dazu. Von ihm hängt ab oder
soll abhängen die Wahl der Kunstwerke sowohl, als die
vollkommenste Darstellung derselben. Das Erste bedingt
eine umfassende Kenntniss der besten Werke aller Kunst-
branchen, aller Zeiten und aller Meister, und zugleich
den reinsten und universellsten Kunstgeschmack; denn
eine einseitige Neigung in letzterer Beziehung würde ein-
seitigen Kunstcultus hervorbringen. Hinsichtlich der Dar-
stellung durch die Ausführenden muss er den Geist, die
10
165
1844. März. No. 10.
164
Poesie der Kunstwerke auf's Tiefste *qrfassen körnten.
Dies bedingt eine ausserordentliche und zu jeder Zeit bei
ihm erregbare CelttbempiaaglithkcStwdjpoetisiAe Stim-
mung des Gemitbs. Es mims die Begeisterung;, welche
in den Menienten des Sebafltain dem Schöpfer 4e» Wer-
kes flammte, bei der Aufführung desselben sich in dem
Dirigenten eben so flammend reproduciren, und er muss
zugleich die Kunst versieben, sie als ein belebendes Flui*
dum in die ausführende Masse überströmen zu» lassen.
Flammende Begeisterung soll in ihm glühen und — doch
zugleich kälteste Beherrschung seiner selbst, 4tr wölben-
den Brandung des Meeres ähnlich in vielen Fällen and
dem Fels, der ihr widersteht. Dabei muss er die voll-
ständigste Inatrumentalkenntniss besitzen, um nicht, wie
einst ein Berliner Dirigent und Componist, grob zu wer-
den über das aussenbleibende Contra -H des Fagotts, wel-
ches zu damaliger Zeit darauf nach gar nicht zu haben
war. Da» feinste Gehör muss er besitzen , im das lei-
seste, versteckteste Verbrechen gegen reine Stimmung
und exacte Ausfuhrung zu entdecken, denn jede über-
hörte Sünde raubt ibm ein Stückeben Autorität] Und was
weiter noch Altes wird von ibm gefordert, wenn er die
Idee eines ächten Capellmeisters erfüllen soll! Geistes-
gegenwart für Unglücksfälle, wann z. B. eine Sängerin
stecken bleibt ader plötzlich mit dem Tacte durchgeht;
Menschenkenntniss und daraus fliessende Menschenbchand-
lungskunst, and zwar die schwierigste darunter: Künst-
lerbehandlungskonst. Er muss für jede Arroganz, woher
sie tönen mag, den rechten Dämpfer bei der Hand ha-
ben. Spraehkenotnisse , denn er bekommt es »it Künst-
lern vieler Nationen zu thun. Die Kunst, durch ein Blitz-
wort auf die Masse zu wirken, die zuweilen gern schla-
fen geht. Die Kunst, sich klar, kurz und bestimmt aus-
zudrücken , und bei jedem Falle mit den wenigsten Ge-
dankenschlägen den Nagel auf den Kopf zu treffen. End-
lich muss er die Liebe und Achtung seiner Untergebe-
nen besitzen, und, weil er an der Spitze steht, auch
wirklich eine Spitze an Kunst und Intelligenz sein.
Lisxt ist den Meisten nur als Claviervirtuos bekannt,
und als solcher für den Ersten jetzt lebenden erklärt.
Natürlich, dass sieh Mancher für dieses peinliche Verbre-
chen durch nachträgliche Abers zu rächen sucht. Jeder-
mann will das Ausserordentliche ; die Meisten wollen es
aber zugleich nach dem kleinen Gedankenspinngewebe
ihres gewöhnlichen Köpfchens, und denken nicht an den
abgeschmackten Widerspruch, der darin liegt. Wo wäre
ein originaler Geist, wenn er es Jedem recht machen
wollte! Lü*t ist, als Virtuos Lügt, ein wunderbares
Phänomen. Wer an ihm mäkeln will, der begreift die
Natur nicht in ihren ausserordentlichen Schöpfungen.
Aber Lisxt ist mehr, als bioser Virtuos, und davon
ist weniger bekannt. Wer ihn z. B. noch aicht prima
vista hat spielen hören und sehen,, der wird meine Be-
schreibung davon für enthusiastische Uebertrcibuog hal-
ten, und doch ist kein Jota daran unwahr. Nicht allein
fahren die verwickeltsten NeUöftgnren der modernsten
Pianofortemusik durch sein Wnmdaraage btitzschnell in
höchster technischer Vollendung ja seine Finger, nicht
Mos erfasst sein Geist, was dawn dar Gompeoist in die
Noten gebannt haban «mag: *nit *b»n so iniegreiflwfcer
Leichtigkeit verwandelt sich die stärkste Partitur unter
seinen Händen zum möglichst vollständigen Ciavieraus-
•zöge. Dabei hat er ein fabelhaftes Gedäeotuise. Die be-
sten Werke vieler Meister wohnen bis auf die kleinste
Note sicher dank, und springen vollständig heraus* wann
und wo es ihm beliebt. Daher namentlich die für einen
Dirigenten wichtige Gabe, ein einmal gefasstes Tempo
au jeder Zeit auf's Genaueste in derselben Weise wie-
dergeben zu können. Dazu kommt eine äusserst vielsei-
tige geistige Bildung, so wie eine unbegreifliche physi-
sche und psychische Ausdauer, die ihm in künstlerischer
Hinsicht zu unternehmen möglich machen, was die Mei-
sten bleiben lassen müssen.
Sein Eintreten in unser Musikleben konnte demnach
nur die erfreulichsten Hoffnungen erwecken, und sie ha-
ben bereits angefangen sich zu reaiisiren. Ldszl hat ein
tiefes Verständniss aller der Werke gezeigt, die er bis
jetzt in mehreren Concerten dirigirt. Namentlich hat er
die Beetkoven'ioben Symphonieen meist in langsameren
Tempo's geuommeii» als wir sie früher gebärt, und mit
überraschendem Gewinn für die Wirkung. Er besitzt die
Hauptgabe des ächten Dirigenten, den Geist des Werkes
in vollem Glänze aufleuchten zu lassen. Jede feinste
Nuance versteht er allen Ausführenden erkennbar in sei-
nen Bewegungen auszuprägen, ohne in carikirtes Her-
umfahren auszuarten. Sein bewegliches, alle Gefühle ab-
spiegelndes Antlitz verdoümelscbt die Freuden und Lei-
den der Töne, und sein energisch herumblitzendes Auge
muss jede Capelle zu ungewohnter Thalkraft entzünden.
Lüzt ist die verkörperte Musikseele. Hell wie eine Sonne
strahlt er sich aus, und wer in ihre Nähe kommt, fühlt
sich erleuchtet und erwärmt. Sein Eiuflnss auf das wei-
mari$che Musikieben kann und wird ein günstiger und
fördernder sein, und wie rein eine solche Hoffnung das
Herz erfreut, so regt sie es auch an, bei dieser Gele-
genheit nachträglich auf einige Mängel aufmerksam zu
machen, die nicht blos in Weimar , sondern fast an al-
len Orten sich aufdringen, wo Goncerte bestehen.
Darunter wäre zuerst zu rechnen die zu grosse
Länge fast aller Gonoerte. Unter zehn Programms geben
neun mehr, als gut ist. Die Schönheit, die sich vor dem
gesättigten Sinn zeigt, hat sich umsonst . bemüht , und
diese Demüthigung wird manchem herrlichen Ton werke
wirklich bereitet. Der Reiz der Töne consumirt die Ner-
ven am Schnellsten, und bringt unfehlbar Erschlaffung
hervor, wenn er übertrieben wird. Einmal bat auch Lust
diese Erfahrung aus den Augen verloren und fünf grosse
Stücke, worunter eine ganze Beethoven^tkt Symphonie
und das Cmoll-Gonoert von demselben Gompamaten sich
befanden, ohne Unterbrechung hinter einander gegeben.
Lieber zu wenig als zu viel ! Im erstehen Falle kommt
der Appetit um so eher wieder, im letzteren fürchten
sich wenigstens die Schwächeren vor Anstrengung heim
Genüsse.
Sodann wäre es endlich an der Zeit, aus den Con-
certen nicht die Sänger, wohl aber ihre italienischen
Opernfetzen zu verbaunen,. wenigstens in solchen Städ-
ten, wo ein .stehendes Theater aniattrt. Welchen Genuss
kann es gewähren, eine unzählige Male in 4er Oper ge-
hörte Arie nin anch wieder im Gebeert an vernehmen!
ies
i&U. März. Nou 10.
166
Haben wir nicht die grosse Summe herrlicher deutscher
Lieder and Gesänge, die sich läglieh noch vermehrt?
Man het gesehen., weichen Eindruck JJsit's Lied ans
Nonnenwerth, von dem Senger Götx gefühlvoll vorge-
tragen, blos von dem Pianoforte begleitet» auf das ganze
Publicum hervorgebracht hat. Es wurde stürmisch da Capo
verlangt, und der Applaus wollte kein Ende nehmen.
Durch selche am Cfovier gesungene Lieder kommen drei
Vorlheile: erhöhtes Interesse durch das Gedicht, glän-
zendes Hervortreten der Singstimme , und wohlthuender
Coulrast gegen die vollstimmigen Orchesterwerke.
Endlich darf auch nicht unbemerkt bleiben, dass die
Aufstellung des Orchesters auf unserer Bahne, wie sie
bis jetzt besteht, der Wirkung der Werke grossen Scha-
den bringt, da alle Effecte, wie ven einem grosse« Sor-
din bedeckt, nur dumpf herausklingen. Eine andere Vor-
richtung, wodurch eine bessere Resonanz gewonnen
wurde, sind Wünsche, die die Mehrzahl des Publicum*
fortwährend ausspricht, und deren Berücksichtigung ge-
wiss dankbar anerkannt werden würde. Denn man darf
es sagen, weil es wahr ist: der Sinn unseres Publicum*
für Musik ist gesund, und wenn ihm was Rechtes in guter
Ausführung geboten wird, so fehlt es an warmer Theil-
nahrae hier durchaus nicht. So erregen z. B. die Sym-
phonieen jedes Mai eine grosse Spannung und tiefe Auf-
merksamkeit in dem ganzen Zuhörerkreise, und der nicht
von Einzelnen gemachte, sondern allgemein ausbrechende
stürmische Applaus nach jedem Satze beweist die Em-
pfänglichkeit für die höheren und höchsten Kunstproduc-
tionen zur Genüge. Auch herrscht über Lisxt's Hier-
sein eine durchaus freudige Stimmung im ganzen Publi-
cum, und eine dankbare für den Hof, der uns diesen ju-
gendlichen und belebenden Feuergeist gewonnen.
Recensionen.
Don Pasquale, komische Oper in drei Acten; nach dem
Italien is che n übersetzt von H. Frech, Musik von Do-
nizetli. Vollständiger Clavierautzng mit italienischem
und deutschem Texte. Wien, bei A. Diabelü u. Comp.
Preis 14 PI. Conv.- Münze.
Donizetli ist unhlugbar ein höchst bedeutendes bril-
lantes Talent von fast unglaublicher Productionskraft.
Feierte er auch seine glänzendsten Triumphe bis jetzt in
der Opera buflu oder semi-seria, so hat er doch zahl-
reiche Beweise gegeben, dass ihm später wohl auch ernste
Werke gelingen werden. Sein „Liebestrank,* • seine „Be*
zimentstochler '' muss jeder Vorurtheilefreie als glück-
liche, wirkungsvolle Werke in ihrem Genre anerkennen.
Freilich sört in dieser, wie in allen seinen Werken, den
tiefer Blickenden nur gar zu häufig Jene leichtfertige
Eile, jener Mangel an Gonsistenz (das Publicum läset sich
weniger dadurch stören) ; dagegen sprich! ans ihnen jene
Willigkeit der Musengunst, es Weht uns daraus jene an-
muthige Frische an, die einen höchst wohkhueaden Ge-
gensatz bildet zu so manchem mit grosser Sorgfalt und
höchstem Aufwände von Meditation gearbeiteten Werke.
Fern sei es von uns, jener leichtfertigen, fabrikmässigen
j C*mpositiet>tweise das Wort zu reden — wie Vieles auch
Donizetli zu seiner Entschuldigung anzuführen haben
mag — ; wir wollen nur seine entschiedene Befähigung
verteidigen, und Gerechtigkeit gegen sein Talent, ja
sein Genie in Anspruch nehmen, die ihm so oft verwei-
gert wird. Wenn wir mit einigem Rechte annehmen kön-
nen, dass seine jetzigen Beziehungen zu Deutschland
nicht ohne Eiaflnss auf seine Ansichten und Bestrebungen*
bleiben werden, s* dürfte sich wohl das erfreuliche Re-
sultat ergeben , dann die gemässigte Hast seiner Produk-
tion ihm Zeit lassen werde zu jener künstlerischen Rehe
und Besonnenheit, in welcher es ihm sicher gelingen
wird, durch vollkommen gereifte Werke auch seine ent-
schiedensten Gegner zu versöhnen. —
Die Intrigno der oben genannten Qper ist nichts
weniger als neu und überraschend. Aus dem räsenniren-
den Personen • Verzeichaiss , das der Ucbertetzer, Herr
M. Preek, treulich wiedergiebt, lernen wir die handeln-
den Personen ganz genau .kennen, und namentlich wird
die Rollo derNerina, die hier bezeichnet wird als ,,eine
junge Wittwe, von feurigem Temperament , ungeduldig
bei Widersprüche*, doch aufrichtig und freundlich," schon
durch diese Bezeichnung das lnieresaa und die Wünsche
der SengeriuMu erregen. — Es handelt sifhr ganz ein>
fach darum, dass De* Paaqqaie (sein Signalement lautet:
„ein alter Junggeselle, wirtschaftlich, leichtgläubig, im
Ganzen genommen von gutem Cbaracler") durch eine
Intrigae von seiner Liebe zu Norina geheilt wird nnd
zwar zu Gunsten seines Neffen, wobei denn der schlaue
Dottore Malateata, „wohlhabend, korzweiliff, unterneh-
mend, Arzt und Freund vom Onkel und Neffen, " das
Beste thut.
Biese vier Hauptrollen (es ersoheint ausserdem nur
noch ein Meter von ganz untergeordneter Bedeutung)
gehören sämmtüoh zu den dankbaren, und der Componist
hat sie aüoh fast gleicbmässtg ausgestattet» nur dass No-
rina, soben ihrer Stauung und Zeichnung nach, wohl am
glänzendste* erscheint. 9er Styl der ganzen Oper ist
wehl am Meisten dem des „ Liebesirankes* * analeg; zu-
weilen, tritt die Aehnlichkeit sogar ziemlich frappant her-
vor. Fehlt nun auch der vorliegenden Oper der eigen-
tümliche Ret* der Handhing und namentlich die Abwech-
selung der Situationen, durch die sich der „Liebestrank"
geltend macht, se dürfte dech auch dieser Don Pasquale
Glück auf denjenigen deutschen Bühnen machen, die ein
so ausgezeichnetes SSngenpiartatt besitzen, wie es diese
Oper in Anspruch nimmt. —
Die Ouvertüre wird man «glich mit dem Prädicat:
zweckmässig bezeichnen k*nnea ; wirksam ist sie gewiss,
und das sehr heitere, gefällig* Hauptmotiv ist glücklich
aus Norina's Arie, einer sehr ansprechenden Nummer,
entlehnt Von der Gewandtheit des Gamponisten, so wie
von seinem unläugbaren Talent, günstig und effectvoll
für die Sinastimtnen zu schreiben, zeugen fast alle Mu-
sikstücke dieser Oper; wir heben jedoch einige vorzüg-
lich gelungene noch besonders hervor.
Wo. 2. Romanze des Dotiere (Desdur, %), reizende
Cantilene, auf einfach -schöne Harmonie gebaut $ ein gut
geschulter Bariton mit leicht ansprechender Höhe wird in
dieser Cavatine sieb glänzend bewähren können.
167
1844. März. No. 10.
168
Im Duett zwischen Eroesto und Don Pasquale (No. 4)
hebt sich vorzüglich der Miltelsatz (Asdur, V 4 ) günstig
hervor, der namentlich dem Tenor, besitzt er gutes Por-
tamento, höchst willkommen sein muss. Auch im folgen-
den Satze dominirt der getragene Gesang des Tenors,
der durch die im Parlando gehaltene Individualität des
Don Pasquale noch besonders hervorgehoben wird.
No. 5. Sccne und Cavatine der Norina; ein höchst
ansprechendes Musikstück, eben so wohllhuend im an-
mulhigen Andante (Gdar, %), wie im launigen, zierli-
chen Allegretto (Bdar, %). Besonders is! es der zweite
Satz, der durch seinen bezeichnenden Rhythmus, durch
sein glücklich erfundenes Motiv und überhaupt durch
Form und Führuug gefällig wirkt und der Sängerin Ge-
legenheit giebt, ihr Licht leuchten zu lassen. Durch
das Inganno nach Gesdur (gegen das Ende des Satzes)
wird eine sehr brillante, reich und eigentümlich colo-
rirte Gesangstelle herbeigeführt; die bei dieser Veranlas-
sung so grell zu Tage liegende Quintenfortschreitaog wäre
durch Verdoppelung der Terz so leicht zu umgehen gewe-
sen, während sie nun mindestens das Auge stark verletzt.
Der erste Act schliesst mit einem grossen Duett
(Norina und Don Pasquale), einem brillanten Musikstück,
das durch Mannichfaltigkeit in der Form, durch eine ge-
wisse Frische der Gedanken, wie durch Ausführlichkeit
ohne störende Breite , als eine der hervorstechendsten
Nummern gellen kann.
Auch die darauffolgende Tenorarie (Fmoll und Desdur)
hat, fast sentimental gehatten, schöne Momente und ist
überhaupt gut geführt. Auf eine hohe Tenorlage berech-
net, wird sie, mit Leichtigkeit ausgeführt, einen höchst
vorteilhaften Eindruck machen.
Nach einem Terzett von gewöhnlicher Zusammen-
setzung, in welchem Norina dominirend erscheint, folgt
alsbald das zweite Finale, das einige gut angelegte und
sehr wirksame Ensemblesätze entwickelt; belebt wird
die Situation besonders durch die fingirte Metamorphose
Norina's, die sich dem Don Pasquale in einem Lichte
zeigt, das ihm die Ehe mit ihr als eine Hölle erscheinen
lässt, was eben der Humor von der Sache und Zweck
der Intrigue ist.
Im dritten Acte hebt sich noch ein lebhaftes, launi-
8 es und characteristisches Duett zwischen Norina und
on Pasquale hervor, welches besonders der Ersteren
volle Gelegenheit giebt, ihr Talent für leicht bewegliche
Darstellung, wie für cbargirten Gesang zu erproben.
Aber wahrhaft reizend ist die Serenade No. 14, die Er-
nesto singt, vom Chor höchst wirksam begleitet. Das
liebliche, sangreicbe Motiv, die einfache und doch am
rechten Orte gesteigerte Harmonie, der freundliche Rhyth-
mus im Verein mit der gut gruppirten Begleitung des
Chores : Altes vereint sich, um dies anmuthige Stück zu
einer Lieblingspie$e zu machen.
Auch das unmittelbar darauf folgende Notturno (No-
rina und Ernesto, Adur, T %) hat melodischen Reiz und
vereint die beiden Stimmen auf die günstigste Weise.
Im Rondo finale glänzt wieder Norina, und verabschie-
det sich vorteilhaft vom Publicum. —
Sollen wir ein Resultat aussprechen, so glauben
wir nicht zu irren, wenn wir dieser Oper einen günsti-
gen Erfolg auf guten deutschen Bühnen prognosticircn ;
gewiss aber wird sie geübten Dilettanten zur Ausführung
am Pianoforte höchst willkommen sein. Ciavierauszug
und Uebersetzung sind im Ganzen zweckmässig und zu
loben. AI.
Musik für Pianoforle mit Begleitung.
Fünf Ciavierstücke von Franz Schubert. 1) Allegro mo-
derato x / a Thlr. 2) Scherzo V« Thlr. 3) Adagio %
Thlr. 4) Scherzo % Thlr. 5) Allegro patetico */ 2 Thlr.
Leipzig, bei Klemm.
Auf diesen aus Schuberl's Nachlasse herausgegebe-
nen Sachen ist die Bemerkung zu lesen : ,, Unzweifelhaft
als acht verbürgte rechtmässig erworbene Compositionen,"
und wir sind weit entfernt, den mindesten Zweifel in
diese Aechtbeit zu setzen. Wer sich mit Schubert näher
vertraut gemacht bat, wird vielmehr ihn hier sogleich
wiedererkennen. Zu viel Eigentümliches hatte der be-
deutende Tonsetzer, welcher sich unter andern Verhält-
nissen, die ihn vor Zersplitterung bewahrt, und bei län-
gerem Leben (denn erat zwischen 30 und 40 Jahren
pflegt die Reife des Deutschen zu beginnen) wohl noch
anders, als man denkt, entwickelt hätte; zu viel Einzel-
heiten, ja selbst eine gewisse Sorglosigkeit um manches
Practische, Technische bekunden ibn; dennoch mag un-
ter seinem Nachlasse gar Vieles sein, das der Vergessen-
heit mehr, als diese vielleicht aus früher Zeit stammen-
den Stücke des fruchtbaren Meisters, entrissen zu wer-
den verdiente. Es kommen gewaltige Härten vor, die
auch als Curiosa weniger, denn als Flecken betrachtet
werden müssen, z. B. im Scherzo No. 2, Edur, das in
der ganzen Behandlung Schubert verräth, Tact7 und 8»
Man höre:
#M^
und ohne sich zu der Classe beschränkter Octavenjäger
zu schlagen, wird man zugeben, dass diese Stelle das
Ohr zerreisst. Auch ist hier von keinem Druckfehler die
Rede, denn die Stelle kehrt bei der Repetition später
ganz eben so übelklingend wieder, und dennoch brauchen
wir nicht erst darauf aufmerksam zu machen , dass sie,
ohne der Melodie Eintrag zu tbun , ungemein leicht zu
corrigiren gewesen wäre. Betrachtet man alle diese fünf
Stücke vergleichend, so ergiebt sich ein gewisser Zusam-
menhang, der sie als Theile eines Ganzen, einer Sonate
etwa, erscheinen lässt. Die beiden Allegro's wenigstens
können Anfang und Ende einer solchen ganz gut vor-
stellen. Als Beitrag zur Vervollständigung der Schubert'-
schen Werke, von denen noch unzählige, besonders Lie-
der, im Besitze von Privatpersonen sich befinden, sollen
nns denn anch diese Ciavierstücke willkommen sein, denn
pur bei unbedeutenden Talenten ist es genügend, allein
ihre besten Arbeiten zu kennen; bei den bedeutenden ist
169
1844. März. No. 10.
170
auch das, was eine niedere Slufe ihres Entwickelungs-
ganzes bezeichnet, wenigstens historisch wichtig.
Sechs Sonaten für die Violine allein von Johann Seba*
siian Bach, herausgegeben von Ferd. David. 3 Hefte.
Neue Ausgabe. Leipzig, bei Kistner. Zusammen 3 Tblr.
Zum Gebrauche bei dem Conservalorium der Musik
in Leipzig bestimmt, sind diese vortrefflichen Arbeiten
des Vaters deutscher Tonkunst von David mit Fingersatz,
Bogenstrichen und anderen näheren Bezeichnungen des Vor-
trages verseben worden ; jedoch um Derer willen, welche
das Werk sich selbst bezeichnen wollen und durch jene
angegebenen Hilfsmittel in ihrer freien Ausübung ,sich
beeinträchtigt halten könnten, ist der Originaltext, nach
der Originalbandschrift zu Berlin genau revidirt, fortlau-
fend daruntergesetzt. Ueber die Sonaten selbst, über ihre
tiefsinnigen Combinationen, über die Zweckmässigkeit ih-
res Stadiums für alle, selbst die weit vorgerückten Vio-
linspieler noch etwas zu sagen, ist fast überflüssig, denn
gründliche Musiker sind über den künstlerischen und hö-
heren pädagogischen Werth derselben längst einverstanden.
Möge das grosse Publicum namentlich eine üeberzeugung
aus der auch ihm nun erleichterten Kenntnissnabme schö-
pfen, eine üeberzeugung, welche mit jedem Werke der al-
ten Meister, das man kennen lernt, neu befestigt wird. Man
pflegt zu meinen, dass die Kunst, wenigstens insofern sie Vir-
tuosität betrifft, vor den alten Zeiten weit voraus sei, und,
wenn auch die conlrapuncttsche, polyphonische Geschick-
liebkeit der Alten von den Neueren nicht erreicht werde,
dass doch die technische, richtiger die mechanische, Ge-
schicklichkeit grosse Fortschritte gemacht habe. Diese An-
sicht wird grossentheils widerlegt, wenn man Bach'sche
Compositionen derjenigen Gattung, wozu auch diese So-
naten gehören, genau prüft. Welche Fülle von Schwie-
rigkeiten haben die Violinspieler überwunden, für welche
er schrieb ! Es sind andere allerdings in diesen Saraban-
den, Couranten, Fugen u. s. w., als in unseren Concer-
tino's und Fantasieen, aber sie sind bedeutender, reich-
baltiger, phantastischer verschlungen. Ein Fülle der Fi-
gnrirung, gegen welche unsere beutigen Virtuosen nichl
aufkommen, liegt zu Tage und beweiset, dass ohne Kennt-
nissnahme von historischen Denkmalen früherer Zeiten
die Ausbildung sowohl in allgemein künstlerischer, als
auch selbst in mechanischer Hinsicht allezeit lückenhaft
bleiben müsse.
Nachrichten.
Leipzig, den 6. März 1844. Am 29. Februar fand
im Saale des Gewandhauses das alljährliche Concert zum
Besten der hiesigen Armen Statt, das ziemlich zahlreich
besucht war und in welchem „Die Zerstörung Jerusa-
lems/* Oratorium, gedichtet von Dr. Steinheim, compo-
nirt von Ferd. Hiller, unter Leitung des Componisten
zur Aufführung kam. Dergleichen Aufführungen» zumal
wenn wohltbätige Zwecke damit in Verbindung gebracht
sind, erfreuen sich immer der Mitwirkung hiesiger Dilet-
tanten und Künstler, und so nahm auch diesmal eine
grosse Anzahl derselben an der Ausführung Theil, und
trug dadurch zum Gelingen des Ganzen nicht wenig bei.
Die Soli wurden gesungen von Fräul. B. Macasy aus
Prag, Fräul. Bamberg vom hiesigen Theater, Frau MD.
Hauptmann, den Herren Nito aus Düsseldorf und Kin-
dermann , Mitglied der hiesigen Oper, welcher Letztere
die Partie des Jeremias, die Hauptpartie des Oratoriums,
übernommen hatte und vortrefflich ausführte. Auch die
Damen sangen recht gut, und wenn die Tenorpartie bes-
ser besetzt gewesen wäre, könnte über den Vortrag der
Soli durchgängig nur Gutes berichtet werden. Einige
kleine Unsicherheiten abgerechnet, war die ganze Auf-
fuhrung eine sehr gelungene und verschaffte dem Com-
ponisten. wie den Ausfuhrenden lebhaften und verdienten
Beifall der Zuhörer. Das Werk selbst enthält gar man-
ches Schöne, besonders in den Chören, von welchen sich
wiederum die sanfteren mehr, als die kräftigen, d. h.
die auf glänzenden Effect berechneten, durch Erfindung
sowohl ajs durch Arbeit auszeichnen. Kenntniss und tüch-
tige Arbeit findet man überhaupt fast überall, und wenn
dies Oratorium nun auch nicht eben ein Kunstwerk er-
sten Ranges ist, so bleibt es doch immer ein sehr ehren-
werthes und bietet den Kunstfreunden ungleich mehr In-
teresse, als gar manche Erscheinungen in der Kunst, die
1 grösseres Aufsehen machen, aber auch bald wieder ganz-,
icher Vergessenheit anheim fallen. Wenn Herr Hiller
dem Wege treu bleibt, den er in diesem Werke einge-
schlagen bat, wenn sein Talent ergiebig genug ist, den
Gehalt seiner Leistungen mit den durch Uebung wach-
senden Kenntnissen und Kräften zu steigern, so hat man
alle Ursache, von ihm Ausgezeichnetes zu erwarten. Bei
der soliden Kunstrichtung, die sich durchgängig in die-
sem Oratorium kund giebt, ist eipe Hinneigung zu dem
verflachenden Geschmack der neuesten Zeit, zu der geist-
losen Effecthascberei , die sich in ihr breit macht, wohl
kaum zu befürchten, denn- auch in den glänzendsten Er-
folgen weiss tüchtiger Sinn immer das Wahre von dem
Falschen, das Äechte von dem ünächten zu unterscheiden*
Am . 5. März gab Herr Rudolph fVillmers im Saale
des Gewandhauses ein eigenes Concert; das Repertoir
bestand aus: Ouvertüre zur Ves talin. — Concert für Pia-
noforte von Beethoven (Esdur), vorgetragen von Herrn
fVillmers. — Arie aus Anna Bolena von Donizetti, ge-
sungen vou Fräul. Macasy. — Fantasie für Pianoforte
solo über die Melancolie von Prüme, compouirt und vor-
getragen von Herrn fVillmers. — Arie von Kreutzer y
gesungen von Fräul. Anna Simon. — Grosse Fantasie
über Themen aus Robert der Teufel, für Pianoforte solo,
componirt und vorgetragen von Herrn fVillmers. — Zwei
Lieder mit Pianoforlebegleitung, gesungen von Fräul. Ma-
casy. — Tarantella furiosa und Nordische Nationalmelo-
dieen für Pianoforte solo? componirt und arrangirt von
Herrn fVillmers.
Was wir über Herrn fVillmers bereits nach seinem
ersten Auftreten berichteten, ist durch seine wiederhol-
ten Leistungen in jeder Hinsicht bestätigt worden. Seine
Virtuosität gehört zu den bedeutendsten, angenehmsten
und geniessbarsten, die wir je hier gehört haben j überall
wird und muss sie ihm ungetheilte und grosse Anerken-
nung bringen. Seine Compositionen dagegen sind von alle
!7#
1Ä44. Märr. No- 10.
173
dta* gek>«J* d«* tfegeutbett ; sie cntMte» nidbftg, aklem*
Mi dintfttder gertihte Spieleflfecte, ju dioM sind oft roch
£tf zuttMMnengddteHt, dass nicht einmal ein« Steigerung
dds Effects mSgtich wird. Gewtfrnticb besieht jede* Statt
«it» Variationen über irgend ein Thema j ist m» eilte be*
sfcttdtors wirksame Spielfigtrr in der Tbeerl des Tbemrafo
vfeffltffcht ifrefttger spielbar, se wird ehrie Weitere* die
Mtfrzu bequemere Tonart genommen, so d*ss warn iwdem*
srtbtn Stfttke solcher Verwechselungen mehrere und ebne
irgend eine iunere mnbibaUsobe Verbtodmig zu bare»
btifcettiint. Di« Fadttsie aber Me MsInncoKe von A-Äm*
faghtft, Wefrtf Wh* nicht irren, in H und endig! in 0.
El* frivtaterti*, geschmackloseres Stack, als die Fantasie
iftfr Themen aus Robert, kann ee kaum gebe«, 0*4 es
isl Wahrhaft *e beklagen, dnss Herr WHlmers über de»
Vftltiftttn <te» Musiker oder Künstler doch gar z« sehr
an* <ten Augen verloren zu haben soheiat. Der Vortraf
sefebdt Sacken schadet ibrigens auch der Wirkufrg der
VfrtttosiUU, ztfttal da die Stücke in der Regel viel a*
Itttig sibd« Nor die zwei klagten ComposHiöfleU, die IV
rttrtella furiose und die für Pianoforte ar rangirten Hatte-
nfthitelodtafti, hieteu mehr Interesse und sind zum Tbcil
wirklteh musikalische Sachen. Dass ein Virt«*s* der fir
dich solche Dinge schreibt, eine Beethoven 9 &tto* Compo-
sition kaum mit wahrhaft künstlerischer Auffassung vor*
aufragen vermöge, kenn man immerbin voraussetzen*
ohne Irrthnm befürchten zu müssen ; und so müssen wir
auch bekennen, dass Herr Wülmere das Concert von
Beethoven zwar technisch recht gut gespielt, in anderer
Hinsicht aber geradezu unbedeutend vorgetragen bat. Wir
Wünschen aufrichtig, dass so schöne KrMfte nicht durch
SU einseitige geschmacklose Richteng für die Knust ganz
vferiortett gehen mögen. Was ist denn solcher nichtige
Virtooseftrubm, wettU von wahrer Kunst dabei nicht die
Rede sein kann? Das Publicum fühlt gar bald die gei-
stige Leere selcher Leistungen heraus, und was es einige
Zeit hindurch anstaunte und bewunderte, eHt dann un-
aufhaltsam güntücher Vergessenbett entgegen. Beispiele
Uerzu liegen nahe und sind nicht selten. Herr fFillmers
beginnt erst eine Rünstlerlaulbabn und wir haben es da-
her fifr unsere Pflicht, vielleicht auch für nicht nutzlos
gehtrlten, ihn vor Abwegen, die er schon betreten bat>
ernstlich zu warnen. Dass dte ausgezeichnete Virtuosität
des Herrn fPiltmers übrigens wiederholt den allgemein»
sten und lebhaftesten Beifall erhielt, bedarf nicht weife«
rfer Versicherung.
- Fräul. Macasy saug die Arie von DoniXetH, trieb*
weniger die Lieder mit Piatoofortebegleitung recht gut*
and wir haben uns fcuPs Neue von ihrem schönen Ta-
lente überzeugt, wiederholen aber den Wunsch, dass die
junge Sängerin hauptsächlich auch für ihre solide musi-
kalische Ausbildung bedacht sein möge, durch welche al-
lein es ihr gelingen kann, eine Künstlerin im wahren
Sinne des Wortes zu werden. Was ihr an Gesangbil-
dung noch fehlt (wir haben uns früher ausführlich dar-
über ausgesprochen) , kann die gute Gesangschute, wel-
che sie geniesst, wohl noch herbeiführen; die musrkali«
sc4te Richtung jedoch , welcher sie , der Wahl und den*
Vortrage ifcrer Gesangetticke nach zu urtbeilen, bisher
gefolgt ist , wird ihrer künstlerischen Ausbildung gewiss
nicht forderlich sein. Das Publicum schenkte sämmtlichen
Leistungen des- FrauL Macasy sehr vielen und allgemei-
nen Reifall.
Vom besonderem Interesse war uns das erste Debüt
von Friiul. Simon , einet junge» hiesigen Sängerin, die
natht; ohne Talmi nad deren Atisbthleng schon ziemlich
vorgeschritten zu sein scheint. Das erste Auftreten ist
immer nnr wie eine Probe zu betrachten und kann nie-
meJs als Maassstab zur Beurteilung von Kräften und
Mitteln dienen, deren; Entfettung durch die hierbei so
sehr natürliche Befangenheit notwendig aekr gehemmt
sein raus*. Ueberdie* balle Fräul« Simon auch eine nicht
eben vorteilhafte Wahl mit der Arie von Kreutzer ge-
troffen* die durch unverbältnissmässig starke Instru-
meutirnng die Stimme sehr deckt und durch stete anlie-
Kle Begleitung derselben den feinen Vortrag erschwert»
noch war die Leistung unter den angeführten Ver-
bältuiseea befriedigend und erfreute sich vieler Theil-
nnbae. R. t-
Berlin, den 1. Februar 1344. Ueberreich an niusi-
kaüaeben Aufführungen, unter denen sich besonders eine
neue öpör und ein neues Oratorium auszeichneten, war
auch der Januar d. J. Heber die beiden neuen Werke
bebtlto ich mir das Nähere im Verfolg dieses Berichts
vor* und beginne zunächst mit den Goncerten und musi-
kalischen Soirfen. Am 3. v. M. hatte der talentvolle
Pianist Sigmund Goldschmidt aus Prag ein interessan-
tes Concert veranstaltet, welches durch eine gut erfun-
dene, wirksam instrumentirte Ouvertüre von seiner Com-
position („Frublingsgruss*' bezeichnet) eröffnet wurde,
iierr Goldschmidt spielte hierauf das schöne. Pianoforte-»
Concert von C. Jtf. v, Weber in fiadur zwar fertig und
aued rucksvoll» dock nicht ganz mit der Energie und Ra-
pidität , wie wir diese geistreiche Cumposition ehemals
von dem geniale« Tonsetzer seihst ausführen hörten.
Vielleicht war der schwer zu spielende Flügel daran
Schuld. Das Adagio dagegen trug Herr Goldschnidt sehr
zart und gesaugreich vor, und entwickelte demnächst in
seinen Etüden, wie in der schweren Capriee von Tkal-
borg auf Motive aus BeUmfs SonaaotbuU, den ganzen
Umfang seiner bedeutenden Virtuosität. Eine Curiesität
in diesem Concert war die Ouvertüre zu der seit 1817
hier nicht gegebenen Oper Undine von E. T. A. U^ff-
mann, welche jetzt jedoch fast nur noch historischen
Werth hatte.
Am 10. und 24. v. M. fanden die vierte und fünfte
Sympboniesoiräe der königl. Ca^eHe 4nA gleich lebhafter
Theilnabme Statt. Die erstere leitete Herr GMD. Men-
Seksohn-Barthöld!?* die andere Hei» MD. Tmbert. Es
wurden darin die Symphouieea in F und Gdnr von Beet-
hmen, die grosne *Cdur » SympkoAie mit 4em fugirten
Rondo von Mozart, Baydn'* Ddnr- Symphonie, wie die
Ouvertüren zu Figaro'ö Hochzeit von Mowmrt, von C.
M. v. Weber zn : „Der Beherrscher der Geibter <c und
„Oberon," gleich vorzüglich tosgefübrt« Herr CM. Rie*
trug das achte Violineoneert (die Gesangscene) von L*
Spoftr, ganz dieses Meisters würdig., rein, mit schönem
Ton und Ausdruck, nicht minder fertig, ab geschmaek-
175
1044« Man. No. 40.
174
voll und mit allgemeinem Beifall «ttr. IJju zweiter Cy-
clus dieser geistreichen Aufführungen wird näcbstons. er-
wartet und begehrt.
Die ZimwrwaNn scbeü Qoartettseireen sind Krank-
heit balber längere leit ausgesetzt gewesen. Doch fand
am 39. v. IM. die Au»füb»»g eines Quartette yon J.
Naydn, des Memde/ssoktifoohtn Es dnr- Quartetts und des
soböoen Quartetts ven Meeäiova No. 3 in Ddur auf
vorzügliche Weise Statt. — Am 19. v.M. gab der ans*
gezeichnete Violoncelli virtuos Servais aus Brüssel sein er-
stes Concert in dem zum Theater umgewandelten Saale
des königl. Schauspielhauses mit grosser Tbeilnabme und
lebhaftem BstfalL Seforent hat demselben wegen Krank-
heit »cht beiwohnen .können, ist dafür indess durch das
zweite Coocert dieses 'eminenten Künstlers, reichlich ent-
schädigt worden. Der Ten des Herrn Servais, seine see-
lenvolle, gesangreiche Vortragsweise , wie seine grosse
Fertigkeit in allen Beziehungen des Violoncellspiels, er-
beben diesen Virtuosen zu den ersten seiner Zeitgenos-
sen. Auch seine Compositianen sind «oll Leben und Geist,
oft zum Elegischen sich hinneigend , wie auch sein par-
tes, gefühlvolles und feuriges Spiel. Herr Servais trug
sein drittes Concert in Hmoli, besonders das melodische
Adagio in G vortrefflich , und mit Benutzung aller Vor-
züge seines Instruments in der hohen, wie in der tiefem
und mittlem Tonlage, durchaus vollkommen schön vor.
Fast noch mehr sprach seine Caprice auf die Lafoni'-
sche Romanze ,,Une Lärme," ferner „La Romanesca,"
Air de danse aus dem 16. Jahrhundert, und zuletzt eine
Fantasie-Polonaise eigener Com position an. Mai. Schröder-
Devrient und Herr Hürtinger sangen in diesem Concert
Arien und ein Duett aus Spohrs Jessonda und Mozarts
Titus. Für den Klang der Töne ist der Saal in der jetzi-
gen Gestalt nicht günstig, und der Saal der Singacade-
mie in acustischer Hinsicht der Jur Jtfusik geeigneteste.
Herr Servais veranstaltete darin sein drittes Concert am
4. d. M. — Am 17. v. M. wurde jm dfitton Abonne-
ment- Coocerte der Singacademie zum ersten Male das
sorgsam eingeübte, grosse Omftsuum: „Die Zerstörung
Jerusalems 44 von Ferdinand WUer 9 unter des Gemponi-
sten umsichtiger Leitung, mit nachhaltiger Wirkung aus*
geführt. Ofcgtajj>h«4]asrft!i JErfiretagg *ekhe-Werk fast zu
sehr ausgedehnt ist (da es drei Stunden dauert), so wird
dennoch das Interesse dafür durch die trefflichen Chöre
und charakteristischen Sologesänge im zweiten Theile noch
höher gesteigert. Sehen der Anfangsober der Israeliten im
ersten Theile: „Wie heilig und hehr • sind deine Hal-
len' ' u. s. w. machte einen imposanten Eindruck. Der
Contrast der Festgesänge 4er Götzendiener Zedekia's mit
den wahrhaft frommen/ Lob- und Klagegesängen der Is-
raeliten ist von grosser Wirkung. Die Instrumentation
ist allerdings in moderner Weise oft stark, doch nicht
überladen. Sehr gefühlvoll und characteristisch sind die
Sologesänge durcbgefiöbrt, noch wurden solche eben so
eindringlich vergetragen. Besonders gelungen ist dem
Tonsetzer die Bariton- uaABassparlte der Jeremies, des*
sen Warmipg >und Pcophftfzqihufig van ungemeiner Wahr-
heit des Ausdrucks zeugt. Herr B&tieher sang diese Soli
höchst lobenswert*!, wie auch Herr Mantius den Zefe-
kia und Aduram treffptd cfraraclerisirte, Frau t>. Fass-
mmrn eeng die Soprw^wrtie der Chaarital , eine Altistin
von klangvoller Stimme die Hanna, und Mad. Burchßrdt
die israelitische Jungfrau. Melodisch und gemüthvell wurde
besonders 4as Duett von Achtrem und ifaona gefunden.
Auch die Arie der Chamital: „Mit diesen Düften steige
unser Lied empor '< sprach mit dem folgenden Chor all-
gemein durch rhythmische Haltung und Originalität der
Erfindung an. Die Zerstörung Jerusalem^ wird in dem
Chor: „Das Sutaetoen bricht herein" u. s. w. auf er-
greifende Weise, fest dramatisch geschildert. Der Schluss-
ober verbindet Htheit und Kraft milder Kunst der Fuge.
Kurz -r- das ganze Oratorium bewährt den erfahrenen,,
vielseitig gebildeten und erfindungsreichen Contpopisten,
welcher hier die .ehrenvollste Anerkennung fand, mit
grosser Umsteht die Orchesterprobea sehr genau leitete
und auch der Aufführung rühmlichst vorstand. Auch im
persönlichen Umgänge bat sieh Herr MD. Hüter so vor-
tbeilhaft gezeigt» dass <nur sein zu kurzer Aufenthalt von
einer Woche bedauert wurde. — Am 29. y. M. wurde
im Abonpement-Concerle des Schneider sefam Gesangin-
jlituts ein gediegenes Requiem von L. Cherubini , vor-
züglich vom sorgfältig eingeübten Chor gelungen, dem-
nächst eine recht gelungene MoteLle für die Altstimme
mit Chor, vou der Comp oeition des fleissigen und talent-
vollen Kammermusikers C. Braun , der zugleich Eleve
der königl. Academie der Künste in der Composition ist
nnd den NiUzen dieser wenig unterstützten Lehranstalt
auf's Neue bewährt, zuletzt der bekannte schöne Psalm
42 von F. Mendelssohn- Bar tholdy mit lebhafter Theil-
nahme ausgeführt.
.(Besobloss folgt.)
Herbstopern in Italien u. s. w.
(Fortsetzung.)
Grossherzogthuin Toscana.
Hätte dies schöne Land diesen Herbst nicht einmal
als Neuigkeit Vejrdi'-s L^mhanü — und was wollen auch
diese s^eu! — mit.der FrszzeKni gehabt: es wäre da
beinahe eilte völlige musikalische Finsternis* gewesen.
Mit allem Ueberfluss an Sängern, alten und neuen Opern
imLomhardisch-Venetianiseben Königreiche, im Kirchen-
staat und im Königreich beider Sicilien steckte man zwar
bis über dem Ifcpfe in einem musikalischen Deficit ; aber
dieser herrliche Garten Mittelitaliens setzte ihm vollends
die Krone auf. Sonderbar stand Toscana in Hinsicht der
theoretischen und praclischen;Musik von je her jedem an-
dern girösern Lande Italiens jpch- -Hätte .es nicht die
Entstehmg dw Qjw vtiw*m*A, so würde es mit sei*
ner musikalischen Geschichte äusserst -kümmerlich ausse-
hen. Noch -jetet, -während anderwärts auf der -Halbinsel
in nicht wenigen Dörfern und Marktflecken Opern gege-
ben und stets neue ^kgante Ureter errichtet werden,
ist dies in Toscana äusserst selten oder gar nicht der
Fall. Warum nun gerade hier die Musik hinter den übri-
gen Künsten znrückblieb, während z. B. in Neapel, dem
Kirchenstaat, in der Lombardei und. im Venetianischen
dies JWßht der fall war, verdiente wohl die Aufmerksam-
keit der Musikgelehrten; hier mag dieser Gegenstand hei
17S
1844. März. No. 10.
176
der Armoth der diesjährigen musikalischen HerbiteUgione
Mos berührt werden*
Florens (Tealro alla Pergola). Eine diesem ersten
hiesigen Theater wenig entsprechende Sängergesellschaf! :
die Bartolini-Raffaelii, Tenor Castellan (der Beste) and
Bassist Salandri; machte den Anfang mit dem schon zum
sechsten Male auf der Pergola gegebenen Roberto d'Evreux
Ton Donizetti, eben nicht glänzend. — Post nubila Pbo*>
bns : Herrn Verdi's Lombardi alla prima Crociata mit dar
Frezzolini, ihrem Gatten, Tenor Poggi, Tenor Loccbesi
nnd Bassisten Colini machten Furore. Nach zehn Vorstel-
lungen folgte ein zweiter in Beüini's Beatrice di Tenda,
worin die Anfängerin Ricci die Agnese, Tenor Lucchesi
per interim den Orombello inachte, und Colini sich als
wackerer Künstler bewährte. Bald nach diesem Stecken«
pferde No. 2 der Frezzolini kehrte man wieder zu den
Lombardi znrüek. Zu ihrem Benefiz wählte die Frezzolini
ihr Steckenpferd No. 1, die Lucrezia Borgia; es war ein
Wonnebad für die Zuhörer.
(Teatro de' Solleciti in Borgo Ogoisanti.) Kleines
Theater, nicht grosse Sänger: eine Prima Donna Sasso,
eine Anfängerin Adelaide Miniati, Tenor Remorini (hüb-
scher Gesang) und Bassist Chiniiscbi liessen sich von ei-
nem ziemlich starken Auditorium in Donizetti's Belisario
nicht wenig applaudiren. Einen Quasi-Fiasco machten hier-
auf Bellini's Puritani, worin Herr Guscetti als Riccardo
wirkte; in der Folge zog das Ganze etwas mehr an.
Nach sechs Vorstellungen der Norma, worin die Polani
die Titelrolle übernahm, gab man abermals die Puritani,
und die Sasso erregle auf diesem Theater denselben Fa-
natismo, wie die Frezzolini auf der Pergola ! Sie wählte
auch diese Oper zu ihrem Benefiz, und machte gute Ge-
schäfte. Schlüsslich gab hier die Gesellschaft von Poggio
a Cajano (s. weiter unten) Ricci's Chi dura vince und
Donizetti's Figlia del Reggimento mit demselben guten
Erfolge.
(Teatro degli Arrischiati in Piazza Veccbia.) Eine
etwas bessere Gesellschaft als die vorige: die Tramon-
tani, die Comprimaria Gamarra, Tenor Regli undBaaaist
Dal Vivo eröffneten die Stagione mit der alten langwei-
ligen Ines de Castro del Maestro Persiani, die nur theil-
weis Anklang fand. Eine weit bessere Aufnahme fanden
Bellini's Puritani.
Dohler gab um die Hälfte November mit vielem Bei-
falle eine musikalische Academie im Hotel d'ftalie, olim
Palazzo Murat.
Die Bar hier i- NM wurde zur Kammersängerin des
Grossherzo^s ernannt, eine Ehre, die bis jetzt nur der
Unger und Moriani zu Theil wurde.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Die italienische Oper in Petersborg macht gute Geschäfte;
namentlich gefallen die in Berlin so beliebt gewordene Signora
Anandri and — des Namens halber — Rubini. — Auch in Co-
penhsgen hat sieh die italienische Oper den Beifall des Poblicums
zn erringen gewnsst ; namentlich gefällt dort Signora Secci-Corsi.
Signora Forconi hat von der Königin von Dänemark ein ßritlant-
geschmeide zum Geschenk erhalten.
In Riga ist eine neue Oper von dem Mosikdireetor Eduard
Tauwitz zn Breslau, Namens Bradamante, Bach von Drobisch,
mit Beifall gegeben worden.
Der Posaunist Belcke ans Berlin, weleher in Paris eine glän-
zende Aufnahme gefunden , hat- vom dasigen Conservatorinro der
Musik die silberne Ebrenmedaille erhalten. Er ist bereits wieder
nach Deutschland zurückgekehrt.
Thalberg hat nun auch in Palermo grosse Triumphe gefeiert.
Ankündigungen.
Heute ist in unserem Verlage erschienen:
S. Tlialber«
Wantaisie pour le &iano
snr
Semlramldc.
Op. 51. Preis 1 Thlr. 10 Ngr.
Fener ertckeiat am 18. Hin:
& ThaUterff
Fantoisle pour le Piano
Jüucrezia Borgia.
Op. 50. Preis 1 Tblr.
was wir zur Berichtigung unserer Ankündigung in Na. d. BL
hiermit anzeigen.
Leipzig. 6. März 1844.
Brefttltopf «t* H&rtel.
im Verlage tob
Fr. H »finelater In Leipzig*
, BlirgmAller, IVorb*. Op. 14. 4» Quartett für 2 Violinen,
Alto und Violoncello. 1 Tblr. 25 Ngr.
Henkelt, A. , Si oiseau j'etais. Btude de Coucert, transerile
p. Viol . seul (ou avec aceomp. de Pfte) pur B. de HunymdL 10 Ngr.
• IHiWMlulier 9 H**> 2 Arien und ein Duett neu componirt zu
der Oper; Hans Helling (bei Gelegenheit der Aufführung auf
dem Hoftheater in Wien). No. 8 h . Seene und Arie für Sopran:
..Einst war so tiefer Friede mir im Herzen.'* 10 Ngr. No. I7 b .
Gr. Seene. Gesang in der Capelle und Arie (Barit.) : „Ha , ihr
glaubt euch schon am Ziel." 10 Ngr. No. 18 b . Duett (Sopran
und Tenor): „Nun bist du mein.*' 17| Ngr.
Mayer, C, Op. 61. No. 31. Le Tremolo. Gr. Etüde pour
Pianoforte. 12* Ngr.
1 Hl 11er, JTuI«, Tabaks -Cantate, ein musikalischer Scherz für
Männerstimmen. Part. u. Stimmen. 2 e Auflage. 2JS Ngr.
Mttller, Fr., Op. 54. 2* Symphonie * gr. Orcbestre. 4 Tblr.
10 Ngr.
Tauber* , W., Op. Ol. 8 Lieder ?en R. Borns für eine
Singstimme mit Pianoforte. 1» Heft 12* Ngr. 2* Heft itt Ngr.
Wadnlelll, T., Op. 5. Impromptu j. Pianoforte. 12* Ngr.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
177
178
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 13'" März.
M 11
1Q44.
t G. P. Becker'« Bvaagelfsctas Chopttboch. — Naeknchten: Aas KSoigsberff. Aas Berlio. (Beschloss.) Aas Breslau. Ans
Brfort. Herbstopero in tUliea «. s. w. ( Fortsetzung.) — Feuilleton. — «^nAäncfi^imjre».
C. F. Becker: Evangelisches Choralbuch. 138 vierstimmige
Choräle mit genauester Berücksichtigung des neuen
Leipziger Gesangbuchs. Leipzig, Friedr. Fleischer.
Ein neues Gesangbuch wird in der Kürze der pro-
testantischen Gemeinde unserer Stadt übergeben, dessen
Ausgabe zu veranstalten gewiss Jeder unseren geistlichen
Behörden Dank wissen wird, der sich mit dem Inhalte
desselben vertraut gemacht hat, sofern dieser nämlich von
dem des noch in Händen habenden Gesangbuchs abweicht,
und sowohl die alten Lieder in ihrer ursprünglichen Kraft
und Würde, so wie die neu hinzugekommenen der Hei-
ligkeit des Ortes, für welchen sie bestimmt sind, nicht
minder entsprechend erscheinen lässt. Dies näher zu er-
örtern, sei einer andern Feder überlassen, da hier nur
von dem Choralbuche in seinem Verhältnis zu dem Ge-
sangbuche und dem Kirchengesange die Rede sein soll.
In dem 16. und 17. Jahrhundert stand der Gesang der
protestantischen Gemeinden auf einer sehr hohen, wohl
gar der höchsten Stufe, eine Folge der Pflege, die man
ihm in Kirche und Hans angedeiben liess. Von da ab hat
sich aber unser Kirohengesang nach und nach so verflacht
und ist so zurückgekommen, dass eine Verbesserung da-
mit vorzunehmen, wahrhaft noth thut. Fand in den eben
bemerkten Zeiträumen ein guter Kirchengesang Statt, so
war das hauptsächlich eine Folge der häuslichen religiö-
sen Beschäftigung mit den frommen Weisen» weiche sich
ein- oder vierstimmig in die Gesangbücher eingedruckt
befanden, so dass jedes Gemeindeglied die seiner Stimm-
höhe angemessene Partie singen konnte, wodurch dann
ein sehr schöner, richtiger Gemeindegesang entstehen
musste. Ueberbaopt war es die Vocalmusik, welcher die
berühmten Tonsetzer der damaligen Zeit ihre Kräfte zu-
wandten, uud daher behielt dieselbe auch im häuslichen
Kreise die Oberhand, Unser grosser Reformator Luther
selbst beschäftigte sich viel mit ihr. In seinem Hause
wurden im Verein geschickter Sänger geistliche Motetten
aufgeführt, von denen er die seines Freundes, des baier*
schen Capelimeis. ters Senfl, besonders liebte; ausserdem
sang er mit seinen Hausgenossen fast jeden Abend ein
einfaches Lied.
Diese liebe zu den geistlichen Gesängen musste
non ohne Zweifel auch auf den Choral übergehen, und
bier ist es wieder Luther, welcher als Tonsetzer und
Verbesserer desselben gleich gross dasteht. Seine Melo-
46. Jabrgajtg.
dieen zu den eigenen geistlichen Liedern sind wahre
Meisterstücke und drücken ganz deren Character aus.
Wem bewegte nicht die heroische Melodie zu dem Liede
„Ein' feste Burg" das Herz? Steht Luther in dieser Hin-
sieht nicht noch jetzt, wie zu seiner Zeit, als einer der
grossten Tonkünstler da, welcher die Glaubensfreudigkeit
seines Liedes gleich gewaltig in seiner Melodie ausspricht?
Das Gesangbuch, welches Luther 1524 herauszuge-
ben begann, bestand anfänglich nur aus drei Bogen, wel-
che noch dazu einzeln gedruckt wurden und das Ganze
enthielt aebt Lieder, zu welchen aber nur fünf Melo-
dieen gesungen wurden. Diese Lieder- und Melodieen-
Sammlung vermehrte sich aber nach und nach bedeutend,
indem Luther nicht nur eine grosse Anzahl eigener, son-
dern auch fremder Gesänge darin aufnahm. Den ersten
Ausgaben derselben, welche Georg Rhaw, Joh. Weither
und Bapst in Leipzig veranstalteten, folgten nach Luther'»
Tode (1546) noch die in Nürnberg 1558, in Dresden
1593, in Bisleben 1596, und mehrere andere nach.
Führte nun, wie schon bemerkt, das Beisammensein
der Lieder und Melodieen in einem Buche den wahrhaf-
ten Kirchengesang herbei, so musste dieser mehr und
mehr wieder sinken, so wie man der Gemeinde die Me-
lodieen entzog und sie ganz abhängig von der Orgel und
dem Sängerchore machte* Bis zum Jahre 1682 fanden die
ein - und mehrstimmigen Gesangbücher der berühmten
Männer Calvisius, Schein, Vopelius Anwendung; nachher
aber, wie durch neue Gesangbücher die frühere Mitwir-
kung der Gemeinde, der blosen Liedertexte wegen, nicht
mehr möglich war, artete der Kirchengesang im 18. Jahr-
hundert hier wie anderwärts nach und nach aus, und
nur der in der ersten Hälfte des gedachten Jahrhunderts
noch allgemein anzutreffende religiöse Sinn und die häus-
liche Pflege des Choralgesanges, so wie der Chor der
Thomasschüler, welcher bis auf den beutigen Tag die
Choräle vierstimmig singt, vermochten in unserer Stadt
in Etwas dagegen zu wirken. Die Choralbücher, welche
man von da ab benutzte, hatten mit den Liederbüchern
nichts gemein, waren nach ihren Titeln allgemeine (Do-
los 1785, Hiller 1793, Schicht 1818). Von den genann-
ten fand das Hiller'sche bis jetzt in unseren Kirchen An-
wendung, weil eben nichts Selbständigeres vorhanden war
und man sich damit begnügen musste.
Weit entfernt, den in anderer Hinsicht so verdienst-
vollen Männern Hiller und Schicht nahe treten zu wol«
A
179
1844. März. No. 11.
J80
len, so ging doch desErsteren Choralbucbe, neben anderen
später anzuführenden Gründen, die Einigkeit mit unse-
rem Gesangbuche ab; das des Letzteren war ans noch
anderen Ursachen gar nicht anwendbar. Der lebhafte
Anlheil, den man in der neueren Zeit an der Verbesse-
rung des Kircbengesanges genommen hat, ist auch in
unserer Stadt nicht ohne Folgen geblieben, und die seil
einer Reibe von Jahren betriebene Verfassung eines neuen
Liederbuches bedingte auch die eines durchaus mit ihm
conform gehenden Melodieenbuches. Der würdige Ver-
fasser des letzteren, unser rühmlich bekannter Organist
C. F. Becker, bekennt in seiner Vorrede, dass er die
Zusammenstellung des neuen Choralbuchs als die schönste
Runstaufgabe seines Lebens betrachtet und dass ihn die-
ser Gedanke während der Beschäftigung beseelt und bis
zur Vollendung gekräftigt habe. Ein Manu seiner Ein-
sicht in die frühesten Zustände der Musik überhaupt und
des Kirchengesanges insbesondere, der seine schönsten
Kräfte diesem Studium widmete und einer von den We-
nigen ist, die eine so ausgezeichnete Bibliothek von Mu-
sikwerken früherer Jahrhunderte besitzen, konnte sie als
solche betrachten und gewiss auch mit allen zu Gebole
stehenden Hilfsmitteln zu Ende führen.
Und doch steigt ihm nach Vollendung der schwieri-
gen Aufgabe der Zweifel auf, ob er für jedes Lied die
geeignetste Melodie gewählt habe, da nach seiner Ansicht
die gründliche Kennlniss der Theorie und Geschichte der
Musik , ein langjähriges Studium der Hymnologie , der
Besitz der treffliebsten musikalischen Hilfsmittel, eine fast
zwanzigjährige Anstellung in der Kirche und ein stetes
Beobachten des Gemeindegesanges nicht allein ausreiche,
sondern die Kritik, der ästhetische Sinn und das Gefühl
die einzigen und besten Leiter für das Wahre und Rich-
tige seien. Dem sei, wie ihm wolle, — neben dem ästhe-
tischen Sinn und Gefühl, das Richtige im Einzelnen zu
treffen, scheinen mir die vorhergenannten Eigenschaften
eben so wichtig, ja noch wichtiger für die Anordnung
des Ganzen zu sein. Eben diese Eigenschaften gingen
Hiller und Schicht ab. Beide gaben ihre Choralbücher nach
dem Stande der Musik ihrer Zeit, und je mehr sich un-
sere Harmonie mit der Zeit erweiterte, desto fühlbarer
wurde deren unpassende Anwendung auf die Choralbe-
handlung. Die einfachen, frommen Weisen mit Harmo-
nieprunk zu umgeben, ja die Eitelkeit, sich als geschick-
ten Harmoniker hierbei herauszustellen, Beides ist höchst
verwerflich. Aus Becker's Cboralbebandlung geht hervor,
dass er dieselbe vom richtigen Standpuncte aus erfasste;
das Wort zeitgemäss findet bei ihm, jedoch in ganz an-
derem Sinne, als bei Hiller und Schiebt, Anwendung.
Hier soll es nicht, wie bei Diesen, die Harmonisirung der
Melodieen im Geiste unserer Zeit (und wie würden sie
sich da vollends ausnehmen?) bedeuten, sondern das un-
serer Zeit vorbehaltene Erkennen des Wahren, die Be-
wahrung des Heiligen, das mit der Welt nichts gemein
haben soll. Und daher finden wir uns in Becker's Har-
monieen den tiefen Ernst, das Göttliche wieder vor-
geführt, was die Harmonieen des 16. und 17. Jahrhun-
derts, als der Blütbezeit des evangelischen Cboralgesan-
ges, über die ehrwürdigen Melodieen verbreiteten. Doch
darf man darin nicht ein Moses Nachahmen finden, son-
dern es ergiebt sieb daraus des Meisten höchste Ver-
trautheit mit der edeln und einfachen Schreibweise der
Kunstler der genannten Jahrhunderte; und womit man sieh
so mit voller Liebe jahrelang beschäftigt hat, das wirkt
endlich auch auf die eigenen Erzeugnisse; der Styl des
grossen Tonmeisters, den sich ein Künstler zu seinem
Vorbilde auserkoren, geht mit der Zeit in den seinigen
über.
Das Hiller'scbe Choralbuch, welches 1793 erschien,
wurde dem 1796 in unseren Stadtkirchen eingeführten
Gesangbuche angepasst und es finden sich daher Dinge vor,
welche auf diese Weise nicht anders zu erwarten sind.
Erstlich ist nicht darauf Rücksicht genommen wor-
den, wie eine Melodie zum Charaeter des Liedes sieh
eignete; daher finden wir so häufig zwischen der Melo-
die und dem Iiede die grössten Widerspruche. Wie viel
Lieder erbebenden, erfreulichen Inhalts wurden nicht nach
der Melodie: ,,Wer nur den lieben Gott lässt walten*'
oder: „ Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen" ge-
sungen. Statt der ersteren düstern Moll-Melodie, No. 89
des alten Choralbuches, pflegte man häufig die 90: ,,0
grosser Gott du reines Wesen 4 * zu verwenden, doch da
dieselbe in einigen Gemeinden der Stadt nicht allbekannt
war, wurde die 89 für alle Lieder dieses Metrums genom-
men, was bei einigen 90 Liedern des alten Gesangbuches
der Fall war. Lieder, wie z. B. No. 166, 180, 452,
508, 837, so wie andere mit eigener Melodie überschrie*
bene, konnten theils wegen des nicht Zutreifens, theils
wegen des gar nicht Vorbandenseins einer Melodie nicht
gesungen werden ; und wollen wir auf die Widerspräche
eines Liedes mit der Melodie zurückkommen, so findet
sich der schlagendste Beweis in No. 803 beim Tode eines
Landesherrn, welches Lied nach der Melodie : 9 ,Nun freut
euch lieben Christen," so wie in No. 169 ein jubelvol-
les Osterlied, dessen vierter Vers anfängt: „ Preiset ihn,
den Ueberwinder" u. s. w., welches nach der Melodie:
„Ach was soll ich Sünder machen" gesungen werden
soll. Diesen Uebelständen ist in unserm neuen Choral-
buche abgeholfen worden. Alle Melodieen passen genan
zum Metrum und Charaeter des Liedtextes. Das von Hil-
ler angewandte Abkürzungssystem konnte häufig zu gros-
sen Irrungen Anlass geben , man betrachte nur z. B.
No. 51 seines Choralbuchs, so wie „Herr Goll dich lo-
ben wir," wo drei - und sechsfache Repetitionen vorkom-
men. Irrungen sind nach dem Becker'schen Buche nicht
mehr möglich, indem sieh alle Melodieen ausgedruckt vor*
finden und die mehr für den Schülerchor bestimmten Ge-
sänge, wie das genannte „Herr Gott, 4 * welche sich im
Anbange befinden, sogar mit dem Texte versehen sind.
Anstatt dass früher für manches Lied sich 4— 5 bekannte
Melodieen vorfanden, worunter der Organist nach seinem
Geschmacke wählen konnte , ist ihm jetzt keine Wahl
mehr gelassen , indem für jedes Lied nur eine , die ihm
entsprechende, Melodie vorgezeichnet ist. Wie angenehm
muss es aber auch der Gemeinde sein, vorher zn wis-
sen, welehe Melodie gesungen wird, und durch dieses
strenge Beibehalten ist es dann leicht möglich, selbst ent-
fremdete Melodieen eingänglich zu machen. Die Herren
Geistlichen sind jetzt in den Stand gesetzt, jedes Lied,
welches zu ihrer Predigt passt, wählfen zn können, ohne
181
1844. März. No. 11.
182
sieh durch das Unbekannte einer Melodie abhalten zu
lassen. Es wäre sehr zu wünschen, dass alle Choräle,
die im neuen Choralbaehe stehen , auch wirklieh gehört
würden ; jetzt ist es möglich, der Gemeinde auch fremde
Melodieen beizubringen, da unser ganzer Kirchengesang
in dieser Hinsicht eine Umgestaltung erlebt, was bei
Fortbenutzung des alten Choral- und Gesangbuches nach
fast fünfzigjährigem Gebrauche nicht möglich sein würde,
weil Alles zu tief wurzelt. Nun aber, wo Jedermann be-
B'erig auf die neuen Liedertexte und die dazu gehörigen
[elodieen ist, bedarf es ganz kurzer Zeit, um auch ganz
neue Melodieen einzuführen.
Das neue Choralbuch enthält allgemein bekannte und
fremde Melodieen, unter welche letzteren alte, verges-
sene und die vom Verfasser selbst eomponirten gehören.
Die selbst entworfenen wurden nötbig, wo keine
bekannte oder fremde für Cbaracter und Metrum passen
wollte., und stehen dieselben an Würde anderen nicht
nach, wie aus diesem Chorale, einem der kleinsten, zu
ersehen ist, welcher auch zugleich als Beleg der oben be-
sprochenen Harmonisirungsweise dienen kann,
so ging der Verfasser doch damit sehr vorsichtig zu
Werke? *
So wurde z. 8. zum ConGrmationsIiede No. 627 die
Melodie: „Komm beiliger Geist 4 ' gewählt, und obgleich
wegen dessen Metrum in der vierten Zeile der Melodie
ein Tact wegbleiben muss, so zog sie der Verfasser, da
sich keine passende alle ermitteln Hess, doch der eige-
nen Composition vor, da es eine sehr missliche Sache
ist, eine ganz fremde Melodie zu einem Liede zu neh-
men, welches blos alle Jahre einmal gesungen wird.
Würde also der Benutzung aller Melodieen nichts ent-
gegenstehen, so sei hier aber noch von den Umständen
gesprochen, welche zumal den bekannten ein fremdes
Ansehen geben können. Gleich Mo. 1 des Cboralbucbs:
„Ach Gott und Herr'* wurde bis jetzt so gesungen:
und wird auch zu No.. 273 des Gesangbuches so beibe-
halten; für No. 142 setzte der Verfasser diese Melodie
dem Liedcharacter gemäss, aber rein dorisch ohne Cis,
ausser beim Strophenscbluss :
I J u tt-, A =p =
^ P l 1 lH=> j-' pi
Ä
was vom Anfang an etwas befremden dürfte. Die einer
Melodie untergesetzte Harmonie kann dieselbe so verän-
dert erscheinen lassen, dass die Gemeinde eine Verän-
derung in der erstereu vermuthet.
Seit ungefähr acht Wochen habe ich bei Benutzung
des neuen Cboralbucbs zu Liedern des alten Gesangbu-
ches in meiner Kirche dies zu bemerken Gelegenheit ge-
habt. Wenn der Organist streng auf die vorgeschriebene
Harmonie hält, was er meiner Ansicht nach der Gemeinde
schuldig ist, zumal bei Stropheneinsätzen, so prägt sich
diese dem Gehör mit der Zeit ebeu so ein, als die Me-
lodie selbst. Seit beinahe fünfzig Jahren hört man in der
Kirche zu der Melodie: „Nun ruhen alle Wälder u fol-
gende Harmonie:
#=r
=3=\
l~j T\ J"d
M=*
J J
(_, —
Y
j A A A
AA
Ä—
.AA
!■'■
■■* ™—%y
— i —
-7_£ . '— p-
1 i-> M
^U
fr Vyi; 1 fM; 1 ^
M
AAAJ .A
3ÜÜE
Die zweite Strophe schliesst mit dem Dominantdreiklang
von Emoll und die dritte setzt mit dem tonischen Drei-
klange dieser Tonart ein. Nach der neuen Harmonisirung
geschieht der Schluss der zweiten Strophe auf dem Do-
minantdreiklange von Gdur und der Anfang der dritten
auf dem tonischen Dreiklange dieser Tonart. Schon ge-
gen den Schluss der zweiten Strophe hin ist die Hin-
neigung zum Dominaotendreiklaug von E nach der er-
sten Harmonisirung so in Aller Ohren , dass die jetzige
Behandlung beim erstmaligen Hören befremden muss;
doch nach dem Spielen einiger Verse bemerkte ich, dass
man sich sowohl hieran, als auch an alle abweichenden
Harmonieen und Modulationen des neuen Buches bald ge-
wöhnen werde. Die Melodie: „Wie schön leuchtet der
Morgenstern" schloss nach Hiller 's Harmonisirung in der
ersten Strophe:
mit der Harmonie C und die zweite begann wieder in
dieser Tonart; nach der neuen Weise geschieht der Schluss
der ersten und der Anfang der zweiten Strophe in Fdur,
und dem ersten Strophenschlusse geht der kräftige B-Drei-
185
1844. März. No. 11.
184
klang voraus. In dieser Melodie wird man besonders die
Wurde der alten Harmonisirungsweise erkennen. Möchte
man «Joch aber von nun an recht auf die Orgel und den
Säugerchor hören ! Welch' ganz entstellter Gesang ist
mir schon zur vierten Strophe der Melodie : ,,0 Gott du
frommer Gott 44 vorgekommen, wie beharrlich singt man
in der Melodie: „Meinen Jesum lass ich nicht " die
zweite Strophe:
in der Melo-
die: ,,Herr wie du willst 4 * zu Anfang der sechsten Stro-
phe immer h anstatt gis, ohne sich an die Orgel zu kehren.
Wie verunstaltet man häufig die Melodie: „Lobt
Gott ihr Christen" in der zweiten und dritten Strophe:
Orgel.
Gem.
^^E^mim
£
^^^rN-hg
desgleichen die erste Strophe der Melodie : „ Freu dich
sehr o meine Seele"
Orgel.
Gem.
Q l i V »^—— p"l ^ J £ß
-er
zet
wo bei der vorletzten Note der Organist die Unterdominante
von G und bei der letzten den G- Dreiklang hören lässt.
Die Gemeinde kehrt sich hieran aber nicht, sondern ver-
langt nach ihrem Gesänge einen Scbluss in Ddur, wo
dann das vorhergehende A mit dem durch die Quarte
verzögerten Domiuantdreiklange zu besetzen wäre.
Welch' lästiger Zusammenklang muss da nicht aus
Gesang und Orgelspiel entstehen! Vielmal erfasst aber
auch die Gemeinde das Richtige und der Verfasser bat
dieses durch jahrelange Erfahrung bestätigte, begründete
Abweichen einer Melodie in seinem Werke aufgenom-
men. So z. B. in der fünften und sechsten Strophe der
Melodie: „Dir, dir Jehovah" No. 26 des Choralbuches,
in der letzten Strophe der Melodie: ,,0 grosser Gott 4 '
No. 96 des Cboralbuches, in der ersten Strophe der Me-
lodie: „Wachet auf**:
Alte Weise
Nene
»(fer^jri"^^
/ * 7N
l$^fe£Ecfe
äEE^pE^^
es ist auch nichts peinigender für die Gemeinde, als die
vier a des zweiten und dritten Tactes zu singen. Wenn
nun noch ausserdem manche Melodie ihrer bisherigen
Sangweise nach in Etwas verändert erseheinen sollte,
so schreibe man das nicht der Willkür des Verfassers
zu , sondern nehme in dieser Veränderung die Original-
schrift an ; denn im Hiller'schen Buche befindet sich man-
che durchgehende Note in einer Melodie, welche theila
gar nicht hineingebort, theila auf falschem Taettbeile steht.
Dahin gehören die Melodieen: „Ana meines Herzens
Grunde** erste und sechste Strophe, — „Herr wie dn
willst " zweite Strophe, — „Schmücke dich o liebe
Seele" erste Strophe, — „Warum sollt ich mich denn
grämen" letzte Strophe, — welche hier gegen früher
ganz verändert ist, wo sie unbegreiflicher Weise in der
Parallele der Grundtonart schlosa und hier im Grund-
tone selbst.
Es bleibt nun nur noch übrig, einige Worte über
die Anordnung des Cboralbuches selbst, so wie über die
Ausführung der Choräle Seitens des Organisten anzufüh-
ren. Alle Choräle befinden sich in alphabetischer Ord-
nung (die alphabetische Ordnung ist in vieler Hinsicht
der von Hiller benutzten metrischen vorzuziehen) voll-
ständig ausgedruckt und mit dem Namen des Componi-
sten, oder wenn dieser nicht immer zu ermitteln war,
mit der Angabe des Jahrhunderts, dem sie angehören«
versehen vor, und es sind deren 132. In einem Anhange
giebt der Verfasser diejenigen geistlichen Gesänge, wel-
che mehr für den Schülerchor, als für die Gemeinde, be-
stimmt sind. Hierher gehören z. B. „Herr Gott dich lo-
ben wir/' die Litaney u. s. w., welche Gesänge sämmt-
lich mit Text versehen und vollständig ausgedruckt sind.
Das Vater unser und die Worte des Abendmahls von
der Composilion des Verfassers, wie Beides seit längerer
Zeit schon in der Nicolaikirche gesungen wird und durch
Begleitung der Orgel immer einen tiefen Eindruck auf
die Versammlung hervorbrachte, bilden den Schluss den
ganzen Buches. Da unsere Stadtorgeln, wie es schon bei
einigen der Fall ist, mit der Zeit alle in der jetzt übli-
chen Instrumeutstimmung, dem Kammerton, stehen wer*
den, so nahm der Verfasser bei Melodieen, deren Cha-
racter es zumal entsprach , darauf Rücksicht und setzte
sie einen, manchmal sogar zwei und drei Töne höher.
Die Organisten, deren Orgeln noch die alte Stimmung,
die im Chorton, haben, müssen da nun freilich transpo-
niren, da diese um einen Ton höber steht, als die Kam-
mertonstimmung, und erlaube ich mir darüber meine bei
I Benutzung des Buches gemachten Erfahrungen mitzuthei-
len: Choräle, die das zweigestrichene f als höchsten Ton
haben, brauchen nicht transponirt zu werden, wenn der-
selbe nicht zu Anfang, dann nicht zu oft und in Umge-
bung der unter ihm liegenden Töne erscheint. Choräle,
die das zweigestrichene fis nur einmal als höchsten Ton
bringen, können bleiben; man sang diesen Ton schon
bisher in der Melodie: „Wachet auf/ 4 welche man we-
gen der Tiefe des Anfanges auch nicht weiter berabrük-
ken konnte. Kommt aber das fis wiederholend und in
Umgebung seiner hohen Töne vor, so muss allemal trans-
ponirt werden, z. B. in der Melodie: „ Nun danket alle
Gott." Ueber Choräle, die gar das zweigestricheue g er-
fordern , ist nach dem Bemerkten nichts weiter zu er-
wähnen , in allen diesen Fällen ist Transposition nöthig,
185
1844. März. No. II.
186
weil sonst der Gesang wegen zn grosser Anstrengung
der Stimme oder Unerreichbarkeit dieser Hohe verstum-
men müsste.
Somit sei dieses schöne Werk, welches mit dem
Gesangbache ein einiges Ganze bildet , gleich den Cho-
ral- nnd Gesangbüchern der früheren Zeit, der Tbeil-
nahme aller Derer empfohlen, die Liebe znr Kirche und
Sinn für wahrhaften Choralgesang hegen. Möge der ver-
ehrte Herr Verfasser Belohnung für seine Leistungen in
der Anerkennung finden , die man ihm hier und ander-
wärts zu zollen nicht versagen wird.
Leipzig. Hermann Schellenberg.
Nachrichten.
Königsberg. Herr Dr. Robert Schumann und des-
sen Gattin (Clara fVieck) haben uns so eben verlas*
sen, nnd ich beeile mich, Ihnen den günstigen Eindruck
zu schildern, den das ausgezeicbnele Spiel dieser Virtuo-
sin hier hervorbrachte. Die Ansicht, dass Mad« Schumann
unter den bekannten Claviervirtnosinnen ersten Ranges
die hervorragendste Künstlerin sei, war allgemein. Ich
für meine Person möchte sie die Königin des Ciavier-
spiels nennen, so sehr beherrschte sie ^ Instrument und
ihre Kunst, nicht allein durch die bewundernswürdigste
Fertigkeit, sondern mehr noch durch einen gewissen Adel
des Spiels, durch graziösen Zauber, welcbe sich nir-
gends, selbst nicht in den schwierigsten Aufgaben, ver-
leugneten. Es konnte nicht fehlen, dass man hier, wo
man Liszt borte, mit Vergleichungen bei der Hand war,
nnd ein Gefallen daran fand, seine Meinung darnach zu
modeln ; allein mit Unrecht. Beide Personen, seltene Phä-
nomene, sind jedoch sehr verschieden. Liszt reisst durch
eine die Schranken des Möglichen fast überbietende, wild*
stürmende Bravour zum Staunen bin; Clara Schumann
hingegen rührt durch Grazie und Anmnlh. Daher die Er-
scheinung, dass die Letztere Kenner und Liebhaber in
gleichem Grade entzückte, während der Erstere im All-
gemeinen überwiegend mehr bei Laien Beifall fand. Ih-
nen imponirte die Körperanstrengung, das flatternde Haupt-
haar, die auf- und niederwogenden Hände, das Rauschen
der Hämmer, Dinge, bei deren Wahrnehmung nur die
Tbatkraft der äussern Sinne beansprucht wird; doch der
sanfte Reiz , den ein zartes , seelenvolles Spiel hervor-
bringt, verlangt vom Hörer mehr, verlangt Tiefe de^ Ge-
müths, verlangt die Fähigkeit, ihn zu erkennen, zu ver-
stehen und in stillem Entzücken mitzuempfinden. — un-
ter den Stücken, welche in den beiden sehr besuchten
Concerten, am 2. und 3. Febroar, vorgetragen wurden,
erregten das bekannte Concerlstück von C. M. v. W&-
6er in F, Gondel- und Frühlingslied von Mendelssohn,
Capriccio von Scarlatü, Sonate (Dmoll) von Beethoven,
Mazurek von Chopin, und besonders Fantasie über The-
men aus Moses von Thalberg den meisten Enthusiasmus.
Die Arpeggien in letzterm, ein wahrhaft reizendes Säu-
seln, welches die Hauptmelodie umspielt, zu schildern,
geht über jeden Wortausdruck. Diese Art der Behand-
lung hörte Referent in solcher Vollendung ausgeführt von
Mad. Clara Schumann zum ersten Male. Unter den we-
nigen uns dargebotenen Comnositionen der Concertgeb*-
rin und ihres Gatten zeichnete sich das Lied: ,,Der
Nussbaum" von Bob. Schumann aus, welches Referent
als trefflich zu bezeichnen nicht umhin kann. Beide rei-
sten am 4. Februar über Tilsit nach Riga nnd Peters-
burg, wo neue Lorbeern die Künstlerin erwarten. — »
Unter andern Künstlern, die uns früher besuchten, nenne
ich die Herren Lund und Molique. Der Erstere, ein jun-
ger Däne, in Deutschland noch wenig bekannt, verdient
jedoch alle Aufmerksamkeit. Er steht , obwohl erst 21
Jahr alt, bereits auf einer höhern Stufe der Ausbildung,
Von seinem Fleisse ist zu erwarten, dass er sich der-
einst den grössten Virtuosen wird anreihen können. Herr
Lund erschien im Decemher v. J. und Hess sich seitdem
in mehreren Concerten mit Beifall boren. Sein Ziel ist
ebenfalls Petersburg, wohin er am 22. Januar von hier
abging. Noch während seines Hierseins traf der Hofcon-
oertmeister Molique ein, wie bekannt, als Gomponrst nnd
Virtuose gleich ausgezeichnet. Ueber sein höchst gedie-
genes Spiel etwas zu sagen , dürfte überflüssig sein , da
sein Name von europäischem Rufe ist. In zwei sehr be-
such len Concerten, am 20. und 24. Januar, erwarb er
sich den lautesten und allgemeinsten Beifall« Aach er ist
nach Petersburg abgegangen, und wird daselbst die Zahl
der Virtuosen vermehren, welche in der Fastenzeit die
Russen mit ihrer Kunst zu speisen gedenken. — Was
die sonstigen Productionen des verwichenen Jahres be-
trifft, m erwähnen wir zuerst Herrn Kotzolt, der una
in mehreren besuchten Soireen darch seinen schönen Ge-
sang erfreute. Er besitzt eine wohltonende und wacker
ausgebildete Bassstimme, im Umfange von mehr als zwei
Octaven; sein Vortrag bekundet eine vortreffliche Schule.
Dies bewies er, wie in seinen Soir&n, so auch in der
Aufführung des Faust vom Fürsten Radsiwill, welche
durch den hiesigen Uuiversitäts- Musik - Director Sämann
um diese Zeit veranstaltet wurde, und in welcher Herr
Kotzolt die Basspartieen übernommen hatte. Die Theil»
nähme an dieser Composition war so ausgedehnt, dass,
wie bei früheren Aufführungen, auch diesmal eine Wie*
derholung gewünscht und diese unter gesteigertem Bei-
fall ausgeführt wurde« — Das grossartigsle Unternehmen
des vorigen Jahres, das vom MD. Sämann zu Marienburg
veranstaltete Musikfest, übergehe ich, da Ihr Btatt einen
von anderer Feder aufgezeichneten, ausführlichem Be-
richt, als diese Zeilen gestatten, bereits geliefert hat. —
Durch Herrn MD. Rieht wurde in gewohnter Weise am
Charfreitage der Tod Jesu van Graun gegeben. Diene
Aufführung wurde vorzugsweise von den Verehrern die*
ser Musik zahlreich besucht und beifallig aufgenommen.
Die Aufführung mehrerer anderer Kirchenmusiken, welcbe
mit Orchesterbegleituuc componirt sind, mit Orgeibeglei-
tung, hätte Herr Rieht wohl besser unterfassen. — Die
Herrn« Gervais .und Sobolewslci arrangirten jeder einen
Cyclus von Soireen. An Herrn Gervais ist anzuerkennen,
dass er einem gewissen Grundsatze treu blieb, nämlich
dem, nur Modernen und zwar Zusammenpassendes vor-
zuführen. Dies können wir von Herrn Sobolewski nicht
rühmen, dessen Soireen ein Gemisch der heterogensten *
Dinge enthielten, eine wahre Satyrn auf die Musik. Im
Herbst führte Herr Kahle „Die sieben Schläfer" von
187
1844. März. No. 11.
188
Lowe auf. Schon früher von Herrn MD. Riehl hier ge-
geben, erweckte dieses Werk keine besondere Theil-
nahme; es hatte jetzt dasselbe Schicksal. Bessere Hoff-
naogen erregte die durch Herrn Sobolewski angekün-
digte Aufführung des Oratoriums: „Cäcilie" von Run-
genhagen. Leider wurden sie nicht erfüllt. Die Compo*
Positionen dieses Meisters gehören zu den solidesten der
neuern Zeit. Nur mit Entrüstuug können wir daher der
Auffuhrung jenes Werkes gedenken. Gern möchten wir
Herrn Sobolewski wegen des winzigen Orchesters von
etwa vier Violinen, zwei Bratschen, zwei Violoncellos
n. s. f., welches meistens durch Dilettanten besetzt war,
entschuldigen , da das Theaterorchester nicht immer zu
haben ist; allein die ganze Auffuhrung erschien so sehr
übereilt, dass wir nicht umhin können, ein solches Ver-
fahren ernstlich zu rügen. Gern erkennen wir lobend
an, dass die durch Herrn Sobolewski aufgeführten Chöre
zur Antigone von Mendelssohn ungleich besser geübt
waren, aus in dem Rungenhagen'tdktn Werke. Allein
eine Vorlesung über die Musik der alten Griechen hätte
Herr Sobolewski den Hörern erlassen sollen.
In Hinsicht unserer Theaterverhältnisse ist noch zu
berichten, dass der jetzige Director Tietz bis jetzt, wie
man zu sagen pflegt, £ute Geschäfte machte. Die Haupt-
mitglieder der Oper sind: Dem. Sack, erster Sopran,
eine recht brave Sängerin mit guter Schule, Dem. Hal-
ler, zweite Sängerin mit schöner Stimme, besonders für
getragenen Gesang, Mad. Pohlmann- Cressner mit noch
recht angenehmer Stimme und vortrefflicher Schule, Herr
Grünbaum, erster Tenor, mit zwar nicht sehr hoher aber
ziemlich angenehmer Stimme und guter Schule. Ein tüch-
tiger Bass fehlt, da Herr Boschi mit ziemlich guter
Stimme entschieden Bariton ist. Vorzüglich günstig war
der Direction das Erscheinen der Mad. Sehr öder- Devrient,
welche in fünfzehn Vorstellungen Haus und Gasse füllte.
Sie trat als Desdemona, Donna Anna (ein Mal) , als Ro-
meo, Norma, Emmeline, Pidelio, Rezia und Lucrezia Bor-
gia (zwei Mal) und — man muss es gesehen haben, um
es zu glauben — als Penela in der Stummen von Por-
tici auf. Die letzte Partie abgerechnet, welche einer Sän-
gerin von solchem Rufe nicht würdig erscheinen dürfte,
waren die übrigen Darstellungen ausgezeichnet ; der Ton
ihrer Stimme war selbst in den höchsten Lagen, wenn
gleich nicht ohne Anstrengung gebildet, noch immer wohl-
tönend, der Vortrag und Ausdruck edel und wahr und
die Verbindung ihres schönen dramatischen Gesanges mit
dem vollendetsten Spiele meisterhaft. Möchte uns bald ein
ähnlicher Genuas werden!
Berlin. (Beschluss.) Die königliche Oper eröffnete
das neue Jahr mit dem trefflichen Don Juan, wie die Kö-
nigsstädtische Bühne mit Don Giovanni. Am 7. und 9.
Januar d. J. wurde die im December v. J. hier sehr
sorgsam eingeübte Oper : „Der fliegende Holländer/ 4 von
dem königL sächsischen Hofcapellmeister Richard FFag-
ner nach der bekannten Erzählung des Capitän Mar-
2at gedichtet und in Musik gesetzt, anf der königli-
en Bühne, unter Leitung des Componisten, zum er-
sten Male gegeben und am 9. d. wiederholt.
Bei der grossen Tbeilnahme, welche sowohl diese
Oper, als Jragner's „Rienzi" bekanntlich in Dresden
gefunden hat, war die Erwartung auf das neae Werk
sehr gespannt und das Schauspielhaus fast überfällt. Nach
der den Seestnrm vorbereitenden, anhaltend stark instru*
mentirteu und viel modulirenden Ouvertüre waren die
Zuhörer noch zu überrascht und betäubt, um ein be-
stimmtes Urtbeil über den musikalischen Werth der com-
plicirten Composition abgeben zu können. Auch die sehr
dramatische Introducüon mit den characteristisch origi-
nellen Matrosenchören führte noch zu keinem zuverläs-
sigen Resultat. Nach der Arie des Holländers, welchen
Herr Bötlicher vortrefflich sang und darstellte, blieb eh-
rende Anerkennung nicht aus, eben so auch bei der fol-
genden, nur zu wortreichen Scene mit Daland, dem nor-
wegischen Seefahrer, von Herrn Zschiesche ganz im der*
beu Character des Nordländers gegeben, energisch nnd
sehr deutlich in der Aussprache gesungen. Die neue von
Gerst sehr effectvotl aufgestellte Meerdecoration mit zwei
Segelschiffen imponirte bei der nur massigen Breite und
Tiefe der Bühne um so mehr. Im zweiten Act gefiel das
Spinnerlied der Mädchen und Senta's Ballade, von Dem.
Marx mit ergreifendem Ausdruck gesungen. Das folgende
Duett von Senta und Erik (Herr Mantius) gewährte ei-
nen wohllhuenden Ruhepnncl auf die vorigen Gemuths-
aufregungen des Schauerlich- Phantastischen. Auch Da-
land's Bassarie machte gute Wirkung. Am Höchsten stei-
gerte sich diese indess bei dem ungemein schönen Duett
und Terzelt von Senta, dem Holländer und Daland, nach
welchem Dem. Marx, die Herren Bötlicher und Zschie-
sche, mit dem verdienstvollen Tonsetzer Herrn Gapell-
meister fF agner (wie auch nach beendeter Oper) geru-
fen wurden. Der nach Wahrheit des Ausdrucks und Cha-
racteristik mit Erfolg strebende Gomponist hat in der
That in den Gesängen des Holländers und der Senta acht
dramatische Höhe erreicht. Nur in der Modulation und
Inslrumentirung überbietet der originelle, kenntnissreiche
Gomponist sich öfter. Auch hat seine Composition, welche
viel schöne Melodieen, nur zu vereinzelt enthält, des-
halb nicht Abschnitte genug, weil meistens die gewohnte
Form der Musikstücke vermieden wird , wie z. B. die
Recttative, welche durch declamatorische Gesangstücke
ersetzt werden. Wenn die Blechinstrumente übrigens oft
zu sehr hervortraten, so ist billig zu berücksichtigen,
dass solche in dem kleineren Räume des Schauspielhau-
ses die schwächer besetzten Saiteninstrumente decken
mussten, wie dies auch jetzt in andern, stark instrumen-
tirten Opern neuerer Zeit geschieht. Im dritten Act be-
sonders war die Stärke der Matrosenchöre in der Instru-
mentation zu vorherrschend. Ein Contrast von Gesang
ohne Begleitung würde hier (besonders im mysteriösen
Geisterebor) sehr von Wirkung sein. Erik's Cavatine ist
ein sehr angenehmes Gesangstück. Der tragische Schluss,
Senta's Tod in den Wellen, wie die Verklärung des lie-
benden Paares, effectuirte ungemein, und war dem ro-
mantischen Character der Oper angemessen, welche so
vorzüglich , wie hier, ausgeführt , auf allen den Bühnen
Glück machen wird, wo man nicht zu sehr durch den
üppigen Reiz italienischer Melodieen verweichlicht ist,
nnd einen kräftigen Geistesgenuss ertragen kann. Aach
189
1844. März. No. 11.
190
Mflh der «weiten Vorstellung wurde der Componist mit
den Hauptdantellern gerufen. Derselbe hat Berlin bereits
am 10. d. wieder verlassen. „Rienzi" hoffen wir künf-
tig im neuen Opernhause zu hören , dessen Bau bereits
bedeutend vorgeschritten ist.
Das nicht gewöhnliche Talent des vielseitig gebilde-
ten Tondichters verdiente und fand sonach auch hier,
wie in Dresden, auszeichnende Anerkennung. Uebrigens
rechtfertigt die schauerlich -düstere Handlung des „ flie-
genden Holländers 4 ' meistens auch das Exceotrische der
musikalischen Composition, deren geistiger Wertb unver-
kennbar ist.
In Meyerbeer 3 s „Hugenotten" gab Herr Härtinger
vom königlichen Hoftheater zu München den Raoul drei
Mal, demnächst den Sever inNorma, (Hello (besonders
gelungen) und Florestan in Fidelio zwei Mal mit vie-
lem Beifall. Die Brustslimme dieses Tenoristen ist stark
austönend, rein und umfangreich, in der Gesangmethode
jedoch noch nicht völlig ausgebildet, daher der Tonan-
satz zuweilen etwas rauh, auch die Kopfstimme nicht ge-
nug mit der wohlklingenden Bruststimme verbunden wird«
Im Mezza voce ist der, auch durch seine Persönlichkeit
für Heldenrollen in der Oper wohl geeignete Sanger vor-
zuglich ; in der Stärke dagegen übernimmt er sich öfters,
was besonders im kleineren Räume des Schauspielhau-
ses keine gute Wirkung macht, wenn es auch oft Ap-
plaus erzwingt. Mad. Schröder -Dement ist als Valen-
tine in den „Hugenotten" bis jetzt zwei Mal mit beson-
ders günstigem Erfolge, ausserdem als Desdemona in
(Hello mit weniger Glück, den dritten Act ausgenommen,
ferner als Leonore in Fidelio mit grosser Sensation, wie
als Bomeo in den „Monteccbi und Capuletti" mit unge-
meinem Erfolge aufgetreten, in welcher (zu hohen Prei-
sen gegebenen) Oper Herr Härtinger den Tebaldo und
Dem. Tucxeck die Giulietla sangen. — „Carlo Broschi'*
und „Der Wildschütz" sind im Januar nur ein Mal bei
vollem Hause wiederholt worden.
Die italienische Oper hat durch die Gastrollen des
berühmten Moriani einen neuen Aufschwung gewonnen.
Derselbe debütirte bis jetzt als Gennaro in Locrezia Bor-
E'a zwei Mal, als Alamir in Belisario und Edgardo in
nein di Lammermoor, besonders in letzterer Oper mit
grossem Beifall, der indess doeh nicht dem Enthusiasmus
der Dresdner im vergangenen Sommer gleich kam. Mo*
riani wird noch einige Zeit hier verweilen.
Ein eigentümliches Ereigniss war das plötzliche
Verbot des vom Gesammtpersonale der königl. Schau-
spiele mit Allerhöchster Genehmigung für den 22. Ja-
nuar veranstalteten musikalisch - declatnatorischen Acade-
mie zu wohlthätigem Zweck. Im zweiten Tbeile dieser
Academie sollten die im nachstehenden Programm be-
zeichneten Nationallieder, durch einleitende Gedichte ver-
bunden, gesangen werden. Vermuthlich muss hiqr eines
oder mehrere der Lieder oder Gedichte anstössig befun-
den worden sein. Da indess das Programm die Censur
passrrt hatte , so hätte doch jedenfalls eine Weglassung
einzelner Stücke, oder das Verbot des ganzen Concertes
früher geschehen können, als denselben Nachmittag durch
Anzeigen an den Strassenecken, welche Wenige bei dem
Regen- und Schneewetter gelesen hatten, und daher sorg-
los nach dem Concertsaale wanderten oder fuhren, um
so mehr, als die Zeitungen anzeigten, dass das Concert
bestimmt Statt lande. Die Damen, welche die Wagen be-
reits verlassen hatten, litten besonders durch diese Sur-
prise. Das Entrlerald wurde übrigens, bei Ablieferung
der Billette, zurückerstattet.
Herr General - Musik -Director Meyerbeer bat bis
jetzt noch keine Oper dirigirt, sondern dies dem Herrn
CM. Henning überlassen. Es heisst, dass der berühmte
Tonsetzer an Augenscbwäche leidet. Ob sonstige Gründe
seiner Zurück gezogen hei t vorwalten, ist nicht bekannt.
Doch wäre seine einflussreiche Wirksamkeit bei der kö-
nigl. Oper eben so wünschenswerth , als sich diese Sei-
tens des Herrn GMD. Mendelssohn - Bartholdy bei den
Symphonie - Soireen der königl. Capelle zum Gedeihen
der Instrumentalmusik bereits bewährt hat
Der Pianist Herr Mortier de Fontaine giebt mit sei-
ner Gattin am 2. d. M. ein Concert, in welchem der-
selbe das Pianoforte- Concert in Gmoli von Mendelssohn-
Bartholdy und ein Händefsehes Ciavier- Concert vor-
tragen, und Mad. Mortier de Fontaine eine Arie aus
der Oper Mitrane vom Abbe* Francesco Rossi (im Jahre
1686 componirt), auch eine Scene aus Gluck s Orfeo ed
Euridice singen wird. Das Nähere hierüber künftig.
Erster Theil. (Gesang- und Instruments! pieken der anwesen-
den Virtuosen.) — Zweiter Theil, Anthologie der europäischen
National -Lieder, durch einleitende Gedichte von W. v. Merkel,
ff. v. Mühler, 0. Gildemeister, H. Smidt und L. Schneider ver-
banden, vnd zusammengestellt von L. Sehneider. Für grosses
Orchester eingerichtet von dem königl. Masikdireetor Herrn Tau-
bert. Ausgeführt von dem Gesammtpersonale der königl. Sohau-
spiele. 1) Einleitung in die Anthologie der Natioaallieder, gedich-
tet von U. v. Mühler. 2) Einleitung zu dem französischen Na-
tionallied, gedichtet von ff. Smidt. „Vive Henri quatre ! " gesun-
gen von den Herren Mantius, Badet*, Ditt, Heinrich, Beer, Mick-
ler, BÖtticher, Blume. 3) Einleitung zur Marseillaise, gedichtet
von L. Schneider. „Die Marseillaise," gesuugen von Herrn Zschie-
sehe und dem Chor. 4) Einleitung zu der rassischen Volkshymne,
gediehtet von L. Schneider. „Gott sei des Czaaren Schutz," ge-
sungen von den Herren Mantius, Bader, Blume und Botticher.
5) Einleitung zu der portugiesischen Kaiser -Hymne, gedichtet von
L. Sehneider. „ Hör' es , Vaterland und König ! " gesungen von
Herrn Bot lieher und dem Chor. 6) Einleitung zu der spanischen
Ritgo- Hymne, gedichtet von 0. Gildemeister. „Riego - Hymne/'
gesungen von den Herren Bader, BÖtticher und dem Chor. 7) Ein-
leitung zu dem englischen Volkslied, gedichtet von ff. Smidt.
„Rule Britannia/' gesungen von Friul. Tueteck und dem Chor.
8) Einleitung in das holländische Nationallied, gedichtet von H.
Smidt. „Wem Niederländisch Blut in d'Adcrn fliesst," gesungen
von Frau v. Fassmann. 9) Einleitung in das schwedische Natio-
natlied, gedichtet von 0. Gildemeister. „König Carl Johann," ge-
sungen von Herrn Ditt und dem Chor. 10) Einleitung in das dä-
nische Natiouallied, gediehtet von ff. Smidt. „Held Christian stand
am hohen Mast/ 4 gesungen von Fräul. Marx und Chor. II) Ein-
leitung in das deutsche Nationallied, gedichtet von ff. Smidt.
„Prinz Engen der tapfre Ritter/' gesungen von den Herren Man*
Uus, Bader, Mickler, Böttieher und dem Chor. 12) Einleitung
zu LbUow't wilder Jagd, gedichtet von L. Sehneider. „Was
glänzt dort vom Walde im Sonnenschein," gesungen von den sämmt-
lichen Sängern der königl. Oper. 13) Einleitung zu dem öster-
reichischen Nationallied, gedichtet von ff. Smidt. „Gott erhalte
Franz den Kaiser," gesungen von Herrn Mantius und dem Chor.
14) Einleitung zur preussischen Volkshymne, gediehtet von W. v.
Merekel. „Borussia," componirt von Spontini, gesungen von den
Damen v. Fassmann, Marx, Tucxeck, Hofkunt*, Ferber und dem
ganzen Personal der königl. Oper.
IM
1844. Man. No. U.
192
Am Bredm. (Januar.) In der letzten Zeil iU «i-
nige grünere Compositionen hiesiger Tonsetzar gegeben
worden, welche in dieser Zeitung erwähnt so werden
verdienen» Znent eine neue Oper des Capellmeisters an
beesicen Theater E. Seide/mann: „Das Pest zu Kcuil-
wortb." Der bekannte Roman bietet für die Oaer inae-
fern kein günstigen Motiv, als Emny, die Heldin, als
nnsebnldiges Opfer fallt, was leicht bei den Zuschauer
Indignation erwecken kann« Der Dichter lässt sie daher
gerettet werden, und zwar dnreh Elfen, nnter deren
Schatz er sie von vorn herein stellt. Für Abwechslung
ist gesorgt, und das Ganze nnr eher zu bunt gehalten«
Den Conpenislen aber könnte noch viel wirksaner in
die Hände gearbeitet sein. Die Musik zeigt Erfahrung,
Fleiae und Geschicklichkeit, entbehrt aber einer gewis-
sen Einheit des Stvb, was bei einen fortdauernd nit
Einstadireu von Werken des verschiedensten Styles be-
schäftigten Tonkünstler nicht befremden kann. So begeg-
nen uns denn wohl Anklänge aus diesen und jenem Ton»
BMister ; dies schliesst nicht aus, anzuerkennen, dass Mu-
sikstücke von freier, frischer Gestaltung, glückliehe Würfe,
die entscheidende Wirkung thnn, nicht fehlen. Diese
Nummern hier einzeln zn bezeichnen, wäre fruchtlos;
nur so viel, dass der dritte Act sehr viel dramatische
Lebendigkeit in der Musik offenbart, dass die Elfcnchöre,
auch einige heitere Lieder, allgemein gefallen haben.
Ueberhaopt hat die Oper, die binnen Kurzem vier Mal
gegeben worden ist, Beifall erhalten.
Ferner haben wir von zwei neuen Symphonieen hie-
siger Cemponisten* die beide in den Goncerten der deut-
sehen Gesellschaft gegeben worden sind, zu berichten.
A. Hesse hat seine sechste Symphonie (Emoll) aufge-
führt, welche uns einen Fortschritt in der Entwickelung
dieses in Deutschland bereits allgemein bekannten Com-
t Misten zu bezeichnen scheint, womit wir einen nicht
los äusseren, sondern inneren Fortschritt meinen, denn
kenntnissvolle und gewandte Schreibart hat er längst be-
währt. Er hat die Form diesmal nicht mehr blos mit ma-
thematischer Genauigkeit, sondern mit Freiheit behandelt,
nnd die ihm eigentbümliche scharfe Gliederung jedes ein-
zelnen Theiles in lebendigeren Fluss gebracht. Wir .hal-
len übrigens den zweiten Satz, ein mit einem Allegretto
verwebtes Andante, und den letzten, der in ungemein
frtsehem Schwünge bei contrapunctischer Freiheit sich
vorwärts bewegt, für die trefflichsten Theile des Ganzen.
Durch viele Gesangcompositionen, namentlich viele
vierstimmige Männergesänge, kleinere Kirchensachen ist
Ernst Richter, Lehrer am hiesigen evangelischen Schul-
lehrerseminar, seit Jahren bekannt. Gegenwärtig ist er
auch mit einer Symphonie hervorgetreten, welche zwar
nooh einige Spuren des ersten Schrittes auf der neuen
Bahn an sich trägt, doch sich durch edle Einfachheit des
Styls und manche Schönheit empfiehlt; insbesondere fin-
den wir den ersten Satz sehr gelungen, während der
letzte sich die Gunst eines grossen Hörerkreises schnel-
ler zu erwerben geeignet ist.
Von auswärtigen Virtuosen haben sich Wenige bis
jetzt hier eingefunden. Ziemlich viel Glück hat der junge
Violoncellist dt Dio aus Berlin gemacht, der in der That
talentvoll, sich mit der modernen Behandlung seines In-
struments bestens bekannt genseht hat. Etwas seltenere
Anwendung den Schleifens der Töne» wie den Tonao rn-
bato, ist ihn anznrathen.
Erfurt, Concertbericht von 1. Oetober bis letzten
December 1843. — In Folge von mancherlei Umständen
habe ich diesmal nnr über wenige der in dem angegebe-
nen Zeiträume stattgehabten Concerte zn berichten. Die
zur Geburtstagsfeier unseres Königs veranstalteten grös-
seren Musikauffuhrungen haben bereits in No. 4& des
vorigen Jahrganges d. Bl. eine ausführliche Beurtheihing
durch einen anerkannten Kuastrichter gefunden, und es
dürfte überflüssig, wenn nicht anmaassend erscheinen,
dem noch Etwas hinzufügen zn wollen. Nur der Berich-
tigung eines kleinen Irrlbums wäre hier wohl, an et-
waige Missverständnisse zu vermeiden, der Raun zu gön-
nen. Nicht der „Af/fcr*scbe Gesang- Verein** — der
Herr Berichterstatter versteht hierunter wohl den Sing-
chor, welchen der Organist Ritter leitet — bat als sol-
cher bei der Aufführung des Oratoriums „Mose" von
Marx mitgewirkt, sondern nur eine Anzahl seiner Mit-
glieder, zu deren Erleichterung das genannte Institut
seine eigenen Uebungen bis nach Aufführung des „Mose"
aussetzte. — Ueber die lebhafte Theilnahme, welche
Haydn's Symphonie in Ddur erregte, so wie über die
hauptsächlich in Folge seiner ungünstigen Stellung gerin-
gere Wirkung eines Psalms von Spokr („Unendlicher")
im dritten Concerte des Erfurter Musikvereines kann ich
eben so wenig aus eigener Anschauung berichten, wie
über Prümesy in einem Localblatle warm belobtes Spiel
und über die allgemein als ausgezeichnet geschilderte
Executiruag der Freischützouverture unter des Musikdi-
rectors Golde Direction. — Die Herren Dietrich, Ha-
bermann nnd Ritter gaben drei in der gewohnten Weise
ausgestaltete Soireen. In der letzten fand die fürstl. ru-
dolslädlische Kammersängerin Frfiul. Schreck durch den
Vortrag einiger Lieder grossen Beifall. Man rühmt an der
Sängerin die sorgfältige Ausbildung des angenehmen Or-
gans , das wirklich wunderschöne Piano in den mittlem
Tönen, die richtige Auffassung und lebensvolle Darstel-
lung der vorzutragenden Compositionen. — Die liy 2 jäh-
rige Pianistin Henriette Zieh aus Zeitz Hess sich in ei-
nem besondern Concerte mit Variationen von Herz, mit
einer Etüde: ,,Orage, tu ne saurais m'abattre!" von
Henselt, dem „Erlkönig" von Liszt nnd der Moses-Fan-
tasie von Thalberg hören. Sie spielte die genugsam be-
kannten Compositionen, was die Fertigkeit betrifft, cor-
rect; die Ausdauer der zarten Hände war Erstannen er-
regend. Einen eigentümlichen geistig- musikalischen Ge-
nuas kann man bei dergleichen Gelegenheiten nicht bean-
spruchen. — Die drei Gebrüder Mollenhauer traten in
zwei Goncerten auf. Die Leistungen der beiden jünge-
ren Brüder erschienen, mit den frühem verglichen, nicht
gesteigert, vielleicht sogar etwas zurückgegangen, wäh-
rend der ältere im Spiel wie in der Composition viel-
seitige Proben eines wirklichen musikalischen Talentes
zeigte.
A. G R.
193
1844. März. No. 11.
194
Herbstopern in Italien u. $. w.
(ForUetaung.)
Poggio a Cajano. Während der Villeggiatura des
Grassherzogs im October worden auf dem hiesigen Thea-
ter drei Opern : Chi dura vinee von Rieci, La Figlia del
reggimenlo von Donizetti, und Elisa e Claudio von Mer-
cadante gegeben, worin die Brambilla, die Bigazzi, Tenor
Paglieri and die Bassisten Boecornini und Dal Vivo vie-
len Beifall fanden. Die Brambilla (Erminia) bat eine an-
genehme geläufige Sopranstimme; Paglieri taugt mehr
nir's Serio.
San Sepolcro. Bei Gelegenheit des hiesigen jahrlich
statthabenden grossen Festes wurden die zwei Donizel-
ti'schen Opern Belisario und Gemma di Vergy, nebst
Rossini's ltaliana in Algeri, gegeben. Unter den Sängern
waren Tenor Comassi und Bassist Luzzi die ausgezeich-
netesten; etwas minder die Vecchi und die Comprima-
ria Gajani.
Livomo. Donizetti's Roberto d'Evreux verunglückte,
der Musik, zum Theil auch der Sänger wegen. Die Bar-
tolini-Raffaelli als Elisabetta behagte gar wenig; die Della
Noce gefiel noch weniger als Sara, auch darum, weil sie
keine ausserordentliche Schönheit ist; Bassist Salandri
genügte kaum; der Einzige, der sich rettete, war der Tenor
Musich. Die magere Dirce vom jungen Maestro Peri ge-
fiel mehr, als der Roberto, dem sie sehr weit nachsteht ^
auch diesmal trug Herr Musich die Palme davon. In Pa-
cini's Saffo tbalen sich die Bartolini und Salandri noch mehr
hervor, wurden aber vom Tenor überragt, und da die ßue-
cini die Rolle der Gleomene übernahm, so konnte mag
sagen : Finü coronat opus.
Butt. Dieser reiche Flecken hat diesen Herbst ein
neues elegantes Theater mit Donizetti's Elisir d'amore
eröffnet. Hauptsänger waren die Ciolti-Grossoni, die Al-
les entzückte; die Gomprimaria Cararesi, Tenor Bigazzi
and Bassist Peiliccia.
Kirchenstaat.
Rom (Teatro Apollo, vulgo Teatro Tordinona). An-
fang ziemlich gut, die ganze Mitte nicht, Ende ausge-
lassen gut. Nachdem Donizetti's Lucrezia Borgia (hier
unter dem Namen Elisa da Fosco) mit der Barbieri -Nini,
der Sbiscia, dem Tenor Roppa und Bassisten Ronconi
(Sek.) genügend die Breter passirte, lösten die Brambilla
und die Patriossi benannte beide Damen ab, und wurden
mit Roppa, Ronconi und Fallar in Nini's ein Jahr alter
Virginia aufgeopfert. Diese Künstler singen ohne Weite-
res brav, aber die von den Journalen zu seiner Zeit so
heebgepriesene Musik dieser Oper wurde hier als etwas
gar Mittelorässiges, durch Lärm Betäubendes ohne die
mindeste Neuheit gefunden. Sowohl die Virginia als die
nachher gegebene Norma (in welcher die Barbieri und
Cignozzi wirkten) erlebte in Allem vier Vorstellungen;
in Bellini's Oper wurden diesmal mehr die Decorationen
appUudirt! Mit besonderer Pracht und Luxus ging am
10. October, der Himmel mag es wissen, warum, Doni-
nizetti's nirgends ansprechende Maria di Rudenz in die
Scene. Die Brambilla sang etwas ermüdet, Ronconi war
unpasslich, und der einzige Roppa hieb sich durch.
(Zt No.
Besser ging es Anfangs November in Marino Faliero,
von demselben Maestro, in welcher Titelrolle Ronconi
wie gewöhnlich trefflich sang und hübsch dislonirte. Um
die Hälfte desselben Monats gab man den, vorigen Car-
neval für Florenz von Herrn Mabellini componirten, und
hier von ihm selbst in die Scene gesetzten Conte di La-
vagna, o la congiura di Ftesco (nach Schiller), worin
die Brambilla, die Barbieri, die Patriossi, Roppa (Titel-
rolle) und Porto wirkten. An Herausrufen und Klatschen
fehlte es keineswegs, die Oper selbst hat indessen kein
sonderliches Behagen erregt. Ja, ein sehr langer, „Tosi"
unterzeichneter Artikel in der flivisfa Romana giebt dem
Maestro sogar eine lange Leclion, wie er sich beim Com-
poniren seiner Opern zu verhalten habe. Und damit man
auch in Deutschland sehe, welche Weisheit unsere Opern-
artikelscbreiber predigen , mag hier eine Stelle aus je-
nem Aufsatze Platz finden. Diese lautet wie folgt : „Nie-
mand mehr als Rossini kannte die Geheimnisse der wah-
ren Harmonie (Dank für die im November 1843 zu Rom
niedergeschriebene nagelneue Neuigkeit). So wie der Pe-
sareser (d. h. Rossini) Herr, ja Souverain dieses Ge-
heimnisses gewesen ist, so war auch (man höre !), wie
die Renner behaupten, Mozart's brillante Seele (anima
briosa) ein mächtiger Herr (possente signore) davon." —
Die zu Ende Novembers endlich gegebene ,, prachtvolle"
neue Oper Bonifazio de 9 Geremei, del principe Giu-
seppe Poniatowsky , worin die Brambilla, Roppa, Ron-
coni, Porto und Kallar sangen, und in Allem 250 Per-
sonen wirkten, erregte einen Fanatismo in der dritten
Potenz. Was dieser Maestro musikalisch zu leisten ver-
mag, wissen die Leser längst. Indess lässt sich die Re-
capitulation der mit so vielem Pomp in allen Zeitschrif-
ten angekündigten Herbststagione auf diesem Theater mit
folgenden Worten zusammenfassen. Sie war, versteht sieh
für die Hellsehenden und Hellhörenden, erbärmlich, wie
alle dermaligen Stagioni in ganz Italien; sie hat aber
sehr geräuschvoll geendet, und was das Geräusch in der
heutigen italienischen Oper bedeutet, ist weltbekannt. Am
Meisten zu beweinen sind dabei Hesperiens Kinder, die
mit ihrer glücklichen Gesanganlage noch immer die treff-
lichsten Sanger liefern würden, durch die beutige Opern-
industrie aber nicht die nötbige Ausbildung erhalten, sehr
bald zu Grunde gerichtet werden, und schon in ihrer
zarten Jugend als Sängergreise dastehen.
(Teatro Alibert.) Mit der berühmten Tänzerin Cer-
rito war auf diesem Theater stets Sonnenaufgang, der
jederzeit schnell zum Zenith stieg; vor und nach war es
stets in der Oper Morgen- und Abenddämmerung. Mer-
cadante's Vestale begann mit einem Fiasco; die Gabussi
glänzte nicht in der Titelrolle, Baizar passte seinem Part
nicht an, Buffo Scalese tab den Flaminio und Tenor Bo-
rioni vermochte keine Wunder hervorzubringen. Pacini's
in Neapel in den Himmel erhobene, von ihm selbst auf
seiner Durchreise nach Palermo hier in die Scene ge-
setzte Fidanzata Corsa hatte am ersten Abend ein zahl-
reiches Auditorium, wovon ein Tbeil zuweilen der Ober
und dem Bassisten Baizar einigen Beifall schenkten ; die-
ser spärliche Applaus und die Zahl der Zuhörer nahm
schnell ab, und die Musik der Oper gefiel gar nicht. Die
Schuld der Galamität geben Einige dem Tenor Donati
lt.)
195
1844. März. IVo. 11.
196
(der deu unpässlichen Borioni ersetzte), der Seconda !
Doona und dem Orchester. Bei Anwesenheit des Duc
d'Aumale wurden mehrere Scenen von Pacini's Saffo ge-
fpben, der Tänzer Saint- Leon liess sich mit einem Vio-
inconcert hören und beklatschen, und in einem von eben
diesem Tänzer -Concertisten und Ballet meist er componir-
ten neuen Ballette: II Lago delle Fale, Hess sich die
Gerrito bewundern und in den Himmel erheben. ßossi-
ni's Assedio di Corinto, worin Baizar den Maometo, die
Schieroni die Pamira, Borioni den Cleomene, Scalese den
Iero gab, die Olivreri Neocle's Bolle übernahm, ging so
so ; desgleichen Rossioi's Barbiere di Siviglia — auf dem
Teatro Valle — mit der Gabussi und den Herren Bo-
rioni, Baizar, Scalese und Valentini.
Die hiesige Accademia di S. Gecilia hat zu ihren
Ehrenmitgliedern ernannt: den Grafen Spaur, Gouver-
neur der Lombardei ; den Baron Toresani, Polizeidirector j
in Mailand; die Prime Donne Brambilla (Teresa) und ,
Siejanone, den Bassisten Del Riccio und die — Tänze* \
rin Cerrito. j
Lugo. Bossini lässt jetzt das Haus seines von hier j
gebürtigen Vaters Giuseppe, in der Via Lumagni No. 580,
das in der Ueberschwemmung des Jahres 1842 ganz zu
Grunde ging, auf eigene Kosten weit solider aufbauen.
Medicina. In diesem in der Provinz Bologna gele-
genen reichen Flecken gaben homöopathische Sänger (die
Allain, Tenor Mamini, Bassist Cbiusuri und der Buffo
Grandi) Donizetti's Elisir'mit dem besten Erfolge.
Bagnacavallo. Die vorberbenannten Virtuosi, mit der ,
Gosentino anstatt der Allain , gaben hier den Elisir und i
die Lucia Donizetti's mit noch besserm Erfolge.
Perugia. Hier langweilte man sich diesen Herbst
ohne Oper so gewallig, dass sich einige Professori und !
Dilettanti ganz «zu Ende der Stagione entschlossen, eine
Oper zu geben, versteht sich von — Rossini? ach nein, <
er ist beinahe vergessen ! also von dem stets unvergess- :
liehen Donizetli, und zwar seine noch weit unvergessli-
cbere Gemma di Vergy. Die Prima Donna hiess Zenobia
Papini ; nach dem hiesigen Osservatore del Trasimeno hat
der „grosse" Pacini viel Gutes von ihr prophezeiht. Te- '
nor war Herr Luigi Bernabei und der Bsssist Herr Emi- ;
lio Ciosi. Die Zuhörer glaubten sich im Elysium. j
Bologna. Sänger und Tänzer in ziemlich grosser
Anzahl. Die Damen hiessen Slrepponi , Corbucci , Rama- ,
cini, Gandaglia (kaum die Erste, noch vor wenigen Jah-
ren eine gute Sängerin, nnn durch die heutige leidige
Lärmoper zu Grunde gerichtet, bemerkenswert!!); Te-
nore Frascbini und Dei; Bassisten Badiali (recht brav),
Caliari u. s. w. Den 7. October wurde das Theater Co-
munale mit Herrn Verdi's Nabucodonosor eröffnet. Man
fand in der Musik dieser in Mailand, ihrem Geburtsorte,
mit so lautem Beifall gegebenen Oper gar wenig Neues
und viel Lärmendes, sogar in den Recitativen; nur einige
Stücke erfreuten sich des Beifalls. Donizetti's Roberto
d'Evreux machte hierauf einen grossen Fiasco* und nach
der dritten Vorstellung gab man zwei Acte des Nabucco
und Einiges aus dem Roberto, also eine Pastete. Am 4.
November folgte die Lucia, worin die Maray die Titel-
rolle übernahm. 'Sie hat diese bereits in Rom mit Poggi
und Badiali, in Neapel mit Frascbini und Cartagenova,
in Livorno mit Gastellan und Porto, in Siena mit Roppa
und Ronconi (Seb.), in Faenza mit Ivanoff und Tambu-
rini, in Ancona mit Ivanoff und Ronconi, in Reggio mit
Moriani und Ferri gesungen, könnte sie also selbst im
Schlafe vortragen. Die Lucia ward gewissermaassen die
Liebliogsoper der Stagione, wurde auch wohl mit dem
Nabucco zusammen, jede Oper zur Hälfte, gegeben. Am
25. November wiederholte man Bellini's Pirata, abermals
mit der Slrepponi, aber mit keinem guten Erfolge.
Bei seiner Ankunft aUbier aus Paris wurde Rossini
am 3. October von den sämmtlichen Professori dts Li-
ceo Musicale bewillkommnet.
Die Harfenkünstlerin Apollonie Bertucat gah im Pri-
vattheater der Principessa Donna Maria Malvezzi Herco-
lani eine musikalische Academie und erregte mit ihrem
trefflichen Spiele allgemein starken Beifall.
Königreich Beider Sizilien.
Palermo (Teatro Carolino). Mit Donizetti's Roberto
d'Evrenx wurde am 4. October die Stagione gar nicht
glänzend eröffnet. Die brave Bortololti und Bassist Torre
waren die ziemlich Begünstigten , minder Tenor Pancani
und die Austin gar nicht. In Paciui's von ihm selbst in
die Scene gesetzter Fidanzata Corsa, worin nebst den
drei Erstem noch Tenor Mei und Bassist Vaili wirkten,
ging es viel besser; der Maestro war auch ganz müde
vor lauter Hervorrufen und Sammeln der ihm zugewor-
fenen Blumenkränze und Sträusse. Seine am 28. Novem-
ber mit der Bortololti, der Austin, Pancani, Valli und
Torre in die Scene gegangene neue Oper Medea fand
in der ersten Vorstellung nur theilweise Applaus, der in
der zweiten zum Fanatism und in der dritten zum Deli-
rium anwuchs. Hätte Pacini nicht schnell nach Neapel
gehen müssen, um auf dem Teatro Nuovo daselbst seine
neue Oper Luisetta schnell in die Scene zu setzen, dar-
auf wieder schnell nach Mailand zu gehen, um auch da
an der Scala mit seiner alten und neuen Oper thätig zu
sein: wer weiss, was hier noch Alles entstanden wäre!
Diese Schnelligkeiten haben aber zugleich auf die Zuhö-
rer gewirkt, die, wie einheimische Blätter sagen, die er-
habene und tiefgedachte Musik dieser Medea anfänglich
nicht ganz begriffen, schon in der zweiten Vorstellung
aber mit Blitzesschnelle in sie gedruugen sind.
Messina. Beim wahren Lichte betrachtet waren un-
sere drei Opern drei magere Vergleichuugsstufen. Die
Armenia als JNorma, der längst fertige Tenor Genero —
o weh! Pacini's Fidanzata Gorsa mit der Armenia, den
beiden Tenoren Genero, Secino (einem Anfänger) und
dem Bassisten Scappini, kaum leidlich. Nun gar Doni-
zetti's Don Pasquale, mit der Armenia, Genero, den bei-
den Bassisten Bossi und Scappini: der war doch mit all'
seiner Magerkeit der Superlalivus der Stagione.
Catania. Erst um die Hälfte Novembers wurde
hier die Herbststagione und zwar mit Donizetti's Linda
di Chamounix eröffnet, worin sich dieParepa-Archibuai,
Tenor Nerozzi und Bassist Gappelli besonders auszeich-
neten.
Reggio (in Galabrien) erfreute sich, wohlgemerkt
für hier, einer der besten und zahlreichen Gesellschaft.
197
1844. Mär«. No. 11.
198
Die Epooina Bruni , die Luigia Lombardi - De Baillou
(Mezzosopran); die Tenore Raffaele d'Andrea, Camillo
Giuliani ; Baasist Gaetano de Baillou (Gatte der Lombardi,
auch Impresario) und Buffo Giuseppe Remorini, waren
die Haoptsänger , nnter welchen die Bruni (Brno, eine
Französin) und De Baillou als die besten betrachtet wer-
den, und die auf ansehnlicheren Theatern nicht übel figu-
riren könnten. Pacini's Saffo und Bellini's Norma wa-
ren die gegebenen Opern. Sonderbar machte Erstere hier
wenig Glück, und ein hiesiges Blatt unterstand sich so-
gar, über sie Folgendes zu sagen : „Bald werden den stu-
dirten Accorden der Saffo von Pacini, ihren gesuchten
Harmonieen, Tonarten mit einem Walde von Been in
der Vorzeichnung, ihrer schwierigen Instrumentation im
Verbältniss zum Gesänge, die breiten (larghe) und an-
ziehenden Melodieen vqn Bellini's Norma folgen." Die
Norma bat auch ohne Weiteres viel mehr Glück ge-
macht.
Foggia, Eine neue Prima Donna assolula, Enri-
chetta Servoli, mit einigen guten Anlagen zur Kunst, be-
trat hier in Donizetti's Maria di Rudenz die Bühne, ge-
fiel ziemlich , machte aber darauf in dessen Belly sogar
Furore. Hauptadjutanten waren: Tenor Pompejano und
Bassist Leopoldo Cammerano.
Bari. Die Prima Donna Berelti, Com primaria Villa,
Tenor Mazza, die Bassisten Anilo und Labornais nebst
Buffo Villa producirten sieb hier in Donizetti's Locia,
Rossini's Barbiere , Bellini's Sonnambula und Mercadan-
te's Briganti. Einiges in der Lucia wurde von der Be-
relti nicht übel vorgetragen, sonst ging, aufrichtig ge-
sprochen, Alles schlecht, und langweilte die Zuhörer
ausserordentlich.
Lanciano. Pacini's Saffo und Mercadante's Giura-
mento gingen mit der Chimerli, dem Tenor Cenni, Bas-
sisten D'Arco, und noch anderen sogenannten Virtuosi,
für diesen Ort, mit besonderem Glück über die Breter.
Neapel (königliche Theater S. Carlo und Fondo).
Aeltere Opern wurden auf beiden Theatern im Herbste
wiederholt, von Donizetti: Maria Padilla (am Allermei-
sten!), Linda di Chamounix, Elisir; von Bellini: die
Norma und Puritani; von Rossini: Barbiere und Cene-
rentola; von Lillo: die Osteria di Andujar (oft); über-
dies zuweilen, nach dem MusUt des Teatro Nuovo, Pa-
steten aufgetischt, z. B. ein Act aus dieser, einer aus
jener Oper, nebst einigen Stücken aus verschiedenen
Opern u. s. w. Die Goldberg gefiel stets allgemein, bei
alldem ging es einer Oper, in der sie wirkte, nicht am
Besten. Herrn Nicolai's Templario (hier unter dem Titel
Teodosia, mit welcher die Stagione eröffnet wurde),
worin nebst ibr die Gruiz, Tenor Tamberlik, Bassist Co-
letti und Bassist Arati wirkten, machte einen kleinen
Fiasco. Mad. Bishop, die im Barbiere di Siviglia und in
den Puritani gar nicht gefiel, wurde in der Linda di Cha-
mounix ausgelacht. Die beliebtesten Sänger sind : Bas-
sist Coletti, Tenor Basadonna (gute Schule, aber fertig)
und die Goldberg, die auch im Buffo als Actrice in der
Osteria di Andujar Ehre einlegte und, nach dem Aus-
drucke eines hiesigen öffentlichen Blattes, Alles über-
raschte. — Neu waren: auf S. Carlo (12. December)
die Oper Costanza (TArragona, vom Maestro Sarmiento,
mit einer verdienten, sehr lauen Aufnahme; auf dem
Teatro Fondo die erste Oper vom Maestro Dermino Majo,
Zögling des hiesigen Conservatoriums, Mattia l' Inva-
lide* betitelt, mit einer buffo- seria, leichten, dabei ein-
förmigen Musik, die ebenfalls einen hübschen Fiasco ein-
steckte.
(Beschluss folgt.)
EUILLETON.
Am 15. Januar starb zu Downside bei Batb der vormals be-
liebte Tonsetzer Graf Mazzinghi, geb. 1765, ans einer alten tos-
oanischen Familie. Georg IV. übertrug ihm anter Andern die Lei-
tung der englischen Hofconccrte. Ausser England sind seine zahl-
reichen Compositiooeo (Opern, Lieder n. s. w.) wohl meist ver-
schollen.
Graf Czernin zu Wien ist auf sein Ansuchen von der Ober-
direction über das Hofbargtheater enthoben worden. Sein Nach-
folger ist der Landgraf von Fürstenberg. Herr v. Holbein bleibt
in der Stellung eines technischen Directors auf seinem Platze, bat
jedoch jedes Mal die Gutheissung der Oberdirection einzuholen.
Nach dem baieriseben Regierungsblatte hat der König von
Baiern der von Dr. Franz Liszt durch die Schenkung von 1500 Fl.
beabsichtigten Gründung eines halben Freiplatzes in der königli-
chen Bliodenbescbäftigungsanstalt zu München die Genehmigung
ertheilt, mit der Bestimmung, dass der Theilfreiplatz, unter Vor-
behalt des landesherrlichen Verleihungsrechtes, der Lüzt y sehe be-
nannt werde.
Die katholische Geistjiebkeit der Moorfields-Cbapel zu Lon-
don hat sieb gegen die Wittwe Carl Maria* s v. Weber erboten, die
Asche Weber' s auf ihre, der Geistlichkeit, Kosten nach Dresden
zu schaffen. Bekanntlich wurde diese Sache vor mehreren Jahren
in Dresden angeregt, und der dasige Liederkranz gab zu diesem
Behufe ein Concert, dessen Ertrag sieb aof400Thlr. belief. Letz-
tere können nun den Stamm für eine Sammlung zu Weber 9 s Denk-
mal bilden.
Ein Verein von Verehrern der neulich fälschlich todtgesagten
Cataiani bat so eben ihr Portrait von einem floreotinischen Mei-
ster in Kupfer stechen lassen und viele tausend Abdrücke davon
in alle Welt versandt. Von Rom sollte der ausgezeichnete Medail-
leur Girometti auf die Villa zu Prato bei Florenz, wo die Künst-
lerin lebt, reisen, um ihr nach der Natur genommenes Bildniss
dureh Denkmünzen zu verewigen.
. Am 14. Februar feierte Capellmeister Lindpaintner zu Stutt-
gart sein 25jähriges Dieustjubüfium. Im Theater fand eine fest-
liche Aufführung von Scenen aus seinen Opern (Vampyr, Genue-
sen o, sicilianische Vesper) und dem Ballet Danina Statt; der Kö-
nig ertheilte ihm den würtem bergischen Kronenorden (und damit
zugleich den Adel); die Hofeapelle gab ihm ein Festmahl, wobei
sie ihm einen silbernen Poeal überreichte. Ausserdem halte man
ihm zu Ehren noch von anderen Seiten her Festlichkeiten ver-
anstaltet.
In Dresden wurde zum Besten der Naumannsstiftung ein Con-
cert gegeben > welches besonders durch Listt's Theilnabme Glans
erhielt. Die Einnahme belief sich auf 1300 Thlr.
In Berlin starb der bekannte treffliehe Violoncellist Rammer-
mnsikus Töpfer.
Die „königliehe Gesellschaft der Musiker" zu London, welche
vor bereits 100 Jabren zur Unterstützung armer Musiker gegrün-
det wurde , bat im Laufe des Jahres 1843 die Summe von 2389
Pfand Sterling als Unterstützung an hilfsbedürftige Musiker vor-
199
1844. März. No. 11.
Ankündigungen.
200
Im Verlag« der HSfer'sehen Buchdrnekerei in Zwick« u
ist eusehiencn die
zweite vermehrte Auflage
TOB
140 (jetzt 144) Choralmelodlen,
nach Hiller in Partitur gesetzt, nebst Kommuniongesän-
gen und Responsorien zum Gebrauch für Seininarien,
Gymnasien, Gesaugvereine, Bürgerschulen und Posau-
nenchöre. Herausgegeben von ff. B* Schulze, Caolor
und Musikdirector in Zwickau. lV/ 2 Bogen auf be-
sonders starkes Ganzleipapier. Preis 20 Ngr.
Für die Zweckmässigkeit and Brauchbarkeit dieses Choral ba-
cke« sprechen die Empfehlung' höchster Behörde und der schnelle
Absatz der ersten Auflage durch Einführung derselben in verschie-
denen Seminarien, Kirchen und Schulen. Durck Vermehrung von
drei Schickt*schen Chorälen und der Litanei ist das Werk noch
brauchbarer geworden.
Um die Einfuhrung desselben au erleichtern, wird jedem, der
sich direct an die Verlagshandlung wendet, besonders in Partieen,
ein bedeutender Rabatt zugesichert.
In der T» TrSMltweln'schen Buch - und Musikalienhand-
lung (<J. Guttentag) ist erschienen :
Mnilsslä, Theodore, Portefeuille de Musiqne. Morceaux de
Salon pour le Piano. Op. 20. compl. 5 Thlr.
Daraus einsein :
1) La CmtueUe. Piece characteristiane. 18 Sgr.
Sl) « Stimmt Pfecwrne. 15 Sgr. '
3) Gavotte, 19* Sgr.
4) k Naples. Suite de quatre pieces italiennes.
a) BarearoUe. e) Devant l'eglise. j j j^ ß ^
b) Serenade.
arantelle ein»
8) Trois Chansonnettes,
d) Taranteile.
Tavantelle einzeln SO Sgr.
20 Sgr.
Von Seiten der hochlöblichen Regierungen wird auf Veran-
lassung Eines Hohen Cultus - Ministerii auf folgende Schrift gans |
besonders aufmerksam gemacht t
Die Orgel und Ihr Bau.
Ein systematisches Handbuch ßlr Cantoren, Organisten, ;
Schutlehrer, Musikstudirende u. s. w. y so wießtr Geist- \
liehe, Kirchenvorsteher und aüe Freunde der Orgel und
dies Orgelspiels, herausgegeben vom Organisten
Johann Julius Seidel»
Mit Notenbeispielen und neun Figuren -Tafeln.
Zweite verbesserte und sehr vermehrte Auflage*
Verlag von F« E. C# Ijetmekmrt«
f&* SnbscriptinnspreM Ein Thaler.
„Wenn ein Mendelssohn -BarAoldg In einem Briefe an den
Verf., der mir vorliegt, sehreibt, dass er „das Buch mit grossem
Interesse und mit wmhrer Belehrung gelesen," und dem Verf. dankt,
dass er mit so viel Sorgfalt, Deutlichkeit und FbUständigkeit einen
so wichtigen Gegenstand allgemein ingänglich gemacht habe ; wenn
der Veteran Dr. Bebs im theolog. Literatur - Blatt sur allgemeinen
Rwehenneitufig sagt, dass er dem fragliehen Werke hinsichtlich
feiner wesentlichsten Bramehbarkeä und Nützlichkeit ein anderes
an die Seite steilen in können nieht ve r möc h te ; wenn In der „Leip-
ziger Musik -Zeitung« und der von Heutsehel redigirteu „Beterp«,«
die Herren Musikdireetoren P. WUke und C. T. Seiffert und in
dem Badenischen Volksschulblatte der bekannte Organist Vierimg
das Bück gleichfalls günstig beurtheilt haben ; wenn die Breslauer
Orgelspielmeister Hesse und Köhler die Arbeit schon vor dem
Drucke kennen lernten und anpriesen; wenn endlich die Renner
der Sache, die Seminar - Musiklehrer Bichtcr und Sehnabel t das
Buch ihren Seminar - Zöglingen , denen immer nur gediegene Sa-
chen anempfohlen werden dürfen, in die Hände derselben zu brin-
gen bemüht waren; wenn — meine ich — solche Priasipal-Stim-
men für das Werk reden: so bedarf es von meiner Seite keines
empfehlenden Wortes, sondern nur der Hin Weisung auf die Schrift"
— sagt der als pädagogischer Schriftsteller so rühmlich bekannte
Herr Oberlehrer Scholz in seiner Sehlesischen Schullehrer - Zeitung
1845 No. 16. — £&» Alle Buchhandlungen nehmen Bestellungen
auf dieses, jedem Organisten unentbehrliche, Handbuch an.
In meinem Verlage ist erschienen und durch alle Bneh- und
Musikalienhandlungen au beziehen :
Her Pianist
oder
die Kunst des Clavlerspiels
in ihrem Gesammtamfange theoretisch - praktisch
dargestellt.
Ein Lehr- und Handbuch für Alle, welche Ciavier
spielen und diese Kunst lehren oder lernen, jedoch
mit besonderer Rücksicht atf Dilettanten,
von
Gustav Schilling.
Preis % Thlr.
Osterode, im Februar 1844.
A. Sorge*
So eben erschien im Verlag von ©• Blselämiinn in
Hannover:
Caprice sur un motif dn Deserteur de Monsigny pour le Piano par
Stephen Beller. Oenv. 41. 19* Ngr.
Verkauf einer JfluslkaUenliandlung»
Da meine fortdauernde Kränklichkeit mir nicht er-
laubt, meiner Sortiments - Handlung die nöthige Auf-
merksamkeit und Thätigkeit zu widmen, so beabsichtige
ich, solche zu verkaufen, und mich allein auf mein Ver-
lags- Geschäft zu beschränken. Reelle Käufer wollen
sich mündlich oder schriftlich direct an mich wenden.
Berlin, den 15. Februar 1844.
Carl Pises*
Mit Gegenwärtigem zeige ich ergeben «t an, dass der sämmt-
liohe Verlag des Herrn F. J. Mompour in Bonn auf mich über-
gegangen ist und fortan nur von mir oder dem bisherigen Auslie-
ferungslager bei Herrn F. PVhisHtng in Leipzig bezogen wer-
den kann.
Elberfcld, im Februar 1844.
F. W. Arnold*
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit
201
202
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
De» 20«*» März.
M 1Z.
1844.
Inhalts Rezensionen —Nachrichten: Herbstopern io Italien o. t. w. (Beschloss.) Kurxrefasste neueste Nachrichten ausserhalb Ita-
liens. Ans Gassei. — Feuilleton. — Ankündigungen.
R
E C E N S I O lü E N.
Fünf Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass, compo-
nirt von Fr. Kücken. 0p. 41. Partitur und Stimmen.
Berlin, bei Schlesinger. Preis 1% Tblr.
Diese fünf Gesinge bilden eine interessante und will-
kommene Bereicherung des gemischten vierstimmigen Ge-
sanges ; wir empfehlen sie mit wahrer Freude allen Sän-
gerkreisen, die sich gern mit Gutem und Neuem be-
schäftigen.
Au der Spitze dieser Sammlung steht das sinnvolle
Gedicht H. Heine's vom „Träumenden Fichtenbaum";
es ist für Solostimmen und Chor oomponirt, mit lebhaf-
ter Phantasie aufgefasst und mit grosser Sorgfalt ausge-
führt. Herr Rücken hat aus den wenigen, aber gedan-
kenreichen Worten des Dichters ein sehr interessantes
kleines Drama gebildet, das bei sorgsamer Ausführung,
die vorzüglich eine sichere Intonation und zarte Nüanci-
rung bedingt, gewiss einen ungewöhnlichen Eindruck ma-
chen wird. — Obgleich im vierten Tacte der zweite Bass,
sowohl nach der Partitur, als in der betreffenden Stimme,
ausdrücklich ees zu singen hat, so erklären wir dies den-
noch für einen Stichfehler, oder für ein Versehen im
Manuscript, und reclamiren dafür c, während wir entge-
gengesetzt zwei Tacte später dem ersten Bass lieber ces
statt c gegönnt hätten. — Sind wir übrigens auch nicht
durchaus mit der Stimmenfpbrung vollkommen einverstan-
den, so müssen wir doch im Ganzen die Harmonieen-
folge als edel und fliessend bezeichnen; eine glückliche
Mannichfoltigkeit in so engem Baume zeichnet das Ganze
noch besonders aus. — Im zweiten Gesänge wird der
Mai gepriesen, und zwar in recht ansprechender» gemüth-
licher Weise. Da lebt und webt Alles in erfrischender
Heiterkeit, steigert sich vom ruhigen Behagen bis zum
bellen Jubel — kurz, ein gar liebes, gelungenes Stück I —
Das dritte Lied , „Die Heimath/' ist voll Innigkeit und
höchst sangbar. — Wenn sein vorherrschendes Motiv
nicht eben durch Neuheit und Eigentümlichkeit sich aus-
zeichnet, so gestaltet es sich doch durch Hilfe einer eben
so edeln als trefflich geführten Harmonie ungemein an-
muthiff und gewinnend. — Dem vierten Liede dieser
Sammlung: „Das Gedenken" lässt sich nichts Besonde-
res nachrühmen. — Dagegen wird das letzte: „Auf der
Berge grünem Saume '* unbedingt und wohl überhaupt
4*. Jahrgang.
vor allen andern Liedern der Sammlung am Meisten an-
sprechen. Der Gomponist hat es, wie er selbst beifugt,
nach einer Melodie seiner Operette; „Die Flucht nach
der Schweiz" für fünfstimmigen Gesang arrangirt, und
es bildet in dieser Form ein höchst liebliches, bei aller
Einfachheit ungemein anziehendes Gesangstück. Es be-
währt sich bei diesem Liede aufs Neue, wie viel auf
einen glucklichen Gedanken ankommt, der sich dann
leicht und ungezwungen erweitern und modificiren lässt.
Der heitere und gut gruppirte Refrain erhöht den guten
Eindruck des anmuthigen Ganzen, das in seiner An-
spruchlosigke.it um so sicherer gefallt und gewiss viele
Freunde gewinnen wird.
Nachtwächter- Weisheit; ein musikalischer Scherz für
Männerstimmen, mit Begleitung des Pianoforte, com-
. ponirt von J. G. Kunstmann. Ciavier -Auszug und
Singstimmen. Leipzig, bei C. A. Rlemm. Pr.22y a N«\
Ein musikalischer Beitrag zur Emancipation der
Frauen ! — Drei junge Herren , wahrscheinlich Studen-
ten, kehren in guter Laune aus einer Abendgesellschaft
zurück, und wollen ihr Müthchen an dem Nachtwächter
kühlen. Sie richten also ungestüm die Frage an ihn : wes-
halb denn seit Menschengedenken, und auch jetzt nooh
in unserem Zeitalter des Fortschrittes, bei der eiassiseben
Apostrophe : Hört ihr Herren , lasst Euch sagen u. s. w.
nicht auch die Frauen erwähnt würden ? Darauf entgeg-
net der weise Mann: Das würde doch nichts heuen,
denn (hört! hört!) „die Frauen Hessen sich nichts sa-
gen ! " — Diese Pointe ist nun zu einem harmlosen mu-
sikalischen Scherze benutzt, der in gewissen Kreisen Hei*
terkeit erregen und nicht ohne Beifall bleiben wird; es
muss ja (nach Goethe) auch solche Käuze geben. Vor län-
gerer Zeit tauchten mehrere solche, der dramatischen
Form sich nähernde Humoresken auf, von denen einige
sich sehr populär gemacht haben. Wir wissen aus eige-
ner Erfahrung, wie dankbar solche musikalische Scherze
aufgenommen werden, fehlt ihnen nur die rechte Würze
nicht. — Das vorliegende kleine Drama macht beschei-
dene Ansprüche, und wird sie erfüllen ; dass aber in die-
sem heitern Genre bei Weitem Bedeutenderes geleistet
werden kann, ist nicht zu verkennen. — Die Ausfüh-
rung ist ohne Schwierigkeit ; die Ausstattung elegant und
selbst durch eine Titelvignette gehoben.
12
905
1844. März. No. 12.
204
Drei vierstimmige Männergesänge, compoafrt Ton F. A.
Kernpt. Partitur und Stimmen. Leipzig, bei C. A.
Klemm. Preis 15 Ngr.
Den Styl und die ganze naive Art und Weise die-
ser drei Ifäunergesfinge in kurzen Umrissen fcu schil-
dern , würde in der That keine leichte Aufgabe sein ;
selbst Beispiele würden nicht genügen : im Zusammen-
hange müssen sie empfunden und genossen werden. Man-
che Steilen sprechen offenbar für ein gutes, biederet
Hera des Componisten ; aber zu einem guten vierstimmi-
gen Gesänge gehört bekanntlich etwas mehr. — Ein-
gehe Lieder für eine Singstimme würden dem Gesicbts-
punete und dem Talente des Verfassers gewiss mehr zu-
sagen. — Für die naive und — ungewöhnliche Stim-
menführung möge das Beispiel zeugen, welches die zwei
letzten Tacle darbieten:
£
t=
*j=±
3
ifü
Ä
i c t l f
=PC=PE=
±±
t f j | j - * |
mild er
geh'n
dein hei -des
r
Licht.
Sieben Lieder und Gesänge mit Begleitung des Pianoforte,
componirt von Jul. Sckladebach. Op. 12. Leipzig,
bei Breitkopf und Härtel. Preis 20 Ngr.
Wenn Referent bekennen muss, dass er mit diesem
Opus 12 zuerst die Bekanntschaft des Componisten macht,
so fügt er mit gleicher Aufrichtigkeit hinzu, dass ihm
diese Bekanntschaft eine sehr erfreuliehe ist. Schon nach
Sinn und Form bietet diese Sammlung eine wohlthuende
Mannichfeltigkeit dar, die um so erfreulicher erseheint,
da keines der sieben Lieder ohne Eigentümlichkeit ist;
eine Eigenschaft, der wir, wohl mit Recht, bei allen neuen
Erscheinungen am Liebsten begegnen. Die Dichtungen
sind mit Umsicht** und glücklichem Ortheil gewählt, und
interessiren schon durch ihren Wortlaut. Trügt die Na-
menschiffire nicht, so sind die beiden letzten Lieder die-
ser Sammlung zugleich auch Dichtungen des Componi-
sten, und eignen sich in der That durch Diction und
Rhythmus sehr gut zur musikalischen Behandlung. Be-
zeichnen wir nun die einzelnen Lieder etwas näher.
Mo« 1. „Abschied," von H. Heine. Dieser, über
die Liedform hinausgehende Gesang hat, schon der Dich«
tung nach, eine ziemlich düstere Färbung, doch ist es
dem Componisten recht wohl gelungen, die einzelnen
Lichtblicke mildernd und dem Eindrucke des Ganzen gün-
stig hervortreten zu lassen. Innige Empfindung, lebhaft
aufgeregtes Gefühl durchdringt die ganze Composilion,
die mit Wärme und Treue sich der Dichtung anschmiegt.
Das Bestreben des Componisten, auch der Begleitung eine
selbständige und sprechende Haltung zu geben, ist un-
"veifcennbar; zuweilen tritt aber diese Absicht zu deut-
lich hervor, und hat auch wohl einige Härten im Ge-
folge, die leicht beseitigt werden konnten. Der talent-
volle Componist wird ohne specielle Hindeutuug leicht
finden können, was wir meinen. Die mehrmals vorkom-
mende Fortschreitung der verdeckten Quinten in den äus-
sern Stimmen zu Anfange des Vorspiels, wie später in
andern Tonarten hat uns wirklich gestört. Sie muss dem
Ganzen zu Liebe entfernt werden, und kann et leicht.
No. 2. ,,Lyda's Traum/' von J. Lyser; ein anmu-
tbtges, gefälliges Lied, melodisch und rhythmisch gleich
ansprechend, und durch eine sehr unterstützende, be-
zeichnende Begleitung gehoben. Im zweiten und vierten
Tacte auf Seite 7 möchten wir statt der nicht gut ge-
wählten melismatischen Verzierung mit dem nachschla-
genden Viertel einen einfachen Accent wünschen. Die
harmonische Rückung vom sechsten zum siebenten Tact
hat etwas Ungenügendes, Ja Unbehagliches, nicht minder
die lange Dehnung auf „Brust" und „sagt." Das aus-
serdem sehr hübsche Lied wird sicher durch eine sehr
nahe liegende Verbesserung dieser Stelle gewinnen.
No. 3. „Ständchen," von J. Lyser. — Frisch und
natürlich, viel und doch fliessend modulirend, kurz ein
Ständchen, das dem Sänger wie dem Liebchen, dem es
gebracht wird, nur Freude machen wird. Beiläufig: der
Componist nimmt es mit den durchgehenden Noten und
Vorhalten der Begleitung nicht immer sehr genau, was
zuweilen nicht ohne Beeinträchtigung der Melodie ge-
schieht. Tact fünf und sechs auf Seite 9 würde einem
ernsthaften Angriffe wohl kaum begegnen können. Uebri-
gens hat das Lied unsere volle Gunst erworben, und
wird eben so gern gesungen als gehört werden.
No. 4. „Dann denke an Ihn I " von W. Jäger. —
Innig und das Gemüth anregend nimmt dies Lied gegen
die Mitte, namentlich durch den eigentümlichen und ein-
dringlichen Harmonieenschwung, eine so milde Wärme
an, dass man sich bei der Wiederkehr dieses Moments
jedesmal neu angeregt fühlt. Im zweiten Taet der letz-
ten Zeile scheint in der Melodie das vermittelnde a zu
fehlen.
No. 5. „Irrstern," von W. Wackernagel. Das Ge-
dict ist ungemein zart gedacht und auch im musikgün-
stigen Rhythmus gehalten. Schade , dass die dritte Stro-
phe, zumal in ihrer zweiten Hälfte, nicht so sinnklar
ist, wie die zwei ersten. Der Componist hat das Lied
im Ganzen recht sinnig aufgefasst; nur hat er sich of-
fenbar zu sehr dem Einflüsse der (ersten) Nachtigallen-
strophe hingegeben, was besonders in der dritten Stro-
phe fühlbar wird. — Das Lied liegt für die Singstimme
sehr hoch; wir geben aber den Sängern die erprobte
Versicherung, dass es nichts an seinem Reize verliert,
wenn man es nach Gdur transponirt.
No. 6. „Ewig nah'!" von J. S. — Schwunghaft
und lebensfrisch, in Bezug auf Harmonie nichts weniger,
als alltäglich, zuweilen sogar an das Auffallende strei-
fend (z. B. Tact 8 — 9). Bios um unser kritisches Ge-
wissen zu bewähren, wollen wir nicht verschweigen,
dass die ersten Tacte der Melodie eine lebhafte Erinne-
rung in uns angeregt haben. Schlummert sie bei Andern
ruhig fort, so wollen wir sie nicht wecken.
No. 7. „Abschiedsgruss," von J. S. — Herr S.
nimmt auf recht gewinnende Weise Abschied von seinem
Publicum; dieser Abschiedsgruss sichert ihm ein freund-
liches Andenken. — Schon dass die einfach gemuthlichen
205
1844. März. No. 12.
906
Worte des Liedes eine allgemeine Besiehung haben, dass
lfännlein und Fräulein sich dieselben aneignen können,
ist ein gar nicht unbedeutender Anspruch auf Populari-
tät; und dann hat auch das Ganze in Worten und Tö-
nen so etwas anspruchlos Gutmüthiges und Herziges,
dass man bald mit ihm sympathisirt. Aber eben, weil uns
das Lied so gefallt, wollen wir einige Wünsche nicht
unterdrücken, die gewiss zu seinem Besten dienen. Das
Nachspiel der ersten Abheilung würde durch Kürzung
gewinnen, zumal da es dem Character des Liedes nicht
völlig analog erscheint. Einige kleine Härten und auffal-
lende Verdoppelungen hätte eine etwas schärfere Durch-
sicht wohl beseitigen können. Bei der Fermate (gegen
das Ende) hätte die figurirte Begleitung das des der Sep-
time nicht sogleich anschlagen sollen; das später eintre-
tretende syacopirte d der Melodie widerstrebt der feind-
lichen Nähe; wirksamer und natürlicher wäre für die
drei ersten Achtel der figurirte Dreiklang, für die drei
letzten eine aufwärts gehende Terzenbegleitung gewe-
sen. — Nun aber sind wir am Ende mit unseren Aus-
stellungen, nad loben das bei Weitem vorherrschende
Gute des Liedes, wie der ganzen Sammlung, indem wir
den Wunsch hinzufügen, dem werthen Componisten bald
wieder zu begegnen. AL
Nachrichten.
Herbstopern in Italien u. s. w.
(Beschlns*.)
Neapel (Teatro Nuovo). Hier ging es, wenigstens
durch grosse Abwechselung, weit lustiger zu. Von Do-
nizetti wiederholte man die Linda (am Allermeisten) , Don
Pasquale - 9 Gemma di Vergy , Campanello ; von anderen
Maestri : Barbiere di Siviglia , Cenerentola (oft) , Ven-
tagüo, Due Gemelle, Giuramento, Bugiardo veritiero, Ma-
rito disperato, Lotteria di Vienna, Modista raggiratrice,
Scomesaa, Miniere di Freiberg, nebst den daraus entstan-
denen grossen und kleinen mannichfaltigen Pastetenopern.
Virtuosi, mitunter gar nicht zu verachtende, waren: die
Damen David (die nächstens nach Oberitalien zurückgebt),
Vilmot, Rebussini, Gualdi; die Tenore Laudamus, Zilioli,
Zoboli; Fioravanti, Gasaccia (Beide brave Buffos) und
Bassisten Coletti (Antonio, Bruder des auf S. Carlo so
beliebten Bassisten Filippo) sammt Labocetta. Zu bemer-
ken ist, dass Donizetti's Linda di Chamounix und Don Pas-
qoale aaf diesem kleinen Theater weit besser gegeben
wurden, als auf beiden königlieben Theatern. In der Ce-
nerentela betrat die Favaati (eine Engländerin), in Ge-
genwart des Hofes, vieler vornehmen Einheimischen und
fremden, darunter Thalberg und Lablache, zum ersten
Male die Bühne. Sie ist jung and hübsch, bat eine starke
ziemlieh geläuige Altstimme bis zum zweigestrichenen
A, die Iflittelchordea die besten, eine leidlich gute Me-
thode, sang im Ganzen befriedigend (schien von Lablache
gute Winke bekommen zn haben), fand viel Beifall (nach
dem zuerst vom Hof gegebenen, wie dies hier Sitte ist),
der in der zweiten Vorstellung noch stärker war, and
sie wurde aueb hervorgerufen. Die einst famose Modista
raggiratrice von Paesiello, die vor 50 Jahren die Neapo-
litaner entzückte, langweilte sie jetzt herzlich. Der hie-
sige Omnibus meint: der einförmige Styl, die Gesänge
ohne hohen Flug (slancio) und Colorit, überhaupt die
Monotonie in den Stimmen und im Accompagnement, also
das Entgegengesetzte des heutigen Genre, sei Schuld
daran; wahrscheinlich werde in 50 Jahren (welch eine
schreckliche Ewigkeit!) der heutige musikalische Lärm
noch mehr degoutiren (disgustare), als die alte Einfach-
heit. — Neu waren: 1) niccardo Moor,, erste Oper von
Maestro Francesco Gallo, die Fiasco gemacht; es [ist
von ihr nichts Löbliches zu vermelden. 2) Luisetta, o
la Cantatrice del Molo di NapoH (13. December), von
dem in grösster Eile mit Lorbeeren aus Palermo (s. d.)
hier angekommenen Pacini ; die Oper hat einiges Hüb»
sehe, der Maestro wurde fünfzehn Mal auf die Scene ge-
rufen und ging darauf in grösster Eile nach Mailand.
Thalberg (in Gesellschaft seines Schwiegervaters
Lablache hier in Neapel) erregte in dieser Hauptstadt,
wie gewöhnlich, Bewunderung und rauschenden Beifall
in den von ihm gegebenen musikalischen Academieeo,
worin er besonders in einer Fantasie über Bossini's Mose,
einer über Bellini's Sonnambula und in einem Studio in
Amoll Fanatismo erregte.
Vom Ende des künftigen Garnevals 1844 angefan-
gen bis zum 20. September, bleiben die beiden königli-
chen Theater, die während dieser Zeit ausgebessert wer-
den, geschlossen $ Fondo soll noch im März offen bleiben.
Statistische Ueb ersieht der Herbstopern in
Italien.
05 Theater öffneten vorigen Herbst der Oper ihre
Pforten, hiervon das Lombardisch - Venetianische König-
reich 23, das Königreich Beider Sizilien 10, der Kirchen-
staat 9, Piemont, Nizza und Sardinien 12, Toscana 8,
Modena 3.
Zehn neue Opern wurden componirt : vier zu Neapel
<Mattiarinvalido,Costanzad'Arragona, Riccardo Moor, Lui-
setta)(s.S.196), drei zu Mailand (Aneida, Lara, Assedio di
Brescia), eine zu Palermo (MedeaJ, eine zu Rom (Boni-
fazio de* Geremei), und eine zu Genua (Osti non osti).
Drei neue Maestri sind entstanden (Dermino Majo,
Matteo Salvi und Edoardo Vera).
Aeltere Opern wurden gegeben:
Donizetti auf 48 Theatern: Gemma di Vergy auf 9;
Elisir, Don Pasquale, Figlia del reggimento, jede auf 8;
Lucia di Lammermoor auf 6; Linda di Chamounix, Ro-
berto d'Evreux, jede auf 5; Marino Faliero, Lucrezia
Borgia, Belisario, jede auf 3; Regina di Golconda,
Anna Boleaa, Maria Rudenz, jede auf 2; Maria Padilla,
Favorita, Beüy, Campanello, jede auf 1.
Beläm auf 15: Puritani, Norma, jede auf 5; Bea-
trice auf 3; Pirata, Sonnambula, jede auf 1.
Rossini auf 12 1 Barbiere di Siviglia auf 0, Cene-
rentola auf 3, Italtana in Algen, Assedio di Corinto,
jede auf 1.
Mercadanie a«f 10 s Giuramento auf 3; Vestale,
Elisa e Claudio, jede auf 2; Bravo, Briganti, Reggente.
jede auf 1.
207
1844. März. No. 12.
20B
Pachti auf 8 : Saffo auf 5 , Fidanzata Corsa auf 3,
Maria d'Inghilterra auf 1.
Verdi auf 7 : Nabucodonosor auf 4, Lombardi auf 3«
Fioravanti auf 6 : Columella.
Ricci (Luigi) auf 5 : Chi dura vince auf 4 , Es-
poati auf 1.
Coppola auf 4 : Nina,
Ricci (Federico) auf 3 : Prigione di Edimbureo.
Nicolai, NM, Jeder auf 2 : Templario, Virginia.
Ueberdies wurden noch Opern gegeben von Lillo,
Mabellini, Persiani, Paisiello , Raünondi und wenigen
Andern, von Jedem eine.
Jährliche Heb er sieht der neuen Opern und neuen
Maestri von 1843.
Der Carneval brachte neue Opern 24 , neue Maestri 7.
„ Frühling „ „ „ 12, ,, „ 3.
„ Sommer ,, „ „ 6, „ „ 4.
„ Herbst „ „ 3 , 10, „ „ 3.
Jährliche Totalsumme von 1843:
1842:
1841:
1840:
1839:
1838:
52, ,, „ 17.
43, „ „ li.
51, ,, „ 21*
35, „ ,, 11.
37, ,, ,, 18.
~ .- 44, „ „ 15.
Gesammtzahl der letzten 6 Jahre : 262 , neue Maestri 93.
Somit im Durchschnitte jährlich genau 42 neue Opern
und 15% neue Maestri.
9»
99
99
99
99
99
99
Kurzgefasste neueste Nachrichten der italie-
nischen Oper u. s. w. ausserhalb Italiens.
Spanien.
Cordova. Am 1. December gab man die Norma,
worin die Senora Milla die Titelrolle, die Senora Santo
Domingo die Adalgisa sangen und nebst dem Tenor Bel-
monte und Bassisten Lorade keine kleine Ernte Beifall
davon trugen. Dasselbe gilt von dem am 4. December
gegebenen Barbiere di Siviglia.
Coruna, im December. Die in der zweiten Hälfte
Octobers mit einem vollständigen Siege gegebene neue
Oper Rosamvnda en Ravenna, del profesor Francisco Por-
cell, wurde seither mit demselben Erfolge wiederholt.
Herr Porcell hat bereits eine andere Oper: El Trova-
dor, componirt. Die Aquilo befriedigte besonders in Bei-
lini's Capuleti; Herr Gerli, ihr Gatte, ist an diesem Thea-
ter als Bassist und Componist engagirt.
Valencia. Die Politik hat hier in den verwichenen
Monaten die Oper verdrängt. Einstweilen wurden in den
Zwischenacten der Comö'die einzelne Stücke aus italieni-
schen Opern vorgetragen, worin" die Prima Donna Ma-
rietta Albini besonders glänzte. Im November gesellte
sich Tenor Gomez und Bassist Aliona zu ihr, und man
gab die Norma und Capuleti, worin auch ihre Tochter
mitwirkte, ziemlich befriedigend.
Barcelona. Während dem hiesigen im Herbste statt-
gehabten Bombardement hatte die auf das französische
Dampfschiff Asmode geflüchtete italienische Sängergesell-
schaft eine Art musikalische Academie daselbst gegeben.
Bassist Marini war nach Mailand zurückgekehrt , wo er
im Carneval 1844 auf der Scala singt.
Sevilla. Die im vorigen Berichte unter der Rubrik
Malaga angezeigte Sängergesellschaft gab hier Rossini's
Mose mit Glück. Besonders gefiel Tenor Unanue (starke,
etwas Keblstimme) und Herr Lei, ein erfahrene^ Bassist,
der den Mose sang. In der zweiten Hälfte Novembers
erregte Donizetti's Linda di Chamounix Fanatismus. Die
Rocca (Titelrolle) machte Furore; Tenor Bonfigli und
Bassist Spech (im Spanischen der italienischen Verstumme*
lung Speck nachgeschrieben) gefielen sehr.
Madrid. Rossini's Mose Nuovo mit den drei Prime
Donne Basso-Borio, Granchi, Planol, den Bassisten Alba
und Reguer (majestätischer Spanier, machte die Titelrolle)
sammt Tenor Sinico (missbraucht das Falsett) fand nur
theilweise Applaus ; das Ganze glich mehr einer Parodie.
Die Villö - Ramos machte sich bemerklich als Norm»,
und nach sehr langen Proben ging auch gegen die Hälfte
Decembers Linda di Chamounix von Donizetli, mit der
Villö -Ramos, der Planol, Tenor Sinico und den Bassi-
sten Salvatori und Reguer, in die Scene, zog aber we-
nig an.
Herr Basilio Basily (Sohn des Cspellmeisters Fran-
cesco Basily an der Peterskirche zu Rom), der seit meh-
reren Jahren hier im Gesänge Unterriebt ertheilt, erhielt
das Kreuz „de Isabel la Catolica" (lberia Musical, No.
41, 22. October 1843).
Die unlängst hier erschienene zweite Sammlung der
Bildnisse berühmter musikalischer Künstler enthält: die
Colbran (Rossinis Gattin), Liszt % De Beriot, Galli,
Meyerbeer, Soriano Fuentes Vater.
Seit dem 15. October 1843 erscheint hier eine Ga-
ceta lüeraria y musical de Espana, die sechs Mal mo-
natlich ausgegeben wird. In ihrem Prospectus versichert
sie, t bätige und fleissige Mitarbeiter in Wien, London,
Paris, Mailand, Berlin u. s. w. zu haben, überhaupt viel
Interessantes und Originalnovellen zu liefern. Die vor
mir liegenden Nummern bis 15. December sind weder in
literarischer, am Allerwenigsten in musikalischer Hinsicht
interessant; von ieiun tbätigen und fieissigen Correspon-
deulen ist kein Wort darin; das Ganze bat mehr einen
belletristischen Anstrich und steht der lberia Musical ziem*
lieh nach. — Für's Ausland kostet das Trimester 24
Realen (ungefähr 6 Franken).
Andere ausseritalienische Länder.
! Lissabon. Die Lucia di Lammermoor, mit welcher
die neue Impresa des Cav. Porto die Herbststagione er-
i öffnete, verunglückte beinahe. Weit besser ging der Be-
{ lisario, worin besonders Botelli (Titelrolle), die Prima
Donna Carmen und Tenor Paterni starken Beifall erhiel-
ten. Alle hiesige Zeitschriften (ich hatte wenigstens sechs
in Händen) waren mit starken Lobeserhebungen über die
Rossi-Caccia voll, die als Anna Bolena einen grossen
Triumph feierte. Diese Künstlerin hatte vorher in dem
Opera comique zu Paris gesungen.
Corfu. Die Costa , die Cuzzani, Tenor Forti nnd
Bassist Pellegrini machten Glück in der Saffo, Ceneren-
tola und Lucrezia Borgia ; die Costa gefiel am Meisten.
209
1844. März. No. 12.'
210
Am 2. Deoember beglückte der Don Pasquale mit dem
Baffo Cavisago; die Cuzzani trillerte aber zu viel.
Smyrna. Die neue Gesellschaft begann hier ihre Lei-
stungen im November mit Donizetti's Roberto d'Evreux,
worin der bereits hier bekannte Bergamasker Bassist Giani
den meisten Beifall erhielt; ihm zur Seite wirkten, die
Prime Donne Garofoli, Genna und Tenor Montanari.
Athen. Von Oclober bis December passirten hier
drei Donizettf sehe Opern, die Lncrezia Borgia, die Lu-
cia, die Anna Bolena, die Bühne. Die Mattioli (Amalia),
Tenor Simonelli und Bassist Zucchini waren die gefeier-
testen Namen. Man wollte nächstens die Norma oder die
Beatrice di Tenda geben.
ConstanÜnopeL Die Fanti in der Straniera und die
Righini in der Chiara di Rosenberg, nebst dem Tenor
Lanzooi, dem Buffo Lipparini und Bassisten Parmigiani
fanden massigen Applaus.
Bucharest. Hauptsänger: die Galzerani - Battaggia,
dieLugli, Tenor Battaggia, Bassist Santi und Buffo Giorgi,
wie auch die gegebenen Opern (Norma, Barbiere di Si-
viglia, Belisario) gefielen ohne Weiteres.
Zara. Ungeachtet aller Leistungen der Signore M azza,
Gerb', der Signori Cervati, Bastogi und Lodetti zog Mer-
cadante's Vestale nur wenig an. Als Furioso in der Do-
nizetti'schen Oper gleiches Namens machte sich Herr
Bastogi Ehre, desgleichen Herr Tasca als Caidamä. Seine
Figlia del reggimento machte dem Furioso abermals Platz.
Lugano (italienische Schweiz). Auf dem hiesigen
October- Jahrmarkt gab man Bellini's Beatrice di Tenda,
worin die Casanova, die Dragoni, Tenor Lattuada und
Bassist Parodi ungeteilten Beifall erhielten.
Cassel, im Januar 1844. — Unser Opernrepertoir
ist wieder mit einer schätzbaren Novität bereichert wor-
den. Lindpaintners neueste Oper: „Die sicilianische
Vesper 64 — Text von Heribert Hau — ist am 1. d. M.
hier zum ersten Mal in Scene gegangen und hat seitdem
zwei Aufführungen erlebt, von denen jedoch keine voll-
kommen geeignet war, das Publicum zum klaren Ver-
ständnisse des Werkes zu führen. Dem Libretto fehlt es
nicht an wohl zusammengefügten dramatischen Effecten.
Wir erwähnen namentlich die Verschwörung des Johann
von Procida gegen Carl von Anjou; die Entdeckung der
verborgen gehaltenen Gräfin Fondi, nach deren Besitze
Carl strebt; die Trennung der Gräfin von ihrem Gatten;
die Erinnerung an die Schreckensgestalt des enthaupte-
ten Conradin von Schwaben, welche die Gemahlin Fon-
di's in dem geängstigten Gewissen Carl's hervorruft, da
sie seinen Liebesanträgen ausgesetzt ist und ihren Ge-
mahl im Kerker weiss; die Befreiung Fondi's durch die
reuige Aurelia, welche sich durch Liebesworte zum Ver-
rath der Verborgenheit der Gräfin bewegen liess; die
Abfahrt der Flotte des Königs bei dessen Rückkehr nach
Neapel; die gewaltsame Entfernung des verschleierten
Weibes inmitten derProcession; das Ertönen der schauer-
lichen Vesperglocke und der damit beginnende Sturm des
Aufruhrs und Gemetzels ; und endlich die Befreiung Sici-
liens, verbunden mit der Beglückung des geliebten gräf-
lichen Paares. Was die Composiüon betrifft, so dürfen
zwar nicht alle Nummern derselben in dem nämlichen
Grade phantasiereich, melodiehallig, schwungvoll und ori-
Einell genannt werden, jedoch bekunden alle eine so
öchst schätzbare Einsicht des erfahrenen Musikers, ein
so erfreuliches Streben nach Einfachheit und Singbarkeit
der Melodie , so viel Klarheit und Fassliehkeit der Har-
monie, Angemessenheit und Mannichfaltigkeit der Instru-
mentation, dass schon um dieser, mehr äusserlicfaen Vor-
züge willen das Werk sich einer zunehmenden Tbeil-
nahme v%n Seiten des Publicums zu erfreuen haben wird.
Den Gesangpartieen gereicht es zum besonderen Vor-
theil, dass dieselben nirgends durch obligate Passagen von
einzelnen, beliebten Instrumenten verdunkelt, oder wohl
gar durch die ganze Instrumentenmasse völlig erdrückt
werden, was bei neueren Gompositionen nicht selten der
Fall ist. Lindpaintiter gehört zu den wenigen deutschen
Operncomponisten, welche in dieser Hinsicht das rechte
Maass zu treffen und zu halten wissen. Dagegen ist es
für die Composition keineswegs vor t beilhaft, dass nicht
alle Sätze in einer gleich vollendeten und hin und wie-
der — namentlich überall da, wo es die Form des Tex-
tes gestattet — mehr symmetrischen Form erscheinen.
Die Schuld davon trägt indess, dem Vernehmen nach,
der Gomponist nicht so oft, als man glauben sollte, in-
dem die isolirung mancher Tonsätze durch die mit dem
Musikwerke vor dessen Auffuhrung vorgenommenen mehr-
fachen Abkürzungen und Aenderungen entstanden ist.
Wenn wir auch voraussetzen dürfen , dass dieselben mit
sachkundiger Einsicht und nach reiflicher Ueberlegung,
ja selbst zum Theil mit Bewilligung des Componisten ge-
macht worden, und überdies noch aus der dankenswer-
then Besorgniss hervorgegangen sind, dass die Oper, voll-
ständig aufgeführt, zu lange spielen würde, so gereicht
doch unserer Meinung nach die Ausschliessung von Ton-
sätzen, sofern diese nicht eine ganze Nummer, sondern
nur einen Theil derselben trifft, dem Musikstücke zum
wesentlichen Nachtheil, vorausgesetzt, dass die ursprüng-
liche Form des Tonwerkes untadelhaft war, was ja wohl
bei den Tonschöpfungen eines jeden gebildeten und er-
fahrenen Musikers ausser Zweifel steht. Es ist darum an-
gelegentlich zu wünschen, dass die Verfasser von Opern-
büchern denselben einen bei Weitem minder grossen
leberfluss an Worten , als dies gewöhnlich der Fall ist,
zn Theil werden lassen, da ein solcher wohl dem Com-
ponisten die Bearbeitung erschweren kann, für die Com-
position aber meist wenig fruchtbringend, wenn nicht gar
nachteilig ist. Aber auch die Componisten könnten vor-
sichtiger in der Wahl der Textbücher sein und den Dich*
tern zeigen, worauf es bei der Erschaffung eines Ton-
stückes — insbesondere in Hinsiebt auf eine vollende»
tere tonische Form — vornämlich ankommt. Dann wür-
den manche Uebelslände gehoben werden. Lindpaintner
hat jedoch seinen Text musikalisch so gut zn verwen-
den gewusst, dass selbst trotz der oben erwähnten Ab-
kürzungen, wenn auch einzelne Tonsätze weniger ent-
wickelt, in einem mehr lockeren Zusammenhang und in
einer weniger geschlossenen Form, als andere, erschei-
nen, gleichwohl keine auffallenden Sprünge merklich wer-
den. Wiederholte Aufführungen werden uns mit dem Ton-
werke, in welchem wir, nebenbei gesagt, in dem ersten*
1211
1&44. Man. No. 12.
212
und vierteil Acte die ansprechendsten «nd me-
lediereichsten Tonstücke fanden, vertrauter machen und
znm genauem Verständniss des Werkes beitragen. Die
beiden stattgefundenen haben uns nicht befriedigen kön-
nen. Namentlich war die Auffassung der einzelnen Par-
tieen nicht bestimmt, die Ausführung nicht genaa und
verständlich genug. Es erschien uns Alles nur eingelernt,
nicht durchgelebt. Die Leistungen des Herrn Biberkofer
(Carl von Anjou) und Foppel (Johann von Procida) wa-
ren jedoch in mehrfacher Hinsicht Intens werth.
Die Abonwment- Concerte, welche von den Mitglie-
dern der Hofcapelle zum Besten ihres Unterstützungs-
fonds alljährlich während des Winters im Hoftbeater ver-
anstaltet werden, haben am 6. Decenther v. J. begon-
nen. In dem ersten dieser Concerte kamen folgende Ton-
werke zu Gehör: 1) Ouvertüre: „Nachklänge von Os-
sian" von Gade. Diese uns bisher noch unbekannte Com-
position, welche viel Schönes zum Genüsse darbietet «nd
insbesondere ein höchst lobenswerthes , acht künstleri-
sches Streben nicht verkennen lässt, wurde von Seiten
aller Mitwirkenden sehr sorgfältig und geschmackvoll aus-
geführt and vom Publicum beifällig aufgenommen. 2) Zwei
Gesangpiecen von Bellini, vorgetragen von Fräul. Eder.
War auch die Zusammenstellung der beiden Stöcke un-
geschickt und durchaus nicht motivirt, so verdient doch
die Ausführung lobende Anerkennung. 3) Sechstes Vio-
linconoert von Spohr, vorgetragen von Herrn J. J. Bott.
Der Vertrag des jungen Virtuosen befriedigte uns vor-
zugsweise in den beiden ersten herrlichen Sätzen der
Comporitio*. 4) Arie ans „Joseph" von Mehui, vorgetra-
gen von Herrn Hädriek. Die Ausführung dieses einfa-
chen Tonstückes liess viel zu wünschen übrig, da der
Sänger zwar schätzbare Mittel besitzt, dieselben aber kei-
neswegs sn verwenden weiss. 5) Fantasie für Clari nette
von Reissiger, geblasen von Herrn Bolzappel. Der Vor-
trag des Solisten zeichnete sich durch Genauigkeit und
Festigkeit des Spieles vorteilhaft aus, entbehrte aber
nur gar zu oft der Nuancen, deren das tonreiebe Instru-
ment in so hohem, fast unnachahmlichem Grade fabig ist.
6) Vierte Symphonie fBfar) von Beethonen. Dieselbe
gehört zwar bekanntlich nicht zu den grossartigsten des
in dieser linsikgattung als Huster vorleuchtenden Ton-
meisters, jedoch erscheint sie in Hinsicht auf Inhalt nnd
Form reich und vollendet nnd bis auf den kleinsten Ge-
danken hin tonisch motivirt. Ein Werk mit solchen Ei-
genschaften übt einen hohen Grad von Anziehungskraft
auf das hiesige musikalische Publicum aus, dem nament-
lich Beethoven'aehe Svmphonieen selten zum Genüsse
dargeboten werden, indem die Anzahl der bei nns ver-
anstalteten Abonnement -Concerte in der Regel nur ge-
ring ist nnd andere Meisterwerke dieser Gattung auch
bedacht werden. Die Ausführung der Symphonie war,
einige wenige Störungen abgerechnet, vortrefflich.
Das zweite Abonnement- Goncert, welches am 3.
Januar Statt hatte, wurde mit einer für uns neuen Ouver-
türe von Müller sn Weissensee eröffnet, deren Ausfüh-
rung eine gelungene genannt zu werden verdient. Das
Tenstück selbst zeichnet sich in Hinsicht auf Inhalt und
Penn des Allegresatzes , weichem ein langsamerer als
htrodnetkm vorhergeht, vertbeilhaft uns. Dieser ist je-
doch weniger tonisch motivirt und gerundet, als der eben
erwähnte, ihm nachfolgende Hauptsatz des Werkes. Die
instrumentale Einkleidung der contrapunetiseh gut ver-
wendeten Gedanken des Hauptsatzes ist im Allgemeinen
zwar befriedigend, jedoch erscheinen nns einzelne, den
Geigen in der höheren Tonlage gegebene Passagen, wel-
che durch die Blasinstrumente zweckmässig gedeckt wor-
den sind, nicht bequem genug ausführbar. In Hinsicht
auf die Tonsatzform des Hauptsatzes bemerken wir aus-
serdem noch, dass bei einem übrigens wohltuenden Fest-
halten des durch das Hauptmotiv angeregten Rhythmus
doch der an einzelnen Stellen etwas einförmige Tonsatz
durch das Hinzufügen neuer — nnd zwar kleinerer und
bewegterer — Tonfiguren noch um Vieles an Lebendig-
keit und musikalischem Reiz gewonnen haben, würde. In
Betreff des einleitenden Satzes in der langsamen Bewe-
gung gestehen wir, dass der Uebertritt vom Dur- zum
Moll -Geschlecht mit dem choralmässigen Motiv uns in
Instrumentalstücken, in welchen nicht, wie in Gesang-
stücken durch den Text , ein äusserer Nölhigungsgruml
dargeboten ist, nicht ansprechen will. Schon oft bat man
in etassischen Tonwerken die entschieden bessere Wir-
kung der ungekehrten Folge von der Moll- zur gleich-
namigen Dur -Tonart erfahren. Doch ist die eine oder
andere Wirkung noch nicht genügend erklärt worden,
und dürfte ihren Grund, unserer Meinung nach, in einem
anderen, als dem bisher angenommenen Princip des Moll-
Accordes haben. Hiervon abgesehen, giebt das Werk einen
erfreulichen Beweis von dem schätzbaren Talent, gebil-
deten Geschmack nnd den achtungswerthen Kenntnissen
des Componisten , dessen fernere Produclionen uns Er-
freuliches erwarten lassen. — Die zweite Nummer des
Concertes bestand in einer Arie aus ,, Belisario" von
DonixeUi, welche an sich nur einen geringen musikali-
schen Werth besitzt und zunächst dural eine gute Aus-
Abrang dem Zuhörer Interesse zu gewähren vermag.
Fräul. Low war um eine solche bemüht; ihr Vortrag
würde indess durch eine dunklere Färbung und häufigere
wie auch auffallendere Schattirung einzelner Stellen an
Lebhaftigkeit des Ausdrucks gewonnen haben. Die Töne
4er Sängerin erschienen übrigens durchgängig wohlgebil-
det und wirkten im Klange nachhaltig. — Darauf trug
Herr IVeidemüller Spohr's neuntes Violinconcert vor.
Wir zählen dieses Tonstück zu den schwierigsten Con-
certen des Tonmeisters und säumen darum länger nicht,
Herrn fVeidemiUler's höchst schätzbare Fertigkeit anzu-
erkennen, weil nns in Hinsicht auf den mechanischen
Vortrag nichts zu wünschen übrig blieb« Der ästhetische
Vortrag war dagegen von dem fleissigen Virtuosen zu
wenig berücksichtigt worden, denn der Künstler verhielt
sich bei der Darstellung des von ihm gewählten Tonne-
hildes zu passiv, er reproducirte zn wenig ans sieh selbst
nnd eben darum vermochte uns sein Spiel nicht in dem
erwünschten Grade zu erwärmen nnd zu beleben. — Die
nun folgende Nummer war eine Arie aus Mozarfe „Fi-
garo," welche von Herrn Derska mit mehr Sicherheit,
als fielicatease ausgeführt wurde. Der Sänger hätte sich
bei dem Vortrage dieses Tonslückes mehr Zeit lassen
nnd seinem Gefühle mehr Baum geben dürfen. — Zum
Schlüsse den ersten Theiles hörten wir Iuiroduction nnd
213
1844. März. No. 12.
Variationen über ein Duo ms Mozarts „Don Juan" ffir
Pjanoforte ron Chopin* vorgetragen von Herrn Deichert,
Dieses Concertstück bietet bekanntlich der Schwierigkei-
ten für den Vortragenden nicht wenige dar. Wenn auch
die Ueberwindung derselben dem jungen Pianisten zum
Lobe gereicht, so gebricht es seinem Spiel im Allgemei-
nen noch^an Glätte und Eleganz und insbesondere bei
der Sonderling der mit einander gleichzeitig fortschrei-
tenden; Passageu von verschiedenem Gharacter an Deut-
lichkeil. Zur befriedigenden Ausfuhrung solcher Tonfigu-
ren , wie sie Chopin in diesem seinen Tonwerke oft in
rapidester Bewegung vor unserem Ohre vorübereilen lässt,
ist, wenn die Tendenz des Componisten vollkommen er-
kannt werden soll , die Selbständigkeit nicht nur jeder
Hand, sondern auch jedes einzelnen Fingers erforderlich,
indem in diesem Tonwerke bekanntlich die Ausführung
von ungleichartigen Tonfiguren, welche zwar eine gleiche
Deutlichkeit, aber einen ganz verschiedenen Ausdruck er-
heischen, oft sogar einer Hand allein anvertraut worden
sind. Uebrigens mögen wir gern manches minder Gelun-
gene bei Executirung dieser Compositum einiger Befan-
genheit zuschreiben, deren sieb wohl selten ein Virtuose
bei seinem ersten Auftreten gänzlich zn erwehren im
Stande sein möchte. — Den zweiten Theil des Concerts
bildete Spohr's Symphonie : „Die Weihe der Töne,« < ein
Werk, an dem wir uns schon oft zu erfreuen Gelegen-
heit hatten und dessen zweiter, dritter und vierter Satz,
namentlich sowohl von Seiten des Inhaltes, als rücksiebt-
lieh der Form, ausgezeichnete Schönheiten enthält» wel-
che wir hier wohl als dem gebildeten musikalischen Pu-
blicum bereits bekannt voraussetzen dürfen. Leider war
gerade die Ausführung des zweiten, dritten und vierten
Satzes weniger befriedigend, als die des ersten. Im zweiten
vermissten wir die bei früheren Aufführungen gewohnte
Präcision im Zusammenspiel und die nötbige Üelicatesse
bei dem Vortrag der eben so sinnig erfundenen, als zart
Instrumentarien Hauptmotive. Im dritten hätten manche
Eintritte in den Blasinstrumenten fester und energischer
sein dürfen, und im vierten wäre bei dem Eintritte der
Blasinstrumente nach dem Pauken -Solo mehr Genauig-
keit und Zartheit zu wünschen gewesen.
(Beschlnss folgt.)
SM4
Feuilleton.
Die noter dem Namen „Association des Artiates-Musieieaa"
vorigen Jahre in Pari* gebildet« Gesellschaft zur Unterstützung
verarmter Mnsiker .od ihm* Pamife», «Ve. Sutnten S. 48» 4«.
vorigen Jahrganges dieser BIStler milgetbeilt wurde«, bieü •>
21. Jaaaar ihm erste jährlich« H«ptr««. M | «»"i., L ill v £
sitz, de. Barons Tptor, de. GrSnSer. der G-JLSüt s£Sr"
Geneva}, trug de. Rechenschaftsbericht vor, au. weUb« sieb et
gab, da« , .,* die Einnahme de, Verein, im Jahr« lSttwT» 1»
glieder theil. durch ausserordentliche Schenkungen, Seil, durd.
den Ertrag eines Coocertes. Von jener Summe sind 10,000 Jnd
...ige hundert Pranken in Su.tsreoten zinsbar angelegt; d«
tSÄe^*" ***** *•" "*—*«« *ZZ7m£.
^-. D |t D Sl " tU,eD PS 1 "* A* tle ? Mnn Mit 8««««« "•• Comite au.
demselben auszuscheiden (ein Antrag aar gansliche Eraen.ru«
des gesammten Comite'. fiel durch); das Loos traf die H«r7.ffZ
ehern, Berti», Caraffa, Girard, Edou. Monnaü.l&gfoT'sJZn
tini, Tolbeeque, Zimmermann. Diese wurde» säamUeh wied«
H 11 ', 1 !" AMMta« des Herrn N*rg»ot, aa dessen StaTtidE
Wahl auf den bek.nnten Pi.nofortefabrikanten Erard fleh Lete
terer seheokte dem Verein einen Flügel seiner Fabrik t ein and.
res Comitemi.glied fügte ei. Geschenk von 10W MwShWSÄ
Die.« und jene. lastrumeot werde, nun zum Vortheile der fei
seltscbsrt verloost, da. Loo» ko.tet einen Franc.
Die Gesellschaft, deren Existenz und Weiterverbreitone msi-
Dss diesjährige Musikfest des pfälzischen Musikrerei». wird
«.31. JuU und 1. Augu.t in Zweibrücken uater Mendlueohn's
£™ ÜV'T'V, ?"A , '? r "* k0 " m ** fo '*««« Mu,ik.tücket
fcrsterTeg: Mendeheohn't Oratorium Paulus. Zweiter Tag: Ddur-
Sympbonie von Beethoven; Bundeelied von Martcintr: Di» wte
Walpurgisnacht von Goethe und Mendeluoh*. ' " m mw
Das zweite Concert des Pariser Conservateriums der Musik
brachte folgend. Stücke zur Auflührung: Motorf, Symphonie aus
Cdur (m,t der Schlussfuge). - Me.res.tiU. und glückliche Fah"
von Beethoven (scheint nicht sehr angesprochen zn haben) —
Concertaetz Ihr di. Flöte von TuUm, geblasen van Jtonu _
?TZZJL 0%art: Ne ""^ rt cioU ete - ~ »*»■*■!*-.
Cenradin Kreutzer ist io Paris eingetroffen , «m sein Nant.»
.gar zu Granad. .1. Un. notte . GroS. ZS'JZESjZtZ
henisehea Theater in Scan« zu setzen. 8
AdamU aeneste Oper : Cagliostro," Bueh ron Scribe, scheint
■n Paris keine glänzende Aufnahme gefenden zu haben. «1 Das*
gen gefielen d.e neuen Opern Ladislaus Hunyadf, roo dem Cepell-
me.ster Fron, Erkel zu Pe.th ; Carl XII. oder der B8rgerme?.ter
von Zirkow, von dem Comiker Hohmatm zu Memel.
Caitelli eralhlt In den Grenzboten, dass ihm die Verferti-
gung des Buches der „Schweizer- Familie," welche, secb , Auf-
lagen erlebte und obwohl die Oper auf allen Bühnen unzählige
M.le aufgeführt wurde - in Allem nur acht Guide» Cnv.-M?
eingetragen habe.
Ankündigungen.
In der T. Trautwelli'schen Back- and Miuilsattenband-
wng (•/. Guttentmg) ist ersebienen ;
Villi., DftV., Psalm: „Der Herr ist RSnig« für Mtnnergetajig
(S.U und Chor). Frei, der ( gJSJnÄ S*.
ttrell, A. ]£•• Op. 26. „Barmherzig tmd gnädig" rierfttiamiig
(»k B«gl«Mng tm H Yiol., FJölc, fi Oboen, fi Fagottea, Viola,
Violoneelle und Contrabus). Preis des Clatferaiitrags 87i Sgr.
Preis jeder einzelnen Siagitimme ö Sgr. Preis der IQ Inst -
Slintmem 4 Thlr. «4 Sgr.
Äl S ,iCr, « A# Bdl ^ O"«*«o « Cmume per Toci di Sopr., Alto
Ten. e Basso coli' a«nomp. di Pmnofbrte. Preis I» Sgr '
VMbert, Willi.. Op. »8. Klänge m* der KMerleh. M
Lieder yon Hoffinann Ton Fallerslebcn , ans des Knaben IVnn-
derborn n. A. mit Pianofortebegleitnnr. Preis 25 Sgr.
— — Omertun %ur Meiern ponr Pianofort«. Preis Tf Sgr.
WlQlunaiui, HerrmMU1.5oiialef. Pfte, OpJ. Pr, 8tfSgr.
215
1844. März. No. 12.
216
Bändels
viertes Piaaoforte-Conoert In Fdur,
welches Hör Mittler da FtUmUe in »einen Coneerten in Pari»,
Berlin , GUn, n. t. w. mit allgemeinem Beifall Torgetmgen hat,
ift unter 4er Presse.
Berlin, SeltlenTtlnffer'ache Bneh- and Mnuknlienhandlnag.
NEUE MUSIKAUEN
Tblr.Ngr.
2 20
1 —
- 5
- 7*
- 7*
- »*
- 5
- 7*
- 1»
bei C. F. Peter», Bureau de Musique, in Lei
Beelier, JTol«, Die Zigeuner. Rhapsodie in 7 Gesftn-
Sm für Solo- und Chorstimmen mit Begleitung des
rchesters oder Pianoforte. Clavieraussug vom Com-
penisten. Op. 51
NB. Die Instrumental- Begleitung sowohl in Partitur
als Stimmen ist in correcter Abschrift durch die
Verlagshandiung su beliehen.
Difcrraer, 3. 9 Acht Lieder und Gesinge für eine Sing*
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Op. 10. Compl.
Dieselben einsein :
No. 1. Leid und Freud*
„ 9. Frühlingsmorgen
„ 5. Lied von R. Burns \
„ 4. Rlage und Bitte /
„ 5. Des Vogels Freude
„ 6. Liebetheimath
„ 7. Aye Marie )
,, 8. liebe }
sg m M u sl a mtu aam y ]fl#, Sechs deutsche Lieder mit Be-
gleitung des Pianoforte. Op. 1. Neue Aullage
Hunten, Fr. f Varialiona sur trois airs Italiens pour
le Piano a 4 mains. Op. 05.
No. 1. La Zaira \
„ 9. La Niobc | a — 99*
,, 5. La Normo )
Jan**, I.~ Trois Qoatuon pour dem Violous, Viola
/etVioloncellc. Oeuv. 65. No. 1, 9, 5 a 1 10
Hjslltwoda, M. W., Premiere Conversalion au Pia-
noforte a 4 mains, urrang. par H. Bnke d'apres In Con-
certante pour deux Violous. Op. HO 1 7i
Denxieme Couversation au Pianoforte a 4 malus,
arrang. par H. Bnke d'apres les Yariations brill. pour
Violon avec Orcbestre. Öp. 18 — 90
Itttroductiott et Variation« pour Clarinette utoc Or-
cbestre. Op. 198 1 90
Le mime avec Piano — 90
— — Second grand Trio pour Piano, Violon et Violon-
eeUe. Op. 150 5 —
Deux Marches militaires pour Piano — 7i
BLummler« Rieh.. Trio fädle et agreable pour Piano.
Violon et Alte. Oout. 1 — 95
lientelie» H«* Yariations brill. snr un theme de Niobe
pour le Piano. Ocut. 24 — 17i
Trois Masarkas brillantes pour Piano. Oeur. 95. — 10
HoUler, R*>1>., Noeturae pour Piano seul. Oeur. 15. — 12*
— — Fantaisie pour Piano sur Lucio di Lammermoor de
Doniietti. Oeur. 99 1 —
ItolMlmr. €• €»., Sixieme Quatuor pour Piano,
Violon, Viola et VioloneeUe. Op. 175 5 —
Bei Bem et? H»mTanmoUUn in Prag ift gans neu er-
sebicuen:
■furftVif JVoun Sendung.
mWhUäkj. •?., Duoro Walser, OpTfifc, Ar das Pfte. 4* Kr.
Derselbe su 4 Händen. 1 Fl.
Derselbe Ar Orchester. 9 FL 50 Rr.
lilrfcmnnnj ftfi, Moriani Walser für d. Pfte. Op.95. 45 Rr.
Afcenelreth, Tal., Drei Gedichte von Ad. Sckritt für eine
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte. 50 Rr.
ütfetzer. JOS.« Das letxte Lied. Für eine Singstimme mit Be-
gleitung des Pianoforte. 15* Werk. 50 Kr.
TomMehek, W. •!*, Rapsodies p. Piano. Ocut. 110. 1 Fl.
Veit, W. H«. Sechs Gesinge für eine Singstimme mit Beglei-
tung des Pianoforte. 21* Werk. 1 Fl. 15 Rr.
Dieselben einzeln t
No. 1. Und wusstens die Blumen von Heine. 90 Rr.
„ 9. Ständchen von F. Rudert 90 Rr.
„ 5. In die Fremde Ton Freiberrn v. Eiehendorf. 90 Rr.
„ 4. Triolet! tod J. TondUr. 15 Rr.
,, 5. intennexxo von •/ Freiherrn v. Eichendorf. 15 Rr.
„ 6. Am Abende von Rüekert. 90 Rr.
Veit. W.M., Fantasie-Stück, No. 1, f. d. Pfte. 99» Werk. 45 Rr.
ProehMlu», Jon«, Prager Loeomotive. Drei Polka für das
Pianoforte. 50 Rr.
Senegaliä Galopp (No. 145). 15 Rr.
'Weajelajuiy, ]?• M., Frohsinn auf dem Lande. Drei Polka
für das Pianoforte. 90 Rr.
Hrans, A*. Hamburger Polka für das Pfte. No. 194. 15 Rr.
Wust», F. K., Veronika Polka für d. Pfte. No. 196. 15 Rr.
Slern Galopp für das Pianoforte. No. 197. 15 Rr.
Adler Polka für das Pianoforte. No 198. 15 Rr.
Freundschafts Polka für das Pianoforte. No. 150. 15 Rr.
Ehestens erscheint t
Jj*tMts>niy; JU>uu, Neuer Immergrün Galopp, 99* Werk, für
das Pianoforte, xu 4 Händen und für Orchester.
Alizeige für Bühnen -Direotionen!
Obsehen die Gefertigten bei Ankauf der Partitur der von Herrn
C«j. Donixctti componirten Oper; „Don Pascpiale" das_ erlangte
Patquale" in einer deutschen Uebemetsung von Herrn Cmrl Gollmuek
in Frankfurt a. M. den Buhnen-Directionen angeboten worden.
Nsehdem nun der hohe Bundestag die Verfasser musikalischer
Compositionen und dramatischer Werke gegen unbefugte Auffüh-
rung im deutschen Bundesgebiete mit Beschluss Tom 99. April
1841 in Sehnte su nehmen geruhte, so erlauben sich die Gefer-
tigten den geehrten Bühncn-Directiooen bekannt su machen, dass
dieselben den §. 4. der obigen hohen Verordnung, sufolge dessen
nebst dem nach den Landesgesctsen su lebtenden Tollen Schaden-
ersätze stets und für jeden Fell der ganse Betrag der Einnahme
von jeder unbefugten Aufführung ohne Absng der auf dieselben ver-
wendeten Rosten und ohne Unterschied, ob das Stück allein oder
in Verbindung mit einem andern den Gegenstand der Auffuhrung
gemacht bat, in Beschlaf xu nehmen , gegen obige auf die Beein-
trächtigung ihres Eigenthumsrechtes gegründete Speculaliou in der
gansen Ausdehnnog in Anspruch su nehmen , und bei jeder ohne
ihre ausdrückliche Einwilligung erfolgten Vorstellung dieser Oper
in Anwendung su bringen entschlossen sind.
Uebrigens sind die Gefertigten bereit, den geehrten Buhnen-
Directionen die Partitur der Oper t „Don Patquale" mit deutscher
Uebersetsung von Heinrith Proek auf reehtniawigem Wege unter
den billigsten Bedingungen sn überlassen.
Wien , den 19. Februar 1844.
A. DtonelU *J- Comp.
Erklärung.
Ich bestätige hiermit, dass die Herren A. DUbelü $ Com*,
in Wien das Eigcnthumsreeht der Partitur der von mir componir-
ten Oper: „Don Pasquale'* von Herrn Jokmmn Jtieerdt, nn wel-
chen ich diese Partitur für Italien nnd Deutschland ageuthümlich
überlassen habe, sufolge des von mir mitgefertigteu Vertrages d. d.
Wien, den 90. Juni 1845, für Deutschland erkauft haben, und
dass demsnfolge die Herren A. DimbelU $ Comp, in gas* Deutsch-
land als die alleinigen rechtmassigen Eigenthümer der Partitur der
von mir componirten Oper: „Don Pnsquale" su betrachten sind.
Wien, den 17. Februar 1844.
i# Donlmettl.
Druck nnd Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
217
218
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den. 27* ten März.
i 13.
1844.
Inhalt t Beschreibung der vor zwei Jahren erbauten grossen Orgel in der Stiftskirche zu Osseg in Böhmen u. s. w. — Accensio-
•mi». — NtchricMtc* : Ans Leipzig. Aas Cassel. (Beschluss.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Beschreibung
der vor zwei Jahren erbauten grossen Orgel in der
Stiftskirche zu Osseg in Böhmen, nebst biographi-
scher Notiz über deren Erbauer und einigen all-
gemeinen und beurteilenden Bemerkungen.
Unterzeichneter, den eine Ferienreise im Sommer
vorigen Jahres nach Böhmen führte und der dabei Osseg
berührte, verwendete einen Tag mit dem grössten Inter-
esse zur Durchsicht des eben genannten herrlichen Wer-
kes und zum Spiele auf demselben« Der dortige Subprior
sowohl, als der Cisterzienser- Ordens- Priester Athana-
sius Bernhard, als Regens Chori, waren so freundlich
and gefällig, mir nicht nur die Gestaltung allenthalben
angedeihen au lassen, sondern mir in Allem selbst hilf*
reiche Hand zu leisten und nicht minder mich auf Dieses
und Jenes aufmerksam zu machen. Das Werk ist mir so
interessant erschienen und in seiner Einrichtung dabei in
so Manchem vom Bisherigen abweichend, dass ich es nicht
für überflüssig halte, dem grössern musikalischen Publi-
cum darüber einigp Mittheilungen zu machen.
Es mag die Disposition dieses Werkes vorausgehen»
die ich in ihrer Genauigkeit eben genanntem Pater A.
Bernhard hauptsächlich verdanke.
1. Disposition.
A. Haupt - Manual,
1) Principal 16 Fuss von Holz ^vom Orgelbauer Board** •), Bruam-
bass, genannt), 6± Zoll weit mensurirt ; spricht leicht an and
bat einen vollen runden Ton.
2) Principal 8 Pnss vom feinsten Zinn, mit nur} Znsatz, 5i Zoll
weit; Ton voll, streiehartig.
3) Qaiatadena 16 Fuss 6 Zoll, bebärtet; die Quinte aar sanft
anschlagend , wegen seiner reinen gleichen Intonation aasge-
zeichnet.
4) Gemshorn 8 Fnss, 5J Zoll weit ; hornartig, aber sanft singend.
5), FISte 8 Fast, 4J Zoll weit; äusserst rein and gleich im Tone.
6) Seliciooal 8 Fass, 44 Zoll weit, behaltet; ein wogen seiner
Lieblichkeit and leichten Ansprache besonders aossuseUhnen-
des Register.
7) Spitzfltite 8 Fuss, am Lahium 5± Zoll weit ; das sanfteste Re-
gister in der Orgel.
8) Qaiatadena 8 Fnss, 4 Zoll weit; sehr rein iatonirt.
9) Octava 4 Fuss, 3i Zoll weit; ist mehr singend, als scharf.
') Ganz können wir nns mit den Namen nicht einverstehen, da
man anter Bosrdon doch wohl mehr eine Gedactstimme ver-
steht. Der Verf.
46. Jahrgang.
10) Bassethorn 4 Fnts offen von Ziav, 4 Zoll weit, bebartet; hat
einen vollen säuselnden, bornartigen Ton.
11) Quinta 3 Fuss, 2* Zoll weit.
12) Superoctav 2 Fuss, 2± Zoll weit, bebärtet; Klaogfarbe wie
Bassethorn 4 Fuss.
13) Rauschqaint2Fuss4fach Cggc; repetirt in der vierten Octave.
14) Mixtur 2 Fuss 5 fach Cegcc; repetirt in der dritten Octave.
15; Cornelt 2 Fuss öfach Cgcegc; repetirt in der zweiten Octave.
B. Brustwerk.
1) Principal 8 Fnss offen , 5 Zoll weit ; von sanfter stroiebarti-
ger Intonation , ein vorzügliches Register, besonders geeignet
zur Bezeichnung einer frommen hingebenden Stimmung.
2) Flöte 8 Foss offen, At Zoll weit; von der Maoaal -Flöte durch
Mensur und' sanfteren Ton verschieden.
3) Gedaet (lieblich) 8 Foss von Hotz, 3 Zoll weit; dag weichste
Register der Orgel, ganz rein iatonirt.
4) Bourdon 8 Fass von hartem Holze, 4 Zoll weit; ganz sanft
in die Quinte tönend, eine prächtige Füllstimme.
5) Octava 4 Fnss, 3J Zoll weit; hell and kräftig.
6) Fngara 4 Fuss, 2* Zoll weit; sehr sanft.
7) Flöte 4 Foso, 2£ Zoll weit ; schon iatonirt.
8) Quinta 3 Fuss , %\ Zoll weit.
9) Superoctav 2 Fuss von Zinn, 2 Zoll weit.
10) Mixtur M Fnss 5fsch Gcegc, offen; repetirt in der dritten
Ootave.
11). Cymbel 1 Fuss Cgc 3faxh; nepetirt in der zweiten Octave.
C. Pedal.
1) Principal 16 Fass von Zinu, 10 Zoll weit (das tiefste C wiegt
125 &).
2) Subbass 32 Fuss von Holz, Uj Zoll weit; in der ersten Octave
gedeckt, bebärtet der leichtem Ansprache wegen.
3) Violonbass 16 Fuss von Holz, 94 Zoll weit; voll, durchgreifend.
4) Prinoipalbass 8 Foss offen, von Zinn, 6 Zoll weit.
5) Oetavbass 8 Fuss von Holz, 5i Zoll weit.
6) Posaune 8 Fuss, ein Rohrwerk mit zinnernen Schallbecbern
9 Zoll weit.
7) Qointbasa 12 Fnss von Holt, 7 Zoll weit.
8) Mixtur von- 4 bis 2 Fuss, Cege 4fach von Zinn, in der Octave
gedeckt.
II. Bemerkungen zur Disposition.
a) Anzahl der Pfeifen:
a) Hauptmanual: 1377, anf eine Taste 27.
ff) Brustwerk: 867, auf eine Taste 17.
b)
y) Pedal t 242, auf eine Taste tl.
Vorbereitete Verstärkung: Noch ein Positiv (so einem dritten
Manual) einzustellen in die Füllungen des Hauptkörpers von
sieben Stimmen: 1) Geigen - Principal 8 Fnss. 2) Copula ma-
jor. 3) Copula minor. 4) Octava 4 Fuss. 5) Quinta 3 Fass.
6) Saperootava 2 Fnss. 7) Mixtur li Fasr, 4fach> gege.
Im Pedale ist für eine Posaune 16 Fuss vorbereitet.
c) Klangfarbe der Orgel.
Dass der Character dieser Orgel vorherrschend weich, zart,
aber auch ernst, erhaben ond kraftvoll ist, deutet schon die
13
219
1844. März. No. 13.
220
mitgetheilte Disposition an ; vollkommen einstimmen wird aber
jeder Kenner, der die Fronde hatte, sie io den hauptsächlich-
sten Nuancen zn hören.
III. Aeussere Beschaffenheit.
a) Orgelkörper.
Der Hauptkörper för's Manual und Pedal ist 33 Schob 6 Zoll
hoch, 26 Schuh breit, 7 Sehuh 2 Zoll tief, füllt die ganze
Wölbung der Kirche ans und ist in fünf Pfeifen thürme gc-
theilt ; Pedal -Principal 16 Fuss nnd Mannal- Principal 8 Fuas
im Prospecte.
Die Manual- und Pedal -Windlade, jede 4 Schuh lang, 4 Schuh
3 Zoll breit und 7 Zoll tief.
Der Körper des Brostwerks bestehet ans drei Pfeifenlnörmen,
wovon jeder der zwei Seitentbürme 10 Fuss hoch ist, und hat
im Prospecte Principal 8 Fuss; die Windlade ist 9 Schuh
lang und 3 Schuh breit.
b) Die sechs grossen Bälge sind Spannbälge, jeder 12 Schuh lang
und 6 Schub breit nnd baben gegen 280 Druck.
c) Windstärke : Nach der Windwaage 30 Grade.
d) Kosten: Die Orgel kostet, Alles eingerechnet: 8180 Golden
36 Kreuzer Conv.- Münze.
IV. Biographische Notiz des Erbauers.
Der Erbauer dieser Orgel, Frans Feller (geb. 1785
und gestorben 1843 am 1. Juni), war von seinem Va-
ter zum Schneiderbandwerk bestimmt, lernte aber neben-
bei Musik und wurde als Singknabe auf dem Cbore sei-
nes Geburtsortes (Königswalde unweit Telschen) verwen-
det. Wundersam von den Tönen der Orgel ergriffen, fing
er schon als 12jähriger Knabe an, ganze Octaven von
Holzpfeifen zusammenzustellen. Von seinem Vater und
Lehrmeister wegen seiner Vernachlässigung des Schnei-
derhandwerks oft hart gezüchtiget, wusste er sich im —
Holzstosse seines Vaters eine geheime Werkstätte zu be-
reiten, wo er unbemerkt in Nebenstunden seiner Lieb-
lingsbeschäftigung nachhing. — Hier suchte er ein klei-
nes Orgelwerk schon in seinem 14. Jahre zu Stande zu
bringen, wo ihn besonders die Anlage und Einrichtung
der Windlade, deren er noch keine gesehen, in grosse
Verlegenheit setzte. Doch Nachdenken überwand die
Schwierigkeit, und es gelang ihm, ein Werkchen von
zwei Holzstimmeu und drei Octaven zu Stande zu brin-
gen, welches so eingerichtet war, dass, während er mit
der einen Hand spielte, er mittelst einer Kurbel durch
die andere Hand den Blasebalg in Bewegung erhielt. In
seinem 18. Lebensjahre etablirte er sich als Schneider-
meister in seinem Geburtsorte und verwandte alle übrigen
Groschen, um sich die zum Orgelbaue nöthigen Werk-
zeuge und Requisiten herbeizuschaffen. Noch in demsel-
ben Jahre arbeitete er ein Werk von drei Zinnstimmen,
einer Holzstimme und einem achtfüssigen Pedalsatze, das
der Wohlgelungenheit wegen die Gemeinde von Nieder-
!rund für ihr Kirchlein erkaufte. In den Jahren 1809 —
813 that er Kriegsdienste als Bandist, wodurch sieb seine
Kenntnisse in der Musik bedeutend erweiterten. In Folge
der Schlacht bei Kulm wurden in der Gegend mehrere
Orgeln zerstört, und das war nun die eigentliche Ver-
anlassung, dass sich Feller seit 1817 ganz allein dem
Orgelbaue zuwandte, und seit dieser Zeit hat er 36 theils
kleinere theils grössere Werke erbaut, die alle Beifall
fanden. Seine Stärke zeigt sich in den Arbeiten im Flö-
tenwerke 5 hier hat er es zur Meisterschaft gebracht.
So viel von einem Manne, den wahrhaft künstleri-
sche Begeisterung und Genie unter seinen Zeitgenossen
gewiss auszeichnen und den die Nachwelt gewiss immer
in Ehren halten wird.
Seine Söhfce treten in die Fusstapfen ihres Vaters,
und es können die Gebrüder Feller mit Recht dem Pu-
blicum empfohlen werden ; es sind zwar einfache, in ih-
rer Kunst aber ausgezeichnete Leute, welche solid und
schön arbeiten, und, was nicht weniger werlhvoll ist,
gewissenhaft sind, Vorzüge, die sie vor Manchem ihrer
Kunstgenossen auszeichnen. Franz besonders, der älteste
von ihnen, ist ein Mann von wahrer künstlerischer Be-
geisterung, von seinem verstorbenen Vater von Jugend
auf zu den feinsten und schwierigsten Arbeiten verwen-
det, in seinem Fache vielseitig gebildet und erfahren,
ein junger Mann , der mit noch mehr Geist das Werk
seines Vaters fortsetzt und auf den Böhmen mit demsel-
ben Rechte stolz sein kann, als Sachsen auf seinen Jahn,
Jehmlich und neuerlichst Göthel.
V. Allgemeine beurtheilende Bemerkungen.
Soll ich mich vorerst noch über die Wahl der Stim-
men beurtheilend aussprechen, so kann man sich mit ihr
vollkommen einverstanden erklären und muss einen et-
waigen Tadel, als hätte die 16füssige Principalstimme von
Zinn in's Manual gestellt werden müssen, völlig zurück-
weisen, da die 16fässige Holzstimme, die Feller in's Ma-
nual gearbeitet hat, in Bezug auf Tonfülle und Reinheit
des Klanges dem Principal 16 Fuss von Zinn nicht nur
ganz gleich kommt, sondern die zwar sehr fleissig und
gut gearbeitete Pedalstimme in mancher Hinsicht noch
übertrifft. Denn da dieser Holzprincipal nicht im Pro-
specte ist, so konnte er bebärtet werden, wodurch die
feinste und gleichste Ansprache erzielt wurde, — wäh-
rend Pedalprincipal 16 Fuss von Zinn unbebärtet bleiben
musste, mithin in Bezug der Ansprache dem jetzigen Ma-
nualprincipale notwendig nachsteht. Ich lasse mich na-
mentlich über diesen Punct des Weiteren deswegen aus,
um auf ihn ausdrücklich aufmerksam zu machen , wenn
man in die Lage kommen sollte, ein ähnliches Werk zu
disponiren, und bitte deshalb, diese meine Bemerkungen
einer sorgsamen, aber ruhigen uud unparteiischen Prü-
fung zu unterwerfen. Eine grosse Prospeclstimme, meine
ich (so abweichend es auch vom jetzigen Gebrauche ist),
wird fü'r's Manual immer ihr Misslicbes haben, während
sie als Pedalstimme für die Pfuuduolen des Grundbasses
vollkommen geeignet bleibt. So viel zur Verteidigung
der Disposition Feller's. Was ich daran geändert wünschte,
wäre etwa Dieses: Ich würde Quintgetön 16 Fuss in's
zweite Manual disponirt und statt dieser Stimme für's
Hauptmanual Grobgedact 8 Fuss bestimmt haben, aus fol-
genden Gründen. Principal 16 Fuss von Holz bebärtet,
dürfte kräftig genug sein, um einem Manual, wie das
dieser Orgel ist, seinen männlichen feierlichen Character
zu geben , während das Bruslwerk durch Quintgetön 16
Fuss, wie man sich durch die Koppel vollkommen über-
zeugen kann, ungemein an Ernst, Fülle und Nachdruck
gewinnt, ja selbst zur Ausführung grossartiger Fugen
und anderer grösserer Orgelsachen geeignet wird, wäh-
rend es jetzt doch im Vergleiche gegen das Hauptmanual
221
1844. März. No. 15.
222
nur ein Knabe ist $ durch Quintgetön' 16 Fuss würde es
Eiim kräftigen Jüngling herangereift sein, der munter und
freudig seine Stimme erhebt, und der Abstand zwischen
ihm und dem Hauptmanuale wäre zwar immer noch be-
deutend, aber doch nicht so wie jetzt. Ferner würde ich
mir im Pedale noch Gedaclbass 16 Fuss disponirt haben,
um die so schönen und wahrhaft singenden 8 Fuss-Stim-
men dieses Orgelwerkes im Einzelspiele mehr wirken las-
sen zu können, da der muntere Yiolon 16 Fuss und der
ernste gravitätische Principal 16 Fuss zu solchem Spiel,
wie ich es meine, doch immer weniger geeignet sind.
Noch möchte zu bemerken sein, dass sämmtlicbe
Conducte der Prospectpfeifen von Zinn gearbeitet sind,
und sämmtliche Zinnpfeifen von gleichem Metalle , näm-
lich von feinem Graupner Zinn mit nur z / 7 Zusatz. Be-
kanntlich aber steht das Graupner Zinn in noch höherem,
wenigstens gleichem Werthe mit dem Englischen ; es ist
daher das Orgelmetall durchaus sehr fein, da man ein
121öthiges Berliner Probezinn schon für ein gutes und
feines halt, das Metall dieser Orgel aber beinahe durch-
aus 141ölbig ist.
Zschopau, im Februar 1844.
Carl Geistler , C.
R
ECEN8IONEN.
Protestantische Kirchenmusiken, auf alle Feste des Jah-
res, nach (den) Worten der heiligen Schrift, leicht
ausführbar und vorzüglich für Kirchen kleiner Städte
und des Landes. No. 1. Musik zum Erndte- Dank-
feste, componirt von Julius Hoffe. Op. 32. Kl. Fol.
Eisleben, bei G. Reichardt. Preis l'/ 2 Thlr.
Wirklich gute, d. h. wahrhaft kirchliche, und dabei
leicht ausführbare Kirchenmusiken, geeignet zur Auffüh-
rung durch die in der Regel sehr beschränkten Mittel
kleiner Slädte und grösserer Landgemeinden (bei den klei-
neren sollte man die, nach unseren Erfahrungen, fast im-
mer höchst erbärmliche nnd die Andacht nuf störende
Kirchenmusik lieber gar nicht mehr statuiren), sind eben
noch nicht viele vorhanden, wenigstens nicht im Drucke,
und von diesem Gesichtspunkte aus können wir das Un-
ternehmen des Verfassers nur willkommen heissen. In-
des« wird er, wenn es ihm mit dauerndem Erfolge ge-
lingen soll, bei den etwa nachfolgenden Arbeiten die
Haupterfordernisse einer guten Kirchenmusik : Kraft, Tiefe
und einfache Grösse des religiösen Gefühls, bei möglich-
ster Gedrungenheit der Form, noch ernstlicher anzustre-
ben haben, als es noch bei diesem Werke der Fall ge-
wesen. Wir sagen nicht, dass vorliegende Cantate des
religiösen Aufschwungs ermangle, oder dass sie in einem
zu prunkvoll -weltlichen, oder, in melodischer Weise,
süsslich frömmelnden Style gehalten sei. Nur vermissen
wir noch jene höhere Weihe religiöser Begeisterung, durch
welche die besten Werke dieser Art das Gemüth unwill-
kürlich der Welt entrücken, um es in das Allerheiligste
der Religion einzuführen. Der Text vorliegender Can-
tate ist aas Psalmenstellen wohl zusammengesetzt. Sie be-
steht aas drei, in technischer Hinsicht der Hauptsache
nach woblgerathenen. Sätzen, nämlich einem Chore, Al-
legro C-Tact, in Gdur, einer ansprechenden, gut in der
Stimme liegenden Tenorarie, Andante, C-Tact, Fdur, und
einer Schlussfuge, Allegro C-Tact, Cdur, von welcher
wir uns, so weit ein Urtheil aus der Partitur möglich
ist, keinen sonderlich schwunghaft erhebenden Eindruck
versprechen können. Das Thema ist gut erfunden, auch
genügt Anfangs die Ausführung; allein da, wo die Be-
geisterung höber steigen sollte, lässt unser Autor die
Schwingen sinken. Bei diesen Bemerkungen haben wir
freilich ein Ideal im Auge gehabt, welches selten erreicht
worden, weshalb sie denn auch den Verfasser nicht ab-
schrecken , sondern nur zum rüstigen Weiterstreben er-
muntern sollen. — Die leicht gehaltene Instrumentirung
erfordert, nebst dem Streichquartett, zwei Flöten, zwei
Oboen (oder Clarinetten), zwei Fagotte, zwei Trompeten,
zwei Hörner und Pauken. — Auf Oboen und Fagotte
hätte der Verfasser, für kleinere Orte schreibend, nicht
rechnen, dagegen aber durch Beifügung einer zweckmäs-
sig eingerichteten Orgelstimme auf Deckung der etwa
ausfallenden Stimmen im Orchester bedacht sein sollen« —
Die Ausstattung ist nett, der Preis billig.
1) Pfingstlied von August Zeune, in Musik gesetzt für
fünf Solo - und vier Cborstimmen mit Begleitung des
Pianoforte oder der Harfe von A. E. GrelL Op. 11.
Berlin, bei Traulwein. Preis der Partitur 20 Sgr.;
der fünf Solostimmen 10 Sgr. ; jeder einzelnen Chor-
stimme 1% Sgr.
2) Selig sind die Todten, für vier Solo- und vier Chor-
stimmen von A. E. GrelL Ciavierauszug. Op. 18.
Ebendaselbst. Preis 25 Sgr.
3) Der Herr ist mein Hirte, für fünf Solo- und vier Chor-
stimmen, mit Begleitung der Orgel von A. E. Grell.
Op. 19. Ebendaselbst. Preis 22% Sgr.
Erfreuliche Gaben des achtbaren Componislen, mit
welchen man sich gewiss überall befreunden wird, wo
die zu ihrer Aufführung erforderliche Anzahl von guten
festen Stimmen vorhanden ist, an welche im Uebrigen
der Verfasser nur sehr massige Anforderungen macht. —
Dem für die Kirche nicht bestimmten oder doch nicht
wohl geeigneten „ Pfingstliede " möchte, vorzüglich im
Andante, grössere Belebtheit und Manniehfaltigkeit der
Declamation zu wünschen sein. No. 2 nnd 3 sind dan-
kenswerte Gaben für die Kirche. In der letzteren hat
uns vorzüglich der dritte Satz: „Ich freue mich und bin
fröhlich in dir" sehr angesprochen, wie sieh denn über*
haupt der Verfasser mit Glück auf dem Felde der Kir-
chencom position bewegt. Minder gelungen erscheint uns
der erste Satz in derselben Nummer, in welchem uns die
sehr langen Dehnungen auf „mangeln" und „Wasser "
nicht zusagen wollen. Solche Dehnungen beeinträchtigen
stets die Klarheit des Textwortes. Wenn man eine Stimme»
noch dazu im */ 2 *Tacte, sieben ganze Tacte lang auf der
Sylbe „man" sich bewegen lässt, bis endlieh im achten
das Wort „mangeln" seine zweite Sylbe indet, so will
uns das durchaus nicht zusagen. Sollen wir unter zwei
Uabeln das kleinste erwählen , so mögen wir eher eine
öftere Wiederholung, als die zu lange Dehnung eines
223
1044. Mäw. No. 13.
224
Wortes leiden, bei weither es im unnatürlicher Weise i
aaiseinandergesogen wird. Wir wissen wob], das* zuwei-
lt* sehr berühmte und grosse Componisten selehes ge-
tben haben; allein es fragt sieh immer, ob rie Recht
daran gethan? Uns ist ein solches Verfahren immer als
ein Miasbraucb, ja als eine Misehandking des Wortes er-
schienen, welches dabei tarn leeren Schalle becabgewür-
digt wird. Diese kleinen Anostelhingen können und sol-
len übrigens den sonstigen Werth dieser verdienstvollen
Werke keineswegs in den Schatten stellen.
Drei kurze and leichte vierstimmige Motetten: „Herr
neige deine Ohren" u. s. w., „Herr deine Güte
reicht so weit" u. s. w. and „Lobe den Herrn meine
Seele" u. s. w. mit Begleitung der Orgel oder des
Piaeoforte von A. E. Grell. Op. 13. Berlin, bei
Trautwein. Preis der Partitur 20 Sgr., jede Stimme
einzeln 2 Vi Sgr.
Diese überaus leicht nnd einfach gehaltenen und da-
bei doch ansprechenden Motetten können wir auf das Zu-
versichtlichste den Singehären auf dem Lande und allen
sonst weniger geübten anempfehlen, und sie dürfen sich
von denselben, bei fleissiger Aufführung, welche durch*
aus keinen Schwierigkeiten unterliegt, sicherlich einen
weit erbaulieberen Eindruck versprechen, als von dem
oft so kläglichen Abstümpern grösserer und schwererer
Werke, welchen ihre Kräfte nicht gewachsen sind. Wir
ersuchen den Herrn Verfasser recht angelegentlich, die
grosse Zahl weniger geübter Chöre bald wieder durch
ähnliche Gaben seiner schätzbaren Feder zn bedenken. —
Die Ausstattung ist gut, allein der Preis könnte billiger
gestellt sein.
Zwei Motetten. No. 1. „Herr lehre mich thun nach dei-
nem Wohlgefallen" u. ». w. No. 2. „Lasset uns unter
einander lieben" ti. s. w. für acht Singstimmen von
A. E. Grell. 0p. 22. Berlin, bei Trautwein. No. 1.
Preis 12% Sgr. No. 2. Preis 20 Sgr.
So ungemein reich auch, insonderheit im vorigen
Jahrhundert durch einen Seb. Bach nnd seine weit ver-
zweigte Schale, das Feld der Motette angebaut worden
(sehr vieles ans ihr hervorgegangene Treffliche ruht vor-
züglich in Thüringen noch ungedruckt), so hat uns doch
die Beschäftigung mit den obigen Compositionen, welche
eine gereifte Feder beurkunden, sehr erfreut, indem in
denselben ein kerngesunder, religiöser Geist wehet, der
in ernst würdiger Form sich ausspricht. Die Stelle in der
zweiten Motette:
Sopr.
U
1=3
m
Las - «et uns na
- ter ein - an - der etc.
P
dei
bei welcher der erste Chor in allen Stimmen sich in der-
selben Rhythmik bewegt, nnd welche der «weite in glei-
cher Weise wiederholt, scheint uns nicht gut declamirt
zu sein. Ausstattung schön. Der Preis könnte anek hier
billiger gestellt sein.
Lieder für vier Männerstimmen.
1) Sechs Lieder, componirt für vier Männerstimmen von
A. Neithardt. 0p. 126. Heft 1 : Sängers Nachtfeier,
von Kluge; An die Laute, von Basti; Bedenklich-
keit, von v. Mühler. Heft 2; Ergo hibamusj von
Goethe; Der Unschlüssige« von Beruh. Brach; Klei-
dermacher -Mutb. Lexiconformat. Berlin, bei Traut-
wein, ä Heft, Partitur und Stimmen, 20 Sgr., jede
Stimme einzeln 3% Sgr.
2) Tier Gesänge, 1) Der Schweizer; 2) Gute Nacht, von
J£. Geibel\ 3) Ade, von M . Arndt; 4) Der Linden-
baum, für vier Männerstimmen., componirt von Fer-
dinand Möhring. Op. 11. Lexiconformat. Partitur
und Stimmen. Ebendaselbst. Preis 25 Sgr.
3) Sechs Gesänge für vier Männerstimmen, von G. Wichtig
fürstl. tiohenzolkrn - Hechiag'schen Kanunermnsikns.
Op. 7. Lexiconformat. Carlsruhe, fces W. Creuzbauer.
Preis 1 Thlr. 8 Ggr.
4) Urfinsterniss, Gedicht von Bornemann, für vier Män-
nerstimmen (Solo und Chor) vou A. E. Greä. Op.
24. Lexiconformat. Berlin, bei Traulwein. Preis 7 K / 2
Sgr., jede Stimme einzeln 1% Sgr.
5) A. *. Chamisso's Canon : Das ist die Noth der schwe-
ren Zeit ! componirt für vier Männerstimmen von A.
E. Grell. Op. 24. Ebendaselbst.
6) Zigeunerlieder von Nep. Vogl> componirt für Män-
nerstimmen von Ant. HackeL No. 1 und 2. Carls-
ruhe, bei W. Creuzhauer. Preis 12 Ggr.
7) Rhein weinlied von G.Herwegh, für vier Männerstim-
men componirt und znm Besten des Hermann- Denk-
mals herausgegeben von Dr. Heinrich Marschier.
Gr. Fol. Leipzig, in Commission bei Fr. Hofmeister.
Preis 12 1 /* Ngr.
Durch fast zahllose Bäche und Bächlein, welche un-
sere Herren Componisten in den Strom des vierstimmi-
gen Männergesanges fliessen lassen, wird derselbe zwar
immer breiter, allein nicht gerade überall tiefer. Es tritt
dabei so Manches bwor, das ohne empfindlichen Ver-
lust für -die musikalische Literatur recht wohl innerhalb
der engeren Kreise, welchen es seinen Ursprung ver-
dankte, seine« Lehenscureus Witte beginnen — und be-
scbliessen mögen. Aber ein Jeder, der wohl oder übel
ein wenig Singen und Noieuschreibeu gelernt, will flugs
auch vierstimmig componiren! Dafür hat man denn als
Beceusent nur zu oft die gewiss nicht neidenswerthe
Freude, so mancherlei verbrauchte Griffe in der melodi-
schen und harmonischen Wendung des vierstimmigen
Männergesanges bis zur Ungebühr wiederhol! zu sehen. —
Es ist wahr: unser deutscher Eicheufeain hat jetzt einen
horrenden Ueberfluss an Singvögeln ; allein last bei jedem
Schritte slösst man auf einen , wenn .auch nicht nachbe-
tenden , doch naebpfeifeaden Gimpel — nur selten aber
auf einen ächten frischen Capitalschläger, der kühn und
fröhlich aus der Brust heranssingt, wie ihm seibat just
der Schnabel gewachsen ist.
Wir freuen uns, versichern au können, von obiger
Gimpelei in den hier anzuzeigenden Werken theils nur
sehr geringe, theils gar keine, theils Spuren vom Ge-
225
1844. März. No. 15.
226
gentheile — einem kniffigen, frischen ErBndnngsgeiate —
entdeckt zu haben.
1) Man kennt bereits hinlänglich den Verfasser von
0p. 126. Er singt stets frisch und glatt weg, wie man's an
der Liedertafel lieht, bat artige Einfälle, gefallige Wen-
dungen in Melodie nid Harmonik nnd schreibt mit runder,
gewandter Feder, die sich noch keineswegs erschöpft hat.
2) Herr Mohring hat leider nicht alle seine Texte
consequent- richtig und tüchtig ausgewählt. „Der Schwei-
zer *' scheint uns zur vierstimmigen Behandlung nicht
wohl geeignet. Dieses Gedicht ist schon für eine Stimme
schwer zu treffen, noch schwerer für vier! Die „Gute
Nacht! 4 ' und ,,Den Lindenbaum" haben wir mit Ver-
gnügen gehört. In der Partitur finden sich einige Stich-
fehler, doch leicht zu verbessernde.
3) Auch in dieser Sammlung befinden sich einige
Gedichte, welche sich zur vierstimmigen Behandlung nicht
recht schicken wollen. Wir wetten darauf, dass sie der
ganz artig schreibende Verfasser bei näherer Prüfung
seihst erkennt. — Der „Schiffergesang 44 ist allenfalls
auf einen FIuss, aber nicht anf das „Meer" hinausge-
dacht wtd darchempfunden. — Die „Abendfahrt" mäch*
ten wir wohl einmal durch recht hohe tüchtige Tenore
nebst Zubehör auf dem Rheine hören!
4) Ein höchst origineller Scherz voll tiefen musika-
lischen Humors. Unvergleichlich prächtig, wenn Alles mit
gehörigem Pathos und ungeheuerm Ernste vorgetragen
wird. Da soll mir Einer kommen und noch den tiefen
Hnmor der Musik wegleugnen wollen. Freilieh ist die
Sache schon lange da — und nur in den Aesthetikea
fehlt sie noch.
5) Ein interessantes Seitenstück zum vorigen; nur
muss man dabei (wo möglich) etwas Weniges die Augen
verdrehen und singen, als wolle man vor desperater
Frömmigkeit — mit Jean Paul zu reden — „ des Teu-
fels werden. 4 ' —
6) Ob die Herren Zigeuner — die veritablen näm-
lich — wirklich so schön singen und moduliren, wie
Herr Haekel es ihnen in den Mund legt» bezweifeln wir
stark. Wir fürchten, er habe sie zu sehr civilisirt. Legte
man diesen hübschen Composilionen andere, ganz aas»
pende Texte unter, so würden sie nichts weniger, als
eben Zigeunerlieder sein.
7) Da haben wir eine No. 7, allein es ist keine
böse , sondern eine beilige. — Zwar hat der sonst so
geistreiche und kernige Dichter hier seine poetische
Traube ein wetiig zu breit ausgekeltert; altein die Com-
Position ist kräftig und ihrer hohen Bestimmung für „das
Hermanndenkmal 4 < eben so würdig, wie der ächte, poe-
tische Most in dem Gedichte, bei dessen Gesang man
leicht einige müssige Verse weglassen kann.
Sänunllicbe hier angezeigte Musikstücke sind hübsch
ausgestattet. Nur die Carlsruher Noten haben etwas
Schwindsüchtiges und für das Auge Unbequemes, abge-
sehen davon, dass sie auch, wenigstens in den verlie-
genden Exemplaren, zu falass erscheinen. Man ist da of-
fenbar gegen Leipzig, Berlin, Mainz u. a. 0. zurück-
geblieben. #•
Nachrichten.
Leipzig, den 26. März 1844. Neunzehntes Abon-
nement -Concert im Saale des Gewandhauses, Donners-
tag, den 14. März. Ouvertüre zu Ipbigenie •von Giuck. —
Scene und Arie aus Faust von L. Spohr („Die stille
Nacht entweicht"), gesungen von Fräul. Pauline Mar»,
königl. preuss. Hofopernsängerin aus Berlin. — Concor-
tino für die Flöte, componirt und vorgetragen von ilerrn
W. Hauke (Mitglied des Orchesters). — fcoene und Arie
aus Lucia di Lammermoor von Donixetti, gesungen von
Fräul. P. Marx. — Iutroduetion nnd Variationen über
ein Thema aus der Oper „Die Tochter des Regiments,**
componirt nnd vorgetragen von Herrn Rudolph Sachse
(Mitglied des Orchesters). — Ouvertüre, Gesänge nnd En-
treacts zu Goethes Egmont, von L. v. Beethoven (das
die Musikstücke verbindende Gedicht von MosengeU ge-
sprochen von Mad. Detsotr, die Gesinge vorgetragen von
Fräul. Marx).
Die grossartige Ouvertüre von Giuck ist ein unver-
gängliches Meisterwerk und immer von bedeutendster
Wirkung; interessant ist der von Maxart der Ouvertüre»
die, wie bekannt, ursprünglich unmittelbar in die Oper
überleitet, beigefügte Schluss, so ganz im Styl und Geist
der Compositum, dass der Uebergang von Giuck zu J#o-
zart kaum , wenigstens nur in der etwas volleren und
feineren Instrnmentirung, bemerkt wird. Die Ausflfbrvng
war gut nnd die Wirkung auf das Publicum sehr 'lebendig.
Fräul. Pauline Marx, welche in mehreren Gastdar-
steilungen auf unserem Theater sich aligemeine Anerken-
nung erworben hat, anch aus früherer Zeit durch Ihre
Leistungen in mehreren Gewandbaus- Concerten unserem
Publicum werth ist, erfreute uns diesmal besonders durch
den Vortrag der schönen Scene und Arie aus Faust, einer
Compositum, deren Ausführung sehr schwierig ist» aber
anch einer Sängerin treffliche Gelegenheit bietet, dich nach
allen Seiten hin als Künstlerin zu zeigen. Das dnreh und
durch dramatische Reoitativ ist keine leichte Aufgabe nnd
selten noch haben wir diese Aufgabe, selbst von bedeu-
tenden Sängerinnen, so giüoklkh gelöst gesehen, als dies
Fräul. Marx gelang. Es ist nicht zu leugnen, dramati-
sche Sänger und Sängerinnen kann nur die Bühne bil-
den; anch die beste andere Ausbildung reicht hierzu al-
lein nicht aus. Wenn nnn auch dem Conoertvortrage en-
gere Grenzen gesteckt sind , als dem Vortrage anf der
Bühne bei der lebendigen Darstellung eines Kunstwerkes,
so darf der Ausführung eines solchen Werkes doch dra-
matisches Leben nicht ganz fehlen, wenn die beabsich-
tigte Wirkung wenigstens einigermaassen erreicht wer-
den soll. Fräul. Marx traf mit vielem Geschick das
rechte Maass an ihrem Vortrage, und da die Ausführung
anch übrigens, trotz der sehr bedeutenden teehmsoheu
Schwierigkeiten, vorzüglich war, so konnte die ganne
Leistung, .als eine gefangene wirkliche Knnstleistung, flieht
ohne entschiedene Wirkung Meinen. Der Beifall war da-
her gross und allgemein, lebhafter und ungeteilter, als
nach dem Vortrage der Scene nnd Arie aus Lucta von
Dvnixetti, welche Fräul. Marx allerdings mit seltener
Fertigkeit» mit ausserordentlicher Vofobililat und Sicher-
heit du den Colonatoreu, aber mit letzteren, mit langen
227
1844. März. No. 13.
22»
Trillern u. dergl. so überladen ausführte, dass wir kaum
su begreifen vermögen, wie eine so gebildete Künstlerin
sieb so geschmacklos verirren kann. Hin und wieder mag
dergleichen] wobl einem Theile, vielleicht dem grösseren
Theile des Poblicums gefallen, aber schön ist es gewiss nicht.
Zwei sehr tüchtige Mitglieder unseres Concertorche-
sters , die Herren fr. Hauke und Saclise erwarben sich
durch ihre Compositionen nicht weniger, wie durch die
ausgezeichnete Virtuosität ihres Spieles grossen Beifall.
Es ist heut zu Tage wirklich selten, dass Virtuosen sich
selbst su ihren Vorträgen gute Stücke schreiben; wir
haben in dieser Hinsicht schon Erfahrungen machen müs-
sen, die kaum zu ertragen waren. Um so lieber und
dankbarer erkennen wir es öffentlich an« dass unsere hie-
sigen Künstler und namentlich die Mitglieder unseres Or-
chesters, wenn sie mit eigenen Compositionen hervor-
treten, auch immer etwas Ordentliches, Tüchtiges brin-
gen. Wir finden hierin einen Beweis für die tüchtige und
gut geleitete Kunstbildung unserer Orchestermitglieder,
welche die hauptsächlichste Stütze unseres ganzen, in
seinen Leistungen so ausgezeichneten und in seinen Wir-
kungen so wohlthätigen Kunstlebens seit mehreren Jah-
ren schon geworden sind. Solchen Künstlern fehlt nie
der rechte Ernst und Geist in ihrem Berufe, und sind
diese nur vorhanden, so kommen Gelingen und Freude
von selber. Ein Beleg dafür war die Ausführung der
Beethoven'schea Musik zu Ermont, nach unserem Gefühl
und Urtheil einer der genialsten und wirkungsvollsten
Schöpfungen des grossen Meisters. Im Theater kann diese
Musik fast nie ungestört genossen werden, und es war
daher gewiss ein sehr glücklicher Gedanke, durch die
Hauptmomente der Dichtung vorführende, die einzelnen
Musikstücke verbindende Worte ein gewissermaassen in
sich abgeschlossenes Ganze zu bilden, und so, bei Auf-
führung der Musik in Goncerten, ein Verständnis der-
selben unmittelbar herbeizuführen, das ausserdem immer
nur Wenigen möglich gewesen sein würde. Wie trefflich
dies Mosengeil gelungen, ist bekannt; auch Grillparzer
hat später, als Mosengeil, eine ähnliche Bearbeitung un-
ternommen , ist jedoch , unserm Urtheil nach , weniger
glücklich als dieser gewesen. Mad. Dessoir löste ihre
schwierige Aufgabe vorzüglich, auch Fräul. Marx trug
die Gesangstücke recht gut vor, und wir hatten uns daher
wieder eines wahrhaft hohen Kunstgenusses zu erfreuen.
Pas zwanzigste und letzte Abonnement- Concert im
Saale des Gewandhauses fand Donnerstag, den 21. März,
Statt und enthielt: Ouvertüre zur Fingais -Höhle (Die
Hebriden) von Felix Mendelssohn- Bartholdy. — Arie
aus der Sonnambula von Bellini, gesungen von Fräul.
Mars. — Concert für die Violine (Emoll), componirt
und vorgetragen von Herrn Concertmeister F. David. —
Arie aus der Zauberflöte von Moxart, gesungen von
Herrn Ernst Hoch, fürstl. schwarzb. -sondersh. Kammer-
sänger. — „Ob ich dich liebe," Lied von Gumbert, und
die Tarantella von Rossini mit Pianofortebegleitung, ge-
sungen von Fräul. Mars. — Symphonie pastorale (No.
6) von L. v> Beethoven. —
Es hat uns leid gethan, dass Fräul. Marx bei ihrem
diesmaligen Auftreten nicht wenigstens ein bedeutendes
Stück gewählt hatte.; mit einer oft gesungenen, ziemlieh
werthlosen BelänfsAen Arie und ein Paar Liedern sollte
eine Sängerin einem Publicum gegenüber, das ächte Kunst-
leistungen liebt und dankbar zu schätzen weiss, nicht
auftreten , schon ihres eigenen Vortheils wegen , wenn
sie auch andere künstlerische Rücksichten unbeachtet las-
sen wollte. Ueberdies war der Vortrag der Bellinfschen
Arie auch nicht eben sehr geschmackvoll, wenn wir gleich
der grossen Gewandtheit und Sicherheit, womit sie aus-
geführt wurde, volle Anerkennung zollen müssen. Die
Tarantella von Rossini erfordert mehr Grazie und Leich-
tigkeit, als Fräul. Marx dabei zeigen konnte; dennoch
erwarb sie sich damit so grossen Beifall, dass sie sich
bewogen fand, dieselbe zu wiederholen. Am Besten und
wirklich sehr schön sang Fräul. Marx das recht wirk-
same Lied von Gumbert. Wir begegnen diesem Compo-
nisten zum ersten Mal, ond müssen dieses Begegnenein
recht erfreuliches nennen; die Compositum des Liedes
ist voll natürlicher, warmer Empfindung und nicht ohne
Geschmack gemacht. —
Wie gross die Achtung und Theilnahme ist, welche
unser Concertmeister Herr David hier allgemein geniesst,
zeigte der lebhafte Beifall, mit welchem derselbe gleich
bei seinem Auftreten begrüsst wurde. Er spielte sein schö-
nes Emoll -Concert so meisterhaft, dass er vom Beifall
oft unterbrochen wurde. Besonders trefflich war der Vor-
trag des gesangreichen Mittelsatzes, eines Adagio, das
den wirksamsten ViolincompositioneQ, die wir überhaupt
besitzen, an die Seite zu stellen ist. So lange wir einen
solchen Künstler an der Spitze unseres Orchesters wissen,
können wir wegen Fortdauer der Vorzüglichkeit dessel-
ben ziemlich unbesorgt sein. Diese Ueberzeugung scheint
auch unser Publicum zu theilen, und nimmt gern Gele-
genheit, seine Gesinnung öffentlich auszusprechen.
Eine interessante und überraschende Erscheinung
war die Leistung des Herrn Koch, eines noch jungen Te-
noristen mit umfangreicher, schöner, kräftiger Stimme,
und mit einer so guten, soliden Ausbildung, wie heut
zu Tage nicht eben häufig gefunden werden dürfte. Er
sang die Arie aus der Zauberfiöte ,,Dies Bildniss ist be-
zaubernd schön," einfach und natürlich, mit warmer
Empfindung und erwarb sich allgemeinen Beifall. Bei der
grossen Seltenheit schöner und gut gebildeter Tenore
machen wir jede Bühnendireclion auf Herrn Roch auf-
merksam ; er wird für jede eine sehr brauchbare und kann
vielleicht bald eine glänzende. Acquisition sein.
Die Ausführung der Ouvertüre und der Pastoralsym-
phonie war im Ganzen eine sehr gelungene, und beendete
würdig eine Reihe von Kunstgenüssen, für die wir allen
Mitwirkenden dankbar verpflichtet sind. Wir schliessen
diesen Bericht über das letzte Gewandhaus- Concert die-
ses Winters mit dem aufrichtigen Wunsche für das Ge-
deihen des trefflichen Instituts, auf das wir mit Recht
stolz sein können, das nicht nur eine Zierde unserer
Stadt, sondern auch ein wahres Förderungsmittel der
Kunst geworden ist, und das in seiner Dauer, seinen
Leistungen und seiner Wirksamkeit überhaupt kaum ir-
gendwo seines Gleichen haben dürfte. R. f.
Cassel. (Beschluss.j Am 5. gab der Violinvirtuos
Fr. Prume ein massig besuchtes Concert, in welchem er
229
1844. März. No. 13.
230
nur Tonstücke von seiner eigenen Composition vortrug,
und zwar im ersten Theil ein Concerto heroiqae, beste-
hend aas drei Sätzen, im zweiten eine grosse Polonaise
uod das Paslorale: „La Melancolie." Wenn auch keine
der hier angeführten Concertpiecen uns ein höheres mu-
sikalisches Interesse gewährte, so waren doch alle geeig-
net, uns mit den Vorzügen und Eigentümlichkeiten die-
ses Künstlers bekannt zu machen. Dieselben bestehen
nicht so sehr in einer steten Nuancirung der Tongänge
und Modificirung der Töne seines Instrumentes, als viel-
mehr in einer höchst befriedigenden Reinheit, Festigkeit
und Egalität derselben, welche wir namentlich in den
Doppelgriffen , bei dem oft wiederkehrenden und oft an-
haltenden mehrstimmigen Spiele zu bewundern hatten.
Wir unseres Theils mögen übrigens das Geständniss nicht
zurückhalten, dass uns die hier genannten Eigenschaften,
in solcher Vollkommenheil wahrgenommen und so ge-
schickt angewendet, wohl überraschen, aber, sobald der
Reiz, welchen insbesondere die Neuheit des Gebrauchs
auf uns ausübt, entschwunden ist, nicht mehr an den
Künstler zu fesseln vermögen. Nicht immer hat uns die
stereotype Egalität der Töne angesprochen, sondern so-
gar bisweilen beunruhigt, wo sie auf Kosten des wohl-
tuenden allmäligen An- und Abschwellens und der be-
friedigenden Modificirung einzelner Töne und Passagen
sich erhielt. Und so meinen wir, müsste es bei dem auf-
merksamen Verfolgen des übrigens ausgezeichneten Vio-
linspiels des Herrn Prume jedem Kunstfreunde ergangen
sein, der vernommen hat, welcher mannichfacben Schat-
tirung und Abstufung der Ton der Geige in den Händen
anderer ausgezeichneter Virtuosen, und insbesondere,
welcher seltenen Veredelung derselbe in den Händen
unseres allgemein verehrten Spohr fähig ist. Ja, wem
dieser Hocbgenuss vergönnt ward, der wird zu all* den
Pizzicato-, Tremolo-, Arpeggio- u. dergl. Kunststück-
chen, welche für die Kunst selbst keinen Werth haben,
und durch deren Anwendung sich jeder Künstler herab-
setzt, im Augenblick ihres Erscheinens nur lächeln kön-
nen, und bei deren häufiger Wiederkehr sich unwillig
davon abwenden, weil sie ja alsdann aufhören, frappant
zu sein. Einen zu anhaltenden Gebrauch von einigen sol-
cher Manieren, die Prume bei seinen scbätzenswerthen
Leistungen für immer verschmähen sollte, machte er ins-
besondere in seiner Melancolie, in welcher dieselben um
so auffallender hervortraten, weil das musikalische Haupt-
motiv keinen genügenden tonischen Portgang bat und
darum die Composition modulatorisch einförmig erscheint.
Uebrigens halten sich die Leistungen des Herrn Prume
der verdienten beifalligen Anerkennung zu erfreuen und
der Künstler wurde am Schlüsse des Concertes stürmisch
gerufen. Unterstützt wurde der Concertgeber durch Fräul.
Eder, die eine Arie mit Orchesterbegleitung, and Herrn
Slreller, der ein Lied mit Begleitung des Pianoforte und
Violoncello vortrug. Der erste Theil des Concertes wurde
mit der Ouvertüre zu „Euryanthe" von Weber und der
zweite mit der Ouvertüre zu „Fanisca" von Cherubini
eröffnet. Die Ausführung dieser beiden Tonwerke von
Seiten des Orchesters war sehr exaet.
In dem am 24. stattgefundenen dritten Abonnement-
Concerte gelangten folgende Werke zur Production: 1)
Ouvertüre zu Shakespeare** „Sommernachtstraum" von
Mendelssohn- Bar tholdy. 2) Arie aus Bellint s „Nacht-
wandlerin ," gesungen von Fräul. Lieber. 3) Concert
für die Clari nette von Maurer, geblasen von Herrn
Bührmann. 4) Arie aus „Figaro " von Mozart 9 gesun-
gen von Fräul. Lieber. 5) Concert für die Violine von
de Beriet y gespielt von Herrn Hilf. 6) Dritte Sympho-
nie (Eroica) von Beethoven.
Es ist uns höchst erfreulich , die Ausführung der
Ouvertüre von Mendelssohn eine sehr gelungene und die
der Symphonie von Beethoven eine wahrhaft ausgezeich-
nete nennen zu können. Ein so schönes Ensemble, wie
insbesondere bei der Aufführung der drei ersten Sympho-
niesätze , erinnern wir uns nur selten gehört zu haben.
Jeder Mitwirkende schien die Tendenz des Tonheroen
Beethoven nach Kräften zu erfassen bemüht und von Be-
geisterung für den unsterblichen Sympbonieenmeister wahr-
haft durchdrungen zu sein, ohne sich jemals von solch
achtungswerther Begeisterung bei der Darstellung des
einzelnen Stimmpartes so weit führen zu lassen , dass
durch ein zu starkes Hervorheben des Einzelnen das voll-
kommen harmonische, ästhetisch schöne Zusammenwir-
ken gestört worden wäre. Die bei der Aufführung der
beiden genannten Orcbesterwerke betheiligt gewesenen
Capelimitglieder dürfen sich, von Seiten des kunstlieben-
den Publicums, des freundlichsten Andenkens an die bei-
den rühmlichen Leistungen versichert halten. Die Aus-
führung der beiden Gesangstücke von Fräul. Lieber hat
uns dagegen nicht erfreuen können ; selbst das nachsich-
tigste Publicum würde die Leistungen dieser Sängerin als
sehr sehwache bezeichnen müssen. Herr Bührmann liess
uns bei dem Vortrage des Concertstückes für die Clari»
nette gerade nicht die feinste Behandlung seines Instru-
mentes wahrnehmen. Sein Ton hätte bisweilen bei der
nämlichen Kraft weniger hart, seine Uebergänge hät-
ten weniger schroff, seine Schattirungen weniger grell
sein dürfen. Schliesslich gedenken wir noch mit Ver-
gnügen des gelungenen Vortrags des Beriof sehen Con-
certstückes von Herrn Hilf. Sein Spiel zeichnete sich
durch Reinheit, Kraft und Fülle des Tones, wie auch
durch Präcision, angemessene Nuancirung und Lebendig-
keit des Ausdrucks lobenswerth aus. Nur an einzelnen
Stellen erschien uns der Vortrag der französischen Com-
position zu breit, oder vielmehr die gewählte Stricbart
zu auffallend der deutschen Schule entnommen. Der
übrigens sehr schätzenswertben Leistung des Virtuosen
wurde die allgemeinste und lebhafteste Anerkennung zu
Theil. 0. K.
Feuilleton.
Io Manchester besteht eine deutsche Liedertafel, welche vor
drei Jahren gebildet wurde und am 10. Februar ihr Stiftungsfest
auf eine die Säuger wie die Hörer gleich erfreuende Weise durch
eine Art Musikfest feierte.
Clara Schumann hat auch in Riga uod Mitau mehrere Con-
certe mit glänzendem Erfolge gegeben.
Hofoapellmeister Tägliohsbeek hat von dem Fürsten von Ho-
heniollern -Hechingen das Ehrenzeichen dritter Claaae des Hoben-
lolleru'sebeD Hausordens erbalten.
SSI
1844. Man. No. 13.
Ankündigungen.
252
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n. Waldhorn od. Vcelle. Op. 52. £ Thlr.
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Friere. Das Gebet. | Thlr.
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a 4 mains. = Thlr.
IJzwty Bneh der Lieder t eine Summe mit Piano, enthält: Die
Lorelcy» Am Rhein*. Mignon. Konig ron Thulc. Dur du von dem
Himmel bist, ä i Thlr.
Gr. Fantaisie s. Don Juan p. Piano a 4 mains. l£ Thlr.
IiOUt*), Fantaiaie dramatique p. Piano et Violon snr meiodie»
de Schubert. Op. 75. l£ Thlr.
]tf#ndel00eJh«t-Bn>rtBnmMy 9 Allegro p. le Piano seuh, tiat
du V Quatuor p. F. de Tengnagel. { Thlr.
Itloaeheles et Ktnllall, Poetischer Theil der Methode des
Pianofortespiels. 5 Lief. net. ä ± Thlr.
Fersrolenje, Sicillann per Soprano eon Quatuor | Thlr., con
Pianolbrte * Thlr., dito p. Alte £ Tbk.
PtrtpOUrrt p. Piano. No. 58. Auber, C. Brosehi, des Teu-
fels Antheil (Part du diable) p. Chwafal. i Thlr.
Puget, \a. , Album de 12 Romances ponr 1844. — 12 neue
in den Pariser Soireen u. Goneerten beliebte Romanzen f. eine
Singst, m. Piano (franz. u. deutsch. Text) Vole mon coeur. —
Fliege hin, Rere d'uu nage etc. i^~i Thlr.
RelMlsrer, 2" Trio brillant et non diffieüe p. Pjano, Violon
et Vcelle. Op. 178. 2" Thlr.
Mianerchorgesange f. frohe Iiederfifler. Op. 176. Heft 1.
(Nur in Deutschland, Das Heidelberger Faso n. s> w.) Partitur
n. Stimmen. 1 Thlr.
RoseUeil. Nour. Album de L. Puget ^Lieder ohne Worte) p.
Piano, li Thlr
5 Airs de Ballet p. Piano. Op. 17. No. 2. Bacchanale.
No. 5. Pas et Valse de Fanny Eisler. a ^ Tblr.
fitohoVzVer? A., Die Eisenbahn, heiteres Lied f. 4 Männerstim-
men. Op. 8. No. 5. Partitur u. Stimmen, f Thlr.
Stent, Liebst du um Schönheit, f. Tenor mit obligat. Violon-
celle u. Piano. Op. 2t. ± Thlr.
Thmlttertr, Romance sans paroles p. Piano a 4 mains. Op.
56. No. 6. i Tblr.
lieber 9 C. II. V., Ourertures du Freischütz et d*Oberon p
2 Pianos a 8 mains p
zu Oberon in Partitur.
G. M. Schmidt, a l; Thlr. Ouvertüre
%i Thlr
Alle neuen und älteren Opern im vollst. Clavierauszug mit
deutschem und Originaltext, ferner hn 2- u. 4 händigen Glarier-
aoszng halten wir vorrfithig. Ans unserem Ferimj empfehlen wir:
Auber, Stumme t. Portici, nette 4 Thlr. Die Braut 5 Thlr.
Selllnl, Pirat, Unbekannte^ Nachtwandlerin k 2 Thlr.
Soleldleil* Johann r. Paris, Weisse Dame ohne Finale a 2|>
- 5-V Thlr.
C»tel 9 Bajaderen, Fiormionn', Dorfsinjrerin ä 5 Thlr.
Cnrseltnistnn 9 Abdul n. Erinich 8 Thlr.
Itonhsettl, Liebestrank 4 Thlr. Faroritin 7| TMr.
Cllnek, Iphigenia, Armide, Orpheus ä 2 Tblr.
«retrjr, Richard Löwenherz 5^ Thlr. Ocdip T. Saeekitu 8iThlr.
Halevy, Jüdin 8 Thlr. Guitarrero 8J Thlr. Der Blitz 6j- Thlr.
Lndoric Of Thlr. Königin t. Cypern 8i Thlr.
Herold, Marie, Zarapa ohne Finale ä 2* n. 4 j. Thlr.
KAelaen, Die Flucht nach der Schweiz 4} Thlr.
Heyerlteer, Robert der Teufel, dito arr. y. MHabeUi 2 £ Thlr.
Emma ▼. Roxburg 6 Thlr.
Mozart, 7 Opern in Pracht- n. billigen Ausgaben a 18 Sgr.
gpolary Pietro r. Abano, Alehymbt k 6| Thlr.
SponUnl, Veatalin 8j Thlr. Ohjmpia, Nnrmahal 7 Thbr.
Welter, Oberon, Freischite, Syltana 46| Thlr. Preciosa IJTbir.
Ouvertüre n. alle Gesänge ä 8 — 20 Sgr.
Mon. Sammlung ron 42 elastischen geistlichen Arien für die
AUsumme mit Planofortebtgleit toh Ptryolese, Jbmelli, Hase*,
BerHns\ Laif, thuvmte* MarseiU, Bmth s Mandel JXmumanmm. s. w.
Herausgegeben yom Mnsikdircctor Klage. «8 — 10 Sgr.
Droek and Veritg von Breitkopf und Härtet in Leipzig uad unter deren Verantwortlichkeit.
235
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 5 toB April.
M 14.
1844.
Inhalts Retensionen. — Nachrichten: Ans Lemberg. Aus Berlin. Aus Weimar. — Feuilleton, — Ankündigungen.
R £
GENSIONEN.
Trois Quatuors poor 2 Violons, Viola et Violoacelle,
comp, par B. Molique. Oeuv. 18. Stuttgart, Bureau
gäneral de Musique. Preis 1 Tblr. 20 Ggr.
Während in vielen andern Fächern der musikali-
schen Compositum eine wahre Ueberflutung Statt findet
(wir erinnern nur an den fast undurchdringlichen Lieder-
wald und an die „rudis indigestaque moles" der Piano-
fortemuaik), kann man eine der schönsten Gattungen der
Tongebilde, das Quartett für Streichinstrumente, verbält-
nissmässig fast als vernachlässigt bezeichnen, und doch
ist es nicht zu leugnen, dass die Ausbildung des Quar-
tettvortrages gerade in der neuesten Zeit sich eben so
erfreulich in Quantität als Qualität gesteigert hat. Auch
das Interesse der Hörenden scheint keineswegs vermin-
dert, wenn auch der grössere und eigentliche Genuas
wohl immer den Ausführenden zu Theil wird.
Eine neue Erscheinung auf diesem Gebiete muss. also
schon durch sich selbst Interesse erregen, und geht sie
von einem so trefflichen Künstler aus, wie sich Molique
den ächten Kunstfreunden bewährt hat, so wird sich zu
dem Interesse noch ein günstiges Voruriheil gesellen,
das denn auch durch das vorliegende Werk vollkommen
begründet erscheint. — Was die künstlerische Individua-
lität unseres Autors betrifft, so hat in der neuesten Zeit
sein öffentliches Auftreten in Berlin Veranlassung gege-
ben, ihn als einen Repräsentanten der Classicilat, im Ge-
gensatze zur Romantik, zu bezeichnen. Wir wollen es
hier nicht näher untersuchen, inwiefern diese Bezeich-
nung treffend und namentlich auf Molique anwendbar sein
möchte, da sie wohl nur zunächst durch sein Violinspiel
veranlasst wurde, sind aber der Meinung, dass diese Quar-
tetten wirklich sich besonders auszeichnen durch ein ge-
wisses künstlerisches Bewusstsein und jene Klarheit der
Gedanken und Gediegenheit der Form, wodurch sie sich
allerdings mehr dem Classischen, als dem Romantischen
nähern. Auch dürfte der Antheil der schaffenden Phanta-
sie, wie sie die heutige Romantik in Anspruch nimmt,
nicht eben der prävalirende an diesem Werke sein, wäh-
rend der sinnige und formkundige Bildner, von richtigem
und edlem Gefühl durchdrungen, jedem einzelnen Gedan-
ken sein Recht verleibt und Alles in geistigem Zusam-
menhange erscheinen lässt. Das sichtbare Bestreben, kein
46. Jahrgang.
Motiv, sei es auch noch so kurz, unerörtert vorüberge-
hen zu lassen, giebt scheinbar dem Werke, betrachtet
mau es in seinen einzelneu Theilen, etwas Kaltes und
Trockenes; aber die Ungezwungenheit, mit der die Ge-
danken gewendet und von den verschiedenen Stimmen
zur Portführung aufgenommen werden, der harmonische
Fluss, in welchem sich die, wenn auch nicht immer neuen
und frappanten, doch nie unbedeutenden Ideen bewegen,
kurz: der geschickte und gediegene Bau des Ganzen
macht jenen Einwurf verschwinden.
Was diesen Quartetten vorzüglich nachgerühmt wer-
den muss, und doch wohl unbestritten ein Haopterforder-
niss eines wahren Quartetts bleiben wird, ist die fast
unausgesetzt durchgeführte Selbständigkeit der vier Stim-
men, so, dass die Mittelstimmen nur in den unvermeid-
lichen Fällen und im natürlichen Zusammenhange des
Satzes als Füllung erscheinen. Die Oberstimme prädomi-
nirt, wie sich's ziemt, und oft höchst glänzend, aber ohne
im Mindeslen den Character des Gemeinsamen aufzube*
ben. — Da diese drei Quartetten fast mit gleich künst-
lerischem Geiste entworfen und mit rühmlichem Fieisse
und gleicher Sauberkeit ausgearbeitet sind, so wurde es
uns schwer fallen, zu bestimmen, welchem von ihnen
der Preis zu reichen sein möchte. Verschiedene Indivi-
dualitäten werden sich aueh verschiedene Lieblinge wäh-
len; es wird sich dann bei dieser Wahl zeigen, ob die
einzelnen Ausstellungen, die wir nach genauer Prüfung
des Werkes nicht zurückhalten konnten, begründet er-
scheinen. — Gesteben wollen wir im Voraus, dass uns
das zweite Quartett (A moll) vorzüglich angesprochen
hat, und bezeichnen es zuerst in einigen Umrissen. Der
erste Satz ist vortrefflich gedacht und construirt, und
nimmt durch seine wohltbuende, gleichmässig vertheilte
Lebendigkeit das Interesse fortwährend in Anspruch. Un-
gemein schön erfunden, und von wahrer Innigkeit und
Anmuth durchweht ist das sehr ausgeführte, aber keines-
wegs ermüdende Andante. Als eine günstig hervortre-
tende Eigentümlichkeit unseres werf heu Autors erscheint
uns hauptsächlich das meist gelungene Streben, dnreh die
Mannichfaltigkeit seiner Gedankenformen die so leicht ent-
stehende Monolonie zu entfernen, was vorzüglich in dem
auf einerlei Tonstoff angewiesenen Quartettstyle von nicht
geringer Bedeutung ist« Da nun Molique in der Tbat eine
grosse Gewandtheit besitzt, diese verschiedenen Gedan-
kenarmen »it einander zu verbinden und in geistreicher
14
255
1844. April. No. 14.
256
Weise neu zu gestalten, wie es ungemein ansprechend
in diesem Andante geschieht, so wird die geistige Auf-
merksamkeit zugleich gespannt und belohnt. Auch der
Menueltsatz (ein eigentliches Scherzo hat Molique in kei-
nem der drei Quartetten gegeben) ist, bei aller Anspruch-
losigkeit, mit der er auftritt, sehr gut erfunden und run-
det sich wohlgefällig ab; wahrhaft graziös ist das Trio.
Das launige, mit besonderer Leichtigkeit und doch im
besten Zusammenhange geschriebene Finale vollendet den
guten Eindruck des gelungenen Ganzen.
Das erste Quartett ist in Fdur geschrieben und ent-
hält viel Schönes und nicht selten Eigentümliches. Dem
ersten Satze mangelt vielleicht nur ein etwas extensive-
rer Hauptgedanke, um noch befriedigender zu wirken.
Intensivität kann man weder dem Hauptgedanken, noch
dem Mittelsatze, noch selbst den Episoden absprechen, aber
sie sind sämmtlich so kurz geformt, dass trotz ihrer ge-
schickten Verwendung und Umgestaltung das weit aus-
geführte Allegro doch unwillkürlich etwas Musiviscbes
annimmt, wenn man auch gestehen muss, dass dem Com-
ponisten mit seinen kurzen Sätzen eine lange Unterhal-
tung nicht misslungen sei. Das Andante (Bdur, %) ist
ein höchst freundlicher, melodiöser Satz, fliessend und
in schöner Symmetrie gehalten. Mit reichen Figuren aus-
gestattet, erbebt es sich zuweilen zum Schwunghaften,
wobei treffliche harmonische Combinationen hervortreten.
Der Menuettsatz zeigt nichts Eigenthümliches. Wir be-
merkten schon früher, dass der Componist es verschmäht
habe, seinen Quartetten ein eigentliches Scherzo anzu-
reihen, und fugen hinzu, dass wir ein solches Cbaracter-
bild hier förmlich vermissten. Ein frisches und bewegtes
Leben atbmet das letzte Allegro. Eine so heitere und
immer trefflich motivirte Abwechselung bietet fast kein
anderer Satz in sämmtlichen drei Quartetten. Vorzüglich
ist es die Ausarbeitung, ja man darf sagen : die Ausstat-
tung des zweiten Tbeils, durch welche Molique seine
Meisterschaft bewährt. Wie leicht und behaglich schau-
keln sich die anmutbigen Ideen auf den immer wechseln-
den Wellen der Harmonie! Bei sorgsamer Ausführung,
die, ganz ohne eigentliche Schwierigkeit, nur auf genaues
Ensemble und discrete Nüancirung Ansprüche macht, wird
dies lebensvolle Stück eine vortreffliche Wirkung machen.
Das erste Allegro des dritten Quartetts imponirt vor-
züglich durch seine brillante Färbung und durch «inen
glücklichen Schwung der Gedanken. Die Ausarbeitung
des zweiten Tbeils muss als ausgezeichnet gerühmt wer-
den. Die in der ersten Abiheilung ausgesprochenen Ideen
erscheinen hier in so glücklicher und kunstreicher Ver-
bindung, und doch so klar und ohne Zwang hingestellt,
dass man bei der endlichen Entwickelung und bei dem
Wiedereintritt des kräftigen Hauptgedankens eine wahre
Geistesbefriedigung empfindet. Das Thema des Andante
müssen wir jedoch als matt bezeichnen , und wie denn
der Erfolg eines Satzes fast immer auf einem glückli-
chen, bildsamen Hauptgedanken beruht, so wirkt hier der
Mangel eines interessanten, stoffbaltigen Motivs nachthei-
lig und ermattend auf den ganzen Satz ein. Zwar er-
bebt er sich später zu etwas mehr gesteigertem Leben,
und bringt einige schöne harmonische Wendungen, aber
das höhere Interesse vermag er kaum anzuregen. Na-
mentlich entbehrt man jenes eigenthümliche und behag-
liche Gefühl, das man sonst wohl bei der unerwarteten
Wiederkehr des glücklichen Hauptgedankens empfindet :
hier z. B. , nach dem kurzen Orgelpuncte am Schlüsse
des Andante lässt uns das Thema völlig' kalt. Aach das
Menuetto erbebt sich keineswegs über das Gewöhnliche
und wird sehr kurz abgefertigt. Das Finale ist wieder
mit Sicherheit entworfen , und mit grosser Routine aus-
?efuhrt', und namentlich bewährt sich dies im zweiten
'heile, der durch glückliche und geistreiche Verbindung
der früher angeregten Ideen sich vorteilhaft auszeichnet.
Die Ausführung sämmtlicher drei Quartette ist, nach
dem jetzigen Standpuncte, wirklich leicht zu nennen, und
selbst die erste Stimme wird einen nicht ungeübten Dilet-
tanten kaum in Verlegenheit setzen ; von einem wahren
Künstlerqoartett vorgetragen, werden sie, obgleich von
allem Modeflimmer frei, gewiss den schönsten Eindruck
machen, und sind ohne Zweifel als eine wahre Bereiche-
rung der Quartettmusik zu betrachten.
I Sechs vierstimmige Lieder für Sopran, Alt, Tenor und
Bass, compomrt von Aii Reichet. Op. 10. No. 2.
Leipzig, bei Ernst Götz. Preis 1 Tblr.
Die drei ersten Gesänge sind bei Weitem die schwäch-
sten dieser Sammlung, namentlich ist das vielfältig com-
ponirte und abgesungene Lied, nach dem Italienischen,
von Goethe: „0 gieb vom weichem Pfühle" u. s. w.
mit seinem schläfrigen Refrain: „Schlafe, was willst Du
mehr?" in dieser neuen musikalischen Illustration durch-
aus nicht geeignet, ein neues Interesse anzuregen. Einige
Harmonieenfolgen sind in der That von einer Wirkung,
dass sie eher die Schlummernde zu erwecken, als sanft
einzulullen im Stande wären; z. B. :
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Im zweiten Liede, das einige gelungene Momente
hat, wäre besonders dem Anfange der Apostrophe : „Jüng-
ling, auf!" eine bedeutsamere Stellung zu wünschen ge-
wesen. — Das dritte Lied ist nach seinem Grundgedan-
ken und in seiner ganzen Auffassung nicht ohne Reiz.
Die anspruchlose Treuherzigkeit ist hier ganz an ihrem
Orte; nur unterbricht, leider! die forcirte und gekün-
stelte Harmonie im neunten und zehnten Tacte sehr stö-
rend die ruhig* einfache Haltung des Ganzen. Am Schlüsse
erscheint sie noch gesteigert durch den gewaltsamen An-
lauf, den die Melodie nimmt. Diese Art, harmonisch zu
begleiten, gehört freilich ursprünglich und ganz eigen-
tümlich einem sehr verehrten Meister; dieser bietet aber
doch in der That viel Schöneres zur Nachahmung, und dann
kommt wohl auch sehr viel auf Ort und Zusammenhang an.
Das vierte Lied, Ballade überschrieben (das treffliebe
Gedicht ist von Arndt), müssen wir nach Form und Hal-
tung als das gelungenste der ganzen Sammlung bezeich-
nen. Mit Oebereinstimmung , deutlich articulirt und in
257
1844. April. No. 14.
238
massigem Tempo vorgetragen, wird es seine Wirkung
nicht verfehlen«
Auch das fünfte Lied : „Feldeinwärts flog ein Vöge-
iein" hat etwas recht Gemüthliches , und wird überall
gern gesungen werden. Für Mannichfall igkeit in der Form,
wie für die Declamation wäre es vielleicht vorteilhaft
gewesen, wenn der Componist bei dem ersten Eintritt
der Worte: ,,Weit, weit flieg' ich noch heut'!" die
Singstimmen nicht zugleich, sondern imitirend eingeführt
hätte. Doch auch so, wie es nun eben ist, macht das
Lied einen höchst gefälligen Eindruck und spricht für die
Befähigung des Componisten.
No. 6. Tischlied, — Fischlied, gedichtet von A. See-
beck. Der Componist hat diesen scherzhaften Stoff ziem-
lich glücklich ausgebeutet. Das Bestreben, das Ganze mög-
liebst lebendig zu gestalten , und namentlich den vier
Stimmen eine gewisse, handelnde Selbständigkeit zu ver-
leihen, ist lobend anzuerkennen, wenn auch an einigen
Stellen die Ausführung mit dem Streben nicht gleichen
Schritt hält. Ob der Eintritt des Unisono in Gdur nicht
als Reminiscenz angesprochen werden dürfte, lassen wir
unentschieden. Der Gedanke wirkt übrigens hier an Ort
und Stelle und zumal in seinem didaeüschen Ernste recht
gut. Wir empfehlen dem Componisten eine strengere Sich-
tung dessen, was er der Öffentlichkeit übergeben will,
und erwarten von seiner Unbefangenheit, dass er uns
diese Erinnerung einst danken wird.
Wanderang durch den thüringer Wald ; sechs Lieder von
L. B*clistein % für vier Männerstimmen componirt von
H. W. Stolze in Gelle. Op. 47. No. 27 der Gesang-
slück«, No. 11 der Männergesänge. Partitur und Sum-
men. Leipzig, bei C. A. Klemm. Preis 25 Ngr.
Wir kennen von dem Autor des vorliegenden Wer-
kes fast ausschliesslich nur geistliche Gompositionen, un-
ter welchen mehrere die beste Anerkennung gefunden
haben und sie auch verdienen. Diese profanen Lieder
sprechen ebenfalls das Gemüth freundlich an, und zeich*
neu sich im Ganzen durch sinnige Auffassung und vor-
züglich durch eine vollkommene Correctheit aus. Auch die
Dichtungen haben, obgleich nicht alle von gleichem In-
teresse sind, poetischen Werth. Die beiden letzten Zei-
len des ersten Liedes, Dolmar überschrieben, hätte der
sonst so correcte Dichter wohl leicht ansprechender ge-
stalten können; sie heissen: „Wanderlust freit (befreit)
ans Stubenqualm und Dust (sie!), schwellt die Mannes-
brast! *• Die Composition ist zwar nicht eben ausgezeich-
net, doch regt sie an, und wird bei dem Beginn einer
Singerfahrt von Wirkung sein.
No. % Im Walde; ein sehr ansprechendes Lied. Das
Ganze athmet wirklich ein Gefühl jener behaglichen Wald-
einsamkeit, wie sie uns Tieck so werth gemacht hat. Me-
lodie und Harmonie bewegen sich in angemessener, ruhig
wohltbuender Weise. Nur in der letzten Zeile hat die
Führung des Basses etwas Ungefügiges und Steifes, was
denn auch den Schluss weniger befriedigend erscheinen
lässt.
No. 3. Die drei Steine (nämlich : Friedenstein, Lie-
benstein und Altenstein in Thüringen). — Localschilde-
zungen, Namenanführungen u. dergl. haben immer etwas
der Composition Widerstrebendes; so auch hier. Das Lied
hat, trotz seiner ziemlich mannicbfaltigen Modulation,
doch etwas Indifferentes. Die veränderte Harmonie bei
der Wiederkehr des ersten Motivs, das wir ohnedies nicht
eben loben können, ist keineswegs eine glückliebe zu
nennen ; namentlich fehlt dem Basse die natürliche, freie
Bewegung.
No. 4 ist ein fröhliches Trinklied, leicht fasslich und
bequem auszuführen, jedoch ohne geistigen Nerv und be-
zeichnenden Character.
Das Ständchen No. 5 tritt, wenn auch nicht ohne
Aninuth, doch wohl ein wenig zu einfach undahspruch-
los auf: der Bass hat wirklich etwas Phlegmatisches;
einige harmonische Würze wäre dem Ganzen gewiss
recht vorteilhaft gewesen, das übrigens recht fliessend
geschrieben ist. Je nun ! eine milde Sommernacht, etwas
Mondschein und eine recht sorgsame Ausführung werden
wohl das Fehlende ersetzen.
Die Heimkehr, No. 6, scbliesst den kleinen Lieder-
kranz. Der Componist lässt hier, recht gut motivirt, in
Form und Gedanken das erste Lied wieder anklingen.
Der sehr ernste Schluss erscheint fast unerwartet. —
Ein kurzer, ermuthigender Zusatz des Dichters wäre dem
Componisten gewiss willkommen, wie der Wirkung ohne
Zweifel sehr vorteilhaft gewesen. AI.
Nachrichten.
Auch ein Dilettant.
Welche schöne Talente der heutige Dilettantismus in
der Musik aufzuweisen hat, ist so bekannt und schon so
vielfach bemerkt worden, dass man darüber nichts wei-
ter zu sagen hat, als: wir wissen es schon. Um so er-
freulicher ist es, wenn wieder ein im Verborgenen auf*
gegangenes Genie der Musikwelt übergeben wird , noch
mehr, wenn das erste Auftauchen desselben anerkannt
und wohl gar gefeiert wird. — So las ich kürzlich beim
Nachsuchen eines Artikels in einem der früheren Jahr-
gänge von Schilling'* Jahrbüchern (1840, No. 3) eine
ganz kurze Miscelle, Dilettantismus betreffend, wo es un-
ter Anderm heisst:
„In Padua lebt jetzt ein Doctor der Rechte Namens
Moritz Mahl, welcher eine Kunstfertigkeit auf der Vio-
line besitzen soll, die selbst mit der eines Paganini
in Vergleich gestellt werden darf. So berichten wenig*
• stens öffentliche Blätter, und wir glauben es um so
lieber, als Herr Mahl nur Dilettant ist und bleiben will."
Der Name Mahl, Dr. jur. , fiel mir auf; ich war
lange schon mit einem hiesigen Dr. jur. gleichen Namens,
Mitglied des galiziseben Musikvereins, bekannt, von dem
ich ebenfalls wusste, er sei ein tüchtiger Geiger, den ich
jedoch noch niemals Solo gehört halte. Es muss ein gu-
tes Zeichen sein, dachte ich, wenn man sich über das
Spiel eines Musiken heut' zu Tage, wo man so viele
Virtuosen hört, so ausspricht, wie in jenem Blatte ge-
schieht, und ich versäumte nicht, meinen Freund Mahl
bei nächster Gelegenheit auf jene Stelle aufmerksam zu
1844. April. No. 14.
240
Machen, wo ich denn erfahr, dass er derselbe sei, wel-
cher in Padaa gespielt habe and von dem die Rede sei.
Später überzeugte ich mich hiervon auch aas andern Blät-
tern, die er gesammelt hatte, mnsste auch aas den ver-
schiedenen Gedichten, womit man ihn in Padaa gefeiert,
and aas andern Zeichen der Anerkennung scbliessen, dass
dieselbe ungewöhnlich gewesen sein müsse. Uro so mehr
freute ich mich auf Gelegenheit, ibn allein spielen zu
hören, die sich mir nunmehr in seiner Behausung oft ge-
boten hat, oft genug, um ein Urtheil über ihn abgeben
zu können. Mahl ist unbestrittener Virtuos nnd Künst-
ler ; Virtuos, — denn er spielt sein Instrument mit un-
glaublicher Leichtigkeit und überwindet die grössten
Schwierigkeiten so fertig und correct, dass man bewun-
dern muss, wie ein Mensch, der Musik doch nur aus
Liebhaberei neben seinem Hauptgeschäft betreibt, es da-
bin hat bringen können $ Künstler, — weil er den Cba-
racter seines Instruments durchaus erkannt hat und da-
durch alle Leidenschaften in der Seele des Hörers zu
wecken versteht. So im weichen, schmelzenden Adagio,
wenn sich der Sturm de8 Gemüths gelegt hat und die
Seele in sanften, getragenen Tönen sich erholt oder im
Gebet sich erbebt; so im rastlosen Allegro, im hüpfen-
den Pizzicato, wenn der Bogen in eilenden Sprüngen
über die Saiten fliegt. Im Flageolet und in chromatischen
Läufen hat Mahl eine Fertigkeit und Sicherheit, die ihres
Gleichen sucht; auch die Kunststücke, die man bei welt-
berühmten Virtuosen angestaunt, sind ihm bekannt und
geläufig, und er lässt dieselben vor Freunden zu seinem
und der Zuhörer Amüsement gerne hören, wenn gerade
der Wunsch sich äussert. — Was aber noch mehr sa-
gen will , Mahl ist auch ein tüchtiger Theoretiker und
glücklicher Componist. Seine Compositionen, die neu und
originell sind und von denen eine wohl nooh bis Ostern
erscheinen wird („Fantaisie et Variations sur des th&mes
de TOplra : Les Huguenots"), müssen, ich zweifle nicht,
grosses Furore machen (sind sogar schon im Mannscript
von manchem guten Freund benutzt worden) und werden
gewiss jedem Violinspieler willkommen sein. Sie werden
zur Characterislik seines Spiels vor den Augen Derer,
die ihn nicht hören können, Einiges beitragen und über-
haupt eine Einsicht in die Talente dieses Mannes gestat-
ten. Vorläufig sei Dies über ihn genug; seine Werke
werden weiter sprechen. —
Bei dieser Gelegenheit sei auch eine kleine Skizze
überhaupt über das hiesige Musikleben im letzten Jahre
eingeschaltet. Wir können diesmal nicht klagen. Fremde
und einbeimische Virtuosen haben uns reichlich bedacht,
an Concerten, besonders im Anfange des vorigen Jahres
und in der neuesten Zeit, war kein Mangel, und dazwi-
schen «teilte der galizische Musikverein durch seine öf-
fentlichen Uebungen eine regelmässige Verbindung her.
Zuerst waren es die Herren Hemmers und Gast, Schu-
mann, welche, von Kieff kommend, — Ersterer auf der
Violine, Letzterer auf dem Piano , — mehrere Concerte
gaben und vielen Beifall fanden. Doch wurde ihnen, durch
das Dazwischenkommen Leop. t>. Meyer* s y welcher eben-
falls — und mehrere Male sogar zur selben Stunde —
auftrat, ein Tbeil des PuMicums entzogen. Die Enteren
stehen hier noch in gutem Andenken, und man hofft, dass
sie bald wieder einmal zu uns kommen. Meyer war auf
seiner Reise nach Wien und Gonstantinopel und hat sich
kürzlich auf seiner Rückreise persönlich wieder in Erin-
nerung gebracht. Doch schien die Sympathie für ihn et-
was nachgelassen zu haben, denn die zwei Concerte,
welche er gab, die freilich wieder unglücklicherweise mit
mehreren anderen zusammenfielen, waren weniger ge-
füllt und er ging diesmal fast spurlos vorüber. — Im
Sommer besuchte uns auf einem Abstecher Vieuxtemvs^
welcher hier ebenfalls den grossen Beifall fand, der ihm
überall gezollt wird. Doch wird hier zu Lande der Lands-
mann C. Lipinski, welcher uns eben verlassen bat, im-
mer Numero Eins bleiben. War das nicht eine Freude
und ein Drängen um den gefeierten Mann ! — Kaum aus
dem Wagen gestiegen, brachten ihm die Sänger des Mu-
sikvereins bei Fackelscbein ihr Willkommen. Seine Con-
certe waren bei verdoppelten Preisen gedrängt voll und
| jede Nummer mit stürmischen Beifall gekrönt. Beim Ab-
schiedsconeert, welches er zum Besten der hiesigen Ar-
menhäuser gab, warf man ihm Bouquets und einen Lor-
beerkranz zu. — Unser wackerer J. C. Kessler wirkte
sowohl in denen LipinskCs, als auch in andern Concer-
ten öfters mit und fand, wie immer, die grösste Aner-
kennung. Namentlich macht dessen neuestes Opus: ,, Ständ-
chen, Op. 41, Lied mit Pianoforte. 4i welches kürzlich
bei J. Millikowski hier im Druck erschienen ist, und wel-
ches von ihm selbst und Herrn Heinr. Rtffl herrlich vor-
getragen wird, ungewöhnliches Aufsehen und verdient
wirklieb alles Lob. Ohne Zweifel ist es unter den beu-
tigen Liedern eines der besten und der Anerkennung
wertb, die ihm überall werden muss. — In der letzten
Zeit traten auch die hiesigen Herren Jackowski (Flöte)
und Serwaczynski (Violine) öffentlich auf und fanden Bei-
fall. — Der galizische Musikverein unter der Directum
des Dr. jur. Piqtkowski (ebenfalls Dilettant) brachte in
diesem Jahre auch wieder manches Tüchtige, worunter
besonders hervorzuheben sind : Hiller' s „Zerstörung von
Jerusalem," — der erste Tbeil des „Paulus," un&Haydn's
„Schöpfung." — Der Aufführung der letzteren war Ein-
sender beizuwohnen verhindert, doch soll, nach Dem,
| was man darüber gebort, die Ausführung durchaus ge-
| langen zu nennen sein, was man auch von der der an-
: dern Werke sagen kann. — Es ist erfreulich, dass die-
ses Institut nur Gediegenes begünstigt und auf diese Weise
| dem hiesigen, im Allgemeinen etwas verflachten Musik-
| sinn zu Hilfe zu kommen sucht. — Die Oper, in deren
! Personal im vergangenen Jahre vielerlei Veränderungen
vorgingen, war duroh die Gäsle Mad. Pirscher und Mad.
Stockt- Heinefetter eine Zeitlang im Schwung erbalten.
Ausserdem wurde in diesem Fache nur Mittelmässiges ge-
leistet. Doch ist dieses nur Fehler der Direction, welche
nicht im Stande ist, wackere Individuen längere Zeit zu
bebalten, weshalb denn die Hauptrollen stets mit Anfän-
gern und die Nebenrollen schlecht besetzt sind, — des
dünnen Cfaor's nicht zu gedenken. Daher kommt es denn
auch, dass selbst gastirende Künstler gar vereinzelt da-
stehen, und ihre Kraft und ihre Gaben, in Ermangelung
des Ensemble, nicht so entwickeln können, als sie dessen
fähig sind. Dieser Zustand ist um so mehr zu bedauern,
241
1844. April. No. 14.
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als die Oper eine brave Gapelle besitzt. Möchte doch die
Direction den Zweck einer hiesigen tüchtigen Oper nicht
verkennen, nnd Sorge tragen, dass sie nicht mit fremdem
Schimmer die eigenen Schwächen zu bedecken brauche. —
Lemberg, im Januar 1844. Johannes.
Bertin, den 3. März 1844. Nicht minder musikreich,
als der Januar, war auch der Februar d. J. Durch wah-
ren Kunstwerth ausgezeichnet waren die Goncerte der
Herren Mortier de Fontaine, Servais und Nekrtich, wie
die Aufführung des Händetschea Oratoriums: „Judas
Maccahäus" von der Singacademie. Der erstgenannte Pia*
nist trug das Mendelssohn seht Gmoll- Concert für Pia-
noforte und reiche Orchesterbegleitung, wenn auch nicht
so geistig durchdrungen, als der Componist selbst, doch
mit vielem Feuer, und besonders das schöne Adagio recht
ausdrucksvoll vor. Vielleicht bebinderte das schwer zu
behandelnde Instrument den kunstgebildeten Pianisten, noch
mehr Kraftaufwand im Anschlage geltend zumachen. Für
die linke Hand allein trug derselbe die „Se>6uade d'un
Troubadour" von Wilbners mit grosser Fertigkeit und
Sicherheit vor. Eben so aneb die Amoll -Etüde von Thal-
berg* Interessant war es, ein Cembalo- Concert (in Fdur)
von Händel kennen zu lernen, dessen Instrumentalcom-
positionen wenig bekannt und dem Geschmacke der da-
maligen Zeit angemessen sind, wenn sie auch nicht die
Tiefe von Joh. Seb. Bach's harmonischen Combinationen
erreichen. Zum Schluss trug Herr Mortier de Fontaine
auch noch eiue moderne Fantasie von Frans Lis*t auf
ein Thema aus der Oper Niobe mit Rapidität, Energie
und Geschmack vor, und bewies sonach gleiche Kunst-
bildung in der classisch älteren, wie in der neuern In-
strumentalmusik. Eben so vielseitig zeigte sich Madame
MorÜer de Fontaine als Sängerin. Mit einer nicht star-
ken, jedoch wohlklingenden Mezzosopranstimme begabt,
trug die benannte Künstlerin zuerst eine historisch inter-
essante Arie aus der Oper Mttrane, im Jahre 1686 von
Francesco Rossi componirt (für jene Zeit glänzend ge-
nug, und im Andante recht melodisch), später die grosse
Scene des Orfeo im zweiten Act der Gleichsehen Oper,
und ein Duett aus Rossinfs Semiramide, rein, mit Ge-
schmack uud schönem Portament vor. Dem. Tucxeck
sang, ausser in gedachtem Duett, auch das reizende Ave
Maria von Fr. Schubert sehr gefühlvoll. Da nun auch
zwei Ouvertüren, von Gluck (zu Iphigenia in Aulis) und
C. M. v. Weber (zum Beherrscher der Geister), die
beiden Abtbeilungen des Concerts eröffneten, so war sol-
ches zu den gehaltvollsten dieser Saison zu zählen. Gleich-
wohl war es nicht so zahlreich besucht, als das dritte
und letzte Concert des Violoncellvirtuosen Frangois Ser-
vais am 4. v. M. im Saale der Singacademie, welcher
für den Klane viel gunstiger als der Theater- Concerl-
saal im königl. Schauspielhause isf* Der in Ton, Leich-
tigkeit der Bogenführung, Geschmack und Fertigkeit ex-
cellireode Violoncellist wiederholte auf Begebren den Vor-
trag seines dritten Concerts, welches auch hinsichtlich
der Compositum , durch Eigentümlichkeit der Erfindung
und wirksame Instrumentation, ausgezeichnet ist. Dem*
nächst trug Herr Servais eine Fantasie für das Violoncell
von eigener Compositum: „Souvenir de Spa" hezemh^
net, und eine Caprice auf Motive aus dem „Barbier von
Sevilla,'* besonders letztere mit höchster Vollendung und
enthusiastischem Beifall, vor. Eine junge Sängerin, Dem.
Krahmer, welche zwei Arien von Rossini mit Geläufig»
keit und guter Sopraqstimme vortrug, erhielt ebenfalls
ermunternden Beifall. — Der königl. Kammermusiker
W. Nehrlick, als vorzüglicher Clarinettist längst aner-
kannt, hatte eine recht unterhaltende musikalische Soiree
veranstaltet, welche mit einer wirksamen Ouvertüre zu
einer komischen Oper des Grafen von Westmoreland(Loti
Burgersh) eröffnet wurde. Der Concertgeber trug ein
werthvolles Concertino für die Clarinette, und mit dem
Pianisten Löschkorn Adagio und Rondo einer Sonate führ
Pianoforte und Clarinette von C. M . v. Weber (fu> den
Componisten und seinen Freund Bärmann den Vater ge-
schrieben), endlich auch ein Divertissement für die Cla-
rinette, mit vorzüglich vollem Ton, rein, sicher, geschmack-
voll und fertig, mit vielem Beifall vor. Der Violoncellist
Julius Griebel führte mit Herrn Löschkorn ein Duo für
Violoncell und Piano sehr ansprechend aus. Auch ver-
schönten die Damen Schröder -Devrient, Tucxeck und
Neumann, wie die Herren Bötticher und Gern, die Un-
terhaltung durch Gesang und Deolamation.
Das Händefsehe Oratorium „Judas Maccabäus"
wurde sowohl von Seiten der Chöre, als der Solostim-
men vorzüglich gut ausgeführt. Letztere waren an meh-
rere Sänger und Sängerinnen vertheilt, unter denen sich
die Damen Kr ahmer, v. Borke, Burchardt, Caspari
und Jug. Löwe, wie die Herren Mantius ( Judas), Zsohia*
sehe u. A. m. vorteilhaft bemerkbar machten. Das herr-
liche Meisterwerk bewirkte auch diesmal den erhebend-
sten Eindruck.
Für die Abonnenten der „Neuen Berliner Musikali-
schen Zeitung, " welche hier unter Redaction des Herrn
C. Gaülard bei Cballier und Comp, seit Kurzem er-
scheint und mehr auf Unterhaltung und Mannicbfaltigkeit
berechnet, als wissenschaftliche Itunsttendenz zu haben
scheint (insofern sich aus den bisher erschienenen fünf
Nummern darüber urlheilen lässt), war am 19. v. M. im
Jagor 9 sehen Saale ein Graüsconcert veranstaltet, in wel-
chem besonders jüngere Talente sich producirten, wie
der Pianist Emil Pfaffe und der Violinist Wurst (Schi-
ler des Herrn CM. Kies); Frau Vincent- Ost und Dem.
I Schulz, wie auch Herr Fischer trugen einige Gesänge
! vor, so dass die Unterhaltung viel Abwechselung ge-
I währte und die Uneigennützigkeit der Veranstalter all-
I gemein anerkannt wurde.
In der sechsten Sinfonie- Soirtie der königl. Canelie,
zum Besten ihres Wittwen- und Waisen -Pensionsfonds,
wurde die sogenannte Sinfonie militaire von Haydn in
Gdur, mit dem Andante in C mit türkischer Musik, die
Ouvertüre zum „Wasserträger" von Cherubini und Beet-
hoven*s Pastoralsymphnnie vortrefflich ausgeführt. Ausser-
dem trug der Herr MD. Taubert sein erstes Pianoforte-
concert, eine recht interessante Composition, mit der So-
lidität, Eleganz und Fertigkeit vor, welche an diesem
Künstler längst geschätzt wird. Sehr wesentlich wirkte
hierbei auch die Orebesterbeglehung mit, welche unter
Leitung des Herrn GMD. Mendelssohn -Bartkoldy sehr
243
1844. April. No. 14.
244
ezael ausgeführt wurde. Der zweite Cyclus dieser Soi-
reen wurde, bei sehr vermehrter Theilnahme, am 28.
v. M. mit der Veränderung begonnen , dass ansser der
Haydn'schen Gdur- Symphonie (mit dem Pankenscblage
im Andante), der Cdur- Ouvertüre zu Beethovens Leo*
nore (Fidelio) und der kleiueren Mozarftchen Sympho-
nie in Ddur, auch zwei Arien, nämlich die Scene : ,,Ah,
Cerfido!" von Beethoven und Händets Arie: ,;Holy,
oly ! " von der hier anwesenden Miss Birch rein , an-
genehm und mit schönem Vortrage gesungen wurden.
Da nun auch Herr CM. Moritz Ganz sein fünftes Con-
cert in drei Sätzen auf dem Violoncell mit gewohnter
Virtuosität vollständig vortrug, so erhielt diese Soiree
ganz den Gharacter eines so vorzüglich besetzten Con-
certes, wie es Ihre berühmten Gewandhaus- Concerte sind.
Die Zuhörer konnten dabei nur gewinnen, da ihnen das
Wesentliche, die Sympbonieen der classischen Meister,
nicht entzogen wurden.
(Bescblass folgt.)
Weimar. Das am 7. Januar im hiesigen grossherzogl.
Theater gegebene Hof - Capell- Goncert (zum Besten des
Wittwenfonds) war vorzüglich insofern ein sehr interes-
santes zu nennen, als es Gelegenheit bot, Herrn Capell-
meister Fr. Lüzt nicht nur mehrfach zu hören, son-
dern ihn auch als Dirigenten zu beobachten. In letzter
Hinsicht erwarb er sich, bei Aufführung der Beethoven'-
sehen Cmoll- Symphonie, nicht nur den lebhaftesten Ap-
plaus von Seiten des Pubiicums, sondern auch den fast
unbedingten Beifall der Kenner. Unsere Hofcapelle wirkte
unter seiner durchaus klaren, umsichtigen und geistvol-
len Leitung mit unverkennbarer Lust und Liebe und mit
einem Erfolge, der ihren altbewährten Ruhm aufs Neue
sicher stellte. Sie zeigte bei dieser Gelegenheit, wie
wahrhaft Tüchtiges und Ausgezeichnetes sie zu leisten
vermag, wenn sie sich aus einer gewissen, in der letz-
ten Zeit nicht unbemerkt gebliebenen Lethargie auf-
rafft , und wie tief ihr die Werke eines Beethoven in
Fleisch und Blut und fast in alle ihre Glieder verwach-
sen sind.
Wir hatten früher öfter gehört und gelesen, dass
unser als Glaviervirtuos so hoch gefeierter Lüzt beim
Dirigiren ein gar hitziger Herr, und, in eiuem gewissen
Sinne, ein recht schlimmer Marschall Vorwärts sei; al-
lein bei Aufführung der Cmoll -Symphonie bemerkten wir
davon, abgesehen vom zweiten Satze derselben, welcher
nach unserer Ueberzeugung etwas zu rasch genommen
und dadurch aus seinen poetischen Schwerpuncten her«
ausgehoben wurde, nicht die geringste Spur. Sein Feuer-
Seist dampfte sich vielmehr dabei zu acht künstlerischer
übe und Besonnenheit, ohne an Kraft und Lebendigkeit
zu vertieren. Wenn Herr Fr. Lüzt diese Ruhe und Si-
cherheit auch in der Oper bewährt und sie mit jener Ge-
duld und Ausdauer verbindet, welche zum Einstudiren
neuer Werke erforderlich ist (wir möchten wohl einmal
die neunte in Weimar noch nie gegebene Symphonie
Beethoven'* unter seiner Directum hören !) , so können
wir uns nur darauf freuen, ihn öfter an der Spitze einer
Capelle zu sehen, welche freilich Meister in sich begreift,
die auch gar tüchtig den Commandostab zu führen ver-
stehen.
Liszts Feldherrntugenden haben uns, wir gestehen
es, aufs Freudigste überrascht! Allein er bereitete uns
auch noch eine zweite angenehme Ueberrascbung, näm-
lich Hummers gediegen - prachtvolles Hmoll-Concert —
das einst vom Verfasser selbst immer nur im Scbweisse
seines Angesichts vorgetragene, allein von unserm Hexen-
meister just wie ein leichtes Spielwerk hingeworfene. —
In der Tbat: diese Virtuosität grenzt schier an das Un-
glaubliche ! Wer hätte es vor zwanzig und einigen Jah-
ren, als dieses Concert entstanden war, für möglich ge-
halten, dass der letzte Satz desselben jemals in einem
solchen Tempo gespielt werden könne ! Hummel selbst
vermochte, bei seinem Embonpoint, seinen Intentionen
darin nicht vollständig practisch zu genügen. Der gren-
zenlosen Gewandtbeil eines Listt blieb es vorbehalten,
jenen Satz iu seine vollen Rechte einzusetzen. Damit
wollen wir indess nicht gesagt haben, dass er jenes Con-
cert durchaus im Sinne und Geiste des Schöpfers gege-
ben habe. Hummel selbst brauchte beim Vortrage des-
selben das Pedal wenig oder gar nicht; Herr Fr. Lüzt
brauchte es ziemlich oft, ja für jene krystallhelle Klar-
heit und Durchsichtigkeit im Vortrage, welche Hummets
Hauptvorzug war, zu oft. Hummets Spiel hatte stets
etwas Kerngesundes, geschmackvoll Bemessenes, während
wir die Liszfsche Vortragsweise jenes Concertes von
einem gewissen fremdartig outrirten Wesen nicht ganz •
freisprechen ' können , wobei wir aber zugleich gestehen
müssen, dass Herr Fr. Lüzt überall, wo er den ächten
Künstler nicht dem nach Kualleffecten haschenden Vir-
tuosen hintenansetzte, unübertrefflich schön und mit hö-
herer, glühenderer Wärme der Empfindung und des Aus-
drucks spielte; als es in der Regel bei dem ruhigen Hum-
mel der Fall zu sein pflegte. — Dagegen kamen uns die
Hände unseres in manchen Stücken ganz unvergleichli-
chen Meisters zuweilen vor, wie ein Paar noch nicht !
völlig gebändigte Zauberrosse , welche , das Gebiss zwi- \
sehen die Zähne nehmend, plötzlich allerlei tolle Seiten- >
Sprünge machten — ein Streich, der unserem Meister
auch beim Accompagoement des achtbaren Tenoristen
Herrn Pantaleoni begegnete , der einige unbedeutende
italienische Sächlein ganz. brav und mit besonderer Ge-
wandtheit in Benutzung der Falsettstimme vortrug. Das
Accompagnement machte sich dabei , auf Unkosten des
Sängers, zu glänzend, zu keck, zu vorlaut. —
Doch wir sind mit unserem Schelten noch nicht fer-
tig. Mit einer sogenannten Fantasie über La ci darem la
mano aus Don Juan bat uns Herr Uszt so fürchterlich
gepeinigt, dass wir sicherlich Reissaus gemacht hätten,
wenn's ohne Eclat möglieb gewesen wäre. Es ist wahr,
unser Hexenmeister entwickelte dabei eine ganz borrible
Fertigkeil — aber bewahre uns forthin der Himmel vor
solcher Musik, mit welcher man allenfalls den Teufel i
aus der Hölle herausjagen könnte! — Herr Lüzt ist
wie ein feuerspeiender Aetna, der alle die herrlichen
Haine und Tbäler und goldenen Auen, welche sein him-
melanstrebender Gipfel beherrscht, zuweilen mit wilden,
wüsten, Alles verheerenden Lavaströmen überschüttet. —
Da hat alle ächte Kunst, aller gesunde Geschmack bei ihm
245
1844. April. No. 14.
246
ein Ende. Er «reift dann nur nach verzerrten Fratzen
und Larven und spielt, von Musen und Grazien ver-
lassen, mit scheusslichen üngetbümen.
Einem Manne, der eine Beethoven'Bcbt Symphonie
so tief und tüchtig zu fassen vermag, können solche Ver-
irrungen nicht aus den Tiefen der Seele herauswachsen;
allein bei seiner grossen Berühmtheit, bei so grossen, ja
eminenten Taleoten hat er doch, wahrlich nicht mehr
nöthig, dem Publicum, zumal einem hochgebildeten, sol-
che musikalische Teufeleien und Taschenspielerstücke an
den Kopf zu werfen ! — Aber wir hoffen : seine bessere
Natur wird nun bald, ausreifend, in einem tüchtigen Häu-
tungsprocess diese Larven von sich stossen und als ein
herrlicher Falter frei und kühn, gross und schön seine
Schwingen entfalten! Wo nicht: so werden gar bald
dem Publicum über das Falsche und Verwerfliche in sei-
ner Richtung die Augen aufgehen und man wird dann
leicht auch gegen das wirklich Grosse und Eminente un-
gerecht werden, welches ihm in technischer Hinsicht die
strengste Kritik nicht absprechen kann.
Den übrigen Theil unseres Berichts können wir kurz
abthon. Fräul. i\ Ottcnburg, neuerdings für unsere Oper
gewonnen, trug die grosse Arie der Donna Anna aus
Don Juan zwar mit metallreicher, aber noch nicht völlig
durchgebildeter Stimme vor.
Eine sogenannte „Fantasie" für Orchester vom Ca-
pellmeister Herrn Chelard nahm sich nach Beethoven
und Hummel nicht sonderlich zu ihrem Vortbeil aus.
Ueberhaupt scheint uns der Verfasser al6 Componist für
das Orchester nicht eben sehr glücklich zu sein'. Das
Concert war, bei sehr übler Witterung, sehr besucht.
Herr Gapellmeister Lisxt wurde mit dem lebhaftesten Ap-
plaus empfangen und mehrfach gerufen. X.
Feuilleton.
Das kb'oigl. sieh», bohe Ministerium des Cultui und öffentli-
chen Unterrichts zu Dresden bat in Folge eines von einen Sach-
verständigen abgegebenen Gutachtens sowohl den „Orgelfreund"
als auch das „Präludien buch ," redigirt von ff r . Körner, allea
vaterländischen Seminaristen, Organisten nnd Cantoren angelegent-
lichst empfohlen and deren Ankauf für die Seminarien nur Benu-
tzung beim Unterrichte im Orgelspiele angeordnet.
Frau van Hastelt- Barth in Wien hatte um Erlaubnis« nach-
gesucht, Mozart auf dem Kirchhofe, wo er bestattet liegt, eine
Grabstätte setzen zu dürfen ; in Folge dessen wurde der Gedenk-
stein am 30. Jaouar in der Kirche bei den Paulanern, wo zu-
gleich Moxart's Requiem aufgeführt ward, feierlich eingeweiht.
Auf grauem Marmor befindet sich die goldene Inschrift: „Jung
gross, spät erkannt, nie erreicht.*' Ueber dieser Inschrift soll das
medailloafdnnige Portrait des grosseo Todten angebracht werden.
Am 2. März wurde eine Oper von dem bekannten Engländer
Hatton, Canellmeister der Königin Victoria, Namens „Pasqual
Bruno" in Wien auf dem Kärnthnerthortheater aufgeführt; sie
sprach nicbt sehr an, obwohl manches Schöne darin sein soll.
In Dresden starb der italienische Pianofortevirtuos Sattori.
Ankündigungen.
Im Verlage der Hftffer'scben Buchdruckern in Zwickau
ist erschienen die
zweite vermehrte Auflage
von
140 (jetzt 144) Choralmelodien,
nach Hiller in Partitur gesetzt, nebst Kommuniongesän-
gen und Responsorien zum Gebrauch für Seminarien,
Gymnasien, Gesangvereine, Bürgerschulen und Posau-
uenchöre. Herausgegeben von H. B. Schulze, Canlor
und Musikdirector in Zwickau. ll T / 2 Bogen auf be-
sonders starkes Canzleipapier. Preis 20 Sgr.
Für die Zweckmässigkeit und Brauchbarkeit dieses Choral bu-
che« sprechen die Empfehlung höchster Behörde und der schnelle
Absatz der ersten Auflage durch Einführung derselben in Yerschie-
denen Seminarien, Kirchen und Schulen. Durch Vermehrung Ton
drei Scbicht'schen Chorälen und der Litanei ist das Werk noch
brauchbarer geworden.
Um die Einführung desselben zu erleichtern, wird jedem, der
sich direet an die Verlagshandlung wendet, besonders in Partieen,
ein bedeutender Rabatt zugesichert.
In der T. Tiniutwelii'schen Buch- und Musikalienhand-
lung (J. Guttentag) ist erschienen t
JJurMate, aFr»HC©»eo, Magnifleat. Vollständige Partitur in
der Originalgestalt mit beigefügtem Garier-Aut». Preis 1 Thlr.
Die Chorstimmen einzeln. Subscriptionspreis 2± Sgr. ,
Nach dieser Ausgabe wurde daa Magnificat bei dem grosse^
Aachener Musikfeste ausgeführt. t
drell. A. E., Op. 11. Pfingsüied für 8 Solostimmen (2 Soor.,
Alt, Ten. u. Bass) und 4 Chorstimmen mit Begleitung des Pfte
oder der Harfe. Preis der Partitur SO Sgr., der tt Solostimmen
10 Sgr. und jeder einzelnen Chorstimme 1± Sgr.
Op. 24. „Urfinsterniss," ged. t. Bornemann f. 4 Minnerst.
(Solo u. Chor.) Pr. 7£ Sgr., jede Stimme einzeln 1± Sgr.
Geyer, Flott«, Op. 7. Drei Lieder r. Herrn. Kletke (No. 1.
Leben slied. 2j Die Musikantenbraut. 5) Die Ausgewanderten)
für 4 Mannerst. Pr. 28 Sgr. , jede Stimme einzeln 3} Sgr.
Itfelthardt, A«, Op. 126. ' Heft 1 u. 2. Sechs Lieder für 4
Mannerst. lieft 1 a) Saugers Nachtfeier, b) An die Laute, e) Be-
denklichkeit. Heft II. a) Ergo bibamus. b) Der Unschlüssige, e)
Kleidermacher- Muth. Preis eines jeden Heftes: Partitur a St.
20 Sgr., jede Stimme einzeln 3f Sgr.
BerffSJOH., 9E», Romancea (der Signora Laura Assandri gewid-
met). No. 1. „Je l'aime encore." Ich bleibe dein. Pr. 7f Sgr.
No. 2. „La barpe brisee." Die zerbrochene Harfe. Pr. 8 Sgr.
nftlirllig, Ferd», Op. 12. Fünf Lieder für eine Singst, mit
Begleit, des Pfte. No. 1. Im April, von Geibel. No. 2. Lied v.
Heine „Mädchen mit dem rotken Mündchen." No. 5. Fahr
wohl, y. Geibel. No. 4. Sehnsucht nach Norden, t. Geibel. No.tf.
Unter den dunklen Linden, t. C. Caspari. Preis 17i Sgr.
Oelajelii £, Cliarleej, Op. 12. Reminiscencea de l'Opera: La
Dame blanche. Duo concertant p. Plan, et Flute on Violon. Pr.
Piano et Fl. 27i Sgr. Piano et Viel. 28 Sgr.
GAHrieli, W., Saracenen- Quadrille für Punoforte. 10 Sgr.
Partitur 1 Thlr. 8 Sgr.
Unter der Presse befindet sieb:
Berllos , Heet», Grand trotte £ Instrumentation et fOrtke-
stration modernes. Mit franz. nnd deutschem Text. gr. Fol.
Berlin, SclsJtoalllffer'sche Buch- u. Musikalienhandlung.
247
4044., April. No. 14
I« Verlag« to U»Ur*eiel»elea »t to ehe» wl EifeatbiMM-
reekt ertebie«e» .•
I*efil de to Vierge.
Faulaisie brillante poor le Piano
Fred. Kalkbrcnner.
Op. 170. Preis 1 Thlr.
Ferner werden eben io erscheinen:
brande Fantaisie
pour le Piano
sor Linda dl Chamounix de Donizetti
Kenn Hers»
Op, 158.
24: Improvisation*
en forme d'Etudes
pour le Piano
Ed. i^our.
Op. 100.
Leipzig, 2. April 1844.
Breitkopf e* Hartel.
248
lotif»
NEUE MÜSTK AIiTKW,
welche so eben
im Verlag von Breitkopf 4fe Härtel in Leipzig
erschienen and durch alle Buch- nnd Musikalienhandlungen zu
beziehen sind : Thlr. Ngr.
Atlant, Potpourri nach Themen der Oper: Der König
Ton Yretot, für das Pianoforle zu 4 Händen (No. 29
der Sammlung van Potpourris) — 28
Beethoven, Ii. V., Arie des Pizarro mit Chor aus
Ftdelio, fir 1 Bassstimme mit Begleitung des Pianoforte.
(Nachgelassenes Werk.) — 12*
Frans* R*, 6 Gesänge für 1 Singstimme mit Beglei-
tung des Pianoforte. Op. 5 — 28
Halevy, F., Karl VI. Grosse Oper , im Yollständigcn
Clarierauszuge. Ohne Worte 6 —
Rallibrenner, F., Fantaisie et Variations brillantes
•njr l'Opera : Le Roi d'Yretot, arr. a 4 mains. Op. 163. 1 —
Ijecarpeittler, A«, Divertissement sur des motifs de
Charles VI. pour le Piano a 4 mains. Op. 79 — 12*
liemOClft, J., 2 Mazurkas pour le Piaao — 18
Marx, A. B», Mose. Oratorium, im Clarierauszuge. 7 —
Dasselbe., die Chorstimmen 3 10
Tnalbers;, S»> Fantaisie sur l'Opera: Lucrezia Bor-
gia de Donizetti, pour le Piano. Op. 80..... 1 —
Fantaisie sur l'Opera : Semiramide de Rossini., pour
le Piano. Op. öl 4 10
Walt«, Tlu, Sonate in FmoU für das Pianoforte.... 1 HO
Waelherslil, Josj«, 3 Nocturnes p. Piano. Op.ll. — 18
Ballade pour le Piano. Op. 12 — «t
Bei B. Senott's 8fthnen in Mainz erscheint mit Ei-
genthnmsrecht c
Adam, A., Cagliostro, Opern comioue en 3 Actes.
Bursrntllller, Fr.. Fantaisie et Valse sur Lambert Sianel.
Op. 86.
Be Berlot, Cn., 4*» Concerto arec Acc. d*Orchestre ou de
Piano.
Bo Berlot, et WolftY, E#, 6 Duos brillant» sur des
originaux poor Piano et Violon.
Bfihler, Tli., 2 Fantalsies de Salon sur Nabucodonosor. Op.
48. No. 1 et 2.
Uast, F., Feuillea d'Albom.
Hasluft, F., Album 1844. m
Perstans, Q», H Fantasma, Opera semisena in tre atb.
Osborne, O. A., Morceau de Concert sur Dom Sebastien.
Frudent, B., Grand Trio de Gutllanme Teil, transcrit.
3 Ballades sana paroles.
SouTenirs de Schubert, Fantaisie sur la Serenade. Op. 14.
Bogellen, H«, Fantaisie brillante sur Mina. Op. 63.
Fantaisie de Concert sur Dom Sebastien. Op. 64.
ToulOU, Fantaisie sur les Diamants de ia Couronne. Op. 90.
9«m grand Solo. Op. 91.
HlWoltt. Kh Dirertissem. a 4 mains sur Maria di Rohan. Op. 92.
Mazurka. Op. 94.
La melancolie et i'espoir, 2 morceaux de Salon. Op. 93.
Druck und Verlag von Breitkopf und Bärtel
NETTE MUSIKAUEN
bei €. F. Peters, Bureau de Musique, in Leipzig.
Thlr. Ngr.
Beelter, JTul», Die Zigeuner, Rhapsodie in 7 Getan-
gen Cur Solo- und Chorstimmen mit Begleitung de$
Orchesters oder Pianoforte. Clarieranszug rom Com-
ponisten. Op. 31 « **>
NB. Die Instrumental Begleitung sowohl in Partitur
als Stimmen ist in correcter Abschrift durch die
Verlagshandlung zu beziehen.
Bllrrner, JT., Acht Lieder und Gesänge für eine Sing-
stimme mit Begleitung des Pianoforte. Op. 10. Comp!. 1 —
Dieselben einzeln :
No. 1. Leid und Freud» - 8
,, 2. Frühlingsmorgen — 'i
„ 3. Lied Ton R. Bnrns \ —7*
„ 4. Klage und Bitte / "
„ 8. Des Vogels Freude — Jt
M 6. Uebesheimath — &
,. 7. Aye Marie ) __ yx
,; 8. Liebe } 7 *
Hauptmann, HI., Sechs deutsche Lieder mit Be-
gleitung des Pianoforte. Op. 1. Neue Auflage — 18
Hunten, Fr«, Variations sur IroU airs Italiens pour
le Piano a 4 mains. Op. 68.
No. 1. La Zalra \
„ * La Nfebe ( » - »H
,, 3. La Nornta )
JTansa, It., Trois Quatuore pour deux Violons, Viola
et Violoncelle. Oeur. 68. No. I, 2, 5 a 1 10
lijalllwoda, JT. W., Premiere Conrersation au Pia-
noforte a 4 mains, arrang. par H. Enke d'apret la Con-
certante pour deux Violons. Op. 20 «.... 1 7f
Deuxieme Conrersation au Pianoforte a 4 mains,
arrang. par H. Enke d'anres les Variations brill. pour
Violon a?ec Orchestre. Op. 18 — 20
Introduction et Variations pour Clarinette arec Or-
chestre. Op. 128 * j|0
— - Le niämc arec Piano — 20
— ' _ Second grand Trio pour Piano, Violon et Violon-
celle. Op. 130 3 —
Deux Marcheg militaires pour Piano — 7f
Kllffler, Rieh* , Trio facile et agreable pour Piano,
Violon et Alto. Oeur. 1 — «8
Iiemelte, H., Variations brill. sur un theme de Niobe
pour le Piano. Oeuy. 24 — 17i
Trois Mazurkas brillantes pour Piano. Oeuy. 28. — 10
nilller, Bob., Nocturne pour Piano seul. Oeur. 13. — 12*
— — Fantaisie pour Piano sur Lucia di Lammermoor de
Donizetti. Ocut. 22 * —
ReUsIger, C. Gr., Sixieme Quatuor pour Piano,
Violon, Viola et Violoncelle. Op. 173 5 —
in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
249
SSO
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 10 ten April.
M 15.
1844.
Inhalts Paul Heioleia, ein Componkt dei 17. Jahrhooderta. - Becensionen. — Nachrichten:
Aus Prag. — Feuilleton. — Ankündigungen.
Ans Leipzig. Ana Berlio. (Beacblnaa.)
Paul Heinlein,
ein Componist des 17. Jahrhunderts*
Erfreulich ist das in unserer Zeit belebtere Streben»
den Gang, welchen die Tonkunst in ihrer Entwicklung
nahm, historisch zu verfolgen und die Zeiträume, auf
welchen schon darum, weil die Producte dieser Kunst,
nicht von Stein und Farbe festgehalten, zum grossen
Tbeil verloren gegangen sind, manches Dunkel ruht,
durch Benutzung jedes noch vorhandenen Documents auf-
zuhellen. Hierbei erscheint es eben so verdienstlich, wie
gerecht, namentlich auch das Andenken Derer zu erneuern,
welche, wenn auch vereinzelt, doch zu dem Portgange
des Ganzen beigetragen haben und bei einem oft verkann-
ten Verdienste unter den Künstlern einen ehrenwerthen
Namen behaupten. Jede besonders betrachtete Individua-
lität, jede Würdigung eines im Stillen Wirkenden oder
Vergessenen macht einen Beitrag zur Geschichte der Kunst
aus. Unsere sogenannten Universallexica reichen da nicht
hin. Sie enthalten eine Unzahl leerer Notizen und Namen,
welche den Geschichtsforscher nicht befriedigen, anderen
Lesern kein Interesse gewähren; denn es wird dabei
nicht anschaulich, was ein Künstler, welcher eben nicht
als ein Epochemachender bezeichnet werden kann, den-
noch wirklich geleistet hat. Die geschichtlichen Darstel-
lungen der Poesie geben Proben eines jeden Dichters, die
Geschichte der bildenden Kunst wird von Kupfertafeln
begleitet ; bei der Tonkunst sollen die blosen Namen der
Musikstucke, welche der Mann geliefert hat, Alles ver-
treten. Dankbar müssen daher die Verdienste, welche
sich RochlitZ) Becker u. A. dadurch erwarben, indem
sie Werke der Vergessenheit entrissen und ihre geschicht-
lichen Forschungen durch Belege im Abdruck einzelner
Musikstücke lehrreich machten, anerkannt werden. Nur
dann erst, wenn dies bis zu einer gewissen Vollständig-
keit durchgeführt sein wird, kann eine gründliche Ge-
schichte der Musik , die ja nicht blos auf die hervortre-
tenden Reformatoren sich beschränken soll, möglich wer-
den. Möchte daher das Interesse des kunstliebenden Pu-
blicums möglich machen, dass die Zahl solcher Sammlun-
gen sich erhöhte, oder sogar ein grösseres Werk, sei es
in lextcalischer oder geschichtlicher Form, erscheinen
könnte, in welchem bei jedem namhaft gemachten Künst-
ler auch eine zum Erweise seiner Leistung und seines
Verdienstes hinreichende Probe beigegeben würde. Dies
46. Jahrgang.
wäre eine wahrhaft instructive und lebendige Geschichte.
In derselben würde dann mancher Name zum Vorschein
kommen, der bis dahin entweder ungekannt oder nicht
genug gewürdigt war.
Diese Betrachtungen führen mich auf einen Musiker,
dessen Andenken zu erneuern der Mühe lohnt. Würden
mehrere ähnliche Beiträge über vergessene Tonkünstler
in dieser Zeitung niedergelegt, so erwüchse schon dar-
aus mit der Zeit eine brauchbare Materialiensammlung,
und den Lesern würde durch beigefügte Proben aus den
Werken derselben eine sicher willkommene Gabe dar-
geboten.
Nürnberg war die Vaterstadt des Mannes, von wel-
chem ich spreche, in einer Zeit, wo jede Art der schönen
Kunst dort eine Freistatt gefunden hatte. Zwar ging die
glanzvolle Epoche, in welche Nürnbergs Blüthe fallt,
voraus, und einem früheren Jahrhunderte gehörten die
Werke von Albreckt Dürer und dessen Schülern, von
Hans Sachs und Pfinzing an; der dreissigjährige Krieg
hatte den grossartigen Welthandel erschüttert, den bis
zum höchsten Reichthum gesteigerten Wohlstand nieder-
gedrückt; seine Folgen, eine ungeheuere auf die Stadt
gefallene Schuldenlast, versagten den Behörden, auf das
Gedeihen der Künste unterstützend einzuwirken ; dennoch
gebrach es nicht an Männern, die auf dem einmal urbar
gemachlen Boden fortbauten. Neben den Erfindern auf
dem Gebiet der Mechanik standen die Familien der Sand-
rartj Daniel Preisler und Andere als ausgezeichnete Ma-
ler; auch die Tonkunst ermangelte nicht der sorgsamen
Pflege. Ein für jene Zeil reich ausgestatteter Musikchor
wurde von der Stadt erhalten und unter den Directoren,
Stadtmqsici genannt, zeichneten sich Gabriel Schätz (ein
Virtuos der Viola da Gamba, gest. 1710) und dessen
Sohn Jacob Balthasar Schätz (gest. 1700) aus. Hein-
rieh Schwemmer war ausgezeichneter Lehrer des Ge-
sangs, Georg Caspar Wecker der Lehrer tüchtiger Schü-
ler im Clavierspiel und in der Gomposilion. Vorzüglich
aber thaten sich kunstgerechte Meister des Orgelspiels
hervor. Der Magistrat war namentlich bedacht, die Stel-
len an den Kirchen zu St. Sebaldus und St. Egidius
(welche später ein Brand zerstörte) würdigen Künstlern
zu verleihen. Unter den an der St. Sebalduskirche an-
gestellten Organisten erwarb der genannte Wecker (des-
sen Prinz in s. Satyrischen Componisten 3^ Tbl. S. 226
rühmend gedenkt) einen durch gauz Deutschland verbrat*
45
2*1
1844. April. No. 15.
£88
letcn Ruf. Seines Vorgängers Andenken m6gen folgenie
Zeilen in Erinnerung bringen.
Psml Heintein m4**mr*in w m 11. April 1«M
zu Nünaerf gebore». Die Aagafce, sei* Vater sei der
«t Nürnberg 1663 versterbe«* Arsl ttmd Braunsthweigi»
sehe JUedicinalrath Sebastian Hainlein gewesen, beruht
auf einer wahrscheinlichen Combination, da Johann Carl,
1651 geboren, ein Arzt zu Nürnberg , als Enkel Seba-
stians benannt wird. Früh schon trat in Paul ein ent-
schiedenes Talent für Musik hervor, welchem von Sei-
ten der Eltern jede Förderung 4er Ausbildung zu Theil
geworden zu sein scheint. Er ward von den geschickte-
sten Meistern unterrichtet und in wenigen Jahren hatte
er im Spiel geblasener Instrumente und des Ciaviers, so
wie im Gesang bewundernswürdige Fortschritte gemacht.
Sich noch weiter auszubilden, wanderte er im zwanzig*
sten Jahre nach Linz und naieh München. Im Jahr 1647
reiste er nach Italien, und benutzte drei Jabre hindurch
den Unterricht ausgezeichneter Meister, namentlich in
der Conpositton. Zn den Seinigen im Jahr 1649 zurück-
gekehrt, zog er durch mehrfache öffentliche Proben sei-
ner ausgezeichneten Kunstfertigkeit die allgemeine Ach-
tung auf sich. Nach kurzer Zeit ertheilte der Stadtrat!)
ihm <Ke Stelle «ines „ Musious." Im Jahr 1655 wurde
ihn die Stelle des Organisten an der Kirche zu St. Egi»
dies übertragen , wie er im folgenden Jabre die „Direc-
tum des chori musici" an der Frauenkirche übernahm.
Seine rege Thättgkeit und die Berühmtheit seines Na-
mens erhob ihn 1658 zu der Stelle eines ersten Organi-
sten an der Sebalduskirche. Er starb am 6. August 1686.
Sein würdiger Nachfolger war der vorher genannte Cas-
par Wecker, nach dessen Tode, 1695, der als Conpo-
nist ausgezeichnete Johann Packetbei von Gotha beru-
fen wurde.
Heinlein wird von seinen Zeitgenossen als der fer-
tigste Orgelspieler gerühmt, besonders aber bemerkt,
,,dass er auf dem Ciavier mit wenig sparsamer Bewegung
der Finger und Hände auf das Fertigste spielte." Viel-
zäblrg waren seine Gompositionen für Orgel und für Cia-
vier, Toccaten, Fantasieen, Fugen, Ricercaren. Obgleich
schon seit 1538 in Nürnberg eine besondere «durch Jo-
hann Otto <eme%tete Musikalien -Verlagshandlung bestand,
scheint doch von Heinlein 9 8 Insfrumentat-Compositionen
Nichts im Druck erschienen zu sein. Nur zwei Werke
für Gesang waren bisher bekannt „Zwei musicalisdhe
Stücke, welche dem Edlen, Ehrenvesten und Hoehgelahr»
ten Herrn Joh. Georg Fabricio u. s. w. als er den 27.
October 1659 seinen ersten actum Notariatus publiei be-
gangen zu freundlicher Gluokwunschung und sonderbarem
Gefallen a Canto solo con 2 Violini et Basso «ontin.
wind componirt, offerirt und musicirt von Paul Hainlein.
Nürnberg in 4. " Der Text des Gesanges ist lateinisch
und von Fabricius gedichtet. Das zweite Werk war zu
der Begräbnissfeier des berühmten Theologen und Predigers
an der Sebalduskirche Johann Michael ÜÜherr bestimmt.
Kaum werden aber ausser Nürnberg hiervon noch Exemplare
gefunden werden. Doch fuhrt der Name Dilherr 9 * auf ein
drittes Werk, welches uns nicht allein Heinlein 9 s Kunst,
sondern auch die Art 'damaliger Liedercompositionen ken-
nen lehrt, schon in dieser Hinsieht nicht ohne Interesse.
Dilherr, einar der gefeiertsten Theologen seiner
Zeit (er starb den 8. April 1669), welcher mit einer
umtosenden Kenntniss der Theologie, flbifosmmhi» und
Spratbtn (er war Us aam Jakr 166 Messer der Bo-
rnen, der GesAioke «nd ffcesie und der Theologe nt
Jena; ein grosses Talent der Kanzelberedsamkeit ver-
band, war ein für das Schöne in Kunst und Natur hoch-
bcgcislerter Mann. Seine lateinischen Programme ent-
bleiten meistens Gedichte, wie in seinen Erbauungssehrif-
ten und Predigten, die nach ihrer Zeit benrtheilt wer-
den müssen, das Phantasierende nnd Gefühlvolle vor-
herrscht. Der Musik wandte er eine vorzügKebe Neigung
zu und förderte sie als Renner. Am 30. Mai 1643 hielt
er zur Verherrlichung dieser Kunst einen feierliehen Aet,
und liess, nachdem er eine Rede de ertu et progressu,
usu et abusu musicae gesprochen hatte, eine, wie die»
alte Nachricht besagt, solenne Musik auffuhren. Sehrthi-
tig als Schriftsteller, gab er im Jabr 1657 das mit gros-
sem Beifall aufgenommene Buch heraus : „Christliche Be-
trachtungen des gläntzenden Himmels r tüchtigen Zeit-
und nichtigen WeltlaufFs." Nürnberg, bei Wel%ang d- J.
(Eine zweite Ausgabe erschien 1712.) Wem Betrachtun-
gen über die Gestirne nnd die Naturerscheinungen der
Jahreszeiten fügte der sinnreiche Mann eine dreifache Zu-
gabe hei« Kupfer, Lieder und deren Gomposition^ „denn,"
sagt er, „es muss nicht nur der Schriftsteller, sondern
auch der Poet, Musicus und Maler einander in den Sat-
tel helfen ;" die Entwürfe zu den Kupfern nnd die Lie-
der sind von einem Ungenannten. Die Gedieht« geboren
zum Theil in eine Sammlung des Vorzüglichsten aus je-
ner Zeit; „die Lieder über die zwölf Monate aber sind
gisetzet von Paul. Heinlein, Organisten zu St. figsdien."
e können uns also über dieses Gomponisten Behandlung
Zeugniss geben. Eine blos wörtliche Aogabe dessen» was
darin geleistet, führt zu keiner anschaulichen Kenntnisse
es müssen Proben vorgelegt werden. Ich lasse den Text
eines wahrhaft schonen Gedichts vorausgehen.
Lied des Weinmonats.
Jauchtet, ihr Winzer, alle sogleich,
Unsere Trauben werden nun weich,
Reifende Reben schenken nns ein,
Heissem, die tranren, fröhlicher sein,
Füllend Sie leeren Reiher mit Wein.
Noah lest 9 erst saftige Feser,
Lehrte die Hacker , warbe 4ie Leser,
Presste der Kelter lieblichen Saft,
Welcher den Herzen giebet die Kraft,
Sorgen nnd Kummer ferne wegschafft.
Lobt nnd Hebet -den herrliehen Most,
Welcher versüsat die niedliche Rost,
Aber doch halt im Trinken das Ziel,
Weiien <Us Weines zn wenig nnd viel
Leicblüch verderbt das Instigste Spiel.
Weinen ist nnser Leben ohne Wein,
Einsam nnd ohne Freunde zn sein.
Freunde sind gleich dem freudigen Mahl,
Welche man kieset in mehrerer Zahl,
Mittelst des Weins mit offener Wahl.
Janehcet, ihr Liebsten« alle zugleich!
Trinken macht oft die Aermsten reich ;
Jeder ist edel, voller Verstand,
Jeder rühmt seine Gfiter und Lanl,
Weilen Ihn hktt der Tranken*«* fta«d.
955
1844. April. No. 15.
234
Brauchet nun rauht «ad massig #sa Trank ;
Saget dem Höchsten herzlichen Dank,
Welcher uns giebet freudigen Math
Speiset uns mit der Reiterpress Blnt.
L*bet Gott der alle Gates oas Chat«
Dies Lied bat Üeinlein also componirt. Ich gebe die
•Copie in unserer Notenschrift, da das Original die alten
quadrirten Notenzeichen hat und das Tactzeicben 3 nicht
allein 8 / 2 -Tact, sondern auch %-Tact bezeichnete.
M-^-g-^ £
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Jauchzet ihr Win - xer ! al - le an - gleich,
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schenken ans ein , bebten, die tranreu, frSbli-eher »ein,
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fallend die lee - ren
^"r^
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Keller mit Wein.
• #_
r 1 1 ' f it
Nicht nöthig ist es, hier auf die Eigentümlichkeit
des musikalischen Satzes, wie ihn die Zeit noch beibe-
hielt, aufmerksam zu machen. Leicht auch wird man zu*
gestehen, dass die- Frische und das Ausdrucksvolle der
Melodie, die keineswegs von der Harmonie beherrscht
wird , sondern selbständig sich auf eine markirte Weise
bewegt, für jene Zeit, wo man in den Liedercomposi-
tionen so viel Hartes und Steifes findet, einer Auszeich-
nung werth ist. Das Lied kann uns auch heutigen Tages
nur erfreuen, und darum sei noch ein zweites beigegeben.
Wohl wären alle zwölf des erneuerten Druckes werth.
Lied des fPintermonats.
^m
=#=*
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(TJl
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Der Sommer ist eotwi-cheo, mit seiner Flammen Hitz ;
Der Herbst heran geschlichen, o. herrschet nnn der Schütz
J» • £
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=it=)=
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T+Z++
der treibt die tru - ben Wind , und in dem Nebel - Re-
st « «fc
gen beschüttet al - 1er we- gen, die auf dem Felde sind.
F. H.
R
ECENSIQNEIf,
Sechs Lieder mit Begleitung des Pianoforte, componirt
von Clara Schumann. Op. 13. Leipzig, bei Breitkopf
und Härtel. Preis 20 Ngr.
Die berühmte Virtuosin bietet hier den Gesanges-
freunden eine recht freundliche, willkommene Gabe, einen
anmuthig duftenden Blumenkranz. Seine Farben sind nicht
blendend und schimmernd, aber ein sinnig -milder Ernst
spricht aus den einzelnen Blumen, die uns immer lieber
werden, je näher und länger wir sie anschauen.
Schon die Wahl der Dichtung deutet darauf hin,
dass diese Gesänge mehr der stillen Beschaulichkeit, als
dem lauten Markte gewidmet sind. Die Gedichte (von
Heine, Rückert, Geibel) sind ungemein zart gehalten, es
weht aus ihnen der süsse Duft der wahren Poesie, und
die Künstlerin hat sie mit gleicher Zartheit aufgefasst
und in Tönen wiedergegeben. Sie erregen aufrecht freund-
liche Weise das Interesse, obgleich weder Melodie noch
sonstiges lebhaftes Colorit besonders und ungewöhnlich
hervortreten. Eine gewisse Innerlichkeit aber macht sie
uns werth , und diese wirkt, vorzüglich bei längerem
Verweilen, höchst woblthuend auf das Gemüth. Die Lie-
der haben vielleicht nach Sinn und Form eine zu merk-
lich hervortretende Aebnlichkeit mit einander, was vor-
züglich bemerkbar wird, betrachtet oder singt man sie
im Zusammenhange, wobei namentlich eine gewisse fest-
gehaltene Art der Begleitung jene Aebnlichkeit bestärkt;
lässt man sie aber einzeln an sich vorübergehen, so ge-
winnen sie an Reiz und behaupten ihre Individualität.
Am abgeschlossensten, wir möchten auch wohl sa-
gen am sprechendsten erscheint uns das zweite Lieds
„Sie liebten sich Beide" (von Heine) ; das ausführlichste
ist das dritte (,, Liebeszauber' 4 von E. Geibel), das, wenn
wir nicht irren, bereits in einem Album für Gesang von
R. Hirsch erschien. Dies letztere Lied dürfte gewinnen,
wenn die Begleitung weniger consequeut durchgeführt
wäre. Die ununterbrochene Triolenfigur ermüdet fast.
Gedanken und Führung des Ganzen müssen wir als vor-
züglich bezeichnen. — Das sechste Lied dieser Samm-
lung: ,,Die stille Lotosblume " würden wir noch höher
stellen, wenn es von einigen sehr fühlbaren Härten der
Begleitung befreit werden könnte, wie sie z. B. der
zwölfte Tact enthält. Wir möchten es ein Uebermaass
der Innigkeit nennen, welche die treffliche Künstlerin dem
Ausdrucke vermittelst der Begleitung verleiben will; ge-
wiss aber ist es, dass eine Milderung dieser scharfen
Dissonanzen dem Eindrucke des sonst so ansprechenden
und schön empfundenen Ganzen sehr förderlich sein
würde. — • Der rätbselhafte, fragende Schlnss dieses Lie-
255
1844. April. No. 15.
des ma88 sieh selbst vertbeidigen ; bei den Rigoristen
wird er kaum Gnade fiodeo. — In Summa : das hier mit
wahrer Theilnahme, wenn auch nur flüchtig besprochene
Liederheft ist schon an sich selbst ein interessantes, wird
aber durch die individuelle Beziehung auf die produci-
rende Künstlerin, die durch ihr seltenes Reproductions-
talenl so berühmt ist, doppelt anziehend.
Sehnsacht von C. Heinemann , declamatorischer Gesang
für eine Tenor- oder Sopranstimme, mit Begleitung
des Pianoforte und des violoncells, componirt von G.
fPicht/. Op. 6. Carlsruhe, bei Creuzbauer und Nöl-
decke. Preis 20 Ggr.
Der Autor bezeichnet dies Musikstück (das sich recht
gut für die Ausführung in Concerten eignet) als decla-
matorischen Gesang, und allerdings ist die Stimme mehr
declama torisch, als im Gantabile gehalten; doch tritt der
getragene Gesang an rechter Stelle um so wirksamer
hervor, und macht sich vorzüglich in der zweiten Hälfte
des Ganzen geltend, wo die Tonart sich nach Adur wen-
det, wie es denn auch in dieser Tonart mit ziemlich leb-
hafter Aufregung schliesst. Das Violoncello ist in gutem
Verhältniss zur Singstimme und überhaupt recht zweck-
massig und wirksam behandelt. Deberbaupt ist die Auf-
fassung des Gedichts verständig, und obgleich das Ganze
von ziemlicher Ausdehnung ist, so nimmt doch eine ge-
wisse Regsamkeit und vorzüglich eine zweckmässige Ab-
wechselung das Interesse fortwährend in Anspruch. Nur
ist der Componist zuweilen nicht ganz glücklich in der
Form seiner Wiederholungen, so z. B. bei der drei Mal
wiederkehrenden Stelle:
Wo jede Bliitbe welk and icbaorig
Vom bleichen (!) Baum der Freude fällt;
Weder mit Ausdruck noch Steigerung können wir uns
befreunden; dazu kommt, dass die angeführten Zeilen
nicht einmal einen vollständigen Gedanken bilden, indem
sie sich auf Vorhergehendes beziehen , der schwülstigen
Diction und der verfehlten Metapher des Gedichts nicht
zu gedenken. — Den Schluss des Ganzen bebandelt der
Componist förmlich als Arie mit obligatem Violoncell,
wobei allerdings eine gote Tenorstimme, gleich seinem
Begleiter, sich recht günstig zeigen kann. Doch bat diese
Ausbreitung der Form, leider! nur durch eine fast un-
leidliche Wiederholung derselben Worte geschehen kön-
nen, so, dass diese zwei Schlusszeilen:
Wo dann zum Frieden aufgenommen,
Mein Aug' das Ew'ge rein erblickt,
den ausschliesslichen Inhalt von 40, sage vierzig Tacien
bilden, die auch überdies in ihrem Zusammenbange mit
dem Vorigen als Frage erscheinen! — Wir würden die-
sen Uebelsland nicht so ausführlich und entschieden ge-
rügt haben, glaubten wir nicht, ein beachtenswertes
Talent bei dem noch wenig bekannten Componisten wahr-
zunehmen, das vor solchen Missgriffen gewarnt werden
muss. AI.
Nachrichten.
Leipzig. Concerte des Musikvereins „Euterpe."
Bereits ist die musikalische Saison auch für Leipzig been-
digt, der Cyclus der grossen Concerte im Gewandhaus-
saale, so wie der dort ebenfalls gehaltenen Soireen ist
geschlossen, die Abende, die man den fremden Künstlern
gewidmet, kürzt der Frühling mehr und mehr, und die
Muse der Tonkunst sucht nolhgedrungen in den Garten-
concerten ein Asyl, das sie mit Beginn des Winters froh
über das aufgehobene Exil verlässt, um wieder in ihre
geweihten Hallen einzuziehen. Auch die Concerte der
Euterpe sind beendigt, und es dürfte am Schlüsse der-
selben ein übersichtlicher Rückblick auf die diesjährigen
Leistungen dieses Vereines um so zweckmassiger erschei-
nen , als er mit dieser Saison sein 20jähriges Wiegen-
fest gefeiert hat.
Unter den beschränktesten Verhältnissen trat die
Euterpe in's Leben, die anfanglich eine sehr geringe An-
zahl von Künstlern und Dilettanten in einem kleinen Lo-
cale (eine Zeit lang diente sogar ein Gewächsbaus als
Musiksalon) vereinigte. Der warmen Kunstbegeisterung
und dem beharrlichen und thatkräftigen Streben der noch
an der Spitze stehenden Directoren und einiger Mitglie-
der gelang es, dem Vereine allmälig die Tbeiluahme eines
grösseren Kreises von Mitgliedern zuzuwenden, die, obne
als Musiker unmittelbar zu wirken, seine Interessen doeh
mittelbar förderten. Mit der Zeit schlössen sich mehr und
mehr Künstler an, und gegenwärtig besteht das Orche-
ster nur aus Musikern von Fach, grossen Theils dem
Orchester des Gewandhausconcertes, des Theaters und
dem Stadtmusikchore angehörig. Als Musikdirectoren stan-
den dem Verein zuerst Reichardt, ein Künstler, dessen
Enthusiasmus bei seiner sonstigen Tüchtigkeit hier einen
schönen Wirkungskreis fand, und nach ihm der als Sym-
pbonieencomponist bekannte Musikdirector C< G. Müller
vor, unter dessen eben so trefflicher als umsichtiger Lei-
tung der Verein zu jener Höhe gebildet ward , auf der
ihn nachher der Musikdirector Verhuht zu behaupten
und zu befestigen wusste. Gegenwärtig ist Herrn Geb-
hard v. Alvenslebeit das musikalische Zepter anvertraut,
einem Künstler, der durch mehrere Compositionen sieh
die Anerkennung seiner Kunstgenossen erworben, und
auf dessen jugendkräftiges Streben der Verein schöne
Hoffnungen bauen darf. Der jetzige Concertmeister ist
der als Posaunist überall bekannte und hier noch ausser-
dem als tüchtiger Musiker geachtete Herr Queisser. —
Wie bisher, so hat auch in dieser Saison die Euterpe
ihre musikalischen Interessen nach einer Richtung hin
vertreten, die ihren Zwecken und ihrem besondern Wir-
kungskreise gemäss zwar nicht mit den der grossen Con-
certe parallel läuft, aber doch nicht ohne Einfluss auf das
musikalische Leben Leipzigs im Allgemeinen ist.
Es würde eine ausführliche Besprechung der in die-
ser Saison vorgeführten Leistungen zu weit führen, wes-
halb wir uns nur auf einen kurzen Ueberblick beschrän-
ken zu müssen glauben, um so mehr, als den einzelnen
Concerten bereits anderwärts Berichte gewidmet worden
sind. Ausser in dem letzten ist in jedem der zehnCon-
287
1844. April. No. 15.
286
carte eine Symphonie aufgeführt worden, und zwar Beet-
hoven 9 s Fdur- und Bdur-Symphonieen, Mozart* Sym-
Ebonie in Gmoll, Haydns in Cmoll, Kalliwodas in
[moll, nnd Spohr* Symphonie : Weihe der Töne. Neu
waren Gade's erste Symphonie, so wie G. v. Alven*-
leben** in Gmoll (schon früher erwähnt) nnd Dürrner**
Symphonie, das Werk eines entschiedenen Talentes, das,
gereift anter gründlichen Studien, dem Gomponisten Ehre
erworben. In dem letzten Concerte führte Herr Ferd.
Brandenburg sein musikalisch - dramatisches Tongemälde
in drei Abteilungen: „Die Mähr von den drei Inseln:
Corsika, Elba und Helena," nach einem Gedichte von
Ludw* Erfurt componirt, auf, und das Publicum dankte
ihm mit den lebhaftesten Beifallsäusserungen.
Unter den vierzehn Ouvertüren, tbeüs von Beetho-
ven (Leonore No. 2 und Coriolan), tbeils von M. v. We-
ber (Oberon und Euryanthe), Mendelssohn- Bar tholdy
(Fingalsböhle), Mozart (Entführung), Cherubini (Hedea),
Spontini (Vestalin), Berlioz (Lear), heben wir als neu
hervor: eine Ouvertüre von C. Conrad, die Dioscuren
betitelt, und zwei von dem Musikdirector G. v. Alvens-
leben , nämlich Goncertouverture in D moll und Fest-
ouverture Edur. Sie sind sämmüicb wirksam und reich
instrumentirt, und letztere macht sich, den etwas zu lang
ausgesponnenen Scbluss abgerechnet, namentlich durch
schöne Anordnung und durch ein frisches Colorit geltend.
Den Ouvertüren reihen wir nächst dem Marsche aus
Beethoven'* Ruinen von Athen die Soli für Blasinstru-
mente an, in denen die Herren Landgraf (Rondo für
Clarinette von M. von Weber), Milhljeldt (Concert für
Flöte von Fürstenau), Faulmann (Divertissement für
Oboe, eigene bemerkenswerthe Gomposition) , E. Pfund
(Variationen für die Oboe von Grieoel) und Herr Queis-
ser mit seinem Schüler, Herrn Ockenbeck aus Schweden,
in einer Fantasie für zwei Posaunen von Tiede auftra-
ten. Herr Queisser errang noch ausserdem durch den
Vortrag der Fantasie für Posaune mit Orchester und Chor,
einer schönen Gomposition C. G. Müller 9 *, wie stets,
rauschenden Applaus.
Soli für Streichinstrumente führten die Herren B.
Meyer (Violinconcert eigner Gomposition, und Variatio-
nen von Gabrielsky) , Weüsenborn (Adagio und Rondo
von de Beriot und Violin -Fantasie von Vieuwtemps),
Winter (Variationen für Violoncello von Kummer) und
Herr Grabau (Concertstück für Violoncello von Kummer)
aus. So vollendet der Vortrag Herrn Grabau'*, so un-
reif war die Ausführung des Violinconcerts von de Be-
riot durch Hortensia Zirge*.
Als Pianisten zeigten sich Herr Dorffei (Pianofor-
teconcert von Mendelssohn- Bartholdy), Herr Beinecke,
ein junger, talentvoller Künstler, welcher ein gut com*
ponirtes Capriccio für Pianoforte and Orchester von sich
und ein Concertstück von Weber spielte, und Fraul. Ul-
rike Wohlfahrt, die durch ihren decenten nnd durch-
geistigten Vortrag der Thalbere 9 8chen Fantasie über The»
men aus Moses lebhaften Beifall fand.
Die vielen Gesangstücke betreffend, welche ebenfalls
in diesem Semester zu Gebor gebracht wurden, so führten
dieselben Fräul. Bamberg, Fräul. Queisser, Fräul. Sachs,
Friu). Simon und der philharmonische Sängerverein aus.
Fräul. Bamberg trug drei Arien, und zwar au* Fi-
delio, Oberon und Hans Heiling, so wie sechs Lieder vor,
Fräul. Queisser ebenfalls Arien aus Freischütz, Belisar
und Norma, so wie zwei Lieder, und Fräul. Sachs des-
gleichen Arien aus Puritaner, Faust und Haydns Schö-
pfung, nebst fünf Liedern ; Fränl. Simon sang eine Arie
aus Don Juan und zwei Lieder. — Nächst genannten
Sängerinnen, denen das Publicum durch reichen Applaus
dankte, unterstützte der philharmonische Sangerverein den
Musikverein Euterpe durch Ausführung zweier Männer-
quartelte, eines Duetts mit Chor aus Cortez, eines Duetts
aus den Puritanern, und zweier Chöre aus der Oper
Bienzi von Conrad, der, obgleich nicht Musiker von Be-
ruf, doch zahlreiche Arbeiten in den Concerten der Eu-
terpe zu Gehör gebracht hat.
Dies der gedrängte Ueberblick der Leistungen, über
deren mehrere, namentlich die Ausführung einiger Sym-
pbonieen und Ouvertüren betreffend, Beferent um so lie-
ber ein Urtbeil ausgesprochen hätte, als er sich eher die
Gelegenheit zum Tadel, als zum Lobe entgehen lässt;
und letztere ward ihm gerade mehrfach geboten ! Doch
sapienti soll — — r —
Berlin. (Beschluss.) In den beiden Quartett - Unter-
hallungen der Herren Zimmermann und Genossen wur-
den Haydns Gmoll- Quartett, Beethoven 9 * Adur- und
Es dur-QuarteU (No. 10), ein Quintett von Onslow (Es dur),
Mozart'* D dur- Quartett und das D moll - Quartelt von
Fr. Schubert so allgemein ansprechend ausgeführt, dass
man eine Fortsetzung dieser geistreichen Soir6en um so
mehr wünscht, als solche hier jetzt die einzige Gelegen-
heit darbieten, so trefflich im Ensemble eingeübte Violin-
Quartette zu boren. Ein Concert, worin sich ein körper-
lich sehr bemitleidenswerther Musiker auf einem neu er-
fundenen, jedoch wenig practischen Instrumente, der Me-
talloboe (von sehr dünnem, scharfem Tone) hören Hess,
ist nur deshalb zu erwähnen, weil die Frauen v. Fass-
mann und Schröder -Devrient darin edelmüthig hübsche
Lieder vortrugen, und ein Vielversprechenderjunger Vio-
linist Herr C. Steffens, Schüler des Herrn CM. Moser,
sich mit sehr gut ausgeführten Variationen von de Be-
riot beifallig hören liess. Selbst in einigen Gymnasien,
z.B. dem Friedrichswerder'schen Gymnasium, fanden mu-
sikalische Abendunterhaltungen Statt, in welchen Inslru-
mentalmusikstücke und Gesänge, z. B. der „Frühling"
aus Haydns „Jahreszeiten," von den Schülern der er-
sten Singeclasse ausgeführt wurden. Auch die Eleven
der königl. Academie der Künste hatten für eingeladene
Zuhörer eine musikalische Matinee veranstaltet, in wel-
cher sie eigene Gesangcompositionen, auch zwei Sätze eines
Quintett'» für Streichinstrumente von W. Herzberg aus-
führten. —
Bei der königl. Oper setzten Mad. Schröder -De-
vrient und Herr aärtinger ihre Gastspiele fort. Otello
und Fidelio wurden wiederholt. In Beltinfs Norma sang
die zeitber wenig beschäftigte Dem. Marx die Titelrolle,
und Herr Härtinger den Sever. Carlo Broscbi wurde
zwei Mal, der „Wildschütz" einmal wiederholt. Meyer-
beer's ,, Robert der Teufel" wurde, nach sorgfältigen
1844. April. No. 15.
960
Proben, unter Leitung des Herrn MD. Tmtkert ganz vor-
züglich gelungen zwei Mal mit lebhafter Theilnabme ge-
geben. Herr Martin ger beschloss mit de» Robert, zu
weicher Rolle seine Stimme, Darstelluugsweise nnd Ge-
stall besonders geeignet ist, seine Gastspiele mit dem
günstigsten Erfolge. Man hofft auf dessen bleibende An-
stellung om so mehr, als die Unterbandinngen mit Tichafi-
scheek ohne Erfolg geblieben sind. Aneh das Engagement
des so vorzüglichen Singers Pischek ist unterblieben,
dagegen wird noch ein dritter Bassist, Herr Krause, aus
München erwartet, welcher eher entbehrlich erscheint,
als eine erste Sängerin und ein Heldentenor, wie wir
solchen früher so ausgezeichnet an Bader besassen. Um
auf „Robert der Teufel" zurückzukommen, so erregte es
Anfangs Verwunderung, dass Mad. Schröder- Deorient
die hoch liegende Gesangparlie und die ihrer Persönlich-
keit jetzt weniger zusagende Rolle der jugendlichen Alice
übernehmen wollte; indess hatte der anwesende Com-
ponist manche Stelle der Sängerin aecommodirt, und
in der Scene des dritten Acts mit Bertram, den Herr
Bbtticher eben so vorzüglich singt, als mit dämonischer
Ironie treffend darstellt, wie im fünften Act, riss die
Künstlerin durch Mimik und Plastik ihrer trefflichen Dar-
stellung zu allgemeinem Enthusiasmus hin. Dem. Tuc-
steck dagegen excellirte im kunstfertigen Gesänge als
Prinzessin Isabelle. Am Meisten effecluirte ihre Gavatine:
„Gnade, Gnade I«** im vierten Act, nach welchem Dem.
Tucxeck und Herr Härtinger gerufen wurden. Auch
Raimbaut wurde von Herrn Manthts künstlerisch schön
S)sungen, besonders das Duett mit Bertram im dritten
ct. Für den beschränkten Bühnenraum im Schauspiel-
hause war eine neue Decoration zu der infernalischen
Geisterscene des dritten Acts angefertigt, welche durch
die Beleuchtung ungemein effectuirte. So gewährte die
vielbesprochene, stets mit Vergnügen wieder'gehörte Oper
neuen Reiz, der sich seit 1832 für dieselbe hier in stets
gleich hohem Grade erhalten hat. Mad. Schröder -De-
vrient hat noch die Agathe im „Freischütz," besonders
in der grossen Arie des zweiten Acts, durch innigen Aus-
druck einnehmend, eben so wahr und ergreifend (jedoch
weniger allgemein ansprechend) die träumerische Senta
in Ä. fVagner's „Fliegendem Holländer' * zwei Mal ge-
Etben. Am 1. d. M. wiederholte die noch den März über
er verweilende Sängerin den Romeo, eine ihrer vor-
züglichsten Kunstleistungen , mit lebhafter Theilnahme.
Heute wiederholt dieselbe die Gastrolle der Leonore in
Fidelio. — Die italienische Oper der Königsstädtischen
Bühne wurde durch Moriants Gastspiele neu belebt. Am
Meisten gefiel der gefühlvolle Sänger als Edgardo in
der „Lucia di Lammermoor," mit welcher Rolle er seine
Gastrollen schloss, nachdem er noch den Pollione in
„Norma" und den Arturo in den „Puritanern" gesun-
gen hatte. Signora2fejM/?fii, eine frische, jugendliche Mez-
zosopran-Sängerin, bat, ausser dem Orsini in der „Lu-
erezia Borgia," auch den Romeo (weniger genügend) und
die Rosina im „Barbiere di Siviglia" mit Beifall gesun-
gen. — Liest wird in diesen Tagen hier erwartet; wie
es heisst, zum Stiftungsfeste der Männergesang-Academie.
GMD. Meyerbeer j welcher sieh von der Opernverwal-
img für jetzt zurückgezogen hält, soll mit der Compo-
sition eines Festspiels znr Eröffnung den Mm Opern-
hauses beauftragt nein. — Im recitirenden Drama gewäh-
ren Dörings Gastrollen einen höchst anziehenden Ge-
nuas. — Das Schwesternpaar Therese und Marie Mtla-
malle sind hier angekommen und geben beute ihr erstes
Concert im Saale der Singaeademie zu resp. 2 Thlr. (für
Bumerirte Sitze) und i Tblr. Entree» — Gestern wurde
zu dem neu in Scene gesetzten Singspiel: „Mary, Max
nnd Michel'* von Carl Blum, ein neues Ballet von Tag-
lieui: „Die Liebes -Insel mit Musik t von «6«&rtcA zum
ersten Male gegeben, worüber das Nähere im Märzbericht.
Prag. Zwei Benefiziea brachten ans zwei neue Opern,
eine deutsehe nnd eine franzosische. Wir sahen nämlich
zum Vortheile der Dem. Grosser zum ersten Male: „Der
Wildschütz, oder die Stimme der Natur, " komische Oper
in drei Acten nach Retxebue frei bearbeitet, Musik von
Albert Lorleing, und zum Vortheile der Dem. Röcker t:
„Des Teufels Antheil," komische Oper in drei Acten
nach dem Französischen des Scribe, Musik von Auber.
Beide Opern geboren nach der technischen Sprache des
Theaters unter die Spielopern, kein Wunder, wenn sie
hier keine genügende Darstellung finden konnten. Wenn
in der Oper nur gesungen werden soll, ao haben wir
jetzt einige Stimmen, die man gern hört; wenn es aber
darauf ankommt, Charactere durchzuführen, piquante und
komische Momente und Situationen zu motiviren und dar-
zustellen — da haben wir fast gar kein Personale, und
wenn auch weder der „Wildschütz/ 4 noch des „Teu-
fels Antheil** als Musteropern ihrer Gattung aufgestellt
werden können, so ist doch die geringe Theilnahme, die
sie erregten, grösstentheils Schuld der Darsteller. Lert-
*ing hat in seinen „Beiden Schützen, 4 ' noch mehr im
„Czaar und Zimmermann, 44 bewiesen, mit welchem Ge-
schick er weniger bekannte Lustspielsloffe für die komi-
sche Oper zu benutzen weiss ; wir haben ihn aber schon
beim „Hans Sachs 44 darauf aufmerksam gemacht, wie
schwierig diese Procedur durch den Umstand werde, dass
der Stoff allgemein bekannt und gleichsam in Blut und
Leben des Publicums übergegangen sei. Dieser Umstand
tritt bei dem älteren Theile der Zuschauer aneh am Reb-
bock ein, und in Bezug auf das jugendliche Publicum hat
sich Lortxing eines Fehlers schuldig gemacht, den wir
dem bübneukundigen Kenner des Publicums nicht zuge-
traut hätten. Wenn nämlich ein Luslspielstoff für eine
Oper benutzt werden soll, so mnss notbwendig die Intri-
gue vereinfacht werden, um der Musik den gehörigen
Raum zu ihrer Entfaltung darzubieten. Im Gegentheile
bat Herr Lartsing dem „Rebbock" noch neue Motive
hinzugefügt: die Gräcomanie der Gräfin und den Welt-
schmerz des Barons. Das erste Motiv dürfte vielleicht jetzt,
in der Saison des Sephocles, in einem Lustspiele, wo
man es mit geistreicher Ironie durchführen könnte, wirk-
sam sein, der letztere ist — man darf nioht sagen Ro-
coco, weil diese Mode zwar in den letzten Zügen liegt,
aber noch nicht todt ist, — doch hors de smson, oder
besser zu sagen : mmteais genre, und seine Einführung
ist auf jeden Fall verfehlt, selbst im Lustspiel, wo diese
Art von Gestalten, wenn auch selten, doch aber hie und
261
1844. April. No. 15.
202
da «inen Darsteller findet. Die BiUardseene <4ie selbst
Rotzebue hinter eine Seitenthore verlegte) ist wirksam,
aber ao indecent, daaa sie ihr Exequatur wohl nur dem
Mangel an Phantasie des Censors verdankt« Dass der
Dichter der Oper dem Grafen und Baron sehon im ersten
Acte die Bekanntschaft des falschen Gretehens verschaffte,
nährte auch dem Compositenr ein volktimmiges Finale,
i ist nicht zu läugnen, dass dieser Umstand die Spitze
aller Situationen des zweiten abstumpft nnd das Inter-
esse des Ganzen wesentlich schmälert. Die Mnsik ist
eben kein ausserordentliches Werk, ja sie bleibt im Ge-
sammteindrnck selbst weit hinter dem „Gzaar und Zim-
mermann" zurück, doch ist sie, von „Hans Sachs" an
geztbh, wieder ein Vwwfcrit* «nd enthält manche ge-
lungene, ebaracteristisebe nnd mit frischem ffamor aus-
gestattete Nummer. Die Ouvertüre ist sehr schwach, da-
gegen die Introdnction voll munterer Laune, nnd das
ABC -Duett wurde wirksamer sein, wenn es weniger
in die Lange gezogen wäre. Sowohl die Sortita der Ba-
ronin, als das Lob des Landlebens sind frisch k und melo-
diös» Im zweiten und dritten Acte finden wir mehre»
interessante Piecen, leider aber auch manche, welche den
günstigen Effeet wieder zerstören, den jene hervorbrach-
ten. Ein wahres „Ende gut Alles gut!" bildet das hu-
moristische Pinale mit dem deutungsvollen Refrain:
Es hat mich nicht getäuscht
Die Summ« der Natur»
welches beinahe an das:
Ja, ieh hin klug «*d weise
Und mich betrögt mao eicht.
des „Czaar und Zimmermann " erinnert. Was die Dar-
steUung betrifft, war der Schulmeister — eigentlich die
Hauptperson der Oper — Herrn Brat* zu gefallen, der
eine recht gesunde kräftige Stimme, doch keineswegs
jene brillante vis comica besitzt, anf welche Lortzmg
bei seinem Bacillus Ansprach macht. Herrn Htm* (Grit)
war ein für ihn unauflösliches Problem angefallen, einen
aimable Rone darzustellen. Auch die Gräfin (Mad. Pod-
horsky)) welche gar nichts zu singen hat (?}, schien sich
nicht in ihre Aufgabe gefunden in haben 9 nnd Herr
Damke (Baron) Hess nns eben so wenig von den Gefüh-
len seines zärtlichen Jkrseun, ab vra seinem überflussi-
Kn Weltschmerz merken. Dem. Grosser (Baronin) und
»m. &mqpr (NaaeMn) zagen äcm caemlich gmt ms der
Afiaire, nnd 4ie einzige der mitwirkenden Personen, de-
ren Leistung man als genügend erkennen muss, war Dem.
Ksobett ab Greftomtn. iDie Rqrise, jenm VnrtheBe des
Herrn Franz Brava aufgeführt, neigte ein leeres Haus,
dagegen schien die dritte Produktion an grösseres Inter-
esse im Publicum zu erregen. — Wir wollen flehen*
wie es weiter geht.
„Des Teufels Antheil" möchten wir unter Scribe's
geistreichste Arbeiten zahlen, doch ist das Ganze für eine
Oper wohl etwa! zu cemplicirt, was vielleicht in Frank-
reich minder schwer in's Gewicht fällt; in ganz Deutsch-
land hätte der Stoff, eis ktrigmeafatfajiel bebandelt, wo
es möglich nnd leicht gewesen wÄre, alle Fäden dieses
weitläufigen Gewebes deutlich und klar anszuspinnen,
wahrscheinlich mehr Effect gemacht, und man würde auch
diesem, wie der Oper, die mancherlei Unwahrscheinlich-
keiten gerne verziehen haben. Der Compositenr hat, trotz
einigen recht interessanten Nummern, leider wieder ge-
zeigt, dass er auf dem Bäckwege begriffen sei. Schon
die Ouvertüre ist nichtssagend, und der ganze erste Act
hat, was durch die Exposition der überreichen Handlung
bedingt wird, nnr eine Nummer von musikalischer Be-
deutendbeil, das Wiegenlied von Carlo Broschi's Mutter,
das, höchst melodiös, sich auf geistreiche Weise wie ein
goldener Faden durch die ganze Oper hinschlingt; ein
Stückchen Jagdchor, das sich Carlas Gesänge anfügt,
wird — sonderbar genug — hinter der Scene gesungen.
Der zweite nnd in musikalischer Hinsicht beste Act
bringt zuvörderst Carlo's munteres Liedeben (das, zur
Wiederholung verlangt, ein komisches Qtä pro quo er-
zeugte). Auch das Quartett ohne Begleitung zwischen Kaw
nig und Königin, Carlo und Casilde, und da* lebendige
Duett vxm Babel mit Casilde sind recht gelungene Mu-
sikstücke, vorzüglich aber ertheilt das trefflich gearbeitete
Finale diesem Acte ein bedeutendes Interesse. Wieder
ärmer in Quantität und Qualität der Musiknummern ist
der dritte Act, worin abermals das Finale, ohne jenem
des zweiten gleich zu kommen, doch den Glanzpunct
bildet. Das letzte Duett zwischen Bafael und Casilde ist
von Scrit* höchst geistreich und humoristisch angelegt,
doch folgte der Compositeur der Intention des Dichters
nnr mit schwachem Erfolge, und so ist dasselbe mehr
eine Aufgabe für die Schauspiele*, als für die Säuger ge-
worden« Bei der Prager JÜjiTuhruug trat der Mangel an
darstelesMkn Talenten dem Erfolge «mit Aoppefter Schwie-
rigkeit entgegen. König und Königin sind ein Paar schwere,
höchst undankbare Rollen, die noch dazu wenig zu sin-
gen haben, mal weder Benr Strabfy neck 1U. Podr
horsky standen hier an ihrem Platze. Auch Rafael for-
dert hier mehr mimisches Talent und Jinmor, als Hen
Damke entfaltete. Am Besten hidten «eh Dem. Senger
(Casilde) und Herr Preisinger (Gü Vergas). Die Benefi-
ziantin (Carlo Broschi) entfaltete ein recht lebendiges,
doch für diesen geistreichen Abefttfaanrerftu wenig genia-
les Spiel, ui wwm sie gleich In der eehr dankbareu Bolle
viel Beifall, Hervorrnf nnd Repetition erntete, so war
doch bei ibr, wie bei Alien, der Fall, dass Spiel und
Gesang einander wechselweise verdunkelten -und der Er-
folg ein sehr zweifelhafter war*
{ 8 sieht«*.* frigt.)
Feuilleton.
Die „Frösche*' des Arutophane* sind ann aooä öffentlich in
ConcertgaaJe des Schanaj aelbauaes so Berlin mit iL £ton*w'« Mu-
sik aüfgeffibrt worifteut tbe Stück selbst ward« you August Ko-
pisch vorgetragen. Der Erfolg acheint zweifelhaft gewesen z*
sein. — Der lanposist erhielt jedoch «ben m was der Varleaer
nftnag wai Frenaeea «m» sjeldaoe Base.
Moriani oad die ihn begleitende Sign. Rotetti laben io Ham-
burg eine Reihe von Gastrolleo mit glänzendem neffalle gegeben.
fftaeefcf Opswi „Re Sirene/' Bach ron Scrib* , ist
am 26. Mars in Paris mit vielem Beifall zum ersten Male aufge-
führt worden.
1844. April. No. 15.
964
Prtu Küster - SekUgei ist als Prima Donna am Breslaus*
Theater aa der Stelle der abgegangenen Fraa Palm- Spatzer an-
gestellt worden.
la Frnokfurt um Mala hat der Besshaffe Herr Hassel dea
Bartele in Rossini** Barbier von Sevilla neulich zun hundertsten
Male gegeben.
Ebendaselbst wurde CherubinCs Medea nach langer Panse wie-
der einmal aaf die Bnhoe gebracht. Franl. Reuter sang die Me-
dea; die übrigen Hauptrollen worden von Fraul. Capitata und den
Herren Püekek, Chrudstnsky, Cmradi treffitea gajtbea. Der Ein-
druck, dea die meisterhafte Musik aaf den gebildeteren Theil dea
Publieums hervorbrachte, war tief und gewaltig.
In Felge des von Liszt für das Naumann'* -Denkmal gegebe-
nen Gencertes wird der Bau dieses Denkmals, su dem bereits vor
Jahren der Grandstein gelegt wurde, im Monat April begonnen
werden. Bekanntlich wird et in Nmmumn's Geburtsorte, dem
Dorfe Blasewitz bei Dresden, errichtet und besteht aas eiaer Ca-
pelle und einem Schalgebäude für die Blssewitzer Dorfjagend.
Ankündigungen»
Im Verlage der Unterzeichneten wird die neae drei-
actige Oper:
Me Sirene
von
Anber
im vollständigen Ciavierauszuge und den üblichen Arran-
gements erscheinen.
Lemma;, 10. April 1844.
Brefttltopf * Hftrtel.
In nnserem Verlage erschien so eben :
€hrande Fantaisie
pour le Piano
sv aa nstif de Linda di Ctomoonii
oompoale par
Henri Herz.
Op. 138. Preis 1 Tblr.
Fantalale brillante
pour le Piano
aar la Bonalice Le II de la Vierge
coraposle par
WrSd. Mlaihbrenner.
Op. 170. Preis 1 Thlr.
Mose
Oratorinm ans der heiliges Schrift
TOB
Adolph Bernhard Marx.
Ciavierauszug Preis 7 Thlr. — Ngr.
Chorstimmen - 3 - 10 -
Leipzig, 10. AprU 1844.
sstreltkopf * H&rteL
Ina Verlage tob Fr. WKohmmtm4+W ia Leipzig erseheint:
Handbuch der musikalischen Literater, oder allgemeines,
tisch geordnetes Verzeichniss aedruekter Musikalien, auen
kalischer Schriften und Abbildungen seit Anzeige der Verleger
und Preise. Dritte, bis zun Anlange des Jahres 1844 er-
gänzte Anlage.
Das Werk zerfallt in drei Abtkeilungea, «ad werden Bestel-
lungen sowohl aufs Ganze als auch auf jede Abtheilung einzeln an-
genommen. Nämlich 1) Pianofortemusik in tt Heften. 8) Instru-
mentalmusik (mit Ausnahme der Pianofortemusik) in 9 Heften.
5) Gesangmusik in 5 Heften.
Monatlieh wird ein Heft you 8 Bogen (in hoeh Quart) ans-
per Heft SO Ngr. , auf Schreibpapier 1 Thlr.
Drei Hefte (Pianeforte mit Begleitung zu 4 Händen und So-
gegeben. Preis per Heft SO Ngr. , auf Schreibpapier
' meforte mit Begleitung zu 4 Hin«
Iostücke für das Pianoforle A — K enthaltend) sind bereits erschienen
In der T. Trmiatwe ansehen Buch- und Musikalienhand-
lung (J. Guttentmg) ist erschienen t
Grell. A. E«, Op. 19. „Der Herr ist mein Hirte" für 8 Solo-
und 4 Chorstimmen mit Begleitung der, Orgel. Part. SS| Sgr.,
jede einzelne Chorstimme 2 Sgr.
Op. 99. Zwei Motetten für 8 Singstimmen. No. 1. „Herr
lehre mieh sann auch deinem Wohlgefallen/« Preis lH* Sgr.
No. S. „ Lasset uns unter einander liebem." Preis SO Sgr«
Vetmer, JoaV, Op. 14. „Mein Element" (dem Herrn Ed.
Mantins gewidmet) f. eine Singst, mit Begl. des Pfte. Pr. 10 Sgr.
Siewert, H», Sieben Gedichte von Rücken etc. Pr. 19£ Sgr.
Tenguiiyel, Fml». ▼., Op. 15. Diebstahl. Pr. 8 Sgr.
Op. 14. Treue Liebe. Pr. 6 Sgr.
Wlepreeht, W., Polonaise für Pfte. seit Gesang. Pr. tf Sgr.
Bei C» F. Recht in Berlin ist so eben erschienen und
in allen Musikalien - und Buchhand lu ngen zu haben:
Mßie Kunst,
in einer Stunde
auf dem Accordion
oder der Zieh -Harmonika
ohne Lehrer und ohne Notenkenntniss ein Stftck
spielen zu lernen.
IkTetsst einem Anhansre
von 50 leichten und bekannten Musikstücken, als: Cho-
rälen, IVeihnachts-, Schul-, Jugend-, Soldaten-, Ge-
sellschaft*- und Volksliedern, und aller Arten
Tan** und Märsche.
Par das Accordion eingerichtet und herausgegeben
ron
M , , , Friedrich Mutiger,
Musiklehrer, erster theoretisch - praktischer Lehrer des Accordioos.
Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.
Geheftet. Preis 15 Sgr. oder y 9 Thlr.
Drnck and Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig and anter deren Verantwa^chlEwl'.
265
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG-
Den 47 ten April,
M 16.
1844.
InlMltt Recensionen. — Nachrichten: Ans Prag. (Bescbluss.) Aus Cölo. — Feuilleton. — Ankündigungen.
R
ECEKSIONEN.
Nabucodonosor (Nebucadnezar), lyrische Tragödie in vier
Acten, gedichtet voo Temistocle Solera, übersetzt von
J5T. Proch, Musik von Gius* Verdi. Vollständiger
Clavier-Auszug mit deutschem und italienischem Texte.
Wien, bei A. Diabelli u. Comp. Preis 12 Fi. C.-M.
Eine Lanze zu brechen für die Zulässigkeit oder die
dramatische Wirkung dieses grandiosen Stoffes, entnom-
men aus dem altehrwürdigen Weltbuche, der Bibel, ist
nicht unser Beruf. So viel aber sei zu sagen vergönnt,
dass in dieser lyrischen Tragödie Momente erscheinen,
die, um einige analoge Beziehung in Rücksicht des Stof-
fes zu erwähnen, den ergreifendsten Scenen in Mehui'g
Joseph und Rossini's Moses an die Seite zu slelleo sind. —
Was aber die Compositum des uns zum ersten Male nahe
tretenden Maestro Verdi betrifft, so stehen wir nicht an,
sie zu den hervorragendsten dramatischen Compositionen
der «eueren Italiener zu zählen.
Die Ouvertüre soll uns nicht aufhalten, obgleich
auch in ihr ein gewisser kräftiger Nerv zu erkennen
ist. Die Introduction (Ailegro ntosso, Emoll) beginnt
mit wenigen , aber kräftigen Tacten des Orchesters , in
scharf einschneidenden Modulationen , worauf alsbald ein
kurzer, sehr aufgeregter Chor der Hebräer folgt: ein
angstvoller Aufschrei zum Bimmel, drohende Gefahr ab-
zuwenden. Die Priester vereinigen sich nun in einem
Unisono von Bassstimmen zu einem innigen Gebete, das
bittend und sanft in Gdur anhebt, dann aber immer leb-
hafter and zugleich vertrauensvoller zu einem höchst be-
geisterten Aufschwünge sich steigert, wirksam nach Edur
modulirend. Mit dem Eintritte dieser Tonart beginnt nun,
in trefflichem Gegensatze zu dem Unisono der Männer-
stimmen, ein dreistimmiger Gesang der Jungfrauen und
Rinder, den wir als ganz vorzüglich bezeichnen müssen«
Die Melodie ist höchst einfach, und bewegt sich nur in
kleinen Intervallen, wird aber vou wahrhaft edler, er-
greifender Harmonie getragen. Die Begleitung erscheint
nach dem Clavierauszuge reich instrumenta, wobei die
Harfe ganz eigentümlich hervortreten wird. Der nun
folgende Eintritt des vollen Chores, der die Idee des
Frauenchores aufnimmt, geschieht fprtissimo und mit im-
posanter Kraft der Orchesterbegleitung. Geaen den Schluss
verstärkt sich die Wirknng durch einige kraftvoll gastei-
46. Jahrgang.
Bsrle, für die massenhafte Ausführung trefflich berechnete
armonieen, und so muss unbezweifeit diese energische,
wahrhaft würdig gehaltene Introduction einen ausgezeich-
neten Eindruck machen uad Interesse für das ganze Werk
erregen. — Nun tritt der Prophet Zacharias mit einer
grossen Arie auf, in welcher er den Hebräern Mulh ein-
spricht. Da es nicht eben oft geschieht, dass Propheten
auf der Bühne singend eingeführt werden, und der Meyer-
beer 'sehe noch immer schweigt, so muss man es dem
Componisten ' schon gestatten, seinen Prototyp sich selbst
zu schaffen, and wir sagen nur, dass diese grosse Sceae
nnd Arie nicht ohne Würde ist und von den Sängern
gewiss für höchst dankbar erklärt werden wird. Im Ver-
laufe des Ganzen machen sich freilich sehr moderne For-
men und Gedanken bemerklich ; doch muss man geste-
ben, dass diese unleugbar sehr effectvoUe Arie, vorzüg-
lich bei Hinzutritt des Chores, eine edle, würdevolle
Hallung behauptet.
In der folgenden Soene, die durch das Erscheinen
der weit- und bibelberühmten Abigail vorzüglich belebt
wird, entwickelt der Cooiponist ein sehr bedeutendes
Talent durch ergreifende Schilderungen verschiedenarti-
ger Leidenschaften. Abigail kündigt sich höchst imposant
und dramatisch wirkungsvoll an, indem sie sich, räche*
gtfhend nnd von letdeusebaftfieher Eifersucht angeregt,
zwischen Ismael und Fenena wirft, die sich eben ewige
Treue schwuren. Ein sehr zusammengedrängtes, und des-
halb desto eindringender wirkendes Terzett beschließt
diese Soene, worin Abigail prädominirt, deren Partie übri-
gens für einen sehr bedeutenden Umfang der Stimme be-
rechnet ist.
Ein sehr aufgeregter Cbnr, den immer neue Massen
verstärken, kündigt den geförchtelen Eintritt des Neb»»
cadnezar in den Tempel an. Idee, Form and Führung
dieses ausgezeichneten Chores sprechen eben so günstig
Cur das Streben des Componisten nach Characteristik,
wie für sein eigentümliches Talent, seine Ideen jklar
und wirksam, ohne Herbeiziehung gewaltsamer Mittel
auszudrücken. — Jeder neue Eintritt der verschiedenen
Chorabtheilungen steigert den Eindruck des Ganzen, nnd
die feurig -belebte Begleitung des Orchesters verleiht, wie
die angemessene, kräftige Harmonie, der ganzen Scene
etwas ungemein Aufregendes und wahrhaft Dramatisches <
Während eines kurzen , energischen Marsches fitU*
sich der Tempel mit babylonischen Kriegern, und tfebnJ
16
267
1844. April. No. 16.
268
cadnezar selbst tritt ein. Es folgt nun ein ausführlicher,
wirklich grossartig angelegter Ensemblesatz (Hdur, %),
in welchem Verdi vollgültiges Zeugniss giebt von seinem
in der That bedeutenden Talente. Dieses Musikstück darf
sich den besten ähnlichen Ensemblesätzen, ,wie wir na-
mentlich Rossini einige eminente verdanken, an die Seite
stellen; ja es dürften ihn wohl selbst mehrere andere
Operncelebritäten ohne Widerstreben adoptiren. Vorteil-
hafte Gruppirung der Singstimmen» effectvolle, oft wahr-
haft kühne Harmonieen, feste Hand in der Bewältigung
der Massen, — kurz. Alles vereiuigt sich, um dies En-
sembleslück nicht allein zu einem wahren Glanzpuncte
der Oper zu machen» sondern auch überhaupt in die
Reihe vorzüglicher Musikstücke zu stellen» und wir sind
überzeugt, dass es bei guter Ausführung von hinreissen-
der Wirkung sein muss. Referent hofft, diese Lobsprüche
von der Bühne herab gerechtfertigt zu sehen. Es sei je-
doch bemerkt, dass wir zunächst von dem Andante in
Hdur sprechen; das folgende Allegro ist, trotz mancher
einzelnen treulichen Züge, dennoch nicht geeignet, den
guten Eindruck des Vorhergehenden zu befestigen, noch
weniger zu steigern. Effect wird es indess gewiss ma-
chen, doch mehr einen rauschenden, als tiefen.
Der zweite Act beginnt mit einer grossen Scene und
Arie der Abigail, später von dem Chore der Priester des
Belus begleitet. Auch diese Scene kann man gelungen
nennen ; sie hat Nerv und Feuer, wenn auch nicht eben
hervorragende Eigentümlichkeit. — Nach einer sehr
sangbaren Preghiera des Zacbarias folgt ein originell ge-
dachtes Musikstück, nämlich ein Chor der Leviten, die
Ismael, der seinen Treubruch entschuldigen will, mit
Vorwürfen überhäufen. Der Chor ist durchgängig im Uni-
sono für Bassstimmen geschrieben ; Ismael's bittende, zu-
letzt fast verzweifelnde Accente dazwischen regen die
Leidenschaftlichkeit des Chores nur noch mehr auf: eine
Scene von eigentümlicher, wahrhaft theatralischer Wir-
kung.
Nun nimmt zunächst ein höchst glücklich construir-
ter vierstimmiger Canon das Interesse in Anspruch.
Seine Zusammensetzung ist so vorteilhaft, dass die ein-
zelnen Theile allen vier Stimmen (zwei Soprane, Tenor
und Bass) gleich zusagend erscheinen. Jeder Eintritt des
ersten Motivs wird auf andere, immer passende und wirk-
sam gesteigerte Weise begleitet. Nach consequenter Durch-
führung treten bei der Cadenz der letzten Abtheilung die
übrigen Solostimmen, wie der ganze Chor mit dem uni-
sono und fortissimo ausgesprochenen Canon hinzu , «was
in der That von höchst ergreifender Wirkung sein muss,
da der musikalische Gedanke des Canons an sich sehr
einfach und also dem Unisono vorzüglich günstig ist.
Von hier bis zum Scbluss bildet der Satz sich fast zum
Doppelcbor aus, der mit einer lang ausgebaltenen Fer-
mate auf der Tonica höchst energisch scbliesst.
Nach einigen minder bedeutenden Nummern tritt ein
grandioses, sehr ausgeführtes Duett zwischen Abigail und
Nebucadnezar um so bedeutsamer hervor. Die wechseln-
den Gefühle, welche durch die ungemein spannende Si-
tuation herbeigeführt werden, sind fast durchgängig mit
S istiger Kraft auf glücklich bezeichnende Weise in der
«posilion ausgedrückt, und, was wir besonders her-
vorheben müssen, fast ganz ohne jene lästigen, gewöhn-
lichen Tiraden eines modernen Bravourduetts. Mit die-
sem heroischen, declamatorisch ausgezeichnet behandel-
ten Duett scbliesst der zweite Act so effeetvoll , dass
man ein eigentliches Finale kaum vermissen wird. Aus
dem folgenden Chor der Israeliten (No. 12) tönt ein mil-
der Zug der Sehnsucht nach der Heimalh. Er ist, etwas
auffallend, in Fisdur geschrieben, und beginnt, bei ge-
dämpften Stimmen, mit einem Unisono, das der Compo-
nist überhaupt sehr zu lieben scheint ; doch möchten wir
ihm dabei wohl das: nequidnimü! zu bedenken geben.
Indess muss man gesteben, dass alsdann der polyphoni-
sche Eintritt des vollen Chores an rechter Stelle, durch
den Sinn der Worte vollständig motivirt, von doppelt
schöner Wirkung ist. Im dritten Finale hat Nebucadne-
zar noch eine weit und breit ausgeführte Scene und Arie
mit Chor. Es werden hier grosse und hohe Ansprüche
an den Sänger gemacht; werden sie aber erfüllt, so ist
der Erfolg gewiss nicht zweifelhaft. Im Laufe dieser Oper
hat der Componist meist glücklich die Klippe der Remi-
niscenz umschifft (die unvermeidlichen, conventioneilen
Phrasen ausgenommen) ; in dieser Nummer hat er es in-
dess nicht verschmäht, seinem fruchtbaren Landsmanne
Donizetti sein Compliment zu machen; namentlich ge-
schieht dies ohrenfällig in dem Allegro (Asdur), dessen
Zuschnitt und Motiv Diesem unleugbar angeboren.
Wir durften nach dem vielen wirklich Schönen und
Characteristischen in dieser Oper annehmen, dass der
Componist dem Ausdrucke der so bedeutungsvollen reli-
giösen Sinnesänderung Nebucadnezar's auch bedeutungs-
volle, angemessene Töne verleiben würde, müssen aber
gesteben, dass sie sich nicht über das Alltägliche erhe-
ben. Ein gleich darauffolgender Chor hingegen bat Schwung
und Cbaracter. Auch Abigail kommt zur bessern Ein-
sicht, fleht mit schmerzvollen Accenten zur Gottheit:
„non maledire a me!" — und stirbt. „Cadde!" ruft
der bestürzte Chor, und Zacharias scbliesst allein die
Oper mit dem Ausrufe: ,,Servendo a Jehova sarai de*
regi il R6! 4< Dieser einfache, ungewöhnliche Schluss
wird gewiss, von passender Gruppirung gehoben, von
grosser dramatischer Wirkung sein ! — Auf den italie-
nischen Bühnen macht das Werk bereits die Runde, und
wie es scheint, mit bestem Success. Erwarten wir nun,
ob es auch die Feuerprobe der deutschen Opernbühnen
besteben wird ! — Die Einrichtung des Ciavierauszuges
müssen wir im Ganzen als zweckmässig rühmen; die
Uebersetzung ist oft sehr frei, ist aber dem Gesänge
meist günstig. Durch den oft höchst splendiden, oder
richtiger: sehr weitläufigen Druck ist der Preis, wohl
zum Nachtbeile des Werkes, nnverbältnissmässig gestei-
gert worden — eine Erscheinung, der wir in neuerer
Zeit häufig begegnen, die aber gewiss keine erfreuliche
genannt werden kann.
Vier Gesänge für vierstimmigen Männerchor, componirt
von Carl Lührss. Op. 5. Partitur und Stimmen. Ber-
lin, bei Schlesinger. Preis 1 Thlr.
Diese vier Gesänge haben folgende Ueberschriften :
„Protest," „Rheinweinlied/« „Reiterlied," „Leicht Ge-
289
1844. April. No. 16.
870
pick"; so viel wir wissen, sind sie sämmtlich von Her-
wert gedichtet. Dasa der Name des Dichters überall
nicht genannt ist , finden wir etwas auffallend , können
aber diese Unterlassung, wenn sie auch vielleicht durch
örtliche Rücksichten motivirt werden sollte, keinesweges
billigen. — Was nun die Composition dieser Gedichte
betrifft, die sämmtlich etwas excentrischer Natur sind,
so ist nicht zn leugnen, dass die Auffassung im Allge-
meinen von Talent zeugt, und dass eine gewisse Fri-
sche, ein jugendlich- kräftiges Streben, das zuweilen an
rechter Stelle selbst znr Keckheit wird, iu jedem der
einzelnen Gesänge sich mehr oder minder geltend ma-
chen. So ist der „Protest" in der That recht glücklich
angelegt, und nur in Bezug anf consequenle Durchfüh-
rung vermisst man feste Hand; auch könnte die Decla-
mation hier und da wohl noch bezeichnender sein, z. B.
bei der Stelle: „So sing' doch ich, ihr Herren; nein!"
u. s. w., wo überhaupt für die zweckmässigem Gruppi-
rung der Perioden noch Manches hätte geschehen kön-
nen. Hingegen müssen wir die unmittelbar darauf fol-
gende Stelle: „Der deutsche Rhein kann freier sein,*'
wobei die ungezwungene Benutzung der eilharmonischen
Verwechselung, namentlich bei ihrer Zurückfährung, recht
bezeichnend erscheint, als wahrhaft gelungen anerken-
ne o. — Wenn wir uns übrigens recht erinnern, so sagt
die Dichtung ursprünglich : „Der deutsche Rhein könnt'
freier sein," was offenbar treffender die ironische Fär-
bung bezeichnet, die dem Dichter vorschwebte ; die kleine
Härte des apostrophirlen Wortes kommt dabei kaum in
Betracht.
Das kecke Reiterlied: „Die bange Nacht ist nun
herum " enthält in engem Räume einen so gedrängten,
Sedankenschweren Stoff, so entschiedene Gegensätze,
ass es wohl auch grösseren, geübteren Componisten als
schwierige Aufgabe erscheinen dürfte, das Ganze, mit Be-
rücksichtigung des heterogenen Ideenganges, in eine com-
£acte, und zugleich ansprechende Form zu bringen. So
önnen wir denn auch mit dem besten Willen in der
vorliegenden Composition nur einzelne Züge als treffend
bezeichnen. Bei der Gesammtauffassung hat dem Compo-
nisten unleugbar ein dem Ganzen analoger Typus vorge-
schwebt, aber die Mittelglieder wollen sich dem Ganzen
nicht fügen, das nun etwas Schwankendes, Zerfressendes
erhält, was denn auch die Totalwirkung beeinträchtigt.
Von nicht gewöhnlichem Talent zeugt übrigens die Com-
position dieses energischen, phantastischen Reiterliedes
unverkennbar, und einige harmonische Wendungen kön-
nen wir als ganz ausgezeichnet hervorbeben.
Des schwunghaften Rheinweinliedes : „Wo solch ein
Feuer noch gedeiht" hat sich der Componist weit siche-
rer, weit glücklicher bemächtigt ; die verschiedenen Stro*
phen fügen sich der festgehaltenen Liedform willig nnd
ohne Störung. Das Ganze ist auf eine massenhafte Aus-
führung berechnet, und wird bei einer solchen, die noch
dazn ganz ohne Schwierigkeit geschehen kann, von ener-
gischer* nachhaltiger Wirkung sein. Die Declamation ist,
trotz dem, dass sämmlliche fünf Strophen in eine Form
gebracht werden mussten, meist bezeichnend und wirk-
sam. Der fehlerhafte Accent in der vierten Strophe:
„Frisch in die Schlacht!" kann leicht durch Thesis statt
Arsis berichtigt werden. Widerstrebender erschien uns
aber die unangemessene Dehnung der männlichen Reime
in den ersten Zeilen:
Wo solch ein Feuer noch gedeih't,
Und solch ein Wein Doch Flammen spei't;
diese Dehnung würde höchstens der Ironie der dritten
Strophe zusagen. '
Das vierte Lied : „Ich bin ein freier Mann " macht
wieder ziemlich hohe Ansprüche an den Componisten,
da es sich auch hier um Mannicbfaltigkeit in der Ein-
heit handelt. Indess ist es diesmal dem Componisten weit
besser, als in dem Reiterliede, gelungen, diese Aufgabe
zu lösen. Der Grundgedanke ist entsprechend, und die
als Mittelsätze behandelten Strophen, deren Sinn aller*
dings eine besondere Behandlung bedingte, so wie die im
Laufe des Ganzen vorkommenden Nuancen und Erweite-
rungen stören die Einheit und die Haltung des Gesan-
ges durchaus nicht, sondern lassen im Gegentheil den
Hauptgedanken nur noch wirksamer hervortreten. Nur
will uns die Unisonostelle zu den Worten:
Indess aas Moder, Sturz und Wettern
Sein gold'nes Loos sieh Mancher zieht —
als blose Abfertigung bedanken, und darf wohl überhaupt
nicht als glücklicher Gedanke bezeichnet werden. Wie
nun selten ein Unglück allein erscheint, so „spielt" auch
(gleich darauf) der Componist nicht glücklich „mit den
leichten Rosenblättern" der Dichtung, und die Transpo-
sition des gar zu- bekannten Gedankens verstärkt noch
den ungünstigen Eindruck. — Die Schlussstrophe ist
durch manche geistige Zuthat belebt und überhaupt recht
günstig und ansprechend gruppirtj nur die unbequeme
Auflösung des Quintsexlenaccordes auf: „Reichtbum" hat
uns gestört. — Im Ganzen bestätigt indess auch dieses
Lied die vorteilhafte Meinung von der Befähigung des
uns bisher unbekannt gebliebenen Componisten, der dies
Werk erst als sein fünftes bezeichnet, und wir dürfen
bei fortgesetzten ernsten Studien und vermehrter Rou-
tine gewiss noch Treffliches von ihm erwarten.
I Sechs Lieder für vierstimmigen Männerchor, componirt
von Dr. Fr. Schneider. Op. 100. Partitur und Stirn*
! men. Dresden, bei W. Paul. Preis 25 Ngr.
I . Diese Lieder zeichnen sich vorzugsweise durch eine
eigentümliche, prägnante Kürze aus, die ihre Auffas-
sung ungemein erleichtert und sie ganz eigentlich zu
ächten Liedern stempelt. Sie sind sämmtlich sehr anre-
gend und belebend, wenn auch dies belebende Priucip
mehr in Bezug auf Rhythmus und Declamation, als in
schwunghaften Gedanken sich hervorthut. Das bewährt
sich fast in jedem einzelnen der secbs Lieder, vorzüg-
lich aber in dem ersten, dritten, fünften und sechsten.
Das erste Lied: „Hinaus, hinein, hindurch, hinauf!" —
erscheint in der ersten Strophe, trotz seines feurigen
Rhythmus, etwas kalt, was wohl zunächst Schuld der
Dichtung ist. Mit jeder Strophe aber wächst das Inter-
esse, nnd der Totaleindruck ist ein sehr edler, der selbst
die etwas schwülstige Diction des übrigens schön empfun-
denen Gedichts vergessen macht. Die letzte Note des
ersten Tenors im neunten Tacte soll wähl Jts statt d
971
1844. April. No, 16.
272
hassen , dar» sich ffr die OctaveflfartschreHmg mit den
ersten Basse kein Grand denken lässt.
No. 2. ,,Mag auch die Liebe weinen/* ren Krnm-
maeher. Das Gänse besteht nur aus acht, noch dazu
höchst ansprncblosen Tacten. Fehlt ihm anch nun ein
eigenthämlich ergreifender Gedanke, so atbmet das kleine
Lied doch eine gewisse Milde und Innigkeit, die bei über-
einstimmendem Vortrage gewiss recht gewinnend her-
vortreten. Der Schluss hätte vielleicht durch eine kleine
Steigerung gehoben werden können, wäre sie auch ner
in einer rhythmischen Augmentation erschienen. Der
zweistimmige Eintritt der vier Stimmen bei dem Fortis-
siao im vierten Tact ist ungenügend ; wir nehmen wohl
nicht mit Unrecht an, dass ein Unisonoeinsatz anf as ge-
meint sei.
No. 3. „Auf der Wanderung/' von Hoffmann von
Eallersleben. Die Vorzüge dieses heitern Liedes bestehen
wobl zunächst in einer anerkennenswertben Selbständig-
keit der vier Stimmen und kräftiger Declamation; der
melodische Theil ist nicht hervorstechend.
No. 4. Das bereits oft eomponirte Lied von Schmidt
von Lübeck: „Von allen Lindern in der Weh/' Wir
können hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass der
wcrthe Componist fast durchgängig Texte zu seinen Män-
nergesängen wählt, die bereits, und oft schon mehrfach,
ja zuweilen vor langer Zeit in Musik gesetzt wurden.
Wenn man im Allgemeinen anerkennen mnss, dass er
meist wertbvolle und sangbare Dichtungen aufsucht, so
lässt sich doch auch Manches gegen dies Verfahren ein-
senden. Nicht aliein, dass oft eine frühere Compositum
derselben Dichtung, stehe sie auch der neeern an Wer-
tke nach, das Recht und den Vortbeil der Erstgeburt gel-
tend macht, so dürfte es sich auch fast immer bewäh-
ren, dass man einer neuen Composition eines, nament-
lich schon oft componirten Liedes selten das volle Inter-
esse zuwendet, wenn man sie nicht gar mit einem ge-
wissen Missbehagen aufnimmt. Die vorliegende neue Com-
position dieses altern, aber kräftigen Liedes, das glück-
lich den tiefen Ernst der Gesinnung mit heiterm Humor
verbindet, dürfte kaum geeignet sein, mehrere bekannte
urid gern gesungene Melodieen desselben zu verdrängen.
Am Wenigsten glücklich scheint uns der Anfang dieser
Weise. Weder mit dem Uebergange aus dem Unisono in
den gewählten Dreiklang, noch mit der nnmotivirten Ferr
mite können wir uns befreunden. Dass der vom Com-
ponisten angenommene Rhythmus überdies für sammt-
nche Strophen den überwiegenden Aecent :
im
in der Welt
bedingt, dürfte dem Ganzen auch nicht forderlich sein.
Noch einige andere Schwächen , die sich später zeigen,
veranlassen uns, dies Lied durchaus nicht zn den bes-
seren eines Meisters zu zählen, der gerade in dieser Gat-
tung wahrhafte Musterwerke schuf.
No. 5. „Waldnacht, Jagdlust!" vonL. Tieck. Wie
natürlich und geschickt aufgefassl diese Composition anch
erscheint, dem Referenten erklingt in der Erinnerung
eine frühere Melodie von Breidenstein (ebenfalb für vier
Männerstimmen), durch welche die heutige beeinträchtigt
wird , wen gleich Referent seinen lieben Fr. Schneider
recht gut von Herrn Breidenstein zu unterscheiden vermag.
Indess wird auch die hier in Rede stehende WaM*
nacht ihre Freunde finden, da sie wirklich etwas von
Waldesdnft und Jagdlust an sich trägt und das Ganze,
ich möchte sagen: gefältig eostümirt ist.
No. 6. „Deutschland, stehe fest ! " (Der Dichter ver-
diente wohl , genannt zu werden t es ist der tretticbe
Göllling in Jena!) Auch dies kräftige Lied ist, nament-
lich durch die Turngemeinden, für die es zunächst be-
stimmt war, in ganz Deutschland verbreitet, und wird
nach verschiedenen Weisen gesungen. Das Gedicht ist
so kerngesund und nervenstärkend, dass wir die hier
gebotene neue Melodie schon deswegen willkommen beis-
sen, weil sie die köstliche Dichtung wieder in Anregung
bringt. Auch ist sie in der That geeignet, die ernsten,
inhaltschweren Worte und Gedanken in Hera und Sin»
zn prägen ; sie ist trefflich dedamirt, nnd atbmet Würde
und Kraft, welche letztere indess im dritten Tacie wehl
fast zur Härte wird. Der erste Tenor hat mit einigen
Unbequemlichkeiten zn kämpfen, weshalb es wohl rath-
sam sein dürfte, das Lied nm einen ganzen oder halben
Ton tiefer zu nehmen; es wird kaum dadurch verlie»
ren. — Wir empfehlen die Sammlung den deutschen
Mannerchören aufs Beste. AL
Nachrichten.
Prag. (Beschluss.) Herr Damke trat in der Rolle
des Gennaro zum ersten Male als neu engagirtes Mitglied
auf, und wurde eben so freundlich und beifällig begrösst,
als in seinen Gastrollen. An demselben Abende brachte
uns „Lucrezia Borgia" noch ein zweites Debüt. Näm-
lich Dem. Schwarz, deren wir in unserem letzten Be-
richt schon als einer Concertsängerin mit überraschend
schönen Stimmmitteln und gediegener Ausbildung erwähn-
ten. Dieselbe machte in der Rolle des Maffio Orsini zum
ersten Male einen Versuch in der Oper, der unter die
geglücktesten gerechnet werden muss, deren wir uns er*
tnnern. Abgerechnet, dass wir hier zum ersten Male
diese Partie in der Stimmlage singen hörten, für welche
sie geschrieben ist, und dass Dem. Schwär» dieselbe mit
acht italienischer Methode vortrug, so war ihr erster
Versuch auch in mimischer Hinsicht merkwürdig, da die
Debütantin in keinen der entgegengesetzten Fehler der
Anfänger — das zu Viel and zu Wenig — verfiel. Sie
hatte den Character richtig und treffend aufgefassl, nnd
spielte mit einer Ruhe and Sicherheit, Lebendigkeit nnd
Würde, als wäre sie schon seit Jahren anf den verhäng-
nissvollen Bretern heimisch; daher konnte ihr auch ein
glänzender Erfeig nicht fehlen. Vom zahlreich versam-
melten Publicum lebhaft begrüsst, wurde sie schon nach
der Erzählung in der Introduction , welche sie mit dra-
matischem Leben vortrug, stürmisch beklatscht, nnd sie
wnsste sich diese günstige Stimmung des Publicems nicht
nur durch die ganze Oper zu erhalten, sondern dieTbeilnahme
steigerte sich nach dem Trinkliede — von dem manschen
die Wiederholung der ersten Strophe tosend verlangte und
273
1844. April. No. 16.
274
vergessen zu haben schien, da» es eine zweite habe, — I
zum Enthusiasmus. Ucberbaupt sprach die ganze Oper so
sehr an, dass auch die beiden folgenden Prodvclionen
derselben ein ganz gleiches Resultat des Beifalls «nd Be-
suches darboten. Nachdem wir eine Oper, worin nur eine
Stimme zu hören war (Donizetti 9 * Marie), über vierzig
Mal mit Theilnahme angehört haben, so ist es wohl kein
Wander, dass es dem Publicum wob) t bat, an einem
Abende vier jugendkrSftige Stimmen (die Dem. Grosser ond
Schwärs und die Herren Runs und Damke) zn vernehmen*
Die zweite Antrittsrolle des Herrn Damke war To-
nio in „Marie, oder die Tochter des Regiments/ 4 welche
ihm aber minder, als seine früheren Partreen gelang?
auch hier, wie im „Wildschützen** und „Des Teufels
Antbeii»" fehlte die muntere Laune, welche den jungen
Gebirgsbewohner charaeterisiren soll.
Die böhmische Oper im zweiten Theater brachte;
„Der lustige Schuster oder: So zähmt man böse Wei-
ber," komisches Singspiel in zwei Aufzogen nach dem
Italienischen „Le donne cambiate" übersetzt von Joh.
Nep. Stepanek, die Musik von Paer, worin vorzüglich
Dem. Kotiert als Schusterin excellirte, und zum Vortheile
des Chorpersonals: „Der Thespisgarten oder: Ein Schelm
thut mehr als er kann , " grosses musikalisch dramati-
sches Quodlibet in zwei Abtheilungen, in welchem Mad.
Podhorsky , Herr Runs und Herr Gordigiani aus be-
sonderer Gefälligkeit mitwirkten. Herr Runs sang näm-
lich die Arie des Mabomet aus Rossini* s „Belagerung
von Corinth," Mad. Podhorsky eine Scene aus „Der
Schweizerfamilie,*' und Herr Gordigiani das Lied mit
Chor aus Federico Riceis „Prigione di Edimburgo."
Die beiden Violinvirtoosinnen Theresa und Maria
Milanollo, die wir nicht Wunderkinder nennen wollen,
weil sie von den gewöhnlichen Attributen dieser Men-
sebengattung nichts an sich haben, erfreuten sich auch
hier desselben Erfolges , der ihnen wohl nirgend fehlen
wird. Das kunstreiche Schwesterpaar ist in der That eine
so frappante als interessante Erscheinung, dass es kein
Wunder ist , wenn dasselbe einen Referenten , der nur
einigermaassen zum Enthusiasten inclinirt, zu Hyperbeln
verleitet. So kühn und phantastisch waren die Lobprei-
sungen aus Wien, dass sie beinahe Misstrauen in die
Künstlerinnen erregten und diesmal die ungewöhnliche
Folge hatten, dass ruhigere Kunstliebhaber zu viel von
Aer Summe des Lobes abzogen und daher dureh das vor-
handene Schöne auf das Angenehmste überrascht wur-
den. Auch der Referent unserer „ Bohemia" bat einige
Anlage zum Kunstentbusiasten, wo er sich von wahrhaft
Ausgezeichnetem bewegt fühlt, und nachdem er die Frage
gestellt bat, wober der ungeheuere Erfolg der beiden iun*
gen Violinspielerinnen komme? meint er endlich : „Wenn
jener Götterstrabl , mit welchem der Schöpfer einzelne
Bevorzugte, die das wahrhafte „Salz der Erde" sein sol-
len, ausstattet, jener Götterstrahl, der sich im Prisma
der Sinnenwelt gar wunderbar bricht, so dass uns seine
äussere Erscheinung als Gemilde, als Bauwerk, als Ge-
dicht, ala Tonwerk (oder dessen Aufführung) manifestirt»
wenn das Genie sich uns zeigt, so bringen wir ihm un-
willkürlich unsere Huldigung dar. Wenn wir aber jenes
Gottesbaucb in den Seelen zweier Mädchen so gewal-
tig wirken sehen, zweier Mldchen, leren eine eben
nur an der Grenze zwischen Kind und Jungfrau steht,
die andere aber entschieden noch Kind ist, wenn wir
sehen, wie sie in einem Alter, wo andere ihres Ge-
schlechtes noch mit Puppen spielen, mit Leichtigkeit
Das leisten, wonach Viele, selbst Regabte, ihr ganzes
Leben lang vergeblich ringen, so ist das geradezu über-
wältigend. 4 * Theresa und Maria Milanollo haben hier
sieben Concerte (das letzte zum Besten des Pensi-
ensinstituts für die Orchestermitglieder der ständischen
Buhne) gegeben, das erste im Saale der Sophien -Insel
und fünf Mal im Theater. Theresa eröffnete das erste
Goncert mit einem Maestoso aus dem dritten Beriof sehen
Violinconcert , worauf sie noch eine Lqfonf sehe Fanta-
sie über Motive aus der „Stummen von Portici'* und ein
„Souvenir de Bellini 4 ' von Arlot allein, und mit ihrer
Schwester Maria ein Duo concertante von Dancia vor-
trug. Maria (Schülerin ihrer Schwester Theresa, welche
auch alle ihre Leistungen überwacht und leitet) gab über*
dies Variations brillantes von Mayseder zum Besten, und
diese Nummern genügten, um das grosse, bereits glän-
zend ausgebildete Talent beider Schwestern kennen und
würdigen zu lernen. Wenn Theresa mit einer Virtuosi-
tät, die zu erringen bei manchem geschätzten Künstler *)
ein Lebensalter nicht hinreicht, eine treffliche Bogenfüh-
ruiig, Kühnheit und Sicherheit in. Läufern und Doppel-
griffen, Trillern und dem wunderbarsten Staccato eben
so viel Seele, als Gemüth und Geist vereinigt, so reisst
sie mit dem einfachen Gesang ihres Instruments eben so
zur Bewunderung als zum Mitgefühl bin. Diese Eigen-
schaften wurden in allen ihren Leistungen bemerkbar, be-
sonders aber verkündete sich in dem u4rtot*sehtn Sou-
venir und dem Vortrag des Schlummerliedes eine über-
irdisch rührende Milde und Süsse, und eine Reinheit,
wie des Tons, so wie des Gefühls. Maria 's Spiel hat
einen ganz verschiedenen Character, nicht jene senti-
mentale Vollendung, dagegen' eine überraschende Ener-
gie des Vortrags, die sich besonders in kühnen, glänzen-
den Passagen, Arpeggien, Trillern und Staccato's zu ge-
feiten scheint. Vor Allem überraschte bei der übrigens
so verschiedenen Individualität beider Schwestern das Zu-
sammenspiel in dem Duo von Dancia, das nicht vollkom-
mener gedacht werden kann. Der Componist bat darin
einige Stellen angebracht, worin die Violinen in Octa-
ven und endlich gar im Einklänge spielten. An diesen
Stellen wird nun auch das geübteste Ohr nicht im Stande
sein, an etwas Anderem, als etwa an der erhöhten Klang-
fülle zu erkennen, dass es nicht eine Violine ist, so ganz
genau trifft Intonation, Tonstärke, Strich und Vortrags-
weise zusammen. Im zweiten Concerte (um die Mittags-
stunde im Theater, welches auch der Erzherzog Stephan
besuchte) wurde die Fantasie über die „Stumme" und
das Duo von Dancia wiederholt, und das dritte brachte
nur zwei neue Nummern, nämlich .* „Maestoso" des vier-
ten Coneertes von Vieuxtemps, vorgetragen von The-
resa^ und „Adagio und Rondo'* aus dem nämlichen Con-
•) Wir enthalten aas aller Parallelen mit Paganim und aade-
ren Heroen der Violine, da Vergleiche in der Knnst nie z«
einem ächten Resultate fuhren und nur data dienen, die Le-
ser misstranisen zn machen oder irre zu leiten.
275
1844. April. No. 16.
276
eerl, gespielt Yon]MariaMilmollo. Die übrigen Coneerte
enthielten nebst mehreren Wiederholungen noch manche
erfreuliche Compositum von Beriot, May seder, Vieux-
temps und Humann, und die beiden jungen Künstlerinnen
konnten mit dem vollen Bewusstsein abreisen, dass das
musikliebende Publicum Prags sich noch keineswegs an
den Genüssen ihrer Kunst gesättigt habe, sondern ihrer
einstigen Wiederkehr mit Vergnügen entgegensehen wird.
Herr Joseph Braun (fürstl. Pürstenberg'scher Kam«
mermusikus) gab im kleinen Saale der Sopnieninsel ein
Privatconcert, welches zwar nur eine kleine Zahl von
Kunstfreunden versammelte, doch nicht von geringem Inter-
esse war. Herr Braun behandelt sein schwieriges Instru-
ment (den Fagott) mit eben so viel Virtuosität, als Ge-
schmack, und beweist schon dadurch, wie sehr er die
Grenzen und Mittel des Fagottes kennt und beherrscht,
dass er denselben so viel als möglich* in seinem eigent-
lichen Bereiche, der Tenorlage, zu erhalten strebt. Auch
die tiefen Töne sind kräftig, und Herr Braun versteht
es, die gefahrdrohende Mittellage auf gewandte Weise mit
den hoben nnd tiefen Tönen auszugleichen. Die Nummern,
welche wir von Herrn Braun hörten, waren sämmtlich
von seiner eigenen Composition, nämlich: Souvenir de
Donaueschingen, Concertino No. 1; — „Adelaide," von
L. v. Beethoven (was mir kein ganz glücklicher Ver-
such schien, obwohl der Vortrag musterhaft war, aber
der Fagott ist doch keine Menschenstimme), und endlich :
Dramatische Skizze zu einer Gantilene von Belltnt.
In diesen Tagen haben wir das erste Conservalo-
riumsconcert zu erwarten, welches dadurch ein besonde-
res Interesse erhalten dürfte, das, wie die „Bohemia"
meldet, Director Kittl von der Direction des Vereins zur
Beförderung der Tonkunst den amtlichen Auftrag erhal-
ten hat, als erste Ensemblenummer eine seiner Compo-
sitionen zur Auffuhrung zu bringen, wozu er seine Jagd-
symphonie erwählte. Das erste Concert, welches Director
Kittl im Conservatorium dirigirt, kann nicbt ehrenvoller
und sinnreicher eröffnet werden, als mit einer seiner Com-
Ctsitionen, die bereits den Kreislauf durch ganz Deutsch-
nd und bis Paris gemacht. In der That gehört Kittl
unter die seltenen Beispiele von Männern, die, ohne auf
finanzielle Rücksichten zu achten, nur den Interessen der
JKun8t leben, der sie ihr Dasein geweiht haben. Noch im
Uebergang vom Jünglinge zum Mann, wie er die juristi-
schen Studien vollendet, hatte Kittl die Wahl, als Nach-
folger seines Vaters, fürstl. Schwarzenberg'schen Ober-
amtmanns, eine einträgliche Stelle zu übernehmen, aber
der Beruf in seinem Innern liess sich durch pecuniäre
Vortheile nicht irren, er blieb ihm getreu, und während
seine Erfolge als Componist und Pianist, wie der Ruf an
eine Stelle, nach welcher so manche musikalische Nota-
bilitäten strebten, sein Benehmen rechtfertigte, müssen
selbst seine sogenannten practiscben Freunde eingeste-
hen, dass Kittl vollkommen Recht hatte, und dass die
Kunst und er durch seine Sündhaftigkeit gewonnen haben.
Cöln, im April 1844. Weil in diesen Blattern nur
äusserst selten Berichte über den Stand der Musik am
Niederrhein und in Cöln sich vorfinden, mögen einige
Notizen über die diesjährigen Winterconcerte gestattet
sein, und zwar um so mehr, ab seit dem vorigen Herbste
Herr Heinrich Dorn (früher in Königsberg und Riga) als
städtischer Capellmeister fungirt, und dadurch die hiesi-
gen musikalischen Kräfte einen neuen Vereinigungspunct
und die Aufführungen einen neuen Aufschwung erhalten
haben. Ausser verschiedenen Concerten zu wohlthätigen
Zwecken, und abgesehen von der Oper, welche sich eines
guten Rufs erfreut, hatte in dem verflossenen Winter das
sogenannte Cöiner Quartett (bestehend aus den Herren
Hartmann, Derkum, Fr. Woher und B. Breuer) sieben
Abendunierhaltungen zur grossen Befriedigung der Lieb-
haber der Instrumentalmusik veranstaltet. Sechs grössere
Coneerte wurden von der seit langen Jahren bestehen-
den Concertgesellschaft gegeben, die als die wichtigern
musikalischen Aufführungen zu einer nähern Besprechung
geeignet erscheinen. Diese Gesellschaft besteht aus Dilet-
tanten, wobei jedoch selbstredend der grössere Theil des
Orchesters aus besoldeten Musikern gebildet ist; der Chor
ist ziemlich zahlreich, und es mag die Andeutung genügen,
dass am Sopran gewöhnlich 34 bis 37 Sängerinnen mit-
wirken; auch das Orchester hat eine übereinstimmende
Stärke, nämlich bei Symphonieen und Ouvertüren fünf
Pulte Violino 1 und so fort. In jedem Coneerte wurde
durchschnittlich eine Symphonie und eine Ouvertüre zur
Aufführung gebracht, und zwar in dem verflossenen Win-
ter folgende Symphonieen: No. 8 in Pdur von Beetho-
ven; Gmoll von Mozart; die Weihe der Töne von L,
Spohr , welche als eine hier noch nicht gehörte und we-
gen ihrer grossartigen Anlage und der Schönheit mancher
Details ein besonderes Interesse erregte ; Symphonie No.
2 in Cmoll von F. Ries; No. 7 in Adur von Beetho-
ven, und in dem letzten Coneerte eine neue Symphonie
in Ddur von dem städtischen Capellmeister, welche sich
vielfachen Beifalls zu erfreuen batte.
An Ouvertüren wurden aufgeführt: zur Iphigenie in
Aulis von Gluck, zu Omar und Leila von Fesca, zu
Coriolan von Beethoven, zur Jungfrau von Orleans, von
dem hierselbst wohnenden Tonsetzer Joseph Klein (Bru-
der von Beruh. Klein), Concert -Ouvertüre von IV. H.
Veit, Op. 17, und zu Idomeneo von Mozart.
Ersichtlich ist, dass das Orchester in den Winter-
concerten eine genügsame Beschäftigung, gefunden hat, nnd
(glaubt Einsender dieses, dass das hiesige Orchester einer
obenden Anerkennung seiner Wirksamkeit würlig ist.
An Instrumentalsolo's sind unsere Coneerte fast arm
gewesen, denn ausser zwei Violinsolo's , ausgeführt von
unserm sehr tüchtigen ersten Violinisten Herrn Hart-
mann, und einem Coneerte für Oboe, vorgetragen von
Herrn Otto Spindler aus Aachen, haben wir in den sechs
Concerten keine weitem Solo's gehört ; übrigens ist auch
Cöln nicht eine Stadt, wo Virtuosen reichliche Ernte zu
finden gewohnt sind ; ja selbst Liszt hat vor zwei Jah-
ren nur ein laueres Interesse erwecken können.
Aus dem beigefügten Verzeichnisse der Vocalsachen,
wie sie in den verschiedenen Concerten zur Aufführung
gekommen sind, lässt sich entnehmen, dass auch dem
Chor Gelegenheit gegeben worden ist, seine Tüchtigkeit
zu erproben. Bei der Auswahl scheint das Bestreben vor-
gelesen zu haben, solche Piecen vorzuführen, denen ei-
nesteils der Name von dassischen Musikwerken nicht
277
1844. April. No. 16.
278
abgesprochen werden kann, die anderntiteils aber nicht
so ernster Nalnr sind, um nicht auch ein grösseres Pu-
blicum anzusprechen. 1) Finale des ersten Actes aus Ti-
tos von Mozart, 2) Miltoris Morgengesang- Cantate von
Reichardt, 3) Pinale des ersten Actes aus dem unter-
brochenen Opferfest von Winter , 4) Stabat mater von
Rossini. Wenn dieses Musikstück auch nicht den Namen
eines classiscben Werkes nach dem gewöhnlichen Sprach-
gebraucbe verdienen mag, weil der ernste Kirchentext
vielfach in Melodieen eingekleidet ist, die nur für eine
Oper passend erscheinen, so ist die Gomposition in an-
derer Beziehung so überdacht und so effectvoll, dass die-
ses Tonwerk noch häufig als zu ConcertaufFobrungen .ge-
eignet angesehen werden wird. Die Ausfuhrung war nicht
cxact und nicht zu vergleichen mit der Darstellung,
welche der hiesige Theaterdirector am 4. April unter
Mitwirkung von vier seiner sehr tüchtigen Solisten ver-
anstaltet hatte. An Vocalsachen wurden weiter zur Auf-
führung gebracht : 5) Christus am Oelberge von Beetho-
ven, 6) Terzett und zweites Pinale aus der Vestalin von
Spontini, und zuletzt die No. 1 — 16 aus Paulus von
Mendelssohn; sodann noch folgende Solo's : Arie „Nun
beut die Flur" aus der Schöpfung von Haydn, die So-
pranarie aus Fidelio von Beethoven, eine Bassarie aus
der Oper „Der Schöffe in Paris" von H. Dorn, Recita-
tiv und Arie für Sopran aus dem Oratorium Wittekind
von Mangold, nehst einem Choral, zuletzt Scene und
Duett aus der Oper , 9 Oedipus auf Colonos" von Sacchini.
Was die Leistungen des Chors betrifft, so finden
sich in demselben viele tüchtige Sänger und Sängerin-
nen, und wenn auch, wie dies bei Dilettantenvereinen
überall der Fall sein wird, ganz schwache Subjecte mit
unterlaufen, so ist die Zahl der tüchtigem so überwie-
gend, dass die" schwierigsten Musikstücke mit wenigen
Proben aufgeführt werden können, z. B. das zweite Fi-
nale aus der Vestalin, neunstimmig, mit einer Chor- und
einer Orchesterprobe. Wünsche bleiben hier allerdings
noch übrig : so kann der Sopran in der Höbe nicht recht
vorankommen, wie dies am Niederrhein leider vielfach
der Fall ist; auch hätte dem Chor beim Einstudiren mehr
zugemutbet werden können, z. B. ein strengeres Beob-
achten der vorgeschriebenen Zeichen und ein tieferes
Eingehen in den Character der Musikstücke, was bei
einem Chor, der aus gebildeten Personen besteht, das
Hauptaugenmerk sein sollte. Was uns hier fehlt, ist zwei-
erlei : eine tüchtige Concertsängerin (hoher Sopran) und
ein Gesanglehrer oder Lehrerin. Dem erstem Bedürf-
nisse soll abgeholfen werden, denn, wie verlautet, soll
zum künftigen Winter eine Concertsängerin engagirt
werden. Was den Wunsch der Ausdehnung der Unter-
> richtsniittel betrifft, so zweifelt Einsender dieses nicht
i daran, dass eine Gesanglehrerin, vorausgesetzt, dass sie
| eine gute Schule bat, sich in Cöln bald eine befriedi-
gende, vielleicht eine reichliche Existenz verschaffen
könnte. — Um zu dem diesjährigen Concerte zurückzu-
kommen, so haben verschiedene Dilettanten mit grosser
Gefälligkeit und Beifall Solo's übernommen, und in zwei
Concerten haben wir mit Vergnügen eine in Darmstadt
wohlbekannte Concertsängerin gehört, welche auf gesche-
hene Einladung bereitwillig herübergekommen ist. Dies
ist auch die Ursache, weshalb unter den obenverzeich-
neten Vocalpiecen sich verhältnissmässig so viele Sopran-
arien vorfinden.
Jetzt, unmittelbar nach Beendigung der Wintercon-
certe, beginnen die Proben für das niederrbeinische Mu-
sikfest, weiches zu Pfingsten in Cöln gefeiert werden
wird. Das Programm enthält nur classische Tonwerke,
und bei den grossen Mitteln, die Cöln und die verbün-
deten Städte besitzen, lässt sich grosser Genuas für Mu-
sikfreunde vorhersagen. «,
Feuilleton.
Der bisherig« Direetor des Mainzer Theaters Herr ifcmte bat
die Leitung der dasigen Bahne auf fernere drei Jahre, nämlich
bis September 1847, übernommen. Zugleich hat er mit dem Eigen-
tbömer des Londoner Operntbeaters am Strand einen Vertrag ober
40 im nächsten Sommer dort zu gebende deutsche Opernvorstel-
lnngen (im Abonnement) abgeschlossen, wozu noch mehrere Bene-
fize ausser Abonnement kommen. Das genannte Theater ist klei-
ner, als die von Drurylane und Coventgarden , auf denen Schu-
mann in früheren Jahren Opern Vorstellungen gab.
Frau Dr. Clara Schumann bat in St. Petersburg mit grb'ss-
tem Beifall vier Concerte gegeben, sieh ausserdem bei Hofe hören
lassen, und überhaupt vielfältige Anerkennung und Ehrenbezeigung
erfahren. Wir hoffen unsern Lesern bald eioeo ausführlichen Bericht
darüber geben zu können. In diesem Augenblick befindet sich die
Künstlerin mit ihrem Gatten muthmaasslicb bereits in Moskau ; den
Rückweg gedenken sie über Sobweden und Dänemark zu nehmen.
Ankündigungen.
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6. Leo, Psalm 110: Tecum prineipium. 5 Sgr.
- 7. Durante, Lamentationes Jeremiaex Populi facti sumus. 5 Sgr.
- 6. 4? d? 4? Malleres ia Sie*. 8 Sgr.
- D. Asttrga, Stabat mater t Sancta mater istae agas* 8 Sgr.
- 10. Grau*, Te deum laudamus : Tu ad liberandum. 1\ Sgr.
-14. d? 4? dt d? Dignare domine die. 7\ Sgr.
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- 14. Händel, Psalm 97 : Es ist der Herr. 5 Sgr.
- 15. JomelU, Motette i Deo patri sit gloria. 5 Sgr.
- 16. Handel, Pnalm 9* ■ Erhebet hoch den Herrn, 5 Sgr.
- 17. C- Ph. E. Bach, Oratorium die Israeliten ia der Waste :
„Warum verliessea wir.** 5 Sgr.
18. Händel , Psalm 51: Rein mach' das Herz mir. 5 Sgr.
- 19. C. Ph. E. Bach, Oraforinm die Israeliten in der Wüste :
„Wie nah' war uns der Tod." 7i Sgr.
- 90. Händel, Psalm 80: Wohl, ach wohl, o Herr. 5 Sgr.
• 21. Le; Ave maris stelle: Virgo siugularis. 5 Sgr.
- 22. C. Ph. E. Bach, Oratorium die Israelitenjia der Wüste
„Beneidenswert!!, die ihren Sohn.'* 7£ Sgr.
- 23. Haue, Te deum): Index crederis esse. 7i Sgr.
- 24. Händel, ans eiaem Psalm- Gott Deine Gnade. 5 Sgr.
- 25. Jawulli, Offertorinm: Discerne causam meam. 7*} Sgr.
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des Pianoforte. Op. 76. (An die Geliebte. — Dir allein i —
Ich bab' eiae alte Muhme.) 1 Fl.
Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Piano-
forte. Op. 77. (Die nickende Mutter. — - Kehr 9 ein bei mir I —
Am Bache!) 1 Fl.
Jfluller, F., Coacertiao paar Violoncello avec Accompagne-
ment de TOrchestre. Op. 55. 5 Fl.
i Idem avec Accompagneroent de Pianoforte. 1 Fi. 56 Kr.
Die königlich bayrische Hofmusik- lntendance bezeugt hier-
mit, dass die von dem hiesigen Burger und Mechanikus Herrn
Knocke am die königliche Hofmusik - lntendance am Anfang des
Jahres 1842 gelieferten mit einer von ihm erfundenen und aus-
I geführten mechanischen Vorrichtung zur möglichst schnellen Um-
Stimmung versehene« Pauken nunmehr seit zwei Jahren bei allen
Vorstellungen im königlicheu Hoftbeater gebraucht worden sind
und diese Coastruction sich praktisch als aueh zweckmässig and
dauerhaft erwiesen habe , dass diese Instrumente aawohl ia Bezie-
hung auf Schnelligkeit des Umstimmens, als auf Schönheit, Kraft
und Fülle und eben so auf Reinheit des Tones vollkommen ge-
lungen genannt., sobin allen grossen Orchestern empfohlen wer-
den können.
München, den 7. Februar 1844.
(£. S.) Freiherr v« l*elssl , königl. Hofitheateriateadant.
w. Spen#el, Theater -Oekoaamie- Roth.
Franz Lachner, königl. Hofeapellmeister.
Aug. InJmOCaLe» Mechanikus.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
281
282
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 24"" April.
M Vf.
1844.
Iüfcaltt Zar musikalischen Literatur. — Recensionen. — Nachrichten: Ans Göttingeo.
Mgtmgen.
Aus Weimar. — Feuilleton. — dnkün-
Zur musikalischen Literatur.
Von Dr. August Ka hier t.
Wenn man über die Art, wie die Wissenschaft dem
Tonkünstler am Meisten Hilfe leisten könne, sich häu6g
veruneinigt hat, indem bedeutende Meisler überhaupt mit
Lächeln und Kopfscbütteln von dem Nutzen sprechen,
den theoretische Untersuchungen ihnen gewähren, und
Sern auf den alten Satz, dass das Genie sich nicht nach
egeln richtet, sondern sie selbst giebt, berufen, so wird
man doch ziemlich allgemein zugeben, dass kritische (In*
tersucbuDgen der Ton werke nicht unserer, sondern frü-
herer Perioden dem künstlerischen Bewusstsein der Ge-
genwart forderlich sind. Lehrbücher der Composition
sind, wie alle wissenschaftlichen Systeme, gar so sehr
vom Zeitgeiste abhängig, der in den Lehrern selbst die
Täuschung hervorbringt, Das, was eb4n ihrer Individua-
lität entspricht, auch für die allgemeine Wahrheit zu hal-
ten. Die Untersuchung aber, die an Gegebenes sich an-
schliesst nnd davon zn den höheren Lehrsätzen selbst
aufsteigt, kommt nicht allein zu Resultaten , die auf fe-
sterer Grundlage ruhen, sondern sie behält auch eben
deswegen den Werth längerer Brauchbarkeit. Ich erin-
nere nur an Lessing' $ „Laokoon," der beute noch mit
derselben Prisehe, wie 1768, wirkt, weil dort die ästhe-
tischen Grundsätze an bestimmten vorhandenen Kunst-
werken entwickelt, davon hergeleitet werden, während
unzählige Compendien nnd Systeme der Aesthetik seit je-
ner Zeit erschienen und wie Ranch vergangen sind. Die
Tonkünstler gleichfalls werden aus acht kritischer Be-
handlung der Geschichte ihrer Kunst, aus der Analyse
der Persönlichkeit sowohl, als einzelner Werke gerade
früherer, nicht lebender Heister immer noch am Meisten
lernen« Und in dieser Hinsicht sind wir nicht reich an
würdigen Arbeilen. Den Einen, die dergleichen versu-
chen, fehlt theoretische Kenntniss, den Andern geschicht-
liche, den Dritten philosophische. Es muss Viel beisam-
men sein, wenn eine solche Arbeit neben und mit dem
unsterblichen Ton werke bestehen soll. Mit Vergnügen be-
zeichne ich als eine solche, die diese mannichfachen Vor-
züge in sieh vereinigt, folgendes interessante Werk, das,
da es im fernen Auslande erschienen ist, sonst wohl in
Deutschland leicht unbekannter bleiben möchte, als es
unstreitig verdient:
46. Jahrgang.
Nouvelle Biographie de Mozart, soivie d'un aper?u sur
l'hisloire g6nerale de la musique et de l'analyse des
principales oeuvres de Mozart, par Alexandre Ouli-
bjcheffy membre honoraire de la socieU6 philbarmoni-
que de St. Petersbourg. III volumes. 8. Moscou, de
rimprimerie d'Auguste Semen 1843. — Vol. I. cont.
318 pages, Vol. II. 378 pages, Vol. III. 478 pages;
Der Verfasser dieses Werks, Russe von Geburt, ist
in Dresden erzogen, nnd bat deutsche Kunst und Litera-
tur, wie deutseben Sinn, genau kennen nnd lieben ge-
lernt. Die Bahn des Diplomaten, zu der er erzogen und
herangebildet war, wies ibm allmälig eine Menge von
Geschäften an, welche ibm gleichwohl Zeit Hessen, sei-
ner Lieblingsneigung, der zur Musik, ausdauernden Fleiss
zn widmen und das Beste, das diese Kunst hervorge-
bracht bat, kennen zu lernen. Seit 1830 nun hat er sich
naeh dem Innern von Russland zurückgezogen, wo er,
im Gouvernement Niscbnei - Nowgorod, bald in der Stadt
dieses Namens, bald auf seinen grossen Gütern in be-
deutenden Verhältnissen lebt. In jener Stadt, an den Ufern
der Wolga, wo ein jährlicher Weltmarkt stattfindet, auf
dem Asien nnd Europa einander die Hände reichen, bat
sein Eifer und seine Beharrlichkeit ein musikalisches Le-
ben hervorgerufen, wovon dort bis dahin keine Spur
war. Er hat ein Quartett zusammengebracht, das alle
Werke der Classiker vorträgt, und dies ist wieder die
Wurzel eines Orchesters geworden, das allmälig die Sym-
phonieen derselben einstudirt hat und Theilnahme unter
den Zuhörern gewinnt. Als einen Musiker, der durch
ausgezeichnetes Talent der Direction ihm dabei wesent-
liche Dienste leiste, rühmt er Herrn Rindt (wahrschein-
lich ein Deutscher). Die Schilderung aller dieser Verhält-
nisse geschieht in der Vorrede mit liebenswürdiger Be-
scheidenheit, die ungeachtet alles Feuers, aller acht poe-
tischen Begeisterung, die ihm oft bei seinen Schilderun-
gen die Farben leiht, in dem ganzen Werke sichtbar
bleibt. Indem die Entstehungsgeschichte dieser Biographie
Mozarts geschildert wird, bekennt er selbst, dass er
bei dieser mehr als zehnjährigen Arbeit gelernt, mit sei-
nem Stoffe gewachsen sei, und was er zuerst überm ü-
tbig gleichsam als Kinderspiel übernommen, znletzt als
eine fest die Kräfte des Einzelnen übersteigende Aufgabe
erkannt babe. Dieses Bestreben, überall die Wahrheit tu
finden, das bohle Gerede zu vermeiden, das die gewöhn-
liche Sprache der Dilettanten and leider auch der kunst-
17
283
1844. April. No. 17.
284
lerischen Journalistik ist, dieser Sinn, eine einzelne Er-
scheinung in der Kunstwelt durchaus nicht anders, als
in ihrem causalen Zusammenhange mit vorhergegangenen
und nachfolgenden aufzufassen, dies zeichnet ihn rühm-
lich aus, und giebt seinem umfangreichen Buche litera-
rische Bedeutung. So viel einzelne treffliebe Abhandlung
gen in Deutschland über Mozart und einzelne Werke
dieses Meisters geschrieben worden, so trage ich doch
kein Bedenken, zn behaupten, dass wir bis jetzt kein
deutsches Werk über diesen Gegenstand besitzen, welches
dem jenes zugleich mit künstlerischem Talente und phi-
losophischem Scharfblicke begabten Russen irgend gleich-
käme. Dass er die Sprache der vornehmen Welt in Eu-
ropa, die französische, gewählt hat, ist wohl natürlich,
denn er will sich eben mit ganz Europa und nicht mit
deutschen Lesecirkeln unterhalten und in Ideenverkehr
setzen.
Die Veranlassung zu dem Werke hat Nissen s be-
kannte Lebensgeschichte Mozarts gegeben. Anfänglich
hatte der Plan, dieses an Thatsachen so reiche Buch aufs
Neue und in geschmackvollerer Form zu bearbeiten, wie
es schien, keine grossen Schwierigkeiten. Bald aber
zeigte sieh, dass ein nach den letzten Gründen des grossen
Einflusses, den Mozart geübt hat, forschender Geist sich
dem Stoffe gegenüber einen ganz andern Standpunct su-
chen müsse, als Nissen, der nichts als Compiiation ge-
liefert hat, der auf höhere Ideen, auf Darlegung des in-
neren Zusammenhanges ganz verzichtet. So wurde denn
vor allen Dingen nöthig, das Verhältniss Mozarts zu
allen andern grossen Tonmeistern festzustellen, und dies
bedingte das Eindringen in die an so vielen Stellen ver-
wickelte Geschiebte der ganzen Tonkunst. Kritik der ein-
zelnen Werke Mozarts endlich bat Nissen gar nicht
geliefert , sondern ist nur bemüht gewesen , bei jedem
einzelnen verschiedene Urtbeile darüber zu sammeln und
neben einander abzudrucken, wodurch ihm die Mühe,
selbst zu richten und seinen Spruch zu motiviren, er-
spart blieb.
Die Grundansicht, wovon Oulibich^ff ausgegan-
gen ist , und welche in allen Theilen seiner Arbeit nin-
durchscheint , ist nun vor allen Dingen zu entwi-
ckeln; sie stellt sich nicht als vorgefasste Meinung,
die dem Stoffe angepasst worden , heraus 9 sondern als
Resultat seines vieljährigen Studiums. Mit aufrichtiger
Freude habe ich hier zu bemerken, dass es dieselbe ist,
die ich vor mehreren Jahren in einer in der Vierteljahr-
schrift: „Die Jahreszeiten" abgedruckten Abhandlung:
,, Gegenwart und Zukunft der Tonkunst" auszuführen
bemüht gewesen bin, und, da dieselbe schwerlich bis nach
Nischnei -Nowgorod gekommen ist, so ist dieses Zusam-
mentreffen zweier durch mehrere hundert Meilen von
einander getrennten Personen in einem Puncte wohl eine
Art von Zeugniss für die Richtigkeit der Ansicht. Die-
selbe beruht nämlich darin, dass zwei Gegensätze in dem
weltgeschichtlieben Verlaufe der Tonkunst sich mit ein-
ander zu versöhnen gestrebt haben, was ihnen aber erst
in und mit Mozart gelungen ist. Dem Zwecke jener mei-
ner Abhandlung gemäss hatte ich darzutbun mich bemüht,
dass nach Mozart die Kunst wieder in jene beiden di-
vergirenden Richtungen zerfallen sei; davon hat Ouli-
bicheff, seiner Aufgabe nach, keine Notiz zu nehmen,
sondern die nähere Erkenntniss Mozarts, als eben des
wahrsten und vollständigsten Repräsentanten der Ton-
kunst, tritt dann als Thema auf; die Gegensätze selbst
sind von uns Beiden auch einigermaassen verschieden
aufgefasst worden. Er sagt (II, S. 206;: „Die Musik
theilt sich in die der Natur und der Kunst; jene beruht
auf dem Instinct des Accordes, diese auf erworbener
Kenntniss der Harmonie. Die Musik im Naturzustände
giebt es und hat es gegeben zu allen Zeiten und überall;
den Anfang der Kunstmässigkeit kann man erst mit dem
16. Jahrhundert zugeben. Zwei Kräfte giebt es seitdem,
die jede ihr Recht behaupten, Melodie und Contrapunct.
Der Reichthum jeder derselben ist gewaltig. Die That
Mozarts bat darin bestanden, dass er beide Forderungen
in gleichem Maasse befriedigte." Diese Ansicht Ouli-
bichefTs beruht zuletzt auf dem ewigen Gegensätze der
f Sinnlichkeit und des Geistes, und ist eben wegen dieses
Fundaments gar nicht zu widerlegen. Ich "habe in je-
ner meiner Abhandlung den Gegensatz in der Musik
aus dem Grundcbaracter der germanischen und romani-
schen Völker herzuleiten gesucht, und mich daraufge-
stützt, dass die Unterschiede der religiösen Wellanschauung
den in der Kunst nach sich ziehen. Der Protestantismus
ist abstracter, der Katholicismus sinnlicher in seiner Got-
tesverehrung, daher stammt der gleichmässige ruhige Fort-
schritt aller einzelnen Stimmen eines Accords bei Palä-
stina^ ein Bild der Unwandelbarkeit, daher der Knäuel
von Durchgängen in denen des Seb. Bach, ein Bild der
verschiedenartigsten Mittbätigkeit aller Einzelnen zn einem
Ziele; erkennt doch Oulibicheff selbst diese Bedeutung
Bach's an (Tb. II, S. 140). Wo mehr Sinnlichkeit in
der Kunst, da herrscht die Objeclivität, wo mehr geistige
Thätigkeit, die Subjectivität ; daher kommt, dass, wie ich
wenigstens behaupte, bei ItacA'scher Musik der Ausfuh-
rende selbst noch grösseren Genuss, als der Zuhörer,
bat. Bei italienischen Meistern ist der umgekehrte Fall.
Doch alle diese Ansichten sind hier nicht weiter zu ver-
folgen, vielmehr müssen wir zu dem schätzbaren Werke,
das dazu Veranlassung gab, zurück.
Die Einlheilung desselben ist folgende: der erste
Band füllt die äussere Lebensgeschichte Mozarts, wobei
alle bekannten Thatsachen sorgfältig beachtet und benutzt
sind. Der Vortrag ist vortrefflich; in ungemein lebhafter
Schilderung rollt der Verfasser die ganze Bildungsge-
schiebte, die wechselnden Schicksale, die Veranlassungen
zu den berühmtesten Compositionen vor unserm Blicke
auf. Die Quellen, woraus er geschöpft hat, sind die all-
gemein bekannten; die Eintheilung in eine Reihe von
Abschnitten ist niebt nach äusserlichen Ereignissen, son-
dern nach hervortretenden Bildungsmomenten des Mei-
sters getroffen. Man sieht, dass eben die innere Bil-
dung desselben, sein Wacbsthum und Reifen der Punet
ist, worauf der Darsteller sein Augenmerk gerichtet hat;
diese Art der Darstellung ist aus der Anschauung her-
vorgegangen, welche der Biograph von der weltgeschicht-
lichen Bedeutung seines Helden sich erworben hat, eine
Anschauung, die, hier nur angedeutet, in den folgenden
beiden Bänden erst vollständig zu Tage kommt. Der erste
Band bildet ein lebenswarmes interessantes Gemälde, ein«
285
1844. April. No. 17.
286
anziehende LecUire, er war die notwendige Grundlage
alles Folgenden, ist auch zuerst entstanden ; den wahren
und eigenlhümlichen Werth des Buchs bat man aber nicht
nach ihm , sondern nach dem Hauptzwecke des Verfas-
sers, der in den folgenden Tbeiien sich enthüllt, einer
philosophischen Kritik der Mozart'schen Kunstwerke, zu
beurlheilen, denn im ersten hat er nnr fremde Forschun-
gen verarbeitet. —
Diese Kritik nun begründet der Verfasser sehr rich-
tig durch eine Prüfung des musikalischen Vorrathes, wel-
chen Mozart, als er zu schaffen begann, vorfand, und
füllt mit dieser Prüfung den grössten Tbeil des zweiten
Bandes; er liefert hier eine kurze, gedrängte philosophi-
sche Geschichte der Tonkunst, worin er mit Benutzung
ForkeVii Burney's, Kiesewetter' s verfahren ist, die
Werke der älteren Meister selbst fleissig zu Rathe ge-
zogen hat, nnd sich, was das Urlheil betrifft, sehr selb-
ständig beweist. Indem er von der Idee , dass alles vor
Mozart Geleistete lediglich Diesen vorbereitet habe, aus-
geht, stellt er Mozart selbst als einen Goltgesandlen dar,
der den Gipfel aller musikalischen Leistungen der Welt be-
zeichnet; sie sind nur das Fussgestell oder die erhabene
Säule, die ihn zu tragen bestimmt war. Man sieht, der
Begriff persönlichen Verdienstes ist hier durch den einer
geschichtlichen Notwendigkeit ersetzt, wonach Mozart
die Erfüllung einer göttlichen Offenbarung wird, das Phä-
nomen des göttlichen Willens im Augenblicke, da die
Menschheit reif war, denselben zu vernehmen. Der be-
reits oben gegebenen Andeutung gemäss, geht unser Ge-
schieh tschreiber von folgenden Sätzen aus : Die Musik ist
doppelt in ihrem Wesen, sie bat eine natürliche und eine
!eistige Seite. Jene Naturmusik ist so alt, als die Welt,
em Menschen eben so wesentlich, als die Sprache; die
andere hat man Jahrhunderte laog gesucht, ohne sie fin-
den zu können. Die Forschungen über musikalische Kunst
in der Zeit des Griechentbums, überhaupt in der vor-
christlichen Zeit, werden als leere Conjecturen ohne
Nutzen verworfen. Die einfache Naturmusik ist der Drei-
klang, und das Wohlgefallen daran nur Befriedigung einer
physischen Forderung des Menschen; dies ist der Boden
für die künstlerische Bearbeitung. Wenn Forkel den al-
ten Griechen als einen Vorzug eine gewisse rhythmische
Vollendung zuspricht, welche wir entbehren, so stimmt
Oulibicheff mit ihm gern überein, und wird durch Beob-
achtung der Zigeuner, die er in Nowgorod vielfach zu
beobachten Gelegenheit gehabt, darin bestärkt ; ihre Mu-
sik hat wenig Ion, mehr Schlag und Schall zum Mate-
rial, prägnanten nnd mannichfachen Rhythmus, den sie
genau mit Körperbewegungen unterstützen, und der sich
bis zu einem gewissen Wahnsinn, einer Art von Ver-
zückung steigert; er schliesst sehr richtig, dass der
Rhvthmns ein untergeordnetes Element der Tonkunst sei,
während deren geistige Ausbildung eben von der des
Tones und dessen naturgemässen Beziehungen aussehen
musstc. Die Geschichte der Harmonie, mit der der christ-
lichen Kirche verknüpft, wird nun im Abrisse gegeben.
Ueber die schüchternen Versuche und Anfänge des Huc-
baid und Guido v. Arezzo % namentlich den Unterschied,
ob blanke Quinten oder Quarten in ihren Fortschritten
besser klingen $ äussert er sich ironisch ; die späteren Ent-
deckungen des Franco von Cöln u. A. , betreffend die
Unterschiede vollkommener und unvollkommener Intervalle,
der divergirenden Bewegung einzelner Stimmen, deren
verschiedene rhythmische Qualität u. s. w., führen ihn
zu dem Ausspruche, dass es Schade gewesen, dass die
Theoretiker vor den Practikern gekommen seien. Diese
Behauptung ist nur scheinbar richtig. Die Theorie hat
sich auch damals nach der Praxis gerichtet, die eben auch
nicht mehr für den theoretischen Forscher darbot. End-
lich im 14. Jahrhundert kommt es zu Kunsterzeugnis-
sen ; er führt jenes Fragment einer Messe von Machaud
(1364) au, und findet es auffallend, dass die Kunst vom
Zusammengesetzten zum Einfachen, vom cauonischen Con-
trapunet zur Harmonie, von da erst zur Melodie gegan-
gen ist, während sie bei der Melodie, wie er. meint,
hätte anfangen können. Hierauf muss ich entgegnen, dass
die Melodie nichts fertig Vorgefundenes war, sondern all-
mälig erst in die Welt hineingekommen ist. Die Natur,
behauptet er, lehre die Melodie, die Kunst möge dann
dieselbe begleiten, stützen oder mit andern verbinden
lehren. Dies ist gleichfalls nur scheinbar; denn die Na-
tur liefert keine Melodie, der Mensch erzeugt sie, und
zwar aus dem irinern Vorrath harmonischer Beziehungen,
die er in seiner Seele hat. Die Melodie ist ein Resultat,
ein aus harmonischen und rhythmischen Elementen ent-
standenes Ding. In den bildenden Künsten hat man das
Gegentheil. Die Natur stellt fertige Werke als Musler
hin, in der Musik muss der Mensch sich die Muster erst
machen, und sich von Muster zu Muster fortbilden ; der
Maler kann jeden Augenblick auf die Natur zurückgehen,
sich Raths erholen, der Musiker kann dies nur aus Kunst-
werken.
In der weiteren Darstellung weist der Verfasser un-
ter Anderem nach, dass die Kunst des Coutrapuucts erst,
als man den sogenannten Cantus firmus gefunden, etwas
höhere Bedeutung erhalten habe. Wie er denn immer
auf Melodie, als Wesen der Musik, mit Recht hält, so
findet er darin den Gewinn, dass alle Stimmen sich an
eine einzelne als Hauptsache, die sie gleichsam respecti-
ren, halten. Er nennt Josquin de Pres mit Verehrung,
einen Mann mit einem Januskopfe, der die Liste der blo-
sen Notenrecbnenmeister schliesse und die der Compo-
nisten beginne. Die Kunst der Gomposition wurde durch
ihn nicht davor behütet, ein eitles Spiel des Verstandes
zu bleiben. Die späteren Anhänger der Schule, welcher
auch Josquin angehörte, nämlich der niederländischen,
oder der des Ockenheim , verfielen in ganz bedeutungs-
lose Spielerei, und werden hier Seiltänzer genannt. fVin-
terfelffs Werk über Gabrieli scheint dem Verfasser nicht
bekannt geworden zu sein. Die merkwürdige venetiani-
sche Schule des fFilfaürt in ihrer Eigentümlichkeit wird
nicht geschildert. Bei der Reorganisation des Kirchenge-
sanges durch Palästrma hält er sich länger auf nnd stellt
ihn in ein Verbältniss, das dem, welches Mozart seiner
Zeit einnahm, ähnlich ist; er sieht in ihm einen Erret-
ter des melodischen Elements. Die weitere Fortbildung,
die weltliehe Musik, die Entstehung der Oper werden
interessant geschildert, eben so die Entstehung der grös-
seren Kunstformen , namentlich der anf die Principien
des Gegensatzes gegründeten Fuge.
287
1844. April. No. 17.
888
Ab der Verfasser auf die deutschen Componisten zu
reden kommt, auf Händel und Bach, weicht er von den
Urlheilen mancher deutschen Theoretiker ab. Er urtheilt
als Ausländer, ohne patriotische Vorliebe, die er For-
kefn bei seiner Biographie Bach's vorwirft, er schliesst
sich dem Urtheile Burneys an, und hebt hervor, dass
die Lebensverhältnisse beider Meister ihren Styl bedingt
haben, daher Jener, der Operncomponist, mehr nach
Aussen, Dieser, der Mann der Kirche, mehr nach Innen
sich entfaltete. Nur dass S. Bach, wie Forkel sagt, der
grössle Tondichter (nicht Tonsetzer) gewesen sein solle,
dies, bekennt er, sei ihm unbegreiflich. Ich muss ihm
zweierlei hierauf erwidern, einmal, dass, wenn er Bach
eben so gründlich, als z. B. Mozart, studirt hätte, er
vielleicht in jenem Meister Vieles, das ihm entgangen
ist, gefunden hätte, dann aber, dass, um Bach zu be-
wundern, man nur überhaupt Musiker zu sein braucht,
um ihn zu lieben, man ein Deutscher sein muss. Der
wahre Werth eines alten Italieners wird auch am Leich-
testen vom Italiener selbst gefasst. Händel liebte die Ita-
liener, Bach nicht; Händel vermittelte , Dieser trennte
die Nationalitäten; Jener ist für Europa, was Bach zu-
nächst für Deutschland, ein Verhältnisse das bei Mozart
und Beethoven sieb wiederholt. Oulibicheff sieht in Bach
den tiefsinnigen Meister des Contrapuncts , einen Ver-
wandten des J osg um de Pres, eine Analogie, die von den
Franzosen neuerlich mehrmals ausgesprochen worden ist;
er bemerkt ganz richtig, dass in o. Bach's Cantate:
„Eine feste Burg 4 ' nichts eigentlich veraltet sei, aber er
wird bitter, wenn er hinzusetzt, es sei auch niemals
etwas jung darin gewesen, er habe für sich geschrieben,
und schwerlich irgend Jemand gleichermaassen , als sich
selbst, entzückt; mit einem Worte, er ist ibm zu ab-
stract, zu wenig sinnlich, daher er ihn lieber lesen, als
hören will. Dies hindert ihn nicht, einzelne Thetle der
Passion nach dem Matthäus aufrichtigst als unverwelk-
liehe Stücke anzuerkennen.
(Besohluss folgt.)
Recensioweih.
Quartetts und Duos filr Pianoforte.
1) Schubert, L. : Gr. Quatuor pour Piano, Violon, Viola
et Violoncelle. Op. 32. Hamburg, Schuberlh et
Comp. 3 Thlr.
2) Löschhorn et Griebel: Gr. Duo pour Piano et Vio-
loncelle ou Violon sur des motifs de l'Opera : La fille
du Regiment. Berlin, C. Paez. 1% Thlr.
3) Thalberg et Panofka: Gr. Duo pour Piano et Vio-
lon sur des motifs de l'Opära : Bealrice di Tenda.
Op. 49. Wien, Mechetti. 2 Fl. C. M.
4) fFolff et Vieuxtemps : Gr. Fantaisie pour Piano et
Violon sur des motifs de F0p6ra: Oberon. Op. 89
und 14. Mainz, Schott's Söhne. 2 Fl. 42 Kr.
5) Kalkbrenner et Panofka : Duo pour Piano et Violon
sur TOpera ; Charles VI. Op. 168. Leipzig, Breitkopf
et Härtel. 1 Thlr. 5 Ngr.
Im Fache der Qaartettmusik ist es seltener» so geist-
losen Erieugnisseo zu begegnen, wie sich in andern Fä-
chern der musikalischen Literatur immer Gelegenheit dazu
bietet; die jetzt so beliebten Fantasieen über bekannte
Melodieen haben sich glücklieber Weise noch nicht darin
beimisch gemacht; die Ursache davon ist einfach die:
dass sich Fantasieucomponisten gestehen müssen, kaum
für Pianoforte allein etwas zusammenzubringen, geschweige
denn für Pianoforte und mehrere Iustrumente, von de-
nen keines durchaus untergeordnet erscheinen soll.
Aber auch von anderer Seite ist dem Schlechten v der
Eingang gewehrt, nämlich von Seiten der Verleger; denn
es muss schon etwas Besonderes sein, wenn sich diese
zur Herausgabe eines umfangreichen und nur von einer
kleinen Zahl begehrten Werkes verstehen sollen.
Das Schubert'sche Quartett, nach dem Titel das zweite,
bat uns recht zufrieden gestellt; in Hinsicht der Compo-
situm bekundet sich der tüchtige Musiker. Der erste Satfc
ist in Behandlung des Stoffes , in der ForUpinnuug des
zweiten Theils und dem darin eingeführten neuen inter-
essanten Motiv, welches zwischen der Repetition des er-
sten und Transposition des zweiten Thema s nochmals ge-
schickt angewendet wurde, der bedeutendste. Das Scherzo
belehrt uns auf's Neue, dass nicht in jeder Sonate, Sym-
phonie, Quai teil u. s. w. ein derartiger Satz am Platze
ist; es erscheint häufig wie hineingeschneit, ohne dass
seine Umgebung ein solches bedinge, und wirkt dann
mehr störend.
Das Scherzo ist daher auch hier etwas trocken aus-
gefallen, doch entschädigt das Adagio und das lebendige
Finale reichlich. In Ansehung der Benutzung der Instru-
mente tritt zwar das Pianoforte seinem Leistungsvermö-
gen gemäss überwiegend hervor, doch sind die übrigen
keineswegs kümmerlich oder als Mose Begleiter behan-
delt, man sieht, dass der Componisl wohl mit ihnen um-
zugehen wussie, indem er sie hier und da ihrer Eigen-
thümlichkeit nach hervortreten lässt; die Ausführbarkeit
des Ganzen fordert, ausser im Finale, keine besondere
Technik. Wir wünschen dieser mit anzuerkennendem
Fleiss ausgeführten Compositiou die Aufmerksamkeit,
welche sie schon um der guten Sache willen verdient.
Accordfortscbreitungen wie S. 7, System 2 und fort,
stechen uns zwar nicht mehr so in die Augen, als es
früher der Fall war, indem man sich an eine kalte, dürf-
tige Regel nicht mehr bindet, sondern den Verstand in
bedenklichen Fällen mit Recht entscheiden lässt; doch
muss man eben dazu genügende Veranlassung haben.
Die saubere Ausstattung des Werkes macht einige
leicht zu verbessernde Druckfehler (S. 7, System 5, wo
der Violinschlüssel für den Bassscbüssel , S. 13, System
2, im vorletzten Tact, wo im Basse das g vor / anstatt
vor e, S. 18, wo im dritten Taot vor h ein b zu setzen
ist) gern vergessen. —
Von den Duos lässt sich in Betracht ihres künstle-
rischen Werthes nicht viel zu ihrem Vortbeile sagen.
In diesem Fache der musikalischen Literatur läuft schon
mehr Mittelgut unter, als in den oben bemerkten, zumal
die Fantasie es ist, welche, wie in der blosen Pianofor-
temusik, das Feld behauptet. Auch sämmtliche Duos ge-
288
1844. April. No. 17.
290
huren zu den Erzeugnissen des Tages, sind Fantasieen
über Opernlhemen, und selbst in diesem dürftigen Ge-
wände müssen dieselben noch magerer erscheinen, als
die Compositionen gleichen Schlages für Pianoforle solo,
weil hier meist zwei Bearbeiter für einen Gegenstand
zusammentreten und die wenige, in der talocomposition
ja noch anzutreffende Einheit auf diese Weise vollends
verschwinden muss.
Wie fangen es aber die Componisten solcher Duos
an, dieselben zusammenzubringen? Das Verfahren ist ein
sehr einfaches. — A wählt mit B die ihnen zusagenden
Themen einer Oper aus; hierauf schreibt jeder, unter ste-
ter brüderlicher Besprechung, die Soloparlieen für sein
Instrument; ist dieses geschehen, so helfen sich beide
Theile aufs Freundschaftlichste aus, indem die noch feh-
lenden Noten des Zusammenspiels wegen dazugesetzt
werden, und das Duo ist fertig.
Ein Unterschied besteht allerdings noch zwischen
einem und dem andern derartigen Tonstöcke, nämlich
der: dass das eine vielleicht etwas geschickter, als das
andere geschrieben ist und mehr Routine seines Bearbei-
ters bekundet. Unter diese gehören von unsern Duos die
unter No. 3, 4 und 5. Das Duo von Löscbborn und Griebel
ist von Seiten des Violoncellisten mit Geschick und für
die Ausführung mit Sorgsamkeit verfasst, der Ciavier-
spieler zeipt sich aber oft zu sehr als Neuling in der
Composition und lässt, wie z. B. in der dritten Varia-
tion, welche ganz das Gesicht von Henselt's Etüde, Op.
3, macht, den Ersleren manchmal kaum zu Worte kom-
men ; übrigens sind schlechte Zusammenklänge und durch
übel gestellte Figuration unbefriedigende Accordauflösun-
gen nicht seilen anzutreffen.
Druckfehler sind uns einige vorgekommen: S. 5,
System 3, Tact 3 und fort, S. 6, System 2, Tact 2,
S. 9, Svstem 2, Tact 1.
Hermann Sehellenberg.
Nachrichten.
Göttingen. Den 28. Februar d. J. wurde hier in
festlich erleuchteter Universität skirche des unsterblichen
Graun s herrliche Cantate : Der Tod Jesu, nachdem die-
selbe beinahe 25 Jahre geruhet hatte, mit Begleitung der
Orgel und mit starkbesetztem Orchester unter der Direc-
tion des Dr. Heinroth wieder aufgeführt und zwar mit
einigen Abänderungen des Textes sowohl, als der Musik.
Vergleichen wir die Ausgaben der lyrischen Ge-
dichte Rammler 9 s von 1772 und 1801, in welchen sich
diese Cantate befindet, so bemerken wir schon darin aus*
serordentlich viel Verschiedenheiten, noch mehr aber in
dem Texte, welchen Graun componirt bat. In der Aus-
gabe von 1772 steht nach den Worten: „0, wacht und
betet, meine Brüder/' ein Terzett, welches nicht nur
in der Ausgabe von 1801, sondern auch in Gram'* Com-
positum fehlt; dagegen vermissen wir in der frühem
Ausgabe an dieser Stelle die Arie : „Ein Gebet um neue
Stärke* * u. s. w. Nach dieser Arie folgt in beiden Edi-
tionen ein Chor: „Herr, höre die Stimme unser» Fle-
hens" ii. s. w., welchen Graun nicht aufgenommen hat;
dagegen tritt nach dem Chore : „Unsre Seele ist geben*
get" u. 8. w. in genannten Ausgaben der Choral : „Ich
will von meiner Missethat" u. s. w. nicht ein, und merk*
würdig genug fehlt in beiden auch die meisterhafte Dop-
Selfuge: „Christus bat uns ein Vorbild gelassen 4 * u. s.w.
n der Ausgabe von 1772 vermissen wir den Chors
„Freuet euch alle, ihr Frommen'* u. s. w. und wir le-
sen an dessen Stelle einen ganz andern, welcher mit den
Worten beginnt: „Gelobet sei der Herr" u. s. w. Weg-
gelassen ist in beiden Ausgaben der Choral: „Wie herr-
lich ist die neue Welt" u. s. w. — Es würde zu weit
führen, alle Varianten in einzelnen Ausdrücken hier nam-
haft zu machen. Der Text, welcher der Coinposition von
Graun zum Grunde liegt, ist nun da, wo es nölhig war,
nach den beiden Ausgaben von 1772 und 1801 abgeän-
dert worden.
In der Musik sind Choräle, Chöre und Recitative
durchaus unverändert geblieben und nur durch eine un-
serer Zeit angemessene Instrumentation bereichert wor-
den, da Gravn das Werk blos für die Orgel und das
Quartett schrieb ; die wenigen von ihm beigefügten Blas«
instrumente sind mehr ad libitum zu betrachten. Alle
Arien und das alleinige Duett, für den Zeitgeschmack zu
weit ausgesponnen, hörten wir etwas abgekürzt, indem
die Hauptideen näher an einander traten, und zwar so»
dass der Zusammenhang nicht gestört wurde. Bekannt«
lieh ist unsere Kammerstimmung gegen die, welche zu
Graun s Zeiten gebräuchlich war, um mehr als einen
halben Ton hinaufgerückt; sollte nun das Werk in sei-
ner ursprünglichen Tonhöhe erscheinen, so musste das-
selbe nach Umständen theiis um einen halben, tbeils um
einen ganzen Ton tiefer transponirt werden, welches fast
bei allen Nummern geschah. Die Cantate spielte mit oben-
erwähnten Abkürzungen der Arien gerade zwei Stunden,
und das Publicum äusserte sich über die zeitgemässe Aus-
stattung sowohl, als über die Aufführung selbst sehr zu-
frieden.
Weimar , im März 1844. Von Anfang November
1843 bis Mitte Februar 1844 halten wir so viel Inter-
essantes in Musik, als vielleicht noch nie in einem so
kurzen Zeiträume. Denn im Theater gab Mad. Schröder*
Devrient neun Gastdarstellungen , Herr CM. Dr. Lü*t
veranstaltete und leitete vier Capellconcerte und vier Hof-
concerte, in denen allen er auch spielte; der Hofpianist
Herr Krüger von Stuttgart spielte im Theater und bei
Hofe, an beiden Orten sangen Miss Birch und Herr Pan*
taleoni, in Zwischenacten und im Capellconcert Dem.
Kvntk (Mitglied des Theaters in Brüssel), drei Gasher-
stellungen gab der Tenorist Herr Eberiu* vom Hofthea-
ter in Ballenstädt, und ein Natursänger Herr F. J. Es-
feens kam auch einmal wieder an die Reihe« Die beiden
Opern „Der Herzog von Olonne" von Auber und „Hans
Heiling" von Marschner waren znr Aufführung am 2.
und 16. Februar (den Geburtstagen des Grossberzogs
und der Grossherzogin) bestimmt, Hans Heiling wurde
jedoch bis znr völligen Genesung der Grossherzogin ver-
schoben.
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1844. April. No. 17.
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Die Vorstellungen im Theater waren folgende : Ar-
mida, Fidelio, Iphigenia in Tanns, Saalnixe (erster Theil),
Titas,' Egmont, Faust zwei Mal, Leonore, Pfefferrösel
zwei Mal, Preciosa, Rückkehr ins Dörfchen,! Scbeibentoni
zwei Mai, Waise und Mörder, Wallensteins Lager, Wie-
ner in Berlin, Barbier von Sevilla, Lucrezia Borgia, (hello,
Romeo und Julie, Tochter des Regiments zwei Mal, Blau«
hart, Herzog von Olonne zwei Mal, Johann von Paris,
Weisse Dame, und an einem Abende (die bestimmte Vor-
stellung konnte eines plötzlichen Hindernisses wegen nicht
Statt finden) gab man „Dramatische Bilder," nämlich:
den ersten Act der Schweizerfamilie , den zweiten der
Lncrezia Borgia und den vierten der Montecchi and Ca-
Juletti. Neu war: „Der Herzog von Olonne" von An-
er, ein leichler, loser Text mit fader, flacher Musik»
Wie der Componist des Maurers und der Stummen sich
so erniedrigen konnte, einen Herzog von Olonne unler
seinem Namen erscheinen zu lassen, wird einem ehrlie-
benden Deutschen schwer zu begreifen. Der Franzose
hat's gethan, hat das Honorar in der Tasche nnd küm-
mert sich um Weiteres nicht. Herr Auber hat uns schon
oft getauscht, es wäre endlich Zeit, sich nicht mehr täu-
schen zu lassen.
Die neun Vorstellungen der Mad. Schröder- Devricnt
waren: Armida, Blaubart, Fidelio, Iphigenia in Tauris,
Lncrezia Borgia, Olello, Romeo und Julie, Titas, und die
oben genannten Dramatischen Bilder. Die Künstlerin bat
einen zu weit verbreiteten grossen Ruf, als dass es nö-
thig wäre, über ihre trefflichen Leistungen in's Einzelne
zu gehen. Es genügt, zu bemerken, dass sie auch dies-
mal, wie schon früher, in allen ihren Darstellungen die
vollste Anerkennung fand, besonders aber als Lucrezia
Borgia und als Marie im Blaubart das Publicum hinriss.
Ihre vielen enthusiastischen Verehrer fanden zwischen
ihren jetzigen und früheren Leistungen keinen Unter-,
schied — die ruhigem Beurtheiler fanden jedoch einige
Verschiedenheit, weniger in der Kraft und im Klang der
Stimme, als in der weniger leichten Ansprache der Töne,
besonders der höhern, was sich durch öfteres bemerkba-
res, nicht selten hörbares Athemnehmen kund that —
auch leider in der Intonation. Der Vortrag war seelen-
voll wie immer, und das Spiel meisterhaft, hier und da,
z. B. im Blaubart, vielleicht zu scharf und grell. Es mag
sein, dass man dergleichen jetzt schöner findet und mehr
applaudirt, als früher, und als es recht ist — eine Künst-
lerin aber, wie Mad. Schröder- Devrient bedarf keiner
Künstelei. Wenn Referent bekennt , dass er zwar unter
die wahren Verehrer der Mad. Schröder -Devrient ge-
hört, doch nicht zu den enthusiastisch blinden, so mag es
ihm wohl frei stehen, seine Meinung offen dahin auszu-
3 »rechen, dass Mad. Schröder- Devrient noch jetzt im
esange weit mehr leistet, als man nach so vielen Jah-
ren ihrer dramatischen Laufbahn, in denen sie die gröss-
ten, anstrengendsten Gesangpartieen mit Aufwendung al-
ler körperlichen und geistigen Kraft ausführte, billiger
Weise verlangen, ja nur erwarten kann, dass aber den-
noch Jeder, dem der herrliche Name der grossen Künst-
lerin werth ist, wünschen muss, sie möge bald, eher,
als sie dazu gezwungen ist, den Gesang aufgeben und
x sieb dem recitirenden Trauer- nnd Schauspiele zuwenden.
Sie wird gewiss auch dort Triumphe feiern. — Madame
Schröder - Devrient sang auch bei Hofe in einem kleinern
Cirkel am Flügel, und in einem von ihr zum Besten des
Franenvereins veranstalteten Kirchenconcert, in dem sie
von dem Tenoristen Herrn Götze, der Capelle und Herrn
Professor Töpfer unterstützt wurde, der, wie vorauszu-
sehen war, das meiste Interesse für sein ausgezeichne-
tes Orgelspiel in Anspruch nahm.
Herr Eberius sang in der Tochter des Regiments,
Jobann von Paris und der weissen Dame. Er ist von
der Natur zwar nicht reich, doch auch nicht so kärglich
ausgestattet, dass er nicht ein recht brauchbarer Sänger
nnd Schauspieler werden könnte, hat aber zu wenig
Schule und allgemeine Bildung und verstösst daher zu
oft gegen feinere Sitte und Anstand. Das war vorzüglich
im Johann von Paris der Fall, einer Rolle, deren Fein-
heiten nur wenige Sänger begreifen. Wir wünschen, Herr
Eberius möge nachholen, was ihm fehlt; in seinen Jah-
ren ist das noch recht wohl möglich.
Miss Birck, die im Theater in Zwiscbenacten und
auch bei Hofe sang, fand die lebhafteste Anerkennung
ihrer trefflichen Leistungen. Ihr schulgerechter und schö-
ner Gesang (der Triller wird vielleicht noch besser) ge-
währte allen Zuhörern grosses Vergnügen. Eins wünsch-
ten wir der liebenswürdigen Künstlerin in höherm Grade,
nämlich Rundung in den jetzt etwas berausgestossenen
Passagen, vorzüglich aber mehr Feuer und Leben in ih-
rem übrigens höchst lobenswerthen Vortrage. Vielleicht
gelingt es ihr bei ihrer Jugend, in dieser Hinsicht auch
die andern englischen Sängerinnen zu übertreffen, die
wir seil einigen Jahren hörten, wenn nicht etwa dieser
Mangel an südlichem Feuer nationell ist.
Dem. Kunth, Mitglied des königl. Theaters in Brüs-
sel, und ein Signor Pantaleoni sangen uuter Liszl*s
Schutze und durch ihn empfohlen in Zwiscbenacten, im
Capellconcert, ja ich glaube, sogar bei Hofe. Dem. Kunth
ist noch jung, nicht ohne Anlage und von der Natur
nicht vernachlässigt, kann daher noch recht brav wer-
den, wenn sie gründlicher studirt. Herr Pantaleoni, mit
einer eigenen Stimme, die keine Tenorstimme und auch
kein Alt ist, gefällt sich sehr im rohen Falsett bis in die
Region des hohen Sopran's, und singt Alles mit solchem
charlatanmässig imponirenden Vortrage, dass man wohl
siebt, er hält sich für einen grossen Sänger. Wir An-
deren sind anderer Meinung.
Der Natursänger Herr F. J. Eskens mit einer ziem-
lich guten Stimme und einem Falsett, besser, als das
des Herrn Pantaleoni, lässt sich in seinen Liedern und
in der Nachahmung mehrerer Instrumente schon einmal
mit anhören. Auf eine etwas weniger natürliche Beglei-
tung mit der Guitarre sollte der gute Mann doch bedacht sein.
Herr Dr. Fr. Lüzt, grossberzogl. sächs. Capellmei-
ster im ausserordentlichen Dienste, wurde schon Anfang
October erwartet, kam aber erst einige Tage vor Weih-
nachten und blieb bis zum 18. Februar 1844. Sein aus-
serordentlicher Dienst bestand darin, dass er mehrere
Gapellconcerte (im Theater) und Hofconcerte anordnete,
dirigirte und in ihnen spielte. Duroh das Gerücht, er
werde seinen Dienst mit der Aufführung von drei grossen
Werken eigener Gomposition, nämlich einer Symphonie,
295
1844. April. No. 17.
1294
einer Hymne und eines Coneerts antreten, waren die Er-
wartungen aufs Höchste gespannt. Leider wurden sie
getauscht, da Herr CM. Liszt wenig Neues und nichts
Grosses von seiner Composition zu Gehör brachte. Er
schien es diesmal mehr aufs Dirigiren und auf die Aus-
fuhrung von Werken Anderer angelegt zu haben. Er
spielte Hummets Concert in Hmoll, Hummets Sextett,
C. M. »• Weber 's Concert in F, Thalberg 's Fanlasie
über Themen aus den Hugenotten mit Violine (Herr Stör),
und von seiner Composition die Fantasie über zwei The-
men aus Don Jüan, Tarantella, Mazurka, Polacca, Hexa-
meron u. dergl. — Unter seiner Leitung wurden aufge-
führt: von Beethoven Symphonie in Cmoll, Sinfonia
eroica, Symphonie in Adur, Musik zu Egmont, Ouver-
türe zu Fidelio, von C. M. v. Weber Ouvertüre zu
Oberon und die Jubelouverture, von Lobe Ouvertüre zu
den Flibustiern, von Berlioz Ouvertüre zu Lear, ein
Satz aus Schubert 9 s Symphonie in G dur, eine (schwäch-
liche) Ouvertüre von Lambert — mehrere Gesangstücke
von Mozart , Mercadante, Donizeiti, M. Eberwein,
Bellini, Ra$sini 9 Auber> Liszt (zwei deutsche Lieder),
gesungen von den Damen Ottenburg, Kunth und den
Herren Pantaleoni 9 Götze, Genast und Höfer. Von In-
strumenlalsacben wurden noch zu Gehör gebracht: die
Orchester- Fantasie von Chelard (schon früher mit Bei-
fall gegeben), Beethoven 9 s Concert in Cmoll, sehr brav
gespielt von dem königl. würtemberg. Hofpianisten Herrn
Krüger, eine Fantasie für Violoucell von Herrn Kam-
mermusikus Jpel y eine Fantasie für die Violine (über
Themen aus der Tochter des Regiments), sehr beifällig
aufgenommen, und Variationen für die Trompete von Herrn
Kammermusikus Sachse, mit enthusiastischem Beifalle be-
lohnt. — Herr CM. Liszt machte von hier Ausflüge nach
Jena, Budolstadt, Erfurt, Gotha, an welchen Orten er
Concerte für woblthätige Zwecke gab. So viel Referent
weiss, begnügte sich Herr Liszt auch hier mit der eh-
renden Auszeichnung, die ihm von Seiten des Hofes und
des Publicums zu Theil ward , und verzichtete auf alle
äusseren Vortheile. — Deber seine Leistungen als Vir-
tuos ausführlich und im Einzelnen zu sprechen, würde
sehr überflüssig sein, da sein Spiel hinreichend bekannt
ist; dass er aber ältere, gediegene Compositionen ande-
rer Componisten ausführte, verdient unsern besten Dank,
so wie, dass er mehrere treffliche Orcbesterstücke zu
Gehör brachte. Ein öffentliches Blatt berichtet, Herr Dr.
Liszt habe hier vor leeren Banken gespielt, sei kalt be-
handelt worden und habe sich mit seinem Dirigiren we-
nig Ehre eingelegt. Diese Nachrichten sind völlig un-
wahr. Alle Concerte waren sehr zahlreich besucht, und
Herr Dr. Liszt wurde bei jedem Auftreten und Abtreten
lebhaft applaudirt. Dass diesmal (Herr Dr. Liszt war zum
dritten Mal seit zwei Jahren hier) nicht der Enthusias-
mus des ersten Males stattfand, ist wohl sehr natürlich,
da die ganze Art seines Spiels, seine slaunenerregende
Fertigkeit und Gewandtheit, seine Kühnheit und Keck-
heit, seine Leichtigkeit und Sicherheit in Ceberwindung
grosser Schwierigkeiten, die Vollendung der Nüancirung
des Tons vom leisesten pp bis zum donnernden ff, das
Piquante und Originelle im Vortrag, besonders seiner
eigenen Compositionen, die mit ihren Eigenheiten ihm
eben wohl stehen — nothwendig die ersten Male bin-
reissen oder imponiren müssen, später aber unmöglich
erwärmen können. Was endlich die Art der Direction
anlangt, so möchte wohl die Meinung der Einen : sie sei
ganz vortrefflich, eben so unrichtig sein, als die der An-
deren : sie sei durchaus verfehlt, und auch hier, wie oft,
die Wahrheit in der Mitte liegen. Herr Dr. Liszt scheint
bis jetzt nur selten dirigirt zu haben , wie sich aus der
grossen Verschiedenheit zwischen seiner Direction in den
ersten Tagen seines hiesigen Aufenthalts, und der in der
letzten Zeit sehr deutlich ergiebl. Anfänglich nämlich
sorgte er viel weniger für bestimmtes, scharfes Ange-
ben und Festhalten des Tactes oder stetes, gleichmässi-
ges Anhalten und Fortgehen (ritard. und string.), als
vielmehr für Andeutung des Vortrags im Einzelnen durch
Hilfe des Tactstocks und durch verschiedene Bewegun-
;en des Kopfes und des ganzen Körpers; später mochte
ies mehr in den Proben Statt gefunden haben, und das
Aeussere, so zu sagen, Mechanische des Dirigirens machte
sich mehr bei der Aufführung gellend. An Feuer und
Leben fehlt es Herrn Liszt nicht, als Dirigent hat er
dessen nur zu viel, und lässt sieb davon zuweilen mehr
hinreissen, als eben recht ist. Da er alle Werke, die
er aufführt, durch und durch kennt, so ist in Hinsiebt
der Auffassung die Direction immer interessant, oft ori-
ginell, was auch Der zugeben muss, der eine etwas ver-
schiedene Ansicht des Werkes haben möchte. Referent
glaubt, dass Herrn Liszt zu einem guten Dirigenten nur.
die Ruhe fehle. Wir wünschen und hoffen, dass er diese
errungen haben möge, wenn er wieder nach Weimar
kommen wird $ er wird dann durch sie auch in den Pro-
ben sich als Dirigent und als Mensch die Achtung ge-
winnen, die man dem grossen Virtuosen so gern zollt.
Möchten wir dann auch einige bedeutende Compositionen
von ihm hören, die nicht allein dem Virtuosen, sondern
auch dem Capellmeister Ehre bringen.
Fe u i l l
E T O I¥.
Der Pianofortevirtuos Leopold v. Meyer, welcher anlangst in
Cooittntinopel so bedeutendes Aufsehen erregte nnd unter Andern
ein Concert znm Besten der Armen gab, das, trotz der dort ablieben
niedrigen Eintrittspreise, 18,000 Piaster einbrachte, hat in der Mol-
dau, Walachei und Galiziea«denselben allgemeinen Beifall erhalten
und wird im Laufe dieses Janrts seine Kanstreise auch durch Deutsch-
land fortsetzen. In Wien bat er bereits Furore gemacht.
> . %pr Leitong des diesjährigen Schweizer -Musikfestes in Solo-
lotbarn ist Schnyder von Wariensee berufen worden.
Zar dreihondertjährigen Geburtsfeier Tasso's, welche am 13.
März in Turin festlich begangen ward, wurde eine vom Grafen
Marchetti gedichtete, von Rossini neu eomponirte Cantate aufge-
führt; sie fand solch enthusiastischen Beifall, dass sie drei Mal
gesangen werden masste. — Personen, die dem Pesareser Orpheus
näher stehen , wollen wissen, dass Rossini in seiner Zurückgezo-
genbeit an einer grossen Oper in fünf Aufzögen arbeite, welche
die Jungfrau von Orleans zum Gegenstände bat. Diese Oper soll
sein musikalisches Vermach tniss bilden.
Am 8. April wurde in Weimar Shakespeare 9 » Sommernaehts-
traum mit Mendelssohn- Bartholdy's Musik zum ersten Maie glän-
zend aufgeführt.
29Ö
1844. April. No. 17.
296
Da* diesjährige grosse rheiaisobe Musikfest wird 10 Cola ia
Gurzeoichsaate unter des dasigen Musikdirectors Heinrieh Dorn
Laitan; gefeiert werden. Die zar AuffShruns; bestimmten Haupt-
werke sind: Händers Oratorium Jephta, Beethoven** grosse Messe,
eine Symphonie von. Mo*art % eine Festeaatete vea Dorn.
Das Programm zu dem Man nerges angfeste, welches am 7. ond
8. August d. J. in Meissen gefeiert werden soll (s. d. Bl. S. f03)
enthalt folgende Mnsikstttekei Am arsleo Tage geistliche Moaik
(im Dame): Choral; — Psalm i „Der Herr ist Gott," von Bar-
ner $ — Hymne? „Gott sorgt für mich," von Heutiger (eigens
fdr das Pest compooirt); — Hymne: „Wo ist, so weit die Schö-
£fung reicht,'* von Neithardt; — Motette: „leb danke dem
[erre," von Bemh. Klein; — • Psalm: „Gott sei ans goldig, u
von Friedrieh Schneider (eigens für das Fest eomaeairt). — Am
»weiten Tage findet ein Zug nach dem nahen Baaebbade nod des-
sen Umgebungen Statt, wobei weltliche Gesänge vorgetragen wer-
den. Am Abend dieses Tages ist Festmahl. — Die Leitung der
Aulfabrangen haben übernommen: CapellmeUter Friedrich Schnei-
der aas Dessau, Capellmeistor C. <?. Reissigor aas Dresden, Mn-
sikdireetor Hartmann zu Meissen.
Am 21. März wurde Richard Wagner** ,,CoU Rlenzi" in
Hamborr unter Leitung des Componisteu selbst zum ersten Male
aufgeführt und machte allgemein bedeutenden Eindruck.
Am Caarfreitage wurde ia Dresden unter Leitung des dorti-
gen Musikdirektors Julius Otto ein von demselben neu componir*
tes Oratorium : „Des Heilands letzte Worte" aufgeführt und bei-
fällig aufgenommen.
Am 8. April starb in Wien der Hofratb Ignaz Franz Edler
von Mosel , VI Jabr alt, an Longenlähmung. Seine Verdienste
als Tondichter, musikalischer Schriftsteller uad Kritiker, so wie
namentlich auch als Bearbeiter der Händer seh ta Oratorien aiad
bekannt. Früher war er Vicedirector des Burgtheaters, zuletzt
erster Casios an der kaiserlichen Hofbibliothek.
Ankündigungen.
Bei Fr« HiStner ia Leipzig ist so eben mit Eigen-
thamsrecht erschienen i
Die erste Walpurgisnacht.
Ballade tob Goethe fflr Chor und Orchester
ceaeponirt von
Felix ]f!endel»sohn-Bartliolily.
Op. 60.
Ptrtitw gebunden 7f Thlr.
Orchester -Stimmen 7
Smf itim m r n 9i -
CUvicr- Auszug 4
JF. Woscheles,
l)eux Fantaiaiea briUaales pour Piano sur des Airs feveria de
l'Opera: „La Bohemiennc" de Hälfe. Op. 106. No. I, %
Preis 20 Ngr. und 28 Ngr.
Bei Jena« AnelrtS in Offeubach sind erschienea :
Hazart'» Senaten fär Pianoforte. tf Thlr. 26 Sgr.
— Variationen, Rondo's n. s. w. für Pianoforte. 2 Thlr.
— vierhandige Ciavierwerke. 3 Thlr. 6 Sgr.
— Sonaten für Pianoforte und Violine. 6 Thlr. 20 Sgr.
— 10 Violinquartetten in Partitur. 4 Thlr.
— Das Schönste ans seinen Opern für Pianoforte. 1 Thlr. 12 Sgr.
— Erste Anthologie aus seinen Sonata* für Pfte. 2 Thlr. 9 Sgr.
Ausführliche Prospectus sind in allen Buch- und Musikalien«
handlangen gratis zu haben.
Nene brillante Piaaeforte-Compositionen
im Verlage von F. E. C Ijeueliart in Breslau:
Schnabel, ©., Grande Fantalele brillante ponr
le Pianoforte sur d'airs americains. Dediea a Mr. le Docteur
Franeat« Lira*. Op. 50. i Thlr.
Gewandte Clavierspieler werden nicht bald ein Musikstück fin-
den, welches zum öffentlichen Vortrage besser geeignet wäre, ab
Schnabel's Fantasie über amerikanische Lieder. Selbst dem be-
rühmtesten aller Clavierspieler, Herrn Dr. Lisat, hat dieselbe so
gefallen, dass er sie ia mehreren Concerten selbst vorgetragen hat.
Vor vielen ähnlichen Werken grosser Clavierspieler hat Schnabel'«
Fantasie noch den Vorzog, dass die technischen Schwierigkeilen
nicht unüberwindlich sind.
Ferner erschienen so eben :
Krsrmann, A M Variation» brillantem ponr le Pia-
noforte sur nn theme de TOpera : Norma de Bellini. f tf Sgr.
Kaezltowslrf, Eugene, Iflysteres de la Hanse.
Trolft IVfaanreS pour Pianoforte. tf Sjrr. Diese Mazur-
ka's sind unstreitig die originellsten, welche jemals erschienen.
Bestellungen nehmen alle Buch- und Musikalienhandlungen an.
In der T. Trantweln'schen Buch- und Musikalienhand-
lung (J. Gutienimg) ist erschienen«
Grell, A. E.> Op, 27. Der 95. Psalm, vierstimmig (mit Be-
gleitung von 2 Viol., Violoncelle, Contrabass, Flöte , 2 Oboea,
2 Fag. , 2 Trompeten und Pauke (und ad libit. 5 Posannen).
Preis des Clav. - Ausz. 1 Thlr. Preis jeder Singstimme 8 Sgr.
Preis der 15 Instrumentalstimmen I Thlr. 7jt Sgr.
Taubert, W.» Op. 57. Chore zur Medea des JEwripides. Cia-
vier -Ansaug. Preis 2 Thlr. 10 Sgr.
fdP* Die Chöre anr Medea werden auch einsein gegeben.
Grell, A. F., Op. 28. Lieder für die Jugend mit Begl. dea
Pianoforte. 2 Helle a 5 Sgr. Subseriptions- Preis.
(Besonders wichtig für Schulonstalten.)
Wlehmann, Herrmann, Nocturne, Etüde et Mazurku.
Trois pieces pour le Piano. Op. 2. I2± Sgr.
Terniaaif Yen zwei Cretnenemer Gelten.
Eine von Antonius Straduiaritts , welche wegen ihres liebli-
chen starken gesangvollen Tones und leichter Ansprache sich be-
sonders sum Cencertepiel eignet, in ihren ursprünglichen Theiien
erhalten, unverändert, wie sie des Meisters Hand gefertigt, so wie
eine von Sieolaus Amati, welche einen wohlkliugenden schönen
Ton, auch leichte Ansprache, gut erhalten, aber nicht den ur-
sprünglichen Hab mehr hat. — Brstere ist zu dem Preise von
600 Thlr. Gold, und die aweite an 1O0 Thlr. Conraat , bei Ua-
temeiehnetem an kaufen, und können Ranfliebhaher diese Instru-
mente durch Sicherstellung der Kaufsumme auf Probe erhalten.
Auch kann ich den geehrten Herren Muaikern meine neuen, der
Straduiari nachgemachten Geigen, gut im. Tone und ia der Spiel-
art, bestens empfehleu. Indirecte Bestellungen wird Herr Buch-
handler Helm hienethat an mich an beiordern die Güte haben.
HalbersUdt. A% Howdkwmmmm. Iartruaaentenmacher.
Druck and Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig and anter deren Verantwortlichkeit.
297
296
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den !•*•■ Mai.
M 18.
1844.
Inhalts Zar musikalischen Literatur. (Beschlass.) — Recensionen. — Nachrichten-. Aas Halle, das Palmsonntagsconcert in Dres-
den betreffend. Aas Leipzig. — Feuilleton. — jänhmdigungen.
Zur musikalischen Literatur.
(Beschlags.)
Es wird mir schwer, mich in der Aaswahl der treff-
lichen und überaus naturwahren Bemerkungen des Ver-
fassers im weitern Verlaufe seiner historischen Skizze zu
beschränken. Er hält sich an die Erscheinung, dass Volks-
musik der für gebildete Welt, d. b. musikalisch erzo-
gene Leute, immer entgegengesetzt gewesen sei. Er ver-
langt von demjenigen Meister, der den Ruhm des gröss-
ten für sich in Anspruch nehmen soll, dass alle Men-
schen an ihm einen Gewinn haben. Er weist nach, dass
die Theoretiker oder Aesthetiker Baiteux, Forkel, Rous-
seau, Marpurg diese Universalität, das heiligste Wesep
der Kunst einseitig angeschaut, also verkannt haben.
Die Differenz der Vocal- und Instrumentalmusik, eben
so wichtig als die der Melodie und Harmonie, kommt
ferner zur Sprache, und die einzelnen historischen Er-
eignisse des 18. Jahrhunderts werden darnach aufgefasst.
Gluck im Kampfe mit Piccini, Haydn als der Vater einer
nicht blos deutschen, sondern europäischen Instrumental-
musik sind in lebenswahren Zügen geschildert. Endlich
tritt nun der Held des Buchs, Mozart, auf, der mit dem
schönen Beinamen eines Erben aller Jahrhunderte, in dem
sich die Naturmusik mit der Kunstmusik vereinigt, ge-
krönt wird. Er übt alle Combinationen von Tönen mit
siegender Leichtigkeit, aber mit steter Beachtung des
Wohlklanges, d. i. der ewigen Naturgesetze, aus, er
gestaltet den Ausdruck des Characters nur bis zur Grenze
der Schönheit, er ist mannicbfaltig in jedem seiner Kunst-
werke, aber jedes, das grösste wie das kleinste, ist eine
Einheit. Der Verfasser kommt zu dem Resultate, dass
die Mozart vorhergegangenen Tonmeister streng genom-
men entweder Melodisten oder Contrapunctisten gewesen
sind, Mozart aber der wahre Musiker für alle Völker
ist. Unter den vielen Thatsacben, die angeführt sind, um
dies in's rechte Licht zu stellen, ist jene nicht unwichtig,
dass ziemlich alle ihm vorhergegangenen Meister ihren
Ruhm bei Lebzeiten erhalten haben , Mozart aber ver-
kannt gestorben ist und der spätem Zeit erst in seiner
Grösse erschien. Er lebte von kärglichem Verdienste,
ohne Besoldung, aber desto freier für seinen Beruf.
Eine Abhandlung über den allgemeinen Gbaracter
Mozart' zcher Werke leitet die Betrachtung und analyti-
sche Untersuchung der einzelnen ein; sie ist an Beob-
4». Jahrgang.
achtungen reich, die zu dem Ende, die göttliche Begei-
sterung in all* seinem Wirken darzuthun, gesammelt
sind. Der Verfasser geht so weit, dass er die Handschrift
Mozart' s mit der Beethovens vergleicht, und jene sau-
ber, vollendet, diese kaum zu entziffern , undeutlich fin-
det; Jener schuf aus dem Ganzen, Dieser jagte, so wird
kühn genug behauptet, dem Neuen, Unerwarteten nach.
Beethoven wird mit grösster Achtung behandelt, aber
seine Abweichung von der Bahn des Schönen in das Ge-
biet des Bizarren wird scharf getadelt ; denn Oulibicheff
sieht eben darin, dass Beethoven und Bach, nach seiner
Ansicht, das Ohr zuweilen roisshandelt hätten, den Be-
weis für einen geringeren Beruf, als der Mozarts ge-
wesen sei. Gegenwärtig werden Viele sein Urtheil falsch
nennen, aber die Geistreichen gerade, welche dies thun
werden , sollen nicht vergessen , dass, um Mozart ganz
zu würdigen, man eine lange Reihe von Jahren hindurch
in der Zurückgezogenbeit von literarischem Geschrei, von
einem die Nerven reizenden complicirten Leben sich in
den Meister versenken muss, wie unser Autor es gc-
than hat. — Die Analyse der Mozarfschen Werke, un-
streitig der werthvollste und trefflichste Theil des gan-
zen erfreulichen Buches, umfasst sie sämmtlicb, mit Aus-
schluss der Compositionen für das Pianoforle, weil diese
als Goncertmusik die Ansprüche der Virtuosität, die seit-
dem fortgeschritten, nicht mehr befriedigen. Ich muss die-
sen Mangel beklagen. Die Mozart'schen Clavierconcerte
sind bekanntlich eher Sympbonieen mit einer Prinzipal-
stimme zu nennen, als für solche Musikstücke, die auf
Virtuosität berechnet wären, zu halten. Auch ist für Mo*
zarfs ganzen künstlerischen Character der Umstand, dass
er als Ciavierspieler excellirte, von grosser Wichtig-
keit. — Doch, wir wenden uns zu dem, was der Ver-
fasser uns bietet, ' und finden darin eine Reihe eigenthüm-
lieber, selbständiger Untersuchungen. Von Gewicht ist,
dass bei jedem Werke die Situation des Lebens, die
Stimmung, worin der Meister es verfassle, berücksichtigt
werden, ein Verfahren acht Wissenschaft lieber Art, ge-
eignet, eine Menge von Journalschwätzern zu beschämen.
Den Anfang macht „Idomcneo." Der vierundzwan-
zigjährige Mozart, bereits ein ausgezeichneter Musiker,
aber noch weit entfernt davon, an einen Weltkampf mit
den Meislern Gluck und Haydn denken zu können, wurde,
nach der Ansicht des Verfassers, durch die Liebe eman-
cipirt. Aloyse Weber % deren Schwester Constamme tr
18
1844. Mai. No. 18.
500
spater heirathete, bezauberte ihn durch die Schönheit
ihrer Stimme. Die Veranlassung, für München eine Oper
zu schreiben, war ihn willkommen, «ad das mit vieler
Unsicherheit zusammengestellte Gedieht des Abb6 Vmresc*
war ihm sogleich daher gau recht. Die Fehler dieses
mit epischer Breite versehenen Operntexles haben Schuld,
dass die Oper ausser München wenig gegeben worden ist.
Im Style siebt man den Einfluss Gluck 9 *, dessen Werke
Mozart in Paris kennen gelernt halte, aber das Gedicht
hemmt den jungen Componisten; 26 Nummern zeigt die
Partitur, die Recitative nicht gerechnet, aber wenig En-
semblestücke, meistens Arien, Chöre und Märsche. Doch
indem das Gedicht den Bedürfnissen des disponiblen Ge-
sangpersonals entgegenkam, den Pfad Dessen, was das
Herkommen verlangte, nicht verliess, mag es auch jtfo-
zarfs augenblicklichen Erfolg erleichtert haben, ja, es
half den Tonkünstler erziehen, indem es die herkömmli-
chen Formen ihm noch anzuwenden vergönnte, damit er
allmälig sich daraus durch seine innere Kraft befreie.
Nun geht der Verfasser in die einzelnen Musikstücke
ein, sondert sie in drei Classen, die von G lue k'&chem
Einflüsse berührten, die italienischen Formen nachfolgen-
den, die endlich, die bereits den originellen Gharaoter
des Componisten verrathen, wozu fast der ganze dritte
Act gerechnet wird. Mozart schrieb bekanntlich an sei*
nen Vater: „In dieser Oper ist für jeden Geschmack
Musik." Oulibicheff führt die Arie des Arbace, Mo. 22,
mit Quartett als ein veraltetes, den Antiquilätenfreunden
zu Liebe gemachtes Stück ad, und vergleicht sie mit der
bekannten Arie im Don Juan, der der Elvira im Hän-
detschen Style, die er, obgleich der Kenner sie loben
muss, bei der Aufführung wegzulassen rfith. Die Ouver-
türe mag dem Publicum von 1781 seltsam genug vorge-
kommen sein, denn sie weicht bereits in Instrumentation
und Harmonie von dem damals Ueblicben vollständig ab,
aber die zehn Jahre jüngere Ouvertüre zu Tilus spricht
den heldenmässigen Cbaracter ungleich vollendeter aus.
Der Verfasser tadelt übrigens einige einzelne harmoni-
sche Härten in dem Werke, die er anführt, und wor-
über ich hier nicht mit ihm streiten kann. Wenn er aber
als Grund angiebt, dass Mozart ein Bewunderer Bach**
gewesen und ihm nachgeahmt habe, so ist dies wohl zu
viel gesagt. Er hat zwar das wohltemperirte Ciavier als
Kind kennen gelernt, aber erst spater in Leipzig (1789)
mehr von Bach in die Hände bekommen und mit Freu-
den begrüsst. Die Mozarf sehe Art, zu moduliren, ist
eine eigentümliche, die sich ihre Wege selbst brach,
und die zuerst sich an keine Härten stiess. Der Wunsch,
dass Idomeneo, wenn auch nicht auf der Bühne, doch
im Concerlsaale häufiger, als geschieht, in's Gedäcbtniss
gerufen werde, ist gewiss gerecht. — Unmittelbar an
diese Oper scbliessl sich die Betrachtung des in München ge-
schriebenen „Misericordia* Domini/ 4 des ersten Kirchen-
stücks, worin Mozart unabhängig von den Forderungen,
die früher der Bischof von Salzburg an seine Kirchen-
musik machte, sich bewegen konnte. Obgleich dieses nur
ans einer Nummer bestehende Stück von geringem Um-
fange ist, wird es dennoch für einen unzweideutigen Be-
weis der Reife gehalten, welche Mozart damals erreicht
hatte. Der Verfasser bebt technische Vorzüge, einzelne
Stellen, die das Originalgenie verrathen, hervor, ja, er
findet dies im Gebrauche oft einer einzelnen Note, z. B. :
flÄi
„Hier," so bemerkt er, ,,ist das gis in den Gesangstim-
men ein Blitz des Genius. Unterdrückt es, und die Mo-
dulation zwischen Cmoll und Dmoll ist nicht mehr aus-
zuhallen, die Quinten mit dem Grundbasse sind dann obr-
zerreissend, aber dieses gis, das die Natur eines Cha-
mäleons an sich trägt, macht Alles gut!" — Ich kann
mit ihm in der Bewunderung dieses merkwürdigen Bei-
spieles eines durch ein ganz einfaches Mittel hervorge-
brachten Effects nur übereinstimmen. Diese Note ist in
der That ganz Bach'scher Natur, und mag den Italienern
(wenigstens 1780) sehr missfallen haben. Mozart hielt
diese Composition, wobei die Instrumente nur begleitend,
nicht obligat auftreten, selbst sehr hoch. — Die dem-
nächst folgende Abhandlung über Mozart , als Improvi-
sator und Virtuos, enthält fast nur bekannte Bemerkun-
gen, und dient hier nur, die Vielseitigkeit des Mannes
anschaulieb zu machen, der in jedem einzelnen Style sei-
ner Kunst deren Wesen als Hauptsache festhielt. — Die
,, Entführung aus dem Serail" beschliesst diesen zweiten
Band. Belmonle ist Mozart, der glückliche Bräutigam
selbst, der, während er die Oper schrieb, heirathete. Von
diesem Gedanken gebt alles Uebrige aus. Der Humor, in
Mozart 9 * Persönlichkeit ein ewiger Zug, findet in Os-
loin, dem trefflichsten und individuellsten komischen Cba-
racter, den, ausser Leporello, er geschaffen hat, seinen
Repräsentanten, Die ganze Oper ist mit dem gründlichsten
Fleisse auseinandergesetzt, die conventioneilen Bravour-
arien der Constanze, für die Sängerin Cavalieri geschrie-
ben, die beiden Nebenrollen, Alles ist mit grosser Liebe
studirt. Die Hauptsache, dass die Oper nebst der Zau-
berflöte die einzige ist, die Mozart auf deutschen Text
componirte, und dass beide daher zusammengehören, wenn
man alle Werke des Meisters gruppiren will, wie Ido-
meneo und Titas, und dann wieder Figaro und Cosi fan
tutle, zwei Paare bilden, so dass Don Juan endlich den
Gipfel der ganzen Pyramide bildet, dies Alles ergiebt sich
aus der lehrreichen, von allem Pedantismus freien , von
ächter, gegenwärtig höchst seltenen Begeisterung diclir-
ten Skizze. Es ist unmöglich, ohne wörtliche Üeberse-
tzung ein vollständiges Bild von dieser Wärme der Dar*
Stellung zu geben, und auch dann müsste mit Vor-
sicht verfahren werden. Der Verfasser denkt unstreitig
leichter in französischer, als in deutscher Sprache, so
genau er diese versteht; sollte Jemand, und es ist mein
Wunsch, dass dies geschehen möge, diese Uebersetzung
wagen, so würde er den treffenden Effect vieler einzel-
nen Beiwörter wiederzugeben Mühe haben. Wenn auch
301
1844. Mai. No. 18.
308
nicht das ganze Werk zu übertragen Veranlassung* ist,
so verdienten es wahrlich diese Analysen der einzelnen
Opern , und wenn mir einst Zeil und Masse es verstat-
ten, so möchte ich es selbst nicht aufgeben, in Erman-
gelung eines andern der Arbeit gewachsenen Schriftstel-
lers dies zu übernehmen.
Von dem dritten Bande in gedrängter Form zu be-
richten, gebietet um so mehr der für diese Zeitschrift ge-
stattete Raum, da er höchst reichhaltig ist. Er wird mit
den Quartetten für Streichinstrumente, die Haydn gewid-
met sind, eröffnet. Mozart ist 27 Jahr, und die mit Ido-
meneo begonnene Lebensperiode, die nun drei Jahre um-
fasst, schliesst ab. Er tritt in die seiner vollendeten Mei-
sterschaft. Der Grundgedanke, wovon ausgegangen wird,
ist der Unterschied zwischen Quarte tlstyi und Sympho-
niestyl; eben so sebr muss die Vorliebe für ein einzel-
nes Concerlinstrument, dem die andern nur dienen, un-
terdrückt werden. Jenes nennt der Verfasser dramati-
schen Effect, dieses wäre der erste Schritt in das Vir-
tuosengebiet. Die Wahl der Motive ist das erste Merk-
mal des befahlen Quarteltcomponisten. Es ist unvermeid-
lich, hierbei nicht auf Beethoven einen Blick zu werfen,
und der Verfasser thut dies, unbesorgt um das Nasen-
rümpfen derer, welche jetzt die Geistreichen sein wol-
len. Seine Ansicht, — und man kann sie nicbt ganz
widerlegen, — ist die, dass Beetkoten überall den sym-
phonischen Styl angewandt habe, der aber dem Wesen
des Quartetts ein fremder sei. Er erkennt an, dass für
unsere Zeit Beethoven wirksamer, sogar fasslicher sei,
als Mozart, aber er behauptet, dies werde vorüberge-
hen. Eben so, meint er, habe vor fünfzig Jahren Haydn
geherrscht; diesen Meister schiigt er wohl nicht nach
vollem Werthe an, denn er bat unstreitig einen für alle
Zeiten brauchbaren Gedankenreichtum; Mozart nun ge-
höre nicht jener, noch unserer Zeit, sondern allen Zei-
ten : „ r komme de toutes les epoques ne pouvoit 4tre
r komme cTaucvne epoqne en particulier." Was der Ver-
fasser über die Bedeutung des Geistreichen in der Musik
sagt, enthält viel Wahres. Es ist gar keine Präge, dass,
je geistreicher die Menschen , desto unmusikalischer sie
werden; gleichwohl ist das Wort „geistreich" Mode.
Nun, sagt er, meine Herren Kritiker, wissen Sie denn,
dass es eben so wenig geistreiche Musik, als geistreiche
Gefühle, Regungen und Leidenschaften giebt? Was reine
Musik ist, wird durch solch' ein Lob beleidigt. Die ganze
Anwendung des Geistreichen in der Musik besteht iu der
glücklichen Anwendung und Besiehung eines Tonstücks
oder eines Theils desselben auf Begriffe, also auf ein
Programm. Auch Mozart ist in dieser Beziehung geist-
reich, wo es erlaubt ist, z. B. bei der Tonmalerei des
Orchesters zu einzelnen Dingen, die Osmin nicht aus«
spricht. Als ein Musler des Geistreichen führt er weiter
das bekannte Terzelt aus Figaro zwischen dem Grafen,
Susannen und Basil an. Doch ist, nach meiner Meinung,
der Begriff des Geistreichen (anders wenigstens lässt sich
das Wort „spirituel" sieht übersetzen) nicbt erschöpfend
gegeben. Haydn z. B. ist sebr oft geistreich, während
er fast niemals leidenschaftlich wird , zu nennen , und
doch Icht musikalisch. Das Geistreiche in der Musik läuft
erst dann Gefahr, geradezu unmusikalisch zu werden,
wenn der Componist — kurz gesagt — zu sehr an die
Worte denkt, deren Sinn er ausdrücken will, anstatt von
ihrem Sinne so inspirirt zu sein, dass er blos in Tönen
denkt. In Worten und in Tönen denken, ist einmal zweier-
lei. Nur die Macht der Phantasie füllt diese Kluft aus. — r
Nach jener Abhandlung folgen nun ähnliche über Figaro»
Don Juan, die Quintette, die Symphonieen, die kleinen
Gesangstücke mit Piano, die überarbeiteten HändePscten
vier Oratorien, Cosi fan Tutte, Zauberflöte, eine beson-
dere Untersuchung über die Ouvertüre zu dieser Oper,
endlich über das Requiem. In allen ist mit derselben
Gründlichkeit verfahren ; ea sind manche bedeutende Winke
darin enthalten, besonders über die Verwandtschaft ein-
zelner einander fernliegender Musikstücke; z. B. weist
er eine solche zwischen der Arie des Idomeneo : „Padri
germani," der der Constanze „Traurigkeil" und der der
Pamina: „Ach, ich fühl's" nach. Die Ouvertüre zur
Zauberflöte giebt Gelegenheit, das Wesen der Concert-.
Ouvertüre von der dramatischen zu sichten, und die letzte
wieder in die einzuteilen, welche sich den allgemeinen
Eindruck und Grundoharacler der Oper festzuhalten be-
schränkt, und in jene, welche einzelne Themata dersel-
ben aufnimmt, um den Zusammenhang mit dem Werke
io's vollste Licht zu setzen. Die Ouvertüre zur Zauber-
flöte, welche mehr die allgemeine, als die besondere Be-
deutung dieser ganzen Oper zum Inhalte hat, wird von
Niemand für weniger, als ein originelles und durchaus
vollendetes Kunstwerk gehalten werden ; nur daria, dass
der Verfasser behauptet, sie sei so eigentümlich, dass
Niemand sie nachzuahmen versnebt habe, darin ist er zu
weit gegangen. Die Ouvertüre zu „Alruna" von Spokr
ist eine Gopie jenes Werkes. Als der Verfasser auf das
fiequiem zu reden kommt, gerälh er in jenen Zorn ge-
gen Gottfried Weber* den er schon am Ende des er-
sten Bandes geäussert hat. Die ganze Quelle der Angriffe
Weber** gegen das Requiem ist ihm verdächtig, wie sie
ea vielen Andern, die jenen Streit vom Jahre 1827 ver-
folgt haben, sein muss. Die Aehnlicbkeit mit einzelnen
H&tietsehea Stücken kann eben so wenig den heiligen
und tiefen Ernst des Styl's im J4o*art'schen Werke um
den Ruhm bringen, der eigentliche Ausdruck der Todes«
abnung und religiöser Demulh zu sein, als die Süss-
meyer sehen Ergänzungen in höheren ästhetischen Be-
tracht, denn als eine von der musikalischen Welt nur
dankbar anzuerkennende Hilfsleistung, zu ziehen sind.
So dürftig dieser Bericht, bei der Fülle von Gedan-
ke*, die das Werk von Outibkheff enthält, ausgefallen
ist, so würde bei manchen Theilen desselben es nur eher
geschadet, als genützt haben, wenn ich hätte Auszüge
geben wollen. Der Aufsatz über ,, Don Juan," über „Ti-
lus" u. A. würde geradezu vollständig übersetzt werden
müssen, was mich hier zu weit geführt hätte. Um in-
dessen ein kleines Bild von der psychologischen Feinheit
zu geben , womit der Verfasser die einzelnen von Mo-
zart in Tönen gezeichneten dramatischen Charactere zu
schildern weiss, möge noch ein einzelner solcher Cha-
racter in wortgetreuer Uebersetzuog der gegebenen Schil-
derung hier folgen. Um eine der kürzeren von diesen
Skizzen zu wählen, möge die Gräfin aus „Figaro's Hoch-
zeit*' als Beispiel dienen.
305
1844. Mai. No. 18.
304
„Die Gräfin hat eine Cavaline im zweiten Acte,
eine grosse characteristische Arie im dritten, und eine
grosse im glänzenden Style im vierten ; letzlere, auf die
Bitte der Sängerin Signora Storace componirt, ist zn
viel. Die Cavaline „Porgi amor" (Esdur), Larghetto,
atbmet den süssesten Duft der Zärtlichkeit und Schwer-
mut!). Man mnss bedauern, dass dieses reizende Musik-
stück mit Inbegriff des Ritornells nur vierzig Tacte zählt.
„Dove sono i bei momenli" ist eine Arie im grossen
Style und vom edelsten Ausdrucke. Die poetische Rück*
ennnerung an die Flitterwochen, nachdem Rosine bereits
lange Jahre vom Wermuthsbecher der Ehe trinken musste,
dieses Traumbild verjüngt auf einen Augenblick Rosinen«
verwelktes Herz. Sie singt ihre Erinnerong in einer Me-
lodie, hellstrahlend wie die Sonne an jenem Tage, wo
lindoro ihr das Ja ablockte, eine so keusche und milde
Melodie, wie der erste Liebesgedanke im Herzen einer
Jungfrau. Ach, könnte er wiederkehren, jener Frühling
des Lebens, der niemals wiederkommt 1 ,,Ah, si almen
lamia costanza." Nun überlässt sich Rosine den schmeich-
lerischen Täuschungen eines weiblichen Herzens. Das
Andante wird zum Allegro, und die aufsteigende Hoff*
nung erzeugt eines jener anbetungswürdigen Motive, de-
nen wohl kein Mensch, als höchstens ein Ehemann, wi-
dersteht. Höchst anmutbige Figuren der Hoboen und Fa-
gotte antworten in Terzen und Sexten den Wünschen
der Gattin oder rufen ihr ermunternd zu ; und sollte end-
lich wirklich noch ein ängstlicher Zweifel in einer Wen-
dung der Gesangslimme angedeutet scheinen, die vom
scharfen hohen A chromatisch abwärts nach C leitet, so
verlischt dieser Gedanke schnell in dem triumphirenden
Jubel, den der Schluss ausspricht. Ach, arme Rosine,
dieser Triumph wird niemals ein anderer sein,, als der
der göttlichen Kunst, welche dich so edel, so schön und
so würdig eines besseren Schicksals zeichnete."
In gleicher geistvollen Weise sind alle dramatischen
Gharactere Mozart' s behandelt und in Worten gemalt.
Man erkennt überall einen eben so denkenden Musiker,
als einen feinen Kenner des menschlichen Herzens in die-
sen Ergüssen wahrer Begeisterung für die Tonkunst und
deren höchsten Beruf. Des fast allzubescheidenen Schluß-
wortes, womit der Verfasser seine eigene Leistung nie-
driger anschlägt, als Unzählige an seiner Stelle es ge-
than haben würden, hätte es nicht bedurft; denn ich
trage kein Bedenken, zu behaupten, dass es um die Be-
arbeitung der Geschichte der Musik weit besser, ab es der
Fall ist , stehen würde , wenn wir viele solche Werke,
wie dieses über Mozart, besissen.
Breslau. Dr. August Kahlert.
RECEIH8I0HEH.
Für zwei Piano forte und Piano forte solo.
1) Ä. Schumann : Andante und Variationen für zwei Piano-
forte. Op.46. Leipzig, Breitkopf u. HärlcL lTh!r.5Ngr.
2) CA. Vose: Le Gondolier, Barcarole venitienne. Op.
50. Berlin, Bote et Book. 25 Sgr.
3) P. M. Schreinxer: 6 ;Eglogues. Op. 7. Leipzig,
Kistner. 2 Hefte, k % Thlr.
4) F. Liszt: Reminiscences de Norma. Mainz, Schott's
Söhne. 2 Fl. 24 Kr.
5) St. Heller: Fanlaisie sur une Romance de l'Opera:
Charles VI. Op. 37. Leipzig, Breilkopf und Härtel.
20Ngr.
6) //. Bertini: Fantaisie brill. sur des motifs de l'Opera :
Marie de Roban. Op. 151. Mainz, Schott's Söhne.
1 Fl. 12 Kr.
7) Her» : 3 Divertissements sur des Airs de Ballets de :
Dom Sebastian. Op. 139. Gab. 1 — 3. Leipzig, Breit-
kopf et Härtel. ä 25 Ngr,
8) F. Hunten: Les Delices desjeunes Pianistes. 4 Ron-
deaux. Op. 130. Mo. 1, 2. Ebendaselbst, k 20 Ngr.
9) — — Rose et Bleuet, 2 Airs varies. Op. 131.
No. 1, 2. Ebendaselbst, k 20 Ngr.
10) F. Beyer: Bouquet de mllodies de: Lucia di Lam-
mermoor. Op. 42. Mainz, Schott's Söhne. 1 Fl.
Die Variationen von Schumann hörten wir, von des-
sen Gattin und Mendelssohn gespielt, vor längerer Zeit
in einem Concerte. Das Thema derselben, welches etwas
sehr Weiches und Inniges ausspricht und sich leicht in
dem Gehör festsetzt, würde unstreitig noch mehr an Reiz
gewonnen und dadurch die Variationen interessanter ge-
macht haben, wenn es, wenn wir es recht genau neh-
men wollen, nicht aus einem blosen eintactigen, sich wie-
derholenden Motive, den Schluss des Vordersatzes des
ersten und den Anfang des zweiten Theils abgerechnet,
bestände. Ein grosser Theil des Publicums, welcher sich
nicht so leicht von der Musik, welche mit Wenigem viel
sagt, einen Begriff machen kann , fühlt sich freilich von
der mit Vielem wenig sagenden Virtuosenmusik mehr an-
gezogen; aber doch giebt es auch einen anderen Theil
von Zuhörern, welcher geläuterten Geschmack und durch
längeres und aufmerksames Hören ein gewisses Urteils-
vermögen erlangt hat, und dieser ist gewiss auch von
dieser Composition angenehm berührt worden.
Wir hören noch die liebliche Stelle:
f^i'^i^jjii
und den zauberischen Vortrag der Spielenden, und freuen
uns beim Durchlesen und Durchspielen nun erst recht
der gelungenen Arbeit, welche ganz die von Schumann
fewohnten Eigenlhümlichkeiten enthält. Mögen sich recht
iele am Hören und Spielen derselben erfreuen!
Bei der Voss'scben Barcarole schwebt uns immer
das venetianische Gondellied von Mendelssohn (Heft 2
der Lieder ohne Worte) vor. Welchen Character alh-
met dieses Stück in seiner Kurze und Einfachheit! wie
klingt der Triller gleichsam über weite Wasserfläche zu
uns herüber ! wir fühlen uns dabei in dieses Leben hin-
einversetzt, von sanften Winden umweht, welche eigen-
tümliche Töne an unser Ohr trafen , indess wir in An-
schauung der uns umgebenden Herrlichkeit versunken
sind. Die Voss'scbe Barcarole lässt nicht zu solchen Be-
trachtungen kommen, sie ist ein durch zu viele Repeti-
tionen des schon Dagewesenen lang ausgesponnener Satz,
305
1844. Mai. No. 18.
506
der seinen Namen nur durch 4fe % rechtfertigt, im Uebri-
gen aber ganz an ähnliche Prodncte eines Schanke, Burg-
müller u. s. w. erinnert, nur dass die Voss'sche Com-
position mehr den Clavierkünstler auch bei diesem leich-
ten Stücke erkennen lässt.
Die sechs Eglogues sind das Erzeugniss einer Dame ;
sollen wir deshalb minder nachsichtig sein? Nein, wir
wollen ebenfalls ganz von der Person abseben und nur
das Werk derselben vor Augen haben. Den Namen» den
diese Stücke fähren, haben wir in neuerer Zeit hier und
da schon zu bemerken Gelegenheit gehabt; man fühlt
Sehnsucht nach neuen Bezeichnungen, und ergreift be-
gierig die neu aufs Tapet gebrachten, wenn auch nicht
allemal die Form denselben entspricht.
Das Letztere könnte auch von den Eglogues gehen,
und das nur zu ihrem Vortheil ; wer wird sich auch auf-
gelegt fühlen, sechs Hirtenlieder hinter einander weg zu
schreiben? und zumal wie hier immer doppelt. Talent
spricht sich wohl in den Composilionen aus, einige recht
nette Züge kommen in Hinsicht der Rhythmik, Enharmo-
nik und Motivbenutzung zum Vorschein, so dass wir
manchmal überrascht wurden, wie in No. 2 und 3; aber
zum grossen Theil fanden wir uns hier und da wahrhaft
zurückgeschreckt, und können nicht umhin, Modulatio-
nen, Sätze und Stellen wie No. 1, No. 2 Alterna tivo
Anschluss des zweiten Theils. No. 3 Alternativo Schluss
zur Repetition, No. 4 Anschluss des Alternativo und des-
sen Fortsetzung, No. 5 auf S. 22, 23 und dessen Schluss
und Alternativo bässlich zu nennen. Das Alternativo
von No. 6:
1
würde jedenfalls auch besser so anfangen:
Stellen wie S. 15 , System 3, Tact 2 (quintenmäs-
sig), S. 19, System 6, Tact 2 (in der Oberstimme dis
weg, in der Onterstimme fis dafür), Tact 3 (fa vor eis),
Tact 6 (3 Viertel e-ais-ßsis-e), S. 25 letzter Tact (d-
a-c-fis-a), S. 27, System 2, Tact 3 (Q vor fis im Bass
bei der Fermate), System 3, Tact 4 (fehlt e in der Ober-
stimme), S. 29, System 5, Tact 3 (Oberstimme Ä vor g),
Tact 4 (Oberstimme his - gis - gis -fis) könnten hei
einer zweiten Auflage verbessert und noch manches Quin*
ten - und Querslandähnliche weggeschafft werden.
Liszt'a Compositionsart ist zu bekannt, als dass wir
nölbig hätten, darüber noch Worte zu machen ; es reicht
gewiss aus, dass wir seine Verehrer auf das Erscheinen
dieser Fantasie aufmerksam machen, welche nach einem
im Facsimile beigelegten Briefe des Verfassers an Mad.
Pleyel (eine schöne, gewiss bald Nachahmung findende
Erfindung) est toute chargie et surchargee (tarpdges,
(Toctaves und anderen jetzigen Notwendigkeiten. Wir
müssen auch in diesen Reminiscenzen, wie in anderen
Liszt'scben Werken die ausgezeichnete, ganz eigenthüm-
licbe Schreibweise bewundern, der sich andere Virtuo-
sen nur zum Theil bemächtigt haben; doch weiter wüss-
ten wir auch nichts zu sagen.
Obwohl wir schon häufig gegen Fantasieverfertigung
über Opernlhemata eiferten, so machten wir doch einen
Unterschied zwischen den Bearbeitern. Warum sollte ein
wirklicher Componist sich auch nicht versucht fühlen,
fremde Themen zu verarbeiten, wenn er sie seiner wür-
dig hält? und Beethoven, Weber, Hummel sind uns in
derartigen Werken immer noch recht lieb.
Heller's und Bertini's Fantasieen gehören in dieser
Beziehung, wenn gleich etwas Speculatives mit durch»
guckt, zumal die des Ersteren, zu den besseren Erzeug-
nissen dieses Genre's in der Gegenwart und werden ge-
wandten Spielern willkommen sein.
Unter Denjenigen, die den musikalischen Markt mit
Neuigkeiten versehen, ist es Herz, dessen Compositio-
nen von einer gewissen Classe Musiktreibender gern ge-
spielt werden, und auoh Hunten hat seine Partei, die er
väterlich versorgt. Die Herz'scben drei Divertissements
gehören zu dessen leichteren Arbeiten, und No. 1 und 3
klingen recht angenehm. Hünten's Op. 130 enthält in
zwei Lieferungen vier Pieren: La chasse, La valse, La
Colonaise, La marche, und es dürften sich diese vier recht
übschen Sätzchen eben so verbreiten, wie die vier Ron-
do's, die er um 100 Opus früher schrieb (Op. 30). Sie
heissen: Les d&ices des jeunes pianistes, und werden,
neben Exercitien den jungen Leutchen als Leckerbissen
gegeben, recht wohl bekommen.
Dasselbe gilt von Op. 131, welches aus zwei Heft-
chen Variationen über ein Air suisse und Allemand be-
steht, das weiter fortgeschrittenen Schülern gegeben wer-
den kann.
Das Bouquet de mllodies aus Lucia di Lammermoor
von Beyer ist ein Potpourri, welches die beliebtesten
Melodieen dieser Oper in sich fasst; die Zahl der sich
mit dieser Musikgattung Beschäftigenden ist gerade nicht
klein : sie mögen sich daran ergötzen.
Hermann Schelfenberg.
Nachrichten*
Das Palmsonntagsconcert in Dresden, zum Besten des
Unterstützungsfonds für Wittwen und Waisen der königl.
Capellisten vom verstorbenen Morlacchi gegründet, ge-
hört ohne Zweifel zu den grossartigsten Musikauiföbrun-
Ijen, welche seit Jahren in Deutschland existiren. Sämmtr
ichc musikalische Kräfte Dresdens treten hier wohl und
sorgfältig vorbereitet zu einer gemeinsamen Kunstleistung
zusammen. Die erste Abtheilung des Concerts füllt in der
Regel ein grösseres Oratorium u. s. w., die zweite eine
Symphonie. Die Aufführung findet Statt im Saale des gros-
sen Opernhauses, der vielleicht nahe an 3000 Zuhörer
907
1844. Mai. No. 18.
308
fassen kau «ud ifl der Regel auch fast. In diesjährig
gen Ceaoerte kam das Oratorium Jephta von Hamid
uüler Reissigers Leitung, und die Pastoralsymphonie von
Beethoven unter fVagner's Leitung zur Aufführung. Die
Solopartieeu des Gesanges hatten übernommen: die Da-
men Kriete, Thiele, Babnigg* die Herren Tichatschek,
Bielxyxki und Wichter. Die Gesammlausführung geschah
durch das Personal der königl. Gapelle und des königl.
Sängerchores, durch die Mitglieder der Dreusig sehen
Singacademie, durch die Musikdirektoren Otto und Schu-
rig und die unter ihrer Leitung stehenden Singchöre, in*
gleichen durch die Theünahme der Musikdirectoren Rohm,
Martert, Hartwig und deren Chöre.
Das Oratorium Jephta gehört jedenfalls zu den gross-
artigsten Erzeugnissen der /föufef sehen Muse, doch
möchte ich keinesweges annehmen, dass die Mosefschen
Bearbeitungen der Werke Händets, so verbreitet sie
anch immer sein mögen, stets im Geiste des Componi-
aten gehalten sind; wenn solche Kräfte einmal zusam-
mentreten, da müssen dem Publicum nur Originalwerke '
in ihrer Reinheil vorgeführt werden, nicht aber willkür-
liche Verarbeitungen und Bearbeitungen, aus denen das
Publicum doch den wahren und ächten Händel nimmer-
mehr erkenoen kann; ich kenne zwar die OriginalparU-
tur von Händets Jephta nicht, muss aber doch ans gn*
ten Gründen annehmen, dass der sonst höchst achtbare
Mosel im Jephta eben so willkürlich verfahren ist, als
im Samson, von welchem Werke ich weiss, dass es von
Mosel wirklich misshandeU worden ist. Wenn der Ver-
fasser des Werkes: „Ueber Reinheit der Tonkunst"
sagt: „Weggelassen sind treffliche Chöre, weggelassen die
herrlichsten Arien, Duette , Recitativo > umcompenirt ist
eines der schönsten Bassstücke, um, wegen des Statt
gehabten Ausschneidens anderer Stücke, einen Uebergaag
zn dem zu finden, waa folgt u. g. w," — so sagt er noch
zu wenig; Mosel hat im Samson sogar die wesentliche
Basspartie des Harapha ganz und gar herausgeworfen ! —
Und nun die modernisirte Instrumentation ! Man sagt zwar :
die neue Zuthat sei nöthig, weil Händel so vielfach durch
sein meisterhaftes Orgelspiel nachgeholfen habe — ganz
recht 1 aber warum gebraucht man nicht stets bei Aus-
führung Händefacher Oratorien die Orgel, wenn diese
colossalen Meisterwerke erst durch sie ihre volle Fülle
und Würde erhallen? — Händets biblische Oratorien
sind für die Kirche geschrieben, und ^ctimüMofarfs in-
strumentirter Messias kann den Orgeleffect nicht ersetzen.
Sebastian Bach wird wie ein Heiliger — und mit Recht —
verehrt; ihn slelfc man in seiner ursprünglichen Gestalt
in die moderne Gegenwart — und sein grosser Zeitge-
nosse Handel wird unbarmherzig (ohne vorgeschriebene
Orgel) mit moderner Zuthat in den Coneertsaal verwie-
sen und noch dazu verkürzt, verstümmelt und umeom-
ponirt — soll denn etwa der Riese Händel in dieser
Gestalt nnserm grossen Publicum zugänglicher gemacht
werden? et glanbt das nicht! 4ns ist eitel Blendwerk
und Selbsttäuschung ! — Händel bleibt dem wahren
Kunstfreunde und Künstler stets anbetungswürdig; Ein-
zelnes von ihm wirkt auch -* und namentlich in der
Kirche — grossartig und herzerhebend anf die grosse
r; aber eben die durch flüchtige Reize ver-
wöhnte Masse wird durch ein ganzes Oratorium von Hän-
del erdrückt, die Menge sagt! „schön, aber lang — —
weilig!" — Will man hei musikfestlichen Gelegenhei-
ten die alten classisohen Vocalwerke gegen die neuem
classischen Instrumentalwerke stellen, so dächt 9 ich, wäre
es viel zweckmässiger, wenn man fernerhin auch die
ewig schönen reinen Vocalcompositionen der früheren
Zeit wieder mit unsern Chormassen in's Leben riefe;
vielleicht kämen unsere Gomponisten dann mehrfach zn
der Ueberzeuguug , dass ein Chor gebildeter Menschen-
stimmen ohne Instrumentalbegleitung ganz eigentümliche,
mächtige Wirkungen hervorbringen könne, von denen
man jetzt nur höchst selten in kleineren Kreisen eine
Ahnung erhält. — Bin ich demnach mit der Wahl des
modernisirten Jephta für das Palmsonntagseoncert um so
weniger einverstanden, da dasselbe Werk schon vor
einigen Jahren unter fast gleichen Verhältnissen und Um-
ständen gegeben wurde, so kann ich, von dem Obigen
abgesehen, der diesmaligen Ausführung im Allgemeinen
nur gebührende Achtung zollen. Die Chöre verdienten
unter Reissiger 9 s treulicher Leitung unbedingtes Lob,
eben so das Orchester. Tichatscheh's Jephta hatte kiinst»
lerische Haltung; die übrigen Solopartieen wurden mei-
stentbeils brav gesungen, doch füllten die Damen Thiele
und Babnigg mit ihren nicht eben grossartigen Stimmen
den weiten Saal keineswegs vollständig aus.
Doch nnn zur Symphonie! — Beethovens geniales
Tongemälde erschien unter fFagner's Leitung in einer
schönen, ganz eigentümlichen Beleuchtung; egoistische
Musikpedanten werden freilich mit der Wahl der Tempi
u. s. w. nicht immer einverstanden sein; aber das ist
a ganz in der Ordnung; jeder Kunstverständige weiss
angst, dass ein Musiksatz nicht eine absolut bestimmte
Bewegung hat, dass namentlich bei Symphonien die Quan-
tität der ausführenden Masse , das Coocertlocal u. s. w.
berücksichtigt werden müssen, und vor allen Dingen,
dass Beethoven selbst zu verschiedenen Zeiten eine und
dieselbe Symphonie mit wesentlich verschiedenen Zeit-
maassen bezeichnet hat ; wer das nicht weiss oder etwa
vergessen hat, den verweise ich auf die Allgem. Musikal.
Zeitung 1817, da hat Beethoven S. 873 seine Sympho-
nieen selbst metronomisirt ; in der Partitur der Adur-
Symphonie aber (Wien, bei Haslinger) finden sich ganz
andere und wesentlich verschiedene Tempobezeichnun-
gen. Also darüber kein Wort — der Streit wäre ohne
Ende! — So viel steht wohl unzweifelhaft fest: der ge-
niale Dirigent war ganz und gar Herr des Kunstwerks ;
das treffliche Orchester, mit den Intentionen fFagner 9 s
vollkommen vertraut, vom Geiste der Runstscböpfung
völlig durchdrungen, legte auf* Nene den Beweis zn
Tage, dass es nicht nur, wie längst anerkannt, im fein
nüancirten Spiele wahrhaft Kunst würdiges und Musterhaf-
tes leistet, sondern anch gerade im grossartigea Sympbo-
nieensemble mit jedem andern deutschen Orchester ruhig
in die Schranken treten kann; dabei hat es noch den
Vorzug, dass es fast bei allen Instrumenten die renommier-
testen Virtuosen aufweist, welche es sehr wohl verstehen,
sioh in die Gesantmtmasse des Orchesterkörpers zu fügen.
Halle. Gustav Neuenbürg*
i
509
1844. Mai No. 18.
310
Leipzig, den 27. April 1844. Wie seit mehreren
Jahren, fand auch diesmal am Charfreitage Nachmittags in
der Kirche zu St. Paul eine grosse Aufführung geistli-
cher Musik statt, deren Ertrag zur Errichtung einer Un-
terstützungscasse für die Wiltwen der Orcbestermitglie»
der bestimmt war und welche sich eines zahlreichen Be-
suchs zu erfreueu hatte. Aufgeführt wurden : das Requiem
von Mozart und der 42. Psalm von Felix Mendelssohn-
Bartholdy*) unter Mitwirkung der Singacademie , einer
grossen Anzahl Dilettanten , des Thomanerchors und des
Concertorcbeslers. Die Soli hatten Frau Dr. Frege, Frau
Musikdirector Hauptmann und die Herren Schmidt nnd
' Pogner übernommen; die Leitung des Ganzen war in
den Händen des Universilätsaiusikdirectors Herrn F. Rieh-
ter 9 eines talentvollen, tüchtig gebildeten Künstlers, dem
seit einiger Zeit die musikalische Direction der Sing-
academie übertragen worden ist, welche durch seine em-
sige Wirksamkeit einen neuen, für unser Musikleben ge-
wiss erfreulichen Aufschwung zu nehmen verspricht. Von
einer Vereinigung so reicher und ausgezeichneter Mittel
lässt sich immer Bedeutendes erwarten. Diese Erwartung
ist auch in jeder Hinsicht erfüllt worden. Wir können,
ja wollen nicht Einzelnes hervorheben, wenn das Ganze
befriedigend ist, wenn alle einzelnen Theile in gleichem
Grade zur rechten Wirkung beigetragen haben. Wir be-
gnügen uns damit, hier öffentlich auszusprechen, dass
diese Auffuhrung nicht nur geeignet war, hohe Kunst-
anforderungen zu befriedigen, sondern auch die Zuhörer
wahrhaft zu erbauen, dass mithin in ihr der rechte Geist
und Sinn waltete, welcher allen Konslbestrebungen und
Leistungen inwohnen sollte, und durch welche allein
ein vollständiges Gelingen herbeigeführt zu werden ver-
mag. Wir sprechen diese Anerkennung mit voller
Ueberzeugung, aber auch am so lieber aus, weil wir
damit zugleich die Hoffnung verbinden, dass aus so tüch-
tigen Bestrebungen nur schöne und dauernde Erfolge für
die Kunst und unsere Kunslzustände hervorgehen kön-
nen. Das würde gewiss der beste Dank und Lohn für
alle Mitwirkende sein, den wir ihnen auch eben so sehr
wünschen, wie sie ihn verdienen. Zu bemerken ist noch
nachträglich, dass der Unterstülzungsfonds, zu dessen Grün-
dung, wie erwähnt, diese Musikaoffübrung veranstaltet
worden war, nicht mit dem ebenfalls vor Kurzem hier
errichteten allgemeinen Pensionsfonds für Musikerwitt-
wen zu verwechseln ist j jener ist ausschliesslich für die
Witlwen der wirklichen Mitglieder des Leipziger Kir-
chen-, Goncert- uud Tbeaterorchesters bestimmt, wäh-
rend dieser, wie aus seinen bereits in einigen öffentli-
chen Blättern abgedruckten vorläufigen Statuten hervor-
geht, die Unterstützung von Wiltwen aller derjenigen
in Deutschland lebeuden Musiker, welche dem betreffen-
den Vereine beitreten und jährliche Beiträge leisten, zum
Zwecke hat. —
Am 24. April gab Herr F. Servais, Violoncellist ans
St. Petersburg, ein Concert im Saale des Gewandhauses.
Das Repertoir bestand aus: Concert für Violoncell (er-
ster Salz), componirt und vorgetragen von Herrn Ser-
vais. — Romanze aus Faust von Spohr, gesungen von
Fraul. Sachs. — Souvenir de Spaa, Fantasie für Violon-
cell, componirt und vorgetragen von Herrn Servais. —
Grosses Trio von L. van Beethoven, für Pianoforte, Vio-
line und Violoncell (Bdur, Op. 97), vorgetragen von
Herrn GMD. Mendelssohn- Bartholdy, Herrn Goncertmei-
ster F. David und Herrn Servais. — Zwei Lieder (von
Gumbert und Felix Mendelssohn • Bartholdy) mit Piano*
fortebegleitung, gesungen von Fräul. Sachs. — Fanlaisie
burlesque über Themen aus dem Garneval von Venedig,
componirt und vorgetragen von Herrn Servais.
Seit Bernhard Bomberg ist uns kein Violoncellist,
vielleicht nur Merk in Wien ausgenommen, bekannt ge-
worden, den wir, was die technische Ausbildung betrifft,
mit Herrn Servais in Vergleich bringen könnten. In die-
ser. Hinsicht leistet Herr Servais wirklich Erstaunliches ;
ihm sind die grössten Schwierigkeiten zu leichtem Spiel
Eeworden , und Alles vollbringt er mit solcher Gewandt*
eit und Sicherheit, dass der Gedanke an ein mögliches
Misslingen gar nicht aufkommen kann. Sein Ton ist nicht
gross, aber gesund, klar und wohlklingend, weich, ela-
stisch und durchaus gleicbmässig in allen Lagen. Sein
Vortrag ist lebendig und interessant, aber mehr piquant,
ala geistreich, mehr elegant, als warm und seelenvoll.
Die grosse Leichtigkeit und Sicherheit, mit welcher Herr
Servais technische Schwierigkeiten ausführt, die Erfah-
rung vielleicht, dass äussere Effectmittel auf die grosse
Menge meist am Stärksten wirken, scheinen ihn zu einer
Coquelterie dem Publicum gegenüber zu verleiten, die
sich sogar in auffallenden manierirten Körperbewegungen
während des Spiels auf uns nicht wohllbnende Weise
äussert und welche auch auf den Charaeter seiner gan-
zen Leistung nicht ohne nachtheiligen Einluss geblieben
sein dürfte. Wir sind überzeugt, die Leistungen des Herrn
Servais könnten künstlerisch viel bedeutender, sie wür-
den in ihren Wirkungen auf Künstler und gebildete Kunst-
freunde weit tiefer und nachhaltiger sein, wenn sie na-
türlicher und innerlicher, wenn sie freier wären von
Manier, die der wahren Kunst ewig fremd und entgegen
sein wird. Möglich wohl, dass der grosse Haufe dann
weniger enthusiastisch applaudirte, aber die Stufe, auf
welcher Herr Servais dabei als Künstler stände, würde
eine höhere, eine sehr hohe, und bei den wirklich emi-
nenten Mitteln desselben eine unantastbare sein. Was
die Composiüonen des Herrn Servais betrifft, so sind
diese natürlich zumeist auf brillante Spieleffecte berech-
net, welche darin auch in ausgezeichneter Weise erreicht
werden. Der erste sehr breit angelegte und ausgeführte
Goncertsalz bat den meisten musikalischen Wertn; Sou-
venir de Spaa ist ein Thema mit lang ausgesponnenen,
schwierigen Variationen, und die Fantaisie burlesque eben
auch nichts Anderes und ähnlich den bekannten Varia-
tionen von Ernst für Violine über dasselbe Thema. Uebri-
gens.liess sich über diese Gompositionen ein weiter ge-
hendes Unheil deshalb nicht fällen, weil sie nur mit
Quartett, nicht mit vollständiger Orchesterbegleitung aus*
Jeführt wurden. Dass die Leistungen des Herrn Servais
urebgängig mit dem grössten Beifall aufgenommen wur-
den, bedarf keiner Versicherung.
Herr GMD. M en delssohn - Bartholdy , weicherauf
seiner Reise nach England sich einige Tage hier aufhielt,
verschaffte uns durch seine Mitwirkung einen so hohen
Kunstgenuss, wie wir lange nicht hatten, und wie über-
511
1844. Mai. No. 18.
312
haopt nur höchst selten geboten werden kann. Wir un-
ternehmen nicht, die Wirkung zu beschreiben, welche
die durch und durch meisterhafte Ausrührung des herrli-
ehen Bdur-Trio von Beethoven allgemein hervorbrachte;
es ist dies eine freudige Erhebung, die mitempfunden,
mitgenossen werden muss, neben welcher auch nichts
Anderes, sei es auch noch so selten und interessant,
wenn es nicht auf gleicher Kunsthöbe steht, aufkommen
kann. Drei solche Künstler, wie Mendelssohn, David
und Servals , denn auch Letzterer war hier im Ganzen
vortrefflich, sind allerdings ein ausgezeichneter, sehr sel-
tener Verein, und wir können uns glucklich schätzen,
denselben so genossen zu haben.
Auch Fräul. Sachs führte ihre Gesangstücke recht
gut aus und erhielt vielen Beifall.
Wie wir hören, gebt Herr Servais von hier unmit-
telbar nach St. Petersburg zurück; möge die grosse und
gerechte Anerkennung, welche er überall in Deutschland
gefunden, in der Ferne ihm eine freundliche Erinnerung
sein, uns aber die Hoffnung sichern, ihn recht bald wie-
der hier begrüssen zu können. R. f.
Feuilleton.
Stuttgart. Der in der Runstwelt seit einer Reihe voo Jah-
ren rühmlichst bekannte and in diesen Blättern oftmals mit An-
erkennung erwähnte Bassist, königl. Hofsanger Wilhelm Häser ist
zu Ostern d. J. von dem Könige von Wörtern berg anter Bezeu-
gung allerhöchster Zufriedenheit anter ehrenvollen Bedingungen
in den Rahestand versetit worden.
Am 8. April gab der rühmlich bekannte Landsberg su Rom
im Palaste des Hersogs Caffarelli sein letztes Concert dieser Sai-
son. Mozart? t Ave verum, Stacke aas Mendelssohn'* Paulus,
Chöre von Seb. Bach % Händer t Hallelojah u. A. bildeten den er-
sten Theil; im zweiten Theile wurden Musikstücke aas Oberon,
Don Juan, Idomeoeo, so wie von Cureehmann , Meyerbeer u. A.
aufgeführt. C. Eckert and Ed. Frank , so wie gegen 80 Römer,
für weiche die VoealsStze in's Italienische übersetzt worden waren,
nahmen thätigen Antheil; die Zahl der Zohörer belief sich auf
400 and der Beifall war eben so gross als allgemein.
Die Antigone ist nnn auch in Dresden mit Mendelssohn - Bar-
tholdy's Musik glänzend in Scene gegangen. — Aach in Paris
wird das Stuck zur theatralischen Aufführung vorbereitet. (Pri-
vatim, mit Pianofortebegleitung, wurde es daselbst bereits von
einer Anzahl Dilettanten aufgeführt.)
Ankflndlgnngen.
Im Verlege der Untemeiehneteu sind so eben folgende Werke
mit Eigentumsrecht erschienen i
Ein Sommernächte traom
von
W. Shabspeare
Musik von
JF. Mendelssohn JBartholdy.
Vollständiger Ciavierauszug (zu vier Händen) vom Com«
ponisten. Preis 5 Thlr.
Die Singstimmen zu demselben Werke. Preis 1 Thlr.
Symphonie
No. 2 (Edur)
. für Orchester
von
BT. W. «ade.
Auflegestimmen 6 Thlr.
Ciavierauszug zu vier Händen 2 -
Leipzig, 1. Mai 1844.
Breltltopf «f» HftrteL
In der T. Trtuntweln'schen Buch- und Musikalienhand-
lung («f. GuUsntma) ist erschienen:
Seiter. C F., Zehn Lieder für 4 Männerstimmen. Heft I.
No. i. Versus mentoriales. No. 2. Lob der Musik. No. 5. Die
Campanelle. No. 4. Ergo bibamns. No. 5. Drehmann. Preis
t Thlr. Heft II. No. 6. Beherzigung. No. 7. Hoher Besock.
No. 8. Ans des Knaben Wnnderkorn der dritte und vierte Vers .
No. 9. Knickerei bleibt frei. No. 10. Lob der Faulheit.
Preis SO Sgr.
Taubert , Willi., Op. 59. Gruss an Schlesien. IS Lieder
in scklesiscker Mundart von Hoffmann, Viol und Geisheim für
eine Singstimme mit Pianofortebegleitung. Preis 15 Sgr.
im Verlage von Fr» Hoftneiflter in Leipzig.
Battanehoit, Op. 5. S Melodies pour Violoncelle avec Pia-
noforte. I7i Ngr.
Berger, Op. 45. IS Lieder für eine Singstimme mit Piano-
forle. (S&mmtl. Lieder 7. lief.) 25 Ngr.
BergaTon« Op. 10, et Iw. lUüller, Op. 97. Gr. Duo bril-
lant pour Pianoforte et Glarinette. I Thlr.
Hnydn, Op. SO. No. 5. 45eme Quatuor de Viol. an. pour
Pianoforte a 4 Mains par Gleichauf. SO Ngr.
Hiller« Op. S9. 5 Morceaux de Salon pour Pianoforte. No. I.
Bolero SO Ngr. No. S. Rondeau napolltain 25 Ngr. No. 3.
Grande Valse SO Ngr.
Hllliteil« Fr«« Op. 1S1. Divertissement (Motif de Roberto
Devereuz) pour Pianoforte ä 4 Mains. SO Ngr.
— — Idem pour Pianoforte seul. 15 Ngr.
Hozart« 10 Quatuors de Viol« arr. pour Pianoforte a 4 Mains
par GUiehauf. No. 5. S5 Ngr.
Bei Fr« HJfttner in Leipzig ist so eben erschienen i
Portrait
von
W. W. «ade«
Lithographirt von Kriehuber.
Auf chinesischem Papier 1 Thlr.
Auf Velinpapier £ •
Druck and Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
313
314
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 8 te » Mai.
M 19.
1844.
Inhalts Reecnsionen. — Nachrichten: Aus Berlin. Aas Cnssel. Ans Paris. — Feuilleton. — Ankündigungen.
RECEH8IOHEH.
Etüden für Piano forte.
1) E. IVolffz L'art de rExpression. 24 Etudcs faciles
et progress. Op. 90. Liv. 1, 2. Leipzig, Breitkopf
et Härtel. k 1 Tblr.
2) J. Mo sc heles : Tägliche Stadien zu 4 Händen. 0p. 107.
Heft 1, 2. Leipzig, Fr. Kistner. k 2 Thlr.
3) St. Heller: 25 leichte melodiöse Uebungsstücke. 0p.
45. Liv. 1 — 3. Berlin, Schlesinger, k % Tblr.
Eine Unzabi Etaden, Schalen nnd Stadien existi-
ren für anser Lieblingsinstrament , and in Wahrheit
müssen wir bekennen, dass anter der grossen Zahl der
uns bekannten meist Gelungenes, höchst Brauchbares sieh
vorfindet.
Wenn gleich in anderen Fächern der Composition
eine grosse Verflachung, geistiger Stumpfsinn fühlbar ge-
worden ist, so scheint in diesem Fache, auch bei den
Componislen, die diesen Zustand mit herbeiführten, ein
besserer Geist gewaltet zu haben. Jetzige Etndenscbrei-
ber können fast nichts Neues, nicht Solches, was nicht
schon behandelt worden wäre, bringen ; es ist aber durch
(he neuen Erzeugnisse Gelegenheit geboten, für jeden
Grad der Ausbildung mehrere Werke an der Hand zu
haben, ja manche bisher angewandte mit neueren, mehr
für unsere Zeit passenden zu vertauschen.
Wählt der umsichtige Lehrer aus den Werken von
Aulagnier, Brunner, Czerny, Duvernoy, Herz, Hunten,
Bertini, Rosenhain, Kalkbrenner, Mosebeles, Gramer,
Hummel« setzt unter den Neueren die von WoUT, Hel-
ler, Chopin dazu, so wird vom Anfange bis zur vollkom-
mensten Ausbildung nichts zu wünschen übrig bleiben.
Die Wollfschen Etüden würden z. B. den Bertini'-
scben Op. 29 und 32 vorhergeben können. DerVerfas-
ser bezeichnet sie auf dem Titel als Vorläufer von den
seinigen Op. 20 und 50, was seine Richtigkeit haben
kann, und von Chopin Op. 10 und 25, welches wir nicht
unterschreiben würden. Sämmtlicbe Sätze sind sehr wohl-
klingend, was bei Hebungen vorzüglich nothwendig ist,
sollen dieselben nicht an Trockenheit leiden. S. 14, Sy-
stem 3, ist der erste Tact in der Oberstimme jedenfalls
so zu verstehen :
^
^^
46. Jahrgang.
Die vierhändigen Etüden von Mosebeles sind das
Vorzüglichste, welches iu dieser Classe bekannt, da die-
selbe überhaupt so spärlich bedacht ist. Sie behandeln
vorzugsweise das Scalenspiel, und Mosebeles spricht in
seiner Vorrede: ,.Icb habe, seitdem ich zu einiger Er-
kenntniss in der Kunst gelangt bin (welche liebenswür-
dige Bescheidenheit im Gegensatze zu manchen hochfah-
renden Kunstverwandten!), die so oft ausgesprochene
Meinung erfahrener Kunstbrüder und tbätiger Meister ge-
theilt, dass eifriges Tonleiter- Spielen und Singen den si-
chersten Grundstein zur Erlernung irgend eines musika-
lischen Instruments oder zur Ausbildung der menschli-
chen Stimmlage giebt." Indem er bemerkt, dass dadurch
die natürlichen Schwächen der Finger und Stimmlagen
gleichmässig ausgebildet würden, warnt er gleichzeitig
vor zu vielem Tonleiter- Spielen und Singen, um durch
das Mechanische, Geisttödtende das Seelenvolle, Geister-
hebende in der Kunst nicht einzubüßen.
Daher trachtet Mosebeles in seinem Werke, das
trockene Studium mit bildender Schule zu verbinden. Er
lässt zuerst den Schüler die Tonleiter nach gewöhnlicher
Weise üben; wenn derselbe sich nun mit ihr einiger-
maassen vertraut gemacht bat, gebt er (der Schüler) zu
d«m ihr folgenden Tonslüoke über, welches zwar wie-
der die Scala enthält, aber indem diese entweder dem
Lehrer oder ihm zngetbeilt ist, hat er dabei auf Rhyth-
mus, Ausdruck und Accent zu »eilten, da die vortreff-
lich gearbeiteten Toneätze die simple Scala kaum fühlen
lassen, wobei der Schüler sieh auch an abweichenden
Fingersatz gewöhnt, da die Soalen nicht immer im Grand-
tone anfangen und sebtiessen.
Der Vortheä dieser Uebung ist ein doppelter: die
Finger üben die Leiter im Tonstücke noch fort, indess der
Geist des Schülers es nur mit diese» zu tbun zu haben
glaubt. Mosebeles' Hoffnung, auf diese Art die dürre
Steppe des Elementarunterrichts für die Lehrer in freund-
liebere Gegend umgewandelt zu baben , wird sich erfül-
len, das Werk wird jedem tüchtigen Lehrer in der Folge
unentbehrlich sein, denn man kann dem Schüler von Haus
aus nicht förderlicher sein, als durch Zusammenspiel, sei
es auch noch so einfach.
Wir bringen, gewiss im Namen Vieler, dem von
uns hochgeschätzten Meister unser» gefühltesten Dank
für diese seiner würdige Leistung, denn : nur gute Früchte
kann solcher Same tragen!
19
316
1844. Mai. No. 19.
316
Es war uns schon oft unangenehm, das Wort „fa-
cile, " „leicht," oder den Ausdruck „für die Jugend"
auf Titeln von Tonslücken zu finden; in ersterer Hin-
sicht wird sich Mancher, der nicht viel Beurtbeilungsver-
njögen besitzt, nach dem blosen Worte sehr getäuscht
finden; die andere Bezeichnung ist noch viel verwerfli-
cher und zugleich anstössig, indem es ja auch Uebende
nnd Spielende giebt, die nicht mehr in den Jahren ste-
hen, welche die Verfasser im Auge gehabt zu haben
scheinen.
Die Heller'scben Etnden nennen sich auf dem Titel :
leichte, melodiöse (auch letzteres Wort ist uns zuwider
— will man vielleicht nicht melodiöse? — ), zur Vorhe-
bereitung des Studiums von Op. 16, 46, 47 des Verfas-
sers und den Etüden und Compositionen der neuen Schule.
Fassen wir das Letztere in's Auge, so kann eiu „leicht"
in dem Werke sich wohl kund geben; aber es auf dem
Titel anzumerken, ist durchaus unnöthig, da es drm Gan-
zen auf den ersten Blick ein geringschätziges Ansehen
Bebt, weil darunter nur Anfängergut vermothet wird,
nsere Eluden sind dies aber durchaus nicht, sondern
nach dem Titelzusatze eine der Brücken, die zu den Elu-
den und Compositionen der neueren Schule führen soll.
Sie fordern geübte Spieler, nnd es ist uns noch keine Samm-
lung bekannt , welche die jetzigen Spielmanieren so ge-
schickt abhandelte, um hernach zu schwereren modernen
Compositionen greifen zu können. Solide Lehrer werden
sich mit einem Blioke von der Brauchbarkeit dieser Etü-
den überzeugen und ihnen mit Vergnügen einen Platz
neben oder für bisher in ihrer Schwierigkeit benutzte
Bertini-, Kalkbrenner-, Cramer'scbe einräumen.
Hermann Schellenberg.
Nachrichten.
Berlin , den 12. vApril 1844. Es ist in der That
keine ganz leichte Aufgabe, die musikalischen Ereignisse
des Monats März möglichst kurz und doch vollständig zn
erwähnen. Vorzüglich waren wir mit Concerten über-
häuft, indem häufig mehrere an einem Abende zusam-
mentrafen. Allein die auch in Leipzig bewunderten Vio-
linvirtuosinnen Therese und Maria Milanollo gaben acht
Concerte in dem stets gefüllten Saale der Singacademie,
wo den Zuhörern sogar Plätze auf der Orchesterestrade
eingeräumt werden mussten. Die Leitung dieser Concerte
hatte Herr CM. Ries übernommen, und führte solche mit
vieler Umsicht, Genauigkeit und Ordnung, unter Mitwir-
kung eines wohl zusammengestellten Orchesters der kö
nigkcben Capelle, aus. Therese Milanollo, über deren
gefühlvoll zarten und vollendet kunstfertigen Vortrag nur
eine Stimme ist, trug in diesen acht Concerten das treff-
liche Allegro maestoso aus dem dritten Concert von de
Beriot (drei Mal), die Fantasie auf Motive aus BellinCs
Sonnambula von Artot (drei Mal), die Fantasie über die
Romanze: „De ma Coline " von Haumann (fünf Mal)
mit dem reizenden Schlummerliede aus Auber's „Stumme
von Porlici," das vortreffliche Maestoso aus dem vierten
Concert von Vieuxtemps (vier Mal), Lafont's gefohl-
volle Fantasie auf mehrere Motive aus der „Stummen"
(drei Mal) , ferner Adagio und Rondo des dritten Con-
certs von de Beriot (zwei Mal), Fantasie -Caprice von
Vieuxtemps (zwei Mal), Variationen von Ghys (zwei
Mal), das erste Concertino von de Beriot, desseu gros-
ses Hmoll- Concert und ein Duo concertant für Piano-
forte und Violine von Benedict und de Beriot (zwei Mal)
vor. Maria Milanollo, deren keckes,' humoristisches Vio-
linspiel ganz ihrem kindlichen Alter angemessen und in
wirksamem Contraste mit dem Ernst und tiefen Geitibl
ihrer altern Schwester erscheint, bat uns folgende Musik-
slücke hören lassen: Adagio und Rondo aus dem vier-
ten Concert von Vieuxtemps (drei Mal), Variationen von
Mayseder (drei Mal) und dessen sechste Polonaise (drei
Mal), Variationen von de Beriot (vier Mal). Sehr anzie-
hend war das Zusammenspiel beider Schwestern, welche
im genauesten Verein ein Duo concertant für zwei Vio-
lineu von Dancia (vier Mal), ein zweites Duo desselben
Componisten mit Orcbesterbegleitung, und eine treffliche
Etüde von de Beriot (ohne alle Begleitung, vier Mal)
mit schönem Ton, rein, sicher und mit grössler Fertig-
keit ausführten. — Ausserdem gaben beide Virtuosinnen
noch eine musikalische Soiräe (ohne Orchester, mit Quar-
tetlbegleitung) , in welcher Therese Milanollo das erste
Allegro eines Spohr'schen Qualuor's mit den Herren CM.
Ries, Richtern, und Gricbel , ganz im Geiste der sin-
nigen Composition, vortrug, die Fantasie und Variationen
von Ghys und die Caprice fantastique von de Beriot mit
ihrer Schwester, wie auch das vorerwähnte Duo für Vio-
line und Pianoforte mit dem Pianisten Steifensand, und
zum ersten Male das scherzhafte Musikstück von Paga-
nini und Ernst: ,, Der Carneval von Venedig," für zwei
Violinen sehr wirksam eingerichtet, mit Maria in gros-
ser Vollkommenheit vortrug. Letztere wiederholte ausser-
dem noch die Varialions brillantes von de Beriot, Am
1. April gaben die Geschwister Milanollo das zehnte
Concert zum Besten wohlthätiger Anstalten, worüber das
Nähere im Aprilbericbt. In Frankfurt, Potsdam, Stettin
und Brandenburg veranstalteten die Wundermädchen anch
Concerte, nud haben solche auch hier noch fortgesetzt,
ehe sie sich nach Hamburg begaben. Ihre Concerte wur-
den bisher durch Gesang der Damen Rrahmer (eiuer an-
gebenden talentvollen Sopransängerin), Grodzka, Häh-
nel und Hager, wie der Herren Behr, Bötticher und
Zschiesche, ferner durch declamatorische Vorträge der
Damen CharL v. Hagn, Crelinger, wie der Herren Ed.
Devrienl und Döring verschönt. Die wirksamen Ouver-
türen vom Baron C. v. Oerizen (im strengen Styl) , zu
den Opern Figaro und Cosi fan tutte von Mozart, zu
Alruna und Faust von L. Spohr, „Die Zauberrutbe" von
C. Böhmer, von Ralliwoda, zu Melusine von Mendels-
söhn Bartholdy, zu Leonore (No. 2) und Fidelio von
Beethoven, zur Oper Alfred von J. P. Schmidt, die Con-
certooverlure vom Capellmeister C. FV. Henning, und
zur Oper Omar und Leila von Fesca, gewährten reiche
Abwechselung und wurden mit der grössten Präcision
ausgeführt. — Die Herren Moralt, Mitglieder der königl.
baier'schen Hofcapelle zu München, liessen sich im königl.
Schauspielhause zu einer sehr ungünstigen Zeit hören.
Herr Theodor Moralt trug eiu Divertissement für Wald-
317
1844. Mai. No. 19.
318
hont von Gaüay mit schönem Tone, Herr Peter Moralt
eine Fantasie für die Violine mit Beifall vor. — Der
Pianist Moriier de Fontaine gab mit seiner Gattin, einer
Sängerin von wohlklingender Mezzosopranstimme , drei
massig besuchte Goncerte, in welchen der Virtuos (an-
geblich ein Schüler von Liszf) bedeutende Fertigkeit und
musikalische Bildung in Vorträgen älterer und neuester
Pianofortecompositionen darlegte, z. B. in dem Esdur-
Trio von Hummel, Capriccio von Mendelssohn Bartholdy,
der Fuge in Cis moll von Joh. Seb. Back, dem Händel'-
sehen Clavierconcert in Fdur (eine seltene Erscheinung!),
einem grossen Rondo eigener Composition im modernen
Geschmack, dem ersten Salz aus Hummets Amoll-Con-
cerl, einer Chopin sehen Etüde, dem „Liebesgesange"
für die linke Hand allein von Willmers, und dem Con-
cert von J. S. Back für drei Flügel (mit Fräul. Anna
Romer aus Wien und Herrn Steifensand). Mad. Mor-
tier de Fontaine trug gleichfalls neuere und alte Ge-
sänge mit Beifall vor, von denen besonders die Psalmen
vom Pater Martini und von Marcello der 18. Psalm:
„I cieli immensi" für Altsolo, zwei Tenore und Bass,
und Meyerbeer 's Terzett aus: „U Crociato in Egilto,"
mit Fräul. Tuczeck und Miss Birch vorgetragen, gefie-
len. Auch eine Arie aus der Oper Mitrane, 1686 vom
Abt F. Rossi componirt, war historisch interessant. —
Miss Birch , welche in mehreren Concerten gefallig mit-
gewirkt hatte, veranstaltete zwei musikalische Abendun-
terhaltungen, in welchen sie mehrere italienische Arien,
besonders aber das „Holy, holy" von Händel, wie auch
englische und schottische Gesänge mit vielem Beifall vor-
trug. Die reine Intonation , klare Sopranstimme und der
ungekünstelt angenehme Vortrag dieser Künstlerin ge-
ben ihrem Gesänge einen ganz eigentümlichen Beiz, an
Clara Novello am Meisten erinnernd. — Noch ein be-
deutender Pianist, Herr Rudolph Willmers, gab zwei Soi-
reen, in welchen derselbe mehrere seiner eigenen, mehr
auf Effect berechneten, als gehaltvollen Compositionen (ohne
Begleitung), auch eine Etüde von Chopin, Transcription
von Liszt und die Cis moll -Sonate und Sonate palbätique
von Beethoven , mit elastisch schönem Anschlage , ton-
reich and mit ausgezeichneter Fertigkeil ausführte. Am
Besten gelingen Herrn Willmers seine eigenen Pianofor-
tesoli , wogegen derselbe den Character der Beethoven 9 *
sehen Sonaten öfters durch Oebereilen verfehlte. Von
seinen Compositionen gefielen am Meisten seine Taran-
tella furiosa, Fantasie auf Motive aus Lucia di Lammer-
moor und Lucrezia Borgia, besonders aber die ,, Nordi-
schen National -Melodieen." — Ein junger Pianist, Ju-
lius Hesse, zeigte in einer eigenen Soiräe gute Fähig*
keiten und gründliche Methode seines früheren Lehrers,
Herrn CM. Fr. Mohs. — Ein Violoncellvirtuos, Samuel
Rossowski, gab nach Servais 9 meisterhaften Vorträgen
zwei Soireen, in welchen er eigene Fantasien (die nun
einmal unvermeidlich sind, ohne öfters Phantasie zu ent-
halten) und Variationen, auch eine B. Romberg' seht
Polacca, mit gesangreichem Ton, zuweilen nur etwas rau-
hem Ansätze des Bogens, mit Beifall vortrug, welcher
dem Künstler besonders lebhaft von den anwesenden Po-
len gespendet wurde.
Die Academie für Männergesang feierte ihr Stif-
tungsfest am 9. März, in Anwesenheit ihres dazu von
Stettin zurückgekommenen Ehrendirectors Dr. Fr. Liszl %
durch ein Concert mit vollem Orchester, und ein Souper.
In ersterm wurden eine Ouvertüre zu König Lear von
Flodoard Geyer, an frappanten Effecten und dramati-
schen Intentionen reich , ferner mehrere Cborgesänge,
als: ,, Aufers tebn, " Motette von Bernh. Klein, „Der
Jäger Abschied" von F. Mendelssohn Bartholdy , Trink-
chor aus Rossinfs Graf Ory, und Lützow's wilde Jagd
von C. M. v. Weber, sehr kräftig und präcis, unter
Leitung des Herrn MD. Wieprecht ausgeführt. Der zweite
Theil wurde mit der jederzeit wirksamen Ouvertüre zum
„ Sommernachistraum" eröffnet, worauf eine Cantate von
Franz Commerz „Der Zauberring," unter des sinnigen
Componisten eigener Leitung, von Solo- und Männer-
chorstimmen gut ausgeführt wurde. Die Tondichtung hat
ihre Verdienste in Hinsicht der Auffassung des Gedichts
und effectvollen Instrumentation. Nur ist die Cantate für
das einförmige Gedicht zu lang. Auch fiel es auf, dass
Kaiser Carl I. einem Tenor zugelheilt war. Der Bischof
Turpin (den der Kaiser in Folge des Zauberringes stets
mit Liebkosungen verfolgt, bis der Ring in den Rhein
versenkt ist; und Eginhard, zwei Basspartieen , wurden
von Herrn Fischer gesungen. Am Meisten sprachen die
Chöre der Harfner und Ritter, wie auch die Romanze
Eginhard's an.
Im vierten Abonnementconcerte des Schneider 9 sehen
Gesanginstitnts wurde die früher bereits erwähnte Can-
tate: „Deutschlands Befreiung ** von Julius Schneider
ausgeführt.
Die Singacademie hatte dies Jahr (ausser der all-
jährlich am Charfreitage staltfindenden Aufführung der
Cnrtot'schen Passionscantate „Der Tod Jesu") wieder
die Passionsmusik von Joh. Seb. Bach 'nach dem Evange-
lium desMatthaeus in das Leben gerufen, und führte solche,
durch die zweite Abtheilung den Chor sehr verstärkend,
auf das Würdigste aus. Besonders wirkte der erste Dop-
pelchor mit dem hinzutretenden Choral: ,,0 Lamm Got-
tes unschuldig/' als Canto fermo, höchst ergreifend. Herr
Manttus trug die Recitative des Evangelisten, dem Ernst
des Gegenstandes angemessen, edel und einfach vor. Auch
die Sopran - und Basssoli wurden mit Ausdruck vorge-
tragen. — Für die Abonnenten der Berliner Musikali-
schen Zeitung wurde ein zweites Gratisconcert oder viel-
mehr nur eine musikalische Soiräe im Jagor* sehen Saale
auf liberale Weise veranstaltet, und darin, ausser einem
Quartett von Wohlers und einigen Pianoforte - und Vio-
linvorträgen, eine neue interessante Composition von A.
B. Marx: „Nahid und Omar," Novelle aus den ,, Bil-
dern des Orients," von Fräul. Tuczeck, Herrn Man-
tius, Fräul. Krahtntr und mehreren Dilettanten, mit Pia-
nofortebegleitung des geistreichen Componisten, mit vie-
lem Beifall der zahlreichen Zuhörer ausgeführt. Die Ge-
sänge des Omar und der Nahid sind liebeathmend, melo-
disch und eigen thümlich. Auch der weibliche Gesang der
„Lauschenden Feen" ist ungemein zart und duftig. Da-
mit in scharfem Contrast ist der nächtliche Gesang der
Omar nachspürenden und ihn endlich tödtenden Mörder,
worauf der Schlussgesang der Peri's wieder tröstend und
beruhigend wirkt. Der Ciavierauszug dieser Novelle ist in
519
1844. Mai. No. 19.
35»
eleganter Ausgabe bei den Herren C. A. Chnllier o. Comp*
bi ef selbst erschienen, und wird den Gesangfreunden eine
angenehme CJnterhaltnng gewähren. — Die hiesige phil-
harmonische Gesellschaft feierte ihr Jahresfest durch die
vorzügliche Ausführung der Ouvertüre zu Jessonda, eines
Potpourri'« auf Motive aus dieser Oper von Spohr, für
Violine und Violoneell (von cwei jungen Musikern vor-
getragen) > femer der ersten Symphonie von F. Men-
delssohn Bartholdy in Cmell und Beethoven** Ouver-
türe zu Egmont. Da die Gesellschaft, unter Leitung des
Herrn CM. Ries, meistens ans Dilettanten besteht, so
war die Präzision und achtsame Nuancirung des Vortra-
S* der wohlgeübten Spieler doppelt schätzbar. — Der
usikaufführung folgte ein splendides Diner, an welchem
aneh Damen Theil nahmen, und wobei es auch nicht an
hübschem Quartettgesange von Männerstimmen fehlte* Auch
die anwesende Miss Birch erfreuete die Gesellschaft durch
den Vortrag einiger englischen Lieder, z. B. des Rule
Brittannia und God save tbe king.
Der Zimmermann'sche Quartettverein sehloss seine
diesjährigen Versammlungen mit einem Quartett von Fesca
in H moll (sinnig und gefühlvoll) und den beiden Muster-
Jutntetten von Mozart in G moll und Beethoven in C dur. —
>rei Sympbonietoireen der königl. Capelle erhielten sich
in der gesteigerten Theilnfame der Musikfreunde* Es
wurden darin ausgeführt : 1) Haydris Es dur- Symphonie,
Cencertarie von Mozart* von Herrn Zsckiesche gesun-
gen, Arie ans Spohr's Faust > und Gebet von Händel, von
Miss Birch gesungen, Mendelssohn Burtholdu's Ouver-
türe zur Fingalshöhle, und Sinfonia eroica von Beethoven.
2) SympboBie von Beethoven in D dnr , No. 2. Ouver-
türe zum „Freischütz,"- Mozarfs Gmol\- Symphonie, und
Ouvertüre zu Egmont von Beethoven. 3) In der vierten
und letzten Soiree: Mozarts kleinere D dur- Symphonie,
Ouvertüre zur „Vestalin" von Spontäni, und endlich
Beethoven 9 s neunte Symphonie mit dem Scblussgesange:
„An die Freude. 4 ' Dass sämmtliche Meisterwerke unter
der Direction der Herren GMD. Mendelssohn Bartholdy
und Taubert vortreflich executirt wurden, bedarf kaum
der Erwähnung. So fehlte es denn auch nicht an der
lebhaftesten Tbeünabme ; «rar fand die Zulassung von Ge-
sangstücken Opposition, so wie auch der letzte Satz der
Beethoven'scbtm Symphonie nicht allgemein ansprach, so
gut auch die Soli und Chore von knnstgebiMelen Dilet-
tanten gesungen wurden. Der grosse Instrumentalcompo-
nist bat den Singsiimnven, besonders den unbequem hoch
liegenden Sopranen, jedenfalls zu viel nagemuthet, als
dass die Wirkung vollkommen schön ausfallen könnte. Das
erste grossartige AMegro, -das humoristische Scherzo und
das empfind ungs volle (nur zu lange, und von heteroge-
nen Miltelsätzen nicht freie) Adagio bewirkte den tief-
sten Eindruck. So ausgeführt haben wir wenigstens diese
Symphonie hier voch nicht gehört. — Eine nicht minder
grossartige Aufführung des Händetscben Oratoriums:
„Israel in fyypten" (welches die Singacademie im De-
cetnbcr 1831 zum ersten , und im Februar , 1836 zum
zweiten Male aufgeführt hat) fand am 31. März (Palm-
sonntag) Abends in der erleuchteten Garnisonkirche zn
wohltätigem Zweck , auf Veranstaltung und unter Lei-
tung des Herrn GMD. Mendelssohn bartholdy (der in
diesen Tagen nach London abreist, um dortigen grossen
Musikauffübruogen vorzustehen) auf die würdigste Weise
Statt. Die Recitative und weniger hervortretenden Arien
und Duette wurden von den Damen Tuczeek, Hähnel
und Auguste Löwe, wie von den Herren Bader* Zschie-
sehe und Behr, die sehr bedeutenden Chore und Doppol-
chöre von einer grossen Anzahl Dilettanten (meistens
Mitglieder der Singacademie) und dem Domchore wohl
eingeübt gesungen. Die ganze königliche Capelle wirkte
mit. Um die Orgel mit zur Begleitung zu benutzen, war
eine besondere amphitbeatraltsche Orchestererbtthung auf
und neben dem Orgelchore errichtet, statt dass sonst das
Orchester der Orgel gegenüber sieb befindet, wie dies bei
der Aufführung der Grtztm'schen Passiooscantate wieder '
der Fall war. (Jeher das HändeFsthe, besonders an Ton-
malerei und Ausdruck in den Chören reiche Werk noch
eine Schilderung zu entwerfen, würde viel zu spät sein,
da dies Oratorium seit einem Jahrhundert bereits seinen
hohen Werth behauptet hat. Zu läagnen ist es nicht,
dass die Orgel, so wirksam und umsichtig angewandt,
sehr zum Totaleffect beitrug; dagegen war die Mose Be-
gleitung der Recitative von Violoncellen und Bässen zu
leer, und ein Flügel wurde hier an seiner Stelle gewe-
sen sein, wie sich dies bei den Aufführungen der Sing-
academie bewährt hat.
Nachdem wir nun endlich die lange Reibe der Con-
certe durchflogen haben, können wir uns um *o kürzer
bei den Opernleistungen fassen, welche ziemlich einför-
mig waren, -da der Herr GMD. Meyerbeer durchaus kei-
nen Theil an der musikalisch - dramatischen Verwaltung
nimmt (nachdem derselbe jedoch sfimmtlicfren Mitgliedern
der königl. Capelle eine verhältnissmässigc Gehaltszulage
höchsten Orts ausgewirkt hat) und erst mit der Wieder-
eröffnung des im Neubau rasch vorschreitenden Opern-
hauses im nächsten Herbst seine Thätigkeit wieder be-
ginnen wird. Jedenfalls fehlt der königl. Bühne noch eine
wirklich erste Sängerin und ein Tenorist für die heroi-
schen Rollen.
Mad. Schröder -Devrimt bat ihre dreimonatlichen
Gastspiele im März als Romeo in den „Mooteocbi nnd
Capuleti" (drei Mal), Valentine hu den ,, Hugenotten' 4
(Herr Manthis wieder Raoul), Marie in Gretry's Oper
Blaubart (zum Benefiz der Mad. Schröder -Dement ein-
mal wenig ansprechend gegeben), Inhigenia in Tauris
von Gluck fortgesetzt , nnd mit der Leenore im FideKo
am 30. v. M. beschlossen. Dass die dramatisch grosse
Sängerin hier diesmal kältere Aufnahme fand als früher,
lag wohl tfaeiis an äusseren Umständen und ihrer, aller-
dings nicht mehr die intensive Tonfülle besitzenden, je-
doch immer noch wohllautenden, für deolamatoriscben
Vortrag krastgebildeten Stimme; besondere aber war die
zu lange anhaltende Dauer ihrer Gastspiele, bei der Be-
schränktheit ihres und des hiesigen Opernrepertoirs, für
die Lebhaftigkeit und Frische des Eindrucks wenig günstig.
Aosser den genannten Opern wurde «in neues Bul-
let: „Die Liebesinsel" von TagHoni, mit Musik von
Gährich, oft wiederholt, auch „Marie, die Tochter des
Regiments," unter Mitwirkung des Herrn Manttus als
Tonio, mit vielem Beifall gegeben. Die Gastspiele des
Herrn Döring , welcher auch als Jago in Shaknpeare's
32t
1844. Mai. No. 10.
322
{Hello und als Falstaff in „Herarieb IV. Ä aufgetreten ist,
fallen stete das Schauspielhaus , wie das kleine Theater
in Coacertsaale.
Sie italienische Oper in der Königsstadt hat Dobter's
Nebeibilder und jetzt Bosco zum Succurs requirirt, auch
kürzlich Cfmarosa's Matrimonio segreto wieder in Scene
gesetzt. — AmCbarfreitage fahrte die Singacademie Gram's
„Tod Jesu'* vortrefflich , mit einem Chore von last 460
Stimmen* die königsstädtische Bühne Bosstnfs .Stabat ma-
ter mit -dem italienischen Gesangpersonal wirksam auf. —
Herr Franz Commer, welcher auch «ine Komposition zu
«den (im Concerlsaale vor eingeladenen Zuhörern von dem
Herrn Professor Kopisrh vorgelesenen) ,, Fröschen" von
Aristophante in »ngeMich griechisch antiker Weise ge-
liefert bat, ist, in Hinsicht semer Verdienste um die äl-
tere Gesangmusik, zum Musfkdirector ernannt worden. —
Die Geschwister MHanollo haben, ausser dem zehnte*,
noch ein etfftes (angeblich letztes) Concert am zweiten
Osterfeiertnge, den 8. d., bei überfülltem Saale mit gleicher
Tbeilnafcme gegeben, und schliessen heute, den 12. d v
ihre hiesigen Kunstleistungen mit einem zwölften und
Atacfaiedsconcert. — Bei dem -Prinzen Badzfwiä hat in
Gegenwart des Hofes eine PrivatauflShrung der Coropo-
sitfonen des «verewigten Fürsten Badziwrll zn Goethe*»
Faust unter Leitung des GMÖ. Mendelssohn Bartholdy
Statt gefunden. — Bei Hofe soll auch eine AuffüLrung
«von Tieck's: ,, Gestiefeltem Kater 4 ' Statt finden. — Der
Sänger Pfister aus Wien (hier auf ein Jabr engaghi)
und der CM. Hitler sind jetzt hier anwesend. So schei-
nen uns auch noch im April neue Kunstgenüsse bevor*
zustehen« Von neuen Opern ist indess keine Rede.
Cassel, im April 1844. Die Zahl unserer Abenne»
mentconcerte, von denen wir das erste, zweite und dritte
in diesen Blättern bereits besprochen haben, ist diesmal
anf «sechs gestiegen. Ia dem am 7. Februar Statt gefundenen
vierten Abonncmentconcerte kamen folgende Tonstocke zn
Geher: 1) Ouvertüre im ernsten Style von Spohr. 2) Ca-
priccio für Pianoforte mit Orcbesterbegleitung von Men*
dihsohn Bartholdy, gespielt von Herrn Jatho. 3) Arie
aus 4er Oper Titas von Mozart, gesungen von Fräui.
Miller. 4) Variationen für die Trompete -von Koch-, ge-
blasen -von Herrn Bossen berg er. 5) Arie von Pactrri,
gesangen von Fräol. Low. 6) Zwei Binden für Piano-
forte von Döhler, gespielt von Herrn Jatho. 7) Sym-
phonie {Cmoll) von iVte& fP. Gade. — Die Ouvertüre
gebort zu den neueren lnstrumentalcompositionen des
noch geschätzten Meisters und trägt nicht minder, als
aMe froheren, das Gepräge seiner Eigentümlichkeit. Auch
hier zeigt sich wieder Schönheit in der Wahl, Ordnung
und Verbindung der Gedanken, Gewandtheit in der Be-
nutzung der Themen , Reinheit und Geschlossenheit der
modulatorischen Form und reiche Erfahrung in der Be-
handlung der Instrumente. Ein Werk mit solchen Eigen-
schaften hat für gebildete Kunstfreunde ein bleibendes In-
teresse und dient begabten Kunstjüngern als ein treffli-
ches Musterst ück, dessen Form sie analysiren und — so
weit sie es vermögen — nachahmen sollten. — Die Pia-
noforteproduetionen zeugten im Allgemeinen von hinläng-
licher Begabung und schätzensWerlher Fertigkeit des jun-
gen Pianisten. Wie viel — oder wie wenig — Herr Ja-
tho sich hei dem Vortrage der Compositionen von Men-
delssohn Bartholdy und Dohler gedacht haben mag, wis-
sen wir zwar nicht, können uns indess mit seiner Auf-
fassungs- und Vortragsweise nicht einverstanden erklä-
ren, und sind geneigt, zu gfauhen, dass ihm nicht sowohl
die Fähigkeit, als vielmehr, wie so Manchem, der Schlüs-
sel zum vollkommenen musikalischen Verständnisse fehlt.
Sein Spiel anlangend, so ist dasselbe sieber, aber nicht
ruhig und besonnen, sondern oft sogar sehr wild und zu
wenig nuancirt. Sein Anschlag ist zwar fest, aber sehr
hart und bei Weitem nicht tonreich genug. Er setlägt
die Töne mehr heraus., als er sie klingen lässt. — Der
Vortrag der Arie von Fräul. Miller war im Ganzen recht
ansprechend und zeichnete sich insbesondere durch Sicher-
beil der Intonation vorteilhaft aus. Wenn diese Sänge-
rin ihre vortrefflichen Stimmmittel richtig zu verwenden
und angemessen zu beherrschen im Stande wäre, so
wurde sie Ausgezeichnetes leisten. Ihre Töne haben von
Natur eine wohlthoende Egalität, dabei Stärke und FüRe,
aher sie sind bis jetzt noch uncultivirt und insbesondere
zn sehr gedruckt. — Herr Bossenberger hatte sich bei
dem Vortrage des Concertslückes für die Trompete die
Aufgabe gestellt, dasselbe auf einer Trompete ohne Ven-
tile vorzutragen. So achtungswerth es auch an dem Vir-
tuosen erscheint, dass er die Erleichterung, welche der
Gebrauch der Ventiltrompete hei Ausführung von Cen-
oert stücken gewährt, verschmähte, um uns den schönen,
-volltönenden , acht kriegerischen Klang der sogenannten
natürlichen Trompete hören zn lassen, gegen welchen
der Klang der Ventiltrompete als ein verkümmerter er*
scheint, so gesteben wir dennoch, dass wir derartige
Conoertstücke stets mehr schwer, als schön finden. We-
der die Trompete noch das Hörn — so schön dieselben
auch als Fullungsinstrumente neben den übrigen des Or-
chesters wirken — eignen sich, ihrer Natur nach, zur
Darstellung von Passagen , weil die gestopften Töne den
offenen, selbst bei der geschicktesten Behandlung, nie-
mals an Stärke und Klangfarbe gleich kommen. Herr Bos-
senberger war übrigens um das Gelingen seiner Varia-
tionen rühmlich bemüht und erhielt verdienten Beifall. —
Fräul. Low erwarb sich sowohl durch die Wahl der zum
Vortrage genommenen Composition, als auch durch deren
präcise und geschmackvolle Ausführung beifällige Aner-
kennung. — Mit vielem Interesse und wahrem Vergnü-
gen bähen wir der ersten Aufführung der Symphonie von
Gade beigewohnt. Das Werk zeichnet sich vor Allem
durch nngesuchte Originalität, guten tonischen Fluss,
überall angemessene, bisweilen glänzende Instrumentation
rühmlich aus. Die Abweichungen in der modulatorischen
Form sagen uns nicht zu, weil die thematischen und
überhaupt alle tonischen Gegensätze auf den von den
classiseben Tonmeistern älterer Zeit gebahnten und -von
denen der neueren wohl nach einzelnen Richtungen hin
erweiterten, aber nicht verlassenen Wegen befriedigender
für uns sind. Dem zweiten und vierten Satze des Werkes
geben wir vor den übrigen Sätzen desselben den Vorzug.
Das am 1. März stattgehabte fünfte Abonnement-
concert wurde mit Spohr's zweiter Symphonie in DmoH
525
1844. Mai. No. 19.
524
eröffnet. Jedes der Motive, welche das Werk enthält,
erscheint, so zu sagen, als eine jagendliche, gesunde, le-
bensvolle Tongestalt, die schon an sich viel Einnehmen-
des hat, von dem denkenden Kunstfreunde aber mit um
so lebhafterem Interesse verfolgt wird, da sie eben Spohr
in seiner eigentümlichen Weise fortführt und zu einem
rein musikalischen Ziele gelangen lässt. Den Schluss des
Concerles bildete die zweite Symphonie von KühmstedL
Wir können nicht umhin, um so mehr unser aufrichti-
ges Bedauern darüber aaszusprechen, dass wir uns mit
der Wahl des musikalischen Stoffes and der tonischen
Form dieses uns bisher noch unbekannten Werkes nicht
einverstanden erklären können , weil uns im Uebrigen
diese Production — wie schon manche andere des ach-
tungswerlhen Verfassers — als das Resultat reichen Ta-
lentes und rühmlichen Fleisses erscheint. Die diesem Ton-
werke zum Grunde gelegten Themen gewähren für die
Symphonieform nicht hinreichendes Interesse, sind für
dieselbe zu klein und erscheinen, da es ihnen an melo-
discher Fortleitung und fliessender Entwicklung gebricht,
im Ganzen nur als Rbapsodieen. Durchgängig vorwaltend
ist in einer jeden der vier Abiheilungen des Werkes ein
Missverhältniss zwischen Stoff und Form ; der Stoff ist
zu klein, die Form zu gross. Ausserdem erscheint die
Stellung der einzelnen Sätze nicht motivirt genug, son-
dern mehr zufällig. Das ist es eben, was die Einheit oft
verletzt , die Uebersicht des Ganzen bisweilen sehr er-
sehwert nnd das Ebenmaass der einzelnen Tbeile, die
ausserdem zu wenig wirkliche Gegensätze bilden und un-
gleich mehr harmonische, als melodische Tonverbiudun-
gen enthalten, beeinträchtigt. Man sollte. meinen, der
Cbmponisl habe während des Schaffens, bei dem Gedan-
ken an das Zukünftige, das Vergangene oft ganz ver-
gessen, oder etwa eine bestimmte Poesie musikalisch zu
verkörpern gesacht. Doch, wie dem auch sei, so ist je-
denfalls ein solches Problem nur dann glücklich gelöst,
wenn die modulatoriscben Grundformen nicht erschüt-
tert und nicht einzelne Tonsätze stückweise aufeinander-
geschichtet werden, — wie es uns in der erwähnten
Symphonie, namentlich in deren zweitem und viertem
Satze, ofl vorkommt. Bei derartigen Unternehmungen glau-
ben die Componisten Alles gethan zu haben , wenn sie
nnr dem Gedankengange der Poesie gefolgt sind und die-
sem die Tonsetzforjn selbst untergeordnet haben, und las-
sen sich dann die Mühe nicht verdriessen, die ausführli-
chen Worlerklärungen ihren Tongemälden beizufügen,
die der wahre Musikfreund nur ungern beachtet, weil
er eben daraus gar oft deutlich eine totale .Verkennung
des Wesens der Musik erkennt. Möchte man doch von
solchen Missgriffen recht bald zurückkehren und bei dem
Erschaffen von reinen Instrumentalcompositionen nicht
das musikalische Gesetz dem poetischen unterordnen. Die
Instrumentation des Kühmstedt'scben Musikwerkes ist
zum Tbeil unpractisch und darum die Ausführung des-
selben nicht leicht. Das Werk fand, ungeachtet der an-
erkennenswerten Bemühungen des Orchesters, nur ge-
seilten Beifall. — Ferner kamen von Inslrumentalsälzen
zur Ausführung: ein Satz aas einem Concert für Vio-
loncello von Romberg, gespielt von Herrn Knoop f und
Variationen für Posaune von Bex 9 geblasen von Herrn
Dietrich. Das Spiel des Herrn Knoop zeichnete sich durch
Sicherheit und Festigkeit des Tones lobenswerth aus, in-
dess hatte sein Vortrag etwas Stabiles, sein Ton etwas
Unbiegsames, das sich auf Kosten der auf dem Instru-
mente möglichen Modification der Töne in den Vorder-
grund drängte. Wir sind sehr geneigt anzunehmen, dass
Herr Knoop uns den erwähnten Mangel gar nicht —
mindestens bei Weitem nicht in dem Grade — würde
haben empfinden lassen, wenn ihm ein besseres Instru-
ment zu Gebote gestanden hätte; das seinige scheint in
der That sehr unergiebig zu sein. Herr Dietrich halte mit
der Composition für die Posaune nicht die Beste Wahl
Je troffen, auch gelang ihm die Ausführung verschiedener
assagen nicht ganz. — Die zur Production gelangten
Gesangstücke bestanden aus einem Duo für Sopran und
Tenor aus Spohr 9 s „Jessonda" und einer Arie aus Mey-
er beer'* „Robert der Teufel. *' Den Tenorpart führte Herr
Derska in gewohnter Weise aus, den Sopranpart beider
Tonstücke trug Fräul. Christian aus Stuttgart vor. Die
uns bisher noch unbekannte Sängerin wurde von dem
Publicum sehr gütig aufgenommen. Sie hat eine gesunde,
kräftige, volltönende Stimme, die das Ohr wohlthuend
berührt, uns indess so intensiv stark erscheint, dass sie
besser für den einfachen, als für den figurirten Gesang
zu verwenden sein möchte; denn die Massenbaftigkeit
einer Stimme steht bekanntlich mit deren Volubilität alle-
zeit im umgekehrten Verhältnisse. Wir waren weder mit
der Wahl der Compositionen — in Rücksicht auf die In-
dividualität der Sängerin — noch mit dem Vortrage der-
selben vollkommen einverstanden.
(Beschlaas folgt.)
Paris, den 17. April 1844. Liszt gab gestern ein
Concert im italienischen Theater. Wer Paris kennt, weiss
auch, was das sagen will, 1) ein Concert Mitte April,
d. h. wenn Alles müde ist von Musik und von was für
Musik : Italiener, Conservatoire, mit andern Worten Bei-
Uni und Beethoven oder Grisi und Habeneck, 2) im ita-
lienischen Theater, der glattesten Stelle auf dieser Spie-
gelfläche, und endlich 3) allein!
So ein Handschuh ist den Parisern noch nie hinge-
worfen worden, den Parisern, die gewöhnlich offensiv
sind. Es konnte auch kein Mensch sagen, wie der Kampf
ausgehen würde. Denn für Liszt würde in Paris ein
sacces d'estime oder eine Stimme des Mitleids schon ein
Fiasco sein.
Ueber sein Spiel könnte ich nur Bekanntes sagen.
Lucia, Norma, Don Juan, Sonnambula, Le lac, Ungari-
sche Melodieen , Erlkönig , Galop chromalique , — das
steht Alles besser im Gedächtniss unserer Leser, als ich
es schreiben könnte.
Nach jedem Stücke drei, vier, fünf Salven ; er musste
kommen, wieder kommen, sich verneigen und durfte
kaum ein paar Minuten zwischen den Stücken pausiren.
Am Schlüsse regnete es Blumen; nur wenige erreichten
die Bühne, die meisten fielen in's Parterre, denn es wa-
ren nur schwache schöne Frauenhände, die sie warfen,
und es scheint,, dass Liszt besser von dem Orchester
aus die Logen des ersten Ranges trifft, als man aus die-
sen Logen nach ihm zielt.
325
1844. Mai. No. 19.
326
F
EUILLETOlf.
Vod der Intendanz des k. k. Hofbargtheaters in Wien sind
unterm 28. Februar d. J. folgende Bestimmungen über die den
Autoren dramatischer Werke (Opern werden auf diesem Theater
nicht gegeben) zukommenden Antbeile an den Einnahmen, welche
deren Aufführungen ergeben, veröffentlicht worden.
Der Verfasser eines Originalwerks, es mag noch Manuscript
oder bereits gedruckt sein , erhält auf Lebenszeit von der durch
die Aufführungen desselben auf dem k. k. Hofburgtheater erlang-
ten Bruttoeinnahme, zn welcher auch der von dem jährlichen
Abonnement auf den betreffenden Abend fallende Tbeil gerechnet
wird, 10 Proeeot, wenn das Stock den ganzen Abend ausfüllt,
6 Procent, wenn ein einaeüges Vor- oder Nachspiel erforder-
lich ist, um den Abend auszufüllen, 3 Procent, wenn es hierzu
eines mebractigen Vor- oder Nachspieles bedarf. Dieses Recht
gebt nach des Verfassers Tode anf dessen Erben über, die es
wahrend der nächsten zehn Jahre gen Jessen. Die Tantiemen wer-
den nebst legalisirten Nachweisnngen über die Einnahmen viertel-
jährlich gegen Quittung und Lebensattest erhobeo, können aber
weder cedirt noch mit Schuld Vormerkungen belastet werden. Die
Erben des Verfassers haben sich riicksicbtlich des Todestages des-
selben and ihre« Erbrechts zu legitimiren. Ueber drei Jahre niebt
erhobene Tantiemen fallen der Unters lötzungscasse für verarmte
Schauspieler zu. Die Wiederholungen des Stücks bleiben dem Er-
messen der k. k. Hofburgtbeaterdirectiön überlassen. Diese Be-
stimmungen treten mit dem Tage ihrer Bekanntmachung in Wirk-
samkeit und gelten für die nächsten drei Jahre; naeh Verfluss die-
ser Zeit kann die Direction sie aufbeben oder abändern, doch wer-
den , auch wenn dies geschieht , die Antheile der während dieser
drei Jahre aufgeführten Werke in vorstehender Weise fortgewährt.
Den dramatischen Schriftstellern bleibt es freigestellt, anstatt die-
ser Tantiemen das übliche Honorar sieh zahlen zn lassen ; sie ha-
ben aber dann gleich bei Einsendung des Werks darauf einen An-
trag zu stellen, widrigenfalls angenommen wird, dass sie die fest-
gesetzte Tantieme vorziehen. —
Die Berliner Hoftheaterintendanz hat nnterm 10. März d. J.
eine ähnliche Bekanntmachung erlassen. Nach derselben erbalten
die Verfasser voo Originalopern (nach deren Tode die Wittwe und
die eheliche Descendenz noch zehn Jahre lang) von jeder Vorstel-
lung ihres von nun an aufzuführenden Werkes, wenn es den ganzen
Abend ausfallt, 10 Procent, wenp es aber mit einem anderen Stucke
zusammen gegeben wird, 5 Procent der Bruttoeinnahme. Von die-
sem Antbeile erhält der Componist |, der Dichter |. Unter musi-
kalischen Originalwerken werden hierbei solche verstanden, welche
nach einem deutschen Texte componirt sind and auf einer Bühne
Deutschlands zuerst zur Aufführung gelangen. Werden die An-
theile, welche vierteljährlich zn erbeben sind, über drei Jahre
nicht erhoben, so fallen sie der Theatercasse anbeim. Will der
Verfasser die bisher bei Mannscripten übliche Honorarzahlung vor-
ziehen, so mnss er sich deshalb besonders erklären. Diese neue
Einrichtung gilt vom Tage der Bekanntmachung an vorläufig für
die nächsten drei Jahre.
Die Schwestern Milanollo haben in Hamburg denselben enthu-
siastischen Beifall geerntet, welcher ihnen bis jetzt . überall zn
Theil wurde, wo sie sieb hören Hessen.
Rubini ist zum Chef der kaiserlich rassischen Hofcapelle mit
Oberstenrang und 20,000 Rubel jährlichem Gehalt ernannt worden.
Ankündigungen.
Stuttgart, In unserm Verlage ist in letzter and neuester Zeit
erschienen., und bei allen Musikalienhandlungen des In - und Aus-
landes, nnd durch Herrn Fritdr. Hofmeister in Leipzig zn beziehen :
Alvars, ]*»rlsla-, Ricordanza di Besnate. Melodie ohne
Worte für die Harfe. Op. 69. Preis 8 Ggr.
Baldeneeker, Cd., Grande Fantaisie et Variat. ans Son-
nambnla für Pianoforte. Preis 5 Thlr. SO Ggr.
Rmrmaaiin, Hell«, Divertissement für die Clariaette mit Or-
chesterbegleitung. Op. 58. Preis I Thlr. 16 Ggr.
Hoch , Frmnz , künigl. würtemberg'scher Hofmusikus, „So
möchte ich begraben sein, 4 « Lied mit Begleitung des Pianoforte,
des Violoncello und Hörn, für Bariton oder Alt Preis IS Ggr.
Dasselbe mit Pianoforte allein. Preis 10 Ggr.
Cftelafl, F» €•• Horn-Concertino mit Orchesterbegleitung. Op.
«7. Preis S Thlr. 4 Ggr.
JÄger, Franz, „Ihre Augen," Lied mit Piano- oder Gui-
tarrehegldtnng. Preis a 4 Ggr.
Krftgei», Wm., Fantasie über Themen ans Lucrczia Borgia
«ur Piano. Op. 7. Preis 16 Ggr.
Ltndpallltner, F., „Die Fahne weht/« Lied mit Beglei-
tung des Piano. Preis 6 Ggr.
' Dasselbe mit Begleitung der Gnitarre. Preis 4 Ggr.
JlmUque, Berala«, 3 Quartette für S Violinen, Viola nnd
ViolonceUo. Op. 18. No. i — 5. Preis pro No. i Thlr. SO Ggr.
"— — 6 deutsche Lieder. Zweite Sammlang. Op. 23. No. 1. Isr-
""uiterung. No. S. Zu dir. No. 3. Warum so ferne. Pr. 16 Ggr.
No. 4. Ständchen. No. 5. Eo ist bestimmt in Gottea Rath.
No. 6. Frage nicht. Preis 16 Ggr.
Ä f*WrehlnCr, Wm., Etüden nnd Capricen für Fagott, als
Nachtrag zn seiner Fagott -Schule. Op. S. Pr. I Thlr. IS Ger.
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Hahn, Tit., Op. 11. Der 130. Psalm. „Aus der Hefe rar ich
Herr zn dir" für Tier Singstimmen mit Begleitung des Piano-
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Grell, A. 12», Op. SB. A. t. Chamisso's Canon: „Das ist die
Noth der schweren Zeit 4 ' für Tier Männerstimmen. Pr. 7i Sgr.
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Hfthrinft-, Ferd., Op. 11. Vier Gesänge (No. 1. „Der
Schweizer.« — No. 2. „Gute Nacht" von Geibel. — No. 3.
„Ade" Ton Arndt. — No. 4. „Der Lindenbaum") für Tier Män-
nerstimmen. Preis S3 Sgr.
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No. 1. Das Schlot* am Meer. Preis 10 Sgr. No. S. Die
Nonne. Preis 7-J- Sgr.
Grell, A. E., Op. S3. Sechs Lieder (No. 1. Mnth von W. Mül-
ler. „Fliegt der Schnee mir ins Gesicht." No. S. Frühlingsein-
zug Ton W. Müller. „Die Fenster auf, die Heraen auf." Mo. 3.
Lied der Erdgeister, ans den Schlüsselblumen von L. H. „Wir
sitzen im Kühlen. ** No. 4. Das Bienchen Ton L. H. „Es fliegt
ein Bienchen durch den Hain." No. 3. Abendglocken von N.
Vogel. „Wanderer zieht anf fernen Wegen." No. 6. Drei Paare
nnd Einer von Fr. Rückest. „ Du hast zwei Ohren und Einen
Mund") für eine Singstimme mit Begl. des Pfte. Pr. 13 Sgr.
327
1844. Mal. No. 19.
588
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erschienen und durch nlle Buch- und Mi»ik»lie*duindAungen su
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BuvernOX) Jf. ÄT M Une pensei? de Bcllini. Variations
poar le Piano ä 4 mains. Op. 129 — 20
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Op. 151 — •*
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Op. 170 * -
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I**rtftl*f;, A. 9 Des» Wildschufei oder die Stimme der
Natur. Komisch« Oper in 5 Acten arr. für das Piano-
forte su 4 Händen * 6 —
HendelSflOhn Bartholdjr, F., Ein Sommer-
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sug vom Componisten. Op. 61 5 —
Dasselbe. Die Singstimmen 1 —
Mentor« F., 6 Lieder für eine AU oder Bassstimme
mit Begleitung des Pianoforte. Op. 1 — SO
6 Lieder für eine Sopran- oder Tenorstimme mit
Begleitung des Pianoforte. Op. 2 — SO
Wal IT, E*> Bolero sur l'Opera t Mina d'A. Thomas pour
le Piano. Op. 95 — 17*
Duo brillant sur l'Opera : Mina d'A. Thomas pour
le Piano ä 4 mains. Op. 96 ~ — 95
— — L'Andalouse. 5* grande Valse originale pour le
Piano. Op. 97 — 90
Fantaisie sur les plus jolis motifs de Dom Seba-
stien de Donizelti pour le Piano ä 4 mains. Op. 98. — 25
Grand Caprice sur des motifs de Dom Sebastien
de Donizetti pour le Piano. Op. 99....» — 25
Bei Carl Erhard in Stuttgart ist erschienen:
Theoretisch -praktische Anleitung
zum gemeinschaftlichen
Bei l»letra Heehettl am. Carl» in Wien er
scheint nächstens mit Eigentumsrecht:
jFrühUngslied
fiir das Pianoforte
in Volksschulen und andern Lehranstalten. Nebst 84
ein*, zwei- und dreistimmigen Liedern.
Von
Georg Wicht!«
In k Abteilungen, welche auch einzeln verkauft werden*
Gr. 8. 1843. Geh. Pr. 1 Fl. 12 Kr. oder 16 Ggr.
Eine Beurtheilung dieses Lehrbuchs, von dem königl. vrur-
teubergisehen Hofcapellaeister Lmdpain*ner, findet dasselbe „für
Volksschulen und Gesanglehranstalten gaux besonders geeignet, da
dessen theoretischer Thal, fasslich uud in bündiger Kurse darge-
stellt, im genauesten Zusammenhang steht mit der die Theorie überall
begleitenden Praxis, und die ganze Anordnung den stufenweisen
Bntwickelungtgang des Unterrichts in notwendiger Folge vor-
zeichnet.*' In den Hoheusellern - Uecbingen'sehen Schulen ist das-
selbe gesetzlich, eingeführt und hat ausserdem bereite in mehreren
anderen Lehranstalten Aufrahme gefunden.
Ad»
Henselfc
Opus 17.
Trols Paraphrases
pour le Piano
sur des motifs de POpeVa:
n>#m Sehaatlen de €• »eniaettl
Wien,
Grande Fantaisie
pour le Piano
sar des motifs de l'Opera:
Dam ftefcaatleii de C. »oalaettl
Tb. Itallak»
Opus 21.
im Mai 1844.
Vortheilhaftes Anerbieten Ar die Herren Canto-
ren n. s. w.
Nachstehende ganz neue, als die vorzüglichsten anerkannten
Gantaten , welche im Ladenpreise 4 Thlr* kosten , als :
Paehaly, Fest -C »n täte, „Gott ist der Herr" für vier
Singstimmen und Orchester — componirt nur Feier der Einwei-
hung der Kirche zu Erdmannsdorf — Sr. Majestät dem Könige
Friedr. Wilh. IV. gewidmet. — Ist bei jeder kirchlichen Feier-
lichkeit anwendbar, 1± Thlr.
Kollier, E«, JTuael-Cailtate für vierstimmigen Chor
mit Begleitung des Orchesters, nur 100jährigen Kirchenfeier
und zum Gebrauch bei jeder öffentlichen Sonn- und Festtags-
feier. Op. 66. il Thlr.
HJUngenberg? W., Feat-Cantate, „Meine Zeit steht
in Deinen Händen,"" für vier Singstimmen und Orchester. Op.
16. IjThlr.
lassen wir zusammengenommen für Zwei Thaler ab.
Von dem allgemein empfohlenen Werke »Die Orgel und
Ihr Baut" von Seidel ist so eben die zweite verbesserte mW
sehr vermehrte Auflage erschienen. Subscr.-Pr. Ein Thaler.
Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen an.
F. £• C xheuehart in Breslau.
Ein junger (unvcrheiralhetcr) Musiker, Compooist, sucht in
einer bedeutenden Stadt die Stelle eines Musikdirecters bei einem
Verein für Concert- und Kirchenmusik. Derselbe beeilst,, ausser
der hierzu erforderlichen Kenntnis» und Routine, ein solides Cla-
vierspiel zu öffentlichen Vortragen (ein Schüler Jafsmunefs). Was
- seine Fähigkeiten im Lehren , wie in seinen Compositionen anbe-
trifft, so ist der Musikdirector Herr Wilhelm Grund, und der Mu-
sikalienhändler Herr Auuusl Cranz iu Hamburg , gern erbötig,
darüber genügende Nachricht, so wie über dessen Bedingungen su
geben. Hierauf Refleclirende können in ihren Briefen die Bedin-
gungen gleich mit angeben. —
Das Nähere bei L. Renovani, Hofbnchhändler in Rudolstadt,
Fnrstenthum Schwarzburg.
Es wird zum Verkauf angetragen: Musikalische Zeitungen,
Jahrgänge von 1798 bis 1820, dito von 1854 bis 1SS4. Die
Jahrgänge eingebunden und im guten Zustande. Zu haben bei
Friedrich Jahn in St. Gallen in der Schweiz.
jy Hierzu Ostcrmesse- Bericht 1844 von DiabeUi und Comp, in Wien.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
5«9
350
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 15*' Mai.
M 20.
1844.
Inhalts RccensiQu. — NmchnchtenK Aas Petersbar;. Aas Cassel. (Beschluss.) Caraeval- and Fasleoopern o. s. w. in Italien.—
Feuilleton. — Ankündigungen.
R
ECENSIÖN.
Nahid und Omar, eine Novelle aus den Bildern den Orient!
erlesen, für Gesang und Pianoforle von A. B. Mmrx.
Berlin» bei Cballier u. Comp« Preis 2 Thlr.
Der verehrungswürdige Verfasser bat hier eine höchst
erfreuliche und dankenswertbe Gabe geboten, welche man
als eine wirkliche Bereicherang der musikalischen Lite-
ratur zu betrachten hat, indem sie sich nicht wohl in eines
der bisher angebauten Felder einreiben lisst. Sie gebort
weder in das Gebiet der Oper, noch in das des Orato-
riums oder der Cantate, sondern bildet vielmehr ein für
sich bestehendes Genre, welches wir, als in ästhetischer
Hinsicht vollständig genügend und den Anforderungen,
die man an ein Kunstwerk stellen mag, entsprechend,
den Musikfreunden zu besonderer Beachtung, den schaf-
fenden Tonmeistern zu weiterem Ausbau angelegentlichst
empfehlen müssen. „Novelle" hat der Verfasser dieses
Werk genannt ; allein es will uns diese Bezeichnung nicht
ganz passend erseheinen, wie sie denn auch wohl nur in
Ermangelung einer treffenderen gewählt sein mag, die
wir, wenigstens in diesem Augenblicke, auch unsererseits
nicht vorzuschlagen vermöchten. Am Nächsten tritt diese
jedenfalls interessante Leistung an die Form des früher-
en mehrfach angebauten Liederromans heran (z. B. Ro-
bert und Aennchen u. dergl.), über welche sie jedoch in-
sofern hinausgedrungen ist, dass der Verfasser hier das
einfache Lied zur Arie ausgedehnt, so auch (wiewohl in
beschränktem Bereiche) den Chor herangezogen und über-
haupt jene Form beträchtlich erweitert hat.
Der Text ist vom Verfasser aus den unseren Lesern
wohl grösstenteils bekannten „Bildern des Orients' 4 von
Stieglitz so zusammengestellt, dass er ein in zusammen-
hängenden, sich gegenseitig ergänzenden Situationen und
Lebensbildern sich entwickelndes Ganzes ausmacht, wel-
ches bei aller scheinbaren Freiheit und Lockerheit der Ge-
staltung, in welcher wenigstens für uns ein ganz beson-
derer Reiz verborgen liest, dennoch die Klarheit nnd Voll-
ständigkeit des Eindrucks nicht verfehlt, die wir von
einem jeden Kunstwerke, welchen Namen es auch immer-
hin fähren möge, verlangen. — Der Verfasser beginnt
mit einer auf das Ganze und die in ihm vorherrschende
Stimmung zweckmässig vorbereitenden Einleitung für das
Pianoforte, reich an interessanten Modulationen, mit de-
ren näherer Auseinandersetzung wir indess, wohl wis-
send , dass man solche Erörterungen in der Regel über»
46. Jahrgang.
schlägt, unsere Leser nicht behelligen wollen, Sie beginnt
nnd sohliesst in B dur und scheint uns dadurch von der
darauffolgenden Arie des Omar (Tenor) in Adur, %, zu
scharf getrennt. Diese Arie selbst, ausgezeichnet schön
instrumentirt (man sieht sich nämlich unwillkürlich ge-
nötbigt, sich an die Stelle der Ciavierbegleitung Vio-
loncellogesang und Flötenzauber zu substituiren), athmet,
wie die meisten übrigen Stücke dieser reizenden Compo-
situm, südliche Schwärmerei und Liebesgluth, und bildet,
für uns wenigstens, einen der Hauptgianzpuncte des Wer-
kes , welches man durch sie sogleich von vorn herein
lieb gewinnen lernt. Weniger, wie sie, aus einem Gusse
gearbeitet ist die folgende Numnler, eine Arie der Nahid
(der Geliebten Omar's), in welcher der Strom wechseln-
der Empfindungen den Verfasser vielleicht zu einem all-
zubäufigen Wechsel der Tempi u. s. w. veranlasst hat.
Wenigstens erfordert der gute Vortrag dieser, in einzel-
nen Momenten ebenfalls sehr belohnenden Arie ein tiefes
Studium für die Sängerin , wenn die zum Theil etwas
versteckt liegenden Intentionen des Verfassers, der
schon hier, besonders in der Begleitung, auf die Cata-
strophe der Fabel hinzudeuten seheint, vollständig erreicht
werden sollen. Der ruude Vortrag derselben erfordert
übrigens eine tüchtig durchgebildete Sängerin, welche,
wenn sie Stellen wie die folgende, (Aljegro con spirito) :
"3. .Ate 5 . gfr ft C |T f
331
1844. Mai. No. 20.
352
glücklich zu bewilligen yennag, sieh dann anderer, bes-
ser in der Stimme und in den - Sprachorganen liegender
and doch sehr effectvoiler desto mehr erfreuen wird.
No. 3. Ein Ständchen des Omar, alla Polacca, mit Män-
nerchor, etwas an M. v. Weber erinnernd, bildet wie-
derum eine sehr ansprechende Partie. Ganz vorzüglich
bat uns indess No. 4 „Nahid und Omar's Selam" ange-
sprochen, ein kurzes, aber überaus zart und innig gehal-
tenes Andante con moto, während No. 5 „Omar im Gar-
ten," ein feurig belebtes Animato, wiederum in anderer
Weise sich geltend macht. Luftig elfenbaft schwebt No.
6, ein Chor „lauschender Feen," Andantino con moto,
vorüber. No. 7 ,, Getäuschtes Erwachen" bietet wiederum
eine melodiös abgerundete, sehr gefallige Partie Omar's,
welche sich überall Freunde erwerben wird. In der beim
Vortrage mit besonderer Aufmerksamkeit zu behandeln-
den No. 8 tritt Kerim (Bass) und seine Rotte, als feind-
liches Princip in dem kleinen Romane, in charakteristischer
Zeichnung hervor, während im eingeflochtenen kurzen
Duett Nahid den Geliebten, in banger, ahnungsvoller Sorge
vor des Vaters Zorne, zum Hinwegeilen drangt, — um
ihn, unbewusst, desto rascher den Dolchen des Feindes
und seiner Mordgesellen zu überliefern, wiewohl diese
Katastrophe selbst in Text und Musik mehr angedeutet,
als klar ausgesprochen ist. No. 9 ,, Heimwärts" ist ein
überaus zart hingebaucbter Chor der Peri's, welche die
der Erdennacht entrückten Seelen der Liebenden hinauf
zum Lichte geleiten und dem Ganzen einen versöhnen-
den Abscbluss geben.
In diesen, bis auf die Katastrophe, leicht und anmu-
thig voruberschwebenden Scenen, in welchen der Verfas-
ser das Colorit, welches sein Gegenstand erforderte, fast
überall mit dem feinsten Tacte und sicheren Pinselstri-
chen getroffen hat, haben wir in ihm aufs Neue einen
geist- und gemüth vollen Tondichter kennen und verehren
gelernt, der sich in diesem Werke, wenn auch nicht in
allen einzelnen darin hervortretenden Zügen, doch in
vielen, ja in den meisten, als glücklieben Erfinder und
überall als bedachtsam reflectirenden Meister bewährte.
Dass er sich nicht, frei von dem Einflüsse anderer Mei-
ster und ihrer Werke, vorzüglich eines Mozart, Beetho-
ven, M. v. Weber, Spohr u. A., überall in vollkommen
abgeschlossener Originalität bewegt hat, darüber können
und wollen wir nicht mit ihm rechten , denn wir müss-
ten da zugleich mit ihm die genannten Tondichter selbst
angreifen, bei welchen auch wohl so manche Anklänge
an die Werke ihrer Vorgänger erscheinen.
Ausstellungen haben wir nur wenige zu machen. In
No. 1 hätte ein so gewandter Componist Seite 5 unten,
beim „Nahid" das Aushalten des hohen a auf der Sylbe
„bid" wohl leicht vermeiden können. — Eine andere
unbequem liegende Stelle haben wir bereits oben näher
; j i
bezeichnet. Seite 40 fiel uns das ,, brennende" auf, des-
sen anstössige Accentuation hier ebenfalls, so wie manche
andere kleine Unebenheiten, leicht zu vermeiden gewe-
sen wäre.
Der Vortrag des Werkes, das sich dem Vernehmen
nach in Berlin bei wiederholter Aufführung grossen Bei-
fall erworben hat, erfordert einen tüchtigen und geschmack-
vollen Ciavierspieler und eben solch einen Sänger und
Sängerin, während der Chor nur einfach besetzt zu sein
braucht, weshalb wir das Werk besonders zur Auffüh-
rung in Privatconcerten oder sonstigen auserwählten Cir-
keln mit der Ueberzeugung empfehlen können, dass es
ihnen einen hohen Kunstgenuss bereiten wird. Die äus-
sere Ausstattung ist löblich. Dr. R.
Nachrichten.
Aus Petersburg, den 11. April 1844. Das edle Künst-
lerpaar, dessen Besuch alle ächten Kunstfreunde schon
längst ersehnten, hat uns nun wieder verlassen ; aber der
Eindruck, den sie uns brachten, wird nicht so bald ver-
schwinden; es wird ihnen ein frisches, dankbares Anden-
ken bleiben, inmitten alles wüsten Treibens, über all' die-
ses halbe trügerische Musikwesen hinaus, mit dem auch
wir hier ganz überschüttet werden. Möchte es den deut-
schen Freunden willkommen sein, einen ausführlichen
Bericht über Robert und Clara Schumann 1 * Erfolg in un-
serer Stadt zu hören. Wenn ich es ganz kurz vorerst
zusammenfassen will, so war er, künstlerisch genommen,
eminent und einzig zu nennen, wenn auch äusserlich
nicht so glänzend. Die Ursachen des Letzteren sind : Ver-
dorbenheit alles guten Geschmacks und vollkommene Geld-
beutelerscböpfung durch die Italiener, zu deren neuen
Opern im Herbst 1844 man so eben wieder die unsin-
nigsten Pränumerationen einsammelt. In den Concerten
von Mad. Schumann waren Anfangs nur die Leute von
selbständigem, nicht zu verderbendem Musikgeschmack an-
wesend, bis der Enthusiasmus sich dermaassen steigerte,
dass sie endlich auch wie Ltszt, Mad. Viardot-Gareia
und Rubini Mode wurde, wo dann kein komme poli mehr
sein durfte, der sie nicht gehört hätte. —
Den 3. März gab Clara Schumann das erste Con-
cert, das nicht überfüllt war, aber doch von glänzendem
Erfolg. Sie spielte Liszt's Sachen schöner, als er selbst,
und enthusiasmirte besonders durch Mendelssohn 9 * Früh-
lingslied und Scarlattfs grosse Etüde, welche beide Stücke
sie wiederholen musste. Eine Beethovensche Sonate von
ihr zu hören, ist ein seltener Genuss, und er wurde stür-
misch anerkannt. — Im philharmonischen Concert zum
Besten der Wittwen und Waisen hörten wir wieder zwei
Stücke von ihr unvergleichlich ausgeführt. Es war so
grenzenloser Applaus zum Schlüsse, dass ibr zu Ehren
ein Pauken- und Trompetentusch ertönte, der sehr feier-
lichen Eindruck machte, was hier noch keinem Künstler
widerfuhr. Eine öffentliche begeisterte Danksagung und
das Diplom als Ehrenmitglied des philharmonischen Ver-
eins für Mad. Schumann waren die äusseren Folgen da-
von. — In ihrem zweiten Concert trug sie unter Andern
Beethoven' s Cismoll- Sonate ganz herrlich und zum all-
gemeinsten Entzücken vor. Mehrere Werke von Schu-
mann, als: sein Quintett und Quartett, borten wir in
! Privatcirkeln, aueb seine schöne erste Symphonie in einem
solchen beim Grafen Wielhorsky* gut ausgeführt und
feurig aufgenommen. In Clara 9 * drittem Concert, den 12.
333
1844. Mai. No. 20.
334
April, Mittags 2 Uhr, kam sein Quintett auch zur öffentli-
chen Anführung mit ausserordentlichem Beifall. Dag Publi-
cum war überaus zahlreich und begeistert. Wie spielte
sie aber auch! Die ItacA'schen Fugen und Beethoven 9 *
Fmoil- Sonate machten grossen sichtlichen Eindruck. Der
Prinz von Oldenburg lud sie einige Tage später zum
Rechtsschulconcert ein, wo sie mit ihrer gewohnten Güte
zuletzt noch etwas vortrug und die jungen Leute ganz
ausser sich vor Entzücken brachte. So steigerte und ver-
breitete sich ihr Ruhm mit jedem Tage mehr bis zu ihrem
Abschiedsconeert. In diesen spielte sie wieder eine Fuge
von Bach) Concertstück von Weber , Lieder von Fr.
Schubert mit grenzenlosem Beifall. Zum Schluss wurde
sie zehn Male hinter einander herausgerufen und des
stürmischen Beifalls war kein Ende. Jedenfalls war Mad.
Schumann der erste und glänzendste Stern der diesjäh-
rigen Concertsaison; so wird sie auch allgemein aner-
kannt und wird als solcher noch lange in unser Musik-
leben leuchten.
CasseL (Beschluss.) Das am 13. März Statt gehabte
sechste Abonnementconcert bot uns meist Neuigkeiten und im
Allgemeinen viel Interessantes dar. Eröffnet wurde dasCon-
cert mit einer Ouvertüre ron Hugo Stähle. Diese musi-
kalische Production berechtigt, als eines der Erstlings-
werke eines hiesigen talentvollen Kunstjüngers, zu er-
freulichen Erwartungen, indem aus dem Ganzen deutlich
hervorgeht, dass es dem jungen Tonsetzer Ernst um das
Gute sei, dass er sich mehr, als oberflächliche practische
Kenntnisse, zu erwerben bemüht ist und Talent genug
besitzt, um dereinst etwas Tüchtiges zu leisten. Form
und Stoff des Werkes entsprechen einander bis auf den
zweiten Tbeil des Allegrosatzes, namentlich den modula-
torischen Satz vor dem zweiten Eintritte des Thema's, der
uns gegen alles Uebrige zu kurz erscheint. Ausserdem
fallen einige Stellen — z. B. der Schlusssatz des ersten
Theils auf der Dominante — wegen ihrer Durchsichtig-
keit in den Mittelstimmen des Streichquartetts gegen an-
dere recht gut formirte Tonsätze auf, die insbesondere
contrapunctisch befriedigender verknüpft sind* Diese Art
des Gebrauchs der Orchesterinstrumente giebt uns zu der
Vermuthnng Anlass, dass die Composition zum grössten
Tbeil am Ciavier erfunden und dann erst für die Orche-
8terinstramente ausgesetzt worden ist. Gegen diese Art
des Gomponirens von Orcbesterwerken ist wohl im All-
gemeinen nichts einzuwenden, wenn nur allezeit die Na-
tur der Instrumente, welche die Composition in's Leben
rufen sollen, genugsam erkannt und bei der Erfindung
der Gedanken angemessen berücksichtigt wird. Es enthält
jedoch die Ouvertüre aueh manche gut berechnete Effecte,
wie denn überhaupt des Guten ungleich mehr, als des
Mangelhaften. Die zweite Nummer des Concertes bestaud
aus dem eilften Violinconcert und die fünfte aus einer So-
nate für Harfe und Violine von Spohr, der durch die Aus-
führung des Violinpartes in beiden Piecen dem Publicum
nach langer Zeit wieder einmal den hoben Genuss gönnte,
das unübertreffliche Spiel des Meisters zu bewundern. Er
hatte sich diesmal, wie immer, von Seiten eines unge-
wöhnlich zahlreichen Concertauditoriums der unzweideu-
tigsten Beweise der höchsten Achtung und des innigsten
Dankes zu erfreuen, welche bei der Ausführung der So-
nate für Harfe und Violine unsere geschätzte Harfenvir-
tuosin, Präul. Low, wenn auch nicht in gleichem Grade,
mit ihm theilte. Wir unseres Theils können mindestens
der Ausführung des Harfenpartes nicht unbedingt unsern
Beifall geben, wenn wir gleich Einzelnes als gelungen
bezeichnen dürfeu. Mag es durch die nicht leicht zu über-
windenden technischen Schwierigkeiten, oder durch eine
nicht vollkommen richtige Auffassung der Composition her-
beigeführt worden sein, so war es doch nicht selten stö-
rend, dass der Anschlag auf der Harfe zu wenig Modifi-
cationen erlitt und gegen das zarte und dennoch tonreiche
Violinspiel oft zu hart klang. Da uns Fräul. Low schon
bei anderer Gelegenheit gezeigt hat, dass sie ihr Instru-
ment mit Sicherheit und vielem Geschmack zu bebandeln
weiss, so dürfen wir wohl sicher annehmen, dass ein voll-
kommen genaues Versländniss der Virtuosin mit dem Com-
ponislen hinreichend gewesen sein würde, ein gleichmäs-
sigeres und bei Weitem innigeres Zusammenwirken zu
erzielen. Als Zwischennummern zwischen den oben ge-
nannten Piecen von Spohr hörten wir eine Arie von Do-
nizetti von Fräul. Eder durchaus gewissenhaft und zum
Theil geschmackvoll ausfuhren. Die Leistung der Sänge-
rin wurde von dem Publicum beifällig aufgenommen, uns
aber würde sie mehr zum Danke verpflichtet haben, wenn
ihre Wahl auf eine weniger gedankenarme Composition
gefallen wäre. Ausserdem führte uns Herr Kammermusi-
kus Schmidt aus Oldenburg im ersten Theile des Concer-
tes ein Adagio und Rondo für Fagott von C. M. v. We-
her vor. Der Virtuos bebandelte sein Instrument mit Si-
cherheit und Geschmack; sein Spiel zeichnete sich vor-
zugsweise durch eine präcise, leichte und gleichmässige
Ansprache der Töne vortheilhaft aus. Als einen Missgriff
bei dem Vortrage dieses Concertstückes müssen wir die
übermässig lange Fermate bezeichnen, welche der Künst-
ler zum Aushalten eines einzigen Tones benutzte, ohne
denselben irgend wie zu modificiren. Die zum Vortrage
gewählte Composition ist geeignet, die Vorzüge des Fagot-
tes herauszustellen. Schliesslich haben wir noch die sechste
Symphonie von Adolph Hesse zu erwähnen, welche den
zweiten Theil des Concertes ausfüllte. Dass der als treff-
licher Organist bekannte Hesse zu den fruchtbarsten Com-
ponisten der Gegenwart gehört, beweist neben vielen an-
deren fleissig gearbeiteten Instrumentalstücken auch diese
seine sechste Symphonie. Dieselbe hat, wie seine frühe-
ren derartigen Toustücke, manche sehätze oswerlhe Eigen-
schaften, die schon längst rühmliche Erwähnung gefun-
den haben. Hesse arbeitet bekanntlich fast lediglich nach
Spohr scheu Formen und benutzt dieses Heisters reiche
technische Erfahrung bis auf den Gebrauch der einzelnen
Orchesterinstrumente. Aber in der Regel bleibt es in Hes-
se'* Werken bei dieser unbedingten Nachahmung, und wo
er dieselbe aufgiebt , ist er im Moment wirklich eigener
Erfindung nicht stets glücklich. Auch die vier Sätze die-
ser Symphonie sind in formeller Hinsicht Svo kr' sehen
Tonsävzen sprechend ähnlich. Aber ausser unu über die-
sem eigentlich Technischen und rein Formalen finden wir
in diesem Tonwerke nichts Höheres, was das Ganze mu-
sikalisch nothwendig machte und allen Theilen desselben
355
1&44L Mai. No. 20.
336
eine» «ehr innerlichen, Wirklich organischen Zusammen-
hang verlieh«. Zunächst scheint uns die im ersten und
vierten Satze fast durchgängig massenhafte Instrumenta-
tion nicht angemessen, mindestens bietet dieselbe in Hin-
sicht auf das Coloril zn wenig Abwechselung dar; fer-
ner ist der Wechsel des Tempo's im zweiten Salze, wie
euch die im vierten Satze allzuschnell wechselnde Har-
monisirong der Cantilene des Mittelsatzes gesucht und die
hin und wieder eingeflochtenen Fugensätzchen scheinen
mehr nach kurzer Reflexion, als ans innerem Schöpfangs»
dränge hervorgegangen zn sein. Will man in Instrumeu-
talcompositionen F*ugengestalten auftreten lassen, so "mos*
*en dieselben wohl im Allgemeinen am Geeignetsten ans
dem Thema, als dem Impuls der ganzen Tonschopfung,
K bildet werden und zu Anfang des zweiten Tbeiles des
nsatzes die beste Stelle finden. Die Aufführung der
Symphonie von Seiten des Orchesters war gelungen.
Ausserdem erfreute uns im Februar Aloys Schmitt
aus Frankfurt a. M. durch seinen Besuch, und bot uns
in einem Concert, welches er am 23. im Hoftheater gab,
Gelegenheit» »eine in der musikalischen Welt rühmlich
bekannten Leistungen als Virtuos und Gomponist zu wür-
digen. Schmitt gehört bekanntlich der älteren Schule an,
und darf wohl gegenwärtig als einer von deren würdig-
sten Repräsentanten angesehen werden. Sein Anschlag ist
in jedem Grade der Stärke und Schwäche angenehm weich,
wohltfauend egal und klangreich, sein Spiel solid und ge-
schmackvoll, fliessend und fein nuancirt. Wir borten von
seiner Composition die Sinfonia appassionata, ein Concert
für Pianoforte, mit Begleitung des Orchesters, ein Rondo
(„Erinnerung an Field") für Pianoforte mit Ürcbesterbe-
S'titung, und eine freie Fantasie über Themen aus den
o*ar/'scben Opern „Figaro" und „Die Entführung."
In einer jeden der hier angeführten Tonschöpfongen des
geschätzten Pianisten zeigt sich ein vorherrschend ern-
stes, iebt künstlerisches und somit im hohen Grade befrie-
digendes Streben. Besondere Vorzüge derselben sind ein-
heitsvolle und durchaus edle Haltung, wie auch interes-
sante Verwendung der Motive und der dazu gewählten
Darstellungsmittel. Dies gilt vorzugsweise von dem zwei-
ten, dritten und vierten Sympboniesatze, welcher letztere
besonders effectvoll und am Reichsien ausgestattet ist,
nnd von dem aus drei Abtbeilungen bestehenden Piano*
forteconcert. Nicht schlagende, aber sehr woblthuende und
wirklich schöne Effecte sucht Schmitt sowohl in seinem
Vortrage als in seinem Tonsatze zu erzielen, und das
gelingt ihm um so sicherer, als er den letzteren, wie sei-
nen Vortrag von dem so häufig erwähnten neuromanti-
schen — in mehrfacher Anwendung geradezu unmusika-
lischen — Wesen rein erhält, das leider auf so viele
schätzbare jüngere musikalische Talente wahrhaft epide-
misch influirt. Schmitt spielte vor einem kleinen, aber ge-
wählten Publicum, das seine Tendenz zu würdigen ver-
mochte und dem als Virtuos, Compooist und Lehrer ver-
dienten Altmeister die aufrichtigste und innigste Vereh-
rung mit freudigem und dankerfülltem Herzen darbrachte.
Mit gewohnter Bereitwilligkeit unterstützten Fräul. Low
nnd Herr Derska den Concertgeber durch zwei sehr be-
friedigende Gesanporträge. Ausserdem kam Spohrs Ou-
vertüre zum „Alchymisten" zur Aufführung, welche, wie
alle übrigen Productioneti, gut executirt, bei den Publi-
cum eine sehr beifällige Aufnahme fand.
Am 9. März ist Lortxing's dreiactige komische Oper
,,Die beiden Schützen 44 hier zum ersten Male zur Auf-
führung gekommen. Dieselbe mar zwar von einem weit
geringeren Erfolg, als dessen ,.Czaar und Zimmermann/*
begleitet, fand jedoch bei dem Puhltcnm um so mehr eine
gerechte Anerkennung, als alle Mitwirkenden um das Ge-
lingen der Aufführung nach Kräften bemüht waren. Die
Oper enthält weder hervorspringende sceuieche, noch mu-
sikalisch* Effecte. Die Solosätze bieten wenig melodmch
Manatchfaltiges und gemüthlich Ansprechendes , dagegen
gewähren die Ensemblestücke mehr Interesse , indem sie
vorzugsweise characteristisch sind nnd sich, wenn auch
nicht durch anziehenden melodischen Schwung, doch durch
einen dem Gegenstande der Darstellung angemessenen,
leichten Forlgang auszeichnen, der, wie die Erfahrung
lehrt, nicht leicht zu erhalten ist nnd allein schon Lort-
xin&'s höchst bedeutendes Talent und gründliehe musika-
lische Bildung ausser Zweifel setzt. Die Gesangpartieen
bieten den Ausführenden zwar keine besonderen Schwie-
rigkeiten, aber auch keine hervorleuchtenden und eigent-
lich dankbaren Cantilenen. Mit der Auffassung und Aus-
führung von Seilen unseres Sängerpereonais — mit eini-
gen Ausnahmen, und vorzugsweise abgesehen von Allem,
was nicht wesentlich zur Darstellung der Rollen gehörte
— erklären wir uns einverstanden.
Am 5. April (Charfreitag) fand, wie alljährlich, in
der Hof^ und Garnisonkirche die Aufführung einer Kir*
chenmusik Statt. Wir hatten uns diesmal der dankens-
werten Produktion des Oratoriums „ Der Messias " von '
Händel zu erfreuen, bei welcher unter Spohrs Direction
die hier bestehenden Gesangvereine (der Cäcilienverein,
die Singacademie und die Liedertafel), ein Tbeil des Opera-
Eersonals und die Mitglieder der Hofcapelle mitwinkten,
lie Compositum wurde nicht in ihrer ursprünglichen Form,
sondern mit der Moxarf&chtn Instrumentation gegeben,
welche unserer Meinung nach zeitgemäss und mehr, ak
die //öwcWscbe, geeignet ist, das grossnrtige Tonwerk,
und namenllich die Chöre desselben, in dem weiteren
Räume der Kirche glänzend hervorzuheben. Die Solosticke
hatten die Damen Law (Sopran) nnd Schaub (Alt), nnd
die Herren Derska (Tenor) und Föppel (Bass) übernom-
men, und wir gedenken mit Vergnügen der Ausführung
der Piecen für Tenor No. 2 in Edor „Tröstet mein Volk/ 4
No. 3 „Alle Thale erhöbet* 4 und No. 36 in Amoll „Du
zerschlägst sie,' 4 ferner der Arie für Sopran No. 17 in
Bdur „Er weidet seine Heerde," wie auch der Solo-
stücke für Bass No. 11 in Hmoll „Das Volk, so im
Dunkeln" und No. 34 in Cdur „Warum toben die Hei-
den." Minder gelungen war die Ausführung der Altpar-
tie, und als ungenügend müssen wir den Vortrag der Arie
No. 8 in Ddur „0 du, der Gutes predigt" bezeichnen.
Von den Chören wurden am Besten ausgeführt : No. 19
in Gmoll „Sieh*, das ist Gottes Lamm," No. 53 in Fdur
„Wie Schaafe geh'n," No. 30 in Pdur „Hoch thut euch
auf," und No. 37 in D dur „Hallelujah," welcher letzte
Chor in Hinsicht auf die Wirkung wahrhaft grasartig
und mit Mozart 9 s mächtiger Instrumentation glänzend und
unaussprechlich eüeelreieh hervortrat Wie hierin, so <
357
1844. Mai. No. 90.
356
in de* Chore No. 23 leisteten Sänger und Orchester
Vortreffliches ? nach zeichnete sich Letzteres in den mei-
sten anderen Nummern ruhmlich aus. Was die Ausfüh-
rung anderer C borstücke anlangt, so haben wir in den
figurirten Sätzen nicht allezeit die gewünschte Wirkung
wahrgenommen. Die bewegteren Passagen, welche znm
Theil das Gepräge der Zeit an sich tragen, erfordern so
viel Gleichheit und Nachbaltigkeit des Klanges, wie man
hei den Dilettanten unserer Tage — ja selbst bei den
Sängern von Beruf — immer seltener antrifft. Man zieht
bei der Darstellung von Gesangstucken gegenwärtig nur
zu oft vor, nach den Extremen auszuschweifen, statt nach
der rechten Mitte zu zielen und von da aus den Maass-
stab für die Extreme zu nehmen. Diese eben nicht zu
verteidigende Neigung hat namentlich bei dem Solovor-
trag einen sehr schädlichen Einfluss auf jede ästhetisch
musikalische Darstellung. Doch, um wieder auf die Exe-
entirung einzelner Chorsätze zurückzukommen, so mei-
nen wir mit Beziehung auf das oben Erwähnte, dass in
den Chören No. 18 in Bdur „Sein Joch ist sanft/* No.
31 in Bdur „Gross war die Menge" und No. 35 in
Cdur „Auf , zerreisset die Bande" wohl etwas jnehr
hätte geleistet werden können. Der dritte Theil des Ora-
toriums ist ans uns unbekannten Gründen nicht aufge-
rührt worden. Ol K.
Carneval- und Fastenopern u. s.w. in Italien.
Königreich beider Sizilien.
Palerma (Teatro Carolino). Hat sich der einst leuch-
tende Stern der schönen Gabnssi wirklich verdunkelt?
Diese noch junge Sängerin und beste Schülerin der be-
rühmten Bertinotti, aber von den heutigen Massenopern,
eben so wie ihre Colleginnen, hart mitgenommen, hat
hier in der zum dritten Male gegebenen Saffo von Pa*
cini wenig befriedigt, und es verlautet allgemein, dass
sie der Opera seria Lebewohl sagen und auf das ihrem
ganzen Wesen mehr zusagende Geaere buffo ibr Augen-
merk richten will. Bassist Valli, der seinen Part nur un-
gern singend« Tenor Paocani, die Altistin Orlandi, tru-
gen znm Theil das Ihrige zum Falle der Oper bei, deren
jedesmalige Vorstellung stets leere Theater hatte. Dani-
zetti's Maria Padilla, in welcher die brave Berloiotti, Te-
nor Cuzzaui, der Anfänger- Bassist Paolo BaraWi, nebst
der Comprimarra Combi wirkten , ging es nicht besser,
wiewohl die Prima Donna und der Tenor zuweilen be-
klatscht wurden. Ein einheimisches Blatt meinte auch, die
Maria Padilla halle keinen Vergleich aus mit den voraus«
gegangenen drei Capolavori (Meisterstücken) del scanne
Pacini. Dieser wird überhaupt seit vorigem Jahre, in wel-
chem er bekanntlich seine Maria d'Iijgiiiterra und Medea
hier componirte, in allen sicilianiseben Zeitschriften der
unsterbliche genannt. Beide Opern wechselten hierauf mit
Letzterer ab, weil die Medea der Tbeatercasse weit gün-
stiger war. In ßicci's (Fed.) Prigioni di Edimburgo, de-
ren Musik wenig gefiel, und worin die Gabussi, die Au*
stin, Tenor Mei und Bassist Torre sangen, tfaat sich die
Gabussi weit besser hervor, und erschien darauf im hel-
len Lichte in Bossini's Barbiere. Ganz zu Ende gab man
noch die süsslich weinerlich langweilige Beatrice di Tenda
von Bellini und beklatschte meist die Bortolotti.
Es soll eine neue Impresa dieses königlichen Thea-
ters, mit weit vorteilhafteren Bedingungen, gebildet wer-
den. Die Regierung giebt eine jährliche Beisteuer von
17,000 Ducati (ein Ducalo ist etwas mehr als ly 2 Augs-
burger Gulden), die Pachtung dauert sechs Jahre vom
weissen Sonntag (domenica in albis) an; der Impresario
muss alle Theaterlasten auf sich nehmen, bis zum 20.
September Opere buffe, vom 1. October bis zur Passions-
woche Opere serie geben (wobei ihm die jedesmal zu
haltende Gesellschaft genau speeificirt ist); von ersteren
müssen wenigstens drei, von letzteren wenigstens vier wö-
chentlich, jedes Jahr überdies acht Opern (drei alte, vier
für Palermo neue , und eine eigens von einem Maestro
siciliano componirte) gegeben werden, das Orchester mit
guten Professori besetzt sein u. s. w.
Messina. Mehrere Zeitschriften mögen vom Gange
der hiesigen Oper Fröhliches berichten, so viel sie wol-
len: es sah diesen Carneval gar nicht so fröhlich aus.
Die Armenia, eine Sängerin zweiten Ranges, der ganz
fertige Tenor Genero, der nicht berühmte Bassist Sca-
pin u. s. w., was hilft da aller Wetteifer? Die Sache wird
sehr oft dadurch nur ärger. Man denke sich z. B. nnr
einen Wetteifer des heute unter den Sängern so allge-
meinen Distonirens, wo Einer um einen Vierteltön zn
tief> der Andere um einen Viertelton zu hoch singt oder
schreit (wie das unlängst auf der Scala zu Mailand zwi-
schen Marini und Ferri im famosen Duett der Pnritani
der Fall war) ! Dass es unsern Virtuosi in Pacini's Fidan-
zata Corsa, in Donizetti's Maria Padilla und Linda di Cha-
mouniz dann und wann nicht an Beifall fehlte, ist Alles,
was hierüber zu sagen ist.
Catania. Dieser Geburtsort Bellmi's und Pacini's fand
an Donizetti's Linda di Chamounix keinen Geschmack,
applaudirte jedoch die Parepa in der Titelrolle mehr, als
den Tenor Nerozzi , die Altistin Cappelli und die Bassi-
sten Cappelli, Tozzoli und Donadio. Während eine an-
dere Gesellschaft Mercadante's Giuramento , worin man
hlos im dritten Act den köstlichen Canto italiano, sonst
aber lauter harmonisches Zeug zu hören glaubte, über
die Breter geben liess, machte die Parepa darauf in der
Norma des beweiuten Landsmannes Furore; Alles war
wonnetrunken, sogar im Finale des zweiten Actes, wo
die singende Prima Donna zugleich weinte. Damit aber
das Publicum nicht selbst weinen möge» wechselte man
die Norma zuweilen mit Fioravaoli's Bitorno di Puleineila
ah (hier in Süditalien im Original), worin die Rondini,
die Herren Tarrioli, Tajo, Donadio, Letzterer besonders
in der Maskenrolle, sämmtliche Zuhörer nur zum Theil
belustigten, weil man in diese Opera buffa Serj- Stücke
von Bitter Dourzetti einlegte. Dass aber dessen Maria di
Badens so gefeiten konnte, das gehört zu den sieilianisch-
umsikaliscben Mirakeln.
Caltagirtme. Eine auf die Neige gehende Prima Donna
Namens Pogelti, eine Comprimaria Griffo, ein Tenor Var-
rial und ein Bassist Varvaro gaben, für dies Theater ziem-
lich gut, Donizetti's Lucia di Lammermoor, Kossini's Bar-
biere di Siviglia und Raimondi's Ventagiio.
359
1844. Mai. No. 20.
540
Reggio (Calabrien). Herrn Nicolai's TempUrio ging
so so; das Ehepaar De Baillou waren die Begünsligtesten.
Catanxaro. In Donizetti's Figlia del Reggimento und
Mercadante's Gabriella di Vergy trugen die Prima Donna
Adelaide Qualtracchi und der Bassist Luigi de Vita den
Sieg davon.
Foggia. Die Servoli erhielt wohl Beifall in Donizet-
ti's Maria di Rudenz, weil sie schön von Person ist und
.eine schöne Stimme hat» aber weder ihr Gesang, noch
ihre Action verdienen das Beiwort: vortrefflich. Pacini's
Saffo mit der Sedelmayer und der Campobello (einer Po-
lin) ging weit besser, desto schlechter Donizetti's Figlia
del Reggimento, und desto besser nachher seine Lucia.
Teramo. Die Rosioa Biaocbini aus Jesi, die Altistin
Teodolinda Broglio aus Macerata und Bassist Savino Galli
aus Osimo (säinmtlicb Nachbarstädte im Kirchenstaat) ha-
ben sich hier in der Lucia di Lammermoor und in der
Saffo Ehre gemacht. j
ChieÜ in den Abruzzen , zur Römerzeit Teate Ar-
rucinorum, bereitet für nächsten Frühling die pompöseste !
Stagione , welche diese kleine Stadt je gesehen und ge- j
habt: Sänger und Orchester sollen circa 150 Individuen
betragen. Der Bassist Giovanni Lauri hat zwei Sänger-
gesellschaften , eine seria und eine buffa, eogagirt. Zu
ersterer gehören die Prime Donne Tramontani , Paoza-
rani, die Tenore Nucelli und Stöger, die Bassisten Bat-
taglini und Arduino; zur zweiten: die Carletti, Tenor
Damiani, Buffo Donadio und Bassist Carini. Gegeben wer-
den vier Opere serie : Ines di Castro von Persiani, Ade-
lia und Maria di Rudenz von Donizetti, Fidanzata Corsa
von Pacini (unter uns gesagt, eine langweiliger, als die
andere, die erste am Allermeisten); vier Opere buffe:
Le due gemelle, Cenerentola, La Casadi treartisti, Don
Pasquale; überdies am Feste des Schutzbeiligen S. Giu-
stino, Rossini's Meisterstück, dessen Stabat mater, das
nach der so eben (7. März) von einer einheimischen Zeit-
schrift gemachten Aeusserung „die ganze Welt entzückt
und gerührt hat" (nur Deutschland nicht).
Neapel (königl. Theater S. Carlo und Fondo). Wie-
derholte ältere Opern: (am Meisten) Fidanzata Corsa,
Lucia di Lammermoor, Beatrice di Tenda, Puritani, Giu-
ramento, Osteria di Andujar; (am Mindesten) Norraa,
Linda di Chamounuc, Ventaglio, Anna la Prie, Elisir,
1000 talleri, Dopo mezza notte, Maria Padilla: wohlver-
standen, fast nie ganz allein, sondern allermeist zwei oder
drei Acte, auch Acte und mehrere einzelne Stücke aus
verschiedenen Opern, also eigentliche Pasteten; letztere
besonders beim sogenannten Appalto sospeso, bei welcher
Gelegenheit die gegebenen Harlekinaden bis nach y 2 1 Uhr
dauerten ; vor 12 Uhr gehen bereits mehrere Theaterlam-
Een aus, das Publicum lacht, gähnt, brummt und pfeift.
>ie Sänger kennen die Leser längst. Unter den Damen
ist die Goldberg aus Wien die Beste, die Gruiz, die Al-
tistin Taglioni so so, die Bishop..,.. , der einst sehr gute
Tenor Basadonna auf der Neige, Tenor Fraschini =
iranseat, Bassist Coletti (Filippo) vortrefflich; die Gold-
berg und Coletti ausgenommen, ist Alles zusammen, Oper
und Sänger, in einem beklagenswerthen Zustand auf die*
sen königlichen Theatern, so wie es bei allem hier und
da anscheinenden Glänze in ganz Italien der Fall ist. Die
heutige mit ihren Grauein entstandene Opera terribile
(nicht mehr seria) ist in jeder Hinsicht schrecklich; das
Buch an und für sieb, der grosse Aufwand von Voeal-
und Instromentalmassen in den höchsten Lagen, das ba-
bylonische Gewirr von Harmonie und Dissonanzen, das
für höhere Musik ganz ausgeartete musikalische Gehör,
der Ruin vieler Sänger und lustrumentalisten .... So manche
Opera seria ist, im Vergleiche mit dieser Opera terribile,
so zu sagen eine buffa geworden, und, beim wahren
Liebte betrachte!, mit sehr wenigen Ausnahmen, ist alle
heutige italienische Opernmusik — salva venia — eine
coquetle, perfide, graziöse Fäulniss. Meinem thenren Va-
lerlande, wo sie jetzt weil mehr, als sonst, grassirt,
steht noch so mauche Freude bevor. Der wieder aufge-
tauchte Pacini wird wahrscheinlich Berlin nächsten Herbst
mit seiner Gegenwart beglücken. Und Verdi 1 ja, dieser,
ausser Wien, in der Teutonia ganz unbekannte Maestro
überragt jetzt die sich bereits überlebt habenden Rossini,
Bellini und Pacini, ja den Maestro Partout Donizetti. Und
wenn letzthin in der Mailänder musikal. Zeitung No. 11,
vom 17. März, in einem Artikel über Meyerbeer der
Satz aufgestellt wird: Mozart sei der grösste Tonsetzer
gewesen , den je die Welt gehabt (der Artikel ist von
einem mir ganz «ubekannten Deutschen), und gleich un-
ten Jemand in einer Note sagt, er halle vielmehr Rossini .
dafür (worüber Letzterer gewiss lachen wird), so wer-
den gar Viele jetzt behaupten : nein, Verdi ist es. Son-
derbar, selbst jene Italiener, die mit manchen ihrer Mit-
menschen jenseits der Alpen behaupten : Haydn und Mo-
zart seien nach Beethoven nicht mehr zum Anhören, sind
bei dem Worte „Verdi" voll Respect. Also Deutschland,
Aufmerksamkeit und Geduld! (S. übrigens Venedig.)
In einem veröffentlichten, aus Paris 5. November
1843 datirten Brief von Donizetti an Mercadante em-
pfiehlt er ihm mit der grössten Wärme die Partitur sei-
ner auf S. Carlo zu gebenden Caterina Cernaro. Unter
Anderm sagt er: „Nimm darin vor Alles das, was Du
im ganzen Sinne des Wortes für nützlich hältst; ver-
längere, verkleinere, übertrage (trasporta), instrumen-
tire, betrachte es als Deine eigene Sache u. s. w."
Diese am 18. Januar zum ersten Male gegebene Oper ist
indessen verunglückt. Wie war es auch anders möglieh?
Seit vorigem Frühjahre bat Donizetti seine Maria <£ Ro-
han für Wien, darauf seinen Don Sebastiano für Paris,
wo er zugleich sehr Vieles in der eben benannten Ma-
ria di Rohan für's italienische Theater umarbeitete, die
Caterina Cornaro componirt, und Ende October auch be-
reits beendigt; das heisst die Sache freilich zu weit trei-
ben. Die Neapolitaner Journale haben ihn zwar streng
Bstadelt, Einige schrieben sogar den Fall der Oper dem
mstande zu, dass sie im Norden componirt worden ist,
worauf sich Donizetti abermals in einem , an einen ge-
wissen Gbezzi aus Wien 31. Januar 1844 datirten, in
mehreren einheimischen Blättern veröffentlichten Sehrei-
ben verantwortet, worin es unter Anderm heisst: „Von
Andern machen lassen? .... hatte ich vielleicht keine Zeit?
schreibe ich nicht mit Leichtigkeit? — Reminiscenzen !
Und wer bat keine? Gestohlen! wer stiehlt nicht? Ich
wiederhole es, ich habe den Fiasco verdient, aber die
Duetten, das Quartett u. s. w." — Eine andere nette
541
1844. Mai. No. 20.
542
and zweite Oper des Herrn Battista: Margarita $Ar~
ragona betitelt, beweist» dass dieser Maestro etwas Tor-
warts geht, wohlverstanden relativ im heutigen Zustande
der Oper. Die Goldberg (Titelrolle) und Coletti waren die
Begünstigtesten. Eine dritte für Fondo componirte nene
Oper Fenicia, von dem neuen Maestro Francesco Chia-
ramontij machte einen solchen schrecklichen Vocal- und
Instrumentallärm, dass man namentlich in der Streite des
Finals auf seine Ohren bedacht sein musste; auf dem
grossen Theater San Carlo war dieser schreckliche Lärm
etwas minder vernehmbar. Im März gab man, mit sehr
geringem Erfolge, die hier neue Oper Ettore Fiera-
mosca, ursprünglich vom Maestro Mariano Manzocchi für
Spanien componirt.
(Teatro Nuovo.) Sonderbar wurden hier die Opern
weit weniger zerrissen gegeben , v als auf S. Carlo und
Fondo. Von den altern waren es : (am Meisten) Luisetta,
Linda di Cbamounix, Scomessa, Notaro d'Ubeda; (am
Mindesten) Sordello, Giuramento, Barbiere, Figglia delReg-
Simento, Ventaglio, Campanello, Marito desperato u. A.
Horavantfs neue Oper: / Zingari, machte ziemliches
Glück. Fioravanti ist hier auch der einzige, der für Pul-
cinella schreiben kann, welche Maske im Carneval, be-
sonders auf diesem Theater, unentbehrlich ist. Sie bat
einige hübsche Stücke; die sogenannten Parlanti sind in-
teressant. Die Sänger dieses Theaters : die Rebussini, Vil-
mot, Favante, die Herren Labocetta, Zoboli, Casaccia,
Fioravanti, Coletti (Domenico), sind aus den vorigen Be-
richten bekannt. Von der Favante (s. den vorigen Quar-
talbericht unter dieser Rubrik) ist noch zu bemerken,
dass sie eine Engländerin Miss Edwards ist, und künfti-
gen Frühling wahrscheinlich in London singen wird.
(Teatro Fenice.) Hier werden gewöhnlich die Opern
von den königlichen Theatern und vom Teatro Nuovo
von meist sogenannten Sängern nachgehudelt
Hiesige Blätter bezeigen ihr Bedauern, dass Fanny
Goldberg, die angeblich in den Ehestand tritt, der Scene
ihr Lebewohl sagt. Sie ist, eben so wie die berühmte
Unger, eine Wienerin, debülirte in Italien auf der Mai-
länder Scala im Jahr 1838, worauf sie in Florenz, Tu-
rin, Padua, Triest, Verona, Venedig, endlich hier als
achtbare Sängerin mit Beifall sang. Sie hat von dem be-
rühmten Sopranisten Velluti goldene Lehren erhalten.
Die Bishop, deren Contract am 19. Februar endigte,
wurde vom 20. Mai an auf andere 9 Monate für die kö-
niglichen Theater gewonnen. Einstweilen giebt sie Con-
certe, und ihr erstes, in Gesellschaft des Harfenisten
Bochsa, hatte am 6. März auf dem Teatro Fondo Statt,
wo sie im Costüm verschiedene Scenen vortrug.
Herr Pietro Casella, der viele Jahre am hiesigen
Conservatorium als Lehrer des Pianoforte und Accompag-
nements angestellt war, auch einige Opern zu Neapel,
Florenz, Rom nnd Mailand, überdies viele Kirchenmusik
componirt bat, ist vorigen 12. December in sehr hohem
Alter gestorben.
Das hiesige Journal Lucifero, welches seit Anfang
d. J. viele „Cesare Malpica" unterzeichnete musikalische
Artikel seinen Lesern auftischt, erzählt unter andern pos-
sirlichen Dingen (wörtlich): „Jos. Haydn und Mozart,
ja Haydn, Verfasser der Schöpfung und der Sieben
Worte, der unnachahmliche Instrumentalcomponist, Mo-
zart, Verfasser der Nozze di Figaro und des Requiems,
der Coloss der Kirchenmusik und der Oper, sind aus un-
serer Schule hervorgegangen : Erslerer als unseres Por-
pora Schüler, der zweite ein Zögling des Conservatorio
della Pietä. " (!!!) Weiter wird gesagt: „Beethoven,
Haydris Schüler, folglich aus der Neapolitaner Schule
hervorgegangen, liess, als er sein Te Deum aufführte, Ka-
nonen lösen/* (!) Als von Rossini gesprochen worden ist,
den Neapel, weil er da einige Opern componirt, wenig-
stens seinen Sohn nennen kann, heisst es auf einmal
in einer eigenen § : „Hier wollen wir eine Betrachtung
anstellen. Hat Rossini eine Revolution in der Musik her-
vorgebracht? gewiss, die Urheber davon waren Haydn
und Mozart, Zöglinge von Neapolitaner Meistern. Mo-
zart, minder methodisch, als Haydn, hatte eine Phanta-
sie voll reicher Bilder, und immer eine heisse ; man sieht
in ihr die Flamme der Neapolitaner Sonne (sie)." Hier-
auf wird noch Vieles von diesem grossen Genie, von die-
ser Neapolitaner Pflanze (pianta uscita dal nostro vi-
vajo) gesprochen. „Beethoven," heisst es weiter, „bil-
dete das Triumvirat. Ein Schüler Haydn s (also aus der
Neapolitaner Schule), ring er gleichen Schrittes mit sei-
nem Lehrer und mit Mozart; vielleicht übertraf er sie
an kühnen Combinationen und minderer Abhängigkeit von
den strengen Regeln. " (NB. In der folgenden Nummer
sagt derselbe Verfasser bei Gelegenheit einer unlängst
im hiesigen Conservatorium gegebenen musikalischen Aca-
demie, wo unter Anderm auch Beethoven 9 s D- Symphonie
vorgetragen wurde: „Beim ersten Tempo, in der ersten
Hälfte der Academie, glaubte man, ein Tauber habe es
gemacht, wie es Beethoven auch war; aber die nachfol-
genden Andante, Menuett und Finale haben sein Genie nnd
seinen Geschmack beurkundet/') „Der grosse Pesareser
schmolz diese drei Genie's (man höre !), die aus jenen der
Neapolitanischen Meister entstanden sind, in das seinige
zusammen, und fügte seine eigenen Eingebungen hinzu.
Demnach" (acbliesst der Artikel) „wohin Du Dich auch
wendest, findest Du die Suprematie der Neapolitaner
Schule." (Espero, No. 50, 5. 6. 7, vom 17. Januar, 5.,
13. und 20. März d. J.)
(Fortsetsong folgt«)
Feuilleton.
Halevy's neueste Oper: „Der Laszarone/' seheint in Paris kein
besonderes Glück gemacht zu haben.
Statt der deutschen Oper wird Paris im bevorstehenden Som-
mer eine spanische Oper haben, wovon van sich bereits Wunder-
dinge erzählt. Die reizendsten Andalnsierinnen sollen in ihrer
reichen nnd malerischen Nationaltracht singen ; die Vorstellungen
finden im Saale der italienischen Oper Statt nnd sollten Anfang
Hai's beginnen.
Molique hat in Petersburg Fnrore gemacht; in einem Con-
eerte wnrde er nenn Male gerufen. Unter andern hatte er zum
Besten des dortigen Krankenhauses für arme Kinder ein Concert
gegeben und erhielt zum Danke dafür einen prachtvollen silbernen,
vergoldeten Pocal mit Ar Inschrift : L'hSvital des ertfbns-pauvres
au talent bienfaisant de Mr. Bernard Molique, le 2?. Fiwrier
l&tt, Petersburg.
343
1844. Mai. No. 20.
344
In der Protomothek des Capitol« zu Rom, der römischen Wal-
halla, vermiest man noch das Harmorb ildniss des Principe de IIa
musiea, Palestrina; jetzt soll ihm nun ein Platz daselbst neben
Marcello, Corelii, Paitiello «od Cimmrosa werden. Der nm die
Kirchenmusik vielfach verdiente Abbate Den Fortunato Lantini
hat bereits sein Portrait durch eine academischo Feier vor zahl-
reichen Theilnehmern ioaagnrirt; der Bildhauer Galli wird es in
Marmor ausfahren. — Nech vor diesem Acte hatte der König von
Preuseen Poles Irina' s Baste dort bestallt. (Vargl. dea vorige* Jahr-
gang dieser Blätter, Seite 938.)
Die österreichische Hofopera saogerin Fräol. Jenny Lutzer zu
Wien hat sich mit dem Schriftsteller Hofrath Dingelstädt vermählt
Nach dem Heidelberger Jon mal wird das Musikfest, welches
für diese* Jahr prejeotirt war, wegen des sehr geringen Erfolgs
der daza veranstalteten Subsoription nicht Statt finden.
Ankündigungen.
Se> eben versende ich unter Anden als Neuigkeit:
Hetzer, Joseph, Ouvertüre nur Oper : Maru 9 für Piano-
forte allein. 10 Ggr.
Dieselbe Cur Pianoforte zn vier Händen. 18 Ggr.
— — Spanischer National - Tanz und Ballet für Pianoforte ans der-
selben Oper. 8 Ggr. # .
Hochzeits-Marsch für Pianoforte allein aus den. Oper* 4 Ggr.
Derselbe für Pianoforte au vier Händen, 6 Ggr.
Braunschweig, den 8. Mai 1844.
Johann Peter Spehr.
Bei nns ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen
zu haben :
Sioherer Schlüssel
zur Kun st der
Cla vier - Virtuosität,
oder
die gesammle Technik, d. h. Lehre von der Finger-
setxung und dem Fingermechanismus beim Clavier-
spiete überhaupt
auf
ihre ersten, überall ausreichenden und sicher leitenden
Grundsätze zurückgeführt.
Ein unentbehrliches Hand-, Lehr- und Hülfsbuch für mlle Cla-
vierspicler, Lehrer und Lernende des Ciavierspiels
von
«J. Schilling.
Kl. 4. 1 Thlr. 6 Ggr. oder 2 Fl.
Stattgart. Hallberaver'sehe VerUgshandlug.
Am i. Juni d. J. erscheint in meinem Verlage mit Eigen-
ihumsrecht ♦
Hetzer 9 Joseph, JSKara* Romantische Oper in drei Acten
von Otto Preehder; im vollst. Clar. -Auszüge vom Componisten.
Braunschweig, den 8. Mai 1844.
Johann Peter Spehr.
Nene werthvolle Musikalien,
welche in der Sehlesinf er'schen Buch • und Musikhandlung
in Berlin erschienen und durch alle solide Musikalienhandlangen
xu beziehen sind :
Kree, Holländischer Lieblingsgesang : Adolph an Marien s Grabe,
ree 9 HolltooUscnerJUeblingsgesang: 4
alt deutschem und holländischem Text.
Thlr.
Gumbert, Walser-Impromptu mit Gesang f. Orchester 47} Sgr.,
f. Piano * Sgr. Ob ich dich liebet (Ah! si je t'aime?), dito
mit Guitarrc ä 8 Sgr.
Handel, 4" Conccrto p. Piano ou Orgue avec Acc. de TOrche-
stre, redig. par Mortier de Fontaine. 1J Thlr.
Hunten, Prnne v 4 Rondinos p. Piano. Op. 21. 18* Sgr.
Fantoisie sur la Donna del Lago. Op. 24. i Thlr. Theme „An
Alexis/« Op. 26. \ Thlr.
Klaffe, Die Tonleitern der Dur- u. Moll-Tonarten mit Accorden
u. Schluss-Cadenzen f. Pfte. 2. verb. Aufl. i Thlr.
Klillalt, Transcriptions p. Piano. Op. 6. No. 12. Egmonl de
Beethoven. | Thlr. Air d. 1. Favorite p. Piano ä 4 ms. i Thlr.
Iitozt j F. , Buch der Lieder f. eine Singst, m. Piano. Bd. II.
enth. 6 lyrische Gedichte mit deutsch, u. franz. Text. 2 Thlr.
~ " ' ~ ~ Thlr.
Choix de 3 Romanees favor. (mit französ. u. deutsch. Tezt) par
MUe. Lia Duport. No. 326 - 328. La male (Das Maulthier).—
La Fee (Die Fee) par Duport. — La Samaritoine (Die Samari-
tern»), h ö Ser.
Hanmeke 9 4 Rondos faeiles p. Piano. Op. 18. No. 1. Marche
de Marie (Die Tochter des Aegim.) de Donizetti. No. 2. Air de
Niobe de Paciai. No. 3. Corte« de Snantini. No. 4. Teufels
Autheil. * i — i Thlr. ▼
JFalsiSlt , Lieder u. Balladen f. eine Singstimme. Op. 1. j Thlr.
Piano et Violom
— : — Bulhakow*s russischer Galopp für Piano.
IjOlllej, Les Plaisirs de la Valse de Strausa p.
concertante. Op 30. Liv. III. | Thlr.
Mendelssohn Bartholdy, Trois Allegros p. Pleno. No.
1. tires du Quatuor, I et II, par F. de Tengnagel. ä i Thlr.
Sfosehelea, FetU, Kullahi, Praeiischer Theil der Me-
thode des Pianofortespiels. Lief. 4, 8, 6, zum Gebrauch beim
Unterricht Ihrer königl. Hob. der Prinzessinnen Louise n. Anna
v. Prenssen. Subscr.-Pr. ä §- Thlr. (Ladenpr. a 1 Thlr.)
Plaget, Nouvel Album de chant p. 1844. — 12 neue in den
Pariser Soireen beliebte Romanzen mit Piano 1| Thlr., einzeln
erschienen ä | — | Thlr.
Russisches LiehUngsUed „Komm, o Freund c * f. eine Singstimme u.
Piano, mit russ. u. deutschem Text, i Thlr.
Sehaehner, La tempc'te. Etüde pour Piano. Op. 1. £ Thlr.
Wollt*, Ed., 8 nouv. Polkas favor. p. Piano. 2 Liv. * ± Thlr.
Weber, C.M.V«, Ouvertüre zum Freischütz in Partitur liThlr.
Früher erschienen die Ouvertüren zu Oberon und Jubel -Ouver-
türe ia Partitur, für Orchester, für 2 Pianos zu 8 Händen.
Nächstens erscheint mit Eigentumsrecht:
Eitszt'S ungarischer Sturmmarsch für das Orchester in Stimmen.
— Heroischer Marsch in ungarischem Style für Piano.
Ddhler, Th«, Grande Fantoisie de Concert aar U Favorito,
Opera de Donizetti, pour Piano et a 4 mains.
Es wird sum Verkauf angetragen: Musikalisehe Zeitungen,
Jahrgänge von 1798 bis 1820, dito von 1824 bis 18*4. Die
Jahrgänge eingebunden und im guten Zustande. Zn haben bei
Friedrich Jahn in St. Gallen in der Schweiz.
Avertlssement»
Um etwaige Missverstündnisse zu verhüten, benachrichtige ich
meine geehrten Herren Geschäftsfreunde , da» ich nicht meinen
Verlag insgesammt, sondern nur einen Theil .und namentlich den
altern, meistens aus Concurrcnz - Artikeln bestehenden Theil des-
selben, an Herrn Chr. Bachmann in Hannover, verkauft
habe. Der vollständige Gatalog meines neuern und neuesten Ver-
lags , welcher nun, mit Ausnahme einiger wenigen Artikel, aus-
schliesslich aus Original- Werken besteht, wird in diesen Tagen
versendet.
Braunschweig, den 8. Mai 1844.
Johann Peter »pehr«
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
34S
346
A L L G EM EINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 22" en Mai.
M »1.
1844.
Inhal« t Bnensimen. — Nachrichten: Aas Prag. Carneval- und Faatenopero n. «. w. io IUlieo. (Fortsetzuag. ) — Feuilleton. —
R
ECEN8IONEN.
Fünf Gesänge von Otto Prechtler und von Goethe : Lie-
besgruss; Nächtliche Wallfahrt; Aus der Ferne; Abend-
kühle; leb wollte in die Ferne gehen, für eine Sing«
stimme und Piano(forte) , componirt von /. Hoven.
Op. 30. Berlin, bei Schlesinger. Preis 20 Sgr.
Der Verfasser dieser Lieder, welche durchgehend«
eine gewandte, geschmackvoll durchgebildete Feder ver-
ratben, bat sich von der breiten, von Hunderten ausge-
tretenen Strasse trivialer Mittelmässigkeit in anerken-
nungswerther Weise fem zu halten gewusst, und wir ha-
ben wiederholt diese Composilionen mit Interesse und
Wohlgefallen gehört. Keine einzige derselben dürfte Die-
jenigen, welche mit dieser schätzbaren Sammlung sich
näher vertraut machen, unbefriedigt lassen. Ganz vor-
züglichen und allgemeinen Beifall glauben wir indess dem
Gesauge No. 3 „Aus der Ferne" versprechen zu dür-
fen, welcher den trefflichsten sich anreiht, die uns neuer-
dings bekannt geworden. Die Ausstattung ist löblich.
Drei komische Lieder : 1) Die drei Schneider, von Her-
losssohn, 2) Es bleibt beim Alten, von Geisheim, 3)
Noah's Testament, von Grünig (mit Chor ad libitum)
Mr Bariton oder Bass und Piano(forte), componirt von
C. C- Reissiger. Op. 172 b . Leipzig, bei Klemm;
No. 1. 7% Ngr. No. 2. 5 N$r. No. 3. 5 Ngr.
Diesen anspruchslosen Liedern, auf heitere Unterhal-
tung in geselligen Kreisen berechnet, dürfen wir bei Lieb-
habern eines gemütblichen Scherzes Beifall versprechen,
welchen sich vorzüglich ,, Noah's Testament" erwerben
möchte. Dass sie in abgerundeter Form hervortreten,
braucht bei diesem so verdienstvollen Componisten wohl
kaum besonders bemerkt zu werden. —
Zwei Lieder: 1) „In den Augen liegt das Herz" lind
2) „Ob ich dich liebe" für eine Sing&timme mit Be-
gleitung des Pianoforte von A. Neithardl. Op. 129.
Berlin, bei Bote und Bock. Preis *2y 2 Sgr.
Diese Lieder sind in der gewohnten leichten, gelal-
lig ansprechenden Weise des Verfassers geschrieben und
werden den Freunden seiner Mose willkommen sein.
Das Mädchen am Grabe. Die weisse Rose. Die gebrochene
Blume. Drei Lieder in Musik gesetzt mit Begleitung
des Pianoforte vbn Carl Moser. Op. 14. Berlin, bei
Paez. Preis 15 Sgr.
Um unseren verehrten Lesern zu zeigen, was sie
von diesen Liedern zu erwarten haben , setzen wir den
Anfang des zweiten her:
r r i
und versichern, dass die* übrigen fast eben so originell
nnd geistreich gehalten sind. —
Zwölf Gedichte von Fr* Rackert, für eine Singstimme
mit Pianoforte and obligatem (Violon) Cello (auch mit
Pianofortebegleitung allem), in Musik gesetzt von Leo-
pold Lenz, königl. bater'schem Hofsänger und Regis-
seur des königl. Hoflheaters. Op. 36. I. Abtheilung.
No. 1 — 6 für Sopran oder Tenor, 1 Thlr. 22 Ggr.
II. Abtbeilung. No. 7 — 12 für Alt oder Bariton,
1 Thlr. 22 Ggr. München, bei Falter und Sohn.
Diese Gesänge mögen sich mit discreter Violoncello-
begleitung nicht übel anhören lassen; denn obwohl sie
sich nicht durch originelle Kraft, Frische und concise Ab-
findung der melodischen Erfindung auszeichnen (die Füh-
rung der Cantilene hat fast in allen etwas Breites, Va-
ges und Schwefelndes), so liegen sie doch gut in der
Stimme und stellen de* Erfahrung des Verfassers als Sün-
ger ein rühmliches Zengniss ans. Verstösse gegen die
Deklamation, wie:
:ew.
46. Jahrgang.
Der Lieb -s{ern Ken ist auf- ge - wacht
(s. Abth. 1, S. 14) haben wir sonst nur wenige gefun-
den. — Hat der Verfasser die schwierige Aufgabe, welche
der Componilt Bäekerf scher Lieder fast immer zu löse*
bat, nicht überall glifeklitb gelöst, so katm man deshalb
21
547
1844. Mal. No. 21.
348
nur in so fern mit ihm rechten, als er sieh tu eine«
Dichter gewagt, von dessen so zahlreichen, ja fast zahl-
losen Gedichten verhiltnissmissig nur. wenige sich wahr-
haft componibel zeigen, während oft gerade die herrlich-
sten und wertvollsten äusserst schwer in die Tonsprache
zn übersetzen sind und selbst den talentvollsten Compo-
nisten, der sich an sie heranwagt, nur selten einen völ-
lig genügenden Erfolg gewinnen lassen. Ausstattung gut
Romances: I) „Je l'aime encore" et II) „La harpe bri-
see, de M. Bergson. Berlin, cbez Traut wein« No. I.
7y 2 Sgr. No. II. 5 Sgr.
Diese französischen, mit untergelegtem deutschen
Texte versehenen Lieder sind ganz in der beliebten, pi-
quanten Manier der neuesten französischen Modeeompo»
nislen geschrieben und dürften bei Freunden derselben
sich Beifall erwerben. Namentlich ist No. 1 eine anspre-
chende Composilion in diesem Genre. Beim Vortrage bei-
der würden wir den französischen dem deutschen Texte
vorziehen. Die Ausstattung ist sauber.
Sechs Gedichte von Uhland, Mosen, Brentano u. s. w.
für eine tiefe Stimme mit Begleitung des Pianoforte,
componirt von Otto Tiehsen. Op. 22. Berlin, bei
Bote und Bock. Preis % Thlr.
Die meisten dieser, grösstenteils ernsten Lieder müs-
sen wir, wenn auch nicht ausgezeichnet, doch wohlge-
lungen nennen. No. 2. „Ström 9 sanft, süsser Afton" (ge-
dichtet von Borns) ist zart und ansprechend und dabei
nicht ohne Schwung gehalten. So auch No. 3. „Der On-
S nannten' € von Dbland. No. 1 etwas steif nnd scbwer-
llig, und No. 6 „Der Spinnerin Nacbtlied" und „Nacht-
reise" athmen herben Trennungs- und Sehnsuchtsscbmerz.
In No. 4. „Andreas Hofer's Tod" von Mosen, ist der
Text vom Componisten wohlgetroffen. Bei No. 5 „Der
23. Psalm 44 will uns die fortlaufende Seohzehntheil-
figur nicht zweckmässig erscheinen. Wir hätten an
4e8 Verfassers Stelle lieber die Begleitung im gebunde-
nen Style gehalten.. Offenbar giebt die gewählte Beglei-
tungsfigur der Compositum einen Anstrich von Unruhe,
der dem Texte fremd ist. Ausstattung gut. Dr. R.
Nachrichten.
Prag. In unserer Oper haben die letzten zwei Mo-
nate statt einer Neuigkeit nur einige Unpäßlichkeiten
aämmtlicher Mitglieder gebracht, und die Vorstellung der
„Lucrezia Borgia," womit man den ersten Theaterbesuch
des Erzherzogs Carl mit seiner Tochter der Erzherzogin
Marie Caroline (welche hier als Aebtissin des Theresia-
Fischen Damenstiftes installirt wurde) feierte, sehien die
Zuhörer mehr in ein Krankenhaus, als in eine Runstan-
jtalt zu versetzen. Nur der „Blitz" wurde neu in die
Scene gesetzt und vor einem sehr vollen Hause freund-
lichst aufgenommen. Dem. Grosser (Henriette) excellirte,
wie immer* Herr Demmer carikirte seinen Englinder,
wie immer. Mad. Podhorsky war trefflich bei Stimme
und sang die reich colorirle Partie der Mad. Darbel mit
frappanter Virtuosität, Herr Damke gab den Lionel zum
ersten Male nnd war im Gesänge recht lobenswertb, lei-
der aber reicht sein Gefühl, wie sein Antheil an der Si-
tuation nie über die Noten hinaus, weshalb er stets in
der Recitativoper im vorteilhafteren Lichte erscheinen
wird, nnd besonders ist er mit der Prosa — deren Stu-
dium ihm gar nicht genug empfohlen werden kann —
noch immer bedeutend brouillirt, verspricht sich sehr oft,
und wird mitunter unverständlich. In dem berühmten
Duett, der Hauptnummer des Ganzen, erreichte er seinen
Vorgänger nicht, dessen wenige schöne Töne hier gerade
Effect machten, und wurde von Dem. Grosser sehr ver-
dunkelt
„Die Montecchi und die Capuletti" wurden zum
Vortheile der Dem. Therese Schwarz zum. fünfzigsten
Male gegeben, welche darin den Romeo zum ersten Male
sang, und wenn wir offen gestehen, dass diese Leistung
einen minder glänzenden Erfolg hatte, als ihr Orsini in
der „Lucrezia Borgia," so ist dabei doch nicht zu leug-
nen, dass diese zweite Rolle als ein bedeutender Fort-
schritt in dem Runstieben der liebenswürdigen nnd ta-
lentvollen Sängerin anzusehen ist. Maffio Orsini ist eine
Altpartie, aus wenigen Nummern bestehend, zu deren
genügender Darstellung nur eine hübsche Stimme, ein ge-
bildeter Gesang und eine angenehme Persönlichkeit gehören ;
überdies hatten wir diese Partie früher nur von einer
Rünstlerin gebort, deren äussere und innere Individuali-
tät nicht dafür passt. Dem. Schwarz besitzt alle genann-
ten Mittel im hohen Grade, und überraschte noch dazu
durch das schöne Talent, das sie im Spiele zeigte ; es ist
also leicht zu begreifen, dass sie darin — zumal als er-
stem Versuch — Furore machen musste. Romeo ist eine
umfangreiche Mezzo- Sopran -Partie, und wer nur einige
musikalische Renntniss und Erfahrung hat, weiss, wie
gefahrlich jedem Rünstler solche Rollen sind, deren Um-
fang nicht von Natur in seiner Reble liegt, wo er
Chorden anschlagen muss, die ihm schwer werden, oder
die er durch Transponirung ersetzen muss. Dazu kommt,
dass wir den Romeo von mehreren der ersleren Künst-
lerinnen, namentlich den beiden Beinefetter , der Pixis und
Schröder - Devrient *) , gesehen haben, und es ist daher
Alles, was billiger Weise zu erwarten stand, dass Dem.
Schwor», welche in Gesang und Spiel die Rolle wacker
durchführte, sich nach solchen Gegenständen der Verglei-
chung ehrenvoll behauptete und wiederholt mit und ohne
Dem. Grosser hervorgerufen wurde, welche die Giulietta
diesmal schöner und ausdrucksvoller, als je, sang und
spielte. Herr Schütky hatte statt des erkrankten Herrn
ötrakaiy die kleine Rolle des Capulet übernommen, nnd
*) Sabine Heinefetter ist durch raschen nod eo ergischen Vor-
trag der Sortita unübertroffen geblieben, womit sie bei ihrer
ersten Erscheinung Publicum nnd Kritik gleiebsam verblüffte
und verblendete, nnd weiche die meisten ihrer Nachfolgerin-
nen in zu langsamem Tempo sangen. Die Pixis war im Gan-
zen am Meisten Italiener, und machte mit einzelnen leiden-
schaftlichen Stellen Furore, die vor ihr kaam bemerkt wor-
den waren. Die Schröder - Devrient konnte den letzten Act.-
frei naeb Bellini nennen, da sie lieb denselben wirklich selbst
umschuf.
349
1844. Mai. No. 21.
550
Herr Emminger sang heule den Lorenzo — zumal im
ersten Aete — ganz ausgezeichnet. Das Hau* war sehr
voll und ziemlich erregbar.
Seil Monates hören wir von der Aufführung der
„Linda di Chamounix" nnd von einer neuen Mise en
sctne des Rossinf 8cbm „Teil" reden, aber — es bleibt
immer beim Reden !
Im «weiten Theater machte ein Herr Knapp seinen
ersten theatralischen Versuch als Walter in dem „Ge-
heimniss," Singspiel in einem Act, Musik von Solie, aus
dem Französischen frei übersetzt von C. Herklots. Herr
Knopp, ein Schüler des kunstreichen Tenoristen Binder,
hat eine metallreiche, jugendliche Bruststimme, die frei-
lich noch weiterer Ausbildung bedarf, derselben aber auch
werlh und fähig ist, und die er, bei der guten Vorbil-
dung, die er offenbar bereits erhallen, sich auch leicht
und bald erwerben dürfte. Was das Spiel betrifft, so
spricht Herr Knopp sehr gut, und der Anfänger wird nur
in den Bewegungen sichtbar. Er erhielt reichen Beifall,
den er wahrlich nicht seiner Partie — die undankbar und
unmelodiös ist, wie die ganze Oper — , sondern vielmehr
seinem Vortrage verdankt. Herr Feistmantel gab den Be-
dienten Thomas sehr brav, und auch Herr Just (Hofrath)
war im Spiele recht wacker; mit der Stimme will es bei
Beiden nicht viel sagen. Dem. 7W/»er(Hofrälhin)passte mit
ihrer wohlgeschulten , aber kleinen Stimme nicht recht
für den weiblichen Otello, den sie darzustellen hatte,
dagegen hat Dem. Negadky (Angelica) eine kräftige,
kerngesunde Stimme, doch ganz ohne künstlerische Aus*
bildang.
Mad. Catharine Podhorsky hat auch zu ihrem böh-
mischen Benefiz statt einer Oper ein Potpourri (!) ge-
wählt: „Die Wechselbilder, oder jede Minute etwas An-
deres," worin sie die grosse Arie aus dem „Zweikampf"
vortrug. Ihre Schülerin Präul. t>. Grünwald sang die
grosse Arie der Giulietta aus den „Montecobi und Capu«
letti," und mit ihrer Lehrerin ein Duett aus „Norma."
Fragmente aus den Opern : „ Das Nachtlager von Gra-
nada," ,,Der Pirat, " „Die Zauberflöle," „Der lustige
Schuster," die Ouvertüren zu „Norma," zu „Wilhelm
Teil," und einige Schauspiel- und Possenscenen füllten
den übrigen Theil des Abends aus.
Die interessantesten Concerte der Saison sind ge-
wöhnlieh die des Genservatoriums der Musik, und in die-
sem Jahre erböbete der Umstand, dass Director Kütl sein
jugendliches Musikcorps zum ersten Male commandirte,
die Tbeilnahme in so hohem Grade, dass wir — trotz der
in Prag wenig beliebten Mittagsstunde — seit Lis%% den
Platteissaal nicht so überfüllt gesehen haben, als diesmal.
Auf ausdrückliches Verlangen der Vereinsdirection
(so meldete uns der Anschlagzettel) wurde die erste Ab-
teilung des ersten Concertes mit der so bekannten als
beliebten Jaffdsymphonie von J. F. Kittl eröffnet. Bin
schallender Jubelgruss empfing den jungen Capellaeisler,
als er die Stelle betrat, we wir seit Jahrzehenden einen
Greis zu sehen gewohnt waren, und verkündete gleich-
sam die Zustimmung aller Musikfreunde zu der glückli-
chen Wahl der Vereinsdirection. Die geistreiche und le-
bensvolle Compositum wurde, trefflich ausgeführt, mit al-
lem Interesse einer Neuigkeit aufgenommen, nnd Director
Rittl am Schlüsse stürmisch hervorgerufen. Wenn der
Empfang seiner Person galt, so kann er dagegen den
Schlussapplaus mit voller Zuversicht seinem werke und
seiner Leitung des Orchesters zuschreiben. Der Referent
der „Bohemia" macht die Bemerkung: Diese Jagdsym-
phonie sei eigentlich ein Seitenstück zu Beethovens Pa-
storalsymphonie und habe mit derselben auch die Aehn-
licbkeit, dass an der Spitze der einzelnen Sätze Ueber-
schriften stehen — so an jener des ersten: „Aufruf —
Beginn der Jagd/' Auf einen langgebaltenen Trompeten-
ruf folgt ein munterer, von vier Waldhörnern ausgeführ-
ter Satz, der bald in ein heftig bewegtes Thema über-
geht, welches dem ganzen ersten Allegro zur Grundlage
dient. Ist aber der erste Satz ganz und gar reges Leben,
so ist dagegen der zweite, wie auch seine Ueberschrift
anzeigt, durchaus Ruhe. Sahen wir dort die ganze Jagd-
gesellschaft in wilder Hast, so sehen wir hier einen ein*
zelnen Jäger, der in einem einsamen, frischen Wald-
grunde auf weiches Moos gelagert, träumerisch in den
vorüberrieselnden Bach starrt. Dieser Gegensatz ist von
der glücklichsten Wirkung, und lässt aueh das darauf-
folgende Scherzo (Gelage, Bsdur, %) um so effectvoller
erscheinen, bei welchem es so lustig und lebendig her-
geht, als es bei einer Jagdmahlzeit nur immer der Fall
sein kann. Die Blasinstrumente geben ihre Jagdabenteuer
zum Besten, accompagnirt von einigen Verwunderungslauten
der Streichinstrumente; vermutlich wird (wie bei sol-
chen Gelegenheiten immer) etwas aufgeschnitten. Signor
Oboe aber wird nach seiner Erzählung von der ganzen
Gesellschaft im Tutti fortissimo ausgelacht, was ihn, da
er im ersten Satze zwei Mal sehr entschieden entgegen-
getreten ist, und also das Recht hätte, ein Wort einzu-
reden, sehr kranken muss, um so mehr, da das Ausla-
chen auf dem gellenden kleinen Nonenaccorde von B ge-
schieht. Doch male sich Jeder das hübsche Bild nach Gut-
dünken aus, wie man sich ja auch bei dem Bauerntanze
in der Pastoralsymphonie eine Menge allerliebster Details
denken kann. Das Finale schildert den Schluss der Jagd,
und ist unter allen vier Sätzen vielleicht der geistreichste
und in der Form interessanteste. Ueberhaupt ist an dem
ganzen Werke die klare Uebersichtlicbkeit der Form, so
wie die Sieherheit, mit welcher der Gompooist auf Das,
was er will, so zu sagen r mit drei Schritten losgeht und
es mit fester Hand ohne Ceremooieen ergreift, nicht ge-
nug zu loben. Die zweite Abtheilung brachte zuvörderst
ein Divertimento für die Oboe von F. A. Kummer,
vorgetragen von Cölestin Müller (wie bei allen Andern)
ab erster Versuch, der aber unter die geglücktesten ge-
zählt werden muss, die wir jemals im Institute gehört
haben. Herr C. Müller hat nicht nur einen schönen Ton
und bereits eine bedeutende Virtuosität auf seinem Instru-
mente erworben, sondern zeichnet sich zugleich durch
Geist, Gefühl und Geschmack im Vortrage aus, der bei
fleissigem Studium einmal einen grossen Oboisten erwar-
ten lässt. So sehr ich gegen das Hervorrufen der Zög-
linge eingenommen bin , welches gewöhnlich mehr die
Eitelkeit, als das künstlerische Fortschreiten erweckt, so
musste ich doch den reichen Beifall , der dem jugendli-
chen Oboisten gespendet wurde , nur als verdient aner-
kennen. In dem — etwas langen — Concertino für die
351
i«44. Mai. No. 2t.
352
Violine von Kalfpwda «igle Franz Nieme** ein hoff-
nungsvolles Talent, und zeichne4e sieb besonders durch
ein recht nettes Staccalo aus. Das einzige Gesangstück
des Concertes war: Recitativ und Cavatine aus „Linda di
Chamounix" von Vonvsetti, vorgetragen von Fräul. Anna
v. Riese, welche, obgleich sichtlich unwohl, doch durch
jugendlich angenehme Stimme, eleganten Vortrag und
zierliche Coloratur erfreute. Den Schluss machte die Con-
certouverlure: „Die Fingalshöble " von Felix Mendels*
sehn Bartholdy , ein solides, tief gedachtes Werk, wie
Alles, was man von dem Tondichter des „Paulus" er-
warten kann; doch scheint es, dass man — zumal der
Laie — diese Composilion öfter hören müsse, um ganz
in die Intentionen des Meisters einzugeben. Die Ouver-
türe wurde lau aufgenommen, worüber sich der kiinst*
lerische Referent der „Bobcmia" etwas erzürnt* „0,
meine Prager," ruft er aus, „ warum babt ihr mir das
gelhan? Mozart hat freilich gesagt: „Die Böhmen ver-
stehen mich!" und das bat Euch in der musikalischen
Welt in gar guten Geruch versetzt, aber bedenkt, dass
auch Eau de Cologue nach und nach verduftet. Der ge-
ringe Erfolg von Gluck' s „Iphigenia" im vorigen Jahre,
und der geringe Erfolg von Mendelssohn 9 * „Fingalshöble"
in diesem, ist für eine Stadt, die im Rufe musikalischer
Competenz steht, keine Ehre 1**
Das zweite Concert des Musikvereins, welches, um
einen grösseren Raum zu gewinnen, im Saale der So-
phieninsel abgehalten wurde, erhielt ein erhöhtes Inter-
esse durch den Besuch der Erzherzoge Carl, Stephan und
Carl Ferdinand und der Erzherzogin Marie Caroline. Der
Referent der „Bohemia" meint, vor dem Sieger von As«
pern hätte man eigentlich nur die Beethoven wh* „Sin-
ibnia eroica" aufführen sollen.
Das Programm brachte nebst der grossen Symphonie
(No. 2 in D dur) von L. van Beethoven noch ganz zum
Schlüsse ein neues Werk, dem ein guter Käme voraus-
ging: Ouvertüre „Nachklänge von Os&ian" von N. W<
Gade, welcher, dem Vernehmen nach,, von den Capell-
meistern Friedrich Schneider in Dessau und Ludwig
Spohr in Cassel als erwählten Schiedsrichtern, unter zehn
eingesandten Compositionen der vom Kopcukagener Mu-
sikvereine ausgesetzte Preis von 25 Speziesducaten zuer-
kannt wurde. Bei der trefflichen Production dieser aus-
gezeichneten und schwierigen Composilionen meinte man ;
noch mehr, als das reine Ausspielen, macht den. wackern
Jünglingen und ihrem Leiter und Lehrer Direktor Kitll
das Zusammenspiel, das sich wechselseitig Verstehen, die
treffliche Auffassung der Coropoaitiou Ehre. Die Ouvertüre
von Gode theille ein gleiches Schicksal mit jener von
Mendelssohn , mehr von den Kennern, als vom Publi-
cum gewürdigt zu werden. Die Concertantes der zwei-
ten Abiheilung waren 1) Concertino für das chromati-
sche Waldhorn von F. C. Fuchs* vorgetragen von Fr,
Klima. — 2) Air varie für die Clarinette von F. Baer,
vorgetragen von Stephan Erot — und 3) Concertaule
Dir zwei Violinen von. J. IV. Kalliwoda , vorgetragen
von Johann Pctrak und Franz Rziha. Alle vier Zog*
linge gaben erfreuliebe Hoffnungen, wenn sie gleich nicht
so frappirten , als C. Müller im ersten Concert. Der
reichste Lohn für sein scböqesKuoslstrebep wurde dem
Director Kütl dadurch zu Theil, dass ihn der Erzherzog
Carl nach dem Concert zu sich berufen liess> um ihm in
den freundlichsten Worten seiner Zufriedenheit zu ver-
sichern, in weiche auch der Erzherzog Stephan einstimmte.
Das Concert zum Besten des Vereins zur Unterstü-
tzung der Hausarmen schliesst sieh an die Concerte des
Conservatoriums an, da dieses demselben das Orchester
bietet, welches, die Begleitung der Concertantes und Ge-
sangpiecen ungerechnet, abermals zwei classisebe Compo-
silionen mit gleichem Erfolge vortrug, nämlich: Sympho-
nie in Es dur von Masart , und die Ouvertüre zu dem
Ballet: „Die Geschöpfe des Prometheus," von L. van
Beethoven. Director liittl, der nach der Symphonie laut
und einstimmig hervorgerufen wurde, bat in der kürze-
sten Zeit sechs grosse schwierige Tonstücke einstodirt,
und zwar mit den Schülern von der Aufnahme 1840, die
erst seit den Ferien 1843 die EnsemMeübungen frequen-
tiren; man kann ihm daher weder Beifall noch Bewun-
derung für Dasjenige vorenthalten, was er in wenigen
Monaten aus seinen Zöglingen gebildet hat, die mit dem
frischen Jugendfeuer zugleich die höchste Präcision, Klar-
heit, und wo es Nolh tbut, Mässigueg vereinigen.
Ausserdem hörten wir in diesem Concerte noch Va-
riationen für die Violine, componirt nnd vorgetragen von
Herrn Joseph Czapek , absolvirtem Zögling des Conser-
vatoriums, in welchen er eine bedeutende Bravour ent*
wickelte. Die Composilion bat den gewöhnlichen Fehler,
wenn ausübende Virtuosen für sich seihst schreiben : sie
ist zu sehr mit Schwierigkeiten überhäuft. Ferner ein
Sextett von Onslow, für Pianoforte, Flöte, Clarinette,
Fagott, Hörn und Coatrahass, vorgetragen von Fräul.
Ba bette fVmmer und den Herren Spanner, Pisarxowüx,
Janatka 9 Gross und Urabie, und zwei Gcshngslücke,
Arie aus der Oper: Guido und Ginevra von Halevy, ge-
sungen von Fräul. Emilie Loos, und (auf vielseitiges Ver-
langen) des Deutschen Vaterland, JMännerobor von Ret-
chardt, vorgetragen von den Mitgliedern de» Cacilien Ver-
eins. Fräul. Wimmer gehört unter die vorzüglicheren
Dilettantinnen unserer Stadt, und Fräul. Loos zeigte, seit
wir sie das letzte Mal hörten , bedeutende Fortschritte.
Beide Damen erhielten die reichsten Beifallszeichen.
Das Concert zum Besten des israelitischen Hospitals
brachte die beiden Ouvertüren zu Egmont und Oberon,
und als Concertstück : Violinvariationen , componirt und
gespielt von Raymund Drey schock, der in doppelter Hin-
sicht verdienten Beifall davontrug. Herr Dasnke bewies
in einer fVeber'scben Arie auf's Neue, d*68 er vorzüg-
lich in der deutschen Musik heimisch sei. Mach dem vir-
tuosen Vortrage des Rücken sehen „Maurwehen Ständ-
chens " durch Dem. Sclwwr» wollte der Beifall nicht
enden, und die junge Künstlerin war so gefällig, sich
zum Pianoforte zu setzen und noch den Jtfa/iA/Wschen
„Rataplan" mit eigener Begleitung ab Zugabe zum Be-
sten zu geben.
Das Programm zu dem Concerte des Cäcilienvereias
zur Unterstützung dürftiger Studirender brachte als Pro-
log die Ouvertüre, Marsch und Chor zu Kolzebues „Rui-
nen von Athen*' von L. v. Beethoven. Diese „Ruinen
von Athen" waren ein Festspiel» welches Kotzebve zur
Eröffnung des Pestber Natkmalthealers schrieb, und worin
555
1844. Mai. No. 21.
354
er beweist, die Kirnst sei nach dem Verfalle von (Sri**
cbenland. und Rom zu den Germaniern und Pannouiern —
auf einigen Umwegen! — geflüchtet. Die Ouvertüre be-
ginnt ausdrucksvoll, verliert aber im Allegro an Haitang
und innerem Wertb. Dagegen ist der Marsch und Chor
ganz vortrefflich. Mit lebhaftem Beifall wurde das „Saactus
und Agnus** aus der Vocalmesse von Louis Spohr, für
zwei fünfstimmige Chöre und fünfstimmigen Sologesang»
aufgenommen, der sieb bei „ Wanderers Naehllied," Ge-
dieht von Goethe, für Sopran und vierstimmigen Männer*
chor componirt von Ferdinand Hiller > vorgetragen von
Fränl. Louise Bergauer, noch steigerte. In dem treffli-
eben Concert für Pianoforte in DmoU mit Orcbesterbe-
gleitung von Mozart bewährte sich Herr tVUh. Deutseh
wieder als ausgezeichneter Pianofortespjeler, und von den
zwei Liedern für vierstimmigen Männerchor: a) „Der
Jäger Abschied" von Felix Mendelssohn Bartholdjf %
b) Pisen Cesk& od Kalliwody . musste das Letzlere wie-
derholt werden. Ein wahrhaftes; „Ende gut Alles gut"
bildete die Arie aus dem Oratorium „Messias" von //#»-
del, vorgetragen von PräuL Therese Schwärs , welche
die seltene Eigenschaft hat, classische wie moderne Mut
sik gleich treffend und cbaractergemäss vorzutragen.
Die hiesige Tonkünstlergesellschaft gab dieses Jahr
unter Mitwirkung des Gäcilienvereins im gräflich IVnldr
jferö'schen Saale mit einem Chor- und Orchesterperscr
nale von 200 Individuen zum Besten ihres Witt wen -und
Waiseninstituts: „Paulus," grosses Oratorium in zwei
Abtbeilungen, in Musik gesetzt von F. Mendelssohn Bar*
thohh/i zum vierten Male, welches sich so fortwährend
in der Gunst des Publicum» erhält, dass der ungeheure
Saal nicht nur überfüllt war, sondern manche Zuhörer»
ohne etwas gehört zu haben, sieb wieder entfernen muss-
ten. Die Solopartieen hatten diesmal Mad. Padhorsky,
Dem. Schwarz und die Herren Emminger, Sehütky und
Strakaty übernommen, nnd der vollkommenste Success
krönte eine Produetion, die mit den grossartigsten Mit-
teln unternommen wurde. Was Dem. Schwarz betrifft*
so bedauerten wir nur, dass der Alt von dem Tondichter
so kärglich bedacht worden ist.
Die Schülerin des Conservatoriums Fränl. Anna v>
Biese ist als erste Sängerin nach Lemberg, zwei andere
Schülerinnen dieses Instituts Dem. Franziska und Lud-
milla Stolz (welche während der Stagtone di Carnevale
zu Triest waren) nach Odessa, und Fränl. Anna v. Grün*
wald nach Brunn engagirt.
Carneval- und Fastenopern u.s. w. tnltalien^
(Fortsetzung.)
Kirchenstaat.
Born (Teatro d' Apollo). Die zweite in Italien jetit
lebende grösste Sängerin, die Frezzolini (die erste ist die
Tadolini, und eine drifte giebt es leider jetzt im bei paeae
nicht), ihr Gatte, Tenor Poggi, der brave Bassist Badiatt,
die wackere Olivieri, der hier gebürtige gute Bassist Bai*
zar, die bereits fertige Schieroni, waren die Hauptsänger
der Caraevahstagiene, die mit ei*e» Fiasco von Seiten
der Musik begann. Die Beatrice di Tenda des grösslen
der Maestri, des grossen Componisten der Norma, wie
die hiesige Bivista Herrn Bellini nennt, fand, bei allem
Kanslanfwand der Frezzolini , am ersten Abend eine
sehr läse Aufnahme, die auch in den folgenden Vorstel-
lungen, mit allem Hervorrufen der Sänger, der blosen
Musik wegen nicht glänzend war. Schon die Norma bat
viel Einförmiges aufzuweisen, sie wurde aber bierin von
der Beatrice weit, und vollends gar von den Puritani über-
troffen. Bellini's schon an sieh sobreaebtende Persönlich-
keit nahm, von der Norma angefangen, an musikalischer
Müdigkeit in geometrisober Progression zu, nnd er hat
keineswegs die dem Schreiber dieses einst mündlich ge-
äusserte Umwälzung bewährt, die er in der modernen
Oper mit 9er grösslen Zuversicht hervorzubringen ge-
dachte. — Herrn Verdi's Nabucodonosor mit der Schie-
roni, der Olivieri, dem Tenor Vergani, Badiali und Bai-
zar, zog ebenfalls wenig an ; die beiden Bassisten ragten
indessen über die Uebrigen hervor. Am 24. Janoar hatte
die Frezzolini ihr Benefiz mit dem zweiten und dritten
Acte der Beatrice, und dem zweiten der Lucrezia Bor-
gta (beide Opern ihre Steckenpferde) und wurde dreissig
Mal hervorgerufen ; das ganze Theater war ein Geklatsch,
ein Geheul, ein Gebrüll: welch ein Dreiklang! An Blu-
menkränzen, Gedichten, Bildnissen u. s. w. fehlte es auch
nicht. Nach diesem Gepolter ging sehr bald darauf erst
der eigentliche Lärm an. Die Frezzolini machte ihren
feierlichen Aufzug auf ihrem dermaligen Favorit -Stecken*
pferde, auf Verdi's für sie eigens zu Mailand im vorigen
Carneval componirten Lombardi alla prima Crociata, welche
Oper bhna sie auf anderen Theatern seither kein sonder-
liches Behagen erregte, hier aber Furore machte und in
der die Frezzolini sammt ihrem Gatten Poggi etliche und
vierzig Male hervorgerufen wurde. Diese lustige Comödie
abgerechnet , gab es auch auf dem
(Teatro Valle) wenig Lustiges, wiewohl inländische
und nach ihnen auch ausländische Zeitschriften von dem
FanalUm und Enthusiasm aller auf beiden Theatern ge-
gebenen Opern sprechen. Dönizettrs Don Pasquale machte
Fiasco , und . in Fioravanti's erbärmlich verstümmeltem
Columella (ursprünglich Putcinella) gefielen blos die am
Leben gelassenen paar Stücke von ihm. Sänger waren:
der Buffo Scalese, seine Tochter Amalia. dieCresci, Te-
nor Confertini, Bassist Nutli u. s. w., eine an sich leid-
liche compagnia di virtuosi. Donizetti's Furioso mit der
Olivieri fand bei Fortuna keine Gunst.
Die Zöglinge der Singschule des Ospizio Anostolico
führten unter der Leitung ihres Lehrers Angelo Scar*
dtwefä inr Carneval mehrere Male die Azione biblica: II
Vifello d'orn. <das goldene Kalb) mit Musik aus den Com-
Positionen von Mercedante, Verdi, Ricci (Fed.), Bossi
(Lauro), Vera u. A. mit Beifall auf.
Die am 12. März Statt gehabte Prämien vertheilung
hei 4er Congregazione de 9 Virtuosi al Pantheon r die so*«
genannte Premiazione Gregoriana, worde mit dem gross-
ten Pomp begangen, und bei dieser Gelegenheit eine vom
Maestro Gio. Dt Paolis eomponirte Cantate: Vittoria delP
arte crisliana sull' arte pagana aufgeführt. Vom Herrn
De Paolts wurdd bereits vorigen Frühling in d. Bl. bei
Gelegenheit seiner Oper Gismonda gesprochen.
355
1844. Mai. No. Sl.
356
In den stets brillanten , wöchentlichen musikalischen
Unterball ungeo des Herrn Ludwig Landsberg Hessen
sieh anter Andern der Pianist Frank aus Breslau und der
königl. preuss. erste Violinist Carl Eckert, wie auch der
Violoncellist CantineUi mit starkem Applaus hören. Die
Vocalstimmen trugen die Baronin Fuhrmann, die Signora
Ciabatta und die Herren Da Porto, Bargellini und Bar-
tolucci zu Aller Befriedigung vor.
Benannter Herr Eckert gah am 15* März im Pa-
lazzo Odescalchi eine Soiree musicale. Erster Theil : Quin-
tett für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncell, com*
ponirt von Herrn Frank. Männerchor. Studien für Pia«
noforte, componirt und gespielt von Herrn Frank. Elegie
für Violine von Ernst, vorgetragen von Herrn Eckert. —
Zweiter Theil: Trio für Pianoforte, Violine und Violon-
cell von Hummel. Männerchor. Violinconcert von Beriot,
vorgetragen von Herrn Eckert. Die Blüthe einer ausge-
wählten zahlreichen Gesellschaft von Einheimischen und
Fremden hatte hier Gelegenheit, nicht nur den trefflichen
deutschen Violinisten und Pianisten, sondern auch Herrn
Landsberg, eben so Meister auf der Violine, als auf dem
Pianoforte, zu bewundern. Diese schöne Soiräe entsprach
vollkommen der allgemeinen Erwartung.
Die Damen Angelina Cignozzi (s. Florenz) und
Rosalia Bargnani- Campbell wurden zu Ehrenmitgliedern
der hiesigen Accademia di S. Ceeilia ernannt
Thalberg ist am 17. März aus Neapel hier ange-
kommen und bald nach dem Norden abgereist, mitbin das,
was die Pariser Revue Musicale vom 24. März über ihn
sagt, aus der Luft gegriffen.
Herr Antonio Lanari, Sohn des bekannten Impre-
sario AkssandrO) bat das dem Principe Aless. Torlo*
nia gehörige Teatro Argentina, gewöhnlich Apollo ge-
nannt, auf acht Jahre gepachtet.
Terni. Für einen deutschen Capellmeister und Com-
ponisten müsste es eine unglaubliche, aber eine ächte car-
nevaleske Unterhaltung sein, wollte er, besonders in die-
ser Stagione, in all' den kleinen Städten eine Opernschau
halten, und allen den mangelhaften Orchestern, den er-
bärmlichen Chören, die meist keine Note lesen können,
allen den sonderbaren Sängervereinen, die meist grosse
Opere serie vortragen wollen , seine ganze Aufmerksam-
keit schenken; welch eine Parodie! Zum Glücke hört
mau hier und da bei alldem singen, denn der Gesang ist
einmal hier zu Land einheimisch. So hat denn aueh diese
durch den nahe hier gelegenen berühmten Wasserfall be-
kannte kleine Stadt ihre — zwei Donizetti'sche Opern
Sbabt: die grosse, unerträgliche Maria di Rudenz und
5 weit erträglichere Linda di Cbamounix. Sänger wa-
ren: die beiden Polidori, Margherita und Carolina; Te-
nor Pozzolini, die Bassisten Taddei, De Santis und Buffo
MatÜoli.
Fabriano. Zwei Donizetti'sche Opern. In der Figlia
del reggimento waren: die Brambilla (Erminia, s. Pisa),
Tenor Comassi und Buffo Marani die ausgezeichneten,
vornämlich Erstere, eine leidliche angehende Sängerin.
In der Lucrezia Borgia, welche Oper weit mehr gefiel,
sang Bassist Gori.
Macer ata. Drei Opern von dem bekannten Opern-
zauberer, Linda di Chamouniz, Figlia del reggimento und
Betty, wurden hier abscheulich von den Sängern ver-
hunzt; ein nagelneuer Tenor, Namens Girolamo Antonio
Ancarani, wurde in seinem Benefiz nicht nur mit Beifall,
sondern auch mit Sonetten überhäuft!
Ancona. Donizetti's Linda fand eine bescheidene Auf-
nahme mit der Cosentino, der Toderi, dem Tenor Sol-
dini, dem Buffo Mancinelli und den beiden Bassisten Ma-
nari und Mattoni; desgleichen Ricci's (Fed.) Prigioni di
Edimburgo. In beiden war indessen die Prima Donna die
am Meisten applaudirte, und die Zuhörer hatten Recht.
Treja (mit dem Namen Monleccbio gleichlautend, un-
gefähr zwei Miglien von LoreloJ. Und auch hier eine
Onerl — Man gab Ricci's Cbi dura vince, und Coppo-
la s Nina pazza per amore. Die Prima Donna hiess Eloisa
Agostinelli, der Tenor Sebastiano Pavoni, Beide aus Fa-
briano = die einzigen leidlichen; Bassist Luigi Giaco»
bini, ein Dilettant; Cböre, Orchester: basta!
Orvieto. Zahlreiche Freunde applaudirten hier unge-
mein die neue Opera seria : / Pirati di Cadice , della
Maestra Orsola Aspri de 9 Conti Cenci Bolognetti aus
Rom, und aus der Allgem. Musikal. Zeitung so ziemlich
bekannt. Der Crescimbeni war ihre Rolle wenig anpas-
send; desto mehr that sich Tenor Carmelo Della Longa
mit schöner und starker Stimme hervor. Der gerade hier
anwesende Anfangerbassist Enrico Topai musste einen An-
dern ersetzen. Buffo Luigi Malagrida war der Beste.
Fuligno. Die Ferrarini-Buschieri aus Bologna, eine
wenigstens erfahrene Sängerin, der nicht üble Tenor Pau-
lin und die Bassisten Griffoni, Brutli, befriedigten ohne
Weiteres iu Donizetti's Marino Faliero; aber die Linda
di Chamounix entzückte und die Ferrarini machte fast
Furore.
Pesaro. Nachdem Donizetti's Linda Fiasco gemacht»
gefielen Pacini's Saffo und Mercadante's Giuramento. Die
brave Steffanone (Schülerin der Bertinotti) , die fertige
Altistin Santolini, der un passliche Tenor Tal es tri und Bas-
sist Coturi tbaten ihr Mögliches. In der zweiten Oper
debütirte ein neuer Tenor, Giuseppe Spagliardi (sehr be-
fangen) und fand Aufmunterung.
Cesena. Das kleine Theater in Casa Masini wurde
mit dem Don Desiderio vom Principe Poniatowsky und
zum Theil mit guten Virtuosi: Adelina Calvori, Raffaele
Damiani, Pompeo Ceccarelli und Buffo Giuseppe Ferlini,
bescheiden fröhlich eröffnet. Nach einer kleinen, im Thea-
ter Statt gehabten Feuersbrunst wurde es abermals mit
Mercadante's Elisa e Claudio lustiger, als zuvor, eröffnet.
Forli. Nebst der Comödie ergötzte das Publicum Do-
nizetti's Gemma di Vergy , worin die hübsche Zagnoli,
Tenor Cimino und der Anfangerbarilon Carlo Cortesi sich
tüchtig beklatschen liessen.
üavenna. In Donizetti's Figlia del reggimento wa-
ren die Polani, Tenor Ramoni und der brave Buffo Lau-
retti die Glanzpuncte. Der famose Rataplan machte das
Auditorium vor Entzücken beinahe verrückt. Unglückli-
cherweise wurde die Polani ganz unvermuthet von den
Blattern befallen, und eiligst durch die aus Bologna hier-
her gekommene Dabedeilhe ersetzt. Man gab Rieci's Or-
fanella di Ginevra mit wenig gutem Erfolge. Zur gross-
ten Freude der Zuhörer betrat die bald hergestellte Po-
lani abermals die Scene in benannter Donizetti'seher Oper.
557
1844. Mai. No; 21.
558
Ferrara. Dnss die heutigen Singer, verzüglich männ-
lichen Geschlechts, auf die Opera buffa, die sie nicht mehr
zu singen verstehen, verächtlich herabblicken, wird Nie-
manden auffallen : eine hohe oder gar höchste Rolle sagt
ihnen mehr zu. Dass aber mancher Stadt hier zu Lande
im Carneval die Opera buffa mit Wasserscheu beinahe
gleichlautend sei, diese Unbeimlichkeit ist wahrhaft son-
derbar, noch dazu, wenn die wirkenden Virluosi zu jener
Musikgattung zum Theil geeignet sind. Weder Kjcci's
Esposti, noch dessen Chi dura vince, mit der braven Leva,
dem Tenor Paglieri und den Bassisten Bonafous und Go-
rin erquickten die Zuhörer, bei allem theilweise den San-
gern, besonders der Leva, geschenkten Beifalle. Man
seufzte nach der monoton ächzenden und klagenden Bea-
Irice di Tenda del Maestro Bellini. Da aber kaum die
Leva in dieser Oper die Hände in Bewegung zu setzen
vermochte, verfiel man auf die Tambouroper, auf Doni-
zetti's Figlia del reggimento, die % Furore und % Fiasco
machte. In beiden Opern sang Tenor Sangiorgi mit ge-
ringem Erfolge.
Persiceto. Eine neue Prima Donna, Matilde Bai-
mondi aus Bologna, betrat hier zum ersten Male die
Bühne im Elisir d'amore und Chi dura vince. Geklatscht
wurde recht wacker, aber....
Budrio. Eine Enrichetta Zani aus Bologna, ein Te-
nor Gaspare Gamboggi u. s. w. versuchten sich hier in
Donizetti's Lucia und Furioso; die Aufnahme war bei-
nahe glänzend, nur wünschte man dem Bassisten Ghirar-
dini, etwas minder barsch zu singen und zu agiren.
Chöre, Orchester, Decorationen — .
Bologna (Teatro Comunale). Die D'Alberti, Tenor
Malvezzi mit hübscher Stimme, der bekannte Buffo Cam-
biaggio, 'Bassist Soarez und Bencich waren ihrer Sache
gewiss in Cambiaggio's beiden Steckenpferden : Ricci's Chi
dura vince, und Fioravanti's übel zugerichtetem Pulci-
nella (hier Columella). Letzterer, besonders mit seinen
blos geniessbaren am Leben gelassenen zwei Originalnum-
mern, war die Oper der Stagiope und füllte am Meisten
die Tbeatercasse. Einen tragikomischen Ausgang nahm
Goecco's alte Opera buffa: La Prova dell 9 Opera seria,
die gewiss die beiden vorausgegangenen aufwiegt. Wie-
wohl ebenfalls Cambiaggio's Steckenpferd, erlebte sie blos
eine einzige Vorstellung.
Grossherzogthum Toscana undHerzogthum Lncca.
Floren* (Teatro älla Pergola). Die sattsam auf diesem
Theater gehörte, ursprünglich hier für die berühmte Unger
von Donizetti geschriebene Parisina erregte diesmal gar
keinen Gefeileo mehr. Die Barbieri-Nini = Titelrolle,
Herr Musich = Ogo, Sebastiano Ronconi = Azzo (gros-
ser Sänger und grosser Distonirer), Miral = Ernesto,
fanden kaum dann und wann einigen Beifall Verdi's Nar
bucodonosor, worin Tenor Lucchesi Herrn Musich ab-
löste, und auch die Cignozzi wirkte, zog weit besser an.
Die vorigen Sommer von dem Anfangermaestro Peri für
seine Vaterstadt Beggio componirte Oper Dirce machte
auf der Pergola weder kalt, noch warm. Herr Peri hat
sich aueb unlängst mit einem Violinouartett versucht, das
J>ei Ricordi in Mailand im Drucke herausgekommen ist,
aber nicht gelofct wird. Anfangs März übernahm Herr
De Bassini die Titelrolle im Nabueodonosor, und sang dar-
auf ebenfalls in Gesellschaft der Brambilla, der Tenore
Roppa und Castellan in Pacini's Fidanzata Corsa, welche
Oper eben so, wie nachher die Bianca di Santa Fiora von
Herrn Grafen Litta, wenig gefiel.
(Teatro Leoooldo.) Hier geschah ebenfalls der An-
fang mit einer Donizelti'schen Oper, und zwar mit der
Gemma di Vergy, die mehr Anklang, als seine Parisina
auf der Pergola, fand, wozu die hübschen Stimmen der
Bertolinl-Raffaelli und des Tenors Caggiati das Meiste
beitrugen; Bassist Valentini - Canuti machte sich durch
guten Gesang bemerklich.
(Teatro Goldoni.) Rossini's Cenerentola wurde hier
leidlich von der Triulzi, dem Tenor Zamboni und den Bas*
sisten Tofani und Ferranti gegeben, desgleichen Columella
und Elisir d'amore, in welcher letzten Oper der Buffo
Luzzi und die Französin Bertucat sangen, die aber viel-
leicht besser thun würde, bei ihrer Harfe zu bleiben,
worauf sie Meisterin ist.
Der Grossherzog bat Mozart'* jüngerem Sohne zu
Wien für die ihm überschickte Partitur der von ihm bei
Gelegenheit der Errichtung des Monuments seines Vaters
zu Salzburg oomponirlen dankte eine prächtige goldene
Medaille zusenden lassen, die auf einer Seite das Bildniss
des Grossberzogs, auf der andern Seite die Inschrift: AI
maestro W. A. Mozart enthält.
Livorno (Teatro Rossini). Incredibile dictul Doni-
zetti's Linda di Chamonnix, seine Wiener Gloire, diese
Linda, welche das schon wankende Fortbestehen der ita-
lienischen Oper in jener Hauptstadt aufrichtete, wurde
hier sehr monoton befunden, und mit einem Fiasco nach
Hause geschickt. Die Ercolani, die Altistin Angri, Tenor
Teste, Bassist Del Riccio und Buffo Boccomini waren frei-
lich von einem viel geringeren Caliber, als jene, für
welche ursprünglich diese Oper in Wien geschrieben wor-
den ; einiger Beifall fehlte ihnen bei alldem nicht. Einst-
weilen nahm man seine Zuflucht zu den in Neapel ge-
bräuchlichen Harlequin-Academieopern, d. h. erster Act
der Linda, Arie aus Vaccaj's Zadig ed Astartea, Duett aus
Mercadante's Elena da Feltre, Arie aus Roberto d'Evreux,
Duett aus Chiara di Rosenberg; welch eine heterogene
Pastete ! Wer von einem solchen Obrenschmause keine In-
digestion bekommt, hat wahrlich einen starken musikali-
schen Magen. Zum Glücke gab man bald Fioravanti's Co-
lumella, der einen Fiasco verdienterweise machte. Mer-
cadante's gesangarme Vestale gefiel mehr, als die Linda
und Columella, mit dem sie bald abwechselte, um auch
dem Buffo Boccomini sein Recht zu lassen.
(Fortsctiung folgt)
Feuilleton.
Der jung«, neapolitanische Pianist Michel Angelo Rutto
hatte in Potsdam am 11. Mai die Ehre, sich vor dem König nnd
der Königin , ao wie vor den Prinzen , hören cn lassen nnd die
schmeichelhaftesten Versicherungen ihrer Zufriedenheit nnd ihrer
Anerkennung seiner Fortschritte na empfangen. Der junge Vir-
tuos wird nächstens Berlin verlassen nnd sich vos dort nach Bres-
lau htgeata.
359
1844. Mai. No. 21.
360
Der Fltftmt Marita TkM not Berlin «••• »iah am M. AprVt
im Bofthenter zu Darmstadt hören and befriedigte aewohl durch
die Wahl seiner Cooccrtf tacke , als «och durch seine Fertigkeit
und besonders durch seinen seelenvollen Vortrag; er wurde von
dem Wr die schöne Jahresaeit verbÄltaissmisstg zahlreich ea Audi-
torium mit reichlichem Beifall belohnt.
Bei dem diesjährigen niederrheioischen Mnaikfest zn Cöln (vgl.
diese Blätler S. 295) werden Mad. Schröder- Devrient, die Herren
Mantius, Stavdigl und Erl mitwirken ; "dasselbe wird an den bei-
den Pfiogstfeiertageu gebalten werden und dabei ausser Hä*nd*C*
Jephta und Beethoven** Misaa solem&is (Ddnr), Mo*arfs Cdnr-
Symphonie mit der ScbUssfuge und eioe Hymne von Cherubini
zur Aufführung kommen. Der Preis für die Eintrittskarte ist Rir
jeden Tag zo 2 Thlr. festgesetzt (für beide Tage zusammen 3 Thlr.).
Dies ist ein wunder Fleck der bisherigen grossen Mosikfestt . So
lange es nur den Wohlhabenden verstattet ist, daran Theil an
nehmen, können diese Feste ihre Bestimmung durchaus nicht erfüllen.
In Stuttgart soll ein neues Theater nach dem Muster des
Dresdener erbaut werden; der König hat dazu eine Summe von
350,000 Fl. uuageseUt.
Der Professor und Aeademiker Schqjhäutl hielt am ?Q* April
im Museumssaale zu München eine interessante academische Vor-
lesung über „ Jfawrt in Beang auf nein« Vorginger und Nachfol-
ger." Zu Erläuterung des Vortrags wurden verschiedenartige Mu-
sikstücke aufgeführt; so — etwas weit ausholend — ein indisches
Lied mit Sanskrittext , welches , den Berichten naeh , mit unserer
hantigen Melodiefnbrung viel Aehnltcbfteit besitzt, ferner eine Arie
von Caldera mit zwei obligaten Alt- und Tenorpoeaounn ; Stücke
ans Gluck'* Alceste, Mozart? t Don Juan und Zauberflöte ; mehrere
kleine Compositioneu von Mozart und Beethoven; dann — des
Gegensatzes wegen — eine Donizettfsche Arie; endlieh zum
Schlüsse Mozarte Caotate: „Die ihr des uo erstes« lieben Weftall'e
Schöpfer ehrt/* gesungen von Bärtingtr. Pentenrleder leitete dae
Orchester und begleitete am Pianoforte.
In Paris betrug die Bruttoeinnahme in dem mit Ostern been-
deten letzten Theater) ihre an eämmtlichee Theatern zusammen
8,170,000 Fr., zwei Millionen mehr ala vor zehn Jahren.
In Paris ist es sieht mehr gestattet, Stücke vom Repertoir
der französischen Theater als Opern behandelt auf das Tbeutre i la-
llen zu bringen, und es dürfen daher auf letzterem mehrere Opern
von Bellini nud Donisetti nicht mehr aufgeführt werden. Seribe
hat jedoch in einem Schreiben an den Direetor -der italienischen
Oper deoselben ermächtigt, die „Nachtwandlerin " ond den „Lie-
bestrank," deren Stoff ans Stücken von ihm entlehnt ist, fortwäh-
rend aufzuführen, und sich aller Anspräche daran begeben.
Ankündigungen.
Wichtige Msikwerke,
welche kürzlieb in Verlage v»u
Breithopf 4r Bürtel in I^eipsig
erschienen sind.
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phonie, in Amoll, für Orchester. Up. 56.
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Sehumann« Hm Symphonie für Orchester. 0p, 38.
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_ — Quintett für Pianoforte, zwei Violinen , Bratsche
und Violoncell, in Esdur. 0p. 44. Preis 3 Thlr.
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Abtheilungen.
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Orchesterstimmen „ 12 „ — „
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Jahrginge vom 1798 bis 169.0, dato ton 1884 Ina 1854. Die
Jahrgange eingebunden nnd im guten Zustande. Zu hüben bei
Friedrich Jahn in St. Gallen in der Schweiz.
Druck und Verlag von Breitkopf nnd JiärUl in Leipzig und anler deren Verantwortlichkeit.
561
362
ALLGEMEIN E
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 29"" Mai.
M 22
1844.
IstfMftltt Einige Worte über de« Eiatast der Musik. — iteeaufc». — Nachrichten: Ans Berlin. Ctrneval- and Fistenopera a. a. w.
in Italiea. (ForUetsoag. ) Uebersieht der in den Leiptiger £fwaadbaaaooac«rteo im Wiaterhalbjaiir 1843—1844 aofgeführ*
teil Musikstücke. — Feuilleton. — jänkündigmngen.
Einige Worte über den Einfluss der Musik.
Was ist es, das sieb in uns regt beim Vernehmen
eines musikalischen Klanges? was ist es, was gleichsam
ein Echo in unserem Innern wiedertönen lässt und sich
in Beziehung setzt zu jenem Anregenden, von aussen
Kommenden, mit Sympathie Das empfängt, was ihm inner-
lich verwandt ist? Es ist das innere Leben des Gemüths,
das sich in seiner Einzelheit zugleich als ein Glied in
der die Gesammlbeit verbindenden Kette darstellt, sich
keinem Impulse entziehen kann, welcher in stetigem Port-
gange die Gesammtheit mit lebendigem Bewusstsein er-
füllt. Das innere Gemfithsleben schliesst die Empfänglich-
keit in sich für alles Homogene, eine Empfänglichkeit,
welche ursprünglich nicht durch die Vorstellung oder das
Urtheil vermittelt ist, sondern die eben im Gemütbe selbst
und dessen Beschaffenheit wurzelt. Die Vorstellung be-
zieht sich auf das In - Neben - oder Nacheinandersein
des Mannichfaltigen und auf dessen Zusammenfassung zur
Einheit, fasst also einen Ausgang, Portgang und Scbluss
des Gedankens in sieb, womit ein unmittelbares Erfassen
ausgeschlossen ist. Das Urtheil stellt sich ausserhalb des
Dargebotenen, hat aber die Richtung auf dasselbe hin,
und wenn es auch eine gewisse Empfänglichkeit oder
Einwirkung als ein Vorangegangenes voraussetzt, so ist
doch die obwaltende Thätigkeit gegen das Object gerich-
tet und durch die Reflexion vermittelt. Wenn wir aber
sagen, dass das Gemfithsleben im Gefühle sich offenbart,
so möge man nur ja nicht darunter jenes Empfinden oder
jene Erregtheit verstehen , welche eher mit dem Namen
der sinnlichen Lust, als irgend einem andern bezeichnet
zu werden verdient; da ist nicht mehr Gemüthsleben,
nicht mehr wahre innerliche Thätigkeit, sondern nur Hin-»
Sbung und niederes Naturleben. Eine Grenzlinie hier in
r Erscheinung zu ziehen, ist immer eine schwierige
Sache, da geistiges und sinnliches Dasein so eng zusam-
menhängen und dabei leicht in der Scheidung beider Ge-
biete geirrt werden kann. Für sich aber besteht das Ei-
gentümliche des Gemfithslebens darin, dass es, im Gefühle
erfasst, ein Geistiges, und zwar ohne Vermittelung durch
den Begriff, zu seinem Eigenthume macht, so dass das
von aussen her Gegebene unmittelbar in nns übergeht
und geistig lebendig wird. Und darum ist uns die Musik
von hoher Bedeutung, weil sie die unmittelbare Leiterin
eines geistigen Gutes wird.
46. Jahrgang.
Da, wo die Vorstellung oder das Urtheil vermittelt,
finden wir kein unmittelbares Uebergehen des Aeossern auf
das Innere ; hier aber in dem Gebiete, das wir betreten,
ist ein unmittelbares Erfassen eines dargebotenen geisti-
gen Daseins, welches gerade deswegen um so ungetrüb-
ter in jede einzelne Persönlichkeit eingeben kann. Diese
Leichtigkeit und Unmittelbarkeit ist der Grund , weshalb
die Musik auf Jeden einwirkt; denn selbst Der, welcher
gewöhnlich für unmusikalisch gilt, wird nicht läugnen
können, dass ihm ein gewisser Eindruck doch stets zu
Theil wurde, wogegen der Andere, welcher sich schon
mehr mit Musik beschäftigte , auch die Empfänglichkeit
für die Eindrücke derselben in sich gesteigert hat ; Jener
spürt den Einfluss eines geistigen Elements auf sein In-
neres, aber noch ohne sich dessen vollkommen bewusst
zu sein, Dieser aber nimmt jenen Einfluss schon in einer
Weise auf, dass er sich Rechenschaft davon zu geben
vermag. Diese Verschiedenheit ist eine durch psychologi-
sche Erfahrung begründete, und es darf keinesweges eine
rohe und ungebildete Empfänglichkeit für einen gänzlichen
Mangel derselben gebalten werden. Vielmehr müssen wir
bekennen, dass der nicht Musik treiben de oft weit musi-
kalischer ist, als Mancher, der die Musik zu seinem Hand-
werke gemacht hat, und dass in den stillen Weisen, in
den innerlichen, unausgesprochenen Melodieen eines Laien
(wenn wir hier so sagen dürfen) oft mehr Musik liegt,
als in den kühnen Bravourgängen eines Virtuosen. Dort
klingt die innere, wenn auch nicht ausgesprochene Mu-
sik, die des Schöpfers Gabe ist, hier nicht selten blos
Das, was Menschenhände gemacht haben.
Ist es nun die herrschende Kraft der Musik, auf Je*
den mehr oder weniger einzuwirken und geistiges Leben
darzubieten, so ist sie für jeden Einzelnen und für die
'Gesammtheit von grosser Bedeutung. Von welcher Ge-
sammtheit aber haben wir hier zu reden? Von keiner
andern , als von der des Volkes. Diesen Begriff jedoch
fassen wir hier nicht in beschränktem Sinne, und wen-
den ihn nicht blos auf die unteren oder mittleren Gas-
sen der Gesellschaft an, sondern nehmen ihn hier in sei-
ner grössten Allgemeinheit Der Werth, den die Musik
durch ihr unmittelbares Einwirken auf das Innere des
Menschen hat, besteht in dem dargebotenen geistigen Ele-
mente und in dessen Kraft, die inneren zur That hinstre-
benden Regungen zu durchdringen und zu leiten. Das
geistig lebendige Dasein, welches uns in der freien Form
22
563
1844. Mai. No. 22.
5G4
des Schönen entgegentritt, wirkt durch seine Unmittelbar-
keit gleichsam wie ein magischer Zauber auf das Innere
und giebt ihm eine Beseeiignng oder Begeisterung, die
das Endliche zum Unendlichen erbebt, das Sinnliche ab-
streift und den Geist in das Gebiet einer höhern Welt
führt. Sie schafft das Bewusstsein, alles Hohe zu besitzen,
und, seines Gottes gewiss, in ihm sich geistiger Freibeil
über den Schranken des Irdischen zu erfreuen. Diese Er-
regung aber, bei der wir natürlich die verschiedensten
Modificationen oder Stufen zugeben, ist eine unerschöpf-
liche Quelle des Guten und Edlen. Wer verkennt die
Wirkung, welche ein dem Gottesdienste vorangehendes
würdiges Musikstück macht? wer hat nicht schon empfun-
den, dass jene heiligen Töne gleichsam dem folgenden
Gottesdienste den Weg bahnen, und durch ursprüngliches
Ergreifen des religiösen Gefühls uns jedesmal neu zum
Erkennen und Wollen des Guten weihen ? Wer kann hier
unbeachtet lassen, dass dem Landmann oder dem Hand-
werker, welchem die Woche unter einförmigen Beschäf-
tigungen verstrich, bei einer solchen Kirchenmusik das
Herz warm wird, und dass er für gute Vorsätze eine
neue Kraft empfing, wenn deren Ursprung ihm selbst auch
verborgen blieb? Eben so können wir nicht übergehen,
welchen Segen die Gesangvereine an verschiedenen Or-
ten gestiftet haben, ohne von ihrem socialen Nutzen zu
reden, blos durch die denselben als Zweck vorliegende
Musik. Denn die Bildung einer solchen Corporation ge-
schieht ja gerade aus dem Grunde, weil man den von der
Musik ausströmenden heilsamen Einfluss empfindet, selbst
wenn man sich desselben nicht völlig klar bewusst ist
Was er aber hervorbringt, haben wir oben gesehen* näm-
lich die Beseeligung, die wir im Anschauen des Ideellen
empfinden, und die mit Vermittelung der Reflexion erfol-
gende moralische Kräftigung. Wer sollte diese nicht em-
pfinden beim Anhören, ich möchte sagen, beim Anschauen
einer Sinfonia eroica, sollte nicht das vom Künstler vor-
gezeichnete Heldenideal verfolgen durch die verschieden-
sten Situationen des Lebens? Wer sollte im Adagio der
Cmoll- Symphonie jenen milden Trost und jene sehnsüch-
tige Hoffnung verkennen und den Einfluss auf sein Inne-
res bestreiten oder läugnen wollen? Ist nicht jenes Kunst-
werk 'eben so sehr ein Drama, wie die Dichtungen eines
Sophocles oder eines Schiller und Goethe? Nehmen wir
nicht auch dort ein geistiges Gut mit nach Hause, wie
bei dem Anhören eines ,, Faust** oder „Wallenstein"?
Müssen wir aber auch nicht eben so ein Verhältniss zwi-
schen den beiden verschiedenen Einflüssen zugeben, wie
es der Unterschied zwischen Ton und Wort uns lehrt?
Diesem Einflüsse uns hinzugeben und jenes geistige Gut
zu erwerben, das mnss der Standpunct sein, von dem aus
wir auf die Musik hin blicken; deshalb mag, nach seiner
Individualität, dem musikalisch Gebildeten eine Sympho-
nie oder ein Oratorium, dem Laien ein Werk einfachem
Cbaracters zweckdienlich sein. Die Musik ist demnach ein
Mittel der ästhetischen und, wenn auch mittelbar, mora-
lischen Erziehung des Menschen, sowohl jedes Einzelnen,
wie auch der Gesammtheit. Nolhwendig ist es aber auch,
der Gesammtheit des Volkes Das zu bieten, was hier zum
Ziele führt, damit nicht etwa statt ästhetischer Bildung—
ästhetische Vorbildung, und statt moralischer Förderung —
Versianlichung oddr sinnliche Weichlichkeit das Resultat
sei, wozu alte und neue Zeit leider Belege geben.
Wie wir es einerseits für wahr und richtig halten,
dass die Musik ästhetisch und auch moralisch bilde, so
müssen wir auch andererseits zugeben, dass durch Miss-
brauch dieser Kunst eine nachtheilige Wirkung hervor*
gebracht werde. Was aber ist hier Missbrauch der Kunst?
Da, wo die Musik in das Gebiet des rein Sinnlichen
herabgezogen oder zum Handwerk wird, wo aus ihr nicht
mehr jene keusche, heilige Idealität hervorblickt, wo for-
melle Schönheit oder Character mit den plumpen Händen
des Handwerks rücksichtslos gemissbandelt wird, oder ein
Kitzel der Sinne ihr Ausgangs -. und Zielpunct ist, oder
wo sie benutzt wird, um nicht für ein Kunstwerk, sondern
blos für die Subjectivität einer Vermittelungsperson Be-
wunderung und Begeisterung zu erwecken, — da ist die
Kunst in das Gebiet gezerrt, wo ihr die Göttlichkeit ge-
nommen ist und uns als Ersatz dafür das nur Sinnlich-
Menschliche dargeboten wird. Was finden wir in den
siuulich- kitzelnden Terzengängen italienischer Opern, oder
in den tanzartigen Rhythmen einiger ihrer Ouvertüren?
Was finden wir in ernsten dramatischen Actionen, in de-
nen uns Melodie und Rhythmus an einen Vergnügungsort
zu versetzen suchen, wie eben dort in bekannten italie-
nischen Opern ? oder können wir Das Erhebung und gei-
stige Belebung nennen, wenn Dichtung und Musik ver-
eint bei den Abentheuern eines Liebesbelden nur das Glü-
hen niederer Leidenschaften erregen wollen? Doch das
zieht an, ja, das schmeichelt der Lust, und das ist an-
genehm zu empfinden: da läuft man hin und hört und
horcht und kommt begeistert beim und glaubt ein grosses
Kleinod gefunden zu haben, ohne zu wissen, dass Geist
und Gemüth arm und kalt sind, und nur die Sinnlichkeit
ihre Triumphe feiert. Wir wollen hier nicht ankämpfen
!;egen die Musik des Südländers, als. sei sie etwas abso-
ul Verdammlicbes, sondern wir wollen auch ihr ihr Recht
lassen; der Süden fühlt anders, als der Norden, ihm er-
scheint das Ideelle in glühenderen Farben, als uns, aber
das ist bei ihm das Naturgemässe , und eben darum ihm
subjectiv das Richtige ; nur soll nicht die Oeberspannung,
welche hier so nahe liegt, auf uns mit übergehen und
uns die besonnene geistige Erhebung rauben. Der Nord-
länder ist mehr der Gefahr ausgesetzt, hier auf den Irr-
weg zu geralhen, weil gleich nach dem geschehenen Ein-
drucke bei ihm die Reflexion eintritt und eine bleibende
Spur zurücklässt. Wir fragen Die, welche je mit Herz
und Seele die Musik im Fidelio, Oberon, Freischütz, Eu-
ryanthe, oder Don Juan, Hans Heiling oder Jessonda hör-
ten, ob sie nicht einen Unterschied fühlten zwischen «dem
Eindruck, den ihnen jene Musik, und dem, welchen ih-
nen die Musik der neueren italienischen Opern machte : —
genug davon; wir wollen diese Gedanken nicht weiter
verfolgen, wollen diese moderne Italomanie nicht bekäm-
pfen und manchen süss Träumenden seinem musikalischen
Taumel nicht entreissen. Auch wollen wir keine Paränese
hinzufügen und Vorschläge machen, da es deren nicht be-
darf, weil uns bereits in den Bestrebungen Einzelner und
grösserer Gesellschaften eine Garantie für das Morgen-
roth einer bessern Zukunft gegeben ist.
56Ö
1844. Mai. No. 22.
566
R
ECENSION.
Dodici studi per il Pianoforle, dedicati a F. Hiller dal suo
amico Steffano Golmelli. Op. 15. Milano, pr. Giovanni
Ricordi. Libro I. 5 Fr. Libro IL 7 Fr.
Wollte Jemand an der unerschöpflichen Ergiebigkeit
der Musik, auch nur in ihrer Rhythmik und in ihrem
Figuren wesen, zweifeln, so brauchte man ihn zur Wider-
legung nur auf die lange Reihe von Etudes, Exercices,
Studj n. s. w. hinzuweisen, welche seit Clementi's und
Cramer's trefflichen Arbeiten in diesem Fache erschienen
sind. Wenn man schon zuweilen glauben möchte, dieses
Feld mSsse nunmehr bis zur Erschöpfung ausgebeutet
sein, so wird man doch einmal über das andere, bald von
dieser, bald von jener Seite her, und nicht selten auf
die interessanteste Weise des Irrt bums überführt. So ge-
stehen wir, auch durch diese „XII Studj" des Herrn Stef-
fano Golinelli um so angenehmer überrascht worden zu
sein, je weniger wir gerade von Italien her, welches
bisher verhältnissmässig nur wenige hervorragende Ar-
beiten auf jenem Gebiete aufzuweisen hatte , eine solche
Bereicherung desselben erwarten konnten. Der Verfasser,
unverkennbar anf der Höhe der neuesten Claviervirtuosi-
lät stehend, bringt in diesem Werke, wenn er auch in
manchen einzelnen seiner „Studj," wie z. B. in No. 1,
in No. 8 u. e. A., wenigstens den darin ergriffenen und
durchgeführten Figuren nach, an bereits öfter Dagewese-
nes erinnert, dennoch ausserdem so viel Neues und Ei-
gen thümliches , dass wir diese Etudensammlung tüchtig
vorgeschrittenen Ciavierspielern als eine sehr beacblens-
werthe und nicht blos practisch bildende, sondern auch
in so fern sehr willkommene Gabe anempfehlen können,
als die meisten dieser Stücke — und gerade nicht immer
die schwierigsten — bei einem sauberen, sicheren und
runden , kurz : bei einem virtuosenmässigen Vortrage,
auch auf das grössere Publicum einen sehr günstigen Ein-
druck hervorbringen dürften. Dabei wollen wir nicht un-
bemerkt lassen, dass in dieser Sammlung nicht blos für
Musikhörer, sondern auch für Schaulustige gesorgt ist,
d. b. für solche , welche sich gern durch ein groteskes
Durcheinanderwerfen der Hände in entzückungsvolles Stati-
nen setzen lassen ; eine Liebhaberei des grossen Publicums,
welcher bekanntlich kluge Salonvirtuosen mit geziemen-
der Bereitwilligkeit entgegenzukommen wissen. — Zu
einer tüchtigen Durcharbeitung der Hände sind diese Stu-
dien, mehr in harmonischer Fülle und Pracht, als läufer-
artig sich bewegend, sämmtlieh wohl geeignet, und einige
derselben dürften auch wohl von Glavierspielern ersten
Ranges als nicht sogleich beim ersten Anlaufe zu knak-
kende Nüsse erfunden werden. Beide Hände bekommen
ihre Aufgaben zu lösen, und keine wird sieb darüber zu
beklagen haben, dass sie der Verfasser zu leicht ange-
sehen. Dass derselbe nirgends den von ihm selbst ge-
brauchten Fingersatz angegeben hat, müssen wir tadeln.
Wir wissen zwar recht wohl, dass sich, abgesehen von
alltäglichen, allgemein feststehenden Dingen, fast jeder
Virtuos, nach Maassgabe des besonderen Baues seiner
Hände, auch seine besondere Applicatur zu bilden pflegt;
allein wir .achten es doch für zweckmässig , wenn sol-
chen Studien, zumal da, wo der vom Verfasser intendirte
Effect auf einer gewissen besonderen Applicatur vorzugs-
weise beruht, die nöthigen Andeutungen beigefügt wer-
den. Die äussere Ausstattung des Werkes ist in dem uns
vorliegenden Exemplare dem Drucke nach nicht so sau-
ber« wie man es von den besseren deutschen und fran-
zösischen Officinen gewohnt ist. ß »•
Nachrichten«
Berlin, den 4. Mai 1844. Endlich ist der holde Mai
in voller Blüthenpracht erschienen und mit dem April ist
die überreiche Musiksaison beschlossen. Wie bereits er-
wähnt, gaben die Geschwister Milanollo ihr zehntes Con-
cert für die Armen, das eilfle als angeblich letztes, und
am 12. v. M. ihr wirklich letztes oder Abschiedsconcert
hei überfülltem Saale. Alle drei Concerte enthielten nur
Wiederholungen der Musikstücke, welche beide Virtuo-
sinnen bereits öfters ausgeführt halten. Mit dem für zwei
Violinen eingerichteten ,,Carneval von Venedig" von
Ernst und dem beliebten ,, Schlummerliede" in der Hau-
mann'&chen Fantasie beschlossen die anmuthigen Mädchen
ihr schönes Spiel, und wurden von Dr. Friedrich För-
ster und L. nellstab zum Abschiede besungen. Neu wa-
ren in dem letzten Concert nur die von Mad. Burchardt
vorgetragenen Lieder für eine Sopranstimme mit Beglei-
tung von vier Männerstimmen, von dem anwesenden Herrn
MD. Ferd. Hiller componirt und dirigirt, welche, ohne
Begleitung gesungen, durch heitere, populaire Haltung sehr
5efielen. — Die Graun sehe Passionscantate : „Der Tod
esu" wurde, wie alljährlich, in der stillen Woche vom
Herrn MD. JuL Schneider und der Singacademie , mit
vorzüglicher Besetzung der Soli und Chöre, sehr gelun-
gen und mit vieler Tbeilnahme zwei Mal ausgeführt. —
Am 4., 5. und 6. April war das königl* Theater ganz
geschlossen.
Am ersten Ostertage wurde „Belmonte und Con-
stanze" im königl. Theater (auf der Kenigsstädler Bühne
Cimarosa's „Matrimonio aegreto"), ferner „Norma,"
„ Die Tochter des Regiments," „Carlo Brosohi," „Der
Wildschütz/ 4 „Die Nachtwandlerin" (Herr PfisUr als
engagirtes Mitglied — Elwino), „Das Nachtlager von
Granada" (Herr Pfister — Gomez) wiederholt. Für ein-
geladene Zuschauer wurde L. Tieck's „Gestiefelter Ka-
ter" mit dazu arrangirter Musik von Taubert gegeben.
Die Urtbeile darüber waren getheilt. Der königl. hanno-
versche Hefsanger Stigfielti gab den Lord Arthur in den
„Puritanern" und im „Teil" von Rossini den Arnold
zwei Mal als Gastrolle. .
In der Garnisonkirche veranstaltete Herr Professor
Kloss ein Concert zu mildem Zwecke, worin derselbe
sich theils als fertiger Orgelspieler, theils als Dirigent
grösserer Gesangstücke und Componist geltend machte.
Fräul. Tuczeck trug eine Arie aus Haydns „Frühling"
und ein schönes Offertorium von Cherubim sehr ange-
nehm vor. — In einer musikalischen Matinee zu wohl-
thätigem Zwecke liess sieh eine Sängerin ans Brüssel,
367
1844. Mai. No. 22.
368
Fräol. Runth-Valesi, mit Beifall hören, der auch oben
erwähntem Tenoristen Stighelti (mit wohlklingender Brust-
stimme and schönem Portament) bei seinen Debüt's zu
Theil wurde. Ein recht gut erfundenes Pianofortetrio von
einem talentvollen jungen Gomponisten und Violinspieler,
Richard fFürst, gefiel allgemein.
Die Potsdamer und Berliner ältere Liedertafel ver-
einte sich, unter Leitung ihrer Meister Professor Run-
genhagen und Musikdirector Schärtlich, am 21. v. M.
zu einem Festmahle mit Gesang, an welchem auch Da-
men» z. B. Mad. Burchardi und Dem. Auguste Löwe,
singend und zuhörend, mit eingeladenen Gästen Theil
nahmen.
Am 1. d. M. (Busstag) wurde bei fast leerem Hanse
Friedrich Schneider'* „Wellgericht*' zum Besten des
Spontini- Fonds im königl. Theater wirksam ausgeführt. «-—
Am 2. d. gab der verdienstvolle Akustiker Friedrich
Raufmann eine musikalische Soir6e, in welcher derselbe
besonder» sein neuerfundenes Harmonichord , wie auch
das Symphonion, Salpingion (mit lauter Trompeten), Cbord-
aulodion und das Trompeter - Automat mit vielem Bei-
fall, jedoch bei sparsamem Besuche produeirte, obgleich
Herr Raufmann einige Tage zuvor viele Kunstfreunde
eingeladen hatte, um sie seine Instrumente hören zu
lassen, für welche bekannte Musikstücke, z. B. die Ouver-
türen zur „Stammen von Portici" und' den „Hugenotten/*
das „Halleluja" aus Bandet s „Messias," sehr wirksam
eingerichtet sind. Der geschickte Künstler wird noch eine
zweite Unterhaltung veranstalten, und dann von seinen
Kunstreisen nach seiner Heimath Dresden zurückkehren.
Am 12. Mai soll hier das Jubiläum der Mozarf sehen
„Zauberflöte" durch Aufführung dieser Oper gefeiert
werden.
Carneval-undFastcnopernu. s.w. inItalien.
(Fortsetiüog.)
Pisa. Sänger: die Brambilla (Teresa), die Buccini,
Tenor Caslellan, Bassist Salandri, Impresario Lanari : also
Erfreuliches. Das verschönerte, elegante, gut beleuchtete
Teatro de' Ravvivati begann die Stagione mit Pacini's
Saffo glänzend, und die Brambilla war die Krone; des«
gleichen in der nachher gegebenen Sonnambuja, worin in
der Rolle der Lisa ihre hübsche Schwester Laura, mit
schönem Sopran, guter Aussprache und Gesangmetbode
cum ersten Male die Seene betrat. Mercadante s Giura-
mento ging ebenfalls gut.
Da es von diesen Singerinnen Brambilla mehrere
giebt, so mag hier Folgendes bemerkt werden. Vier die*
ser Brambilla 9 sind in der Nähe von Mailand geboren,
gelten aber allgemein als Mailänderinnen : die Altistin Mar
rietla, die berühmteste, dermalen auf der Pariser italie-
nischen Oper, ihre obbeaannte Schwester Teresa , eben-
falls rühmlich bekannt, sodann ihre beiden Schwestern
Annetta und die eben erwähnte Laura. Drei andere
Schwestern BrambiUa, Tochter des Maestro Paolo dieses
Namens, sind zu Mailand geboren: AmaHa, einst gute
Prima Donna, sang auf italienischen und spanischen Thea-
tern, nnd ist mit dem italienischen Tenor Ferger ver-
mählt; die Emiliu sang in Spanien und heirathete einen
reichen Spanier ; die Erminia betrat seit Kurzem die Bühne,
und singt diesen Carneval im Kirchenstaat. Noch giebt es
eine Altistin Carlotta Brambilla.
Siena. Die famose Lucia di Lammermoor fand mit
der Giotti-Grossoni, dem Tenor Victti und Bassisten Bar-
tolini eine kalte Aufnahme. Von den beiden gleieb nach-
her gegebenen Opere buffe: Bossini's Barbiere di Siviglia
und Donizetli's Don Pasquale , war Ersterer freilich das
Labsal der Stagione; in Beiden wirkte der Buffo Insom.
Die übrigen toscaniseben Städte: Arezzo, Cortona,
Empoli und Prato, wo ebenfalls Opern gegeben wurden,
zu erwähnen, lohnt nicht der Mühe.
Lucca. Auch hier, wie in Livorno, sind Douizetti's
Linda und Fioravanti's Columella mit zwei respectablen
Fiasco's abgetreten. Die schnell herbeigerufene Altistin
Bertrand wendete einigermaassen das Blatt der Linda;
die Prima Donna Gazzaniga, Tenor Ciaffei, und die Bas-
sisten Scheggi und Fallar thaten ihr Mögliches. Besser,
als der Golumella, ging Donizetti's Don Pasquale, worin
der brave Bassist Rinaldini anstatt Fallar sang. In ihrem
Benefiz gab die Gazzaniga den ersten Act von Don Pas-
quale und den letzten der Linda, zwischen beiden eine
von der hiesigen Dichterin Amalia Palladini gedichtete,
vom hiesigen Maestro Micbele Puccini in Musik gesetzte
dramatische Action : Giambattista Catani betitelt, von der
Mos zu sagen ist, dass sie, wahrscheinlich der Palladini
zu Liebe, wiederholt wurde.
Herzogthum Modena.
Carpi. Dass die Prima Donna Maria Luigia Veccbi
ab Beatrice di Tenda in Bellini's Oper dieses Namens
hier Fanatismus erregte, darf Niemanden wundern. Tenor
Scalari war noch vom vorigen Jahre im hiesigen guten
Andenken; in Donizetti's Roberto d'Evreux gab er die
Titelrolle, die Vecobi die Eiisabetta, ihre Schwester Gio-
vannina die Sara, und Bassist Amadio den Nottingham.
Bios einige wenige Stücke machten Furore, und auf die
Prima Donna wurde sogar ein pompöses Sonetto gemacht.
Reggio. Der Anfangertenor Giovanni Solieri aus Bo-
logna (der mit seiner Stimme an Moriani erinnert und
zu guten Hoffnungen berechtigt), die Prima Donna Cat-
taneo, und die Bassisten Basehieri und Cavalli wor-
den vielleicht in Bellini's Puritani mehr befriedigt ha-
ben, wenn die Musik etwas besser angezogen hätte. Do-
nizetti's Torquato Tasso (Cavalli Titelrolle) war auch mit
Buffo Merighi nicht glücklicher. Ricci'» Chi dura vince,
worin Bassist Rigbi den anpässlich gewordenen Basehieri
ersetzte, machto sogar Fiasco.
Modena. Verdi's Nabucodonosor, in welchem die La-
grange, die Comprimaria Carnio, Tenor Fedor (= Wil-
helm Becker, ein Rasse und halber Schüler Ruhini's),
Bassist De Bassini wirkten, machte Fiasco; man gab dem
Orchester die Schuld I Ricei's (Fed.) Corrado d'Altamura
ging es weit ärger, er erlebte blas vier Vorstellungen;
einige Stücke der Lagrange, des Tenors Fedor, des Bas-
sisten De Bassini, so wie ein Duett zwischen beiden Letz-
teren wurden jedoch applaudirt. Die hübsche Altistin Au-
gust* Bothe (aus Preussen) konnte in dieser Oper nicht
sehr gefallen. Nach diesem Ungemadi gefiel, der. Nabucco
immer mehr und wurde, die gajsae Stagione gegeben.
369
1844. Mai. No. 22.
570
Herzogthum Parma.
Piacenxa. Ricci's (Fed.) Corrado d'Altamura mit der
noch immer guten Sängerin Tavola (auf der Neige) , der
Fouchä, dem Tenor Balestracci und Bassisten Casanova
fand eine laue Aufnahme ; die Musik dieser Oper bat kaum
einige geniessbare Stücke. Donizetti's Lueia fand nur
tbeilweise Applaus, versteht sich die Sänger, denn was die
Musik betrifft, ist in ganz Italien nur eine Stimme —
wenn auch die eine der Andern nur nachspricht — sie
sei vortrefflich. Le prigioni di Edimburgo (worin der Te-
nor Luigi Manzoccfai vom Mailänder Conservatoriom de*-
butirte), abermals von Fed. Ricci und abermals ein Fiasco.
Alle drei Fiasco's wechselten bis zu Ende der Stagione
mit einander ab. *
Parma. Meyerbeer's mit so vielem Aufwände in die
Scene gesetzter Roberto il Diavolo, worin die Golleoni
(fertige, sonst gute Sängerin)» die Ponti, Tenor Milesi
(ziemlich gut), die Bassisten Derivis, Demi wirkten, fand
nicht die gewünschte gute Aufnahme. Bellini's Beatrice
ging kaum etwas besser. Kein günstigeres Schicksal hatte
Mercadante's Reggente; die rühmlich bekannte Tänzerin
Gerrito half heraus.
Die Herzogin hat verwicbenen 3. Februar mittelst
eigenhändiger Unterschrift den Tanzer und zugleich gu-
ten Violinisten Arthur Saint' Leon zu ihrem Ehren*
Kammer* und Capell virtuosen ernannt.
Königreich Piemont.
* Turin (Teatro Regio). Herrn Verdi's Lombardi alla
prima crociata, die vorigen Cameval bei ihrem Entstehen
zu Mailand so festlich und glänzend auf der Scala ge-
feiert wurden, seither aber auf anderen italienischen Büh-
nen mit mehr oder weniger Glück die Breter passirten,
trugen hier ebenfalls einen Fiasco davon. Einige gaben
die Schuld dem unpässlicben Tenor Guasco; da er aber
sogleich durch Herrn Mecksa ersetzt wurde und dieser
in der Rolle des Oronte so ziemlich befriedigte, so warf
man die Schuld auf die Musik, und applaudirte dafür theil-
weise die Sänger, besonders die allgewaltige Tadolini und
den wackern Bassisten Varesi, auch den bald wieder her*
gestellten Guasco. Die zweite Oper, Giovanna I. di Na-
poli, die Herr Coppola für Lissabons Theater componirte
und hier eigens in die Scene setzte, zog fast gar nicht
an» Die TadoKni, Guasco und Varesi wurden dann und
wann beklatscht, wohl auch sammt dem Maestro auf die
Scene gerufen ; das Resultat der ganzen Stagione auf un-
serem königl. Theater war indessen = Fiasco, wie dies
gegenwärtigen Garneval fast allenthalben in Italien deir
Fall war. Nächst der Zunahme der Fiasco's vermehren
sich bei uns jedes Jahr in der kalten Jahreszeit die
Unpiaslicbkeiten und Cntauglichkeiten der Sänger, die
man zu ersetzen immer bereit sein muss. Es ist höchste
Zeit, der heutigen Massenoper ein Libera nos Domine
anzustimmen .
Bemerkenswert!! ist es indessen, dass, während an-
dere Sänger in dieser Massenoper sämmtlich sehr bald zu
Grunde gehen, die Tadolini an Kraft und Geläufigkeit ih-
rer »och immer reinen Stimme zuzunehmen acheint. Sie
ist, kurz gesagt, für die einbeimischen grossen Theater
die einzige jetzt lebende Sängerin ersten Ranges in Ita-
lien« Nach ihr kommt freilich die Frezsolini, die aber
bereits ziemlich abgenommen hat; die herrliche Tacebi-
nardi ist schon seit mehreren Jahren in Paris und Lon-
don tbätig. Hier einige kurze biographische Notizen von
unserer Eugeuia Tadolini , über welche so manches Un-
richtige in auswärtigen musikalischen Blättern berichtet
wurde. Sie ist aus Forli in der Romagaa und mag jetzt
beiläufig 33 Jabr alt sein. Ihr Vater, Filippo Savorani,
war ein Beamter unter der vorigen französischen und
auch unter der päpstlichen Regierung. Von Jugend auf mit
einer hübschen und geläufigen Sopranstimme begabt, erhielt
sie nach vollendetem Unterricht in den Anfangsgründen
der Musik Gesangunterricht bei Herrn Giovanni Tadolini,
Lehrer des schönen Gesanges zu Bologna, dessen Gattin
sie bald wurde, worauf sie sich ganz der Opernbühne
widmete. Ihre Bahn begann sie mit gutem Erfolge im
Garneval 1829/30 zu Parma. Von da ging sie mit ih-
rem Gatten nach Paris, wo er noch jetzt Director des
italienischen Theaters ist, sang daselbst drei Jahre zur
Seite der Malibran, der Pasta, des Rubini, Lablache, wor-
auf sie (seitdem von ihrem Manne getrennt) auf den Thea-
tern zu Mailand, Venedig, Padoa, Triest, Sinigaglia, Flo-
renz, Locca, Brescia, Genua, Turin, Neapel» Rom, Siena,
Reggio, Bergamo sang. In Wien, wo sie nächsten Früh-
ling zum siebenten Male auf dem dasigen italienischen
Theater singt, ist sie der Liebling des Publicum«, und
wurde zur Kammersängerin des Kaisers ernannt.
(Teatro Sutera.) Kein Gerassel, kein Gepolter, kein
Geschrei * hier wurde gelacht. Die erste gegebene Opera
buffa war eine neue verbesserte Auflage der Casa disa-
bitata, del Maestro Laura Rossi, worin die Riva-Giunti
und Buffo Cini die Palme davon trugen, und Tenor Gaja
sammt dem Bassisten Ferrario das Ihrige zur gnten Auf-
nahme der populären Musik beitrugen« Nach fünfzehn Vor-
stellungen dieser Oper wechselte Donizetti's Ajo nell'
imbarazzo, worin der Buffo Zambelli den Protagonisten
ziemlich gut gab, mit ihr ab. Fioravanti's von Neapel
hierher verpflanzte neue Oper: Non tutt' i pazzi sono all'
ospitale, fand, auch des wenig interessanten Buches we-
gen, nur in wenigen Stucken Anklang.
Bei Gelegenheit des unlängst hier Statt gefundenen
Säcolarfestes von Torquato Ta$$o 9 s Geburtstag werde
unter Anderen auch ein für dieses Fest vom Grafen Gi+*
vanni MarchetU in Bologna gedichteter, von Rossini ei*
gends in Musik gesetzter Chor (nicht Gantate) aufgeführt,
der drei Mal wiederholt werden muaste.
Savigliano. Rossini lebt so zu sagen heut zu Tage
nur noch in seinem Barbiere di Siviglia, der hier und
da aus dem Staube hervorgezogen auf einigen Theatern
gegeben wird. Hier labte man sich im wahren Sinne ded
Wortes an der gemüthlieben Musik dieses Barbiere, und
die Borgognoni als Rosina, Tenor Personi und der Bari«
tono Fallardi befriedigten am Meisten. Bei alldem lechz-
ten Zuhörer und Sänger nach einer Opera seria \ sonder-
bar genag verfiel man auf Bellini's Slraniera und hörte
sie geduldig an.
Cuneo. Mercadante's Giuramento mit der Gambaro
(Schwägerin des Componisten), der Morandi (einer Wie»
571
1844. Mai. No. 22.
372
nerin), den Tenor Lavia und Bassisten Walker erfreale
sieb in wenigen Stacken eines geringern oder stärkeren
Beifalls. Weit minder gefiel Nini's Virginia. (Am 18. Ja-
nuar hatte die Morandi ein ehrenvolles Benefiz mit dem
zweiten Acte des Giuramento und dritten der Capuleti
von Vacaj.) Donizetti's Piglia del Reggimento belustigte
hierauf Anfangs Februar das Auditorium nach der nichts-
sagenden Virginia. Die Gambaro mag für diese, in Hin-
sicht der Oper nach Tarin vielleicht wichtigste Stadt in
Piemont sogar als respectable Sängerin gelten , was sie
aber nicht ist.
Saluzzo. Bellini's einförmige Puritani langweilten
hier nur zum Theil, weil die Lasagna- Landi, Tenor Lat-
tuada und die Bassisten Bruscoli und Dali 9 Asta nichts
weniger als missfielen. In Ricci's Cbiara di Rosenberg
herrschte einige Kurzweil; Bruscoli (in der Rolle des
Michelotto) und Laltuada (als Valmore) waren die Begün-
stigtesten ; die Lasagna war der Titelrolle nicht gewach-
sen, rettete sich aber schnell darauf in Donizetti's Lucre-
zia Borgia, worin die Tomati den Orsino machte.
Ivrea. Eine Tollkühnheit war es beinahe von dem
Impresario und Buffo Bellegrandi, Donizetti's grosse Oper
Marino Faliero mit der Cagnoli-Lamberti, dem unpässli-
chen Tenor Forno, den Bassisten Rivoira (für die Titel-
rolle zu schwach) und Franceschetti (Israele) zu geben.
In der dritten Vorstellung musste der Protagonist durch
Herrn Carlini — den Contrabassisten des Theaters! — , die-
ser wieder einstweilen durch Herrn Migliara ersetzt wer-
den, bis Ricci's Chiara di Rosenberg mit der Focosi, dem
Tenor Maggi, dem Bassisten Franceschetti und BufFo (Impre-
sario) Bellegrandi in die Scene, und die Sachen viel besser
gingen. In der zuletzt gegebenen Norma, mit der Focosi,
Cagnoli, dem Maggi und Migliara, war man nicht unzufrieden.
Casalmonferrato. Die Rocca-Tagliata (aus der Turi-
ner Singschule), nach ihr Tenor Zoni und der exotische
Bassist De Breuil (im Italienischen in Di Broglio verstüm-
melt) waren hier ausgezeichnet in Ricci's Scaramuccia.
In Donizetti's Olivo e Pasquale ragte der Bassist hervor;
in Bellini's Sonnambula trug der Tenor den Preis davon;
endlich in der Lncia di Lammermoor war die recht brave
Sängerin Parodi die allerbravste.
FercelU. Nach hergestellter Unpässlichkeit ging es
der Tirelli immer besser in der Lucrezia Borgia; Bassist
Santi gab den Duca recht brav, dem Tenor Landi fehlte
es Dicht an Beifall, an dem auch die Dossena einigen
Antbeil nahm. In Rossini 9 » verstümmeltem Assedio di Co-
rinto und in Bellini's Sonnambula, worin die Altistin Bis-
cottini mitwirkte, gingen die Sachen im guten Geleise,
worauf die Tirelli und Santi nach Lissabon , für dessen
Theater sie gewonnen, abgereist sind.
Notare. Die Lucrezia Borgia mit der Francesohini-
Garis, der Banmann (aus Udine), dem Tenor Bozzetti
und Bassisten Gnscetti, war ein Crescit euudo fürsämmt-
liehe Virtuosi, die sich einander in jeder Vorstellung über-
trafen. Der nachher gegebene Nuovo Figaro del rinomato
Maestro Ricci störte diese ganze Freude; weder Musik
noch Singer, unter ihnen Bassist Parodi, erregten eini-
C Aufsehen, und man kehrte abermals zur himmlischen
jrcria zurück, worauf endlich Donizetti's Marino Fa-
liero einen guten halben Fiasco machte.
Herzogtümer Genua und Nizza.
Savona. Nachdem die weinerliche Beatrice di Tenda
des beweinten' Bellini vierzehn Male die Breter passirt
hatte, in welcher die Sarazin, die Rho, Tenor Gumirato
und Bassist Bastogi-Magnani das Auditorium mehr oder
weniger zum Applaudiren rührten , erfreute es Donizet-
ti's Figlia del reggimento, worin Prima Donna mit ihrem
Tambourschlagen und der sogenannte Rataplan Alles fana-
tisirte. In ihrem Duette mit dem Tenor pfropfte sie einige
französische Worte ein (die Oper ist, wie bekannt, ursprüng-
lich für's Pariser Theater französisch componirt worden),
die ihre gute Wirkung nicht verfehlten. Die Figlia del
reggimento wurde bald durch ihre Schwester Lucrezia
Borgia verdrangt, die noch mehr als der Tambour und
Rataplan gefiel.
Novi. Fröhlich begann der Carneval mit Rossini*«
Barbiere, besonders der schönen Prima Donna Grassi we-
gen, die auch in der folgenden Figlia del reggimento die
Gunst der Zuhörer hatte, worauf dessen Elisir d'amore
sonderbarerweise altmodisch befunden wurde und fast
durch6el.
Genua hatte im Ganzen eine löbliche Süngergesell-
sehaft: die Pixis und Boccabadati, die Comprimaria Re-
morini und Pusteria, Tenor ßorioni und Bassisten Orlandi ;
aber die neue Oper Ernani, del Maestro Mazsucato
(Singlehrer am Mailänder Conservatorium), machte Fiasco,
Wie es oft hier zu Lande hei Beurtheilung einer zum
Theil oder gauz verunglückten Oper von Seite der Pro-
fanen oder Viertel-, Drittel- und Halbgelehrten zu ge-
hen pflegt, dass man ihrer gelehrt sein sollenden, allzu
künstlichen Musik die Schuld giebt, so war es auch hier
der Fall. Unter Andern sagt die hiesige Zeitschrift Espero,
die Musik des Ernani sei gelehrt und tiefgedacht, habe
aber keine pathetischen singbaren Motive, der zweite Act
sei ganz null. Diese Leute eines Bessern zu belehren,
ist eben so unnütz als vergeblich , und wenn ihnen nun
Jemand vollends sagte : Herr Mazzuccato hat sehr nöthig,
bei einem guten Meister eine eigentliche Schule in der
Composition zu machen, so könnten sie ihn gar für ver-
rückt halten ; darum ist es auch besser, ganz zu schwei-
gen. — Die Pixis und Borioni fanden einigen Beifall. Als
ein betrübtes Intermezzo folgte hierauf Pacini's voriges
Jahr zu Palermo mit einem Fanatismo aufgenommene Ma-
ria d'Inghillerra, hier ganz mit denselben Prione Donne
(der Marini und der Clerici) und einem grossen Fiasco.
Verdi's Lombardi alla prima crociata waren weit glückli-
cher; die Boccabadati fand verdienten Beifall, der auch
der Pixis in Bellini's Capuleti mit dem dritten Act von
Vaecaj, als ihrem Benefiz, reichlich gespendet wurde.
Nizza, Die Prime Donne Sacchi, Malugaui, Gaziello,
Tenor Cristofani, Bassist Smith, Buffo Picchi, sämmtlich
Virtuosi von ziemlicher Miltelmässigkeit, gaben Mercadan-
te's Elisa e Claudio und Donizetti's Elisir mit massigem
Beifall.
Insel Sardinien.
Cagliari. Prime Donne» die Lusignani und Tassini,
Comprimaria Duffö, Tenore Mugnai und Michelini, Bassi-
sten Mazzotti und Ventura, Buffo Rivarob. Wegen Un-
373
1844. Mai. No. 22:
374
pässlichkeit der Lusigoani konnte Rossini'» Semiramide
nicht in die Seene geben ; man gab daher zur Nolh Fio-
ravanti's Columella mit der Duffd, keineswegs vortreff-
lich ; bald darauf, nach hergestellter Gesundheit der Lu-
signani, benannte Rossini'scbe Oper mit ihr, der Tassini,
Mazzotti und Mugnai. Aufnahme so so. In Ricci's Nuovo
Figaro, mit der hier beliebten Tassini, den Herren Mugnai,
Mazzotti und Rivarola, war sie viel besser; leider wurde
die Tassini bald unpässlich, und durch die Lusignani er-
setzt. Die saubere Opera tragica: Marescialla d'Ancre,
del Maestro Nini, verdunkelte noch mehr die Carnevals*
slagione.
Sassari. Donizetti's Esule di Roma machte einen
feierlichen Fiasco ; weder bebagte die Musik, noch waren
die Sänger : die sonst brave Bruni (Brun), Tenor Murena
und Rassist Lolio, dieser Oper gewachsen. Dessen Anna
Bolena, worin auch die De Velo und die Comprimarta
Stella -Lanzi mitwirkten, ging etwas besser.
(Fortsetzung folgt.)
Uebersicht
der in den Leipziger Gewandhausconcerten im Winter-
halbjahr 1843 — 1844 aufgeführten Musikstücke.
Instrumentalmusik.
1) Symphonieen.
Beethoven: Ddur; Bdur; Eroica; Cmoll; Adur;
Pastoralsymphonie. — Drobisch: Gmoll (neu). — Niels
JV. Gade: erste; zweite (Ednr). — Haydn: Militär-
Symphonie. — Ralliwoda: Fdur (neu). — Mendelssohn
ftartholdy: zweite (Amoll). — Mozart: Cdur (mit der
Scblussfuge) ; Gmoll; Esdur. — Rietz i Gmoll (neu). —
Schubert: Cdur. — Spohr: Die Weihe der Töne; Irdi-
sches und Göttliches im Menschenleben.
2) Ouvertüren.
Beethoven: Leonore (No. 3); Coriolan; Op. 124;
Egmont. — Cherubini: Medea. — Gluck: Iphigenia. —
Goldschmidt: FrühUnesgruss (neu). — Hiller: Concert-
ouverture(DmoII). — Macfarren: Concertouverture(neu).
— Mendelssohn Bartholdy: Meeresstille und glückliche
Fahrt; die Hebriden. — Mozart: Zauberflöte. — Theod.
Müller: Concertouverture. — Rietz: Feslouverture. —
Rossini : Wilhelm Teil. — Schneider: Feslouverture (neu).
— Spohr: Faust. — Spontini: Olympia. — freber:
Freischütz; Euryanthe; Oberon.,
3) Stücke für einzelne Instrumente.
•) Piano/orte.
Beethoven : Goncert für Pianoforle, Violine und Vio-
loocell. — Hiller: Goncert (neu); Röverie, Etüden, danse
des fantömes. — Mendelssohn Bartholdy: Goncert in
Gmoll; Serenade; Capriccio in H moll; Lieder ohne
Worte. — Mozart: Goncert in Dmoll. — Thalberg:
Fantasie über russische Themen; über Sonnambula. —
Weber: Concertstück. — fVillmers: Fantasieen und
Etüden.
b) Violine.
Beriot: Adagio und Rondo. — David: Gonoert (E
moll); desgl. (neu); Variationen. — Ernst: Fantasie über
Otello. — Ralliwoda: Introduction und Variationen. —
Moralt: Fantasie. — Riefstahl: Concertino; Variatio-
nen. — Sachsse: Variationen. — Spohr: Concertino Sonst
und Jetzt. — Vieuxtemps: Variationen.
c) Fioloncell.
Kummer: Concertino. — Metzner: Adagio und Va-
riationen. — Rietz: Fantasie.
d) Flöte.
Fürstenau: Fantasie. — Haake: Concertino. —
Ralliwoda: Divertissement.
e) Clarinette.
Bärmann : Fantasie. — Gährich: Goncertante für
zwei Clarinetten (neu). — Ralliwoda: Variationen.
O Oboe.
Kalliwo da ; Concertino.
g) Hörn.
Lübeck: Adagio.
h) Fagott.
Maurer: Concertino.
i) Batspotaune.
Müller: Concertino.
Gesang.
1) Chöre und mehrstimmige Sätze.
Beethoven : Meeresstille und glückliche Fahrt ; Musik
zu Egmont; Marsch mit Chor aus den Ruinen von Athen. — •
Cherubini: Agnus Dei. — Donizetti: Duett aus Beli-
sar. — Fesca: Der 9. Psalm. — Haydn: Des Staubes
eitle Sorgen; La tempesta. — Hoven: Einleitung aus dem
Kätheben von Heilbronn. — Mozart: Terzett aus Vila-
nella rapita. — Rossini: Introduction aus der Belagerung
von Corinth und Wilhelm Teil. — Spohr: Introduction
und Duett, Terzett und Ballscene aus Faust. — Weber:
Erstes Finale aus Euryanthe; Erstes Finale aus Oberon.
2) Arien und andere einstimmige Sätze.
Ralfe i Arie aus Falstaff. — Beethoven: Arie aus
Fidelio; Ah perfido. — Bellini: Arie aus Sonnambula;
Montecchi; Puritaner. — Burgmüller: Spanische Sere-
nade. — Donizetti: Arie aus Belisar; Lucia di Lammer-
moor. — Gumbert: Lied. — Händel: Arie aus Theo-
dore ; Judas Maccabaus ; Holy, holy • — Haydn : Arie aus
der Schöpfung. — Haler: Arie: La Partenza. — Mar-
liani: Arie: Stanea di piü combattere. — Marschner:
Lied: „Der Himmel im Thale." — Mercadante: Arie
aus Ipermestra. — Meyerbeer: Arie aus II crociato. —
Mozart : Concertarie ; Arie : Mia speranza ; Arie aus Ido-
meneo; Tito; Cosi fan tutte; Don Giovanni; Zauber-
flöte. — Nicolai: Arie aus II templario. — Pacini: Zwei
Arien. — Rossini: Arie aus Sigismondo; Semiramide;
Donna del lago; die Tarantella. — Schottisches Lied. —
375
1844. Mai. No. 22.
576
Svohr: Arie aas Fauftj Jetsenda. — Webet : Arie aas
Oberoa? Freischäl».
Dia Künstler, welche auftraten, waren:
1) Instrumentalmusik.
Martin Bezeth aas Rotterdam (Violine). — Jean
Joseph Bott aas Cassel (desgl.). — David aus Leipzig
(desgl.)- — Diethe aas Leipzig (Oboe). — A. and G.
Gareis aas Berlin (Clarinette). — Goldschmidt aas Prag
(Pianoforte). — Grenser aus Leipzig (Flöte). — Fräal.
v. Grünberg aas Petersburg (Pianoforte). — Haake aas
Leipzig (Flöte). — Heinxe aus Leipzig (Clarinette). —
Hiüer (Pianoforte).— Jos. Joachim aus Wien (Violine). —
Kalliwoda (desgl.). — Mendelssohn Bartholdy (Piano-
forte). — Metzner aas Meiningen (Violoncell). — A.
Moralt aas München (Hörn). — B. Moralt (Violine). —
Nitssche aas Dresden (Flöte). — Queisser aus Leipzig
(Bassposaune). — Reinecke aus Altona (Pianoforte). —
Rief stahl aus Frankfurt am Main (Violine). — Riet* aus
Düsseldorf (Violoncell). — Sachsse aus Leipzig (Vio-
line). — Weissenborn ebendaher (Violine). — Weissen-
hörn ebendaher (Fagott). — WiUmers aus Kopenhagen
(Pianoforte).
2) Gesang.
Fraul. Antou aus Leipzig. — Fräal. Birch aas Lon-
don. — Mad. Burchardt aus Berlin. — Fräal. Hage-
dorn aas Dessau. — Baritonist Kindermann ans Leip-
zig. — Tenorist Roch aus Sondershaasen. — Tenorist
Langer aus Leipzig. — Fräal. Macasv aas Prag. —
Fräul. Marx aas Berlin. — Baritooist Nettmann ans Kö-
nigsberg. — Bassist Pögner aus Leipzig. — Fräul. Sachs
ebendaher. — Tenorist Schmidt ebendaher. — Madame
Spatzer - Gentiluomo ans Dresden.
Feuilleton.
Am 25. April 1844 wurde io Altooa, anter Leitung des Gan-
tor Petersen, „Simsen," Oratorium von Händel, in der lutheri-
schen Hauptkirche aufgeführt. Die Solopartieen waren den uusge-
teiennetstea Künstlern and Künstlerinnen den Gesanges togatfaeilt,
and snmntfiiche Chöre worden mit möglichster Präeision gesungen,
so dass diese berühmte Gompositien in allen Theilen vortrefflich
exeeutirt werde.
Am 27. April fand in Mönchen zu Ehren des Erenerxogs Carl
eine grosse MilitSrmnsifcprodaction Statt, webet aof dem Mux- Jo-
sesbsplatte die Mositbanden von fünf Regimentern Beethoven'*
Sehlacht von Vittoria ausführten.
Der Magistrat in Wien hil der Kammersängerin Frfiul. Lutzer,
jetzt verehelichten Dingehtedt y in Anerkennung der Verdienste»
welche sie sich durch mehrjährige Mitwirkung hei den Academiee*
mm Besten des Bürgerspitalfonds erworben, die grosse goldene Sal-
vator- Medaille verliehen. Ans gleichem Grunde ertheilte der Ma-
gistrat dem Violinvirtuosen Herrn Hellmesberger das Wiener Bür-
gerrecht für seine Person.
In Weimar ist eine neue Oper: „Die Seeendetten oder die
Kmauoipattoa der Praeen <( von Chelard mit Beifall gegeben worden.
In Pari» starb der Operneomponist Berton, Professor der Com-
Sosition am Conservatoriom der Musik und Mitglied des Instituts.
Ir gehörte früher zu den beliebtesten Operncomponisteo ; Montano
nud Stephanie begründete suerst seinen Ruf; Aline, Königin von
Golcondn, Die tiefe Trauer, Rosamunde u. m. A. fanden noch in
Deutsehland Beifall. Mit Kreutzer und Boieldieu schrieb er cur
Krönung Carls X. die Oper Pharamnnd. — Die Gesellschaft der
Artlstes - Musiciens bat eine Sobscription eröffnet, am Ihm nuf dem
Kirchhofe Pere-Lnchnise ein Denkmal errichten an lassen.
Der als Componist für Volks- and Klrcbengenung bekannte
Musikdirektor Fran* Cammer su Berlin hat eine Reise nach Hol-
land angetreten, um der Rotterdamer Gesellschaft zur Beförderung
der Tonkunst in den Niederlanden seinen so eben vollendeten er-
nten Band der Kireheostüeke niederdeutscher Meister zu überreichen.
Bin BnglKnder Namens AguiUtr uns Leudon gab um 8. Mai in
Frankfurt am Main ein Coneert zum Besten der Moznrtstiftnng da-
selbst, worin er unter Anderen mehrere Ciavierstücke von Hum-
mel vortrug and eine neue Symphonie seiner Compoeition zur Auf-
führung brachte.
Auber, dessen neueste Oper: „Die Sirene" in Paris so gros-
sen Beifall findet, hat schon wieder zwei neue Partituren fertig;
die eine ist eine komische Oper in drei, die andere eine grosse in
fünf Aufzügen , and heido Werke sollen nüebsten Winter auf die
Bühne kommen. 1820 war er ein junger Mann, der nicht so viel
besass, um sieh ein gutes Pisnoforte knufen zu können ; jetzt be-
sitzt er unter Anderem vier der grössten Häuser in einer der be-
liebtesten Strassen von Paris.
Ankündigungen.
M*t
In «nmi Verbs« encMat un 4. Jaai mit Eigentkanu-
Fantnlstc
sur des motifs de t Optra :
Saphe de Paoinl
cempos* per
Th. MßöMer.
Op. 49. Preis 1 Thlr. 10 Ngr.
Noch tot Bade dieses Moaats erseneint t !
nie Sirene.
Oper in drei Acten
von
Auber,
Clavieraoszqg der einzelnen Stücke.
Leipsig, 91. Uni 1844.
Breltltopf eV Hftrtel.
Pruek und Vertag yon Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
377
378
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 5 te * Juni.
M »S.
1844.
Infi Alt t Seb. Btch's €boralgesäoge nnd Cantaten. (Fortsetzung.) — Nachrichten: Ana Leipzig. Sunmarisefaer Beriebt über die mu-
sikalischen Kräfte you Cola und deren Leistungen in dem Winterhalbjahr 1843 — 1844. Caroeval- und Faalenepero n. •• w.
in Italien. (Fortsetzung.) — j4nhu*dig**gen.
Seb. Bach's Choral -Gesänge und Cantaten.
(Fortsetzung zn No. 7 n. 8.)
Die Kirchen cantaten Seb. Bach's sind ein Schaiz ron
unermesslichem Werthe. Ungeachtet ihrer oft setisamen,
in veralteter * Ausdrucksweise sich ergehenden Textes-
worte werden sie in Beziehung auf die Wahrheit und
Innigkeit ihrer ans der innersten Tiefe eines frommen,
gläubigen Gemütbes entquollenen Musik für ewige Zei-
ten als Muster dastehen. Wem sie sich erschlossen, den
stört die Form ihrer Sprache nicht. Back liefert keine
Musik neben dem Texte, keine Melodien zum Texte, die
ohne diesen durch sich selbst völlig befriedigen , etwa
durch ihn nur Erklärung, vor falscher Auffassung sichernde
bestimmtere Bedeutung erhalten. Nein, er durchdringt das
Wort in seiner geistigen Tiefe, hebt durch die Tonkunst
seinen Sinn hervor, erklärt es in Tönen zur Offenbarung
seines ganzen Inhaltes, wiederholt es, seine Bedeutung
verstärkend, erweiternd , betrachtet es in verschiedenem
Sinne, mit einem Worte: Bach's Kirchenmusik ist eine
vollständige Exegese des ihm zum Grunde gelegten Tex-
tes. — Für alle seine Schöpfungen scheint Bach wie mit
einem Schlage die passendste Form gefunden zu haben.
Wie kunstreich nnd mannichfalüg auch immer ihre Aus-
stattung erscheinen mag, nichts desto weniger ist Alles
leicht nnd mit der grössten Gewandtheit, obwohl deshalb
nicht mit geringerer Sorgfalt ausgeführt, und in den Ar-
beiten seiner späteren Lebensperiode herrscht eine Frei-
heit im Fluge des Gedankens, dass auch selbst da, wo
er in den allerknnstreichsten Formen hervortritt, sich nir-
gends ein ihn beengender Zwang bemerken lässt. — Mit
bewundernswürdiger Lebhaftigkeit wusste er sich stets
für die tiefste Auffassung seiner in Musik zu setzenden
Texte zu stimmen, nnd immer stand sogleich das ganze
Tonstück in voller Gestaltung vor seinem Geiste. Da ist
nirgends etwas Gestückeltes, Gedrechseltes zu entdecken ;
jeder Ausdrucksweise im vollsten Maasse Herr, hielt er
sie unwandelbar fest, wenn er sie einmal als die ihm
für seinen Zweck passendste erfasst hatte. Und wie man-
nichfalüg, wie vielseitig erscheint er, und eben in sei-
nen Gesangcompositionen mit am Allermeisten. Für jedes
Gefühl, für jede Empfindung , für jede Anschauung stand
ihm der Ausdruck zu Gebote, und er giebt ihn eben so
tiefsinnig, als innig und wahr. Jede erneute Veranlas-
sung ihres wiederholten Erwachens führt ihm auch den
46. Jahrgang.
neuen Ausdruck dafür zu, und diesen immer wieder eben
so kunstreich als ungekünstelt. Man könnte fast behaup-
ten, wer seine Schöpfungen in ihrem ganzen Umfange
erkannt bat und zu geniessen im Stande ist, der findet
bei einiger Beobachtungsgabe nach ihm nichts wesentlich
Neues mehr in der Musik. Mindestens ist so viel gewiss,
einen grösseren musikalischen Gedankenreichtbum bat
kein Tondichter, weder vor, noch nach ihm, bekundet,
und wenn die grössten Meister unter seinen Nachkom-
men an dem Style ihrer Werke erkennbar sind, so fin-
den wir auch diesen schon in einzelnen seiner Werke
wie eine Verkündigung angedeutet. Er unterscheidet sich
von den nach ihm durch die Individualität der Meister
ausgeprägten nur dadurch, dass auch in allen seinen Pro-
phetien der /facA'sche Geist vorherrschend durchweht. —
Doch lässt sich in der mir vorliegenden Sammlung von
Gantaten ein sich entwickelnder Bildungsgang des Mei-
sterswohl berausfiuden. Obschon aus allen derselbe fromme
Sinn, ich möchte sagen dieselbe christliche Einfalt her-
vorleuchtet, so klebt doch den in einer früheren Periode
geschaffenen mitunter etwas Veraltetes, so in der Form,
wie im Ausdrucke an. Die späteren zeichnen sich durch
jene, in nie veraltender Form ausgeprägte Kraft des Ge-
dankens , durch jene Sicherheit und Klarheit der Auffas-
sung, durch jene eiserne Consequenz der Ausführung aus,
welche dem grössten Tbeile der Werke unseres Meisters
eigen sind, und Alle, denen sie sich einmal erschlossen
haben, mit nie zu lösenden Fesseln an sich ketten. Back
verstand es, wie gesagt, allen Regungen des Gemüthes
den wahrsten Ausdruck zu geben; dadurch tritt in sei-
nen religiösen Werken seine Subjectivität in den Hinter-
grund, und er wird der Verkündiger christlicher Gesin-
nung und Anschauung aller Bekenner des Evangeliums.
Er lässt uns aber nicht allein die Regungen des religio-
sen Gemüthes erkennen, mit ihnen macht er uns auch die
Veranlassung dazu anschaulich \ er zeichnet alle Zustande,
innere und äussere , mit minutiöser Beachtung auch der
kleinsten Merkmale, wie sie sich seinem Seherblicke aus
den vorliegenden Textesworten ergeben, er sucht sie
nicht hervor, sie dringen sich ihm auf, seiner Auslegungs-
kunst wie natürlich entgegenströmend. Und dies ist der
Punct, worin sich seine neueren Kircheneompositiooen
hauptsächlich von den älteren unterscheiden. — Sebast.
Back legt nicht allein Befriedigung, Freude, Wonne und
Jubel, Sehnsucht und Wehmuth, Traurigkeit und Schmers
23
379
1844. Juni. No. 23.
380
in den Cbaracler seiner Tonstucke, er malt sie auch im
Einzelnen aus. Jedes Wort belebt und bezeichnet sein
musikalischer Ausdruck. — In der Ganlate ; „Jesus schläft,
was darf ich hoffen,* 1 siebt der bekümmerte, verlassene,
schwankende Christ den Heiland wirklich schlafen, die
Schaar der Andächtigen sich dem Schlummernden behut-
sam nahen. Wir sehen anderen Ortes das sturmbewegte
Meer, so wie die sich thnrmenden Wogen ; wir schauen
den heitern Himmel, wie die wetterschwangeren Wolken
sich erbeben, sehen am Auferstehungslage des Herrn die
im Triumphe sich kreisenden Sterne ; Back durchzieht in
seinen Gesängen mit uns die ganze Well, lebt alle Zu-
stände und Verbältnisse mit uns durch, nnd begleitet uns
bis an den Rand unseres offen stehenden Grabes, wel-
ches er nns in freudiger Hoffnung und Erwartung eines
künftigen» seligen, verklärten Lebens zeigt. — Indem er
den bedrängten Christen tröstet, ihn stärkt und ihn auf-
fordert, sich in Gottes Fügungen zn schicken, zeigt er
uns wie verstohlen dabei auch das Murren des unzufrie-
denen Bedrängten mit; er bezeichnet daneben Stehen nnd
Gehen, Ruhen und Eilen, das Sieberheben wie Gebeugt-
werden in einer fast den ersten Anfangen der Kunst eige-
nen Naivität. — Und hierin , ohne irgend ein Aufgeben
der kleinen Detailmalerei, haben sich seine späteren Ar-
beiten vor den früheren verklärt. — Sein Denken,
Schauen und Fühlen ist sich stets unveränderlich gleich
geblieben, doch steht später diese Malerei nicht mehr so
vereinzelt da, sie bewegt sich fest eingeschlossen in der
Sonata, unisono.
melodischen Form, die er seinen Stücken zum Grunde
legt, und der Genius lehrte ihn seine Motive so glück-
lich finden, dass sie in ihrem Kerne schon die Ausdrucka-
fahigkeit für alles Das enthielten, was er im Verlaufe des
Tonstückes in ihm auszusprechen hatte. Es kann ganz da-
hin gestellt bleiben, ob und welchen Antbeil Seb. Bach
an dem Textesentwurfe der Kirchencantaten , an ihrer
äusseren Anordnung genommen hat; die Auffassung, die
Gliederung, die poetische Verbindung und Beziehung der
Tbeile zu einander, die Verarbeitung ihres Inhaltes ist
sein Werk, und in welcher Weise! — Die Betrachtung
zweier Cantaten für das erste Osterfest, einander gegen*
über, möge das Nähere andeuten. Wir wählen zuerst die
Cautate: „Der Himmel lacht, die Erde triumphiret."
Der Meister führt uns, vom Triumphgesange über die Auf-
erstehung des Herrn ausgehend, durch darüber ange-
stellte Betrachtungen, dem Inhalte des Textes gemäss, in
seiner gewohnten tiefsinnigen Weise, bis zu Tod und
Grab des eigenen Leibes und lehrt uns, nach erweckter
Hoffnung und Erwartung eines künftigen beseligten Le-
bens in Christo, Beides mit Ruhe und Ergebung betrach-
ten und in Sehnsucht erwarten. — Das Tonstück ist
fünfstimmig für zwei Soprane, Alt, Tenor und Bass be-
bandelt und ausser dem Quartett mit drei Oboen, drei
Trompeten und Pauken begleitet. — Eine „Sonata" be-
nannte Einleitung für das Orchester allein eröffnet feurig
und brillant die Festcantate. — Nur das Thema, im Unisono
von allen Instrumenten angestimmt, m öge hier Platz finden :
Tromha i ; - i T ;-,■,!
und, mit Uebergehung des Nachweises der kunstreichen
und sinnigen Anordnung des Stückes, bemerkt werden,
dass in die Durchfuhrung des zweiten und dessen Gegen-
thema's der Hauptsatz in kurzen Gliederungen von den
Trompeten vorgetrage n hine in tritt u nd zum S chlüss e die
bis dabin in freierem Spiele bewegten Summen zur Aus-
sprache desselben einmütbigen Gedankens anzieht, mit
welchem das Stück begann. Unmittelbar daran erbebt sich,
ebenfalls vom ganzen Orchester begleite!, der erste Chor
der Cautate, fünfslimmig : ^^^
1 ßßJ^ pji .gqg JB5.
&&M--
£*3
WZ
Alco. 1/
Der Himmel lacht
die Er
Der Himmel lacht — —
de tri - am - phi
— , die Er
de tri-
Cont.
phi- ret, der Hirn- mel lacht — —
Der Satz tritt im ersten Tbeile förmlich fugirt auf;
nach kurzem Zwischenspiele nimmt der Sopran nach*
stehendes, sogleich vom Alt imitirtes Thema anf:
381
1844. Juni. No. 25.
582
Hei - lig-ste kann nicht ver - we
Der Hei
lig-ste kann nicht ver- u. s. w.
^^f f t t-+
welches regelmässig in allen fünf Stimmen erscheint,
doch nicht weiter durchgeführt wird, sondern nach kur-
zer Verarbeitung der letzten melismatischen Gänge kräf-
tig abschliesst. Ein Nachspiel nimmt das Thema des er-
sten Theiles wieder auf. — Hierauf beschreibt ein Reci-
taliv für die Bassstimme die Festlichkeit des Tages näher,
und leitet in eine pathetische, vom Fundament allein be-
gleitete Arie ein. Sie ist trefflich declamirt, überhaupt
sehr originell ; die characterisüsch pomphaft majestätische
Begleitung hebt den Gesang noch ungemein hervor. —
Aehnliches findet sich in Marcellos Psalmen.
Aria.
-# r\
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Fürst des Lebens , starker Streiter, Forst des Le
Wrü&m
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1 ^J u£3 ^
SSE
Di, star-Ler Streiter, Fürst des Lebens, starker Streiter, hochbe-lob^- ter Got-tes - so
iE:
^— ffi-i^H^ 1 ^
Die Gesänge zum Preise des Siegesfuroten sind hier been-
digt. Ein vom Fundamente begleitetes Recitativ des Te-
nors schildert nun die durch Christi Auferstehung be-
glaubigte Erwartung eines Lebens mit dem Herrn nach
dem Tode; ihm folgt eine Tenorarie: „Adam muss in
uns verwesen, soll der neue Mensch genesen , der nach
Gott geschaffen ist- 4 * Mit vorerwähntem Recitative nimmt
die Musik einen ruhigem Character an. Die Melodie zu
obigem Texte der Arie ist angenehm, ohne jedoch beson-
ders das Gefühl anzuregen; sie giebt allein den didacti-
Violinl et Viola 1.
sehen Inhalt wieder. — Dagegen übernimmt die fünfstim-
mige Begleitung der Saiteninstrumente den bewegteren
Ausdruck der freudigen Hoffnung, des beseligend ruhigen
Erwartens. — Deshalb bat Bach auch nicht das Motiv
der Singstimmen zum Ritornelle gewählt» sondern mit
guter Absiebt die Motive der Begleitung dazu benutzt,
und dadurch den Character des Tonstückes schon mit Be-
zugnahme auf den ferneren Gang der Cantate vollkom-
men angedeutet:
585
1844. Juni. No. 25.
584
* Aeeoapegneaent A1H ein wie dai Ritornelle.
we - sen, soll der neu - e Mensch ge - ne - sen ,
der nach Gott er - schaf - fen ist.
Ein kurzes Recilaliv ohne Begleitung, von der Sopran-
stimme vorgetragen, spricht nun das Bewusstsein des Le-
bens in Christo aus, und die freudige Zuversicht der Auf-
erstehung mit Christo zur Ehre und Herrlichkeit nach
dieser Zeil, wie die Anschauung Gottes in eigenem Flei-
sche. — Wie prophetisch und im Triumphe erhebt sich
die Stimme im Schauer dieses freudenvollen Jenseits, der
Conti» uo beendet rhythmisch geordnet das Recitativ. —
So gestärkt uud erhoben sieht der Christ ruhig dem Tode
entgegen, jede Furcht ist entschwunden und bat der
in
15
"Voce.
to i., j i »' h J ^
Sehnsucht nach Auflösung, nach der Verwirklichung des
Geschauten Raum gegeben. — Die folgende Arie : ,, Letzte
Stunde brich herein'* — schildert dieses freudige Sehnen,
malt die fröhliche und getroste Erwartung der endlichen
Verwandlung und Erfüllung der durch Christi Auferste-
hung gewordenen Verheissung. — Und wie vortrefflich
hat Bach Das wieder ausgedrückt! — Das Hauptmotiv,
wie es Sopran und Oboe einander imitirend in den ersten
vier Tacten geben, ist zu einem Ritornelle von sechzehn
Tacten zusammengestellt, hierauf beginnt der Gesang:
rj l t t Cf tr\^m
?ct
: * s=: Ft
^m
Rilorn.
15
Letz-te Stnn -de,
brich her - ein ,
Oboe.
letz-te Stunde, brich her - ein, lelz-te
s
d ■p> J ' £3rr } V f f ' r r '•
Fund, in Svo Basso
s
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Stande, brich
r r V
her- ein, mir die
TT'
An
gen
zn - zu - drücken, mir die n. s. w.
^m
£
V <»
yV rf
^m
trr
8to B. f ^J ■ I loco-pc Tp: -jr
Höchst sinnig und bedeutungsvoll lässt Bach im ach-
ten Tacte, bei den Worten: „Brich herein, mir die Au-
gen zuzudrücken , " den Cantus firmus des Chorals :
„Wenn mein Ständlein vorhanden ist, " durch Geigen
und Bratschen vorgetragen, eintreten, und im Verfolge
des Stückes den ganzen Choral neben der im angenom-
menen Cbaracter fortgehenden Singstimme und deren imi-
tirender Begleitung durch die Oboe ausführen. So wird
„, . Schluss -Choral.
Tromba e . . , -^
ffTT f
die folgende, die Cantate abschliessende, letzte Strophe
desselben Chorals vorbereitet und kann nun als ein Lied
im höheren Chore erklingen; der Grabgesang wird so
ohne alle äussere Veränderung in einen Triumpbgesang
verwandelt, und wie das Tonwerk mit dem weltlichen
Ausdrucke des Jubels über den Triumph der Erstandenen
begonnen, schliesst es jetzt mit Darlegung der Freude und
der Zuversicht des Christen in ernstester kirchlicher Form :
J^M* £ U&
So erklärt sich die Versetzung des Choralschlussverses
aus dem tieferen G ins hellere C, die volle dazu er-
klingende Instrumentation und die über dem Choral
in getragenen Tönen schwebende Melodie der Siegeslrom-
pcte, als Gegensatz ihres irdisch pomphaften Ausdrucks
in der Einleitung. — Zur ersten Choralstrophe und ohne
diese Vorbereitung bliebe diese Behandlung des Chorals
unbegreiflich.
(Fortsetzung felgt.)
385
1844. Juni. i\o, 23.
586
NAC
HRICBTETf.
Leipzig, den 25. Mai. Am 12. , 16. und 19. Mai
hielt Herr Tran» Brendel aas Dresden im Saale des Ge-
wandhauses Vorlesungen über Geschichte der Musik, wor-
über in Folgendem Kurz zu berichten wir um so lie-
ber Veranlassung nehmen, als wir auf einen grösseren
Cyclus von Vorlesungen, welche Herr Brendel über Ge-
schichte der Musik später einmal hier zu halten beab-
sichtigt, aufmerksam machen wollen.
Die Gegenstände der beiden ersten Vorlesungen wa-
ren Gluck und Beethoven mit Bückblick auf Hat/du und
Mozart, und somit die interessantesten Epochen der
Kunstgeschichte neuerer Zeit. Das kräftige Einwirken
Gluck 9 s auf Verbesserung eines verbildeten Zeitgeschmacks
durch Herstellung einer reinen, naturgemässen Melodie,
auf Verbannung aller sinnlichen Effectbascherei durch Her-
stellung eines wahren dramatischen Ausdrucks so erfolg-
reich, gestaltete sich in dem beredten Vortrage zu einem
reichen Stoffe und führte zu Betrachtungen, die, verbun-
den mit Ausführung einiger Scenen aus den Opern Or-
iheus und Alceste, so wie einer Arie aus Iphigehia in
'auris, den Zuhörern grossen Genuas gewährten. Eine
vergleichende Characteristik Haydns, Mozarts und Beet-
hovens war der Hauptgegenstand der zweiten Vorlesung,
in welcher besonders der Einfluss Beethoven 9 * auf die
neueste Zeit als überwiegend hervorgehoben wurde. Die
religiöse, politische Denkweise wurde als Grund ihrer
Kunstrichtung gellend gemacht, was namentlich bei Beet-
hoven zu mannichfaltigen Bemerkungen Veranlassung gab.
Müssen wir hierbei Vergleichungen aus dem Gebiete an-
derer Künste niemals als völlig genügend und erschöpfend
erkennen, so geben wir doch zu, dass sie zur Verstän-
digung für ein gemischtes Publicum viel beitragen, eben
so wie kunslphilosopbische Bemerkungen dem wissenschaft-
lich Gebildeten, der dabei nicht zugleich Musiker ist, ei-
nen hellem Blick in das Wesen der Tonkunst verschaf-
fen, so weit sich nun eben mit Worten in solcher Kunst
Etwas erklären lässt, was nach unserer Ansicht niemals
völlig genügend möglich ist. Daher halten wir es für
richtig, dass durch Ausführung einiger Tonstücke die ei-
gentliche Erläuterung gegeben wird. Es wurden diesmal
Satze von Tonstücken aus verschiedenen Lebensperioden
Beethoven 9 * vorgetragen, aus den Sonaten Op. 2, Op. 53
und Op. 111. Fräul. Lautmann aus Petersburg spielte
dieselben recht brav.
Boten die ersten beiden Vorlesungen dem gebildeten
Musiker auch nichts wesentlich Neues, wenn sie auch die
Aufmerksamkeit zu fesseln wohl geeignet waren, so dürfte
doch besonders die letzte derselben ein allgemeines In-
teresse zn erregen im Stande gewesen sein. Dieser Vor*
trag suchte den Einfluss der weltgeschichtlichen Ereig-
nisse auf die Fortbildung und Richtung der Musik in den
verschiedenen Kunstperioden zu begründen, und entwickelte
zum Schlosse die Tendenz der zu haltenden Vorlesungen.
Die allgemeine Characteristik der verschiedenen Schulen,
und besonders der letztern Zeit, gewährte einen beleh-
renden Ueberblick über das Kunstgebict, und die Bemer-
kungen über die neuesten Kunstbestrebungen mit prophe-
tischen Folgerungen für die nächste Zukunft waren in-
teressant und zu eigenem Nachdenken anregend. Wollen
wir auch jetzt die Ansicht, die Bluthe der Tonkunst sei
vorüber, es fehle der neuesten Zeit ein Centralpunct, oder
mit andern Worten, jener hochbegabte Geist sei nicht,
wie in früherer Zeit, vorbanden, von dem etwas Er-
spriessliches für die Fortbildung der Tonkunst zu er-
warten sei, nicht kritisch beleuchten, so möchten wir
doch die Folgerung, die Wissenschaft, die Kritik müsse
das Fehlende schaffen, die Prämisse selbst zugegeben,
nicht für ganz richtig erkennen. Halten wir das Eingrei-
fen der Wissenschaft zur Fortbildung der Kunst für un-
bedingt noth wendig, so sind wir doch der Ansicht, dass
sie für. sich allein, ohne den Alles belebenden göttlichen
Funken, nichts vermag, uud dass ihre Bestrebungen nie-
mals jenen auf Alles mächtig einwirkenden Geist erre-
gen können. — Wir müssen uns hier mit kurzen An-
deutungen begnügen, da unser Bericht kein tieferes Ein-
gehen in diesen reichhaltigen Stoff zulässt. Hit Vergnü-
gen aber sehen wir den zu hoffenden Vorträgen entge-
gen; sie werden das Ganze überschauen lassen und zu
weiterer Entwickelung der ausgesprochenen Ansicht Ge-
legenheit geben ; auf jeden Fall müssen sie bei der ge-
wählten Darstellungsweise für jeden Gebildeten Interesse
gewähren. r. —
Summarischer Bericht
über die musikalischen Kräfte von Cöln und deren Lei-
stungen in dem Winterhalbjahre 1843 — 44.
1) Das Theater , unter Direction des Herrn Spiel-
berger. Erste Sängerinnen : die Damen Weixelbaum und
Limbach. Tenoristen: die Herren Peretti und fFoffi.
Baritonist ; Herr Pichon. Bassisten : die Herren Forme*
und Bllenberger. Capellmeister : die Herren Dorn nnd
Beithmeier. Coneertmeister : Herr Hartmann. — Das
Hepertoir bestand, da Herr Pichon erst gegen Ostern ein-
traf, mit Ausnahme der Opern, in welchen die Haupt-
rolle einen Bariton verlangt (z. B. Templer, Faust, Don
Juan) — aus fast allen in Deutschland gangbaren classi-
schen nnd Modeartikeln. Neu einstudirt wurden : Fidelio,
des Teufels Antbeil, der Schöffe von Paris, Euryanthe,
Don Pasquale.
2) Die ConcertgeeelUehaJt veranstaltete auch in die-
sem Winter sechs Concerte. Das Orchester mit Zuzie-
hung von kunslgeübten Dilettanten stellt ein Gontingent
von beinahe 60 Personen, darunter zehn erste Violinen,
acht Violoncelle, fünf Contrabässe u. s. w. Die Chorge-
sänge und Soli's wurden von Mitgliedern der hiesigen
Singacademie und des städtischen Gesangvereines ausge-
führt. Fräul. Fischer aus Darmsladt, eine tüchtige So-
Jranistin, war ausnahmsweise für zwei Concerte engagirt.
Dirigent: Heinrich Dorn. Das Bepertoir bot viel Ab-
wechselung und zeugte von einem enrenwerthen Streben,
das Gediegene mit dem Gefälligen zu verbinden. Es wur-
den exeeutirt Symphonieen : Beethoven (Fdur und Adur),
Mozart (G moll), Spohr (Weihe der Töne), Bie* (C moll),
Dorn (Ddur). Ouvertüren: Gluck (Iphigenia in Aulis),
Fesca (Omar und Leila), Beethoven (Coriolan), J. Klein
587
1844. Juni. No. 23.
388
(Jungfrau von Orleans), Veit (Op. 17 in D), Mozart
(Idomeneo). Von grösseren neuen Werken kam Rossinfs
Stabat mater zur Aufführung. Diese ansprechende Com-
position wurde spater mit brillanter Besetzung der Solo*
partieen und in Verbindung mit Beethoven 9 * C moll - Sym-
phonie noch zwei Mal (am grünen Donnerstage und er-
sten Oslerfciertage) im Theater zu Gehör gebracht. —
Von fremden Virtuosen trat im Zweiten Concert Herr
Spinaler aus Aachen auf, ein trefflicher Oboebläser. Von
hiesigen Künstlern hörten wir nur Herrn Concertmei-
sler Hartmann in der Spohr'&chen Gesangscene und
einem Potpourri von Kallnooda.
3) Die musikalische Gesellschaft, ein Instrumental-
verein von Dilettanten, vereinigt sich an jedem Sonna-
bend in Verbindung mit dem grössern Tbeil des engagir-
ten Orchesters zur Aufführung von Symphonieen und
Ouvertüren. Dirigent ist der hiesige Musikalienhändler
Almenräder, zugleich erster Violinist beim Theater.
4) Der städtische Gesangverein unter Direction des
städtischen Capellmeisters Dorn)
5) Die Singacademie unter Direction des Domorga-
nisten Weber, neide Gesellschaften verfolgen dieselben
Tendenzen in Ausführung ernster, meist kirchlicher Mu-
sik. Wöchentlich ein Mal Versammlung.
6) Die Liedertafel kommt monatlich ein Mal zusam-
men. An Weber 9 s Stelle wurde für das laufende Jahr
Herr Dorn zum Liedermeister gewählt.
7) Der Männergesaneverein 9 gestiftet von Fr. We-
ber, hält wöchentlich eine Versammlung, worin geistliche
Composilionen für mehrstimmigen Männergesang geübt
werden. Der Verein veranstaltete auch drei sehr besuchte
öffentliche Aufführungen, *
8) Kirchenmusik,, Mit Ausnahme der sonn - und fest-
täglichen unter Herrn Domcapellmeister Leibl executir-
ten Messen, bietet diese Branche hierorts nichts Bemer-
kenswerthes. Die zwanzig Orgeln in den zwanzig Haupt-
kirchen Cölns sind ohne Ausnahme unbedeutend.
9) Quartettmusik. Das sogenannte rheinische Quar-
tett, bestehend aus den Herren Hartmann, Derkum 9 We-
ber und Breuer , gab in diesem Winter siebeu Abend-
unterhaltungen , in denen sie sich als tüchtige« Spieler
bewährten.
10) Extraconcerte veranstalteten : der ausgezeich-
nete Harfenist Parish- Altars; der Pianist Drey schock
(drei Mal) , seine Virtuosität ist erstaunlich , als Compo-
siteur aber steht er auf keiner hohen Stufe j der belgi-
sche Violinist Kettenys in Verbindung mit dem schon ge-
nannten Oboebläser Spindler; blinde Flötisten und dito
Sänger u. s. w,; Musikdirector Rabies aus Düren be-
schloss seine interessanten Vorlesungen mit einem soge-
nannten historischen Concert, welches verdienten An-
klang fand.
11) Instrumenten- Fabrik* Höchst ausgezeichnet sind
die Leistungen der Herren Eck und Comp., deren Con-
cerlflügel und Piano's sich ohne Scheu den besten zur
Seile stellen dürfen.
12) Musikalische Kritik. Vacat.
Gegenwärtig beschäftigt sich das hiesige musikali-
sche Publicum mit den Vorübungen und Vorbereitungen
(leider auch Zeitungsplänkeleien) zum 26. niederrheini-
schen Musikfest, welches zu Pfingsten in Cöln unter Di-
rection unseres städtischen Capellmeisters gefeiert wer-
den soll. Das Programm besteht aus Händers Jephta
(nach der englischen Originalpartilur mit Orchester und
Orgel), Beethovens Missa in (in Deutschland die erste
ungetheilte Aufführung dieses Biesenwerkes), Mozart 9 s
Jupitersymphonie in C, und Cherubinis Hymnen. —
Ein bereits gedruckter Plan, die hiesigen Instrumen-
talkräfte unter dem Namen: „Orcheslerverein" für im-
mer zu concentriren und das Orchester selbst zu einem
städtischen Institut zu erheben, circulirt seit vier Wo-
chen und scheint Theilnahme zu ei wecken.
Cöln, den 15. April 1844.
Cameval- undFastenopctn u. s.w. in Italien .
(Fortsetzung.)
Lombardisch - Venetianisches Königreich .
Mailand (Teatro alla Scala). Pracht, verschwende-
rischer Ueberfluss, Furore und Fiasco wechselten diese
Stagione schnell mit einander ab; wobei eine neue Oper
nach 72 Stunden, zwei andere neue Opern schon nach
drei Stunden ohne allen Pomp in grösster Sülle beerdigt
wurden. Ein Dutzend Prime Donne , darunter eine ein-
zige ganz vorzüglich ; ein halbes Dutzend Tenore, wovon
die eine Hälfte wenig, und die andere....; ein anderes
Halbdutzend Bassisten , nämlich fünf mehr oder weniger
wackere Distonirer und ein guter Buffo, nebst den Se-
eundärvirtuosi wirkten in 8, sage acht Opern, von denen
sechs verunglückten und zwei sich der besten Aufnahme
erfreuten. In den gar nicht gelungenen grossen und klei-
nen Balletten war die berühmte Elster aus Wien die
bekränzte Siegesgöttin .
Pacini's Maria d'Inghilterra, die ihm bekanntlich vo-
rigen Carneval zu Palermo die Krone der Unsterblich-
keit von den Palermitanern verschaffte und schon vori-
gen Herbst iu Turin durchfiel, befriedigte auch hier ganz
und gar nicht. Da über Pacini's neue Schreibart weiter
unten die Rede sein wird, so mag hier blos bemerkt wer-
den, dass der für uns neue Tenor Ivanoff in dieser Oper
kaum einiges Aufsehen erregte; er ist zwar ein guter
Sänger mit schöner Brnststimme , aber kalt im Vortrag.
Die Moltini vom hiesigen Conservatorium gebt mit — für
die Scala. Ferlotti ist gar kein Held. Der aus Barcellona
zurückgekehrte Bassist Mariui, als Distonirer auf der
Scala im guten Andenken, debütirte in Donizetti's Marino
Faliero, zur Seite der De Giugli und des Tenors Fer-
retti ; aber seine schöne Stimme verlor seither noch mehr
an Reinheit, und der Marino Faliero verschwand nach
der ersten Vorstellung ans der Scene. Um diese zwei
Unfälle ganz zu verwischen, wollte das Schicksal, dass
einer spanischen Sängerin Antonia Del Carmen -Monte-
negro gleich darauf in Bellini's fast verschollener Norma
ein sehr glänzender Empfang von Seite der meisten Zu-
hörer zu Theil wurde. Die Montenegro, aus adeliger Fa-
milie zu Cadix im Jahr 1818 geboren, erlernte den Ge-
sang anfänglich bei einem Dilettanten in Madrid. 1841
und 1842 brachte sie in Paris zu und sang da in meh-
reren Concerten. Vorigen Jauuar 1843 ging sie mit dem
589
1844. Juni. No. 23.
390
Maestro Cella nach Amsterdam, und sang auf dem Thea-
ter daselbst mit Beifall in der Norma, Lucia, im Barbiere
di Siviglia und in den Puritani; hierauf begab sie sich
nach Berlin, von wo aus sie eine Scriltura für die Mai-
länder Scala erhielt. Bei all dem günstigen Empfange auf
diesem grossen Theater sind indessen die Urlbeile über
diese Künstlerin höchst verschieden. Schreiber dieses, der
verbindert war, sie gleich anfänglich zu hören, erstaunte,
als er nach dem gemachten Furore von unparteiischen,
sehr gewichtigen Schiedsrichtern einstimmig die Worte
aussprechen hörte: ,,sie habe Feuer und Seele, sei aber
keine Sängerin! 44 Wirklich tragt sie in der Norma
manche Sachen ergreifend vor, in ihrem Stimmenumfange
ist sie aber blos vom ein- bis zum zweigestrichenen f
am glücklichsten, und hält überhaupt mit den heutigen
besten italienischen Sängerinnen, z. B. mit der Taccbi-
nardi, Tadolini, Frezzolini, keinen Vergleich aus. In der
Norma sang neben der Montenegro Tenor Ferretti und
Bassist Marini; die Adalgisa machte anfanglich die Bel-
loni, sehr bald darauf die Albani. Nachdem Bellini's Pu-
ritani, mit der Moltim, Ivanoff, Marini und Ferri (die ihr
famoses Duett um die Wette herunter distonirten), als
langweilige Oper zom Glücke nur wenige Male den Zu-,
hörern ein starkes Gähnen abgelockt halten, und die neue
Oper Sofonisbcty del Maestro Luigi Petrali (einem Schü-
ler Mercadante's), nur einen Abend gegeben worden war,
wofür der Componist dem Vernehmen nach aus seinem
eigenen Beutel hundert Augsburger Gulden der Impresa
bezahlt hatte, ging Pacinfs neue Oper : L'Ebrea mit der
Montenegro, der Alboni (nicht mit der vorbenannten Al-
bani zu verwechseln), den Herren Ivanoff und Marini in
die Scene, erhielt sich aber darauf mit Noth in drei Vor-
stellungen und verschwand sodann gänzlich aus dersel-
ben. Pacini, der erste Bossini'scbe Apostel, machte zu
seiner Zeit Epoche, darauf (von den andern 1 Rossini'schen
Aposteln Donizetti, Mercadante, Bellini, Ricci verdrängt)
eine lange Pause, in welcher er einem ernsthafteren mu-
sikalischen Studium sich widmete. Seit seiner Saffo aber-
mals melodramatisch thätig, fehlt es ihm noch jetzt bei
seiner 70. Oper, der obigen Ebrea, keineswegs an origi-
nellen melodischen Ideen, er schreibt auch viel solider,
als ehemals, nur hat er Mercadante's leidigen Fehler an-
genommen: er erdrückt Sänger und Zuhörer mit Vocal-,
Instrumental- und Harmoniemassen. Grosse Meister haben
stets mit wenigen, aber am wahren Orte angebrachten
Harmonieen die erhabensten Wirkungen hervorgebracht;
wozu freilich vor Allem eine treffliche Schule, Studium
der musikalischen Classiker, sodann ein eigenes Genie
und Talent gehören. Jetzt schläft man in der Scala beim
schrecklichsten Stimmen- und Orchesterlärm ebenfalls recht
sanft. Bedenkt man ferner, dass im ganzen Dissonanzen-
meer unserer heutigen für bocbgelahrt gehaltenen Maestri
nicht ihr eigentlicher künstlicher Gebrauch zu finden ist,
wie man das z. B. bei einem Meyerbeer, Mendelssohn,
bei unserm herrlichen Spohr u. A. jetzt lebenden musi-
kalischen deutschen Heroen auf der Stelle erblickt; dass
ein gebundener Styl, der für die Ebengenannlen ein Spiel
ist, bei Erstem auch in den ernsthaftesten Musiken äus-
serst kärglich in Miniatur und als ein Noli me tangere
betrachtet wird; — so könnte man bei all diesen Har-
monieanhäufungen fragen: Harmonie, que me veux-tu?
(Noch unlängst wurde mir von einem für sehr gelehrt
gehaltenen Maestro ein von ihm neu componirtes grosses
Kirchenstück gezeigt. Auf meine Bemerkung, dass mir der
künstliche Gebrauch der Dissonanzen und der gebundene
Styl ganz besonders gefielen, schüttelte er tftark den
Kopf dazu, und mir fiel dabei die Fabel des Fuchses ein.)
Bis jetzt, das ist bis zu Ende des Carnevals, sah es
also auf der Scala nichts weniger als tröstlich aus. Von
den bisher gegebenen sechs Opern machten fünf Fiasco.
Die Norma, der man viel Langweiliges nicht absprechen
kann, erhielt sich durch die Montenegro. Unter den Sän-
gern ragte Letztere, ihrer bedeutenden Partei wegen, am
Meisten hervor; als sie nach und nach öfters distonirte
(zur Scala gehört eine eiserne Brust), nahm auch diese
ziemlich ab. Mit der Fastenzeit kamen von den ander-
wärts geschlossenen Theatern neue Sänger an , und so
gab man denn auf der Stelle Donizetti's Liuda di Cha-
mounix mit den Damen Tadolini, Alboni, dem Tenor Gar-
doni, den Bassisten Colini, Fedrighini und Buffo Rovere.
Nach aller Schmach und nach Pacini's erdrückenden mu-
sikalischen Massen war Donizetti's einfache, sangbare,
mitunter wirklich hübsche Musik der Linda, noch dazu
von diesen neuen Sängern vorgetragen, ein wahres Lab-
sal. Die seit langer Zeit hier nicht gehörte treffliche, sonst
kalte Sängerin Tadolini hat seither mehr Feuer, und
dürfte die erste jetzt lebende Prima Donna in Italien sein;
ihr reiner umfangreicher, sehr geläufiger Sopran ist eisen-
fest und sie überwindet grosse Schwierigkeiten mit Leich-
tigkeit. Jeder der übrigen Sänger verdient Lob, beson-
ders der für uns neue Bassist Colini, ein Römer, mit hüb-
scher (leider zuweilen Kehl-) Stimme und gutem Gesänge.
Zu Ende der Stagione gab man zum ersten und letzten
Male Mireckis neue Oper Cornelio Bentivoglio. Herr
Mirecki, ein Pole, der ein Sechziger sein mag, bat bereits
vor mehreren Jahren eine Oper in Genua componirt, und
wurde sodann Director einer Musikschule in Cracau. Seine
angezeigte Oper hat nichts Besonderes aufzuweisen und
ist im Ganzen einförmig.
(Teatro Garcano.) Während der Fasten wurde hier
Fioravanli's Columella (Pulcinella), Donizetti's Lucia und
Torquato Tasso gegeben. Die Prima Donna Agostini und
Buffo Borella, der eben so wie Cambiaggio ein Mailän-
der ist, waren die Besten der Gesellschaft.
Der 10jährige Knabe und fertige Piänofortespieler
Alfred Jael aus Triest Hess sich ein Mal in den Zwi-
schenaclen auf der Scala mit vielem Beifalle hören.
Monza, durch eine Eisenbahn mit Mailand verbun-
den, hatte gewöhnlich nur zur Zeit seines Jobanniqahr-
marktes Oper ; nun prangt sie auch im Carneval auf die-
sem Theater. Die Geschwister Perger (Prima Donna Jo-
hanna und Bassist Ferdinand), die Carletti, Tenor Bono-
melli (Letzteren abgerechnet, sämmtlich Anfänger) waren
für hier in Donizetti's Roberto d'Evreux, Lucia di Lam-
mermoor und Rossioi's Barbiere di Siviglia genügend.
Como. Die Zoja gefiel wohl in Donizetti's Figlia
del reggimento, ihrem Steckenpferde ; so ziemlich Tenor
Bianchi, Buffo Hilaret, weniger Bassist Marchelli (dem
die Rolle nicht zusagte), noch weniger die Musik. Ricci 9 «
Due Sergenü mit der onpässlichen Wanderer, der Spa-
391
1844. Juni. No. 23.
382
nierin Mudoz (ganz Anfängerin) und dem Bassisten Tom;
desgleichen Herrn Speransa's Due Figaro mil beiden be-
nannten Prime Donne und Bassisten, deren Masik eben-
falb wenig benagte, fand theilweise von Seiten der Sän-
ger einigen Applaus.
Pavia. Hier war der Opernappetit so stark, dass man
zwei Theater damit beschäftigte. Im Teatro del Nobile
Condomioio machte Ricci*« (F.) Gorrado d'Allamnra mit
wenig geniessbarer Musik den Anfang. Die brave Griffini,
die Altistin Brambilla (Carlotta), Tenor Ricci und Bari-
ton Marcnsi thaten alles Mögliebe, um keinen ganzen
Fiasco nach Hause zn tragen. In Donizetti's Lucrezia Bor-
gia begann die Dämmerung am Tbeaterborizont und es
wurde darauf ganz hell in dessen Gemma di Vergy, wel-
che Titelrolle der hier gebürtigen Prima Donna die Palme
in die Hand gab.
(Teatro Re.) Die Schwestern Agostini (Rachele urfd
Ersilia), die Tenor© Olivieri und Assandri, Bassist Cee-
eoni hatten die grosse Kühnheit, auf diesem kleinen Thea-
ter Mercadante's grosse Oper Bravo mit einem kleinen
Orchester zu geben. Sintemal der gewöhnliche Riesen-
lärm dieser Musik hier ganz vermisst wurde, so machte
der Bravo bald dem Golumella Platz, worin Boffo Torri
die Titelrolle übernahm, und besonders die Studenten der
hiesigen Universität ergötzte. Die Agostini (R.) erwarb
sich hierauf in ihrem Benefiz, ab Gemma di Vergy, vie-
len Beifall. Auch Coppola's Nina mit der Agostini (E.)
ging nicht übel. (Besohloss folgt.)
Ankündigungen.
HEUE MUSIKALIEN,
welche so eben
im Verlag von IBreltkopf <fe Härtel in Leipzig
erschienen und durch alle Buch- und Musikalienhandlungen zu
beziehe a lind : j^ r j^
Aafeeri II« F. IS*« Die Sirene. Komische Oper in drei
Acten Ton E. Scribe, im ClaTierauszuge mit deutschem
«od französischem Text, in einseinen Nummern.
No. t. Lied Ar Sopran — 7*
- 9. Terzett für Sopran und zwei Tenore — SO
- 5. Lied für Tenor — 7£
- 4. Quartett für zwei Tenore und iwei Basse — 7f
- tt. Recitatir und Arie für Tenor — 15
- 6. Lied für Sopran — &
- 7. Duett für Sopran und Tenor — 90
- 8. Terzett für Sopran, Tenor und Barn — - 20
- 8 b . Romanze für Sopran — tt
- 9. Caratiue für Sopran. . — • 7i
- 10. Chor für zwei Tenore und zwei Basse — 7$
- II. Duett für Sopran und Tenor — t&
- 19. Arie für Sopran — 10
OnTerture zur Oper : Die Sirene für das Pianoforle. — 15
Heethtweil« Ij« vata, Christas am Oelberge. Ora-
torium, Clarieranszug zu zwei Händen ohne Worte, ein*
gerichtet von Carl Czerny 9 —
Dritte OnTerture zur Oper : Leonore in C. für zwei
Pianoforte zu acht Händen einger. tob G. M. Schmidt. 1 90
Brleeialtli« €U, II primo amore. Fantaisie pour la
Flute aTec_accoatpagnement de Piano. Op. 9t — 90
UMller« TM«, Fantaisie ponr le Piano sur des motifs
de f Opera: Sapho de Pacini. Op. 49.
PÜratetaau, A« B.., Die Kunst des Flötenspiels , ia
theoretisch -praettscher Beziehung dargestellt Op. 158,
1 10
8 —
Iieetvrpesltier« A«, 9 petita Difertimemeats pour le
Piano. Op. 89. (No. 1 : Le speetacle ä benelice d*A.
Lair de Beaurais. No. 9i Reine de la praire d*A. de
ModaTe a — 10
RaftT, •!•« 5 Piecescharacteristiqvespoar le Piano. Op. 9. — 90
Scherzo ponr le Piano. Op. 5 — 12*
Morceau de Salon. Fantaisie brillante pour le Piano
sur des motifs de l'Opera: Maria di Bodens de Doni-
zettl. Op. 4 ..
zMentel, K«, 9 Gaprices ponr le Piano. Op. 5
— — Rereries. Noeturnes ponr lo Piano. Op. 6
II Lamento o la Consolaziouc. 9 Romnnces pour
le Piano. Op. 7
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gen Liebe. " 1 Thlr.
Haydal, X« Quatuors pour le Violon en Partition. Edit. com-
plete. No. 49 — 63. Subscriptionspreis 4 Thlr.
(Bis zur Ostermesse 1845 werden simmtliche 85 Nummern
nebst eioem thematischen Register erscheinen. Es ist dies alsdann
die einzige vorhandene Tollstandige Aasgabe in Partitur.)
Itrug, Gutta V, Quatnor für zwei Violinen, Viola und Vio-
loncell. Op. 1. No. 5. 1} Thlr.
(Im Laufe dieses Jahres erscheinen noch drei Quatuors dieses
Componisten unter Op. 8, No. 1 — 5, im gleichen Verlage.)
Sechs Lieder für Pianoforte und Violonccll. Op. 7. Zweite
Lieferung der Lieder (ohne Worte) für Pfte u. Vcelle. 1 Thlr.
Luft, A« Ij«, Sängergrass. Punfanddreissig Lieder Terschiedeueo
Inhalts mit ächten deutschen Volks weisen und neuen Composi-
tionen Ton O. Braune , Fr, Commer, fV. Gönnen, FL Gry er,
A. E. Grell, B. Bauer, A. Haupt, A. JSeithardt und H. A. F.
Putoriut für den ein-, zwei- und dreistimmigen Gesang in Schu-
len., wie nach in kleineren Singerkreisen herausgegeben. Preis
* Thlr.
Bemneider, j*r» Fr., Der 67. Psalm: „Gott sd uns gnä-
dig und segne uns." Für doppelten Mannerchor mit Orchester-
begleitung. Op. 109. Partitur 1 Thlr. Die Chorstimmen T V
Thlr. im Snbscriptionsprris. (Zu dem im Angnst dieses Jahres
bevorstehenden grossen Musikfest in Meissen componirt.)
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905
39*
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 12*» Juni.
M Z4.
1844.
Inhalts Seb. Bach*» Cboratgtaänge und Cantaten. (Fortsetzung.) — Nachrichten: Ans London. Carnevat- and Faalenoptrn n. a. w.
in Italien. (Beschloaa.) Aaa Frankfurt. — Feuilleton. — Ankündigungen.
Seb. Baclis Choral- Gesänge und Cantaten.
(Fortsetzung.)
Betrachten wir dieser Ca u täte gegenüber eine andere
ftlr das erste Osterfest geschriebene: „Christ lag in To-
desbanden.*' Bach hat den Text des Lutherischen Kir-
chenliedes ganz unverändert dazu beibehalten, und somit
für den Gang und die Gestaltung dieser Osiercantate eine
von der vorigen völlig abweichende Aufgabe genommen.
Jene führt von der Schilderung der Freude des gesaram-
ten Wellalls durch deren nähere Betrachtung zum furcht-
losen und ruhigen Blick in das eigene Grab, zur freudi-
gen Erwartung endlicher Auflösung und Verwandlung des
eigenen Leibes an die Pforten des Jenseits hin. — Die-
ser Text verweilt dagegen in steter Betrachtung des Kam-
pfes zwischen Tod und Leben, fasst dessen einzelne Mo-
mente ruhig iu's Auge nnd leitet wiederholenden zum
Bewusstsein im Glauben: „Das Leben hat den Sieg er-
rungen , alle Macht und Gewalt ist dem Tode durch die
Hinopferung des Heilandes entrissen." — Diese Erkennt-
niss führt zur Glaubensfreudigkeit und zum Jubel- und
Preisgesange auf das Fest hin, und so endet diese Fest-
cantate, wie die vorerwähnte begann. — Die ganze Be-
trachtung verlässt den Kreis der gesammten Menschheit
nicht, und tritt nirgends als eine subjeetive hervor. Des-
halb giebt unser grosser Meister folgerecht in seiner Com-
Position niemals den kirchlichen Ausdruck der Gemeine
auf; allen Stücken der Cantate dient gleichmässig der
Cantus firmus des Chorals zur Grundlage, den er den
Textesstropben gemäss in konstreichen und raannieh falli-
gen Bearbeitungen verwendet. Wir müssen uns mit Rück-
sicht auf diese Blätter das nähere Eingehen auf die ein-
zelnen Stücke dieser unstreitig zu Bach** grossarligsten
Schöpfungen zu zählenden Cantate versagen» um die oh-
nebin schon zahlreichen Beispiele nicht noch mehr zu
häufen. — Sie ist ausser dem Streichquartett mit einem
Cornett und drei Posaunen begleitet, und führt nach einer
den Choral andeutenden Einleitung die erste Choralstro-
pbe vierstimmig durch, behandelt die' zweite als Duett
für Sopran und Alt; die dritte mit figurirter, lebhafter
Begleitung der Geigen ist dem Tenor übergeben ; die vierte
ist eine Durchführung für den Chor, den Cantus firmus
im Alt, die übrigen Stimmen fuhren die Melodie der ein-
zelnen Choralzeilen in der Verkleinerung aus. In der fünf-
ten Choralslrophe trägt der Bass den Cantus firmus solo vor,
Violinen und Bratschen ahmen ihn in vierstimmigem Satze
in der Quinte, nach. Die sechste Strophe Duett (So-
46. Jahrgang.
pran und Alt); die siebente vollstimmiger Schlusschoral,
in gewöhnlicher einfacher Haltung. — Wie nun diese
beiden Cantaten ihrem Inhalte und ihrer Anordnung nach
wesentlich von einander unterschieden sind, so ist auch
der rein musikalische Theil in keinem Puncte mit einan-
der ähnlich. Bei der jetzt schon weiteren Verbreitung der
Orgel- und Claviercompositionen unseres Meisters ist ea
zu bekannt, dass Bach sich nicht leicht wiederholt, und
obwohl er seine ihm ganz eigentümliche Schreibart hat,
doch an keinen stehenden, stets wiederkehrenden Formeln
zu erkennen ist. Bach ist frei von aller Manier, und die
dichterische Mannichfaltigkeit, welche sich so vielseitig in
seinen Instrumentalcompositionen offenbaret, findet sich
ebenfalls in den Anfangscompositionen und überreich vor,
ungeachtet Bach fast nur allein für die Kirche geschrie-
ben bat. Seine Gesänge sind wahrhaft von dem heiligen
Geiste durchdrungen, und der ernsteste und würdigste
Sinn bringt sie künstlerisch zur Aussprache. Und den*
noch, wie sehr widersprechen sie formell Dem , was die
alte Schule gemeinbin Ktrcbenstyl zu nennen pflegt. Schon
die beiden hier näher betrachteten Ostercantalen bezeu-
fen dieses. Indem jene sich grösstenteils in ganz freien
ormen bewegt, hält sich diese ganz eng an den gebräuch-
lichen Kirchengesang der Gemeine, der seiner Natur nach
die sich mit ihm vereinigenden Formen beschränkt. Wo
aber dies nicht der Fall ist, da tässt sich Bach ungehin*
dert gehen, und »bedient sich jeder Form, wenn diese nur
wahr, erschöpfend und Anschauliebkeil gebend im Aus-
drucke ist. — Eben an Seb. Bach kann man es recht
deutlich erkennen, dass nicht eine oder die andere Schreib-
art allein auf die Bezeichnung Kirchenstyl Anspruch ma-
chen darf, sondern dass eben nur der mit dem Heiligsten
und Höchsten erfüllte Geist die Sprache zu reden ver-
mag, welche das Erhabenste anschaulich macht, und dass
sich das Niedrige und Unwürdige dann von selbst aus-
sehliesst. — Es ist wohl seltsam, dass fast hundert Jahre
vergehen mussten, bevor dies an Bach erkannt wurde.
Die Theoretiker, welche aus seinen Werken die Norm
für den Satz, die Scheidung eines Kirchen- und Kammer»
slyls entwickelten , waren gerade für den tiefen poeti-
schen Sinn seiner Kunstwerke verschlossen geblieben,
und schrieben ihren hoben künstlerischen Werte ganz
anderen Dingen als diesem zu. — Und dennoch treten
uns in einer Menge seiner Kirchengesänge am Allerschla-
gendslen gerade die Beweise entgegen, dass Bach sich
der verschiedenartigsten Schreibarten bediente, wenn sie
ihm das Rechte, Wahre, hier Passendste erschienen. Wie
24
385
1844. Juni. No. 24.
386
Baini in Palestrina zehn verschiedene Style nachweist,
so Hesse sich in ähnlicher Weise an Back eine ungleich
grössere Anzahl ohne Mühe herausfinden , und wie wir
in ihm» im eigentlichen Sinne des Wortes, den Prototypus
der evangelischen Kirchenmusik erblicken» so spiegeln
sich auch in den von ihm gewählten Formen die Rieh*
tungen, welche später die Kunst genommen, un widerstreit-
bar ab. — Einige Beispiele mögen das Angedeutete nach-
weisen. — In der Ca n täte : „Jesus schläft, was soll ich
hoffen iC erbebt der Tenor in einem Recitative die Klage
über die Bedrängniss des Christen, während der Herr schläft,
und knüpft daran die Bitte, ihm in der Gefahr den rechten
Wep zu zeigen. Eine kräftige Arie mit Quartettbegleitung:
„Die schäumenden Wellen von Belials Bachen,*' Gdur,
%-Tact, in feurigem Tempo schildert die Gefahr des
Weges. Die Begleitung ist durchweg malerisch 5 eine rol-
lende Figur in der ersten Geige scheint die Gewässer des
Sturzbachs zu bezeichnen ; in den kräftigen Rhythmen des
Basses zeigt sich ein mathvolles energisches Anstreben, die
zweite Geige und die Bratsche geben das Bild eines mü-
hevollen sich Entgegenstemmens. Hier der Anfang der
Arie« in der ich etwas Mozart Eigentümliches finde.
Violini.
I
»3=
^
m
■«g-X—E-
f
f
s
15
PS
^QH^ r ^"^"^ ^
5=a
&
15
Die schäumen- den Wel-len von Be
li - als
BS - eben ,
Eine Mischung des strengen mit freiem Style findet
sich unter Anderen in der schonen Canlate: „Herr wie
du willst, so schick' s mit mir." Ich wühle einige Bei-
a Violini. °
Die schau - men - den
spiele aus der Bassarie (G moll), welche eine Menge aus-
drucksvoller Momente in melodischer und harmonischer
Beziehung darbietet*
397
1844. Juni. "No. 24.
508
so preist ihr To - deg-schmer - zcn die Seuf-ser aas dem Herzen, wenn mein Gebet Dar vor dir gilt. n. s.w.
i/ i'/V^'i'i t U 1 '^^^
Merkwürdig ist in nachfolgender Stelle noch, neben dem I ungewöhnliche Begleitung, . welche offenbar den Klang
ausdrucksvollen Gesänge, die einfache, bei Bach ganz | der Glocken darstellen soll.
ich fol-ge oo-er-fchrocken, Belo J«m - mer ist fogleich ge • ttillt!
Viol»
m
J|jJ j r
^rg,,^ t tfE&ji t j
*-j— 3 — r
£
Tf r "rrr "r r r
Stempel« — Uebrigens ist es bekannt, dass Seb. Bach
mehrere Aasflüge nach Dresden, wo damals Hasse , die
Faustina and mehrere andere grosse Sänger Italiens leb-
ten, gemacht hat. Seine Leichtigkeit im Auffassen und
sieh Aneignen gehörter Tonstücke bestätigen dessen Bio-
graphen einstimmig. Hasse baute auf dem Grande der
neueren neapolitanischen Schale fort. Das konnte Bach
ausnahmsweise mit Hintansetzung seines eigensten We-
sens wohl auch einmal unternehmen, und es wäre sogar
denkbar, dass Bach die ganze vorliegende Cantate, wenn
auch nicht für Dresden, doch für die Dresdner geschrie-
ben haben könnte, welche noch heute (im Jahre 1839
geschrieben) ihrer entschiedenen Vorliebe für italienische
Musik nicht entsagen können, und selbst anmittelbar nach
unseres Meisters grosser Passionsmusik noch einer Sym-
phonie oder einer brillanten Ouvertüre als Scblasssteines
bedürfen. Doch wir kehren za unserem Pastorale zurück
und setzen den Anfang desselben ausführlich hin, wobei
noch zu bemerken, dass auch die Behandlung der be-
gleitenden Flöte sich mitunter ganz modern vernehmen
lässt.
Wenn schon diese wenigen Beispiele das Angedeutete
vollständig bestätigen, so dürfen wir doch, selbst mit der
Absicht , die Beispiele für diese Blätter nicht ohne ,Noth
zu häufen, noch einige besonders merkwürdige Fälle nicht
übergehen. — So beündet sich in der Cantate : „Bedenke
Herr, wie es uns gehet" eine Altarie, welche unter
Bach's Arbeiten höchst auffallend, fast einzig dasteht. —
Eine liebliche, anmulhige Cantilene, in höchster Einfach-
heit harmonisch und melodisch sich entfaltend, die Be-
gleitung im gleichen Contrapunct fast nur in Vierteln,
hin und wieder eine kurze Phrase der Singstimme nach-
ahmend, erinnert sie mehr an die mild frommen Gesänge
Jos. Haydns , als an den tief kräftigen , selbst im lyri-
schen Ergösse Energie nicht verleugnenden Sebastian.
Man wäre versucht, sie für unächt za halten, wenn nicht
die Anordnung der Aufgabe vollkommen entspräche und
wir schon in ihm den Künstler erkannt hätten, der wie
im prophetischen Geiste Saamenkörner in seinen Wer-
ken ausstreute, deren Wacbsthum und Blüthe einer spä-
teren Zeit vorbehalten blieb. — Auch zeigt sich am Schlüsse
des zweiten Theiles der Arie derlfacA'sohe eigentümliche
1844. Juni. No. 24.
400
- neu WM -der!
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sagt, sagt — — wo treff ich Je-swn an? sagt
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Um die Beispiele verschiedenen Styles mit moder- I folge Doch das Thema eines Duetts mit obligater Oboe aus
nen Anklängen bei grosser sinniger Tiefe zu beendigen, | der Cantale: „Wachet auf, ruft uns die Stimme**:
BCDOi
den, aueia Freund ist mein.
Mein F reo od ist
und ich Mo sein,
Heia
401
1844. Juni. No. 24.
402
if 7-r g c t g-f-c ar c f j-r.r |r ? : c c 1 1 \ t üj t ^ ^
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mein , die Lieb« soll nichts scheiden , mein Freund ist mein ,
die Liebe soll nichts scheiden , die Lie - be
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Freund ist mein
und ich bin sein,
nnd ich bin sein, die Lie-
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soll nichts sebei
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und ich bin sein , die Lie - be soll nichts schei
(man betrachte im Beispiel b den achten und neunten Tacl, I gater Violine, Oboe und Violoncello aus der Gantale t
wie den Schluss) ; das einer herrlichen Sopranarie mit obli- | ,,Also bat Gott die Welt geliebet":
.Mein glau-bi - ges Her - ze, froh-lo-cke, sing', scherze, froh-lo-cke, sing, sc her- ze, m ein
C2E53 'CSSSSäS S5E5S53 6555
Je - sns ist dal
mein glanbi
ges Her- ze, froh-lo-cke, sing', scher- ze, froh - l o - cke , sing 1 ,
das Thema einer Tenorarie aus: „Herr, wie da willst, so schick's mit mir";
Aitorn.
Ach, sen- ke doch den Geist der Frende, den Geist der Fren
* i- ß m ij — ß — =j£ — +-
- de den Herzen ein ! n. s. w.
405
1844. Juni. No. 24.
404
der Allfaag eines Dnett's aus: „Der Herr ist mein getreuer Hirt":
Violini. „^
D« bc - reitest fiir mich ei- Den Tisch vor mein'n Feinden al - lent - btl
ben, •! - lent-
und das Thema einer Tenorarie aus: „Half im Gedächtniss Jesum Christ":
J- 3
Mein Jesus ist er- stao - den, al - lein was schreckt mich noch ?
Mein Jesus ist er- stan - den, al-
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irm f fr-
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ffTJCjl r >tFJ c ^TTVKCfci|[l*rg^
lein , was schreckt mich noch ? AI - lein, was schreckt mich noch ? Allein ,
was schreckt mich noch ? n. s. w.
Nach diesen wenigen Andeutungen erklärt es sich, welch
eine grosse Masse von unbekanntem Material noch nähe«
ren Stadien ganz unbenutzt vorliegt, da jede der Ca nu-
ten in der Regel ausser einem Einleilungschore und dem
Schlusschorale einige Recitative und Arien oder Duett's
(diese jedoch seltener) enthält. Sehen wir uns darin um,
so begegnen wir manchem uns hei anderer Gelegenheit
bekannt Gewordenen, nnd werden zum Vergleiche des
neuen Fundes mit dem Gekannten aufgefordert. — So
enthält die mir vorliegende Sammlung mehrere Choral-
bearbeitungen , wie sie in der bei Rreitkopf und Härtel
erschienenen Sammlung von Ghoralvorspielen unverändert
stehen. Z. B. gleich das erste der Sammlung über: „Wa-
chet auf, ruft mir die Stimme" (in der Cantate über den-
selben Text); Geigen und Bratschen tragen die Oberstimme
vor, im Solo Tenor den Cantus firmus mit dem Text:
„Zion hört die Wächter singen. " Desgleichen No. 2:
,, Meine Seele erbebet den Herrn/ 4 Duett für Alt und
Tenor zum Texte: „Er denket der Barmherzigkeit";
zwei Oboen und Trompete fähren den Cantus firmus. —
Desgleichen No. 4: ,,Wer nur den lieben Gott lässt wal-
ten," ein Duett für den Sopran und Alt zur vierten Stro-
phe: ,,Er kennt die rechte Freuden fülle;" den Cantus
firmus tragen Geigen und Bratschen vor, und mehrere
andere. —
(Fortsetzung folgt.)
405
1844. Juni. No. 24.
406
Nachrichten.
Benedicts Oper „Die Braute von Venedig 66 auf
dem Drury-Lane- Theater in London.
Die englischen Tagesblätter sprechen sich einstimmig
im höchsten Grade günstig über diese Oper nnd ihren
Erfolg im Publicum aus; der folgende Artikel, einer der
kürzeren über diesen Gegenstand, ist den: „News of
the World«* entnommen.
London, den 27. April. Diese längst versprochene
Oper wurde vergangenen Montag mit grossem Erfolge
aufgeführt. Hohe Erwartungen waren durch des Compo-
nisten bekannte Fähigkeiten in den musikalischen Krei-
sen erregt, und da derselbe sein Talent schon in seiner
frühern Oper „Zigeuner's Warnung •* bewährt hatte, so
war das Haus an jenem Abende fast überfüllt. —
Die erwähnte Oper „Venedig's Bräute" ist eine mei-
sterhafte Composition; sie ist voll kunstreicher Arbeit,
reich an neuen und eigentümlichen Melodieen, und an
Motiven» die in höchst einnehmender Art ausgeführt sind ;
in den Ensemble's und Chören ist eine Breite und Gross-
artigkeit, wie sie selten in neueren Opern gefunden wird,
und die sorgsame und zugleich eigenthümlicbe Art, mit
der sie behandelt sind, verdient das höchste Lob. Es ist
bekannt, dass Benedict der Lieblingsschüler Weber** war,
und wir finden in dieser Oper dieselbe Aufmerksamkeit
für Instrumentaleffecte, welche jenen Componisten so sehr
auszeichnen; alle Hilfsmittel des Orchesters sind vorge-
fahrt, mehrere dieser Effecte sind ungemein gut. Beson-
ders hervorzuheben ist hierin die geistreiche Ouvertüre,
'deren Wiederholung verlangt wurde, und die einleitende
Musik des zweiten Acts ,,die Sturmscene." Uebrigens hat
der Componist auch Das nicht vernachlässigt, was für die
grosse Masse anziehend ist, nämlich Melodieen einzufüh-
ren, die das Gedächtniss leicht behält; wir finden in die*
ser Oper mehrere vortreffliche Stücke, frisch und glän-
zend, und mehrere der Balladen werden sich anhalten-
der Popularität erfreuen.
Die erste Ballade, gesungen von Mus. Alfred Shaw,
„Ob memory cease to grieve" ist voll Gefühl und Ausdruck;
wirkuogsreich und brillant ist Borranf* Arie „Laugb and
woo and flatter," die meisterhaft bebandelt und zugleich
eine Composition von hohem Werthe ist.
Die gefallige Ballade „Oh now the Summer's Day,"
von Miss Romer vorgetragen, leitet in einen sehr eigen-
tümlichen Prauenchor ein, der laut da capo verlangt
wurde ; dieser Chor ist in einem parlanten Styl gebalten,
der ganz originell und von überaus guter Wirkung ist.
Dann folgt ein geistreiches Quintett, und Harrüon
singt eine reizende Ballade ,,If a tear should repose,"
die sehr beliebt werden wird durch ihre Fülle von Melo-
die nnd Gefühl. Das „Madrigal/* welches in der folgen-
den Seene vorkommt, ist eines der herrlichsten Stücke,
die wir seit langer Zeit gehört haben. Es wurde bewun-
dernswürdig gesungen und fand so lebhaften Beifall, dass
es beinahe zum dritten Male verlangt worden wäre.
Im zweiten Act hat Mrs. Alfred Shaw einen sehr
wirkungsreichen Gesang „Thesmite that plays on woman's
eheek," uni Harrüon eine Ballade „At morn I stood upon
the beach," die von besonderer Schönheit nnd Grazie ist,
und welche er in vortrefflichem Style vortrug; dieser Ge-
sang ist eine der vortrefflichsten Nummern der Oper, die
reizende Melodie nnd der Ausdruck in derselben werden
sie sicherlich zu einem der populärsten Stücke machen,
die seit lange gesungen worden sind.
Ein sehr gefälliges Duett zwischen Miss Romer nnd
Harrüon „Banish all fear" wurde sehr lebhaft beklatscht.
Das Finale „Like the fettered bird," von Miss Romer
gesungen, ist sehr treffend und glänzend und bringt einen
sehr wirkungsreichen Schlnss hervor.
Wir haben die erwähnten Nummern der Reihe nach
genommen , wie sie vorkommen ; es bleiben ausserdem
noch verschiedene Chöre, Ensemble's nnd Arien einer be-
sondern Erwähnung als vortrefflicher Compositionen werth,
die auch mit grossem nnd verdientem Beifall aufgenom-
men wurden. —
Die Handlung ist, so viel wir wissen, aus „Roger**
Italien" entnommen, und Mr. Bunn, der Autor des Buchs,
hat die meisten seiner Materialien sehr vorzüglich nnd
poetisch aufgefasst.
Die Oper beginnt in einem erleuchteten Casino, wo
Sorranzo (Borrani) unter einer heitern Gesellschaft jun-
ger venetianischer NobiU sein Glück in der Liebe, wie
im Kriege rühmt; er wird von einem arabischen Mädchen
Naama in der Verkleidung eines Pagen bedient, die ihn
früher aus maurischer Gefangenschaft befreit bat. Sie
bringt ihm einen Brief von der lieblichen Francesca (Miss
Römer), der Braut Alberto's (fF. Harrüon), welche seine
Bewerbungen aber mit Verachtung zurückweist.
Er wüthet sehr über dieses Fehlschlagen, schwört
ihr tätliche Bache nnd eilt, seine Pläne mit Hilfe der ihm
verbündeten Piraten in Ausführung zu bringen. Eine glän-
zende Scene folgt nun , die Vermählung des adriatischen
Meeres mit dem Dogen, wobei alle Bräute Venedigs ge-
genwärtig sind. Die Festlichkeiten schreiten fort, der Ball
ist im vollen Gange und alle Vergnügungen auf der höch-
sten Höhe, als plötzlich Sorranzo an der Spitze der Pi-
raten erscheint und die Galeere mit den Bräuten Vene-
digs entführt, während die Zuschauer zu sehr überrascht
sind, um ihnen folgen zu können.
Der zweite Act zeigt die Insel der Piraten; ein
Sturm bricht aus , ein Schiff erscheint und leidet Schiff-
bruch; die Piraten stürzen heraus und bringen Alberto
mit sich, den Naama erkennt. Sie findet Gelegenheit, ihm
zu sagen, dass Sorranzo Francesca in einem Kerker des
Schlosses gefangen hält, und räth ihm, um Gelegenheit zu
Francesca's Befreiung zn bekommen, zur Bande zu tre-
ten, worein er auch willigt.
In der nächsten Scene mit doppelter Handlung er-
blickt man oben die zechenden Piraten, unten die un-
glückliche Francesca in ihrem Kerker. Durch Francesca's
Festigkeit gereizt, entschliesst sich Sorranzo, Gewalt zu
gebrauchen. Naama hat inzwischen Alberto durch einen
geheimen Gang in den Kerker geführt, als sie aber Sor-
ranzo kommen hört, weicht sie zurück, aus Furcht, ent-
deckt zu werden. Die Piraten, welche Sorranzo und Naama
in heimlichem Gespräch gesehen haben, vermutben Verrath
gegen sie, und folgen ihnen heimlich nach dem Schlosse,
Als sie später Naama wieder nach dem geheimen Wege
407
1844. Juni. No. 24.
406
schleichen sehen, ergreifen sie dieselbe, ind dringen in sie»
zu gestehen, dass sie Sorranzo behilOich sei, die von ihnen
erworbene Beule hinwegzubringen. Sie längnet dies; da
aber ihre Eifersucht durch Sorranzo's Aufmerksamkeiten
für Francesca erregt ist und man schon von Ferne die
Kanonen der venetianischen Galeeren hört, so verspricht
sie 1 den Piraten, ihnen den geheimen Gang zu zeigen. Sie
finden Sorranzo, der, als er sich dnrch Naama verralhen
siebt, sie ermorden will, wem« er aber verhindert wird.
Die Venetianer erobern das Schloss und dringen in den
Kerker ein, Sorranzo wird gebogen genommen $ Alberto
und Francesca erhalten ihre Freiheit wieder.
Die Darsteller verdienen grosses Lob für ihre An*
strengungen.
Mrs. Shaw war sehr gut bei Stimme und fang durch-
gebends vortrefflich; Miss Romer schien mit ungewöhn-
licher Lust in ihre Rolle einzudringen, und sang kräftig,
glänzend und mit lautem Beifall. — HarrUon sang, wie
immer, reizend, mit viel Gefühl und Ausdruck, und JJnr-
rani hat um so mehr Recht auf eine günstige Beurtei-
lung, als er seine Rolle kurz zuvor, in Folge von Stret-
ioris Krankheit, übernommen hatte. Das Orchester wie
die Chöre gingen bewunderungswürdig präcis, die letz-
teren besonders wurden nie vorteilhafter gehört.
Mr. Bunn hat nichts gespart, die Oper glänzend auf
die Bühne zn bringen; sie ist unbestritten das glänzendste
Stück, was er bis jetzt vorführte. Die Gebrüder Grien*
haben mehrere sehr schöne Decorationen dazu gemalt.
So ist die Scene mit der Geremonie der Bräute von Ve-
nedig ungemein brillant. Die Tänze, Gruppen von Mas*
ken, der glänzende Zug des Dogen und der Bräute in
ihrem hochzeitlichen Costüme, die Landleute, welche ihre
Verehrung hei der Capelle der Madonna darbringen -~
«lies Dies verbindet sich zn einer höchst glänzenden und
wirkungsreichen Scene. —
Der Anblick auf die Pirateniasel mit dem ausbrechen-
den Sturm ist reizend gemalt, nnd die letzte Scene mit
der doppelten Handlung ist sehr sorgsam nnd effectvoll
ausgeführt und vollkommen neu in der Einrichtung, in-
dem das Düstere des Kerkers in der unteren Hälfte der
Bühne mit dem Glänze der Decoratienen nnd der Lichter
in der oberen sehr wirkungsvoll conlrastirt. Schon als
Schauspiel allein würde diese Oper grosse Ansprüche auf
Erfolg haben. Reicher Applaus begleitete die ganze Oper.
Benedict wurde bei seinem Eintritt in das Orchester hui
begrüsst. Beim Ende des ersten Actes, wie am Schlüsse
der Oper mueste er auf der Bühne erscheinen. Er führte
Miss Romer, Harrison nnd Borrani mit sich. Mrs. Al-
fred Shaw erschien hierauf allein.
Carneval-undFastenopernu. s. w. in Italien.
(B«sehlus6.)
Lodu Mercadante's Giuramento verunglückte. Die
gar nicht üble Prima Donna Montucchielli, Tenor Berto-
lasi nnd Bassist Rigbini konnten dem grossen Fiasco nicht
entgehen; in der zweiten Vorstellung Hess man den er-
sten Act nicht enden, und das Theater wurde geschlos-
sen. Der ans Mailand schnell hergeholte Tenor De Gat-
tk machte die Ssche nicht besser. In Belliai'a Beatrice,
worin Tenor Bossi-Gnerra und die Comprimaria Solan
wirkten, ging es viel besser. Mit Donizetti's Figlia del
reggimento erwarb sich die Montucchielli noch mehr die
Gunst des Publicums. In Ricci's Cbiara di Rosenberg; sang
Herr Bertolasi abermals, desgleichen Buffo Galli (Vinc),
und auch diese Oper ging ziemlich gut.
Crema. Verdi's pabueodonosor und Fioravanti's Co-
lumella fanden auch hier Anklang, wozu die beiden Prime
Donne Colla, Bontempi, Tenor Bestoni, Buffo Porella und
Bassist Vajro das Ihrige beitrugen.
Cremona. Sänger von geringem Caliber, meist An-
fänger: die Gaspani, die Ricca, Tenor Benedetti, Bariton
Gnone, Bassist Mitrowich missfielen nicht in Verdi's Na-
bueodonosor; die Chöre standen der Bands weit nach.
Die zum ersten Male auf dieser Bühne singende Prima
Donna Truffi erwarb sich hierauf verdienten Beifall in
Donizetti's Lucia. Der zum zweiten Male gegebene Ro-
berto il diavolo von Meyerbeer erfreute sich von Seite
der Musik abermals der besten Aufnahme ; besonders brav
war die Truffi = Alice und Milrovich = Beltramo; die
Uebrigen so so.
Bergamo hatte die Gambardella, die Zenoni, die Te-
nore Bonfigti, Cosetta, den Bassisten Rossi und Buffo
Maspes. Mercadante's Bravo, woran benannte Virtoosi ohne
Rossi Aotbeil nahmen, verunglückte wegen Bonfigli's On-
pässlicbkeil , und ging mit dem ihn ersetzenden Tenor
Biacchi nicht viel besser. Willkommen war darauf des
Landsmanns Don Pasquale, in dem Herr Rossi mitwirkte
nnd leider Tenor Cosetta uopässlieh sang, Herr Biacchi
gab Verdi's Nabneodonosor zu seinem Benefiz, worin die
Valtorta, Schülerin des Herrn Forini, Singmeisters an
Mayr's Musikinstitut, in der Rolle der Fenena viele Auf-
munterung erhielt und theilweise das Ganze stark ap»
plaudirt wurde.
Brenno und Gadino. Der Impresario Tenor Giovan-
nini producirte in diesen beiden volkreichen ind us tri Ösen
Marktflecken der Proviuz Bergamo Donizetti's Elisir 4'a-
more, worin im ersten. Orte, nebst seiner eigenen Vir-
tuosität, die Vaschetti, Buffo Papa, Bassist Parmigiani die
Hauptzierden waren; im zweiten Orte löste die Boliti die
Vaschetti, und Di Franco Herrn Papa ab;' die Zuhörer
waren beglückt.
Brescta. Die Hofmann, Tenor Gardoni, Bassist Fe-
drighini und Buffo Rovere, keiue grossen, aber auch keine
kleinen Virtuosi, besonders Letzterer« erhielten in Doni-
zetti's Figlia del reggimento kaum einigen Beifall. In des-
sen Regina di Golconda, worin die Franceschini - Rossi
die unpässliche Hofmann ersetzte, ging es kaum besser.
Mantua begann die Slagione mit Verdi's Nabucodo-
nosor, worin die Pinelli und Mori, Tenor Severi, die Bas-
sisten Conslantjni (Titelrolle) nnd Fiori nach Kräften zum
guten Erfolge der Oper beitrugen ; geschrieen wurde gar
nicht selten , was aber als die wahre Seele des schonen
.Gesanges in der heutigen non plus ultra raffinirten Oper
betrachtet wird. Rossini's Assedio di Gorinto gehört nicht
mehr zn dieser Gattung Opern, daher wurde er bald von
Donizetti's Parisina aus der Scene verjagt. Eine andere
Gesellschaft (die Zagnoli, Tenor Comassi, die Bassisten
Napoleone Rossi nnd Casanova) gab am 16. März Ricci's
Chi dura vince, darauf DonizeUi's Elisir mit Glück.
409
1844. Juni. Xo: 24.
41p
Legnam. Donizetti'* Gamma di Vergy wurde mit
lauter Anfängern in den Himmel erhoben. Prima Donna war
die Rnsmini-Solera, Tenet 2*lia«i uod Bassist Gandiou
die Rusmini uod Gaudini sied Beide Zögliege des Maiiao»
der Conservatoriuins und können vielleicht etwas werden ;
Silingardi gab den Guido. Ricci's Chi dura vinee gefiel»
Eine Luigia Milanopulo betrat zum ersten Male die Bühne
in Donizetti's Figlia del reggimento mit einem schmei-
chelhaften Empfang.
Verona. Peri's Ester d'Engaddi zog kaum in der
Folge an. Die brave Mattkey und der gute Bariton Co-
lini waren die Vorzüglichsten; nach ihnen Tenor Vitali
und Bassist Del Pesce. In Verdi's Nabuceo wirile vor
Allen Colini (Protagonist) , sodann die Strepponi (gute,
aber fertige Sängerin), die Tizzoni, Tenor Ferrari und
obbenannter Bassist (sä mm l lieh so so); Beifall theilweise.
Um die Hälfte Febrnar gab man abermals Meyerbeer's
Roberto il diavolo mit Beifall. Leider sang Colini nicht
darin. Die brave Matlhey wurde als Alice stark applau-
dirt. Die Strepponi machte die Isabelle, Ferrari den Ram-
baldo, Del Pesoe den Bertram, und Vitali die Titelrolle
nach Kräften. Die Mattbey gab za ihrem Benefiz den drit-
ten Act des Roberto il diavolo und den zweiten der Norma.
Vicenza. Das Theater Eretenio machte schlechte Ge-
schäfte. Die erste Oper Osti non Osti verunglückte ganz.
Ricci's Scaramuccia erhielt sich kaum mit der alten Dc-
meric nnd dem Bnffo Pozzesi. In Bellini's Capuleti machte
blos der Maler Furore, alles Uebrige war Orrore.
Hassane Erst am 21. Januar wurde hier das Thea-
ter mit Ricci's Chi dura viace eröffnet. Tenor Pelosi und
Bassist Mouachesi waren die Gefeiertesten, nach ihnen die
Prima Donna §asso; Buffo Magrioi war unpässlich. Im
Nuovo Figaro wurde er durch den Buffo Dionese, nnd in
den Esposii die Sasse durch die Gabbi ersetzt. Sämmt-
liche drei Opern del celebre Maestro Ricci erregten kein
grosses Gefallen.
Padua. Die Mazzarelli, Tenor Santi und Bassist Man-
zocchi machten einen Superlativen Fiasco mit Donizetti's
Maria Stuarda. Schnell gab man Bellini's Beatrice, worin
die Mazzarelli die Titelrolle, die Turpini die Agtese, Man-
zocchi den Filippo und Santi den Orombello machte, Und
tbeil weisen Applaus erhielten. Das Einförmige und Trau-
rige dieser Oper wurde durch Donizetti's Figlia del reg*
gimento sehr bald aus dem Theater verscheeebt; Herr
Luisia löste darin den Bassisten Manzocchi ab. Die Maz-
zarelli zeigte sich in Ricci's (F.) Prigione di Ediinburgo
ebenfalls in einem vorteilhaften Lichte*
Venedig (Teatro alla Fenicc). Hanptsänger: Prime
Donne Löwe und Ober-Rossi (zwei Deutsche), Altistin
Vietti; Tenore Conti und Guaseo (Letzterer erst in den
Faaten) nebst Bettini j Bassisten Snperehi, Latour, Meinj»
Verdi's Lombardi alla prima Crociata machten auoh hier
anfänglich, wie sein Nabucco, kein Aufseben; mau fand
zu viele Aebnlichkeaten zwisehen beiden $ die Löwe, Sn-
perehi nnd Conti wurden indeas oft applandirt. Pacini's
Fidanzata Corsa mit der Ober(mayer) 9 der Vietti nnd La-
tour (alle Drei zu den besseren Virtaosi gehörend) verun-
glückte der Musik wegen. Die Loerezia Borgia, mit der
Löwe (nnpässlieb?), der Vietti, Tenor Baldanza nnd Bas«
sisten Meini, befriedigte gar nicht; etwas besser ging die
(Zm Ifo.
Gemma di Vergy mit der Ober» ftettini »tri Latour. Die
neue Oper Giuditta> vom hier gebürtigen Maestro Letii
(einem Hebräer), wurde aus Noth drei Mal gegeben ; man
wusste wahrhaftig nicht» ob die Sänger (Löwe, Vietti,
Baldanza nnd Superchi) unpässlich waren, oder ob ihnen
die Musik nicht anpasste, denn es werde erbärmlich disto-
nirt. Am 9. März ging endlich die so sehnlich erwartete
nene Oper Ernani von Verdi in die Scene (Hauptsäu-
ger: die Löwe, der ans Turio angekommene Tenor Guaseo,
und Superchi), und machte nach und nach Furore. Verdi
scheint eben so, wie Bossini, Paoini, Donizetti, Merca-
dante, Bellini und Ricci, seine eigene Epoche zu machen
nnd nächstens der Abgott der italienischen Oper zn wer-
den, so wie es benannte Herren zu ihrer Zeit waren,
obwohl Niemand von ihnen, oder besser zu sagen, Alle
zusammen nicht, mit Ersterem ihrem Stammvater einen
Vergleich aushalten. Verdi, dem man melodische Origina-
lität nicht absprechen kann, ist ein chemisches (nicht me-
chanisches) Compositum aus Rossini, Bellini, Donizetti
nud Mercadaute, welchem Letztern er besonders in Be-
treff der Massen nachstrebt. In seiner neuesten Oper Er*
nani neigt er sieb mehr zu Bellini hin; das Largo des
Finale in der Prima Parte, die Arie des Superchi in der
zweiten» ein Chor in der dritten nnd ein Terzett am Ende
sind die sohönslen Stücke der Oper. Summa Summarum: die-
ser neueste Modemaestro der italienischen Oper hat eigent-
lich nichts Eigenes, was seine Musik znr letzten Modewaare
stempeln konnte, und steht in dieser Hinsicht hinter Do-
nizetti, Bellini und Mercadaate, ist aber stets, vornäm-
lich für Nfobtkenner, in melodischer und harmonischer
Rücklicht interessant«
(Teatro S. Samuele.) Eine sehr bescheidene Com-
pagnia di Virldosi gab hier Opere buffe, und begann die
Stagiene fröhlich mit Rossini'* Barbiere dt Sivigüa. Ricci's
Opera: II diavolo condannato a prender moglie, und Ser
Petronio brachten der Theatercasse wenig ein. Auf dem
Teatro S. Beuedetto machten Ricci's Chi dura vinoe
und Donizetti's Figlia del regghnento einen Wetteifer-
Fiasoo.
Triest. Hanptsänger : die Abbadia und Corini, Tenor
Mirale, die Bassisten Crivelli, Anconi und Zanchi. Nach-
dem Donizetti's Gemma di Vergy mit der Abbadia, Mi-
rale und Crivelli, in der Eile, nicht am Besten gegeben,
eine lane Aufnahme gefunden, gab man Meyerbeer's Ro-
berto il diavolo mit Beifall. Der hiesige Osservatore Trie-
stino machte bei dieser Gelegenheit die ausdrucksvolle
Bemerkung: „Vorigen Herbst halten wir die Sänger,
diesen Cafneval die Oper." Der Robert gefiel aber immer
mehr init Zunahme der Gesundheit des Herrn Anconi =±
Beltramo. Da sowohl Ros*ini*s Gugltelmo Teil, als Doni-
zetti's Favorita Fiasco machten , so war der Roberto il
diavolo die einzige Oper der Stagione, die, bei aller zum
Theil mittelmässigen Executioo, sich am Meisten auf*
recht erhielt.
Statistische Üeb ersieht der Cameval- und
Fastenopern in Italien.
84, sage vierundachtzig Theater öffneten in Italien
vorigen Carneval der Oper ihre Pforten. Hiervon das Lem-
, 84.)
411
1844. Juni. No. 24.
412
bardisch- Venezianische Königreich 23, der Kirchenstaat 18,
Piemont mit Inbegriff Sardiniens, Genua's und Nizza's 15,
das Königreich Beider Sicilien 12, Toscana 10, Modena 3,
Parma 2, Lucca 1.
Eilf neue Opern worden componirt: 4 zu Neapel
(Calerina Cornaro, Margarita d'Aragona, Fenicia, I Zin-
gari), 3 zu Mailand (Sofonisba, Ebrea, Cornelio Benti-
voglio), 2 zu Venedig (Giuditta, Ernani), eine zu Genua
(Ernani), und eine zu Orvielo (I Pirati di Cadice).
Drei neue Maestri sind entstanden (Francesco Chia-
ramonti, Luigi Petrali und Carlo Pedrotti*).
Aeltere Opern wurden gegeben:
Donizetti auf 56 (also gerade auf % der gesamts-
ten Theater !) : Figlia del reggimento auf 14 (vivano i
tamburü); Linda di Chamounix auf 10; Lucrezia, Lu-
oia, Elisir, jede auf 8; Gemma di Vergy auf 7; Marino
Faliero auf 5; Maria Padilla, Don Pasquale, jede anf
4; Torquato Tasso, Maria di Rüden z, jede auf 3; Pari-
sina, Roberto d'Evreux, jede auf 2; Esule, Ajo, Olivo e
Pasquale , Anna Botena , Regina di Golconda , Furioso,
Campanello, Betly, Favorita, jede auf 1.
Bellini auf 19 : Beatrice 7 ; Puritani 6 ; Norma 3 $
Sonnambula 2; Capuleti, Straniera, jede auf 1.
Ricci (Luigi) auf 15: Chi dura 6; Nuovo Figaro 3;
Cbiara, Esposti, Scaramuccia, jede auf 2; Orfanella, Due
Sergenti, Ser Petronio, II Diavolo u. s. w., jede auf 1.
Mercadante auf 14: Giuramento 6j Bravo, Vestale,
Elisa e Claudio, jede auf 2 ; Gabriella, Regierte, jede auf 1.
Rossini auf 13: Barbiere 8$ Assedio di Gorinto 2;
Cenerentola, Semiramide, Guglielmo Teil, jede auf 1.
Pacini auf 10: Saffo 5, Maria d'Ingbilterra, Fidan-
cata Corsa, jede auf 2 ; Medea, Luisetta, jede auf 1,
Verdi auf 10 : Nabucodonosor 7 $ Lombardi 4. —
Fioravanti auf 9: Columella 9; Non tutti i pazzi sono
all' ospitale 1. — Ricci (Federico) auf 4: Prigione 3;
Corrado 2. — Coppola auf 3: Nina 2; Giovanna I. auf
1. — Meyerbeer auf 4: Roberto il diavolo. — Raimondi
auf 2 : Ventaglio. — Peri auf 2 : Dirce, Ester, jede auf
1. — Nini auf 2: Virginia, Marescialla, jede auf 1. —
Gncccoy Poniaiowsky, itossi, Speranza u. A., jede auf 1.
Jnmerkung. Die neuesten Nachrichten der italienischen Caroevats-
opern ausserhalb Italiens werden mit jenen des Früh-
lings ebendaher im nächsten Trimestralbericht zusam-
men mitgetheilt werden.
Frankfurt. Musik vom 23. Januar bis zum 23. Mai
1844. Es waren grosse Anstrengungen nöthig, um unser
Opernscbiff wohlbehalten durch die Klippen und Brandun-
gen zu führen , gegen die ein solches mehr oder weni-
ger immer zu steuern hat, Hier die Grippe, dort allerlei
Sängercapricen, da wirkliche Heiserkeilen und Schnupfen,
die Bälle und arislocratischen Reunions im Winter, und
kaum sind die vorüber , die für jeden Theaterdirector so
wonnelose Zeit des Wonnemonds ! Deshalb würde es ohne
die ausserordentliche Thätigkeit Guhr's mit der Theater-
easse noch schlimmer bestellt gewesen sein, als wirklich
der Fall war. Das Schauspiel, — da Raison und C. Schnei-
*) Er oompooirte unlängst xu Amsterdam die neue Oper: La
Figlia dell' Arciere. D. Corrctp.
der die hiesige Bühne verlassen haben, die vortreffliche
Frühavf krank darniederliegt, auch Madame Meck öfter
leidend war, und unsere Lindner nicht alle Tage die An-
tigone oder Pbädra spielen kann — musste täglich lavi-
ren, und nicht selten stand eine grosse Oper für ein klei-
nes Lustspiel ein. Im Februar z. B. wurden einmal acht
Opern hinter einander ohne Zwischentag gegeben. Den-
noch murren im Ganzen genommen die Sanger nicht,
helfen beute au der Medea arbeiten, morgen an Rochus
Pumpernickel, und singen eben in allen Farben des Styls,
so lange noch die Kehlbänder halten wollen. Aloys Schmitts
„ Osterfest " wurde wiederholt, zog aber nicht, und da
die Oper nicht wohl oft mit demselben Pomp gegeben
werden kann, so wird sie das Schicksal mit Guido und
Ginevra, Märtyrern und äbnlicben Pompopern theilen, bei
welchen die Bühne besetzter ist als das Parterre. Zum
Besten unseres Violinisten Heinrich Wojff wurden See-
nen aus Robert, Puritaner und Czaar und Zimmermann
gegeben, zwischen denen der Virtuos spielte. IVoljps
Spiel ist schon oft als ein acht solides, von wahrem Künst-
lergeist beseeltes gewürdigt worden. Die Opern, welche
das tägliche Brot geben, waren : Belisar, Teufels Anlbeil
(für die Armen), Robert, das Nachtlager, der lustige 5dm-
ster, Aschenbrödel, Figaro, Herr Rocht» Pumpernickel,
die Favorite, Barbier von Sevilla (worin unser Komiker
Hassel den Bartolo zum hundertsten Male gab), Zampa,
Czaar und Zimmermann, Don Juan, Freischütz, Teil, Ca*
pellmeister von Venedig, Otello, Hugenotten, Monteechi
und Capuletti , Lucrezia Borgia , Norma , Regimentstocb-
ter, Wasserträger. Die Zauberflöte wurde in Zeit von
vier Wochen fünf Mal fast hinter einander gegeben, und
zwar mit drei verschiedenen Königinnen. Davon später.
Der Schnee von Attber, der Kalif, die Entführung, Me-
dea, die weisse Dame und der Postillon von Longjumeau
wurden renovirt. Lortzing's „Wildschütz," der drei Mal
ungemein geßel und eine Zugoper bleiben wird, war die
einzige Novität. Lortxing ist eine merkwürdige Erschei-
nung. Seine Melodieen fliessen ohne Prätention und Zwang
munter dahin. Da ist weder Flachheit, noch Prablgelehr-
samkeit. In jeder Nummer ist gesunde Natur und Wahr-
heit, sprudelt Humor und Witz. Man bort der Musik an,
dass ihr Schöpfer zum Componisten geboren ist. Ensem-
ble und Final, wovor sich die Meisten fürchten, sind sein
Element; deshalb sind sie auch von einem Guss. Lortzing
componirt nicht im Schweisse seines Angesichts, sondern
unter Lächeln. Deshalb auch freuen sieb die Sänger und
Chöre, freut sieb der Director und das Orchester von der
ersten Violine bis zur Pauke, und freut sieb das Publicum,
Sein Styl, fliessend, leicht und pikant zugleich, zeigt,
dass er sich zu jener schönen Zeit bekennt, da Euterpe
noch eine Friedensgöttiu war. Seine Musterbilder sind
offenbar JMosart, Dittersdorff und die Italiener jener
Kunstperiode, denn er hält die Mitte zwischen Beiden,
obgleich manche Melodie mitunter an die neue italieni-
sche Manier streift und seine Instrumentation durchaus
pittoresker ist. Die bectisch Iarmoyante, krampfhaft zu-
ckende, und dabei im Weltschmerz tändelnde, oder die
coquelte und prahlende, in allen Farben schimmernde,
oder die schwerschreitende, breite, massenhafte, historisch*
gigantische und dabei melodieenlose byperromantische
415
1844. Juni. No. 24.
414
Schale nehme ein Exempel daran. Hin und wieder sind
Längen ; auch der Genuas des Galen ermüdet bei über-
schrittenem Maass, und so mag Herr Lortxing künftig
den Faden seiner Dichtungen (denn er ist auch Verfas-
ser des Libretto) etwas kürzer spinnen. Zu dem günsti-
gen Erfolge des Wildschützen hat gewiss auch unsere Be-
setzung beigetragen, denn Conradi (Bacillus) bat ein so
entschiedenes Talent für cbargirte Komik , dass schon
sein Erscheinen die Lachmuskeln reizt. Eine Giete, so
drallig und vollwangig, so naiv- eckig, und lächerlich ver-
schämt, und dabei doch verschmitzt, wie sie Fräul. Kratky
darstellt, wird nicht leicht übertroffen werden; sie giebt
ein herrlich Modell zu einer derben Fulderin, uqd man
muss an der Identität ihrer Person zweifeln» wenn man
sie als Glytemnestra gesehen hat. So übermüthig burschi-
kos als mädchenhaft graziös ist Fräul. Capitain (Baronin
Freymann) in ihrer Doppelmaske als Student und Bäue-
rin. Dem. Hoffmann befindet sich als Gräfin Eberbach
ganz in ihrer Sphäre, und den ironischen Spott auf die
Manie mit der griechischen Tragödie giebt sie mit wahr-
haft ergötzlicher Gespreiztheit. Caspari als Kronthal be-
wegt sich so ungezwungen, als es die seltene Berührung
mit der komischen Oper gestaltet. Wiegand (Eberbach)
hat weit mehr Routine darin, und bekundet nebst dem
Sänger auch den gewandten Tänzer. Herr Diehl gab sein
„wie närr'sch" in der That recht närr'sch, und die Epi-
sode mit den Schulkindern hob den späten Scbluss der
Oper zum Glück noch so interessant hervor, dass das
Lied wiederholt werden musste. Unter solchem Zusam-
menwirken konnte der glänzende Erfolg der Oper nicht
fehlen, und sie wird unter so günstigen Auspicien mit
der Regiments tochter rivalisiren können.
Für die anspruchslose Oper: „Der Schnee" bat man
keinen Sinn hier; sie bleibt deshalb wieder liegen. Viel-
leicht würden sie französische Sänger mehr in Credit
bringen. Unser primo uomo Herr Chrudimsky, der sie zu
seinem Benefiz gab, ist nächst seinen Heldenparlieen,
worin seine kräftig jugendliche Stimme das geeignete Feld
hat , in Rollen , welche landjnnkeriscbes Gepräge tragen,
sehr characleristisch , weil er wenig Kunst dazu bedarf.
Dennoch war er nicht im Stande, den Schnee vor dem
Verschmelzen zu bewahren.
Friui. Beuther tbut sieb recht hervor, und scheint
sich am Liebsten bochtragischen Partieen, wie Norma und
Medea, zuzuwenden, die wohl für ihr Organ, aber noch
nicht für ihre Intelligenz passen. Doch ist es ihr Ernst
um die Sache, und bleibt ihre treffliche Stimme noch lange
gleich kraftig, so wird auch das „von innen heraus"
nicht mehr lange ausbleiben. Oefleres Distoniren, nament-
lich in der Partie der Norma, hat auch ihre besten Ver-
ehrer genirt. Nicht so ernst scheidt es Fräul. v. ftnoll,
die nur oberflächlich von Rolle zu Rolle flattert und. gröss-
tenteils unsicher ist, mit ihrer Kunst zu sein. Sie nimmt
nicht guten Ralb an, und hätte doch so nöthig, über An-
satz nnd Biegsamkeit ihres Organs zu wachen, dem die
Bildung noch sehr Noth tbut. Wir möchten sie wohlwol-
lend vor der Zukunft warnen, die strenger vor Gericht
sitzt, als die Gegenwart, die nur der Jugend schmeichelt.
Fräul. Rudersdorf (jetzt Frau Doctor Küchenmei-
ster) und Puchek gaben zum Abschied von Frankfurt,
da es immer schwerer wird, lucrative Benefizopern zu
finden, einzelne Lieblingsscenen nnd Bruchstücke. Fräul.
Rudersdorf verliess uns in der Vollkraft ihres Organs,
und mit ihr trat auch Herr Rudersdorf der Sängerin
Vater, aus dem Orchester. Pischek's nahe Abreise machte
in den letzteta vierzehn Tagen immer besetzte Häuser.
Sein Benefiz, worin man ihm einen Kranz zuwarf, war
billiger Weise sehr besucht. Einem Sänger im Zenith sei-
ner Triumphe blüht immer das traurige Loos, verzogen
zu werden. Unsere Direction mag daher weniger nm den
Verlust Pischek's tranern, als unsere Damen, denen 'A-
schek sich direct in's Herz gesungen. Pischek den Hof
zn machen, worde am Ende zu einer Art von Cultus,
welcher schon manche edle Natur zur Selbstüberschätzung
verleitet bat; und aufrichtig gestanden, es erschien Vie-
len, sogar seiner eifrigsten Verehrer, die ewig wieder-
kehrende, süsslicbe und verduftende Manier, in der sich
dieser Sänger zuletzt ganz verlor und die keinem andern
Vortrage mehr Gerechtigkeit widerfahren liess, doch et-
was monoton. Nachdem er in der letzten Scene des Czaar
einige Abschiedsconplels gesungen, und darauf, hervor-
gerufen, noch einmal Abschied nahm, konnte ein eigens
fär ihn verfasstes Lied: „Sängers Abschied," das er in
einem darauffolgenden Abscbiedsconcerte im Theater vor-
trug, die beabsichtigte Wirkung nicht mehr hervorbringen.
Was im Allgemeinen an der Oper lobend anzuerkennen
war, ist ein vortreffliches Ensemble, denn jedes Opernmit-
glied hat hier einen Grad der Bildung erreicht, der ihm
das Anschmiegen an's Ganze leicht macht. Nur bat seit Kur-
zem ein Dämon die Einheit dieses Ensemble in Beziehung
auf Vortrag gestört. Ich verstehe darunter ein gewisses
Schleppen und willkürliches Fermatisiren , welches am
Ende die Harmonie in ihren tiefsten Grundfesten erschüt-
tern mnss. Da nun Pischek, dessen Stimme fast immer
dominirte (auch da, wo sie untergeordnet hätte sein sol-
len) , aus diesem Ensemble getreten , so hängt es jetzt
von eines Jeden Willkür nnd Schönheitssinn ab, den al-
ten harmonischen Guss wieder zu erneuern. Die Rüge,
dass der gutbesetzte Alt in unsern im Ganzen so wackern
Chören eben deshalb oft zu grell hervortritt und eine
sonderbare, fast komische Wirkung hervorbringt, gehört
ebenfalls hierher.
Nun zu den Gästen. Zuerst Mad. Lehmann- Rauch,
diese überaus achtbare Sängerin , welche uns durch ihre
Glockentöne, wie durch seelenvollen Vortrag edle Ge-
nüsse verschaffte. Verstände diese Frau mehr auf Effect
zu singen und überhaupt bei Stellen der Leidenschaft mehr
Energie zu entfalten, — nnd das Letztere gehört wahr-
lich zu den wesentlichsten Attributen der dramatischen
Kunst — so würde die allgemeine Achtung, von welcher
beim Genuss des wahren Schönen auch der Haufe erfüllt
wird, sich viel lauter geäussert haben. Sie sang zwei Mal
die Königin der Nacht, die Constanze (Entführung), und
die Alice. — Fräul. Avfptste Köhler von Riga gab eben-
falls zwei Mal die Königin, die Agathe, Isabella, Hen-
riette (Capellmeister von Venedig), die Margarethe (Huge-
notten), Julia (Montecchi), und Marie (Regimentstochter).
Das Organ dieser Sängerin ist aus dem Stoffe gebildet,
wovon der Schöpfer eine Buonasegla, Canabich, eine
Mara oder Sessi geschaffen. Sie besitzt ganz diese leichte
416
1844. Juni. No. 2t.
416
ätherische Höhe , womit sie fast hewusstlos und spielend
Partieen singt, woran sich so viele Soprane vergebens
abmartern. Dabei ist die Stimme rein, klingend und
gleich. Nur fehlt ihr ein gebildeter Geschmack und rich-
tiges Gefühl. Wie ihr Vortrag, ist auch das Spiel frei
und routinirt, aber beide entbehren der poetischen Weihe
und des rechten Maasses; ist Feuer da, so lodert es in
zügellosen Flammen auf und verzehrt die besseren Stoffe. ,
Mitunter giebt sie manch Gelungenes; aber das ist Re- '
sullal eines glücklichen Mechanismus der Kehle, nicht
aber einer künstlerischen Sinnigkeit; so e. B. kann man ;
die beiden Arien der nächtlichen Königin, die sie in den
Originaltonarten und in einem fast verwegen schnellen
Tempo vorträgt, nicht sicherer und reiner hören. Ge-
wöhnlich aber sind ihre Rouladen übereilt und verwischt.
Die Darstellung der Julie entbehrt des geistigen Princips
und die der Agathe, einfacher Mädohenhafügkeit. Die Re-
gimentstochter gehört zu ihren besseren Rollen, denn sie
ist wenigstens von einem Guss , allein sie giebt sie zu ,
pagen- oder cadettenbafL , und lässt auch gar keinen cd*
lern Funken durchschimmern, wozu ihr im zweiten Act i
der Dichter so schöne Gelegenheit giebt. Vortrag und
Spiel streifen häufig an's Gemeine. Dennoch, glauben wir»
liegt die Möglichkeit einer feineren Ausbildung in ihr.
Möchte sie recht bald ihren schlummernden Genius zu
Ratbe ziehen, und dann einen zweiten höheren Abschnitt
ihrer Künsllerbaha beginnen.
Mad. Schmidtgen aus Wiesbaden gab den Romeo,
die Desdemona, die Antonia und Lucrezia Borgia. Eine
schöne junge Frau, mit anmuthigem Spiel, starker Stimme
und reiner, aber etwas dünner Höhe. Aber ihre Mimik
ist nicht sprechend, ihre Plastik nicht wirksam genug.
Die Bravour ist brillant und oft recht geregelt, ihr Por*
lament bis g, a hinauf kräftig und voll — deshalb wurde
auch vieles Gelungene mit grossem Beifall gewürdigt.
Von Triumphen aber, die diese Sängerin Wiesbadener
Berichten nach hier gefeiert haben soll, wissen wir nichts*
Mad. Schmidtgm gehört zu den Sängerinnen, die im Ein*
zelnen hervorstechende Eigenschaften besitzen, aber im
Ganzen kein bleibendes Interesse einflössen. Als Romeo,
wobei ihre Figur imponirte, zählte sie die meisten Ver-
ehrer. Madame Schmidtgen ist bereits wieder abgereist,
Fräul. Köhler aber wird wohl Fräul. Rudersdorf ersetzen.
(Bescbloss folgt.)
Feuilleton.
Der Pianist Michel Angelo Rusxo bat am 1. Juni io Breslau
nit vielem Beifall ein Coocert gegeben.
Das dritte Lehrergesangfest der Vereine vod Celle and Bee-
deabostel fand am letztern Orte den 28. Mai d. J. unter der Di-
reetion des Stadt- and Scblossorganisten H. W. Stolze Statt. Die
Hanptstiicke waren: der 147. Psalm für zwei vierstimmige Man-
oerchörc, eigens dazu componirt; der 100. Psalm für vierstimmi-
gen Männerchor, ebenfalls von Stolze oomponirt; die Hymnen:
„ Himmel and Erde vergeben" and „Hoch tbnt eneb aaf" von
ßernk. Klein, so wie mehrere Festcboräle von Stolze arrangirt.
Ausserdem wurden noeb mehrere Gesänge ernsten und heitern In-
halts von C. Kreutzer, Reichardt, Lindpaintner, Stuns, Enkhau-
sen u. A. m. vorgetragen.
la Braunschweig sind anlängst zwei neue deutsche Opern auf-
gerührt worden. Die erste, ernsten Inhalts : ,,Pioo di Porto/'
Dichtung von Griepenkerl, Musik vom dortigen Capellmeister Georg
Müller, sprach weniger au, ais die andere, komischen Inhalts:
„Die Stellvertreter/ 1 Buch von Holland, Musik vom dortigen Kam-
mern! asiku» Wernthal, welohe vielen Beifall fand.
Ankündigungen.
Bei B* SellOtt'sj Söhnen iu Mainz erscheint nit Bi-
geuÜrainsrecht :
jmttller, Fr., Valse brillante du ballet Lact? Henriette.
Valsc sentimentale id.
— — Meauet id.
S Polka id.
Polka daage a l'opera.
Yalse et Galop de M r de Pourseaunao.
— — Pas espagnol danse daas la Pen.
Valse populaire de Cagliostro. Op. 87.
Tant oue l'etoile brille, melodie - valse.
D&hler, Tit., Souvenir da Naples, Tarentelie, Op. 46, arr.
a 9 et a 4 maius.
DreysehOClL, £•, Grande Sonate. Op. 50.
Herz, HU, Les belle« du nord, 6 Polka, orues de beaux des-
sins. Op. 140. No. I. La belle Altemande. No. 2. La belle
Hongroise. No. 5. La belle Safdoise. No. 4. La belle Mos*
covite. No. 5. La belle Polonaise. No. 6. La belle Bobemicnae.
Blvorl, €., La Genoise, Caprice poar Violon et Piano. Op. 1.
Variation« brill. ponr Violon et Piano, aar „Nel cor piü
non mi sento." Op. 9.
Serwalsju F* 9 Souvenir de Spa, Fantaisie poar Violoncello avec
acc. de Qnatuor ou de Piano.
Serval*, P«, Caprice aar des motif* da Comte Ory, poar Vio-
loucetle avec acc. d'un S d Violoncello oblige.
— — Fantaisie et Variation« brill sur la Valse favorite „Le desir"
pour Violoncelle avec acc. d'orch. ou de Piano.
Im Verlage von Breltli+pf 4» Htetel in Leipiig
ist erschienen :
Der evangelische Kirchengesang
und sein Verbältniss zur
Kunst des Tonsatxes.
Dargestellt von
Carl von Winterfeld.
Hit vielen Masikbeilagen.
ErsUr Iheüi
Der evangelische Kircbengesang im ersten Jahrhaaderle
der Kirchenverbesserang.
In 4. BrocbiH. Preis 12 Tbaler.
J3&* Der zweite Theil dieses wichtigen Werkes ist unter der Presse.
Druck and Verlag tob Breitkopf und Härtet in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeil.
.417
418
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 19<" Juni.
M $5.
1844.
Inhalts Seb. Bach's Cboralges'inge und CtoUtea. (Fortsetzung.) — Nachrichten: Ans Paris. Aas Fraokfart. (Bcschltm.) — Feuil-
leton. — Ankündigungen.
Seb* Bajch's Choral- Gesänge und Cantaten.
(Fortsetzung.)
Besonders interessant ist es , den grössten Tbeil der
einzelnen Stücke, ans welchen die beiden Messen (Kyrie
und Gloria) in A und G zusammengestellt sind, in ihrer
ursprunglichen Behandlung in den Cantaten wiederzufin-
den. Meines Wissens ist noch kein ausführlicherer Nach-
weis darüber bekannt geworden, und er möge, so weit
ich es vermag, hier Raum finden. — Das Kyrie der
Gdur- Messe findet sich als Einleitungscbor in der Can-
tate: „Siebe zu, dass deine Gottesfurcht nicht Heuchelei
Cantate.
sei" mit .einzelnen geringen, durch den veränderten Text
bedingten Abänderungen vor. Das Gloria ist der Einlei-
tungscbor der Cantate: ,,Gott der Herr ist Sonn* und
Schild. 4 ' Das in den ersten 44 Tacten des Gloria dem
Sopran und Alt zwei Mal zugetbeilte Solo ist in der Can-
tate obligaten Hörnern gegeben, und bis zu der in getra-
genen Tönen einleitenden Stelle der Singstimmen: „Et
in terra pax" dient der in bewegteren Rhythmen gestellte
InstrumenUlsaU als Einleitung. Der Gesang tritt mit den
oben die Cantate bezeichnenden Worten» wie im Gloria,
nur. in einer dem Texte entsprechenden kräftigem Ver-
setzung ein.
Die Bassarie im „Gratias agimus" ist der vortrefflichen
Cantate zum 15. Sonntag nach Trinitatis: „Warum be-
trübst du dich mein Herz" entnommen» wo sie sich mit
dem Texte: „Auf Gott steht meine Zuversicht" vorfin-
det. Wenn gleich das Gratias der melodischen Führung
der Singstimme nirgends widerspricht, se lässt sich doch
ein gewisser Zwang des Textes darin entdecken. Bach
war zwar eigentümlich tiefsinnig; er zieht aber den mit
ihm Vertrauten mit sieb fort, ohne dass man ihm wider-
streben könnte. Hier möchte ich behaupten, dass nur die
Reflexion im Gratias zu einer Verschmelzung zwischen
Ton und Wert verhelfen kann, die sich in dem: „Auf
46. Jahrgang.
in ter - ra pax.
Gott allein steht mein Vertrauen" von selbst ergiebt.
Das Duett für Sopran und Alt: „Domine Dens" ist gleich
dem Gloria ebenfalls in der Cantate : „Gott der Herr ist
Sonn* und Schild" zu finden, wo es Sopran und Bass
übertragen ist. Doeb hat es hier grössere Abänderungen
erfahren. Die Tenorarie mit der Solooboe; „Quoniam tn
solus sanetus" steht in der Cantate, in welcher das Ky-
rie gefunden worden : „Siehe zu, dass deine Gottesfurcht"
mit dem Texte: „Falscher Heuchler Ebenbild," wo sie
vom vollen Quartett begleitet ist. —
Noch grösseres Interesse als das vorhergebende, ge-
währt das Gloria der A der- Messe. Der erste Satz ist aus
25
449
1844. Juni. No. 25.
42»
einem Basssolo: „Der Friede sei mit euch" mit Chor:
„Wohl mir, Jesus hilft mir kämpfen' 4 der Pfingstcantale:
„Halt im Gedächtniss Jesum Christ " in der Begleitung
Note für Nole entnommen; die Singstimmen sind theils
in den Motiven umgearbeitet, tbeils mit neuen bereichert.
Das sich zwischen dem AUegrosatze (ganzer Tacl) wie-
derholende Adagio (%-Tact „Der Friede sei mi Blieb,"
in der Messe das mit zwei Flöten begleitete ,,et in terra
pax" und „Adoramus te") bat in der Cantale die drei-
stimmige Begleitung einer Flöte und zweier Oboe d'Amour.
Bewundernswert h ist die Umgestaltung des letzten Ada-
giosatzes aus dem einfachen Basssolo in das herrliche po-
lyphonische „ Gratias agimus" mit unveränderter Beibe-
haltung des Instrumentalsatzes. Die Vergleichung beider
Sätze ist sehr instruetiv ; jede Stimme im Gratias ist be-
kanntlich ein trefflicher, in sich abgerundeter Gesang, der
freudig erhabene Dank der zum vollen Bewusstsein des
Glaubens gelangten Bekenner des Evangeliums» der Volks-
a. Singstimme aas der A-dur Meise, aas A-moll verseilt.
gemeine. Gleich grossartig und interessant ist das „Qni
tollis peccata mundi" Sopransolo mit zwei Flöten nnd
dem Continuo (hier Bratschen). In der Cantale: „Siehe
zu," aus welcher für die Gdur -Messe das Kyrie und
Quoniam entnommen, steht die Arie in Amoil von zwei
Jagdoboen und dem Fundament begleitet. Hier ist sie in
H moll , die Gboestimmen für die Flöten um eine Octave
höher versetzt, das Fundament für die Bratsche desglei-
chen. Die in gebundener Schreibart begleitenden Stim-
men, wie die Grundstimme sind fast durchgängig Note
für Note beibehalten und nur in einigen wenigen Tacten
findet sich eine geringe Abänderung vor. Die Singstimme
ist durchweg umgearbeitet und in beiden Tonstücken gleich
ausdrucksvoll. In der Cantate ist der Ausdruck des Stu-
ckes christliche Demutb und Bitte um Vergebung der
Sünden. Das beifolgende Beispiel enthalt den Anfang nnd
einen TheU des Mittelsatzes des erwähnten Stückes.
qui tol-lis pec - ca - ta, pec-ca - ta .man - di, qai toi - 1U pec - ca - ta, pec-ca - ta
421
1844. Juni. No. 28.
422
Die Altarie: „Quoniam" findet sich in der Cantate: „Gott
der Herr ist Sonn' und Schild," mit obligater Oboe in
derselben Tonart; die Iustrumentalstimme natürlich eine
Octave höher als in der Messe» wo Violinen und Brat-
schen im Unisono begleiten. —
So viel über die beiden Messen. Es bliebe nun noch
übrig, auf einen Hauptbestandteil dieser Werke, den
Choral, und dessen Verwendung darin, aufmerksam zu
machen. In welcher Weise die in der gedruckten Samm-
lung aufgenommenen Choräle in ßach's grösseren Kir-
chengesängen verflochten sind, und dass sie einen we-
sentlichen integrirenden Theil derselben ausmachen, die-
jenigen Puncte sind, von welchen des Künstlers religiöse
Gemüthsbewegungen ausgingen, oder zu welohen sie durch
nähere Betrachtung des zur Aufgabe erwählten Gegen-
standes hinführten, ist in dem ersten Abschnitte dieser
Zeilen bereits ausführlicher bemerkt worden, und werden
wir ihm in dieser Beziehung noch näher treten. — Schon
die wenigen gedruckten Werke von BacKs Kirchenmusik
zeigen uns, wie unser Meister in Bibel und Gesangbuch
eingelebt war, und ihm einerseits ein Text, in welchen
er sich vertieft hatte, die Melodie eines Chorals als Pa-
rallele, andererseits die Melodie einen analogen Text leioht
in Erinnerung brachte und anwenden liess. — Seine Cho«
ralbearbeitungen sind sehr mannicbfaltig ; viele Cantaten
beginnen mit durchgeführten Chorälen ; grösstenteils liegt
der feste Gesang in der Oberstimme, die übrigen Stirn«
men bewegen sich frei, theils in den Choralmelodieea
nachgebildeten Formen, theils in freiem, stets ausdrucks-
vollen, eindringlichen Gesänge. Gewöhnlich ist eine leben-
dige, selbständige, dem Cbaracter des Chorals entspre-
chende Instrumentalbegleitung mit ihnen verbunden, nnd
in vielen findet man eine wiederkehrende feststehende An-
ordnung. Es ist dieses dieselbe, wie wir sie in der Mat-
thäus-Passion in der herrlichen Bearbeitung des Chorals i
„0 Mensch, bewein' die Sünde gross" wahrnehmen, in
welcher Form uns in den Cantaten eine grosse Menge
ähnlicher kostbarer Stücke entgegentreten. AnderenDurch-
fahrungen fehlt das Instrumentalspiel, undAroA beschränkt
sich auf alleinige Benutzung der Singstimmen, auch wohl
mit einem Basso Continuo verseben. Hier bildet der Mei-
ster gewöhnlich Zeile für Zeile die begleitenden Stimmen
dem festen Choralgesange nach) wie in „Christ lag in
Todesbanden." Doch auch diese Form genügte ihm noch
nicht; wir finden Durchführungen, in denen die beglei-
tenden Stimmen den Cantus firmns Zeile für Zeile in der
Verkleinerung fugirt vortragen; die* Gegenthemata er-
seheinen dann ihm nachgebildet; nach dem vollendeten
Eintritte sämmtlicber Stimmen breitet sich der Cantus fir-
mus der Oberstimme in gedehnten Kläogen aus. Doch
auch hier sehen wir den Cantus firmus in verschiedenen
Stimmen wechselnd auftreten. Noch eine Eigentümlich-
keit Bach's ist es, den Choral zu paraphrasiren; dies
geschieht in Chören, wie in Soto's. Und auch diese Be-
handlung zeigt sich in vielseitiger Weise ausgeführt. —
In der Cantate: „Wer nur den lieben Gott läset wal-
ten*' tragen zuerst einzelne Stimmen in ßgurirter Nach-
bildung die Choralzeile vor, bevor diese selbst vom vol-
len Chore gesungen wird. In der Cantate i „Warum be-
trübst du dich, mein Herz" besinnen einzelne Stimmen
den Klagegesang in freier melodischer Form, dann tritt
erat der Choral ein, der immer wieder durch den Zwi-
schengesang einer Solostimme unterbrochen wird. — Aehn-
liohes geschieht in der Cantate 2 „Herr wie du willst, so
scbick's mit mir." Schon der einleitende Jnstrumentalsatz
giebt in einfacher Wiederholung die vier ersten Töne des
Cantus firmus,. bevor er ganz ausgebildet im Hörn er-
scheint. Nachdem die beiden ersten Zeilen vom Orche-
ster unter fortgesetzter Durcharbeitung des der Begleitung
gegebenen Thema's ausgeführt sind , fassen die Singstim-
men den Choral auf und tragen ihn vierstimmig vor.
Der Choral wird Zeile für Zeile durch Reeitative von So-
lostimmen unterbrochen, während dessen daa freie Spiel
der Instrumente seinen Fortgang behält und der Anfang
des Chorals, an die Worte: „Herr, wie dn willst" erio-
nernd, immer prägnant duronklingt. — In den Sologe-
sängen, welche auf Choräle gebaut sind, lassen sich eben-
falls viele verschiedene Behandlungen wahrnehmen. Die
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1844. Juni. No. 25.
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Singstimme trägt die Choralzeile , nach Maassgabe ihres I seht sieh dann in reeilaliiriseher Form zuweilen im Arioso,
Inhaltes verziert oder ungeschmückt einfach vor, und er- | Hierzu ein kurzes Beispiel :
c. F. _ fr- m ^ m Rec. bß _ f
pi
3E
f * \
y y
Denk nicht in deines Drangsais Hi-tze, wenn Blitz
und Donner kracht
und
dir ein
in schwüles Wetter bange macht, dass du von Gott ver - las - sen bist, Gott bleibetauch, u. s
In den Gantaten, welchen der einfache Kircbentext zum
Grnnde liegt, bildet Bach Chöre, ßecitative, Arien und
Duett's aus der Choralmelodie, und mindestens lässt sieb
(im Haupttbema immer) ein Anklang an die melodische
Form der ersten Zeile, oder auch, wie der Text es er-
giebt, einer anderen analogen erkennen, wie in : „Wer
nur den lieben Gott lässt walten/ 4 in : „Sei Lob und Ehr
dem höchsten Gut/ 4 und mehreren anderen. Ja die Me-
lodie eines analogen Choraltexles benutzt Itadk als stär-
keres Ausdrueksmiltel für seine Tonsticke , wie z. B.
den schon oben erwähnten Eintritt der Choralmelodie zu t
„Wenn mein Stündlein rorfaanden ist" in der Ariea
„Letzte Stunde, tritt berein*" Eine ähnliche tiefsinnige
Anwendung des Chorals findet sich in der Gantete s „Got-
tes Zeit ist die allerbeste Zeit" (Kirchenmusik, von Atarat
herausgegeben, No. 6). Deber den in rahig gemessenem
Sehritte sieh gleicbmäseig fortbewegenden Fundamental*
bass sprechen die drei tieferen Stimmen in ihren tiefstem
Stimm tagen über den Text: „Es ist der alte Bund,
Mensch, dumusst sterben," einander imitirend, ein Thema:
das Unvermeidliche , das GesetM aus; nach der ersten
Durchführung tritt der Sopran aHetn mit den Worten:
„Ja komm, Herr Jesu, komm" ein, die freudige Erge-
bung des Gläubigen in Gottes Fügungen ausdruckend. Da
ertönt, ganz unerwartet, von den bis dahin stummen Gam-
ben und Flöten die Melodie des Chorals: »Warum be*
trübst du dich, mein Hers" und verbindet sich mit dem
Gesänge. Die tieferen Stimmen ergreifen von Neuem ihren
unterbrochenen Satz: „Es ist der alte Bund," in wach-
sender Freudigkeit sehliesst sich ihm der Sopran an ; die
Melodie der dritten Zeile des erwähnten Chorals klingt
tröstend in kurzen Absitzen dazwischen, an ihren Text
erinnernd: „Vertrau du deinem Uerre Gott*" Immer
schauerlicher ertönt der Buf: „Mensch, dn musst ster-
ben, 44 die Stimmen drängen sieh, nicht einzeln schrei*
ten sie mehr neben einander her, sie einigen sieh ; trot-
tend einander und gedrängt, nehmen sie wie im Kampfe
die letzte Kraft zusammen, sich zum ersten Male zur
Höhe aufzuschwingen, von welcher sie schleunigst in
einen scharf distonirenden Aceord hinabsinken , um dann
gänzlich zu verstummen. Von den Flöten erklingt dazu
-die letzte Zeile des Chorals, an dessen Scblusston sieh
mehrere Male der Oberbalbton in herbem Wechsel wie er-
sterbend anschlicsst, indess der Sopran mit den Werten:
rscr
„Ja komm* Herr Jesu" die Tonleiter sanft hinabgleitet,
leise verballend die Dissonanz ohne alle Begleitung auf-
löst, und das Stuck auf der Terz endigt, ohne es zu
beschliessen, — Zu welch einer Menge von Bildern und
Betrachtungen hier so der Hörer als der Vortragende an-
geregt wird, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. —
Eben so sinnreich und tiefergreifend tritt der Choral:'
„Mit Fried und Freud fahr ich dahin" in dem darauffol-
genden Stücke ein, nachdem die Altstimme: „In deine
Hand', o Herr, befehl' ich meinen Geist" sehnsüchtig
verlangend und demütbig ergeben ausgesprochen bat und
die Stimme des Trostes, der Erhörung, der Verheissung*
„Rente wirst du mit mir hn Paradiese sein" sich hören
lässt, welche die Gamben in gebeimnissvoHen Klängen
umhüllen. — Die ganze Canlate gehört überhaupt zu den
tiefsinnigsten und wirkengsreicbsteff unter Bach 9 * Kir-
chenmusiken. Aebnlicbe ergreifende Beziehungen zwischen
dem Texte des Chores und den einzelnen Zeilen des
dazu eintretenden Cborales finden sich in dem grossen
Einleitungsehore der Passionsmusik. —
(Fortsetzung folgt.)
Nachrichten.
Pari*, Ende Mai. Opernvcrhältnme, Aiibers Sirene.
Die überreiche Coneertsaison schien diesmal für das et-
was magere Opernrepertoir entschädigen zu wollen. Die
Aeademie royale halte wenig für Erfolge gesorgt, und
Mure Ernte war darum auch unbedeutend; hingegen blieb
die komische Oper die Lieblingsbübne des Publicum** weil
sie die Function des Spieles in einer ihrem Berufe adä-
quaten Weise erfüllt. Seit jenen denkwürdigen Zeiten,
in denen das Partisanenwesen der Musikliebhaber in Pa-
ria sich durch erneuerte Veranlassungen immer gegen-
seitig verdrängtet um die Dictatur des Geschmackes an
sieb zu reissen, stand das Bouffonenwesen erst dem stei-
fen Cotburn Rameaus, später dem Stadium Gluck 9 * und
so auch dem romantischen Heroentbume Bertons, Spon-
tinfsy Cherubim" $ e. »« w. entgegen. Dum, Mon*igny %
Philidor und Andere emanzipirten die französisch -komi-
sehe Oper auf das Entschiedenste» und das Theater Fey-
deeu > seiner früheren Siege eingedenk , brachte in letz-
425
1844. Juni. No. 25.
490
lerer Zeit Riehard Löwenherz und den Deserteur von
letzteren Beiden wieder zur Aufführung« Das entschiedene
Glück, das diese Siteren Werke bei einer neuern Gene-
ration machten» lässt vermutben, das«, wenn die grosse
Oper dasselbe thäte, der Erfolg ein ähnlich günstiger wäre.
Allein der dort emancipirle Geschmack würde etwas stark
in die Enge getrieben werden, wenn er hier gerades Ge-
gentheil in erhabener Einfachheit neben sich halte, und
darum bleibt es der grossen Oper eine gelegene Ausfluch»,
die Particeo älterer classischer Werke nicht mehr genü-
gend besetzen zu könuen. Die Componisten des Thea-
ters Feydeau haben sich der Wiederaufführung älterer
Opern nicht allein nicht widersetzt, senden* Adam hat
sogar das Orchester zum „Deserteur" vollstimmiger ge-
setzt, was ihm denn der selige Monsigny verzeihen
wolle. Andere, wie Auber, haben jene Aivalilät «in
und für sich nicht zu fürchten» und Letzterer beweist immer
wieder aufs Neue, dass ihm die längst anerkannte Fülle
heiterer Lebenslust im Schaffen seiner Werke noch un-
gestört innewohnt.
Die „Sirene," sein letztes Werk, macht wieder
entschiedenes Glück und gehört zu den frischesten seiner
Productionen. Das Libretto, aus der geschickte» Hand
Scrtbes, müssle., unterhaltend und geistreich wie es ist,
selbst ohne Musik seine Wirkung nicht verfehlen. Ohne
die Iotrigue hier weitläufig erzählen zu wollen, genüge
die Bemerkung, dass man sich unter der Sirene keine
Mytbengestalt, sondern ein halbmodernes schönes Mädchen
vorzustellen habe, das von seinem Bruder, einem Schmugg*
ler, seiner wunderbaren Stimme wegen zn Täuschungen
und Jntriguen gegen die Grenzwäcbler benutzt wird. Für
die Anwendung einer von Auber sehr geschickt darge-
stellten Naturbegabung will ihr Bruder sie aber auch
„fürstlich" ausstatten, und am Ende vollführt dies theils
seine eigene Maebination, theils der Zufall. — Die Ouver-
türe, die zu den besten Tonstücken des Ganzen gehört,
bewegt sich in dem längst anerkannten graziösen Auber 9 *
sehen Styl, und namentlich ist der erste Satz, der in ru-
higem Tempo mit schöner Harmonie von Blech- und
Streichinstrumenten gearbeitet ist, vortrefflich zu nennen.
Weniger günstig wirken die hierauf folgenden walzerar-
tigen Bewegungen , wohingegen der Scbluss wiederum
werthvoll genannt werden muss. Von eigentümlichem
Character sind fast die sämmtlichen Arien, oder, wie der
französische Librettendichter sie nennt, Couplet'* der Si-
rene (Zerlina). Die Sopranstimme verlässt hier selbst im
Ensemble den Typus einer eigentümlichen Lieblichkeit
nicht» und um das Unheil über das ganze Werk kurz
zusammenzufassen, sagen wir: es ist Leben, und zwar
heiteres und geislerfreuendes, in ihm. Das Moment der
Bewegung ist dem französischen .Geiste überhaupt eigen,
und er bringt es in den Stadien des Lebens selbst, wie
in denen der Kunst auch wirklieb zur Erscheinung. So
ist z. B. das erste Couplet (die vom Componisten be-
stimmte Formbenennung können wir nicht anführen, weil
die Partitur noch nicht erschienen ist): .,Quand vient
l'ombre silencieose" u. s. w«, uugefähr im Character von
Weber i ,, Einst träumte meiner seel'gen Base," voll dar-
gestellter Lebendigkeit; eben so das erste Hervortreten
der Sireneautimme , die Anfangs nur von einfach«! W
calen getragen wird. Zu den besten Stücken gehört fer-
ner eine Arie Scopetto's, des Schmugglers : „Voyez-vous
ce sombre nuage" mit klangvoller Instrumentenmalerei ;
ferner die gleich darauf folgende Cavatine in Cdur, die
dann durch das Eintreten des Chores zu einem Ensemble-
Stücke wird. Mittelpunct des Ganzen ist das grosse an
Situationen und musikalischem Ausdrucke reiche Ensemble
im zweiten Acte. Der Allgemeinwirkuna des Stückes aber
ist der Umstand günstig, dass die Partie der Sirene sich
bis zum Ende, theils durch das Stück selbst, theils durch
die musikalische Behandlung steigert Die neue Oper Au*
ber's ist hier übrigens Cassenstück und ohne Zweifel ein
neuer Beleg für das unermüdete Talent des Componisten,
der bereits mehr als einmal die Seicbtigkeit der hiesigen
Opernrepertoire verhütet bat. In Paris muss eine solche
Thatigkeit darum noch von doppeltem Interesse sein, weil
hier selbst das Vortreffliche , bei der unaufhaltsamen Ge-
nusssucht des Publicums, stets der Abwechslung weichen
muss. Durch die Auber'acht Muse nun kommen zum
Mindesten keine monotonen Producte auf die Bühne, die
leider gar zu oft im Anscheine von Kunststrenge unver-
diente Ansprüche geltend zu machen suchen. Wenn es
sich denn einmal von vorn berein nicht um die höheren
Kunstinteresseu bandelt, so ist die Offenbarung des Le-
bens doch jedenfalls der Strenge des Verslandes und dem
damit so häufig verbundenen Mangel an innerem Leben
vorzuziehen. C. D.
Frankfurt. (Beschluss.) Der Tenorist Breiimg gab
den Robert mit Beifall, und Herr Weitgass von Freit
bürg den Iwanow, Fröhlich und Dikson. Die Stimme ist
schwach , aber angenehm. Bei dergleichen Spielrolien kommt
es mehr auf characleristischen , markirten und siebern
Vortrag, als auf schönes Singen an. Da aber Herr Weit-
gas* nicht Sänger ist, so möge er sich das Erstere in
einem desto höbern Grade aneignen. Persönlichkeit und
Spiel sind für sein Fach sehr geeignet, und mit seinem
Impromptus erreicht er seinen Zweck $ man lachU Wo
er aufgemuntert und warm, wird, muss er ein beliebtes
Mitglied werden. Fraul. Säbr sang auch einmal die Kö-
nigin der Macht, und zwar die letzte Arie nm eine Terz
tiefer« Manchmal ist unser Publicum doch auch gar zu
nachsichtig.
Nun ein zeitgemässes Wort über Beifallsbezeigungen,
Diese sind auch hier nicht immer die Probe des Verdien-
stes. Da geht ein armseliger Scbachergeist herum und
bietet Beifall für ein Geringes feil. Der Fremde, befan-
gen und ängstlich, opfert gern dem Gebrauche, oft auch
um Zudringlichkeiten nur los zu werden. Aber nicht al-
lein der seeundaire , auch der selbständige Künstler geht
nicht selten in diese Falle, und das ist eben so traurig,
als lächerlich. Alle Tbeile wissen, dass sie täuschen und
getäuscht werden , und doch tbun sie es. Dem ganzen
Publicum ist der Grund irgend einer von der Galerie
ausgehenden Salve gar wohl bekannt. Der auf diese Art
Gefeierte weiss, dass es dem Publicum und seinen Col«
legen bekannt ist, und doch fühlt er sich in seiner Selbst-
täuschung geehrt. Das Publicum nicht minder kennt die
Empfindungen des sich Verbeugenden. Eben so gut weiss
427
1844. Juni. No. 26.
428
jene "bezahlte Horde, dass diese Umtriebe ein offenes 6er
neimniss sind, nnd dennoch scheut sie sieb nicht, recht
frech darein. zu lärmen. Rann es aber einen ärgern Wahn-
sinn geben? Und doch ist dieses schnöde Princip eines
der wichtigsten in der Theaterwelt. Dass durch solche
Kunstgriffe Niemand durchdringt, versteht sich von selbst.
Das wahre Schöne bedarf ihrer nicht; es bahnt sich den
Weg durch alle Parteien und Vorurlbeite. Wurden aHe
Hitglieder sich vereinigen, solchen Schachergeist zurück-
zuweisen, so würde ein freieres Urtbeil walten, das dem
Kunstpriester, wie dem Kunstlaien zu Gute kommt. Es
wird aber noch so weit kommen, dass sich der noble
Tbeil des Pnblicums von jeder Beifallsbezeigung zurück-
zieht, und dann schwingt der Geist der Zeit : Missbrauch
im frechsten Uebermutbe seine Geissei.
Den theatralischen Theil des Berichtes schliesse ich
mit der Nachricht, dass wir für Pischek noch keinen Er-
satz haben, und dass Guhr deshalb eine neue Entdeckungs-
reise nach Oesterreich nnd Böhmen unternommen hat. —
Nun zu den Goncerten. Im Style jener früher so
beifällig aufgenommenen dramatisch - chronologischen Con-
certe gab Guhr eines zu seinem Benefiz am 15. März,
aber niebt, wie sonst, in Schulen, sondern in Zeitab-
schnitte voh Gluck bis Berlioz eingetheilt. Die Ironie
in diesen beiden Endpuncten liegt in der Sache.
Die erste Abtheilung gab Scenen aus folgenden
Opern: 1) Armida, nach vorhergegangener Ouvertüre
(Gluck). 2) Schöne Müllerin (Paisiello). 3) Zerstörung
Jerusalems (ZingarelH). 4) Heimliche Ehe (Cimarosa).
5) Zemire und Azor — Spiegelscene (Gretry). 6) Utbal
(Mehul).
Die zweite Abtheilung : 7) Palmira (Salieri). 8)Doc-
tor und Apotheker (Dittersdorf). 9) Idomeneo (Mozart).
10) Die weisse Frau «— zweites Finale (Boieldieu). 11)
Faniska — Introduction (Cherubini). 12) Ouvertüre aus
Leonore (Beethoven).
Die dritte Abtheilung: 12) Silvana — Ouvertüre
und Ariette (C. $i. v. Weber). 14) Zemire und Azor —
Spiegelscene (Spohr). 15) Moses (Roseini). 16) Vestalin
(Spontini). 17) Maurer und Schlosser (Auber). 18) Hu-
genotten — Verschwörungsscene und Finale (Meyerbeer),
und zum Schluss 19) die Ouvertüre aus : Die Vehmrich-
ter (Berlioz).
Nur wurde, weil die Zeit schon sehr vorgerückt
war und Musici wie Sänger, Chor wie Publicum von den
heranstürmenden Genüssen bereits abgestumpft zu wer-
den begannen, die grosse Hugenotlenscene weggelassen.
Der Saal war überfüllt, der Beifall gross, und die Hitze
erstickend. Guhr hat seinen alten Ruf der Energie, wie
geistiger und physischer Spannkraft wieder einmal be-
währt. Am Cbarfreitag wurde Atoys Schmitt 9 s Oratorium
„Moses" (mit Text von Wilhelm Rilzer) im Theater
gegeben. Das Haus was leer und der Beifall nur schwach.
Es ist ein barter Spruch von Vielen, dass Schmitts Oper*
,.Das Osterfest" in die Kirche, und das Oratorium „Mo-
ses" auf die Bühne gehöre. Jedenfalls haben beide Werke,
trotz ihrer grossen Verdienste um Instrumentation und
musikalisches Wissen, sich hier überlebt. Am Ostersonn-
tag wurde Guhr*s chronologisches Concert bei vollem
Hause wiederholt.
Noch ein Concert in grosserem Styl zum Besten der
Mozartstiftung gab Herr Aguäar aus London, ein kaum
zwanzigjähriger Künstler und Schüler unseres trefflichen
Schnyder von Wartensee. In seiner grossen Symphonie
(Gdor), mit welcher er debütirte, spricht sieb Talent,
Wissen und Phantasie aus. In ihr liegt die Garantie für
glückliches Fortschreiten, sobald die Begeisterung für das
Schöne und das glühende Bedürfnis*, zu schaffen, sich
mehr in Maass und Form schmiegen, und der Geist der
Ruhe über dem Vulkan schweben wird. Schwer mag es
sein für den Meister, die üppige Jugendkraft zu zügeln»
aber Schnyder ist ganz der Mann dazu, und so dürfen wir
in Aguilar einen würdigen Jünger Euterpe's begrüssen.
Doch drängten sich mir beim Anhören dieser Symphonie
die alten Gedanken wieder auf, nämlich: Woher im ju-
gendlichen Gemüth, wo noch Alles fröhlich und klar auf-
springen soll wie Maiknospen, woher dieser überschwäng-
liche Schmerz, diese Todesqual, und dieses finstere Grü-
beln, das selbst im Scherzo sich kund giebl? Woher dies
Chaos von Dissonanzen und Vorbalten? Wie soll der
ernste Mann componiren, wenn die Jagend schon auf diese
Weise beginnt? Giebt es keinen Frühling mehr in der
Musik? und sollte den die Jugeod nicht repräsentiren ?
Aber es will Alles Spohr und Beethoven sein und den
Berlioz noch überflügeln; und wir hatten doch auch einen
Haydn und einen Mozart. — Dann trat auch Herr Agui-
lar als Pianist auf; die Wahl machte seinem Geschmacke
alle Ehre. Er trug das herrliche Rondo von Hummel
(Adur) und das Beethoven'ache Concert (Gdur) vor. Sein
Spiel ist solid, aber es entbehrt noch jener poetischen
Auffassung und energischen Frische, welche wir nur bei
Pianisten nicht vermissen, die mit völliger Herrschaft über
Empfindung und Mittel an öffentliche Triumphe gewöhnt
sind. Unser braver Violinist Herr Etiason spielte den er-
sten Satz des Beethoven 9 sehen Concerts (Ddor) mit edlem,
ich möchte sagen, stolzem Vertrage, und mit vollem Tone.
Mit zwei Sätzen aus der ersten Symphonie Schnyder s
von Wartßnsee (hier schon öfter aufgeführt) begann die
zweite Abtbeilung, und sechs grosse Chöre, von unserm
Liederkranze vorgetragen, schlangen sich durch das Ganze.
Dies Concert, ein sehr gehallvolles, entbehrte für das
grössere Publicum dennoch einer freundlichen Beleuch-
tung. Keine junge Sängerin mit VergiSsmeinnicblaugen
und Rosen im Haar; kein Pischek mit Liedern von Speyer
oder böhmischen Nationalgesängen ; keine Variationen über
Donizetti oder Lannerl Herrn Aguilar gebührt indes-
sen der Dank der Kenner, und besonders der Mozartstif-
tung, da er alle bedeutenden Kosten auf sieb nahm und
dem Institute den reinen Baarertrag überliess.
Der Inslrumentalmusikverein gab die Symphonie von
A. Romberg (0p. 6), ein Huwmefsches Clavierconcert,
Ouvertüren von Beethoven und Guhr 9 Violinvariationen
von Beriot, und kleine Gesinge. Ich konnte dieser Soirte
nicht beiwohnen. Kleinere mit Mühe und Qual zusammen*
gebrachte sogenannte grosse Concerte oder Soirles mosi-
cales veranstalteten der blinde Flötist Moritz Thiele und
der Pianist W. Schult hes. Letzterer dürfte der musika-
lischen Welt noch unbekannt sein; früher ausgezeichne-
ter Dilettant, betritt er nun die klippenvolle Bahn des
Künstlers. Ein Schritt über diese verbängnissvolle Grenze,
429
1844. Juni. No. 25.
430
und ein ganz neuer Ifaassstab der Jfeurftheilnng wird an-
gelegt. Herr Schulihes ist vollkommen Herr über seinen
Mecbanismns, nur ist er in seinen Gompositionen zn sehr
Nachahmer unserer Modeliteratur. Möge er in einer Irans-
cendenleren Richtung seinen eigenen Weg gehen, und
niemals seinen Uebertritt zu bereuen haben ! Herr Thiele
wird überall aufmunternde Tbeilnahme finden. Zum Vor-
theil unseres nunmehr pensionirlen Scbauspielsoufleurs,
Herrn Carl Henne, so wie für eine kranke Waise, ver-
anstaltete Guhr Coocerte, worin die besten Kräfte unse-
rer Oper wirkten. Auch die zweite und dritte Soirle Äo-
senhatns, von einem gewählten Auditorium besucht, lie-
fen endlich glücklich vom Stapel. Dem bekannten Style
treu wechselten Ciavierquartetten und Trio's mit Liedern
in gewählter Maonicbfattigkeit ab. Unter letzteren zeich-
net sich Neeb's Ballade „Andreas Hofer" aus. Conrad*
machte heute, wie früher Pischek, viel Glück damit. In
Zwischenacten hörten wir die Herren Gebrüder Betete.
Was diese Künstler auf der Flöte, auf Posaune und Te-
norhorn leisten, ist bekannt. Es sind Virtuosen im edlen,
ich möchte sagen harmonischen Sinne des Worts, um
den Contrast mit jener magern, klingelnden Einseitigkeit
zu bezeichnen, womit die moderne Schule so prätentiös
auftritt. Zu dieser nun bekennt sich der Euphonist Herr
Ferdinand Sommer, der sich in Scenen aus Robert der
Teufel, in Fantasieen aus Norma, in Violinvariationen von
Mayseder (das Euphonion ist eine Art von neuconslruir-
tem Ophicleide) und in der Arie des Sarastro sebrexpo-
nirte. Das Theaterpublicum zeigte sich so unglaublich
langmfithig, dass es um so mehr Pflicht der Kritik wird,
die Anmassung des Herrn Sommer zurückzudrängen. —
Man wird eingestehen, dass in einer Stadt, wie Prank-
furt, die unter 60,000 Einwohnern kaum 8000 zählt,
welche thätiges Interesse an Musik nehmen, dass in einer
solchen binnen vier Monaten nicht wohl mehr Musik ge-
trieben werden kann. Von den „grossen musikalischen
Prodnctionen " der Heinefetter' sehen Musüceesellscbaft
unter Leitung des Herrn Rupp, auf der Mainlust; über
die Vocal- und Instrumentalconeerte des steyer'schen Na-
tursängers Franst Esken*s im Verein mit dem „rühmlichst
bekannten Mainzer Orchester a la Strauss" während der
Restanrations; von den Wachtparadenmärschen, von den
tausenderlei Hochgenüssen der Haustonkunst, und endlich
von der Drehorgel-, Bergknappen-, Harfen- und Bettel-
mnsik auf allen Gassen während der Messe, von dem Al-
len will ich jetzt gar nicht reden. Hätte aber meine Fe- '
der Ohren und Nerven, ihr würde schon vor der Erin-
nerung dieser losgelassenen Tonflutben schwindeln, die
ich in der Tbat in mich habe aufnehmen und verdauen
müssen. Alles bewundert und beklagt Herrn Guhr, der
als alleiniger (um nicht zu sagen einziger) Dirigent wie
ein zweiter Atlas den grössten Theil dieser Bürde auf
seinen Schultern trägt.
Dennoch habe ich noch über die drei letzten Mu-
seen zu berichten; die Auffuhrungen dieses Instituts re-
präsentiren bekanntlich' einen sehr wesentlichen Theil un-
serer musikalischen Kultur. In diesen Museen wurde auf*
geführt : an Symphonieen, die ersten drei Sätze der neun-
ten von Beethoven (Dmoü), die neueste von Mendels-
sohn (Amol!) — auf vieles Verlangen wiederholt, —
Beethovens Bdur- und Haydn's Abschieds - Symphonie.
Ouvertüren aus: Le jeune Henry von Mehul, und aus
CateVs Semiramis. Pianoforteconcerte : von Monart aus
Es und C dnr, von dem jungen Gollmick und Waldhäu-
ser, und Beethovens Quintett aus Es für Piano forte,
Hoboe, Clarinette, Fagott und Hörn, von Guhr vorge-
tragen. Endlich (ausser den Vorlesungen und declamato-
rischen Vorträgen) Lieder von Neeb, Esser , Speier,
Eliason, Gollmick und Schädel.
^ Gegenwärtig scheint sich die erschöpfte Natur der
musikalischen, Prodnctionen in unsern Mauern zu erho-
len. Fräul. Capitain, deren Andenken an ihre Darstel-
lung als Gräfin Armand mir noch lange wobllhun wird,
schwimmt den Bhein bis Düsseldorf hinab, das Gölner
Mnsikfest umgehend, und sammelt neue Kräfte zu neuen
Leistungen. Unser Sänger-, Orchester- und Chorperso-
nal ruhet ebenfalls auf seinen Lorbeeren — der Eine
wird weicher, der Andere etwas härter liegen — und
Alles spannt auf Guhr's Zurüekkunft. Dann aber soll's
wieder losgeben. C. G.
Feuilleton.
Die Apollostatue, die das Berliner Opernhaus zieren wird, ist
vollendet and ioll bald auf der Giebelspitze desselben aufgestellt
werden. Sie ial aaeh dem Apollo Mnsagetes im Berliner Museum
ausgeführt, mithin eine Nachahmung der antiken Statue.
In einem Cooeert sptrituel, welches am 6. April au Lille in
Frankreich gegeben, mit einer Ouvertüre von Halevy eröffnet nnd
mit RossinCs Stabat mater geschlossen wurde, kam auch ein Theil
einer Symphonie des deutschen Componisten Emil Steinkühler (ans
Frankfurt am Main gebürtig) zur Aufführung nnd wurde vortreff-
lich befunden.
Sophocles 9 Antigone mit Mendelssohn Bortholdy's Musik ist
nun in Paris auf dem Odeoothcater zur Aufführung gekommen und
hat, den Zeitungsberichten zufolge, einen tiefen» ergreifenden Ein-
druck hervorgebracht.
Heetor BetUoi hat vom König von Preussen für das dem
Letzteren gewidmete Werk über Instrumentation eine goldene Dose
nnd eine dergleichen Medaille erhalten.
Tiehatsehek ist in Dresden anf weitere zehn Jahre, von 1845
bis 1855, mit einem jährlichen Gehalte von 5000 Thlr. und drei-
monatlichem Urlaub eogagirt worden.
Am 19. April starb in London der Harfenspieler Witt.
Sovdroy der Erfinder der musikalischen Telephon ie, hat von
der französischen Regierung den Auftrag erhalteo, hundert Trom-
peter nach seinem System auszubilden, nm sie unter die sn mili-
tärischen Uebuogen nach Metz marsehirenden Regimenter zn ver-
teilen. Diese Regimenter werden mit einaader durch das neue
Tonsignalsystem correspondiren.
H. Her» in Paris bat ein Flügelpiano von sehr kleinem For-
mat nnd nener Gonstrnction aufgestellt, zn dessen Prüfung das
Institut einen ans den Herren Auber, Carqfa, Halevy, Onslow,
Spontini besiehenden Ansschnss ernannte. Der Berieht desselben
lautet sehr günstig *).
') Bin Pianoforte dieser Gattung kann bei den Verlegern der
allgemeinen musikalischen Zeitung in Augenschein genommen
werden.
'451
1844. Juni. No. 25.
Ankündigungen.
Im Verlage der Uaterseichnetea wird nächstens Mit Eigeu-
thums recht erscheine« :
Souvenir de la Sirene,
Opera de D. F. B. Juber.
Fantaisie ponr le Piano
Wr. Kaikbrenner.
Op. 180.
Leipsig, de« 18. Juni 1844.
Breltkapf ** VUkr%*U
Werke zur Theorie und
CreseHlelite der Musik
im Verlag von Breitkopf «ff Hftrtel in Leipzig.
Cbladnl, Lehrbueh der Akattik. Nene Ausgabe mit 19 Kupfern,
und einem neuen wohlgetroffenen Portrait des Vertanen. 4 Thlr.
— — Beiträge xur praktischen Akustik und nr Lehre vom Instru-
mentenban. 1 Thlr. 90 Ngr.
< Nene Beitrage w Akustik, mit 10 Steindruck tafeln. 9 Thlr.
90 Ngr.
aPoMter, Anleitung mm Genemlbass, Nene Ausgabe. 1 Thlr.
10 Ngr.
Franst* , IL« W», Anweisung tum Modnliren für angehende
Organnten und Dilettanten der Mnsik, in Beispielen dargestellt.
99fNgr.
nTrttS, nt«« Anweisung, wie man Klaviere, Fortepiauo's und
Orgeln nach einer mechanischen Art in allen 19 Tünea gleich
rein stimmen kann. 5. Anlage. 5 Ngr.
Claitlttale, E«, Die musikalische Reform, ein neues Notirungs-
system, ans dem Italienischen übersetst tob F.J.Hmser. 994 Ngr.
tSriealsaffer, €»• A. 9 Biographische Notinen Aber J. H«ydn.
90 Ngr.
CSretry, Versuche über die Musih. 1 Thlr. 15 Ngr.
Hftner, Versuch einer systematischen Uebersicht der Gesang-
lehre. 90 Ngr.
JTelennperffer, Die Harmonie des 19. Jahrhunderts und die
Art sie su erlernen, aus dem Französischen übersetst von F. J.
Hüter. 9 Tblr. 15 Ngr.
Kandier, F* &•• Ueber das Leben und die Werbe des G.
Pierhagi da PaUtlrina, nach Gmsepn* Bmiui, herausgegeben mit
einem Vorworte und mit gelegentlichen Anmerhungen von Jt.
G. Kusewetter. 1 Thlr. 99* Ngr.
It>fer»telM, JDr. €1. A#, Ueber das Verhältniss der Musik
nur Pädagogik. 8 Ngr.
amtesewettei», lt« CL, Geschichte der europäisch -abendlän-
dischen oder unserer heutigen Musik. Darstellung ikres Ursprungs,
ihres Wachsthoms und ihrer stufenweben Entwicklung; von
dem ersten Jahrhundert des Christenthums bis auf unsere Zeit.
9 Thlr.
Ueber die Musik der neuern Griechen, nebst freien Gedan-
ken über altegvptische und altgriechisebe Musik. Mit 8 Tafeln.
8 Thlr.
— — Schicksale und Beschaffenheit des weltlichen Gesanges. Mit
musikalischem Beilagen. 4 Thlr. 18 Ngr.
— — Guido von Jrczzo. Sein Leben und Wirken. 99* Ngr.
Die Musik der Araber, nach Originalquellen dargestellt. Mit
einem Vorworte tob dem Freiherrn «. Brnrnmer-Purmstmll. 3 Thlr.
439
IiefcniAnn, Anleitung, die Orgel rein und richtig stimmen su
lernen und in guter Stimmung sn erhalten. Nebst einer aus-
führlichen Besehreibung über den Bau der Orgel, deren wesent-
liche* Thelle und innere Einrichtung. 8 Ngr.
I4m*v1bm, Theorie dar Stimme. 15 Ngr.
Mmrp»Jun?ff, Anfangsgrunde der theoretischen Musik. 15 Ngr.
Marx, A. B« , Die Lehre reu der musikalischen Compositioo,
praktisch - theoretisch , nnm Selbstunterricht , oder alt Leitfaden
bei Privatunterweisung und öffentlichen Vorträgen. Zwei Bände.
Zweite vermehrte und Tcrbesscrte Ausgabe. 8 Thlr.
— — Allgemeine Musiklehre. Zweite Auftage. 9 Thlr.
Die alle Mnsiklchre im Streit mit unserer Zeit. 1 Thlr.
Maria;!, A., Abhandlung über den fegirten Coutrapnmet . 15 Ngr.
M Aller. W. €?•, Aestbetitch- historische Einleitung in die Wis-
chaft der Tonkunst. Zwei Theile. 5 Thlr.
Fetrl, JT, 8., Anleitung nur praktischen Mosth. 1 Thlr.
Schient, «V« CL, Grundregeln der Harmonie nach dem Ver-
wechslungs-System entworfen und mit Beispielen erläutert. 9 Thlr.
gehllmbacm, €1. €. F., Ueber die Struktur, Erkaltung und
Stimmung der Orgel. Dritte Ausgabe. Durchgesehen und ver-
mehrt von C. F. Becker, 1 Thlr. 10 Ngr.
Töpfer, S. €3,, Abhandlung über Saitenbenug der Pisnoforte't
in Tafel- und Flügelform. 8 Ngr.
irterllnm*-, Versnob einer Anleitung sum Präindiren. 10 Ngr»
Villa teatl, Abhandlung über die Musik dm alten Egypten*.
90 Ngr.
'ff/lnterfeld, C. V., Der evangelische Rirchengesnng und sein
Verbältnin nur Runst des Tonnten dargestellt. Erster Thoü.
netto 19 Thlr.
Zeitomm, mUgemeiue, umuOtalitcke. V bis ll r , 15"V 14» Jahrgang.
a 4 Thlr. 19* Jahrg. 5 Thlr. 15' und folgende Jahrgänge*
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Tedeaea, Op. 11. Galop de» Brafoure pour Pianoforte. 10 Ngr.
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JToh* Andre m Offenback m. M.
Druck and Verlag voo Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
455
454
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 20**» Juni.
M £6.
1844.
Inhalts Musikalische Zustande in Paris. — Rezensionen. — Nachrichten: Aus Dresden. Aus Berlin. Aus Posen. Aus Rom. —
Feuilleton. — Ankündigungen.
Musikalische Zustände in Paris %
Gedrängte historische Ent Wickelung des französischen
Schönheitsprincipes in der Kunst, als Ursache für
den herrschenden Geschmack.
Die Franzosen haben den nationalen Typus in ihren
verschiedenen Kunstrichtungen von je her zu erbalten ge-
wusst. Der ihnen eigene Geist des Wirkens nach Aussen
gab der Totalität ihrer Lebenskräfte Energie Für das For-
men practiseher Dinge, unef die Thal war bei ihnen vor
dem verdichteten Principe da. So stellte sich das franzö-
sische Volk günstig nach Aussen, und konnte in diesem
äusserliehen Bestände sein inneres Gleichgewicht um so
eher erbalten, als es seinen Geist weniger nach innen
kehrte, um sich auf diese Weise zum allgemeinen Welt-
zustande zu vermitteln.
Vor dem Eintreten des emaneipirten Bewusstseins im
französischen Volke befand man sich behaglich und in
der eigenen Genusssucbt ungestört, indem man den Ge-
nuas des absoluten Herrschens der Bourboniscben Linie
überliess. So konnte sich die Galanterie von oben herab
als ein organisirtes Ganzes gellend machen, und die ma-
teriellen Kräfte des Individuums in ihrem Befangensein
durch den Genuss dem monarchischen Principe unschäd-
lich bleiben. Diesem Zustande nun muss Eins zum Lobe
nachgesagt werden, und zwar die an und für sich zwar
kokette, aber dennoch immer edlere Sucht nach geisti-
gem Vergnügen. Ludwig XIV. wollte nicht allein den
Huf des tapfersten und galantesten , sondern auch den
des geistreichsten Königs der Welt haben, und er hat
dies für seine Zeit auch wirklich erreicht.
Die materielle Genusssucbt, die in der körperlichen
Schöne aufging, führte auf die Reprodoction der grie*
chiseben Plastik in Frankreich. —
Von Italien her war der machtige Accord für das
Erschaffen einer neuen Kunst, und zwar der musikalisch
theatralischen, auch nach Paris gedrungen, und schon vor
Lvtlu, dem drolligen Kuchenjungen und spateren Ritter,
Oberintendanten, Capellmeister u. s. w., war die „nova
musica" an den Ufern der Seme hörbar worden.
Auch in dieser Kunst hatte das griechische Ideal den
haltbaren Stoff bergegeben, und da, wie schon oben er-
wähnt, geistiges Leben bei all 9 jenem Aufgehen des Ma-
terialismus nicht fehlte, so erhielten die Franzosen aueh
ein nach griechischen Mustern gebildetes Nationaldrama,
46. Jahrganf.
das ursprünglich für das „plaisir" des Königs geschrie-
ben wurde. Den poetisch - rhetorischen Werth jener Lite-
ratur zu besprechen, gehört nicht hierher, und wir wol-
len nur für unsere Entwicklung aus ihr denjenigen Schluss
ziehen, der uns überhaupt veranlasste, sie hier zu nennen.
Die Franzosen haben nämlich die ihnen aus der oben
bereits angeführten Ursache der äussern Richtung ihres
Geistes und aus dem daraus entstehenden Mangel an in-
nerem Gemüthsleben eigene Stellung zur Kunst beibehal-
ten. Deren letzte Aufgabe konnten sie darum noch nicht
herausfühlen, und da ihnen so die Elemente für das Er-
kennen der starren Gebundenheit der Verhältnisse, dem
verlangenden inneren Ich gegenüber, abgeht, woraus al-
les Tragische und Dissonirende im Leben überhaupt ent-
springt, so ntussten sie den beschränkten ästhetischen
Kreis ihrer sogenannten classiseben Literatur überhaupt
für den ausforsten in der Kunst halten.
Dass sich diese Verblendung nun bis auf den heuti-
gen Tag conservirt, ist für den allgemeinen Zustand der
Kunst in Frankreich von um so grösserer Wichtigkeit, als
letztere, namentlich aber die musikalische, in Deutsch-
land seither längst in ihren eigentlichen Zenith getreten,
und in die Welt des Geniessend übertragen wurde, für
deren Mittelpunot von je her Paris galt.
Bevor wir aber auf diesem Standpitncte weiter ge-
hen, wollen wir noch einen Rückblick auf den Entwicke-
lungsgang der Tonkunst in Frankreich werfen, um deren
Hervortreten mit dem allgemeinen Bildungsfortgaoge der
Kunst überhaupt zu verknüpfen, und uns so in unser
eigentliches Terrain au werfen.
Luilf Wieb der musikalische Abgott der Franzosen
bis auf Gluck. Die Worte: beant£, pJaisir, sentiment und
dergleichen schöne Ausdrücke, spielten in dem fast an
Wahnsinn grenzenden Lobqualm, den man seiner Musik
hundert Jahre hindurch spendete, eine grosse Rolle. Es
ist ein wahrer Jammer, die Menge „ Essai sur la musi-
que, Reflexion« sur T0p6ra" u. s. w., die sich in Bro-
ehüren oder phrasenvoller Bücherform aus dem 18. Jahr-
hundert erhalten, zu lesen, ein Jammer, den Streit mit
den Italienern vor und nach Rameau, den der Rameaui*
sten und Ltr//ysten, zu verfolgen. Der französische Esprit
machte sich hier, seiner ganzen Spitzfindigkeit und aus*
serlichen Berührung der Dinge nach, breit. Die Darstel»
lang dieser Zustände soll, da ihre Folgen für das allge-
meine Bewusatsein trotz der Hohlheit der Sache selbst
26
455
1844. Juni. No. 26.
436
bedeutend worden, an einem andern Orte Platz finden.
Hier genüge nur die Bemerkung, dass mit dem Erschei-
nen Gluck 9 *, das die musikalische Ausprägung des schö-
nen griechischen Ideals lur Folge halte, den Franzosen,
hei all' ihrem an und für sich anerkennungswerlben En-
thusiasmus, keine andere Lebre als Niederschlag dieses
Wirkens blieb, als : dass das Schöne schön sei und plai-
sir und sentiment erwecke. Höchst bezeichnend für die-
ses Kunstevangelium der Franzosen ist MarmonteVs Ur-
theil über Gluck , dessen Wirken er sich als Protector
Piccinis überhaupt widersetzte. Nachdem er nämlich zn
beweisen suchte, dass Gluck** Musik eigentlich nicht
schön sei, sagt er: ,,so will ich denn zugeben, dass
Gluck der Shakespeare der Musik sei, ein Racine der
Musik ist er aber Dicht!" So wie nun die untergeord-
nete Schönheit jener Literatur den Franzosen die höchste
und letzte in der Kunst ist, so beruhte der ungeheure
Erfolg Gluck 9 * zum Theil auch auf der Composition der
Racine 9 sehen Iphigenia.
Die Zeil Ludwigs XV. hatte sich, übersatt an sinn-
lichen Genüssen, dadurch wieder aufzureizen gesucht,
dass sie sich den sinnlichen Genuss als selbst in der
naiven Natur existirend zu emaneipiren suchte. Man
schuf eine Schäferwelt und fand in dieser Stoff für die
ebenfalls aus Italien herübergegangeue komische Oper.
Die romantische Characteristik in Frankreich und
ihre Folgen.
Auch in der Verfolgung der musikalischen Leistun-
gen Frankreichs von den Zeilen Gluck 9 * bis auf die uns-
rigen werden wir das characteristische Element, das
in der Kunst zur höchsten und letzten Schönheit umge-
sefiaffen werden soll , jenes Kunslschöne , das die Fran-
zosen für die äussersten Grenzen des Schönen halten,
aber von vorn herein schon in sich fasst, nirgends fin-
den. Wo sich das Characteristische in Form des Roman-
tischen in der Poesie bei ihnen gellend machte, ward et
nicht von einem von Hause aus schönen Individuum re-
präsentirt, sondern das Cbaracterisliscbe, das ein allge-
mein Schönes schon in sich enthalten soll, enthielt hier
ein hässliches Auseinander. Es ist dies die Poesie Vic-
tor Hugo**.
Als mit diesem untergeordneten Principe für Schön-
heit ausgerüstet haben wir die Pariser Welt auch in die-
sem Augenblicke zu betrachten. Das griechische Kunst-
ideal versandete nach und nach in dem Halbheroentbume
der Opern MehuCs, Paers, Berten 's u. s. w. und zog
eine romantische Form in die musikalisch -theatralische
Kunst, die durch ein wie in der Poesie characleristiscbes
Moment erzeugt wurde. Die Romantiker in den verschie-
denen Künsteu arbeiteten einander unwillkürlich in die
Hände. Ich mag hier die Erfolge Meyerbeer 9 *, Halevys
und Anderer nicht nach dem speeifischen Werlhe ihrer
Werke beleuchten. Für die französische Kunstrichtung
gelbst, die wir eigentlich hier verlassen, könnte dies um
so weniger entscheidend sein, als es Deutsche und nicht
Franzosen waren , die jene allgemeine Ricbtuug des Ro-
mantischen für ihre Zwecke benutzten. Der gebildete
Franzose ist eher noch bei seinem alten Evangelium vom
Schönen stehen geblieben. Die Gelegenheit also, die für
die Ausdehnung des ganzen. Kunstkreises in Frankreich
mit dem Hereinziehen des Cbaracleristiscben vorhanden
war, schlug sich in das gerade Gegentheil ihres erwei-
ternden Principes um. Es wirkte nachteilig auf die Kunst,
weil es das subordinirte Schöne von vorn herein nicht in
sich halte, im Gegentbeile aber, wie ich in der Richtung
der Poesie bereits erwähnte, das Bizarre, Verschrobene,
Hässliche.
Das Abgescblossensein eines Kreises in der Kunst,
wie dies in der Darstellung des griechischen Ideals vor-
handen war, kann der Kritik als zurückgelegtes Stadium
genügen, insofern in ihm das Schöne zur angemessenen
Erscheinung gebracht worden ist. Handelt es sich aber
einmal um das Sprengen dieses Kreises, so muss das Ge-
wonnene für das Verdrängte entschädigen. Dies ist mög-
lich , wenn die Elemente , die jenes Ueberschreiten die-
ses Kreises zu Wege brachten, von Hans aus schöne wa-
ren, und inwiefern dies in den Werken Meyerbeer 9 *
und Halevys der Fall ist, mag Jeder, den die Natur des
Bewusslseins des Schönen würdig gehalten, selbst erken-
nen. Denn es würde durchaus unnütz sein, hier mit
einer Erklärung vom eigentlichen Wesen des Schönen
Diejenigen zur Erkenntniss bringen zu wollen, die von
Natur aus keine schönen Seelenkräfte in sich haben. Es
ist dies zugleich die Ursache, warum in allen philosophi-
schen Wissenschaften kein Begriff schwankender für die
Auffassung hingestellt werden konnte, als der des Schö-
nen, da dieser Begriff nur durch das sympathetische Zu-
sammenwirken der erfassenden subjeetiven und der zu
erfassenden am Objecto vorhandenen Schönheit gewonnen
und im Individuum klar werden kann.
Der jetzige Geschmack in Frankreich. — Bertiox.
Die Resultate jenes neuen , im Felde des Bizarren
und Verrenkten aufgegangenen Geschmackes liegen vor
uns ; auf dem Theater kann die Musik überhaupt nur noch
dann ihre Existenz geltend machen, wenn sie die Grund-
pfeiler materiell phantastischer Vorstellung umzieht. Haupl-
effecte der Orchestik sind die äusseren Wirkungen, die
die innere durch Harmonie und Melodie zu erzeugenden
verdräogt haben.
So steht es mit der Musik, die eine analoge Poesie
zum Schwesterkusse herbeigerufen; werfen wir nunmehr
einen Blick auf die Musik in ihrer absoluten Sphäre.
Im Principe der Instrumentalmusik liegt das innere
Ertönen des Individuums, das den kämpfenden Process sei-
ner Seelenkräfte selbst zum Vorwurfe für seine Darstel-
lung nimmt. In Deutschland hat die Kuust in diesem ih-
ren äussersten Bereiche das Vollendetste geleistet, was
auch bereits, dem Resultate nach, in Frankreich in's all-
gemeine Bewusstsein getreten ist. Die hohe Verehrung
für Beethoven, der aber seiner Individualität nach nichts
weniger als erkannt ist, beweist dies genugsam. Wie nun
aber die schaffenden Herren Tonkünstler der Opernmusik
dem Gescbmacke eine Richtung zu geben vermochten,
so fanden Andere für die Producte ihrer Muse im Com-
poniren von Instrumentaltonstücken ein bequemes Ter-
rain, das in ähnlichen Formen Construirle geltend zu
machen, vor.
457
1844. Juni. No. 26.
438
Heetor BerUoz, dessen journalistische Macht als Feuil-
letonist am Journal des Debats sich den einflüssreichsten
Mannern an der Oper gegenüber dienstbar erwies, con-
servirt den Zustand des jetzigen Pariser Geschmackes in
entschiedener Weise. Das Mascbinenprincip, das diesen
Zustanden zu Grunde liegt, macht sich bei aller und je-
der Gelegenheil geltend, und Berlioz erwies dem jetzi-
gen Gescbmacke sogar den Ungeheuern Dienst, dass, als
vor mehreren Monaten, bei der Wiederaufführung von
Sacchinis Meisterwerke Oedipe ä Colonne der Enthusias-
mus älterer Musikverehrer sich hervorthal, er das Feuil-
leton des Journal des Debats zur Darstellung des Lächer-
lichen, das der Anerkennung solcher Musik zu Grunde
liege, benutzte. Man halte die Oper seit zwanzig Jahren
nicht gegeben, und da sie auf diese Weise einer neuern
Generalion vorgeführt wurde, zu der sie durch die Kri-
tik hätte vermittelt werden können, so verschwand sie
nach einigen Vorstellungen, da die Kritik sie als mit den
Meisterstücken der neuern französischen Oper durchaus
unvergleichbar erkannte, vom Repertoir. Die ganze Auf-
fuhrung sollte beweisen, dass das Publicum dergleichen
nicht mehr wolle, und man halte darum auch von vorn
herein Nichts für eine angemessene Ausstattung und Be-
setzung gethan. Berliox selbst hat sich von je her auf den
Standpunct gestellt, Unformen in der Kunst geltend ma-
chen zu wollen, und der innere Widerspruch, der sich
zwischen seiner schaffenden und seiner kritisirenden Ka-
tar kund giebt, besteht darin, dass er auf der einen Seite
die höchsten Muster der Form verehrt, selbst aber zu
keinem künstlerischen Gestalten seiner eigenen Kräfte ge-
langen kann.
Was nun diesen Punct anbetrifft, so wird sich im
Allgemeinen das Factum herausstellen, dass, wo es an
qualitativen Seelenkräften für den gewaltigen Ausdruck
fehlt, auch das im Wesen der Kunst bedingte Formelle
sich nie herausbilden kann. Was Totalität der Darstel-
lung werden soll, wird zerfliessende Malerei. Nur dem
geborenen harmonischen Geiste, der sich, er mag seinen
inneren Gehalt im Kampfe mit der seine Willenswelt be-
drückenden äusseren Materie noch so sehr auseinander-
zerren, das Gleichgewicht der Seele wiederzugeben ver-
mag, kann ein natürliches Crystallisiren des geistigen
Extractes gelingen. Die psychologisch -ästhetische fcnt-
wickelung des Processes, der selbst bei positiv vorhan-
denem Genie den Ausschlag für das Schaffen eines wah-
ren Kunstwerkes allein abgeben kann, gedenke ich ander-
wärtig darzustellen. Hier sei es mir, was diesen Punct
anbelangt, nur noch gestattet, dieses Gesetz vom natür-
lichen Sichbilden der Form, selbst oboe Hilfe des Kunst-
Verstandes, dem Bestände der sogenannten Salon -Musik
entgegenzuhalten.
(Besehlntt folgt.)
R e c e n 8 I O R E R.
nst und Scherz. Originalcompositionen für grosse und
kleine Liedertafeln. No. I. Der Schiffer von Conrad*
Kreutzer. Hoffnung von Fr. Schneider. Mailied von
C. Kreutzer. Rare virtus von H. Truhn. Trinklied
von A. Zöäner. Abschied vom Walde von V. E.
Becker. An die Gäsle von Neithardt. Schleusingen,
bei Glaser. Partitur 6 Sgr., jede Stimme 2% Sgr.
Die oben genannten Namen bürgen hinlänglich für
den Werth dieser Sammlung, von welcher jährlich sechs
Hefle erscheinen sollen, und welche sich, in dem vorlie-
genden wenigstens, bei anständiger Ausstattung durch
Wohlfeilheit des Preises empfiehlt. Wir können, wenn
die folgenden Hefte diesem ersten an Werth gleich blei-
ben, diesem Unternehmen nur einen glücklieben Fortgang
wünschen, dessen es sicherlich nicht ermangeln wird,
wenn die Redaction fortwährend mit gehöriger Strenge
bei Sichtung der aufzunehmenden Beiträge zu Werke geht.
Eine Liederkranzprobe. Musikalische Burleske für Män-
nerchor, von Ludwig Motitor. Partilur und Stim-
men. Mainz, bei Scholt's Söhnen. 2 Fl.
Dieser musikalische Scherz ist nicht ohne Laune und
Gewandtheit durchgeführt. Dass freilich darin Heiliges und
Ernstes als Substrat dienen muss, wird Manchen missfäl-
lig sein. An des Verfassers Stelle würden wir der Ge-
sangübung, welche den Mitlelpunct bildet, andere Texte
untergelegt haben. Wir wissen zwar wohl, dass auch
ältere, hochachtbare Componisten, wie z. B. Haydn, das
Heilige und Ernste in das Gebiet des Scherzes hereinge-
zogen haben; allein gerade jetzt möchte Solches weni-
ger, denn je, an der Zeit sein.
Vier Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass, von J.
fV. KaUiwoda. Op. 124. Mainz , bei Scholl's Söh-
nen. Preis 2 Fl. 24 Kr.
Man muss dem verdienstvollen Verfasser dieser Ge-
sänge um so mehr für diese Gabe seiner Muse Dank wis-
sco, je günstigere Gelegenheit er in ihr selbst auch nur
massig geüblen Sängern bietet, sieb eines frisch belebten
Zusammenwirkens zu erfreuen, zu welchem durchaus nur
der gewöhnlichste Umfang der Stimmen erforderlich ist.
Uebrigens bedarf ein Werk, das einen solchen Namen an
der Stirn trägt, gewiss keiner weiteren Empfehlung. So
führen wir nur noch die Ueberscbrifleo der, nur den letz-
ten ausgenommen, in heilerem Tone gehaltenen Gesänge
an. Es sind folgende : Lenzverjüngung. Der Abend. Früh-
lingsfeier. Abendlied. — Wir wünschen, dem geehrten
Verfasser bald wieder auf diesem noch keineswegs über-
mässig bebauten Felde zu begegnen. Er würde sich da-
durch, mit Beibebaltnng des hier angenommenen Stimmen-
bereiches, oder doch mit nnr geringer Ueberschreilung
desselben, um sehr viele engere Mnsikkreise ein grosses
Verdienst erwerben.
Sechs Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass, nach
Diebtungen von C. Beck, Beinick und Hebel, com-
ponirt von Julius M elcher. 2 Hefte. Berlin, bei Bote
und Bock, a % Thlr.
Diese, so wie die zuvor angezeigten Kalliwoda'schen
Gesänge gelten uns als erfreuliches Zeichen für die Eman-
cipation der Liedertafeln von der doch allzu grossen
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1844. Juni. No. 20.
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Tyrannei des Männergesanges. Lfingst schon wollte es uns,
bei gemischten Liedertafeln, d. b. bei solchen, da auch
die boldseligen Ehegenossinnen und Töchter der Herren
Tenore und Bisse zugegen waren, durchaus nicht gefal-
len, dass jene blos für Braten uud Torle die Rosenlippen
öffnen, diese aber allein das grosse Wort führen sollten.
Es schien uns dies immer sehr ungalant, und es nimmt
uns Wunder, dass dieser Punct nicht bereits öfter scbon
von emaneipaüouslustigen Schriftstellerinnen scharf auf-
gestochen worden. Höchst edelmüthig kommen jetzt freund-
liche Gomponisten diesfallsigen Motionen zuvor, und bin-
nen einigen Jahren hoffen wir wenigstens bei gemischten
Liedertafeln (sie sollten es immer sein) den Männer- durch
den Naturgesang verdrängt zu sehen. Gesänge, wie die
vorliegenden, sind ganz dazu geeignet, den Eintritt einer
neuen Liedertafelperiode beschleunigen zu helfen. Nur
geringe Ausstellungen können dieses unser beifälliges Ur-
tbeil ein wenig mit Scbatlenstricben vermischen.— Gleich
in No. 1 „Frühlingsglocken«' genannt (wunderschön ist
dieses Lied einstimmig von Lehmann componirt) klingt
es unserem Obre etwas lästig, wenn der Verfasser singt :
.,Ei! ein gar lustig Ding. Ei!" Da febll der sprachliche
Wohllaut. Wenn wir nicht irren , bat ihn der Dichter
besser beachtet» indem er schrieb; „Ei gar ein lustig
Ding/' Gleich darauf wiederholt unser Componist die
Wortes „ein gar lustig Ding" unter der Vorlragsvor-
schrifts „rilardando molto." Das will uns durchaus nicht
naturgemäss vorkommen, denn man springt nur gar zu
gern vivace in den Frühling hinein. Sonst ist das Lied
sehr anmuthig gegeben. — In No. 4 „Freude in Ehren"
lag dem Gomponisten eine allerdings schwierige Aufgabe
vor. Er hat sie deshalb nicht gelöst, weil er das Lied,
anstatt es in seiner Totalität zu erfassen , parcellirt hat.
Die Oberstimme ist übrigens in diesen Gesängen prädo-
roinirend, während die übrigen fast immer nur begleitend
auftreten. Da ist uns nun wieder die Galanterie gegen
die liebenswürdigen Sopranistinnen zu weit getrieben I
Die Ausstattung löblich.
Vier dreistimmige Lieder: Der Stern und die Rose, Jä-
ger und Jägerin, Sehnsucht, und Die Sennerin und
ihr Schatz, für Sopran, Tenor und Bass mit Beglei-
tung des Pianoforte von C. T. Brunner. Op. 42.
Hannover, bei Bacbmann. Preis 14 Ggr.
Einen eigentlich polypboniscb bewegten Satz bat man
in diesen Liedern, einige Anklänge daran abgerechnet,
nicht zn suchen; allein sie bewegen sich in ansprechen-
der Haltung, ohne in's Ordinäre zu verfallen — ein Vor*
wurf, den man etwa nur dem vierten machen könnte,
wiewohl es der Verfasser hier nicht wohl vermeiden konnte,
an gangbare Formen zu erinnern. Ausstattung gut.
Drei Duette für Sopran und AU, mit Begleitung des Pia-
noforte, gedichtet uud eomponirt von Hellmuth Dam-
mas. Op. 8. Berlin, bei Bote und Bock. Preis % Thlr.
Reeensent mag es gern sehen, wenn Duette, Ter-
zette u. s. w. auch dem Texte nach wirklich darauf an-
gelegt sind, es in Wahrheit zu sein. Ist das nun auch
bei den Texten der hier vorliegenden Duette «ich! durch-
gebends der Fall, so sind diese dock in musikalischer Hin-
sicht so tüchtig gebalten, dass wir sie gewandten und
festen Sängerinnen, von welchen hier übrigens nur ein
massiger Umfang der Stimme verlangt wird, mit Zuver-
sicht empfehlen können, was wir hiermit in der Hoff-
nung thun, dem Verfasser bald wieder auf diesem von
ihm mit Glück angebauten Felde zu begegnen. Die Aus-
stattung ist anstandig.
Liebesfrübling, Lied von Friedr. Rückert, in Musik ge-
setzt für Sopran und Tenor mit Begleitung des Pia-
noforte von fVilk. Speier. Op. 48. Mainz, bei Schott's
Söhnen. Preis 27 Kr.
Durch diese ansprechende Compositum hat sieb der
geschätzte Verfasser um alle duettirenden Liebespaare und
solche, die es werden wollen, ein grosses Verdienst er-
worben. Man wird es gewiss zu schätzen wissen und das
vorliegende Duett gewiss überall, wo man eben noch in
der Frühlingswonne der Flitterwochen schwelgt, unzäh-
lige Male singen. Ob auch noch darüber hinaus? 7— das
ist freilich eine Frage, welche lediglich auf dem fortdau-
ernden harmonischen Einverständnisse der duettirenden
Paare beruhen wird, welches wir von ganzem Herzen
wünschen. ff — it.
Nachrichten.
Alexis Lvoff in Dresden.
Nachdem der General Alexis Lvoff in einem klei-
neren, aber gewählten Kreise als einen der grö'ssten jetzt
lebenden Quartettspieler in Compositionen Mozart 9 *, Beet*
hoven's und Reis st g er' s sich bewährt hatte, veranstaltete
er am 4. Juni in dem von ihm bewohnten HAtel ein
grosses Concert, in welchem ausser einem Adagio für die
Violine von Spohr nur Compositionen Lvoff V aufgeführt
wurden, und wodurch wir Gelegenheit fanden, ihn auch
als Virtuosen und Componisten zu bewundern.
Gegen vierhundert Personen, unter denen die königl.
säebs. Prinzen und Prinzessinnen so wie alle Gesandten
sich eingefunden hatten, waren durch Karten dazu gela-
den, Alles, was Dresden an Konstnotabilitäten zählt, war
zugegen, und der Eindruck, welchen das Concert machte,
war ein mächtiger, außergewöhnlicher.
Und allerdings ist Lvoff eine in jeder Hinsieht aus-
serordentliche Erscheinung. Hochstehend in gesellschaft-
licher Beziehung, zieht ihn doch die Kunst vor Allem an,
und zwar nicht jene Kunst, wie sie gewöhnlich in den
höheren Kreisen als Unterhaltungsmittel dienend sich gel-
tend macht , sondern jene tiefe , lichte , die allein dem
gebornen Künstler sich erschliesst.
Daher fühlt sich denn Lvoff auch nie glücklicher,
als unter Künstlern, wo er fern von aller Prätension nur
als solcher sich giebt und angesehen sein will, und Wahr-
lich, er ist es in höchster Bedeutung des Worts.
Gross als Virtuos, von den bedeutendsten Virtuosen
auf seinem Instrumente in mancher Hinsicht als onüber-
44t
1844. Juoi. No. 26.
442
troffen ancrkanwt, finden wir bei ihm , was wir bei der
Mehrzahl der heutigen Virtuosen fast ganz vermissen:
den tiefen Ernst, das rastlose, aber geregelte Streben,
wodurch alleiu es möglich wird, die Geheimnisse der wah-
ren Kunst zu ergründen, die nur durch anhaltendes Stu-
dium und Selbstdenken sich uns offenbaren,
Lvoff mit Beriot , Prume , Vüuxtemps vergleichen
zu wollen, wäre eben kein grosses Compliment für ihn«
Möglich« dass er gleich diesen ausgezeichneten Virtuosen
es vermag, alle erdenklieben Schwierigkeiten auszufüh-
ren ; gewiss, dass er es als dem Character seines Instru-
ments zuwider verschmäht, und eben so gewiss, dass
keiner jener Künstler im Quarleltspiel sich mit ihm mes-
sen kann.
Lvoff reiht sich jener kleinen Virtuosenschaar an,
welche wir eben deshalb als die grössten Virtuosen
bewundern, weil sie in ihrem Spiel nie die Grenzen über-
springen , welche die Natur ihres Instruments bedingt ;
solche Virtuosen waren : Tartini, Rohde, Hummel, solche
Virtuosen sind ausser dem Altmeister Spohr, Lipinsky,
der ältere Müller, Servais, Schubert und Rotte in Dres-
den. Lvoffs Spielart vermag ich nicht besser zu charao-
terisiren, als wenn ich sage: sie bildet einen Dreiklang
der Spiel weisen Spohr 9 s % Lipinsky's and des verstorbe-
nen Holia; denn Lvoff vereinigt in seinem Spiele Spohr 9 *
deutsche Kraft und Fülle, Lipinskys stavische Innigkeit
und Zartheit, und Roilas Glutb und Leidenschaft. Wun-
derschön ist das reine Ausklingen seines Tones im Ada-
gio, wie es uns in der Piece von Spohr entzückte. Ais
Componist scbliesst sich Lvoff allerdings der neu - italie-
nisch - französischen Schule an, als deren grössten Mei-
ster wir Meyerbeer betrachten; aber auch hier tritt bei
Lvoff das stavisch- deutsche Element bedeutend hervor,
wie z. ß. in seiner russischen Volkshymne, der Ouver-
türe zu Bianca und Gualtiero, dem Gebet im zweiten
Acte dieser Oper, so wie in den Finales.
Wir hörten an diesem Abend in der ersten Abtei-
lung aus erwähnter Oper einen Volkschor, ein Duett zwi-
schen Bianca und Sigismund, das erste Finale, ein wun-
derschönes Trio (Bianca, Gualtiero, Sigismund) und das
Finale des zweiten Acts. Die Solopartieen wurden durch
Had. Knete, die Herren Müterwurser , Bielczisky und
Vestri ausgeführt, die Chöre durch unsern Hoftbeaterchor;
die Mitglieder unserer Capelle bildeten das Orchester,
Reissiger dirigirte. — Die Aufstellung des Orchesters war
vortrefflich und verdient Nachahmung; alle Streichinstru-
mente in der Mitte, und auf drei Galerieen rings umher
die Blasinstrumente, während die Chöre zu beiden Sei-
ten vor dem Orchester in einem Halbkreise sieb befan-
den» «*- In der zweiten Abtbeilung trug Lvoff zuerst das
schon oben erwähnte Adagio von Spohr mit grösster
Vollendung vor; sodann spielte er mit unserm Kummer
sein originelles Divertimento: „Le Duel." Dieses Ton-
stück liefert den Beweis, dass die Tonmalerei, wie hier,
mit Geist angewandt allerdings eines fast bis zur Rede
verständlichen Ausdrucks fähig ist; wir versuchten frü-
her in der neuen Zeitschrift eine Erklärung dieses Diver-
timento; durch das Programm, welches jetzt der Compo-
nist selbst gegeben hat, stellt es sich heraas, dass wir
unsere Aufgabe fast buchstäblich gelöst haken. Den Be-
scbluss machte die Volkskymne, deren Wirkung mächtig
war. Das Concert währte 2% Stunde, die grösste Auf-
merksamkeit und enthusiastischer Beifall begleiteten und
folgten jeder Nummer; zu bedauern ist es, dass die
Kürze der Zeit die Aufführung der zweiten Fantasie über
russische Volkslieder, welche das Programm uns ver-
heissen hatte, nicht znliess; wir hörten diese Composi-
tion in einem Berliner Concert: sie ist reich an origi-
nellen Zügen, und wir machen alle Virtuosen darauf auf-
merksam.
Nachdem das Concert beendigt war, blieben die
Künstler, welche darin mitgewirkt hatten, so wie eine
Anzahl Kunstfreunde zu einem heitern Nachtmahle ver-
sammelt ; dass es dabei nicht an Toasten zu Ehren Lvoff"*
fehlte, darf wohl nicht erst gesagt werden. Lvoffs edle
Persönlichkeit, sein tiefes, wahres Gefühl, seine Begei-
sterung für Kunst und Künstler — wie weiss er unsern
Upinsky zu würdigen! — seine Anspruchlosigkeit im
Verein mit seinem grossen Talent haben ihm alle Herzen
gewonnen, und gewiss ist kein Künstler in Dresden, der
nicht aufrichtig wünscht : dass Alexis Lvoff noch oft zu
uns zurückkehren und Theil an unserm Streben neh-
men möge.
Üeber die Oper: Bianca und Gualtiero, welche in
Petersburg vor dem versammelten kaiserl. Hofe unter Mit-
wirkung der Garcia - Viardot, Rubims und Tamburini s
aufgeführt wurde, nächstens ein Mehrere«. Der Beifall,
weichen diese Oper erhielt, die Urtheile Mendelssohn 9 * und
Meyerbeer' s darüber lassen wünschen, dass sie auch auf
den deutschen Bühnen zur Aufführung käme. Lyser,
Berlin, den %. Juni 1844. Der Mai wurde-, da der
1 'ährliche Bettag auf den 1. fiel, mit der im Ganzen ge-
ungenen Aufführung von Fr. Schneider 9 * classischem
Oratorium: „Das Weltgericht" im königl. Schauspiel-
hause musikalisch eingeweiht. Der Spontini - Fonds wird
indess dabei eher Einbusse erlitten, als Gewinn gehabt
haben, da an dem schönen Frühlingsabende der Besuch
sehr sparsam war. Besuchter war die musikalische Soiree
des Akustikers Friedrich Roußnann, welcher das von
ihm erfundene Harmoniebord, wie seine übrigen Kunst-
werke : Symphonion , Cbordaulodion und Salpinrion mit
wohlverdientem Beifall producirte, was auch in den zwei
folgenden Soireen der Fall war. Die schönste Wirkung
machte unstreitig das von Herrn Raufmann selbst ge-
spielte Harmonienord, durch die Tonschwingungen des der
Harmonika, Orgel und Aeolsbarfe ähnlichen Saiteninstru-
ments, welches besonders zu getragenen Tönen, als Cho-
rälen, wie zur Begleitung des Gesanges und der Decla-
mation sehr geeignet ist. Sehr schön nahm sich das Har-
monichord auch in Verbindung mit der Pedalharfe, in
dem für Herrn Raufmann von C. M. v. Weber compo-
nirten Concertino aus, wobei Herr Grimm den Conoert-
geber bestens unterstützte. Von den andern Instrumenten
sprach das Sympbonion, durch Verbindung der Flöten«
und Sattentöne, wie durch die grösste Präcision im Taet
und Nüancirung des Vortrages, am Meisten an. Aennlieb,
doch weniger klangreich wurde das Cbordaulodion befun-
den. Das Salpiogioa ist von mehreren Trompeten zusau*
443
1844. Juni. No. 90.
444
mengesetzt, auch mit Pauken versehen, und führt x. B.
das Bändet aehe Halleluja aus dem „Messias" imposant
aus. Bei dem Trompetautomat sind die Doppellöne beson-
ders merkwürdig, welche durch die Luftschwingung auf
einer Trompete künstlich hervorgebracht werden. So ha-
ben die mechanisch • musikalischen Kunstwerke des erfin-
dungsreichen Herrn Kaufmann, der sich in den Arran-
gements der Musikstücke auch als geschmackvoller und
ausübender Künstler zeigte, allgemeine Anerkennung mit
Recht gefunden, wenn gleich zu pecuniärem Vortheil (nach
den zwölf Milanollo - Concerlen) die Jahreszeit wenig
geeignet war. — Herr Professor Kloss hatte noch eine
Concertacademie veranstaltet, welche in der ersten Ab-
theilung aus einem Chor aus Gluck 9 * Armide, einer Gan-
tale von Cherubim: „Der Frühling," einem Liede von
Fr. Schubert, und ClarineUsolo des Herrn KM. Nehrlich
befand. Der Concertgeber repräsenlirte dabei das Orche-
ster mit dem Pianoforte. Die zweite Abtheilung soll aus
einem historischen Vortrage „Ueber die Musik der Grie-
chen" bestanden haben, wovon indes wenig zu verneh-
men gewesen ist. Auch wurden die Proben griechischer
Musik als acht antik bestritten , worüber zu entscheiden
Referent sich kein Urtheil anmaasst. — Mozarts „Zau-
berflöte," vor fünfzig Jahren am 12. Mai 1794 zum er-
sten Male auf der königl. Bühne dargestellt, feierte am
12. Mai d. J. ihr Jubiläum auf würdige Weise. Den Sa-
rastro sang Herr Zschiesche, mit Benutzung seiner wohl-
klingenden Tiefe der Bassstimme (bis D). Da Herr Man-
tius in Cöln auf Urlaub war, sang Herr Pfister den Ta-
mino recht gelungen. Dem. Marx trag die beiden Arien
der Königin der Nacht mit Geläufigkeit, Ausdruck und
besonders die Staccatostellen in der Höbe (bis e) rein
und sicher vor; nur störte die mit Mozarts Kunstinten-
tionen vertrauteren Zuhörer die Transposition der ersten
Arie aus Gmoll und Bdur in Fismoll und Adur (also
statt zwei B drei Kreuze) und: „Der Hölle Bache" aus
dem lugubern Dmoll (ein B) in Hmoll (mit zwei Kreuzen).
Und doch wurde von einem musikalischen Kritiker diese
Verlegung der Tonarten als „mit vollstem Recht" ge-
schehen bezeichnet. Lässt sich nicht eher ein oder ein
Eoar Töne der zu hohen Coloratur abändern, als so ganz-
en den Character des Gesangstäcks vernichten? Sollte
der Dirigent dergleichen Willkür den Sängern gestalten? —
Dem. Tuczeck sang die Pamina, selbst die Arie in G moli:
„Ach! ich fühl'«" u. s. w. ganz ohne alle Abänderung
und mit seelenvoll natürlichem Ausdruck. Wegen Krank-
heit des Herrn Blume hatte Herr L. Schneider die Rolle
des Papageno übernommen, und führte solche mit vielem
Humor durch. Zu einer Improvisation veranlasste den be-
liebten Komiker die Gegenwart der Damen Müller -Hell-
muth und Boranius, welche in der ersten Vorstellung
dieser Oper vor fünfzig Jahren die Pamina und Papagena
dargestellt hatten. Lippert hatte damals den Tamino, und
seine Gattin die Königin der Nacht gesungen. — Den
|fonostatos gab Herr Fischer; den ersten Sprecher sang
Herr Behr ganz angemessen. Auch die drei Damen wa-
ren durch die Dem. Hofkuntz y Grünbaum (welche aus-
serdem noch die Papagena gab) und Hähnel bestens
besetzt; auch die drei Genien wurden von drei Chor-
rein und sicher gesungen , eben so die Prie-
sterchöre. Nur das Glockenspiel wollte nicht recht stim-
men und Papageno's Pfeife versagte der fünfte Ton« Dass
das Orchester von der herrlichen Ouvertüre bis zum
Schlusschor die (nstrumentalpartieen mit höchster Acht-
samkeit und Feinheit ausführte, bedarf kaum der Er-
wähnung.
Iu zwei Wiederholungen der Oper sang Herr Pelle-
grini aus München den Sarastro mit vollem Ton und so-
nor, nur im Tonansatz (besonders in höherer Lage) etwas
tremulirend. Die Arie: „In diesen beil'gen Hallen" hatte
der schätzbare Sänger (ohne Störung) in Fdur x / 2 Ton
höher verlegt, da seine Tiefe nur bis F ausreicht. Aus-
serdem bat Herr Pellegrini den Grafen Almaviva iu Mo-
zarts: „Hochzeit des Figaro" zwei Mal mit mehr An-
stand als Galanterie, zwei Mal den Osmin in „Belmonte
und Constanze" vorzüglich gelungen, und den Marcel in
den „Hugenotten" gegeben, welche Bolle ihm weniger
zusagt.
Herr Stighelli bat mit Wiederholung des Arnold in
Rossini 's Teil seine Gastrollen geschlossen, und die So-
lotänzerin Dem. Wagon, nach einem ihr bewilligten Be-
nefize, die königl. Bühne verlassen, wie dies auch mit
Herrn Ed. Deurient der Fall war, welcher am 20. Mai
als Tasso zum letzten Male aufgetreten ist, und sich nach
Dresden als Oberregisseur des königl. Hoftheaters be-
giebt. — Herr Döring hat seine Gastrollen mit Richelieu
von Bulwer geschlossen , und Dem. Grünbaum wird im
Juni die königl. Bühne verlassen, nachdem ihr von des
Königs Majestät zuvor ein Benefiz bewilligt ist. — Herr
Mantius ist als Belmonte, Tamino und Raonl bereits wie-
der aufgetreten. — Herr Pellegrini giebl beute den Teil
in Rossinis Oper als letzte Gastrolle. — Die italieni-
sche Oper hat ihre Vorstellungen mit Lucrezia Borgia,
Maria, la figlia del Reggimento, und Fioravantts Canta-
trici villane beschlossen. In beiden Opern fanden Signora
Malcani (welche hier ihren Vater durch den Tod verlo-
ren hat) und Signor Grandi als Suipizio und Bucefalo
verdiente Anerkennung. — Mit dem Juni beginnen auch
die Vorstellungen im Schlosstheater zu Charlottenburg
wieder, und euden später die des französischen Theaters
im Concerlsaale , wo auch Tieck 9 s „Gestiefelter Kater"
für eingeladene Zuschauer (unter denen auch der Dichter
und Oehienschläger sich befanden) nochmals wiederholt
worden ist. — Die zum 8. Juni erwartete Ankunft der
Kaiserin von Russland dürfte in Potsdam (bei Hofe) einige
ausserordentliche Aufführungen veranlassen. Früher war
Faust mit Musik des Fürsten Radziwill dazu gewählt,
jetzt soll Racine 9 s Athalia bestimmt sein. — Der in Pa-
ris vom Conservatoire durch Ertheilung einer silber-
nen Medaille ausgezeichnete Posaunenvirtuos Fr. Belcke
(der auch in Dresden, Altenburg, Stettin und Danzig mit
vielem Beifall Concerte gegeben hat) ist Anfangs Mai von
seiner Kunstreise hierher zurückgekehrt. — Der Pianist
Russo hat hier diesmal kein Concert gegeben, sich jedoch
in Potsdam, wie auch Herr Kau/mann seine Instrumente,
vor dem königl. Hofe hören lassen dürfen.
Der in einer frühern Zeit beliebte italienische Bari-
tonist Signor Paltrinieri bat auf der Köoigsstädtiscben
Bühne einige Gastrollen, als: den Figaro in Rossinfs
Oper, nnd den Conte in Cimarosas Matrimonio segreto
445
1844. Juni. No. 26.
446
mit Beifall gegeben. — Signora Assandri ist hier durch-
gereist, ohne sich hören zu lassen. —
Thorwaldsen's Ehrenfeier in Berlin.
Von der konigl. Academie der Knuste war eine Ge-
dächtnissfeier zu Ehren des nnvergesslicben Künstlers
Thorwaldsen am 1. Juni d. J. in der Singacademie auF
höchst würdige Weise für eingeladene Tbeilnehmer ver-
anstaltet. In der Mitte der Orcbestererböhnng war die
von Riss modellirte colossale Statue des Gefeierlen im
Hintergründe aufgestellt und mit dem Lorbeerkranze des
Künstlerrubmes im Süden und Norden symbolisch ge-
schmückt. In den beiden Seitenniseben bezeichneten Lor-
beerslräncher und Cy pressen den hohen Werth und die
Trauer um den Verewigten, der in seinen Kunstgebilden
unvergänglich fortlebt. Nach einigen Posaunenaccorden
begann die Festhymne von Hopisch und Bungenhagen in
erhebendem Chor, zum Preise der Kunst und ihrer He-
roen. Die Gedächtnissrede des Dr. Alfred Rewnont schil-
derte in treffenden Zügen den Anfang und das Fortscbrei-
ten des grossen Bildners bis zur Alles überragenden Mei-
sterschaft, seine Vorliebe für die antiken griechischen
Kunstwerke und sein einfaches Künstlerleben in der Welt-
stadt Rom , bis zu seinem unerwarteten Hingange zum
ewigen Liebt in der Vaterstadt Copenbagen. Diese bio-
graphische Skizze war, reich mit kunslhistorischen Be-
merkungen versehen, von allgemeinem Interesse.
Der Rede folgte eine ausgeführte Cantate: „Klage"
bezeichnet, von Kopisch gedichtet und als Chorführer
melodramatisch eingeleitet, und von Taubert se.br wirk-
sam für zwei Chöre und Solostimmen, mit eigentümli-
cher Begleitung von Harfe und Blasinstrumenten in fast
antiker Weise in Musik gesetzt. Die Schwierigkeiten des
Metrums bat der sinnige Componist glücklich besiegt,
und die Wirkung bis zum triumphirenden Schlussgesange
erhebend gesteigert, so dass der ergreifende Eindruck
allgemein war. Der erste Chor begann :
„Stimmt an, glimmt an den Siegesgesang ! "
Der zweite erwiederte:
„Stimmt an die heroische Feier!"
Hierauf vereinten sich beide Chöre zum Ruhme des Kunst*
beroen im Schlussgesange:
„Lebe der Herrliche
„Ewiges Leben nun!
„Ruhm ist es, rühmen Ihn:
„Rühmet Ihn, kränzet Ihn ! (C
J. P. s.
Posen. Auf einer Kunstreise nach Italien begriffen,
traf in voriger Woche eine unserer begabtesten Sänge-
rinnen, die freilich in Deutschland noch wenig be-
kannt ist, Fräul. Neureuther, Prima Donna der kaiserl.
Hofoper zu Petersburg, hier ein und erfreute alle hiesi-
gen Musikfreunde durch drei Gastrollen — Norma, Aga-
the, Rosine (Rarbier von Sevilla) — , in denen sie
einen Reifall errang, wie er seit langer Zeit keiner ga-
itirenden Sängerin zu Theil geworden ist. Fräul. Neu-
reuther hat ihre Kunstlaufbahn in München begonnen,
sich aber seitdem im Süden und zuletzt mehrere Jahre
in Petersburg aufgehalten , von wo sie die ehrenvollsten
Zeugnisse und Empfehlungen — so von Hubini an Mey-
erbeer, an die Direction der Scala in Mailand mit-
bringt. Ihre Stimme ist von herrlichem Metall und gros-
sem Umfang, die Intonation ist glockenrein und der Vor-
trag zeugt von griindKchen musikalischen Studien, da sie
ihre schönen Slimmmittel mit vollkommener Freiheit be-
herrscht und immer der Situation gemäss anwendet. Lei-
der gestatteten anderweitige Verbindlichkeiten ihr keinen
längeren Aufenthalt bei uns; sie gebt über Rreslau und
Wien nach Italien, und wird erst im nächsten Jahre die
Grossstädte Deutschlands besuchen.
Seit einigen Tagen ist der Bariionist Herr Rinder-
mann aus Leipzig hier. Er ist bereits einmal aufge ro-
ten als Peter Michailow im Czaar und Zimmermann und
hat grossen Beifall gefunden.
In Rom ist der berühmte Baini, Director der päpst-
lichen Capelle, bekanntlich einer der ersten Kenner alter
Kirchenmusik und selbst bedeutender Componist , gestor-
ben. Seine reiche musikalische Bibliothek hat er der Ca-
sanatensischen Bibliothek vermacht, welche sich im Klo-
ster der Dominicaner von S. Maria sopra Minerva befin-
det und dem Publicum mit grosser Liberalität täglich zum
Gebrauche offen steht. Sonach ist nicht zu fürchten, dass
Baini 9 s Sammlungen durch seinen Tod dem wissenschaft-
lichen Gebrauche aufs Neue entzogen werden. Baini war
geboren in Rom 1775.
Feuilleton.
H. ff. Pearson ist zum Professor der Musik ao der Universi-
tät zu Edimburgh erwählt worden.
Tamburini, der König der Baritonisteo, soll bei einem nenlicb
aufgebrochenen Bankernlt des Hauses Caceia and Comp. 250,000
Franken verloren haben.
Das Mosikfest in Cöln (s. d. BI. S. 295 und 359) ist an dea
beiden Pfiogst tagen würdig gefeiert worden; das Hauptconcert im
Gürzenich war jedoeb nicht sehr zahlreich besucht. 417 Sänger
und Sängerinnen, 167 Instrumentislen nahmen daran Theil. —
Uuter den übrigen Festlichkeiten zeichnete sich besonders eine
Sänger fahrt nach Brühl (auf der Eisenbahn) am Tage nach dem
Pfingstfeste ans.
Die grosse Tonhalle, welche in Hamburg unter Leitung dea
Director* des Volksgesangvereines G. A. Gross erbant wird, ist
am 25. Mai noter entsprechenden Festliehkeilen gerichtet worden.
Das Gebäude soll sehr solid aufgeführt sein nnd einen imposantes
Anblick gewähren.
Der Melopbonist Dessane ans Paris (s. d. Bl. S. 80) hat vom
Ronige von Baiern ein Privilegium für Verfertigung dieser Instru-
mente erhalten und in Nürnberg mit den Herren Binsfeld und
Braunstein eine Fabrik davon errichtet. Das Iostrument (in Form
einer Gnitarre) soll im Tone die Clarinette, Oboe, das Waldborn
und die Orgel oaebabmen, vorzüglich im Freien anwendbar und
nach Dessane** Versicherung durchaus nicht schwer zu erlernen
sein. Sein Umfang ist 4i Octave.
Tn Berlin starb am 26. Mai der geh. Mediz.-Rath Dr. Kluge*
Director der Charitl, einer der gebildetsten Kenner nnd Freunde
der Musik.
447
1844. Juni. No. 26.
Ankündigungen.
448
Im Verlage von Breltl&opf 4* stturtel >n Leipzig
igt erschienen und durch alle Back- nnd Musikalienhandlungen za
beziehen :
Die Sirene.
Oper in drei Acten
Ton
». F. E. Auber.
Ciavierauszug der einseinen Stücke.
No. 1 — 12. a 3-20 N/fr.
Die Partitur dieser Oper ist ebenfalls durch die Verlags-
handlung zu beziehen.
Neue Gesinge für Eine Singstimme
mit Pianofortobeffleitims
im Verlag von Breitkopf 4k H&rtel in Leipzig»
za beziehen durch alle Bach- and Musikalienhandlungen.
Dürrner, JL, 6 Lieder. Op. 5 90
6 Lieder you R. Büros. Op. 4 20
Eckert, C, 7 Lieder und Gesänge. Op. IS 25
Lieder und Gesänge. Op. 15 20
Francs*, E., 6 Lieder. Op. 4 20
Franz. R,, Schilflieder von Lenau. Op. 2 15
Lieder. Op. 3 15
«elblte, A., 12 deutsche Lieder. Op. i 25
(George) Kronprinz von Hannover, 4 Lieder 17i
Cloethe, W. v., 4 Gesänge. Op. 4 20
Haser, W., 12 deutsche Lieder 20
Hauptmann. 6 deutsche Lieder. Op. 22 20
Helcted, C, 6 Gesänge. Op. 1 20
Jahn, O., 8 Lieder \ 15
Keller, C- 4 Gesänge. Op. 45 ~ 22*
Klein W&Chter, Ii., 5 deutsche Lieder. Op. 5 15
ÜLuflTerath, 6 Lieder von R. Barns. Op. 3 15
Lenz, Ii., 7 Lieder. Op. 20 22*
3 Gesänge. Op. 50 15
Ijftwe, €., Legenden für eine Altstimme. Op. 75. 76. ä 22i
MarBChnrr, H., Lieder von R. Barns. Op. 107 25
Hannen, F., 5 Gedichte. Op. 32 17*
Mentlelnsohn Bartholdy, F., 6 Lieder. Op. 47.... 25
6 Lieder. Op. 57 25
Meyerbeer, €1«, 3 deutsche Lieder 20
Reichet 1 , A., 4 Gesänge. Op. 5 15
5 Lieder. Op. 7 15
Relchardt, C. A., 4 Lieder. Op. 6 20
Richter, F. F., 4 Lieder. Op. 9 15
6 Gesänge. Op. II 25
Rletae, JT # , 15 Gesänge. Op. 6. 2 Hefte ä 22*
loaenhaln, 6 Lieder. Op. 21
15
4 Lieder. Op. 25 .". 10
ÜChladebaeh, JL, 7 Lieder und Gesänge. Op. 12.... 20
Schubert, F. Ii«, 4 humoristische Gesänge. Op. 42... 20
Schumann, Clara, 6 Lieder. Op. 13 20
Schumann, Roh, u. Clara, 12 Gedichte. Op. 37.
No. 1. 2 ä 90
Stade, VF., Lieder. 1* Heft 20
Stern. JT., 6 Gedichte. Op. 10 15
Streben, F#, Nachklänge van Eiehendorff. 4 Lieder. Op. 8. 20
Thalberff, S., Der Fischer. Letzter Besuch. 2 Gedichte. 15
Truhn, Liebeslual und Leid. Gedichte von Heine. Op. 18. 17*
Pur Musik -Vereine«
Im Verlage von Jan« Albl in Manchen ist erschienen:
&—l*Uin*mi0e Orchester -Musik.
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den neuesten Opern,
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zwei Violinen, Bratsche, Bass, Flöte. Clarmettc und
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und Pauken,
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Vorläufig bestehen acht Lieferungen, nämlich :
1) Meyerbeert Die Hugenotten, Potpourri. Pr. 2 FL 43 Kr.
rhein. oder 1 Thlr. 12 Ggr.
2) Belllnlt Normo, Potpourri. Preis 2 Fl. 42 Kr. rhein.
oder I Thlr. 12 Ggr.
3) Kreutoert Das Nachtlager in Granada, Potpourri. Preis
2 Fl. 42 Kr. rhein. oder 1 Thlr. 12 Gn.
4) Bellini I Die Puritaner, Favoritstücke. Preis 5 Fl. 56 Kr.
rhein. oder 2 Thlr.
5) Belllnlt Die Nachtwandlerin, Famribtueke. Preis 4 Fl.
12 Kr. rhein. oder 2 Thlr. 8 Ggr.
6) Atlant t Der Postillon von Lonjumean, Favoritstücke. Preis
3 Fl. 56 Kr. rhein. oder 2 Thlr.
*) 7) Pentenrleder t Die Nacht zu Puluzzi, Favoritstücke.
Preis 5 Fl. rhein. oder 1 Thlr. 16 Ggr.
8) Laehnert Cadtarina Cernaro, Potpourri. Preis 2 Fl.
42 Kr. rhein. oder 1 Thlr. 12 Ggr.
*) Vou Philipp Roth arrangirt.
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2) Zauberflöte. Preis 1 Fl. 48 Kr. rhein. oder 1 Thlr.
5) Entführung aus dem Serail. Preis 1 Fl. 48 Kr. rhein. oder
4) Figaros Hochzeit Pr. 2 Fl. 24 Kr. rhn. oder 1 Thlr. 8 Ggr.
5) Titus. Preis 1 Fl. 48 Kr. rhein. oder 1 Thlr.
6) Cosl fan tutte (Weihertreue). Preis 1 Fl. 48 Kr. rhein. oder
1 Thlr.
7) Idomeneo. Preis 1 Fl. 48 Kr. rhein. oder 1 Thlr.
8) Der Schuuspieldirector. Preis 1 Fl. 48 Kr. rhu. oder I Thlr.
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Owerftcre und FavoriMutkc aus der Oper: Dte Stumme von J\>r.
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Ouvertüre au derselben Oper allein, arr. von P. Roth. Pr. 2 Fl.
42 Kr. rhein. oder 1 Thlr. 12 Ggr.
Ouvertüre au der Oper: Die Nacht zu Paluzzi* von Pentenrieder,
arr. von P. Rom. Preis 3 Fl. rhein. oder 1 Thlr. 16 Ggr.
Ouvertüre au der Oper : Zampa, von Herold , arr. von H. Bonn»
Preis 2 Fl. 24 Kr. rhein. oder 1 Thlr. 8 Ggr.
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449
460
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 3 ten Juli.
M »7.
1844.
ImBafeltt Musikalische Zustände in Paris. (Bescbloss.) — Heeennonen. — Nachrichten: Ans London. Aal Prag.
Constantia (des Harzsänger- Vereins) zu Nordhausen. — Feuilleton. — Ankündigungen.
Das GesingCest der
Musikalisehe Zustände in Paris.
(Bescbluss.)
Die Salon - Musik.
Salon -Musik haben wir überhaupt erst seit kurzer
Zeit. Früher existirte Kammermusik, die in ihrer Sphäre
insofern Schönes zur Erscheinung bringen konnte, als in
dem beschränkten Willenskreise der schaffenden Indivi-
duen von Hause aus ein schönes Gleichgewicht der Seele
vorbanden war. Die Kammermusik wurde, als sie sich im
16. Jahrhunderte aus dem weltlicher gewordenen Kirchen-
style entwickelte, sowohl dem freiem Ertönen des Ich,
als auch der ungebundenen Form zufolge, Mittel für die
Bmancipatioü der dramatischen Musik. Später zog man so-
gar das Concertante mit in ihren Kreis, und so trat sie
aus ihrem ursprünglichen Gebiete heraus. Immer aber be-
hielt sie reine Kunslformen als Erscheinungsmittel bei.
Zu diesen aber hatte das Fabrikanten wesen von je her
einen schlimmen Stand. Es ist eine Consequenz des Fri-
volen, das überhaupt seit der Prätension der italienischen
Castraten in die Musik gekommen ist, dass, ebenso wie
der wirkliche Tondichter gezwungen war, den Aufschwung
seines Genie's nach dem Willen des Exeoutante* zuzu-
stutzen, das Execulantenwesen sich endlich über die Ge-
bühr, namentlich im Salon, geltend machte. Dies Geltend-
macben musste ein Mittel haben, zu welchem man die
Musik herabsetzte. Die Salon -Musik ist also das Mittel,
sich im Salon geltend zu machen, nachdem die Auszeich-
nung durch weisse Westen, Glacebandschuhe u. s. w.
zu gewöhnlich geworden war. Grosser Fortschritt des
Geistes, der seine öberBiesseode Existenz darin zeigt, dass
er zum Mittel für die Erreichung eines solchen Zweckes
herabgesetzt wurde! In den Salonslücken nun spiegelt
sich ab, was ich als Ingredienz des französischen Gei-
stes bereits oben angeführt habe ; nur ist die sonst ge-
sunde Idee des Schönen zu einem verwirrten Begriffe
herabgesunken, so dass das französische SebönheiUge*
setz sich nur noch im Particuliren und nicht mehr in
der Convention geltend zu machen sucht. Daher hört
man die Phrase: „i/ y a de bellet ehoses lä-de-
dans" sehr häufig, wenn es sich um ein Ortheil über das
Ganze handelt. Gesetzt, die in den sogenannten Salon-
stücken niedergelegten Empfindungen wären vom Hause
aus gesunde und wahre, gesetzt auch, sie gestalteten sich
zu natürlich schönen Formen aus und brächten so das
46. Jahrgang.
subjectiv Ionere zur Erscheinung: ihr Verhältniss zur
Kunst wäre bei deren jetzigem Standpuncte ein unterge-
ordnetes. Wohin aber sind dergleichen Producte zu zäh-
len, wenn sie irgend eine kranke lyrische Entäusserung
in ungebundener phantastischer Form, irgeod ein Schmol-
len unter dem Namen eines Capriccio, sentimentale Ton-
phrasen in Benennung eines Lied aUemand oder Rfeverie
zur Erscheinung bringen?
Ich habe mich oben schon darauf bezieben müssen,
wie eine Entwickelung von dergleichen Zuständen in ge-
messener Ausführlichkeit hier zu weit fuhren würde,
und wir uns daher mehr mit der sachlichen Darstellung
der aus ihnen entstandenen Resultate befassen können.
Allgemeine Zustände, — Concerisaison.
Was von den musikalischen Aposteln in Deutschland
kein Brot findet oder sich dem Ernste des vaterländischen
Urtbeils entziehen will, geht nach Paris. Die eben skiz-
zirten Zustände werden vorgefunden, und die Mittelmäs-
sigkeit der Individuen kommt nicht in Gefahr, in Kampf
mit denselben zu geratben. Aus den Zuständen selbst aber
haben die hiesigen Verleger ihr Maass gewonnen, sie wis-
sen genau, was sie verkaufen und was sie nicht verkau-
fen. Nachdem der musikalische Apostel das Bureau des Ver-
legers durch die öfteren Visiten genau kennen gelernt und
sich so viele journalistische Freunde erworben bat, dass
er als ein anderwärts schon gefeierter Componist bespro-
chen wird, nachdem er endlich so und so viel monat-
liche Steuer für das Aushängen seines Portraits an an-
deren Musikläden gezahlt bat, erscheint sein Name unter
einer gestochenen Etüde oder unter einer RÄverie, Fan*
taisie u. s. w. Am gangbarsten nun sind hier dergleichen
Werke, wenn der Componist selbst Virtuos, wo möglioh
Claviervirtuos ist, und wie es zum guten Tone gehört,
das in die Mode Gekommene öffentlich zu hören, so not-
wendig ist es für den Salon selbst, Modecompositionen
auf den Möbeln liegen zu haben. Betrachten wir nun den
Salon als den eigentlichen Mittelpunct des musikalischen
Treibens , um uns die Möglichkeit einer so erstaunlichen
Masse von Concerlen zu erklären. Der Virtuos, der
heute öffentlich spielt, wird von Freunden unterstützt,
und der Kreis, in welchem er sieh bewegt, garantirt ihm
immer einen bestimmten Absatz von Billeten. Morgen
ooncertirt der, der gestern unterstützte, übermorgen hel-
fen die Virtuosen von gestern und vorgestern dem coa-
27
451
1844. Juli. No. 27.
452
certirenden Freunde wiederum ans, was so lange dauert,
bis die Leute, die eigentlich im Stande sind, die Entrlen
▼on 10 bis 15 Franken zu zahlen, mit dem Frühlinge
Paris verlassen. Dies bildet die Disciplin des hiesigen Vir-
tuosentboms. Man ist meist allgemein einverstanden, dass
seit Jahren keine an Concerten ähnlich reiche Saison statt-
gefunden. — Die Kunstgeschichte wird jene Thaten nicht
nennen, und auch ich mag in einem Organe, das seit
einer Reibe von Jahrzehnten für dieselbe eine so wich-
tige Rolle spielt, keinen Denkspruch für sie niederlegen.
Jene Immortalitaten brauchen an and für sich keine
Vermittelung der Kritik. Ich nenne darum kein einziges
dieser Concerte. Eine Gonsequenz aber wird die Kunst-
geschichte aus diesem Stadium ziehen müssen, und zwar
die, dass jenes Treiben, eine Fortsetzung des bereits vor
hundert Jahren in Italien schon begonnenen Virtuosen-
schwindels, die Geschmacksrichtung zur totalen Verwir-
rung steigerte, woraus denn das Ignoriren des Bessern
und eine altgemeine Hemmung im eigentlich künstlerischen
Wirken sich von selbst ergab.
Sehr natürlich ist es, dass die Organe, die den Werth
von dergleichen Zuständen besprechen, sich dieser Zu-
stände selbst als Mittel bedienen. Die in den Pariser Mu-
sikzeitungen prutegirte Künstlerwelt ist diesen Organen,
wie sich von selbst versteht, verpflichtet. Aus freiem An-
triebe wird nichts Particuläres besprochen. Sie entäussert
sich dieser Pflicht nicht etwa im Abonnement, sondern,
da sie meist aus exeoutirenden Kräften besteht, unter-
stützt sie die Verbreitung dieser Organe dadurch, dass
sie für die Vortheile mitwirkt, die man den Abonnenten
dieser musikalischen Presse bietet. Die Pariser Musikzei-
tungen veranstalten nämlich Concerte, in welchen sich
das, was in Paris spielt und singt und besprochen wird,
hören lässt. Man muss es den Concerten der Schiesin-
gw'schen Revue et Gazette musicale zum Lobe nachsa-
gen, dass sie , was äussere Ausführung der Tonstücke
anbelangt, meist interessant sind. Die Escudier'scht France
musicale aber erklärt, einen solchen Ueberfluss von Abon-
nenten zu haben, dass sie ein und dasselbe Concert zwei
Mal, für die in zwei Hälften getheilten Abnehmer der
Zeitung, zu geben genöthigt ist.
Die Conservatoire- Concerte , Beethoven* s Symphonieen,
Habeneck, das französische Urtheil über das Schöne.
Bewundernswerth , ja zum Erstaunen ist der hohe
Grad von technischer Fertigkeit auf den verschiedenen
Instrumenten, der sich in Paris kund giebt. So sehr dies
mit der mehrfach schon erwähnten Richtung des franzö-
sischen Geistes zusammenhängt, so entschieden ist eine
solche Wirkung im Ensemble, namentlich wenn sie von
dem innersten Geiste des Genie's beherrscht und zum Mit-
tel herabgesetzt wird. Am Meisten macht sich jene Wir-
kung in den grandiosen Concerten des Conservatoir's,
oder richtiger, der Societl des Concerts, geltend. Seit
Jahren ist viel, und mitunter vortrefflich, über dieses Insti-
tut geschrieben worden, und ich beschränke mich des-
halb hier nur auf einige allgemeine Bemerkungen. Die
Aufführung der Beethoven'sehen Symphonieen bildet den
Mittelpunct ihres Wirkens, und auch in diesem Jahre hatte
fast jede Sitzung eine solche zu ihrem Inhalt. Das aus
lauter Virtuosen bestehende Orchester wird von Habeneck
mit dem Geiste einer in den Inhalt eingedrungenen Auf-
fassung geleitet, so dass in der Tbat eine Wirkung er-
zeugt wird, die ihres Gleichen sucht. Habeneck* s we-
sentliche Verdienste um die Verbreitung classiscber Mu-
sik in Frankreich sollten im Allgemeinen gebührender
anerkannt werden. Indess ist er der Evangelist seines
Orchesters, und an Anerkennung im engern Künstlerkreise
fehlt es nicht, wie bei einem körperlichen Unfälle, den
er vor; Kurzem erlitten, in der Theilnahme, die sich
zeigte, deutlich zu sehen war. Im Allgemeinen aber wer-
den die Romanzencoroponisten häufiger besprochen, als er.
Sehen wir auf die Gesammtwirkung BeetAoven'scher Mu-
sik in Frankreich, so bemerken wir wiederum das schon
erwähnte Zerstückeln der ästhetischen Interessen, anstatt
einer Anerkennung höherer Schönheit in der Conception.
Die Franzosen sprechen unaufhörlich von den einzelnen
Elementen des Schönen in jenen Symphonieen, vom Gran-
diosen, Majestätischen, Pittoresken, kurz vom Particular-
schönen, nie aber von der Individualität Beethovens in
ihrem Verbältnisse zur Kunst. Was eine solche Sympho-
nie als Process und Entscheidung einer durch den Kampf
mit der äussern Erscbeinungswelt in sich erregten gros-
sen Natur bedeute, haben die Franzosen bisher noch nicht
erfasst. Die Gründe liegen, ich muss mich immer wieder
darauf bezieben, in der äussern Richtung ihres Geistes.
Zum Beweise für diese nur theilweise ausgeführten Ent-
wicklungen diene auch das historische Factum, dass die
Franzosen keine Symphonieen von Bedeutung, als eigent-
liches Resultat des absoluten Tönens im Innern des Indi-
viduums, aufzuweisen haben.
Die Eröffnung der Conservatoirconoerte geschah dies-
mal mit der Symphonie Mendelssohns in Amoll. Das
schöne Werk hatte nur theilweisen Erfolg. Am Meisten
gefiel das Scherzo in Fdur und das Adagio cantabile in
Adur. Eine Wiederholung wäre zn wünschen gewesen.
Die Sophocles'sche Antigone wird, in's Französische über«
setzt, mit den Atendelssohn'schtn Chören dieser Tage im
Odeon zur Aufführung kommen.
Paris, den 15. Mai 1844.
Dr. Felix Bamberg.
Recehsioheh.
Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pia-
noforte, coroponirt von A. Oechsner. Op. 2. Mainz,
bei B. Schotfs Söhnen« Preis 45 Kr.
In einer Zeit, in welcher der Lieder bekanntlich so
viele gedichtet und componirt werden, dass man sie schier
so wenig zu zählen vermag, wie den Sand am Meere
(denn bei Weitem die wenigsten werden gedruckt), muss
es ausserordentlich schwer fallen, das in nicht geringer
Anzahl vorhandene Treffliche, ja vielleicht Unübertreff-
liche zu überbieten. Man muss daher in der Regel schon
zufrieden sein, wenn ein Liedercomponist in einem Hefte
nicht lauter Nieten , sondern doch wenigstens einen si-
chern Gewinn bringt — und Letzteres hat der Verfasser
455
1844. Juli. No. 27.
454
in No. III „Liebchens Auge'« getban. No. I, „Das Reh"
von UMand, and No. II, „Rast" aas Müllers Winterreise,
bilden zwar runde, an und für sich achtbare Musikstücke ;
allein das erste bälte ein mehr jägermässiges Colorit, das
andere eine noch mehr winterlich düstere Farbengebung
erhalten sollen. Bei tieferem Eindringen in das Gedicht
wird der Verfasser leicht selbst inne werden, dass bei
diesem Stürmen und Dringen von Aussen und Innen her
„Die Rast" eine Mos scheinbare und insofern die Musik
su ruhig bemessen gehalten ist. Das winterlich düster
Aafstürmende in dem Gedichte ist die vorherrschende Em-
pfindung, welche der Verfasser hätte schärfer in's Auge
fassen und durch eine malerische Begleitungsfigur wie-
dergeben sollen. Der Verfasser bat unverkennbar über
ein ergiebiges Talent zu gebieten, allein er wird sicher
um so besser für seinen Ruhm als Liedercomponist sor-
gen , je tiefer er sich in seine Texte hineinfüblt und je
öfter er zu verschiedenen Zeilen die Composition eines
und desselben Textes versucht. Selbst den genialsten Com-
ponisten sind bekanntlich gerade die schönsten ihrer Lie-
der keineswegs immer auf den ersten Wurf gelungen.
Auch ein Lied lässt sich nicht ohne Geburtsweben schaf-
fen — ja ein Lied gerade am Wenigsten. Die Ausstat-
tung ist löblich.
„Du/* Gedicht von C. Bodo, in Musik gesetzt für eine
Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von Heinr.
Cramer. Mainz, bei B. Scbott's Söhnen. Pr. 18 Kr.
Ein artiges Gedicht, in artiger anspruchsloser Polac-
caform gegeben, findet immer seine Freunde, wenn es
sieb auch nicht durch Tiefe und Innigkeit der Empfindung
auszeichnet, welche- bei diesem Texte auch nicht einmal
wohl anzubringen gewesen wäre. Solche Gedichte kön-
nen hundert Mal, und immer gleich gut componirt wer-
den — wir möchten sie daher adiaphorische oder musi-
kalisch • unschuldige nennen — ; und wer behaupten
wollte, Herr Cramer habe das vorliegende nicht- so gut,
als möglich, componirt, der hat es mit uns zu tbun.
12 Etndes brillantes par H. Rosellen, composls pour le
Piano(forte) dans le style de la Musique moderne de
eei Instrument. Op. 60. En II Suites, chaque 2 Fl.
Comptöte 3 Fl. 36 Kr. Ebendaselbst.
In der Musikgeschichte dürfte einst in Betreff der
Claviermusik unsere neueste Zeit, d. h. die, seit welcher
Beethoven und M. von Weber ihren mächtigen und geist-
reichen Sonatengriffel niedergelegt haben, vorzugsweise
die „Rlndenperiode" genannt werden. Wir wissen nicht,
wie lange diese Zeit der Studien u. s. w. noch dauern,
oder welches neue höhere Gebilde dereinst aus ihnen her-
vorgehen wird; allein so viel ist ons klar: einerseits ist
durch nie die Technik des Ciavierspiels in einer Weise
gefördert worden, welche höchst erfreulich ist, anderer
seit* aber ist es auch wieder eine sehr unerfreuliche Er-
scheinung, so viele, zum Theil sehr begabte Kunstjünger
fort und fort um eine Elementarform sich abmühen zu
sehen* Es hat Leute gegeben, welche vor lauter Bäumen
den Wald nicht sahen; so kann es geschehen, dass man
auch am Ende über dem Etudiren, Studiren u. s. w. ganz
und gar das Höchste der Kunst, ja die Kunst überhaupt
aus dem Auge verliert. Es ist doch wahrlich nicht mehr
Kunst, sondern rein weg musikalisches Kattundruckerta-
lent, wenn ein Ciavierspieler beliebige Seiten hindurch
eine und dieselbe Figur behandelt; was bei einem Druck-
muster die verschiedenen Farben, das sind bei den Etü-
den die verschiedenartigen Modulationen ; das Entzücken,
welches in den Salous ein neues Muster in Seide, Spitzen,
Westenzeugen u. dergl. erregt, erweckt ganz sicherlich
auch eine modische Etüde, und beide tbeilen, dass wir
den Vergleich noch weiter führen, auch mit einander —
das Loos baldiger Vergessenheit. — Die vorliegenden
Etüden verdienen es jedoch theilweise wenigstens nicht ;
denn abgesehen davon, dass sie allerdings gauz modisch
und auf. der Höhe des modernen Ciavierspiels gehalteu
sind, kann doch auch ein bereits sehr tüchtiger Ciavier-
spieler noch Manches durch sie lernen. Zu den wirklich
lehrreichen Stücken der Sammlung rechnen wir No. 3,
No. 10 (man vergleiche hierbei das Hartkooch'sche Werk
zur Uebung der Doppelgriffe und Hummers C lavierschule)
und No. 12. Einige dieser Etüden wird man zu weit aus-
gesponnen und sehr ermüdend finden; andere erinnern
an schon bekannte Formen. Immerhin möge man sich,
um nichts Modisches zu versäumen, mit dem sehr schön
ausgestatteten Werke bekannt machen. K.
Nachric bten.
London, den 3. Juni 1844. Am 1. Juni gab i/o*
seheles im Vereine mit Ernst und Mendelssohn Bartholdy
im Hannover- Square ein glänzendes Concert, das eine
Unmasse von Zuhörern herbeigelockt hatte. Nicht allein
die Vereinigung von drei solchen Künstlern war es, welche
das Interesse so rege machte, sondern auch die Nach-
richt, dass eine neue Ouvertüre (Manuscript) und eine
Orgelfantasie, Beides von Mendelssohn Bartholdy, darin
zur Auffuhrung kommen sollte. Beide Stücke fielen je-
doch aus; das Programm bestand aus folgenden Num-
mern, deren Anzahl zugleich einen Begriff von der Aus-
dehnung eines englischen Concertes giebt.
Erster Theil. 1) Ouvertüre zu Shakespeare'* Som-
mernachtstraum, von Mendelssohn Bartholdy, unter Di-
rectum des Componisten. — 2) Arie aus der Schöpfung
von Haydn, gesungen von Staudigl. — 3) Concert : AI-
legro, Adagio und Walzer- Rondo für die Violine, com*
ponirt und vorgetragen von Ernst. — 4) Anette : „Ara-
bien, mein Heimathland" aus Oberoo von C. M. v. We-
ber, gesungen von Miss Dolby. — 5) Grosses Concert
für das Pianoforte in E, componirt und gespielt von Jfb-
seheles. — 6) Ballade: „By the sad sea wcaves" aus
der Oper „Die Bräute von Venedig** von Benedict, ge-
sungen von Mrs. Shaw. — 7) Elegie für die Violine,
componirt und gespielt von Ernst. — 8) Arie aus Caglio-
stro von Adam: „C'est uneaprice," gesungen von Mad.
Thillon. — 9) Sonate für Pianoforte und Violine von
Beethoven, Kreutzern gewidmet, gespielt von Moscheies
und Ernst. —
4ss
1844. Juli. No. 27.
4m
Zweüar TheiL 10) Tripelconcert für drei Pianolbrte
titi Orobesterbegleilung von Johann Sebastian Bach, vor-
getragen von Mendelssohn Barthoidy , Moscheies und
Thalberg* — 11) Arie von Donizetti: „L'amor suo mi
ft," gesungen von Med. Caradori - Allan. — 12) Grosse
Capriee über ein Thema ans Bellinfs Piraten für die Vio-
line mit Orehesterbegleitung, gespielt von Ernst. — 13)
Duett ans der diebischen Elster von Rossini, gesungen
von Mad. Thillon und Staudigl. — 14) Zwei Concert-
Stüeke (neu) und ein Solo mit extemporirtem Schlüsse,
oomponirt und gespielt von Moscheies. — 15) Deutsche
Lieder: „Auf Flügeln des Gesanges " und „ Reiselied *'
von Mendelssohn barthoidy > gesungen von Staudigl. —
16) Französische Ballade, gesungen von Mad. Thillon. —
17) Duett von Dontzetti: „A figlia incauta," gesungen
von Mad. Caradori- Altan und Mrs. Shaw. — . 18) Fi*
nale für das Orchester von Mozart
Die Ouvertüre des bei seinem Erscheinen lebhaft be-
grüßten Meisters Mendelssohn Bartholdy wurde, bis auf
einige Unsicherheit in den ersten Violingängen, gut und
feurig ausgeführt, obwohl der Componist sie ohne Parti-
tur dirigiren mosste. — Staudigl ist als trefflieber Sän-
er bekannt; indessen scheint er seiner Stimme biswei-
en zu viel zuzumuthen. — Grosser Ai
Ernst bei seinem Auftreten. Leider wurde dieser treff-
s
tpplaus
de dies
empfing
liebe Künstler naeb dem Adagio seines Concerts durch
Uebelbefinden im Spiel unterbrochen. — Miss Dolby ver-
fehlte den Cbaracter der ffefor 'sehen Ariette, sie nahm
das Zeitmaass viel zu schnell. — Moscheies spielte sein
schönes Conccrt, obwohl von Ernst* s Unfälle heftig er-
schüttert, mit bewundernswürdiger Reinheit und Eleganz
und erntete den gebührenden Beifall, in welchen die an-
wesenden Pianisten ersten Ranges, wie Thalberg, Döh-
ler, Mendelssohn Bartholdy, Leopold Meyer, Benedict, j
Mad. Dulcken, Schultz u. s. w. von Herzen einstimm-* '
ten. — Nach dem trefflieben Vortrage der Benedict'schen j
Arie durch Mrs. Shaw erschien Benedict (der das Con-
cert dirigirte) und entschuldigte Mad. Thillon , die we-
gen Unwohlseins ihre Arie nicht singen könnte. ,,C*est
un capriee," riefen Mehrere, und das Programm hatte
einen neuen Stoss erlitten. — Mad. Caradori- Allan und
Mrs. Shaw sangen nun ihr Duett.
Jetzt aber kam der Trost für all* das Missgeschick,
der Glanzpunct des ganzen Goncertes, das Tripelconcert
von Bach, ursprünglich für drei Clavichorde mit Beglei-
tung von zwei Geigen, Bratsche und Violoncello geschrie-
ben. Bach, der Vater von zweiundzwanzig Kindern, hatte
bekanntlich seine älteren Söhne zu tüchtigen Clavierspie-
lern gebildet, und dies gab ihm Veranlassung, Concerte
für drei oder vier Claviere zu schreiben, worin er eine
grosse Kunst in der Combination entwickeile. Das Tripel-
concert erschien hier nicht ganz in der ursprünglichen
Form: Moscheies hatte eine Orchesterbegleitung beige*
fugt; die Einleitung und das darauffolgende Adagio war
ans dem grossen Concert in Dmoll, das Finale aus dem
Coneert in Edur genommen. Im Jahre 1837 hat Masche*
les, so viel wir wissen zum ersten Male, diese wunder-
volle Tondichtung aufgeführt; damals spielte er sie mit
Thalberg und Benedict 4 Diesmal wurde sie auf drei
Eranfschen Flügeln von Mendelssohn , Thalberg und
Moscheies vorgetragen. Es waren glorreiche Momente,
in denen sich das Hauptinteresse des ganzen Goncertes
vereinte; man lauschte mit angehaltenem Athem. Von
Wem war diese Cadenz? von wem das Thema? was war
extemporirt? bat Mendelssohn ein Thema beigefügt? diese
Fragen beschäftigten das Publicum aufs Lebhafteste. Die
erste Cadenz führte Thalberg aus; es schien dieselbe zu
sein, welche Moscheies für das Concert 1837 componirt
hatte. Thalberg's Kraft und Eleganz war ausserordent-
lich. Mendelssohn 9 * Cadenz war ein kleines Wunder; mit
einer unbeschreiblichen Macht warf er sie bin, sein Stae-
eato gab der Passage eine Abrundung und einen Gehalt,
die sich kaum begreifen lassen. Der Eindruck war unge-
heuer und gab sieb durch wiederholte Jubelausbrücbe kund.
Der langsame Satz wurde von Thalberg reizend vorge-
tragen, welcher zuletzt die bedeutendste Partie batte.
Das Finale, ein heiteres Rondo über ein berühmtes Thema,
auf die mannichfaltigste und glänzendste Weise genial
durchgeführt, rollte wie ein breiter Strom von Melodie
und Harmonie dabin ; in der Coda brachten die sechs
Hände mit diesen Tonmassen eine wahrhaft electrische
Wirkung hervor. Unermesslicher Beifall folgte, und der
Ruf um Wiederholung Hess sich nicht abweisen. Die Pracht
der Musik war mit der acht künstlerischen und glänzen-
den Ausführung herrlich gepaart. — Nach Bach 9 s Con-
cert überüessea wir das Programm seinem Schicksale«
(Nach der Morning-Post.)
Prag. Zum Vortheile der Mad. Podhorsky «aben wir
znm ersten Male „Linda di Chamounix," grosse Oper in
drei Abibeilungen von Gaetano Donizetti, die deutsche
Uebersetzung nach Gaetano Rossi von Heinrich Proch*
„La grÄce «Je Dieu" verfolgte das Publicum schon in al-
len möglieben Gestalten, als Melodram, Vaudeville u.a. w.,
die letzte Maske als Oper ist noch die erfreulichste. Das
Libretto ist zweckmässig bearbeitet, mit Einsicht verein*
facht, und der Verfasser bat, um eine Einheit des musi-
kalischen Cbaracters zu erhalten, die komischen Elemente
bis auf den zur Schürzung des Knotens unentbehrlichen
Marquis de Boisfleury ausgeschieden, wodurch freilich das
Ganze etwas monoton wurde. Linda von Chamounix be-
steht aus den Abtheilungen : 1) die Abreise , — 2) Pa-
ris, — 3) die Heimkehr, von welchen unstreitig in mu-
sikalischer Hinsicht die Abreise die beste ist. Der Zettel
meldet: „Die Handlung gebt im Jabre 1760 vor sich,"
und von daher scheint sich auch der Styl des mitgeteil-
ten Programms zu datiren, das überhaupt vollkommen un-
nütz war, da das Publicum den „Muttersegen" oft genng
sah, um den Inhalt besser zu kennen, als der Verfasser
des Programms.
Die Oper, die man nach ihrer elegischen Haltung für
ein Opus post humum des sentimentalen Bettini halten
könnte, ist mit vielem Fleisse gearbeitet, besonders treff-
lich instrumentirt, und die melodiösen Motive — mit we-
nigen Ausnahmen — der Situation und Empfindung, wenn
auch nicht immer den Standesverhältnissen der singenden
Personen angemessen. Den Wahnsinn bat Donizctti in
der „ Anna Bolena " mit mehr Farbe und Wahrheit ge-
zeichnet $ freilich ist auch der Wahnsinn einer Unglück-
437
1844. Juli. No. 27.
438
lieben Königin leichter darzustellen , als jener einer Sa-
voyardin. Wenn nun aber auch Linda unstreitig unter
DonizettCs beste Leistungen gezählt werden muss, so
wird sie sieb gleichwohl (in Deutschland wenigstens) kaum
i'emals eine so grosse Popularität beim Publicum erwer-
>en, als z. B. der ,, Liebestrank " oder „Lucrezia Bor-
gte. '* Sie hat für die Menge eine zu schwermüthige Hal-
tung, da selbst die Freude der Savoyarden von einer ge-
wissen Wehmuth umflossen ist; sie zählt weniger Mo-
tive, welche sich das Publicum leicht merken kann, als
etwa „Die Tochter des Regiments" oder „Belisar." Eine
Nummer, die gewiss grossen Effect gemacht haben würde,
die erste Cavatine der Linda , welche wir zuerst durch
Dem. Roseiti kennen lernten und nachher von Fräulein
Riese im Concerte singen hörten, liess Dem» Grosser
aus, wodurch auch eine fühlbare Lücke in der ersten Ab-
theilung entstand. Linda ist in der Thal eine so anstren-
gende Partie, dass es einer Künstlerin eben nicht zu ver-
denken ist , wenn sie sich dieselbe etwas zu erleichtern
sucht; doch glauben wir, Dem. Grosser hätte — beson-
ders in der zweiten Abtheilung — manche minder dank-
bare Stellen zu streichen gefunden. Die Ouvertüre ist
mehr lang, als bedeutend, einzelne Theile derselben ma-
chen sich zu breit und zerreissen das Ganze, das auch
keinen grossen Effect hervorbringt. Die Introduclion be-
ginnt mit einer hübschen Chorpreghiera hinter der Scene
(wie überhaupt in dieser Oper sehr viel gebetet und hin-
ter den Coutissen gesungen wird); hierauf folgt die Scene
zwischen dem Pachter und seiner Frau , zu welcher die
ziemlich grelle Sortita des Marquis mit Chor keinen an-
genehmen Contrast bildet. Höchst rührend und ausdrucks-
voll ist die Ballade des Pierrotto, die sich wie ein gol-
dener Faden, durch die Oper durchschlingt, in der Grund-
idee aber aus Pergoiese 9 » Stabat mater entlehnt ist (doch
passt sie hierher fast besser, als in jenes geistliche Mu-
sikstück), während das Duett zwischen Arthur und Linda
im gewöhnlichen italienischen Zuschnitt unter die dank*
barsten — der Schluss des Allegro muss jedesmal wie-
derholt werden — wenn auch nicht eben unter die soli-
desten und characteristischsten Piecen der Oper gezählt
werden muss. In dieselbe G lasse gebort auch das lange
Duett zwischen Anton und dem Rector in vier Sätzen wie
eine Symphonie, dessen Allegro, bedeutend an die Ver-
schwörungsscene in den Hugenotten mahnend, eine Pre-
ghiera im — Tempo di marcia (1) enthält. Unstreitig die
vortrefflichste Mummer sowohl in ErHodung als Durch-
führung und zumal in der Instrumentation ist das Finale
der ersten Abtheilung, wenn gleich auch dieses stark an
einen Chor in Gluck 9 * „Orfeo ed Euridice" erinnert.
Donizetti ist unstreitig ein belesener Compositeur I „Pa-
ris" fceissl die zweite Abiheilung, die der ersten weit
nachsteht, und, weil wir uns in diesem Sünden- Babel
befinden, wird auch hier weniger gebetet, als in dem
frommen Thale von Chamouny. Hier dürfte das Duett zwi-
schen Linda und Pierrotto das Beste des ganzen Actes
sein* In dem Duett zwischen dem Marquis und Linda gebt
„Lucrezia Borgta" ganz gemülblieh Hand in Hand mit
dem „Elisir d'amore," und Arthurs Arie gehört unter
das Gewöhnlichale, was die neue italienische Musik her-
vorgebracht hat. Das ungeheuer fatigante Finale bat sehr
schöne Stellen and eisen frappanten Sebluss, doch ist es
für diese Situation zu reich mit Coloraturen ausgestattet,
wahrscheinlich eine Folge der grossen Virtuosität der
Mad. Tadoliniy für welche die Linda geschrieben ist. Die
dritte Abtheilung hat abermals sehr schöne Einzelnheiten,
vorzüglich die zwei frischen und lebendigen Chöre und
das Finale.
Linda ist unstreitig eine der schwierigsten Opern-
rollen, da sie leidenschaftliches Pathos mit einer virtuo-
sen Technik vereint, und Dem. Grosser bat sich in ihr
eine Bereicherung ihres Repertoirs erworben, die sie kühn
und zuversichtlich neben ihre Agathe, Rezia, Alice, Bea-
trice (Gibellinen) , Ginevra und Lucrezia stellen kann.
Sie ist gleich trefflich in Gesang und Spiel, indem sie
s<;bon im unschuldvollen Liebesglücke der ersten Abthei-
lung die bange Ahnung hereinschimmern lässt, und in den
zierlichen Fiorituren , wie in den Ausbrüchen todtliehen
Schmerzes ihre herrliche Stimme mit gleicher Herrschaft
bemeistert. Nach Dem. Grosser müssen wir zuvörderst
Dem. Schwarz (Pierrotto) erwähnen, welche diese kleine
aber wichtige Partie mit dem schönsten Schmelz, Gefühl
und Ausdruck vortrug. Pierrotto befindet sieb eben in der
eigentümlichen Stimmlage der jungen Künstlerin, und
zeigt ihr die Bahn, von welcher sie nicht abweichen soll,
wenn sie sich gleich nicht so schnell ein grosses Reper»
toir bilden wird , als manche ihrer enthusiastischen Ver-
ehrer wünschen, die ihr sogar den „Otello" zutheilen (! ?)•
Romeo wird sie vor einem solchen Irrwege gewarnt ha*
ben, und es dürfte sogar der Erhaltung und Pflege ihrer
jugendlichen Stimme sehr zuträglich sein, wenn sie in der
ersten Zeit nicht zu viel beschäftigt wird. Die Benefizian*
tin Mad. Podkorsky hatte die ganz unbedeutende Partie
der Martbe übernommen, die wohl kaum auf einer zwei-
ten deutschen Bühne eine solche Repräsentantin finden
dürfte. Herr Kunz (Pachter) moderirte seine gewaltige
Stimme mit vielem Glücke, nur in der Fluchscene trägt
er manchmal etwas stark auf. Den Rector gab das erste
Mal Herr Schütky recht wacker, in der Reprise über-
nahm (als Benefiziant) die Rolle Herr Strakaty, für des*
sen weichere und runde Stimme sie sich besser eignet.
Den Marquis stellte Herr Rrava mit vielem Fleisse vor»
und wirkte mit seiner kräftigen Stimme, wenn er gleich
in seinem bisherigen Rollenkreise kaum Gelegenheit fand,
sich die Feinheit und äussere Noblesse zu erwerben»
welche dazu gehört, dieser Partie das möglichste Inter-
esse zu verleihen. Graf Arthur von Sirval erfordert un-
erlässlich eine jugendfrische Stimme, welche unser niusi*
kaliseh gebildeter Herr Emminger nicht mehr bat. In dem
ersten Duett wollte er in der ersten Auffuhrung a la Mo-
riani singen, und wurde — vollkommen unbörbar. Die
Oper gefiel allgemein und Dem. Grosser wurde theils al-
lein (nach der zweiten Abtheilung immer drei Mal), theils
mit Dem. Schwarz und den Herren Kunz und Emmin-
ger unzählige Male hervorgerufen, und das Theater ist
bei jeder Wiederholung voll.
Herr Schütky wählte zu seinem Benefiz den ersten
Act aus den „ Puritanern," worin er den Richard gab,
der für seine Stimme und Individualität nicht passt. Hier*
auf folgte der dritte Act aus „Lucrezia Borgia," grosse
Oper in zwei Acten, nebst einem Vorspiele. Das Haue war
43»
1844. Juli. No. 27.
460
leer, wie man bei dem Ueberdrnsse an solchen Fragmen-
ten leicht voraussehen konnte.
Heute beginnt Dem. Löwe ans Hamburg ihre Gast-
darstellungen mit der Agathe im „Freischütz."
Als Nachzügler der diesjährigen Concertsaison ka-
men noch drei musikalische Productionen : 1) die musi-
kalisch - declamalorische Academie zum Vortbeil der Blin-
denanstalt, worin vom Orchester des Conservatoriums
Rittfs Jagdsympbonie und Mendelssohn Bartholdys Os-
sianouverture, nicht minder treulich vorgetragen, als im
Con8ervatoriumsconcert, wiederholt wurden. Neu war ein
Lied von Uffo Hon, componirt vom Director Rittl, und
vorgetragen von Dem. Schwarz — ein Rünstlertrifolium,
welches nur etwas Gutes erwarten liess und darbrachte.
2) Das Abschiedsconcert des wackern Ernst Neswadba f
der so eben eine Kunstreise angetreten hat; Herr Nes-
wadba begann nach der Ouvertüre zur Oper: „Jobann
von Paris 44 von Boieldieu mit: „ Heimathsklänge " (der
Gräfin Elise Schlick geweiht), Potpourri über böhmische
Motive; dann spielte er noch ein „Sonvenir de Vieux-
temps" (Herrn Anton Grund gewidmet), Fanlaisie caprice
für die Violine, und wirkte in den Quartettvariationen
über das österreichische Volkslied von Jos. Haydn mit.
Herr Neswadba gehört unter die ausgezeichneten Erschei-
nungen der Zeit: er ist ein musikalisches Genie, das
durch eine seltene Energie und Jugendfriscbe frappirt und
überrascht, und dem eine grosse Zukunft nicht ausblei-
ben kann, sobald sich das Starke mit dem Zarten ver-
schmolzen haben wird. Zwei andere Instrumentalpiecen
waren : Lied ohne Worte für Pedalharfe von Parish- Al-
tars, vorgetragen von Fräul. Anna Claudius, und Con-
eertvariationen über ein Thema aus der Oper: „Der Lie-
bestrank 44 von Donizetti für Piano von A. Henselt, vor*
Jetragen von Fräul. Mary Boucifet de Moricourt. Fräul.
Hertha Maccasy entfaltete in einer grossen Arie aus der
Oper: „Anna Bolena" von Donizetti ihre schönen Mit-
tel; doch haben wir, seit wir sie das letzte Mal hörten,
keinen Fortschritt von Kunstfertigkeit an ihr entdecken
können. Ein wahres Finis coronal opus war das Concert
zur Ndmensfeier der Erzherzogin Sophie im Waldstein'-
schen Saale, das die Sopbieen- und Cäcilienacademie mit
vereinten Kräften unter Leitung des provisorischen Direc-
tors Herrn F. Skraup gab, welches abschliessend aus
Gesangnummern bestand. Jedes dieser Institute bat uns
bewiesen, dass seine Chöre wahrhaft beneidenswerth sind,
man kann also leicht denken, welche imposante Tonmasse
aus diesem Verein bei musterhafter Leitung sich entfal-
tete. Alle Nummern waren trefflich einstudirt, und der
Beifall bildete von einer zur andern ein wahres Crescendo.
Das Coneert begann mit Mendelssohn Bartholdys ener-
gischer „Walpurgisnacht, 44 auf welche ein böhmischer
Chor von Tüli „Die Einweihung des Salomonischen
Tempels" folgte; Hände? s unerreichtes und unerreich-
bares „Hallelujah " aus dem „Messias 44 und ein Veit-
scher Chor: „Grass 44 in böhmischer Sprache mussten
wiederholt werden, und das ungeheuer schwierige „Glo-
ria 44 aus Spohr's grosser Messe bildete den erfreulichsten
Schluss. Die Solopartieen hatten Dem. Schwarz und die
Herren Emmingcr, Schütky und Strakaty übernommen,
su denen sich im Gloria noch Mad. Podhorsky gesellte.
I Gesangfest der Constantia (des Harzsanger-
Pereins) zu Nordhausen am 29. , 50. und
3i. Mai 1844.
Die edle Kunst des Gesanges hat von je her an den
Bewohnern des Harzes und Thüringens vorzugsweise
Freunde und Jünger gehabt und, zumal in unserer Zeit der
Vereine, ihr bindendes Moment, bei der durch die vielen
politischen Grenzen Thüringens und des Harzes unge-
fährdeten deutschen Gesinnung der Sänger, in zwei gros-
sen Vereinen: dem Thüringer Sängerbunde, welcher in
Erfurt seinen Centralpunct hat, und in der Constantia,
dem Harzsangerbunde, zur Zeit in Nordbausen wurzelnd,
geltend gemacht. Der letztere, als der ältere Verein, fand
bereits im Jabre lß38 durch einen Aufruf des Herrn Ober-
försters Brinkmann, sonst zu Clausthal , jetzt zn Elbin-
gerode, und des Herrn Musikdirectors Rothe, sonst zu
Clausthal, jetzt zu Oldenburg, seine Begründung und hat
bisher, bald in grösserer, bald in beschränkterer Ausdeh-
nung, seine Lebenszeichen in den Sängerfesten auf der
Burg Scharzfels 1838 und 1839, zu Nordbausen 1840,
Osterode 1841 und Duderstadt 1843 abgegeben. Da je-
doch die Constantia bei einem zu lockern Verbände bis
dahin ihrem Namen nicht ganz entsprach, so gab bei dem
vorjährigen Duderstädter Gesangfeste die dortige Lieder-
tafel den ersten Impuls zu einem festen, organischen Ver-
bände, und die Nordhäuser Liedertafel übernahm es auf
allgemeines Andringen, diesen Verband durch statuten-
massige Organisation in's Leben zu rufen und in ihren
Mauern das erste statutenmässige Gesangfest der Constan-
tia abzuhalten. Ein solches ist nun, nachdem sich die
Liedertafeln von Halberstadt, Quedlinburg, Blankenburg,
Elbingerode, Clausthal, Zellerfeld, Osterode, Goslar, Herz-
berg, Lauterberg, Duderstadt, Bleicherode, Ilfeld, Son-
dershausen, Rossla und Nordbausen zur Constantia fest
verbunden» durch deren vereinte Kräfte zu Stande gekom-
men. Nachdem die Gunst des lieblichen Mai's auch für
seine letzten Tage, auf welche das Gesangfest anberaumt
war, die Hoffnungen der Sangesbrüder hoch gespannt
hatte, trat leider mit dem 28. Mai ein andauerndes Re-
genwetter ein, das am 29. die heranziehenden auswärti-
gen Sanger, bei meistens weiten und beschwerlichen Rei-
sen, sehr unangenehm berühren und einen Theil dersel-
ben, namentlich von Goslar, Blankenburg, Clausthal and
Zellerfeld, ganz zurückhalten musste. Gleichwohl fanden
sich am Nachmittage des 29. in Nordhausen 320 Singer
treulich und ihrem Bundesnamen entsprechend zusammen,
die unter Kanonendonner und Fahnenfluge sich brüderlich
begrüssten und alsbald um 4 Uhr zur Generalprobe in
der St. Blasiuskirche, in welcher für die Sänger und In-
strumenlalisten ein eigenes Orchester erbaut war, an-
schickten. Zur Aufgabe hatte für ihr am folgenden Tage
abzuhaltendes grosses Kirchenconcert die Constantia sich
folgende Tonstücke gestellt: 1) das von Giesebrecht ge-
dichtete , von Dr. Löwe componirte und von Sörgel m-
strumentirte Oratorium für Männerstimmen: Die Apostel
von Pbilippi. 2) Die Arie für Bariton aus dem Oratorium:
Paulus von Mendelssohn Bartholdy : Gott sei mir gnä-
dig u. s. w. 3) Recitativ und Arie für Tenor aus dem
461
1844. Juli. No. 27.
462
Oratorium: Die Schöpfung von J. Haydn: Und Gott
schuf u. s. w. Mit Word* und Hoheit angethan u. s. w.
4) Einen von Abel gedichteten und von Sdrgel compo-
nirten and instrnmentirten Hymnus. Der Mnsikdirector
Sorget zu Nordhausen, Generaldirector des Gesangs der
Conslantia, nahm in der Probe sofort die Gesangkräfte,
so verschiedenartig sie auch vorbereitet und zusammen-
gestellt waren, tüchtig zusammen, and seiner energischen
und umsichtigen Leitung und unterstützenden Instrumen-
tation gelang es, die Sanger sehr bald zu einem treff-
lichen Ensemble zu verbinden, so dass um 7 Uhr die Sän-
Crschaar nach sehr wohl bestandener Probe, froh den
istungen des folgenden Tags entgegensehend, zu einem
heitern Sängerschmause, der durch einzelne Gesangptecen
and Toaste gewürzt wurde, sich begab, und schwer zum
zeitigen Bezüge der Nachtquartiere, zur Erstarkung für
den folgenden Tag, zu bringen war.
Am, 30. Mai, dem eigentlichen Gesangfesttage, tra-
ten die sümmtlicben Directoren der Vereinsliedertafeln
Morgens 6 Uhr zusammen, um die von dem Vorsteher
der Nordhäuser Liedertafel, Pastor Abel, entworfenen
Constantia* Statuten zu prüfen und festzustellen und zu-
gleich über das künftigjährige Gesangfest, das zu Halber-
stadt Statt haben soll, sich zu einigen. Um 9 Uhr halten
sich sämmtliche Liedertafeln mit ihren Fahnen auf dem
Platze des Könighofs versammelt und eröffneten das Fest
mit einem sehr feierlich und würdig gesungenen Choräle,
nach der von einem ehemaligen Nordhäuser Musikdirector
fVilting componirten Melodie: Wie gross ist des All-
mächtigen Güte u. s. w., worin der Herr um das Gelin-
gen des auch zu seiner Ehre veranstalteten Festes ange-
rufen wurde. Denkwürdig wird es den Sängern immer
bleiben, dass von da ab, obwohl die Wettergläser noch
tiefer gesunken waren und der Himmel mit fortdauerndem
Regen drohte, das missgü'nstige Regenwetter nicht nur
nacbliess, sondern während des Kirchenconcertes ganz
endete und dem schönsten Sonnenscbeiue Platz machte.
Vom Königshofe bewegte sich die Constantia im geordne-
ten Zuge in die St. Biasiuskirche, wo alsbald das Goncert
mit dem Loure'scben Oratorium : Die Apostel von Philippi
begann. Herrlich war es, dieses tiefgedacbte , systemati-
sche Tonwerk in einem Gusse vor der viel- and tief-
bewegten Seele vorübergeben und die Soloparlieen so-
wohl, welche Sängern aus der Soodershäuser, Ilfelder und
Nordhäuser Liedertafel zugetbeilt waren , als die Chöre,
ebenso mit wahrem gesanglichen Bewusstsein, als mit
Kraft, Rundang und Präcision durchgeführt zu sehen. Die
Arie aus dem Oratorium Pantns wurde von dem Herrn
Gesanglehrer Bogenhardt von der Halberstädter Lieder-
tafel, dessen cffectreicher, kräftiger Bariton in der Con-
stantia weit hervorragt, besonders in dem köstlichen Ge-
gensatze des anfänglichen und schliesslichen Adagio und
dem dazwischen liegenden Allegro maestoso vortrefflich vor-
getragen. Wahrhaft hinreissend sang darauf der Herr Mu-
sikdirector Wolff aus Halberstadt mit seinem eben so
schön geschulten, als markig- innigen Tenor das Recita-
tiv des Uriel aus der Schöpfung: Und Gott schuf den
Menseben u. s. w. und die Arie : Mit Würd' und Hoheit
angetban u. s. w. Hätte es der Ort gestattet, so würde
das durch seinen Vortrag wahrhaft entzückte Publicum
seinem innig bewegten Herzen durch den lebhaftesten Ap-
plaus Luft gemacht haben. Dennoch wurde diese Leistung
durch den genial componirten und wahrhaft heroisch in-
strumentirten Hymnus, womit das Concert scbloss, über-
wogen. Mit immer wachsender, seelenvoller Begeisterung
sangen die Sänger diesen durch Chöre, Quartette und So-
lostimmen, letztere der Duderstädter, Halberstädter und
Nordbäuser Liedertafel entnommen, reich sebattirten Hym-
nus , so dass bei dem Schlüsse der mächtigen , von 320
hoebbegeisterten Sängern gesungenen Fuge das Publicum
von den gesteigerten Hochgenüssen des Gesangs wahr-
haft überwältigt war und selbst die anspruchsreichsten
Kunstfreunde dem ganzen Concerte einen hochbefriedi-
genden Grad von Vollendung zusprachen. Zu bedauern
war nur, dass das bis zum Concerte ungünstige Wetter
die Theilnabme, besonders des auswärtigen Publicums,
sehr geschmälert hatte.
Am Nachmittage, um 3 Uhr, versammelten sich die
Sänger auf dem Markte, und zogen, jede Liedertafel mit
ihrer Fahne, unter Führung zweier Musikcböre, nach dem
grossen und schönen Platze im Gehäge, wo die Sänger
zuerst in einem grossen Carre" das grosse Rcichardt-
Arndfaehe Lied : Was ist des Deutschen Vaterland u. s. w.
sangen und sich sodann in die Schranken des für 1000
Personen mit Tischen und Bänken, und mit einem Orche-
ster versehenen abgegrenzten Raums begaben. Hier tra-
ten die einzelnen Liedertafeln in alphabetischer Ordnung
mit sehr verschiedenartigen Gesängen vor einer fast über-
grossen, wogenden Zuhörerschaft auf und wurden sodann
von den biedern und gastfreien Nordbäusern freundlichst
bei einem vielgestaltigen und reichlichen Picknick gespeist
and getränkt. Spät in der Nacht erst verliessen die fro-
hen Massen den heitern Tummelplatz.
Der folgende Tag, der 31. Mai, wurde als eine Nach-
feier für die zurückgebliebenen Sänger, besonders der
wackern Halberstädter Liedertafel, mit mancherlei geselli-
gen Freuden hingebracht und schloss im Theater mit einer
höchst solennen dramatischen Unterhaltung, mit eingelegtem
Ballette, von den Sängern, vorzugsweise der Halberstädter
Liedertafel, aufgeführt, und endlich mit einem, freilich
durch Ueberfüllung des Raumes etwas gelähmten Balle.
So viel bekannt, ist selten ein Sangerfest in allen
seinen Theilen, sowohl von den Sängern, als vom Publi-
cum mit so ungetheiltem Wohlgefallen aufgenommen wor-
den, und es stellt sich in demselben für die Zukunft der
Constantia ein sehr erfreuliches Prognosticon heraus, das
sich im nächsten Jahre in Halberstadt nnd der Reihe nacb
in allen Orten der Constantia freundlich erfüllen möge !
Feuilleton.
Am Pfingstmontage wurde in Gmünd ein grosses Lieder- and
Turnfest begangen, woran, ausser dem dortigen, auch die Gesang-
and Turnvereine von Stuttgart, EUwaogen nnd anderen würtenv»
bergischen Städten Theil nahmen.
Donizetti bat den portugiesischen Orden der unbefleckten Em-
pfängnisa erhalten. _ __ __
Das diesjährige pftlxisehe Musikfest soll in den ersten Tagen
des Monats August in Zweibrücken unter Direction Mendelssohn
Bartholdy's gefeiert werden.
465
1844. Juli. J\o. 27.
464
Bekanatlich balle sieh in Dresden ein Comile zum Ena fang
und zur Bestattung von Carl Maria von Weber" * Ascbe gebildet,
die von England hierher geschafft .werden soll, und zwar auf Ko-
sten der katholischen Geistlichkeit von Moorfield Chapel. Am 10.
Jaal oaa ist Weber** ältester Sohn, Ingenieur in preußischen
Diensten, nach England gereist, am sieh die Gebeine seines Va-
ters übergeben zo lassen und sie nach Dresden zu geleilen. Nach
Beendigung der Tnuerfeierliehkeil wird der Comile seine \Virk-
samkeit auf Errichtung eines Denkmals für Weber wendeu.
G. Preyer ist znm Director des Conservatoriums der Musik
zu Wien ernannt worden.
In Worcester starb der rühmlichst bekannte Organist an der
dasigen Kathedrale, M. Ctarke.
Die bekannte Sängerin Ointond, ehemalige Miss Bruce, welche
mit einer englischen Säogergeaellschaft vorigen Sommer nach Cal-
eutta ging, ht daselbst an der Cholera gestorben. Die mit ihr
abgegangene Gesellschaft gab nur wenige Vorstellungen in Calcntta
und reiste dann weiter nach Bombay.
Friedrich Schneider ist zum Mitgliede des Pariser Censerva-
toriuais der Musik ernannt worden.
In dem ongeheoeren Gebäude für die diesjährige Pariser In-
dustrieausstellung soll nach Beendigung derselben ein Riesenmusik-
fest unter Hector Beriioz* Leitung Statt finden. Die deutsche,
französische und italienische Srbol« wird dabei vertreten werden.
Der erste Tag ist der edleren Musik bestimmt; am zweiten sollen
Modeou vertu reo, S trau st' sehe Walzer, Quadrillen, Polka's, Ga-
lopps zur Aufführung kommen. Die Chöre, durch Schüler der Volks-
schulen verstärkt, sollen auf 1200 Personen gebracht werden.
Am 16. Juni starb in Coburg der bekannte Violinist Kammer-
mosiktts Eichhorn, 2t Jahre alt.
Ankündigungen.
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466
406
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 10*» Juli.
M 28.
1844.
Inlmltt Seb. Bach's Cboralges'aoge und Cantaten. (Fortsetzung u. Beschluss.) — Nachrichten: Aus Leipzig. Aas Frankfurt« Aas
Hamburg. — slnkwuliguHgc*.
Seb. Bach's Choral- Gesänge und Cantaten.
(Fortsetzung and Bescbloss.)
Es mass auffallen , das* bei dem grossen Interesse,
welches sieb unter den Jüngeren Künstlern gegenwärtig
ziemlich allgemein für Bach kund giebt, dessen Kirchen-
musiken noch nicht die ihnen gebührende Verbreitung ge-
funden haben, und dennoch bieten sie, wie oben anzu-
deuten versucht wurde , so allseitigen Stoff für Studium
und Genuss in überreichem Maasse dar. Wie sehr sich
auch die Passionsmusik nach dem Matthäus verbreitet hat
und durch viele Aufführungen in's Leben gerufen worden
ist, die Berichte über Aufführungen Bach'scher Cantaten
sind selten, und doch ist es eben hauptsächlich Bach>
welcher Kreisen gebildeter Kunstfreunde Gelegenheit zu
fortgesetzter Entwicklung ihrer Kräfte neben stets er-
neuter geistiger Anregung giebt. — Bach's Gesänge sind
eben nicht leicht zu singen, und ihre Ausführung mit
vollem Orchester bietet allerdings Schwierigkeiten, weno
sie ihre volle Wirkung machen sollen. Die letzteren sind
aber nicht unbesiegbar, und die Säuger kehren gern zu
Bach's Werken zurück, wenn sie nur einmal die Weihe
von ihm empfangen haben. Ich bin weit davon entfernt,
unserer jetzt auch in Deutschland sehr tüchtig ausgebil-
deten Gesangk.unst die Befähigung für unseres Meisters
Gesänge abzusprechen; aber selbst wenn das Technische
auf ganz schulgemässe Weise, unbeschadet und ohne An-
strengung der Stimmen (namentlich des laute Klage fuh-
renden Tenors) überwunden ist, wenn Alles iusseriieh
correct dasteht, ist der Aufgabe noch keineswegs ent-
sprechend Genüge geleistet. Obwohl es sich ganz von selbst
versteht, dass der blos correcte Vortrag eines Gedichts
von dem geist- und sinnvollen übertroffen wird, und Je-
der, der solchen unternimmt, stets den letzten im Auge
hat, so finden wir doch, dass man sich namentlich bei
älteren Tonwerken nur zu häufig mit jenem begnügt,
und sich eben entsetzlich verwundert, wenn aus den be-
wegten Tönen nichts sprechen will* — „Wenn ihr's nicht
fühlt, ihr werdet's nicht erjagen," lässt Goethe seinen
Dichter im Prolog zum Faust erinnern; diese Warnung
ergeht auch an Jeden, der sich unserm Meister naht.
Doch „trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst
sich selber vor;" aber dieser muss erkannt, dieser be-
griffen, dieser in Fleisch und Blut gedrungen sein, dann
wird er durch sich selbst sprechen können. Die schwar-
40. Jahrgang.
zen Rlekse, nach Höhe und Tiefe, nach ihrer Dauer und
allenfalls mit abwechselnder Stärke und Schwäche in Töne
umgewandelt, thun es nicht allein ; ihr Sinn» ihre innere
Beziehung zu einander, mit einem Worte, ihr geistiger
Gehalt muss gefühlsdurchdrungen anfgefasst sein, wenn
sie aussagen sollen, was sie enthalten. — Ohne mich hier
auf ein Weiteres einlassen zu wollen, werde nur bemerkt,
dass man selten zum Ziele kommen wird, wenn man,
ohne mit seinem ganzen Wesen genau vertraute Sänger
zu haben, gleich mit vollem Chore an Bach's Werke
geht, und selbst dann wird die Auffassung der Haupttbe-
mata am Besten durch Vorsingen anzudeuten sein. Auch
kann der Ausführende durch Hinzufügung dynamischer
Beziehungen, welche bekanntlich allen Bach 9 sehen Wer*
ken fehlen, unterstützt werden, wobei jedoch alles Cbar-
girte zu vermeiden ist — Da seine Stimmen alle real,
selbständig sind, einen prägnanten melodisch scharf aus-
geprägten Inhalt in sich tragen, so ist es am geraten-
sten, zu jedem neuen Werke zuerst mit den einzelnen
Stimmen zu treten ; ist jede mit dem Gange der Melo-
dieen und ihrem sinngemässen Vortrage vertraut, so macht
sich das Zusammensingen von selbst, und jede Uneben-
heit wird leicht als eine nur scheinbare mit kleinen Wie-
derholungen beseitigt, wobei das an der einzelnen Stimme
gewonnene Interesse sich bald auch auf die übrigen und
las Ganze ausdehnt. Dagegen ist das Erfassen des Ein-
zelnen aus dem zuerst gehörten Ganzen bei Weitem
schwieriger, und dürfte, statt anzuregen, eine doch nie
gleichgestimmte Menge leicht ermüden und von dem ei-
gentlichen Ziele abwenden. — Ein inneres Gesammelt-
sein ist bei der Ausführung ZtacA'scher Werke unerläss-
Hcb notbwendig und jeder einzelne Chorsänger muss ne-
ben der vollständigsten Lösung der technischen Aufgabe
in dauernder geistiger Tbatigkeit dabei beharren. Deshalb
werden Bach* sehe Gesangwerke auch in der vollendete
sten technischen Ausführung von nur für diese allein be-
schulten und angeregten Knaben und Jünglingen nie die
eigentliche volle Wirkung machen und, wie wir dies so
oft gehört haben, den Zuhörer von dem tiefsinnigsten
Werke kalt entlassen. Wollte man einwenden, daß* Bach's
Werke den Ausführenden grösseren Genuss gewähren,
als dem Zuhörer, so moss das zugegeben werden; allein
dies findet im Grunde bei jeder Musik statt. Ohne gei-
stige Thätigkeit lässt sich ein Kunstwerk weder vortra-
gen , noch durch Hören geniessen , und der Vortragende
20
467
1844. Juli. No. 28.
488
kann nie mehr darin gehen, als er geistig zu beleben,
der Hörer nie mehr gemessen, ab er aufzufassen ver-
steht. Dazu müssen Beide sich heranbilden. — Wie gross
und segensreich aber nun auch der EinDuss ist, welchen
die Wiederbelebung der Gesangwerke unseres Meisters
in den gebildeten Kreisen der Gesangvereine und Sing-
academieen ausübt, so ist es doch vor Allem wünschen s-
werth, dass sie im evangelischen Deutschland überall wie-
der an ihren Platz, in die Kirche, treten. Hier ist ihre
eigentliche Heimath, und hier nur allein in Verbindung
mit der gesammten heiligen Handlung sollen sie das Herz
für das Wort der Predigt eröffnen oder ihren Eindruck
befestigen. Berlios hat vollkommen Recht, wenn er von
der Auffuhrung der Passionsmusik zu Berlin sagt, sie sei
kein Concert, sondern ein Gottesdienst gewesen. Auch
eignet sich die äussere Anordnung des grössten Theiles
von ihnen mehr für einen kleinen und darum leichter für
ihn zu beschulenden Chor, als für den grösseren Verein.
Ein Paar Flöten oder Oboen, denen eine selbständige
Stimme neben dem Chor gegeben ist, werden von einer
Sängermasse erdrückt, und doppelte oder vervielfachte
Besetzung vermag das ursprüngliche zum Grunde gelegte
Verhältniss nicht wieder herzustellen. Es kann hiermit
nicht gemeint sein, den so ehren wenwerthen Bestrebun-
gen der neuen Kunst für die Kirche Einhalt zu thun oder
sie irgend wie zu beschränken; die in glaubensvollem
Ausdrucke nie zu übertreffenden Muster evangelischer
Kirchenmusik dürfen aber nie ganz daraus verschwinden,
sie müssen wieder in ihre vollen Rechte treten, und Al-
ler Blicke wenden sich jetzt vertrauungsvoll auf Men-
delssohn, dem die ehrenvolle Aufgabe geworden, in der
Hauptstadt des preussischen Staates der Tonkunst wieder
den ihr so lange entzogenen Platz zu verschaffen. Von
ihm, von seinem künstlerischen und verständigen Eingrei-
fen ist das Schicksal der kirchlichen Tonkunst für die
ganze Zukunft abhängig. Wir kennen seine Liebe zu
Bach, sein inniges Verständniss des Meisters, seinen glü-
henden Eifer, die von ihm als Ausdruck der gesammten
evangelischen Christenheit erkannten mächtigen Werke
desselben in ihrem Geiste in's Leben zu rufen; ihm ha-
ben wir die Wiedererweckung der Matthäuspassion zu
verdanken, welche, nachdem sie fast hundert Jahre ge-
ruht, Tausende erbaut und beseligt hat — er wird auch
weiter für das höchste Gedeihen der Kunst Sorge tra-
gen. — Neben ihm hat die ehrenwertbe Trautwein'sche
Kunsthandlung eine Herausgabe Bach'scher Cantaten in
Partitur und Stimmen begonnen, und es steht noch zu
erwarten; dass sie dieselbe in regelmässigen Lieferungen
fortsetzen wird. Correctheit, Ausstattung und civiler Preis
empfehlen schon an und für sich das Unternehmen. — Doch
scheint mir, den Zweck ihrer allgemeinen Wiedereinführung
in der Kirche im Auge, dass bei der Auswahl unter der
vorhandenen Menge zunächst mehr Rücksicht auf Fasslich-
keit und Wirksamkeit der versammelten Gemeine gegen-
über, als auf ihre Bedeutsamkeit als Kunstwerk zu neh-
men sei. Die Choräle sind jeder Gemeine bekannt, und
unter diesen sind wieder viele durch die Melodie und ih-
rem Texte nach so sehr verbreitet, dass Jedermann ohne
Weiteres in ihnen bekannte Anknüpfungspuncte für eigene
Betrachtung findet, wie z. B. „Befiehl (tu deine Wege/ 4
„Wer nur den lieben Gott Ilsst wallen," „Sei Lob und
Ehr dem höchsten Gut/* „Schmücke dich o liebe Seele/*
„Gelobet seist du Jesus Christ" und andere mehr, nach
den verschiedenen Kirchen- und Festzeiten. Diese und
über ähnliche Texte geschriebene Kirchenmusiken Bach's
dürften , an passenden Sonntagen in Beziehung zur Pre-
digt gebracht, nicht leicht ihre Wirkung verfehlen. Ausser
der Beziehung zur Predigt und in unsorgfältigen Ausfüh-
rungen würde ihre Einführung in die Kirche eher zu wi-
dern then sein. Vor Allem dürfte man sich hüten , die
Arien, bevor sie genauer bekannt sind, durch nicht vor-
zügliche Sänger vortragen zu lassen, und selbst von die-
sen wären anfangs alle diejenigen auszuschliessen, welche
die Selbstgefälligkeit in sich nicht ertödten können und
ausser Stande sind , ihre Gaben im Geiste des Gottes-
dienstes nach ihrem besten Vermögen zu entfalten. Ich
fühle wohl, dass diese Anforderungen rigorisliscb erschei-
nen und unserer Absiebt grosse Schwierigkeiten entge-
genstehen dürften. Es ist aber nicht die Rede von einem
Vergnügen, einem vorübergebenden Kunstgenüsse, wel-
chen wir in Aussicht stellen ; es gilt eine heilige Sache,
die höchste Aufgabe der so geheiligten Kunst, und wo
diese Gefahr läuft, ist es ratbsamer, jeden möglichen An-
stoss zu beseitigen, lieber fortzulassen, was nicht der
Würde des Gegenstandes angemessen ausgeführt werden
kann, als neu hervortretende Bestrebungen nach dem höch-
sten Ziele hin vielleicht schon im Keime zu ersticken und
jede fernere Blüthe und Frucht für immer unmöglich zu
machen. — Die Kirchengesänge Bach's enthalten eine
grosse Menge der trefflichsten Arien für alle vier Stirn*
men; ihre Herausgabe in einzelnen Sammlungen, würde
sie unternommen, dürfte für das Studium der Kirchen-
sänger, selbst auch wenn sie nicht speciell auf Bach al-
lein bezogen würden, höchst erspriesslich sein. Der Tenor
ist in ihnen reichlich bedacht. —
Schliesslich gebe ich hier das vollständige Verzeich-
niss aller Bach 9 sehen Cantaten, wie ich sie theils selbst
in Händen gehabt, theils in verschiedenen, mir zugäng-
lich gewordenen Sammlungen in den CaUlogen vorge-
funden habe. Ich habe sie nach den Kirchensonntagen
geordnet, und zuletzt diejenigen besonders bezeichnet,
denen ich ihre Stelle nicht anweisen konnte. Von eini-
gen unter diesen Hessen sich leicht durch die Beziehung
ihres Textes auf die Pericopen auch diese auffinden, wozu
es mir aber im Augenblicke an Zeit gebricht. — Da die-
ses Verzeichniss, meines Wissens, zum ersten Male ge-
geben wird, so steht zu erwarten, dass manche Bezeich-
nung darin unrichtig sein wird. Ich ersuche jeden Besitzer
Bach 9 scher Cantaten, besonders der Autographen, das im
nachstehenden Verzeichnisse Unrichtige zu berichtigen,
und das Fehlende zu ergänzen, wozu die geehrte Re-
daction gewiss gerne die Spalten dieser Blätter eröffnen
wird. Erst dadurch würde der Zweck dieser Zeilen
ganz erfüllt werden, welche nur die Absicht haben, auf
die genannten Werke nach Gebühr von Neuem aufmerk-
sam zu machen , und endlich eine vollständige Ueber-
si cht aller Kirchengesänge unseres Altmeisters herbeizu-
führen. —
469
1844. Juli. No. 28.
Verzeichniss mir bekannt gewordener Cantaten
von Job. Seb. Bach.
Zum ersten Advent.
1) Nun komm der Heiden Heiland.
2) Schwingt freudig euch empor ").
3) Cantata in Dom. Adv. Christi a 4 Voei c. Stromenti,
D dar, J (Voss'sehe Sammlung, 530;.
Zum vierten Advent.
Bereitet die Wege.
Fers« |. ISativ. Christi.
1) Uns ist ein Riad geboren.
2) Christen atzet diesen Tag.
3) Unser Mund sei voll Laeben.
4) Gelohet seist da Jesus Christ.
5) Jancbset, frohlocket. , Oratorium, 6 Theile.
Feria 2. Nativ. Christi.
1) Selig, selig ist der Mann.
2) Ihr seid Gottes Kinder, and wisset es nicht.
3) Cbriitum wir sollen loben schon.
Ferim 3. Nativ. Christi.
1) Sehet, welch eine Liebe.
2) Süsser Trost, mein ieso kommt.
3) leb freue mieh in dir.
Sonntag nach Weihnachten.
1) Gottlob, nun gebt das Jahr zu Ende.
2) Tritt aaf die Glaubensbahn.
Beschneidung Christi (Neujahr).
1) Jesa nun sei gepreiset.
2) Lobe den Herrn meine Seele.
3) Lobe Zion deinen Gott.
4) Singet dem Herrn ein neues Lied.
5) Herr Gott dieb loben alle wir.
Sonntag nach Christi Beschneidung.
Schau, lieber Gott, wie meine Feind*.
Sonntag Epiphanias.
1) Die Könige ans Saba kamen her.
2) Liebster Immanuel, Herzog der Frommea.
Erster Sonntag nach Epiphanias.
1) Liebster Jesu, mein Verlangen.
2) Meinen Jesum lass ich nicht.
3) Mein liebster Jesus ist verloren.
Zweiter Sanntag nach Epiphanias.
Meine Seufzer, meine Thränen.
Dritter Sonntag nach Epiphanias.
1) Alles nur nach Gottes Willen.
2) Herr, wie da willst, so schick's mit mir.
3) Ich steh' mit einem Fnss im Grabe.
4) Was Heia Gott will, das s/seheh' allzeit.
Vierter Sonntag nach Epiphanias.
1) Jesus schläft, was soll ich hoffen.
2) War 1 Gott nicht mit mir dies« Zeit.
Septuagesima.
1) Nimm was dein ist.
2) Ich bin vergnügt mit meinem Glüeke.
Fest Mariae Reinigung.
1) Mit Fried und Freud 1 ieb fahr 1 dahin.
2) Erfreute Zeit im nenen Bande.
3) Ieh habe genug.
4) Der Friede sei mit dir.
5) Ieh lasse dieb nicht.
Sexagi
') Diese Cantate steht in der Felix Mendelssohn'tclen Samm-
lung unter dem Titel: Zu Ehren eines Lehrers, and scheint
weltliehen Inhaltes. Bei flüchtigem Durchblicke bemerkte ieb,
data der Schlusschor eine Gavotte sei.
470
1) Leicht gesinnte Flattergeister.
2) Erhalt uns Herr bei deinem Wort.
3) Weich wie der Regen und Seh nee vom Himmel fallt.
Qumquagesima oder Estomihi.
1) Jesus nahm zu sich die Zwb'lfe. (Naeh Polehau Pro-
bestück für Leipzig, 1723.)
2) Da wahrer Gott und Davids Sohn.
3) Herr Jesa Christ, wahr'r Mensch and Gott.
4) Sehet wir gehen hinauf.
5) So gehst da denn mein Jesa hin. (Zweifelhaft. Viel-
leicht von Christoph Bach.)
Fest Mariae Verkündigung.
1) Wie schön leuchtet der Morgenstern.
2) Himmelskönig sei willkommen (findet sieh nach für
Palmarum bezeichnet).
Erstes Osterfest.
1) Der Himmel lacht.
2) Christ lag in Todesbanden.
3) Kommt eilet and laufet. (Oratorium.)
4) So da mit deinem Mande.
5) Denn da wirst meine Seele. (Die beiden letzten für
Ostern überhaupt bezeichnet.)
Zweites Osterfest.
Erfreuet euch ihr Herzen.
Drittes Osterfest.
Bin Hers, das seinen Jesum liebet.
Quasimodogeniti.
1) Halt im Gedächtnis» Jesum Christ.
2j Am Abend aber desselbigen Tages.
Miserieordias Domini.
1) Der Herr ist mein getreuer Hirt.
2) Do Hirte Israel'*, höre.
3) Ich bin ein guter Hirt.
JubUate.
1) Ihr werdet weinen and heulen.
2) Weiaen, Klagen.
1) Es ist euch gut, dass ieh hingehe.
2) Wo gehest da hint
1) Bisher habt ihr nichts gebeten.
2) Wahrlieb ich sage Euch.
Himmelfahrt.
1) Lobet Gott in seinen Reichen.
2) Auf Christi Himmelfahrt allein.
3) Gott führet auf mit Jauebzea.
4) Wer da glaubet and getauft wird.
1) Sie werden euch in den Bann thuu (a mia.).
2) Sie werden eoeh in den Bann thun (g. min.),
Colaposition.
Pfingsten. Erster Tag.
1) Erschallet, ihr Lieder.
2) Wer mieh liebet, wird mein Wort halten.
3) ewiges Feuer.
Pfingsten. Zweiter Tag.
1) Also hat Gott die Welt geliebet.
2) Erhöhtes Fleisch and Blut. (Scheint weitlich,
mit dem Text: „Durchlauchtigster Leopold!")
3) Ieh liebe den Höchsten von ganzem Gemütbe.
einem Concerte als Einleitung.)
4) Bleib bei aas, denn es will Abend werden.
Pfingsten. Dritter Tag.
1) Er rufet seinen Sehafea mit Nomen.
2) Erwünschtes Freudenlicht.
Cantate.
Bogute.
aneh
(Mit
471
1844. Juli. No. 28.
472
Fest Trinitatis.
1) Gelobet sei 4er Herr.
2) Bf ift ein trottig und vertagt Ding.
3) Höchst erwüascntos Freudenfest. (Nach lern gedruck-
ten Titel und Texte bei Einweihung einer Orgel im
Stoaathal aufgerührt.)
Sonntag 1. naeh Trinitatis.
1) Ewigkeit, da Dounerwert.
2) Brieh den Hungrigen dein Brod.
3) Die Elenden wollen essen.
4) Was hilft des Purpurs Majestät.
Sonntag 2« nach Trinitatis.
\) Schmücke dich, o liebe Seele.
2) Ach Gott von Himmel, sieh darein.
3) Die Himmel eriahlen die Ehre Gottes.
4} loh glaube, lieber Herr.
Sonntag 5. naeh Trinitatis.
Ach Herr, ich armer Sünder.
Johannisfest.
1) Frene dich, erlöste Sebaar.
2) Christ unser Herr znm Jordan kam.
3) Ihr Menschen rühmet Gottes Liebe«
Sonntag 4. nach Trinitatis.
1) Ich rar an dir, Herr Jesu Christ.
2) Barmherziges Herz der ewigen Liebe.
3) Ein ungefärbt Gemüt he, von deutscher Tran und Güte,
4) Ewigkeit, du Doooerwort.
Sonntag B. nach Trinitatis.
1) Wer nur den lieben Gott Unat walten.
2) Siebe, ich will viel Fischer auaseaden.
3) In alten meinen Thaten.
Sonntag 6. nach Trinitatis.
1) Es ist das Heil ins kommen her. (Auch für den 14.
Sonntag bezeichnet.)
2) Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust.
Mariae Heimsuchung.
1) Meine Seele erhebet den Herrn.
2) Herz und Mund und That und Leben.
Sonntag 7. naeh Trinitatis.
1) Aergre dich, o Seele, nioht.
2) Es wartet alles auf dich.
3) Was willst du dich betrüben.
Sonntag 8. naeh Trinitatis.
1) Wo Gott der Herr nicht bei uns hält.
2) Es ist gesagt, Mensch, was gut ist.
3) Erforsche mich und erfahre.
Sonntag 9. naeh Trinitatis.
1) Tbue Reehnnngi Doanerwert*
2) Waa frag 1 ich aneh der Welt.
3j Herr, gehe nicht in's Geriebt«
Smmtag 10. naeh Trinitatis.
1) Herr, deine Augen aehen auf den Ginnben.
2) Nimm von uns Herr, du treuer Gott. (Litanei.) (In
der Afaro'achcn Ausgabe uo vollständig.)
3) Schauet doch und sehet, ob irgend ein.
Sonntag 11. naeh Trinitatis.
1) Herr Jesu Christ, du höchstes Gut.
2) Siehe zu, dass deine Gottesfnreht nicht Heuchelei wird;
Sonntag 12. nach Trinitatis.
1) Lobe den Herrn, den mächtigen RSnjg der Ehren.
(Aueh zum Johannisfest bezeichnet.)
2) Geist und Seele sind verwirrt.
Sonntag 13. nach Trinitatis.
1} Allein zu dir, Herr Jesu Christ.
2) Ihr die ihr euch nach Christo nennt.
3) Du aollst Gott deinen Herrn lieben.
4) Wer sieb selbst erhöhet.
Sonntag 14. nmth Trinitatis.
1) Jesu, der du meine Seele.
2) Es ist nichts gesundes an meinem Leibe.
3) Wer Dank opfert.
Sonntag IB. naeh Trinitatis.
1) Warum betrübst du dich, mein Herz.
2) Was Gott tbut, das ist wohlgethae.
3) Jauchzet Gott in allen Landen. (Für alle Zeiten.)
Sonntag 16. naeh Trinitatis.
1) Liebster Gott, wann werd' leb sterben. (Edur, soll
aoeh in Ddur vorbanden nein mit anderer laetra-
menürung.)
2) Komm du süsse Todesstunde.
3) Wer weiss, wie nahe mir mein Ende.
4) Christus der ist mein Leben*
Sonntag 17. nach Trinitatis.
1) Ach, lieben Christen, seid getrost.
2) Wer sich selbst erhöhet.
3) Bringet dem Herrn Ehre.
Sonntag 18. nach Trinitatis.
1) Gott soll allein mein Herze haben.
2) Herr Christ der eia'ge Gottes Sohn.
St. Michaelisfest.
1) Es erhob sich ein Streit.
2) Man singet mit Freuden.
3) Herr Golt dich loben alle wir.
4) Siehe es hat überwunden.
Sonntag 19. nach Trinitatis.
1) Wo soll ich fliehen bin.
2) Ich elender Mensch.
3) Ich will den Kreuzstab tragen.
Sonntag 20. nach Trinitatis.
1) Ich geh' und snehe mit Verlangen.
2) Ach, ich sehe jetzt, da ich nur Hochzeit gebe.
Zum Beformanonsfeste.
1) Gott der Herr ist Sonn' und Schild.
2) Ein' feste Burg ist unser Gelt.
Sonntag 21. naeh Trinitatis.
1) Aus tiefer Notb schrei ich zu dir.
2) loh glaube, lieber Herr, hilf.
Sonntag 22. naeh Trinitatis.
1) Ich armer Mensch, ich Sundenknecht.
2) Was soll ich aus dir m sehen.
Sonntag 95. naeh Trinitatis.
1) Falsche Welt dir trau Ich nicht.
2) Wohl dem, der sieh auf seinen Gott.
Sonntag 24. nach Trinitatis.
1) Aeh wie nichtig, aeh wie flüchtig.
2) Ich warte auf dein Glücke.
Sonntag 28. naeh Trinitatis.
1) Du Friedenafürst, Herr Jesu Christ.
2) Es reisset euch ein schrecklich Ende.
Sonntag 26. naeh Trinitatis.
Wachet, betet. #
Sonntag 27. naeh Trinitatis.
Wachet auf, ruft uns 4»e Stimme.
Für alle Zeiten.
Ich hatte viel Bekümmerniss. (Psalm 94.)
Noch befinden sich in einer Privatsammlung sn Ber-
lin dreiasig Canlaten für die Sonntage nach Trinitatis,
welche nicht einzeln verzeichnet sind» daher es ungewiss
bleibt, ob sich darunter einige in obigem Verzeichnisse
nicht mit enthaltene vorfinden lassen.
475
1844. Juli. No. 28.
474
Cantaten ohne nähere Bezeichnung.
1) Psalm : Aas der Tiefe ruf ich Herr zu dir.
2) Sei Lob and Ehr dem höchsten Gut.
3) 0, Jesu Christ, meines Lebens o. s. w.
4) Meine Seele rühmet.
5) Widerstehe doch der Sünde.
6) Lobet den Herrn alle Heiden.
7) Wer fühlet die Praeht. (Die Aeehtbeit wird bezweifelt.)
8) Nun ist das Heil and die Kraft. (Zweiehörig mit Instrumenten.
Einzelner Char.)
9) Der Herr denket an Euch.
10) Mache dich mein Geist bereit.
11) Gedenke, Herr, wie es ans gehet.
12) Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit.
13) Weichet nun betrübte Schatte b. (Wehlieb.)
14) Dem Gerechten moss das Licht. (Copulations-Caatate.)
15) Christe, da Lamm Gottes. (Chor.)
16) Das ist je gewisslich wahr.
17) Gott der Hoffnung erfülle Eueh. (Conflrmations - Cantate.)
18) Gott ist unsre Zuversicht, wir vertrauen. (Tranuags-Cantate.)
19) Gott, wie dein Name.
20) Gott, man lobet dich in der Stille. (Coneerto auf die Ratba-
wähl zu Leipzig.)
21) Ieh habe meine Zuversicht.
22) Lobt ihn mit Hera ond Munda.
23) Mein Gott wie lang a. s. w.
24) Nur jedem das Seine.
25) Wunderkraft der Liebe.
26) Schlage doch gewünschte Stunde. (Altarie mit Glocken, siehe
ForheVs Lebea Baeh's.)
Nachrichten.
Leipzig. Herr Dr. R. Schumann hat die Redaction
der neuen Zeitschrift für Musik niedergelegt, und Herr
Oswald Loren» dieselbe vom 1. Juli an übernommen.
Frankfurt, den 19. Jnni 1844. Gestern war für
unsere Oper ein wichtiger Abend, da Herr Gundy von
Wien zum ersten Male sang, und zwar als Jäger im
Nachtlager, eine der besten Partieen Pischeks. Aber trotz
der Coterie, trotz aller Factionen pro et contra ging des
jungen Sängers Talent siegend hervor, und es ist jetzt
nur eine Stimme, dass, wenn er gehörige Routine haben
und erst einmal warm werden wird, er uns keinen sei-
ner Vorgänger vermissen lässt. Gundy* s Stimme ist vom
edelsten Klang, sein Mezza voce ungemein gefallig, und
die ganze Scala tragt vom grossen A bis zum eingestri-
chenen As einen und denselben Character. Dabei ist sein
Forte voll, und das Piano erreicht den letzten Mann auf
der Galerie. Die Hohe ist leicht, frei, ohne geklemmt
werden zu müssen, sicher, und die Aussprache sehr deut-
lich. (Jebrigens ist Gundy auch ein schöner Mann; das
bleibt stets ein offener Empfehlungsbrief.
Dass der Gesangvortrag und das Spiel noch zu wün-
schen übrig lassen, mag auf Rechnung einer noch unvoll-
endeten Schule, aber auch auf Rechnung der Befangen-
heit kommen, mit welcher Gundy unter solchen Auspicien
auftreten musste. Doch ist Frankfurt ganz der Ort, wo
er zum Fortschritt gestachelt wird, Oebung und ein tüch-
tiges Repertoir bekommt. Wenn Gukr ihn schult und —
zugleich beschützt, so ist der Mann geborgen, und kann,
wenn er was Tüchtiges gelernt hat, wie seine Vorgän-
ger aufs hohe Pferd steigen, und sieb mit den dankbar-
sten Gefühlen von der Welt — bei Hofbühnen engagi-
ren lassen. Wir sind das schon so gewohnt, dass wir es
nicht anders mehr wissen.
Den historischen Tbeil zu berühren, so ist Gundy
tief in Ungarn geboren und von sehr guter Familie. Iri
Pesth hat er vielseitige literarische Bildung erhalten, in
Wien unter dem Einfluss eines Italieners studirt, bis der
deutsche Hauser das Metall seines Organs richtiger bear-
beitete. Durch Diesen aufmerksam gemacht, unterhan-
delte Gukr schon längst mit Gundy, als Pischek die erste
Miene machte, fortzugehen, reiste darauf (im Mai) selbst
nach Wien und engagirte ihn. C. G.
Hamburg, im Juni. Anber's komische Oper: Des
Teufels Antbeil, ging hier im Januar in Scene. Die Mu-
sik für sich allein kann wenig Interesse erregen und nur
eine in allen Tbeilen ausgezeichnete Ausführung — die
bei den Sängern auch zugleich ein bedeutendes Darstel-
lungstalent erheischt — kann dieser Oper eine günstige
Aufnahme versebaffen. Sie fand hier weoig Anklang und
ist nur einige Male wiederholt worden. Mad. Fehrin-
ger — früher Dem. tVithuhn — leistet als Carlo An-
erkennungswerthes. — Mit grosser Spannung sah man
Wagner* $ : Cola Rienzi entgegegen, welche im März Statt
fand. Die Direction des Stadttheaters batte für dieses
Werk die ausserordentlichsten Mittel aufgeboten. Der
Männerchor war mit 50 Personen von den Sängern des
Militärs verstärkt, das Orchester war vergrossert und auf
der Bühne im dritten Acte noch ein besonderes Orchester
von Blechinstrumenten aufgestellt. Auch die äussere Aus-
stattung — Decorationen, Costüme, Tanz u. s. w. —
war sehr splendid. Besonders verdient aber hervorgeho-
ben zu werden, dass der Componist eingeladen wurde,
die Hauptproben und ersten Aufführungen seines Wer-
kes persönlich zu leiten , und man also eine der In-
tention des Tonsetzers möglichst entsprechende Ausfüh-
rung erwarten durfte. Deber das Werk selbst sind schon
verschiedene, von einander sehr abweichende Stimmen
laut geworden. Dass es eine der bedeutendsten Erschei-
nungen der Gegenwart ist, möchte wohl schwer in Abrede
zu stellen sein, wenn man nur Vorurtheil oder Partei-
lichkeit bei Seite setzen will, so wie auch dass dasselbe
auPs Evidenteste des Verfassers Beruf zur dramatischen
Compositum dartbut. Wagner hat allerdings dem Zeit-
geschmacke Zugeständnisse gemacht, und zwar zuweilen
mehr, als recht und billig ist; es ist aber auch nicht zu
verkennen, dass sich durchweg ein Streben nach dem
Besseren und Edleren in der Kunst herausstellt, und dass
er dazu mit den erforderlichen Kenntnissen ausgerüstet
ist. Die Musik zu Cola Rienzi ist fast durchgängig schön
characteristisch gehalten und besonders in den Chören
und einigen Recitativen wahrhaft grossartig. Mit beson-
derer Vorliebe sind die beiden Partieen des Cola Rienzi
und des Adriano behandelt und es ist nur zu bedauern, dass
die übrigen Partieen dagegen so stiefmütterlich bedacht
worden. Ausfuhrlicheres über diese Oper behalte ich mir
vor. Das im nächsten Monat zn erwartende Gastspiel des
Herrn Tichatschek wird Veranlassung geben, diese Oper
mit erneuerter Sorgfalt dem Publicum wieder vorzufuhren,
da durch diesen mit Recht so hoehgefeierten dramatischen
475
1844. Juli. No. 28.
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Gesangkünstler die Hauptpartie in derselben wohl erst zu I
ihrer völligen Bedeutung gelangen wird. Wenn man uo- '
senn Herrn fVurda auch nachrühmen muss, dass er mit
Eifer sein Möglichstes für diese Rolle gethan hat» so ist
doch auch nicht zu leugnen , dass er sie in den Haupt-
tbeilen nur ungenügend zu lösen vermochte» theils weil
4ie Partie ihm zu hoch liegt, und sodann, was in dersel-
ben ein Haupterforderniss ist, grosse Virtuosität im Vor-
trag des Recilativs verlangt wird» und letzterer war nie
Wurde! s starke Seite. Besonders gut wurden sämmtliche
Chöre ausgeführt, so schwer und anstrengend sie zum
Theil auch sind. Hier muss ich noch besonders des Cho-
res der Friedensboten zu Anfange des Acts gedenken. Die
Idee ist eben so eigenthümlich und schön» als die Aus-
führung derselben dem Componisten ausgezeichnet gelun-
gen genannt werden muss. Das Orchester verdient gleich-
falls die lobendste Anerkennung. — Die ersten Auffüh-
rungen der Oper allhier fanden bei gedrängt vollem Hause
unter vielem Beifalle Statt» und es wurden dein Componisten
alle üblichen Ehrenbezeugungen » als da sind : Hervor-
ruf u. s. w., im reichen Maasse zu Theil. Die Oper ist
bis jetzt nur sechs bis sieben Male gegeben worden» da in
letzter Zeit ungünstige Umstände die Vorführung der-
selben verhinderten. — Eine andere hier neue Oper
war Lucia di Lammermoor von Donizetti. Die vortreff-
liche Ausführung verschaffte derselben eine so ausseror-
dentlich günstige Aufnahme» wie man wohl keineswegs
erwartet hatte» zumal diese Oper früher hier, bei Anwe-
senheit der italienischen Operngesellschaft des Signor Ma-
rinelli, fast durchgefallen war. Dem. Evers ist in der
Titelrolle ausgezeichnet und es muss dieser vortrefflichen
dramatischen Gesangkünstlerin hauptsächlich zugeschrie-
ben werden, dass die Oper so sehr gefällt. Herr Wurda
ist als Edgardo ebenfalls zu loben, so wie die übrige Be-
setzung der Oper zufriedenstellend. — Blums anspruch-
lose, freundliche Operette : Mary, Max und Michel wurde
beifällig aufgenommen» ist bis jetzt aber nicht wiederholt
worden. — Wenn auch nicht zum Bereiche der Oper ge-
hörend, so ist hier doch noch der Aufführung des Shakes*
peare'Bchen Sommernachistraumes im Theater zu geden-
ken, und das wegen der genialen Musik von Mendelssohn.
Ich für meinen Theil muss aufrichtig bekennen» dass mir
diese Musik das Liebste ist von Allem, was Mendelssohn
bis jetzt der Kunstwelt geschenkt hat» und dass es mir
fast unmöglich erscheint, wie überhaupt die Aufgabe»
welche hier dem Tondichter gestellt war, vollkommener
zu lösen wäre. Freilich gab es auch hier Leute, die mit
geiebrttbuender Miene den Kopf schüttelten und die Mei-
nung laut werden Hessen, Mendelssohn hätte sich in den
Shakespeare'&chen Geist nicht so recht hineindenken kön-
nen u. s. w.; dagegen waren aber alle — Künstler und
Kunstfreunde — , die die Fähigkeit haben, eine solche
hochppeliscbe und tiefdurebdachte Musik, wie die hier in
Rede stehende, zu würdigen, von derselben im höchsten
Grade entzückt. Die Ausführung war in jeder Hinsicht
gelungen zu nennen, und gereichte dem hiesigen Orche-
ster und seinem Leiter zur wahren Ehre, denn sie be-
wies, dass jeder seine Aufgabe begriffen hatte und sie
mit Lost and Liebe zu lösen suchte. —
Von den Opernsängern und Sängerinnen, welche in
den letzten Monaten alibier gasürten, verdienen zuerst
Herr Moriani und Dem. Rosetti genannt zu werden. Sie
sangen bei erhöhten Preisen und mit glänzendem Beifall
vier Mal, nämlich in Lucrezia Borgia und Puritaner» und
einzelne Scenen aus Lucia di Lammermoor und Linda di
Cbamounix. Bei erstgenannten Opern konnte die Mitwir-
kung des hiesigen Opernpersonals, welches deutsch sang,
während die Gäste ihre Partieen italienisch ausführten,
eben keinen günstigen Eindruck machen. Herr Lehr
machte jedoch eine rühmliche Ausnahme» und führte seine
Rolle, da wo er mit den Gästen zugleich zu wirken hatte,
in italienischer Sprache aus. Wenn Herrn Moriani auch
mit Recht der Vorwurf der Einseitigkeit trifft, so muss
man doch jedenfalls ihm einräumen , dass er in seinem
Genre Vollendetes leistet und dass er mit seiner Stimme,
die freilich schon gewaltig im Abnehmen ist, in Folge
seiner trefflichen Gesangmethode noch bewundernswürdig
zu effectuiren versteht. Dem. Rosetti besitzt zwar viele
Kehlen fertigkeit, hat aber nur eine spitze und dünne
Summe nnd ist als dramatische Sängerin nur unbedeu-
tend. — Herr Hirsch vom Breslaoer Theater gastirte
ohne erheblichen Beifall. Die Stimme ist gut, die Ausbil-
dung aber lückenhaft, und seine Darstellungsweise lässt
sehr zu wünschen übrig. — Herr Gerstel vom Stuttgar-
ter Hoftheater ist als ßuffo engapirt worden, hat aber
auch im Schauspiel mitzuwirken. Seine Debütrolleo : Doclor
Bartolo im Barbier von Sevilla, Leporello im Don Juan,
Schlosser im Maurer, Valentin im Verschwender fanden
nur getheilten Beifall. Letztere Rolle war ohne Zweifel
seine beste Leistung, und es wird Herrn Gerstel hoffent-
lich schon gelingen, sich die Gunst des Publicums zu er-
werben. — Herr Botticher von Berlin gab im Mai hier
einige Gastrollen — Don Juan, Graf im Figaro, und Cas-
par im Freischütz — welche aber keinen sonderlichen
Anklang fanden. Die Stimme scheint schon sehr im Ab-
nehmen zu sein und sein Vortrag ist nicht frei von Manier.
Im Spiele leistet er bekanntlich recht Tüchtiges. — Viel
Aufsehen machte Herr Draxler aus Wien mit seiner vol-
len, und in der Höhe besonders schönen Bassstimme, so
dass der allgemeine Wunsch laut wurde, ihn für Ham-
burg gewonnen zu sehen. Auch soll demselben ein Enga-
gementsantrag mit 10,000 7//K oder 4000 preussische
Thalern nebst zwei Monaten Urlaub jährlich, gemacht wor-
den sein, welcher aber refusirt wurde. Eine vorzüglich ge-
lungene Leistung war sein Marcel in den Hugenotten. Uebri-
I;ens darf man Herrn Draxler keinen vollendeten Künst-
er nennen, wenn gleich seine Leistungen schon sehr be-
deutend sind und von grossem Talente zeugen. — Herr
Schmidt aus Leipzig hat ebenfalls eine Zeitlang gastirt
und, wie man sagt, auf Engagement, das aber bis jetzt
sich nicht realisirt hat. Im Ganzen fand derselbe eine
ehrenvolle Aufnahme. Schade, dass die Stimme sehr im
Abnehmen ist, und es ihm daher sehr schwer wird, das
hiesige grosse Haus gehörig auszufüllen. Dass Herr
Schmidt in Corneas frühern Glanzpartieen, die hier noch
im lebhaftesten Andenken sind, auftrat, war für sein Gast-
spiel sehr ungünstig. — Eine Dem. Löwe (Hamburgerin)
machte als Donna Anna im Don Juan nicht ohne Glück
ihren ersten theatralischen Versuch. Die Stimme ist aus-
gezeichnet schön und umfangreich nnd in guter Au$bil-
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1844. Juli. Nö. 28.
478
düng begriffen. Sie ist eine Schülerin der hiesigen Ge-
sanglehrerin Dem. Dellevie und macht ihrer Lehrerin
Ehre. Das Spiel zeugt ebenfalls von hübschem Talent.
Aach die in früheren Berichten schon erwähnte Novize
Dem. Beer ist mit gutem Erfolg als Romeo aufgetreten. —
Lortzing's Wildschütz ist die erste Oper gewesen, die
sich die Tantieme erworben bat, welche aber leider nicht
bedeutend ausgefallen 1 ist, da das Haus sehr schwach besetzt
war. — Beethoven 9 * Fidelio ist in Folge des Engagements
der Dem. Evers wieder aufs Repertoir gekommen. Mit
Ausnahme der Dem. Evers , die in der Titelrolle — wenn
I;leich sie sie erst hier studirt hat — sehr Bedeutendes
eistet, war die Ausführung mangelhaft. Die Oper wurde
nur ein Mal wiederholt wegen der Urlaubsreise der Dem.
Evers. Jetzt ruht sie leider wieder. — Dem. Jazede ist
zu Ostern abgegangen. Die Direction wünschte zwar
diese Sängerin zu behalten, ein abgeschlossenes Engage-
ment in Leipzig verhindert aber Dem. Jazede* darauf
einzugehen. Jetzt heisst es wieder, sie werde nicht nach
Leipzig gehen und von Neuem bei der hiesigen Oper an-
gestellt werden. — Herr Perlgrund t ein Tenorist mit
einer sehr hübschen Stimme, aber so ungebildet und un-
musikalisch in jeder Beziehung, dass er sich stets die
gröbsten Versehen zu Schulden kommen liess, ist — wie
man es in der Theaterspracbe zu nennen pflegt — durch-
gegangen. Weder Direction noch Publicum werden es zu
bedauern haben« —
Concerte gab es hier gegen Ostern in grosser Menge.
In pecuniärer Hinsicht sind sie fast durchgängig sehr
schlecht ausgefallen, und mancher Künstler hat noch be-
deutend darauf zahlen müssen. Wegen der grossen An-
zahl möge hier nur derer Erwähnung geschehen , die in
künstlerischer Hinsicht besonders zu beachten sind. —
Statt der gewöhnlichen vier fanden dieses Jahr nur zwei
philharmonische Concerte Statt.' Es kamen darin zur Auf-
führung: Beethovens vierte und achte Symphonie; die
Ouvertüren zu Faust, Wasserträgerund Euryanthe; Scherzo
und Trio aus einer neuen Symphonie (siebe weiter un-
ten) von v. Roda; Gesangvorträge von Dem. Evers und
Dem. Jazede) und Salonvorträge von dem Violinvirtuosen
Gulomy und den Pianisten Friedrich (siehe unten) und
Behrens. Letzterer führte Beethovens Clavierconcert in
Cmoll aus, eine Aufgabe, der der Executant in keiner
Hinsicht gewachsen ist. Sehr tüchtig wurden die Instru-
mentalsachen ausgeführt, namentlich die Ouvertüren. —
Der berühmte Violoncellist Servais gab zwei leider nur
wenig besuchte Concerte, machte aber Furore, wenn gleich
es bier auch wieder Philisterseelen gab, die recht viel
zu mäkeln hatten. Dass Servais als ausübender Künstler
zu den Corypbäen seines Instruments zu zählen ist, wird
ihm wohl kein Vernünftiger streitig machen wollen nnd
können. Auch als Componist stebt er bedeutend über dem
modernen Virtuosentbum. — Der Pianist Herr Carl Evers
gab mit ehrendster Anerkennung ein Concert, worin er
sowohl als ausübender, wie als schaffender Künstler Be-
weise ausgezeichneter Tüchtigkeit ablegte. — Herr v.
Roda veranstaltete ein Concert, worin er unter mehre-
ren eigenen Compositionen auch eine neue Symphonie von
sieb zur Aufführung brachte, woraus das Scherzo schon
im ersten philharmonischen Concerte ausgeführt, ward.
Herr v. Roda verrath in der Symphonie ein sehr beach-
tenswertbes Talent zur Instrumentalcomposilion, von dem
sich bei höherer Ausbildung Bedeutendes erwarten lässt.
Auch als Pianist zeigte er sich in einer Fantasie für zwei
C laviere, wenn gleich mit weniger günstigem Erfolge. —
Herr Friedrich 9 der sich ein Schüler Chopins nennt,
gab zwei Soirees musicales, spielte im philharmonischen
und in einigen Privatconcerten und producirte sich zu-
letzt noch im Thalia -Theater, ohne besondern Beifall zu
erringen. Seine Leistungen — mehr Salon- als Concert-
sptel — zeichneten sich vor denen eines tüchtigen Dilet-
tanten durch nichts aus. Am Meisten gefiel der Vortrag
einiger Nocturno's von Chopin; dagegen wollte die Aus-
führung eines Quintetts von Dussek und des Concert-
Stücks von Weber durchaus nicht ansprechen. — Herr
Capellmeister Krebs veranstaltete für die Freimaurerloge
ein Privatconcerl, das überaus stark besucht war und den
allgemeinsten Beifall fand. Unter Anderem wurde eine
neue Canlate für Männerstimmen von Krebs und der
erste Satz einer Symphonie von E. Marxsen sehr ge-
lungen ausgeführt 5 ebenfalls Spontinis Ouvertüre zu Olym-
pia, eine Lieblingspiece des Dirigenten. — Herr Grund
führte in einem Concerte zum Besten des Kirche nbaues
sein vor vielen Jahren schon componirtes Oratorium:
Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu auf. Es war eine
recht gelungene Ausführung, wobei die Mitwirkung der Or-
gel bei den Chören einen vortrefflichen Effect machte. —
Der wohlrenommirte Violinvirtuos Herr Remmers und der
Pianist Herr G. Schumann von Berlin gaben vereint ein
Concert, worin sie sich Beide als tüchtige Künstler zeig-
ten. — Herr Concertmeisler Carl Müller aus Braun-
schweig liess sich mehrere Male im Thalia -Theater in
den Zwischenacten des Schauspiels hören und bewährte
seinen gefeierten Künstlernamen wiederum aufs Beste. —
Die Geschwister Milanollo haben im Sladttbeater zehn
oder gar eilf Concerte gegeben mit stets gleich glänzen-
dem Erfolge. Die Leistungen dieser so hochbegabten Kin-
der sind in diesen Blättern schon öfter ausführlich ge-
würdigt worden, und so will ich nur bemerken, dass sie
auch hier diejenige Anerkennung gefunden haben, welche
solchen seltenen Erscheinungen in der Kunstwelt gebührt.
Wer aber in ihren Leistungen die höchste Vollendung
sehen will, der bat in Sachen der Kunst gewiss kein
competentes Urtbeil. Besonderes Interesse erregte der
Vortrag eines Concerts von Vieuxtemps $ einer Composi-
tion, die dem Besten, was für die Violine geschrieben
ward, an die Seite zu stellen ist. Vielseitig hörte man aber
tadelnde Stimmen, dass die Milanollo } s sich im Vortrage
desselben willkürliche Veränderungen — namentlich Aus-
lassungen — zu Schulden kommen lassen. — In dem
Concerte des talentvollen jungen Violinisten v. Königs-
low kam auch eine Ouvertüre von Leonhard zur Auf-
führung. Der Componist erwarb sich vor einigen Jahren
beim Norddeutschen Preisinstitut für classische Clavier-
compositionen einen Preis für eine Sonate. Er war zu-
fallig anwesend und dirigirte sein Werk selbst; die Ouver-
türe ist ein schön erfundenes, tüchtig gearbeitetes und
mit Geschick instrumentirtes Musikstück, das wohl ein
ganzes Dutzend anderer Opernouverturen aufzuwiegen
vermag. r.
470
1844. Juli. No. 28.
Ankündigungen.
480
Im Verlage der Unterzeichneten ist so [eben er-
schienen :
Souvenir de la Sirine.
Fantaisie pour le Piano
par
Fr. Kalkbrennen
0p. 180. Preis 25 Ngr.
Leipzig, den 10. Juli 1844.
Breltltepf ** Hartel«
Neuere Werke für dtts Pianoforte
im eleganten Style
im Verlag von Breitkopf «fe Hfirtel in Leipzig,
in beziehen durch alle Bach- and Musikalienhandlungen.
Cnoptn, F., Allegro de Coneert. Op. 46. I Thlr. 6 Ngr.
Ballade. Op. 47. 94 Ner.
2 Nocturnes. Op. 48. 5*7 Ngr.
Fantaisie. Op. 49. I Thlr. 6 Ngr.
Ballade. Op. 52. 1 Thlr.
Polonaise. Op. 55. I Thlr.
Scherzo. Op. 84. i Thlr. 5 Ngr.
Czerny, C, Fantaisie snr Fidelio. Op. 601. i Thlr.
Dossier, Th., 2 me grande Valse brillante. Op. 47. i thlr.
Fantaisie snr Sapho de Pacini. Op. 49. i Thlr. 10 Ngr.
Keltert, C, 12 Characterstucke. Op. 17. 2 Hefte. • 25 Ngr.
Frank, F., Album. Op. 3. 1 Thlr. 10 Ngr.
19eller, Fantaisie snr Charles YI. Op. 37. 20 Ngr.
Caprice brillante sur Charles VI. Op. 33. 15 Ngr.
Henselt, A., Impromptu. Op. 7. 5 Ngr.
Pensee fugitive. Op. 8. 7i Ngr.
— — Scherzo. Op. 9. 15 Ngr.
— — Romnnce. Op. 10. 7J Ngr.
Variat. de Coneert sur: Robert leDiable.Op.U. IThlr.lONgr.
Herz* H« 9 Grande FaaUisie et Variat. sur: L'Elisir d'amore.
Op. 112. 20 Ngr.
Gr. Duo brill. sur: L'Elisire d'amore. Op. 115. 20 Ngr.
Gr. Fantaisie snr: Linda di Chamouaix. Op. 138. 1 Thlr.
5 Divertissemens sur: Dom Sebastien. Op. 159. No. 1. 2.
5. ä 25 Ngr.
I2ornemann,F., 12 Caprices. Op. 1. Li?. 1 — 4. a 20 Ngr.
Kalkt) renner, F.« La Crainte et l'Bsperance. Rondo. Op.
150. 25 Ngr.
Varia tions sur unc pensee de Bellini. Op. 151. 25 Ngr.
Le Fou. Scene dramaliuue. Op. 156. 25 Ngr.
Pensees fugitjves. Op. 158. 25 Ngr.
: Gr. Fant, et Var. brill. sur: Norma. Op. 140. 1 Thlr.
Souvenir de Guido et Gincvra. Fant, brill. Op. 142. 1 Thlr.
L*Angc dechu. Grande Fantaisie sur une melodie de A. Vo-
gel. Op. 144. 25 Ngr.
Fant, en forme de Rondo snr: LeLac des Fees. Op. 150. 22fNgr.
Gr. Fantaisie sur le Cor des Alpes de Proeh. Op. 147. 25 Ngr.
Fant, et Var. brill. sur: Le Roi dYvetot. Op. 165. 25 Ngr.
Gr. Fant, de Bravonre, sur: Charles VI. Op. 165. 1 Thlr.
Fantaisie brill. sur la Romance: Le fil de la Vierge de
Scndo. Op. 170. 1 Thlr.
Kallibrenner, F., Ln fcmme > marin. Ptniie fngKre.
8 Ngr.
KuftTeratn, H« F., Capriccio. Op. 1. 22* Ngr.
liiaxt, F., Adelaide de Beethoven arr. 20 Ngr.
5»* Sinfonie C moll de Beethoven arr. 2 Thlr.
_ — ö«n« Sinfonie paslorale de Beethoven arr. 2 Thlr.
Lieder von Mendelssohn Bartholdj arr. No. 1. Auf Flugein
des Gesanges. 10 Ngr. No. 2. Sonntagslied. 7+ Ngr. No. 3.
Reiselied. 12* Ngr. No. 4. Nene liebe. 10 Ngr. Na. 5. Früh-
lingslied. 15 Ngr. No. 6. Winterlied. Snleika. 10 Ngr.
MendelMann Bartholdy, F., 2™ Concerto Dmoll.
Op. 40. 1 Thlr. 20 Ngr.
Oftberae, Fant, brill. snr la Valse des Treizc. Op. 32. 22* Ngr.
Fantaisie brill. sur : Le Lac des Fe es. Op. 33. 17f Ngr.
Richter, F. F., 5 Romanzen. Op. 17. 17* Ngr.
Reaenhaln, J«, 4 Romances. Op. 14. 17| Ngr.
Morceau de Salon. Romance. Op. 15. 15 Ngr.
Schumann, B., 5 Romanzen. Op. 28. 1 Thlr.
Schunke, Ij«, Variat. conc. sur la Valse funtbre de Fr. Schu-
bert. Op. 14. 1 Thlr.
Thalberft-, Fantaisie snr: Molse. Op. 35. 1 Thlr. 10 Ngr.
Fantaisie snr : Oberon. Op. 57. 1 Thlr. 10 Ngr.
Fantaisie snr: Donna del Lago. Op. 40. 1 Thlr. 10 Ngr.
Grand Caprice sur : Charles VI. 1 Thlr.
Fantaisie snr: Lucrezia Borgia. Op. 50. 1 Thlr.
Fantaisie snr: Semiramide, Op. 51. 1 Tfrlr. 10 Ngr.
V*M, C, Exaucemcnt. Rhapsodie de Coneert. Op. 35. 12+ Ngr.
— — Reminiscenses de Gnill. Teil. Fantaisie et Variat. de bra-
voure. Op. 59. 1 Thlr.
— — Morceau de Coneert. Variat. sur un theme fav. Op. 47.
20 Ngr.
Wleek, Clara, Scherzo. Op. 10. 20 Ngr.
Wlelharftjki (le Comte), 2 Nocturnes. Es moll. Desdur.
Op. 11. 15 Ngr.
Ballade. Bmoll. Op. 12. 12* Ngr.
WolftT, F., Grande Valse snr: Charles VI. Op. 88. 15 Ngr.
Im Verlage von Fr« Moftlielster in Leipzig erscheint
nächstens mit Eigentumsrecht :
Franeliomstie, Avg. 9 Fantaisie sur des Motifs de Semim-
mide de. Rossini pour Violoncelle avec Accompagnement d'Orchc-
stre ou de Pia oof orte. Op. 51.
Verkauf einer Cremoneier Amatl-Qelfe.
Eine in hiesiger Gegend seit länger denn 25 Jahren rühm-
lichst bekannte Amati - Geige von ausserordentlich schönem
Ton ist mir für den Nettopreis von 25 Stück LouistTmr zum Ver-
kauf übertragen. Auf einem alten im Innern befindlichen gedruck-
ten Zettel steht : „ Nicola«* Amatius Cremonien : Hieronymi filii
Antonii Nepos fecit Ao. 1650. •« Das Corpus ist 154 ZoU rhein.
lang, unten 7£ Zoll und oben 6} Zoll breit. Der Hab ist 9 Zoll
lang und ganz neu. Das Aeussere des ganzen Instruments Ist gut
und dasselbe wohl erhalten. Dazu gehört ein braun polirter ver-
schliessbarer Holzkasten. (Zu verwechseln ist dies Instrument je-
doch nicht mit der vor einigen Monaten in diesen Blättern für
600 Thlr. in Golde zum Verkauf gestellten Stradumrii* Geige, im
Besitze des hiesigen Instrumentenmaehers Pfordmmm.)
Briefe und Gelder erbitte ich mir portofrei.
Halberstadt, im Juli 1844.
F. A. Helm? Buchhändler.
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
481
488
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 17«« Juli.
&9.
1844.
Inhalt t Ueber den wahren Endzweck uod Werth der Masik, mit Bezog aar „Narkotische Conpoaisten." — Recenrion, — Pia eh rich-
ten: Aas Berlin. Mnsik-Aufrribrangen der königl. Academie zu Berlin. Aas Königsberg. — Feuilleton. — Ankündigungen.
Ueber den wahren Endzweck und Werth
der Musik, mit Bezug auf „Narkotische
Componisten ."
Vod C. Kotsmaly.
I.
„J'aime la masique de Paesiello, eile nie beree dou-
cement; vos accompagneroens sont trop fort»? 44
Napoleon zu Cherubini.
„Voas voalez ane masique qoi ne vons empeebe pas
de songer aux affaires de retat."
Cherubini zu Napoleon.
Es gehört mit zu den auffallenden, nicht wohl zu
enträtselnden Erscheinungen und Zeichen unserer Zeit,
dass sie — während sie doch in manchen andern Dingen
dem entschiedensten Materialismus huldigt, während ihr
Sinn allen überspannten, des positiven Grundes und Bo-
dens ermangelnden Phantastereien, allem sogenanten idea-
listischen Wesen abgewandt, and nur auf das Practische,
Reelle, Solide gerichtet ist, — in der Kunst, namentlich
aber in der Musik, immer noch — merkwürdige Idio-
synkrasie ! — eine Ueberschätzung und Ueberscbweng-
licbkeit, einen an Wahnsinn grenzenden Enthusiasmus
an den Tag legt, der mit der nüchternen, gesunden Ver-
nunft schlechterdings unvereinbar ist und daher auch dem
kühlen besonnenen Menschen, der Alles in der Welt nach
seinem wirklichen wahren Werth und vom gehörigen
Standpunct aus betrachtet, nolhwendig lächerlich erschei-
nen und bemitleidenswert!! vorkommen muss.
Aber auch von keiner Kunst sind seit Menschenge-
denken über ihre Erhabenheit, Würde und Göttlichkeit,
über ihre himmlischen Eigenschaften und übernatürlichen
Wirkungen irrigere und übertriebenere Begriffe, mehr über-
schwengliche Hyperbeln verbreitet worden, als gerade
aber die Musik. — Was ist z. B. von Shakespeare, Lu-
ther bis auf Beethoven, Jean Paul, Hoff mann, Bettina *)
u. A. nicht Alles über die hohe Bedeutung dieser Kunst
gefabelt, geschwärmt und zu Tage gefördert worden: —
„Musik sei eine durchaus selbständige, die wunderbarste
und geistigste Kunst, indem sie ans auf ihren Schwingen
in das Reich des Unaussprechlichen, Uebersinnlichen hin-
") Freilieh gehören fast alle die hier Genannten zar Categorie
jener Natoren, die von Hippel (s. „Kreuz- ond Querzüge"
o. s. w.) in der Art bezeichnet, dass bei ihneo ,,die Phanta-
sie aber den Verstand obgesiegt/' —
45. Jahrgang.
übertrage, in jene Region, die dem beschränkten und be-
schränkenden Wort ewig unzugänglich und verschlossen
sei; sie bleibe es nicht dem Tone, sondern vor seiner
Zaubergewalt erschlösse sie all' ihre Wunder und Herr-
lichkeit ; und wo sich die Poesie als unzulänglich erweise, da
entfalle und bethätige die Musik erst recht ibre Macht." —
Oder ferner: „Musik sei zunächst um ihrer selbst wil-
len da, brauche nicht erst zünftig zu werden, um bür-
gerliche Autorisation zu erhalten und um sich gleichsam
über ibre Berechtigung zum Dasein auszuweisen ; — Mu-
sik habe keinem andern Nebenzweck dienstbar und lehns-
pOicbtig zu sein, als vor Allem dem, ihre innerste We-
senheit durch das vermittelnde Organ irgend einer musi-
kalischen Menscbennatur melodisch - harmonisch auszuströ-
men, und wenn sie bei den verschiedenartigsten Anläs-
sen, Orten und bei den heterogensten persönlichen Zu-
ständen und Verbältnissen: — in Kirche und Theater,
in Frieden und Krieg, bei Held und Hirt, Kind und Greis,
in Lust und Leid, in Lieb' und Hass — sich wirk-
sam und mächtig eingreifend erweise, so spräche dies nur
für ihre allumfassende Natur, für die Universalität der
Musik, nicht aber sei dadurch ihre Bestimmung von Haus
aus für Erfüllung irgend eines hier angedeuteten specia-
len Zweckes erwiesen." —
In Folge dieser chimärischen Uebertreibungen, deren
völlige Unhaltbarkeil und Excentricilät zu sehr in die
Augen fallt, als dass sie erst erwiesen zu werden brauchte,
bat sieb bei fast allen Tonkünsllern, namentlich aber bei
den selbst producirenden Musikern von nur einiger Be-
deutung ein dermaassen starkes Selbstgefühl festgesetzt,
bat sich ihrer eine so wichtige Meinung, ein solches Hoch-
gefühl und ein Stolz auf ihre sogenannte „höbe Mission"
bemächtigt, dass der gemeine, schlichte Menschenverstand,
der, wie gesagt, den Werth jeder Sache nach dem we-
sentlichen, dadurch erzielten Zweck, nach ihrem nahen
und bestimmten Nutzen bemisst, nicht umhin kann, mit
Hohn auf solche, den Stempel der Absurdität an sich tra-
gende Verirrungen zu blicken und daran, als an einer
schnöden und verwerflichen Ueberhebung über das Niveau
des Gewöhnlichen, gerechtes Aergemiss zu nehmen.
Mit, wenn auch noch so gerechter, aber frncht- und
tbatlos in sich verkochender Entrüstung allein ist aber
noch nichts gebessert, lieber gleich dem Debel selbst mu-
thig auf den Leib gerückt; es musste wanderlieh zuge-
ben, wenn das Gewicht folgender Einwürfe jene Kunst»
29
485
1844. Juli. No. 29.
484
lerboffahrt und Verblendung nicht in ihren Grundpfeilern
zn erschauern und an der Wurzel anzugreifen ver-
möchte ! —
Vor allen Dingen : wo und wodurch ist denn irgend
jemals bewiesen worden, dass, — wahrend in der Welt
Alles seinen bestimmten Wirkungskreis angewiesen er-
halten hat, irgend einem Zwecke dienstbar sein moss
(und zwar werden Werth und Bedeutung jedes Dinges
immer je nach der Grösse des erstem und der Wichtig-
keit des letztern abgezogen) — die Musik allein dieser
Dienstbarkeit, dieses Impost's, dieser Hilbetbeiligung an
irgend einem Endzweck enthoben sei? — Dies behaupten
zu wollen, hiesse ja die Musik für eine stumme, über-
flüssige Taste in der Weltclavialur erklären 1 —
Haben wir somit die Deberzeugung gewonnen, dass
Musik ohne irgend einen bestimmten, sinnlich palpabeln
Zweck nicht gedacht werden kann, ohne dem Unsinn ein
bedeutendes Zugeständniss zu machen, so kann man über
die eigentliche Beschaffenheit dieses Zweckes unmöglich
lange in Ungewissheit bleiben, sobald man nur der höchst
scharfsinnigen, längst über allen Zweifel erhabenen, und
bei der Mehrzahl als Evangelium aecreditirten Lehre ge-
denkt, ,,dass Alles Geschaffene, ja Gott selbst, nur eigent-
lich um des Meisterwerks der Schöpfung, nm des Men-
schen willen da, und, diesem auf irgend eine Weise zu
Gute zu kommen, seine wesentliche und einzige Bestim-
mung sei." — Z. B. Sonne, Mond und Sterne befinden
sich ganz gewiss nur deshalb am Himmel, um uns tbeils
zu wärmen, zu leuchten, theils unsern Abenden das be-
nöthigte, romantische Colorit zu verleihen; die Früchte
des Feldes und die Thiere des Waldes haben sicherlich
weiter keine Bestimmung, als uns zur Nahrung oder Klei-
dung u. s. w. zu dienen, und alle Fülle und Schätze der
Erde sollen zunächst uns frommen und Vortheil bringen,
alle Segnungen des Himmels vor allen Dingen immer nnr
zum Bedarfe, zum Behufe des Menschen, zu seiner Lust
und Wohlfahrt abzielen.
In gleicher Weise, wie auf die materielle äussere
Well, muss diese ganz und einzig der Menschheit wür-
dige Ansicht auch auf die Resultate, Ausströmungen und
Schätze der innern Welt des Geistes ihre Anwendung
finden. In diese letzte Calegorie gehört denn, wie jede
andere Kunst, auch die Musik ; auch sie hat zunächst sich
der Menschheit auf irgend eine Weise dienstbar und nützlich
zu erweisen ; und zwar ist es immer erst dieses Verhält-
niss zur Welt, diese Beziehung zum und auf den Men-
schen, die dieser, wie überhaupt jeder Kunst, Berechti-
gung und Anspruch auf einen gewissen Rang und Werth,
überhaupt auf eine wirkliche Bedeutung in der Gesell-
schaft versebaffen. Was nun diese Bedeutung, so wie die
ihr zuzuerkennende Rangstufe betrifft, so werden diese
sich am Besten wohl nach einer vorurteilslosen Würdi-
gung der Beschaffenheit ihrer den Menschen zu leisten-
den Dienste, und einer nähern Prüfung des eigentlichen,
durch sie der Welt erwachsenden Nutzens feststellen
lassen.
Es ist uns keinesweges unbekannt, wie diese Nutz-
liehkeilslheorie von einer gewissen Classe von Schwär-
mern und exaltirlen Köpfen angefochten und verlästert
wird 5 wie man von dieser Seite bemüht ist, sie als Aus*
fluss einer kleinlieben, selbstsüchtigen Denkungsweise,
einer prosaisch - gemeinen Pbilisterseele, überhaupt als Be-
weis menschlicher Anmaassung und Beschränktheit zu
verpönen nnd lächerlich zu machen; — aber auch das
Motiv ist uns nicht verborgen, wodurch jene, zu den
Künstlern schwörende Partei sich zu ihren, oft leider nur
mit zn wohlfeilem Alltagswitz bewerkstelligten Ausfällen
aufgestachelt fühlt, es ist die freilich nicht so ganz un-
gegründete Befürchtung: durch die Vertreter def Utilitit
könne ;am Ende den Künstlern jener Nimbus und Glo-
rienschein entrissen werden, der sie bis jetzt in den Au-
gen des Volks in einem höheren Lichte, als privilegirte,
bevorzugte Naturen, als geweihte Seher und Hohepriester
des Geistes, so zu sagen als vases d*e/ection, aus bes-
sern! und feinerm Tbon geformt, erscheinen liess, wäh-
rend sie der als prosaisch -nüchtern verschrieene, freilich
aber gesunde Menschenverstand in eine etwas unterge-
ordnelere Categorie versetzt und ihre Leistungen nicht
tiefer, aber auch nicht höher anschlägt, als sich mit dem
ihnen obliegenden und durch sie zu erzielenden Zwecke
verträgt. Der eigentliche, wahre Zweck aber aller nnd
jeder Musik ist einzig und allein: Unterhaltung, ist es
von je her gewesen und wird es auch immer nnd ewig
sein , womit dieser Kunst durchaus keine so untergeord-
nete Rolle, keine so unbedeutende Sphäre angewiesen
wird, als man im ersten Augenblicke dafür zu halten sich
versucht fühlen möchte.
Zuvörderst wolle man doch ja nicht das Umfassende
nnd die Mannichfalligkeit des Begriffs: „Unterhaltung"
übersehen; hierüber, wie über den Sinn, den wir bei der
Musik damit verbinden, möge das Folgende einstweilige
Andeutungen geben. Sagen wir z. B. : die Musik soll
dem von den Mühseligkeiten des Berufs ermüdeten Ge-
schäftsmann Erholung gewähren, den von der Monotonie
des Tagewerks verstimmten Geist sollen ihre lieblich ihn
umspielenden Töne in eine süsse Extase, gleichsam in
einen holden Wahnsinn versetzen, oder: der von den
Anstrengungen der Combination und Abslraclion erschöpfte
Denker, wie der von den subtilen Spitzfindigkeilen der
Metaphysik und den Sophistereien der Dialektik abge-
spannte Gelehrte, — Beide sollen durch ihre sanfte Macht
aus den rauhen und beschwerlichen Regionen des Gedan-
kens in die seligen Gefilde süsser Bewusstlosigkeit ent-
rückt werden, oder: die streng gewaltige Herrschaft der
tyrannischen Idee, der tiefe, seelenaufregende, leiden-
schaftliche Geistesdrang soll vor ihrem Zauberbauche sieb
in heitergemütbliche, selbstüberlassene Willkür, in ange-
nehme, unbestimmt einherwogende Träumereien auflösen,
die Musik soll überhaupt vor Allem das Mittel geistiger
Entlastung sein, die Siesta der Seele und der Gedanken
befördern helfen nnd dem Geiste Sordinen aufsetzen, —
so haben wir mit alledem noch lange nicht den Begriff:
„Unterhaltung" in der Musik erschöpft oder dessen Be-
ieich überschritten.
Es ist hier noch nicht der Ort und an der Zeit, et-
waigen den eben aufgestellten Behauptungen gemachten
Einwürfen zn begegnen; daher einstweilen nur die ein-
fache Bemerkung, dass alle Tonsetzer, welche die Auf-
gabe ihrer Kunst von dem eben angedeuteten Standpuncte
der Unterhaltung, des Zeitvertreibs, der Erholung u. s. w.
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1844. Juli. No. 29.
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betrichteten und begriffen, und in diesem Sinne compo-
nirten, überall und allezeit die Stimme des Volks für sich
gewonnen, die wärmste Aufnahme und allgemeinste An-
erkennung gefunden haben, und mit Beifall, Dank und
Ehren, mit Huldigungen und allen möglichen Vorteilen
überschüttet wurden , während dagegen jene Hochmüthi-
gen, welche jene einzig wahre Tendenz der Tonkunst,
als unter ihrer Würde, eigensinnig desavouiren und in
eitler Verblendung der Musik tiefere Bezüge und mächti-
gere Motive unterlegen, oder ihr höhere Zwecke, eine
selbständige Bedeutung vindiciren wollen, von der Menge
immer und ewig übersehen oder doch zurückgesetzt wer-
den, so wie ihre Werke, in denen sie ihre verkehrten
Ansichten zu verwirklichen streben, niemals einen gros-
sen allgemeinen Eindruck aufs grosse Publicum hervor-
bringen, sondern vielmehr mit Kälte und Gleichgilligkeit
von ihm aufgenommen werden, grossentheils unverstan-
den bleiben und sich vielleicht nur in einem ganz klei-
nen Kreise eine Art Anklang und Anhang zu verschaf-
fen vermögen.
II.
„Zu viel Noten, lieber Mozart!" „Grade so viel
als nö'thig, Ew. Majestät!* 1
Bekanntet Gespräch.
„Les oreilles des Grands
„soot soaveot de graodes oreilles !"
Voltaire ä Gritry.
Ans den bereits oben entwickelten einzelnen Pflich-
ten und Obliegenheiten der Tonkunst lassen sich nun ohne
Mühe weitere Polgerungen darüber anstellen, wie die Mu-
sik eigentlich beschaffen sein müsse, um die ersteren voll-
kommen erfüllen und ihrem Hauptzweck : dem Menschen
Unterhaltung, Erheiterung und Erholung zu gewähren,
gehörig entsprechen zu können.
Hallen wir uns zunächst an den Begriff selbst : ,, Un-
terhaltung 44 — ; er wird nns die beste Auskunft darüber
an die Hand geben können : — nämlich es geht von selbst
daraus hervor, dass alles Tiefe, alle zu characteristische
Haltung und Färbung mögliebst vermieden werden mnss ;
dass ferner ein zu entwickelter und zu entschiedener Ge-
dankengang, eine streng logische Disciplin und Folge-
rechtigkeit nicht zulässig, eine zu reiche und zu volle
Melodieenströmung nicht angewandt, sondern vielmehr die
grösste Massigkeit und Oeconomie im Ideenhaushalte, mehr
noch, als Einfachheit der äusseren, materiellen Mittel,
zu beobachten ist. Dies führt uns nun von selbst auf die
merkwürdige, berühmte Aeussdrung Napoleons zu Che-
rubini; darum merkwürdig, weil daraus hervorgeht, dass
dem Kaiser in Bezug auf den jetzt von uns zum ersten
Mal angeregten Gegenstand bereits schon damals ähnliche
wähl verwandte , wenn auch noch dunkle Ideen vorge-
geschwebt haben, und weil sich dadurch der tiefe und
richtige Blick verräth, den Napoleon in das Wesen, die
Würde und den wahren Endzweck der Kunst gelhan ; we-
nigstens gibt uns sein Ausspruch, welcher uns gewisser-
maassen wie eine Anticipation der hier an den Tag ge-
legten Maximen vorkommt, hierüber, so wie auch über
die Stellung, das eigentliche Verhiltniss des Künstlers zur
Welt und zum Leben die fruchtbarsten Andeutungen.
„Ich habe Pa&isffo'* Musik gern, sie wiegt mich sanft ein;
Ihre Begleitungen sind zu stark." Also woblgemerkt ! —
Einwiegen, Einschlafen; nicht Aufwecken, Aufregen. In
diesen wenigen Worten ist die Aufgabe, aber auch die
nicht zu überschreitende Grenze der Musik mit bewun-
derungswürdiger Feinheit ausgedrückt. Cherubini s Ant-
wort darauf beweist, dass er den Kaiser nicht nur miss-
verstanden, sondern vielmehr gar nicht verstanden hat:
„Sie wollen eine Musik, die Sie nicht verhindert, an
Slaatsgeschäfte zu denken!*' — Weit vom Zielt Bleiben
wir nur immer bei dem „bercer doucement" bei dem
„Einwiegen" stehen. Eine Musik, die blos „nicht verhin-
dert ," sich dabei noch mit anderen heterogenen Gegen-
ständen, z. B. mit dem voraussichtlichen Steigen oder
Fallen der Fünfprocentigen, mit O'Connelts Process oder
der Königin Pomare zu beschäftigen, oder an das Abends
nns erwartende L'hombre, an die verführerischen, indi-
sche Contemplation athmenden Entrechats irgend einer
„Goethe tanzenden " Tänzerin u. s. w. zu denken —
eine solche Musik hat ihren Beruf nur höchst unvollkom-
men erfüllt; ihre Aufgabe besteht vielmehr gerade darin,
es gar nicht erst zum Denkprocess kommen zu lassen,
einem Process, vor dessen Kosten bekanntlich so Man-
cher, und zwar aus sehr triftigen Gründen, zurückschreckt.
Man könnte sagen, Napoleons Ausspruch ginge noch
einen Schritt über „Unterhaltung" hinaus; indess ist,
wie gesagt, dieser Begriff so umfassend, mannichfaltig
und relativ, dass sich „Einwiegen, Einschläfern 44 ganz
leicht, und zwar ohne besondern Aufwand von Sophis-
men und dialectischen Fecbterkünsten, dieser Rubrik mit
einverleiben lässt. Nicht umsonst reimt sich Orpheus mit
Morpheus, — ein mythologischer Wink, der durchaus
nicht unberücksichtigt bleiben darf, und uns zu der Schluss-
folge anregt: Wie schon die Worte, so können ja auch
die Begriffe sich reimen.
Es würde unwahr und zugleich ungerecht sein, be-
haupten zu wollen, Paesiello 9 s leuchtendes Beispiel sei
vereinzelt und unerreicht geblieben; im Gegentheil hat
es Viele zu schöner Nacheifernng angefeuert und ist selbst
in der Folge übertroffen worden. Wie man nun seine
Musik, nach ihrer eigentümlichen, vom* Kaiser characte-
ristiscb bezeichneten Wirkung eine narkotische nennen
kann, so würden seine Nachfolger, die, wie er, den
schönen Beruf der Kunst richtig erkannt und erfüllt ha-
ben , zur rühmlichen Unterscheidung von jenen Tonse-
tzern, die ihn eigensinnig verkennen und künstlich hin-
aufzuschrauben bemüht sind, füglich als „narkotische
Componisten" zu bezeichnen sein.
Die grossen, namhaften Verdienste dieser höchst eh-
renwerthen, weit verbreiteten und zahlreichen Glasse von
Tondichtern werden, obgleich von Seiten der grossen
Massen immer allgemein und lebhaft anerkannt und ge^
priesen, nichts desto weniger von einer böswilligen, ge-
wöhnlich immer zur Gegenpartei gehörigen Kritik bin und
wieder hart angegriffen und in Zweifel gestellt; einmal
in eine einfach - ruhige und gewissenhafte Erörterung jener
Verdienste einzugeben, scheint nns daher sehen deshalb
angemessen, weil sie vielleicht am Meisten geeignet ist,
solche boshafte Verunglimpfungen verstummen zu machen«
(Beeeolatf folgt.)
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1844. Juli. No. 29.
488
Recension.
Vierundvierzig Mutter-* Kose- und Spiellieder zur edela
Pflege des Kiadheitlebens, von Friedrich FrobeU
zweistimmig io Musik gesetzt von Robert Kohl, Blan-
kenburg bei Rudolstadt, Aostalt zur Pflege des ßeschäf-
ligungstriebes der Kindheit und Jugend. Pr. i% Thlr.
Diese Lieder geboren zu einem grösseren Werke:
„Malter- und Koselieder, Dichtung und Bilder zur edeln
Pflege des Kindbeitlebens. Ein Familienbuch von Fried'
rieh Fröbel," zum Besten des von diesem vortrefflichen
Erzieher iu Blankenburg gestifteten ,, deutschen Kinder-
gartens '* herausgegeben, welches gewiss, wie es ver-
dient, bald in den Händen jeder edlen deutschen Mutter
sein wird. Hier haben wir es nur mit dem musikalischen
Theile dieses ausgezeichneten Werkes zu thun, welches
unter Anderm auch durch ungefähr ein halbes Hundert
sehr schöner und sinnreicher Zeichnungen geschmückt ist.
Wenn es, zumal in neuester Zeil, ungemein schwer
ist, die künstlerische Tendenz einer Composilion aus den
vielen Noten berauszuGnden , so stehen hier dem Recen-
senten glücklicherweise des Componisten (der Erzieher
und Mitarbeiter an der allgemeinen deutschen Erziehungs-
anstalt in Keilhau ist) eigene Worte zu Gebot, die den
Zweck dieser Lieder besprechen. Es ist seine feste Ueber-
zeugung, dass es ungemein wichtig sei, was die Muller
ihrem Säugling vorsingt, und wie die Töne beschaffen
sind, die das Kind vernimmt; denn wie wir in demsel-
ben die eigentliche Lebensharmonie nur dadurch erwecken
können, dass wir es von lauter reinen Lebenswellen um-
spielen lassen , so können wir auch wiederum in die-
sen reinen Herzen, ohne dass wir es wollen und wis-
sen, eine Masse unreiner Begierden erwecken durch
Ton, Wort und Tbat, von denen wir später gar nicht
wissen, woher sie kommen, und die wir dann immer der
beliebten Erbsünde zuschreiben. Des Verfassers Ziel war
es daher, das Kind in seinen ersten Lebensmomenten von
musikalischer Seite richtig zu erfassen, bewusst zu pfle-
gen und harmonisch zu entwickeln. Treue Nachahmung
der Sprache der Mutter, getreue Zeichnung der in den
Liedeben gegebenen Anschauungen and einfach harmoni-
sche Erregung des unschuldig reinen Kinderherzens suchte
er zu erstreben. Aber er bezweckte mit diesen Liedern
noch Andeies. Müller sollen durch sie auf ihren eigent-
lichen Beruf aufmerksam gemacht und für ihn gewonnen,
werden, anstatt ihren Kindern krankhaft -sentimentale, oft
lüsterne Liebeserklärungen, und, leider! in oft eben so
krankhaften und wollüstigen Melodieen vorzusingen. Pfle-
geanstalten frischer Kindheit sollen in ihnen eioe neue
und edel bildende Nahrung erbalten; dem ersten Unter-
richt im Gesang sollen sie durch die stets damit verbun-
dene und leicht darzustellende Anschauung förderlich
werden.
Dies sind fast ausschliesslich des Componisten eigene
Worte, der uns nun in der Tbat eine Sammlung von
lebten Kinderliedern gegeben hat; und das ist niebis
Leichtes. Dass es sehr schwierig ist, ein cuter Kinder-
schriftsteller zu sein, zeigt uns schon der Umstand, dass
bis jetzt Campe und Weise noch nicht übertreffen , ja
vielleicht noch nicht einmal erreicht worden sind. Eben
se schwer ist es, ein guter Kindereemponist zn sein, wie
z. B. Pleyel einer war. Aller Opereprunk, aller Virtno-
senapparat, alle Sucht, zu glänzen, muss entfernt wer-
den, und beim Schaffen eines Kinderliedchens mnss man
an kein Publicum, an kein Honorar denken. Unmögliche
Bedingungen für Viele. —
Die Melodieen Herrn Kohl's, der immer in der Kin-
derwelt, sie leitend und bildend, lebt, sind aus kindli-
chem Gemiilhe entquollen, einfccb, oft naiv, und lassen
meistens den Worten ibr volles Recht widerfahren. Lei-
der glauben viele Liedercomponisten , eine schöne Melo-
die entschuldige eine schlechte Declamation, und denken
nicht daran, dass Beides vereint sein kann, ja, mnss. —
Als Beispiele, wie Herr Kohl seine Aufgabe gelöst hat,
mögen folgende zwei Proben dienen:
No. 10. Fischlein im Bach lein.
M. M. J ■
■v-tr-s—s*
Lästig im kla - reo
schwimmen die
kleinen Fi - seke - lein , fie schwimmen dar- in - nen
"C T V~T
I bald sind sie krumm.
No. 13. Das Nestchen.
M. M. J'~ 76» j^
? * iiiMtu \ t m
V V V V w V w w V V
In <Tie Hecken auf die Aestcben baut der Vo-gel
*'i tiOti!ti}\ii:
sich ein Nesteben, legt bin- ein zwei Ei -er -lein,
j, -r-r 9
bTii-tet d'raas zwei Vö- je -lein,
V~ * * w »
im- fen die Matter :
t¥fr*#fr##H^
pip, pip, pip, Mütterchen, pip, Müller- eben, pip,
jL— L s . v.
bist uns so lieb, pip, bist nas so lieb, j>ip.
489
1844. Juli. No. 29.
490
Wenn nun Recensevt aus rollern Herzen diese Lie*
dersammlung lobt und empfiehlt, so miiss er doch, um
gerecht zu sein, and weil es nicht Recensenteasitte ist,
eine Beurtheilung ohne einigen Tadel zn machen, dem
wackern Componisten einige Mängel aufzählen, die er
künftig leicht wird vermeiden können.
Erstens ist die Stimmführung nicht überall ganz rein j
wo, um die schlechte
wie z. B. Seite 7:
Quintenfolge zu vermeiden, das,/?* hätte nach g gehen sollen.
Seite 13, wo:
besser so stände:
Seite 49;
k*k
¥=tz
f 5 ^
wo die Septime aufwärts
geht und zugleich fehlerhafte Quinten entstehen.
Zweitens konnte an einigen wenigen Stellen die De-
clamation besser sein , wie z, B. Seite 29 , No. 31 :
YP r~^W~ Epj^ wo der Artikel mit Unrecht auf
de* Lichtes Schein
die gewichtigste Stelle des Tactes fallt, was leicht auf
folgende Weise hätte richtig gemacht werden können:
$
£ü
des
Lieh - tes
No. 19, Seite 22, fangt in Gdur
an, and schliesst in Cdar, wodurch das Gesetz der Ein-
heit verletzt ist.
Recensent hat sich bei dieser Sammlung länger ver-
weilt, als man gewöhnlich bei Liedern zu thun pflegt,
weil diese Kinderlieder eben so originell sind, als die von
dem Dichter derselben zu Grund gelegte pädagogische
Tendenz neu und wichtig ist.
Die Ausgabe ist schön, wohlfeil und der berühmten
Officin von Jobaun Andre in Offenbach, wo sie litbogra*
phirt wurde, würdig. Möge sie überall die verdiente gute
Aufgabe finden. S. ». fr.
Nachrichten.
Berlin, den 1. Juli 1844« Wenn gleich die eigent-
liche musikalische Saison hier mit dem Mai spätestens
beendet ist, so bot dennoch auch der meistens kühle und
stürmische Juni so manchen interessanten Kufastgenuss
dar« Ueber die Thorwaldsen* Feier am 1. v. M. in der
Singacademie habe ich Ihnen bereits Mitteilung gemacht.
Der knnatcrlahrene Sänger PtUegrini ans München scbloss
seine Gastrollen als Teil in Rossinis Oper mit verdien-
tem Beifalle. J>em. Tuczeek trat vor ihrer Urlaubsreise
uaefa Breslau als Marie in der Tochter des Regiments
hier zum letzten Male auf, eben so Dem. Grünbaum
zum Abschiede von der hiesigen königl. Bühne, in der
ihr bewilligten (ziemlich geschmacklos compilirten) Qupd-
libetbeneSzvorstellung , welche an einem schönen Abende
auch nur massig besucht war. An die Stelle dieser, für
Soubretten* und naive Partieen sehr brauchbaren Sän-
gerin ist eine junge Anfängerin Dem. Conrad auf vier
Monate engagirt, welche als An neben im Freischütz zuerst,
sodann als Zerline im Don Juan, Marie in Czaar und
Zimmermann, wie als Margarethe in dem nicht sehr leb-
haft aufgenommenen König von Yvetot mit Musik von
Adam auftrat, und ermunternden Beifall erhielt. Die Sing-
stimme der jungen Sängerin ist angenehm, jedoch schwach
und nicht immer ganz rein. Ihr Vortrag ist natürlich und
gebildet, das Spracborgan dagegen un vorteilhaft. In der
Darstellung ist Dem. Conrad, für zweijährige Uebung
auf dem Theater zu Stettin, bereits recht gewandt und
frei von Manier. — Auch Goethe'* Egmont kam durch
die einzige Gastdarstellung des erkrankten Herrn Dahn
aus München mit Beethovens genialer Musik zur Auf-
führung. — Dem. Kunth vom Brüsseler Hoflbeater gab
die Donna Anna in Don Juan als letzte Gastrolle, nicht
überall genügend, jedoch im Einzelnen, z. B. die grosse
Scene des ersten Acts* recht gelungen. Adam's König von
Yvetot würde noch weniger angesprochen haben, wenn
die Darstellung nicht grösstenteils so vorzüglich wäre.
Herr Mantius spielt und singt die Rolle des gemütli-
chen Bürgerkönigs eines Duodezstaats ganz vortrefflich,
eben so Dem. Marx die bochstrebende Haushälterin Jean-
nette. Herr Pfister singt den Adalbert gut, und Herr
Bötticher repräsentirt den Maltbesercomtbur würdevoll ;
auch singt derselbe das zu dem übrigen Musikstyl wenig
passende grosse Duett mit Adalbert im zweiten Act sehr
ansdrucksvoü. Herr Sehneider carikirt den Müller Daniel
recht belustigend, ohne dass man auf Gesang eben grossen
Anspruch zu machen berechtigt ist. Die originelle, theil-
weise indess gedehnte Handlung (mit zu viel Dialog) wird
dies Singspiel wohl einige Zeit auf dem Repertoir erbal-
ten, wenn gleich die viele Tanzrhytbmen und Avber-
sehe Reminiscenzen enthaltende Musik ziemlich -gewöhn-
lich ist. Einige artige Melodieen und Instrumentaleffecte
genügen doch denjenigen Zuhörern nicht, die an höbern
geistigen Genuss gewöhnt sind. Hierin steht für die ko-
mische Oper der Deutsche Lortzing, bei aller Leichtig-
keit der Behandlungsweise, doch viel höher, als der Pa-
riser Componist. Zum Benefiz der vom Hamburger Stadt-
theater abgegangenen, die Bühne ganz verlassenden Dem.
Hertha Stich , welche hier zuerst als mimische Künstle-
rin sich ausgebildet hat, wurde der lange ruhende Som-
mernacbtslraum mit Mendelssohns reizender Musik, bei
grosser Gewitterhitze und ganz gefülltem Hause, am 25.
v. M. mit lebhafter Theilnabme gegeben. Dem. Stich
nahm als Puck von dem hiesigen Publicum und der Bühne
überhaupt Abschied, da sie sich vermählt. Ausser einer
Musikaufführung der königl. Instrumentalmusikschule für
eingeladene Zuhörer, unter Leitung deren Vorstandes Ca-
pellmeister Moser, fand noch ein öffentliches Dilettanten-
cooeert von Gesangstücken mit Pianofortebe^leitung des
Herrn Tiehsen^ und eine musikalische Matinee zu wohl-
tbäljgem Zweck im Saale der Loge zu den drei Weltku-
491
1844. Juli. No. 29.
492
geh für Mitglieder und deren Familien Statt. In letztem
wurden die Ouvertüren zu Joseph von Mehtd und Don
Juan von Mozart von den Orchester in KroICs Garten,
unter Leitung des tbätigen KM. Gährich (der jetzt auch
die Ballette dirigirt), sehr präcis ausgeführt. Auch liessen
»ich der Flötenvirtnos Oelschig, der Posaunist Fr. Belcke
und die Clarinetüsten Gareis in einem Doppelconcerle
mit vielem Beifalle hören. Gesang und Declamation berei-
cherte die angenehme Unterhaltung.
Zum Beschlüsse des sehr günstig ausgefallenen WolU
markts wurde in KrolCs glänzendem Locale noch ein
Maskenball in den Wintergarlensalon's, nebst Illumina-
tion und Nachtmusik im Sommergarten (im Freien), un-
ter dem Titel einer „italienischen Nacht" gegeben, welche
auch wirklich durch das wärmste Sommerwetter begün-
stigt wurde. Unter einer Menge von Gartenconcerten
zeichnen sieb die vom MD. Wieprecht zu wohltbätigen
Zwecken im Park des Hofjägers veranstalteten grossarti-
gen Musikauffuhrungen mit Blechinstrumenten, wie die in
Sommer* s Local von Joseph Gungl, bei Günther von
Johann Gungl, und im Aförer'schen Blumengarten von
Meinberg (nach Wetter' s Ableben) mit Streichinstrumenten
ausgeführten Symphonieen, Ouvertüren, Tänze u. s. w.
besonders aus. Eben so sind die Concerte unter Leitung
des KM. Gährich im Königssaale des KrolTsehen Win-
tergartens, wie im Freien, durch Präcision ausgezeich-
net. Die italienische Oper und die französische Komödie
haben für die Sommerzeit aufgehört. Die Mitglieder der
Königsstädtischen Bühne geben auch Vorstellungen im
königl. Schlosstheater zu Charlottenburg.
Am 2. Juli ist der als Lustspieldichter und Bear-
beiter, wie als Gomponist von Vaudeville's und Singspie«
len rühmlichst bekannte königl. Opernregisseur und Hof-
compositeur Carl Blum, Bruder des Sängers Heinrich
Blum, plötzlich gestorben. Sein vielseitiges Talent, wie
sein humaner Character war allgemein anerkannt und ge-
schätzt.
Musikaufführungen der königl. Academie
der Künste zu Berlin.
Die königliche Academie der Künste zu Berlin gibt
im Laufe des Jahres den Eleven der musikalischen Com*
position öfters Aufgaben zur Bearbeitung. Eine solche
Aufgabe wurde im vorigen Jabre für eine Symphonie in
drei Sätzen zu gegebenen Motiven gestellt. Aus den ge-
lieferten Com positionen wurden drei ausgewählt und im
vorigen Herbste zur Ausführung gebracht. — In diesem
Jabre war die Aufgabe eine geistliche Motette zu gege-
benen Worten aus der heiligen Schrift, in drei Sätzen,
nämlich einem Chor, Terzett und einer Fuge. Die Chorsätze
wurden, der Aufgabe gemäss, für zwei Soprane, Alt, Te-
nor und Bass , das Terzett für Sopran , Tenor und Bass
eingerichtet. Der Orchesterdisposition waren, ausser dem
Quartett von Streichinstrumenten, nur zwei Oboen (oder
Clarinetten), zwei Hörner und Fagotte zugestanden. Die
Erfindung der Motive und Wahl der Tonarten blieb Je-
dem überlassen. Aus den gelieferten Arbeiten wurden
drei gewählt und am 13. Mai i. J. öffentlich zur Aus-
fahrung gebracht; zwischen den Gesangwerken wurden
Instrumentalsätze, ebenfalls in dieser Schule entstanden,
ausgeführt. Das Programm bestand aus : 1) Motette von
C. Jagvemar: „Danket dem Herrn. •• 2) Erster Satz
eines Septaors von R. Wurst. 3) Motette von /. Ho*
pfe. 4) Marcia funebre von W* Herzberp. 5) Motette
von S. Müller. Diese Compositionen enthielten manches
Lobenswerlhe und für den Kenner Interessante, um die
verschiedene Auffassung der gleichen Worte wahrzuneh-
men. Für die Studirenden sind solche Concurrenzarbei-
ten gewiss von wesentlichem Nutzen.
In der öffentlichen Sitzung der königlichen Aeademie
der Künste am 15. Juni d. J. wurde, nach einer einlei-
tenden Rede des Direclors, vom Secretär der Academie
der Jahresbericht mitgetheilt; dann schritt der Senat zur
Primiirung der Kunstschüler in den verschiedenen Fä-
chern, als : Baukunst, Sculptur, Malerei nnd Musik. Von
den drei ersten Gattungen der Kunstbildung waren die
vorzüglichsten Arbeiten der Zöglinge ausgestellt. Zwi-
schen den einzelnen Vorträgen des Secretärs wurden die
musikalischen Compositionen derselben ausgeführt. Die
gewählten Musikslücke waren folgende : 1) Motette für
zwei Chöre: „Jauchzet Gott alle Lande" in Fugenform
mit vier Subjecten, von Selmar Maller. Dies Werk ent-
hält viel Lobenswerthes ; die Themata sind gut erfunden
und erhöhen den Ausdruck der Worte. 2) Arie mit Chor:
„Doch der Herr vergisst die Seinen nicht" von Carl
Braun. Dass der Componist für die Solopartie den Alt
gewählt hat, ist besonders zu loben, da diese Stimme im-
mer noch nicht genug beachtet wird. Von einem Mit-
gliede der Singacademie ausdrucksvoll vorgetragen, er*
warb sich dies Musikstück aligemeine Anerkennung. 3)
Instrumentalsatz über die Tonleiter von C. Jaquemar;
Fleiss, Talent und eine geübte Feder ist in dieser Com-
positum unverkennbar. 4) Das Ständchen : „Was wecken
aus dem Traume mich" von Uhland, Wecbselgesang für
Sopran und Alt, von Richard Wärst. Das oft in Musik
gesetzte, schöne Gedicht ist recht glücklich behandelt.
Die Erfindung ist nicht gewöhnlich, wenn auch hie und
da etwas stärker aufgetragen, als es der zarte Gegen-
stand wünschen lässt. Im Gebiete der freien Instrumen-
talmusik leistet der junge Künstler noch Entschiedeneres.
5) Andante aus der zweiten Symphonie von Julius Ho-
ffe. Der junge Componist hat schon zwei Kirchenmusiken
mit Orchesterbegleitung dem Druck übergeben, welche
ehrenwerth zu nennen sind. Das ausgeführte Musikstück
ist mit Geschmack nach Mozart* s Vorbild angeordnet;
gute Durchführung und angenehme Gegensätze sichern
dieser Compositum eine gute Wirkung. 6) Die erste Hälfte
des Finale aus Th. Korneas Oper: „Die Bergknappen"
von W. Herzberg. Eine frische Auflassung des Gegen*
Standes, kräftige Männer- und anmuthige Frauencböre
zeichnen dies dramatische Gesangstück aus, welches ei-
nen angenehmen Eindruck bewirkte.
Die Ausführung aller Musikstücke liess Geschicklich-
keit und Sorgfalt nicht verkennen, wobei die umsichtige
Leitung der Herren Professor Rungenhagen und Con-
certmeister Ries besondere Erwähnung verdient.
Von den Eleven der musikalischen Schule erhielten
Prämien : 1) Wilhelm Herzberg aus Cüstrin die grosse
495
1844. Juli. No. 29.
494
silberne Medaille mit seinem Namen. Ferner: 2) Julius
Honft ans Sebloss Heldrungen, eben diese Medaille. 3)
Setmar Müller ans Elbingerode, vorzüglich belobt, er-
hielt J. S. Bach's Kirchengesänge und Hefte der „Aus-
wahl vorzuglicher Musikwerke." 4) Carl Braun aus Ber-
lin, königl. Kammermusiker, erhielt Werke von Mozart
und Haydn. 5) Charles Jaquemar aus Berlin Composi-
tionen von Caldara 9 Händel, und Hefte der „Auswahl"
u. s. w. 6) R. tVütrst aus Berlin» Werke von LotU\ Jo-
melli und Hefte der „Auswahl" u. s. w. 7) August Pi-
venburg aus Labes in Pommern, erhielt rasch* s Liefe-
rungen u. s. w.
Die Feierlichkeit, welche geg$n 12% Uhr begann,
endete befriedigend um % Uhr, und liess aofs Neue an-
erkennen, dass die Führung und Richtung dieser Musik-
schule die Talente der jungen Musiker nützlich xu for-
dern weiss.
Königsberg. Ein hoher Genuss wurde uns' am Buss-
lage gewährt, als Herr Musikdirector Sämann in der Ha-
berberger Kirche eine musikalische Aufführung veranstal-
tete > die sich eben so durch den künstlerischen Gehalt
der dargebotenen Werke, als durch eine grossartige Dar-
stellung desselben auszeichnete. Zuerst hörten wir eine
vom Gonoertgeber selbst componirte Motette: „Fliesst,
ihr Augen," in einfacher Weise gehalten und der Tages-
feier sich anschliessend. Dann spielte Herr Sämann mit
dem vollen Werke der herrlichen Casparinf&chtn Orgel
die wunderbare Emoll-Fuge von Händel, ein wahres
Meisterstück dieses Componisten. Die Macht der Pedal-
bässe machte, wenn sie das Thema ergriffen» einen er-
habenen Eindruck. Nun folgte das wohl ao Jahren, nicht
aber an Wertb alle doppelchörige : „Jube Domine" von
Rosenmüller. Diese Gomposition war hier völlig neu ; das
Kernige ihres ganzen Wesens steigerte bis zum Schluss
ihre wahrhaft überraschende Wirkung. Ein sodann auf
der Orgel vom Gonoertgeber gespieltes Adagio aber, mit
den zarteren Labialstimmen ausgeführt, zeichnete sieh,
wie alle Compositionen dieses Meisters, durch edle Me~
lodieenfubrung aus, und hob die Schönheit einzelner Re-
gister, welche nns Töne vernehmen Hessen, die fast den
Klängen der Saiteninstrumente glichen, in der Orgel her-
vor. Der Ruhepunct, welchen dieses Adagio den Gemü-
thern der Hörer gestattete, beschloss die erste Abtei-
lung des Concerts sehr angemessen. Hatte es daher schon
jetzt befriedigt, so wurde nunmehr das Publicum, wel-
ches in der Kirche, obgleich dieselbe am äussersten Ende
der Stadt liegt, sehr zahlreich versammelt war, durch
das im höchsten Ausdruck schöner Erhabenheit gesungene
herrliche „Adoramus" von Perti erbaut. Herr Sämann
gab nur die Anfongsaccorde als Einleitung auf der Orgel
an, nnd stellte sich darauf sofort an die Spitze des Sing-
personals* Und nun begann im Pianissimo ohne alle Be-
gleitung der Chor mit reinem Edur- Dreiklange an- und
wieder abschwellend. Er mag aus ungefähr 70 bis 80
Singerti bestanden, und der Gesang etwa 25 Minuten ge-
dauert haben. Die Wirkung des schönen Fugensatzes aber:
„Quin per sanctam crucem etc./' der ein- und wieder
zurücktretenden Stimmen, ihrer Vereinigung am Ende zu
dem: „Redemisti mundum" in lanjpe anhaltenden Aecor-
den war die der grossartigsten Erhebung. Und als jetzt
nach Beendigung des letzten Tones Herr Sämann zur
Orgel trat, und den zuletzt gehörten Accord auf ihr wie-
derholte, — da erreichte ein überraschtes Staunen aller
ergriffenen Gemüther den höchsten Grad : der Chor war
auch nicht um ein Comma abgewichen. So rein, wie er
den Schlussaccord gesungen hatte, eben so rein gab ihn
die Orgel wieder. Die anwesenden Renner und Dilettan-
ten äusserten eine gleiche Bewunderung dieser so uner-
wartet herrlichen Lösung einer der schwierigsten Aufga-
ben. Hierauf spielte Herr Sämann die schöne Back'sche
Fuge in As, welche den Altvater des Orgelspiels in der
Fülle seiner Gediegenheit zeigte. Da uns bereits so viel
Grossartiges dargeboten worden, so konnte nur eine leich-
tere Musik die von der Anspannung des Gemütbs und der
Einbildungskraft ermüdete Menge noch fesseln. Wir hör-
ten daher die lieblichen Davidiana von Faseh sehr zweck-
mässig zuletzt.
Herr Sämann begleitete alle Singstücke (mit Aus-
nahme des Adoramus, welches, wie bereits erwähnt wor-
den, ohne Begleitung gesungen wurde) und leitete das
ganze Goncert ohne Mithilfe eines anderen Dirigenten von
der Orgel ans, dem Sängerpersonal den Rücken zuwen-
dend. Beweist dieser Umstand die Sicherheit seines Sing-
vereins, so ist zugleich die Aasdauer bei einer ihn selbst
so angreifenden, tlie geistigen und physischen Kräfte in
Anspruch nehmenden Ausführung zu bewundern. Möge
Herr Sämann in seinem wahrhaften und gediegenen Be-
streben, dem edleren Gescbmacke Edles darzubringen,
fortfahren ; es wird stets bei einem grossen Theile Em-
pfänglichkeit für das Erhabene und diejenige Anerken-
nung finden, zu welcher es berechtigt ist.
Feuilleton.
Der durch mancherlei Werke und Bestrebungen »och im Fache
der Tonkunst bekennte preussische Generalmajor C. von Decker
iat in Hains gestorben.
Adolph Hesse aas Breslau hat am 4. Joni in Paris ein Orgel-
eoncert anter allgemeinem Antheile gegeben. Er spielte auf einer
Orgel mit dem neuer faodeneo Bar her* sehen Mechanismus, der sich
dabei als höchst vorteilhaft erwies. Das Publicum war ein sehr
gewähltes, darunter Adam, Auber, Berlioz, Herz , Ralkbrenner,
Panojka, Piwis y Amhros. Thomas u. A. — Auf Hesse** Rath wird
an der grossen neuen Orgel in der Kirche St. Eustache das eine
Pedal abgenommen, doch so, dass durch Roppeloog die Pfeifen des-
selben mit dem zurückbleibenden verbunden werden können.
In Kopenhagen gefiel eine neue dreiaetige Oper: „Torden-
akiold in Dyoekilen," Boch von Lyser, Musik von Salomon. —
In Brüssel fiel eine neue Oper: „Der Mönch" von Willent- Bor-
dogni, Professor am doftigen Conservatoriom der Musik, durch.
Der Theater -Neubau in Hannover ist definitiv beschlossen.
Der König will die Kosten des Baues aus eigenen Mitteln bestrei-
ten und hat für das neue Schauspielhaus, das sehr prachtvoll wer-
den soll, einen freien Platz an der Georgstrasse gewählt. Der
Bauplan ist genehmigt ; indessen werden die Arbeiten wohl erst im
nächsten Frühjahr beginnen.
Dreyschock hat vom König der Niederlande den Orden der
EiekeAkroae erhalten.
495
1844. Juli. jXo. 29.
496
Der Freiherr Salvmsm von Rothschild «na Wie« hat bei Ge-
legenheit eines Besuches ia Pestb de« dasigen Nationale usik-Cea-
«ervatorinm 500 Fl. Conv. - M. und dem Musikvereine 200 FL Coov.-
Münze zum Geschenk gemacht.
Das Coveotgarden -Theater In Loadoa steht im Begriffe, seine
Räume den Musen für immer so sehliesseu. Eine Gesellschaft voa
Fabrikanten und Kanfleutee wird es ankaufen und die untere«
Räume ao einem Bazsr, den grossen Schaaspielsaal aber zo ei-
nem bleibenden Ausstellungsorte für Indaslriegegenstinde umwan-
deln.
Thüringer Sängerfest.
Mit höchster Genehmigung wird
am 12. August d. J.
in den Umgebungen des herzogt. Lustschlosses Reinhardsbrunneu
das zweite Liederfest des Thüringer Sängerbundes staltfinden. In-
dem deshalb Musikfreunde zur Tocilnahme an demselben ergebenst
eingeladen werden, wird zugleich bemerkt, dass das Nähere ans
dem spater erscheinenden Programme xu ersehen sein wird. Bei
durchaus ungünstiger Witterung wird das Fest auf den 19. des
gedachten Monats verschoben.
Die Liedertafel xu Gotha , als Festcomite.
Ankündigungen.
Neuere vlerstiramige Gesänge
in Verlag von Breitkopf afc Hfirtel in Leipzig,
am beliehen durch nUe Buch- und Musikalienhandlungen.
Adam, 6 Gesänge für 4 Männerstimmen. 2$ Ngr.
Bahr t 6 Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Baas. Partitur und
Stimmen. 1 Thlr B Ngr.
Hluni 9 €7*9 Die Gewalt des Augenblicks für 4 Minnerstimmen
mit Chor. Op. 116. Partitur und Stimmen. I Thlr. 10 Ngr.
Jncunde. 3 Gesinge für I Sopran , S Tenore und S Bass-
etinunen. Op. 184. Partitur und Stimmen, i Thlr. 10 Ngr.
JDfkrrner» J., 6 Gesinge für 4 Minnerstimmen. Op. 7. Par-
titur und Stimmen. £ Thlr.
Faseln • (Mendelssohniana) 6 Gesinge für Sopran, Alt, Tenor
und Bass. 98 Ngr.
Hahtl, Th., 3 Gesinge für Sopran, AH, Tenor und Baas mit
Begleitung des Pianoforte. Op. 9. Partitur und Stimmen, i
Thlr. 10 Ngr.
Hauptmann, „Auf dem See," Gedicht Ton Goethe für So-
pran, All, Tenor und Bass solo mit Chor nnd Pianofortebeglei-
tung. Op. 91. Stimmen. SO Ngr.
Lenz, hj., Vierstimmige Männercböre. Op. 51. Partitur nnd
Stimmen. 1 Thlr. 20 Ngr.
Ijöwe, C, 5 Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Bass. Op. Öl.
Partitur und Stimmen. 1 Thlr.
Maraehner, H. , 5 Gesinge für 9 Soprane, 2 Tenore und
2 Bässe. Op. tttf. Partitur und Stimmen, i Thlr. 15 Ngr,
Ulangen« E., 6 Tafellieder für vierstimmigen Männerchor.
Op. 50. Partitur und Stimmen. 1 Thlr. 5 Ngr.
MeaudelajajOhn Bartholdy, F., 6 Gesänge für Sopran,
Alt, Tenor nnd Bass im Freien zu singen. Op. 41. 1* lieft.
Partitur und Stimmen. 1 Thlr. 10 Ngr.
6 Gesinge für Sopran, AH, Tenor und Bass im Freien zu
singen. Op. 48. 2' Heft. Partitur und Stimmen. 1 Thlr. 10 Ngr.
6 Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass im Freien zu
singen. Op. 49. 3* Heft. Partitur und Stimmen. 1 Thlr. 10 Ngr.
Festgesang für Männerstimmen im Clavierauszuge. 1 Thlr.
Otto, Fr., 6 Gesänge für 4 Männerstimmen. Op. 1. Partitur
und Stimmen. 1 Thlr.
Q Gesänge für 4 Männerstimmen. Op. 5. Partitur und
Stimmen. 1 Thlr. 10 Ngr.
POhlenz, A», 7 Lieder für 4 Männerstimmen. Op. 7. Par-
titur und Stimmen. 1 Thlr.
Rlehter, E. F., 4 Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Baas.
Op. 12. Partitur und Stimmen, i Thlr.
Rlehter , Ernst, Hnnd und Katzen too Hoffmann ton Fal-
lersleben: Mauskätzchen gab ein grosses Fest, für 4 Männer-
stimmen, Partitur und Stimmen. 10 Ngr.
— — 2 Husarenlieder von Hoffmann von Pallersleben für Män-
nerstimmen mit Pianoforte. Op. 22. 15 Ngr.
Hletz, JL, Altdeutscher Schlachtgesang für einstimmigen Min-
nerchor und Orchester. Op. 12. Im Ciavierauszug. 15 Ngr.
Seemnelder, Fr., 6 Lieder für 4 Mannerstimmen. 12 tt Samm-
luag. Partitur und Stimmen. 25 Ngr.
für 4 Männerstimmen.
20 Ngr.
!• Heft. Partitur und
Sehnender, Fr., 6 altdeutsche Lieda
13 e Sammlung. Partitur und Stimmen.
6 Volkslieder für 4 Minnerstimmen
Stimmen. 1 Thlr.
Sehuster, A., 6 Lieder für 4 Minneratimmen, i* Heft. Par-
titur und Stimmen. 1 Thlr.
Spahr, Ii., Schill. Gesang für 4 Männerstimmen mit Beglei-
tung des Pianoforte. 15 Ngr.
Zöllner, C, 6 Gesänge für Sopran, Alt, Tenor nnd Bass.
Partitur und Stimmen, i Thlr. 10 Ngr.
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C F. Whist lliiff'a Handbuch der musikalischen Literatur,
oder allgemeines svstematbch geordnetes Verzeichniss der in
Deutschland und in den angrenzenden Lindem gedruckten Mu-
sikalien, auch musikalkchen Schrillen und Abbildungen mit An-
zeige der Verleger und Preise. Dritte, bis zum Anfange des
Jahres 1844 erginzte Auflage bearbeitet und herausgegeben von
Adolph Hofmeister. Zweiter Theil. Musik für das Pianoforte,
Orgel, Harfe nnd Harmonien. Hoch 4. 42 Bogen. Pr. 3 Thlr.
10 Ngr. , auf Schreibpapier 5 Thlr.
Bei Adolph Iflareuft in Bonn ist so eben erschienen ;
Praktische Stagschule
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methodisch geordnete Hebungen für Stimmbildung, Takt-
und Notentreffen, nebst einer Auswahl mehrstimmiger
Gesänge ßir weibliche Stimmen,
verfasst und herausgegeben
von
Dr. Mt. JH. Breidenstein,
Professor der Musik an der Rhein. Friedr. Wilhelms Universität.
Rrsjtesj Heft.
Dritte Auflage.
Gross 4. geheftet 15 Sgr.
Diese Singschule ist im speziellen Auftrage des konigl. preaas.
Cuitas - Ministeriums entworfen und von demselben empfohlen. Die
Einführung in viele Scbnlanstalten; welche bereits die dritte Auf»
läge noth wendig gemacht hat, bürgt für die praktische Zweckmäs-
sigkeit derselben. ' —
An dieses Heft sehliesaeu sieh in stufeuweker Folge noch vier
Hefte an, von denen jedes einzeln an haben ist ; von den drei letz-
ten sind auch die einzelnen Singstimmen apart gedruckt, ßine aus-
führliche Angabe hierüber findet sich auf dem Umschlage des er-
sten Heftes.
Gesanglehrer , ehe sie* dieser SingsehuU bei utrem Unterrichte
bedienen wollen, erhalten ein Exemplar gratis, und werden su
diesem Zwecke gebeten, ihre Adresse der ferlagsm andlung oder ei-
ner andern Buchhandlung einzusenden.
Druck uud Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
497
498
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 24"« Juli.
M 30.
1844.
Inhalts Ueber den wahren Endzweck und Werth der Musik, mit Besag auf „Narkotische Conpoaisten." (Beschlnss.) — Nadkritkten :
Aae London > The Htndel Soeiety. Frfihlingsopern in Italien. — FemiUcto*. — . jinkiuUguH^en.
Ueber den wahren Endzweck und Werth
der Musik, mit Bezug auf „Narkotische
Componisten. "
(Beschlnss.)
III.
„Bei meinen Saiten spiele
„Schiefe, was willst Da mehr? 44
Goethe.
Man kann Dichter wie Componisten füglich in zwei
Classen ein th eilen. Die, welche der ersten Classe ange*
hören» haben ohne Unterschied die Eigentümlichkeit, dass
sie, wie schon Horaz vom Homer behauptet, „zuweilen
schlafen, «* d. h. es tritt bei allen diesen mitunter eine
momentane Geistesebbe ein; man kann's immer merken,
wenn der flippogryph verschnauft und wo der Dichter
(Componist) sich der Ruhe überliess, um neuen Stoff und
Aetber zu sammeln. — Wie viel bedeutender und ach«
tungswertber erscheint dagegen die andere Classe 1 — *
Statt in schnöder Selbstsucht nur sich selbst dem Schlaf
— im üfomer'schen Sinne — > zu überlassen, sind sie viel-
mehr bemüht, auch ihrem Publicum diese Vergünstigung
nach Kräften zuzuwenden. — Noch nicht genug: Ein
solcher Autor ist selbst im Stande, sich edelmüthig, mit
schöner aufopfernder Hingebung, seines Naturantheils an
Schlaf bei der Verfertigung seines Werkes, ganze Nichte
durch, völlig zu entäussern, um dies Element desto un-
zersplitterter in seiner ganzen, unwiderstehlichen StSrke,
zur Erquickung und zum Nutzen seiner Leser oder Hö-
rer, seiner Schöpfung einverleiben zu können....
„Bei meinem Saitensptele
„Schlafe, was willst Da mehr?' 1
Es bedarf wobl nicht erst einer besondern Erwäh-
nung, dass das hier Aufgestellte, so wie das Horaz'aehe
»quandoque bonus dormüat Homerus" nicht buchstäb-
lich^ sondern nur im bildlichen Sinne, allegorisch zu ver-
stehen ist. Es kann uns nicht einfallen, behaupten zu
wollen s dass das Werk eines Tonkünstlers unmittelbar
narkotischen fiinfluss äussern , directen Schlaf bewirken
müsse; jedoch aber: dass es zu seinen wesentlichsten
und schönsten Pflichten gehört, ja gewissermaassen ihm
erst zu Berechtigung und Bedeutung in der Gesellschaft,
und zn eigentlichem Ansehen verhilft, wenn er im Stande
ist, jenen woblthätigen Zustand durch sein Product mit
Glück vorzubereiten und demselben wirksam vorznarbei-
46. Jahrgang.
ten, indem er seinem Auditorium dadurch Erlösung, Er-
rettung von allem geistigen Zwang, von den strengen
Banden und dem Despotismus der Idee, kurz : Gedanken-
freiheit, d. h. Befreiung von allen Gedankeu, zu verschaf-
fen vermag, welche bekanntlich zu den ersten, unerläß-
lichen Bedingungen eines guten, soliden Schlafs gehört.
Und hier wären wir endlich auf den Standpunct gelangt,
von wo aus jedem Unbefangenen, Unparteiischen die groe-
wesenllichen Verdienste des ,, narkotischen Compo-
sen
nisten " und die unendlichen Vorzüge , die er vor jenen
eingebildeten, unpractiseben Chimären huldigenden Tr
l rau-
mern voraus hat, in die Augen springen müssen
Wie aber jede Lehre und Behauptung durch Beispiele
erst recht einleuchtend gemacht und veranschaulicht wird,
so möge es auch uns vergönnt sein, auf einige der vor-
nehmsten Repräsentanten der narkotischen Schule und
ihre respectiven Leistungen hier näher einzugeben.
Um, wie recht und billig, mit dem Vaterlande zu be-
ginnen , so erfüllt es uns mit Scham und Niedergeschla-
Eenbeit, bekennen zu müssen, dass Deutschland im Ver-
a'I Inisse gegen das Ausland hierin bedeutend zurücksteht,
wenn auch nicht in Abrede zu stellen ist, dass es einige
würdige Männer geliefert hat, die den wahren Endzweck
ihrer Kunst richtig begriffen und in ihren Werken treu-
lichst verwirkliebt haben, und dass selbst bin und wie-
der von Einigen in dieser Hinsicht Ausgezeichnetes ge-
leistet wurde.
Von älteren Namen erwähnen wir z. B. Winter*
Reichardty Zumeteg , Gelinek, Koseluch, Wanhat, de
Witt, Rospoth u. s. w. Wer wohl erinnerte sich nicht
dankbar gerührt und voll freudiger Wehmuth an Win-
ter & „lueht ihr Krieger nun von dannen," dies Non
plus ultra überfliessender Gemüthlichkeit, an Reichardfs
„Erlkönig" mit dem ausdrucksvollen, geistreich und ge-
nial durchgeführten Rhythmus : J^~ J* | J^J* | J / 1 J JM
JJ'UJNJWJJ^J»- 9 -*- w W n &- Schibert
und C. Löwe ganz kläglich abfallen, oder an Zumeteg's
armen „Bitter Toggenburg," wo die ganze homöopathi-
sche Sparsamkeit und Frugalität der platonischen Liebe
sich gleichsam in der Musik wiederspiegell. Das waren
schöne Zeiten patriarchalischer Einfachheit und kindlicher
Genügsamkeit 1 —
In neuerer Zeit, die sieh übrigens hierin ungleich
ergihiger erweist, haben sieh vor Allen rühmlichst ber-
30
499
1844. Juli. No. 50.
500
vorgetban die meisten der sogenannten Saloncomponisten,
worunter wir die unterschiedlichen Polpourrislen , Ar-
rangeur^, Transsoribenlen und Virtuosen -Componisten
(in neuerer Zeit sind' darunter solche zu verstehen, bei
denen map immer darüber in einer angenehm spannen-
den Ungewissbeit bleibt, wo eigentlich der Virtuos auf-
hört und der Componist anfängt), ferner auch jene be-
sonders schätzenswerthen Leute verstehen, die dem nie
ersterbenden Bedürfnisse nach „Varialions brillantes,*'
„Fantaisies sur des motifs" u. s. w. stets mit so edler,
nie erlahmender Ausdauer abhelfen ; — dann noch eine
nicht ganz unbeträchtliche Zahl von Liedercomponisten,
deren Heerführer näher zu bezeichnen wir kaum nöthig
haben werden.
Aber die immerbin anerkennungs würdigen Bestre-
bungen all' dieser Wackeren, wie verschwinden sie saromt
und sonders gegen die in diesem Betrachte glänzenden
und überaus zahlreichen Leistungen der neuern Franzo-
sen und Italiener! Schlägt ein einziger neuerer italieni-
scher oder französischer Opern- oder Romanzencomponist,
in Bezug anf Narkolik, nicht hundert Deutsche siegreich
ans dem Felde?! Frankreich weist auf seinen Adam*
Thomas u. s. w. , Italien nennt uns seinen Bellini, Do-
mzelti u. s. w. Hat denn Deutschland etwas nur entfernt
diesen Heroen Aebnlicbes und Ebenbürtiges aufzuweisen?!
Von den Italienern erregte u. A. auch Rossini durch
seine ersten Opern bedeutende Hoffnungen, das Paesiel-
lo'&cht Erbe, jene „musique bergante," durch ihn erwei-
tert zu sehen; sie haben sich jedoch später leider nicht
bestätigt, da dieser Componist in der Folge so zu sagen
seiner Fahne völlig untreu wurde und in ,, Wilhelm Teil"
seinen gänzlichen Abfall kund that. Dagegen bat Auber,
den man nach seiner „Stummen von Portici" als einen
für den wahren Endzweck der Kunst unerrettbar Verlore-
nen aufzugeben sich bewogen fühlen musste, dieses etwas
voreilige Urtheil später durch die That — wir erinnern
nur an Zanetta , Les Diamans de la Couronne , La pari
du Diable, Le Duc d'Olonne u. s. w. — glänzend zu wi-
derlegen gewusst, so dass wir ihn gegenwärtig in den
ersten Reihen der grossen jetzt lebenden narkotischen
Componisten erblicken. lu Bezug auf Bellini und Doni-
zetti wird man vielleicht uns den Einwurf machen wol-
len, dass bei ihnen, — die wir doch gleichsam als die
Narkotiker par excellence in der Musik hervorheben wol-
len, bei denen sich das, was bei Paesiello erst noch
schwacher Anfang, schüchterner Versuch war, zur vol-
len Blüthe und Virtuosität entfaltet bat — Napoleons
Tadel: „vos accompagnemens sont tropjbrts" noch in
weit ausgedehnterem Maasse anwendbar sein dürfte. Dass
dies jedoch eine unlogische, falsche Schlussfolge wäre,
soll sogleich einleuchtend bewiesen werden.
Es ist mehr als wahrscheinlich — ja , Cherubint s
ziemlich transparente, allen Instrumentalluxus vermei-
dende Partituren steigern es zur Gewissheit, — dass
Napoleons Ausspruch sich nicht sowohl auf das materielle
Forte, auf die Ueberbietung der Massen, sondern vielmehr
auf die ideelle Ueberladung, die störende Reichhaltigkeit,
Selbständigkeit und auf den Gebalt der den Aecompagne-
ments einverleibten Gedanken (Ckenibini war eben ein
eingefleischter AnUnarkotiker) bezog. Gerade aber in die-
ser Beziehung haben sich Bellini und Donizetti meist
vorwurfsfrei und makellos erhalten; sie haben diese ge-
fährliche Klippe fast immer glücklich vermieden, und sich
dadurch auf den ihnen längst allgemein zuerkannten gei-
stigen Mässigkeitspreis die vollgiltigsten Ansprüche er-
worben. Was ausserdem die, beiden Meistern zuweilen
vorgeworfene, allzu häufige Anwendung von Trompeten,
Posaunen, gran cassa, banda sul balco u. s. w. betrifft,
so lehrt die Erfahrung, dass diese Verstärkungen, weit
entfernt, den der Musik obliegenden Endzweck zu ver-
fehlen, diesem vielmehr aufs Trefflichste entsprechen.
Diese plötzlichen Explosionen der stärksten Blechinstru-
mente, diese Trommelwirbel und Kanonaden der „Gran
cassa," oft bei scheinbar widersprechenden Veranlassun-
gen angewandt , z. B. bei zarten, elegischen Liebessce-
nen, während der primo amoroso im süssen Schlummer
oder vor seiner Donna auf den Knieen liegt u. s. w.,
wirken eben durch ihren Öfteren Gebrauch weniger er-
weckend und aufregend, als betäubend und Besinnung
raubend, und unterstützen somit wirksam die narkotischen
Intentionen des Componisten, Ein so auf einmal mit al-
len Registern losbrausendes Fortissimo macht das gleich
darauf wieder in seine Rechte eintretende, gleich künst-
lichen Cascaden regelmässig berabtropfende Arpeggio, das
süsse, sanft einlullende Einerlei der Begleitung — (in
der Regel Accord- brechende Sex toi en), wobei „mit Sorg-
falt jede Abwechselung vermieden ist" — erst recht an-
genehm und dessen ganzen Werth empfinden. In dieser
Beziehung hat namentlich Bellini Grosses, Unerreichba-
res geleistet. Wiewohl seine meist unter den Antinarko-
tikern befindlichen Gegner sich nicht entblöden, zu be-
haupten , seine Begleitungen seien ein wahres Faul - and
Lotlerbett für den Sänger, so lässt sieh doch gar nicht
leugnen, wie sehr Bellini damit dem Sanger Vorschub
geleistet, in die Hände, oder vielmehr in die Kehle gear-
beitet bat; man urtheile selbst:
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All. mode rato.
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301
1844. Juli. No. 50.
502
Wo in aller Welt findet man wohl noch Begleitungsfor-
men, die so, wie diese (wir geben übrigens C und D
den Vorzug), dem Gesauge Lufl und freien Spielraum gön-
nen und ihm ganz und gar carte blanche lassen? — Da
sind keine usurpatorischen, gegen die Siogstimme intole-
rant und heftig ankämpfenden Bassgänge, keine sie be-
einträchtigenden Figuren und vom Säuger ablenkenden
iDSlrumentalionscoquetterieen , — kurz nichts, was dem
„bercer doucement" nur im Geringsten hinderlich sein
könnte; der vielen sinnigen Halle, Fermaten, :r^r nicht
einmal zu gedenken, womit er sich ein unsterbliches Ver-
dienst uinallegefühlsüberscbwänglicben Sängerund ^weich-
geschaffenen Seelen'* erworben hat. Ob dieses glücklichen
Vereines so seltener Vorzüge darf Bellini kühn als der
erste narkotische Compouist, so zu sagen : als ein gestei-
gerter, ein Paesiello in erhöhter Potenz bezeichnet wer*
den, weil er unbestritten seinen musikalischen Ahn (Pae-
siello) in jenem vom Kaiser so wichtig hervorgehobenen
Puncle unendlich überflügelt bat. Er wird deshalb, trotz
aller widersinnigen und ohnmächtigen Aogriffe seiner Geg-
ner, noch lange das Repertoir aller Bühnen ausschliess-
lich und unumschränkt beherrschen, da seine Macht über
Publicum und Sänger zu fest begründet, zn tief gewur-
zelt ist; denn das erstere wird nicht müde, sich von ihm
in einen musikalischen Opiumrausch versetzen zu lassen,
und die letzteren weihen ihm schon längst eine fast gött-
liche Verehrung. — Wer vielleicht hier Uebertreibung
wittern will, mag sich von der Wirklichkeit und tägli-
chen Erfahrung eines Bessern belehren lassen. Welchem
andern Tondichter noch widmen wohl die Sanger und
Sängerinnen dieses gewissenhafte, aufmerksame Studium,
diesen heiligen Ernst nnd diese sich bis aufs Kleinste er-
streckende Sorgfalt in der Ausführung? Lassen sie nicht
oft die schwelgerische Tafel anderer Gomponisten — mag
künstlerische Ostentation sie auch mit noch so kostbaren
Gängen ausgestattet und mit seltenen Ingredienzen gewürzt
haben — unberührt» um sich einzig nnd allein am ein«
fachen sicilianischen Vesperbrot des Maestro von Cata-
nia, das ihnen süsse Himmelskost ist, zu erlaben? —
Domzetti, obwohl sieh fast in allen seinen Opern
(z. B. Orsints Cavatine in Lucrezia Borgia , erster Act,
das Duett zwischen Belisar und Irene, zweiter Act, das
Duett zwischen Leonor und Alphons in der Favorile, zwei«
ter Act) das redlichste und eifrigste, oft auch vom glück-
lichsten Erfolge gekrönte Streben kund thut, im Narko-
tischen sein grosses Vorbild zu erreichen, hat doch im
Allgemeinen noch nichts geliefert, was als in dieser Be-
ziehung Bellini ebenbürtig genannt werden könnte; seiue
Melodieen strömen nicht den eigenthümlich betäubenden
Duft, jenen warmen, languissanten Hauch aus, wodurch
die Bellinf sehen so unwiderstehlich wirken. Gewiss aber
berechtigt Donizetti hierin zu den schönsten Erwartun-
gen, und es wurde sehr thörig sein, diesem Gomponi-
sten, der sich gerade in seiner besten Kraft befindet und
— wie man zu sagen pflegt — „noch viel Zukunft vor
sich hat, 4 * die Anwartschaft auf eine nie geahnte, selbst
Befiini noch überragende Grösse voreilig absprechen zu
wollen. —
Wie viel oder wie wenig .überzeugende Kraft dem
vorliegenden Versuche, über die eigentliche Bestimmung
und das Verdienst der Musik , so wie über narkotische
Gomponisten u. s. w. der Welt die Augen zu öffnen, inne
wohne, muss und wird der Erfolg am Besten ausweisen;
inzwischen genügt es uns, zuerst einen Gegenstand zur
Sprache gebracht zu haben , dem eine gewaltigere , fähi-
gere Feder leicht noch manche neue und interessante
Seite der Besprechung abgewinnen dürfte.
Schlüsslich wollen wir zu Nutz und Frommen jener
Schwergläubigen, bei denen Wahrheit und bessere Er«
kenntniss immer langsamer, als bei Anderen, zum Durch-
brach kommen, den hier mitget heilten Argumenten noch
eines hinzufügen, indem wir auf den ganz und gar ver-
schiedenen Effect verweisen, den die Compositionen der
Narkotiker und der entgegengesetzten Partei in der Wirk-
lichkeit ausüben.
Man führe nämlich einem Musiker von nnr einiger
Erudition Mozart , Beethoven, Weber, Schubert u. s.w.
vor, so wird er immer mehr hören, und am Ende wie-
der von vorn anfangen wollen ; — lasse man ihn hinge-
gen irgend einen formidabeln, narkotischen Componisten,
hören, so hat er nach den ersten Paar Tacten schon
genug. — Was spricht wohl schlagender für die grös-
sere Genügnngsfahigkeit der narkotischen Schule? was
vermag wohl besser auch den letzten Bodensatz von
Zweifeln an den ausserordentlichen Vorzügen , die der .
narkotische Goroponist vor jedem Antinarkotiker voraus
bat, zu entfernen? — —
Nachrichten.
The Handel Society.
Unter diesem Titel ist in London seit dem Juli des
vergangenen Jahres ein Verein in öffentliche Wirksam-
keit getreten, der es unternommen hat, eine vollständige
Sammlung der Werke Händer* in Druck herauszugeben«
Der Verein zählt die vorzüglichsten Künstler Englands
zu seinen tbätigen Mitgliedern. Mit einem jährlichen vor«
auszuzahlenden Beitrage von einer Guinee ist jedem In-
und Ausländer der Beitritt zu diesem Unternehmen ge-
505
1844. Juli. No. 30.
504
staltet. Jeder Subseribenft erhält für seinen Beitrag ein
Exemplar der im Lanfe des Jahres erschienenen Werke.
Das Volumen des jährlich Herauszugebenden wird durch
die grössere oder geringere Zahl der Sabscribenlen be-
stimmt werden und mit dieser im Verbältnisse sieben,
indem jederzeit die ganze Summe der im Jahre einge-
gangenen Beiträge auf die Förderung des Unternehmens
verwendet werden soll. Es wird daher im Interesse eines
jeden Theilnehmers selbst liegen, die Vermehrung der
Subscribenlen zn wünschen und befördern zu helfen, in-
dem ihm dadurch selbst ein Gewinn erwächst Das Maxi-
mum der Subscribentensabl ist vom Direktorium auf ein
Tausend gesetzt. Dem Prospectus dieses Unternehmens
ist ein Verzeichnis der bis jetzt gewonnenen Theilneh-
mer beigefügt ; es benennt gegen 500 Subscribenten. Ver-
hältnissmässig Bnden sich unter diesen noch sehr wenig
Ausländer; es ist zu erwarten, dass spätere Nachträge
dieses Verzeichnisses auch von einer zahlreichen Tbcil-
nähme des Auslandes, namentlich der deutschen Musik-
weit, an diesem ruhmlichen Unternehmen erfreuliche
Kunde geben werden.
Von den beiden früheren englischen Ausgaben der
Werke Hände? s, die erste von Fralsh, die spätere von
Arnold , kann, wie die Ankündigung dieser neuen be-
sagt, jene, zu Händel** Zeilen unternommene, am We-
nigsten für vollständig gelten; aber auch bei der zwei-
ten fehlen mehrere der früheren und bedeutende Werke.
Beide Ausgaben sind überdies nicht mehr im Handel«
Wie sehr auch der Wunsch, eine neue und voll-
ständige Ausgabe dieser Werke veranstaltet zu sehen,
eben in der neueren Zeit, wo die Tbeilnahme an Han-
dels Musik, wie sie es jederzeit in England war , auch
in Deutschland eine allgemeinere geworden ist, dringend
werden musste, so war es doch nicht zu erwarten, dass
irgend ein Musikverleger einer so kostspieligen Sache auf
eigene Rechnung sich hätte unterziehen mögen. Wie so
viele Interessen der Gegenwart durch Vereine gefordert
werden, so sehen wir nun auch dem hier in Rede ste-
henden ein gemeinsames Wirken aebtungswerther Män-
ner thätig entgegenkommen. Der in England zu diesem
Zwecke gestiftete Verein betrachtet aber das Unterneh«
men nicht als ein merkantilisches, vielmehr als eine Eh-
rensache der englischen Nation. Der grösste Tbeil der*
1'enigen Werke aändefs, durch welche er auf unsere
"eit gekommen ist, wsr für sie und in ihrer Sprache
geschrieben. In England ist die unbedingte Verehrung
dieses Meisters ein musikalischer Glaubensartikel ; sie hat
nie gewankt und ist in den gegenwärtigen Tagen viel-
leicht noch in grösserem Maasse vorhanden, als zu sei-
nen Lebzeiten. Dort werden auch seine Werke noch in
der originalen Gestalt, ohne Abänderungen und Instru-
mentalzusätze, aufgeführt; man würde es für einen Fre-
vel halten, an solchen als classisch anerkannten Werken
etwas ändern oder bessern zn wellen. Die Orgel, welche
dort auch in den Goncertsälen nicht fehlen darf, ersetzt
euch jetzt noch die grössere Zahl von Blasinstrumenten,
welche man bei uns in den üfämfef sehen Oratorien glaubt
beifügen zu müssen, und füllt die Leeren, welche sich in
/fa/iatef sehen, wie in den Partituren früherer Zeit über-
haupt, häufig finden, durch angemessene Begleitung, wie
i
sie von dem Componisten intendirt war. Wenn überhaupt
weniger von einer hier nicht wohl angewendeten deUil-
lirten Nüancirung, als von Einfachheit und kräftiger Pulle
die Rede ist, so wird leicht zu ermessen sein, dass die
Mitwirkung einer guten und geschickt behandelten Orgel
die Abwesenheit einiger unserer Holz- und Blechinstru-
mente nicht sehr wird empfinden lassen. So viel uns be-
kannt ist, hat Mendelssohn die von ihm aufgeführten
Händetschen Oratorien jederzeit nach der Originalparti-
tur und mit Orgelbegleitung gegeben* die Wirkung sol-
cher Auffuhrungen ist immer als eine ausgezeichnet gross*
artige gerühmt worden.
Die bisher in Deutschland gedruckten Partituren Hän-
rfefseber Kirchenoempositionen waren fast immer mit In«
strumentalvermebrung versehen. Einige früher von Hü*
ler herausgegebenen Stücke enthielten wenigstens manche
Abänderungen in der Instrumentation. Wie sehr die beste
Absicht und Gesinnung bei jeder Art solcher Arrange-
ments auch immer anzunehmen sein möge, so werden sie
auf allgemeine billigende Anerkennung doch nie Anspruch
machen können. Wo nach Umständen und nach localem
Bedürfnisse Abänderungen herbeigeführt werden, da wird
bei verständigem Verfahren nicht viel einzuwenden sein;
es scheint aber wenigstens keine Berechtigung damit ver-
bunden, solche Bearbeitungen classischer. Werke durch
eine Ausgabe in Druck zu allgemeinem Gebranch und
anstatt des Originals hinstellen zu dürfen; am Meisten,
wo das Original so wenig bekannt und zugänglich ist,
wie die HändePwhtn Oratorien in ihrer ursprünglichen
Gestalt es bei uns bisher gewesen sind. Durch die Be-
mühungen der Handel Society, durch die Mittel» welche
ihr zu Gebote stehen, ihre Ausgabe nach zuverlässigen
Manuscripten, grösstenteils nach den Originalbandschrif-
ten selbst, zu besorgen, werden wir zu künftigen Ver-
gleichungen in den Stand gesetzt sein, Zusätze und Aus-
lassungen in den arrangirten deutschen Ausgaben leicht
zu erkennen, und wo eine treue Herstellung des Origi-
nals nicht geschehen soll oder kann, wenigstens eine cri*
tische Revision der Bearbeitung vorzunehmen und dem
Gutdünken und Dafürhalten eines Andern das unsrige
entgegenzusetzen .
Es ist vor Kurzem der erste Band dieser neuen
Sammlung erschienen und an die Theiluehmer versandt
worden. Die Ausstattung desselben ist so, wie wir sie
von einer englischen Prachtausgabe erwarten durften. Er
enthält in vollständiger Partitur mit beigefügtem Ciavier-
auszöge, die vier Anthems zur Krönung Georgs des Zwei-
ten. 1) The king rejoiee; 2) Zadok the Priest; *) My
beert is inditing; 4) Let the hand be strenglhened. Zu
bald folgender Herausgabe sind vorbereitet: L'Allegro, il
Penseroso ed il Moderato; Esther; Gantate fürdenCäei*
lientag ; das Dettinger Te Deum, und ein Band Kammer»
merduetten und Gantaten.
Wie manches Werthvolle, was jetzt nur als Selten-
heit bei Sammlern anzutreffen war, wird auf diesem
Wege wieder zu allgemeiner Kenntniss und Anerkennung
gelangen können. Recht sehr ist aber zu wünschen, dass
das Verzeicbniss der Theilnehmer recht bald vollzählig
werden möge, damit die Herausgabe schnell gefördert
werden kann. Der Preis einer Guinee für den im ersten
505
1844. Juli- No. 30.
506
Jahre erschiesftN» Band ial Jchon jetzt, nach englischem
Maaasstabe, nissig zu nennen; wenn bei der vollen Sab*
scribentenzahl die Treunehmer für denselben Preis das
Doppelte des Voiuiens empfangen, wird der Preis auch
nach unserem Maasslabe ein sehr billiger genannt weit
den müssen.
Die Unterzeichnung mit Pränumeration geschieht in
London bei Herrn Robert Addison. Für viele Städte
Englands hat der Verein Adressen nur Empfangnahme
von Pränumerationen angegeben. Für Frankreich finden
wir Herrn Qeborne in Paris als Beauftragten genannt
E» würde von unserer Seite sehr dankenswerth sein und
dem Unternehmen selbst vielleicht nur Förderen* dienen,
wenn es dem verehrten Directorium gefallen wollte, auch
in einer deutschen Sladt» vielleicht in Leipzig, als einem
literarischen Hauptpuacte, zur Unterzeichnung Gelegen-
heit zu geben« Eine Bekanntmachung des Programms in
dentseher Sprache und diese Erleichterung zur Theilnabme
würden gewiss nicht verfehlen, dem Unternehmen eine be-
deutende Zahl von Interessenten zuzuführen« — -».
Frühlingsstagione in Italien.
Königreich Beider Sieilieu«
Neapel. Man erstaunt, wie tief die stolze Parthenope
mit der Oper gesunken ist. Während letalerer im Frth-
linge zu Mailand und Venedig, in jeder Stadt drei, zu Flo-
renz gar fünf Theater die Pforten öffneten, waren hier
die beiden königl. Theater S. Carlo und Fondo geschlos*
»en. Letzteres begann zwar die Vorstellungen am 30. Mai,
aber von einer Frühlingsstagione war keine Rede mehr.
Neapel liefert auch in seinem neuesten Theatraljabre (Früh*
ling 1844 bis Ende der Fasten 1845) den klarsten Beweis,
dass Italiens überschwengliche Zahl Maestri» Sänger u.s. w.,
die Jahr aus Jahr ein rar die Theater Europa s, Asien's»
Afrika's und Amerika'* in grösster Tbitigkeit begriffen
sind, dem Kotzebue'eben Don Ranudo de Colibradoe wür-
dig die Hand reichen kann« Man täusche sich ja nicht!
Kein Geld, kein Schweizer = kein Theater» kein Italien;
es ist im sogenannten Bei Paese das zweite Ich; sei die
Oper, Komödie und ihre Priester gut, mittelmässig, oder
gar schlecht: in's Theater »,muss" man geben, wäre es
auch nur, um zu schwatzen, zu schlafen» Geschäfte ab*
zumachen» Visiten abzustatten u. dercl. , hier ist man in
seiner zweiten, noch dazu öconomischen Wohnung. Da
nnn anter all* unseren dermaligen Maestri und Sängern
nur selten Vorzügliches zu finden ist, so wird natürli-
cherweise das Leidliche vortrefflich, das Bessere sublim»
und im Lande der Superlative steigt Alles »»relativ' 4 in
geometrischer Progression. Nur ein Beispiel« In Hespe-
riens Gefilden ist jetzt Herr Verdi der sublime Jupiter»
maestro. Man könute fragen, in welcher Hinsicht? Als
Melodiker kann er mit Donizetti und BelUni — lassen
wir Rossinir den Schöpfer einer musikalischen Epoche, als
einen SolHär für sich stehen — keinen Vergleich aushal-
ten. Ale Harmoniker, oder gar wegen neuer harmoni-
scher Combinationeit , wegen Einheit in der MannicbfeL»
tigkeit, wegen Gharaderistik a. s. w. ? Erstens behaup«
ten nur Idioten, letztere vermisal toaa und Niemand küm-
mert sich um sie. Da aber das reichhaltige Donizetti'sche
Hauptrepertorinm , dem sich zuweilen Rossini , Betlini,
Pacinl, Bieci und Mercadante gesellen, nach und nach,
wie einst das Rossini'scbe , zusammenschrumpft, so hat
die Mode den etwas bessere Waare, als seine Collegen,
liefernden Herrn Verdi zu ihrem Liebling erwählt und
seinen Ernani, Nabueodonosor und die Lombardi als su-
blim gestempelt« Ein ganz ähnlicher Fall findet Statt mit
der diesen Frühling relativ einzigen, sublimen Prima Donna
Frezzolini, weil die Tacchinardi und Tadolini jenseits der
Berge wirken. Es ist in der Tbat zu verwundern» dass»
während die allermeisten Prime Doone gar bald der Last
der heuligen Massenoper unterliegen, diese drei nicht nur
seit mehreren Jahren es in ihr aushalten, sondern sogar
an Kraft und Kunst zuzunehmen scheinen. Herr Verdi ist
noch im Beginnen: seine Leistungen gehören noch der
Zukunft an«
Gibt das Vorausgeschickte einen Fingerzeig, wie man
den gegenwärtigen Zustand unserer Oper und Journali-
stik io's Auge zu fassen bat» so wird die Verwunderung
nicht so gar ungeheuer gross sein, wenn man sieht» wie
die volk- und geldreiche Sladt Neapel» noch dazu mit
einem bedeutenden Zuschüsse von Seiten der Begierang,
für S. Carlo und Fonds einen so erbärmlichen Cartellone
vom 30. Mai bis 3. October bekannt machen konnte. Be-
sagter Cartellone enthält mehrere exotische, zum Theil
obscure Namea:. Prime Donna Bishop» Wilmot» Chiara
Gualdi (beide Letzteren vom seoundären Teatro Nuovo),
Luisa Luciaai (für die Opera buffa und ebenfalls vou je-
nem Theater); Tenore: Malvezzi» Wenzel» Geraines;
Bassisten; Benventani, Arati» Ongarini (sämmtlich secun-
dae classis); Buffi Casaccia (der Beste von Allen) nnd
Salvelti. Zwei neue Opern werden gegeben, eine von
einem Zögling des neapolitanischen Conservatoriums, oder
von einem Maestro napolitano zweiten Banges, die andere
neu, oder neu für Neapel.
Am 30. Mai, dem Namens- oder Galatage des Kö-
nigs, wurde das Teatro Fondo mit der sehr magern Opera
buffa Regina di Golconda von Donizetti nicht glänzend
eröJFoet; die Bishop, Herr Wenzel u. s. w. trugen einen
ehrwürdigen Fiasco davon» Ilpreventivo £arrtsto> ossia
il debitore, neue Oper vom neuen Maestro Francesco
AltoviUm, worin die Gualdi, die Altistin Caly, die Her-
ren Wenzel, Casaccia und Salvetti wirkten, fand kaum
in zwei Duetten des ersten und in einem Terzette des
zweiten Actes einige Aufmunterung.
(Teatro Nuovo.) Der Cartellone der neuen Impresa
dieses Theaters für's uene Theateriahr enthält auch keine
ausgezeichnete Gesellschaft. In Allem werden 240 Vor*
Stellungen gegeben, worunter zehn neue Opern, nämlich
fünf neue für Neapel» fünf eigens componirte. In Belli*
ni's Sonnambula , worin die Zeocbini, Tenor Labocetta
und Bassist Vita sangen, ging Alles schlecht. Besser ging
Doaizetti's Ajo nell* tmbarazso mit dem bekannten Buffo
Lusio, dem zur Seite die Caranti nnd Silvestri, Tenor
Teste nnd Bassist De Bosa sangen, wenigstens konnte
man sagen x post nobile, Phoebue* Der Olivo e Pasquale
von Ebendestselhen fiel abermals durch. In Bellini's wei-
nerlicher Beatrice di Tenda fand die Zeocbini und der
kalte Bassist Gnont einigen Anklang; die De Rosa, welche
507
1844. Juli. No. 30.
506
die Agnese sang, bat eine hübsche Figur. In der nenen
Oper L'invitato ad una festa di maschera, vom neuen
Maestro Sig. Valente, sang die Caranli, Tenor Labo-
cetta, Luzio und Vilo. Die leichte Musik fand in einigen
Stücken ziemlich starken Applaus.
(Teatro Fenice.) Eine Actionärgesellscbaft von 60
Acüeu, jede zu 40 Ducati (beiläufig so viel Tbaler), ba-
ben dies kleine Theater dritten Ranges zum zweiten
Bange erhoben. Nebst einigen alten Opern wurde Doni-
zetli's Linda di Chamounix nicht übel gegeben. Es san-
gen darin die Marcbesini (hübsche Figur und Stimme),
die Bazzani, Tenor Laudami(vom Teatro Nuovo), Buffo
Savoja und Bassist Fischetti. Es ist überflüssig, zu fra-
gen , ob distonirt worden sei ; jetzt distonirt man auch
auf S. Carlo und in allen Tbeateru Italiens.
Kirchenstaat«
Rom. Am zweiten Ostertage gab Herr Landsberg
aus Breslau das letzte grosse Musikfest der Stagione.
Erste Hälfte. Ave verum corpus von Mozart. Chor aus
Mendelssohn 9 * Paulus : Stimar dobbiam beato (vom Mar*
chese und Maestro Domenico Capranica aus dem Deut*
sehen übersetzt). Toccata für Pianoforte von Seb. Bach*
Das Halleluja aus Händets Messias« Zweite Hälfte. In-
troduetion aus fVeber's Oberou. Cbor aus Idomeneo von
Mozart. Finale mit Soli und Chören aus dessen Don
Juan. Quartett mit Chor von Meyerbeer. Unter der über
800 Personen starken Zahl der Zuhörer befanden sich
die Prinzessin Mariq von Sachsen, der Grossberzog von
Mecklenburg- Schwerin, die Erbprinzen von Lippe und
Schwarzburg- Budolstadt, fast alle Herren und Damen des
diplomatischen Corps, und andere Einheimische und Fremde.
Stark war der Beifall, und der Ausspruch des grössten
Theils 4er Zuhörer : man habe eine solche Musik noch
nie in Rom gehört, und Herr Landsberg verdiene das
allergrösste Lob. — Seine Soirees musicales endigten am
19. April. — NB. Mendelssohn s Paulus wird hier in's
Italienische übersetzt und in 14 Heften herausgegeben.
(Teatro Argentina.) Donizetti's Belisario machte den
Anfang der Stagione. Der von hier gebürtige Bassist Co-
lini hat etwas Kehlstimme, gehört aber im Ganzen zu
den besseren Virtuosi, und wurde auch als Protagonist von
seinen Landsleuten stark applaudirt. DieLeva, mit star-
ker umfangsreicher Sopranstimme, sang die Antonina ziem-
lich gut ; die zum ersten Male die Bühne betretende Elisa
Frisoni, mit angenehmer Stimme und gutem Gesänge,
fand Aufmunterung. Der französische Bassist Bordas kann
vielleicht etwas werden. Die neue Oper Luisa di Fran-
cia, eigentlich La Duchessa de la Vaüikre, vom Mae-
stro Campana, zog erst in der Folge theilweise an ; die
sehr lärmende unbedeutende Musik ist mit ihren Ver-
wandten Giulio d'Este und Vannina d'Ornano desselben'
Autors von einem Schlage. In dieser Luisa sangen die
Gruiz, Tenor Fedor (eigentlich Wilhelm Becker, ein
Russe, von dem bereits in diesen Blättern die Rede war)
und Bassist Colini. Letzterer machte hierauf einen Fana-
tismo in Donizetti's Torquato Tasso ; die Bravo's und Ev-
viva Colini! wurden im Unisono in den hoben Octaven
aus allen Winkeln des Theaters geschrieen. Eine Fort-
setzung dieses Geschreis und Gepolters liess sieb nach*
her in Verdi'« hier neue» Erbani vernehmen, worin die
Leva, die Veili, Tenor Ciaffct (wieder ein' Landsmann)
und Colini wirkten. In Oeslerreicbe Hauptstadt, wo die-
ser Ernani so eben Furore gemacht, adelten die Wiener
Zeitschriften insbesondere den grossen Lärm der Blech-
instrumente in jener Oper, wogegen die italienischen Jour-
nale diesen Lärm ganz ignoriren wollen, um nnr ihren
Idolo zu verherrlichen.
(Teatro Valle.) InBellini's Sonnambula fanden die Bis-
hop und Tenor Malvezzi kaum theilweise Anklang; das
Ganze ging nicht gut. Donizetti's Anna Bolena, mit der
hübschen Stefanone, ging Anfangs, des Tenors wegen,
ebenfalls nicht gut; als dieser aber von Herrn Deila Lurga
abgelöst wurde, machte die Oper beinahe Furore. Bassist
war Herr Fedrighini, die Seymour gab die Olivieri, den
Smeton die zum ersten Male die Bühne betretende Alti-
stin Concetti, mit hübscher umfangreicher Stimme und
guter Methode. In der Lucia di Lammermoor, wieder von
Donizetti, mit der Bishop, Tenor Malvezzi, den Bassisten
Staffolini und Pozzolini, erregte der Tenor den ersten,
und die Bishop (!) einen zweiten Furore. Letztere ist in
Rouladen, Trillern, chromatischen Läufen und Fiorituren
aller Art sehr freigebig, und gefallt sonderbarerweise un-
gemein in Rom und Neapel. Wegen ihrer Abreise nach
letzterer Hauptstadt ersetzte sie in der Lucia die WJ1-
mot; aber schon nach zwei Vorstellungen gab man die
Gemma di Vergy, abermals von Donizetti, mit der Stef-
fanone. Die Wilmot sang hierauf im Roberto d'Evreux,
wieder von Donizetti , und hatte als Adjutanten die Oli-
vieri, Tenor Malvezzi und den Bassisten Pozzolini. Am
2. Juni gab man endlich die hier neue Oper II depor-
tato in America (ursprünglich II 20. d'agosto) , del Mae-
stro Aspa, zum ersten und letzten Male. Man kehrte
schnell zum italienischen Wiener Hofcapellmeister zurück.
Auf Argentina liess sich ein neapolitaner Flötist in
den Zwischenacten mit vielem Beifall hören. Auch die
Bishop und Herr Bochsa versäumten nicht, ihre beson-
dere musikalische Academie zu geben.
Herr Alessandro Carcano, ein hier ansässiger ade-
liger Mailänder, zugleich Maestro, kündigte im Mai eiue
unier dem Titel: ,,Antologia musicale di Roma" zwei-
mal monatlich herauszugebende neue musikalische Zeit-
schrill an. Diese soll sieb mit dem historischen, biblio-
graphischen, ästhetischen Theile der Musik, mit der Kri-
tik und den neuesten Erfindungen in ihr beschäftigen.
In ersterer Hinsiebt verspricht er noch ganz unbekannte
musikalische Documente bekannt zu machen. Herr Car-
cano hat unter andern zwei köstliche Stützen an Santini
und Baini$ aber Letzlerer, seine Hauptstütze, ist nicht
mehr.
Zum. grössten Bedauern aller Römer starb hier am
21. Mai der als Componist und Schriftsteller bekannte
Abbate Giuseppe Baini, geboren zu Rom den 21. Oeto-
ber 1775. Im Seminario, wo er Philosophie und Theolo-
gie sludirte, erlernte er auch den Ganto Gregoriano un-
ter J). Stefano Silveira, und aus Palestrina's Werken
die Figuralmusik. Seit 1795 sang er als Bassist in der
päpstlichen Gapelle, und studirte dabei den Contrapunct
unter Herrn Giuseppe Tanneconi; 1804 wurde erGoncert-
director in benannter Gapelle. 1810 erhielt er eine Ein-
509
1844» Juli. No. 30.
510
ladung als kaiserl. Gapellmeister nach Ptria» die er aber
ablehnte. 1814 wurde er zum Generatdirector obiger Ga-
pelle ernannt, welche Stelle er bis zu seinem Tode be-
kleidete. — Die von ihm bekannt gemachten Gomposi-
tionen sind: vier- and achtstimmige Salroi and Ioni, eine
Messe für Chardienstag, viele Kirchenmusik für die spa-
nischen Könige Carl IV. und Ferdinand VII., ein zehn-
stimmiges Miserere als Fortsetzung der beiden von Gre-
gorio AUegri und Tommaso Bai, mehrere andere vier-
bis zwölfstimmige Kirchenmusik; sodann das Leben Pale-
strina's, und ein Versuch über die Identität des musika-
lischen und poetischen Rhythmus*
Civitaoecchia. Auch in diesem päpstlichen Seehafen
am mittelländischen Meere ist ein neuerbautes schönes
Theater und Oper. Dieser neue Tempel heisst:
Teatro Trajaoo. Die beiden gegebenen Opern waren
Donizetti's Lucrezia Borgia und Mercadante's Vestale:
zwei Antipoden in Betreff des melodischen Gehalts. Er-
stere hat natürlicherweise weit mehr gefallen. Die Ra-
nieri-Morini und Tenor Pedrazzi. Veteranen und abgenutzt,
die Altistin Taglioni mit hübschem Gesänge und schwacher
Stimme, Bassist Ferri, mit starker Stimme nnd keinem
vortrefflichen Gesänge, waren die Hauptzierden, und da
hier nie Oper gegeben wurde, so war man überhaupt
mehr als zufrieden. Die in der zweiten Hälfte Juni 's ge-
gebene neue Oper: // Rapimento delle spose Veneziane
vom neuen Maestro Gaetano De Lauretis, hatte einen
jungen Grafen zum Dichter; Beide fanden starke Aufmun-
terung, zuletzt Blumenkränze, Gedichte u. s, w.
Ancona. Eine respectable Sängergesellschaft wirkte
hier in der diesjährigen Haupt- (Cartelio-) Stagione. Aus-
ser der De Giulj Bossi und dem Bassisten Badiali (Beide
von der Fiera di Reggio [s. d.]) waren hier noch die
beiden Prime Donne Barbieri und Cignozzi, die Tenore
Musich und Lucchesi, nebst den Bassisten Bonconi (Seb.)
und Porto (sämmtlich aus Forli (s. d.) angekommen).
Den 27. Mai wurde das Theater mit Donizetti's Anna
Bolena eröffnet, worin sich besonders die Barbieri und
Tenor Musich auszeichneten. Einen grossen Fanatismo
machte am 11. Juni die Oper Bonijazio de 9 Geremei del
Maestro Principe Poniatowsty, wiewohl sie bis halb 2 Uhr
gedauert hatte. Der Maestro wurde über dreissig Mal her-
vorgerufen : Musik, Sänger, Orchester, Alles war sublim,
so wenigstens sagt das Unisono der italienischen Blätter.
Guobio. Seit ziemlich langer Zeit entbehrten wir
einer befriedigenden Gesellschaft der Virtuosi; die von
diesem Frühling war kaum leidlich; wir hörten die fa-
mose Lucia di Lammermoor, eine Hauptperle der Doni-
zetti'schen sehr langen Opernperlenschnur. Die Polidori
hat als Lucia Aller Herzen gerührt; Tenor Pavoni war
für einen Edgardo etwas zu schwach, und Bassist Cresci
noch zu sehr Anfänger, um als Asthon zu glänzen. In
seinem Benefize spielte seine Schwester, die Prima Donna
Teresina Cresci, ein Fantasie und Variationen für Piano-
forte von Herz und erregte Enthusiasmus.
Rimmi. Rioci's Chi dura vince gefiel — in der Folge
— ungemein. Die Zani entzückte Alles! Der von einer
Uupässlichkeit hergestellte Tenor Scalari, mit angeneh-
mer Stimme, machte das Publicum vor Freude rasend,
so oft er das a nahm. Buffo PetrazzoU verstand Klat-
ßchereien hervorzubringen. Bassist Baroni, ein Schüler
Marchesi's zu Bologna, machte sich Ehre.
Ravenna. Die Prima Donna Moltini, vom Mailänder
Conservatorium, Tenor Milesi, die Bassisten Ferlotti und
Fallardi, im Ganzen eine löbliche Gesellschaft, erwarben
sich hier ungemeinen Beifall in Bellini's Puritani, worin
das Hauptstück, das Bassistenduelt im zweiten Act, wie-
derholt werden musste. Donizetti's Marino Faliero gab
den Puritani nichts nach. Ferlotti, der freilich kein all-
zusehr entzückender Sänger ist, gab die Titelrolle zu völ-
liger Zufriedenheit der Zuhörer«
Forli. Drei Opern liefen hier glücklich vom Stapel.
Verdi's Nabucodonosor , der erst in der Folge mehr an-
zog; die Barbieri- Nini war die ausgezeichnetste , nach
ihr Bassist Ronconi (Seb.) in der Titelrolle, ein vortreff-
licher Sänger und Distonirer in einer Person. Auch die
Comprimaria Cignozzi, Tenor Lucchesi und Bassist Porto
trugen zum Gelingen des Ganzen vorteilhaft bei. Die
Barbieri triumphirte sodann in Donizetti's Anna Bolena,
worin die Anfängerin Brambilla (Carlotta) den Smeton,
Tenor Musich den Percy und Porto den Enrico machte.
Eine etwas minder günstige Aufnahme fand Donizetti's
Marino Faliero.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Am 24. Juni fand in Krenzliogen bei Constanz das grosse
schweizerische Mosikfest Stau. Von der grossen offenen Halle am
Bodensee zogen sammtiicbc Vereine mit Musik nnd Fahnen, unter
dem Geläute der KLosterglocken und Geschützesdonner, nach dem
Kloster Kreuzungen, wo die Gesang vor trage im Klosterhofe gehal-
ten wurden. Die Lieder (meist von Kolliwoda, Nägeli, Zumsteeg
nnd Sehmalholz) brachten zwar, so schreibt man, im Freien nicht
die gewünschte Wirkung hervor, doch war das Fest schon und
erhebend.
Baffe bat die Partitur seiner Oper : „ Der Liebesbrannen "
dem Könige der Franzosen gewidmet und von demselben dafür eine
mit dem Bildnisse dee Monarchen versebene grosse Medaille erhalten.
Der regierende Herzog von Sachsen- Coburg - Gotha ist auch
Componi8t; eine Cantate von ihm sollte zu Ehren der Herzogin
voo Keot und des Fürsten von Leiningen , die bei ihm zum Be-
suche waren , im Theater aufgeführt werden.
Das Weimar'sche Hoftheater wurde am 30. Juni mit einer
nenen komischen Oper: „König und Pächter," Buch von Bieden-
feld (nach dem Lustspiele: Carl XII. auf Rügen), Musik von Zote,
geschlossen. — Die Oper fand Beifall.
Die italienische Theatergesellschaft zu Lenden gab am 20.
Juni eine neue Oper von Costa, Namens Don Carlos, deren Buch
treu nach Schiller verfasst ist. Sie machte Glück.
Der Dommusikverein und das Mozarteum zu Salzburg machen
bekannt, dass, als Wiederholung des im vorigen Jahre begangenen
Mozartfestes, auch dieses Jahr am 4. September ein Musikfest ge-
feiert werden seil. Besondere Einladungen an Einzelne erfolgen
nicht; es sind vielmehr alle Kunstfreunde nnd Verehrer Mozarts
im Allgemeinen eingeladen. Die Gäste haben sieh bis zum 15. Au-
gust beim Secretariat des Vereins zu melden und den Hauptpro-
ben (den %. und 3. September) beizuwohnen ; wollen sie Solostücke
vortragen, so haben sie diese zugleich anzuzeigen nnd die Aufle*
abstimmen zur Begleitung einzusenden. — Uebrigeas «ollen auch
Composttioaen von anderen Meistern, als Mozart, aufgeführt wer-
den.
Ml
1844. Juli. No. 30.
512
Ankündigungen.
welche so ehe»
im Verlag von Breitkopf Jk Hfirtel in Leipzig
erschienen und durch alle Bück- und Musikalienkaodluogen zu
beziehen sind t Tn j r< ^^
Ausser» !>• *?• IS«, Potpourri aas der Streue für das
Pionoforte. (No. 98 der Sammlung ton Potpourri'«.)... — SO
llmrernoy, S. B»* Une Fente« d'Auber. Patite Fuo-
taisie pour le Piano. Op. 135 ...» • « — 15
Ehrllck, C F., Romance de 1'Opera: Otello, trau-
scrite ponr le Piano — 10
Hasen, 3. B», deutsche Gesang« und ein Toast für
tierstimmigen Maonerckor. Op. 5. Partitar o. Stimmen. I 8
Kalkbrenner» F., Souvenirs de la Sirene« Opern
d'Auber. FanUitle ponr le Piano. Op« 180 — 25
Ijaaekk, €?•, Inlroduction et Air a la Styrieune ponr
le Piano atee accomp. de Violoncelle obligl — SO
et F« A» Ktlffmttitr, tntroduclieu et VnlM de
Fantaisie pour le Piano otec accomp. de Violon et Vio*
lencdle. S # Serie — S5
Iieearpentler, A», S petiti Amnsemens ponr le Piano,
composes et soigneusenlent doigtes. No. t. Je m'en mo-
quede Beouplou. Wo. S. Leootine deMarauerie. Op. 87. a — 10
4S« Bagatelle snr des Romances de rAllmm de
Mlle. Lia Duport, pour le Piano.. • — ISf
Lenz, Wa» 9 Vierstimmige Liederchöre für Männerstim-
men. Op. 37. 2 Hefte. Partitur und Stimmen a I 3
BEOBart, IV* A*. 4« Symphonie in C dar mit der Fuge,
für Orchester S 15
Oftborae. €*• A», Fantaisie sur des motifs de l'Opera:
Charles VI. ponr le Piano. Op. 48 fc — SO
PergOlefje, Stabat mater, transcrlt pour le Piano o«
Orgne par Franceis Hunten ...t.........,..«..*.»..».... I 10
ROftellen, M. # Fantaisie et Variation* brillantes snr
des motifs de l'Opera i La Sirene d'Auber* ponr le Pinto»
Op. 66 s — 95
ftehlatlebaek» Jul», 5 Gesinge für eine Bariton*
oder Mezzo- Sopran- Stimme mit Begleitung des Pmno»
forte. Op. 13 4 — SO
Thalberg, S., 5 Etüden ms Opus S6 für das Pia-
noforte tu 4 Händen arrangfirt. No. 1. S. 4. 5. 9. u — 10
Grande Fantaisie snr l'Opera : Semiramide de Ros-
sini, urrungee ponr le Piano ä 4 mains. Op. 51 ...... 1 15
Wlelkorskl, •!•• Grande Fantaisie sur des motifs du
Pirate de Bellini, pour le Piano. Op. 13...» 1 —
_ _ 5n» Impremptu pour le Piano. Op. 14» — lfli
Bei Andre in Offenbach ist erschienen:
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Kann* Op. 8. Rondo alle Pokcea p. Pfte. IS* Ngr.
Kreutser» Op. 98. Sechs Gesäuge für 4 Männerstimmen,
I Thlr. 15 Ngr.
limbl*mliy,Op.d6. Cnarl otteu- Walzer f. Orchest IT&ür.SONgr.
— Idem Ar Pfte zu 4 Händen. SO Ngr.
— Idsm für File. 18 Ngt.
— Idem im leichten Arrangement lur Pfte. 10 Ngt.
— Idem für Flöte. 8 Ngr.
— Op. 101. Wien-Prager EUenbahn. 3 Polka f. Pfte. 10 Ngr.
— Idem für Pfte zu 4 Händen. 15 Ngr.
Marsckner, Seene und Arie Ar Boss und OrekeSter. (BznWg*
an Haas Heüing.) 1 Thlr. 5 Ngr,
SEayer, Op. 41. Variationen (Seht ihr drei Rosse vor dem Wa-
gen) für Pfte au 4 Händen. IS* Ngr.
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Juni 1844.
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nor). 1 Fl. 50 Kr. No. S5. Terzett (Sopran, Tenor und Bari-
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Pfte. (Aurora No. 307.) 30 Kr.
tterz?, 3,y Valse brill. sur un Molif de POpei*-. Dens Seba-
stien de C. Denizetti. Op. 41. 43 Kr.
Koten, JF«, La Dame sans merci. Frans, und deutscb für eine
Singstimme mit Pfte. (Soutenir mus. No. 1.) 30 Kr.
— — Enfaat, prions ; prions, ms mere. Ballade. Franz. u. deutscb
für eine Singstimme mit Pfte. (Sout. mus. No. 5.) SO Kr.
Iimeombe, JT», Polonaise brill. p le Pfte. Op. 21. 43 Kr.
Flrkkert, E M IS Etudrs de Salon pour le Pfte. Op. 10.
No. 1 — IS einsein a 15 - 30 Kr.
Flin;et, Im, Fleurette. Chansonette atee Pfte. (Aurora No. 309.)
SO Kr.
ftHlvi, HI ., Recit. ed. Aria per Tenore nell' Operottu : La Prima-
Donna, eon Pfte. (Aurora No. 310.) 45 Kr.
Tkmmlbern;, S., et H« PaAofka, Grand Duo sur des Mo-
tifs de TOpera : Beatrice di Tenda de V. Bellini arr. pour le
Pfte ä 4 mains par C. Czerny. Op. 49. 1 Fl. 13 Kr.
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Opus 16. S5 Sgr.
Iiftnckkoni • A* t Variat. für das Pianoforte über das Lied :
Soast spielt' ick mit Seepter v. s. w. Opus 8. SO Sgr.
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pour Piano. SO Sgr.
Druck uod Verlag von Brettkopf und HärUl in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
515
514
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 31**» Juli.
M 31.
1844.
Inhalt t Becennon: Der Fall Babylons. — Nachrichten, Aas Prag. Frühlingsopern in Italien. (Fortsetzung.) — Feuilleton,
kündigungen.
4n-
R
E G E R 8 I O N.
Der Fall Babylons, Oratorium in zwei Abtbeilungen, nach
dem Englischen des Prof. Taylor von Fr. Oetker;
in Musik gesetzt von Louis Spohr. Leipzig, bei Breit-
kopf und Härtel. Partitur: Pr. 15 Thlr. (Ciavieraus-
zug: Pr. 6 Thlr. 15 Ngr. Solo- und Chorstimmen:
Preis 5 Thlr.)
Referent kann die Bemerkung nicht unierdrücken,
dass es ihm scheint, als seien in dem nächstvergangenen
Zeiträume Aufführungen von Oratorien weit seltener ge-
wesen» als es wohl in früheren Jahren der Fall war ; na-
mentlich sind die schönen Werke Spohr's in dieser Gat-
tung offenbar viel weniger zur Ausführung gekommen,
als sie es ihrem innern Wertbe nach verdienen. Das
vorliegende neueste Oratorium des verehrten Meisters wird
nun vorzüglich geeignet sein, das Interesse grösserer Ge-
sangvereine in Anspruch zn nehmen und zu möglichst
imposanter Ausführung aufzufordern. Bekanntlich schrieb
es der Meister zunächst für England, wo es mit dem glän-
zendsten Erfolge aufgeführt wurde. Wenn wir nun auch
diesem englischen Erfolge nicht mit apodiclischer Zuver-
sicht als Norm für den Continent vertraueu möchten, so
tritt uns doch die Bürgschaft für einen deutschen Erfolg
vollgillig aus dem Werke selbst entgegen. *)
Ehe wir die specielle Besprechung dieses interessan-
ten Werkes beginnen, sei uns zuvor eine Bemerkung
vergönnt, die in Bezug auf das vorliegende Oratorium
nicht ganz unangemessen erscheinen dürfte.
Rein schaffender Tonkünstler der Mitwelt kann und
will vielleicht so wenig seine Individualität verleugnen,
ja wir möchten sagen, kein Componist der Gegenwart
darf einen so eigentümlichen Styl in Anspruch nehmen,
wie unser Spohr, einen Styl, der selbst in einzelnen
Wendungen und Rennzeichen sich bestimmt nachweisen
lässt. Man bat indess diese Eigentümlichkeit oder Selb-
ständigkeit dem trefflichen Tondichter keineswegs als ent-
schiedenen Vorzug angerechnet, und selbst Diejenigen,
welche ihn am Innigsten lieben und am Tiefsten in sein
künstlerisches Schaffen und Walten eingedrungen sind,
*) lodern wir dies niederschreiben , erfahret) wir zu unserer
Freude, data für den nächsten Herbst eine grossartige Auf-
fahrens; dieses Werkes in Brann schweig vorbereitet wird.
Der JRecensenl.
46. Jahrgang.
haben wohl oft gewünscht, jene notae ckaracteristicae
möchten weniger in seinen Werken hervortreten. Nach
sorgfaltiger und prüfender Durchsieht des vorliegenden
Werkes glauben wir nun mit einer fast freudigen lieber-
raschuug die Versicherung aussprechen zu können, dass
die oben bezeichneten Erkennungszeichen oder Styleigen-
heiten (die wohl zuweilen auch als blose Angewöhnun-
gen sich erweisen dürften) in diesem Oratorium bei Wei-
tem nicht so häufig hervortreten, als in vielen anderen
Werken des Meisters. Da es uns nun sehr oft hat schei-
nen wollen , als wären jene Styleigenheiten , namentlich
ein gewisses harmonisches Brüten, Häufung naher Inter-
valle u. dcrgl., gerade da am Meisten zu finden, wo der
eigentliche Gedanke , die schöpferische Inspiration nicht
eben am Glänzendsten erscheint, so dürfen wir wobl kaum
ein Missverständniss furchten, wenn wir dem Componi-
sten diese Selbstverläognung als bedeutenden Vorzug an-
rechnen und aus demselben Grunde dieses sein neuestes
Oratorium für sein vorzüglichste* erklären, da es sieh
eben so durch Gedankenreich thum, wie durch Gedanken-
sebönbeit auszeichnet.
Es weht uns aus diesem Werke eine gewisse Ideen-
frische nnd lebenskräftige Energie entgegen : die Solo-
gesänge siud voll Anmuth und höchst sangbar; sie lei-
den nur selten an jener einengenden und ermüdenden
harmonischen Begleitung, womit der Meister wohl hier
nnd da die Cantilene beeinträchtigt. Die Chöre sind fast
alle von trefflicher Conception, und namentlich treten die,
welche Kraft und Glanz zu schildern haben, nach Moti-
ven und Führung, durch eigentümliche Haltung und
Struclur wahrhaft imponirend vor uns auf; ja, in einigen
verleugnet der Meister seine Individualität so entschieden,
dass man kaum an *sie erinnert wird. Möge man diese
Erscheinung nun als Vorzug gelten lassen, oder nicht:
so viel steht für uns fest, dass Spohr's Productionsver-
mögen durch das vorliegend* Werk als vollgiltig bewährt
erscheint, und dass wir daraus die freudige Hoffnung
schöpfen können, der wackere Meister werde noch viele
schöne Werke schaffen, ehe sein Genius die Flügel senkt»
Was die Dichtung dieses Oratoriums betrifft, so ist
es wohl auch ohne das Titelblatt hinlänglich bekannt,
dass der ursprüngliche Text von einem englischen Dich-
ter, Prof. Taylor, herrührt und von Fr. Oetker in's Deut-
sche übertragen wurde, Wäre es uns allerdings aus meh-
reren Gründen wünschenswerth gewesen, das englische
5i
515
1844. Juli. No. 31.
516
Original mit der deutschen Bearbeitung vergleichen zu
können, so dürfen wir doch versichern, dass die deut-
sche Unterlegung sieb fast immer sehr fügsam zeigt, so
dass wir wohl nicht mit Unrecht annehmen, der Meister
h*be bei dieser Composition mehr, oder doch gleichmäs-
gig, die deutsche Bearbeitung, wie das englische Original
vor Augen gehabt; bei einigen Wendungen und Accen-
ten erscheint dies wenigstens ganz unzweifelhaft. Der
Dichter, der, wie wir vernehmen, selbst musikalisch ge-
bildet sein soll, wird dann wahrscheinlich bei der Accom-
modation des englischen Idioms thätig gewesen sein. Wie
dem auch sei : die Dichtung , wie wir sie nun mit der
trefflichen Musik empfangen, ist eine würdige, und recht
wohl geeignet für eine musikalische Illustration ; nur hier
und da bietet sie einige Härten und Absonderlichkeiten,
die indess theils leicht vergütet, theils beseitigt werden
können.
Wir lassen nun eine kurze Cbaracteristik der ein-
zelnen Sätze des ausgezeichneten Werkes folgen, die in-
dess mehr dazu dienen soll, die öffentliche Aufmerksam-
keit auf die werthvolle Schöpfung zu leiten, als ein voll-
ständiges Bild des Ganzen zu geben, was ohnedies bei
dem Umfange des Werkes kaum angemessen erscheinen
dürfte.
Die Ouvertüre beginnt mit einem lugubren Andante
in Esmoll, in welchem die schön geführten Blasinstru-
mente bei edler Harmonieenfolge wirkungsvoll dominiren.
Daran schliesst sich ein symmetrisch angelegtes und con-
sequent durchgeführtes Allegro moderato in Esdur. Wenn
auch der Grundgedanke nicht eben neu und bedeutsam
erscheint, so muss doch seine Behandlung als sehr vor-
züglich bezeichnet werden. Durch die vorherrschend ge-
bundene Schreibart, wie durch Würde und Kraft der Mo-
dulation eignet sich dies interessante, sorgsam ausgear-
beitete Musikstück jedenfalls trefflich dazu, ein so ernstes
Werk anzukündigen und auf dasselbe vorzubereiten. Sind
einige Modulationen und Wendungen auch in der Form
und Weise, wie sie uns bei dem wertben Meister nicht
mehr überraschen, so sichert doch der heroische Auf-
schwung, der die Ouvertüre und namentlich gegen das
Ende bin auszeichnet, dem Ganzen einen frischen und schö-
nen Eindruck. Eigentümlich ist noch die Art, wie Spohr,
nach dem vollkommenen Schlüsse in der Tonica , diesen
Schluss mit dem darauf folgenden Chore in Znsammen-
hang bringt.
Dieser erste Chor der Juden (mit der Bezeichnung:
An den Ufern des Euphrat bei Babylon) atbmet wahrhaft
religiöse Demuth und Innigkeit des Gefühls. Er ist mu-
sterhaft geführt und trefflich declamirt. Der fugirte Mit-
telsatz lässt den darauf folgenden Gesammteintritt der
vier Stimmen um so wirksamer erscheinen. Die bezeich«
sende und treffende Weise, in welcher die Worte: „ge-
fesselt, unterdrückt, gefangen" melodisch, metrisch und
harmonisch wiedergegeben sind, verdient besonders her*
vorgehoben zu werden. Das schöne Ebenmaass des gan-
zen Baues dieses Chors gibt demselben jene wobllhuende
Abrundung und künstlerische Einheit, die den Eindruck
erst recht nachhaltig macht. In Bezug auf unsere frühere
Aeueserung ist nnn dieser schöne Chor gerade eines je-
ner Musikstücke, in welchem die oben bezeichneten Styl-
Eigenheiten Spohr's fast gar nicht bemerkbar werden:
das Ganze ist ein schöner Guss, den selbst zuletzt noch
die neu -kräftige Schlussform krönt«
Auf diesen Chor folgt Recitaüv und Arie Daniel'»,
der darin seine Sympathie mit dem Unglücke seines be-
drängten Volkes in schöner, ergreifender Weise aus-
spricht. Die Arie namentlich (Larghetto con rooto, As dur)
ist so weich und in fliessender Cantilene gehalten, dass
sie, von einer biegsamen Tenorstimme vorgetragen, von
der eindringendsten Wirkung sein muss. Im Rhythmus
des %-Tactes beginnend, veranlasst das mit dem %-
Tact wechselnde Metrum, ohne die eigentliche Bewegung
zu unterbrechen, bei zunehmender Wärme des Ausdrucks,
eine dem Ganzen sehr günstige, trefflich motivirte Auf-
regung. Vorzüglich ist dies der Fall bei dem zweiten
Eintritte dieses neuen Rhythmus, wo vorzüglich die enhar-
monisebe Verwechslung zur Steigerung des Ausdruckes
höchst bedeutsam benutzt ist. Die Zurückführung bei den
Worten: „0 wecke neu die alte Kraft!*' ist so unge-
zwungen als ergreifend, und schliesst consequent und be-
ruhigend dies tief empfundene Gesangstück. ^
Ein wahres Meisterstück nach Conception und Aus-
führung ist der nun folgende Chor der Juden, Allegro,
%, Frooll, beginnend mit den Worten: „Der Löwe ist
vom Lager gesprungen. *' Das characteristische , lebens-
volle Moüv:
ls$
fet
r j» J- J 1 j»lg
Der LÖ - we ist vom La - ger ge- spran-gen
ist so consequent durchgeführt und von solchem wahrhaft
dramatischen Ausdrucke durchdrungen, bei aller Mannich-
faltigkeit der Wendungen und Gruppirungen ist doch die
künstlerische Einheit so glücklich bewahrt, dass das Ganze
einen Totaleindruck hervorbringt, wie ihn nur ein voll-
kommen abgeschlossenes Kunstwerk gewähren kann. Wie
überhaupt ein ununterbrochener Strom von Modulationen
das Ganze durebwogt und das Gefühl in steter Aufregung
erhalt, so ist es vorzüglich der glückliebe und wirksame
Gebrauch der Gegensätze, der diesen characteristischen
Chor so bedeutend' macht. So wirkt z. B. der ruhig und
voll dahinströmende Chorgesang um so mächtiger, weil
gleichzeitig das Orchester durch das in vielgestaltiger
Weise dargelegte, oben bezeichnete Motiv einen höchst
lebendigen Gegensatz dazu bildet. Ueberblickt man das
Ganze in der Partitur, so wird man mit Erstaunen ge-
wahr, dass jenes Motiv in dem ganzen, ziemlich um-
fangreichen Satze, mit Ausnahme weniger episodischer
Verbindungstacte, fast ganz allein den Stoff bildet, indem
das erwähnte Thema entweder von dem Chor, oder dem
Orchester, zuweilen auch von Beiden vereint ausgespro-
chen wird. Es könnte nun fast unvermeidlich scheinen»
dass durch diese fast unaufhörliche Wiederkehr endlich
Monotonie herbeigeführt würde; durchforscht man aber
das Ganze genauer, so bemerkt man mit neuer Ueberra-
schung, wie alle jene unzähligen Wiederholungen voll-
kommen motivirt, und auf irgend eine Weise auch so
sinnig modificirt und gesteigert wurden, dass der Ge-
danke bis zum Schlüsse neu und fast nothwendig erscheint.
Mit No. 5 befinden wir uns im persischen Lager.
Cyrus spricht in einem imposanten Recitativ, das oft in
517
1844. Juli. No. 51.
818
das Arioso übergeht, mit freudiger Zuversicht die Be-
deutsamkeit seiaer erhabenen Mission aas, dem bedräng-
ten Volke der Hebräer zu Hilfe zu eilen. Die darauf fol-
gende Cavatine No. 6, mit ganz einfacher Orcheslerbe-
gleitung, ist mehr ein Ausdruck demüthiger Unterwer-
fung in den Willen des Ewigen,, während sich in der
unmittelbar darauf folgenden grossen Arie mit Chor freu-
diger Muth und hohe Begeisterung schwungvoll ausspre-
chen. Der in die Arie verwebte Chor ist keineswegs blos
hegleitender Art 5 er ist vielmehr so selbständig, dass wir
fast furchten , er werde bei der Ausführung die Solo-
stimme oft beeinträchtigen und die klare Auffassung er-
schweren, zumal da der Chor, selbst den Worten nach,
seinen eigenen Weg verfolgt, und der Tenor sich fast
immer über die Lage des Solobariton erhebt. Es wird je-
denfalls eine imposante, klangvolle Stimme dazu gehö-
ren , die Herrschaft zu behaupten , Discretion des Chors
vorausgesetzt. Werden indess diese Bedingungen erfüllt,
dann wird der Erfolg unzweifelhaft sein 5 einzelne Licht-
puncte werden jedenfalls mächtig hervortreten.
Zu diesem kräftigen und glänzenden Musikstücke bil-
det die folgende Sopranarie einen so milden, rührenden
Gegensatz, wie man sich ihn kaum schöner denken kann.
Der Componist bezeichnet die . Situation also: ,,Haus in
Babylon; eine Jüdin an der Wiege ihres Kindes. 4 * —
Wie schön und empfindungsvoll ist dies Wiegenlied!
Welch tiefer Schmerz, doch immer durch religiöse Be-
ziehung veredelt, spricht sich darin aus! — Das Lied
ist so trefflich erfunden, von so innigem Gefühl durch-
weht, dass es seine Wirkung mit einfacher Pianofortebe-
gleitung nicht verfehlen würde; aber so reizend und nian-
nichfaltig, wie es hier von einer höchst kunstreichen,
sorgsam gearbeiteten Orchesterbegleitung gehoben erscheint,
rechnen wir es zu den schönsten Gaben von Spohr's
Genius. Auch das folgende Duett zwischen Sopran und
Tenor ist in edlem Styl geschrieben und von trefflicher
Haltung. Hier und da tritt incfoss die Eigenheit Spohr's,
sich zu häufig in engen Intervallen zu bewegen , nicht
undeutlich hervor, und hemmt vielleicht den freien, vol-
len Eindruck des Ganzen.
Der darauf folgende Chor der persischen Krieger
(Marziale, Ddur, %) hat in seiner compacten Form et-
was ungemein Bezeichnendes, Energisches; das unge-
trennte, gleichzeitige Fortschreiten der enggefügten Män-
nerstimmen cbaracterisirl ungesucht die Situation, und
die kräftig- kecke Betonung, die kurzen Rhythmen, wie
die einfache, aber belebende Modulation vereinigen sieb,
diesem extensiv ziemlich beschränkten Chor eine inten-
sive Wirkung zu verleihen. Die kurze, düster gehaltene
Episode : „Schläfst noch, deiner Kraft vertrauend/ 4 hebt
den mllthig deeidirten Eintritt: „Wache aufl" nur um
so kräftiger hervor.
(Besehluss folgt.)
Nachrichten*
Prag. Unsere Oper brachte in der letzten Zeit durch-
aus keine Neuigkeit, nur eine neue Mise en seine von
Rossint s „Wilhelm Teil, " zum Vortneile des Herrn
Eduard Kunz, und wenige Taee nachher eine Reprise
derselben Oper zum Vortneile des sämmtlicben Chorper-
sonals, worin Dem. Ber gauer, Schülerin der Mad. San*
drini, in der Rolle der Mathilde einen theatralischen Ver*
such wagte, der als solcher recht erfreulich genannt wer-
den kann. Dem. Bergauer bat eine frische jugendliche
Stimme und für eine Anfängerin schon hinlängliche Co-
loratur, und (was sehr lobenswerte ist) intonirle, trotz
der natürlichen Befangenheit eines ersten Debüts, voll-
kommen rein. Auch in der mimischen Darstellung leistete
sie Alles, was man mit Billigkeit fordern kann. Die Oper
war — wenn wir Alles mit einander abwägen — bes*
ser als je besetzt, trefflich einstudirt, und fand einen stür-
mischeren und nachhaltigeren Beifall, als bei ihrer ersten
Erscheinung. Die Partie des Teil ist ganz für die reichen
Mittel des Herrn Kunz geeignet, und eben so passen die
Herren Schütky und Strakaty vollkommen zum Gessler
und Walter Fürst. Die wichtigsten neuen Besetzungen
waren Arnold von Melchthal und Hedwig mit Herrn Damke
und Dem. Schwarz, welche Letztere die kleine Rolle der
Frau Teils durch ihre schöne Stimme und ausdrucksvol-
len Vortrag zu einer ungewohnten Wichtigkeit erhob.
Herr Damke Hess hier und da etwas mehr Kraft zu
wünschen übrig, zumal in dem grossen Schlussterzett des
zweiten Actes wurde er von den Herren Kunz und Stra~
katy mehr als wünschenswert!) gedeckt; doch muss die
Durchführung dieser schwierigen Partie als ein lobens-
wertber Fortschritt auf seiner Kunstbahn anerkannt wer-
den, und vorzüglich gut trug er die Gefühlsmomente vor.
Auch Dem. Kbkert (Gemroy), die sonst in der ernsten
Oper nicht recht am Platze steht, hatte ihre kleine Rolle
fleissig studirt, und intonirle reiner als gewöhnlich. Mad.
Podhorsky nnd Herr Emminger hatten aus Gefälligkeit
die unbedeutenden Partieen der Schweizerin, welche die
Tanzlyrolienne singt, und Rudolph des Ha r ras übernom-
men. Die Chöre gingen gut zusammen und die ganze
Vorstellung muss eine gelungene genannt werden.
Von Operngästen sahen wir in der letzten Zeit drei :
Dem. SHehl vom k. k. Hofoperntheater nächst dem Rfirnth-
nertbore, Dem. Löwe aus Hamburg, und Dem. Steydler
aus Lemberg, von denen jedoch keine eine besondere
Sensation machte. Dem. Diehl y welche nur eine Gastrolle :
Romeo in den „Montecchi und Capuletti," gab, hat einen
recht angenehmen Mezzosopran, und scheint auch bereits
einige Kunstbildung zu besitzen 5 doch reicht diese nicht
aus, in eioer Partie bedeutend zu effectuiren, die wir
von den ersten Gesangkünstlerinnen gehört haben, und
sie wurde im Gesänge von Mad. Podhorsky sehr verdun-
kelt, welche zwar nur aus Gefälligkeit die Partie der
Giulietta übernommen, dieselbe jedoch trotz ihrer vorge-
rückten Jahre mit einer überraschenden Virtuosität durch-
führte. Im Spiele scheint Dem. Diehl sich Mad. Schröder-
Devrient zum Vorbild genommen zu haben, ohne jedoch
(Gottlob !) die volle Vehemenz des Romeo dieser berühm-
ten Künstlerin zu erreichen. Dem. Steydler gab nur zwei
Rollen : Lucia in der „Braut von Lammermoor," und die
Agathe im „Freischütz." Dem. Steydler besitzt eine kräf-
tige Stimme von bedeutendem Umfange, zumal nach der
Höbe, und bat sich bereits eine bemerkenswerthe Virtuo-
sität angeeignet, In der ersten Partie schien sie jedoch
519
1844. Juli. No. 31.
»20
Ton einen Lampenfieber befallen, das zwar ihrer Beschei-
denheit Ebre macht, der Entfaltung ihrer Mittel» nnd be-
sonders der reinen Intonation aber dermaassen Eintrag
that, dass sie erst im dritten Acle einigen Effect hervor-
bringen konnte, nnd anch das Publicum (wohl überdrüssig
der zum Tbeil mittelmässigen Anfängerinnen, die ihm seh
einem Jahre vorgeführt worden sind) bebandelte die De-
bütantin mit einer Strenge, die eben nicht geeignet war,
ihre Befangenheit zu lösen. Ihre Agathe war, besonders
in Bezng auf den Gesang, eine treffliebe Leistung und er-
warb ihr eineso lebhafte Theilnahme, als bei einem lee-
ren Hause möglich ist. Der Freischütz, vielleicht schon
ein paar hundert Male gegeben, wandelte eines Theils
schon in diesem Jahre mehrmals über die Breter, andern
Theils sind auch die übrigen Rollen nicht besonders be-
setzt, und er hat aufgebort, ein Liebling des Publicums
zu sein.
Dem. Löwe sahen wir bisher in fünf Gastdarstel-
lungen, Agathe im „Freischütz/* Röschen im „Faust"
(zwei Mal), Donna Anna im „Don Juan," und Alice in
„Robert der Teufel." Sie hat eine recht angenehme bil-
dungsfähige Stimme, doch scheint sie noch sehr Anfänge-
rin zu sein, weshalb sie auch in der Partie des Röschen
den meisten Beifall fand und verdiente. Mad. Podhorsky
war trefflich als Kunigunde, Herr Damke als Hugo sehr
schwach, nnd, wie es schien, noch von einer früheren
ünpässlicbkeit angegriffen. Agathe verlangt schon mehr
Studium, Gesang- und Bübnenkennlniss, als Dem. Löwe
sieb bisher erworben, und Donna Anna und Alice sind
Aufgaben, die man von einer Anfängerin nicht verlangen
kann, und wenn Dem. Lowe als solche auch alles Mög-
liche leistete, so reichen doch ihre Kräfte für Partieen
von solcher Wichtigkeit nicht aus. Mad. Podhorsky, die
sich seit ihrer letzten Krankheit neu belebt und verjüngt
zu haben scheint; zeigte sich als Elvira und Isabelle im
vollen Glänze, und besonders war „Robert" eine recht
gelungene Darstellung. Herr Kunz war immer ein guter
Bertram, und Herr Emminger gab den Robert, der zwar
seine physische Kraft übersteigt, doch besser als je. Herr
Damke war auch für den Raimbaud noch zu schwach.
Dem. Emilie Hopstein , Schülerin des Herrn J. Gentil-
uomo in Wien, sang in den Zwischenacten von „Chri-
stoph und Renate" eine Arie aus „Linda von Chamou-
nix" und die berühmte Tyrolienne von Beriot, schien
aber von einer so Ungeheuern Bangigkeit ergriffen, dass
es unbillig wäre, über ihre Stimme und Gesangbildung
abzusprechen; wir versparen uns daher ein Urtbeil bis
nach einer spateren ruhigeren Leistung.
Die zwei musikalisch «humoristischen Academieen mit
dramatisch -komischen Dagoerrotypen des Herrn Dr. F.
fViest (Begründers der Zeitschriften: „Die Eisenbahn" in
Leipzig und „Das Rheinland" in Mainz — so meldete der
Theaterzettel — ) brachten auch einige Gesangnummern,
die mehr Theilnahme erregten, als die humoristischen
Vorlesungen, launigen Vorträge, Capriccio'*, al fresco-
Contouren und Dagoerrotypen des Concertgebers. Mad.
Podhorsky sang in der ersten Academie die oben er-
wähnte Tyrolienne von Beriet (für die Malibran als Ein-
lage zum „Elisir d'Amore" geschrieben) und in der zwei-
ten die grosse Arie aus „Com fan tutte" mit einer bril-
lanten Kunstfertigkeit und Kraft. Fanatiseher Beifall und
dreimaliger Hervorruf war ihr Lohn. Man spricht seit
einiger Zeit von der Pensionirung der Mad. Podhorsky,
während es wohl manche deutsche Hofbühne gibt, die
keine solche Prima Donna besitzt! Die Direelion möge
sich nur in Acht nehmen, sie nicht zu schnell hinter ein-
ander in angreifenden Partieen zu beschäftigen, und un-
sere Bühne kann sich noch lange dieses Gesangjuwels
erfreuen. Ein Gleiches gilt von Herrn Emminger, der
neulich im dritten Acte der „Braut von Lammermoor"
bewies, was er vermag, wenn er nicht zu sehr ange-
strengt wird. Als Herr Damke engagirt wurde, glaubten
wir, es geschähe, um den älteren Sänger zu schonen;
leider aber wird Herr Damke nach jeder Production krank,
und es scheint fast, Herr Emminger sei da, ihn zu un-
terstützen. Diese Rücksicht macht es auch erklärlich,
warum die Direction Diesem, und nicht Jenem, die Par-
tie des Arthur in der „Linda di Chamounix" zulheilte,
da es für eine neue Oper bei unserm Publicum sehr un-
vorteilhaft ist, wenn sie nicht öfter hinter einander ge-
geben werden kann. Dem. Bergauer sang ein nichtssa-
gendes Lied von £. Titli „Antwort" recht hübsch, aber
das grosse Männerterzett aus „Wilhelm Teil" ist zu dra-
matisch auf die Stelle berechnet, an welcher es im Gan-
zen steht, um in ein Concert zu passen. Nicht minder
unpassend war in der zweiten Academie die Scene und
Duett aus Belisar (der Scbluss des zweiten Actes), von
Herrn Kunz und Mad. Podhorsky trefflich vorgetragen
und, wie jenes, mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Aus-
serdem sang Herr Kun* in der ersten Academie den
„Trompeter" von Speyer, in der zweiten „Hakans Lied"
aus fraltpr Scott* s „Piraten" in jener Art und Weise,
wie er Lieder vorzutragen pOegl, und mit der ich mich
einmal nicht zu befreunden vermag. Es ist Alles zu grell
und colossal für die sinnig zarte Liedesform. Dem. 2W-
ner sang ein Lied von Bücken mit schwacher aber an-
genehmer Stimme und gulfer Methode, und Herr Emmin-
eer das ßeethovenache Lied: „Neue Liebe, neues Le-
ben," Beide mit beifälliger Aufnahme.
Eine Salonunterbaltung der Sopbieenacademie im
Platteissaale, grossentheils aus Vocabtücken bestehend,
bot mehrere sehr interessante Nummern dar. Den An-
fang derselben bildete der 128. Psalm von Spohr, worin
wir die erfreuliche Bekanntschaft einer neuen Dilettan-
tin mit jugendfrischer angenehmer Stimme und richtigem
und geschmackvollem Vortrage, Dem. Marie Hübsch,
machten. Die Begleitung bildete, statt der Orgel, die Pbya-
harmonica (von Herrn Ast gespielt), Violoncello und Con-
trabässe. Das Goethe sehe Gedicht: „Frühzeitiger Früh-
ling," von Mendelssohn Bartholdy als Quartett beban-
delt und von Mad. Podhorsky, Dem. Macassy nnd den
Herren Strakaty und Emminger gesungen, fand reichen
Beifall, und beinahe noch mehr sprach das Gesangstück
von Hiller: „Lenchen" an, worin Fraul. Grünwald in
der Solostimme im vorteilhaftesten Liebte erschien. Auch
unter den Chören glänzte Mendelssohns „Türkisches
Schenkenlied" (welches wiederholt werden mnsste), und
ausserdem hörten wir noch Veit'* „Morgendämmerung"
und „Die böhmischen Jünglinge" von Director Jeh.
Skraup. Eine herrliche Motette von Palestrina: „Loqoe-
521
1844. Juli/ No. 31.
bantur Apostoli," wir freilich mehr auf die Kenner be-
rechnet, doch erfreute eich auch mancher anwesende
blase Musikliebhaber daran. Die Trefflichkeit der Chöre
dieser Anstalt ist bekannt, und da ancb die Wahl und
Ausführung der Soli meist untadelbaft war, so muss die-
ses letzte diesjährige Concert zugleich unter die erfreu*
liebsten musikalischen Unterhaltungen des Jahres gerech-
net werden.
Früklingsstagione in Italien.
(Fortsetzung.)
Ferrara. Kleine, zum Theil abgenutzte Helden, dar-
unter ein bedeutender Riese, bildeten das Sängerpersonal
der Stagione. In Verdi's Nabucodonosor war die Schie-
roni-Nulli nebst dem Bassisten Del Biccio (Titelrolle) die
vom Publicum begünstigteste, Tabellini alsZaccaria leidlich,
Tenor Zilioli = Ismaele und die Manelli = Fenena so
so. Natürlicherweise fanatisirte hierauf nurgedaebter Riese,
eio gewisser Donzelli, als Bravo in Mercadante's Oper
gleiches Namens die von allen Seiten herbeigeeilten Zu-
hörer. Der schon ziemlich betagte Mann, der einzige noch
lebende Tenore serio aus der alten italienischen Schule,
schien nach einer 22monatlichen Pause um 22 Jahr jün-
ger und wirkte sogar vortheilbafl auf seine Collegen. So-
wohl die Schieroni, als die zum ersten Male die Bühne
betretende Marietta Gresti, mit hübschem umfangsreichen
Sopran, Zilioli, Del Riccio, alle Vier wurden mehr oder
weniger applaudirt. Rossini kam einmal eigens aus Bo-
logna hieber, um seinen alten grossen Freund zu boren,
und wurde bei seinem Erscheinen im Theater mit Jubel
empfangen.
Bologna. Hätte diese Stadt keine zu erwähnende
musikalische Neuigkeit diesen Frühling gehabt, so hätte
sie £anz übergangen werden können, denn die Sänger....
Domzetti's , wie bekannt ursprünglich zu Paris franzö-
sisch componirte, Figlia del Reggimento machte auch darum
Fiasco, weil die hiesigen Zuhörer nach langem ernsthaf-
ten Nachgrübeln die Musik für nicht italienisch erklärten.
Capellettts neue Opera buffa : 11 Sindaco burlaio fiel
ganz durch ; man versuchte Reparationen, Amputationen,
doch vergebens. In der zweiten Hälfte Juni's gefiel be-
sagte Figlia del Reggimento zum Erstaunen Aller mit der
Gesellschaft von Ostiglia (s. d.J.
Der treffliche Violinist Grassi gab im Privattbeater
der Principessa Hercolani eine musikalische Academie,
worin er mit einer Fantasie und Variationen über ein
Thema aus dem Piraten , und einem Capriccio von Be-
riot über ein Beethoven'sches Thema ungemein starken
Beifall einerntete.
Der zu seiner Zeit bekannte Bassist Michele Ca-
varra ist hier am 5. März, 68 Jahr alt, gestorben.
Grossherzogthum Toscana.
Flore** (Teatro Pergola). Dieses vornehmste Theater
der Hauptstadt begann mit einem Quasifiasco. Speranza's
Opera Saul, die freilich mehr der Fas}e als der lachen-
den Frühlingszeit angehört, ist eine kärgliche Alltags-
speise^ die Prima Donna Gaszaniga — gar kein Welt-
wunder, Tenor Gastellan nnd Bassist De Bassini — tole-
rantur. Während man Donizetti's Elisir auftischte, langte
aus Venedig die Frezzolini mit ihrem Gatten, Tenor
Poggif * D > schnell änderte sich Alles; sowohl Mercadan-
te's Bravo, als Verdi's Lombardi versetzten die Zuhörer
in ein Delirium von Beifallsbezeigungen nnd Fuora's. Nicht
Senug: auch Verdi's Ernani lief am 20. Juni über die
reter; Aufnahme ganz dieselbe.
(Teatro Leopoldo.) Donizetti's Don Pasquale ergötzte
auch als Musik nicht. Die Berti - Gabussi (s. oben Gaz-
zaniga), Tenor Vietti, Bassist Bartolini und Buffo Scheggi
thaten ihr Mögliches; Letzterer war freilich der Beste.
Ricci's Chi dura vioce machte bald Rossini 's Barbiere di
Siviglia Platz, worin Herrn Scbeggi's Gattin kaum ge-
nügte. Alle drei Opern machten nicht kalt und nicht
wann.
(Teatro Borgognisanti.) Die zum sechsten Male hier
singende Ciotti - Grossoni gefiel abermals als Beatrice in
Bellini's Oper dieses Namens; die Galeni gab die Agnese,
Bassist Cavalli den Filippo und Tenor Cortopassi den
Orombello, für dies Theater mehr als befriedigend. Ric-
ci's lustige Esposti vertrieben bald die traurige Beatrice,
und die Zuhörer waren damit höchst zufrieden ; weit we-
niger mit Donizetti's nachher gegebenen Esiliati in Si-
beria, worin der Buffo Bigazzi wirkte. Nach dem
Teatro Piazza vecchia verirrte sich Bellini's Son-
nambula, und mit welchen Sängern !
(Teatro Cocomero.) Hier war sogar Gratisoper. Die
Signora Principessa Elisa Poniatowsky, die Marchesa
Zappi, die Signori Principi Carlo und Giuseppe Ponia-
towsky, nebst den Cavalieri Ippoliti und Pellegrini tru-
gen auf eigene Kosten Donizetti's Linda di Cbamounix
vor. Zu einem Delirium, wie es auf der Pergola (s. d.)
Statt hatte, gesellten sich hier noch Freudenthränen in
der grössten Menge.
Livorno. Verdi's Lombardi, worin die exotische we-
nig sagende Prima Donna Lagrange, die Tenore Solieri,
Manfredini und Bassist Zucchini wirkten, erfreuten sich
hier ebenfalls der besten Aufnahme. Das Terzett hat so*
gar wiederholt werden müssen, und da das Publicum ganz
ausser sich vor Freude dabei war, und mitunter stark
heulte, so hat diese Oper auch ohne Weiteres Furore ge-
macht. Ein sehr musikalisch gebildeter Benedictinermönch,
der schon von Verdi's Nabucodonosor nichts weniger als
erbaut das Theater verliess, erstaunte ganz und gar beim
Anhören dieser Lombardi über ihre ausposaunte Superla-
tive Vortrefllicbkeit. Dass Rossini's Cenerentola hierauf
eine laue Aufnahme gefunden, war vorauszusehen. Man
schämt sich wohl, es zu sagen, aber Rossini scheint jetzt
ein Maeslruccio (ärmlicher Maestro) im Vergleiche mit
Verdi. — Die Aogri, welche die Cenerentola gab, Buffo
Zucchelli als Don Magnifico, Manfredini nnd Zucchini, er-
hielten zuweilen Applaus. Donizetti's Don Pasquale tru*
gar einen Fiasco nach Hanse. — Die Lagrange ist nach
Holland abgereist.
Pistoja. Ein unsichtbarer musikalischer Regen be-
fruchtet seit einigen Jahren zwei verschiedene italieni-
sche Staaten, die in Betreff der Maestri nie produetiv wa-
ren. Diese Staaten sind Sicilien und Toscana. Ersteres
erzeugte seit der neuen Rossini'schen Epoche: Mandanici,
525
1844. Juli. No, M.
524
Bellini, Coppola, Somma (langst ans Italien versohwnn-
den), Feodale, dazu noch den kaum in Sicilien gebornen
famosen Pacini ; Letzteres: Peraiani, Ucelli (Mad.), Cam-
pana, Gordigiani, Mabellini u. A. , nun Herrn Domenico
Maestrini ans Florenz. Wie Toscana aber in seiner glän-
zenden Kunstgeschichte musikalisch am Allerwenigsten
glänzt, so steht es noch heutigen Tags in Beireff seiner
neuen Maestri Sicilien weit nach. Bellini's Ruf ist be-
kannt; Coppola erwarb sich wenigstens einen Namen
durch seine Nina pazza per amore, Mandanici ist ein gu-
ter Maestro, und Somma's Musik hat einen gewaltigen
teutonischen Anstrich; Schade, dass der Mann für seine
Kunst, wie es scheint, ganz verloren ist! Herrn Mae-
strinfs neue Oper Margherita Pusteria in drei Acten,
mit einer gewöhnlichen Musik der beutigen Maestri mi-
norum gentium, hat einen grossen Lärm gemacht, auch
darum, weil der Dichter von hier gebürtig ist. Diese Mar-
gherita hat eben so, wie Verdi's Lombardi, eine Orgel
und ein Salve Regina, aber beide Kirchenstücke streiten
sieh in Betreff der Aermlichkeit den Rang ab. Die Sän-
ger (die Caracini, Tenor Vaccani, die Bassisten Puccini
und Pieri) thaten mehr, als ihr Mögliches.
Herzogthum Modena.
Reggio. Die diesjährige Fiera hatte das Glück, Do-
nizetti'8 im vorjährigen Frühling zu Wien componirte
Maria di Rohan zum ersten Male in Italien zu hören,
auch stark zu applaudiren. Die De Giulj Borsi, Tenor
Mjrate und Bassist Badiali (Letzterer wohl der Beste von
allen Dreien) bildeten für diese Stadt ein treffliches Ter-
narium. Nach 16 Vorstellungen gab man Bellini's lang-
weilige Beatrice diTenda, worin die Cosentini die Agnese
machte; Alles wünschte ein Meisterstück von Verdi da-
für zu hören, da aber der Impresario sich ausbedungen
hatte, eine alte Oper als zweite geben zu können, so
endigte die Maria di Rohan die Fiera - Stagione.
Herzogthum Parma.
Piacenza. Die von Coppola fur's Lissabonner Thea-
ter unlängst componirte Oper Giovanna I. di Napoli hat
mit einer leidlichen Musik auch hier gefallen, wozu die
aus dem Auslande zurückgekehrte Prima Donna Barili,
die Bassisten Torre und De Lorenzi sammt dem AnFän-
gertenor Bettini mehr oder weniger das Ihrige beitrugen.
Die Barili erhielt den meisten Beifall, und wurde mit dem
anwesenden Maestro, der seine Oper eigens in die Scene
setzte und — wohl gemerkt — für Italien stärker instru-
mentirte, am Meisten hervorgerufen. Da Coppola jedoch,
ausser seiner Nina pazza per amore, im Bei Paese um
so weniger Aufsehen macht, als seine Instrumentation
E wohnlich ebenfalls kein Aufsehen macht, d. h. nicht
mt, so gab man die Gemma di Vergy mit noch bes-
serem Erfolge. Zu ihrem Benefiz gab die Barili (Caterina)
die Norma, worin ihre Tochter Clotilde die Adalgisa sang.
Parma. Verdi's Lombardi (diese neue Sonne der beu-
tigen Maestri ist bekanntlich im Parmesanischen aufge-
gangen) machten ohne Weiteres Furore. Aber die junge
Boccabadati, in der Schule ihrer trefflichen Mutter erzo-
gen, Tenor Borioni, Bassist Constantini waren gewiss die
Causa remota dieses Furore. Es war vorauszusehen, dass
Donizetti's Maria di Rohan, worin auch die brave Alti-
stin Bertrand Theil nahm, nach der Musik des Lands-
mannes fast leer klingen würde; in der That machte sie
auch anfänglich wenig Eindruck, gewann aber mehr nach
der zweiten Vorstellung.
Königreich Piemont und Herzogthum Genua.
Turin (Teatro d'Argennes). Wie hat sich Rossini
überlebt I Noch vor zwanzig Jahren die italienische Sonne
in allen italienischen Theatern, ist er jetzt zur Londoner
Sonne daselbst erblasst. Hier hat diesen Frühling seine
Cenerentola, die allein all' seine Nachahmer demüthigt,
bedeutend gelangweilt. Campagnoli als Don Magnifico
wurde indess zuweilen beklatscht, weit minder die Prima
Donna Carobbi, .Tenor Pardini und Bassist Luisia. Im
nachher gegebenen Turco in Italia, worin die Artimisia
Campagnoli zum ersten Male die Bühne betrat, ging es
nicht viel' besser; die neue Prima Donna, hiess es, sei
unpässlicb, und sie fand daher Aufmunterung. Zum Er-
staunen aller Renner war Coppola's Nina pazza per amore,
worin abermals die Carobbi sang und ein neuer Tenor
Ancarani zum ersten Male die Bühne ebenfalls mit Auf-
munterung betrat, weit glücklicher; das Klatschen paarte
sich mit dem Hervorrufen. Damit es aber ja nicht beisse,
Coppola habe Rossini in den Sack gesteckt, ritt Cam-
Ehgnoli auf seinem Stockenpferde, dem Barbiere di Sivig-
a, in vollem Galopp daher, und gab den Figaro, beson-
ders als Acteur, recht brav; Tenor Pardini und seine
Schwester Assuuta (als Rosina) so so. Ein hier gebürti-
ger Richiardi, der als D. Bartolo zum ersten Male die
Bühne betrat, ist ein besserer Grimacier und Tänzer, als
Sänger. Deu Scbluss der Slagione machte Norma.
Alessandria. Melpomene reichte hier der Thalia zu-
weilen die Hand,, und die in dieser Stadt gebürtige Prima
Donna Giuseppina Roccatagliata, von der weiland einge-
gangenen hiesigen Accademia Filarmonica, die kaum vo-
rigen Carneval ihre Laufbahn begann, sang zuweilen
Stücke von Donizetti, Bellini u. s. w. in den Zwiscben-
acten der hier wirkenden Schauspielergesellschaft mit
vielem Beifalle.
Astu Fioravanti's verhunzter Pulcinella, mit dem
oberitalienischen Namen Columella, machte Glück. Herr
Giuseppe Torri, als Protagonist, war die Zierde des Gan-
zen ; die Prima Donna Giordani, die Altistin Carlini, Te-
nor Personi und Bassist Olivari glänzten minder, trugen
aber zum Gelingen des Ganzen vorteilhaft bei. Gleich
gute Aufnahme fand Donizetti's wenig sagende Regina di
Golconda.
Voghera labte sich halb uud halb an der Regina di
Golconda, aber weder die Mahigani und Tenor Ferrari,
noch der Buffo Bastogi-Mugnai u. s. w. konnten den Vir-
tuos! der vorigen Rubrik gleichgestellt werden. Ricci's
Chi dura vince, mit einem eingelegten neugebackenen
Duette von einem gewissen De Antoni, ging besser.
Tortona. Eine grosse Begebenheit I Der vielleicht
sehr bald weltberühmt werdende Verdi hat hier zum er-
sten Male den schon längst weltberühmten Donizetti aus
der Scene verjagt. Als der Nabocodonosor des Erstem
ungef|hr dreissig Male mit rauschendem Beifaile die ßre-
KQit
1844. Juli. No. 31.
526
ter passirt hatte, erschien darauf der Marino Faliero des
Zweiten, musste aber schnell dem Könige von Babylon
den Platz räumen. Die hübsche Belloni bat eine gute Ge-
sangmethode, ist aber schwach in den Mittel- und tie-
feren Chorden ; sowohl sie, als Bassist Polani (der Beste
der Gesellschaft) fanden den meisten Beifall; weit min-
der die Comprimaria Cellini- Gioniva, der Altro-Basso
Dalbesio mit starker Stimme und keiner guten Schule,
und Tenor Lattuada, dessen Part auch unbedeutend ist.
Savona. Die Sarazin, die hier vorigen Carneval in
zwei Opere Serie so sehr gefallen, interessirte auch die-
sen Frühling als Buffosängerin in Fioravanti's Columella.
Bufb Zambelli (Titelrolle) belustigte, und der Bassist (auch
Maestro) Parodi entzückte gar die Zuhörer. Der Narren-
chor und das Terzett der drei Buffi (Zambelli , Gabetli
und Dnchaliot) waren jedoch in der ganzen Harlequinade
die geniessbarsten Stücke. In Rossini's Barbiere di Si-
viglia und Donizetti's Don Pasquale waren die Sarazin
und Zambelli die Begünstigtesten, aber die Musik der letz-
ten Oper zog, freilich nach dem Barbiere, nur wenig an.
Genua. Herrn Nini's ursprünglich für hier compo-
nirte Virginia, die seither auf anderen Theatern Italiens
nirgends gefiel, machte abermals Glück; sie hatte auch
im Ganzen bessere Sänger , als ehemals. Die für die
Löwe von dem anwesenden Maestro eigens componirte
Cavatine, ihre Romanze, Roppa's Arte machten beinahe
Furore, desgleichen das Duett zwischen der Löwe und
dem französischen Bassisten Derivis. Nachdem Donizetti's
Gemma di Vergy mit der Anfängerin Parodi, dem Tenor
Bianchi und den Bassisten Leonardi und Guido einen %-
Fiasco nach Hause trug, gab man Mereadante's Reggente,
worin kaum der dritte Act anzog, und in welchem die
Löwe, Tenor Roppa und Bassist Derivis sich besonders
Ehre machten. Die beiden ersten Acte ohne allen Ge-
sang lärmen ausserordentlich, und vor lauter Kreuzen
und Been möchte man das Sehen verlieren. Schade, dass
die Löwe ihre Stimme nicht beherrschen mag, wodurch
sie zuweilen an Reinheit verliert. Die Buccini zeigte in
der Rolle des Oscar guten Willen. Die Remorini als Meg
hat blos eine einzige Scene, deren Musik ganz und gar
nicht bebagle. Ein nagelneuer Maestro Giovanni Anto-
nio Taddei beglückte Ende Mai's die Zuhörer mit der
neuen Oper Giovanna L Regina di Napoii, zu welchem
Buche bereits andere Maestri die Musik componirten. Die
Löwe, Tenor Roppa und die Bassisten Derivis und Leo-
nardi tbaten Alles, um das tägliche Brot geniessbarer zu
machen, deshalb passirte das Ganze; man gab aber bald
Verdi's Ernani mit einem ganz andern Gaudium.
Dem. Bertucati treffliche Harfenspielerin und leid-
liche Sängerin, gab hier eine Instrumental- und Vocal-
academie, in welcher sie sich mit einem spanischen Not-
turno und einer Fantasie über verschiedene Motive aus
Robert le Diable auf ihrem Instrumente, sodann in meh-
reren Stücken aus Opern von Pacini, Donizetti, Verdi,
Meyerbeer mit vielem Beifalle hören liess.
Lombardisch- Vene tianisches Königreich«
Mailand (Teatro alla Canobbiana). Die französischen
Schauspieler halten stets leere Tbeatercassen. Später wech-
selte die Oper mit ihnen ab, allein die Casse gewann
sehr wenig dadurch. Eine nicht üble angehende Prima
Donna Virginia Viola (s. Brescia), Tenor Bozzetli, Buffo
Galli (Vincenzo), Bassist Buffo Cäfalano gaben Donizet-
ti's Olivo e Pasquale mit wenig Glück. Rossini's Bru-
schino ein einziges Mal, seine Cenerentola hingegen, worin
der Bariton Gio. Corsi, der vorigen Herbst auf dem Am-
sterdamer Theater sang, mitwirkte, mehrmals und mit
etwas besserm Erfolge.
(Teatro Re.) Herr Lauro Rossi, der mit seiner Gat-
tin, der Prima Donna Ober(meyer), unlängst aus Amerika
zurückkam , arbeitete seine vor wenigen Jahren für die
Scala komponirte Opera buffa: La casa disabitata, hier
unter dem Titel: I falsi monetarj um, und fand auch den
meisten Beifall in der ganzen Stagione. Ohne eben auf
besondere Eigenheit Anspruch zu machen, bewährt Herr
Rossi einiges Talent für die Opera buffa. Diese Casa dis-
abitata (ursprünglich von Ricci und Caraffa unter dem
Namen Sonnambolo, auch von andern Maestri mit dem
Titel Euticchio e Sinforosa, unlängst von Persiani zu
Paris mit dem Titel Fantasma in Musik gesetzt) wurde
besonders von der Prima Donna Riva-Giunti und dem
Buffo Soarez trefflich vorgetragen. Die Riva als Sinforosa
sang die ganze Rolle, da capo a fine „wie eine alte Frau"
köstlich. Der Dichter Euticchio, ihr Gatte, wurde vom
Buffo Soarez ebenfalls gut gegeben. Tenor Landi und
Bassist Waller machten ihre Sache leidlich. Die beiden
altern Opern, II sogno punitore von Gerli, und Paolo e
Virginia von Aspa, fanden keine gute Aufnahme ; Donizet-
ti's Regina di Golconda, worin eine Anfängerin Vegliardi,
Tenor Zinghi, Buffo Soarez und Bassist Giunti wirkten,
eine etwas bessere Rossfs neue Oper, // Borgomastro
di Schiedam, steht wohl seinen vorbenannten Falsi mone-
tarj ziemlich nach. In der darauf folgenden neuen Oper
Ciarice Visconti vom neuen Maestro Giuseppe Winter
(Sohn des einst bekannten Tenors Berardo Winter , ei-
gentlich Calveri), einer Pastete der beutigen musikali-
schen Pasteten, gab es einen Wetteifer von Fiasco und
Aufmunterung. Zuletzt wurde auch Donizetti's Campa-
nello zur Abwechslung mit andern Acten der vorigen
Opern aufgetischt.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Die in Brüssel bestehende Sociale de la grande Harmonie hat
auch dies Jahr am 7. Joli wieder ein grosses Wettgesaogfest zu
Gent in der Universitätsaula gegeben. 15 Vereine mit 428 Sän-
gern nahmen daran Tbeil ; den Preis» den heim vorigen Feste die-
ser Art zn Brüssel die Aachener Liedertafel errang, trag diesmal
der einzige Theil nehmende ausländische Verein, der Cülner Män-
nergesa ngve rein, davon. Mit 48 Sängern war er in Gent eingetrof-
fen, und einstimmig erkannten ihm die Preisrichter den Preis na,
bestehend in einer grossen goldenen Medaille und 200 Franken. Letz-
tere Summe wurde den Cölner Armen übereignet % für die Genter Ar-
men gab der Verein am folgenden Tage noeh ein sehr besachtes Coneert.
Der Mainzer Tbeaterdireetor Hernie ist mit seiner Operage-
sellschafl und einigen anderen Künstlers (Mad. Pirtcher, Herr
Reichet ans Darmstadt n. A.) nach Gent gereist und hat daselbst
mit immer steigendem Beifalle mehrere Opernvorslellungeo gege-
ben. Conradin Kreutzer and Gan* dirigiren ; der Chor ist besoo-
827
1844. Juli. No. 31.
528
den ausznztiehaeo.
sei geben.
Vm Gent wollte die Gesellschaft »«eh Brim-
Am 1. ood 2. Juli ist das MasikTcst so Liibtok toi 21 Lie-
dertafeln mit ungefähr 400 Sängern gefeiert werden. — An 7.
Juli fand zn Freising ein baierisches Gesangfest Statt; 15 Lieder*
tafeln, mehr als 400 Sänger nahmen daran TbetI, die Leitung war
in den Händen des Herrn Kunz, Direetors der Freisinger Lieder-
tafel. — Am 13. uod 15. Juli vereinigte die Peier des aerd deut-
schen Liederfestes eine frohe Menge von Singera und Hörern in
Hameln. Die Hanptaafföhraag in der Kirche brachte u. A. B.
Klein* „Herrlich ist Gott," Stücke an t seiner Messe, des bekannte
„Haitot Fraa Mnsica In Eh reo.* 4
Die deotsebe Oper in St. Petersburg (ebenso wie das deut-
sche Schauspiel daselbst) wird im Laufe des jeteigen Sommers
ganzlieh aufgelöst.
Die Aecademia di Santa Cecilia ia Rom — bekanntlich eines
der ersten Musikcooservatorieo in Italien, dem Spontini, Ressini,
Bellini u. ▼. A. aenere Meister einen guten Theil ihrer Bildung
verdanken — bat den Konig tob Baiern und aeiae Gemahlin zu
Ehrenmitgliedern ernannt.
A n k ttndig n n g e Ho
Im Verlage der Uaterueichnetea werden seit Eigcathnmsrecbt
erscheinen:
Wir. Chopin
Denx Nocturne« poar le Piano. Op. 88.
Trolft IHaiurküS pour le Piano. Op. 86.
Leipzig, den 24. Juli 1844.
Breltkopf <* Hftrtel.
So eben erschienen in der SchlesAnsrer'schea Buch- und
Musikalienhandlang ia Berlin und sind durch alle solide Musik-
und Buchhandlungen au beziehen:
Bmmslnt, Variatioas brül. sur Marie» Alle da reg. p. Violon
ar. Piano. Op. 17. I Thlr.
Final du 2 Acte d'Obcroa de Weber p. Violon ar. Piano.
Op. 17. 28 Sgr.
Herlloz, Carneval romain. Ouvertüre caract. p. Piano a 4 nsaias
p. Pixis. t Thlr.
COljuratll, Erste uad sweite Zigeuner- Polka f. Orcb. I. 28 Sgl.
II. i Thlr. dito f. Piano No. I. 8 Sgr. No. 2. 7* Sgr,
Bamcke. Gavatine de Lucia di Lammennoor, vsriee. Op. 20.
28 Sgr.
Dotiler, Brillante Polka p. Piano. Op. 80. J Thlr. Fantaisie
sur La Fayoritc p. Piano. Op. 8t. 1 Thlr.
Guiis£»l, Catharinen.Polka u. Ungar. Originalmarack fer Orcb.
I Thlr., für Piano a 8 Sgr.
— — Mädchen-Träume. Walser f. Piano, f 2£ Sgr., für Orcke-
ster 1 1 Thlr.
Ctatnffl'« Kriegers Lust 8 Sgr. OberUadler 7# Sgr. Rondos w.
Damcke. Op. 22.
Hert'l, Modenspiegel- Walser f. Piano. 121 Sgr., für Orchester
(Manuscript) i Thlr.
Hers« Divertissement du Ballet Ladr Henriette p. Piano. Op.
4i. tThlr.
Lied aus Kock u. Gaste „Liebe, Liebe is mich nffthig." 8 Sgr.
Jahn'«, In die Ferne. Am Strande. 2 Lieder. Op. 27. a 7) S#r.
Kuanimier? Morceau de Goncert sur La Sonuambula p. Violon-
Celle avec Orcb., Quataor ou Piano. Op. 76. h 2—1 Thlr.
KÜelten, Die Botschaft, f. Gesang u. Piaao. Op. 42. 17* Sgr.
"tMhrmm, 5 deutsche Lieder f. Piaao allein. Op. 10. Wiegen-
lied t. Küchen. Willkommen t. Garsehmann. Treu ▼. Marach-
aer. a 10 Sgr.
IilflKt. Heroischer Marsch im ungar. Styl f. Piaao. } Thlr.
i Ungar. Starmmarecb f. Orcb. I| Thlr., dito f. Piaao, Fao
simile netto i Thlr.
Iiaubtlm, Romance du Torneo p. Vloloa a?. Piaao. i ThJr,
MendelMOhii Bmrtnola1y f 3 AUegros p. Piaao. No. 3.
tire de la »• Sinfonie. 1 Thlr.
Mosekele«, Fetls, Rullmll. Practiscber Theil der Me-
tbede des Pkttofortesplels. Heft VII, VIII, IX. Sabscr. - Preis a
| Thlr. (Ladenpr. I Thlr.)
Sekmflfol», Heitere Lieder f. 4stimmigea Männergesang. Op. 8.
Heft IV. Soaafngarriter. } Thlr. HeftV. Feine Gesellen. 10 Sgr.
Rauher und Bacchanale f. Bariton od. Boss. Op. 10. 12* Sgr.
Steril, Liebst du um Schönheit. Für Mesxo- Sopran od. Bari-
ton. Op. 2t. 10 Sgr.
Sammlung Ton Marschen der R. Preuss. Armee. Für Infan-
terie No. 128. t Thlr. Für GaTallerie No. 34—36. a£-IThlr.
Weber, V. M. V., OureHere na rVecieea. Partitur I J Thlr.
WolaT, La Bobesaieaae. Gr. Polka p. Piaao. Op. 102. = Thlr.
Neue Musikalien
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Cfcwatal, F. X., Op. 47. Fantaisie brillante sur les Melodien
egreables de F. Kucken: „Es wehen vom Ufer die Lulle." —
„Fliege, Sohiffieia darch die Rosen." — „Treibe, treibe Schiff-
lein schnelle/' — ,,0 wie schön zum Hörnerklang. " — „Spa-
zieren wollt* ich reiten/' avec Variatioas pour Piano. Noovelle
Edi(ion, rerue et eorrigee. 18 Ngr.
ILempt, F. A», Op. 4. Zwei ? ierstuamige Mannergeeange. Par-
tur und Stimmen. I Thlr.
Hucken 9 F* 9 Op. 8. Hochzeit* - Walzer, brillant und beson-
ders geeignet , in Gesellschaften vorzutragen , für Piaaoforte.
Neue, Ter besserte Auflage. 10 Ngr.
— - Op. 14. Lieder und Gesinge für eine Singstimnae mit Gui-
tarre. 18 Ngr.
Sehtaanann, JDr* K»> Op. 49. Romanzen und Balladen für
eine Singstimme mit Pianoforte, Heft 2, enthaltend: Die beiden
Grenadiere, Ton B. Beine. Die feindlichen Brüder , tou B.
Heine. Die Nonne, Ten FrthUch. 18 Ngr.
Im meinem Verlage erscheint mit Eigentumsrecht
Htthmler« TK*. Trois Nocturnes, pour Piano seul. Op. 82.
No. I. 2. 5.
WolsY, 1% Den* Nocturnes pour Piaao. Op. 102.
Deux Valses brill. pour Piano. Op. 103.
Leipzig, dea 28. Juli 1844.
C* F« l*eter», Bureau de Musique.
An die verekrlkhen Hof- ud Stadt-Theater-Directio-
n6B Deutschlands.
Der Unterzeichnete erlaubt sieb hiermit, seine am 22. April
dieses Jahres zum ersten Mal im Theater Drury Lnae aulgerukrte
grosse Oper „Hie Brasiite TOU Veaeellff" welche bis
Bade der Saison, 51. Mai, drtiundzwanzig Mal feit steigendes*
Beifalle wiederholt werde., ia ihrer deutschen durch Carl Klinge-
mann ganz umgearbeiteten Form den Buhnen seines Vaterlandes
anzutragen. Das vollständige Textbuch and die Partitur werde« Mitte
September zur Auslieferung bereit sein, und können rechtmässiger
Preise ausschliesslich nur von. «lern Compenisten erlangt werden.
Julius BenMellt*, Capelimeistcr des köeigL Tbeaters
Drury Laoe, 2. Manchester Saaare, London.
Druck und Veriag von Breükapf und Bärtel ia Leipzig ud unter deren Verantwortlichkeit.
529
330
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 7*" August.
M 3».
1844.
Inhalt t Reeensiom Der Fall Babylons. (Beschlow.) — Nachrichten. Grosser Gesaogconcnrs zn Gcot and der Mao nergeaaog verein von
Cölo. FrShiiogaopera in Italien. ^Fortsetzung.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Recension.
Der Fall Babylons, Oratorium in zwei Abiheilungen, nacb
dem Englischen u. s. w.
(ßesch lug».)
Wie überhaupt dies Oratorium eine reiche Abwech-
selung der Situationen, meist in entschiedenen Gegensä-
tzen, darbietet, so folgt auch hier wieder der kriegeri-
schen Aufregung ein Gebetehor, der in seiner Form man*
ches Eigentümliche bat ond mit grosser Umsieht ange-
legt und groppirt ist. Sehon die Misebung der versehe-»
denen, sich ungezwungen durchdringenden Rhythmen (%
and %) ist der Absieht des Componisten, den cantus
firmus gegen die begleitenden Stimmen hervortreten zu
lassen, sehr günstig. Hätte es ihm gefallen wollen, diese
begleitenden Stimmen etwas eonsequenter und also ein-
facher und fasslicher zu gestalten, so wurde sein Zweck
noch sicherer erreicht worden sein und der wirklich edel
gehaltene cantus firmus durch eine solche bestimmte Um«
gebung noch gewonnen haben, während diese jetzt oft
nur zufällig erscheint. Nach dem ersten Cborschluss in
As dur treten überraschend vier Solostimmen mit der Har-
monie Edor hinzu (nur andeutend vom Orchester beglei-
tet), wodurch das Ganze ein neues und doch mildes Le-
ben gewinnt. Der Uebergang nach Es dur, durch den Ein-
tritt des Chores noch mehr hervorgehoben, ist ungemein
woblthueod, und die nun folgende, gut motivirle Abwech-
selung zwischen Chor- und Solostimmen bestätigt und
erhöht den Eindruck des so zart gehaltenen Satzes.
Nach einem kurzen Becitativ Daniels erscheint ein
interessantes Terzett (für Alt, Tenor und Bass), das dureh
die gewählte Tonart (Des dur), durch die gedrängte Stirn-
menlage, wie vorzüglich durch seine eigenthümlione Strue-
tnr und reiche harmonische Ausstattung sich merklich
hervorbebt. Bei aller (zuweilen wohl auch nicht ohne
Mühe errungenen) Bewältigung der oft kühnen Modula-
tion dürfte ttoch hier und da des Guten zu viel gesche-
hen sein; eine zweckmässige Kürzung würde die Vor*
züge des mit grosser Sorgfalt gearbeiteten Musikstückes
noch günstiger hervortreten lassen, da überdies die ziem-
lich vorherrschende rhythmische Form in punctirten No«
ten leicht monoton werden könnte. — Aach wollen wir
bekennen, dass uns der Schluss, wie ihn die Stngstim-
men bilden, und in welchem der Vocalbass nur ata Mit-
46. Jahrgang.
telstimme erscheint, etwas nicht ganz Befriedigendes
bat —
Die Pastoralarie für den Sopran : „Nicht länger wird
die Heerde Juda's irren'* bat viel Schönes und Inniges,
und ist von den lieblichsten Harmonieen durchweht. Ge-
gen den Vorwurf einer fast zu sorgfältigen und wohl auch -
zu starken Instrumentation wird nur eine sehr discrete
Ausführung schützen können. Einigen Rigoristeu wird
vielleicht das Motiv oder die Figur, das Paslorale anzu-
deuten, etwas zu modern erseheinen: wir wollen das
nicht eben in Abrede stellen, müssen aber hinzufügen,
dass die dazu gewählte Harmonie das Motiv veredelt,
wenn es uns auch schon früher in anderer Beziehung
begegnet ist.
Der Scblusscher des ersten Theils ist geradezu mei-
sterhaft. — Er beginnt mit einem declamatorischen Uni-
sono, als vollkommen motivirt erscheinend, da es einen
Ausspruch Jebova's zum Gegenstande hat. Bei den Wor-
ten: „So sagt der Herr!" wird der Satz, wie es ge-
sebehen musste, vierstimmig. Die ernste, würdevolle Hai«
tung dieser kurzen Stelle (Andante, x %,*Cmoll) mit ih-
rem spannenden lustrumentalschlusse in der Dominaute
bildet eine treffliche Einleitung zu dem nun folgenden
Triumphchor im hellen Cdur: „Jauchzet über sie! •' Die
trefflich angelegte Fuge:
si
Er regiert auf e - wig für uad Tdr, deiu Gott — o Zi - on!
wirkt um so prägnanter, da sie nicht zu weit ausgespon-
nen und an passender Stelle von dem Motiv in freier
Schreibart unterbrochen wird, das den Anfang des Cho-
res bildet. Eben so wirksam als schön gearbeitet ist die
Stelle, wo der frei* Chor naob As dur modulirt, und dann
der Fugensatz in der Engführung, mit der Antwort in
der Secunde wieder eintritt. Hier wäre nun noch über-
reiche Veranlassung zu weiterer Ausführung des gebalt-
vollen Thetna's gewesen, und namentlich hätte die Be-
nutzung des Orgelpunctes noch reichen Stoff geboten (wie
wir denn überhaupt diesem Aggregat der Fuge eine hohe
Stelle in dem Gebtete der geistlichen Musik einräumen) *
doeb ist, wie gesagt, die Ausdehnung der Fuge eben gross
genug, um einen nicht zu rasch verliegenden Eindruck
zn machen, welehen dann auch ein kräftiger Schlnra
glücklich bestätigt.
52
531
1844. August. No. 32.
552
Eß wurde zu weit fuhren, wollten wir auch unserm
Commentar des zweiten Theils die bisher schwer zu ver-
meidende Ausführlichkeit geben; wir müssen uns also»
wie gern wir auch das .schöne Werk bis zum Ende recht
ausführlich besprochen hätten, nur mit kurzen Andeutun-
gen begnügen. Ein denkender Meisler gibt übrigens durch
seine Werke so viel Stoff zum Denken und Besprechen,
dass es nicht leicht erscheint» zur rechten Zeit abzu-
brechen» —
Der zweite Theil beginnt mit einem Feslehor der
Hofleute im Palast zu Babylon. — Sinn und Situation
dieses Chors scheinen bei dem ersten Anblicke, nament-
lich was den Eingang betrifft, zu einer etwas lebhafte-
ren Färbung aufzufordern, als die vom Compooisten an-
gewandte; doch wird man bald mit dem Tone des Gan-
zen vertraut, um so mehr, da der Meister wohl absieht«
lieh eine gewisse weiche Ueppigkeit in diese Scene legen
wollte, und da auch an geeigneten Stellen der bezeich-
nende laute Jubel- und Freudenton sieb geltend macht. —
Die Scandirung des Namens : Belsazär dürfte gegründeten
Widerspruch finden. — Professor 0. B. Wolff dichtete
für Ciasing ein Oratorium von gleichem Inhalte, und de*
clamirt consequent Belsazär: er darf füglich als Autori-
tät gelten.
Der nun folgeude Chor der Priester des Bei, in B moll
beginnend, modulirt sehr rasch und oft sehr characleri-
stisch durch das weite Gebiet der Harmonie. Er ist, was
die Declamation sehr begünstigt, zweistimmig für Tenor
und Bass geschrieben, und besonders wirksam und be-
zeichnend instrumenta. Der Scbluss geschieht etwas ha-
stig, und steht in Verbindung mit dem folgenden Doppel-
chore. Dieser bildet sich aus dem weiblichen Chore der Ba-
bylonierinnen und dem männlichen der Juden. Während
der erste Lust und Freude atbmet und sich in heitern
Melodieen und leichten Rhythmen «bewegt, spricht der
zweite Ernst und Würde aus, zuweilen sich zur drohen-
den Aufregung gestallend, und schreitet so in vollkomme-
nem Gegensatze neben dem harmlosen und frivolen Trei-
ben der Heiden einher. Vorzüglich kräftig wirkt er da,
wo er im concentrirten Unisono dem leicht dahinhüpfen-
den Frauenchor entgegentritt. Doch ist auch der Scbluss,
der in voller Harmonie Festigkeit und Vertrauen aus-
spricht, sehr schön gedacht, und wird von entschiedener
Wirkuog sein. —
Die folgende Scene zwischen Belsazär und Nicoiris
(Alt), verbunden mit dem Doppelchor der babylonischen
Jungfrauen und der Priester des Bei, ist mit fester Hand
gezeichnet, und enthält einige wahrhaft geniale, ergrei-
fende Züge. Die bittende, angsterfüllte Mutter, dem kühn
trotzenden Belsazär gegenüber, dazu die einzeln und zu-
sammen wirkenden beiden Chöre, das Alles tritt deutlich
und erschütternd hervor.
Jn dem sich anschliessenden vom Componisten mit
Eosser Umsicht und in mehrfacher Beziehung genial be-
ndelten Recitalive des Belsazär, in welchem er mit toll-
kühner Verwegenheit von Jehova ein Zeichen seiner
Macht verlangt, ist vorzüglich die Stelle, wo die geheim-
nissvolle, berühmte Flammenscbrift erscheint, von gros-
sem Interesse. — Spohr sucht die höchst schwierige Auf-
gabe zu lösen, indem er, bei angemessener und gestei-
gerter Begleitung des Orchesters, von der ersten Violine
die hier folgende, späterhin vielfach nüancirle Figur aus-
führen lässt:
Viol. Solo.
üb übrigens diese bildliche Darstellung überhaupt statt-
haft, und die Art der Ausführung, dem ungeheuren Er-
eignisse gegenüber, als angemessen erscheint, wagen wir
nicht zu entscheiden. Die Wirkung der ganzen Scene im
Zusammenhange wird das Wagestück erproben müssen.
Kaum ist nach dieser Cataslronhe das stolze Wort
des unerschütlerten Belsazär verballt, so verkündigt ein
leise beginnender Marsch die Ankunft des persischen Hee-
res. Dieser in consequenter Form durchgeführte Marsch
(sogar ein Trio ist in seinem Gefolge) bildet nun ganz
nngesuebt mit seinen verschiedenen Bestandteilen die
Basis des kräftigen Kriegerchors, der besonders in dem
Trio einen kühnen Aufschwung nimmt. Nach diesem Trio
vereinigt sich der Chor der Juden mit den persischen
Kriegern, und nun gewinnt das Ganze einen wahrhaft
glänzenden Character, indem die beiden Hauptmotive höchst
imposant und doch ganz ohne Zwang einauder durchdrin-
gen und ergänzen. Nur der zu häufig vorkommende Aus-
ruf: ,, Jubelt aufl" hat etwas Störendes, zumal, da er
zuweilen auch abwärts declamirt wird. Er wäre jeden-
falls passender ersetzt durch: „Jubelt laut!" was ge-
wiss natürlicher und entsprechender ist.
Die nun folgende Arie des Cyrus, voll des innigsten
Dankgefühls, und in frommer Demuth aussprechend : „Gott
allein gab den Sieg!" leistet in ihrem schönen melodi-
schen Flusse ganz, was sie soll. Die gewählte Tonart
(Des dor), wie die verwandten und fremden Harmonieen,
in welchen der Satz sich bewegt, so wie die milde und
doch belebende Begleitung — Alles vereint sich zum wirk-
samen Ausdruck eines dankbaren Gefühls. Um nur einige
kleine, aber in ihrer Anwendung vortreffliche harmoni-
sche Züge hervorzuheben, machen wir auf die Stelle,
nicht fern vom Schlüsse, aufmerksam, wo der Componist,
nach der Cadenz in Desdur, die Harmonie nach r ismoll
leitet, und nach wohlthuendem Verweilen in A dur eben
so ungesucht als wirkungsvoll wieder nach Dea zurück«
fuhrt. —
Ein kurzes Oboensolo bildet einen sehr freundlichen
Uebergang zu einem Quartett für zwei Soprane, eine Alt-
ana Tenorstimme, nur dann und wann unterbrochen und
discret begleitet vom Saitenquartelt, der sehr wirksamen
Oboe und zwei Hörnern. — In diesem anmuthigen Satze
treten einige Eigentümlichkeiten und Wendungen unse-
res Meisters, namentlich die Häufung enger Intervalle,
wieder mehr hervor, als in anderen Theilen dieses Wer-
kes ; indess erscheint die Lieblichkeit des ganzen Satzes,
verbunden mit dem treffenden Ausdrucke religiöser Freu-
digkeit, so überwiegend, dass man sich mit jenen Eigen-
heiten bald versöhnt. Die Tenorsolostimme, die hier den
Bass zn repräsentiren hat , verzichtet in diesem Quartett
zuweilen auf ihre momentane Bestimmung, und gibt sich
in ihrer gewohnten Beziehung, als Mitlelstimme; so un-
gern wir sonst auch das eigentliche Fundament vermis-
535
1844. August. No. 52.
534
sen, so müssen wir doch na vorliegenden Falle gestehen,
das« die Anwendung der Tenorlage dem Ganzen etwas
Frisches und Jugendliches gibt und, wenn auch in un-
gewohnter Weise, dennoch den vierstimmigen Satz recht
wobllhuend zusammenhält.
In dem nun folgenden Chore der Juden (der durch
seine Fassung die etwas moderne, wenn auch edle Hal-
tung des vorigen Quartetts zu compensiren wohl geeig-
net ist), tritt gegen den fugirten Anfang vorzüglich der
auf grosse Massen gut berechnete, getragene Miltelsatz
durch einfach - wurdevollen Bau hervor. Zuletzt, wo der
Coroponist zu erhöhter Wirkung den Satz siebenstimmig
erscheinen Jässt, erreicht er diesen Zweck freilich auf
etwas bequeme Weise, nämlich durch ebenmässig fort-
schreitende Verdoppelung der Melodie und der Mittelstim-
men, ein Verfahren, das allerdings nur als Licenz gelten
kann. Die offenbare Absichtlicbkeit, mit welcher der Com-
ponist zu Werke gebt, spricht' indess deutlich ans, dass
er sich eine besondere Wirkung von dieser Stimmenfüh-
rung versprach , und übrigens wird wohl Niemand daran
zweifeln, dass der erprobte Meister einen sieben- und
mehrstimmigen Satz in voller, strenger Selbständigkeit
zu schreiben verstehe. — So sehr wir indess den Spruch
beherzigen :
„Der Meister kann dfe Form zerbrechen
„Mit weiser Haod, rar rechten Zeil — "
so möchten wir doch nicht zu allzurascher Adoption sol-
cher Licenzen rathen.
Di« darauf folgende Vision (Daniel erblickt im Geiste
eine glänzende Zukunft für die Religion seines Volkes)
ist sehr schön angelegt; die im Ganzen ruhige, träume-
rische Haltung wird ungemein belebt durch eine gut ge-
wählte, mit vielen ModiScationen ununterbrochen durch-
geführte arpeggirende Figur, ausgeführt durch obligate
Violine und Violoncello. Vorzüglich anregend und die Em-
pGndung steigernd ist die Stelle , wo die Dichtung sagt :
Lobpreisende Sänge berühren mein Ohr,
Und dankender Weihranch steigt empor.
Die sich anschliessende Sopranarie der Jüdin nimmt dies
erfreuliehe Bild der Zukunft auf und führt es freudig und
entsprechend weiter aus. Die frohe Bewegung dieser sehr
sangbaren und auch rhythmisch belebten Arie hätte viel-
leicht einen etwas mehr potenzirten Schluss erwarten
lassen; unser Meister bat es vorgezogen, die Arie leis
verhallend zu scbliessen, vielleicht um den nahen Gegen-
satz, dem kraftigen Eintritt des Sohlusschors noch bedeu-
tender zu gestalten.
Dieser Schlusschor begiont mit den Textesworten:
„Frohlocket mit Händen, alle Völker!" — Wem schon
dies „ Händefrohlocken " etwas problematisch erscheint,
dem wird wohl auch die spätere Zusammenstellung! „Der
Allerhöchste ist erschrecklich u kaum zusagen, sollte sie
auch noch so biblisch sein. — Wir tadeln hier blos die
Wortfügung, da sie für den Hörer, auch bei der treff-
lichsten Musik, doch immer etwas Störendes haben muss.
Der Componist hat die letzte Znsammenstellung auch we-
nig berücksichtigt, und ihr nur am Schlüsse einen be-
deutsamen Accent gewidmet.
Der ganze Chor hat von dem trefflichen Meister jene
Mischung von freier und gebundener Schreibart empfan-
gen, wie sie nach unserer Ueberseugung dem eindrucks-
vollen Schlüsse eines so umfangreichen Werkes am an-
gemessensten ist. Die zum Bau einer vollständigen Fuge
nöthigen Bestandtheile liegen auch hier so klar und ge-
haltvoll vor uns, dass ihre mögliebst vollständige techni-
sche Ausbeutung dem bewährten Meisler kaum Schwie-
rigkeit gemacht haben würde. Er bricht aber an passen-
der Stelle ab, indem er, und zwar auf unerwartete, sehr
wirksame Weise das im freien Styl geschriebene Ein-
gangstbema wieder aufnimmt. Bald darauf folgt ein neuer,
veränderter Eintritt der Fuge, die hier, obgleich nur
kurze Zeit festgehalten, dennoch treffliches Einzelne bie-
tet, was weiterer Ausführung eben so werth als fähig
gewesen wäre. Die wiederholte Einführung des ersten
Motivs geschieht auch hier auf eigentümliche, ja impo-
sante Weise. Die Vorbereitung deutet nämlich offenbar
auf die Harmonie von As; nun erscheint aber das eben
erwähnte Thema mit kräftigem Unisono in Cesdur, was
besonders bei dem Eintritt der vollen Harmonie im zwei-
ten Tacte, wo das Orchester hinzutritt und namentlich
die Posaunen entscheidend benutzt sind , von wahrhaft
grandioser Wirkung sein muss. Auch die Zurückfuhrung
nach Esdur mit ihrem ungewöhnlichen, einschneidenden
Cis ist gut berechnet. Nun wird rasch, vielleicht etwas
zu rasch, der Schluss herbeigeführt, von dem das Gefühl,
wohl nicht mit Unrecht, noch eine recht concentrirte hö-
here Anregung erwarten durfte. Wir verkennen keines-
wegs die sichtbar dargelegte und auch wohl zu vertei-
digende Absicht des verehrten Meisters, durch den ge-
wählten Ausgang eben so wohl die gewöhnliche , rau-
schende Schlussformel zu vermeiden, als auch dadurch
die Empfindung tiefer, stiller Andacht auszudrücken und
mit dieser schönen Regung seine Zuhörer zu entlassen;
müssen aber, wie tief wir aueh das Gefühl der Andacht
ehren und hegen, doch frei gestehen, dass wir wünsch-
ten, ein so schönes Werk von solcher Ausdehnung und
solcher Erhabenheit von einem Schlüsse gekrönt zu se-
hen, der aueb materiell den Triumph einer grossen , er-
habenen Idee verklärt hätte. In Summa : für die Gesammt-
wirkung erscheint der Schluss wenigstens problematisch
und gewagt, an sich ist er schön gedacht, und selbst
neu. —
Das ganze Werk aber, das wir hier mit hober Ach-
tung für den Componisten und deshalb freimülhig bespra-
chen , wird den verdienten Ruhm des deutschen Meisters
sicher noch vermehren, und so sei es denn allen Deneu
empfohlen, welchen die wahre Kunst auch Sache des Her-
zens ist, und namentlich Denen, die da berufen sind, die
göttliche Tonkunst in einer ihrer schönsten, edelsten Gat-
tungen zu pflegen und zu feiern. AL
Nachrichte pc.
Grossed* Gesangeoneurs zu Gent und der
Männergesangverein von Coln.
Die seit mehreren Jahren von den bedeutenderen
Städten Belgiens errichteten Gesangooncurs« waren nicht
555
1844. Augurt. No. 52.
556
allein dort von grossem NoUen flrtfe Förderung der ann-
ähenden Gesaagkoast, sondern sie wirkten auch aaf un-
tere deutschen Liedertafeln, und namentlich aof die rfaei*
niscben, höher strebend und besonderes regeres Leben
entwickelnd zurück.
Za dem diesjährigen Coneurse, welcher yon Gent,
als der zweiten Hauptstadt Belgien» und ersten Stadt
Flanderns, ausging, halte sieh von deutschen Vereinen
nur der Müanergesangverein von Cöln mit 48 Sftngera
angemeldet, weicher am 7. JaJi im Vestibül des Univer-
sitätsgebäudes Statt fand.
Fünfzehn verschiedene Singervereia* bildeten zusam-
men eine Zahl von 428 Personen, die, in drei Classen
getbeilt, um die Preise kämpften, welche Landvereinen,
Vereinen von Städten erster, und solchen zweiter Classe
bestimmt waren.
Der Saal war mindestens mit 2000 Personen, Her-
ren und Damen, gefüllt. Beebts und links von der San-
{erhabne, so wie in den zunächst gelegenen Logen, sassen
ie wettstreitenden Singvereine, und der Saal bot mit sei«
nen festlich geschmückten Zuhörern einen herrlichen An*
bück dar.
Die Soci&6 des Melomanes van Gent, welche den
Concors veranlasst, eröffnete die Feierlichkeit mit einem
Chor von Schubert, weichen dieselbe auf eine überra-
schende Weise schön, gerundet und geschmackvoll vortrug.
Als hierauf die Sociale* lyrique von Syngem, einer
Landgemeinde, welche in der Loosung der Reibenfolge
des Auftretens No. 1 gezogen halte, vortrat, erklärte der
Vorsitzende der Jury, dass dieselbe wegen Abwesenheit
eines Richters vorher ergänzt werden müsse, worauf Herr
Capellmeister Conr. Kreutzer, zur Zeit in Gent anwe-
send, als Ergänzungsricbter zugezogen wurde, welches
Amt er auch übernahm und sofort in der für ihn be-
stimmten Loge erschien.
Hierauf wetteiferten die Landgemeinden, sechs an
der Zahl. Die Leistungen dieser Chöre der Landgemeinden
(Commune* rurales) erregten eine Verwunderung, welehe
sich mit jedem Auftreten eines neuen Chores steigerte,
und wir unterlassen nicht, aufrichtig zu gestehen, dass
in dieser Beziehung Belgien den deutschen Landen, und
namentlich den Rhein landen , weit voranstebt; denn wo
fände man in unsern Gauen ein Dorf, welches unter sei-
nem Küster oder Organisten einen Chor, wenn auch noch
so klein (der mitconcurrirende Landverein aus Waereghem
zählte nur fünfzehn Sänger), bildete, der es wagte,
in einem öffentlichen Wettstreite aufzutreten? Die mei-
sten dieser kleinen Vereine haben schon ihre Fähnlein,
und mehrere darunter zahlreiche Siegesdenkmüazen daran
prangen. Abgesehen von dem belgischen Geschmacke,
welcher wenig Gefallen an ernster und guter Musik zeigt,
sangen diese Landgemeinden, wie gesagt, ausgezeichnet.
Den ersten für dieselben bestimmten Preis, bestehend in
einer silbernen vergoldeten Medaille und 90 Francs Geld,
erhielt einstimmig die Gesellschaft „des vrais amis" von
Vraeene, durch den Vortrag der Gesänge „Nocturne"
von de Call und „Die Nacht" von Beausacq.
Zum Wettstreite der Städte zweiten Ranges waren
nur drei Vereine eingeschrieben» wovon zwei, obgleich
sn denen des ersten Ranges gehörend, auf diese Ehre
freiwillig verrichteten, um arit um den Preis 4er Städte
zweiten Raagea zu kämpfen.
Hatten die Leistungen der Landgemeinden aufs Höchste
überrascht, so wurde man über die Steigerung; und gros-
sere Vollendung im Vortrage der Städte zweiten Ranges
zum Erstaunen hingerissen. Die Gesellschaft „Weber "
aus Lessines erwarb sich durch den Vortrag der Gesänge
„Le Silence** von Salieri und „Le Retour" von Eisen-
hofer den ersten Preis, bestehend in einer silbernen ver-
goldeten Medaille und 100 Francs an Geld.
Nun war die Reihe an den Städten erster Classe,
auf deren Leistungen wir nach dem bereits Geborten aufs
Höchste gespannt waren. Eine Pause von einer halben
Stunde trat ein, und wir wollen während derselben einige
Bemerkungen über die im Allgemeinen gehörten Compo-
sitionen uud deren Vortragsart hier einschalten«
Sämmtliche von den grösseren belgischen Vereinen
vorgetrageneu Chöre könnte man als Cantalen bezeich-
nen; denn dieselben hatten durchschnittlich eine Länge
von einer kleinen halben Stunde und enthielten beinahe
alle ein Adagio, Andante, Henuetto, Galopade, Contre-
danse, auch mitunter noch Schottisch, und die Hauptvor-
tragsmanier besteht nur im Pianissimo und Forlissimo.
Das deutsche, an die feinen Abstufungen gewöhnte Obr
findet diese schroff gezogenen Vortragslinien, so wie auch
die Klangfarbe ihrer Stimmen unangenehm, und söhnt
sich hiermit nur durch den höchst genauen Vortrag aus.
Ihr pp ist so zart« dass man an vielen Stellen einen
Chor von fünfzig Personen nicht mehr zu hören glaubt.
In den Pianostellen sind die belgischen Kehlen geübt,
und es erfreute uns ihr darin gezeigter Wohlklang ganz
ungemein ; dagegen fanden wir die Forlestellen unangenehm
und rauh, welches vielleicht darin seinen Grund hat, dass
sie die Stimme in den Piano's stets pressen, wodurch sie
an Fülle und Rundung verliert. Crescendo und Dimi-
nuendo, diese so effect vollen Reizmittel, scheinen die Bel-
gier weniger zu kennen , noch viel weniger in Anwen-
dung zu bringen. Die auf dem ganzen Concors zu Gebor
gebrachten Chöre waren beinahe von gleichem Character
und gleicher musikalischer Gehaltlosigkeit.
So trug anter anderen der sonst ausgezeichnete Ver-
ein von Löwen „Societe lyrique" einen Gesang vor un-
ter der Benennung „Hymne religieux," in welchem auch
keine Idee von Andacht zu finden war, und der deshalb
eben so wenig dazu stimmen konnte« vielmehr sich auf
einem Tanzboden trefflich machen würde* Der Componist
dieses Chores heisst A* Limnander l — Indessen der Bel-
gier verleugnet auch in der Musik nicht seinen ihm eige-
nen Character, sein leichtes, angenehm hüpfendes Tem-
perament*
Als ein «weiter Beweis ihres Geschmackes mag gel-
ten, dass der Verein „Roland de Lattre" aus Brüssel
einen Chor sangi „La Belgique," compooirt von Nedel-
Jon. Diese Compositum ist nichts mehr und nichts weni-
ger, als Mendelssohns herrliches Lied: „Der deutsche
Wald,** dem von Herrn Nedefson andere Worte ange-
zwängt waren und der dadurch verstümmelt erschien.
Die Bezeichnung „La Belgique** schien uns die grössle
Satyre auf belgische Musik überhaupt zu sein, besonders
557
1844. Augart. No. 52.
538
im «nto Bms *Mtatt> ..Lebewohl" «ortinmer:
iiLjr t i r i r
sang!
Bei - gi - que
Die fünf mit dem Cölaer Männergesangvereine con-
currirenden Kampfer im Range der ersten Classe der
Stidte haben die meisten Stimmmitlei, geboren zu den
besten Chören Belgiens und erfreuen sich mit Recht ihres
ausgezeichneten Rufes. Es waren zwei Vereine ans Brüs-
sel, die übrigen aus Brügge, Mecheln und Löwen. Die
Leistungen waren ganz vortrefflich und die Fortschritte
derselben seil dem Concors zu Brüssel im Jabre 1841
sehr bedeutend, und der von der Aachener Liedertafel
Szogene Vorlhei! hörbar. Bei solchen Fortschritten wer-
n unsere deutschen Vereine für die Folge einen schwe-
ren Kampf haben, wie er bereits in diesem Jabre den
Cölnern wurde, da ein reges Streben zu vollendeter Dar-
stellung überall sichtbar sich zeigt.
Nach einem sechsstündigen Ausharren in dem ge-
drängt vollen Saale, ermüdet von den unzählig geborten
Meledicen, den Gaumen trocken und mit Staub gefüllt von
dem steten , dem Vortrage sowohl durch Klatschen , als
Fussstampfen gezollten Beifalle, also im höchsten Grade
angegriffen, kam die Reibe endlich, und zwar ah Scbiess
der Vorträge, an den Cölner Männergesangverein, unter
der Leitung des königl. Musikdirectors Herrn F. Weber*).
Eine heilige Rübe trat nun ein, und Conrad. Kreutzer**
„Frublingsnaben," deutsch und innig in höchster Voll-
endung vorgetragen, rauschte vorüber, dem ein grenzen-
loser Beifall oder vielmehr Jubel folgte. Darauf trug der
Verein eine sehr gelungene Composition von F. Derkum
„Die Post** mit Feuer und Begeisterung vor, wonach ein
grosserer nicht enden wollender Beifall folgte. Alles war
wie eleclrisirt, und man schien von solchen Leistungen
in Belgien bis dahin keine Ahnung zu haben.
Die Jury, aus den Herren Mengal, Director, de So-
rtiere und Alerte, Professoren des Conservalorrams zu
Gent, Capellmeisler Conr. Kreutzer, so wie Gabriels,
Capellmeisler an der Kirche St. Michel, trat nun ab, und
nach geschehener Berathung wurde dem Cölner MSnner-
gesangvereine einstimmig der erste Preis, bestehend in
einer grossen goldenen Medaille und an Geld 200 Francs,
zuerkannt **), so wie die Preise den vorbin erwähnten
Gesellschaften. Nachdem nun sämratlicbe Dirigenten mit
den Medaillen um den Hals geschmückt waren , trat der
Minnergesangverein nochmals auf und saog mit seelen-
vollem Vortrage in höchster Begeisterung ein Lied von
Ferd. Ries „Trallerlied," nach dessen Beendigung der
demselben folgende Beifall wahrhaft fabelhaft erschien.
Glückwünsche von Deputationen mehrerer Vereine, so
wie von den Bürgern Genfs, den Sängern dargebracht,
zeugten von der innigen Anerkennung der Leistungen«
Am folgenden Tage gab der Verein in Verbindung
mit den Cölner Quartett ein Concert zum Vortbeil der
Genter Armen im grossen Thronsaale des Stadthauses,
*) Herrn Weber ist jiiogit m Anerkennung seines Talents und
seiner Verdienste des Prädient eines kSnifl. »renss. Musikdi-
rektors ert heilt worden.
") Der Verein hat diese 200 Francs den Rleinlinderbewabran-
stnHen nn Cdln als €e*cbenk überwiesen.
wozu sieli die Elite der Stadt in grosser Anzahl einge-
funden hatte. Alle vorgetragenen Stücke wurden mit dem
grössten Beifalle belohnt, und das Lied: „Was ist des
Deutschen Vaterland" (im Jabre 1841 von der Liederta-
fel zu Aachen auf dem Concurs zu Brüssel ausgeführt
und gekrönt) wurde mit nicht zu beschreibendem Enthu-
siasmus aufgenommen und stürmisch dessen Wiederho-
lung verlangt. Die Herren Hartmann, Weber* Derkwn
und Breuer spielten ein Quartett von Mozart und eins
von Beethoven und erregten bei allen Künstlern und wah-
ren Kennern hohe Bewunderung, wegen des seltenen En-
semble'*, der Feinheit und des Reizes , welche den Vor-
trag beherrschten. Nach beendigtem Concerte wurden den
Ausführenden Blumen und Bouquets zugeworfen , dem Di-
rector des Vereins, Herrn MD. Weber, von dem Gou-
verneur der Provinz eine Lorbeerkrone überreicht, be-
gleitet von den schmeichelhaftesten Ausdrücken. Dem wa-
ckern Vereine wurde von der Sociale des Melomanes eine
Dank- und Abschiedsserenade gebracht, wobei manches
schöne ergreifende Wort gewechselt und ein recht inni-
ges Band zwischen beiden Vereinen geknüpft wurde.
Auf der Bückreise wurden dem Vereine überall die
grössten Ehren erwiesen. Bei der Ankunft in Aachen be-
grnsste ihn die dortige Liedertafel mit einem zu diesem
Zwecke eigens gedichteten und einer Händefschtn Me-
lodie untergelegten Texte, so wie durch Ueberreichung
des Ehrenweins.
In Cöln wurden unsere Sänger von einer grossen
Anzahl ihrer Mitbürger, den Herrn Oberbürgermeister und
die Stadtrithe an der Spitze, mit Jubel ruf und Bewill-
kommnungsrede empfangen und mit einem Fackelzuge
zur Stadt geleitet. Die näheren Details mitzuteilen, würde
zu weit fähren ; es war ein förmlicher Triumphzug, Fah-
nen und Musik voran. So hat denn deutscher Gesang wie-
derum seinen Einfluss und seine Kraft bewährt und sich
die Siegespalme im Auslande errungen. Möge der Cölner
Männergesangverein mit erneuerten Kräften, eingedenk
seines Sieges, in seinen Leistungen fortschreiten zu sei-
ner und unseres deutschen Vaterlandes Ehre, bis zur
höchsten Vollendung.
Belgien liefert den Beweis, wie solcher Wettkampf
aufrüttelt zu mächtigem Handeln, die Kräfte weckt und
steigert zum freudigen Gelingen. Sollen wir, das Gute
nachahmend, wo wir es finden, in unseren Rheinlanden
nicht auch solche Sängerkämpfe veranstalten, auf dass
auch bei uns der Gesang immer mehr und mehr sich zu
hoher Vollendung ausbilde? v =zu>.
Frühlingsstagione in Italien.
(Forltetxsng.)
Mailand. Das Teatro Carcano hatte eine zahlreiche
Sängergesellscbaft und nebst der Oper auch ein kleines
Ballet. Zu ersUrer gehören die Prime Donne Matthey,
Cuzsani, Montucchielfi, Brambilla (Erminia), die Comprv
marie ud Altistinnen Buggeri, Paquier, Morandi, GerM
(die beiden Ersteren die Besten unter den weibliehen Vir-
tuose)» die Tenore Cuzzani, Della Calla, Pelosio, Mugnai,
558
1844. August. No. 32.
540
Antonelli, Carisio (sämroütch mehr oder weniger unbe-
deutend), die Bassisten Euzet (vom Pariser Theater Re-
naissance), Colmengbi, Pignoli, Pallrinieri, Valerio, Pe-
rico, nebst Buffo Cambiaggio (der Franzose der Beste un-
ter den männlichen Virtuosi). Unter den sechs gegebenen
Opern waren vier von Donizetti : die Lucrezia Borgia und
Maria di Rohan mit der Cuzzani, die Gemma di Vergy
mit der Matthey, die Figlia del reggimento mit der Mou-
tucchielli, die sämmtJich, letztere etwa abgerechnet, so
ziemlich gefielen, aber wenig Billette in die Theatercasse
abwarfen. Ricci's Chi dnra vi nee, mit der Brambilla und
benanntem Buffo, wollte gar nicht anziehen, selbst nach-
her als Academie mit Stücken aus Columella und Figlia
del Reggimento. Meyerbeer's Roberto il diavolo war in-
dess die Seele der Mailänder Frü'blingsslagione. Während
Lanari ihn in Toscatia's Hauptstadt zu drei verschiedenen
Malen mit solchem Glücke gab, dass er sich einen Palast
bauen Hess, den die Florentiner Palazzo Roberto il Dia-
volo anstatt Palazzo Lanari nennen ; während dieser Ro-
berto in Norditalien, namentlich in Triest, Venedig, Pa-
doa, Verona, Cremoua, Parma, mitunter zu wiederholten
Malen gegeben, bereits bekannt war, ist es wahrhaft zu
bedauern, dass ihn die Scala mit ihren gewöhnlichen Mit-
teln zu grossartigen Spectakeln bisher nie gegeben hat.
Heil also unserem Theater Carcano und seinem Impresa-
rio, die uns nach langen Jahren wieder Musik in der
Oper hören Hessen ! Vor Allem Decorationen und Maschi-
nerieen ganz der Scala würdig. Unter den Sängern ver-
dient die Matthey als Alice die Palme, die Cuzzani als
Isabella gab ibr wenig nach, Bassist Euzet war ein treff-
licher Bertram und Tenor Della Cella ein eiskalter Ro-
berto ; Orchester und Chöre nichts weniger als zahlreich ;
zum Glücke war -das Orchester der Scala in zwei Tbeile
getheilt : die eine Hälfte in der Canobbiana, die andere —
die bessere — hier. Die an mannichfaltigen musikali-
schen Schönheiten so überreiche und imponirende Oper
hat auch in Mailand, bei all' dem neuesten Verdi'scben
Taumel, grosses Aufsehen erregt. In der That wiegt
schon die einzige Einleitung zum Roberto alle bisher von
Verdi geschriebenen und wahrscheinlich noch zu schrei-
benden Opern ganz und gar auf. Ungeachtet der Entle-
genheit des Theaters und des doppelten Entreegeldes (ei-
nes Aogsburger Guldens) war es in jeder Vorstellung
ziemlich, in der letzten gestopft voll. Der Robert ist be-
reits für die Sommerstagione nach dem k. k. Theater
Canobbiana gewandert: Beweis genug, dass er gefallen
bat. Einige ullraitalienische Ohren, vielleicht aus Neid,
befriedigte er indess nicht ganz. Die hiesigen Zeitschrif-
ten waren der Oper meist günstig, besonders der Cor-
riere delle Dame und das Modenjournal.
Zur Osternzeit wurde Mozart' s Requiem, zum ersten
Male in Mailand, im hiesigen Conservatorium gegeben;
das Lacrymosa hat wohl am Meisten gefallen. Herr Vac-
cai, Censor dieser Anstalt, dem die Kenner den Genuss
dieser himmlischen Musik und des Händetschen colossa-
len, leider voriges Jahr durch allerlei Umtriebe nicht zur
Aufführung gekommenen Messias zu verdanken haben,
hat so eben seine Entlassung verlangt und erhalten, ist
bereits auch nach seiner Vaterstadt Pesaro, wo er Grund-
stücke besitzt, abgereist.
Herr Joseph Domzetti, Bruder des bekannten Gae-
tano und Capellmeister der sultanischen Hofbande zu
Constantinopel, ist dieser Tage in Mailand angekommen.
Lodi. Donizetti's Regina di Golconda, in Wahrheit
keine tropisch hübsche Opera buffa, erregte hier einen
freudigen Lärm. Die Montucchielli in der Titelrolle Alina
wurde sogar mit Eviva's beschenkt, Tenor Bozzetti mit
Bravo's, Buffo Rivarola und Bassist Solari mit vielen Klat-
schereien. Aber, ach Himmel ! La Figlia del Reggimento,
die schon vorigen Carneval diese Bühne passirte, hinkte
diesmal bei ihrem Durchzug.
Crema. Rossini's Turco in Italia, mit einem Serio-
Eflaster, id est Seriorondö aus einer Donizetti'schen Oper,
atte geringen Erfolg. Die Tizzooi, Buffo Borella, Tenor
Marchetti und Bassist Biancbi machten ihre Sache leidlich.
Donizetti's Elisir ging viel besser und sprach mehr an!
Cremona. Fioravanti's Columella (Pulcinella) , den
die Leser bereits sattsam kennen, belustigte auch hier in
den Originalstücken, das Hinzngethane und Geflickte ver-
leidete nur die Lustbarkeit. Die Borgognoni, Buffo Cini,
Tenor Rossi-Guerra und Bassist Loglio befriedigten im
Allgemeinen. In Donizetti's Elisir, worin der Buffo Fio-
rio und Tenor Pözzolini sangen, trug Letzlerer den Preis
davon, weil er der Einzige war, der in dieser Oper be-
reits gewirkt hat; für die übrigen Drei, die sie in we-
nigen Tagen einstudiren mussten, war sie ganz neu; sie
fanden aber bei alldem Anerkennung. Roberto d'Evreux,
ebenfalls von Donizetti, bescbloss das Opernternarium
ziemlich gut. Herr Cini trug zuweilen in den Zwischen-
acten die Buffopartieen des Columella vor.
Bergamo. Die hiesige Unione Filarmonica gab am
30. April eine glänzende musikalische Academie, im Bei-
sein ihres ehrwürdigen berühmten Stifters, des bereits 81
Jahr alten Joh. Simon Mayr. Bei der unlängst hier statt-
gehabten Durchreise des Königs von Baiern hatte der
Greis die Ehre, von dem Monarchen huldvoll empfangen
zu werden. (Mayr ist bekanntlich in Baiern geboren und
erzogen.)
Romano. Dieser Marktflecken im Berga maskischen,
der Geburtsort des berühmten Tenors Rubini, feierte die
Eröffnung seines neuen Theaters mit Donizetti's Elisir,
dem bald Bellini's Norma folgte. Zuhörer und Sänger wa-
ren ungemein zufrieden.
Galarate. Auch dieser grosse und reiche Marktfle-
cken im Mailändiseben that sich gütlich mit einer Oper,
versteht sich, del Cavaliere Donizetti. Sein Furjoso machte
indess keinen Furore. Im Barbiere di Siviglia betraten
sogar zwei neue Individuen die Bühne: ein Tenor Poietta,
ein Buffo Folli; von ihnen vielleicht ein anderes Mal.
Pavia. Donizetti's Don Pasquale erquickte gar nicht.
Buffo Leoni in der Titelrolle behagte wenig, die Dali 9
Argine als Norina war auch kein Diamant, Tenor Mecksa
und Bassist Donelli wurden im Wirbel des zum Theil
auch die Musik treffenden Fiasco mitgerissen. Donizetti's
Luoia mit der Albani ging viel besser. Rossini's Mose
mussle nach fünf Vorstellungen der Lucia das Theater
räumen !
Codogno. Eine freundliche Aufnahme fand Fioravan-
ti's Columella (Pulcinella) in diesem reichen Marktflecken..
Die Wanderer, Tenor Gumirato, Buffo Marconi und Bas-
541
1844. August. No. 52.
542
sist Biancbi ernteten reichlichen Beifall, der nachher in
flicci's Orfanella di Ginevra etwas geringer ausfiel.
Brescia. Die Virginia Viola betrat hier zom ersten
Mal in Rossini's Generentola mit gutem Erfolge die Bühne.
Sie hat eine hübsche geläufige Stimme und kann etwas
werden. Buffo Boccomini als Don Magnifico und Bassist
Righini in der Rolle des Dandini bekamen ebenfalls eine
ziemliche Dosis Beifall. In Ricci's Chi dnra vince that
sich anch der Tenor Tommasi hervor.
Maniua. Die im vorigen Quartalbericht erwähnte
eingetretene Gesellschaft setzte den Elisir d'amore mit
Tenor Ciaffei fort, begann eipstweilen die Stagione da-
mit, gab aber bald den so sehr gewünschten Don Pasquale
von demselben Maestro Donizetti. Buffo Napoleone Rossi
war der Bravste in der Titelrolle, Ciaffei ein guter Te-
nor; nach ihnen folgten in der Reibe der Begünstigten
die Prima Donna Zagnoli und Bassist Casanova. Die Ti-
relli machte hierauf einen kleinen Furore in Bellini 's Bea-
trice da Tenda, worin die Hübner die Agnese ziemlich
befriedigend gab. Herr Ciaffei, der nach seiner Vaterstadt
Rom abgereist war, um in Verdi's Ernani zu singen,
wurde durch Tenor Marchetti (s. Crema) ersetzt, noch
wurde Donizetti's Gemma di Vergy mit der Zagnoli und
dem Tenor Ricci gegeben.
Bozzolo. Die vorberbenannte Gesellschaft (Zagnoli,
Ricci, Rossi, Casanova) gab in dem so eben (17. Juni)
eröffneten neuen eleganten Theater Ricci's Chi dura vince
und machte Furore.
Ostig lia. Die hübsche Grassi triumpbirte hier zum
vierten Male in Donizetti's Figlia del Reggimento; sie
hatte an Tenor Vergani und Buffo Bruscoli gar keine üblen
Adjutanten.
ßovigo. Drei Opere buffe : Chi dura vince , Figlia
del Reggimento, Columella, vergnügten hier die Zuhö-
rer; die Mazza und Buffo Silingardi waren die am Mei-
sten Applaudirten, nach ihnen die Altistin Cocconi, Tenor
Ziliani, die Bassisten Gaudini und Penso.
Treviso. Einen Quasi - Fiasco machte Donizetti's Ma-
rino Faliero; kaum das Duett der beiden Bassisten Bo~
nafos (Titelrolle) und Assoni, die Arie des Ersteren und
das Rondo der Beltrami-Barozzi (freilich längst auf der
Neige) fanden Anklang. Dessen Figlia del Reggimento
hatte einen bessern Erfolg.
Padua. Unser Teatro Novissimo wurde in der ersten
Hälfte Mai's mit der weit und breit bekannten Lucia di
Lammermoor del celebre Donizetti eröffnet. Die Marziali
(Titelroll«), ihr zur Seite Tenor Comassi, die Bassisten
Rodas und Assoni. Aufnahme ziemlich lau. Columella (Pul-
cinella), mit den beiden Buffi Pozzesi und Penso, inter-
essirte Mos in den Originalslücken, worauf die Lucia aber-
mals mit besserem Glücke folgte. Rossini's Barbiere war
am willkommensten.
- (Teatro Nuovo. — Stagione della Fiera del Santo.)
Am 12. Juni gab man zum ersten Male Meyerbeer's Hu-
genotten um mehr als den vierten Theil abgekürzt. Die
Rollen der Margarita und des Pagen fehlten beinahe ganz,
und da leider aueb die Prima Donna Maray nicht im be-
sten Lichte glänzte, so kann man ohne Weiteres be-
baupteji : die Last der ganzen Oper lag auf den drei männ-
lichen Sangern : Frascbini (Raoul), Baizar (Marcello) und
Selva (St. Bris), die aueh ungemein stark ftpplaudirt wur-
den, besonders Tenor Frascbini. Gefallt die Musik, oder
gefällt sie nicht? — Die Frage selbst ist ihre Antwort.
Die Italiener möchten gern nein und gern ja sagen, sie
haben wohl auch Gefühl für grosse und erhabene Musik,
aber an ihrem beutigen Klingklang-Operncodex verwöhnt,
können sie erst nach und nach dann eindringen. So ist
es auch mit den Hugenotten, die bei stets ziemlich vol-
lem Theater immer mehr ansprechen. Von Idioten ist hier
keine Rede; man gönne ihnen vom Herzen ihre so be-
liebte Alltagsohrenspeise. Ein vom hier ansässigen adeli-
gen Maestro Balbi der Mailänder musikalischen Zeitung
(No. 25 vom 23. Juni) zugeschickter Beriebt über diese
Oper gereicht, aus der Feder eines Italieners, unserm
Meyerbeer zur grössten Ehre. Man bore aber auch das
Urtheil eines humoristisch - kritischen Nichtmusikers dar-
über in der Venetianer Zeitung, was zum Tbeil meine
obige Behauptung bekräftigen mag. — „Die Musik der
Anglicani" (so ist der Titel der Oper in Italien) „ist zu
sublim, sie hat eine in die hundertste Potenz erhobene
Sublimität, einen Druck voll hundert Atmosphären, die
Kraft von, ich weiss nicht wie viel Pferden, die bis über
die Wolken erhebt. Von zwei Musiken gefallt mir die
einfache des Maestro Moses, der sich in einen Walzer
verliebte, der die Bunde der Welt machte, und den man
zur mythologischen und fabelhaften Zeit meiner Jugend
tanzte. Die Musik der Hugenotten machte auf mich die
Wirkung einer gelehrten aeademiseben Dissertation, die
man als Wissenschaft mit der grössten Bewunderung an-
hört. Der Meister bedient sich darin einer musikalischen
Sprache , an die wir noch nicht gewöhnt sind; er lässt
die Stimmen spielen, nicht singen; das Ganze ist eine
Arbeit der Harmonie, ein Kraftaufwand von Nachahmun-
gen und Wissenschaft Ich erkläre mich als untertänig-
ster Diener dieser Wissenschaft, habe aber die einfache
Musik weit lieber, die Musik, die man fühlt und begreift»
beweist und nicht erräth. Uebrigens ist es möglich, dass
ich mir nach abermaligem Anhören ein Motiv zu eigen
machen und dessen Schönheit erkennen kann. In der
zweiten Vorstellung schien es mir schon etwas begreif-
lich; z. B. die Tenorarie, der Chor des ersten Actes,
die Verschwörung im vierten Act, das Duett zwischen
Tenor und Prima Donna, ein Setümino. Diese schmei-
cheln dem Ohr etwas mehr, indem sie sich unserm Style
nähern. Die sogenannte Natiooalarie mit der angenehmen
Begleitung der Trommel und der Pfeifen, — hier ist
nichts zu sagen, die Nationen haben ihren Gesohmack.
Gewiss ist es, Baizar sang sie meisterlich, und wurde
auch dafür stark applaudirt. Frascbini fand die schmei-
chelhafteste Aufnahme. Die Oper ist mit ausserordentli*
eher Pracht in die Scene gesetzt u. s, w." — Einige
Ultra's der lieben heimathlichen Musik waren ungeduldig
auf die zu gebende „ italienische M 0]P er - Mercadante's
Bravo wurde auch den 29« Juni (10 Tage nach den Hu*
genotten) gegeben, und machte — Fiasco. Nächstens ein
Mehrere*.
Es heiast, dass die mit Herrn Cesare Manmi verhei-
ratete Prima Donna Goldberg hier in Padua ihren Won-
sitz aufschlagen wird.
(BeaakUss folgt.)
543
1844. AugMt. No. 32.
544
Feuilleton.
Lisnt hat in Lyon Bit grasen» Erfolge Coaeert gegeben.
Bei Gelegenheit der Vergrösseroug der Magdaleaenergel ia
Hildcsbeim hat — dem Hamburger Correspondeuten zu Folge —
der damit beauftragte dasige Orgelbaumeisler Joseph Friederiei
eine Vervollkommnung dea Pedale erfände«. Es werden namlieh
die vier Stimmen im Pedal mittele einen einfachen Mechaatsmae
oad beaonderen Registersugs dergestalt in aebt Stimmen verwan-
delt, dass jede einzelne Taste doppelt anspricht und ausser ihrem
eigenen Klange den der Oetave hören läast. — Diese Einrichtung,
dnreh welche die Orgel ungemein an Kraft gewinnt, ist unter ge-
wissen Modiftentioneo nach auf Man aale anwendbar und empfiehlt
aieb vorzüglich bei neu zu erbaneoden Orgeln dnreh eine nicht
unbedeutende Ersparung an Raum und Resten; doch können auch
alte Werke auf diese Art erweitert und vervollkommnet werden.
Der Organist A. G, Ritter zu Erfurt, Rednetenr der Urania,
ist an die Stelle des Mnsikdirecters und Domergauieteu Wifh.
Schneider nsch Merseburg berufen.
Ehrenbezeigung. Der Herzog Maximilian in Baiern bat die
Dedieation des vierten Bandes des Orgelfreundes von dem Bueh-
uod Musikalienhändler W. Kormer in Erfurt angenommen, und dem-
selben eine wertbvolle goldene Medaille mit dem Bildnisse seiner
Hoheit zustellen lassen.
Der als tüchtiger Kircbeneomponist bekannte Hofcape llmeisl er
Gänsbaeher zu Wien ist gestorben.
Englische Blatter melden : Mao bat die sterblieben Ueberreste
Weber** der Meorfields - Capelle an London enthoben. Sie werden
seinem ältesten Sohne nn vertraut werden, der steh gegenwärtig in
England befindet, und der sie nach Dresden bringen wird.
Aus Königsberg wird berichtet: Nach einem hierher gelang-
ten Schreiben Ole BalVt bat derselbe auf seiner zweimonatlichen
Ronstreise durch Nordamerika 250,000 Dollars (?) erworben • in
Newyork braebte ihm jedes Coaeert 4000 Dollars ein.
Der früher in Leipzig angestellte Muaikdireclor Bach ist in
gleicher Eigenschaft am Hoftheater zu Carlsruhe angestellt worden.
Der erste Cspellmeister des Hofthesters am Kuxnthnertbore zu
Wien, zogleieh preussischer Mnsikdirector , Otto Nicolai bat den
preusaiseben rotben Adler -Orden vierter Classe erbalten.
Ankündigungen.
Xeue Mtnihmlien
im Verlage vnu C A. Klei
in Leipzig.
Bruniier,C«T M Op.25. Kleine Etüden f. Wie. Heft 3. iONgr.
— — Od. 25. Fünfzig kleine Etüden f. Pfte. Vollständig in ei-
nem Bande. 1 Tbl*. T# Ngr.
Op. 47. Wein, Weib und Gesang f. Maonerchor mit Pia«
noforte. 10 Ngr.
Hartmann, C CJ., Juhelmarsch nur dritten Sacularfeier der
hönigl. sechs. Landessebnle St Afra in Meissen für Pianofbrte.
Vierhändig. 7* Ngr.
Ufosart, W. A», Hymne (No. 5): „Gottheit dir sei Preis*'
für Pianoforte. Vierbändig. SO Ngr.
Relsmlffer, F. A., Op. 40. Zwei Fantasieen über Thema's
aus Lortzing** Oper i Czaar und Zimmermann für Pfte. (Zweite
Auflage.) No. 1. „Lebe wohl, mein flandriseb Madeheu." 15 Ngr.
No. 2. „Sonst spielt' ich mit Scepter." 15 Ngr.
Bei Schubertftt in Hamburg sind so eben folgende mit
bekannter Eleganz ausgestattete üeillglielteil ersehienen, wor-
auf wir das musikalisch« Publikum biermit ergebenst aubnerksam
machen :
Ball 9 Ole» Adagio religioso, f. Violine. Op. l v mit Pianoforte
und Partitur. SO Ggr.
Noeturno f. Pfte., Op. 2. d? d? c 10 Ggr.
Pnnt. et Varlat. de Braroure sur un Theme de Bellini , für
Violine, Op. 3. d? d?. 2 Tblr. 8 Ggr.
Burgmüller. Fer<l M OperaAreund, No. 4, Potpourri aus
der Stummen, o Ggr.
d? No. 7. d? aus den Puritanern. 8 Ggr.
-~ — d° No. 15. d? aus der weissen Dame. 8 Ggr.
— — 4? No. 19. d? uns Lucretia Berg». 8 Ggr.
dv No. 29. 49 nun dem Barbier von Sevilla. 8 Ggr.
Cantkial, Aug. M., Glockengalopp f. Pfte nach den belieb«
testen Motiven ans der Oper: „Des Teufels Antheil," von Au-
her. 6 Ggr.
Nova -Polka (Polka - miliUire), f. Pfte. 6 Ggr.
Auswahl der heliebtesten Stucke nun der Oper: „Cola
Rienaij" von R. Wagner. (Mit Genehmigung des Componistcn,
für Pfte arrangirt.) 1 Tblr.
Lied f. Sopran oder Toner.
8 Ggr.
Krebs, C„ „Sei mein Liebchen/
8 Ggr.
Dasselbe für Alt oder Bariton.
Einlagen zur Oper: M Oer Feen -See/* von Auber. No. 1.
Romanze des Albert. 8 Ggr. No. 2. Gavatine der Zeile. 14 Ggr.
No. 5. Seene und Arie der Zeüa. 14 Ggr. No. 4. Romanze
der Zeüa. 4 Ggr.
lajrusr, €1. (Preiscomponist), Introd. und Fuge. Quartelt f. Pia-
noforte, Violine, Viola et Violoncelle. Op. 6. 1 Tblr. 12 Ggr.
Rtlelien, Fr., Duo. Op. 12, No. 2, für Pfte und Violine.
1 Tblr. 16 Ggr.
H*lnf|!ie 9 **•' »Moroenu de Salon.** Air rusee vurie p. Vio-
Ion av. Pfte. Op. 19. 18 Ggr.
Duo concertant, p. Piano et Violon. Op. 20. 5 Thlr.
ftlozart, W. A*, Don Juan. Clarier- Auszug. 1 Thlr. 16 Ggr.
ordinär, 1 Thlr. 6 Ggr. netto.
Iforaldeiltftelae Liedertafel ter den 4sfa'mmigen Mäu-
nergesang. 8. Band ron SehcrUng. Stimmen n. Part. 18 Ggr.
Salmmail, S«, 6 Lieder für Mezzosopran, Alt oder Bariton mit
Pianoforte. Op. 9. 12 Ggr.
gelmiibertli, C, „Piecc de Seciefe." Pastorale für Violon-
celle mit Pianoforte. Op. 12. 1 Thlr.
— — 2 Caprices en Forme des Etudes, pour Violoncelle avec Pia-
noforte. Op. 13. 16 Ggr.
Truhn, H., 5 Romaoces pour Chant arec Piano. Op. 60.
12 Ggr.
WlMmem, »., Duo cnneerL pour Piano et Violon. Op. 11.
4 Thlr.
[3&* Vorrathig in allen Musikalienhandlungen.
{Eine Gesanglehrer stelle bei dem Musikvereine in Lemberg mit
dem Gehalte jährlich 506 Ft. Conv.-M. ist xn beseiten.) Der Ge-
sanglehrer hat den niedern und höhern Gesaeguntemcht in 4er
Veveinsachnhf liglich durch 4 Stunden zu ertbeilen, und insbeson-
dere die für das Studium der Chöre nöthige Fertigkeit im Parti-
turapiele zu besitzen.
Bewerber wollen ihre mit glaubwürdigen Fahigkeitsuevgnis-
aen versehenen Gesuche, mittelst franlurter Briefe bis epMeetsns
20. August 1844 unter der Adresse — nn 4h GeschnAshanslei
des galiziachen Musikvereins in Lemberg — einsenden, welche auf
Verlangen nähere Aufklärungen zu geben bereit ist. —
Druck und Verlag von Brritkopf Und HarUl in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
545
546
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 14 toD August.
M 33.
1844.
Inlialtl Original oder Bearbeitung? — Rccensionen, — Nachrichten. Aus Leipzig. Aus Frankfurt. Fruhlingsopern in Italien. (Be-
schluß. ) Karzgefasste Nachrichten der italienischen Oper ausserhalb lt«lieu. — Feuilleton. — Aufforderung. — Ankündigungen.
Original oder Bearbeitung?
Am ersten Tage des diesjährigen io Cöln gefeierten
26. niederrheinischen Musikfestes wurde HändeCs Ora-
torium „Jephta" aufgeführt, und zwar, wie es im Pro-
5 ramm hiess, „mit Orgel- und Orchesterbegleitung nach
er Originalpartitur." Die /ftzWef sehen Partituren haben
in Deutschland unter mancherlei Gestaltung auch man-
cherlei Schicksale erlebt. So ist „Der Messias" 1786
zuerst von J. A. Hiller in Berlin, später von Mozart
instrumenta zuerst 1802 in Leipzig, dann ebendaselbst
1816 mit bedeutenden Abkürzungen von Rochlitz , und
1817 in Hamburg nach einer von Schwenke schon 1809
angefertigten abermaligen Bearbeitung der Motarl'schen
Partitur aufgeführt worden. „Das Alexanderfest," 1806
zuerst in Wien aufgeführt, wurde 1811 ebendaselbst mit
Jtfo*ar/'soher Instrumentation wiederholt. „Judas Mak-
kabäus" ist zuerst 1806 in Wien, dann 1819 mit angeb-
lich Mozart* scher Instrumentation in Leipzig, und noch
in demselben Jahre nach Clasing's Bearbeitung in Wis-
mar aufgeführt worden. „Samson" wurde 1818 zuerst
den Berlinern in Moser scher Bearbeitung, und gleicher-
weise „Salomon" 1825 den Wienern bekannt gemacht.
Ein Jahr früher, 1824, hatte Ciasing in Hamburg ,,Jo-
sua" instrumentirt und veröffentlicht. „Jephta," Hän-
de fs letztes Oratorium, welches er halb erblindet 1751
componirle, wurde 1823 nach der ersten -Morschen
Bearbeitung in Elberfeld, 1824 mit SeyfriecTs Instrumen-
tation in Wien und Prag, und 1827 nach einer zweiten
Moserscheu Bearbeitung abermals in Wien aufgeführt.
Später beschäftigte sich Lindpaintner mit der Instrumen-
tation und Bearbeitung des „Judas Makkabäus," und end-
lich hat man in neuester Zeit von Mendelssohn gesagt,
er habe die Händeüschtu Partituren in ihrer ursprüngli-
chen Gestalt vorgeführt: „Israel in Egypten," „Salo-
mon," „Josua" in Leipzig, Düsseldorf und Cöln. Welche
Reihe achtnngswerther Künstler, die sich um die Verbrei-
tung Händef scher Werke in Deutschland verdient ge-
macht haben 1 Hiller, Mozart, Schwenke, Rochlitz, Sey-
fried, Ciasing, Mosel, Lindpaintner — instrumentirend,
bearbeitend, versetzend, abkürzend, verändernd — und
zuletzt noch Mendelssohn, der wieder auf das Festhalten
des Originals, ohne weitere Einmischung, gedrungen ha-
ben soll *). Um auf den Grund dieser gewiss auffallenden
*) Der Vollständigkeit wegen seien hier noch Breidenstein, Gleiche
46. Jahrgang.
Erscheinuog so verschiedener Ansichten zu kommen, müs-
sen wir hauptsächlich Eine Eigenschaft HändeCscher Ora-
torien in's Auge fassen : dass sie nämlich für die Kirche
geschrieben waren. Die Kirche aber bot natürlicherweise
die majestätische Orgel zur Begleitung, und dieses Rie-
senwerk ersetzte vollkommen und für die weiten Räume
eines Domes in würdigster Weise den weltlichen Sehmuck
des Instrumentalspiels. Man kann in dieser Hinsicht kaum
etwas Einfacheres sehen, als eine HändeCsche Partitur.
Seine Oratorien sind vollständig zu London im Druck er-
schienen, und — man überzeuge sich selbst — überall
herrscht dieselbe nach neueren Begriffen etwas magere Hal-
tung des Orchesters. In den Chören ist zwar wenigstens
das Streichquartett durchweg tbätig; wenn aber die Vio-
linen sich auch öfter in obligaten Figuren — * namentlich
bei musikalischen Malereien — ergehen, so ist dies doch
nur Ausnahme, und gewöhnlich haben beide Violinen,
Bratsche und Bass die Noten der Singslimmen mit zu
spielen; jedoeb nicht in so sclaviscber Weise, dass die
erste Violine immer mit dem Sopran, die zweite immer
mit dem Alt u. s. w. fortginge, da es vielmehr häufig
geschiebt, dass z. B. die erste Violine auch wohl eine
der Mittelstimmen, wenn gerade in dieser das Thema
liegt, nach oben transponirt u. dergl. Desto ängstlicher
halten sieb Oboen und Fagotte (wo sie überhaupt vor«
kommen, denn viele Chöre sind nur mit Begleitung der
Saiteninstrumente gesetzt) an die schon gegebenen Prin-
cipalstimmen ; meistentheils sind sie ein durchaus getreuer
Abdruck der correspondirenden Singstimmen: Oboe 1 col
Soprano I, Fagollo II col Basso etc., oder sie gehen auch
wohl unisono mit dem Stretchquartett, wenn sich dies
nicht in obligaten Figuren bewegt, und können es um so
genauer, da Doppelgriffe für die Saiteninstrumente bei
Händel durchaus ungewöhnlich sind. Flöten kommen als
Füllstimmen nicht vor, als Soloiustrument höchst selten —
im ganzen Jephta nur zwei Mal — und Clarinetten fin-
den sieb gar nicht. Wollte aber Händel* lle damals übli-
chen Orchesterkräfte in Wirksamkeit setzen, so bekam
die Partitur noch eine Zugabe von zwei auch drei Hör-
nern und obenein eben so viel Trompeten, die aber durch-
weg dieselben Noten (natürlich eine Octave höher klin-
*uf t Hellwig* Naue und Schaum genannt, die einzelne Ora-
torien nnd CanUten im Clavlerausmg heraosgaben, wobei mehr
oder minder aoeh eigenes Sehaffen thitig sein mnsste, wie
•päter gezeigt werden soll.
33
547
1844. August. No. 53.
548
gend) zu blasen haben: Tromba I eol Coroo I und so
fori. — Das ist die Instrumentation der HändeFschen.
Chöre, basirt auf den reinen Satz der vier oder fünf
Singstimmen, Glieder, die in der Regel durch das Orche-
ster nur Kräftigung, nicht Bekleidung erhielten. Die ac-
compagnirende Orgel mochte in den Massen von ergrei-
fender Wirkung sein, — nöthig, als ein integrirender
Theil der Harmonie» war sie wenigstens nicht; und wo
das Wort Organo in der durchweg bezifferten Bassstimme
oder bei einigen grossen Chören in der noch besonders
gedruckten mit Fondamenlo bezeichneten Linie vorkommt,
siebt es nur über einzelnen Eintritten der Mittel- und
Oberstimmen , wenn Violoncell und Contrabass Pausen
hatten. T. S. (tasto solo), was bäußger zu lesen ist, be-
deutet bekanntlich, dass die so überschriebene Stelle ohne
Harmonieauafuilung, gewöhnlich nur zur Verstärkung der
Bässe, mitgespielt wurde. Hier aber, wie dort, war an
keine vom Componisten vorgeschriebene Selbständigkeit
der Orgel zu denken. Desto selbständiger und geradezu
unumgänglich erschien sie in allen Arien, Duetten und
den seltener vorkommenden Ensemblestücken der Solo-
stimmen, wobei die in der Partitur befindliche; Begleitung
wirklich einen möglichst dürftigen Anblick darbietet. Im
Durchschnitt finden wir nämlich nur zwei Violinen mit
Bass, höchst selten das vollständige Quartett, mitunter
ein obligates Blasinstrument, dafür desto häufiger sogar
nur Eine Violine mit Bass, und dabei vergesse man ja
nicht, dass Händel auch wohl .ganze Tacte hindurch die
Singstimme nur allein vom Bass begleiten lässt. Den Bass
sehen wir jedoch nicht blos in allen Recitativen, die mit
wenigen Ausnahmen recitativi secchi sind, sondern durch-
weg auf das Genaueste beziffert. Die Zahlen vertreten
aber bekanntlich die Stellen der begleitenden Harmonieen,
und für die Ausfüllung derselben war eben die Orgel
vorbanden; denn während in den Chören die bezifferten
Accorde bereits durch Sing- und Orchesterstimmen aus-
gesetzt waren, musste bei den Soloslücken ein in der
Partitur nicht vorgeschriebenes Instrument die geforder-
ten Harmonieen ausfüllen, und dies Instrument konnte in
der Kirche nur die Orgel sein. So ist also die selbstän-
dige Begleitung der Orgel in den Bändet sehen Oratorien
, keine blos auf historische Ueberlieferung angenommene —
wie wir denn wissen , dass Handel seine Werke nicht
selbst dirigirt, vielmehr orgelspielend aecompagnirt bat, —
sondern sie ist eine durch den Status quo der gedruck-
ten Originalpartiluren in dem ganzen Bau der Instrumen-
tation durchweg begründete, und die Partitur allein würde
dess Zeuge sein, auch wenn das Wort: organo in der-
selben gar nicht vorkäme. Mit vollem Rechte bat daher
Mendelssohn da, wo über eine Orgel verrügt werden
konnte , darauf gedrungen , die HändeFschtn Werke in
dieser ursprünglichen Gestalt vorzuführen.
Wie viele Gründe nun auch existiren mögen, die
Aufführung grosser (mindestens dreistündiger) biblischer
(alttestamentarischer mit erotischen Scenen durchOocbte-
ner) Oratorien in deutschen (unbeizbaren und oft mit dem
beschränktesten Orgelchore versebenen) Kirchen nicht all-
gemein beliebt zu machen — so viel steht fest, dass es,
auch ohne dergleichen, der wahren Kunst nur förderlich
sein konnte, Händefsche Werke in den Concertsaal zu
verpflanzen. Wo man nun, wie z. B. in Cöln, eine tüch-
tige disponible Orgel in einem dazu passenden Saale, wie
der Gürzenich, aufstellen kann, da macht die Veränderung
des Locals freilieb keine Veränderung der Instrumenta-
tion nötbig. Aber nur die wenigsten Städte werden sich
solchen Vorzugs erfreuen können; und schon darumwar
es ein rühmenswertbes Unternehmen Mozart'*, durch die
Instrumentation des Messias den Händetscbea Composi-
tionen allgemeine Bahn in Deutschland zu brechen. Die
neu dazu gesetzten Blasinstrumente vertraten also die
Stelle der Orgel; und da Mozarts Meisterband wohl nichts
Wesentliches vermissen liess, so folgten auch andere Künst-
ler im Vertrauen auf ihre Kenntniss der Orcbestereffecte
seinem Beispiele nach. Wenn aber in dem Eingange die-
ses Artikels die auflallende Thatsache steht, dass Schwenke
in Hamburg den von Mozart instrumentirten Messias noch-
mals überarbeitet babe, so bezieht sich das — wie aus der
Vorrede von Schwenke's Ciavierauszug ersichtlich — *)
nur auf einzelne Stellen, welche Mozart nach damaliger
Art von dem bei allen grösseren Concerlauffuhrungen mit-
wirkenden Ciavier ausführen liess. Dahin gehörten viele
Recilative, welche Händel nicht für das Quartett ausge-
setzt hatte, und die Schlüsse (Cadenzen) mehrerer Arien.
Mit diesem Accompagnement halten sich früherbin das
erste Violoncell und der Contrabass befasst, wobei letz-
terer nur den Grundton unterstützte, das Violoncell aber
meist arpeggirend fortscbrilt; durch Rolle und Graun
wurde, in Deutschland wenigstens, das Ciavier (nach dem
Vorgange J. S. Bach's?) in den Besitz desselben ge-
setzt. Schwenke aber theilte es wieder vollständig dem
Orchester zu, und so trifft ihn bei seinem anscheinend
arroganten Unternehmen noch obenein das Verdienst, je«
nes leidige Geklimper des Clavicymbels zur linken Seite
des Dirigenten aus dem Concertsaale verbannt zu haben**).
Der Hofrath Mosel in Wien ging naeh Mozarts
Beispiele noch einen Schritt weiter. Zu seiner, des Ver-
storbenen, Entschuldigung sei vorerst Folgendes gesagt :
Ihm schien vielleicht Mozart die Instrumentation geschaf-
fen zu haben nicht als Ergänzung der Orgel oder des
sogar im Concertsaal ganz fremdartig klingenden Clavie-
res ,* welches ja früher in Recitativen und Sologesängen
die ausfüllende Stimme zu übernehmen pflegte, sondern
vielmehr als einen Versuch: die veralteten Formen dem
neuern Geschmacke durch Orcbesterausputz näher zu brin-
gen. Seit der Zeit waren aber wieder dreissig Jahre ver-
strichen , die Formen waren trotz der Bemäntelung wie-
') „Da , wo io Hiosicht der Orget Binders Instrumentalbeglei-
tung oft sehr mager ausfällt, bat« ich theils die Mozart* seh*
benutzt, t heilt ungefähr das hingeschrieben, was der geübte
Begleiter zur Vervollständigung der Harmonie wählen dürfte.
Am Ende des Wechselgesanges No. 19 habe ich eine zweite
Stimme hinzugefügt, das kleine Recitativ No. 23 eingeschal-
tet , und Mozart 9 » einfache und bescheidene Bearbeitung dar
Arie No. 52 aufgenommen. Uebrigens bin ich, unbedeutende
Kleinigkeiten abgerechnet, dem englischen Originale ganz —
vielleicht zu treu geblieben." Hamburg, 1809. F. G. Schwenke.
**) Bei den grossen niederrheinischen M nsikfesten wurden die Re-
cilative, wo sie nicht von Händel ausdrücklich für da* volle
Quartett gesetzt waren, von einem Contrabass und zwei Vio-
loncells in meist vierstimmig gehaltenen Accorden begleitet«
Diesen Arrangements unterzieht sich schon seit zwölf Jahreo
der tüchtige Violoncellist Bernhard Breuer in Cöln.
853
1844. August. No. 33.
554
muthige „Voglein mein Bote" befindlich ist, haben sieh
in der Gegend, welche Recensent bewohnt, und in de*
ren Umkreise der grössten Popularität zu erfreuen, so
dass man sie seit Jahren fast in allen Cirkeln hört und
stets gern wieder hört. Das hat seinen Grund tbeila in
einer fast immer glücklichen, frischen Erfindungsgabe,
theils in einer gewissen Solidität der musikalischen Be-
handlung und Ausführung der ergriffenen Motive, durch
welche der Herr Verfasser ein jedes , auch das kleinste
Lied, sei es nun ernsten oder sei es scherzhaften, hei-
teren Inhalts, zu einem wirklichen in sich vollkommen
abgerundeten Kunstwerke stempelt, in welchem das ge-
übtere Auge mit Vergnügen so manche feine Züge eines
Meistergriffels entdeckt. Das gilt auch von den beiden
hier vorliegenden Heften, welche wir als durchaus werth-
voll und tüchtig rühmen müssen. Sogleich das erste Lied
in Op. 76, „An die Geliebte" von L. Koch ist sehr an-
sprechend und musikalisch tüchtig gehalten, und nur die
Stelle „Du blühtest mir allein «• scheint uns in der Be-
gleitung zu dürftig und zu wenig schwungreich ausge-
stattet zu sein. Eine Oclaven Verstärkung der Bässe auf
den gnten Tacttheilen hilft wohl etwas, aber doch nicht
ausreichend. Das Lied Mo. 2 „Dir allein" von A. Grün
ist trefflich componirt; originell nnd tief durchempfunden
ist das dritte: „Das dürre Blatt" von demselben Dich-
ter. — Op. 77 bringt in No. 1 „Die nickende Mutter,"
einen gar artigen, vom Componisten mit Glück behandel-
ten Scherz. No. 2 „Kehr ein bei mir" ist zart und in-
nig gegeben. No. 3 „Am Bache" frisch und anmutbig.
Die Ausstattung ist des inneren Gehaltes beider Samm-
lungen würdig. Dr. Kfn.
Nachrichten.
Leipzig, den 13. August 1844. Der gestrige Abend
brachte die erste Opernaufführung auf unserm nach einer
fast dreimonatlichen Unterbrechung am 10. d. M. wieder
eröffneten Stadttheater, dessen Leitung von nun an Herr
Dr. C. Chr. Schmidt übernommen bat. In jetziger Zeit
— wo der Fortschritt mehr als je zur Lebensaufgabe
eines Jeden geworden ist, er möge der Kunst oder der
Wissenschaft sich widmen, und wo man, eben weil die
Ueberzeugung von dieser Nothwendigkeit bei Allen im-
mer mehr durchdringt nnd wächst , in jeder wenn auch
anscheinend geringfügigen Veränderung auch eine Ver-
besserung zu erblicken hofft , — konnte es nicht fehlen,
dass man hier den Leistungen unserer Bühne unter der
Directum des genannten Unternehmers gespannt entge-
gensah. Und in der Tbat, wenn man auch dem in man-
chen Beziehungen ausgezeichneten Directionstalente des
Herrn Bingelhardt, welcher in den letzten Jahren an der
Spitze des Theaters stand, Gerechtigkeit widerfahren las-
sen mnss, so vereinigen sich doch alle Stimmen dahin,
dass * besonders in der letzten Zeit, unsere Oper (und
mit dieser allein haben wir es in diesen Blättern zu thun)
den Ansprüchen keineswegs genügte, die eine so kunst-
sinnige Stadt, wie Leipzig, an sie zu machen wohl be-
rechtigt war. üb und in welchem Grade dies der nun-
mehr, wie es scheint, durchgreifend regenerirten Oper
gelingen wird, muss die Folge lehren, nnd es kann natür-
lich von einem Urlheile nach der ersten Aufführung noch
nicht die Bede sein. So viel aber ist gewiss dem gestern
versammelten Publicum deutlich geworden , dass Herr
Dr. Schmidt uns tüchtige Sänger nnd Sängerinnen ge-
wonnen hat, von deren Leistungen wir uns noch man-
chen Genuas zn versprechen haben.
Als eine in jeder Hinsicht würdige und glückliche
Wahl müssen wir es bezeichnen, dass die Oper aller
Opern, Mozart 9 * unerreichter und unerreichbarer Don
Juan, den Anfang machte. Die Verkeilung der Rollen war
folgende: Don Juan — Herr Eicke; Gouverneur — Herr
Pögner$ Donna Anna — Fräul. Mayer; Donna Elvira —
Fräul. Steydler; Don Ottavio — Herr Wiedemann; Zer-
line — Frau Bachmann geb. Günther; Leporello —
Herr v. Ulram; Maselto — Herr Bickert. Mit Ausnahme
der Frau Bachmann und des Herrn Pögner, die zu un-
serer Freude die neue Directum uns erhalten bat, und
des Herrn Eicke , der schon vor einigen Jahren an hie-
siger Bühne engagirt war und noch in gutem Andenken
in Leipzig steht, waren uns die Darstellenden bisher
fremd, und sind wir auch nach einmaligem Hören eben so
wenig geneigt als im Stande, über ihre Leistungen ein nur
einigermaassen entschiedenes Urtbeil zu fallen, so geste-
hen wir doch gern, dass wir durch die Stimmen und den
Vortrag der Genannten , so wie durch den stärker , als
früher, und mit frischen Stimmen besetzten Chor ange-
nehm überrascht worden sind und das Theater befriedigt
nnd erfrent verlassen haben. Das in dem neu und ge-
schmackvoll decorirten Hause sehr zahlreich versammelte
Publicum erkannte und belohnte die Trefflichkeit der Vor-
stellung durch häufigen und rauschenden Beifall und dankte
dem Director am Schlüsse durch Hervorrufen.
Die ferneren Auffuhrungen und namentlich die Lei-
stungen der einzelnen Mitglieder ausführlicher zu bespre-
chen , behalten wir uns vor, nnd beschränken uns bis
jetzt darauf, in Nachstehendem das Verzeichniss des bei
der Oper angestellten Personals miUut heilen.
Capellmeisier : Herren Lortzing und Netzer.
Gbordirector: Herr Günther.
Gesanglehrer: Herr Meyer,
Herr Eicke.
Darstellende Mitglieder:
Herr Berthold , Bassbuffo.
„ Bickert , zweite Basspartieen«
s9 Eicke , erste Baritonpartieen.
„ Henry > erste und zweite Tenorparlieen, Tenorbnffo.
„ Kindermann , erste Bariton- und Basspartieen.
„ Klein 9 erste Heldenlenorpartieen.
„ Lehmann, erste Tenorparlieen.
„ Meissner, Bonvivants, jugendlich komische Rollen.
„ «. Planer , Bariton- und Basspartieen.
„ Pögner, erste Basspartieen.
„ Saalbach , kleine Basspartieen.
„ Stürmer, zweite Bass- und Baritonpartieen.
„ t>. Ulram , erste nnd zweite Basspartieen.
„ fWedeman*, erste Tenorparlieen.
Fräul. Adolph, jugendliche Gesangpartieen.
„ Bamberg , erste und zweite Gesangpartieen.
555
1844. August. No. 33.
556
Frau Eicke, komische und ernste Alte.
„ Günther -Beckmann, Soubrette, Spielpartieen.
Fräol. Mayer, erste Gesangpartieen.
,, Steydler, erste und zweite Gesangpartieen.
„ Targa, jogendlicbe Gesangpartieen.
„ Wertmüller ^ erste und zweite Gesangpartieen.
Zwanzig Choristen« Zwanzig Choristinnen.
Frankfurt a. M. Am 3. Juli dirigirle Lortzing in
Mannheim seine Oper „Czaar und Zimmermann" mit dem
Jlänzendsten Erfolge. Schon in der Probe wnrde er,
urch Lachner vorgestellt, von dem versammelten Orche-
sterpersonale laut begrüsst, und am Abend der Vorstellung
selbst ihm von einem sehr zahlreichen und gewählten
Publicum anhaltender Applaus. Das Publicum rief ihn meh-
rere Male hervor, und von Seiten der Intendanz erhielt er
einen kostbaren Tactirstab. — Gleiches Interesse erregte
in hiesiger Stadt sein „Wildschütz" am 19. Juli unter
der ebenfalls persönlichen Leitung des Componisten ; eine
Auszeichnung, deren sich in Frankfurt noch Niemand rüh-
men konnte und welche von Guhr's Achtung für das
wahre Verdienst zeugt. Dieselbe Achtung bewiesen ihm
Orchester, Sänger und der Chor durch diese in der Thal
von einem ächten Humor belebte und, ich möchte sagen,
Siquante Darstellung. Das Haus war gedrangt voll und
er Beifall stürmisch. Alles war begierig, den genialen
Componisten zu sehen, dessen Doppellalent (denn be-
kanntlich ist er auch Verfasser seiner Texte) dem deut-
schen Publicum schon so viel Vergnügen gewährt hat.
Empfangen und zwei Mal hervorgerufen, erschien Lortzing
und dankte auf eine sinnige und liebenswürdige Weise.
Frühlingsstagione in Italien.
(Besehlosi.)
Venedig. Man kann sagen, die Theatral- Frühlings-
stagione war hier zum Theil grün. Auf beiden Haupt-
theatern gab man Verdi'sche Opern, stets mit Furore.
(Teatro alla Fenice.) Die Frezzolini, ihr Gatte Te-
nor Poggi, nebst dem Bassisten Baizar exaltirten die Zu-
hörer in Verdi's Lombardi alla prima Crociata, welche
Oper bekanntlich zu Mailand für die Frezzolini compo-
nirt wurde, und in der Letztere beiläufig vierzig Male
hervorgerufen wurde. In der nachher folgenden Beatrice
di Tenda wnrde sie gar fünfzig Mal anf die Scene geru-
fen. In der Lncrezia Borgia — abermaligem Stecken-
pferde — verlor man die Geduld, das Hervorrufen zu
zählen. Nach einer benanntem Ehepaare gegebenen glän-
zenden Serenade , wobei sich über 300 Gondeln einfan-
den» reisten sie nach Florenz ab. In Allem gaben sie hier
fünfzehn Vorstellungen. — In der That muss man geste-
hen: Italien hat dermalen nur noch drei Prime Donne
ersten Ranges (der jetzigen musikalischen Epoche) : die
Taechinardi (meist in Paris), die Tadolini, die Frez-
zolini.
(Teatro S. Benedetto.) Verdi's Nabueodonosor mit
dem sehr braven Bassisten Coliui erregte einen Fanatismo;
die ebenfalls brave Brambilla gab die Abigaille, ihre
Schwerter die Fenena , der hier gebürtige masist Selva
den Zaceharia, Tenor Badale den Ismaele. In Donizetti's
Lncia ersetzte Tenor Frasehini Herrn Badale, und fand
starken Beifall. Nachdem Herrn Ferrari's unlängst hier
eomponirter Candiano IV. diesmal eine lane Aufnahme
gefunden, wiederholte man den im vorigen Carneval von
Verdi für die Fenice componirten Ernani, dem derselbe
Furore, wie damals, zu Theil wurde.
(Teatro S. Samuele.) Fast gleichzeitig mit dem Tea-
tro S. Benedetto gab man hier ebenfalls die Lucia, dar-
auf den Belisario, beide von Donizetli, leidlich vorgetra-
gen nnd applandirt.
Südtyrol.
Trento. Die wackere De Alberti nebst der Altistin
Viale, dem Tenor Balestracci und dem Bassisten Engenio
Sanü erwarben sich hier vielen Beifall in der Lucrezia
Borgia, noch mehr aber in Pacini's Saffo, was Einige in
Erstaunen setzte.
Roveredo. Eine nicht sehr berühmte Gesellschaft:
die Truffi, die Comprimaria Duflfö, Tenor Assandri, die
Bassisten Ferrario und Rigo wagten es, Verdi's Nabncco
zu geben, nnd fanden dafür volle Anerkennung. Die Bau-
mann wurde hierauf in Dooizetti's Figlia del Reggimento
stark applaudirt, und in ihrem Benefiz in eben dieser Oper
überdies mit vielen Gedichten beschenkt.
Statistische Uebersicht der Frühlingsopern in Italien.
56 Theater gaben diesen Frühling Opern in Italien,
davon kommen allein 23 auf das Lombardisch -Venetiani-
sche Königreich, 8 auf den Kirchenstaat, 8 auf das Gross-
herzogthum Toscana, 7 aufs Königreich Piemont und Ge-
nua, 7 auf das Königreich Beider Sicilien, 3 auf die Her-
zogtümer Modena und Parma.
Neun neue Opern wurden componirt: zwei zu Mai-
land (ßorgomastro di Scbiedam, Ciarice Visconti), zwei
zu Neapel (L'Invitato und II debitore), eine zu Genua
(Giovanna I. Regina di Napoli), eine zu Pistoja (Marga-
rita Pusteria), eine zu Rom (Luisa di Francia), eine zu
Bologna (11 Sindaco burlato) und eine zu Civitavecchia (II
Rapimento etc.).
Fünf neue Maestri sind entstanden : Domenico Mae-
strini, Gio. Ant. Taddei, Franc. Altavüla, Giuseppe
/Finter, Gaetano De Lauretis und Valente.
Aeltere Opern wurden gegeben:
Donizetti auf 42 Theatern (also ungefähr auf %
aller Theater; in Florenz allein unter 5 auf 4, in Mai-
land auf einem Theater allein 4 auf 6 gegebene Opern) :
Lucia di Lammermoor, Elisir, Figlia del Reggimento, jede
auf 6; Regina di Golconda, Gemma di Vergy, Don
Pasquale, jede auf 5 ; Anna Bolena, Marino Faliero, jede
auf 4; Maria di Rohan auf 3$ Belisario, Olivo e Pasquale,
Ajo, jede auf 2; Torquato, Esiliati, Adelia, Linda, Fu-
rioso, Catnpanello, jede auf 1.
Verdi auf 12: Nabuco anf 5, Lombardi, Ernani,
jede anf 4.
Rossini auf 10 : Barbiere 5 , Cenerentola 4 , Tnrco
in Italia 2, Bruschino 1.
Ricci anf 9: Chi dura vinee 8, Esposti nnd Orfa-
nella, jede anf 1.
549
1844. Augast. Nö. 33.
SSO
derum dreissig Jahre alter geworden — er machte sich
also geradezu an die Materie selbst, nnd änderte nicht
nur die äussere Gestalt, sondern auch den inneren Stoff
des Werkes ; aber in einer Art, wie wohl noch nie Gei-
stesproducte der Vorfahren von einem ihrer Nachkommen
behandelt worden sind* Folgendes die Grundzüge seiner
dem Jephta zu Theil gewordenen zweiten Bearbeitung
(denn die erste ist original -getreuer, nnd beschränkt sich
fast nur auf Weglassung der Reprisen und Hinzufögung
der Instrumentation).
A) Der Gang der Handlung ist verändert. Das
Original beginnt nämlich mit einem Chore der bedrängten
Israeliten, welche damals Abgötterei trieben. Sie opfern
und tanzen vor den Bildern des Moloch und Chemosch.
Der Oberfeldberr tritt auf und ermahnt sie kurz, sie
mögen, um sichere Hilfe zu finden, zum Jehovahdienste
zurückkehren. Und allsogleich sind sie auch dazu bereit,
und singen und beten nach der Weise ihrer Vorfahren.
Das ist allerdings eine überaus schnelle Bekehrung, an
deren Ausdauer sehr gezweifelt werden müsste ; denn das
Recitaliv war nur einige Tacte lang, und von psycholo-
gischen oder theologischen Ueberzeogungsgründen gar nicht
die Rede. Er sagt : thut's ! — und sie thun's. Auch Jfo-
sei scheint empfunden zu haben, dass dieser rasche Sin-
neswechsel in so ernster Sache gar zu auffallend nnd
schroff sei. Er beginnt also das Oratorium mit einem
Chore (aus Deborah), dem zu Folge die Israeliten nach
wie vor gute Juden geblieben sind und in ihrer Noth
zu Jebovah rufen; von Abgötterei ist gar keine Spur.
Der innere Zusammenhang des Textes mag dadurch ge-
wonnen haben, aber auf der andern Seite haben wir die
zwei grossen Introductiouschöre verloren, in denen Hän-
del als Characteristiker unübertrefflich dasteht; — man
hört es diesen Noten auch ohne Worte an, dass hier ein
ungewöhnlicher Tempeldienst gehalten werde, und dass
Händel die Baalsgötzen anders verehren und ansingen
lässt, als den einigen wahren Gott. Weniger auffallend
ist eine Veränderung des Ganges der Handlung im zwei-
ten Tbeile, wodurch vier Nummern andere Stellen erhal-
ten haben.
ß) Die handelnden Personen sind anderen Stimmen
%ugetheilt worden. Jephta ist liefer Tenor und seine Toch-
ter Iphis hoher Sopran geblieben; aber Jephta 's Gattin
ist aus der Altistin eine Mezzosopranistin, und Hamor,
der Iphis Geliebter, ist gar aus dem liefen Allisten zum
hohen Tenoristen geworden. Die Arien stehen nun na-
türlich in ganz anderen, als den ursprünglichen Tonar-
ten, und in den Duetten ist die Stimmführung zum gros-
sen Tbeile ganz neu geschaffen; die Recitative bewegen
sich in derselben Accordenfolge, aber nicht mehr in der-
selben Tonreihe. Eins folgt freilich aus dem Andern —
aber warum statt der zwei Allisten ein Mezzosopran und
hoher Tenor hingestellt wurde, habe ich nicht einsehen
können.
C) Viele Nummern sind fortgestrichen *). So die
') Schon 1805 in Reiohardfs mnsikal. Zeitung sagt Schaum von
Handelt Oratorium „Das grössere Publicum wird es gewiss
nicht ungern sehen, wenn Sachen weggelsssen werden, die
nicht sehr naeh den jetsigtn (1805) Zeitgeschmack sind, oder
erste Arie des Zebul, die erste des Jephta, die zweite
der Storge (bei Mosel Sella genannt), die letzte Arie der
Ipbis, beide Arien des Hamor, die einzige Arie des En-
gels, und leider auch das Quartett und yointeU im drit-
ten Tbeile, welche beide zu den wenigen im Händel vor»
kommenden Ensemblestücken gehören, denen man ihrer
Seltenheit wegen die maasslose Länge nachsehen müsste.
D) Die gebliebenen Nummern sind fast alle ge-
kürzt, aber in einer Art, von der man sich ohne ver-
gleichung des Originals mit der Bearbeitung gar keinen
Begriff machen kann. Mosel hat sich nicht damit begnügt,'
hier und da die Vor - oder Nachspiele zu streichen, oder
die Bepelitionen und dal segno's auszulassen, sondern er
bat die musikalischen Perioden auch so zusammengezo-
gen, dass sie gar nicht wieder zu erkennen sind. So
steht, um nur ein Beispiel anzuführen, in der Arie D dur
des Zebul in der Mosetschen Partitur eine Phrase von
acht Tacten, die sich gar nicht im Original befindet; sie
ist nämlich durch Contraclion aus zweiunddreissig Tacten
entstanden: hier ein halber, dort ein halber, dann wie-
der ein ganzer, wieder ein paar getrennte halbe — zu-
letzt stehen acht Tacte da, man weiss nicht, wo sie her-
gekommen sind. In dieser Art sind beinahe alle Solo-
stücke behandelt. Es ist unglaublich, wenn man es nicht
selbst gesehen und beide Partituren mit einander vergli-
chen hat.
E) Aus anderen Händer sehen Oratorien sind Chore
und Solostücke eingeschaltet ; nicht blos zu Anfange des
Oratoriums, welches, wie ich sub A) gezeigt habe, zu
Gunsten des Textes und inneren Zusammenhanges gesche-
hen sein mag, sondern auch an andern Stellen, wo keine
solche Notwendigkeit vorhanden war. So ist die sub D)
erwähnte Arie des Bassisten Zebul aus dem Oratorium
Deborah entlehnt, wo sie aber in einer wenigstens sechs-
fachen Ausdehnung von der Altstimme gesungen wird;
und aus demselben Oratorium wurden noch vier Chöre
herbeigezogen.
F) Einige Nummern sind in andere Tonarten trans-
ponirt\ nicht nur die sub B) gedachten, wo die verän-
derte Stimmlage der Solisten dies nothwendig machte,
sondern auch Chöre und Recitative, wobei eben weiler
nichts, als die Tonart (ein halber Ton höher oder tiefer),
gewechselt ist.
G) Die HändcVsche Instrumentation ist geblieben,
und zwar in der M ose f sehen Partitur mit grossen No-
ten gedruckt ; aber dazugesetzt sind alle jetzt gebräuch-
lichen Instrumente, von den Flöten bis zu den Posaunen
herunter. —
(Bcsehluss folgt.)
vielmehr denen niehl der Stempel derjenigen Sohtfnheit auf-
gedrückt ist; die ewig nnd unverfänglich bleibt. Gibt man
nun anch diese dem grossem Publicum, so schadet man dem
grossen Manne mehr, als man ihm nStst." Bis dahin wahr;
aber nun fährt er fort: „En kommt aUo darauf an, diese ge-
wählten Stäche zn Bim?« üaaxcn und in einem fortlaufenden
Zusammenhange xu verbinden.".; Das ist eben der Stein des
Anstosses ! Der ftaY, * weither die Fliegen vom .Antlitz des Ere-
miten verschenehen wollte, «qsehlog den armen Mann.
Ö5i
1844. Augast. No. 55.
552
R E C B N
8 I O M E N.
I
Biblische Bilder für du Pianoforle, componirt von C.
Lowe. Op. 96. Berlin, bei Bote und Bock. 3 Hefte.
Preis No. 1 und 2. a 15 Sgr. No. 3. 10 Sgr.
Der geistreiche Verfasser hat hier den jedenfalls in*
teressanten Versach gemacht, drei biblische Bilder — ei-
gentlich Scenen — nämlich I. Betbesda, nach Bv. Johan-
nis, Gap. 3, V. 2 — 9, II. Gang nach Emmaus, nach
Ev. Lucae, Gap. 24, V. 28 — 29, III. Martha und Ma-
•ria, nach Ev. Lucae, Cap. 10, V. 38 — 42, musikalisch,
und zwar für das Pianoforte allein componirt, zu verge-
genwärtigen. Im Allgemeinen können wir diesen Gedan-
ken nur einen glücklichen nennen, denn einerseits ist es
nicht su verkennen, dass die heilige Schrift eine sehr
grosse Menge von Bildern und Scenen darbietet, welche,
der Musik vollkommen zugänglich, sich mit Glück in sol-
cher Weise behandeln lassen ; andererseits aber ist in die-
ser Beziehung bisher so Weniges und noch dazu fast
ganz Veraltetes oder Vergessenes geleistet worden, dass
die Idee des Herrn Verfassers beinahe als eine neue, ihm
eigenthümlicbe erscheint. Indess machte schon der erfin-
dungsreiche Begründer der Ciaviersonate, Johann Kohnau
(vergl. Becker's Hausmusik in dem X VI. , XVII. und XVIII.
Jahrb. Leipzig, 1840. S. 46 u. ff.) ähnliche Versuche,
indem er im Jahre 1700 in Leipzig ein Heft von sechs
Sonaten unter dem Titel herausgab : „Biblische Historien
nebst Auslegung, in Sonatenform, für das Ciavier." Eine
dieser Sonaten, die es zum Theil wohl verdienten, in einer
neuen Ausgabe dem Publicum zugänglich gemacht zu wer«
den, erscheint z.B. mit der Ueberscbrift : ,, Der von Da-
vid vermittelst der Musik curirte Saut" und mit der Be-
merkung : „Also nräsenlirt die Sonata 1) Sauls Traurig-
keit und Unsinnigkeit, 2) Davids erquickendes Harfen*
spiel und 3) des Königs zur Ruhe gebrachtes Gemüthe,"
während die übrigen wiederum andere biblische Scenen
zum Gegenstände haben und sie, abgesehen von manchem
Verfehlten, sehr geschickt und aumuthig wiedergeben. —
Unser Verfasser bewegt sich indess in seinen grössten-
tbeils sehr ansprechenden, auch minder geübten Spielern
zugänglichen „Biblischen Bildern" nicht in der Sonaten-
form, sondern in freieren, tbeils mehr theils weniger aus-
geführten Sätzen. Ob es ihm in denselben überall gelun-
gen ist, ja ob es überhaupt möglich war, das, was er
gewollt, überall zu erreichen und für die gerade von ihm
gewählten Bibelstellen und deren zum Theil ungemein,
ja unerschöpflich reichen Gedanken - und Gefiiblgehalt
stets den adäquaten , scharf und durchaus kenntlich be-
zeichnenden musikalischen Ausdruck zu finden , darüber
wollen wir uns in eine nähere Untersuchung, weil sie
uns zu weit und doch schwerlich zu einem entscheiden-
den Resultate führen würde, hier nicht einlassen. Indess
gestehen wir gern, dass wir uns anhaltend und mit vor-
züglichem Interesse mit diesen biblischen Bildern beschäf-
tigt haben, von welchen uns, seiner zarten Haltung und
tiefen Sinnigkeit wegen, No. II, „Der Gang nach Em-
maus" ganz vorzüglich angesprochen hat. Die äussere
Ausstattung des Werkes ist sebr „empfehlend und wird
ihm auch von dieser Seite her Freunde verschaffen.
Portefeuille de Musique. Morceaux de Salon pour In Piano,
par Theod. Rullack. Op. 20. 5 Gab. Compl. Preis
3Thlr. Einzeln Heft 1 und 2. ä 15 Sgr. Heft 3. 12%
Sgr. Heft 4. l'/e Thlr. Heft 5. 20 Sgr. Berlin, bei
Trautwein.
Der Herr Verfasser bat hier ungleich Besseres und
Solideres geboten, als man, dem Herkommen nach, unter
der modischen Bezeichnung „Morceaux de Salon'* erwar-
ten möchte, und wir haben diese Compositionen, welche
im Allgemeinen der Erfindungskraft ihres Schöpfers und
seiner vertrauten Bekanntschaft mit der Eigentümlich-
keit des Claviers und der Höhe der neuesten Ciavier-
kunst ein rühmliches Zeugnisa ausstellen, mit Vergnügen
durchgespielt. Ohne dem einigermaassen fortgeschrittenen
Spieler die Ueberwindung allzugrosser Schwierigkeiten
zuzumuthen, bieten sie fast durchgehends schöne, ja zum
Theil überraschend neue Effecte dar. Die einzelnen Hefte
tragen folgende besondere Ueberschriften : I. La Goquetle,
Piece caracteristique. II. A minuit, Nocturne. III. Gavotte.
IV. A Naplea, Suite de 4 pieces italiennes, a) Barcarolle,
b) Serenade, c) Devant l'Eglise, d) Taranteile. V. Trois
chansonettes. Die äussere Ausstattung ist lobenswerth.
Deux Nocturnes pour Ie Piano, composes par le Comte
Joseph Witihotshu Op. 11. Leipzig, bei Breitkopf
und Härtel. Preis 15 Ngr.
Ballade pour Ie Piano par le Comte Joseph fPielhorsln.
Op. 12. Ebendaselbst. Preis 12% Ngr.
Schon in mehreren seiner früheren Werke hatte sich
der Herr Verfasser uns als ein auf der Höhe der neue-
sten Claviervirluosität stehender und dabei pbantasierei-
cher, elegant schreibender Componist für sein Instrument
bewährt und das bat er aufs Neue auch in den vorlie-
genden, zwar zum Theil ziemlich schwierigen, aber dafür
auch glänzende Claviereffecte darbietenden Heften gelban,
in welchen selbst Ciavierspieler ersten Ranges manches
Eigenthümlicbe, gerade so noch nicht Dagewesene finden
dürften. Namentlich gilt das von dem ersten der beiden
Nocturnes. Bei so reichem Talente können wir dem Herrn
Verfasser nur rathen, sich bald in grösseren und höhe-
ren Tonschöpfungen zu versuchen , welches er gewiss
nicht ohne günstigen Erfolg thun wird, wenn seine Fri-
sche und Kühnheit der Gedanken sonst nicht die sich
stets reich belohnende Mühe des ernsteren und tieferen
Studiums scheuet. Die Ausstattung ist sehr anständig.
Drei Lieder für eine Singstimme, mit Begleitung des Pia-
noforte, componirt von Fr. Lachner , königl. baier.
Hofcapellmeister. Op. 76. Rudoistadt, bei G. Müller.
Preis 1 Fi. oder 17% Sgr.
Drei Lieder für eine Singstimme, mit Begleitung des Pia-
noforte, componirt von Franz Lachner. Op. 77.
Ebendaselbst. Preis 1 Fl. oder 17V 2 Sgr.
Der geehrte Herr Verfasser dieser Compositionen ist
schon mehrfach auf diesem Felde sehr glücklich gewe-
sen, und mehrere seiner Liederbefte, wie z. B. Op. 63,
in welchem das wirklich ganz allerliebste und höchst an-
8Ö7
1844. August. No. 55.
538
2fe//f*t auf 8: Beatrice 5, Sonnambula 3, Puritanil.
Fioravanti aof 5 : Columella (Pulcinella).
Mercadante auf 4 : Bravo, Veslale, Gabriella, Reg-
gente.
Coppola auf 2 : Nina, Giovanna I.
.^rpa, Ger/i, iVmi, Pactni, Persiani, Poniatowski,
Rossi u. A. , jeder auf 1.
Diesen Frühling hat die Opera buffa etwas mehr
den Kopf erhoben, Verdi isl vorgerückt, Bellini, noch
mehr Mercadante, zurückgewichen , Pactni beinahe ver-
schwunden.
Anmerkung. Nachträglich zum vorigen Carneval:
die neue Oper JLara o il Cavaliere Verde, vom neuen
Maestro Paolo Fabrizf (Zögling des Neapolitaner Conser-
vatoriums), hat in seiner Vaterstadt Spoleto vielen Bei-
fall gefunden. Demnach sind also vorigen Carneval in Ita-
lien zwölf neue Opern componirt worden und vier neue
Maestri entstanden.
Rurzgefasste Nachrichten der italienischen
Oper ausserhalb Italiens vom Januar bis
Juni dieses Jahres.
Spanien.
Barcelona (Teatro de la Cruz). Bellini's Beatrice di
Tenda gefiel wenig. Die Brambilla (Giuseppina, nichts
Grosses), Tenor Verger und Bassist Giordani (Beide fer-
tig) konnten kein anderes Ergeboiss hervorbringen ; die
einzige Goggi befriedigte ziemlich in der Titelrolle. In
der Norma war die Gaziello keine vortreffliche Adalgisa,
das Uebrige wie oben. Herrn Speranza's Due Figaro ge-
fielen 9 gar nicht. Verdi's Nabucodonosor gefiel erst, als
der so eben aus Italien angekommene Bassist Supercbi
bei Stimme war; die Goggi fand Beifall. Otello, mit der
Colleoni-Corti, Verger nnd Supercbi, wurde vom Prota-
gonisten (Verger) oft entstellt vorgetragen; die Prima
Donna hat eine gute Schule, ist aber auf der Neige.
Für's neue Teatro de los Capuchinos wurden enga-
girt: die Boldrini, die Di Pranco, die Comprimaria Ma-
rini, Tenor Caggiaii, De Bezzi, die Bassisten Maini und
Castoldi. Anfangs Juni wurde es mit Donizetü's Pia de'
Tolomei eröffnet, in welcher Oper die Di Pranco, die Ma-
rini, Caggiaii und Castoldi (unpässlich) sangen ; das Ganze
fand aber eine laue Aufnahme.
Cadix. In Donizetti's Linda di Chamouniz fand die
Bocca am Meisten Beifall, etwas minder die De Bernardi,
die Herren Rodda, Spech und Lei. Auch sein Marino Fa-
liero ging nicht übel.
Coruna. Donizetti's Furioso, worin Herr Gerli =
Protagonist, die Aguilö, seine Gattin = Leonora nebst
den Herren Porcel, Obiols und Begini wirkten, erfreute
sich einer guten Aufnahme, welches Loos auch Bellini's
Beatrice traf, worin die Porcel, die Aguilö, Tenor De-
vesa und Gerli wetteiferten. Die Gesellschaft ging hier-
auf nach-Valladolid.
Granada. Die italienische Oper, die hier keine gu-
ten Geschäfte machte, bewog Herrn Di Franco, seine
Tochter, den spanischen Tenor Prielo nnd dem Violtndi-
rector und Concertisten Senor Palancar, Rundreisen zu
machen und Academieen zu Jaen, Malaga, Algesiras und
Gibraltar zu geben ; ihr Vorhaben wurde mit gutem Er-
folge gekrönt.
Lerida. Von den drei Opern Barbiere di Siviglia,
Capuleti und Puritani, bat hier die letzte, die langwei-
ligste, am Meisten gefallen, in ihr die Prima Donna
Soriano, Tenor Montanes und Bassist Garcia -fiojas. (Ga-
ceta mus. y lit.)
Madrid (Teatro del Circo). Donizetti's Lucia mit der
Basso-Borio, Tenor Sinico und Bassist San tarelli - Fu-
rioso (nach zehnjähriger Pause) mit benannter Prima
Donna, der Gariboldi, Salvatori (Titelrolle) nnd Alba,
machten keineswegs den Lärm, den italienische Zeitschrif-
ten davon schlagen.
Der sehr reiche Banquier Salamanca, ein Millionär,
bat die neue Irapresa dieses Theaters übernommen und
drei Gesellschaften, für die italienische Oper, für's Ballet und
für die spanische Comödie, engagirt und das Theater selbst
mit der grössten Eleganz hergestellt. Die vom Frühling
1844 bis Ende der Faste 1845 neu engagirten oder bei-
behaltenen Hauptsänger sind: die Basso-Borio, die Gari-
baldi, die Campos, die Altistin Planol, die Tenore Con-
fortid und Unanue, die Bassisten Salvatori, Spech nnd
Santarelli. Bereits wurden mit mehr oder weniger Beifall
gegeben: die Norma (Basso-Borio, Planol, Unanue, Sal-
vatori), Donizetti's Lucia (Basso-Borio, Unanue, Spech),
Roberto d'Evreux (Basso - Borio, Moreno, Confortid, Sal-
vatori) und am 15. dessen Esule di Roma (Gambaro,
Unanue, Salvatori).
(Teatro de la Cruz o del Principe.) Die Rocca, die
Campos, die Altistin Bernardi, die Tenore Sinico, Garion,
die Bassisten Lei und Alba, bildeten hier für sich eine
eigene Gesellschaft, und gaben Auber's Muta di Portici
und Donizetti's Gemma di Vergy.
fVeber's Ouvertüre zum Freischütz bat hier diesen
Frühling, zum ersten Male vorgetragen, einen wahren
Fanatismus hervorgebracht.
Herr Ramos, Gatte der Sängerin Crütina Vill6 9 hat
den Auftrag, für Havanna (Insel Cuba) eine Sängergesell-
schaft zu bilden und die Opera buffa daselbst spanisch
zu geben.
Der hiesigen Iberia musical zu Folge soll in dieser
Hauptstadt ein Sangermuseum errichtet werden, wo un-
vermögliche., mit guten Anlagen zur Kunst versehene In-
dividuen unentgeltlichen Unterricht im Gesänge erhalten
sollen.
Palma (Insel Mallorca). Donizetti's Lucrezia Borgia
mit der Mancini-Nola, der Aloardi, dem Tenor Bertolasi
und Bassisten Pons hat so eben ungemein gefallen.
Valencia. Die Munoz, die in Mailand den Gesang
studirt, hat hier diesen Frühling in der Lucia und Saffo
die beste Aufnahme gefunden.
Valladolid. Die Gesellschaft von Coruna (s. d.) gab
hier mit mehr oder weniger Applaus die vier Donizetti'-
sehen Opern: Lucrezia, Lucia, Belisario, Torquato Tasso,
sodann Pacini's Saffo, Ricci's Chiara und Bellini's Norma.
(Bescklnss folgt.)
559
1844. August- No. 53.
500
Feuilleton.
Capellmeister Reiniger in Dresden ist vor Kurzem von den
Dommosikverein in Salzbarg, von der Man ebner Liedertafel, von
dem Thüringer Singerbande, von dem Orpheus in Dresden» and von
dem Chorregantenveretn in Wien zum Ehrenmitglied ernannt worden.
Dm belgisch« Wettgesaagfest (a. S. 534 d. Bl.) hat sur Grün-
dung eines flämisch • deutschen Sangerbandes („Flaemscb - Duitseh-
Zangverbond") Anlass gegeben, der die deutseben und flämischen
Singvereine fester an einander ketten soll. Der Cola er Nänaerge-
sangverein, der von Gent, Brüssel und Antwerpen haben bereits
ihren Beitritt erklärt.
Aufforderung
an alle in dem österreichischen Kaiserstamte geheimen Componisten, ausü b en de* musikalischen KünstUr und Dilettanten, Gelehrten und
Schriftsteller, ausgezeichnete Fabrikanten und Verfertiger, Erfinder und Ferhesserer musikalischer Instrumente und vorzüglichen Musikalien-
Verleger, so wie an all» Jene, welche, wenn auch im Auslände geboren, doch in Oesterreich ihre musikalische Bildung genossen oder^ da-
selbst eine solche Stelle bekleideten oder noch bekleiden, oder endlich an jene Künstler, welche mit Oesterreich in musikalischer Hinsicht
in näherer Berührung gestanden haben oder noch stehen,
Nachdem bis nun su noch kein Werk erschienen ist, welches aas eine Uebersicht aller lebenden österreichischen Musiker,
und in diesem ingleich die richtigen Nachrichten über alle Lebensverhältnisse und ihr künstlerisches Wirken geboten bitte, ein solches
Werk aber im gegenwärtigen Zeitpnncte, wo in Oesterreich die Musik so sehr gepflegt wird und die Ausübung dieser Kanst so allge-
mein ist» wie nicht leieht in einem anderen Staate, auch der Einflnss, den Oesterreich in musikalischer Hinsicht ausübt, schon daraus
ersichtlich wird, dass die österreichischen Künstler über die ganze Welt so verbreitet sind, dass es wohl keine Stadt von Bedeutung ge-
lten wird, in der sich nicht ein mit Oesterreich in näherer Verbindung gestandener Künstler befindet, wir aber, falls wir über die Le-
bensverhältnisse eines solchen etwas in Erfahrung bringen wollen, grossentheils au ausländischen Werken unsere Zuflucht nehmen müs-
sen, in welchen wir sehr oft von den unrichtigsten Daten und Mittheilungen irregeführt werden; so scheint ein Werk, das die aus den
zuverlässigsten Quellen geschöpften Biographieen aller in dem österreichischen Kaiserstaate geborenen Componisten, ausübenden Künstler,
vorzüglichen Kunstdilettanten, musikalischen Gelehrten und Schriftsteller, Fabrikanten und r erfertiger p Erfinder und Verbesserer musikali-
scher Instrumente zugleich mit einer gerechten und unparteiischen Würdigung ihrer Kunstieistungen und Verdienste um die Kunst enthalt,
noch aus dem Grunde ein wahrhaft gefühltes Bedürfnisse als es den wichtigsten Beleg sur Kunstgeschichte unserer Zeit liefert.
Der Redactcur der allgem. Wiener Musik -Zeitung, in Berücksichtigung der Notwendigkeit und Nützlichkeit eines solchen
Werkes , glaubt sich am ersten dazu berufen , ein solches zu begründen ; denn , sbgesehen davon , dass er durch die Herausgabe seiner
Mnsikseitung , dem einzigen öffentlichen Organe für Musik in Oesterreich, in genauer Keontniss aller musikalischen Zustände im Vater-
lande ist, verschafft ihm auch seine ausgebreitete Verbindung mit allen musikalischen Künstlern wie nicht leicht einem Andern die Gele-
genheit, dasselbe in der unbedingt notwendigen Vollständigkeit zu verfassen und demnach allen Anforderungen an ein solches Natio-
nalwerk möglichst zu entsprechen. Da jedoch ein so ausgebreitetes Werk nur durch vereintes Zusammenwirken Aller, so wie durch die
Unterstützung jedes Einzelnen hervorgerufen werden kann , so ersucht der unterzeichnete Redaeteur alle zu Anfang benannten Künstler
und Kunstverchrer, deren Freunde , so wie auch alle Jene , welche mit solchen in näherer Verbindung stehen , um gefällige Einsendung
von biographischen Notizen mit genauer Angabe des Geburtsortes nnd Datums, bei Componisten nnd musikalischen Schriftstellern um Bei-
gabe eines richtigen Verzeichnisses ihrer Werke.
Da es sich um die Förderung des allgemeinen Runstinteresses durch ein Werk handelt, das wichtige Belege zur Kunstlerge-
sehichte des Österreichisehen Kaiserstaates liefern soll, so glauben wir, dass dieser Zweck an erhaben ist, als dass demselben nicht klein-
liehe Eitelkeiten, überspannte Bescheidenheit und unkünstlerische Ziererei aum Opfer gebracht werden dürften, um so mehr, als die
wahrhafte nnd höchst lobenswerthe Künstler - Bescheidenheit durch Uebersenduag von biographischen Notizen nie und nimmer verletzt
werden kann, vielmehr jeder Künstler durch die Bekanntgabe derselben gleiehsam einen Tribut der Dankbarkeit zollt gegen sein Vater-
land oder den Staat, der ihn freundlich aufgenommen, gegen seine Familie, seine Lehrer nnd endlich gegen die vaterländische Kunst selbst.
Derlei Einsendungen wollen an die Redaction der allgemeinen Wiener Musikzeitung adressirt, an die k. k. Hof-, Kunst- und
Musikalienhandl u ng des Herrn Pietro Mechetti qm, Carlo in Wien, franco möglichst bald eingesendet werden.
Zum Schlüsse ersuchen wir die befreundeten Redactionen in • nnd ausländischer Journale nm gefällige Aufnahme dieser Auffor-
derung der Förderung des nützlichen Zweckes willen um so mehr, als anch der unterzeichnete Redaeteur derlei gemeinnützigen Bekannt-
gaben, in so ferne sie sich mit der Tendenz seines Journals vereinbarten , immer bereitwilligst die Spalten seiner Zeitung öffnete.
Ausrast Seltmidt, Redaeteur der allgemeinen Wiener Musikzeitung.
Ankftndlgangen.
NEUE MUSIKALIEN
im Verlage von C F. n* eteraj, Bureau de Musique, in Leipzig.
TU*. Ngr.
Becker, J«, Die Zigeuner, Rhapsodie in 7 Gesängen.
Op. 51. Chorstimmen I 7$
Dossier, TU., Trois Nocturnes, 0p.B2, No. 1, 2, 5,
ponr Piano senl k — itt
H Armer» JL, Sechs Lieder für eine Singstimme mit
Begleitung des Pianoforte. Op. 11 — 20
HtsUptmtsnn ? Uff., Messe für Solo • u. Chorstimmen,
mit Begleitung des Orchesters, Text lat. Op. 50. Part. 5 —
d? Orehesterstimmen 4 10
d? Solo- und Chorstimmen 2 22*
d? Ciavierauszug 2 7$
Herme*, Tai« , Air russe varie ponr Piano k quatre
malus, Vision et Violoncelle coneertants, Oenv. 2. 1 22*
Thlr. Ngr.
Hl] ler, F., Sechs Gesänge für eine Singstimme mit Be-
gleitung des Pianoforte. Op. 51
Hwfft>t n. Wunderlich, Flötenschule. Nene Aufl. 2
Jfanmm, Ii«, Sonate pour Piano et Violon. Op. 66.... I
HÜfken, C«, Gretelein, Gedicht von L. Hecker, ans
dessen Op. 44 arr. für eine Singstimme mit Pianoforte.
W*ttelM»hilB , Premier Trio pour Piano, Violon et
Violoncelle. Op. 4
SeHlimanii, H», „Dichterliebe/* Liedercyclus aus
dem Buch der Lieder von Heine , für eine Singstimme
mit Begleitung des Pfte. Op. 48. Heft 1. 1 Thlr. H. 9.
gpe-nholt*, A. H«, Donse Pieces faciles et melodieu-
ses pour Piano seid, Op. 15. Heft 1. 18 Ngr. Heft 2....
Walelt« JL HU, Pieces d*Harmonie ponr Musique mi-
litaire. Liv. 50... 5
— 23
28*
— 3
2 -
- 171
10
Druck und Verlag von Brettkopf und Härtel in Leipzig nnd unter deren Verantwortlichkeit.
561
ALLGEMEINE
562
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 21*"» August.
M 34.
1844.
• «aaassaarfe-ijgBs; gaar-'sasej — - *~
Kurage-
Original oder Bearbeitung?
(Beschlags.)
Dies sind die Grundlinien, nach denen das Gebändc
Mosergeber Bearbeitung aufgeführt ist; man wird sieb
daraus ungefähr ein Bild des Ganzen entwerfen können
und beurteilen, in wie fern ein dergestalt ausgestattetes
Oratorium überhaupt noch ein Händel'tches Werk ge-
nannt werden dürfe. Aber ungerecht wäre es, auch nur
im Entferntesten zu bestreiten, dass all* diese angeführ-
ten Veränderungen mit der grössten musikalischen Ge-
wandtheit zu Stande gebracht sind. Wer die Originatpar-
titur nicht kennt, wird keinen Augenblick anstehen, sich
an der durch Emissionen, Variationen, Gontractionen neu
geschaffeneu Gestalt der meisten Sologesänge wahrhaft
zu erfreuen, und ich möchte behaupten: wenn die Mög-
lichkeit eines Händel redimvus vorhanden wäre, so würde
er in unseren Tagen seine Compositionen gerade in der-
selben Art gestalten, wie sie Mosel eben umgearbeitet
hat. Erklärt man sich also mit dem Grundsatz einver-
standen, dass Händers Werke der Gegenwart näher ire-
ruckt werden müssen, weil die Formen veraltet und alle
Musikstucke meist zu gedehnt seien, so kann die Moder-
msirung kaum vollendeter gedacht werden, als sie unter
X J HfiMen hervorgegangen ist. Aber wohin soll das
endlich fuhren? Nach dreissig Jahren wird Manches, was
uns jetzt noch modern erscheint, schon wieder veraltet
«cm ; und wie Mosel aus zweiunddreissig Tacten acht ge-
macht hat, so dürfte der künftige Bearbeiter von den
achten vielleicht nur vier oder zwei nöthig finden, und
was wird zuletzt übrig bleiben? Nein! mit diesen den
neueren Bearbeitungen älterer Werke zu Grund geleg-
ten Ansichten kann ich mich nicht einverstanden erklä-
ren. Der Riese soll nicht in das zusammenschraubende
tjocrustesbett moderner Auffassung. Entweder wir geben
Handel pnz, oder wir gestehen offen, dass uns seine
gigantischen Oratorien als solche nicht mehr befriedigen,
und geben sie unter dieser Firma (gleich viel ob mit
urgei- oder mit orcelersetzender Orchesterbegleilung) gar
nicht, sondern suchen uns nur diejenigen Nummern her-
aus, die unverändert auch jetzt noch, und vielleicht für
immer, durch ihr rein künstlerisches Interesse, von al-
tem damaligen Modisehen so entfernt, wie von dem jetzi-
gen, als Vorbilder musikalischer Compositum den höch-
sten Werth bewahren. Es wird noch immer eine büb-
seh e Summe von grösseren und kleineren Musikstücken übrig
4S. Jahrgang.
bleiben, z. B. fast alle Chöre, desgleichen diejenigen So-
losätze, welche nicht mit damals beliebten melismaliscben
Figuren geschmückt, oder deren innere Structur nicht
auf die leidigen (und für die harmonische Einheit doch
notwendigen) Wiederholungen der grösseren Hälfte be-
rechnet waren. Und gehen auch auf diese Weise die mei-
sten Oratorien Händers als selbständige abgeschlossene
Körper verloren, so können dagegen ihre vielfachen Re-
liquien durch anerkannte Aecbtheit nur im Preise stei-
;en. Denn das soll mir doch Niemand einreden wollen,
ass es heut zu Tage selbst unter den musikalisch Ge-
bildeten Viele gebe, die ein ganzes Händer$che* Orato-
rium von A bis Z mit all' seinen Recitativen und Arien,
allen Vor- und Nachspielen, allen Repetitionen und dal
segno's, wirklich andächtig anhören könuten; und auch
Mendelssohn hat eben so gut Auslassungen statuirt, wie
es seine Vorgänger gethan; freilich mit höchster Be-
schränkung — aber wo ist denn überhaupt das Recht
dazu vorhanden ? und wenn es wäre, wo sind die Gren-
zen dieses Rechtes ? Und welchem anderen Tonsetzer ist
jemals Gleiches widerfahren? Hat sich Händel nicht über-
lebt, so gebt ihn ganz und ungetheilt und unverändert —
wir wollen sehen, ob sich mehr, als ein kleines Häuf-
Iciu Gläubiger findet, die solche Aufführung nicht als Cu-
riosität, sondern durchweg als erwärmenden Kunstgenuss
betrachten würden. Hat er sich aber überlebt, so geht
es ihm nur, wie es den allermeisten Componisten auf
der weiten Welt gegangen ist und geben wird : ihr un-
sterblich Theil , der eigentliche Kern ihrer Werke , die
Idee, welche sie beim Schaffen leitete und begeisterte,
ist den Nachkommen zum Baume der Erkenntniss heran-
gewachsen und hat Früchte getragen für die Ewigkeit;
was aber Zeitliches daran war, was von dem jedesmal
herrschenden Geschmacke bedingt worden, das musste
untergehen und kann keinen Bestand haben. Denn der
Zeitgeschmack gleicht dem Saturn, der seine eigenen Rin-
der verschlingt. Und doch ist Saturn das Haupt der Göt-
terfamilie, welchem sich kein Genius zu entziehen ver-
mochte, wenn nicht Jupiter tonans selber — und deren
haben wir Wenige.
Es scheint, als ob Muth dazu gehöre, eine so natür-
liche Dedaction zu führen; ich wüssle sonst nicht, warum
so Viele den Mangel an allgemeinem Interesse bei Hän-
tfefschen Oratorien *) aus anderen und ganz unhaltbaren
*) Ich erinnere hier noehaalt , diu iah dieselben, wie sie uns
54
565
1844. August. No. 54.
364
Gründen herleiten wollen, tls ans den ölen angegebe- I
nen. So hat sich in neuester Zeit namentlich die Mei-
nung geltend zu machen versucht, dass die Stoffe zu je-
nen Compositionen, die biblischen Texte, nicht mehr an-
sprächen. Warum? Etwa weil sie zu bekannt sind? Das
wäre, wenn auch ein falscher Schluss, doch eine rich-
tige Prämisse. Nein, im Gegentheill „weil sie uns zu
fremd sind. Was kümmern uns die israelitischen Richter
und Könige? wer interessirt sich für den Heldenmuth
eines Juden, der vor 4000 Jahren gekämpft hat? Nehmt
dagegen Stoffe aus der germanischen Geschichte : Carl
den Grossen, den Kampf der Heiden mit den Christen,
Turpin, die Ritter der Tafelrunde!" Es mag etwas Be-
trübendes darin liegen, dass die letzteren Sujets so we-
nig benutzt werden, und ich gedenke noch lebhaft schon
vor 25 Jahren im älterlicben Hause einer ähnlichen ernst-
haften Discussion zwischen dem Gymnasialdirector G.
und dem jetzt verstorbenen Generalmajor v. A, (beide
sehr gebildete und geistvolle Männer), worin Letzterer
behauptete, es sei bimmelschreiendes Unrecht, dass die
Knaben die Geschichte aller fabelhaften assyrischen und
ägyptischen Könige auswendig lernen müssten, während
die wenigsten unter diesen Knaben die Lebensverhältnisse
kaum von ihren Grossältern, geschweige denn von deren
Aeltern oder Grossältern, kennten, die doch gewiss exi-
stirl hätten und denen sie Dank schuldig wären. Das ist
nun freilich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet; in-
dessen ein Goldkörneben Wahrheit liegt doch darin. Es
sind aber die jüdischen Namen Joseph, Josua, Simson,
Jepbta, Saul, Makkabäus so durchaus mit unserer ganzen
christlichen Erziehung verbrüdert, sie wurden uns und
werden auch unseren Kindern wieder als die ersten ge-
schichtlichen Notabilitäten so umständlich eingeprägt, dass
ich wohl den Mann aus dem Volke sehen möchte, der
ihrer nicht auch noch im spätesten Alter gedächte ; wäh-
rend die deutsche Vorzeit so allgemein eine terra inco-
gnita ist, dass selbst bei dem gebildetsten Auditorium die
Mehrzahl kaum die Namen der darin auftretenden Per-
sonen, viel weniger ihre Bedeutung kennen wird. Wenn
einmal auf allen Gymnasien statt des Homer' s' das Nibe-
lungenlied in der Ursprache gelesen werden wird, dann
kommen wir mit Erfolg auf die Oratorien zurück, welche
ihre Stoffe aus jenen Regionen entlehnen sollen ; bis da-
bin werden aber die bekanntesten — und das sind die
biblischen — auch die dankbarsten sein. Wozu überhaupt
nach Gründen forschen, warum die Theilnahme an Hän-
del in der Totalität seiner Werke gegenwärtig fühlbar
schwächer werde, da doch Händel — der Priester einer
Kunst, die weit vergänglicher ist, als die ihr verschwi-
sterten Poesie, Malerei, Sculptur — bekanntlich vor län-
ger als hundert Jahren gelebt und gewirkt hat? Mosel
mag sich freilich noch eine Weile hallen, aber Mosel ist
nicht Händel; und Mendelssohns Versuche mit der Re-
stitution der Orgel könnten eben so gut als eine restitu-
tio ad integrum, wie als eine in partibus inßdelium
betrachtet werden 5 denn wie auch die Wiederherstellung
des alten Orchesterzustandes mit obligater Orgel einen
gegenwärtig gebotet werden , nicht für wirklich Händer »ehe
Werke »erkenne, and dass lifo der Beifall, den eine Mosel*-
icbe oder ähnliche Bearbeitung erhält, gar nichts beweist.
wirksamen Reiz der Neuheit mit sich bringe, — die Aas-
lassungen und Beschneidungen einzelner Nummern lassen
dennoch kein getreues Bild des Originalwerkcs aufkommen.
Scblüsslich muss ich mich nun auf das Nachdruck-
liebste dagegen verwahren, als ob ich die Aufführung des
Jephta, wie sie unter meiner Leitung bei dem nieder-
rheinischen Musikfesle Statt gefunden, für eine unver-
fälschte und der Originalpartitur getreu nachgebildete aus-
geben wollte. Im Gegentheile — ich habe mich bei die-
ser Gelegenheit nur aufs Neue davon überzeugt» dass
eine solche zu den Unmöglichkeiten gehört. Zwar habe
ich die Orgel, wie zu Händets Zeiten, die in Noten feh-
lende, durch Ziffern aber vorgeschriebene Begleitung aus-
füllen lassen ; das halte ich jedoch nur für eine Aeusser-
licbkeit — denn ob die angedeuteten Harmonieen durch
Zusammenstellung von Flöten, Oboen, Clarinetten, Fagot-
ten, Hörnern, oder ob sie durch den Organisten auf sei-
nem all' diese Tonwerkzeuge repräsentirenden und in
sich fassenden Instrumente ausgeführt werden, das ist
meines Bedünkens ganz dasselbe, und nur das jedesma-
lige Local und sonstige zufällige Umstände werden die
Wahl für eines und das andere entscheiden lassen *).
Die grenzenlosen Freiheiten der Moser sehen Partitur
sind freilich auch nicht benutzt worden; übrigens aber
ist eine sehr grosse Anzahl von den in der Originalpar-
titur des Jepbta enthaltenen Nummern fortgeblieben. Sie
haben fortbleiben müssen, theils weil die Aufführung sonst
mindestens fünf Stunden gedauert hätte (nahe an fünfzig
Nnmmern), theils weil viele derselben so überaus ge-
dehnt, trocken und veraltet sind, dass die Zuhörer da-
durch auch für die wahrhaft schönen Sachen disgustirt
worden wären **). In den aber wirklich zur Ausführung
gekommenen Musikstücken habe ich freilich nur wenige,
aber doch einige Abkürzungen vorgenommen. So in dem
Duett zwischen Iphis und Hamor eine zwölf Tacte hin-
durch in Terzen laufende melismatische Passage:
Andante. ; — . ."""">;
Wie gläu
&m*? ftid£ £k
zend q. s. w.
*) Der Nolirung und Ausführung der Orgelslimme hatte sieh Herr
M asikdirector Frans Weber unterzogen y nach den Grundsä-
tzen, welche schön Ciasing in der Vorrede zum Clavier-Aus-
zoge des Judas Makkabäus folgendermaassen ausdruckt: ,,Der
Bearbeiter hat die Tendenz, Hundert Sinn und Geist möglichst
treu darzustellen, wobei er gleichsam durch Divination Man-
ches auszudrucken wagen muss, was Händel bei der UovoU-
kommeoheit der Blasinstrumente seiner Zeit dureh sein eige*
nes, uns von seinen Zeilgenossen als höchst vollkommen ge-
schildertes, Orgelspiel hinzufügte."
") Es ist eben überall so gemacht. So sagt Hellwig in seinem
Vorberichte zum Clevier-Auszog des Joseph: „Damit zur
Aufführung dieses Oratorium» nicht mehr Zeit erfordert werde,
als man gewöhnlich zu Productionen ähnlicher Werke verwen-
det, wurden von der hiesigen (Berliner) Siogaeademie einige
Arien und Recitative weggelassen. Diese fehlen auch im Cia-
vier -Auszüge." (Nämlich vierzehn Nummern.)
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1844. August. No. 54.
566
und ähnliche Stellen, die ein allgemeines Brouhaha erregt
haben würden. Dagegen habe ich mich nicht dazn ent-
schließen können, die dal segno's unbeachtet zu lassen.
Der Cape! Im eis ter eines ...sehen VorsUdllheaters, in wel-
chem Klilschnigge und Jocko's tanzen, braucht freilich
seine Partitur nicht nach gesundem musikalischen Men-
schenverstände einzurichten — aber der Dirigirende eines
Musikfestes kann doch unmöglich ein Stück durch Abkür-
zung so verhunzen, dessen ganze harmonische Anlage
darauf berechnet ist , dass man z. B. den in der Tonica
schliessenden ersten Theil nach dem zweiten Tbeiie durch-
aus wiederhole, weil dieser zweite Theil in einer ver-
wandten Molltonart oder gar in der Dominante schliesst,
das heisst also: nicht schliesst, sondern erst geschlossen
werden muss. Nur bei einer einzigen Arie, wo es zufäl-
lig die Modulation erlaubte, habe ich ein dal segno auf
Ersuchen des durch die Länge des Musikstückes ermü-
deten Sängers fortges trieben.
Man beschuldige diesen Aufsatz keiner Missachlung
des grossen, in seiner Sphäre noch immer unübertroffen
dastehenden Tonsetzers. Nicht um Alles in der Welt
möchte ich auch nur eines der vielen Bändet sehen Ora-
torien verloren wissen. Aber geben sie denn dadurch
verloren, wenn sie nicht mehr als ganze, den Abend Tül-
lende öffentliche Musikaufführungen fortbestehen? Von
wie vielen anderen älteren Tonsetzern werden immer
noch in Concerten einzelne Stücke produoirtx Scenen,
Chöre, Ensemble's, ein ganzer Act oder Theil einer Oper
oder eines Oratoriums! Warum nicht von Händel, der
so reich ist an grossen Sätzen, die, trotz 100jährigen
AHers immer noch frisch und jugendlich, das ganze Pu-
blicum begeistern und fördernd bilden werden? Und blei-
ben uns nicht zum ewigen Studium die gedruckten Par-
tituren des Meisters? Und haben wir nicht Siogacademieen,
Gesangvereine, Musikkränzchen, in deren Mitte der ganze
Händel geübt und gehegt werden kann? Er wird nie
verloren geben ! Aber auch das Publicum bat sein Recht ;
es darf nicht ennuyirt werden durch die unverfälschte
Darstellung eines ganzen Oratoriums (was übrigens in
Deutschland schwerlich oft geschehen ist) , uud es, darf
eben so wenig amüsirt werden durch die verfälschten mo-
dern isirten Bearbeitungen, was die rechte Art ist, um
ihnen den Geschmack an dem ächten Händel nach und
nach ganz zu verderben. Tertium non datur. Denn das
auch von mir eingeschaltete juste (?) milieu kann ich
selbst nicht billigen; es ist eben nur eine Modißcation
des zweiten Verbotes, und war für mich ein Nothsystem,
weil der Jephta durchaus gegeben werden sollte. 1840
lassen wir zwölf Nummern fort und beschneiden zwölf
andere; 1860 ganz gewiss schon anderthalb Dutzend;
1880 zwei Dutzend voll — und dabei heisst'g 1900 noch
immer : Hände fsches Oratorium ! Ein Oratorium soll we-
der langweilen, noch unterhalten; es soll erbeben —
wenn es das nicht mehr kann, so hat es sich überlebt
und darf als Oratorium nicht mehr vorgeführt werden;
denn zum Aendern, zum Auslassen oder gar zum Moder*
nisiren hat Niemand die Befngniss, als der Componist
selbst. So schliesse ich denn diese Abhandlung mit den
Worten eines hochverdienten Mannes, der mir in einem
seiner letzten Briefe sehrieb: Was 1700 recht war, ist
eben darum 1800 nicht mehr recht; und man kann den
Händel des 18. Jahrhunderts lieben und ehren, und da-
bei doch im neunzehnten und für dasselbe leben!
Göln, im Juli 1844.
Heinrich Dorn.
R £
CENSIONEN.
Le tremolo. Grande Etüde pour le Pianoforte par Ch.
Mayer. 0p. 61. No. 2. Leipzig, chez Fr. Hofmeister.
Pr. 12% Ngr.
Diese Etüde ist lieblich und kurz, und enthält durch-
aus nichts Bisqoantes und Pingerquälendes für den Spie-
ler; sie sei daher um so mehr empfohlen. Mit dem Be-
riot'schen Tremolo* bat sie im Thema nichts gemein.
Deux grandes Etudes de Concert pour le Pianoforte par
CA. Mayer. Op.73. Berlin, cbezCh.Paez. Pr. IThlr.
No. 1 gefällt uns recht wohl ; nur einige aus durch-
gehenden Noten entspringende Härten (s. Seite 4, Tact
3, Seite 5, Tact 6 u. folg.) geniren das Ohr, und letz-
teres verdient doch wenigstens bei den Mühen, wie sie
das Spielen und Einstudiren solcher Etüde verlangt, Be-
friedigung zu finden? Desto mehr gefallt uns No. 2, Presto
con fuoco agitato, ein frisches dankbares Stück. Den Ein-
tritt des Maggiore Seite 14 hätten wir lieber auf andere
Art, vielleicht kräftiger, herbeigeführt gesehen. Verschwei-
gen können wir dem werthen Herrn Verfasser, der uns
so viel Werth volles geschenkt, nicht, dass uns Stellen
folgender Art:
■hM«LM h — I — I — • ( <
unangenehm überraschten. Die Ausgabe ist vorzüglich.
Von J. Baff sind folgende Compositionen bei Breit-
kopf und Härtet in Leipzig erschienen:
1) 3 Pieces charactlristiques. Op. 2. Pr. 20 Ngr.
2) Scherzo pour le Piano. 0p. 3. Pr. 12y a Ngr.
3) Pantaisie brillante. Op. 4. Pr. 20 Ngr.
4) 4 Galops brillants. 0p. 5. Pr. 15 Ngr.
5) Pantaisie et Variations brillantes. 0p. 6. Pr. 25 Ngr.
Dass wir es hier mit einem jungen Gomponisten zu
thun haben, der unsere Aufmerksamkeit verdient, ist ge-
wiss. Ist auch nicht zu leugnen, dass derselbe noch man-
ches Ungelenke, sich schwer Zusammenfugende bringt,
dass er zu schnell von einem Gedanken zum andern wan-
dert u. s. w., so finden wir doch hin und wieder so viel
Frisches, Keckes, wenn auch nicht gerade Neues, was
uns erfreut, und wir haben bei Anfängern lieber mit
567
1844. August No. 34.
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einem frischen, sprudelnden, sieh frei und ungezwungen
geberdenden, als mit einem sieh ingsüich an bestehende
Formen und Wendungen ballenden, regelrecht arbeiten-
den Talente zu thun. In diesen Bemerkungen haben wir
die Empfehlung für den jungen Künstler sattsam ausge-
sprochen. Aber wir müssen ihm auch zu strengerer Sich-
tung seiner Arbeiten und Vorsicht rathen ; auch vermeide
er das absichtliche Suchen nach halsbrecherischen Sprün-
gen, und verlange nicht, dass man ellenweit harpeggirh —
Der Wertb der uns vorliegenden Compositionen ist sehr
verschieden. Opus 2 ist uns durch das zweite Pr£lude
(Andante) sehr lieb geworden. Die Seile 10, Taci 10
und 11, vorkommenden Octaven in der Melodie gegen
den Bass wolle der Goraponist künftig vermeiden. Das
erste Prelude ist mehr trocken und schwierig, die Me-
lodie nicht schön und gewählt genug. Eben so laborirt
die übrigens sehr frische Valse capricieuse an oft gehör*
ten Phrasen. — Das Scherzo Op. 3 ist hübsch, der Ge-
sang in Asdur reizend und wiederum für den Componi-
sten einnehmend. Nur eine kleine Uebereilung finden
wir Seite 4, Cdur, Tact 5 — 6:
Im Opus 4 (Fantaisie brillante) zeigt der Verfasser grosse
Fortschritte. Bis zu dem Scbweizerwalzerthema ist Alles
so edel, so planmassig, gesang- und gefühlvoll, dass wir
wabre Freude daran gehabt baben. Der Donizetti'sche
Walzer ist trivial. Dennoch dürfen wir dieses Stück für
eine Unterhaltungscomposition als sehr gelungen und ef-
fectvoll bezeichnen. Die hierin vorkommenden Stichfehler,
Seite 3, Tact 25, und Seite 8, Tact 16, wo vor e das
b vergessen ist, sind leicht zu verbessern. — Die vier
freundlichen Galops, Op. 5, machen keinen Anspruch auf
Kunstwerth, verdienen aber doch als eine Onlerbaltungs-
gabe freundliche Aufnahme. — Die Fantaisie et Varla-
tions brillantes, Op. 6, wenn auch Morceau instruetif
betitelt und als solches in den Variationen behandelt, sind
nicht aus einem Gusse. Die ersten Tacle des Thema sind
einem berühmten schönen Thema ähnlich. Die erste Va-
riation ist zu risquant. So schön die dritte ist, so möchte
Referent den Schlags des zweiten und den Anfang des
dritten Tactes doch nicht in Schutz nehmen. Nichtssagend
erscheint Referenten ferner das Piü mosso und die drei-
zehnte Seite.
Diese Compositionen werden ihre Liebhaber finden
und sie verdienen es. Unsere Bemerkungen möge der
junge Componist beherzigen und nicht unwillig darüber
werden. Wir wiederholen es, dass er Beachtung ver-
dient, und werden uns freuen, ihm wieder zu begegnen.
Die ehrenwerthe Verlagshandlung verdient Dank für die
Publicalion dieser Compositionen.
Variations brillantes avee Finale alla Mazurka sur un
theme italien pour le Pianofortc par Th. (testen. Op.
8. Berlin, ehez Cb. Paez. Pr. 15 Sgr.
Solchen Compositionen ist eigentlich mit der Anzeige
ihres Erscheinens besser gedient, als durch eine Recen-
8i on. Zu loben bat man gar nichts daran. Das Thema
ist abgedroschen, die Variationen sind mit Haarzopf.
Bringe uns doch Herr Oesten etwas, worüber sich re-
den lässt!
La Demande. Allegro caracteristkrae pour le Pianoforte
Kr Bertold Damcke. Op. 16. Berlin, ehez Cb. Paez.
. 25 Sgr.
Anders verhält es sich mit diesem jungen Componi-
sten. Herr Damcke zieht doch wenigstens mit schwere-
rem Geschütz in's Feld. Hier herrscht der Wille, etwas
Gutes und Solides zu geben; tüchtige Studien und gute
Vorbilder zeigen sich, und so nimmt der Verfasser uns
gleich für sich ein. Referent kann nur wünschen, dass
derselbe manchmal eleganter, geschmackvoller schriebe
und der edlen Melodie und dem gefühlvollen Vortrage
des Spielers mehr Raum in seinen Compositionen gebe.
Wir empfehlen das correct und elegant gestochene Werk-
chen angelegentlich. Das Allegro erscheint uns etwas zu
lang. Die Consequenz des Componisten mit dem durch-
gehenden Die in der linken Hand (Seite 4, Tact 17 u. f.)
will uns, beiläufig gesagt, nicht recht munden.
Als werthvollcs Curiosum empfehlen wir:
Quatrieme Concert pour le Pianoforte on Orgue avee ac-
comp. de 2 Violons, Alto, Basses et 2 Hautbois, comp.
Bir ff. Händel, redigl par Mortter de Fontaine.
erlin, ehez Schlesinger. Pr. 1% Thlr.
Wir erkennen gern das Verdienst, welches sich Be-
arbeiter und Verleger erworben haben, indem sie dieses
Concert quasi der Vergessenheit eutzoeen ; denn es bleibt
immer merkwürdig, wie der grosse Händel für das Cia-
vier schrieb und wie weit die Anforderungen der dama-
ligen Claviercomponisten gingen. Herr Mortier de Fon-
taine ist als ein tüchtiger Ciavierspieler bekannt, und hat
namentlich bei seinem kürzlichen Aufenthalte in Berlin
durch den Vortrag classischer Compositionen grossen Bei-
fall geerntet. Als Herausgeber dieses Concerts bat er viel
Pietät bewiesen, und sich nur Weniges hinzuzufügen er-
laubt, was, wohlweislich durch kleine Noten angedeutet,
auch weggelassen werden kann. Mögen sich viele Lieb-
haber zu diesem Concerte finden. Dem Bearbeiter, wie
dem Verleger gebührt unser Dank.
Trois Mereeaux de Salon, comp, par F. Hiller. Op. 29.
No. 1. Bolero. Pr. 20 Ngr. No. 2. Rondeau napoli-
tain. Pr. 25 Ngr. No. 3. Grande Valse. Pr. 20 Ngr.
Leipzig, ehez F. Hofmeister.
Diese galanten Arbeiten des tüchtigen Hiller sind als
eine Bereicherung der Unterhaltungen für den Salon will-
kommen und sehr empfehlenswert!). Die Ausgabe ist
schön, und der Verleger hat, was so selten ist, eng ste-
chen lassen, und ist wenigstens bemüht gewesen, diese
Werkchen nicht durch Vermehrung der Stichplatten z«
verteuern. Dass sie uns zu lang vorkommen, ist das Ein-
zige, was wir auszusetzen baben. Etwas kürzer wir«
569
1844. August. No. 34.
570
gewiss vorteilhafter gewesen. Der Bolero vermählt sieh
zu Zeilen mit der Polacca ; jedenfalls ist aber daraas ein
liebliches Kind entsprossen. Im Hondeaa napolitain gefal-
len nns von Seite 4, Taet 21, an bis Seite 5, Tact 7,
einige Härten nicht, obgleich wir das Bemühen des Com-
ponisten, dem fremdartigen Character treu zu bleiben,
nnd seine Consequenz anerkennen müssen«
Fantaisie brillante snr la romance : ,,Le fil de la vierge"
par Fr. Kalkbrenner. Op. 170. Pr. 1 Thlr. , nnd
Souvenirs de la „Sirene" (Opera de D. Auber). Fantai-
sie pour le Piano par Fr. Kalkbrenner. Op. 180*
Pr. 25 Ngr. Beide bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig.
Gefällig nnd wohlklingend, brillant nnd effectvoll,
wie man es von Herrn Kalkbrenner in neuerer Zeit ge-
wohnt ist. Früher fand man immer noch ein gewisses
Etwas in seinen Compositionen, was seines berühmten
Namens würdig war (wir enthalten nns jeder näheren Be-
zeichnung dieses „Etwas," und zeigen auf seinen treff-
lichen Zeitgenossen Moscbeles hin, der immer noch wie
ein Fels im Meere dasteht und nns in der kleinsten sei-
ner Gaben den grossen Meisler erkennen lässt); jetzt
muss man das bei Herrn Kalkbrenner recht mühsam her*
aussuchen. Liebhabern werden diese „Souvenirs" aus der
neuesten, mit grösslem Beifall aufgenommenen Oper Au-
ber 's „La Sir&ne" sebr willkommen sein, nnd, wenn sie
so geschickt bearbeitet sind, wie dies hier geschehen ist,
so müssen sie auch immer gern gesehen sein.
Grande Fantaisie pour le Piano sur nn motif de Linda di
Chamounix pariser*. Op.138. Ebend. Pr. lThlr.
Eine weniger mysteriöse und zerrissene Introduction
wäre uns lieber gewesen. Der Componist hätte es sich
leichter machen können und damit wäre der Sache ge-
wiss mehr gedient worden. Jeder Clavierspieler weiss
übrigens, was er von einem neuen Onus des Herrn Herz
zu erwarten hat. Das Thema ist das beliebte des Duetts
zwischen Linda nnd Arthur, die Variationen sind höchst
dankbar und brillant. Die Ausgabe ist so schön, wie wir
sie aus der genannten Verlagshandlung zn sehen gewöhnt
sind.
S. Thaiberg: Grande Fantaisie sur l'Oplra: „1
Borgia" pour le Piano. Op. 50. 1 Thlr., m
, Lncrezia
nnd
Grande Fantaisie sur l'Oplra: „Semiramide." Op.
51. Ebendaselbst. Pr. 1 Thlr. 10 Ngr.
Das Erscheinen neuer durch den vollendeten Vor-
trag des Meisters vielen Ciaviervirtuosen bereits liebge-
wordener Compositionen Tbalberg's wird immer mit gros-
ser Freude begrüsst. Da gibt es wieder zu studiren, da
sacht man wiederum nach neuen Effecten, und man fin-
det sie sicherlich. Dss ist keine kleine Empfehlung ; denn
bei dem Heere der Nachbeter sucht man vergebens darnach.
Edouard fFolff: Op.93. Bolero pour le Piano. 17V a Ngr.
Op. 9fr Duo brillant k 4 mains. 25 Ngr.
- Op. 97. Grande Valse originale. 20 Ngr.
Edouard Wo\ffi Op.98. Fantaisie k 4 mains snr les plus
jolis motifs de Dom Sebastian. 25 Ngr.
— - — Op. 99. Grand Caprice sur des motifs de D. Se-
bastien. 25 Ngr. Sämmtlich bei Breitkopf nnd Härtel
in Leipzig, und
E. Wo\ff-. 8 nonvelles Polkas favorites. Liv. 1, cont.
4 Polkas. % Thlr. Liv. 2, cont. 4 Polkas. % Thlr.
Berlin, chez Schlesinger,
sind mit Ausnahme des Op. 99, welches einen tüchtigen
Spieler verlangt, sehr gut ausführbare, angenehme und
effectvolle Compositionen und als nothwendige und nütz-
liche Modeartikel gewiss empfehlenswertb. Wir wundern
uns, dass Herr Wolff bereits auf Op. 100 gekommen ist.
Compositions de Salon (sang paroles) modernes et carac-
teristiques pour le Piano par L. Köhler. Op. 1. Leip-
zig, chez Gustave Brauns. Pr. 1 Thlr.
Dieses Heft enthält 1) Liebeslied. 2) Wiegenlied. 3)
Glockenklingen. 4) Abendgesang. 5) Jagdlied. S) Romanze
und Etüde. Es sind recht einfache, tiefempfundene Lie-
der ohne Worte, in denen die bald in der rechten, bald
in der linken Hand liegende oder zwischen beide ver-
teilte Melodie von Figuren umspielt wird, wie dies in
der Mode ist. Wenn wir darin auch nichts durchaus
Neues finden können, so sind doch diese sechs Stücke so
geschmackvoll, so dankbar, so ohne Prätention, so be-
quem ausführbar und doch effectvoll, dass wir sie mit
grosser Theilnahme gespielt haben und als das erste Werk
eines neuen Compomsten freudig begrüssen, um so mehr,
als der Satz sauber und correct ist. Ein umfassenderes
Urtheil über die Fähigkeit des jungen Mannes zu gewin-
nen, ist aus so einem Werkchen nicht möglich. Wir wer*
den uns freuen, Herrn Köhler bald wieder zu begegnen.
Die Ausgabe ist schön nnd die neue Verlagshandlung em-
pfiehlt sich dadurch.
■ w ■
Möchten wir doch vom
Nocturno pour Piano seul par Robert Müller. Op. 15.
Pr. 12% Ngr., und über die
Fantaisie pour le Pianoforte sur Lucia di Lammermoor
ftr B. Müller. Op. 22. Leipzig, cbez C. F. Peters,
r. 1 Thlr.
eben so Rühmliches sagen können. Die Werke verrathen
etwas den Dilettantismus. Betrachten wir das Nocturne
näher. Die Bässe sind wenig natürlich nnd zuweilen hart;
siehe Tact 4, das b im Basse. Tacte wie 14 nnd 15 be-
halten immer etwas Herbes für's Ohr; der 17. Tact ist
überflüssig) die Tacle 2, 3, 4, Seite 4 sind sehr barL
Wie schön rund, harmonisch fliessend und melodisch
schreibt der Componist Ende der vierten Seite von Asdnr
an $ sollte man nach der Unbeholfenheit im Anfange und
den bis hierher gefundenen Härten nicht vermnthen, der
Componist sei von hier an ein ganz anderer? Leider keh-
ren aber die uns missfälligen Dinge gegen den Schlnss
unverändert wieder, aus denen wir Seite 8 noch die bei-
den letzten Tacte des Basses wegen, und die Härte Seite
9, Tact 8, hervorheben müssen. Als Stichfehler können
wir nur Seite 3, Tact 3, das Auslassen des Violinschlüs-
sels im Basse, anerkennen; gern hätten wir dies auch
871
18441 August. No. 54.
572
auf das im vierten Tacte im Basse stehende b ausgedehnt*
wenn es nicht später bei der Wiederholung eben so wie-
dergekehrt wäre. Das Nocturne ist bei alle dem sinnig
und anziehend. Der Componist sei strenge gegen sich
und wende grössere Feile an.
Alles, was wir in dem vorigen früheren Opus des
Gomponislen gerügt haben, Gndet auch in Fantaisie, Op.
22, Anwendung. Der Componist ist noch nicht fest in
den Schuhen. Stande es damit nicht so schlimm, so wür-
«afp
den wir Freiheiten wie Tact 3
durchaus nicht rügen. Der Uebergang zum B dur am Ende
der ersten Seite ist unbeholfen, und Licenzen, wie Seite
6, Tacte 21, 22, 23, dürfeu wir nicht gestatten, wenn
wir auch bei den Unreinheiten der drei vorhergehenden
Tacte ein Auge zudrücken. In allem Uebrigen, was dazu
gehört, um ein gegebenes Thema modern zu frisiren und
mit einer Sauce piquante zu verseben, ist der Componist
recht wohl zu Hause, und wir können ihm den guten
Geschmack nicht absprechen. Unsere Ausstellungen gel-
ten meistentheils seinen Harmoniekenntnissen. Der Laie,
der immer an diesen Compositionen Gefallen finden wird,
empfindet dieses glücklicherweise nicht; auch sind wir weit
entfernt, durch unsere Ausstellungen der Verbreitung die-
ser Compositionen zu schaden; sie werden ihre Liebha-
ber finden. Die Ausstattung beider Werke ist vortrefflich.
Six Melodies pour le Piano par Ed. Pirkhert. Op. 9.
Vienne, chez Pietro Mechetli qm. Carlo. Pr. 1 Fl. C.-M.
Wie wohl tbun uns diese einfachen, innigen und cha-
racteristischen Compositionen ! Es sind frische Veilchen,
die, ohne erst grosser Empfehlungen zu bedürfen, recht
bald ihren Duft verbreiten werden. Sie verdienen, recht
bekannt zu werden. Dank dem freundlichen Blumen -
Spender ! 16.
Nachrichten.
Das Gesang fest zu Meissen den 6., 7. und
8. August 1844.
Das Gedeihen der grossen Gesangfeste, welche seit
einigen Jahren in unserem lieben deutschen Vaterlande
veranstaltet werden, kann Jeden, der es mit deutscher
ernster Musik und deutschem Sinne gut meint, gewiss
nur auf das Innigste erfreuen. Bieten sie doch Gelegen-
heit, nicht die Gaukeleien einzelner Virtuosen anzustau-
nen, die nur geeignet sind, den überreizten Nerven eines
•ich fein dünkenden Salonmensehen zu kitzeln, sondern
die ewige, der heiligen Tonkunst inwohnende Macht und
Gewalt zu erkennen, die den gesunden Sinn erhebt, das
reine Herz erfreut und es zu den schönsten Regungen,
ja zur heiligsten Andacht stimmt. Das eben ist ja der
schönste und höchste Zweck der Musik, das zu erreichen
strebten unsere grossen Meister; denn die schöne Kunst
der Musik soll ja , wie alle ihre Schwestern , nicht nur
zur Unterhaltung, sie soll zur Veredlung und Bildung des
Menschengeschlechtes, zu seiner sittlichen Erhebung ge-
trieben und gefördert werden.
So war denn auch in Meissen, das durch seine freund-
liche Lage, durch seinen herrlichen Dom sich so ganz
für ein solches Gesangfest eignet, auch der Haupttag des
Festes nur allein dem ernsten Gesänge geweiht. Fast an
1000 Sänger, mehr als zwanzig verschiedenen Vereinen
angehörig, hatten sich von fern und nahe eingestellt, das
schöne Fest zu feiern ; sie waren gekommen, nicht einen
Wetlkampf unter einander zu bestehen, der der Eitelkeit
des Siegers Spielraum gewähren könne, sondern einmü-
thig als ein brüderlich verbundenes Ganzes nach dem
vorgesteckten Ziele zu streben. Und dieses Ziel, so ver-
schiedenartig die Kräfte waren, die sich hier vereinigt
hatten, es ist errungen worden, und wohl Keiner wird
unbefriedigt der Heimath wieder zugezogen sein.
Schon am 6. Aug. kamen die Sänger schaarenweise
herbeigezogen, und wurden so herzlich und gastfrei auf-
genommen, die ganze Stadt nahm einen so regen Theil
an dem Feste, dass sich die heiterste, froheste Stimmung
jedes Einzelnen, und also auch der Gesammtheil be-
meistern musste, die sich, wie es bei dem Sänger ja
nicht anders sein kann, neben dem herzlichen Worte auch
gleich in heiteren Gesängen, von denen Strassen und Markt
ertönten, zu erkennen gab. Fröhliche, festliche Gesich-
ter überall; man glaubte sich der gewohnten Welt mit
ihren steifen Convenienzen entrückt; die Fremdesten wa-
ren wie alte Bekannte und Freunde; einen solchen Zau-
ber hatte die freundliche Muse des Gesanges über Alles
verbreitet. Nachmittags versammelten sich die Sänger zur
Probe im Dome der Albertusburg.
Der alle würdige Schneider aus Dessau und Capell-
meister Reissiger aus Dresden waren von den Ordnern
des Festes, unter denen der nur zu bescheidene ver-
dienstvolle Musikdirector Hartmann besonders genannt zu
werden verdient, eingeladen worden, nicht nur für das
Fest neue Werke zu liefern, sondern auch die Auffüh-
rung dieser und mehrerer anderer zu leiten. Beide wa-
ren gern und willig dem doppelten Rufe gefolgt, und so
das nachstehende Programm für die geistliche Aufführung
am 7. entstanden:
1) Choral: Befiehl du deine Wege, vierstimmig aus-
gesetzt von MD. Hartmann.
2) Psalm: Der Herr ist Gott, von F. W. Berner.
3) Hymne nach dem 23. Psalm : Gott sorgt für mich,
von CM. Retssiger.
4) Hymne : Wo ist, so weit die Schöpfung reicht, von
Neitkardt.
5) Motette von Bernhard Klein : Ich danke dem Herrn.
6) Der 103. Psalm : Lobe den Herrn meine Seele» eom-
ponirt von MD. Schladebach.
7) Der 67. Psalm: Gott sei uns gnädig, von Fr.
Schneider.
Schon der schöne Choral, welcher diese Aufführung
in der würdigsten Weise einleitete, musste auf die zahl-
reich herbeigekommenen Zuhörer nicht nur — die grosse
Kirche war übervoll — , sondern auch auf jeden Mitwir-
kenden den erhebendsten Eindrnck machen ; denn in dem
573
1844. August. No. 34.
574
vollen Chore, und waren auch viele darunter nieht eben
grosse Sänger , in diesem tausendstimmigen Gebete liegt
eine Macht und Andacht, die sich nur fühlen, nicht be-
schreiben lässt. Dazu dieser herrliche Dom in seinem rei-
nen gotbischen Style, mit seinen wanderbaren schlanken
Pfeilern und zierlichen Bögen, mit dem seltenen Einklang,
der in allen seinen Tbeilen herrscht und ihn so zu ei-
nem der schönsten Denkmale altdeutscher Baukunst er-
hebt — da wurden die Herzen weit ; heilige Andacht zog
in jedes Gemütb , und zum frommen Gebete wurde die
Leistung der Kunst.
Nur eine historische Notiz sollen diese Zeilen von
dem Feste geben, nicht eine Kritik der gewählten Werke
oder ihrer Ausführung, denn tbeils würde solche nach
einmaligem Anhören nicht möglich und recht sein, tbeils
gesteht. Referent ganz ehrlich, dass er zu sehr von dem
Ganzen ergriffen war, zu sehr in dem Gesammtgenuss
volle Befriedigung fand, als dass er sich dieselbe durch
besonderes Aufmerken auf Einzelnbeiten hätte stören mö-
Jen. So sei nur erwähnt, dass der einfache Berner'sche
'salm, die Reissiger'scbe Hymne, und Schneider 9 * wür-
diger Scblussstein des Ganzen den grössten Eindruck
machten. Der gewiss überaus schätzbaren B. Klein sehen
Composition traten, namentlich bei dem figurenreieben
Scblusssatze, die akustischen Verhältnisse des Domes, die
ein starkes Nachballen des Tones mit sieb bringen, stö-
rend in den Weg. Das Neithardt'&cbe Werk wäre wohl bes-
ser aus dem Programme geblieben, und eben so hätte wohl
MD. Schladebach besser gelban, seine Composition zu-
rückzuziehen, die, zumal die Solosänger und die Mitglie-
der der Dresdner Vereine von ihm abfielen, nur theil-
weise gemacht, und so in ihrer Zerrissenheit unmöglich
einen günstigen Eindruck hervorbringen konnte. Um so
besser war es, dass der Schneider 9 seht Psalm den Schluss
bildete, in dem sich wieder der alte vielerprobte und er»
fabrene Meister in seiner ganzen, noch immer jugendli-
chen Kraft und Würde zeigte. Möge ihm noch lange die
Freude werden, zu sehen, wie der Baum des Männerge-
sanges, den er so treu gepflegt, wie die grossen Ge-
sangfeste, die ihm vor Allen ihre Entstehung und Pflege
danken, gedeihen; noch lange mit gerechtem Stolze se-
hen, wie Alles sich beeifert, den würdigen Führer zu
erkennen, zu ehren, und solches in lautem Jubel kund zu
thun, wo er auch seinen Jüngern sich zeige.
Nach solch 9 ernster Feier war der zweite Tag dem
heitern geselligen Beisammensein , der Ausführung welt-
licher Lieder gewidmet. Auch für diesen Tag hatten die
Festordner von verschiedenen , namentlich Dresdner und
Leipziger Componisten sich neue Gesänge verschafft, um
solche tbeils auf dem Markte, tbeils auf einem gemein-
samen Spaziergange, der nach dem Schlosse Siebeneichen
und dem romantisch gelegenen Buschbad führte, zu sin-
gen ; doch wollte die Wahl dieser Lieder nicht allgemein
ansprechen ; was wohl um so natürlicher war, als an diese
Gattung vierstimmiger Lieder von den einzelnen Verei-
nen, je nach ihrer künstlerischen Befähigung und inne-
ren Zusammensetzung, gar zu verschiedene Ansprüche ge-
macht werden, und es selbst dem genialsten Meister
schwer fallen möchte, hierin Allen zu genügen. Immer-
hin ist die freundliche Sorge des Comitä und die Bereit-
willigkeit der Meister, die so gern ihren Theil zum Ge-
lingen des Ganzen beitrugen, nur mit grossem Danke
anzuerkennen.
Einen längeren Rubepuuct fand die Masse der Sän-
ger und das zahlreiche Publicum, das ihnen folgte, auf
der sogenannten Scbiesswiese , wo sich dem Programm
nach die einzelnen Vereine in besonderen selbstgewähl-
ten Gesängen zeigen sollten. Leider aber wurde dieser
Theil des Festes von dem bisher herrlichen Wetter nicht
begünstigt; Regen floss in Strömen herab, und konnte
derselbe auch die Heiterkeit nicht stören, so verscheuchte
er doch aus der herrlichen Natur in die dumpfen Zelle
und Salons, für die vorsichtiger Weise gesorgt war. So
kam es wohl auch, dass von mehr als zwanzig Verei-
nen, welche an dem Feste Theil nahmen, nur sieben oder
acht sieb producirten, von denen die vereinigten Zoll-
ner sehen Vereine aus Leipzig, durch den kecken, kerni-
gen Humor der Lieder, die sie vortrugen, und ihre Prä-
cision sich den lautesten Beifall erwarben, der, wenn
auch minder laut, doch vollkommen gerecht, sich auch
für den Paulinerverein und die Dresdener aussprach. In
Bezug auf Letztere kann sich inzwischen Referent nicht
enthalten, ihnen zum biltern Vorwurf zu machen, dass
sie, bei einem deutschen Gesangfeste, ein aus französi-
schen Opern arrangirtes Potpourri vortrugen. Und wäre
es auch noch so gewandt compilirt: das wollte uns zum
deutschen Feste nicht passen 1
Am Schlüsse des dritten Tages versammelte sich die
ganze Sängerwelt auf dem festlich geschmückten Gewand-
haussaale bei einem einfachen aber frohen Mahle, wo
manches schöne Wort die heitere und dankbare Stimmung
der Wirthe wie der Gäste kund gab.
Schliesslich sei nun nochmals der wirklich ausser-
ordentlichen Freundlichkeit und Gastlichkeit erwähnt, mit
welcher die Sänger in Meissen aufgenommen und bewir-
ket wurden, und Allen denen, die zur Bereitung, Aus-
führung und Gelingen des schönen Festes beitrugen, der
herzlichste Dank gebracht. — d —
Paris, im Juni. (Eingesandt.) Eine der vorzüglich-
sten Erscheinungen in der musikalischen Sphäre der jüng-
sten Saison ist die unter der Leitung des Fürsten von
der Moskwa entstandene Concertgesellschaft. Sie nimmt
unstreitig unter den Dileltantenvereinen die erste Stelle
ein. Ein besonderer Vorzug dieser Concerte besteht darin,
dass sie die selteneren Touwerke alter Meister an's Licht
ziehen, und ein anderer darin, dass sie jungen Talenten
Gelegenheit geben, sieb vor einem höchst gebildeten Au-
ditorium zu entwickeln. Unter den Letzteren bat sich
besonders in dieser Saison eine Deutsche ' als Sängerin
hervorgetban. Fräul. v. Rtiplin aus Constanz, welche be-
reits im vorigen Winter in Privatconcerten Vorzügliches
leistete, erfreute sich diesmal in den Concerten des Für-
sten von der Moskwa der glänzendsten Anerkennung, wie
sie selten einer fremden Dilettantin zu Theil wird. Ihre voll-
tönende und umfangreiche Stimme wurde in der italieni-
schen Schule gebildet: sie ist eine Schülerin des Lablache;
in ihren Gesängen vereinigt sie die Grazie und sorgfäl-
tige Reinheit der Italiener mit jener Tiefe und Kraft der
Empfindung» welche dem deutschen Gesänge vor jenem
575
1844. August. No. 54.
576
aller anderen Nationen eise dauernde Wirkung auf die
Seele des Zuhören sichert. Der Beifall, welchen Fräul.
9. RüpH» in der Concertgesellschaft erntete, verdoppelte
sich in dem von ihr veranstalteten Privatconcerte im Sa-
lon Erard. Auch die königl. Familie wollte den Gesang
der allgerühmten jungen Sängerin vernehmen ; die Letz-
tere wurde zu einer der Soirles gezogen, welche die
Königin zu Ehren der Herzogin von Ken! veranstaltete,
und erntete dort den höchsten Beifall.
Rurzgefasste Nachrichten der italienischen
Oper ausserhalb Italiens vom Januar bis
Juni dieses Jahres.
(Beseklnss.)
Von anderen Ländern.
Bona (Nordafrika). Bellini's Beatrice machte Furore.
Die beiden Prime Donne Tagliano und Lagomarino (welche
Berühmtheiten!), Tenor Brambilla und Bassist Galberti
waren ihre Priester; der Tenor der Beste. Bis zu An-
fang des Frühlings wurde noch Torquato Tasso und Ma-
tilde Sbairan gegeben.
ConstanUnopel. Die gegebenen Opern waren, von
Donizetli: Anna Bolena, Marino Faliero, Elisir, Ajo;
Mose* von Rossini, Straniera von Bellini, Chiara di no-
senberg von Ricci. Sänger: Prime Donne Fanti (Annun-
ziata), Righini; Tenor Lanzoni; Buffo Lipparini-Negri,
und Bassist Sansoni. Aufnahme: nicht die glänzendste.
Corfit. Mercadante's Briganti, die nirgends gefallen»
machten wunderbarerweise hier Glück mit der Cnzzani,
dem Tenor Forti und Bassisten Pellegrini. Anfangs März
gab die Costa Rossini'* Generentola zu ihrem Benefiz,
das sehr glänzend ausfiel.
Fiume (Ungarn). Donizetti's in der Faste hier ge-
Ssbener Roberto d'Evreux, worin die Rusmini - Solera,
e Lega, Tenor Miraglia und Bassist Dali 9 Asla, im Gan-
zen eine nicht üble Gesellschaft, wirkten, fand wenig An-
klang. Bellini's Puritani, in welchen Buffo Demi sang,
und Nicolai'« Templario gingen viel besser. Der aus die*
sen Blättern bekannte Gatte der Prima Donna, Herr So-
lera, Dichter und Componist, gab am 15. Mai eine Ac-
cademia di poesia estemporanea ; in der Zwischenzeit
spielte die Bande des k. k. Regiments Gollner.
Lissabon. Donizetti's Maria Stuarda, die in jpns Ila-
lien Fiasco gemacht, in Mailand nur eine einzige Vor-
stellung erlebte, hat hier mit der Rossi - Garcia gefallen.
Nini's Virginia, die Mos in ihrem Geburtsorte Genua,
sonst nirgends in Italien Anklang gefunden, hatte den-
selben Erfolg. Benannte Prima Donna gefällt aber auch
hier ungemein.
Donisetti, der seinen Dom Sebastiano der Königin
von Portugal dedicirte, erhielt von derselben den Orden
da imacolata Concepcao de Villa Vi$osa.
Moscau. Rubini mit der Prima Donna Assandri und
Bassisten Tamburini gaben hier im März und April mu-
sikalische Academieen mit vielem Beifalle, darauf ebenso
zu Riga nnd Königsberg.
Herr P. Negri, gewesener Impresario der italieni-
schen Opern zu Copenbagen, Berlin und Warschau, ist
es in derselben Eigenschaft in dieser zweiten Hauptstadt
Russlands während des nächsten Herbstes und Carnevals.
Newyork. Verdi's Lombardi haben hier unlängst En-
thusiasmus erregt.
Odessa. Unter der Leitung des famosen Ricci wurde
hier am 23. April das Theater mit den Due Figaro del
Maestro Speranza eröffnet, worin die Polani, die Scalese,
Tenor Ramoni und die Bassisten Scalese und Fiori Bei-
fall fanden. Donizetti's Figlia del Reggimento machte
Fiasco, dessen Lucia mit der Secci-Gorsi und Tenor Vi-
tali hingegen Furore. Ricci componirt hier eine neue
Oper (sagt man) und kehrt dann nach Triest zurück.
Petersburg. Der Millionär Rubini, der bald andere
grosse Schätze aus Russland bringen wird, ist nach Wien
und anderwärts, um für die hiesige italienische Oper
Virtuosi zu recrutiren. Bereits hat er in Oesterreichs
Hauptstadt den Buffo Rovere für sie engagirt.
Smyrna. Die hiesige italienische Oper befindet sich
ziemlich wohl. Die beiden Prime Donne, die Cavalli und
Garofoli, Tenor Monlani und Bassist Giani haben Doni-
zetti's Parisina, Anna Bolena und Ricci's Chiara di Ro-
senberg mit gutem Erfolge gegeben.
Zara. Nachdem Fioravanti's Columella mit derMazza,
den Herren Cervati, Bastogi und Lodelti glücklich die
Breter passirt, gab man die von Herrn Mazza für's {Mai-
länder Theater Re mit keinem günstigen Erfolge compo-
nirte Oper Leucadia, die hier weit glücklicher war.
A n fe flndlgn n g e n.
Bei Jo>fc* Andre in Offenbaek sind erschienen:
Sechs Gesäuge
für vier Männerstimmen
compo nirt ? on
Vera» Miller*
28. Werk. Preis der Partitur 20 Ngr. Preis jeder einzel-
nen Stimme 2%
igr.
Ngr.
Neue Musikalien
im Verlag« tos Carl Paes in Berlin,
•fce, 0*« La Demande. Allegro ckaraclenstiqne ponr le
Piano. Op. 16. >g Sgr.
Petersbourg), Dens grandes Etndcs
Op. 75. 1 -
Mayer, Charles) (a St.
de Coaeert pour le Piano. Op. 73. i Thlr.
Tnilui, H. t Henog Ottos Liebe« Poesie ton Wolf*, affilier,
in Mnsik gesetzt fix eine Tenorstimme mit Begleitnng des Pia-
noforle. Op. 88. SO Sgr.
Bei der Capelle der allgemeinen Mnslkgesellsckaft in Z&riek
sind anf I. October 1844 die beiden Stellen eine« Violinisten nnd
eines Oboisten frei. Darauf Reflectirende sollen erste Partiecn
•nielen können. Der Jabrgcbalt ist 330 Fl. rbein. , viele Zeit
bleibt frei für andere nützliche Bescbaltigong. Man wendet siek
in frankirten Briefen an die Concertdireclion der allgemeinen Mo*
slkgesellsckaft in Zflrick.
Druck und Verlag von Breitkap/ und Härtet in Leipzig and unter deren Verantwortlichkeit.
577
§78
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 28"« August.
M 35.
1844.
Inhalt! Heeensymen. — . Nachrichten: Aas Leipzig. Die Pariser Musik in Sommer. — Das Rieseocoocert. — Berlioi. — Feuilleton.
— An k ünd ig un g en.
R
ECEIfSIONEN.
Dr. C. Lowe: Die Festzeiten. Geistliches Oratoriam in
drei Abteilungen. Op. 66. Partitor und Clavieraus-
zag. Mainz, bei B. Schott's Söhnen. Preis der Parti-
tur 10 PI. 48 Kr., des Ciavierauszugs 7 Fl. 12 Kr.
(Angezeigt von Gustav Na ne ob arg.)
Löwe ist ohne Zweifel einer der reichbegabteslen
und genialsten Tondichter neuerer Zeit ; er besitzt nament-
lich ein bedeutendes .Talent für musikalisch -poetische Cba-
racteristik, und hat die verwaiste Bahn eines erfinderi-
schen Geistes in den verschiedensten Kunstformen mit
männlicher Energie und vielem Glücke betreten ; es kann
hier nicht die Absicht sein, dies in umfassender Weise
darzuthun, wir verweisen somit auf einen früheren Auf-
satz in der neuen Zeitschrift für Musik 1835, Band 3,
Mo. 25 und 26, wo der Verfasser dieser Anzeige Lowe's
Wirken ausführlich gewürdigt hat. Obiges (fälschlich so
benannte) Oratorium weicht von seinen Geschwistern
wesentlich ab; der Componist bat nämlich früher vor-
zugsweise das dramatisirte Oratorium cultivirt; leider er-
scheint aber gerade diese Kunstgattung ohne mimische
Kunst and Skenopöie nur als ein halbes Werk von hal-
ber Kraft; sobald nämlich die Cbaractere in Situationen
vorgefahrt werden, welche der ausführende Concertsän-
ger nicht durch musikalische Kunst in ihrer Totalität wie-
derzugeben vermag, überschreiten sie die Grenzen des
Coucertgesanges, und sind im Oratorium unzulässig. Diese
Unzulässigkeit bedarf keines weiteren Erweises, denn nur
das gehört einer Gattung an, was auch in der Gattung
möglicher Weise vollkommen geleistet werden kann. Nie-
mals aber wird ein Concertsänger Situationen darzustel-
len vermögen, welche nur durch plastisch - mimische Kunst
ihre volle Bedeutung und Wirkung erhalten. Lowe's frü-
here Oratorien (und namentlich seine in vielfacher Rück*
sieht geniale , »Zerstörung von Jerusalem* 1 ) sind aber über-
reich an solchen Situationen; ich erinnere z. B. nur an
die Sterbescene der Berenice „So soll ich von dem Hü-
gel hier" u. s. w. ; jede denkende und tieffublende Sän-
Srin wird hier zu dem Bewusstsein kommen, dass sie
s, was sie im innersten Herzen fühlt, ohne plastisch-
mimische Kunst nicht darzustellen vermag. In den „Fest-
zeiten'* hat der Componist diese Oralorienform verlas-
sen ; wir meinen nun aus Gründen, dass das in Rede ste-
46. Jahrgang.
bende Werk gar kein Oratorium genannt werden kann;
es handelt sich hier nicht blos um die Benennung, denn
die Beurtbeilung mnss nothwendig von einem andern
Standpuncte aus eine wesentlich andere werden. Die
Kunstlheorie stellt den Satz auf: „Man kann ohne An-
stand jedes zur Verehrung des höchsten Wesens bestimmte
und irgend eine religiöse Empfindung als Hauptsache be-
zweckende Tonstück, Kirchenmusik, und den Styl, in
welchem jedes solcher Tonstücke geschrieben sein muss,
Kirchenstyl nennen" — allein dies ist keinesweges rich-
tig; Kirchenmusik muss zwar allemal religiöse Musik sein,
religiöse Musik braucht aber durchaus nicht Kirchenmu-
sik zu sein, sie wird es nur dann, wenn sie sowohl dem
Texte als der musikalischen Behandlung nach passend in
den kirchlichen Cultus aufgenommen werden kann und
die würdevolle Einfachheit besitzt, welche auf eine ganze
christliche Kirchengemeinde erbaulich wirkt. Die Gebete
in Weber's Freischütz, Oberon, in Liudpaintner's Vam-
pyr, in Marscbner's Templer, in MehnKs Joseph u. s. w.
sind rein religiös, obwohl nichts weniger als Kirchenmu-
' sik. Dies ist nicht nur für die produclive Kunst, sondern
auch für die Kunstkritik von höchster Wichtigkeit; be-
urtbeilt man alle religiöse Musik nach den Grundsätzen
der Kirchenmusik — wie dies leider nur zu oft geschieht —
so begeht man das grösste Unrecht an dem Werke und
am Componisten; namentlich muss unser von Händel an
bis beute ausgebildetes Oratorium nach anderen Grundsä-
tzen beurtheilt werden, denn es ist keine Kirchen -, son-
dern rein religiöse Concertmusik. Das Oratorium kann
seiner Natur nach nicht in unsern kirchlichen Cultus auf-
genommen werden; es hat einen künstlerisch religiösen
Zweck und ist rein unabhängig vom kirchlichen Ritus.
Ein Adam und eine Eva, ein Raphael und Gabriel, ein
Satanas, ein Judas Ischariot, ein Salomo, Saul, Harapha,
Pharao, David, Jephta, Flavius Josepbus, Jessius Flo-
rus u. s. w. gehört als handelnder Character schlechter-
dings nicht in unsere christliche Kirchenversammlung ; —
ist dies erlaubt und passend, so kann man eben so gut *
Lessing's Nathan den Weisen, den Mönch vom Libanon,
Werner's M. Luther u. s. w. vor der versammelten Kir-
chengemeinde ohne Costüm vorlesen lassen. Die gemischte
Gemeinde, durch Religion, Vernunft und Gewissen zur
gemeinschaftlichen Gottesverebrung berufen, bat als Kir-
chengesellschaft ein Recht, zu fordern , dass der Cultus
ihrer geistigen Receplivität vollkommen angemessen sei.
35
879
1844. August. No. 55.
580
Daraus folgt nothwendig, das* der Kirchcngesaog, all
Theil des Cultus, sowohl da, wo die Gemeinde selbst aeliv
ist, als da, wo sie sich durch Gesang erbauen lässt, vor
allen Dingen ecbl populär sei, d. b. dass die Melodieen
leicht fasslich, eindringlich, möglichst einfach, und dabei
doch wahrhaft erbaulich und würdig seien. Wo nun der
Gesang als eigentliche Kunst auftritt, d. h. wo die Ge-
meinde durch kunstgebildete Sänger erbaut werden soll,
da nittss auch die Theorie höhere Kunslforderungen stel-
len, da darf sich die Kirchenmusik von der Arie an bis
zum polyphonischen Kunstchore enläussern, doch muss
hier textgemfisse Cantabilität, gefühlvoller Wortausdruck,
charactervolle Melodie vorherrschen. Die harmonisch-tech-
nische Kunst darf sich nur in so fern geltend machen,
als sie Mittel zum Zwecke ist, d. b. als sie die Erbauung
der zur gemeinschaftlichen Goltesverebrung berufenen Ge-
meinde befördert, auch nie so complicirt sein, dass sie
die Receptivität der gemischten Versammlung übersteigt.
Ihr Grundcharacler ist Schönheit, Würde und möglichste
Einfachheit. Von diesem Standpuncte aus betrachtet sind
nun Lowe's „ Festzeiten " im allereigentlichsten Sinne
Kirchenmusik, christlich' protestantische Kirchenmusik, die
nicht blos in den Cultus der christlichen Feslgoitesdiensle
aufgenommen werden kann, nein — die durch den kirch-
lichen Ritus recht eigentlich hervorgerufen worden ist;
darum sagt auch der Componist im Vorworte: „Die Zeit
der Composition dieses Werkes reicht von 1825 bis 1836.
Das Werk kann eben so wohl als ein Ganzes, als auch
seinen einzelnen acht Abtheilungen nach als Kirchenmu-
sik aufgeführt werden." — Ich meine aber geradezu,
dass die achtungswerthe Gabe des trefflichen Löwe vor-
zugsweise den wahren Zweck erfüllt, wenn sie nicht als
,, Oratorium in einem Kirchenconcerte," sondern nach den
verschiedenen Abtheilungen beim jedesmaligen Festgoltes-
dienste zum Heil und Segen der Gemeinde iu Anwendung
gebracht wird; es würde das Werk auch viel passender:
„Kirchenmusik zu den Festzeiten der christlichen Ge-
meinde" benannt werden können, da der Begriff des „Ora-
toriums" ganz andere Forderungen und ganz andern
Zweck bedingt. — Die erste Abiheilung besteht nun aus .
Advent und Weihbacbten ; die zweite aus Fasten, Cbar-
freilag und Ostern ; die dritte aus Himmelfahrt und Pfing-
sten mit Anschluss an Trinitalis. Die Worte sind gröss-
tenteils der heiligen Schrift entlehnt, nach Berathung
mit Geistlichen und geistlichen Dichtern. Um es aufzu-
fuhren, sind ausser dem Chore nur vier Solostimmen er-
forderlich, da die Einführung von Personen wegen des
überreichen Stoffes nicht nothwendig schien. Wo die Or-
chestermittel nicht ausreichen sollten, da kann das Werk
auch mit dem blosen Orgelauszuge aufgeführt werden;
schon diese Einrichtung wird zur Verbreitung der Com-
position in den verschiedenen christlichen Gemeinden ganz
wesentlich beitragen. Der Advenlstext gebt einleitend von
den frühesten Propbezeihungen des alten Testaments aus,
and rückt der Geburt des Messias durch immer bestimm-
ter werdende Weissagungen näher, bis zum letzten Pro-
pheten Maleacbi , von welchem an die Prophezeibungen
schweigen. Die Sehnsucht aller Völker in dieser Zeit,
besonders aber der Heiden, ist in der Stelle des Jesaias :
„Ach, dass da den Himmel zerrissest 4 ' ausgesprochen.
Die christliche, heutige Adventsfreude spricht der Chor
aus : „Lasst eure Zweige sprossen," welche sich in dem
Chorale der „klugen Jungfrauen," „Wachet auf" dem
Weihuacbtsfeste eng anscbliesst. Weihnachten beginnt
mit der Verkündigung (welcher hier der Choral: „Vom
Himmel hoch" zum Grunde liegt) und dem Gloria der
Engel. Diesem schliesst sieh hier die Anbetung der Hir-
ten bei der Krippe zp Bethlehem , dieser die Anbetung
der morgenländischen Könige an. Das Magnificat ist mit
dem Dankgebete desSimeon zu einem Duette verbunden,
worauf das Evangelium des dritten Weibnachtsfeiertages
Joh. 1 abschliesst. Zur Verbindung des ersten und zwei-
ten Theiles bat der Componist das in der römischen Kirche
unter dem Namen: „lmproperia" bekannte Gedicht (a
Capeila) gewählt. In der Osterzeit sind die sämmtlichen
vier Evangelisten zum Grunde gelegt, mit Einflecbtung
des Chorals : „Christ ist erstanden ! " — Der Himmel-
fabrtstext zieht noch ausser der Quelle, der Apostelge-
schichte, zwei auf dieses Fest vorzugsweise bezügliche
messianiscbe Psalmen, so wie zwei paufinische Aussprüche
in sein Gebiet. Das Pfingstfest beginnt mit dermessiani-
scben Stelle des Jesaias 44, 2, während der Chor das
Veni singt. Nach der Apostelgeschichte wird die Aus-
messung des heiligen Geistes als Stiftung der ersten christ-
lichen Gemeine angenommen , welche der Sopran erzählt
und die alleinige Arie einleitet: „Hier komm" ich, mein
Hirte." Sollte man die Trinitatismusik von der Pfingst-
musik trennen wollen, so wiederholt man am Scbluss der
Arie den Choral des Anfangs, „Komm," in welchem
dann das Bassrecitativ wegbleibt und der Choral sogleich
mit dem dritten und vierten Viertel der Melodie anhebt. —
So viel über die Einrichtung des Werkes, das alle mu-
sikalischen Kirchenvorstände Deutschlands zum Heil und
Segen der Gemeinden an den Festtagen auffuhren mögen.
Leider stehen die gewöhnlichen Kirchenmusiken oft in gar
keinem Zusammenhange mit der Festfeier; Löwe hat sich
ein neues Verdienst um Kunst und Kirche erworben ;
möge er andere berufene Kirchencomponisten zu gleichem
Streben anregen, damit die protestantische Kirche einen
heiligen Schmuck bewahre , der für christliche Gemüther
eben so wesentlich und nothwendig ist, wie die salbungs-
volle Rede für den Geist. — Die äussere Ausstattung des
Ciavierauszugs ist schön ; die Partitur erscheint als Fac-
simile. Der Preis wie gewöhnlich.
Heitere Lieder für vierstimmigen Mannergesang von A+
Schaffer. Op. 8. 3. Heft. Berlin, bei Schlesinger.
Preis % Thlr.
Die früheren Hefte wurden Referenten nicht bekannt;
das hier gebotene enthält nur ein Gesangstück, „Die Ei-
senbahn," gedichtet von 0. Reich — ein harmloser
Scherz, an welchem eine gutgelaunte Männerscbaar , in
Ermangelung eines geistreicheren Stoffes, sich einige Mi-
nuten wohl erfreuen mag. Die fröhlichen Reisenden wer-
den blitzschnell nach Dresden, Prag und Wien spedirt
(man sieht, die Phantasie des Dichters greift der frohen
Zukunft mächtig vor!); von jeder der genanntea Städte
wird in raschen Umrissen eine Localschilderung gegeben.
Das in der Dichtung markirte Idiom dieser drei Städte
881
1844. Augast. No. 55.
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wird wohl las Beste thun müssen, wenn die rapporti-
rende Solostelle nicht gar za matt erscheinen soll; der
Componist hat gar zu wenig dafür gethan. — Die Schlnss-
poinle wird weder in Worten, noch in Tönen besonde-
ren Anklang finden.
Männcrcbor- Gesänge und Quartetten von C G. Reusi-
siger. Op. 176. Zweite Sammlung. Erstes Heft. Par-
titur und Stimmen. Berlin» bei Schlesinger. Pr. 1 Tbtr.
Nach der eben besprochenen Hausmannskost wird
diese Sängergabe trefflich munden. Die Sammlung enthält
vier Gesänge; wenn sie auch nicht zu den vorzüglich-
sten und glücklichsten des fleissigen Componisten gehen
ren, zeugen sie doch sämmtlich von seiner frischen Auf*
fassungskraft und ganz besonders von seiner Gewandt-
heit in der Formgebung. Ueberraschende Geistesblitze
und jene unwiderstehlich hinreissende Züge der Geniali-
tät bietet das harmlose Werkchen wohl nicht; aber eine
gewinnende Natürlichkeit, ein sicheres Auffassen und Fest-
halten in Ton und Form, munteres Leben und gemütli-
ches Anregen. — Diese Eigenschaften sind jedem einzel-
nen der hier gebotenen Gesänge in erfreulichster Weise
aufgedrückt.
Das heitere Lied von Boffmann von Fallersleben:
,,Nur in Deutschland!*' klingt schon in verschiedenen
Weisen durch das deutsche Vaterland (wie denn über-
haupt seine Lieder auf Aller Lippen sind) ; die neue Be-
lebung der geistesfrischen Dichtung durch das Talent Reis-
siger's ist sehr geeignet, sie auf Flügeln des Gesanges
weiter zu (ragen. Wie überhaupt der Ton des Liedes,
auch in Anwendung der verschiedenen Rhythmen, recht
Jut getroffen ist, so wird vorzüglich der lebhafte, durch
en Chor bestätigte und erweiterte Refrain den Eindruck
des Ganzen sichern.
Der zweite Gesang: „Was mir wohl übrig bliebe,"
(ebenfalls von Hoffmann von Fallersieben gedichtet) hat,
bei vielem Gewöhnlichen, doch eine gewisse Wärme, die
den Mangel eines höhern Gefühls weniger hervortreten
lässt. Die Abwechselung und Verbindung zwischen Chor
und Solostimmen, sind auch die Gedanken gerade hier
nicht von bedeutendem Gebalte, thun doch dem Ganzen
wohl, und heben besonders den Schluss vorteilhaft her-
vor. Die zweite Solostelle bis zum Wiedereintritt des
Chors hätte füglich etwas mehr Innerlichkeit erhalten kön-
nen ; namentlich stört uns dabei die Trockenheit des fünf-
ten bis siebenten Tactes.
„Die Geisterstunde" von Geisheim bildet eine neue
Variante der bekannten Unterhaltung mit dem Nachtwäch-
ter. Die Anwendung der noch immer beliebten Brumm-
stimmen ist hier von guter Wirkung; die Unabhängig-
keit der begleitenden Stimmen von der Solostimme hätte
indess noch besser bewahrt werden können. Auch möchte
wohl die Declamation der Worte: „Nachtwächter, ei! 4 *
leicht zu verbessern gewesen sein, etwa durch successi-
ves Einsetzen der einzelnen Stimmen, oder vermittelst
Trennung der Worte durch eine Pause, während nun aus
beiden Worten eine „Nachtwächterei" wird.
No. 4 schildert die Vorzüge und den wünschenswer-
then (etwas problematischen) Besitz des Heidelberger Fas-
ses. Die Musik dazu bewegt sich in ansprechender Weise
und in fröhlicher Laune, ohne sich jedoch zu wahrhaft geist-
reichem Humor zu erheben. — Es ergibt sich demnach aus
unseren Bemerkungen, dass die neue Gabe des wackern
Componisten den Liedertafeln gewiss willkommenen Unter-
haltungsstoff gewähren wird, ohne jedoch auf das Prädi-
cat: „vorzüglich" Ansprüche zumachen, wie es so viele
seiner Compositionen dieser Gattung verdienen; die
vier Gesänge, die wir in kurzen Andeutungen unpar-
teiisch besprachen, werden gefallen, ohne einen nachhal-
tigen Eindruck zu machen.
Vier Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Bass, von J.
fF. Kalliwoda. Op. 124. Mainz, bei B. Scholt's
Söhnen. Preis 2 Fl. 24 Kr.
Es ist eine erfreuliche Wahrnehmung, dass in der
neuesten Zeit auch die interessante Gattung des gemisch-
ten vierstimmigen Gesanges, dem fast übermächtigen Män-
nergesange gegenüber, von vorzüglichen Componisten
durch neuen Stoff belebt und bereichert wird. Auch die-
sen anmuthigen Beitrag heissen wir gern willkommen,
und dürfen ihn mit Ueberzeugung als ansprechend und
gelungen empfehlen. Gemüthlich und wohllhuend bewe-
fen sieb diese Gesänge in einer so einfachen Natürlich-
em und Klarheit, dass sie schnell den Weg zum Her-
zen finden. Sind sie auch nicht alle von gleichem Wer-
the, so bietet doch jedes einzelne Stück manchen anmu-
thigen, gewinnenden Zug, so wie auch die Auffassung im
Allgemeinen zu rühmen ist. Das erste, ausgeführteste
Stück dieser Sammlung, „Lenzverjüngung," ist zugleich
das vorzüglichste. — Schon die Mannichfaltigkeit , die
sich darin auf so erfreuliche Weise entfaltet, zeichnet
es vor den anderen vorteilhaft aus. Ja es bekommt durch
die selbständig hervortretenden vier Stimmen, im Gegen-
satze zur blosen Begleitung der Melodie, etwas Drama-
tisches und Belebtes, wodurch es ungemein anziehend
wird. — Aebnlicben Bau und Ideengang hat der dritte
Gesang: „Früblingsfeier," doch ist die Conception nicht
so frisch und eigentümlich , man sieht es dem Ganzen
an, dass es der Componist nicht nach einem geistigen
Complex, sondern mehr nach seinen einzelnen Theuen
und Sätzen bearbeitet hat.
In Ton und Haltung hat wieder der zweite Gesang
mit dem vierten Aebnlicbkeit; auch sind beide als „Abend*
lied" bezeichnet. Von diesen beiden geben wir dem letz-
ten den Vorzug. In No. 2 schreiten die Stimmen fast er*
müdend in gleioher Weise fort, was allerdings die Auf*
fassung erleichtert, aber das Interesse keinesweges erhöht
Einige Dehnungen, wie z.B. auf „Gross" und ,, Schwan* *
machen eine unangenehme Wirkung. Im vorletzten Tacte
auf S. 9 der Partitur erseheint es als Härte, wenn nach
dem Schlüsse in Fmoll die vier Stimmen unisono mit es
eintreten. Ein harmonischer Uebergang, etwa durch die
erste Umkehrnng de« Septimenaccordes, wäre gewiss mil*
der und auch bezeichnender gewesen.
Die Gesänge bieten übrigens den Sängern nicht die
mindeste Schwierigkeit; nur eine genaue Beobaobtung
der sorgsam bezeichneten Vortragsweise wird sn wirk«
samer Ausführung erforderlich sein.
803
1844. August. No. 35.
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Sechs deutsche Lieder mit Begleitung des Pianoforte, eom-
ponirt von B. MoHque* Op. 23. Zweite Sammlung
der Lieder, Stuttgart, Allgemeine Musikhandlung.
Preis 16 Ggr.
Sinnige Wahl der Dichtungen, gewandte und ge-
schmackvolle Führung der, wenn auch nicht eben über-
raschenden, doch wohlthuenden Melodieen, die sich höchst
bequem, fast nur in dem Umfange einer Octave, bewegen,
dazu eine sehr belebte und belebende Begleitung , inter-
essante» oft recht eigenthümliche Harmonie, — das sind
die Eigenschaften, die dieser Sammlung zur Empfehlung
dienen und ihr Eingang verschaffen werden. Das dritte
Lied: „Warum so fem?" dürfte den Vorzug verdienen.
Junge Lieder von Wolf gang Müller, für eine Tenor-
oder Sopranstimme, componirt von Dr. H. Marsch-
ner. Op. 126. Hannover, in der Hofmusikalienhand-
lang von A. Nagel. Preis 1 Tblr. 4 Ggr.
Die etwas preliöse Bezeichnung t „junge Lieder"
mag sieb selbst vertheidigen , die Musik zu diesen jun-
gen Liedern hat wirklich etwas Jugendlich -Frisches, und
diese erfreuliche Eigenschaft wird ihnen zunächst einen
guten Empfang bereiten. An vielen Stellen dringt der
Quell schöner und frischer Melodie so voll kräftig hervor,
dass man sich daran wahrhaft erquickt fühlt. Eine sehr
sorgsame, zuweilen höchst bedeutsame Begleitung (die
nur hier und da sich der Ueberfülle nähert) unterstützt
die sehr dankbar bebandelte Singstimme und hebt sie vor-
teilhaft hervor. Wenn wir im Ganzen die correcte, oft
musterhafte Dedamation dieser Lieder rühmen müssen,
so fallen uns einige Stellen, die diesen Vorzug durch«
aus nicht verdienen, doppelt störend auf. So scheint nns
in No. 3 (Bheinfabrt) nicht allein die gewählte Periodi-
sirung mit ihren gleichmässig beibehaltenen Absätzen we-
niger glücklich gewählt, sondern auch häufig die Beto-
nung verfehlt Gleich der Anfang mit seiner unnatürlichen
Pause nach „fuhren'* ist durohaus unvorteilhaft, und
so scheint durch das ganze Lied der einmal angenom-
mene Periodenbau dem vollen Eindrucke hinderlieh zu sein,
wiewohl wir einzelne treffliche Züge der Composition
durchaus nicht verkennen.
Wenn nns das zweite Lied wegen seiner interes-
santen Form und originellen Auffassung schon ungemein
lebhaft angesprochen hat, so erscheint uns doch der sechste
Gesang: ,, Klingender Frühling/ 4 wie er als der aasge-
fubrteste sich darstellt, auch als der schönste und ge-
wiss wirksamste. Wie frisch und natürlich flieset die Me-
lodie dahin, von lebendigem Rhythmus, anregender Be-
gleitung und reicher, schön geführter Harmonie getragen I
Wie tasst und rundet sich Alles so glatt und freundlich
abi Wie richtig sind die verschiedenen, wechselnden
Regungen des Gefühls, die das Gedicht ausspricht, wie-
dergegeben, und wie ungezwungen gehen die kleinen,
reisvollen Episoden aus dem Hauptgedanken hervor und
zu ihm zurück I Dabei ist die Siugstimme so dankbar,
oft so brillant hinbestellt, dass dieses Lied gewiss häufig
erklingen und sich als Liebling erweisen wird. Kurz,
von jungen, frischen Stimmen gesungen, werden diese
„jungen" Lieder gewiss Alt und Jung ergötzen.
Sonntag auf dem Meere , Gedicht von Frankl, für eine
Siugstimme mit Begleitung des Pianoforte componirt
von J. Hoven. 24. Werk. Wien, bei P. Mecheüi.
Preis 30 Kr. C.-M.
Eine ansprechende Kleinigkeit, einfach und gemüth-
lich aufgefasst ; die Singstimme, nur im Umfange der be-
quemsten Octave sich bewegend , ist meist delamalo-
risch gebalten» die Begleitung dagegen ist sehr bezeich-
nend und in ununterbrochener Thltigkeit, leider I aber
nicht ganz correct : mit den Verdoppelungen zumal nimmt
es der Componist nicht eben sehr genau. Das Lied be-
ginnt in D dur, und endigt, nach einer Episode, die nach
B modulirt, in Gdur. — Die Situation motivirt aber kei-
nesweges die Beseitigung der ursprünglichen Tonart, de-
ren Wiederaufnahme das Ganze offenbar besser und
künstlerischer abgerundet hätte. Das Ganze hat über*
haupt einen etwas dilettantischen Anstrich ; doch wird es
seine Freunde finden. AL
Nachrichten.
Leipzig, den 19. August 1844. Herr Organist Be-
cker, der Einzige in hiesiger Stadt, welcher bisweilen
Orgelconcerle veranstaltet, erfreute uns wieder einmal
durch ein solches am gestrigen Tage in der Nicolaikirche.
Wenn man durch die Trivialitäten, den äusseren Prunk
bei innerer Hohlheit, das leidige Virtuosenthum , welche
sich in der Tonkunst heut Tage so breit machen und nun-
mehr, den Musen sei Dank, ihren Gipfelpunct erreicht zu
haben scheinen, so dass ein baldiger Umschwung der
Dinge nicht wohl ausbleiben kann, — wenn man durch
all' dieses musikalische Elend erschlafft und abgespannt
ist, so thut es recht wohl, auch einmal ächte, gediegene
Charactermusik zu hören. Solche wurde in dem gestrigen
Concerte geboten» das zugleich durch Mitwirkung des
Herrn Hermann Schellenberg , Organisten an der hiesi-
gen Georgenkirche, noch ein anderweites Interesse er-
hielt; unseres Wissens ist Herr Schellenberg bis jetzt
noch nicht öffentlich hier aufgetreten, er hat aber seinen
Beruf hierzu bei dieser Gelegenheit unbestreitbar dargelegt.
Eröffnet wurde das Concert durch ein Präludium vom
Concertgeber , welcher sodann eine Fuge von Händel,
ein ernstes würdiges Musikstück, mit seiner bekannten
Meisterschaft vortrug. Diese bewährte sich auch in dem
folgenden Choräle Joh. Sebast. Bach*s: „Wenn wir in
höchsten Nötben sind," so wie in dem Adagio von C.
F. Becher selbst, welches durch seine freundliche An-
muth einen schönen Gegensatz gegen die vorhergehenden
strengeren Stücke bildete; besonders traten die Flöten-
stimmen des herrlichen Instrumentes darin hervor. Das
bekannte sechsstimmige Ricercare Joh. Seb. Bech's über
ein Thema Friedrichs II., vorgetragen von den Herren
Becker und Schellenberg, beendete den ersten Theil.
Im zweiten führte der Concertgeber zunächst eine
prachtvolle Fuge von Händel aus, ein Glanzstück» einem
majestätischen Strome vergleichbar, der ruhiy, wie in
selbstbewußter Kraft, aber auch feurig und unponirend
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1844. August. No. 35.
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dakerrauscht. Nach einem zweiten Adagio von Becker,
welches durch Seinen milden Ernet das Gemüth des Hö-
rers wieder in sich selbst zurückführte, folgte eine Fuge
von Seb. Bach, die sich in ihren kunstvollen Verwicke-
lungen, doch stets klar, wie ein reiches, durchsichtiges
Arabeskenwerk darstellte. Des grossen Meisters Choral:
„Schmücke dich» o liebe Seele 4 ' bildete den (Jebergang
zu Mozarts geistreicher Fantasie und Fuge» vorgetra-
gen von den beiden erwähnten Herren. Sie machte einen
würdigen Besebluss und sab zugleich zu interessanten
Vergleichungen zwischen Bändel, Bach und Mozart Ver-
anlassung; den Letzteren cbaracterisirt die freiere Form
und das stärkere Hervortreten des melodischen Elemen-
tes. —
Wir sind dem Coneertgeber für diese schöne Spende
zu aufrichtigem Danke verpflichtet und können den Wunsch
nicht unterdrücken» dass dergleichen Auffuhrungen öfter
wiederholt werden möchten. Sie würden gewiss einen
mächtigen Einfluss auf das verwöhnte Publicum äussern
und zur Läuterung des Geschmackes viel beitragen. Stücke,
wie die namentlich im zweiten Tbeile des gestrigen Con-
cerles ausgeführten, sind ganz hierzu geeignet, nnd wenn
auch Anfangs die Theilnabme nicht allzugross wäre, so
würde dieselbe gewiss allmälig sich steigern. Alles Gute
reift ja nur nach und nach* Das gestrige Concert, wel-
ches zum Besten der durch Wasser Verunglückten in
Westpreussen gegeben wurde, war ziemlich besucht, und
wenn man auch dabei dem wohllhätigen Zweck etwas
zu Gute rechnen will, so dürfte doch immer noch eine
hinreichende Anzahl wahrer Musikfreunde übrig bleiben,
gleichsam ein Mitlelpunct, um den sich nach und nach
immer Mehrere reihen würden* — e.
Die Pariser Musik im Sommer. — Das Rie-
senconcert. — Berlioz*
Ein Öffentliches musikalisches Treiben verschwindet
in Paria während des Sommers keinesweges. Zwar zer-
streut das sogenannte Landleben die hiesige vornehme
Welt auf einige Monate (die Musik zerstreut sie immer),
allein es bleibt doch noch so viel zurück, um das hie-
sige Gesellschaftsleben nicht geradezu monoton zu ma-
chen. Abstrahirt man von dem niedrigsten Musikantenwe-
sen, das hier den Noten- und Tonhandel wohl erbärm-
licher treibt, als man sich dies in Deutschland je könnte
träumen lassen, so muss man die allgemeine Masse des
Dargebotenen unbedingt loben. Musikalische Paradiese mag
es wohl nie gegeben haben, und die bis zu Beethoven
in einem fortwährenden Steigen begriffenen Erscheinun-
gen mögen, wenn sie Unkraut unter dem Waizen sahen»
noch mehr gelitten haben, als wir, denen die Natur das
edle Samenkorn versagt bat. Es ist uns angeboren» das
Ideellere immer hinter oder vor uns zu sehen» und in
der Tonkunst haben wir, an die Vergangenheit denkend»
wohl Recht, um sie, als um eine verlorene bessere Aera
der Kunst, zu trauern. Ein Blick in die Zukunft wird
uns in keine bessere Stimmung versetzen. Der Lebens-
strom hat sich indess nie Dämme vorschieben lassen»
und so wollen wir einer späteren Generation und unse-
rer Hoffnung selbst das Glück nicht versagen. —
Ich habe in diesen Blättern früher schon den Punct
berührt, dass in der französischen Kunstrichtung ein ge-
wisser Grad von Leichtigkeit nicht zu verkennen sei. Je
grösser der Künstler» desto mehr verschwindet die Type
des Nationalen in seinen Werken. In den unteren Kunst-
regionen des französischen Bodens hingegen hat die Cla-
viercompositionswulh , mit den Chanson's, den Tänzen»
den Etüden, von je her eine grosse Rolle gespielt. So
möge man denn mcbt wenig überrascht sein, wenn hier
der Ernst der besseren Kunstrichtung in einer Erscheinung
thätig ist, die an und für sich seilen, und in Paris mehr
als dies genannt werden darf.
Mad. Jeanne Farrenc f eine Schülerin von Beicha 9
liess vor Kurzem hier ihre Compositionen öffentlich auf-
führen. Schon im Jahr 1840 wurde im Conservatorium
eine Ouvertüre (in Esdur) für grosses Orchester von ih-
rer Compositum gegeben, und unter den 31 von ihr er-
schienenen Werken sind die meisten, bei eben so leben-
digem als ernstem Style» von wirklichem Werthe. Ein
im letzten Concerte ausgeführtes Quintett ist vortrefflich
und überraschte allgemein, eben so ein Trio : und mehrere
andere, grösstenteils für Ciavier geschriebene Stücke»
Mad. Farrenc executirte mit ihrer talentvollen' Tochter
die Clavierpartieen selbst, und hatte sich des Beifalls al-
ler Musikkenner in hohem Grade zu erfreuen. Da sie eine
nicht unbeträchtliche Anzahl von unedirten Werken, wor-
unter eine Symphonie in C moll, Ouvertüren und Ciavier*
fugen, besitzt, so steht zu erwarten, dass wir im näch-
sten Winter jene interessante Erscheinung noch näher
kennen lernen werden. Mad. Farrenc ist Lehrerin am
Conservatoire und Pianistin der Herzogin von Orleans.
Dem Vernehmen nach wird sie auf einer Kunstreise auch
Deutschland berühren.
In vielen Kreisen ist die Verehrung classischer, na-
mentlich von Deutschland herstammender Musik hier eine
Strosse. Vor einigen Wochen hörte ich einen acbfjährigen
Knaben, Camille St. Jaens, Mozart'sche Clavierconcerle
und Back'sche Fugen in einer Weise vortragen, wie ich,
obgleich ich schon viele Wunderkinder gehört habe, dies
nie für möglich gehallen hätte. Die Inspiration des Kna-
ben war durchaus bewundernswürdig, und man konnte
wirklieb sagen, dass, wie ein grosser Naturforscher sich
ausdrückt» der Geist bei ihm die Finger polarisire. —
Spohr, der sich ungefähr vierzehn Tage hier aufhielt,
hat yor Kurzem Paris verlassen. Habeneck liess eine
seiner Symphonieen aufführen, und gab ihm von der all-
gemeinen Fähigkeit des berühmten Orchesters einen be-
sondern Beweis in der Execution der Beethoven'schen
Pastoralsymphonie. — Die Lieder des seit längerer Zeit hier
anwesenden Componisten Kücken Befallen allgemein, und
deutsche Gemüthstiefe dringt sichtbarer Weise immer
mehr in das Herz des französischen Volkes. Rücken ist
mit der Composition einer neuen Oper beschäftigt. Die
hiesigen Bühnen leiden an einer allgemeinen Ebbe, und
nach der Sirene von Auber ist Nichts, was der Beach-
tung werth ist, erschienen. —
Am 1. August fand hier im Palaste der Industrie-
ausstellung ein Rieseneoncert Statt, das Herr Berlio* dt
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1044. Augast No. 35.
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rigirte. Die Anzahl der Executanten belief sieb auf 950.
Herr Tihnant, der Orchesterdirector der italienischen
Oper, halte die untere Leitung übernommen, und die Ge-
sanglehrer Banderali, Benoist 9 Laty, Dietsch und Ta-
rn/ leiteten den Gesang. Ausserdem befanden sieh im
Chore 23 Sänger von Ruf, die aber mehr pro forma, als
um wirklich thätig zu sein, sich eingefunden hatten. Die
Neugier war gross, die Masse der Zuhörer ebenfalls. Das
Gouvernement soll mit diesem Musik feste die gekrönten
Fabrikanten bei Gelegenheit der Industrieausstellung ha-
ben honoriren wollen, doch soll Herr Berlio* auch bei
den Kosten selbst beiheiligt gewesen sein. Das Programm
war folgendes: 1) Ouvertüre zur Vestalin von Spontini.
2) Seene aus dem dritten Act der Armida von Gluck*
3) Marche au supplice, Fragment de la Symphonie fan-
tastique von Berlio*. 4) Gebet aus Moses von Rossini.
5) Ouvertüre zum Freischützen von Weber. 6) Hymne
an Frankreich von Berlio». 7) Das Gebet aus der Stum-
men von Auber. 8) Nationalgesang aus Charles VI. von
Halevy. 9) Gesang der Arbeiter, eine zu diesem Feste
componirte Cantate von A. Meraux. 10) Finale aus der
Cmoll -Symphonie von Beethoven. 11) Chor der Dolch-
weihe aus den Hugenotten von Meyerbeer. 12) Hymne
an Bachus aus Antigene von Mendelssohn. 13) Oraison
fun&bre et apotbeose, final avec Cboeurs et deux Orche-
stres, de la Symphonie fun&bre et triomphale von Berlio».
Allgemein war das Erstaunen, als man die erwar-
tete Wirkung des Orchesters vermisste. Obgleich man
nur einen Theil des Gebäudes zu einem Saale eingerich-
tet hatte , war letzterer jedoch so gross , dass für den,
der sich nicht unmittelbar in der Nähe des Orchesters
befand, die Wirkung sehr mall ausfiel. Zweihundert Exe-
cutanten machen in einem verhältnissmassigen Saale mehr
Effect. Da nicht weniger, als acht Paar Pauken in Thä-
tigkeit waren, dabei die grossen Trommeln und die neuen
Blasinstrumente von Sax ebenfalls das Ihrige tbaten, so
machten sich die Compositionen , in denen jener Instru-
mente besonders gedacht war, wie unter andern Haie-
vy's Nationalgesang, besonders gut. Er erregle theils
auch von politischer Seite einen wahren Beifallssturm
und musste wiederholt werden. In Betracht einer so gros-
sen, immerhin schwer zusammenzuhaltenden Masse war
die Leitung im Allgemeinen sehr zu loben. Schwächeres,
als das Fragment aus der phantastischen Symphonie hat
aber Berlio» bisher noch nicht von sich hören lassen.
Berlio», der sich überhaupt nur in Phantastereien be-
wegt und nicht die mindeste gefallende Kraft besitzt,
hätte am Wenigsten nölhig, eine seiner Compositionen
noch obendrein phantastisch zu nennen. Das Stück er-
schien mir als ein offenbarer Unsinn, und es ist mir
durchaus unbegreiflich, wie man es wagen kann, mit
dergleichen Öffentlich aufzutreten. Die Trauerrede mit der
Apotheose wird man vermutblich in Deutschland schon ge-
bort haben» Was ist Reflexion, was erheucheltes Leben,
wepn nicht dieses? was soll überhaupt für gemacht gel-
teqi, wenn nicht eine Composition, zwischen deren ein-
zelnen Tacten man den Componisten immer stehen und
sich fragen sieht, was er nun weiter machen solle? Ber-
lio» mag /sehr viel Enthusiasmus für gute Musik haben,
er fuhrt wenigsten« immer das Bessere mit dem Seini-
gen auf, aber bestehen die Handlungen einer edlen Na-
tur nicht eben darin, dass sie ihre Eigentümlichkeit er-
kennt und nicht über ihr natürliches Wesen hinausgeht?
Wir werden uns nicht zu anderen Geistern machen, als
wir sind , und aus einem uns gegebenen empfangenden
Talente ein produetives zu schaffen, steht nicht in unse-
rer Gewalt. Im Elemente des Tones selbst liegt etwas
Uebersinnliches, Erbebendes, und wenn recht viele Mas-
sen im Character der Feierlichkeit oder der Trauer auf-
iewühlt werden, so glaubt die Menge, diese Flutb des
'onelementes komme auf Rechnung der Kunst. Wie ist
es einer edlen Natur, wenn sie begriffen hat, was Beet-
hovens Cmoll -Symphonie innerlich bedeutet, und was
eine solche Kunstform innerlich zu besagen habe, mög-
lieh, dieses zerfliessende Schmollen eines blasirten Innern
objeetiviren zu wollen? Allerdings beweist der, der nicht
zu erkennen vermag, dass die Kunslform nichts Aeusse-
res, sondern der Abdruck des Geistes ist, nur, dass er
vom inneren Wesen der Kunst keine Vorstellung hat.
Und selbst wenn eine geistige Masse für einen solchen
Process vorbanden ist, handelt es sich noch um das den
Lebensreiohlhum seines Innern aus sich beraustönende
Ich. Viele Leute geben ihr Ich, aber was für eines! —
Es versteht sich von selbst, dass dergleichen jeden wah-
ren Verehrer der Kunst nur deswegen in Anspruch nimmt,
weil das Bessere dadurch offenbar leidet. Denn man kann
das Bessere nicht erkannt haben, wenn man das Schlechte
neben ihm lobt. Das Schicksal von dergleichen Werken
ist zu gewiss, als dass ihre Existenz selbst andere Miss*
stände, als diese, mit sieh fuhren sollte. Das Volk schaut
immer dahin, wo der meiste Lärm ist, und da eine Par-
titur glücklicher Weise nicht selbst zu schreien anfängt,
so ist nach erfolgter Unthätigkeit des Componisten Alles
vergessen und vergeben. B.
Feuilleton.
Die Berlioer Theaterverwaltung soll einer neuen Gestaltung
unterliegen, and iwar soll die der Oper von der des Schauspiel»
ganz getrennt werden, jene wieder unter die Leitung des Grafen
von Redern kommen, diese unter dem bisherigen Intendanten Herrn
von Küstner verbleiten.
Am 27. Juli wurde Sophoeles* Antigone mit Mendelssohn Bar-
tholdys Musik in Hamburg zum ersten Male aufgeführt und maehte
einen gewaltigen Eindruck auf die Zuhörer. Sie ist seitdem be-
reits mehrere Male wiederholt worden.
Das grosse Pariser Musikfest (s. S. 464 d. Bl.) hat am I. Au-
gust unter BerUoz' Leitung Statt gefuuden; es war stark besucht
und die Ausführung, trotz dem nicht akustischen Gebäude, sehr
gelungen. Die Voeatpartieen sprachen noch mehr an , als die In-
strumentals tücke. Die firanahme betrug 37,000 Franken.
In Dresden wurde am 4. August Auber' s „Schwarzer Domino"
zum ersten Male mit riefen Beifalle gegeben, der namentlich Frau
Spatzer- Gen tiluomo (Angela) zu Theil ward, nächst ihr den Her-
ren Mitterwurser (Graf Julien), Behringer (Massarena), Wächter
(Lord El fort. — Ebendaselbst hilt sich jetzt — ausser Meyer-
beer, welcher einige Zeit da bleiben will , um ungestört au seiner
neuen Oper zu arbeiten — die schwedische Hofsängerin Fräul.
Jenny Lind auf, die als ein bedeutendes Talent geschildert wird.
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1844. August. No. 35.
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Am 30. Joli aurb in Curlsbud Woföaag Amadeut Mozart,
der junger* Sohn des grossen Tonmeisters, 53 Jahr alt. Bekannt-
lich war er ein gescheuter Pianofortevtrtuos und Cemponisl nnd
Bat sieh namentlich in Lemberg als Musikdirector nm die Hebung
der dortigen Knnstznst'ande grosse Verdienste erworben.
Tichatsehek bat mit bedeutenden
Reibe van Gastrollen gegeben.)
Erfolge in Hamburg eine
Am 19. Juli wurde in Schwaraenbeek (unweit Hamburg) von
dem SSn gervereine dieses Ortes in Verbindeng mit denen von Ber-
gedorf, Ratzeborg und Trittati ein Gesangfest gehalten.
Am 24. Juli fand ein grosses Sängerfest in Schleswig Statt.
Am Morgen wurde in der Domkirche ein geistliches Coneert unter
Leitung des Musikdirectors Bollmann aus Schleswig gegeben und
darin ein Chor aus RottinC* Stabat mal er, Ode von Rlopstock
„An den Unendlichen,* 4 compooirt von Hä'ter, und Hände?* Hal-
leloja aus dem* Messiaa aufgeführt. Des Nachmittags war Fest-
eoneert im Freien , wobei Musikdirector Grtidner ans Kiel zwölf
deutsche Lieder aufführte. Zu dem Coneert in der Kirche wur-
den 3500 Eintrittskarten ausgegeben ; die Zuhörer bei dem Ge-
sang im Freien schätzte man auf 14— 16,000. — Das Fest soll
nächstes Jahr wiederholt werden, wahrscheinlich im Vereine mit
den Eibliedertafeln als „Norddeutsches Sängerfest. <c
Nicht minder festlieb wurde in Zweibrücken das eilfte pfälzi-
sche Musikfest unter Felix Mendelssohn Bartholdy 1 * Leitung be-
gangen. Der erste Tag brachte Mendelssohn'* Oratorium „Paolos/«
der zweite Beethoven'* Dmoll- Symphonie, Ouvertüre von Möh-
ring aus Zweibrücken, Mendelssohn' $ „Erste Walpurgisnacht/'
und Bundeslied von Marschner. Der Besuch war sehr zahlreich.
Das zwölfte pfälzische Musikfest wird nächstkünftigen Sommer in
Kaiserslautern unter der Leitung des Capellmeisters Franz Lack-
ner aus München gefeiert, welcher eine Ouvertüre besonders dazu
eomponiren wird. Aosserdem sind zur Aufführung bestimmt : Hän-
del'* Oratorium Samson, Mozart* * Es dur- Symphonie, Mendel*»
*ohn Bartholdxf* 42. Psalm.
Ankündigungen.
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nrec Aceomp. de Piano. Op. 30. 14 6gr.
SlWan^n Aller« Ferst«, „Der Carneval ron Venedig." Favo-
rit- Thema von Paganini, variirt für Pianoforte. 8 Ger.
CctntllAl, Auf» 91« • Polka militaire, für grosses Orchester.
1 Thlr. 12 Ggr. .
d? d? für Pianoforte. G Ggr.
Sehnsuchtspolha, für Pianoforte. 6 Ggr.
Crminner, JT* II*, 12 nouvelles Etudes cn forme de Nocturnes,
pour Pianoforle a 4 mains, Op. 90, in I Baude. 2 Thlr. 8 Ggr.
9 ,Le* 2 styles"; Ancien et moderne. Fantaisie capricieuse»
pour Piano. Op. 07. Neue Ausgabe. 42 Ggr.
Dotmcwer, Jf. •!"• !?•* Practiscbe Schule des Violoncellspiels.
Op. 155. 4 Abtbeilungen iu Einem Bande, mit Schuberth's mu-
sikalischem Fremdwörterbuch als Prämie. 4 Thlr.
Franelt* €?• A., Bglogue (Hirtengedicht) für Pianoforte. Op.
5. 18 Ngr.
Kalltbreiftlier, Fr. f „Les Soupirs. (< 2 Nocturnes, Op. 121,
arr. far Violine oder Vcelle n. Pfle von G. Schnberth. 16 Ggr.
RrebfJ« €••* „Seemann's Liebchen." Lied für Sopran mit Violine
oder Violoncello obligat und Pianoforte. Op. 83. i Tblr.
„Schiffer's Abendlied." Op. 52, für Sopran oder Tenor,
mit Pianoforte. Neue Ausgabe. 8 Ggr.
— — Dasselbe für AU oder Bariton. Neue Ausgabe. 8 Ggr.
„Mary." Romanne, Op. 70, far Sopran oder Tenor, mit
Pianoforte. Neue Ausgabe. 8 Ggr.
— — Dasselbe für Alt oder Bariton. Nene Ausgabe. 8 Ggr.
„Mein Hern ist im Hochland." Lied für Gesang mit Gui-
tarre. 6 Ggr.
Umg, CS« (Preis -€oroponist), Adagio nnd Rondo für Piano-
forte und Violoncelle. Op. 4. 20 Ggr»
Sefcmitt, •!,, Erster Lehrmeister im Pianofortespiel. Zweiter
Cursus compl. in Einem Bande. I Tblr. 6 Ggr.
Bemubertll, C, 6 Capricea de Coneert, pour Violoncelle ayee
Piano. Op. 4. I Tblr. 2 Ggr.
— — Fantaisie brill. sur des Tbemes Italiens, Op. 7, pour Vio-
loncelle avec Piano. 20 Ggr.
Im Verlage ton Fr. H*lmmeftaTter in Leipnig sind er-
achienen :
Walier. Op.
Op. 103.
9a
Ii»bitzliy, •¥ OB., Vereinigungsttnae.
— — - Erinnerung an Gieshuhel. Quadrille.
Natalien- Waber. Op. 104.
Mazurka. Op. 105.
Almachs- Polka, Adelaiden - Polka , Norfolk - Polka.
Für Pianoforte zwei- nnd vierhändig, im leichten Arrangement
für Pianoforte, Ar Flöte, für Orchester.
In der honigl. s&chs. Hof. Musikalien -Handlung ton €. F.
HeSJer in Dresden ist so eben erschienen:
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der Letzte der Tribunen.
Grosse tragische Oper in fünf Acten
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Richard "Wagner.
Vollständiger Klavierauszug , 2 Bände.
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Dieselbe au 4 Händen 1 Tblr. tf Ngr.
Erstes Potpourri daraus für das. Pianoforte 22* Ngr.
Der vollständige Klavierausnug für das Pianoforte ohne Worte»
so wie andere übliche Arrangements von C. Czemy, A. B. Für»
stenau, A. Mämsel, F. A. Hummer und Fr. Schubert sind unter
der Presse und weiden schnell hinter einander erscheinen.
Die Ouvertüre in Partitur, litbographirt, Preis fi Thlr., ist
durch uns nu beziehen»
„Der /Biegende Mailänder,"
romantische Oper in drei Aufzügen, von demselben Compouisten»
wird in vollständigem Rlavierausaug und in einzelnen Nummern
hinnen wenigen Trocken ausgegeben.
591
1844. August No. 35.
S©2
HEUE MUSHLAME1V,
welche so eben
in Verlage von Hreltitopf «4» Härtel in Leipzig
erschienen and durch alle Bach- and Musikalienhandlungen au
beziehen sind: Talr. Wgr.
Auber, B* F« Em Die Sirene. Komische Oper in 5
Ahlen nach dem Französischen des Scribe ton JuL
Franche. Vollständiger Klavieraussug mit deutschem and
französischem Texte 6 —
— — Ouvertüre daraus für das Pianoforte zu 4 Händen
arrangirt — SO
Beethoven, Ii« ▼., Ouvertüre zur Open Fidelio für
2 Pianoforte tu 8 Händen einger. von G. M. Schmidt. I —
Beyer, m?» 9 Les premiers Sucees. Yariations et Ron-
deaux pour le Piano sur des motifs faforis. Op. 75.
Cah. I. H a — 80
Cltopln 9 Ft, 2 Nocturnes pour le Piano. Op. 88.. — 20
— — 5 Mazurkas pour le Piano. Op. 56 — 25
Bnvernoy, JL B*« La Polka nationale. Bagatelle pour
le Piano sur le motif favori de Baden-Baden. Op. 134. — 18
fi Fantaisies pour le Piano sur les motifs de la Si-
rene. Op. 158. No. 1. 2 ä— 15
J5« IsT« s« S»> 7 Lieder für eine Singstimme mit Beglei-
tung des Pianoforte i —
Iieearpentler, A M 2 nouvelles Fantaisies mignon-
nes sur les motifs de Mlle. Puget : La petite Bergere ou
le Charme de la yoix. Les Amours de Michel et Chri-
stine pour le Piano. Op. 91. No. 1. 2 a — 10
— — Polka -faforite variee pour le Piano. Op. 93 — 15
MiO Couppey, *?•, lÄEtudee expressives j>onr le Piano, i 5
Hozmrt, W« A*9 Oeuvres de Piano. Cah. 15. Non-
velle Edition.
Daraus einsein :
No. 1. Quatuor pour Piano, Violon, Viola et Violon-
cello. Gmoll i 10
„ 2. Quatuor pour dito dito. Eadur 1 10
„ 3. Sonate pour Piano et Violon. Gdur — 15
BoH% JL, 4 Galops brillants pour le Piano. Op. 5.. — 15
— — Morceau instrueßf. Fantaisie et Variations brillan-
tes pour le Piano. Op. 6 — 25
ITOM, C, Allegro agitato, Andante religioso e Finale.
Consertstück in Fora des Conzertinq für Pfte. Op.52. 1 15
— — Morceau burlesque de Salon pour le Piano. Op. 56. — 18
— — Fantaisie elegante pour le Piano sar l'Opera; l*
Sirene d'Auber. Op. 89 — 15
So eben ersetzten und ist in allen Buchhandlungen zu haben i
Theoretisch «praktische
Anleitung; zum Vlollngpiel
für
Dilettanten,
namentlieh auch Schullehrer, Seminaristen und alle Solche,
denen e* an Gelegenheit oder Mitteln zu einem gründ-
lichen Unterrichte in der Violinapielknnst fehlt,
daher
mit besonderer Bücksieht auf den Selbstunterricht
von
Friedrieh Barnbecfc.
Mitglied der kftnigl. Wörtembcrgischen Hof-CnpeUe.
Bevorwortet
▼ou
«. SehiUlB»
XI. 4. Wocfc. XI Ggr. «der 1 PI. 30 Kr.
la der Vorrede sagt G. Schilling aber dieses Werk anter An-
„So stehe ich nicht an, das Buch allen den Personen, die
uuf dem Titel genannt worden sind, angelegentlichst in empfehlen.
Ich habe die Ueberseugung, dass aar Erreichung ihres Zwecks and
sar Befriedigung ihres Bedürfnisses noch kein besseres, einfacheres
and bequemeres Hulfsmittel geboten wurde. Nor mit einiger guten
Anlage begabt und mit Verstand, Aufmerksamkeit und Fletss dieses
Bach benutzt, meine ich, mass Jeder, der sonst die nöthigen, all-
gemein musikalischen Vorkenntnisse bat, sieh selbst so weit heran-
bilden können in der Kunst des Vieliuspiess , data er diejenigen
Geschicklichkeiten und Fertigkeiten darin, welche er, ohne eigentli-
cher Künstler zu sein, nn seinem Berufs bedarf, hinltagliek beutst/«
Stuttgart. HmUberffer'sche Verlagshandlang.
Weber'oehe Toetmeaaer,
ein billigeres Ersatzmittel der Jfdhrscheu Metronome, sind durch
alle Musik - und Buchhandlungen , in Leipzig von Ernst Schäfer
für 15 Ngr. su beziehen.
Ein Trompeter,
geübt, und allen seitgemässen Anforderungen entsprechend, sucht
bei einer Hofeapelle ein sicheres Engagement. Auf portofreie Adres-
sen, unter der Chiffre ]£• T., wird durch die Buchhandlung von
B. Hermmut in Leipzig nähere Auskunft ertheilt werden.
Ali die verehrlichen Hof- und Stadt-Theater-Dlrectio-
nen Deutschlands.
Der Unterzeichnete erlaubt sich hiermit, seine am SU. April
dieses Jahres sum ersten Mal im Theater Drury Lane aufgeführte
grosse Oper „ Die Braute WOB* Venedig'* welche bis
nde der Saison $ St. Mai, dreiundzwanzig Mal mit steigendem
Beifalle wiederholt wurde , in ihrer deutschen durch Carl Klinge-
mann ganz umgearbeiteten Form den Buhnen seines Vaterlandes
anzutragen. Das vollständige Textbuch und die Partitur werden Mitte
September zur Auslieferung bereit sein, und können rechtmässiger
freite ausschliesslich nur von dem Componisten erlangt werden.
Julius Beneblet, Capellmeister des königi. Theaters
Drury Lane, 2. Manchester Square, London).
Bitten zn beachten ! !
In verschieden en Zeitungen zeigt die 5cAkwHo;er'sche Musika-
lienhandlung Novitäten an, unter denen sich auch Compositionen
von Gung l befinden, mit Hinweglassung des in diesem Falle
wichtigen Vornamens.
Um jeder hieraus entstehenden Verwechselung vorzubeugen, er-
lauben wir uns, ein geehrtes Publicum darauf aufmerksam su ma-
chen, daat die beliebten und allgemein verbreiteten Compositio-
neu von
Jooef Qanafl
vor wie nach in unserm Verlage erschienen, und erscheinen werden,
hingegen die in der Schlesingerschen Handlung erschienenen von
Johann Gung% und für jetzt dessen drei erst erschienene Tinse
sind.
Diese Erklärung wird durch das Titelblatt der von Herrn
Schlesinger edlrten Tänze um so notwendiger, da auch dieses su
Verwechselungen leicht Veranlassung gibt, der Vorname ist nach
hier nur durch
•f. »unc'l
bezeichnet, was jeder eben so gut für Josef als Johann lesen kann;
ferner findet sich aber auch auf diesem Titel die Bemerkung *
Ferieger von Gung'l (welcher?) Kriegerlust, Oberländler» Sire-
nen - Gallon und Polka für Pianoforte von (Damke — ? — ! ! !),
welche Compositionen sämmtlich in unserem Verlage von JoseJ
Gung'l erschienen , und na dessen beliebtesten and verbreitetsten
Compositionen gehören.
Berlin , im Augast 1844.
Ed. Bote und GL Boek,
Prack and Verlag yon Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
505
884
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 4 ten September.
M 36.
1844.
Inhalt! Ueber Job. Seb. Bacb's Kircbeogesinge and Cantaten.— Recensionen. — Nachrichten: Musikalische Prüfungen in Prag. Da«
zweite Liederfest des th'ririoger Sängerbundes. — Ankündigungen,.
lieber Joh. Seb. B ach' s Kirchengesänge und
Cantaten.
Dritter und letzter Artikel.
Mitgetheilt von Mose w ins.
Dem Verzeichnisse Bach'schcv Cantaten in No. 28
dieser Blätter ist die Bemerkung vorangestellt, dass darin
wahrscheinlich manches Zweifelhafte enthalten sein dürfte.
Diese Voraussetzung gründet sich mit auf die eigene Er-
fahrung, welche ich in der mir zunächst zugänglichen,
grösstenteils selbsteigen zusammengestellten Sammlung
gemacht habe. Unter den in der Bibliothek des königl.
aeademiseben Instituts für Kirchenmusik zu Breslau von
mir vorgefundenen zehn Cantaten, deren Mittheilong sie
einer angesehenen Musikhandlung verdankt, trägt die
mit in das vorstehende Verzeichniss aufgenommene : „Wer
sucht die Pracht, wer wünscht den Glanz 64 auch nicht
die geringste Spur ItacA'scheu Geistes, und würde ich sie
naeh meinem besten Dafürhalten nur dann für acht hal-
ten, wenn sich das Autographon Bach's davon auffinden
liesse. „0 Jesu Christ, meines Lebens Licht" besteht
Mos aus dem durchgeführten Chorale und scheint unvoll-
ständig mitgetheilt zu sein. „Widerstehe doch der Sünde"
enthält zwei Arien und ein Recitativ für die Altstimme;
„Meine Seele rühmet" dasselbe für den Tenor; beide
sind ohne Chor und Choral und ihre Vollständigkeit da-
her fraglich. Die Arie in der letzteren t „ Deine Güte,
dein Erbarmen," mit den bei Back so ungewöhnlichen
Rosalien, kommt mir auch bedenklich vor. — Nachträg-
lich sind noch folgende Cantaten dem obigen Verzeieh-
nisse hinzuzufügen t
Ach Gott, wie manehes Herzeleid in C. Dom. 9. o, T.
Ach Gott, wie manches Herzeleid in A. Dom. 2. p.
Epiphanias.
Bringet dem Herrn Ehre (Ddur).
Chrisle, du Lamm Gottes.
Denn du wirst meine Seele. Bdur.
Gott ist mein König (glückwünschende Kircb.-Cantate).
Ich hab' in Gottes Herz und Sinn. Dom. Sep tuagesima.
Lasst uns das Jahr vollbringen.
Lasset uns ablegen die Werke. Mariae Empfängnis*.
Naeh dir verlanget mich.
Wir danken dir Gott. D dun
Wir müssen durch viel Trübsal. GmoU. (Mit einlei-
tendem Oifelconoert.)
44. Jahrgang.
Wir finden für die obigen Kirchenmusiken eine dop-
pelte Bezeichnung. Sie sind theils „Cantate," theils„Con-
certo" benannt; auch finden sich einzelne mit der Be-
zeichnung: „Dialog as." — Concerto scheint eine Can-
tate zu bezeichnen, in welcher das Orchester im Gan-
zen oder mit einzelnen Instrumenten concertirend auf-
tritt. Mehrere dieser Tonwerke sind mit Orchesterstücken
— Sympbonieen benannt — eingeleitet, auch wird in
einigen der Gesang durch ein eingeschaltetes Musik-
stück unterbrochen. — So beginnt das Concerto: „Ich
liebe den Höchsten mit ganzem Gemülhe" mit einer
Symphonie für drei Violinen, drei Violen* drei Violoncel-
len und Continuo, zwei Oboen, Taille und zwei Corni
di Caceia; — „Am Abend aber desselbigen Tages" mit
einem höchst anmutbigen, die Buhe des Abends darstel-
lenden Instrumentalstück; — „ Kommt, eilet und lau-
fet" mit einer aus zwei umfangsreichen Sätzen (einem
Allegro und einem Adagio) bestehenden Symphonie. —
„Geist und Seele sind verwirret'* enthält zwei Sympbo-
nieen mit obligater Orgel. — „Die Elenden sollen essen"
beginnt mit einer Symphonie über den in die Trompeten
gelegten Choral: „Was Gott tbut das ist wohlgethan." —
Dies Tonstück bietet uns dadurch eine bei der Bespre-
chung der Cantaten übergangene Form der Choralbear-
beitungen. Eine andere bisher unerwähnt gebliebene fin-
det sich noch in der Cantate: „Es ist nichts Gesundes
an seinem Leibe," in deren Einleitung, einem freien
Chore, die erste Zeile des Chorals : „Herzlich tbut mich
verlangen" als Cantus firmus im Basse erscheint. Bin
einfaches klagendes Motiv schwebt darüber und wird das
ganze Stück hindurch von der Geige festgehalten ; in dem
frei sich entfaltenden Chore tritt dann der bezeichnete Cho-
ral mit allen Zeilen, von drei Posaunen und dem Cor-
nea, vierstimmig vorgetragen, nach und nach dazwischen
hinein. — Wie die Solostimmen im Gesänge vielfältig
und reich in diesen Kirchenstücken bedacht sind, so hat
Bach nicht geringere Aufmerksamkeit auf die Soloinstru-
mente gerichtet. Wir finden viele Solo's für die Violine,
in „Wachet auf, ruft uns die Stimme" sogar ein Solo
für die Violino Piecolo (Terzgeige). Auch das Violoncello
Piecolo, Gamben, Violone, Flöte, Oboe di Caceia, Fagott,
Hörn, Trompete, Orgel und Laute treten als Soloinstru-
mente auf; am Meisten die Geige, die Oboe, die Oboe
di Caceia nnd die Trompete. Aniser diesen Instrumenten
findet sich noch häufig den Oboen eine AUoboe (Taille)
56
Ö8Ö
1844. September. No. 36.
596
beigesellt; «och die Oboe d'Amour wird — und gemein-
hin in Verbindung mit Flöten — benutzt. — In dem Psalm
„Aus der Tiefe'* siebt eine Solooboe in B (wie unsere
B-Clarinette), eine Schreibart, die mir noch nirgends
aufgeslossen ist. — In einigen Canlaten finden sich noch
statt der Fagotte die allen Sordnne bezeichnet vor. —
Die Hörner werden in den Partituren von den Jagdhör-
nern unterschieden ; letztere sind wahrscheinlich die noch
in vielen Kirchen aufbewahrten grossen Hörner, welche
wegen ihrer einfachen Windung stärker tönen. — Die
Trompeten bieten bei beutigen Aufführungen dieser Werke
die meisten Schwierigkeiten dar; sie sind grösstenteils
für Clarinbläser geschrieben, in einigen Stücken mit drei
Trompeten bezeichnet: Clarini die beiden ersten» Princi-
pal die dritte. Aellere Manner werden sich noch erin-
nern , in ihrer Jugend bei den Trompelercbören auf den
langen Trompeten mit sehr engen Mundstücken die Cla-
rinsolo's gehört zu haben, welche sich gemeinhin im Um-
fange von g bis c und ~d bewegten ; wie sebr auch die
Behandlung der Blechinstrumente sich in neuerer Zeil ver-
vollkommnet bat , jener Clarinton ist dennoch ganz ver-
loren gegangen. Mundslücke und Verkürzung des In-
strumentes durch öftere Windungen der Röhre erschwe-
ren das Tractament der Höhe. Am Meisten ähnelt je-
ner Ton dem der Clarinette, nur dass er bei grosser
Weiche mehr Fülle hatte, als dieser. Ich habe die Ge-
wohnheit, bei Auffuhrungen /falscher Werke, z. B.
des Magnificat in Es, die ersten Trompetenstimmen für
Trompeten von höherer Stimmung umzuschreiben , und
die ihren Umfang überschreitenden oder von ihnen nicht
mit Leichtigkeit auszuführenden Stellen den Clarinetten
zu geben, diese aber überhaupt, wie die Bach'scben
Trompeten bebandelt, jenen theils ergänzend, theils sie
verstärkend hinzuzufügen. Andere mögen's anders ma-
chen. Gemeinhin ist dem Chore von drei Posaunen
ein Discantcoruett beigesellt. Auch findet sich in zwei
mir vorliegenden Canlaten eine einzelne Tromba da ti-
rarsi; etwa eine Discantposaune ? (Ich bitte um Beleh-
rung.)
Dass die Bach'sch* Inslrumentirnng mit der unserigen
keine Aehnlichkeit bat, darf als bekannt vorausgesetzt
werden. Seine Instrumentalstimmen sind, wie die Sing-
stimmen, fast immer real, und bei ihm, wie bei Händel,
singt die Trompete eben so gut ihr: „Herr Gott, dich
loben wir,' * als der Discant und der Bass. Doch fehlt es
in beiden Meistern nicht an Andeutungen der späteren
Entwicklung, jedoch bei Händel mehr, als bei Bach.
Hierher rechne ich aus den bekannteren Stücken des letzt-
genannten Meisters den vierzehnten- und fünfzehnten Tact
der Einleitung zur Passionsmusik des Matthäus und die
Instrumentation znm Schlusschore des ersten Theiles.
Die Abwechselung zwischen Saiten- und Blasinstru-
menten tritt bei Händel, z. B. im „Israel in Egyplen"
und im „Dettinger Te deum, <( schon gesonderter heraus ;
auch finden sich hin und wieder schon Füllstimmen durch
Blasinstrumente bei ihm.
Es ist eine weitverbreitete und durch Mozarts und
Mosel* s Instrumentirung Händel^chtv Oratorien bestä-
tigte Meinung, dass beide Meister durch ihr Orgelspicl
unsere Instrumentirung ersetzt bitten. Diese Ansicht ist
richtig, wenn damit nichts weiter ausgedrückt werden
soll, als dass im Concertsaale die fehlende Orgel durch
hinzugefügte Instrumentation ersetzt werden müsse. Doch
ist dabei nicht zu übersehen, dass dadurch das stehende
Accompagnement des Originals zur hinzugefügten Instru-
mentirung in ein umgekehrtes Verhältniss zu stehen
kommt. Das Quartett der Streichinstrumente gibt dann
die Grundlage des Accompagnemenls, die Blasinstru-
mente allein geben das Colorit. Bei Händel bildete die
auf Grundlage des bezifferten Basses gespielte Orgel das
stehende Accompagnement zu allen Stücken, und alle Or-
chesterstimmen , Geigen wie Blasinstrumeute , gaben das
Colorit. Der Blick in die Partitur eines Oratoriums von
Händel kann uns davon belehren ; nehmen wir z. B. die
des Judas Makkabäus: sie zeigt uns einige Arien ausser
dem bezifferten Basse nur mit einer Geige, andere mit
zweien, noch andere mit dem vollständigen Quartette be-
gleitet. Ein anderes Stück bat nur ein obligates Violon-
cell neben der Singstimme, dessen Nachspiel aber voll-
ständig vierstimmig gesetzt ist. Oboen und Flöten, Trom-
peten und Pauken finden sich nach Umständen angewen-
det, die letzteren verbunden nur in Chören, und selbst
da, mit Uebergebung mancher sich darbietenden Gelegen*
beit, absichtlich für ganz besondere Fälle aufbewahrt. —
So schweigt bei der Kampfeslust der Israeliten („Wohl-
an, wir folgen dir*'), selbst bei ihrem Drängen in Tha-
tendurst („Du Held, führ 9 uns zur Schlacht") noch im-
mer der Klang der kriegerischen Instrumente, und erst
dann, als Judas das Heer zur Schlacht führen will, er-
tönt die Trompete auf seinen Befehl. In diese grosse Ein-
fachheit tritt nur eine einzige Arie, ausser dem Quartett,
noch mit Flöten, Fagotten und Hörnern, und zwar ganz
in der Weise der älteren Mosart'&chen Instrumentalion,
begleitet, hinein. Diese bei Händel ganz ungewöhnlich
| vollständige Instrumentirung, die sich sowohl in ihren
I einzelnen Theilen als in der Gesammtheit documentirt,
ist nicht nur augenscheinlich eine ganz absichtlich so voll-
ständig zusammengestellte, sondern scheint nach des Com-
ponisten Absicht sogar eine überfüllte zu sein. — Bezieht
man den Text dieser Arie darauf:
Wise meo flattriag may deceive yoa
With theio vain raysterious art tte.,
so steht die Bedeutung dieser Instrumentation ausser al-
lem Zweifel. Da nun Händel durch sein Orgelspiel eben
so wenig beabsichtigt, als ausgeführt haben kann, was
er einerseits der Idee nach verwarf, andererseits aber
auch erst der späteren Entwickelung der Instrumental-
musik entsprossen ist, so scheint die Aufgabe bei der In-
strumentirung seiner Werke zunächst nur der Ersatz der
fehlenden Orgel zu sein ; das Maass für die Zahl und den
Klangcbaracter der Stimmen liegt in den ursprünglichen
Verhältnissen der Tonstücke in sich selbst und zu ein-
ander. — Die Kraft der Gedanken und aller Gehalt liegt
bei Händel in den Singslimmen, die Begleitung ist sel-
ten mehr, als ihre Stütze, doch erhebt sie sich zuweilen
auch zur Selbständigkeit und nimmt zu besonderen Zwe-
cken auch wohl mitunter eine eigene Färbung an. Wer
es vermag, wie Mozart in der Arie des Messias: „Du
zerschlägst sie," den Meisler durch hinzugefügte Beglei-
897
1844. September. No. 36.
aee
tuog zu interpreliren, der möge es ihun; sonst aber ist
der moderne sogenannte Glanz der Instrumentation nur
für die Schwachen da, denen im Grunde ein Händetschts
Oratorium weder mit noch ohne Iostrumentirung zusagt;
den mit Siebenmeile.nstiefeln Fortschreitenden dünkt sie
doch nur ein buntes Band um den alten Haarzopf. —
Also wozu? Wenn Händel das Volk sprechen lässt, hat
er gemeinhin seine Staatsperücke abgenommen; er setzt
sie nur dann wieder auf, wenn er im Siune der guten
Gesellschaft seiner Zeit redet. HändeCs Perücke und un-
ser Toupet mecontent oder a l'enfant kommen immer auf
Eines heraus. Was unter ihnen sich regt, bleibt denn doch
immer die Hauptsache. Ueber Händel ist man damit bald
im Klaren; wie steht es aber darin mit Bach? — Eine
Besprechung der bei Ausführung seiner Werke zu beobach-
tenden Grundsätze tbäte wohl Notb. — Die Schwierig-
keil, einer Bach'scbtn obligaten Oberstimme, bei melo-
disch sich neben der Singstimme bewegendem Basse, har-
monische Mittelstimmen hinzuzufügen, leuchtet Jedem ein ;
ja diese werden rein unmöglich, ohne die freie Entwicke-
lung der Stimmen zu decken, zu stören oder gar zu ver-
nichten, wenn, wie es gemeinbin der Fall ist, die melo-
dischen Entfaltungen der Stimmen schon alle Theile der
Harmonie in wechselndem Spiele in sich enthalten. Doch
sind diese und ähnliche Fragen fast nur speciell in Be-
ziehung auf jedes einzelne Werk des Meisters zu beant-
worten. So viel ist gewiss, dass Back sich selbst für
alle Zeiten gegen jede Umarbeitung geschützt hat, —
(Fortsetzung folgt.)
Recensiohen.
Prinzessin Ilse , Gedicht von H. Heine, für eine Sopran-
stimme mit Begleitung des Pianoforte componirt von
H. Truhn. Op. 55. Berlin, bei C. Paez. Pr. 20 Sgr.
Ein Capriccio, das die regsame Phantasie des Com-
ponisten, der sich neuerlichst oft bemerkbar gemacht hat,
unzweifelhaft documenlirt. Er folgt den wunderlichen,
mäbrchenhaften Sprüngen und Wendungen der Ilse (be-
kanntlich hetsst so der höchst malerische Bergstrom, der
sieb vom Brocken ergiesst) mit Laune nnd Geschick, und
einige Momente sind wirklich so glücklich und anspre-
chend amfgefasst, wie es nur dem wahren Talente ge-
lingt. Das eigentliche Lebensprincip dieser phantastischen
Dichtung, das in der Composition noth wendig hervortre-
ten mnss, die unausgesetzte nnd doch sehr nuantirte Be-
wegnng, hat der Componist glücklich und ohne Zwang
dem Ganzen eingehaucht, zwar, wie sich's leicht denken
lisst, meist durch eine sehr belebte und nnancirte Be-
gleitung, doch fehlt es auch der Melodie keinesweges an
jener schildernden Regsamkeit, welche die einzelnen Bil-
der und Momente bezeichnend hervorhebt und von ein-
ander absondert. Dabei macht sich eine angemessene^
wirksame, sangbare Deciamation besonders geltend. —
Das jedenfalls interessante Stück macht der Auffassungs-
kraft den strebsamen Componisten alle Ehre , erfordert
aber von der Sängerin, wie besonders von ihrem Beglei-
ter, nicht allein eine sinnige nnd übereinstimmende Auf-
fassung, sondern auch eine sorgsame, doch leicht-gewandte
Ausführung; dann aber wird die Wirkung in der That
eine sehr ansprechende sein. —
Sechs Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des
Pianoforte, componirt von IV. H. Veit. 21. Werk.
Prag, bei Berra und Hoffmann. Preis 1 Fl. 15 Kr.
Mit vollem Rechte steht an der Spitze dieser empfeb-
lenswerthen Sammlung das sinnige und gefühlvolle Lied
von H. Heine: „Und wüsslen's die Blumen, die kleinen";
es ist so schön empfunden, und von so künstlerischer und
doch natürlicher Haltung, dass man es schnell als abge-
rundetes Ganzes in sich aufnimmt nnd noch lange fort-
tönen hört. — Schon der aphoristische Anfang der Dich-
tung: „Und wüsslen's die Blumen," der eine nicht aus-
gesprochene Gedankenreihe des Dichters voraussetzen lässt
und nun wie das Lautwerden der EmpGndnog, geknüpft
an einzelne Bilder, erscheint, ist höchst treffend, ja über-
raschend von dem Compooisten wiedergegeben; der auf
die Dominante der Haupttonart gebaute Eintritt der Me-
lodie mit dem sprechenden Vorbalte versetzt sogleich
in media* res, und gibt, verbunden mit der consequen-
ten Fortbildung dieses Motivs, dem ganzen Liede etwa»
so Wahres, Eigeutbümliches und in seiner Abgeschlos-
senheit doch so Anregendes, dass man mit immer stei-
gender Wärme dem innigen und doch so anspruchlosen
Gange des Ganzen folgt. — Es erscheint vollkommen
motivirt, dass der Componist der vierten Strophe, die ei-
nen andern, gesteigerten Ausdruck annimmt, eine neue
Gestaltung gegeben bat, wobei die erhöhte Gemütbsauf-
regung, die diese Strophe darstellt, trefflich bezeichnet
ist. — Kurz, Herr Veit hat nns hier ein so schöne» Lied
gegeben, wie sie nicht eben häufig erscheinen»
Sind die übrigen Gesänge auch nicht von so präg-
nanter Form, und von so eigenthümlichem nnd glückli-
chem Ausdruck, so können wir die meisten doch ab an-
sprechend bezeichnen. Die leichte, naive Haltung des
zweiten Liedes: „Ständchen," von Rückerl, würde noch
gewinnender hervortreten, wäre sie nicht schon durch
Tonart und erschwerende Begleitung beeinträchtigt; sonst
hat auch dieses Lied manche hübsche Züge; der Seblusa
ist indess für die artige Pointe der Dichtung doch wohl
zu indifferent. Am Wenigstengelungen, ja fast von kal-
ter Wirkung ist der mit „Triolet" bezeichnete Gesang
No. 4. Das oft wiederkehrende : „Nicht quäle Dich" hat
wirklich etwas Quälendes. Von besserem Gehalte ist der
letzte dieser Gesänge: „Am Abend"; doch wird auch
dieser dem ersten, onserm Lieblinge, die Palme in kei-
i>cr Hinsicht streitig machen. AI.
Nachrichten.
Musikalisehe Prüfungen in Prag im August
1844.
A) Prüfung der Zöglinge der Orgelsckule. Prtf-
fnngsgegenstände waren : die Lehre von den Intervallen,
an welche sich die Lehre von Dreiklange und den Scpti-
800
1844. September. No. 36.
600
menaccorden, den Vorhallen, Durehpangsnoten reihte und
das Zifferspielen mit practischen Beispielen scbloss. Dar-
auf kamen die Gegenstände des zweiten Jahrganges an
die Reibe, nämlich die Lehre von der Modulation, vom
Contrapuncte , vom Choräle, von der Imitation und der
Fuge. Sehr interessant war der Vortrag eigener Compo-
sitionsversuche der Schüler in Fugen und Präludien. Un-
ter den vorgetragenen Fugen zeichnete sich vorzüglich
eine sehr grosse und reich gearbeitete in Emoll, '%-
Tact, aus. Eine andere, gleichfalls in E moll, machte sich
durch ein piquanles Thema bemerkbar, erinnerte jedoch .
zu sehr au /. S. Bach 9 8 Weise. Auch eine Fuge in
Dmoll und eine in Esdur verdienen rühmliche Erwäh-
nungi-4Jnter den Präludien war eins in Amoll von gros-
ser Leichtigkeit und Ungezwungenheit in der Führung
nnd ausgezeichneter thematischer Durchführung. Wenn
wir bei den Fugen etwas zu erinnern finden, so ist es
die Manier, zum Schlüsse des Due einen Rococo- Triller
anzubringen, die allzubäufig vorkam. Endlich wurden mit
generalbassmässiger Orgelbegleitung nachstehende Ton-
werke vorgetragen: 1) Psalm '(Ad Dominum, cum tribu-
larer, clamavi) von Antonio Lotti. 2) Figurirter Choral
(Ich lasse dich nicht) von Seb. Bach. 3) Hymne für zwei
vierstimmige Chöre (0 Erster, dessen Hauch ich bin)
von C. F. Pitsch. 4) Duett für Alt und Tenor (Fac ut
ardeat cor meum) aus dem Stabat mater von Astorga.
5) Et incarnalus est von Händel. Die Ausführung, ob-
schon ziemlich gut, war zu modern und dem hohen Wer-
ihe der Tonstücke nicht entsprechend. —
B) Prüfung an der Musikbildungs- Anstalt des J.
Proksch. Die musikalischen Prüfungen, welche Herr
Proksch mit den Zöglingen der Musikbildungsanstalt all-
jährlich veranstaltet, gewähren nicht nur den betreffen-
den Eltern der Zöglinge das Vergnügen, die Fortschritte
nnd Leistungen ihrer Angehörigen zu verfolgen und zu
beurtbeilen ; sondern auch der Ciavierspieler, der Musik-
kenner und Kunstfreund, der musikalische Pädagog und
denkende Beobachter findet hier mannichfache Gelegen-
heit, sich von der Zweckmässigkeit und Nützlichkeil der
angewandten Methode, wie von der stufenweisen Ent-
wicklung und Fortbildung der musikalischen Kräfte zu
überzeugen und den progressiven Lehrgang bei speciel-
ler Prüfung jedes einzelnen Zöglings, von den ersten mu-
sikalischen Elementen angefangen bis zur vollkommenen
Ausbildung eines solid gebildeten Pianisten, sieh 'zu ver-
anschaulichen. Um so mehr ist dies der Fall, als die Prü-
fungen genannter Anstalt nicht der Art sind, wie man
sie an Instituten vieler Orte gewöhnlich antrifft, dass der
Zögling nämlich ein oder einige Stückchen vorspielt, son-
dern er muss von dem, was er ausführt, Rechenschaft
geben. Er darf nicht nur spielen, um zu spielen, weil es
eben Mode ist ; er muss wissen, er muss es vollkommen
verstehen und fühlen, was fr spielt, nnd durch gesunde
und wahre Auffassung jedes Tonstück treu wiedergeben
und dem inneren Gefühle des Zuhörers näher zu brin-
gen suchen. Dass nach der Methode des Herrn Proksch
mehr, als Moses Ciavierspiel, in serner Anstalt gelehrt
nnd gelernt wird, erhellt ans dem Programm, welches
der treffliebe Pädagog mit einigen erklärenden Worten
über die Tendenz seiner Anstalt nnd das Verfahren sei-
ner Methode einleitet, ans welchem wir dem musikali-
schen Publicnm folgenden Lebrplan mittheilen : 1) Gebör-
nnd Singübungen. Elementargesang; 2) Allgemeine Mu-
siklehre (hierher gebort alles Wissen, was jeder Spieler,
er sei Ausübender auf welchem Instrumente er wolle,
Dilettant oder Virtuos, zu wissen gebalten seid sollte,
nämlich Begriffe und Kenntnisse über die Tonlehre, die
Rhythmik, die Organik, die Elementarformen, die Kunst*
formen); 3) Theorie der Harmonie und des Contrapunc-
tes. Compositionslehre ; 4) Vorlesungen über Geschmack-
bildung und Aestbelik. Höherer Vortrag. Nach diesen vor-
ausgeschickten Andeutungen wollen wir uns nun zur Prü-
fung selbst wenden. Die zahlreichen sämmtlicben Zög-
linge der Anstalt waren in zwei Abtheilungen eingeteilt;
so zwar, dass die männlichen Zöglinge ihren Prüfungs-
tag den 1. August hatten, die Prüfung der weiblichen
Zöglinge hingegen den 2. August Statt fand. Ausserdem
wurden wieder sowohl die minnlichen als weiblichen Zög-
linge in verschiedene Hauptclassen eingeteilt, diese wie-
der in Unterabteilungen, so dass die Zöglinge der Ele-
mentarclasse ihre Prüfung immer Vormittags hatten, die
der höheren Classen jedoch Nachmittags unter der Lei-
tung des betreffenden Lehrers Statt fand.
Der theoretische Gegenstand bei der Elementarelasse
der männlichen Zöglinge entwickelte und veranschau-
lichte das Wissenswertbeste des musikalischen A B C in
Fragen und Antworten ; nämlich die Tonlehre und Noten-
schrift; Gebrauch der Versetzungszeichen; Messung der
Tonverhältnisse; Tongeschlechter; die Tonarten nud de-
ren Vorzeichnung. Der practische Theil brachte uns die
Anfangsgründe in der Technik des Ciavierspiels im Ein-
zelspiel progressiver Lectionen, Uebungsstücke aus dem
Scbulbucbe nebst analytischen Bemerkungen. Ein äusserst
mannichfaltiges Interesse für den Musiker vom Fache ge-
währte der theoretische Stoff bei den höheren Classen der
männlichen Zöglinge. Wir fanden hier das Wesentlichste
ans der Rhythmik, Melodik und Harmonik in Fragen und
Antworten; Betrachtungen über die Kunstformen; die
Hauptarten der polyphonen Form: die Figuration, Fnge
und der Canon, erläutert durch practische Beispiele an
einem Chorale von J. S. Bach, einer Fuge von S. Bach,
einem Canon von M. Clement*. Die homophonen For-
men, die Lied-, Rondo- und Sonatenform wurden reprä-
sentirt durch ein Lied ohne Worte, Henselt nnd Proksch,
ein Rondo von Mozart, eine Sonate in einem Satze von
Scarlatlu eine in mehreren Sätzen von Beethoven, nebst
anderen Kunstformen, Etüden n. s. w.
Die Elementarelasse der weiblichen Zöglinge behan-
delte ausser den theoretischen Gegenständen das Tonlei-
terspiel mit verschiedenen Nuancirnngen , angewandt bei
verschiedenen Lectionen und Studien. Auch verdient be-
merkt zu werden das Singen einiger Kinderlieder im Solo
und Chor, worunter manche schöne Stimme sieb bemerk-
bar machte. Es ist etwas Herrliches darum, ein Ohr nnd
eine Stimme und ein Herz für Musik zu haben, nnd es
ist ein besonderes Verdienst der Anstalt, wenn dem Ge-
sänge sein angestammtes Recht widerfährt. Wird das Sin-
gen auch nicht bis zur Höhe der Virtuosität «trieben,
so ist es doch ein treffliches Mittel zur Weckung and
Belebung des Tonsinnes, ja überhaupt des m u sikalischen
601
1844. September. No. 56.
Gehörs, Clavierapieler ohne Gesang sind nur halbe Mu-
siker, sie haben nie versucht, die Musik ans sich herans
nu machen, nnd ein solcher wird nie zn einem schönen
Vortrage gelangen. Die höheren Classen zergliederten die
Elemenfarformen : die Grundlagen der Melodie, die Grund-
formen : Gang, Satz, Periode, erläutert an practiscbem
Beispiel im Einzelspiel moderner Etüden nnd Salonstucke.
Sei dieser Gelegenheit können wir nieht umhin, einige
jener Tonslücke anzuführen, mit welchen die Zöglinge
im Vortrage derselben sich auszeichneten; so gefiel all-
gemein ein Salonstück zarten und sanften Cbaracters von
H. Herz, seelenvoll gespielt von Fräul. v. Hanisch; ein
Wiegenlied von A, Henselt nnd ein Rondo furioso von
Mendelssohn, virtuos vorgetragen von FräuLBzehoP ; eine
Romanze in Gdur von Thalberg, welche Dem. Kolat
sehr sangbar vortrug, nnd „Der Kampf der Dämonen,"
Etüde von Mascheies, trug Dem. Fmke sehr characteri-
stisch vor.
Einen Kunstgenuss seltener Art gewihrle uns der
3. August, an welchem Tage als Bescnluss der Prüfung
eine ConcertrProduction im Saale zum Platteis im En-
semblespiel auf mehreren Pianoforte's Statt fand. Die erste
Abiheilung enthielt meist instructive, die zweite Abtheilung
hingegen concertante Tonstücke : ein Duo von Hummel,
Sonate in D für zwei Piano's von Mozart. In einer Par-
tie concertanter Variationen für sechs Piano's von F. Neu-
mann wurde sechs Zöglingen durch ihr fertiges und nu-
ancirtes Spiel die Ehre des Hervorrufens zu Theil. Die
zwei jugendlichen Virtuosen Eduard Hörn und Johann
Richter spielten mit vieler Kraft, Sicherheit und Bra-
vour die schwierigen Hexameronvariationen von Lisxl
nnd ernteten wohlverdienten Beifall. Von grösseren En-
semblestücken hörten wir die Ouvertüre zu Gluck 9 s „Ar-
mide** nnd die Jubelouverture von C. M. v. fVeber^
beide für acht Pianoforte arrangirt, von sechzehn männ-
lichen Zöglingen mit vielem Feuer ausgeführt. Nachmit-
tags fand die Produclion der weiblichen Zöglinge Statt.
Bei Ausführung der concertanten Tonstöcke zeichnete sich
in einem Duo du Couronnement für zwei Piano's von
H. Her» durch einen schönen, ausdrucksvollen und zar-
ten Vortrag Fräul. Hanisch von Greifentbai, so wie Friul.
Fischer von Tiefensee dureh ein brillantes und fertiges
Spiel ans. Carl Czerny's concertanles Potpourri für vier
Piano's spielten die Damen Emma B&ehot 9 Kathi Holat,
Bokumjri Wäwra und Josefine Finke mit staunenswer-
ter Bravour, verbunden mit einem schönen, vollen An-
schlage und wahrhaft seelenvollem Vortrage; wie sich
überhaupt sämmtliche Zöglinge des Herrn Proksch durch
einen schönen Anschlag, sinniges, correctes Spiel und
Tactfestigkeit vor anderen Clavierspielern auszeichnen.
Schon die Art und Weise , wie die Zöglinge bei einer
öffentlichen Production spielen, entscheidet aber die Tüch-
tigkeit und die Leistungen eines Lehrers. — Ein selte-
nes Interesse gewährte uns das Znsammenspiel zweier
grosser Ouvertüren auf acht Pianoforte's von sechzehn
jungen Damen, welche mit einer Präcision und Tactfe-
stigkeit nnd allen Nuancen im Forte und Piano unter der
Leitung des Herrn F. Neumann ausgeführt wurden, wie
man so eine Aufführung nur von einem ausgezeichneten
Orchester unter verständiger und geschmackvoller Leitung
GQ2
zu hören gewohnt ist. Die grosse meisterhalte Ouvertüre
zur Oper „Leonore," No. 3, Cdur, von Beethoven, er»
öffnete die zweite Abtbeilung, die effectvolle zur Oper
„Wilhelm Teil" von Rossini bescbloss das zahlreich be-
suchte Goncert. Der Beifall war stürmisch.
F. Neufeld, Musiklehren
Das zweite Liederfest des Thüringer
Sängerbundes
bat am 12. August d. J. mit allgemeinem Beifalle des zahl-
reich versammelten Publicums zu Gotha Statt gefunden,
jedoch nicht bei dem Lustscblosse Reinbardsbrunnen, wie
früher angekündigt worden war. Hier näher zu erörtern,
was diese Abänderung veranlasst bat, würde die Gren-
zen dieser Blätter überschreiten. Doch kann ich nicht um-
hin, gelegentlich Thüringens Sängern den Vorwurf des
Mangels an einmütbigem und einträchtigem Zusammenbal-
! ten zu machen. Wir Deutsche schreiben, sprechen und
singen viel und gern von einem „einigen" Deutschland;
wo es aber darauf ankommt, einmal durch die Thal zu
beweisen, dass es uns Ernst damit ist, da stimmt Jeder
am Liebsten seine eigene Weise und so laut und grell
an, dass man an einer endlichen Auflösung der dissoni-
renden Accorde in harmonische nicht selten verzweifeln
möchte. Aehnliches gab sich bei der Vorbereitung zu die-
sem Sängerfesle kund. Statt eines Sängerfestes stand viel-
mehr ein zweiter thüringischer Sängerkrieg zu erwarten \
doch diesmal kein melodischer und noch weniger ein har-
monischer *). Glücklicherweise verhallten die angestimm-
ten Dissonanzen noch zur rechten Zeit, und die einzige
mit grossen Schwierigkeilen und vermehrtem Aufwände
verknüpfte Folge davon war bis jetzt die Ortsverlegung
des Sängerfestes **)• Weitere, den Sängerbund gefähr-
dende Nachweben werden hoffentlich nun nicht mehr zu
befürchten sein, da mit dem diesjährigen Liederfeste ein
festeres Band sich um den Bund geschlungen zu haben
scheint. Noch aber vereinigt derselbe nur den kleineren
Theil der Sänger in Thüringens musikliebenden Gauen $
noch gibt die Hauptstadt Thüringens das nicht lobenswer-
te Beispiel der Absonderung ; ja, um die Zerspaltung der
dortigen Sänger recht auffallend zu zeigen, so ist sogar
ein Erfurter Sängerbund in's Leben gerufen und ein be-
sonderes Sängerfest gehalten worden. Gewiss, nur klein-
liche, wenig Gemeinsinn verratbende Interessen können
eine solche Absonderung veranlasst haben und die fort-
dauernde, immer schroffer werdende Spaltung unterhal-
ten. Eine wiederholt an die Vereine des Erfurter San*
') Auf der Wartbarg begab lieh in Jahre 1207 ein in der Ge-
schichte aufgezeichneter Sängerkrieg. Die Minnesänger dich-
teten nnd sangen, ver Preisrichtern , und nach der Uebercia-
iunft sollte *der von Allen Besiegte gehenkt werden. Dieser,
ein Ritter von Öfterdingen, rettete sich vom Tode nur da-
durch, dass er sich in's Zimmer der Landgraf!« flüchtete und
sich unter ihrem Mantel verbarg, bis Letztere die Erhaltung
seines Lebens ausgewirkt hatte. .
*) Ein Beweggrund *u dieser Verlegung war noch der, faß* auf
dem früher bestimmten s Platte durch die Witterung veran-
lasste, nieht rorhersehbare leeak Hindernisse catgogeagetre-
tos waren.
605
1844. September. No. 36.
604
gerbundes ergangene Aufforderung zur Vereinigung mit
dem thüringer Bunde hat bis jetzt keinen Erfolg gehabt
Hoffen wir daher von der Zukunft ein Besseres t — Doch
genug hiervon. Ich gehe nun zu einer kurzen Schilde-
rung des Liederfestes ober. Am Tage vorher waren be-
reits die entfernteren Liedertafeln und mehrere Deputirte
anderer, nicht zum Sängerbünde gehöriger Gesangver-
eine *) in Gotha eingetroffen und verlebten mit der Go-
thaer Liedertafel zusammen einen fröhlichen Abend. Am
Festtage, der über alles Erwarten vom Wetter begünstigt
wurde, trafen Vormittags zwischen 8 — 9 Uhr die übri-
gen Liedertafeln und noch mehrere Deputirte ein, und
wurden auf dem Platze vor dem Theater durch das Fest-
oomilä, dem sich die Golhaer und die anderen schon an-
wesenden Liedertafeln angeschlossen hatten, eben so herz-
lich als feierlich empfangen und mit Lebehochs, in welche
die in der Säulenhalle aufgestellte Musik mit harmoni-
schen Accorden einstimmte, begrüsst. Als alle Liederta-
feln — achtzehn an der Zahl mit ungefähr 600 Sän-
gern **) — versammelt waren, wurde der Pestzug geord-
net und nach 9 Uhr setzte sich derselbe in Bewegung.
Drei Militärmusikchöre — aus Gotha, Erfurt (vom 31.
Infanterieregiment) und Langensalza (vom 8. Cuirassier-
regiment), zusammen achtzig Mann stark — marschirten
an der Spitze und spielten einen vom Mosikdirector IValch
besonders dazu componirten, effeclvollen Marsch. Tau-
sende von Menschen bildeten zu beiden Seiten des Zugs
ein lebendiges Spalier und begleiteten ihn zum Festplatze.
Dieser umfasste die grosse Rotunde zwischen dem Resi-
denzschlosse und dem Park, die anstossenden Alleen und
den südlichen Tbeil der Schlossterrasse mit ihren schatti-
gen Bastionen. Es konnten mehr als 20,000 Menschen
in diesem Räume Platz finden. Für die Einrichtung und
Ausschmückung des Festplatzes war in aller Art durch
das Festcomite, unter gefälliger Mitwirkung des talent-
vollen Bauraths Eberharde, auf das Beste gesorgt. Die
zweckmässig verteilten, zahlreichen Restaurationen hät-
ten ein drei Mal grösseres Publicum mit Speise und Trank,
deren Preise sehr billig gefunden wurden, befriedigen
können; eben so war für schattige Ruheplätze hinrei-
chend gesorgt. Der Festplatz bot einen eben so gross-
artigen, als reizenden Anblick dar, und die Sängerhalle
machte bei aller Einfachheit einen wahrhaft imponiren-
den Eindruck. Auf der Schlossterrasse gewährte der thü-
ringer Wald einen die Fremden überraschenden Hinter-
grund^ 1 und wer den nahen Park mit seinen prächtigen
Bäumen und reizenden Durchsichten besuchen wollte,
wurde gewiss auch da vollkommen befriedigt. Und so
hörte man denn von den Anwesenden über den Festplatz
nur eine Stimme : dass es einen grossarligeren und zweck-
mässigeren Platz zu einem solchen Feste nicht leicht ge-
•) Deputirte waren ans Coburg, Eisfeld, Herbsleben, Hildbnrg-
hansen, Langewiesen, Meiningen, Oitbeim, Suhl, Vacha, Weis-
eensee und Zella eingetroffen. Ferner waren n. A. die Her-
ren Capellmeister Fr. Sehneider ana Dessau und Chetard ans
Weimar zugegen.
") Per Thürioger Sängerbund umfasst zur Zeit die Liedertafeln
aus den Städten und Ortschaften Arnstadt, Ehringsdorf, Ejse-
naen, Erfurt, Gotha, Georgenthal, Langensalza, MShlhausen,
Neak&reaen, Ohrdruff, Plaue, Saalfeld, Salsungen, Seamclkal-
den, Sbmmerda, StadtUm, Waltersbausea und Weehmar.
ben könne. Da* Thu'rinter Sängerfest hat sich zum gross*
artigen Volksfeste gestaltet und wird es bleiben, so lange
der Sängerbund besteht. — Bald nach der Ankunft auf
dem Festplatze wurde zur Probe der Gesammtvorträge
geschritten. Dieselbe ging unter der Leitung des Direetors
der Gothaer Liedertafel, Adolph Wandersleb *), gut von
Stalten. Er dirigirte mit Ruhe und Sicherheit, und man
gewahrte bald, dass alle Sänger Vertrauen zu seiner Lei-
tung gefasst hatten. Bei dem allseitigen Eifer, es ihm zu
Dank zu machen, und da die Gesammtvorträge keine sehr
grossen Schwierigkeiten darboten, war die Probe schon
nach einer guten Stunde beendigt. Nach derselben ver-
sammelten sich die Sänger in dem schattigen Baumrondel
der westlichen Scblosslerrasse zu einem gemeinschaftli-
chen Mahle, woran auch Damen Theil nahmen. Das Mu-
sikchor der Bürgergarde , welche an diesem Tage den
Wachdienst im Festraume versah» spielte während der
Tafel. Im Ganzen waren sooaob vier Musikchöre bei die-
sem Feste in Thätigkeit. Nach der Tafel ordnete sich die
Sängerschaar zu dem eigentlichen Festzug und machte
um 2 Uhr, nach Ankunft des regierenden Herzogs von
S. Coburg- und Gotha mit seiner Gemahlin, einen Um-
gang im Festplatze. Eine nähere Beschreibung dieses Zu-
ges, so wie des Festes überhaupt, würde mich zu weit
von meinem Zwecke abführen; ich will daher nur er-
wähnen , dass er in ähnlicher Weise , wie im vorigen
Jahre, geordnet und auch wieder von Festmarschällen ge-
leitet war. An der Sängerhalle angekommen, stellten sich
die Liedertafeln in drei verschiedenen Chören dergestalt
auf, dass die Hälfte der Sänger zwei gleich starke Chöre
auf dem rechten und linken Flügel bildete, während die
andere Hälfte das Centrum der Tribüne einnahm. Durch
diese, vom Dirigenten A. W andersleb veranlasste, Auf-
stellung wurde dem Uebelstande begegnet, dass der Hörer
auf der einen Seite blos Tenore, und auf der andern
nur Bässe vernimmt. So viel ich mich erinnere, hat Ber-
lioz die Aufstellung vorgeschlagen, und deren Zweck-
mässigkeit gab sich hier deutlich kund. — Als Einleitung
zu der ersten Abtheilung, die nur aus Gesammtvortri-
gen bestand, wurde die Introduclion (zum zweiten Act)
mit Chor aus „Titas" von Mozart vorgetragen, und
zwar von den drei vereinigten Musikchören unter WalcKs
Direction. Die Ausführung war ausgezeichnet und höchst
effectvoll. Daran schloss sich No. 1 „Gebet" ans Me-
huts preiswürdiger Oper „Joseph" mit untergelegtem
passenden Texte. Dieser Chor wurde ganz der Composi-
tum würdig vorgetragen, und war wohl die beste Lei-
stung des Tages. No. 2. „Der Sänger" von Reissiger,
eine für grosse Massen schwierige Composition, indem
bei dem Vortrage der mancherlei Figuren leicht ein Deh-
nen und Zerren der die Melodie tragenden Stimmen ent-
steht, ging über alle Erwartung gut, und Reissiger selbst
würde sich darüber gefreut haben. Hierauf folgte ein
„Grass an die Sänger," gesprochen vom Prof. fVelcker
aus Gotha. No. 3. Das schöne, kräftige Lied von Stanz:
') Was die Gethaer Liedertafel noter der Lei long dieses, aeeh
jungen, Mannes zu leisten vermag, davon hat sie schon bei
mehreren Gelegenheiten, namentlich bei den früheren Lieder-
festen auf der Barg Gleichen und sa Meisdorf, Beireise ge-
liefert.
605
1844. September. No. 56.
606
„Auf, ihr Bruder, laut ans wallen" u. s. w. ging eben-
falls gut. Die vierte Nummer bildete: „Mein Vaterland"
von Ad. Wandersieb. Da der Componist mir nah be-
freundet ist, so enthalte ich mich hier jedes Urtheils über
die Composition, und bemerke nur, dass sie ein Lieb-
ling unserer Sänger geworden ist. Das Lied wurde bei
der Probe besser, als bei der Aufführung, gesungen;
auch kann ich nicht unbemerkt lassen, dass die Instru-
mentalbegleitung manchmal, und namentlich die Posaunen
im Solosatze, zu sehr die Stimmen deckten. Ohne Instru-
mentalbegleitung dürfte sich das Lied wohl besser ma-
chen. — Nach demselben sprach der Prof. Dr. Denn-
hardt aus Erfurt und nahm das Vaterland zum Gegen-
stande seiner ergreifenden Bede. Den Schluss der ersten
Abtheilung machte MethfesseVs, zum Volkslied gewor-
dene, Composition der Arndt'schtn Dichtung „Was ist
des Deutschen Vaterland ," und war auch hier dazu be-
stimmt, vom Publicum mitgesungen zu werden, was auch
von einem kleinen Theile desselben geschah. Eine Kunst-
production konnte es darum nicht werden. —
Während der Pause trugen die Musikcböre aus Go-
tha und Erfurt eine zweichörige Motette von Gallus (Ja-
cob Hänel, gestorben 1591), von fValch für Harmonie-
musik arrangirt, vor. Diese Bococomusik wollte jedoch
nicht recht ansprechen; bei mehrmaligem Hören dürfte
es wohl anders sein. Dann trug noch das Musikchor aus
Erfurt die Ouvertüre und Introducüon zum „Don Juan"
allein vor, dasTrompetercbor aus Langensalza den Marsch
aus dem „Sommernachtstraum" von Mendelssohn Bar-
tholdy, und endlich das Gothaer Musikchor die Ouvertüre
zu „Egmont" von Beethoven. Alle drei Musikcböre er-
warben sich den Beifall des Publicums, besonders aber
zeichnete sich das Trompetercbor durch Präcision und
tüchtige Virtuosen aus. — Die zweite Abtbeilung bestand
aus vier Gesammt- und fünf Einzelvorträgen (derjenigen
Liedertafeln nämlich , welche diesmal die Reihenfolge,
nach alphabetischer Ordnung, getroffen hatte). Nach der
Bestimmung sollten allemal sechs Liedertafeln Einzelvor-
träge halten; zwei davon hatten es jedoch abgelehnt,
dagegen trat Ehringsdorf , welches im vorigen Jahre aus
Verseben übergangen worden war, in die Reihe. — Die
Gesammtvorträge bestanden aus dem Jägerchor aus „Eu-
ryanthe" (No. 1), einem Liede von Mendelssohn Bar-
tholdy (No. 4), für den Sängerbund besonders componirt,
als er von diesem zum Ehrenmitgliede ernannt worden
war. Der ursprüngliche Text mit der Ueberschrift „Ab-
schiedstafel" von Eichetidorffj war durch einen anderen,
vom Prof. Dr. Mensing aus Erfurt gedichteten und „Fest
und treu" überschriebenen ersetzt worden. Ueber den
Werth dieser Composition waren die Meinungen der Sän-
ger Anfangs sehr getheilt; nach und nach aber bat das
musikalischere Ohr den Werth desselben immer mehr er-
kannt, und jetzt singen alle Sänger das Lied mit Lust. —
Nach dem Bundesliede von Lenz (No. 8) sprach mit Be-
zug darauf Prof. Dr. Dennhardt wieder einige Worte.
Den Schluss sämmtlicher Gesangvorträge machte gleich-
falls ein Volkslied, nach der englischen Volksmelodie.
Der auf Thüringen und dessen Sängerfest Bezug habende
Text dazu war von L. Storch gedichtet. — Bei den Ein-
zelvorträgen zeichnete sich vor Allem (mit No. 5) die
Liedertafel aus Sebmalkalden durch guten Vortrag, schöne,
kräftige Stimmen, und durch eine gehaltvolle, anspre-
chende Composition ihres Directors, Weisheit, aus. Das
Gedicht dazu, überschrieben „Ein Königswort," ist von
L. Beckstein. — No. 2. „Aufbrach zur Jagd," trug die
Liedertafel aus Mühlhausen mit Beifall vor. Die Compo-
sition von Müller ist gefallig. — Ueber die Composition
No. 3 „Die Liebe" von Kühmstedt, vorgetragen von der
Liedertafel aus Neukircben (bei Eisenach), wage ich kein
Unheil zu fallen, indem ich noch im Zweifel bin, ob es
an der Composition oder am Vortrage gelegen hat, dass
sie mich und noch viele Andere nicht ansprechen wollte.
Der Liedertafel mangelte es freilich an kräftigen ersten
Tenor- und zweiten Bassstimmen, wogegen der erste
Bass desto greller hervortrat. Die Liedertafel aus Plaue
(bei Arnstadt) trug eine Composition von Mackroth „Das
deutsche Land" (No. 6) vor. Der Mangel an guten er-
sten Tenorstimmen mochte Schuld daran haben, dass die-
ses Lied nur theilweise ansprechen wollte ; auch dürfte
die an den Sängern bemerkte eigentümliche Aussprache,
besonders der Vocale, hieran Antheil gehabt haben. —
Endlich wurde von der Liedertafel aus Ehringsdorf (bei
Weimar), No. 7, „Das deutsche Lied," componirt von
Chefard, vorgetragen, und man musste den Fleiss aner-
kennen, den die Sänger auf die Einübung dieser nicht
leichten Composition verwendet hatten. Bei dem Mangel
an genügenden ersten Tenorstimmen konnten sie aber
derselben nicht gewachsen sein. Die Composition ist theil-
weise recht ansprechend, nur bietet der Mittelsatz so un-
gewöhnliche und schwierige Modulationen dar, dass bei
irgend mangelhafter Ausführung ein angenehmer Total-
eindruck kaum jemals hervorgebracht werden wird. Das
Lied scheint überhaupt mehr für den geschlossenen Raum
berechnet zu sein , und da mag es sich jedenfalls besser
machen. — Die Gesammtvorträge wurden auch in dieser
Abtheilung gut ausgeführt, so wie sich denn überhaupt
nicht verkennen liess, dass die Gesänge mit Eifer und
Fleiss einstudirt worden waren. Besonders zu rühmen
ist aber die deutliche Aussprache des Textes, von dem,
selbst in ziemlich weiter Entfernung, anch nicht eine
Sylbe verloren ging. — Der Schiussgesang , nach der
englischen Volksmelodie, wurde durch ein Schlusswort
des Prof. Dr. Dennhardt eingeleitet. — Während dieser
Rede entstand plötzlich ein Laufen und Rennen unter dem
entfernteren Publicum, und es verbreitete sich die Nach-
richt: es brenne in der Stadt. Dr. Dennhardt konnte
aber seine Rede ungestört fortsetzen, und da beim Schlüsse
derselben durch Zeichen das Gerücht widerlegt wurde,
so stimmte die Sängerscbaar ein „Hoch" an, wozu die
Fahnen geschwenkt wurden und das Publicum freudig
einstimmte. Bald jedoch erneuerte sich das Gerücht; und
das Abfeuern der Lärmkanonen und das Sturmläuten ver-
kündigten die wirkliche Gefahr. Es brannte der Dach-
stuhl eines Hauses in der Stadt, und das Unglück hätte
leicht grösser werden können, da nur wenige Mensehen
in ihren Häjuern waren, und so wohl eine Viertelstunde
verging, ehe wesentliche Hilfe herbeikam. Das Feuer war
glücklicher Weise schon nach einer Stunde getilgt, aber
das Fest war und blieb gestört. Bis 7 Uhr Abend tru-
gen die Musikchöre an drei verschiedenen Plätzen noch
007
1844. September. No. 36.
608
iDStrtmenUlsMUe vor. Nach 7 Uhr wurfo »oäbroals ein
Umzug gehalten, und Dach Fonnining eines Kreises dnreh
einen Schlosagesang und einige darin sieb knüpfende
Worte des treffliehen Redners Prof. Dr. Dennhardt das
eigentliche Fest glänz- und ruhmvoll beschlossen. Der
Festplatz blieb bis in die späte Nacht von einem grossen
Tbeile des Publicoms besucht, während ein anderer sich
nach dem Scbützenhofe wendete, wo von der Schätzen-
gesellschaft ein Ball zu Ehren der Sänger veranstaltet
worden war. Die Wenigsten von ihnen nahmen jedoch
Theil daran; die grössere Anzahl eilte alsbald der Hei-
malb zu. Bei Allen aber wird dieses Sängerfest gewiss
noch lange Zeit in gutem Andenken bleiben. — Indem
ich hiermit meine Relation beschliesse, rufe ich noch den
Genossen des Thüringer Sängerbundes die Worte des Bun-
desliedes von Lenz zu:
Wir sind ei« fest gesehlots'oer Bund
Für hellen Liederklans»
Und nns des Hertens tiefstem Grand'
Ertönet unser Sang.
Wir singen nicht um Gut und Geld
Und nicht zu eitler Pracht:
Nein , das , was uns ans zusammenhält,
Es ist der Töne Macht!
Lasst diese Worte stets eine Wahrheit sein, und
gewiss 1 der Thüringer Sängerbund wird niemals innerer
Zwietracht — und diese ist sein ärgster Feind — schmach-
voll unterliegenl
6. Dr. K.
Ankündigungen.
In unserem Verlage ist erschienen :
Coiicert - Stock
in Form des Concertino
für Pianofbrte
von
Charles Voss,
Op. 59. Preis 1 Thlr. 15 Ngr.
Breltk*pf 4t Hftrtel.
Lripaif , ia A«fMt 1844.
Iftdut wichtiges Werk flr Seminarieo.
Die Kaust des Orgelspiels;
theoretisch -pr actische Anweisung für alle vorkommende
Fälle im Orgelsviele, mit durchgängiger PedalappU-
catur und Bemerkung der Registerzüge.
Ein lieltrbach
für sich bildende Orgelspieler, insbesondere für den Un-
terricht in Seminarien und Präparanden - Schulen.
Bearbeitet und herausgegeben in Gemeinschaft aait
W. Mdrner
toh
A. Ct. Mitter,
Domorganiat und Geaanglehrer zu Merseburg.
Das Ganze erscheint in sechs Lieferungen, wovon die Liefe-
rung nur ± Thlr. hastet und im Laufe des Septembers die erste
erscheint. Wtlm. HLtrner in B r f u r t.
So eben erschien ein sehr gelungenes
stich tob
»ortrstftt » Slahl-
gr. heia. Capellmeister u. f. J. Uofrnlh.
Preis auf Velinpapier 86 Kr.
Press auf chinesisches Papier 48 Kr.
eleu*. Andre in Offenbaeh.
Ans dorn Vorlage des Herrn C. ©.
ich mit Eigenthuatsrecht übernommen:
Prt>fc** allhier habe
Voa>MUteantneiie V«Ut*lletier, Origianl-MelodMon,
mit Begleitung des Pianofortc. Deutsche Uebersetaung ton TV.
Druok und Verlag von Breitkopf und HärUl in Leipiig und unter deren Verantwortlichkeit.
GerftW. No. i. O ! wie gut bin ich dir, Traute. Preis tt Ngr.
Nb. U. Gab dir ein neues Röchchea, Antonia. Preis 8 Ngr.
und sind solche fernerhin von mir zu beziehen ; auch wird die
Sammlung dieser neapolitanischen Volhamelodieeu fortgesetzt.
Leipzig, den 86. August i844.
ۥ F. Peters Bureau de Musiejue..
Dam ich die Redaction der „Nederlandsch Muziheniajdschrift''
niedergelegt, hingegen eine neue musikalische Zeitschrift unter dem
Titel: „CaeeOia i Algemeen muzikaal Tijdschrifl" (bei Kemink und
Sohn zu Utrecht) begründet habe, deren erstes Heft schon erschie-
nen und nach Deutschland versendet worden ist , zeige ich hier-
durch meinen Freunden und geehrten Correspondeaten ergebenst an.
Utrecht, im August 1844.
X»r. Fr. C. nUet.
Den verehrlichen Bühnenvorständen Dentschlaads
erlaubt sich Unterzeichneter seioe im vorigen Winter mit vielem
Beifall hierselbst znr Auffuhrung gebrachte romantische Oper in.
Arti Acten, % Slaja und Alplno oder Die bezauberte
Role, Buch von E, Gehe, hiermit ergebenst zu empfehlen. We-
gen Erlangung der Partitur wolle man sich geneigtest direct an
den Componiateo wenden.
Danzig, den 80. August 1844.
F. W. Harkull, Ober -Organist der St. Marien
Ober - Pfarrkirche in Danzig.
Conservatorlom der Musik zuLeipzig.
Am naehstbevorstchenden 7. October beginnt im Conservato-
rium ein neuer Cursus, zu welchem neue Schüler und Schülerin-
neu eintreten können.
Die Aufnahmeprüfung findet am 5. October Statt, zu welcher
sich die bereits angemeldeten , so wie neue Schüler , welche Auf-
nahme wünschen, einzufinden haben. Zur Prüfung haben die
Schüler von ihnen bereits möglichst gut eingeübte Musikstücke
(Ciavier-, Orgel-, Violin- oder Gesangstüche), so wie die Violin-
spieler ihre eigenen Violinen, mitzubringen. Diejenigen , welche
eigene Compositionen oder andere eigene schriftlich -musikalische
Arbeiten bei der Prüfung berücksichtigt wünschen, haben diesel«
ben ebenfalls der Prüfuogs-Gommission vorzulegen, oder vorher
an das Directorium einzusenden.
Anfragen sind in frankirten Briefen an das unterzeichnete Di-
rectorium zu richten, von welchem auch der Prospcctus über das
Institut zu erhalten ist Persönliche Anmeldungen können sofort
bei dem Stndtrnth Dr. Seehurq allhier erfolgen-
Leipzig, den I. September i844.
Das Directorium des Conservatoriums der Musik.
tfft
610
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den H teB September.
M 37.
1844.
Inhalt I lieber Job. Seb. Bach'» Kirchengesinfe and Cautaten. (ForiseUang.) — Rccension. — . Nmchrichtem J. G. v. Herder'* Seoa-
Iarfoier durch die Liedertafel in Weimar. — Feuilleton. — Ankündigungen.
J. S. Bach 9 s Kirchengesänge und Cantaten.
(Fortsetzung.)
Wenn von Bach gesprochen wird, versieht sieh bar*
monischer Reicbthum von selbst, and es ist überflüssig,
za wiederholen, dass die Cantaten, wie alle übrigen sei«
ner Werke, hinreichenden Stoff zu tiefen Studien in die-
ser Beziehung darbieten. Bevor wir jene jedoch ganz
verlassen, muss ihres rhythmischen Elementes Erwäh-
nung geschehen; sie sind eine wahre Fundgrube voll
Reichtbums origineller, die Declamation und den Aus-
druck ohne Zwang belebender Erfindungen. — Mögen im
Vorübergehen nur einige anfallend rhythmisch construirte
Melodieen hier Platz finden.
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San- des, so wird mir Leib and Geist ge-sned.
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Aeholicber Rby Unnas ans der Gantete: „0 Ewigkeit, da Donoerwort.
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46. Jakrgang.
611
1844. September. No. 37.
612
Weoden wir uns jetzt wieder den einfachen Chorä-
len zu, von denen wir am Anfange dieses Artikels aus-
gegangen sind, so finden wir, nach Betrachtung der Can-
taten unseres Meisters und in Folge des nachgewiesenen
innersten Zusammenhanges der Choräle mit diesen, die
im Eingange ausgesprochene Behauptung gerechtfertigt:
„Die JtacA'schen Choräle entbehrten ohne den ihren Be-
arbeitungen znm Grunde liegenden Text ihres eigentli-
chen Kernes, blieben unverstandlich und dadurch geeig-
net, jeder willkürlichen Beurtbeilung einen Schein von
Wahrheit zu verleihen. In Verbindung mit den ihre Bear-
beitungen durchaus bedingenden Textesworten erscheinen
sie aber als eine von Bach geschaffene, ihm allein eigen-
tümliche Kunstform, deren Eigentümlichkeit eben darin
besteht, dass neben der Melodie des Cantus firmus die
harmonische Behandlung des Chorals die besonders dazu
Jewäbllen Texlesworte belebend und erklärend durch-
ringt, und die begleitenden, namentlich die Mittelstim-
men , ganz speciell den Sinn und lobalt jenea Textes in
belebteren Melodieen herausheben und ausdrücken." —
Wenn in der mir vorliegenden Sammlung von Can taten,
welche bei Weitem noch nicht die Hälfte der fünf Jahr-
gänge von Kirchenmusiken, welche Bach geschrieben ha-
ben soll, betragen, sich, inclusive der den beiden Passionen
entnommenen, 99 Choralbearbeitungen, wie sie in den Aus-
gaben der Choralgesänge enthalten sind, auffinden lassen
und darin ausser diesen noch mehr als 40 in den Aus-
naben nicht aufgenommene gleichartige einfache Choral-
Bearbeitungen angetroffen werden, und wenn unter deg
erwähnten 99 Bearbeitungen sich nur 11 befinden, denen
der Choraltext der Ueberschrift unterliegt, so dürfte an-
Senommen werden können, dass, wenn auch nicht alle,
och der grösste Theil der in den Ausgaben enthaltenen
Cboralgesänge den Bach'tchtn Kirchencantaten entnom-
men, also von dem Meister für den Vortrag durch Sän-
ger bestimmt gewesen ist, wie schon die Stimmführung
an sich zeigt, und dass an der bei Weitem grössten
Mehrzahl von ihnen mittelst der Unterlegung des in der
Ueberscbrift bezeichneten Textes sich der Sinn und die
Bedeutung der Bearbeitungen nicht erkennen lassen. —
Wie wenig anch in Abrede gestellt werden kann, dass
bei einigen dieser Bearbeitungen die erste Textesstrophe
vollständig genüge, so liegt doch bei sehr vielen der Wi-
derspruch des bezeichneten Textes mit der Bearbeitung,
wie eben nachzuweisen versucht wurde , auf der Hand.
Ist nun schon beim Studium der Setzkunst und dem Spiele
dieser Choräle die Beziehung des Satzes auf den Text
zu wissen nothwendig, um wie unentbehrlicher wird sie
bei ihrem Vortrage durch den Gesang sein? Und nur ge-
sungen treten sie mit ihrer ganzen Macht hervor. Den
Singacademieen und Gesangvereinen in Deutschland sind
sie deshalb und vorzüglich als Eingangsstück der Uebun-
gen vor Allem zu empfehlen. Die Eröffnung der Uebun-
gen mit einem Choräle bat einen doppelten Zweck, ein-
mal den, die Stimmen anzusingen, und dann hauptsäch-
lich, die Versammlung in die für den Vortrag ernster
Musik geeignete Stimmung zu versetzen. Das geschieht
am Besten durch einen Choral. Schreiber dieses hat sieh
zn diesem Zweck eine Sammlung von Chorälen angelegt,
welche die Gesänge der alten evangelischen Kirche in
drei Bearbeitungen enthält« Jedem Choräle ist die ur-
sprüngliche Melodie, dem Bähst sehen Gesangbuch (1545)
entnommen, vorangestellt; dann folgt eine Bearbeitung
von H. L. Hassler oder M. Praetorius, oder S. Cal-
visius, oder /. H. Schilt», diesem eine funfstimmige
von Joh* Eccard; und den Scbluss macht eine Bearbei-
tung von Seb. Bach.
Ich kann aus langer Erfahrung bestätigen, dass diese
Methode ihren Zweck vollständig erfüllt, und dass, da
die Sammlung für das ganze Jahr ausreicht, und die Aus-
wahl zum Vortrage mit Rücksicht auf die Pericopeh eine
Abwechselung das ganze Jahr hindurch gestattet, das In-
teresse für die Choräle sich in den Versammlungen nicht
nur wach erhält, sondern mit der genaueren Bekannt-
schaft derselben stets wächst. Die Herausgabe dieser
Cboralsammlnng ist bereits mit einer soliden Verlagshand-
lung besprochen, wo sie in Partitur und Stimmen er-
scheinen wird. — Um aber auch die übrigen ifoeft'seheji
Choräle durch den Gesang weiter verbreitet zu seheu,
gebe ich am Schlüsse dieser Zeilen einen nähern Nach-
weis des Textes, der einem Tbeile der von mir in des-
sen Cantaten und Passionen aufgefundenen Gesinge un-
terliegt, mit Bemerkung ihrer Nummern in der Becker'-
sehen Ausgabe und der dritten Auflage der (371) Cho-
ralgesänge bei Breitkopf und Härtel, wo sich dann jeder
selbst den geeigneten Text unterlegen kann. Nur ist zu
bemerken, dass beide Ausgaben selten ganz genau mit
den Originalen übereinstimmen. Da diesen Gesängen,
selbst den blos von den Singstimmen «allein vorgetrage-
nen, zum grössten Tbeile noch ein Fundamentalbass un-
terliegt, so ist durch die Zusammenziehung der fünf Stim-
men in vier häufig der Bass des Gesanges nach dem
Fundamente abgeändert worden, und bat dadurch zuwei-
len eine von dem Originale abweichende, oft stimmwi-
drige, Führung erbalten, die aber fast überall zu Tage
liegt und leicht abgeändert werden kann. — Die Becker 9 -
sehe schöne Ausgabe wird ungeachtet ihrer sehr ausge-
zeichneten Ausstattung und sonstigen durch die Zusam-
menstellung der verschiedenen Bearbeitungen eines und
desselben Chorals sehr zweckmässigen Einrichtung für
den Gebrauch beim Gesänge beschwerlicher, weil alle
Versetzungen in andere Tonarten nur darin bemerkt sind,
und beim Ausschreiben wieder zurück transponirt werden
müssten. Wollte man sie so, wie sie dastehen, singen
lassen , so würde in einigen durch die tiefe Lage des
Tenors die jugendliche Frische der höheren Töne, die
ihnen eben den grössten Reiz und lebendigen Ausdruck
verleiht, fehlen, bei anderen würden die Bassstimmen kaum
durch die tiefsten Stimmen fest und sicher ausgeführt
werden können, ganz abgesehen davon, dass durch diese
Versetzungen der Character der Bearbeitung oft ganz
verwischt wird. Die meisten Schwierigkeiten würden die
Bindungen in den Mittelstimmen beim Unterlegen des
Textes machen, welche häufig theils ganz wegfallen, theils
in kleine Tacltheile zerlegt werden müssen. Ueberhaupt
haben die Mittelstimmen manche Abänderung erlitten 5 die
Auslassung der begleitenden Instrumentalstimmen erfor-
derte zuweilen die Hinzufügung eines den Singstimmen
abgebenden wesentlichen Tones im Accorde; auch finden
sieh Abänderungen, deren Veranlassung kaum einleucb-
613
1844. September. Nö. 57.
614
tot. — In dem Choral: „Liebster Gott, wann werd' ich
sterben" (Leipziger Aufgabe No. 43) findet sieh der die
Zeilen einleitende Bass der Instramente in die Grund-
Herrseher ä - her Tod und Le
1
stimme mit aufgenommen, und macht den Eintritt der
Singstimmen unerkennbar u. dergl. m.
— — ben , mach ein - mal mein Bn — —
Sopran,
Alt
Tenor,
Bast.
Continuo.
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=£=£
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Herrscher ü - ber Tod und Le-ben,
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mach ein- mal meto
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uog deo Geist auf
ge - ben
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recht wohl ge-
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— de gut ,
hilf, dass ich ein
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- lieh Grab
neben frommen Christen bah', und auch
iW ,' i i jiiuL ^y i tt1!\!1i
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fass-tem Math,
1.
hilf, dass ich ein ehrlieh Grab ue-ben from
r -1 —
men Cbri-sften hab 1 ,
end - lieh in der Er den, nimmermehr zu Schau - - den wer - den.
*M-f+flfTtVi ' I.'. , i ^ P^ltijifa \}l
und auch endlich in der Kr - den nimmermehr — — zu Schau ... den wer - den.
und auch endlieh
der
Er
nimmermehr zu Schan
den nimmer -mehr zu Schan
den wer - den.
den wer - den.
Die Leipziger Ausgabe enthalt nur einen fanfstim-
migen Choral: „Welt, ade, ich bin dein müde"; Becker
hat die fanfstimmige Bearbeitung von „Jesu meine Freude"
aus der Motette noch dazu aufgenommen. Jener ist, wie
in der Cäcilia neuerdings nachgewiesen worden, von Äo-
stnmiiller, findet sich jedoch, ganz unverändert dem in
der Cäcilia abgedruckten Rosenmäl/er scheu Originale ge-
treu, in der Cantate: „Wer weiss wie nahe mir mein
Ende" vor.
Die Abänderungen dieses Chorals in den Ausgaben
der Choralgesinge sind also nicht von Seb. Bach, sie
stehen aber schon in der Ausgabe von Ph. E. Bach
(1784) und rubren also wahrscheinlich von Diesem her. —
. Ausser den genannten habe ich nur noch eine fBnfstimmige
Choralbearbeitung aufgefunden, „Komm heiPger Geist,
Herr Gott" in der Cantate: „Wer mich liebt, wird
mein Wort haken" ; sie hat keine Instrumentalbegleitung.
Diese Bemerkungen machen eine Herausgabe der mit
den Originalen verglichenen, und mindestens mit Anfuh-
rung der Varianten versebenen Ausgabe der besprochenen
Gesänge wünschenswert, denen zugleich die ihnen ur-
sprunglich eigenen Textesworte beizufügen wären. Viel-
leicht wäre Herr Becker, der sich schon so grosse Ver-
dienste um diese Gesänge durch die Redaction beider Aus-
gaben erworben bat, geneigt, auch diese dankenswertha
Arbeit zu fibernehmen.
(Bescbloss felfft.)
Recension.
Der Sommernachtstraum von Shakespeare. Musik von Fe-
lix Mendelssohn Barthaldy* Vierhindiger Clavicraus-
615
1844. September. No. 57.
6ie
'. zug vom ComponisteD. Op. 61* Leipzig, bei Breite
köpf aod Härtel. Preis 5 Tblr. Die Singstimmen 1 Thlr.
Es i6t in den Berichten über die theatralischen Auf-
führungen dieserMusik gesagt worden, sie sei die schönste,
welche Mendelssohn geschaffen habe. Bei so einem Aus-
spruche beharren au wollen, wenn uns andere Schöpfun-
gen dieses Componisten gegenwärtig werden, r - sein
Paulus, der Lobgesang, die Psalmen, die Walpurgisnacht,
um hier nur solche von grösserem Umfange zu nennen, —
würde eine Ungerechtigkeit gegen diese enthalten. Es
darf aber dem Künstler kein Unbehagen erregen , wenn
der lebendige Eindruck einer neuen Production Anderes,
gleich Wertbvolles, für den Augenblick überschattet; das
spricht in vielen Fällen nur für das Neue, ohne der Gunst
für das Frühere, wenn es wieder hervortritt, im Gering-
sten Eintrag zu thun. Ohne Zweifel gehört aber diese
Musik zum Sommernachistraum zu Mendelssohn's glück-
lichsten Produclionen. Das duftig traumhafte Wesen, die
freie, höchst ergötiliche Laune, die in der Dichtung die-
ses wunderbaren Stückes lebt, konnte wohl kaum einen
entsprechenderen und allgemein ansprechenderen musika-
lischen Ausdruck erhalten, als es hier geschieht. Vor Al-
lem ist das leicht bewegliche Leben des Elfenreicbes, dem
.sich der grössle Theil der musikalischen Composition an-
schliesst, auf das Treffendste und Schönste empfunden
und dargestellt» Es ist hier nicht von körperlosen, rein
geistigen Wesen die Bede, — mit denen musikalisch we-
nig anzufangen wäre; die kleinen nächtlich schwärmen-
den Wesen haben Empfindung uud Leidenschaft, sie lie-
ben und hassen, sie eifern, scherzen und necken; Alles
dies gibt aber die Musik in einem anroulhig niedlichen
Maassstabe, in so eigen lilipotanisch gefasssten melodi-
schen Figuren und Rhythmen wieder, dass es dem flüchtig
beweglichen Tretben des Geistervölkchens sich auf die lie-
benswürdigste Weise zugesellt ;* auch das meist schnelle
Tempo und die hohe Lage des Satzes trägt dazu bei,
diese Musikstücke elfenbaft zu cbaracterisiren.
Ausser den Elfenscenen, die fast durchgängig mit
Musik durchwebt sind, begleitet diese auch an passenden
Stellen das leidenschaftliche Treiben der beiden Liebes-
paare, das festliche^ Gepränge des abenteuerlichen Athe-
nischen Fürslenhofes und die tragische Catastropbe der
„höchst kläglichen Comödie" der Handwerker, aufs Beste
sich anschliessend den verschiedenen Situationen und den
Persönlichkeiten, durch welche sie herbeigeführt und vor-
gestellt werden.
So tritt diese neue Musik nun so übereinstimmend
■nd verwandt zu dem alten unveralteten Stücke, dass man
sich denken könnte, es sei Beides zusammen entstanden.
Wie würde uns aber eine Musik, die wirklich mit dem
Stücke entstanden wäre, die« zu Shakespeare'* Zeiten al-
len Anforderungen entsprochen hätte, jetzt erscheinen?
Wir würden sie völlig ungeniessbar , und kaum etwas
Anderes als veraltete Formen darin finden. — Es ist das
eigene, rein geistig sich erbalten wollende Wesen die-
ser Kunst, dass sie nichts Zeitliebes an sich dulden mag;
und damit verfällt sie eben mehr, als jede andere, dem
Wechsel der Zeiten.
Die Ouvertüre zun Sommernachtstraum ist so all*
gemein gekannt als geliebt, sie gehört zu Mendelssohn's
frühesten Jugendarbeiten, hu* aber «in a* frohes Werk
in der ganzen Musikwelt in einem Lieblingsorohester»
stück geworden ist und sich fortwährend in dieser Gunst
zo erhalten vermag, ist ein Beweis mehr von dem schö-
nen Künstlerberufe dieses Componisten, der in den Jah-
ren, wo andere auch vorzüglich begabte Kunstdünger mit
den ersten unsicheren Versuchen hervortreten, es schon
vermochte, nns mit einer eben so geistreich gedachten
als schön empfundenen Composition dauernd zu erfreuen.
Der erste Act des Schauspiels verläuft ohne Musik.
Den zweiten leitet ein reizendes, elfenbaft flüchtig be-
wegtes Musikstück ein; tief passiooirt für das Luftleben
dieser Geister, für uns nur anmuthig vorüberschwebend.
Kaum erbebt sich eine Steigerung zum Forte, dass es so-
gleich wieder in leises Flüstern zurückfällt, um das zarte
Sinnenwesen der Elfennatur, dem nur Mondeslicht, nicht
der blendende Glanz der Sonne zusagt, nicht zu betäu-
ben. Wenn man dies Musikstück für die kurze rhythmi-
sche Gliederung »und die unausgesetzte Sechzehntbeilbe*
weguns; im %-Tactc etwas lang finden wollte, so tritt
hier vielleicht ein theatralisch - öconomischer Grund für
den ästhetischen ein, diese Ausdehnung zu rechtfertigen :
der Satz musste den Zwischenact vollkommen ausfüllen,
denn es sebliesst sich beim Aufzug sogleich die Elfenscene
mit musikalischer Begleitung aus den Motiven dieses En-
treaetes an. Später folgt der „Elfenmarscb"; Oberon und
Titania mit Gefolge, in zwei Zügen von entgegengesetz-
ten Seilen, ziehen herein. Man wird hier nicht an eine
schrittbaltende Fortbewegung zu denken haben; es ist
auch in der Musik vielmehr ein luftiges hier und dort
Zugleicbsein ausgedrückt. Ausser einigen melodramati-
schen Zwischenscenen enthalt dieser Act noch das Lied
der Elfen : „Bunte Schlangen zweigezüngt" u. s. w. mit
Chorrefrain. Wenn sich das Elfenhafte der Instrumental-
musik in der Ausführung von selbst characterislisch vor-
trägt, ohne dass von jedem Orcbestermusiker zu verlan-
gen sein wird, dass er sich als Elfe denke, — so möchte
zu diesem Gesänge das Mitempfinden des Wesens bei dem
darstellenden Personal um so unerlässlicber sein, wenn
die Wirkung der geistigen Vorstellung entsprechen soll.
Die Musik, von Instrumenten vorgetragen, kann uns noch
als etwas Aeusseres ansprechen, — ihre Seele als Welt-
seele, — das gesungene Wort aber rückt unausbleiblich
in die Menschenbrust und nimmt ihre Gefühle an. Der
Componist bat das Characteristische sehr gut gefasst ; die
Sänger werden mit leicht ansprechenden, das Flüch-
tige sauber und bestimmt vortragenden Stimmen sich zu
bemühen haben, seinen Intentionen entgegenzukommen,
um dem Gesänge die möglichste Luftigkeit zu erhalten.
Die Worte der beiden Soloslrophen sind ausgesucht ge-
sangungünstig.
Ein ausgezeichnet schönes Musikstück folgt' nun als
„Intermezzo" des zweiten und dritten Actes. Es scheint,
seinem zwar leidenschaftlich bewegten, aber doch mehr
stetigen und gebundenen Character nach, wie in seiner
Folge nach der letzten Seene des zweiten Actes, sich
mehr auf die Liebesdrangsale der beiden im Walde her-
nmirrenden Paare zu bezieben und endigt klagend, ab*
sterbend. Sehr ergötzlich sebliesst sich daran- der Auftritt
der prächtigen Bursche, womit der dritte Act beginnt,
6t?
1844; September. No. 57.
618
welche, seligsten Hmtfors, sich in diesem Zhiiberwalde
versammeln , ihre Tragödie so probire*. Puck, der
neckende Elfe , kommt dazu $ von da bis an das Ende
des Actes ist der Dialog mit Musik durchweht, aber durch-
aus auf die discretesle Weise, nie lästig deckend, oder
den Fortgang hemmend. Gar geistreiche und launige Züge
würden hier zu bemerken sein, wenn man auf das Ein-
zelne eingeben wollte. Nur der Huldigung, welche die
kleinen dienenden Geisler dem eselskopfigen Zettel, dem
Geliebten ihrer hoben Gebielerin, darzubringen haben,
der Trompetenfanfare im niedlichsten Zweifassregister sei
bier, als eines höchst possirlicben Stückebens, Erwäh-
nung gethan.
Der nächste Zwisefaenact, ein gesangvolles, sommer-
nachtswarmes Notturno, mit Hörnerklang in Edur, ist
, wieder eins von den in ihrer innern Harmonie und künst-
lerisch gleichmässigen Vollendung durchgängig befriedi-
genden Musikstücken, wie wir sie in Mendelssobn's Com-
nositiftnen der späteren Zeil vorzugsweise zu hören be-
kommen und so gern boren. Unter diese haben wir alle
drei bisher genannten Zwischenaole zn rechnen.
Gewiss ist die Ouvertüre ein Musikstück, das die
grosse Beliebtheil, die es erlangt bat und in der es sich
zu erhallen wissen wird , durch seine Frische und rei-
zende Eigentümlichkeit im vollsten Maasse verdient. Es
ist ein liebenswürdiges Jugend werk, das mit seiner Ju-
gend schon die Herzen gewinnt und fesselt. Wir dürfen
aber die vollendetere künstlerische Reife und Ebenheit
der später componirten Sätze grösseren Dmfanges, wie
die hier genannten Zwiscbenacte , darüber nicht verken-
nen, und werden anerkennen müssen, dass» wenn dort
der Jüngling, bier der Mann schuf, dass, wenn dort der
reiche Zufluss von Gedanken vorwaltet, bier ein bewuss-
terer Organismus des Gebildes, mehr noch das Denken
des Gedankens, als dessen blose Unmittelbarkeit, ein In-
teresse höherer Art für diese späteren Productionen be-
gründen. Wie wenig Material ist in diesen Sätzen ver-
wendet ! fast nur ein Motiv lebt und webt in jedem der-
selben ; aber wie in der Metamorphose der Pflanze Alles
an dieser nur dasselbe ist, und jeder Moment doch ein
anders gebildeter, und man sich an der Mannichfaltigkeit
und dem Beichtbume der Bildung erfreut, und nicht ver-
langt, dass der Bosenstock auch Lilien trage: so ist auch
im musikalischen Kunstwerke diese Entwickelung eines le-
bendigen Keimes, der sich in der Einheit eines Ganzen
harmonisch mannichfaltig fortbildet, Etwas, dem wir
ästhetisch einen höheren Werth zusprechen müssen , als
einer auch auf das Geschickteste vollbrachten Verbindung
von Gedanken, die, verschiedener Natur, sich wohl wie
Blumen zu einem Strausse vereinigen lassen, aber nicht,
wie jene natürliche Entfaltung, zur organwehen Einheit
der gewachsenen Pflanze gelangen können. Wir werden
auch dem duftigen Strauss in seiner bunten Farbenpracht
unsere Liebe nicht versagen, und der feinsinnigen Hand,
die so verständig und mit so vielem Geschmacke die Blu-
men zu binden wusste; — das bier Gesagte kann nur
den Unterschied des Früheren oder Späteren bezeichnen
wollen. Auch ist die Aufgabe nicht zu verkennen: die
Ouvertüre hat das ganze Stück zum Inhalte, mit seinen
so. verschiedenen Elementen , die alle aufgenommen und
| in einem Bilde dargestellt sein wollten. Die späteren
Musikstücke dagegen scbliessen sich einzelnen besonde-
ren Situationen an , und konnten auch darum schon sich
mehr einer durchgehenden Grundempfindung hingeben,
oder wo Gegensätze da sind, da sie innerer Natur sind,
sie zur Einheit bringen. Dort würde, bei so gutem Ge-
lingen des Geleisteten, überhaupt lieber von der musika-
lisch ästhetischen Berechtigung der Gattung zu sprechen
sein, in welcher auch die beste Gomposition nicht durch
sich selbst vollkommen verslanden werden kann und einer
Erklärung durch etwas Anderes bedarf; — wie diese
Ouvertüre, mit ihrem Geistergelispel, dem Jagdgetön, dem
grotesk -derben Bergamaskertanz., nur Dem, der Shakes-
Cear's Sommernachtslraum kennt, sich zu einem Gesammt-
ilde vollständig wird vereinigen können. '
Den Hauptmotiven der Ouvertüre begegnen wir durch
den ganzen Verlauf des Stückes mehrfach wieder, und
finden sie in der Bedeutung bestätigt, die sich ohne die
Scene allein musikalisch schon kenntlich genug in ihnen
kund gegeben hatte. So erklingen im Melodram des vier-
ten Actes des Theseos Jagdhörner in einem Satze, den
wir aus der Ouvertüre kennen. So der Bergamaskertanz
im fünften Acte. Das Elfengelispel der Ouvertüre durch-
zieht manche der Elfenscenen und schliesst mit dem zu-
tretenden Elfenchore auch das Stück.
Ein Hochzeitmarsch, zuerst als letzter Zwischenakt
die Festlichkeiten der Vermählung des herzoglichen und
der beiden Hofpaare einleitend, dann im fünften Acte beim
Abzug dieser Paare wiederholt, kann als ein Musterstück ,
dieser Gattung gelten. Der pompöse Gharacter, öftere
Wiederkehr derselben leicht zu fassenden Strophen und
Vermeidung alles musikalisch complicirten und gedrängten
Inhaltes , eignen ihn ganz dazu, eine Theaterscbauscene
zu begleiten, bei welcher durch' Schaugepränge die Auf-
merksamkeit angezogen wird und nicht zu sehr durch
selbständige Musik in Anspruch genommen werden darf.
Die lebhafte Auffassung der seenisefaen Situation bat auch
hier ein Musikstück bester Wirkohg entstehen lassen.
Noch einen Marsch, eine Marcia fonebre, lässt die
Scene folgen, ein Stück von höchst amüsanter Trübselig-
keit, wie die ganze Vorstellung „vom grausamen Tode des
Pyramus und der Tbisbe," welcher er zugehört. Dieser
Trauermarsch beklagt mit einer Clarinette, einem Fagott
und einer Pauke in jammervollster Selbstrührung den tragi-
schen Hintritt des unvergleichlichen Paares. Der Bauern-
taua besebliesst sodann das Festspiel, der EJfeocbor, mit
dem Eingangssatze der Ouvertore verbunden, das Stück.
In den lang und leise austönenden ScMussaceorden der
Ouvertüre verklingen die letzten Worte dieser traumhaf-
ten, durch MendeJssohn's schöne Musik auch für uns zn
soeniseber Darstellung erweckten Dichtung. — n.
Nachrichten.
«T. G. v. Herder 9 » Sacularfeier durch die
Liedertafel in Weimar.
Der 35. August, der Tag, der einst vor hundert iah*
reu den grössten Genius, dessen sieb Deutsehland im vo-
619
1844. September. No. 57.
610
rigen SSeulna und zu Anfange des gegenwärtigen zu rüh-
men hatte, in'a Lehen führte , wurde von der .^hiesigen
Liedertafel durch ein glänzendes Festmahl begangen, an
welchem, ausser den Mitgliedern derselben, viele unse-
rer ausgezeichnetsten Staatsmänner, Gelehrten und Künst-
ler, so wie auch mehrere Fremde, vorzüglich aus Jena,
Theil nahmen. Der Stifter der Liedertafel, Herr Geheimer-
Regiernngsralb Schmidt, der musikalischen Welt längst
rühmlich bekannt durch jene ausgezeichneten Sonette,
durch welche zuerst in wahrhaft genialer, immer noch
unübertroffener Weise das poetische Verständnis* der Beet-
hoven sehen Symphonieen eröffnet wurde, so wie durch
verschiedene höchst gelungene Versuche, Beethovenscbe
Inslrumentalsätze durch untergelegte Texte in Gesang-
stücke umzuwandeln (gedruckt erschienen bei Breitkopf
und Härtel), war der Hauptordner und zugleich Redner
des Festes, welches auch durch geistreiche Vorträge des
Herrn Geheimen - Ratbes v. Müller und des Herrn Gehei-
men -Referendarius Stichlingf Herder** würdigen Enkels,
noch besonders verherrlicht wurde.
Die deutschen und lateinischen Gedichte, jene theils
von dem Gefeierten selbst, tbeils von dem Herrn Fest-
ordner, diese von Herrn Geheimen -Hofrath Eichstädt in
Jena nnd dem Herrn Consistorialrathe Gernhardt ver-
fosst, und von den Herren Musikdirectoren Häser nnd
Eberwein, Hofschanspieler und Regisseur Genast und Hof-
pianisten Montag, dem Dirigenten der Liedertafel, compo-
nirt, halten sich, bei trefflichem Vortrage, eines so leb-
haften Beifalls zu erfreuen, dass mehrere derselben, auf
allgemeines Ersuchen, wiederholt wurden. Die anmutbs-
volle, metallreiche Stimme unserer Kammersängerin Fräul.
t>. Ottenburg, und in besonderem Maasse der noch im-
mer vollendet schöne Gesang unseres berühmten Stro-
meyer (Oberdirector) , welcher durch den Vortrag meh-
rerer Sologesänge einen in der Tbat seltenen, ausgezeich-
neten Genuss bereitete, wie er denn fortwährend die
Hauptzierde der Liedertafel ist, halte sich der wärmsten
Anerkennung zu erfreuen.
Eine interessante Festüberraschung für die anwesen-
den Verehrer Beethoven 9 * war die überaus glücklich ge-
lungene Weise, in welcher Herr Gebeimer - Regierungsralh
Schmidt einen Theil des zweiten Satzes aus der Ddur-
Svwpbonie jenes Meisters, durch untergelegten Text, in
einen Festgesang verwandelt hatte. Auch die entschie-
densten Feinde solcher Operationen, welche durchaus
nicht wollen, .dass man der Instrumentalmusik mit einer
Interpretation oder einem Textesworte zu nahe komme,
dürften hier des Irrthumes überführt worden sein. Es
wäre sehr zu wünschen, dass jener Festgesang durch den
Druck weiter verbreitet würde, wozu sich vielleicht das
von dem Herrn Verfasser redigirte Herder- Album eignen
dürfte, welches, ausgestaltet mit dem interessanten Brief-
wechsel zwischen der Herzogin Amalie, dem Grossher-
zog Carl August und v. Herder, mit mehreren noch
ungedruckten Schriften desselben, mit noch nicht veröf-
fentlichten Briefen Klopstock's und Winkelmanns , so
wie mit Beiträgen von mehr als zwanzig noch lebenden
einheimischen und fremden Gelehrten und Dichtern, zur
Miehaelismesse in der Frommann'schen Buchhandlung in
Jena erscheinen nnd in einer umfassenden Abhandlung
über Herde?* Verdienste um die Aesthetik und Geschichte
der Mnsik auch den Freunden der Tonkunst manches
Interessante bieten wird, während es sich den Verehrern
Herder** noch ganz besonders durch den Umstand anem-
püehlt, dass der Ertrag desselben zur Errichtung eines
Gebäudes für das von jenem grossen Manne begründete
Schullehrerseminar bestimmt ist. Dass sich übrigens die-
ses schöne, bedeutungsvolle, in jeder Beziehung trefflieh
geordnete und ausgestattete Fest, welches im geschmack-
voll decorirten Saale des schön gelegenen Sommerlocals
der Erbolungsgesellschaft gefeiert wurde und durch die
warmpatriotische, auch in einem besonderen, kräftigen
Wiegenliede sich aussprechende Tbeilnahme an der jüngst
erlebten Vaterfreude unseres geliebten Erbgrossherzocs
noch reichere Belebtheit gewann, von Seiten der Theü-
nebmenden der eifrigsten Anerkennung zu erfreuen hatte,
bedarf wohl kaum einer besonderen Erwähnung. Der Herr
Ordner desselben, so wie die verehrlicben Herren Vor-
steher, Dichter, Gomponisten und sonstigen Mitglieder der
Liedertafel haben sich durch Veranstaltung und reiche
Ausstattung dieser herrlichen Säcularfeier alle Verehrer
von Herde?* unsterblichem Genius zu wärmstem Danke
verpflichtet.
Feuilleton.
Der dritte Theil der Compositionslehre von A. B. Mar* ist
anter der Presse. Er enthält die Lehre von der Ciavier- and rei-
D6D Gesangcomposition nnd die dahin gehörigeil Formen der Rtude,
Variation, des Rondo, der Sonate, des Recitativs, die MoteUcn-
nnd andere Chorformen u. s. w.
Herr Hummel, Sohn des Gapellmeisters, bisher in Weimar pri-
vatisireud, folgt einem Rufe nach Augsburg als Musikdireetor der
dasigen Oper.
Heinrich Neeb in Frankfurt, von dem bekanntlich schon meh-
rere Opern herrühren, schreibt an einer neuen: Marsilla, deren
Stoff aus dem Befreiungskriege entnommen ist. — Kalliwoda ist
ebenfalls mit der Gomposition einer romantischen Oper beschäftigt:
„Die Braut auf Matavai oder die Südseefahrer.' * Das Bach ist
(Opus poslhumum) von Friedrieh Kind,
Am 7. August fand in Niederrad bei Frankfurt am Main unter
der Leitung des Directors der dasigen Liedertafel Herrn Zoller
ein SäoKerfest Statt, woran die Gesangvereine von Nieder- und
Oberrad, Hedderoheim, Isenburg, Griesheim, eioer von Sachsen-
hausen und die Harmooia von Frankfurt am Main Theil nahmen.
Die Liedertafel zu Wertbbeim hat Tür den 9. September ein
grosses Männergesangfcst veranstaltet und zu demselben nicht we-
nigor als 05 Gesangvereine aus Franken, Schwaben und Sachsen
eingeladen; zwei Dritttheile davon haben bereits zugesagt and es
sind über 600 Sänger dazu angemeldet.
Der germanische Sängerbund zwisehen Deutschland und Flan-
dern (s. d. BL, S. 660) bat für Ende August eine allgemeine Ver-
sammlung ausgeschrieben, um die Statuten zu entwerfen. Der
Band wird abwechselnd in einer deotsehea nnd in einer belgischen
Stadt Gesungwettkämpfe and Gesangfeste veranstalten. — Die Stif-
ter des Bundes sind in Deutschland: der Männergesaagverein ia
Cola , die Liedertafel und die Concordia zu Aachen, in Belgien:
die Mclomanen nnd der Orpheus zu Gent, die Gombern - Genossen-
schaft zu Brüssel.
m
1844. September. No. 37.
622
Von tan auch in diesen Blittera erwftnntcn jungen holliodi-
sehen Compo nisten Anton Beriyn, Orehesterehef in Amsterdam,
Würde daselbst unlängst eine Oper: „Renal, der Geist des Feeers,"
■it Beifall aufgeführt; nnr fand man an dem Bache viel auszu-
setzen. Berhjn hat bereits über 100 Musikstücke herausgegeben,
nnd wenn sie noch nieht eben sehr erfindungsreich genannt wer-
den können, so sollen sie sieh doch durch Frische nnd Natürlich-
keit auszeichnen.
Eine deutsche Operntruppe hat im südlichen Frankreich schlechte
Geschäfte gemacht ; in Marseiile werde der Direetör zahlungsun-
fähig nnd musste seine Gesellschalt entlassen. Einige Mitglieder
sangen auf der Durchreise in Lyon Munnereböre in Kaffeehäusern!
— Dabei wird bemerkt, es sei in Frankreich eine selche Abspan-
nung für das Theater eingetreten, dass msn alle deutschen Opern-
gesellschaften vor ähnlichen Unternehmungen warnen müsse. Gute
Singer, welche eine gute französische Aussprache und Gewandt-
heit in der Stimme haben, könnten eher in Solopartieen grosser
Opern ihr Glück machen.
Am 26. Juli wurde in Kiel zum ersten Male gegeben: Sara
oder die Waise von Glencoe, romantische Oper in drei Aufzügen,
nach dem Französischen frei von G. v. Rosen, Musik von dem
Kieler Thcatermusikdirector W. Toll». Sie fand vielen Beifall.
In Paria haben zwei neue komische Opern gefallen : Der Ball
des Unterpräfecten , von Boilly; Die vier Hajmooskiader, Buch
von Leuven und Brunswick, Musik von Baffe, — Noch mehr ge-
fiel eine alte, neu aufgestutzte Oper von d'Alayrac : Gulistan, neu
instrumentirt von Adam* Die Oper erschien zum ersten Male
1804; nn ihrem Buche soll der Herzog von Bassano mitgearbeitet
haben. Sie wurde damals auch in Deutschland nuf vielen Büh-
nen gegeben.
Beethoven 9 * Denkmal kommt, versehiedeaer eingetretener Hin-
dernisse halber, dienen Herbst in Bonn noch nieht znr Aufstellung;
nächsten Frühling aber soll die letztere bestimmt erfolgen, nnd
zwar auf dem Münsterplntze.
Der als Ciavierspieler und Componist bekannte Dameke ans
Hannover ist als Musikdireetor am Königsberger Theater ange-
stellt worden.
Der Director der grossen Oper in Paris, Leon Pillet, hat der
Wiener H oft bester- Intendanz den Vorschlag gemacht, wahrend der
italienischen Ssison die ganze deutsche Oper, Solosänger., Chor,
Capellmeistcr , Orchester, nach Paris zu nehmen und dafür die
vollständige grosse Pariser Oper nach Wien zu senden. — Wie
man versichert, wird der Vorschlag angenommen werden.
Liszt hält einen Triumphzug durch die Städte des südlichen
Frankreichs, wobei auch die Armen nicht zu kurz wegkommen;
so schenkte er in Lyon den dasigen Armen den ganzen Ertrag
eines Concertes : 5000 Franken. — Thalberg war in Bonlogne snr
mer. — Döhler bereiste die Rheinländer.
Die nach Belgien gegangene deutsche Operngesellscfaaft spielte
in Brüssel mit demselben Beifall wie in Gent; namentlich scheint
Beethovens Fidelio Aufsehen gemacht zu haben. — Jetzt ist die
Gesellschaft bereits nnch Deutschland zurückgekehrt.
Bei der diesjährigen grossen Preisvertheilong im Conservato-
rium der Musik zu Paris haben %% Zöglinge den ersten , 23 den
zweiten Preis, und 38 das Accessit erhalten. — Die Pnriser Aca-
demie der schönen Künste hat ebenfalls ihre Preisvertheilong für
Componisten gebalten. Dabei erhielten den ersten (den sogenannten
römischen) Preis Masse" , Schüler von Halevy nnd Zimmermann,
Arnaud de Vilbach, Schüler von Halevy; den zweiten Hertens,
Sehüler von Carafa.
Ankündigungen.
In der königl. s&chs. Hof - Musikalien - Handlung von C« F.
9I*MMn? in Dresden ist so eben erschienen:
Banun4iMlnj, Comtesse nie, Impromptu ponr le Piano. iO Nfcr.
knmel 9 A», Variationen nnd Polacca brillante über das
liebte Lied i „Das Alpenborn •« von H. Proch für das Piano-
forte. Op. 45. Zweite corrigirtc Anflöge. 18 Ngr.
I*S*melinL, Chi«, Le merle dorc (Die Pierole), Air elegione ponr
le Piano. 10 Ngr.
et V* A» krummer, Rondeau passionne precede d'une
introdnetion ponr le Piano et Violoneelle on Violon. 95 Ngr.
jPleeMem« F. L» \. t Zwei Lieder mit Begleitung des Piano.
Op. »6. 7* Ngr.
Röckkely Eni«; Deux Serenades ponr le Piano. Oe. 11. 10 Ngr.
Poloaea na Piano -Forte. 5 Ngr.
SelnunhnCaTt, Fr», Deux Nocturnes ponr le Violon avee aeconp.
de Piano. Oeuv. 7. No. 1. Amonr secret No. 9. La Sere-
nade. SO Ngr.
Vögele*», Valerl», Pensees musieales. No. 1. Lied : „Weil
ich nicht vergessen kann.*« & Ngr. No. 9. Liedi „Dan Fischer-
madenen." 7J Ngr. No. 3. Cansonetta. U Rinsprovero. 7± Ngr.
An die aahlreiehen Snhsershenten versenden wir so eben die
Dritte Messe von Bernard Hahne
für 4 Singstimmen, 2 Violinen, Viola (1 Flöte, 2 Clari-
netleo, 2 Fagotte auch in der ürgeUtimme enthalten),
2 Hörn (2 Trompeten, Pauken, 3 Posaunen ad libitum),
Orgel und Contrabaas. In Stimmen.
g?*P~ Prannmeralions-Preis „Zwei TtiAier" — der Ostern
184$ eintretende Ladenpreis ist 51 Rthlr.
Vorstehende Messe ist so eingerichtet, dass sie sowohl im gross-
artigen Style, als auch mit den beschränktesten Mitteln, mithin in
jeder Kirche aufgeführt werden kann. Eine Directionsstimme er-
leichtert die Uebersicbt. Alle bisher über diese Composition lauf
gewordenen Uriheile stimmen darin überein, dass sie dieselbe als
ein echtes deutsches Meisterwerk anerkennen.
Gleichzeitig ist erschienen:
Hahn, II,, Offertorium: Cantate Domino für 4 Singstimmen,
9 Violinen, Viola, 9 Oboen, 9 Hörn, 9 Trompeten, Panken ad
libitum, Orgel nnd Contrabass. In Stimmen Preis 90 Sgr. =
i Fl. 19 Kr.
GraduaU : Qui Sedes Domine super Cherubim ; für 4 Sing-
stimmen, 9 Violinen, Viola, 9 Oboen, 9 Hörn, Orgel und Con-
trabass. In Stimmen. Preis 15 Sgr. =: 84 Kr.
Hymnus: „Ptmgc Imgua« für 4 Singstimmen, 9 Violinen,
Viola, 9 Oboen, Orgel und Contrabass. In Stimmen 90 Sgr.
= 1 Fl. 19 Kr.
Alle Musikalien- nnd Buchhandlungen nehmen Bestellungen an.
F. S. ۥ Leueltuurt in Breslau.
Gana neu erscheint so eben*
3» C. IiObe'ft (Greesheraogl. Weimarischen Kammermnsikus)
Kompositionslehre
oder umfassende Theorie von der thematischen Arbeit nnd den mo-
dernen Inslrumentalformen, aus den Werken der besten Meister
entwickelt nnd durch die mannich<igtten Beispiele erklart. Für
Dilettanten und praktische Musiker, welche ein helleres Ver-
atandniss der Tonwerke gewinnen wollen; für Kunstjünger als
vorzügliches Befahigungsmittel au eigenen gediegenen Schöpfun-
' gen; für Lehrer als Leitfaden bei Privatunterweisung und öf-
fentlichen Vortrügen. Gross-Quurt, schön ausgestattet und gehef-
tet. 5*TUr.
683
1844. September. No. 57.
624
Der Antor hat, wie 4U aas seinem Lehriastitat her? orgegange,
nem Zöglinge glaazead beweieta, als Lehrer der Kompositiea,
Komponist »ad Schriftsteller sieb bereits einen weit verbreiteten
Raf erworben, aad forliegeades Werk, die Fracht fielj übriger Stu-
dien, erprobt durch überraschende Resultate an seinen Schülern,
schon ehe er es veröffentlichte, wird ihm keinen Abbrach thaa.
Die bisher erschienenen Kompositionslehren sind entweder Mos«
Theorien der Harmonie, oder im bessern Pell, Anleituagea aa Vor-
ab nagen. Wie man wirkliche Kompositionen hervorbringen könne,
wird hier zum ersten Mal vollständig, auf eine durchaus neue, ein-
fache and Jedermann verständliche Weise schriftlich gelehrt , so
weit das Schaffen eines Kunstwerkes überhaupt gelehrt werden
kann. Bs fallt demnach die einsige ia der musikalischen Litern-
tar noch vorhanden gewesene, aber nach Ton dea musikalischen
Kuastj ungern am Meuten empfuadene Luche vollständig aus.
Im Verlage der Unterzeichneten werden mit Bigeathamsrecht
Fran^ois Hunten:
Les Cbanls d'Jtalie. 6 petites Fantaisies pour le Piano
Op. 132. Liv. 1 — 3.
Les trois Bijoox. 3 Fantaisies pour le Piano. Op. 133.
Liv. 1-3.
Leinaig, im September 1844.
BreliU«mf ** Hftrtel.
Neuigkeiten
Ton Jg. Mmro>#3k ia Boaa.
JaVlurlllua masical des jeanes Pianist« , on reeucil d'airs varies,
Rondolettos, Divert. airs d*Operas, de Ballet«, Walses etc. par
Adam, Bach, Dejaaet, Herold, H. Hera, Lcvasseur etc. Lit. A
bis Z. a 75 Gent. , complet 16 Fr.
lltatta, A., Melodie ehantee par Mario, dam Lacrexia Borgia,
de Doaiaetti , transcrite pour Vcelle et Piaao. 9 Fr.
Sellllil, V«, Seena e Ouetto : Ta sciagurato ah! fuggi. — Dn
Friedensstörer, für Sopran a. Tenor mit Pianoforte. 2 Fr. 50 Ct.
Bruamlter, €?• T., Od. 46. No. I. Le Postillon de Lonjn-
meau. 2) Lucrezia Borgia. 5) Elisire d*amore. 4) Zampa. 5)
Soaaambnla. 6) Lucin de Lommermoor. 7) La Alle du Regi-
ment. 8) I Montecchi e Capulctti. 9) Linda di Chamo a nix. iO)
Le brasseur de Preston. II) La fille da Regiment. IS) I Puri-
ta ei. i& Pet. Roodeaux tar des thämes fav. franc. et itnlicns ä
l'usage des eleves avaaces pour Piaao. a 1 Fr.
— — Op. 57. 520 pet. lindes melodiqnes poar Piaao pour les
jeanei eleves. 9 Fr. 50 Cent.
CsnAVlieu, Ch., Premieres Lecons doigtees poar Piano ä I*u-
tage des Commencans. 3 Fr.
— — 18 etndes elegantes en forme de preludrs poar Piaao. S Fr.
CottltTniOBf C., 19 Fantaisies pour Flute seule rar des mo-
tifs ttal. i) Zampa. 9) Pinta. 5) Anna Bolena. 4) Zampa. 5)
GusUtc. C) Aaaa Bolena. 7) Semiramis. 8) Normo. 9) Gustave.
10) Pinta. II) Stnaien. 19' Normo, a 75 Gent.
Czerny, Cli», Op. 495. Li?. 1 et 9. 49 Etudes progressives
et brillantes poar Piano a 4 mains eipr. eomposees poar fuci-
liter les progres des eleves avaaces. a 5 Fr.
Dressier. lt., FanUisies iul. poar Piano et Flute, I) „Nel
Sileacio" del Crociato di Meyerbeer, et ,,Non piu mesta" della
Geaerentola di Rossini. 9) „Bnona aette" et „La min Don-
beüa" da Meaart 5) „Amor possente" et „Danas* io son" del
Barbiere di Sevilla. 4) Marone della Donna del lago, et „Ca-
pitar potra" Ceaerentola. 5) „Saave immagine d'amor" et „Be-
nedetU sin In madre. a 1 Fr. 50 Cent
Forde« W., L'Aaima deir Opcn, Cavat. et antres pieces Bit.
et modernes poar Piano et Flute, No. 98. Intr., Aria, Romance,
Cavat. : Les Martyrs, No. 99. Intr. et motif fav. : Les Martyrs,
No. 50. lutroduetion, Hymne. Marcbe triemphalc i Les Martyrs.
a 1 Fr. 60 Ccat.
«•etile. W. ▼•, Op. 15. Usb n t p t o hc, Gedieht von B Staafer
far eine Singstimme mit Begleitaag dos Piaao. 1 Fr, 50 Cent.
MenolelftMlili BartliOMjr, F., 6 Lieder oha* Worte far
Pianoforte. 5* Heft. Op. 69. 5 Fr. 50 Geat.
d? d? 5 a Heft. Op. 69. a 4 motu. 4 Fr. 50 Ceat.
d? d? 5* Heft. Op. 69, für Piaao aad Violine. 4 Fr.
d? d? 5* Hell, für Piaao aad Violoaeelle. 4 Fr. 50 Cent.
Murtioflr, Iw«, Les heares de recreatioo, choix de 90 mot-
ceaai fav. poar le Piaao, toigaeasemeat doigtes. No. i et 9.
a I Fr. 50 Ceat.
Ritvlna, HL, Op. 10. Divert. briU. poar Piaao. 9 Fr. 95 Ct.
Roaellen, H ., Op. 95. Gavaliae de I'Opera : Torquato Taaso
de Doniaettl, variee poar Piano « 4 mains. 9 Fr. 50 Ceat.
— — Op. 58. 9 Fantaisies earocteristiqaes poar Piaao. No. 1. Ca-
raetcre iul. : Ines de Castro de Persinni. No. 9. Caracteic alle-
mond : Earvantbe de Weber, a 5 Fr. 50 Cent.
— — Op. 59. Faataisie elegante sar; 11 Gianmeato de Merca-
dante pour Piaao. 5 Fr. 50 Ceat.
Schmitt, Aloyfl, Op. 105. Trio far Pianoforte, Violine and
Violoaeelle. 10 Fr.
Schumann, WU, Op. 45. Drei zweistimmige Lieder, — Weaa
ich ein Vöglein war. — Herbstlied. — Schön Blümleia, — mit
Begleitung des Pianoforte. 9 Fr. 95 Ceat.
Pr&nameratlons - Anzeige.
Ia der k. h. Hof- and privil. Kunst- und Musikalienhandlung
TtMM Hasrflllffer'« Wlttwe st Sonn in Wien er-
scheint aaf Pränumeration :
Neue vollstäadige Gesangscbule in vier Abtheiluitgen mit
deutschem und französischem Texte, von Adolph Müller.
Sie wird in acht Lieferungen ausgegeben, and «war die ernte
am 9. November, die aweite am 15. November d. J. nad so fort
monatlich awei Lieferangen. Der Pränumerationspreis tar jede
Lieferung ist 1 Fl. Conv. - Münze. Nach Erscheinung der letzten
Lieferung tritt der erhöhte Ladenpreis von 10 Fl. 50 Kr. Goov.-
Minie far das gaaae Werk ein. Alle Bach- and Kunsthandlungen
nehmen Pränumeration an nnd theilen auch den Prospectns mit.
Im Verlage von JM*. SpeMr in Braunschweig ist er-
schienen nnd durch alle Buch- aad Musikalienhandlungen au be-
liehen :
Heller, JToAepsn, Man. Grosse romantische Oper in drei
Acten von Otto Prechller. Vollständiger Clavicräusaag vom Com-
ponisten. Preis 6 Thlr. 19 Ggr.
«— — Die einzelnen Arien, Duetten, Marsch, Ballet a. s. w. aas
derselben Oper, a 4, 6, 8, 10 Ggr.
Potpourri für Pianoforte nus derselben Oper. 16 Ggr.
Portrait des Capellmeister Joseph ATetzer» Lithogra-
phirt, chinesisches Papier, netto 16 Ggr.
Bei Willi. Rirner in Erfurt erscheint im Laufe dt§
Oetobers folgendes Werk, das die Beachtung aller guten Semina-
rien verdient:
Theoretisch - praktische Organistenschule*
Enthaltend die vollständige Harmonielehre nebst ihrer An-
wendung aaf die Composition der gebräuchlichen
Orgelstocke.
Für Lehrer und zum Selbstunterrichte t insbesondere ßlr
Seminaristen und Präparanden.
Von
ojr. Gl. Töpfer,
Professor der Musik am grosshernogiichen Seminar an Weimar nad
Organisten aa der Stadthirehe daselbot.
Snbscriptionspreis bis zum Erscheinen ; 1 y 9 Thlr.
Drock und Verlag von Breitkopf und Bärtel in Leinzig und unter deren Verantwortlichkeit.
625
626
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG-
Den 18 te * September.
M 38.
1844.
Iensnasitl Ueber Job. Seb. Bach'« Kirchengesänge «ad CiotaUo. (Beschluss.) — Nmekriekteni Aus Strussburg. Wiener Mnstklefceo.
fbsäisum. _ • -
Ueber Joh. Seh. Back's Rirchengemnge
und Canfaten.
(Beschluss.)
Darch nachstehenden Verzeichniss wünsche ich zur Vor-
arbeit dieser Ausgabe alle Besitzer /tacA'scber Cantaten an-
zuregen, wie ich selbst binnen Kurzem im Stande zu sein
hoffe, eine bedeutende Fortsetzung desselben bekannt ma-
chen zu können. Auch erbiete ich mich zu jeder Unter-
stfitsRsg dieses Unternehmens nach meinen besten Kräften.
Verzeichniss Bach'scher Choralgesänge mit den ihnen eigenen Texten, und Nachweis der Cantaten,
in denen sie sich vorfinden lassen.
Ueberaehriß des Ckaraüi
Ausgabe
Becker,
NeneLeipiig.
Aus dem Liedes \UnterUegender Text;
atitt
Acb Gott aad Herr.
Acb Gott v. Himmel sieb darein. «.
b.
Ach Gott, wie manches Herseieid.
Acb liebeo Christel seid getrost.
No.
Ne. 40.
», 9« C%
9i 3* A.
„ 117. B
„ 3t. B,
Unter: Wo
Acb wie nichtig, aeb wie fluchtig. No. 48.
Allein «Sott ia der Höh sei Bbr.
Alleia s« dir, Herr Jose Christ.
Ais tiefer Notb schrei ich an Sir.
Christ lag ia Todesbnndeo,
Christas der uns selig macht, a.
b
Der Herr ist mein getreuer Hirt
DuFriedeasfiirst, Herr JesO Christ,
Erbalt ans Herr bei deinem Wort.
Es ist das Heil oos kommen her. o.
b.
Freu* dich sehr, o meine Seele, a.
b.
e.
d.
Fronet eneb ihr Christen alle.
Gelobet seist da Jesus CbrUt «.
b.
Hut da den« Jen dein Aogesiebt.
46. Jabrgang.
„ 1». A.<
„ io.
„ 16. B<
„ 74«. A
„ 74*. B
„ «1. C.
„ 60.
„ 4. A.
„ 4. B.
„ 29. A
„ 29. C.
„ 29. D.
„ 29: £•
„ 8.
„ SS. A
„ 53. B.
„ 79.
No.
279.
3.
262.
»7.
301.
Gott
48.
324.
13.
10.
184.
Sl.
198.
383.
42.
72.
4.
290.
29.
07.
70.
282*
8.
51.
160.
90.
Dess. Liedes Strophe 4,
Schau, lieber Gott, wie
meioe Feind. Str. 1.
Dess. Liedes Strophe 6.
dt d? d? 16, 17, 18.
de d? d? 6.
Solls ja so sein
Das wollst du Gott bewah-
ren rein.
Dram will ieh weil ieh lebe
noch.
Wir wnehen oder schla
fen ein.
der Herr niebt bei mir hält.
Cant. Job elender Mensch, wer
wird mich erlösen.
Cant. Seban, lieberGott, wie meine
Feind.
Cant. Aeb Gott vom H. sieh darein.
Cent. Sehen, lieberGott, wie meine
Feind.
Cant. Aeb lieben Chr. seid getrost.
Dess. Lied. Strophe 13.
Der Herr ist mein ge-
treuer Hirt. Str. 1.
Dess. Liedes Strophe 4
dt d? dt 4.
dt dt dt 7.
dt dt dt 1.
dt d? dt 8.
dt d? d? 5.
dt dt dt 1.
dt dt dt 2.
dt dt dt 11.
dt dt dt 12.
dt dt dt 10.
Rammt n. laset eneb Je-
•nm lehren. Str. 6.
t ?
t t
Dess. Iiedec Seraphe 7.
dt dt dt 7.
dt dt dt 6.
Acb wie nichtig sind der
Menschen Saeten.
Bbr sei Gott in dem hoch
sten Thron.
Ob bei ans ist der Sünde
viel.
Wir essen nnn and leben
wohl.
hilf, Christus, G. Sohn.
Gutes und die Barmherzig-
keit.
Cant. Ach wie nichtig, nch wie
fluchtig.
Cant» Du Hirte Israels.
Cant. AUein zu dir Herr Jesu Chr.
Cant. Aas tiefer ftotft schrei ieh su
dir.
Cant. Christ lag in Todesbanden.
{NB. Der Choral steht in E.)
Possion nach dem Jobannes.
Passion nach dem Johannes.
Cant. Der Bert ist mein getr. Hirt.
Cant. Halt imGed&chtnits J.Christ.
Cant. Bleibe bei uns.
er nicht.
Fr. d. sehr, om.S., n. ver
giss all Notb a. Qaaal.
Selig sind, die atos Erbar-
men.
Bine Stimme lisnt sieb hS-
TfetteH3ettiekmsjtedir|M will alle meiae Tage
klagen. Str. 12.
NB. Fehlt in der Partitur.
Bas hat er alles aas getbnn.
Das hat er alles uns getban .
Richte dich, Liebste, nach
mein. Gefallen a. glaube.
Cant. Wahrlich leb sage Euch.
Beweis dein Macht u. Herr* <
Henkelt.
Die Hoffnung wahrt der«
rechten Zeit.
Ob siebs anliess, als wollt] Cant. Bs ist das Heil uns kommen
her.
Cant. Liebster Jesu mein Verlan-
gen:
Cant. Brleh den Hungrigen dein
Brod. {NB. in B.)
Cant. Freue dich efftste Schear.
(NB. Der Choral steht in A.)
Cant. Bs ist nichts Gesundes an
meinem Leibe.
Cant. Ihr seid Gottes Kinder.
Cant. Nun komm d. BeidenHeiland.
Cant. Sehet welch eine Liebe.
Cant. Selig ist der Mann.
58
627
Ueberschriß des Chorals:
1844. September. No. 38.
Ans dem Liede i lOnterh'egetkder Text:\
628
Ausgab*: .
Becker. NeneLeipiig.
Entnommen aus:
HerrjCfaristd r .efogeGotl , sSeha. *•
Herr Jesu Christ 4a höchstes Gut.
Herzlich lieb hab ich dlch y o Herr. a.
b.
H enliebster Jesu, was hast de ver-
brochen? a.
Herzlich thut mich verlangen.
Ich freue mich io dir.
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ.
Jesu, der do meine Seele.
Jesu Leiden, Pein und Tod.
fy>> $7. A.
„ 87. B,
„ 70. C.
„ 66. A
„ 56. B.
„ 58. D.
„ 58. A.
„ 56. B.
„ 58. C.
„ 21. D.
No. 101.
303.
, 294.
, 58.
107.
59.
, 78.
, 105.
111.
21.
t? '
Dess. Lied, letzte Str.
d? d? d? 8.
d? d? d? 1.
d? d? d? 3.
d? d? d? 7.
d? d? d? 1.
d? d? d? 4.
d? d? d? 8.
Befiehl dv deine Wege
Strophe 5.
Siehe nnter: O Haupt voll Blut und Wanden
Ha Herr willst ans erahh-
*ren.
Ertb'dt' ans durch deine
Gate.
Stärk ans mit deinem Feu-
ergeist.
Ach Herr, lass dein lieb
Bngeleia.
O grosse Lieb, o Lieb «ho
alle Massen.
Wie wnnderbarl. ist doch
diese Strafe.
Ach grosser König , gross
in allen Zeiten.
Und ob gleich alle Teufel
iCä*
{ In
l Zw
Jesu meine Freude.
Jesu nun sei gepreiset.
In dich hab' ich gehoffet, Herr.
Komm, heiliger Geist, HerreGott,
Kommt her zu mir, spricht Gottes
Sohn.
Liebster Gott, wann werd' ieh
sterben.
MachYmit mir Gott nach dein. Gut.
Meinen Jesum lass ich nicht, weil.
Meine Seel' erhebt den Herren.
No. 61.
„ 68.
„ 37>>.
„ 59. A.
„ 59. B.
„ 85. D.
,, 85* A.
„ 85. B.
„ 85. F.
„ 85. C.
„ 85. G.
„ 11. A.
„ II. C
„ 72. A
,. 66.
„ 46. B.
„ 43.
„ 44. B
„ 113. A.
„ 95
No. 60
71.
, 297.
» 83.
,. 106.
„ 96.
„ 138.
„ 263.
„ 283.
„ 324.
Fehlt.
„ M-
„ 118.
„ 69.
„ 45.
.« 43.
„ 310.
.. 152.
„ 358.
Dess. Liedes Strophe 4.
d? d? d? 5.
d? d? d? 12.
d? d? d? 10.
d? d? d? 20.
d? d? d? 6.
d? d? d? 1.
d? d* dv 1 und 6.
d? d? d? 4.
d? d? d? 2.
d? d? d?
d? d? d? 3.
d? d? d? 2.
d? d? d? 5.
?
Gott Vater sende deinen
Geist. Strophe 10.
Dess. Liedes Strophe 5.
? ?
d? d? d? 6.
d? d? d? 10 and 11.
Wohlan, so will ich mich
leb lieg im Streit and wi-
derstreb.
Herr, ich glaube, hilf mir
Schwachen.
Petras, der nicht denkt
zurück.
Er nahm alles wohl inAcht.
Weicht ihr Trauergeister,
Jesu m. Freude, u. Weieht
ihr Trauergeister.
Weg mit allen Schätzen.
Unter deinen Schirmen.
Dein ist allein die Ehre.
Lasst ans d. Jahrvollbrin-
gen.
Mir hat die Welt truglich
gericht't.
Lass freudiger Geist voll
Vertraun.
Der Geist, den Gott den
Kindern gibt.
Herrscher über Tod und
Leben.
Durch dein Gefa'ngnissGot
tos Sohn.
Jesum 1. ich nimmer eicht,
geh ihm ewig an d. Seiten
Lob u. Preis sei Gott dem
Vater.
Cant. Ihr, die ihr fluch n. Christo
nennt.
Omt. .O.WunsVkraH d. Liebe.
Cant, Jesus nahm zu sich die
Zwölfe. (Mit figur. Begleit.)
Cant, Herr Jesu Christdu höchstes
Gut.
Cant. Ich liebe den Höchsten mit
gansem Gemuthe.
Passion nach dem Jobannes.
Passion nach dem Johannes.
Passion nach dem Matthaeus.
Passion naeh dem Matthaeus.
Passion nach dem Johaones.
Cant. Schau, lieber Gott, wie mei-
ne Feind.
Cant. Ich freue mich in dir.
Cant. Ich ruf zu dir, Herr Jesu
Christ. (Der Choral steht in G.)
Cant. Jesu, der dn meine Seele.
Passion nach dem Johannes.
Passion naeh dem Johaones.
Cant. Bisher habt ihr Gott gebe-
ten in meinem Namen.
Cant. Sehet, welch eine Liebe.
Motette gleicher Ueberschrift.
Motette.
Cant. Jesus schläft, was darf ich
hoffen.
Motette (fuefstimmig).
Cant. Jesu nnn sei gepreiset.
Cant. Lebe Zion deinen Gott.
Passien naeh dem Matthaeus.
Motette: Der Geist hilft a. s. w»
(Steht in B.)
Cant. Es ist euch gut, dass ich
hingehe.
Cant. Liebster Gott, wann werd
ich sterben.
Passion naeh dem Johannes.
Cant. Meinen Jesum lass ich nicht.
Cant. Meine Seele erhebt d. Herrn.
NB. Die Leipziger Ausgeben bei Breitkopf und Hirtel enthalten diesen Choral ganz übereinstimmend mit der Cantate. In
der Becker'schen Ausgabe findet sich, ausser den Abinderungen in der Gliederung der Tactlheile, ein eingeschalte-
ter Tsct (der siebente) und eine völlige Umgestaltung des eilften und zwölften Tactes.
Mit Fried' u. Freud' ich fahr dahin.
Nun bitten wir den heiligen Geist,
Nun komm der Heiden Heiland:
Nun lieget alles unter dir.
(Melodie : Du Lebensfurst , Herr
Jesu Christ, dreitheilig.)
Nnn ruhen alle Wälder. a.
No. 49. A.
,, 36. C.
No. 325.
„ »7.
„ 47. A.
„ 170.
„ 307.
,. 345.
„ 50. A.
„ «3.
„ 50. F.
,► 117.
Dess. Liedes Strophe 4.
d? d? d? 3.
Brist d. Heil u. seligLieht.
Da süsse Liebe schenk uns
deine Gunst.
d? d? d? 8. Lob sei Gott a>m Vater
g'than
Da LebeesfuMt Herr Nun lieget alles unter dir.
Jesu Christ. Str. 4.
OWett sieh hier 4. Le-
ben. Strophe 3.
O Welt sieh hier d. Le-
ben. Strophe 5.
Wer hat dich so geschla-
gen.
Iehbins, ich sollte bussco.
Cant. Erfreute Zeit i. neaenBunde.
Cant. Gott soll allein mein Herze
haben.
Cant. Nun komm der Heiden Hei-
land. (Der Choral steht in H.)
Cant. Lobet Gott in sein. Reichen.
Passion nach dem Johannes.
Passien nach dem Matthseus.
629
Uebertekriß des Chorals:
1844. September. No. 58.
650
Ausgabe :
Becker.
jIVeueLaipiig.
Aus dein Hede:
Unterliegender Tewt
Entnommen aus:
Ewigkeit, da Donnerwort.
Gott, da frommer Gott.
NB.
Haupt voll Blut und Wunden, a.
(Bei Becker unter: Herzlich tbut
mioh verlangen.) 6.
No. 50. G
„ «6. A.
„ 76. D.
„ 76. C.
Die™ mit ]
No. 355.
26.
85.
312.
Dess. Lied. Strophe 11,
d? d? d? 2.
NB. Fehlt in der Partitur.
So lang ein Gott im Him-
mel lebt.
Gib,dass ich tho milFleiss.
Dem wir das heilig jetzt.
Cant. Sie werden euch in den Bann
thoo. (NB. In d.Caot. in Gmoll.)
Cent. Ewigkeit, da Donnerwort.
Cant. Es ist dir gesagt, Mensch,
was gat ist.
Cant. Gelobet sei der Herr.
Gelobet sei der Herr,
Strophe 5.
ostramenteo begleitete Bearbeitung weicht, bei grosser Aeholichkeit , doch so sehr von den
in den beiden Ausgaben bezeichneten ab , dass es fraglich ist , ob sie sich nicht anderweitig unverän-
dert finden lasse.
Herre Gott, dein göttlich Wort,
No. 76. A.
„ 21. H.
„ 21. A.
., 21. E
„ 21. 1.
„ 14.
Siebe anter: Was frag ich nach der Welt.
Dess. Liedes Strophe 1.
No. 74.
„ 80.
,. 89.
„ 98.
Befiehl du deine Wege.
Strophe 1.
Dess. Liedes Strophe 9.
d? d? d? 5 in E, and
Strophe 6 in Es.
d? d? d9 7.
Befiehl da deine Wege.
Paer natas in Bethlehem.
Schmücke dich, o liebe Seele.
Schwing dich auf zu deinem Gott,
Sei Lob and Ehr dem höchsten Gat.
(Uoter : Es ist das Heil ans kom-
men her.)
Singen wir aus Herzensgrand.
Valet will ich dir geben.
Vater unser im Himmelreich, a.
b.
c.
Verleih ans Frieden gnädigUeh.
Von Gott will ich nicht lassen.
Wachet anf ruft ans die Summe,
War Gott nicht mit uns dfese Zeit.
Was frag ich nach der Welt.
(Unter : Gott da frommer Gott.)
Was Gott thut, das ist wohlgethan.
Was mein Gott will, dasg'scheh'
allzeit. e.
Wenn ich einmal soll seh ei- 1
den.
Erkenne mich mein Hüter.
Ich will hierbei dir stehen.
Herr, ich hoff je, da wer- l
dest die.
NB. Der Choral steht eine Quinte höher in D; die durch den Bass zusammengedrängten Mittelstimmen
sind in den beiden Ausgaben bin and wieder mit einander verwechselt.
Passion nach dem Matthaeas.
Passion nach dem Matthaeas.
Passion nach dem Matthaeas.
Passion nach dem Matthaeus.
Cant. Erwünschtes Freudenlicht.
Welt, Ade, ich bin dein müde.
No. 12.
No.
12.
„ ».
99
22.
., 105.
»9
142.
„ 4. 0.
*9
35«.
„ 88.
19
109.
„ 14. B.
„ 47. A.
108.
47.
„ 47. D.
19
110.
„ 47. C.
>»
267.
„ 80.
»»
259.
„ 23''. B.
99
191.
., 140.
179.
182.
„ 7«. A.
1»
255.
„ 62. A.
99
65.
„ 41. B.
91
41.
„ 41. C.
„ 41- D.
„ Hl.
•»
9*
115.
120.
150.
Dess. Liedes Strophe 4
d? d? d? 9.
d° d? d? 2.
d? d? d? 4.
d? d? d? 4 and 6.
d? d? d? 3.
d9 d? d? 4.
So wahr ich lebe spricht
d.Herr. Str. 2, 6 a. 7
Nimm von uns, Herr, du
treuer Gott. Str. 7.
d? d? d? 9.
d? d? d? 3.
d? d? d? 3.
d? d? d? 1.
d? d? d9 1.
Ich hab' in Gottes Herz
u.Sinn. Str. 10.
d? d? d? 1.
d? 4? d9 1.
d? d? d? 1.
Die RöVge aus Saba ka-
m dar.
Jesu, wahres Brod desLe
bens.
Schüttle deinen Kopf and
sprich.
Ich rief den Herrn in mei-
ner Noth.
Gott hat die Erde zuge-
richtet.
In meines Herzens Grande.
Dein Will gesehen, oGott,
sogleioh.
Dies Wort bedenk, o Men-
schenkind.
Leit' ans mit deiner rech
ten Hand.
Verleih ans Frieden gnä-
diglieh.
Das ist des Vaters Wille,
Gloria sei dir gesungen
Gott Lob u. Dank der nicht
zugab.
Was frag ich nach d. Welt.
Ei nun mein Gott so fall 1
ich dir.
Was mein Gott will.
Was mein Gott will.
NB. Dieser Choral ist von Job. Rosenmaller. Siehe CaeeiUa, Heft 91, Seite 183
Werde munter mein Gemüthe, and
" . No. 95
ihr Sinne.
Wer nar den lieben Gott lässt wal-
ten, a.
No.
84. D.
84. A.
84. B.
»
64. A.
„ tti.
„ 233.
Dess. JLiedcs Strophe 6.
d? d? d? 6.
Jena meiner Seelen
Wonne. Str. 2.
Dess. Liedes Strophe 6,
Bin ich gleich von dir ge-
wichen.
Bin ich gleich von d. gew
Jesu mein Hort «.Erretter.
Sachen.
Cant. Die Röo'ge ans Saba.
Cant. Sehmücke dich, e 1. Seele.
(NB. Steht in F.)
Cant. Ihr seid Gottes Rinder.
Cant. Sei Lob u. Ehr d. höchst. Gut.
Cant. Es wartet alles auf dich.
Passion nach dem Johannes.
Passion naeh dem Johannes.
Cant. Herr, deine Augen sehen auf
den Glauben.
Cant. Es reisset euch ein schreck-
lich Ende.
Cant. Am Abend aber desselbigen
Sabbaths.
Cant. Herr, wie du willst, so
sebicks mit mir. (Der Choral
steht in C.)
Cant. Waobet anf ruft ans die St.
Cant. War Gott nicht mit a. d.Zeit.
Cant, Sehet , welch eine Liebe.
Cant. Nimm, was dein ist, and
gehe hin.
Cant. Die Kön'ge ans Saba.
Passion naeh dem Matthaens.
Outf. Ihr werdet weinen v . heulen.
Cant. Wer weiss wie nahe mir mein
Ende.
Cant. Ich armer Mensch, ich Sau-
den kneeht.
Passion naeh dem Matthaeas.
Cant. Mein l. Jesas ist verloren.
Es sind ja Gott aar leichte C<mf. Siehe ich will viel Fischer
aaiseadea.
est
1844. September. No« 38.
UeberHhrjfi das Chorals:] ^?*ZtL^\ Am dem Lied*
Unter tiefender Text
Wie schön leoehf ■Bsderhforfon-
stern, voll Gnnd'.
Wir Christeabut'. *
Zeaeh «in za deinen Theren.
Junten Helft m. Gott's Gite preis.)
No, 64. E.
„ 77. C.
„ 57, B.
„ 57. A.
No. 33*.
„ 3*3.
„ 63.
„ 321.
,. 23.
leb armer Moosen, ich
armer Sünder. Str.l.
Do«. LiedeiStren ho 4
d* d? d* 5.
d? d? d? 1.
49 d? d? 1.
leb
Nachrichten.
Strasburg. Theater. Wir haben unsern Bericht
über die Operngeselbchaft und ihre Leistungen während
des Theaferjabre* 1843 — 1844 lange verschieben näs-
sen» da diese Gesellschaft, unter der Direclioo des Herrn
Provence, sich erst gegen das Ende dieses Jahres consti-
tniren konnte. Bekanntlich sind in Frankreich den Auf-
tretenden drei Debüts gestattet ; bestehen sie darin nicht»
so sind die Contracte gebrochen. Demnach trat ah erster
Tenorist für die grosse Oper Herr Verneuü auf, der be-
reits, in seinem zweiten Debüt durchfiel ; ihm folgte nach
einem langen Zwischenraum ein Herr Rekaers, der aber
schon in der ersten Vorstellung fiel. Er wurde durch
«inen Herrn Massen ersetzt, weicher, bei einem unan-
genehmen Acussern, nicht ohne gute Eigenschaften als
bänger war; allein auch er wurde nicht angenommen.
Diesem folgte *in Harr Sambet, welcher das Schicksal
seiner drei Vorgänger theilte. Endlich des fangen Wech-
seins müde, behielt man den fünften Debütanten Herrn
Maurin, einen Anfänger aus dem Conservatorium von
Lyon, dessen frische angenehme Stimme sich jedoch zum
Bariton hinneigt; mit ihm war beinahe das -Ende des Tbea-
terjahres herbeigekommen. Als erster Tenorist für die
komische Oper fand Herr Labrvyere verdienten Beifall.
Als Bassisten waren die Herren Estor, mit schöner
Stimme, unmusikalisch, Jourdheuil, kräftig, aber häufig
detonirend, und Petit als Bassbuffo engagirt Ab erste
Sängerin war Mad. Benovf Dubreuil vom vorigen Jahre
beibehalten; eine als Bouladensingerin engagirte Elisa
Dubreil fiel und wurde durch Mad. Saint- Ange, eine
vorzügliche Sängerin, ersetzt. Ausser dem gewöhnlichen
alten Opernrepertoir waren: „La part du diabte" und
„Scaramouehe" die einzigen neuen Opern. — Auf die
Directioa des Herrn Provence folgte für 1844 — 1845
die gegenwärtige des Herrn Amable Böige genannt Mu-
t&e, welcher die Bühne am 11. Juni mit der Oper: „La
Favorite" eröffnete. Sein Opernpersonal scheint gegenwär-
tig» nachdem mehrere Mitglieder nicht angenommen wor-
den, definitiv ooastituirt zu sein. Die obengenannte erste
Rouladenslngerin Saint - Ange ist das einzige beibehal-
tene Mitglied der vorhergehenden Gesellschaft; ihre Ver-
dienste und ihr geschmackvoller Vortrag werden immer
mehr gewürdigt. AI* erste Singerin ohne Rouladen ist
Dem. Begrez eqgegirt; ab Anfängerin von neunzehn
Jahren verspricht sie viel für die Zukunft; ab zweite
Sängerin ist Mad. Perron , früher hier ab Mad. Derüt-
ger y ausgezeichnet; auch ist Mad. Capelli, als dritte, nicht
ebne Verdienst. Herr Giraud, erster Tenorist* distooirt
nicht selten; an die Steile des ersten leichten Tenoristen
Von Gott keamt mir
Freudeascfaeia.
Hallelniah, gelobt seiGott.
Wir Christenleut.
Zeaeh ein in deinen Tho-
Cant. Hüte dich, dato deine Got-
tesfurcht.
EneaaJbt ihr Lieder.
der Cant
ren.
Cant. Unser Maad sei roll Lachen.
Cant. Ihr seid Gottes Rinder.
Cant. Gottlob, nnn geht das Jahr
zn Ende.
Abel ist ein Herr Mörtel mit Beifall getreten. Ab zwei-
ter Tenorist bat Herjr Foignet viele Vorzüge; Herr Por-
tehaut als Bariton ist an Stimme und Vortrag ausge-
zeichnet. Herr Dowehe, kräftiger tiefer Base , erreicht
eben mit Mühe das a. Herr rarin ist ab zweiter und
ah Bassbuffo von früheren Zeiten schon vorteilhaft be-
kannt. Von neuen Opern kamen bis jetzt keine zur Auf-
führung.
Concerte. Seit unserm letzten Bericht sind Privat-
nnd öffentliche Concerte häufig auf einander gefolgt Un-
ter den enteren zeichnen sich diejenigen bei den Herren
Berg, Jauch und Leybach, sowohl durch gehaltvolle
Composilionen, ab durch tüchtige Schüler aus; Mos Letz-
te vr spielte selbst, mit stets steigender Fertigkeit und
Ausbildung auf dem Pianoforte, einen Theil des Trio vm
May teder, mit Violine und Violoncell, das Duett für
Pianoforte und Violine von Ralkbrenner, Variationen' von
Pixis über ein Thema aus dem Barbier,, und dergleichen
von Osborne und Ernst über ein Thema aus der Niobe.
Eine in diesen Concerten geborte junge Sängerin, Dem.
Metzger, ist kürzlich, wegen ihrer wunderschönen Stimme
und ihrer guten Anlagen , in das Pariser Conservatorium
aufgenommen worden. — Unter den öffentlichen Concer-
ten nennen wir das der achtjährigen Louise Scheitel,
Schülerin des Conservatoriums und der M. CL Loveday;
sie spielte ausgezeichnet auf dem Pianoforte Compositio-
nen von Kalkbrenner und Herz; — und das der Alti-
stin Emma Basse mit Herrn Berhmlter, Cbrinettisten
zu Stuttgart; Erstere erwarb sich durch ihren muster-
haften Vortrag mit ihrer vollen, reinen Stimme unge-
teilten Beifall ; sie musste das mit dem Bassettborn durch
Herrn Berhalter begleitete Lied von Prochs Schweizer
Heimweh, da Capo singen. Herr Berhalter zeigte sich
auf diesem Instrumente, so wie auf der Clarinette, ab
wahrer Virtuos. Auf dieses Concert folgte das unseres
ausgezeichneten Geigers Schwaderte, welches die Menge
anzog und diesmal, durch die erste Mitwirkung seiner
Gallin, die sich als tüchtige Clavierspielerin zeigte, die
Neugierde noch mehr cefote* — Am 13. März hatte in
dem Loeale des Schlosses zum Besten der Armen eine
musikalische Abendunterbaltnng (ohne Orchester, unrich-
tig Concert benannt) Statt Zu diesem edlen Zwecke hat-
ten sich die ausgezeichnetsten Dilettanten und einige
Künstler bereit finden bssen mitzuwirken, und so wurde
Folgendes in einem hohen Grade von Vollkommenheit
und mit lautem Beifalle zu Gehör gebracht: Sextuor (Es)
von Mayseder durch Herrn Schwaderte; Duett aus der
Jüdin für zwei Soprane; Variationen yop Pixis über ein
Thema ans dem Barbier, für Pianoforte; Duett aus der
Lucrezia von Domzetti für Alt und Tenor; Männerchor
635
1844« September. No* 38.
054
ohj» faffaUmii Fantasie für die Barie von £l*cJUaift-
mi, von ihm salbst vorgetragen i Venezia, Nocturne von
Gambogi für zwei gleiche Stimmen; Teoorarie ans .der
Jüdin mit Begleitung des englischen Hörne; Andante und
russisches Rondo van Beriet, durch Herrn Schwaderte;
Arie von Aartirf für Mezzosopran ; Nocturne von Alary,
L'ergia, für Ali und Tenor; endlich komische Lieder Ten
HenHon u, A., Alles mit Clavierbegleitaag. — Am 29.
Mars wurde ein aweites Conoert in dem Locale der R6n-
nion des arts veranstaltet aum Besten der Armen der
Gesellschaft von St. Vincent de Paul, worin Folgendes
gegeben wurde: Ouvertüre für volles Orchester, gründ-
lich und effectvoU componirt von Herrn fVackenthuier;
die Sehnsucht, Basssolo von demselben; dieser liebliche
Gesang ist in Strassburg im Stich erschienen ; Rondo ei-
nes CÜavierconcerts von Her», sehr brav gespielt von
einer Dilettantin ; Bassduett aus Marino Faliero von Do-
ni*etti, kräftig und mit Ausdrock gesungen von den Her-
ren Gebrüder Schlosser. Dann wurden die Zuhörer durch
einen religiösen mehrstimmigen Gesang aus der Ferne,
mit Begleitung eiuer Pbysharuionica (oben in einem Sei-
tenzimmer), angenehm überrascht. Die zweite Ablbeilong
wurde mit der Ouvertüre aus Oberon höchst brillant er-
öffnet. Herr Schträderle spielte ausgezeichnet die Grab-
scene aus der Lucia, von Artot für die Violine geschrie-
ben. Darauf folgte ein Terzett aus der Stradelia von Nte-
1 dermeyer; Variationen für Pianoforte von Sowinski über
das Thema der Niobe, ausgezeichnet durch einen Dilet-
tanten vorgetragen. Den Bescbluss machte die Pregbiera
aas Moees. — Am 13. April gab Fräul. Henriette Nis-
sen, die früher schon hier gefeierte Sängerin, Mitglied
der italienischen Oper zu Paris, Concert, in welchem
sie Gelegenheit hatte, ihre Kunst in allen Gesanggattun-
gen zu. zeigen, in dem Recitativ, so wie in dem getrat
gtnen, religiösen und in dem Bravourgesang ; davon zeu-
gen die Scene ans dem Barbier, worin sie die gesebmack*
vollsten Fioriluren anbrachte, die Arie aus Manon Les-
ceat van Ba(fe> ein Lied von Händel, und ein Tyroler-
lied von Donüetti. Ferner gab dieses besuchte Concert
Gelegenheit, mehrere schöne Männercböre, Violinvaria-
tionen van Mayseder durch Herrn Schwäderle, und ein
Duo für Pianoforte von Osborne und Beriot, durch Herrn
Leybach nnd einen Dilettanten, Beide mit wahrer Aus-
zeichnung und Kunstfertigkeit, zu hören.
Seit dem Monat Juni bat sich neben der Singacade-
mie, walobe zwar nur in den Wintermonaten ihr rühm-
liches Werk verfolgt, ein Instrumentalverein, unter dem
Namen t Philharmonische Gesellschaft, gebildet. Die städ-
tische Verwaltung bat das Local in dem Schlosse zu ih-
rer Verfügang gestellt. Aus dem späteren Zusammenwir-
ken beider Gesellschaften steht für die Kunst viel Guten
va hoffen»
Auch der engere Singverein, unter der Leitung <}es
Herrn Stern, ermüdet nicht, und hat im Laufe des Win-
ters eine gelungene Aufführung des Paulus zu Gehör ge-
bracht, wofür ihm alle Kunstfreunde Dank wissen.
Earilv* K sei noch, der dreizehnten Generalversamm-
lung dar Gesellschaft der Hilfscasse für dürftige Künst-
ler adtoc für deren Wittwen und Waisen gedacht, die am
28. April Statt hatte, bei welcher Gelegenheit das Sel-
tner von Mayseder (in Es), und die Symphonie van
Heydn mit der Paukenintrada (Es) aufgeführt wurden,
nach vorhergegangener Analyse dieses letztern Werks,
und den durch Haydn auf die Kunst überhaupt bewirk-
ten Eindruck, vorgetragen von Herrn C. Berg*.
Wiener Musikleben.
Endlich ist es ruhig, d. b. deutsche Oper gewor-
den.. Fast bis zum Schlüsse der italienischen TbeaUrwon-
nen sab man im entwichenen Mosikhalbjahre den Wald
vor lauter Bäumen nicht, oder man hörte vor lauter Mu-
sik keine Musik mehr. Es floss Alles in einander, gleich
tönenden Luftschichten, und nur Wenigen war es ge-
gönnt, hoch über denselben das Element zu beherrschen.
Ich will es versuchen, diesen nun verklungenea Wirr-
warr zu siebten, zu ordnen, und das» was für die hie-
sigen Kunstzustände von einiger Bedeutung ist, als local-
geschichtliche Anhaltspuncte fiir diese alle Musikinterea-
sen unparteiisch beleuchtenden Blätter niederzuschreiben.
Theater. — Mehr als gewöhnlich entwickelte das-
selbe im Laufe dieses Jahres das Streben, dem deutschen
Repertoir einen nützlichen Zuwachs zu verschaffen; doch
ist es ibm nie weniger gelungen» als gerade diesmal.
Es fehlt noch immer der kräftig -beredte Anwalt unter
den lebenden Componisten, welcher der nationeilen Sache
ihr Gewicht, jbre Vorrechte, ihren Einfluss zu vindici-
ren vermöchte. In irgend einem Puncte sind alle unsere
Comionisten zu undeutsch, entweder in der Kräftigkeit
des Wollen*, oder in der künstlerischen Schlichtheit, oder
im erfinderischen Geiste; in nichts sind sie dagegen d&-
eidirter, als in der Undecidirtbeit. Dieses Hinzen der Er-
mattung mit der Scböpfuagslost , des Nationalsinnes mit
dem Fremdprincipe , des Alten mit dem Neuen erzeugt
jene Unbestimmtheit und Leere, welche uns die ganze
neudeutsche Opernmusik als in der Uebergangsperiode
begriffen erscheinen lässt. Kein Wunder, wenn das Pu-
blicum diesen Uebergangsprocess so gut erkennt, als den
Mangel an Zuversicht, den die Autoren ein Mal über das
andere deutlich genug herausstellen, r wodurch das Ver-
trauen zu ihren Werken nicht wenig geschwächt wird.
Man greift lieber zu dem Fremden , das wenigstens in
seiner Art ausgesprochen, als zu dem Einheimischen,
worüber die öffentliche Meinnng nie recht in's Beine kom-
men kann. Umgekehrt wirkt diese Zweifelsucht des Pur
blicums natürlich wieder auf die schaffenden Kräfte nach-
theilig zurück, entmnlhigt, macht irre in der Wahl der
Mittel, confiindirt die Schreibart u. s. w. — Publicum
uqd Autoren treiben sich dermaassen unbehaglich in einem
Kreise herum, in welchem es an einem eigentlichen Mit-
teipunete, nämlich dem nentralisirendea Focus des Ge-
nies, fehlt, das alle Radien des Fortschrittes, der neue*
ren Kuostanschauungpn nnd Zustände in sieb vereinigt,
mM als glpt,- up4 lichtvolle Strahlen einer neuen deut*
sehe» Opernkunst geläutert zurückgibt. Es wird übri-
gens zuweilen recht artig experimentiert und das deutr
sehe Publicum klatscht dazu. So soll,, wie uns erzahlt,
wird, Lindpüjnßner einen guten Wurf mit seiner „Ves-
per" gethan. haben nnd W r qgner auf 4em Wege, sein,.
635
1844. September. No. 38.
656
4ffr erlisten deutschen Oper aufzuhelfen. Wir wünschen
es herrlich, werdend aber erst dann glauben, wenn wir
gebort haben. —
Erfreulieb ist die Beobachtung, dass in der abgelau-
fenen Wiener Musiksaison die öffentliche Theilnabme sieh
im Ganzen eher dem Besseren, als der Flitterkunst zu-
gewendet hat, mit Ausnahme eines einzigen Claviertromm-
lers, der das Glücfc. hatte, in die Mode zu kommen, und
Ton deren nichtigem Throne herab Kunstoffenbarungen
laut werden liess, die nur für musikalisch Ungebildete
berechnet sein konnten. Das Publicum, das in diesem Vir-
tuosen seinen Baal verehrte, ist übrigens zum Glucke
für die gute Sacbe ein ganz anderes, als dasjenige, wel-
ches Beethoven 9 * Pindargesängen mit fast schwärmeri-
schem Entzücken lauscht. Es bildet hier, wie überall, ei-
nen eigenen Staat im Staate- des Geschmackes , der je-
doch dem Guten einzig und allein nur in lucrativer Be-
ziehung zu schaden vermag. Seine Meinung ist übrigens
entscheidend, d. h. es ist Alles gut, was ihm missfallt,
und daran ist es eben am Meisten kenntlich, dass es viel
Lärmen um Nichts macht. — Selbst im Opernhause hat
Mozart das Uebergewicht behauptet, und sein ,, Don
Juan," seine ,, Hochzeit des Figaro" — freilich mit So-
pranen, wie die Lutzer, Hasselt und Heinefetter be-
setzt — überschütteten das Publicum mit Gold - , die Di-
rection mit Silberklängen, während die modernen Novi-
täten, obgleich mit empfehlender Wichtigkeit und wich-
tigen Empfehlungen annoncirt, introducirt und reclamirt,
Zuhörer, Bänke und Casse feierlichst leer gelassen haben.
Den Reigen der Novitäten eröffnete Halevys „Guido
und Ginevra" mit Er!, der Lutzer und StaudigL Die-
ses Werk kam eigentlich schon post festum. Die Zeit,
die sich an derlei wollüstigen Poltern ergötzte, dünkt
uns vorüber zu sein, und selbst der Haut-goüt der Fran*»
zosen scheint sich in neuester Zeit nach auderen Gerich-
ten zu sehnen. Einige von den Localverhältnissen be-
dingte, unwesentliche Abänderungen weggerechnet, wi-
derfuhr der Ausführung dieses Werkes ihr volles Recht.
Allein man wollte sich mit der geschickten Instrumen-
tation und der interessanten Harmonisirung nicht begnü-
gen, lobte die erste Arie Guido's, die Scene Ginevra's
in der Gruft, fand aber die Musik steif, gesangleer, ge-
nielos, das Buch verschroben, effeethungrig , Beides un-
erquicklich und zur Dauer nicht geeignet. — Die zweite
Neuigkeit, wenn man alte Geschichten mit einigen notis
variorum so nennen will, war die mit vieler Neugierde
erwartete Nicolaf sehe Oper. Sie verdient ganz richtig
insofern eine deutsche genannt zu werden, als sie in der
deutschen Saison gegeben, von deutschen Sängern aus-
geführt und in deutscher Sprache gesungen wurde. Im
Uebrigen ist sie von dem Gipfel des deutschen Helicons
eben so weit entfernt, als die lockeren Producte des Sü-
dens von den poesievollen musikalischen Dichtungen ächt-
deutscher Meister es sind. Eine wirklich unglückliebe
Idee Nicolai'* muss man es nennen, den n Italien fast
todt in die Welt gesetzten „Proscritto ,*< wenn auch in
Text und Musik vermehrt, vermindert, umgearbeitet, lo-
calisirt, einem deutseben Publicum als ,,neue deutsche
Oper" aufzutischen. Ein nationales Werk muss aus na-
tionaler Anschauung und Gefühlweise hervorgehen, mit
edler Begeisterung einen damit übereinstimmenden Stoff
behandeln und die musikalische Einkleidung muss die hö-
here künstlerische Schönheit, weihevoll, nationeil und in
gelästerten Formen ausgesprochen, «dm Zwecke haben,
sonst — leb' wohl, deutsche Composition l Wir haben von
allem dem in der „Heimkehr des Verbannten" nur sehr
springe Spuren entdecken können, dafür aber desto mehr
Willkür, Altneues, Mischmasch mit ziemlich viel Präten-
sion ausstaffirt. An Talent, vorzüglich an reprodueiren-
dem, fehlt es Nicolai nicht, gelernt hat er was Rech-
tes, das Vocale, die Instrumentation und den Theateref-
feet kennt er ebenfalls. Mit diesen Eigenschaften und
einer besseren Wahl im Texte bitte sich allerdings etwas
Würdigeres zu Stande bringen lassen, allein dazu fehlt
es ihm an künstlerischer Energie, an feststehender Ge-
sinnung, an ausdauernder Arbeitslust, wenigstens was
die Oper betrifft. Nicht zu übersehen ist auch die Ge-
haltlosigkeit des italienisch geformten Opernbnches, dem-
zufolge der Held des Stückes als rechtmässiger Gatte und
Schlossbesitzer in seiner eigenen Behausung seinem Ri-
valen gegenüber durch volle drei Acte Verstecken spielt,
seine Gattin dessen Erzfeind, der den grossmulbigen
Hausherrn macht, heiralhet, und die Geschichte damit
endet, dass Jene — um einmal etwas Neues zu brin-
gen — nach Absingung einer Preghiera eine Dosis Ar-
senik nimmt, was natürlich binreissend wirkt und wobei
sich beide Bivale zärtlich umarmen. — Der erste Act ist
fast Note für Note italienisch. Der zweite und gelun-
genste enthält ein theilweise deutsch geschriebenes Duett
für Tenor und Bass, einen schön gearbeiteten Quintett-
canon und eine episodische Mänuergesangscene, von einer
Tenorromanze durchkreuzt , welche vielen rhythmischen
und harmonischen Wechsel bietet und scenischen Effect
macht. Im dritten Acte tritt ein sehr gedehntes Duett
zwischen Sopran und Bass durch characteristische Hal-
tung hervor. Ein kurzes, wirksames Terzett besehliesst
das Ganze. — Die Hauptpartieen dieses mit schönen, wenn
auch nicht neuen Gesangeffecien ausgestatteten Werkes
sind. Sopran — die Hasselt- Barth , Tenor — Erl, und
Bass — Staudigl. Die Prima Donna entwickelte zu we-
nig leidenschaftliche Kraft; das ist überhaupt nicht die
Sache dieser bei allen sonstigen Vorzügen steifen, küh-
len, berechnenden Sängerin. Erl, Titelrolle, fehlt es an
künstlerischer Umsiebt und an Energie des Gesanges, um
eine iu der Handlung unvortheilbafl gestellte Person be-
deutungsvoller zu machen. So blieb denn nur Staudigl
übrig, der in der That Vollkommenes lieferte. Uebrigens
war die Ausführung musikalischerseits exaet und der
Demi-succ&s wahrlich nicht die Schuld der Sänger.
Nicolai liebt die Sensationen. Er versuchte es, den
Italienern mit deutscher Harmonik, den Deutseben mit ita-
lienischer Melodik zu imponiren , am Ende jedoch wis-
sen ihm weder die Einen, noch die Andern Dank dafür.
Besser ist ihm jene Inclination bei den mit Eclat aufge-
nommenen ,, Philharmonischen Concerten" gelungen. Hier
concentrirt sich seine ganze künstlerische Potenz, und
Verständniss, Dirigentengeist, Eifer stehen hier in gera-
dem Verhältnisse zu den grossartigen Wirkungen, die
durch diese Aufführungen erzielt werden. Wir schätzen
aufrichtig das, was an Herrn Nicolai zu schätzen ist,
637
1844. September. No. 38.
838
und wissen, durch das Anhören mancher seiner übrigen
Arbeiten belehrt, dass er etwas der an einen deutschen
Componisten zu machenden Anforderungen Würdigeres
zu stände bringen könnte; eben deshalb baben wir, nach
reiflicher und gewissenhafter Prüfung, unser Ortheil eher
streng, als nachsichtig ausgesprochen.
Somit lieferten uns die bisherigen Novitäten eine
französisch -deutsche und eine italienisch -deutsche Oper;
nun fehlte nur noch eine englisch -deutsche. Auch diese
fand sich in der dritten und letzten Novität unter fem
Titel: „Pasqual Bruno," eine romantische Oper in drei
Acten von dem Engländer John X. Hatten, welche Zwei-
fel erregte, ob sie sehr wenig oder gar nicht gefallen
solle. Die Handlung ist auf Engländer berechnet, welche
Italien ohne Fra Diavolo's sich nicht vorstellen können
und gern hinter jedem Baumstamme einen Banditen wäh-
nen, der auf Pfunde, Diamanten, Lady 's und Losegelder
lauert. Dieser Pasqual — von Hause aus Edelmann —
ist übrigens eine sehr unschuldige Räuberseele, bei der
es sich, lediglich um Geltendmachung seiner Rechte auf
Therese, in Diensten der Vicekönigin, handelt. Diese —
Sopran, ein Vicekönig— Bass, und ein Nebenbräuligam
— Tenor — bilden die Stützen einer eben so langwei-
ligen, als abgeschmackten Handlung, die mit der feierli-
chen Verlobung des amneslirten Räubers mit Therese
endet und zum Deberflusse so schlechte Verse enthält,
als die schlechte Ueberselzung eines schlechten Originals
nur immer zu bieten vermag. Der Componist, von un-
senn wackern Staudigl während dessen vorjährigen Au-
fenthaltes in London unter seine einflussreiche Künstler-
pro teciion genommen, ist ein Mann von mittleren Jahren,
vielen gründlichen Studien und ungewöhnlichem Parlitnr-
gedächtniss. Letzteres erprobte sich in diesem Werke
weniger an französischen und italienischen, als an deut-
schen Meistern, deren verschiedenartiger Styl mit fast
gewissenhafter Treue wiedergegeben ist. So begegneten
wir quf der unerquicklichen Wanderung durch drei ge-
dehnte Acte namentlich Gluck, Mozart, Weher, ßpohr
und Mendelssohn $ ja selbst HändeF&cher Styl schien uns
mit biederem Händedrucke zu begrüssen. Dass eine in
solchen Typen geformte Musik zwar keine freikünstle-
rische , doch für den Musiker immerbin interessante
Fattura entwickelt, ist so gewiss, als dass sie bei
Button aller Inspiration, aller dramatischen Kraft, al-
ler theatralischen Wirksamkeit entbehrt. Indessen ist
der Basspart der Titelrolle gerade dankbar genug ge-
halten, um einem Sänger, wie Staudigl, als Folie
seiner wirksamen Stimmentwickelung und Vortragskunst
zu dienen; nächst diesem ist auch die Sopranpartie
Theresen's — von der Lutzer ausgeführt — hie und da
mit Lohnendem bedacht. Die Diehl — Vicekönigin,
guter Mezzosopran — hier mit einer ihre Stimmlage
überschreitenden Sopranrolle chargirt, — Drawler und
Pfister vollendeten ein Ensemble, das diesmal nur in
Einzelnheiten Gelegenheit fand, seine Reputation zu be-
währen. Wir loben schliesslich die deutsche Kunstrich-
tung, das Streben nach einer einfacheren Instrumentation,
und scheiden von Ratton und seinem von ihm dirigirten,
zwei Mal gegebenen „Pasqual Bruno/' ohne Zweifel für
immer» mit gebührender Achtung für sein Wissen und
mit dem Wunsche, dass die Erfahrungen, die er hei die-
sem Werke gemacht, auf seine künftigen Buhnenarbei-
ten bezüglich der Selbständigkeit, des dramatischen In-
haltes und der äussern Wirksamkeit vorteilhaft einwir-
ken mögen. —
Unter den Concerten im grossen Style nahmen die
„Philharmonischen" und -die „Spirituels" wieder den
ersten Rang ein. Das erslere brachte die Cdur- Sympho-
nie mit der Scblussfuge von Mozart und die Pastorale,
beide Meisterstücke in Bezug auf Orchesteraufführung und
Direction. Hier zeigt sich Nicolai in seinem eigentlichen
Bereiche, hier ist er genial in der Art, wie grosse Schau-
spieler in der Beproduction dichterischer Gebilde zu sein
pflegen. Die Schöpfung schwebt frei, majestätisch, leuch-
tend, gleich Phänomenen des Himmels, an uns vorüber. —
Dass die Adagio's beider Sympbonieen sordinirt waren,
machte übrigens eine eben so wenig vorteilhafte Wir-
kung, als die Pickelflöle, welche wir in der //«Waschen
Bassarie des Polypbein aus „Acis und' Galathea" zuhö-
ren bekamen. Dieses höchst eiffentbümliche , mit den
schwierigsten Intonationen und Vocalisationen angefüllte
Gesangstück ist, nebenher gesagt, ein wahres Sänger-
problem und das neueste Gheval de Bataille des Meisters
Staudigl. Wer ausser ihm sieb darauf tummeln wollte,
mache nur sich gleich im Voraus auf einen unwillkür-
lichen Curtiussprung gefasst. —
Die ,,Concerts spirituels ** baben vorzüglich durch
die Musik zu „König Stephan*' und die „Ruinen von
Athen" von Beethoven wahren Enthusiasmus bereitet.
Es ist ein Verdienst der Herren Baron Lannoy, Holz
und Tietze, sie uns vollständig vorgeführt zu baben.
Man staunt über die hohe Idealität, welche der grosse
Meister selbst Gelegenheitstexten mit national -characte-
ristiseber Beimischung zu verleihen' vermochte, und wird
oft von der naiven Schönheit bezaubert, die aus ihren
klaren Melodieen, aus ihren einfachen Rhythmen lieblich
tönt. Ein „Chor der Derwische* 6 erregte besonderen En-
thusiasmus. Er wurde nicht nur bei der ersten Auffüh-
rung mehrere Male hinter einander gtesungen, sondern
auch in den folgenden Concerten vom Publicum unvor-
bereitet zur Auffuhrung begehrt, das mit Ohr und Herz
diesen herrlichen Musiken lauscht. . Eine Uebersicht der
in den diesjährigen Spirituelconcerten zur Aufführung ge-
brachten Piecen wird den Geist dieses mit edlen Ten-
denzen sich befassenden, geschätzten Kunstiostituts am
Besten veranschaulichen :
Symnhonieent in D und F von Beethoven, — in
D von Mozart, — in Cmoll von Spohr (für diese Con-
certe im Jabr 1837 componirt).
Dramatische Musik : die vollständige zu „König Ste-
phan" und „Die Ruinen von Athen" von Beethoven, —
Arie der „Alceste" aus der gleichnamigen Oper von
Gluck, — des Polyphem aus „Acis und Galathea" von
Händel.
Kirchenmusik: Hymne in F (0 virso temerata) für
Altsolo mit Orchester und Chor von J. N. Hummel (Ma-
nuscript), — Gloria aus der zweiten Messe von C. M.
v. Weher, — Kyrie und Gloria aus der Messe von Mo-
lique (Manuscript).
639
1844. September. No. 38«
640
Coneerte: Ar du Piaooforte in DmoU Von Men*
deUsehn (Filtaeh).
Chor«: Efcgiaeber Gaaaog ven Beethoven y und mim
Chor aua „Alexander Beine" Tön Handel.
Cantate; ,,Die erste Walpurgisnacht" von Geethe
umd Mendelssohn.
Fnge : für Orchester entworfen von Mo%art % rollen-
de! toq Sachter.
Feuilleton.
Die in diese« Bütten Seite 214 erwähnte Verloosung für die
Gaste der Association des artistes mesieiens an Paris hat , vea •
10,000 abgeaatatea Biüatt,
geliefert.
eiaea Nettoertrag voa Me* Frnakea
Die fraontfsisehe Depatirtenkammeff bat ei« Gaset« voürt« ura-
aooh die Autorenrechte der dramatischen Dichter n«d Cemaoni-
steo zwansig Jahre oaeh dem Tode derselben xam Vertbeü ihrer
Wittwea «od Kinder fortdauern.
Am 91. August fand In Johann «morgen Stadt Im sächsischen
Erzgebirge ein „obereragebirgisehes Gesangfest" Statt. Die Aa-
regong aad Einladung data war von dam Mlnaertasaagrereine
aa Johanngeorgenstadt selbst aosgegangea , aad a* nahmen aaeser
diesem die Vereine von Buch holz, Ribenstock, Seheibenberg, Schiet-
tan, Scbneeberg mit Neost&dtel, Scbwarsenberg , «nsammen aber
100 Singer, daran Theil.
Ankfindlgnngen.
Im VerInge van Breltftkmpf * Mmrtel in Leipaig
sind mit Eigeuthuaasrecht erschienen :
Fr. Chopin.
9 Noctnrnes ponr le Pinne. Op. ö». 20 Ngr.
3 Mnxarkns ponr le Piano. Op. 86. SS Ngr.
StmmtUehe Mosüutfieke des neunte« Bandes sler im
Verlage erachieaeann Oeuvres e*mpleUts de S» St Beteln sanal
nach einsein na hebern, wobei ich vorzüglich auf die
18 petita Pre'ludes au Exeredees paur les eommencans. Preis
m Ngr. ^
nafmerJwwi mache, welche oh hiebst zweckmässig aam Unterricht
am empfehle» sind.
Leipaig, im September 1844.
C F. Peter», Barena de Mariqae.
Höchst wichtiges Werk ftr Seminarien.
Die Kuist des Orgelspiels;
theoretisch- practische Anweisung für alle vorkommend*
Fälle im Orgelspiele, mit durchgangiger Pedalappli-
catur und Bemerkung der Register %üge>
Ein Lehrbuch
für sich bildende Orgelspieler, insbesondere für dein Un-
terricht in Seminarien und Präparan den -Schalen.
Bearbeitet aad herausgegeben in Gemeinschaft mit
W. ttOmer
A. €t. JMffer*
Dosaaafaaast aad Gesnuglehrer au Mersabarg.
Das Gänse erscheint in sechs Lieferungen, woran die Liefe-
rang nur i Thlr. hastet und im Laufe des Septembers die erste
erscheint Willi, MftrMer in Erfurt.
Im VerInge der k. k. Hof-, Knast- und WusfealienhundhiBg
von Pletrm Heeaaetai qua« C»rlm in Wien erseheinen
nächstens mit Eigentumsrecht t
Thmlnera;, S., Fnatnfsie nur des motifs de POtoera: La Hfnetta
de Portio, de Auber, pour la Piano«. Oeuv. 851.
mtallnnU, Ttn», Troia Pnanphsaaes de VOpeia : Dam Sehnstkn,
de Doninetti, pour le Piano. No i ä 3.
Bei •¥• A. Itovjtitien in Amsterdam ist erschienen' und
durch BmOhepfSf Hartd in Laipnig na beziehen:
Berlin. A. 9 Gmnde Ouferture trtomphale « grand Orchcstrc
(ded, h F. Mendels**** Bm+aldg). Op. 66. 51 Thlr. 9tt Ngr.
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Belgien, Holland und Rusnlnndt
TürteUche Lieder
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ardentlieh billigen Preise ton „Einem Thaler*" von um an besmv
hea. F. 12. C. Iiemekmre ia B realen.
^— ■» ■ ■ ■■■ I III ■ ■ ■ « ■ ■ ■ I ■ ■■ 1 U M
An die verehrlichen Hof- and Stadt-Theater-Directio-
nen Deutschlands.
Der Unterzeichnete erlaubt sich hiermit, seine nm 951. Anril
dieses Jahres sum ersten Mal im Theater Drury Lane ao/gefuhrte
grosse Oper „ Die Br&uf e von Veneatta;," welche bis
Ende der Saison , 51. Mai, ürchmdxetMnxig Mal mit erelcendem
Bnifniie wiederholt wurde^ in ihrer deutsch tn durah Ceti Kamfe-
«Man gnns uotgearbeiteten Form den Buhnen seinen Vaterlandes
a anatragen. Das vollständige Textbuch und die Partitur «lad nur
Auslieferung bereit und können rechtmässiger Weist aMSttkUesslicn
nur von dem Componisten erlangt werden.
•lanltnasj BeDeellet, Cunellmenmer des kouigt. Theaters
Drury Lane, 51. Manchester Samara, Landen.
Druck nnd Verlag von Breitkopf und Härtel in Leiozig und unter deren Verantwortlichkeit.
«41
619
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 25"*" September.
M 39.
1844.
Imh*ltt Das laanfturatfoufast so Darmttadt. — Hectmmm* — JVmsVtearfe»:
Ans Dresden. Ans Samba rg. Aus ZUIItehM. — Am-
Das Inaugurationsfest zu Darmstadt.
Kanin bin ieh nach Frankfurt zurückgekehrt, kaum
habe ich die. nöthige Erholung genossen nach all' dem
anstrengenden Müssiggang und dem betäubenden Gewirre
eines mehrtägigen Festes, so iheile ich Ihnen darüber
mit, was eben meinem Gedächtnisse treu bleiben konnte.
Auch das Vergnügen kann zur Arbeit werden» und
zwar zu einer recht ermüdenden, wenn man es so un-
ausgesetzt geniessen muss ; und fürwahr, hätte der Trou-
bel, worin ein ganzes Land sich befand, irgend ein ern-
stes Geschäft zugelassen, die Arbeit würde mir zur Er»
holung gedient haben* So begegnen sich Contraste.
Schon Freitag am 23. August begannen die wwinp-
vollen Unruhen dieses in den Annalen des Grossherzog»
thums Hessen wohl einzig dastehenden Volksfestes und
dauerten bis znm 28. in erfinderischen Steigerungen fori.
Es wäre vergeblicher Versuch, die hunderterlei Episoden
besehreiben zu wollen, die ein Fest wohl nicht eigentlich
bilden, aber doch interessant machen, denn gerade Das,
was die von einem Festcomite gezogenen Linien umgibt,
das Zufällige,. nicht voraus zn Berechnende, ja seihst die
nothwendig daraus entspringende Unordnung ist's, was
den Reiz bildet und dem Ganzen den eigentlichen volks-
tümlichen Zug gibt, das Poetische in der Prosa.
Schon das nach monatelaugero Regen plötzliche Um-
schlagen der Witterung musste die Gemüther gleich a
priori zur Lust stimmen, und einen desto heilerem Ein-
druck gewährte daher das Wort: „Willkommen, 4 * das
über den auf den breiten Heerstrassen aufgebauten Tri-
umphbogen zu lesen, war , durch welche sich ans allen
Gegenden die Volks-., Fürsten- und Vergnügungsfreunde
drängten , und mir unwillkürlich ein Bild des Festes zu
Kenilworlh vorführte, das Scott so herrlich beschreibt.
Deshalb aber reichten auch hundert Obren und Au*
gen nicht hin, Alles, was mich umgab, zu erfassen, hun-
dert Fusee nicht, überall gegenwärtig zu sein. Der Em-
pfong der Gesangvereine vep Giessen, Mainz und. Offen-
bach, die zu verschiedenen Stunden in langen Zügen ge-
schmückter Wagen ankamen; die Ankunft der Deputa-
tionen von Laudieuten in ib^en originellen Nationaltrach-
ten, auf mit Kramten und Fahnen gezierten Leiterwagen *
die Tausende von Fremden mit post und stelzen Equi-
pagen, zu. Rosa» Wagen und Karren; dann das Zimmern
u*d Drapiren der Handwerker *n 4cn nocji nicht fertig
46. Jahrgang.
gen Häuser- und Estradenverzierungen (an vielen Häu-
sern in der Gegend des Monuments waren eigene fiaJcoae
für die Zuschauer errichtet); das Hin* und Herrennen«
sich Begegnen und ßegrüssen; der Gastbaustumult; dann
die Proben der Enlhüllungscantate» des Alejcanderfestce
und der Männerchöre — das Alles bildete nur die N Vor-
bereitungen, zu denen die Soone des 23. und 24, Aur
gust leuchtete. Vergessen darf ich aber auch des unter
Blechmusik gleich einem Feuermeere heranschwellenden
Fackelzugs nicht, und der Serenade, welche am Abend
der Gewerbvereiu unter einem ungeheuren Menschenzo-
laufe dem Landesvater brachte. Unter den Fenstern des
Palais aufgestellt, vernahm man ein seltsam veriirtes und
cadeuzeureiches Thema» von einer Art VeotiUroppet*
vorgetragen, welches sich unter beginnendem Sturmwind
uns* bei selcher Veranlassung etwas abenteuerlich ausnahm.
Am 28. selbst fand die Enthüllung Statt, der Mit-
tel punet der Feier. Die Details dieser grossartigen Weihe
gehören, nicht in diese Blätter* Ihre Leser werden sie
bereits aus politischen Journalen erfahren, und es sollte
mich freuen, wenn das Rechte getroffen würde« Dean das
Grossartige und zugleich Rührende dieser Scenen kann
besser empfunden, als geschildert werden.
Nach einem fast zweistündigen Zuge stand endlich
Alles an seinem Platze. Welch ein Anblick! Der herr-
liche Luisenplatz, von Paläeten und breiten Strassen,
von Estraden, Gerüsten und Tribunen umgeben, und Al-
les bis auf Fenster, Giebel, Dächer, Schornsteine und
Lalernenpfähle mit Köpfen gleichsam übersäet. Wer hätte,
plötzlich hierher versetzt, das sonst so menschenleere
Darmstadt wieder erkannt, dessen Strassen oft nur Oeden
glichen *). Die Praxis, Tausende von Menschen, die die-
sen Zug bildeten, in Ordnung zu hallen, entsprach der
aufgestellten Theorie vollkommen. Der Adel, die Stände
und Staatsbehörden mit ihren Dependenzen, die Beam-
ten, Geistlichen, Landleute, Zünfte und Innungen, die
Künstler, Sänger, Schulen, Veteranen **) u. s. w., Alle
waren in eigene Corps und Sectionen eingetheitt und an
eigenen Abzeichen zu erkennen, unter einem prächtigen
Baldachin süssen Ludwig, der regierende Herzog, mit den
erlauchten' Gliedern seines Hauses nebst anderen Perso-
*) fitae gtbtneUhe Dame verteidigte eiast die Stitte itrer Va-
terstadt mit den Werten: Sehen Sie oiebt, wie dert jw dar
breiten Rbeinstrasse) ein Aceessist wimmelt !
") Welche dea msiaaeea Felds eg mitfiemaca*.
39
645
1844. September. No. 39.
644
hoben Ranges, gegenüber die 13t Fuss hohe Säule,
worauf die 2t Fuss lobe in Bronce gegossene Sutue
Ludwig des Ersten. Lader war die Umhüllung durch
den Storni, der die Nacht durch getobt hatte, zerrissen,
tad die Büste des Herrn schaute herab auf sein Volk,
als bitte. er die Zeit nicht erwarten können und seine
Ungeduld sich einen Weg gebahnt. Allein die Illusion
überwog das Fatale, man sah nur das Kleid, nicht den
Mann. Endlich bracb die Festcantate die von der span-
nendsten Erwartung erzeugte Todesstille. Die Composi-
tum Ton dem Hofcapellmeister Wilhelm Mangold ist blos
für Männerstimmen und Blechmusik, und kräftig, popu-
lär gebalten. Für Gelegenheilsdicblungen gibt es eigent-
lich keine Kritik, da sie nicht unmittelbare Ausströmun-
gen der Begeisterung und des eigenen Willens sind, und
sieb zu sehr auf Bffeclberechnung basiren. Der Zweck
ist hier mit der Wirkung erreicht, und Mangold bat
alle Ursache, mit den Wirkungen seiner Compositum zu-
frieden zu sein. Ich muss Ihnen aber verratben, dass
während des Gesanges sieh meiner eine Phantasie be-
mächtigte, die, hätte sie verwirklicht werden können,
den Effect dieser Cantate wahrscheinlich noch erhöht ha-
ben würde. Es ist bekannt, wie sehr der alte Herr Gross-
herzog ein Mäcen der Tonkunst, besonders der dramati-
schen, war, und dass er selbst die Opern proben dirigirte.
Wie durch Zauber geleitet, richtete sich nun mein Blick
nach seiner Statue, und so kam es mir bald wirklich
vor, als wenn sich sein rechter Arm erbübe und mit
seiner im Leben gewohnten Leidenschaftlichkeit den Stab
nach allen vier Wellgegenden schwänge. Hingerissen von
meiner Vision, stiess ich meine nächsten Nachbarn Ha-
ler und Döhler mit den Worten an: „Sehen Sie denn
nichts?" Allein diese Herren lachten mich ans, und ieb
überzeugte mich bald , dass die Wunder der mythischen
Tonkunst vorüber seien. Nach dem Vortrage der Cantate
sprachen würdige Männer *) Worte , die trotz der bei-
spiellosen Bube wohl nur von dem verstanden werden
konnten, an welchen sie gerichtet waren, worauf die erste
Strophe des Festgesanges:
GriUst mit Trompeten- nnd Pankeoklang,
Grätset mit feurigem Festgeaang,
Grasst ihn, den Tag der Weihe !
wiederholt wurden. Und somit war endlich das Signal
zu dem lang ersehnten Momente gegeben. Der Rest der
Hülle fiel, und Ludwig der Erste stand in seiner colos-
salen Grösse vor den Blicken seines entzückten Volks.
Was jetzt erfolgte , ist in der Tbat unbeschreiblich. Es
drang tief in die Seele , und erfüllte Aller Auaen mit
Tbränen. Denken Sie sieb das Jubelgescbrei aus vielleicht
30,000 Keblen, eine Intrada von vier vollständigen Or-
chestern mit ihren Posaunen, Ophycleiden nnd Trompe-
ten y das Dröhnen aller Glocken , und das Donnern der
Kanonen, das Schwenken der Hüte und Mützen, das We-
ben der Tücher und Flaggen aus allen Fenslern heraus,
von allen Dächern und oalconen herab — und das Al-
les auf einen Moment, auf einen Raum concentrirt ; und
endlich die liebe Gottessonne, die Alles das so freund-
lieb, ja heilig beleuchtete — es war das grossartigste
nnd ergreifendste Bild, das ich je gesehen habe und schwer-
•) Der Prälat iföft/tr tad der Gebeine- Staatmtb v. Schenk.
Geh' wieder sehen werde. Als sich endlich dieser allge-
meine Empfindungssturm gelegt, begann das Militär, vier
Regimenter von Darmstadt, Worms und OfTenbacb, da-
bei die zshlreicben Leibgarden, Cbevauxlegers nebsl Ar-
tilleriepark und Mosikcorps, unter Anfuhrung des Gene-
ralissimus Prinz Wittgenstein, seine Evolution um das
Monument. Ein überraschender Anblick und wohl berech-
net, vor Abspannung zu bewahren. Den Schluss dieser
Scene machten fünf Strophen über das unvermeidliche
God save the Queen, von der ganzen Menschenmasse
(natürlich etwas canonisch) gesungen, wobei ieb die Be-
merkung nicht unterdrücken konnte, dass man sogar bei
einem solchen acht deutschen Volksfeste sich des Hangs
nach Ausländerei nicht enthalten kann. Wir sind nicht
ganz so arm an deutschen Volksliedern, die allgemein
geworden sind, als wir uns selbst weiss machen. Von
den vielen hätte wenigstens Vater Haydnsi „Gott er-
balte Franz den Kaiser*' hier eher verdient, von einem
patriotischen Schriftsteller umgedichtet zu werden. Be-
täubt nach Hause gekommen, hatte man kaum so viel
Zeit, etwas zu gemessen und seine Toilette zu ordnen,
denn schon um 4 Uhr waren die Räume des zu einem
Goncertsaale umgewandelten Zeughauses angefüllt. Ge-
gen 4000 belegte Platze waren bereits besetzt, als ich
verspätet anlangte, und dennoch — so musterhaft war
die Ordnung — gelangte ich ohne Mühe, mit meiner Ta-
belle in der Hand, zu meinem reservirten Sitze. Nicht
• minder, wie der Anblick, war hier der Effect grandios,
den die Aufführung des HändeFtchen Alexanderfestes un-
ter Mitwirkung von circa 800 Sängern und an 100 In-
strumentalisten hervorbrachte. Reich, geschmackvoll und
sorgfältig waren Orchester und die fürstlichen Logen er-
baut, war der Saal, oder vielmehr die Halle decorirt.
Für den Klang der Instrumente ist die Akustik dersel-
ben nicht besonders günstig, aber desto mehr hob sich
der Vortrag des Gesanges, namentlich der Chöre hervor.
Räume, die den Klang nicht sehr befördern, sind den fei-
neren Nuancen des Vortrags und der Pronuncialion um
so günstiger. Es war zum Erstaunen, wie bei einer ein-
zigen Generalprobe Alles so correct geben konnte. Die
Hauptsache war, dass der Dirigent Carl Mangold die
nötbige Symmetrie der Stimmeneintbeilung beachtete, denn
trotz der grossen Anzahl von Sängern trat doch keine
Stimme besonders hervor. Die Haltung der Chöre war
un tadelhaft und wie aus einem Guss; eine Erscheinung,
selten bei stabilen Personale'*, um wie viel 4 mebr bei so
vielen fremden Elementen. Die Soli durch die Herren
Breiimg, Reichet ', Pasque nnd Dem. Fischer (Mitglied
des Darmstädter Dilettantenvereins unter C. Mangold)
liessen nur wenig zn wünschen übrig. Breiting und Rei-
che/ baben guten Klang im Lande. Herr Pasque scheint
noch Anfänger, hat aber einen ausgezeichneten Bariton
und trägt mit Wärme vor. Die Stimme der Dem. Fischer
ist nicht ora torisch, bat aber einen angenehmen Timbre
nnd bewegt sich mit Leichtigkeit in der zweigestriche-
nen Octave. Auch der Triller gelingt öfter, nnd der Vor-
trag zeugt von Uebnng im getragenen nnd religiösen
Style. Noch nie aber mochte wohl das Alexanderfest ein
ao brillantes Finale, wie heule, erlebt haben, denn bei
den letzten vier Tacteft iea Sehlusschors : „Tmotbens
645
1844. September. No. 59.
646
eitsage dem Preis" erscholl plötzlich eine Stentorstimme :
„Ludwig der Zweite lebe hoch!" worauf der Volksju-
bel in einen donnernden Refrain ausbrach. Die Chöre
sangen, die Streichinstrumente spielten indess fort unter
Mangolds unerschrockenen Tactscblägen , während die
Harmonie das Viva! des Publicum» mit einem schmettern-
den Tusch begleitete. C. Mangold ist, wie es sich bei
dieser Probe und Aufführung zeigte, ein energischer Di-
reelor und gewiss den Besten an die Seite zu stellen,
die im Stande sind, solche Blassen zusammenzuhalten
und sie die Religion des Vortrags zu lehren. Die den
Eingingen gegenüber aufgebaute Galerie war für die De-
putationen der Landleute bestimmt. Tags darauf sab man
sie in der Oper. Man hat dazu gewiss die schönsten Ex-
emplare gewählt, denn unter den Mädchen sah ich die
lieblichsten Modelle zu Emmelinen und Zerlinen, obgleich
sie nicht in Atlas gekleidet und mit Bracelets geschmückt
waren. Noch verdient bemerkt zu werden, dass zwischen
der Inauguration und dem Festcoocert der Regen in Strö-
men fiel, also selbst der Himmel im Bunde mit dem Co-
mite schien.
Der folgende Tag war der Erholung und dem Ver-
gnügen der Sängervereine gewidmet. Die unerschöpfliche
Galanterie des Comite's hatte auch hier für Alles gesorgt.
Während wir Sänger (meine schöne Stimme scbloss sich
der Mainzer Liedertafel an), uns an unsere Fahnen rei-
hend, in langem Zuge durch die Stadt zum Walde bei
Kranicbstein (einem grossherzogl. Jagdschlösse) zogen,
standen dreissig bis vierzig Equipagen bereit, die Damen
ans dortbin zuzuführen. Zu den Anführern dieser galan-
ten Expedition gehörten unter Anderen der Sänger Cra-
molini und der Contrabassist Müller, welche aber ihr
beneidenswertes Recht so lange ausdehnten, dass die
reizende Caravane zwei Stunden später ankam, während
wir armen Teufel von Sängern wie die Lämmer auf einen
Fleck zusammengedrängt ihrer harrten, und frierend,
müde nach Marsch und Regen, bei Erwartung und ge-
deckten Tafeln wahre Tantalusqualen ausstanden. In die-
sem Zustande von den fliegenden Adjutanten durch den
Zuruf: „Sie kommen, sie kommen!" oft getäuscht, grif-
fen wir endlich verzweifelnd zu unseren Gesangbüchern,
und Mango Id's Plectrum tbat sein Möglichstes ; allein der
allmächtige Gesang vermochte uns nicht über den Mate-
rialismus zu erbeben. Die Poesie bat auch ihre Gren-
zen, nnd der beste Sänger besitzt seine Keble nicht aU
lein zum Singen — , Kurz, unsere Situation war sehr
tragikomisch , und hätte Stpff gegeben für eine Saphir**
sehe Feder oder einen humoristischen Pinsel. — Der
zweite Act dieses Drama's war feierlicher, und dem weit-
umherkreisenden Publicum ward ein schönes Schauspiel.
Die Damen, durch eine Gesandtschaft vom jenseitigen Ufer
eines romantisch gelegenen Teiches empfangen, traten in
die Ehrenpforte, von ihren armen Ritlern mit Moxarfs
schönem Bundesliede begrüsst : „Brüder, reicht die Hand
zum Bunde/' Dass die Qrüder in Schwestern verwandelt
werden mussten, entschuldigte die Notb, und mit den
folgenden Strophen wurde es nicht so genau genommen.—
Der dritte Act entschädigte aber vollkommen für die Ent-
behrungen des ersten. Der Verhäng rollte wieder auf,
nnd Aber seebt bunten Reiben froher Singer an drei end-
losen splendid besetzten Tafeln leuchtete die frenndliobe
Mittagssonne. Was jetzt erfolgte, gebar der Augenblick.
Toaste und Lieder drängten sich in stets lebendigeren
Steigerungen, Quartetten von Mendelssohn, Esser, Man*
goldt Spamer und Reichardfs herrliches „Was ist des
Deutseben Vaterland " wechselten mit einander ab. Un-
serem durch alle deutschen Gauen gedrungenen Liede:
„Bekränzt mit Laub" (von J. Andre) war der Text:
„Willkommen in des Darmes *) sand'gem Banne*' unter-
legt, ein recht humoristisch frohes Gedicht, und Cromo*
Uni besang mit begeisterter Emphase die Schönen. In den
Toasten zeichnete sich unser Präsident Schott von Mainz
aus, der in der That verjüngt, wie ich ihn noch nie ge-
sehen, herrliche Worte über den Fortschritt der Ton*
kunst sprach. Unter den Bekannten, die in diesem Trou-
bel gleichsam phantasmagoriscb erschienen und wieder
verschwanden, befanden sich Vineenz Lachner und Com*
radin Kreutzer. Auch die Sängerin Mad. Pirscher sab
ich ein Mal auftaueben. Weshalb sie ihren Part bei dem
Alexanderfest nicht sang, wie annoncirt war, weiss icb
nicht. In buntem Gedränge zurückgekehrt von dieser pi-
quanten Waldlust, erwartete uns die Oper Ferdinand Cor-
tez, worin die junge Neukäufler die Amasili recht aller-
liebst gab. Sie hat nicht die Stimme, wie unsere Reu-*
ther in Frankfurt, imponirt auch nicht so damit, aber
gerade Das, ihr feines klingendes und schmiegsames Or-
gan , in Verbindung mit ihrer jugendlichen , fast kindli-
chen Persönlichkeit, dürfte sie vorzüglich zu dieser Par-
tie eignen. Ich sab nur ihre Scene „Von Allen bin ich
nun verlassen," denn Sie können sich denken, dass ich
mich nach Ruhe sehnte und dass ich nicht lästern war, diese
geharnischte Musik vom ersten bis zum letzten Tacte mit
durchzumachen. Ich sah das prachtvoll erleuchtete Haus,
sah den Hof und viele Hunderte von Damen in schönem
Kranze, sah die überfüllten Räume und fühlte die dru-
ckende Hitze. Das war mir genug. Wenn Sie sieh übri-
gens für die übrige Besetzung interessiren i Breiting
sang den Cortez, Reichet den Montezuma, und Pasque
denTelasco. In einem vorhergegangenen Prologe hat Dem.
Stecke eine beliebte und talentvolle Schauspielerin, all-
gemeine Theilnahme erregt. — Den Feierlichkeiten des
28. August konnte ich nur aphoristisch beiwohnen, da
mich die Norme in meinen Functionen nach Frankfurt
zurückrief. Nur so viel, dass sich dieser Tag in reizende
Promenaden der Ludwigshöhe, in ein Volksfest auf dem
weiten Exerzierplatz, und in Illumination und Bälle tbeilte,
und dass sogar eine Wiederholung des Cortez Statt fand.
Von dem Volksfeste sah icb nur das Beginnen, und wie
sich allmälig Masse auf Masse zum Rbeinthore hinaus-
wälzte. Hier die langen Reihen von Buden des Freimarkts
mit seinen Eintagswaaren, die bunten Pickelhäringe und
aufgestutzten Riesen, die plumpen Seiltänzer, verschmitz-
ten Gaukler und ambulirenden Werkstätten ; dort die gro-
tesken Aufzüge, die eher an den Fastnaohtsdienstag, als
an den Kocbmonat erinnerten; da wieder die Ring-,
Spring-, Kletter- und Turogeriiste, das Wctt- Reiten,
Laufen und Fallen, und die hochgeschwungenen Frei*
# ) Von dem tehualeo kleiaen Flaueren Dam trägt bekanntlich
aasere Fcststadt ihren Nwata.
0*9
1844, September. No. 39.
040
tanze auf gebahnten and schlüpfrigen Planen, und da
ktinBibi ohne Leben sein darf, die musikalischen Pro-
toetioneu dazwischen 1 Diese scytbische Kirmessmusik,
dieses Leiern nnd Orgeln, dies Harfen, Flöten und Trom-
peten« dies Pfeifen nnd Schnarren zu dem Aufjauchzen,
Schreien ind Wespengesummse vollendete die Romantik
des Ganzen. Sie Musik bat auch in ihrer Abarl poeti-
sche Saiten, nnd oft sogar» wenn mir der Kopf schwin-
delte, glaubte ich mich in einem Finale einer unserer
Revolutionsopern zu befinden. Wie mag sieb erst die Völ-
lig« Enlwickelung dieses Festes gestallet haben, als feu-
rige Ballons mit glühenden Gedanken zu den Sternen flo-
gen, als pets ä reu und Herzen entbrannten, und Illu-
minationen in Häusern und Köpfen sichtbar wurden??
Ans diesem viertägigen Wirren in den Postwagen , und
von da direct in die Jeremiade einer italienischen Ma-
steroper hineingeworfen zu werden, war zu viel für
menschliche Nerven; denn noch spät in der Nacht zwi-
schen Schlafen und Wachen. mischte sieb die alte Spiel-
mannsleier in Bellini s Druiden - und Scblacbtgesänge,
und vor meinen Blicken schweblen nnd wehsten die Tau-
sende von Bannern, Fahnen, Wimpeln, Rosetten und Scher-
pen, die einen nothwendig integrirenden Theil dieser Ju-
beltage bildeten. Oft schon im Lehen war es mir grün
nnd gelb vor den Augen , diesmal sah ich nur roth und
weiss *), und dieser Wechsel, möge er meiner Zukunft ein
gunstiges Zeichen sein I Leben Sie wobl 1 C G.
ReCENSION.
Compositionslebre, oder umfassende Theorie von der the-
matischen Arbeit und den modernen Instrumentalfor-
men, aus den Werken der besten Heister entwickelt
nnd durch die mannichfaltigsten Beispiele erklärt. Für
Dilettanten und practisebe Musiker, welche ein hei-
, leres Verstandnies der Tonwerke gewinnen wollen;
für Knnstjünger als vorzügliches Befäbigungsmitlel zu
eigenen gediegenen Schöpfungen ; für Lebrer als Leit-
faden bei Privatunterweisting und öffentlichen Vorträ-
gen. Von J. C. Lobe, grossberzogl. Weimariscbem
Kammermusikus. VIII. und 175 Seiten Text ind 103
Seiten umfassender Nolenbeispiele in gr. 4. Weimar,
bei B. Fr. Voigt, Preis 3 Thlr.
Referent, der in den letzten Jahren vielfach Gele-
genheit hatte, die Leistungen verschiedener Schüler des
rühmlichst bekannten Herrn Verfassers, im Fache der
Composition, durch eigene unmittelbare Anschauung ken-
nen zu lernen , und der durch sie mit stets wachsender
Anerkennung seiner ausgezeichneten Gewandtheit und
Tüchtigkeit als> Lebrer der theoretisch -practischen Musik
erfüllt wurde, sah längst mit gespannter Erwartung einet 1
vollständigen Darlegung seiner so günstige Erfolge erzie-
lenden' Lehrmetbodik entgegen. Indem vorliegenden Werke
hat Indes» 4m geehrte Verfasser nur einen Tbeil dersel»
•) Die grossberzoglieli Damtiädlitefae Lsofftttftu+e.
ben dem Publicum vorgelegt. Zwar liest der Titel 1 „Com-
positionslebre " zonäebst eine Alles umfassende Abhand-
lung der Tonsetzkunst erwarten ; allein es ist hier in der
That nur die Theorie der freieren, thematischen Arbeit,
wie sie in den höheren Formen der Instrumentalmusik
hervortritt, dargestellt, und der Verfasser setzt bei De*
nen, die sich dieses Werkes mit Nutzen bedienen wol-
len, alles Dasjenige, was man neuerdings gewöhnlich un-
ter dem Titel: ,, Musiklehre, allgemeine Musiklehre*' be-
greift und abzuhandeln pflegt, nämlich Bekanntschaft mit
der Harmonielehre, Rhythmik u. s. w. voraus. Und in
der That können wir dies nur billigen, denn diese Gegen-
stände sind, seit Gottfried Weber eine neue Bahn ge-
brochen, so vielfach und so trefflich bearbeitet worden
und baben zuletzt noch durch die Schriften eines A. B.
Marx eine so genügende Vertretung gefunden, dass eine
neue Behandlung derselben wohl schwerlich wesentliche
Bereicherungen der diesfallsigen Literatur geboten haben
möchte. Nur über das Mehr oder Weniger in dem, was
der Verfasser bei seinen Lesern aus dem Bereiche der
eigentlichen Compositionsiehre voraussetzt, könnten wir
mit seiner Ansicht in Conflict gerathen. Seite 174 stiessen
wir nämlich auf den Satz: „Man kann auch wobl mit
der thematischen Arbeit des Goten zu viel than, wenn
man ununterbrochen nur Einen Gedanken bearbeitet, wo-
durch leicht Monotonie entsteht. Und endlich wird mit
aller thematischen Arbeit nichts oder doch sehr wenig
gewirkt, wenn man sich in althergebrachten, abgenutz-
ten, thematischen Formen bewegt, «— und wenn beiden
thematischen Gestaltungen nicht Phantasie und tiefes Ge-
fühl mitwirken. Dies zeigt sich besonders bei solchen
Componislen , die ihre thematischen Gestaltungen nur
durch Fugenstudien gewonnen. Sie baben sich dann ge-
wöhnlich (?) so in den gebundenen und überhaupt Fu-
genstyl eingedacht und gesponnen, dass alle ihre Gedan-
ken, wenn sie freie, moderne Formen schaffen wollen,
in jenem Gewände erscheinen. Vorzüglich diese Wahr-
nehmung bestimmte mich, mit meinen Schülern zuerst
den Weg durch die modernen Kunstformen zu wandeln,
vor Allem ihre Einbildungskraft mit blühenderen und ge-
fühlvolleren Bildern zu befruchten. Dann wurden ihnen
aueb die künstlichsten und strengsten Fugen leicht, aber
zugleich über Tbema's, die meist einen gefühlvollen Sinn
in sieb trugen. " Diesem zu Folge setzt der Verfasser,
abgesehen von anderen Puncten, über welche wir hier
nicht mit ihm disputiren wollen , das Studium des soge-
nannten strengeren Satzes bis zum Canon, zur Fugen, s.w.
hinauf, bei der Abhandlung der Lehre vom freieren the-
matischen Satze, bei seinen Schülern und hier resnective
Lesern nicht voraus; allein wir sind in diesem Puncto,
wie es wobl auch bei anderen Musikgelehrten der Fall
sein möchte, der entgegengesetzten Ansiebt. Eine sonst
kräftige Phantasie wird durch das frühzeitige Studium der
strengen Satzformen nicht gebeugt oder eingeengt, son-
dern nur, wie es ja das Betspiel der grösslen Meister
deutlich zeigt, die nach tüchtigen Studien des strengeren
Satzes auch an freiere Gestaltungen gingen, nur genährt,
bereichert, gekräftigt, während eine vom Anbeginn zu
weich verzärtelte, zu wenig an strenge Arbeil gewarnte
Phantasie sie späterbin in der Hegel adpernirt, mr mit
«4»
«844. SepMateft' Na.;».
(m
«Seufzen und Widerwillen \ an sie: gejpt und «ich cur zu
leicht in*a Vage bineinverJiert* So verwöhnte Naturdn
bequemen akh dann späteitin nur ungern au Dem, was
atan beim Studken „tos Spine bauen nennt; sie. wer-
den lässig, bequem — und oberflächlich * Dasa der Herr
Verfaster in seiner Unterrichtspraxis anderweitige Erfah-
rungen gemacht habe, wollen wir damit nicht in Abrede
steilen und können ea auch nicht, indem wir selbst seine
Schüler vielfach über tüchtiger. Fugenarbeit gefunden
beben; allein was er durch besondere Erfolge in einzel-
nen günstigen Fällen erhärtet glaubt, bat dennoch gegen
sich die Analogie der Methodik fast aller übrigen Disct-
plinen, in welchen man bekanntlich stets den Schüler
vom Strengeren zu» Freieren führt. Allein hiervon ab-
gesehen, fragt es sich noeb: ob überhaupt ein Schüler,
der nicht wenigstens schon einige Vorkenntnisse des stren-
geren Satses und seiner mannich faltigen Gestaltungen be-
sitzt, im Stande sein wird, die höchsten Aieisterscböpfun-
gen im Fache der freieren thematischen Arbeit, die oft
unter der Hand doch auch wieder eine merkwürdig* strenge
ist, vollständig zu begreifen, zu würdigen» sie sieb an
eigen su machen. Da, wo in grösseren Instrementalsä-
tsen, zumal in solchen, die der Sonatenform angehören,
die eigentliche tiefere, wärmere, kunstreichere Verarbei-
tung der Themata eintritt, zeigen sich sehr häufig Com-
binatioaen, deren Verständniss durchaus eine vertrautere
Bekanntschaft mit den höheren conlrapunctiscben Formen
voraussetzt 4 und hat es auch der Verfasser keineswegs
unterlassen , vieles dahin Einschlagende in seinem aacb
sonst «ehr lehrreichen Werke beiläufig anzudeuten und
abzuhandeln, so werden doch nach unserer Ueberzeugung
diejenigen Leser von demselben den meisten und besten
Gewinn ziehen, welche bereits mit den strengeren Satz-
formen gnle Bekanntschaft gemacht haben» Nur solche
werden im„ Stande sein , einzelne Sätze grösserer Sona-
ten, Symphonieen u. s. w., wie z. B. der letzten derMo-
zart'seben C dar -Symphonie (Schlussfuge), die Beetboven'-
seben Sonaten mit Fugensätzen u. dergl. klar zu begreifen.
Im Uebrigen müssen wir aber sein Buch, welches zieh
durchaus als Resultat eigenen fleissigen Forschens und
Nachdenkens geltend macht, eine reiche Anzahl sehr
schätzbarer Lebren und Bemerkungen darbietet und über-
haupt den ergriffenen Gegenstand mit einer Gewandtheit
nnd Klarheit und in einem Umfange behandelt, wie es
bisher unseres Wissens noch nicht der Fall gewesen, als
ein sehr verdienstliches, als eine wirkliche Bereicherung
der Literatur anerkennen, und aind der festen Ueberzeu-
gung, daes es tüchtig vorgebildeten Kunstjüngern und Di*
bttanten f die etwa schon mit der Compositioaslehre einen
Marx sieh vertraut gemacht haben, eine sichr nützliche
und lehrreiche Leetüre, geschickte« und gründlich gebil-
deten Lehrern aber ein sehr erwünschtes Hilfsmittel beim
Unterrichte .vorgeschrittener Schüler bieten wird* Da wir
wohl voraussetzen dürfen, dasa dieses Werk eine wei-
tere Verbreitung finden werde,, indem man unseres Was?
sena bereite seit einigen Jabren schon in einem weiten
Kreise »einer Erscheinung entgegensah, so achten wir es
nicht für nöthig» den Lehrgang, den der Verfasser ziem*
Jich selbständig eingeschlagen, nat, hier näher auseiaaa-
dcr»ueel*<a» &biee> *r uns auch, da und dort, wies. B.
in der Lehre vo» der Zergliederung, der fttaetigen Pe-
riode, von welcher er ausgebt, etwas zu wortretob und
umständlich, dagegen aber bei Erörterung der complieirte-
reu tbtmefisoben Arbeit zu wortkarg zu sein, so geste-
ben wir doch gern, ihm überall mit Interesse gefolgt zn
sein und fast durchgehend* eine präcise, lichtvolle und
ansprechende Darstellungsweise gefunden zu haben. Nur
Seile 52 halten wir gewünscht, die Definitionen der ho-
mophonen und polyphonen Begleitungsfoimen in bestimm-
tcreiv schärferer Fassung auftreten zusehen. Auch dürfte
sich der Verfasser bei einer künftigen zweiten Ueberar-
beitung des Werkes, wohl selbst gedrangen fühlen, Man-
ches anders zu stellen, einzelnen Abschnitten, wie z. B.
dem von der Melodieenbildung , eine ausführlichere Be-
handlung zu widmen (bietet doch schon Mattheson's „Kern
melodischer Wissenschaft,' 4 Hamburg, 173G, manches
Brauebbare dar), und vorzüglich den complicirteren the-
matischen Gestaltungen, wie sie häufig in der Sonaten-
form vorkommen, grösseren Baum zu vergönnen. Die
dem Texte eingedruckten Notenbeispiele sind durchge-
hende sehr instrucliv ; allein sie nehmen in den gewähl-
ten grossen Typen zu viel Baum weg, wie denn über-
haupt die Ausstattung des Werkes zwar sehr würdig und
splendid, aber für den leider oft sehr mageren Beutel der
Koos$ü»ger fast etwas zu kostspielig splendid ist. Bei
compendiöserer Einrichtung des Drucken hätte des Baumes
gar viel erspart und folglich auch der Preis etwas billiger
gestellt werden binnen. Dr. /[/*.
Nachrichten.
Dresden, den 31. August 1844. (Privatmittbeilung.)
Zum Beschlüsse meines hiesigen Aufenthalts t heile ich
Ihnen Doch einige Konstnacbrichten mit. Die königliche
Capeiie bat am 19. d. AI. bei Sturm und Regenwetter
das früher bereits gegebene Concert, mit Hinzufügung
von zwei Gesapgstücken von MoMQrt, vor einer gerin»
gen Anzahl von Zuhörern sehr getungen wiederholt.
Der König von Sachsen wurde zwar erwartet, ist indes*
nicht erschienen. Am 20. dieses fand die früher wegen
Unwohlseins der Mad. Schröder - Devrient ausgesetzte
Vorstellung der Oper Fidclio, in der Titelrolle auf
höchst, ausgezeichnete Weise, Statt» wenn auch sonst
Manches zu wünschen blieb. Insbesondere wurda Fla-
reatan von einem früher vorzüglichen Tenoristen (der
auch in Berlin geschätzt wurde) jetzt fest ganz ohne
Stimme, kaum hörbar gesungen. Herr Wächter stieae
den Gesang und Dialog des Pizarro zu abgebrochen
heraus. Heut tkUmer sang die Basspartie des Koeeo
gut j nahm indes* den Kerkermeister gar. zu weich und
war nickt sicher in seiner BoUeu hem^Babtogf* sang
die MareeJline mit schwacher Stimme, jedoch rein und
sicher. Die .Chöre- waren gut, nur im Vortrage nicht
nuancirt genag« Das- Orchester, unter GM. Retuigmte
Leitung, war (bin auf kleine, durah die* Singer veiaa»
l*sa>e tfebwankungen) gana vortrefflich. Besonders wurde
die araiei &*&** Ouvertüre (aar Oper. Leenore) in G dar
651
1844. Septanber. No. 58-
mit Präeision und feifler Nuaneirnng meisterhaft iu-
5 «fahrt. Die in Berlin üblich« B dar -Ouvertüre wird
ler nicht executirt , and et wird nicht passend gefun-
den , die glänzende C dar - Ouvertüre im Zwischenact,
zum Nachlheile der Wirkung der lugubern Iulroduction
des zweiten Acts auszuführen. — Der „Czaar und
Zimmermann" wird hier, bis auf Herrn Räder, wel-
cher ab van Bett ein höchst komisches Original ist, im
Ganzen nur mittelmassig gegeben, gefällt aber dennoch
hier, wie überall. — „Figaro's Hochzeit " von Mozart
wurde im Ganzen recht gut ausgeführt. Mad. Wüst-
Kriete sang die Gräfin mit geschmackvollem Vortrage»
Dem. Wagner die Susanne rein und mit wohlklingen-
der Stimme; auch die Darstellung gelang derselben so
ziemlich, in so weit die Persönlichkeit (Dem. Wagner
ist bedeutend gross) nicht behindernd einwirkte. Der
Page wurde nicht fein und sentimental genug gegeben;
eben so auch der Graf Almaviva nicht vornehm genug,
obgleich gut gesungen. Herrn Dettmer's derbe Natur eig-
net sich zum leichten, verschmitzten Figaro wenig, doch
wurde seine beliebte Arie am Schlüsse des ersten Acts
(die Oper wird hier in vier Acten gegeben) da Capo ver-
langt, da der Sänger darin die Stärke und den Umfang
seiner Stimme geltend machte. Ganz vorzüglich war Herr
Dettmer im Gesänge und der würdevollen Darstellung
des Thaddäus (Roseziusko) in C. v. Holte fs „altem Feld-
herrn." Das nationeile Liederspiel wurde von den vielen
hier anwesenden Polen enthusiastisch aufgenommen. Die
als neu angesetzte Posse : Rock und Guste gelangte aus
Rücksiebten nicht zur Aufführung in der Stadt, da we-
gen des bösen Wetters nicht auf dem Bade gespielt wer-
den konnte (sie ist später am 28. d. dort gegeben wor-
den). Jetzt wird Don Pasquale von Donixelti in deut-
scher Sprache einst udirt, worin Hader die Hauptrolle
Sben wird (derselbe ist jetzt indess erkrankt). — Am
r. d. M. Hess sich Fräul. Nissen , Sängerin der italie-
nischen Oper zu Paris* welche auf Empfehlung der Sign.
Viardot- Garcia zur nächsten Opernsaison in St. Peters-
burg engagirt sein soll, hier im königl. Hoftheater in
den Zwiscbenacten mit Arien von Rossini , Bellini und
Donizetti mit Beifall boren. Die Sopranslimme dieser
kunstgebildeten Sängerin ist nicht von besonderer Ton-
fälle, jedoch rein und sehr geläufig, die Höhe leicht an-
sprechend 5 ihr Vortrag lässt indess etwas kalt. Als Con-
certsängerin ist Fräul. Nissen ausgezeichnet, der Volu-
bilität ihrer Stimme wegen. Am Meisten sagte ihrem Ge-
vortrage die Tvrolienne aus der Oper Betly von Doni-
»etti zu. — Herr Ferdinand Griebel aus Berlin war
hier auf der Reise nach Prag und Wien anwesend, und
hat sich am 29. d. als- Violinvirtuos mit dem Artet-
•eben Souvenir de Bellini und Variationen von Delphin
Alard im königl. Hoftheater mit vielem Beifalle hören
lassen. Am letzten Sonntage wurde, statt der angekün-
digten „Regimentstochter," Lortoing's „Wildschütz"
wirksam und belustigend durch Herrn Räder* s (Schulmei^
ster Bacillus) natürliche und drastische Komik gegeben.
Dem. Wagner singt die Partie der Baronin als verkleidetes
Landmädchen recht gut, ohne indess in der männlichen
Travestie so piquant zu effectuiren, als Fittal. Tueseck
in Berlin. Dem. Thiele ist ein niedliches Gretehen. —
Das Sommertheater im Aefcemte'seben Carlen, am
Eingänge des Piauensehen Grandes, wird bei freilieh sehr
selten schönem Wetter viel besucht. Das Leeal Ist zwar
klein, jedoch zweckmässig eingerichtet und bell erleuch-
tet. Auch die Decorationen nnd Verwandlungen genügen
billigen Ansprüchen. Das darstellende Personal ist frei-
lich nur mittelmjfissig , der gnstirende Komiker Christi
indess ein nicht gewöhnliches Talent. Bin humoristisch-
komisches Zeitgemälde: „Drei Tage aus Dresden'* Ver-
gangenheit, Gegenwart nnd Zukunft, " odert „Die Reise
durch drei Jahrhunderte" mit Gesang und Tanz, für die
hiesige Localität von Joseph Christi bearbeitet, mit Mu-
sik von Fr. Glaser, ist ein achtes Produot der Wiener
Volkstheater, reich an Unsinn, doch belustigend durch
Humor und Witz. Die Ouvertüre der „Vergangenheit "
bildete Händets Symphonie zum Alexanderfest , welche
Binz passabel von dem kleinen Orchester ausgeführt wurde,
ie „Gegenwart" deutete passend ein Potpourri der be-
liebtesten Tänze von Strauss an. Die „Zukunft" im
Jahre 1944 konnte Referent nicht erleben , da an dem
warmen Sommerabende die Hitze in . dem überfüllten
Räume unerträglich war. — „Die Stumme von Portici"
wird hier, unter GM. Wagner's Leitung, von Seiten des
Orchesters, Chores und der Scenerie ausgezeichnet ge-
geben. Herr Bielc*i*ky sinrt den Masaniello kräftig,
ist in der Darstellung indess doch nicht mit Tichatscheck
und Bader zu vergleichen. Dem. Allram ist zwar eine
jugendlich anmulhige Penela, dem mimischen Ausdrucke
jedoch nicht ganz gewachsen. Die Partie des Alfous (Herr
Schuster) ist durch Auslassung der Scene desselben mit
dem Vertrauten, und des Duetts im dritten Acte verkürzt.
Als Elvira bewährt sich die Gesangeskunst der Mad.
Kriete aufs Neue. Herr Wächter eignet sich durch sei-
nen energischen Gesang ganz zur Rolle des Pietro. Der
Bolero im ersten Act wird von der hübschen Mad. Peccu
Ambrogio und Herrn Lepitre graziös und kunstfertig
ausgeführt. Die Präcision der lebendigen Darstellung und
die Kürze der Zwischenacte lässt die Vorstellung wenir
über drei Stunden dauern, da solche sonst gewohnlieb
beinahe vier Stunden währt.
Hamburg, im September 1844. Wie die bei Sebu-
berth und Comp, hier erscheinenden Blätter für. Musik
und Literatur in Mo. 33 und 34 des jetzigen Jahrgan-
ges berichten , war von dem Comitä des norddeutschen
Musikvereins, der bekanntlich vor einiger Zeit einen Auf*
ruf zu Einreichung von Originalgfedichten , welche sich
für die Composition eignen , erlassen hatte , unter den
zahlreich eingegangenen solchen Gedichten dreien der-
selben der ausgesetzte Preis, jeder von 6 Ducaten 9 zu-
erkannt worden. Es waren dies: 1) „We ist des Rhei-
nes Hort?" von B. Ernst in Bremen, 2) „Es rauscht
das rolbe Laub zu meinen Füssen" u. s. w. von Erna-
nuel Geibel in Lübeck, und 3) „Die Freude wellte sieb
vermählen" u. s. w. von F. Helms in Altona. In No. 37
und 38 derselben Zeitschrift haben jedoch die Mitglieder
des genannten Comit6 nachträglich erklärt, das« sie sieh
in Folge nicht unerheblicher Zweifel gegen die Autor*
sebaft des Herrn Ernst, welche tum Tbcü durch
665
1844, September. No. 59.
654
«igen« ZogwUtodiuftf Bestätigung erhalten haben, ver-
anlasst «eben, dieses unter No. 1 erwähnte Lied von
der Freisbewerbnng rucksichtheb der Composition auszu-
sohliessen, nnd beschränkt sieb daher die in No. 35 und
36 der Blitter für Musik und Literatur erlassene „Ein-
ladung an deutsche Componisten zur Preisbewerbung"
nur auf die beiden oben unter No. 2 und 3 genannten
Gedichte, welche sich in denselben Nummern wörtlich
abgedruckt finden. Das Gedicht No. 2 ist für eine Sopran-
oder Tenorstimme mit Piaoofoi tebegleil ung in Musik zu
setzen, das unter No. 3 aber in melodramatischer Form
zu componiren, mit gewöhnlicher Orchesterbegleitung (2
Violinen, Viola, Violoncell, 2 Flöten, 2 Hoboen, 2 Cla-
rinetten , 2 Hörner , 2 Fagotts , 2 Trompeten , Posaune
und Pauken). Die Gompositionen beider Lieder sind, mit
einer beliebigen Devise verseben und begleitet von einem
die nimlicbe Devise als Aurschrift führenden versiegel-
ten Couvert, in welchem Namen und Wohnort des
Comnonisten verzeichnet sein müssen, an die Buch- und
Musikalienhandlung von Schubertb und Comp, in Hamburg
oder Leipzig portofrei oder durch Buchhändlergelegenbeit
einzusenden, und zwar die Compositionen des Gedichts
No. 2 bis Mitte November dieses Jahres, die von No. 3
aber bis Ende Juni 1845, die letzteren in Partitur mit
beigefügtem Clavierauszuge. Die eingesendeten Arbeiten
werden sorgfältig geprüft, die besten aber gekrönt und
zur Aufführung gebracht. Der Preis für die gelungenste
Composition des Liedes No. 2 besteht in 6Dueaten; der
gekrönte Componist des Gedichtes No. 3 aber erbalt 30
Ducaten und das Diplom als Ehrenmitglied des norddeut-
schen Musikvereines.
ZüUickau. Am 4. September wurde hier in der Stadt-
pfarrkirche das dritte Musikfest gefeiert (über das erste
und zweite siehe Allgem. Musikal. Zeitung 1840, No.42,
S. 866, und 1842, No. 40, S. 778). Es hatten sieb dazu
die Gesangvereine von Grossen, Grünberg, Meseritz mit
dem des Züllichau - Schwiebuser Kreises und mit dem
Minnerchore des königl. Pädagogiums vereinigt. Das
Ganze stand unter der Leitung des wackern Musikdirec-
tors am Pädagogium, E. Fr. Gabler, der bier wiederum
seine oft erprobte Geschicklichkeit im Dirigiren bewährte.
Die Anzahl aller Mitwirkenden belief sieb auf 180, die
sich zum Tbeil aus einem Umkreise von fünf bis sechs
Meilen hier eingefunden hatten. Wenn man bedenkt, dass
die Mehrzahl der Theilnebmer Lehrer, Cantoren und Or-
ganisten sind, die ihrer Geschäfte wegen und auch wohl
aus ökonomischen Rücksichten sich nicht oft an den Haopt-
orten der Specialvereine versammeln können, so fühlt man
sich um so mehr gedrungen, es ihnen zu grosser Ehre
anzurechnen, dass sie dennoch im Stande sind, so Tüch-
tiges zu leisten, wie es bei diesem Feste geschab. Es
zeigte sieh hier , dass jeden Einzelnen Kraft und guter
Wille belebte, die auch der beste Dirigent eines grossen
Chors durch seine Kunst zu ersetzen nicht im Stande ist
Gegenstand der Auffuhrung waren folgende Sätze: Fan-
tasie für die Orgel, Cdur, von M. G. Fischer (MD.
Gabler) * Choral: Lobe den Herrn, für Männerchor vier-
stimmig bearbeitet von Gabler $ der 8. Psalm für Man-
nerehor und Soll's, vom Jok. Schnabel ? Introduction und
Fuge für die Orgel zu vier Händen, Cmoll, von C. G.
Böppner (Cantor Meyer und Organist Satrade); Hymne
für Minnerchor und Soli's mit Orchesterbegleitung, von
A.Neiihardt; Präludium und Fuge für die Orgel, Ddur,
von A. JV. Bach (MD. Gabler)-, Choral: Nun lob 9 mein'
SeeP den Herrn, für Mäonercbor vierstimmig bearbeitet
von Gabler; Festbymne nach dem 95. Psalm, für Män-
nerchor und Soli's besonders zum Feste componirt von
Gabler ; Largbetto pastorale für die Orgel, von A. Hesse
(Organist Sawade); Hymne nach dem 21- Psalm, für
zwei vierstimmige Minnerchöre mit Orchesterbegleitung
von Fr. Schneider; Postludium für die Orgel, C dur, von
J. fF. Hässler (MD. Gabler). Unter diesen haben die
beiden Choräle auf die erbauliche Stimmung der zahl-
reich Versammelten wunderbar eingewirkt. Bei der Fest«
bymne des MD. Gabler (in Partitur und Stimmen er-
schienen bei Trautwein in Berlin, breite Strasse No.8) ver-
weilte man schon wegen der Neuheit der Composition
und aus Achtung vor dem Componislen mit besonderer
Aufmerksamkeit, die durch die Aufführung herrlich be-
lohnt wurde. Das Auffordernde in den ersten Worten des
Textes: „Kommt herzu 1 " war durch die nach einander
erfolgenden Eintritte der vier Stimmen vortrefflich wie-
dergegeben. Neu und eigentümlich war es, das Bassre-
citaliv mit einem Halbchore begleiten zu lassen, was
eine tief ergreifende Wirkung hervorbrachte, besonders
da der Chor das hier unerlässlicbe Piano gut hielt und
doch zugleich deutlich aussprach. Ungemein lieblich nnd
fromm gebalten ist das Quartelt. Der letzte Chor, durch
dessen Fuge der erste Bass mit dem als Cantus firmus
gesungenen Choral mächtig durchtönte, gab dem Ganzen
einen würdigen und in hohem Grade erschütternden Scbluss.
Auch bei den übrigen Hymnen und Psalmen erkannte
man deutlich die Liebe zur Sache, von der Sänger und
Spieler durchdrungen waren, so wie bei den Orgelstü-
cken die Meisterschaft der Orgelspieler (MD. Gabler,
Cantor Meyer, Organist Sawade). — Die Aeusserungen
der Zuhörer waren durchaus nur der Ausdruck allge-
meiner Befriedigung und von Seiten Derer, die das Fest
höber zu würdigen wussten, wahrhafter Erbauung. —
Im Aeusseren wurde der ganzen Feier eine gewisse Fest-
lichkeit dadurch gegeben, dass alle Mitwirkenden, kennt-
lich durch auf der Brust getragene Festzeichen, sich in
einem Festzuge, an welchen sich der Magistrat und die
Stadtverordneten anschlössen, mit vorangetragener Fahne
der Crossener Liedertafel und unter dem Schalle von Blas-
instrumenten vom Saale des Pädagogiums aus durch die
Stadt nach der Pfarrkirche begeben hatten , die überdies
von den Jungfrauen der Stadt mit Blumengewinden und
Blumensträussen einfach, aber würdig ausgeschmückt wor-
den war. — Ein besonderes Verdienst um die Zuhörer
haben sieb die verschiedenen Gesangvereine noch durch
die vielen Gesänge heileren Inhalts erworben, welche
sie am Abende vor dem Feste im Saale des Ressource-
gebäudes und am Tage des Festes selbst bei dem einfit«
eben Festmahle im Kärger>$cben Saale unter dem unge-
theiltesteu ßeifalle vortrogen. Hier, wie bei dem Musik-
feste in der Kirche, waren die Soli's unter folgende Her-
ren vertheilt: erster Tenors Schmidt, Oberpostsecretlr
63$
1844.: September. No. 39;
in Crossen, Knorr* Lehrer an de* Realschul* in sfetc*
rits,. Mensel, Letrer io GrünboFg; zweiter Teaer:
Schubert, Maiiklehrer ad der Realschale in Mcseritz,
Krane, Center io Grfiohergj. erster Base: thdiwig* Apo-
theker in Griinberg, Arendt* Baninspector in Creisei,
Lemschncr, Lehrer in Greaberg* zweiter B*ss: Ktitsch,
Pastor in Baaefawits bei Meserilz, Po hin* , Lehrer in
Deutsch- Sagar bei Crossen, Vogel* Lehrer in Heiners*
dorf bei Grtinberg.
• Die AsjiiijliifjujTin Sie dstsesl Eeot «wen *oe\ de*
Femtordaarn (MD. Giblor, Dtrccler Hanow> . Corneae*-
cietwaih Harrer* Seperiateooent Karsten 9 Jasüarath
Kraust, ftathsherr Lieber* ttimmeister WeUekke) mit
so vieler Aufopferung» Usasiebt Hftd Zweckmässigkeit
getroffen worden» dass dadurch eilen Postfehern und dam
nebfasieben einheimischen und fremden Zuhörer n ein wab»
rer Hocbgenoas aua diesem dritten MoaiUeste beratet
wurde.
Ankttiidlgnngeii.
Bei F. 15. C Ijeacl&are in Breslau Ist erschienen and
durch alle Bach- und Musikalienhandlungen im beziehen:
Erster Lehrmeister
für den
praktischen Violin -Unterricht
in stufenweise geordneten Hebungen der ersten Posi~
Hon durch alle Tonleitern und Tonarten
Morta"scb«ix,
hönigl. Preus*. Musik* Oireetor.
In drei Lieferungen j jede 20 Sgr. .
Mit den erstem Amfamapa|sjprtii4tom beginnt hier eine
Reihe von Uebnngssiuekeu , welche ganx dazu geeignet find, dem
Schüler die Elemente de« Violinspiels auf die leichteste and ange-
nehmste Weise beizubringen.
Herr Musikdlreetor Schon ist ah Vielinvirtues, als Componist
and Lehrer dieses Instruments so ruhmMeh bekannt , dass sein
Name aüeia schon für die Vortrefflichheit und Bmneehlungswurdig-
heit dieses Werhchens bürgt.
Nächstens erscheint bei Fr. Hofmeister in Leipzig in Partitur
und Stimmen, so tri« im vierhändigen Clavierausxuge :
Kirchliche FestouTcrture aber den Choral : „ Eine feste Burg ist
tauet Gott/* für grosses Orchester, Chor und Orgel, eomponirt
und seiner Vaterstadt Königsberg in Preusseu gewidmet von
Otto Nicolai (erstem Capellmeister des fc. k. Hofoperntheaters in
Wien). Op. 51. (Zum ersten Male aufgeführt bei der Jubelfeier
der Königsberger Universität.)
Im Verlag» teil S. W. xPoMIff ( JfasWsche Bochaudhmg)
ist Leitmerita erscheint mit Bigenlhumswcht «
Kessler* Jf* €?•• Sechs Lieder für eine Singstimnte mit Be-
gleitung des Pianoforte. Op. 22.
Sechs geistliche Lieder für eine Stimme mit Begleitung des
Pianoforte. Op. 35.
Ständchen (No. i) Ar eine Stimme mit Begleiteng des Pia-
noforte. Op. 54. (Ne. 2 — Op. 41 ist bereits erschienen.)
— - — 24 kleine Cadenseu in allen Tonarten , als Introductionen
su allen Compositionen für Pianoforte. Op. 37.
Troll penseee fngitives pour Pianoforte. Op. 86.
Dem etudes de Ceueert. Op. 39. 40.
— — Grande Semite (Eadur). Op. 42.
Six petites valses (Nouvelle suite). No. i — 4.
— — Valse et maxure.
Der Herr Componist ist, schon durch seine vortrefflichen Etü-
de* , In der höhen musikalischen Welt so veHheUhaft bekannt,
dem es einer fianpSehtung vorstehender Werbe , die ueoh langem
Stillschweigen den Freunden seiner Muse willkommen sein wer»
den, nicht bedarf.
In demselben Verlage erscheinen femer folgende Werbe , Zur
FEefioe mit Begteitmny der PimnoforU* etex» auspeeefehejeten Dust»
Unten» welcher durch früheres öffentliches AuAneten in Italien, so
wie auch durch mehrere Aufsitze ia der AUgem. MusikaL Zeitung
bekannt geworden ist:
!vf aKl. JDr« JÄOiS, VariatSous sur un theme de Bellini. Op. 5.
— — Conoertino sur des motirs de Paganiui. Op. 4.
* Kendo aUn Polacea. On. 5.
— — Variationen auf der G - Saite. Op. 6.
Fant, et varlations sur des themes de fOp. Otello. Op. 7.
Fant, et variaL sur des themes de l'Op. Les Hqguenols (de-
diees i M. Mey erbeer). Op. 8.
— — Fantatstc ruase. Op. 9.
Varialions sur uu theme de Donixelti. Op. 10.
Concerto fantastico (mit eingelegter Cadens über das öster-
reichische Volkslied). Op. it.
Vorstehende Werke für die Violine meiehneu sich durch Be-
gann und Geschmack, so wie auch musikalische* Werth besonders
ans» eignen sieh nam e ntli ch sehr xu Cooccrtvorlrigeu und sind
deshalb allen höheren Violinspielern sehr xu empfehlen.
So eben erschien bei Unterzeichnetem t
Impromptu, J¥o. 2 9
pour Piano
Leipzig,
P**__
ye»
65. Preis 10 Ngr.
F. Wbtntlltie;.
Charte» Mayer«
Op. 65. Pr
September 1844.
Im Verlage von €?. JU H.lesmsm in Leipsig sind er-
schienen i
Co T. JBrunner 9 *
iAstracüve CompositJ«oeu för Piaaoforte vierhändig.
Op. II. Bouquet musieal. Pieees divertissaates et fanstruetives.
1* Ngr.
M 14. Guirlande musicale* 4 Pieees amüsantes et instruetires.
20 Ngr.
„ 15. Triolet musieal. 3 Pieees en forme de Valses. 20 Ngr.
„ 51. 6 leichte Rondo's Aber beliebte Opetothemn's. W#. 1 —
6. a I2i Ngr.
„ 57. Erheiterungen Cur die Jugend. Kurze und leichte Piecea.
No. 1—5. a 7i Np.
„ 44. Fantasie aus DonizcttCs fochter des Regiments. 20 Ngr.
„ 55. Kleine melediscne Vebungsstüebe. 15 Ngr.
Nöchst der ntrentj methedisehen Simftnifoimi , wobei audb die
Anforderungen au die Meinen Uftftde des AaSngum sieh «neb und
naeh steigern, sind alle Gompoaitiouen äusserst wehlhlingejid, an-
sprechend und voll Melodie.
Dmek und Verlas; ton Breitkopf und Härtet io Leipzig umd unter deren VeiutwwÜiehkslU
657
6d8
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 2 te » October.
M 40.
1844.
Imhaltt JtetctmW». — Dficknchten: Au* RadoUtadt. Ans Ciase!. Aas Leipzig. — Feuilleton. — Jmkündigungen.
R E
CENSIONEN.
Mose, Oratorium aus der heiligen Schrift von Adolph
Bernhard Marx. Ciavierauszug vom Componisteo.
Leipzig, bei Breitkopf und Härtel. Preis 7 f blr.
Die Erscheinung des vorliegenden Clavieranszugs war
dem Referenten eine um so willkommenere, mit je grös-
serem Interesse er voriges Jahr jenes wahrhaft geniale
Werk bei seiner Aufführung in Erfurt gehört und je mehr
es ihn damals entzückt und begeistert hatte. Mit wah-
rem Heissbnnger fiel er daher über diesen, vom Verfas-
ser selbst mit grossem Fieisse bearbeiteten Ciavierauszug
her, und er fohlt sich zu der Versicherung gedrungen,
dass ihm seit langer Zeit nicht leicht ein anderer einen
reicheren, gediegeneren und nachhalligeren Rnnstgennss
bereitet bat. Wenn es ganz unstreitig ein Hauptmerkmal
eines ächten Kunstwerkes ist, dass es uns bei anhalten-
der Betrachtung immer lieber wird, bei forlgesetzter Un-
tersuchung seines Aufbaues und seiner Gestaltung, im
Ganzen wie im Einzelnen, immer reichere Schönheiten
offenbaret und immer manoieb fächere Zuge des Genius
entfaltet, während jedes Unechte, trotz alles Blend - und
Plitterwerks, mit welchem es geziert erscheint, bei nä-
herer Prüfung immer mehr in seiner Aermlichkeit und
ßlöse sich darstellt, so hat sich wenigstens uns das Ora-
torium Mose in jener Beziehung von Tag zu Tag immer
reicher bewährt, und wir können mit voller Zuversicht
versichern, dass es sich auch in dieser Gestalt, in
welcher wir es mit einem sorgfältig ausgeführten, die
Hauptzüge eines grossen Originalgemäldes treu wieder-
gebenden Kupferstiche vergleichen möchten, alle Musik-
freunde für sieb einnehmen wird, die nicht zum Voraus
in ungerechter Weise gegen den Verfasser eingenom*
men sind, and die sich in ihren Kunstbostrebungen von
süsslicher Modeländelei, affectiver, augenverdrebender
Frömmelei, lüsterner Ueupigkeit fern, and dagegen Ohr
und Gemüth , Sinn und Verstand für ächte Kunst offen
erkalten haben. Ja, wir müssen zumal die Dilettanten
nnter unseren geehrten Lesern geradezu auffordern, sieh
zunächst mit diesem höchst interessanten Werk im Cla-
vieraoaznge bekannt zu machen; denn zu eigenlbüm-
lich in seiner, wie ans Einem mächtigen Gusse geform-
ten, die gewohnten unleidlichen Gemeinplätze des Orato-
riums auf uns Glücklichste vermeidenden Struclnr, und zu
46. Jaki-gang.
reich an zum Theil liefer liegenden interessanten und
geistvollen Zügen, um sogleich beim ersten Anlaufe sich
in seinem ganzen Reichthume, in seiner vollen Grösse,
Tüchtigkeit und Gediegenheit zn enthüllen, wird es, ist
man zuvor mit ihm am Ciavier gehörig vertraut gewor-
den, bei der Aufführung im vollen Orchester einen um so
vollkommeneren Kunstgenuss gewähren.
Da dem Vernehmen nach binnen Kurzem auch die
Partitur erscheinen wird, so sparen wir eine ausfuhrli-
chere Besprechung dieses geistvollen Werkes, das es wohl
verdient, zu allgemeiner Verbreitung zu gelangen, bis
dahin auf, und weisen hier nnr noch auf einige Nummern
hin, welche zur Aufführung am Ciavier auch in engeren
musikalischen Kreisen vorzüglich geeignet erscheinen. Es
sind folgende : No. 6, Arie der Mirjam (Sopran) mit Chor
der Jungfrauen, sehr ansprechend und leicht ausführbar;
No. 7, Baritonsolo (Aaron) mit kurzem, leichtem Chor für
drei Männer- und dann für zwei Sopranstimmen; No. 8,
Arie des Mo9e (Bass), dramatisch effectvoll und dem Sän-
ger keine besonderen Schwierigkeiten bietend; No. 10,
Arie der Miriam ; No. 12, Duett (Mose mit Aaron) mit
Chor; No. 16, Arie der Königin (Sopran), sehr anspre-
chend und für die Sängerin belohnend; No. 18, Cavaline
(Alt) der Mutter der Pharaonen; No. 19, Quartett; No.
23, Arie für Tenor ; No. 26, Scene des Mose mit Chor.
Orgelcompositionen .
1) Zwei Orgelfugen mit drei Suhjecten, componirl und
seinem Lehrer Herrn Dr. Rinck zugeeignet von J.
Zundel % Organist an der St. Annenkirche in Peters-
burg. Op. 4. Mainz, bei Schotl's Söhnen. Pr. 27 Kr.
2) Zwölf leichte Vorspiele zu den allgemein gangbarsten
Chorälen der evangelischen Kirche auf der Orgel mit
und ohne Pedal zu spielen von J. Jäger, Organist in
Schlitz. 2. Heft. Ebendaselbst. Preis 36 Kr.
3) Practiscbes Hilfsbuch für Organisten von J. C. Her-
zog* Organist an der protestantischen Stadlpfarrkircbe
zn München. Op. 10. In 8 Heften, jedes 36 Kr. In
einem Bande 4 PI. 12 Kr. Ebendaselbst.
No. 1 bietet zwei recht gelungene schätzbare Fo-
genarbeiten, welche mit Achtung gegen den Verfasser er-
füllen, der in dem fremden Lande in sehr würdiger Weise
die deutsche Orgelkunst sn vertreten scheint«
40
639
1844. October. No. 40.
660
No. 2, Diese zwölf Vorspiele, in einem frei figurir-
ten, gebundenen Style und in einem ansprechenden ge-
fälligen Tone gehalten, eignen sich bei ihrer leichten Aus-
führbarkeit vorzüglich für Anfanger. Im fünften Vorspiele
hat sich der Verfasser die Sache doch ein wenig gar zu
leicht gemacht. Solche Sächelcben vermögen am Ende
auch wohl minder Geübte selbst zu schreiben , ja zu ex-
temporiren.
No. 3. Eine sehr schätzbare Sammlung von Vor-
und Nachspielen, Fugen, Fughetten, Canons, Fantasieen,
Chorälen, Cadenzen, Modulationen u. s. w. aus den ge-
wöhnlich vorkommenden Dur- und Molltonarten, nicht aus
fremden Werken zusammengetragen, sondern von dem
Herausgeber selbst componirt, welche es wohl verdient,
in recht viele Hände zu kommen. Sie ist eine der instruc-
tivsten, welche wir kennen, und Anfänger wie weiter Vor-
geschrittene werden sie mit Nutzen gebrauchen. K.
Für Piano forte.
Rocket, Ed. y Deux Caprices. Op. 3. Preis 10 Ngr.
Rgveries. Op. 6. Preis 15 Ngr.
Deux Bomances. Op, 7. Preis 15 Ngr. Sämmt-
lich bei Breitkopf und Härtel in Leipzig.
Es sind dies die ersten gedruckten Werke, welche
uns von dem Contponisten zu Gesicht kommen; bekannt
ist er uns schon aus den hiesigen Abonnementconcerten,
wo er sich als Ciavierspieler, früher und in letzter Sai-
son, Beifall erwarb. Die Wahl des daselbst zu Gehör Ge-
brachten, so wie seine eigenen Arbeiten, deuten auf Soli-
dität und es wird ihm bei anhaltendem Streben nach Ver-
vollkommnung in der Composition das Gelingen nicht ent-
gehen. Die drei vorliegenden Werke enthalten : Op. 3 ein
AHa polacca, nicht nninteressant und gut wirkend, nur
hätte der Scbluss anders motivirt und nicht die ganze
erste Seite wieder abgeschrieben werden sollen, damit
eine Steigerung herbeigeführt worden wäre; so wie ein
k la Styrienne, welches uns, um ein Opus zu füllen,
etwas unbedeutend erscheint, übrigens doch vor vielen
derartig bezeichneten Sächelcben bevorzugt zu werden
verdient, da es melodiös und recht hübsch geschrie-
ben ist.
Op. 6, beiläufig nach dem Titel : BeVeries — Noctur-
nes, enthält aber blos ein Nocturno. Ein Motto belehrt
uns, dass in diesem Tonstücke geschildert werden soll,
wie im abendlichen Glänze der Sterne, ans weiter dunk-
ler Ferne, so mancher Klang in unsre Brnst, sie mit
Weh' und Lust erfüllend, zieht. Hier hat sich der Com-
ponist den Text vorgeschrieben ; ist er von ihm im Ton-
stücke beachtet, oder ist er, wie die Motto'* mancher An-
derer, ein bioser Ausputz? Wir müssen gestehen, dies
nicht gefunden zu haben ; es hat uns dieses Werk viel
Freude gemacht und wir sind der Hoffnung, dass es auch
Anderen welche bereiten wird. Melodie und Arbeit las-
sen nichts zu wünschen übrig, die Form verräth siche-
rere Hand, als beim oben erwähnten Opus. Beim Schlüsse
des ersten Theiles konnte* jedoch die Wiederholung des
Hauptmotivs (Seite 5) wegbleiben und dafür das des ihm
vorhergebenden Agilalo noch weiter benutzt, dann in die
Grundtonart tranquillo übergegangen und mit dem hier
befindlichen Anhange geschlossen werden. Nach dem er-
regten Mittelsatze tritt dann das Hauptmotiv, neu um-
spielt, recht befriedigend auf, und schliesst eben so in
Bezug auf den ersten Tbeil. Seite 10, Tact 5 und fort,
so wie bei der folgenden Transposition, hätten wir lieber
ein b vor a und später vor d gesetzt, bei dem Beginne
des Capriccio Seite 6 lieber den Orgelpunct d festgehal-
ten, anstatt die Quinten zu wechseln.
Op. 7 enthält zwei Bomanzen, die erste : il lamento,
die zweite : la consolazione — betitelt. Die erste, ihrem
Character nach herbe, ist es manchmal nur zu sehr ; diese
Herbigkeit hätte durch andere Figurationen leicht gemil-
dert, eben so die durch letztere wieder herbeigeführten
Quintenverhältnisse der Oberstimme vermieden werden
können (System 2, 8 — 9).
Die zweite Romauze wirkt recht versöhnend auf die
Härte der ersten und möchten beide Stücke aus diesem
Grunde gleich nach einander gespielt werden. Zugleich
finden wir aber den Componislen sieh zu wenig selbstän-
dig bewegen ; möge er von der Idee , in der oder jener
Manier jetziger Clavierkünstler zu schreiben, wieder ab-
kommen! er wird verstehen, was wir meinen, zumal bei
genauer Betrachtung von: la consolazione. Uebrigens
finden wir bei diesem Stücke eine mangelhafte Perioden-
bildung; der siebente Tact muss zu zweien verlängert
werden, wodurch acht volle, eine Periode von acht Tac-
ten entsteht, der achte wird dann zum neunten oder
Zwischensalze zur Wiederholung. Der Verfasser wird das
in Ordnung finden, da sein Vordersatz vier und daher
auch billig der Nachsatz vier Tacte enthalten muss. Die-
ser Mangel kehrt allemal beim Erscheinen des Thema's
in dem Nachsätze wieder und stört das Gehör jedesmal.
Sämmtlicbe Composilionen machen keine grossen Anfor-
derungen an den Spieler (Op. 3 ist gar leicht zu nen-
nen) und werden in dieser Hinsicht willkommen sein.
Seite 7, System 4, Tact 2, muss das eilfte Achtel im
Basse eis heissen.
Lysberg, Ch. B. de, Barcarolle. Op. 7. Preis 12y a Ngr.
Andante. Op. 12. Preis 10 Ngr.
Quatre Bomances sans paroles. Op. 15. Pr. 10 Ngr.
Sämmtlich bei Fr. Hofmeister in Leipzig.
Unter diesen drei Piecen sind die Bomanzen das Mu-
sikalischste, sie haben Form und sind, was sie sein sol-
len. Im Allgemeinen sind die Lysberg'schen Stücke reckt
klingend und werden sich, zumal die Barcarole und das
Andante, bei Bravourspielern Freunde erwecken, wel-
chen wir sie empfehlen. In Hinsicht der Composition je-
doch haben uns die Bomanzen zum Theil am Meisten be-
friedigt. Die Barcarole und das Andante gehen zu sicht-
bar auf Effeet aus, so dass man letzteres auf den ersten
Anblick kaum für ein solches halten dürfte. Doch der
Name tbut nichts zur Sache; des Verfassers Vorbild ist
Liszt, Schreibart und Durchführung der letzterwähnten
Sätze zeugen. dafür, doch sind dieselben unendlich wohl-
klingender, als dessen Arbeiten. Die SchlusaUete der
661
1844. Octobcr. No. 40.
662
zweiten Romanze , so wie Taet 4 — 6 der Iolroduciion
des Andante, wirken leer und übel. —
Melcliert, J. , Deax morceaux de Salon. Op. 11. Ham-
burg, cbez A. Cranz. 14 Ggr.
Diese zwei Morceaux bestehen in einem Audanle
(la melaneolie) und in einem Rondo brillant (la gaicle).
In ersterem Satze haben wir nichts Melancholisches ent-
decken können, das zweite entspricht seiner Bezeichnung,
ist sehr munter und macht in Verbindung mit seinem Vor-
ginger guten Effect. Beide Stucke haben uns überhaupt
recht angesprochen; sie sind frei von Schwulst, in ge-
sundem fliessenden Clavierstyle geschrieben und als Sätze
eigener Erfindung jetzt seltener anzutreffen. Geläufigkeit
wird zwar gefordert, aber keine besonderen Schwierigkei-
ten geboten, so dass sie, wenn auch nicht zu Salonvor-
trägen, doch zam Unterrichte verwendet werden können.
Dohler , 2%., Fantaisie sur des motifs de l'Opera: Sa-
pho de Pacini. Op. 49. Leipzig, cbez Breitkopf et
tiärtel. Pr. 1 Tblr. 10 Ngr.
Dass man hier eine Fantasie nach jetzigem Ge-
schmacke mit aller Brillanz und allen Effectmitteln vor
sich habe, verspricht, ohne dass man hineinsieht, der
Name Döhler, und beim Durchgehen stösst man auch
überall auf dergleichen. Gewöhnt, durch jetzige Fanta-
sieen nur für Augenblicke überrascht zu werden, machen
wir in künstlerischer Beziehung auch keine grösseren An-
forderungen an diese ; warum sollten wir es auch ? Thal-
berg'sche Fantasieen verfehlen nie ihre Wirkung auf ei-
nen gewissen Znbörerkreis zu äussern, und da sich die
in Rede stehende diesen würdig anschliesst, so wird ihr
eine gleiche Theilnabme nicht entgehen. Mögen sich un-
sere eifrigen Ciavierspieler mit dieser neuen Gabe bekannt
machen.
Seite 23, System 2, vom zweiten Viertel an, muss
der Violinschlüssel, und Seite 26, System 2, Tact 1, im
dritten Viertel muss das fe vor Des gesetzt werden.
Duverncyy J. B. t Fantaisie sur Follette. Op« 131. Preis
15 Ngr.
Les Roses de Noel, Valses. Op. 132. Pr» 15 Ngr.
Une pensee de Bellini , Var. ä 4 mains. Op. 129.
Pr. 20 Ngr. Sämmtlieh bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig«
Duvernoy, in die Fusstapfen Herz's und Hünten's tre-
tend, hat sich in neuerer Zeit bei einer grossen Zahl Di-
lettanten recht beliebt gemacht. Vorstehende Heftchen
bringen in Op. 132 fünf Walzer und" eine Coda, in Op.
131 eine Introduction und Rondo valse (die Bezeichnung:
Mouvement de valse, Seite 4 ist eigentlich gar keine,
denn sie zeigt nur die Bewegung, nicht die Gattung
des Stücks an), in Op. 129 eine Introduction und Varia-
tionen zu vier Händen über ein Bellini'sches Thema. Sie
sind alle drei recht angenehiö, das zn vier Händen zu-
mal allerliebst und, für die Kräfte minder geübter Spie-
ler berechnet, sehr zu empfehlen.
Ender, J. N. 9 Rondo pastorale. .3. Werk. Cassel, bei J.
Luckhardt. Preis x / 2 Tblr.
Die specielle Bezeichnung: Pastorale rechtfertigt sich
zwar in dem Werke nicht, aber es ist uns ohne dieselbe
wegen seines Wohlklanges und seiner sauberen Schreib-
art nicht minder werth. Eine Bemerkung können wir
aber zu machen nicht unterlassen : dass uns nämlich die-
ses Rondo in seiner Melodie- und Passagenführung sehr
violinmässig, wie ein Violinsalz mit Tutti's vorkam, z. B.
Seile 4 — 5, auf welcher letzteren Seite einige Tacte so-
gar an auf der Violine schou Gehörtes erinnern. Es soll
dies kein Tadel sein, sondern wir erkennen daraus, dass
der Verfasser, welcher gewiss auch Violinspieler ist,
strebte, den der Violine eigenen Gesang auf dem Claviere
wiederzugeben, welches ihm, so viel möglich, auch gut
gelungen ist. Uebrigens ist das Ganze claviermässig be-
handelt, was wir zu erinnern nöthig finden, da manches
aus der Hand eines Violinspielers Kommende etwas hol-
pricb fur's Ciavier ausfällt.
Schtiebner, A. , Sonate. Op. 1. Berlin, bei C. A. Cbal-
lier. Preis 1 Thir.
Der Anfang dieses Op. 1 war uns so seltsam, dass
wir auf eine erste Missgeburt gefasst waren, was man
uns nach Einsicht folgender Citate des ersten Satzes nicht
verargen wird.
Allegro ma non troppp.
Welch' hassliche Klänge tönen uns da entgegen! Doch
mit Vergnügen wurden wir in der Folge gewahr, dass
diese wenigen, bei der Repetition leider nochmals peini-
genden Tacte der einzige Auswuchs der ganzen Sonate
seien ; wie leicht konnte dieses geändert werden und der
erste Satz mit dem neuen Motive des zweiten Theils des»
selben beginnen !
Die Sonate besteht ans vier Sätzen : Allegro, D dur,
C-Tact, Adagio, Gmoll, C-Tact, Menuett, Allegro non
troppo, Gdur, %-Tact, Rondo, Allegro molto, Ddur,
%-Tact, und hat die seltene Eigenschaft, dass jeder der
Sätze immer klarer, runder erscheint, als sein Vorgän-
ger, so dass wir am Schlüsse der ganzen, sehr gefälli-
gen, wohlklingenden Sonate mit dem Componisten, des-
sen Vorbild Haydn — Beethoven war, wozu wir ihm Be-
ständigkeit wünschen, ausgesöhnt waren.
Der Druck, obwohl deutlich und schön, ist zuwei-
len etwas incorrect. Herrmann Schettenberg.
605
1844. October. No. 40.
664
Nachrichten.
Rudohladt. Am 5. August feierte der nunmehrige
Concerl meisler Herr Sommer , erster Waldbornist der
fürstlichen Capelle, eben so geachtet als Künstler, als ge-
liebt im geselligen Umgänge, sein 50jäbriges Dienstjubi-
la um. Schon früh 6 Unr wurde der verdienstvolle Jubi-
lar vom Harmoniemusikcorps durch den Choral; „Nun
danket alle Gott 1 ", auf welchen noch einige grössere
Musikstücke folgten, feierlichst begrüsst, worauf um 9 Uhr
die ganze fürstliche Capelle ihm ihren Glückwunsch dar-
brachte. Um 1 Ubr versammelte man sich zu einem ihm
zu Ehren veranstalteten festlichen Mittagsmahle im Gast-
hause zum Ritter« wobei unser verdienstvoller, rühmlichst
bekannter Capellmeister, Herr Müller, die Anordnung
getroffen hatte, dass die Tafelmusik mit derselben Haydn-
schen Symphonie aus C, 8 / 4 -Tact, eröffnet wurde, in wel-
cher der Jubilar vor fünfzig Jahren seine Probe abgelegt
hatte. Hierauf sprach Herr Capellmeister Müller* der auch
die treffliche Composition zu einem von Herrn Justizrath
Eberwein verfertigten Festgedichte, das mit grossem
Enthusiasmus gesungen wurde, geliefert hatte, in einfach
herzlichen Worten die allgemeine, warme Anerkennung
der Verdienste des Jubilars aus, und überreichte ihm,
nebst einem Pokal, ein Decret des durchlauchtigsten Pur-
sten, durch welches er zum Concertmeister ernannt wurde.
Die Freude des festlichen Tages wurde für alle Tbeilneh-
menden vorzüglich dadurch erhöht, dass sich der Herr
Jubilar einer so rüstigen Gesundheit zu erfreuen bat,
dass er wahrscheinlich noch lange im Stande sein wird,
mit ungeschwächter Kraft und Sicherheit sein Amt zu
verwalten.
Seit dem 20. d. M. erfreut uns das Personale des
Sondersbäuser Hoftheaters mit seinen Vorstellungen. Eine
junge, hoffnungsvolle Sängerin, Fräul. v. Marra, gastirte
dabei zwei Mal im Liebestrank und Lucia von Lammer*
nioor mit ausgezeichnetem Beifalle.
Cassely im August 1844. Am 15. Mai d. J. fand im
Saale des Stadtbaues, zu einem wohlthätigen Zwecke, die
zweite Aufführung von Sophocles' „Antigone" mit Men-
delsso kn's Musik Statt, welche sich der nämlichen Theil-
nahme von Seiten des gebildeten Auditoriums, wie die
erste im October v. J. durch die Anwesenheit der deut-
seben Philologen veranlasste Production des interessan-
ten Werkes zu erfreuen hatte. Obgleich die zu den bei-
den Aufführungen gewählten Darstellungsmittel insofern
beschränkt genannt werden können, als die Dichtung vor-
gelesen und die Musik im Ciavierauszug aufgeführt wurde«
uo war dennoch die Executirung — und zwar vorzugs-
weise die letztere — eine sehr gelungene und cffect-
reiche. Um dieselbe machte sich auch diesmal wieder als
Leotor Herr Hofrath Niemeyer und als Musikdirigent Herr
Hofcapellmeister Spohr verdient; die Chöre für Männer-
stimmen wurden von Mitgliedern der Singacademie und
des Cäeilieavereins sehr lobenswerth ausgeführt. In Be-
treff der Composition, über welche wir uns, so weit es
die erwähnte Darstellung zuliess, in eiuea vorjährige»
Bericht in diesen Blättern geäussert haben, sind unter
den hiesigen Musikfreunden verschiedene Ansichten her-
vorgetreten. Dieselben würden sieh unserer Meinung nacb
nicht dergestalt verschieden gebildet haben, dass die Ei-
nen sich hier für das Antike, die Anderen gegen das Mo-
derne in der Musik ausgesprochen hätten, wenn die In-
strumentalpartie des Tonwerkes vollständig zu Gehör ge-
bracht worden wäre. Denn in der That tritt dieselbe,
insbesondere zu den einfacheren, bisweilen unisonen Vo-
calsätzen, in welchen Viele einen absolut antiken Cba-
racter erkennen, so vermittelnd ein, dass dadurch man-
chem späteren und in Folge musikalischen Fortschreitens
entstandenen Bedürfniss entsprochen wird und vorzugs-
weise Das, was in dem Vocalpart, abgesehen von den»
ihm gegebenen instrumentalen Gewände, als musikalisch
antik zu bezeichnen sein möchte, der Zeit nach wiederum
so viel näher gerückt erscheint. Daraus geht denn wohl
deutlich hervor, dass es nicht die Absicht des Componi-
sten war, eine absolut antike Musik zu dieser Dichtung
zu schaffen, noch weniger aber derselben durch eine mo-
derne Composition gleichsam einen fremdartigen und je-
denfalls unverträglichen Zusatz zu geben, sondern haupt-
sächlich einzelne Effecte der Dichtung durch beigefügte
ebaracterisüsebe Tongemälde zu erhöben , und die Dich-
tung überhaupt eben zum Tbeil durch die Musik selbst
in einer unseren Bedürfnissen entsprechenden Weise zu
einer lebendig wirksamen Darstellung zu bringen«
Auf Veranlassung des Gastspiels des Herrn Perlgrund
vom Hamburger Stadttheater kam am 11. Juni Kreutzer'*
beliebte Oper „Das Nachtlager in Granada" zur Auffuh-
rung. Das allgemein ansprechende und vorzugsweise me-
lodieenreicbe Tonwerk verfehlte, obwohl schon oft bei
uns gehört, doch auch diesmal bei dem grösseren Publi-
cum seine Wirkung nicht. In welch' hohem Grade ein-
zelne Mitglieder unseres Opernpersonals, namentlich Fräul.
Edfr in der Partie der Gabriele und Herr Biberhof er in
der des Jägers, sich schon seit geraumer Zeit die Gunst
des Publicums erworben haben, bewies die Auszeichnung,
welche ihnen auch diesmal wieder zu Theil wurde, un-
geachtet ihre Leistung gegen früher zurückstand. Na-
mentlich gilt dies von den Piecen des ersten ^Vcles, welche
so zu sagen nur gerade durchgesungen wurden, ohne dass
die einzelne^ Vorzüge der Composition in demselben
Grade, wie bei früheren Aufführungen, hervortraten. Weit
mehr Befriedigung gewährte uns die Darstellung des zwei-
ten Actes von Seiten der erwähnten Künstler; insbeson-
dere zeichnete sieh Herr Biberhof er in der Solopiece mit
obligater Violine wieder vorteilhaft aus. Von etwas ge-
ringerer Bedeutung, als die beiden oben genannten Par-
tieen, ist bekanntlich die des Gomez, mit welcher Herr
Perlgrund sein Gastspiel eröffnete« Die natürlichen Vor-
züge dieses Sängers, welche insbesondere in der Arie
des zweiten Actes sich wahrnehmen Hessen, bestehen in
einem festen, egalen und klingenden Ton innerhalb der
mittleren Begion seines Tonumfangs, in einer natürlichen
Anlage zum Verbinden der Töne und in einer wohltuen-
den Deutlichkeit der Aussprache. Dagegen rechnen wir
zu den Mängeln desselben eine bisweilen zu breite Vo-
calisation, eine noch nicht ausreichende Intensität des
Tonklanges, eine nicht immer gleich genaue Intonation
und eine, wenn auch gerade nicht verbildete, doch min-
685
1844. October. No. 40.
666
destens noch nicht ausgebildete und kunstgerecht entwi-
ckelte Tonformation, deren Schwankung in der höheren
Lege an Deutlichsten hervortritt. Der Erfolg des derma-
Jigcn Debots war zwar bei dem hiesigen Publicum dem
Anscheine nach nicht unbedeutend, indem Herr Perlgrund
neben Fräul.. Bder und Herrn Biber Atffer nach Beendi-
gung der Vorstellung gerufen wurde; doch wir sagen:
dem Anscheine nach» weil wir wohl zuverlässig anneh-
men dürfen, dass weit mehr, als durch die Leistung des
Debütanten,, durch die tbeilweise gelungene Produktion
des Fräul. Eder und des Herrn Biberhof er, und wohl
noch mehr durch die Erinnerung an frühere gelungenere
Darstellungen der nämlichen Rollen von Seiten der ge-
nannten einheimischen Künstler» das Publicum zu der er-
wähnten Auszeichnung veranlasst wurde. — Bei dem
zweiten Debüt des Herrn Perlgrund in der etwas be-
deutenderen Partie des Rodrigo in der Oper Otello von
Rossini, welche am 16. zur Aufführung gelangle, traten
sowohl die bereits erwähnten Vorzüge, als auch die Män-
gel des Sängers noch merklicher hervor. Als die ibm am
Meisten gelungene Piece nennen wir das Solostück im
zweiten Acte, welches er im Ganzen recht angenehm und
insbesondere mit mehr Ruhe und Sicherheit, als die übri-
gen Nummern seines Partes, vortrug. Was die Darstel-
lung der anderen Rollen betrifft, so verdienen vorzugs-
weise Herr Derska (Otello) und Präul. Low (Desdemona)
rühmlich erwähnt zu werden. Herr Derska führte seine
Partie, wenn gleich nicht allezeit mit der dazu nötbigen
Kraft und Energie, doch mit viel musikalischer Einsicht
und gebildetem Geschmack aus. Fräul. Low hatte ihre
Rolle fleissig studirt und vermochte ihren Tönen, wenn
auch nicht stets das erforderliche Colorit, doch eine dem
Obre wohlthuende Klangfarbe zu geben» Herr Föppel
maebte sich uns in der Partie des Brabanzio recht schätz-
bar. In Betreff der Leistung des Herrn Biberhofer (Jago)
haben wir zu bedauern, dass er in dem Recitativsatz bei
seinem ersten Auftreten, wie auch in dem Duett mit Ro-
drigo sich auffallende Fehler gegen die Reinheit der In-
tonation zu Schulden kommen hess. Der Vortrag des Fräul.
Miller (Emilie) zeiehnete sich vor den meisten ihrer frü-
heren Leistungen durch eine angemessene Tonbildung,
mehr Weichheit des Klanges und mehr Deutlichkeit der
Aussprache vorteilhaft aus« Auch der Chor und das Or-
chester gingen im Ganzen recht gut zusammen. — Dies
war die letzte Oper vor dem Beginne der Theaterferieu,
welche in der Regel um die Mitte Juni ihren Anfang neh-
men und ungefähr sechs Wochen dauern. In diesem Jahre
blieb die Bühne vom 19. Juni bis zum 1. August geschlossen.
Am 12. Juli gab der Organist an der Brüderkirche
faierselbst A* Uerrstell in der St. Martinikirche ein Or-
gelconcert, in welchem ausser den für die Orgel compo-
nirten und arrangirten Tonstücken auch einige von meh-
reren aefatbaren Dilettanten (Mitgliedern der Singacademie
und der Liedertafel) übernommene Gesangpiecen vorge-
tragen worden« Von Herrsteif s eigener Composition hör-
ten wir: Psalm 26 für eine Siagstimme mit Oqg elbeglei-
tnng, eine Fuge für die Orgel, und einen Voealsats „Tc
ergo qnaeaomus" für zwei Chöre und Orgel, sämmllich
Musikstücke, die ihrem Werthe nach einer mittleren Gat-
tttog angeboren, indem sie, wenn auch nichts Ausge-
zeichnetes, doch viel Ansprechendes enthalten und, wenn
schon das erste derselben, welches uns als das werth-
vollste erscheint, nicht durchweg im strengen Style ge-
balten ist, gleichwohl alle ein vollgiltiges Zeugniss von
des Verfassers hinlänglicher Vertrautheit mit seinem In-
strumente ablegen« Ausserdem kam noch Folgendes zur
Production: eine Fuge von 5. Bach, der Choral „Eine
feste Burg ist unser Gott,* 4 bearbeitet von Kühmstedt,
Mozarts Fantasie in C moll für Pianoforte, und das „Re-
cordare" aus seinem Requiem, beide Werke für die Or-
gel eingerichtet, und zum Schlüsse des Coucertes Varia-
tionen über ein Thema (No. 9, Marcia in Fdur) aus Mo«
xarfs Zauberflöle. Die ausserdem noch zu Gehör ge-
brachten Vocalsätze mit Orgelbegleitung bestanden in zweien
der Beethoven'&chen sechs Lieder von Geliert für eine
Singstimme mit Pianofortebegleitung , nämlich in No. 2
„Gott deine Güte reicht so weit*' und No. 5 „Die Him-
mel erzählen des Ewigen Ehre," welches letztere, ab-
gesehen von der gewählten Orgelbegleitung, auch in Hin-
sicht auf den Gesangpart nicht in seiner ursprünglichen
Form, sondern von einem Chore von Sopran, Alt, Tenor
und Boss ausgeführt wurde. Das vierstimmige Arrange-
ment dieses Liedes war mit Ausnahme des Tonsatzes in
den Worten: „Wer trägt der Himmel unzählbare Sterne?
Wer führt die Sonn' aus ihrem Zelt?" treu aus der
Pianofortebegleitung entnommen und darum von guter
Wirkung. In allen hier angeführten Arrangements für die
Orgel haben wir die geschickte und angemessene Behand-
lung des Instrumentes von Seiten des Künstlers rühm-
lichst zu erwähnen, der sich in seinem Spiele zwar nicht
durch eine eminente Fertigkeit, aber durch Reinheit, Prä-
eision und Bündigkeit auszeichnete, — einiger unbedeu-
tenden Störungen nicht zu gedenken. Zum Zwecke der
Ausführung der oben genannten Compositionen hatte der
Concertgeber das sowohl in Hinsicht auf Vollständigkeit,
als auch auf Reinheit und Wohlklang ausgezeichnetste
Orgelwerk gewählt, welches Cassel besitzt. So wenig
wir auch im Allgemeinen den musikalischen Arrangements
und vorzugsweise denen für die Orgel das Wort zu ro-
den vermögen, so geben wir doch gern zu, dass derglei-
chen Bemühungen nicht minder, als der Vortrag wirk-
licher Orgelcompositionen, häufige Abwechselung und ein-
sichtsvolle Wahl in der Mischung der Register erhei-
schen, weil Tonstücke, welche nicht ursprunglich für die
Orgel gedacht sind, bei ihrem clavieroassigen, aphoristi-
schen, nicht acht kirchlichen Cbaracter nur auf diese
Weise erträglich werden. Wir haben in dieser Hinsicht
den wirklich künstlerischen Tact des schätzbaren Orga-
nisten anzuerkennen, der bei der erwähnten Mischung
und Abwechselung der Register stets darauf bedacht war,
sowohl das der Orgel Fremde hierdurch dem Instrumenta
so viel als möglieb zu aceommodiren, als sich auch von
jeder solchen Mischung und Abwechselung fern zu hal-
ten, welche die Natur der Orgel hätte wirklich verletzen
oder gar entstellen können. Es möchte aber auch nicht
leicht die Verletzung der JVatur irgend eines andern In-
strumentes durch den Vortrag ungeeigneter Compositio-
nen so empfindlich und dauernd auf das Gemüth wirken,
als die der Orgel. Es ist wahr, auch die erösste Orche-
stermasse vermag es nicht, an Grossartigkeit uad Ein-
667
1Ö44. October. No. 40.
fe£Ml
Dringlichkeit d«s Effects es diesem der Verehrung und
Anbetung des Höchsten ausschliesslich geweihten Instru-
mente gleich zu tbun. Aber kein Instrument fordert onse-
rer Meinung nach auch von dem Componisten so unbe-
dingt ein Festbalten am strengen Style, wie die Orgel.
Hoffend, dass künftige derartige Prodnctionen von der
nämlichen Theilnahme, wie die dermalige, begleitet sein
werden, sehen wir denselben in der Voraussetzung mit
Vergnügen entgegen, dass sie sich durch vollkommen ge-
eignete Wahl der Tonstücke uod eine diesen möglichst
entsprechende Ausführung auszeichnen.
(Beschlags folgt.)
Leipzig, den 1. October 1844. In den sieben Wo-
chen, welche nunmehr seit Wiedereröffnung unseres Stadt-
theaters verflossen sind, wurden uns von der neuen Di-
rectum sechs Opern : Don Juan, Die Zauberflöte, (Hello,
Norma, Der Schöffe von Paris von ff. Dorn, und Mara
von J. Netaer, und in ihnen ziemlich die sämmtlichen
engagirten Sänger vorgeführt. Der Aufführung des Don
Juan gebührt unstreitig darunter der Preis; sie war im
Ganzen, wie im Einzelnen, eine gelungene zn nennen.
Fräul. Mayer zeigte in der Partie der Donna Anna eine,
wenn auch nicht gerade sehr volle und grandiose, doch
höchst angenehme und biegsame Stimme, die in den ef-
feetvollen und mehr dramatischen Stellen eines genügen-
den Grades von Stärke und Feuer fähig ist: nament«
lich erwarb sie sich durch ihre solide Gesangbildung und
durch den angemessenen, edlen Vortrag, der von richti-
gem musikalischen Sinne und von sorgfältigen Studien
sengt, die vollste Anerkennung. Weniger zwar konnte
Fräul. Steydler als Donna Elvira genügen \ denn ihren
an sich wohl nicht geringen Tohmitteln scheint es noch
an der nöthigen Freiheit und Festigkeit zu fehlen; die
Stimme spricht nicht leicht an, sie trägt die Töne nicht
ungezwungen, und darunter leidet natürlich Goloratur nicht
minder, als der ruhige Vortrag. Andererseits dürfte frei-
lich das erste Auftreten des Fräul. Steydler gerade in
der Partie der Donna Elvira noch keinen festen Maass-
stab für ihre Leistungen geben, einmal weil diese Partie
in den Soli's voll von Schwierigkeiten, die nur eine
durchgebildete Künstlerin völlig zu überwinden vermag,
ist und deshalb auch selten dankbar erscheint, und dann,
weil Fräul. Steydler, die erst vor Kurzem die Bühne
betreten haben soll, bei diesem ihrem ersten Debüt vor
unserem Publicum mit siebtbarer Aengstlichkeit zu käm-
pfen hatte. Zerline fand in Frau Bachmann geb. Gün-
ther eine uns schon bekannte liebliche Repräsentantin,
die in Spiel und Gesang gerade in dieser Rolle nicht leicht
übertroffen werden wird. Herrn Eicktfs Stimme hat« seit
seiner mehrjährigen Abwesenheit von Leipzig nieht merk-
lich verloren ; die tieferen und mittleren Töne sind schön
und voll, und seine Höhe entbehrte schon früher des hel-
len Klanges; nur scheint er jetzt denselben durch eine
leidige Manier, mit der er den Ton hervorstösst , eine
hellere Färbung geben zn wollen, möchte aber dadurch
dem Eindrucke, den sein übrigens guter Gesang hervor-
bringt, nur schaden. Als Don Juan fand er auch durch
gewandtes Spiel verdienten Beifall, in Herrn Widmami —
Don Ottavio — lernten wir einen sehr braven Sänger
kennen. Schon sein Organ bezeichnet seine Stimme als
eine natürliche, nicht durch Kunst in die Höhe geschraubte
Tenorstimme; dazu v ein edles und schönes Portament,
gute Tonerzeugong und Aussprache, und vor* Allem die
Mässigung und Ruhe, wir möchten sagen die Anspruch-
losigkeit, mit der er bei aller Lebendigkeit des Ausdrucks
besonders die herrlichen Arien seiner Partie vortrug,
welche wir von anderen Sängern nur zu oft entweder
kalt und ermüdend, oder durch ganz heterogene Hilfsmit-
tel verpfuscht haben singen hören, — dies Alles gewann
ihm die Herzen der Hörer und häufigen Applaus. Der
Leporello des Herrn Ulram (früher in Wien und Grätz)
war nicht der gewöhnliche Pagliasso, sondern, was er
sein soll, der feine verschmitzte, nur durch die Rolle,
welche er bei den Abenteuern seines Herrn spielt, ko-
mische Diener, und wurde mit volltönender starker, nur
hier und da wohl zu wenig parlanter Stimme, gut vor-
getragen. Herr Pögner sang den Gouverneur, wie im-
mer, sehr brav, Herr Bickert den Masetto genügend.
Die Ensembles und das Finale gingen exaet und rund,
und namentlich machte der Chor eine gute und volle
Wirkung, wie denn überhaupt das Ganze von Herrn
Lortzing, der von der Oper und dem Lustspiele ganz zu-
rückgetreten ist und mit Herrn Jos. Netzer in die musi-
kalische Leitung sich theill (warum und wober beide Her-
ren den etwas pompös klingenden Titel: Gapellmeister
angenommen haben, hat Referent noch nicht erfahren kön-
nen), tüchtig und sicher dirigtrt wurde.
Einen nicht minder günstigen Eindruck machte die
Aufführung der ,, Zauberflöte •« am 20. und 23. August
und 26. September. Auch hier zeichneten sich vor Allen
Fräulein Mayer als Pamina und Herr tVidemann als Ta-
mino höchst vor! heilhaft aus. Zur wahren Freude hat es
uns und gewiss Jedem gereicht, der eine gute Oper mit
anderen Intentionen besucht, als nur um sich zur Erho-
lung einmal vormusiciren zu lassen, dass der Vortrag
Beider das richtige Erkennen des hohen und classischen
Werthes, den diese alte Musik für alte Zeiten bewahrt,
und das Streben, die ursprüngliche Würde derComposi-
tion treu wiederzugeben, an den Tag legte. Das war
wirklich Mozart, den wir hörten ; er wurde nicht durch
moderne Auffassung und Repröduetion dem jetzigen Aller-
weltsgeschmacke aecommodirt. Beide Künstler widerstan-
den siegreich der Versuchung, die brillanten Seiten ihres
Talents glänzen zu lassen ; sie brachten vielmehr mit
unverkennbarem ächten Kunstsinne in dieser Beziehung
das lobenswerte Opfer der Selbstverleugnung, zu dem
man heut zu Tage bei den Sängern selten Lust und Ent-
schluss verspürt. So wurde, um nur ein Beispiel anzu-
führen, von Fräul. Mayer das Duett i „Bei Männern,
welche Liebe fühlen' 4 so anspruchlos und lieblich gesun-
gen, dass dieses Stück durch ihren Vortrag einen neuen
Reiz, — Hesse es die Trivialität des dazu gehörigen Tex-
tes zu, so möchten wir' sagen : einen poetisohen Zug —
bekam, der nur wohhhuend wirken konnte. Dass die
Königin der Nacht der Fräul. Steydler auch diesmal we-
niger ansprach, lag wohl abermals zum Theil an der gros-
sen Schwierigkeit, welche die Passagen und die anhal-
tend hohe Tonlage dieser Partie bieten; denn nur eine
669
1844. Octeber. No* 40
670
geübte Bravoorsängerin — und das ist Fräul. Steydler
noch keineswegs — - vermag den Ansprüchen vollkommen
zu genügen, welche hier an Kraft und Volubilität der
Stimme gemacht sind. Den Sarastro sang Herr Kinder-
mann mit seiner schönen und sonoren Stimme, der nur
hier und da die leichte Ansprache in den tiefsten Tönen
zu mangeln schien, sehr gut, und auch Herr Eicke, den
wir zum ersten Male in einer komischen Bolle, der des Pa-
pageno, hörten, füllte seine Stelle genügend aus. Die Par-
tieen der drei Damen wurden
Genien von Anfängerinnen, mithin freilich noch nicht be-
friedigend, ausgeführt.
Im Otello von Rossini zeigte sich am 27. August
in der Titelrolle Herr Klein als ein feuriger Sänger von
kräftiger, namentlich sehr umfangreicher Stimme. Doch
scheint uns letzlere, da die Höhe zu sehr forcirt klang,
wenn es ihr gleich auch da nicht an Kraft gebrach, sich
mehr zum Bariion au neigen. Leicht möglich aber auch,
dass der Vortrag Herrn Klein s uns zu dieser Annahme
verleitet; denn die vom Componisten allerdings fast durch-
gehends in die Partie des Otello gelegte Leidenschaft
wurde von Herrn Klein dergestalt auf die Spitze gelrie-
ben, dass die Töne, namentlich eben die höheren, an ih-
rer Natürlichkeit verloren, spitz und scbarf wurden und
oft gar nicht mehr Gesang zu hören gaben. Der Sän-
ger, der die, wenn auch hier und da von der Situation
gebotene, Leidenschaft des Spiels durch die des Gesanges
zu überbieten und dadurch vielleicht den freilich in sol-
chen Fällen selten ausbleibenden lauten Beifall der Menge
sich zu erringen strebt, beeinträchtigt nur zu oft durch
solche falsche Politik die wahre Wirkung seiner Natur-
gaben und somit auch den künstlerischen Werlh seiner
Leistungen. Als ein mindestens sehr gewagtes Unterneh-
men muss Beferent es bezeichnen , dass Fräul. Steydler
die Desdemona übernommen hatte. Es fehlt ihr geradezu
an Allem, was zu dieser Partie erfordert wird; in Bra-
vour, Geläufigkeit, dramatischem Vortrag und Spiel ist
sie noch zu sehr Anfängerin, als dass ihre Darstellung
nur einigermaassen hätte befriedigen können. Wo noch
mit Rouladen , Portament, musikalischem Ausdrucke und
freier Bewegung auf der Bühne gekämpft werden muss,
da kaon der Versuch, eine solche Partie vorzuführen,
nicht leicht glücken. Herr Widemann zeigte als Rodrigo,
dass er auch moderne Musik zu singen vermag, und trug
namentlich seine Arie, so wie das Duett mit Jago (Herrn
Eicke, der seiner Stimme in der Höbe wieder Gewalt
anthat) schön vor.
Am 5. und 9. September kam Norma zur Autfüh-
rung mit folgender Besetzung: Norma — Fräul. Mayen
Adalgisa — Fräul. Wertmitiler ; Sever — Herr Leh*
mann ; Orovist — Herr Kindermann. So sehr, auch Re-
ferent aus den bisherigen Darstellungen der Fräul. Mayer
die üeberzeugung gewonnen hatte, dass sie nicht nur
eine in seltenem Grade begabte Sängerin sei, sondern
dass ihre geistreiche Auffassung, ihrFleiss und ihr treff-
licher musikalischer Sinn sie auch in der That zur wah-
ren Künstlerin machen, so konnte er sich doch nicht ver-
hehlen, dass von der Ausführung der Norma zum Theile
die feste Begründung des Unheils über dieselbe abhän-
gen müsse $ denn abgesehen von dorn Wert he, den man
je nach der eigenen Geschmacksrichtung dieser, wie über*
haupt der neu- italienischen Musik beizulegen geneigt sein
mag. ist der Genre der Norma von dem Mozart 9 sehen,
in welchem wir bis dabin Fräul. Mayer nur hörten, so
verschieden, dass dadurch die Vielseitigkeit der Sängerin
offenbar in Frage gestellt war. Beferent war fürwahr be-
sorgt, der solide Sinn der genannten Sängerin möchte der
modernen Bravour der Beflini'&chen Composition Zuge-
ständnisse zu machen Bedenken tragen und dadurch sich
den Vorwurf der Einseitigkeit und bei einem überall gros-
sen Tbeile des Publicums, welcher Bellini $ Tönen mit
Kunstbegeisterung lauscht, den Verdacht einer über das
Alltägliche nicht erhabenen Gesangesbildung zuziehen.
Aber Fräul. Mayer bat diese Besorgnisse glänzend zun:
Schweigen gebracht. Sie sang die angreifende und durch
das in ihr hervortretende dramatische Element schwie-
rige Partie mit der ihr eigenen Würde, grossartig, ge-
wandt und mit zu bewundernder Kraft, und entsprach
daneben durch ein angemessenes und verständiges Spiel
gewiss allen Anforderungen. Dass, wie wir schon früher
erwähnten , ihre Stimme in der Höbe nicht die erschüt-
ternde Fülle besitzt, welche zu entwickeln gerade die
Norma so oft Gelegenheit bietet, tbat dem Eindrucke kei-
nen Abbruch. Der Kern des Tones ist bei Fräul. Mayer
edel und kräftig, ihre Auffassung und Darstellung wahr,
und das ersetzt leicht den Effect, den massenhafte Klänge
hervorbringen können. — Herr Lehmann , abermals ein
erster Tenor unserer Bühne, hat rücksichtlich seiner
Stimme wohl mehr Vergangenheit für sich, als Zukunft
vor sich; die tiefen und mittleren Töne sind ziemlich
ohne Klang, die Höbe forcirt, doch erreicht er in letzte-
rer mitunter einen nicht üblen Effect, den er freilich,
wie es scheint, sehr oft benutzt und dagegen tiefer He-
gende Stellen seiner Partie, um jene desto mehr zu he-
ben, absichtlich fallen lässt oder in den Schatten stellt. —
Fräul. Wertmüller ist zwar noch eine Anfängerin, aber
mit schönen Gesangmitlein begabt, und wenn sie die Un-
gezwungenheit im Vortrage und Geläufigkeit der Stimme
erlangt haben wird, die grössere Partieen erfordern, lässt
sich Erfreuliches von ihr hoffen. — Herrn Kindermann 9 s
Darstellung war in jeder Beziehung höchst befriedigend,
die Chöre gut ausgeführt; rücksichtlich der Direction
möchten wir nur das häufige Uebereilen der Tempi in
einzelnen Nummern der Oper tadeln.
(Beschluss folgt.)
Feuilleton.
Einem Briefe Danjou't in der Revue et Gazette rausicale de
Paris zufolge liegt die Kirchenmusik in Belgien sehr im Argen.
Triviale und altfränkische Stucke von geschmacklosen Tonsetzern
des vorigen Jahrhunderts werden von einem der Zahl wie der Töofe»
tigkeit nach sehr schwachen Chore abgeleiert. Kommt einmal ein
gediegeneres Stück ausnahmsweise inr Anffuhrvog, so wird es voa
den Organisten auf eine entsetzliche Weise mit modernen Gangen,
Laufet), Trillern u. dergl. verbrämt und entstellt. Die Regierung
hat unter Anderm den Bisehb'fen ein Te Denm von Gatpard (oder
Jaspar) aus Luttich zur Aufführung officiell anempfohlen, welche«
eine nächst schwache, geist- und gedankenlose Sohhlerarbeit ge-
nannt wird. — Als rühmliehe Ausnahmen von jener Regel werden
IMow, Organitt, und Suell, Capellmeister an der St. Godola-
671
1844. October. No. 40.
672
Rirebe io Brüssel, benrorg ekeben ; ferner SlrebeOe, Organist au
Tonrnny, SblsRSnier ebendaselbst, Abt Jensens so Löwen.
In Mexiko bat man eine oachahmnngswerthe Sitte, seine Be-
geistere og frir Schauspieler oder Sänger an den Tag sn legen. Et
werden ibnen uumlieh Lorbeerkränze, dicht mit Oazas (einer Gold-
münze von ungefähr 25 Tblr. an Werth) besetzt, öffoatlieh auf
der Biibne überreicht.
Der jüngst zu Carttbad verstorbene W. A, Mosart bat seine
kostbare Bibliothek (Musikalien and Bücher) theils dem Mozart-
eum in Salzburg , theils seinem Schüler Ernst Pauer vermacht.
Ei sind unter Anderem auch gecen hundert Briefe seines Vaters
darunter.
Herzog Maximilian van Baiera bat dt« Canelimeiste? bei«
deutschen Theater in Trifft, /. H.^Stuekenschmidt ans. Bremen,
für eine ihm gewidmete bei Aibl in München erschienene Compo-
situm und für ein grosses lostrumentalwerk im Manuseript die
grosse sUberne Medaille überreichen lasse e.
Prof. fFichmann in Berlin ist mit Ausführung der Statuen
beschäftigt, welche dns Proscenium des neuen Opernhauses daselbst
schmücken sollen. Dieser Statuen sind acht an der Zahl. Die
meisten derselben stellen Gefühle und geistige Eigenschaften dar,
welche nnf der Bohne beneoders wirksam sind. — Wie es jetzt
heisst , wird das Opernhaus im Deeember d. J. eröinet werden,
und zwar mit einem Festspiel von Meyerbeer, wozu Tieek und
ReUstab den Text geliefert haben.
Ankündigungen»
Bei Fr« HrnftaeLbter in Leipzig erscheint sum 19.
Oetober u. c. :
Tbalbersr, 8., Fantnisie sur Zarnpa, Opern de Herold ponr
Pianoforte. Op. 55.
Bei Wllla. Körner in Erfurt erscheint im Laufe des
Octobers folgendes Werk, dns die Beachtung aller gutem Scsninu-
rien verdient >
Theoretisch- praktische Organistenschale.
Enthaltend die vollständige Harmonielehre nebst ihrer An-
wendung auf die ComposiüoQ der gebräuchlichen
Orgelstücke.
Für Lehrer und zum Selbstunterrichte, insbesondere für
Seminaristen und Pr äpar ander* *
Von
JT. Cf» Töpfer,
Professor der Musik am grossbersoglichen Seminar zu Weimar und
Organisten nn der Stodtkirche daselbst«
Subscriptioagpreis bis zum Erscheinen: 1% Tblr.
Mit Eigenthumsrecht erscheinen bei uns:
Zur Michaelis - Messe »
Vleiixtemps, H», Sourenir d'Amerique. Yankee doodle. Va-
ria tions burlesques pour Violon avec Quat. ou Piano. Op. 17.
Krebs« €?•• Tiersfiinmige Männergeeange in Stimmen und
Partitur. Op. 105.
— — Fantasie aus Norme zur Pianoforte. Op. 186.
IilplnslL^. C, 3 Gaprices pour Violon seul. Op. 99.
Nach der Michaelis - Messe r
Crmmer, f* H«, Schule der Fingerfertigkeit in 100 progree-
siren Etüden. Op. 100.
Mechanik des gediegenen Pianisten in 94 Salon -Etüden
ctaanschen Styls nur Bildung des Gesebmacks. Op, 101.
ILmillmlL« Tit., Sinfonie de Piano. Gr. Sonate en 4 partics.
WllliimertJ, IU, Ä Manourkaa pour Piano. Op. 14.
Krebs, C, Sebnle der GeUnfigkeit für den Gesang in 18 Sol~
feggien. Op. ISO.
Spmbr. I*» 9 Fantasie aber Tkeaan's von Händel und Abt Vog-
ler für Piano (oder Harfe) und Violine concert. Op. 118.
Vleuutomp«, H». Normo. Funtaisie snr la 4*» Corde pour
Violon avee Orthestre ou Piano. Op. 19.
— . — 6 Etüde» da Concert pour Violon avee Piano. Op. 18.
ftobubertb «y €• in Hamburg, Leipzig und Newyorh.
Neue Murthatien,
welche so eben im Verlage der k. k. Hof- Kunst- und Musika-
lienhandlung *m IMetr* Sfeebeitt qm. Carle» in Wien
erschienen sindi
Cbmtek, F« TL*, Anthologie nausicnle — Musikalische Blumen-
lese. Fantaiaies brillantes ponr le Piano. Cah. 19. Brennt, de
J. Verdi. Oeur. 6». 1 Fl.
Dejmzet, E., Capriee sur In Barearone „Dom Sebostien" de
Deoiactti, pour le Piano. Oeur. 53. 4» Kr.
Henkelt, A., Frühüogslied für das Pinanforte allein. 15*
Werk. 1 Fl.
Kullmk. Tb«, Parapbrases ponr le Piano des Motifs faroris
des Operas. No. 3. Air de 1'Opera : La Sonnambula de V. Bei-
Uni. No. 6. CanÜlene de 1'Operet ßeatriee di Tendn de V. Bei-
Uni. a 43 Kr.
Ii5we« C*. Der Mabrenfurtf. Drei Balladen von Freiligruth, mit '
Begleitung des Pianoforte. 97« Werk. 1 Fl. 18 Kr.
Dieselben einzeln. No. 1 bis 5. 1 Fl. 30 Kr.
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673
074
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 9 tea October.
M 41.
1844.
InHaitS Featcancert des Do mm asik verein es oad Mozarteaas zo Salzburg, zar Erinnerung an die Enthüllung des Mozartdenkmales. —
Nachrichten: Ans Leipzig. (Besc bloss.) Aos Cassel. (Bescblusa.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Festconcert des Dommusikvereines und Mo-
zarteums zu Salzburg y zur Erinnerung an
die Enthüllung des Mozartdenkmales.
Ich verfolge tob seiner Entstehung an die Schritte
des Mezarteunis mit der regen Tbeilnabme, die jede mit
der Pflege nnd Förderung der Kunst sich befassende va-
terländische Anstalt verdient, und erfülle nur die Pflicht
der verdientesten Anerkennung, wenn ich in diesen Ccn-
tralblalte für alle Musikinteressen das Resultat des am
5. September d. J. veranstalteten Festconcertes mit eini-
Een Nebenbemerkungen zur allgemeinen Kenntniss bringe.
8 war in der That ein so erfreuliches, dass sieh nun
mit aller Sicherheit bebannten lägst, dieses in der voll-
sten Entwicklung begriffene Institut werde nicht nur j
für Salzburg selbst eine neue Aera in der Tonkunst, son-
dern für Deutschland überhaupt eine permanente Planz-
schule für tüchtig gebildete Tonküostler in seiner fortge-
setzten Wirksamkeit begründen. You welcher Wichtig-
keit aber die Heranbildung gründlich und deutsch ge-
schalter Musiker für die vaterländische Kunst sein rnuss,
leuchtet hei dem Mangel an derlei umfassenden Lehran-
stalten von selbst ein. Das mit dem Dommusikvereine
verbundene Mozarteum besteht erst kaum drei Jahre, und
schon sitzen Zöglinge ausübend in den Reihen der an
demselben angestellten Musiker and Professoren. Welch
ein überraschender Erfolg! und wie nutzbringend kann
eich unter ähnlichen progressiven Verhältnissen erst die
Zukunft gestalten! — Das Festconcert zerßel in zwei
AbtheUnngeo, jede sieben Nummern enthaltend, wovon
die erste blos aas Cempositieneo Moxart's, die andere,
von Loeal - nnd musikfestlichen Verhältnissen bedingt, aas
Compositionen moderner Meister und VirtuosenleisUingen
bestand» Das Orchester, sechzig -bis siebenzig Köpfe stark«
führte die Cdur- Symphonie mit der Schlussfuge von Jfe-
zart und die Ouvertüre aus der Oper „Die Felsenmühle'*
von Reusiger auf. Der Fortschritt dieses noch, jungen
Muaikktfrpers, der ans den ehemaligen faudationsaiisst-
gee Chormasikern der den Dommusikvereine beigetrete-
nen vierzehn Kirchen nnd den angestellten Mozarteums-
prof essorop gebildet wurde, ist wirklich überraschend,
namentlich wirken zuweilen die ersten Violinen nnd die
Harmonie mit der grössten Reinheit nnd Delieatesse. We-
niger gut sind die Bisse. Besonderes Lob verdienten das
Adagio und die Menuett der Symphonie, gleich wie der
46. Jahrgang.
Zusammentritt der Motive nnd ihre Verflechtung im letz-
ten Satze deutlich und sieher, der Accent voll nnd rich-
tig waren. Ein Goncertino für die Oboe über ein Thema
aus „Don Juan" von Griebel, vorgetragen von dem als
Professor dieses Instrumentes angestellten Herrn Jetinek,
erwarb sich, den gerechtesten Beifall. Seine Behandlung
mnss vorzüglich genannt werden. Der Ton verliert alles
Scharfe, Näselnde, Schnatternde, ist mild, klar, fest und
selbst in den höchsten Chorden sieher; dabei besitzt er
viele und höchst deutliche Fertigkeit, and einen grössten-
teils reinen, geschmackvollen Vortrag. Zu wünschen
wäre eine grössere Geltendmachung des Portamento. Ich
räume diesem Concertisten schon jetzt, da er sich noch
wenig in Musikhauptstädten umgesehen, einen Ehrenplatz
unter den auf diesem schwierigen Instrumente mir bekannt
gewordenen Solospielcrn ein. Beiläufig gesagt, besitzt der
Dommusikverein und das Mozarteum noch mehrere schätz-
bare Virtuosen, von welchen ich beispielsweise nur Herrn
Plamer auf der Violine und Herrn Heinrich auf dem Fa-
gott anführe. — Von fremden Künstlern bekamen wir
Fräul. Deybeck vom Hoftheater zu München und Fräul.
Achilles von ebendaher zu hören. Erstere trug Arien
ans „Cosi fan tutle" und „Robert der Teufel," Letztere
aus „Nozze di Figaro" und Donixettis „Buon del monte"
vor; gemeinschaftlich sangen sie zwei Sopranduette aus
„Titus" und „Jessonda." Beide Sängerinnen gehören zu
den Wenigen, welche der öffentlichen, vom Vereine er-
gangenen Einladung folgten. Sie kamen nnd saugen, folg-
lich war es nur eine Erwiderung ihrer Aufmerksamkeit,
wenn man ihrer Wahl keine Strenge entgegenstellte.
Fasste übrigens das Mozartetim bei künftigen Fcstconcer-
ten den Entschluss, blos Mosart'&che Musik aufzufüh-
ren, so wäre es zweckdienlich, bei Gelegenheit der dies-
fälligen Bekanntmacbungen in der Folge eine auf diesen
Gegenstand sieh beziehende Anmerkung beizufügen. Fräul.
Deybeck ist eine mit guten Mitteltffnca ausgestattete brave
Sopransängerin, die dureh Verständnis» nnd Routine Das
ersetzt, was ihr an Frische und Höhe des Organe« man-
gelt. Sie kennt ihre Aufgabe, weiss ihre Mittel mit den*
selben in Einklang zu bringen und versteht za singen.
Bei Fräul. Achilles, die dem Vernehmen nach der Kunst
nur im Privatleben angehört, ist es ein Anderes, Diese
Sängerin ist im Besitze einer vollen, kräftigen, dabei wei-
chen, den zartesten Tonscbattirnugen sich fügenden So*
pranstimme von bedeutendem and gleichmässig klingen-
dem Umfange; doch wenn gleich der Einflass einer gtt-
41
675
1844. October. No. 41.
676
ten Schule unverkennbar ist 9 so fehlt fiesen wirklich
trefflichen Organe derzeit dennoch jener declamatorische
Schwang j jenes impenirende Ueberwälttfjen des Stoffes,
die sich nur als das Resultat der eigentlichen, sich selbst
feewussten Künsllerscbaft geltend machen. Frau!. Achilles
hat in ihrem Gesänge zuweilen Anflüge von Grossartig-
keit, allein sie könnte zwischen der heroischen Neben-
bedeutung ihres Namens und den Wirkungen ihrer su
allen pathetischen Elevationen geeigneten Stimme doch
noch eine weit grössere Analogie herstellen. Uebrigens
ist bei beiden braven Sängerinnen die Coloratur nicht
vorwaltend, folglich ihre Richtung — weil nun einmal
die Kunstterminologie diese beiden alternirenden Bezeich-
nungen Festgestellt hat — eine dramatische. Der Aus-
druck war ein den verschiedenen Stylen gut angepasster,
nur bemerkte ich eine vorherrschende Neigung zum Zie-
hen der Tempi, wie es scheint, eine Eigentümlichkeit
der Münchner Theaterschule überhaupt, da mir dieser
Umstand auch schon bei anderen dortigen Sängern aufge-
fallen. Es entspringt dies aus einer orthodoxen Ausle-
gung der Scbönheitsregel, wodurch eben so sehr der me-
lodische Fortfluss gehemmt, als die Kraft des Sängers bis
zur Ermüdung angestrengt wird. — Die Bassarie mit Chor:
„0 Isis'* ans der „ Zanberflöte " gab uns Gelegenheit,
den mit einer guten, umfangsretchen Stimme begabten
Bassisten des Dommusikvereins und Mozarteums kennen
su lernen, dessen Organ vorzüglich in der Kirche von
guter Wirkung sein muss. Die Poesie dieses hehren Prie-
stergesanges wiederzugeben, kann nur höber gebildeten
Sängern zugemuthet werden; es muss Weihe in jedem
Tone liegen. Herr Pichler trog übrigens seine Arie wür-
dig vor, könnte jedoch bei einer geschlosseneren Mund-
stellung in einigen Mitteltönen und hei Vermeidung der
manierirten kurzen Schleifungen in aufwärts schreiten-
den Intervallen mehr Sonorität und einen reineren Vor-
trag erzielen. — Herr v. Albest, ein geschätzter Dilet-
tant, brachte selbstcomponirte Variationen für die Violine
über ein Originalthema. Sein Ton ist schön, vibrirend
und wirkt besonders im Piano legato lieblich. Er entwi-
ckelte namentlich im Cantabile Deutlichkeit, Exactheit
und schöne. Bogenführung, doch schien etwas zu viel Ab-
sicbtlichkeit in dessen Vortrag zu liegen, wodurch der
künstlerischen tJestaltung Abbrach gethan wurde. Der Styl
des Spieles sowohl als der Gomposition ist ein ans der
antepaganini'schen Schule stammender, dem, unpassend ge-
nug, einige modern gewordene PaganinfBche Spielereien
eingepflanzt sind. Jeder Styl kann von guter Wirkung
sein, wenn er in seiner Eigenthümlicbkeit auch nur voll-
endet ist und vor fremdartigen Einmischungen bewahrt
wird, woraus immer nur Unentsohiedenbeit und Halbheit
entstehen muss. Jedenfalls behauptete sich dieser Solist,
der riicksichtlich der Mechanik besonders mit den älteren
Bravourfiguren wohlvertraut ist, ehrenvoll. Auch einen
jungen Pianisten aus Prag Namens Kuhn, Schüler Toma-
schek's, lernte ich in diesem Concerte kennen, der auf
einer Reise nach Paris begriffen ist, etwa ein Jahr in
einem Dorfs im Salzburgischen eifrigen Selbstudien in
Spiel und Gomposition oblag, und kurz zuvor in Linz,
Ischl und Salzburg mit Beifall Concerte gab. Es frappirt
in unserer clarierverbexten Zeit wahrhaftig mehr, auf
einen schlechten, als auf einen guten Ciaviervirtuosen zu
treffen, und ich lange in Wien kaum mit dem Gedächt-
nisse aas, die Namen aller neu aufatuqhenden, einkeiaM-
scheu und auswärtigen, kindbeitlidfen und erwachsenen
Pianisten und Pianistinnen zu behalten» die durch ihr gu-
tes, oft vortreffliches Spiel Alles, nur nicht auffallen.
Herr Kuhn, obscbon eines musikalischen Asceten Schü-
ler, geht den Weg, den die Mehrzahl der Ciavierspieler
einschlägt ; man kann denselben füglich den des Fleisches
nennen. Wenn es dieses Pianisten hauptsächlicher Zweck
ist, der eleganten Welt zu gefallen und zu — erwerben,
so kann man mit ihm nicht einmal darüber rechten.
Vielleicht bildet sich ungeachtet dessen eine gewisse Ei-
genthümlichkeit erst in der Folge heraus. Er spielte zwei
kleinere Piecen von eigener Composition, ganz im mo-
dernen Gewände, mit Reinheit, Nettigkeit, Zartheit und
Geläufigkeit. So viel ich aus diesen Proben beurtbeilen
konnte, zählt dieser gutgebildete Pianist weniger zu den
grossartigen , als zu den zierlichen Executanten auf die-
sem Allerweltsinstrumente , ich möchte ihn daher seiner
ganzen Spielweise wegen vor der Hand unter die söge**
nannten Damenspieler rangiren. — Zum Schlüsse des
mannichfaltig und interessant zusammengestellten Concor-
tes wurde Beethoven'* herrliche Fantasie für Pianoforte
mit Chor und Orcbesterbegleitung gegeben , wobei zwar
Herr Kufrn die Solopartie discret und der zarten Compo-
sition angemessen vortrug, jedoch ein Unstern dem „finis
coronat opus" feindlich entgegentrat. Auf dem vom Or-
irelbauer und Inslrumenlenmacber Moser zu Salzburg ver-
einigten Piano, das sich neben seiner soliden Slructur
und eleganten Form besonders durch einen lieblichen Ton
empfiehlt, wurden nämlich kurz vor der Production einige
Saiten aufgezogen, woraus gleich zu Anfange derselben
Verstimmung und alsbald Abspringen erfolgte. Nur die
Contenance und Gewandtheit des Herrn Kuhn, der durch
Modificirung vieler Gesangesstellen und Passagen die in-
validen Claven geschickt zu umgehen wusste, machten es
möglich, dass dieses dermaassen leider etwas corrumpirte,
übrigens gut zusammengeübte Tonwerk glücklich bis zu
Ende gespielt und das allgemeines Interesse erweckende
Festconcert ohne besondere Störung beschlossen werden
konnte. — Obiger Moser ist so eben mit der Aufstel-
lung einer von ihm verfertigten grossen Orgel in der
Domkirche beschäftigt, die zufolge des übereinstimmen-
den Unheils aller Sachverständigen, nach den bereits voll*
endeten Tbeilen zu schliessen, an Grossartigkeit, Slruc-
tur, Disposition und Toncharacter zu den vorzüglichsten
Werken gehören soll. Ich hoffe über dasselbe seiner Zeil
Ausführlicheres berichten zu können. — Die Chorkrifte,
welche bei diesem Festconcerte in zwei Nummern, näm-
lich in dem türkischen Chore aus der „Entführung au
dem Serail," und in der Beethoventochen „Fantasie" ent-
wickelt wurden, gleich dem Orchester durch ausübende
Kunstfreunde und Mitglieder des Dommusikvereins und
Mozarteums verstärkt, bewährten sich ebenfalls ehrenvoll.
Sie tbeilen in der zunehmenden Debereinstimmung, Fe-
stigkeit und Reinheit den Fortschritt, der in orchestraler
Beziehung gemacht wurde,- wodurch einer der wesent-
lichsten Zwecke der Anstalt: ,, edlere, der heiligen Hand-
lung würdig entsprechende Ausführung der Kirchenmusik"
677
1844/ Ociober. No. 41.
078
nicht wenig gefördert wird. Alle grösseren Kirchen —
Bit Annahme der bedeutenden Prälatur zu St. Peter»
die sich mit ihrer Capelle von dem musikalischen Fori*
schritte «od den gemeinnützigen Zwecken absperrt —
haben sich in Berücksichtigung des scböuen Zieles mit
ihren Stiftungen derselben angeschlossen, wodurch sie
eben eine so breite Grundlage, umfassende Wirksamkeit
und vielseitige Rührigkeit gewann, wie sie wohl nur sel-
ten angetroffen werden. Sie stellt Künstler und Professo-
ren mit fixen Besoldungen an, ertbeilt Stipendien an Kunst-
stodirende, und Unterstützungen an verdienstvoll sich
bewährende heimische Künstler, wie deren Wittwen und
Waisen. Sie besorgt den musikalischen Gottesdienst von
fünfzehn Kirchen in stets veredelter Weise, fuhrt die Mu-
seumsconcerte ans, stellt die Theatermusik, veranstaltet
Concerte, soutenirt einen Männergesangverein , hält wö-
chentlich grössere und kleinere Musikübungen ab, kurz
sie bildet in ihrem grossartigen Wirkungskreise ein kräf-
tiges Motiv für religiöse und profane, für classische und
Conversationsmusik, für Studium und Genuss, für Erwerb
und Kunstliebbaberei, wobei sich ihre ganze weitausgrei-
fende Rührigkeit um — Mozart dreht, wie um ihre ei-
gene Achse. Er, der Unsterbliche, ist ihr Ideal, ihrKuost-
hort, ihr Banner, mit einem Worte das belebende Prin-
cip, das in allen Organen des vielarmigen Körpers feurig
die Pulse beschwingt Dass ein derartiges Institut nur
unter besonders günstigen Umständen sich constituiren
und gedeihen könne, versteht sich wohl von selbst Ein
Anderes ist eine unmittelbar vom Staate ausgehende Un-
ternehmung, wo die Hauptsache um den „nervus rerum"
von vorn herein wegfallt und die Kraft mit dem Wil-
len gleichbedeutend ist; ein Anderes eine solche, die,
wenn gleich unter dem gedeihliehen Schutze der Regie-
rung , aus sich selbst hervorgehend , im edlen Eifer für
die gute Sache, in der eigenen Tbatkraft, in der verstän-
digen Umsicht, wie in der öffentlichen Theilnahme die
Quellen ihres Bestehens und Wachsthumes suchen muss.
Hier wächst das Verdienst mit der Schwierigkeit des Ge-
lingens, und hier eben kann ich nicht umbin., die Namen
dreier Männer zu nennen, die sich durch ihr eingreifen-
des, wenn gleich durch ihre Stellung verschiedenartiges
Wirken in den Annalen des Dommusikvereins und Mo-
zarteums ein bleibendes nud ruhmwürdiges Andenken ge-
gründet haben. Vor Allen der Protector desselben : Seine
Eminenz der Cardinal Fürst - Erzbiscbof zu Salzburg,
Friedrich Fürst von Sehwarzenberg , unter dessen ver-
mittelndem Einflüsse nicht blos das Mozartdenkmal errich-
tet, die Gründung der Anstalt bewerkstelligt wurde, son-
dern der, ausgezeichnet an Güte, Menschenliebe wie in
4er Förderung humaner und künstlerischer Zwecke, der-
selben in Gesinnung und That fortwährend seine liebe-
volle Aufmerksamkeit zuwendet, — der Secrelär und Ge-
schäftsoberleiter des Vereines Dr. v. Hilleprandt, wel-
cher der ganzen Sache den ersten und krähigsten Impuls
gab, und über dessen unablässiges, verdienstliches Wir-
ken nur Eine Stimme ist, — - und der Gapellmeister und
Director des Mozarteums Alois Tauw y ein Mann, der alle
Eigenschaften eines Künstlers besitzt, um dem ihm an-
vertrauten Posten auf das Ehrenvollste zu entsprechen,
und der bereits im dritten Jahre des Bestehens dieser
Kunstanstalt Beweise geliefert bat, was ausgerichtet wer-
den köfane, wenn mit einer gediegenen KunstbiMitng sioh
auch edle Begeisterung, unermüdeter Eifer und Energie
verbinden. Dabei Oösst Taux nicht blos als Künstler, son-
dern auch als Mensch wahre Achtung ein; um desto mehr
geht bei den ihn Umgebenden mit der Liebe zur Sache
auch die zum Dirigenten Hand in Hand, und die Unver«
drossenheit der Geleiteten kommt um so förderlicher der
Einsicht, Strenge und Geduld des Leitenden entgegen.
Nur so sind die überraschenden Resultate erklärbar, di?
sowohl im Forlgange des Unterrichts , als in execntiver
Beziehung sich ergeben. Taux als Dirigent erstrebt sicht-
lich jene höhere , ästhetische Vollendung des Vortrages,
die wir, ohne anmaassend zu sein, mit allem Rechte als
die Frucht unserer Zeit bezeichnen dürfen; ja, ohne ei-
gentlich noch -die Ausgleichung der materiellen Kräfte voll-
ständig bewirkt zu haben, wnsste er seinem Orchester,
dennoch schon mehrere Gharacterzüge eines längere Zeit
zusammengeiiblen , künstlerisch wirkenden Musikkörpers
zu verleihen. Was ihm vorzüglich gelang, ist die Her-
vorbringung eines trefflichen Piano. Wir wünschten das
Mezzoforte eben so ausgebildet zu sehen; es ist dies
gleichsam der Zustand der Behaglichkeit, während das
Piano und das Forte schon der tiefen Geföhlsinnigkeit
und leidenschaftlichen Bewegung adäquat, also fast entge-
S angesetzte Puncte sind, die ihre Vermittlung fordern,
uch in der Begleitung der Singstimme leistet sein Or-
chester sehr Anerkennenswerthes. Es war in diesem
Puncte höchst discret, und selbst Kleinigkeiten in den Ri-
tornellen fanden ihre delicate Ausführung. In Begleitungs-
stellen, wo das Solo einen leidenschaftlicheren Charaoter
annimmt, hätten wir einen analogeren Ausdruck dessel-
ben gewünscht. Indessen sind diese Merkmale der höhe-
ren Vollendung für jetzt noch nicht zu verlangen. Dass
aber dieses Orchester, fährt es so fort, auf dem Wege
zur künstlerischen Freiheit und zwar durch die Bemü-
hungen beider Tbeile, des Leitenden und der Geleiteten,
begriffen sei, ja dass es sieb, wenn die begonnene Re-
stauration vollständig ist, mit der Zeit den besten in
Deutschland wird beizählen lassen , wird jeder unbefan-
gene Beobachter nach den bereits abgelegten Proben ge-
wiss gern einräumen. Wir gratuliren Beiden, dem Mo-
zarteum wie dem Gapellmeister, zum gegenseitigen Be-
sitze» nnd wünschen, dass sie sich noch lange, dass sie
sich bleibend angehören. — Was übrigens noch zu ge-
schehen bat, um das Mozarteum seinem Ideale immer
näher und näher zu rücken , wissen die eifrigen Leiter
desselben wohl am Besten. Nebst einigem Anderen scheint
uns ein höherer Gesangescnrs , der Unterricht in Cla-
vierspiel, wie ein umfassenderer in der Compositum zu
diesem Zwecke nnerlässlich. —
Diese schöne Erinnerungsfeier, zu der sich im bril-
lant erleuchteten Theater eine zahlreiche Versammlung
festlich einfand, hätte bei einer besseren acustischen Wir-
kung an musikalischem Reize bedeutend gewinnen kön-
nen. Der geschlossene Saal, den die mit Musikern voll-
gepfropfte Bühne formirte, verschluckte mit seinen lei-
nenen Wänden einen guten Theil des Tones, anstatt ihn
verstärkt wiederzugeben; besonders litten die auf den
höheren Theilen des Gerüstes plaeirten Instrumente 4ar» x
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1844. October. No. 41.
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unter. — Bin günstiger Zufall machte mich im Coucerte
zum Nachbarn der Schwägerin Mozarts, der Wittwe
Sophie Haib/j deren Gatte Capellmeister und Compositeur
gewesen. Sie ist eine Fran von 80 Jahren und gleicht
nicht nnr in den Gesichtszügen, sondern auch in der Bil-
dung des Herzens und des Geistes ihrer verstorbenen
Schwester Constanze, deren Verlust, wie sie sagte, nicht
hinreichet* durfte, ihr die letzten Tage ihres Lebens
schmerzlich zu machen, dem sich nun auch der plötzliche
Tod ihres geliebten Neffen Wolf gang beigesellen mosste,
um ihre Leiden noch zu erhöhen. Diese würdige, allge-
mein geachtele Frau ist dermalen das einzige noch le-
bende Mitglied der Mozartschen Familie in Salzburg. Sie
war so gefällig, mir Manches aus dem Leben Mozart $
zu* erzählen, der in ihren Armen verschied, und ist wohl
zur Stunde noch die veflässlichste Biographin desselben,
da sie stets in seinem Hause lebte, und nach dem Tode
ihres Mannes, der mit dem Staatsratbe Nissen in einer
und derselben Stunde mit Tod abging, nie wieder ihre
Schwester verliess. Ihr Dasein umfasst einen auch in ge-
wichtigen Kunstbeziehungen höchst merkwürdigen Zeit»
räum. Sie belauschte in ihrer Jugend die ersten Schwär-
mereien des jungen , glühenden Künstlerherzens für die
liebenswürdige Constanze, und horcht nun in den letz-
ten Dämmerungen ihrer Tage den Weiheklängen, die zur
Verherrlichung des unsterblich gewordenen Meisters em-
porrauschen. Das Mozarteum, dem sie mit rührenden Auf-
opferungen ihre Liebe widmet, bat sie zum Ehrenmit-
gtiede ernannt. Noeb lebt der ältere Sohn Mozart 9 s, Carl,
als k. k. Staatsbeamter zu Mailand; geht dieser unver-
ehelicht mit Tode ab, so stirbt die Familie Mozart aus,
und es bleibt der Knnst allein die süsse Pflicht vorbe-
halten, diesen ihr und allen Gebildeten so tbeuren Na-
men der spätesten Nachwelt zu überliefern. — Der all-
gemein geachtet gewesene, lebhaft betrauerte Wolfgang
Amadeus Mozart Sohn brachte den Dommusikverein und
das Mozarteum testamentarisch in den Besitz seiner reich-
haltigen Musikaliensafomlung, Handschriften und Mozart»
Jchen Familiengemälde; unstreitig zu deren Aufbewah-
rung der würdigste Platz, d^m ein günstiges Geschick
dereinst auch die Hofrath AndrS'scbe Sammlung zuwen-
den möge. Nächst diesem werthvollen Zuwachse steht der
Anstalt zweifelsohne auch die Acquisition der von den
Beiträgen zur Errichtung des Mozartdenkmales erübrig-
ten Baarscbaft von circa 3000 Fl. bevor, die ebenfalls
nicht besser, als zur Förderung des unter dem geistigen
Patronate des verewigten Meisters wirkenden Kunstinsti-
tutes, verwendet werden könnte.
Mozarts Standbild prangt nicht umsonst Dies hat
der schöne künstlerische Erfolg des diesjährigen Festcon-
certes hinlänglich bewiesen. Die Errichtung der bronce*
nen Statut war für Salzburg'* gesunkenen Musikzustand
nur das Symbol eines geistigen Erwachens, die Wieder-
belebung jenes edlen Tonelementes, das einst in der Er-
scheinung Mozarts zu einer neuen Kunstsonne wurde,
deren Strahlen alle Welt durchdrangen. Der Verein ge-
deiht, die Kräfte treiben, es grünt die jnnge Eiche, die
Salzburg zur Zierde, Deutschlands Kunstcultur zur Freude
gereichen wird, wenn sie erst zum kräftigen Stadnme ge-
worden. Dazu bedarf es aber einer allgemeineren TbeM*
nähme. Was gethan wird, geschieht nicht für die Ktt*
allein, sondern auch für Künstler, die, ihr Leben dem
Werdenden zuwendend, über dem Nutzen, des sie stif-
ten, nicht dem einstigen Mangel anheimfallen dürfen.
Dazu reicht eben die Mithilfe Weniger nicht aus; zu
grösseren Zwecken braucht es grösserer Anregung, grös-
serer Spende. Alle Welt fand sieb bereit, Steine zn denr
todten Monumente zn tragen; sie wird noeb edler ban-
deln, wenn sie es zn dem lebenden tbut, das man dem
grossen Todten setzte. Theben wurde von Amphion er«
baut ; hier wäre ein junges Kunsttheben bereits halb fer-
tig« zu dessen Vollendung nur noch die Amphione fehlen.
Mehrere edelberzige Künstler haben bereits Concertc sunt
Vortheile des Dommusikvereins und Mozarteums zugesagt*
Möchten Andere, ihnen folgen, auswärtige Musikvereine
auf die Geburtsstätte des unsterblichen Meisters ihre Auf-
merksamkeit richten, und wer es nur immer vermag,
dazu beitragen, das so ehrenvoll Begonnene seiner Voll-
endung entgegenzuführen! C.
Nachrichten.
Leipzig. (Beschlnss.) Dass unsere Tbeaterdirection
zur Vorführung neuer Opern gerade zwei deutsche ge-
wählt hat, ist an und für sieh erfreulich und eine gute
Vorbedeutung für ihren richtigen Sinn, der sich durch
Hoffnung auf grösseren Gewinn nicht dazu verleiten lässt,
ausländische Waare um hoben Preis zu verkaufen. Uebri-
gens ist wohl auch in neuester Zeit das Verlangen nach
einer Abwechselung in der süssen Kost, die man uns
lange von fern her geboten bat, bemerkbar geworden. Frü-
her, d. h. zu der Zeit, als Maria t>. Weber auf dem
Gipfel des Ruhms uns entrissen worden war, Spokrs
dramatische Muse zu feiern begann, und Marschner eben-
falls pausirte, als Frankreich und Italien uns seine tän-
delnden oder blendenden, leiebten oder schwärmerischen
Weisen in Massen zu senden anfing, •— da war eine
Ebbe eingetreten in der deutschen Operncemposition, und
wo einmal eine solche Oper auftauchte, da trat ihr eine
gewisse Präsumtion entgegen, die wohl aus einer natur*
liehen Vergleichung mit den Weber'tahen und Spohr-
sehen Kunstwerken einerseits und auf der anderen Seite
mit den leicht verdaulichen Genüssen, die Aubtr y Bei-
ü*i u. s. w. auftischten, zu entschuldigen» aber nichts
destoweniger, weil ihr eine Parteilichkeit zn Grunde lag,
nicht zu rechtfertigen war. Jetzt hat sich, man könnte-
wohl gar behaupten : in Folge der veränderten politischen
Ansichten, auch dies geändert. Das deutsche Publicum,
selbst nicht ausschliesslich das tüobtig gebildete, fängt an,
Bedauern darüber zu empfinden, dass Deutschland in neue-
rer Zeit so wenig selbständig in dramatischen Geinpeti-
tionen dasteht; durch ein gewisses Nataoaalgefuhl getrie-
ben, wünscht es, dass endlieh ein Meister erscheine, der
den Ruf der deutschen Oper rette und wieder tu Ehren
bringe $ deshalb hofft es auch , wenn ihm ein nettes va-
terländisches Werk geboten wird, auf etwas Gutes und
auf Erfolg. Das sind offenbar bessere und günstigere Auspi-
681
1344t October. No. 4L
682
eleu f«ir die Musiker, denen jetzt Wünsche und Hoffnun-
gen da entgegenkommen, wo vor Jahren ein grelles Vor-
urtheii mi Wege stand , und diese Verhältnisse können
nur ron gtifeklicher Vorbedeutung und guten Polgen sein,
wie denn in der Thal sebon eine grössere Zahl neuer
deutscher Opern cum Vorschein kommt. Wer unter die-
sen neueren Componisten den grossen Treffer ziehen wird,
dem Publicum Befriedigung seiner Wunsche zu bringen,
das liegt noch in der Götter Scboose. Wohl uns, dass
das Streben nach dem Ziele sich mehrt und die Erwar-
tungen sieb spannen I
Schon Ton diesem Gesichtspuncte aus begrussen wir
die beiden Opern, welche als deutsche Novitäten uns vor-
geführt wurden, gern und freudig. Die erste derselben:
„Der Schöffe von Paris," von ff. Dorn, welche am 10.,
11. 9 15. und 24. September (an den beiden ersten Ta-
gen unter eigener Leitung des von seiner früheren mehr*
jährigen Wirksamkeit als Musikdireclor des Theaters hier
wohlbekannten Cotnponisten) zur Aufführung kam, ist be-
reits vor einigen Jahren iu Riga, wo der Letztere bis
Mitte vorigen Jahres an der Spitze des Orchesters und
der musikalischen Leistungen überhaupt stand, comnonirt
worden. — Referent konnte nur der dritten Aufführung
derselben beiwohnen, und ist daher weit entfernt, schon
jetzt ein Urtheil hier auszusprechen, behält sieb vielmehr
vor, später darauf zurückzukommen ; so viel jedoch kann
er gestehen; dass ihm die Oper, obgleich sie viele schöne
Stacke, namentlich in den Chören und Ensembles ent-
hält und die geübte Feder eines anerkannt tüchtigen Mu-
sikers verriith, doch einen durchgebends befriedigenden
und überhaupt nachhaltigen Eindruck nicht gemacht hat,
und dass er sogar hier und da Veranlassung zu finden
glaubte, mit dem Gomponisten über Declamatiop, drama-
tische Behandlung, ja selbst über musikalische Auffassung
zu rechten. Allein, wie gesagt, vielleicht bekehrt sich
Referent nach öfterem Anhören. Uebrigens war auch die
Besetzung zum Tbeil nicht so, wie es zu wünschen ge-
wesen wäre. Denn die Rolle der Therese war der zu
zweiten Sopranpartieen engagirten Fräul. Wertmüller ,
die des Loriot Herrn Henry zugetheilt worden, der we-
gen seiner schwachen und unbedeutenden Stimme und
seiner mehr parlanten Art zu singen sich wohl zum Te-
norbuffo, nicht aber zu einer, wenn auch stellenweise
komischen, doch immer den Liebhaber im Stücke darstel-
lenden Partie eignet; Herr Ulram löste zwar die schwie-
rige Aufgabe, die der Componist dem Schoflen hinsicht-
lich des Gesanges gestellt bat, glücklich, er hatte jedoch
offenbar mit -dem dadurch unvermeidlichen Zwiespalte zu
kämpfen, dass die Gesangnummern dieser Partie musika-
lisch durchaus komisch angelegt und behandelt sind, das
Sujel selbst aber zu Durchführung dieser Komik zu we-
nig Stoff bietet. Der natürliche und unerschöpfliche Hu-
mor der Frau Baehmann (Trinette) aber übte, wie im-
mer, seine Zauberkraft auf das Publicum aus , und liesa
leicht vergessen, dass die Darstellerin in manchen Stel-
len de* nicht geringen Ansprüchen ihrer Partie an Ge-
sangvrrtuosität niebt vöüig gewachsen war; Herr Eiche
gab «ad sang den König recht brav. Die Oper wurde von
Seite» des Publicums mit BeifoU aufgenommen und bei
der ernten Aufführung der Componist gerufen.
Die Oper unseres Orchesterdirigenten, Herrn Joseph
Netter'* „Mara" ging am 18. September zum ersten
Male in Scene, und wurde am 20. und 29. desselben Mo-
nats wiederholt. Die Musik ist melodiös und ansprechend,
gebt aber eben auch nicht über das Melodiöse hinaus $
sie bewegt sich vielmehr grösstenteils in dem Kreise des
Dagewesenen und schon öfter Gehörten, wenn man auch
nicht gerade die einzelnen Anklänge nachzuweisen ver-
mag; der Mangel an Originalität liegt mehr im Genre,
als in den Weisen selbst. Andererseits ist unbedingt die
verständige Auffassung des Textes, so weit sie das frei-
lich nicht gerade interessante Buch Ton 0, Prechtler an
die Hand gab, und eine brillante, zuweilen nur etwas zu
anspruchsvoll auftretende Instrumentation zu loben, und
im Allgemeinen anzuerkennen, dass der Componist in die«
ser seiner, so viel wir wissen, ersten Oper einen Grad
von Gewandtheit und Routine bewährt hat, der nicht al-
len Erstlingsopern eigen zu sein pflegt. Will und kann
Derselbe selbständiger aus sich heraus componiren, so
wird es ihm gewiss gelingen, die Aufmerksamkeit des
deutschen Publicums mehr auf sich zu ziehen , als er es
durch diese Oper für jetzt vermag. Uebrigens wurde dem
Gomponisten und Dirigenten zahlreicher Beifall und zum
Schlüsse der Vorstellung Hervorruf zu Theil. Die Aus-
führung Hess allerdings auch wenig zu wünschen übrig.
Fräul. Mayer — Mara, Fräul. Bamberg — Ines, Herr
Kindermann — Torald, Herr Lehmann — Manuel, und
Herr Poguer — Gornaro, bildeten ein wackeres Ensem-
ble und erwarben sich eben so in den Soli's häufigen,
und verdienten Beifall $ für die äussere Ausstattung des
Stückes war von der Direction Erfreuliebes gethan wor-
den, . 9.
Leipzig, den 7. October 1844. Mit dem Monat Octo-
ber pflegt die Reihe von zwanzig Abonnementcoucerten
im hiesigen Gewandhause zu beginnen, welche seit nun-
mehr 63 Jahren ununterbrochen das musikalische Publi-
cum Leipzigs erfreut und gebildet haben, und denen un-
sere Stadt unbestritten einen grossen Theil des Rufes
verdankt, den sie wegen ihres regen Sinnes für Tonkunst
und wegen der hier reichlich gebotenen hoben Kunstge-
nüsse überall geniesst. Es mag wohl wenig Städte in
Deutschland, ja überhaupt irgendwo geben, welche ein*
solches Institut, wie das unserer Gewandbausconeerte,
aufzuweisen vermöchten, ein Institut, das einzig und al-
lein durch bestimmte Beiträge der Abonnenten besteht und*
unter freiwilliger und uneigennütziger Oberleitung einer
kleinen Anzahl kunstliebender Männer über ein halbes.
Jahrhundert die Tbeilnahme des Publicums zu fesseln ge-
wusst hat , und dem es gelungen ist , nicht nur die in
neuerer Zeit allerwärts gewachsenen Ansprüche an die.
Tonkunst durch Vorführung des anerkannt Besten noch
mehr zu steigern und dadurch auf immer mehr zunefa-.
mende Erkenntnis« des Wahren und Schönen hinzuwir-
ken, sondern sogar seinen Leistungen eine selche Stelle
anzuweisen, auf der sie mit ähnlichen, hier und da un-.
ter weit günstigeren Verhältnissen bestehenden Anstalten«
getrost in die Schranken treten können. Und so ist es.
denn gekommen, dass Leipzig und insbesondere dessen
Abonnementconcerte für die ausübenden und schaffende»
«85
1844, October. No, 4t.
684
Künstler fast aller Linder ein erwünschtes Ziel sind,
am sich dort in der musikalischen Welt ehrenvoll au iu-
troduciren und mit einem Male ein gutes Stück Weges
auf der Bahn des Ruhmes zurückzulegen , dem ja jeder
Künstler nachstrebt. Dass dadurch wir in Leipzig am Mei-
sten gewinnen, liegt auf der Hand ; durch die umsichtige
Wahl der Leiter des Vereines vor Leistungen und Kunst*
erzeugnissen bewahrt» die selbst in der Wagschaale der
Dilettantenkritik leicht wiegen, hörten wir bis jetzt gröss-
tenteils nur Gutes und Tüchtiges , und die Abwechse-
lung, welche die treffliche Aufführung classiscber und an-
erkannt werthvoller allerer Compositiooeu und das Aufr
treten jüngerer producirender und reproducirender Ta-
lente bietet, erhöht nur den Reiz, den uns diese Con-
certe gewähren«
Mit Freuden begrüssen wir daber jetzt den Wieder-
beginn unserer Concertsaison. Leider haben wir zwar
zu beklagen, dass auch in diesem Winterhalbjahre Men-
delssohn durch seine Stellnug in Berlin an der Direction
verhindert ist; aber frohe Hoffnungen kommen Herrn
Niels fV. Gade entgegen, den uns diesmal der Vorstand
als Dirigenten der Concerte gewonnen, und der eben so
durch seine im vorigen Winter mit verdientem grossen
Beifalle aufgenommenen Compositionen, namentlich seine
beiden Symphonieen, wie durch die tüchtige Leitung der-
selben sich als einen gediegenen Musiker bewährt hat
und uns lieb geworden ist.
Das erste Abonnementconcert, Sonntag den 6. Octo-
ber, brachte: Ouvertüre zu Oberon von C M. v. We-
ber. — Recitativ und Arie aus Figaro von Mozart (Deh
vieni, non tardar), gesungen von Frau Spatser-Gentiluomo,
königl. sächs. Hofopernsängerin aus Dresden. — Concert
für die Violine (Amol!, Manuscript), compooirt und vor-
getragen von Herrn Concertmeister David. — „Der Hirt
auf dem Felsen/' Gedicht von iV. Vogl, mit Begleitung
des Pianoforte und der Clarinette, compooirt von Fron»
Schubert, gesungen von Frau Spatzer- Gentiluomo. —
Symphonie von L. v. Beethoven (Adur, No. 7),
Die herrliche Ouvertüre zu Oberon, eine von den
Ouvertüren, die unser Orchester seit Mendelssohn 9 s be-
geisterter und begeisternder Direction so recht, als wäre
sie aus dem Innern der Executirenden hervorgewachsen,
aus Einem Gusse und mit gleich zarter Duftigkeit, wie
mit geharnischter Heldenkraft wirklich vollendet vorträgt,
bewährte auch heute ihre Zaubermacbt und wurde mit
lebhaftem Applaus aufgenommen.
Frau Spatzer • Gentituomo, uns schon von einem der
vorjährigen Concerte und gewiss einem grossen Theile
der Zuhörer durch ihre Leistungen auf der Dresdener Buhne
bekannt, zeigte sich wiederholt als eine mit schönen Ge-
sangmitteln begabte Sängerin und erwarb sich reichen
Beifall. Nur scheint gerade die zarte Innigkeit der Arie
aus Figaro ihrer offenbaren grösseren Hinneigung zur
Bravour und zum colorirten Gesänge weniger zuzusagen ;
das zeigte sohon der Anfang derselben nach dem Recita-
tive; gleich die ersten Noten wurden nicht dem Texte
angemessen, nicht voll Sehnsucht und Erwartung, son-
dern zu grell, zu stark, zu bravourmässig vorgetragen.
Wir halten überhaupt gerade dieses Gesangstuck, so sehr
wir auch von der einfachen und unübertrefflichen Schön-
heit desselben durchdrangen sind , für nitibt sehr geeig-
net zum Concertvortrage, besonders wenn es, wie beute,
mit deutschem Texte gesungen wird, und wir hätten wohl
gewünscht, dass die Sängerin, da sie Oberhaupt an die-
sem Abend von ihrer Gesangfertigkeit eine Probe zu ge-
ben nicht weiter Gelegenheit fand, eine andere Wahl
E troffen hätte. — Das wohl wenig bekannte, von Herrn
mdsraf auf der Clarinette schön und discret begleitete
Schubert'&cbt Lied „Der Hirt auf dem Felsen' 4 wurde
gewiss einen günstigeren Eindruck gemacht haben, wenn
man durch Mittheilung des Textes im Programm in den
Stand gesetzt gewesen wäre, eine Vergieichung des letz-
teren mit der Musik anzustellen und so dem Ideengange
und den Intentionen des Gomponisten zn folgen. Vorzüg-
lich derartige, durch das Hinzukommen eines obligaten In-
strumentes aus dem gewöhnlichen Liedergenre heraustre-
tende Gesänge erfordern zur richtigen Seurthcalung ein
genaueres Eingeben auf die' Gründe zu solcher Abwei-
chung, die doch zunächst in den Worten des unterlie-
genden Gedichtes und in dem Bilde, welches dieses dar-
stellt, liegen. Frau Spatzer -Gcntiiuomo trug übrigens
das Lied gut vor.
Mit seinem neuesten Violinconeerte bat Herr Con-
cerlmeister David, — über dessen treues Festhalten hei
unserem Orchester wir, und gewiss Alle, die es mit un-
serem Musikleben gut meinen, die lebhafteste Freude em-
pfinden, — uns abermals den Beweis gegeben, dass er
die Müsse des Sommers fleissig benutzt bat,, um die mu-
sikalische Literatur auch qualitativ au bereichern. Das
Concert ist schön erfunden» voll Leben und Feuer, und
namentlich der letzte Satz, Rondo grazioso, in der That
höchst graziös und reizend, und die grössten Schwierig-
keiten erscheinen, freilich unter der Hand eines so ge-
diegenen Virtuosen, wie Herr David ist, wie ein liebli-
ches Spiel. Der laute Dank der Zuhörer begleitete den
böchsP gelungenen Vortrag und wird den Spieler wieder-
holt davon überzeugt haben, dass Leipzig auf seinen Be-
sitz stolz ist.
Lieber die Ausführung der Beethoven'schen Adur-
Symphonie vermag Referent etwas Anderes nicht zu sa-
gen, als was bereits früher darüber gesagt worden int,
und das ist das beste Lob, was er derselben nnr immer
spenden kann. Wir sind seit einigen Jahren daran ge-
wöhnt/ die Beethoven'&cbtn Symphonieen vorzugsweise
in grosser Vollkommenheit zu hören , und daa war auch
diesmal der Fall. Hiermit sei auch zugleich der Direction
des Herrn Gade volle Anerkennung gezollt, der mit wür-
diger Ruhe eine edle Energie verband und dadurch zum
Gelingen des Ganzen wesentlich beitrug. L. Ä.
Cassel. (Beschluss.) Am 20. Aug. kam zur Verherrli-
chung des Geburtsfestes des Kurprinzen und Mitregenten
die Oner „fttara" von J. Netzer hier zum ersten Male nur
Aufführung. Das Werk hatte sich sowohl von Seiten ni-
ler bei der Aufführung mitwirkenden Künstler wahrer
Theilnahme uod rühmlichen Strebens nach einer befriedi-
genden Darstellung, als auch von Seiten des Publicum*
beifalliger Aufnahme nnd verdienter Anerkennung zn er-
freuen. Das Opcmbach von Otto Precktler zählen wir
685
1*44. October. No. 41.
686
su den besseren der neuem Zeit; denn es ist lyrisch
gut gedacht, nnd namentlich ist der darin herrschende
Wertausdruck nnd die Sprachform (das Metrum) mit vie-
ler Rfieksicbt auf den Gesangvortrag gewählt uud die Ge-
danken selbst sind dergestalt verknüpft worden, dass dem
Tonsetzer bei der Ausprägung schöner musikalischer For-
men keine ihn beengenden Hindernisse in den Weg tra-
ten. Die Handlung ist zwar einfach und bat einen unge-
suchten Fortgang, nimmt jedoch bis znm Schlosse hin das
Interesse des Zuschauers in Anspruch , indem die Cata-
strophe weislich bis dahin aufgespart ist. Dramatisches
Leben gewinnt das Ganze fast ausschliesslich durch die
wechselnden Situationen der Heldin des Stückes, Mara,
einer jungen Zigeunerin, und Torald's, Häuptlings der Zi-
geunerhorde. Jede einzelne Scene, welche uns in diesem
Werke vorgeführt wird, ist durch die Musik wirklich ge-
hoben und eben sowohl poetisch wahr, als ästhetisch
schön in Tönen charaeterisirt. Abgesehen von dem höchst
achtuogswerthen Streben nach solch 9 wahrer und schöner
musikalischer Darstellung, zeichnet sich das Werk durch
feste, edle, einheitsvolle Haltung bei formeller Abrun-
dung der sinnvollen Gedanken höchst rübmenswerth aus,
welche überdies durch eine zwar reiche und insbesondere
die Bedürfnisse unserer Zeit befriedigende , aber — von
dem gegenwärtigen Standpuncte der Orchesterbehandlung
aus betrachtet — nirgends überladene Instrumentation ein
gutes dramatisches Colorit erhalten haben. Nur seheint
uns einzelnen Blasinstrumenten und darunter am Häufig-
sten den Hörnern und auch den Pauken oftmals zu viel
aufgebürdet zu sein. Mag es sein, dass die Ventilbörner
und Trompeten zu der jetzt oft vorkommenden zu freien,
a nicht selten ganz unschönen und wirkungslosen Be-
handlung dieser Instrumente Anlass gegeben haben : wir
können uns nicht damit einverstanden erklären. Fast alle
Nummern des Musikwerkes wurden mit freudiger Theil-
nahme begrusst und gleichem Interesse verfolgt. Wir
denken in Betreff der Ausführung mit Vergnügen an die
Ouvertüre, den Chor No. 1 „Die Sonne geht unter in
düsterer Pracht," das Beoitaliv und Duett für Sopran
(Mara) nnd Bass (Torald) No. 2 „Du senkst das Haupt,«*
den Nationaltanz mit Chor No. 3 „Süsser Sturm er-
wacht" im ersten Acte, ferner im zweiten Act an das
Terzett für Sopran (Ines), Tenor (Manuel) und Bass (Cor-
naro) No. 11 „Ja! aus diesen Zügen," das Becitaliv uud
die Arie für Sopran (Mara) „Die Nacht bricht ein" und
das darauf folgende Becitativ für Bass (Torald) „Zurück !
Ich bin es nicht" n. s. w. , „Ich sab um diese Stelle
schleichen" u. s. w. — die Arie „Vergiss der Liebe
Stunden" nnd das Finale No. 16 „Erkennst du sie," und
endlieh im dritten Act an den Frauencho/ No. 17 „Die
Stunde der Feier ist nun erschienen," das Duett für So-
pran (Ines) und Tenor (Manuel) No. 18 „Engel des Frie-
dens" nnd das darauf folgende Vocalterzett für Sopran,
Tenor nnd Bass (die Vorigen und Cornaro) „Geht mit
Gott," den Marsch No. 19 mit dem vorhergehenden Be-
citalivsatze für Sopran (Man) „Hier mnss der Zug vor-
bei/ 4 das Becitativ und die Arie für Sopran (Mara) No.
20 „Ich sah ihn wieder," und das Finale No. 22 „An
deinen Qualen mich nun zu weiden." Um die Ausfüh-
rung der einzelnen Gesangpartieen machten sich die Da-
t
b
men LSw (Mara) nnd Eier (Ines) und die Herren Bi-
berhofer (Torald)', Derska (Manuel) und Foppel (Cor-
naro) nach Kräften verdient. Wir haben bei dem in glei-
chem Grade bewiesenen Eifer der hier genannten Mit-
glieder unseres Opernpersonals zu bedauern, dass die
Stimmmittel zweier derselben, welche uns durch ihre
früheren Leistungen vorzugsweise lieb geworden sind,
nicht für alle Situationen vollkommen ausreichend waren.
Sowohl der Stimme des Fraul, Low, als auch der des
Herrn Derska wäre an vielen Stellen ihrer Gesangparte
mehr Stärke und Frische zu wünschen gewesen. Herrn
Biberhofer führte sein an sich sch&tzenswertbes Stre-
ben nach lebensvoller und gefühlswarmer Darstellung in
der oben näher bezeichneten Solopiece des zweiten Actes
zu weit; nicht sowohl in seinem Spiele, welches neben
manchen anderen äusseren Vorzügen des Sängers einen
grossen Theil des Publicums für ihn einnimmt, als viel-
mehr in seinem Gesangvortrag übersehritt er diesmal wie-
der die Grenzlinie des wahrhaft Aestbetiscben. Es ist
nicht genug, dass der vortragende Künstler blos die Licht-
punete eines Tongemäldes zu erfassen und die mit den-
selben beabsichtigten Wirkungen nach seinen besten Kräf-
ten darzustellen bemüht sei; seine Darstellung muss sin-
nig, wahr und schön zugleich sein, wenn sein Zweck
nicht allein darauf hinausgeht, das weniger kunstgebil-
dete, nur durch das Frappante zu afficirende Publicum zn
blenden; er muss, um eine vollendete Darstellung des
Kunstwerkes zu erzielen, das vorzüglich Effectvolle —
wenn es wirklich künstlerisch vollendete Gestalt hat und
demnach nicht isolirt steht — in allen seinen Beziehun-
gen zum Ganzen zu ersehauen bestrebt sein, weil es
ihm nur in Folge einer solchen Erkenntniss und mit dem
Bewusstsein der Wirkung der ihm zn Gebote stehenden
Vortragsmittel möglich wird, bei seinen Darstellungen
stets das richtige ästhetische Maass zu treffen und somit
Ideales würdig darzustellen. Auch war in dem Gesang-
vortrage des Herrn Biberhofer, insbesondere bei der An-
gäbe von Intervallen, deren Grösse oder Tonlage ver-
schiedene Stimmregister in Anspruch nahmen, bei aller
Deutlichkeit der Pronunciaüon , die Vocalisation nicht zu
jeder Zeit rein deutsch. Von den hier erwähnten Män-
geln abgesehen, stehen wir nicht an, die dermalige Lei-
stung des Herrn Biberhofer als eine sehr gelungene zn
bezeichnen. Der Chor und das Orchester leisteten Ver-
dienstliches. 0. K.
Feuilleton.
Friedrich Kalkbrenner und Ernst Pauer sind zu Ehrenmit-
gliedern des Mosikvereins au Carlsbad ernannt worden.
Neue Opern» J. Hoven (Veeqve v. Püttlingen) arbeitet an
einer neuen Oper: Das Seh los s Taya, wovon bereite zwei Aufzuge
fertig sind. — Heinrieh Proeh bat eine komische Oper: Riogund
Maske, Boch von Otto Prechlter y gesehrieben, die bald am Karat h-
nertbortheater zn Wien aufgeführt werden soll. Eben so in Han-
nover des Mnsikdirectors Seydetmann neue Oper: Das Fest zu
fieoilwertb. — Louis Köhler bat eine neue vieractige Oper: Ma-
ria Dolores, noch von dem Tenoristen Schmetter, eomponirt, wetebe
in Brauusehweig am 18. September mit Beifall aufgeführt wurde.
Köhler ist ein Schüler von Seyfried und Boeklet. — Der Lieder-
687
1844. October. No. 41.
688
eompouist Qumkert hat sieh «beatoU* in einer Oper : Die
Schasttrio, versteht, die inunehst in Strejitz aufgeführt werden
wird. — la Paris gefiel eioe neue komische Oper: Los den* gen*
tilshomines, Buch Ton Planard, Mnsik von Cadaux; die Lelitere
wird nie gefällig nnd wohlklingend , wenn a«eh nicht uls originell
geschildert. — Netaer hajt eine neue Oper: Die firoberaog run
Granada, Bneh von Gripenherl, geschrieben ; Ferdinand HilUr ein«
dergleichen : Der Müller nnd sein Rind.
Zn Antwerpen starb Jaeeb Bender, Orchestercbef der k5nig-
liehen Gesellschaft der Harmonie nnd frnchtbarer ComponieL
Ebendaselbst bat sieb ein neuer (flämischer) Singverein unter dem
Namen i „Die Seheldesöune " gebildet; an der Spitse desselben
frei Brabaater, Tat Brmggm,
Letalerer ist ein Mieblar Comnauist,
In Renan Ist ein Ceosorvatorium der
.Herrn Leon Marie erriebtet worden.
f CarteL
Musik unter Latang des
Riete in Paris hat eine Clarlnette mit beweglichen Ringen
erfanden, wodurch unter Anderm die Richtigkeit und Gleichför-
migkeit der T6ne befördert und die Arpeggien erleichtert werden.
Bs kann auf dem Instrumente in allen Moll- nnd DarUoarteo ge-
spielt werden. Der Erfinder hat auch ein« Schult dann drucken
lassen nnd versichert, dass dies neue Instrument sehr leicht nn
erlernen sei.
Ank ttndlgn ngen,
Höchst wichtiges Werk Ar Seminarien.
Die Kunst des Orgelspiels;
theoretisch* practische Anweisung für alle vorkommende
Fälle im Orgelspiele, mit durchgängiger Pcdalappü-
catur und Bemerkung der Registerzüge.
Ein ljehrbucn
für sich bildende Orgelspieler, insbesondere für den Un-
terricht in Seminarien nnd Priparanden- Schalen.
Bearbeitet and herausgegeben in Gemeinschaft mit
W. «Lörner
von
A. S3. MUer,
Domergnnist und Gesanglehrer an Merseburg.
Das Gänse erscheint in sechs Lieferungen, wovon die Liefe-
rung nur £ Thlr. kostet und im Laufe des Septembers die erste
erscheint. Willi. KeSnter in Erfurt.
Empfehlenswerthe Neuigkeiten
im Verlage von m^humnertlm et Camp, in Hamburg, welche
sieh durch Gediegenheit nnd schöne Ausstattung uusneiehnen t
Burapnihller, Fei»d., Opernfrennd. Potpourri** für Piano-
forte. No. 15. Donizetti, Liebestrank. No. 19. Halevy, Guido
n. Ginevra. No. M. Lortzing, Czaar u. Zimmermann, a 8 Ggr.
Chwmiml, F» TL** Variations amüsantes et non difficiles pour
Pianoforte. Op. 38. . No. 1.
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Pianoforte, Op. 20, in Einem Bande. 2 thlr.
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Einem Bande. 2 Thlr.
FruuaelL, C A~ Zweites Trio für Pianoforte, Violine n. Vio-
loncelle. Op. 1. No. 2. 2 Thlr. 18 Ggr.
Hummer« Hl«; Introd. und Rondo über angarische Originalmo-
tive für Vioüne mit Pianoforte. Op. 2. 20 Ger.
Introd. et Variations de Concert sur des Tbemes de Doni-
setti, pour Violon avec Orchestre. Op. 7. 2 Thlr.
Henselt, A«, „Das ferne Und« 4 (Ma Patria). Romance luv. an
Med. Viardot-Gurcia, pour Chant uvec Piano. 6 Ggr.
— — La meme. Pour Piano. 6 Ggr.
Krems, C, „Mein Amt. 4 * Iied fir Sopran oder Tenor satt Pia*
noforte. Neue Ausgabe. 6 Ggr.
Dnsselbe für Alt oder Bariton. Neue Ausgebe. 6 Ggr.
„Nichts Schöneres/' Lied für Sopran oder Tenor mit Pia-
noforte. Op. 67. Nene Ausgnbe. 8 Ggr.
Dasselbe f&r AU oder Bariton. Nene Ausgnbe. 8 Ggr.
„Die süsse Bell.* 4 Lied für Gesang mit Guimrre. 6 Ggr.
„Die Hetmeth." Lied für Pianoforte übertragen.
I4mdM«Ml, A. F., Schwedische Lieder mit Piunoferlebeglei-
tnng, in deutscher Uebertraguug mit Beibehaltung des Original-
textes rnn Dr. A. E. WoUheim. 5« lieft. 1 Thlr.
10.
Iilszt, Fr., Grand Septnor de Beethoven, Oenv.
pour Piano. Nene Ausgabe. 1 Thlr. 16 Ggr.
IiMbln, IieSmnl sie HU, Moreean de Salon. Noetnrne en forme
d* Andante suivi d'ua Rondino pour Violon uecompagne de Piano.
Op. 47. No. 1.
Remberff , B», Introd. et Rondo pour Violoocelle avec Piano.
a. 21. Nene Ausgabe. 20 Ggr.
»man, S., 6 Lieder für Mezzosopran, AU oder Bariton,
mit Piuneforte. Op. 2. Neue Ansnbe. 12 Ggr.
BCnraberth, C, Concert für Violoncellc, Op. 8, mit Piano-
forte. Neue Ausgabe. 1 Thlr. 8 Ggr.
gemasmmti, U» Praetisehe Ploteoechnle. Op. Ü8. 4 Abthet-
langeo in Einem Bande, mit dem Portrait des Gomponisten nnd
Schuberth's mnsikalischem Fremdwörterbuch. 6 Thlr. 8 Ggr.
Tmllweller, C. (Preiscomponist), Btndes melodioues p. Piano.
Op. 4. Li?. 2.
Wlllttierej, R«, Tarantella fnrioeap. Pianoforte. Op.4. 1 Thlr.
Zöllner, C. H«, Kleine Orgcbchule für angehende Organi-
sten und Prennde des Orgelspiel». Op. 71. Nene Ausgabe, mit
Schuberth's mnsikal. Fremdwörterbuch als Prämie. 1 Thlr.
Durch alle solide Buch - und Musikalienhandlungen nn beziehen.
In meinem Verlage erschien so eben :
mUumaner, F. A., Elegie sur In mort d'un objet eheri. Com-
Position pour le Violoncello avec Piano. Oenv. 79. 20 Ngr.
Lowe) Cmrl, Der Graf von Habsburg i Bailade von Schiller,
für Gesang nnd Piano. Op. 98. 28 Ngr.
Ulmrajelanier, H. , Lieder für Tenor oder Sopran nnd Piano.
Op. 115. Eioueln: No. 1. Are Murin. 10 Ngr. No. 2. Der
Runs. 7* Ngr. No. 3. An Snleika. 8 Ngr. No. 4. Abendlied.
8 Ngr. No. 8. Ueber Nncbt. 5 Ngr. No. 6, Uebesmulh. 7* Ngr.
No. 7. Mein Hers iit am Rheine. 7\ Ngr.
Drod«, i« October «844. Wilhelm PmL
Meinen geehrten Correspondenten neige ich ergebenst an, ^f
MusikalieiiDaliete durch die Herren Breiücepf und Hmtel in Leip-
nig nn mich gelangen, nnd bitte ich, nn mich errichtete Zusen-
dungen demgeniass ndressiren su wollen.
Merseburg, den 1. October 1844, - Ä ^- ^
M.* in« Kifver«
Anerbieten. Bin junger Mann, der liefere Zeit den Unter-
richt des rühmlich bekannten Herrn Hefmusikus Reuiker in Cnrm-
rnhe auf der üeboe genossen nnd ron diesem , wie Ton anderen
competenfen Benrtbeilern die besten Zeugnisse anfknweisen hol,
wnnecht bei einer CapeUe oder bei einem Tnentenorchmmnr in ir-
gend einer bedeutenden Stadt eine Austeilung an finden.
Die Riegel- und messner sehe Buch - nnd Musikalienhandlung
in Nürnberg rermittelt gerne beliebige Unter bandlang.
Druck and Verlag von Breitkopf und Hortel in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
689
680
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG
Den 16 ten October.
M4».
1844.
Inhalt t Reeenstou*. — JVfldkridtoii: Am Göttin gen. Ans Hamburg. Aoi Leipzig. Das Gelangtest ia Bock« Den. — Anhündijungtn*
RECEN8IONEN.
Cr an s, F. A.> Sonates dramatiques. No. 2. Hamburg,
A. Cranz. Preis 1 Thlr. 8 Ggr.
In No. 4 dieser Blätter besprachen wir die erste Lie-
ferung dieser Sammlung, welche unsern Beifall in jeder
Hinsicht erhielt, den wir auch dieser zweiten Lieferung
zu zollen nicht versagen können. Der Verfasser hat hierin
dieselbe Umsicht in Beherrschung des Formellen, Tech-
nischen und guten Geschmack bewiesen; es liegen die-
ser Sonate Motive der Oper „II matrimooio segreto" zu
Grunde» die wohl angebracht sind, und es macht das
Ganze einen fast noch günstigeren Eindruck, als die erste
Sonate. Herrn Cranz's Schreibweise verrätb genaue Be-
kanntschaft mit den früheren und jetzigen Arten dersel-
ben; ohne der heutigen Verbrämung der Melodie, Ueber-
tretbung u. s. w. zu huldigen, weiss er geschickt das
wirklich Gute der jetzigen Spielmanier einem zum Gan-
zen passenden Style anzueignen, so dass geübte Spieler
mit Befriedigung diese wirklich schöne Sonate aus der
Hand legen werden.
Leonhardt, J. B.. Zwei Sonaten für Pianoforte und Vio-
line. Op, 10. No. 1. Hannover, C. Bach mann. 2 Thlr.
Von diesen zwei Sonaten liegt uns nur die erste
vor. Wir machen hierin die Bekanntschaft eines recht
wacker* jungen Rinstlers, der gute Bildung und eifriges
Studium der Werke unserer theueren Meister: Haydn,
Mozart, Beethoven — wir möchten vielleicht noch hin-
zusetzen: Bach, Händel — vermuthen lässt.
Gedachte Sonate, bestehend aus vier Sätzen -— AI-
legro, Bdnr, %, dem eine fnttoduetion vorhergeht, An-
dantiuo mit Variationen, Gmoll, %, Scherzo, Gm oll, %,
Rondo , B dur , € , enthilt schöne Arbeit und meist- Be-
stimmtes in Bauart und Anlage.
Wir sagen*, meist, indem wir uns mit einem Um-
stände nicht recht befreunden können, nämlich dem : dass
die Parallele des Haupttones vom Componisteu zu sehr
benutzt, fast abgenutzt wurde,- wodurch dem ganzen
Werke in Aufschwung und Einganglichkeit Eintrag ge-
thanwird. Nicht nur, dass diese Tonart schon in dem ersten
Satze Befriedigung erlangt bat, steht auch noch das An-
dantino und sogar das Scherzo in dieser Tonart, was hier
doppelt auffllKg wird, da im vorhergehenden Satze <Ke-
46. Jahrgang,
selbe zur Genüge ausgebeutet wurde. Oder, sollen wir
dieses Scherzo als Fortsetzung der Variationen nehmen?
t Besser wäre es, wenn dasselbe den Variationen beim
Spielen gleich angeschlossen und dadurch die Sonate auf
drei Sitze reducirt würde. Die Beseitigung einer pewis-
gen modulatorischen Dürftigkeit der Sätze unter sich ist
zwar dadurch immer noch nicht erlangt, aber doch etwas
dafür getban. Nach unserer Ansicht thut der Componist
wohl, wie bei den einzelnen Sätzen schon der Blick der
Arbeit vorauseilen muss, soll Gelungenes hervorgeben,
auch zum Voraus mit seinem Modulalionsplane für das
ganze Werk im Reinen zu sein und Motive, wenigstens
für ein paar Sätze, vorrälbig zu haben ; es lässt sich dann
leicht, ungezwungen schaffen und kann dann allemal noch
Das 1 weggelassen oder gar verworfen werden, was nicht
geeignet scheint.
Nach dieser Methode dürfte der Modulalionsplan viel-
leicht so ausgefallen sein :
Allegro. Andante. Scherzo. Pinale.
Bdur. Gmoll. Es dur. Bdur.
oder: Bdur. Es dur. Gmoll. Bdur.
oder gar: Bdur. Gdur. Cmoll. Bdnr.
Dem letzten Plane würden wir den Vorzug geben. Im
ersten Satze könnte die Paneele abgethan werden; der
zweite stände neu und doch in Bezug auf die folgende
Tonart, als Dominante derselben, verwandt da und könnte
viel Inniges enthalten; im dritten könnte man sich nun
im stürmischen Scherzo gehen lassen, dem durch Benu-
tzung der Parallele Es dur für das Trio ebenfalls Zart-
heit inwohnen würde, und schlösse sich dann das Finale
in enger Beziehung, dabei neuer, als von Gmoll aus, an.
Erkennen wir auf der einen Seite des Compoiristen Stre-
ben mit Vergnügen an und sprechen ihm Fertigkeit im
Formellen zu, so vermissen wir aber auf der anderen das
Poetische, Geistige, Fülle, Frische der Gedanken, den
Stempel eines Kunstwerks; das Andantino hat aus die-
sem Gesichtspuncte für uns den meisten, das Scherzo
den wenigsten Werth; die anderen beiden Sätze verhar-
ren zu sehr in einer gewissen Beschaulichkeit und tra-
gen wenig originelle Züge. So ist z. B. das zweite Thema
des ersten Satzes sehr verwandt mit einem Theile des
ersten Tbema's desselben (von Tact 13 an), und bei der
jedenfalls zu häuGgen Verwendung, ausser dem beding-
ten Wiedererscheinen im dritten Theile noch in der
Durchführung und Coda, da es eigentlich nur aus einem
zweitactigen Motiv:
42
691
1844. October. No. 42.
682
j^-M^tF^^
AUegro pwnpoio
besteht, ist eioige Monotonie nicht zu vermeiden.
Eben weil ans die Sache interessirt, sprachen wir
ans weitläufiger über sie aus. Der Componist mag ans
nieht missverstehen ; seine Arbeit ist fliessend, findet als
solche unseren Beifall und wird sich denselben auch in
anderen Händen erwerben ; das Uebrige sprachen wir zu
ihm selber; ohne dass wir uns ein allein richtiges Ortbeil
anmaassen wollen« wird er vielleicht die eben ausgespro-
chenen Ansichten tbeilen und für die Folge in modulatori-
scher und melodischer Hinsicht in's Auge fassen. Die
Violinpartie dieser Sonaten ist auch im Arrangement für
Flöte oder Violoncello zu haben.
Berlin, A. y Grande Ouvertüre triompbale k grande Or-
chestre. Op. 66. Amsterdam, J. A. Roumann. Pr.5Fl.
Von dieser Ouvertüre liegen uns leider nur die Stim-
men vor, es lässt sich da ohne Partitur, bei dem höchst
mühsamen Vergleichen und Nachsueben in denselben, eine
genaue Einsicht in die Arbeit des Componisten schwer
erlangen ; doch glauben wir, ohne in das Detail eingeben
zu können, unser Urtheil im Allgemeinen dabin ausspre-
chen zu dürfen : dass diese Ouvertüre das gelungene Pro-
duct eines erfahrenen Künstlers, voll trefflicher Effecte
und von klarem Verstündnisse für das Publicum ist. Wir
geben hier die Anfänge der Introduction und des ihr fol-
genden Allegro pomposo, eines sehr klaren, frischen Sa-
tzes, und man wird nach ihnen einigermaassen einen Ein-
blick in des Verfassers Schreibweise und Manier erbalten.
Moderato.
Blecb-
imstrumente.
Timp.
■ '■ li lp |P > 1
scheint derselbe die durch Berlioz gegebene Rich-
tung eingeschlagen zu haben; doch bat sein Werk bei
Weitem nicht die Kräfte nöthig, deren Berlioz bedarf (zwei
Hörner, zwei einfache Trompeten, neben einem Piccolo
und einer grossen Flöte, reichen mit den anderen üblichen
Instrumenten zur Besetzung hin) und bietet in dieser Hin-
siebt nirgends Schwierigkeiten. Aber auch von Seiten der
Ausführbarkeit sind uns dergleichen nicht vorgekommen;
die Ouvertüre spielt sich flott weg, ist sehr melodiös und
kann Eindruck zu machen nicht verfehlen ; derselbe muss
manchmal in den Steigerungen vom ppv. bis zum ff. so-
gar überraschend sein. Möge sich das Werk in Deutsch-
land Eingang verschaffen und so günstig "wie von uns
Beethoven , Ouvertüre zu der Oper Leonore (No. 3) für
Pianoforte zu 8 Händen arrangirt von C M. Schmidt.
Preis 1 Tblr. 20 Ngr.
— Christus am Oelberge, Oratorium, arrangirt für Pia-
noforte zu zwei Händen ohne Worte von C. Czemy*
Preis 2 Thlr. Beide bei Breitkopf u. Härtel in Leipzig.
Ein in der neueren Zeit sehr beliebt gewordenes Ar-
rangement ist das für Pianoforte zu acht Händen, auf
welchem Felde sich der Bearbeiter vorliegender Ouver-
türe bereits mit Glück bewegte. Die Beelhoven'sche Com-
positum ist mit aller Genauigkeit für zwei Piano's wie-
dergegeben und macht, gut gespielt, eine grossartige Wir-
kung, bei welcher man sich leicht das Orchester verge-
genwärtigen kann. Obgleich dazu immer einige Einbil-
dungskraft gehört, so steht doch fest, dass ein derartiges
gutes Arrangement bei vorhandenen Mitteln immer sehr
willkommen sein wird, was wir dem gegenwärtigen auf-
richtig wünschen.
Ein Arrangement eigener Art ist .das des Beetho-
ven'schen Oratoriums, viel auffallender, als eine zu sech-
zehn Händen arrangirte Ouvertüre. Opern, sogar in Ta-
schenausgaben, besitzen wir schon längst in dieser Ge-
stalt, aber Oratorien ohne Worte noch nicht, und doch
liegt der Gedanke bei diesen eben so nahte, als bei je-
nen. Es wird hier zumal ein möglichst gutes Arrange-
ment geboten, bei dessen Durchsicht wir uns zugleich
überCzerny's Productionskraft und Routine wundern muss-
ten, die bis jetzt wohl an 800 Opera (NB. manches sehr
starke aus 12 — 16 Nummern bestehend) in die Well
schickte und immer noch Zeit findet, die Lücken durch
Arrangements und Uebersetzungen grosserer Werke auf-
zufüllen. In der Tbat, Czerny nöthigt uns Achtung ab;
eine Gewandtheit, Schnelligkeit im Schreiben ist ihm ei-
gen, die ihres Gleichen sucht* Dies bestätigt wieder das
vorliegende Arrangement des Oratoriums-; denn obgleich
er damit gewiss nur ein müssiges Stündchen ausfüllte»
hat er doch eine Arbeit geliefert, welche in diesem Maass-
stabe nur gelungen genannt werden kann. Mögen sich
die Freunde geistlicher Musik daran versuchen und er-
freuen, denen hier Gelegenheit gegeben wird, sich auf
693
1844. October. No. 42.
694
eine leichtere Weise, als durch den Ciavierauszug mit
Worten, wo Manchen häufig noch die Uebersicht erschwert
wird, dieses Oratorium vorzuführen.
Melchert, J. , „Was willst dn mehr." Lied für Sopran
oder Tenor mit Pianoforte. Op. 12. Hamburg, bei
Crans. 8 Ggr»
Die Entdeckungsreise, für Tenor mit Pianoforte.
Op. 14. Ebendaselbst. 8 Ggr.
Das Gedicht des ersten Liedes ist ein sehr gutes,
musikalisches, nur hätte es auch als solches vom Compo-
nisten wiedergegeben werden sollen; neben zum Ekel
oft gehörten Belliniaden, z. B.
p=
Mit 4a freundlich mich ge - graset,
hat es wenig hervorstechende, ja sogar sehr gewöhn-
liche Melodie. Wenn eine solche Ausdeboung (es nimmt
sechs Seilen ein, wozu die Bezeichnung: „Lied" nicht recht
passen will) vonnöthen war, so müsste es wenigstens in-
teressanter sein; so aber, bei seinen häufigen Bepetitio-
nen und Umschreibungen des scbon vorher Dagewesenen,
ist es, unserer Meinung nach, nichts weniger ab das.
Dann will uns auch die Taotart nicht recht zusagen;
eine aus der Drellbeiligkeit entstehende, vornämlich der
I2 / 8 -Tact, würde schicklicher gewesen, und die aus dem
4 / 4 -Tact hervorgehenden falschen sprachlichen Accente
beseitigt worden sein. Der x %*Tact wurde obige Stelle
nicht allein richtiger accentuirt, sondern auch die Melo-
die zwangloser darstellen :
ppsp
tf c | >• ** y
seit du freundlich mich ge - grüsst.
Das launige Element ist nicht Jedermanns Ding; auch
die Entdeckungsreise trägt nicht den Character, welchen
ihr ein in diesem Genre mit Gluck arbeitender Gompo-
nist gegeben hätte. Zudem ist uns die ganze Composi-
tum noch viel wertbloser, als die zuerst genannte; das
Vorspiel und der Anfang derselben mögen Zeugniss geben :
Allegrelto.
Wir gehn s« Schiff und rei * sen ; ans lockt der Stets der
gaaieo weites Br-desruid; wer Fremdes will est-dek - kea, der
Unter diese ordinäre Melodie mit dergleichen Begleitung;
deren Introduction einen mit NB. bezeichneten Schnitzer
zeigt, welchen der Verfasser ohne Bedenken auch in »
Nachspiel aufgenommen hat, sind drei Verse gesetzt
Von den übrigen vier Versen des Liedes bat fast je«
der, mit Ausnahme des sechsten und siebenten, welche
beide eine und dieselbe Melodie haben, seine eigene, und
wenn auch diese Melodieen, das manchmal wiederkeh-
rende schlechte Accompagnement abgerechnet, dem Com*
ponisten um Vieles besser gelungen sind, wie die der
ersten drei Verse, so bat ihn doch das Unglück wieder
auf andere Art verfolgt. Von Vers 5 an schleudert ihn
dasselbe nach Adur, und er steuert, wie es im Liede
heisst: „und steuern wir hernach auch krumm, wir se-
geln doch die Welt nicht um," wirklich krumm, segelt
A dur nicht um, sondern bleibt auf offenem Meere sitzen,
sieht sonach die liebe Heimath Fdnr nie wieder.
Hermann ScheUenberg.
Meerfahrt. Ballade von Freiligrath. Für eine Singstimme
mit Begleitung des Pianoforte componirt von Carl Löwe.
Op. 9o. Berlin, bei Schlesinger. Preis % Thlr.
Eine neue Ballade von Löwe , dem in diesem Fache
so gross, reich und eigentümlich dastehenden Tondich-
ter, versetzt den Beferenten jedesmal in eine freudige
Bewegung; denn man darf von seiner geistreichen Fe-
der, so oft er jenes Gebiet betritt, stets Neues, Frisches,
Interessantes erwarten, und Das hat er auch hier gelei-
stet. Ja der ganzen Anlage und zumal in der Begleitung
einfacher und schmuckloser gehalten, als fast alle seine
früheren, ist diese Ballade gewaltig, grossarüg tief,
schauerlich geheimnissvoll, wie das ruhige, in seinem
Schoose die versunkene Stadt bergende Meer selbst, und
sie dürfte sich, wie sie es in ganz vorzüglichem Maasse
verdient, einer um so weiteren und allgemeineren Ver-
breitung zu erfreuen haben, je unerheblicher die Schwie-
rigkeiten sind, die sie dem Sänger wie dem Spieler
bietet. Indem wir dem genialen Verfasser für den rei-
chen Runstgenuss, den uns dieses einfach grossartige,
seiner durchaus würdige Werk gewahrt bat, den wärm-
sten Dank aussprechen, bemerken wir nur noch, in usum
Delphini, dass bei der Bassfigur:
»** , — »4.
3
m
düÜ ' cllilf
?K
die Applieatur leichter wird, wenn man für 3. ?. 1. die
Zahlen 1. 2. 1. setzt.
Vater unser, für vier Singstimmen mit Begleitung von
zwei Violinen, drei Violoncello, Contrabass, zwei Hör-
nen, zwei Trompeten, Pauken und Orgel von Jos. v.
Blumenthal, Op, 90. Partitur und Stimmen. Wien,
bei P. Mechetti, 1 Fl. 30 Kr. C.-M.
Das Vater unser ist hier im homophonen Vocalsatze
einfach Und schlicht in Einem Zuge gerade durcheompo-
nirt, während die Instrumente eine kurze Einleitung von
eilf Tacten und dann eine würdig gehaltene Begleitang
geben, Das Gante kann, mit Sorgfalt ausgeführt, nicht
1844. October. No. 42,
WO
ohne gifte Wirkung «in. Freilich dürfte der Dastand,
dass auf drei Violoncello's gerechnet ist, an vielen Orion
der Aufführung Hindernisse entgegenstellen. Indess könnte
man sieh ja durch die Orgel helfen — ein Fall, auf wel-
chen der Herr Gomponist sogleich bei Einrichtung der
Orgelstimme hätte Rücksicht nehmen mögen. Die Aus«
stattong ist anstandig.
Claviereotnpositionen.
Wie sonderbar zuweilen das Schicksal mit einem
Secensenten spielt oder ihm mitspielt ! Da Öffnen wir das
uns ron der verebrlichen Redaction zur Anzeige gesen-
dete Notenpaket, und sogleich fallen uns
1) Musikalische Emp6nduogen während des Gebrauchs der
Kaltwasserkur zu Wolfsanger, für das Pianoforte com*
ponirt von Deichen. Gassei, bei Luckbardt. Pr. x / 2 Thlr.
in die Augen, und wir fühlen uns nun, nach Durchsicht
dieser ganz artigen Tänze, höchst unglücklich, dass wir
uns nicht auf der Stelle gen Wolfsanger (sehr schlecht
bewandert in der Badegeographie, wissen wir leider nicht
einmal, wo der Ort liegt) aufmachen können, um dort
ähnlicher musikalisch -poetischer Empßndungen theilhaf-
tig zu werden, wie der Verfasser, der durch dieses Werk
gewiss nicht wenig dazu beitragen wird, jene Wasser-
heilanstalt in den Zug zu bringen. Wir geben in unse-
rer Anzeige blos gewissermaassen das poetische Recept
der hier gebotenen musikalischen Ergüsse; allein es wird
hinreichend sein, um unsere Leser nach einem Werke
begierig zu machen, um dessen Acquisition in der Tbat
die Verlagshandlung zu beneiden ist« No. 1. Galopade.
„Wohlbehagen nach dem Morgenbade. " No. 2. Galopade.
„Schauer und Beben unter der grossen Doucbe." Eine sehr
gehaltvolle Nummer, denn es kommt darin auch „Neubeleb-
ter Muth während des Ankleidens," ferner „Fröhliches
Bewegen" und endlich „Gänzliches Wohlbehagen" vor.
Was will man mehr?! Die folgenden Tänze sind leider
in poetischer Hinsicht weniger reich ausgestattet. Unstrei-
tig bat der Verfasser darauf gerechnet, dass die Bade-
S'iste, einmal in den Zug gebracht, sich selbst das Nö-
ige hinzudichten werden ; allein sollte er nicht zu viel
torausgesetzt haben? Es möchte schwerlich ein Anderer
oder Dritter auf gleich sinnreiche und characteristische
Auslegungen verfallen, wie er selbst.
2) Mädcbenträome. Walzer für das Pianoforte von Gungl.
Berlin, bei Schlesinger. Preis 12y 2 Sgr.
Diese Nummer hätte eigentlich einer Dame zur Be-
I;utachtung übergehen werden sollen, denn wir können
eider nicht aus eigener Erfahrung über „Mädcbenträume"
uriheilen, weil wir uns nicht entsinnen, je dergleichen
{ehabt zu haben. Indess wird es sich nicht übel nach
iesen Walzern tanzen lassen — und Das ist am Ende
doch die Hauptsache.
3) Heroisoher Marsch in ungarischem Styl, für das Piano«
forte von F. Lis*t. Berlin, bei Schlesinger. Pr. %TbIr.
Die Themata dieses Marsches sind originell ond cba-
racteristisch erfunden. Die Aosfahrung ist reich mit Pas«
| sagen verbrämt. Der Vortrag des Ganzen setzt <
tüchtigen Spieler voraus.
4) Deutsche Lieder für Piano allein von C. Lührss. Op.
10. No. 2. Preis 10 Sgr. „Wiegenlied" von Kücken.
No. 3. Preis IQ Sgr. „Willkommen" von Fr.Cursch-
mann. No. 4. Preis 10 Sgr. „Treu, süsses Mädchen,
lieh ich dich" von Marschner.
„Paraphrasen" hat der Verfasser, der übrigens ein
sehr tüchtiger Claviervirtuos sein muss, die hier von ihm
in Anwendung gebrachte Bebandlnngsweise der bezeich-
neten Lieder genannt. Sind nun auch diese ,, Paraphra-
sen" so reich und üppig ausgefallen, dass man in ihnen
die Originale kaum wieder erkennt, so hat doch der Ver-
fasser brillante Ciavierstücke geboten, welche bei Denen,
die eine solche Bebandlungsweise ihrer Lieblingslieder
(die uns eben nicht sonderlich zusagt) leiden mögen,
Beifall finden werden.
5) Transcriptions pour le Piano senl par Th. Kullak.
Op. 6. Egmont. Berlin, bei Schlesinger. V« Thlr.
Ein sehr reiches, aber auch sehr schweres Arrange-
ment der Ouvertüre zu Egmont für zwei Bände. Wer die
bekannten Liszt'schen der Beethoven'schen Cmoll- Sym-
phonie u. s. w. bewältigt bat, mag sich auch an diesem
versuchen, das übrigens mit grosser Geschicklichkeit durch-
geführt ist. Wenn es Herr Rullak selbst in den gehöri-
gen Tempi vorzutragen vermag, so haben wir allen Re-
spect vor seiner Virtuosität.
6) I" grande Fantaisie snr des tb&mes de FOpera Marie,
la fille du regiment, pour le Piano composeepar Th.
KuUak. Op. 13. Pr. % Thlr.
7) Fantaisie de Goncert sur des motifs de Preciosa de
C. M. v. Weber pour le Piano seul composee par
Th. Rullak. Op. 14. Preis 1 Thlr. Beide, bei Schle-
singer in Berlin.
Auch hier beurkundet sich Herr Kullak als ausge-
zeichneter Clavierspieler, der als Gomponist den Ton der
Zeit vollkommen zu treffen wusste, in Hinsicht auf Pracht
und Neuheit der Claviereffecte Keinem nachsteht, und auch
wohl den Virtuosen ersten Ranges würdige Aufgaben zu
bieten' weiss. Es tritt da und dort bei ihm eine so eigen-
tümliche Kraft geistreicher Erfindung hervor, dass wir
uns sehr freuen würden, wenn er, anstatt sein unver-
kennbares Talent an Modeartikel zu setzen, es einmal in
einer tüchtigen Sonate oder einem Clavierconcert ver-
suchte, Formen, an die sich seit Chopin gar kein Vir-
tuos mehr zu wagen scheint. Dr. üf.
Liederschau.
Von dem Liede verlangen wir rar allen Dingen eine
ansprechende, fassliche, in sich abgerundete, in den Ge-
fuhikern - des Gedichtes eindringende und ihn wiederge-
hende Melodie, welche von der Begleitung nur unter-
stützt und gelragen, nicht aber erstickt werden darf. Bei
der Beschränktheit des Raumes, innerhalb dessen es sieh
grb'sstentheüs bewegt, erscheint ein grösserer Rekhihmn
und Umfang der Modulation in demselben in der Rege!
m
1044. October. No. 42.
WO
unstatthaft, und bot in ganz betonieren Fällen — da,
wo etwa der Text eines grösseren Luxus der musikali-
schen Farbengebung und schärfere Contrasie in densel-
ben erfordert,— leidet jene Regel Ausnahmen. Wir haben
Sewiss nicht Unrecht» wenn wir behaupten» dass gerade
ie trefflichsten Lieder, die sich des allermeisten nnd
dauerhaftesten Beifalls über den Wechsel der Mode hin-
aus su erfreuen hatten, in Hinsicht auf Melodie die klar-
sten nnd fasslichsten, in Hinsicht auf Modulation die ein-
fachsten , in Hinsicht auf Begleitung die ungesuchtesten
waren. So unleugbar Dies nun aber auch ist, so wenig
wird es doch von manchen Liedercomponisten in's Auge
gefasst, und wir glauben vorzüglich in der letzten Zeit
sehr häufig eine überschwellende Ueppigkeit in der Mo-
dulation bei auffallender Vernachlässigung des melodischen
Princips wahrgenommen zn haben, welches nicht selten,
anstatt als Hauptsache hervorzutreten , durch überwu-
chernde Schwülstigkeit der Begleitung und der Modula-
tion völlig erstickt und in den Hintergrund zurückge-
drängt wird. Wollten wir uun nach dem oben angedeu-
teten Maassstabe die unten verzeichneten Liederhefte be-
urlheilen, so würden wir kaum das eine und andere
als musterhaft hervorheben können , ja über die meisten
den Stab brechen müssen. Allein wir würden dann den
Verfassern, die grösstenteils mit unverkennbarem Ta-
lente, mit Fleiss und Geschick gearbeitet haben, zu nahe
treten und uns dem Verdachte eigensinniger Hyperkritik,
grämlicher Krittelei aussetzen. Darum überlassen wir es
lieber den Herren Verfassern selbst, die hier angezeigten
Werke an jenem Maassstabe zn prüfen, und wenn sie das
Tadelnswerthe und Verwerfliche erkannt haben, so wer-
den sie sich dann von selbst gedrungen fühlen, es künf-
tig zu vermeiden und, znr Sicherung eines allgemeineren,
dauerhafteren Beifalls für ihre Kunstschöpfungen, dem
Melodiösen, dem einfach Warmen ^ Wabren, Ungekün-
stelten nnd (Ingesucbten zu huldigen, welches in jeder
Kunst das Beste und Höchste, aber zugleich auch das
Schwerste ist, zu welchem .in der Regel nur das völlig
durchgereifte Talent hinandringt, während gerade die un-
reifere Jugend im stürmischen Drange ihrer überschwel-
lenden/ nngezähmten Kraft am Leichtesten in die gerüg-
ten Fehler verfällt.
1) Sechs Lieder, gedichtet von Otto A. Banck, für eine
Singstimme mit Pianofortebegleitung in Musik gesetzt
von Carl Band. 55. Werk. Leipzig, bei Fr. Hof-
meister. Preis 17% Ngr.
Der Verfasser, der uns neuerdings wieder vorzüg-
lich durch seine trefflichen Jugendlieder lieb geworden
war, bat auch hier einfach Ansprechendes, grpssentheils
frisch und warm Empfundenes und dabei leicht Auszu-
führendes geliefert, nnd obgleich die Liedform durch ihn
bereits sehr reichen und überwiegend glücklichen Anbau
gefunden, so erscheint doch seine Kraft für dieselbe noch
keineswegs erschöpft. Indess möchten wir ihm doch nicht
ralhen, sie nach dieser einen Seite hin zn lange und zn
anhaltend anzuspannen, Indem dies leicht frühzeitige Er-
schöpfung znr Folge haben dürfte. Die reiehsten Talente
im Fache des Liedes erhielten sich durch abwechselnde
Versuche in anderen Konstnweigen frisch nnd in stete*
Gesucblheit beim Publicum.
2) Sechs geistliche Lieder für eine Bariton- oder Alt-
stimme mit Begleitnng des Pianoforte, und zwei Cho-
räle, in Musik gesetzt von A. F* Anacker. Op. 26.
Leipzig, bei Friedrich Hofmeister. Preis 17% Ngr*
Das Feld des freien, geistlichen Liedes ist gerade
noch nicht eins der reicher angebauten, und so werden
die vorliegenden, welche den Geist gesunder, unerkün-
stelter Frömmigkeit atbmen nnd in würdiger Form auf-
treten, den Anklang finden, den sie in der That verdie-
nen. Die beiden angehängten Choräle haben uns ungleich
weniger angesprochen, als die Lieder. Sie sind, dass wir
es gerade heraussagen, total verfehlt. Wer wird in ei-
nem Chorale Stelleo gnt beissen mögen, wie folgende:
Wer -de sieht
Wen o durch trü •
3) Sechs Lieder für eine Siogstimme mit Begleitung des
Pianoforte, in Musik gesetzt von Franz Corner. 0p.
33. Berlin, bei Ernst Krigar. Preis 17% Sgr.
Hätten wir nicht bereits Hunderte von Liederheften
in den Händen gehabt, so würden wir das vorliegende
für ein ausgezeichnet gutes erklären; denn es fehlt
nicht an melodischem Fluss und sonstigem guten Gusse.
So aber begegnen wir gar mancherlei schon oft gebrauch-
ter Wendungen u. s. w. Am Eigentümlichsten erscheint
das Lied Mo. 2 „Das letzte Glas." Sollte No. 3 „Lied
eines Bettelmädchens " componirt werden, so mussle es
volkstbümlich origineller geschehen. Gerade solche Lie-
der macht sich das Volk selbst am Besten. Im Texte die-
ses Liedes, so einfach er scheiftt, liegt ein tiefer, ver-
zweifelnder Sinn versteckt, den der Compooist nicht ge-
troffen bat. No. 4 ist artig nnd glatt gesungen , No. 5
und 6 aber sind eigentümlicher gehalten.
4) Sechs Gedichte von Friedrich Ludwig, für eine Sing«
stimme mit Pianofortebegleilung componirt von Louis
Liebe. 0p. 2. Cassel, bei G. Luckhardt. Pr. % Thlr.
5) Schwinge, Lüftchen! Gedicht von Fr. Ludwig , für
eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte und
Violoncello. Componirt von Louis Liebe. Ebendaselbst.
Preis l U Thlr.
Alles ganz artig, fein und geschickt gemacht —
aber fast durchgebends ein weitschichtiges, zerfahrenes,
in's Blaue zerfliegendes Wesen in der Führung der Haunt*
stimme, welches zwar melodische Klänge, aber keine Me-
lodie macht. Wollten die Herren Liedercomponisten doch
einsehen lernen, dass auch das Lied seinen Periodenbau
und eine gewisse innere thematische Haltung verlangt.
Das rundeste Lied, welches der Verfasser hier gegeben,
ist No. 5, „ Beruhigung. " In No. 5 „Ueberfahrt" scheint
1844. October. No. 42.
700
«bs ganz ohne innere Notwendigkeit der Taet gewech-
selt, was der übrigen guten Auffassung des Gedichtes in
so Fern Abbrach thot, als es dadurch etwas Zerstückel-
tes erhält, was nicht als Gewinn zu betrachten ist, nicht
einmal in der Ballade, in deren Bereich übrigens das Ge-
dicht hineinstreift. Wenn nicht ganz besondere Textgründe
einen Tactwechsel gebieterisch verlangen, ist stets das Lied
in rhythmischer Hinsicht aas einem Gosse za formen, der
sich sehr oft auch da gewinnen lässt, wo er beim ersten
Blicke mit Schwierigkeilen verbunden scheint. Will man
schon ein kurzes Gedicht in Parcellen zerlegen, wohin
soll man bei grösseren kommen? Die Musik hat so viele
anderweitige Hilfsmittel» Contraste zu schaffen, dass man
in ihr doch nicht ohne absonderliche Notb, was der Dich-
ter in Einem Zuge gegeben hat, rhythmisch zertrennen
sollte. Debrigens hat uns das Talent des Verfassers mit
Achtung erfüllt, und bei tieferer Kunstreflexion, bei wel-
cher immer zunächst die Natur und tüchtige Vorbilder
um Bath zu fragen sind, wird er sich selbst und der Kri-
tik immer besser genügen.
6) Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des
Pianoforte, componirt von Carl Lührss. Op, 6. Ber-
lin, bei Schlesinger. Preis % Thlr.
Sogleich das erste Lied hat uns für den Verfasser
eingenommen ; noch njehr das vierte, wiewohl keines als
werthlos zu betrachten ist. Er scheint ein tüchtiger Cla-
vierspieler zu sein. Das ist schon für manche Liedercom-
S misten eine böse Klippe geworden. Das Lied No. 2
ngt gerade an, wie eine Clavieretude. Auch in No. 4
(sonst gut und frisch erfunden) und No. 6 macht sich die
Begleitung zu breit, als wäre sie Herrin im Hause. Wer
Liedercomponist sein will, muss den Ciaviervirtuosen zu
versessen suchen, damit des Guten nicht auf einmal zu
Viel gelhan werde.
7) Ein Ton voll süssen Klanges. Lied für eine Sing-
stimme mit Begleitung des Pianoforte und Violoncello
(oder Hörn) von Ferdinand Brandenburg. Op. 13.
Dresden, bei Hey dt. Preis % Thlr.
Dieses ganz durchcomponirle, gut gehaltene, nur an
einigen Stellen durch zu lange Zwischenspiele allzusehr
zerdehnte Lied wird, wenn man dazu einen geschickten
Violoncellisten gewinnt, einen günstigen Eindruck her-
vorbringen.
8) Sechs Lieder für eine Singstimme mit Piano, compo-
nirt von J. Matthieux. Op. 18. Berlin, bei Schlesin-
ger. Preis % Thlr.
Das erste dieser Lieder „Es ist so still geworden,"
ein geistliches Abendlied, ist der Verfasserin wohlgelungen.
Am Meisten in sich abgerundet ist No. 5, „Wolle kei-
ner mich fragen ! " Auch No. 2 „Am Ufer" und No. 4
haben uns angesprochen. No. 3. „Auf, wohlauf ihr Can-
dloten" hätten wir aus der guten Gesellschaft hinweg-
gewünscht. Die Griechen haben es um uns Deutsche neu-
erdings doch wahrlich nicht verdient, dass wir ihnen
Lieder singen. Auch ist gerade dieses der Verfasserin am
Wenigsten gelungen. No. 6 ist anfangs gut gebalten; al-
lein von dem leidigen Tactwechsel an sinkt es zu sehr
in das Gewöhnliche herab.
9) Sechs Gesänge für eine Sinaratamme mit deutschem und
italienischem Text und Begleitung des Piano von Fer-
dinand Hitler. Op. 23. Livre I. „Gebet," „Ständ-
chen" und „Volkslied." Preis %Thlr. Livre IL „An
den Mond." „Anrufung." „Der Wunsch." Preis %
Thlr. Berlin, bei Schlesinger.
Das günstige Vorurtheil, mit welchem wir diese Hefte
zur Hand nahmen, wurde durch wiederholte fleissige
Durchsicht derselben bestärkt, obgleich wir den Verfas-
ser nicht überall von einer gewissen gesuchten Uebcr-
fülle der Modulation frei sprechen können, welche uns
vorzüglich in dem sonst so trefflich angelegten Gesänge
„An den Mond" (diesen beut zu Tage von Dichtern und
Componisten viel zu sehr vernachlässigten Trabanten un-
serer guten Mutter Erde) etwas gestört bat. Ganz vor-
züglich angesprochen haben uns No. 2, „Das Ständchen
des Schiffers," und No. 6 „Der Wunsch," während uns
No. 3 „Volkslied" am Wenigsten zusagen wollte. Der Ver-
fasser hat darin den Volkston nicht getroffen und die all-
zuhäufige Wiederholung des „o weh ! o web ! wie drückt
es mich im Herzen ! " wird lästig. Sie schlägt leicht in's
Komische um, das hier der Verfasser doch wohl schwer-
lich intendirt hat.
10) Drei Lieder („In's Herz hinein," „Ständchen" und
,, Frühlings toaste ") für eine Singstimme mit Beglei-
tung des Pianoforte componirt von Carl Häser. Op.
6. Cassel, bei Carl Lu?khardt. Preis 12 Sgr.
Diese Lieder haben etwas Dilettantenmässiges, welches in
einer gewissen Unbeholfenheit der Anlage, Gestaltung und
inneren Haltung liegt» obwohl dem Verfasser melodische
Erfindungskraft und Talent nicht abzusprechen ist. So-
gleich in dem Vorspiele zum „Ständchen" erscheinen
Tact drei und vier gegen die beiden ersten zu leer. Der
Verfasser hätte sie durch Figuren, die den in den beiden
ersten Taclen hervortretenden correspondiren und zu ih-
nen Gegensätze bilden, ausfüllen sollen. Die häufige Wie-
derholung der verbrauchten Figurj
^fe
in Gesang und Begleitung ist durchaus nicht von ange-
nehmer Wirkung. Am gelungensten ist das Lied No. 2
„Ins Holz hinein." In No. 3 ist folgende Stelle verwerflich :
eher! Auf dein Wohl
Durch die wenigen Pausen wird hier der Eindruck der
Bdur- Harmonie keinesweges so verwischt, dass das Ohr
sogleich darauf die volle Des dur- Harmonie vertrifft. Der
Uebergang musste besser vermittelt werden. Die Aus«
stattung sämmtlicher hier angezeigten Hefte ist übrigens
lobenswerth. 10.
701
1844. October. No. 42.
702
Nachrichten.
Göttingen. Ueber das von Herrn Arnold Wehner
zum Besten des evangelischen Vereines der Gustav- Adolph-
Stiftung veranstaltete Concert. — Die am 10. und 11. Sep-
tember d. J. in Göttingen Statt gefundene Hauptversamm-
lung des evangelischen Vereines der Gustav-Adolph-Stif-
tung hat des bedeutsamen und Erhebenden so viel ge-
währt , dass man erst jetzt, nachdem manche mehr äus-
serliche Eindrücke in den Hintergrund getreten sind, der
unsichtbaren Kräfte sich klarer bewusst wird, welche,
durch einen heiligen Eifer für die hohen Zwecke des
Vereins, wie durch eine edele Mässigung, von der alle
Mitglieder durchdrungen waren, belebt und geläutert,
zum Heile des kirchlichen Lebens der Protestanten in
Deutschland, ja zum Heile der protestantischen Kirche
selbst, sich Geltung zu verschaffen wissen werden, aus
und durch sich selbst. Es ist hier nicht der Ort, alles Ein-
zelnen zu gedenken, wohl aber eines Kunstgenusses, wel-
cher mit dem Feste in unmittelbarer Verbindung stand
und die Feier auf eine so schöne and würdige Weise
beschloss, dass wir noch mit innigster Freude daran zu-
rückdenken; Herr Arnold Weimer aus Göttingen hatte
nämlich zum Besten des Vereins ein Concert veranstal-
tet, welches einen Jeden, der mit den in Localverhält-
nissen liegenden Schwierigkeiten vertraut ist, in einem
wahrhaft überraschenden Grade befriedigen musste. In
Götlingen fehlt eine stehende Capelle, ja selbst nicht ein-
mal für die notwendigste Stütze eines Orchesters, für
ein Quartett, sind aus öffentlichen Fonds Mittel gewährt;
die meisten Mitglieder des Orchesters stellt der verdiente
Stadtmusikus Jacobi, ausserdem besteht dasselbe aus ver-
schiedenen Musiklebrern , Mitgliedern der Militärmusik
und Dilettanten, welche so häufig wechseln, dass schon
dadurch die ein jedes gute Orchester nolhwendig bedin-
gende Stetigkeit gänzlich fehlt. Verschiedene Gesangver-
eine, namentlich die des Herrn Musikdirector Dr. nein-
roth und des Herrn Musiklebrer Lenschner, welche in-
dess auch nur in selteneren Fällen zusammenwirken, ma-
chen die Aufführung von Vocalmusik leichter möglich.
Es bekundet unter diesen Umstanden einen nicht gerin-
gen Grad von Gewandtheit und Sicherheit, wenn Jemand
in der kurzen Zeit von wenigen Wochen es möglich zu
machen weiss, dem Publicum einen Kunstgenuss zu bieten,
wie man ihn Herrn Wehner zu danken hat. Das Con-
cert fand am 11. September in der Aula Statt; schon
die architectonische Schönheit its Locals stimmte zu
edler Freude, und Referent kann den Wunsch nicht un-
terdrücken, dass bei ähnlichen Gelegenheiten die Benu-
tzung der Aula zu Concerten wieder gestattet werden
möge, und gewiss wird es allgemeine Anerkennung ver-
dienen, wenn man sich mehr und mehr überzeugt, dass
die zunächst für die Vertreter der Wissenschaft bestimm-
ten Bäume nicht profanirt werden, wenn man auch der
Kunst eine gastliche Stätte darin bereitet, und dadurch
auch äusserlich diejenige Humanität manifestirt, welche
der Kunst gleiche Achtung zollt, wie der Wissenschaft. —
Der erste Theil des Goncerts war nur zu geistlicher
Musik bestimmt, und scblosa sich dadurch auf eine eben
so schöne, als erhebende Weise an die Feier des Festes
selbst; er begann mit der Seb. Bach'schen Bearbeitung
des geistvollen, man möchte sagen: acht protestantischen
Lutherseben Chorals : „Ein feste Burg ist unser Gott/*
Kann man auch den unerschöpflichen Beichtbum und die
unendliche Kunst in der Bach'schen Bearbeitung, welche
einem grössern Werke des unerreichten Meisters ent-
nommen ist, nicht genug bewundern, so glaubt Beferent
dennoch , dass der Choral in seiner ursprünglichen, der-
ben und acht deutschen Einfachheit, in welcher Dichtung
wie Musik auf eine so wundervolle Weise die Zeit cha-
racterisiren, in welcher der grosse Reformator, durch die
Kraft des Glaubens seiner unüberwindlicbkeit und des
Sieges seiner Sache sich klar bewusst, beide schuf, auf
ein so gemischtes Publicum einen noch tieferen Eindruck
gemacht haben würde. Hierauf folgte Mendelssohn 9 * On-
verture zum Oratorium Paulus, an welche sich unmittel-
bar der Choral: „Wachet auf" aus demselben anschloss.
War auch das Orchester durch mehrere fremde Künstler
verstärkt, so vermochten sie allein doch nicht diejenige
Begeisterung in die Aufführung zu bringen, welche die
herrliche und kunstreiche Ouvertüre fordert und welche
der Concertgeber so sichtlich zu erstreben bemüht war;
namentlich fehlte gegen das Ende die so nothwendige
Steigerung, um einerseits die Melodie des vorbin erwähn-
ten, der Ouvertüre zum Grunde' liegenden Chorals scharf
hervortreten zu lassen, andererseits die Figuratioo der
Saiteninstrumente so unterzuordnen, dass beide als ein
organisches Ganze gehört werden. Mad. Fischer - Achten
sang hierauf die ebenfalls dem Oratorium Paulus ent-
lehnte Sopranarie : „Jerusalem" mit solch edler Einfach-
heit, dass man sich der innigsten Rührung nicht erweh-
ren konnte; jenes, sanften Wellenbewegungen gleiche
Anbauchen der den Blasinstrumenten, namentlich den Cla-
rinetlen und Flöten, gegebenen Accorde darf wohl nur
von Mitgliedern eines ausgezeichneten, von der Schönheit
der Compositum ganz durchdrungenen Orchesters erwar-
tet werden. Wahre Befriedigung gewährte die sodann fol-
gende Aufführung des 42. von Mendelssohn in Musik
gesetzten Psalms; die Chqre, aus 77 männlichen und 74
weiblichen Stimmen bestehend, gingen durchweg gut, ja
zum Theil ausgezeichnet gut; Letzteres gilt namentlich
von der ersten und vierten Nummer. Man kann sich
kaum etwas Rührenderes und Ergreifenderes denken, als
wenn in dem ersten Chore der Alt beginnt: ,,Wie der
Hirsch schreit nach frischem Wasser** u. s. w. und dann
der Sopran und die übrigen Stimmen in dieses Flehen
nach dem Anschauen des Ewigen einstimmen ; nicht leicht
möchte die Noth eines gläubigen Gemüthes und die Hoff-
nung auf Erbörung in Tönen schöner ausgedrückt sein.
Einen herrlichen Gegensatz bildet der vierte Chor: „Was
betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in
mir? Harre auf Gott" u. s.w. In dem Unisono der Män-
nerstimmen und in dem reeitativartigen Gange der Me-
lodie liegt eine unbeschreibliche Grossartigkeit, und doch
wieder eine unendlich wohlthnende Weichheit. Der Schluss-
chor würde sicher einen noch grossartigeren Effect ge-
macht haben, wcpn das Tempo noch bewegter und das
Einsetzen der einzelnen Stimmen entschiedener gewesen .
wäre; Beferent bat um so weniger Anstand genommen,
Dies offen auszusprechen, als* alle Mitwirkende von einen
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so chrenwertben Eifer bettelt wäre«, tos es ihnen nur
lieb sein kann, von dem Eindrucke Renutniss zn erbat*
ten, welchen das Gänse nach verschiedenen Seilen hin
gemacht hat. Die Soli, welche Mad. Fischer ■- Achten und
Tier Dilettanten übernommen hatten, liessen kaum Etwas
zn winseben übrig; nnter den Letzteren müssen wir
Herrn Dr. Kirchner besonders orwihnen , den mancher
Künstler vom Fache nm seinen seelenvollen Vortrag, wie
' nm seine schöne Stimme zn beneiden Ursache bat.
Die zweite Abtheilung wurde durch Spohrs Ouver-
türe zn Jessonda eingeleitet; gewiss ward in Göttingen
die herrliche Compositum des gefeierten Meisters nie so
gut aufgeführt. Herr Arnold Zehner spielte sodann Menr
delssohn's Pianoforteconcert aus Gmoll ; und bewährte
darin eine bedeutende Fertigkeit, vorzüglich aber einen
zarten und edlen Vortrag. Das Bestreben, in den Geist
der Gompösition einzudringen und sie gewissermaassen
zu reproduciren , machte einen sehr wohltbuenden Ein-
druck , nnd wies auf erfreuliche Weise darauf hin , wie
weit verschieden das bei den gewöhnlichen Concertspie-
lern übliche Glänzen mit der Technik von geistreicher
Auffassung und acht künstlerischem Spiele ist. Der Vor-
trag des Andante, wie aller zarteren Stellen war ausge-
zeichnet schön; im Uebrigen würde derselbe noch ent-
schiedener und klarer gewesen sein , wenn das Orche-
ster, mit der Composition genauer bekannt, die Freiheit
des Spiels nicht oft zur Ungebühr gelähmt hätte. Beson-
deren Dank verdient Herr wehner für die Wahl dieser
geistreichen Gompösition, welche in Göttingen noch nicht
zur Aufführung gebracht war. Die unzweideutigen Be-
weise allgemeinen Beifalls werden Herrn Wehner gezeigt
haben, wie freudig nnd aufrichtig man jede ernstere Be-
strebung anerkennt, nnd mit welcher Tbeilnabme man
ihre fernere Ausbildung verfolgen wird. Das Concert
wnrde auf einem Flügel mit englischer Mechanik aus der
rühmlich bekannten Werkstätte von With. Rittmüller \vl
Göttingen gespielt ; auch dieses Instrument zeichnete sich
durch einen überaus schönen» kräftigen nnd gleichmässi-
B&n Ton, so wie durch eine musterhafte Mechanik aus.
iebt genug ist das eifrige nnd ernste Streben des Herrn
Rittmütter anzuerkennen, wodurch es ihm gelungen ist,
dass seine Instrumente den besten englischen gleichge-
stellt werden und dabei nm die Hälfte wohlfeiler sind.
Nachdem Mad. Fischer- Achten eine Arie ans Mouarts
Davide penitente gesungen hatte, spielte Herr J. /. Bott
aus Cassel eine Fnntasie von Spohr für die Violine ; der
jnnge Künstler bekundete darin seine bekannte Virtuosi-
tät; hierauf folgte ein geistlicher Chor: „Ave verum, u
componirt von Arn. Wehner; die Gompösition, durah
schöne nnd natürliche Stimmenfiihrung ausgezeichnet,
zeugte von einem edlen, eiteler Effect hascherei fremden
Streben, und erwarb sich, wie anch die vortreffliche Aus-
führung, allgemeinen Beifall. Den Glanznunct des Abends
bildete der hierauf folgende Chor: „Salve regina" von
Moritz Hauptmann. Da weht ein acht kirchlicher Geist !
Da ist eine Versenkung, wie man sie jetzt kaum für
möglich hak! Es ist dies eine Composition von unbe-
schreiblicher Schönheit, so edel, so einfach nnd unge-
sucht, dass sie nur den schönsten Werken früherer Jahr-
hunderte an die Seite gestellt werden kann. Hier zeigt
sich die wahre Kraft und Schönheit der Stimmenfährung;
1'ede einzelne Stimme ist selbständig; diese Selbständig-
teil ist aber eine bediogte, eine organische, sie wachst
ans dem Ganzen nnd bat in ihm ihr Leben , sie gleicht
jenen Bäumen, deren Zweige in üppiger Kraft sieh wie-
der zum Boden neigen nnd neno Wurzeln schlagen.
Hierin, wie überhaupt in der Form, bat jener Reichtbua
seinen Grund, der, zur Einheit werdend, das Raastsehöae
bildet, wenn beide einer poetischen Idee entspringen.
Die Ausführung, weiche hin nnd wieder nicht ohne Schwie-
rigkeiten ist, war eine gelungene zu nennen, und der
ungeteilte und laute Beifall des gesammten Publicum«
zeigte, dass das wahrhaft Schöne von Jedermann, wenn
auch nicht ganz begriffen, doch lebhaft gefühlt werden
kann. — Herr J. J. Bott spielte sodann von ihm selbst
componirte Variationen für die Violine über ein Thema
von Weber. Räumt man auch mit Recht dieser Kunst-
form nicht mehr die Stelle ein, welche sie früher usur-
pirt hatte, so mag man sie sich doch immer gefallen las-
sen^ wo es vorzüglich auf das Geltendmachen der Tech-
nik abgesehen ist, zumal wenn Jemand, wie Herr Bott,
so viele gelungene Gompositionen aufzuzeigen hat. Jene
Variationen , welche eben so brillant, als schwierig nnd
einem gemischten Publicum gegenüber sehr geeignet sind,
mit dem Spiele zu glänzeo, trug Herr Bött ausserordent-
lich schön vor, da Kraft und Reinheit nicht weniger
ausgezeichnet waren, als die Sicherheit, mit welcher die
enormsten Schwierigkeiten vollständig überwunden wur-
den. Den Schluss des fast zu reichen Goneerts bildete
ein Männerchor, welcher Reicher dt s Lied: „Was ist des
Deutschen Vaterland" mit grosser Energie vortrog.
Referent ist überzeugt, dass Jeder, der dem Con-
eerte beiwohnte, in den Dank einstimmen wird, welcher
Herrn Wehner in reichem Maasse gebührt; muss es ihm
grosse Freude gemacht haben, den äusseren Zweck seiner
uneigennützigen Bemühungen so vollständig erreicht zn
haben, — denn seit vielen Jahren fand in Göttingen kein
so zahlreich besuchtes Concert Statt , dass das grösste
Local zn beengt wnrde, — so muss es ihm noch grös-
sere Befriedigung gewährt haben, der eigenen Kräfte sich
so bewusst geworden zu sein; für einen Künstler vom
Fache, welcher zum ersten Male in der Art öffentlich
auftritt, dass er allein ein Concert arrangirt, die einzel-
nen Sachen einstudirt und dirigirt, ist es sicher von ent-
schiedener Wichtigkeit, den Erfolg seiner Bemühungen
kennen zn lernen. Herr Wehner, der, wie oben ange-
deutet worden, mit Schwierigkeiten der verschiedensten
Art zu kämpfen halle, hat sie auf eine so glückliche Art
zu überwinden gewusst und so erfreuliche Zeugnisse
seines Talentes zum Dirigiren gegeben, dass man ihm
nm so mehr Glück zu seinem ersten Auftreten wünschen
darf, als man von seinem acht künstlerischen Streben er-
warten kann, dass, er von der Grösse und Bedeutung der
dem wahren Künstler gestellten Aufgabe zu lebhaft durch-
drungen ist, um verkennen zn können, 4a#s das Gege-
bene nur der Antrag zn noch schöneren nnd bedeuten-
deren Leistungen sein soll. —
Hamburg , im September. Wenn die Sommersaison
noch im Opernfache nur wenig Neues gebracht hat, so
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bot sie doch recht vfel Interessantes und manches Vor-
zügliche. Adam'* komische Oper : „Zum treuen Schäfer"
ging im Jnli mit Beifall in Seene. lieber die Mnsik selbst
noch erst ein Langes und Breites zu berichten, möchte
wohl als überflüssig erscheinen, theils weil Adam hier
durchaus nichts Neues bietet und seiner Art treu gehlie-
ben ist, theils weil von anderen Seiten die Oper in die-
sen BHltern mehrfach schon besprochen ist. Der Coque-
rel wurde mit entschiedenem Glücke von Herrn Kaps dar-
gestellt, dem die Partie von Cornet einstudirt war und
worin er eine gelungene Gopie seines Lehrers lieferte. —
Grosse Theilnahme fand die Aufführung der „Antigone"
mit Mendelssohn 9 * trefflicher Masik. Das Arrangement
der Bühne war ganz nach, dem Muster der Berliner ein-
gerichtet und es zeugte die Zusammensetzung des Stuckes
überhaupt von grosser Sorgfalt der Regie. Die Ausführung
war von Seiten der Schauspieler durchweg trefflich und
namentlich ausgezeichnet Mad. Lenz — Antigone — und
Herr Grunert — Kreon*. — Nicht minder verdient die
Ausführung der Mendclssohn'&chen Musik gerühmt zu
werden. Die Chöre losten ihre Aufgabe zur allgemeinen
Zufriedenheit und das Orchester leistete unter der tüch-
tigen Leitung des Herrn Capellmeister Kreis so Ausge-
zeichnetes, dass auch der rigoroseste Kuostrichter sich
befriedigt fühlen musste. Antigone wurde bis jetzt acht Male
gegeben, die ersten vier Male bei stark besetztem Hause,
und es ist somit leicht möglich, dass Sophocies gleich
der Mad. Birch - Pfeifer sich die Tantieme erwerben wird I
Nicht ganz überflüssig möchte aber hiernach die Bemer-
kung sein, dass die einzelnen tadelnden Stimmen, die
sich in hiesigen Blättern über die Mendelssohn' wh* Mu-
sik haben vernehmen lassen , bei dem musikverständigen
Tbeile des Publicums allgemeine Indignation erregt haben,
und Dies um so mehr, weil jene es nur zu oft schon be-
wiesen haben, dass ihnen nicht allein guter Wille, son-
dern auch alle nothwendigen Kenntnisse abgehen, um in
musikalischen Dingen ein Unheil fällen zu können. —
Wiederum neu einstudirt wurden „Guido und Ginevra"
von Halevy und „Templer und Jüdin" von Marschier
mit Herrn Tichatsckek als Gast. — Beide Opern fanden
keinen besonderen Anklang, wozu auch noch der Umstand
beitrug, dass die Gesammtausführung keineswegs gelun-
gen war. — WtTrChrudimsky vom Stadttheater zu Frank-
furt am Main gastirte als (hello, Robert, Edgardo (Lucia
di Lammermoor) u. s. w., fand aber einen getheillen
Beifall. Die Stimme ist schön, seine Gesangmanier lässt
aber noch 1 viel zu wünschen übrig und die Darstellung
ist zur Zeit noch unbedeutend. Dagegen hat Herr Tichat-
sckek mit seinem Gastspiele wiederum das glänzendste
Furore gemacht. Während sechs Wochen sang er fünf-
zehn Mal und stets bei fast überfüllten» Hause. Seine
diesmaligen Rollen waren : Robert (zwei Mal), Raoul (drei
Mal), Rienzi (zwei Mal), Jvanhoe im Templer (zwei Mal),
Bleazar in der Jüdin (zwei Mal), Georg in der weissen
Frau, Masaniello, Tamino und Sever in Norme. Grosse
Bewunderung erregte besonders die Ausführung der Par-
tie des Rienzi in fragner^s gleichnamiger Oper und man
schien allgemein erfreut über die vielen Schönheiten der-
selben, die man durch Tichatsckek 9 s meisterhaften Vor-
trag erst recht gewahrte. Die achte Vorstellung der Oper
(I* Na.
wurde zum Benefizantheile des Gomponisten als zugesi-
cherte Tantieme gegeben, und fand bei wiederum stark
besetztem Hause Statt; es musste daher mit Recht auf-
fallen , dass die Direction des Theaters die Oper wäh-
rend der Anwesenheit Tichatschek's nicht öfter vorge-
führt bat. Die Ausführung der Oper bei dem Benefize des
Gomponisten wird von einem hiesigen Kritiker als die
vorzüglichste und gelungenste unter den bisher stattgefun-
denen bezeichnet und er bemerkt unter Anderem : „ Die
Gesammtdarstellung bewies auf erfreuliche Weise, dass
man von dem Werthe des Werkes durchdrungen sei und
von allen Seiten in möglichst guter Ausführung dessel-
ben seine Hochachtung vor dessen Schöpfer zu erkennen
zu geben strebe. Jedenfalls ist dieses der schönste Lohn
und die aufrichtigste Huldigung, die man dem schaffen-
den Künstler darbringen kann." — Augenblicklich gastirt
hier Herr Peretti vom Stadttheater zu Göln , der wahr-
scheinlich engagirt werden wird, da das Engagement des
Herrn Schmidt als Spieltenors sich wieder zerschlagen
hat. Als George Brown hat Herr Pereiti gefallen. Er
besitzt eine angenehme Bühnengestalt und zeigt viel An-
lage zur Darstellung. Die Stimme ist für Spielpartieen
ausreichend, bedarf aber noch der ferneren Ausbildung. —
Der Violinvirtuos Bazzini war auch wiederum hier und
hat zwei Mal im Stadttheater und ein Mal im Thaliathea-
ter sich hören lassen. Beifall wurde ihm genug zu Tbeil,
aber in pecuniärer Hinsicht hat derselbe leider sehr
schlechte Geschäfte hier gemacht. — Dem. Jazede\ wel-
che eine Anstellung bei der Leipziger Oper angenommen
haben sollte, ist hier wiederum engagirt. Sie bat in den
Sommermonaten in Wien und Berlin gastirt, aber ohne
sonderlichen Beifall, und ist besonders von der Wiener
Kritik sehr scharf mitgenommen worden. — Dem. Evers,
unsere Prima Donna, wird nach Ablauf ihres Contracts —
nächstes Neujahr — Hamburg wieder verlassen. Dem
Wunsche der Direction nach einen dreijährigen Contraet
unter gleich glänzenden Bedingungen wie früher 1 — 12,000
Mark Hamburger Courant Gage nebst zwei Monaten Ur-
laub, Benefiz u. s. w. — einzugehen, konnte sie nicht
entsprechen, weil sie zum Frühjahre nach Italien zu ge-
hen beabsichtigt und auch auf der Reise dahin schon Ver-
bindlichkeiten zu Gastrollen eingegangen ist. In letzterer
Zeit hat diese vortreffliche, talentbegabte und äebt dra-
matische Künstlerin besonders neben Tichatsckek ecla-
tante Triumphe gefeiert, namentlich als Valentine (in den
Hugenotten) und Norma. — Zur nächsten Wintersaison
werden folgende neue Opern vorbereitet : Sirene von Au-
her; Don Pasquale von Donizetti; Käthchen von Heil-
bronn von v. Hoven. Auch kommt wahrscheinlich eine
dreiactige Oper von einem Mecklenburger, t>. Flotow, zur,
Auffuhrung, wozu der talentvolle Friedrich (Rieser) dea
Text angefertigt haben soll. —
— r.
Leipzig, den 15. October 1844. Zweites Abonme-
mentconcert, Sonntag, den 13. October. Ouvertüre zu
Leonore von Beethoven (Cdur, No. 3). — . Seene und
Arie von Beethoven (Ah, perfido), gesungen von Frau
v. Fassmann -Seckendorff, königl. preuas. Hofopernsäa-
gerin von Berlin. — Conccrtstück für Pianoforte von C.
48.)
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M. v. Weber, vorgetragen von Herrn C Reiriicke ans
Altona. — Ouvertüre, Introduction , Sceoe und Chöre
tut dem ersten Acte der Oper Alceste von Gluck (Äl-
teste — Frau v. Fassmann). — Adagio und Rondo für
die Violine, componirt und vorgetragen von Herrn Prof.
Jansa aus Wien. — Symphonie von Franz Schubert
(Cdur). —
Unier den vier Ouvertüren, die Beethoven zu Leo-
nore geschrieben, ist unstreitig die dritte die grossartigste
und am Meisten dramatische; sie gibt ein vollständiges
Bild von der Haodlnng des Stücks und fesselt stets aufs
Neue das Interesse des Hörers, zumal wenn sie im Gan-
zen, wie im Einzelnen so schöo, in einer solchen Voll-
endung vorgetragen wird, wie von unserem Orchester,
wenn Jeder der Mitwirkenden, von dem hohen Geiste der
Composilioa durchdrungen, alle seine Kräfte aufbietet, um
eine der herrlichsten Schöpfungen des grossen Meisters
auch würdig auszuführen. Dieses Streben war auch dies-
mal unverkennbar und wurde mit begeistertem Beifalle
ielohnt. Als eine Neuerung ist es uns aufgefallen, dass
der in der Mitte der Ouvertüre wiederholt eintretende,
die Catastrophe der Rettung verkündende Trompetenstoss
auf einer Ventiltrompete geblasen wurde, durch welche
eine allerdings wünschenswerlhe grössere Sicherheit der
Töne erreicht werden mag, andererseits aber, abgesehen
von dem damit gewissermaassen begangenen Anachronis-
mus, die characteristische Klangfarbe der kriegerischen
Signale alterirt wird.
Seit einer Beihe von Jahren haben wir Frau p. Fass-
mann hier nicht gehört. Wir lernten sie früher auf hie-
siger Bühne in den Bollen der Donna Anna, des Fide-
lio u. s. w. als eine treffliche Sängerin kennen, die, mit
einer grossen, vollen Stimme ausgerüstet, vorzugsweise
classischer deutscher Musik ein gutes Studium gewidmet
hatte und darin fürwahr Ausgezeichnetes leistete. Von
dieser soliden Bildung und von ihrem geläuterten Ge-
schmacke gab sie auch jetzt erfreuliche Beweise. Frei-
lich hat die Frische und leichte Ansprache des Tones, ja
s sogar der Umfang der Stimme etwas gelitten; das ist
aber die Schuld der unaufhaltsamen Zeit. Sieben Jahre
sind allerdings gar leicht im Stande, bierin Veränderun-
gen zu bewirken. Und gerade mit den sogenannten gros-
sen Stimmen ist es ein eigenes Ding. Sehr häufig gestal-
ten sie weniger eine Cultivirung des eolorirten Gesan-
ges; vielmehr in ihrem Umfange, in der Fülle des To-
nes liegt Das, was Bewunderung erregt und Beifall er-
ringt; nehmen diese ab, — und das geschiebt oft nur
zu bald, — so schwindet zugleich der hauptsächliche Beiz
für den Zuhörer und es bleibt nur die Erinnerung an
Schöneres. Andere Sängerinneu dagegen, die bei an sich
geringeren oder 'wenigstens nicht so effectvollen Natur-
gaben durch Virtuosität oder fein noancirten Vortrag, zu-
weilen auch durch einen eigentümlichen Zauber ihres
Organes sich auszeichnen, bewahren meistens diese Vor-
züge länger und vermögen daher durch dieselben später,
wenn auch die Jngendblütbe und die Frische der Stimme
^ vorüber ist, immer noch, das Ohr zu befriedigen. Nun
' wollen wir zwar damit nicht behaupten , dass das Ver-
dienstliche der Leistungen der Frau t. Fassmaun nur
noch der Vergangenheit angehöre; allein ihre Stimme ist
eben nicht mehr die, die sie war, und ihre Erfolge kön-
nen sich, daher auch mit denen einer früheren Zeit nicht
messen. Dabei ist jedoch eine schöne Tenbildeng nnd ein
edler, würdiger Vortrag geblieben, bei dem wir nur in
demBecitative der Beethoven sehen Arie nnd in der Gluek'-
schen Seene einen gesteigerten Aosdrnck des Schmerzes
vermisst haben, und wean auch die Stimme in der Höhe
etwas schwer anspricht und dadurch in ihrer Reinheit
zuweilen beeinträchtigt wird , so kann doch der metall-
reiche Klang der mittleren Töne eine schöne Wirkung
nicht verfehlen. Jedenfalls war der Gesang der Frau t>.
Fassmann höchst interessant und erwarb sich den Beifall
der wahren Kunstfreunde im vollen Maasse.
Herr Carl Reinicke aus Altona bewies durch ferti-
gen Vortrag des fFeber'sehen Coacertstüc^s, dass er wäh-
rend seines längeren Aufenthaltes in Leipzig wackere
Fortschritte gemacht hat, und dass er eine solidere Rich-
tung verfolgt, als viele Glavierspieler heut zu Tage. Wir
haben im Laufe des letzten Jahres öfter Gelegenheit ge-
habt, ihn in kleineren Kreisen zu hören, und uns an dem
rüstigen Streben dieses jungen Künstlers wahrhaft er-
freut, der besonders durch schönen, gemessenen Vortrag
Mozart'scber, Beethoven' 'scher nnd Hummef sehet Werke
sich auszeichnet. Es ist gewiss kein Tadel für Herrn
Betnickey wenn wir die Ansiebt aussprechen, sein Spiel
eigne sich mehr für die Kammermusik, als zur Produc-
tion im Concert; hier verlangt das grössere Publicum
einen mehr hervortretenden, blendenden Glanz der Aus-
führung, und wenn ein Künstler, hierzu weniger Beruf
und Neigung in sich verspürend, durch einfachere, aber
gehaltvollere Mittel, wohin wir unter Anderem schönen
Ton, solide Technik und eine geistvolle Auffassung rech-
nen, im engeren Cirkel verdiente Anerkennung sich er-
wirbt, so meinen wir, er könne dafür getrost den Bubm
opfern, der Menge zu imponireu. — Das schöne und bril-
lante^ nur etwas rhapsodische Concertstüek von Weber
ist, nachdem es unerklärlicher Weise, lange Zeit nur We-
nigen bekannt geblieben war, seit ungefähr acht Jahren
von Mendelssohn, Henselt, Lisxt, den Damen Clara Schu-
mann und Marie Pleyel und vielen Anderen bald nach
einander hier zu Gehör gebracht worden, und löste auch
Herr Bevncke seine Aufgabe mit Glück und zur völli-
gen Zufriedenheit des Publicums, so würde sein Spiel
doch gewiss noch mehr Interesse erregt haben, wenn er
sich ein anderes seltener gehörtes Stück zum Vortrage
gewählt hätte. Mit aufrichtiger Theilnahme begleiten wir
den bescheidenen jungen Mann anf seiner Künsllerbabn
und sind überzeugt, dass sein ernstes Streben und seine
Leistungen überall die Anerkennung sich verschaffen wer-
den, die sie hier finden. ,
Verdienten Beifall erwarb sich Herr Prof. Jansa
dnrch schöne, sichere und gewandte Vorführung neiner
wenig originellen, aber ansprechenden Gomposition, und
¥edenken wir vorzugsweise seines vollen, gesangreichen
ones.
Es ist wohl nicht leicht ein Instrumentalwerk gleich
bei seiner ersten Aufführung von unserem Publicum mit
so lebhafter Theilnahme aufgenommen worden, wie die
Cdur -Symphonie von Fr. Schubert; diese Theilnahme
. ist mit jeder Wiederholnag immer mehr gewachsen und
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bat sich endlich bis zu wahrem Enthusiasmus gesteigert.
Wo fände man aber auch nächst den unerreichten Beet-
kovem'scben Synaphonieen eine solche Pulle von Geist,
eine so reich fliessende Quelle der herrlichsten musikali-
schen Gedanken, und eine so entschiedene Originalität
der Erfindung und Behandlung? Und wie wird durch ge-
wandte, sinnige Verschmelzung der Gegensätze der em-
pfängliche Hörer immer von Neuem angeregt und zu Ent-
deckung neuer Schönheiten hingeführt! Das dem ganzen
Werke inwobnende fremd -nationale Wesen hei dem un-
verkennbaren rein deutschen Gepräge ; das plötzliche An-
knüpfen eines neuen Gedankens an den früheren , von
dem er in Bezug auf Gharacter und Rhythmus gänzlich
abzuweichen scheint, mit dem er aber erst völlig ein
Ganzes bildet; frappirende Accordfoigen und Ausweichun-
gen, die den Fluss der Composition erst recht veran-
schaulichen; das Drängen und Treiben des ersten Satzes
mit dem zurückhaltenden Cbaracler des zweiten Themas ;
das halb idyllische , halb kriegerische Andante ; das tän-
delnde Scherzo mit seinem breiten Volksgesange ; endlich
4er triumphirende Jubel des Schlusssatzes, der mit sei-
nen Imitationen bald kecken Humor, bald den Preis des
Höchsten verkündet — alle diese strengen Contraste, die
fast an Paradoxen zu streifen , scheinen , sind doch so
wunderbar schön zu einem grossen Ganzen verbunden,
ja sie bedingen sich gegenseitig dergestalt, dass man dem
Genius, der diese eben so neuen wie trefflichen Materia-
lien in seltener Vollendung zu einem Meisterwerke ver-
arbeitete, die tiefste Bewunderung nicht versagen kann.
Da ist wahres Leben, ächter Geist, der, seines gewalti-
gen Stoffes gebietender Herr, die Grenzen der Schönheit
und Kraft erweitert, ohne sie zu überschreiten! In Schu-
berts wunderbarem grossen Esdur-Trio und seinem herr-
lichen Foretien * Quintett, Op. 114, ahnten wir ex ungue
leonem, — und in der That, das ist die königliche Ma-
jestät des Löwen , die diese Symphonie schuf ! — . Die
Ausführung von Seiten des Orchesters war eine vorzüg-
liche und rauschender Beifall folgte jedem Satze. L. R.
Das Gesangfest in Bockcnem.
Nach einer Pause von zwei Jahren trat der Lehrer-
gesangverein im Fürstenthum Hildesheim unter derFest-
direction des Pastor Böttcher in Imsen zum fünften Male
am 3. und 4. September in Bockenem wieder zusammen.
Auch hier wurde den Gängern von Seilen der wackeren
Einwohner ein sehr freundlicher Empfang zu Tbeil, der
sich durch viele festliche Laubgewindc und herzliche Be-
willkommnung aussprach.
Die Zahl der Sänger war etwa 150, welche einen
tüchtig gebildeten Chor abgaben. Bei den Aufführungen
steht um so eher etwas Gelungenes zu erwarten, da bis
auf Weniges den einzelnen Vereinen vom Gesangdirector,
Conrector Molck in Peina, genau bezeichnet ist, was so*
wohl in der Kirche, als im Freien und an der Tafel ge-
sungen werden soll. Die Festordonng war die frühere.
Am 3., Nachmittags, grosse Probe, die meistens den Sän-
gern zu» lang wird," die aber um so sorgfältiger zu neh-
men ist, da man sich hier nach langer Zeit zum ersten
Male wieder findet, und nicht alle Vereine gleichartige
Vorübungen gehabt haben. Dieses Mal machte die Instru-
mentalbegleitung mancherlei zu schaffen, da die Herren
Musici aus zu verschiedenen Orten zusammengesetzt wa-
ren und nicht Alle gleichgestimmte Instrumente herbei-
brachten, was einen bei Blasinstrumenten nicht leicht zu
beseitigenden Uebelstand verursachte. Namentlich musste
ein Fagott als ungehorsam und unverbesserlich sich ganz
vom Kampfplatze zurückziehen.
Die Abendgeaänge begannen 6 Uhr. Wenngleich
diese genügend ausfielen, so war doch der Vortrag bei
den Morgengesängen am anderen Tage frischer und leben-
diger. Von Molck kamen dabei einige neue Lieder, bei
Leibrock in Braonschweig erschienen, vor, von denen:
„Mein Vaterland, •' „Nacht" und „Die Blume der Blu-
men'* vorzugsweise ansprachen. Von Enckhausen wur-
den die bei unserem Vereine beliebten und gern gehör-
ten Chöre: „Es gilt!" und „Im Frieden " aufs Neue
vorgetragen. Von Reüsigcr gefielen ebenfalls die beiden
kräftigen und schönen: „Blücher am Rhein" und „Der
Sänger." Der „Studentengruss" von Berner schloss auch
hier, wie bei anderen Gesangfesten, die Morgenlieder hu-
moristisch ergötzlich ab.
Die Hauptaufführung war Mittags 12 Uhr in der
Kirche. Der Choral: „Vom Himmel hoch, da komm ich
her," wurde vom Dirigenten 1 genau nach der ursprüng-
lichen Melodie, wie sie sich bei v. Winterfeld (geistliche
Lieder des Dr. M. Luther) findet und in einem etwas
bewegteren Tempo, als gewöhnlich, genommen, wie in
neueren Zeiten von mehreren Seiten es als ältere Sing*
art gewünscht wird; aber die Sache fand bei den Geist*
liehen und Laien keinen Beifall. Referent hält auch da-
für, dass diese Versuche zur Einführung solcher Sing-
weise kein erquickliebes Resultat geben werden. Bei der
bemerkten Melodie waren nur geringe Veränderungen ge-
gen die jetzige Notirung, und man möchte es leicht da-
bin bringen, dass diese eine Gemeinde auffasste; wer
aber will mit Hoffnung auf Erfolg versuchen, die Melo-
die von Luther: „Ein feste Burg ist unser Gott,*' wie
man sie bei v. tVinterfeld 9 Becker und Billroth u. A,
findet, bei einer Gemeinde wieder in ihre ursprüngliche
Gestalt zurückzuführen? Man betrachte die Gemeinde
nicht als einen geübten Chor; was diesem leicht ist,
kann jene nicht durchfuhren, und wer versucht, künstli-
chen Rhythmus in den Gemeindegesang zu bringen, wird
bald einsehen, dass Das unmöglich ist. Suche man nur
bei einer Gemeinde zu erreichen, woran es noch an sehr
vielen Orten fehlt, dass diese auf gewöhnliche Weise in
meist gleichen Noten die Melodieen richtig und schön
singe. Mag es sein, dass die Componisten die Melodieen
anfänglich mit. merklicher Tactbewegung und mit man-
cherlei Syncopirungen , vielleicht zuerst mit einem eige-
nen Kirchenchor, eingeübt haben; die Gemeinden baten
nach natürlichem Gefühle Dies für sie nicht anwendbar ge-
funden und es beseitigt. Spätere Choralsammler haben die
Melodieen so notirl, wie sie Eingang gefunden» und so
lasse man es immerbin. Der Kirchengesang bei den Brü-
dergemeinden soll ausgezeichnet sein, aber das Choral-
buch derselben bat auch nur die gewöhnliche Darstellung
in meist gleichen Koten. Es ist Beweis, dass auch auf
diese Weise, weuu nur sonst die Melodie richtig und
711
1844. October. No. 42.
712
würdevoll genommen wird, ein auf Herz and Geist wir-
kender Gesang erreicht werden kann. Durch Anwendung
künstlicher Rhythmen and durch volksliederartige Ge-
sänge wird man schwerlich zu diesem Ziele gelangen.
Dass im Allgemeinen die Kirchen leerer werden, als in
froherer Zeit, daran ist unser Choralgesang in jetziger,
£ter Form wahrlieh nicht Schuld, dazu tragen viele an-
re Dinge bei, die wir hier nicht weiter erörtern können.
Nach dem Chorale folgte ein Hosianna von Enck-
hausen , das durch seine musterhafte Durchführung des
Hauptgedankens und durch guten Vortrag allgemein be-
friedigte. Noch kamen in der ersten Abtheilung vor der
Choral: „Nun freut euch lieben Christen g'meio," mit
gewöhnlicher Bewegung, und gefiel auf diese Weise; dann
ein Hymnus von Molck, von den Sängern mit Sorgfalt
vorgetragen.
Die zweite Abtheilung wnrde durch einen Orgelsatz
mit Posaunenbegleitung durch Herrn Schlossorganisten
Enckhausen würdig eröffnet; dann folgte der 84. Psalm
von dem Kronprinzen von Hannover, eine treffliche, im
kirchlichen Style gehaltene Composilion 5 der Choral c
„Nun lob mein Seel den Herren'*; der 11. Psalm von
Dr. Marschner, ein gelungenes. Kraftstück, das nur ge-
fallen kounte; der Choral: „Was mein Gott will, ge-
schah allzeit; *' und endlich die prachtvolle Hymne von
B. Klein: „Preis, Lob, Böhm.*' Die grösseren Partieen
hatten IpslrumentalbegJeiluog, welche zu letzteren beiden
vom Dirigenten hinzugefügt war.
Nachmittags 3 Uhr versammelten sich die Singer
uud Festgenossen zum frohen Mahle in einem geräumi-
gen Zelte vor der Stadt. Auch hierbei machte sich das
Pestcomirä, vorzüglich der Herr Bürgermeister Dr. Buch-
holz > sehr verdient. Bei keinem der früheren Gesang-
feste dieses Vereins erfreueten die. Tafellieder so, als hier,
wozu das geräumige Local nicht wenig mit beitrug. Der
Alfelder Seminarchor trog ausser anderen Sachen beson-
ders einen Marsch von C. Zöllner • mit Pricision und
schönem Ausdrucke vor. Auch bei dem Liedertafelfeste
in Hameln gefiel dieses Gesaogstück ungemein und ver-
dient es durch das darin wehende frische Leben. Erat
spät trennte man sich und konnte in die Heimalb die Er-
innerung an einige sehr genussreiche Tage zurückneh-
men. Gern stimmte jeder Fefttgenoss in die Worte Lu-
ther' s: „Haltet Frau Musica in Ehren!"
Ankündigungen.
Bei Willi. Körner in Erfurt erscheint im Laufe des
Oetobers folgendes Werk, das die Beachtung aller guten Semina-
rien rerdient:
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Beifalle wiederholt wurde, in ihrer deutschen durch Carl Kitne/ev
mann ganz umgearbeiteten Form den Buhnen seines Vaterlandes
anzutragen. Das vollständige Textbuch und die Partitur sind nr
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ruhe auf der Hoboe genossen und von diesem , wie von anderen
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715
714
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 25 8ten October.
M 43.
1844.
Inhalt t Mecenrion. — Nachrichten: Aas Frankfurt. Biographie. — Feuilleton, — Ankündigungen.
RECEN8ION.
Die Kunst des Flötenspiels in theoretisch - practischer Be-
ziehung dargestellt von A. B. Fürstenau. Op. 133.
Leipzig, bei Breitkopf and Härtel. Preis 8 Thlr.
Das vorliegende Werk wird durch ein Vorwort des
als Gesanglehrer nnd Verfasser manches geistreichen Auf-
satzes über musikalische Gegenstände, rühmlich bekannten
6. Nauenburg eingeführt, worin gar gute' Gedanken über
den Werth und die nöthtgen Eigenschaften des ächten
Virtuosen, über die Notbwendigkeit eines ernstlichen Stu-
diums u. s. w. zu lesen und zu beherzigen sind.
Es ist heul zu Tage auch Mode geworden, die ge-
steigerte Virtuosität auf Instrumenten als den Verfall der
musikalischen Kunst unbedingt herbeiführend zu schmä-
hen and zu verwerfen. Herr Nauenburg hat Ursache, in
der Einleitung zu einer Virtuosenschule diesen Vorwurf
abzulehnen; denn wer möchte zu Erringung solcher Vir-
tuosität auf irgend einem Instrumente ralhen und beilra-
gen» wenn er gegründet wäre? „Es mag zuweilen etwas
Wahres daran sein," — sagt Herr Nauenburg, — „aber
man darf dabei auch eine andere, weit höher liegende
Wahrheit nicht verkennen. Die neueren Virtuosen haben
nämlich nicht blos die Spielfertigkeit erweitert, nicht Mos
Tausende zu besserem, vollkommenerem Spiele befähigt,
sie haben auch eine unendliche Menge musikalischer Ideen
in Formen, Figuren, Griffen, Passagen, Sprüngen spiel-
bar gemacht und so die Kunstwelt auch ideell bereichert."
— Es thut wohl, wenn aus der gäbrenden verwirrten
Masse leidenschaftlicher, oberflächlicher, viertel- und halb-
wahrer Ansichten unserer Tage zuweilen ein Gedanke
hervortaucht, der das Wahre von dem Falschen scheidet
und das Rechte trifft. In der Tbat, wo wären Haydn's,
Mozart's, Beetboven's, Spohr's, Mendelssohns und ande-
rer grossen Meister Instrumentalwerke zu schaffen mög-
lich gewesen, und also je zum Genüsse der musikalischen
Welt gekommen, wenn die Fertigkeit auf Instrumenten
etwa auf dem Puncto stehen geblieben wäre, wo sie vor
hundert Jahren gestanden? Und warum bat man die höchste
Fertigkeit , die bis jetzt erschienen , die Paganini's auf
der Violine, nicht verworfen? Weil er sie mit den hö-
heren Forderungen der Kunst, dem Gefühlsausdrucke, zu
vermählen wusste. Die gesteigerte Virtuosität ist gewiss
kein Nachtheil für die Kunst. Wird sie zu blosen Seil«
tänzerkünsten verbraucht, so ist das ein Missgriff, der
46. Jahrgang.
nicht in ihr selbst, sondern in dem geschmack- und
poesielosen Gemülhe des Virtuosen liegt.
Um auf das Werk selbst zu kommen, so liegt die
Absicht des Verfassers in dem Titel und in einem Tbeile
der Vorrede. Die betreffenden Stellen darin lauten : ,, Die-
ses Werk enthält nicht etwa eine Umarbeitung meiner
älteren Flölenschule , wodurch diese überhaupt entbehr-
lich gemacht wäre, vielmehr dient es letzterer, welche
hauptsächlich, für den Elementarunterricht bestimmt ist,
zur Ergänzung, indem es vorzugsweise dem Bedürfnisse
solcher Spieler abzuhelfen den Zweck hat, yvelche, be-
reits mit den Elementen des Flötenspiels vertraut, es zu
einer höheren Stufe der Kunst zu bringen beabsichtigen."
Und weiter: „Ich lege, damit dieses Werk den angege-
benen Zweck möglichst vollständig erfülle, in demselben
die Summe der Erfahrungen meines ganzen bisherigen
Lebens nieder, und offenbare damit zugleich das ganze
Gebeimniss meiner Kunst bis in's kleinste Detail, indem
ich — namentlich in Betreff solcher Theile des Flöten-
spiels, die sich einer verhältnissmässig sehr mangelhaften
Cultur zu erfreuen (?) hatten — alle diejenigen Ent-
deckungen und Beobachtungen mitlheile, welche mir bei
langjährigen, ganz besonders diesen Theilen gewidmeten
Studien zu machen vergönnt gewesen sind." Von einem
Künstler, wie Herr Fürstenau, ist kaum nöthig zu sagen,
er habe Wort gebalten. Referent wird daher das darge-
botene Gute und zum Theil wahrhaft Neue nur kurz an-
deuten, den dadurch gewonnenen Raum aber für einige
Puncte verwenden, deren genauere Erörterung dem Schü-
ler beim Studium der trefflichen Anleitung nützlich wer-
den kann.
Das Werk zerfällt in zwei Hauptabtheilungen. In
der ersten , S. 1 — 7 , gibt der Verfasser kurze Nach-
richten über Vaterland und Alter unserer modernen Flöte,
über den gegenwärtigen Culturzustand des Instruments (in
Bezug auf Bau und Eigenschaften) im Allgemeinen, und
insbesondere über die von dem königl. bai ersehen Kam-
mermusikus Tb. Böhm in neuester Zeit versuchte gänz-
liche Umgestaltung der bisherigen Flötenconstruction. Die-
ser gesteht Herr Fürstenau zwar leichte Ansprache und
reine Abstimmung aller Accorde zu, verwirft sie aber im
Ganzen. Gegen die angeführten Gründe jedoch liesse sich
wohl Manches einwenden. So z. B. meint er, raube die
bewirkte grosse Gleichmässigkeit der Töne, wodurch na-
mentlich jeder Unterschied zwischen den sogenannten ge-
deckten und den übrigen Tönen aufgehoben werde, so
43
715
1844. October. No. 43.
716
wie die ungemeine Stärke des Klanges, der Flöte ihre
cbaracleristischen Vorzöge, und erzeuge Monotonie, da
doch deren eigentlicher Bei* und die Befähigung zam
Ausdruck und zur Aufregung verschiedener Gefühle bis
jetzt grössten TbeiU eben in dem Wechsel beller and
stumpfer, so wie dem vorzugsweise herrlichen, sonoren
Klange der oft anwendbaren gedeckten Tone begröndet
liege. Aber Gleichmässigkeit der Töne ist wie bei allen
Sängern so bei allen Instrumentalisten das Hauptsireben,
und niemals noch ist der Wechsel heller und stumpfer
Töne, in der Stimme oder dem Instrumente selbst liegend,
als ein Vorzag gepriesen worden. Die verschiedenen Aus-
drucksnuancen müssen von des Künstlers Gefühl ausge-
hen und dürfen nirgends von Eigenheilen des Instru-
ments abhängen, denn sonst dictirte dieses wenigstens in
manchen Fällen die Nuancirung, und des Virtuosen Frei«
heil wäre dahin. Auch verlangt unser Verfasser, was er
.an der Böhmischen Flöte verwirft, in dem Verfolge sei-
nes Werkes an verschiedenen Stellen von allen anderen
Flöten. So will er §. 5 von einem guten Geböhre, dass
es auf der ganzen Tonleiter den eigen thümlichen Flöten-
ton in gleicher Reinheit, Festigkeit, Kraft und Zartheit
mit Leichtigkeit hergebe. In §. 9 rühmt er an den Lie-
bel'schen Flöten die herrliche Egalität, d. h. eine solche,
die in der Beseitigung übelklingender Abstufungen be-
steht und der Flöte nur förderlich sein kann. Nach §• 13
brauchte Tromlitz bereits sieben bis acbt Klappen , um
seine Flöte vollkommen zu machen, besonders — um die
stampfen Töne den anderen gleich zu machen.
Auch die weiteren Einwände des Verfassers scheinen
Referentem nicht baltbar; da aber überall in diesem
Werke auf die Böhm'sehe Flöte keine Rücksicht genom-
men worden, sondern Alles sich nur auf unsere jetzt ge-
bräuchliche bezieht, so möge der Erfinder der neuen Con-
struction ihre Verteidigung selbst übernehmen, wenn er
sie jetzt noch für eine Verbesserung hält«
Die meisten Aenderungs versuche hat man mit dem
Mundloche angestellt. Es gibt ovale , runde , viereckig-
längliche und viereckige. Zu einem absoluten Resultate,
welche Art darunter am zweekmässigsten sei, ist man
aber bis jetzt noch nicht gelangt, da von dem Baue der
Lippen so viel abhängt. Herr Fürstenau gibt der ovalen
insofern den Vorzag, als sie für den Lippenbfcu der Mei-
sten am geeignetesten scheint« Die Versuche, das Mund-
loch von anderem Stoffe , z. B. Elfenbein , einzusetzen,
haben keine Vortheile gebracht.
Die Verlängerung der Flöte mit £, a 9 gis und g
verwirft der Verfasser mit Recht, da die tiefe g- Bohrung
die leichte Ansprache der Höhe erschwere. Dann hat auch
v jedes Instrument einen von der Natur ihm angewiesenen
Umfang, durch dessen Oeberschreitung sein Cbaracter ver-
letzt wird. Unter allen Flöten der Jetztzeit gibt Herr
Fürstenau den Liebel'schen in Dresden den Vorzug, de-
ren gute Eigenschaften er aufzählt, §. 9, welche Empfeh-
huig gewiss nur ans der Sache hervorgeht, da Herr Für-
stenau selbst sich keiner anderen Flöten bedient. Die §§.
über Tonlöcher, Klappen, Mittelstücken, Pfropfschraube
und Auszug, so wie über das Material zum Flötenbaue,
tbeilen einzelne Verbesserungsversuche u. s. w. iriit und
•ind jedenfalls interessant für jeden Spieler, dem es um
eine etwas nähere Renntniss seines Instruments zu thun ist.
Damm aber sollte sieh jeder Virtnose bekümmern , inso-
fern eine solche Vervollkommnung des Instruments ein
vervollkommnetes Spiel möglieh macht und die genaue
Kenntnis« des Enteren nachfolgende Künstler zu weite-
ren Forschungen, Beobachtungen und Versneben darauf
anreizen und befähigen kann. Welcher Unterschied zwi-
schen einer Flöte vor hundert Jahren und einer jetzigen,
und eben so einem damaligen und jetzigen Virtuosen dar-
auf! Diese Fortschritte aber hat die Kunst Geistern zu
verdanken, die neben der eigentümlichen Kunstliebe anch
noch eine materielle möchte ich sagen zn ihrem Instru-
mente hatten« Tromlitz, Quarz, Fürstenau n. A. ragen
empor aus Hunderten der Virtuosen , dadurch , dass sie
sich nicht blos mit dem Ueberlieferten begnügten, son-
dern weiter strebten und Erweiterungen und Verbesse-
rungen fanden. Und damit ist diese ganze erste Abthei-
lung, wie sie der Verfasser gegeben, vollkommen gerecht-
fertigt, welche sonst, nur oberflächlich bedacht, überflüs-
sig erscheinen könnte, da sie in unmittelbarem Verhält-
nisse zur Practik des Virtuosen nicht steht.
Die zweite Abtheilung behandelt die eigentliche Lehre
vom Flötenspiele. Nachdem der Verfasser im ersten Ab-
schnitte die Eigenschaften eines schönen Tones ausgespro-
chen , gibt er im zweiten, vom Ansätze, die Mittel an,
wie ein solcher am Siebersten zn erlangen. Er verlangt
die dem Anfänger am Schwersten zu erringende Art des
Ansatzes, §. 27, 28, wo das Mundloch etwas auswärts
gegen die Tonlöcher der übrigen Stücke zu liegen kommt;
es ist aber unbedingt diejenige, die, wenn einmal durch
Beharrlichkeit, öfteres Scalenblasen und fleissiges Expe-
rimentiren errungen, dem Spieler volle Gewalt über alle
möglichen Modilcationen des Tones und zwar in stets
reiner Stimmung verleiht. Mit Recht warnt er vor der
von Vielen gebrauchten Art des Ansatzes, wo das Mund-
loch weit einwärts zu stehen kommt, und entwickelt §•
30 alle die Nachtheile, die daraus entstehen.
Ungern vermisst Referent hier die Bemerkungen ober
Haltung des Kopfes, der Arme und des ganzen Körpers,
die in Bezug auf Gesundheit des Spielers sowohl, als
auch auf die äussere Erscheinung des Künstlers' von gros-
ser Wichtigkeit sind.
Die nun folgende Lehre vom Albemholen, dritter Ab-
schnitt, ist vielleicht diejenige, welche in den Schulen
für Blasinstrumente noch am Meisten im Argen liegt.
Wohl findet man in einzelnen Beispielen die Puncto rich-
tig angegeben, wo Athem zu nehmen sei, aber, faiesses
bis jetzt und sagt auch unser Verf. , „eine völlig er-
schöpfende Beantwortung der Frage wird nicht möglich
sein, indem es zu verschiedene, von jeder Compositkxi
abhängende Fälle gibt, um für alle ausreichende Regele
aufstellen zu können. " Vielleicht aber doch, wenn man
nnr das ästhetische Warum des Atbemholens fest in'*
Auge nähme. „Als Hauptgrundsatz' 4 — sagt der Verf.—
„ist anzunehmen, dass das Albemholen auf keinen schlech-
ten Takttheil falle, der Moment dazu dem Tone, hinter
welchem, nicht vor welchem es geschieht, abgezogen
werde , und dass jede Periode, jeder zusammenhängende
Gedanke in einem Athem vorzutragen sei. Wird Let*-»
teres indessen dem Spieler der Länge wegen gar nickt,
717
1844. Octobcr. No. 43.
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oder aar mit Anstrengung möglich, so muss er sieb nach
den grösseren oder kleineren Theilen , den ganten oder
halben Tonschlössen oder Einschnitten, welche den musi-
kalischen Gedanken bilden , Hehlen 9 nud bei einem die*
ser Theile Athem nehmen/ 4
So gestellt, ist die Hanptregel freilich in beschränkt,
4a hier nnr von Takttheüen die Rede, während nament-
- lieh die Stricharten der musikalischen Gedanken gar oft
auch bei Taktgliedern nnd Zeittbeilen zum Athembolen
nöthigen, wie die gegebenen Beispiele nnsres Verf. selbst
zeigen.
Die Anleitung zn diesem wichtigen Punkte des Flö-
tenspiels könnte vielleicht in folgender Weise bestimm-
ter gegeben werden:
1) Keine Periode, kein Satz, kein Einschnitt, über-
haupt kein musikalischer Gedanke soll in seinem Flusse
gestört, getrennt, zerrissen, er soll vielmehr stets so
vorgetragen werden , wie ihn das musikalisch geübte
Aoge liest, weil, was den Fluss des Gedankens, un-
fehlbar auch seine Wirkung stört.
2) Die Hanptregel ist daher, dass man vorzugsweise
Athem hole, wo es gar nicht bemerkt werden kann
— in den Pansen.
3) Da aber nicht immer Pansen vorhanden, wo das
Bedürfnis* des Ath'embolens eintritt, so muss es alsdann
an Stellen geschehen, wo der Plnss des Gedankens am
Wenigsten dadurch gestört wird.
4) Dieses geschieht am Besten nach accenluirten
Noten — seien esTakttbeile, Taktglieder oder Zeittheile
— indem man diesen von ihrem Ende soviel abzwackt,
als nötbig, um neuen Athem fassen zu können.
Nimmt man hiezu speciell noch, was eigentlich schon
in der ersten Regel mitbegriffen ist, dass man nirgends
eine Stricbart verletzen darf, so wird man damit für alle
möglieben Fälle ausreichen. — Die mannigfaltigen Bei-
spiele , welche der Verf. ober das richtige Athembolen
aufstellt , siud vortrefflich , und will man die eben ver-
suchten Regeln daran halten, so wird man sehen, dass
alle anderen überflüssig sind.
Die Bemerkungen über das Scalenblasen , vierter
Abschnitt, beherzige der Schüler vor Allem, mache sich
aber vorher mit den verschiedenen Applicaturen dessel-
ben Tones vertraut, ehe er daran gebt. Dieser Abschnitt
hätte daher später abgehandelt werden sollen. Indessen
kam es dem Verf. in diesem Werke nicht auf eine stu-
fenweise Ordnung an, da es für schon vorgeschrittene
Flötenspieler berechnet ist, die sich die nöthige Ordnung
und Einteilung ihrer Uebungen selbst vorschreiben können.
Der fünfte Abschnitt über die Fingerordnung (Appli-
calnr) int so vollständig und reichhaltig noch niemals
abgehandelt worden, weil noch Keiner so mannigfaltige
Studien darüber angestellt, oder den feinen Sinn, so
glückliche Entdeckungen darüber zu machen, in sich ge-
trugen bat. Dies wird einleuchten, wenn man bemerkt,
dasa der Verf. für die meisten Töne 5, 6 bis neun ver-
schiedene Applicaturen aufgefunden bat. Es folgen dar-
auf eine Menge Beispiele, in welchen gezeigt wird, wie
und wo die verschiedenen Applicaturen am Zweckmässig-
ntea na brauchen sind.
Der sechste Abschnitt bündelt von dem Gebrauche der
Zunge. Die Bemerkungen, Beispiele und Uebungen über
den mannigfaltigen Gebrauch derselben und Mischungen
zu den mannigfaltigsten Stricbarten sind vortrefflich. Zn
bedauern bleibt aber immer, dass Herr Fürstenau die
Doppelzunge übergeht, die er nie geübt und gebraucht.
Er hält überhaupt nicht viel davon, weil man dem Spiele
nicht genug Nannichfalligkeit damit geben könne nnd
des Künstlers Vortrag sich dadurch mehr zur Monotonie
neige. Dies ist wohl wahr, wenn der Künstler sie zu
oft gebraucht ; aber dann ist es ein Missbrauch, der dem
Mittel selbst nicht zur Last fällt. Eben so kann der
Künstler durch zu öfteren Gebrauch der einfachen Zunge,
überhaupt jedes Kunstmittels, monoton werden. Selten
gebraucht und am rechten Ort ist die Doppelsunge von
der glänzendsten Wirkung, namentlich in sehr schnellen
Passagen , denen die geübteste einfache Zunge nicht nach-
zukommen vermag. Der Schüler nehme daher dieses
Kunstmittel immer mit in seine Uebungen auf, wozu er
in der Drouetscben Flötenscbule die beste Anleitung
findet.
Bei den §§. vom Schleifen und von dem gemischten
Gebrauche des Stossens nnd Schleifen», ferner (siebenter
Abschnitt) von den verschiedenen Trillern nebst Triller-
tabelle, eben so (achter Abschnitt) von der Bebung, vom
Klopfen, und vom Oeberzieben der Töne will Ref. der
Raumersparnis» wegen nnr bemerken, dass sie noch nie-
mals so ausführlich behandelt worden sind nnd des wahr-
haft Neuen gar mancherlei bieten.
Auch die Lehre vom Vortrage im neunten Abschnitt
ist in technischer nnd ästhetischer Hinsicht vortrefflich
auseinandergesetzt. Das Beste und Wirkungsvollste hier-
bei muss freilich von höherer Hand in die Seele des
Schülers geschrieben sein. Kann aber der Lehrer durch
glückliche Andenlungen die dunklen Ahnungen in des Be-
ginnenden Geiste erhellen, so ist Niemand geschickter
dazu; als Herr Fürstenau.
Den Bescbluss machen zwölf Uebungen über die vot*
getragenen Hauptgegenstände, welche dann mit Piano-
fortebegleilung versehen sind', was auf die reine Intona-
tion des Schülers, versteht sich bei einem stets rein
gestimmten Pianoforte, von dem besten Einfluss ist. ^
Es bleibt nun, um den Wertb des Geleisteten ein-
dringlich zu zeigen, ein Wort über Herrn Fürstenau 9 s
Kunst, wie er sie in seinem Werke offenbart, zu sagen.
Denn wenn Herr Neuenbürg in seinem Vorworte be-
merkt, dass der Name Fürstenau europäischen Ruf habe
and seine Kunstleistungen längst die gebührende Aner-
kennung gefunden, so bat er freilich vollkommen Recht;
wenn er aber deshalb es für zn spjU erklärt , etwas über
ihn als Virtuosen zu sagen, so möchte er nicht das Publi-
cum vor Augen gehabt haben , für welches diese Schule
bestimmt ist, das der Kunstjünger, von welchen schwer-
lich Einer unseren Virtuosen gehört hat Da ich nun
Herrn Fürstenau für eines der vollkommensten Muster
eines ächten Virtuosen auf der Flöte halte, so glaub«
ich nichts Unzweckmässiges zu thun, wenn ich für Alle,
die sein Werk benutzen wollen, sein Rünstlerbild hin»
zeichne, wie ich es, früher selbst Virtuos auf diesem In-
strumente, in einer Reihe von Jahren oft zu beobachten
nnd in mich aufzunehmen Gelegenheit gefunden.
719
1044. October. No. 43.
720
Herr Fürstenau setzt sein Instrument genau so an
die Lippeu, wie er in dem Abschnitt „Ansatz" beschrie*
ben , und gewinnt dadurch nicht allein einen schönen,
vollen und gleichmissigen Ton durch die ganze Scala,
sondern auch zugleich eine solche Biegsamkeit desselben,
dass er alle möglichen Modifikationen des F. und P. in
stets ungetrübter Reinheit zu durchlaufen vermag, wel-
ches auf der Flöte bekanntlich unter die schwersten Auf-
gaben gehört und nicht von vielen Virtuosen behauptet
werden kann. Dass seine technische Fertigkeit ausser-
ordentlich ist , versteht sich, aber sie zeichnet sieb da*
durch besonders aus, dass sie es nicht blos in den leich-
ten Tonarten der Flöte, sondern in allen, auch den
schwersten ist, wie davon seine Compositionen Zeugniss
ablegen. In fast allen Tonarten gibt er die mannichfal-
tigsten Passagen, Stricharien, Triller, Trillerkelten u.s. w.
Und das fliesst und springt und sprudelt in heiterster
Sicherheit und Leichtigkeit hervor. Denn nie wagt er
etwas in seinen öffentlichen Kunstleislungen; was er
gibt, das hat er vollständig in seiner Gewalt. Daher die
künstlerische Ruhe, Rauduug und Vollendung seines Spiels,
die den Gedanken an irgend ein Misslingen niemals in dem
Hörer entstehen lässt und den Genuss zu einem ächten
macht. Bebungen, Klopfen, Ueberziehen der Töne, über-
haupt Alles, was er in seiner Schule darstellt, steht ihm
jeden Augenblick vollendet zu Gebote. Nur die Doppel-
zunge, wie schon bemerkt, gebraucht er nie, hatte aber,
namentlich in seiner schönsten Periode, das Staccato mit
einfacher Zunge zu einer solchen Schnelligkeit gebracht,
dass viele Flötenspieler es für wirkliche Doppelzunge er-
klärten und ihm damit grosses Uurecht antbalen. Ist
nun seine technische Fertigkeit gross und allseilig, so
erhält sie die acht künstlerische Weihe durch den reinen
edlen Geschmack und durchgängig seelenvollen Vortrag«
Nie legt er es auf blose Bewunderung halsbrecherischer
Künste an , sondern stets richtet er sein Gescboss mitten
auf's Herz, und alle Gefühle , welche in dem Wirkungs-
bereiche seines Instrumentes liegen, wachen auf und ziehen
beseligend durch die Seele des Hörers.
Sagt man nun, dass dieser Künstler sein in der Vor-
rede gegebene^ Versprechen, das gauze Geheimniss sei-
ner Kunst bis in's kleinste Detail zu offenbaren, wirklich
und vollständigst erfüllt habe, so weiss der Flötenspieler,
was er zu erwarten hat und Ref. mit vollster Ueberzeu-
gung ausspricht: ein Werk, das "alle vorhandenen der
Art weit über tri (Fl, selbst aber so bald wohl nicht über-
troffen werden wird.
Nachrichten.
Frankfurt. Musik vom 24. Mai bis zum 30. Sep-
tember. Wollen Opern* Institute im deutschen Vaterlande
nicht banquerott machen, so müssen sie der Donizetti-
Manie genügen. Ausnahmen bilden solche, die ihr
Publicum nicht ganz und gar so ilalienisirt haben , dass
es nach so süsser Luxus-Speise nicht auch nach haltbarerer
Nahrung Verlangen trüge. Unsere Opernverwaltung ge-
hört in der Thal zu den wenigen Ausnahmen, denn Guhr
hat es dahin gebracht, dass gediegene Musik, unbeschadet
der Gasse, noch Anklang findet, und die Opern der neuen
Italiener, Franzosen und Deutsch-Franzosen nicht vollere
Häuser machen, wie die von Mozart, Cherubini, Nicolo
u, A. Der Erfolg der duber'scbttk neueren Schöpfungen,
da sie hauptsächlich auf verwickelte und spitzige Sujets ge-
gründet sind , hängt mehr von glüklicher Besetzung und
leichtem Spiel ab, als von der Musik selbst. Davon gab
neuerdings die Sirene ein Beispiel, womit die Messe
eröffnet wurde, und die, obgleich wiederholt, sich gewiss
nicht halten wird.
Es gehört zu den Miseren unserer Ueberbildang,
dass jetzt die Musik des Schauspiels bedarf, um ihre Rechte
geltend zu machen. Es muss daher jeden wahren Musik-
freund freuen, wenn solche Versuche scheitern. Doch
darüber, dass die Tonkunst jetzt der Handlung zur Folie
dienen muss, statt umgekehrt, einmal ein eigenes CapiteL
Opern von Gewicht waren Fidelio, Medea, Wasser-
träger, Aschenbrödel, Freischütz, Figaro, Entführung,
Zauberflöte, Teil und das Opferfest. Auch schritt And-
gone wieder über die Bühne, deren musikalischer Theil
gewiss einer soliden Oper gleichzustellen ist. Mehrere
dieser angeführten wurden wiederholt, welches meinen
Satz, dass unser Publikum noch für Classisches empfang-
lich ist, rechtfertigen mag. Kreutzers Nachtlager und
Lortzings Czaar und Wildschütz ziehen, so oft sie auch
gegeben werden, und 4dams Postillon, Boieldieu's weisse
Frau, die Regimenlstochler und Teufels Anlbeil werden
immer freundlich aufgenommen. Wenn wir dazu nun
noch die unvermeidlichen Norma's , Nachtwandlerinnen,
Belisario's, Lucrezien nehmen, so haben wir einen kurzen
und bündigen Oeberblick des Opernstatus der letzten vier
Monate, woraus nur noch einzelnes vorzüglich Beachtens-
werlhe8 hervorzuheben ist.
Herr Gundy , auf welchen so grosse Hoffnungen ge-
setzt wurden, sang bis jetzt den Jäger (Nachtlager), den
Czaar, Belisar und den Almaviva (Figaro). Hat ihn
Kritik und Publicum rücksichtsvoll aufgemuntert, so wird
es jetzt Zeit und Pflicht, ihn auf seine Fehler aufmerk«
sam zu machen, damit er seine Vorzüge nicht überschätze.
Herr Gundy besitzt, wie schon gesagt, die Hauptrequi-
siten zu einem dramatischen Sänget; aDer wenn er nicht
bald anfängt, diese Stoffe geistig zu beleben, so dürfte
er sich vom Ziele mehr entfernen , als sich demselben
nähern. Das Brennmaterial will den Funken. Trotz der
gleichen Scala seiner sonoren Stimme fehlen ihm doch
die Verbindungen und Uebergänge, fehlen ihm die Accente,
die zum Herzen, zum Geiste dringen sollen, und jetzt
schon sucht der junge Mann durch Forciren seines
Organs zu zwingen, was natürlicher Kraft, oder
durch Zärteln, was der Anmuth vorbehalten sein
soll, der Prounnciationsfehler gar nicht zu gedenken«
Es ist freilich schlimm, dass der Zustand unserer heuti-
gen Bühne erfordert, dass man mit dem Sophocles statt
mit dem A. ß. C. anfangt, allein trotzdem kann sich
ein poetisches Element zeigen und die Oberband gewin-
nen über den Materialismus; trotzdem kann eine solide
Schule mit der Praxis Hand in Hand gehen und über
dieselbe herrschen. Die wenigsten Sänger von Bede»?
tung haben ihre Ctyssen nbsolvirt, ehe sie ihr Amt auf
72i
1844. October. No. 43.
73»
der Bühne angelreten haben. Natürlich wird nur von
Denen gesprochen, die reussirt haben, nicht von den
Tausenden, die spurlos zurückgesunken sind in das Chaos.
Wir , wollen herzlich wünschen, dass Herr G. die Sache
bald ernster angreife, damit er zu den Ersteren gezählt
werden könne!
Als unser Chrudimsky in Hamburg gastirte, drohte
ihn Herr Perlgrund, ein anderer Hannibal ante portas,
zu stürzen, denn sein Auftreten als Alamir war so eola-
tant, dass die Freunde Chrudimsky 's zittern mussten.
Es ist wahr, sein Vortrag, an geeigneten Stellen zart
und feurig, und seine richtige Declamation imponirlen
dem Publicum, und sein Glück schien gemacht f aber wie
hier noch immer ein jäher Beifallssturm bei dem ersten
Auftreten gefahrlich war, so auch bei Herrn Perlgrund.
Er sang schnell nach einander den Gomez, Sever, Gen-
naro nnd Rafael d'Estuniga , wobei nach jeder Nummer
sich der Enthusiasmus für ihn abkühlte und zuletzt in
Gleichgiltigkeit überging. Was als tiefe Empfindung
und dramatisches Feuer gepriesen wurde, biess jetzt
Affeetation und Uebertreibung. So begegnen sich hier die
Extreme sehr oft, wobei die vorschnelle Kritik nicht sel-
ten errölben muss. Die Würdigung lag doch ziemlich
in der Mitte, denn obgleich Herrn Perlgrund 's Organ
für anstrengende Partien nicht ausreicht, uud er aller-
dings im seinem Eifer, sich Gunst zu erringen, zu weit
geht, so sind ihm doch die Verdienste eines deutlichen,
gefühlten und lebendigen Vortrags nicht abzusprechen.
Herr Baldewein aus Wien ist für zweite Basspar-
tieen eine vortbeilbafte Acquisition, da er eine gleiche
und wohlklingende Stimme besitzt; wenn er nur mehr
aus sich sich selbst herausginge. Aber er mag von Hass
oder von Liebe singen, man glaubt es ihm nicht; und
doch liegt es in der Gewalt eines jeden Künstlers , sich
durch Studium und Vorstellung aufzuregen und anzufeu-
ern, wenn ihm auch etwas Impassibilität angeboren ist.
Namentlich gab er uns als Rocco (Fidelio) und Gessler
Anlass zu diesem Urlheile. Als Vilac Umu (Opferfest)
lhat ihm unser Publicum aber grosses Unrecht, denn so
correct er auch seine erste Arie vortrug — der Sturm
wollte sein Opfer haben. Hat einmal unser Publicum
Neigung zum Zischen oder Applaudiren, so ist ihm nichts
beilig, und es befriedigt dieselbe unter allen Bedingungen.
Cortez, mit grosser Sorgfalt einstudirt, wurde durch
Herrn Chrujdimsky sehr gehoben. Die Titelrolle ist wie
für ihn geschrieben, und nicht leicht mag mit ihm ein
Tenorist in die Schranken treten können, der mit der
epischen Auffassung diese Kraft, diese Ausdauer und dieses
energische Recitativ verbindet. Offenbar eignet sich sein
ganzes Wesen mehr für das erhaben Leidenschaftliche,
als für die heitere Lyrik. Deshalb ist auch bedauert
worden, dass Neeb's Cid, der hier .zweimal hinter ein-
ander sehr gefiel, und worin Chrudimsky excellirte, ganz
ohne Grund von unserer Bühne verschwand. Herrn Cas-
pari mögen wir dagegen gern in MozarVschtu Opern
und in Partieen, wie Georg Brown, Armand, Tonio (Re-
gimentstochter) und ähnlichen hören, worin sein achtes
Tenor-Korn, seine hohe Stimmlage und ein warmer, oft
recht feuriger Vortrag sich geltend machen können. Es
ist noch nicht lange, dass er im .ersten Tenor -Solo des
Fischers. (Teil) debutirte und darin gewissermaassen Sen-
sation erregte. Jetzt ist er bis zu der Partie des Arnold
avancirt, die ebenfalls zu seinen besseren gehört« InGe-
füblsparlieen, worin man nur die Arme auszustrecken
und die Hand auf die Herzgrube zu legen braucht, um
mit Glück auch Schauspieler zu heissen, ist dieser Sänger
übrigens mehr an seinem Platze, als in der Conversa-
tions-Oper. Herr Caspari müsste bei einem tüchtigen
Schauspieler in. die Schule gehen. Mehr Gewandtheit
im Spiel und weniger Süssigkeit im Ausdrucke des Gesan-
ges, wie z. B. in der Partie des Elvin, und Herr Cas-
pari würde, da er guter Musiker und wissenschaftlich
gebildet ist, auf einer ungleich höheren Stufe der Kunst
stehen. Da er von der hiesigen Local- Kritik auffallend ver-
nachlässigt wird, zolle ich hiermit gern der Wahrheit die-
sen schuldigen Tribut.
Unser Bassist Conradi steigert mit jeder Partie
die Gunst des Publicums. Seiue besten Rollen sind in
der deutseben Oper: Osmin, Sarastro, Figaro, Pizar-
ro, Mafferu, Caspar, Mephisto; in der italienischen:
Orovist, Georg (Puritaner) , Sulpiz , Alfonso (Lucrezia) ;
in der französischen : Bertram, Marcell, Gaveston, Pietrp
(Stumme), Teil; in der komischen: van Bett, Bacu-
lus, Leporelle, Bijou (Postillon von Loojumeau); in der
Burleske: der Schuster (Lumpaci). Und wenn er dazu
den Coriphäen in der Anligone gibt, so ist es kein
Wunder, wenn er nach und nach unentbehrlich wird.
Trotz der vielseitigen Verdienste dieses Sängers lässt er
in Ansatz und Vortragsweise doch Manches zu wünschen
übrig. Jener muss sicherer, diese weniger schleppend
sein. So verlangt es wenigstens die Schule. Die Will-
kürlicbkeiten der meisten Sänger aber, ihr Zurückblei-
ben hinter dem Orchester, ihr Cadenziren und Fermali-
siren bat so überhand genommen, als ob es gar keine
Dirigenten mehr gäbe, die über dergleichen Unarten zu
wachen haben, nnd selbst die besseren Sänger sind nicht
frei davon. Unsers Conrad?*. Gesang würde bedeutend
gewinnen, wenn er sich diese Gegenstände zu Herzen
nähme.
Weiler Hervorzuhebendes würde für diesmal nicht
zu berichten sein, als dass unsere Capitam mit vielem
Glücke die Nachtwandlerin wiederholt gesungen hat. Diese
Partie gab unseren Gelehrten einmal wieder viel Stoff,
das Gesicht in Falten zu ziehen , und sie schwankten
lange, ob diese italienische Partie nicht ausser ihrer
Sphäre liegen möchte. Das aber, worüber unsere Ge-
sangscbulen selbst noch nicht im Klaren sind , muss ein
Publicum vollends confus machen. Da will man die
Prima Donna von der Soubrette, und diese yon der dra-
matischen, die tragische von der lyrischen Sängerin u.
s. w. eng unterscheiden und trennen, als wenn wirklich
eine solche scharfe Facbbegränzung möglich wäre. Man
verwirrt die Begriffe mit Gewalt, und doch ist die Sache
ganz einfach. Was in eines Sängers Stimme und Capa-
cität liegt, kann er singen, mag die Partie heissen,
wie sie will. So liegt diese Amiua so ganz in der Kehle
und Weise unserer Capitain 9 sie ist so zart weiblich
gebalten, entwickelt dabei auch wieder so viel heiteres
und tragisches Element, dass sie gerade wie für dieselbe
geschrieben ist« Dass dies einfache Landmädchen am
723
1844. October. No. 45.
784
Schlosse plötzlich nr Brtvoursängerin (oder meinetwegen
Prima Donna) ausartet, ist offenbar ein Fehlgriff gegen
den Gharacter der Rolle» mag diese Seene aneh noch so
sehr an einen Puff für die meisten Sängerinnen geeignet
sein. Fräulein Capitain wirkt in der ganzen Partie so
drastisch, weiss durch Anmuth und den Ausdruck des
Schmerzes so sehr zu rühren und an ergreifen, legt über-
haupt eine so tiefe Wahrheit in den Character, dass eine
Mässigung der prahlerischen Bravnra am Schlosse gans
an ihrem Platze ist.
Concerte in diesen Sommermonaten waren nnr zwei.
Das erste gab Guhr für einen woblthätigen Zweck, wo«
ritt er selbst das Beethoven »cht Quintett ans Es (mit
Oboe, Clarinelt, Pagott und Hörn) und sein Schüler Max
Waldhäuser eine Ciavier-Fantasie von Feska vortrug.
Das andere Concert gaben die beiden kleinen talent-
vollen Geiger «/. and G. Heümesberger , and erregten
Allgemeine und verdiente Bewunderung. Beide Knaben,
in der Schule ihres Vaters gebildet, der die allenthalben
vernachlässigte Viola wieder zu Ehren bringt, da er sie
meisterhaft bebandelt, versprechen die kleine Anzahl so-
lider Violinisten zu vermehren. Was uns am Meisten
freut, ist, dass ihr höchst correcter Mechanismus, alle
Nachäfferei verschmähend, ein getreuer Diener der Kunst,
nicht aber ihr Usurpator ist. Sie spielten Compositionen
von Dancia, Kalliwoda, Mayseder und Vieuxtemps.
Nun zu den Aufführungen der Messe. Schade war
es, dass der Wundermann Döbler, der im Monale Juli
seine Nebelbilder producirte, nicht auch noch um diese
Zeit hier war, um die Verschwendung an heterogenen
Erscheinungen auf unserer Bühne wo möglich noch bril-
lanter zu machen. Ich behaupte, so lange Orchester
existiren, sind solche Variationen nicht darin gespielt
worden'. Man muthe mir nicht zu, alle diese Dinge ruhig
aufzuzählen. Es würde mir eben so wenig gelingen, als
ich sie mit Ruhe geniessen konnte, da der nächste
Eindruck den vorigen immer wieder verschlang. Der
Punkt, um welchen sich Alles drehte, war jedenfalls das
ambulante Kinderballet der Madame Weiss, welches
nicht weniger als 14 Vorstellungen bei stets vollem
Hause gab. Die 36 Mädchen von 6 — bis 14 Jahren
(worunter jedoch ein paar mädchenhafte Knaben) tanzen
aber auch wie die Elfen, und versinnltchen uns gleich-
sam die orientalischen Feenmäbrcben aus Tausend und
einer Nacht Ihr Erscheinen ist auf. der Bühne so phan-
tastisch-poetisch, wie »prosaisch ausser derselben, was
zwar nicht hierher, aber doch zur traurigen Geschichte
unserer lustigen Cultur gehört. Die armen Kinder sind
jedenfalls bewusstlose Opfer egoistischer Speeulationen,
und der Reiz ihres Anblicks wird ein gewisses wehmü*
thiges 6efübl f durch Ideenverbindungen nothwendig er-
zeugt, nie ganz verwischen können. Wenn man öun
bedenkt, dass inmitten dieser Almacks-, Rococo-, Fahnen-,
Schnitter- und Shawls- Tänze, dieser Polka's, Tarantel-
len, Mazurkas u. s. w. der ernstgrübelnde Schuellrecbner
Dase aus Hamburg Quadrat- und Gubikwurzeln auszog;
dass ganze Opern, z. B. die Entführung, Wasserträger,
RegimenUtocbter, Nachtlager, Norma etc., dass sentimen-
tale Schauspiele» wie der lange Israel und burleske
Operetten, wie der kurze Kapellmeister von Venedig,
dass Quodlibets und Hampelmaoniaden und auch wieder
grosse Bruchstücke aus den Hugenotten, Robert u. s. w.
zu Entreaots eingeschoben wurden) dass der herrliche
Pianist Leopold von Meyer wie ein Meteor kam, siegte
und verschwand ; dass ein Herr Charles sich als Bertram
blamirte, und ein Herr Stark aus Wien (ein zweiter
Cäsar Gobbi) Duetten mutlerseelig allein vortrug (hier
Widrigkeit erregend, dort Furore machend); dass hier
die Ouvertüren aus Medea, Euryanlhe, Oberon, Teil,
Fanisca, Calif und Anakreon auftauchten aus diesen
von einer gleichsam verzweiflungsvollen Hast gepeitsch-
ten Ton-Brandungen, und dass dort der greise Alexan-
der Boueher (der napoleonische Geiger) wahrhaftes
Mitleid erregte mit den tragikomischen Reliquien sei-
ner verschwundenen Grösse dass dies AUes in
vier Wochen nebst den selbständigen einzelnen Dar-
stellungen der Oper und des Schauspiels auf einem
einzigen Podium zusammentraf (der täglichen Proben
nicht zu gedenken), so wird man gestehen müssen, dass
es bei uns an Aufgeboten nicht fehlt, die Ansprüche
unserer Messfremden zu befriedigen. Aber noch nicht
Jenugl Während hier Thalia und Terpsicbore ihre Füll-
örner ausschütteten , . hielten die Pianisten Moscheies,
Mendelssohn, Dbhler, Jacob Rosenhain, Evers, Leopold
von Meyer, der Violoncellist Piatti und der Quadrupel-
Hornist Vhier in den Salons einen wahren Coogress;
denn alle diese Pianisten und Fortisten befanden sich in
der That wie verabredet hier in loeo. Zu schildern, wie
jeder Einzelne spielte, erlasse man mir, da der Wie-
derholungen kein Ende wäre. Kurz, sie begannen einen
Wettkampf, worin jeder Letzte Sieger blieb. Moscheies
gab, unter Mitwirkung Mendelssohn* s % Concert in Mühlen's
Sälchen, und gleich darauf Dohler und Piatti, worin
sich Hiller und Visier hören Hessen. Leopold von
Meyer, für uns eine neue Erscheinung, wird nächstens
im Theater spielen und mich zu einem eigenen Beriebt
über ihn veranlassen, da dieser Virtuos in der That jetzt
die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Be-
sonders interessant war eine Soirle , welche Hiller auf
seiner schönen Villa allen diesen Künstlern gab, wobei
sich auch Aloys Schmitt und Guhr einfanden. Da un-
möglich Alle spielen konnten, so musste das Loos ent-
scheiden. Ausser diesen illuströsen Produclionen fanden
noch die kleineren Concerte des Guitarristen Szepanowsky,
des Improvisators E. Beermann und der Sängerin Sähr
statt, denen ich aber nicht beiwohnen konnte. Noch
schwindelt mir der Kopf von diesem Ameisengewimmel
der Tonkunst, noch sind meine Träume durch die Tri-
peltakte jener verwegenen Tänze beunruhigt, die wie
ein wildes Heer durch meine Ohren zogen, und schon
harren neue Genüsse im Hintergrunde, denn Fanny Eis*
ler und die Milanollo's werden erwartet, Euryanthe und
ähnliche Opern einstudirt. Die Musiker haben hier nur
einen Wunsch, nämlich: Guhr's Nerven zu besitzen.
C. G.
Biographisches.
Der im achten Tbeile der Biographie universelle des
Musicieos etc. von F. J. Felis , Seite 109, befindliche
725
1844. October. No. 45.
726
Artikel, das Leben vd* köottlerwcl» Wirken Tön J. P.
Schmidt beireffend, bedarf einiger berichtigender Bemer-
kungen nnd ZaaaUze, welche in dieser Zeitung, auf den
Grand authentischer Mittbeilang, eine um so geeignetere
Stelle finden durften, als «/. P. S. seit einer Reihe von
Jahren Mitarbeiter bei derselben ist. Geburtsjahr und Tag
u. s. w. ist, wie auch der erste Musik*Unterricbt, rich-
tig angegeben. Von 1795 bis 1796 studirte S. die Cameral-
Wissenschaften auf der Universität zn Königsberg, zu Leb-
seiten der Professoren Kant, Kraus, Schmalz, Poerschke,
Hangeisdorf, Schulz o. s. w. Am 5. Juni 1798 führte 5.
den von ihm componirten Prolog zur Feier der Huldigung
des verewigten Königs Friedrich Wilhelm III. von Ludwig
von Bacstko im Theater, am 8. Juni 1798 eine im Auf-
trage der Freimaurerlogen von ihm componirte Serenate
auf dem Schlossteiche vor dem Könige und der Königin
auf. Die komische Oper: „Der Schlaftrunk' 4 von Bretz-
ner war schon früher mit Beifall gegeben und wurde
auch in Danzig aufgeführt. Im Herbst und Winter 1798
hielt sich S. in Berlin auf, wo er Reichardt, Himmel,
Hurka u. A. in. persönlich kennen lernte. Da die vor-
herrschende Neigung zur Tonkunst den Jüngling lebhaft
wünschen Hess, sich derselben ausschliesslich zu wid-
men , so begab sich derselbe im März 1799 nach Dres-
den, wo er des würdigen Naumann lehrreichen Unter-
richt genoss und von diesem an den Vater «/. Haydn em-
pfohlen wurde. Da seine Eltern indess darauf bestanden,
dass derselbe sich dem Beamtenstande widmen und die
Musik nur als Dilettant treiben solle, so suchte S. eine
Anstellung bei der Cburmärkschen Kriegs- und Domainen-
Kammer nach, bei welchem Collegium er im Mai 1801
Referendar, und nach zurückgelegtem Examen 1804
Assessor wurde. Bei der Translocation der Kammer als
Regierung nach Potsdam blieb 5. (ohne Gehalt) in Berlin
zurück, bis er 1811, nach öberstandenen Kriegs- und
Familiendrangsalen, bei der K. Seebandlung aufs Neue
angestellt, und 1819 mit dem (damals noch nicht so
überhäuften) Hofrathstitel beehrt wurde. Im October 1822
begleitete S. den damaligen Präsidenten, jetzt Geheimen
Staats-Minister Roiher nach Verona, Florenz, Genua,
Mailand, Venedig, Triest und Wien, besuchte nach dem
Tode seiner Eltern zum letzten Male Königsberg 1819
bis 1820 und lebt seitdem in Berlin, öfters im bommer
das kunstliebende Dresden besuchend, wo in der katho-
lischen Hofkirche zwei solenne Messen von J. P. Schmidt
aufgeführt sind, wie auch seine Cantate Rinaldo von
Goethe für eine Altstimme mit Cbor, welche als eine
Preis-Concurreoz-Composilion von der k. Akademie der
Künste zu Berlin das Accessit erhielt.
Ausser den angeführten Opern (unter denen die 4te
nicht Theodore, sondern Feodore von Kotzebue heisst,
deren Riavier -Auszug auch im Kunst- und Industrie-
Comtoir von Kuhn 1812 erschienen ist) bat S. viele
Klavier -Auszüge von Opern z. B. Armide von Gluck,
Catets Bajaderen u. s. w. und eine Menge 4-händiger
Arrangements für das Pianoforte von Quartetten und
Quintetten von J.Haydn, Mozart, Beethoven und Ons low,
Ouvertüren, auch von den Pianoforte- Coneerten in Cdur
und Cmoll von Beethoven und Dmoll von Mozart an-
gefertigt. Für grosses Orchester bat S. eine Symphonie :
„Mosart's Huldigung" compoufat (welche in Moeser's
Soirlen aufgeführt wurde) , auch. Beethoven 9 * Septett nnd
Sonate pathltique eingerichtet, nnd beschäftigt sich jetzt
mit der Herausgabe Jon. Seb. jfacA'seher Kirchenmusiken,
von welchen drei bereits in Partitur und Klavier-Auszug
bei Trautwein et Comp, edirt sind.
Feuilleton.
Auf der diesjährigen (zehnten) greisen Industrie - Ausstellung
zn Paris hatten 181 Aussteller musikalische Gegenstände snr Sehen
gebracht, darunter 167 Fabrikanten Ton Instrumenten. Ba waren
200 Pianoforte (von 80 Fabrikanten) , über 100 Geigen, Bisse nnd
Violoneelie , 120 Metall - nnd ebensoviel Holzblasinstrumente Ter*
banden. Von neuen Instrumenten gab es sechs, darunter ein
„Piano harmonometre," „Piano tremelopboue" $ ein „Meto-" oder
„fiolie -Courtler." Pape und Pleyel hatten aehtektavige Flügel
geliefert ; der Erster* n. A. auch ein Pianoforte ohne Saiten (statt
deren Metallplatten angewendet sind), sowie ein »»Piano sieno-
graphe." Nach einem neuen Systeme hatte aueh ein Herr Ga?eVä|
eioen „Pfanographe" gebaut, wie jenea eine Vorrichtung, welche
augenblicklich das, was man spielt, in Noten anfieicbaet (be-
kanntlich ein Problem , dessen Lösung schon mehrmals versneht
worden, aber noch nicht recht gelungen iat). ßoüeelot hatte ein
Pianoforte „mit willkürlich auszuhallendem Tone" aufgestellt. —
Die cur fieurtheiluag der Instrumente etc. niedergesetzte Com*
miasion bestand ana den Herren Auber, Gallay, Habeneck, Savart,
Sefuier. Es wurden 66 Ehrenbezeigungen an die Aussteller ver-
liehen, darunter ein ßreuz der Ehrenlegion (an den Pianofortefabri-
kanten Roller), 12 goldene Medaillen (darunter tn'Erard, Pope,
Pleyel, BoUeelot, Henri Her»), 16 silberne, 37 bronzene. —
Interessant iat ea , die Zunahme der ausgestellten auf Musik
bezüglichen GegenstSnde su verfolgen. Bei der 5. Industrieausstel-
lung im Jahre 1819 gab ea 13 Aussteller voa musikalischen Instru-
menten ; bei der 6«, im Jahre 1823, waren ea schon 37, unter wel-
che 15 Medaillen vertbeilt» wurden ; bei der 7.» im Jahre 1837,
betrug die Zahl der Aaseteller 67; bei der 8., im Jahre 1834,
zShlte man 04, welche musikalische Instrumente (darunter z. B.
aneh ein Piano apythmenolamproterique), und 11, welche andere
auf Musik bezügliche Gegenstinde geliefert hatten ; auf der 9. , im
Jabre 1830 , stieg die Zahl der Aussteller auf 157.
Bemerkenswert!! ist, dass sieb unter den diesmaligen Ausstel •
lern auch 18 Lautenmacher (Luthiers) befinden ; die Laute scheint
also in Frankreich noch ziemlich beliebt zn sein.
Muritfeste. Am 23. August feierten gegen 300 Lehrer des
Regierungsbezirkes Düsseldorf ein Gesangfest in- Unterharmen. —
Am 28. August fand das jährliche Singerfest der nassauischen
Lehrer statt. — Am 8. September wurde ein „erstes bedisehes
Sangerfest** zu Karlsruhe im dasigen Hoftheater unter Leitung des
Hofkapellmeisters Strnoss festlich begaagen. 500 — 600 Singer
ana den Stidten Acbern, Bruchsal, Bühl, Karlsruhe, Dorlaeb,
Ettlingen, Gernsbaeb, Heidelberg» Lahr, Mannheim, Mublhnrg,
Rastatt, Weiubeim nahmen daran Theil. — In Darmstadt leitete
Mnsikdireetor Mangold ein Gesangfest im Zeughanse, wozu sieh
über 600 Ausführende aus dea Stidten, Darmstadt, Mainz, Offen-
bacb u. Giesaen eingefunden betten. Das Hauptwerk war HändeVe
Alexanderfest. — Das S. 620. d. Bl. erwunote Geaangfest zu
Werthheim bat am 9. September auf sehr gelungene nnd erfreu-
liebe Weise Statt gehabt. 650 Singer trugen nuter Directlon dea
Herrn Lambinu* eine Auswahl der besten Minnerquartette vor.
Unter Anderen nahmen der bekannte Qnnrtetteomponist Eüenkofer
nos YVürzburg und der Oper ncom penist Heinrieh Neeb aus Frank-
furt am Maia daran Theil. — In RSdelueim feierten mehrere Gesang-
vereine am 15* September ein fröhliches SSngerfest unter Leitung
dea Candidaten Bus* daseibat und des Componisten Heinrich Neeb
ans Frankfurt. Beaeaders thaten sich der Bornbeimer nnd Beehenbci-
mer Verein hervor. — ZuBernhofea am Rhein fand nm 18. September
ein Gesaagfest der Lehrer nos den Aemtern Brnnbneh nnd St. Geare-
hansen Statt.
727
1844. October. No. 45.
Ankündigungen.
728
Neue MuBihaUen
im Verlage von CS. HIT. Itflemeyer U Hamburg.
KftcJiesm. Fr., Lieder und Gesänge. Op. 19 , für Alt arran-
girt mit Pfte. einzeln: No. i. Are Maria 6 Ggr. No. 2. Die
linden Lüfte sind erwacht 6 Ggr. No. 5. Ich tat« im Granen
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Behmltt, Jacques, 6 Etudes de Salon pour le Piano.
Op. 321, No. 1, ,,Lc Faucon," der Falke. 10 Ngr.
Sehweneke, Ch., Rondeau brillant pour le Piano. Op. 16.
18 Ggr.
5 Rondinossur des thcnies de Rossini. Op.22. 1—5 a 10 Ggr.
Variation» sur un theme de Händel. Op. 24. 10 Ggr.
Zieger, «V. B., „Lebewohl/* Lied für eine Singstimme mit
Pfte. Op. 18. 8 Ggr.
Gattay, A. , Neues musikalisches Taschen - Fremdwörterbuch,
enthaltend: die in der Musik am häufigsten vorkommenden
Kunstausdrücke , Zeichen u. s. w. (Auszug aus dem musikali-
schen Gonrersations-Lexikon.) Miniaturausgabe in engl. Leinen
geb. 4 Ggr. netto.
Bei B. Schott'« S Annen in Mainz erscheint mit Ei-
genthumsrecht :
Alard, »., Ecole du violon, methode cemplete et progressive
a l'usage du conservatoire.
Fantaiaie sur des motifs de Linda di Chamounix pour violon
avec Acc. d'orchestre on de Piano. Op. 12.
Batta, A., Airs bearnais, chants des montagnes , pour violon*
Celle avec. Acc. de Piano.
Bertlni, H« 9 2Sonates pour Piano et Violon. Op. 18« et 153.
— — Fantaisie- Valse pour Piano. Op. 154.
Bonler, Th~ 3 Mazoorkas. Op. 53.
Ball, Ii«, 3 Etudes de caracteres. Op. 25.
— — Faintaisie brillante sur la Sirene. Op. 27.
Ijlndpatntner, P«, Die sicilianische Vesper, grosse he-
roische Oper in 4 Akten von H. Hau. Vollständiger Clavier-
nuszug Tom Componisten mit untergelegtem italienischen Texte
Ton W. H&ser.
IilsIKt, W»j Grande Fantaisie sur Dom Sebastiea de Donizetü.
Roaellen, M., Les 2 bijoux, 2 themes Tarifs op. 67. No. 1
Bellini, Vaga luna, No. 2. Ballade de Ricci.
Rogenhain, JL, Romance sans paroles, 3 me cahier.
— — Polka de concert.
Sl^Orl, C«, Fantaisie-Etude pour Violon avec Acc. d'orchestre
ou de Piano. Op. 10.
Thalberff, S., La Partenza, melodie.
Zimmermann, J», Methode popnlaire de piano.
Bei Fr. Hofmeister in Leipzig ist erschienen:
Thalberg? S«, Grande Fantaisie p. Pfte. sur Zampa, Opern
de Herold. Op. 53. 1 Thlr. 5 Ngr.
Iiabltanty, B., Montrose-Walzer. Op. 102. f. Pf. 2händ.
15 Ngr. 4hand. 20 Ngr., f. Pf. leicht arr. 10 Ngr. f. Oreh.
1 Thlr. 10 Ngr.
Beispiellos billiges Werk,
allen Seminarien zur Einführung angelegentlichst empfohlen:
Die Kost des Orgelspiels
auf ihrem heutigen Standpunkte ;
theoretisch- praetüche Anweisung für alle vorkommende
Fälle im Orgelspiele, mit durchgängiger Pedalappli-
catur und Bemerkung der Registerzüge.
Ein Iiehrbuelt
für sich bildende Orgelspieler, insbesondere für den Un-
terricht in Seminarien und PrSparanden - Schalen.
Bearbeitet und hera usgegeben in Gemeinschaft mit
'—■ ÜLorner
von
A. G. JMUer,
Domorganist und Gesanglehrer zu Merseburg.
Das Ganze aus 6 Lieferungen, a £ Thlr., bestehend, wird
bis Ostern 1845 vollendet sein. Da die Namen ^tr resp. Sub-
scribenten dem Werke vorzudrocken beabsichtigt wird, so bitte
ich um zeitige und genaue Anmeldung.
Wohlfeile, beste und vollständige Sammlung
yon Orgelstucken ist der, fast allgemein in Kirchen und Semina-
rien eingeführte:
Orgelfreund,
Herausgegeben von G. fr* Kömer und A. G. Bitter.
Sechs Hefte dieses beliebten Werkes bilden einen Band.
Fünf Bande, a 1 Thlr., sind bereits erschienen. Von dem ersten
Hefte (m 4 Ggr.) des 6. Bandes kann in allen Buch- und Musi-
kalienhandlungen Einsicht genommen werden. Auf 6 Exempl.
wird das 7. frei gegeben. Gefälliger Verwendung und Bestellung
sieht entgegen.
WlUu Kfirner in E r f n r t.
Bei A. »1 »belli «fc Comp., Kunst- und Musikalien-
kandier in Wien, Mo. 1133, sind mit Eigenthumsrecht er-
schienen :
Türkische Lieder
für das Pianoforte
von
JLeopotd von Meyer.
Op. 22. Machmndier. Air guerrier des Turques. 1 FI.
Op. 23. Bajazelb. Air national des Turques. 1 Fl.
Diese Werke wurden in den Concerten des Gnanponisten in
Wien und London mit dem grossten Enthusiasmus aufgenommen.
Für Violin- und Violoncell-Spieler beachtenswert^
Feinste raf f inirteste ColopfcOumle , deren Vor-
trefflichkeit * viele der vorzüglichsten Kenner, worunter die ge-
feiertsten Namen , anerkannt haben , über welche unter Anderen
der Violin-Virtuos Herr Francois Prume das unten angeführte
Urtheü fällte, ist allein acht au haben bei
Bernhard MCeil in Gotha.
Je reconnais la Colopfiane de Monsieur Bernard Keil
a Gotha comme la meilleure que j'ai rencontree jusqu'ä present.
Gotha, le 3 Septembre 1844.
J*r#* JPrtftme»
Druck nnd Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig nnd unter deren Verantwortlichkeit.
79»
730
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den SO»*« October.
M 44.
1844.
Inhalts Xeccnrio***. — Nutkriekieni Aas Brauoschweig.' Aoi Leipzig. — Feuilleton, — Jnkündigtmgen.
R
ECENS IONEN.
II primo Amore. Fantasie pour la Flute avec Accomp. de
Piano, composee elc. par G. BriccialdL Leipzig, chez
ßreilkopf et JBärtel, Pr. 20 Ngr.
Eine zärtliche, schmelzende Melodie als Thema, dar-
über zwei brillante Variationen , alsdann eine leidenschaft-
liche, interessante Cantilene, uud darauf ein lebendiges
Finale, gibt zwar keine Fantasie nach unserm deutschen
Begriffe, aber gewiss ein dankbares Concertstück für den
Virtuosen. Die Ansprüche an Fertigkeil sind nicht über-
trieben, aber ein geschmackvoller und energischer Vor-
trag wird erfordert. Dann macht das Stück eine sehr
angenehme und aufregende Wirkung.
Deuxieme S 1
composäe
Hofmeister.
ixieme Symphonie pour grand Orchestre,
par Fr« Müller. Op. 54. Leipzig, chez Fr. I
Pr. 4Tblr. 10 Ngr.
Wer sich in unserer mehr und mehr nach italieni-
schem und französischem Rlingklange schnappenden Zeit
an die Gomposition einer Sinfonie wagt, der bekundet
wenigstens ein Kunstwollen. Wem es aber gar ge-
lungen , in solcher Zeit zwei Sinfonieen durch die Presse
zu treiben, dem »uss auch ein bedeutendes Kunstkönnen
inwobnen. Denn vor dieser Gattung vielleicht allein noch
halten Kritiker und Verleger vereint strenge Wacht, dass
nicht der modernfrivole Geist auch ihrer sich bemächtige
und sie entweihe. An sie heran dürfen sich die hinter
der Schule weggelaufenen Modecompoaistchen mit ihren
Gefühlsleeren, eleganten Phrasen nicht wagen. Dazu ge-
hört eine allseitige Gefühberregbarkeit und zugleich, um
würdig auszudrücken, was sie dictirt, eine nach allen
Seiten hin beharrlich durchgemachte und geühte Schule, vor
welcher unsere jüngere geniale Generation oft bang zurück-
schreckt und ihr sobald wie möglich zu entrinnen sacht»
Der erste Satz vorliegender Sinfonie, Allegro con
fco*», Cmoll, C, beginnt mit folgenden vier wildzürnen*
den Takten:
Allegro con fud«*»
Auf diese folgen vier flehend bittende :
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iMkd^M
aAa^^^Hrpr-^i
V» --
Diese beiden and folgender später hinzutretende dritte
Gedanke t
Ep^i
tx=
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40. Jahrgang.
bilden den Inhalt des ganzen ersten Satzes, und es sind alle
Perioden nur aus ihnen, bald einzeln, bald zusammen
thematisch verarbeitet, gewebt.
Es ergibt sich daraus zunächst die technische nnd
geistige Einheit des Satzes« welche durch eine gewählte,
gewandte Instrumentirnng , ao wie durch pikante, aber
stets natürliche Modulation belebt und vermannichfaltigt,
und durch eine sonnenklare, vollendete Form, im Ganzen
wie in jeder Periode für sich, fassbar gemaoht wird.
Die ganze Art und Weise der Darstellung und Fortfüh-
rung ist ähnlich der 5/wAr*schen, aber als Kunst Verwandt-
schaft, nicht als einseitige Nachahmung.
Wie nun in diesem Satze die sichere, gewandte Hand
sich zeigt und lebenswarme Empfindung sich ausspricht,
so auch in allen auderen Sätzen. Das Andante, Asdur, %,
beginnt mit einer zarten anmuthigen Melodie der Violi-
nen, hauptsächlich nur mit Streichinstrumenten begleitet,
auf welche ein erregterer Fortesatz folgt; dann in der
Dominante eine zweite, wenn nicht besonders originelle,
doch gefühlvolle Melodie, und damit wieder das Material
des ganzen Andante'«, fortgeführt in verschiedenen Me-
dificatiooen desselben Grundgefübls.
In den zwei ersten Theilen des Scherzo's, Cmoll, %,
scheint sich der Componist in die Gemülbslage einer Per-
son versetzt zu haben, die den tieferen Seelenerregungen
de* beiden ersten Sätze zu entrinnen und sich in eine
heitere Stimmung zu versetzen strebt. Man fühlt den hef-
tigen Willen darnach ; aber erst im Trio, C dur, erscheint
die erstrebte freundlichere Stimmung, nnd erhält tick
darin, bis die Repetition, hier, der Anlage des Ganzen
nach, psychologisch richtig, in den allen Kampf zurückfällt.
44
731
1844. October. No. 44.
752
Das Finale, Allegretto, C moll, .%, ist hauptsächlich
dem ersten Thema :
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|rir r r | rf r r 1 ± *&±£g£ £
^2LtsS-\f%
und «war mit grosser thematischer Kunst, gewebt wor-
den. So sind z. B. die beiden ersten Abscbnille desTbe-
ma's im zweiten Tbeile zu einer kleinen Doppelfage ver-
arbeitet :
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Soll Referent, nachdem er das Lobenswerthe, freilich
nur sehr rhapsodisch, ausgesprochen, auch, wie Rechtens,
die Schwächen des Werkes aufsuchen, so lassen sich diese
in zwei Wünschen andeuten , welche der Componist bei
künftigen Arbeiten in dieser Gattung vielleicht nicht ohne
Vortheil dafür berücksichtigen möchte. Er suche erstens
seine Thema's nach dem Ende zu in etwas fantastischere
Situationen zu bringen, wie Beethoven dies in uner-
schöpflicher Weise verstand, und instrumentire zweitens
seine cantabilen Sätze etwas mannicbfaltiger. In dieser
Sinfonie ertbeilt er sie meist zuerst den Violinen, mit
fast zu öfterer Verdoppelung durch die Violoncelle. Auch in
dieser Beziehung zeigen die Beethoven sehen Partituren
eine staunenswerthe Mannigfaltigkeit. Auf jeden Fall ist
die Sinfonie der Aufmerksamkeit und Tbeilnahme aller für
gediegene Mnsik noch empfänglichen Zuhörer werth, und
sie sei den Orchestern hiermit bestens empfohlen«
Referent verbindet mit dieser kurzen Beurtbeilung
gleich die Anzeige von dem :
Concertino pour le Violoncelle, avee Aecompag. de l'Or-
ehestre on de Pianoforte. Rudolstadt, cbez 6. Müller.
1 desselben Componisten, weil sie sieh dadurch kürzer fas-
sen . lässt» Denn man braucht nur zu sagen , dass der
Mann in seinem Wesen sich gleich bleibt und also auch
iü diese freiere und leichtere Gattung so viel gediegene
Arbeit legt, als sich ohne Beeinträchtigung des Virtuosen
damit vertragen will, um gleich zu wissen, was man im
Hauptsächlichen zu erwarten hat. Einen ersten Concert-
satz nämlich aus der guten Concertzeit, mit fest ausge-
prägten und festgehaltenen Hauptgedanken, zwischen wel-
chen dem Instrumente zusagende und dem Spieler dank-
bare Passagen hervorglänzen. Dass der Verf. seine Haupt-
gedanken nicht aus fremden Opern gebettelt, sondern
Alles aus sich selbst genommen, versteht sich bei seiner
dargestellten Sinnesweise von selbst.
Troisieme Sonate pour le Pianoforte par Carl Evers.
22stes Werk. Wien, bei Tobias Haslinger. Preis
2 PI. CM.
Referent bedauert Herrn Evers, dass er dieses Mach*
werk eine Sonate nennen konnte. Gehört zur Sonate nicht
mehr, als : eine ehrwürdige Einleitung, die stark nach Mozart
schmeckt, alsdann eine phantastische Form ä la Beethoven,
die Herr Evers nur im Aeusseren begriffen hat, deren
inneren Gehalt er aber gar nicht zu ahnen scheint, und
handelt es sich blos um ein planmässiges Durchkneten
der sich im Character ganz widerstrebenden Themata,
welche, eines mittelalterlich, das andere neoitalienisch,
von einer steifen Zopfpassage begleitet werden, so ist
vorliegendes Werk eine Sonate. Es ist eine Zusammen-
reihung der heterogensten Gedanken , die , einzeln ge-
schickt verarbeitet, eine Fantasie^ ein Rondo und derglei-
chen hätten hergeben können. Als Beweis stehe hier:
1) das Thema, Largo:
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Hfirt) " I tTV*
2) der Anfang' des Allegro eon fuoco:
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Diese Stelle, die an sich jpnz gut wäre, dient als Vor-
bereitung dem muthmaasshchen Thema (?):
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•im.
755
1644. Öctober. No. 44!
734
and nun nach 16 Tacten kommt 4) das diesen Gedanken
gänzlich fremde Liebesgewinsel:
dolce.
etc*
das nach 18 Tacten in eine alle Passage von 2 Seiten
übergebt.— Das Andante, %Tact, Fisdur, schmeckt nach
Robert der Teufel, der %Tact im 9ten Tacte stösst Einen
noch recht mit der Nase drauf. Ein Allegro agilato in der
Art anfangend, wie die imfs und ettfs auf der Bühne ihre
wahnsinnigen Damen beransspaziren lassen :
|j -^s*|«^|B»
•IC.
m
iSä
m
letc:
ist wenigstens wirksam zn nennen. Solche Art Sonaten
muss Ref. kräftig zurückweisen. Es scheint, als hätte
Hr. Evers am Pianoforte fantasirl, jeden sich ihm dar-
bietenden Gedanken aufgeschrieben, und dem Ganzen die
Form einer Sonale gegeben, die ihm bei der Menge der
sich einander widerstrebenden Gedanken ziemlich sauer
geworden ist.
Dno Concertant ponr Piano et Violon comp, par B. Mo*
tique. Op. 20. 3 Thlr. Scbuberth et Comp, a Hambourg.
Dies schöne Duo wird nur für Wenige geschrieben
sein, und diese werden dem sinnigen Componisten dafür
wohl die Hand drücken. Auch Ref. thut dies in Gedan-
ken; aussprechen muss er aber doch, dass er, trotzdem
dass diesGespräch zwischen Pianoforte und Violine interes-
sant und geistreich ist, nach dieser Sonate unendlich ab-
gespannt und ermüdet war. Der Gegenstand des Ge-
sprächs ist ein zu ernster und düsterer, die Phrasen sind
sehr gewählt; die Sprechenden scheinen fast genirt; jeder
hütet sich, Etwas zu sagen, was von dem ernsten und
wichtigen Gegenstande ablenken könnte, daher die Breite
und beständigen Wiederholungen der Phrasen, wenn ih-
nen auch durch irgend eine Variation neues Interesse
verlieben wnrde. Man wünscht namentlich, dass der
Componist zuweilen einen freundlichem und herzlichem
Ton angeschlagen hätte. Dies hätte vielleicht das Ge-
spräch kürzer erscheinen lassen und mich in eine weni-
ger trübe Stimmung versetzt. Selbst das schöne Adagio,
dem ich mich nochmals zuwendete, war nicht im Stande,
mich berausznreissen. — Das Bildniss des werthen Com*
ponisten ziert das Titelblatt.
Premier Trio ponr Piano, Violon et Violoncello t comp,
p. G.Nottcbokm. Op.4. Preis 2Tblr. Leipzig, Peters.
Ein leichtes anspruchsloses Trio, dem wir nur ge-
haltvollere und wärmere Gedanken wünschten 9 denn an-
ziehend fanden wir dieselben bei all' ihrer Einfachheit»
namentlich im ersten Satze, wenn wir auch Frische ver-
misslen. Auch die Arbeit ist dann nnd wann recht in*
teressant , aber der jnnge Componist weiss nicht zn fes-
seln , er arbeitet zu oft anf einem unfruchtbaren Boden.
In den übrigen Sätzen wird uns die Einfachheit noch
auffallender und die Gedanken werden immer leichter
wiegend. Ref. ist in Zweifel, ob er Hrn. Nottebohm zu
ähnlichen Trio's aufmuntern soll oder nicht. Keine der
drei Solopartieen weiss uns dauerndes Interesse abzuge-
winnen, denn auch Violine und Vcello sind nicht genug
und nicht wirksam beschäftigt. Eine gute sangbare Can-
tilene vermissen wir durchaus.
12 Eludes expressives pour le Piano, par Felix le Gouppey.
Preis 1 Thlr. 5 Ngr. Leipzig, cbez Breitkopf et Härtel.
Der Componist nennt dies Werkchen „Einleitung zu
seinen bald erscheinenden Etudes de Salon." Dass der
Componist Franzose ist und sich vorzüglich mit Adam ge-
nährt hat, lässt sich nicht leugnen, und dies wird auch
das Einzige sein, was der Deutsche an einigen dieser Com-
Positionen aussetzen wird. Die meisten sind recht hübsch
und leicht, und, wenn sie auch nicht sämmtlicb Studien
genannt werden sollten, so sind sie doch hübsche Cha-
racterstückchen , die recht angenehm unterhalten. Ge-
wöhnlich können wir nur No» 3 finden. Wir empfehlen
diese Etüden, und wünschen, dass uns der Componist in
seinen Salonetuden wieder gefallen möge.
Ueber die übrigen meist den nöthigen Modeartikeln
angehörenden Klaviersachen , die alle mehr oder weniger
Werth haben, braucht Ref. wenige Worte zn machen.
Ihre Verfasser sind beliebt und verleugnen nie ihre Phy-
siognomie. Wir heben daraus als besonders werthvoll her-
vor, als das Werk eines weniger bekannten Componisten :
Deuz Sirenades pour le Pianoforte par Ed. RoeckeL
Op. 11. Dresde, chez Heser. Preis 10 Ngr.
Es sind zwei sehr geschmackvolle, ausdrucksvolle kleine
Stücke, die wir angelegentlich empfehlen. In No. 5 störte
uns nnr der 3te Tact in der vom 7len Tacte vor dem
Schlüsse vorkommenden Ausweichung.
Prudent) Souvenirs de Schubert sur la Serenade. Op. 14.
Preis 2 Fl. Mayence, cbez Schott.
Ein modernes Eifectstück, dem wir trotz seines locke-
ren Bau'* unsern Beifall nicht versagen können.
Dökltr, TA., Fantaisie sur des thtmes de l'0p6ra „la
Favoritc" de Donizetti. Op. 51. Preis 1 Tbir. cbez
Schlesinger a Berlin.
Ein tüchtiges Salonstück in Dbhler^schtr Manier; uns
kommt es etwas trocken vor, vermuthlicb weil wir die
Opernthemata nicht kennen nnd uns also nicht dafür ge-
nug interessiren.
Hohler •, Th.y Huiti&nie, Neuvi&me et Dixi&me Nocturne.
Op. 52. No. 1. 2. 3. k 15 Ngr. Leipsic, chez Peters.
Ziemlich leicht und deshalb willkommen. Aber eine
bedeutende Nüchternheit herrscht darin.
Voss y Charles, Fantasie 616g. sur l'Opera „la Sirtae".
Op. 59. Preis 15 Ngr. , nnd
7W
1844. October. "No. 44.
738
Fose, Charte*, Merceau burlesque de Salon. Op. 56. Preis
15 Ngr. Leipzig, chez Breitkopf ei Härte! .
Zwei kurze der Salonmusik gewidmete Pieren. Die
Themata ans Auber's Sirene sind pikant und geschickt
verarbeitet. Die letzte ist ein burlesker Tanz, der uns
weniger anspricht. Beide Stöcke erfüllen ihren Zweck
und sind zu empfehlen.
Impromptus et drux Caprices sur des Melodies favorites
de Reber par Stephan Heller. Op.20. Hai Luli. Preis
*/s Thlr. Berlin, cbez Schlesinger.
Sehr anspruchslos, aber innig, und, vorzüglich gilt
das vom zweiten Impromptu, interessant zu nennen.
Fesca, A. f 1) Hommage* aox Dames. Morceau k 4mains.
Op. 35.
— 2) le Desir. Morceau de Salon. Op. 36. Preis 20 Ngr.
— 3) Inlroduction et Rondeau espagnol. Op. 34. Preis
25 Ngr. Bronsvic, chez Meyer i.
Ersteres dürfen wir bei dem Mangel an neuen vier«
bindigen Stacken für den Salon willkommen beissen. Die
Variationen sind nicht neu erfunden, spielen sich aber
recht hübsch und sind dankbar. Auch ist für Gefühl ge-
sorgt. Als Curiosilät, was sich die jungen Herren jetzt
Alles erlauben , führen wir den 3ten und 4ten Tact des
Allcgro furioso an:
In No. 2 ist das Andante sehr gesucht. Das Ganze wird
jedoch Beifall inden. Eben so gesucht in der Modulation
ist No. 3, wenn uns auch hier das Fremdartige mehr
am Platze erscheint. Das Ganze ist sehr flach und un-
bedeutend. Nach Herrn Fesca's früheren Compositionen
hatten wir Grund , etwas Wertvolleres zu erwarten.
Fantaiaie et Variations de bravoure sur un theme de Bei*
lini pour Violon avee Orebestre ou Piano, par Ole Bull
1 Dp. ö. Schubertb et Comp, k Hambourg. Preis 2% Thlr.
Die Introductioo viel versprechend, aber wenig hal-
tend , mit Recitativen , Tempo rubato , vielem französi-
schen pikanten Modekram phantastisch gemischt, wie man
das jetzt in Frankreich und Belgien liebt. Das Thema
ist das bekannte aus den „Puritanern", die Variationen
sind sehr brillant, das Ganze ist ein ungemein dankbares
Bravourstück für Geiger ersten Ranges, wenn sie nichts
Besseres vorzutragen haben. 16.
Nachrichten.
L.Spohr>s Oratorium: „Der Fall Babylons,"
aufgerührt in Braunsehweig am 29. September 1844.
Braunscbweig, in October. Der Verein ffir Concert-
musik, der sich vor einigen Jahren hier bildete» und wel-
chem sich später, als willkommene Bundesgenosse eine
I zahlreiche, vielleicht nur zu zahlreiche Sing-Academie na*.
scbloss, darf mit vollem Rechte das Verdienst in An-
spruch nehmen, nicht ohne bedeutenden Einfluss auf die
Förderung der edlen Tonkunst in unserer Stadt gewesen zu
sein. Der Verein, bei dessen Gründung sieh' der streb-
same Dr. Griepenkerl besonders thitig zeigte, hat durch
ein ehrenwertbes Streben, die musikalischen Kräfte Braun-
scbweigs zu Aufführungen grosser und würdiger Werke
zu vereinen, die dankbare Anerkennung der Kunstfreunde
sich erworben. Seit einer Reihe von Jahren sind durch
seine Anregung musikalische Aufführungen zu Stande .ge-
kommen, welche die grösste Theilnabme fanden und
nachhaltig wirkten, von denen einige in der That als
wahre Musikfeste bezeichnet werden können.
Bin solches erfreuliches Fest feierten wir hier in
den letzten Tagen des Septembers; und wie denn über«
haupt eine Feier, bei welcher die Tonkunst vorwaltet,
recht eigentlich ein Fest für das Gemüth ist, so wurde
diese gemüthliche Erregung diesmal noch bedeutend er*
höbt durch eine vaterländische Beziehung, die dem deut-
schen Herzen doch immer wertb bleibt, wie schwankend
und vereinzelt sich auch hei uns der Begriff von deut-
schen Vateriande gestalten möge.
Der Held unserer musikalischen Feiertage war Spohr 9
ein geborner Braunscbweiger, und somit erscheint e»
denn wohl erklärlich, und wir meinen, auch nicht un-
rühmlich für uns, dass Alles, was sich auf dieses Fest
bezog, in einem schöneren Lichte erschien und eine
Weihe erop6ng, die sich unverkennbar den Ausführenden
wie den Zuhörern mittheilte.
Dass man Spohr's neuestes grosses Oratorium : „Der
Fall Babylons*' zur Darstellung bestimmte, ein Werk,
das in England eine so glänzende Aufnahme fand, in
Deutschland aber, so viel wir wissen, noch nicht ausge-
führt wurde*), darf man jedenfalls eine sinnige Wahl
nennen , und sie bewährte sich auch im besten Sinne als
eine glückliche.
Alle Vorbereitungen zu würdiger Ausführung des
interessanten Werkes wurden mit Umsicht und Eifer ge-
troffen, wobei sich vorzüglich Herr Assessor Otto, zu-
gleich ein sehr intelligenter Dilettant, als belebendes Prin-
cip erwies. Es gelang, die Zusage Spthr'e zur persön-
lichen Leitung seines Werkes zu gewinnen, und der Kur-
prinz war diesmal freundlich genug, dem Meister den
erforderlichen Urlaub zu dieser Künstler fahrt zu gewähren.
Die zahlreichen und zuweilen ziemlich schwierigen
Chöre des Oratoriums wurden im Laufe des 'Sommers
von den beiden Dirigenten der Singacademie mit sorgli-
chem Eifer eingeübt; die Scbweeterstadt Wolfenbüttel
bot bereitwillig ihre disponibel« Kräfte zur Mitwirkung
an, und da anch der biemge Mililärsingerchor eine Ver-
stärkung von etwa 40 Combattaoten sandte, so war es
möglich, einen Gesammtcbor von etwa 450 Stimmen zu
bilden. Das Verbällniss der Stimmengattungen erwies sich
*) Wenn Ret imht irrt, s» wart« daj Wsrh vaa eiura klei-
nen Gesangvereine io Brealao einatadirt, scheint aber mr eine
Privat- ProdoctioD gebildet in haben.
(Seit den Eingänge dieses Berten ts Itt da* enrlhnte Oratnriaal
am 26. Oetober in hiesiger ThtaMslurabe rem TbemaMrebetc aar
Aalffahruaf gebracht werde*.) (X*# fi$d*cti*n.)
737
1344. Octobcr. No. 44.
73»
alt ziemlich gleicbmlssig; mir der AU blieb wohl, wo*
nigsteos der Wirkung nach, etwas in der Minorität ; eine
Erscheinung, die, oft bemerkt, schon durch den Cbaracler
der Alt-Stimme moliviri wird.
Unsere wahrhaft treffliche Capelle verstärkte sich
durch fremde und einheimische Künstler und Dilettanten
so bedeutend , dass das Orchester über hundert Indivi-
duen zählte. Unter den fremden Künstlern bemerkten
wir mit Vergnügen den ausgezeichneten Violinisien Zim-
mermann aus Berlin, und mit eigentümlichem Interesse
Sfiohr's Schüler J. Bott aus Cassel , bekannt als der erste
Stipendiat des Mozart-Vereins in Prankfurt.
Die mehr oder minder bedeutenden Solo-Parlieen des
Oratoriums waren mehreren Mitgliedern der hiesigen Oper
anvertraut, nämlich den Damen Fischer- Achten und
Müller, so wie den Herren Schmettere Fischer und
Kahn. Zwei Kunstnovizen, Fräulein Heinxe und Herr
A. Gerstäcker führten ebenfalls einige Soli ans. — Herr
P6cA 9 der in den ersten Proben den Cyrus trefflich re-
Jräsentirte, wurde leider heiser, und musste tbeils durch
lern Wackermann aus Quedlinburg, tbeils durch einen
zufällig anwesenden Baritooisten, Scher/ (wenn wir nicht
irren), ersetzt werden; eine improvisirte Aushilfe, die
dankbare Anerkennung fand und billigen Ansprüchen ge-
nügte.
Am 26. September traf Spohr hier ein und Miete
noch an demselben Tage eine Chorprobe, die ein güneti-
E\s Resultat lieferte. Der werlhe Meister sprach in ver-
ndlichen Worten seine Zufriedenheit aus und ermutbigte
dadurch die Sängergemeinde zu erhöhtem Eifer. Abends
brachte die Liedertafel dem ' willkommenen Gaste eine
feierliche Serenade, eine harmonisch -gemülbliobe Deeia»
rntion, die ihn lebhaft erfreute. — Nach mehreren Vor-
übungen fand in den Nacbmittagsstondeu des 28. Sept.
die Generalprobe des Oratoriums mit den gesammten oben
bezeichneten Kräften Statt. — Der ziemlich allgemein
gewordene löbliche Gebrauch, bei so bedeutenden Auf-
führungen dem kunstliebenden Publicum zu gestatten, der
Hauptprobe beizuwohnen, erwies sieh auch hier eben so
günstig, als er von dem Publicum freudig adoplirt wurde.
— . Die weiten Bäume der schönen, durch Entfernung
jeder Hemmniss von Bekleidung etc. fast zu sonor ge-
wordenen Aegidienkircbe waren angefüllt von Zuhörern,
die mit gespannter Erwartung die imposanten, amphi-
theatralisch aufgestellten Massen sich ordnen sahen und
mit lebhafter Tbeilnahroe der Entwickeluug des Ganzen
folgten. Der gefeierte Componist, auf dem nun die Blicke
der Ausführenden wie der Zuhörenden hafteten, leitete
mit grosser Rabe und Sicherheit die ihm anvertraute und
vertrauende Schaar ; er fand nur noch wenig zu erinnern $
die Zuhörer hatten schon jetzt einen last ungestörten
Genoss, und selbst die Unterbrechungen und nötbig ge-
wordenen Wiederholungen schienen nicht ohne Interesse
für sie zu sein.
Der Erfolg der förmlichen und feierlichen Aufführung
erschien also gesichert und bewährte sich vollständig.
Am folgenden Tage, Sonntags den 29. September,
strömte« von nah nnd fern zahlreiche Schaaren von Zu-
hörern herbei, und alle Räume der grossen, nur durch
ihre eidCasb-würdevolle Arcbiteelur geschmückten Kirche,
die wohl ein Auditorium von 3000 Personen fast* wäre»
fast überfüllt.
Referent hat bereits in diesen Blättern (m. s. No. 31
u. 32 dieses Jahrganges) eine motivirte nnd unbefangene
Beurlbeilung des geistvollen Werkes niedergelegt, und
die Genugtuung gehabt, seine Ansichten über dasselbe
durch den Erfolg einer imposanten und meist gelungenen
Aufführung im Allgemeinen bewährt und durch vorur-
teilsfreie Kunstverständige gebilligt zu sehen.
Es sei daher erlaubt, die Leser, die sich für das
Werk näher interessiren, und es sind ihrer gewiss Viele,
auf jene ausführliche Besprechung hinzuweisen.
Aber dennoch kann es sich der Berichterstatter hier
nicht versagen, bei einzelnen Momenten des ausgezeich-
neten Werkes zu verweilen, die ihn besonders anregten,
durch die lebendige Darstellung doppelt lebhaft ergriffen,
und auch allgemein auf die Zuhörer einen uugewohnli*
chen, nachhaltigen Eindruck machten.
Unsere in der Becension ausgesprochene Meinung
über die Ouvertüre fanden wir in jeder Hinsicht bestä*
tigt; die dort nicht erwähnte Benutzung der Militär-
trommel in dem Mittelsatze , als Andeutung des solda-
! tesken Priocips, wirkt in der That drastisch; eine Dis-
| cussion mit einigen kunstverständigen Freunden über die
I ^ulassigkeit dieses profanen Instrumentes brachte nur ein
schwankendes Resultat: der Referent glaubt nach seiner
individuellen Ansicht die FVage verneinen zu müssen $
| vortrefflich instrumentirt und eben so ausgeführt, machte
| die Ouvertüre einen sehr schönen Eindruck.
j Der erste Chor: „Gott unsrer Väter* 4 ist eben so
schön gedacht, als ergreifend in seinen Wirkungen, was
bekanntlich nicht immer gleichbedeutend ist; die Ausfüh-
rung war, bis auf einige Tonschwaokungen im Eingange,
eine lobenswerthe. Die schönste Wirkung der imposan-
ten Stimmenmasse zeigte sich am Ergreifendsten in den
ruhig getragenen, einfach fortschreitenden Accorden; die
Nuancen , sowohl in der Steigerung als in der Zurück-
fährung zum Piano, sowie dieses selbst, Alles gelang
treflieb. Uebrigens müssen wir nochmals und ausdruck-
lich diesen Cbor als eine Zierde des ganzen Werkes be-
zeichnen.
Herr Schmetxer sang die darauf folgende Arie mft
schönem Portament; die Mischung der verschiedenen
Rhythmen verleiht der etwas häufig moduUrenden Can4ft>
lene ein erbebtes Leben.
Der klüftige Cbor: „Der Lftwe Ist vom Lnger gth
Sprüngen" bildet in seiner doppelten Selbständigkeit,
nämlich in Besiehung auf Singstimmen nnd Orchester,
durch dos mannhafte , acht künstlerisch* Festhalten at*>
nen energischen Hauptmotivs , ein so abgtseUossaMS
Kunstwerk für sieb, dass wir um so mehr bedenern
muesten, die Ausführung nicht gang nach unserem Sinn*,
und auch wohl der Intention des ComponJsten nickt voll-
kommen entsprechend zu finden« Der Chor ward*» um
es mit einem Worte zu bezeichne«, nicht gut deoUmirt;
das Thema trat nicht wort-* und tonklar hervor. Das
Auf- und Absteigen der Intervalle erschien nicht so fest,
nicht so gesondert, wie es sein sollte — ; hier musste
jedes Ueberniehen der Töne viel ttrenger vermieden wer
dea; auch folgte der Cbor dem lebhaft aogedeistetan
759
1844. October. No. 44.
740
Stringendo des Dirigenten nicht genug. — Dennoch machte
der Chor eine so lebhafte Sensation, wie sein gesander,
kräftiger Bau sie verdient.
Was die Arie des Cyrus mit Begleitung des Männer-
ehors betrifft, so wurden unsere Bedenklichkeiten, in
Beziehung auf das genugende Hervortreten der Solostimme,
wenigstens in dem vorliegenden Falle nicht ganz besei-
tigt. Wir hätten wohl gewünscht, die Arie von Pöck
ausgeführt zu hören, der gerade in den Tönen excellirt,
die hier vorzugsweise in Anspruch genommen werden.
Sein Stellvertreter gab sieb offenbar viele Mühe, von der
wohl auch etwas zu starken Chorbegleituog sich zu iso-
liren. Er that aber des Guten zu viel, und das Exten-
sive wurde fühlbarer, als das Intensive. — Einige glän-
zende Stellen machten sich indess vollkommen geltend.
Das Ganze regt lebhaft auf und ist ein kraftvolles Cha-
racterstück : es erinnert wohl an eine ähnliche Scene in
Jessonda, aber nicht zum Nachtheile der Cyrus- Arie.
Lebhafte Sensation erregte der stark besetzte, in
kurzen eigenthümlichen Bbythmen einhersebreitende Chor
der persischen Krieger. Die kräftigen Stimmen unserer
Militärsänger wirkten mit günstigem Erfolge. Hier machte
sich wieder die Trommel mit ihrer bellen, kecken, un-
beugsamen Eintönigkeit gehörig Platz. Die Wirkung?
nnläugbar! Das Princip? — zweifelhaft!
Der Chor der Juden, No. 13, that, namentlich nach
der ungemein kräftigen, kriegerischen Demonstration,
doppelt wohl. Die Ruhe und Innigkeit des schönen Contus
firmus, der dem Ganzen eine so edle Haltung gibt, ge-
hoben von seiner sanft bewegten, durch rhythmische Stei-
gerung belebten Einfassung, wirkt unwiderstehlich. Und
wie schön berechnet und geführt ist der vierstimmige
Solosatz! Wie köstlich wirkt sein Eintritt in so naher
und doch so fern liegender Harmonie ! — Der Vortrag
dieses schönen, wahrhaft erquickenden Satzes war von
allen Seiten ausgezeichnet.
Das Terzett No. 15 würde vielleicht durch zweck-
mässige Kürzung noch gewinnen, wenn wir auch aner-
kennen müssen, dass es vortrefflich geführt ist. Der
Vortrag war trotz der oft sehr schwierigen harmonischen
Combinationen correct und sieber.
Die Arie No. 16 wurde von der oben genannten
Kunstnovize gesungen. Die Stimme hat einige sehr
schöne Töne; der Vortrag war aber zu kalt, und die
Intonation liess noch viel zu wünschen übrig.
Der Schlusschor der ersten Abtheilung machte eine
wahrhaft grossartige Wirkung. Er wurde mit Feuer
und Präcision ausgeführt; nur einige hohe Sopran- und
Tenor-Eintritte erschienen tbeils etwas zagend, theils
zu gewaltsam. — Der feurige, imposante Schluss voll-
endet und befestigt den schönen Eindruck des Ganzen*
ß Der zweite Theil enthält eine ungemein reiche, fast
su crosse Abwechselung der Scenerie. Wenn dadurch
das Interesse an dem Portschreiten der Handlung aller»
dingt fortwährend angeregt wird, so ist auch nicht zu
liugnen, dass aus demselben Grunde die Aufmerksam-
keit zu sehr getbeilt wird. — So schien sich auch das
Resultat zu ergeben, dass dem gemischten Publicum der
zweite Theil noch mehr zusagte, als der erste, wäh-
rend das eigentlich künstlerische Urtheil der ersten Ab-
theilung den Vorzug gab.
Im Ganzen genommen liess keine Nummer des
zweiten Tbeils kalt ; der Componist haf namentlich jedem
Chor eine eigenthümlicbe Färbung gegeben, die geeig-
net ist, trotz des häufigen Scenenwechsels das Inter-
esse an der Situation festzuhalten.
Der Chor der Hofleute (No. 18) hat viel Reizen-
des; nur tritt hier und da die Häufung der engen Inter-
valle zu sehr hervor, was bei den grossen Massen oft
eine Unklarheit erzeugte, die durch das hochgewölbte
Local , dem selbst ein Widerhall nicht fehlte , noch ver-
stärkt wurde.
Der Doppel-Chor No. 20 gestaltete sich, gegen un-
sere Erwartung, sehr deutlich und gereichte den Aus-
führenden zu wahrem Ruhme.
Wie gern wir nnn auch das interessante Drama in
seinen einzelnen Scenen bis zu seinem Schlüsse beglei-
teten, wir sind genöthigt, in summarischer Weise die
Versicherung auszusprechen , dass die allerdings etwas
gewagte, aber geistreich aufgefasste Scene am Hofe des
BeUazar, welche durch die geheimnissvojle Flammen-
sebrift herbeigeführt wird, im Zusammenhange gehört,
und, wie es hier der Fall war, gut ausgeführt, von
spannendem Interesse und ganz eigenthümlicher Wirkung
ist. — Nur kurz können wir dann den günstigen Ein-
druck des lieblichen Quartetts No. 27 bezeichnen. Gern
verweilten wir bei dem Chore der Juden, No. 28, des-
sen schönste Wirkung übrigens in seinen einfach gehal-
tenen Momenten liegt. In Beziehung auf den achtstim-
migen Satz am Schlüsse, wie volltönend auch seine
Wirkung ist], müssen wir doch auf unserer in der be-
zeichneten ßeurtheilung ausgesprochenen Meinung verhar-
ren, dass wir ihn nicht für einen strengen, achtstim-
migen Satz erkennen können.
Die Vision (No. 29) wie die Arie (No. 30) zeigen
beide, dass die Phantasie des Meisters durch so viele
Schilderungen von Zuständen und Empfindungen keines-
weges erschlafft sei. Sie zeichnen sich jedoch beide
vorzüglich durch Anmulb und Zartheit aus, und erfor-
dern namentlich eine höchst discrete Orchesterbegleitung,
die auch vortrefflich ausgeführt wurde.
Im Scblus8chore schienen alle Kräfte neu belebt ; er
wurde mit wahrer Begeisterung ausgeführt. — Einige
Skeptiker, zu denen auch Ref. gehört, äusserten frei-
lich den Wunsch, die Eingangstacte möchten eine we-
niger populäre Gestaltung empfangen haben , doch wurde
auch dieser Einwurf durch den feurigen Gang des Gan-
zen bald beseitigt. Was den ungewöhnlichen Schluss
betrifft (das grosse Werk endigt unerwartet im leisesten
Piano), so muss Ref. gestehen, dass die dadurch her-
vorgebrachte ^Virkung ihn ganz eigentümlich ergriffen
bat, und der sinnige Meisler darf sich rühmen, einen
leichteren Sieg verschmäht zu haben, um einen schwe-
reren zu gewinnen«
Der ruhig-ernste, aber treffliche und biedere Mei-
ster hat uns längst wieder verlassen, aber sein ehren-
volles Andenken bleibt ihm für immer gesichert. Aach
empfing er während seines hiesigen Aufenthaltes die
741
1844. Oetober. No. 44.
742
sprechendsten Beweise von inniger Hochachtung, ja von
wahrer Verehrung.
Am Tage nach der Aufführung des Oratoriums fand
noch ein grosses Concert Statt, dessen Glanzpunct Spohr" s
fünfte Symphonie bildete. Die Ausführung, vom Meister
selbst geleilet, war eine ganz ausgezeichnete, und da
man diese Symphonie als ein wahres Meisterwerk be-
wundern musste, so war es natürlich, dass sie mit
wahrhaft stürmischem Enthusiasmus aufgenommen wurde.
AI.
Leipzigs den 26. Oetober 1844. Drittes Abonne-
ment-Concert, den 24. Oetober. — Ouvertüre zu der
Tragödie Hakon Jarlv. Oehfenschtäger, componirt von
P. E. Hartmann aus Copenbagen (neu, unterdes Com-
ponisten eigener Direetion). — Arie aus der Oper Mi«
träne von Abbate Francesco Rossi, gesungen von Mad.
Mortier de Fontaine, königl. belgischer Kammersänge-
rin. — Concertino für die Clarinette von C. M. v, We-
ber % vorgetragen von Herrn Landgraf. — Scene und
Arie aus la donna del lago von Rossini, gesungen von
Mad. Mortier de Fontaine. — Introduetion und Varia-
tionen für die Oboe von Griebet, vorgetragen von Herrn
Diethe. — Finale ays Zemire und Azor von Spohr. —
Symphonie von Mozart (Cdur mit der Sehlussfuce).
Herr Hartmann, dessen Name in Dänemark, na-
mentlich in Copenbagen, u. A. durch einige mit ent-
schiedenem Beifalle zur Aufführung gebrachte Opern von
seiner Composilion, einen guten Klang hat, in Deutsch-
land aber wohl nur durch die Sonate, welche bei der
vor wenigen Jahren von Hamburg aus veranstalteten
Preisbewerbung gekrönt wurde, bekannt sein mag, bat
in der bezeichneten Ouvertüre ein schönes und grossar-
tiges Musikstück, voll von Würde und dramatischem
Leben, geliefert, welches auf Oehlenschläger*s unserer
jüngeren Generation wohl gänzlich unbekannte Schick-
salstragödie angemessen vorbereitet und wahrhaft schöne
Effecte enthält. Ref. gesteht, dass auch er mit dem Su-
f'et jenes Trauerspieles wenig vertraut ist , und hegt die
leberzeugung, dass die Ouvertüre bei näherer Kennt-
niss desselben einen noch grösseren Eindruck machen
und nach ihren Intentionen richtiger zu beurtheilen sein
würde. Nichts desto weniger aber hat sie ihm, und
gewiss auch Anderen, die mit ihm in gleichem Falle
sind, eio schönes Bild einer ritterlichen und allehrwür-
digen Heldenzeit gegeben und hinterlassen, dessen An-
lage und Zeichnung an und für sich schon genug er-
freuen, wenn man auch die Motive zur detaillirten Fär-
bung und Ausführung überhaupt zu ergründen nicht ver-
mag. Die Harmonisirang und Instrumentation dieses
Werkes zeugen von einer sicheren und geübten Feder,
und gaben in Verbindung mit des Componisten fester
Leitung den Beweis, dass Letzterer ein tüchtiger Musi-
ker ist, der, im rüstigen Mannesalter stehend, noch
schöne Früchte seines Fleisses hoffen lässt. Mit der Aus-
führung von Seiten unseres Orchesters und mit dem vom
Publicum gespendeten Beifalle bat derselbe gewiss Ur-
sache zufrieden zu sein.
Von grossem historischen Interesse war die von
Mad. Mortier de Fontaine vorgetragene Arie des Ab-
bäte Rossi, ein Stück, das wir, obgleich es natürlich
viel Veraltetes enthält, doch schwerlich in einer so frü-
hen Zeit entstanden geglaubt baben würden , wenn nicht
das Programm das Jahr 1686 als dasjenige , in dem es
componirt worden, bezeichnet hätte. Die Arie ist, na-
mentlich im langsamen Satze, sehr melodiös und klingt
verhältnissmässig recht frisch. Mad. Mortier de JPoii-
taine trug sie angemessen vor. Die Stimme dieser Sän-
gerin , ein klangreieber Mezzosopran, entbehrt zwar nach
oben zu der Egalität und Fülle ; allein die mittleren und
tiefen Töne sind voll und schön, und würden gewiss
noch schöner klingen, wenn sie nicht mit einer, leider
bei Altistinnen und Mezzosopran-Sängerinnen bäufig be-
merkbaren Manier an den Gaumen gedrückt nnd dadurch
fast männlich würden. Die gute Schule der Künstlerin
war übrigens im Vortrage beider Arien nicht zu ver-
kennen, und ihre Leistungen wurden mit lebhaftem Ap-
plause anerkannt.
Die Herren Landgraf und Diethe (der Letztere
Mitglied des hiesigen Orchesters) erwarben sich mit ih-
ren Solo's auf der Clarinette und Oboe verdienten Bei-
fall durch schönen Ton, so wie durch reinen und ge-
läufigen Vortrag.
Das kurze Finale der Oper Zemire und Azor, in
dessen Sextett zwei der Sopranpartieen zweien Schülerin-
nen unseres Conservatoriums zugetbeilt waren, wurde
mit Unterstützung des Thomanerchors gut ausgeführt und
erneuerte bei uns lebhaft den Wunsch, diese herrliche,
seit einiger Zeit mit Unrecht vom Bühnenrepertoir ver-
drängte Oper des Altmeisters Spohr recht bald auf un-
serem Theater zu hören.
Mozarfs Cdur- Symphonie mit ihrer grandiosen,
trotz aller Verwickelung der Stimmen stets klaren und
fasslichen Fuge, die bei so exaeter Ausführung immer
die herrlichste Wirkung machen muss, bescbloss den
Abend auf würdige Weise. Nur Eines möchte Ref.,
nicht tadelnd, aber warnend, bemerken, nämlich: dass
die Piani , durch deren treffliche und gewissenhafte Be-
achtung unser Orchester sieb ehrenvoll auszeichnet, doch
etwas zu schwach genommen wurden. Die Zartheit ver-
fehlt leicht den Effect, wenn darunter die Deutlichkeit
leidet; und es fehlte in der That wenig, dass das Letz-
tere der Fall gewesen wäre. L. R.
F E
UILLETON.
Bei dem Universitits-Jubelfeste in Königsberg finden zwei vod
den datige d aeademisehen Musikdirektor, Herrn Sämann, in der
Domkirche an zwei verschiedenen Tagen aofge führte Cantatea:
„Die Gründung der Universität' 4 und „Lather's Sieg" den meisten
Beifall. Aber auch die von ihm ausserdem aufgeführten Composi-
tionen am Vorabende, sowie seine Cantate bei der Legnng des
Grundsteines au dem neuen UniversilaUgebÄude gefielen allgemein.
Der Pariser Hornist Fivier hat ein Geheimniss erfunden« das
ihn in den Stand setzt, auf jedem einfachen Horoe vierstimmig iv
blasen. Die Poriser Academie des seiences hat sieh mit Enthül-
lung dieses Geheimnisses beschäftigt, ohne bis jetzt das Problem
lösen su können. Fivier hat eine Konstreise nach Deutsehland un-
ternommen und sich namentlich in Frankfurt n.M. hören lassen.
745
1844. October. No. 44.
744
Ab die Stelle das verstorbenen Blum ist der bekannte Saugar
Bader zum Regisseur 4er konigl. Oper io Berlin ernannt worden.
Pauline Garcia-Viardot ist auf die sechs Wintermouate nach
St. Petersburg für 109,tt00 franken eogagitt.
Io Madrid gefiel eine neoe Oper: „Lastregaas de Tolcmaida* 1
von dem spanischen Tensotzer Eeiaba t imleuer schon Mehrere
Opera zieht ounn titfick auf die Banne gebrückt beU
Die Augsborger Liedertafel veranstaltet für uaebstes Frülyuar
eio groaaartiges Gesa og fest ; nan rechnet auf oogefäbr 1000 Singer.
Io Wien haben sie auffcefunrt: ^sr Semmerue^tstruum'',
ftatustisebes utibrebau , frei nach Shakespeare von EmJStraub*
Musik tom CapelUueister SoappL —
In Berlin ist die
ebieek von dortigen
fahrt werde«.
j Aotigoae des Sophoeles n an mehr auch grle-
Gymnasiasten Mit Mendelssohns Musik auffce-
Ankündl^nngen,
Im unserem Verlage erscheinen am 4. November mit Eigen -
thumsreebt:
Trois Horceauac favoris
wir rOp^rt
la Sirene de ü> F. E. Autor
composes
pour le Piano
par
Fran$ote llAnten*
Op. 134. Eo trois Livraisoas.
Lnipalg, im Ottober 1*44.
BreltfLopf Jb HftrteL
In mernem Verlag« etueheiut «■ il. Novbr. a. e. mit Eigen-
thumsraeht Ar alle Lander, s msge — s mei Frankreicb nnd Englands
FrMMfMa HÜntem, Oeuv. 135. VariatUnt krälantee sur U
Polka nationale p. Piano.
94. October 1844.
C. F« Peter«, Bureau de Musique.
Leipzig, d.
In der K. K. prir. National- Musik- Verlags- Anstalt des Johann
Rteeordl in Mailand befindet sieb unter der Presse und wird
ehestens erscheinen die mit so grossem Beifall aufgenommene Oper
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deutschem Texte.
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engte Oper deutseh oder italienisch auffuhren lassen wollen, kön-
nen sieh deshalb an obigen Verleger wenden, der sie als ans«
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so wie alle übrigen Arrangements für Pranoforte allein nnd für
andere Instrumente sind bereits im Druck erschienen.
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3s Heft : 7 Gesänge znm Gebranehe an Dank- und Kirch weibfesten,
am Reformationsfeste nnd bei der Feier znm Gedacht-
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Das Ganze aus 6 Lieferungen, a J Thlr., beatentud, wird
bis Ostern 1843 vollendet sein. Da die Namen der Map. Sub«
seribenten dem Werke vorsudrucken benbeiebtigt wird» sn bitte
ich nm zeitige nnd genaue Anmeldung.
Druck nnd Verlag von Breitkopf und Hörtet in Leipzig und anter deren Verantwortlichkeit.
745
746
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 6 teD November.
M 45.
1844.
Inhaltt Die neueren Liedercompoo taten. — Leopold von Meyer. — Nachrichten: Aus Berlin. Aus Leipzig. Au« Halle. — Feuilleton. —
Ankündigungen.
Die neueren Liedercomponisten.
(Von Gnsttv Neuenbürg.)
Est ist für jeden deutschen Sänger ein wohlthnendes
Gefühl, wenn er hinter den deutschen Gesang- und na-
mentlich Lieder-Compositionen einen Tondichter gewahrt,
der nicht blos musikalisch phrasirt, declamirt; der die
Stimme nicht mit Pianoforte-Gerassel und Geprassel be-
lastet — sondern einen Gesangcomponisten, der das Wesen
des Gesanges überhaupt und des deutschen Gesanges ins-
besondere erkannt hat, der da weiss, dass der Text die
Melodie vergeistigen, und die Melodie den Text beseelen
soll , der wirklich stimmorganisch aus der Seele heraus«
singt. — Wahr ist's : die neuere Zeit hat in der Musik
das Lied in einer Weise und mit einem Weisse cultivirt,
wie dies zuvor nie geschehen ist; zeigt sich der Deut-
sche immer noch in vielfacher Beziehung als Nachahmer
fremder Nationalität, so steht er doch jedenfalls eigen-
thümlich da in seinen Liedern ; in ihnen spiegelt er sein
ganzes Seelenleben in den verschiedensten Regungen ab.
Es versteht sich ganz von selbst, dass auf dem deutschen
Liederstrome gar Mancher herumsegelt, der dem Sturme
der Zeit nicht entgehen wird. Wenn in den nächsten.
20 Jahren auch nicht ein Lied mehr zur Hochzeit des
Lebens einginge, wahrlich — wir hätten genug zu thun,
wenn wir nur die wirklich guten Lieder aus der ganzen
vorhandenen Masse heraussuchen wollten. Es gab eine
Zeit, wo die Liedermasse zu übersehen war; jetzt ist
man so überfluthet, dass von einer Universalkenntniss
und Uebersicht derselben nicht fuglich mehr die Rede
sein kann. Jeder Anfänger, kaum der Musikschule ent-
laufen , tritt mit einer Liedersammlung in die Welt, und
glaubt sich damit in die Unsterblichkeitsanslalt eingekauft
zu haben ! 1 — man hält diese Compositionsgattung all-
gemein für die leichteste, und doch ist sie, von künst-
lerischem Standpunkte aus betrachtet, in That und Wahr-
heit eine sehr schwierige ; ich stehe wohl mit vielen An-
deren iu der Ueberzeugung fest, dass bei unserem jetzi-
gen Culturzustande die Composition eines Liedes eine
grosse Kunst ist, dass diese Kunst in unserer neueren
Kunstwelt nie anders, als von gründlich gebildeten Künst-
lern innegehabt und ausgeübt worden, dass aber auch die
gründlichsten und gelehrtesten unter ihnen, wenn sie
nichts weiter waren, als gründliche und gelehrte Ton-
setzer, jederzeit nur kleinere oder grössere Missgeburten
zu Tage förderten, — Soll die Kunsltbeorie der Praxis
46. Jahrgang.
nicht blos nachlreten, soll sie auch dem schaffenden Künst-
ler nützen, so muss sie aus der Praxis zwar erwachsen,
aber, wie die Moral- und Religionspbilosophie über die
Empirie hinausgehen, einen Schritt weiter wagen; sie
soll die Kunst idealisiren , sie soll die Kunst auf ihre ra-
tionalen Principien in der Natur des menschlichen Gei-
stes und Gemütbes zurückführen, soll ihnen wissenschaft-
lichen Gehalt und wissenschaftliche Begründung geben.
Somit will ich denn nicht zuerst fragen : was thun unsere
Liedercomponisten? — Nein — ich frage vorerst: was
sollten sie bei der Wahl der Gedichte allgemein hin be-
rücksichtigen? Mit Recht unterscheidet man schon längst
in jedem Gedichte die Gedaukeneinheit von der Empfin-
dungseinheit. Je nachdem die Poesie entweder einen be-
stimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste
thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, blos einen
bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu
eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie —
plastisch oder musikalisch genannt werden. Der letztere
Ausdruck bezieht sich also nicht blos auf Dasjenige, was
in der Poesie wirklich und der Materie nach Musik ist, son-
dern überhaupt auf alle diejenigen Effecte derselben, die sie
hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch
ein bestimmtes Object zu beherrschen. Sofern also die
Dichtung nur Empfindungen darstellt , wirkt sie wie die
Tonkunst und hat musikalischen Gehalt. Das musikalisch-
gehallvolle Gedicht ist aber deswegen noch nicht com-
ponibel, kann sogar durch eine von aussen hinzukom-
mende Musik verunstaltet werden; es ist ein für sich
bestehendes Kunstwerk. Das componible Gedicht muss
nun natürlich musikalischen Gehalt haben, ist aber durch-
aus nicht ein in sich abgeschlossenes Kunstwerk, sondern
erwartet erst seine Vollendung durch die Tonkunst und
ist durch musikalische Pormalistik bedingt. Eine wettere
Exposition ist hier überflüssig, da ich schon vor 10 Jah-
ren in der „Caeoilia" den quaest. Gegenstand näher in
Erwägung gezogen habe. — Soll also irgend ein Gedicht
componirt werden, so muss es im obigen Sinne auch
wirklich componibe! sein ; es kann aber diese Eigenschaft
in hohem Grade haben und doch als Lied sehr fehlerhaft
sein. Soll nämlich die zu erfindende Melodie auf alle
Verse passen, jo muss die Dichtung eine gewisse Em-
pfindungseinheit haben, und nicht ganz heterogene Ge-
fühle und Vorstellungen erwecken; ist dies der Fall, so
muss schlechthin jede Melodie, die dazu erfunden wird,
anwahr sein; denn eine und dieselbe Melodie kann wohl
45
747
1844. November. No. 45.
748
verwandte, nicht aber entgegengesetzte Gefühle erwecken,
wenn sie anders prägnant characteristiscb ist. — Das Ge-
dicht kann aber drittens coroponibel (im obigen Sinne)
sein; es kann auch von einer Empfindungseinheit durch-
zogen werden und abermals in Beziehung auf Vocal-
Colorit mangelhaft sein. Findet man die beiden ersten
Forderungen an unseren deutschen Liedergedichten oft
erfüllt, so haben nur die wenigsten Dichter einen rech-
ten Begriff von der hohen Wichtigkeit des musikalischen
Sprach- Colorifs, und doch ist gerade der musikalische Ge-
sangeffect wesenllicb bedingt durch schönes Vocal-Colorit.
Dies ist schon anderweitig, und namentlich von Nägeli,
richtig erkanut und gewürdigt, zur Zeit aber noch wenig
berücksichtigt worden ; man ist in dieser Beziehung schon
froh, wenn im Allgemeinen die Sprache fliesseud, der
Reim richtig ist; um nur ein Beispiel zur Verdeutlichung
zu bringen, so denke man sich ein Lied für Sopran, in
welchem etwa die Vocale i, ü oder u vorherrschend
wären: auch die an sich schönste Melodie würde im
Munde einer Sopranistin effectlos werden. Man hält frei-
lich die Melodie oft nur für ein schönes Gewand, wel-
ches der Poesie angetban wird ; allein man bedenkt nicht,
dass die Gewänder, die den Körper des Gedichtes um-
kleiden, schon an sich sehr mannichfacb sind, von einem
Melodie - Gewände in der Einheit also gar nicht füglich
die Rede sein kann. Erstens bilden die Vocale in ihrem
harmonischen Wechsel ein Laut-Colorit, das auf unser
Ohr gerade die Wirkung thut, wie auf das Auge ein
schön wechselndes Farbenspiel. Zweitens werden diese
Vocale mit Ton überkleidet. Dadurch gewinnen wir einen
fortgesetzten Doppelschimmer, wodurch auch unser Ohr
immer doppelt berührt wird. Drittens thut dieser Doppel-
schimmer von Sprachlaut und Sington sich vermöge des
Stimmorganes und der Composition auch immer auf dop-
pelte Weise kund, theils declamatorisch , vom Muude
springend, theils und ula torisch , vom Monde fliessend.
Viertens gewinnt dieses am componirten Liede haftende
Doppelwesen in der Vortragskunst eine ästhetische Mehr-
deutigkeit durch den geschwellten, gehaltenen, geschleif-
ten, gestossenen Ton; und fünftens ist ja der Effect des
melodischen Gehaltes noch sehr wesentlich bedingt durch
eine obligate Instrumentalbegleitung.
Betrachten wir nun von diesem Standpuncte aus die
Compositionsweise der neueren Lieder-Componisten , so
möchten sie sich füglich in 2 Hauptgattungen ein tb eilen
lassen ; ich ignorire natürlich die faden Singereien, wel-
che höchstens cantabel, aber ohne tiefere Texterfassung
sind; ich berücksichtige hier nur diejenigen Liedercom-
E misten, welche wirklieb ein höheres Kunslstreben be-
unden und die Liederform für perfectibel erkennen. Das
ehrenwerthe Streben dieser Künstler wollen wir näher
ins Auge fassen.
Unsere Lieder-Componisten haben entweder gründ-
liche Gesangstudien gemacht — (das sind, mit Betrüb-
niss sei es geklagt — die allerwenigsten !>, oder sie hal-
ten die Stimme für ein gewöhnliches Instrument (das
sind — ■ gerade heraus gesagt — die allermeisten!). —
Wenn die Ersten sprechen : wir wollen italienische Gan-
tabilität mit deutscher Gharacteristik verbinden $ wir wol-
len eine Melodie in den Mund des Sängers legen, die in
den verschiedenen Versen auch verschiedene Vortrags-
Modificationen zulässt; wir wollen dem Dichter Genüge
leisten, aber die musikalische Form festhalten ; wir wol-
len dem Sänger genügen, und dem Accompagnisten nicht
Effecte geben, die Declamation und Melodie beeinträch-
tigen — so meine ich, die wandeln auf rechten Wegen ;
die werden bei schön ausgebildeten Naturgaben ein schö-
nes und auch ein hohes Ziel erreichen ; die werden auch
schon in der Mitwelt Anerkennung und Lebensglück fin-
den; die werden auch bei der Nachwelt in gerechten
Ehren bleiben ; ich liebe sie als Sänger mit ganzer Seele !
— Die Anderen sagen : wir nehmen alle diese Rücksichten
auf den Sänger nicht, wir fragen nichts nach der Can-
tabilität, wir lassen der Fantasie freien Spielraum; das
geistreichste Gedicht ist uns das erwünschteste ; wir geben
jedem Gedichte seine ihm eigentbümlicbe Musikform, was
die Singmelodie nicht ausdrücken kann, das ersetzen wir
durch sinnreiche complicirte Pianoforteeffecte und erwei-
tern somit das Kunstgebiet in's Unendliche. Wohl ge-
sprochen, ihr Freunde und Kunstbrüder; — ich ehre
euer Streben, weil euere Kunstüberzeugung Achtung ver-
dient — aber ich meine: ihr verkennt das Wesen des
Liedes ; der ästhetische Effect wird auf solche Weise nicht
etwa concentrirt in declamatorisch- melodischer Schönheit,
nein, er wird zersplittert; denn euere Lieder-Accompagne-
ments sehen oft aus wie Pianofortestudien, und euere
Lieder-Melodieen sind nicht durch die menschlicbe Stimme,
nein, sie sind blos durch das Pianoforte bedingt; darum
lese ich wohl* gern in der Stille euere beziehungsreichen
Notenschriften — aber ich fühle keinen inneren Drang,
sie als Sänger in's Leben zu rufen. Es ist ja nicht ge-
nug, sagte schon Lessing , dass ein Kunstwerk Wirkun-
gen auf uns bat , es muss auch die haben, die ihm, ver-
möge der Gattung, zukommen ; ich muss keinen Scheiter-
haufen anzünden, um eine Mücke zu verbrennen. Das
solltet ibr beherzigen ; drum gebt uns echte Lieder-Melo-
dieen, mit angemessenem Pianoforte- Accompagnement ,
d. h. mit so viel Pianoforte-Effect, als nöthig, aber nicht:
mit so viel, als nur irgend möglich ist. —
Leopold von Meyer.
Frankfurt a. M. Dieser Pianist , welcher in diesem
Momente Aller Blicke auf sich zieht, obgleich Döhler,
Moscheies, Rosenhain u. A. in unseren Mauern weilen
(zu vergleichen mit No. 43 dieser Blätter), ist eine so
neue Erscheinung in Deutschland, dass ich mit Vergnügen
die Gelegenheit ergreife, ihn zuerst meinen Landsleuten
vorzuführen.
Es macht immer einen eigenen Eindruck, wenn Män-
ner, die uns früher unbekannt waren, mit einem Male
unter uns treten und dieselbe Aufmerksamkeit herausfor-
dern, gleich Denen, die wir bis zu ihrem Zenith verfolgt
haben. So trat Meyer plötzlich unter uns, „man wusste
nicht, woher er kam/* und musste, was diesmal keine
Kleinigkeit war, sich inmitten so vieler gefeierten Illustra-
tionen als ihren Collegen legitimiren, bevor er ein Wort
mitsprechen durfte. Ich gestehe, es mag empfindlich sein,
seinem alten bewährten Ruhme plötzlich durch einen
749
1844. November. No. 45.
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Fremdling so uaue Ireten zu sehen, als wollte er sprechen :
„Komm und ibeile mit mir", und es bedarf gerade kei-
nes Prima Donnen-Neides, um hier nicht ein wenig ausser
Fassung zu kommen; deshalb auch musste Meyer einige
Jahre auf seine eigene Krall fassen, bis er sieb die all-
gemeine Anerkennung gewann. Ich weiss in der Tbal
nicht, was ich am Meisten an Meyers Spiel hervorheben
soll, ob es sein einschmeichelnder, perlenbafter, ich möchte
sagen sylpbenhafter Vortrag ist, oder die imponirende Ge-
walt seines Anschlags, oder die ganz eigenen Verbindun-
gen fremdartiger Accorde, oder die eminente Gorrectbeit,
eine heut zu Tage so oft verletzte Tugend, wenn sich
der Geist über den Materialismus erhaben däucht und
diese. Correctheit (sehr bequem) gleichsam verachtet, oder
die seltene Behandlung seines Trillers, den man nicht
anabhängiger und eleganter machen kann, oder seine
exemplarische Rübe bei dem Allen. Vielleicht ist's die
Vereinigung von Geschmack und vollendeter Technik , die
uns gleich a priori in seine Kreise zieht. Was mich
aber nicht minder gefreut hat, ist, dass er nicht ängst-
lich nach dem Taufscheine des Instrumentes fragt, auf
dem er spielen will, und dass er es hier mit Streicher
hält, der mir, was Poesie des Tones betrifft, .noch immer
am Besten gefallt. Meyer probirt sein Ciavier niebt mit
den Ellenbogen, und dennoch donnert er nicht minder,
als Zeus-Liszt. Ein Beweis von einem kräftigen und
dabei humanen Anschlage, bei welchem Virtuos und
Werkmeister bestehen können. Habe ich bei dem Allen
eine Ausstellung, so ist es die, dass Herr v. Meyer bis
jetzt nur seine eigenen Sachen spielte und uns nieht
auch selbständige Compositionen grosser Meister vorge-
führt hat, indem jede Technik, mag sie auch noch so
vollendet sein, doch nur immer das Mittel bleibt, die
höheren Zwecke der Kunst zu erfüllen! Wie schon
früher angedeutet, spielte er zwischen den Polka's und
Tarantellen des Wiener Kinderballets , spielte privatim
im Hause Mozart (Andre's neuem Etablissement), spielte
bei der Gräfin Soltikof - Gudewitsch , und gestern am
2. October im Theater 4 Pieren seiner Composition von
verschiedenartiger Färbung: ,,Fantasieen über Tbema's
aus Lucrezia und Norma, russische Lieder, und Carneval
von Venedig/' Er ist meines Wissens der Erste, der
Paganini's ErGndung, dieses Thema bald grandios, bald
einschmeichelnd und bald koboldartig neckend zu behan-
deln , auf das Ciavier übertrug.
Ich übergebe die Richtersprüche der englischen, tür-
kischen, russischen und der Wiener Blätter, da sie nur
auseinandergesetzte Wiederholungen meines eigenen hier
zusammengedrängten Urtheils sind. Aber da ich vertrauter
Mittheilung sowohl, wie dem Inhalte des englischen Jour-
nals „The maestro" vom 27. Juli 1844 die künstlerischen
Data und Fala Herrn von Meyer 9 s zu verdanken habe,
und es immer interessant bleibt, den Lebenslauf berühm-
ter Männer bis an seine Quelle zu erforschen, so ergreife
ich gern die Gelegenheit, die kurze, aber durch so plötz-
lichen und anhaltenden Sonnenschein merkwürdige Bio-
graphie des Herrn von Meyer der musikalischen Welt
mttzutheilen.
Leopold von Meyer, ein geborener Wiener und erst
28 Jabre alt, ist der Sohn eines k. k. Hofralhs, und
wurde bis zu seinem 17. Jabre zur Cameral- Wissenschaft
angebalten. Doch nöthigten ihn der Tod seines Vaters
und andere hier nicht in Kürze zu entwickelnde Schick-
sale, diese Bahn zu verlassen, und sich einer Kunst zu
widmen, die bisher sein ernstes Studium versüsst hatte.
Da er schon als Academiker durch Sein Pianospiel zu
einem gewissen Renommee gelangt war, musste das In-
teresse der Wiener jetzt um so grösser sein, da Meyer,
nachdem er 2 Jahre unter Schubert, Fischhof and Czerny
studirte, nun plötzlich öffentlich auftrat. Die glänzenden
Erfolge eines jungen Künstlers, dessen Vater noch vor
Kurzem der Krone attachirt war, mussten bald die Auf-
merksamkeit des Kaisers auf sich ziehen, von welcher Zeit
an sich auch die Glücksgöttin seinen Bestrebungen hold
zeigte. Von allen Seiten aufgemuntert und gedrängt, un-
ternahm er in seinem 19. Jahre seine erste Reise nach
Bucharest, woselbst sich sein ältester Bruder als fürstli-
cher Leibarzt befindet. Der Beifall, den er sich hier in
zwei Concerten unter der Aegide des kunstsinnigen Für-
sten erwarb, war der Sporn, der ihn in die Welt trieb.
Von Jassy, wo er nicht minder glücklich war, flog
Meyer nach Odessa, wo er noch am Abende seiner An-
kunft, dem Wunsche des Fürsten Nicolaus Galitzin ge-
nügend, in einem Concerte für die Armen spielte, wel-
ches die Gräßn IVoronzow (die Gemahlin des General-
Gouverneurs von Kleinrussland) patronisirte. Durch den
Ruf seiner Ankunft wurde er ein eigenes Concert zu ge-
ben veranlasst, zu welchem nach kaum bekannt gewor-
dener Anzeige sogleich alle Plätze bestellt waren. Die
Einnahme betrug 5000 Rubel, und ein weiteres Concert
in der Börsenhalle hatte denselben Erfolg. Von Odessa
reiste er mit dem Grafen IVitte (General eu Chef der
russischen Cavallerie) nach St. Petersburg, wo er noch
an demselben Abende vor den Majestäten spielen musste.
Bald darauf gab er ein grosses Concert im Theatre im-
perial, welches nicht weniger als 13,000 Rubel eintrug
und vou der ganzen kaiserlichen Familie, dem Kronprin-
zen von Preussen (dem jetzigen Könige) und der Elite
des russischen Adels besucht war. Nachdem Meyer, so
von allen Seiten fetirt, bei den ersten Notabililäten ge-
spielt hatte, wurde er von Seiten des kaiserlichen Hofes
in Begleitung eines kostbaren Diamantrings mit der Er-
nennung eines Pianisten des russischen Hofes und eines
Ehrenmitgliedes der philharmonischen Gesellschaft zu St.
Petersburg beehrt. ' Auch erhielt er nebst Lipinsky eine
Einladung zu dem grossen Militärfes! im Lager zu Wos-
nesensk. Als Meyer s rastloses Verlangen, die Welt zu
durchfliegen, ihn nach Moskau trieb, wo sein vorsage-
eilter Ruf ihm die glänzendste Aufnahme vorbereitete,
besuchte er noch verschiedene Provinzen Russlands und
rastete in der Wallachei, woselbst ihn der regierende
Fürst einlud, mit ihm nach Constantinopel zu reisen, um
dort vor dem Sultan zu spielen. Unter solchem hoben
Schutze angekommen, blieb er drei Monate lang im Hause
des englischen Gesandten Sir Stratford Canning, durch
welchen er auch wirklieb Audienz beim Sultan erhielt, und
sogar mehrmals im Harem und vor der Mutter des Sultans,
der Sultanin Valide, spielte. Der europäischen Civilisation
des Orients hat der Künstler die glänzenden ßeweise von
Freigebigkeit wobl nicht weniger zu verdanken, als sei-
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nem eigenen Verdienste. Unter anderen werthvollen Ge-
genständen erhielt er eine prächtige Tabati&re in Brillan-
ten. Seitdem schnupft er auch. Bemerkenswert h ist, dass
der grosse Padiscbah, der gewaltige Beherrscher des Halb-
monds, selbst recht artig Ciavier spielt, und mehrere Da-
men des Harems, durch Meyer** Spiel animirt, sieb In-
strumente von Wien kommen Hessen. Seinen Weg in
die Vaterstadt zurück bezeichnete er durch glanzende Er-
folge in seiner vorangeschrittenen Kunst. Er hatte es ^ich
vorgenommen , rastlos zu wirken , und seine gute Con-
stitution erlag diesen Bestrebungen nicht. Es ist begreif-
lich, dass man nun in Wien sehr begierig war, den
Landsmann zu hören, der im Auslande den Credit der
Wiener Schule steigerte. Das beweisen sieben Concerte,
die er hinter einander meistens in. Gegenwart des gan-
zen Hofes gab, und in deren Folge er zum Pianisten des
Kaisers von Oesterreich und zum Ehrenmitgliede des Wie-
ner Conservatoriums ernannt wurde.
Nun schien es ihm Zeit, das Land zu besuchen, wo
die Noten schwerer in's Gewicht fallen, als in Deutsch-
land, und wo schon so manchem Musensohne das wan-
kende Glück wieder lächelte. Er ging nach England. Es
würde zu weit führen, alle Erfolge aufzuzählen, die Herrn
v. Meyer in der verwöhnten Welt- und Geldstadt zu
Theil wurden, oder alles Lob zu citiren, das ihm die
Journale : The musical Examiner , die Times , Morning
Chronicle, Morning Post und Herald spenden. Es genüge,
zu erfahren, dass der Künstler in London selbst 31 Mal
und in den Provinzen in einem Monat 42 Male gespielt
hat, welches nur dadurch zu erklären ist, dass er nebst
der italienischen Gesellschaft, wobei die Namen Grat,
Favanti, Persiani, Lablache, Fornasari und Mario prang-
ten, von Beale für die Provinzen Manchester, Liverpool,
Wellington u. s. w. gewonnen wurde, wo natürlich oft
zwei Concerte in einem Tage Statt finden mussten. Seine
Concerte in London selbst wurden häufig von der Köni-
gin und dem Prinzen Albert, dem Herzog von Cambridge
und der Cröme des Adels besucht. In einer Soiree des
Herzogs von Devonshire bezeugte ihm der Kaiser von
Russland persönlich die huldvollste Anerkennung. Jetzt
wird Meyer nach Belgien und Paris wandern, dann aber
nach der Union übersegeln.
Ich setze nichts weiter hinzu, als dass, wo so all-
gemeine Beweise von Bewunderung gezollt werden, wirk-
liche Verdienste sein müssen , welche Herr v. Meyer
durch sein Spiel, wie durch die Originalität seiner Schreib*
art überall bewähren wird.
Schliesslich dürfte ein Citat seiner bei Haslinger,
Diabelli und Mechelti erschienenen Compositionen allen
Liebhabern des Pianofortespiels willkommen sein. Fanta-
sie über Lucrezia. Fantasie über Puritani. Nocturne. Re-
tour et däpart. Nocturne. Hortense. Air russe. Cahier I.
Air russe. Cahier II. Air bohemien. Air turque. Baja-
zetb. Air turque national goerrier. Galop de bravoure.
8 Cabiers Bravour- Valses. Nocturne ans Edur. Noc-
turne, gewidmet der Gräfin fVoronzow. Casta diva de
l'Opera Norma (Air varie). Ouvertüre de Freischütz, ar-
ran»6e pour le Piano. Fantaisie sur la Norma. Carneval
de Venise, arrange pour le Piano. C. G.
Nachrichten.
Berlin. Es ist endlich Zeit, dass ich mein langes
Schweigen breche und Ihnen nun wieder regelmässige
Mittheilungen über das hiesige Musikwesen mache. Wie
Ihnen bekannt ist, verliess ich Berlin vom 19. Juli bis
3. September d.J. , indem ich in Dresden, wenn gleich
bei meistens sehr ungünstigem Wetter, durch Genuss der
schönen Natur and Kunst meine Gesundheit zn befesti-
gen suchte, was mir auch gelungen ist. Neu gestärkt
hierher zurückgekehrt, fand ich ein so reges Treiben
von Fremden und Einbeimischen, durch die Gewerbe-
Ausstellung, später auch durch die Blumen- nnd Kunst-
Ausstellung von Gemälden nnd Bildwerken veranlasst,
dass ich mich erst von den täglichen Zerstreuungen und
zu ordnenden literarischen Angelegenheiten zurückziehen
nnd mich orientiren musste, ehe ich zur ruhigen Be-
obachtung gelangen konnte. Vom Juli und August kann
ich nur im Allgemeinen anzeigen, dass eine neue Oper
„Mara" von Netter, welche Sie nun auch in Leipzig
kennen gelernt haben, mit Beifall, unter Leitung des
Componisten 2 — 3 Mal gegeben wurde. Die Damen Tuezeck
und Marx sind von ihren Urlaubsreisen zurückgekehrt.
Dem. Kunth hat die Agathe und Norma, Dem. Basini
Annchen im Freischütz und Adine als Gastrolle gegeben.
Dem. Jazede aus Hamburg bat als Adine im Liebes-
trank , Norma , Donna Aona im Don Juan, Elvira in den
Puritanern, ferner als Margarethe in den „Hugenotten"
mit Beifall Gastrollen gegeben, ohne indes* so tiefen
Eindruck zu bewirken, als Mad. Palm, geborne Spatzer,
welche im August und September Gluck 9 s „Ipbigenia in
Tauris," die Antonina im „Belisar," die Elvira im „Don
Juan,* 4 Valentine in den „Hugenotten" und Norma vor-
trefflich ausführte. Die reine Intonation, wohlklingende
Stimme und der edle Vortrag dieser Sängerin, welche
nur im Spiel etwas zu ruhig ist, gefiel allgemein, nnd
erregte den sehnlichen Wunsch, diese Künstlerin für die
k. Oper gewinnen zn können. — Dem. Marx trat als
Gabriele in C. Kreutzer'* „Nachtlager von Granada",
zugleich mit dem hier engagirten Bassisten Krause vom
Münchener Hoftheater, wieder auf. Hr. Kraute ist als
geborener Berliner und früheres Mitglied der Sing- Akade-
mie hier sehr befreundet und geachtet. Als Künstler hat
sich derselbe , vorzüglich im dramatischen Gesänge, sehr
ausgebildet; seine eigentliche Bariton -Stimme ist beson-
ders in der Höhe wohlklingend, rein nnd stark, auch in
den Mitteltönen sonor und ausreichend bis zu massiger
Tiefe in Bass-Partieen. Die Aussprache ist ungemein
deutlich und frei von störendem Dialect, auch die Dar-
stellungsweise des tüchtigen Sängertf natürlich und rou-
tinirt, nur nicht immer leicht genug. Am günstigsten
für Hrn. Krause war die Rolle des Jägers in dem ,, Nacht-
lager von Granada," welche Oper durch ihn neues In-
teresse und Leben gewann. Die zweite Debutrolle die-
ses Sängers als Richard Forth in den „Puritanern" sagte
ihm weniger zu, als die des Figaro in der Mozart'schen
Oper, welche im Ganzen höchst gelungen ausgeführt
wurde. Die Damen Marx und Tuezeck genügten ganz
den Rollen der Grafin und Susanne. Nur der Page liess
mehr Ausdruck im Gesänge und mehr Freiheit in der
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Bewegung zu wünschen übrig. Eine Anfängerin von guter
Stimme und nicht ohne Talent, Dem. Burghardt, gab
diese Rolle und (besser) die Adalgisa in der Oper Norma,
für die Folge Hoffnungen erweckend.
Znm Besten der durch Ueberschwemmung Notlei-
denden in Weslpreussen hatte der MD. Julius Schneider
die Aufführung von Haydn's „Schöpfung" in der Garnison-
kirche, und die Sing -Akademie eine geistliche Vocal-
Musikaufführung mit dem günstigsten Erfolge veranstal-
tet. — Die Königsstädtische Bühne eröffnete die italieni-
schen Opernvorstellungen mit der Oper: „II Templario"
von Otto Nicolai, welche indess nur als eine geschickte
Compiiation vieler Reminiscenzen von Rossini* Bellini
und DonixeUi Anerkennung fand, zugleich aber Verwun-
derung erregte, dass ein deutscher Componist solche
Selbstverleugnung ausüben konnte, um zu effectuiren und
in Italien Beifall zu erlangen. Die hiesige neue Opern-
gesellsehaft zählt nur einige ausgezeichnete Mitglieder,
namentlich die Signora SchieronuNulli als Prima Donna,
mit reiner, ziemlich starker Sopranstimme von massigem
Umfange in der Höbe, guter Gestalt und mimischem Aus-
drucke begabt, ferner den Tenoristen Borioni und den
Baritonisten Milrowich, Letzterer von vorzüglich starker,
jedoch wenig ausgebildeter Stimme. — Die zweite neue
Oper war der wenig ansprechende „Nabucodonosor"
(JVebukadnezar) mit Musik von Giuseppe Verdi, Bei den
melodischen Vorzügen dieser, auch «teilweise nach Cba-
racteristik strebenden Composition, bat solche den Fehler
der neuesten italienischen Tonsetzer, durch die Ueber-
ladung der Instrumentation , vorzüglich durch Missbrauch
der Blechinstrumente im Orchester und auf der Bühne,
effectuiren zu wollen, wobei der Gesang oft völlig ver-
deckt wird und die Stimmen der Sänger ruinirt werden.
Ist dieser Missbrauch Schon bei den französischen Com-
ponisten zu tadeln (namentlich bei Berlioz), so haben
diese doch noch mehr dramatische Motive dazu, als der
blos frappirende Lärm, den nun sogar die sonst so weich-
lichen Italiener lieben. Uebrigens ist Verdi als ein nicht
gewöhnliches Talent anzuerkennen. — Die Ausführung
der Oper war theilweise gut, theilweise ungenügend, im
Ganzen mittelmässig. Sgr. Bamonda war der anstrengen-
den Titelrolle nicht ganz gewachsen, tbat indess das Mög-
lichste Dach Kräften. Vorzüglich war Sgr. Mitrmoich als
hebräischer Oberpriester. Die heroische Frauenrolle der
Abigail wurde mit Feuer und Ausdruck von der Signora
Schieroni ausgeführt. Auch die zweiten Sängerinnen, Sga.
Remorini und Ricca, und der Tenorist Landi genügten
billigen Ansprüchen. Das Ensemble war indess weniger
gut , als man es sonst von italienischen Sängern gewöhnt
ist. Noch ist Lucia di Lammermoor von dieser Gesell-
schaft zur Aufführung gekommen, ohne den früheren
Enthusiasmus zu erregen. Fast scheint diesem Opern-
personal ein eben so wenig günstiges Prngnosticon ge-
stellt werden zu können, als „ voriges Jahr, nach dem
Abgange der Sga. Assandri und des Tenoristen Gardoni,
der Herren Moriani und Rubini nicht zu gedenken , wel-
che nur als Gäste mitwirkten. —
Meyerbeer und Spontini sind wieder hier anwesend.
Ersterer soll seine neue Composition der Festoper zur
Eröffnung des Opernhauses am 7. Decrmber d. J. (die
Dichtung ist, der Sage nach, von L. Tieck uni Rellstab)
fast beendigt haben. Welche erste Sängerin und welcher
Heldentenor uns noch zu Tbeil werden wird, ist bis jetzt
ein Gebeimniss. In Dresden hiess es, Fräulein Lina aus
Stockholm , eine schwedische Sängerin von trefflicher
Stimme , erlerne die deutsche Sprache, um hier in der
grossen Oper zu debütiren. — Zu woblthätigem Zwecke
wird Tieck' s „gestiefelter Kater" im Concertsaale des
K. Schauspielhauses reproducirt, wo auch nächstens die
französischen Theatervorstellungen beginnen werden.
Der geschätzte Violinist Prume ist hier angekommen,
um sich in Concerten hören zu lassen.
Leipzig, den 31. October 1844. Ein Rückblick auf
die im Monat October hier Statt gefundenen musikalischen
Aufführungen lässt uns, wenn wir von den Abonnement-
concerten abseben (über welche allwöchentlich in diesen
Blättern speciell berichtet wird), bei zwei Productionen
länger verweilen , die das Interesse des Kunstfreundes
vorzugsweise in Anspruch nahmen, weil sie von dem rü-
stigen Vorwärtsschreiten zweier musikalischer Bildungs-
anstalten ein erfreuliches Zeugniss gaben.
Wir meinen damit' zunächst die am 18. d. M. im
Saale des Gewandhauses vor einem Kreise eingeladener
Zuhörer gehaltene Hauptprüfung der Schüler und Schüle-
rinnen des hiesigen Conservatoriums der Musik. Die
Gründung dieser Anstalt verdankt Leipzig besonders der
Gnade unseres Königs, der die Zinsen eines beträchtli-
chen, von einem unserer kunstsinnigsten Mitbürger zn
Beförderung der Kunst oder Wissenschaft im sächsischen
Vaterlande ausgesetzten und der Verfügung des Königs
überlassenen Legates für sie ausschliesslich bestimmte.
Zu Ostern 1843 unter Mitwirkung Mendelssohns eröff-
net, bat diese Musikschule seitdem ihrem Ziele, der We-
ckung und Bildung musikalischer Talente, eifrig und wür-
dig entgegen gestrebt, und nimmt bereits jetzt, nach so
kurzem Bestehen, einen ehrenvollen Platz unter ähnlichen
Instituten Deutschlands ein. Der theoretische Unterriebt
wird in drei Classen erlbeilt und in drei Jahren vollendet;
er umfasst als Gegenstände: Harmonielehre, Formen- und
Compositionslebre , wobei namentlich Analyse classiseber
Werke, Instrumentenkenntniss und Instrumentirung in's
Auge gefasst wird, ferner Partiturenspiel, Directionskennt-
niss, Vorträge über Geschichte und Aesthetik der Musik,
Akustik u. s. w. und endlich italienische Sprache für ange-
bende Sänger und Sängerinnen. Der practisehe Unterricht
dagegen erstreckt sich auf Chor- und Sologesang, und
auf alle Instrumente, vorzugsweise jedoch auf Pianoforle,
Geige (beides in drei Classen), Orgel (in zwei Classen). Als
ordentliche Lehrer fungiren die Herren Organist C F.
Becker, Concertmeister David, Musikdirector Gade, Mu-
sikdirector M. Hauptmann, Dr. [Bob. Schumann (im ver-
gangenen Winter auch Herr Musikdirector Ferd. Hiller)
und als Gesanglebrerin Frau Bünau geb. Grabau. Ausser
diesen ertbeilen noch sieben ausserordentliche Lehrer theo*
retiseben und practiseben Unterricht. Bereits im ersten
Halbjahre seines Bestehens zählte das Conservatoriom 44
Schüler und Schülerinneu, und seitdem ist deren Zahl
immer. gestiegen , so dass sie gegenwärtig 53 beträgt,
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worunter sich auch mehrere Ausländer befinden. Um ei-
nerseits das Interesse der Musikfreunde lebhaft zu erhal-
ten, andererseits den Zöglingen selbst Gelegenheit zn ge« x
ben , die natürliche Sehen vor der (Öffentlichkeit ihrer
Leistungen überwinden zu lernen« veranstaltet das Direc-
torium halbjährlich eine Prüfung, zu welcher es durch
Karten einladet Eine solche Prüfung vereinigte nnn in
den Abendstunden des bezeichneten Tages eine beträcht-
liche Anzahl von Zuhörern nnd war in der That geeig-
net, eine höchst günstige Meinung von dem verdieustli-
chen Wirken des Instituts und eine aufrichtige Freude
über die unverkennbaren Fortschritte der Schüler und
Schülerinnen zu erwecken. Eine specielle Besprechung
der einzelnen Productionen der Letzteren würde uns zu
weit führen; wir bemerken daher blös, dass der erste
Satz der Ddur- Symphonie von Beethoven und die Ouver-
türe >, Die Hebriden** von Mendelssohn ausschliesslich
von Schülern des Conservatoriums (mit alleiniger Unter-
stützung eines von einem Orchestermitgliede gespielten
Contrabasses) ausgeführt wurde, wobei die Blasinstru-
mente in Ermangelung einer hinreichenden Zahl von
Schülern, die dergleichen vorzugsweise eultiviren , durch
zwei Pianoforte ersetzt wurden. Auch bei den Solovor-
trägen war die Orchester- und Quarteltbegleitung nur
von Zöglingen des Conservatoriums hergestellt. Als So-
lospieler nennen wir die Herren Oehmigen y Zahn und
Meyer , welche auf der Violine Sätze aus dem Emoll-
Concert von Spohr, dem Militärconcert von Lipinsky
und dem E moll - Concert von David vortrugen, so wie
die Clavierspieler Goldschmidt, Ruhlau, Tausch, Gockel
und Fräul. Hofmann, die uns den ersten Satz aus Fields
As dur- Concert, Etüden von Chopin, Moscheies, L. Ber-
fet und das H moll - Capriccio von Mendelssohn hören
essen, und erwähnen die von den Fräul. Hennigsen,
Jacobiy Haubold und Anton gesungenen Mozarf sehen
und SpoAr'schen Arien und ein Duett von Rossini. In-
teressant war demnächst ein von einem Zöglinge, Herrn
Dupont aus Rotterdam, componirtes und von ihm und
den Herren Hörn, v. fVarilewsky und Marcus vorgetra-
genes Streichquartett, und eine von dem ausserordentli-
chen Lehrer am Conservatoriuro, Herrn Mu&ikdirector E.
F. Richter, componirte Hymne für Solo und vierstimmi-
gen Männerchor, welche den Schluss des Ganzen bildete.
Sämmtlicbe Leistungen fanden reichen und aufmunternden
Beifall; besonders überraschte der junge Aug. Gockel
aus Willibadessen durch eine für sein Alter bemerkens-
werthe Sicherheit und Selbständigkeit in Auffassung wie
Ausführung des sinnigen und schweren Mendelssohn'schen
Capriccio. Wir hegen die besten und aufrichtigsten Wün-
sche für das fernere Gedeihen dieser schon jetzt blühen-
den Kunstanstalt und sind der festen Ueberzeugung, dass
sie bei fortgesetztem strengen Verfolgen ihres erhabenen
Zieles, und besonders wenn ihr tüchtige Lehrer nie feh-
len, bald schöne Früchte für die Tonkunst überhaupt tra-
gen wird.
(Besohluss folgt.)
Leipzigs den 2. November 1844. Viertes Abonne-
mentconcert, Donnerstags, den 31. October. — Cantate
für Chor und Orchester: „Ein' feste Burg ist unser Gott,"
von J. Sebastian Bach. — Ouvertüre von Beethoven
(Cdur, No. 124). — Scene und Arie mit obligater Vio-
line von Mozart, gesungen von Fräul. Caroline Mayer,
erster, Sängerin am hiesigen Stadttheater. — Lobgesang,
Symphoniecantate nach Worten der heiligen Schrift, von
F. Mendelssohn Bartholdy (die Soli gesungen von Fräul.
Mayer, Fräul. Hennigsen und Herrn fF idemann, erstem
Tenoristen am hiesigen Theater). —
Das Zusammentreffen des Reformationsfestes mit dem
für das vierte Abonnementconcert bestimmten Tage hatte
unser Concertdirectorium veranlasst, an diesem Abende
grösstenteils solche Musikstücke zur Aufführung zu brin-
gen, welche theils, durch die Geschichte ihrer Entstehung
mit dieser Feier zusammenhängen , theils durch den un-
terliegenden Text in gewisser Beziehung zu deren Be-
deutung stehen. Denn wenn es einerseits nach den in
No. 28 des diesjährigen Jahrganges dieser Zeitschrift ent-
haltenen Mittbeilungen als bekannt vorausgesetzt werden
kann, dass Bach die Cantate über den Luther*8cbea Cho-
ral: „Ein' feste Burg ist unser Gott" zum Vortrage am
alljährlichen Reformationsfeste bestimmt hat, so schildert
andererseits der „Lobgesang" Mendelssohn' s, wenn er
anch speciell für die am 24. , 25. und 26. Juli 1840 in
Leipzig begangene Jubelfeier der Erfindung der Bacfadru-
ckerkunst componirt wurde, doch allgemein in erhabenen
Zügen das endliche Anbrechen des Lichts der Glaubens-
freiheit nach langen Drangsalen der Nacht und Finster-
niss und den begeisterten Dank der gläubigen Gemeinde
für die dadurch offenbarte Gnade des Allerhöchsten. Die
sinnige Wahl dieser Werke spricht nach dem Gesagten
für sich selbst und wir fühlen uns dafür den Leitern der
Concertanstalt hoch verpflichtet.
Und in der That wird nicht leicht ein Musikstück
einen gleich erhebenden Eindruck machen, wie die er-
wähnte IfacA'sche Cantate in ihrer christlichen, ja spe-
ciell protestantischen, prunklosen und doch grossartigen
Würde und Entschlossenheit hervorzubringen vermag. Nach-
dem der erste Vers des Liedes in wunderbaren, fest un-
auflöslich scheinenden Verwickelungen tind Verscblingun-
gen der Stimmen die „gross 9 Macht und viel List des
alten bösen Feindes'* ergreifend geschildert bat, erschallt
im zweiten der die Grundlage des Ganzen bildende rein
vierstimmige Choral, der im dritten Verse im starren
Unisono, umspielt von verlockenden Klängen der Instru-
mente, gewissermaassen den mutbigen , vertrauensvollen
Kampf des Glaubens gegen der Welt Versuchungen ver-
, sinnlicht, bis er sich endlich im vierten Verse in weiter
Harmonie zum Triumphe über den errungenen Sieg auf-
schwingt. So viel uns bekannt ist, hat Bach den zwei-
ten Vers zu einer Sopranarie benutzt und daran ein
Bassrecitativ und eine zweite Sopranarie, mit anderem
zum Luther'sohtn Liede nicht gehörigen Texte, gefugt,
und endlieh nach dem dritten Verse ein kurzes Tenor-
recitativ und einen zweistimmigen Chor eingeschaltet.
Diese bezeichneten Nummern fielen weg und an deren
Stelle trat, wie bemerkt, der einfache, von allen Stim-
men ohne Begleitung gesungene Choral. Nach unserem
Dafürbalten schadete diese Abänderung dem Eindrucke
des Ganzen keinesweges ; sie erhöhte vielmehr denselben,
indem dadurch die ausdrucksvolle Macht des Cborgesan-
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ges ohne Unterbrechung das Bild des furchtlosen Strei-
tes vollendete.
Die grosse Beethoven'ache Ouvertüre, über deren
hohen Werth uns hier weitläufig auszusprechen, wir für
überflüssig halten, wurde untadelhaft ausgeführt.
Der Beifall, den sich Fräul. Mayer durch ihre vor-
trefflichen Leistungen auf unserer Bühne mit Recht er-
worben hat, wurde derselben auch nach der Mozart -
sehen Arie: ,,Non temer, amato bene" etc. in überaus
reichem Maasse zu Theil. Ihre mit einem eigenthümli-
chen Reize begabte, zum Herzen sprechende Stimme, ihr
edler und natürlicher Vortrag, der eben so ein Beherr-
schen des Stoffes, wie eine ausgezeichnete musikalische
Bildupg bezeugt, gewährten einen Genoss, wie ihn eben
nur eine wahrhaft künstlerische Leistung zu bieten ver-
mag. Referent kann bei dieser Gelegenheit nicht umhin,
rühmend der Liberalität der dermaligen Theaterdirection
zu gedenken, welche den für die Bühnenvorstellungen
engagirten Sängern und Sängerinnen gegenüber von ei-
nem Verbote des Auftretens in den regelmässigen Ge-
wandbausconcerten absiebt, und er gründet auf diese im
Erdachten Falle gemachte willkommene Erfahrung die
offnung, dass es dem Concertdirectorium gelingen werde,
Fräul. Mayer noch öfter in diesem Winterhalbjahre für
den Sologesang zu gewinnen. — Die obligate Violinbe-
gleitung der Arie hatte Herr Goncertmeister David über-
nommen, der durch discretes Spiel wiederholt seine wahre
Künstlerschaft betbätigte. —
Mendelssohn 9 * Lobgesang bat sich bereits auch an-
derwärts die grösste Anerkennung als eines der wenigen
Meisterwerke neuerer Zeit erworben, und ist schon in
früheren Jahrgängen dieser Blätter so ausführlich bespro-
chen worden, dass wir wohl nicht Gefahr laufen, der
Oberflächlichkeit in unseren bescheidenen Berichten und
des Mangels an geistiger Erregbarkeit als Zuhörer be-
schuldigt zu werden, wenn wir uns über diese unver-
gleichliche Composition hier kurz fassen. Es genüge da-
her nur die Erwähnuog, dass das Werk auch diesmal die
schönste und grossartigste Wirkung hervorbrachte und
mit stürmischem Applaus aufgenommen wurde. Was die
Ausführung anlangt, so war dieselbe, einige Schwankun-
gen und einen hier und da bemerkbaren Mangel an Ruhe
und Sicherheit in den Instrumenten, namentlich in den
der Cantate vorausgehenden Symphoniesätzen, abgerech-
net, eine sehr geluogene. Der Dank dafür gebührt unter
Anderem einer Anzahl hiesiger Dilettanten, die in Ver-
bindung mit den Thomanern die Chöre, sowohl in der
IfacA'schen Cantate, als im Lobgesange, übernommen hat-
ten, und zunächst den Damen Mayer und Hennigsen,
so wie Herrn Widemann, Mitgliede unseres Theaters,
welche die Solopartieen vortrugen. Hätten die Letztge-
nannten den kirchlichen, frommen Geist, der die ganze
Composition durchdringt, noch etwas tiefer erfasst und
mehr wiedergegeben, so würden sie sicherlich ihren Lei-
stungen einen noch grösseren inneren Werth verlieben
haben; denn die ächte religiöse Begeisterung, die ein
solches Werk schuf und mit der es dargestellt sein will,
lässt sich durch den profanen Ort, an dem es zur Auf-
führung gelangt, nicht alteriren. Nun war der Solo Vor-
trag zwar weder ein kalter, noch ein theatralischer ; al-
lein die wahrhafte Empfindung, die in Stellen der Ruhe
und des Friedens sich dennoch von innerer Wärme durch-
drungen zeigt, bei wachsender Begeisterung und Leiden-
schaft aber immer in den Grenzen der frommen Erge-
bung bleibt, glaubten wir doch zuweilen zu vermissen.
Das vermochte jedoch nicht den Eindruck der Befriedi-
gung zu schwächen, den uns die Aufführung hinterlassen
hat, und gewiss Viele wünschen mit uns die Wieder-
kehr eines solchen Genusses, wie dieselbe und überhaupt
dieser Concertabend bereitet hat. L. R.
Am 16. October veranstaltete unser genugsam be-
kannter Orgelvirtuos und Lehrer am Conservatorium
Herr C. F. Becker, auf besondere Einladung, im Ver-
eine mit Herrn A. G. Ritter, früher Organist in Erfurt,
jetzt als solcher am Dom zu Merseburg angestellt, ein
Orgelconcert in der St. Moritzkirche unserer Nachbar-
stadt Halle.
Die zwei Abtheilungen des Programms brachten:
1) Freies Präludium von C. F. Becker. 2) Fuge von
Bach. 3) Variirter Choral von Becker. 4) Adagio von
Ritter. 5) Fuge von Händel. 6) Freies Präludium ron
Ritter. 7) Fuge von Bach. 8) Variirter Choral von Rit-
ter. 9) Adagio von Becker. 10) Fuge von Krebs. 11)
Fantasie zu vier Händen von Mozart. No.. 1, 3, 5, 7,
9 von Herrn Becker, No. 3, 4, 6, 8, 10 von Herrn
Ritter vorgetragen. Herrn Becker" s Leistungen waren,
wie bekannt , eben so trefflich , als wie schon oft davon
berichtet wurde. Im freien Präludium und Choral des
ersten Theiles hatten wir wieder Gelegenheit, uns sei-
ner eigenthümlichen Behandlung des Gegenstandes so
wohl, als des Instruments, so wie bei den Fugen seine?
grossen Meisterschaft im Vortrage derselben zu erfreuen
In dem Tempo, wie er die prächtige Doppelfqge ii
Hmoll von Händel, so wie die* in Cmoll (aus den Exer*
citien für Ciavier) von Bach spielte, machen dieselbe!
einen unbeschreiblichen Eindruck; wenn dieses Tempo,
das einzig rechte, nur um ein Weniges gemässigt odei
erhöbt würde, verlören diese Tonstücke sicher um ein
Bedeutendes an ihrer Kraft und Macht. Herr Ritter, uns
schon von früher bekannt durch eine hier gegebene Or-
felunterbaltung, stand unserem Becker würdig zur Seite,
m freien Präludium sprach sich sein schönes Talent deut-
lich aus, Kraft, Feuer, Gedankenfülle wohnten ihm inne ;
der variirte Choral gab zu interessanten Beobachtungen
hinsichtlich der Auffassung und Durchführung Gelegen-
heit; in der Zfac/t'schen Fuge, Cmoll aus den sechs
grossen Fugen (die Krebs' seht blieb zufällig weg), ent-
faltete er seine bedeutende Fertigkeit und Sicherheit, in-
dem selbige, bei dem wohl schnellsten sich mit ihr ver-
tragenden Tempo, mit einer Präcision und Energie ge-
spielt wurde, die ihm unsere volle Achtung gewann. Mo-
zarts herrliches Werk, die Fantasie in rmoll, ganz für
die Orgel geschaffen ," klar, verständlich für Jedermann,
dabei voll der grossartigsten Wirkungen und vom gross-
ten Interesse für den Kenner, von beiden Herren mit der-
selben Bestimmtheit und Umsicht wie die anderen Ton-
Stücke vorgetragen, bildete den würdigen Schluss des
7S0
1844. November. > T o. 45.
760
Concert*. Die Orgel der Merilxklrche , neuerdings aas
der Werkstatt, des bekannten Orgelbaumeisters Schulze
in Pfculinzella hervorgegangen, bat sowohl beim vollen
Werke eine ungeheuere Kraft, als auch im Einzelnen
sehr schöne Stimmen, obwohl bei einigen derselben uns
die Intonation etwas rauh vorkam. Die Kirche selbst ist
aber den Tönen wenig sonstig; bei dem vollen Werke
entsteht eine so gewaltige Brechung derselben in dem
grossen Räume, die fast an Zerflossenheit und Unvcr-
ständlicbkeit grenzt, das« man nur auf manchen Puncten
dieses im überaus edlen Style aufgeführten Bauwerkes ein
klares Verständniss gewinnen kann. H. S.
EUlLLETOlf.
An 1. November starb m Weimar der Chor- und Musikdi-
rector Herr A. F. Häser, seit vielen Jahreo ein getreuer Mitar-
beiter dieser Zeitung. Ausführlichere Nachrichten über den als
Mensch and Künstler gleich tüchtigen Mann wird sein Necrolog
ia einer unserer nächsten Nomnern bringen.
In Berlin starb jüngst der Sanger Eunicke, weiland eine Zierde
des dasigen Boftbeaters.
Der Baasist Dettmer ia Dresden bat von mehreren Polen einen
silbernen Pokal erbalten, als Anerkennung für seine treffliobe Dar-
stellung des alten Feldherrn.
Ank flndigan gen.
Unsere auf das Beifälligste aufgenommene kleine M usikaeituug :
Blätter für Musik und Literatur,
deren Auflage sich in dem laufenden fünften Jahrgänge auf eine
Höhe Ton nahe an 1800 Exemplare geschwungen hat, behauptet
•ich als das wohlfeilste und weitverbreitetste musikalische Organ
und wird auch für das nächste Jahr in gleieher Tendern i beleh-
rende Unterhaltung, fortgesetzt.
Den Inhalt bilden, wie bisher, musikalische Gharactere berühm-
ter Gomponisten und Virtuosen; musikalische Zustände der vor-
nehmsten Städte; Aufsätze, Kritiken und besonders Notizen über
Alles, was sich im In- und Auslande Wichtiges nnd Interessantes
in musikalischer Beziehung inträgt; dagegen sollen Persönlichkei-
ten, Ironie, Witzeleien auf Unkosten der Ehre und des guten Rufs
Anderer nnserm Blatte auch ferner fremd sein und ausgeschlossen
bleiben. Ferner geben wir von Zeit zu Zeit Kupfer- uud Musik-
beilagen alt Prämie unentgeldlich , tetzen eine Prämie auf Como-
sitionen aus u. s. w. Gewichtiges interesse erhall unsere Zeit-
schrift daher noch als Organ des JVorddeuttcheit WtlSifc-
Vereins und Preis - Instituts , dem fortlaufende Be-
richte und Preisaussehreibungen vollttändige Aufnahme finden, wo-
durch unsere kleine Musikzeitung jedem wahren Musikfreunde,
namentlich aber Musikern von Fach, welche mit den Fortschritten
der Kunst bekannt bleiben müssen, fast unentbehrlich wird.
Der Jahrgang erscheint in 52 wöchentlichen Nummern , gibt
Ton Zeit zu Zeit Bildnisse und Compositionen als Beilage und mo-
natlich den Anzeiger aller nenersehienenen Musikalien zn nur
i| Thaler.
Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen nn
nnd geben Probeblätter gratis, in Itzehoe Nissen, in Hamburg die
Verlagshandlung Schuberth $* Comp.
Stuttgart Wir haben ein ganz Tollständiges Exemplar der
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tung seit ihrem Entstehen (5. October 1798) bis inel. 1844
nebst Register zu Jahrgang I — 20 ganz neu , in Halbfranz-
band mit Titel (Jahrgang 1844 roh),
C&elll*, Zeitschrift für die muftlltal. Welt
seit ihrem Entstehen 1824 — 1859 inclus. Cartoon, wie neu,
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seribenten dem Werke vorzudrucken beabsichtigt wird» so bitte
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Ton C. Krebs, Präses des Norddeutschen Musik - Vereins. Ein
starker Octavband sauber brochirt Preis !•} Thlr.
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die deutsche Bühne bearbeiteten Oper 99 Die Br&llte von
Venedig" ausserhalb Englands gänzlich an die HaUbergcrtche
yerlagshandUng in Stuttgart abgetreten habe, so bitte ich hiermit
die ▼erehrliehee Theaterdirectionen, welche darauf reAeetiren woll-
ten, sieh nn die benannte Verlagshandlnng unmittelbar zn wen-
den, von welcher allein Textbuch, Partitur nnd Clariernnasng
rechtmässiger Weise zn erlangen sind.
Julia« Benetztet, Capellmeister des konigi. Theaters
Drniy Lane in London.
— — Tönte für das Pianoforte. 20 Ggr.
Druck and Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig nnd unter deren Verantwortlichkeit.
761
762
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
IMHMMMMMlHMMta
Den 13**" November.
M 46.
1844.
Inhal« I Retetuittttn. — Nmthntktm: Aus Leipzig. — FemUttan. — 4*kündig** 3 e».
R
ECEN8IONEN.
Gesänge für Männerstimmen.
Zeiten des Friedens und der Rahe, wie die ansen-
gen, begünstigen das Gedeihen der Wissenschaften nnd
Künste, wie befruchtender Sonnenschein und Regen das
Gedeihen der Vegetation* die dann freilich neben golde-
nen Saaten und duftreichen Blüthen auch Gänseblümchen,
Pilze und allerlei Aftergewäobse in ihrem Gefolge hat.
Wer mag ibr J s wehren? So ist auch die Vegetation des
Männerg«sanges , die in unserer Zeil so üppig empor-
schiessende, nicht immer eine gleich erquickliche und
gleich erfreuliche — für Jedermann. Und kann sie es
auch wohl sein? Stehen nicht die unzähligen Männer-
Gesangvereine unserer Zeit auf sehr verschiedenen Stufen
der wissenschaftlichen und der Kunstbildung? Man darf
nur einigen grösseren Männergesangfesten beigewohnt
haben» um zu erkennen, wie weit diese Stufen von ein-
ander abstehen und welche weite Kluft folglich auch zwi-
schen den musikalischen Bedürfnissen derjenigen befind*
lieh ist, welche sie gerade einnehmen. Da hat sich in
einzelnen Vereinen der Männergesang in bewundernswür-
diger Klarheit , Sicherheit und Präcision zu einer Höhe
verklärt, von Welcher die Stimmen mit wahrem Geistes-
bauche uns anwehen und den Weg finden zu den inner«
sten Tiefen des Herzens, während in anderen fast nur
die physische Macht des Tones sich geltend macht, und
wiederum andere auch diese kaum in voller Reinheit re-
präsentiren. Diesem Vereine gelten keine Schwierigkei-
ten als unüberwindlich, ja die grössten werden spielend
leicht bewältigt, während einen anderen schon ein klei-
nes Häuflein von Been und Kreuzen in Furcht und Schrecken
setzt und jede auch nur einigermaassen über das ganz
Alltägliche hinausgehende Modulation so zu sagen aus dem
Häuschen bringt. Manchen einzelnen genügt nur das Tief-
*te, Feinste, Zarteste in der Kunst, das sie mit vollende*
ter Gewandtheit wiederzugeben wissen, während andere
Bich lieber an derbere Speise halten mögen und einen
kraftigen Scherz, aus dem Alltagsleben gegriffen, ein
hausbackenes Trink- oder Liebeslied allem Anderen vor-
ziehen un<| mit ihren Abgehärteten, in Frost und Hitze
gestählten Stimmen feinere zartere Blumen der Poesie
nnd Musik so hart angreifen, wie mit Fäusten. — Und
doch wollen alle — alle singen, viel singen und vieler-
lei i Und sollen sie es nicht? Soll und darf man den
*•• Jahrgang.
Kukkuk, weil er nicht singt und singen kann wie Bülbül,
den Schnabel verbieten ? Alle wollen und verlangen nun
aber ihre Kunstspeise, ihr Kunstfatler, und war' es auch
nur Hafer und Häckerling. Es sind nicht alle Zungen
gleich wählerisch. Das Alles wissen nun die Herren Gom-
ponisten recht gut und tragen freundlichst Sorge, deo
verebrlichen Gesangvereinen fortwährend allerlei niedli-
che und feine, aber auch mitunter derbe Speise — tüch-
tige Hausmannskost aufzutischen, damit keiner leer aus-
gehe. Die Kritik aber kann, solchen Festtischen und Fest-
mahlen der Liedertafeln und Gesangvereine beiwohnend,
wenn nnu ein Gang der Gerichte — Austern and Rost-
beef, Schinken und Grames — nach dem anderen aufge-
tragen wird , am Ende nichts Anderes thun , als sagen :
Prosit, meine Herren — und dabei zulangen, was ihr
selbst am Besten mundet, ohne hartnäckig die Forderung
zu stellen, dass Alle nur an ein und dasselbe Gericht
geben sollen — was am Ende bei allem Notlügen, Schel-
ten und Raisonniren doch nicht geschieht.
So wollen wir denn auch hier an eine reich besetzte
Liedertafel geben und nicht ein gar zu saures Gesicht
machen , wenn Manches darauf gerade nicht nach unse-
rem Gusto ist.
1) Sechs Lieder für 4 Männerslimmetf, componirt und dem
Zöllner'schen Gesangvereine in Leipzig gewidmet von
A. E. Marschner. Op. 15. Hannover bei Bachmann.
Preis 1 Tblr.
Ein guter Gang von sechs Schüsseln , die Wir sämmt-
lich schmackhaft gefunden. Siebeissen: „Schlummerlied",
„Weinlied", „Abschiedsabend", „Vor der Schlacht",
„Jägers Aufenthalt" und „Soldatenlied". Einige dieser
Lieder sind recht frisch und freudig aus der Brust heraus-
gesungen und voll warmer innerer Bewegung der Stim-
men. Fast alle setzen höbe Tenore voraus, wie man sie
leider nicht fiberall findet.
2) Nacbtklänge der Liebe. Fünf Gesänge für 4 Männer-
stimmen, componirt von Karl Zollner. Leipzig, bei
Fr. Hofmeister. Preis 1 Tblr.
Ein feines, kostbares Gericht, das wir tüchtig ge-
bildeten, genau zusammen geübten Vereinen, die sich be-
reits an Höherem, Edlerem mit Glück versucht haben, an-
gelegentlichst empfehlen können. Diese Gesänge: „Marsch
in der Nacht" (etwas zu weit ausgesponnen) , „Nacht-
gesang 44 , „Gute Nacht", „Ruhe süss Liebchen!" und
„Andenken", eignen sieh ganz vorzüglich für schwärme-
46
765
1844. Noyember. No. 46.
764
risch-geföbl volle , ritterlich-galante Herren zu Ständchen
für feine Damen, deren Herzen sicherlich dem sanften
sommernächtlichen Zauber, der auf diesen in ihrer Art
trefflich gelungenen Compositionen ruht, nicht widerstehen
werden.
3) Liebe. Religiöser Chorgesang von Hoffmann von Fallers-
leben. Für Männerchor componirl von A. Zöllner. Mit
Begleitung von 2 Hörnern und 2 Posaunen ad libitum.
Preis der Partitur mit lnstrumefilalstimmen 7y 2 Sgr.,
jeder Singstimme 1% Sgr.
Ist auch dieser Gesang nicht kirchlich religiös ge-
balten im strengeren Sinne des Wortes, weder dem Texte
noch der Musik nach, so atbmet er doch fromme Em-
pfindung und ist solchen Vereinen, die dann und wann
auch das Ernstere und Höhere in den Bereich ihrer Kunst-
bestrebungen ziehen mögen, bestens zu empfehlen, indem
er mit anerkennungpwerther Gewandtheit geschrieben und,
bei massiger Schwierigkeit, sehr ansprechend gehalten ist
und, zumal bei stärkerer Besetzung, sicherlich einen gün-
stigen Eindruck hervorbringen wird.
4) Lieder für vier Männerstimmen, componirt von Louü
Huth. Cab. I. 5 Lieder. 1 Thlr. Cah. II. 5 Lieder von
L. Tieck. % Thlr. Hannover bei Bacbmann.
Die Ueberschriften dieser Lieder sind folgende : (Ca-
hier I) Dem frohen Vereine. Noah's Fass. Das Vöglein.
Die Rückkehr. Der Doctor Wein. (Gabier II) Andacht.
Ferne. Tugend und Teufel. Jagdlied. Schlummerlied. Man
sieht, dass hier für Scherz und Ernst gesorgt ist, und wir
dürfen wohl sagen: gleich gut, so dass sich die meisten
dieser Lieder überall einer günstigen Aufnahme zu er-
freuen haben dürften. Nur No. 5 in Cah. 1 „Der Doctor
Wein" erinnert in den Partieen:
1
und:
Zwei Jahr lang Bischof Bo-he-mund am
r;
l £ } j* > * j* } j*
dem
soll - teo rei - che 6a - beo sein, auch
zu sehr an einen gewissen Ton, den wir hier nicht nä-
her bezeichnen wollen. No. 2 in Cah. II „Die Ferne"
ist in 9er Composition doch etwas gar zu kurz wegge-
kommen. Hier wäre wohl eine weitere musikalische Aus-
malung des Textes am rechten Orte gewesen. Das „Jagd-
lied M in demselben Hefte ist dagegen vorzüglich gelun-
gen. Das Voce di bocca in No. 5 „Schlummerlied" ist
zu sehr verbraucht, als dass wir ihm noch sonderlichen
Effect versprechen dürften? .wiewohl es gerade hier zweck-
mässiger angewendet erscheint, als es von vielen Ande-
ren in anderen Fallen geschehen ist.
5) Gesänge für Männerchor von W. Speier. Op. 44.
No. 2. Schlachtgesang von Theod. Creüxenach für
Doppelchor mit Begleitung von zwei Ventil trompeten.
Mainz, bei Schott's Söhnen. Preis 1 Fl. 30 Kr.
Auch hier wieder, wie schon oben in No. 1, dem
Marscbner'schen Hefte, ein Schlacbtlied. Wir wollen nicht
fürchten, dass sich das als böses Omen geltend ma-
chen werde, denn wir haben die Greuel und Schreck-
nisse des Krieges zu nahe und zu vielfach gesehen, um
ihre Erneuerung wünschen zu können, und sind nicht ge-
sonnen, in das „Wie lagen wir in Graus und Nacht so
lang, Gottlob ! dass wieder Ruf zur Schlacht erklang ! "
einzustimmen, wiewohl wir gestehen müssen, dass die
Composition voll Feuer und Leben und wohl gelungen
sei. Bei starker Besetzung zumal wird sie von kräftigem
Eindrucke sein, und wir können sie vorzüglich Militär-
singchören als eine schätzbare Gabe des Verfassers em-
pfehlen.
6) Die Rheinländer. Heitere Chorgesänge und Quartette
für Männerstimmen. Heft VII. Makrobiotik, Scherzge-
dicht von Leasing. Der Scbuss, Burleske von Goe-
the, componirt von A. Methfessel. Ebendaselbst.
Preis 1 Fl. 48 Kr.
Beide hier gebotene Gesänge sind dankenswerte Ga-
ben der bekanntlich auf dem Gebiete des Heiteren, Scherz-
haften und Humoristischen sich stets mit grossem Glücke
bewegenden und daher überall gern gesehenen Muse des
geehrten Verfassers. Beide setzen gewandte, wohl zusam-
tnengeübte Chöre voraus. Gut vorgetragen wird beson-
ders Goetbe's „Paff! 's ist ein Scbuss gefallen, mein, sagt,
wer schoss da drauss?" von unvergleichlich komischer,
das Zwerchfell durch und durch erschütternder Wirkung
sein. Vorzüglich werden dabei die von dem Verfasser
ausdrücklich vorgeschriebenen Bockstriller einen ganz ab-
sonderlichen Effect hervorbringen.
7) Heitere Lieder für vierstimmigen Männergesang von
Aug. Schaff er. Op. 8. Cah. IV. Die Sonntagsreiter.
Preis % Thlr. Cab. V. Die feinen Gesellen. z / s Thlr.
Berlin, bei Schlesinger.
Auch Herr Sebäffer bat die vis comica seiner Ge-
sangmuse hier aufs Neue betbätigt und vorzüglich die
„ Sonntagsreiter ** dürften sich Freunde erwerben, wäh-
rend wir nicht anratben können, „Die feinen Gesellen"
etwa vor dergleichen Herren seltot vorzutragen. Sie dürf-
ten sich sonst leicht bewogen fühlen, den Gesang mit
einer freiwilligen Prügelsuppe zu belohnen — ein Kunsl-
sold, der sicherlich nicht zu den gesuchten gehört.
8) Sechs Lieder für vier Männerstimmen, componirt von
Berthold Gantzert. Hannover, bei Bachmann. Preis
22 Ggr.
Auch diese Sammlung bietet in Ernst und Scherz
manches Gute, wenn auch nicht gerade Ausgezeichnetes,
Hervorragendes, das überhaupt sich selten macht. Die dar-
gebotenen, grösstentheils nur kurzen Gesänge tragen fol-
gende Ueberschriften: „Die Ferne" von Eckennann.
657
1844. November. No. 46.
766
„Am Bach«" von demselben. „Das deutsche Kleeblatt"
von Mithoff. „Die Heimath." „Nachtlied." „Jigerlied."
8) Ernst und Scherz« Originalcompositionen für grosse
und kleine Liedertafeln. No. 2. Preis 6 Sgr. Jede
Stimme kostet 2% Sgr.
Das vorliegende zweite Heft dieser bereits beifällig
in diesem Blättern angezeigten Sammlung enthält 1) „Ein
Königswort" von A. Neithardt. 2) „An der Katzbach,"
von demselben. 3) „Sehnsucht" von Conradin Kreutzer.
4) „Wanderlust" von demselben. 5) „Müller und Schnei-
der" von A. Zöllner. 6) „An die Kunstgenüssen" von
H. Truhn. Die Namen der Componisten leisten für den
Werth der Compositionen hinlängliche Bürgschaft. —
Für Pianoforte solo und zu vier und acht
Händen.
Packer, J. A. , Trois Etudea de Salon. Op. 3. Wien,
Haslioger. 1 Fl. 15 Kr.
Die erste dieser Etüden „La Sentimentale," neben-
bei noch „Das Abendgeläute" überschrieben, soll wohl
eigentlich die Empfindungen bei demselben» nicht das
Abendgeläute selbst schildern, obwohl diese Figur:
W+ I M
genugsam daran denken lässt. Genannte Figur ist durch
das ganze Tonstück beibehalten, und wenn auch nicht
neu, verleiht sie doch demselben, zumal da die Melodie
zumeist in der linken Hand liegt, einen sehr weichen, zar-
ten Character. Die zweite „La brillante" ist mehr Bra-
vourstück, besonders wenn das Tempo giuslo, welches
Jedem den Grad der Schnelligkeit überlässt, vivace ge-
nommen wird; sie fordert ziemliche Fertigkeit und ist
sehr übend. Die dritte „L'bäroique" hat uns am Meisten
zugesagt; Schade nur, dass eine solche Stelle:
jsÜ
%
darin Platz gefunden hat, denn solche Schlüsse vernich-
ten die Wirkung der Periode, wenn diese auch noch so
hübsch erfunden ist. Alle drei Etüden empfehlen wir ge-
übten Spielern zur Berücksichtigung; obgleich mit eini-
gen Dingen nicht recht einverstanden, welche wir unbe-
rührt lassen wollen, da es bei Salonstücken meist auf
Effeclmachen ankommt, erklären wir sie doch für bessere
Erzengnisse der modernen Richtung, indem sie nicht Flit-
terwerk sind, sondern Melodie haben.
fPielhorsky, Comte J., Grande Fantaisie snr des motifs
du Pirate. Op. 13. Preis 1 Thlr.
— — 3eme Impromptu. Op. 14. Leipzig, Breitkopf et
Härtel. Preis 12V a Ngr.
Die Fantasie ist ein Musikstück, welches bedeutende
Schwierigkeiten enthält, die nach dem Ende zu sich im-
mer drohender gestalten ; Grund genug für unsere begie-
rigen Ciavierspieler, sich damit einzulassen, und damit
vielleicht öffentlich zu brilliren. Vieler unserer jetzigen
Virtuosen Losung ist : Je toller, je besser ! Seele, Geist,
Melodie, sind ihnen fremde Erscheinungen, nur ist es da-
her höchst betrübend für den aufrichtigen Künstler, die
Früchte dieses Strebens immer als neue Missgeburten,
Ungethüme u. s. w. emporschiessen zu sehen.
Der Verfasser dieser vorliegenden Fantasie hat klang-
bare Bellini'sche Themata gewählt, und obgleich er die-
selben mit allem Prunke der Jetztzeit umgeben hat, so ist
doch sein Streben ein edleres, als das so eben berührte,
indem Zusammenhang, Gefühl und Geschmack in dem
Werke anzutreffen sind, so dass es tüchtigen Spielern
sowohl, als auch Anderen von Interesse sein dürfte.
In dem Impromptu begegnen wir dem Verfasser auf
eigenen Wegen; wiewohl ein kleines Tonstück, gibt es
uns jedoch Uebersicht von dessen Geschmack und musi-
kalischer Befähigung. Diese Eigenschaften sind zwar nicht
zu verkennen, aber eben so wenig ein Suchen, modern
zu. erscheinen, was manchmal, z. B. S. 5:
^jnmgsr
die Melodie beeinträchtigt und zu vermeiden gewesen wäre.
Meyer, Leopold de, Valses brillantes. Wien, Haslingcr.
45 Kr.
Diese Walzer gehen uns ein trauriges Bild des jetzi-
gen Virtuosenthums. Wo ist da ein vernünftiger Sinn?
Alles geschraubte Schöntbuerei, herzlose Harmonie.
Eine zwei Seiten lange, nichtssagende Introduction
eröffnet den Reigen der fünf Walzer; in Bdur wird an-
gefangen und iu Gesdur geschlossen; Alles aufs Mo-
dernste.
Uns scheint aber überhaupt der Verfall der Kunst
seinen Culminationspunct erreicht zu haben; es kann
kaum noch widerwärtiger geschrieben werden,, als man
taglich zu Gesicht bekommt; doch dies Alles würde nach
und nach wieder besser werden, wenn die Herren Cla-
viercomponisten sich mit etwas mehr, als mit ihrem In-
strumente, welches ihnen meist die Compositionen liefert,
beschäftigten.
Fesca, A., Seine de Bai, moreeau de Salon ä 4 mains.
Op. 14. 1 Thlr. 4 Ggr.
707
1844. Norenber. No. 46.
768
Fesoa, A.> La M&anoolie, pitce earaetäristique & 4 mains.
Op. 15. 16 Ggr.
— — Fantaisie et Variation* sur Le cor des Alpes k 4
mains. Op. 17. 1 Thlr. 8 Ggr. SMmmtlich bei C. M.
Meyer jun. in Braunschweig.
Dieser Componist leidet ebenfalls an der Fantasie-
and Morceaa de Salon - Epidemie, nur noch nicht in dem
Grade, als sein Vorgänger. In Op. 17 stellt sich die Rich-
tung desselben am Deutlichsten heraus ; es ist unter den
drei Stücken das schwächste. Op. 15 klingt recht gut
und bat uns am Meisten gefallen, obgleich sich der Ver-
fasser in der Ballscene am Natürlichsten gibt, welche
auch recht Hübsches enthält.
Alle drei Stücke dürften gern gespielt werden, da
sie mitunter recht schöne Melodie enthalten, dabei den
Fingern etwas zu tbun geben und aus diesen Gründen
dankbar für den Spieler sind. Wir haben aber zu bemer-
ken , dass wir den Verfasser lieber auf anderen Wegen
erblicken möchten; denn wir erkennen aus der „Melan-
cholie," dass er bei festem Willen recht Gutes leisten
würde ; zu dem Ende bat er sich vor den süssen Modu-
lationen und ScblussfSllen der Perioden, so wie vor ver-
zwickten Harmonieen zu hüten. Also gebe uns derselbe
in späteren Werken: schöne Form und Melodie, klare
Harmonie ohne Uebertreibung, Gliederung und Durchfüh*
rang seiner Sätze, und wir werden ihm dann unsern gan-
zen Beifoll nicht versagen.
fVichmann y H.> Sonate. Op. 1. Berlin, Trautwein. 25Sgr.
Es ist recht erfreulich und wohlthuend zugleich, dann
und wann , nach beschwerlichen Märschen durch Fanta-
sie- und anderes Gestrüppe, in fruchtbare, angebaute Ge-
genden zu kommen, mit einem Worte, einmal wieder auf
Musik zu stossen. Vorliegendes Op. t heissen wir in
letzter Beziehung herzlich willkommen; es zeugt von
rechtem Willen , und dieser allein ist uns schon von
grossem Werthe. Die vier Satze desselben (Allegro agi-
tato,%, Gmoll. Andante,«/*, Es dun Scherzo, %, G molL
Allegro molto, %, Gmoll) sind sehr melodisch und
schwunghaft, nur hätten wir zu bemerken : dass uns im
ersten Satze das Octavenmotiv zu lange anhält und zu
viel benutzt wird, im dritten die Grundlonart nicht ganz
erwünscht kommt , im Trio desselben und im Hauptmo-
tive des Finale* schon gehörtes Mozart- Beethoven sches
angewendet wurde.
Doch übergeben wir das ! in ferneren Werken wird
der Componist sich schon noch anders finden lassen ; wir
sind mit diesem Anfange vollkommen zufrieden, und wün-
schen, dass er die eingeschlagene Bahn nie verlassen
möge. Es gehört dazu in heuliger Zeit ein fester Wille,
sich durch Nichts täuschen zu lassen, sondern mit Be-
harrlichkeit nach festendem Studium immer an Tüchtig-
keit zunehmend» nur dem Guten nachzustreben, das We-
sen der Kunst immer mehr verstehen zulernen, um dann
durch die Tbat beweisen zu können : dass man es, wenn
auch nur einigermaassen , begriffen habe, welch' hohe,
himmlische Göttin die Kunst ist.
Beethoven, Ouvertüre zur Oper Rdelio gm 8 Händen ein-:
gerichtet von G. M. Schmidt. Leipzig, Breitkopf und
Härtel. 1 Thlr.
Es bedarf nur der Anzeige des Erscheinens dieses
herrlichen Beethoven'schen Werkes, der Ouvertüre in
Edur, welche in dieser Gestalt Vielen sehr erwünscht
kommen wird. Das Arrangement ist eben so gelungen
und vollkommen, wie wir es in einer der letzten Num-
mern dieser Blätter an der Leonoren- Ouvertüre lobten.
Der verehrlicben Verlagshandlung sagen wir, und
gewiss im Namen so manches Kunstfreundes, für diese
neue Gabe freundlichen Dank; möge sich dieses Unter-
nehmen allgemeiner Berücksichtigung erfreuen! —
Hermann Scheltenberg.
Nachrichten.
Leipzig. (Beschluss.) Die zweite der oben erwähn*
ten musikalischen Productionen war die Auffuhrung des
Oratoriums von Spohr: „Der Fall Babylons,'* welche
am 28. d. M. unter Direction des Herrn Cantor und Mu-
sikdirector Hauptmann in der erleuchteten St. Thomas-
kirche von Seiten des Thomanerchors vor einem sehr
zahlreichen Publicum Statt fand. Seit einigen Jahren ver-
anstaltet der letztere, als Ersatz für das in Wegfall ge-
brachte, allerdings einträgliebe, aber eben so der Ge-
sundheit der Schüler nacbtbeilige , als der jetzigen Zeit
nicht mehr angemessene Gurrenden- und Strassensingen,
zwei Mal im Jahre grössere Musikauffuhrungen in der
genannten Kirche zum Besten der Thomasschulcasse. In
der ersten Zeit nach Einfuhrung dieser Neuerung wur-
den grösstentbeils die dazu ausgewählten Werke aus-
schliesslich, auch in den Solo's, von den Alumnen der
Thomasschule vorgetragen; später mag wohl theils der
Wunsch, auch solche Kirchenmusiken nicht ausgeschlos-
sen zu sehen, welche namentlich in Bezug auf die Soli's
die Kräfte der jugendlichen Sänger übersteigen, theils das
freundliche Entgegenkommen geschätzter Künstler und
Dilettanten dazu geführt haben, dass der Kreis der auf-
zuführenden Compositionen erweitert worden ist, und die-
sen Umständen danken wir es, dass, wie früher der Ju-
das Maccabäus von Händel* jetzt Spohr 9 $ neuestes Ora-
torium : „Der Fall Babylons" zu Gehör gebracht wurde.
Die Solopartieen waren in den Händen der Frau Biinau
geb. (irabau y der Fräul. Renmgten und Jacobi (Erstere
Lehrerin, die beiden Letzteren Schülerinnen des Conser-
valoriums der Musik) und der Herren Rindermann und
Pögner, Bassisten am hiesigen Stadttheater r Organist
Langer und Meyer, und wurden sehr lobenswerth exe-
cutirt; einen vorzüglichen Effect machte die herrliche
Stimme des Herren Kmdermann (Cyrus), deren schöner
Klang durch die Wölbungen der Kirche erweitert und
durch einen angemesseneu, lebendigen, aber nicht thea-
tralischen Vortrag gehoben wurde« Auf das Oratorium selbst
in seinen einzelnen Nummern hier ausführlicher einzu-
gehen, tragen wir billig Bedenken, einmal, weil uns die
Zeit nicht verstattet hat, den Proben beizuwohnen, und
wir es daher nur einmal hören konnten, andererseits
769
1844. November. Na. 46.
770
aber» weil die Leser in diesen Blättern durch eine ge-
naue Kritik ron kunstverständiger Hand bereits Bit dem
Werke bekannt geworden sind. Nur so viel sei ans er-
hobt hier zo bemerken» dass im ersten Tbeile besonders
die Chöre der Jeden: „Gott uns'rar Väter" n. s. w.
und „ Der Löwe ist vom Lager gesprungen" u. a. w.,
Reoitativ nnd Arie des Cyros: „Juda's Gott bat gere-
det" n. s. w. , das Wiegenlied, der Soldatenchor, nnd
das Gebet der Joden mit vierstimmigen Soli's, im zwei*
ten Tbeile aber der Chor der Hofleote: „Die festliebe
Tafel ist frendegekrönt" u. s. w., das Reeitativ des Bel-
sazar, in welchem die Catastropbe der gebeimnissvoilen
Plammenscbrift eintritt» die Arie des Cyros: „Was ist
der Mensch in seinem stolzen Wahne," nnd der Schluss-
chor vns am Meisten angesprochen haben. Das ganze
Werk enthält, wie es von einem Meister, wie Spohr*
nicht anders zn erwarten ist, ungemein viel Schönes, nnd
namentlich ist die Jegendfriscbe, welche dasselbe vom
Anfang bis zum Ende durchweht, überraschend, so dass
man an das vorgerückte Alter des Componisten sich nir-
gends erinnert fühlL Dass das eigen tbümlicbe Gepräge
aller Spohr'schen Musik, in Harmonisirung nnd Instru-
mentation, in einzelnen Nummern mehr oder minder her-
vortritt, dass hier und da einige Langen bemerkbar sind,
und dass zuweilen der Meister, freilich veranlasst durch
das oft weltliche, grösstenteils kriegerische Element des
Textes, über den eigentlichen Kreis der Kirchenmusik
hinausgegangen ist, — dies Alles soll und kann kein Ta-
del sein ; wer Spohr's Musik kennt , weiss seine kunst-
reiche und sinnige Verschmelzung des Epischen und Ly-
rischen mit hober Würde zu schätzen, und. findet mit
uns gewiss auch eine grössere Ausdehnung der Darstel-
lung dadurch gerechtfertigt. — Die Tbomaner trugen die
Chöre mit klangreichen Stimmen* und ausserordentlicher
Sicherheit vor, nnd bewährten dadurch die umsichtige
und gediegene Leitung ihrer Uebungen durch ihren Diri-
genten Herrn Musikdirector Hauptmann auf das Erfireu-
" te. **
Leipzigs den 9. November 1844. Fünftes Abonne-
mentconcert, Donnerstags, den 7. November. — Ouver-
türe zu der Oper: „Der Wasserträger 6 * von Cherubim.
— Seene und Arie aus Don Juan von Mozart („Cru-
dele" etc.), gesungen von Frau. Fischer - Achten , her-
zogl. braunsebweiz. Hoisängerin. — Concert für Piano-
focte von G. F. Handel (Fdur), vorgetragen von Herrn
Mortier de Fontaine aus Paris. — Reeitativ und Arie
von Pacini, gesungen von Frau Fischer - Achten. —
PiaLnoforteeoncert von F. Mendelssohn Bartholdy (G moll),
vorgetragen von Herrn Mortier de Fontaine. — Sym-
phonie von Bob. Sehumahn (Bdur, No. 1). —
Cherubint* s Opern haben bekanntlich, nächst dem
entschiedenen Geprige des Genius und des selbstschöpfe«
riichen Talents, das Eigentümliche, dass sie, wenn gleich
gröastentheils schon vor einem halben Jahrhunderte com-
ponirt, doch nirgends eine Spur ihres Alters zeigen, d.h.
m keiner Beziehung veraltet sind. Es webt in ihnen eine
Frische der Jugend, ein Leben, das, eben weil es nicht
von aussen angeflogen, nicht durch lueserKcbe von wan-
delbarer Zeitrichtung gegebene Verhältnisse erzeugt, son-
dern aus den innersten Tiefen des Geistes entsprossen
ist, auch für alle Zeiten zum Geist und Herzen spricht.
Besonders die Ouvertüren geben uns, nachdem die Opern
selbst jetzt seltener auf der Bühne erscheinen , zu sol-
chen wiederholten Wahrnehmungen Veranlassung, und
unter diesen vorzugsweise die zum „Wasserträger." So
oft man sie auch schon gebort bat, immer entdeckt man
in ihr neue Schönheiten, immer erlabt man sich von
Neuem an dem Reichthome der Gedanken, an der Fälle
der Harmonieen und an dem Zauber, der über das Ganze
verbreitet ist. Und was uns als das Merkwürdigste er-
scheint : das Melodische ist durchaus nicht vorherrschend ;
man kann kaum sagen , dass wirkliche entschiedene Me-
lodieen darin sind; an ihrer Statt bietet uns der Meister
eigentlich nur musikalische Figuren, aber diese eben sind
so characteristisch, sie werden vou so reizenden Harmo-
nieen umgeben und gehoben, und dabei sind sie mit die-
sen ihren Begleitern so meisterhaft zu einem Ganzen, zu
einem dramatischen und mit Beachtung der strengen Re-
geln doch wie spielend hingeworfenen Ganzen verbun-
den, dass man furwabr nicht weiss, soll man mehr iss
Material oder die Verarbeitung desselben anstaunen. Das
Orchester trug dieses herrhebe Musikstuck ausgezeichnet
vor, und wir wünschen Jedem Glück, der es in solcher
Vollendung gehört bat.
In den letzten Jahren sind uns durch die ausschliess-
lich für unsere Abonnementconcerte engagirten Singerin-
nen, wie die Damen Novello, Shaw, Meerti, Sckhss
und ßirch so schöne musikalische Genüsse verschafft wor-
den, dass man es wohl als eine Eiabusee für das Publi-
cum betrachten möchte, wenn es dem Directorium nicht
gelungen ist, auch für die diesjährige Concertsaison eine
Sängerin zu gewinnen. Bis ietzt aber dürfte wenig Grund
zu einer Klage hierüber vorhanden sein; denn ohne die-
sen anscheinenden Mangel würden wir nicht die jeden-
falls interessante Bekanntschaft einiger fremden Gastsin-
gerinnen gemacht oder erneuert haben. Obgleich nur ein
wiederholtes Hören gestattet, sich der Vorzüge der auf*
tretenden Künstlerinnen klar bewusst zu werden und ein
unbestochenes Urthcil über deren Leistungen zu begrün-
den, so ist und bleibt es doch auf der anderen Seite ge-
wiss nicht minder anziehend, in gedrängter Reihenfolge
mehrere und verschiedeoe Kräfte sieb vorgeführt zu an
hen, die in einer oder der anderen Beziehung, i* grös-
serem oder geringerem Grade unsere Aufmerksamkeit in
Anspruch nehmen und sie fesseln. Eben wegen der an-
gedeuteten, aus dem doch immer nur vorübergebenden
Eindrucke erklärlichen Unzulänglichkeit eines Urtbeih ist
Referent weit entfernt, hier eine Vergleteheng der Sin-
gerinne« zu versuchen, welche bisher uns mit Vorträge»
erfreute«. Aber er bezeichnet das Auftreten der Frau
Fischer- Achtem getrost und ohne Befürchtung eines er-
heblichen Widerspruchs als ein höchst wittkommtnes und
interessantes. Zu leugnen ist zwar nicht, dasa die Stimm»
dieser Künstlerin in de« mittleren Chorda« etwas Ge-
drücktes bat, wodurch sie an Beiz verliert; dass ferner
der Vertrag der zweiten Arie (yoo Paewi, eines jim-
inerKche«Modehpfens>l»itTrilfern, Ca dticn» Anschwel-
hiBgen v. s. w. etwas überladen wurde; aber — wekbe
771
1B44. November. No. 46.
772
schöne, leicht ansprechende and glockenhelle Höhe liess
uns die Sängerin hören ! mit welcher Wurde und musi-
kalischen Wahrheit sang sie die Arie der Donna Anna !
Tonbildung, Auffassung, Porlamenl und Coloratur, Alles
lässt in ihr die durchgebildete Sängerin erkennen, der es
Ernst mit der Kunst ist. Wir erinnern nur an die Sicher-
heit und Reinheit, mit der sie das dreigestriohene c an-
schlug und aushielt, an den gediegenen Vortrag des Re-
cüatirs, an die Leichtigkeit und Bravour der Verzierun-
gen u. s. w. Wer will es einer Sängerin verargen, wenn
sie neben einer classtechen Arie auch einsaft- und kraft-
loses Solo aus der modernen italienischen Opernbäckerei
Wählt, um in letzterem, nicht dem Geschmacke der Zeit
zu huldigen , sondern ihre Fertigkeit auch in diesem al-
lerdings in mancher Beziehung sehr schwierigen Genre
zu zeigen, und wenn sie dann solch seichtes Machwerk
mit allerlei Tand und Flitterstaat behängt, um wenig-
stens für den Augenblick dessen Jammergestalt zu ver-
decken und von dieser die Aufmerksamkeit der Hörer auf
ihre Leistung, auf die Hauptsache, zu lenken ? Wir we-
nigstens mögen mit Frau Fischer- Achten darüber, dass
sie dies that, nicht rechten, und gewiss der grösste Theil
des Publicums eben so wenig; denn der laute und an-
haltende Beifall, den ihre Produclionen fanden, wird ihr
am Besten bewiesen haben, dass die ächte Rüostlerscbaft
bei uns der Anerkennung nicht entbehrt. Wir freuen
uns, die geschätzte Sängerin bald wieder im Concert zu
hören, wozu uns, wie wir vernehmen, ihre Bereitwillig-
keit nicht minder, als der Wunsch des Directoriums,
Hoffnung machen. —
In Herrn Mortier de Fontaine, dessen Gattin in
einem der letzten Concerte als Sängerin aufgetreten war,
hatten wir einen Salonspieler der modernsten Art aus der
Pariser Schule zu finden erwartet 5 und sind wir gleich
der Ansicht, dass es aacl> solche Käuze geben müsse,
so gestehen wir doch, dass wir uns sehr gefreut haben,
uns vom Gegentheile zu überzeugen. JHerr Mortier de
Fontaine ist ein trefflicher gewandter Spieler, der offen-
bar tüchtige Studien gemacht bat und einen regen em-
I (anglichen Sinn für gute Musik besitzt 5 sein Anschlag
it weich und voll, die Technik ausgezeichnet, der Vor-
trag edel und brillant, und, was uns die Hauptsache ist :
er weiss den Sinn und Geist der Gomposition zu erfas-
sen und durch sein Spiel wiederzugeben. Das Hände f-
sehe Concert macht sich nicht blos als Curiosität aus
einer Zeit geltend, aus der wir nur wenige Glaviersacben
noch besitzen; es enthält an sich viel Schönes und ver-
birgt hinter einer unserem Geschmacke freilich steif und
monoton erscheinenden Form herrliche meisterhafte Züge.
Der Spieler überschritt in dem Vortrage dieses Stücks
nirgends den allerdings engen Kreis des Angemessenen
und bewährte dadurch eine Mässigung, deren nicht jeder
Musiker fähig sein dürfte. Mit glänzender Bravour und
rapider Fertigkeit, dabei auch mit vielem Geiste, trug
er sodann das Mendeksohn'schQ Gmoll - Concert, eines
der vollendetsten nnd reizendsten Ciavierwerke, die in
neuerer Zeit geschrieben worden sind, vor, und erwarb
sieh lebhaften Beifall der zahlreichen Versammlung.
R. Schumann'* erste Symphonie aus Bdur hat, nach-
dem seit ihrer letzten Auffahrung in Leipzig einige Jahre
verflossen sind , uns durch schöne Erfindung und geist-
reiche Behandlung wieder sehr angesprochen. Ist auch
noch nicht Alles darin reif und spürt nun auch zuwei-
len noch die Fesseln, die dem Componisten die freie Be-
wickelung seines Talents erschwerten und von denen er
sioh oft nur dadurch losmachen zu können scheint, dass er
sie mit kecker Hand zerreisst, lässt sich gleich hier und
da, vorzugsweise im Mittelsatze, ein Anschmiegen an den
Beethoven sehen Styl nicht verkennen, — so spricht doch
der geistreiche Schwung der Phantasie, die von einer
sclavischen Nachahmung, selbst der grössten Muster,
nichts weiss , die sorgfältige Verarbeitung der schön er-
fundenen Themen nnd eine effectvolle Instrumentation da-
für, dass eine so gelungene erste Symphonie eines Künst-
lers zu grossen Erwartungen berechtigen musste, die übri-
gens bereits durch Schumann'* herrliche Streichquartette,
sein schönes Quintett und besonders durch sein grösstes
und umfassendstes Werk: „Das Paradies und die Peri"
glänzend erfüllt worden sind. Die Ausführung der zum
Theil sehr schwierigen Composition war lobenswerth und
das Publicum in den Aeusserungen seines Dankes kei-
neswegs zurückhaltend. L. R.
Feuilleton.
Der als C laviervirtuos und Compooitt rühmlichst bekannte
Charles Voss, bisher in Nenstrelitz lebeod, gab vor Kurzem im
dortigen Hoftheater ein glänzendes Absehiedseoncert vor einem
tahlreiehen Auditorium, onter dem sieh aneh der Hof befand. Rau-
schender Empfaog und Applaus bewies dem Künstler, der naeh
Berlin übersiedelt, wie ungern ihn Nenstrelitz verliert. Der Gross-
herzog liess ihm durch den Intendanten das.Hoftheaters ein wert-
volles Geschenk »stellen.
Der Oberorganist Adolph Hesse zu Breslau ist znm kbnigl.
prenss. Mnsikdireetor ernannt worden.
Bei Anlagnier in Paris erscheint Orchesterpartitur nnd Cia-
vierauszug von Marschner' s Templer nnd Jüdin', so wie von des-
sen Vampyr. Da aber eine grosse Oper in Paris keinen zwischen
die Gesaugstücke eingezwängten Dialog duldet, so hat man den
letzteren in jenen beiden Opern io's Französische übersetzt und
so wird er als Recitativ neu componirt — wie weiland Berlioz
an Weber** Freischütz gethan.
Joseph Pentenrieder , der Componist der Oper: ,,Die Schre-
ckensnacht anf Paluzzi ," ist Chorregent und Organist der neuen
Ludwigskirche in München geworden.
Hofeapellmeister Thomas in Darmstadt ist zum Generalmn-
sikdireetor der gross herzoglich hessischen Militirmusik ernannt
wordeo.
„Ste Cleile," neue komische Oper von Montfort (vorher beti-
telt : Vanloo) , ist in Paris beifällig aufgenommen worden , ohne
Sensation zu machen.
BerHo* hat ein Werk von .zwei Bänden unter dem Titel:
Voyage musieal en AUemagne et en Italic herausgegeben, welches
eine weitere Ausführung seiner vorjährigen Berichte im Journal
des Dlbats ist. Der erate Band enthält briefliehe Nachrichten
über musikalische Aufführungen in Deutschland u. dergl. ; fitudes
sur Beethoveo ; über die erste Aufführung von Weheres Freischütz
in Paris u. s. w. Der zweite Band bringt Erinnerungen aus einer
musikalischen Reise in Italien $ über Gluck ; mehrere humoristische
Aufsätze unter dem Titel 1 Astronomie mnsicale.
773
1844. November. No. 46.
774
A n k und Igangen.
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lung in Carlsruhe ist so eben erschienen und durch alle Buch-
handlungen su erhalten: »
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und
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Mit dem Schiasse des .dritten Bandes hört die Ausgabe in
zwanglosen Hellen auf, an deren Stelle von der neuen Folge regel-
mässig^ alle 14 Tage eine Nummer, i Bogen stark, erscheint.
Der anerkannte Ruf, welchen diese Zeitschrift seil ihrem drei-
jährigen Bestehen sich erworben hat, lässt mit Gewissheit voraus-
sehen, dass dieselbe in "ihrer neuen Gestalt als regelmässige Zeit-
schrift einen noch viel grösseren Aufschwung gewinnen wird, in-
dem solche dem ursprünglichen Zweck ab öffentliches Organ aller
deutschen Musikvereine nunmehr vollkommen entspricht.
Die drei ersten Binde, von welchen No. i der neuen Folge
ein ausführliches Inhal tsverseichniss enthält, aind, soweit der Vor-
rath reicht, sum Preise von 2 Fl. 24 Kr. =: 1 Thlr. 12 Ggr.
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Pianoforte. Op. 28. No. I. 2. ä 10 Ggr. No. 3. 8 Ggr.
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loncelle. Op. i. No. 3. 3 Thlr.
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matische Tonleiter. 4 Ggr.
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vollständig erschienen ist, zu folgenden billigen Bedingungen ab-
gegeben werden.
Der Preis derselben bleibt nach und nach besogen für jeden
Theil 7i Ngr. ; bei Abnahme des Ganzen auf einmal hat man je-
doch nur den Betrag für 10 Tbeile mit 2± Thlr. su entrichten,
wofür 16 Tbeile geliefert, und diesen noch als Prämie beigefügt
werden: „Sammlung der schönsten Volkslieder." 6 Tbeile.
Xj3* Obiges Werk enthält bekanntlich die besten Aufsätze,
Biographieen, Briefe, Kritiken, Hamoresken, Sentenzen u. dergl.,
weiche über Musik und Musiker vorhanden sind.
Es können zu diesen Bedingungen, nur feste Bestellungen be-
rücksichtigt werden.
Ausserdem erlassen wir noch auf kurze Zeit vollständige Ex-
emplare vom ITnlvereal - Ijexllteia der TanfAunat
in 7 Bänden so 5| Thlr. , jedoch nur bei baarer Zahlung. Es
wird ebenfalls die obige Prämie beigefügt, oder im Falle des Be-
sitzes derselben ein ähnliches Werk geliefert.
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775
1844. November. No. 46.
776
welche to eben
im Verlage von Breitkopf & Hftrtel in Leipzig
erschienen und durch alle Buch- und MusiluUenhandlnngea bu
beziehen lind: Thlr. Ngr.
Alliier, D» F. E*, Onrerture inr Oper: Die Sirene.
Für Orchester * 2 15
Dieselbe für Harmonie- Musik 5 —
Dieselbe arrungtrt für 2 Flöten — - 12*
Potpourri ans derselben Oper 1 zu 4 Händen arr. .. — 515
Beyer. F., Fantaisie de Salon pour le Piano, snr des
motUs de l'Opera: La Part dn Diablo. Op. 75 — 25
— — Moreean de Salon ponr le Piano, snr le Qnatnor
final de l'Openi r I Pnritani. Op. 76 — 20
IBuMehop, JF», 5 Chöre für 2 Tenore oder Soprane
nnd Boss , mit oder ohne Begleitung der Orgel. Par-
titor und Stimmen — 20
Chopin, F., Polonaise, Op. 55, arr. a 4 mains — 20
— — Scherzo, Op. 54, arr. a 4 malns • t 5
»Oliler, Th., 2™ grande Valse brillante, Op. 47,
arrangee ä 4 mains i —
Hl Her, F., i K Ouvertüre de Coneert (Dmoll) a grande
Orehestre. Op. 32 2 15
Härenes an Piano. Op. 53 — 20
Htkamten, F., 3 Morceaux faTOiis surl*Opera: La Si-
rene d'Auber ponr le Piano. Op. 154. No, i, 2, 5.. ä — 20
nendelftftohii Bartholdy, F., Scherzo für das
Pianoforte eingerichtet — 15
— — Noctnrno für das Pianoforte eingerichtet — 10
Hochzeitmarsch fnr das Pianoforte eingerichtet — 10
(Alle 3 Werkchen ans dem Sommernacbtstraum.)
Scheller, GL, 12 Lieder fttr eine Sopranstimme mit
Pianoforte. Op. 1. Heft 1, 2 ä — 15
Siegel, D«, Leichte Variationen über Themen ans der
Oper: Die Tochter des Regiments für Pianof. Op. 73. — 10
Tfuftlbers, 8., et C de Beriet, Dno snr des
m otifs de Semiramide ponr Piano et Violon. Op. 34... 1 5
Wollig IS*. Galop brillant ponr le Piano snr la Sirene.
Op. 105. L8v. 1 — 10
Fantaisie facile ponr le Piano sur la Sirene. Op. 103.
Uv. 2 .. — 10
— ' — Reminiscenoes de la Sirene. Grande Fantaisie ponr
le Piano. Op. 104 — 25
Im Verlage der Unterzeichneten wird nächstens mit
Eigentumsrecht erscheinen: '
Grande Sonate
pour le Piano
par
Ä Thaiberg.
Op. 56.
Leipiig, den 10. November 1844.
BreltlLopf** Hftrtel.
Bei B.SellOtt'« Sahnen in Mains erscheint mit Eigen-
thnmsrecht :
AdUsm, A , Richard en Palestine , Opera en 5 Actes.
Alard, D», Souvenir des Pyrenees, Nocturne ponr Violon arec
Piano. Op. 13.
AlUmn, CU, Le deair, Etüde.
AriOt, J», Serenade ponr Violon avec Piano. Op. 14.
Belllnl, V., Les ioyeux mateloU, Ballade.
BordOtTnl, jflL, 12 nouvelles Tocalices ä 2 roix avec aecom-
pagnement de Piano.
Dreyeelioelt, A., Notturno. Op. 28.
Hers , II« , Fantaisie et Variations snr des motifs de l'Opera :
La Sirene. Op. 141. r
Prnck und Verlag von Breitkopf und Härtet
Ralkbrenner, F., La Solitnde, Gaprice.
Masard. Le jnif errant, Quadrille.
— . Les 7 ehateanx de diable, Quadrille.
Ofttonne, GL A«, La Beteuere, Barcarolle.
Prndent, E», Barcarola, Caprice.
~IOSellen, H», L'esperance, Melodie.
Le dei
Thalber»;, S», Le
Op. 35.
Tulou, 10™ Solo ponr Flute
WoltT, K., Elegie.
part, Romaace vamee en forme [d'Etude.
Op. 92.
In der T. TrMltweln'schen Buch - nnd Musikalienhand-
lung («f. Guttentag) in Berlin ist so eben erschienen :
Qrel|. A. E., Op. 52. Fünf seeksstimmige Eirckengesänge
(No. 1. Ehre sei dem Vater. 2) Kyrie. 5) Und Friede. 4) Hai.
leluja. 5) Heilig) nebst einigen Tierstimmigen Antworten für je-
den Hauptgottesdienst des Jahres. Preis der Partitur 10 Sgr., ei-
ner jeden der 6 einzelnen Stimmen l£ Sgr.
Op. 33. Evangelisches FestaradnaU oder eüf seeksttimmige
Motetten, für die Kirchenfeste. lieft I. No. 1. „Lasset uns froh-
locken, es nahet' 4 No. 2. Weihnachten. „Frohlocket ihr Völ-
ker der Erde/ 6 No. 3. Neujahr. „ Herr Gott Dn bist unsere
Zuflucht. «' Preis der Partitur 8| Sgr. , jede der 6 einzelnen
Stimmen i\ Sgr. Heft II. No. 4. Passionszeit. „Herr gedenke
nicht." No. 3. Grunerdonnerstag. „So oft ihr Ton diesem Brode."
No. 6. Gharfreitag. „ Um unserer Sünden willen. *' No. 7.
Ostern. „Lasset uns frohlocken, dies ist." Preis der Partitur
15 Sgr. , jede der 6 ein seinen Stimmen 2* Sgr. Heft III. No. 8.
Busstag. „Gnädig nnd barmherzig/' No. 9. Himmelfahrtstag.
„Erhaben, o Herr/« No. 10. Pfingsten. „Komm heiliger Geist/'
No. II. Todtenfeier. ,,Der Herr wird mich erlösen/* Preis der
Partitur 15J- Sgr. , jede der 6 einzelnen Stimmen 2* Sgr.
Op. 54. Drei vierstimmige Motetten. (No. 1. Herr, ich habe
lieb die Stätte deines Hauses. No. 2. Herr, gedenke unser nach
deinem Worte. No. 5. Lobe den Herrn meine Seele.) Partitur
und Stimmen ll£ Sgr. , jede Stimme einsein l£ Sgr.
In der königl. sächs. Hofmosikalienhandlung ? on C* W. He*
•er in Dresden ist erschienen nnd in allen Musikalien- nnd
Buchhandlungen an haben i
„Der fliegende Holländer/'
Romantische Oper in drei Aufzügen
v on
Riehard Wagner«
Vollständiger Ciavierauszug.
Preis 8 Tblr.
Hieraus einzeln: No. 1. Lied: „Mit Gewitter nnd Sturm."
7* Ngr. No. 2. Arie: „Die Frist ist um/« 20 Ngr. No. 3. Duett:
„Ach, ohne Weib, ohne Kind bin ich/* 1 Thlr. 15 Ngr. No. 4\
Spinnerlied: „Brumm* nnd summ' du gutes/* 7* Ngr. No. 4 b .
Dasselbe mit erleichterter Clarierbegleitung. 7* Ngr. No. 5. Bml-
lad* : „Traft ihr das Schiff im Meere an." 12* Ngr. No. 6. Ariex
„Mögst du, mein Kind, den fremden Mann/* 12* Ngr. No. 7.
Duett: „Wie aus der Ferne langst Tergang'ner/' 1 Thlr. 10 Ngr.
No. 8\ Matrosenlied: „Steuermann, lass die Wacht!" 12* Ngr.
No. & h . Dasselbe für eine Tenorstimme. 7* Ngr. No. 8 C . Dasselbe
für Tierstimmigen Mannergesang ohne Begleitung, Part. 10 Ngr.
Stimmen 10 Ngr. No. 9. Cavatine : „Willst jenes Tag's dn nicht
dich mehr/ 4 7* Ngr.
Die Ouvertüre daraus för das Pianoforte 20 Ngr.
Dieselbe zu 4 Händen eingerichtet 1 Thlr. 5 Ngr.
Bei F. JL Stelner in Neuwied ist erschienen und durch
alle Buch - nnd Musikalienhandlungen zn beziehen :
Zwei Lieder wen Frelllfrath . componirt für eine
Stimme mit Begleitung des Pianoforte Tön H. Mauss, Moaikdi-
rector nnd Domorganist in Kronstadt. Preis 10 Ngr.
in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
777
778
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 20**' November.
M 47.
1844.
Inhalt I Rezensionen. — - Nachrichten: SominerftBgione in Italien. Ans Leipzig. — Ankündigungen.
R £
CEN8IONEN.
Für die Orgel.
Grelle A. JB., 36 kurze and leichte vierstimmige Orgel-
gelpräludieu. Op. 29. Berlin, Bote und Bock. % Tblr.
Diese Präludien dürften mit Vortheil von Anfängern
im Orgeispiel benatzt werden, am sich an die gebundene
Spielart zu gewöhnen; das scheint uns auch der haupt-
sächliche Zweck des Verfassers zu sein. Denselben erfüllen
sie nicht nur, indem sie ganz orgelmässig geschrieben
sind (diese Bemerkung wird nöthig, da unter Orgelcom-
positioneo leichteren and mittleren Schlages häufig das
erbärmlichste, abgeschmackteste Zeug angetroffen wird,
welches uns die Verfasser noch viel weniger achten lässt,
als wenn sie es für Ciavier geschrieben hätten; eine
ziemliche Anzahl solcher Werke, welche beweisen, wie
für Orgel nicht geschrieben werden soll, könnten wir an-
führen , wir unterlassen es jedoch, obgleich jene es ver-
dienten, da dieselben noch obendrein einem langgefühl-
ten Bedürfnisse abhelfen sollen und endlich die Leute sich
betrogen sehen), sondern sie geben dem Anfänger auch
die richtige Ansicht, wie für die Orgel geschrieben wer-
den muss. Die Melodie dieser Präludien ist meist des
Instrumentes würdig ; di^ Nummern 2, 6, 12, 16, 22 ha-
ben uns besonders gefallen; mit dem %-Tact können
wir uns aber überhaupt .nicht recht befreunden.
In No. 6 Tact 13 muss im Alt eis stehen, No. 9 ge-
fällt uns im Anfange, No. 10 Tact 11, No. 30 Tact 13
und fort, No. 32 Tact 14 — 20 nicht; in No. 21 Tact 7,
No. 24 Tact 4 bricht das Pedal zu zeitig ab. Möge der
Verfasser seine Feder an grössere Tonstücke setzen, aber,
wie bei diesen Präludien, nie vergessen, dass er für die
Orgel scbreibt ; wir werden dann dieselben eben so will-
kommen heissen. Diese kleinen Tonstücke für kirchlichen
Zweck zu benutzen, würde Manchem anzurathen sein;
denn lieber kurz und gnt, als viel und schlecht, und manch-
mal noch mehr als dies. Wir jedoch fordern von Dem,
der auf den Namen eines Organisten Anspruch machen
will, dass er ein hübsches Präludium selbst erfinden kaun.
Dagegen dürfte eine gute Faghettensammlung am Platze
sein, denn die Fugen von Bach, Händel, Krebs o. s. w.
sind zu lang und nicht allemal ganz geeignet für die
Kirche; auch fordern sie einen nicht nöthigen Kraftauf-
wand. Es sind ans nur einige Heftchen ordentlicher Com*
46. Jahrgang.
Positionen vorerwähnter Gattung bekannt, aber eine Masse
unbrauchbaren, läppischen Zeugs. H. Schellenberg.
Maria di Rohan, tragische Oper in drei Acten, nach dem
Italienischen von Kuppelwietfr ; Musik von 6. Doni-
zetti. Ciavierauszug. Wien, bei Anton Diabelli et
Comp. Preis 12 Fl. Conv.-M.
Referent glaubte bei Besprechung eines früheren Wer-
kes des unermüdlichen Maestro mindestens gegen unge-
rechte Angriffe nnd Beurtheilungen für ihn in die Sehran-
ken treten zu müssen, und gab diese Apologie, der Ver-
anlassung gemäss (es war von einer komischen Oper die
Rede), und unter beschrankenden Bedingungen wirklich
unbefangen und nach bester Ueberzeugung. — Mit glei-
cher Unbefangenheit erklärt indess der Berichterstatter,
dass die vorliegende tragische Oper bei Weitem weniger
geeignet ist, Enthusiasmus für ihren Schöpfer zu erre-
gen und eine ihm günstige Polemik zu begründen. —
Wenn Lucrezia Borgia und Belisario auch nicht ab tra-
gische Meisterwerke gellen können, so enthalten sie doch
anleugbar treffliche Einzelheiten und schliessen einen hö-
heren, für den Componisten erreichbaren Climaz wahrlich
nicht aus. — Aber diese als tragisch angekündigte Maria
erregt oder rechtfertigt nicht einmal auch nur bescheidene
Hoffnungen für die Zukunft des frachtbaren Componisten.
Mehr, als in allen seinen früheren Opern, tritt hier
das Fragmentarische, Zufällige, Uebereilte hervor. — Nun
schliessen freilich diese Bezeichnungen, sind sie auch nicht
Attribute eines Meisterwerks, glückliche Gedanken, ein-
dringliche Motive und sonstige Gaben künstlerischer Weihe
nicht aus — bier aber begegnet man solchen geistvollen
Kindern der Inspiration nur sehr selten; das Meiste trägt
den Typus des Gewöhnlichen, Herkömmlichen, Flachen,—
ja als eigentliches pezzo, che ferma, wie es die Italie-
ner sehr bezeichnend nennen, möchte sich höchstens der
Mittelsatz des Duetts No. 6 ( 3 / 4 , Desdur) bewähren,
der sich wirklich durch ein sehr schönes, grosse Innig-
keit aussprechendes Motiv und durch eine höchst lieb-
liche und wirkungsvolle Harmonie (namentlich bei dem
frappanten nnd doch mild erscheinenden Wechsel mit
Adur) ungemein vorteilhaft auszeichnet. Hier ist aoeh
die Benutzung des Unisono beider Stimmen vollkommen
motivirt, wodurch die schon an sich bedeutsame Me-
lodie dem Gefühle noch näher gebracht wird; dagegen
erscheint die häufige Anwendung dieses Kunstmittels im
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779
1844. November. No. 47.
780
Laufe dieser Oper oft höchst unpassend und als bioser
Behelf, den Mangel an Intensivität zn bedecken.
Zuweilen soll das Fremdartige, namentlich in der
Zusammenstellung, für die Gedanken frische entschädigen,
die man so oft vermisst, es geschieht aber meist mit so
wenigem Glücke, dass nur die Absicht fühlbar wird. — Ein
Beispiel dieser Art liefert gleich der Anfang der Ouvertüre:
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Unis.
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*&=
denn dieser kühne Anlauf wurde nur genommen, um den
Eintritt des Larghetto in Adur desto frappanter zu ma-
chen. — In diesem Larghetto, das besonders durch das
reizvolle Motiv des eben besprochenen Duetts seinen
Schmuck erhält» concentrirt sich denn auch ziemlich der
ganze Werlh der Ouvertüre : viel Unruhe, forcirte Ueber-
gänge, ein mühsam aus kleinen Gedankenspänen zusam-
mengefügter Mittelsatz, und endlich ein allerdings sehr
vollklingender, aber in seinen einzelnen Tbeilen ver-
schiedenen Grundbesitzern zugehöriger Schluss, und die
Ouvertüre ist fertig; ihr ganzer Eindruck liegt etwa in
der Frage: Ouvertüre, que me veux-tu?
Mit grossen Ensembles hat der Dichter nach ge-
wohnter Weise den Componisten nichtsehr incointnodirt;
nur das erste Finale ist von einiger — Ausdehnung« Der
sanfte Satz in Gdur, mit welchem es beginnt, ist wirk-
lich recht melodiös und auch wirksam gruppirt — aber
das Folgende ist matt und farblos, und selbst das letzte
Mittel eines allgemeinen Unisono und einer gewaltsamen
Transposition von D nach Esdur bleibt unwirksam. —
Von den acht oder neun Cavatinen und Arien, die
den drei Hauplpartieen übertragen sind, erhebt sich eigent-
lich keine über das Niveau des Gewöhnlichen; sie siud
zuweilen von einer Trockenheit und Kälte, die uns an
dem sonst so heissblutigen Maestro wirklich befremdet.
Aus solchen musikalischen Gedanken, wie die hier an-
gedeuteten :
sind fast sämmtliche Sologesänge zusammengesetzt, und
nur das oft angewandte Belebungsmittel des unerwarte-
ten Wechsels von Dur und Moll baucht ihnen ein mo-
mentanes Scheinleben ein. Dass unserem gewandten Ton-
setzer dies zuweilen überraschend gelingt , ist nicht zu
leugnen, und ein höchst genialer Zug dieser Art schmückt
z. B. (freilich noch durch andere geistige Zuthat geho-
ben) das erste Finale seiner „Regimentstochter." — Hier
nun schwächt theils die Aehnlichkeit der Anwendung,
theils die wahrhafte Verschwendung dieses Mittels seine
Wirkung. — Wie leicht unser Componist sich oft seine
Aufgabe gemacht, möge noch das Factum und Curiosum
beweisen, dass in dem grossen Schlussterzelt, und zwar
bei verschiedenen Textesworten, die ganze Sopran- und
Tenorpartie sich, mit Ausnahme weniger Tacle, im uni-
sono bewegt: Das fördert allerdings die Arbeit!
Auch das Libretto ist von der gewöhnlichen Struptur, und
der Schluss muss von der Bühne herab fast peinlich wirken.
Von dem Maestro aber, der durch diese tragische
Maria seinen Bubm wohl kaum vermehren dürfte, erwar-
ten wir bald ein Werk, das sein Genie im hellsten Lichte
zeigt und das eben besprochene vergessen macht, wozu
ihm dieses selbst die besten Dienste leisten wird.
Carl VI. , grosse Oper in fünf Acten, nach dem Franzö-
sischen von Casimir und Germ. Delavigne; Musik
von Halevy. — Vollständiger Ciavierauszug mit deut-
schem und französischem Texte. Leipzig, bei Breit-
kopf und Härtel. Preis 12 Thlr.
Es ist bekannt, dass Halevy seinen grössten und
wohlverdienten Ruhm der „Jüdin 14 verdankt, einem dra-
matischen Tongebilde, von Kraft und Phantasie durch-
strömt, das bei vorurtheilsfreier Betrachtung immer als
ein höchst cbaracteristisches Werk erscheinen wird, wenn
es auch durchaus nicht frei ist von hohlem französischen
Pathos und leidenschaftlicher Uebertreibung. Sollen
wir indess unsere specielle Meinung aussprechen, so fin-
den wir das wahre Talent, ja das ächte Genie dieses
reicbbegabten Componisten in seiner bei Weitem noch
nicht genug gewürdigten Oper ,,Der Blitz" am Schön-
sten, und zwar ganz un verhüllt, dargelegt. Trotz der
beengenden Struclur dieser Oper: nur vier Personen —
kein Chor! — eine sehr eiufache, wenn auch interes-
sante Handlung — ist doch das Ganze. so voll von An-
muth, Gefühl und geistiger Regung, dass man alle jene
gewohnten, ja fast nothwendig gewordenen Beiwerke einer
grossen Oper durchaus nicht vermisst. Ein Werk nun,
in dem Sinne des eben bezeichneten, wünschten wir jetzt,
bei offenbar gewonnener Erfahrung und geschärftem Ur-
theile des Compouisten , von ihm zu empfangen , um zu
ermessen, ob seine Inspirationen so genial und bedeut-
sam sind, dass sie des Schmuckes und des schimmern-
den Beiwerkes der sogenannten grossen Oper entbehren
können.
Was nun das vorliegende, sehr umfangreiche Werk
betrifft (es füllt allein in dem enggedruckteu Ciavieraus-
zuge 312 Folioseilen), so hält es zwar einen Vergleich
mit dem Hauptwerke seines Schöpfers, der „ Jüdin ,"
nicht aus, doch zeugt es unleugbar eben so von dem
schaffenden Genius des Componisten, wie von der Be-
herrschung seines Stoffes. Nur bot ihm dieser Stoff uicht
so günstige Veranlassung zu einer prägnanten Cbaracte-
ristik, zu so entschiedenen Gegensätzen und dankbaren
Situationen, wie sie ihm dort entgegenkamen. Einen nicht
zu verkennenden Zug und wohl auch Vorzug sehen wir
dagegen mit wahrer Freude in diesem Werbe sich gel-
tend machen : wir erblicken ihn in dem sichtbaren Stre-
ben, jene excentrischen Ausbrüche des Affects zu ver-
meiden, und wahres Gefühl, edle Einfachheit an ihre
Stelle zu setzen. Das zeigt sich gleich im ersten, ein-
stimmig gehaltenen. Chore der Landmädcben, in welchem
sie von ihrer Gespielin Odetta, die an den königlichen Hof
gebt, Abschied nehmen. Dieser Chor ist in der Thal von
so anmuthiger, woblthuender Einfachheit, dass er seine
Wirkung nicht verfehlen kann, und wir würden ihn un-
eingeschränkt loben, wenn er nicht in einigen Wendun-
gen den Chorcharacter verleugnete.
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1844. • November. No. 47.
782
Es folgt auf diesen ansprechenden Cbor ein franzö-
sischer Nationalgesang, derselbe, der bekanntlieb in Paris
grosse Aufregung, veranlasst hat , gewiss nicht so sehr
wegen seiner musikalischen Bedeutung, als wegen der
zeitgemässen, England feindseligen Demonstration, dio in
seinen herausfordernden, von der grossen Nation mit
Enthusiasmus aufgenommenen Worten liegt:
Guerre anx tyrans!' Jaraais en France,
Jamals l'Anglais ne regnera!
Was nun den musikalischen Theil dieser Kriegser-
klärung betrifft, so ist es nicht zu verkennen, dass das
energische Motiv mit seinen bezeichnenden Accenten, bei
so bedeutsamer Unterlage, mit französischer Leidenschaft
vorgetragen, einen gewaltigen Eindruck machen müsse.
Namentlich gewinnt es bei seiner Transposition nach
Cdur (zuerst erscheint es in Gdur) ungemein an Energie.
Da es nicht unsere Absicht ist und sein kann, das
umfangreiche Werk in allen seinen einzelnen Theilen aus-
führlich oder auch nur andeutend zn besprechen, so kön-
nen wir nur im Allgemeinen die Versicherung geben,
dass dieses Werk eine bedeutende Anzahl trefflicher Mu-
sikstücke, sowohl Arien als Ensenible's enthält, worun-
ter einige der letzteren von wahrhaft grossartiger Con-
ception sind nnd sich durch acht künstlerische, sorgfal-
tige Behandlung auszeichnen. Für Beides werden wir ei-
nige Beispiele geben, nnd bei ihnen verweilen.
Im ersten Act macht sich vorzüglich ein ziemlich
weit ausgeführter Jagdchor bemerklich. Er ist wirklich
von eigenlhümlicber Structur nnd bat eine so lebendige,
frische Färbung, dass wir ihn als ungemein anregend be-
zeichnen müssen. Sein Hauptmotiv erscheint zuerst im
Einklänge 5 später begleitet das Orchester den im Uni-
sono einherschreitenden Chor mit vollen, oft sehr kecken,
aber ungemein hebenden Harmonieen und in sehr bezeich-
nenden Formen. Es gereicht dem Ganzen noch zum be-
sonderen Vorzuge, dass der gewöhnliche Zuschnitt eines
Jagdchors mit seinen stereotypen Hörnertiraden ganzlich
vermieden wurde, und zwar ohne Nachtheil für die Cha-
racteristik.
Di« beiden nun folgenden Duette, deren zweites den
ersten -Act schliesst, sind dagegen ohne grosse Bedeutung
und ziemlich aphoristisch gebalten. Ihre Motive erschei-
nen mehr declamatorisch , als sangbar, und manche sind
von unerfreulicher Trockenheit. An Effectstellen fehlt es
indess diesen beiden grossen Duetten durchaus nicht, wie
sich de nn auch einige wahrhaft schöne Züge und ergrei-
fende Momente geltend machen.
In» zweiten Act erscheint als Glanzponct eine grosse,
höchst brillante Gesangscene der Isabella mit Cbor. —
Das Ganze wird mit „Vilanella" bezeichnet, nnd enthält
eine ganze Reibe von Situationen und Schilderungen, die
sich der musikalischen Behandlung höchst günstig zeigen,
und auch vom Componisten eben so geschickt als wir-
kungsvoll wiedergegeben sind. — Ein sehr piquanter,
zweistimmiger Frauencbor eröffnet die anmutbige Scene.
Der Chor wird doppelt anziehend, wo die sehr glänzend
gehaltene concertirende Stimme der Isabella hinzutritt.
Nach einem Recitative, das den Debergang motivirt, folgt
eine sehr geschickt und geschmackvoll nuancirte Romanze
in zwei Strophen, ungemein natürlich nnd doch sehr an-
sprechend erfunden nnd geführt, vorzuglich woblthuend
in dem heiteren Refrain. (Hier bewegt sich der Compo-
nist in einer Sphäre, die ihn wahrhaft liebenswürdig er-
scheinen lässt, und berührt Saiten, wie sie so traulich
und wohlgefällig in seinem Cabinetstück , unserem Lieb-
linge, dem „Blitz/ 4 ertönten.) Der Chor unterbricht bei-
fallig die sinnige, dabei sehr dankbare Romanze, und nach
einer analogen, kurzen Cavatine endigt diese interessante
Concertscene (zu welcher sie sich, auch ausser der Bühne,
vorzüglich eignet) mit einem schimmernden Bravoursatze,
wie ihn Publicum und Sängerinnen nur immer wünschen
mögen, um ein gehöriges : Plaudite ! zu motiviren.
Es folgt nun im Ciavierauszug ein grosses weit aus-
geführtes ballet, wovon wir nur sagen wollen, dass es
die Dilettanten mit Freude begrüssen werden, da es eine
reiche Ausbeute für sie enthält.
Das Duett No. 12 ist schon seiner ungewöhnlichen
Situation wegen (Odetta spielt Karten mit dem schwer-
müthigen, fast wahnsinnigen Könige) piquant, aber auch
die Musik hat viel Characteristisches. — Meist declama-
torisch gehalten, ist es vorzüglich in harmonischer Be-
ziehung sehr anziehend und mit grosser Gewandtheit ge-
schrieben, doch modulirt es zu viel und wohl aoeh oft
zu gewaltsam, wie überhaupt das Ganze einen etwas un-
stäten Character trägt. Besonders bezeichnend tritt der
Schluss hervor, und hier ist auch der Einklang beider
Stimmen , gehoben von einer sehr markirten Orchester-
begleitung und kräftig gesteigerter Modulation, vollkom-
men motivirt, und erscheint nicht, wie in vielen moder-
nen Opern, als willkürliches Effectmittel. Dies trotz sei-
ner Bizarrerieen doch Geist und Leben athmende Duett
geht in ein Terzett über, das am Schlüsse, wo die drei
Stimmen ein gut geführtes, kräftiges Ensemble bilden, für
das Hastige und Fragmentarische des Vorhergebenden ent-
schädigt und Eindruck macht.
Der zweite Act schliesst damit, dass der Dauphin
als der Thronfolge verlustig erklärt wird. Auch diese
Scene dünkt uns in der musikalischen Behandlung etwas
zu flüchtig und nicht prägnant genug aufgefasst ; doch ist
vielleicht ihre Wirkung von der Buhne herab grösser,
als der Umriss sie erwarten lässt.
Im dritten Act ist es zunächst ein grosses, offenbar
mit Vorliebe behandeltes Terzett, das unsere Aufmerk-
samkeit fesselt. Die drei Individualitäten, welche es bil-
den, sind in der That trefflich gezeichnet; namentlich ist
die Stelle, wo Odetta dem Könige das traurige Loos eines
verstossenen, unschuldigen Sohnes (seines eigenen !) schil-
dert, so wie die Erkennungsscene , von dem innigsten
Gefublsausdrucke durchdrungen und wahrhaft ergreifend.
Auch der animirte Schluss mit seiner vortrefflich motiyir-
ten Steigerung ist der bedeutungsvollen Situation ange-
messen und von entschiedener Wirkung.
Ein bald darauf folgendes Gebet, als Vocalqwtett
ohne Begleitung (der Ciavierauszug bezeichnet sie: ad
libitum), wird bei guter Ausführung, die indess nicht obne
Schwierigkeit ist, Eindruck machen. Nur bat seine Be-
handlung, in melodischer und harmonischer Hinsicht, zu-
weilen etwas Gesuchtes nnd Mühsames, obgleich die vier
Stimmen immer gleichen Schrittes sich bewegen. Selbst
an einigen Incorrectheiten fehlt es nicht, und manche Stel-
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1644. November. No. 47.
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len durften den Säugern eben so wohl durch ihre Ortho-
graphie (das Stuck ist in Fisdur geschrieben), als durch
einige harmonische Ruckungen, z. B. von Cisdor nach
B dar, ziemlich problematisch erscheinen. Doch entschä-
digt der wirklich edle Cbaracter des Ganzen, so wie man-
cher schöne, geniale Zug für die gerügten Mängel.
Das Finale dieses dritten Actes bildet ein grosses
Ensemble von zwei Chören und sämmtlichen Solostimmen.
Findet man es zuerst widerstrebend, dass der französi-
sche Chor sein; Vive le Roi! in so traurigen Klängen
ertönen lässl, so wird doch bald die Heiterkeit allgemein :
Tonart und Motive, die letzteren durch imposantes Uni-
sono hervorgehoben, vereinigen sich zu lebhaftem Auf-
schwünge, und führen einen lebhaften Actschluss herbei.
Wenn im vierten Acte eine grosse Scene der Odelta
(deren Partie übrigens einen höchst bedeutenden Umfang
bedingt) sich mehr durch interessante Einzelheilen, als
durch künstlerische Abrundung auszeichnet, so verdient
dagegen die unter No. 17 als Lied bezeichnete Cantilene
für Bariton unbeschränktes Lob. Wie einfach dieser aus-
drucksvolle Gesang auch gehalten ist, und in welchem
bescheidenen Umfange sich auch seine Melodie bewegt:
aus jedem Tone spricht rührende Innigkeit und gemüth-
volle Regung; fürwahr, ein treffliches kleines Musikstückl
Das Finale des vierten Actes, das überhaupt man-
ches Treffliebe, ja Geniale enthält, wird wahrhaft impo-
sant, wo das Allegro moderato (%, Hmoll) eintritt. Hier
zeigt der Componist unleugbar , dass er jenes tragischen
Aufschwunges fähig sei, der die dramatische Musik durch-
dringen muss, wenn sie erhöhte Leidenschaft zu schil-
dern hat. Chöre qnd Solostimmen bewegen sich selbstän-
dig, würdevoll, und die lebhaft gesteigerte Orcbesterbe-
deitung, mit ihren harmonisch bedeutsamen, kräftig mar-
kirlen Einschnitten, bildet im Gegensatze zu der geschick-
ten Gruppirung der Singstimmen ein Ganzes, das einen
sichern Erfolg verbürgt.
Der fünfte Act ist ziemlich kurz. Ein Lied mit Chor
ist recht hübsch angelegt, und vorzüglich ist es sein Re-
frain, der, von einer frischen Stimme mit hoher Tenor-
lage ausgeführt, sicher gefallen wird. Seine naive Ein-
fachheit, durch den Chor noch gehoben, und selbst die
wohlthuende Heiterkeit, die das Ganze belebt, wird um
so sicherer wirken, je seltener die heiteren Situationen
sind, die dieses Werk entwickelt. Nachdem nun noch
einige kurze Soli und Ensemble's so rasch vorübergegangen
sind, wie es die schnelle Entwickelung der Catastrophe
nöthig machte, schliesst die Oper mit dem im Eingange
von uns hervorgehobenen und fast ominös gewordenen :
„Guerre aux tyrans ! " etc., das nunmehr hier, von So-
lostimmen und Chor unisono ausgesprochen , wohl auch
erst seine volle Wirkung machen muss.
Indem wir nun nochmals das Werk vor unserem
Blicke vorübergehen lassen, sprechen uns noch so viele
einzelne Schönneiten aus demselben an, dass wir es uns
nur ungern versagen, sie durch specielle Bezeichnung
den Kunstfreunden näher zu bringen, da uns dazu der
Raum versagt ist.
Wir schliessen diese offene Besprechung mit dem
Wunsche, dass der treffliche Componist sein reiches Ta-
lent recht bald in einem gediegenem Werke concentri-
ren möge, das gewiss alle Vorurtheilsfreiere mit wahrer
Freude empfangen werden! AL
Nachrichten.
Sotnmerstagione in Italien.
Während man jenseits der Berge diesen Sommer über
häufigen Regen, Ueberschwemmungen und kühle Witter
rung klagte, war diese Jahreszeit in Italien, bei stets
heilerem Himmel und anhaltender Wärme, in jeder Hin-
sicht, sowohl in Betreff der Witterung, als der Musik,
ganz und gar dürr zu nennen. Einige Messen und Jahr-
märkte abgerechnet, beschäftigt die Sommerstagione in
Italien an und für sich die Oper am Allerwenigsten im
ganzen Jahre; desto thätiger waren diesmal in die-
ser Zeit die Theatersensale in der lombardischen Haupt-
stadt, dem bekannten Hauptquartier der grande armee
der Sänger und Tänzer. Jene vornehmen und wichtigen
Leiter der heutigen Opernlocomotive versahen reichlich
für künftigen Herbst und Carneval gar viele Theater, und
zwar buchstäblich von Petersburg und Moskau bis Chili,
von Neuyork bis Smyrna, von Afrika, Portugal, Spa-
nien, Däuemark, Holland, sogar Deutsehland (besonders
Berlin) mit italienischen Sängern zweiten, dritten und
auch vierten Ranges, in Ermangelung der Besseren.
Einige nennen das moderne Opernindustrie, Andere
meinen, es sei eine Opernseuthe. Was die Industrie an-
belangt, so gewinnt eigentlich nur der Sensal dabei. Die
gar bald absolvirten Virtuosi sind zwar auf einige Zeit
gut oder minder gut versorgt; allein für's Erste überei-
len sie ihre Studienzeit und bringen es nie zur gehöri-
gen Ausbildung ihrer Kunst, weil sie die heutige Oper,
der die stärkste Brust iu Kurzem unterliegen muss, schnell
zu Invaliden macht. Die in dieser, in der Musikgeschichte
unerhörten Dampfindustrie verwickelten Maestri huldigen
dabei mit ihren gräuelgetränkten Opernbüchern den Faxen
der neueren Zeit. Kränkliche Sentimentalität, Wimmern,
Winseln, Ziehen und Zerren der Melodie, eine alle Hohl-
heit, Schülerhaftigkeit, Leere und Langeweile bemän-
telnde Artilleriemusik, haben den Geschmack an der Oper
völlig irre geleitet, so dass die beutige Generation fast
zu glauben anfängt, es müsse Alles so klingen, wie ihr
vorgegurgelt und vorgetrommelt wird.
Keine Regel ohne Ausnahme! aber die heutige Mu-
sik ist im Allgemeinen und die Oper insbesondere eine
wahre Krankheit, eine Seuche, was schon zum Tbeil aas
dem vorhergesaglen , buchstäblich wahren Grassiren und
entnervenden Einflüsse der heutigen italienischen Oper zu
ersehen ist. Man muss aber, um die Quellen des Uebels
ausfindig zu machen, um mehr als dreissig Jahre zurück-
);ebea. Ich bitte die Leser zum Voraus , mich ja nicht
älscb zu verstehen, und mir kein Crimen laesae maje-
statis auf den Nacken zu werfen, wenn ich behaupte:
Beethoven und Rossini sind — ohne ihre Schuld — am
heutigen Verfalle der Musik Schuld. Ich habe Beethoven's
Umgang mehrere Jahre bis 1810 in Wien gepflogen, den
Proben und Aufführungen seiner grossen Schöpfungen bei-
gewohnt; aber ohne hier zwischen ihm, Haydn und Mo-
zart, die er doch in den meisten seiner früheren Com-
785
1844. November. No. 47.
786
Positionen zum Muster genommen, einen eigentlichen Ver-
gleich anstellen zu wollen, darf nur zum Gesagten so
viel ganz kurz bemerkt werden.
Kein wahrer Mosikkenner wird wohl behaupten, dasss
Haydn in seinen Sympbonieen und Quartetten an Reich-
tbum, Genialität, Kühnheit der Erfindung, Melodieenfluss,
kunstvoller und contrapunctischer Bearbeitung, Wirksam-
keit der Harmonie, Rhythmik, Schönheit der Verhältnisse,
weder von Mozart noch von Beethoven tibertroffen wor-
den ist. Beide Letztere haben blos zuweilen eine gross-
artigere Conception und Ausführung, Beethoven noch ins-
besondere das Bizarre voraus. Vater Haydn steht dem«
nach in der Instrumentalmusik stets oben an; Mozart
steht ab einziges Universalgenie, Beethoven überhaupt
als musikalischer Riese da. Alle Drei beurkunden indes-
sen eine ganz verschiedene Characteristik. Haydn = kind-
liches Gemüth, heitere Laune, süsse Webmuth, ruhige
Würde, lieblicher Ernst. Mozart = sentimental, Tiefe
der Geisterwelt, Ahnung dtB Unendlichen, himmlisch,
göttlich. Beethoven = Bewegung, Massen, das Kolossale,
ein immer stärker werdendes Verschmähen der angenom-
menen Formen, und dadurch in Bizarrerien ausartend.
Sein leidendes Gehörorgan, die dadurch öfters entstan-
dene Misslaune und gewisse Unruhe in seinem ganzen
Wesen *) ; die an Grosstbalen so . reiche und lärmende
Zeitepoche der ersten zwei Jahrzebente des jetzigen Jahr-
hunderts, in welchen er seine Hauptcoinpositiouen schuf,
hatten wohl auf seine Schreibart einen mächtigen Einfluss.
Natürlicher Weise sagen Bewegung und Massen der
nervösen Generation dieses Jahrhunderts am Meisten zu 5
das bat anfänglich der schlaue Rossini am Ersten einge-
sehen, und beide zur italienischen Oper benutzt (mit sei-
ner ihm eigenen Weisheit sagte er mir vor vielen Jah-
ren: in der Oper muss man die Zuhörer nicht einschla-
fen lassen). So bat denn die neuere Musik , mit weni-
gen Ausnahmen, ganz und gar jenen Character angenom-
men; man iguorirt Haydn's und Mozart's Ciassik, und
Beethoven muss selbst für Schmierereien zum Deckman-
tel dienen; es ist ja uneudlicb viel leichter, mit einem
gewissen Raptus vernachlässigter Form, als commensura-
bel, mit besonnenem, vollendetem Geiste zu componiren.
Wie himmelweit stehen aber die beutigen Beetnovenia-
ner von ihrem Vorbilde ab!
Ganz Antipod unseres unnachahmlichen deutschen
Riesen ist Rossini, der Allernachahmlichste. Seit seinem
Auftreten auf der melodramatischen Bühne hat er über
hundert Affen erzeugt, die sich's recht bequem machten,
Opern & la Rossini zu schreiben $ ihre süsslich fade und
entnervte, mitunter, der herrschenden Tragedia Urica we-
gen, kränklich weinerliche Melodik geht stets crescendo
mit den Stimmen - und Orchestermassen in paralleler Rich-
tung; aus dem harmonischen Labyrinthe der beutigen Fran-
zosen» die sieb Beethoven'sche Anbeter zu sein rühmen»
entlehnen sie das Gewürz» woraus die Tagesollapotrida
*) Einst speiste ich ganz allein mit ihm an einem Tiseh in ei- .
oem Gasthofe tu Wien. Noch bevor man die Sappe auftrug,
wurde er nachdenkend, darauf unruhig, ood warf Messer,
Gabel, LSffel rechts und links vor sich bin. Anf meine Frage,
Was das bedeute t lachte er halb weinerlich, und üoseerte sei-
nen Verdraas, dass man doch auf dieser Welt %utm müsse.
aus faden, weinerlichen , betäubenden musikalischen In-
gredienzien aufgetischt wird. Und sind nicht^so manche
Hyperbravourerzeugnisse unserer diesjährigen Pianoforte-
heroen ganz dasselbe? .... Ach Himmel, werden auch der-
gleichen meist auf Bouquets der modernen italienischen
OpernOora basirte Glaviercompositionen auf einem eisen-
starken aebtoetavigen Pianoforte vorgetragen, wie kalt
lassen sie doch ! — Herz und Geist haben jetzt in der
Musik dem Erstaunen Platz gemacht, die Composition ist
der Ausführung als höchstem Ziele gewichen, das Ganze
ein Handwerk, und die göttliche Tonkunst geopfert wor-
den. Glücklieb die Mehrzahl, die sich dabei gütlich thut,
aber himmelweit glücklicher die in die Geheimnisse unse-
rer unsterblichen Tonmeister eingeweihte Minderzahl. Basta!
Der Gegenstand, hier ernsthaft verfolgt und auseinanderge-
setzt, könnte zuletzt in's Buffo geralben. — Jedenfalls hat
er ein Gutes hervorgebracht: Die jetzt beglückten Virtuosi
denken auch an die Armen, und der eigentliche Stifter
dieses wobltbätigen Virtuosensinnes ist unstreitig Liszt.
Nach Vorausschickung dieser flüchtigen Bemerkungen
meint Schreiber dieses, dass nur in einer Rückkehr zu
Haydn und Mozart, den Schöpfern der Instrumentalmusik
und der Oper, noch Heil zu suchen und die dabei etwa
dem nervösen Zeitaller und der Mode zuzugestehenden
Modificationen ja bedächtig zu erwägen seien. Wer hat
wohl Tizian und Bafael übertroffen? Gibt es etwas mehr,
als höchste Vollkommenheit? —
(Fertsetsnng folgt.)
Leipzig, den 15. November 1844. Sonntag, den 10.
d. M., gab der berühmte Violinvirtnos Herr H. W. Ernst
aus Paris eine musikalische Morgenunterhaltung im Saale
des Gewandhauses. Er spielte darin mit den Herren Con-
certmeister David, Gade und Grabau das Bdur- Quar-
tett von Haydn und das Emoll- Quartett von Beethoven
(Op. 59); allein: den Erlkönig von Fr. Sehnbert, von
ihm für die Violine übertragen; mit Begleitung des Pia-
noforte (Herr C. Retnicke): Feuillet d'Album von St.
Heller, und die bekannte „Elegie** von seiner eigenen
Composition, und endlich mit Quintettbegleitung : Andante
und Carneval von Venedig. —
Herr Ernst geniesst einen weit verbreiteten, wohl-
begründeten Ruf als einer der vorzüglichsten Jetzt leben-
den Violinspieler, und man hat allerwärts, wo musikali-
sche Bildung herrscht und die gefeierten Virtuosen zu
ihren Produetionen Veranlassung finden, Gelegenheit ge-
habt, seine vortrefflichen Leistungen zu bewundern, so
dass es überflüssig erscheint, seine oft gerühmten Vor-
züge hier noch des Weiteren zu erörtern. Es genügt da-
her gewiss, in's Gedichtniss der Leser zurückzurufen,
dass dieser Künstler sieb namentlich durch einen unge-
mein gefühlvollen Ton, der sich in der Höhe oft in wun-
derbarer, wohl noch von keinem Anderen erreichter Weise
zu einem wahrhaften Jubel zu steigern vermag, durch
eine fast unglaublich leichte Ueberwindung der grössten
technischen Schwierigkeiten, und durch eine grosse Ele-
ganz und Bravour des Vortrags auszeichnet. Wir haben
es hier zunächst mit seinem Auftreten in der erwähnten
Matinee zu thun, und müssen in Bezug hierauf, ohne Be-
fürchtung, mit dem so eben im Allgemeinen ausgespro-
787
1844. November. No. 47.
788
ebenen Lobe in Conflict zu gerathen, doch offen geste-
hen, dass uns der Vortrag der beiden genannten Quar-
telta nicht. so angesprochen bat, als wir erwartet hatten.
Einen Theil der Schuld hieran mag allerdings, wie wir
nicht verkennen, das Local tragen, in welchem das Con-
cert Statt fand 5 denn der grosse Raum unseres Gewand-
haussaales ist unbedingt nicht günstig für die ihn nicht
hinreichend füllende Quarleltmusik , welche im Zimmer,
überhaupt aber in einem kleineren Locale, eine schönere
nnd vollständigere Wirkung erreicht. Aber auch dies ab-
gerechnet, vermissten wir hier und da an dem Concert-
geber das breite gesangvolle Hervortreten seines Instru-
ments. In Quartetten soll zwar die erste Geige keines-
weges eine Principalstimme , ein Soloinstrument sein,
aber wir hallen sie dennoch für hauptsächlich maass-
und tonangebend und für berufen, den Character des
Musikstückes auszuprägen. Dabei ist noch hinzuzufügen,
dass die drei anderen Instrumente durchaus zart und
discret behandelt wurden und daher unsere obige Bemer-
kung nicht etwa das Vermissen einer verbältnissmässigen
Steigerung aussprechen soll. Es war auch wohl mehr der
grössere Ausdruck des geistigen Erfassens der Composi-
tion, der uns als zum Ideal eines Quartettspielers gehörig
vorschwebte, nnd den wir deutlicher zu erkennen ge-
wünscht hätten, als das extensive Geltendmachen der
Rolle, welche die erste Violine, im Streichquartett zu über-
nehmen bat. Und in Bezug hierauf ist die schon oft ge-
machte Wahrnehmung noch unwiderlegt geblieben, dass
nämlich gerade die anerkannt grössten Violinvirtuosen
nicht immer auch die ausgezeichnetsten Quartettspieler sind.
Die Gründe dazu sind leicht zu finden und schon zu oft
erörtert worden, als dass eine Wiederholung derselben
hier angemessen sein könnte. Genug, dass Herr Ernst
auch in beiden Quartetten einen schönen Ton, eine grosse
Virtuosität und eine genaue Bekanntschaft mit den weni-
ger blendenden Werken unserer grossen deutschen Mei-
ster erfreulich bewies. —
Die Uebertragung des Schubert'acben „Erlkönigs" für
die Violine ist und bleibt jedenfalls ein sehr gewagtes Unter-
nehmen. Die durchgehende, an sich schwierige Begleitung,
darüber die die verschiedensten Affecte ausdrückende Sing-
stimme, dies Alles auf ein Instrument zusammenzudrängen,
welches seiner Natur nach eine Vollstimmigkett und ein sepa-
rates Hervortreten einzelnerund doch zugleich erklingender
Figuren ausscbliesst, — das kann nur auf eine Weise
geschehen, durch welche der Composition sowohl, als der
Violine Gewalt angethan wird. Herr Ernst besiegte die
grossen Schwierigkeiten dieses Arrangements mit einer
Fertigkeit, in der ihm kein ebeubürtiger Virtuos gleich-
zukommen im Stande sein wird; aber einen wahrhaften
ästhetischen Genuss konnte er trotzdem damit dem Hörer
nicht gewähren. Man gelangt über den Anstrengungen,
die der Vortrag dieses Stücks von dem Ausführenden er-
fordert, und die sich vor dem Publicum nicht verbergen
lassen, nicht zur Ruhe, und als Resultat bleibt endlich
nichts, als die Bewunderung über den relativen Grad der
Vollendung, mit der das Unmögliche möglich gemacht
wird. Allein diese Bewunderung hat sich, wie gesagt,
der Concertgeber in reichem und verdientem Maasse er-
worben. — Die gelungenste und dankbarste Nummer des
Goncerts war unstreitig die „Elegie," welche Herr Ernst
mit einer Tiefe des Gefühls vortrug, wie sie in solchen
Stücken eben nur ihm eigen ist. Und der Garneval von
Venedig, diese originelle Burleske, voll der komischsten
und naivsten Züge, verfehlte auch diesmal nicht den Ef-
fect der grössten Befriedigung auf die Zuhörer. Dass jede
einzelne Leitftnng des Künstlers stürmischen Applaus er-
hielt, bedarf wohl kaum einer Erwähnung, da ein sol-
cher demselben wohl nirgends fehlen wird, wo man Vir-
tuosität zu schätzen weiss. — Herr Widemann (Mitglied
unseres Stadttheaters) sang zwischen den Solovorträgen
des Concerlgebers ein Lied vou Curschmann und die Ro-
manze des Guido aus der Oper Guido und Ginevra von
Halevy und fand verdiente Anerkennung. —
Sechstes Abonnementconcert , Donnerstag, den 14.
November. — Ouvertüre zur Oper „Der Freischütz" von
C. M. v. Webtr. — Scene und Arie aus Titus von Mozart,
gesungen von Mad. Monier de Fontaine. — Violinconcert
in Form einer fiesangscene von L. Spohr, vorgetragen von
Herrn H. W. Ernst. — Recitativ und Arie aus Semiramis
von Rossini, gesungen von Mad. Mortier de Fontaine. —
Introductiou und Variationen über ein Thema aus La Stra-
niera von Bellini, componirt und vorgetragen von Herrn AT.
W. Ernst. — Sinfonia eroica von L. v. Beethoven. —
Die hohe Vollendung, mit welcher unser Orchester
unter anderen die PPeber'schen Opernouverturen aus-
führt, ist bereits in diesen Blättern oft gerühmt worden 5
deshalb wird es genügen, zu bemerken, dass auch dies-
mal die Ouvertüre zum Freischütz mit grosser Sicher-
heit und Rundung, wahrhaft schön vorgetragen wurde.
Ueber die Leistungen der Mad. Mortier de Fontaine
haben wir uns schon in unserem Berichte über das dritte
Abonnementconcert d. J. ausgesprochen , und haben es
jetzt bestätigt gefunden, dass die Gesanghrittel dieser Sän-
gerin, obgleich eine Verschiedenheit nicht nur der Stärke
ihrer Stimme, sondern auch des Tones selbst und seines
Characters wahrzunehmen ist, dennoch, besonders in der
mittleren Region, sehr schätzenswerth sind. Würde Mad.
Mortier, wie wir bereits früher bemerkten, ihre Stimme
in der Tiefe natürlicher klingen lassen und nicht mit ei-
ner gewissen Manier so an den Gaumen drücken , dass
sie fast über das weibliche Organ hinausgebt, so würde
die erwähnte Ungleichheit derselben bei Weitem weniger
auffallen und überhaupt der ganze Gesang nicht unbeträcht-
lich gewinnen. Uebrigens zeichnete sich die Sängerin darb
edlen Vortrag und grosse Gewandtheit rühmlich aus.
Das SpoAr'sche Concert in Form einer Gesangscene
ist ein anerkannt gediegenes und herrliches Werk, gleich
dankbar für den Spieler, wie interessant für den Zuhö-
rer $ das Erstere, weil es in schönen Motiven und glän-
zenden Bravoursteilen' dem Vortragenden mannichfaltige
Gelegenheit zu Entwickelung eines getragenen Tones und
zu Entfaltung seiner Virtuosität gibt und durch die dra-
matische Behandlung des Stoffes eine seltene Scala der
Affecte bietet; das Andere, weil des Hörers Theilnahme
durch die meisterhafte Abrundung der Harmonieen und
Modulationen, wie durch die niemals über die Natur der
Geige hinausgehenden Schwierigkeiten ungestört im ru-
higen Genüsse des Dargebotenen bleibt, und durch die
abwechselnde Steigerung des musikalischen Ausdrucks stets
789
1844. November. No. 47.
790
neu angeregt wird. Herr Ernst hat durch die höchst ge-
lungene Ausführung dieses schönen Conoerts in der Thal
den Ruhm eines vollendeten Meisters auf seinem Instro-
mente abermals bewährl 5 mit seltener Beharrlichkeit hielt
er dessen hier zunächst vorliegenden Zweck, die mensch-
liche Stimme nachzuahmen, fest und überschritt nirgends
die Grenzen des soliden, classischen Geschmacks, der in
dem ganzen Stucke, neben allen brillanten Seilen des-
selben, immer vorherrscht. Nidht alle Virtuosen der neue-
ren Zeit haben den Sinn für solch 9 edle Musik, oder sie
verstehen es nicht, ihn zu zeigen, oder endlich sie las-
sen sich nur zu leicht verführen, durch moderne Auffas-
sung und Reprodoction den Theil des Publicums, der blos
die Bravour des Executirenden anstaunt, für sich zu ge-
winnen. Um so mehr verdient Herrn Ernst $ gemessener,
wahrhaft schöner Vortrag eine ehrende Anerkennung. In
seinem zweiten Solo (das Programm bezeichnete dasselbe
als eine Introduction, Caprice und Finale über ein Thema
aus den Puritanern, es waren aber Variationen über ein
Thema aus der Straniera, wenn Referent nicht irrt) hatte
Herr Ernst Gelegenheit, seine stupende Fertigkeit zu
zeigen, die das Publicum zu einem lange nicht enden-
den Applaus hinriss.
Die mächtige Sinfonia eroica führte das Orchester
unter der tüchtigen Leitung des Herrn N. fF. Gade,
der immer mehr und mehr seinen unverkennbaren Beruf
zum Dirigenten an den Tag legt, vortrefflich aus.
L. R.
Ankündigungen.
Wohlfeile, bette und vollständige Sammlung von Orgelstücken
aller Arl ist der, fast allgemein in Kirchen und Seminarien eingeführte
Orselfreund»
Herausgegeben von G. W. Körner und A. G. Ritter.
5 Bände k 1 Thtr.
sind bereits erschienen. Von dem ersten Heft des sechsten Bandes
kann demnächst in allen Buch- nnd Musikalienhandlungen Ein-
sicht genommen werden. Auf sechs Exemplare wird das siebente
frei gegeben. Gefälliger Verwendung und Bestellung sieht entgegen
Willi. Körner in Erfurt.
IVeue Musikalien )
im Verlage von C» V» I*eter», Bureau de Musique in Leipsig.
Haela, JT, S., 12 petits Preludes ou Exerciees pour les Com-
mencansj tires de la m * Livraison des Compositions pour le
Piano. 17* Ngr.
Beelter, JL, Lenz und Liebe. Sechs Lieder für Mezzosopran
oder Bariton, mit Begleitung des Pianoforte. Op. 34. 15 Ngr.
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ment de Piano ou de Guitare. Op. 36. 20 Ngr.
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gleitung des Orchesters, Text lat. Op. 30. Partitur. 5 Thlr.
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d? Solo- und Chorstimmen. 2 Thlr. 22£ Ngr.
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linbcgleituug. Op. 31. Cah. i. 12* Ngr. Cah. 2. 22* Ngr.
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Hermes« Tis., Feuille» d' Album. Six Duettin os pour le Piano
a 4 maios. Op. 1. Cah. 1. 12* Ngr. Cah. 2. 15 Ngr.
Hunten, W» 9 Variation» brillantes sur la Polka nationale pour
Pianoforte. Op. 135. 20 Ngr.
Jans*« Ii*« Six Duos pour denx Violons. Op. 64. No. 4 — 6.
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Kalllwoda, J* W«, 6"" gründe Symphonie, a gründe Or-
chestre. Op. 152. 6 Thlr.
La mime , arr. pour le Piano a 4 mains , par F. Roitzsch.
2 Thlr. 15 Ngr.
5 ma Concertino pour Violon, ayec necompagnement d'Orche-
stre. Op. 133. 5 Thlr. 20 Ngr.
Le meme, ayec aeeompagn. de Piano. I Thlr. 15 Ngr.
HAeaVen, F», Lieder ans der Schweiz, Ar vier Männerstim-
men. Op. 44. Partitur nnd Summen, i Thlr. 22* Ngr.
Volkslieder, neapolitanische. Originalmelodieen mit Beglei-
tusg des Pianoforte, deutsch ?on W. Gerhard. No. 3. Liebchens
Antwort. 5 Ngr., No. 4. Der Wasserrerkaufcr. 5 Ngr.
Weber, C HI« de« Concertino pour Clnrinette, avec Orche-
stre. (Op. 26) arr. pour Flute et Piano, par C. Belebe. 20 Ngr.
In der T. Trautweln'schen Buch- nnd Musikalienhand-
lung (<J. Guttentag) in Berlin ist so eben erschienen:
Henberg , W., Op. 1. Sechs Lieder für Sopran oder Tenor.
i) Frühlingsengel: Muller wer kam cum Anrikelbeet. 2) Hei-
matblied.s Auf der Höhe bin ich gerne. 3) Liebeshoffnung : Ich
thöricht Kind. 4) Schön - Rohtraut ; Wie heisst König Hingangs
Töchterlein. 5) Holdes Mädchen ron Athen. 6) Standchen i In
dem Himmel ruht die Erde. Preis 20 Sgr.
Schneider, JTul«, Dt* Frevels Sühnung. ,,Noeh weilen heiTge
Engel.'* Gedicht von Klöden. Für eine tiefe Stimme. Pr. 10 Sgr,
Taubert, Willi., Schlasierlied von A. Kopisch. „Uem a Zo-
laberg da lent a Land harum." Preis 7* Sgr.
Trilbn, H«, L'abbandonata (Die Hoffnungslose): Still nnd
heimlich naht die Liebe , für Alt , mit ital. n. deutschem Texte.
Preis 7* Sgr.
Wlebmann, H», Op. 3. Sechs Lieder. 1) Vergissmeinnicht«
Es blüht ein schönes Blümlein. — 2) Huttelei» still nnd klein.—
3) Zn einem Kinde: Du bist wie eine Blnme. — 4) Der Kuknkt
Ich hör' eine wunderliche Stimm'. — 5) Der Stranss : Der Strausi
den ich gepflückt. 6) Des Knaben Berglied : Ich bin vom Berg
der Hirtcnknab. Preis 17i Sgr.
Bei Arteria *}• Comp, in Wien ist mit Eigenlhu
recht ganz neu erschienen und xu haben :
Beethoven, Ii* Tan, DerwücK-Ch&r ans dem ungedruckten
- Singspiele : „ Die Ruinen von 4then," für Pianoforte allein ar-
rangirt von Carl Czemy. 30 Kr. C.-M.
d? d? für 4 Handc. 45 Kr. C.-M.
* Ab einxige rechtmässige Besitzer des von weil. Ludwig tum
Beethoven Unterlassenen Mantucripts der noch ungedruckten Stucke
aus den Singspielen : „Die Ruinen von Alken •« nnd ,, König Stt-
Shan/ '.benachrichtigen wir xugleich sammtliche deutsche Concert-
»irectionen und Musik -Anstalten u. s. w. , dass die betreffenden
Partituren, ganx oder theil weise nur von uns in beziehen sind.
Wien, den 15. October 1844.
Arteria «ft> Comp.. Kohlmarkt No. 1151.
Bei C. A. Hlemm in Leipzig sind erschienen:
Mlnoja, Ambr.« 45 leichte Solfeggi für Sopranstimme. Neu
bearbeitet und mit Begleitung des Pianoforte herausgegeben von
G. PT. Teschner. 4 Helle, a 1 Thlr.
— — 24 leichte Solfeggi für eine Altstimme umgearbeitet nnd mit
Begleitung des Pianoforte herausgegeben von Ebendemselben.
2 Hefte, a i Thlr.
Teschner, €U IV., 18 Solfeggi für Sopran, thcils eompo-
uirt, tbeils bearbeitet mit Pianoforlcbegl. 2 Hefte, ä 1 Thlr.
Simmlliehe Solfeggi sind bereits mit entschiedenem Erfolge
nnd Nntsen beim Unterricht angewendet nnd in Rücksieht ihrer
ausserordentlichen Brauchbarkeit beim Contervatorimm der Murik
zu Leipzig eingeführt worden.
79t
1844. November. No. 47.
792
STeiie RIiMlkalleit
in Verlage von Friedr. Ristner in Leipzig.
lO Vemoy, S. 9 Op. 19. Pensee fugitive ponr Pisa». 7+ Ngr.
Op. SO. Aeverie. Morceau de Selon ponr Piano. Itt Ngr.
Eitner« C, Op. 10. Sceae und Arie für dm» ehroamtUche
Hörn mit Orchester. I Thlr. 10 Ngr.
Op. 10. Dieselbe mit Pianoforte. 80 Ngr.
Knast, Op. 18. Le Carueval de Venise. Variation« burlesques
aar la Caaaoncttat „Cara Mamma mia" ponr Violon aToe Qaa-
tttor et Goatrebaise oa Piano. 1 Thlr. o Ngr.
Op. 18. Le mäme ponr Violon avec Piano. 25 Ngr.
_ — Op. 18. Le meme arraage pour Piano a 4 maini. I Tblr.
Op. 18. Le meme erränge ponr Piano seul. SB Ngr.
«mde, Op. 8. Erste Symphonie für Orchester in CmoU. Parti-
tur gebunden 8 Thlr. Stimmen 6 Thlr. 18 Ngr.
— — Op. 8. Dieselbe für Piaaoforte su Wer Händen eingerich-
tet. 9 Thlr. tf Ngr.
Hoven, H. 9 Op. 26. Der Sauferkampf, oder curidse und wahr-
halte Beschreibung, wie der ebrenveste andennoch gottTergeaaeve
Ritter Cuno, durch den salve venia Gott sei bei uns, im Saufen
überwunden und auf die Letzt geholt worden. Eine scb6ne tröst-
liche Historia, allen gottfurchtigen Gesellen and Junggesellen an
Trost und Unterrieht , allen bösen , unzüchtigen , halsstarrigen
Säufern zur Besserung gehalten und allen Ghristenmenschen fast
nützlich und kurzweilig au hören, in vergnüglichen Reimen ge-
schrieben dnreh Dr. August Eberhard Schmidt, mit weltlicher
Mnsica von Hans Hoven. 15 Ngr.
IiUbln, Op. 46. Fantaisie sur un Theme de I'Opera i Lueta dl
Lammermoor, de Donaetti, Morceau de €oncert et de Salon pour
Violon seul. 10 Ngr.
Mendelfteurlan Bartnoldy, F., Op. 40. Duett No. 5
aus dem 95. Psalm , für zwei Sopran - Stimmen mit Pianofortc
(„Denn in seiner Hand"). 10 Ngr.
— — . Op. 55. Musik znr Aatigoae des Sophokles naeh Donner* s
Uebereetzuag, für Pianofortc tu 4 Händen eingerichtet. 2 Thlr.
25 Ngr.
Od. 58. Sonate für Pianofortc and Violoncello (No. 2) 2 Thlr.
10 Ngr. (Die Violoncellstime apart 15 Ngr.)
— — Dieselbe Sonate für Pianofortc und Violine eingerichtet Ton
F. David. 2 Thlr. 10 Ngr. (Die Violinstimme apart 15 Ngr.) .
Op. 60. Die erste Walpurgisnacht, Ballsde von Goethe für
Chor und Orchester. Partitur gebunden 7 Thlr. 15 Ngr. Orchester-
stimmen 7 Thlr. Singstimmen 2 Thlr. 15 Ngr. Clavieraussüg 4 Thlr.
Op. 65. Sechs zweistimmige Lieder (für zwei Sopranstim-
men) mit Piaaoforte. 1 Thlr. 5 Ngr.
Moseheleft, I., Op. 107. Tägliche Studien über die barmo-
nisirten Scalen zur Uebung in den verschiedensten Rhythmen.
Ein Cjclos von 55 vierhandigen Characterstücken in allen Dur-
and Molltonarten mit vollständigem Fingersatz, zur Unterhaltung
für Lehrer und Lernende. Heft 1. 2. ä 2 Thlr.
Op. 108. Deux Fantaisie« brillantes sur des Airs favoris de
I'Opera: „La Bohemienae," de Balfe , pour Piano. Heft 1.
20 Ngr. Heft 2. 25 Ngr.
Bletz, Op. 2. Fantaisie pour Violoncelle avec Orchestre. 2 Thlr.
15 Njn. , avec Piano. I Thlr. 10 Ngr.
Op. 13. Symphonie für Orchester m Ginoll. 7 Thlr.
— — Op. 15. Dieselbe arrangirt für Pianoforte zu vier Händen
vbm Componisteu.
— — Op. 15. Neun Lieder für eine Singstimme mit Pfte. 25 Ngr.
Op. 16 Concerto pour Violoncelle avec Orchestre 5 Thlr.,
avec Piano I Thlr. 20 Ngr.
Sehrelnser, Op. 7. SixBglogues p. Piano. Cah. 1. 2. a 20 Ngr.
— — Op. it. Trois Pieces caracteristiques pour Piano. 22i Ngr.
Op. 15. Sehnsucht nach dem Vaterlande, von Mümloff, für
eine Bassstimme mit Pianoforte. 10 Ngr.
Op. 19. Drei Gesinge ron 9V. Hauff für eine Bassstimme
mit Pianoforte. 15 Ngr.
Wmrtel, VKereajm, Souvenirs des Hnguenots. Fantaisie paar
Piano. 20 Ngr.
WlllUier« , Op. 29. Nordische NationaUieder mit freier Be-
nutaang der Origiaalmelodieea für Piaaoforte übertragen. No. 1.
Flieg, Vogel flieg (Panisch). No. 2. Panische NationalmelosHe.
No. 5. Norwegischer fischergesang. No. 4. Die Wassernixe
(Schwedisch). No. 5. Norwegische» Banernlted. ä 15 Ngr.
Uebcr den Bau der Geige und anderer Saiteninstru-
mente. Zum Gebrauehe für Künstler, Dilettanten und Instrumen-
tenmacher. Nach einem in der Aeademie des Sciences in Paris
von Savart gehaltenen Vortrage ia*s Dentsche übertragen. 15 Ngr.
Einladung xv Subscription auf ein Ckoralbick.
Zu kVe ihn ueht en d. J. erscheint von dem Unterzeichneten das
Werkt
Choral - Meiodieen
zum Gesangbach für den evangel. Gottesdienste
vierstimmg bearbeitet und ausserdem mit einem »wei-
ten bezifferten Basse versehen.
Für Klrehe, Schule und Hans.
Es ist das einaige aller bisher erschienenen Choralbaeher,
welches jeden Choral iweimal harmonisirt bringt, und der Verfas-
ser glaubt durch diese Behandlungsart auf einigen Dank aller
Freaade des Kirchengeeaugcs , insbesondere auch der Generalbass-
tpieUr rechnen au dürfen. Das Werk , 159 Meiodieen enthaltend
und circa 130 Seiten stark, erscheint sauber lithographirt und bro-
chirt, auf weissem, sehr starken Maschinenpapier, au dem Subscrip-
tionspreise von nur Einem Thmler, wofür noch niemals ein
Choralbuch gekauft worden ist Mit dem Erscheinen des Werkes
wird der Preis um das Doppelte erhöbt. Bestellungen möge man
entweder in portofreien Briefen direct an den unterzeichneten Ver-
fasser oder durch die Ger W<f sehe Buchhandlung in Danaig machen.
Daaaig, den 31. October 1844.
F. W. Hmrltull,
Oberorganist der St. Marien Oberpfarrkirche.
Von dem k. k. österr. Capellmeister (jetzt in Berlin)
JToh. Gung'E
erschienen vor Kurzem für Orchester and für Piano (4 4 — 10 Ggr.)
die mit allgemeinstem Beifall aufgenommenen Tänze:
nädelientränme-Walzer, Souvenir-Polka,
Catharlneia-Polka, Ungarischer Marsch*
So eben erschien der Walzer:
Ein Strällftgeneen für Orchester IJThlr. , für Piano ISiSgr.
Obiges Striusschen machte in Berlin Furore; bei der Auffüh-
rung stets da Capo-Ruf ; die Critik höchst günstig. Herr RcUstab
sagte in der Voss'schen Zeitung vom 28. October d. J. :
Ein Strausschen, Walser von Joh. Gung'l, ist ein so hüb-
sches, anmuthiges, als man es nur einer hübschen Tauaerinu dar-
bieten mag; das eigenthümlichc Talent, fliessende Meiodieen mit
scharfen rhythmischen Einsackungen zu schaffen, bewährte der
Componist auch hier wieder und erndtete dafür den Beifall aller
seiner Zuhörer.
Durch alle solide Musikhandlungen au haben. -
Berlin, Selaleftlnff einsehe Buch- und Muaikhandinng.
Da ich das Bigenthumsrecht meiner von Carl Ktingemumn für
die deutsche Bühne bearbeiteten Oper „ Die Br&nte VOB
Venedig?" ausserhalb Englands gänzlich aa die H aüb erger sekt
Verlagshandlung in Stuttgart abgetreten habe, so bitte ick hiermit
die verehrlichen Theaterdirecliooeu, welche darauf reflectiren woll-
ten, sich an die benannte Verlag«handlung unmittelbar au wen-
den, von welcher allein Textbuch, Partitur und Ciavierauszug
rechtmässiger Weise zu erlangen sind.
aluileU Benedict» Capellmeister des koaigL Theaters
Drurv Lnne iu London.
Bin Dirigent für eine ujrAfllelie
weleker aber zugleich eine gute erste Geige und wenigstens mit
einiger Fertigkeit Piano spielt, wird gesucht. Alt Honorar bei
freier Station wird 900 Thlr. bewilligt. Auskunft auf portofreie
Anfrage ertheilt der Mnaihdlrector B» Wrma* in Halle.
Druck und Verlag von Breitkopf und Bortet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
795
794
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 27 ,te » November.
M 48.
1844.
Kmlsstltt Mecenrio*. — Nachrichten: Die ums italische Feier des GeburUfestes de« Köoigs voo Preasseo ia Erfurt. Aas Cassel. Aas
Leipzig. Somniertttgiooe io Italien. (Fortsei in ng.) — Feuilleton. — Ankündigungen.
Recension.
Chöre zur „Medea" des Euripüles, comyonirl von Wil-
helm Taubert. Op. 57. Ciavierauszug. Berlin, Traut-
wein. Preis 2 l / 8 Thlr.
Nachdem der Versuch der Berliner Bühne, das In-
teresse am antiken Theater durch Aufführung der „An-
tigene" de» Sophodes neu zu beleben» geglückt war,
und sogar Prankreich bereits seinen Beifall nicht versagt, ,
liess sich erwarten, dass man es bei dem einen Versuche
nicht bewenden lassen werde. Die „Medea" desfcEuripi-
des, eines Dichters 9 welcher der modernen Anschauung
schon etwas näher steht, als sein unmittelbarer Vorgän-
ger, folgte. Das tragische Pathos gründet sich hier auf
eine menschliche Leidenschaft, die Eifersucht, den Begrif-
fen der Gegenwart unstreitig zugänglicher, als die Schwe-
sterliche, welche dort zur Sünde gegen die Götter vetv
leitet. Kindermord ist hier die tragische Schuld, dort war
es die Bestattung der Leiche des Bruders* Medea ist da-
her bereits längst zur Heldin der Oper wie der Tragö-
die neuerer Dichter gemacht worden, während mit Aoti-
fone dieselben jeden Versuch unterlassen mussten. Das
ormeile des antiken Schauspieles ist aber beiden gemein-
sam, und die Musik, an den über der Handlung schwe-
benden Chor gebunden, hat hier wie dort dieselbe Auf-
gabe, welche nur äusserlieh verschieden modificirt wird,
indem derselbe dort ans Männern, hier aus Frauen al-
lein besteht.
lieber die Art, wie Mendelssohn die Aufgabe der Behand-
lung den antiken Chorea gelöst hat, ist hinreichend gespro-
chen weiden. Dass 1 er an Handel and Glaek sieh anleh»
uen werde, war vorauszusehen, dennoch wardi man auch
dnreh ei genfhnmliohe Wirkungen, welche er hervorbrachte,
frondig überrasebL Die Würde des ganaea Gedichtes wurde
durch di* Musik *a helles Lieht gestellt , die Dichtung
dnreh *«• gehoben , und idelea für moderne Aoatafct
Herbe «ad echwer an Genieaeende gemildert uad zugäng-
licher gesaechu Sein- Nachfeiger hatte eieea schweren
Stand, iasofcra bereits nur VetgtaieiHing Stoff da war,
während Mendelssohn den Vortbeil das erstem Eindrnekes
für sieb hatte. Auaseadej* ist der Weiberchor unstreitig
grösserer Monotonie ausgesetzt, als dar männliche. Dcu-
noflb bat.*Medea" mit Taubert's Musik anf der Berliner
Häher — anf einer aadavtu ist, so tial uns bekamt, das
Stink Mab weht flaggen — eicht geringeren JKndeuek»
U Jshrrasf.
als Antigooe, hervorgebracht; die Gesammtwirkung, wie
Referent aus eigener Erfahrung bestätigen kann» ist gross-
artig und erschütternd, und wenn das unvergleichliche
Spiel einer ^Schauspielerin, wie die Creliager, daran den
grössten Aatbeil bat» so ist dach auch der der Tauberi-
schen Musik sehr bedeutend und wesentlich. Die Parti»
tor enthält ausser der Ouvertüre« oder richtiger : instru-
mentalen latroduetion, neun Musiknnmmera, die nun zum
Nutzen von Privatgesaagvereiaea , welche» wie bei An*
tigone oft geschehen ist, sich in Verbindung mit Deesk-
alation das Werk vergegenwärtigen wollen, hier üb Cla«
vierauszuge vorliegen.
Die Introdnction tritt mit der auch von Cherubini
in der Medea gebrauchten acht tragischen Tonart F moU,
und zwar mit einer Figur, die im ersten Chore vom Or-
chester festgehalten wird, auf. Ein mildes, aber doch tief
schmerzliches Thema in As, woraus sogleich sich das
Stück wieder nach Fmoll zurücksankt, bildet den Ge-
gensatz. In den ersten Seenen ist vielfach melodramati-
sche Begleitung, obgleich discret, um die Stimme des Spre-
cheoden nicht an erdrücken, angebracht. Dies geschieht
durch die ganze Tragödie häufig und ist oft von grosser
Wirkung. Daas im Altertbume dergleichen exisürt, ist
zwar sehr na bezweifeln . vielmehr anannehmen , dass
dar Eintritt der Instrumente nur bei dem Chore Statt
E »fanden. Nichtsdestoweniger wird der moderne Tonkunst»
r die Mittel der Gegenwart anwenden dürfen» wie es
ihm zweckmässig acheint, da wir über attea Musikalisehe
bei den antiken Tragödien uns doch einmal im Finstern
beßnden ; weder die Gesetze ihrer Harmonie noch ihres
Rhythmus sind mit Sicherheit abzugeben , man hat nur
Vermutbunge*. Mithin kann die Aufgabe dea Campoeisten
keine andere sein, als den Geist Ad^ Alterthums im gros*
sea Ganzen sich beseelen an lassen. Dia Mittel« die ihm
au Gebote stehen, sind ihrer .Katar nach andere» als zur
Zeit des Euripides. Diese Voraussetzung soll Reiner igno-
rinen, der eine solche Leistung zn würdigen sich an-
schickt. Besondere Schwierigkeit für #* musikalische
Bearheitttag bietet des metrische Verhältnis*, welches die
UeberseUung, auf die Prineiptea der Herretaae sehen Me-
trik gestützt , ihnen verlegt. Der. strophische Bau der
neueren Opferntexte hat unsere Compaaistei sehr ver-
wöhnt* gifleklieb genug, wenn sje durch fleissige Bear-
beitung von BihelsteUea in der Utber'acboa Uebensetawg
aieh SelbsUadigkeit erworben haben, wie dies bei Meu-
feUftob* der Fell ist,, der in aüen eaieen
48
795
1844. November. No. 48.
796
silioDen den Schlendrian der modernen Reimerei . vermie-
den , und sieb an die alte rhythmisch schwungvolle Prosa
gefallen hat. Es ist wohl möglich, dass auch die denfr-
sehen Operndichter auf den Gedanken kommen werden,
das* sife mit ihren herkömmlichen und abgenutzten Vers-
maassen den Componisten nur mangelhaft in die Hände
arbeiten. Die Erfindungskraft derselben wird sich neu
beleben, wenn freiere Verse, wie sie uns in den antiken
Chören begegnen, ihnen dargeboten werden. Auch Tau-
bert's „Medea" enthält den Beweis, dass siongemässe De-
clamation der antiken Verse beachtet werden kann, ohne
dass darüber der für das musikalische Ohr erforderliche
Abscbluss, die Abrundung zur selbständigen musikalischen
Form» mit einem Worte die Nalur des Musikstückes ver-
nachlässigt zu werden braucht* Zu diesem Ende bat er
Terschiedene Wege eingeschlagen. Wo es geschehen
konnte, bat er die Form des Chores, wie sie in der Oper
üblich ist. benutzt, den melodischen Fluss festgehalten,
z. B. in dem etwas sentimentalen No. 3: ,, Wenn Liebe
sieh über das Ziel verirrte/' Oefter aber bat er den Chor
mehr mit musikalischen Phrasen, die sich dem Recitative
nähern, auch häufig im Unisono beschäftigt, und legt in
die dann dazwischen greifenden instrumentalen Sätze den
Hauptgedanken und dessen harmonische Entwicklung.
Oefter» wird reines Melodram daraus. Eine merkwürdige
Verbindung dieser verschiedenen Elemente findet sieb in
No. 7, worin die Aufgabe des Componisten durch viele
kalte verständige Betrachtungen des 'J extes sehr erschwert
wurde. Der Chor stellt eine Disputation an über die Vor-
züge des ehelichen und des ehelosen Lebens. Um die
Gegensätze hervorzuheben, ist die Rede melodramatisch,
die Gegenrede recitativisch bebandelt worden. Dass tie-
fer Ernst, schmerzvoller Ausdruck durch das ganze Werk
vorwalten müsse, lag im Stoffe; für tröstliche Melodie
ist wenig Gelegenheit, und diese, wo irgend möglich, be-
nutzt, z. B. in dem recht frischen Chore des Abschiedes
No. 4, worin die helle Tonart Cdur glücklich gewählt
ist. Tief ergreifend, von acht tragischem Palhos ist die
Chorscene No. 8, welche in die tragische Catastrophe
selbst eingreift und schon deshalb den Componisten auf-
forderte, seine Kraft hier zu concentriren. Das Talent
desselben bewährt sich hier in der Steigerung des Aus-
druckes bis zu dem erschütternden Worte -. „Du bist Ei-
sen." Der Schlusschor No. 9 hat natürlich einen reli-
giösen, an den christlichen Cultus erinnernden Cbaracter
bekommen, wobei von eigentbömliefaer Wirkung ist, dass
die Singstimmen auf der Quinte tchltessen, das Orchester
aber den Scbluss auf dem Grundtone in plagaliscber Wen-
dung übernimmt. — Wenn man die einmal gestellte Auf-
Bibe richtig erwägt, wobei namentlich der sehr schlimme
angel der Bässe in den Singstimmen in Betracht kommt,
so bat der Componist sehr Anerkennuneswürdiges gelei-
stet. Mit völliger Bewahrung aller künstlerischen Freiheit
ist ein unseren Gefühlen und Ansichten fremdartiges Ge-
dicht, dem wir uns also mit einer gewissen Scheu nä-
hern, musikalisch zu bebandeln, unmöglich. Was auf die*
s«m Gebiete geschieht, kann immer nur als Versuch be-
frachtet werden, dessen Erfolg, dessen Wirkung auf un»
ser Kanstlefcen erst abzuwarten ist. Dass die Aufmerk-
iapkail auf das antike Schauspiel, selbst auf die mit*»
maaseliche Stellung, welche die Musik zur Handlung ein«
genommen haben mag, auch für die Geschichte des mu-
sikalischen Dramas unterer Tage Einfluss haben und
fegen eine gewisse Verweichlichung vortheilhaft wirken
önne, davon sind wir überzeugt. Nur soll man nicht
zu zeitig von Erfolgen und Triumphen sprechen, über
welche sich Einer gerade um so eher täuschen kann, je
höber seine wissenschaftliche Bildung, seine Pietät für die
Vergangenheit ist. Was existirt hat, kehrt auch in der
Kunstgeschichte niemals wieder, wie es war, aber es
kann allerdings durch die Werke einer vergangenen
Epoche gleichsam die Befruchtung einer späteren Statt
finden. A. Ä.
Nachrichten.
Die musikalische Feier des Geburtsfestes des
Königs von Preussen am 14* und IS. Octo-
ber in Erfurt.
Der patriotische Sinti der uralten Erfordia und ihrer
musikeifrigen Bewohner bewährte sich auch diesmal bei
der Geburtstagsfeier des allgeliebten Königs in gewohn-
ter rühmlicher Weise. Das Festconcert des bei dieser
Gelegenheit zugleich sein 25jäbriges Bestehen feiernden
Sol/er'&chen Vereines fand am Abend des 14. Octobers
im geschmackvoll und mit exotischen Gewächsen ausge-
schmückten Theater Statt und war vorzüglich zahlreich
besucht, so dass es schon eine Stunde vor Anfang des
Concertes schwer war, einen guten Platz zu gewinnen.
Es wurde durch einen prachtvollen, grossartigen, weit
ausgeführten Festmarsch für das volle Orchester eröffnet,
welchen Herr Musikdirector Golde, derzeitiger Dirigent
des So//er , scben Musikvereins, für diese Gelegenheit neu
componirt hatte und der es, reich an schönen Melodieen,
geistvollen Modulationen und imposanten Instrumentalef-
feclen, wohl verdiente, recht bald durch den Druck zu
allgemeinster Verbreitung zu gelangen. Er gebort zu den
schönsten und grossartigsten Compositionen , die wir in
diesem Fache kennen, wie denn überhaupt Herr Mnsik-
director Golde sich in diesem Genre einer besonderen
Beliebtheit zu erfreuen bat. Eben so gut gelungen war
ihm die Composition eines von Herrn Divisionsprediger
0. Sydow gedichteten Festgesanges. Gedicht und Musik,
gleich trefflich und ansprechend, fanden den wärmsten
Anklang. Dit hierauf - folgende Ouvertüre von J. J. hHU*
hr, welcher von 1826 bis 1836 Musikdirector des S%U
/er'scheft Vereins gewesen war, hatten wir, wenn wir
nicht irren, schon einmal 1631 bei Gelegenheit des gros-
sen von Dr. Naue in Halle veranstalteten Erfart'scben
Musikfestes gehört. Sie ist im {Sanften eine tiehtige, im
älteren gediegenen Style gehaltene Arbeit Die darin vor-
kommende Fogenpartie ist wahrhaft ausgezeichnet zu
nennen und den trefflichsten Leistungen in diesem Be*
reiche an die Seite zu stellen. Ein Halleluja von Nie-
meyer, componirt von L. E. Gekktrdi, der in den Iah*
ren 1896 bis 1841 die Coneerte des Vereins geleitet
hatte, besebtoss, unter eigener Directien des würdigen
707
1344. ' November. No. 4a
im
Veteran*, die «Nie» reich ausgestattete Abtheilang, und
halte eich besonders in der Scblussfuge eines aufmuntern-
den Beifalles an erfreuen , wäbread wir in den meisten
übrigen Parties*, bei oft glücklicher Erfindung der mu-
sikalischen Motive, eine fleißigere Verarbeitung und sorg«
fälligere Ausführung derselben gewünscht hätten. Herr
Musikdirector Gebhardi ist unstreitig glücklicher im siren-
gen, als im freieren Style, in welchem ihm der sichere
Gase und Fluss weniger zu gelingen seheint. Uebrigens
war es ein sinniger Gedanke, dass man in solcher Weise
bei dieser Jubelfeier des Vereins gleichsam einen Rück«
blick in seine Vergangenheit eröffnet hatte, und die freund-
liche, wahrhaft liberale Art, in welcher so Herr Musik-
direclor Golde seine Vorgänger ehrte, verdient die freu-
digste 1 Anerkennung.
Die zweite Abtheilung des Concerts eröffnete eine
Pestouverture von A. B* Marx, die wir, nach der Pause
etwas zu spät an unseren Platz zurückgekehrt, leider nur
tbeil weise hörten, weshalb wir uns auch kein Unheil
darüber erlauben wollen. Sie schien indess aus zwei ganz
verschiedenartigen Sätzen zu bestehen. Den Schluss bil-
dete eine grosse, von Sydew gedichtete, von Golde com-
ponirte patriotische Festcantate, deren ausfuhrlichere Be-
1 nrtheilung wir späterhin geben werden. Hier wollen wir
nur bemerken, dass die geschickt angelegte und durch-
geführte Dichtung dem Componisten volle Gelegenheit
bot, sein schönes reiches Talent zu entfalten. Diese Mu-
sik gereicht in der Thal ihrem Schöpfer, der hier zum
ersten Male mit einem umfangreicheren Vocalwerke her-
vortrat, zu grosser Ehre. Sie ist reich an schönen, ge-
gefällig ansprechenden Melodieen und gqt erfundenen und
geschickt verarbeiteten Motiven. Die Instrumentirung bie-
tet glänzende Effecte ohne den Gesang erdrückende Ueber-
füUuog und zeugt von grosser Gewandtheit im Gebrauche
der Orchestermittel. Ausgezeichnet gut gelungen. ist dem
Componisten, nebst vielem Anderen, vorzüglich der Schluss,
ein herrlicher Doppelchor, in welchem mit einer von dem
Verfasser erfundenen Melodie die bekannte Volksweise
„Heil dir im Siegeskranz" in höchst wirksamer Weise
zusammentritt. — Dieses in der Hauptsache woblgelun-
5ene, tüchtig ausgeführte (auch die übrigen an diesem
Jtende gegebenen Musikstücke gingen übrigens rund und
glatt weg) in den Solopartieen gut, zum Tbeil ausge-
zeichnet vertretene Werk erhielt lebhaften, wohlverdien-
ten Beifall, und dürfte die Anerkennung, welche es in
Erfurt fand, sicherlich auch an anderen Orten gewinnen.
Herr Musikdireotor Golde, ganz unstreitig einer der tüch-
tigsten, und talentvollsten Musiker Thüringens, sah übri-
gens sein eifriges, vielseitiges und in der Tbal höchst
fördersames Kunststreben vor Kurzem unter Anderem auch
dadurch ehrenvoll anerkannt, dass er vom 32. Regimeote,
dessen Musikdireotor er ist, mit einem schön gearbeite-
ten Taetirstabe beschenkt wurde. Dass der Soller'sche
Musikverein unter seiner unermüdlich thätigee ., eifrigen,
geschickten und energischen Direction ungemein an Kraft
und Leben und erfreulicher Kunstthätigkeit gewonnen hat,
muss ein Jeder mit warmer Hochachtung anerkennen,
der, wie Referent, Gelegenheit hatte, die Leistungen jenes
Vereines während einer, längeren Reihe von Jahren zu be-
obachten. Bei solcher Tbätfgkeit kann es nicht fehlen,
dass dieser Verein immer grosseren Zuwachs gewinnt
und immer heilsamer und kräftiger auf das Gedeihen der
Tonkunst in Thüringens Hauptstadt einwirkt.
Der Soller' sehe Verein wurde übrigens von dem jetzi-
gen Oberbaurathe Herrn Soller in Berlin, zuerst in Form
einer Quartettgesellscbaft, in's Leben gerufen, an die sich
neben anderen Musikfreunden einige auch jetzt noch dem
Vorstande des Vereins angehörende Mitglieder anschlös-
sen. Unter der fleissigen Direction des verstorbenen Mu-
sikdirectors J. J. Müller konnte der neugestiftete Bund
bereits im Jahre 1820 mit öffentlichen Leistungen her-
vortreten, und gelangte späterbin unter Leitung der Her*
ren Leibnitz, Blättermann und Retschau zu immer rei-
cherer Wirksamkeit, welche indess im Jahre 1826 durch
Störungen und Zerwürfnisse, auf welche wir hier nicht
näher eingehen können, auf einige Zeit gelähmt wurde.
Durch den Musikdirector J. J. Müller als Orchesterdiri-
genten und Herrn Seminarlehrer Bach als Gesangvereins-
dirigenten wurde er indess bald wieder dem drohenden
Verfalle entrückt und allmälig zu immer grösseren Unter-
nehmungen befähigt. Im Jahre 1836 übernahm Herr Mu-
sikdirector Gebhardi die Direction, 1841 dirigirte einige
Zeit lang der gegenwärtige Hofmusiküs Herr Branden-
burg in Rudolstadt, nach dessen Abgange Herr Capellmei-
ster Chelard in Weimar einige Concertauffuhrungen, z, B.
des /fäWef sehen Alexanderfestes, leitete, bis endlieh die
Direction an Herrn Musikdirector Golde , unter Beihilfe
des Herrn Lehrers Zink, überging und mit so günstigem
Erfolge geführt wurde, dass die Zahl der Mitglieder, die
sich beim Abgauge des Herrn Brandenburg auf 138 be-
lief, gegenwärtig auf 324 gestiegen ist. Nächst dem Eifer
des Herrn Dirigenten selbst hat man diese neue erfreu-
liche Blüte unstreitig der beharrlichen Ausdauer des ver-
ehrlichen Vorstandes zu verdanken, dessen hochachtbare
Mitglieder sich zum Theil schon seit mehr als zwanzig
Jahren mit der grössten Sebstverleugnnng zum Besten des
Publicum* jenen zahllosen, oft so leidigen und unange-
nehmen Mühwaltungen unterzogen haben , die in der Re-
gel mit solchen Unternehmungen verbunden sind, und
welche in der Tbat nur ein edler hochherziger Eifer für
die schöne Sache der Kunst zu überwinden vermag. Er-
furt und die Umgegend hatte diesem Vereine und seinem
kunstltebenden Vorstande bereits eine lange Reibe ausge-
zeichneter Kunstgenüsse zu verdanken, und so können
wir gewiss auf die herzliche Zustimmung aller Musik-
freunde Thüringens rechnen, wenn wir den Wunsch aus-
sprechen, dass derselbe gleich kräftig und fruchtbringend,
wie seinem ersten, auch seinem zweiten Vierteljahrhun-
dert enlgegenwacbsen möge!
Die festliche Aufführung des „Erfurt'schen" Vereins
fand am 15. October früh 9 Uhr in der Kaufmännerkir-
che, unter der Direction des verdienstvollen Musikdireo-
tors Herrn Retschau Statt. Nach einem für die Feier des
Tages berechneten Cboralgesange nach der Melodie : „Ich
hab mein' Sacb' Gott heimgestellt" wurde in sehr wür-
diger Weise und gut vertreten durch Chor- und Solo-
stimmen, so wie durch das Orchester, Snohr's herrliches
Meisterwerk „Das Vater unser" von Mahlmann gege-
ben, — eine Composilion, die uns, so oft wir sie hör«
ten, stets auf das Tiefste ergriffen und mit der innigsten
799
1344. NeveaAer. No. 48.
80O
Hochachtung gegen ihren verefamgswffrdigen Schöpfer
erfüllt bat, dessen hober Genius und Meisterschaft sieb
in ihr so reich und herrlich beurkundet. Scbon in diesen
einen Werke steht Spohr f unseres Erachten* , eben so
gross, eigenthümlich und herrlich in seiner Weise da,
wie Haydri) Mozart, Beethoven nnd M. v. Weber in
der ihrigen. Er ist die letzte von den grossen, wahrhaft
hervorragenden und völlig in sich abgeschlossenen Indi-
vidualisten, welche einer ewig denkwürdigen Epoche der
deutschen Musik angeboren, nnd es ist in der Thal ein
nicht geringer Grad von Verkehrtheit und Verblendung
dazu erforderlich, wenn man, wie es neuerdings öfter der
Fall gewesen, neben anderen jüngeren und durchaus nicht
ebenbürtigen Talenten, einen in seiner Art ganz einzig
dastehenden, eine hohe, edle Kunstrichtung in höchster
Vollendung reprasentirenden Tondichter tbeils zu verklei-
nern sucht, tbeils geflissentlich in den Schatten stellt. Es
f ereicht wenigstens in unseren Augen dem Erfnrt'schen
ereine zum grossen Verdienste, jenes Werk des grossen
unsterblichen Meisters« das, wie es scheint, fast völlig
vergessene, aufs Neue an's Licht gezogen zu haben.
Wo man dasselbe noch nicht kennt, möge man es ja so
bald als möglieb zur Auffuhrung bringen. Man kann sich
von demselben nicht nur den edelsten, reinsten und nach-
haltigsten Konstgenuss, sondern auch die reichste Belebung
und Erhebung des Gemüths versprechen. Dr. R/n,
Cassel, im October 1844. Am 10. September d. J.
trat in der Beltinf scheu Oper „Romeo und Julie" Fräul.
Fricke vom StadUbeater zu Riga als Romeo auf. Der eben
nicht sehr bedeutende Erfolg, welchen dieses erste Debüt
mit sieb führte, hatte seinen Grund nicht sowohl in der
Mangelhaftigkeit der Darstellung, als in der ungeeigneten
Wahl der Rolle, indem wir daraus deutlich zu entneh-
men vermochten, dass die SSngerin, davon abgesehen,
dass sie ihre Stimmmittel gegenwärtig weder richtig, noch
Seschickt genug zu verwenden weiss , nicht einmal den
baracter ihrer Stimme so weit erforscht hat, um der-
selben den geeigneten Wirkungskreis anzuweisen. In dem
Tonumfänge, innerhalb dessen sich die Partie des Romeo
bewegt, hat die Stimme des Präul. Fricke einen sehr
jungen, fast möchten wir sagen: kindlichen Klang, der
uns zur Erfüllung eines grossen Raumes nicht stark und
gerundet genug erscheint. Diese Mängel der Stimme wür-
den ohne Zweifel in vielen anderen Partieen nicht in den
nämlichen Maasse hervorgetreten sein, weil — dem Klange
nach zu urlbeiien — die Stimme ohne Grund in eine
tiefere Tonlage gesenkt ist, als ihr die Natur angewiesen
hat. Nicht sowohl einem Mangel an Gehör, als vielmehr
der Jugend ihrer Stimme und ausserdem der nicht voll-
kommen richtigen Behandlongsweise derselben dürfen wir
wohl ein mehrmaliges Abweichen der langen Künstlerin
von der reinen Intonation beimessen. Uebrigens war die
Aussprache im Gesang im Ganzen deutlich und die Ton*
verbrodang innerhalb des erwähnten geringen Umfangs im
Allgemeinen gut» nur eine liefere Auffassung der Rolle
wäre zu wünschen gewesen. Weit mehr befriedigten uns
in dieser Hinsicht Fräul. Eder (Juiie) und Herr Derska
(TvtaW) , und zwar vorzugsweise im ersten Acte. Was
die Darstellung der gram Seen« dea dritten Acte von
Präul. Eder anlangt, an dürfen wir nicht uuerwtfcut las-
sen, dass die SSngerin wieder einmal, nach ihrer ge-
wohnten Weise, in ungewöhnlichem Grade ontrirte. Wir
können derartige Uebertreibungen , welche zunächst ans
einer unwiderstehlichen — ja wir glauben sogar — bis-
weilen unwillkürlichen Neigung zum Beben nnd Ucber-
ziehen der Töne entstehen, niemals gutheissen, weil die
oben erwähnten Manieren, wenn sie gleich sehr geeig-
net scheinen, den leicht entzündlichen Enthusiasmus dea
Beifall gebenden Parterrepubtieums hervorzurufen, den«
noch, in solchem Maasae angewendet, unschön und „so*
mit der ästhetisch musikalischen Darstellung kinderlieb
sind. Dessenungeachtet haben sie, deren relativen Wertk
wir bei richtiger und massiger Anwendung durchaus nicht
verkennen mögen, in den Kreisen unserer Dilettanten vie-
len Anklang gefanden, und werden täglich bis aom lieber-
druss angewandt, und zwar zunächst nur deshalb, weil
sie von einigen Opernsängern ausgegangen sind nnd ia>
Polge dessen nicht allein ffir gut, sondern auch Kr sebön,
ja wohl gar für jedem , auch dem schwächsten GefuMs-
ausdruck angemessen gebalten werten. Die nächste Folge
einer solchen maass - und ziellosen Anwendung dieser
Manier ist die, dass die jungen gesunden Stimmen, an«
statt an Kraft »und Helligkeit des Klanges zu gewinnen,
schwach, dumpf und kränklich werden, nnd somit gar
nicht in der schönsten, von jeglichem Drucke befreiten,
regelrechten Klangform zu Gebär kommen können. Möchte
man doch recht bald von der erwähnten verderblichen
Neigung zu der Gesangweise zurückkehren , durch wel-
che das Stimmorgan in den Jahren, in welchen der Sän-
ger an physischer Kraft zunimmt, nur gewinnen, aber
nicht verlieren kann. — Zum zweiten Debüt hatte Präul.
Fricke die Rosa in „Des Adlers Horsl" von Gläser ge-
wählt. In Hinsicht auf den Gbaracter ihrer Stimme kön-
nen wir diese Wahl als eine angemessene bezeichnen.
Wenn auch gerade nicht namhafte Vorzöge der Sänge-
rin bei dieser Leistung an's Licht traten, so war die-
selbe doch von einem günstigeren Erfolge, als die entere
begleitet. Lobenswerthe Anerkennung verdiente diesmal
das bisweilen sorgsame Spiel der jungen Könstlerin, nur
hätte sie in einigen Ensemblesätzen über das Spiel den
Gesang nicht vernachlässigen dürfen. Wir zweifeln kei-
neswegs daran, dass die künftigen Leistungen des Präul.
Fricke bei fortgesetztem Pleiss und echt künstlerischem
Streben immer schätzbarer werden, während sieh die ge-
genwärtigen noch nicht über das Niveau des Gewöhnli-
chen erheben. Was die Ausführung der übrigen Gesang-
partieen dieser Oper beträft, so ist dieselbe den gegen-
wärtigen Kräften unseres Sängerpersonals vollkommen an-
gemessen , und war daher die befriedigende Darstellong
des Werkes im Voraus ze erwarten, uit Besetzung war
folgende: Riebard, Herr BUerhoßr j Renner, Herr Birn-
baum; Veronica, Frau Sek**; Anton, Herr ffatfrtc*;
Marie, Fräul. Haler; Cassian, Herr Dertka^ Lazarus,
Herr Haser.
Am 6. Getober ging Lortting* komische Oper „Der
Wildschütz " hier zum ersten Mal in Scene. Den Er-
Wartungen, welche wir an dies neueste Weit dea Gern*
ponisten von „Caaar und Zimmermann 44 auch**, ist
80t
1814. November. No- 48.
802
durah dasseH* auf das Vollkommenste entsprochen wor*
den. Dasselbe gehört au dar Gattung der Spielopern, ia
welchen in der Regel wenig ausgefiibrtere Sologesang*
uieeen, dagegen aber mehr Ensembtcstücke vorkommen.
Da» letalere nach in diesem Werke des am die komi-
sche Oper verdienten Cemponisten wieder eben so gut
angelegt, als ausgeführt, insbesondere seeniseb gut ge-
rfacht, leicht a» einander gereiht und überhaupt mit vielem
Geschicke componirt sein wurden, durften wir schon im
Voraas erwarten* Wenn wir indess aneh keines der er»*
wiboten mehrstimmigen Gesangstücke dieser Oper ent-
behren möchten, so würde es nach unserer Meinung den«
noch dem gaaaen Werke Wim Vortheile gereicht haben,
wenn dasselbe mit einigen Solopiecen mehr geziert wor-
den wire, für welche sich das grössere Publicum wohl
überall zunächst interessirt. Lortzing erwirbt sich ein
nicht geringes Verdienst um die Musik, insbesondere der
Oper, indem er das musikalisch Höhere, Vollendetere —
aber auch Complicirtere — » auf die möglichst fassliche
Weise, insbesondere nach dem Vorbilde Mo%arf$, dem
grosserem Publicum zugänglich macht, dessen musikali-
scher Geschmack dufreh die italienisch süsslichen und fran-
zösisch coquetlen Melodieen der Oper des Tages sehr ge-
litten eh haben scheint. Nicht nach musikalischen Rhapso-
dien, mit welchen sich viele neueren Tonsetzer begnit«
gen, sondern nach ausgeführtem!, vollendeteren roodnla-
torisehen Formen strebt Lortzing auch ia den meisten
Nummern dieser Oper. Und nach der Erfahrung aller Zei-
len ist gerade diese letzte Eigenschaft der Tonstücke al-
lein geeignet, fir dieselben nicht nur dem Kenner, son-
dern auch dem Laien dauerndes Interesse einzufläasen,
ahne dass sich letzterer des Grundes jemals bewusst wird,
nur ist für ihn die Wirkung solcher Musik niemals —
oder doch nur selten — eine schlagende, sondern stets
eine allmaüg zunehmende. Wir dürfen daher wohl an*
nehmen, dass bei wiederholten Auffuhrungen des Wer-
kes die Theiinahme dafür sieh immer mehr steigern werde,
wenn gleich die erste Aufführung sich schon einer bei*
fälligen Aufnahme zu erfreuen hatte. Lebhafte Theiinahme
erhielt im ersten Acte: das Lied mit Chor „A BCD,"
der Jägerebor, in dem Pinale das Lied für Sopran „Bin
et* sehlichtes Kind vom Lande *'; im zweiten Acte: das
Duett für Sopran (Baronin) und Tenor (Baron), die Arie
deaBaeuk» „Fünftausend Tbaier"; im dritten Acte: die
Arie den Grafen, in dem Finale das Voealqnartett and
der Chor der Schuljugend „0 du, der du die Tugend
selber bist,** Der letztere brachte stürmischen Beifall her-
vor «nd wurde da Capo verlangt. Herr Birnbaum (Ba-
culus) wurde gerufen. Obwohl wir die erste Darstellung
daa Werkes als eine in den meisten Stücken gelungene
an bezeichnen haben, so leugnen wir dennoch nicht, dass
wir manches Einzelne besser ausgeführt erwartet bitten.
Dm nur eines Umstandet zu erwähnen, den wir als man-
gelhaft beneiebnen müssen, gestehen wir, dass wir im
Gesaugvortrage der weiblich« Stimmen nicht jederzeit
befriedigende Deutlichkeit der Aussprache» gepaart mit
wohlthaendem Galorit des Taaktanges, wahrgenommen ha-
ben. Namentlich tritt dieser Verwerf die Damen Schattb
(GriBn) und Miller (GrcAchen). Wenn auch der Vortrag
ran parierte» StfrUen ia achneller Bewegung dem Organe
der weibliehen Stimmen — voralmlicfc in der höheren
Tonlage ~ ungleich mehr Schwierigkeiten, als dem der
männlichen darbietet, so ist doch deren Ueberwindnng bei
angestrengtem Fleisse möglich, und darum dürfen wir
gewiss die Beseitigung dieses in der That störenden Man-
gels dringend empfehlen. Die übrigen Fartieen waren fol-
Sndormaassea besetzt: Graf von Eberbach — Herr BU
rhofer; Baron Kronthal — Herr Derska; Baronin Frei»
mann — Fräul. Eder; Nanette — Friu). Gerlach; Pan»
cratius — Herr Baser.
Am 11. gab der Pianofortevirtuos Rudolph Witt*
mere aus Copeubagen im Hoftheater ein Concert, in wel*
ehern er folgende Werke von seiner eigenen Compositum
vortrug; „Ein Sommertag in Norwegen/ 4 „La Melanco-
lie, 4 ' Fantasie über das Thema von Prume % und das mu-
sikalische Tonbild „Sehnsucht am Meere," ferner: „Dä-
nisches Nationallied ,♦« „Serenata erotica für die linke
Hand allein, 4 * „Tarantella giocosa" und die „Grande
Fantaiaie - Caprice sur l'invitation de danse de Weber. 44
Der Pianist entwickelte bei der Protection der hier ge-
nannten Pieeen manche sebatzenswerthe Eigenschaft. Sein
Vortrag zeichnete sich nicht nur durch Festigkeit, Klang«
fülle und Vollgriffigkeit, sondern auch durch Manniehfal*
tigkeit der Schattirung uad Zartheit des Ausdrucks sehr
vorteilhaft aus. Wir haben bei ihm niemals eine Ueber-
bietoog der Natur aeines Instrumentes wahrgenommen*
und daher ist sein Spiel mehr einnehmend, als ergrei-
fend, uad wenn aueh niemals überraschend und blendend,
dach angenehm anregend und bisweilen sehr gemüthreich.
Diese rühmlichen Eigenschaften, welche der geschätzte
Virtuos wehl zum Theil dem wobltbätigen Einflüsse sei-
ner ehemaligen Lehrer, des unvergesslichen Hummet nuA
des hochgeachteten Fr. Schneider, verdanken mag, wöi*
den indess unserer Meinung nach den Zuhörer in noch
höherem Grade za fesseln im Stande gewesen sein, wenn
die zur Production gelangten Tonstücke selbst mehr Ab-
wechselung in Hinsicht auf Form und Inhalt geboten hat-
ten. In den oben angeführten Compositionen fanden wir
meist Tensatze in der Gestalt von sogenannten Liedern
ohne Worte, nur das eine Mal mehr, das andere Mal
weniger ausgeführt, in welchen die Gesangatellen fast
ausschliesslich von Accordpassagen umspielt werden. Die
Beschaffenheit des Pianoforte's , der Harfe und mancher
anderen Instrumente machen freilich das hinfigere Er*
schonet) derartiger Begleitungsflgaren zulässig, aber es
EMohiehc in dieser Hinsieht in unseren Tagen von via»
n Claviercomponisten und Ciaviervirtuosen viel aaehr, als
fnt ist. Ihre mit rapidester Schnelligkeit auszuführenden
onverbindungen sind oft nur dem Schema nach melo-
disch reich und manniehfaltig , dagegen wirklich durch-
sichtig und ermüdend einförmig. Selbst der anziehendste
und insbesondere auancirteste Vortrag reicht nicht hin,
die Einförmigkeit der aus solch durchsichtigen Begleitungs-
figuren gebildeten Passagen zu verdecken. Ausserdem mö-
gen wir bei dieser Gelegenheit eines Umslandes erwih»
nen, Att selbst auf das gewählteste Concertauditorinm
einen nachtbeitigcai Einfluss ausübt. Ganz abgesehen von
dem heberen oder geringeren Kunaftwenthe eines Ciavier*
oonoertÄüoLes, mindert sich sogar schon beim ersten An«
hören denselben das Interesse des Zuhörers, wenn er dar*
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1814. November. No. . 48a
804
auf angewiesen ist, fast einen ganzen Abend hindurch
sein Ohr den Klängen des Pianoforte's zu leihen, was
auch in den eben nicht sehr zahlreich besuchten Con-
eerte des Herrn IVülmers der Fall war. Die erste von
den oben angeführten Compositionen war das einzige Con-
eertstück mit Orcbesterbegleilung, welches der geschätzte
Virtuos vortrug. Wir erachten es für wünseuenswertb,
dass die Pianisten in Zukunft von dem Vorhaben abste-
hen mögen, ihre Concerte fast allein zu geben, zumal
wenn sie ein grosses, von dem Klange eines Flügels nicht
überall genügend auszufüllendes Local zur Concertauffüh-
rung wählen. Der Klangreiz eines guten Soloinstrumen-
tes wird nach unserer Meinung bei der dem Flügel jetzt
gegebenen Kraft und Fülle des Tones durch eine von dem
Komponisten eben sowohl schön gedachte, als auch von
den Ripienisten • discret und geschmackvoll ausgeführte Or-
chesterbegleitung , wie denn auch noch mehr durch das
Einschieben von angemessenen Tuttisätzen um ein Bedeu-
tendes erhöht. Wir unseres Theils wurden dämm eben
so sehr, als durch die Produotion des Herrn WiUmert,
auch überdies noch durch die befriedigende Aufführung
der Orchesterslücke erfreut, welche in diesem Concerte zu
Gehör kamen. Dieselben bestanden aus der Ouvertüre zu
Egmont von Beethoven, der Ouvertüre zum Wasserträ-
ger von Cherubini, und einer Arie für Sopran mit obli-
gater Violine von Meyerbeer, gesungen von Fräul. Low.
Der Vortrag der Sängerin war im Allgemeinen sehr lo-
benswert!) und zeichnete sich insbesondere durch ein-
zelne geschmackvolle Scbattirungen vorteilhaft aus* Herr
Derska hat sich schon durch die Wahl zweier von ihm
znm Vortrage genommenen Lieder von Franz Schubert-—
nämlich der Hymne an die Jungfrau („Ave Maria") und
des Ständchens („Leise flehen meine Lieder") — den
Dank der Musikfreunde, um so mehr aber durch die
schöne Ausführung der vortrefflichen Compositionen die
allgemeinste und beifalligste Anerkennung erworben. —
Bei der Veranstaltung eines zweiten Concertes am 21.
hatte Herr IVillmers nicht allein eine erfreulichere Aus-
wahl der Pianofortecompositionen getroffen, sondern auch
für mehr Abwechselung gesorgt Die von dem Concert-
geber zu Gehör gebrachten Tonstücke waren : das „Pia*
noforteconcert mit Orcbesterbegleitung in Es dar" von
Beethoven, und sodann von seiner eigenen Gomposition
für Pianoforte allein : die „Serenata erotica für die linke
Hand allein" (zum zweiten Male), Fantasie über Thema'*
aus Lucrezia Borgia und Lucia di Lammermoor, die Etüde
„La pompa di fesla," das für Pianoforte übertragene Fi-
nalquinlett aus Lucia di Lammermoor, die Etüde „Los
hirondelles" und die Fantasie über Thema's ans Robert
le Diable. Was die hier genannten Compositionen des
Herrn Wiümers anlangt, so geben wir im Allgemeinen
den kleineren vor den erwähnten Fantasieen den Vorzug,
obschon auch diese manches Interessante und vornämlich
Kunstreiche enthalten. Den Vortrag eines jeden der hier
angeführten Concertslücke haben wir mit seltenem In-
teresse verfolgt und dürfen denselben als höchst gelun-
Sen und mit Rücksicht auf die manniohfache Sehattirung
es Tonklanges als künstlerisch vollendet bezeichnen.
Wahre Freude gewährt es uns, in Hinsicht auf die Aus-
führung des Beethoven' sehen Concertes dem Orchester
eine in gleichem Grade lobende Anerkennung sollen zu
können. Diese Produotion war eine wehrhaft ausgezeich-
nete. Doch auch die beiden Ouvertüren — zur Oper
„Der Berggeist" von Spohr, und die zu „Fidelio" (die
kleine in Kdur) von Beethoven, — welche die beiden
Abtheilungen des Concertes eröffneten, wurden sehr sorg«
fältig executirt* Ausserdem hörten wir zwischen den Vor-
trägen des Herrn fViUmers das Lied „Die Zigeunerin"
von A. Fesca, gesungen von Fraul. Eder, Spohr's Pot-
pourri für die Violine über Thema's aus „Jessoada,"
gespielt von Herrn J. Bott, und zwei Quartette Cur Min-
nerstimmen von flauer, gesungen von den Herren Derska,
Kühn, Edier und Fbppel. Auch die Ausführung der hier
erwähnten Zwischennummern war eine recht dankens-
werthe; am Vorteilhaftesten zeichnete sich Herr./. Bott
durch sein Violinspiel aus. 0. R>
Leipzig, den 26. November 1844. Herr Mortier de
Fontaine aus Paris, über dessen treffliebes Ciavierspiel
vor Kurzem schon in d. Bl. berichtet wurde, veranstal-
tete Mittwoch, den 20. d. M. , eine musikalische Soiree
im Gewandhause.
Die von ihm selbst darin votgetragenen Musikstücke
gaben ihm wiederum Gelegenheit, zu zeigen, dass er bei-
den Richtungen, der classischen und modernen, mit glei-
chem Eifer und anhaltendem Studium gefolgt ist und in
jeder Beziehung einen ehrenvollen Platz unter den jetzi-
gen Ciavierspielern einnimmt. In der Ausführung solcher
Sachen , die dem neueren Zeitgeschmacke .huldigen , ist
er zwar nicht frei von einer gewissen Coquetterie des
Vortrages ; allein das wird ja nun einmal, und nicht mit
Unrecht, dabei verlangt; was auf Effect im Salon berech-
net ist , muss auch den Intentionen der. Salonversamm-
lung, Amüsement 4 und Staunen über fast Unmögliches,
entsprechend vorgeführt werden , und es wird sicherlich
Niemandem einfallen, eine Thalberg'&che Etüde oder Ca*
Srice, eine £t**/'sche sogenannte Fantasie u. s. w. mit
er ruhigen Würde, dem besonnenen, heiligen Ernste
vorgetragen Jiören zu wollen, den z. B. eine ArcA'scbe
Fuge bedingt. Das aber gereicht eben Herrn Mortier de
Fontaine zum Ruhme, dass er Beides, den Ernst und die
Tiefe des Gefühls, wie jene Coquetterie, zu .ihrer Zeit
und am rechten Orte wiederzugeben vermag, ohne durch
dieses Doppelwesen eine oder die andere Seite seiner Lei-
stungen in den Schatten zu stellen. So spielte er (mit
Herrn Concertmeister David und Herrn Grabati) das Hum-
mer sehe Esdur-Trio — welehes aus einer Zeil stammt,
wo die eben erwähnten Richtungen sich noch nicht so
entschieden trennten, und das daher, bei manchen Vor-
zügen, doch ein Mittelding zwischen solider Erfindung
und halbmodernen, nicht viel sagenden Bravoorgängen ist
und bleibt — rund und ansprechend, das Prikdinm and
die herrliche fünfstimmige Fuge aus dem zweiten Theile
des itacA'schen wohltemperirten Claviers aber geistreich
und mit seltener Ruhe und Sicherheit. Das kleine anaan*
thige Salonstück eigener Gomposition ,,Le papilloa," das
mit seiner heiteren Unruhe das flüchtige Sohwisaaea des
Schmetterlings treu schildert, und die bekannte Binde
von Thalberg aus Amoll, mit deren Vortrag bereits fra-
805
1844. November. No 48.
800
her hier wie anderwärts . der Componist seihet Forore
nachte, obgleich sie eigentlich in musikalischer Bezie-
hung nicht das geringste. Interesse einzulassen im Stande
ist, worden von Herrn Mortier de Fontaine mit ausser-
ordentlicher Nettigkeit und Bravovr executirt. In grosser
Vollendung hörlen wir sodann von dem Concertgeber und
Herrn Ernst drei von den reizenden „Pensees fugitives,"
die der Letztere mit dem talentvollen Steph. neuer in
' Paris zusammen componirt hat, und die bekanuter zu
werden verdienen, als sie es sein mögen. In der letz-
ten Nummer des Programms endlich, Introduetion und
Rondo eigener Composition, leistete Herr Mortier de Fon-
taine last Unglaubliches durch meisterhafte Ueberwindung
der beinahe zu sehr gehäuften Schwierigkeiten.
Herr Ernst erfreute uns durch den Vortrag seiner
„Elegie," in welcher er die Violine wieder so wunder-
bar schön singen und sprechen liess, dass die Zuhörer
tief ergriffen werden mussten. Zwischen den Intrumen-
talsoli's trugen Mad. Mortier de Fontaine und der Te-
norist Herr IV idemann einige Gesauestücke vor. Erslere
sang die Arie des Malcolm aus La Donna del Lago von
Rossini, eine unbedeutende Romanze von Labarre „La
pauvre nlgresse, " und Barcarole von Franz Schubert
(eine französische Uebersetzung des Liedes in Asmoll
„Auf dem Wasser zu singen") ; sie war gerade sehr gut
bei Stimme, oder vielleicht machte es die einfache Pia-
nofortebegleitung, dass die von uns früher erwähnte Un-
gleichheit ihrer Töne fast gar nicht bemerkbar wurde; es
scheint in der That, als wenn nur eine übermässige An-
strengung ihrer Stimme in den höheren Tönen, zu der
sie wohl die starke Orchestcrbegleilung verleiten mag,
jene Ungleichheit erzeugt. Wir gesteben gern, dass ihre
Leistungen an diesem Abende uns weit vorzüglicher er-
schienen sind, als die in den beiden Abonnementconcer-
ten, in denen sie bisher auftrat. Von Herrn Widemann
wurde correct und mit schöner Stimme eine Nummer aus
den Soirees musicales von Rossini und ein uns unbe-
kanntes Lied vorgetragen.
Das Goneert war nur wenig besucht, aber der Bei-
fall, den sich Herr Mortier de Fontaine erwarb, darum
nicht minder stark und lebhaft, indem alle Zuhörer ihre
Befried igung laut zu erkennen gaben. —
Abu gestrigen Abend, Montag, den 25. November,
fand, ebenfalls im hiesigen Gewandhause, das alljährliche
Goneert zum Besten des Pensionsfonds für arme und
kranke Mitglieder unseres Orchesters Statt. Der gute
Zweck dieses Goneerts wird von unserem Publicum stets
gern und tbeilnehmend gefördert, und bereits ist, wie wir
mit Freuden vernommen haben, der erwähnte Fonds zu
einer nicht unansehnlichen Höhe angewachsen, so dass
von dessen Zinsen schon manchem verarmten oder er-
krankten einheimischen Musiker dankenswerthe Unterstü-
tzungen haben verabreicht werden können. Auch diesmal
war die betreffende Musikaufführung zahlreich, wenn auch
nicht so zahlreich, wie in den letzten Jahren' (wovon der
Grund nur in zufalligen Umständen liegen mag) besucht.
Das Programm bot eine reiche Auswahl interessanter Mu-
sikstücke dar: Ouvertüre zur Oper : Fierabras, von Franjs
Schubert (ManulcripO. — Scene und Arie aus der Oper :
Der Freischütz, von C.M.v. Weber, gesungen von Frau).
Caroline Mayer, erster Sängerin am hiesigen Stadtthea-
ter. — Gmoll-Concert für Pianoforte von Mendelssohn
Bartholdy, vorgetragen von Herrn Mortier de Fontaine
Arie aus der Oper: Der Freischütz, von C. M. v. We-
ber, gesungen von Herrn Eindermann, Bassisten am hie*
sigen Stadttbeater. — Concerlouverture von N. W. Gade
(Ddur, neu, Manuscript). — Lieder mit Pianofortebeglei-
tung, gesungen von Fräul, Mayer. — Coucertante für
vier Violinen mit Orchester von L. Maurer, vorgetra-
gen von den Herren H. fV. Ernst, Antonio Bazzini,
Jos* Joachim und Concertmeister David. —
Des für die Tonkunst zu früh heimgegangenen
Franz Schubert seltene Begabung zeigt sich wieder
deutlich in der so eben erwähnten Ouvertüre. Zwar
findet sich noch manches Unfertige, wenn wir so sa-
gen dürfen, manches Eckige und Unvollständige darin,
was uns die letzte Feile des Meisters vermissen lässt;
"aber das kann uns den Genuss nicht schmälern, den das
Werk in seiner urkräftigen Gestalt bietet ; wir lieben an
einem solchen gewaltigen Genius die herumsprübenden
Funken, welche blitzen, ohne zu schrecken, und zün-
den, ohne zu verletzen. Mancher Musiker wird vielleicht
den Kopf bedenklich schütteln, wenn wir ihm beispiels-
weise referiren, die genannte Ouvertüre beginne mit ei-
nem Tremolo der Saiteninstrumente in Fis moll, und nach
einer nicht langen Introduetion trete das Allegro in F dur
ein, und in der letzteren Tonart, abwechselnd mit Fmoll,
sei das ganze Musikstück bis zum Ende fortgeführt. Ac-
cordfolgen, Ausweichungen, Harmonieen finden sich darin,
die nicht wenig frappiren. Aber über das Ganze ist ein
solch* erhabener versöhnender Geist ausgegossen, dass
das Bizarre verschwindet und dem Zuhörer eiue Befrie-
digung zurückbleibt, die nur den Wunsch erzeugt, durch
wiederholtes Hören das Werk tiefer zu durchschauen.
Ob und wie weit Schubert die Oper, zu der diese Ouver-
türe gehört , vollendet hat und ob jene in seinem Nach-
lasse ebenfalls aufgefunden worden ist, weiss Beferent
nicht; ist dies aber der Fall und hat den Meister bei de-
ren Composition derselbe Genius geleitet, der ibm bei
der Ouvertüre zur Seite stand, so verdiente Derjenige
gewiss grossen Dank, der auch sie dem Publicum zu-
gänglich machte. —
Wenn auch nicht ganz einverstanden damit, dass die
an sich herrliche Arie der Agathe aus dem Freischütz :
„Wie nable mir der Schlummer" uns abermals, — wie
uns bedünken will, zu oft, — vorgeführt wurde, 4a noch
andere Arien nicht schwer zu finden sein dürften, welche
neben gleichem musikalischen Werthe der Sängerin nicht
minder günstige Gelegenheit geben, sich dem Publicum in
vorteilhaftem Lichte zu zeigen, können wir doch nicht
umhin, den Vortrag derselben durch Fräul. Mayer als
einen sehr gelungenen, zu bezeichnen. Namentlich sang
dieselbe den Anfang der Arie und das Gebet so schön
und mit so innigem Gefühle, dass sie unbedingt keine
Vergleichung mit anderen Künstlerinnen zu scheuen nö-
thig bat, die diese Partie vortrugen. Nur weil wir von
der trefflichen Kunstbildang und dem gediegenen Streben
des Fräul. Mayer wahrhaft überzeugt sind, können und
mögen wir die Bemerkung nicht unterdrücken, dass sie
sich vor einem Uebertreihen der Leidenschaftlichkeit in
807
1644. No*Miber. No. 48.
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einzelnen Sieden Mften möge. Die freudige Ungeduld,
mit welcher Agathe ihrem Geliebten entgegeneilt, ist die
Folge neu erwachter Hoffnung, nicht «her einer heroischen
Begeisterung. Den Ausdreck, welchen FrSut. Mayer in
den letzten Theil der Arie legte, und des sehr übereilte
Tempo Hessen mehr die letztere, als den sonst passiv ge-
haltenen Charaeter der bescheidenen Agathe erkennen.
Und die Doppel Verzierung hei den Worten x „ Sfiss ent-
zückt entgegen ihn, " die an sich weder geschmackvoll
noch schön war, machte einen nicht angenehmen Ein-
druck. Doch das kann das Verdienst nicht beeinträchti-
gen, welches sich Fräul. Mayer durch ihren Gesang er-
worben hat. Mit lebhaftem Applause wurde sie gleich bei
ihrem Auftreten bewillkommnet und gleicher Beifall wurde
ihr nach der Arie sowohl, als nach zwei von ihr gesun-
genen Liedern von Fr. Schubert: „Des Müllers Blumen 4 '
und „Die böse Farbe/' aus den Mdllerliedern von Wil-
helm Müller, zu Theil. —
Geber des Herrn Mortier de Fontaine ausgezeich-
neten Vortrag des schönen, immer von Neuem entzücken-
den Gmoll-Conoertes von Mendelssohn berichteten wir
schon bei Besprechung des fünften diesjährigen Abonne-
menlconcerts, nnd bemerken daher nur, dass er dasselbe,
wenn er auch diesmal nicht so gut disponirt zu sein
sein schien, doch sehr schön, mit Geist und Leben, spielte.
Für Herrn fVidemann, den ersten Tenoristen des
Theaters, welcher durch Unwohlsein verhindert wurde zu
singen, war Herr Rindermann eingetreten. Derselbe hatte
sich eine Arie gewählt, die nach unserem Dafürhalten
keineswegs für das Concert passt, die des Caspar im
Freischutz: „Schweig', damit dich Niemand warnt";
überdies bietet sie dem Sänger zn wenig Gelegenheit,
seine Stimme zu zeigen, und deshalb konnte auch der
Eindruck derselben nicht der sein, welchen Herr Rin-
dermann bei einer anderen Wahl mit seinen herrlichen
Gesangmitteln erreicht haben würde. —
Der Dirigent unserer Abonnementooncerte, Herr Niels
tP. Gade, dessen reichem Talente nach nunmehr erfolg-
ter Veröffentlichung seiner beiden Symphonieen gewiss
auch in weiteren Kreisen die verdiente Anerkennung zn
Theil werden wird, hat in der bezeichneten Concertou*
verture abermals ein Musikstück von origineller Erfindung
und voll der reizendsten Züge geliefert. Die ein entschie-
den nenes Gepräge tragenden Motive, die eigentbümlicbe
Behandlung derselben, erschweren natürlich ein Drtbeil
über das Werk nach nur einmaligem Hören desselben ;
deshalb beschränkt sich Referent hier auf fiese Anden«
tungen, und ist überzeugt, dass ihm die Ouvertqre bei
wiederholter AuffShrung klarer werden, und eine gewisse
Monotonie der Färbung, ein Mangel an melodischen Licht-
effecten immer mehr verschwinden wird, die Bin der erste
Eindruck hat wahrnehmen lassen. Jedenfalls ist diese
Compositum abermals eine dankenswert he Gabe des jungen
strebenden Künstlers, welche öfter zu hören sicherlich
allen Musikfreunden zu grosser Freude gereichen wird.
Den Sehluas des Goncerts bildete das bekannte (Jon-
eertante für vier Violinen von L. Maurer. Wohl nicht
leicht mag dasselbe von solchen ausgezeichneten Kräften
zusammen und m solcher Vollkommenheit ezecutirt wor?
den sein, wie ei diesmal 4er F*H war. Itfustler, wie
Bmst, Bannini, Jtoitf und den talentvolle» jungen
Joachim, zu einem Zwecke vereinigt zu sehen» zn beek»
achten , wie Einer in Tod und Behandlung der gleichen
Instrumente den Anderen zu überbieten strebt, und doch
Alle, wo es ein Ensemble gilt, ihr individuelle* Wesen
dem Totaleffecte unterordnen, das gewährt ein scüeaet
und grosses Interesse. Das Zusammenspiel war fürwahr
meisterhaft; es war, als ob ein Instrument, ein Bogen-
strich die vollen Aecorde erklingen lasse, «ad bei dem
abwechselnden Hervortreten der einen oder der anderen
Geige fesselte den Hörer nicht minder die jedem der vier
Spieler inwohnende Eigentümlichkeit des Tones und der
Auffassung, als die vollendete Abrundung des Ganzen.
Gegen das Ende des Stücks riss namentlich eine kunst-
volle Cadenz, welche jeder Violine Gelegenkeit gab, in
ihrer Weise sich allein geltend su machen, das Publicum
zu stürmischem Beifalle hin. L. R.
Sommerstagione in Italien.
(FortgetzuDg.)
Königreich Beider Sicilien.
Palermo. Gute Hoffnung für nächsten Herbst and
Garneval! Die Impresa des Teatro Garolino hat fol-
gende Gesellschaft : Principe Valdtca, Marobese di S. Leo-
nardo, Cavaliere Ansaldi, Don Emilio Arcnri, D. Rosarie
Scaduti und D. Simone Bonano. Bereits wurde» durch
den Chargä d'Affaires Gaetano Corelli folgende Virtuos*
assoluti und nicht assoluti zu Mailand eugagirt : die Printe
Donne serie Streponi und Abbadia, die Prima Donna buffa
Tizzoni, die Teuere Milesi und Pedor (Becker, ein Russe),
Bariton Gnone, Basso comico und serio CateJaao nnd
noch ein anderer Bassist, Summa Summarum : fertige und
nicht fertige Sänger; die männlichen die besseren.
Messina. Herr Salvatore Miller, von hier gebürtige
fand als Caidam* in Dooizetti's Furiose starke Aufmun-
terung; die Titelrolle selbst gab Bassist Varvaro. Die
Prima Donna Quattrocchi (Vieraugen, welch ein Name I)
hat blos eine angenehme Stimme, und Tenor Variola
transeat.
Aüamura (in 4er Terra di Bari). Metcadante , der
seit seiner Kindheit diese seine reiche Vaterstadt nicht
mehr gesehen, wurde vom hiesigen Syadieas, Don Tom*
maso Metodia (abermals ein sonderbarer Name, die aber-
fcaupt in Italien auch bei den Orten nicht seilen sind)
eingeladen, sowohl den 15. als 16. Augnet (Marias Him-
melfahrt und Santa Irene, hiesige Sobutzpalromn) mit sei-
ner Musik zu feiern. Er kam also eigens ans Neapel hier»
her, und an den beiden Tagen wurden zwei Ouvertüren»
zwei Messen, zwei Tantum ergo, zwei Salve Hegaus nnd
ein eigener fir die beilige Irene eoaspeuirter Inno von
Htm aufgeführt. Mereadante, der diene Stadt als Waise
verlassen, wurde bei dieser Gelegenheit mit grossem Ja*
bei aufgenommen«
Neapel (Teatro San Carlo) sc taeet.
(Teatro Pondo.) Von den wiederholten Hieran Opern
wurden Fioravanti's Gaolatriei Vütaae am Meisten gege-
ben, nicht etwa weil die dermalige Haootsio J ~
Neapels, die Bishpp (!), und der brave Bufe Ca
«09
1844. November. No. 48.
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ihnen sangen, sondern weil die Masik an und für sich
ergötzte. In Donizetti's Roberto d'Evreux war die Bishop
ganz und gar nicht für die Rolle der Elisabella geeignet.
Im Elisir d'amore ging es etwas besser. Die vorige« Jahr
vom Maestro Podale zu Palermo componirte Matilde di
Mon forte machte hier Piasco. Noch gab man die Gemma
di Vergy, den Coscritto, sodann Acte und Stücke der
«inen nnd der anderen Oper mit einander — wie gewöhnlich.
(Teatro Nuovo*) Von den älteren Opern wurden zwei
sehr langweilige: Bellini's Puritaui und Don Desiderio
vom Principe Poniatowsky, jede gegen achtzehn Male (!),
wiederholt, sehr wenig Donizetti's Aio nell' imbarazzo,
Linda o. s. w. Neu waren: 1) La Vampana savojarda
vom Maestro Gwquinto, eine schrecklich lange und schreck*
lieh lärmende Opera bnffa, die auch, weil die Partitur der
Impresa geschenkt wurde» zum Lohn einigen Beifall er-
hielt. 2) Lo t Zio Battista, vom Maestro Fortunato Rayen-
troph (aus Neapel, soll von ursprünglich holländischen
Aeltern sein), eine Opera commerciale , in der es sich j
von Wechseln, Schulden, Bezahlungen, Vorladungen, Pro-
cessen u. Si w. handelt. Der Maestro wollte diesen Ge-
Bnstand allzugelehrt behandeln, und machte einen ge-
irten Fiasco ; blos zwei Duetten hatten einigen Ap-
plaus. 3) Donizetti, welcher den Sommer hier zubrachte
und dem es nichts weniger als schwer fällt, eine Oper
aus dem Stegreife zuschreiben, hat seine hier einst com-
ponirte und zugleich gedichtete Operette Betly zur Oper
in zwei Acten umgeschaffen, versteht sich : auch von ihm
selbst gedichtet. Die Aufnahme des weit und breit be-
kannten Mannes und dieser Umarbeitung war bypersoper-
lativ glänzend.
üass übrigens dies Thealer, erster und Hauptgriinder
der Opernpastete, stets fortfährt, sie bestens zu raffini-
ren, ist überflüssig zu erinnern. Von den bekannten Sän-
gern , die in Neapel überhaupt nicht so. schnell , als an-
derwärts in Italien , wechseln , war hier die Rebussini
noch immer die beliebteste,
(Teatro Fenice.) Dies unbedeutendste Operntheater
in Neapel, das seit Kurzem, oder vielmehr seitdem die
Oper in diesen Jahren ihren höchsten Glanzpunct er-
reicht bat, ebenfalls mit Opern prangt, hat unter Ande-
rem Douizetti's Linda am Meisten, überdies 2, sage zwei
neue Opern aufgetischt: L'Assedio di Constantina vom
Maestro Brancaccio. Man denke sich die Maske Pulcinella
in Algier, eine Schlacht und Belagerung in diesem Thea-
terchen! Hier bat die Musik nicht nur gefallen, sondern
auch , wie der hiesige Omnibus aagt : il sommo Doni-
zetti presents Vka gradita (der zugegengewesene aller-
höchste Donizetti hat sie genehmigt). — Mis Baba, Opera
buffa del Maestro Beavpuis, bat einen Fiasco nach Hause
getragen.
Kirchenstaat.
Fermo. Der so sehr gewünschte Nabucodoftosor von
Verdi bat sich endlich hierher verirrt. Die Cuzzani mit
hübscher Sapraastimme und guter Gesangmethode drang
in den EnsemMestücken mit magischer Kraft durch. Con-
stantini (Titelrolle) war nach ihr der Held des Stücker.
Bassist Tozzoli gab den Zaccaria leidlich, Tenor Dei und
die ßiondi wirkten zur besten Aufnahme der Oper »it.
(Zu ffo
Bellini's Purrtani, worin Tenor Soliert sang, trugen einen
zweiten Triumph davon. Jemand verwunderte sich, wie
diese langweilige Oper nach einem Verdi'scben Nabucco
so gefallen konnte, und das Factum wurde zu so vielen
anderen heutigen un erklärbaren musikalischen Begeben-
heiten ad acta gelegt.
Talen tino. Während der hiesigen Fiera gab man Bel-
lini's Puritani, worin die Allain, Tenor Manfredini und
Bassist Sansoni die fremden Zuhörer ganz besonders er-
götzten.
Sinigaglia. Die hiesige berühmte Messe hatte dies
Jahr für Herrn Verdi's Nabucco einen grossen Helden»
den Bassisten Coletti (Titelrolle), einen mittleren Helden,
Herrn Baizar (Zaccaria), sodann die beiden Damen Mie-
ciarelli - Sbriscia und Olivieri nebst dem Tenor Vcrgaoi,
sämmtlich nicht zum Heldengeschlecbte gehörend, weswe-
gen auch die Oper meist nur in den ^Stücken , woran
beide Erstere Tbeil nahmen, stark applaudirt wurde. Iu
Verdi's Ernani ging es ganz anders, weil die Frezzoiioi,
ihr Gatte (Tenor Poggi) und Baizar darin sangen. Der
Fanatismo wollte zerplatzen. Ernani muss jetzt in Ita-
lien — vom allgemeinen Hörensagen — sublim sein und
allenthalben Furore machen. Es gibt jetzt sogar Journal*
eben, welche den Furore des Ernani und der Frezzolini
mit grossen Lettern drucken«
Jesi. Donizetti's Lucrezia Borgia fand hier eine gute
Aufnahme, wiewohl die Sänger (die Parepa, die Altistin
Santolini, TeYior Paglieri nnd Bassist Paglierini) theils sa
den fertigen, theils zu den nicht berühmten gehören.
Lugo. Herrn Nicolais Templario hatte an der Ra*
nieri-Marini eine erfahrene, wenn nicht vortreffliche,
doch gute Sängerin, die nur, wie leider all' ihre vorge-
rückten Colleginnen, durch die Last der beutigen Oper
schon ziemlich abgenützt ist. Tenor Mirale erinnert mit
seiuer Stimme an Moriani, und Bariton Crirelli bat eine
gute Schule. Mit diesem Temarium und dem leidlichen
Bassisten Tabellini sammt der Comprimaria Angelini hatte
die Oper den besten Erfolg.
Amelia. Auch hierher hat sich die Oper verirrt. Die
Luigia Agoslinelli, Tenor Atanasro Pozzolini nnd die Bas-
sisten Gio. Chiusuri und Angelo Antonio De SAnctis,
sämmtlich vom homöopathischen Caliber, Hessen sieb tücb-'
tig beklatschen im Marino Faliero vom Ritter Donizetti
und im Barbiere di Siviglia vom Ritter Rossini.
Faensa. Während des Festes von S. Pelro gab man
hier zwei Opern : Torquato Tasso von Donizetti 9 worin
Coiini in der Titelrolle glänzte, die Gruiz und Tenor Fe-
der in ihren Partieen befriedigten. Im Ernani. von Verdi»
der hier zum Erstaunen Aller keinen Furore machte,
glänzte Tenor Ciafei in der Titelrolle > nach ihm die
Leva und Golini.
Graf Azaatü von hier, Maestro edmpositore di mu»
sica, ist am Schlagflusse gestorben.
Imola. Die Gesellschaft von Jesi (s. d.) nebst dem
Bassisten Coturri machten hier beinahe Furore in Merca-
dantc's Giuramento ! Die Santolini war aber so gesebeidt,
zu ihrem Beneflze Donizetti's Lucrezia Borgia zu wählen.
Comocchio. Donizetti's Gemma di Vergy hatte ziem-
lieh magere Virtoosi. Die unbekannte Santini Zudoli war
die Protagonistin , Tenor Dell' Armi machte den Taroas,
4<i.)
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1844. November. No. 48.
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Herr Topai den Coole, Herr Malagrida den Guido; die
Oper gefiel indess mit jeder Vorstellung mehr. Rossini's
Barbiere di Siviglia wurde darauf ganz verbunzl gegeben.
Ferrara. Rossini's verschollene Italiana in Algeri
erregte wahres Vergnügen. Buffo Bruscoli und Tenor Fer-
rari (Cesare) waren die Besten der Gesellschaft, aber
auch der Buffb Merigo und die Prima Donna Vecchi ver-
dienten Lob ; Letzterer, Sopranistin, war freilich die Alt-
Strtie der Italiana gar wenig anpassend. Der Barbiere di
viglia. gefiel natürlich noch mehr.
Grossherzogthum Toscana und Herzogtum Lucca.
Florenz (Teatro Leopol do). Die neue Oper Mignone
Fanfan, vom Maestro Grqfftgna 9 eine leidige Alltags-
speise, machte bei zweimaligem Hervorrufen des Maestro
einen ehrwürdigen Fiasco, eine Begebenheit, die in Ita-
lien nicht als Widerspruch zu betrachten ist, da es selbst
manchem Furore nicht besser geht. Mignone' wurde kaum
zwei Male gegeben.
(Teatro Nuovo.) Die Temeoni sang in der Lucia di
Lammermoor unpüsslicb, desgleichen Tenor Nerozzi
Im Elisir sang die Anfängerin Albertini genügend, der
wiederhergestellte Tenorbuffo Concetti (Dulcamara) und
Bassist Sabattini gefielen, welches Loos der Gazzaniga,
Pancani, Salandri (s. Li vorn o), der Piombanti, den Her-
ren Rinaldini und Raffaelli in der nachher gegebenen Linda
von Donizetti in weit grösserem Maasse zu Theil wurde,
wobei die männlichen Singer aber die weiblichen weit
übertrafen. Auf dem
(Teatro degli Arriscbiali) fanden Herrn Rossi's Falsi
Monetär), worin die Triulzi-Graffigna nebst dem Tenor
Ambrogi, Bassisten Del Vivo und Buffo Frizzi als Haupt-
sänger wirkten, eine ziemlich gute Aufnahme. Herr Frizzi
war als Eutichio der Beste.
Parturiunt montes et nascitur mus. Zur diesjähri-
gen grossen musikalischen Academie im Saale des Palazzo
Vecchio wählte man anfänglich eine historische, von Per-
golese angefangen bis Meyerbeer; die Sache wurde aber
bedenklich und man verzichtete ganz darauf. Dafür gab
man lauter Modern - Classisches , als da ist : die grosse
Ouvertüre und den zweiten Act von Guglielmo Teil, die
grosse Ouvertüre von Assedio di Corinto, eine Cavatine
aus Semiramide, das Finale des dritten Actes von Mos6,
sammtlich von Bossini , und die Introduction aus Belli-
ni's Capuleti.
Ltvorno (Teatro Bossini). Die heutige Tagesoper Er-
nani von Verdi, die bereits Oberitalien (Mailand und Cre-
. mona ausgenommen) und Wien entzückt, hat auch hiejr
einen Furore davongetragen ; die Gazzaniga (welch 9 ein
Name !) als Elvira, Tenor Pancani in der Titelrolle, Bas-
sist De Basstni als Don Carlo und Salandri als Silva wa-
ren sogar vortrefflich. Viel wurde geklatscht und hervor-
gerufen, beim Finalterzett auch geschrieen. Diese nichts
weniger als musikalisch beneidenswerthe starke Zahl Zu-
hörer hatte sogar die Artigkeit, die unlängst mit einem
grossen Delirio zu Born gegebene neue Oper Bonifazio
vom Principe Giuseppe Poniatowsky mit einem Fanatismo
zu krönen und den anwesenden Principe -Maestro neun-
zehn Mal auf die Scene zu rufen. In dieser Oper sang
anstatt De Bassini Herr Sebastiano Ronooni, der bekannte
treffliche Sanger und Distonirer.
Siena. Verdi's Nabucodonosor fand lärmenden Bei-
fall. Rinaldini als Protagonist war trefflich; die Barbieri-
Nini zeichnete sich als Abigaille aus, Miral war ein wa-
ckerer Zaccaria, Tenor Cimino und die Piombanti befrie-
digten in ihren minder wichtigen Parten. Ach Gott, Herrn
Mabellini's Conte di Lavagna machte darauf einen Quadrat-
furore 1 Der anwesende Maestro — ein Toscaner — wurde
fünfundzwanzig Male hervorgerufen und nach der Vorstel-
lung im Triumphe nach Hause begleitet.
Lucca. Die De Giulj, für welche der Nabucodonosor
ursprünglich zu Mailand componirt worden, gefiel hier
ungemein als Abigaille. Herr De Bassini machte die Ti-
telrolle, desgleichen Porto den Zaccaria zur Zufrieden-
heit der Zuhörer; Tenor Luccbesi als Ismaele und die
Frisoui in der Belle der Fenena fanden Anerkennung;
die Oper selbst machte ohne Weiteres Glück. Ernani,
ebenfalls von Verdi, worin Tenor Roppa die Titelrolle
sang, war noch glücklicher, wiewohl er seinem Bruder
weit nachsteht Und nach einem solchen Gaudium en-
digte sogar Pacini's Fidanzata Corsa ebenfalls mit einem
Gaudium (Pacini ist hier bekanntlich Hofcapellmeister und
Director des Conservatoriums).
Herzogtümer Modena und Parma.
Finale* Die Enricbetta Zilioli betrat hier zum erstell
Male die Bühne in Donizelli's Marino Faliero io der Bolle
der Elena und fand starke Aufmunterung. Sie ist die
Schülerin des bekannten Tenors Zilioli, welcher den Fer-
nando sang und nebst dem Bassisten Lami (Protagonist),
Bariton Battaglini (Israele) ziemlich applandirt wurde.
Carpi. In Mercadante's Normantu a Parigi machte
sich die Altistin Gramaglia, die Brambilla (Erminia), der
Bariton Perego besondere Ehre $ Bassist Alessandriqi und
Tenor Filippini genügten.
Piacenza. Nicht kalt, nicht warm machte Donizet-
ti's Figlia del reggimento. Die Baumann (Titelrolle) war
die Beste von Allen, nach ihr Tenor Bozzetti; die Bo-
sebetti und Buffo Gor6 verdarben nichts.
(Fortsetzung folgt.)
Feuilleton.
Im Irrenhaose za Ronen ist vor Kursem ein Versach, durch
Wahnsinnige grosse Gesangstöcke, Chöre für männliche und weih-
liche Stimmen, vor einem gewählten Auditorium aufführen zn las-
sen» vollkommen gelassen. Derselbe Versach, durch thätige Theil-
nabme an musikalischen Prodoctionen auf die Heilung der Irren
einzuwirken, ist schon früher im Bieetre mit glücklichem Erfolge
unternommen worden.
Aas Madrid wird gemeldet: Der bekannte Banqaier Salamanc*
hatte das Theater des Circas übernommen, and obgleich er dabei
notorisch riet Geld ansetzt, so haben doch jetzt zwei andere oft
genannte Finanzmänner, die Herren Fagotgm and Ceriolm, beechUe-
sen, dem Circas dareb die Uebernsbme des Theaters del Principe
Coocnrrenz za machen. Ein italienischer Coapooist, Herr BüstHo
Barili, Ist im Auftrage dieser Herren nach Frankreich und Italien
gereist, am eine glänzende Opcrntmppe anzuwerben, welche die
des Circas verdunkeln soll. Die beiden Opera werden sieh wahr-
813
1844. November. No. 48.
814
schriftlich gegenseitig zu Grande richten , aber das Madrider Pa-
blicom gewinnt inzwischen dabei auf Kasten einiger Millionäre.
Der Componist Erkl in Pesth beabsichtigt, sämmtlicbe Musi-
ker in Ungarn zu einem grossartigen Mnsikfeste in berufen , und
wird alle namhafteren Masiktalente auffordern, Jeder von ihnen
möge bei dieser Gelegenheit vorzutragende Stücke eompeniren. Zu-
gleich soll auch ein ansehnlicher Preis für die beste Compositum
bestimmt werden.
Sonst und Jetzt. Am II. Juni 1713 erliess Ludwig, XIV.
ein Beeret, welches die Angelegenheiten der Oper ordnete. Dich-
ter und Componist einer Oper erhielten für die ersten sehn Vor-
stellungen Jeder 100 Li v res, und für die zebn folgenden SO Livres.
Die Besoldung des Gesa mm t personal« , von der Prima Donna bis
zum Schneider , war auf 66,250 Livres festgesetsl. Die höchste
Gage für eine Prima Donna oder einen ersten Tenor betrog 1500
Livres. — Heutsntsge erhalt z. B. der Tenor Salvi, der för die
bevorstehende Saison der italienischen Oper in Mosksn engagirt
ist, 60,000 Pranken Gage und 95,000 Franken Concerthonorar für
die fünf Monate ; Moriani ist vom Queens Theater in London auf
sechs Vorstellungen engagirt, für deren jede er 100 Pfund Ster-
ling erhält. U. s. w., n. s. w.
Carl Maria v. Weber'* sterbliche (Jeberreste sind in Deutsch-
land angelangt and am 26. Oetober zu Hamburg mit entsprechen-
den Feierlichkeiten in Empfang genommen worden. Am 29. Oeto-
ber begaben sich gegen 300 Musikfreunde an Bord des Dampf-
schiffes , welches die Asche des grossen Tondichters enthielt, es
ward daselbst, unter Capellmeistcr Krebs* Leitung, ein Psalm und
Beethoven** Trauermarsch aufgeführt, und der Sarg mit einem sil-
bernen Kreuze geschmückt, zu welchem jeder der Theilaehmer bei-
gesteuert hatte ; die Festrede hielt Herr Kreb*. — In Dresden ist
sn Weber 9 * Beisetzung ein Ccrnü«* zusammengetreten, das die Ko-
sten ans bereits vorhandenen Fonds decken wird. Bin Grabgewölbe,
nach Semperas Angabe auf dem katholischea Kirchhof errichtet,
wird die Gebeine Weber 9 * aufnehmen. Auf einem öffentlichen
Platze Dresdens soll eine Bronsestatue aufgestellt nad hierzu eine
Coneurrenz unter den deutschen Künstlern ausgeschrieben werden.
Die Kosten will man durch Sammlungen zusammenbringen; meh-
rere Künstler, wie Meyerbeer, MoscheU*, Mendelssohn, Li*zt 9 Bene-
diet u.a. w. haben ihre Mitwirkung durch Conccrteu.s.w. zugesagt.
Am 31. Oetober starb in Dresden Carl Maria v. Weber 9 * jüng-
ster Sohn, 20 Jahre alt, ein talentvoller Schüler der Malerkunst.
— In Bremen starb der bekannte Singer MelUnger.
In Paris gefiel eine neue komisehe Oper in einem Aufzuges
Le Mousquetnire, Erstlingsoper eines jungen Componisten Namens
Bousquet. Die Musik wird als leicht , gefällig und anmothig ge-
schildert.
Musikdirector Abt in Zürich schreibt sn einer dreiaetigen ro-
mantisch-komischen Oper; des Buch dazu ist von dem Züricher
Dichter Mettemieh. — Copellmcister Täglichsbeck in Hechingen hat
eine neue Oper: „Kaiser Heinrich" vollendet, Buch von Dr.Oldenburg.
Der bisherige Organist an der Marienkirche und städtische
Musikdirector zu Lübeck, Gottfried Hermann , ist als Capellmei-
stcr nach Sondershsuseo sbgegangen. Ein tüchtiger Dirigent, Vio-
lin- und Pisnofortevirtuos , erwarb er sieh auch ein besonderes
Verdienst durch Einführung der nordische* Musikfeste , deren er-
stes 1839 in Lübeck gefeiert wurde.
Theodor Rleinert* y Glasermeister und Mitglied des Theater-
Orchesters zn Cöln , bot eine sehr einfache neue Vorrichtung zum
Stimmen der Pauken erfunden und darüber ein Privilegium auf
achtsehn Jahre erhalten.
JAszt macht gegenwärtig in Madrid Furore.
Im Oetober feierte zu Neustrelitz der Capellmeistcr am dasi-
gen Hof» beater, Weidner , sein 25jahriges Jubiläum und erhielt
von den Mitgliedern der Oper wie der Capclle einen schonen sil-
bernen Pokal als Festgeschenk.
Musikdirector Joseph Gungl in Berlin hnt vom Könige von
Preussen für die Widmung der von ihm eompooirten Marsche eine
goldene Tabatiere erhalten.
De Beriot hnt in seinem Hause zu Brüssel unter dem Namen:
„Cercle des arts" einen künstlerischen Verein gebildet , dessen
Viceprasident er selbst, Präsident der Fürst von Chimav ist ; der
Verein versammelt sich alle vierzehn Tage, und wird jährlich vier
grosse Concerte, vier drsmatische Vorstellungen, vier literarische
Unterhaltungen geben. Er findet zahlreiche Theilnahme.
Die holländische „Mantschappy tor Bevorderiog der Toonkunst"
hnt folgende Preise susgesetzt: 300 Fl. für eine Symphonie * 60
Fl. für eine Pianofortesonate ; 50 Fl. für eine Sonate quasi faata-
sia; 40 Fl. für eine Sonata en Foga voor Orgel; 25 Fl. für vier
Quartette für Sopran, Alt, Tenor und Bass; 25 Fl. für drei zwei-
stimmige Lieder für Sopran und Bariton.
Ankündigungen
IVeue Musikalien
iaa Verlage von C F. Pete*?«, Bureau de Mumqne, in Leipzig t
Velelte, € «., Melodieen för Flöte u. Pfte. Op. 91. 99* Ngr.
Hfinten, Fr., Variations brill. sur la Polka nationale pour le
Piano. Ocuv. 135. 90 Ngr.
In der T. Trautweln'schen Buch - und Musikalienhand-
lung («f. GuUentua) in Berlin sind so eben erschienen:
JftllllfJ, F. W., MHeKemgskugeli War einst ein alter König.
Gedicht von Boltse für den einstimmigen Chorgesang , mit Be-
gleitung der Infanterie- und Cavallerie • Musik (gebrennt oder
vereinigt), eingerichtet von W. Wieprecht. Partitur. Fr. 194 Sgr.
Jede einzelne Siagstimme. Preis 1 Sgr.
(Bei Partieeu zu 100 Exemplaren und darüber i Sgr.)
Dasselbe Lied mit Begleitung des Piaaoforte. Preis 5 Sgr.
Op. 30. Gnu* A» den Frühling. Gedicht von Rochlilz für
Sopran, Tenor und Bass, mit Begleitung des Piaaolbrte. Clavicr-
Prds 1 Thlr.
Trafen, H., Op. 71. Zwei Duette mit PinnofoHebegleitung.
beisammen," (für So-
i*r«na»9 n* 9 up. *>• «wn
4) Meerfahrt t „Mein Liebchen
pran und Tenor). 9) Liebesotern : „Es lallt ein Stern herunter« 4
(für zwei Soprane). Preis 15 Sgr.
Braune, Otto« Frühliogslebea (für Sopran): Vögelem flattern
im luftigen Bereiche. Preis 10 Sgr.
JNrvUvler, Ad«, 5 Romances caracteristiaucs (Parole* franc.
et allem.) für Sopran. Op. 1. Cont. t 1) La feile du Tibre: Bn-
tendes-veus cette voiz. 9) Le retour «Tun Cc*is£: CJn cbcvaBer
de haut ligUages. 5) Chant d*uae jeune Alle : Man eoeur leve-
toi. Preis 15 Sgr.
dsshrien, W., Lebewohl von Byron (für Mezzosopran) t Leb'
wohl I wenn je ein brünstiges Gebet. Preis 7i Sgr.
Lttfer«», €•• Op. 9. Heft 1. Vier Lieder für Sopran. 1) Früh-
ling von Geibel x „Und wenn die Primel/« — 9) Das Midchea
von Athen von Byron : „Gicb mir Mädchen." — 3) „Wo weilt
mein lieb." — 4) Der Abendatern von Hoffmann von Fallers-
leben i „Du lieblicher Stern." Preis 17* Sgr.
Gesangvereinen und Liedertafeln empfehlen wir die in unse-
rem Verlage erschienenen
Sechs vierstimmigen Gesänge für Männerstimmen, ernsten und bei*
tern Inhalts von C. Kreb*. Op. 10». 1 Thlr. 8 Ggr.
tenubertn e% Comp« in Hamburg und Leipzig.
818
1844. November. No. 48.
816
Im Vertage der Virfcmlelrielen erscheint nächsten« mit tiigen-
thumst echt ftir DeutschTantl :
Marche faneftre de Dom Setetien
de Donlzetti
Tarife poar le Piano
P**
Wir. Mjiszt.
Preis 1 PL 15 Kr. Coqv.-M.
Wku, des HO. November 1844.
Pietro Meehettl «in* Carlo,
k. k. Hof - Kunst- and Musikalienhandlung.
_ . . . .. 9
Für Musiker und Musikfreunde ist so eben vom Gapellmeister
aU. aldiübertsB erschienen und in allen Bock- und Musika-
lienhandlungen voraathig;
IHe Qeneralbasslehre
theoretisch and practiseh dargestellt. Geh. 21 Gr.
Ein klar und Weht fasslieb geschriebenes Handbuch für Di-
lettanten cum Selbstunterricht und für Lehrer ein Leitfaden beim
Unterrichterthetlen. Der Verfasser Ist als gediegener 'Comnooist
und tüchtiger Musiker bekamt, und es dürfte obiges Werk da-
her wohl besondere* Interesse erregen.
Bei 1*. E. C Leiieliart in Breslau ist so eben er-
schienen und durch alle Musikalien - und Buchhandlungen des tn-
und Auslandes zu beziehen :
ABC des Violinspiels.
Vorschule zur gründlichen Erlernung des Violia-
spiels nach den Regeln der vorzüglichsten deut-
schen Meister, mit XXIV Uebungsstücken
Ton
Moritz Schön.
ftp. 32. Preis 15 Sgr.
Mit den ersten AnfenffSgruntlen beginnt hier eine
Reihe von tJebungsstücken» welche ganz dazu geeignet sind , dem
Schuler die Elemente des Violinspiels auf die leichteste und ange-
nehmste Weise beizubringen. Der königliche Musikdirector Herr
Schön ist als Violinvirtuos, als Componist und Lehrer dieses In-
struments so rühmlich bekannt, dass sein Name hinreicht» um die
Vortrefflich keit und Empfehlungswürdigkcit dieses Werkchens zu
verbürgen. £^ An Obiges seh Hessen sich folgende , wieder, neu
gedruckte Werke an:
Krater Lehrmeister für den praktischen Vlo-
lln- Unterricht in stufenweise geordneten CJebungen der
ersten Position durch alle Tonleitern und Tonarten. Op. 22 u.
27, in S Lief., jede 20 Sgr. — 2 Rthlr.
Praktischer Vlolln- Unter rieht. 48 Uebangastück«
für die Violine (mit einer begleitenden zweiten Violine für d> Q
Lehrer). Dritte Auflage. 15 Sgr.
In Tausenden von Exemplaren sind diese an praktischer Brauch-
barkeit alles AeEnliche bei Weitem übertreffenden Werke durch die
ganze Welt, verbreitet und finden bei allen Sachverständigen nur
eine Stimme der Anerkennung) sie eignen sich daher auch ganz
vorzüglich zu Weinnaehtagesenenken fuz die musika-
lische Jugend.'
In meinem Verlage wird erscheinen, mit Bigenthnmsrecht für
alle Länder , ausgenommen England und Frankreich :
aMhlery Tftu, 12 Melodieea mit Italien, und deutschem Text.
12 Lieder ohne Worte. Op. 87.
Leipzig, den 23. November 1844.
€?» F> Peters, Bureau de Mnslquc.
Druck and Verlag von Breitkaff und Härtet in Leipzig und anter deren Veraalwortüokkeit.
WeMrefle, kette ind votisUodig* Sammlung v»n Orgetstftcfce*
alle» Art kt der, fbstaHgemei» rs>Hrreken nndScm ta r ar icn eingeführte
OrffelfreHBd»
Herausgegeben von G. W. KSrmr and A. G. Hüter.
5 Bande £ 1 Thlr.
sind bereits erschienen. Von dem erste» Heft des sechsten Bandes
kann demnächst in allen Buch- und Musikalienhandlungen Ein*
sieht genommen werden. Auf sechs Ezemplnre wird das siebente
feei gegeben. Gefälliger Verwendung und Bestellung sieht entgegen
Wllh* Kutaner in Erfurt.
In allen Buchhandlungen ist zu haben i
Wedemann'g lOO Gesänge
der Unschuld, Tugend und Freude. Gemülhlichea Rioderhcrseni ge-
widmet. Mi* Begleitung des Clavicrs. Erstes lieft. Atkte ver-
mehrte Auflage. Gek. i Tblr. oder 54 Kr. (Et sind km Ganzes
3 Hefte a i Thlr.)
Wäre diese herrliche Sammlung der reizendsten Lieber und
Melodieen niebt schon auf der ganzen Oberfläche des deutschen Va-
terlandes ein wahrer Liebling geworden, hallten sie nicht schon in
vielen tausend Kinderherzen und Kcblen wieder, so würden wir
uns auf den Absatz von circa 20,000 Exemplaren, oder auf meh-
rere Dutzend mehr begeisterter als lobender Receusienen- beziehen
können. Daher genüge die Versicherung , dass auch diese mehU
Auflage wieder zahlreiche Spuren der verbessernden Sorgfalt des
geehrten Herrn Herausgebers an sieb trügt.
W. Wedei
lOO deutsche WolUMeder
mit Begleitung den Cftavier». Erstes Heft. Dritte verbesserte Auflage.
Gek. } Thlr. oder 1 Fl. 12 Kr. (Es sind im Ganzen ebenfiülo
5 Hefte von gleichem Preise.)
Von dieser neuen Auflage der Volksiredef laset sieb so ziemlich
dasselbe sagen, wie von den Kinderliedern. Sie haben ebeafhU» eine
grosse Verbreitung- und glänzende kritische Anerkennung gefunden,
denn sie umsehKesscn die schönsten Perlen deutscher Dichtkunst
und Melodie «nd bieten im sorgfältigsten barmantKcheu Säte die
schönsten Weisen. Aneb dieser dritten Auflage bat da» uneraaüd*
liehe Fortstreben des Verfassers viele neue Vorzüge verschaff*.
Im künftigen Monat erscheint in unserem Verlage :
Mrnst und Scherz,
Original -Compositionen für grosse und kleine
Liedertafeln.
Fünftes und sechstes Heft.
Sängersaat
vom Musik - Director 3. Otto in Dresden.
Partitur 12 Sgr. , jede Stimme 5 Sgr.
Inhalt: 14 Gesünge mit den Uebervekriften x 1) Wülkemmen.
2) Gebet. 5) Frühlingslied. 4) Schlummerlied, ff) Wunderlied.
0) Waldlied. 7) Barcarole. 8) Kriegerchor. 9 Trinklied. 10) Wal
zer. II) Schluss und Jubelchor.
Schleusingen, den 1. November §844.
Conrad «laaer.
Bin Trompeter, welcher sein Instrument im höchsten Grad der
Vollkommenheit führt und daher mit Recht als ein ausgezeichne-
ter Künstler empfohlen werden kann, wünscht eine lebenslängliche
Anstellung, vorzugsweise fn den sächsischen Provinzen* oder am
Rhein. Da derselbe in mehreren Orchestern und a usg e z e i chneten
Regime ntsmusikekoren als Solotrompeter fungirte, kann jeder wünsch -
baren Forderung entsprochen werden. Näheres unter frankirten Au-
ftragen crthrilt die Buchhandlung von Ludwig Schumann in Leipzig.
817
818
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG
Den 4 tett December.
M 49.
1844.
Müll Alts Jfeeenjsa»e». — Pimckriek t en : Aas Berlin. Aas Leipzig. Sommer«! agione in Ilalieo. (Fortsetsnog.) — PreisaasseareibeB das
1 Musik- Vereins Mannheim. — Feuilleton. — Ankündigungen.
R
ECEN8IONEN.
Kleine Musiklehre. Ein Handbuch für höhere Bildungsan-
stalten, Seminariea , Gymnasien n. s. w. beim Unter-
richte in der Theorie der Musik, von F. J. Kunkel.
Darmstadt, Jonghaus. 1844.
Die Sehreibseligkeit der Gegenwart, welche von Messe
zu Messe in steigender Progression den Büchermarkt über*
schwemmt, scheint sich seit einigen Jahren mehr und
mehr auch dem musikalischen Gebiete zuzuwenden, das
bis dabin verhältnissmässig nur spärlich bedacht wurde,
wenigstens was theoretische Schriften anlangt ; wahrschein-
lich um deswillen, weil man sehr wohl erkannte, dass
hier nicht nur erfindliche Durchbildung, vollständige Be-
herrschung der Wissenschaft der Musik nach Materie und
Form erforderlich sei, sondern dass damit sich auch die
Fähigkeit einer klaren Darstellungsweise paaren müsse —
was bei sonst ganz tüchtigen Musikern sich nieht immer
vereinigt findet. Nach zwei Richtungen hinaus — wenn
wir das Gebiet der Musikgeschichte als ein vorbereiten-
des oder doch subsidiäres vorläufig hier unberücksichtigt
lassen — konnte sich die theoretisch - musikalische Lite-
ratur vornämlich ergehen — Richtungen, die allerdings
nicht streng geschieden werden können, insofern sie ge-
genseitig sieh durchdringen müssen, weil eine ohne die
andere gar nicht gedacht werden kann — Richtungen
also, die wir nur insoweit getrennt betrachten, als der
vorwaltende Zweck irgend welcher theoretisch - musika-
lischen Schrift sie mehr einer oder der anderen angehörig
bezeichnet, der rein wissenschaftlichen nämlich, oder der
vorzugsweise methodischen. Früher liess man sieb aller-
dings von dem kindischen Wahne beherrschen , es zieate
sich nur dann,. als Schriftsteller in einem Fache öffent-
lich aufzutreten, wenn man entweder neue Untersuchun-
gen und Entdeckungen oder wenigstens Berichtigungen
in der Wissenschaft desselben, oder auch wenn man eine
gründlichere , fasslichere , klarere Methode für die Er-
lernung oder Aneignung einer solchen, darzubieten habe.
Die Gegenwart, in ihrer nach allen Richtungen hin sich
erstreckenden Emaneipationswuth und Aufkiärungssucbt,
belächelt diesen Wahn unserer Väter mitleidig wie so man-
chen andern, und hat sich auch von ihm nicht ohne Er-
folg s« emaneipiren gesucht;- namentlich begegnen wir
im LehrersUnde, seitdem die Methodik namentlich bis«
weilen über die jGebnkr gepflegt und erbeben wird, einer
46. labrgaaf .
men. ao manener uenrer, oer einige <iaure inoonsteus i)
»er irgend einen seiner Lieblingsgegenstände doeirt hat,
eint nun, die dabei befolgte neue (?) verbesserte (?) Me-
trie der Welt nicht läoger vorenthalten zu dürfen, und
Schreib wuth, die in allen bezüglichen Fächern das Pnblt»
cum mit einer Flut gutgemeinter, aber mindestens gesatt,
ganz überflüssiger Werke überschwemmt, die durch die
Verwirrung, welche sie bei den verschiedenen Individua-
litäten anrichten, bei Weitem mehr Sehaden als Nutzen
stiften. So mancher Lehrer, der einige Jahre (höchstens !)
über
meint i
thode der Welt nieht läoge
das Ende vom Liede — doch das geht uns hier eigent-
lich nichts an, und wir haben dem geehrten Leser die-
ser langen Einleitung wegen eigentlich Abbitte zu thn,
wollen das auch — falls er einmal unerbittlich darauf
besteht — hiermit pflichtschuldigst gethan haben, gleich-
zeitig aber erklären, dass wir in hartnäckiger Verstockt-
heit meinen, wir hätten daran so Unrecht nicht gehabt,
da so Manches aus dieser Vorrede auf das Büohlein, das
unserer Beurtheilung vorliegt, und über das der geehrte
Leser unsere Meinung wissen will (oder nicht), merk*
würdig genau passt, genauer als man's beim ersten Blicke
glauben möchte. Wir werden ja sehen.
Dass bei einer „kleinen Musiklehre'* nicht von Auf-
stelluog und Entwiokelung neuer grosser Theoreme, nieht
von Förderung der Wissenschaft der Tonkunst an sieh
die Rede sein kann , bedarf kaum der Bemerkung; wir
haben ein solches Büchlein von vorn herein als ein dem
Gebiete der Methodik angehöriges zu betrachten. Da wir
aber gar sehr in dem Wahne der früheren Zeit befan-
gen sind, dass nur die Methode veröffentlicht zu wer*
den verdiene, welche reelle Vorzüge vor der bisher be-
folgten habe, von diesem Wahne uns auch durchaus nicht
mögen emaneipiren lassen, so können wir unsere aufrieb«
tige Meinung nur dabin aussprechen, dass der Druck von
Herrn Kunkels Musiklebre gar kein unabweislicbes Be*
dürfniss gewesen. Es ist auffallend , dass die Verfasser
in den Vorreden sich so oft direct oder indireet wegen
Herausgabe ihrer Werke entschuldigen. Wozu denn das?
kt das Werk gut, so bedarf es dessen nicht — taugt es
nichts oder ist's doch wenigstens überflüssig, so hättet
ihr*s nicht drucken lassen seilen ! Auch Herr Kunkel ver-
sucht so eine verblümte Entschuldigung: er sei seit sehn
Jahren Lehrer am Schullebrerseminar zu Bensheim, und er
habe kein Buch gefunden, was ihm zur Grundinge des musi-
kalischen Vorunterrichts passend geschienen. Da bedauern
wir einerseits den Herrn Verfasser aufrichtig, anderer*
seil* geben wir ihm zu bedenken, dass allerdings ein ver-
48
819
1844. December. No. 49.
820
handener Leitfaden in seiner rollen Totalität selten einen
Dritten genügt, weil die Individualitäten verschieden sind,
dass aber dien allein noch keinen Grund abgeben kann,
ans nenn Büchern das zehnte zu fabriciren, weil dieses,
it^en wieder einem Andern auch nicht ganz zusagen wird
nnd wir zuletzt eine Unendlichkeit derartiger Fabrication
befürchten m festen. — Der Styl des Verfassers entbehrt
der Gewandtheit — ein Uebelstand, den wir leider bei
Musikern nicht selten antreffen — , ist selbst nicht frei
von Provinzialismen , die in einem Buche , vom Lehrer
für künftige Lehrer zunächst bestimmt, nieht vorkommen
sollten; die Definitionen sind, wo nicht gerade ans ande-
ren Werken entnommen, oft breit und dadurch unklar,
mehr Beschreibungen als begreifliche Erklärungen, wie
denn überhaupt dem Büchlein als Leitfaden mehr Präcision
und prägnante Kurze, vor Allem ein Abstrahiren von nichts«
sagenden Wiederholungen oder coriosen Zusätzen — z.B.
ober die chinesische Tooleiter, S. 54 f. — zu wünschen
wäre. Die Ordnung der Materien ist übrigens eine sehr
merkwürdige — ein buntes Durcheinander ohne irgend
welch erkennbares leitendes Princip, ohne alle logische
Consequenz, nnd die sollte man in einem methodischen
Handbuche denn doch wohl nicht vergebens suchen. Nach-
dem nämlich in der Einleitung viel — aber eigentlich
gar nichts gegeben ist, als eine Zusammenstellung von
musikalischen Worterklärungen, wo hinein sich auch ein
Gerippe der Organik verirrt hat (diese Einleitung bitte,
mit Ausnahme ihres ersten Satzes , logisch den Schluss
des Werkes bilden müssen!), erbalten wir die Tonlehre —
ein Ausdruck, den der Verfasser sehr eng fasst — im
ersten und die Notation im zweiten Capitel; daran schliesst
sich, mit Uebergehung der Intervallen- und Tonleiter-
lehre, die erst respective im fünften und vierten Capitel
abgehandelt werden, im dritten Capitel die Rhythmik, eine
Anordnung, in welcher wir wenigstens einen naturge-
mässen Fortschritt, einen methodischen Sinn nicht zu fin-
den vermögen, wenn sie sich auch durch einzelne Schein-
gründe rechtfertigen lassen möchte. Dann wieder behan-
delt der Verfasser zuerst die Harmonik — dieser Ab-
schnitt ist übrigens der klarste und in sieb übersichtlich
geordnetste, doch nur eine Reproduction — und dann die
Melodik, wefär wir abermals einen Grund um so weni-
ger aufzufinden vermögen, als der Verfasser selbst hier,
bei der Melodie/ die Lehre von den Stimmen, dem mehr-
stimmigen Satze, der Vorbereitung und Auflösung an-
knüpft, unzweifelhaft Dinge, die in das Gebiet der Her*
monie gehören. ' Ueberdies fehlt so Manches , was selbst
in einem solchen Leitfaden Jeder ungern vermissen wird,
z. B. über Modulation, über Vortrag u. s. w. Die bei-
gegebenen Aufgaben sind zu wenig zahlreich nnd erschö-
pfend , wenn sie für Solche bestimmt sind , die des Bu-
ches sich ohne Lehrer bedienen — wozu wir durchaus
nieht rathen können ! — nnd von einem Lehrer zu Grande
gelegt, ganz überflüssig und wenig empfehlenswert!! ; be-
sonders steif und ungewandt sind die neun beigegebenen
Bassfüfarongen zu den drei Chorälen; die angehängten
Ausweichungen ans allen in alle Dur- nnd Molltonleitern
sind an sieh nieht zn tadeln — wozu aber solche Esels-
brücken? Von einem abgehenden Seminaristen erwarten
wir mit Recht, dass er dergleichen selbst machen kann.
t)as. Büchlein ist gut gemeint, mag auch für den Verfas-
ser in seinem amtlichen Kreise ein Bedürfniss sein; für
die musikalische Literatur ist es keines, denn das darin
enthaltene Gute findet sich eben so gut, zum Theit bes-
ser schon* in anderen Werken , nnd nur der sehr billige
Preis bei anständiger Ausstattung mag für Manchen der
Berücksichtigung werlh sein. fFüe.
F. Chopin : 3 Mazurkas pour Piano forte. Op. 56. Leip-
zig, bei Breitkopf und Härtel. Preis 25 Ngr.
Der Rhythmus nationaler Tänze bat den neueren
Componisten bereits reiche Ausbeute gewährt. Die polni-
schen zumal sind vor anderen durch rhythmische Eigen-
tümlichkeit ausgezeichnet , und der characteristische
Schwung der Mazurka namentlich wurde von Chopin, als
er aus seinem Vaterlande sich vor dreizehn Jahren nach
Frankreich übersiedelte, in die Salonliteratur des Piano-
forte 's mit der ihm inwohnenden Poesie eingeführt, ja,
er verdrängte die bis dahin von Virtuosen bebandelte Po-
lonaise. Er bat jenen scharfen Rhythmus lieb bebalten,
der ihm für seine weichen, träumerischen Motive einen
willkommenen Rahmen bietet, und ist immer wieder zn
ihm zurückgekehrt. Die feste Bestimmtheit des Rhythmus
gestattet dem Componisten, der nach dieser Seile gebun-
den ist, nur in harmonischer Hinsicht Freiheit, die Cho-
pin nun aufs Vollständigste benutzt. Die Wendungen sind
zuweilen ganz ungewöhnlich, sogar hart, nnd werden nur
durch seine weiche, elastische Spielart so weit gemildert,
dass sie dem Obre nicht verletzend erscheinen. Auf sol-
chen Vortrag, worauf diese Musikstüoke hingewiesen sind,
kommt Alles an. Die vorliegenden drei Mazurka's liefern
abermals für das hier Gesagte an vielen Stellen Beweise.
Gleich der erste verhüllt seine Grundtonart Hdur zwölf
Tacte lang in ein rätbselhafles Gewand. Die Melodie selbst,
grösstenteils in eine Mittelstimme gelegt, verlangt in
ihren zarten Umrissen sehr viele Pflege, wenn sie nicht
verwischt werden soll. Das Alternativ in Esdur (so ist
es zur Bequemlichkeit, da Disdur schwer zu lesen ist,
geschrieben), mehr figurirt, als melodisch, hebt sich gut
von dem ersten Gedanken los. — No. 2 (Cdnr) wird
schnell Freunde finden, weit fasslicher, als die anderen
beiden, und an die Jugendzeit Cbopio's erinnernd. Der
liegende Grundton mahnt an die seltsame Instrumentation,
die man in einer polnischen Bauernscheuke zu hören be-
kommt. — No. 3 ist originell, dooh von harmonischer
Unruhe. Es wird mehr bin und her modolirt, als der Ge-
sammtwirkung nützlich ist. Der Character des Mazureka
gebt in den einer freien Fantasie über. Der Grundge-
danke, an sich klein, wird gleichsam zum Spielballe der
Laune. Einzelne Wendungen, die bei dieser Gelegenheil
vorkommen, sind geistreich nnd interessant
: Deux Nocturnes. Op. 55. Ebend. Preis 20 Ngr.
Anch die Form des Nocturno's, von Field in der Mu-
sik weit, namentlich in der Ciaviermusik eingeführt, hal
Chopin mit Vorliebe gepflegt, ausgebildet, ihr dauernde
Theilnahme gesichert. Man kann hier eigentlich von einer
bestimmten Form gar nicht, sondern nur von der nllge-
82t
1844. December. No. 491
882,
■raten Bezeichnung etiles kleinen , elegisobeu oder doch
sanften Tonstuckes reden, denn weder in rhythmischer
noch harmonischer Hinsicht ist diese Gattung fest be-
stimmt, vielmehr dem Gesehmaeke des Brfioders über-
lassen. Je weniger kühner, matbiger Aufschwung bei Cho-
pin sich findet, desto reicher neigt geraiie seine Schö-
pfungskraft sich in dem Gebiete milder Traner, schwär*
useriseber Wefamulh. Anch seine Heiterkeit ist niemals
ungetrübt; der schmerzvolle Ausdruck ist ihr beigemischt«
Das erste dieser beiden neuen Noeturno's, worin Jeder»
der des Künstlers Styl einmal kennen gelerot bat, ihn
leicht wiederfinden wird, ist einfach, sehr edel und ge-
müthvoll : es verdient Empfehlung, deren es übrigens kaum
bedarf. Die Variation in Triolen mit dem Schlüsse in
Dar — > das Stück steht in Fmoll — geht zuletzt in we-
nigen gehaltenen Aocorden, die einer Frage ähnlich klin-
gen, aas. Das zweite Stück, Es dar, ist schwerer zn ver-
stehen, auch weit schwerer zu spielen. Nicht, als ob hier
Bravourpassagen vorlägen, aber das Verhältnis« der gleich-
mütigen Begleitungsfigur zu der Melodie, die sich in ly-
rischer Freiheit dahinzieht, bedingt die Schwierigkeit ; an
stricte Bintheilung der Figuren muss man nicht denken,
sondern jede der beiden Hände muss durchaus selbstän-
dig ihre Aufgabe lösen, sonst erliegt der Reiz dieses zum
Studium sehr geeigneten Stückes. Der Werth eines durch-
aus kunstgebildeten Vortrages kann sich hier sehr geltend
machen, da von heftigen, materiellen Effecten nicht die
Rede ist.
Carl Voss: Goncertstück in Form des Concertino für
Pianoforte. Leipzig, bei Breitkopf und Härtel. Preis
1 Thlr. 15 Ngr.
Der junge Componist bat sieb bisher insbesondere
durch geschickte Arrangements für das Ciavier und durch
kleine Gesangstücke bekannt gemacht; eine grössere,
selbständige Arbeit, wie die vorliegende es ist, hat er, un-
seres Wissens, noch nicht veröffentlicht. Der Titel ist
nicht präcis genug gewählt und leidet an einem Pleonas-
mus. Das Stück ist ein sogenanntes Concertino, worin
nach altem Herkommen der erste Satz halb geliefert wird,
um in engster Verbindung mit einem kurzgefasslen An-
dante und einem fröhlichen Finale sich zu einem Gan-
zen zusammenzuschliesseo, ein Verfahren, das vor Allen
Weber und Mendelssohn mit Geist benutzt haben. Der
Componist konnte also entweder Concertstück oder Con-
certino als Bezeichnung anwenden. Doch auf Namen
kommt überhaupt nicht viel an. Wichtiger ist das Talent,
das sich uns darlegt. Auf Orcbesterbegleitung ist verzich-
tet, vermutblieb um für musikalische Soirees nützlich zu
sein; dennoch giebt es viele Stellen, worin dieselbe dem
Componisten vorgeschwebt bat. Es würde durch Orcbe-
stertutti's Manches gewinnen, manche Schwäche, wenig-
stens ermattende, ausfüllende Stellen würden die sehr
hübsehen Hauptgedanken und Bravourstellen hervorheben.
Fragen wir nach dem Cbaracter des Ganzen, so ist der
erste Satz (Fmoll) stürmisch bewegt, der zweite (Des dur)
mild und fromm, der letzte (Fdur) heiter und lebensfroh.
An Mendelssohn's herrliches G moll- Concert erinnert Man-
ches. Der erste Satz ist der am Meisten poetische, auch
der zweite, obgleich nicht besonders originell. Der letzte
wird dem grossen Publicum am Besten behagen, er ist
tänzelnd, für den Kenner aber zu sehr zusammengestü-
ckelt; um melodisch zu sein, sind die Themata schnell
, neben einander hingestellt, anstatt in und mit einander
künstlerisch verbunden zu sein. Die Effecte des Instru-
ments kennt der Componist und wendet sie sehr erfinde«
riscb an ; die kleine Melodie Seite 19, die nur dem Thema
des Finales allzuscbnell nachfolgt, macht sich, wie sie
ist, nämlich in den Alt gelegt, so dass sie allein mit dem
Daumen der rechten Hand gespielt wird, allerliebst. Schwer
ist das ganze Werk nicht zu nennen, nämlich für sol-
che Spieler, die einmal sieb hören zn lassen, überhaupt
befugt sind. Es ist F. Mendelssohn gewidmet, dem, wie
schon gesagt, der Componist Manches verdankt, ohne des-
sen feinen polyphonischen Styl sich bereits ganz angeeig-
net zu haben. Er schwebt noch zwischen der modernen
und jener auf älterer und soliderer Basis ruhenden Schreib-
art. Wir zweifeln nicht, dass rüstiger Fleiss, den er be-
reits bewährt, ihu für die letztere immer mehr gewinnen
und seine Erfindung nicht beschränken, sondern for-
dern wird.
Julius Knorr: Materialien für das mechanische Clavierspiel.
Leipzig, bei Breitkopf u. Härtel. Pr. 2 Thlr. 15 Ngr.
Diese Arbeit ist durchaus zeitgemäss. Der Verfasser
geht von der richtigen Ansicht aus, dass, wenn man nach
den üblichen Ciavierschulen unterrichtet, man viele Zeit
verliert, und doch, wenn der Schüler die neueren Schwie-
rigkeiten überwinden soll , sich dann eine Lücke zeigt.
Die Geschichte der Technik soll der Schüler nicht durch-
machen, dies fördert ihn gewiss nicht, vielmehr zuerst
nur das Allgemeingültige , was den Coropositionen jedes
Zeitraumes zu Gute kommen wird, von der Technik er-
lernen. Scharfer Anschlag und Fingersatz sind dieses All-
gemein giltige. Die auf 59 Seiten gegebenen Beispiele sind
ungemein zahlreich, nämlich 500 an der Zahl. Sie sind,
mit genauer Renntniss dessen, was überwunden sein muss»
bevor man von Freiheit des Fingersatzes reden darf, aus-
gewählt. Die in den Hummel'schen Werken vorkommen«
den Schwierigkeiten, noch jetzt grössere, als viele neue*
ren, namentlich Terzenläufe, sind beachtet, ohne in all*
zngrosser Weitläufigkeit behandelt zu sein. Das Heft gibt
übrigens nur Materialien , nicht Uebungsstücke im streu-
geren Sinne. Für das Spiel polyphonischer Salze möchten
dergleichen Materialien ebenfalls wünschenswerth sein.
Der Verfasser hat indessen darin Recht, dass, wenn alle
parallel laufenden Passagen mit beiden Händen gleichmäs-
sig in Kraft und Reinheit ausgeführt werden , dies auch für
polyphonische Sätze die beste Grundlage sein mag. A. K.
Nachrichten.
Berlin, den 6. November 1844. Nqnmekr wieder
regelmässig meine Berichte fortsetzend, habe ich vom
October manches Interessante mitzuteilen. Das könig-
liebe Theater war von den vielen Fremden, welche die
Gcwerbausstellung hergeführt hatte, täglich sehr zahlreich
&s
1844. December. No. 49.
besucht, um #o mehr, als auch du Repertoir viel Anzie-
hendes enthielt. FVau Palm -Spatster, für das Winter-
halbjahr hier eagagirt, gab die Ipbigenia in Taoria in der
£AfcA'fechen Oper, die Norma and die Elvira in Don
Juan mit vollem Wohlklange ihrer sonoren Stimme, in
der Darstellung nnr öfters niebt belebt genug, ftledea von
EuHpides mit Tauber fs Musik und weiblichen Chören
Wurde wirksam wiederholt. Der 15. Oetober wurde durch
eine Festrede von L. Rellstab und ein neues Singspiel:
„Die Sirene" von Seribe und Auber ausgezeichnet, wel-
ches durch die spannende, obgleich unwahrscheinliche
Handlung, die leicht fasslicbe Musik und die vorzügliche
Darstellung sehr gefallen hat. Fräul. Tucxeck als solfeg-
girende Sirene und Herr Mantiut als gewandter Schmugg-
ler, trugen den Preis des Abends davon, obgleich auch
die Herren Blume, Schneider und Zschiesche sehr er-
götzlich mitwirkten. Auch Kreutzer' s „ Nachtlager von
Granada" wurde wiederholt. Herr Krause sang im Don
Juan den Leporello recht gut; es fehlte indess seiner
Darstellung der erforderliche Humor. Auch Fräul. Marx
War nicht ganz zur Donna Anna geeignet, da diese So-
pranpartie so anhaltend hoch liegt. Vorzüglich waren
Fräul. Tuczeck und Herr Mantius als Zerline und Don
Ottavio, auch Herr ßötticher als Don Juan. Im Ganzen
wollte diese Vorstellung indess nicht so ergreifende Wir-
kung hervorbringen, als früher. — Auch Concerte eröff-
neten bereits die musikalische Wintersaison auf das Glän-
zendste. Der geniale Violinvirluos Fr. Prume Hess sich
zuerst im königl. Theater mit seinem Concert heroiqoe
und Variationen hören, gab demnächst zwei eigene Con-
certe, und wirkte ausserdem in einer von Fräul. CA. v.
Hagn zum Besten der Familie des verstorbenen deut-
schen Bühnendichters Albini veranstalteten Soiree mit.
Ist der Ton dieses Violinisten auch nicht besonders voll,
so ist doch der Schmelz seines Vortrages und die bedeu-
tende Technik seines (nur nicht immer reinen) Spiels des
erhaltenen, lebhaften Beifalls vollkommen werth. Herr
Prume trug in obigen Concerten sein drittes Concert,
Concertino Op. 4, ein Andanle und Rondo, seine beliebte
„Meläncolie," das erste Concert von de Berioty ein An-
dante und Rondino auf Motive aus Herold** Pre* aus Clercs,
eine Polacca brillante und Lafonts Fantasie mit der
Scblummerarie aus der „Stummen von Portici" vor,
welche Therese Milanollo vorzugsweise so anziehend aus-
führte. In den Concerten des Herrn Prume trug Herr
!TA. Kullak eine schwere Fantasiecaprice für Piano von
seiner Composition mit grosser Fertigkeit vor. Fräul.
Marx sang ein neues, sehr gelungenes Lied von H.
Truhn: „Scheiden und Leiden, 44 Gedicht von E. Geibel t
mit inniger EmpBndung und vieler Wirkung. Ein Pianist
Herr Louis Bakemann aus Newyork trug das erste Trio
von Beethoven (Üsdur), von den Herren Prume und
Moritx Gang begleitet, eben so beifallig vor, als Schu-
berts „ Forelle *• als Caprice für das Piano, und „La
ehasse" von Stephen Heller. Auch wirkten die Damen
e. Fässmann , v. Baffn und Hoffmann (aus Riga) durch
fiesang und Declamation gefällig mit. in der oben er*»
wlbnten Soiree des Friul. v. Hagn trug der Pianist Herr
Steifensandt die Beethoven* »vht (Tis moli- Sonate für Piano
toiteet und mit Ausdruck vor; nur werde das Allegro
durih zu schnelles ZeJtaaaam etwas uadeottie*. Mari.
Hoffmann sang mit sicherer Höhe, viel Volebilitit und
starker Stimme eine Bravourarie von P er tiani , Mad»
Palm- Spat x*r seelenvoll das „Ständchen" und „Der
Wanderer" von Fr. Schulart tUrferpeifend. Herr Krause
trug „Hakoo's Lied" von Joseph Nettsr recht wirksam
vor. Auch Fräul. Marx sang „Die Botschaft" von Jfö»
eken und ein Lied mit Violoocellobegleitang von 0. Tieh~
san recht ansprechend, — Herr MD. Carl Kioss hau»
in der erleuchteten Garaisonkircbe ein geistliches und
Orgelcoaeert zu mildem Zwecke veranstaltet, worin sieb
derselbe als töcbtigpr Orgelspieler bewährte. Auch als
Componist zeigte sich der Coneertgeber in einer Hymne
für Soli's und Chor mit obligater Orgel, und in einer
Motette für Männerstimmen, von einer vorteilhaften Seite«
Ausserdem sang noch Fräul. Tuczeck ein Ofertoriom vom
Cherulrini und Herr Bötticher eine Arie aus Mossima
Stabat mater, und Mendelssohns Motette für weibliehe
Stimmen „Veni Domine" wurde wirksam ausgeführt. —
Die Herren Steif ensandt und Gebrüder Stahlknecht wer-
den alle vierzehn Tage Triosoiräen für Pianoforte, Vio-
line und Violoncell im Saale des Hötei du Nord veran-
stalten (wo Spontini noch verweilt). Die erste Soiree am
26. v. M. war zahlreich besucht. Es wurde darin ein
älteres Trio von Hummel, Op. 12 in Es dar, die Beet-
hoven'scbt Sonate für Pianoforte und Violoncello, Adur,
Op. 69, und zuletzt das grosse Bdur-Trio von Beetho-
ven, Op. 97, präcis und gut nuancirt ausgeführt. Der
Pianist hat einen elastischen Anschlag, viel Fertigkeit und
musikalische Bildung; der Violoncellist zieht guten Ton
aus seinem Instrumente, und der Violinist besitzt Fer-
tigkeit, Feuer und Energie. — Die am 31. v. M. Statt
gefundene erste Symphoniesoiree der königl. Capelle, un-
ter Mendelssohns Leitung, war das Höchste von Runst-
leistung in der Orchestermusik. Nicht allein die Energie
und Pricision, das Feuer und die Klarheit, sondern haupt-
sächlich die geistreiche Weise und die feine Schattirung
des Vortrages ,• mit welcher die wohlgewählten Meister»
werke: Haydn's Es dur* Symphonie, MoxarCs Ouvertüre
zur „Zauberflöte" und die Cherabmfs' zam „Wasserträ-
ger," und Beethovens D dur-Symphonie mit dem reizendes
Adagio in Adur, ausgeführt wurden, zeugten von dem
tiefen Verständnisse des Dirigenten und von der Genauig-
keit der sorgsam abgehaltenen Proben, wie auch unsere
Capellisten den Beweis lieferten, wie Treffliches sie un-
ter einsichtsvoller Leitung und bei gehöriger Achtsamkeil
leisten können. — Den 15. Oetober feierte auch die kö-
nigl. Academie der Künste durch eine öffentliche Sitzung*
nnd die Singacademie durch die Aufführung des Zeiter*-
sehen Te Deums, eine Festrede und den preaes. Volks-
zesang in ihrer Dienstagsversammlung, auf glänzende
Weise. — • Am 13. November (dem Geburtstage der Kö-
nigin) wird eine geistliehe Musikauffuhrung der Singaca-
demie in der Garnisonkirche, zum Besten der Klein - Ka-
der -Bewahraastalten &tatt finden. — Die ttaüemscbe
Operngesellschaft der Königsstidtischen Bühne wiederholt
den Templario, Nabucodonosor nnd ältere Opern, wie
z. B. den Barbiere di Siviglia, Luorezia Bergia, La Figüa
del Beggimento u. s. w. mit mehr oder anederem Er-
folg. — Die Eröffnung den neu restaerirten königlichen
885
1844* Deoettfccc» No. 49.
826
Opernhauses bleibt aoch auf dt» 7. December festgesetzt.
Die Siagprobea der neuen Festoper von Meyerbeer ha-
ben bereits ihren Fortgang* Anch ist die königl. schwe-
dische Hofsängerin Friul. Lind hier anwesend, um in
der neuen Oper mit Friul. Tyeteek zu elterniren und
soestige Gastrollen zu geben* Kenner rühmen ihre wohl-
klingende Sopraostimme. — Das jetzige Opemrenertoir
wird dnreh die Proben von der neuen Oper sehr he»
schränkt. Aach kommen öfter, als sonst, plötzliche Ab*
anderangen vor« —
Leipzig, den 30. November 1844. Siebeate* Abon-
nementconcert, Donnerstags, den 28« November. — Sym-
phonie von Jos. Eaydn (Ddur). — Sceae und Arie mit
Chor ans Orphons nnd Eurydiee von Gluck, gesungen
woa Med. Jaortier de Fontmine. — Grand Allegro de
Coneert für die Violine» eomponirt nnd vorgetragen von
Herrn Antonio Bntnwi aus Mailand. — Arie aus dem
Oratorium „Paulos** von Mendelssohn Bartholdy („Je-
rusalem" u. s. *w.)? gesungen von Frm Fischer- Achten,
berzogl. braunsehweig. Hofopernsängerin. -*• Ouvertüre :
»•Meeresstille und gluckliebe Fahrt." von Mendelssohn
Bnrtholdy. — Coneert für das Piano forte, eomponirt und
vorgetragen von Herrn Litolff aus London. — Cavatine
aas „Robert der Teufel* 4 von Meyerheer \ gesungen von
Frau Fischer -Achten. — Esmeralda - Fantasie für die
Violine mit Orchesterbegleitung, Capriccio di Bravura
und Quartett aus den Puritanern für Violino solo , com«
ponirt und vorgetragen von Herrn Ant. Batsiqi. —
Die fast überreiche Auswahl von Musikstücken, die
dem Publicum an diesem Abend geboten wurden, bringt
den Referenten in die Verlegenheit, entweder durch eine
ausführlichere Besprechung jeder einzelnen Leistung den
hierzu in diesen Blättern gestatteten Raum au überschrei-
ten aad die Geduld 2er Leser au ermüden, oder seinen
Bericht nur auf kurze Andeutungen beschränken zu müs-
sen. Er zieht das Letztere vor, weil er dabei unbedingt
weniger wagt.
Ueber die Symphonie genüge es daher zu bemerken,
dass sie vom Orebester mit der Inoigkeit und zugleich
harmlosen Heiterkeit ausgeführt wurde, welche das ganze
Werk durchdringt und in dem Hörer eine woblthuende
Stimmung erregt, wie sie der joviale Vater Baydn mit
der ewigen Jugend seiner Melodieen hervorzubringen ge-
wannt hat*
Die Glucfcscbt Arie wurde von Mad. Mortier de
Fontaine sehr schön gesungen; die gnte Schule dieser
Sängerin verschafft sieh bei jedem wiederholten Auftreten
immer mehr Geltung, und selbst ihre Gesaogmittel sehei-
nen dnreh grössere künstlerische Rnbe im- Vortrage ih-
rerseits und durch alimälige Gewöhnung des Hörers an
den Cbaracter ihrer Töne zu gewinnen. Die Compositum
selbst aalnagend, so ist deren hoher Wertb hinlänglich
bekanat; dass man dabei nicht auf eine solche dramati-
sche Auffassung, wie sie die neuere Zeit und die jetzt
anders gestaltete Darstellung auf der Bühne bedingt, rech-
nen darf, versteht sich von selbst« Das liegt in der Zeit
ihrer Entstehung. Solo nnd Chor greifen nicht drastisch in
einander; aber der Eindruck, deo der letztere mit seinem
Einbersebreiten und seinem prägnanten, wenn
auch etwas stabilen Rhythmus hervorbringt, ist darum
kein geringerer, als ein moderner Tonsetzer mit den
musikalisch wahrscheinlich in grässKcheren Gestalten auf-
tretenden Furien bewirkt haben würde.
Bereits vor einigen Jahren bat uns Herr Bannini
eine Probe seiner grossen Virtuosität gegeben, seitdem in
den deutschen und ausländischen Kunstmetropolen Ruhm
und Bewunderung eingeerntet und nimmt jetzt, wie er
uns diesmal unzweifelhaft bewies, einen der ersten Plätze
unter den Geigenheroen der Gegenwart ein. Sein Ton,
wenn auch nicht sehr voll und grossartig, hat doeb etwas
eigenthümlich Ansprechendes und Einschmeichelndes; sein
Vortrag zeichnet sich oft durch feine Scbaltirung, oft
aber auch durch eine scharfe Characleristik aus. Dabei
ist ihm nichts zu schwer oder unmöglich* Die zu Gehör
gebrachten Compositionen , melodiös und interessant ge*
ballen, waren durchaus geeignet, die Trefflichkeit seiner
Leistungen erkennen zu lassen ; besonders gedenken wir
hier der Leichtigkeit und des kecken Uebermulhes, mit
denen er die Esmeralda - Fantasie vortrug, und der Si+
cherbeit und Reinheit, welche in der Uebertragung des
Quartetts aus den Puritanern vergessen liess, dass Melo-
die und Begleitung auf einem Instrumente gespielt wur-
den, noch dazu auf einer Violine, die das gleichzeitige
Hervortreten mehrerer Stimmen so sehr erschwert. Lau-
ter und anhaltender Applaus begleitete seine sämmtlichen
Produktionen.
Ein gleicher Beifall wurde der Frau FU eher- Achten
zu Theil und dieselbe mit Freuden wiederum unter uns
begrüsst; sie hat sich abermals durch den Vortrag der
beiden genannten Arien als eine Sängerin ersten Ranges
bewahrt, und wenn wir gleich unsere frühere Hemer»
kung, dass ihre Mitteltöne das Ohr nicht angenehm he*
rühren, auch beute nicht zurücknehmen können, so ent-
hält doch die höhere Lage ihrer Stimme einen so vor-
züglichen Reiz, dass wir ihr in dieser Hinsicht kaum
eine Rivalin gegenüberzustellen vermöchten* Frau Fischer*
Achten weiss den höchsten Ton mit einer Sicherheit za
fassen, so fest und ruhig zu halten und ihn endlich so
schön ausklingen zu lassen, wie es seihst eine jugend-
lichere Sängerin, bei der die Stimme vielleicht noch leich-
ter anspricht, schwerlich im Stande sein wird. Dies za
zeigen, bot ihr namentlich die Cavatine von Meyerbeer
reiche Gelegenheit, während ia der Arie ans dem Pau-
lus andererseits die grosse Vertrautheit der Künstlerin mit '
dem Vortrage kirchlicher Compositionen auf das Schönste
documentirt wurde.
Nachdem wir dem Orchester und dessen Dirigenten
noch unsere Dank für die ausgezeichnete Aufführung der
Mendelssohntcben Ouvertüre „Meeresstille und glück-
liche Fahrt" gespendet haben, einer Compositum, in weK
eher der Meister Kraft und Anmutb, Geist und Seele auf
eine unübertreffliche Weise vereinigt bat und die eine
Reibe von reizenden Bildern an uns vorüberftbrt, ~
müssen wir noch der Leistung des Herrn Littfffm* Loa«*
den lobend erwähne*. England hat uns zwar schon aus-
gezeichnete Sängerinnen, geliefert, aber, wenn wir de*
früher längere Zeit unter uns verweilenden Will. Stern*
dole Bennett ausnehmen , noch keine oder nur wenige
827
1844. Deeertfer. No. 4».
828
Beweise seiner Produetivität in Bezug auf schaffende «der
ausübende Künstler gegeben. Oass es deren aber wirk«
lieh besitze, davon bat ans Herr Lifo^ überzeugt. Denn
nicht nur sein Spiel verdient, in Betracht der unverkenn*
baren trefflieben Ausbildung in der Technik sowohl als
einer edlen und schönen Vortragsweise, rahmende Aner-
kennung, sondern anch die Compositum , die er zu Ge-
hör brachte, enthält sehr viel Treffliches und eine Menge
Seistreicher Züge, die jedenfalls in ihr eine Bereicherung
er Pianofortemusik erkennen lassen. Ihre Form scbliesst
sieb mehr der einer Symphonie an (das Concert enthält
vier Sätze : Maestoso, Scherzo, Andante und Rondo), und
das Musikstück nimmt daher die Aufmerksamkeit des Pn-
blicums für eine längere Zeit in Anspruch, als dies bei
Clavierstückeu der Fall zu sein pflegt; allein das Inter-
esse wird durch eine schöne gemessene Haltung des Gan-
zen, reiche Entfaltung von neuen ansprechenden Gedan-
ken und durch interessante Wendungen immer rege er-
halten, so dass man dem Componisten , zumal wenn er
zugleich der Spieler ist, gewiss überall gern und mit
Vergnügen folgen wird. L. R,
Sotnmerstagione in Italien.
(Ftrtsetmnp.)
Königreich Piemont und Herzogthum Genua»
Turin, Unser kleines Teatro Gerbino mit vier Asso-
luti- Sängern, der Sopranistin Lanzi-Bruni, Altistin Car-
lini, dem Tenor Latluada und Bassisten Torre, sammt
den Comprimarj -Sängern, unterhielt, wie gewöhnlich im
Sommer, ganz im Diminutivo. Fioravanli's verstümmel-
ter Puleinelia, unter dem Namen Columella, machte La-
chen in den Origioalbuffostücken, und Gähnen in der ein- i
gelegten Seriowaare. Beide Damen und Torre waren die |
Gefeierten. Donizetti's Begina di Golconda ging wegen !
der Prima Donna nicht erfreulich, und da sie eben kein ;
Muster| der Schönheit ist, gefiel sie auch wenig als San- j
drioa in Bicci's Scaramuccia, worin die Garlini mehr Aus- !
zeiebnung fand.
Pinerolo. Die vorige Gesellschaft des Theaters Ger-
bino, mit Ausnahme der Lanzi, die hier die Bapetti ab-
löste, gab während der hiesigen Vereinigung der ptemon-
tesischen Aekerbaugesellscbaft ebenfalls den Columella,
sodann mit frisch eingelegten anderen Sängern Donizetti's
Linda mit gutem Erfolge.
Vereilli. Einen erträglieben Fiasco machte Bicci's
Searamuz. Die Banzi als Sandrina erregte wenig Theil-
nahme, etwas mehr der Tenor assoluto Batier- Hiller mit
hübscher Stimme und der Buffo Marconi. Nachdem die
Due Sergenti ganz durchgefallen waren, verschrieb man
andere Singer und gab den Barbiere di Siviglia mit etwas
mehr Glück. Die Bollen waren so vertbeilt: Bosina =
Banzi, Figaro = Paltrinieri, Almaviva — Zoni, Don Bar-"
tolo = Marconi, Don Basilio = Grini (der Impresario),
und Berta = Strinasacchi.
Aequi. Diese durch ihre Schlammbäder berühmte
Stadt hiesa den Columella willkommen. Wiewohl der ur-
sprüngliche Fioravanti'sche Pulcinella durch ihn mit man-
chem Schlamm anderer Maestri verunreinigt oder ver-
tiert worden war, ergötzten sieh die Badegäste an den
wenigen verschont gebliebenen Stücken und app laudirteu
vor Allem den Protagonisten Buffo Tarn , die hübsche
Prima Donna Gamarra , sodann Bassist Bien , Tenor Pe-
rentoni und die DufK. Donizetti's Luorezia Borgia konnte
mit dieser Gesellschaft kaum vier Male gegeben werden.
Biella. Vortrefflich mag man führ diese kleine Stadt
die Olivieri, die Vascbetti, Tenor Ferrario und Bassisten
Biancbi nennen; sie haben in Hioci's Prigiorie di Edim-
burgo eine Menge Palmen nach Hause getragen, und in
Donizetti's unsterblicher Lucia di Lammermoor sich bei-
nahe unsterblich gemacht
Arona, eine am Lago maggiore gelegene Stadt, mit
nngefäbr 4000 Einwohnern, in der Nähe der berühmten
colossalen Statue des heiligen Borromeo, hatte eine bril-
lante Stagione, die beiden Prime Donne Troff und Tont*
masi, die beiden Tenore Assandri und Danieli nebst dem
Buffo Napoleone Bossi und Bassisten Donelli. Bicci's Chiara
di Bosenberg' eröffnete sie fröhlich. Freude und Entzü-
cken gaben sich die Hände, wenn Bossi und die Trnff
auf der Scene waren. Letztere, die vorigen Carneval \%
Cremona zum ersten Male die Bübne betrat, beglückte
die Zuhörer sogar mit einer eingelegten bonigsüssen Arie
aus Donizetti's Betly. Donelli machte sich hierauf in des-
sen Belisario bemerklich, in welchem Tenor Baldansa den
nnpässlicben Assandri ersetzte, im nachher gegebenen Fn>
rioso aber wieder vom Tenor Tommasi abgelöst wurde,
Genua. Das erneuerte nnd verzierte Theater Dn-
razzo wurde mit Bicci's Disertore per amore eröffnet,
dessen Musik aber so sehr missfiel, dass mehrere Zuhö-
rer aus dem Theater desertirten. Den Sängern fehlte es
indessen nicht an Beifall; den grössten Theil erhielt Buffo
Zambelli und Bassist Parodi , den kleinsten die Prima
Donna Cnccki nnd Tenor Marchelli. In Donizetti's Trom-
meloper Figlia del Beggimento , in welcher die Natalina
Tagliana die Titelrolle übernahm, ging es, beim Bataplan
besonders, recht lustig zu.
Lomhardisch - Venetianisches Königreich.
Mailand. Im Teatro della Canobbiana (dem zweiten
Hoftheater) wurde Meyerbeer's Boberto il Diavolo mit
einem neuen, aber noch ärgeren Boberto als Herr Dolla
Cella auf Carcano forlgesetzt. Gegen Ende Juli's ersetzte
dio Agostini die wegen eingegangener Verbindlichkeiten
abgegangene Gnzzani, wodurch die Oper, in Betreff der
Execution abermals verlor, nur die Musik nicht, die be-
reits allgemein beliebt war.
Im Teatro Filodramroatico (Liebbabertheater) liess
der hiesige Graf Giuiio Litta seine zweite neue Oper:
Sardanapalo von ausübenden Künstlern aufführen; sie
wurde einige Male mit Beifall gegeben.
Herr Stefano Golinelli ans Bologna , ein tüchtiger
Pianoforlespieler in der neuesten Manier , hat im Bedou*
tensaale eine musikalische Academie gegeben nnd von dem
nicht zahlreichen Auditorium in mehreren von ihm vor-
getragenen Stücken Beifall erhalten.
Die hier im September Statt gefundene sechste Ver-
sammlung der italienischen Naturforscher brachte niehts
musikalisches Neues. Im Casino de'Nobiü sollte eine ei»
gens darauf Bezug habende Caatate gegeben weiden nnd
829
1844. Deeember. No. 40.
830
Rossini dazu die Musik eomponirjns? «Hein* er lelple **
ab. Man übertrug sie darauf dem Herrn Verdi % dieser
war mit dem Gedichte mcbt zufrieden umA wünscht« ein«
voo Romani, mit dem er abermals nicht zufrieden war,
und so unterblieb die Gantale ganz, und man gab dafür
eine musikalische Akademie.
Bassist Gib* BatHsta Cämpagnoli, der unlängst ans
Portugal nnd Frankreich, wo er mebrer* Jahre mit Bei-
fall sang, nach seinem Vaterlande zurückgekehrt war,
und noch vorigen Frühling auf dem Turiner Theater im
Barbiere di Sivigiia so sebr gefiel, bat «ich hier zum
schmerzlichen Leidwesen seiner Familie entleibt.
Am 23. August starb hier in der filüthe seiner Jahre
der Bassist Giuseppe Guscetti, geboren zu Mailand von
wohlhabenden Aellern im Jahre 1813.
Monza, mit Mailand durch eine Bisenbahn verbun-
den , gibt jährlich unfehlbar während fa$ Johannismark-
tes Oper. Die ziemlich zahlreiche und für dies Stadtchen
gar nicht üble Gesellschaft: die Wanderer and Dragoni,
Tenor Zoni, Bassist Perger und die Bnfi Tasea und Lo-
detti nebst den Secundärsängern gaben Fioravanti's Pnlci-
nella (hier Columella), ßellini'd Beatrice und Rossini's
Barbiere di Siviglia mit dem besten Erfolge.
Conto. Die aus Deutschland zurückgekehrten Kinder
Vianesi producirten sieb auch auf dem hiesigen Theater
mit Beifall.
Im August und September gab man Donizetti's Ro-
berto d'Evrenx theüweise mit Applaus. Die Gambaro,
Mercadaute's Schwägerin und Schülerin, electrisirte die
Hände der Zuhörer wenig, noch weniger die Anfänge-
rin Rapazzini, Tenor Benedetti blos in seiner Arie, und
der junge Bassist Scapini war nnpisslieb. Rioci's (Fed.)
Prigione dt Edimburgo machten Fiaseo. Rossini's Ntiovo
Mos6 mit der Albani, der Cominolti, den Herren Sca-
pini und Bianchi, sammtlich zweiter und dritter Classe,
erregten Enthusiasmus.
Pavia. Die Rinder Vianesi erregten hier Aufsehen
und gefielen ungemein.
(Fortsetzung folgt.)
Preisausschreiben
des Musik - Vereins Mannheim.
Zar Bezeichnung 4er 15. Jahresfeier de« Vereint selten wir
hiermit einen Preie von zwsozig Decaten auf ein Quartett für Cia-
vier, Violine, Altviole und Vietoneetl (in den gewöhnlichen vier
Sitzen), da» in der Fem und einfach deutschen' Weiae gebalten
ist, wie solche W. A. Motart nnd L. van Beethoven begründet
haben.
Wir laden nn Bewerbungen vm diesen Preis mit dem Bemer-
ken ein, dass tämmtUeken Herren Bewerbern das Alleineigentbums*
recht an ihre Werke beiaasen wird — die eingesendete Abschrift
des gekrönten aber dem Verein, jedeeb bles in seinem Gebrauche
verbleibt; nnd mit der weitern Bedingung, dass die Bewerbungen
in Partitor, frei nnd vor dem 1. Jnni 1845 nn den Verein einge-
schickt werden, ohne Namen der Verfasser, doch begleitet mit
einem versiegelten Zettel, der Namen nnd Wohnort derselben ent-
halt nnd aussen einen Denksprnch hat, welcher der Partitur selbst
nach n äffen setzen ist.
Werke, welche ohne Beachtung dieser Bediognngen einkom-
men, können snr ße Werbung nicht aufgenommen werden.
Drei nneh Umlauf der Einaendnngsseit zu erwählende Kunst-
gelehrte benrtheilea .jeder derselben insbesondere) : welche Bener-
hrnng den Preis zu erb alten bat, oder wenn sieh eine Mehrheit der-
selben nicht ergibt , so entscheidet das Loos , welches dieser drei
berufenen Werke zu krönen ist.
Dss Ergebnis» wird unter Benennung .der Herren Richter nnd
der Verfasser des gekrönten und der belobten Werke , sobald uns
die Beortheiluogen zugekommen sind, öffentlich bekannt gemacht;
daher Zwischenanfrngen umgangen werden wollen.
Die naebherige Rückgabe der Einsendungen (die gekrönte aus-
genommen) fcnnn nur gegen eigenhändigen Schein des Bigenthe-
mers , der zugleich den betreffenden Denksprnch und Anfang dea
Werkes enthalt, geschehen. Die übrigen werden wir nebst den
versiegelten Beteelteln wohl verwahren.
Mannheim, am Tage CaVilia 1844.
Im Namen des Verein - Vorstandes.
A. Schüttler.
F
EUILLETON.
Der Verwaltungsaussebuss der Mosartstiftong zu Frankfurt
am Main hat seinen sechsten Jahresbericht erstattet. Nach Inhalt
desselben ist die Anstalt im erfreulichsten Vorwärtsschreiten be-
griffen und hat im verflossenen Jahre wieder mehrere Beweise leb-
bifter Tbeilnabme erhalten. So gaben für dieselbe Concerte zu
Frankfurt am Main : der Pianist Ernti Patter ans Wien (Reiner-
trag 31 Fl. 41 Kr.); der Pianist Drey schock (Reinertrag 122 Fi.
20 Kr.) ; der Componist Aguilar aus London, welcher säm tätliche
Kosten aus seinen eigenen Mitteln bestritt (Ertrag 271 Fl. 36 Kr.);
der Liederkranz sein ststutenmissiges jährliches Concert (Reiner-
trag 401 Fl. 30 Kr.). Pfarrer Spriingli in der Schweiz bat an
weiterem Ertrage von der durch ihn veranstalteten Herausgabe
von MHnnerquartetlen 217 Fl. gesendet, so dass seine diesfallsigen
bisherigen Sendungen sich anf beinahe 1000 Fl. belaufen — daa
reichste, der Stiftung bisher gemachte Geschenk. — Dss Activ-
vermögen der Letzteren besteht jetzt aus 16,935 Fl. 22 Kr., bat
sich also im letzten Verwaltongsjabre um 1179 Fl. 34 Kr. ver-
mehrt. — Der Stipendint der Stiftung, der Violinist /. /. Bott in
Cassel , »nebt nach seines Lehrers Spohr Zeugnissen rühmliche
Fortsehritte in Spiel und Composition ; das Stipendium von 400 Fl.
ist ihm für das vierte (letzte) Jahr, vom 1. Jnni 1844 nn, verlie-
hen worden. — Ans dem Verwaltungaausschusse sind die Herren
P. Finek, C. A+ Andre* und Dr. A. Jott ausgeschieden, und st
sollten zur Ergänzung denselben neue Wahlen veranstaltet werden.
Eine nene Oper von Till soll nächstens am Jesephstädter
Theater zu Wien gegeben werden. — Auch der bisher nur als
Lfedereoeipoeist bekannte Randhartinger , Vieebofenpellmeister in
Wien, bnt eine Oper vollendet.
Die Shngerin Nina Sontag, bekanntlich eine Schwester der
berühmten Henriette Sontag, jetzigen Grün Roesi, ist in Felge
einer tiefe« Scbwermoth zu Prag in den Orden der Carmeliterin-
nen getreten.
Der bekannte Liederkomponist Dürrner, bisher Musikdirector
am Theater zu Ansbach, ist nsch Bdinbnrg gegsngrn, wo er auf
ein Jahr als Musikdirector angestellt ist. Seine Stelle in Ansbsch
bnt Hummer, des Pianofortevirtuosen und Componisten Sobo , er-
halten.
Carl v. Holtet ist Directör des Breslsmer Theaters gewor-
den. — Dr. Loren», bisher Directör des Anhalt -Bernborgtchen
Hoftheaters, hat dfe Leitung a\e$ Sudttheaters zu Freiburg ha Breis-
gan übernommen (Musikdirector nn demselben istC. G.Kup'sch); das
Bernburg'sche steht jetzt noter Herrn Martini. — In Nürnberg wurde
daa Theater von der neuen Direction (Herrn Ferdinand Rüder) am 30.
September mit Beutete Nurma recht befriedigend eröffnet. Fränl.
Meyrath als Norme, Frau Heesler-Münek als Adalgisa, Herr Ha-
gen als Sever, Herr Kramer als Orovist gefielen sammtlich. — Der
neue Directör des StadUheatera zn Frankfurt an der Oder, Herr
Leo, hat seine Bühne nm 8. October imit einem Schauspiel) er*
öffnet'} nU MusifcdJmete* ist Herr ErUngar angestellt.
851
1844. December. JVo. 48»
832
Ankftn dlfon gen*
Die Terhrtitetate , gelot eas t o «ad billigst« Zeitschrift, welche
ia keinem guten Laseairkel fehle» tollte, iat die bei W. Katrner
in Krfart erscheinende
WJranta.
masihtliarbca BeihUtt «am Off elfreaade m. a. w. Ar Belehr««*
««4 Unterhaltung. Rtdigirt «ad hcraosgegebe« vaa G. VT. «r-
«er n«d ^. C Jfäfcr.
Probenammera stehe« s« Dienet. Der äusserst hiUsge Frei«
betragt Ar de« ganze« Jahrgang aar \ Thaler.
I« der T. Tmutwelm f sehe« Bach - and Musikalienhand-
la«g (J. Guttentag) in Berti« sind so ehe« enehiene« :
Conmer, Franeiaen», Collect** operum musie*rum B*-
isveram smeculi XVI. Tom. I. (No. 1. Jaeobai Clement «b« p«pa
„Vox clamaalis in deserto.'* No. 2. Idem „Angelus demini «d
pettores," beide für 5 Stimme«. No. 5. Idem „De«f in adiotoriom
meum" für 6 Stimme«. No. 4. Idem „Ego floa campi et li-
, liuai," Ar 7 Stimme«. N«. 5. Idem „ Pater pecenri," Ar 8
Stimme«. No. 6. Christian HolUnder „Si igaorae te," Ar 5
Stimmen. No. 7. Sebastian HolUnder „ Dum traatiaset aabatum
Maria ," Ar 5 Stimme«. No. 8. Hubertus Waelrant „Pealmua
CI. Domine Domiae exaudi oratioaem," Ar 5 Stimme«. No. 9.
Idem „Verba mea auribus pereipe," Ar 6 Stimme«. No. 10.
Adrianus Willaert „Psaimat LXII. Den* deoa mens," Ar 8
Stamme«.) Preis 5i Thlr.
— — Tom. II. (No. 1. Clemens no« papa „Pastores smidaam ri-
disti." No. 8. Idem „Icraaalem sarg«/ 1 N«. S. Idem „Super
ripam Jerdaaie." No. 4. Jae. Vaet (vel Giachea di Waert)
. „Tnaseaate domiao elamabat." N«. 1 — 4. Ar IS Stimme«.
. No. IS. Jacohos Vaet „Te Deom laadamas," Ar 8 Stimme«.
. No. 6. Adrianus WUlaert „Magaificat." No. 7. Idem „Pealmaa
IV." No. 8. Idem „Psalmas XXX." No. 6 — 8. Ar 8 Stirn-
) Preis 5* Thlr.
IVeuer Musikalien- Vertag
bei Jofc.
in Prag.
sTireAenmart*.
Peuamrer, «%•, Pasforal- Hymnus, Ar 4 Singstimme« and Mei-
nes Orchester. 54 Kr.
KolleseimOWtJl&y', Veni Sanete Spiritus Ar 4 Siagstimmea
«ad kleines Orchester. I Fl.
Homart, W. A., Messe ia F Ar 4 Siagstimmea, B Viel. (8
H6rner ad libatam), Coatrahats a. Orgel. Partitur. 9 Fl. 50 Kr.
Messe i« D Ar do. Partitur. 8 Fl. IIS Kr.
Mfcrtaup» Fr», Messe in Dmoll Ar 4 Singstimmea und klei-
nes Orehecter. Op. 7. 8 Fi. 30 Kr.
VomMOfcelfc, W« J., Krouangs- Messe ia C Ar 4 Siag-
etimmea aad Orchester. Op. 81. Partitur 6 FL Stimme« 8 Fl.
Einielae Sing- aad Orchesterstimmea per Bogen 15 Kr. C.-M.
Für Ptane/erfe.
Doppler. JOB«, Georgine. Varlatioaea aber ein österreichi-
sches Lied. Od. IS7. 50 Kr.
Jasmin. Variationen aber ein Thema aas der Oper Dada da
Chamoaaix. Op. 70. 45 Kr.
ttaesynsliT, V«, Valerie- Walser. 45 Kr.
ProenOSaMt, J«, Canrouaael- Musik, enthaltend BiasagaJfAr.
•ehe, Waffeataase, Ropftoarea. 5 Fl.
Stegammyer, Fr., Une Sauon de Valse. No. I. Jaliette. No.
B. Marie. No. 5. Victoria. No. 4. Antoinette. « 45 Kr.
Denx Begatellcs. 15 Kr.
Le Sonreair Aoadean. 58 Kr.
r«»sm«rift«Uf»/ir afamo/orte.
Wkg*muywäBUy 9 V.jMiiw. 18 Kr.
IifefcmaUlii, J«, Wettrennen- Polka. 15 Kr.
Polketta ea Coloaae. Op. 50. 50 Kr.
J* Wettrennen- Galopp. 18 Kr.
Victoria. Quadrille. 50 Kr.
•eejUamlt, €., Rebus - Walser. Erat* Work. 45 Kr.
Trainier, C., Feierabend. Polka. 15 Kr.
/Veae P*J*a'#.
lief. I. Hllmmar, *.. Faschings-. Pardabitser., C
aad Gitschiaer- Polka. 80 Kr.
fttol», A., Wilhelmine« -, Augustinen-, Wlaeieake-
9. •wOstodse, F. W., Uhassinka-, Aana-,
Haarady- Polka. 50 Kr.
10. Oiermaf k. F. Wände-, Ceres- aad Faaiska- Polka.
80 Kr.
il. Hilmar, F., Polka a la Kurka, aeae Zigeuner- anal
Wlasteuka. Polka. BO Kr.
18. PetJeemlie, aU, Ckarlottea - , Lore- Ley . «. JsM-Polka.
Polka. 80 tfr.
CseraMMlfc, F., Sterne«-, Caroliaea-, Jubel -Polka.
BO Kr.
LlefcnttOIlam, J«, Miaerra-, Julien- Polka. 80 Kr.
Berit», F., Falkeaaaer- , Vilaai- aad Seidlitser- Polka.
50 Kr.
Film«, Jeu., Jeoephsttdter-, Ratte, aad SanMtaer-
Polka. 80 Kr.
Kollora, Joftu, Leopoldiae« - 9 Hutaren -^ Frohsinns
Polka. 50 Kr.
Froefcttlim, JOB., Alfred-, Hildegarde«- aad Me-
rlanen - Polka. BO Kr.
Uelamoamil, J., 18 Marsche Ar Militär -Musik.
Subeeriptie« 6 Fl. «cito.
Horts, tt. Wkf Faataaie Ar Guitarre aus Linda di Chtjaaami»
Op. 14. 45 Kr.
Divertissement d? a s Don Pascpiale. Op. 15. 45 Kr.
Vollständig ist nun
Fr«»» Albert CsroOBler, Sechs Vollmmforitea oder ke-
uchte Volkeweise« mit I«trod«etio«ea , Ro«di«o*s und Variatio-
■en Ar das Pianoforte. 8 Helle in Umschlag. Preis 1 Thlr.
(Vorrithig in allen Buch- und Matlkallenhandlange«.)
Gotha, im November 1844.
X. «• mAller.
I« «Ben
W'ealeinoitlm'e praktische fjebaagea Ar den
progressiven CZovierunterricM.
Nach pädagogische«, durch die Brlahraag hewihrten Gruudsatsea
aad mit genauer Berücksichtigung der Fassungskraft, auch der
weniger Jahlgen Schuler anter steter Hlawelsnng auf die Theo-
rie. Bratet Heft. Fünfte Terbcaserte Auflage. 4. Gek. 4 Thlr.
oder 58 Kr.
Weaa wir ia einer frühere« Aaseige dieser Uchaagen be-
merkten, daat hereitf Tanscude voa CUfierlehrern ia ihaea ei«e
sehr sweekmasaige «ad methodische CUrierachule erkannt kitte«,
so dass jetst der Unterricht selten nach einem anderen Hilfsmittel
ertheilt werde, so findet dieses in obiger so schnell tolgeodea fünf-
te« Auflage seine Bestitigaag. — Um dem Pahlicam Ar eine« aa
«aaaerordentlichen Absata dankbar aa «et«, iat die«e fünfte Auflage
auf sehr schönes, viel stärkeres Papier gedruckt, ohae daat e>Ar
ei« höherer Preis stattfindet.
Dasselbe iat geschehen bei der so eben erteheiaeadea swekea
rerbessertea Auflage des ersten Heftet der MTedeillOBlim'scbea
ioatruetiven
^händigen OaTferlecttonem.
aüea fleitsigea Clarierspielera aar Uebnng und Unterhaltung freund-
lich geböte«. (Im Gänsen 4 Hefte a |Thlr. oder 58 Kr.)
Drsek Bad Verlag von Brmikoff m*d Häritl in Leipzig mmi aater deren VemntwerUicbkcit.
835
834
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den H ten December.
M 50.
1844.
Inhalts Hetensionen. — Dfmehriehlen :
ton. — Ankündigungen,
Aas Prag. Aus Leipzig. Sommerttsgione io Italien. (Fortsetzung*) Aas Berlin. — FeuiUe-
Recension
E H.
Kirchenmusik.
Je mehr es allmälig wieder in's BewussUein getreten
ist, dass die im schroffen Rigorismus und starrer Einsei-
ligkeit aus dem protestantischen Gottesdienste verbannte,
oder wenigstens sehr vernachlässigte Kunst ein integri*
render Theil des Cultns sei, dass sie, recht angewen-
det und in zweckmässiger Gestaltung, viel, unendlich viel
zur religiösen Erbebung des Gemütbs, zur Erbauung bei*
tragen könne, je mehr unseres grossen Lutber's Wort:
,,lch wollte die Musiea gern sehen im Dienste dess, der
sie gegeben und geschaffen bat,*' auch in der Gegenwart
zu erneuerter Geltung kommt, und die Ueberzeugung
gewonnen wird, dass unsere dem Heiligen und Göttlichen
so sehr entfremdete Zeit nicht allein auf dem kaltver-
ständigen Wege der Betrachtung zu innigerer, lebendi-
gerer Theilnahme an demselben könne hingeführt wer*
den : um desto mehr tritt auoh das Streben hervor, durch
eine sachgemässe Verbindung der Kunst mit dem Cultus —
in der Form der Kirchenmusik — diesen zu beleben,
seine Wirksamkeit eindringlicher zu machen, und den
ganzen Menschen gteichmässig durch diese in Anspruch
zu nehmen. Was vornämlich J. S. Bach in dieser Rück-
sicht gewirkt — weniger der Natur der Sache nach Hän-
del — ist eben in der Gegenwart erst recht wieder zu
verdienter Anerkennung gekommen ; gleichzeitig aber ha-
ben auch die jetzigen Componisten, die es ernst und ehrlich
meinen mit der heiligen Kunst, so weit sie dazu Beruf in
sich verspürten, ein anerkennenswerthes Streben entwi-
ckelt, diesen höchsten Kunslzwecken zu dienen. Dennoch
ist verhältnissmässig erst wenig auf diesem Gebiete ge-
leistet worden, nehme man das nun qualitativ oder quan-
titativ; deon es versteht sich wohl von selbst, dass wir
die grossen Oratorien hier nicht rechnen können» wo es
sich nur um eine direcle Verbindung des öffentlichen Got-
tesdienstes mit der Musik bandelt. An eigentlichen Kir-
chencantaten für die Sonn- und Pesttage des Kirchenjah-
res sind wir so reich laoge noch nicht, als es die Be-
dürfnisse unserer Kirchen und die so überaus ungleichen
Kräfte derselben wünschen lassen, abgesehen davon, dass
so manche auf diesem Gebiete neu erschienene, immerhin
gutgemeinte Arbeit von der hohen Würde gottesdienst-
licber Musik, von der ächten protestantischen Glaubens-
begeisterung gar zu wenige Spuren verrätb, und entwe-
46. Jahrgang.
der in süsslich- tändelnder, neumodischer Sentimentalität,
oder in starrem» geistlosem Pormenscblendrian sich be-
wegt, in beiden Richtungen aber unmöglich den not b wen-
dig hohen Ansprüchen an derartige Tonschöpfungen zu
genügen vermag. Unter den tüchtigen, hierher gehörigen,
in neuester Zeit erschienenen Werken erwähnen wir be-
sonders Lowe's Pestzeiten, über welche vor Kurzem in
diesen Blättern berichtet wurde, und die wir — ihrer
allmäligen Entstehung fast Schritt vor Schritt naheste-
hend — allerdings weit mehr in ihrer Vereinzelung als
Kirchenfestcantaten, denn als ein zusammenhängendes gros-
ses Oratorium, für das Wert h vollste erklären müssen,
was die neuere Zeit auf diesem Gebiete produoirt bat.
Herr Grell in Berlin, als tüchtiger und gewandter Com-
ponist unsern Lesern längst bekannt, Scheint in der Errich-
tung des Domcbores durch den König von Preussen einen
speciellen Antrieb gefunden zu haben, sich auch auf die-
sem engeren Gebiete zu versuchen ; doeh schien bisher
auch bei ihm, wie bei den meisten neueren Componisten
in diesem Genre , die- Vorliebe für das Allgemeinkirch-
liche, als Gegensatz zu dem Gottesdienstlichen, die sich
in der Composition einzelner Psalmen und Motetten, ohne
besondere Rücksicht auf etwaigen rituellen Gebrauch, of-
fenbart, noch immer überwiegend (eine Erscheinung, de-
ren wohl zu berücksichtigende Gründe näher zu beleuch-
ten , wir uns noch vorbehalten müssen) , während jetzt
einige seiner Schöpfungen vorliegen, welche mit vollstem
Rechte als ausschliesslich dem protestantischen Cultus an-
gehörig betrachtet werden müssen. Es liegen uns für den
Augenblick folgende Werke zur Besprechung vor:
A. E. Grell i Barmherzig und gnädig u. s. w., vierstim-
mig mit Orchester. Op. 26. Ciavierauszug ( IX /| 2 Tblr.)
und Singstimmen (V 3 Thlr.).
: Der 95. Psalm in gleicher Bearbeitung. Op. 27.
Ciavierauszug (l Thlr.) und Singstimmen (% Tblr.).
: Pünf sechsstimmige Kirchengesänge nebst einigen
vierstimmigen Antworten für jeden Hauptgottesdienst
des Jahres. Op. 32. Partitur (% Thlr.) und Stim-
men ( l U Thlr.;.
: Evangelische Pestgraduale. 11 seebsstimmige Mo-
tetten für die Kirchenfeste. Op. 33- Drei Hefte. Par-
titur (I. 7 Ggr., II. % Thlr., HI. 11 Ggr.) und
Stimmen (I. % Tblr., II. und III. a % Thlr.).
_ — . 3 vierstimmige Motetten. Op.34. Part. u. Stimmen.
9 Ggr. Sämmllich Verlag von T. Traut wein in Berlin.
50
835
1844. December. No. 50.
836
Op. 26 ist in fünf längere oder kürzere Abschnitte
get heilt, denen sich ein Choralvers (Sei Lob and Ehr 9 dem
höchsten Gut) anschliesst. Es ist für die Singstimmen
leicht gehalten, nnd lässt besonders in No. 3 und 5 eine
frische, hebende Instrumentalbegleitung vermutben, so
weit aus dem Ciavierauszuge geschlossen werden kann;
die Instrumentalslimmen (Saitenquartett, Flöte, zwei Oboen
und zwei Fagotten, Preis V/ 12 Thlr.) liegen uns nicht
vor. Tiefe der Erfindung beansprucht diese Composition
allerdings nicht, und die vielen Wiederholungen der me-
lodischen und harmonischen Phrasen erzeugen weniger
das Gefühl der Einheit, als der Einförmigkeit, wie denn
Melodie und Harmonie überhaupt im Ganzen sich über
das Hergebrachte nirgend erheben. Die rhythmische Form
in No. 3 erinnert unwillkürlich an Händel*s Hallelujab,
das kleine Fugato darin ist indess fliessend nnd frisch;
doch mit der Accentuation : Frohlocken, vermögen wir
ans nicht zu befreunden. Uns hat am Meisten No. 5 an-
gesprochen, das kräftig vorgetragen nicht ohne Eindruck
bleiben wird, wenn wir auch eine oder die andere Wie-
derholung zum Vortheile des Ganzen weggewünscht hat«
ten. Bei dem so correcten Satze des Componislen haben
uns die Octaven im neunten und sechzehnten Tacte des
Chorals., der überhaupt ein wenig steif erscheint, unan-
genehm berührt. Anderen wird das vielleicht weniger auf-
feilen, — das sind Ansichten.
Op. 27. Die allgemeinen Bemerkungen über das vo-
rige Werk gelten auch von diesem, nur dass hier ein er-
höheter Schwung sich bemerklich macht, der allerdings
weniger in der Erfindung, als in der Ausführung liegt;
wir möchten ihn, auf die Gefahr hin, miss verstanden zu
werden, prosaisch nennen, und ihn dem oratoriscben
Schwünge der sonst durchaus verständig -kalten Predig-
ten vergleichen, der, befinden wir uns anders in der ge-
eigneten Stimmung, wohl augenblicklieh zu ergreifen ver-
mag, auch wohl noch eine Weile angeregt erhält, ohne
doch einen wirklich nachhaltigen Eindruck zu rückzu las-
lassen. Herr Grell scheint — er verzeihe uns — zu ver-
ständig zu componiren, zu wenig aus der innersten Tiefe
des Herzens zu schöpfen, und das ist vorzugsweise bei
kirchlichen Compositionen ein sehr fühlbarer Uebelstand.
Das Einzelne anlangend, so scheinen uns die beiden Cho-
räle zn Anfange und zum Schlüsse der Idee einer Psalm-
composition zu fern zu liegen; jedenfalls hat der Com-
ponist dadurch den Rahmen des Tongemäldes andeuten
wollen, und concret betrachtet, lässt sich dagegen weni-
ger einwenden ; kann doch auch dabei der Verfasser sich
auf namhafte Vorbilder stützen. Sie sind, wie sich von
selbst versteht, würdig gebalten, nur wünschten wir mehr
harmonische Abwechselung, die der Gewandtheit des Com-
ponislen ein Leichtes gewesen wäre, ohne der Kirchlich-
keit Eintrag zu tbun. Das Fugato in No. 2 ist lebeudig,
doch stört der Terzensprung gegen den Schluss desThema's
den melodischen Fluss, obwohl wir die Absicht des Com-
ponisten bei demselben wohl zu erkennen meinen; die
stetig durchgeführte Füilstimme zu dem Contrapunct gibt
bei einigen Umkehrungen nicht eben empfehlenswerthe
Zusammenstellungen, and das Ganze dürfte durch einige
Kürzungen gewonnen haben; effeclvoll ist der Chor der
Bässe als Grundlage zn dem Solo -Alt, Tenor und ßa&s,
wie (in No. 3) die Episode des vierstimmigen Männer-
chors mit darüberliegendem Alt. — Es würde durchaus
zweckmässig gewesen sein, wenn eine genaue Tempobe-
zeichnung nach Mälzel oder Weber angegeben wäre,
denn wenn das Andante No. 3 aueh nur ein klein we-
nig zu langsam genommen wird, so ist es — trotz der
Tonmalerei bei dem „Meer" und dem „Trocknen" —
sehr trocken. Die Instrumentalbegleitung (Saitenquartett,
Flöte, zwei Oboen, zwei Fagotten, Trompeten und Pau-
ken und drei Posannen, Preis 1 % Thlr.) tritt selbständi-
ger auf, als bei dem vorigen Werke, und wird sieber
von Effect sein. — Die Stimmen liegen uns nicht vor;
weshalb mag aber hier der Componist die Hörner nicht
angewendet haben? — Trotz unserer Ausstellungen, die
Herrn Grell nur die Achtung beweisen mögen, welche
wir seinem ernsten Kunststreben zollen, können wir beide
Piecen sowohl zu kirchlichen Aufführungen, als für Sing-
vereine mit Ueberzengung empfehlen,
Op. 32 enthält fünf liturgische Gesänge (Ehre, Ky-
rie, Und Friede, Allelujah, Heilig) für Sopran, Alt, zwei
Tenore nnd zwei Bässe, nebst einigen vierstimmigen Re-
sponsorien a Capella, für den Sonntagsgottesdienst nach
der preussiseben Agende. Sämmtliche Gesänge stehen in
A dur, und die Responsorien sind, mit Ausnahme des er-
sten Amen, nur Textunterlagen zn gleicher Melodie und
Harmonie, darum — überflüssig. Die liturgischen Gesänge
beweisen des Componisten Gewandtheit im alten sogenann-
ten Palestrinastyle, die an sich lobehswerth, ja dem tüch-
tigen Tonsetzer unerlässlich, doch practisch uns von ge-
ringem Wertbe insofern erscheint, als wir die Copieen,
namentlich in der Musik, nicht goutiren können.
Op. 33. Diese Motetten, sämmtlich in Adur (doch
kann wohl die Tonhöhe allenfalls beliebig verändert wer-
den, da der Sopran hier das e, der Tenos das ji$ nicht
überschreitet), für dieselben sechs Stimmen, wie Op. 32,
in demselben Style gebalten, sind ebenfalls liturgische
Gesänge für die preussisen- evangelischen Kirchen, inso-
fern sie vom Componisten über die in der Agende vor-
geschriebenen Sprüche „nach der Epistel" oder „vor dem
Allelujah" auf die kirchlichen Feste : Advent, Weihnacht,
Neujahr (I. Heft), Passionszeit, grüner Donnerstag, Cbar-
freitag, Ostern (II. Heft), Busstag, Himmelfahrt, Pfing-
sten nnd Todteofeier (III. Heft), a Capella gesetzt sind»
lieber den Palestrinastyl haben wir uns schon oben aus-
gesprochen, nnd nur noch hinzuzufügen, dass auch die,
dem Auge zwar verdeckten, dem Ohre aber wohl merk-
baren falschen Fortschreilungen hier (z. B. No. 8, Tact
2 und 3 u. s. w.) nachgeahmt sind ; und dass bei der
Ausführung wohl zu beachten ist, dass die rhythmische
Accentuation bei derartigen Compositionen wegfallen muss,
und nur ein choraliter gehaltener Vortrag angewendet
werden darf, wenn nicht die störendsten Verstösse in der
Declamation vorkommen sollen. Würdig gehalten, tüchtig
durchgeführt und brauchbar sind diese Compositionen sämmt-
lich, und wir würden sie zur Uebung in diesem Style
empfehlen, wenn wir dafür nicht die italienischen Origi-
nale, wie sie z. B. Tucher leicht zugänglich gemacht,
den Copieen vorziehen müssten. Darin hat nun einmal Je-
der seinen eigenen Geschmack. — Ueber die im Vor-
worte ausgesprochene Ansicht des Componisten über dea
857
1844. December. No. SO.
858
Gebrauch der alten Schlüssel können wir hier nicht rech-
ten ; das ist eben — Ansicht. Wir hätten» auf vielseitige
Erfahrung gestützt — freilieb nicht, wie der geehrte Herr
Verfasser bei einer grossen Singacademie — es für den
allgemeinen Gebrauch zweckmässiger erachtet, die ein-
zelnen Singstimmen mit dem Violin- und Bassschlüssel
zu geben, während in der Partitur natürlich dem C- Schlüs-
sel in seinen gebräuchlichen Abstufungen sein volles
Recht ungeschmälert verbleiben müsste.
Op. 34. Diese drei Motetten — für Sopran, Alt,
Tenor und Bass a Capeila — sind eben auch liturgische
Gesänge, ganz kurz, einfach und leicht, kleineren und
ungeübten Chören als Uebung vielleicht nützlich, obwohl
sie sich über die Mittelmässigkeit nicht erheben und, als
Compositionen betrachtet, einen sehr geringen Werlh ha-
ben. Der Componist bat sie gemacht, vielleicht auf äus-
sere Anregung hin, und damit gut; Derartiges schreibt
Jeder, der seinen Cursus absolvirt hat, in müssiger Stunde. '
Aber Herr Grell, der wohl im Stande ist, Tüchtigeres
und Gediegeneres zu leisten, sollte dergleichen nicht dru-
cken lassen — er schadet sich und der Kunst. Gezwun-
genes Arbeiten auf diesem Gebiete können die Verbält-
nisse wobl entschuldigen $ zur Herausgabe solcher Epbe
meren kann aber Niemand gezwungen werden. IVise.
Nachrichten.
Prag, November. Die Anrufung des heiligen Geistes
des Conservatoriums der Musik brachte uns am 31. Octo-
ber ein neues musikalisches Werk, nämlich eine grosse
Messe in Cdur von Director Rittl. Der talentreiche Ton-
dichter trat hier zum ersten Male aus der blühenden Land-
schaft der Symphonie in die heiligen Haine der Gottes-
verehrung und hatte nun vor den ergrauten Priestern
der Musica sacra eine scharfe Prüfung zu bestehen, zu-
mal er bis jetzt nur blankes Weltkind gewesen, und nicht
zu erwarten stand, dass er alle die Blumenkränze der so
eben verlassenen Flur von, sich werfen, sich mit dem ein-
fachen Eicbenlaube begnügen, die heiligen Sänge der Got-
tesverebrung so recht aus frommem Herzen anstimmen,
und so zur Begeisterung binreissen werde. So schwer
dieser Schritt gewesen sein mag — es freut uns, zu be-
richten, dass er über alle Erwartung weit und sicher ge-
schah. Es ist kaum zu glauben, dass man dem so viele
tausend Male gewendeten Stoffe noch immer eine neue
Seite abgewinnen , dass man auf dem breit und fest ge-
tretenen Pfade noch immer neue Blüthen finden könne.
Aber wer ans seinem innersten Herzen betet, wird be-
ten, wie er fühlt, denn jedes Herz fühlt anders, und
auch im Gebete kann die einmal ausgeprägte Subjectivität
niebt verloren gehen«
Mit der Pestsetzung des Grenzpuhctes zwischen hei-
liger und weltlicher Musik verhält es sich in den letzten
Decennien ganz eigentümlich. Die ersten Tondichter
neuer Zeiten nahmen es den strengen Bekennern der al-
ten Form mit dem Kirchenstyle viel zu weltlich. Diese
Altgläubigen hatten für Moxart, Haydn, Beethoven und
Mendelssohn Bartholdy (in seinem Paulus) nur ein Ach-
selzucken. Noch immer schwebt ihnen die heilige Einrach-
heil eines Astorga, Caldara, Allegri^ Pergolese, die Vio-
linbehandlung und die Form eines Brixi vor. Purismus muss
sein, und ist in unserer Zeit, wo ringsum Oberflächlichkeit
nach der Herrschaft strebt, ein wahrer Segen. Aber der
Purismus in unserer guten alten Stadt steigert sieh bis zur
Intoleranz, und darum ist es für schüchterne Seelen so
schwer, hier durchzudringen, wo andererseits der kräftige
Geist die ängstlichen Formschranken durchbricht, unbe-
kümmert, ob er ihnen nicht auch eines der liebsten
Schrankenstücke mit in die Lüfte führt. In seinem Fluge
zu seinem Gölte, sagt dieser, soll Niemand aufgehalten
werden, und ein kräftiges warmes Gebet muss ergrei-
fen, ob nun die Violinen fabeln oder nicht. Beides ist
unrecht. Die Form soll nicht erdrücken, aber sie muss
bestehen. Ohne Form verschwimmen die Dinge in einan-
der, und der Verstand will unterscheiden. Kittl ist ein
Besonnener, er hat nie gesüsselt, hat sich mit dem lei-
digen Rlingklang und dem presshaften Melodieenauswinden
nie abgegeben. Seine Muse ist eine geborene Freie und
ist fremden Sohlen niemals nachgetreten. Seine Grund*
liebkeit und seine tiefen Studien sind ausser Zweifel. Es
zweifelte auch Niemand, dass er auch diesmal ein tüch-
tiges Werk liefern werde, aber ein klein wenig wünsch-
ten Viele, dass er sich die Flügel an dem heiligen Lichte
sengen und von seinem schnellen Aufschwünge so lange
ausruhen möge, bis ihm neue wachsen; dem war aber
nicht so. Der Erfolg war ein so überaus günstiger, dass
diese neue Arbeit unter seinen früheren bereits aner-
kannten die erste Stufe einnimmt. Folgendes kleine De-
tail mag heute genügen. Dieses schöne Werk wird ohne
Zweifel demnächst wieder zur Aufführung kommen , und
diese Gelegenheit soll nicht unbenutzt bleiben, um Nä-
heres darüber zu berichten.
Kyrie, Cdur, ganzer Tact, Andante: eine fromme,
sanfte Dichtung, reich an Schönheiten der Nachahmung.
Eine äusserst interessante Durchführung eines dreitacti-
gen höchst einfachen Vorwurfs; die Soli wiederholen den-
selben wechselweise, dann zusammen — dann eine Ueber-
fnlle an Eintritten in den mannicbfaltigsten Formen —
Soli mit Chor — der letzte bringt am Ende das Thema
ohne Begleitung. Dieses Bauwerk gewinnt besonderes In-
teresse durch die Einfachheit des Materials und die haus-
hälterische und geistreiche Verwendung desselben. Man
kann sparen lernen.
Gloria, ganzer Tact, Allegro non troppo ; bell, kräf-
tig. Das Gratias agimus wechselt den Cbaracter und die
Tonart, aber nicht das Zeitmaass. Es scheiiit uns, als ob
es zu bastig fortginge. Es würde diesem Abschnitte und
dem Ganzen gewiss nicht nachtheilig sein, wenn diese
sanfte Danksagung, welche die Soli nach einander ver-
schieden aufnehmen (Sopran in Amoll, Bass in Gdur,
Alt in Dmoll und Tenor in Cdur), etwas gemächlicher
genommen und das Tutti : Domine Deus wieder in das fri-
schere Tempo einleiten würde. Hierauf Qui tollis, %-
Tact, Emoll, Larghetto — Basso und Soprano solo —
ein Canon von 50 Tacten. Die Arbeit ist streng, tadel-
los, höchst geistreich und originell — wir entsinnen uns
nicht auf Aehnlicbes. Die Entfernung ist bald zwei - bald
eintaclig, die Männerstimme gebt vor, der Sopran betet
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1844. December. No. 50.
840
streng nach« Es macht eine eigentümliche Wirkung, wie
das Weib die letzten Worte : Miserere nobis I kaum hör-
bar aushaucht, und nach einer geringen Pause nun das
erste Tempo mit voller Herrlichkeit wieder eintritt, dann
mit: Cum sancto spirilu in die Fuge übergeht, welche
streng gearbeitet ist, deutlich und kräftig fortschreitet
und jeden Erholungspunct in der Mitte verschmäht. Der
Engführung folgt ein geistreich gehaltener ürgelpunct,
worauf das Tonstück imposant schliesst.
Das Credo, %, Allegretto, ist unseres Erachtens das
interessanteste Tonstück dieser Arbeit , obgleich Musiker
und Kenner bald diesen bald jenen der Tbeile vorgezo-
gen haben. Vielleicht ist es die durchaus originelle Hand-
lung, die uns für diesen Tbeil vorzugsweise eingenommen
hat. Es beginnt sehr leise mit dem einfachen Gesänge:
bekenntnis* in der Weise, wie es etwa die ersten christ-
lichen Gemeinden in ihren unterirdischen Schutzstätten
abgelegt haben, voll Inbrunst» voll Ehrfurcht, voll heili-
gen Eifers. Die einzelnen Glaubensartikel werden von
sehr sanften Flatiliengängen abgelöst bis zum: Etincar-
natus est, Asdur, ganzer Tact, Adagio, welches vom Te-
nor geführt und vom Soloquartett in den reichsten har-
monischen Unterlagen gefolgt wird. Das CruciBxus, in
dem Bässe und Fagotte, später Violon hervortreten , be-
ginnt mit Basso Coro und geht alsobald in einen erha-
benen Trauergesang über. Besonders ergreifend ist das
Passus, das mit voller Kraft eintritt, und plötzlich zum
Pianissimo des: £t sepullus erlahmt. Et resurrexit, C-
Tact, Vivace, ist schwunghaft und nachabmungsweise ge-
hallen, von welchem es wieder mit: Et in spiritum sanctum
in die erste Bekenntnissform, und diese mit: Et vitam
venturi unter Beibehaltung des Thema, zu dem noch vier
Tacte hinzukommen, in die Fuge übergeht. Diqse Fuge,
ein Meisterwerk der Strenge und voll der geistreichsten
Wendungen, tritt dennoch nicht so entschieden klar, wie
die erste: Cum sancto spirilu hervor, was nur an dem
längeren Thema und der Art des ersten Einsatzes liegt.
Dagegen muss die Idee, das Bekenntnissthema auch noch
zur Fuge zu benutzen und diese überschwierige Aufgabe
so fliessend und glänzend zu lösen, mit vollkommener
Achtung erfüllen, und wenn der Componist nichts, als
dieses Credo, geschrieben hätte, man müssle ihm schon
dieser Arbeit wegen einen der ersten musikalischen Eh-
renplätze einräumen.
Das Sanctus, Cmoll, ganzer Tact, Adagio, beginnt
in beiliger Scheu mit einem Tremolo der Streicher, das
sobald von den Sängern Tutti, aber pianissimo belebt wird.
Die getragenen sanften Klänge schwellen immer höher
an, bis sie von Posaunen aufgenommen, unterstützt und
bis zur höchsten Gewalt getragen werden. Plötzlich wird
nach Cismoll gerückt, neuerdings langsam fortgeschrit-
ten, in'8 C langsam eingemündet, wo alles^in heiliger
Ehrfurcht austöol. Das pleni sunt roeli, C dur, % , gebt
bei Hosanna in eine kleinere, aber eben so streng als
deutlich und schwunghaft gearbeitete Fuge über. Bene-
dictes, Fdur, %, Andaoliiio, ist Vocalquartett solo mit
Jcringen Unterbrechungen der Blasinstrumente. Es ist dies
er glänzendste, vielleicht aber auch der schwierigste
und gefährlichste Theil der ganzen Arbeit, weil jede der
Stimmen beinahe durchweg selbständig gebalten, fern von
jedem Gemeinplatze auf höchst eigene Weise zum Gan-
zen beiträgt, ohne sich nur einen Augenblick an den
Nachbar anklammern zu können. Es wurde gut gegeben,
kann aber noch freier und glänzender durchgeführt werden«
Das Agnus endlich, Amoll, ganzer Tact, Adagio non
troppo, beginnt mit Sopran solo, dann Alt, dann ein kur-
zer Wechselgesang, und nun tritt der Chor mit dem Mi-
serere leise ein, schwillt mit der Wiederholung dieser
Bitte an , bricht plötzlich ab , und beginnt im Tonarten-
wecbsel neuerdings , worauf die früher vom Sopran ond
Alt gebrachte Weise von* Tenor und Bass aufgenommen,
das Miserere wiederholt und darauf wieder das ursprüng-
liche Thema: Agnus Dei, aber reich mit den Eintritten
der Unterstimmen belegt, aufgenommen wird, welches
nun in die letzte Bitte Dona nobis übergeht. Dieses geht
' ut Kyrie, und verleiht so dem ganzen Werke eine höchst
wobltbuende Einheit, und man kann sich nur der Gele-
genheit freuen, das interessante Gewinde des ersten Thei-
les noch einmal durcbzuhören. — Aufgeführt wurde
das Tonwerk ganz würdig, ond eine so grosse und ge-
wiss nicht leichte Produetion macht der Anstalt alle Ehre.
Die Solostimmen sangen die Schülerinnen Dem. Soukup
und Engst, der Schüler Petdk und der geachtete Opern-
sänger Strakaty. — Das Veni sancte spiritus von Kol-
leschowsky war ebenfalls neu. Eine recht anständige so-
lide Arbeil. Koüeschowsky hat Ursache, mehr zu schrei-
ben. Er ist ein absolvirter Schüler der Anstalt, und hat
dieses Werk dem Director Kittl gewidmet. Das Graduale
war von Mozart, das Oratorium von Ritter v. Seyfried.
Die Concertsaison hat dieses Jahr früher, als ge-
wöhnlich, begonnen. Der Pianofortevirtuos Herr Mortier
de Fontaine aus Paris bat den Reigen begonnen, und ihm
folgte in kurzen Zwischenräumen der Flötenspieler Herr
J. E* Haindl, Kammervirtuos des Fürsten von Scbwarz-
burg - Sondershausen , und der dreizehnjährige Pianist
Theodor Leschetitsky aus Wien. Herr mortier de Fon-
taine bat zwei Concerte gegeben , das erste im ständi-
schen, das zweite im Theater in der Rosengasse. Wir
hörten in dem ersten von ihm das Concert aus Gmoll
von Mendelssohn Bartholdv^ dann „Serenade d'un trou-
badour," Liebesgesang von wiUmers, mit der linken Hand
allein vorgetragen', und Thema und Etüde in Amoll von
Thalberg (das versprochene Scblussstück : Grande Ron-
deau-Caprice mit Orchester, componirt von Herrn Mor-
tier de Fontaine, blieb aus). Als die interessanteste Num-
mer des zweiten Concertes — das auf gar sonderbare
Weise aus antiker und moderner Musik zusammengesetzt
war — musste das Tripelconcert von J. S. Bach aner-
kannt werden, welches der Concertgeber mit zwei knnst-
gewandlen Dilettanten, Dr. Ambros und Herrn Deutsch,
vortrug. Die grossartige und ernste Musik sprach mehr
an, als die meisten Composilionen unserer Zeit. Ausser-
dem trug Herr Mortier de Fontaine noch ein brillantes
Rondeau von eigener Er6ndung, einen Satz ans einen
Uändefschen Concert, dann mit den Herren Bühnert und
Mildner das flummetiche Trio in Es dur vor, und wie-
derholte die Serenade und Etnde aus dem ersten Con-
certe. Wenn sich nun Herr Mortier de Fontaine bei sei-
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1844. December. No. 50.
842
nem ersten Erscheinen ganz als modern -eleganter Pia-
Bist geseilt halte, der eine grosse Bravoor mit Leichtig-
keit und Delicatesse, Geist und Geschmack vereinigt nnd
mit eine» ganz eigentümlichen Reis erfällt, so erschien
er im zweiten Goncerte zugleich als tiefdenkender soll*
der Clavierspieler, der über dem leichten Reize der Neu-
heit das classiscbe Studium nicht vergessen bat, und ver-
einigte alle Stimmen zu seinem Vortbeile.
Herr Haindl liess sieb zwei Mal im Theater in den
Zwischenaclen der „ Mirandolina " und „Christoph und
Renata " hören, und trug das erste Mal eine Fantasie für
die Flöte von Böhm und Variationen von Fürstenau, das
zweite Mal Variationen von Fahrbach und Böhm vor.
Streng genommen also lauter Variationen ? — Herr Haxndl
bat sich bereits eine bedeutende Herrschaft über sein In-
strument erworben , das er solid und correct ohne alle
Coquetterie behandelt» und auf dem er nicht mehr als
die Möglichkeit leisten will. Er zeichnet sich durch grosse
Bravour wie Reinheit, Sicherheit, Gefühl und Geschmack
aus und beurkundet eine treffliche Schule« Wenn etwas
an Herrn Baiudl zu tadeln, so war es die Wahl ziem-
lich flacher und unbedeutender Compositionen.
Theodor Leschetitxky gab sein Concert im Saale
4er Sopbieeoinsel , welcher für die Zahl der Musiklieb-
haber, wie für die Wirkung des Pianoforte allein» zu
gross ist. Der jugendliche Künstler (wir möchten ihn ein
Wunderkind nennen, wenn dieser Ausdruck nicht schon
gar zu verrufen wäre) spielte sechs Nummern. Zum An-
fange: Grande Pantaisie etVariations sur des themes fa-
voris de l'Opera „Guillaume Teil* 4 de Bossini, per Th.
Do hier y und zum Schlüsse wieder: Grande Pantaisie sur
Lucia di Lammermoor de Donizetti, par E. Prudent, und
dazwischen : Impromptu (Manuscript) par Fr. Chopin -~-
Grande Etüde par Ch. Mayer — Etüde milodique par
Ed. Pirkhert, und Airs Russes par Leop. de Meyer, fast
Alles hier noch unbekannt, doch nur die Compositionen
von Chopin , Pirkhert und höchstens die Pruaent'tchen
Variationen von Redeutung, das Uebrige alles — modern,
doch nicht mehr, und ihr grösstes Verdienst war die Ge-
legenheit, die sie dem jungen Virtuosen darboten , seine
Rravour zu entfalten. Wenn wir sagen, dass Theodor
Leschetitzky Ausserordentliches für sein Alter leistet, so
ist das für eine künstlerische Individualität zu wenig ge-
sagt. Wir haben schon viele solche zarte Virtuosen ge-
hört, die im Technischen weit über ihrem Alter stehen, doch
bei ihm ist dies noch mehr in geistiger Hinsicht der Fall.
Er überwindet grosse Schwierigkeiten mit ausserordent-
licher Rundung und Fülle, Sicherheit und Reinheit, aber
in seinem Spiele gibt sich zugleich eine geistige Gewalt
kund, es herrscht darin ein Gefühl und ein Character,
der ihm eine grosse Zukunft prognosticirt, wenn sie gleich
von jener Lisxfs bimmelweit verschieden sein dürfte*
Nur wäre ibm anzuralben, sich der Dämpfung und Ver-
schiebung minder zu bedienen, welche den eigentlichen
Character seines Instrumentes zu sehr verwischt. Zwei
jugendliche Sängerinnen unterstützten den Concertgeber»
Dem. Freytag sang die Cavatine aus dem Freischützen :
„Und ob die Wolke sie verhülle! 44 und erregte durch
eine schöne, gleiche und kräftige Stimme und einen ed-
len Gesangvortrag die besten Hoffnungen. Sie ist seit
Kurzem die Schülerin unserer trefflichen Podhorsky. Dem.
Gautsch sang ein böhmisches Lied; doch scheint das
Locale zu gross für ihre Stimme, die wir im Locale der
Sefbieenacademie viel angenehmer und klangvoller ge-
funden haben.
(Bosch lits folgt.)
Leipzig-, den 6. December 1844. Achtes Abonne-
tnentconcert , Donnerstag, den 5. December. Symphonie
vonL. v. Beethoven (Pdur, No. 8). — Psalm 85. (?) von
Martini , gesungen von Mad. Mar Her de Fontaine. —
Concert für Pianoforte von L. v. Beethoven (Es dar)»
vorgetragen von Frau Dr. Clara Schumann, geb. Wi*ck.+~
Ouvertüre von N. W. Gade fManuscript). — Arie aus
Belisario von Bellini , gesungen von Mad. MorUer da
Fontaine. — - Fantasiestück von Bob. Schumann; Lied
ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartkoldyy Polo-
naise von F. Chopin, vorgetragen von Frau Dr. Clara
Schumann. —
Die verschiedenen Epochen nnd Stadien der schaf-
fenden Wirksamkeit Beethoven 9 * spiegeln sieh nach un-
serem Dafürhalten, wenn auch überhaupt in allen seinen
Compositionen , doch zunächst und hauptsächlich in sei-
nen nenn Sympbonieen ab. Sein Wesen, sein Geist, sein
Streben erklärt es als nolhwendig, daes er, mit der mehr
der Afosarf'schen Schreibweise sich nähernden C dvr-
Sympbenie beginnend, dann mehr und mehr neue Bahnen
betretend , bei immer zunehmender Beherrschung der
Form und des Stoffes endlich mit der in Dmoll, dem ge-
waltigsten Instrumentalwerke aller Zeiten, die Reibe die-
ser unvergleichlichen Tondichtungen bescbliessen musste.
Von einer Symphonie zur anderen erweitert sieb der
Kreis der Gedanken, mehrt sich die Fülle des Geistes,
die eiserne Selbständigkeit des Styies. Daher kommt es,
dass er in der achten Symphonie, der unmittelbaren Vor-
gängerin seiner grossen Apotheose der Freude, eines der
vollständigsten und treuesten Abbilder seines künstleri-
schen Wirkens gegeben hat. In ihr sind alle Scalen des
äusseren und inneren Lebens berührt, nein, nicht blos
berührt, sondern mit einer Treue, mit einem Leben ge-
malt, wie sie kein anderer Meister zu schildern verstan-
den hat. Wohl mag dieses Werk bei seinem Erscheinen
manchen Zweifel erregt, und es längerer Zeit bedurft
haben, um einen freien Blick in die Tiefen des Geistes,
der darin niedergelegt ist, zu gewinnen ; ja, es wiU uns
nicht unerklärlich scheinen, das» «am anfänglich an Man-
chem darin, als Gesuchtem, wohl gar Barockem* Anstoes
genommen hat. Allein die Wahrheit ist bald durchge-
drungen ; man hat bald erkannt, dass man sich in Beet-
hovens Compositionen einleben muss, dass die Schönheit,
die musikalische Notwendigkeit, welche dem denkenden
Hörer als Gesetz entgegentritt, die Scbranken des Her-
gebrachten, des Vorurtbeils siegreich durchbricht; man
bat sich das Werk durch wiederholte, nicht blos tech-
nisch gelungene, sondern auch von Seiten 6w Auffassung
und Leitung ausgezeichnete Auffuhrungen ganz zu eigen
gemacht, nnd gewiss nicht Einer von Beethoven 9 * Ver-
ehrern möchte jetzt eine Note in dieser Symphonie mis-
sen oder wünschen, dass Dies oder Jenes darin anders
wäre, als es ist. Und wenn darin Beethoven hier in ge-
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1844. December. No. 50.
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fälligen Weisen sieb ergebt, dort mit einer an sich an*
bedeutend and unergiebig scheinenden Figur tändelt and
scherzt, dort endlich durch die Gewalt seiner Töne Him-
mel und Erde in Bewegung setzen zu wollen scheint»
so sind das nicht eben so viele verschiedene kleine Bil-
der, die uns vorgehalten werden ; es ist ein grosses, in
seinen einzelnen sieb gegenseitig bedingenden Bestand-
teilen zusammenhängendes Gemälde, das erst in seiner
Totalitat auf den Hörer den Eindruck macht, den nicht
Berechnung, sondern der innere unaufhaltsame Drang sei*
nes Schöpfers erzeugte. — Die ausgezeichnete Ausfüh-
rung durch unser Orchester hat uns die. angedeuteten
Vorzöge dieses Werks wieder lebhaft vor die Seele ge-
lahrt. Nur in Bezug auf den zweiten Satz können wir
die Bemerkung nicht unterlassen, dass das Tempo des-
selben ein wenig gemässigter hätte sein können 5 dadurch
wäre gewiss eine noch grössere künstlerische Bnbe in
das heitere Stück gekommen. —
Mad. Mortier de Fontaine war an diesem Abend
offenbar nicht gut disponirt. Ihre Intonation war nicht
ganz rein und die Stimme entbehrte des angenehmen
Klanges, den wir bisher an ihr bemerkt haben. Beson-
ders auffallend war das Distoniren in dem Psalm des
Padre Martini (einigen in Form einer Arie componirten
Versen des 86. Psalms), einem interessanten, aber frei-
lieb etwas veralteten Musikstücke ans der Mitte des vo-
rigen Jahrhunderts; gelungener in dieser Beziehung trug
die Sängerin die, gerade den äussersten Gegensatz zu der
vorigen bildende, eben so uninteressante, als hypermo-
derne Arie aus Belisar vor, wenn gleich in dieser der
Grad von Bravour fehlte, welche allein der Composilion
den zu ihrem Besteben erforderlichen Nimbus zu verlei-
hen vermag.
Zum ersten Male nach ihrer Rückkehr von einer
grossen Kunstreise nach Russland liess sieb Frau Dr. Clara
Schumann in ihrer Vaterstadt öffentlich boren. Leipzig
bat von je her eine rühmliche Ausnahme von der lei-
der nicht wegzuleugnenden Regel gemacht, dass der
Prophet in seinem Lande am Wenigsten gelte; wenig-
stens hat — wenn auch einzelne Colerien der Vor-
warf, dass sie in Bezog auf Kunst das von auswärts
Kommende dem Einheimischen vorziehen, nicht unverdient j
treffen mag, — doch die Mehrzahl der hiesigen Kunst-
verehrer das wahrhafte Verdienst um so mehr anerkannt, j
wenn es nnter ihren Augen, aus ihrer Mitte hervortrat.
Und so hat unser Publicum die berühmte Virtuosin Frau
Dr. Schumann von der Zeit an, wo sie in zartester Ju-
£snd als Clara fVieck durch ihr ausgezeichnetes Spiel
ewundernng erregte, mit Freuden begrüsst, mit unver-
kennbarer Tbeilnahme bei ihrem staunenswerlben Fort-
schreiten begleitet, and nennt sie jetzt mit gerechtem
Stolze die Ihrige. Daher konnte es nicht fehlen, dass
man die Künstlerin auch diesmal mit Beifall empfing und
ihren ausserordentlichen Leistungen die verdiente Aner-
kennung zollte. Der Vortrag des Beethoven 9 scheu Esdur-
Coocerts war in der Thal ein meisterhafter; in geistrei-
cher Auffassung und Ausführung eines solchen edeln und
genialen Werkes hat Fran Dr. Schumann ausser Men-
delssohn wohl nicht ihres Gleichen; dazu ist die Rein-
heit and Glätte ihrer Passagen ohne Tadel, und die Ver-
zierungen weiss sie mit einer solchen Grazie hinzuhau-
eben , dass wir sie unbedenklich als eine Meisterin in
dieser feinen Arbeit bezeichnen können. — In gleicher
Vollendung spielte sie das interessante Fantasiestück von
ihres Gatten Compositum, das Lied ohne Worte von
Mendelssohn (No. 1 aus dem fünften Hefte, Gdur) und
die überaus schwierige Bravourpolonaise von Chopin, and
wir bringen ihr nachträglich noch den lebhaftesten Dank
für den Genuss dar, den uns ihr treffliches Spiel berei-
tet bat. —
Unser kürzlich in diesen Blättern ausgesprochener
Wunsch, des wackeren Gade neueste Ouvertüre noch-
mals zu boren, ist schneller, als wir erwartet hatten, in
Erfüllung gegangen, und zugleich unsere Vermulhung
bestätigt worden, dass eine Wiederholung derselben das
Verständniss der Composition fördern und deren Schön-
heiten mehr hervortreten lassen würde. Neben schöner
Erfindung der musikalischen Gedanken macht sich in die-
sem Musikstücke eine geschickte und geschmackvolle Ver-
arbeitung derselben, so wie eine höchst wirksame In-
strumentation geltend, und verleiht ihm dadurch den
Stempel eines aus geübter Feder hervorgegangenen Wer-
kes. Dass der geschätzte Componist bei dieser Ouvertüre,
wenn auch nicht ein dramatisches Sujet, doch aber ir-
gend eine bestimmte Idee, ein Lebens- oder Natnrbild,
vor Augen gehabt habe, dürfen wir wohl annehmen, ob-
gleich das Programm des Concertes, in welchem sie zum
ersten Male zu Gehör kam, sie mit dem allgemeinen Na-
men : Concertouverture bezeichnete. Die Motive der Com-
position haben etwas so entschieden Nationales, die ganze
Anlage des Stückes mit seinen Affectsteigerungen und
dem Zurückkehren zur Beruhigung ist so dramatisch, dass
wir kaum glauben können, der Componist habe ohne spe-
eielle Tendenz ' damit nur einen Instrumentalsatz zum Be-
hufe der Eröffnung eines Concertes geben wollen. Die
Thei'lnabme des Publicums gab sich durch einen am Vie-
les vermehrten Beifall zu erkennen, der hier, wie überall,
wo das schöne Musikstück zur Aufführung gelangt, gewiss
mit jeder Wiederholung steigen wird. L. R.
Sommerstagione in Italien.
(FortsetzaDfr.)
Cremona. Incredibile dictu! Verdi's beutige italie-
nische Tagesoper Ernani machte hier Fiasco ; die Barilli-
Patti und der junge Tenor Bettini nebst dem Bassisten
De Lorenzi wurden kaum einige Male beklatscht. Die
Leser dieser Blätter kennen das gesunde Urlbeil der hie-
sigen Zeitung bei Gelegenheit der hiesigen Aufführung
des Meyerbeer'schen Roberto il Diavolo. In ihrem langen
Artikel heisst es dies Mal unter Anderem: „Wir folgen
nicht blindlings dem Urtbeile der enthusiastischen Bewun-
derer des Componisten alla moda («V?) über diesen Er-
nani, der keinen Vergleich mit seinem Nabacco und den
Lombardi ausbält. Ausgenommen das Largo des Finale
des ersten Acts mit einer erbärmlichen Stretta, ein Duett-
chen des zweiten Acts, das Finalterzett von sicherem
Effect und nicht ohne Mängel, was bleibt übrig? .... Re*
minescenzen. Die ganze Oper ist monoton, zeigt viel-
mehr Phantasiearmuth u. s. w." Von Donizetli's nach-
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1844. December. No. 50.
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her gegebener Maria di Roban sagt dasselbe Blalt : die er-
sten beiden Acte seien ,,/reddi e poveri" ; es bat auch
nnr der dritte Act etwas gefallen.
Brescia hatte auf der Fiera die junge Boccabadati,
die Altistin Alboni, Tenor Loigi Ferretti und den Bassi-
sten Colmenghi, ohne Weiteres eine gute Gesellschaft,
aber Donizetli's Maria di Rohan Hess kalt, auch mit der
eingelegten Romanze aus dessen Favorita. Verdi's Ernani,
worin Herr Secondo Torre mitwirkte, machte Furore 1
Dass es Donizetti noch bei Lebzeiten so geben möchte,
wie dermalen dem beinahe vergessenen grossen Rossini,
das wäre zum Lachen und zum Weinen zugleich.
Bergamo. Die Aufnahme des Ernani, von Verdi
selbst auf der hiesigen Fiera in die Scetoe gesetzt, war
das Echo der Nachbarstadt Brescia. Maestro und Sänger
(die Strepponi — abgenutzt — , Tenor Cuzzani, die Bas-
sisten Colini und Caliari) wurden mebrmalen hervorge-
rufen. Donizetli's Belisario mit den Damen Lusisnani,
Ponti, dem Tenor Musich und Bassisten Colin! (Titelrolle)
enthusiasmirte weniger (s. vorige Rubrik zu Ende).
Mantua. Dieselbe Gesellschaft wie in Carpi (s. d.).
Ceneda. Donizetli's Gemma di Vergy ging nicht am
Besten. Die unpissliche Prima Donna Mazza ist mehr für
das Buffo geeignet; den nicht angekommenen Bassisten
Assoni müsste der Buffo Sillingardi ersetzen. Tenor Mer-
curiali, mit hübscher Stimme, war der Beste. Einen viel
besseren Erfolg hatte Donizetti's Figlia del Reggimento,
worin sämmtliche drei Sänger so zu sagen in ihrem Ele-
mente waren, und ancb die Comprimaria Cocconi nnd
Bassist Guido mitwirkten.
Lendinara. Figlia del Reggimento, mit der vorigen
Gesellschaft und Aufnahme. Ricci's Due Figaro machten
Fiasco.
Stradella. Die Sarazin, Tenor Rossi und Bassist
Perger machten in mehreren Stücken der Gemma di Vergy
Glück, und dieses Glück verfolgte sie in der nachher ge-
gebenen Figlia del Reggimento, worin der weltberühmte
Chor Rataplan wiederholt werden musste.
Bozsolo. Donizetti's Elisir d'amore wurde in den
Himmel erhoben, mit ihm die Prima Donna Zagnoli , Te-
nor Ricci* Buffo Napoleone Rossi und Bassist Casanova.
Tiene. Die Focosi nebst dem Tenor Comassi und
dem Bassisten Federigo und Bellegrandi trugen ihren hie-
sigen Triumph in der Gemma di Vergy geradewegs nach
Battaglia, wo man sie ängstlich erwartete, um sieb
während der Badezeit an jener Musik zu laben.
Ficenza. Bei aller Trockenheit dieses Sommers in
Italien regnete es im Norden daselbst stets Verdi's Er-
nani , weil beinahe ganz Oberitalien und auch Wien mit
dieser Oper Lärm gemacht. Der Furore konnte um so
weniger ausbleiben , als auch die braven Sänger : die
Brambilla (Teresa), Tenor Bettini und die Bassisten Valli
und Bottura das Ihrige zu jener Aufnahme beitrogen.
Einer der Prima Donna z'ugestosseneu Unpässliehkeit we-
gen liess man die Barili-Patli schnell von Mailand kom-
men , die nachher in derselben Oper zu Cremona sang
(s. d.). Einstweilen ersetzte sie die Sieffanone. Die nach-
her gegebenen Opern waren: Coppola's Giovanna I. di
Napoli, deren letzter Act bald mit zweien des Ernani ab-
wechselte, sodann Donizetti's Maria di Rohan, in wel- i
eher insbesondere die Barili und ihre Collegen starken
Beifall erhielten.
Este. Die nirgends mehr ergötzende und daher sehr
selten gegebene Straniera von JBellini wurde hier mit
einem behaglichen Gefühle angehört, wiewohl ihre Sän-
ger : die Vernbet, die Huber, Tenor Pompejano und Bas-
sist Luisa wobl zu den allen Practikern, aber nicht zu
den vortrefflichen gehören. Der Belisario ging ebenfalls gut.
Padua. Am 9. Juli wurden „auf Verlangen" Meyer-
beer's Ugonoti , und, zwar zum zehnten Male bei vollge-
drängtem Theater, und den 10. abermals gegeben: Be-
weis genug, dass die Musik dieser Oper ganz andere
Dinge als Mercadante's Bravo aufzuweisen hat. In Ver-
di's Ernani sangen hierauf zwei 'andere Sänger: die Bor-
tolotti, und Bassist Varesi, Beide recht brav, und die
Oper fand auch hier ihre Enthusiasten. Die Ugonoti konn-
ten wegen Abgang der Maray und des Herrn Baizar nicht
mehr gegeben werden. Donizetti's Maria di Rohan, de-
ren Musik in der Venetianer Zeitung etwas bart mitge-
nommen wurde, bescbloss die Stagione nicht geräuschvoll;
Manches gefiel darin aber mehr, als im Ernani.
(Beschlast folgt.)
Berlin, den 8. December. Gestern fand die Wieder-
eröffnung unseres Opernhauses Statt, ein in jeder Hin-
sicht prächtiges Pest. Das glänzend erneuerte Haus, die
stattliehe Versammlung, die an mannicbfaltfgem Interesse
reiche Festoper Meyerbeer's , die Pracht der Scenerie,
Alles vereinigte sich zum glänzendsten Ganzen. Ein aus-
führlicher Beriebt darüber soll in dem nächsten Stück
dieser Blätter folgen.
Feuilleton.
Wie es heim, geht die Nene Zeitschrift für Maaik mit den
neuen Jahre io das Eigenthum nnd die Redaelion des durch seine
Vorlesungen aber Musik bekannten Herrn Franz Brendel in Dres-
den über.
Am 26. November starb in Maschen der köoigi. Hofcaplan nnd
Ritter des Verdienstordens vom heiligen Michael /. B. Schmid,
ein um die Münchener Kirchenmusik, namentlich in der St» Mi-
chaelshofkircbe, wo er lange Zeit hindurch Cbordirector war, viel-
fach verdienter Mann. — Der bekannte Sänger CompagnoU ist,
50 Jahre alt, in Italien gestorben.
Newyorker Blätter enthalten den Aufruf aar Bildung eines
deutschen Liederkranzes daselbst, nach Art der deutschen Männer-
gesangvereine. Die Sache scheint Anklang zu finden.
Die Academie der Santa Cecitia zu Rom bat den Componisten
Anton Berlin in Amsterdam (von welchem S» 621 dieser Blätter
die Rede war) zu ihrem Ebrenmitgtiedc ernannt.
Capellmeister Gläser in Copenbagen bat von dem dasigeo Mv-
sikvereine eine prachtvolle Tafelohr mit musikalischen Emblemen
zum Geschenk erbalten. — Für die Verdienste, die er sich nm
den musikalischen Gottesdienst in der dortigen Capelle der öster-
reichischen Gesandtschaft erworben, liess ihm der Kaiser von
Oesterreich einen Brillantring überreichen.
In Paris ist eine neue ernste Oper: „Riebard in Palästina, 44
Bach nach Walter Scott von Paul Foueher, in drei Aufzügen»
Musik von Adolph Adam, wie es scheint, ohne glänzenden Erfolg,
aufgerührt worden.
«47
1844. December. No. 50.
Ankündigungen.
848
Ist Verla« ron Tmvtiretn St €«mp. m Berlin
sind folgende Musikalien kürslich erschiese» :
Auaf/alil vorsftgltesser nuslfcwerlae » gebunde-
ner Schreibart von Meistern alterer und neuerer Zeit. Zweite
Sammlung, seehtte Lieferung. Duett für Sopran und Tenor mit
Ck«r und Sapraunolo und Clor aus dem „Morgengeeong 1 * tob
J Fr. JtmJUruV. Subter. - Preis * Thlr.
HmM, J, S., Kirchcngesange für Solo- und Chorstiassaea mit
Instrumentalbegleitung. Partitur mit unterlegtem ClaTieraussuge"
▼on «f. P. Sehmidi. No. 4. „Siehe au, dass deine Gottesfurcht
nicht Heuehelei sei." l£ Thlr.
Hmydut, «f., Qoatuon pour 9 Violons, Alto et VioUmcelle en
PartiUon. Edit. compl. No. 04 — 83. Subter. - Preis 5 Thlr.
(Hiervon sind die Nummern 70 — 85 noch nicht erschienen,
werden jedoch bis Ende Min in drei Doppelheften nachgelie-
fert. Das hiermit gaan vollslandige Werk kostet im Subscrip-
Uennreise 25 Thlr. , wofür es bis auf Weiteres noch erlassen
wird; einselne Hefte sind nur im Ladenpreise so iThlr. s« haben.)
Denx Tables Ihematiques et chronologiques des Qnatuors p.
2 Vlolons etc. en Partition. J Thlr.
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cello. Op. 8. No. I, % 5 (oder 4», 8* und 6' Quartett). Jede
Nummer H Thlr.
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stimme mit Begleitung des PianofoHe. Op. 7. £ Thlr.
Vier Gesinge für vier Männerstimmen. Op. 8.
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IWotensatates mit Typen.
Nebst Anweisung, wie die fünf Linien durchlaufend und alle Stü-
ckelungen rermieden werden köanea. Für Schriftsetzer, welche
das Noteasetzan ohne mündliche Instruction in koner Zeit er-
lernen, für Sehriftgiesser , welche ihren Giesssettel berichtigen
und für Buchdruckereibesitzer, die sich von dem richtigen Guss
ihrer Noten überzeugen wellen. Nebst Abbildung eines No-
tentjpeukastens. 8. I7| Sgr. 14 Ggr. oder I Fl. 5 Kr.
Dieses sind die Mittheüungen eines seit 46 Jahren practisch
mit typographischen Gegenständen beschäftigten Mannes. Sie bil-
den einen wesentlichen Anhang zu allen bis jetzt erschienenen
Lehrbüchern der Buchdruckerkonsl und sogenannten Fonnatbüchern.
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aller Art ist der, fest allgemein in Kirchen und Seminarien angeführte
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5 Bände a 1 Thlr.
sind bereits erschienen. Von dem ersten Heft des sechsten Bandes
kann demnächst in allen Beck- an* Mosikalieahandlangen Ein-
sicht genommen werden. Auf sechs Exemplare wird das siebente
frei gegeben. Gefalliger Verwendung und Bestellung sieht entgegen
Wllm. Kdrner in Erfurt.
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recht ganz neu erschienen und su haben:
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Singspiele • „ Die Buinen von Athen," für Pianoforte allein ar-
rangirt ron Carl Cxemg. 50 Kr. C.-M.
d? d? fnr 4 Hunde. 4* Kr. C.-M.
* Als einzige rechtmässige Besitzer des ron weil. Ludwig van
Beethoven binterlastenen Jfa*u*en)>atder noch ungedruckten Stücke
aus den Singapielen : „Die Humen von Athen *« und „ Einig Ste-
Sm," benachrichtigen wir sogleich sAmmtliche deutsche Concert-
ecboneo und Musik - Anstalten u. s. w. , dass die betreffenden
Partituren, ganz oder th eil weise nur van uns su besiehe» sind.
Wien, den 1». October 1844.
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Die Allgemeine Musikalische Zeltung
wird mit Neujahr 1845 ihren 47* teo Jahrgang beginnen und wie bisher die wichtigsten Gegen-
stände des Musiklebens besprechen. Ihr Preis bleibt unverändert ä'/a Thaler für den Jahrgang
von 32 Nummern nebst Beilagen und Register. Die Insertionsgebühren betragen 1 V* Ngr. für die
gespaltene Petitzeile. Die Allgemeine Musikalische Zeitung ist durch alle Postämter und Buchhand-
lungen zu beziehen. Geeignete Beiträge werden von der Redaction gern angenommen und von der
unterzeichneten Verlagshandlung anständig honorirt.
Leipzig, am 10. December 1844. Breitkopf & MMÜrieh
Druck und Verlag voo Breitkopf und Härtet in Leipzig and outer deren Veraotwortlicbkeil.
849
830
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 18 teo December.
M 51.
1844.
Inhalt s Nekrolog. — Bibliographische Antigen. — Die Tonballe in Bambnrg. — flimchrichlen: Aas Prag. (Besebioss.) Aoj Berlin.
Aas Leipzig. — FemUeton. — jtulnmdigimge*.
Nekrolog.
Weimar. Am 1. November d. J. starb hier der in
der Kunst well rühmlichst anerkannte und als Mensch
wie als Künstler gleicbgeachtcte grossherzogliche Musik-
director
August Ferdinand Iläser,
tief betrauert von Allen, die seinem Herzen nahe stan-
den, und beweint von seinen viel verbreiteten Freunden»
Gönnern und Schülern, welche den braven Mann zur letz-
ten Ruhestatte geleiteten, nm dem Verblichenen den herz-
lichen Tribut ihrer Verehrung und Liebe darzubringen.
A. F. Häser (dritter Sohn des ehemaligen Univer-
sität*- Musikdirektors Johann Georg* Häser) wurde in
Leipzig am 15. October 1779 geboren. Von 1789 — 93
besuchte derselbe die dasige Nicolaischnle und das Gym-
nasium zu Eisleben, und war darauf bis 1796 Alumnus
der Thomasschule in Leipzig. Zu Michaelis letztgenann-
ten Jahres ging er auf die dasige Universität, um Theo-
logie zu studiren, verliess dieselbe aber schon nach einem
Jahre, indem er die Vocation zum vierten Lehrer am
Gymnasium und Cantor an der Hauptkirche zu Lemgo in
Westpbalen annahm. Für Musik, welche er seit der frü-
hesten Jugend leidenschaftlich liebte, konnte er dort nur
wenig wirken und leisten; dennoch erhielt er 1800 den
Titel als Musikdirector und eine kleine Gehaltszulage»
Aus besonderer Neigung sludirte er für sich reine Ma-
thematik, und gab von 1799 — 1806 den mathematischen
Jolerricht in den beiden oberen Glassen des Gymnasiums
(in einigen später im Druck erschienenen Werkeben legte
er die Beweise seines Streben« und Fleisses in dieser
Wissenschaft nieder). Im September 1804 verheirathete
er sich mit Dorothea Schwebedüsen, nnd begleitete von
1806 — 13 seine Schwester Charlotte auf ihren Kunst-
reisen in Italien. Während dieser Reisen verwendete er
seine Zeit fast ausschliesslich auf das Studium der Musik.
Int Herbst 1813 kehrte er aus Italien zurück und pri-
vaüsirle bis 1815 in Lemgo. Die Stelle des vierten Leh-
rers am Gymnasium wurde wieder erledigt und ihm mit
dem Titel eines Snbeonreotofs angetragen nnd er stand
derselben bis 1817 vor. Hauptsächlich beschäftigte ihn
der Unterricht in der Mathematik nnd italienischen Sprache
in den höheren Glassen. Im Frühjahre darauf erhielt er
den Ruf als Director eines neu von ihm au errichtenden
46. Jahrgang.
stabilen Hoftheaterchors in Weimar und folgte demselben.
Wie er nun für die musikalische Bildung des von ihm
erlesenen und ihm anvertrauten Personals- wirkte und
sorgte, davon gibt seine bei Schott in Mainz edirte „Cbor-
gesang- Schule" das beste und lebendigste Zeugniss. Zu
Ostern 1829 wurde er zugleich als Musikdirector an der
Haupt kirebe angestellt, mit welcher Stelle später auch
das Gesanglehreramt am grossberzogl. Seminarium ver-
bunden wurde. In diesen beiden neuen Aemtern leistete
derselbe nicht weniger Erfreuliches und Gutes, was dank-
bare Anerkennung gefunden bat. Als ehrende Auszeich-
nung erhielt er von seinem kunstsinnigen Fürsten die
grosse goldene Civil -Verdienst- Medaille; der Stadtrath
von Weimar sandte ihm für ein grosses zum Besten des
Kirchen -Aerars veranstaltetes Goncert ein würdiges Dank-
sagungsschreiben als gerechte Anerkennung seines geistig-
moralischen Wirkens und künstlerischen Strebens. Die
Aceademia filarmoniea zu Bologna, desgleichen die nie-
derländische Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst
ernannten denselben vermöge Übersendeier Diplome zu
ihrem wirkliehen Mitgliede. Von 1817 an ertheilte Hä-
ser den beiden Prinzessinnen von Sachsen - Weimar, Ma-
rie nnd Auguste (Gemahlinnen der Prinzen Carl und
Wilhelm von Prenssen), bis zu deren Vermählung mu-
sikalischen Unterricht, und seit 1831 hatte er das Glück,
der hochverehrten Grossberzogin bei ihrem Studium der
Musik behilflich zu sein nnd beratheod zur Seite zu stehen.
Er hinterlässt eine Wittwe und vier Söhne: 1) Hein-
rich Häser, Doctor nnd Professor der Medicin zu Jena
(dem musikalischen Publicum durch eine kleine Schrift:
„Die menschliche Stimme, ihre Ausbildung, Pflege nnd
Erhaltnng, Berlin, Hirsebwald, 1839, bekannt). 2) Gu-
sUn Häser, grossberzogl. Hofschauspieler in Oldenburg.
3) Julius Häser, gegenwärtig Mitglied des Stadttheaters
in Bremen. 4) August Häser, zum Studium der Medi-
cin bestimmt.
Der musikalische Naehlass des Verstorbenen ist nach
Zahl und Wertb der im Manuscript vorhandenen Compo-
sitionen bedeutend. Die wichtigsten nachgelassenen Werke
sind mehrere geistliche Musikstücke mit nnd ohne Be-
gleitung, ein Oratorium: „Die Kraft des Glaubens ,"
mehrere Missen, Requiems, Hymnen, Psalmen, auch Werke
für Minnercböre. Fast alle diese Composttionen'sind mehr-
mals, viele oft in Weimar, Jena und anderen Orten, das
Oratorium z. B. in Stuttgart nnd in Birmingham, mit
51
851
1844. December. No. 51.
852
grossem Beifall aufgeführt worden. Ausserdem finden eich
zahlreiche kleinere ein - and mehrstimmige Gesänge
meisteotheils ernsten Inhalts im druckfertigen Mann-
scripte vor.
Die letzte grössere Arbeit des Verstorbenen, du Er-
zeugnis* vieljähriger Studien und reicher Erfahrung, ist :
„Neue musikalische Zeichen - und Notenschrift/' ein Werk,
durch welches er zunächst die Vereinfachung des Unter*
ricbts in der Harmonie und Compositionslehre bezweckte,
und welches, wie der treffliebe, Oeissige und sinnige Ton-
künstler gegen seine liebsten Freunde sich selbst äusserte«
der äussersten Einfachheit seines Systems ungeachtet
seine eigenen grossen Erwartungen um Vieles übertrifft.
Dieses Werk, ungefähr 100 Quartseiten stark, liegt zum
Drucke, gleich vielen oben erwähnten Arbeiten» bereit.
Wir rufen dem uns so liebgewordenen Verblichenen vom
Herzen ein webmütbiges : Reqmescat in face nach, und
hoffen und wünschen, dass kunstsinnige Verleger um der
Kunst selbst willen durch Herausgabe mehrerer beson-
ders auserlesener Werke A. F. Häser** sieb mit dessen
Erben in Rapport setzen möchten, da diese gern und wil-
lig zur Veröffentlichung derselben die Hand bieten wür-
den, wodurch der mit Ehre genannte Name des bereits
Sspriesenen Verfassers eine höhere Weihe erballen würde,
och setzen wir ein vom Componisten selbst herrüh-
rendes Verzeicbniss seiner Compositionen ber, welche
theils im Stich erschienen, tbeils noch als Manuscripte
sieb vorfanden.
Op.l. Die Kindesmörderin, auf Kosten des Componisten
1801 gedruckt. — Op. 2. Das Vater Unser. Leipz. mus.
Zeit. 1814. No. 44. — Op. 3. Ecee quomodo moritur.
L. m. Z. 1817. No. 2. — Op. 4. All Bagat. canrie.
2 Hefte. Breitkopf u. Härtel. Recens. L. m. Z. 1817.
No. 9. — Op. 5. II Miserere. Ebend. 1817. (Rom zum
Abschied 1813.) Recens. L. m. Z. 1818. No. 42. — Op.
6. Capriccio nn E f. Pianoforte mit Streichquartett. Ebend.
1817. Rec. L. m. Z. 1819. No. 13. — Op. 7. Salve Be-
fina mit Pianoforte, Es. Ebend. 1818. Recens. L. m. Z.
819. No. 19. — Op. 8. Zwölf Gesinge mit Pianoforte.
Ebend. 1818. Rec. L. m. Z. 1819. No. 31. — No. 9.
Salve Regina in C. Ebend. 1818. Rec. L. m. Z. 1820.
No. 15. (Später für Orchester, deutsch, Manuscript.) —
Op. 10. Kyrie und Gloria, bei Hofmeister. 1818. (Un-
richtig als Op. 6 bezeichnet ; später für Orchester, Manu«
script.) — Op. 11. Te Deum laudamus. Hofmeister. 1818.
(Te gloriosus, Manuscript, unrichtig als Op. 7 bezeichnet)
— Op. 12. Nel cor piu non mi sento, Thema u. Variatio-
nen für Pianoforte. (Unrichtig als Op. 8 bezeichnet.) Hof-
meister. 1819. — 0p. 13. Sonata, Es, No. 3. Breitkopf n.
Härtel. 1820. Rec. L. m. Z. 1821. No. 42. — Op. 14.
Ouvertüre für Orchester, C. Andre\ 1821. — 0p. 15.
Ouvertüre für Orchester, 0. Ebend. 1821. — Op. 16.
011a Potrida für Pianoforte. Peters. 1822.— Op.17. Missa,
B. Schott. 1821. Rec. L. m. Z. 1824. No. 42.— Op. 18.
Requiem. Hofmeister. 1824. Rec. Berliner Zeit. 1826.
No. 34. — Op. 19. Drei Gesänge für Männerstimmen.
Ebend. 1825. — Op. 20. Vier italienische Canzonetten.
Ebend. 1825. — Op. 21. Caraffa, Tema cou Variaz. für
Pianoforte. Bacbmanu. 1825. — Op. 22. Ländler zu vier
Händen. Ebend. 1826. — Op. 23. Poiacea zu vier Hän-
den. Ebend. 1826. — Op. 24. Sechs Gesinge für Män-
nerstimmen. (Noch Manuscript, nicht erschienen.) —
Op. 25. Kleine Uebongsslücke für Pianoforte. Wen-
zel 1826. Reo. Anz. Frankfurt a. M. No. 1 — 13. —
Op. 26. Sechs Gesänge für Singstimme, Sopran, mit Pia-
noforte. Ebend. 1826. Ebend. recens. — Op. 27. Adagio
e Tema con Variaz. für Pianoforte u. Clarinetle. Schle-
singer. 1820. — 0p. 28. Drei Basslieder. Trautwein.
1828. Rec. L. m. Z. 1829. No. 13. — Op. 29. Ouver-
türe (No. 128). Hofmeister. 1828. — Op. 30. Ouvertüre
(No. 129). Ebend. 1828. — Op. 31. Cimarosa, Arie mit
Verzierungen. Trautwein. 1828. — Op. 32. Musikalische
Unterhaltungen. Wenzel. 1829. — 0p. 33. Cborgesang»
schule. Schott. 1833. — Op. 34. Requiem. Ciavieraus-
zug. Breitkopf und Härtel. 1833. Recens. L. m. Z. 1834.
Iris. 1834. No. 33. — 0p. 35. Requiem für Männerstim-
men. Ebend. 1833. Rec. L. m. Z. 1833. No. 43. Iris.
1834. No. 33. — 0p. 36. Mitten wir im Leben. Kal-
bitz Archiv. — 0p. 37. Vater Unser. Ebend. — Op. 38.
Beiträge zum Minnesänger. Schott. — Versuch einer
systematischen Uebersicht der Gesanglehre. Breitkopf n.
Härtel. — Op. 39. Glaser, Originalbibliothek des Män-
nergesanges. — Musikalische Eilpost. Hoffmann. — Op.
40. Voigt, Polyhymnia. — Harmonielehre, Jelenspety
{er, aus dem Französischen in's Deutsche. — Die musi-
alische Reform, Gambale, aus dem Italienischen.
In diesem Verzeichnisse ist seiner Oper in drei Acten:
„Die Neger auf St. Domingo/* welche in Weimar zum
ersten Male 1836 aufgeführt wurde und nngetbeilten Bei-
fall erhielt, keiner Erwähnung von ihm geschehen. Des-
gleichen nicht einer zweiten schon früher componirten
Oper: „Alphonsine oder: Der Tburm im Walde." Der
Text zur ersten Oper ist von seinem Bruder Wilhelm
Häser in Stuttgart; zur letztgenannten aber von Castelü.
Operntexte hat A. F. Häser übrigens eine Menge aus
dem Deutschen in's Italienische, wie aus dem Italienischen j
in's Deutsche glücklich übersetzt. Auch war derselbe lang-
jähriger Mitarbeiter der Leipziger allgemeinen musikali-
schen Zeitung, der Cäcilia und anderer musikalischer Zeit-
schriften. Eine Abhandlung über das Duodecimalsystem ist
im Druck erschienen ; auch beÜnden sich in Rraushaar's
mathematischem Magazin, in Gruber 9 s Encyclopädie and
in Gottfried fVeber'e Lexicon der Tonkunst wertbvolle
Aufsätze seiner Feder.
Bibliographische Anzeigen.
(Vom Mailänder Correspondeote*.)
Herr Crtvelli in London hat daselbst eine neue Auf*
läge seiner:
Art of singing, with alleration and new selfeggios for
tbe eultivatioo of the Bass voiee
herausgegeben, die sehr gelobt wird.
The sequential System of musical Dotation, an entirely
new Method of writing Musie, in strict conformity
with nature, and essentialy free from all absnrdity and
intrieaey $ with explanatory Plates. By A. Wallbridge»
London, 1844.
855
1844. December. No. 5t.
854
Soll eine abgekürzte Notenschrift sein» was sie aber
nicht ist.
Doraestic Music for the wealthy; or a Plea for the arls
aud its progress. By Henry J. Baoisler. London. 1843.
Herr Hamster, ein geschickter Violoncellist, sucht
in dieser Schrift darzuthun, wie die Lage der Musiker
in England verbessert werden könnte.
The Book of scotlish Song : a collection of tbe best and
most approved Songs of SeoUland, with criticat and
historical notices. Glasgow and London. Blackie, 1843.
Mit dem Motto : The most extensive collection ever
published. Ifos Londoner Athenaeum, No.804, meint zwar,
die Quantität sage nichts, wohl aber die Qualität, glaubt
aber, das Buch sei im Ganzen genommen interessant zu
nennen.
Sul Tarantismo. Sunto di una Memoria del dottor Luigi
Ventura da Trani, Soc. corrisp. deil' Accad. Medico-
Ghirurgica. Letta nella Tornata del 25. settembre 1843
di essa Societä.
Der Verfasser zählt sieben Fälle von Taranli$mus
auf, hält das Ganze für einen Glauben des Volkes; die
Tarantel sei nicht ganz unschädlich, bringe Nervenleiden
hervor, die auch mit den gewöhnlichen Mitteln curirt
werden können. Tarantismus sei also mehr die Wirkung
des Volksglaubens der Puglieser, Musik und Tanz mehr
das Mittel der Gegend, als der Krankheit. — Die vori-
gen Jahrgänge der Allgemeinen musikal. Zeitung enthal-
ten manches Belehrende über diesen in der neuesten Zeit
im Neapolitanischen wieder vorgenommenen Gegenstand.
Lettera sopra la Musica, di Monsignor Pellegrino Farini.
Edizione IL Bologna, Sassi. 1844 in 8.
Progelto di Riforme de' Teatri musicali italiani, di A.
Ferrari, Rodigino. Libri qualtro. Venezia, Bragadin.
1844 in 8.
Beide Schriften sind mir bis jetzt unbekannt.
I Bassi numerali di Fedele Fenaroli, espressi secondo le
regole armoniche della Ri forma Musicale, nroposta da
Emanuele Gambak. Milano (Autore). 1844. 24 S. in Fol.
Also auch eine vereinfachte Bezifferung, wohl ver-
standen auf die Gambale'scbe reformirte Notenschrift ge-
gründet. Es ist wahrhaft traurig, dass Herrn Gambaws
in Öconomischer Hinsicht und für die Augen so wohllha-
tige musikalische Reformen noch heute so gar wenig An-
klang und der Mann bei Niemanden Unterstützung findet.
Die Tonhalle in Hamburg.
(Jeher dieses vorzugsweise der Musik gewidmete
Prachtgebäude entnehmen wir einer Schilderung im Harn*
burger Gorrespondenten nachstehende Mittheilungen.
Die „Tonballe" ist Eigenthum des Herrn C. A. Gross,
Directors des Hamburger Volksgesangvereines; der dritte
Theil des 175,000 Thbr. betragenden Baucapitals ist von
Kunstfreunden auf Actien zusammengebracht. Das Ge-
bäude« nach specieller Angabe des Eigentümers von dem
Architekten Max Koppel construirt, ist 75 Fuss breit,
145 Fuss tief» 84 Fuss hoch, und hat einen Flächenin-
halt von 10,800 Quadralfuss; am 10. August 1843 wurde
der Grundstein gelegt und bis zu nächstem Frühjahre wird
das Ganze beendet sein. Der kleinere Concertsaal ist be-
reits so weit fertig* dass am 1. Oclober die Volkslieder-
tafel zum ersten Male darin singen konnte und Gross seit-
dem die Uebungen dieses Vereines darin hält. Im grossen
Saale werden die grösseren Uebungen am 1. December
beginnen und die Einweihung des Ganzen soll gegen den
Schluss des Jahres Statt finden. Bemerkens werth ist, dass
viele Arbeiter an dem Gebinde Mitglieder des Gesangver-
eines sind.
Von den zahlreichen Räumen, welche die „Tonhalle"
enthält, interessiren uns naturlich nur die für Ausübung
der Musik unmittelbar bestimmten. Sie bestehen aus dem
kleineren und dem grösseren Concertsaale , und einem
grossen 640 Quadratfuss enthaltenden Uebungssaale. —
Der kleinere Concertsaal ist für Academieen, musikalische
Soireen und kleinere Concerte bestimmt, hat eine vor-
treffliche Resonanz, ist 20 Fuss hoch, 30 Fuss breit, 60
Fuss lang, durch 130 Gasflammen erhellt, fasst bequem
400 Personen und wird im Renaissancestyl verziert. —
Der grosse Concertsaal ist 40 Fuss hoch, unter den Lo-
gen 58, über denselben 68 Fuss breit, 113 Fuss lang,
bat an der einen Seite 12, an der anderen 2 Fenster und
wird durch 7 Gaskronleucbter so wie 60 Gasflammen
mittels 20 an den Wänden angebrachter Brenner erleuch-
tet. Umgeben ist er an zwei Seiten von einem 6 Fuss
breiten Corridor. Das Innere ist eingeteilt in Orchester,
Parket, Parterre, Logen. Das Orchester, 8 Fuss über dem
Boden terrassenförmig erhöht, bat Platz für 250 Sänger
und 80 Spieler. Im Hintergründe wird ein Orgelwerk von
22 klingenden Stimmen im 16Fusston angebracht, das
26 Fuss hoch, eben so breit und 10 Fuss tief und des-
sen Ausführung dem Orgelbauer Peter Tarne aus Verden
übertragen ist. Im Parket finden sich 290 Platze auf be-
quemen Lehnsesseln ; in dem Parterre haben 700 Perso-
nen Raum, grösstenteils auf Divans und Bänken; die
Logen, jede zu 12 Personen, enthalten 400, drei dem
Orchester gegenüber befindliche Logen 50, und zwei über
dem Orchester 80 Plätze, so dass das Ganze, ausser den
Säugern und dem Orchester, über 1500 Personen fasst. —
Die Decke des grossen Saales wird mit einem 24 Qua,
dratfuss haltenden Gemälde verziert, welches dem Maler
Boppo übertragen ist uhd Mozart" s Verherrlichung mit
Portraitfiguren der berühmtesten deutschen Tonkünstler
aller Zeiten darstellt. Die Wände werden mit Marmor
al fresco gemalt und die Logen mit Brüstungen von
Gvsseisen versehen, welche 29 Medaillons berühmter aus-
übender Künstler aller Nationen, in Büstenmanier gemall,
enthalten sollen.
Nacbäicpim«
Prag. (Beschluss.) Die Sophien - Academie gab ein
grosses Concert ebenfalls im Saale der Sophien -Insel,
dessen Wahl und Ausführung in gleichem Maasse allge-
meinen Beifall fand. „Die erste Walpurgisnacht," Ge*
SS&
1844. December. No* 51«
856
dicht von Goethe, in Musik geseilt von Felix Mendels- j
söhn Bartholin* auf allgemeines Verlangen wiederholt,
bildete den trefflichsten Prolog zu dem wahren Musik-
feste, nnd wurde abermals mit herzlicher Thei! nähme auf-
fenommen. Kittfs neuer. Männercbor in böhmischer
prache: „Für König und Vaterland (Text von Filipek)
schmiegt sich dem Geiste slavischer Volksmusik glücklich
an und ist auch in Rhythmus und Declamaüon ausge-
zeichnet. Die Motette von L. Kleinwächter ist solid und
trefflich gearbeitet, doch hier im Concerle zog sieb das
Ganze etwas in die Länge und Breite. Der beliebte oft
Sehörle böhmische Frauenchor: „Das schöne Land von
. N. Skraup musste abermals wiederholt werden. Den
Sehluss bildete das wundervolle Hallelujab aus dem „Mes-
sias* 4 von Händel.
Unsere Oper hat seit „Linda di Cbamonnix" auch
nicht den Schatten einer Novität gebracht und fristete
ihr schwaches Leben meist nur durch Gäste, als deren
vorzüglichste wir Herrn Pischek vom Hoftbeater zu Stutt-
gart, und Dem. Rettich, königl. baierische Hofopernsän-
gerio aus München, erwähnen müssen. Herr Pischek ist
schon als Anfänger ein Eigeuthum unserer Bühne gewe-
sen, und wenn man gleich bereits damals gute Hoffnun-
gen auf sein sieb entfaltendes Talent gründete, so über-
raschte doch seine grosse Kunstbildung eben so frappant,
als angenehm. Herr Pischek erschien zuerst auf unserer
Bühne als Jäger in Kreutzer'* „Nachtlager** (welchen er
zur achten Gastrolle wiederholen musste) und schwang
sich gleich in dieser ersten Partie zum entschiedenen
Liebling des Poblicums empor. Er wurde stürmisch em-
pfangen nnd ein fanatischer Beifall begleitete ihn durch
alle Nummern, vorzüglich in dem ersten Liede und der
Arie des zweiten Actes. Er sang ausserdem noch den
„Zampa" (zwei Mal), der ganz eigentlich für seinen Ric-
senumfang geschrieben zu sein scheint, da der Componist
die beiden Endpuncte des Tenor' und Bariton und fast noch
etwas mehr verlangt, was Herr Pischek spielend leistet;
dann den Richard in den „Puritanern," Peter I. im
„Czaar und Zimmermann ," Faust (zwei Mal) und Beli-
sar (ebenfalls wiederholt). Herr Pischek, den uns die
Zeitschriften schon als den ersten dramatischen Sänger
Deutschlands bezeichneten, gehört unter die seltenen Er-
scheinungen , wo das vorausgegangene Lob dem Gaste
nicht geschadet, die erregten Erwartungen auch vollkom-
men befriedigt wurden. Seine Stimme ist trotz ihres
grossen Umfange* in allen Chorden vollkommen ausge»
glichen, und entfaltet, bei hinlänglicher Kraft für den gross-
artigen und Weichheit und Biegsamkeit für den colorir-
ten Gesang, eine seltene Fülle und Wohlklang, deren
Werth durch die Silberreinheit der Intonation» durch
seine wunderbare Mezza voce und die kunstgerechte Ver-
bindung der Falsetle mit der Bruststimme noch erhöht
wird. Herr Pischek muss tüchtige Studien gemacht ha-
ben, bevor er diese Herrschaft über sein neidenswerlbes
Organ errungen hat und ein solcher dramatischer Sän-
ger im edelsten Sinne des Ausdruckes geworden ist. Man
weiss nicht, soll man bei ihm mehr das Gefühl und den
Ausdruck, die Kraft und Würde, oder die herrliche Tonbil-
dung, den Fluss des Gesanges und die geschmackvollen
Verzierungen , die vollkommene Deutlichkeit, oder die
treffliche Deciamation bewundern , bei welcher selbst die
Italiener wohl kaum ihren Lieblingsausdruck : „ Recita-
Ovo tedeseo" anzuwenden wagen würden. Wenn uns
nun Herr Pischek in allen seinen Rollen als Schauspie-
ler wie als Sänger gleich vollkommen befriedigte, durch
das tiefe Eingeben in jeden Gbaracter und die Durchfüh-
rung bis in die kleinsten Nuancen, wenn er sieh im
„Nachtlager" und „Faust" als achter deutscher Sänger
beurkundete, in „Zampa" sein Eingeben in die leiden*
sebaftliche französische Manier knnd gab, so bewies er
zugleich im „Riebard" nnd „Belisar" nicht allein, dass
er in die Mysterien des italienischen Gesanges nicht min-
der eingeweiht, sondern noch mehr, dass er italienische
Melodieenfülle mit deutschem Geist und Gefühl aufzufas-
sen und zu potenziren wisse. In einem Abschiedsconcert,
welches Herr Pischek auf allgemeines Verlangen noch
seinen neun Gastrollen hinzufügen musste, sang der ge-
feierte Künstler in den Zwischenacten von „Christoph
und Renata" folgende Piegen: 1) Des Sängers Fluch,
Ballade von Uhland, in Musik gesetzt von Heinrich Es-
ser. 2) Die drei Liebeben, Ballade von Hoffmann, in
Mnsik gesetzt von Wilhelm Speyer. 3) Der gute Koma-
rad, Lied von Uhland, eompomrt von Conradin Kreutzer.
4) Sehnsucht nach der Heimath, Lied von Reissiger y
und zum Schlüsse zwei böhmische Lieder von Rame-
nitzky und Skraup und bewies in allen diesen Num-
mern, dass er im Liedervortrage wenigsten? nicht min-
der vorzüglich sei, als im dramatischen Gesänge, dessen
Aufgabe auf jeden Fall die grössere ist.
Dem. Rettich, königl. baierische Hofopernsängerin
aus München, gab folgende Gastrollen : Antonina im „Be-
lisar 44 (zwei Mal), — Elvire in den „Puritanern," —
„Norma," — Amina in der „Nachtwandlerin," — Giu-
lietta in den „Montecchi und Capuletti," — „Königin
der Nacht," — Adine im „Liebestrank," und Constanze
in der „Entführung aus dem Serail," nnd erhielt beinahe
eben so grosse Beweise von Beifall und Zufriedenheit,
als Herr Pischek. Dem. Rettich hat gleichfalls ihre Kunst-
laufbahn bei uns begonnen, und zeichnete sieh schon in
der ersten Epoche derselben , bei einer ziemlieh kleinen
Stimme, durch treffliche Intonation nnd leichte und gefäl-
lige Goloratur aus. Ihre Stimme von seltenem Umfange
nnd Reinheit, in welcher besonders die hohen Chorden
hell und klar sind, hat sehr an Kraft und Fülle gewon-
nen und ein Sorgfältiges und solides Kunststudium sie zu
einer ganz vortrefflichen Bravoursängerin — vielleicht
einer der ersten in Deutschland — erhoben, und sie wird
in diesem Genre, die Lutzer ausgenommen, wenige Ne-
benbuhlerinnen zu fürchten haben und den kühnsten For-
derungen zu entsprechen vermögen; doch in tragischen
Parlieen, die zugleich Gefühl und Leidenschaft ansprechen,
erlaubt ihre ganze Individualität ihr nicht, sieb gleich
hoch zu stellen. In der Antonina, Norma und Elvire liess
der technische Theit nichts zn wünschen übrig, desto
mehr der dramatische. Besser gelangen ihr die elegischen
Partieen der Giulietta und Amina, am Besten diu mun-
tere Adina, deren siegreiche Coloratoren sie noch ver-
mehrte. Von firavourpartieen ans der alten Knut war
Constanze die vorzügliebere; in der steraflammenden Kö-
nigin schien Dem. Rettich «cht glücklich, dispomrt.
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1844. Deeember. No. 5i.
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Mad. Tfofne' f welche in mehrerei Possen auftrat,
ist als Localsängerin nicht unbedeutend zu nennen. Sie
hat eine recht hübsche, klangvolle und so wohlgeschulte
Stimme, dass sie selbst dort ausreichte, wo die Quodti-
betmacfaer ihr schwierige Stellen aus den besten Üpern-
eonipositionen zur Ausführung vorlegten. Ihr Spiel hat
mehr Keckheit, als Humor uud eine ziemliche Monotonie.
In Mozarts „Figaro** gastirte Dem. Saack als Su-
saoae, und fiel total durch.
In der „Norma" gab ein Herr Franke den Serer
mit gleichem Erfolge»
Zum Vortbeil ( ? — allerdings, wenn ein vorauszu-
sehendes leeres Haus ein Vortbeil ist — ) des Herrn Jo-
seph Emminger erschien „Guido uod Ginevra oder die
Pest in Florenz" von Halevy wieder auf unseren Bretern
und erwarb Dem. Gross er (Ginevra) einen neuen Triumph.
Auch Herr Strakaty (Cosmus) und Mad. Podhorsky (Ric-
ciarda) gäbe» ihre Rollen trefflich , und auch Herr Em-
nanger sang die Rolle des Guido besser, als wir ihn seit
langer Zeit gehört haben. Herr Emminger ist, wie Mad.
Podhorsky, eine Perle des ' Personals durch tüchtiges
Kunststudium; doch sind beide in Jahren vorgerückt und
müssen geschont werden, um mit Erfolg wirksam wer-
den, zu können $ wenn aber Herr Emminger in einer
Woche den Robert, Olaf und Guido singen muss, ist es
kein Wunder, wenn seine Stimme angegriffen ist, und
er würde solche Leistungen nicht aushalten, wenn er
nicht mit seltener Kunstgewandtbeit zu schonen und zu
sparen wüsste, wober es auch kommt, dass er oft selbst
in grossen Partieen in den letzten Acten besser, als in
den ersten, singt. Als Herr Damcke für unsere Bühne
gewonnen wurde, glaubten wir, er solle Herrn Emmin-
ger in seinem Streben unterstützen. Herr Damcke scheint
aber blos zum Spazierengeben engagirt zu sein, und seine
Stimme nimmt durch die allzugeringe Uebung bedeutend
ab, wie wir neulich in der Lucrezia Borgia, Teil und
Jessonda mit Bedauern wahrnahmen. Manfredi und Lo-
renzo können (wie der Erstere jetzt zugeschnitten ist,
wo die Banketscene, die musikalisch vortrefflichste der
Oper, ausblieb) nicht viel gut oder schlecht machen, und
Herr Kunz (Fortebraccio) moderirte seine kräftige Stimme
so über die Maassea, dass er mitunter kaum vernehm-
lich war.
Herr Kun* brachte zu seiner Einnahme Bossints
9 , Italienerin in Algier," und hier war wohl Publicum
und Beneficiant wechselweise mit einander zufrieden, da
sieb ein woblgefülltes Haus sehr gut unterhielt, obsebon
die Besetzung uod Aufführung dieser zwar possenhaften
und etwas veralteten , doch durch und durch komischen
Oper nur in wenigen Partieen genügend war. Dem . Schwarz
müssen wir. zuerst nennen, welche in der schwierigen
und anstrengenden Partie der Isabella zum ersten Male
bedeutend in dem eigentlichen Gebiete ihrer Stimme be-
schäftigt war und im Gesänge den Forderungen entsprach,
4ie man an eine Darstellerin der Isabelle zu machen be-
rechtigt ist, in den Coloraturstellen mitunter alle Erwar-
tungen überbot. Wenn noch mehr Lebendigkeit und Mutb-
wülen zu wünschen übrig blieb, so mag einesteils die
sonderbare und inconsequente Mischung von Munterkeit
und Sentimentalität, welche der Librettofabrikant seinet
Heldin nutheilte, die Darstellerin entschuldigen, andern-
theils dürfen wir nicht vergessen , dass Isabella erst die
fünfte Partie und die erste grosse Partie ist, welche Dem.
Schwarz während ihres Tbealerlanfes einstudirt bat.
Eine noch glänzendere und in dieser Hinsicht zweckmäs-
sigem Partie wäre Rossmfs „ Cenerentola ," aber auch
diese verlangt ein paar tüchtige Exemplare des Buffo can-
tantel Dem* Schwan fand stürmischen Beifall, und war
— nach der vierten Arie stürmisch gerufen — • so gefäl-
lig, den Sefalnsssatz zu wiederholen. Ihre Prosa ist nicht
klar, und es wäre bei ihrem classischen Recitative zu
wünschen, dass sie nie in Opern mit Prosa beschäftigt
würde. Dem. 'tonner gab die Elvira (die eigentlich mit
Mad. Podhorsky hätte besetzt werden sollen); sie Hess
ihre Arie aus und sang, was von der Partie übrig blieb,
recht rein, und nett, doch — sehr schwach. Uerr Kun*
war Mustapha. Abgerechnet, dass die gewaltige Stimme
dieses Sängers sowohl, als die Kunstfertigkeit, die er der-
selben bisher abgewonnen, für derlei Coloraturpartieen
nicht genügend ist, hat er uns schon in den beiden Fi-
garo's von Mozart und Rossini, so wie in manchen fran-
zösischen Opern bewiesen, dass er humoristische Charac-
tere mit grosser Ernsthaftigkeit darzustellen versteht;
bier aber gab er die cbargirt- komische Partie mit aller
Salbung eines Orovist und Marcel. Herr Brava (Tbaddäus)
leistete, was er vermochte, obschon er nicht bei Stimme
war; nur einige sehr platte Spässe (sogar im Gesänge)
hätte er sich und dem Publicum schenken können. Herr
Damcke (Lindoro) besitzt auch viel zu wenig Volubilität
in seiner Stimme, um diese brillante Tenorpartie genü-
gend durchzuführen. Er sang den ganzen ersten Act
durchaus schlecht, aber recht wacker das Quartett und
Terzett im zweiten, worin ihm einige Verzierungen ge-
langen.
In der ,, Ballnacht " hatte Dem. Schwarz mit lo-
benswerther Resignation die Rolle der Arvedson übernom-
men, konnte jedoch nur wenig damit wirken, da sie
nicht recht in ihre Stimmlage passt. Mad. Podhorsky
(Amalie) und Herr Strakaty waren sehr gut, die Herren
Emminger und Damcke (Olaf und Warting) sehr schlecht
bei Stimme. Die Chore gingen — wie seit einiger Zeh
gewöhnlich — nicht recht zusammen, und schrieen mit-
unter wie die Zabnbrecber.
Dem. Grosser trat nach ihrer Urlaubsreise zum er-
sten Male in ,, Linda von Cbamounix" wieder auf, und
wurde vom Publicum zwar achtungsvoll , doch nicht mit
jener Lebhaftigkeit empfangen, welche diese wackere
Künstlerin verdient; doch stehe« der Sängerin leichte Mit-
tel zu Gebote, die üble Laune eines Publicums zn be-
schwüren, welche aus dem nichtigen Grunde hervorgeht,
dass Jene bei einem Gastspiele in einer Rolle weniger
reussirt habe, als in anderen I Schon das erste Duett er-
regte einen Beifallssturm, und nach der Wahnsinnarie
wurde sie drei Mal hervorgerufen. In der letzten Auf-
führung von Spohrs „ Jessonda «« dirigirte Herr Capell-
meister Skraap zum ersten Male wieder nach seiner Ge-
nesung von einer langwierigen und gefährlichen Krank-
heit. Er wurde mk anhaltendem Applaus und einem Kranz«
empfangen.
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1844. Deccmber. No. 51.
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Berlin, im November 1844. Es folgen nachstehend
noch einige nachträgliche Mittheilongen über die Leistun-
gen der hiesigen Singacademie im Laufe dieses Seme-
sters, woraus die Thätigkeit dieses Kunstinsthuts für edle
Zwecke sich -selbstredend ergibt*
I. Dankfeier, der Erhaltung des Königs und der Kö-
nigin von Preussen gewidmet, am 30. Juli 1844. 1) Cho-
ral: „Lobe den Herrn, den mächtigen König" von C.
F. Rungenhagen. 2) Nationallied von /. Haydn: „Gott
erhalle Franz den Kaiser " mit angemessenem Text von
Barnemann. Vierstimmig. 3) Domine, salvum fac regem,
von C. F. Rungenhagen. 4) Das „VfUer Unser 44 für
xwei Chöre von Fesca. 5) Psalm: „Wer unter dem
Schirme des Höchsten sitzet." 6) Bändet $ Dettinger
Te Deum.
IL Zum Besten der Weichseluferbewohner, geist-
liche Musik a Capella am 4. September 1844. 1) Choral
von Zelterz „Ein' feste Burg 44 u. s. w. 2) Ave regina
von Palestrina für acht Stimmen. 3) Hymne von Lord
Burghersh: „0 god, myheart." 4) Victimae paschaü"
von Jomelli. 5) Morgengesang von Reichardt. 6) Sextett
und Schlussfuge aus Fasch's 16stimmiger Messe.
III. Gedächtnissfeier für den königl. Singer Runicke
(zu seiner Zeit ein vorzüglicher Tenorist). 1) Choral von
Fasch. 2) Requiem von Cherubim. 3) „Gottes Zeit ist
die allerbeste Zeit 44 von J. S. Bach. 4) Arie und Frauen-
Chor aus Spohrs Oratorium: „Des Heilandes letzte
Stunden/ 5) Fuge aus der 1 (stimmigen Messe von Fasch:
„Cum saneto spirilu."
IV. Feier des Geburtstages des Königs am 15. Octo-
ber 1844. 1) Choral von Fasch. 2) Domine, salvum fac
regem von C. F. Rungenhagen. 3) Te Deum laudamus
von Zelter, für zwei Chöre. 4) Der 119. Psalm von
Fasch. 5) Der 8. Psalm von Spohr für' zwei Chöre.
6) Preussenlied von C. Seidel, dem „God save tbe King"
untergelegt.
V. Feier des Geburtsfestes der Königin, zum Vor*
theile der Kinder -Bewahr* Anstalten, am 13. November
Abends in der erleuchteten Garnisonkirche. 1) Orgelin-
trodnetion, componirt und vorgetragen von A. fV. Bach.
2) Te Deum von C. F. Zelter für zwei Chöre. 3) Pil-
tergesang aus dem Oratorium : „I Pellegrini" von Hasse.
) Motette von Julius Weiss. 5) Motette von C F.
Rungenhagen: „Aus der Tiefe" u. s. w. 6) Orgelstück
für fünf obligate Stimmen, von A. fV. Bach componirt
and vorgetragen. 7) Einiges aus dem 30. Psalm von Ba-
sily für zwei Chöre. Das Werk ist ein Geschenk des
Componisten an die königl. Academie der Künste. 8) Hymne
von Lord Burghersh. 9) Motette von Hammerschmidt t
für sechs Stimmen. 10) Recitativ, Arie und Chor aus
Händers Oratorium der Messias : „0 du, die Wonne ver-
kündigt in Zion 4 ' und Chor: „Machet das Thor weit dem
Herrn. " 11) Ausgang auf der Orgel gespielt.
Am 20. November hat die Singacademie in ihrem
ersten Abonnementconcerte Bändet s „Messias" vollstän-
dig aufgeführt. — Am 28. d. M. wird dieselbe in einer
Aufführung des Oratoriums „Paulus" mitwirken, welche
der Componist, GMD. Felix Mendelssohn Bartholdy, vor
seiner nahen Abreise von hier, selbst leiten wird. Der
berühmte Tonkünstler hat leider seine Entlassung nach*
gesucht und erhalten.
Ueber die neue Festoper von G. Meyerbeer
zur Eröffnung des neuen Opernhauses.
Berlin, den 15. December 1844. Die Eröffnung des
neuen köuigl. Opernhauses, welches am 18. August 1843
in der Nacht durch die Flammen zerstört, und mit Be-
nutzung der äusseren Mauern, im Innern durch die Huld
des Königs eben so prachtvoll, als zweckmässig wieder
hergestellt ist, bat am 7. December d. J., also 102 Jahre
nach der Einweihung des alten Opernhauses, auf die glän-
zendste Weise Statt gefunden. Um 5% Uhr Abends er-
schienen in der grossen königl. Mittelloge der König und
die Königin, nebst den hier anwesenden hoben Gästen
und dem ganzen Hofe. Die höchsten Herrschaften wurden
mit einer Trompetenfanfare und lautem | Jubelrufe der
überaus zahlreichen Versammlung empfangen, hierauf die
Volksbymne begehrt und vom ganzen Publicum stehend,
unter Begleitung des Orchesters, gesungen , worauf sich
der Ruf des Dankes für das schöne Prachtgebäude viel-
stimmig wiederholte. Das von einem Luslre mit Gasflam-
men hell erleuchtete Haus im geschmackvollsten Renais-
sancestyl gewährte einen imposanten Anblick durch die
reichen Toiletten der Damen und die Galauniformen der
Staatsminister, Hof- und Staatsbeamten, Generale und
Offiziere, wie des diplomatischen Corps, welche, beson-
ders zu dieser Pestvorstellung eingeladen, den ersten
Rang und die eleganten Logen des Prosceniums anfüllten.
Das schöne Haus hat jetzt vier Logenreiben über einan-
der, mit Einscbluss des Amphitheaters. Unter der grossen
königlichen Mittelloge befindet sich (gleich dem Amphi-
theater im Dresdener Schauspielbause) die Tribüne mit
erhöbeten numerirten Sitzen. Hierauf folgt das Siehpar-
terre für 420 Personen und das Parquet mit sehr beque-
men Sperrsitzen für etwa 348 bis 350 Personen. Der
Orchesterraum ist bei grossen Opern bedeutend vergrös-
sert, kann aber durch Vorrückung der ParquelpläUe
anch verkleinert werden. Die drei Prosceniumslogen
auf jeder Seite reihen sieb den Logenrangen an, und
gewähren, wie die reichen Verzierungen des ganzen
Hauses durch Deckengemälde, Sculpturen und Vergol-
dungen, einen wohllhuenden Eindruck, der durch keine
Ueberladung gestört wird. Wir gehen nun zur Pestoper
über. Das von dem Herrn General- Musik- Director Meyer-
beer umsichtig geleitete Orchester begann die sinnige,
effectvolle Ouvertüre zu der von L. Reüstab gedich-
teten und von Giac. Meyerbeer in Musik gesetzten
Oper (mit Dialog) : „Ein Feldlager in Schlesien" (in drei
Acten, Lebensbildern) aus der Zeit Friedriche des Gros-
sen. Der Dichter hat sich im Voraus dahin ausgespro-
chen, dass er keine zusammenhängende Handlung b*be
liefern wollen (weshalb denn aber nicht?), sondern nur
einzelne Züge und Anecdolen aus dem Leben des grossen
Königs benutzt habe, um ein Charaeterbild aufzustellen,
was allerdings um so schwieriger war, als der Monarch
nicht persönlich auf die Rübne gebracht werden durfte.
Die Dichtung beschränkt sich daher darauf, Friedrich II.
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1844. December. No. 51.
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ans dar Gefahr der Gefangenschaft dnreh Verwechselung
der Personen und durch die Kunst seines Flölenspieles
befreien zu lassen und seine Grossmuth durch Begnadi-
gung eines wegen Insubordination zum Tode verurtheil-
ten Offiziers an den Tag zu legen. Der zweite Act stellt,
in geringem Zusammenhange mit der Handlung, das be-
wegte Leben des Feldlagers in Schlesien während des sie-
benjährigen Krieges als Episode dar, nnd hier ist es, 'Wo
der Componist durch grosse Chormassen und Instrumen-
taleffecte, wie durch harmonische Combinationen wahr-
haft grossarlige, dramatische Wirkung hervorbringt, im
Gegensatze zum ersten nnd dritten Act, die fast idyl-
lisch und meistens im Style des leichteren Singspieles ge-
halten sind. No. 1 ist eine gemüthliche Introduction für
zwei Soprane, Tenor und Bass, worin der Hauptmann
ausser Diensten Saldorf seinen Pflegesobn Conrad nach
Berlin als Kaufmannslebrling sendet, der indess aus Furcht
vor den Feinden bald, wie Peter in der Fremde, zurück-
kehrt. No. 2. Melodram und Romanze. Vielka, die Pfle-
getochter des Hauptmanns , entwickelt als Tochter einer
Zigeunerin und Waise, ihre Fähigkeit zur Seherin und
ihre Liebe zur bereits gestorbenen Mutter auf rührende
Weise. No. 3. Arie des bereits zurückgekehrten Conrad,
der seine Flucht vor dem Feinde und sein Zusammen-
treffen mit dem ihm unbekannten Könige Friedrich II. (der
sich vor den Feinden unter der Brücke verborgen und
den er glücklich in Saldorfs Haus geleitel bat) erzählt.
No. 4 ein lieblich melodisches Duett der beiden Lieben-
desn Vielka und Conrad. No. 5. Becitativ und Ensemble :
Saldorf entdeckt nach Conrad'» Entfernung seiner Nichte
Tberese und seiner Pflegetochter Vielka, dass der Gast,
den Conrad heimlich hergeführt, der König sei. Seine
Rettung wird selbst um den Preis des Lebens beschlos-
sen. Da verkünden in No. 6 mehrere Landmädcben das
Eindringen der Feinde durch den Garten. Vielka ver-
spricht Hilfe, da es ungarische Reiter und Verwandte
ihres Stammes seien. Alsbald stürmen auch die ungebe-
tenen Gäste durch das Fenster berein. Dieser Chor ist
eben so originell, als No. 7, Vielka's Zigeunerlied. Fräul.
Tucxeck führt diese Scene, wie die ganze Partie, höchst
cbaracteristiscb durch. Im Finale No. 8 wird die Flucht
des verborgenen Königs dadurch glücklich bewirkt, dass
Conrad für den König, ausgegeben nnd gefangen abge-
führt wird, für Friedrich II. aber ein Freipass, auf Sal-
dorfs Pflegesohn lautend, von dem Pandurenanfübrer aus-
gefertigt ist. Dennoch wird der Flüchtige von den Po-
sten angebalten, jedoch dadurch frei gelassen, dass er
sich als der Flötenbläser Conrad durch sein fertiges Flö-
tenspiel (ein schönes Solo hinler der Scene) legitimirt.
Der Abmarsch der feindlichen Soldaten und das Dankge-'
bet der Retter des Königs bilden den Schluss des langen,
jedoch interessanten Acts. Im zweiten Acte bat der Com-
ponist colossale Chor- nnd Instrumentalmassen in den
militärischen Lagerscenen kunstvoll angewendet, und die-
selben sind höchst ebaracteristisch , zeitgemäss und von
ausserordentlicher Wirkung. Das Husarenlied No. 9 für
Bariton wird von Herrn Pßster keck und feurig gesun-
Sen. Noch imponirender ist No. 10: das Grenadierlied
es Herrn Zschie$che mit seinem Chorrefrain : „Trrrum t
Trrrnjnl" Das Lied eines greisen Landmannes No. 12
wird von Herrn Bader ganz im einfach gemütblichen
Tone des schlichten Alten vorgetragen. Ein Ballet mit
angemein piquanter Musik folgt. Zn grossen Tänzen bie-
tet die Handlung keine Gelegenheit dar, daher sich das
Ballet auf einen Ensembletanz und Tanz der Marketen-
derinnen beschränkt. No. 13, ein Quadrupelchor, ist eine
der kunstreichsten harmonischen Combinationen; jeder
der vier Chöre singt für sich nnd dann vereint. Alle Sol-
daten wollen fortstürmen, um den gefangen geglaubten
Vater Friedrich zu befreien. Das besonders schwungvolle
Kriegslied No. 14, im Chor unter Trommelschlag und
Trompetenklang auf der Bühne gesungen, begeisterte all-
gemein zu enthusiastischem Beifall. Im Finale tritt am
Meisten der Schwur des ganzen Chors und am Schlüsse
die Verbindung des alten Dessauer Marsches mit den In-
fanteriemärseben und Cavalleriefanfaren hervor, so dass
die Wirkung ergreifend , jedoch zuletzt auch fast betäu-
bend und abspannend ist. — Der dritte Act beruhigt wie-
der die aufgeregten Zuhörer durch die leichtere Haltung
der angenehmen Gesangstüeke , wie No. 16: Duett der
Vielka und des Conrad, in welchem Letzterer die Flöte
auf der Bühne spielt und die zweite Flöte hinter der
Scene (im Zimmer Friedrichs II.) geblasen wird. Dazwi-
schen singt Vielka ihrem Geliebten die Melodie des Flö-
lenconcertes vor, und begleitet dieselbe mit Bezeichnung
des Vortrages: crescendo, calando, dolee, piano u. s. w.
Ein leiser Chor der Pagen und Diener schliesst dies un-
gemein graziöse, .und durch den Flötencanon kunstreiche
Musikstück. No. 17: Becitativ und Cavatine, in welcher
Therese, die Nichte des Hauptmanns Saldorf, den Verlust
ihres, wegen eines Subordinationsfehlers vom Kriegs-
gerichte zum Tode verurtbeilten Geliebten beklagt, würde
an einer anderen Stelle günstiger wirken, als gegen den
Schluss der langen Oper. Fräul. Marx trug diese Arie
mit Gefühl vor. (Bei der dritten Vorstellung blieb dieses
Stück weg.) Das folgende Terzett No. 18 wird durch
Conrad'« Humor belebt. Da dieser, als der Better des
Königs, sich eine Gnade ausbilten darf, so bittet und er-
hält er die Begnadigung des zum Tode verurtbeilten Soh-
nes seines Pflegevaters, des Hauptmanns Saldorf, wel-
cher zugleich Theresens Geliebter ist.
Sehr schön ist am Schlüsse dieses Terzetts beson-
ders der dreistimmige Gesang ohne Begleitung. Da nun
Bube geboten wird, weil der König im Nebensaale schläft,
so entfernen sich die durch seine Huld Beglückten nach
einer, besonders originell (mit englischem Hörn, Bassclari-
nette, Harfe u. s. w.) instrumenlirten Vision der Vielka»
Hierauf bereitet ein unsichtbarer Cber zu den lebenden
Bildern vor, welche den Zuschauern die Träume des ru-
henden Helden anschaulich machen sollen. Es heisst:
„Laut, was ferne Zeiten webeo,
„Seinem Haupt vorüber «cb weben."
Nun beginnt das Fest-Nachtspiel .. Ein Welkenvorbang
senkt sich über die Bühne, und in einer Wolkennische
erscheint die Jungfrau Borussia (Mad. Crelinger)> und
spricht den Epilog unter Musikbegleitung. Der Dichter
hat ursprünglich acht Traumbilder beabsichtigt r welche
auf sechs bei den zwei ersten Vorstellungen, und auf
vier bei der dritten Verstellung beschrankt worden sind,
so dass, bei mehreren Kürzungen, die Oper jetzt nur
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1844. December. No. 51.
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vier Stunden währt, wogegen die ernte Vorstellung fast fünf
Standen dauerte. Das erste Bild zeigte ein SoMachtge-
mildev dabei Friedrich IL auf seinem Schimmel reitend.
Das zweite Bild, ist ein allegorisches Gemälde des Frie*
deus* mit ungemein lieblichem Gesänge und Musikbeglei»
tnng. Das dritte BUd stellt das lanere des alten Opern«
banses dar, Friedrieh den Grossen hinter Graun sitzend,
indem die Mara (Dem. Mar») die Arie: „Mi paventi"
auf der Bü'bne singt. Das vierte Bild zeigt die zum Kampf
K rüsteten Freiwilligen des Jahres 1813 vor dem Rath-
nse zn Breslau; choralartiger Gesang ertönt unter Glo-
ekenklang, zu welchem der sinnige Tondichter auch An-
klinge aus (7. Af. v. fPeber** patriotischem Liede t „Lö-
tzow's wilde Jagd" sehr wirksam benutzt hat. Im fünf-
ten Bilde sieht man das Brandenburger Thor mit der erst
verhüllten, dann bell beleuchteten Victoria, und den Sie-
K »einzog des verewigten Königs in Berlin im Jahr 1814.
r Volksgesang: „Heil dir im Siegerkranz/' mit Zwi-
sohenmelodieen kunstvoll verwebt und trefflich instrumen*
tirt, ertönt ergreifend. Das letzte BHd zeigt das bren-
nende Opernhans» welches sieb durch künstlichen Be-
leuchtungswechsel in die äussere Fac,ade des neuen Kunst«
tempels verwandelt; Apoll und die Musen erscheinen
schwebend im Gewölke, Während der Chor hinter der
Scene die Prenssen neuen Glanz verbeissende Schluss-
rede der Borussia begleitet. — Die wahrhaft preussische
Nationaloper ist auch bei der dritten Vorstellung mit En-
thusiasmus aufgenommen worden und wird am 17. d. M.
zum vierten Male bei hohen Rreisen gegeben werden.
Der Gomponist wurde jedesmal durch Hervorruf ausge-
zeichnet und mit dem Baeralh Langhans nach dem zwei-
ten Act in die grosse Mittelloge zum Könige gerufen,
welcher beiden Herren die höchste Zufriedenheit mit ih-
ren Leistungen zn erkennen gab. Meyerbeer und der
Baumeister musslen sich das erste Mal der Versammlang
persönlich zeigen, um deren Anerkennung zu empfangen.
Noch oft wird diese Oper deo Musikfreunden hohen
Genuss gewähren. Möge auch das neue Opernhaus stets
zu würdigem Opfer „Apollint et Musis" benutzt wer-
den I </. P. S.
Leipzig* den 9. December 1844. Unsere Theater-
directum flnrt fort, auch im Opernfacbe den Anforderun-
gen vollkommen zu entsprechen, welche das Publicum an
eine der ersten Kunstanstaltea Leipzigs wobl machen
darf. In quantitativer Rücksicht kann natürlich eine erst
vor wenigen Monaten zusammengetretene Sängergesell-
schaft nicht so Vieles leisten, als dies bei einem länge-
ren Besteben eines solohen Unternehmens möglich ist;
dazu' kommt , dass durch öfteres und längeres Unwohl-
sein einzelner Sänger und Sängerinnen Unterbrechungen
eintraten , die um so weniger zu vermeiden waren , als
sich die anfänglich wohl von der Direetion beabsichtigte
doppelte Besetzung Jer Bollen namentlich in den Haupt-
partieen nicht so leicht ausfuhren liess, als man geglaubt
haben mochte. In Bezug auf die Leistungen selbst haben
wir ohne Zweifel alle Ursache, zufrieden zu sein. Frei-
lieh fehlt noch immer ein Spieltenor; denn Herr fFide-
mann besitzt, bei allen Vorzügen seines Gesanges, doch
die zu einem soleben erforderlichen Eigenschaften in einem
geringeren Grade» uad eben so wenig war dies bei den
Herren Klein und Lehmann der Fall, weiche Beide übri-
gens naoh Ablauf der kurzen Zeit, auf welche sie eng*»
girt waren, und da sich ein entschiedener Beifäll IBr sie
nicht ergab, Leipzig bereits wieder verlassen haben« — r
Für die äussere Ausstattung der Oper thnt die Direetion
das Mögliche, und wir zollen ihr dafür gern verdiente
Anerkennung.
Wiederholt wurden die Opern : Don Juan, die Zau-
berflöte, der Schöffe von Paris (von Dom), Mara (von
Netzer) und Norma, bei denen wir nur in der Kürze
des .ersten theatralischen Versuchs gedenken, welchen am
5. November Herr Salomon (ein Schüler unseres wacke-
ren Gesanglehrers am hiesigen Cooservatorium der Mu-
sik, des Herrn Böhme) als Sarastro nnd Herr *» Planer
als Sprecher in der ZauberOöle machten. Beide Debü-
tanten erhielten aufmunternden Beifall, und namentlich
zeigte Herr Salomon eine schöne und volle Bassstimme»
die in ihm nach erlangter grösserer theatralischer Uebung
und verminderter Befangenheit mit der Zeit einen will-
kommenen Opernsänger erwarten lässt.
Neu einsludirt waren: „Czaar und Zimmermann"
von Lort%ing ,,Die Sirene'* von Auber, uud „Figaro'a
Hochzeit'' von Mozart. In der genannten Lortzing'&che*
Oper waren die grösseren Partieen in den Händen der
Frau Günther- Bachmann (Marie), der Herren Rinder-
mann (Czaar) , Ulram (van Bett) , und^ Henry (Peter
Iwanow). Die beiden Ersteren haben sich bereits un-
ter der früheren Direetion in diesen Rollen entschiedene
Gunst erworben, und leisteten auch jetzt unter tbeilweise
neuen Umgebungen Ausgezeichnetes. Herr Ulram hat
nach nnserem Dafürhalten, obwohl er in Bezug auf Stimm-
mittel seinen Vorgänger in dieser Rolle, Herrn Berthold,
weit übertrifft, doch nicht die natürliche Komik, die Letz-
terem eigen ist, und er konnte daher nur durch Ucber-
treibungen wirken, welche aber freilich dem Ganzen Ein*
trag thaten. Herr Henry war ricksicbtlieh des Gesanges
seiner Partie nicht ganz gewachsen, aber sein Spiel recht
loben s wert b, wenn gleich nicht dem zu vergleichen, durch
welches früher der Gomponist selbst das Stück nicht we-
nig belebte.
,, Die Sirene," komische Oper in drei Acten von
Auber, ging zum ersten Male am 29. October ia Scene.
Die Musik ist von gleichem Genre und Gewicht, wie alle
Opern Auber's aus der neueren Zeit: melodiös, gefällig
und ansprechend, entbehrt aber, wenn auch die dem Com-
ponisten eigentümliche grosse Gewandtheit in der Anord-
nung seines musikalischen Stoffes oiebt zu verkennen ist,
doch eines tieferen Gebaltes. Einen soloben will sie frei-
lieb auch nioht haben. Auber strebt jetzt offenbar mehr
nach einem angenehmen, als einem tiefen und nachhal-
tigen Eindruckes seine Sujets sind, zwar durch vielfache
Verwickelungen interessant und spannend, aber immer
auf eine parlante Behandlung der Stimmen berechnet,
und diese prägt eich bei ihm bekanntlich stete im Rhyth-
mus eines Walzers, Galops oder Contretanzes aus. Da*
bei fehlt es jedoch nicht an reizenden Melodieen, nnd die
Oper enthält Nummern, die in bekannter ^«AeVscher
Manier mit seltener Geschicklichkeit componirt sind. Als
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1844. December. No. 51.
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sehr ansprechend heben wir namentlich das Männerquar-
tett im ersten Acte, das Lied der Zerline, das Duett
zwischen dieser und Scopetto, und das Pinale im zwei-
ten Acte» so wie endlich das Duett (Zerline und Scipio)
des dritten Actes hervor. — Was die Auffuhrung an-
langt, so müssen wir es zuvörderst ohne Bedenken für
einen Missgriff erklären» dass die Partie der Zerline, die
eine vorzüglich in Coloraturen sich auszeichnende Bra-
voursängerin erfordert» unserer Soubrette Frau Günther-
Bachmann zugetheilt worden war. Alle Achtung vor dem
unzweifelhaften Talente der Letzteren» — aher eine Pri-
madonna ist sie nie gewesen» wird es auch nicht sein
oder werden wollen. Wahrscheinlich hat die Directum
femeint : Zerline sei eine sogenannte Spielpartie» und da
ran Günther - Bachmann gerade in solchen sich die
Gunst des hiesigen Publicums in reichem Maasse erwor-
ben bat» werde auch diese Rolle ihrem Talente am Mei-
sten zusagen. Wir lassen» wie gesagt» dem letzteren gern
Gerechtigkeit widerfahren» aber es ist erstens ein Irr-
thum» dass die Rolle der Sirene mehr eine Spielrolle sei,
als jede andere Hanptparlie in einer leichten französischen
Oper; es liegt im öegentheile gerade in ihr wenig Hu-
mor und Leben, sie ist mehr passiv gehalten» und wo
sie einmal handelnd in das Stück eingreift, geschieht dies
grösstentbeils nur durch ihren geheimnissvollen Gesang
hinter der Scene. Und zweitens dreht sich in der gan-
zen Oper Alles eben nur um den Gesang der Zerline»
welche als eine kunstgeübte Sängerin geschildert wird;
darum sind Xetzterer fast stets die kunstvollsten und
schwierigsten Passagen und Coloraturen zugetheilt» kurz
— die Sirene ist entschieden eine brillante Gesangpartie,
und einer solchen allseitig zu genügen» liegt ausser der
Sphäre der Frau Günther* Bachmann. Man hatte deshalb
vielfache Aenderungen in Bezug auf ihre Partie gemacht»
die Schwierigkeiten derselben durch Weglassungen und
substituirte leichtere Rouladen zu heben gesucht» aber da-
mit freilieb auch der ganzen Oper einen der eigentüm-
lichsten Züge genommen. In ähnlicher Weise war die
Partie des Scopetto» eigentlich hoher Tenor, um deswil-
len abgeändert und zum Theil transponirt worden, damit
unser Baritonist Herr Eiche dieselbe übernehmen konnte»
ein Verfahren, dass wir eben so wenig billigen können. —
Abgesehen hiervon, ging die Oper recht hübsch und wurde
günstig; aufgenommen, und alle Mitwirkende, unter de*
nen wir noch Herrn Ulram — Herzog, Herrn Wide-
mann — Scipio, und Herrn Berthold — Bolbaya lobend
erwähnen, erwarben sich ungetheilten Beifall. —
Wie wir schon in unserem ersten Berichte die Auf-
fuhrungen des Don Juan und der Zauberflöte als sehr ge-
lungen bezeichnet haben, müssen wir auch jetzt wieder
das meiste Lob der Vorstellung der »»Hochzeit des Fi-
furo" spenden» welche am 15. v. M. zum ersten Male
tatt fand. Wir meinen, wohl nicht mit Unrecht» dass
eine Sängergesellschaft, welche die Mozarf $chtu Mei-
sterwerke vorzugsweise gut darstellt, sehr viel für sich
habe, und halten uns der Beistimmung aller Kunstfreunde
versichert» wenn wir schon hierauf eine sichere Hoffnung'
auf fernere wahrhafte Genüsse bauen. Ausgezeichnetes
leistete Fräul. Mayer als Gräfin. Man hört es ihr an»
dass sie Moxarf ncht Musik vor Allem liebt und gern
(Zu
singt; darum legte sie auch in diese Partie den ganzen
Reiz ihrer Stimme und Kunstfertigkeit und trug sie in
allen Theilen vollendet vor. Nur eine zu sehr gesteigerte
Leidenschaftlichkeit, die sieb in dem Allegro der grossen
Arie : Dove squo i bei momenti etc.» sowohl durch ein zu
lebhaftes Tempo» als namentlich durch ein etwas zu star-
kes» beinahe gewaltsames Auftragen der Töne kund gab»
konnten wir nicht ganz am rechten Platze finden. Der
Sängerin würde sicherlich auch bei einer grösseren Mäs-
sigung in diesem Bezüge ein gleicher ausserordentlicher
Beifall zu Theil geworden sein ; wenigstens glaubt Refe-
rent, dass Fräul. Mayer selbst den letzteren lieber ihrer
wahren Kunstbildung, als einer outrirten Bravour ver-
dankt. Herr Rindermann sang den Grafen, einige kleine
Gedächtnissfehler abgerechnet, die in einer jedem Künst-
ler so bekannten Oper nicht vorkommen sollten, mit sei-
ner herrlichen Bassstimme sehr schön. Die Susanne ist
jedenfalls eine der vorzüglichsten Partieen der Frau Gün-
ther -Backmann; dass sie derartige (wir müssen uns des
beinahe wie ein Widerspruch klingenden Ausdrucks be-
dienen) natürlich - coquette Rollen unvergleichlich spielt,
ist genugsam bekannt; aber auch von Seiten des Gesan-
ges war ihre Darstellung eine überraschend ausgezeich-
nete. Es ist so viel natürliche Gabe und Anlage in der
Stimme und Vortragsweise der Frau Günther- Bachmahn,
dass man darüber oft und gern den Mangel einer künst-
lerisch vollendeten Gesangbildung vergisst. Etwas Ande-
res ist es mit Partieen, die, wie wir oben in Bezug auf
die Sirene bemerkten» nur mit Coloraturen und Roula-
den glänzen; etwas Anderes mit solchen» denen ein ge-
sunder cbaractervoller Vortrag den Stempel des Wahren
und Schönen aufdrückt. Und hierin war die Darstellung
der Susanne» in den Ensemble's sowohl, als in den bei-
den Arien, eine höchst gelungene. Herrn Eiche's — Fi-
garo — Stimme stellt sich leider immer mehr in den
Genitiv zu seiner Persönlichkeit und zu seinem Spiele;
allein dessen ungeachtet leistete er auch im Gesänge Gu-
tes und trug wesentlich zu dem schönen Eindrucke des
Ganzen bei. Die Rolle des Pagen war einer Anfängerin»
Fräul. Targa, zugefallen, die, bei an sich angenehmer
Stimme und» wie es scheint, guter Richtung des Geschmacks,
noch mit grosser Befangenheit zu kämpfen hatte, wodurch
sie ihre Leistung etwas in den Schatten stellte, ohne
jedoch zu stören. Frau Eiche — Marzelline, Herr Bert-
hold — Bartolo und Herr Henry — Basilio waren er-
götzliche Erscheinungen und lösten ihre Aufgabe vollstän-
dig und befriedigend. — Die Aufführung war im Allge-
meinen y auch von Seiten des Orchesters , eine durchaus
verdienstliche, und wir hoffen» uns noch mehrerer Wie-
derholungen dieser höchst beifällig aufgenommenen Oper
erfreuen zu können.
Wie verlautet» steht in nächster Zeit die Aufführung
des »»Barbier von Sevilla« und des »»Wilhelm Teil" von
Rossini zu erwarten, und behalten wir uns vor» darüber
später zu berichten.
Noch gedenken wir endlich eines Goncertes» welches
am 16. November der berühmte Violinist Herr H. W*
Ernst im Theater veranstaltete. Er trug darin Variatio-
nen von Mayseder, so wie von seiner Compositum eine
Fantasie über Themen aus Otello und den Garneval von
Mo. tfi.)
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1644. December. No. 81.
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Venedig vor und erhielt den verdientesten Beifall des zahl-
reich versammelten Publicnms. — - 9,
Leipzig, den 14. December 1844. Neunte* Abonr
nementconcert, Donnerstag, den 12. December. Concert-
ouverlnre (in A) von Jul. Riet*. — Recitativ und Arie
ans Teodora von J. G. Händel, gesungen von Miss Lin-
coln ans London. ■ — Souvenir de Beatrice di Tenda, Fan-
tasie für die Violine» componirt und vorgetragen von Herrn
A. Bazzini aus Mailand. — Arie mit Chor aus Semi-
ramide von Rossini, gesungen von Miss Lincoln. — Con-
certino für die Oboe von L. Maurer, vorgetragen von
Herrn Rose, köni^l. Hannoverischem Kammermusicus. —
Goncertaute für vier Violinen mit Orchesterbegleitung von
L. Maurer, vorgetragen von den Herren //. fV. Ernst,
A. Bazzini, J. Joachim und Concertmeister David. —
Symphonie von L. Spohr (No. 3, Cmoll). —
Mehrmals schon in den letzten Jahren ist die Ouver-
türe von Rietz in unseren Goncerten znr Aufführung ge-
kommen und hat sich stets in hohem Grade der Gunst
des Publikums zu erfreuen gehabt. Sie ist ein trefflich
Jearbeitetes Stück, das durch einen würdigen, festlichen
instrich und durch eine reiche, äusserst wirksame In-
strumentation imponirt, mit fliessenden Melodieen ein fri-
sches Leben verbindet und dabei ein künstlerisch durch-
aus abgerundetes Ganze bildet. Zu dem Eindrucke, den
sie auch dieses Mal hervorbrachte, trug gewiss nicht we-
nig die wahrhaft vollendete Ausführung von Seiten des
Orchesters bei, welches wieder eine Discretion und an-
dererseits eine Energie zeigte, wie man bei einem stär-
keren nnd vielleicht in Bezug auf die Leistungen aller Ein-
zelnen vorzüglicher zusammengesetzten Orchester schwer-
lich finden möchte.
Wenn sich die aus England zu uns herüber gekom-
menen Sängerinnen, welche für die Concerte früherer
Jahre engagirt waren, durch schöne Naturgaben und aus-
gezeichnete Vortragsweise den unget heiltesten Beifall er-
worben haben, so ist dadurch zugleich erklärt, dass Miss
Lincoln, eine noch sehr junge Sängerin, der ein factisch
begründeter Ruf noch nicht vorausgeht, unserem natür-
lich erwartungsvollen Publicum gegenüber einen nicht
leichten Stand hatte« Das Letztere ist zudem überhaupt,
wenn auch nicht für unnachsichtig, doch für streng und
in seinem Urtheile ziemlich entschieden bekannt, und ist
es daher nickt zu verwundern, wenn in den Leistungen
einer vor ihm debulirenden Sängerin eine Befangenheit
sich wahrnehmen lässt, die deren Wirkung immer be-
einträchtigt. Dazu kpunpt, dass Miss Lincoln sich mit der
Arie aus Teodora von Händel (Angela ever bright and
fair etc.) iulroducirte , die wir erst im vorigen Winter
ausgezeichnet schön von Miss Birch gehört haben , und
daher die nahe liegende Vergleichong der Ersteren einen
Success noch mehr erschweren mussle. Die Stimme der
Sängerin ist wohlklingend und von nicht unbedeutendem
Umfange; die höheren Töne möchten wir den mittleren
vorziehen; vielleicht aber litten gerade diese vorzugs-
weise durch die Aengstlichkeit der Debütantin. In der
Arie aus Semiramis zeigte Miss Lincoln eine schöne Vo-
lubilität, und es machte sich darin ein sachgemässer, schon
viel freierer Vortrag geltend, wie war denn gewiss erst
durch ihre späteren Leistungen, denen wir wobl enlge-
f;ensehen dürfen, einen sicherern Maassstab zur Beurtbei-
ung finden werden. Das Publicum gab seine Zufrieden-
heit besonders nach der zweiten Arie lant zu erkennen.
Herr Bazzini erwarb sich reichen Applaus durch
den wirklich schönen Vortrag seiner Fantasie; dieselbe,
eine gerade nicht sehr geballvolle Paraphrase einiger
süss lieh - weinerlichen Bellinfscbtn Themen, bot ihm viel-
fache Gelegenheit, die Vorzüge seines schönen Tones und
seine erstaunenswerte Gewandtheit in helles Licht su
setzen, und besonders ist die Sauberkeit, mit der er die
schwierigsten Passagen ausführte, so wie die Reinheit
seiner Einsätze selbst in den höchsten Tönen lobend her-
vorzuheben.
In Herrn Rose aus Hannover lernten wir einen ge-
schickten und trefflichen Oboebläser kennen, der die ver-
schiedenen Schattenseiten seines Instrumentes durch einen
vollen gesangreichen Ton und eine ansprechende Aus-
führung der ziemlich schwierigen Composition vergessen
Hess, und sich ehrender Beifallsausserungen von Seiten
des Publicums zu erfreuen hatte. Von dem meisterhaften
Ensemble der Herren Ernst, Bazzini, Joachim nnd Da-
vid in dem Concertante für vier Violinen von L. Mau-
rer wurde bereits bei Besprechung des am 28. v. M.
zum Besten des Orchester -Pensionsfouds Statt gehabten
Concerts berichtet, und haben wir dem dort Gesagten
nur noch hinzuzufügen, dass die genannten Virtuosen,
als nach Beendigung des Stückes der rauschende Applaus
nicht enden wollte» die den Scbluss des Ganzen bildende
Cadenz, jedoch mit Abänderungen wiederholten, wie sie
gerade der Augenblick einem Jeden von ihnen eingab,
was das Interesse ungemein erhöhte und einen wahren
Beifallssturm hervorrief.
Spohr 9 s Cmoll -Symphonie, ein Werk aus früherer
Zeit, gehört unstreitig zn den schönsten und gediegen-
sten Arbeiten des Meisters. Namentlich vereinigen die
beiden ersten Sätze in Bezug auf Erfindung, Behandlang
und Instrumentation Alles, was dessen Gompositionen
wahrhaft auszeichnet; der Effect, den im zweiten Saite
das Unisono der Streichinstrumente hervorbringt, ist un-
vergleichlich. Weniger interessant sind das Scherzo und
das Finale ; es ist darin eine Hast, ein Drängen und Wech-
seln der Harmonieen und Figuren, die in dem Hörer, zu-
mal nach den ersten beiden Tbeilen der Symphonie, eine
nicht behagliche Stimmung, eine Unruhe erzeugt und ihm
daher den wahren Genuas verkümmert.
Das Publicum nahm das Werk, welches seit längerer
Zeit in unseren Concerten nicht gespielt worden ist,
günstig und dankbar auf. L. R.
Leipzig, den 15. December 1844. Am vergangenen
Sonntage, den 8. December» fand im hiesigen Gewand-
hause eine musikalische Morgenunterhaltung Statt, welche
Herr Dr. Robert Schumann mit seiner Gattin veranstal-
tet und zu der. Beide die Kunstfreunde Leipzigs durch
Karten eingeladen hatten. Das Künstlerpaar hat uns schon
öfter mit seltener uneigennütziger Freigebigkeit durch
ihr grosses Talent hohe Genüsse verschafft und verpflich-
tete auch in der bemerkten Matinee die zahlreichen Zu-
hörer zum lebhaftesten Danke« Eröffnet wurde dieselbe
1644» Decetuber. Na. 51.
870
dacob «in onus Quartett JZ«ferl Schümann'* für Piano-
forle, Vkrfioe, Viola und Violoncello* gespielt von Frau
Dr. Schumann, Herrn Goneertmeisier David, Herrn Gade
und Herrn Wittmanu, ei* Stück voll Geilt und Leben,
das, namentlich in den beiden Mittelsätzen höchst anspre-
chend und lieblich, mit hohem Schwünge der Phantasie
eine Fttte acMner musikalischer Gedanke» verbindet nnd
gewiss überall, wie hier, mit grossem Beifalle aufgenom-
men werden wird. Es folgten darauf, ein Lied mit Cla-
vierbegleiUwg von Clara Schumann, so wie in Zwischen-
räumen noch, fünf Lieber von neb. Schumann („Stille
Liebe," „0 Sonnenschein," „Die Nonne," „Ich grolle
nicht" und „Du meine Seele, du mein Herz"). Diese
reizenden , wahrhaft schönen Compositionen , von denen
sich manche« wie z. 8. da* zalelzt bezeichnete, in kur-
zer Zeit eine grosse Verbreitung und Popularität erwor-
ben haben, wurden von ungejrer kunstgeübten Dilettantin,
Frau Dr. Frcge, geb. Gerhard, mit dem ihr eigenen
Zauher der Stimme gesangen, wie wohl anderwärts Ge-
sänge dieser Gattung kaum gehört worden sind. Es liegt
in den Tönen derselben ein so kindlich frommer und rei-
ner Sinn» der Vortrag der Sängerin ist so ungesebmückt
und wahr, nnd bezeugt das richtige Verständniss der
Worte und der Musik so unzweifelhaft, dass wir Frau
Dr. Frege, die zuweilen auch grössere» Aufführungen, na-
mentlich kirchlicher Musik, durch ihr schönes Talent un-
terstützt, als eine der vorzüglichsten Liedersängerinnen
bezeichnen müssen. Rechnen wir hierzu das ausgezeich-
nete Accompagnement dieser Lieder durch Frau Dr.
Schumann, so ist auch der herrliche Eindruck erklärt,
den dieselben erregten, ~~ Frau. Dr. Schumann, über
deren Talent und musikalische Bildung hier noch zu
sprechen uns ihr weitverbreiteter Ruf als erster jetzt
lebenden Piaoofortevirtuosin überhebt , spielte sodann
von den Mendelssokn*seben Liedern ohne Worte No. 5
und 6 aus dem fünften Hefte : Gondellied und Frühlings-
lied, mit grosser Innigkeit, und die Polonaise von Cho-
pin, welche sie bereits in einem der letzten Aboonement-
coneerte vorgetragen hatte, mit Bravour und bewunderns-
werter Ausdauer. Zum Schluss endlich, nachdem Herr
Concertmeister David den Mittelsalz^aus der grossen Suite
von J. Seb. Bach, — ein Violinsolo mit Orchesterbeglei-
tung — auf dem Pi^poforte acqompagnirt von fi^tu Dr.
Schurmmn, sehr sebön ge$pi#lt bitte, bffrttfi wir von
Letzterer noch Beethovens Cdur- Sonate, Op'. 53, in
welcher die Künstlerin glänzende Beweise ihrer geistrei-
chen Auffassung classischer Werke und ihrer eminenten
Fertigkeit gab. Zu verwundern war namentlich die letz-
tere, da bei einer schnell eingetretenen bedeutenden Kälte
auch der Saal des Gewandhauses nur wenig zu erwär-
men gewesen war und dadurch der Vortrag der Clavier-
compositionen wesentlich erschwert wurde.
Die Anerkennung der Zuhörer sprach sich in lebhaf-
tem Applaus aus und bleibt dem hochgebildeten Künst-
lerpaare hier in Leipzig, wo es die ersten Lorbeeren
pflückte, gewiss für alle Zeiten gesichert.
Feuilleton.
H. W. Ernst erhielt vo» Senate der Stadt Hamburg, als
dankbare Anerkennung der Unterstützung, die er den Hamburger
Abgebrannten zufliessen Hess, indem er ein einträgliches Concert
zn ihrem Besten gab, ein ans dem Metall der beim Brande ge-
schmolzenen Kirchen glocken geprägtes Medaillon, auf der Vorder-
seite die allegorische Figur der WohltbÜtigkeit , welche der wei-
nenden Hammonia die Haod reicht, anf der Rückseite das Ham-
burger Wappen tragend, verschlossen in einer aus dem halbver-
kohl ten Holze des Hamburger Ratbhanses gefertigten Kapsel, und
begleitet von nachstehendem Schreiben : „Die vom Senate der freien
nnd Hansestadt Hamburg niedergesetzte Commission zur Bezeu-
gung des Daokes für die, nach dem Brandunglüeke des verflosse-
nen Jahres ihren Abgebrannten geschenkte liebevolle Tbeilnahme
und freigebige Unterstützung, ersucht in Gemiissheit Ratb- und
Bürgerschlusses vom 8. Mai dieses Jahres, dem Jahrestage der Lö*-
schuog des Brandes, den Violinvirtuosen Herrn Ernst, das beifol-
gende Andenken eines, aus dem Erze der geschmolzenen Glocken
angefertigten Medaillons freundlich aufzunehmen. "
Das Institut de France hat bei dem diesjährigen Concurs zwei
grosse römische erste Preise und einen zweiten ausgetbeilt; den
einen ersten erhielt ein Herr Masse für die Composition einer
Cantate: Der Renegat von Tanger — , den anderen der blinde Herr
Renaud de Vilhaeh^ Schüler* von Halevy. Den zweiten grossen
Preis erhielt Herr Herten*, ein Schüler von Carafa.
Ankündigungen.
Bei WUnelss* Faul in Dresden erschien so eben:
IBrWMienr, C T«, Souvenirs de Mozart. 6 Transcriptions fa-
eiles en forme de petites Fantaisies ponr le Piano sur des molifs
fav. d'Operas de Mozart. Oenv. 66. No. f. L'enlevement dn Se-
rail. No. 2. Le noxze di Fkaro. No. 5. 4. Don Giovanni. No.
3. La flute magque. No. € l* clemeaaa di Tito, j&*l2i Ngr.
Kerlon, A., 3 Nocturnes p. le Piano. Oenv. 2. 15 Ngr.
ü«W f Cl* Bote»- Galopp ftr Piano. Op. 63. 3 Ngr.
Rebus- Polka für Piano. Op. 34. 3 Ngr.
■gplllflier, F., Pensees melancolioues ponr le Piano. 3 Ngr.
In der f . VvMttweia^ehen Butt- «ad M«»rikalkuhand-
lung [J. Guttentay) in Berlin sind so eben erschienen:
G&bler, F. Fr., Op. 9. Fest-Eynmex „Kommt herzu, lasset
uns dem Herrn frohlocken" für den vierstimmigen Mannerchor.
Frais 4ejP fartitur *** Sgr. Jejfer eins: einen Singstimme 2± Sgr.
— — Op. 10. Infroduetion nnd Fuge für die Orgel zn vier Hän-
den. Preis 1Ä* Sgr.
Hayiln, Jos«, Danket dem Henul t S. A. T. B. mit neitj*-
mass untergelegtem Text von- Boraemann. Vier- oder einstim-
mig mit oder ohne Begleitung des Pianoforte zu singen. Preis
comp!. 3 Sgr. Preis der vier Singstimmen 5} Sgr.
Jtealaomvi. Ritter «Hearnaiiiiicl, Der ?0. Psalm t „Der
Herr *rfc*rt Dich in der Notfc" und dar 9*. Psalm: „Wer un-
ter dam Schirm des Höe4#ten siUct" ftr vier Singstimmen ohne
Begleitung. Preis der Partitur 121 Sgr. Jeder Summe 3J Sct.
Rimgenlm*sreil, ©. F., Motette: „BfeiT nur dein Reich"
für zwei Tenor- nnd Basastimmen in Chor - und Seiesatse*. frais
der Partitur 10 Sgr. Jeder Stimme 2* Sgr.
Tailliert, Willi., Ad Lyram. Ad Sexiium. Ad ApolUnem.
Ad Ijydimm. 4 Oden dm Hera» mit deutscher Uefcersetsuog des
Dt. Geypert für vierstimmigen Mannerchor. Op. 62. PartUnr
und Chorstimmen.
No i und 2 können ohne die hesgeftgte Begleitung einer mite,
zweier Clarinetten , sweier Hörner und srweier Fagotten ausgeführt
werden. Für No. 3 und 4 jedoch ist diese oder die in der Par-
titur enthaltene CiavierJsegleitnng notwendig.
871
1844. December. No. 51.
872
Im Verlag« der Unterzeichneten ist heule erschienen
und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Grande (Sonate
pour le Piano,
composäe par
S. Thalberg.
Preis 2y 8 Thlr.
Ein besonders wichtiges Werk des berühmten Com-
ponisten und Virtuosen, auf welches wir daher auch be-
sonders aufmerksam zu machen uns erlauben.
Leipzig, den 15. December 1844.
BreltlMpf Jt U&i-tet.
Neue werthvolle Musikalien^
welche 10 eben in der Srtlleftlnger'sckeii Buch- «ad Muiik-
handhing: in Berlin erschienen sind:
Baulnl, Viriations brill. snr Oberon, PnriUni et Marie Alle
du reg. p. VioUn a?ec Piano. Op. 17. a Jfö Sgr.
Berlioz, Carneral romain. OnTerCnre earaet. p. Orcb. 5 Thlr.
ponr Piano a 4 maios p. Pixis. i Thlr.
DjMttelie 9 Lucia di Lammermoor , Tariee. Op. SO. 95 Sgr.
6 Iatermessi p. Piano, a 10 Sgr.
Dehler, Brillante Polka p. Piano. Op. 80, » Thlr. Fanfairie
•ur La Favorit« p. Piano. Op. 51. 1 Thlr.
€}(U1*% Mädchen -Traume. Walzer f. Piano. 124 Sgr., fir Or-
chester i| Thb. Vorwarte! Manch f. Piano. 5 Sgr.
Hera« Divertmemcnt für Piaoo. Op. 41. 15 Sgr. Valte äe-
ganle. SO Sgr.
KUelieil, Botschaft f. Gesang n. Piano. Op. 42. I7i Sgr.
Mnllft>U, Grace et Gaprice p. Piano. Op. 25. 17* Sgr.
lilMt* Heroischer Marsch f. Piano. 22t Sgr. Ungar. !
marsch f. Orchester, ii Thlr.
Stnrm-
HendelMOhii Bartltoldy, Allcgro pour Piano tirf de la
le Sinfonie p. F. de Tengnagel. 1 Thlr.
üeyerbeer, Komm du schönes Fischermadchea ! für eine Sing-
summe. 2. Auflage, d? mit Goitarre a 10 Sgr.
llOftelaeles et Kuli*!*, Practischer Theil der Methode des
Pianofortespiels. 10 Hefte. Snbscr. - Preis a 20 Sgr. (Laden-
preis 1 Thlr.)
fteluteilfer, Heitere Lieder für 4stimmigen Minnergesang. Op. 8.
IV. Sonntagsreiter, i Thlr. V. Feine Gesellen. 10 Sgr. Raaber
n. Bacchanale f. Bariton od. Bass. Op. 10. 12£ Sgr.
Weber, Ouvertüren au Preciosa, Freischütz, Oberon, Jubel-
Ovrertare. Partitur a li~ 1J Thlr.
WollT, Gr. Polka p. Piano. Op. 102. 20 Sgr. Duo tu la Si-
rene d'A«J>er p. Piano a 4 mains. Op. 104. 25 Sgr,
Das berersteheade Fest reranlasst aas, folgendes rm einigen
Jahren in unserem Verlage erschienene, durch alle Buchhandlun-
gen zu beziehende Werk in Erinnerung zu bringen :
Hr. Martin MArther'*
deutsche
Geistliche üleder,
nebst den während seines Lebens dazu gebräuchli-
chen Singweisen und einigen mehrstimmigen Ton-
Sätzen über dieselben von Meislern des 16.
Jahrhunderts,
herausgegeben von
C van UTimterfeM.
Mit eingedruckten Holzschnitten nnd Zeichnungen
JL. Strähuber.
In Hochquart. Cartonirt. Preis 8 Thlr. Prachtausgabe in Seiden-
band. Preis 10 Thlr.
Leipzig, den 18. December £844.
BreitfLutpr 4b Hftrtel»
Ankündigung.
Nene Zeitschrift für Musik-
Heraasgegeben in Verbindung mit Künstlern
und Kunstfreunden
?on
Franz Brendel*
Zweiundzwansigster Band. Januar bis Juli 1845.
Mit Neujahr 1848 beginnt der JM. Band dieser immer mit
allgemeiner Theilnahme aufgenommenen Zeitschrift. Sie wird durch
MannichCsltigheit , Unparteilichkeit «nd Vollständigkeit sich aurch
fernerhin das Wohlwollen des Publieums su erhalten suchen» and
in einem Geiste geführt werden, wie ihn der bereits ausgegebene
Prospectus zeigt. Findet sich interessanter Stoff in reicher Fälle
oder ein längerer Aufsatz, der eine Zersplitterung nicht sulisst, eo
werden unentgeldliehe Beilagen geliefert, so wie auch dann und
wann artistische Zugaben gespendet. £• erscheinen wöchentlich
zwei Nummern, jede zu einem halben Bogen in gross 4. Die Abon-
nepten verpflichten sich zur Abnahme eines Bandes von 82 Num-
mern , dessen Preis 9 Thlr. 10 Ngr. = 4 Fl. ifi Kr. rhdn. ==
5 Fl. 50 Kr. Conv.-M. betragt. Inserate in das dann gehörige
Intelligenzblatt sind wirkungsreich nnd werden i\ Ngr. für die
gespaltene Zeile oder ihren Raum berechnet.
Leipzig, im December 1844.
Die Allgemeine Musikalische Zeitng
wird mit Neujahr 1845 ihren 47« ten Jahrgang beginnen und wie bisher die wichtigsten Gegen-
stände des Musiklebens besprechen. Ihr Preis bleibt unverändert 5'/ 8 Thaler für den Jahrgang
von 52 Nummern nebst Beilagen und Register. Die Insertionsgebühren betragen 1 V* Ngr. für die
gespaltene Petitzeile. Die Allgemeine Musikalische Zeitung ist durch alle Postämter und Buchhand-
lungen zu beziehen. Geeignete Beiträge werden von der Redaction gern angenommen und von der
unterzeichneten Verlagshandlung anständig honorirt.
Leipzig, am 10. December 1844. Breithopf 4* BLArteU
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtet in Leipzig und unter deren Verantwortlichkeit.
875
874
ALLGEMEINE
MUSIKALISCHE ZEITUNG.
Den 25 ,ten December.
M 5fc.
1844.
Inhalt t Jteceauu»». — NackrickUn: Aal Prag. SonmerstagUne io Italieo. (Bescbloss.) Rurzgefasste oeueste Nachrichten der ita-
lienischen Oper o. s. w. ausserhalb Italiens. Aas Görlitt. Aas Leipzig. Zam Titelkupfer — Feuilleton, — Ankündigungen.
Receksion.
Fr. Lachner: Qaatuor pour 2 Violons, Alto ei Violon-
celle. Op. 75.
— — ; do. do. do. Op. 76,
; do. do. du. Op. 77. Mayence, chez les fib de
B. Schott. Preis ä 2 Fl. 42 Kr.
Es «engt vom Achtung und Aufmerksamkeit für den
CompoMsten, wie fir das Publicum, dass die ungemein
tbätige Verlagshandlung dcrr Ausgabe dieser Quartetten in
Stimmen zugleich eine sehr sanier gedruckte Partitur bei-
ßügl bat , eine Generosität, die sieh übrigens selbst be-
ut, da sie in mehrfacher Bestellung geeignet ist, dem
Werke Eingang zu verschaffen.
Die neuere Periode ist nicht eben reich an Werken
der vorliegenden Gattung überbeupt, und an vorzüglichen
in's Besondere. Die Symphonie, die Sonate und das Quar-
tett sind offenbar an Quantität und Qualität, was die
neueste Zeit betrifft» in •entschiedener Minorität. — Wie
sieh die Ansprüche an die Symphonie ' auf eine für den
schaffenden Künstler fast entmuthigeede Weise gesteigert
haben, braueben wir nicht näher zu erörtern, ja es möchte
wohl nicht schwer zu beweisen sein, dass man darin zu
weit geht. Die erhabenen Vermächtnisse unserer grasen
Todten haben vielleicht bis jetzt (in dem Sinne, der hier
Anwendung indet) mehr negativ gewirkt. Fast in glei-
chem Verhältnisse befindet siefh die Gattung des Quartetts ;
ja , wir möchten behaupten , dass hier die Compenisten
noch grössere Schwierigkeiten zu besiegen hallen, als bei
der Cenocption einer Symphonie.
Das Quartett bedingt fast mehr, als jede andere
Kunstform , selbständige Gedanken , und wird , da es so
manches Surrogat von Einkleidung und Tonfärbung ent-
behrt oder YersohsNfcht, seihst hei der gewandtesten Füh-
rung leicht trocken und monoton erscheinen, weil sein
klarer und durchsichtiger Bau keine Täuschung oder Ver-
hüllung gestaltet. Dazu gesellt sich die .Schwierigkeit,
das Postulat der jetzigen, so «ngehener vorgeschrittenen
Virtuosität, die namentlich die Violinisten in sdiwiiidctn-
dem Taumel fontMtsst, nu horücksioatigen, oder doch etwas
von dem Reiz nnd Schumck der neuesten Schule auf den
Kunstwerk überzutragen. Auch schweben wohl oft mehr
in schreckender, als begeisternder Weise die classiscbon
Gebilde der grossen Heuler rer der Phantasie des schaf-
fen Künstlers, und so ist es denn, Alles wohl erwogen,
46. Jahrgang.
kaum zu verwundern , wenn die Wahl des Stoffes eine
Richtung nimmt, in welcher der Erfolg minder zweifel-
haft erscheint und die Kränze bequemer zu erreichen sind.
Wenn die Prämissen des Referenten einige Geltung
haben , so wird ein neues Werk in dieser erschwerten
Kunstgattung immer schon a priori von Interesse »sein,
sein innerer Werth muss ihm dann seihst die Anerken-
nung gewinnen nnd die Stelle anweisen, die es verdient*
Was nun das vorliegende Werk Lacbner's betrifft,
so ist wohl kaum nöthig, hier daran zu erinnern, dass
dieser in den verschiedenartigsten Kunstgebieten tbätige
Compootst in sehr abweichender, ja oft ganz entgegen-
gesetzter Weise beurtheilt worden ist, und dass sich die-
ser Zwiespalt der Meinungen über seinen Werth noch
fortwährend kund gibt. Es ist hier nicht der Ort, die ver-
schiedene Würdigung seiner künstlerischen Bedeutung zu-
sammenzustellen und zu prüfen ; wir wollen nur einfach
nnd unbefangen andeuten, dass wir zwar nicht in die
emphatischen, angemessenen Lobpreisungen seiner unbe-
dingten Verehrer einstimmen können, aber noch weniger
zu Denen gehören, die ihm nur einen ganz untergeord-
neten Hang unter den schaffenden Künstlern gönnen wol-
len. Es ist allerdings nioht zu leugnen: Lachner hat,
durch glückliche Umstände begünstigt, manchen Erfolg
gehabt, der ihm streitig gemacht werden könnte (— wir
wollen nur an die Preissymphonie erinnern — ); er ist
aber gewiss ein Künstler im besten Sinne des Wortes,
und wenn aus seinen Werken nicht immer die Weihe
des Genius leuchtet* so muss sein Streben, das immer
unfein würdiges Ziel gerichtet ist, wie sein künstleri-
sches Walten überhaupt, ihm überall die Achtung und An-
erkennung der Besseren sichern.
Auch die drei Quartette, denen wir aus mehreren
Gründen die vorstehende Einleitung tof au szuschicken uns
veranlasst fühlten, sind offenbar Erzeugnisse jenes ruhm-
würdigen Strcbens, eines gebildeten Geschmackes und
eines trefflichen, künstlerischen Sinnes. — Steigert man
seine Ansprüche an dies Werk nicht so hoch, dass man
nichts als hinreissende geniale Ideen nnd Inspirationen
nrwartet, so wird m nicht allein einen ungemein freund-
liehen Eindruck machen, sondern noch, und namentlich
in einzelnen Sätzen, wirkliches und höheres Interesse er-
reuen. Es kann nicht unsere Absicht sein, das ganze
Werk in seinen einzelnen Sätzen zn analymren; ?«"**
Andeutungen mögen genügen. — Den Ausführenden, die
doch bei dieser Kunstgattung am Meisten in Be-
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triebt kommen and wohl auch den grössten Genuas bei
der Produetion haben, können wir zunächst die Versiche-
rung geben, dass sie Her ein Werk finden, das unge-
mein fasslich, ansprechend und fast durchgängig leicht
ausführbar ist, so dass die ganze Sorgfalt auf den nuan-
cirten Vortrag verwendet werden kann, den es allerdings
in nicht geringem Grade bedingt.
Das erste dieser drei Quartette (in Hmoll) scheint
ans auch das bedeutendste zu sein. Namentlich zeichnet
sich der erste Satz durch eine gewisse geistige Regsam-
keit aus, die das Interesse fortwährend in Anspruch nimmt.
Der thematische Stoff unterstutzt dieses geistige Leben
vortrefflich 5 die Behandlung ist eben so sorgfältig als man-
nichfaltig, die Modulation fliessend und natürlich, und doch
nichts weniger, als verbraucht. Die Augmentation am
Ende des Satzes macht mit ihrem harmonischen Gefolge
eine sehr gute Wirkung, so dass der langsame, leise,
fast düstere Schluss trefflich molivirt erscheint. — Auch
das Adagio (in Hdur) muss als sehr ansprechend und
selbst als eigenthümlich bezeichnet werden. Es ist sehr
edel gehalten und mit grosser Gewandtheit geführt. Die
wechselnden, reichen und doch immer angemessenen Fi*
guren beleben das Ganze höchst vorteilhaft. Wird die-
ses Adagio recht sorgsam ausgeführt (die Tonart macht
diesen Satz zu einem der schwierigsten des ganzen Wer-
kes), so muss die Wirkung eine sehr günstige sein. Der
interessante Schluss mit seiner canonischen Engführung
befestigt noch den schönen Eindruck des Ganzen. — Das
Scherzo (H moll) erhebt sich nicht über das Gewöhnliche,
und wo das Gewöhnliche vermieden oder verdeckt wer-
den soll, tritt selbst etwas Rauhes an seine Stelle. Das
Trio mit seinem derben Quintenbasse «hat doch wohl etwas
gar zu Niederländisches. — Durch das lebendige und con-
sequent durchgeführte Finale würden wir uns vollständig
versöhnt fühlen, müssten wir uns nicht gegen den rau-
hen und kalten Schluss erklären. Andere nennen das viel-
leicht einen humoristischen Zug — ; mir stellen aber den
Humor etwas höher!
Der erste Satz des zweiten Quartetts, Adur, %,
kündigt sich, sind die vier Eingangstacte vorüber, nicht
eben vorteilhaft an; er hat vielmehr etwas Gezwunge-
nes. Auch erweist sich dieser Gedanke: ft f^tf
der nun folgenden analogen Fortführung:
mittJugfl
auf die es nun einmal abgesehen war, keinesweges gün-
stig. Auch die ersten Tacte der Durchführung bei dem
Anfange des zweiten Theiles (in Cdur beginnend) zeigen
mehr Streben, als Gelingen; später wird der Satz Mes-
sender und ansprechender. Bald darauf begegnen wir wie-
der dem . . . humoristischen Quintenbasse, ohne uns eben
darüber zu freuen. In Summa : dies Allegro hat uns nicht
befriedigt. — Das folgende Adagio (Ddur, %) ist wie-
der sehr schön angelegt, hat einen sehr biegsamen, wenn
auch nicht eben grossen Hauptgedanken, und der Cornpo-
nisthat ihn vorteilhaft benatzt. Der Eintritt der Trie-
lenfigur ist sehr wohlthuend; dass aber das Violoncello
die folgende Figur
m
1
m^
eilfTacte hindurch
festhält, ist doch wohl ein wenig zu — consequent. —
In dem Scherzo, das übrigens mehr die ältere Meuuett-
form trägt, tritt das Trio durch eine wenigstens unge-
wöhnliche Begleitung hervor. Die Viola fuhrt die Melodie.
Wir würden gern auf die Eizenthümlichkeit derselben
verzichten, wenn nur die rhythmische Gliederung deut-
licher wäre. Man ist wirklich bis zum Schlüsse fortwäh-
rend zweifelhaft, wie man sie gruppiren soll. — Da*
Rondo ist allerliebst, heiter, geistreich und belebt Das
anmuthige, neckische Spiel mit dem auch rhythmisch bieg-
samen und wohlgefälligen Motiv dauert fast ununterbro-
chen fort, bis der cantable Mittelsatz (un poco meno
mosso) eintritt, der übrigens bedeutend gewonnen haben
würde, wäre ihm eine fliessendere Begleitung zu Theil
geworden. Mit dem Wiedereintritte des ursprünglichen
Tempo erscheint das erste Motiv, in die drei unteren
Stimmen vertheilt, während die erste Violine sich in be-
lebten, selbständigen und wirksamen Figuren über den-
selben bewegt, eine Zusammenstellung, welche sehr in-
teressante Gombinatienen darbot, die vielleicht noch mehr
von dem Componisten hätten benutzt werden können, als
es eben hier geschieht. In der zweiten Hälfte des Satzes
scheint unser werther Meister dies selbst gefühlt zu ha-
ben, obgleich auch hier eigentlich nur Andeutungen ge-
geben werden. — Jedenfalls gehört das ganze, ziemlieh
weit ausgesponnene Allegro zu den besten Sätzen des
ganzen Werkes. Ein sehr animirter Schluss, immer mit
Beziehung auf das Thema, belebt und erhält die geistige
Stimmung, die das Ganze erregte.
Nachdem wir die Durchsicht des dritten Quartetts
(Esdur) vollendet hatten, ergab sich zunächst das all-
gemeine, gewiss erfreuliche Resultat, dass diese drei Quar-
tette, sowohl der Form, als auch den Gedanken nach,
sich völlig von einander unterscheiden, und dass es also
dem Componisten gelungen ist, jedem derselben eine ge-
wisse Individualität zu verleihen: eine Wahrnehmung,
die schon an sich für seine lebhafte Einbildungskraft und
für die Flexibilität seines Talentes zeugt. Das Bestreben,
die vier Stimmen in dem Verlaufe des ganzen Werkes
in angemessener, selbständiger Thätigkeit zu erhalten,
hat ihn doch nicht verleitet, die ähnliche Behandlungsart
zu oft zu verwenden, weshalb man denn auch säumt»
liehe drei Quartette unmittelbar nach einander wird hö-
ren können, ohne Monotonie zu empfinden, was wohl
zuweilen bei ähnlichen Werken anderer, sonst trefflicher
Meister der Fall ist. Schon in rhythmischer Formgebung
stehen sie wesentlich von einander ab; aber noch mehr
in Bezug auf ihre geistige Richtung: sie unterscheiden
sich mit einem Worte durch ihre Characteristik. — Das
erste Allegro des dritten Quartetts, Esdur, hat einen mild-
ernsten Cbaracter, der sich selbst da nicht veriingnet,
wo das Ganze einen lebhafteren Aufschwung nimmt. Die
Modulation ist nicht so .rasch, und selbst nicht se häufig,
wie in den anderen Quartetten. • Die Ausarbeitung ist sehr
sorgfältig , und das Ganze mit so vielem Reiz ausgestat-
tet, dass die Theilaabme nicht ermüdet, obgleich der Satz
von bedeutender Ausdehnung ist. — Das Scherzo beseick-
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nct der Compenist hier als Menuett*, und mit Recht,
denn wie sieb n«n einmal das Scherzo bei ans gestattet
bat, so entsprechen die drei Sätze , • die ans der Compo-
nist an der Stelle, die gewöhnlich das Scherzo einnimmt,
bietet, dieser Bezeichnung weder durch ihre Haltung, noch
selbst durch ihre quantitative Form. Das bier gegebene
Menuetlo besteht eigentlich nur aus kleinen musikalischen
Partikeln: seine Wirkung ist daher sehr aphoristisch.
Das Trio aber ist recht anmuthig. — Als ganz trefflich
müssen wir vor Allem das sehr ausgeführte, gedanken-
reiche Adagio (Asdur) bezeichnen. Es athmet wahres und
edles Gefühl und bietet in melodiöser, wie harmonischer
Beziehung viele wahrhaft reizende Momente dar. Wie
schön ist z. B. bei erhöhter Wärme des Satzes der (Jeher*
gang nach * E dur motivirt , nnd wie ungezwungen und»
doch so eindringend geschiebt die Zurückführung in die
ursprüngliche Tonart! — Kurz, es ist ein höchst liebli-
ches und tief empfundenes Tonbild, das einen ungemein
wobltbuenden Eindruck machen muss. — Ein ziemlich
aufgeregtes Finale (Allegro vivace, %) beschliesst das
Werk, und auch in diesem letzten Satze erprobt der Com-
ponist seine Gewandtheit und seine grosse Geschicklich-
keit in Ausführung und Erweiterung der gewählten The-
men. Die Motive selbst sind freilich in diesem Satze,
wir müssen es gesteben, nicht eben, von besonderer Be-
deutung und Eigentümlichkeit, so dass ihre Behandlung
bei Weitem mehr hervortritt, als ihr intensiver Gehall.
Die unaufhörliche Regsamkeit des Ganzen verdeckt und
vergütet indess ziemlich glücklich den Mangel selbslwir-
kender Gedanken, und eine zweckmässige Steigerung ge-
gen das Ende ist dem vorteilhaften Eindrucke des weit
ausgeführten Satzes noch besonders günstig.
Concentriren wir unser Urtheil über diese Quar-
tette, so möchte es also lauten : Sie sind das Werk eines
gewandten, gefühlvollen und begabten Componisten; sie
werden keine Epoche machen, aber überall gefallen. AL
Nachrichten.
Prag) November. Das zweite Concert des jugend-
lichen Virtuosen Theodor Leschetitzky im Plateis- Saale,
dessen kleinerer Raum der Wirkung des Piano's viel vor-
teilhafter ist, eröffnete das „Second grand Trio pourle
Pianoforte, Violon et Violoncello" nar J. May seder, vor-
getragen von den Professoren Miliner, Büknert und dem
Concertgeber. Diese brillante Composition bietet eigent-
lich dem Piano nnd Violoncello weniger Gelegenheit zur
Auszeichnung dar, als der Violine, doch benutzten alle
drei mit Virtuosität das Dargebotene, und verdienten die
gezollte Anerkennung des Publieums im vollen Maasse.
Ausser diesen hörten wir von Theodor Leschetitzky eine
Wiederholung der Prxdenfschen Fantaisie sur Lucia di
Lammermoor de Donizetti, welche bier noch mehr, als
im ersten Concerte, ansprach. Minder gelang ihm die
Sonate in G moll von L. van Beethoven, welche mit sei*
nem Alter und seiner Vortragsweise nicht recht zusam-
menstimmt. Den Beschluss mächte: Grande Fanlaisie enr
des motife frvoris de POpera : Les Huguenots de Meyer-
beer par S. Thalberg, womit das Publicum vollkommen
einverstanden war, nicht so die Kritik, und der classisch
strenge Referent der „Bobemia." sagte darüber: „Was
Thalberg* Composition betrifft, so ist es wahrlich Zeit,
dass sich die Kritik endlich einmal gegen diese sogenann-
ten „Fantasieen," die ein geschmackloses, durch ßra-
vourpassagen auf uomolivirte Weise verbundenes Aggre-
gat beliebter Opernmelodieen sind , mit Ernst erkläre.
Einen eisernen Kraftgesang, wie den Choral: ,,Eine feste
Burg," den Meyerbeer auf tiefsinnige Weise in seine
Oper verwebt hat, mit Bravourhopsereien überkleiden,
ist wahre, unverzeihliche Profanation. Wenn Jemand die
grosse Pyramide des Cheops mit Rosabandscbleifen und
Flittergold aufputzen wollte, er würde ausgelacht. Will
Herr Siegmwid Thalberg lernen, wie man einfe so alt-
ehrwürdige Melodie behandeln soll, so sehe er bei Seba-
stian Bach nach, wenn es sich um kirchliche, bei Meyer-
beer, wenn es sich um dramatische Zwecke bandelt ; zu
einem Clavierstü'cklein ist sie zu gross, zu ernst, zu hei-
lig/' Am Schlüsse wiederholt gerufen, gab der Concert-
geber noch ein Paar brillante Etüden zum Besten. Mit
Vergnügen bemerkten wir, dass der junge Künstler die
Dämpfung diesmal weniger gebrauchte, als im ersten Con-
certe. In Herrn Perle (eigentlich Pereies, Vorsänger im
israelitischen Tempel), welcher zwei Lieder von Conra-
din Kreutzer und Veit sang, lernten wir einen jungen
Sänger mit guter Stimme und theilweise sehr gefühlvol-
lem Vortrage kenneu , der seine schöne Gabe ja recht
sorgsam anabilden möge. Fräul. Friederike Herbst decla-
mirte „Die Rose vom Grabe,'* Gedicht von M. G.Jiaphir,
fast gar zu anspruchslos.
Die zweite Salonunterbaltung der Sophieen-Acade-
mie wurde mit der sehr solid und tüchtig gearbeiteten
„Hymne für zwei Chöre*' von Professor Pitsch eröffnet.
Von Neuigkeiten hörten wir ein Lied von Tiehsen für
Frauenstimmen, gesungen von den Fraulein Freitag
und Chmela (zwei Schwestern und Mitglieder der So-
phieen-Academie) und Curschmanns wunderschönen „Blu-
mengruss," vorgetragen von den Fräul. Macasy, Clau-
dius und Loos. Sowohl der Männerchor „Czesca wlast"
von Director Skraup, als Mendelssohn 9 s „Wein und
Liebe" und Hiller 9 s Sopransolo mit Männerchor mussten
wiederholt werden. Trefflich gesungen wurde die Solo-
stimme in jenem von Herrn Strakaty, in diesem von
Fräul. Jahnet, deren Stimme höchst erfreulich an Kraft
zugenommen bat, seit wir sie nicht mehr hörten.
Nicht minder sprach ein mehrstimmiges Ave Maria
von Klein, und ein 4fo*art'sehes Offertorium an. Der
grosse Saal der Sophieen -Insel, der sich für die Pro-
duction so colossaler Musik-, zumal Stimmenmassen, vor-
züglich eignet, war ganz voll, Beifall und Anerkennung
einstimmig.
Auch der Cäcilien- Verein hat seine Concerte wie-
der begonnen und das erste mit Weber** bekannter „Ju-
bekantate** eröffnet. Beethovens „Trio in B dur" wurde
von den Herren Deutsch, Mildner und Bühnert trefflich
ausgeführt, und den Schluss bildete Berners Hymne,
Männercbor mit Aecompagnement von Blasinstrumenten«
Auch hier fand sich ein zahlreiches aufmerksames und
Beifall spendendes Publicum ein.
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1844. Decenber. No. 52.
Eis Paar Gastrollen in unterer Oper (die sich das:
„Robe ist die erste Bürgerpflicht!" zum Symbol gewählt
tu haben seheint) n&mlicb : des Herrn Stoffregen vom
herzoglich Nassanisehen Bottheater zu Wiesbaden als
„Brauer von Preston" und der Mad. Krüger -Fürth als
„Norma," gehörten zu den verunglückten, an welchen
das diesjährige Theaterjabr so fruchtbar gewesen ist.
In BetNnts „ Nachtwandlerin '« machte Dem. Emu
Ne Hopstein als Amina ihren ersten theatralischen Ver-
such, und bat, wie es so Mode ist, um Nachsicht, deren
sie eigentlich nicht bedurfte. An diese Amina hat der
Dichter bescheidener Weise gar keine Prätension gestellt,
er war wahrscheinlich froh» dass man von ihm nur
„Worte" verlangte. Donizetti begehrte eine bedeutende
Keblgeläufigkeil, und die Idee, welche weder dieser noch
jener tu erschöpfen im Stande war, forderte eine Pulle
der Poesie, wie sie uns nur die Pixis und Tuczeck voll-
endet *u bieten vermochte. Dem. Hopstein entsprach den
Forderungen des Componisten, wie nicht oft eine Anfän-
gerin, nnd entfaltete eine beträchtliche Zartheit und Ge-
muth, welche dem Ganzen erst seine Geltung geben
kann. Sie erntete reichen Beifall und musste dast „Ei
so komm doch!*' (in italienischer Sprache) wiederholen,
worauf sie noch einmal hervorgerufen wurde. Man kann
ihr bei diesem ersten Versuche mit Zuversicht ein :
„Glückauf!" zurufen. Den Elvin gab Herr Dmncke ziem-
lich matt und prosaisch. Er scheint bei dem Nadori, aber
nicht beim Elvin sich Herrn fVnrda zum Vorbild gewählt
zu haben. Herr Rttnz (Graf Alexis) war sehr bei Stimme.
Mad. Podhorsky gab aus Gefälligkeit die Thema, aber
wir bedauerten , dass sie die Lisa abgegeben hatte , die
an Dem. Kbckert tiberging; doch war diese so rücksichts-
voll gegen das Publicum, ihre Arie auszulassen.
Im Theater in der Rosengasse prodocirte sich einige
Male die nagpmebe Nationahnnsik und Tanzgesellschaft
unter der Direction des Herrn J*k*nn Thüry, von wel-
cher auf dem Anschlagzettel als besondere bemerken«-
werth angeführt wird , dass deren Individuen , aus dem
Stamme Parkas Bibari et Domd, gar nicht musikaüseh
gebildet sind und ohne alle Notenkenntniss sowohl ihre
National- als fremde Mnsikpiecen ausfuhren, was man
auch nur in der Protection fremder Musik, zumal aus
dem höheren Genre, bemerkt haben würde.
Sommerstagtone in Italien.
(Betc*Uss.)
Peneiig (Teatro S. Benedetlo) hatte die Steffaoooe
(Schülerin der Bertinotti), die Lega (hübsche Stimme),
Tenor Prascbini (von Neapel aus bekannt) und den Bas-
sisten Assoni (starke Stimme). Die beiden gegebenen
Opern: Roberto iTEvreux, Norma, nnd die neue Oper
Luis* Strozzi vom Maestro Ronti, mit einer blutarmen,
aber geräuschvollen Musik, machten drei ehrliebe Pias-
co's; die Singrr fanden dann nnd wann Anerkennung,
nnd Freunde liebelten auch den Maestro in der zweiten
nnd dritten Vorstelhing an. Donfeetti's Marino Fallet*
fand sonderbarer Weise mehr Anklang, als die drei vor-
hergehenden.
Udine. Die einst wackere, nun fast fertige Schie-
roui-Nulli, die von den ionischen Inseln zurückgekehrte
Giovanelli - Biava, Tenor Santi nnd Bassist Gorin fanden
ziemlichen Beifall in Mercadante's Bravo, besonders der
Protagonist Santi. In Verdi's Nabueodonosor waren Bas-
sist Gorin nnd die Prima Donna Caspani die Helden der
Oper. Dritte Oper (Benefiz der Caspani) war Meyerbeer's
Roberto il Diavolo, worin die .Guerra als Aljce , Bassist
Gardini als Beltramo wirkten. Die Oper machte auch mit
der neuen Isabella, der Rnsmini-Selera, Glück, un4
wurde im Ganzen niebt übel gegeben.
Görz. Zn derRuamini, Guerra, dem Tenor Santi und
Bassisten Gardini der vorigen Rubrik gesellte sieh noch
die Prima Donna Agostini, und gaben hier den Bravo mit
ziemlichem, den Roberto il Diavolo hingegeo mit dem he*
sten Erfolget.
Triest (Teatro Manronner). Buffo Cambiagg», mit
einem seiner Steckenpferde : Columella (Poldnella), halle
die MontucchieUi, die Gabbi, Tenor Miraglia nnd die Bas-
sisten Maszotti, Pozzesi zur Seite; das Ganz« erntete
aber nur theilweisen Applaus, wegen schon so oft in die-
sen Blättern berichteter Ursachen. Rioct's Eran due or
son Ire, ebenfalls Cambiaggio's Steckenpferd, war weit
glücklicher, als Columella und Doniaetti's nachher gege-
bener Don Pasqaale.
• (Teatro Granne.) Während der Anwesenheit des Kai-
sers nnd der Kaiserin von Österreich im September gab
die Gesellschaft von Ddine (s. d.) Verdi's Nabacoo.
Statistische Uebersiehi <fer Sommeropern in
Italien.
Ungefähr 62 Theater hatten in diesem Sommer Opern
in Italien, wovon auf das Lombardisch - Venetiaoische Kö-
nigreich allein 23, auf den Kirchenstaat 11, auf PieuuuU
und Genua eben so viel, auf Teecana und Lucca 7, aaf s
Königreich Beider Sizilien 7, auf Parma und Modena 3
kommen.
Sieben neue Opern wurden componirt : vier zu Nea-
pel (La Campana Savojerda, Lo Zio Battista, Assedio di
Costanlina, Mis Baba), zu Florenz, Venedig, Mailand
überall eine <Mignoo6 Fanfan, Luisa Slroszi, Sardana-
palo).
Zwei neue Maestri sind entstanden (Beavpuis* Gia-
fuinte).
Aallere Opern wurden gegdhea, von:
Donizetä anf 32 Theatern: Geauna di Vergy, Figlia
dei Beggimenle, jede auf 6$ Linea, Maria di Roban, ßo*
berto diEvreux, jedeanf 4; Lncrasia ftargia, Eliair, Ma-
rino FaHero, jede auf 2? Lucia und ßelrsario, jede auf 2;
Jna di Geloonda 9 Fnrioao, Tcraunfo, A*na Bolen*,
Don Ptsquale, Ajo, Befthr, jede auf 1.
Verdi «f 12: firaani auf 8; NalNneco an/ 6.
Bet/tm auf 8: Ptaritant ani 4; Henna e*d Beatrice,
jede auf 2.
Rossini auf 7: lerhiete ml 6; Mose und kaüana
in AJgeri, jede mrf 1.
R*cvi(Lu$gi)*vrt7: Scartmvccia4; Ghiara, CapecU,
Ksertore» jede auf 1.
Ricci (F*L) aaf 2: Pxigiaae di Ettnbwge.
881
1844. DepamJw, J*o. $),
4f«W<t*/* auf 6; Bravo «Bf 3* Nprmauni auf 2 4
Gforamantn auf l r
Fioravanti (Sohn) auf 6 : Columella (Pulcipella),
Fioravanti (Vater) auf 1 : Cantatrici villane.
Mayerbeer auf 4 : Roberto il Diavplo auf 3 $ Ugo-
Mti auf 1.
Principe Poniatowthy auf 2 : Bonifazio ; Don Desjderio.
Coppola, Mabellini* Nicolai, Pacim, Rom n. A.,
jeder aof t (Giovenn* \. % Conte LavegM* TempUrio, Fir
dansata Corsa, Falsi monetarj) q. s, w.
Kurzgefaßte neueste Nachrichten der italie*
nischen Opern. s f w. ausserhalb Italiens.
Algier. Mitten im Kriegsgetümmel gegen Marocco
tariomnhirte die Lucrezia Borgia del oelebre cavaliere Do-
ntzetti , iu ihr die Griffiai » Tenor Pozzplinj und Bassifft
Bighini. Marino Faliero desselben Maestro niissglücktp
zur Hälfte, weil weder Herr Righini di? Titelrolle , npcfr
Herr Bisi jene des Israele gut vorzutragen vermochten.
Etwas besser ging der Belisario; die Griffiai war jeder-
zeit der Liebling des Auditoriums oud machte scblässlieh
in der Gemme di Vergy ,-«- also vier Donizelti'sche Opern —
einen wahren Furore.
Am 27. August nahmen sämmüicjie Virtuos! yoa
hier Abschied und überliessen das Theater der französischen
Scbauspielertruppe. Nach geendigtem Voralellungscursus
gaben sie von Orao nach Coostantioe, um das dasige
neuerbenteTbeajer mit der italienischen Oper zu ipatalliren.
ßareellona, Während die Coileonj und Tenor Verr
ger, zwei längst fertige Sänger, iu Mercadante's gesang-
loaem , dicht von Been und Kreuzen bewachsenem Begr
gente «af dem grossen Theater die Zuhörer beglückten,
trugen auf dem neuen Theater die Di Fraueo, Tenor Cagr
fiati und Bassist Meini in der Lucia die Palme davon.
d Doaizetti's am 20. Juli zum /ersten Male gegebener
Linda di Cfaamouaix sang die Colleoni, Verger nebst dem
Bassisten Sopercbi und MaMeo (Letzterei 1 zum ersten Male
£* ßuffopartie des MaraheseJ. Zum Geburtsfeste der Kö*
nigin Christina ga^ man Verdi's Nabecodonoaor, worin
sich die Geggt Ehre machte, so wie auf dem neuen Thea-
ter die Boldrini in Douizetti's -Roberto d'Evreux, und die
Brambilla (Ginseppina) in dessen Figüa de} jReggimento.
Um die HälÄe September debulirte die Viale tfi Bicci'a
(fei.) Corrado d'Altamwra , welche Olper diesmal (etwas
mehr anzog, ata vormals.
N£. eo eben verlautet, die italienische Oper «PÜ$
auf dem Teaftco Nuovo, nach Andern hier ganz eingehen.
Nächstens ein Mehrere«.
BuckereeL Das eben jetzt neu zu erhauende The^r
ter wind «rat 1846 eröffnet; ,di* Vorstellungen wer-
den (einstweilen im alten fortgesetzt ttie von Mailand
hierher «gebildete italienische SKitgergesellsGbeft sj*d : die
Prime Donne Carl und Wanderer, die Comprimaria. Lqg\)>
die Xenon fiiecardi, Lenzoni und Fflrnaw, die JBayseisten
Sanli und Berlendis, Buffo Hilarejt. OrcbesU^dipästor gud
enster Violinist Harr Wiest.
> Lima (Peru). Nachdem die Cpiradi-Iiffitanelli, jdje
Besai» Tanor Zambaili und Inasist Ferrelti hier in meh-
reren Oper» vqn Dpnizetti , Bossini und Beilifu Bntbnr
siaßmUß erregt, sind sie nach fon Yago (Cfcli) abgereist,
um auch hier ihre Virtuosität zp zeigen. YftP da, aip mr
hqn sie nach Valparaiso, wo ein Italiener» Nameps Pae^r
tro Alessandri, ein neues Theater erbaut, jrorift Ende
September die, italienisphe Oppr ihren feierlichen Ejiuzqg
halten wird.
tiWafon, Der neue Teqor Tambe.r|ic^ *«« Neapel
machte, hier Glijck in Donizetti's Gemma di Vergy.
Madrid. Der reiche Banqnier Salamanca, von dem
man sich den höchsten Glanz, der ilalienipchep Oner ver-
sprach, hat die Impresa, davon, wegen |i()er^änfter ^ r
tjerer Geschäfte, aufgegeben; die festen länger warep
auch vpn hier bereits abgereist; dje Bas^p-BoriQ qn^
Salvatori nach Mailand, Tenor Upajiue naph Pe^raburg,
Es beisst auch, die beiden Theater <je la Cr^z ^pd dej
Principe sollep ganz piqgehen, dafijr eines der grossen
Theater Buropa s neu erbaut werden. Auf (jem Jcatro
del Circo wurde die Parisioa mit der Gari^oldi, dem Te
por Conforliui und Bassisten Spech foftgegebjon.
JyVßsedio di Messina, neue Opera seria, von ßemp
Espip, Bedacteur der hiesigen Iberia musjcal, wurde be-
reits einstudjrt, aber nicht gegeben f weil benannter Te-
nor Unanue erkraqkte und nach hergestellter ^fupdheit.
wie oben bemerkt, nach Petersburg abging.
Die von Mailand aus neuenga^irten Sänger sjjid : dje
Prima Donna Ober(mever) 4 Tenöre Bettini und Panjin^
Bassist torre; die oberwähnte (Mailäpderin) Garibold^
wurde zum dritten Male bis zur Faste 1845 beibehalten.
Der 77. Nummer dar Ibefia niusical votp 26. Sepr
lemher zu Folge sollte nächstens in dieser Hauptsjadt Mo-
/art's Requiem mit der grössten Feierlichkeit für dje E^e r
quiep des jungen Herzogs von Opuna aufgeführt Verden.
Odessa. Rossini's Barbiere di j$iviglfa hatte ^|n der
SeccirCprsi eine „persönlich" imponiren<|e? aber gut sin r
gende Rosina. Scalese war ein wackerer Figaro, nujl
Fiori ein nicht ,übkr Don Basiljp, Gr^ziani ein bravef
Don Bartolo, Bamoni ein ziemlich guter Almayiva. Ein
hiesiges Blatt machte dabei fplgende Bemerkung: ?f G^
es ein Land, wo alle Opern gefallen? Die Jahrbücher 'des
musikalischen JBuropa'ß zeigen f dass der £ ule * halbe Ef r
folg und Fiasco sich verhalten: in Peutschland wie 1 :
3 : 5, in Italien wie 1:5:9, in Frankreich wie 1 ( : f\
15$ hier in Odessa ist die Formel Z : 2 z \ oder, i : o :
1 oder noch besser 0:4:1; letztere Ziffer »} die be-
ständigste."' — Iu derNorma und Saffo waren die i%cci f
Tenor VMali ,un4 der sp y'}t\& Jahr|e ^er^nwpsende Ras-
sist Marioi (Giuseppe) die Gefeiörtesjleng im (äpluipeija
(Pulcinella) Heir Scalese und seine Tochter.
Palma (Insel Mallorca). Die im Jujti geeebene Lucja
idi Lammermoor war ein i^iegesfeld für die Bffancini-Mola.
Tenor Berlolasi und Bassisten ßerini. In Nicolais Tem-
plario, in welchem die Aguüo die Rebecca machte, zeich-
nete ^ich kmt4<x$ tV Ba|W*t B^ftom als ^rjfpp ans.
Im .Sjepfcmbqr ffb wo «och 0eUjyw> PffWlan» «*f ffWfr
\ip\tem Mim*
^nienjfer. Während d«r B*de»^ «P ß°m.e* WJffr
fa& j^r : einige Op.erp mit ni^br ,^r «pnigef tflfck**-
geheu ; ^) l'prjpac, yoj^ Poj^ zntt^ qiit ,dem ^h^a^r ft
Tenqr Bqrc^l und hmftK-Sm. f ,s ^«Jffl¥^ ?>
885
1844. Dezember. No. 82.
884
rino Paliero , von* demselben , mit benanntem Ehepaare,
Tenor Devesa, und Bassisten Obiols als Israele. 3) und
4) Elisir d'amore end Chiara di Rosenberg, mit demsel-
ben, in letzterer jedoeb Porcel anstatt Devesä. 5) Im
Searamuccia sang die Mas -Porcel. 6) Im Torquato eben-
dieselbe mit Gerli's Triumph in der Titelrolle. 7) II Pe-
lagio, vom nur gedachten Bassisten Gerli.
Berichtigungen. Seite 100 Z. 39 Bajetti Impresario, lies:
iweiter Husikdireetor. S. 312 Z. 39 flfpero, lies: Lneifero.
Görlitz. Am 6. November, als am Todestage Gustav
Adolphs, wurde zum Besten der Gustav- Adolph -Stiftung
die Schöpfung von Haydn in der Nicolaikirche von dem
hiesigen Gesangvereine unter Direction seines um wahre
Kunst hochverdienten Directors, des Musikdirectors Herrn
Rlingenberg in einer Vollendung, wie wir es nach allen
vorangegangenen Leistungen mit Bestimmtheit erwarten
durften, aufgeführt. Was Haydn gedacht, ward uns hier
zum klarsten Verständnisse gebracht 5 denn Sänger, Orche-
ster und Dirigent hatten sich mit der ewig lebensfriseben
Compositum vollkommen identificirt, und die Wirkung
war durch treue und künstlerische Darlegung des Origi-
nals eine in allen Theilen grossartige zu nenuen. Fräul.
Emma Babnigg, deren ausgezeichnete Leistungen wir
früher schon in einem Concerte von M. A. Russo, wel-
ches sie eben so freundlich, unterstützte, zu bewundern
Gelegenheit halten, ergötzte uns durch den Schmelz ihrer
reizenden und glänzend geschulten Stimme. Vollendete
Technik, geistreiche Auffassung, tiefes Verständniss, see-
lenvoller Vortrag sind Fräul. E. Babnigg $ auszeich-
nende Eigenschaften, welche sie auf eine bedeutende
Höhe der Kunstbildung stellen. Inniger Dank sei dieser
zugleich höchst ansprucblosen Künstlerin aus ganzer Seele
dargebracht. Herr Stadtschreiber Blume aus Löban er-
freute uns als (Jriel wiederum, wie 1842 beim Paulus,
durch die innige Wärme seines lebendigen und correcten
Vortrags, und Herr Concerlsänger Nentwig aus Breslau
entwickelte eine in allen Lagen schöne Bassstimme, und
führte die Partie des Raphael und Adam mit Festigkeit
aus. Herzlichen Dank allen Denjenigen, welche dieses
Mnsikfest zu verherrlichen kamen ! Eine festliche Abend-
musik und ein am folgenden Tage von der hiesigen Frei-
maurerloge den fremden Künstlern, worunter sich auch
der um die Auffuhrung sehr verdiente königl. sächs. Hof-
violoncellist Herr Schlick befand, gegebenes Abendessen
beschloss als Anerkennung so herrlicher Leistungen dies
seltene and hoffentlich recht bald in ähnlicher Weise zu
wiederholende. Fest. Ihm aber, der seine zahlreichen
Kunstgefabrteh (350) zu solcher Darstellung zu begei-
stern wusste und mit ihnen so herrliches leistete, unse-
rem wackeren Klingenberg unseren freudigsten Dank!
Leipzig, den 21. December 1844. Zehntes Abonne*
mentconcert, Donnerstag, den 19. December. Ouvertüre
„Die Hebriden" von F. Mendelssohn Bartholdy. — Re»
citativ und Arie aus der „ Schöpfung " von J. ffaydn,
gesungen von Miss btocoln. — Introduction et Allegro
appassionato für das Pianofprte, componirt und vorgetra-
gen von Herrn J. Rudolph Schachner aus Wien. —
Scene und Arie aas „ It Croeiato" von Meyer beer, ge-
sungen von Miss Lincoln. — Symphonie von Nils #r.
Gade (No. 1, C moll).
Die Mendefssohn'stbe Ouvertüre „Die Hebriden"
oder „Die Fingatshöhle •• ist die ernsteste und düsterste
unter den vier Ouvertüren, in denen der Componist nach
der jeder einzelnen von ihnen gegebenen Ueberschrift
verschiedene' meisterhafte Tongemälde geliefert hat ; sie
ist wohl ohne Zweifel aber auch die cbaraotervoliste, ob*
gleich sie nicht sowohl Handlangen und Ereignisse, noch
weniger den Inhalt eines dramatischen Stückes (wie dies
bei der zum „ Sommernacbtstraum " der Fall ist) schil-
dert, sondern vielmehr nur ein wahres Natarbild liefert.
Man sieht fast dea grauen nordischen Himmel über sich,
hört das Brausen des Meeres, den Wiederhall des Stur-
mes und des Wellenschlages in der wunderbaren Höhle,
das Flattern und Schrillen der Möven; man fühlt sieh
mit einem Worte in eine mit fremdartigen Reizen reich
ausgestattete Meerlandscbaft versetzt und staunt die Wnu-
der der Natur so lebhaft an, als wenn man sie vor Au-
gen bitte. Dass der Hörer in einen solchen Grad der Il-
lusion versetzt wird, spricht schon hinreichend für das
in jeder Rücksicht wahrhaft ausgezeichnete Werk, und
erklären wir selbiges unbedenklich für eines der schön-
sten des Meisters, wenn es auch von geringerem Um-
fange ist, als manches andere desselben. Die Ausführung
war ladellos.
Der Gesang der Miss Lincoln wjr dieses Mal weit
weniger durch Befangenheit gehemmt, als bei ihrem er-
sten Auftreten, und schon ziemlich frei. An dem Cba-
racter der Stimme erkennt man die grosse Jugend der
Saugerin; die erstere ist noch nicht völlig reif, sie kann
ihre natürliche Frische noch nicht gehörig entfalten ; und
doch schienen mehrere Töne, vorzüglich die mittleren,
schon jetzt durch Verwöhnung sehr beeinträchtigt zu
werden; sie haben etwas Nasales, was gewiss nicht in
dem Organe selbst, sondern einsig und allein in einer
fehlerhaften Tönbildung seinen Grund hat. Darum möge
sich Miss Lincoln dringend anempfohlen sein lassen, in
dieser Besiehung recht achtsam auf sich zu sein und Al-
les aufzubieten, um dieser Angewohnheit rechtzeitig ent-
gegenzuarbeiten , bevor ihre gans ausgebildete Stimme
sieb dicht mehr gebieten liest. Abgerechnet eine etwas
zu grosse Ruhe, welche übrigens bei den nns bekannt
gewordenen . Sängerinnen aus England mebr oder weni-
ger immer zu bemerken gewesen ist, war der Vortrag
beider Arien lobenswerth; iu der von Meyerbeer gelan-
gen die vielfachen und siemlich schweren Coloraturen
recht gut, wenn man ihnen auch das Eingelernte noch
etwas auhörle. Ist es, wie wir nicht zweifeln, Miss Lin-
coln ernstlich um ihre künstlerische Ausbildung su tbun,
so wird sie gewiss in nicht su langer Zeit etwas Tüch-
tiges leisten, und soll es uns sur wahrhaften Freude ge-
reiche*', wenn wir von ihrem Fortschreiten Zeuge sind
und dasselbe attestiren köonen.
Wenn Wien einen jungen Glavierspieler auf Runst-
reisen und in die Welt sendet, da ist man dorch den
Vorgang eines Lust, Thalberg ', L. v. Meyer n. s. w.
gewöhnlich zu der Präsumtion versucht , es müsse wie-
der ein Salon virtuos im wahren Sinne des Wortes» ein
885
1844. December. No. 52.
886
TaaseadkSlisiler zum Vnwebetti kommen, der durekneae
Leistungen alle früheren Rivale zu verdunkeln strebt und
für die nächste Zeit den Preis in Anspruch nimmt. Bei
Herrn Schachner ist das Letzlere nicht der Fall. Wir
sind jedoch weit entfernt, ihm deshalb eine niedere Stelle
unter der grossen Menge von Pianisten anweisen zu wol-
len, freuen uns vielmehr, dass er Moses Imponiren nicht
su bezwecken scheint; bei solider technischer Bildung
bekundet er auch im Vortrage eine ernstere Richtung
seines Geschmackes, und selbst die Compqsition, die wir
hörten, war, wenn wir sie auch nicht gerade originell,
geistvoll und phantasiereich zu nennen vermögen, doch
interessant und zum Theil von guter Wirkung, und eben
durchaus anderer Gattung, als ein Virtuos schreibt, der
blos sich hören lassen will. Herr Schachner fand bei-
fällige Aufnahme.
Ueber die treuliche Symphonie in Cmoll des derma-
ligen Dirigenten unserer Abonnementconcerte, des Herrn
JYiels fV. Gade aus Copenhagen, und über den ausge-
zeichneten Erfolg, welcher vor einigen Jahren gleich de-
ren erste Aufführung begleitete, haben diese Blätter be-
reits früher ausführlicher berichtet. Der uns damals noch
ganz unbekannte junge Componist hat sich mit diesem
Werke schnell und sicher die Gunst des hiesigen Publicums
io hohem Grade erworben, und dasselbe ist mit jeder Wie-
derholung immer mehr und mehr ein Lieblingsmusikstück
des Letzteren geworden. Die Composition ist in der Tbat
so eigentümlich, bei aller Einfachheit so höchst originell,
dass sie gewiss überall die verdiente Anerkennung fin-
den wird, wie wir denn auch schon von ihrer günstigen
Aufnahme in Cassel in dem diesjährigen Jahrgange die-
ser Zeitung gern gelesen haben. Die Motive und die Be-
handlung der musikalischen Gedanken treten uns eben
anders und in einem neueren Gewände entgegen, als bei
anderen Gomponisten; Gade hascht nicht nach Effecten,
und doch trifft er sie ungesucht und um so sicherer;
die ganze Musik hat einen, um uns des Ausdrucks zu
bedienen, ursprünglichen Character, sie ist wie ein aus
Stein gehauenes Standbild , so fest , gediegen und gross-
artig , und dabei doch von einer inneren Wärme durch-
drungen, die sie dem Laien vorzugsweise zugänglich
macht und lieb gewinnen lässt. Kurz, es ist ein Werk,
dem eine längere Dauer vorauszusagen ist, als manchem
anderen dieser Gattung aus der neueren Zeit. — Unter
der tüchtigen Leitung des Gomponisten führte das Orche-
ster, unseren verdienten Concertmeister David an der
Spitze , die Symphonie meisterhaft aus , und nach jedem
Satze wurde dem Schöpfer derselben reicher Beifall, am
Schlüsse aber einstimmiger Hervorruf zu Theil. L. Ä.
L«P*ig> >n i 22. December 1844. Gestern früh
starb hier wenige Stunden nach einem Schlagflusse, der
ihn wahrend der Vorstellung im hiesigen Theiter am vor-
hergegangenen Aiend getroffen hatte, der Buch - und Mu-
sikalienhändler Cirl Friedrich Kistner, Mitglied und Cas-
sirer der Bucjhaadlerdeputation , Mitglied des Concertdi-
rectonums uri Mitdirector des hiesigen Conservatoriums
der Musik, trauert von seinen zahlreichen Freunden,
im noch mofa vollendeten 49. Lehensjahre.
Zum Titelkupfer.
Di« ' Lör der allgemeinen musikalischen Zeitung er-
baten hier!, das Portrait Chopins, nach einem
Relief vonBow in Paris. Eine biographische Notiz,
welche mcl zeitig genug erlangt werden konnte, um
in dieses Sk* der Zeitung aufgenommen zu werde»,
soll spater acbfolgen. «««w,
Feuilleton.
c a N ?# Ch - C J r S,a, h tik d « deutschen Theaters, welche Louü
fÄT.t , & Q ° rdd ?^ ben n ZeitSchrm fdr Th " 1 " ««inmeT
» m fn' J - Ct , Zt ,n ?«* l » ch ^ HS deutsche Theater,
mit 147 ^.jo-Opensten, Dämlich 89 Säugern und 58 S.W
rinnen. D.^.hl der Orchestermitglieder an diesen sammUichw
£ fl 11 a 2 ° 8 K • ^ ■•"*«*•■• Ehester hat Beriin lu
95, dann fo das Karntbnerthortbeater in Wien mit 77 - da.
kleinste ist k in Marburg mit \% Mitgliedern.
j» r?^ 1 ! 1 "^ 6 Ve £ iB zor B « fö rderang der Tonkunst hat
SpontiUt den däniseheo Danefrrogi - Orden erhalten. Die
S^nha" 1 ?*" *"** Allff5hn,D * scincp VesUl« in
i« .I^ Bei r?Hl c m ~ l Anfan & Nov «"»»«* ein von dem dasieen
Musikd recd/iz/fe* Schneider errichtetes fnstitnt für Opern^!
sang in s Li treten Nach dem Prospectus ist der Zweck/die
Mitglieder ,kren und Damen, durch Ausführung grosser Opern
im Solo- uBnsemblegesang auszubilden. Die erste Oper, welche
tUm h "" Mta ahnliches Institut fiir Kirchenmusik errichtet.
KU
Die
mann Eng
Haus" eine dene
In Loi
von Preussen hat dem Componisjten David Her-
'{ir Dedieation des „ Choralbuches für Kirche und
Denkmünze mit ihrem Bildnisse verliehen.
j «schienen vier musikalische Zeitschriften: The
Maestro; Inosical world ; The.musical Ksaminer: The drama-
tie and mi \ Review. Die erstgenannte ist jedoch unlängst
auch viern» liefern Bestehen, wieder eingegangen.
Ankündlgan
=
In allen Buchhandlungen ist zu haben :
•¥• G. Qlrbert'ft) kleine theoretisch -practif che
Tonschule
oder die wichtigsten Regeln der tdnsetakunst in ihrer Anwendung
in zahlreichen Beispielen und Aufgaben. Bin Lehrbuch zunicket
für Praparanden- Anstalten, Im weichen Jtngünge für die höhere
g [ich
Musik
ftr nfed£lassen in
den
gestattet
Währshi
MmaOi hat!
Sei terricht
6ra zen
Ha
und tüchtig vorbereitet werden selten, se> wie
— in Seminarien $ aber auch für Dilettanten
in möglichst geordneter Stufenfolge nach
der berühmtesten Tonlehrer. Gr. 4. schon aus-
r, Voigt. U Thlr. oder* Fl 9 Kr.
sine» vieljihrigen Unterrichts in der Theorie der
Herr Verfasser Gelegenheit, die Methode» Eigen».
1844. • December* No. tfB.
888
i*k\uA beeflittt steh w* iVnoendiiuren mit kfr»ett»i Andentannen.
Jede* ft. «Ci) •*»«**, *J *• ?« ^»« EAiitcr^ diepy.
den BcUpiele »«d S) «£ P*&fet«n ihrer richuffin Auff..s«in|r <he
Aute-bci darüber fii den Schüler, dergestalt, Ass dieser, um *
+2H£a* tfeit ». Werden, sie ^*^^te£--Ä
«ob. dfc.es Werk dem* Lehrern* *«<** U»*e Le* <** die hbkm
Musik vorzubereiten habe«, die wesentlichsten Dieste leisten.
In der T. »»ÄlitwetaiVnen Buch'- unöMiisikalienhand-
W («T. Gvtomfiy) in Berlin sind so eben ersehnen:
Op. 4. *w Homonc« »our te rioto* ton lolöneeifo) ovec
mceomfcagtoement ** Piano. Preis 20 Sgr.
C^ltlVrftUttnn, « k , Op. 9 I**«. »■*« »**• !»«r «*-
noforte a 2 mains. Preis 22* Sgr.
Op. il. Seine de bal, Rondo brill. pouPianoforte a 2
mains. Preis 90 Sgr.
Ende dieses Monati verlassen die Preaae:
Weber, Carl Mmrks V., OriamdwOter ir PianofoHe a
2 mains.
Derselbe a 4 mains.
_ Derselbe in Orcbesterstinmeo.
Uteffetalll? Öp. *• Fantasie über ein Themaus der Operi
Lud* di Lammermoor für Violine mit Orcheste ,
'Baaseibe für Violine mit Pianoforte.
'Kult»*!. *H., Op. 22. £* gazelle. Piece ca«. ponr Piano-
forle 42 mains. Preis 20 Sgr.
Taubert, ^l 7 ., Op. 61. Sävana. Fianofc-Solö. Pre*s
22* Sgr.
Im Verlage Ton Ed. Bote dB €U Bmelto Berlin ,e«-
echienen so eben die »*iie#*«t Composüioncn tob
C1I. Fort*
£W fieur pour mi. Romanie für Piano. Op. 83 Pr. 12* Sgl.
TarmdeJfc für Piano. Op. 58. Preis 15 Sgr.
ffer jLfofcr für eine Siagstimmc mit Piano. Op. K Pr. 15 Sgr.
Gebet der JJebe. Gesang für eine tiefere weiblfe Stimme mit
- — 0|p. 48\ Preis 10 Sgr.
Piano.
Allgemeinen Beimll gewannen der schönen Mnüeen und der
leichte) Ausführbarkeit halber: . .
'Kffcelieil's 7 leichte Lieder mit Piano. Op. I 25 Sgr.
Hoft. fttyp! SpfanKed und Wiegenlied der lia Helena ge-
böten su ttfiefte» 1 * anttftflhigsten Gesftiifeen. No. 4*d 6 sind MN&
swelstimmig rittttfifojirea.
von FallenVban aaift Piano. Op.
Otto
160.
RviBmjtyer'fl 7
Speekter und H
47i Sgr.
JPfmsertm'» Leichte und fortschreitende Solfeggien mit Beglei-
tung des Piano. 6 Lieferangen. Sabscriplions - Prell h 20 Sgr.
— 50 Solfeggien für % Stimmen mit Begleitung des Piano. 4
Lieferungen a i| 1%rlv.
Beide Werke sind Im konigl. Pariser Gonsertntorlnni und in
4«n ZVormalsehnten ffVankrekhs emgefilhrt; sie Sektionen sieh dam
nHbckannten Ar den ersten Glasier- nnd;GeBanganttrrical unge-
mein brauchbaren musikalischen JB C von Panseron an.
Berlin, fteMefllamseiysche Bach- and Mnsikalienhnndlnng.
Bei B. «ehotT« Semltf3H in Malm erscheint mit Bi-
genthomsrecht :
Alkali^ C. V., Le preux, etnde de eoneert. Op. 17.
Le chemin de fer, etnde. Op. 27.
Ar tot* JL* Gratide Pantakie snr lVfmne mat. rsuse, nvee acc.
de Piano. . Qf. ii. . . ^ .«
Rondo JiriÜant avec acc. d*orcheatre on de piano. Op. ix.
Variations concertantes pour Chant et Violon aVeC acc. de
Piano. Op. 17.
Grande Fantawi« de eoneert arver acc dforeheafee oa de
piano. Op. 46.
Romance.de Field, transcrite avec^nec. de piano. Op. 20.
BurgmAller, FrtSd., 6 Moreeaux brillants et faeiles. Op«
89. No. I. Rondino sur la Polka fsvorite. No. 2. Tyroliewne
variee. No. 8. L'orage, Paotaisie. No. 4. Valae beillnnt«, No.
5. La cnoeheMs, Gnlop. No. 6. Gopriee en aonsne d'etnde.
< — Nonrelle mazonrka.
Dreyselioeli, A*, L*inqnietnde, morecan de concert. Op. M.
Fontaine^ A; 5 grands duos conc. pour 2 tiolons. Op. 32.
12 Rindes ponr Violon a?e% ace. de Piano. Op. 55.
- - Ä 142. No. i.
a
^ mi% 9 Le sneeos de salon , »* «nite.
Variations adr «n Gavatiae de Vaecai. No. 2. Variation« et
marche sqr un thlme de Beethoven. No. 5. Les Ramiera, 2 val-
ses de Lanner variees.
_ ^ -&* gg^te. 0)1. 145. No. 4. Maaonrlkn fsrorita. No. 2.
La Margtierite, ntelodie orlgtlinle. No. 5. lanantdk h tü lnnU .
-*- w. Lntine, valso briüante^ Op. 144.
Lemoilie, H t JTulle, Valse brillante. Op. 46.
Iilszt. f., Foribolo partom, chaniton transcrite.
Le etanson du Bearn, transcrite.
l^riltletit, ft\, « Rtodes de gönn». Op. 46.
-~ — Grande Fattjtaieie stur Normn. Op. 17. , (
Rosellen, tt^ Grande Fantaisie i 4 mains snr Othello.
ROMini, tt., La foi, Tespcrance et la charite, 5 choeuVs ponr
voTt de femmes. '
gKorl, €., Variations snr an naUtit du Phrnte psar Violon
•vee ace» de Piano. Op. 4.
4 Masourka* nationales.
4 Mas'ourkas originales.
2* Ballade. Op. HO,
< La Priere, Noetnrne. Op. Hl
»le Allgemeine Musikalische Zeiting
wird mit Neujahr 1845 ihreu 4 7 st V Jahrgang beginnen und wie bisher die. wichtigsten Gegen-
stände des Musiklebens besprechen. Ihr Preis bleibt unverändert S'/a Thaler für den Jahrgang
von 32 Nummern nebst Beilagen un* Register. Die ftasertionsgetiühren betragen lV^Ngr. für die
gespaltene Petitzeile. Die Allgemeint Musikalische Zeitung ist durch alle Postämter und Buehhand-
itgtii zu beuehen. Geeignete ßeiüige werden von der Redactjon gern angenommen uad von der
unterzeichnttäi Verfagshandlutig anstadig honorirt.
Leipfeig, im 10. Dtjcember 1841 Breithopf & MMrteM.
Dl^ock asW Verlag voq Breitkojf tmd Bürtel in l^Aftif «ad nater daneii Vaataatwarüiebkeit.
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