Skip to main content

Full text of "Allgemeine Realencyclopädie oder Conversationslexicon für das katholische Deutschland"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
at google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google. comldurchsuchen. 














ua 











ll. 


— 


RER N TE 


f — 3 
a 


Allgemeine 
lealeucy — 
* na | 


Converfationslericon 


für das 


katholiſche Deutſchland. 


ode 





Bearbeitet 
von einem Vereine 
katholiſcher Gelehrten 
und heraußgegeben * 
von 2 . 
Dr. Wilhelm Binder. 


a 


., x 





Behhter Band. 
Tenedos — Bwolle. 





Berlag von Dres yore Many 


m 


u. 


THE NEW YORK 
POBLIC LIBKARY 





Allgemeine 
Bealeucy BED 
i ode a | 


Eonverfationslericon 


für das 


katholiſche Deutſchland. 





Bearbeitet 
von einem Vereine 
Batholifher Gelehrten 
und heraußgegeben 
von 2 . 
Dr. Wilhelm Binder. 


ad v 


”, 4 





Behhter Sand. 
Tenedos — Bwolke. 





Begensburg, 1849. 
Berlag von © Zoſeyb Manz. 
mn 











Nachwort. 


Unfere beiden Supplement» Bände (von denen bie zwei erſten Hefi 
ebenfalls bereitö ausgegeben find) enthalten das Wehlende und führe 
die behandelten Gegenftänve bis auf ven neueſten Standpunft fort; dı 
Vollendung der Form aber muß freilid fpäterer Zeit vorbehalten bleiben 

Trete denn nun das beendigte Werk, mit feinem Guten wie Mangel 
haften, hinaus in die Fatholifhe Welt veuticher Zunge! Wenn un 
nur das Zeugniß nicht verfagt wird, daß wir zur Förderung der Sad 
unferer heiligen Kirche und Acht chriftlicher Wiſſenſchaft einige brauchbar 
Baufteine geliefert Haben: dann werben auch Belehrungen da, wo mir i 
ber Wahl der Mittel zu unferem Zwecke geirrt haben, wo unfere Kräfi 
geringer al3 unfer Borfat erfunden worden find, wo Madel und Unvoll 
kommenheiten fich zeigen, von und mit Freuden angenommen und für di 

Zufunft geiviffenhaft benüßt werben. 


Augsburg und Regensburg, ben 18. Auguft 1849. 


Hebaction und Verlagshandlung. 
Dr. W. Sinder. ®. I. Manz. 


T. 


Tenedos, (jetzt Bogdſcha⸗Adaſſi, zum türkiſchen Ejalet Dſcheſair gehörig), 
eine Inſel an der Küſte von Troas im ägeiſchen Meere mit einem Tempel des 
Apollo, war fletd der Schlüffel des Hellefpont und erlangte ſchon in der Ber 
lagerung von Troja hohen Ruhm, indem die Griechen bier ihre Klotte verbargen 
und fo die Trojaner glauben machten, fie wären mit derfelden abgezogen. Bes 
rühmt waren im Alterthume die Töpferwaaren von T. und noch jetzt der dortige 
Musfatellerwein, womit die 7000. Einwohner ver Hauptfladt Tinedo beträchtlichen 
Handel treiben. Hier 1807 Seefleg der Ruffen über die Türken und der Griechen 
11. November 1822. 

Teneriffa, die größte und bewölferifte der canarifchen Infeln, im atlantifchen 
Meere, liegt beinahe in der Mitte diefes Inſelhaufens, zwiſchen den Inſeln 
Canaria und Gomera, hat einen Klächenraum von 62 Meilen und 120,000 
Einwohnern, meiftens fpanifchen Urfprunge. Die Infel tft ziemlich fruchtbar u. 
reich, hat ein mildes, angenehmes und gefundes Klima, eine trodene reine Luft 
und ſchöne malerifche, reizende und ungemein fruchtbare Gegenden, befonders auf 
der Nordſeite. Ste ift durch unterirbifches Feuer entftanden, beinahe ganz bergig ; 
große Bergrüden, wovon einige einen großen Theil des Jahres hindurdy mit 
Schnee bededt find, ziehen fich in Berfhiebenen Reiben bin; meiftend nadte, 
gräuliche, fteile Felfenberge erheben fich biß gegen die Wolfen und über alle 
ragt der berühmte Spigberg (Pic de Teyde, 11,424 Fuß) hervor. Der Boden 
wird durch mehre, meiftend unbedeutende, Küftenflüßchen bewäſſert. Die vorzüg- 
lichſten Erzeugniffe find: fFöftlicher Wein von verfchlevdenen Arten und in ztems 
liher Menge, Weizen, Mais, Zuderrohr, Bohnen, Kartoffeln, vortreffliches Obſt, 
Färbermoos und viele andere nugbare Pflanzen. Die Viehzucht if ziemlich gut; 
die Einwohner treiben fehr ftarfen Handel. Die Dftinvienfahrer pflegen bier 
gewöhnlich anzulegen, um Erfrifchungen einzunehmen. Diele Einwohner wandern 
jährlih aus. Die Hauptftadt iſt Santa Eruz, mit 9000 Einwohnern, Stk 
des Gouverneurs und der Haupthafen der canarlichen Infeln. 

Zenierd, DBater und Sohn, zwei berühmte niederlänvifche Maler. 1) T., 
David, der Heltere, geboren zu Antwerpen 1582, lernte bei B. P. Rubens u. 
arbeitete 10 Jahre zu Rom unter N. Elzheimer. Er war der Erfinder feiner 
eigenen Manier in Heinen Gemälden von vielen Figuren, welche Vergnügen und 
Sreude mit ungemein viel Gefchmad und Wahrheit vorftelen, ald: Trink! 
fhaften, Dorfjefte, Wadtftuben c. Sein Tod erfolgte zu Antwerpen ASAI. Ihm 
übertraf no fein Sohn 2) 3., David, der Jüngere, geboren zu Ankwernett 

1 


Mealencpclopébie. X. 


2 Tenne — Tenneſſee. 


1610, von feinem Water und ebenfalls in Rubens Schule gebildet. Er malte 
namentlich Bauernfcenen, au Wachtftuben, alchymiftifche Laboratorien, ſowie 
Schlachten und Thierftüde, nicht eben in edler und geiftvoller, aber lebendig maler- 
iſcher Auffaffung, mit leichtem und keckem Pinfel und fchönem Eolorit. Er wurde 
Direktor der Akademie zu Antwerpen und flarb zu Brüflel 1690. Seine fehr 
verbreiteten und gefchäßten Gemälde find in zahlreichen Stichen befannt. _ 

Tenne, |. Scheune. 

Zenneder, Ehriftian Ehrenfried Seyfert von, geboren zu Bräund- 
borf bei Freiberg 1770, hieß eigentlich Seyfert, nahm aber den Ramen v. T. 
von feiner Mutter an, ftudirte in Dresden Thierarznelfunde, warb dann Unters ° 
bereiter an der Akademie in Dresden, trat 1791 als Lieutenant in das neu er 
richtete fächfifche Hufarenregiment ein, nahm 1799 feinen —8 ward ſodann 
koburgiſcher Stallmeiſter, begleitete eine Zeit lange eine Geſellſchaft Kunſtreiter als 
Stallmeiſter, war dann Vorſteher eines Inſtituts der Pferdearzneikunde in Leipzig 
und trieb dort einen ſtarken Pferdehandel. Im Oktober 1806 ward er Direktor 
des füchfifchen MilttärsBuhrweiens, 1810 Hauptmann, 1815 Major, 1817 Dis 
- reftor der Thierarzneifchule in Dresden u. ftarb 1839. Schriften: Der Tafchen- 
ſchmid und Tafchenpferdearzt, aus dem Engliſchen, 12. Aufl. Lpz. 1826; Ber: 
einigte Wiffenfchaften ver Pferdezucht, Mannheim u. Leipzig 1797—1800 , 6 
Hfte.; Der Fahnenſchmid im Kriege, ebd. 1798; Handbuch der praftifchen Heil⸗ 
mittellehre für Noßärzte, ebd. 1799—1800; Taſchenbuch für Pferveliebhaber, ebd. 
1800-1803, 3 Bde.; Der Robarzt, Tübingen 1803—1804, 2 Bde, (6 Thle.); 
Die Hausthiere, Lpz. 1805, 2 Bde; Handbuch der niedern Roßfunft, ebd. 1805; 
Geſchichte eines Racenpferdes, ebd. 1803; Lehrbuch der BVeterinärcdhirurgie, Prag 
1819—21, 3 Bde.; Lebrbuch der Erfenntnig und Hellung bei Berlegungen an 
Pferden, Altenburg 1821; Praktiſches Lehrbuch der Hufbefchlagsfunde, ebv. 1821; 
Lehrbuch der Geſtuͤtewiſſenſchaft, Prag 1820; Unterricht in ber Zäumung, Bes 
fdyirrung und Befpannung der Wagenpferve, Lpz 1831, u. m. a. 

Tennemann, Wilhelm Gottlieb, ein verbienter und mit Recht geachteter 
deutfcher Bbktofoph, geboren 1761 zu Kleinbrembach bei Eıfurt, fludirte auf der 
dortigen Iiniverfität und nachher zu Jena, wo er fih 1788 Habilitirte und 1798 
außerordentlicher Profeffor der Philofopbie wurde. 1804 wurde er als orbent- 
licher Profeſſor nad) Marburg berufen und ftarb dafelbft 1819. Man hat von 
ihm: Lehren und Meinungen der Sofratifer über Unfterblichkeit, Jena 17915; 
Syſtem der platonifchen Philoſophie, Lpz. 1792—95, 4 Bde.; Gefchichte der Phi⸗ 
lofophie, ebd, 1798— 1819, 11 Bde. Cunvollenvet, n. Aufl. von Wendt, ebd. 
1829); Grundriß der Gefchichte der Philofophie, ebd. 1812, 4. Ausg. 1825. 
Veberfegungen: Hume, Unterfuchung über den menschlichen Verftand, Jena 1793; 
Rode, Verſuch über den menſchlichen Verſtand, ebd. 1795—97, 3 Thle.; Deges 
rando, vergleichende Gefchichte der Syfteme der Philofophie, Marburg, 1806 f., 
2 Bode. (. Wagner, Memoria Tennemanni, Marb. 1819, 

Tenneſſee, einer der Sreiftaaten der norbamertfanifihen Unton, mit 1884 [ JM. 
und 840,000 Einwohnern, darunter 184,000 Sklaven, zwiſchen Kentudy, Vir⸗ 
ginia, Nordcarolina, Georgia, Alabama, Miffiffippt, Arkanfad und Miffourt, durch 
das Bumberlandgebirge in Oſt⸗ und Weſt⸗T. getrennt. Im Oſten berrfcht Ge⸗ 
birg&boden, durchbrochen von vielen üppigen Thälern, vor; die Mitte if hügelig, 
aber nicht ohne Fruchtbarkeit, die in dem theils fanft gewellten, theils flachen 
Meften zur Ueppigkeit wird. Die weſtliche Gränze berührt der Miffiffippi; im 
Innern find der Tenneflee und Gumberland die Hauptfiröme. Der Acker⸗ und 
gu antagenbau. die Obſt⸗ und Viehzucht liefern die reichften Ergebniſſe. Dichte 
Waldungen find im Süden und Oſten, mit herrlichen Bauhoͤlzern, Bergen, 

Wild und Geflügel aller Art. Die reichen Mineralfchäpe werben nicht genügend 
ehoben. Die Induſtrie macht fchnelle Hortfchritte.e Der Handel bat an den 
fichiffen einen mächtigen Hebel gefunden. au den Anſiedlern, welche feit 
4765 yon Birginia und Carolina aus fich hier nieberließen, haben ſich Deutfche, 


⸗ 


Tenor — Teplitz. 3 


Schweizer u. Engländer gefelt. Die Baptiften u. Presbyterianer zählen vie mei- 
Ren Anhänger. Es beftehen 5 Golleges, 24 lateiniſche Schulen, 262 Elementar: 
u. Bolköfchulen. Die Legislatur verfammelt fidy in der Haupifladt Raſhville. 
Im Jahre 1842 betrug die Staatseinnahbme 660,338 Dollare, die Staatsauss 
gabe 470,843 Dollars, die Staatefchuld 3,163,515 Dollars. 

Tenor (vom lat. tenor, Inhalt, weil in den alten Motetten der Inhalt des 
Etüds in diefer Stimme vorgetragen feyn fol), die hohe männliche Stimme im 
gewöhnlichen Umfange von c der lleinen Dctave bis g in der eingeftrichenen Oc⸗ 
tave; ald Solo⸗T. aber, oder hoher T., bis a oder b, wohl auch c der einges 
ſtrichenen Octave. Diefe Höhe ift jedoch meiſtens ſchon Falſet, felten Bruft- 
ſtimme und es gehört viele Kunſt dazu, wenn der Sänger den Uebergang in das 
Salfet cf. d.) jo wenig bemerkbar, wie möglich, machen will. Der T. als eine 
der vier Hauptgattungen der menfchlifchen Stimme, ift im gewöhnlichen, vierftim- 
migen Gefange die zweite Mittelftimme, im vierflimmigen Rännergefange aber 
führt er als erfle Stimme die Kauntmelobie und als zweite die höhere Mittel 
ſtimme. Ihr Schlüjfel IR der C⸗Schlüſſel, genannt zSalifiel, T.⸗Zeichen; 
er ſteht auf der vierten Linie und bezeichnet bajelbit das c. Gebraucht man flatt 
defien ven Schlüffel, fo werden die Roten eine Octave tiefer gefungen. Der 
erfte und zweite (hohe und tiefe) 3. in den Opern unterfcheiven fich nach obiger 
Andeutung durch ihre mehr oder minder hohe Stimmlage. 

Tenos, eine der Eyfladen (f. d.). 

Zenotomie, |. Sehnendurchſchneidung. 

Zengel, Wilhelm Ernft, ein vervienter Hiftorifer und Literator, geboren 
zu Arnſtadt 1659, fludirte zu Wittenberg, wurde in Gotha 1685 Lehrer am 
Gymnafium und Auffeher des Münzkabinet® und der Kunftlammer, fam 1702 
als Rath und Hiftoriograph nad) Dresden, erhielt aber fchon im folgenden Jahre 
feine Entlaffung und ftarb den 24, November 1707 in Dürftigfeit. Seine beften 
Schriften find: De disciplina arcani und Exercitationes selectae, Leipzig 1692. 
Seine bekannten Journale: Monatliche Unterredungen, Lpz. 1689—99, 10 Bde. 
und deren Fortfegung: Curieuſe Bibliothef, ebd. 1704—1706, 3 Bde. , enthalten 
viel Rüpliche® für den Literator und Hiftorifer. Auch um die Numismatik, bes 
ſonders die Kenntniß der fächfiihen Münzen, machte er fich verbient. In einer 
befondern Abhandlung bewies er, daß von dem „Te Deum laudamus“ weder Ams 
broftus, noch der heil. Auguftin die Verfaſſer find. 

Zenute, in der Muſik: das Aushalten eines Tones, ein Ruhepunft im Ton- 
ftüde, die Fermate (f. d.). 

Teos, jetzt Bodrun, Im Alterthume eine ver vorzüglichften Städte des joni- 
fhen Bundes in Kleinafien, gegenüber der Infel Samos, mit einem Hafen, war 
die Baterfladt des Anafreon (f. d.). 

Teplig, Stadt und berühmter Badeort im Leitmeriger Kreife des Königreichs 
Böhmen, mit 4000 Einwohnern, liegt in einem geräumigen Thale, zunächit von 
Hügeln umgeben, die ſich in weiten Streifen zu fchön geftalteten Bergen erhöhen, 
in einer böchft anmutbigen und malerifchen Gegend. Die Stadt hat die Geftalt 
eines regelmäßigen Vierecks, mit drei Thoren und einen Umfang von beinahe 
4 Stunde. Die vorzüglihfien Gebäude find: das fürftliche Schloß mit dem 
anftoßenden grosen Garten und dem Theater, das 1806 erbaute Rathhaus am 
Markte, die Dekanatskirche, das von Kaifer Alerander erbaute goldene Kreuz, 
der Gartenfaal, daB Herrenhaus, die Kreuzfapelle mit dem Kırchhofe, auf welchem 
das Grabmal des Dichters Seume (f. d.) ſich befindet. — Die Heilquellen, welche 
fich theils in der Stadt, theils in dem mit diefer durch eine Reihe ſchöner Häufer 
verbundenen, Dorfe Schönau befinden, gehören zu den naturwarmen, ſchw 
alcalinifchen, deren Urfprung ein vulkaniſcher ift und deren Geburtsflätte, na 
dem Temperaturverhältniffe zu fchließen, etwa 5075 Fuß tief im Urgebirge geſucht 
werden dürfte Die Tradition von der Entdeckung der Hauptquelle durdy den 
Ritter Koloftug, einen Vaſallen des Herzogs Praemyii, ver vn dr ae 

1 


4 Teplitz. 


barſchaft wohnte, lautet alfo: Eines Tages trieben ſeine Hirten die Schweinheerde 
in dieſe Gegend und mehre Schweine fanden ihren Tod in ver heißen Fluth. 
Diefe Entvedung veranlaßte den Ritter, fich bier eine Burg zu erbauen. Der 
Sage nach fo ſich diefe Begebenheit im Jahre 762 n. Chr. ereignet haben, wie 
dieſes der am Stadtbade befinpliche Gedenkſtein befagt. Um die Burg des Kos 
loftug verfammelten ſich bald mehre Anftenler, welche die Heilkraft der Quelle 
erfannten, fo daß eine Art Safe, in der Landesſprache „Ulice* genannt, ent- 
ftand und, da die Quelle heiß war, fo befam die Gafle den Namen der warmen 
Safle, „tepla ulice,” woraus durch Mürzung Teplic, und fpäter Teplitz 
gebildet wurde. — Die chemiſchen Beftandtheile diefer, in quantitativer und quall 
tativer Hinficht kaum, wohl aber bet der Temperatur (von 21 — 309) vers 
fchledenen, Quellen beftehen in geringerer Menge aus Kali» und Natronfulfat, 
Katroncosbonat und Phoshat, Fluorfilicumnatrium, Chlornatrium, Strontiancars 
bonat, Kalk⸗ und Magneftacarbonat, Manganorybuls und Eifenorydulcarbonat, 
bafifch phosphorfaurer Thonerde, Kiefelerve, DQuelfäure und in geringerer Menge 
aus Kohlenfäure, Sauers und Stidftoff. Zufolge diefer chemifchen Bonftitution 
beurfundet das T.er Mineralwaffer auflöfende, ſchmelzende, zerſetzende und ftärs 
fende Wirfung auf den menfchliden Organismus, die, in Verbindung mit der 
natürlichen Wärme, einen reizenven, flüchtigen und durchdringenden Eharafter ans 
nimmt. — Heilförderlich erweist fich daſſelbe bei reizlofer und chronischer Gicht 
und Rheumatismus und deren Produkten, inſoweit jene auf geflörter Thätigkeit 
der abfcheidenden Apparate beruhen u. diefe Funktionen durch den Gebrauch des⸗ 
felben wieder gewedt und bethätigt werden; unter gleichen Werbältniffen bei 
Sfropheln, bei Hautausfchlägen, a ſolche gerabe nicht in allgemeiner Säfte: 
mifchung ihren Grund haben — fo namentlich bei Kräte und verſchiedenen Flech⸗ 
ten; bei Gefchwüren, die auf gichtifcher Säftemifchung beruhen, oder nach zurüds 
getretenen Hautausfchlägen entftanven find; bei Queckſilberkrankheit; bet verſchie⸗ 
denen Formen von Augen⸗ und Ohrenkrankheiten, wenn fie Symptome von Gicht- 
und Sfropheldysfrafte find und einen paſſiven Charakter an fidh tragen. Nach⸗ 
theilig wirkt die T.er Therme bei Krankheiten mit vorwaltend activem, plethoriſchem 
Charakter, bei Biutflüffen, Entzündungen und fieberhaften Zuftänden, bei wahrer 
Bolblütigkeit und bedeutenden Gongeftionen nach Kopf und Bruft; bei Bereiter- 
ung innerer Organe mit Neigung zur Zerſetzung, Waflerfucht und Zehrfieber, 
bei freböhaften Leinen des Magens und organifchen Herz: und Gefäßkrankheiten. 
Die Anwendung diefes Waſſers if faft lediglich eine Außere. Se nach dem bes 
abfichtigten Heilgwede gebraucht man es bald al& Heißes (32 — 38° R.)— um 
den Organismus zu lebhafter Reaction anzuregen und Krantbeitäftoffe beweglich 
zu machen — bald ale warmes (29 — 310 R.) — um bie Haut fanft zu bes 
leben, um die Ab» und Yusfonderungen gend anzuregen, — bald al8 laues 
Bad (25 — 28° R.), um eine gefteigerte Reizbarkeit der Haut herunterzuftimmen. 
Man gebraucht das T.er Wafler in der Form von Ganzs, Halbs, Fuß⸗ und 
Era dern, oder ald Douche. Huch Moorbäder werden dafelbft feit der neueften 
eit gebraucht. Die Dauer des Aufenthaltes In einem Babe varlirt, je nach ver 
Natur der Krankheit und den conftitutionellen VBerhältnifien des Kranfen, zwifchen 
45 — 40 Minuten. Zu einer Badekur ift gewöhnlich ein Zeitraum von 3— 6 
Wochen erforverlih. Der innerliche Gebrauch diefer Therme, früher — im 15. und 16. 
Zahrhunderte — gebräudhlih, wurde auch in der neueflen Zeit wieder aufger 
griffen und als eine fehr kräftige Unterflügung der Badekur befunden. Speziell 
eriprießlih fand man denfelben zur Beförderung der Darms und Nierenercretionen 
bei Gicht und Dyskraften, fo wie jur Löfung hartnädiger Lungen» und Luftröhs 
„zenkatarrhe. Gewoͤhnlicher wird mit einer Badekur zu T. der Innerliche Gebrauch 
anderer Mineraltrintwafler verbunden. In mehrfacher Deyiehung mit Bad 
Gaſtein (f. d.) verwandt, dient 3. in ſolchen Fällen, wo nachträ Mr noch au 
die äußere Haut gewirkt werden fol, zur Nachkur und dies am häufigften na 
Des Gebrauche ber Karlöbavner und Marienbader Mineralquellen. u. 


Teppiche — Tereeira. 5 


nennt man Deden auf Tifche, Stühle, Betten, Sopha's, Pianos 
ferte®, öden u. f. w., welche in verfchievenen bunten Karben, meift von Wolle, 
zweien mit Baumwolle und Leinen gemifcht, auf dem Webftuhle verfertigt find - 
ud die urfprünglich in Perſten und der Türkei, dann aber audy in England, 
frankreich, Belgien, Deutichland ıc. fabrizirt wurden. Bon den in Europa ver: 
krtigten T.n zeichneten fich ſtets und bis auf die jetzige Zeit die franzöftichen, 
ſowohl durdy ihre fchönen Farben ald durch außerordentliche Feinheit der Mufter 
aus, und erft in neuerer Zeit find in Deutfchland 3. Fabriken entftanden, welche 
Nichts zu wünfchen übrig laſſen, obgleich ihr Erzeugniß dem beften franzöfiichen 
nicht beifommt; man hat fidy in Deutichland beſonders deßhalb nicht mit Her: 
Rellung vorzüglicher T. befleißigt, weil folche zu tbeuer zu ftehen kommen und 
nur felten bezahlt werden. Man verfertigt die T. in den verichledenften Gat⸗ 
tungen und SBreifen, fowohl fammetartig, als glatt, theild in ganzen Stüden, 
theils abgepaßt mit Borbüren, meifl mit fchönen vielfarbigen Muftern, Blumen, 
Landfchaften u. f. w. Außer den wollenen hat man audy feidene, baumwollene, 
Roß- und Kuhhaarene und Wachstuch⸗T. und Tr Zeuge. Eine befondere Art ver 
geringeren T., aus ordinärer Wolle und Leinengarn gewebt, find die Tyroler, 
welche theild im Puſterthale, die meiften aber in Nördlingen in Bayern fabriztrt 
und von Tyrolern im Auslande verfauft werben. 

Zerceira, die vornehmfle unter den agorifchen Inſeln (ſ. d.), norbweftlich 
ron Et. Miguel, mit 104 [J Meilen und 40,000 Einwohnern, hat ein anges 
nehmes, ſehr mildes Klima, ift durdy unterirdifche® Feuer entſtanden, bergig 
und rings umber von fteilen Felſen und Klippen umgeben. Ihr Boden iſt wohls 
bemwäfiert und fruchtbar, auch gg angebaut; er trägt ungemein vielen Weizen, 
auch Mais, Obft, geringen Wein; das Rindvieh ift ungemein fchön und groß, 
ia, größer als irgendwo in Europa; Schafe, Wildpret, Geflügel und treffliche 
Fiſche find in Menge vorhanden. Die Inſel leidet oft von Bulfanen und Erd» 
beben. Die Einwohner find die gebifbeiften unter den Bewohnern der azorifchen 
Inſeln und zeichnen fi durch Ihre verfeinerten Eitten aus. ie treiben nur 
wenig Handel, deffen wichtigfter Gegenftand der Waid iſt. Die Inſel ift in die 
zwei Hauptmannfchaften Angra u. Praya anpeiheilt Die Hauptftadt ift Angra. 

Zerceira, Herzog von, Graf von VBillaflor, Föniglich portugtefiicher 
Rarſchall und Bair, geboren um 1790 in Liffabon, trat fehr jung in Kriegs⸗ 
dienfte, flieg bald im Befreiungskriege bis zum Stabsoffizier, war Oberft und 
Brigabier, als König Johann VI. ftarb, die Infantin abella als Reichsver⸗ 
weſerin den Eid auf die Conſtitution leiſtete und Donna Maria von Don Pedro 
den Thron abgetreten erhielt. Zum Mareſcal del Campo ernannt, ward er 
gegen den Marquis de Chaves geſendet, drängte dieſen zwei Mal über die 
ipaniſche Gränze zurück und wurde Obergeneral der Nordarmee und im Juni 
1827 militäriſcher Befehlshaber von Liſſabon, jedoch bald von dieſem Poſten 
entfernt. Als eifriger Anhänger conſtitutioneller Grundſätze ward er, als 1828 
Don Miguel die Regentſchaft übernahm, mit Kälte aufgenommen, nur als Bri⸗ 
gadier anerkannt, vom Möbel inſultirt und flüchtete auf ein engliſches Schiff, 
mit dem er nad) London ging. Als die conftitutionelle Partei ſich Oporto's bes 
mächtigte, ging auch er dahin, Fam aber zu fpät und mußte nach England zurück⸗ 
fchren. Hier bereitete er die LUinternehmung nach T. vor, bemächtigte fidy diefer 
Infel im Juni 1829 und auch der Azoren, landete von da aus im Juli 1832 
m Oporto, defien Vertheidigung er Anfangs allein, dann aber General Solignac 
führte, wurde zum Herzog von T. ernannt, ging nach Algarbien, mafchirte im 
Juli 1833 mit dem Herzoge von Palmella mit einem Fleinen Corps von 8000 
Mann auf Liffabon, fchlug mit 1500 Mann dad 6000 Mann ſtarke Heer Don 
Migueld unter Tellez Jordan vor Liffabon, worauf Liffabon den 24. Juli beſetzt 
wurde. T. fchlug darauf den Angriff Bourmont's auf Liffabon ab, durchbrach 
mit Saldanha gemeinfchaftlich die ſeſten Linien Don Migueld und warf ihn 
nad Gantarea; aber, burd) Zioffiigfeiten geärgert, legte er dad Eommanın üher 


6 Terek — Terentius, 


dte Armee nieder und zog fich nach Liffabon pıräd, übernahm aber im Mat 
4834 wieder den Oberbefehl über Oporto, reintgte mit dem fpanifchen General 
Rodil die nördlichen Provinzen von den Migueliftifchen Parteien, worauf Don 
Miguel und Don Carlos, Infant von Spanien, Portugal verließen. Bel Don 
Pedro und der Königin Maria da Gloria fehr angefehen, wurde er eine Zeit 
lange Minifter, dankte aber im März 1835 wieder ab. Als das Miniftertum 
Bomfin die Eharte von 1822 herftellte, fammelte er, ald Haupt der Chartiften, 
mit Saldanha zur Gegenrevolution Truppen im Norden von °Bortugal, mußte 
ſich jedoch im September 1837 unterwerfen. Als Haupt der -Chartiften warb 
er, ala 1 die Eharte Don Pedro's von 1826 wieder hergeftellt wurde, Mini: 
fterpräftdent, dankte aber bald wieder ab, blieb jedoch Oberbefehlshaber der Truppen 
in Liffabon, bald aber ward er (1843) wieder Minifterpräftvent u. Kriegeminifter, 
legte indeß erftere Stelle wieber nieder und behielt nur das Kriegsminiſterium. 
T. foll bei der Revolution von 1846 indgeheim viel Antheil an dem Sturze ver 
beiden Brüder Cabral gehabt haben. 

Terek, ein Fluß in Rußland, entfpringt am Nordabhange des Kaufafus, 
am Berge Khoſchi, fließt norbweftlich in einem engen Thale und durch die große 
Kabardah, dann öftlich und in mehren Mündungen ins Fafpifhe Meer. Die 
Hauptmündung ift Staroi-T. Sein Lauf beträgt gegen 110 Stunden. 

Terentionus, Maurus, einrömifcher Orammatifer, aus Karthago gebürtig, 
lebte zu Ende des erften chriftlichen Jahrhunderts und ſchrieb: De literis, sylla- 
bis, pedibus et metris, herausgegeben in Putschius Grammat. rom. antiq.; in 
Wernsdorfs Poetae lat. min. und am beiten von Santen und Lennep (ltr. 1825) 
und von Lachmann (Berl. 1836). 

Terentius, Bublius NAfer, ein bekannter römifcher Luſtſpieldichter aus 
dem 2. Jahrhunderte v. Chr. Bon geringen Eltern 194 v. Chr. zu Karthago 
enoren, daher audy fein Beiname Afer, Fam er, noch ganz jung, nad Rom als 

Have des Senators T.s Lucanus. Als dieſer feine Fähigkeiten bemerkte, fo 
ließ er ihn gut erziehen, in den freien Künften unterrichten und ſprach ihn auch 
bald frei, worauf er den Namen T. annahm. Gr fing nun an, Komödien zu 
fhreiben (feine Andria fol er fchon im 18. Jahre gemacht haben), und erwarb 
fi) dadurch bald die Achtung und Freundfchaft der angefehenften Männer, eines 
Läcius, Scipio ıc. Jetzt beſitzen wir noch ſechs Luftfpiele von ihm, die wegen 
der Feinheit und Eleganı der Sprache von den Freunden der römtfchen Literatur 

erne gelefen werden. T. lernte dadurch, daß er mit den angefehenften Römern 
Feiner Seit in vertrauter Befanntfchaft fand, die Sitten der höheren Stände 
genau Tennen. Auf einer Reife nach Griechenland Litt er Schiffbrudy und verlor 
dabei eine große Anzahl feiner Luftfpiele (man fest ihre Zahl auf 108), welches 
um fo mehr zu bevauern ift, da die griechifchen Driginale des Menander, aus 
dem er fie copirt u. uͤberſetzt hatte, ebenfalls verloren gegangen find. Aus Sram 
über diefen Verluft fol er auch bald nachher in Arkadien, ungefähr 150 Jahre 
v. Chr. Geburt, geftorben feyn. Unter feinen älteren Auslegern find Aelius 
Donatus, ein Spradhlehrer des 4, Jahrhunderts und Eu gi hius, im 10. 
Yahrhundert, die merkwürbigften. — Ausgaben: die Altefte Mailand 1470 fol. ; 
von R. Bentley Cbefonders in Hinfiht auf Metrik ſchätzbar). Cambg. und 
Lond. 1726. Amft. 1727, 1737. Berl. 1820; von Weſterhov, Haag 1726. 
2 Bde, neue Ausgabe, beforgt durch G. Stallbaum, Lpz. 1831. 6 Bde.; von 3. 
K. Zeune, mit ausgefuchten Anmerkungen der früheren Herausgeber, Lpz. 1774 
und mit neuem Titel, Königeb, 1787, 2 Bde.; die Zweibrüder 1786, 2 Bde., 
2. Aufl. — mit Erläuterungen von B. F. Schmieder, R. A. Halle 1819. 
Mine anfehnliche Fritifche, von Brund beforgte, Ausgabe erfchien au Bafel 1797; 

n F. H. Bothe, Berl. 1806, von demfelben ald 4 Bd. der Poätae 
soenici Latinorum, Halberft. 1822. Nach einer, auf der Univerfitätsbibliothef zu 
Halle befindlichen, Handſchrift und mit angehängten, bis dahin noch ausgedrudten, 

ven von Rubnfen burh P. 3. Bruns, Halle 1811, 2 Be, un %.E, 


Ter Geuiwe- Bermiten, | ? 


©. Berlet, ps 1827, 2. Aufi.; von Reinhardt (Epz. 1827) Bothe (2 Bpe, 
Mannheim 1837— 38); die von Reinhold begonnene (2 Bre., Bafewalt 1838 
—39); von Klotz (2 Bde, ꝰpʒ. 1838-40) und Bollbehr (Kiel 1846). Gute 
beutfche Weberfeßungen Iteferten: Kindervater (2 Be), Jena 1799—1800), 
— (2p3. 1805), Wolper (2 Bde.), Prenzl 1825—28 u. Benfey (9 Bde. 
r . 1837). Dante —— Fa ; v* Kritik und Erklärung Ritſchls 
„Parerga zu Plautus und T. . 
—— cn deltraum, In halb deſſen ein rechtliches Geſchäft 

m, inner en vorgenommen 
werben uf. Ibe kann nur vom ter beſtimmt werben und R je nach⸗ 
dem bie betreffende Vorladung an den Bethelligten ergeht, entweber ein arcta- 
tosifcher, oder monitorifcher. Bei erſterem ift mit a her für den 
Ungehorfamen ein beftimmter Nachtheil verbunden, indem bie eilung in 
contemeciam erfolgt (vgl. den Art. Gontumaz); bei tegterem tft biefes nicht 
der Fall. Der — T. iſt wieder ein peremptortfcher, wenn ber Nach⸗ 
theil des Ungehorſams in dem Berlufte eines beftiimmten Rechte, oder ein dila⸗ 
tor i ſcher, wenn er in der Strafe der Rofengahtung, oder fonf einer Geldſtrafe 
beſteht. — Dann verfteht man unter T. auch einen beftimmten Zeitpunkt außer 
halb des Prozeſſes, von dem gewifle Rechte abhängen, daher: 'T.us a quo, An⸗ 
fangepunft eines folchen Zeitraumes und T.usad quem, Endpunkt defielden, Ziel, 
ver die Dauer der Verbindlichkeit beftimmende Zeitpunkt. Diele Ausprüde und 
Zeitpunfte kommen beſonders bei der Berechnung fortdauernder 2eiflungen, ber 
Srüchte einer Sache und namentlich der Zinfen von Geldſchulden vor. 

Zerminauten (von Terminiren, d. b. Einfammeln milder Gaben), heißen 
die Mitglieder der Bettelorben (f. d.). 

Terminiömus, gleichbebeutend mit Determinismus (f. d.). 

Terminologie, der Inbegriff der KRunftausprüde, die Kunftfpradhe, die Lehre 
von den Kunftwörtern (f. d.). 

Terminus hieß in der Mythologie der Römer ver Gränzgott, der von Numa 
Pompilius jum Schuge des Eigenthumd eingeführt wurde. Ihm wurde alliähr- 
ih am 21. Sebruar ein Fe, die Terminalta, gefeiert, wobel dem Gotte 
Kuchen, Brei und Felpfrüchte geonent wurden. 

Termiten (Termitini), eine Familie aus der Inſektenordnung der Nebflügler 
(f. Infetten), unter dem Ramen der weißen Ameifen als fehr fchäpliche 
und zerflörende Thiere bekannt. Sie leben in den Tropenlänvern in großen Ge⸗ 
felifchaften zufammen und ridyten, befonder® an Holzwerken, außerorventliche Vers 
wũſtungen an; fie haben kurze, perlfchnurförmige Fühler und 4 gleich große Flügel, 
bie von wenigen Adern durchzogen find. Jede Geſellſchaft der T. befteht aus 
folgenden Individuen: 1) Die Larven ober Arbeiter, welche ungeflügelt find, 
den zahlreichen Theil ausmachen und das Gefchäft des Bauens und die Ernährs 
ung der Jungen zu beforgen haben. 2) Die Nymphen over Buppen, die 
von den vorigen durch kurze Flügelſtummel unterfchteden find. 3) Die Sols 
daten, ungeflägelte u. geſchlechtsloſe Individuen (nach Anderen männliche Lars 
ven), welche für die Vertheidigung der Wohnungen beflimmt find; fle bilden nur 
den hundertſten Theil der Arbeiter, find aber größer, ald dieſe und mit flärferen 
Kiefern verfehen. 4) Geflügelte Männdyen und 5) geflügelte Weib⸗ 
hen. Larven, Rymphen und Soldaten find faſt immer blind, bie genügen 
Männchen und Weibchen aber haben große Augen. Die Wohnungen der 2. find 
von verfchievener Geſtalt; am berühmteften find die Bauten der ſchrecklichen 
(alles verwüftenden) T. (Termes fatalis), welche oft eine Höhe von 12-15 
Fuß innerhalb 3—4 Jahren erreichen, obwohl das Thierchen kaum 3 Linten Länge 

t. Diefe Bauten find ganz aus Erdklümpchen aufgeführt und Reken at j 
(ich haufenweife beiſammen, fo daß man fie von der Kerne für ein Dart ver 
Wilven falten. fan. Da bie 3. bad Licht fcheuen, fo führen fie ihre Banım 
von Innen auf, weßbalb bie Meinen Baumeifter von en wicht Ayibor Kar. 


8 Ternaur. 


Der obere Theil ded Gebaͤudes trägt eine gewölbte Kuppel, welche nicht bewohnt 
wird; im untern Theile find: das Fönigliche Gemach, die Wohnungen für bie 
Jungen, die Proviantmagazine und zahlreihe Gänge enthalten. Das Fönigliche 
Gemach liegt in der Mitte, auf gleicher Höhe mit der Erde; es hat im Anfange 
nur 1 300 Länge, wird jedoch, fowie die Königin an Die zunimmt, bis auf 
acht und mehre Zolle erweitert. Hier wohnt die Königin und ihr Gemahl; 
beide können das Gemach wegen der engen Eingänge, durdy weldye nur die 
kleinen Arbeiter zu Triechen vermögen, nicht verlaffen. Um viefes Gemach ringe- 
herum liegt eine Menge von Zimmern und Kammern, weldye der Dienerfchaft 
zum Aufenthalte angerviefen find. Nach ihnen finden ſich die Brutanftalten, in 
denen immer Eier und Junge find und die Magazine, wo Holzfplitter, Gummi 
und verdidte Pflangenfäfte aufgehäuft werben; beide Kofalitäten reichen faft bis’ 
zur Kuppel hinauf. Zur größern Sicherung vor Feuchtigfeit, die allenfalls durch 
Schadhaftwerden der Kuppel eindringen möchte, werden die Gemächer noch eigens 
mit einem flachen, undurchbohrten Dache verfehen. Bon den Kammern aus gehen 
nach allen Richtungen hin unterirdifche Gänge, deren manche 1 Fuß im Durdy- 
mefler haben. Bon da aus dringen die T. in menfchliche Wohnungen ein und 
verwüften dort Alles, was ihrem Biſſe nachgibt: Hausgeräthe, Kleider, Wäfche, 
Ballen, je dag dann Nichts weiter übrig bleibt, als das Haus zu verlafien, 
welcyes nicht felten dermaßen zernagt wird, daß es der erſte Fräftige Windftoß 
einftüurgt. So fol die prachtvolle Reſidenz des Generalgouverneurs von Oſtindien 
zu Kalfutta durch die Angriffe diefer Thiere jebt ihrem Berfalle nahe je Ein 
englifches Linienfchiff, der Albion, weldes von den 3. in Angriff genom- 
men wurde, Tonnte ſich auf der Heimfahrt nur wegen feiner feften Aufamenenfü- 
gung vom Untergange erhalten, mußte aber Im Hafen abgebrochen werden. Wenn 
diefe Thiere ihre lekte Verwandelung überftanden haben, fliegen fie Abends oder 
über Nacht zu Millionen aus ihren Lehmhütten als Männchen und Weibchen 
hervor, verlieren aber fchon bei Sonnenaufgang die Flügel, fallen zu Boden und 
werden dann den Menjchen, Säugethieren, Vögeln, Amphibien und anderen 
Thieren zur Beute. Einzelne der ausgeflogenen Weibchen werden von den zurüds 
gebliebenen Larven gefangen und in den Eöniglichen Gemächern der Bauten unter 
gebracht. Die Königin bat nur das Geſchäft, Eier zu legen; ihr Hinterleib 
ſchwillt bald durch die unzähligen Eier zu foldyer Größe an, daß das Thier 1500 
bis 2000 Mal größer ift, als die anderen T.n. Nach und nach gewöhnlid, in- 
nerhalb 24 Stunden, legt fle 60 bis 80,000 Eier, welche von den Arbeitern in 
die Brutanftalten gefchafft werden. Den Soldaten liegt die Beichübung der Ge⸗ 
bäude ob; fie. eilen, wenn der Bau befchädigt wird, gleich hervor und fallen 
den Feind wüthend an, beißen mit ihren ftarfen Kiefern felbft den Menfchen fo 
heftig, daß das Blut hervorbringt und laffen nicht los, wenn man fie auch in 
Stüde zerreißt. Sobald die Gefahr vorüber ift, eilen Taufende von Arbeitern mit 
Erdklümpchen im Maule herbei, um die befchädigten Theile auszubeſſern. Von 
einigen Bölferfchaften werden die T. roh oder auch geröftet gegeflen. C. Arendts, 
Ternaus, Guillaume Louis, Baron von, geboren zu Sevan 1763, 
Sohn eines Kaufmanns, warb fehr jung Thellnehmer an des Vaters Gefchäft u. 
ſchon 1780 alleiniger Chef verfelben. Er bradyte die damit verbundene Fabrik 
in wenigen Jahren in den größten Flor und gründete mehre ähnliche Unternehmen; 
führte zuerſt in Frankreich pinnmafhinen ein, verbefierte die Schafzucht, erfand 
3. B. eine hydrauliſche Mafchine, die Tücher zu appretiren und einen freiöförmigen 
Klöppel, der in 12 Minuten einen Unterrod webt. Paris war ber Sauptp aß 
feiner Unternehmungen; außerdem hatte er zu Rouen, Havre, Bayonne, Bordeaur, 
Genua, Livorno, Neapel und Petersburg Hanvdeldhäufer und zu Louviers, Ses 
dan ıc. Fabrifen. 6000 Arbeiter waren oft in feinen Fabrifen, 120—150 Pers 
fonen in feinem Handelögefchäfte thätig. Als er 1794 mit Lafayette das conſti⸗ 
tuttonelle Königihum erhalten wollte, mußte er auswandern, ſchlug aber das Aners 
Pisten, in ben #ieberlanben Babrifen zu errichten, aus, vwoelgerte tich auch zugleich, 


un! De _ I u 


Geldſtra 


.> 


ww 


| Aeral > Kespenlin.- x . rw 


Fi für das lebenslängliche Eonfulat und für das Kaiſerreich zu ſtimmen. 
Grgeben folgte er des Bourbons 1815 nady Gent und Ludwig XVII. erhob ihn 
dafür zum Baron. Er wurde Ober der Nationalgarde, Mitglied des Seines 
departementſsratho, des Comitö cantonal, des öffentlichen Unterrichtö, des Muni⸗ 
zipalitraͤtsrathes, der Commiſſion für die neue Finanzordnung u. 1818 u. 19 Des 
putirter des Seinedepartements. Auch für die Aaricultur war er thätig und 
namentlich verdankt man ihm die Ginführung der Silos und die der Kaſchemir⸗ 
degen in Frankreich, deren er 1500 in Kafchemir auffaufte, von denen er 1819 
aut 255 krank nach Frankreich brachte; doch zeugten die Erhaltenen Junge 
md er lieferte von ihrer Wohle T⸗Shawls. Aber bald arteten diefe Thiere 
aus, die T⸗Shawls wurden indeflen noch ferner aus anderer feiner Wolle gefer- 
tigt. 3. ſtarb 1833 zu St. Duen. 

Terni (Interamne, von der Lage. zwifchen ven beiden Armen des Nar), 
Stadt im Kirchenflaate, an der Straße von Foligno nach Rom, mit 9000 Eins 
wohnern und eineur-Bifchoföfige. Schon zu Ruma’s Zeit g det, wurde es 
bald mächtig, litt aber im Bürgerfriege zwifchen Marius und Ehylla beträchtlich, 
Der Geſchichtſchreiber Cornelius Tacitus, die Kaiſer Tacitus und Florianus find 
bier geboren. Hier hat fidh die Bereitung des Weins ganz in der Weile der Alten 
abalten, gute® Trinkwaſſer aber bat man erft feit 1840. Bon Alterthümern 
finden fich bier: Refte eines Amphitheaters im biſchöflichen Barten, eine® 
Sonnentempels in der Kirche St. Salvatore; eines Herfulestempels 
in den Zellen des Collegium von Siro, von alten Bädern in ver Casa spada. 
Sehenswerth iſt außerdem ber, 4 Miglien entfernte, außerorventlich ſchoͤne Waſſer⸗ 
fall des Velino (Caduta delle marmore), das Werk des Römerd Marcus Eurius 
Dentatus, der 671 den Belino hieher durch einen Felſen in den 1000 tiefer gele⸗ 
den in griechiſcher Skoli if die Mitte des 

er, ein gr er Skoliendichter, aus Antifa, um die Mitte De 
1. Jahrh. v. Chr, verfertigte für verſchiedene Inſtrumente Gefänge, brachte neue 
Rhythmen in die Dichtkunft, vervollfommnete ven Geſang ver homertichen Dichtungen, 
und bezog die Lyra mit 5 Saiten, weßwegen ibn aber die Ephoren mit einer 
fe blegin Er erhielt in den pythifchen Spielen vier Mal den Preis 
im der Mufit und ſchrieb Prodmien, eine Art von Oden in heroifchen Berfen, 
die zur Lyra gefungen und zum Lobe ver Götter beflimmt waren. Die, unter 
jinem Namen vorhandenen, wenigen Bruchftüde hat Schneidewin im „Delectus 
Poesis Graecor. elegiacae, iambicae, melicae“ (Abthellung 3, Göttingen 1839) 
erläutert. 

Terpentin (Terebinthina), {ft das didflüffige, mit ätherifchem Del verbundene, 
gar mehrer Gattungen von rabeibölern, welches durch GEinfchnitte in ven 

tamm derſelben gewonnen wird. Die verfchledenen Sorten unterfcheiden fich 
durch Conſiſtenz, Farbe und Geruch; alle haben einen erwärm:nden, fcharfen, 
bitterlichen Geſchmack. Durch Erwärmen wird der T. bünnftüffg; bei der De: 
Rillation geht dad T.⸗Oel über und Hartes Harz, welches gelochter T. ges 
nannt wird, bleibt zuruͤck. Er brennt mit heller, ſtark rußender Ylamme; in 
ſtarkem Weingeifte, in Aether und in Atherifchen Delen löst er ſich vollftändig 
auf. Man gebraucht den T. zu Garzieifen, zu Siegellad, zu Laden, ale Zuſaz 
zu Wahsflöden, zu Kitten, in der Medizin innerlich, fowie äußerlich zu Pflaſtern. 
— Der feinfte T., der jedoch nicht in den deutfchen Handel gelangt, iſt der von 
Chios, weldyer aus der Pistacia Terebinthina Linn. fließt. Als befte Sorte 
führt man in Deutfchland den venetianifchen over Lärchen⸗T., Terebin- 
ihina Veneta seu laricina, klar, durdyfichtig, gäbe, weißlich oder gris; Geruch 
angenehm harzig. — Durch die Deſtillation des Tes wird das T.⸗Oel (Oleum 
Terebinthinae) gewonnen; benutzt man jedoch zur Darſtellung Wurzelſtöcke und 
groeige von Fichten, So erhält man bad Klenöl, Pechol oder deutihr Tr 

el, Oleum pinis inthınae Germanicum. Werden viele verichiidenen 
Eorıen forgfältig bereitet, fo Anb fie wafferhell, dünnflüffig, von vurdyhtingentem 


10 Terpodion — Terraeina. 


4 
Geruch und ſcharfem, terpentinartigem Geſchmacke. An der Luft wird das T.⸗ 
Del nad und nad) gelb und harzhaltig. Im abfolutem Alkohol, in Leindl und 
Mohnöl löst es fich in jedem Verhäliniffe auf; Weingeift von 0,84 löst jedoch 
nur 134 5 auf. Man gebraucht das T.⸗Oel theils roh, theils vektifizirt zu T.s- 
Firniffen, zum Vedgrunde beim Kupferftechen, in der Glas⸗ und Porzellanmalerei, 
zum Aufweichen von Kautfhuf, zum Fledausmachen,, in der Zeuerwerferei, zur: 
Bereitung der Fußbodenwichſe, mit Weingeiſt zu Leuchtgas, zu Arzneien ıc — 
Der joaenannte gekocht e T., Terebinthina cocta, iſt ver bet der Deftillatton des 
3.8 in der Blaſe bleibende Rüdftand. Er tft graugelb, hart, zerreiblich und zu 
manchen Firniffen brauchbar. | 
erpodion, ein muftfalifches Taften-Inftrument, erfunden von dem Inſtru⸗ 
mentenmacher Johann David Buſchmann aus Friedrichsrode bei Gotha, 
1818. Die tafelfürmige PianosForte-Geftalt ift bequem und nimmt wenig Raum 
ein. In ale und Tontiefe hat es einen Umfang von 6 Dftaven. Der 
innere Bau befteht aus Holzftäben, welche durch die Friftton einer Walze vibri⸗ 
ren und einen fehr fehänen Ton erzeugen, der einem Bereine von Blas⸗ und 
Saiten »Inftrumenten gleicht und denfelben gleichmäßig vom leifeften Piano bie 
zur bedeutenden Stärke fich anfchwellen und eben fo gleichmäßig ver indem 
laffen. Diefe ganze Modulation der Töne ift aber nur allein dem willfürlichen. 
Drude der Finger anvertraut und daher dem Aeolodifon, oder der Physharmos 
nifa nicht zu vergleichen. Der Charakter des Inſtruments eignet fih, nach dem 
Urtheile einiger Kunftfenner, blos für gediegene Gompofitionen, für Ehoräle und 
firchliche Muflfftüde. An Herrlichkeit und Mannigfaltigkeit ver Töne aber ſollte 
e8 alle anderen, biöher erfundenen, Inſtrumente übertrefen, mehr nody durch das 
bewunderungswürbige Ebenmaß der Töne unter einander. 

Terpfychore, d. 5. die Tanzfrohe, eine der neun Mufen (f. d.). 

Zerra cotta (ital), gebrannte Erde. Man bezeichnet mit dieſem Ausdrucke 
Antifen, Gefäße, Reliefs, runde Bildwerke aus gebrannter und getrodneter Erde, 
d. 1. Thon, welche ſchon in ver älteften Zeit der griechifchen Kunft vorfommen 
und fpäter als Prachtftüde erfcheinen. Man hat deren Iufttrodene, einfach ge 
brannte, gebrannte mit blos aufgefegten, mit eingebrannten, mit theild einge 
brannten, theils aufgefehten Farben und mit reicher Vergoldung. Vergl. Bassi 
relievi in terra cotta, Rom 1785; Deser. of the collection of ancient Terra- 
cottas in the Brit. Museum, London 1810. 

Terra firma, d. h. Feftland, hießen 1) bei den Benetianern früher 
die Befigungen derſelben auf dem Befllande von Italien, dazu das Herzogthum 
Benedig, ein Theil der Lombardei, das Gebiet von Trevifo ıc. — 2) Das nörd⸗ 
liche Küftenland von Südamerika, jetzt meift zu Columbia gehörig. — 3) Die 
Landenge von Panama. 

Terracina (im Altertfume Anxur, Trachina), eine unvergleichlich ſchoͤn ge- 
legene Stadt im Kirchenftaate, an der Straße von Rom nach Neapel, am Aus⸗ 
gange der pontinifchen Sümpfe, nahe der Gränze und dicht am Meer, mit 7000 
Einwohnern und einem Bifchofäfige Bon den Volskern gegründer, von ben 
Griechen erobert‘, wurbe ed 425 u. o. römifche Colonie u. bedeutende Eeeftatton. 
Die alte Stadt ftand wahrfcheinlih oben auf dem Felſen. Die Katheprale, 
von byzantinifch s italienifcher Bauart, fol an der Stelle oder in ver Nähe eines 
Apollotempels errichtet fenn, dem die Säulen de8 Baldachins im Innern 
angehörten. Gräben, Wafferbehälter und polygonales Mauerwerk 
findet man um die Stadt. Dad Gemäuer auf dem vorfpringenden Felſen erklä⸗ 
ren Einige für Veberrefte des, vom Conſul Poſthumius erbauten, Tempels des 
Jupiter Anrur, Andere aber für die Burg des Gothenkönigs Theodorich. — 
Vom alten, von Antoninus Pius erbauten, num verfandeten Hafen fieht man 
noch die Zorm und die Ringe, daran die Schiffe befeftigt wurden. — Auf dem 
Markiplabe cine antife Tafel mit Lobinfchrift auf Theodorich, als Wieverhers 

Aller ber Bra Appla und Austrodner der Sümpfe, Im ver Billa Rind WI, 


Terrain — Tertiarier. 4 


ne herrliche Ausficht, wie überhaupt auf allen hervorragenden Punkten. Die 
uft, wie leuchtend auch der Himmel, iſt indeß nicht fonverlich gefund; die Vege- 
rien aber ganz ſüdlich und entzückend. 

Zerrain, überhaupt: das Erdreich, der Grund und Boden, die Feldung; na⸗ 
sentlich in der Taktik das Held, worauf zwei feindliche Armeen gegen einander 
reriten. Ein coupirtes %., ein Bin, von Gräben, Zlüffen, Gebüfchen ıc. 
srchichnitten. Daher: T.⸗Lehre, militärifche Benützung des Bodens, fel es 
ir Angriffe oder zur Vertheidigung, ift demnach ein Hauptthell der praftifchen 

egefunde. 

Zerrafie (Eroftufe, Rafentreppe),- 1) in der Gartenkunſt eine Ebnung 
ler Abbänge in Stufen, an deren Wände man nützliche Bäume febt und vor 
Achen den fonnigen Boden zur höchften Gartenfultur benützt, allenfalld auch 
u Mauern unterftüßt, damit Die 3. nicht Durch Abſchwemmung ihre Erde ver- 
a. Dann ein erhabener Platz in einem Luflgarten, der an ein Wohn» oder 
Rbaud gränzt, entweder eine Mauer, oder Böfchung zum Schuge erhielt und 
it Rafen ober duftenden Kräutern und Pflanzen an den Seiten bepflanzt 
wrde. — 2) In der Malerei der, aus einem Stüd Erbreich beftehenve, Vor⸗ 
agrand eined Gemaͤldes. — 3) In der Baufunft ein, gewöhnlich mit Stein- 
ver Bleiplatten belegted, flaches Dach. — 4) Bei den Bildhauern eine 
blerhafte- Stelle im Marmor, deren Riffe einer guten Politur hinderlich find. 

Terrenenve, |. Neufundland. 

Zerritorialrechte heißen indgemein alle Rechte über Grund und Boden, 
munbgerschtigfelten, landesherrliche Rechte. 

Territorialſyſtem bezeichnet im Kirchenrechte der Proteftanten die, auf dem 
hundfaße: „Cujus est regio, ejus est religio“ (d. h. weflen das, Land ift, deſſen 
t audy die Religion) beruhende Anflcht, welche die Kirche, in fo fern dieſelbe 
& auf dem Staatögebiete befindet und vom Etaate die Mittel zu ihrer Sub⸗ 
denz empfängt, als diefem untergeorbnet betrachtet. Demzufolge find alle Rechte 
er Kirchengewalt, welche die proteftantifchen Landeéherren beftten, eigentliche 
joheitörechte, welche demnach als ein Accefforium mit der Zertitoriafhoheit ein 
Jımaed bilden. Nach dieſem Enfteme hätte alfo die proteftantifcke Kirche bloß 
a Herrn gewechfelt und den geiftlichen Monarchen mit einem weltlichen ver- 
micht. Obgleich nun, und nicht mit Unrecht, yproteftantifcher Seits hiegegen 
wlfach geltend gemacht wurde, daß die Kirche, als eine für fich beitehende Ge⸗ 
Uſchaft, Infofern fie im Staate erfcheint, zwar dem Rechtsgeſetze dieſes unter: 
orten, nie aber defien Eigenthum feyn könne und Das T. vielfacdhe Gegner ge- 
den bat: fo beweist doch ein, audy nur oberflächlicher, Blid auf die Reforma⸗ 
snögefchichte (vergl. die Artikel Proteftantismus und Reformation), 
3 die Bertheidiger des T.s wenigflend das fogenannte hiftorifche Recht auf 
ka Eeite haben. 

Zerritorinm, überhaupt jeder Grund und Boden, dann befonders das Ge⸗ 
ta, der Umfang eines Staates. 

Terrorismus, Schredensiyftem, heißt jenes Regierungsſyſtem, welches fich 
uch Furcht und Schrecken, fowie überhaupt durch gewaltihätige Maßregeln den 
khorfam der Untergebenen zu erzwingen fucht. Namentlich führte diefen Namen 
26, im Laufe der franzöfifchen Revolution 1793 von Marat u. Robespierre 
. dd.) in Ausübung gebrachte, tyrannifche Eyftem, wodurch jeder einzelne 
Staatsbürger in einer beftändigen Surcht erhalten wurde, unter dem Bormwande, 
am Beten des Staated in jedem Augenblide Freiheit, Vermögen und Lehen zu 
erlieren. Die Yusüber diefed empörenden Eyftems, das bis 1794 den 27. Juli, 
vo Robeepierre geftürzt und bingerichtet wurde, wüthete und an deffen Stelle 
mr von da an das Eyftem der Müfligung trat, hießen Terroriften. 

_ Zertiarier beißen die Mitgliever des dritten Ordens des h. Franciscus von 
Ani; Perſonen beiverlei Geſchlechts, bie zwar In ber Welt bleiben, aber ſich 
ardy ein beſonderes Gelubde verpflichten, einfach u. tugenvhaft leben zu wollen. 


2 Tertie — Tertulliauus. 


Sie verſprechen insbeſondere, Gottes Gebote zu halten und, wo ſie ſich verirren, 
Buße zu thun, kleiden fich einfach, ohne großen Koſtenaufwand und Schmud, 
entfagen aller Eitelkeit, bleiben fern von Gaftmahlen, Schaufpielen, Bällen x. 
Sie üben nach Kräften die Nächftenliebe gegen Arme, Unglüdlicye, Kranfe, Uns 
wiffende; empfangen jährlidy wenigftens dreimal dad b. Abendmahl, halten bes 
ftimmte Gebete, befuchen täglich das bi. Mekopfer, enthalten fi des Schwörene 
und aller Brogefie. Sie leben in der Welt, aber nicht nach der Welt, befämpfen 
vielmehr die falſchen Brundfäge und böfen Beifpiele der Weltfinder durch froms 
men Sinn und Wandel. Die Mitgliever empfangen ein Abzeichen ald Ordens⸗ 
Heid, nebft Gürtel, welche unter der bürgerlichen Kleidung verborgen getragen 
werden. Biele Taufende traten zu dem Drden und bradten ihn zu großem 
Anfehen; mehre Päpfte beftätigten ihn; Kaifer Karl IV., König Ludwig von 
Sranfreich, Elifabetha, Landgräfin von Heflen, gehörten ihm an. K. W. 

Tertie, 1) der 60. Theil einer Sekunde; 2) fiehe Terz. 

Tertullianus, Quintus Septimius Florus, wurde um das Jahr 
160 zu Karihago geboren, wo fein Bater ald Centurio in einer römifchen Legion 
diente. Bon Natur aus reich begabt, erhielt er durch die Sorgfalt feiner Eltern 
eine fehr umfaflende wifl enfchaftliche Bildung u, Unterricht in den Sprachen, wortn 
er beſonders in der griechifchen große Fortſchritte machte, fo zwar, daß er fogar 
mehre Bücher in verfelben verfaßte, die noch lange nachher im Umlaufe waren. 
Zunähft für den Staatsdienſt beflimmt, widmete er fich dem Stublum des 
tömifchen Rechts. Seine ungemeine Kenntniß in diefem Fache fpricht ſich allent⸗ 
halben in feinen Schriften aus. Als Heide früher einem ziemlich wüften Leben 
ergeben, lernte er nach feinem 30. Lebensjahre dad Chriſtenthum fennen, wurde 
befonberd von der Standhaftigkeit der chriſtlichen Martyrer ticf ergriffen und 
trat gegen Ende des 2. Jahrhunderts zum Chriſtenthume über. Er umfaßte jebt 
den Blauben und bie Kirdye mit dem wärmften Eifer. Aus feiner Feder floß 
von nun an eine Reihe von Schriften, in denen er die Juden, Pi Häretifer, 
befonders die Gnoftifer, befämpfte, aber auch anderen Zeitbenürfniffen der Kirche 
eine fehr Löhliche Rüdficht ſchenkte. Er befaß ein herrliches Talent, audgeftattet 
mit den reichften und mannigfaltigften SKenntniffen und ein Gemüth vol Feuer 
und Empfindung; aber beide waren nicht harmoniſch gepflegt und entwidelt wors 
den und konnten darum ver Kirche höchſt nüglich, aber audy ebenfo ſchädlich 
werden und fle wurden es auch wirklich. Bon Natur aus bitter und büftern 
Sinnes, vermochte felbft das milde Licht des Ehriftenthums diefe Trübe nicht 
aufzubeitern und Hinneigung zu einem flarren Rigorimus fefielte jegliche Aeußer⸗ 
ung feines Wefens. Es bedurfte nur des Außern Anftoßed, um ihn zu Ertremen, 
zu feinem und der Kirche Schaden, fortzureißen. Diefen Anftoß fand er in dem 
eben fi ausbreitenden Montanismus (f. d.), zu welcher Eefte er um 203, 
wenn nicht eher, übertrat. Von diefer Zeit an lehnte er fich wider die fatholifche 
Kirche auf. ES erfchienen mehre Schriften, in denen er deren Grundfäge und 
Sitten verlacht und verfpottet, während er den Kehren feiner Sekte Anfehen und 
Haltbarkeit zu geben fucht. Sein unruhiger, über alles Gemeinleben binausftres 
bender Geift fcheint ihn aber bald auch mit ven Montaniften überworfen zu haben. 
Er bildete wenigftend eine eigene montaniftifhe Partei, Tertullianiften ges 
nannt, deren es noch im 5. Jahrhunderte gab. Daß 3. wieder zur Kirche zurüds 

efehrt fet, wurde von Einigen vermuthet, iſt aber Feine biftorifch beglaubigte 

hatſache. Er erreichte ein hohes Alter und flarb gegen 240. — Ueber ven 
ſchriftſtelleriſchen Charakter 3.8 haben Hieronymus, Lartantius, Bincentius von 
Lerin, Ducreur, Dupin, Schrödh, Stolberg, Katerlamp, Ritter, Bähr, Besnard, 
Möhler u. v. U. bald mehr, bald minder ausführlidy gelprochen, Wir theilen 
hier das Urtheil Möhlers im Auszuge mit. „T.s Indivivualität ald Schrift 
fteller ift in den fchärfften Zügen charafterifirt. Sein feltened Talent, feine Ge⸗ 
lehrſamkeit ſpricht aus allen Schriften; feine dialektiſche Kunft und unerfchöpfs 
Jiche Bemäthökraft fept in Erſtaunen. Sie machen dad Wort in feiner freitfert- 


m Hand zu einer ſcharfſchneidenden Waffe und ihn, wo er fie, ſich an bie 
sche anlehnend, für die Wahrhelt führt, unüberwindlih. Was er fchreibt, iſt 
AR tief gedacht: ein unerfchöpflicher Reichthum an Ideen entfprudelt feiner leb⸗ 
ften, glühenden Pbantafle; der Sprache ift er vollflommen Meiſter; er preßt 
ſchonungslos und eng in feine Gedankenformen. Er überfchüttet mit unges 
ohnten Ausdrücken; mit überrafchenden Wendungen treibt er den Lefer vor is 
r, fchlägt aber mehr, als er überzeugt. Doch iſt er als Katholif noch ziemli 

ft und läßt das klare Bewußtſeyn vorwalten. Aber als Montanift verfchwendet 
Win und Satire für die Befämpfung der Wahrheit; er amt u. tobt ohne 
aß des gereizten Affeftes, alle Sanftmuth if dahin. Dabei ift fein Styl ſtets 
fonifch, fententiöß ; die Lieber Änge raſch u. unvermittelt; der Ausdruck hält ſich 
:an’6 Maß der Borftelung ; Taf mmer fpricht er in Kraftausprüden, in Hyperbeln, 
am er anklagt oder vertheidigt, lobt oder ſchimpft; dem Gegner, Katholiken oder 
iretifer, macht er immer läcerlih. Wie fein Gemüth, fo iſt die Haft feiner 
prache: immer genrängt, dunkel; zwar bilderreih und blühend, aber eben wie 
Athen ver Wüſte. Da er der erfle Inteinifche Kirchenfchriftfteller und ohne 
Irgänger war, fo ia ihn noch Feine fertige Sprache zur Hand; er mußte fich 
fe er fhaffen und bilden. .Liebten nun die Aftifaner überhaupt einen eigenen 
elnifchen Sprachbau, fo war 3. hierin afrikanifcher, als Alle. Er Tatinifirt 
lechiſche Wörter, giebt ſich gen; neue lateinifche, oder verunftaltet beliebig die 
en. Darum feiner Schriften bizarres Anfehen. Indeß if er eben hierin ſehr 
tig geworden. Die afrifanifchen und überhaupt die latetnifchen Schriftfteller 
bieten fi) nach ihm und daher fein bedeutender Einfluß auf die Bildung der 
mifch-chriftlichen Kirchenfprache.” — Die Hauptausgaben von 3.8 Werfen 
d: Basil. 1521, 1539, 1550; Antv. 1579; studio et labore 12 L. de la Barre, 
ris 1580; auctore de la Cerda, Paris 1624—-30; diligentia N. Rigaltii, Paris 
34; rec. Semler, Halae 1769—76; ed. F. Oberthür, Wirceb. 1780—81; ed. 
illau, Mediol. 1821; cur. E. F. Leopold, Lips. 1839. Bon deutfchen Ueber: 
jungen find zu nennen: Apologetifus ıc., von 9. Hindelmann, Lüneb. 1682; 
ertbeidigung der chriftlichen Religion gegen die Heiden, von 3. F. Kleufer, 
anffurt 1797;  Berjährungsredhte der Kirche gegen die Keber, Wien 1797; 
on der Geduld, von C. Hedion, Straßburg 15146; Sämmtliche Schriften, von 
A. von Besnard, Augsburg 1837 ff. Vergleiche, außer den bereits Angeführten, 
: zahlreichen Nachweiſungen in: „Beredfamfeit der Kirchenväter,“ von M. 9. 
del und 3. Kehrein, (Regensburg 1844—46, 4 Bre. 8.) 4 Br. S. 325 f. x. 

Terz oder Tertie, der dritte Ton vom Grundton aufwärts, wird In der 
eneralbaßfchrift mit der Ziffer 3 bezeichnet. Die T. heißt groß, wenn fle aus 
ei großen Tonftufen beftebt (c—e); Flein, aus einer großen und einer Kleinen 
inftufe beftehend (c—es); vermindert, wenn fle zwei Fleine Stufen in fich faßt 
is, es), im Geſange aber fchwer zu intoniren ifl. Die f. g. übermäßige T., 
t zwei großen und einer Fleinen Tonftufe, ift eine Quarte. Uebrigens beftimmt 
: %. die Befchaffenheit der Tonart, nämlidy, ob fie Dur oder Mol if. Nach 
'üller war fie bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts unbeſtimmt und ſchwan⸗ 
ıd, dann nahm fie zuerfi Glareanus, geftorben 1565, als Gonfonanz und Or; 
ndo di Laffo (f. d.) brauchte fie zum Schlußakkord. 

Zerzerolen, ſ. Piftolen. 

Terzett (ital. tercetto), ein Singftüd für drei concertirende Stimmen, 
reigefang, ausgeführt von drei gleichen, oder drei verfchlenenen Stimmen, am 
üfommenften vom Sopran, Tenor u. Bag. — Zumellen verfteht man unter T. 
ich SInftrumentalftüde für drei Stimmen , obgleich diefe in der Regel Trio’s 
ißen. Die Te ſtammen, wie alle vielkimmigen Muflfftüde, aus Stalien und 
n erften Verſuch damit fol 1750 Lagroecino gemacht haben. 

Zerzine, eine italieniſche Versform, beftehend in dreizeiligen Strophen von 
nffüßigen jambif verjen, die durch die Reimftellung in der Art verfettet 
id, daß der erſte mit dem dritten und der zweite mit dem erſten und brits 


14 Teſchen. 


ten der folgenden Strophe ſich reimen, mithin in der Folge zwei Reime dreimal 
abwechſelnd wiederkehren, bis die letzte Strophe vierzeilig ſchließt und der letzte 
Reim in der zweiten und vierten Zeile, alſo nur zweimal, gehört wird. Dieſe 
epifche Rhythmenform iſt nur in größeren Gedichten mit Erfolg zu verwenden. 
Die T. ift, neueren Unterfuchungen zufolge, provenzalifchen Urfprungs und eigents 
lich ſchon im Soneit enthalten, daher audy nicht Dante ihr Erfinder, fondern fie 
von ihm zuerft rein und würdig ausgebildet if. In Spanien beviente ver T. 
fih zuerft Juan Boscan Almogaver. Garcilaſo, eigentlich Garcias Lafo 
de la Vega, was Boscan's Nachfolger, jedoch auch Derjenige, welcher den von 
diefem gemachten Berfuchen, die Versarten und Eyibenmaße der Staltener in bie 
paniſche Poeſie einzuführen, eigentliche Begründung verfchaffte. Die erften deuts 
chen T.n verfuchte mit vielem Geſchick Dito Heinrich Graf von Löben (Iſidorus 
rientalis, geftorben 1825), in feiner „Reife zum Parnaß“. 

Teſchen, ein, dem rabergog Albredyt von Defterreich gehöriges, mittelbares 
Fürftenthum im öfterreichifchen Schlefien, mit 344 [_ JM. und 220,000 Einwohs 
nern, welches mit dem Herzogthume Bielit und den Minderberrfchaften und Guͤ⸗ 
tern Deutfchhleuten, Friedel, Oderberg, Reihwaldau, Dombran, 
Roy u. Drlau den Tefchener Kreis bilvet. Nebſt Ianpwirthfchaftlicher Benützung 
des Bodens und Viehzucht bieten auch der Bergbau auf Eifen und viele Kunſt⸗ 

eiwerbe Gelegenheit zu gutem Erwerbe, fowie der Handel an den vielfeltigen 
Straßenverbindungen und durch die Lage dieſes Kreifed zwiſchen ‚Probingen die 
einen verſchiedenen Bedarf und Ueberfluß haben und Erzeugniffe mannigfaltiger 
Art zum Verkehre liefen Fönnen, nicht unwichtige Beförderungsmittel hat. — 
Die gleichnamige Hauptſtadt, am rechten Ufer der Olſa, liegt in einem rauhen 
Klima, am Ahbange der Earpathifchen Borgebirge und zählt ohne Beſatzung 7000 
Einwohner. Drei ehemals jefer nun abgebrochene Thore führen zu eben fo vie- 
Ien Vorſtädten. Das, auf einem abgefonderten, runden Berge ſtehende, vor Zeiten 
ſehr fefte fürftliche Reſidenzſchloß Tiegt fett der Belagerung von 1647 in Ruinen. 
Der Brand von 1789 bat T. aus einer ungeregelten, ypolnifchen Städten durch⸗ 
aus ähnelnden, Holzmaſſe in eine weit gef igere Form umgegoffen, wiewohl die 
neue Baufunft nicht im Stande war, allen Unregetmäßigfelten oder Unbequemlich⸗ 
feiten ganz abzubelfen, die theils aus der beengten Berglage, theild aus dem 
Misverhältniffe der Häuferbreite gegen ihre Tiefe oder Länge extflanden find. Seit 
jenem Brande ift audy die Altefte, feit 1214 geftandene, Pfarrkirche St. Magda⸗ 
lena ganz abgerifien und deren Platz, nebft dem des ehemaligen Kirchhofes und 
der Grüfte, zu einem Exercirplatze vor der Militärkaferne geebnet worven; man 
überfegte die Pfarre in die ehemalige Dominikanerkloſterkirche. Diefe iſt ein Mit- 
telding zwiſchen —RB und moderner Bauart, urfpränglich ſchmal, in Form 
eines Kreuzes erbaut, hat theild alte Spigwölbungen, theils Euppelartige Wölb⸗ 
ungen und Chöre. Die Kirche der Barmberzigen ift ein lichtes, ſolides Gebäude ; 
die der Proteftanten ein fehr würbiges Werk in großem majeſtätiſchem Style, 
Noch find die älteſten Kirchen des Ortes: die Schloßfapelle, ein Kleines gothifches 
Dval, wahrfcheinlich der erfte heidniſche Ortstempel; die Epitals und Dreifaltig- 
feitöficche, um weldye beide die allgemeinen Begräbnißpläge liegen; die neu bers 
geftellte Gymnafial⸗ ehemals Zefuitenkirche, ein einfach verziertes, niedliches Got⸗ 
teehaus; envlich jene des ElifabethinersFrauenfloftere. — Außer dem Kreisamte 
und dem Landrecht iſt bier die Cameral⸗Verwaltung des Herzogthums T. — 
Bildungsanftalten find: ein Fatholifches Gymnaſium, mit einer öffentlichen Biblio⸗ 
thek von 12,000 Bänden, Sammlungen von Mineralien, Raturalien, Münzen ır., 
welches fein Dafeyn dem, um 3. fo bochverbienten, Propſte und Gymnaflal-Bräs 
feten Scher | chnickverdankt; ein proteftantifche® Symnafium bei der proteftantiichen 
Kirche, mit einer theologifchen Lehranftalt u. Alumnaͤum; ein wohl dotirtes freiherr⸗ 
lih Cſeleſt a'ſches Stift für 10 adelige oder bürgerliche Sünglinge; eine Ror- 
malbauptfchule ıc. An Wohlthätigkeitsanftalten kat 3. ein Spital der parmberaigen 
Brüder, der Eliſabethinerinnen u. eines für bürgerliche Arme. — Hier 13. Mat 


Teſſin. 15 


1779 Friedensſchluß, wodurch der bayerifche Erbfolgefrieg (ſ. dv.) bes 
endigt wurde, 

Teſſin, ſüdlichſter Kanton der Echweiz, zwifchen dem Walliferlande, Urt 
und Graubündten, der Lombardei und den farbinifchen Staaten, bat einen Klächen- 
ram son 54,4 [IM. und eine Volkszahl von 110,744 Seelen. Das Land 
jah fi vom St. Gotthard ziemlich fteil zum Luganerfee (von 8000 ' bis zu 
82’ über dem Meere) herab und befteht fat ganz aus Urgebirg, deſſen höchſte 
Eyige der Ehimone di Ehironico il. Herrliche, tief eingeichnittene Thaͤler 
turdygiehen es nad, allen Richtungen. Unter den zahlreichen Fluͤſſen iſt der be- 
nachtlichſte der Teffin (Ticino); er durchſtroͤmt das Valle Levantina, begleitet 
ven der berühmten Bottharbftraße. Ein Bufen des Lago Maggiore und der 
Eee von Lugano gehören diefem Kanton. Das Klima ift In den höhern Alpen- 

den ziemlich ranh, in den fünlicheren Theilen aber mild und dem italienifchen 

annähernd. Ueberhaupt erinnern Himmel, Begetation, Menſchen, Sitten, 
Bwart an die unmittelbare Rachbarfchaft des Südens. — Der Boden ift fehr 
Imohtbar ; deſſenungeachtet reichen vie Getreideernten nicht immer für den Bedarf 
bin, einerfeitö weil vie Belfenfriche einen fo anfehnlichen Theil des Kantons ein- 
uchnen, anderſeits weil der Anbau zumeift in ven fchwachen und unfundigen 
: Händen der Frauen ift, indeß die Männer, einem eigenthümlichen Hange folgend, 
16 Kaminfeger, Blafer, Maler, Steinfchneider, Chocolademacher, Fuhrleute und 
sten Deutichland, Frankrklch, —8 und Angland durchziehen. Am haͤufig⸗ 
werden Mais, Roggen, Gerftie, Hirſe und Kartoffeln gezogen. Wein wird 

+ im lieberfluffe gepreßt, Tabak fommt gut fort, der deinen: Dlivens und Pome⸗ 
: | sazenbaum gedeihen in freier Luft. Große und zahlreiche Waldungen von Nabel 
1 belj, bedecken die Säume der Berge; in den Tiefen findet man die fchönften Ka⸗ 
: | fanienwälder Das Hornvieh tft nicht fo fchön, wie in der übrigen Schweiz, 
- | aubgezeichnet aber find die Hämmel und Siegen. Die T.er Maulthiere werden 
khr geichägt. Die Zucht der Seidenwürmer tft ein Hauptinduftriegweig des Lan- 
ws. Die Gewäfler find fehr fifchreih. Bon wilden Thieren gibt ed Bären, 
Rölfe, Luchſe, Fuͤchſe, Dachfe, Murmeltbiere, Gemſen, Adler, Geier ıc. Das 
Rineralreich Liefert Kryſtall, Lavezflein und Marmor. Die Induftrie befchränft 
sh auf die Kabrifation einiger Seivenwaaren und Strohgefledhte, auf Käferei, 
Holzarbeiten und die Berfertigung von allerhand Geräthichaften aus Lavesftein. 
Der Durchgangehandel mittel der St. Gotthardsſtraße ift ziemlich bedeutend. — 
Lie Einwohner, italientfcher Sprache und Abkunft, zeigen in ihrem Charakter 
üben viel von der Indolenz des Südländers. In tonfelfloneller Beziehung ge⸗ 
ren fie zur fatholifchen Kirche und ftehen unter den Bisthümern Como und 
Railand. E86 eriftiren mehre linterrichtsanftalten und Gelehrtengefellfchaften, 
au befigt jedes Klofter feine Bibliothef, worunter einige treffliche ſich befinden. 
Doch erzeugte der Kanton bisher weniger eigentliche Gelehrte als Künftler, und 
2 Ne ganze übrige Schweiz würde Mühe haben, fo viele Maler, Bildhauer und 
24, Urchitekten aufzuweiſen. Die Derfaffung it demokratiſch, oberfle gefeßgebenve 
ra Gewalt der Große Rath, die höchſte vollziehende Behörde der Staatsrath. Zum 
— Bumdesfontingente ftellt T. 3322 Mann. — Der Kanton, der 18. in der Reihen- 
4 


"% 7 . 
nn 


a U Bene 


“ee! 


folge, umfaßt 8 Bezirke. Yür den Hauptort gilt das Städtchen Bellinzona 
(Bellenz) an einem Engpaſſe des Teſſin, welchen es durch feine drei feften Ka⸗ 
tele vollfommen fchließt. 1500 E. Noch find zu erwähnen Locarno am Lago 

| Raggiore mit 1800 &. und Lugano am See gleichen Ramens, mit einem Col- 
koium , einem Theater, Fabriken, Weinnieverlagen und bedeutenden Viehmärkten. 
4500 E. — Das Sebiet von T., im Mittelalter ein Theil der Lombardei und 
Wäter im Befige der Herzoge von Mailand, Fam nad) den blutigen Kämpfen von 
1466 — 1512 unter die Herrfchaft der Schweizer, die es unter dem Namen der 
‚Snnetburgifchen gen durch ganbuögte verwalten ließen. Die Einwohner 

» nurden fraft des Eroberungsrechtes bis 1798 ald unterthänig behandelt und hats 
tm Feinen Theil am Genuſſe der sepublifanifchen Freiheit. Erſt unter der heive⸗ 


16 Teſt⸗Akte. 


tiſchen Berfaffung bildeten fi) aus dieſen Vogteien die Kantone Bellenz und 
Lugano, welche 1803 in den Kanton T. zuſammenſchmolzen. Dieſer hat ſeitdem 
—28 feine Verfaſſung abgeändert. Der Radikalismus faßte zur Zeit auch 
bier feften Fuß und erwirfte den Großrathsbeſchluß vom 28. Juni 1848, welcher, 
ohne den ‘Bapft oder audy nur das Volk zu befragen, nem der reichfien Klöſter 
des Landes aufhob. Reuerlichft führten die T.er, indem fie auf ihrem Gebiete 
völferrechtswidrig die lombardiſchen Flüchtlinge zu Einfällen in das Nachbarland 
fi rüften und ſammeln ließen, ernftlihe Zerwürfniffe mit Defterreich herbei. Die 
oberfte Bundesbehörve fah fich enblich gezwungen, um biefem Unfuge zu feuern 
und die Neutralität ver Schweiz zur vollen Wahrheit zu machen, eidgenöfftfche 
Truppen in den Kanton einrüden zu lafien. mD. 
Teſt⸗Akte, die. Diefe würbige Zwillingsfchwefter der, kurz vor berfelben er⸗ 
laffenen EorporationensNfte, gegen alle Diffentirenvden gerichtet und Alle, 
welche das Abendmahl nach dem Ritus der Hochkirche zu empfangen fich weigerten, 
von den Stellen in GemeindesEorporationen ausfchließend — erfchien unter der 
Regierung Karls IL, der bekanntlich den, zur Zeit der Republik herrfchenven, Cal⸗ 
ointömu6 verbrängte und die Hochkirche wieder reftaurirte. Diefe Afte, zunächft 
gegen Katholifen gerichtet, in ihrer Wirkung aber auch alle Ron s Eonformiften 
oder Diſſenters treffend, verlangte von allen bürgerlichen, wie militärifchen Be⸗ 
amten die Ablegung des Eides der Suprematie — d. 5. der Anerkennung des 
Monarchen als weltliched und geiftliches Oberhaupt des Staates, wie der Desa- 
vouirung der Schlüffelgewalt des Papſtes und des Huldigungseides; die Unter⸗ 
fhreibung einer Erklärung gegen die Transfubflantiation und die Theilnahme am 
Abendmahl nach dem Ritus der Epiſkopalkirche. Erſt im J. 1828 ward dieſes 
fchmähliche Geſetz, welches den tyrannifcheften Öemifienögwang ausübte, nicht ſo⸗ 
wohl aufgehoben, als vielmehr durch eine weniger harte Beflimmung erſetzt. Das 
Parlament und die Regierung Georgs IV. erliegen nämlidy eine Bill, weldye in 
fo weit die genannten Intoleranten Geſete abrogirt, als diele die Nothwendigkeit 
der Thellnahme am Abendmahle (nach hochkirchlichem Ritus) als einer Qualifi⸗ 
fation zu gewiſſen Aemtern und Stellen, auferlegten. Damit jedoch nur Hoch⸗ 
firchliche ein Amt erhalten können, wird ledigli Die unummwundene Form der 
„Iefte” durch eine andere Verklauſulirung erſetzt. Da die proteflantifche Epiffopal- 
firche von England und Irland und die proteſtantiſche preöbyterianifche Kirche 
von Schottland und deren refpeftive Dofırin und Disciplin durch die Gefehe 
diefes Königreich6 für befländig, unabänderlich und firengftens eingeführt find 
und da es gerecht und billig ik, daß bei der Aufhebung ſolcher helle der er⸗ 
wähnten Alte (T.⸗ u. Corporationen⸗Akte), welche die Nothwendigkeit der Theil⸗ 
nahme am Abendmahl, als einer Dualififation zu einem Amte, vorfchreiben, eine 
Erklärung in der folgenden Bedeutung fubftituirt werde, fei hiemit verfügt, daß. 
jeder Communals und Magiftratöbeamte . . . innerhalb eined Monats vor oder 
nach feiner Amtseinführung anfertige und unterfchreibe die folgende Erklärung: 
„IHN. N. befenne, bezeuge u. erkläre hiermit feterlich vor Bott, auf den wahren 
Glauben eines Chriften, daß ich niemald die mir dur das Amt... . verlichene 
Macht oder Autorität oder Einfluß ausüben werde zur Verlegung oder Schwädh- 
ung der proteftantifchen Kirche, wie fie geſetzlich In England eingefept iſt; zur 
Störung in dem Befige irgend welcher Rechte oder Privilegien, zu welchen olefe 
„ Kirche oder deren Bifchöfe und Klerus geſetzlich berechtigt find, oder feyn mögen.“ 
Die Akte verfügt ferner, daß Fein Marineoffizter bis zum Range eines Contre⸗ 
admirals, Fein Milttär bis zum Range eines Generalmajors in der Armee und 
Oberſten in der Miliz, ebenfo fein Beamter in der Zoll» und Acciſeverwaltung 
und fein Poftbeamter zur Anöfelung des befapten Keverfed verpflichtet feyn ſolle. 
Die, im Jahre 1829 eingetretene, Emancipation der Katholifen durch den foger 
nannten „Roman. Katholic. Relief. Act.“ (10 Georg IV. c. 7) bob auch diefe milvere 
Form der Teſt⸗ und Borporationen- Alte auf u. mit Ausnahme einiger wenigen 
böchften Stellen in der Regierung, konnten fortan Katholifen und Diffenters gu 


Teftament, ' 17 


ı Uemuern, audy in der Muntzipalverwaltung, augelaffen werben. Die lebten 
te der Intoleranz räumte vollends die im Jahre 1846 erlaffene Afte „um Ihrer 
zjeſtät Untertbanen von gewiflen Etrafen und Unfähigkeiten in Folge religiöfer 
Keen zu befreien” hinweg. Wir erwähnten oben des Suprematieeides und 
Ir noch einmal auf denfelben zurüdfommen. Der Suprematieeid führt mit 
cr dieſen Ramen; er follte Ron-Suprematieeid heißen, wie aus feiner Faſſung 
geht: „Ich N. N. gelobe, daß ich von Herzen verabfcheue, verachte und 
wore , als läfternd und bäretifch jene fluchwuͤrdige Doftrin und Satzung, 
weicher vom Papſte oder irgend einer andern, vom römifchen Stuhle aus⸗ 
nden, Yutorität erfommunicirt, oder beraubte Fuͤrſten von ihren Unterthanen, 
baupt von Jedermann abgefebt oder ermordet werben koͤnnen. And ich er⸗ 
', 2aß fein fremder Yürft, Derfon, PBrälat, Staat oder Potentat hat oder 
n follte irgend welche Jurisdiktion, Gewalt, Superlorität, Machtvollkom⸗ 
beit, geiftliche oder Eirchliche Autorität innerhalb dieſes Königreichs. Eo wahr 
Bott helfe.“ Nicht bloß foldye, die ſich um eine Stelle bewarben, fondern 
Unterthbanen mußten auf Verlangen vdiefen Eid leiten, welche Beftimmung 
im Jahre 1791 aufgehoben ward; zugleich wurde ein anderer, gegen bie 
gerliche u. weltliche Autorität des Bapttes gerichteter, Eid eingeführt, welchen 
en Amt fidy bewerbende Katholiken dem Suprematieeide fubftituiren Eonnten. 
Teſtament over letzt er Wille (ultima voluntas), ift die, von Jemanden nady 
beſtehenden Geſetzen geichehene, letztwillige Verordnung über feinen Nachlaß, 
einer beftimmten Erbeinfegung , und unterfcheidet fi) von einem Codicill 
.) darin, daß erfleres die unmittelbare Erbeinfegung, letzteres aber nur andere 
illige “Difpofitionen und gemeiniglid nur Verfügungen über einen Theil der 
aſſenſchaft enthält. Die teflirende Perſon heißt der Erblaffer und das, 
ſolche Art erworbene, Bermögen Erbfchaft. Ein jedes 3. hat die Eigen- 
t, DAB der Erblafier bei Lebzeiten nicht an feinen bereits errichteten lebten 
en gebunden ift, vielmehr ſolchen zu jeder Zeit,. bis zu en Tode, aufheben 
darin Aenderungen vornehmen kann. Wirkſamkeit erhält ein T. erft mit 
erfolgten Tode ded Teſtators. Ein zurüdgenommened T. heißt testamentum 
am. Erklärt jedoch der Teftator in dem zweiten das erfte für ein Codicill, 
ilt auch dieſes als folches. Außerdem bleibt das ältere, einmal rumpirte 3. 
iltig, audy wenn das zweite wieder rumpirt werden ſollte. Durch ein Codi⸗ 
kann in der Regel fein T. aufgehoben werden, weil dadurch der wefentliche 
ılt des T.s, die Einfegung der Erben, nicht erreicht werden kann. Eine 
nabme findet jedoch nicht Halt, wenn in einem Codicill Inteftaterben (ſ. d.) 
fept find, die im T.e übergangen waren, wobei jedoch Zeugen ihre Angaben 
ch zu befräftigen haben. Ein T., wenn es gültig feyn foll, fegt voraus, daß 
Teftator fähig gemefen fet, ein foldyes zu machen; er muß daher 1) bei ge- 
em Berftande, 2) nicht durch das Geſetz hiezu für unfähig erklärt, 3) nicht 
rjährig und 4) muß das T. felbft in der gehörigen, geſetzlich vorgeſchrie⸗ 
a, Form abgefaßt ſeyn. Ueberhaupt muß fich derjenige, welder ein T. er- 
en will, genau nach der, in jenem Lande, in dem er fidy befindet, üblichen 
für T.e vorgefchriebenen Form richten. Das 3. ift entweder ein münd- 
e8, wenn der Erblaffer dem Gerichte feinen legten Willen zu Protokoll er- 
und das, auf diefe Weiſe abgefaßte und von dem Erblaffer eigenhändig 
richriebene, T. bei Gericht hinterlegt wird (ein gerichtliches); oder es iſt ein 
iftliche8 und zu nd außergerichtlidye8, wenn der Teftator jeine lets 
ge Verordnung ü eine Berlaffenichaft eigenhändig, deutlich und beſtimmt 
ftlich abfaßt, oder einen von ihm gefertigten Auffag durch feine Unterſchrift 
Befiegelung als feine T.8-Berfügung genehmigt. Zu einem außerordentlichen 
werden fowohl nach dem römifchen Rechte, ald nad) den befonderen Landes⸗ 
pen fieben Zeugen, gegen welche fein Verdacht ftatifindet, daß fie ein falſches 
gniß ablegen fonnten und gegen deren Gültigfeit überhaupt Feine gegründete 
wendung gemadt werben fann, erforbert. Das Fanonifche Recht nimmt ein 
ralencpclopyddle. X. 2 


1A Teſtament. 


T. als gültig an, wenn es in Gegenwart des Pfarrers und zweier Zeı 
gefaßt worden iſt. Es gilt aber dieß nur bei den privilegirten T,en der © 
und bei VBermächtniffen ad pias causas, bei welchen fogar der Abzug der 
Falcidia nicht ftattfinden fol. Ebenſo verordnet das kanoniſche Recht, 
welche zu Gunſten der Kirche oder frommer Anftalten errichtet word 
leich militärifchen T.en, auch vor zwei Zeugen gemacht, gültig find. ©ı 
ollten in Anfehung der Kirche auch dann In Kraft beflehen, wenn fie 
anderer Rüdficht ungültig wären. Auch follen Kinder, die noch unter vı 
- Gewalt ftehen, felbft über ihr peculium profectitium mit Einwilligung deı 
für die Kirche und fromme Anftalten (donatio mortis causa) gültig 
dürfen. Berner tft durch das Fanonifche Recht beitimmt, daß, was nad 
mifchen Rechte mehr als zweifelhaft feyn würde, der Pflichttheil und di 
lianiſche Quarte zugleich abgezogen werden können, Falls nicht Kinder ſel 
Kindern fubftituirt worden find. Endlich find Erben aus unerlaubten 
lungen ihrer Erblaſſer zur Echadloshaltung des Verletzten, nicht bloß fo 
reicher daraus find, fondern fo weit die Erbfchaft reicht, verbunden. Ni 
die ganze Handlung mit den vorgefchriebenen Solennttäten vollzogen we 
hat ein außergerichtlidy abgefaßted T. gültige Kraft. — Bon der aftiv 
Bähigteit find ausgefchloffen: 1) Jene, weldye ven freien Gebrauch ihres 
und Verſtandes nicht haben, 3. B. Wahnftnnige (furiosi), auſſer In lich! 
ſchenräumen; gleichgeftellt find diefen die prodigi; 2) Jene, denen das ı 
Alter abgeht; 3) Unmündige, welche felbft nicht unter Autorität bed 
teftiren fönnen; 4) weiche noch unter väterlicdyer Gewalt ſtehen und Fein 
‚Dermögen befigen ; dieſe, wenn fie 14 Jahre alt find, Tonnen aber d 
jened Bermögen verfügen, über welches ihnen dad vollfommene Eigenth 
(peculium castrense und quasi castrense) zuſteht; 5) welche als bürger 
erklärt find, fowie alle Jene, denen die T.8-Fähigfelt zur Strafe entzoger 
die einzelnen Ordensgeiſtlichen, in Klöftern, fobald fie Profeß abgelegt he 
insbefondere die Bettelmönche, wegen des Gelübves der freiwilligen Arınu 
Schreibens Unkundige, Taubftumme und Stumme hielt man biöher, wege 
gels, ihren Willen gehörig zu erklären, gleichfalls für unfähig, ein T. 3 
ten; da aber heut zu Tage durch die Taubſtummen⸗Inſtitute für dies 
der Zaubftummen hinreichend geforgt ift, fo verhält ſich jest in Betr 
die Sadye an manchen Orten anderd. Lege intestabiles find: Hochr 
Apoftaten, Blutfchänder, offenbare Wucherer und alle zum Tode verurthei 
brecher. Mangelhaftift die Erklärung des legten Willens: a) wegen 3 
ein direkter Zwang macht ein T. ipso jure ungültig, ein indiref 
nur per exceptionem. b) Macht der dolus eine legtwillige Verfügung 
jevoch nur per exceptionem; eine bloße Ueberredung, fobald fie nicht d 
rafter von —8 oder dolus annimmt, hat auf die Gültigkeit einer fol: 
ordnung feinen Einfiuß. Wefentlich ift bei jedem Te die Erbeinfegung ı 
institutio), d. i. Ernennung eines Hacfoigere in dad Vermögen und in di 
beruhenden Berbindlichfeiten. Die Fähigkeit, zum Erben eingelest zu 
(testamenti factio passiva) beruht im Allgemeinen auf der Fähigkeit, te 
fönnen (testamenti faclio activa). Ausnahmsweiſe können, nach dem ı 
Rechte, ald Erben eingefebt werden: a) Eflaven, indem fie mit ver € 
von dem Teftator, ven Sklaven fie find, die Freiheit erlangen; b) die 
licher Gefangenſchaft Befindlichen; c) Eolvaten können auch PBerfonen a 
einfegen, welche nicht testamenti factio haben; d) ungewifie Berfo 
leichfalls fähig, ald Erben ernannt zu werden; dagegen können über) 
ene Verfonen nicht als Erben eingefegt werden, welche in einem Sta 
Erwerbe des Eigenthumes ausgefchlofien find. Perſonen, welche ale E: 
gefegt werden müffen, heißen Notherben. Rad) dem neueften Rech: 
Nichts auf den Ort an, wo die Erbeinfegung gefchieht, auch wird es al 
gültig betrachtet, ob fle in der befohlenen, oder in einer andern Gchrei 


Teftament — Tee, . 19 


efapı id Em orthographiſch fehlerhafte Schreibart hat auf die Gültigkeit der 
kinen Einfluß. Der Erbe fann fogar, ohne genannt zu feyn, befchries 
Sen mern, uut muß die Befchreibung Kar und deutlich feyn, fo daß man mit 
Gawißdeit daraus entnehmen Tann, wer der Erbe fei. Die Urbertragung der 
Grbczjegung an Dritte ift durchaus unftatthaft. Die Ernennung eined oder 
Grhen, ſowie die Beftimmung der einzelnen Erbiheile hängt von der 
giir des Erdlaſſers ab. Sind von ihm feine Erbportionen feſtgeſett, fo 
werden diefe dadurch ausgemittelt, daß man bie Erbfchaft durch die Zahl ver 
Erben divoist. Zwei verbunden genannte Erben werben jedoch hiebei für Einen 
Bepf gerechnet. Hat der Erblaſſer die Hinterlafienfchaft nicht durch Bruchtheile 
ar, ſo muß der Neft unter die genannten Erben vertheilt. werden, (nemo 
pe testatus, pro parte intestatus discedere potest). Der Erblafler fann 
u che Etten auf oder. nacheinander einfepen, wad substitutio (f. d.) 
bift. Dabei kann nicht nur Einer Mebren, fondern es Fönnen auch Mehre Einem 
itwirt werden. De der Teſtator nur Einen Erben ernannt und diefem feinen 
J awern fubfituirt, fo tritt nach des Erfteren Ableben vie Inteftaterbfolge ein. 
J Eind aber mehrere fubftituirte Erben ernannt, fo tritt nady dem Ableben des 
| Einen aicht die Inteftaterbfolge für deſſen Erbtheil ein, fondern die noch lebenden 
ituitten Erben ıheilen fich in des Verlebten Erb» Portion, (jus accres- 
eomdi). Den geiftlichen Perſonen fteht theils nach befonderen Landesgefepen, 
Geld, weil ihre T.e der Form nady zur Claffe der privilegirten gehören, vie 
Gefagniß zu, über ihre Berlafienfchaften durch eigenhändige Scriptur, auch ohne 
feben Zeugen, zu teftiren und foldye T.e (testamenta canonica) find gültig, wenn 
mr in Anfehung der Form alles Erforberliche beobachtet und folche von den 
ichen Teftatoren eigenhändig unterfchrieben und mit ihrem ‘PBrivatfiegel bes 
Is worden find. — Nur die Bifchöfe waren Anfangs hinfichtlich des legtwilligen 
Despofitionsreihtes beichränft und ihr peculium clericale verblieb, nach Abzug 
bes Privawermögens, der Kirche eigenthümlich. Nach der Theilung des Kir⸗ 
ſengutes wurde diefer Grundſatz auch auf jeden Kirchenbenefiziaten angewendet, 
np ſo entitand der Unterfchied zwifchen dem Privatvermögen eines Klerikers, 
dihed nach dir gemeinichaftlichen Eıbfolge vererbt wurde und dem im Dienfte 
r Kirche Errungenen. Das Recht der Kirche, nach welchem bei Abgang eines 
8 diejenige Kirche, an welcher der verftorbene Weltgeiftliche angeftellt war, den⸗ 
igen Theil feines Vermögens, den derfelbe im Dienfte der Kirche erworben 
ie, oder, wenn er an mehren Kirchen angeftellt war, dieſe folchen pro rata 
bien, ift nun in den meiften Etaaten als erlofchyen erklärt und nach den 
debenden landeöherrlichen Gefegen tritt auch beim peculium clericale die Inte⸗ 
urbfolge ein. — Die geiſtlichen Corporationen der Religiofen erben die Berlaf- 
ichaft ihrer Profeſſen, fofern diefe nicht vor Ablegung ihres Profeſſes teftirt 
ben. Durch die Antretung der Erbfchaft erhält der Erbe ein dingliches Recht 
uf, Da er vorher nur ein jus ad rem hatte. Es fteht ihm aber frei, die 
bichaft anzutreten, oder nicht, und er kann im erften Kalle mittelft des gelehlich 
errichtenden Inventars feine rechtlichen Obliegenheiten auf die Kräfte ver 
ztaffenichaft beichränfen. Bon dem Erben unterjcheidet fich der Legatar (f. 
gate), dem nur ein befonderer Theil der Verlaffenichaft als Geſchenk von dem 
Hafer zugebacht worden ift. 
Zeitament, Altes und Neues, f. Bibel. 
Teſte, Jean Baptifte, geb. 1780 zu Bagnols, erzogen zu Lyon, ward Res 
äfentant von Valence, ging dann mit feinem Vater nady Stalien, wurde mit 
mieiben verhaftet, doch bald darauf bei der Verwaltung der Armee angeftellt. 
ier kehrte er nach Frankreich zurüd, wurde in Bagnold Municipalfekretär, 
ug dann nach Paris und fludirte Rechtswiſſenſchaft, ward 1801 Advofat und 
ter an der Rechtsakademie zu Paris. 1807 ging er nad Riemes, fam 1815 
an Ausbruche der Untuben daſelbſt nad Paris, führte die, ihm vom Koiſer 
wetragene, Berußigung von Rtömes mit Gewandtheit aus, wofür ihn vieler zum 
28 














20 . Tetanus — Tetrabder. 


Senerallientenant der Lyoner Polizei ernannte. Bon den Lyonern zum Repräfen- 
tanten der Kammer erwählt, mußte er auf Kouche’3 Befehl auf feinem Poften in 
Lyon bleiben. Nach der zweiten Reftauration ging 3. nach Belgien, woraus er 
1817, in Folge einer Bertheidigung des Journals „Mercure surveillant‘“, auf 
ruffifhe und öfterreichifche Anklage verbannt wurde, fpäter jedoch dahin zurüds 
fehren durfte. 1830 erft durfte er nach Frankreich zurüdfehren, ward General⸗ 
licutenant der Lyoner Polizei und Deputirter, endlich 1834 Im November Hans 
delöminifter; doch war er der Erſte, der bier nach drei Tagen abvanfte und zu 
feiner frühern Stelle zurückkehrte. Juſtizminiſter im Miniftertum vom 10. Mat 
1839, gab er wegen der Dotationdfrage des ‚Dertoge von Remours feinen Ab» 
ſchied. 1840 wurde er, nach Thiers Sturze, Minifter. der öffentlichen Bauten. Er 
legte indeſſen dieſe Stelle im Dezember 1843 nieder und erhielt dafür das Amt 
eines Praͤſidenten am Gaffationshofe u. die Pairswürde. Im Mat 1847 famen 
Briefe des Generald Eubisres an den Tag, welche T. befchuldigten, daß er wäh 
rend feiner legten minifteriellen Amtsthätigleit die Conceffion einer Altiengeſell⸗ 
fhaft zur Ausbeutung der Steinfalzminen zu Gouhenans nur auf das Ber: 
fprechen einer bedeutenden Echentung an Aftien ertheilt habe, Die Sache gelangte 
zur gerichtlichen Unterfuchung vor den Pairshof und durch den Bericht defielben 
wurde die Mitanflage des ehemaligen Minifters für gerechtfertigt tt. 

Tetanus, f. Starrframpf. 

Tethys, eine Tochter ded Uranos und der Gäa, ward mit ihrem Bruber, 
dem Ofeanos, vermählt und ift daher die Altefte, erhabenfte Meeresgöttin. Gie 
ward von ihm Mutter der Flüſſe: Nilos, Alpheus, Erivanod und anderer in 
großer Menge; dann der Dfeaniden: Pitho, Doris, Elektra, Kalirchoe ıc., ge 
gen 3000, alle von gettlicher Schönheit. Ihre Enkelin, von der Doris, war Thes 
ti8, weldye nicht mit der obigen zu verwechfeln iſt. 

Tetrachord, An der Muſik der Griechen eine Leiter von vier Tönen ober 
Saiten, deren zwei äußerfte gegen einander eine Quarte Elingen. Zur Theilun 
ihres Tonfyftems bebienten nämlich die Griechen fidy ihrer T.en, wie wir un 
der Dftaven bedienen. Nah von Drieberg's Bemerkung (Wörterbuch der 

riechifchen Muſik) nannten fie 3. in einem den Geſchlechte das Syſtem ber 

arte, usa es von feften Klängen, oder, nach unferer Benennung, von ber 
Tonifa, Dominante und Untervominante begränzt wird. Mithin bilden die vier 
Klänge von der Dominante zur Zonifa, oder von der Tonifa zur Unterbominante 
ein %. Die Lage der vier Klänge aber ift in jedem Geſchlechte verfchieden und 


dieß heißt bei den Griechen die Theilun H des 7.6. Die T.e aber befommen . 
t 


wieder verfchiedene Ramen, nach den Gefchledytern und nach der Lage im gemein- 
ſchaftlichen Grundſyſteme. In erfter Beziehung heißen fie diatoniſche, chromatiſche, 
enharmonifche und vermifchte T.e; nad) ihrer Lage aber Hypaton, Mefon, Syn⸗ 
emmenon, Diezgeugmenen und Hyperboläon. 

Tetraäder (Bierflächner), eine Kıyftallgeftalt des tefferalen Syſtems (f. Kry⸗ 
ftalle), iR von vier gleichfettigen Dreieden gebildet und hat ſechs Kanten und vier 
Eden gleicher Art. Die Kantenwinkel meffen 70° 31’ 44", die Hauptaren gehen 
durch die Mittelpunkte der Kanten und feine Truftallographifche Stellung iſt auf 
einer Kante. Das T. ift die Hälfte (Hemiedrie) des DOftaövers (Adyiflächners) 
und entficht aus diefem, wenn deſſen vier abwechfelnde Flächen fo wachlen, daß 
die vier anderen verfchwinden. Je nachdem von den acht Flächen des Oktasders 
biefe oder jene vier abmwechjelnde durch Wachfen zu einem 3. werben, fönnen 
zwei T. entfliehen, die einander glei find und fih nur durch ihre Lage zu 
einander unterfcheiden, indem das eine gegen das andere um 909 gevreht ifi und 
wovon das eine als linfes, das andere ald rechtes bezeichnet werden Fann. 

T. Tann entftehen aus allen Geftalten des tefieralen Syſtems, wenn daran von 
den Flaͤchen rbRumpfungeflächen von den Eden), welche zum Oktasder führen, 
nur die abwechfelnden ? (ften auftreten. Es wird demnach gebildet aus dem 
Beraober (Würfel) durdy Abftumpfung der abwechfelnden Eden und geht in den 


— 


Würfel 
Eden des T.s werden die Flächen des 3 


Tetralogie — Teinan. o 2t 


wieder über durch — der Kanten. Durch Abſtumpfung der 

en T.s gebildet. Wenn nun die —9— en 
beider gleiche Groͤßen erlangen, fo entſteht das Oktasder. Das Rhombendode⸗ 
lasder (Rautenzwölfflächner) wird am T. gebildet, wenn man eine dreiflaͤchige Zu⸗ 
igung der Eden von den Flächen aus fo anbringt, daß jede Zufpigunge- 
fläche zur gegemüberliegenden Kante des T.s unter einem wen Winkel 















t iſt; das T. entfieht Dagegen am Rhombendodekasder, w e abs 
elnden breiflädyigen Eden abgeflumpft werden. — Bon ve Mineralien, 
wiche als I. FIrpftallifist vorkommen, müflen genannt werden: bie Fahlerze, 
Helvin und Boraeit. C. Arendts. 
Tetralogie, |. Trilogte 
Zetrameter.(gr.) viergliederig, vierfüßig; jeber, aus vier einfachen ober 
Deppeifäßen beftehenbe Vers; daher daltyliſcher, jambifcher, trochälfcher T. u. f. w. 
. Trimeter. 
Ftettenborn, Friedrich Karl, Freiherr von, geboren 1778 zu Tetten« 
bern im Badiſchen, flubirte er Forſtwiſſenſchaft, trat 1794 als Cadet in öfter, 


—* Dienſte und ſtieg im Revolutionskriege bis zum Rittmeiſter. 1805 ſtand 
a bei Ulm 


»ein, 
: Weich 


—— nm 


und fchlug fi) mit dem Erzherzog Ferdinand durch; 1808 bes 
gleitete er den Fuͤrſten von Sanarzenberg als Adjutant nach Petersburg und 
kichnete ſich in der Schlacht Wagram fo aus, daß ihn der Erzherzog Karl 
auf dem Scylachtfelde zum Major ernannte. Nach dem Frieden folgte er dem 
von Schwarzenberg nady Paris, wo er fi) bei dem Brande des ſchwarz⸗ 
enbergiſchen Pavillons febr thaͤtig bewies. Bei dem Aus des Krieges von 
1812 trat er ale Oberfilieutenant in rufflfche Dienfte, führte eines der PBartifah- 
ups, drang beim Rüdzuge der Sranzofen zuerfi wit feinen Kofalen bei Wilna 
a, ging, zum Oberſten befördert, zuerſt mit einem fliegenden Corps über die 
fel und die Oper und überrafchte am 20. Februar 1813 mit &zernitfcheff 
Berlin. Bon dort aus 9 er gegen Bamburg, war am 14. März in Ludwigs» 
uk, wo der Herzog von MedienburgsSchwerin ſich fogleid, gegen die Franzoſen 
erllärte und rüdte am 18. März in Hamburg ein, welches er erſt am 30. Mat 
wieder verließ. T. trat nun unter Wallmodens Commando, nöthigte am 15. Ok⸗ 
tober Bremen zur Uebergabe und focht dann unter dem Kronprinzen von Schwer 
den gegen die Dänen. Nach dem Frieden mit Dänemark brach er gegen den 
Rhein auf (24. Januar 1814) und unterhielt mit feinem leichten Corps die Ber: 
bindung zwifchen den einzelnen Heeren der Allirten. 1818 trat T. tin babifche 
Dienfte, leitete die Unterhandlungen zwiſchen Baden und Bayern und wurde 1819 
Befandter in Wien, als weldyer er dafelbft 1845 ſtarb. Vergl. K. A. Barnhagen 
v. Enfe, Geſchichte der Kriegezüge des Generals T., Stuttgart 1815. 

Tetuan, [böner und reicher Handelsplap in der Provinz Hasbet des mar 
toffanifchen Reiches Fez, unfern der Ausmündung des Yluffes Martil ins Mits 
telmeer und am Abhange eined Huͤgels erbaut, der ein ſtarkes Kaftell trägt. Die 
Stadt ſelbſt umgeben gute, mit Thürmen flankirte Mauern; fie enthält 30 Moſcheen, 
deren im Range vornehmfte von großem Umfange und impofanten Aeußern ift, 
und fieben Synagogen. Unter den Einwohnern, 16,000 an der Zahl, befinden 
fh über 4000 Juden, welche in dem abgefchlofienen Millah (Judenviertel) ihre 
pauler haben. Die rauen von 3. genießen den Auf, die anmuthigften in ver 

berei zu feyn. Die Stadt treibt fiarken Verkehr mit Frankreich, Spanien und 
Italien, namentlich in Wolle, Gerſte, Wachs, Leber, Häuten, Schuhen, Matten, 
Drfelje, Hornvieh, Maulthieren und Eßwaaren. Dem Binnenhandel werben Sei⸗ 
denwaaren, Schiefpulver, Zeuergewehre, Gefäße von gebrannter Erde, Dachziegel 
md Tabak geliefert. Die Umgebungen von T. find reizend und vortrefllidh ans 
ebaut; beſonders gefchägt werben die Trauben der benachbarten Weinderge, 
—* die Apfelſtnen dieſer Gegenden unbezweifelt die beſten in der Welt 
ind. — T. hieß bei den alten Amarzirghen Tetteguin und bei den Rönem 


Jagat h. 





22 ‚Tegel. 
Tegel, Johann, geboren zu Leipzig, ſtudirte Dafelbft die Theologie und 
trat 1489 in dem dortigen SBaulinerflofter in den Dominifanerorven. Als im 3. 
1502 Papft Leo X. zum Bau der Peterskirche in Rom einen allgemeinen Ablaß 
ausfchrieb, beauftragte er den Kurfürften und Erzbifchof Albrecht von Mainz mit 
der Verkündigung deflelben durch gang Deutichland und dieſer wählte T. zu 
feinem Unteresmmiflär für feine Bischimer Mainz, Magdeburg und Halberftadt. 
Wie ernſt es dem Kurfürften Albrecht war, mit Borfiht und Gewiſſenhaftigkeit 
das ihm vom. Bapfte übertragene Werk auszuführen, beweist der Umſtand, daß 
er felber einen weitläufigen Unterricht für feine Untercommiffarien verfaßte, wors 
in er fie unterrichtete über ded Papfted Auftrag und Abſicht, ven Zweck des 
Adlafies, die gewifienhafte Verwahrung, Verrechnung, Ab eferung und Verwend⸗ 
ung der Gelder. Albrecht's Klugheit, Gelehrſamkeit und Froͤmmigkeit find zu be⸗ 
fannt, als daß nicht von bier aus auch ein günftiges Licht auf T. fallen ſollte. 
So unzählige Male diefem auch nachgefagt wurde, daß er den Ablaß mit marft- 
fchreierifchen Anpreifungen an die Leute gebracht habe: fo ift hiefür bis vielen 
Tag eben fo wenig ein Beweis beigebracht worden, als für das Brandmal eines 
unfittlichen Lebens, das feine Zeinde ihm aufzuprüden nicht müde werden. Daß 
T. einen richtigen Begriff vom Wblaffe hatte, dafür fprechen zwei Dokumente, 
von denen weiter unten die Rede feyn wird. Als Luther (f. d.) fi 1517 an 
den Erzbifchof von Mainz, ald den Ordinarius von Wittenberg, um Abhülfe ge- 
gen die Ablaßprediger und namentlich gegen 3. wandte, weigerte ſich die anges 
gangene Behörde Feineöwegs, den Thatbeftand auf dem geeigneten Wege zu er- 
mitteln; allein, anftatt deſſen Herftelung abzuwarten und fidy bis dahin zu bes 
ruhigen, brady Luther plöglich los und veröffentlichte, gegen die Bitten erfahrener 
Männer, ja gegen fein gegebene® Berfpredhen, am 31. Dftober 1517 feine 95 
Thefen über den Ablaß durch Anſchlagen verfelben an ver Schloßkirche zu Wit- 
tenberg, um fie fchnell zu verbreiten, da Tags darauf dad Allerheiligenfeft ftatt- 
fand, genannte Kirche aber den Titel Allerheiligenkirche führte, mithin ihren Jah⸗ 
restag feierte und vieles Volk zu erwarten war. Diele Thefen, welche neben 
manchem Wahren auch viele offenbare Irrihümer, namentlidy in der Lehre vom 
Ablaffe, enthalten, erregten ungeheueres Auffehen bei den Ablaffeinden unter dem 
Klerus, wie bei den dem Chriftentbume überhaupt feindlich Gefinnten, fo daß 
Zuther anfänglich felbft erfchrad. ber, eingenommen gegen 3. durch fügenhafte 
Volksſsmährchen, dur Eiferfucht gegen den Dominifanerorden und deflen fo ges 
fuchte Beichtſtühle, daß die der Auguftiner, befonderd in Wittenberg, gar verödet 
waren; der Unmuth gegen allen Widerfpruch, die Aufmunterung feiner Freunde 
und der Kibel des Ruhmes erftidten alle Befinnung und alles befiere Gefühl in 
Luther. Als nämlih 3. den lutberifchen Thefen ebenfalls zwei Reihen von The⸗ 
fen, die erfte mit 106, die andere mit 50 entgegenftilte , welche die Kirchliche 
Lehre vom Ablafie ganz richtig darficlien, fodann von der Gewalt des PBapftes 
und der Auftorität ter Kirche handeln und ſich dabei von allen Ausfällen gegen 
Luther forgfältig frei erhielt, ja, nicht einmal deſſen Namen nannte, achtete letz⸗ 
terer die fchonende Behandlung, deren er fi) von. zu erfreuen hatte, fo wenig, 
duß er eine Echrift unter dem Titel „Hreiheit nes Eermond“ veröffentlichte, wor⸗ 
in er 3. gröblich befchimpfte und von tiefem foglcich in pöbelhafte Ausfälle ges 
gen den 2kapft ſelbſt überging. Man kat eingewentet, daß ed nech nicht auege⸗ 
macht ſei, ob T. feine Theſen gegen Luther felbft verfaßt habe, wahrſcheinlich 
habe fie fein Lehrer, Konrad Wimpina, Profeffor der Theologie zu Frankfurt an 
der Oder, verfertigt. IR aber hiemit T.'s Unwiffenheit, von ter Luther fo gro- 
fen Lärmen machte, bewiefen? Im Gegentheil, denn T. vertheidigte wenigſtens 
[ liche Thefen fo gut, daß er Licentiat und hierauf Doktor der Theologie wurde. 
ekanntlich aber ift die Vertheidigung von Thefen fchwieriger, als ihre Abfaffung. 
Diefe Thefen nun yerbrannten die Studirenden Wittenberge, worin Fein vernänt: 
tiger Mann einen Beweis gegen 3. ſuchen wird; es follte cine Ehre für Luther 
darin liegen, ber wohl Richts von dieſem unbelonnenen Schritte der Jugend ges 


F > 


Tegel. " 3 


7 weht via mag. ebenfalls iR es Lüge, wenn einige Proteflanten behaupten, 
I &, hakererher Luther's Thefen verbrannt; denn Luiher fucht die Studirenven 
an weraitenm Stellen feiner Bricfe zu entfchuldigen, fagt aber nicht das Ge⸗ 
ringfie von jenem vorgeblichen Borgange 3.6, worin doch die erfte u. gegründetfte 
img gelegen wäre. Sekt erft verbrannte T. Luthers Sätze. Eine Lüge _ 
ir, mean man jagt, Leo X. felbit habe T.’8 Ablaßlehre in einer eigenen Bulle 
serdamaı; denn das Bullarium magnum Romanum enthält eine foldhe e nicht. 
ji Der gaben etwa, wie ebenfalls vielfach angeführt worden ift, die intelligenteſten 
| ilichen Fürken der Lehre Luther's vom Ablafje ihren Beifall? Es ift wahr, 
En von Bibra, Hürftbifchof von Würzburg, bielt Vieles auf Luther, aber nur, 
fo Lange er deſen Streit ald Gewiflend» und Gelehrtenſache anfah. Der Bifchof 
* von Rerſeburg nannte In einem Schreiben vom 28. Hornung 1520 Luther 
anen „ereffiichen Doktor.” Dennoch aber fchrieb erihm: „Ich wünfchte von Herzen, 
w Dan. ale Anderen, die ſich für Lehrer der chriftlichen Religion ausgeben, fi) 
2, zit ließen, mit giftigen Stacheln fo um ſich zu beißen u. ftechen, fondern 
berlich thaten, aus einer göttlichen Liebe. Ich kann auch die Urfache, 
werum Da den Bapft fo hart angreifeft u. fchilteft, nicht faflen, ja ich habe groß Miß⸗ 
fallen daran. Auch weißt Du wohl, aus was Kühnheit Du foldyed fürnimmft u. 
wie es angenommen werde. Du hätteft meines Erachtens, nach Deiner groben Ge⸗ 
qiciqlei anſtatt gedachter Büchlein, etwas Nutzlicheres gemeiner Liebe u. Hell, 
sine Zweifel löͤnnen ſchreiben. Ermahnen Dich derhalben, Du wollteſt ſolches 
den, jept und fuͤrder zu aller Zeit und das Schelten und Echmähen nachlaſſen 
uud gar deſelben Dich äußern.” — Kurfürft Albrecht von Mainz fchrieb an 
Sutber am 25. Februat 1520: „Daß Du aber fürgibft, Du lehreſt die Wahrheit, 
Da fe in der heiligen Schrift gelefen und daraus gelernt haft, Fönnen wir 
icht raten; doch, foferne Du ſolches thuft mit Gottesfurcht und Sanftmutb, 
jche wit Schelten und Läftern, nicht erregeft noch Urfache gebeft zu Ungehorfam 
wider die gemeine Gewalt und Autorität der Kirche. — Kommft Du diefem 
nach, fo iR Dein Rath oder Werk aus Gott und wird ohne Zweifel löblich und 
wäglih ſeyn und daß ich mit Dir (wie Gamaliel mit den Juden) rede, wird es 
feß bleiben, aljo, daß ed Niemand wird dämpfen mögen. Geht aber Dein Werf 
us Reid, Vermeſſenheit u. Stolz, Andere zu ſchmaͤhen u. zu läftern, fo iſt's ges 
ich aus Menichen und wird leicytlich von ihm felbft untergehen. Denn wir 
wen, daß ed Niemand jemals ohne gewifle Gefahr abgangen ift, fo er Gottes 
Guaden und Wohlthaten mißbraucht und fich wider die Wahrheit und Gott felbft 
geist bat. Derfelbe Gott verleihe und, Dir und allen Ehriften, daß wir recht 
x aufrichtig handeln. Gehab Dich wohl in Ehrifte.” — Die Hauptwaffe aber gegen 
T bat man immer darin gefunden, daß er felbft von feinem Borgefegten, dem 
geheimen päpftlihen Kämmerer, Karl von Miltis, hart angelafien und diefer Ta- 
vi fogar von dem Papſte felbft anerkannt wurde. Dies verhielt fich aber fo. 
fo X. fandte, in feinem friedliebenden Sinn u. in friedfertiger Abficht, bejagten 
Filtig im Jahre 1519 an Luther, um den Etreit auf gütlichem Wege beizulegen. 
Rber, wie jehr ſich der heilige Bater dießmal vergriffen hatte, fah er nur zu fpät 
m Miltig, ein Lebemann und oberflächlicher Kopf, hoffte mit zwei Mitteln 
on ihm nicht ganz unbefannten Luther zu gewinnen, indem er deſſen Ehrgeize 
md feiner Heftigfeit fchmeicheln und fich mit feiner Genußſucht näher einlaffen 
wollte. Für den erften Zwed fiel er ungemefien über den armen T. ber, der bis⸗ 
ker mit Ehren befanden und fidy Feines Vergehens bewußt war und nidyt anders 
—— konnte, als, daß er auf geſetzlichem Wege ſich nur des Schutzes ſeiner 
rgeſetzten zu erfreuen haben werde. Kein Verhör, keine Unterſuchung ſtellte 
Nilntz an, keine Rechtfertigung verlangte er. Luther ſollte über T. triumphiren 
md darüber der Streit gefchlichtet feyn. Wie berichtet, fo gerichtet; der Papſt 
kiber flimmte in Vorwürfe gegen 3. ein und eine foldye Behandlung ſtürzte den 
Irmen in eine Krankheit und Defchleunigte feinen Tod, der im Augukt A519 \m 
cam Daulineriofer zu Eeipzig erfolgte, wohln T. bald nach ver Reiyriger Dip 


Li Dur = 207 SE LEE Z Zn 


ww ev 1 


Wr 9 





Due 














FIRE EN 


Ho 7 be Liner — Zeufel, 


tation zurüdgelehrt war und in deſſen Kirche er auch beigeſetzt wurde. Luther 
bemitleivete 3. felber und fuchte ihn in einem Briefe zu tröften, was beiden zur 
Ehre gereiht, uns aber einen Blid in den Zufammenhang der Sache und viel⸗ 
deicht In Luther befiere, aber nievergehaltene Ueberzeugung geftattet. — Diefe 
Ungerechtigfeit eines Miltig führte Luthern ebenfowenig zur Gerechtigkeit, als 
beider Zechgelage und Scherze zur ernften, befiem Einſicht. Beide betrogen fich, 
verfpotteläk fich Hierauf und befchimpften fich zuletzt; die offenbarfte Apologie des 
unter der Erde ruhenden T. (Vgl. Reue Sion 1846, Nr. 24 u. 25). 

Zeucer, |. Teukros. 

Teufel, der, hat in der heil. Schrift verſchiedene Ramen und Benennungen, 
als: Satan, Belial, Beelzebub, der große Drache, die alte Schlange, Fürft dieſer 
Welt, Fürft der Kinfternig, Bott vieler Zeit, der Böfe, Lügner, Mörder von Ans 
beginn, Afafel, Asmodi, Fürſt ver Dämonen. Alle diefe Bezeichnungen kommen 
eigentlidy nur dem höchften und erften der gefallenen Engel zu; doch heißen zus 
weilen auch die anderen oder niederen der böfen Geiſter T., gewöhnlicher aber 
Engel des 7.8, Anhang Satans, Samen der Schlange. — An das Dafeyn böfer 
Geiſter mit ihren Infeftationen glaubten auch heidnifche Völker, 3.8. die Gri 
(Arist. Mir. auscult. c. 166. Cfr. Hom. Od. IV. 64; V. 396) und bie alten 
Parfen, welche den Satan gar für das Urprinztp des Böfen hielten und ihm ben 
Namen Ahriman beilegten, welchen fie dann bildlich als einen groben Drachen 
mit langen Armen und Yüßen und mit weit audgeftrediter Zunge barflellten. 
auf Sabäisſsmus beruhende Parfiemus hat überhaupt bezüglich feiner Lehre von 
den böfen Geiftern fehr viel Aehnlichkeit mit der chriftlichen Doktrin von den ges 

[olenen Engeln. Denn, gleichwie nach der chriftlidhen Glaubenslehre der T. den 
enfchen phyſiſche und moralifche Uebel bereitet, alfo fendet, nach der Lichtreligion 
der Barfen, Ahriman von feinem Wohnorte der Urfinfternig im Innern der Erde 
Böfes in die Welt, verbreitet von da aus Lügen und Unwahrheiten, Krankheiten 
und Ungemach aller Art. Und gleichwie im Eyſteme des Chriſtenthums der 3. 
einen Anhang, verfchievene niedere böfe Geiſter um fich hat, alfo bat auch Ahri⸗ 
man die Dews als Gehülfen und Gefellen feiner Boshelten. Und gleichwie end⸗ 
lidy, nad) der pofitiven Dffenbarung des Alten und Neuen Teftaments, der 3. 
die erften Menfchen, Adam u. Eva, verführte: alfo wurden audy nach dem Par⸗ 
fismus die erften Menichen, Meſchia und Meſchiane, von Ahriman zum Genuffe 
unreiner Thiere und zur Verehrung der böfen Linterfräfte, der Dews, verführt, 
fo daß fie Dadurch dem Böfen und der Sterblichkeit anheim fielen. Bel a dieſer 
Uebereinftimmung des Parſismus u. des Ehriftenthums über die böfen Geifter aber 
weichen beide Syſteme hierin doch wieder wefentlich von einander ab. Denn 
nach erfterem ift Ahriman ein eoigee böfed Prinzip, das mit feinen Dews end⸗ 
lich gebefiert und durch euer gereinigt wird; nach legterem aber ift der 3. ein 
Geftöpf, das anfänglid) gut war, durch den Mißbrauch feiner Freiheit aber ges 
fallen und nun unverbrflerlid und unerlödbar tft. — An der Wirklichkeit des T.s 
und der 2. kann der Ehrift nicht zweifeln. Denn Chriftus, feine Apoftel und bie 
Kirche reden von ihnen, als in Wirklichkeit beftebenven, auf das allerveutlichfte u. 
pofittvfie. Die Satze, die über fie unwiverleglich feftftehen, reduciren fi auf 
folgende: 1) die Teufel find Gefchöpfe, perfönliche, rein geiftige Weſen; 2) ſie 
waren Anfangs gut und wurden aus eigener Schuld durch den Mißbrauch ihrer 
Sreiheit böſe; 3) fte find incorrigibel und unerlösbar; 4) die gefallene Geiſterwelt 
oder die 3. bilden Fein organifirted Ganzes, feine rolıreia, Feine Idee, wie die 
Manichder gemeint haben. In der Hölle, dem Wohnorte ver T., gibt es alfo 
feine Subordination der niederen T. unter den höhern, feine Ordnung, fondern 
nur eine chaotifche Grauenhaftigfeit, ein ewiges Tohu und Bohu, ein befändt es 
Wüſt und Leer. 5) Die T. flehen in Beziehung zur materiellen Welt und kon⸗ 
nen die Menfchen verfuchen, an Leib und Seele befchädigen und fogar „beflgen“. 
Die Behauptung, „die Beſeſſenen“, von denen die Schrift fpeicht, ſeien nur Luna⸗ 
fer, Melanchoiifer, Tolle, mit außerordentlichen hartnädlgen Krantgelten keins 





BEL mNE TEE u u ni We 


⸗ 
’ u 
m. 


. Tenfeiäbrhite— Seukros. pr 


Menſchen gerweien, iſt unſtatihaft. — Den Beweis für die Wahrheit vie 
©Gäge hat die Dogmatif und die Eregefe zu führen, was auch bei den zahls 
nad Klaren riftterten des Alten und Neuen Teftaments leicht if. Wie 
ch die Gewalt ded T.s über die Menfchen erftrede, läßt ſich nicht beſtim⸗ 

iR aber, daß fowohl Die irren, welche dem T. u. feinem Anhange 
uß auf das fichtbare Univerfum abfprechen, ald auch die, welche feine 

weit ausdehnen. Leute der erſten Claſſe gibt ed heut zu Tage in 
d foldye der zweiten Art gab ed im Mittelalter, in welchem bie Chri⸗ 
allgemein in einen ängfliden und niederdrüdenden bämonifchen ber: 
verfanten, indem fie alle Keberei, allen Unglauben und jede neue Ents 
in Phyſik, Afronomie ıc. dem T. zufchrieben. Es dürfte auch hier ein 
pte milieu geben, dad weder alles Unheil dem T. in die Schuhe fchiebt, noch 
nd jede dämoniſche Influenz auf die Menfchheit in Abrede ſtellt. Bon der 
Irformation des 16. Jahrhunderts hätte man erwarten follen, daß fie das Webers 
ziebene und Abergläubifche über die Lehre von den T.n befeitigen würde. Allein 
durch fie wurde es In diefer Hinficht um Nichts befier, ja, nachgerade 
. Denn gegenfeitig machten ſich Katholiten und Proteſtanten den Vor⸗ 
warf einer Abſtammung vom T. und Niemand ſprach flärker und wiederholter 
ale — Luther. Die fombolifchen Bücher der Broteftanten fegen übrigens 
ber die 3. Nichts feſt, zum Beweiſe, daß fie in diefem Punkte übereinitimmend 
sit den Katholiten gelehrt haben. — Sender hat das Berdienft, den unter dem 
Bolfe herrſchenden dämonifchen Aberglauben entfernt, — und das Mißverdienſt, 
We biblifche Dämonologie bei Vielen erfchüttert zu haben. Z. A. 

Tenfelsbrücke, eine kühn angelegte Brücke über den Fluß Reuß, im Schwei⸗ 
xr⸗Canton Uri, bildet einen vollkommenen Halbkreis, hat von einem Ende bis zum 
udern SO Schub und das Wafler läuft 70 Schub tief unter ihr weg. 

Zenfeldmauer oder Bfahlgraben, 1) eine römifche Berfchanzungslinte 
gegen deutſche Völker, von der jeht noch E puren übrig find. Sie befteht aus tief 
serfenften PBfählen, mit dazwifchen eingelegtem Flechtwerk (meift aus Kaiſer Ha⸗ 
drian's Zeiten), theild aus einer hohen u. diden Dauer (PBfahlgrabenmauer, 
T, aus Probus Zeiten). Den Anfang des Pfahlgrabens findet man in der Ge⸗ 

d von Kelheim, bei der Einöde Haderfled an der Donau; er geht bis in die 

end von Dinkelebühl, nach Pfahlheim; eine andere Linie beginnt unweit 
Abmöberg und geht nach der Donau, aber auch nad) dem Rheine zu. Rad 
egann der Wall in der Wetterau, unweit Wiesbaden, lief läng6 dem, 
vie Höhe genannten, Gebirge een Rordoften neben Homburg, Yriedberg, bis 
Srüningen fort, wo er ſich finzkı ch neigte ; nach noch Anderen aber gehörten zu 
den — Feldern der Strich von Baſel am rechten Rheinufer abwaͤrts, 
lings dieſem Strome. Die Ueberrefle treten bald mehr, bald weniger vor, geben 
bald Fahrwege, bald Yußfteige ab, haben gemeiniglich in der Entfernung von 
balben Etunden Refte von Thürmen, dienen zu Grundmauern von Gebäuden ıc. 
um» lafien fidy auf eine Strede von 80 Meilen verfolgen. — 2) Eine Kette von 
wunderbar gebildeten Sandfleinfelfen auf dem Heivelberge, im Diftrifte Blanken⸗ 
burg des Herzogthums Braunfchweig, zieht fi) von Nordweft nach Südoſt bis 
Durblinburg u. verliert fich erft in der Gegend von Ballenftädt im Herzogthum 
Anhalt. ahrſcheinlich find dieſe Sandfleinfelfen die Kerne von Bergen gewefen, 
"6 Erdreich iR abgewafchen worden und die Felfen als Gräten zum Borfchein 
gefommen. Seht bilden fie faft immer die Gipfel lange fich fortftredender Berge. 

Teukros, 1) Sohn des Efamandros und der Idaea, ältefter König von 
Troas; feine Tochter, Butea, ward Dardanos Gattin. — 2) T., ein Halbbruder 
des Ajax Telamonios, von der Hefione geboren. Er Tümpfte mit Ajar vor Troja, 
woſelbſt von feinen Pfeilen über 30 Helden fielen. Als Ajar entweder von Odyſ⸗ 
ſens aus dem Wege geräumt war, oder fich felbft entleibt hatte, kehrte T. nach 
— at ward aber von feinem Vater verftoßen, weil er den Bruder nicht 
gerächt hatte. 


t 







1 





na 


ei; 


a 


20 *ut⸗ Texas. 


Teut, ſ. Thuisko. 

Teutoburgerwald, ein Waldgebirge im Paderborniſchen, berühmt durch die 
merkwürdige Schlacht, welche hier im Jahre Chriſti 11 das romiſche Die unter 
Varus gegen die Deutfchen unter Arminius (f. d.) verlor und wo jınc® ganz 
vernichtet wurde. Wahrfcheinlid umfaßte jener Wald einen weit größern Bezirk, 
als den wir heut zu Tage unter diefer Benennung fennen und der Arminius« 
(Hermanns) Berg, der VBaren« (Baruss) Bufch, der Blutbach u. m. a. gehören 
unftreitig mit gu der Gegend, welche dad Echlachtfeld damals einnahm. Nicht 
weit davon befindet fi) auch das Echlachtfeld, wo fpäter im Jahre 783 Karl 
der Große die Sachfen unter Wittefind fchlug. 

Zeutonen, ein kriegeriſches, germanifches Volk, welches mit den Eimbern, 
Ambronen und Zigurinern 113 v. Ehr. fich gegen Italien wandte. Woher fie 
gekommen, ift ungewiß, wahrfcheinlich waren fie germantichen Urſprungs. Nach⸗ 
dem von ihnen und ihren Verbündeten die Römer mehre Niederlagen erlitten, 
wurden fie endlich 102 v. Chr. von Marius bei Air im jetzigen Frankreich beflegt. 

Teutſch, Teutfchland ꝛe., ſ. Deutfh, Deutſchland. 

Texas, ein, zu der nordamerikaniſchen Union gehörender, im Weſten von 
Louifiana gelegener Freiſtaat, zieht fich längs des Golfes von Mexiko, von der 
Mündung des Sabinefluſſes bis zur Muͤndung des Rio Grande und an letzterem 
Sırame aufwärts bis zur Duelle defielben, erftrcdt fi) von 26° 5‘ bis 42° 
nördlicher Breite und von 16° 25° bis 25° 45 weftl. Länge und umfaßt nach 
Bromme's Berechnung 257,600 englifhe [1 Meilen over 164,764,000 Acres. 
Das Land ift an der Küfte eben und meiſt Prairieland, hinter der Ebene erhebt 
fih ein Halbzirkfel von rollendem und hügeligem Lande, das frei von Sümpfen 
und läfttgen Inſekten ift und wo %ieberfrankheiten, die häufig an der Küfte vors 
fommen, ganz unbefannt find. Die Gebirge von T. find meift von neuerer 
Kalffteinformation, daher nicht fleil, fondern mehr hügelfürmig und theilmeife mit 
glatten Hochebenen gekrönt. Zahlreiche Zlüffe purchftrömen das Land: der Sas 
bine bildet die öftliche Gränge und ft für Dampfboote 80 Meilen aufwärts 
fahrbar ; bolgreidhe und fruchtbare, nur felten der Ueberſchwemmung ausgeſetzte, 
Ländereien bilden feine Ufer. Der Neches entfpringt unter 32° 30' n. Breite, 
wird durch mehre Fleinere Flüffe verfärft und mündet in den Sabinefee, fein 
Hauptarm {ft der Angelina. Der Trinidad, von 250 Zuß mittlerer Breite und 
8 — 10 Fuß Tiefe, hat fandige oder thonartige Ufer und mündet in die Galve 
ſtonbai; ihm folgt der, bei Lynchburg in den norpweftlichen Theil der Galveſton⸗ 
bat mündende, San ‚Facinto. Die übrigen bedeutenden Ströme des Landes find: 
der Brazos, größter Yluß des Binnenlandes; Colorado, La Barca, Guadelupe, 
San Antonio, Nueces und der, im fernften Weften entfpringende Rio Grande; 
fie münden alle in den Meerbufen von Mexiko. Die Küfte des Landes iſt 
durchichnitten und eingebuchtet, reih an Haffe und Lagunen, welche durch Fleine 
Infeln und fandige Nehrungen vom merifantfchen Golfe gefchieven werden. Rur 
eine Bucht, die Balveftonbai, tft von Bedeutung; vor ihr zieht fich die 30 Meilen 
lange, 3—5 Meilen breite Infel Galvefton oder San Louis mit der Stadt Gals 
vefton hin. Andere Balen find: Die Weft- Matagordas, Aranfaguas und Korpus 
Ehrifti- Bat. — Das Klima von T. it im Allgemeinen gefünder, als in ven füds 
weftlidhen Staaten Nordamerika's. Wenig Regen fällt vom März bie Oftober; 
während diefer Zeit herrfcht große, nur durch erfrifchende Winde abgefühlte Hige, 
die von 3 oder 4 Uhr Nachmittags bis zu Sonnenuntergang am ftärkften ıft. 
Der Winter ift leicht, unbedeutend der Schneefall im Oberlande, dabei aber 
fchneller Temperaturmwechfel, fo daß die Winter Nichts weniger, ald angenehm 
find. Die Regengüfie dauern während des Dftoberd und Rovembers; geringer 
{ft die Regenmenge in den folgenden Monaten. Herrſchende Krantheitöformen 
find Erkältungen, Wechfel- und Gallenfieber, Be auuungöbejchiuerben und Ficbers 
Bauer. Dem europdifchen Einwanderer mug Maͤßigkeit in Allen die ertir Les 

Pensregel ſeyn, wenn er in biefem Lande, bei einem fo \cynellen Weigel ve 


a 
zo." ® 0 9 


Tewperaur, gefunb bleiben will. Die terantiche Pflanzenwelt bietet alle Brobutte 
var, weiche % norbamerifantiche Union aufweist. Eine eipenthünmliche Er ſchein⸗ 

iR das lange, ſpaniſche Moos, welches viele Bäume bedeckt und in großen, 

vom Winde bewegten EStreifen herumflatternd, den Baum wie mit einem 
itemen Mantel umhülit erfcheinen läßt. Alle Getreidearten gedeihen in 3. vor⸗ 
inf: Baumwolle, Tabak, Hanf und Flachs im Norden, Auder, Kaffee, Reis = 
us Judigo im Süpen werben bald bie Hauptausfuhrartitel bilden. Wr Thieren 
tet das Lund alle Arten, welche das ‚benachbarte Louiſiana und Arkanſas bes 
He. Wenig belannt iſt nody der Mineralreichthum: Silber hat man Ders 
Gegenden gefunden; ver Colorado ‚führt Golofand und in der Nähe 

Quellen entdeckte man gediegenes Gold; Kupfer kommt in mehren Gegen⸗ 
ven vor und unter 33° nördl. Breite befindet fich zwifchen dem Trinidad und 
Bra3o6 eine Eupferreiche Strede; Blei geht an mehren Drten zu Tage. Das 
vobreitete Meiall iſt Eifenerz umd große Eifenfteine, die 50 — 60 pCt. reines 
Eiien enthalten, werden am oberen Trinidad gefunden. Salzquellen und Salzſeen 
kab eine häufige Erfcheinung, wie man auch Steintohlen von vorzüglicher Qua⸗ 
it antri Aderbau, der in Plantagens und gewöhnlichen Aderbau zerfäft, 
set, nebſt der Bichzucht, die tbefchäftigung der Teraner. Ein Hauptzweig, 
ve Agrikultur iR der Anbau der. Baunwollſtaude; ein Ader trägt in ber Regel 
1080 — 2000 Baumwolle und ver Ballen von 500 Pfund wurde in den 
ken Jahren durchichnittlich mit 35 Dollars bezahlt. Die teranifche Baum⸗ 
wele übertrifft an Länge und einhele die beften Eorten der V. St., mit Aus⸗ 
nahme der Sea⸗Jélandbaumwolle. Tabak, Zuder und Mais werben fleißig ger 
baut, die Kartoffel geveiht fehr gut und wird in Menge gezogen, Yams, Bataten 
uud die Maniokpflanze geben reiche Erndten. Kür Handwerker bietet T. ein 
weiteß Feld dar, denn Kunfts und Gewerbefleiß haben noch wenige Fortſchritte 
genacht, Bauhandwerker finden befonders reichen Verdienſt, Rurusartifel werben 
aus Europa und den V. St. eingeführt, während die höhere Induſtrie Nords 
amerila’8 bereits auch hier Boden gefaßt hat umd mit jedem Jahre neue und 
größere Etablifiements begründet. In der Handelöwelt wird das Land einft eine 
gehe Rolle fptelen; feine erftien Häfen find: Matagorda, Treopalacios, Lamar, 
86 





ine und St. Auguſtin, vor allen aber der Haupthafen Galveſton, in dem 

bereits 1840 die Zoͤlle auf eine Million Gulden beliefen. 1842 betrug die 
Emfubr in T. 1,700,000 Dollars und ſchon im Jahre 1842 hatte die Ausfuhr 
We Einfuhr um 500,000 Dollars überfliegen; die Baummwollenausfuhr allein bes 
ung an 1% Milton Dollars. Einige Hauptfiraßen durchziehen den raſch aufs 
bläbenden Yreiftaat, zahlreiche Poftämter find begründet und Dampfboote fördern 
ven PBerfonens und Handelsverkehr auf den größeren Strömen ; bald werben Ei⸗ 
ſerbahnen, Kanäle und Poftverbindungen das Land nach allen Seiten hin durch⸗ 
meiden und jest ſchon braudt das Fruerroß von Auftinta über Liverpool nach 
Belivar am Brazos hin, die Balveftonbat mit dem Brazos verbindend. — Die. 
Seafaffung des Etaates iſt nach jener der B. Staaten gemodelt: die legislative 
Nacht ift in einer Generalverfammlung vereinigt, welche aus einem Senat und 
einer Repräfentantenfammer befteht, beide find vom Volke abhängig. Die richt 
erliche Gewalt ruht auf einem Haupts und Obergerichte und der Staat iſt in 
5 richterliche Diftrikte eingetheilt; ein, alle 3 Jahre zu wählenver, Präftvent hat 
vie vollzichende Gewalt; die Abgaben find verhältnigmäßig gering. Das Land 
M in 30 Cantons eingetbeilt, Hauptftadt ift Aufin am & orado, nicht ' weit 
von den Anftedelungen des Mainzer Vereines gelegen; die anfehnlichften Städte 
And bis jetzt: Galvefton (7000 Einwohn.), Harrisburg (4000 Einw.) und Berar 
11200 Einw.). — Geſchichte von 3. u. den deutſchen Anfiedelungen 
m Lande. T. (in der Sprache der Gommanches-Indianer Paradies bedeus 
md) ſah ſchon 1692 fpanische Boloniften, welche Berar am St. Antonio und 
jrdter aud ©oliab gründeten; da8 übrige Land blieb, außer einzelnen Milttits 
vehen, unbebölfert und bie fyanifde Regierung war gewohnt, das weritanide 


28 J Terxas. 


Graͤnzland als eine Wüfte zu betrachten und zu behandeln, daher verbot fie, aus 
Zurcht vor dem gefährlichen nordamerikaniſchen Nachbar, jede Einwanderung in 
dasfelbe. Meriko erfämpfte feine Unabhängigkeit von Spanien und 3. wurde 
ein Glied der mexikaniſchen Föverattorepublif, Die Regierung Mexiko's verfolgte 
eine andere Politik, als die fpantfche, förderte bie Cinwanderung nah 3%. in 
jever Weife u. vertheilte da® unbebaute Land an fog. Emprefiarios (Unternehmer), 
die ſich anheifchig machten, eine beftimmte Zahl von Familien anzufledveln. Die 
Anfiedler waren die erften 10 Jahre von Abgaben frei, erlangten nad) einem 
Sahre ſchon Wahlreht und Wähldarkeit und Fonnten Werkzeuge und Waaren 
zolffrei einführen. Mofes Auflin aus Durham in Eonnecticut und fein Sohn, 
2, 5. Auftin, waren die erſten Empreſſarios, denen bald mehre folgten und 1830 
war beinahe ſchon die größte Hälfte von T. an folche Unternehmer vertheilt. 
Die Einwanderung zahlreicher Nordamerikaner drängte das altfpantiche Element 
zurüd und das Verlangen, von Mexilo unabhängig zu feyn, erftarkte in den Tes 
zanern immer mehr. Am 2. März; 1836 erklärte ſich T. für unabhängig von 
Mexiko; die Teraner unter Houfton ſchlugen am 21. April 1836 am Jacinto⸗ 
Fluſſe die Mexikaner, nahmen deren Präftventen, General Santa Anna, gefangen 
und erwarben ſich mit diefem Siege die Unabhängigkeit. Den 7. März) 1836 
hatten die Abgeorpneten aus ganz T. die jetzige, höchft freifinnige, Verfaffung 
des neuen Staated angenommen und feit dem 19. Juni 1845 ift 3. der nord» 
amerifanifchen Union beigetreten. Seit der Unabhängigfet T. von Meriko 
nahm die Auswanderung nach diefem Lande immer mehr zu: Angloamerifaner, 
Franzoſen, SIrländer wanderten ein und auch für Deutfche follte es in neuefter 
Zeit ein vielfach gepriefener, aber auch viel geichmäheter Zielpunft gemeinfamer 
und geregelter Auswanderungen werden, weldye leider den Erfolg nicht gerecht⸗ 
fertigt haben, den fie anfänglich verfprachen. — Im Jahre 1842 bilvete ſich in 
Deutfchland ein, aus fürftlichen und adeligen Perfonen beftehender Verein, der 
vorerft den Zwed hatte, fich Kenntniffe über die Verhältniſſe der Republif 3. zu 
verfchaffen; nur in dem Gründer des Vereines, Grafen Karl zu Eaftell und eini⸗ 
gen Bleichgefinnten, war die Idee des Unternehmens, wie fie fpäter öffentlich 
audgefprochen mwurbe, zum Bemußtfein gefommen. Graf Boos⸗Waldeck übers 
nahm die erfte Milfion des Vereine, um die teranifchen Berhältniffe durch eigene 
Anfchauung kennen zu lernen, erwarb in dem Lande ein günftig gelegenes, 2200 
Morgen großes, Stüd Land und gründete eine Pflanzung, Naffau » Plantage ger 
nannt. Graf Boos rietb dem Vereine, feine Kapitale in vereinzelten Many. 
ungen anzulegen, welche beidem, durdy Einwanderung fleigenven, Bodenwerth fid) 
am beften rentiren würden. Die Gründer des Bereined gingen aber auf dieſe 
BVorfchläge nicht ein und Boos⸗Waldeck tra aus dem Vereine aus. Seine 
Gründer übernahmen nun von Bourgois d'Orvanne einen, diefem Manne 
von dem teranifchen Bongreß bewilligten Grant (Stüd Landes) zur Coloniſation. 
Bring Karl von zolmd Draunfele ging nun mit Herrn Bourgois d'Orvanne 
als Generalcommifjär des Bereined nad) 3. und der Verein erließ (1844) fein 
Programm, worin er feinen Zwed in folgenden Worten bezeichnete. „Ein Verein 
bat 1 gebildet, defien Zwed es iſt, die deutfche Auswanderung, fo viel ale 
möglidg, nach einem einzigen, günftig gelegenen Punkte binzulciten, die Auswan- 
derer auf der weiten Reife und in ihrer neuen Heimat zu unterflügen und nad) 
Kräften dafür zu wirken, daß ihnen jenſeits des Meeres eine neue Heimat ges 
fiyert werde.” Im erften Jahre (1844) vertrauten fich der Leitung des Ver⸗ 
eines, welcher nun auch von dem Conſul H. Tifcher unter harten, und ungünftis 
gen Bedingungen einen zweiten Orant erworben hatte, 150, im zweiten Jahre 
(1845) aber 2000 Familien, meift Naffauer, Kurheffen und Württemberger, an. 
Die Einwanderer des erften Jahres bildeten den Kern der neubegründeten Stadt 
Neu⸗Braunfels, am weftlichen Ufer des Guadelupe gelegen, die rafch aufblüht 
und auf der Stufe eined fo regen Verkehrs bereits ſteht, daß die Amerikaner 
eiafimmig Ißr eine große Zukunft prophezeien, Die Einwanderer des Jahres 


1845 gründeten an den Ufern des Piedernales, eines Nebenfluffes des Colorado, 
die Stadt Friedrichsburg, in einer an Wald und Wiefen reichen, durch Edyöns 
heit ver Landichaft und Fruchtbarkeit des Bodens ausgezeichneten Gegend. Auch 
im Jahre 1846 war die deutfche Auswanderung nach T. unter dem Schuhe des 
Adelevereins ziemlich ſtark; doch wurde der Berein von der beutfchen Preſſe 
berig angegriffen und theilwelfe mit Recht der Nichterfüllung feiner Berbindlich- 
fetten gegen die Auswanderer angeflagt, wenn gleich die harten Befchuldigungen, 
Ne jogar auf weißen Stlavenhandel und gemeine Prellerei buge 
heiten, unhaltbar und tadelnswerth waren. Nicht zu verkennen iſt, daß in dem 
Bereine häufig genug Rath⸗ und Taftloftgkeit geherrfcht hat und feinen Beamten 
tie nöthige Bernie der terantfchen Berhältniffe mangelte.e So nur Fonnte es 
rächen, daß die Einwanderer des Jahres 1845 in dem höchft ungefunden Küs 

erte Indiapoint, an der 2a Baccabat, fo lange liegen blieben, anftatt auf 
die hochgelegenen Bereinsländereien gebracht zu werden und anftedende Seuchen, 
Hunger und Elend viele deutfche Auswanderer hinmwegrafften, während Ueberfälle 
nord» und beuteluftiger Indianer im Innern des Landes fo manchen wadern 
Dentſchen zum Opfer forverten. Ueberhaupt bat ſich der Sklavenflaat 3. bis 
jegt als ein, für deutiche Auswanderer nicht geeignetes, Land erwieſen; viele 
Deutſche find von dort zurüdgelehrt und Schreiber dieſer Zeilen hat aus dem 
Kunde von Zurüdgelehrten fowohl, als aus briefliden Mittheilungen, höch ſt 
traurige Schilderungen jenes, eine Zelt lange fo gepriefenen, Landes erhalten. 
Tie deutiche Auswanderung nah T. bat fehr abgenommen; die Bereinsunter: 
nebmungen, welche fo große pefuntäre Opfer forderten und deshalb von einigen 
beben Mitgliedern des Bereind mit nicht beſonders freundlichen Augen angefeben 
murte, fcheint ihr Ende gefunden, oder wenigftend von den wichtigen Ereigniflen 
der Gegenwart gänzli in den Hintergrund gedrängt zu ſeyn. C. Pfaff. 

Zerel, eine Eleine, zu der Provinz Rorbbollant des Königreich8 der Nieder⸗ 
lande gehörige, Inſel von 4 Meile Länge und nur durch dad Mars Diep von 
ter nördlichen Spige der genannten Provinz getrennt, liegt in der Nordſee und 
Fat auf der Oſtſeite die bequeme moskowiſche Rhede, wo fich die holländifchen 
Oftindienfahrer verfammeln und welche, durch eine Vermwechfelung des Sprady- 
gebrauches, ebenfalld der T. genannt zu werden pflegt. Die Einwohner (etwa 
E00 in ſechs Dörfern) leben hauptſächlich von Schafzudht (30,000 Stüde) 
und verfertigen die berühmten grünen Terelerfäfe. Auch treiben fie ftarten Tabaks⸗ 
bau und Aufternfifcherei. 

Tezel, f. Tetzel. 

Thaarup, Thomas, ein geſchätzter lyriſcher und dramatiſcher Dichter der 
Tänen, geboren 1749 zu Kopenhagen, war Lehrer an der Seefavettenafademte, 
Mirglied der Theaterbireftion und ftarb 1821 zu Smidstrup bei Hirfchholm 
Cceland), wo er feit 1800 lebte. Seine Dramen, „Erntefeft” u. „Peters Hochzeit,“ 
iswie feine „Lieder” werden am meilten gefchäßt. 

Thaddäus, ſ. Judas 2) 

Thaer, Albreht Daniel, Arzt und berühmter Agronom, geboren den 14. 
Mai 1752 zu elle, wo fein Bater Hofmedifus war, erhielt Brivatunterricht, kam 
1766 auf die Schule in Celle, 1769 aber auf die Univerfität Göttingen, wo er 
Pbiloſophie und Medizin ftudirte und 1774 zum Med. Dr. promovirt ward. Er 
ie ſich nun als praktiſcher Arzt in Celle nieder, ohne befonvderes Glück zu 
madyen. 1776 unternahm er eine Reife nach Berlin. Nach feiner Rüdfehr er: 
langte er bald große Praris; 1778 wurde er Stadtphyſikus und Zuchthausarzt, 
1:80 Hofmedifus, Schon hatte Ihn feine Neigung zur Blumenfultur geführt, 
ald er 1786, nach feiner Verhetrathung, fich ein großes Stück Gartenland Faufte 
und nun Gartenfunft prafıifch betrieb, bald aber, mehr und mehr Ländereien an- 
aufend, zur Banbiwirthfchaft überging, Mittlerweile hatte er nocy immer dxyxiMche 
Prari8 ausgeübt und war 1796 zum großbritannifcdyen Leibarzt ernannt werten, 
Yurd bie von Ihm Beraußgegebenen, landwirthſchafil ichen Schriften hatte ex A 


20 Thalberg. Pr 
ſchon im Beginne diefes Jahrhunderts europätfchen Ruf erworben, fo daß er 1802 * 
auf feinem Heinen Landgute ein landwirthſchaftliches Lehrinftitut, die erfte derartige 
Anftalt in Deutfchland, errichtete, um den, von allen Eeiten zu ihm kommenden, ' 
jungen Männern den gewünfchten Unterricht zu verfchaffen. Die Beſetzung Hans: 
novers durch die Franzofen verjcheuchte T. und 1804 trat er als geheimer Kriegs⸗ 

tath in preußifche Dienfte und erhielt einen Theil des Amtes Wollup in Erbs : 
pacht, an deflen Statt er aber aldbald das Rittergut Möglin in der Mittelmarl :. 
anfaufte. 1807 errichtete er auf diefem eine landwirthichaftliche Lchranftaltz -- 
1809 wurde er al& berathender Staatsrath ind Minifterium des Innern berufen, - - 
behielt aber feinen bleibenden Wohnfig in Möglin; 1810 wurde feine Lehranftalt - 
mit der neuerrichteten Univerfität in Berlin in Berbindung geſetzt; Thaer felbft -- 
wurde zum außerordentlihden Profeffor der Kameralwiffenichaften an der Univers 
fltät ernannt, mit der Aufgabe, im Winter in Berlin Borlefungen zu bulten. 1811 - 
gründete er feine nachmals fehr berühmt gewordene Schäferet in Möglin; 1816 . 
wurde er zum ©eneralintendanten der Eöniglichden Stummfchäfereien ernauntz . 
1819 legte er feine Profeffur an der Univerfeät nieder, wurde zum geheimen - 
Oberregierungsrathe ernannt und erhielt für feine Lehranftalt das ‘Prädikat einer : 
„Königlichen Alademifchen Lebranftalt ded Landbaus”. Im J. 1824 feierte er fein 
Doftor:Zubiläum , von allen Seiten mit Beweifen der Anerfennung feiner Leiſt⸗ 

g 


1* 222⸗ 


ungen erfreut. In den folgenden Jahren ſetzte er ſeine Lehrvortraͤge noch fort, 
aber häufig durch Kränklichfeyn unterbrochen; er ſtarb, nach längern Leiden, am 
26. Dft. 1828. — 3. bat fich große Verdienfte um die Landwirtbichaft erwors 
ben durch die Verbeflerungen, die er in derfelben einführte und nicht nur den Zög⸗ 
lingen- feiner Lehranftalt mittheilte, fondern auch durdy den Drud befannt machte. 
Stet8 war er auf dem literariichen Felde thätig, ja, während der Kriegsjahre 7; 
war feine Wirkfamfeit faft gänzlich auf die Abfarfun werthvoller landwirtbfchafts ' 
licker Schriften befchränft. — Seine wicdhtigften Werke find: „Orundfäße der ” 
rationellen Landwirthſchaft“, 4 Bde, Berlin I8LO— 1812, neue Aufl. 1822 und 
1837, wurde nachgedrudt und ins Franzoͤſiſche und Dänifche überfegt; „Annalen " 
der niederfächfifchen Landwirthſchaft“, 5 Bde, Hannover 1798—1804; „Annalen 
der Fortfchritte der Landwirthſchaft“, 4 Bde., Berlin 1811 und 1812, deren Forts “ 
fegung „die Möglin ihen Annalen der Lanpwirthichaft* bilden, die von 1823 an : 
von Profeſſor Körte herausgegeben wurden; „Handbuch für die feinwollige 
Schafzucht”, Berlin 1811. — Berge. Wilhelm Körte: Albrecht T., Leips 
zig 1839. E. Buchner. 
Thalberg, Sigmund, einer der ausgezeichnetften neueren Claviervirtuofen, 
geboren zu Genf 1812, fam jedoch ſchon in feiner frühen Jugend nad) Wien, wo ' 
er fich, bei bedeutender Anlage, durch Sedhter und Hummel bald fo vollftändig 
auf dem Pianoforte ausbildete, daß fein Spiel in Goncerten, ald er faum dab 
Knabenalter überfchritten hatte, fchon allgemeine Bewunderung erregte. Bald 
brachte er durdy unabläffiges eifriges Studium und Beachten der großen Mufter 
es zu folcher Bollfommenheit, daß man ihn unbedenklich unter die erften Birtuofen 
auf diefem Inftrumente zählen kann. Sein Spiel ift glänzend und feuerig; er 
überwindet mit Leichtigkeit die größten Schwierigfeiten, welche die heutige, größten 
theil8 auf brillirenden Effekt berechnete, Compofitionsweiſe für dieſes SInftrument 
bietet; dabei weiß er aber auch in den Geift des Componiſten zu dringen und 
er ercellirt vorzüglich in dem delifaten und geiftvollen Vortrage Beethovenfcher 
&ompofttionen, die er in mehren Concerts spirituels in Wien mit raufchendem 
Beifalle portrug. Schon frühzeitig trat er auch als Componift für fein Inſtru⸗ 
ment auf und bewährte dazu durch mehre gediegene Compoſitionen größern Um⸗ 
fanges feinen entſchiedenen Beruf. 1830 machte er eine Kunftreife nach Deutfch- 
land und imponirte an beutfchen Höfen durch fein vortreffliches Epiel; 1834 
ward 3. zum E F. Rammervirtuofen ernannt. Während des Aufenthaltes des 
Ralferö Ferbinand in Teplik und der Zufammentunft dalelbit mit dem Koller 
von Kußlanb und dem Könige von Preußen begab ſich T. ebenial® hal une 


ta 


Ta 


® vr. Pu 


24 


222 


— — 


* 
Taler ⸗ Thannie. st 
mehrmals vor den Monarchen hören laſſen. Zu Ende 1835 reiste T. 


hurfte ih | 
nach 23 Hp rc dafelb mehrmals, ſowohl bei Hofe, als audy an anderen 
au en 


bösen und wurde mit allgemeiner Anerkennung feines Tas 

Iente® überhäuftl. Bon Paris begab fih T. nad London, fowie überhaupt in 
vie vorzüglichKen Haupiſtaͤdte Europa’, wo ibm überall berfelbe Beifall zu 
wur . 


u 

Thaler iR die allgemeine Benennung aller größeren, über 1 Loth wiegenden 
Veutfchen Siibermüngen, die ale Daler, Doalder, Tallaro, Dollar 4 
über andere Länder und ſelbſt. bis nach Amerika verbreitet bat. — Das Wort fo 
von den 2 Loth fchweren Silbermüngen herrühren, welche, bie en von Schlick 
ans der Ausbente einer, bei Joachimsthal in Böhmen enfvedten, reichen Sil⸗ 
bergrube in großer Menge ichlagen ließen, die wit dem böhmiſchen Löwen und 
vem heiligen Joachim bezeichnet waren und JZoahims-T., Schliden-T. und 
töwenst. genannt wurden. Andere erklären dagegen das Wort T. für eine 
—— ung von Talent⸗Stücke und glauben, daß es fo viel als Solidi, 

Bmünzen von 1 Mark, bedeutet habe. Man unterfcheidet nach Baterland, 
Berib und Bepräge fehr viele deutfche und andere Muͤnzſorten diefer Urt, wie, 
Leichs⸗T., Species⸗T., Kronens?., BrabantersT., Löwen-T., Als 
bert8sT., fpanifche T. oder Piaſter, von berien größieniheiie in befonderen 
Urtikeln gehandelt wird. Der eigentliche 3. aber ift in ‘Deutfchland eine, in Stiber 
wirflidy geprägte, oder auch eine ideale Münze, an Werth von 24 guten Brofchen, 
H Silber oder Reugrofdhen, 105 Kreuzern, 48 Schillingen, 72 Grooten ıc. 

‚. ein berühmter griechticher Philoſoph, geboren zu Milet um das 

Jahr v. Ehr., von vornehmen Eltern, verwaltete in feinen früheren Jahren 
Öffentliche Ebrenämter, legte fie aber bald nieder, um fich ganz der Philoſophie 
zu wiomen und fammelte fich auf Reifen nach Kreta, Phönisien und Wegypten 
manni faltige Kenntniffe in der Geometrie und anderen Wifienfchaften. Nach 
feiner Rüdfehr wurde er zu den fieben Weifen gerechnet und feine Auoſprüche 
hoch geachtet. Den Zoniern fol er den Borfchlag getban haben, ſich unter fidy 
gegen Berfien zu verbinden und Teos zum Mittelpunfte des Bundesſtaates zw 
machen. Auch bielt er die Einwohner von Milet vom Bündniffe mit Kröfus 
gegen Eyrus ab. Nach der gewöhnlichen Meinung farb T. in der 58. Olym⸗ 
piade, ungefähr 548 v. Ehr., ald Zufchauer der olympifchen Spiele, vor Hibe, 
Dur und Altersſchwäche. Seine philofophifcyen Lehren theilte er mündlich mit. 
Das Wafler oder die Flüßigkeit hielt er für das Prinzip aller Dinge. Die Erde 
fam ihm daher ald ein verdichtetes, die Luft ald ein verdünntes Waſſer vor und 
das Feuer wie eine verbünnte Luft. Durch Verdichtung und Berpünnung des 
Waſſers erklärte er alle Maurer inungen. Er legte jedoch demfelben ein Prin⸗ 
jip der Thätigfeit bei, welches er das Göttliche oder die Weltfeele nannte. Auch 
füllte er die Welt mit Aeonen oder Seelen an und legte fogar leblofen Dingen 
eine Seele bei. Jedoch find, bei dem Mangel an Nachrichten, die Philoſopheme 
des T. fehr unficher, fowie feine phyſikaliſchen und aftronomifchen Kenntniffe, 
Man glaubt gemeiniglih , daß er dus Jahr zuerfi in 365 Tage getheilt habe, 
fowie er auch eine Sonnenfinfterniß vorherſagte. Merkwürdig ift ed auf jeden 
Fall, daß die, von ihm geftiftete, joniſche Schule nn „ die. Geftirne als bloße 
Körper u. nicht, nach dem Volkswahne, als göttliche Weſen zu betrachten. Seine 
vorzüglihflen Schüler waren Anarimander (f. d.) und —* ecydes (ſ. d.). 
Vgl. Göß, „Ueber den Zegri der Geſchichte der Philoſophie und uͤber das Sy⸗ 
ſtem des T.“ (Erl. 1794); Tiedemann, „Griechenlands erſte Philoſophen“ (Lpz. 
1780) und Ritter, „Geſchichte der joniſchen Philoſophie“ (Berl. 1821). 
Gel Thalia, eine ver 9 Muſen (ſ. d.), die Muſe der Luſtſpiele und geſelligen 

a 


e. 
amor oder Thadmor, ſ. Palmyra. 
ampyris, ein aus Thrakien gebürtiger König ter Skythen, wegen feiner 

Schönheit jowohl, ald wegen. feiner Talente für Mufif und Dichtkunſt berühmt, 






LE 


32 Man — Thau. 


Stolz auf dieſe Vorzüge, ſoll er ſelbſt die Muſen zum Wettlampfe aufgefordert 
haben u., beflegt, für Seine Bermefienheit mit Blindheit geftraft worden feyn. In 
den pythiſchen Spielen hatte er vorher den Sieg davon getragen, audy wird er für 
den Erfinder der dorifchen Tonart ausgegeben. 

Than, war früher in Schottland der Titel der vornehmften Häuptlinge. 

Thapſakos, alte Handelsſtadt in Chalibonitis, am Weltufer des Euphrat, 
“ Gränzort des Salomontichen Reiches. Eratoſthenes machte fie zum Mittelpunkte 

iner Meffungen in Aften; Seleulos Nikator nannte fie Amphipolis; nad) 
nderen iſt T. daß fpätere Zen obia; jetzt Deer oder Deier. 

« Tharand (früher Granaten genannt), Städtchen mit 1800 Einwohnern, im 
Dresdener Kreife des Konigreichs Sachſen, an der Weiferig, in fchöner Umgebung, 
hat eine forſt⸗ und landwirthſchaftliche Anftalt und ein 1792 angelegtes Bad, 
welches fein Waſſer aus zwei mineralifchen Brunnen, der Sidonien⸗ und Hein⸗ 
richöquelle, empfängt. An der Seite der Stadt liegen anf einem freiftehenden 
Felfen die Ruinen des Schloffes Tharand, vergl. (Gotta): „T. und Umgebung“ 
1834, Plitt: „Die Mineralquelle zu T.“ 1836. 

Thargelia, ein, am flebenten Tage des Monate Shargellon zu Ehren des 
Apollon und der Artemis zu Athen gerelertes Fe. Ein felerlidder Umzug und 
Wettſtreit fand Statt, zugleich wurden die Adoptivkinder eingetragen. Den Tag 
vorher ward die Stadt gereinigt und entfühnt, Indem zwei Perfonen, die eine für 
die Männer, die andere für die Frauen Athens mit Ruthen von Feigenholz ger 
tödtet, verbrannt und ihre Aſche in das Meer geftreut wurde. Dieb Opfer fand 
wahrſcheinlich bloß nach ſchweren Unglüdsfällen Statt. Siehe Bode, Geſchichte 
der Inrifchen Dichtkunft der Hellenen. " 

Thaſos Getzt Taſſo), eine Inſel des Agdifchen Meeres, an der Küfte von 
Thracien, wurde zuerft von ven Phöntziern, dann von den Bariern angebaut und 
war im Alterthume berühmt, durch ihren Wein und Goldbergwerke. neuefter 
Zeit hat man mehre widytige Alterthümer dafelbft aufgefunden. 

o „daifilo, der Rame von 3 bayerifchen Herzogen. Vgl. die Art. Agilolf 
und Bayern. 

Thatbeſtand (Corpus delicti), heißt im Strafrechte der Inbegriff aller Um⸗ 
Hände und Merkmale, welche zu dem Weſen und Begriffe eines Berbrechene 

ehören. Man unterfcheidet allgemeinen und befondern T. Jener bezieht 
A auf die Merkmale, weldye einer Handlung überhaupt den Charakter eines 
Verbrechens geben; diefer auf Umſtände, welche die Handlung zu einer beſtimm⸗ 
ten Art von Verbrechen machen. Ferner der fubjektive 3. umfaßt alle dies 
jenigen Erforderniffe, weldye in Anfehung der Perſon des Berbrecherd vorhanden 
feyn müflen (4.8. Zurechnungsfähigfeit); der objektive dagegen bie vereinigten 
a lehungen der Form und des Gegenſtandes von dem In Frage ſtehenden 
erbrechen. 

Thatſache heißt überhaupt Alles, was in Zelt und Raum wirklich gei@enen 
iſt. Die bemußte Auffaffung von T.n ift die Erfahrung und es ift Grundſat 
des Empirismus, nur das anzuerkennen, was ſich durch T.n belegen läßt. — 
In der Jurisprudenz iſt die T. die materielle Grundlage eines Rechtsſtreites und 
tichterlichen Urtheils. Zur Anwendung der Gefege tft vollſtaͤndige Kenntniß der 
T.n in den einzelnen Fällen erforverlich. jedoch nur juriftifche (nicht apodiktiſche, 
mathematifche, moraliiche) Gewißheit, d. i. diejenige, welche als foldye na 
den, von den Geſetzen aufgeftellten, Grundfäpen angenommen wird, wenn dieſe 
Geſetze auch mehr oder weniger zur Bewißhelt fordern, als der, blos vom natürs 
lichen Erfennungsvermögen geleitete Menfch. 

Than nennt man die belannte wäflertge Flüſſigkeit, welche fidy nach, zumels 
len ſchon vor Sonnenuntergang bis zu Sonnenaufgang, am reichlichften vor 
Mitternacht, hauptſächlich auf Gräfern und Pflanzen niederfchlägt. Er beſteht 
aus reinem Wafler mit etwas aus der Luft aufgenommener Kohlenfäure. Je 
mehr ein Körper fählg ift, Wärme durch Ausſtrahlung zu verlieren, deſto reich⸗ 


Thaumaturg — Theano. 33 


andeln fſich auf ihm die atmofphärifchen Dünſte in Waſſer, d. h. deſto 
eckt er ſich mit T. Dieß iſt beſonders bei Pflanzen und Grastheilen 
weniger bei Hölzern, Zeugen, Steingutgefäßen, und polirte Metalle, 
ig Strahlungdvermögen bejigen und ſich daher nicht abkühlen, bleiben 
: troden. Da die Abkühlung der Körper nur in ruhigen und hellen 
m Statten geht, jo erklärt ed ſich, warum bei bevedtem Himmel fich 
det. Aus demfelben Grunde trifft man unter Bäumen feinen T. — 
e ift derjenige Zuftand der Atmofphäre, in welchem ihr freier Wärme 
dt, das Eid und den Schnee zu zerſchmelzen. Im Sommer befindet 
mofphäre in unierem Klima und felbf viel weiter nach Norden hin- 
r in einem Zuftande, bei welchem das Eis fchmilzt; im Winter aber 
‚entheild der umgekehrte Kal fait. Im Wilgemeinen iſt es die Wärme 
nftrahlen, weldye die Atmofphäre in den Zuftand ſetzt, ver das Eis 
n bringt; aber fie ift e8 nicht allein; audy die aus warmen und feuchten 
berwehenden Süd⸗ und Weftwinde, die man daher auch T.-Winde nennt, 
ıen Zuftand hervor. Wenn dieß nicht wäre: wie könnte es bei uns und 
dlidyeren Ländern in den Monaten fo oft thauen, die dem Stande der 
ch die firengften find? In den falten Theilen ver gemäßigten Zonen 
ein Froſt ununterbrochen den ganzen Winter hindurch an, fondern es 
„mit Schnee und Eid ab. Belm Frofte weht entweder Nord oder 
jobald ficy aber der Wind nach Süden oder Welten dreht, ändert ſich 
satur der Atmoſphäre. Nach anhaltender firenger Kälte gefriert es, 
fchon der Wind nad Süden umgedrehet bat, dennoch einen, ja bis⸗ 
: zwei Tage fort, weil der Südwind felbft über beeiſete Gegenden 
obei er feinen Wärmeftoff faft ganz abgefeht hat und nun erſt durch 
ı Wehen die erfalteten Gegenden durchwärmt. Nicht felten ift es der 
eben, wenn die Temperatur der Luft zum Thauen geeignet ift, der 
n wieder aus einer falten Gegend wehet, — Das Aufthauen des Eifes 
:ce8 erfolgt blos auf die Art, daß der fie berührende, Luftförmige, 
r fefte Körper feinen freien Wärmeftoff an ihnen abfegt. Dieß thut 
Wind; da er aber, ald ein elaftifch flüffiged Wefen, ven Schnee und 
icht in fo vielen Punkien berührt, wie eine tropfbare Ylüffigfeit, 3. B. 
fchmelzen audy Eis und Schnee in der Luft nicht fo fchnell, wie im 
n gleicher Temperatur, weil ihnen Ddiefed, wegen der größern Menge 
rungspunfte, audy mehr Märmeftoff zuführen Tann. Feſte Körper, zu⸗ 
‚ die den Wärmeftoff ftarf leiten, 3. B. Metalle, Steine, Erden ıc. 
ielleicht, wenigitend unter gewiffen Umſtänden, Schnee u. Eis in noch 
unften, leiten thnen aljo noch mehr Wärme zu und befördern das 
noch mehr. Hierauf gründet fidy eine Gewohnheit der Bewohner des 
n Ghamouni, welche de Sauffure bemerkte und nach weldyer man, 
Begthauen des Schneces im Frühjahre zu befördern, damit die Felder 
en können, die Oberfläche deſſelben mit einer fchwarzen Gartenerde 
Vebrigens ift der Grad der Temperatur, welchen die Atmofphäre haben 
n es thauen joll, unter allen Himmeldftrichen beftändig derielbe; doch 
vahrgenommen, daß das fchmelzende Eid beim T. um $ eined reau- 
Thermometergraded wärmer ift, ald das Eis im Entftehen und dieſes 
yeßiwegen, weil ſchon Wärmeftoff eingedrungen iſt. u 
maturg, deutſch Wunderthäter, ift der Beiname mehrer Heiligen 
yrer; namentlich führte denfelben Gregor, Bifchof von Neucäfarea (|. 
IL) 1), Bd. IV., €. 1002. 
mefler oder Drofometer, iſt ein Werkzeug, womit die Menge des 
n Thaues gemefien wird; es beftcht aus einer Mage, an dem einen 
Wagebalfend mit einer Platte, welche den Than vorzüglich gut aufnimmt, 
ı Ende mit einem Gegengewichte, welches nicht fo leicht bethaut wird. 
no, die Gattin des bitafophen Pythagoras, wahrſcheinlich aus Kro⸗ 
lopadie. IX. 8 


34 Theate — Theater. 


tona, fowohl durch ihre edlen Gefinnungen und ihren rechtichaffenen Wandel, 
vorzüglich aber dadurch befannt, daß fie fi) zuerft als Philofophin unter den 
Griecyinnen auszeichnete. Man hat von ihr 3 Briefe und einge Fragmente, 
die jedoch für unächt gehalten werben. Herausgegeben find dieſelben von Gale 
in den „Opuscula mythologica“ (Amfterdam 1683); von 3. Eh. Wolf in „Mu- 
lierum graec. fragmenta“ (Göttingen 1739, 4.) und von Grimm, zugleich mit 
Wieland's deutfcher Ueberfegung (Duisburg und Leipzig 1791). Vgl. Wieland, 
über die pyihagoräiſchen Frauen, in feinen Werfen, Band 24, 

Theate, |. Chieti. 

Theater (Siarpov) hieß bei den alten Griechen der Ort, von welchem an 
feſtlichen Tagen die Schauſpiele angeſehen, oder auch Reden angehört wurden; denn 
es dienten die T. gleichfalls zu Verſammlungen, um über Staatsangelegenbeiten 
zu berathſchlagen. Die eigentliche Bühne verſtanden weder Griechen, noch Römer 
darunter, wohl aber öfter dad gefammte Gebäude. Auch kommt das Wort bei 
feinem griechiichen Mrofanfchriftfieller in der Bedeutung von Schaufpiel vor, 
wohl aber in einer Gtelle des neuen Teftamentd Ci. Korinth. 4, 9), wogegen es 
von Duintilian figürlid zur Bezeichnung der Zufchauer und von Eicero eben fo 
figürlich als Drt und Gelegenheit, fein Talent geltend zu machen, gebraucht wird. 
Wir verftehen unter 3. fowohl das ganze Gebäude, ald den Schau- u. Hand- 
lungsplatz, wo vor den Augen der Zufchauer die Handlung vor ſich geht, dann 
uneigentlih die Geſammtheit der theatralifchen Stüde, theild einzelner Dichter, 
theild die eined ganzen Volks. In diefem Sinne ift von dem Theater Goethe'd, 
Schillers u. A. und von dem Theater der Deutfchen, der Franzoſen u. N. die 
Rede. — Die erften T. der Griechen waren Eunftlofe, von Baumzweigen errichtete 

ütten; Theopis bediente ſich zur Darftellung feiner höchft unvollfommenen 
Srüde eines Wagens, Suſarion (562 v. Chr.) eines Brettergerüflee. Dann er⸗ 
baute man hölzerne T. und, als ein folches bei der Darftelung eines Drama’s 
von Pratinas einftürzte, erhielt Athen das erfle fleinerne T. zur Zelt des Themi⸗ 
ſtokles, nämlich vas berühmte T. des Bachus, welches allen fpäteren griech- 
ifchen T.n zum Mufter diente. Griechifche Colonien befaßen indeß fchon früher 
T. aus Etein, von welchen das zu Adria das ältefte, uns befannte, if. Die 
Griechen bauten ihre T. im Halbzirkel, deſſen beide, in parallel laufenden Linien 
etwas, verlängerte, Enden durch ein Dnergebäube verbunden wurden. Die drei 
Haupttheile defjelben waren: das T., d. 1. der halbrunde Pla mit den Eigen 
für die Zufchauer, in zwei bis drei Etodwerfen flufenweife über einander, bie 
Siufenreihe tn Teilförmige Abfchnitte geiheilt; dann im Duergebäude die Scene, 
d. 1. der Plap für die Echaufpieler und, in der Mitte zwiſchen diefer und ben 
Eigen der Zufchauer, die Orcheftta. Hiernach lag die Ecene dem Zufchauer- 
plage gegenüber und theilte fidy in die hintere (eigentliche) und vordere 
Ecene (rpoonyvıov), wo die Schaufpiele dargeftelit wurden. Die hintere Ecene 
diente alfo als Wand oder Mauer dem Proffenion zum Hintergrunde, hatte in 
der Miite eine große Thür und zu beiden Eeiten kleinere Thüren. Jene bezeich⸗ 
nete den Aufenthaltsort der Hauptperfon des Erüds; die Seitenthüre zur Rechten 
in einem Drama den Ort des zweiten Rollenipielers, in ver Tragödie abet ein 
Wirths⸗ oder Kremdenhaus und die zur Linfen war im Drama für die unterfte 
Rolle beſtimmt, in der Tragödie jedoch ein Gefängniß. Um nun die Ecene zu 
verändern, war neben jeder Eeitenthüre eine dreiedige, um eine Spindel zu dres 
hende, Mafchine angebracht. Die an der rechten Seite diente zur Beränderung 
des Orts, indem fie Gegenftände außerhalb der Stadt, die zur Linken aber Thelle 
der Etadt felbft oder des Hafens vorftellte; durch die Umdrehung beider veräns 
derte fich die ganze Gegend. Diefe Mafchinen führten ven Ramen Periaktoi 
( Drehmaſchinen) und waren zuweilen auch mit Anfichten eines Meeres, Gebirge 
u. dergleichen, oder mit Gemälden auf Tuch oder Bretern verfeben, welche Kat a⸗ 
blemata (Ueberzüge) hießen. Reben den Drehmafchinen traten wieder zwei 
Seitenwände (Barasfenia) vor, deren jede eine Thür hatte. Die eine führte 


Theater. 35 


die andere vom Lande auf die Bühne. Gfeichergeftalt führte zwi⸗ 
tieene und den Treppen zum Platze der Zufchauer an jeber Eeite 
in die Orcheflra. Der eine war für die Echaufpieler, die vom 
yafen, oder aus der Stadt famenz der andere für die aus der Fremde 
Ion der Orcheſtra gelangten fie vermittelt kleiner Treppen auf die 
» Scene felbft aber unterſchied ſich in die tragt he, geichmüdt mit 
men u. f. w.; in die komiſche, Privatgebäude vorflellend und in 
iriſche, mit Bäumen, Bergen, Höhen. — Die zweite Abtheilung 
ihr vorderer Theil, bildete dad Proffenion. Im Bordergrunde 
mb ich das sogelon nad) Heſychius u. dem Etymologicum Mag- 
t, auf welchem die Schaufpieler ihre Rollen herfagten und der eint- 
er dem Fußboden des Proſkenions, bedeutend aber, d. i. nicht weni⸗ 
und nicht mehr als zwölf Buß, über dem der vorliegenden Orch eſtra 
Die Wand unter dem Logeion, welche daſſelbe von der Orcheſtra 
Eigen der Zufchauer gegenüber, war mit Statuen und Säulen vers 
; Hypoffenion. Auf dem Logelon erfchtenen blos die Schauſpie⸗ 
ren theatralifchen Künftler aber auf der Orcheftra, woſelbſt fidy ein 
‚, Thymele genannt. Die Orcheſtra war nämlidy der beftänbige 
re Sänger des Chors, die nach dem erwähnten Altare Thymeliker 
Plap für die Zufchauer, das Iearpov, und die Orcheftra waren 
die Scene hingegen und bie Hinter derfelben befindlichen Gemächer, 
wung des thentralifchen Apparate, bevedt. Ein dafelbft vorhandener 
diente fowohl zu den Einübungen des Chors, ald zum Aufenthalte 
e bei unvermuthet einfallendem Regen. — Die vorerwähnten Theile 
tehender Art zu ordnen. Bor dem Platze der Zufchauer, mit feinen 
böhten Sigreihen, befand fich die Orcheftra mit dem Altare Thymele. 
Ira wurde durch eine, mit Statuen und Säulen verzierte, Wand 
) von dem WBroffenion gefchieden, deflen vorberfter Theil Logelon hieß 
zwölf Buß über der Orcheſtra erhöht war. Hinter dem Logeion 
wenig niedriger liegenden Fortſetzung (Proſkenion überhaupt) kamen 
lügel der Scene, der mit einer Thüre und tim Hintergrunde die 
mit einer Thüre in der Mitte und mit zwei anderen, rechtd und 
welchen die Drehmafchinen angebracht waren und endlich folgten bie 
ächer und der Säulengang. — Die römifchen T. geftalteten ſich 
hiſchen. Anfunglich fehr Funftlos, wurden fie auch von Holz gebaut 
:endigtem Schaufpiele nievergeriffen. Marcus Aemilius Lepidus fol 
mit Sipen für die Zufchauer erbaut haben. Es iſt jedoch nicht 
wie Livius berichten Fonnte, „daß nach einem Defret des römifchen 
T., ald den Sitten nachtheilig, um das Jahr der Stadt Rom 592 
ı wurde, mit bem Zufaße „populusque aliquamdiu stans ludos specta- 
€ mußte eine Zeit lange ſtehend zufchauen)”, wenn früher keine Sige 
ewefen wären. Und da PBompejus das erfte fteinerne T. während 
n Conſulats (55 v. Chr.) bauen und auch zuerft die Wege und 
den Sitz ſtufen mit Waffer anfeuchten ließ, fo ergibt fi), daß lange 
fdyon Eige vorhanden geweien jind. Die Bauart der eigentlichen 
wer ſtimmte größtentheild mit jener der Griechen überein. Die Theile 
wen: Scena, Postscenium, Proscenium, Pulpitum und Orchestra, diefe 
il der Cavea. Lebtere ift nämlich der ganze Platz, wo die Zufchauer 
vorderftien Reihen hießen cavea prima oder ima, die mittleren cavea 
binterften cavea ultima oder summa. Die Bänfe oder Site (cunei, 
wen durch die, an den Eeiten binaufgehenden, Treppen keilförmig ges 
einander erhöht und an die verfchledenen Stände vertheilt. Die vor- 
, bier Die Orcheftra genannt, war für die Senatoren und fremden 
beſtimmt; hinter denfelben nahmen die Ritter vierzehn Reihen ein 
cim ordines, zur Zeit des @icero), und dad Volk die übrigen. DR 
8 


36 Theatercoup — Tpenterdichter. 


Eingänge zu diefen Eigreihen waren entweder in der Mitte einer jeden Abtheil- 
ung, oder von der Auffenfeite, oder auch von der Orcheſtra aus angelegt. Hin 
ter der oberften Abtheilung der Site befand ſich audy ein Säulengang. — Die 
Scene (Scena), gleichbedeutend mit jener der Griechen, war fo breit, al& ver 
Durchmeffer der Orcheftra und, nach Belchaffenhelt der Stüde, mit Statuen, 
Eäulen und Gemälden geziert. Wahrfcheinlich dienten die Statuen und Säulen 
nur in Tragöpien; in Lufts und Satyrfplelen wurde wohl ein, mit Privatgebäuden 
oder ländlichen Gegenden bemalter, Vorhang berabgelaflen, ver jene verdedte. Die 
zum Aufziehen und Herablafien ded Vorhanges dienende Majchine hieß Exostra. 
— Wurde die Scene aber, wie bei den Griechen, vermittelft gewiffer Maſchinen 
verändert, fo nannte man fie scena versatilis; 309 man die Dekorationen bei Seite, 
scena ductilis. Auch hatte die Ecene eine Mittelthüre, die Fönigliche u. zwei Seiten⸗ 
thüren, die eine zur Rechten, die andere zur Linken u. Hospitalia, die Wohnungen 
der Fremden, genannt. Proſcenium aber ift der vordere Theil der Scene, von wels 
chem die Schaufpieler auf das Pulpitium, griechiſch Logeion, d. i. auf den Platz 
traten, wo ſie ihre Rollen recitirten. Doch war dieſer Platz größer und tiefer, als 
der griechiſche, weil auf demſelben auch die Tänzer erſchienen, welche bei den 
Griechen auf der Orcheſtra ihren Platz hatten. Poſtſcenium war der Ort hinter 
der Bühne, zum An⸗ und Auskleiden der Schauſpieler und zu Allem, was ſchick⸗ 
licher Weiſe vor den Augen der Zuſchauer nicht vorgehen durfte. Auch hinter 
der Scene befand ſich ein Säulengang (porticus), als Zufluchtsort der Zuſchauer 
bei einfallendem Regen (wenn dieß nicht der nämliche, oben erwähnte, hinter den 
oberften Sipreihen iſt); denn der Zufchauerplag war noch unbededt und wurde 
erft fpäter mit purpurgefärbten oder anderen Tüchern, mit ausländifcher feiner 
Leinwand u. dgl. überzogen, die Hitze aber auf Fünftliche Weife durch Waſſer⸗ 
ftaub, oft mit Wein und Krofus vermifcht, gemildert. — Die heutigen T., 
öffentliche, zur Aufführung der Schaufpiele und Opern für eine große Menge Zus 
fchauer beftimmte Gebäude, erfordern zu ihrer Errichtung insbefondere eine gründ⸗ 
liche Kenniniß der Beripektive, Mechanif und Aluſtik, da unfer Theaterweien auf 
einer, von jener der Griechen und Römer ganz verfchiedenen, Stufe fleht. Die 
Hauptiheile des 3.8 find indeß auch hier: die Schaubühne, wo die Stüde dar- 
geftellt werden und der Schauplag, wo die Zufchauer fich befinden. Erftere hat 
eine Vorbühne, Borfcene, Profeenium, als vordere, Außerfte Begrängung, die 
von der eigentlichen Bühne durdy den Borhang und von den Zuichauern durch 
das zwifchen Inne befindliche, tiefer liegende, DOrchefter gefchieden wird. Zur 
Seite der Echaubühne find bewegliche Couliſſen, welche die Dekorationen bils 
den und in der Höhe die Soffiten, ald Deden ver Eäle und Gemächer, oder 
zur Darftellung der Luft. Hinter der Bühne befinden fich Zimmer zum Ankleiden 
der Schaufpieler und zu dem ſonſtigen theatralifdhen Apparate. Den Hinters 
grund fchließt ein Vorhang und die Beleuchtung erfolgt theils von der Seite, 
theild von vorn durch Lampen. Die Theile des Echauplabes find: das Barquet, 
Barterre, Amphitheater, die Logen und Galerien. Die Größe der 
Schaubühne und ded Schauplaped hängt von eigenthümlichen Berhältniffen ab 
und, wenn auch für die innere Form Feine allgemeine Regel befteht, fo ift doch 
der Halbzirkel größtentheild ald die geeignetfle für das Schen und Hören befunden. 
Die Benennungen fonftiger zum Theaterweien erforverlichen Apparate, Mafchinen 
u. dergl. find an ihren Orten erflärt und dort nachzufehen; über die im T. aufge 
führten Stüde aber handeln die Artikel: Schaufptel, Luftfpiel, Oper ıc. 

Zhentercoup, |. Coup. 

Theaterdichter, Einer, der für die Bühne vichtet, d. i. dramatifche, für bie 
Darftellung auf der Bühne beftimmte und geeignete, Gedichte fchreibt. Er ift 
entweder unabhängig vom Theater, over bei einem derfelben angeflellt. In diefem 
Galle if er auch zur Anfertigung von Gelegenheitögedichten für die Bühne und 

zum Bearbeiten älteres und neuerer Stüde von Anderen, nach Maßgabe der Faͤhig⸗ 


Theatiner — Theben. 37 


feit der Schaufpieler zur Darſtellung und des Umfangs des Theaters, bei welchem 
er angeſtellt ift, verpflichtet. 

Tpeatiner, auch Cajetaner, Bauliner u. apoftolifche Klerifer von 
der göttlichen Providenz nenannt, ein geiflicher Orden, 1522 geftiftet von 
Johann Peter Earaffa, Anfangs Erzbifchof zu Theate, dann Dechänt 
red Sardinalcollegiums und fpäter Papft unter dem Namen Baul IV.:; als Mit- 
fifter kann ein gewifier Gajetan von Thiernäis, ein vornehmer Venetianer, 
angefehen werden. Die Mitglieder deſſelben find regulirte Klerifer, welche fein 
Eigenihum befigen dürfen, fondern von Almofen leben müßen. Die Beförders 
ung des Miffiondweiens ift ihr Hauptzwed; dabei find fie zur Aushülfe in der 
Eeelforge und zur Pflege der Kranken verpflicdytet. Sie legen die drei feierlichen 
@elübde der Regel des heiligen Muguflinus ab. — Der Orden wurde 1527 von 
Papſt Clemens VII. beftätigt und verbreitete fich bald über ganz Stalien, Frank⸗ 
reich, Spanien, Deutſchland und ‘Polen, mit Miffionen in Cirkaſſien, Georgien, 
ver Mongolei und Tatarei. Papſt Eistus V. verwandelte 1588 die urfprünglich 
arikofratifche Verfaſſung des Ordens durch Ermählung eines Generals in eine 
monarchifche. — Neben den Mannsflöftern gibt es auch weibliche, deren Mit: 
alleder Theatinerinnen heißen und die ſich hauptfächlich mit der Bildung und 
Erziehung der weiblichen Jugend befchäftigen. 

Theben oder Thebä. 1) T., auch Diospolis magna, die alte Haupiftadt 
von Dberägypten, weldyes von ihr den Namen Thebais erhielt. Sie war 
die Ältefle Hauptitadt des alten Aegyptens und die Refidenz der Könige des 
tbebaifchen Reiches in Oberägnpten, welches, älter ald das memphitifche in 
Mittelägypten, lange neben dieſem blühete und zuletzt mit demſeiben ver- 
einigt wurde. Alte griechiſche Schriftfteller nennen bald den Oſiris, bald den 
Bufrie als Erbauer diefer Stadt. Sie enthielt eine Menge prächtiger Gebäude von 
koloſſaler Größe, von denen fich bis auf unfere Zeiten Weberbleibfel erhalten haben, u. 
batte nach Homer 100 Thore, daher auch Hekatompylos genannt. Ein dort: 
iger Tempel hatte 14 Etadien (mehr ale „5 einer deutfchen Meile) im Umfange, 
eine Höhe von 45 Ellen und 24 Fuß dide Mauern und war inmwendig auf 
das reichſte mit foftbaren Steinen, mit goldenen, filbernen und elfenbeinernen 
Geraͤthen audgefchmüdt. 200 jest führen 8 große Zugänge zu deſſen Ruinen. 
Außer andern Ruinen diefer Stadt find auch die Gräber der Könige, von denen 
Denon 8 befuchte, merfwürnig. T. blühte nody fort, als es fchon nicht mehr 
die Reſidenz von Königen war, wurde jedoch von Kambyfes gänzlich zerftört. 
68 erholte fi) aber wieder u. ward unter den Ptolcmäern nochmals eine der 
rihften u. blühendften Städte, allein endlich durdy Ptolemäus Larhurus, gegen 
den es fich empört hatte, 82 v. Chr. erobert und faſt ganz zu Grunde gerichtet. 
Schon Strabo fand nur noch ein paar elende Dörfer an der Etelle der che- 
maligen Paläſte. — 2) T., eine der anfehnlichfien und berühmteften Etädte 
Griechenlands, in Böctten, am Fluſſe Ismenos. Kür den erften Erbauer ber: 
ielben wird in@gemein Cadmus (im Jahre der Welt 2520) gehalten, welcher 
wenigften® die Dberftadt oder Burg, Cadmäa, anlegt. Die Erweiterung und 
Umgebung der Stadt mit Mauern hatte man dem Amphion zu verdanfen, der, 
weil er Durch feine mächtige Beredtfamfeit die zerftreuten Bewohner der Wälder 
und Gebirge aus der Nähe hierher zu ziehen wußte, in der Mythologie zu dem 
Rufe Fam, durch feine Leyer felbft die Steine in Bewegung gefegt zu baten. T. 
gebörte wegen feiner günftigen Lage und feiner Innern Etärfe zu den fruchtbarfien 
Etädten Griechenlands. Adırbau und Handlung lagen ganz in ihrer Gemalt ; 
fe war das Oberhaupt von den meiften Fleineren u. größeren Städten Böotiıns; 
dieſes ſtand ganz unter T.8 Leitung. In ihrem Umfange hatte fie fieben Thore 
(«den daher wurde fie auch Heptapyle genannt) und faßte 40 — 50,000 freie 
Menfchen. In Rüdficht ihrer Sitten und ihres Charakters hatte man teil 
nicht die befte Meinung ven den Thebanern; fie galten, ſowie überhaupt De 
võotier, für unmäßtg, ſchwelgeriſch, plump und ungefittet. Weber T.d Ütere 


38 Theben. 


Geſchichte, ſowie über feine innere Staatöverfaffung herrſcht eine ziemliche Dun⸗ 
felheit. 37 Jahre vor der Zerftörung Troja's belagerten Polynikes, Adraſtus u. 
Mehre T., welches Iinternehmen der „Krieg der Sieben wider T.“ genannt wird. 
RNach des Kantus, des lepten Königs, Tode (er blieb im Zweifampfe mit dem 
Aıhener Melanthus) fingen die Thebaner an, eine freie Republik zu bilden, wähs 
rend welcher fie mit den Platäenfern und Athenienfern, wiewohl immer zu ihrem 
Nachtheile, in fleter Feindſchaft lebten. In dem berükmten Kriege mit XZerres 
war T. unebel genug, fih von dem übrigen Griechenland abzufondern und 
ſchon bei Vertheidigung des Pafles von Thermopylä, vorzüglich aber in der : 
Schlacht bei Platäa, hatte es fehr unrühmliche Beweiſe feiner Berworfenheit ges 
geben, fo daß nun auch das Heer des übrigen fliegenden Griechenlands vor 3. | 
rüdte, wo die Oberhäupter ausgeliefert werden mußten und überhaupt 3.8 Ober⸗ 
herrſchaft in Böotien einen empfindlichen Stoß erhielt. Nur erft in dem pelopon- 
nefifchen Kriege, wo ed mit den Lakedämoniern gemeinfchaftlidhe Sache machte, 
wurde ed an den Athenienſern gerächt. Aber diefed dauerte nicht lange. T., das 
nur zu bald die Mebermacht Sparta's fühlte, ſuchte Athen fich wieder zum Freunde 
zu machen ſchloß mit diefem ein Bünpniß und lieferte in diefer Verbindung den 
Spartanern mehre wichtige Treffen, in deren einem diefe ihren berühmten Anfüh- 
rer, Lyſander, verloren. Allein, trog mehrer ruhmvoll errungenen Schlachten, fchien 
doch. auf einmal feine ganze Kraft gefunfen; in dem, endlich zwiſchen den Griechen 
und dem perfifchen Könige gefchloffenen, Srieden mußte T. aler Gewalt über bie 
böotifchen Städte entfagen und es fah no fchon ganz gevemüthigt, ja, durch die 
Berrätberei eined feiner Oberhäupter, Leontiade®, wurde es endlich von den 
Epartanern überliftet, die fi) des Schloſſes Cadmäa bemächtigten. Die Spar: 
taner hatten diefed Schloß ſchon beinahe 3 Jahre inne, ald auf einmal eine Vers 
fhwörung, die fchon lange im Geheimen vorbereitet geweien war, ausbrach und 
die gänzliche Befreiung 3.8 zur Folge hatte, welches nach mehrjährigem Kriege 
endlich in der, zur Bezwedung eincd allgemeinen: Srievend gehaltenen, allgemeinen 
Berfammlung der griechiichen Staaten durch Epaminondad Geift und Muth fich 
Sparta entgegenftellen fonnte, dafür zwar von des letztern König, Ageſilaus, von 
jenem allgemeinen Frieden ausgeichloffen, aber nun audy in ver, für 3. und für 
die Gefchichte unvergeplihen, von Epaminondas gelieferten, Schlacht bei Leuktra 
aufs fürchterlichfte gerächt und dadurch auf einmal neben Athen und Sparta als 
Staat erfter Größe erhoben wurde. Zwar wurde es darüber fehr angefochten; 
allein fo lange Epaminondad u. Pelopidas, diefe zwei ungertrennlichen Freunde, 
an feiner Spite fanden, erhielt fi) 3. in dem größten Anfehen, erwarb ſich die 
anfehnlihften Bündniffe, auch mit den Perſern ıc. Allein mit dem Tode dieſer 
beiden Helden (Epaminondas fiel vier Jahre fpäter, als Pelopivas, in dem Treffen 
bet Mantinea, im dritten Jahre der 104. Olympiade) fanf auch auf einmal das 
Glück und die Hoheit T.s. Es führte noch den fogenannten heiligen Krieg wis 
der die Phocenfer, wozu es endlich den König Philipp von Mafevonien zu Hülfe 
rief, allein bald felbft deffen Gewalt fühlte und endlich, da es fich gegen dieſen 
mit den Athentenfern verband, durch die Niederlage bei Chaͤronea gezwungen 
wurde, makedoniſche Befagung einzunehmen. Nach Philipp's Tode wollte T. ia 
auf's Neue in Freiheit ſetzen; allein Alexander der Große ſchlug die Thebaner 
(3615) gänzlich und zerftörte die Stadt fo, daß fie ganz der Erde gleich gemacht 
wurde; blod das Haus, wo der berühmte Dichter Pindar (100 Jahre zuvor) 
gewohnt hatte, ließ er verfchonen. Zwar wurde fie nachher von Kaffander wie- 
der auferbaut, aber nie gelangte fie wieder zu ihrem vorigen Glanze, bis fie end⸗ 
(ich mit den übrigen griechiichen Städten in der Römer Gewalt fam, wo fie 
einen ganz unbebeutenden Ort ausmachte, fo daß unter Antoninus Pius nur noch 
das Schloß ftand. Jetzt iſt der Ort nur ein unanfehnliches Dorf, Namens Stiva, 
im griechifcyen Gouvernement Attifa, mit 2000 Einwohnern, mehren Alterthümern 
und Bädern. — T. war die Baterftabt vieler berühmten Männer: Herkules wurbe 
dter geboren; Bacchus war (menigftend von Seite feiner Mutter, Semele) ein 


Thebſa — There. 39 


ner; Amphion, PBindar, Cebes, Epaminondas, Pelopivas find Namen, vie 
denfmürdig bleiben werden. 
Thebſa, von Arabern bewohnte Stadt im alten Rumidten, 80 Lieues entfernt vom 
‚ai den großartigen, zum Theil noch wohlerhaltenen Ruinen des römifchen 
eRa. Diefe zu unterfuchen ordneten die Zranzofen 1842 und 1846 von 
aus eigene militärifche Rekognoozirungen an. Nach dem Umfange, den 
te T. gehabt hat, mochte es gegen 40,000 Einwohner zählen. Noch fleht 
sitche Veſte aufrecht, in rechtediger Korm, mit ihren 14 Thürmen aus 
Quaderſteinen erbaut. Sie hat zwei Thore, von denen eines fidy in einem 
en Zriumpbbogen von forinthifcher Ordnung öffnet. Das Denfmal wurde 
en Septimus Severus (+ 211) errichtet. Im Innern der Veſte findet 
nen vollig erhaltenen Tempel, defien Bortifus aus acht Säulen von rorhem 
r beſteht. Der Circus, die Baſilika, die Waflerleitungen find gleichfalls 
tände, die des Stüdiums eined geübten Archäologen würdig find. Eine 
Etadt, Lamboefa, weftlidh von T., enthält cine noch größere Anzahl 
yenfmale, wie Triumphthore, Tempel, Paläfte, Wailerleitungen und eine 
cdentliche Menge von Infchriften. Hier batte eine ganze Legion ihr 
ager. Mit Eirta und Carthago waren diefe Städte durch Heerflraßen 
den. — Revue archeologique, Auguft 1847. mD. 
beden, Johann Ehriftian Anton, ein ausgezeichneter Chirurg, geboren 
. September 1714 zu Steinbed, einem Dorfe bei Wismar, Sohn unver: 
er Eltern, follte ein Handwerk erlernen, fam dann aber, feinem Wunſche 
zu einem Wundarzt in Bützow in die Lehre und verweilte fpäter als 
rztlicher Gehülfe in Roftod, Hamburg, Lübeck und Danzig. In lesterer 
wurde er Eokadronschirurg; 1742 nach Berlin verfeht, zog er die Aufmerf- 
feiner Borgefepten auf fi und wurde als Oberarzt in den Feldlazareihen 
yeiten fhlefihen Krieges angeftellt; drei Jahre fpäter Fam er ald Pen- 
yirurg nad Berlin zurüd und widmete fih nun mit großem Eifer dem 
haftlichen Studium der Anatomie und Chirurgie. 41758 wurde er 
entsarzt der Föniglichen Artillerie und bei dem Ausébruche des fieben- 
n Krieges erhielt er die Etelle als erfler Generaldyirurg, in weldyer 
haft er fih durch feine thätige Leitung und Berbefierung des Feld⸗ 
zweſens ſehr verdient machte. Er flarb den 21. Dftober 1797. — 
t fih durch die Mittheilung feiner wichtigften Erfahrungen bleibende 
afte um die Chirurgie erworben. Seine widtigfte Schrift if: „Neue 
fungen und Grfahrungen zur Bereicherung der Wundarzneifunft und 
jelabribeit.“ 3 Thle. Berlin 1771 — 1795. E. Buchner. 
bee jind die zujammengerollten und getrodneten Blätter des dhinefifchen 
auches, Thea Chinensis Sims., weldyer in China, Japan und dem ganzen 
yen Theile der hinterindifchen Halbinfel wild wächet, aber befonvers in 
iven crften Ländern forgfäliig angebaut wird. Linne nahm 2 Hauptarten 
lange an, nämlich den grünen, Thea viridis und den ſchwarzen, T. Bohea, 
nen die eritere cine rundblätterige Blumenfrone und lanzettfürmige, ebene 
hat, weldye dreimal fo lang Im al8 breit, wogegen die legtere eine 
itterige Krone und elliptifche, etwas runzelige Blätter hat, die doppelt fo 
8 breit find. Man vermutbet jedoch mit Brecht, daß diefes nur Spiel⸗ 
iner und derfelben Pflanze find, deren ed in China gewiß noch viele an 
bt, die durch Boden, Lage, Verfchiedenheit der Eultur ıc. entftanden find; 
78 jcheint die Unterfcheidung nach der Anzahl der Blumenblätter gan; 
ig zu fenm da man nicht felten an dem nämlichen Straudye Blüthen mit 
3 und 9 Blumenblättern finden fol. Der Strauch erreiht eine Höhe von 
6; man läßt ihn jedoch nicht fo hoch werden, weil dadurch die Einſamm— 
tichwert werden würde. Man fchneidet zu dem Ende, wenn die Pflanze 
hr alt ifl,_ben @ipfel ab, worauf fie von der Wurzel aus mehre Zroeigr 
und nad 7—8 Jahren, wo ber Etraudy eine Höhe von 5— 6 Tuß er: 


40 Ihee. 


reiht Kat, indem er fehr langfam mwächet, werben bie (ängften Zweige an der 

d. Die Farbe des 
Hauptftammes iſt graulich = braun, die der fchwächeren Aeſte faftanienbraun und 
das harte Holz hat einen eigenthümlichen Geruch. Die kurz geftielten, eirund- 


Wurzel abgefchnitten, fo, daß er nicht über 6 Fuß hoch w 


lanzetiförmigen oder länglich selliptifchen, fteifen, glatten, glänzend bunfelgrünen 


Blätter, mit fägeförmig gesahntem Rande, find 2—3 Zoll lang u. ungefähr cinen 
Zoll breit und flehen abwechjelnd an ven Aeften, die von jungen “Trieben find 


zart und ſchwach behaart. In den Blattwinfeln ftehen einzeln, ſelten paarweife, 


die weißen, rofenförmigen, kurzgeſtielten Blüthen, welche feinen bervorftechenden 
Geruch haben. Wenn fie 6 oder 9 Blumenblätter haben, fo find die inneren 
meift größer, ald die äußeren. Auf dem Blumenboven fiehen eine große Anzahl 
fadenförmiger Staubfäden mit zweifächerigen Etaubbeuteln, welche weit Fürger 


find, als die Kronenblätter. Aus der Blüthe entwidelt fich eine,- aus 3 runds 
lichen, awei= oder einfamigen Kapfeln beftehende Frucht, deren rundliche, glatte, 
bürre, braune Samen die Größe einer Hafelnuß erreichen u. einen öligen, bitter- 


lich fchmedenden Kern enthalten. Die Blätter werden nicht eher — 
orgfalt 

zu Werke, indem die Arbeiter ganz rein gewaſchene Hände haben müſſen, die 
Blätter einzeln mit den Händen abpflücken und fogleih nach ihrer Größe und 
Zartheit fortiren. Wie oft das Einfammeln jährlidy gefchieht, hängt hauptſäch⸗ 
lich von dem Alter des Strauches ab; gewöhnlich findet e8 viermal, im Februar, 
Ende April, im Junt und Auguſt ſtatt. Die erſte Ernte gibt die befte, die ſpä⸗ 
ci der Benibeitung der 

Blätter weiß man ſehr wenig Zuverläffiges und die tarüber nach Europa ge: 
fommenen Nachrichten weichen immer mehr oder weniger von einander ab. Das 
Sicherſte, was davon befannt iſt, dürfte Folgendes feyn. Die T.⸗Bauern bringen 
die Blätter frifch zu Marfte, wo fie ihnen von Perfonen abgefauft werben, die 
fi nur mit dem Trodnen oder Röften befchäftigen und fie dann an die eigent- 
lichen 3.,Händler verkaufen, die den 3. durch Weiber und Kinder fortiren, noch 
einmal trodnen u. dann In Kiſten paden laflen. Bel dem Trodnen oder Nöften 
wird auf verfchiedene Weite verfahren, wodurdh, in Berbindung mit den ver; 


als bis die Pflanze 3 Jahre alt iſt; man geht dabei mit der größten 


teren immer geringere Sorten. Ueber das Berfahren b 


fchledenen Spielarten der Pflanze, hauptfächlich die große Men .⸗Sorten ent⸗ 


e 
ſtehen, die man in China hat, von denen die feinſten gar naht in den Handel 
fommen. Auch entftehen durch das verfchtenene Verfahren beim Röften die beiden 


Hauptgattungen nach der Farbe des I den Handel fommenden 3.8, nämlidy 


der ſchwarze und der grüne Das Röſten gefchicht auf eifernen Platten 
oder in flachen Pfannen über einem mäßigen Feuer; fie werben dabei mehre 
Male fchnell umgewendet, Hierauf auf Matten gefchüttet und mit den Händen 


tm Ganzen gerollt; bei fehr feinen Sorten aber rollt man jedes Blatt einzeln. 


Sie werden dann noch ein oder mehre Male über fchwächere® Feuer gebradht 


und nady dem Ausfchätten wieder gerollt, bis fie abgekühlt find. Sol der T. 
jedoch ſchwarz werden, fo legt man die friſchen grünen Blätter auf eiferne Siebe, 


auf denen man fie mit heißen Waſſerdämpfen durchziehen läßt; dann läßt man 


fie noch einige Zeit aufgehäuft liegen, fo, daß fie in eine Art ſchwacher Gährung 
fommen u. hierauf wird dann erft dad Röften vorgenommen. Durch dieſes Ber- 
fahren verliert der I. viel von den fcharfen und adftringirenden Beftandtheilen 
der Blätter, während das Aromatifhe und der angenehme Geruch, der fidy 
durch das Röſten erft entwidelt, nicht darunter leidet. Der fchwarze T. hat 
daher einen angenehmeren Gefhmad und ift auch der Gefundheit weniger nady- 
theilig, ald der grüne. Die weißen Epigen, welche man befonver8 an den Blätt- 
ern mancher ſchwarzen I.» Sorten bemerkt, find nur die feinen Härchen ver 
jungen Blätter, welche wahrfcheinlich bei mandyen Spielarten der Pflanze, over 
in mandyen Arten und Gegenden länger, al® bei anderen find, fo, daß fle über 
die Blätter hervorragen. Ganz mit Unrecht aber kat man zuweilen diefe weißen 
Spigen für Blürhen gehalten und foldyen T. auch wohl Pekko⸗Blüthen⸗-T. 


Thee. 41 


t Der Abfall, die verwellten und verdorbenen Blätter und bie Stiele 
wit einem Eleberigen Etoffe gemifcht, in Länglich oieredige Formen gedrüdt 
: „fen getrodnet und heißen dann Badftein» oder ZtegelsT., welcher 
jet Menge von den meiften Völferfchaften des nörblichen Aſiens ver- 
wird, für die er fogar ein Hauptnahrungsmittel if. Daß man den 
T. in China zuweilen auf Kupfırplatten röftet, um ihm eine fchönere 
ı geben, foll eine, von der englifch-oftindifchen Compagnie erfundene, Fabel 
m bie, von den Engländern damit vorgenommenen, Berfülfchungen ven 
ı aufzubürden. Bor dem Einpaden in Kiften vermifchen diefe mandye 
te noch mit wohlriechenden Blüthen anderer Pflanzen, um ihren Wohl: 
zu erhöhen. In China find es befonderd die 5 Provinzen Fokien, 
Kiang-nan, Kiangsfi und Che⸗kiang, welche den 3. für den auswärtigen 
liefern und von diefen liefert Fokien vorzugswelfe ſchwarzen und Kiang⸗ 
nen T. Außerdem baut aber füft jede chinefifche Provinz ihren eigenen 

Es wird jedoch auch aus den zwifchen China, Stam und Birma 
ı Staaten der Schan, welche auf beiden Seiten des Fluſſes Mekhong 
t binziehende 3. Wälder haben, mit Waultbierfaravanen T. nach ver 
yen Provinz Yünnan geholt, beſonders eine geringe Sorte fchwarzer. 
ton wird der 3. Handel auf folgende Art betrieben: Wenn die T.- 
en, die auf großen Jonken aus den T. bauenden Gegenden nady Ganton 
‚ angelangt find, werden die, ſtets in Matten emballirten, Kiften in bie 

am Ufer liegenden Magazine der Hongkaufleute gebracht. Dieß find 
ite, luftig gebaute und mit vielen großen Hallen verfehene Gebäude. 
in Kaufmann T. Faufen will, läßt er fi) im Magazine 20 — 30 Kiften 
igen Taufenden öffnen und audfchütten, um den ganzen Inhalt derfelben 
den zu Können. Der Käufer riccht dın T. an und nimmt von jeder Kifte 
nd vol, die er auf einen Teller legt; dieſe Proben werden dann unter: 
fr gemifht und von dieſem Gemenge eine Probe mit nach Haufe ge: 
„ wo der Käufer fie genauer unterfucht. Bei den großen Maflen, welche 
tfch = oftindifche Compagnie von dieſem Artikel Fauft, hatte fie ſtets die 
it und nahm die beften Partien an fi), während die Norbamerifaner 
ecbteren fauften, denen fie oft durch neue Eignaturen einen beffeın Namen 
weßhalb fie ihm wohlfeiler, als die Engländer, verkaufen fonnten. Man 
t, das Ehina jährlich 500 Millionen Pfund T. erzeugt, wevon e8 400 
en Pfund ſelbſt verbraucht und 100 Millionen Pfund ausführt. Die 
Ausfuhr ift nach England, wo die englifdy = oftindifche Compagnie von 
is Monopol des T.,Handeld hatte und durch alle mögliche Mittel, trog 
egen erlafienen Verbote der Regierung, den Preis nah Willkür zu Reigen 
bis endlidy 1834 auch Privatfaufleuten erlaubt wurde, 3. nady England 
ren, wodurch die Einfuhr bedeutend zunahm. Im Jahre 1837 wurden 
and felbft verbraucht: 37,556,000 Pfund und ausgeführt 4.600.000 Pf; 
ertrag vom 6. April 1836 bis 5. April 1837 belief ſich auf 4,603,000 Pf. St. 
e der, durdy die Compagnie früher hoch hinauf getriebenen, Preiſe wurden 
des Monopol in England jährlich noch 5 Millionen Pfund Schlehen- 
henblätter für chinefifchen T. verkauft. Nach England Faufen die Ber: 
Etaaten von Nordamerifa den meiſten T., jährlich über 20 Millionen 
wovon fie 2 bis 2: Millionen Pfund nach Europa fenden und das 
felbft verbrauchen. Frankreich führt nur jährlich etwa 250,090 Pfund 
Nand gegen 2,800,000 Pfund, Hamburg faft 2,000,000 Pfund, Bremen 
) Pfund, der deutfche Zollverein führte 1836 3250 Zentner ein, wovon 
Breußen allein fommen und die Durchfuhr betrug nur 1190 Centner. 
tußland geht viel T. über Kiächta, wo ihn die ruflifchen Kaufleute mit 
ezzahlen; die Einfuhr hatte 1836 in Kiächta einen Werth von 7,953,447 
doch wird diefelbe durch den Gewinn der Kaufleute und durdy die bedeu⸗ 
andfracht fehr gefteigert, fo daß 1837 allein auf der Meſſe in Riichnei- 


42 Thee. 


Nowgorod für 17,949,050 Rubel T. abgeſetzt wurde. Odeſſa führte 1837 für 
407,000 Rubel ein. Außerdem geht noch jährlich für ungefähr 250,000 Gulden 
Eonventionsmünze von Ehina nady Cachemir, Afgbaniftan und dem Pendſchab. 
Den über Rußland zu Lande nach Europa fommenden T. nennt man gemöhnlidy 
Karawanens?. und behauptet, er fei im Allgemeinen viel beſſer, ald alle zu 
Waſſer fommenden Sorten, indem diefe durch den Seetransport viel von ihrer 
Güte verlieren follen. Dieß ift aber durchaus nidyt der Fall und der Waflers 
transport Könnte hoͤchſtens früher, wo er doppelt fo lange dauerte, als jet, 
nachtheilig geworden fenn. Gegenwärtig kommt der T., auf das Sorgfältigfte 
verpadt und meift in großen Maſſen in Metall Iuftvicht verfchloffen, in 120 
Tagen von Canton nach Europa, alfo in viel Fürzerer Zeit, als zum Landtrans⸗ 
port über Rußland nöthig if, während die Schiffe fonft 8-9 Monate brauchten 
und fo unvolfommen gebaut waren, daß fie unterwegs meift ganz led wurden, 
Allein, weil die Fracht auf dem Landtransporte fehr. bedeutend ih, fo, daß wohl⸗ 
feife Sorten dadurch außer Verhältniß vertbeuert werden würden, fo werben 
meift nur die feineren Sorten auf diefem Wege auögeführt, welche die hoben 
Spefen befler tragen und fo iſt es allerdings nicht unrichtig, daß der Karawa⸗ 
nen⸗T. im Durchfchnitte befler ift, ald der auf dem Waſſerwege anfommende. 
Der erftere ift nichtd Anderes, ald eine feine Sorte Pelko, gewöhnlich mit weißen 
Spigen, welche in Rußland befonver® beliebt ift, oder ein feiner Souchong. — 
In diefem Jahrhunderte hat man den 3. auch mit gutem Erfolge in anderen 
Ländern angebaut, um wo möglidy, ven Ehinefen, denen er meift mit baarem 
Gelde bezahlt werden muß, da fie verhältnißmäßig wenig europäiſche Waaren 
faufen, nicht immer dafür zinsbar zu bleiben. Zuerſt pflanzte man im Jahre 
1812 in Brafilien I.» Sträudyer an und ließ Chinefen, welche mit dem Anbau 
und der Bearbeitung befannt waren, herüberfommen. Anfangs zeigte ſich Fein 
befonderer Erfolg, allein feit 1825 hat ſich der Anbau in mehren Brovingen fo 
fehr verbreitet, daß das Land jetzt faft feinen Bedarf felbft erbaut. Auch jchidte 
die franzöfifche Regierung einen geeigneten Mann nach Rio Janeiro, um bie 
Eultur der Pflanze zu ftudiren u. Te, wo möglich, nach dem ſüdlichen Frankreich 
zu überfieveln, wo man te auch in der That Verſuche damit gemacht bat, 
wenn auch bis jest noch mit feinem befondern Erfolge. In Java, wo viele 
Ehinefen leben, hat man den Anbau feit ungefähr 20 Jahren eingeführt und von 
Seiten der Regierung mit Eifer unterflübt, fo, daß bereits feit 1834 von dort 
Heine Partien T. nad) Amfterdam gebracht worden find. Der grüne foll fogar 
den chinefifchen noch an Geſchmack übertreffen, ver [dwarz: aber geringer feyn, 
wahrfcheinlidy, weil man in der Bereitungsart defielben noch Fehler macht. In 
Aſſam machten die Engländer die ganz unerwartete Entdedung, daß die Wälder 
eine Menge T.⸗Sträucher enthielten, die noch nie benügt worden waren. Man 
ließ daher Leute aus Ehina kommen, legte förmliche Pflanzungen an und im 
Jahre 1839 kam bereits eine Heine Sendung AffamsT. nach London, der, wahr⸗ 
fcheinlicdy mehr aus Neugierde, zu hohen Preiten verfauft wurde. Man bereitet dort 
befonderd ſchwarzen T. Auch im engiit en Oſtindien hat man in der neueften Zeit 
angefangen, T. anzubauen und die Regierung hat jest eine Summe von 100,000 
Rupien jährlich ausgefegt, um den Anbau defeben zu befördern. Die Schwierigfeit 
der Erzeugung guten 3.8 in außerchinefifchen Ländern ſcheint bauptfächli darin zu 
llegen, daß die Arbeiter nicht fo leicht an die außerordentliche und felbft peinliche 
Sorgfalt zu gewöhnen find, weldye die Ehinefen beim Einfammeln und Trodnen 
beobachten und die, wenn auch in mancher Hinficht übertrieben, doch meift nöthig 
zu feyn fcheint, um eine gute Waare hervorzubringen. — In China unterfcheidet 
man eine große Menge Theeforten, deren Aufzählung bier um fo weniger nöthig 
fenn dürfte, als man in Europa Feine Notiz davon nimmt und mehre derfelben, 
befonder& die feinften, gar nicht zu und fommen. — Die chemifchen Beſtandtheile 
des 3.8 find hauptſaͤchlich: Berbftoff und ein eigenthümlicher, von Oudry 1827 
entbedter und Thein genannter Stoff, der ihm wahrſcheinlich die fanft erwär- 


Theer — Theilmaſchinen. 43 


menbe und in feuchten Klimaten und Jahreszeiten fo wohltbätig wirkende Kraft 
ibt. Dad Thein ik in 35 — 40 Theilen Waſſer von 10 Grad Wärme, in 
kohol aber in allen Verhaͤltniſſen auflödlich; in erflerem kryſtalliſirt es in Geftalt 
von zarten, feidenglängenden Prismen, in legterem von Sternen, Schmämmen oder 
Es iſt geruchlos und fchmedt bitterlich gewuͤrzhaft. Man muß den T. 
immer in ſehr gut verſchloſſenen Gefäßen aufbewahren, fo daß er eben fo ſehr vor 
der Cinwirkung der Luft, als der des Lichts gefchügt iſt. Werfälfchungen deſſelben 
famen beſonders früher häufig vor, welche theils fchon in China, theild von den 
Engländern vorgenommen wurden. In Ehina foll man fchon zum Aufguß bes 
zügte Biätter getrodnet und unter guten 3. gemifcht haben; auch foll man dort 
fhlechte, unanjehnliche Sorten mit Indigo, Bleiweiß und einer Wurzel, Tur⸗ 
nerin genannt, fchön grün färben. Die ſchlimmſten Betrügereien aber wurden 
im England damit gemacht, indem man Schiehens, Weißdorn⸗ Eichen» und andere 
Biätter mit Kupferauflöfungen grün färbte ꝛc. Diefe BVerfälfchungen fommen 
jedoch gegenwärtig wohl nur noch felten vor; auch hat die englifche Regierung 
ſteis alles Mögliche gethan, um fle zu unterbrüden und öfter große Ouantitäten 
ſolchen verfaͤlſchten 3.6 verbrennen laflen. _ 

Theer (Pix liquida), eine vidflüffige, braune Mafle von flarfem, durch⸗ 
bringendem nicht unangenehmem Geruch, die aus dem Harze der Ravelholjbäume 
durch eine niederwärt® gehende “Deftillatton in den Theerfchwellereien in eigenen 
Theeröfen gewonnen wird. Das harzig: Holz und befonders die Wurzeln werden 
in den Dfen gefüllt und angezündet. Da die Verbrennung, vermöge der Eon 
fruktion des Dfens, fehr langſam vor fich gebt, fo hat das Harz Zeit, mit Del 
und Rauch gefchwängert, auf den Boden des Ofens herabzutropfen, von wo es 
in einer Rinne abfließt und in einen Außern Behälter geleitet wird. ‘Den beften, 
bünnften und beüften 3. nennt man Wagentheer, den dickſten Schiffötheer, eine 
mittle Sorte wird Rad⸗ oder Mitteliheer genannt. In den deutfchen Wald— 
gegenven wird viel 3. gewonnen. Den meiften und beften aber liefert Schweden, 
dann Rußland und Rordamerifa. Die hauptſächlichſfte Anwendung des 3.9 ift 
zum Anftreichen (Iheeren) des Holz⸗ und Tauwerks an den Schiffen, außerden 
auch zu Wagenfchmiere und vergleichen. Das, bei der Thegrberettiung zuerft ab- 
fließende, dünne, bräunliche, fäuerliche Wafler wird Theerwaſſer oder Theergalle 
genannt und befonderd zum Putzen ded Meifings benügt. 

Theilbarkeit ift 1) in der Phyſik diejenige Eigenfchaft der Körper, ver- 
mittelft welcher fie ſich in mehre Kleinere Theile zerlegen lafien. Die T. in wirf- 
liche zählbare Theile hat zwar bald ihre Oränzen, anders aber ift e8 mit der chemi- 
ſchen und phufifchen T., die außerorventlich groß ift: fo das Licht, die Wärme, 
der Aether; doch gehören diefe Stoffe, ſowie ver Blumenduft, nur uneigentlid) 
hierher, da fie, ald unmwägbar, feine eigentlichen Körper find. — 2) In der Mas 
thematik beißt I. einer ganzen Zahl durch eine andere folthe die 
Gigenfchaft der erftern, daß ke ſich durch die zweite ohne Reſt dividiren läßt. 
Gine Zahl ift 3. B. durch 3 oder durch 9 theilbar, wenn die Summe aller Ziffern 
derſelben Querſumme) durdy 3 oder durch 9 theilbar if. 

Theilmafchinen find mehr oder minder funftvole Vorrichtungen, entweder 
Längen in eine beliebige Anzahl gleicher Theile, oder Kreife (oder auch nur Theile 
derjelben) in ihre Grade und Minuten zu theilen und zwar viel genauer, als es 
aus freier Hand mittelft geometrifcher, durch Zirfel und Lineal ausgeführter, Eon: 
firufttonen möglidy feyn würde. — Es gibt demnach Kreistheil- u. Längen 
%. Berühmt geworben Mafchinen erfterer Art find: die von Ramsden verfertigte, 
womit er die Sertanten für die englifche Marine eben fo genau als fchnell, theilte 
und die von Reichenbady in Muͤnchen, welche fich jegt im polytechnifchen Inftitute 
zu Wien befindet; ferner die, der Reichenbady’fchen nachgebilvete, von Dertel in 
München; die in amt mechanifchem Inftitute zu Berlin und einige andere, Au 
der Hauptfache beftehen fie aus großen, fehr maffiven und hochſt aenau gearbelttien 
Kreifen, mit einer, auf Ihrem Rande aufgetragenen, möglichtt ahfolur rianligen 


48 Thelluſon. 


wegen; zugleich bat auch der Jüngling, dem fie als Braut beſtimmt war, Alles 
auf, um ihre Liebe zu gewinnen. Endlich gingen alle Belannte vereint die heilige 
Jungfrau an, um fie zur Einwilligung in die Wünfche ihrer Familie zu bewegen. 
Als alle diefe Mittel Nichts halfen, wandte man fih an die Obrigkeit, weldye ihr 
mit der Schärfe der Geſetze drohte. T. fiegte aber über alle diefe Anfälle und 
fah Jene als ihre graufamften Feinde an, die ſich den Anfchein ver größten Zärts 
lichkeit für fie gaben. Da fie ſich endlich etwas freier erblidte, entrann fie ben 
Händen ihrer Verfolger und kam zu dem heil. Paulus, um da einigen Troſt 
zu finden. So verlieh fie, was ihr am theuerften auf Erben war und fudhte 
nur Jefus den Gekreuzigten, den fie jedem Erdengute vorzog. Der Jüngling, dem 
fie zur Ehe verfprochen war, ließ fie aller Drten auffuchen, theils um feine Leis 
denfchaft zu befriedigen, theils auch, um no wegen der, wie er einbilvete, 
erlittenen Beichimpfung zu rächen. Da er fie endlidy entvedte und ihre Wider 
ſetlichkeit durch Nichts bifiegen konnte, gab er fie ald Chriſtin bei der Obrigkeit 
an, damit fie zu den wilden Thieren verbammt würde. T. blieb unerfchütterlic. 
Sie wurde nadt im Amphitheater ausgeftellt; allein fie war bekleidet mit dem 
Gewande der Unfchuld und die ihr zugefügte Schmach ward für fie eine: Geleg⸗ 
enbeit ver Nerhersiichung und des Triumphes. Ohne Furcht mitten unter ven 
Leoparden, Löwen und Tigern, erwartete fie mit heiliger Ungeduld den Augen⸗ 
blick, wo fie von den furchtbaren Thieren , deren ®ebrüu alle Zufchauer mit 
Schreden erfüllte, in Stüde zerrifien würde. Allein die Löwen und Leoparden 
lagerten ſich, ihre Wildheit vergefiend, zu ihren Füßen bin und ledten biefelben, 
al8 wollten fie der Heiligen hiedurch ihre Verehrung bezeigen. Man reizte fle 
auf alle Art; allein fie wichen zurüd, ohne der Dienerin Gotted das mindeſte 
Leid anzuthun. Diefes wunderbare Ereignig wird von mehren der vorzüglichften 
Kirchenväter, unter Anderen audy von dem heil. Ambrofius erzählt, der fidy hier⸗ 
über mit jener, ihm fo eigenthümlichen, ebenfo einfachen, als kraftvollen Beredt⸗ 
famfelt ausfpridht. — Ein andered Mal ward die heil. T. durch einen fichtbaren 
Schutz des Pimmeis aus den Yeuerflammen gerettet, durch die fie umverfehrt 
wandelte, wie durch einen fanften Krühlingswind. Der heil. Gregor von Ras 
zianz, der heil. Methodus und andere Schrififteller, welche diefed Wunder er⸗ 
fuhren, fügen noch bei, daß die Heilige aus mehren anderen Gefahren, welche ihr 
die Wuth ihrer Verfolger bereitet hatte, unverfehrt hervorgegangen fi. T. be 
gleitete den heil, Baulus auf mehren feiner apoftoliichen Reifen, um fich nad) 
einem fo vollendeten Mufter in der chriftlichen Vollkommenheit zu bilden. Der 
heil. Chryfoftomuß, der heil. Gregor von Naztanz, der heil. Yuguftin und 
andere kirchliche Schriftfteller legen ihr den Namen „Jungfrau u. Martyrin* bei. 
Ihre erbuldeten Leiden haben ihr diefe zweite Benennung erworben, obgleich Beda 
in feinem Martyrologlum fagt, fie fei in Frieden geftorben. Diefer legtern Mein, 
ung find mehre gewichtvolle Schriftfteller beigetreten. Die Sr brachte ihr 











übriged Leben in ftiller Zurüdgezogenheit zu. Sie farb in Iſaurien und wurde 
zu Seleucia, der Hauptftadt dieſes Landes, begraben. Auf Ihrem Grabe wurbe 
unter den erften chriftlihen Kaifern eine Kirche erbaut, die ihren Namen tru 
Es walleten Pilger von allen Seiten dahin und, wie und Theodoret, der be 
Gregor von Nazianz und andere Schrififteller berichten, gefchahen dafelbft viele 
Wunder. Die Kathedralkirche von Mailand iſt unter dem Namen ver heil. T. 
geweiht und man hat darin lange Zeit einen Theil ihrer Reliquien aufbewahrt. 
Sahredtag: 23. September. 
Thellufon, Beter, ein Genfer von Geburt, Kaufmann in London, geftorben 
1797 zu Paſtow (Kent), verfügte über fein Bermögen fo, daß feine Witwe unb 
Kinder (3 Söhne und 3 Töchter) etwa 100,000 Pfund Sterling erhielten, das 
Uebrige, welches mehr als 600,000 Pfund betrug, Erefutoren mit der Beſtimm⸗ 
ung anvertraut wurbe, ed während der Lebzeit feiner drei Söhne u. deren Söhne 
aufgubdufen und bann ben, davon erfauften, Srundbeig dem diteten wörnnlidken 
Hachlommen feiner Söhne zu überlafien. Das Teftament word non den he 


Thema — Thenfe. 47 


aber ar A Oberhaus am 25. Juni 1805 für rechtsgültig erflärt; 
ward beflimmt, daß eine ſolche anheufung bed Bermögend auf 21 
änkt ſeyn follte und dieſes, wenn fich Fein Erbe, wie ihn das Teſta⸗ 
at, vorfindet, zum Tilgungsfond gefchlagen werben ſolle. 
‚ jeder Gegenſtand der Behandlung, der Hauptgedanke einer Rede oder 
lung, die Aufgabe ji einer To hen. In der Muſik der Grundges 
Tonftüds, oder der, in mancherlei Wendungen und Tonarten durchge⸗ 
tſatz, oder jede Melodie, über welche ein Tonftüd fomponirt wird, 
» genannt. — Bel den alten Griechen bezeichnete T. den ausgeſetzten 
beftimmte Belohnung; daher Iyuarınoı, die in (auch muſikaliſchen) 
. ven vorher ausgefehten Preis erhielten und Syuarınoı ayovss, 
‚ dergleichen WBetiftreite um einen beftimmten Preis, der gewöhnlich 
I, Weihfefieln, Opferſchalen heftand. Diefe, wie andere Realkampf⸗ 
n fowohl in ver ältern, als in der neuern Zeit flatt und wurden, 
jeöfränge, entweder in den Tempeln, oder in den Häufern der Gieger 
den Berftorbenen wohl auch in die Brabmäler mitgegeben. 
), eine Titane, zweite Gattin des Zeus, dem fie die Horen und die 
r. Sie ift das perfonifizirte Recht und Geſetz und wird daher als 
Gerechtigkeit verehrt. Die Darftellung verfelben, mit verbundenen 
Schwert und Wagfchale in den Händen, iſt durchaus neu; denn, fo 
ihr Dienft war, ie doch keine Antife von ihr auf und gekommen. 
tokles, einer der berühmteften athenienfifchen Feldherrn, geboren zu 
b. Chr. Anfangs wegen feiner Ausfchweifungen von feinem Bater, 
erbt, fuchte er nun den Schandfled auszuwiſchen. Er that fidy im 
e Eoreyra hervor, befreite dad Meer von den Seeräubern, aber am 
n madhte er fich in dem Kriege wider die Perſer. Zum Feldherrn 
erwählt, bot er, da des legtern Armee in Pholis Alles durch Feuer 
t verwüftete, nun Allem auf, ftedte fidy hinter das Orakel, dad ihnen 
08 hinter hölzernen Mauern (Schiffen) verfündete und nun, nachdem 
8 durch eine falſche Nachricht hatte täufchen laffen, griff er ven, in 
: eindringenden, Feind mit folchem Vortheile an, daß er in der Schlacht 
i8 (480 v. Ehr.), den vollftändigften Steg erfocht. T. lieg nun 
den Einwendungen u. Gegenarbeiten der Spartaner, die er zu täufchen 
Neue befeftigen, ver Hafen Piräos wurde in Stand gefegt und fo 
ft der Athenienſer auf dem Meere deſto flärfer befefliget. Dennoch 
on Reid und Eiferfucht verfolgt, aus feiner Vaterſtadt verbannt und 
n Feinden, zu des Xerred Sohn und Nachfolger, Artarerres, welcher 
von 200 Talenten auf feinen Kopf geſetzt hatte, gab ſich ſelbſt an 
nun auch jene Prämie, indem ihn Artarerred mit Freuden aufnahm 
Folge zum Anführer der perfifchen Armee wider fein eigened Baterland 
te. Da aber T., nach langen und vielen Zögerungen, dieſem An- 
länger ausbeugen konnte, fo nahm er Gift (466 v. Ehr.), um nicht 
aterlande zum Berräther zu werden. Sein Leben wurde von Plutarch 
us Nepos befchrieben. Dean hat unter feinem Namen noch 21 Briefe, 
beit jedoch fchon von Bentley nachgewiefen wurde. Ausgaben davon 
m Schöttgen (2. Aufl., Leipıig 1772) und Bremer (Lemgo 1776). 
ıburg, „De epistolarum Themistoclis authentia‘“ (Halle 1827). 
e (engl. Thames), der größte Fluß Englands. Häufig wird die Iſis 
ıptarm der I. betrachtet, die in der Grafſchaft Glouceſter, weſtſuͤd⸗ 
Girencefter, entfpringt und durch die Grafſchaft Wilts, zwifchen Berks 
‚ fließt und fünöftlid von Orford, mit dem Thame vereinigt, die T. 
ye die Gränze weiter bildet zwifchen den Grafſchaften Berfs und 
#8 und Budingham, Midlefer und Surrey, Efier und Kent und in 
yung in bie Norbfee fließt. Die Länge vom Urfprunge ver IRB bes 
0 Etunden, von der Bereinigung. 60 — 70 Stunden. Der Kauf R 


48 Thenard — Theobald. 


mit MWindungen gegen Süden u. Norden, hauptfächlich gegen Oſten. Schiffbar 
ift der Fluß von Lechdale, auf 66 Stunden; die Fluth dringt bi8 Richmond, 25 
Stunden weit, ein. Yür englanbe und insbefondere Londons Handel if, ber 
Fluß von der größten Wichtigkeit. Es ftehen mit demjelben viele Kandle in 
Berbindeng, wodurch ver Verkehr fehr befördert wird. So verbindet der Thames: 
Severnfanal den Eevern mit der Iſts; der Great: Jonctionfanal mit den nord- 
weftlichen, fehr verzweigten Kanälen gegen Birmingham und Manchefter hin. — 
Weliberühmt ift der, von Bruncl (f. d.) unterhalb der T. zur Verbindung ber 
beiderfeitigen: Ufer ausgeführte Tunnel (f. d.). 
Thenard, Ludwig Jakob, Baron, Ehemifer, geboren 14. Mai 1777 bei 
Rogents furs Seine, Departement der Aube, fam frühzeitig nad Paris, wo er 
ftudierte und ſich mit folchem Eifer der Chemie widmete, daß er bereit 1797 
Repetitor derfelben an der polytechnifchen Echule ward. 1803 wurde er Profeſſor 
der Ehemie am College de range, fpäter an der polgtechnifchen Schule und an 
der Univerfitätz 1810 erhielt er die, durch Fourcroy's Tod erledigte, Stelle eines 
Mitglieds des Inſtituts. 1825, bei Gelegenheit der Krönung Karld X., wurde 
T. zum Baron erhoben; 1833 erhielt er die Pairswürde; 1837 legte er feine 
Profeſſur an der polytechnifchen Schule und 1840 auch an der Univerfität nieder. 
T. hat manche wertbvolle chemiſche Unterfuchung geliefert. Sein Hauptwerf ift: 
„Trait6 de chimie &l&mentaire theorique et pratique“ 4 Bde. Paris 1833—1836 ; 
wurde in Brüffel dreimal nachgedrudt und wurde auch überfegt ind Deutfche, 
Italieniſche und Epanifhe. — Mit GaysLuffae gab er heraus: „Recherches 
physico -chimiques“ 2 Bde. Paris 1810. E. Buchner. 
Theobald, der Heilige, Einfiedler, aus dem Gefchlechte der Grafen von 
Champagne ſtammend, wurde 1017 zu Provind in der Landfchaft Brie geboren 
und erhielt in der Taufe den Namen T., von dem Erzbifchofe von Vienne, feinem 
Oheime, der feiner Tugenden wegen in hohem Anfehen ftand. Seine Jugend 
bewahrte er rein vor ven Verderbniſſen der Welt und, je mehr man ihn zum 
Irdifchen binzuziehen ſich bemühte, deſto forgfältiger floh er jede ihm gelegte 
Schlinge. In diefen höheren Geſinnungen ward er beſonders durch das Leben 
der Väter aus der Einöde geftärkt, die er zu feiner Belehrung auf dem Tugend» 
wege cifrig lad. Er verfpürte auch bald ein glühendes Verlangen in fich, diefen 
Beifpielen der Vollkommenheit nadyzufolgen. Ohne Unterlaß fehnte er ſich nadh 
der Dridieligtet welche diefe Heiligen in der Einfamfeit und in der fteten Un⸗ 
terhaltung mit Bott durch ununterbrodyened Beten und Betrachten genofien. Gr 
befuchte daher öfters einen frommen Einfiedler, mit Namen Burkhard, welcher 
auf einer Heinen Infel der Eeine lebte und übte ſich unter deffen Anleitung im 
Faſten, Wachen und anderen zur Vollkommenheit erbebenden Bußwerfen. Bers 
geblich bemühte fidy fein Vater Arnulpb, ibn durch vorıheilhafte Heirathsan⸗ 
träge und durch das Berfprechen glängender Stellen bei Hofe, oder im Kriegs⸗ 
beere, an die Welt zu feſſeln. T. ließ ſich durch dieſe Augfichten nicht gewinnen, 
fondern hielt feine Blicke fert auf die ewigen Güter gerichtet. — In einem, damals 
zwifchen Kaifer Konrad dem Salier und Eudo IL, Grafen von Champagne, 
Chartres, Bloid und Tours, wegen des Königreiches Burgund audgebrodhenen, 
Kriege ftellte Arnulph feinen Sohn T. an die Epige der Kriegdfchaaren, die er 
feinem Berwandten zur Hülfe ſchickte. Diefer Auftrag mißftel dem Heiligen 
überaus; er erflärte daher feinem Vater, daß ihn ein früheres Gelübde verbinde, 
die Melt zu verlafien und er erhielt auch endlich die Gewährung feines fehnlichften 
Wunſches. Die Abtei zum heiligen Remigius in Rheims war zu feiner ftillen 
Mohnftätte beftimmt. Begleitet von feinem Freunde Walther, zog er, bald nach 
erlangter Einwilligung feines Vaters, nad) diefem Ordenshauſe. Bel ihrer Ans 
funft entließen fie ihre Bedienung; ftatt aber in das Klofter au treten, vertauſch⸗ 
ten fie ihre Kleider gegen die Lumpen zweier Bettler und entfloben heimlich nady 
Deutfepland, wo fie fid in dem Petinger Walde in Scywahen wiederlegen und 
Jellen erbauten. Da fie von Burcyard gelernt hatten, dad beidyauliäge Adver 


Theismus — Thekla. 45 


Bunkten feſthält, ſchiebt das Lineal mit feiner, etwas längern, Hälfe gleichfulle 
auf den Stift und trägt die normale Thellung der Meflingicheibe auf fie auf, 
was ſich ſchnell genug bewerffielligen läßt. Sollte man größere Scheiben zu theilen 
haben, als die Meffingfcheibe felpft ift, fo kann man poor eine Heine Scheibe 
mit der Mafchine theilen, diefe über die größere, zu thellende, legen und von ihr 
vie Theilung mittelſt ded_nämlichen Lineals auf die größere übertragen. Noch 
ungleich häufiger, als die Kreistheilung, ift für den Phyſiker die gerablinige Theils 
d ngenbes Bedürfniß, indem die Verfertigung von Ecalen aller Art in zahl- 
Fällen erfordert wird; Für diefen Zwed kann man fidh einer einfachen, 
bequemen und zugleich hinlänglicy genauen, von Baumgartner angegebenen T. bes 
bienen. Um mehre Zwede zu erreichen, würde ed gut ſeyn, auf die eine, ſchmale 
Erite des Mapftabes ein bekanntes Maß, 3. B. Pariſer oder rheinländifche Li⸗ 
sin und auf die andere Millimeter auftragen zu lafien, um hiernach Ecalen von 
fer Größe der Theile zu verfertigen, wie fie unter anderen für Barometer erfor 
vert werden. Die zu theilende Ecala wird auf denjenigen Stab gelegt und durch 
Ne genannten zwei geneigten Klemmſchrauben auf demſelben feflgehalten, an deſſen 
Erite fi) der Normalmaßſtab nicht befindet und man überficht bald, daß man 
Ecalen von willlürlicher Länge auf diefe Weile theilen fafin, da es geftattet ift, 
ſewohl die zu theilende Scale, ald auch den Maßſtab, willfürlich hinauf, erflere 
auch hinabzuſchieben; emdlih auch, um die Thellung mit Genauigkeit von dem 
Rormalmapftabe auf die zu verfertigende Scale überzutragen,, iſt noch ein An⸗ 
ſchlaglineal erforderlich. — Wie bewundernswürdig fein und genau übrigens in 
jegiger Zeit die Theilungen an geodätifchen, aſtronomiſchen und phyftfalifchen Meß⸗ 
werfzcugen von den Mechanikern bergeftellt werden, kan man an den SKunftpro- 
huften der mechanifchen Werkftätten von Merz und Mahler in München, Plößl 
m Wien, Piflor und Martins in Berlin, Breitbaupt in Kaffel u. a. m. auf bie 
überzeugenpfle Weife wahrnehmen. - 
Theismus, ſ. Deiömus. | 
Thekla, die Heilige, Jungfrau u. Martyrin, aus Ifaurien oder Lybaonien 
gebürtig und von dem heil. Iſidor von Pelufium, fowie von allen Griechen die 
erſte Martyrin genannt, war eine der fchönften Zierden des apoftolifchen Jahr⸗ 
bundertd. Der heil. Method ius fagt von ihr, daß fle in der Weltweidheit jchr 
bemandert geweſen; daß fie alle Fächer der fchönen Wiflenfchaften durchwandert 
und fich ebenfo fraftvoll und beredt, ald anmuthig und leicht ausgedrüdt habe, 
Eie fei, fügte er noch bei, von dem heil Paulus zum Chriſtenthum befehrt 
worden und habe fidy große Kenntniffe in der Religion erworben. Er lobt ihre 
glühende Liebe für den Heiland, die bei mehren wichtigen Gelegenheiten und vor⸗ 
züglich in den Kämpfen fidh bewährte, weldye fie mit einem Muthe und einer 
Körperkraft beſtand, die ihrer Seelengröße würdig waren. Die Belehrung der 
heil. T. wurde, nad) Angabe ded heil. Auguftin, des heil. Epyiphantud, des 
heil. Ambroſius und mehrer anderen Kirchenväter, zu Ikonium durch die Pre⸗ 
digten des heil. Paulus bewirkt. Die wahrfcheinlichfte Meinung ift, daß fie um 
das Jahr 45 nad) der Geburt des Heilanded das Ehriftenihum angenommen habe. 
Aus den Reden des Apofteld leuchtete ihr die ganze Erhabenheit der Jungfräu- 
lichkeit ein und fie beichloß darum, in einem noch zarten Alter, diefem Stunde den 
Borzug zu geben und entfagte einer vortheilhaften Verbindung, welche ihre El⸗ 
tern für fie erfehen hatten. „Sie begann,“ fagt der heil. Gregor von Nyſſa, 
„hr Opfer damit, daß fie ihr Fleiſch ertödtete, firengen Bußwerken fidy unterzog, 
in ihrem Herzen alle irdiſchen Neigungen unterdrüdte und ihre Leidenfchaften 
durdy einen, der Sinnenluft entgegen ebenden, Wandel der Macht des Geiſtes 
unterwarf, fo daß fie nur der Leitung der, durch Gottes Geſetz erleuchteten und 
gekräftigten, Bernunft folgte. Die Welt war für fie geftorben, fowie fie der Welt 
geftorben war. Tie Eltern der jungen Dienerin Gottes, den Beweggrund ihrer 
außerordentlichen Lebensweife nicht kennend, wandten Drohungen, Xiebtolungen 
und ale möglichen Mittel an, um fie zus beabfichtigten Werehellägung x tr 


46 Thelluſon. 


wegen; zugleich bat auch der Jüngling, dem fie als Braut beſtimmt war, Alles 
auf, um ihre Liebe zu gewinnen. Endlich gingen alle Befannte vereint die heilige 
Jungfrau an, um.fie zur Einwilligung in die Wünfche ihrer Familie zu bewegen. 
Als ale diefe Mittel Nichts halfen, wandte man fich an die Obrigkeit, welche thr 
mit der Schärfe der Gefege drohte. T. fiegte aber über alle diefe Anfälle und 
fah Jene als ihre graufamften Feinde an, die fidy den Anichein der größten Zärts 
lichkeit für fie gaben. Da fie fich enblidy etwas freier erblidte, entrann fie ben 
Händen ihrer Verfolger und fam zu dem heil. Baulus, um da einigen Troft 
zu finden. So verließ fie, was ihr am theuerfien auf Erden war und ſuchte 
nur Jeſus den Befreuzigten,. ven fie jedem Erdengute vorzog. Der Jüngling, dem 
fie zur Ehe verfprochen war, ließ ſte aller Orten auffuchen, theils um feine Leis 
denſchaft zu befrievigen, theils audy, um ſich wegen der, wie er einbildete, 
erlittenen Befchimpfung zu raͤchen. Da er fie endlicdy entvedte und ihre Wider, 
ſetlichkeit durdy Nichts bifiegen konnte, gab er fie als Chriſtin bei der Obrigkeit 
an, damit fie zu den wilden Thieren verbammt würde. T. blieb unerfchütterlich. 
Sie wurde nadt im Amphitheater ausgeftelt; allein fie war befleivet mit dem 
Gewande der Unfchuld und die ihr zugefügte Schmach warb für fie eine Geleg⸗ 
enbeit ver Serherslichung und des Triumphes. Ohne Yurcht mitten unter den 
Leoparden, Löwen und Tigern, erwartete fie mit heiliger Ungeduld den Augen⸗ 
blick, wo fie von den furchtbaren Thieren, deren Gebrüu alle Sufpauer mit 
Schreden erfüllte, in Stüde zerriffen würde. Allein die Löwen und Leoparden 
lagerten ſich, ihre Wildheit vergefiend, zu ihren Füßen bin und ledten diefelben, 
al8 wollten fie der Heiligen biedurch ihre Verehrung bezeigen. Wan reizte fte 
auf alle Art; allein fie wichen zurüd, obne der Dienerin Gottes das mindefte 
Leid anzuthun. Diefed wunderbare Ereignig wird von mehren der vorzüglichiten 
Kirchenväter, unter Anderen audy von dem heil. Ambrofius erzählt, der fich hier⸗ 
über mit jener, ihm fo eigenthümtlichen, ebenfo einfachen, als Fraftvollen Beredt⸗ 
famfelt ausfpricht. — Ein anderes Mal ward die heil. T. durch einen fichtbaren 
Schuß des Himmeld aus den Feuerflammen gerettet, durch die fie umverjehrt 
wandelte, wie durch einen fanften Kıühlingswind. Der heil. Gregor von Nas 
zianz, der heil. Methodus und andere Schriftfteller, welche dieſes Wunder er⸗ 
fuhren, fügen noch bei, daß die Heilige aus mehren anderen Gefahren, welche ihr 
die Wuth ihrer Verfolger bereitet hatte, unverfehrt hervorgegangen fl. T. bes 
gleitete den heil. Paulus auf mehren feiner apoftoliicden Reifen, um ſich nady 
einem fo vollendeten Mufler in der chriftlichen Vollkommenheit zu bilden. Der 
heil. Chryſoſtomus, der heil. Gregor von Nazianz, der heil. Auguftin und 
andere kirchliche Schrififteller legen ihr den Namen „Jungfrau u. — bei. 
Ihre erduldeten Leiden haben ihr dieſe zweite Benennung erworben, obgleich Beda 
in feinem Martyrologium fagt, fie ſei in Frieden geſtorben. Dieſer legtern Mein⸗ 
ung find mehre gewichtvolle Schriftſteller beigetreten. “Die Heilige brachte ihr 
übriged Leben tn ftiller Zurüdgezogenheit zu. Sie ftarb in Iſaurien und wurde 
zu Geleucia, der Hauptftabt dieſes Landes, begraben. Auf ihrem Grabe wurde 
unter den erſten chriftlichen Kaifern eine Kirche erbaut, die ihren Kamen trug. 
Es walleten Pilger von allen Seiten dahin und, wie und Theodoret, ver beit. 
Gregor von Nazianz und andere Schrififteller berichten, geſchahen daſelbſt viele 
Wunder. Die Kathedrallirche von Mailand ift unter dem Namen der heil. T. 
geweiht und man bat darin lange Zeit einen Theil ihrer Reliquien aufbewahrt. 
Sahrestag: 23. September. | 
Thelluſon, Peter, ein Genfer von Geburt, Kaufmann in London, geftorben 
1797 zu Paſtow (Kent), verfügte über fein Bermögen fo, daß feine Witwe und 
Kinder (3 Söhne und 3 Töchter) etwa 100,000 Pfund Sterling erhielten, das 
Uebrige, weldyes mehr ald 600,000 Pfund betrug, Erefutoren mit der Beſtimm⸗ 
ung anvertraut wurde, ed während der Lebzeit feiner drei Söhne u. deren Söhne 
aufzubdufen und dann ven, davon erfauften, Grundbeſitz dem aͤlteſten männlichen 
Sasfommen feiner Göhne zu überlafien. Das Teſtament warb von den Grden 


Theodor — Theodorn, | 51 


in dad Gefängniß zurüd, wo ihn Gott in der folgenden Nacht wunderbar 
feinen Engel tröftete. In dem dritten Berhöre, das T. beftand, befannte 
u6 mit demielben Muthe. Der Richter verurtheilte ihn, lebendig verbrannt 
rden, was auch (306) neichah. Die Ehriften entrifien des Heiligen Leib 
dammen und verehrten ihn mit gläubigem Gemüthe. Jahrestag: der 
pemuber. 

yeodor, Name zweier römifcher Päpfte 1) T. L, ein Grieche, 
t tm Jahre 642, verwarf den Typus des Kaiſers Konftans, wodurch 
Kaijer über die ſchon verdammte Lehre der Monotheliten Stillſchweigen 
'gte, wie es vor ihm Heraklius gethan hatte. Der Unterfchlen zwiſchen 
kthefis und dem Typus beficht darin: In der Ektheſis verbietet Kalfer 
klius zu lehren, daß es in Chriſto weder eine, noch zwei Wirkungen gebe. 
tktheſis befennt aber nur einen Willen. In dem Typus, durch welchen bie 
8 aufgehoben wurde, wird verboten, weder von einem ober zwei Willen, 
som einer oder zwei Wirkungen in Chriſto zu reden. So warfen fidh 
be Herten zu Richtern in Religiondfachen auf, unter dem falfchen Scheine, 
rieden u. die Eintracht zwiſchen den Katholiken u. Monotheliten zu erhal: 
er herzuftellen. — Der Tod des Papfles T. verurfachte bei den Römern 
Trauer. Er war der erfte Bapft, welchem man den Titel: „Summus Pon- 
„Höchſter Prieſter“ beilegte und der letzte Papft, den ein Bits 
on Carthago, „Bruder? nannte Obſchon übrigens die Biſchoͤfe jetzt 
Japft „Bater“ nennen, fo werden fie doch vom Papfte „Brüder“ genannt. 
zirte die Kirche 6 und ein halbed Jahr. — 2) T. U., ein Römer, wurde 
ıbre 896 ermwählt, verwaltete die Kirche aber nur 20 Tage. Er war nuͤch⸗ 
n feinem ganzen Weſen, freigebig gegen die Armen, geliebt von der Geiſt⸗ 
t u. ein Freund des Friedens. In der kurzen Zeit, die er auf dem paͤpſt⸗ 
Stuhle faß, fliftete er viel Gutes. Er berief die vertriebenen Bifchöfe zu⸗ 
feßte Die, vom Papſte Formoſus ordinirten, GBeiftlichen in ihre Würden 
nd ließ den Körper diefed Papſtes, welchen die Fiſcher gefunden hatten, in 
Srabflätte der Paäpſte feierlich zurückbringen. 

Theodora, 1) Gemahlin des Kaiferd Juftinian, war weber ihrem Stande, 
ihrer Lebensart nady zu diefer Würde berechtiget. Weber ihre Abkunft 
igen alle damaligen Schriftfteller; nur der einzige Profopius nennt ihren 
Acacius, der die Auffiht über die wilden Thiere bei den Phraſtern zu 
mntinopel gehabt habe. Er ftarb unter Anaftaftus und diefe feine Tochter 
‚lite, auf das Anrathen ihrer Mutter, den Stand einer Schaufpielerin, 
: aber dabei ein eben nicht geordnetes Leben. Juſtinian erblidte fie einmal 
vurde fo heftig für fie eingenommen, daß er fie fogleich an feinen Hof zog. 
eich noch nicht Kaiſer, wollte er Tie doch damals fchon ehelichen; nur feine 
er Bigilantia und ded Kaiſers Juſtinus Gemahlin, Euphemia, fowie übers 
die römifchen Gefege waren feinem Borhaben zuwider; dennody wußte er 
jener Tode den Kaiſer Juftin zu einem Geſetze zu beivegen, wodurch die 
eines römifchen Patriziers auch mit einer folchen Perſon gebilligt wurde 
Juftinian vermählte.fih mit ihr. Als diefer nun nachher die Regierung 
t, hatte T. ihn ganz in ihrer Gewalt; fie verleitete ihn au vielen Thorheiten, 
elen Uingerechtigfeiten; fie felbft, eine rachgierige Perſon, bereitete fehr Vielen 
Untergang und ihr Stolz, mit welchem fie die vornehmften Staatsbebienten 
ıdelte, war unerträglih. Indeſſen bat das ſchöne Geſchlecht diefer Patronin 
Menge vortbeilhafter Gefege u. Privilegien für die Weiber, die Juftinian’s 
buche einverleibt find, zu verdanfen. — 2) T., dritte Tochter Kalferd Kon« 
n XI., wurde von ihrem Schwager, Romanus II. Argyrus, vom Hofe vers 
jet und brachte ihr Leben in einem SKlofter bis 1042 zu. Sie wurde, zu⸗ 
mit ihrer Schwefter Joa, nad) dem Tode von Michael Calafates zur Kat- 
ausgerufen. Rad bem Zobe bed Gemahles ihrer Schwerter, Konftantinud 
madus, regierte 3. allein ba8 griechifche Reich zwei Jahre lange, wit Ver 

4% 


32 Theodoret. 


Geſchicklichkeit eiines Mannes, fo daß ſich das Anſehen deſſelben ſchnell hob. 
Sie ſtarb 1056, im 70. Lebensjahre und mit ihr erloſch die Familie Baſilius 


des Makedoniers. 


Theodoret. 1) T. der Heilige, Prieſter und Martyrer. Unter der; 
Regierung Julian des Abtrünnigen war deſſen Oheim, ebenfalls Julian ges. 
nannt, Statthalter des Orients, wovon Antiochia die Hauptſtadt war. Als die⸗ 
fer in Erfahrung brachte, daß viele goldene und ſilberne Gefäſſe in dem Schape . 
der Haupikirche der Katholiken fidy befänden, verwies er alle Geiftlidhe der Stadt - 
in die Verbannung, um fidy dieſes Schages defto leichter bemächtigen zu können. 


Der beit. Prieſter T., der während der Regierung des Kaiſers Konftantius 


eifervoll an der Zerftörung des Götzenthums gearbeitet und auf den Grabflätten . 
der Martyrer Berhäufer und Kirchen erbaut hatte, war ald Berwahrer ver, zum - 
heil. Opfer beftimmten, Gefäße aufgeftelt. Er wollte das ihm Anvertraute nicht 
verlaffen und verfammelte fofort die Gläubigen, um ſich gu unterrichten und für _ 


fie das heil. Opfer darzubringen. Der Comes Julian ließ ihn daher verbaften 
und, die Hände rüdwärtd gebunden, vor fih führen. Auf die ihm gemachten 


Borwürfe, daß er die Bildſäulen der Götter umgeftoßen und unter der vorher . 
ehenden Regierung Kirchen gebaut habe, antwortete der heil. Priefter dem : 
Statibalter: er felbft habe ja einft den Gott der Ehriften angebetet u. fidy durch ' 


die Lostrennung vom Ehriftenthume des frevelhafteften Meineides ſchuldig Dear ’ 
e m 


Uebrigens geftand er unerfchroden Alles ein. Julian, hierüber erbittert, 


die Fußfohlen mit Ruthen ftreichen, in's Angeficht fchlagen und dann, an vier. 
Pfähle gebunden, Arme und Schenkel mit Striden u. Spannhebeln auseinander 
ziehen. Während diefer ganzen Zeit verfpottete ihn Julian; der Märtyrer aber - 
ermahnte ihn, fich zu befehren und dem wahren Gotte und feinem eingeborenen 
Sohne Jeſus Ehriftus, durch den Alles gemacht worden, was gemadyt ift, die 
Ehre zu geben. — Nachdem der Bekenner dieſe erfte Peinigung muthvoll beflan« 
den, folgten noch weitere, fo daß fein Blut von allen Eteiten berabfloß. Unter 
allen diefen grauenvollen Qualen erhob der Heilige die Hugen gen Himmel, 


betend zu Gott: er wolle feinen Ramen verherrlichen in alle Ewigkeit und plöß- 


lich ftürzten die Henteröfnechte mit dem Augefichte aur Erde, worüber jelbft ver Comes : 
erfhrad. Sogleich aber entflammte wicder feine Wuth und er gab Befehl, den 
Leib des Märtyrer mit Fackeln zu brennen. Die Henker weigerten ſich aber - 
deffen, Indem fie fagten, fie hätten Engel mit T. fid) unterhalten gefehen. Julian, 
bierdurdy noch grimmiger, befahl, den heil. Priefter fogleich ind Meer zu ftürzen. 
Da fagte T.: „Gehet mir voran, ihr Brüder, ich werde, den Feind befiegenv, euch 


folgen.” Auf Juliand Frage, wer denn dieſer Feid fei, verfegte der Heilige: 
„Der Satan ift diefer Feind, für den du kämpfeſt. Jeſus Chriftus, der Heiland 
der Welt, gibt den Eieg.” Hierauf erflärte er, wie Gott fein Wort in die Welt 
gefandt, wie das Wort die menfchliche Natur angenommen in dem Schooße 
einer Jungfrau, um die Menfchen zu erlöfen durch fein Leiden und feinen Tod. 
Julian, der feine Wuth nicht mehr einhalten konnte, bedrohte T. mit dem plößs 
lichen Tode, worauf diefer entgegnete: „Das iſt eben, was ich verlange, du aber 
wirft auf deinem Bette fterben unter fchredlichen Qualen. Dein Gebieter, der 
ſich fchmeichelt, die Perfer zu beftegen, wird felbft überwunden werben; eine ſicht⸗ 
bare Sn wird ihm das Leben nehmen und er wird das Land der Römer nidht 
mehr ſehen.“ Der Heilige wurde hierauf durch einen Urtheilsſpruch des Statts 


halter im Jahre 362 enıhauptet. — Am Tage der Hinrichtung dieſes Heiligen : 


begab fih Julian, gemäß des vom Kaiſer erhaltenen Befehls, in die Hauptkirche 
von Antiochten, um den Kirchenfchmud wegzunehmen. Ihn begleiteten zwei ans 


»,8 SPEER Pl 


dere Abtrünnige, Felix und Elpidius, welche beide angeiehene Stellen am - 


Hofe befleiveten. Die heiligen Gefäße wurden auf die ſchaͤndlichſte Weife ent⸗ 
weihet, allein die Berruchtheit diefer Abtrünnigen blieb nicht ungeftraft; die folg- 
ende Nacht brachte Comes Julian in den fürchterlichiten Unruhen u. Des an- 


bern Zages frühe legte er dem Kaifer ein Verzeichniß aller, ven Ehren ahap- 


Theodorich. 53 


ıenen, Habſchaft vor und erzählte, wie er mit T. verfahren ſei. Der Kai⸗ 
ber jagte ihm offen, wie er gar nicht billige, daß man die Chriften Ihrer 
ion wegen umbringe. Um Abende verfpürte Julian in den Eingeweiden 
beftigen Schmerz; feine Gebärme gingen in Fäulniß über und der Auswurf 
atur brach hervor durdy den Mund. In den faulenden SKörpertheilen ent- 
eine ungebeuere Menge Gewürmes und Feine Kunft der Aerzte vermochte 
zu fchaffen. Der Unglückliche erfannte nun feine outofigfeit, deren 
: er litt und befchwor feine Frau, die eine Chriſtin war, für ihn zu beten 
eten zu laffen. Auch erſuchte er inftändig den Kaiſer, den Ehriften thre 
na wieder zu geben. Allein ver Kaiſer wollte nicht in fein Begehren wil- 
und, als der unglüdliche Comes noch mehr darauf drang, mit dem Beifage: 
ıbe das Chriſtenthum nur aus Gefälligfeit verlaflen,“ erwiderte ihm Sultan 
ie Worte: „Du bift den Göttern nicht getreu gewefen, darum leiveft du 
Be Schmerzen.“ In den legten drei Tagen verbreitete ſich aus Julian's 
vollem Leibe ein folcher Geſtank, daß er ihm felber nicht ertragen konnte. 
) Strafgericht, das ſich fo offenbar an dem abtrünnigen Statthalter bes 
‚ traf auch deifen beide Gefährten, Felix und Elpidius, die gleichfalls auf 
mfelige Weiſe endigten. Der Kaifer felbft ward in Perſten von einem, 
unbefannte Hand gefchleuderten, Pfeile getroffen und tödtlich verwundet, 
. er in Wuth und Berzweifelung den 26. Juni 363 flarb. So ging die 
rfagung des heil. Märtyrers in Grfüllung. Die Kirche feiert fein Andenken 
. Oktober. — 2) T., Biſchof von Eyrus in Syrien, geboren zu 
bien im Jahre 393, wurde im Kloſter des heil. Eutropius erzogen und 
ven Theodorus von Mopfueitia ([.d.) u. den Johann Chryſoſtomus 
rern in der Beredtſamkeit u. Eregefe. Bei diefen Lehrern wurde er, in Vers 
ig mit audgezeichneten Naturgaben und einem unermüpdeten Kleiße, bald 
der gelehrieften und beredteften Männer feiner Zeit. Beſonders zeichnete 
durch feinen freien, richtigen Geſchmack in der Schrifterflärung und in 
itlichen Beredtſamkeit auf eine vorzüglihe Welle aus, fowie er audy 
am von edlem Charakter und hoher Brömmigfeit war. Im Jahre 420 
: er auf den bifchöflichen Stuhl von Eyruß erhoben. Weil er inveflen bei 
eorianifchen und euiychlanifchen Streitigkeiten über die zwei Naturen in 
o fi der neftorianiihen Reaktion anfchloß (f. d. Art. Neftorianer), 
er zwar auf der Räuberfynode (ſ. d.) feines Amtes entfegt und in 
oſter geftedt, nachher aber auf dem Concilium zn Chalcedon als rechtgläubig 
an. In feinen Werken (herausgegeben von Cirmond und Garnier, 5 
Paris 1642 und 1648 und von Schulze und Nöffelt, 10 Bde., Halle 
finden fich treffende Erklärungen fchwererer Bibelftellen. In feiner Kirchen- 
yte, die einen Zeitraum von etwa 100 Jahren begreift (v. 3. 325—429), 
er bedächtlich der Verſuchung aus, feinen Erzfeind Cyrilus zur Schau 
m. Seine Briefe enthalten manche ſchätzbare Beiträge zur Gefchichte 
Zeit und zu feiner eigenen. Unter dem Titel „Philotheus s. historia reli- 
befchrieb und Ichte er hauptfüchlich die Vorzüge des anachoretifchen 2er 
Eeine 10 Predigten von der Vorfehung (deutſch von 3. M. Feder, Würze 
188) gehören zu ven beften aus der Ältern chriftlichen Periode. 
beodorih, 1) der Große, König der Oftgoihen, Sohn des Theodomir, 
Anführers der Gothen, 455 nahe bei Wien in Pannonien geboren, erhielt 
‚fe zu Konftantinopel, wohin er, noch ganz jung, al8 Geiſel geſchickt wor- 
ır, eine gute Erziehung und, nachdem er durch den Tod des Anführers 
indern gothifchen Stammes das Oberhaupt aller Gothen geworden, machte 
ı griedhifchen Kaifer Zeno den Vorfchlag, mit feinen Gothen Jtalien zu 
, das jetzt Odoaker, ein deutfcher Heerführer, feit 476 eingenommen hatte. 
der die Gotben von feinen Etaaten entfernen wollte (fie wohnten im 
n Ungarn, ber Molbau und Walachei und konnten daher Konftantinoyd 
unrupigen), gab feine Einwilligung fehr gerne dazu und A489 erhob N 


= d 


54 Theodoruß, 


der Zug. T., als Anführer an der Spige des Volkes, überftieg mit vieler Mühe 
die Zulifchen Alpen und fchlug das Heer, das ihm Odoaker entgegenftellte, zu 
drei verſchiedenen Malen. Diejer felbft vertheidigte fi) in Ravenna auf’8 Aeuß⸗ 
erfte und hielt fi bi6 493. Allein länger fonnte er der Gewalt der Gothen 


nicht widerftehen. 3. nahm Ravenna ein und warb durch diefen Sieg Bes. 


herrfcher Italiens, Odoaker aber bald darauf von ihm felbft ermordet, weil er 
fi (wenigſtens wurde diefed zum Borwande gebraucht), in eine Verſchwörung 
egen ihn eingelafien hatte. Man kann, ungeachtet diefe legte Handlung einigen 
Eepatten auf 3.8 Charakter wirft, dennody behaupten, daß fein anderer Anführer 
barbartıcher Stämme den 3. an Weisheit und großen Regententugenden übers 
troffen babe und daß die Ztaliener nicht Unrecht hatten, wenn fie während feiner 
Regierung die glüdlichen Zeiten des Trajan und der Antonine wiedergekehrt 
glaubten. T. überließ feinen Bothen beträchtliche Ländereien und beftimmte fie 
allein zum SKriegsdienfte; den Eingeborenen des Landes blieben die Künfte des 
Friedens und die wiſſenſchaftliche Eultur. Ste wurden nad ihren urfprünglichen 
Geſetzen gerichtet und der König ahndete nachdrüdlich jeden Echimpf, den ein 
Gothe einem Staliener anthat. Aber auch die Gothen lebten als freie Männer 
und behielten ihre alten Geſetze bei. Die alten Denkmäler der Kunft wurden 
forgfältig wider den Untergang bewahrt und die Gelehrten fanden an T.s Hofe 
eine glänzende Aufnahme. Ueberall war Wohlftand und Eicherheit im Reiche 
und fein fluger und gelehrter Staatsminifter, Eaffiodorus, trug dad Seine eben⸗ 
falls dazu bei. Nur die legten Regierungsiahre waren nicht ganz glücklich. T. 
gehörte zu der Sekte der Arianer und, ob er gleich gegen die übrigen katholiſchen 
Thriſten alle mögliche Toleranz bewies, fo wurde er doch bitter von ihnen ges 
fränft u. dadurch zu größerer Strenge gegen fie gleichfam aufgefordert. Währs 
end diefer unfeligen Religionszwifte glaubte 3. eine Verſchwörung gegen fich in 
Rom angefponnen. Mebre Senatoren wurden verhaftet und unter ihnen befand 
fih der "Selehrte Boethius, den 3. bioher mit der zärtlichften Freundſchaft bes 
handelt hatte und ließ ihn unter graufamen Martern bintichten (524). Auch 
dem Schwiegervater des Boethius, dem Symmachus, widerfuhr ein Jahr darauf 
daffelde Schickſal. Die evelfte Reue bezeugte T. über diefe Thaten dadurch, daß 
er bald nachher darüber in einen tieffinnigen Gram verfiel, der ihm am 30. Aug. 
526 das Leben raubte. Ihm folgte fein 10jähriger Enfel Aehalarich unter Vor⸗ 
mundfchaft feiner Mutter Amalevinth, aber die NRationaluneinigfeit der Gothen 
machte Zuftinian’® Feldherrn Narfes (552) möglich, Italien zu erobern und der 
Namen der Gothen erlof in Italien. — 2) 2. I., König von Auftrafien, ver 
ältefte Sohn Chlodwigs des Großen, befam von den Ländern feines Vaters das 
Gebiet der ripuarifchen Franken und der Alemannen, an den beiden Ufern des 
Rheins und alle öftlichen Diftrifte von Gallien. Er refinirte zu Meb, überwand 
die Thüringer u. ſtarb 534. Auf ihn folgte fein Sohn Theodebert. Den Alemannen 
gab er ein Geſetzbuch, aber die Form, in der wir es noch haben, tft von Ghlos 
tar J. Auch die Bayern befamen von ihm Geſetze. — 3) T. IL, König in 
Burgund und Yuftrafien, Sohn von Childebert IL, geboren 587, befriegte auf 


Anftıften feiner Großmutter, Brunehilde, feinen Bruder Theodebert II. und bers. 


nad Ehlotar IL, verband ſich aber mit leßterem und fchlug feinen Bruder bei 
Toul und Tolbiac, ließ ihm 1611 tödten, eroberte Köln u. nahm ganz Auftraften 
in Befis. Er flarb plöglih zu Meß. — 4) T. I, König von Frankreich, 
Sohn von Chlodwig II. und Bruder Childerich's und Chlotar’& III., wurde 670 
durch den Majordomus zum Könige von Reuftrien erwählt, aber bald darauf 
von feinem Bruder Childerich in ein Klofter geftedt, nach dem Tode deſſelben 
aber aus demfelben wieder geholt u. wieder in feine Staaten eingefegt. Er ftarb 
690, im 39. Jahre. Auf ihn folgte fein Sohn Chlodwig IL — 5) T. IV, 
König von Frankreich, Dagobertd Sohn, wurde 721 von Karl Martell auf den 
Thron gefegt und ftarb 737 im 25. Jahre. 

Theodorus, 4) 3. aus Eyrene, ein griechifcher Philoſoph, Schüler des 


Theodoſius. 50 
ingen Ariſtippus, eines Enkels des Altern. Er wird durch die Beinamen 


305 und eos von dem Mathematiker T. unterfchieden, welcher unter Sokrates 
behtern genannt wird. Den erflen ver angeführten Beinamen erhielt er wegen 


— — — — — 


kiner Gotteſslaͤugnung, der andere war mehr ein Spottname. Seinen Atheismus 
bat er in einem verloren gegangenen Werfe vorgetragen, woraus, nach Diogenes 
Baerius Epikur das Meifte genommen haben fol. Es ift aber nicht entfchieven, 
sb er wirklich geläugnet babe, daß Gott ſei, oder ob er nur die Vorfehung des⸗ 
ſaben beftritten, oder ob er gar nur die griechifchen Götter blos für große und 
wichtige Perſonen der Vorwelt gehalten habe. Er fol durch Gift umgebradyt 
unden feyn. Don feiner Befandtichaft an den Lyſimachus erzählt Cicero Quaest. 
Tusc. 1. 43 und Diog. Laert Il. 102 Verſchiedenes. — 2) T., Biſchof von 
Ropfueftia in Cilicien, aus Antiocyien gebürtig, ein Kirchenlehrer u. überhaupt 
auer der gelehrteſten Männer feiner Zeit, hatte den Neftorius zum Schüler und 
sh 429. Er ıheilte die Anfichten des Pelagius und gilt daher au für den 
Stifter des Pelagianismus und für den Begründer des Neftorianismus, weßhalb 
a auf dem fünften öfumenifchen Goncil zu SKonftantinopel im Jahre 533 vers 
amt wurde. Bon feinen eregetifhen Werken find nur Fragmente vorhanden; 
kinen Commentar über die zwölf Heinen Propheten gab Angelo Mai in der 
‚Scriptorum veterum nova collectio“ (2 Bde., Rom 1827) heraus; eine Aus⸗ 
pie der fämmtlidyen Werke 3.6 beſorgte Wegnern (Bd. I, Berlin 1834). Vgl. 
. F. Fritzſche, „De Theodori Mopsuest. vita et scriptis“ (Halle 1837). 
Theodofius, 1) T. J., Flavius, mit dem Beinamen der Große, Sohn 
des kaiſerlichen Feldherrn T., den Gratian 376 hatte hinrichten laflen, geboren 
336 zu Cauca im nördlichen Spanien, zeichnete ſich durch Muth und Tapferkeit 
bei vielen Gelegenheiten aus, wurde den 19. Januar 379 zu Sirmium als Gäfar 
Anguſtus ded Drients und Mitregent des Kaiſers Gratian ausgerufen und ließ 
fd) 380 zu Thefiulonicy taufen. Unmittelbar darauf trieb er die, über die Donau 
in das romiſche Reich eingenrungenen Hunnen, Alanen, Sarmaten und Gothen 
prüd nd nöthigte fie 382 zum Frieden. Eben fo glüdlidy war er gegen die 
Dügothen 386 und gegen die Berfer. Indeſſen hatte Gratian 383 durd) Mas 
rimus fein Leben verloren, den 3. Anfangs fogar als rechtmäßigen Mitregenten 
anerfennen mußte, bis endlich fein Angriff auf Balentinian I. ihm Gelegenheit 
ab, gegen venfelben die Waffen zu ergreifen. Er befiegte ihn 388, übergab 
Balmtintan IL das abendländifche Katferthum und ließ den, zu Aquileja gefang⸗ 
men, Maximus binrichten. Nach der Ermordung Valentinians aber 392 durdy 
Arbogaft, der an feine Stelle einen Rhetor, Namend Eugenius, einfegte, über: 
wand T. diefen Ujurpator u. ward dadurch Alleinherricher des ganzen römtfchen 
Reiches. Er flarb indefien fchon den 17. Januar 395 zu Mailand. — T. 
regierte höchſt rühmlich; daß er aber fein Staatsmann war, bewies die unglüd- 
lihe Therlung des römifchen Reiches, das fpäter ſich nicht wieder vereinigte, 
unter feine Söhne Arkadius und Honorius. Vgl. den Artikel Oftrömifches 
Kaiſerthum. — 2) 3. I., oftrömifcher Katfer, Sohn des Arkadius und der 
Euderia und Enkel des Vorigen, geboren 401, folgte feinem Vater den 1. Mat 
408, ftand aber unter der Bormundfchaft feiner Schweſter Pulcheria, die das 
Reich mit Nachdtuck und Yeftigfeit verwaltete. Auch nachdem er mündig ger 
worden, fuhr fie fort, den größten Theil der Staatögeichäfte zu führen und auf 
ihr Anrathen beirathete I. die Tochter des Weltweifen Leontius, Athenais, die In 
der Taufe den Namen Eudoria erhielt. Nach der Theilung mit Balentinian III. 
behielt T. Weſtillyrien vom occidentalifchen Reiche (423). Glüfli gegen die 
Perſer, erfaufte er von Attila ven Frieden unter fchmählichen Bedingungen. Er ftarb 
furg darauf den 28. Juli 450. Bon ihm hat der Codex Theodosianus (f. d.) 
den Namen erhalten, weil die Sammlung diefer Geſetze unter feiner Regierung 
(438) öffentlich bekannt gemacht wurde. Auf ihn folgte Martianue. 
Theodofius, der Heilige, Kiofterworfteher und Erzvater der Mönche, im 
Jahre 423 zu Marifia, einer Heinen Stadt in Kappadocien, aus einer ftammen 


56 Tpeodoftus, 

Familie geboren, wurde ſchon von aber Ingend an auf den Weg aller Tugen- 
den geleitet und zeigte eine große Vorliebe für das Studium u. ernfte Betracht⸗ 
ungen, welche Eigenihaft ibm ſchon frühzeitig das Ami eined Worleferd in der 
Kirche verichaffte. Dieſes Gefchäft, dem er mit vieler Andacht und Erbauung 
vorftand , run, dazu bei, das Wort des Herm um fo inniger in fidh aufzus 
nehmen, dad Liebliche deſſelben um fo tiefer zu empfinden und eine Abneigung 
gegen alles Irdiſche zu erlangen. Er beſchloß, fich gänzlich Gott zu weihen, 
verließ fein Baterland und pilgerte nad) Jerufalem, auf welcher Reife er in 
Antiochta die Straße verließ, um dem bl. Simon Stylites (f. d.) einen Be 
fuch zu machen. Diefer, der ihn nie geſehen, rief ihm entgegen: „T., Diener 
Gottes, fei mir willkommen“. T. erftaunte, daß er gefannt Be und beugte fein 
Angeficht zur Erde. Simon aber rief ihn ji fi hinauf, umarmte ihn, gab ihm 
manchen guten Rath und fagte ihm die Ereigniffe feines Fünftigen Lebens voraus, 
Durch die frommen Ermahnungen dieſes Gottesmannes geftärkt, ſetzte T. feine 
heilige Wanderung fort und erreichte Jerufalem, wo neue Sorgen auf ihn eins 
ftürmten. Er fühlte Neigung zur Einſamkeit und fi doch zu ſchwach dazu; 
denn, fo tugenbpaft er auch war, noch fehlte ihm die Stärfe des Gemüths, welche 
vonnöthen it, um in der Einſamkeit allen Angriffen des Geiſtes der Finſterniß 
begegnen zu fünnen. Daher wählte er das Elöfterliche Leben und begab fidy zu 
einem frommen Möndye, Longin, der für fehr bewandert in den Wegen ber 
Bolltommenheit angefehen wurde und machte hier auch ſchnelle Foriſchritte in der 
Tugend. Anfangs übernahm er aus Gehorfam die Aufficht über eine am Wege 
von Bethlehem geftiftete Kirche, zog ſich aber bald in eine, unfern auf einem 
Berge gelegene, Höhle zurüd, weil er befürchtete, das Gift der Eirelfeit möchte 
durch die ihm ertheilten Lobeserhebungen fein Herz anfteden. In diefer ftillen 
Abgeſchiedenheit von allen, oft die Seelenruhe flörenden, Sinnengegenftänden 
brachte er das Fleiſch durch lange Nachtwachen und ftrenge Faſten unter bie 
Herrfchaft des Geiſtes. Einige Gemüfe und wilde Kräuter waren feine ganze 
Kahrung, und dreißig Jahre lange enthielt er fih gänzlich von allem Brodgenuſſe. 
— Mehre, von gleicher Sehnfucht, Gott zu dienen, ergriffen, verfammelten fid) 
nun um den frommen Ginflevler, von denen er jedoch Anfangs nur ſechs bis 
fieden al8 Jünger aufnahm. Bald aber vermehrte fich die Genoflenfchaft, indem 
er fi) aus Liebe für das Hell Anderer bewogen Fand feinen, bei dem er An 
lagen bemerkte, abzumeifen. Da nun die Höhle fie nicht Alle faſſen konnte, er- 
baute er nahe bei Bethlehem ein große Klofter, welches bald von tugendhaften 
Ordensmaͤnnern angefüllt wurde. it dem Klofter fanden drei andere Gebäude 
in Verbindung, wovon dad eine für die Kranken, das andere für die Greife und 
das dritte für die Einftenler beſtimmt war, Die fid) ohne befondern Beruf von 
Oben in die Wüfte zurüdgezogen hatten und dann, erneuert an Geiſt, zurüds 
fehrten. In dieſen drei Häufern herrſchte bewundernswuͤrdige Ordnung; man 
fuchte da mit der zärtlichften Sorgfalt den geiftlichen und leiblichen Bedürfnifien 
der leidenden Menfchheit abzuhelfen. Nebft dieſen waren auch noch mehre Häufer 
zur Beherbergung der Fremden erbaut, wo fle für Leib und Seele Erquidung 
fanden. Im Kloſter berrichte eine fo heilige Zudt und eine fo innige Verbind⸗ 
ung durch wechfeljeitige Liebe, daß man hätte glauben mögen, alle Brüder feien 
eben fo viele Engel in fterblicher Hülle. Im Umfange des Klofterd fanden vier 
Kirchen. Die er war für die Brüder, welche griechifch redeten; die zweite für 
die Armenter, mit denen die Araber und Perfer vereinigt waren; bie dritte für 
Alle, weldye aus den nördlichen Ländern und noch weiter her famen und die 
flavifche Epracdye reveten; die vierte für Jene, welche ihre Fehler durch Buß⸗ 
übungen fühnten. T. ftand in engem Breundfchaftebunde mit dem hi. Sabaß, 
welcher auch in Paläftina lebte und viele Einftepler auf die Wege der Volls 
fommenheit leitete. Salluft, Biſchof von Serufalem, welcher das Verdienſt 
diefer zwei großen Männer fannte, wollte ihrem Eifer und ihrer 2iebe einen 
größern Wirfungsfreis eröffnen; deßwegen ernannte er den Sabas zum Bor; 


Mo 7:5 9 
aller Cinſiedler und den T. zum Borſteher aller Kloͤſter in. Palaſtina; 
er and) dieſer letztere ben Rome Conobiarch. — Bee See 
hatten Ehre, da fie durch treue Anhänglichkeit an die Lehre ber. Kirche ſtets 
vereint waren, als Vertheidiger derſelben verfolgt zu werben. — Kaiſer Ana 
afins, der die Cutychianer ſchützte, hatte ben Slatriarchen Elias von Jerus 
‚ welcher. die gatlcfen Irrlehren verabfcheuete, des Landes verwieſen und 
dd onch, Namens Geverus, auf deſſen bifchöflichen Stuhl 
aboben; zu g Zeit hatte er auch an die Eyrer einen Befehl ergehen lafien, 
deſem GEingebrungenen zu gehorchen und mit Ihm SKirchengemeinfchaft zu pflegen.. 
z ımd Sabas weigerten ſich aber defien, felbR auf die Gefahr, in des Rattere 
Ungnade zu fallen, und blieben flet6 dem Elins und dann Johannes, des 
afern vechrmäßigem Rachfolger, zugethan. Gie hatten fogar den Much, ſich 
kart und Öffenttich zur Vertheibigung ber beiden verfolgten Patriarchen anszus 
Anaſtaſius, der die lan eines gewaltiamen u. Aufſehen erregenden 
tres fürdhtete, „jasee durch Arglift feinen Zwed zu erreichen. Gr ſchickte 
ve T. eine beträchtliche Geldſumme, unter dem Vorwande, ihm ein Mittel zu 
‚ ven Armen Eräftiger beißehen zu Eönnen } in der aber gedachte en, 
gen dadurch für feine Wbfichten zu gewinnen. T. flellte ih, als merke 
er die ihm gelegte Schlinge nicht, nahm die Summe und vertbeilte fie unter die 
Armen. Ginige Zeit nachher Heß ihn der Kaifer bitten, ein Glaubensbekenntniß 
ga unterfchreiben, in weichem vie zwei Naturen Jefſu Ehrifi nicht von einander 
unterfehlenen waren. Der Heilige weigerte fidy aber defien und richtete fogar 
häfkte 


a 


rief an Anaſtaſius, worin er die Spibfindigleiten der Eutychianer ent- 
und auf das Bünpigfte widerlegt... Der Kaiſer antwortete in einem ehr⸗ 
en Schreiben, worin er, nach dem Geſtaͤndniſſe feines Fehlers, erklärt, daß 
* ziges Verlangen dahin gegangen ſei, den Frieden in der Kirche wieder⸗ 
geftelle zu ſehen. — Unglücklicher Weiſe waren dieſe guten Entſchlüfſe nur 
von fuszer Dauer. Anaftafius erließ bald wieder neue Verordnungen, zu 
deren Bollziehung überall hin Soldaten gefchidt wurden. T. ließ fidy dadurch nicht 
ſchreden, fondern ermahnte die Gläubigen, unerſchuͤtterlich bei den, auf den vier 
erften allgemeinen Goncilien entfchievenen, Lehren zu beharren. Die Worte des 
ehrwürdigen Greiſes erhielten durch ein bei dieſer Belegenheit gewirftes Wunder 
nene Kraft. Eine Frau wurde nämlich von einem fchauderhaften Krebfe plöplic, 
eheilt, da fie des Heiligen Kleid, als er aus der Kirche ging, berührte. Ana» 
aftus erließ zwar in feinem Zorne einen ‚Derbannungebefe I gegen den muth⸗ 
vollen Blaubensveriheidiger; allein, da er bald darauf farb, wurde der heil. 3. 
von dem Kaiſer Juſt in zurüdberufen. Der Heilige lebte nach feiner Rückkehr 
aus der Landesverweiſung noch 11 Jahre, deren lehtes er in einer fehr ſchmerz⸗ 
lichen Krankheit mit heidenmürhiger Geduld zubrachte. Als ihm in diefer Lage 
Jemand den Rath gab, er möge den Himmel um einige Linderung feiner 
Schmerzen anflehen, erwiederte er: „Nein, nein, ein Solches würde ein Zeichen 
der Ungeduld feyn und mir meine Krone rauben.* Endlich entichlief er im 
Jahre 529, im hundert fünften feines Alters. Der Batrlarch wohnte mit den 
hrıften der ganzen egend dem Leichenbegängniffe bei. Die Kirche feiert 
fein Andenken am 11. var. 

Theodotus von Byzanz, von feinem Gewerbe der Gerber genannt, dabei 
aber in mancherlei Wiffenichaften wohl unterrichtet, ftellte gegen das Ende des 
zweiten Jahrhunderts die häretifche Behauptung auf, Jeſus Chriſtus fei bloßer 
Menſch, um dadurch den Vorwürfen der Ehriften, die er ſich durch feinen Abfall 
vom Chriſtenthume bei den Berfolgungen zugezogen hatte, zu entgehen. Der BI. 
Papft Viktor ſchloß ihn daher zu Rom, —8— er fi von Byzanz aus begeben 
hate, aus der Gemeinſchaft der Gläubigen aus. Defien ungeachtet fand feine 
Lehre viele Anhänger (Theodotianer), welche behaupten, daß dieſelbe von den 
Apofteln an bis zum Pontiſikate des Zephyrin befanden habe; von dieſem erft 
fet die Lehre der Kirche verfälfcht worden, da er die Gottheit Jeſn Ehriti m 


» 


3 Theognis — Theokrit. 


einem Lehrſatze erhoben habe. Die Rechtgläubigen widerlegten dieſe Einwend⸗ 
ungen burdy das Zeugniß der heiligen Schrift, durch die Hymnen und Gefänge, 
welche die Chriften ſchon beim Anfange der Kirche verfaßten, durch die Schriften 
firchliher Schrififteler vor Viktor, wie des bi. Juſtinus, des Mtltiades, 
des heil. Jrenäus, Clemens von Nlerandrien, Melitus, die alle die 
Gottheit Jeſu gelehrt und vertheidigt hatten, endlich durch den, von Viktor, 
gigen T. ausgefprochenen, Bannfludy feld. — Um diefen unwiberfprechlichen 

ewelfen zu begegnen, ftrihen die Theodotianer Alles aus der heil. Schrift 
weg, was ihrer Zehre im Wege fland und verbanden mit diefen Verfälſchungen 
alle Spitzfindigkeiten einer ftreitfüchtigen und kleinlichen Logik, Indem fie, vote 
alle Häretifer in ver heiligen Schrift forfchten, nicht, um das Wort Gots 
te8 zu finden, fondern um vorwitig nachzugrübeln, mit welcher fyllogiftifchen 
Figur fie ihre Keberei behaupten wollten. — Sie begründeten ihre Feberifchen 
Behauptungen mit allen Stellen der heil. Schrift, in weldyen Jeſus Ehrikus 
als Menſch redet, unterbrüdten aber alle andere, in welchen feine Gottheit ers 
fcheint. — Einer der vorzüglichften Jünger 3.8 von Byzanz war Theodot der 
Ttapezite, oder der Wechsler genannt, der zu den Irrlehren feines Meiſters 
noch die neue hinzufügte: daß Jeſus Chriſtus nicht nur bloßer Menſch, fon- 
dern noch geringer, als Melchiſedech, der König und Priefter von Salem, 
gewefen fei und die Sekte der Melchiſedechiten ftiftete. Aſsklepiadesé und 
bie Anderen, welche zu den vorzüglichfien Anhängern 3.8 gehörten, flifteten 
feine eigene Sekten. 

Theognis, ein vorzüglicher gnomiſcher Dichter der Griechen, 550 v. Chr. in 
Megara geboren, lebte in der Folge ald Verbannter in Theben und flarb wahrs 
fheinlih im Jahre 470. Man bat von ihm 1238 Gnomen oder Lobfprüdhe, die 
wohl ehedem einen andern Zufammenhang hatten und einzelne Berfe aud mehren, 
vielleicht zwei, befonderen Gedichten find. Dan fchäpt fie mehr wegen ihres 
fittlichen, als dichterifchen Gehalts. — Durch gute Ausgaben haben fich namentlich 
3. Bekker (Leipzig 1815 und Berlin 1827), Welder (Frankf. 1826), Echneider 
win im „Delectus poetarum eleg. graecorum“ (Göttingen 1838), und Orelli 
(Züridy 1840), verdient gemacht. Gute deutfche Ueberſehungen befigen wir von 
W. €. Weber in den „Eiegifchen Dichtern der Hellenen“ (Frankf. 1826), fowie 
von demfelben in einer befondern Bearbeitung (Bonn 1834) und von Thudichum 
(Sranff. 1828). Bon bejonderer Wichtigkeit find die Unterfuchungen in dem 
Werke „Theognis restitutus. The personal history of the poet Theognis, dedu- 
ced from an analysis of his existing fragments"“ (Malta 1842) und von Bergf, 
„Ueber die Kriril des T.“, im „Rheinifchen Mufeum für Philologte“ (neue Fol., 
3. Jahrg., Frankf. 1843 — 44). 

Theogonie, eigentlich die Befchreibung der Genealogie der Götter; dann 
auch bei den griechifchen Dichtern überhaupt die Beichreibung des Urfprunges 
der Welt. Der Weltefte, der eine 3. gefchrieben hat, iſt He iodus (f. d.). 

Theokratie (woͤrtlich Gottesherrihaft), heißt diejenige Regierungeform 
eines Staates, bei welcher Bott felbft als der oberfte Regent und die beftehenven 
Geſetze als unmittelbare Befehle Gottes betrachtet werden. Die T. war im 
Alterıhume eine mehrfach vorfommende, namentlidy aber durch die Berfaffung 
des jüpifhen Etaates (f.d.) berühmt gewordene Regierungsform. Nach dem 
mofaifchen Geſetze war Jehova das höchfte Oberhaupt des jüdifchen Staates 
und in feinem Namen und als feine Stellvertreter regierten Mofes, Joſue u. 
nach ihnen die Richter (f. dd.). 

Theokrit, der Meifter des idylliſchen Gedichtes der alten Griechen, geboren 
zu Eyrafus, lebte 280 v. Chr. Er zog nady Negypten, ward von den Königen 
Ptolemaͤus Lagi und Philadelphus fu Ehren gehaiten, kehrte aber nady Syrakus 
zurüd, wo er von Hiero II. wegen einer beleidigenden Aeuferung mit dem Tode 
beftraft worden feyn fol. Wir befigen von ihm noch 30 Idyllen und laändliche 
Gemaͤlde, unter denen ſich jedoch mehre befinden, welche wahrfcheinlidh von ans 


Theologie, | 30 


faffern berrühren. Obgleich er für und der älteſte Idyllendichter iſt, 
er doch nicht der erſte in dieſer, in Sicilien entſprungenen und ausge⸗ 
Battung. Die meiſten feiner Idyllen haben eine dramatiſche Form und 
Bedhielgefänge fangkundiger Hirten. Durdy den doriſchen Dialeft, in 
ichtete, erhält feine Sprache einen Fräftigen Wohllaut und die vollen 
ſer griechifchen Sprachmufif find ver länplichen Natureinfalt fehr ange⸗ 
Ausgaben: zuerft (vermuthlich) Mail. 1481; neuere: von D. Heinfius, 
1604; J. J. Reiste, Wien 1765 ff., 2 Bde; Warton, Orf. 1770, 
Baldenaer, Leyden 1779;3 L. F. Heindorf, Berlin 1810, 2 Bde.; ©. 
Leipzig 1819; 3. A. Jakob, Halle 1824, 1 Bd.; Sail, Paris 1828, 
Rüftemann, Gotha 1830. UWeberfegungen: von Lindemann, Berl. 1793; 
Altenb. 1784 (2. Auegabe); J. H. Voß, Tübingen 1808; Einzelnes audy 


berg. 
ologie (griech. SeoAoyia, Gottes kunde, von Jeodoyeiv, das, abſtam⸗ 
a SsoAoyos, [9eos, Aiyo] d. i. Gotteskundiger, Gottlehrer, 
als: ſich als Theologen, d. i. als Gotteskündiger im Lehren 
t und gottlichen Dingen zeigen. Gewöhnlich ſagt man: „IeoAoyia iſt 
ls Aoyos aepi roõ Stcoo,“ welche Erklaͤrung zwar richtig, aber nicht 
ı genau ift, Gotteskunde, obieftiv: Gotteslehre, worin die Got⸗ 
fidy ausſpricht. Nicht Feder, der über Gott fpricht, ſtellt als Theolog ſich 
rn nur ein Solcher, der in diefem Eprechen Kunde (scientia) offenbaret. Mit 
te „Kunde“ wird auf ein Erkennen bingeveutet, dad man vorzugsweiſe ein 
iftliches nennt, wenn gleidy erſt genauere Dekimmung zu geben ift, ob 
t und göttlichen Dingen eine wiflenfchaftliche Erfenntniß möglich ſei, oder 
leber den Begriff T. pflegt man verfchtedene, einander verwirrende Er⸗ 
ı zu geben. Wir entwideln den Begriff in folgender Erflärung: 1) T. 
Beziebung zur Religion und zwar in welder Beziehung? — a) Die 
ift im ihrer Allgemeinheit und in allen Arten ihrer Ericheinung: der 
8 Menichen an eine übermenfhlihe Macht, die als eine, entweder 
m Monotbheismus) finguläre, cder (nad) dem Polytheismue) unter mehre 
sividuen (Gottheiten) verteilte, Einfluß auf fein Lebensſchickſal hat; mit 
Glauben fidy (theoretiih) gewiſſe Vorftellungen von jener Macht oder 
Achten u. (prafıtfch) das Beftreben verfnüpft, diefe Macht oder Mächte 
igt zu machen durch Verehrung, durch Befolgung gewiffer Regeln des 
I. Was alfo für die Religion das Theoretiſche ift (Glaube an die 
chliche Macht und Borftellungen davon), dem entfpricht auf der andern 
8, was man T. nennt; und wie jenes Theoretifche (der theoretifche Theil) 
jion zugleich praftifche Beziehung bat, fo hat auch die 3. praftifche Bes 
und praftifche Tendenz. b) Die Religion ift dem Menfchen nicht anges 
» wenig ald man von angeborenen Ideen reden Tann); wohl aber ift 
Srundpdispofition (die geiftige Natur), durch weldye die Religion in ihm 
et ift, angeboren. Diele Grundpispofition bildet fich zu beſtimmten Bor- 
ı u. den ihnen entfprechenden Neigungen u. Gefühlen erſt bei den Ein- 
n, welche auf den Menfchen, mittelft Unterriht und Erziehung, von 
Menfchen — die bereit beftimmte religiöfe Vorftellungen haben — über: 
c) Wie die religiöjen Vorftellungen urſprünglich fidy unter den Menfchen 
haben, fo daß ein Fonds folcher Vorftellungen in Vorältern für Nachs 
entftand und ob diefe Vorftellungen monotheiftifch, oder polytheiftifch ges 
ien, das ift ein hiftorifches ‘Problem. — Ale aufgeflärten Menſchen 
darin überein, daß der Moͤnotheismus die höchfte Stufe fei, die der, im 
ben Gemüthe prädeterminirte, Glaube an Göttliche erreichen Fünne, — Der 
eismus allein ftimmt zu der Idee der Welt ale eines Ganzen und die 
rei beweist ihre Mifchung des Göttlichen und Weltlichen; nur die Uns 
‚ beides von einander zu trennen, zeigt mithin einen tiefern Grad geifliger 
Db nun bas Bollfommene (der Monotheismus) dag Frühere gemweirn 


oo Theologie. 
ſei, das Hier ober da in das Unvollkommene (den Polytheismus u. Göpenvienf) :: 
ausartete, ober ob die Menfchheit ſich ft aus tem Unvollfommenen zum Bols :: 
fommenen emporgearbeilet habe: das, fagten wir foeben, ift ein hiſtoriſches Pros 
blem. Die mofatfche Urgefchichte in unferen heiligen Büchern ſehi al6 das Ur⸗ 
fprüngliche das Vollfommene und läßt es ermittelt werden durch Offenbar 2 
dur Winbeitung, die der Echöpfer den, von ihm gefchaffenen, Menfchen ick z 
machte. Die heilige, in ben altteftamentlichen Büchern enthaltene, Geſchichie 
zeugt dann ferner, wie der Monotheiemus fi) in der Bamilie Abrahams erhalten -; 
habe und auf des wahren Gottes eigene Veranftaltung durch Moſes zum Einig- 
ungsbande der — zu einem Bolfe vereinigten — Nachkommen Abrahams & Pi 
macht worden fei. So ruhte denn der Monotheismus des Jubenvolfs auf Bi 
f&ichte; er blieb darauf ruhen u. es bedurfte für daſſelbe Volk einer rationellen 
Devuction des Gotteöglaubens — alfo einer T., fofern fte dieſe Debuction zu : 
liefern hat, — nicht, wenn nur jene Gefchichte eglaubt wurde. — Doch If e& - 
Thatfache, daß die Juden in den nacherilifchen % ten Spekulation und gewiffe, . 
durch die Einbildungskraft erzeugte, Ideen mit ihrem Gotteöglauben verbandenz . 
weßhalb man auch von einer „S. der fpäteren Juden“ ſpricht. Refultate diefer . 
fogenannten T. find 3. B. die Lehre von ber Weltfchöpfung durch die (perfonifls . 
cine oder bypoflatirte?) Sophia (Weisheit), oder dur dad Mimra (d. t. Wort , 
Gottes) ; die Lehre von den Sephirot (Auöftrahlungen, Perfonification der götts ! 
lichen Eigenfchaften, die, wie befondere Kräfte, von Gott ausgehen und in ihn 
wieder zurüdgehen), von ben Engeln u. ihren Ordnungen, die Dämonologie umd ' 
gewiſſe, mit der Lehre von der Sodtenauferflehung verknüpfte, chriftliche Mein- | 
ungen. Einfluß auf diefe T. ſollen, den Grgebniffen gelehrter Forſchungen j ” 
Folge, gehabt haben der Parſismus und Ideen aus ver platonifchen Philofopbie, 
Genauere Kenntniffe diefer T. werden pefhöpft aus den apokryphifchen Schriften , 
des alten Teſtaments, aus den Schriften des Philo und Joſephus, aus dem : 
vierten Buche Efra, aus den Targumim des R. Onfelos u. R Jonathan, aus : 
dem Buche Sohar, und dem Talmud. Schon hier gibt fi uns zu bemerken, : 
daß die T. die religlöfen Vorſtellungen (das, was wir oben ben theoretifchen : 
Theil der Religion [und der Religtonslehre] nannten) weiter ausbildet, ald_e& 
zur Religion (Behufs ihrer Praris) nothwendig iſt; und wir werden diefe Be 
merfung weiter unten noch durch fchärfere Reflerion modifiziren. d) Wuch bei 
den Griechen hieß die Lehre von den Göttern T.; fie hatte die drei Zweige ges 
trieben: a) die T. der Dichter (theologia mythica), d. i. die mythiſchen Er⸗ 
zählungen und Dichtungen, welche die Dichter über die Götter, ihre Zeugungen, 
Erfcheinungen, ‚Karblungen u. dgl., orihafen hatten; 8) die T. der Staates 
männer (theologia politica), d. i. die Beftimmungen, weldhe der Staat und 
Staatsmänner in Betreff des Glaubens an die Götter feftgefegt hatten; y) Die 
TI. der Bhilofophen (theologia physica), d. i. die Lehre von ver Natur der 
Bötter, welche Phitofophen —E in Gemäßheit ihrer Spetulation und 
Philoſopheme über den Urfprung der Welt, aufgeftellt hatten. ©. Cic. de Nat. 
Deor. lib. 3, c. 21; Augustin. de civ. Dei lib. 6, c. 5. — Auch über den Mor 
notheismus haben Dichter, Staatsmaͤnner, Raturforfcher gewaltet (die Religion 
tendirt zum Dichter u. der Dichter erhebt ſich gern, wie der Religiöie, zum 
Ueberſinnlichen; der Staat entiehnt ſich Autorität aus der Religion u. fanctionirt 
jern Blaubensformeln, welche ihm die Eintracht der Bürger und deren Gehor⸗ 
am gegen ihre Oberen gewährleiften und der aahilofoph fucht immer nody feinen 
Gotteöglauben mit Phyflf u. Kosmologie in Harmonie zu bringen). — 2) Wie 
verhalten fi chriſtliche Religion und T. zu einander und was 
R ZT. im Ehriftentbum? Das hrifentbum iſt a) Religion (monotheiftifche 
Religton) und hat alfo in objeftiver Darftellung, als Religionslehre oder ais 
religiöfe Lehre, einen theoretiichen, beflimmte Borftelungen von Gott und dem 
@örtlichen in feiner Beziehung auf ven Menfchen enthaltenden u. einen praftifchen, 
für das Streben und Handeln des Menfchen, in Gemäßheit jener Borkellungen 


run wen wwnngspen wijsuwue we ya yuyunııo 

eſedt, fofern e er äührifum als "Sottmenfchen, als das fleiſchgewordene 
Hyde Deshalb nun heißt eben Er vorzugsweiſe der —9* e, d. i. 
outlehrer, der Das aufzeigt, was von Bott Kunde und Manifeftation gibt. 
die Ueberfchrift der Apo an, welche Ueberfchrift fo lautet: "Aroradvuypıs 
vov rou solo: In ver Vorftellung vom ewigen Sohne Gottes 
vom ewigen Ein ©: Gottes zugleich mit enthalten, wiewohl fie in ber 
nibum6leher auch noch befonberd hervortritt, wie foeben gezeigt wurde; 
konnten Athanafius (orat. 2. contra Arianos) und mit’ ihm andere Kirchens 
fagen: T. fei die Lehre von ber heil. Dreieinigkeit und Petrus 
u (succ. 12.) fonnte die gme chriſtliche Lehre, ihren theoretifchen Theil 
b, T. nennen, weil dieſelbe Lehre auf die Ga bRoffenbarung Gottes, die 
ffenbarung des dreiperfönlichen Wefen if, fich bezieht. — c) Das Chri⸗ 
m if fonady T., aber doch nicht ee (ige, fpefulative, 
satifche), fondern populäre, d. i. auch dem gemeinern tande faßliche, 
mn die Beweiſe für felbige find nicht fpekulative Säge, fondern Gefchichte 
datſachen; für die Gottheit Kl tnebefonbere deſſen Auferflehung von 
isoten, nad) Rom. 1, 4. u. St. Auch die Lehre von Yottes Eigen⸗ 
en iR im Ehrifenthume yopufär und praftifh. — d) Wird die Ehriftens 
Nebre in ſyſtematiſcher Form mit reflertonemäßigen Difiinctionen und Ber 
jefimmungen dargefiellt, etwa nad) Weife der Scholaftifer, fo if piefe 5 Form 
me Form und nicht das, wodurch die Lehre felbft zur I. würde. I. iR, 
dag die Lehre felbft; fie iR auch an ſich ſchon ſyſtematiſch und ericheint 
fo in jedem Vollskatechlsmus, wenn fie nach ihrem Geiſte in Sägen dar⸗ 
wird. Man fagt zwar fcholaftifche T. das heißt aber nur: die chriftliche 
die eine iR, vergeten! in ſcholaſtiſcher Form. — e) Wie es zwar fcheint, 
an den Ramen auf die Darftellung der Ehriftenthume- 
‚ alfo auf die Form der leptern übergetragen, fofern man 3. B. von katho⸗ 
und von proteflantifher T. fpricht. Diefe Benennungsweife fagt aber 
nm nur ſoviel, als: ‚die Sriftlie, Gotteslehte nach latholiſcher, nad, pro⸗ 


e | Theologie. 


Teſtamente der Geiſt als Hypoſtaſe erwähnt wird, fo iſt das nur hebraffirende 
Perſonification. Deſſen ungeachtet dürfen die Chriſtgläubigen immerhin getauft 
werden „auf ven Namen des Vaters, Sohns u. des heiligen Geiſtes;“ denn das 
mit wird etwas ganz Anderes gefordert, als Glaube an einen breiperfünlichen 
Gott. PB) Es gidt keine Sakramente im Fatholifchen Sinne; die Macht, Sünden 
zu vergeben hat Chriſtus Menfchen weder mittheilen koͤnnen, noch wirklich mit⸗ 
getheilt; die Stellen, aus denen dad Gegentheil gefolgert wird, haben einen ganz 
andern Sinn. y) Wenn die Apoſtel Ehrifti Tod als Opfertod darftellen, fo ift 
dieß Accommodation zu jünifchen und heidniſchen Opferiven. 5) Auf Ehriftt 
eigene Worte kann man fidy nirgends. berufen, da wir feine authentifchen Worte 
in den Evangelien nicht haben; man muß nur den Geiſt feiner Lehre fafien, die 
übrigens nur vernünftige Moral, ohne Dogmen, if. &) Die Lehre von der Auf: 
erftehbung ift nur Symbolifirung der Unfterblichfeitöivee und was vom fünftigen 
Berichte im Neuen Teftamente vorkommt, das ift aus der jüdifchen Meſſtaslehre 
entlehfnt. — So bleibt als urchriftliche T. nur reiner Theismus zurüd; das 
ganze —X reduzirt ſich auf Glauben an Gott, Pflicht und Unſterblich⸗ 
keit. Von dieſen Ideen muß alles Poſitive getragen werben, wenn es fich mit 
dem menſchlichen @eifte vermählen fol. — f) Neben der pofitiven Gotteslehre 
(der Dreieinigfeitslehre) ſtatuirn auch die katholifchen Lehrer eine Gotteslehre ver 
natürlichen Religion: die Lehre von Bott, dem Schöpfer aller Dinge. Sie ftels 
len Bernunfibeweife für dad Dafeyn Gottes auf und bezweden, daß wir zur 
Kenntniß der Eigenfchaften Gottes kommen: via causalitatis, indem wir die wefent- 
lichen Eigenfchaften und Borzüge der geiftigen Natur auch in ihrem Schöpfer 
vorhanden denken; via eminentiae, indem wir fie uns in ®ott, als in ihrer höch⸗ 
ften Bollfommenbeit, vorhanden denken; via negationis, indem wir alle Befchränfts 
heit davon hinwegdenken. Bon diefer Vernunft⸗Gotteslehre, auf welche, wie ge⸗ 
fagt, der Rationalismus die ganze chriftliche Gotteslehre reducirt, fragt ſich nun, 
ob fie T. ſei und ob überhaupt eine wilfenfchaftliche (ſpekulative) T. möglich 
fl. — Kant (in der Kritif ver reinen, theoretifchen Vernunft) hat dieß geläugnet 
aus folgenden Gründen: a) ein theoretifcher Beweis für dad Dafeyn Gottes iſt 
nicht möglihd. Wir können weder aa) nad) dem fogenannten Loemologiihen 
Beweife dartbun, daß die Welt ein Gewordenes, aljo von einem andern Wefen 
Geſchaffenes, tet ; noch bb) nach dem fogenannten phyflfotheologifchen Beweife, 
aus der zwedmäßigen Einrichtung der Welt auf einen intelligenten Urheber der 
Melt fchliegen; denn wir fennen die Welt nicht, wie fie an fich iſt, ſondern nur 
fo, wie fie und als Refler unferer finnlichvernünftigen, alfo befchränften, Erfennt- 
nißweife erfcheint. Nach unferer Erkenntnißweiſe unterfcheiden wir zwar zwi« 
fhen Rothwendigem u. Zufälligem, beziehen wir Wirkungen auf Urfachen, Mittel 
auf Zwede; aber das ift nur unfere finnlichvernünftige Betrachtungsweiſe, den 
Erfcheinungen gegenüber, woraus feine Beftimmung für dad Weſen der Welt 
ſelbſt, wie fie für ſich, an fich .eriftirt, folgt. — Der Glaube an Gott, fährt Kant 
fort, bat nur einen moralifchen Grund, fofern. das firenggebilvete Pflichtgefeh 
und zu Aufopferungen für die Pflicht und zu ftrenger, alle Bortheile bintans 
jegender, Tugend nicht verpflichten könnte, wenn und damit nicht zugleich eine, der 
Tugend angemeffene, Gtüdfeligkeit verbürgt würde; ed muß alfo ein Wefen vor: 
handen feyn, das, allmächtig, heilig, gerecht, allweife, ein Tugend u. Glückſelig⸗ 
feit in Harmonie bringt und das höchſte Gut realifitt. — Der Glaube an Gott 
ift alfo Fein theoretifcher; er ift Tugend — Er dringt fi) aber dem Menfchen 
auf, weil das Moralgefeh fi) ihm aufdringt. — g) Das Weſen Gottes erfens 
nen wir nicht. Wir denken und nur in ihm die Eigenfchaften, die er haben muß, 
wenn er das höchfte Gut wirklich machen fol. Wir denken uns feine Eigen» 
fchaften analogifch, wie fie Analogie haben zu der geiftigen Ratur des Menfchen 
und deren Kräften, und denken ſie uns als unendliche, ſchrankenloſe Vollkom⸗ 
wenheiten; die Idee der Unendlichkeit fchöpfen wir aus unferer Vernunft, können 
uns aber von derfelben Feine pofitive Vorftellung machen, fondern fie nur benfen 


Theologie. 63 


ald Regation des Endlichen. Wollen wir uns Borftellungen für die Einbild⸗ 
ungöfraft davon machen, fo Fönnen wir nur ſymboliſiren. — Bol. den Art. 
Symbol. Eine T. als Wiſſenſchaft, als Erfenntniß Gottes ift alfo überall 
sicht möglich; wir können nie aus der Einrichtung unferer Vernunft darthun, 
dag wir, als moralifche Wefen, einen Gott voraudfegen müßen.” So weit Kant. 
Erin moralifche® Argument ift häufig mißverftanden worden. Man fagte, fein 
Beweis ſetze das ſchon voraus, was bewiefen werden folle, und wovon er felbft 
füge, daß es theoretifch micht bewiefen werven fönne, nämlich, daß Bott Lirheber 
vs Moralgefeges fei. Berner das Dafeyn Gottes und der Glaube an denfelben 
ruhe auf zu feichtem Grunde, wenn er nicht auf die Tugend und die Gewiſſen⸗ 
baftigfeit des Menfchen gebaut werden folle. — Wie dem aber audy fei, fo ift 
doch wohl gewiß, daß der Gotteöglaube im Menſchen aus deſſen moralifcher 
Rarur entfpringt, fofern dieſe ihn nörhigt, eine andere rechtlihe Ordnung, ale 
de Ordnung der Sinnenwelt iſt, ald reell gu denken und es als gewiß feſtzu⸗ 
hellen, daß Butted und Böſes nicht einerlet fe. Die Kantifche Lehrmeinun 
aber, Daß unferer Unterfcheidung zwifchen Urſache und Wirkung, Zwed u. Mitte 
ar feine Djektivität zufomme, ermangelt der volftändigen Begründung. Die 
wedmäßigfeit der Welt ift etwas Objektives. Es beziehen fi in ver Welt 
Mittel auf Zwede nad einer Dispofition, die nicht von den blindwirkenden 
Kräften der Materie, fondern nur von einem denkenden Geiſte ausgegangen feyn 
kann. Die, in der materiellen Welt wirkende, Bernunftmäßigfeit und dad Sittens 
geriht in: und, das uns verdammt, wenn wir von der Regel des Rechts abge- 
wichen find — nöthigen und, Recht und Ordnung ald von einem ewigen, über 
Alles erhabenen, Weſen gehalten und getragen zu denken. — g) ine eigene T. 
pealtet fih der Bantheismus, die Lehre, daß Gott und Welt wie Seele und 
b vereint find. Ihm, wie er uns in feiner neueften Geftalt vorliegt, zufolge 
wird gelehrt: das Ich conftituirt ſich, mittelft Erpanfion und Contraftton und 
Durchkreuzung beider Kräfte, zum Selbſtbewußtſeyn eben fo, wie die Natur, in 
der fich ebenfalls Ideales in das Reale umbildet; die Natur ift Subjeftivirung, 
wie das Ich, nur bier das im Reellen (Materiellen), was dort im Speellen 
Geiſtigen). Das Geiftige if vorgebildet in den Prozefien der Naturbildung. 
Aus der Natur emergirt der Geift und in ihm, im Deenfchengeifte, erfennt die 
Natur ſich mit lebendiger Erfenntniß felbft. Der Naturgeift wird im Menfchen 
lebendiger Geiſt; daffelbe in höherer Potenz, was er auf den verfchiedenen Stufen 
der Raturentwidelung in niederer Potenz war. Gott, die Einheit von Natur u. 
Geiſt, evolvirt fih fo aus feinem, nicht intelligenten, aber den Keim ver leben⸗ 
digen Intelligenz in fich einfchließenden, Grunde zur ſelbſtbewußten Intelligenz, 
oder zum Geiſte. Die Natur ift alfo die Offenbarung Gottes und die hödhfte 
Aeußerung diefer Offenbarung ift der Menſch. Und fo haben wir das wiſſen⸗ 
ſchafilich und ſpekulativ, was in der Chriftenthumslehre durdy die Dogmen von 
der Menfchwerdung Gottes, vom Sterben und Wiederauferfiehen des Gottmen- 
fhen und von der Dreieinigfeit angedeutet worden if. — (Bgl. d. Art. Sym- 
601.) — Wir wollen gegen diefen Bantheismus nur einige Einwendungen machen. 
a) Diefe Lehre vergleicht das Ich mit der Ratur, indem fie fid) zwei Kräfte und 
Tendenzen erdichtet, aus denen das Ich conftituirt werden fol, eine Kraft u. 
Tendenz, fih in’d Unendliche auszubreiten und eine andere, ſich zu contrahiren 
und dann ebenfo in die Natur zwei ſolche Kräfte febt, um Natur und Geiſt 
identifch machen zu Fönnen. Alles, was fodann ald Magnetismus, Elcktricität, 
Galvaniémus und, in höherer Potenz, ald Eenfibilität, Irritabilität, chemifcher 
Prozeß der Selbfibewegung des Geiſtes verähnlicht wird; das wird nun durch 
poetiiche Ziftion und Allegorie dem Geifte ähnlich vorgeftellt. Die ganze. Iden⸗ 
titätsphilofophie ift nur poetifches Spiel, objefiiver Wahrheit völlig ermangelnd. 
8) Die Refultate diefes Philoſophems find empörend. Sein Gott iſt nichts An- 
deres, als das platonifche Weltihier. Es fegt in den Menſchen, der den höchften 
Gipfel der Botteboffenbarung feyn fol, dad Boͤſe als ebenfo nothwendig, wie 


64 Theomantie — Theophilanthropen. 


das Gute; es nimmt dem Menſchen die individuelle Unſterblichkeit hinweg, zus 

mal, wenn ed, nady Hegel, nur die auf Erven zu Stande fommen jollende Rechtes 
verfaffung, den ethifchen Staat, als den legten Zwed, für den die Menfchengeifter _ 
vorhanden waren, übrig läßt. Es weiß von feinem Gott, der die Menſchen 
nach ihren Gefinnungen und Thaten richten wird, da es nur einen Gott getent, 
der halb vernunftlo8 und der Naturnothwenvigfeit unterworfen, halb vernünftig 
und zwar vernünftig erft durch die Menfchen und in feiner höchfien Dffenbars 
ungsweiſe erft von diefen abhängig fl. Sapienti sat. Dr. Wilke. 

Theomantie hieß bei den Alten diejenige Art der Wahrfagung, wo ein 
Gott ſelbſt den Menfchen zukünftige Dinge eingab. Sie unterfchied fich von 
den Orakeln dadurch, daß diefe als öffentliche, an beflimmten Orten und zu bes 
fimmten Zeiten angebrachte, Weiffagungsanftalten angefehen wurden; jene aber 
als außerordentliche Weiffagungen, die dem Theomanten (fo hieß verjenige, 
dem ein Gott Etwas eingab), überall zu Theil werden konnten. Diefer Theo⸗ 
manten gab es befonders 3 Blafien: 1) die Befeffenen (f. d.); 2) die Ens 
thbufiaften (Enthusisstae, Theopneustae), die einen gewiſſen Entbuflagmus 
vorgaben, in ven fie die Gottheit verfegt habe; 3) die Efftatiker, d. b. ſolche, 
die in eine Entzüäfung oder Efftafe fielen. Sie lagen, gleich einem Todten oder 
Schlafenden, ohne Empfindung und Bewegung da und wenn fie wieder, zu ſich 
ae erzählten fie die feltfamften Dinge von dem, was fle gehört und gefehen 

en wollten. 

Theon, 1) T. aus Smyrna, ein berühmter Mathematifer, lebte unter ben 
beiden Kaifern Trajan und Hadrian, ums Jahr Ehrifi 117. Er war ein Plas 
tonifer und fchrieb, wie der Titel auf alten Handfchriften lautet: „De iis, quae 
in mathematicis ad Platonis lectionem utilia sunt.“ Hievon ift nur ein Städ 
übrißr worin er von der Rechenkunft u. Tonfunft handelt; Auagabe von Bullialo, 
Paris 1622 und von Gelder, Leyden 1827 — 2) T. aus Alerandrien, ein 
berühmter Mathematiker und Mitglied des Mufeums in feiner Vaterſtadt, wurde 
nicht weniger durch feine gelehrte Tochter Hypatia cf. d.), als durch feine 
eigenen mathematifhen und aftronomifchen Bemühungen berühmt. Gr beſchrieb 
eine Sonnenfinfterniß, die er im Jahre Ehrifti 365 beobachtete. Wie lange er 
nachher noch gelebt habe, ift unbefannt. Bon feinen Schriften haben wir nodh: 
„Recensio elementorum Euclidis; „Fasti graeci priores“ und „Fragmenta, com- 
mentarii in Ptolemaei canonem expeditum s. recensionem chronologicam re 
a Nabanassaro ad Antoninum Pium;“ „Scholia in Artum“ (find interpolirt)z3 
„Commentarius in magnanı Ptolemaei syntaxin.“ Vergl. „Obss. in Theonis 
fastos graecos priores et in ejusdem fragment. in expeditos canones etc,“ 
Leyden 1735, 4. 

Theophanie hieß bei den alten Griechen die Erfcheinung eines Gottes und 
Theopbant derjenige, der eine folche Ericheinung Hatte. — Auch hießen T.n 
gewiſſe Feſte, welche einzelne Städte zum Andenfen, daß fich ihnen Götter geoffens 
bart hatten, feierten. Berühmt war namentlich die T. zu Delphi, zum Andenken 
an die dort flattgehabte Erfcheinung des Apollo. — Auch in der chriftlichen 
Kirche nannte man fpäter die Erſcheinung Chriſti in der Welt T. 

Theophilanthropen nannte man eine, in Folge der Berwerfung des Chriftens 
thums, in der erften franzöftichen Revolution unter dem Schuge des Direftortumb 
1796 in Paris zufammengetretene Geſellſchaft, beftehend aus einigen verhetrathes 
ten Prieftern, ehemaligen Clubbiſten, Jakobinern und Rednern der Sektionen. 
Anfangs waren ed nur 5 Yamilienväter: Chemin, Mareau, Janed, Hauy und 
Mandar, bald aber vergrößerte fich ihre Anzahl und Reveillere le Baur, einer 
der 5 Direktoren, trat an ihre Spitze. Vom Direktortum benüinftigt, nahmen ſie 
amd 10 Pfarrkirchen ein und auch in den Provinzialftävten fanden die 2. 
oft Gleichgeſtnnte. Ste bekannten ſich zu einem puren Deismus und ihre abges 
ſchmackten Liturgien waren ebenfo wenig aniprechend. Sie fonnten weder gegen 
das Chriſtenthum, noch gegen den Indifferentismus beftehen und verfielen baber, 


Tpeophraftus — Theoſophle. CZ 


vom Spotte der äffenilichen Meinung verfolgt, nachdem eben ver Reiz der Neu⸗ 
beit verſchwunden war und ver erfte —* ihnen erklaͤrte, ſie duͤrften ihren 
Cultus nicht ferner in den Kirchen, als Nationalguͤtern, halten (1802). 

Theophraftud, ein berühmter griechifcher Philoſoph, geboren 370 v. Chr, 
in Erefus, einer Seeſtadt auf der Inſel Lesbos, erhielt forgfältigen Unterricht in 
feiner Baterfladt und Fam dunn nad Yıhen, wo er Plato’8 und nach deflen 
Tode Artftoteles Schüler ward. Er machte große Hortichritte in Philofophte und 
Beredfamleit, namentlich in leßterer, fo daß fein eigentlicher Name Tyrtamus in 
3. (der göttlich Sprechende) verändert wurde. Nach des Nriftoteled Tod wurde 
T, Haupt der peripathetifchen Schule und fol bi8 an 2000 Schüler gehabt 
haben. Sein Ruhm verbreitete ſich fo fehr, daß er von Ptolomäus nach Aegypten 
and von Kaffander nad) Macevonien einen Ruf erhielt; an des legtern Sofe 
lebte er auch einige Zeit. Das Anfehen, das er in Athen genoß, fprady ſich bes 
ſonders in der Thellnahme aus, die ſich bei feinem Tode fund gab, Er ftarb in 
hohem Alter, 285 v. Ehr. 3. umfaßte, wie alle PBertpathetifer, das gefammte 
Gebiet des menschlichen Willens, vorzüglich aber die Naturlehre und in viefer 
befonder® die Pflanzenkunde, al8 deren wifienfchaftliher Begründer er zu ber 
trachten if; beſonders bereicherte er die Pflanzen» Bhnflologie und Bathologie, 
während er im Ganzen nur 500 Pflanzenarten beichreibt und dieß ungenau und 
daher undeutlich. — Bon feinen fehr zahlreichen Schriften find nur wenige auf 
uns gefommen, deren befanntefte find: „Characteres;“ „‚nepi is av HurWv 
ioropias* und „ripi purıxwv alrıwv“, Keine noch vorhandenen Werte find 
in zahlreichen Ausgaben erfchtenen, deren Altefte Venedig 1495. E. Buchner. 

Theophraftus eraceliuß, f. Paracelſus. 

Theopneuftie, ſ. Inſpiration. 

Theopompus aus Chios, ein griechiſcher Geſchichtſchreiber im 4. Jahr⸗ 
hundert vor Chriſto, Schüler des Iſokrates, als welcher er auch die rhetoriſche 
Kunſt auf Gefchichtfchreibung anwendet. Wegen feiner Strenge und Wahr 
beitsliebe haben ihn Spätere als ſchmähſüchtig dargeſtellt. Er machte einen 
Auszug aus Herodot; fchrieb griechiſche Geſchichte als Kortfegung zu Thukydides 
und die Geſchichte Philippe. Seine Fragmente, die Photius zum Theile noch 
volftändig kannte, find gefummelt von Wichers, Leyden 1829; von Theiß 
(Nordhauſen 1837) und zulegt von Müller in den „Historicorum graec. 
fragmenta,“ Paris 1841, bearbeitet. Vergl. Aichbach, „De Theopompo Chio 
historico,* Frankfurt 1823 und Pflugf, „De Theopom i vita et scriptis,* Berlin 
1827. — Nicht zu verwechfeln mit ihm ift der uftfpielbichter Theopyompus 
aus Athen, der zur Zelt des Ariftophanes blühte und eine große Anzahl Komö⸗ 
dien verfaßte, von denen wir noch 20, theild blos den Titeln nach, theild aus 
einigen Bruchſtücken kennen, welche Meinele in den „Fragmenta poötarum comi- 
corum graec.“ zufammengeftellt hat. 

Theorem, ſ. Lebrfap. 

Theorie (griechifch), bezeichnete urfprünglich die Spefulation, d. t. die Un⸗ 
terfuchung und Erfenntniß überfinnlicher Dinge; jest verfleht man darunter bie 
wiffenfchaftliche Erfenntniß eines, blos durch Nachſinnen herausgebracdhten Gegen⸗ 
ſtandes, die bloße Wiſſenſchaft, ohne wirkliche Ausübung, entgegengefeßt ber 
Praxis, weldhe fid) blos mit —— und Anienbung jener, durch Nach⸗ 
finnen berausgebrachten, Gegenftände befchäftigt. Theoretifer heißt daher ver, 
weicher eine Sache blos vernunftmäßig, ohne weitere Rüdficht auf die Nutzwend⸗ 
ung (Praxis) betrachtet, oder derjenige, welcher die bloße T. nicht aber die An⸗ 
wendung derfelben verfteht. Theor et iſch, betrachtend, anfchauend, der bloßen 
Erkenntniß nady, im Orgenfabe von praktiſch; fo fpricht man 3. B. von theo- 
setiicher und praftifher Bildung in Muſik, Boefte, Malerei ıc. 

Theoſophie, die angeblich höhere Erkenntniß von Gott in der Geilterwelt, 
welche den Auserwählten auf übernatürlidem Wege, alfo durch unmittelbare 
Offenbarung, enthüllt werde und den Theofophen in den Stand feken nV, 

Realencpclopätie. X. d 


66 Theramenes — Therapie. 


übernatürliche Wirkungen hervorzubringen; in letzterer Beziehung heißt die T 
auch Theurgie. Die 3. ift eine Art von Vernunftmyſticismus, oder dieſer 
felbft, nur mit dem Unterfchiede, daß legterer eine philofophifche Form annimmt. “Die 
Theofophen treten durch ihre phantaftifche Auffaffung des Böttlichen von dem 
Gebiete der Wiflenfchaft in das Reich der Dichtung hinüber und verwirren ſich 
darin, daß fie nur das Ewige mittelft ihres Geiſtesauges unmittelbar, aus höherer 
Erleuchtung, ſchauen fonnen u. auch wirklich zu fchauen glauben, während es doch 
nur das Bild einer eraliirten oder ihre Natur präpominirenden Phantaſte iſt, das 
ihnen erſcheint. Daher finden wir namentli unter den Morgenländern eine 
Menge von T. u. felbft in der Philofophie fpielten die theofophifchen Bifts 
onen eine bedeutende Molke, fo 3. B. bei Jamblichus, Proklus ꝛc. Indeß findet 
man ſolche Erfcheinungen auch im Abendlande, wie: Jakob Böhme, Swedenborg, 
St. Martin, Proli, Müller u. 9. Sa, felbft in der Philofophie hat fich, na⸗ 
Teen ‚im Schelling’jhen Syfteme, ein Hang zur T. neuerdingd wieder deut⸗ 
ezeigt. 

Theramenes, ein, theild durch feine Beredtfamfelt, theils aber auch durch 
feinen Antheil an den Revolutionen des athenienfiichen Staat gegen dad Ende 
des peloponneflichen Krieges, berühmter Athener. Er war ein Schüler des So⸗ 
krates, allein in feinem Charakter fehr fchwanfend, indem er ed bald mit der 
einen, bald mit der andern Partei hielt u. daher auch den Namen Kotburnue 
(denn diefer mußte für jeden Buß der Echaufpieler pafjen) befam. Cr nahm für 
Alcibiades und deſſen Zurücberufung ftarfe Bartei, beförderte die Einführung eined 
neuen Senats, trat aber nachher, als ſich eine Gegenpartel bildete, eben wieder 
zu diefer demofratifchen Partei, welche auch die Oberhand erhielt u. die Regier: 
ungsform des Solon wieder einführte.e Durch ihn und Pyfander wurden bie 
30 Tyranen, wovon T. einer der vornehmften war, eingefegt, die nun auf’ 
fyändlichfte gegen das Vermögen und das Leben ihrer Mitbürger wütheten. G 
wurde nachher pearuungen den Giftbecher zu trinken. 

Therapie iſt die Lehre von der Heilung der Krankheiten. Ste zerfällt, 
nachdem fie die Heilung der einzelnen Krankheitsformen in Betracht zieht, 
eine fpeztelle und in eine allgemeine, infofern fie die, aus der erſtern ge 
ogenen und verallgemeinten, bei der Heilung der meiften Krankheiten zur Berüch 
ichtigung fommenden, Lchren zum Gegenftande bat. — Die Heilung ift ein Ge— 
Ihäft der Natur, das, ohne Zuthun der Kunfts, Naturheilung — (|. d.), ode 
iheilmeile, oder lediglicy unter Mitwirkung der Kunft — Kunftbeilung, fünf 
lihes Heilverfahren — vor fi geht, aber bedingt ift durch bie, dem Drga: 
nismud innewohnende und diefen bis zu ihrem Grlöfchen erhaltende Krafi 
und im Befondern vermittelt werden kann durch Unterſtützung diefer von Eeiten 
ber Kunſt. Die Gefege, nach welchen der Raturheilungsprozep vor fi) geht, fint 
ſonach audy jene der Kunftheilung und reduciren fidy in der Hauptfache auf fol 
gende Momente: Entfernung der Krankheitsurſache, Befeitigung des, im Orga: 
nismus durch fie bewirften und in funktioneller Störung der Organe ausgeſpro—⸗ 
chenen, krankhaften Zuſtandes und feiner unmittelbaren Folgen — direkte pet 
lung; ®erfegen der Krankheit auf einen weniger wichtigen, der Kunſt zugang 
lihern, meiftens Außern Theil des Körpers — Metaftafe; — Erfag für einen 
untauglidy gewordenen Organtheil, für den Fall unmöglicher Fetung des Hebeld— 
ſymptomatiſche Kur. — Das Heilgefchäft ift in der Regel von mehr ode 
weniger ftürmifchen Bewegungen — Fieber, Reaktion — im Organismut 
begleitet, die als Heilbeftrebungen der Rarur zu betrachten find, aber mandımal 
nicht Träftig genug find, oder erceffiv werden und, infofern fie zur Ausgleichung 
ber funktionellen oder organifchen Störung nicht zureichen, oder dem Leben Befahı 
drohen, Fünftliche Eingriffe — im erftern Falle durch Steigerung, im letztern durch 
Reduction — nothwendig machen. Die Erreichung des Heilzwides gelingt durd 
Mittel aus der gefammten körperlichen und geiftigen Natur, Infofern fie eine Ein: 
wirfung auf ben menfchlichen Organismus befigen. Die Kunft der Auswahl "bei 





——— 


Thereſia. or 


eiß Heuriſtik, die entweder rationell iſt, wenn fie ſich auf bie 
Trkenntniß des Bedürfniſſes der kranken Natur und des damit 
on ftebenden Heilmittels gründet, oder empirifch genannt wird, 
zum Heilgwede befiimmten, Mittel eine befondere Beziehung oder Heil 
uf ein beſtimmtes Drgan oder einen beftimmten Krankheitszuſtand des 
us haben — fpezifiich find. — Letztere bilden die Grundlage eigener 
en, der Iſo⸗ und Homöopathie (f. d.), dienen aber audy in ents 
: Yuswahl und Anpaſſung als direkte und indirefte Heilmittel ver 


I. 
efia von Jeſu, die Heilige, Stifterin der unbefchuheten Sarmeliterinnen, 
Avila in Altcaſtilien den 25. März 1515 geboren. Ihr Bater, Alphon⸗ 
bez von Cepeda, war einer der amngefehenften Edelleute des Landes 
Mutter, Beatris von Ahumata, gehörte gleichfalls einer auögejelchneten 
n. Diefe tugendhaften Eheleute bilveten ihre zahlreiche Familie forg- 
Frömmigkeit und Gottesliebe heran. Unter den verfchiebenen Büchern, 
iter feinen Kindern zum Lefen gab, fand T. befondered Wohlgefallen an 
der ‚Heiligen, die fie mit einem ihrer jüngeren Brüder, welchen fie bes 
wtlicdy liebte, häufig lad. Die Erzählung der Leiden, welche die Mär, 
Ideten und das ihnen dafür zu Theil gewordene Glück, ewig Gottes 
: Gegenwart zu genießen, entflammten fo fehr den Gifer der zwei Kinder; 
ichts fehnlicher wünfchten, al8 ihr Blut für den Blauben zu vergießen. 
8 glühenden Berlangens, entflohen fie eined Tages aus dem väterlichen 
a unter den Mauren ihr Leben fürden Blauben hinzugeben. Unterwegs 
zu Gott, er wolle fie immer mehr mit feiner göttlichen Liebe durchs 
nd das Opfer ihres Lebens aufnehmen. Beim Austritte aus der Etabt 
ihnen aber einer ihrer Oheime, der fie zu ihrer Mutter zurüdführte, 
er ihre Entfernung Außerft beſtürzt war. Da diefe kindlich fromme 
reitelt worden, nahmen fih 3. und ihr Bruder vor, dem Einfievlerleben 
dmen, indem fie in ihrem arten kleine Einftedeleien zu erbauen fich 

Bon Jugend auf fand T. eine ſolche Luft am Gebete, daß fie beinahe 

: Einſamkeit aufiuchte, um defto freier dieſer heiligen Uebung obliegen 

Den Armen fprang fie freudig in ihrer Noth, fo viel fie es vermochte, 
bdte alle Werke eined mitleidigen und an fremdem Unglüde theilnehmen⸗ 
nd. Als ihre Mutter flarb, warf fie fich, ganz in Thraͤnen zerfließend, 

Bildnig der allerheiligften Jungfrau hin und flebete zu ihr, fle möchte 
erstelle an ihr vertreten. Diefe Handlung, die fie mit großer Herzens⸗ 
rzichtete, ſchien ihr eine der fegenvollften ihres ganzen Lebens geweſen 
denn fie zweifelte nicht, daß fie durch die Fürbitte einer fo mächtigen 
in Die unzähligen Gnaden erhalte, womit der Himmel fie überhäufte, 
in jenen YWugenbliden, wa ihre Unfchuld und ihre Treue angefochten 
Das Romanenlefen war die Urfache ihrer erften Fehler u. hier bemerkt 
wie tadelnswerth die Sorglofigfeit jener Väter und Mütter fei, die nicht 
ı ihren Kindern entfernen, was fie zum Verderbniſſe führt und fie nicht 
nd anfeuert. Die Lauigfeit, der fih nun T. im Hafchen nach den 
eiten hingab und die befondere Verbindung, die, Anfangs zwar unfchuldig, 
er in Leidenfchaften ausartend, dad Heil der Seele gefährden Fonnte, 
en gotteöfürchtigen Bater in große Beſorgniß. Er gewahrte bald, daß 
igkelt aus der engen Verbindung mit einer ihrer Verwandten herrührte. 
er Mann und guter Bater wollte er indeß, jegliches Auffehen vermeidend, 
einmal abbredyen. Er benügte daber die Verehelichung feiner Alteften 
um %. in ein Sllofter in Avila zu bringen, wo mehre Töchter vornehmen 
erzogen wurden. Unter den Slofterfrauen befand fich eine, durch Ber 

sit ebenfo, wie durch Frömmigkeit ausgezeichnete Jungfrau, die Borfteherin 

jängerinnen, welche T. fo lieb gewann, daß fie nidyt müde wurde, fie 

a und ihr mit dem vollfommenften Bertrauen ihr Herz öffnete und dieler 

| 5 


66 Theramenes — Therapie. 


übernatürliche Wirkungen hervorzubringen; in Ießterer Beziehung heißt Die T. 
auch Theurgie. Die T. ift eine Art von Bernunftmyflicidmus, oder biefer 
feloft, nur mit dem Ulnterfchiede, daß leßterer eine philofophifche Form annimmt. Die 
Theofophen treten durch ihre phantaftifhe Auffuffung des Göttlichen von dem 
Gebiete der Wiflenfchaft in das eich der Dichtung hinüber und verwirren ſich 
darin, daß fie nur das Ewige mittelft ihres Geiſtesauges unmittelbar, aus höherer 
Erleuchtung, ſchauen fünnen u. auch wirklidy zu fchauen glauben, während es doch 
nur das Bild einer eralıirten oder ihre Ratur prädominirenden Phantafie ift, das 
ihnen erfcheint. Daher finden wir namentlich unter den Morgenländern eine 
Menge von T. u, felbf in der Philoſophie fpielten die theofophifchen Viſi— 
onen eine bedeutende Rolle, fo 3. B. bei Jamblichus, Proklus ıc.. Indeß findet 
man foldye Erfcheinungen auch im Abendlande, wie: Jakob Böhme, Swedenborg, 
St. Martin, Proli, Müller u. 9. Sa, felbft in der Philoſophie hat fih, na⸗ 
Teen ‚Im Schelling'jchen Syfteme, ein Hang zur T. neuerdings wieder deut⸗ 
ı ezeigt. 

beramenes, ein, theild durch feine Beredtſamkeit, theils aber auch durch 
feinen Antheil an den Revolutionen des athenienfiichen Staats gegen das Ende 
des peloponneflichen Krieges, berühmter Athener. Er war ein Schüler des So⸗ 
frates, allein in feinem &harafter fehr fchwanfend, indem er ed bald mit der 
einen, bald mit der andern Partei bielt u. daher auch den Namen Rotburnus 
(denn diefer mußte für jeden Buß der Echaufpieler paflen) befam. Er nahm für 
Alcibiades und deflen Zurüdberufung ftarfe Bartei, beförderte die Einführung eines 
neuen Senats, trat aber nachher, als ſich eine Gegenpartei bildete, eben wieder 
zu diefer demofratifchen Partei, welche audy die Oberhand erhielt u. die Regier- 
ungsform ded Solon wieder einführt. Durch ihn und Lyſander wurden die 
30 Tyranen, wovon %. einer der vornehmften war, eingefegt, die nun auf's 
Thändlichfte gegen dad Vermögen und das Leben ihrer Mitbürger wütheten Er 
wurde nachher gezwungen den Giftbecher zu trinken. 

Therapie tft die Lehre von der Heilung der Krankheiten. Sie zerfällt, je 
nachdem fie die Heilung der einzelnen SKranfheitsformen in Betracht zieht, in 
eine ſpezielle und in eine allgemeine, infofern fie die, aus der erftern ge- 
ogenen und verallgemeinten, bei der Heilung der meiften Krankheiten zur Berück⸗ 
tigung fommenden, Lehren zum Gegenftande hat. — Die Heilung if ein Ge⸗ 
fhäft der Natur, das, ohne Zuthun der Kunft-, Raturbeilung — (j.d.), oder 
iheilmeile oder lediglidy unter Mitwirkung der Kunft — Kunftbeilung, künft- 
liches Heilverfahren — vor ſich geht, aber bedingt ift durch bie, dem Orga⸗ 
nismus innewohnende und dieſen bis zu ihrem Grlöfchen erhaltende Kraft 
und im Befondern vermittelt werden fann durdy Unterſtützung biefer von Selten 
der Kunſt. Die Gefege, nach weldyen der Naturheilungsprozeß vor ſich geht, find 
fonach auch jene ver Kunftheilung und reduciren fih in der Hauptjache auf fol⸗ 
gende Momente: Entfernung der Krankheitsurfache, Befeitigung des, im Orga⸗ 
nisſsmus durch fie bewirften und in funftioneller Störung der Organe audgelpro- 
chenen, krankhaften Zuftandes und feiner unmittelbaren Folgen — direkte per 
lung; ®Berfegen der Krankheit auf einen weniger wichtigen, der Kunfl zugäng- 
lichern, meiftens äußern Theil des Körpers — Metaftafe; — Erfah für einen 
untauglich gewordenen Organtheil, für den Fall unmöglicher Er des Uebels — 
fymptomatifhe Kur. — Das Heilgefchäft ift in der Regel von mehr oder 
weniger flürmifchen Bewegungen — Bieber, Reaktion — im Organismus 
begleitet, die als Heilbeftrebungen der Rauır zu betrachten find, aber manchmal 
nicht Fräftig genug find, oder erceffio werden und, infofern fie zur Ausgleichung 
der funktionellen oder organifchen Störung nicht zureichen, oder dem Leben Gefahr 
proben, fünftliche Eingriffe — im erftern Falle durch Steigerung, im legtern durch 
Reduction — nothwendig machen. Die Erreichung des Heilzweckes gelingt durch 
Mittel aus der geſammten körperlichen und geiſtigen Natur, inſofern fie eine Ein- 
wirfung auf den menfchlidhen Organismus befigen. Die Kunft der Auswahl ver 


Tperefia. 67 


ledteren heiß Heuriftif, die entweber rationell iſt, wenn ſie ſich auf die 
deutliche Erkenntniß des Bedürfniffes der kranken Natur und ded damit 
in Relation flehenden Heilmittels gründet, oder empirifcy genannt wird, 
jbald die, zum Heilgwede beflimmten, Mittel eine befonvere Beziehung oder Heils 
wirfung auf ein beſtimmtes Drgan oder einen beftimmten Krankheitözuftand des 
Organismus haben — perifiich find. — Letztere bilden die Grundlage eigener 
Heildoftrinen, der Iſo⸗ und Homdopatbie (f. d.), dienen aber audy in ents 
ac Auswahl und Anpaſſung als direkte und indirefte Heilmittel der 

athie. a. 

Tperefia von Jeſu, die Heilige, Stifterin der unbefchuheten Barmeliterinnen, 
wurde zu Ävila in Witcafilien den 25. März 1515 geboren. Ihr Bater, Alphons 
ſus Sandyez von Cepeda, war einer der angefehenften Evelleute des Landes 
und ihre Mutter, Beatrir von Ahumata, gehörte gleichfalls einer ausgezeichneten 
Familie an. Diefe tugendhaften Eheleute bildeten ihre zahlreiche Familie ſorg⸗ 
fältig zur Frömmigkeit und Gottesliebe heran. Unter den verfchievenen Büchern, 
die der Bater feinen Kindern zu Leſen gab, fand T. befonderes Wohlgefallen an 
ben Leben der Heiligen, die fie mit einem ihrer jüngeren Brüder, welchen fie bes 
fonder& zärtlidy liebte, häufig lad. Die Erzählung der Leiden, welche die Märs 
tgrer erduldeten und dad ihnen dafür zu Theil gewordene Glück, ewig Gottes 
bejeligende Begenwart zu genießen, eniflammten fo fehr den Gifer der zwei Kinder, 
daß fie Nichts fehnlicher wünfchten, als ihr Blut für den Glauben zu vergießen. 
Bol dieſes glühenvden Verlangens, entflohen fie eined Tages aus dem väterlichen 
Haufe, um unter den Mauren ihr Leben für den Glauben hinzugeben. Unterwegs 
flehten fie zu Bott, er wolle fie immer mehr mit feiner göttlichen Liebe durch⸗ 
dringen und dad Opfer ihres Lebens aufnehmen. Beim Austritte aus der Etabt 
begegnete ihnen aber einer ihrer Oheime, der fie zu ihrer Mutter zurüdführte, 
weiche über ihre Entfernung Außerft beftürzt war. Da diefe kindlich fromme 
Abficht vereitelt worden, nahmen fih 3. und ihr Bruder vor, dem Einftedlerleben 
fi) zu widmen, indem fie in ihrem Garten kleine Cinfteveleien zu erbauen fidh 
bemühten. Bon Jugend auf fand T. eine folche Luft am Gebete, daß fie beinahe 
immer die Einfamfrit aufiuchte, um defto freier vieler heiligen Uebung obliegen 
zu fönnen. Den Armen fprang fie freudig in ihrer Noth, fo viel fie ed vermochte, 
bei und übte alle Werfe eines mitleidigen und an fremdem Unglüde theilnebmen: 
den Herzend. Als ihre Mutter ftarb, warf fie fi, ganz in Thränen zerfließend, 
vor das Bildniß der allerheiligften Jungfrau bin und flehete zu ihr, fie möchte 
nun Mutteritelle an ihr vertreten. Diefe Handlung, die fie mit großer Herzend- 
einfalt verrichtete, fchien ihr eine der fegenvollften ihres ganzen Lebens gewefen 
zu feyn; denn fie zweifelte nicht, daß file durch die Fürbitte einer fo mächtigen 
Beichügerin die unzähligen Gnaden erhalte, womit der Himmel fie überhäufte, 
befonders in jenen Augenbliden, wa ihre Unſchuld und ihre Treue angefochten 
wurte. Tas Romanenlefen war die Urfache ihrer erften Fehler u. bier bemerft 
fie felbft, wie tadelnswerth die Sorglofigfeit jener Väter und Mütter fei, die nicht 
Alles von ihren Kindern entfernen, was fie zum Berverbniffe führt und ſie nicht 
zur Tugend anfeuert. Die Lauigfeit, der fi nun T. im Hafchen nad) ven 
Welteitelfeiten hingab und die befondere Verbindung, die, Anfangs zwar unfchuldig, 
zulegt aber in Leidenſchaften ausartend, das De der Seele gefährden Fonnte, 
jegten ihren gotteöfürchtigen Vater in große Beſorgniß. Er gewahrte bald, daß 
dieje Lauigkeit aus der engen Verbindung mit einer ihrer Verwandten herrühtte, 
As kluger Mann und guter Bater wollte er indeß, jegliches Auffehen vermeidend, 
nicht auf einmal abbrechen. Er benügte daher die Verehelichung feiner älteften 
Tochter, um T. in ein Klofter in Avila zu bringen, wo mehre Töchter vornehmen 
Standes erzogen wurden. inter den Klofterfrauen befand fich eine, durch Ber 
ſcheidenheit ebenfo, wie durch Frömmigkeit ausgezeichnete Jungfrau, die Borfteherin 
der Koftgängerinnen, welche 3, fo lieb gewann, daß fle nidyt müde wurde, fie 
anzuhören und ihr mit dem vollflommenften Vertrauen ihr Herz öffnete und dielex 

| d 


63 Therefla. 


treffliche Umgang verbannte allmälig aus T.s Herzen die böfen Reigungen, 
fhwächte in ihr den Weltfinn und erwedte in ihrer Seele die Sehnſucht nach 
den himmlifchen Gütern, Achtzehn Monate brachte T. in demfelben Klofter zu 
und die darin erhaltene Bildung gewährte ihr viele Vortheile. Bon nun an 
flehte fle in glühenpen Gebeten zum Herrn, daß er fie erleuchte rudfichtlich ihrer 
zu treffenden Standeswahl. Indeſſen ward fie mit einer ſchweren Krankheit 
heimgefucht, wodurch fle genöthigt wurde, zu ihrem Vater zurüdzufehrn. Ra 
ihrer Geneſung führte man fie zu ihrer Schwefter auf das Land, damit fie fi 
da vollends erhole. Auf der Reife dahin befuchte fie ihren Ohelm, Petrus San⸗ 
ez von Geyeta, einen Mann von geprüfter Tugend, der die wenigen Tage 
ihres Aufenthaltes benügte, um feiner Nichte eine bleibende Liebe zur Froͤmmigk 
einzuflößen. Durch das Lefen guter Bücher und durch gottfelige Unterredungen 
erfannte fie fühlbarer, als jemals, wie die Welt nur eitel Thorheit ſei und Alles 
gleich einem Traume vergehe. Ganz von diefem Gedanken ergriffen, dachte fie 
nad) der NRüdkehr in ihres Vaters Haus mit allem Ernfte über das Geſchäft 
ihres Seelenheiles nach. Durch die Briefe des heiligen teronymud ward fie all 
mälig fo ergriffen, daß fie plöglich ihrem Vater die Abficht, dem Herrn ſich zu 
weihen, eröffnete; allein fie vermochte nicht, von ihm die gewünfchte Erlaubniß iu 
erhalten. Auf alle ihre Bitten gab er ihr zur Antwort, fie möge warten bis 
nach feinem Tode, dann könne fie thun, was fie wolle. Indefien ging fie eines 
Morgens frühe zu den Karmeliterinnen, von der Menfchwerdung, um fich unter die 
Rovizen aufnehmen zu laffen. Diefer Schritt that ihrem Herzen fehr wehe, weil 
es fie große Ueberwindung Eoftete, ihren Bater zu verlafien. In dem Klofter bes 
fand fidy eine ihrer treueften Freundinnen, Namens Johanna Suarez, mit welcher 
n einem Haufe zu wohnen für fie ein großer Troft war. Alle Uebungen des 
Hauſes gereichten ihr zur innigſten Freude; mit demuthövoller Unterwerfung vers 
ftand fie fi zu allen Dienftleiftungen und fand fogar mehr Bergnügen 
an den Webungen des Gehorfams, als fie je in ver Befriedigung ihrer 
Eiltelfeit empfunden hatte Mitten in dieſer Freude, während ihrer Prüfunge- 
zeit, hatte fie indeß manches Unangenehme zu erdulden; allein, da ihr Herz 
änzlih der Pflicht Hingegeben war, tröftete fie fich leicht wieder und legte 
m Monate November 1534 die Gelübde ab. Einige Zeit nachher ward 
fie wieder von einer gefährlichen Krankheit befallen. Ihr Bater ließ fie, 
da die Aerzte von Avila feinen Rath zu fchaffen wußten, nady Bazeda bringen, 
wo Alles aut Herftellung ihrer Geſundheit aufgeboten wurde. Wein die Arznets 
mittel, weit entfernt, das Uebel zu heben, fteigerten e8 fo fehr, daß T. in Eurzer 
Zeit am Rande des Brabes fich befand. Ihr Bater, der nun alle Mittel zur 
Genefung feiner Tochter fruchtlos fah, führte fie nach Avila zuräd, wo am 
15. Auguf 1537 ein fo heftiger Zufall fich einftellte, daß man fie für tobt hielt. 
Sie fiel in eine Ohnmacht, die bei vier Tage dauerte, ohne daß fie das mindefte 
Bewußtfeyn hatte. Endlich aber erwachte fie aus dieſem Todesfchlafe und ihr 
Erſtes war, daß fie die bi. Sakramente begehrte. Sie beichtete und empfing den 
Leib des Herrn unter häufigen Thränen. — Gleihfam zu einem neuen Leben 
erwacht, verlangte T. fo fehnlich wieder nach ihrem Kofler, daß fie es nicht 
länger aushalten konnte und ſich, bei aller ihrer unfäglichen Schwäche, dahin 
tragen ließ. So brachte fie acht Monate ſchwankend zwifchen Leben und Tod 
au, bis ſich Ihre Krankheit in Etwas linverte; indeffen blieb fie die drei folgenden 
Jahre hindurch an allen Gliedern gelähmt. Endlich brachte fie es wieder fo 
weit, daß fie ſich mühfam fortfchleppen konnte und dafür dankte fie dem Der 
mit gerührtem Herzen. Ihre fernere Ergebenheit Träftigte fo fehr ihren th 
unter den bitterften Schmerzen, daß fie, ftatt fich zu beklagen, immer bereitwilliger 
der Fügung des göttlichen Willens fidy anheimftellte. An Gott denken, von Gott 
reden, war ihre größte Wonne, war ihre füßefte Unterhaltung, wenn fle eine 
gieiögefimmie Seele fand. — T. war 24 Jahre alt, als fie ihren Vater verlor. 
ei der erften Nachricht von feiner Krankheit war ſie zu ihm bingeeilt, um in 


Therefia. 69 


ver Nähe mehr für feine Geneſung forgen zu können; allein alle ihre Bemühungen 
waren vergebens ; er farb nach einigen Tagen den Tod der Gerechten, fchmerzlich 
beweint von allen feinen Kindern. Bei diefer @elegenheit lernte fie einen frommen 
Dimmer Gottes aus dem Drven des heil. Dominicus kennen, dem ihr Bater 
die leuten Jahre ſeines Lebens zu beichten pflegte. Diefer Gottesmann Hatte 
bald das Bertrauen der heil. 3. erworben und Gott bediente ſich feiner haupt- 
ſächlich, um ihrer Seele wieder die erlöfchende Liebe zum Gebete einzuflößen. — 
Das Lefen der Belenntniffe des Hi. Auguftin erwedte beſonders Fräftig in ihr 
das Bertrauen auf Gottes Güte. Da fie fi darin, mie fie fei, gefchilvert 
(aubte , fo las fie diefed Buch mit hi. Neugier und wann fie an Auguftin’s 
Belchrumg fam, entftrömten heiße Thränen der Reue ihren Augen. Indeſſen 
machte die Fülle der Gnaden, momit der Himmel diefe reine Seele gleichjam 
überfchüttete, der Dienerin Gottes viele Beſorgniß. Sie fürdytete in Taͤuſchung 
zu geraihen und die Li und Fallſtricke des böfen Feindes für himmlifcye Gnaden 
zu halten. In diefer Furcht fuchte fie tugenphafte Perfonen, um ſich bei ihnen 
Raths zu erholen und auf dem Wege der wahren Gotifeligfeit zu ſichern. Sie 
wandte zuerft an einen frommen Weltmann, Ramend Franz von Salfeda, 
der mit Redyt im ganzen Lande da ein vollkommenes Tugendmuſter gehalten 
wurbe. RNebſt diefem befprady fie fich mit deſſen vertrautem Freunde, dem gotts 
jeligen Prieſter Daga, gelehrig jedes feiner Worte auffaflend. — Auf den Rath 
der zwei frommen Diener Gottes offenbarte fie ihre Zweifel und Beforgnifie 
einem Bater aus der Geſellſchaft Jeſu, der ebenfo durch feine Gelehrſamkeit, als 
Frömmigkeit ausgezeichnet war. Diefer beruhigte fie über die befonderen Führ- 
ungen ®otte und der Friede Tehrte zuräd in ihre Seele. Um diefe Zeit führte 
ihr Bott den HI. Franz von Borgia, den bl. Betrus von Alcantara und den 
gottfeligen Pater Alvarez zu, aus deren weiſem Ratbe fie großen Seelengemwinn 
308. Diefe Gottesmänner erfannten bald, daß T. in tiefer Demuth, in gänzlicher 
Hingebung an das Himmliſche und in befländiger Buße dem leivenden Hellande 
folgend, von Gott auf außerordentlichen Wegen geführt und bewegen audy mit 
ungewöhnlichen Gnaden von dem Himmel begabt werde. Wie num die ver- 
ſchiedenen Prüfungen, wodurch Gott die hl. T. führte, ihre Tugend läuterten, fo 
verbreiteten die ihr mitgetheilten himmlifchen Gaben einen hohen Glanz über ihren 
tugendhaften Wandel. Aber weit enifernt, fich deßhalb zu erheben, ward fle dadurch 
immer mehr in der Demuth begründet. Die Gabe der Weiffagung, der Erfcheins 
ungen u. Berzüdungen befeftigten in ihrem Herzen immer mehr die Berachtung der 
Welt und aller ihrer Güter und erhielten fie in dem reinften Verlangen, mit 
Gott vereinigt zu ſeyn. Alle ihre Wünfche gingen einzig dahin, für ihn zu leiden, 
oder zu flerben. Dabei war fie, im Rüdblide auf ihre Sugenbfehler, von Schmerz 
gleichſam zermalmt und bemühte ſich, durch firenge Bußwerfe und ununterbroches 
ned @ebet von Gott die Berzeihung zu erlangen, um allein und ganz ihm an⸗ 
gehören zu können. Entflammt von heiligem Eifer für Gottes Ehre, wünſchte T. 
die urjprüngliche Etrenge ihre Ordens hergeftellt, damit in demfelben Die prüb- 
ende Liebe zur Abtödtung wieder aufflamme — Ihre Beifpiele gaben ihren 
Lehren neued Gewicht. Borzüglich brang ſte auf jene vollfommene @ntäußerung 
feiner felbfi, wodurdy die Bott fi) weihende Seele unaufhörlich ſich beftrebt, 
defien Willen zu thun. Sie verfihert, daß, ungenchtet aller Schwierigfeiten, 
diefe Tugend die größten Bortheile in ihrem Gefolge habe, indem fie frühe oder 
fpät der Serle einen ungerftörlichen Frieden bringe. Der Armuth war fie mit 
ganzer Seele zugethan, ihren Lebensunterhalt verfchaffte fle fi durch eigene 
Hanvdarbeit. Beſcheidenheit fprach aus ihrem ganzen Weſen und die Lauterfeit 
ihrer Seele leuchtete auf ihrem Antlitze. Man konnte fie nicht fehen, ohne Die 
Züchtigfeit zu lieben, die eine Feufche Anmuth über ihr ganzes Weſen verbreitete; 
idr gefühlvolles Herz überquilite leicht von innigfter Dankbarkeit bei jedem ihr 
erwieſenen Dienſte. Rebete fie von ihren Berfolgern, fo gefchah es immer mit 
der größten Ehrerbietung und Liebe In allen Kümmerniffen des Xebend ve⸗ 


" Therefia. 


wahrte fie eine ſtets ſich gleiche Geduld, ein unerfchüttlicyes Vertrauen auf Jeſus 
und einen unübermwindlichen Muth. Sie ſchien allen Bergnügungen des Lebens 
entfagt zu haben und Nichts auf diefer Erde zu erwarten, als beflänbige Leinen 
und Mühfale. Der Geift des Gebetes, in einer tiefen Demuth gewurzelt, war 
das große Mittel, deſſen ſich Gott beviente, um 3. auf eine jo erhabene Stufe 
der Vollkommenheit zu erheben. Die Betrachtungen des Geheimniſſes ver 
Menfchwerdung und des Todes Jeſu waren für fie ein zärtlicher Gegenſtand 
der Andacht und eine Duelle vieler Gnaden. Ebenfo hatte fie zu dem aller» 
heiligften Altarsfaframente eine überaus große Liebe und Verehrung. Aus ihrer 
©ottesliebe ftrömte auch jener glühende Eifer für die Befchrung der Sünder. 
Ohne Unterlaß empfahl fie diefelben dem Herrn u. beſchwor ihn unter Thränen, 
diefe verirrten Schafe in die Hürde zurüdzuführen. Auch ihre Echweftern forderte 
fie auf, mit ihr zu beten für das Hell der verirrten Seelen und für dad Wohl 
der Diener des Allerhöchtten, welche an der Belehrung und —3 der Bölfer 
arbeiten. — Nachdem die eifttge Dienerin Gotted mehre Jahre an ihrer Heilig: 
ung gearbeitet, Fonnte fie endlich dem fchon längft fie drängenden Berlangen, für 
das Heil Anderer zu wirken, nicht mehr widerftehen. Ihr erfter Gedanfe war, 
ihren Orden zu verbeffern. Sie wünfchte ſehnlichſt, mach der erften Einrichtung 
defielben zu leben; allein fie Eonnte dieſes Verlangen nicht leicht befriedigen in 
einer Genoſſenſchaft, die in manchen Stüden davon abgewichen war. Einſt bes 
fprach fie diefen Gegenftand in Gegenwart ihrer Nichte, Maria Dcampe, die 
fie jehr liebte und die damald im Klofter der Menfchwerbung Ihren Aufenthalt 
hatte. Das fromme Mädchen bot ver hi. T. fogleich taufend Dufaten zu ihrer 
Verfügung und bemerkte, daß fie mit diefer Summe allenfalls ein Haus erfaufen 
fönne, um ihre Abficht zu erreichen; eine gottfelige Wittwe von Apila, die hievon 
in Kenntniß geſetzt ward, trat gleichfalls dem hi. Werke bei. Ebenſo flimmten 
der bi. Petrus von Alcantara, der bi. Ludwig Bertrand und der Diözefans 
bifchof, Die zu Rath gezogen wurden, in das heilfame Vorhaben. Ehe fie jedoch 
Hand an’d Werk legen Tonnte, mußte fie die Erlaubniß ihrer Vorgeſetzten eins 
holen. Der Karmelitens Provinzial gab auch wirklich feine Zuftimmung, worauf 
man in Rom um ein Breve anſuchte. Kaum aber hatte ſich die erfte Nachricht 
hievon verbreitet, al8 von allen Eelten ber wider den Provinzial Klagen fich er- 
hoben, fo zwar, daß er die ertbeilte Erlaubniß zurüdnehmen mußte Und man 
fann fagen, daß 3.8 Vorhaben, eine Verbefferung einzuführen, faft einſtimmig 
mißbilligt wurde. Die rauen ihres Kiofters, der Adel, ver Mugiftrat und das 
Volk bemühten fich vereint, ihren Plan zu vereiteln und die Heilige wurde mit 
Vorwürfen und Schmähungen von allen Seiten angefeindet. — Während fo bie 
ganze Stadt wider die Dienerin Gotted in Gährung fehlen, ermedte Gott zu 
ihrer Vertheidigung einen frommen Prieſter aus dem Orden des hi. Domini» 
cus, der fi) nicht fcheute, öffentlidy ats ihr Beſchützer aufzutreten. Auch ihre 
Echwefter, Johanna von Ahumada, fam ihr zu Hülfe und baute zu Avila ein 
Haus, das fie der hl. T. zu übergeben beabfichtigte. Während dieſes Vorganges 
verlor die Schwefter des Perzoge von Mevina Cell, Namens Ludovica della 
Gerda, den Grafen Arias Pardo, ihren Gemahl, ven fe zärtlich liebte. 
Tiefer Berluft ging ihr fo zu Herzen, daß fie in dem erbrüdenven hmerzgefüble 
nur noch bei 3. Troſt zu finden hoffte. Sie wandte fih daher an den Karme⸗ 
litenprovinzial mit der Bitte, er möchte ihr die fo erfehnte Tröfterin nach Toledo 
ichiden. 2. reiöte mit deffen Erlaubniß unge'äumt von Avila ab, ta® etwa 20 
Stunden von Toledo entfernt iſt und wohnte länger, venn fech8 Monate, im Haufe 
diefer Matrone, wo ihre Tugend einen fo lieblichen Glanz verbreitete, daß die 
meiften Hausgenofien und fogar einige auswärtige Perfonen den Weg der Gotts 
jeligfeit betraten. inige Zeit vor ihrer Rückkehr nach Avila waren im Slofter 
zur Menfchwerdung, bei Gelegenheit der Wahl einer neuen Priorin, einige 
Zwiftigfeiten entftanden. Mehre verlangten die heil. T. zur Vorſteherin; allein 
bei dem bloßen Gedanken an ein ſolches Amt erbebte fie fchon und fuchte auf 


Tereſia. 71 


eine jede mögliche Weiſe dieſe Gefahr von ſich abzuwenden. Sie ſchrieb dringend 
an die Kloſterfrauen, welche ihr Augenmerk auf fie gerichtet hatten, um fie von 
ihrem Borbaben abzubringen und glüdlidher Weife ward eine andere zur Oberin 
awählt. An demfelben Abende, wo T., von Toledo zurüdfehrenn, zu Avila ans 
tam, trafen auch Nachrichten von Rom ein, nebft dem Breve zur Errichtung bes 
nmen Kloftere. Nachdem man Alles gehörig georonet hatte, ward am hell. Bar- 
tholomäustage 1562 das Klofter zum heil. Joſeph endlich gegründet. Das 
allerheiligfte Altaröfaframent wurde, mit erhaltener Ermächtigung, dahin gebracht 
und zu gleicher Zeit nahmen einige Mädchen das Ordenskleid. Bon dieter Zeit 
an hatte T. mit namenlofen Hinderniffen zu kämpfen, die ihr bei den beabfidhtigten 
Berbeflerungen entgegentraten; aber der Herr verlieh ihr den Sieg über alle ihre 
Feinde. Als Grundlage ber Verbeſſerung ſtellte fie auf: eine beftännige Abtödtung 
ver Sinne und ded Willens, anhaltende Uebung des Gebetes, ununterbrochenes 
Still ſchweigen u. eine fo unbedingte Armuth, daß die Genoſſenſchaft Nichts hatte 
zu ihrem Leben, als was fie durdy Handarbeiten verdiente, oder als milde Gabe 
von ihren Mitbürgern erhielt. Das Kiofter zum heil. Jofeph war bereitö vier 
Jahre geftanden, ald der Karmelitengeneral Rubeo eine Reife nady Spanien machte. 
GSleich bei der erften Unterredung, vie er mit der Heiligen ypflog, warb er von 
Hochachtung und Bewunderung gegen fie erfüllt. Ihre Klugheit und ihr Eifer 
erfreuten und rührten ihn fo sehr, daß er ihr bei feinem Abſchiede erlaubte, nady 
eben dem Plane noch andere Kiöfter zu ftiften. Zugleich übermachte er ihr Voll⸗ 
machtöbriefe, die fie zur Gründung zweier Mannöflöhter ermächtigten. Ungeachtet 
der vielfachen Berfolgungen und harten Deordiekungen, welche * bei ihrem gott⸗ 
ſeligen Unternehmen zu beſtehen hatte, dehnte ſich Ihre Verbeſſerung von Jahr zu 
Jahr mehr aus und fie zählte an verſchiedenen Orten Kloͤſter beiderlei Geſchlechts, 
worin ihre Borfchriften zur Ehre Gottes und zum Helle der Seelen treu be- 
folgt wurden. Wiewohl es feinem Zweifel unterworfen ift, daß der glüdliche 
Erfolg diefer Unternehmung dem ganz befonvern Beiftande des Herrn zugejchrieben 
werden muß und daß jene vollendete Klugheit, die alle ihre Schritte begleitete, 
ein Geſchenk des Himmels war, fo ift doch auch nicht zu verfennen, daß fie mit 
allen natürliyen Eigenfchaften zur Ausführung dieſer gottjeligen Plane ausge⸗ 
rüftet war. Mit einer befondern Schärfe ded Verſtandes, dem befcheidenften 
Benehmen und einer ehrfurchtgebietenden Würde verband fte eine folche che 
tigfeit in ihren Reden, eine fo einnehmende Eitteneinfalt, daß ihr bloßer Anblid 
ſchon alle Herzen gewann. — Endlich nahte der Nugenblid, wo T. die Belohnung 
ihrer Arbeiten empfangen follte. Sie hatte eben 1582 die Stiftung des Kloſters 
Burgos vollendet und fich bereit8 auf dem Rückweg nach Avila begeben, ale 
eine dringende Einladung der Herzogin von Alba an he erging, Im Vorübergehen 
bei ihr einzukehren. So frank fie auch war, begab fie ſich dennoch 20. September 
nach Alba, wo fie mehre Stunden bei der Herzogin zubrachte u. dann nady dem 
Haufe ihres Ordens abzog. Ihre Müdigkeit war unbefchreiblih und, da fofort 
ihre Uebel von Tag zu Tag zunahmen, ahnte fie die Herannahung ihres Endes. 
Am 30. September hatte fie einen Blutflurz; indeffen wohnte fie doch noch an 
demfelben Tage der heiligen Meffe bei und empfing mit neuer Andachtsglut ihren 

itand. Bon jenem Yugenblide an mußte fie im Bette bleiben bis zu ihrem 

ode. Am 3. Dftober fühlte fih T. ſchwächer, als je und begehrte die heil. 
Saframente, die fie Abends 9 Uhr mit der zärtlichften Andacht empfing. Die 
Leiden ihres letzten Kampfes dauerten bis zum Morgen des andern Taged. Endlich 
entichlief fie, die Augen auf ein in der Hand gehaltenes Grucifir gerichtet, in dem 

erın, in der Racht vom A. auf den 5. Dftober 1582. Da aber in eben dicfer 

acht zur Berbeflerung des Kalenders zehn Tage aufgefchteven wurden, ward 
der, Pin dem Tode der heil. T. folgende, Tag für den 15. DOftober angenommen 
und auch ihr Feſt auf denfelben gefeht. Die Heilige war 68 Jahre alt und batte 
27 Jahre in dem SKlofter von der Heimfuchung und 20 in den verſchiedenen 
Ordenshaͤuſern ihrer Berbefferung zugebracht. Ihr unverwester Leib Kent im 


74 - Thermometer. 


achtet immer unflchere Refultate. Eine lange Glasröhre iſt an dem einen Ende 
offen, am andern umgebogen ımd mit einer ziemlich großen Kugel verfehen. Diefe 
Röhre wird mit Quedfllber fo weit gefüllt, daß dieß in der Kugel etwa zur Hälfte 
fteht.” Die, in ihr über dem Duedfilber ſich befindende, Luft dehnt ſich bet Zus 
nahme der Wärme aus und bewirkt ein Ballen des Duedfilbers in der Kugel 
und ein Steigen veflelben in der Röhre; bei Abnahme der Wärme findet natürlich 
genau das Umgefehrte ſtatt. Diefelben Erfcheinungen Tönnen aber auch durch 
veränderten Drud der Atmofphäre erzeugt werden. Die Weingeift-T., einges 
richtet wie die Queckſilber⸗T., laffen blos niedere Wärmegrade meflen, da der 
Weingeift fchon bei etwas hohen Graden verdampft: Das Duedfilber-T. iſt das 
gebräudylichie und man erhält es, wenn man eine wohlcalibrirte, enge Röhre 
mit einer an einem Ende angeblafenen Kugel nimmt, diefe und den untern Theil 
der Röhre mit Duedfliber füllt, ven obern Theil möglichft Iuftleerr macht und 
oben zufchmelst. Bet Zunahme der Wärme dehnt fich nun dad Quedfllber aus 
und muß fi nady Oben erheben; bei Abnahme der Wärme zieht es fich zu- 
fammen und muß in der Röhre finfen. Um das Steigen und Sinten genau 
zu beftimmen, muß ein beftimmter Punkt angegeben feyn, auf den die Bewegungen 
des Duedfilberö bezogen werden und, um verichievene T. in dieſer Beziehung mit 
einander zu vergleichen, tft noch ein zweiter Punkt nöthig und beide müflen bet 
allen T.n genau auf gleiche Art beftimmt werden. Diefe zwei Haupts oder Fun⸗ 
damentalpunfte find: der Froſt⸗ oder Gefrierpunft und der Koch⸗ oder Siedepunkt, 
von denen man jenen durdy Eintauchen des T.8 in gefrierendes Wafler oder auf» 
thauenden Schnee, dieſen durch Eintauchen in kochendes oder ſiedendes Wafler 
erhält. Alle DuedfilbersT. werden jeht auf die angeführte Art verfertigt und 
unterfcheiden fich von einander blos darin, daß nicht bei allen die Fundamental⸗ 
entfernung, d. 1. der Raum zwifchen dem Frofts und dem Siedeyunkte, in gleich 
viele Theile, welche Grade heißen, getheilt wird. Der untere Theil der Röhre, 
vom Froftpunfte bis an die Kugel, wird in eben fo große Brave, als fie vie 
Fundamentafentfernung enthält, getheilt. Die Grade über dem Frofipunfte heißen 
Wärmegrade, die unter demſelben Kältegrabe; jene werden in der Schrift mit —, 
diefe mit — bezeichnet. Die Eintheilung, Scale genannt, wird entweder in die 
Glasroͤhre mit Fiußfparhfäure eingeägt, oder auf einem befondern Glas⸗, Metall: 
oder Holzſtreifen, auf welchem die Röhre befeftigt iſt, aufgetragen. Die vier ges 
bräuchlichften Arten des Duedfilber:T.8 find: 1) dad Röaumur’fcdhe oder 
das 3. mit der achtalgtbeiligen Scale, raggin in Deutſchland gebräuchlich ; der 
Sroftpunft ift mit O, der Siedepunkt mit HE z. B. 4 10° R. heißt 
10 Grade Wärme nach Reaumur; ſowie — 18° R. 18 Grade Kälte nach Röaumur. 
2) Das geiftue't e oder Genteftimal-%., oder das %. mit der hundert- 
theiligen Scale, vorzüglich in Echweden und Branfreich gebräuchlich, hat am 
Sroftpunfte O, am Siedepunkte 100 ftehen. 3) Das in England vorzugsweife 
gebrauchte Fahrenheit'ſche, deſſen Bundamentalentfernung 180 Grade hat, 
welches aber am Froftpunfte nicht mit O, fondern mit 32, am Stedepunfte nicht 
mit 180, fondern mit 212 bezeichnet if. Es gibt nämlich auf diefer Scale zwei 
Sefrierpunfte, einen natürlichen, der mit dem Nullpunfte der beiden vorhergehen⸗ 
den Scalen zufammenfällt, weil er auf viefelbe Art beftimmt worden iſt und 
einen Fünftlichen, als denjenigen Punkt, bis zu welchem das Queckſilber finft, wenn 
das T. in eine fogenannte kaltmachende Mifchung aus Echnee und Salmiak ges 
taucht wird und welcher 32 Grade unter dem natürlichen Froftpunfte liegt. Vom 
fünftlichen Froſtpunkte fängt man bei diefer Scale an zu rechnen; er ift daher 
mit O, der natürliche aber mit 32, miıhin der Siedepunkt mit 212 bezeichnet. 
4) Endlih das, zum Theil in Rußland gebräuchliche de l'Jole'ſche, deſſen 
Fundamentalentfernung 150 Grade mthält und bei welchem der Stedepunft mit 
0 und der Sroftpunft mit 150 bezeichnet if. Man muß daher die Grade einer 
Scale auf die einer andern zu verwandeln wiſſen. — Zur Beftimmung fehr hoher 
Grade von Hige dienen die Byrometer (f. d.). Um kleine Wärmeänderungen 


Thermopyle — Theſens. 75 


genau beſimmen zu koͤnnen, gebraucht man das T hermoſkop (von Rumforb) 
oder das Differential:T. (f. d.). Biel brauchbarer und daher auch wichtiger 
iſ des fogenannte Marimum- und Minimum-T., welches die Beſtimmung 
har, den, während eines gewifien Zeitraums flattgefundenen, höchften u. niedrigften 
Tesperaturgrad von felbft anzugeben; man nennt fie daher auh Thermome- 
trograpben. Eie liegen horizontal; das Marimum-T. ift mit Queckſilber gefüllt, 
das MinimumsT. dagegen mit gefärbtem Weingeiſt. In jenem befindet fich ein 
Colinderchen von Eifen oder Fiichbein, in Diefem aber eined von Glas. Wenn 
kb nun das Duedfilber ausdehnt, fo treibt es das eiferne Eylinderchen vor fich 
in und läßt es, fobald dad Queckſilber wieder zurüdgeht, an der Stelle ver 
Kattgefundenen höchften Temperatur liegen. Wenn fid) der Weingeift zuſammen⸗ 
deht, fo nimmt er das gläferne Eylinderchen mit fort (mad die ftarfe Adhäfion 
wiichen Glas und Weingeift verurfacht), und läßt alsdann bei feinem Wieder⸗ 
merchnen an der Stelle der ftattgefundenen niedrigſten Temperatur liegen. 
Thermopyle (ar. d. i. Warmtbor), ein Engpaß am Deta, welcher von 
Theulten nach Lokris und Phokis führt, nach bier befindlichen, dem Herkules 
gmweihten Bädern benannt, ift in der Gefchichte als VBerfammlungsort der Am⸗ 
ihtwonen (ſ. d.) und durch den Heldentod des Leonidas (f.d.) berühmt. 
tes, Sohn des Agrios, der häßlichfle und bößartigfte unter allen 
Griechen, die vor Troja waren, deffen Schmähfucht feinen verichonte. Er fol 
ducch Achilles getöbtet worden ſeyn, weil er der fchönen Pentheftleia, der Amas 
wmenfönigin, welche Achilleus beflegte, die Augen ausftach; nach Anderen, weil 
er fügte, Achill habe mit dem Leichname der Königin unziemliche Dinge vors 
geneumen. Er war auf einem Gemälde der delphiſchen Leiche von Polygnotog, 
tm Bürfelfpiel mit Palameves, dem Erfinder diefed Spieles, abgebilvet. 
Tpefaurns, 1) Eammlung verfchledener und zerftreuter Bemerkungen, 
Ronographien ıc. nach den verfchiedenen Wiffenfchaften: fo ein T. theologicus, 
Venedig 1762, 16 Bde., 4; T. thenlogico-philologicus, von Mentheu, Amfterdam 
Vou f., 2 Bde. Fol.; Novus t. theologico philologicus, von Haſaͤus und Iken, 
enden 1732, 2 Bde. %ol.; T. antiquitatum graecarum von Gronov; T. antiqui- 
latum romanarum von Grävius und desielben T. antiquitatum Italiae, Leyen 
1704— 1723, 30 Bde., und T. antiquitatum Siciliae, Sardiniae, Corsicae etc. 
chendaſelbſt 1704 — 1725, beide zufammen 45 Bde. Fol.; T, antiquitatum roman. 
ven A. H. de Eallengre, Haag 1716— 1719, 3 Bde. Zol.; T. gemmarum vet, 
sen Bafleri, Rom 1781 — 1783, 3 Bde. Fol.; T. numismatum ant., Venedig 
1683, 4.; T. antigquitatum germ. von Edhilter u. 9. A. — 2) T., ſ. v. a. Lexikon, 
als Sammlung aller in einer Sprache vorkommenden Wörter. In lepterer Bes 
dentung befonders die T.⸗ren der griechifchen u. Iateinifchen Sprache von Ste⸗ 
pbanus und die lateinifchen von Faber, Geßner, Forecllint, Curio n. 4. 
Ihefeus, Sohn des Königs Aegeus zu Athen (f. d.), ward bei feinem Groß⸗ 
vater erzogen und kam erft im fechzehnten Jahre nach Athen, wo er jedoch fchon 
id viel Kraft erlangt hatte, daß er den Feld, unter welchem als Erfennungs- 
zcichen ſeines Vaters Schwert verborgen war, aufheben fonnte. Der Iſthmus 
ron Korinih, den er zu überfchreiten hatte, war von Räubern belagert, welche er 
alle iödtete. (Siehe die Artikel Prokruſtes, Kerkyon, Peripheus [deffen Keule cr 
als Maffe gebrauchte], Sinis und Echiron); wie er audy den marathonijchen 
Erier und die Frommyonifche wilde Eau erlegte. Er befreite die Athener von dem 
ihimpflichen Tribute, den man dem Minos erlegen mußte, wozu ihm jedoch 
Ariadne (f. d.) verhalf. Er entführte fie hierauf, und verließ fle auf der wüſten 
Gelieninfel Narcd. Nach feiner Rückkehr ordnete er die Angelegenheiten in Athen 
end begab fich dann mit Herfule® auf den Argonautenzug, auf den Zug gegen 
die Amazonen, von welchen er fich die fchöne Königin Hippolyta mitbrachte, Die 
ibm die Hippolytos gebar. Dann ſchloß er Freundfchaft mit dem Sohne des 
Jene und der Dia, mit Pirithes, raubte ihm die ſchöne Helena, in welche beide 
mlicht waren und die durch'o Roos dem T. zuficl, worauf er fi nehme mit 


76 Teſis — Theſſalien. 


Pirithos verband, um auch dieſem eine gleiche oͤnheit zu verſchaffen: das 
war Proſerpina, welche zu holen die Helden in die Unterwelt hinabſtiegen; doch, 
da fie fi) ermüdet nieverfehten, blieben fie für ewig an dem Yelfen haften. Die 
Geſchichte wäre nun auf; da man fie aber fpäter noch vielfältig ausmalte, fo bes 
durfte man der beiden Helden und deßhalb mußte Herkules. fie befreien, wobel 
Pirithoos das Gefäß einbüßte (nady Anderen auch T.), der daher Apygos zube- 
nannt wurde. Pirithoos vermählte ſich nun mit der fchönen Hippodamia; auf 
feiner Hochzeit fiel das berühmte Gefecht der Lapithen und Gentauren vor, in 
welchem die letzteren fa ganz vernichtet wurden. T. vermählte fi) noch mit 
Phadra (f. d.), welche ihm den Demophon und Akamas gebar; audy aus feinen 
früheren Zahren find mehre Kinder von ihm da: fo ward Ariadne Mutter des 
Denopion und Staphilos, welcher letztere jedoch beſſer Bacchos Sohn genannt 
wird; ferner gebar ihm die Tochter des Räubers Sinis, Perigune, den Menas 
lippos. Auch von Helena fchreibt man ihm die Iphigenia zu, welche Klytäm⸗ 
neftca, nur um ihrer Schwefter Schande zu verbergen, für die ihrige auögegeben 
haben fol. Von Meneftios aus feinem Reiche Attifa, das erft durch ibn zus 
fammenbängend, Fräftig und groß geworben war, vertrieben, flüchtete er zu 
Lykomedes, ward aber durch biefen von einem Felſen herabgeftürzt. Lange nachher 
ward, und zwar erft auf Befehl des Drafels, fein Leichnam aufgefucht und 
nad) Athen gebracht; da aber verehrte man ihn als Gott und baute ihm einen 
prachtvollen Tempel von weißem Marmor, der noch jebt faft ganz erhalten if. 

mA , ein gewiffer angenommener Sa; namentlih ein Sab, der zum 
Gegenitand einer gelehrien Disputation gewählt wird (Streitfag). In der Rede⸗ 
funft ein ganz allgemeiner Sag, ohne irgend eine Anwendung; er wird ber 
Hypothefid entgegengeftellt, die einen Sag mit näherer Anwendung auf Zeit und 
Umftände, Berlonen ıc. bezeichnet. In der Muſik der Rieverfchlag oder der volle 
Takt, mit welchem ein Stück anfängt; die Benennung kommt daher, weil man 
ben fang des Taktes mit dem Rieverfchlagen der Hand oder des Fußes 
ezeichnet. 

Thermaphorien hieß ein Feſt der Ceres (ſ. d.), das mit den eleufinifchen 
Geheimniſſen (f. d.) in Berbindung ftand. 

Thespiä, eine im Alterthum berühmte Stadt in Bdotien, am Hellfon, von 
Thespios, dem Sohne des Erechtheus erbaut, Baterfladt des Prariteles. Hier 
wurde zuerſt der Dienft der Mufen (daher diefe Thespiades hießen), eingeführt. 
Bon Ferxes zerftört, wurde die Stadt wieder aufgebaut. Hier 378 v. Chr. Schladyt 
zwifchen den Lacebämoniern unter Phöbidas und den Thebanern, in der Phöbidas 
felbft fiel. Bei T. waren Quelkn, die unfruchtbaren Weibern empfohlen wurden. 
Jetzt findet man noch Ruinen bei Rimocaftro. 

Thespis, ein alter griechifcher Trogöbienfehreiber, aus Ikaria in Attila ges 
bürtig, lebte ungefähr 500 Jahre v. Ehr. Geburt. Zu feiner Zelt wurden die 
Trauerfpiele Durch Chöre von Mufifern und Tänzern vorgeftellt, welche unter 
dem Tanze Sololiever zu Ehren des Bacchus fangen. T. führte nun eine Perſon 
ein, die allemal zwifchen den Befängen des Chores eine Zabel von tragifcher Art, 
oder etwas Aehnliches recitirte; biete nannte man Epiſode und eben daher hat 
man ihn audy für den Erfinder der Tragödie gehalten, die freilich in Ihrem Ent- 
ſtehen hoͤchſt roh und unvollfommen gewefen —* mag. Horaz ſagt, daß dieſer 
T. feine Schauſpieler auf einem Karren umbergeführt babe, wo fie ihre Stücke 
vorgeftelt und die Gefichter dabei mit Weinhefe, oder, wie Andere verfiehen, mit 
Bleiweis und Zinnober befchmiert hätten. Der Karren des T. wird daher oft 
erwähnt, wenn man noch von der erften Kindheit, in der fi das Trauerfpiel 
befünd, ſpricht. Won feinen Gedichten ift Nichts auf uns gefommen. 

Theffalien, der nördliche Theil des alten Griechenlands, im Oſten vom ther⸗ 
mätfchen Meerbufen begränzt, gegen Süden fchneidet es der Deta von Böotien 
und der Pindus im Weften von Epirus, gegen Norden der Diympos von Mace⸗ 
donien. Es war ein fruchtbares, romantiiches Land, das von zahlreichen Hlüffen 


Theſſalonich — Thenerdank. 77 


romt wurde, unter denen der Peneus, an deſſen Ufern das paradieſiſche 
Tempe lag, der berübmtefte if. Es Hatte ebenfo üppige Saatfelder und 
ärten, als Viehweiden; vorzüglich berühmt war die theffalifche Pferdezucht. 
imt mit am früheften unter allen Theilen Griechenlands bevölkert worden 
ı Die Aemonen ober ‚Himonen (von denen das Land auch Hämonia 
serden als die Alteften Bewohner genannt; dann wanderten Pelasger und 
ı ein: die ledteren unter Deufalion, im 6. Jahrhunderte vor Chriſto. Dort 
n auch die berüchtigten Gentauren und die Lapithen, Bergvöller am Olym⸗ 
Dffa. Die öftliche Erdzunge, die fich weit in das ägätiche Meer erftredt, 
aus dem Gebirge Pelion, das die Giganten auf den Oſſa thürmten, um 
mmel zu erflürmen. Auf dem Gipfel des Belion (jeht Petra) iſt eine 
te Höhle, in der der Gentaur Chiron, Achilles Lehrer, gewohnt haben fol. 
fchienen zuerft in der alten Sage Achäus, Aeolus Dorus, ald Stamm- 
t nach ihnen benannten, griechiſchen Völkerſchaften und es bilveten fidy nad) 
ch mehre Feine Staaten, 3. B. der von Jolkos, wo Aeſon herrfchte, der 
des Argonautenführers Jaſon; ferner Pythia, wo Peleus, Achilles Bater, 
e Myrmidonen herriehte und Pherä, das fich in fpäteren Zeiten zu einem 
en Reiche erhob. Hier war Admet (Alceſtens Gemahl) einft König, zuletzt 
ver der Tyrann. In Anthela bei Thermopylä waren die Herbfiverfamm- 
der griechifchen Bundesftaaten der Amphiftionen. Philipp von Maces 
machte fi) zum Herrn von ganz 3. und es blieb unter macedonifcher 
aft, bis es in eine römifche —* verwandelt wurde. Jetzt macht es 
em Namen Janjah einen Theil der europäiſchen Türkei aus. Die alten 
phen theilten das Land ein in: Theſſaliotis, Phthiotis, Pelasgiotis und 
lis; ſtatt der beiden letzteren findet man auch die Ramen Magqunefia und 
bia. Die merkwürdigſten Gebirge T.s find: der Pindus, der Oeta, Oſſa, 
lion und vor allen der Götterfig Olympus an der macedoniſchen Graͤnze. 
ven Flüfien find die berühmteflen, außer dem Hauptfirome, dem Peneus oder 
3 (jet Salympria), der ſich durg das von den Schluchten des Olympos 
ſloſſene Tempe in das Meer ergießt: der Apidanus, Achelous, Aſopus 
percheios; unter den Städten, außer den genannten: Hellas, Trachin oder 
a, Pharſalus u. ſ. w. T. war dad Mutterland mehrer der berühmteſten 
yeroen: Achilles, Jaſon, Philoktetes, Patroklus, Pirithous. Auch ſtand 
Rufe, Zauberkräuter in vorzüglicher Menge und Güte hervorzubringen und 
tfialterinnen waren durch ihre Zauberfünte vor anderen fo berüdhtigt, daß 
is (eine Thefialierin) bisweilen fo viel heißt als eine Zauberin oder Here. 
jeftalonich war im Alterthbume der Name der Stadt Salonidi (|. d.) 
edonien. 
zetis, Tochter des Nereus und der Doris. Da dieſer Nereide nach einem 
ilsſpruche, größer werden ſollte, als fein Vater, fo mußte die Unſterb⸗ 
it einem Sterblichen, mit Peleus (ſ. d.) vermählen, von welchem ſie 
des Achilles wurde. 
zeuerdank, ein berühmtes, altdeutſches, epiſches Gedicht, zuerſt erſchienen 
als deſſen Verſaſſer ih Melchior Pfinzing, Geheimſchreiber Kaiſer 
ilian's u. geſtorben als Propſt zu Mainz 1535, nennt, das aber (wie Treitz⸗ 
ins Weißkunig), größtentheild von dem genannten Kaiſer felbit herrührt. 
ute Bearbeitung gibt es noch nicht. Das Gedicht iſt eigentlich mehr 
ſch und didakilſch und befingt in rauber Meifterfängerweife T.s (Marts 
)) Bermählung mit Ehrenreih (Maria von Burgund). 3. muß, von 
old (der Ruhm) begleitet, viele Abenteuer beftehen gegen Fürwittig (die 
), Neivelhart (männlicher Gegner) u. A., beitegt fie, unternimmt einen 
g und gewinnt endlich Chrenreich zur Gattin. Das Verſtaͤndniß des 
wird durch die gehäuften Allegorien fchwierig. Ausgaben: Die fchon 
tgeführte Nürnberger von 1517, prachtvoll mit gemalten Holzfchnitten, von 
Schäufelein in Fol.; eine Wugöburger von 1519, ebenfalls Kol. Der 


19 . Zpenerung — Thibeut, 


Drud diefer beiden Ausgaben, namentlich ver erftern, wurde geraume Zelt für 
nicht mit beweglichen Lettern zuſammengeſetzt, fondern aus ganzen Tafeln bes 
ſtehend gehalten, wogegen indeſſen zwei, in dem Werke felbft ſich findende, Bewetfe 
ftrelten: 1) daß in dem Worte „Ichidhet“ ein verfehrtes i (1) und fobann 2) im 
Regifter ein paar Buchftaben verfchoben aufgefunden worden find, Umgrarbeitete 
Ausgabe von Burkhard Waldis, Frankfurt 1553 — 96 in 5 Ausgaben, und von 
Matıh. Schultens im 17. Jahrhunderte. Die neueſte Ausgabe ift von Haltaus, 
Quedlinburg 1836. Vgl. W. ©. Titz, Ueber den %., Altvorf 17145 ©. Köhler, 
de inelyto libro T., ebd. 1714, n. 9. von Hummel, 1790, 

Theuerung heißt überhaupt das Mißverhältniß, welches dadurch entfteht, daß 
ber Zueie die Hervorbringungsfoften eined Gegenſtandes (der Wolle, des Tuchs, 
der Zeinwand, der Seidenwaaren, ded Holzed, des Oels ıc.), im weiteften Sinne 
unverhältnigmäßig u. bei weitem überfleigt u. ift Folge von Handeldconjekruren. 
Beſonders aber entfteht 3. durch Mißverhaltnig in — auf den Preis des 
Getreides, als nach unſerem Culturzuſtande des erſten aller Lebensbedürfniſſe, von 
dem alle übrigen Preiſe mittelbar abhängen. Zu einem hohen Grade u. zum argen 
Mipverhältniffe gegen den Preis anderer Dinge gefteigert, wird die T. zur 
Sungeronoth und dieß Greigniß eine wahre Galamität, ein Landesunglüd. — 
Künſtliche T. wird oft durch Aufkäufe Einzelner veranlaßt, um damit Wucher 
zu treiben u. {ft mehr u. öfter ein Phantom, ald eine Wahrheit. Vergl. übrigens 
den Artikel Getreidehandel. 

Theurgie, die vorgebliche Wiflenfchaft, fih mit Beiftern in Verbindung au 
(egen und 8 dieſelben dienſtbar zu machen; daher Theurg, Einer, der ſich 

amit abgibt. 

Thibaudean, Antoine Claire, Graf von, ein ſehr verdienter franzöfifcher 
Staatsmann und Geſchichtsſchreiber, geboren zu Poitiers 1765, flubirte die 
Rechte und wurde Advokat und 1792 Mitglied des Rationalconvents, in dem er 
für den Tod des Königs ſtimmte. 1795 zum Präſidenten des Konvent erwählt, 
bewies er fich fehr energifch bei den jafobinifchen Unrußen am 12. Germinat und 
trug viel zur Vollendung und Einführung der Berfaffung vom Jahre IU. bei. 
Seine große Popularität machte, daß er damals von 32 Departements zugleich 
in den Rath der Künfhundert gewählt wurde, deſſen Mitglied er bis 1799 blieb. 
Nach der Revolution vom 18. Brumaire berief Napoleon ihn in den Staatsrath 
und 1808 wurde er in den Grafenfland erhoben und Praͤfekt von Borbeaur. 
Nach der Reflauration wurde er als Köonigsmörder vertrieben, ping in die 
Schweiz und nachher nady Defterreih, wo er ein Handelögefchäft zu Prag 
gründete. Nach der Aulirevolution Eehrte er wieder nach Frankreich zurüd. 
Yußer vielen, in den Zeitfchriften der Revolutionsepochen zerftreuten, Auffäßen 
fchricb er eine „Histoire du terrorisme dans le departement de la Vienne“ 
(Paris 1795) und im Verein mit Bourbon de la Großniere „Recueil des actes 
heroiques et civiques des republicains frang.“, Paris 1795. Großen Werth 
für die Revolutiondgeichichte haben feine „Memoires sur la convention et le 
directoire“ (2 Bde., Paris 1824; neue Auflage 1827) und „Memoires sur le 
consulat et l’empire“ (10 Bde., Paris 1835). Aucdy veröffentlichte er eine ſehr 
lehrreiche „Histoire generale de Napoléon“ (5 Bde., Paris 1827—28; deutſch, 
5 Bde. Stuttg. 1827 — 30). 

Thibaut, Anton Friedrich Juſtus, einer der genialften beutichen 
Rechtögelehrten, geboren zu Hameln im SKönigreiche Hannover 1774, fludirte zu 
GSöttingen, Königsberg und Kiel, babilitirte fih 1796 in Kiel und wurde zuerſt 
1798 Adjunkt der Juriftenfafultät und 1799 ordentlicher Profeſſor. Im Jahre 
1802 folgte er einem Rufe nad) Jena und 1805 nach Heidelberg, wo er bis zu 
feinem Tode, 1840, als ordentlicher Profeſſor der Rechtöwifienichaft, fpäter mit 
dem Geheimraihstitel und mit dem Commenturkreuz des Zähringerlöwen beehrt, 
wirkte. — Nach dem Eturze der Rapoleonifchen Herrſchaft verlangte %., zur 
Sicherheit Deutichlande, Gleichheit des Rechtes und der Geſetze in allen, zum 


Thielan — Thiemo. 79 


deutſchen Staatenbunde gehörigen Ländern, bei welcher Veranlaſſung Savigny 
als fein Gegner auftrat. Sein Haus war ein Tempel der Künfte, namentlich 
ver Muſik (vergl. Baleftrina, „Reinheit der Tonfunfl“, 2. Auflage 1626). Sein 
Hauptwerk it „Syftem des Pandektenrechts“ (2 Bde., 8. Aufl. 1834). Außer: 
dem „Verſuche über einzelne‘ Theile der Theorie des Rechts" (2. Aufl. 1806); 
„Theorie der logiſchen Auslegung des römiſchen Rechts“ (2. Auflage 1806) ; 
„Ueber Befig und Berjährung“ (1802); „Civiliſtiſche Abhandlungen“ (1814) ; 
„Archiv für civiliſtiſche Praxis“ (mit Mittermaier und Löhr feit 1818 u. f. w.). 
Seinen „Nachlaß“ gab E. J. Gnyet heraus (2 Bde. 1804—42). Auch TB 
Etyl ift ausgezeichnet durch Präcifion, Klarheit und Anmuth. 

Thielau, Heinrih Erdmann Auguft von, Landesälteker der Ober- 
laufig und Mitglied der füchfifchen Ständeverfammlung, wurde den 11. Oktober 
1798 zu Braunichiweig geboren, befuchte preußifche und fächflfche Schulen, dann 
das Garolinum zu Braunſchweig und die Univerfiiäten zu Göttingen und Leipzig, 
während welcher Zeit er auch inftruftive Reifen machte. Er trat erft in Brauns 
ihweigifche, dann in ſaͤchſiſche Staatsdienſte, widmete fidy aber feit 1826 lediglich 
ver Berwaltung feiner Güter und den ftändifchen Angelegenheiten. Seit 1833 
bat er auf allen Landtagen, mehrmals als Borftand und Referent der Yinanzs 
deputation, mit hohem Einfluß und Auszeichnung gewirkt. Beredtſamkeit, dialelt⸗ 
iſche und parlamentarifhe Gewandtheit und Alnabhängigfeit der Gefinnun 
zeichnen ihn aus. Er ift weder fuftematifcher Oppofitionsmann, noch minifteriel 
und man findet ihn bald auf diefer, bald auf jener Eelte, aber ſteis feiner 
Ueberzeugung, zuweilen auch wohl feiner Laune folgend. Sein Fehler ift Heftig- 
keit und Reizbarfeit und an diefem Mangel an Ruhe und Geduld fcheiterte feine 
Wirkſamkeit als Vicepräfivent der zweiten Kammer auf dem außerordentlicyen 
gandtage von 1847. 

Thielmann, Johann Adolph, Freiherr von, k. preußifcher General- 
lieutenant, geb. zu Dresden 1765, fam 1791 als Lieutenant zu einem fächfifchen 
Hufarenregimente und zeichnete ſich im Rheinfriege bei mehren Gelegenheiten 
durch Muth und Geifleögegenwart aus. Gr erhielt deßhalb den fädhfiichen Hein« 
rihsorden. Im Feldzuge von 1806 war er Major, wohnte darauf der Belagers 
ung von Danzig u. der Schlacht von Friedland bei und wurde bierauf Oberfter 
und Adjutant ded Königs von Sachen, fomie 1809 Generalmajor. Mit 2000 
Mann und weniger Gavalerie und Artillerie wehrte er den Defterreichern ans 
füngli den Eingang nad) Sachſen, u. zog fich envlich vor der Llebermacht ohne 
Verluſt bis an die Saale zurüd. Im franzöſiſch⸗-ruſſiſchen Kriege ſtand er bei 
der Hauptarmee und glüdiidy eniging er den Gefahren an der Berezina. Der 
König von Sachſen erhob ihn hierauf in den Yreiherrnftand und übertrug ibm 
die Bertheidigung Torgau’d. Nach der Lützener Schlacht verließ er Torgau und 
tzat zu den Allirten über, kämpfte an der Spige eines Freikorps in Sachſen und 
wirkte zur Vorbereitung der Leipziger Schlacht. Der Kaifer von Rußland vers 
lieh ihm am Ende des Krieges mit Frankreich das Commandeurkreuz des Ordens 
vom heil. Georg, In der Schlacht von Waterloo befehligte er eine Divifton, 
murde „pterauf ilttärgouverneur der weftphälifchen Provinſen und flarb 1825 
zu Koblenz. 

Zhiemo, der Heilige, Erzbiſchof von Salzburg, (erwählt 1088) der Ab- 
fommling einer gräflichen Familie, wurde in der Schule des berühmten Kloſters 
Niederaltaich gebildet u. erwarb ſich, neben den Wiflenfchaften, audy audgebreitete 
Kenntniffe in den mechanifchen Künften. Bevor er zur erzbifchöflichen Würde 
erhoben wurde, war er Abt des Kloflers St. Peter in Ealzburg. Im Jahre 
1101 legte er, in Folge verfchievener widriger Schidfale, fein biichäfliches Amt 
nieder und fuchte zu Admont in der Nähe von Radſtadt Schug. Hierauf begab 
er fih nah Paläflina, wo er den Martyrertod fand. %. war ein ausgezeich⸗ 
neter Bildhauer und noch jet zeigt man verfchiedene Statuen der hl. Jungfrau 


80 Thienemann — Thierarzueikunde. 


zu St. Peter in Salburn, zu Womont, zu Rabflabt, zu Altenmarkt u. a. O. 
ald Werke von feiner Meifterhand. Bol. d. Artikel Bildgießerei. 
Thienemann, Friedrich Auguf Ludwig, Raturforfcher, geb. den 25. 
Dezember 1793 zu Gleina bei Freiburg an der Unftrut, Sohn eined Predigers, 
fam 1805 auf die Domfdhule in Naumburg, 1808 nah Schulpforta, ſtudierte 
die Raturs und Heilfunde in Leipzig und wurde daſelbſt 1820 zum Dr. med. 
promovirt. Er bereidte nun Rußland und Norwegen und fehrte erfi nach einem 
Jahre zurüd nad) Leipzig, wo er fi 1821 als Privatdocent nieverließ. 1825 
wurde er zum zweiten Inſpektor des Raturalienkabinets in Dresden ernannt und 
hielt ven 1826 an Borlefungen am Blochmannfchen Inflitut, und 1830 am Ka- 
dettenkorps; 1831 legte er feine Stellen nieder, umd bezog in der Nähe von 
Dresden eine Heine Landbefitzung und lebte fortan nur den Naturwifienfchaften, 
unternahm auch wiederholte Reifen in da® nörbliche Europa; 1840 mwurbe er 
wieder angeftellt an ver königlichen Bibliothek in Dresden. — T. bat, in Berbin- 
bung mit Seinem ältern Bruder © A. W. T. und mit E. Brohm (f. d.), ges 
ſchrieben: „Syftematifche Darftellung der Fortpflanzung der Vögel Europa’s mit 
Abbildung ihrer Eier,“ 5 Abtheilungen, eivzig 1825 — 1838. — Ferner fchrieb 
er: „Reife nach dem Norden Europa's,“ 2 Bde. Leipzig 1824— 1827. — „Lehr⸗ 
buch der Zoologie,“ Berlin 1828 ıc. E. Buchner. 
Thierarzneifunbe, Thierbeilfunft, Zooistrica, iſt jene, auf theoretifche 
Stundfäge, Erfahrungsregein und praftifche Fertigkeiten gegründete Lehre, welche 
die krankhaften org nge und Entwidelungen im thieriſchen Drganismus, fowie 
deren funftgemäße Behandlung zum Gegenftande bat — Krankheits- und 
Heilungslehre, Zoopatbologie u. Therapie — u. fidy zugleich über bie 
naturgemäße Lebensweife der Thiere, dern Wartung und Pflege — Diätetit, 
Gefundheitserhaltung — Prophylaktik — Fortpflanzung — Zudt 
— u. oͤkonomiſche Benügung verbreitet. In dieſer vielfeitigen Richtung gibt fie 
fowohl einen wichtigen Zweig der Heilfunde, als im Allgemeinen der Naturwiſſen⸗ 
ſchaft und Landwirihſchaft ab, der, zu einer felbfifländigen Doktrin erhoben, 
„Beterinärwiffenfchaft, ars veterinaria* heißt. Da aber die verfchies 
denen Shtergattungen in der Organifation, in der Funktion der einzelnen Drgane 
und deren Wechfelverbältniß, in der Lebensweife, fowie in der Empfänglichkeit 
zum Erkranken im Allgemeinen, der vorwaltenden Dispofition zu eigenthümlichen 
Krankheitszuftänden und deren eigenartigem Berlaufe und Gtärfe nicht minder, 
als in der größern oder geringen und eigenthümlichen Empfänglichfelt von 
einander abweichen, fo zerfällt viefe Wiflenichaft in dieſer Beziehung wie 
der in verſchiedene Zweige, deren vornehmfle find: die Pferdeheilkunſt 
(Hippiatrica), Maulthterheilfunft CMulomedicina), die Rindviehheils 
tunde (Buiatrica), die Schaafheilfunft (Probatiatrica oder Oiiatricay, die 
Ziegenheiltunft (Aigietrica), die Gchweineheilfunft CHyiatrica), die 
EI ebeilfunft (Kyniatrica), die Kapenheilfunft (Ailuriatrica), die 
ederviehs Bienens und Seidenraupenheilkunſt u. f. w., aufzu⸗ 
führen find. Das Studium der T. erfordert die nämlichen Vorbereitungs⸗ und 
ülfswifienfchaften, wie die Menichenheilfunde (f. Arzneifunde); Zootomie und 
Phyfiologie, Die Lehre von dem Erterieur, die Hufbefchlagfunft und Geſtütskunde, 
allgemeine Zoopathologie und Therapie, nebft Arzneimittellehre bilden ihre Grund⸗ 
lage, deren Ergebniffe die befondere Pathologie und Therapie, fowie deren Einzel⸗ 
theile, die Veterinär» Chirurgie und Ophthalmologie (Augenheillunde) find. Das 
gegen unterfcheivet fidy die 3. von der Menfchenheilfunde befonder bezüglich der 
Krankheitserkenniniß, einmal, weil bei den Thierkrankheiten faſt lediglich nur Die 
objektiven Krankheitserfcheinungen die hervortretenden find, da dem Thiere die 
MWortiprache fehlt und dadurch die klare Mittbeilung der fubjektiven Gefühle fehlt, 
indeß diefe auch beim Menfchen durch Täufchung und übertriebene Empfindlichkeit 
die Veranlaffung zu irriger Kranfhelisbeurtheilung werden fünnen; das andere 
Mal und vorzugsweife ift die Krankheitserkenntniß bei den Thieren leichter, ale 


Zhierarzueitunbe. 81 


beim Menſchen, weil bei dieſem bie ſenſitive Lebensſphäre, feiner mannigfachen 
Lebens verhaͤltniſſe wegen, das irritable und rein vegetative Leben beherrſcht und 
überwiegt, während das letztere beim Thiere das vorwaltende iR, ſowie das Thier 
bei feiner gewöhnlidy naturgemäßen Nahrungs⸗ und Lebenswelfe, ohne direkte 
Kırankheits- oder Schaͤdlichkeitseinwirkung, in feiner Integrität verharret und Ein- 
brüde fenfitiver Are ſich nicht überleben und überhaupt die Krankheiten bei den 
Thieren einer und derfelben Battung fich felten individualiſiren. Der Schwierig« 
keit im Individualiſiren einer und derſelben Krankheit nach den verfchiedenen 
conſtitutionellen und anderen Berhältniffen des menfchlidhen Organismus bei der 
Krantheitsbehandlung, dem tbieriichen, fich in viefer Beziehung faft fletö gleich 
bleibenden gegenüber, hält der Umftand die Wage, daß nicht nur eine und dieſelbe 
Krankheitsform bei den verſchiedenen Thiergattungen wefentlichen Modififationen 
mterliegt, ſondern auch ſelbſt ſchon, daß bei ihnen manche Arzneimittel in der 
Art und Stärke ihrer Wirkung variiren und fogar eine, oft ganz entgegengefchte, 
Wirfungöwelfe bervorriefen und daß operative und manuelle Gin fe i den 
Thieren, ihres flarken und oft gefährlichen Widerftandes willen, weit fchwieriger 
auszuführen find. — Wenn gleich in pinficht der Hetlobjelte die Menſchenheil⸗ 
funde einen höhern Rang einnimmt, fo iſt doch die T. für die materielle Wohlfahrt 
des Staates von fehr hohem Belange und in ihrer Rüdiwirkung auf die erflere 
von unverfennbarem Werthe, denn fe vollendet, in Verbindung mit der erftern, 
ein — Ganzes und begründet in der beiderſeitigen Abſtraktion das 
Intereſſanteſte der geſammten Heilkunde: die, erſt im ver neueſten Zeit zu einer 
eigenen Doctrin erhobene, „vergleichende Krankheits⸗ und Heitungdlehre, die Nas 
tmegefchichte der Krankheiten.” In dieſen letzteren Rüdfichten ift es fehr zu be 
Hagen, daß mandye Staaten noch fo wenig das weitere Emporkommen biefer, 
theilweife noch in ihrer Kindheit liegenden, dabei aber noch von ber Sofemfucht 
der Menfchenheilfunde fretern, auf reine Raturbetrachtung begründeten, Wiflenfchaft 
und des thierärztlichen Standes durch Bteichftelung in den Vortheilen, Rechten 
und Bergünftigungen mit der Menfchenheilfunde und jener ihrer Vertreter zu 
fördern bemüht find, während der Eifer fireng wiffenfchaftlich gebilveter Aerzte für 
diefelbe die höchfte Anerkennung verdient. — Die Geſchichte der T. verliert fidy, 
wie jene der Menfchenheilfunde (f. Arzneikunde), in das Dunkel der früheften 
Zeit. Man theilt fie in A Perloven. Die erfte Periode, beginnend von der 
Zeit an, wo der Menſch, in den Beſitz von Hausthieren gelangend, ven eigenen 
Juſtinkt der Thiere, oder die, an fich oder an diefen gemachten Erfahrungen bes 
nügend, durch Anwendung von Hellmitteln ihren Krankheiten entgegenzumirken bes 
müht war und hinabreicdhend bis zum 13. Jahrhundert, der Zeit des Wiederer- 
wachens eined vegern Cifers für die Wiffenichaften. Diefer große Zeitraum trug 
fehr wenig zur wiflenfchaftlichen oder praftifchen Förderung diefer Wiflenfchaften 
bei und ftellte faum mehr, denn auf unrichtige Beobachtung u. Bergleichung und 
meiftens nur auf Aberglauben begründete, Heilmittel den Pbierbefigern und den, 
fih fchon in den älteften Zeiten vorfindenden, Thlerärzten — tbierärztlichen Ems 
pirikern — zu Gebote Die erfte Andeutung über Thierkrankheiten gibt das 
2. Buch Mofis, 9. Kapitel und das 3. Buch, 22. Kap. Nach dem Ägyptiichen 
Zendavefta hatte die T. dort ſchon eine fehr frühzeitige Selbfiftänvigfeit erlangt, 
denn in diefem iſt fchon eine Art Tare enthalten; audy wurde dafelbft im 3. Jahr⸗ 
hundert v. Chr. von dem, zum Buddhathum befehrten, indiſchen Könige Aſoka 
oder Biyadafi die heilende pülfe bei erfranften Thieren, fo wie die Errichtung 
von Krankenhäufern für diefelben förmlich geboten. Indiſche Manufcripte über 
T. überfamen noch auf die neuere Zeit. In Griechenland hatte man mit Beginn 
der chriftlichen Zeitrechnung Tchierärzte, die großes Anfehen genofien, deren Werte 
jedoch größtentheild verloren gingen und nur in Bruchftüden noch eriftiren; fie 
reichen blos bis zum 5. Jahrhunderte. Sämmtlidy wurden diefelben im 10. Jahr⸗ 
hundert durch Kaifer Konftantin Borphyrogenitus gefammelt und man findet fie 
noch unter dem Titel: Twv inmarpıxWv Baia vw, Veterinariae medicine 
Realencpclopäbie X. 


82 Wierarzneikunde. 


libri duo, a Joanne Ruellio, Baſel 1538. Die darin genannten Schriftſteller 
find vorzugsweife: Emalius von Theben (d. &.), Stratonicus und Hieronymus aus 
Lybien, Abſyrtus, Hippofrate, ee Pelagonicus, Theomnefted, Aemilius 
aus Spanien, Africanus, Anatofius, Archidemus, Agathotycleus, Baretius, Caſ⸗ 
fius, Demofritus, Crianes, Hierokles, Nephon, Bamphilus, Pelagonius, Piftertus 
aus Sicilien, Litorius von Benevent, Mago, Tiberius u A. Die römifche Lite: 
ratur diefer Zeitepoche bietet wenig Werthvolles. Unter den Schriften aus der 
damaligen Zeit, die meiftene von Landwirthen verfaßt waren, find die von Colu⸗ 
mella die werthvollftien und verdienen ſpeziell hervorgehoben zu werden. Die 
zweite Periode der Beterinärgefchichte hebt mit Zordanus Rufus, dem Mars: 
[half des gelehrten Kaiſers Friedrich I. (+ 1250), ihrem erſten und wichtig⸗ 
ſten Schriftfieller, an. Defien Verdienſt befteht vorzugsweiſe in einer ausgezeichneten 
Darftellung der Fehler der Füße. Minder werthvoll erfcheinen die Schriften von 
dem faft gleichzeitig lebenven Aibertus Magnus oder Albert von Bolftädt, Bifchof 
von Regensburg. Einen interefianten Beitrag zu den Leiftungen in der 2. liefern 
die Schriften von Kaifer Friedrich IL. und jene des gricchifchen Arztes Demetrius 
Pepagomenus über die Krankheiten der damals für die Jagd gebrauchten Falten. 
Im 14. Jahrhundert war Laurent Ruftus (oder Ruzzius, Rufe ıc.), nach eigenen 
Beobachtungen bearbeitete, Hippfatrif die hervorragendſte Erfcheinung. Diefelbe 
diente lange Zeit in Italien, Frankreich u. a. a. O. als Hauptwerk für die Pferde⸗ 
heilfunde. Das 15. Jahrhundert war in Stalien minder fruchtbar an literaͤriſchen 
Reiftungen; im 16. dagegen zeichneten fi im Fache der 3. die Werke eines A. 
Magno, Baracciolo, Bonacoffa, Eito u. A. befonderd aus. In den übrigen 
Ländern ward bi6 zum 15. Jahrhundert die T. nicht zum @egenftande literäris 
her Beftrebungen gemacht, wo in Spanien Alphons V. durch feinen Major: 
domus, Manoel Diaz, und mit Hülfe der beten Thierärzte des Landes ein Werk 
hatte zufammenftelen laſſen, das unter tem Titel Libro de Albeyteria zu Sara⸗ 
goza 1495 erfchien und mehrere Auflagen erlebte. Hieraus, wie aus dem bald 
darauf erfchienenen Werfe „Libro de Albeyteria por de la Reyna“ und die, im 
16. Jahrhundert darauf folgenden, Schriften von Inbrabo Lopez de Gamora und 
Calvo erhellt zur Genuͤge, daß die T. in Spanien feinen unfruchtbaren Boden 
gefunden hatte. Die wenigen Schriften über T. und ihr geringer Werth lafjen 
erfennen, daß diefelbe in Frankteich im 15. und 16. Jahrhundert nicht befonders 
gepflegt worden if. Unbekannter noch war diefelbe zur damaligen Zeit in Eng⸗ 
land. Meiſtens waren es Italiener, welche dort die T. ausübten. In Deutfdy- 
land blieb diefe Wiffenfchaft fat gänzlich unbelannt, bis, vom 11. Jahrhunderte 
an, MWeberfegungen aus der griechiichen und lateiniſchen Beterinärliteratur ein 
regered Interefle für diefes Fach verrathen. Nachdem gegen Ende des 16. Jahr⸗ 
hunderts die Nothmwendigleit ded Studiums der Anatomie erkannt worden war 
u. hierüber verſchiedene Schriften, 3. B. Volcher Koyter's vergleichende Anatomie, 
Rürnb. 1573—75; Joh. Heroard's Hippofteologte, Paris 1599 und endlich 
Ruini's vorzüglidye Anatomia dell’ infirmita dell’ Cavallo, Bologna 1598 ıc. ers 
ſchienen waren, gewann in Deutfchland die T. einen höhern Aufkhwung, obwohl 
die Hortfchritte Immer noch gering waren, da die Wusübung nur von Stallmeiftern, 
Schmieden und Hirten gepflogen wurde. Am meiften zur Belehrung und Auf⸗ 
Härung in dieſem Fache trug Eolleyfel’8 „Le parfait Maröchal“, Paris 1664, 
audy in's Deutfche übertragen, bei. Auch noch mehre Arbeiten aus dieſer Zeit 
zeugen von einem wiedererwachten Sinne für das Studium der Ratur und der Krank⸗ 
heiten der Hausthiere. Ein reger Eifer für die T. erwachte mit dem 18. Jahrh. 
bei dem wiederholten Weiterverbreiten der Rinderpeſt über den größten Theil Curopa's. 
Die furchtbare Verheerung, welche dieſe Seuche anrichtete und die grängenlofe 
Berarmung in ihrem Gefolge machten den großen Mangel an einfichtövollen 
Thierärzten fehr fühlbar und ließen noch nebenbei den Uebelſtand befonders her⸗ 
vortreten, daß bisher nur die Pferde Gegenftand wiffenfchaftlicher und ärztlicher 
Bemühungen geweien find. Dabei erfannıen die Regierungen die niedere Bild⸗ 


Diuage LOFT PIETOEJEUME LETETIEN Tancin Una, IENIO INIOFDO all EPI- 
da Cavalli, Reapel 1712) und einige italieniſche und fpanifche Echrift- 
Damals fing in England die Zucht der Bollblutpferde an, ausgebreiteter und 
6 Land werthooller au werden, darum hob ſich auch dort das wifienfchafts 
Streben in der T. Die dortigen Leiftungen in der Literatur dieſes Faches 
2 zu den gelungeneren und hatten hauptſächlich Markham, Clarke, Gibſon, 
ı und Bartlett zu Verfaſſern, die, wie die meiften ihrer Nachfolger, zuerft 
gen waren. Srankreih machte zu diefer Zeit wenig Bortfchritie in der T. 
re nichts Neues. Deutfchland blieb ebenfo zurüd; dort lag die Ausübung 
wie im Mittelalter, in den Händen der Stalmeifter, Etallfncchte, Schmiede, 
„Abdeder und dergleichen und entbehrte aller Epuren wifienfchaftlidyen 
po, was auch kaum anders möglich war, weil diejenigen, weldye die thier- 
ye Praris üben wollten, nirgends einen gefegmäßigen Anhaltspunkt fanden. 
lebtere Umfand lich Bourgelat, Chef ber Nitterafademie zu Lyon, ven 
Ed Grricytung einer befondern Unterrichtdanftalt faflın und unter Beihilfe 
ven Flor des Aderbaues fchr thätigen, Minifters Bertin durch Eröffnung 
Ren Thierarzneifchule zu Lyon am 1. Januar 1762 und der zweiten ſolchen 
R gu Alfort dei Paris im Jahre 1765 verwirklichen. Wenn gleich bie 
quing diefer Anfalten und die in denfelben eingehaltene Bildungsrichtung 
Unterrichtöwelfe weniger geeignet war, mehr prakilſche, als theoretiiche Thier⸗ 
berporzubilden, fo gaben fie der T. doch neuen Auffhwung, denn es hatte 
B vie Schule zu Alfort europäiſchen Ruf erlangt und Kerzte aus allen 
em berbeigegogen, die von Regierungen gefendet waren, um nach diefem Mufter 
in der Heimath ſolche Inſtitute eingueichten: So entflanden die Thierarz⸗ 
ulen zu Turin, Padua, Reapel, Wien 1769, Kopenhagen 1773, Dresden 
Hannover 1780, München und Berlin 1790, London 1792, Madrid 1794, 
burg, Warburg, Stuttgart 1821, Karlerube, Würzburg, Züri, Bern, 
erin, Scara in Schweden, Peſth, Wilna, Peteröburg, Utrecht 1821, Tou⸗ 
1825, Cureghem bei Brürfel 1833 und In Abouzobal in Aegnpten 1828. 
Drganifation diefer Schulen hatte vieles, bei den melften heute noch bes 


84 Thierchemie— Thiere u. Tierreich. 


ſaͤmmtlicher Hausthiere, Klinik, Seuchenlehre, gerichtliche und polizeiliche Thier⸗ 
heilkunde. Die dazu verwendete Studienzeit muß mindeſtens ſechs Semeſter um⸗ 
faſſen; in den franzöfifchen Schulen beträgt fie acht, in der Berliner Schule für 
Threrärzte erfter Claſſe fieben, für die der zweiten Claſſe ſechs Semefter, wovon 
das legte Jahr hauptſaͤchlich dem Flintfchen Unterrichte gewidmet und alle Unters 
richtszweige, die praftifch gezeigt oder geübt werden können, mit Demonftrationen 
und praftifchen Uebungen verbunden Eon müflen, wozu den Lehranftalten bie 
nöthigen Mittel und Einrichtungen nicht abgehen dürfen, namentlich: phyſtkaliſche 
Sinftrumente, ein chemifches Laboratorium, ein Raturalienfabinet, ein botantfcher 
arten, Herbarien, Eecirfäle, Sammlungen von Efelettin, eine complete Samm⸗ 
lung chirurgiſcher Inftrumente und Bandagen, Schmiede und Hufelfenfammlung, 
Apotheke mit pharmokologiiher Sammlung, Kranfenftälle, freie und Rafenpläße 
und möglichft eine Heine Dleierei. — Ein vollſtändiges Verzeichniß der Literatur 
der allgemeinen Seite diefed Gegenflandes findet fidy im encyklopädiſchen Wörs 
terbuche der medizinifchen Wiflenfchaften von Buſch, Dieffenbdach, Heder, Horn, 
Jungker, Leuk und Müller, Berlin 1845, 33. Bo, ©. 509. u. 

Thierchemie, ſ. Chemie. 

Thierdienſt heißt die göttliche Verehrung gewiſſer Thiere, wie dieſelbe bei 
mehren Voͤlkern des Alterthums, namentlich bei den Aegyptern und Indiern, 
ſtattfand und noch jetzt in faſt allen heidniſchen Religionen vorkommt. Der 
Grund des T.s iſt beſonders in einer SEymboliſirung und In der Dankbarkeit der 
Menfchen gegen die Thiere zu fuchen, indem die einen ver verehrten Thiere das 
Land von verwüftendem und gefährlichem Ungeziefer befreiten, andere die menſch⸗ 
lichen Arbeiten unterftüßen. deß nicht ale Thiere, die man für heilig oder 
unverlegltch hielt, hatten audy einen Eultus. In Aegypten verehrte man theild 
gene TIhierarten (3. B. den Ibis, den bi. Käfer), theils einzelne Individu en ale 

epräfentanten der Oattung (3. B. den Ayis, Mnevis ıc.). Sichere Beweife von 
Cymboliftrung bei dem 3. find die thierföpfigen Gottheiten bei den 
Aegypten, 3. B. Anubis mit einem Hundo⸗, Oſiris mit einem Habichts⸗, Is 
mit einem Stierlopfe ꝛc. In Indien gibt es viele heil. Thiere, fo die großen 
bindoftanifchen Affen, von denen ganze Schaaren von den Braminen mit ehr 
erbletigen &eremonien gefüttert werden; ber Elephant, ald Symbol der Klugheit 
und Etärke (deren 8 follen die Erde tragen); der Schwan; ver Habicht, auf dem 
Wiſchnu reitet; der Käfer, defien Frumme Hörner u. Glanz der Ylügel die Sonne 
und die Planeten darftellen follen; der Rabe, ald Symbol der Seelen der Ber- 
ftorbenen (dem man Reif freut); der Oche, den Schiwa vorftellend; die Kuh, 
Eymbol der Allmutter Bhawant (wer eine Kuh tödtet, wird mit dem Tode bes 
ſtraft). — Das Heiligen gewifler Thiere für eine Bottheit, war auch der griecdhis 
ſchen Religion nicht fremd und felb die Griechen hielten Thiere heilig 
wegen ihres Rubens für menfchliche Werfe: fo die Athener den Stier, wegen 
des Ackerbaues. Auch die Lirthauer und Preußen hatten einen T. Selbſt 
der Aberglaube des chriſtlichen Volkes bindet noch manches Heilige an die 
Thierwelt: fo gilt der Rabe noch als weiflagend; der Storch und die Echwalbe 
Ki a den einer Feuersbrunft in einem Haufe verhindern, auf dem 
e ihr Neft haben. 

Thiere und Thierreih. Die Thiere bilden mit den ‘Pflanzen das Reich 
der organifchen oder belebten Raturkörper, die fi) von den unorgans 
ifchen oder leblofen Körpern, den Mineralien, dadurch unterfcheiden, daß 
fie aus ihrer äußern Umgebung Nahrungsftoffe aufnehmen und dieſe in ihrem 
Innern zu Säften umgeftalten; daß fie von Innen nad NAuffen wachen, uns 
brauchbare Stoffe abſcheiden, ihres Gleichen hervorzubringen vermögen; daß fie 
für die verfchiedenen Lebensverrichtungen cigens eingerichtete Werkzeuge, welche 
man Drgane nennt, beflgen und daß fie dem Tode unterworfen find. Scharf 
unterfcheiden ſich jedoch die Thiere wieder von den Pflanzen durch witlfürliche 
Bewegung und Empfindung; in dem Thiere fpricht fich eine gewifle Frei⸗ 


Thiere u. Thierreich. 85 


heit und Gefbfiflänbigfeit aus. Der Körper des Thieres ſteht nicht mehr, wie 
die Pflanze, srganifch mit der Erde in Verbindung; die tellurifchen Feffeln find 
gelöst, weil das Thier, auf organifche Rahrung hingewieſen, nur felten das 

ichende Duantum von Rahrungsftoff an Einer Stelle auffindet. Thiere, 
weidhe bievon eine Ausnahme machen, mie 3. B. die Polypen und viele Weich: 
tiere, haften nur mechaniſch an dem Boden; fte befigen immer Körpertheile, wie 
; 9. die Fangarme, welche ihrer Willfür in Bezug auf Bewegung unterworfen 
ind. Auſſer den eben aufgeführten Hauptunterfchieven zwiſchen Thieren und 
Banzen lafien fidy aber nody andere Unterfcheinungemerfmale angeben. Erftere be 
igen eine einzige Deffnung zur Aufnahme der Kahrung, den Mund, während 
istere hiezu Teine fidhtbare Oeffnung haben, fondern ihre Nahrung an verſchied⸗ 
am Stelien ihres Körpers aufiaugen. Jene bebürfen zu ihrer Nahrung in ber 
Kegel nicht nur luftförmiger und inne, fondern auch fifter Stoffe; dieſe da⸗ 
gegen Tönen nur luftförmige und flüffige Stoffe abforbiren, fefte aber erft dann, 
wenn ſie 3 in flüffige —* übergeführt wurden. Ferner hat die Bildung 
ver einzelnen Theile des Thieres nur In den erſten Lebensperioden ſtait; in den 
Vſanzen hingegen werben während der ganzen Lebenspauer immer wieder 
neue Theile entwidelt. Je höher und vollfommener die Formen der Thiere 
m Pllanzen auftreten, um fo entſchiedener offenbaren fidy Die Unterſchiede 
wilihen ibnen; die nieberfien Gebilde beider fcheinen vielfach in einander 
i Ob aber wirklich die Thierwelt in firenger Abgeſchiedenheit 
u ohne allen Uebergang der Pflanzenwelt gegenüber ſteht, darüber find die 
Sachten der Raturforfcher noch entgegengefeßter Art. Die Einen ſtellen vie 
Ochauptung auf, dag die niebrigften Organismen nicht veränderlidy zwifchen 
Dier⸗ und PilanzensRatur ſchwanken, fondern daß zwifchen dem Thiers und 
HManzensReidye eine fefte Gränze beftebe; die Anderen aber behaupten, daß ein 
wirflicher Uebergang von Thieren in Pflangen flattfinde. Lebteres wollten beſon⸗ 
ders im Der neueften Zeit mehre ausgezeichnete Forfcher im Bereiche der unvoll- 
Iommenften Organismen beobachtet haben und zwar zwifchen Infuforten (In⸗ 
fekenöihierchen) und Algen (irpptogamifchen Gewächfen, größtenthetld Waſſer⸗ 
Gewaͤchſen). Go beobachteten 3. V. Kübing, Thuret und ©. Yrefenius an 
Algen (Ulothrix zonata und Chaetophora), daß die, aus dem Zufammenbhange 
mis ver Pflanze gelösten, Fortpflanzungszellen fi) vollfommen wie Snfuforien 
umberbewegten, dann aber, als fie zur Ruhe gelangt waren, anfingen zu keimen 
aud wieder zur Alge wurden. *) Allen Sörperweien ift das Streben, fi in 
ihrem Beftande zu erhalten, eigen. Die Körper des unorganifchen Reiches zeigen 
dieſes Streben durch ihre Undurchdringlichkeit und Gohärenz an, in Dem organ 
iſchen Reiche drüdt es fich in ven Berrichtungen der Ernährung und der Bott 
Mungung aus. Thiere und Pflanzen haben daher die Organe der Ernährung 
md Bermehrung gemein ; da aber der Thierleib noch von dem ‘Brinzipe der 
Empfindung und Willlür belebt wird, fo müflen ihm auch noch Organe zus 
fommen, welche als Träger des Empfindend, des Wollend und der Bewegung 
erſcheinen. Diefe legteren Organe werden antmalifche oder thieriiche ge- 
nannt, weil fie, ven Thieren ausſchließlich zukommend, nur dem thierifchen Leben 
allein angehören; die erftleren Drgane bezeichnet man ald vegetative oder 
vflanzliche, um anzudeuten, daß fie fih auch in der Pflanze finden und daß 
im Thiere, neben dem eigentlichen Thierleben, auch fein erhaltender Grund, näm« 
lich das Pflanzenleben vorhanden fel. — Die vegetativen Organe theilen ſich 
nm dın Ernährungs-Apparat, der das Verdauungs⸗, Athmungeb- u. 
Gefäßſyſtem in fich fchließt und in den Fcrtpflanzungsapparat, der 


°), Naͤheres über diefen Außerfi wichtigen Gegenſtand geben folgende Schriften: Unger, „Die 
Pflanze im Momente der Thierwerdung,“ 1843; Kübing, „Ueber die Berwanplung der 
Sufsjorien in niedere Algenformen,“ 1844; v. Siebuld, „De finibus inter regnum animale 
es vegetabile constituendis,‘ 1844. 


86 Thiere u. Thierreich. 


die Geſchlechtsorgane in fich begreift. Das ganze Verdauungsſyſtem 
beſteht im Allgemeinen aus einem Kanal oder Schlauch (Darmkanal), der 
mit dem Munde beginnt und mit dem After endigt; alle Nahrung, welche das 
Thier durch den Mund aufnimmt, wird in dieſem Kanal in der Weiſe umge⸗ 
ändert, daß die eigentlich ernährenden Stoffe für den Körper abgeſezt, die un⸗ 
nützen Dagegen burdy den After audgefchieden werben. Der Darmfanal ſelbſt 
befteht wieder auß der Speiferöhre, dem Magen, dem Dünn= und dem 
Didvarm. Im Munde werden die Speifen mit Hülfe der Zähne zerkleinert 
oder gefaut und hiebet mit dem, aus den Speicheldrüſen abgefenderten, Epeidkel 
ſchlůpfrig gemacht, damit fie leichter durch den Schlund in die Epeiferöhre bins 
abgleiten koͤnnen. Diefe, der Anfang des häutigen Darmfanald, geht entweder 
unmittelbar in den Magen über, oder bildet bei manchen Thieren, wie bei vielen 
Vögeln, den Kropf oder Bormagen. Im Magen werden die Speifen völlig 
zu einem Brei, dem Speiſebrei (Chymus) unter Mitwirfung des fauern 
Magenfaftes, aufgelöst. Die meiften Säugethiere ftiimmen im Bau des Magens 
nit dem Menfchen überein; die Wiederkäuer jedoch befigen einen vierfa 
Magen, deſſen erfte Abtheilung, der Banjan, die größte if. Hieran fchließt 
fih der Negmagen oder die Haube, auegezeichnet durch fehr regelmäßig 
fechöcdige Hauptzellen im Innern; dann der dritte Magen, megen feiner blätter- 
förmigen Falten der Blättermagen oder Pfalter genannt; endlich der vierte 
Magen, welcher Labmagen heißt und ganz die Einrichtung der Mägen aller 
anderen Säugethiere bat. Unterhalb des Magens verengert der Darmkanal 
zu dem Dünndarm (Zwölffingerbarm), wo durch die Bermittelung der, von der 
Leber abgefonderten, Galle und des Bauchfpeicheld die Abſcheidung des Speife- 
breied in den Spetfefaft (Chylus) und Koth vor fi) geht. Der rein ausge⸗ 
ſchiedene Speifes oder Mildyfaft wird von Säugeadern aufgefogen und dem 
Blute zugeführt, der Koth aber wird durdy den Didvarm vom After aus dem 
Körper entfernt. Durch das Athmen fol das Blut, weldyes auf feinem befländ- 
igen Kreislaufe durch alle Körpertheile unrein und dunkler gefärbt wurde, mit ber 
atmofphärifchen Luft in Berührung gebracht und dadurch gereinigt werben. Hiezu 
dient dad Athmungsfyftem, welches aus der Ruftröhre und den Lungen 
befteht. Die Luftröhre, ein walzenförmiger Kanal, nimmt im Halfe vor ber 
Speiferöhre ihren Anfang und reicht bio zu der Runge, in deren Nähe fie ſich 
in zwei Aeſte (Bronchien) für die beiden Lungenflügel fpaltet. Diefe beiden 
Zungen find fchwammige Gebilde und enthalten die feinſten Verzweigungen ber 
Luftröhre. Das Blut kommt hier in eine allfeitige, innige Berührung mit der ats 
mofpbärtfchen Luft, welche einen ihrer Beftanptbeife, den Sauerftoff, an das 
Blut abgibt; diejed dagegen dunftet eine andere Luftart, die Kohlenfäure, ab, 
weiche beim Ausdathmen aus dem Körper entfernt wird. Die Funktion, welche 
bei den Landthieren die Lungen ausüben, haben bei den Waflerthieren die Kie⸗ 
men. Manche Amphibien befigen Lungen und Kiemen und athmen durch beide 
a lid. Bei den Inſekten flellt das Athmungsſyſtem eine Verbindung von 
uftrößren (Tracheen) dar, welche fidy im ganzen Körper verzweigen und burdy 
Luftlöcher (stigmata), die Communifation der atmofphäriichen Luft mit dem 
Blute vermittein. Das Gefäßſyſtem befteht aus zwei Thellen, nämlich dem 
Herzen und den Capillar- over HaarsGefäßen; beide find durch vielfach 
veräftelte Gefäße mit einander verbunden. Die einen Gefäße leiten das, zur 
Nahrung des ganzen Körpers dienliche, Blut von dem Herzen nady allen Körpers 
tbeilen und heißen Arterien; vie anderen führen das verunreinigte Blut zum 
Herzen zurüd und werden Venen genannt. Bel jenen Thieren, welche mit 
einem Snochenffelete verfehen find, bat dad Herz die befannte Geftalt, tft von 
dider, fleifchtger Beichaffenheit u. führt immer rothes Blut; bei Thieren niederer 
Organiſation dagegen findet es fid von fehr abweichender Geftalt und führt, 
ftatt des Blutes, nur einen mehr oder minder gefärbten Saft. Den Würmern 
fehlt das Herz ganz. Jenes der Säugethiere und der Vögel befteht aus zwei 


100. 


Thiere u, Thierreich. 87 


ortammernu. zwei eigentlichen Herzfammern; vie Fiſche befigen ein Her; 
t einer Borfammer und einer eigentlichen Kammer. Bet den, durch Lungen 
ıd Kiemen zugleich athmenden Ampbibien beſteht dieſes Drgan aus einer eins 
hen Herzlammer und aus zwei Borhöfen oder Vorkammern. Die Infekten 
#gen unmittelbar unter der Außern Bedeckung des Rüdens ein röhrenähnliches 
up, welches ſich faſt durch die ganze Länge des Körpers hinzieht, die Funktion 
s Herzend hat und Rüdengefäß genannt wird. Bei den höheren Thieren 
die Blutcirculation eine doppelte; man unterfcheidet nämlich einen großen 
» einen Fleinen Kreislauf. Sobald der Milch⸗ oder Epeifefart abge: 
ieden und dem Blute zugeführt wird, nimmt er auch alsbald die rothe Farbe 
» übrige Beichaffenheit des lehtern an. Diefed, der eigentliche, unmittelbare 
ihrungsitoff für alle Theile des Körpers, befteht aus zwei Theilen, aus einer 
en Ylüjfigkeit, dem fogenannten Blutwaffer und aus unzähligen rothen, 
ebenförmigen Blutförperchen, den Blutfügelhen over Blurbläschen. 
ne fortwährende Strömung wird durch abwechfelnde Zufammenziehungen und 
Wdehnungen des Herzens verurfacht, was in der Weife gefchieht, daß, während 
e Herzfammern ſich zufammenzieben und das in ihnen enthaltene Blut in die 
sterten treiben, die Vorkammern gleichzeitig fi) auspchnen und daß, von den 
onen berbeigeführte, Blut aufnehmen. Bon der linfen Herzkammer wird naͤm⸗ 
dh da6 Blut in die bei ihr beginnende Schlagader (Aorta) geftoßen, welche 
dann durch vielfacye Aefte und Zweige (Arterien) im ganzen Körper vertheilt. 
ahdem das arterielle Blut überall den nothwendigen Nahtungsftoff abgeiebt 
u, tritt es unmittelbar in die Venen über, welche lich aus allen Störpertbeilen 
legt in einen oder mehre große Stämme (die Hohladern) vereinigen, vermittelft 
mm nun das Blut in die rechte Borfammer und von bier durch eine Klappe 
die rechte Herzlammer gelangt. Diefer Kreislauf des Blutes wird der große 
nannt. Aus der erfien Herzfammer wird dad Blut durch die Rungenarterien 
a Lungen zugebracht; von dort fehrt es gereinigt durch die Lungenvenen im bie 
nte Borfammer zurüd und geht dann in die linfe Herzkammer über. “Diefer 
treislauf beißt der Feine. Die Fortpflanzung gefchieht in der Regel dadurch, 
a5 das Thier Gier legt, aus welchen die Zungen nady einiger Zeit zum Vor⸗ 
deine fommen. Lebendige Junge gebären vorzugdweile die Eäugethiere und 
nige der niederfien Thiere pflanzen ſich auch durch Thellung und Knospen» 
ldung fort; bei diefen bat man noch feine Geſchlechtsorgane entdeckt. Den 
yaupriheil des Kortpflanzungsapparates der weiblichen Thiere bilvet der 
ierſtock. Diefer bildet bei den Säugethieren einen rundlichen Körper, in 
welchem die kaum fichtbaren Eichen liegen; bei den Vögeln ift er Hein und traus 
mförmig und trägt Die, geftielten Beeren ähnlicyen Dotter, welche gere durch 
ne trichterförmige Röhre in den Eiergang gelangen, wo fie den Eimeißüberzug 
nd die Kalffchale erhalten und dann ald Eier durdy die Cloake (eine blafens 
rmige Erweiterung des Darmfanald vor dem After), aus dem Körper kommen. 
‘ie Eierſtöcke der Inſekten find von mannigfaltiger Geftalt; alle aber haben vie 
zrundform fänglicher, blindendigender Schläuche, weldye die aneinandergereihten 
irfeime einfchließen u. ſich nach hinten zu einem gemeinfchaftlichen, nady Außen 
ündenden, @iergange vereinigen. Bel den männlidyen Yortpflanzungdorganen 
nd von befonderer Wichtigkeit die Hoden oder Teſtikeln, welche das 
:perma, eine ſtark riechende, fchleimige Flüffigkeit, zur Befruchtung der Eier, 
biondern. — Die animalifhen Organe zerfallen in das Nerven⸗ und 
innenfyflem und in das Knochen: u. Musgfelivftem. Das Nerven« 
„Rem ift der Vermittler zwifchen der Seele und dem Körper des Thieres. Es 
itebt aus dem Gehirn, dem Rüdenmarf und den Nerven. Das Gehirn 
t eine zähe, de Eubftanz, welche von drei Häuten umfchloffen wird und 
ei den, mit Knochenffelet verfehenen, Thieren ihren Sit in der Schävelhöhle 
u; es zerfällt in das große und Fleine Gehirn, von denen das erftere Den 
ordern Theil, das legtere den hintern Theil der Höhlung einnimmt. Als eine 


88 Ihiere u. Thierreich. 


Bortfegumg des Tleinen Gehirns if das Rüdenmark zu betrachten, welches tm 
dem 

Die Nerven ftellen weiße, marfige Fäden dar, die von gefäßreichen dünnen 
Scheiden umgeben find. Sie haben ihren Mittelpunft in dem Gehime und in 


anale der Wirbelfäule Hinläuft und zu beiden Seiten Nerven ausfchidt. : 


dem Rüdenmarl und verbreiten fich in alle Organe des Körpers. Man ımters . 


fheivet Sin nes⸗, Bewegungs⸗- und Unterleibsnerven. Die Sinne - 
nerven entipringen größtentheild aus dem Gehirne und vermitteln durch ihre . 
Fortfegung in die Sinnesorgane die Wahrnehmung äußerer Gegenflände. Die . 
Bewegungsnerven kommen größtentheild aus dem Nüdenmarfe und vermitteln . 

Ihre Fortfegung in die Muskeln die willfürliche Bewegung. Die Unter . 
leibsnerven machen eine befondere Korm des Nervenfuftemd (das Ganglienfyſten) 


durch 





aus; fie zeichnen ſich durch ſtellenweiſe Anſchwellungen (Rervenknoten, Ganglien) 


aus, ſtehen mit dem Gehirne und dem Rückenmarke in Verbindung, vermitteln 


pie unmwillfürliche Bewegung verfchievener Organe, 3. B. die des Herzens, ver . 


Lungen und erregen nur im krampfhaft gereizsten Zuftande eine Empfindung. 
Ein ausgebildetes Nervenſyſtem befigen blos die höheren Thiere; bei nicveren 
Shlerformen verfümmert ober verfchwindet das große Gehirn ganz; manchmal 
je 


gt fi nur mehr ein Ganglienfyftem, oder auch bloß zerfireute Rervenfänen. 


Das Sinnenſyſtem bevingt die Wirffamfelt der Sinnesorgane, weldhe . 


eine beftimmte Form der Wahrnehmung von der äußern Umgebung bervorbringen. 


Man unterfcheivet den Taffinn oder das Gefühl, ven Gefhmad, den 
Geruch, das Gehör und das Geſicht. Während der Sit für den Taffinn 


IN. 


in jeder nicht allzuharten, nervenreichen Haut ift, find für die übrigen Sinne 
die befannten Organe vorhanden. Als Taftorgane dienen manchen Thieren au 
noch andere Körpertheile, den Säugethieren 5. B. die Oberlippe, die Nafe, der 

Nüffel; manchen Bögeln die nervenreiche Schnabelhaut; den Inſekten die Kühle 
hörner u. R w. Nicht alle Thiere befigen fämmtliche Sinnesorgane, auch iſt die 


Bildung d 


er nicht bei allen Thieren glei. So tft die Zunge bei den meiften. : 


Bögeln, bet Amphibien und Fiſchen wegen ihrer hornartigen und Tnorpeligen 
Beichaffenheit nicht mehr brauchbar als Organ des Gefchmadee. Das Geruch⸗s⸗ 
organ ift am vollfommenften bei den Säugethieren, bei den Vögeln dagegen 


ſchon minder ausgebildet und tritt bei den Amphibien und Fiſchen ganz zurüd 
andere Thiere, wie Schneden, Krebfe und die meiften Infekten, find der Geruchs⸗ 
empfindung fähig, aber das Geruchsorgan felbft iſt bei ihnen noch zweifelhaft. 
Vom Gehörorgane findet man bei fehr vielen Thieren wenig oder Nichts mehr 
nach außen, obmohl ni die innere Einrichtung des Ohres vorhanden ift; bei den 
meiften Mollusfen und Infekten if ſelbſt feine Spur mehr von einem befondern 
Gehörapparat vorhanden, dennoch fcheinen dieſe Thiere nicht ganz unempfindlich 
gegen den Edyall zu ſeyn; bei den Zoophyten endlich und mehren anderen fehr 
niederen Thieren Icpeint diefer Sinn fogar gänzlich zu fehlen. Das Geſichts⸗ 
organ tft bet den Vögeln am ausgebilvetfien, fowie audy da® Auge der Säuge⸗ 
thiere, welches mit dem des Menfchen im Wefentlichen übereinftimmt, von ber 
größten Bolllommenheit zeugt; bei vielen Infekten findet man zufammengefeßte u. 
einfache Augen und vicle andere Thiere fcheinen wieder ganz blind zu ſeyn, wie 
einige Kruftenthiere, Eingeweidewürmer ıc. Manche Augen mögen, ihrem eins 
fachen Baue nad) zu fchließen, nur auf Unterſcheidung zwiichen Licht und Finfter- 
niß berechnet feyn, wie 3. B. bei vielen Ringelmürmern. Bei mehren Infuforien 
findet man auf der Oberfelte des Vorderkörpers einen oder einige Bunfte, die 
man auch nody für Augen hält. Unter Knochenfyftem verfieht man vie här⸗ 
teften und fefteften Theile des Tchierförpers, welche ven weichen Theilen zur An⸗ 
lage und Stüge und bei der Bewegung als Hebel dienen. Es bildet gleichfam 
dad Gerüſt des ganzen Körpers der Wirbele oder Skelettbiere (Säugethiere, 
Bögel, Amphibien und Fifche) und heißt, in feinem Zufammenhange betrachtet, 
das Berippe oder Sfelet. Die Knochen find Anfangs nur Knorpel; nad) 
und nach lagert ſich aber in dieſen phosphorfaure Kalferve ab, was eine als 


Thiere u. Thierreich. 89 


Age Erbärtung herbeiführt. Alle Knochen, mit Ausnahme der Zähne, find 
on der fogenannten Beinhaut (Knocdyenhaut) überzogen, in welcher feine Ner⸗ 
en u. Blutgefäße verlaufen, welche Nahrung zuführen; inwendig find fie größten; 
beils hohl und mit einer Öligsfettigen Subftanz, dem Marke, auögefült. Der 
Behalt nach laſſen ſich die Knochen in drei Gruppen bringen und zwar: in 
undliche, wie bie Knochen der Hands und Fußwurzel, der Kniefcheibe; in 
töbrenfnochen, die Knochen der Gliedmaſſen; in flache, das Schulterblatt, 
jraßbein, die Rippen sc. Die Darftellung des Knochenbaues der einzelnen Thier⸗ 
offen muß wegen ber großen Munnigfaltigfeit, welche durch Die verfchiedene 
tendweije bedingt wird, dem anatomifchen Theile der fpeziellen Befchreibungen 
berlafien werden. Bon dem Knochenfkelete der Wirbelthiere müflen jene feiten 
Rafien der wirbellofen Thiere umterfchieren werben, die meift nur nach Aufſen 
tegen und den Muskeln und übrigen Weichtheilen als Anbeftungepunfke und 
Srägen dienen. So iſt 5. B. das Skelet der Gliederthiere nur eine röhrenartige, 
ns mehren ringförmigen Abfchniiten beftchende Hülle, welche in ihrem Innern 
ie Musfel befeftigt hält und die Ertremitäten umfchlieft. Unter Muskel⸗ 
stem verſteht man die Anordnung der fleifchigen Theile im Thierkoͤrper. Die 
Rusteln beftehen aus weichen, biegfamen, parallel neben einander liegenden Fa⸗ 
em, die wieder in Heinere und größere Bündel vereinigt find. An den Enden 
erden Die Muskeln ſchmäler und gehen in Slechfen over Sehnen über, 
ziel Deren die meiften Muskeln an zwei verichievenen Knochen befeftigt find. 
Durch beſonders fräftigen Musfelbau zeichnen ſich die Raubihiere aus, bei denen 
ie Raus und Schläfemusfeln ſtark entwidelt find; ferner auch. die geweihs und 
irnertragenben Säugethiere, deren Nadenmußfeln befonvers ftarfe Entwidelung 
kigen. den Bögeln indgefammt find die Bruftinusfeln u. die übrigen, zur 
Bewegung der Flügel beftimmten, Musfeln befonderd ausgebildet. Größere 
Rinnigfaltigkeit bietet die Muskulatur der Amphibien dar; die ſchwimmenden 
sehgen kräftige Seitenmusfeln zur Bemegung im Waſſer; bei den Yröfchen und 
Echlangen find die Kopf⸗ und Kiefermusfeln befonder® ſtark entwidelt u. f. w. 
Ba ven Fifchen find auch die Seitenmusfeln, welche überhaupt den größten 
Theil der Fleiſchmaſſe ausmachen, von flärffier Entwidelung. Unter den wirbels 
loſen Thieren zeigen die Gliederthiere, beſonders die Infeften und Kruftenthiere, 
eine flarfe Ausbildung des Muskelſyſtens. Sowohl im Thier⸗ als Pflanzens 
Körper finden ſich ald chemifche Haupt» Beftandtheile: Kohlenftoff, Waffers 
hoff, Sauerfoff und Stidftoff; letzterer aber in ungleich größerer Menge 
bi ven Thieren, als bei den Pflanzen. Diefe chemifchen Grundftoffe oder Ele⸗ 
ante gehen im Thierförper unter fidy mannigfache Verbindungen ein und bilden 
dadich: thierifche Säuren, wie Harn⸗, Gallen⸗, Butter, Talgs und Del 
Säure; zuderartige Subflanzen, wie den Milchzuder; Ertraktivftoffe, 
mie den Thierfchleim, den Speichelftoff, ven Thierleim ıc.; flüchtig-ölige Sub⸗ 
Ranzen, wie im Mofchus ıc.; fettigsölige Subflanzen, wie den Talgſtoff 
(Etearin), den Delfloff (Elain), das Wallrathfett (Betin), das Butterfett (Bus 
wrin) ıc. Die Thiere befigen eine Scele; fie verleiht denſelben Anfcyauungen 
äußerer Gegenſtände, Gefühle des eigenen Zuftandes, ein Erinnerungsvermögen 
an früher wahrgenommene Eindrüde und enthält den Grund zu ſolchen forper- 
lichen Bewegungen, welche entweder durch di eſe Kräfte, oder durch den Inſtinkt 
reranlaßt werden. Urtheiläfraft, Selbfibemußtfein u. Vernunft fehlen den Thieren. 
Tem Menfchen liefert das Thierreidh einen großen Theil feiner Nahrung und 
Kleidung, wie auch Arzneiftoffe.e Zur Nahrung dienen vorzüglich Eäugethiere 
end zwar befonders die Wiederfäuer und das Schwein; von rohen Bölfern 
werden felbft Schlangen und Epinnen gegeſſen. Zu Kleidungdftoffen wird das 
Velzwerk der Raubthiere, die Wolle und das Leder der Wiederkäuer, die Seide 
der Eeidenraupe gebraucht. Als Arzneiftoffe find wichtig: Mofchus, Bichergeil, 
Zibeih, Leberthran, Ameifenfäure ıc. Giftige Arten finden fidy weder unter den 
Säugetbieren, noch unter den Vögeln. — Was die geographifche Verbreitung der 


90 Thieriſcher Magnetismus — Thiermalerei. 


Thiere betrifft, fo ift die Zahl der Gattungen, Arten und Individuen innerhalb 
der heißen Zone am größten ; überbieß zeichnen fich die dort einheimifchen Thiere 
im Allgemeinen durdy bedeutenvdere Größe, mannigfachen Formenreichthum und 


Sarbenpracht aus, wie wir an den Glephanten, Giraffen, Straußen und anderen 


Vögeln, Krofodilen, Rieſenſchlangen, Schmetterlingen und vielen anderen Thieren 


der Tropens@egenden fehen. Nicht wenige Thiere kommen nur gewiffen Erd⸗ 


theilen oder Länderftrichen eigenthümlich zu: fo bat Amerifa die Faulthierc, 
Gnäbelthiere, Amelfenbären, den Trompetervogel, die Eolibri, die Klapper 
ſchlangen ꝛc.; Afrika feine Affen, als Paviane, Deerlapen x., eine Elephanten⸗ 


art, die Giraffe, eine Lowenart und eine Straußenart; 


uftralien das Schnabels 


thier und das Etacheltbier u. f. w. — Die bekannten Arten von Thieren gibt : 
man auf 114 — 120,000 an. Sie werden, nady der ſtufenweiſen Entwidelung 
der vier organifchen Eyfteme, welche der Empfindung, der Bewegung, der Ers 


näbrung und Vermehrung dienen, in vier Hauptgruppen getheilt, welche (nad 


Cuvier Strahlthiere, Weichthiere, Glieverthiere und Wirbelthiere 


eißen. C. Arendis. 
Tpierifcher Magnetismus, ſ. Magnetismus. 


Thierkreis, oder Zod iakus heißt eine der EFliptifcf.d.), parallele Zone 
der Himmelöfugel, deren Gränzen um 23° 28° nords und ſüdwärts von ber 


Ekliptik abftehen, die michin eine Breite von 46° 56° hat. Der Zodiakus ent« 
hält 12 Sternbilder, die mit den 12 Zeichen der Ekliptik dj. d.) einerle 
Ramen führen, die jedoch von jenen gar wohl zu unterfcheiven find. Während 


jeded Zeichen genau 30 Grade enthält, find die Eternbilder felbft von ziemlich 


ungleicher Länge; es erfiredt fidy nämlich: 


das Sternbild: hat alfo eine Länge von 
Widder von 23° Y „ 21° Y 23 Graden Ä 
Eier „183%. RR UO 34 — 
Zwillinge „ 28 D „5 & 27 — 
Krebs „ 48 „ 12 89 2A — 
Löwe „ 13 fe} „ 2 m 39 — 
Jungfrau „Sm „ 6 & 0 — 
age n TE. 27 m 20 — 
Eforpion „ 25 m „ 20 25 — 
Schüpe „ 23 „ 23 %& 3 — 
Steinbock „3b 23 25 — 
Waffermanın „ 18% „ 15 % 27 — 
| % 8. V 43 


ifche „ „2 — 

Dieſe Vorruͤckung hat ihren Grund in dem Vorrücken ver Radtgleichen 
(f.d.). Im höchſten Alterthume ftanden gleichnamige Zeichen und Bilder beifams 
men. Den Namen T. hat diefe Zone von dem Umſtande erhalten, daß die mei⸗ 
fien der 12 Eternbilver Thiere vorftellen. Die Alten hatten den Zodiafus als 
den Raum des geftirnten Himmels bezeichnet, innerhalb deſſen der Lauf der Plas 
neten, von der Erde aus geleden, vor fich geht; allein man weiß jebt, daß die vier 
neuen Planeten u. unter ihnen befonders die Pallas, ſich in ihren geocentrifchen 
Orten jehr weit von den Graͤnzen des T.es entfernen fonnen. Gauß bat auf 
eine fehr finnreiche Weife die Bränzen, welche die neuen Plancten erreichen Fön- 
nen, beſtimmt u. Harding hiernach feine fchönen Charten der Zodiakalſterne ents 
worfen. — Man findet die Eftiptif und den T. auf den Sterndyarten ſowohl, 
als auf den Oimmeiefugeln, gewöhnlich noch mit den Breitegraden verzeichnet. 
Ueber die aftrologifche Wichtigfeit des Tes vergleiche man die Art. Aſpekten, 
Häufer und Nativität. 

Thiermalerei, Thierſtücke, find malerifche Darftellungen verſchiedener Thiere, 
infofern biele den Hauptgegenftand ausmachen. Die fünftlerifche Bedeutung liegt 
bier allein in dem friedlichen oder feindlichen Verhaͤltniſſe verfelben zu anderen 
Thieren, zu dem Menfchen und zu der Natur, in welchem ſich ihr eigenihüms 


a I 


a% “un 


Thierry. 91 


ber Charalter am entſchiedenſten ausſpricht. Außerhalb dieſer Beziehung erblicken 
ir Abbüdungen der Thiere entweder nur im Gebiete des Praltiſchen, oder des 
An Wiſſenſchaftlichen. Uebrigens lönnen die Thiere, ihrem Charakter nach, in 
z Rube u. in der Bewegung, 3. B. in Jagden und Kämpfen, abgebildet wer⸗ 
en, eder auch als Allegorie dienen. Trefflihe Tihiermaler in den erwähnten 
ihrmgen find: Rubens mit feiner berühmten Löwenjagd; Johann Straet, Franz 
wuder®, Johann Weenins, Sohn des Johann Bapuſt, Wouvermann, Hondes 
ar, Paul Porter, Adrian van der Belde, Johann Heinrich Roos, Gotifried 
ab und unter den heutigen insbeſondere Friedrich Gaͤuermann. 

Thierry, Auguftin, geboren zu Blois 1795, der Angehörige einer armen 
mitte, ſtudirte zuerft in dem Collegium feiner Baterfladt, trat 1311 in die 
ormalichule umd wurde, nachdem er zwei Jahre dafelbft geweſen, zum Profeſſor 
ı einem PBrovinzialcollegtum ernannt. Die Invaſion von 1814 führte ihn nad) 
aris zurüd, wo er ſich aid Eekrerär und Echüler enge an ben Grafen Saint 
tmen (f. d.) anſchloß. In dieſem Verhältniſſe beiheiligte er fih 1815 an 
im Schriften und veröffentlichte 1816 auch eine felbfiftändige Arbeit „Des 
tions et de leurs rapports mutuels“. Weil er die Träumereien des Meiſters 
nfab und die politifche Freiheit im Auge hatte, trennte er ſich 1817 von Saint 
mon und wurde Mitarbeiter an dem, von Comte und Dunoyer rebdigirten, 
ontnal „Censeur europsen“. Nachdem dieſes Blatt eingegangen, betheiligte cr 
& an dem „Courrier frangais“, in welchem er 1820 zehn Briefe über die franz 
Kiche Geſchichte veröffentlichte, die ſchon die Grundfäge feiner künftigen Wirk 
zafcit enthielten und Auffchen machten. Wie alle jugendliche, von Freiheitsideen 
rfüßte, Geiſter blieb auch T. während der Reftaurationdepoche jedem öffentlichen 
Birfungefreife fern. Dafür warf cr ſich mit größter Ausdauer auf gefchichtliche 
zwsien und erwarb fich nicht nur tiefe Kenntniſſe, fondern auch jelbftftändige 
Infichten über die Behandlung der Geſchichtswiſſenſchaft. Er fand in der eng- 
iſchen und franzöſiſchen Geſchichte, der er fidy befonders widmete, den Schlüffel 
far Geſtaltung aller bürgerlichen und flaatlicdyen Verhältniffe in dem Gegenſatze 
der erobernden zu den unterworfenen Racen. Die PBrätenfionen der Adels⸗ und 
Donafengefchlechter fielen ihm vor diefen Unterfuchungen zufummen. Er fah 
erner ein, daß der äußerliche Pragmatismus, den die Gejchichtöfchreibung ges 
wöhntich verfolgt, durchaus die hiftorifche Wahrheit nicht an das Licht fördern 
Tone. Bon tüchtigen Forfchungen, einer lebhaften Phantafle und allgemeiner 
Biltung unterflügt, wendete er fi) darum einer Acht wifienfchaftlichen, ver gene: 
titen Meihode zu, die für die Engländer, wie Yranzofen, neu war und von 
‚gieren gewöhnlidy die befchreibende oder pittoreöfe genannt wird. Daß erfte 
Refulsar feiner ernften Beftrebungen war die „Histoire de la conguete de l’Angle- 
erre par les Normands“ 4 Bre., Paris 1825 und öfter; deutfch von Bolzenihal, 
’ Bpe., Berlin 1830 — 1831). Der Fleiß, wie die neue Anfchauungsweife dieſer 
Irbeit machten in England und Frankreich großes Aufichen. In erweiterter 
form lich er bierauf die erwähnten Briefe unter dem Titel „Lettres sur V’histoire 
'e France,“ Paris 1827 u. öfters, erfcheinen. In Folge der anhaltenden Stu⸗ 
ien verlor T. um diefe Zeit faft gänzlich die Sehkraft und wurde noch außerdem 
on einer Nervenkrankheit heimgefucht. Er ertrug dieſe Leiden nicht nur mit phi⸗ 
ſophiſchem Muthe, fondern behielt auch die Begeifterung für die Wiffenfchaft und 
sie feine Arbeiten an der Hand feiner Freunde fort. Im Jahre 1830 wählte 
san ihn zum Mitglieve der Akademie. Bon 1831 — 1835 hielt fi) T. bald in 
em Bädern von Lureuil, bald zu Veſoul bei feinem Bruder auf. Mit des lettern 
Beihilfe gab er 1835 „Dix ans d’etudes historiques* heraus, eine Reihe von 
refflichen Auffäßen, die aus feinen früheren Forſchungen hervorgingen. Um biefe 
zeit rief ibn Guizot, der damals Minifter des öffentlichen Unterrichtes war, nad) 
Barid und übertrug ihm die Herausgabe eined „Recueil des monuments de 
tistoire du tiers-etat“, welches Werf einen Theil der „Collation des docu- 
nents inedils de 'histoire de France“ bilden wird. Im Jahre 1840 veröffent⸗ 


92 Tyiers. 


lichte T. „Réoits des temps mörovingiens, ‚gröcdden de considerations sur 

!’histoire de France“, wobei er zugleich in der Vorrede fehr intereffante Aufichlüffe 
über den Bang feiner Studien und über feine Perfönlichfeit gab. Die Akademie 
erfannte Ihm für das Werk einen ihrer Preife zu. Zu dem phyflfchen Leiden 3.8 
efellte ich in den legten Jahren noch der Berluft feiner nächften Freunde: ber 
od Armand Garrel’d, des Philologen Fauriel und feiner Gattin, die ihn 
fämmtliche in feinen Arbeiten unterflügt hatten. — Eeine Gattin Julie, geborene de 
Dusrangal, farb am 10. Juni 1844. Diefelbe vermäblte ſich mit dem bereits 
erblindeten 3. 1831 und machte fi in ver Iiterarifchen Welt befannt durch 
„Scenes de moeurs aux i8me et 19me siecles“ mit einer Einleitung von ihrem 
Gatten, Parts 1836, ſowie durch mehre geiftoolle Auffäbe in der „Revue des 
deux mondes“. — Amédé T., des Vorigen Bruder u. Beifeögenofie, war vor 
der Zulırevolution Brofefior; nachher erhielt er durch feine Verbindungen mit den 
Doktrinairs das Amt eines Präfeften im Departement Saone. Er ıft der Ber- 
faffer eines „Resume de l’histoire de la Guyenne* Paris 1826 und einer treff- 
liyen „Histoire des Gaulois et de la Gaule sous la domination rom.“, 6 Bde., 
Paris 1828 und öfter 
Thiers, Louis Adolphe, berühmter franzöfticher Staatemann und Ges 
ſchichtsſchreiber, geb. zu Aix in der Provence 1798, Sohn eines Advokaten, wurde 
zu demfelben Berufe beftimmt und begab fidh, nach Vollendung feiner Studien, 
1822 mit feinem Freunde Mignet nad) Paris. Auf Empfehlung von Lafitte wurde 
ihm ein Antheil an der Redaktion des „Constitutionnel“ übertragen. Er ließ eine, 
großes Auffehen madyende Schrift „Les Pyröndes et le midi de la France 1823“ 
erfcheinen und fchrieb zugleich feine „Histoire de la revolution de France“ 
1823 — 1827, 10 Bde., deutich Öfter, die ein ausgezeichnetes ſtyliſtiſches Talent 
beurfundete. Anfangs des Jahres 1830 gründete er mit Garrel und Mignet den 
rabifalen „National“, defien Polemik gegen vie Regierung die berüchtigten Juli⸗ 
orbonnangen hervorrief. Er befand ſich unter den Erften, welche die Proteftation 
dagegen unterzeichneten und wirfte, fo viel er Gelegenheit hatte, auf das Thätigfte 
für die Revolution; er redigirte die PBroflamation für den Herzog von Orleans 
und wurde, der erfle Schritt zu feiner Künftigen Erhebung, mit Gcheffer nach 
Neuilly gefendet, um dem Herzoge die Regierung anzutragen. Lafitte machte ihn 
zum Unterflaatöjefretär, feine Vaterſtadt wählte ihn zum Deputirten und 1832 
erhielt er das Portefeutlle des Innern, das er, mit kurzer Unterbrechung, bis 1836 
befaß, wo ihn der König zum Präfidenten u. Minifter des Auswärtigen ernannte; 
indefien dauerte feine neue Stellung nur wenige Monate, weil der König ſich mit 
der vollig liberalen Tendenz 3.8, der damals entfchieven ver Linken angehörte, 
nicht befreunden konnte. In der Kammer bildete er die lebhafteſte Oppoſition 
gegen die folgenden Minifterien namentlich 1840, fo daß das Minifterium ab⸗ 
danfte und ver König fidy genöthigt fab, mit T. ein neues zu Stande zu bringen. 
Damals war ed, ale T. wegen der orientalifchen Angelegenheiten Europa in 
einen allgemeinen Krieg zu flürzen drohte und die Befeftigung von Paris bean- 
tragte. Die Befligfeit des Könige bewog ihn aber das :PBortefeuille nieder⸗ 
zulegen. Hiemit war ihm alle Ausfidht auf jede fernere Theilnahme an der Res 
gierung, wenigft auf die nächfte Zeit, abgefchnitten. Er machte nun eine Reife 
nad) Deutfchland, um, Behufs feiner Geſchichte des Kaiferreiches, dort die Schau⸗ 
pläge der Rapoleonifhen Schlachten in Augenfchein zu nehmen. Bon nun an 
biß zum Sturze der Dynaſtie Orleans befchräntte fich feine politifche Thätigfeit 
auf eine oppofttionelle Wirkfamfeit gegen das Soult⸗Guizot'ſche Mintfterium in der 
Kammer, fowie durd) das von ihm abhängige Journal „Constitutionnel“. In allen 
bedeutenden politifhen ragen ergriff‘ er bisher und ergreift er noch) immer das 
Wort; indeſſen wollte e8 ihm nie recht gelingen, das frühere Zutrauen fidy wieder 
ju erringen. Vielleicht, daß die nächfle Zufunft ihn und wieder an der Spige 
der öffentlichen Angelegenheiten zeigt, was um fo wahrfcheinlicher ift, als ver 
neue Präftdent der franzöfifchen Republit ihm eine nicht geringe Anzahl der auf 


und la se 

aitgends —D 
8. dem Juste milleu 
an —*5 er fein Haus in. Paris 


era, ee 








8: 0. 
hatte. Alsdanm wurde er Durch Ilgen's, 
8 koforia, und Riethausmer’6 Bermittelung ale. 
ehe wm nach München berufen, allen vie Yort den 
Iten über eis und Rorpdeutichland verbliterten ihm die erften Jahre 
een Aufenthaltes und er war felbR einem meuchelmörberifchen Ber 
ine € audgefeht. Durd die, deßhalb für ihn erregte, mann 
Stellung an erfreuficher zu werben, wozu auch fein Umgan 
une u. 9. weſentlich — Nach Jacobi's ange ei 
Stellen am Lyceum ımd an der Akademie, übernahm den Unterricht ber 
eingeffinnen in der Gefchichte der Riteratur, grändete das philologiſche 
Bildung von Lehrern für die gelehrten im Bayerns und gab 
Ine FE defielben unter dem Titel: „Acta philologica Monacens“ 
Band) heraus. —— die a Antiken auf das Studium der 
u Plaſtik näher aufmerkfam fowie durch feine Borlefungen 
berät te er I) jet 181 —5 — mit —X —**— 
An) die Nähe des 
. von —& Vertrieben oe er in fein ° Baterland zurüd, begab 
folgenden Jahre. aufs Reue in jene Hauptfladt und übernahm daſel 
der aus Bayern geranbten Kunſtſchäzße. Durch Rapoleon’s 
te — von Eiba darin unterbrochen, —8 er nach deſſen zweiter 
mg zum dritten Male nad) Paris und beendigte nun das Geſchäft fo 
„ er noch eine Reife nach England unternehmen tonnte, wo er fi am 
ke das Mufeum zu London End die Eigin’fchen Marmors intereffirte. 
—— 1822 und 1823 unternahm er a archaͤologiſche Reife nach 
Früchte er in ſeiner Reiſebeſ Jiuns und in feinen „Abhand⸗ 
—* * der bildenden Kunſt bei den Griechen“ niederlegte. So 
onders bei den a Mebungen der Studirenden im 
Ah * an welchem Ki gen au nehmen er nur durch äußere 
je —— kunde, 1 thätl ze, —28 eo tun er auch wefentlich zur 


1812 eine wi 
ERNANNT 






94 Thierſch. 


Mänchen herzuſtellen, errichtete und leitete alddann das Athenäum, eine Erzieh⸗ 
ungsanſtalt für junge Griechen, welche ſich in demſelben zu den akademiſchen 
Studien in Deutfchland vorbereiten ſollten und erwarb ſich durch dieſe ſegens⸗ 
reiche Wirkſamkeit den Namen eines der erſten Philhellenen von Deutfchland. 
Die Achtung und Dankbarkeit der Griechen fuͤr ihn ſprach ſich ſchon im Jahre 
1814 während des Congreſſes zu Wien aus, wo ihn die erſten Männer jenes 
Volkes mit audgezeichnetem Wohlwollen in ihre Kreife aufnahmen. Als hierauf 
der Aufftand der Griechen in der Moldau und Walachei zum Ausbruche fam, 
wollte 3. auch durch Errichtung einer deutfchen Legion an der Befreiung jenes 
Landes perſönlich Antheil nehmen, ward aber daran durch feine ſtaatebürgerliche 
Stellung verhindert. 1831 machte er indeß felbft eine Reife nach Griechenland 
und gewann dort, nach der Ermordung des Grafen Kapopiftrias, großen Einfluß 
auf die Regicrungsgefchäfte, an denen er fehr lebhaft Antheil nahm. Durch das 
Bertrauen, das er in allen Ständen genoß, vermochte er die Ermwählung des 
Bringen Dito von Bayern zum Könige von Griechenland durchzuſetzen, worauf 
er, von den .‚Segnungen der Griechen begleitet, die ihm durch die Nationalver⸗ 
fünmlung und bie egierumgecommiffion ihren lauten Danf augfprechen lichen, 
im September 1831 nach Deutfchland zurückkehrte. Sein hierauf bezügliches 
wichtiges Werf „De l’ötat actuel de la Gröce et des moyens d’arriver a sa 
reslauration‘‘ (2 Bde., Leipzig 1833), wurde zwar von einigen Seiten ber, bes 
fonder® in Rückſicht des Urtheild über Kapodiftrias, in der Vertheidigungsſchrift 
„Examen critigue de l’ouvagre: „De l’etat actuel de la Greöce“ (Leipzig 1835) 
angefochten, wırd aber immer ein ſchätzenswerther Beitrag zur genauen Kennt: 
niß jener Uebergangsperiode des heutigen Gricchenlands bleiben. — Was nun die 
fhrififteerifche Thaͤtigkeit T.s bis in dieſe Periode feines Lebens anlangt, fo 
hatte fich dieſelbe beſonders auf eine allfeitigere Auffaffung des Alterthums, nach 
der fprachlichen fowohl, als audy antiquarifchen Richtung, erfiredt. Hieher ger 
hören feine: „Griechiſche Grammatif, vorzüglich des Homerifchen Dialekts“ 
(Reipzig 1812, 3. Aufl. 1826), worin die Eyntar der griechiſchen Eprache, von 
der einfachften Bildung bis zur größten Berfchlingung der Sätze, nach gewifien 
gleichmäßigen Sägen erörtert wird; ferner die Bearbeitung von Pindar’® Ges 
dichten (2 Bde., Leipzig 1820), die, außer den Einleitungen und Erläuterungen, 
eine deutſche Lleberiegung im Versmaße des Originals gibt, die in Eünftlerifcher 
Hinſicht alle Beachtung verdient. Eine gleich günftige Aufnahme erfuhr feine 
Schrift „Ueber die Epochen der bildenden Kunft unter den Grieche” (München 
1816 — 25, 4.; 2. Wufl. 1829). Ueber die Refultate feiner Reife nah Italien 
berichtete er theils in öffentlichen Blättern und gelehrten Zeitfchriften, theils in 
einem eigenen Werke: „Reifen in Italien" (Leipz. 1826). — Bon jegt an ging 
3.8 Hauptbeftreben dahin, bie, fchon früher häufig ausgefprocdhenen, Ideen über 
Erziehung und Bildung zur Humantität und über bie geeigneteften Wege und 
Mittel dazu auch nady weiteren Kreifen bin zu verwirklichen und denfelben gegen 
die gefahrprohende Verflachung Geltung zu verfchaflen. “Deshalb verfchaffte er 
ſich zunächſt, von der Regierung auf fordert, eine genaue Kunde von dem Jus 
flande der Gymnaſien Bayerns und theilte feine, freilich nicht immer erfreulichen, 
Erfahrungen in dem Werke „Ueber gelehrte Schulen, mit befonderer Rüdficht 
auf Bayern“ (3 Bde., Stuttg. und Tübingen 1826— 37) mit, wozu die Schrift 
„Ueber die neueflen Angriffe auf die Univerfitäten" (Stuttg. und Tübing. 1837), 
einen befondern Anhang bilde: Gegen das darin aufgefellte und durchgeführte 
Brinzip des Feſthaltens an den clafifchen Studien, fowie gegen mehre, dadurch 
bervorgerufene, methodologifche und päpagogifche Streitfragen, erhoben fi als 
Vertheidiger des Realismus 5. W. Klumpp (f. d.), in der Schrift „Die ges 
lehrten Schulen nach den Grundfägen ded wahren Humanismus und den Aus 
forderungen ver Zeit" (2 Bde., Stuttg. 1829— 30), der jedoch fpäter feine 
frübere Anfiht bebeutend herabſtimmte; in entſchiedenerer Weife aber und nicht 
vne lelvenfchaftltiche Färbung Mager, in den Schriften „Die deutiche Bürger: 


Thierſtuͤcke — Thisbe. 95 


fhule, bezüglich des Realſchulweſens“ (Bellevue 1840) und „Einrichtung und 
Unterridytöplan eines Bürgergynmnaſiums“ (Bellevue 1845), fo wie Nagel in ver 
„Idee der Realfchule” (Ulm 1840). (S. Gymnaſium und Realfchulen.) 
Einen noch heftigern Streit entzündete T., als er in der olge viele höhere 
Bildungsanſtalten im weftlichen Deutfchland, in Holland, Frankreich und Belgien 
befuchte und fein, vielleicht nicht immer binlänglidy motivirtes, Urtheil in dem 
Werke abgab: „Leber den gegenwärtigen Zuftand des öffentlichen Unterrichts in 
den weſtlichen Staaten von Deutfchland, in Holland, Frankreich und Belgien“ 
(3 Bove., Stuttg. und Tübingen 1838). Eine Menge Gegner trat gegen ihn 
anf, unter denen die bebeutendften der heſſendarmſtädtiſche Kanzler von Linde, 
Diekerweg u. Schmitthenner ; ſodann der württembergifche Stupienrath, dem fich 
das Lehrerperfonal anfchloß, in der allgemeinen Schulzeitung von 1838, in ver 
allgemeinen Zeitung von ebendemjelben Jahre und in anderen Blättern. Mögen 
nun auch die Meinungen über diefe beveutfame Frage, die hier nur als hiftors 
iſches Moment berührt werden konnte, nody lange ſchwanken, fo fteht doch foviel 
fe, daß T. zur Läuterung und endlichen Löfung berfelben weſentlich beigetragen 
bat. Auch war er der Erfte, der für Befprechung und Berathung‘ und gegen- 
fitige Berfändigung über die wichtigfien wiffenichaftlihen und pädagogtichen 
Bunfte des höhern Schulweſens mit einigen anderen Freunden, namentlih F. 
Jacobs, bei dem Univerfirätsjublläum zu Göttingen im Jahre 1837 die regels 
mäßigen Berfammlungen deuticher Bhtlologen und Schulmänner veranlafte und 
durch feine perfönliche Theilnahme, wie in Mannheim, Gotha und Dieöden, dies 
felben zu beleben wußte. — T. ift nody immer ordentlicher Profeſſor an der 
Untverfität zu München, mit dem Titel eines königlichen Hofraths. In dem, für 
die Univerfität fo verbängnißvollen, Winter von 1847 — 48 befleidete er die 
Würde eines Rektor Magnificus und, als am 9. Febr. 1848 derfelben, in Yolge 
befannter beflagenswerther Vorfälle, die temporäre Schließung drohte, war er 
es hauptſaͤchlich, der durch fein umfichtiged und würbevolles Benehmen ven 
Sturm zu beichwichtigen wußte. 

Thierſtücke, ſ. Thiermaleret. 

Thionville (deutſch Dietenhofen), Stadt und ſtark befeſtigte Feſtung im 
frangöfiichen Departement der Moſel, in einer Ebene am linken Ufer dieſes Fluſſes, 
iR Sig der Unterpräfeftur, eines Civiltribunald, bat ein Colldge und 8000 Ein- 
wohner, welche ®erberei, Leimſtederei, Leinwandweberei, Branntiweinbrennerei und 
Hammerwerfe betreiben. — Die Stadt ift fehon fehr alt und fchon im 9. Jahr: 
hunderte wurden bier mehre Provinzial: Eoncilien gehalten. 1558 wurde fie von 
dem Herzog von Bulfe eingenommen, fpäter den Spaniern wieder eingeräumt, 
1639 wieder berennt, aber entfeßt, 1643 jedoch von den Franzoſen unter dem 
Prinzen von Eonde durch Bapttulation erobert und neu befeftigt, 1690 durdy 
den pyremäifchen Frieden an Frankreich abgetreten. 1792 von den Defterreichern 
und Gmigranten belagert, mußten .diefe, nach einer, durdy das Wetter ſchon 
fchwierigen, Belagerung und — des Rückzugs der Preußen aus ver Cham⸗ 
pagne, abziehen. 1814 wurde die Feſtung von den Heffen und Ruffen blofirt 
und ein Jahr darauf ebenfalls wieder durdy die letzteren eingeſchloſſen. 

Thisbe, eine junge Babylonterin, if mit ihrem Geliebten, Pyramus, der 
Gegenftand einer ſchönen alten Sage. Beide nämlidy, gegen dın Willen ihrer 
Eltern, im geheimen Liebeöverfländniß mit einander, fahen und fpradyen ſich nur 
durch eine Lüde, die zwiſchen ihren beiden angränzenden Häufern war. Endlich 
aber bereveten fie fidy zu einer Zufammenfunft außerhalb der Stadt, am Grabe 
des Rinus. T., welche zuerft Fam, ward bier von einem herankommenden Löwen 
genörhigt, ſich in eine Höhle zu verbergen, ließ aber in der Angft ihren Schleier 
fallen, den das Thier dann zerriß und fidy wieder enıfernte. Als Pyramus 
fam und den zerriffenen Schleier fand, glaubte er die T. felbit von einem wilden 
Ihiere zerrifien und ſtürzte ſich aus Berzweifelung in fein Schwert. Diele (am 
ben @eliebien im Bluse und burchbohrte ſich mit demſelben Schwerte. En 


08 Thoas — Thomas. 


Grab bedeckte Beide und darüber ward ein Maulbeerbaum gepflanzt, der von nun 
an, ſtatt der früheren weißen, rothe Beere trug. 

Thoas, 1) T., Sohn des Boryfthenes, der berühmte König von Taurlen, 
bet weichem fi Iphigenia (f. d.) aufhielt, nachdem fie von Diana aus 
Aulis enführt worden war. — 2) T., ein Feldherr des Rhadamantos , erhielt 
von dieſem Lemnos zum Geſchenke und ward Vater der bekannten Hypfipyle. 
Als die Frauen von Lemnos alle Männer der Inſel ermordeten, verbarg Hypfl- 
pyle ihren Vater; fpäter aber wurde er doch entdedt und nach Einigen ermordet, 
nach Anderen enifloh er auf die Inſel Denve bei Euböa. — 3) T., Sohn des 
Andremon u. der Gorgo, war einer der Freier der Helena u. zog als ſolcher mit 
40 Schiffen aus Netolien vor Troja. 

Thomas, der heilige Apoſtel Jeſu, auch Didymus genannt, war ein Jude 
und, allem Anſcheine nach, in Baliläa aus einer armen Familie geboren. Ihm 
warb dad Glüd, dem Heilande zu folgen, der ihn im Jahre 31 zum Apoftelamte 
berief. Er fcheint Feine groben Kenntniſſe befeffen zu haben; allein durch feine 
Gutberzigfeit und die Einfalt feiner Seele, wie auch durch die Lebhaftigfeit 
feines Eifers, wußte er diefe zu erſetzen. Einen Beweis hievon legte er ab, als 
Sefus in die Nachbarfchaft von Zerufalem and, um da den Lazarus von den 
Todten zu erweden. eil naͤmlich die. Prieſter und Pharifäer den Heiland 
tödten wollten, fuchten feine Jünger ihn von dieſer Gegend abzuhalten und als 
Sefus ihnen erwiederte: „Doc lafiet und binziehen*, da fpradh T. zu den 
Mitjüngern: „Ja, laffet und mit ihm gehen, auf daß wir mit ihm flerben“. So 
groß zeigte ſich fchon feine Liebe zu dem göttlichen Erlöfer, noch ehe ver heilige 
Geiſt über die Apoftel herabgefliegen war. — Bel dem lebten Abendmable 
fündigte Jeſus feinen Apofleln an, er werve fie bald verlafien; um fie aber zu 
tröften, feßte er bei, er gehe bin, um in dem Haufe ſeines Vaters ihnen eine 
Wohnung zu bereiten. T., der ihm aller Orten hätte folgen mögen, entgegneie 
ihm : „Herr, wir wiflen nicht, wohin du geheft und wie fönnten wir ven Weg 
fennen ?" Da gab ihm Jeſus Auffchluß in den kurzen, aber himmelvollen Worten: 
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Riemand Fommt zum Vater, 
als durch mich.“ In diefer Rede pab ihm der Heiland gu verfichen, daß er 
durch feine Lehre und durch fein Beiſpiel den Menfchen den Weg des Helles 
lehre; daß er der Urheber viefes Weges fet, durch welchen wir zu dem Leben 
gelangen, das er und gezeigt; daß er der Lehrer der Wahrheit fei, ver zum 

eben führt; daß er auf Erden das Leben der Gnade ertbeile und im Himmel 
eine ewige Blüdfeligfeit, die man auf diefem Wege und durch diefe Wahrheit 
erlange. — Am Tage feiner Auferftehung erfchien Zefus feinen Juͤngern, um fie 
zu überzeugen, daß er Ichendig aus dem Grabe hervorgegangen. T., ver nidyt 
bet den Uıbrigen gewefen, wollte auf ihr bloße Wort die Auferfiehung des Er⸗ 
löferd nicht glauben und fagte: „Wenn ich nicht in feinen Händen die Nägel 
male fehe und meine Hand in feine Sette lege, fo werde ich «8 nicht glauben.“ 
Der Herr, aus berablafienver Liebe für diefen Apoftel und ſich erbarmend feiner 
Schwäche, erfchien acht Tage darauf abermalß feinen Züngern, da fie alle beis 
fammen waren. Er kam durch die verfchloffenen Thären in ihre Mitte, brachte 
ihnen den Friedensgruß und wandte fi) zu T. mit den Worten: „Reiche deine 
Singer ber und fie meine Hände; reiche beine gen ber und lege fie in meine 
Seite und zweifle nicht mehr, fondern glaube”. T., von der Auferſtehung feine® 
Erlöjerd überzeugt und vom Gefühle des beſchämten Unglauben® durchdrungen, 
und voll der Freude und Verwunderung, rief aus: „Mein Herr und mein Gott! 
In diefen Worten betete der unglüdlicdhe Jünger jenen ald wahren Gott an, 
defien Menfchheit er blos im Augenblide fhaute; er Kennt deſſen Allmacht im 
dem Siege, den er über den Tod und die Hölle vavongetragen; huldiget jener 
Auwiffenheit, vermöge welcher der Eriöfer die verborgenften Kalten unfere Hers 
zens durchblidt und drücket feine ganze Liebesglut fürdefus aus. — Vebrigene 
liefert und die Ungläubigkiet des Ri 3. einen fchönen Beweis ver Auferſtehung 


Thomas, 97 


unfer® Heilandes und kräftiget wunderbarlich unfern Glauben an dieſes Geheim⸗ 
ni. Daher fagt der heil. &regor der Große: „Wir finden unfern Glauben 
mehr befeftigt durch den Zweifel des heil. T., als durch die fchnelle Zuverficht« 
lichfeit der übrigen Apoftel.” Man weiß nicht, an weldyem Drte der bi. T. ges 
Rorben ſei. Die Lateiner begehen fein Feſt am 21. Dezember, die Griechen aber 
am 6. Dftober. 

Thomas, drei Heilige dieſes Namens, N T. von Aquino, eine der 
erſten Zierven des Dominifanerordens im 13. Jahrhundert und einer der bes 
rähmteften ſcholaſtiſchen Theologen, wegen feines philoſophiſch⸗ſpekulativen Geiſtes 
Doctor engelicus genannt, ftammte aus dem alten Geſchlechte der Grafen von Aquino 
in Galabrien u. wurde 1224 (26) auf dem Schloffe Roccaficca geboren. Sein Vater 
war Landul fr ®raf von Aquino, Herr von Loretto und Belcaftro, feine Mutter 
Theodora, eine geborene Gräfin von Theato. Schon in feinen erften Kinderjahren 
bemerkte man an T., daß ihn Bott zu großen Dingen beflimmt babe; denn man 
ah an ihm nicht jene Reidenfchaften und Fehler, welche das gemöhnliche Erbtheil 
ver Kindheit find. Die Unfchuld feiner Sitten, die Heiterkeit feined Angefichtes, 
fin Gleichmuth, feine Eittfamkeit, feine Sanftmuth: mit einem Worte, fein ganzes 
Velen verrieth, daß feine Seele damals ſchon mit den herrlichfien Segnungen 
des Himmels übergoflen war. Kaum hatte das heffnungsvolle Kind fein fünftes 
Jahr erreicht, fo ward ed vom Bater den Kloſtergeiſtlichen auf dem Berge Caſſino 
übergeben, um von biefen den erflen Unterricht in den Wiffenfchaften und in der 
Religton zu erbalten. Die Lehrer erflaunten über die feltenen Yähigfeiten und 
die ſchnellen Fortfchritte ihres Zöglingd und der Abt des Klofterd gab dem Vater 
ven Rath, als der junge 3. zehn Jahre alt war, ihn auf eine Hochſchule zu 
fhiden. Ehe er jedoch wieder aus dem elterlichen Haufe entfernt werden follte, 
wünfchte der Bater ihn einige Monate bei der Mutter im Schloſſe zu Xoretto zu 
behalten. T. ward nun bald der Genenftand der Bewunderung feiner ganzen 
Familie. Seine vortrefflihen Eigenfchaften entfalteten fidy unvermerft vor den 
beobachtenden Bliden. Cingerogen, wißbegierig und fromm, hatte er feine ganze 
Zeit in Gebet, Studien und einige andere, ebenfo ernſte als nützliche, Uebungen 
eingetbeilt. Seine größte Wonne war, bei feinen Eltern der Armen Yürfprecher 
zu ſeyn und häufige Almofen floffen durdy ihn den Dürftigen zu. — Die Gräfln, 
von ihres Sohnes Liebenswürbigfeit beſonders eingenommen, machte den Vorfchlag, 
ibn feine wifienfchaftlihe Bildung im väterlichen Haufe fortfegen zu laffen, indem 
fie befürchtete, feine Unſchuld möchte auf öffentlihen Schulen allzu großen Gefahren 
außgefegt ſeyn. Allein der Graf verwarf diefe Erziehungsart, deren Vortheile 
nadh feiner Anficht jenen weit nadyftanden, welche ftuvirende Juͤnglinge aus wech⸗ 
felfeitigem Wetteifer zögen. 3. ward daher auf die neuerrichtete und zahlreich 
befuchte Untverfität nach Neapel gefchidt. Bald gewahrte eraber, daß feine Tugend, 
unter den vielen Unordnungen und Laftern, die ihn umgaben, großen ©efahren 
aufgefeßt, nur durch die ſtrengſte Wachfamfeit gefchügt werden Fonnte. Er vers 
mied daher auf daß forgfältigfte jede verdächtige Gefellfchaft, und, während feine 
Mitfchüler den Luftbarkelten nachjagten, widmete er ſich dem Gebete und den wiſ⸗ 
fenfchaftlichen Korfchungen. Die Redefunft und Philofophie fudirte er unter ges 
ſchickten Lehrern und mit dem glüdlichften Erfolge. Ebenſo arbeitete er an feiner 
geiftigen Bervollfommnung. Mit jedem Tage fchritt er weiter in der Wiſſenſchaft 
der Heiligen, durdy die Uebung ded Gebets und aller guten Werke, vie feine 
Demuth jedoch vor den Dienfchen zu verbergen wußte. — Die Jünger des vor 
22 Jahren geftorbenen heil. Dominicus (f. d.) alänzten damals durch die Heiligfelt 
ihres Lebens als leuchtende Sterne in der Kirche Gottes. Mit einem diefer 
Geiſtesmäͤnner hatte T. einige gottfelige Unterrebungen. Sein Eifer, fi Gott 
ımgetheilt zu weihen, erglühte nun immer mehr und die göttliche Liebe flammte 
immer höher in feiner Seele. In diefer heiligen Gemüthsſtimmung faßte er den 
Entſchluß, in den Orden des heil. Dominicus zu treten. Sein Vater bot aber, 
ale er dieſes erfuhr, Allem auf, ihn von diefem Vorhaben abzubringen. Doc T. 

Realencpciopädie. X. 1 


% Thomas, 


beharrte unerfchütterlich In vemfelben und legte im Jahre 1243 bei den Domini⸗ 
fanern zu Neapel das Ordenokleid an.— Um inzwifchen den Ihm in biefer Stabt 
bevorftehenden Kämpfen mit feinen ihm fo theueren Gegnern zu entgehen, bat er 
feine Oberen, ihm einen andern Aufenthaltsort anzuweiſen. Diefe fchidten ihn 
daher nad Rom und fpäter nah Paris. Allein er konnte diefe Start nicht ers 
reihen; denn feine Brüder, Landulph und Raynald, die bei dem kaiſerlichen Heere 
in Dienften ftanden, nahmen ihn auf dem Wege gefangen und brachten ibn auf 
das ihrer Familie gehörige Schloß Rocca⸗Sicca. Tie Mutter. fuchte nun durch 
Ermahnungen, Bitten und Thränen ihren Sohn zur Wahl eines andern Standes 
zu bewegen. T. ward zwar innig gerührt durch der Mutter Echmerz, doch bes 
merkte er ihr mit befcheidener und ehrfurchtövoller Keftigkeit, er habe Miles wohl 
erwogen; fein Beruf fomme gewiß von Gott und er ſei entfchloffen, was es ibn 
auch Foften möge, demfelben zu folgen. Bel diefem Hinfchwinden der legten Hoff⸗ 
nung blieb die Mutter ihrer Gemüthöbemegung nicht mehr mächtig, fondern 
machte ihrem Sohne in heftigem Zorne bittere Vorwürfe, hieß ihn in enge Ver⸗ 
wahrung bringen und erlaubte nur feinen zwei Schweftern, ihn zu befuchen und 
mit ibm zu fprechen. Diefe, welche Anfangs ihren Bruder durch die zärtlichften 
Zufprüche von feinem Vorhaben abzubringen fuchten, nahmen zulegt, durch feine 
falbungsvollen Reden über die Verachtung der Welt und die Liebe zur Tugend 
gerührt, felbft feine Gefinnungen an und widmeten fidy der Gottfeligkelt. — In⸗ 
defien kamen Landulf und Raynald von dem Heere zurüd und fanden bei ihrer 
Anfunft ihre Mutter ganz in Troflofigfeit verfunfen, ihren Bruder aber noch 
eben fo unerfchütterlicdy bet feinem Entichluffe bveharrend, wie vorhin. Gegen alles 
Gefühl der Menfchlichfeit und Religion warfen fie nun den Heiligen in ven 
Schloßthurm, ihn fchmähend und mißhandelnd auf mannigfache Weile. Und da 
auch dieſes nicht half, gebrauchten fie ein vom Geifte der Finſterniß ihnen einge 
gebenes ſchändliches Mittel. Sie führten nämlich eine der ſchönſten Bublerinnen 
des Landes in ſein Gemach und verfprachen ihr eine große Belohnung, wenn fie 
ihn verführen würde. Diefe Unglüdfelige bot nun Aue auf, was ein foldhes 
Weib durch Liſt und Unverfchämiheit vermag. T., obgleich beſtürzt durch die 
Gefahr, welcher er feine Unfchuld ausgefegt fah, verlor den Muth nicht, fondern 
rief, in demüthigem Mißtrauen gegen fich felbft, den Bott der Reinigfeit um Bei- 
fland an. Dunn ergriff er einen glübenden Brand, ging auf die Buhlerin los 
und jagte fie mit diefer Waffe zum Zimmer hinaus. Sach diefem Siege empfand 
er eine geheime Beſchaͤmnung, daß er auf fo demüthigende Weife verfucht worden 
und danfıe Bott Eniefällig für den ihm ertheilten Beiftund; er weibte fih von 
Reuem defien Dienfte und flehte mit thränendem Auge um die Gnade, niemals 
fi) gegen die Tugend zu verfündigen, welche ihn der höllifche Yeind zu rauben 
fidy) bemüht hatte. Bel zwei Jahre war T. in dem Scloffe RoccasEicca auf 
dieje Weiſe eingeferkert. Papſt Innocenz IV. und der Kaiſer Friedrich IL 
verwendeten ſich fogar für ihn und zulegt nahmen auch feine Mutter und feine 
Brüder wieder menfchlichere Gefinnungen gegen ihn an. Die Gräfin ſchien fogar 
nicht abgeneigt, heimlich die Flucht ihres Sohnes zu begänftigen. Die Domini» 
faner von Neapel benügten dieſe Stimmung, fchidten einige Ordensbrüder vers 
Hleivet in das Schloß Rocca-Sicca, die den Heiligen, von einer feiner Schweitern 
in einem Korbe hinabgelaflen, in ihren Armen empfingen und freudenvoll in ihr 
Klofter zurüdführten. I. legte num im folgenden Jahre die Gelübde ab. Da 
aber feine Mutter und feine Brüder unter verſchiedenen Borwänden diefen Schritt 
laut mißbilligten und ihre Klagen an den heil. Stuhl brachten, berief der Papft 
den jungen Ordensmann nad Rom, prüfte deſſen Beruf und billigte, erſtaunt 
über defien hohe Gaben, die von ihm gewählte Lebensweife. Bon jener Zeit an 
ward unfer Heiliger nicht mehr durch feine Familie beunruhigt. Der Ordens⸗ 
general, Johannes Teutonius, nahm den Heiligen auf einer Reife nach Paris 
zum Begleiter und fchidte ihn dann nah Köln, um unter Wibert dem Großen 
([.d. Art, Albertus Magnus) Theologie zu fludiren. T. machte außerorbent- 


Thomas. 99 


liche Fortſchritte, hielt aber aus Demuth feine hohen Kenntnifie verborgen. Doch 
bald wurden diefelben erfannt und von dem großen Albert mit dem ſchmeichel⸗ 
bafteften Lobe erhoben, was jedoch in dem Heiligen nicht die mindefte Regung 
der Gitelfeit hervorbrachte. Rach der Weljung des, im Jahre 1245 zu Köln ges 
baltenen, @eneraltapiteld begleitete 3. feinen Lehrer Albert den Großen nach Bars, 
um dort unter ihm feine Studien fortzufepen und 1243 ward er mit Albert zum 
Lehrer in Köln ernannt. en burch feine erften Borlefungen erreichte T. den 
hoben Ruf feine® Lehrers, obgleich er erft in feinem 22. Jahre war. Damals 
&ab er auch feine Erklärungen über die Sittenlehre und über die anderen philofos 
yhiichen Werke des Ariftoteled heraus. Zu den heiligen Weihen, die er um diefe 
3eüt erhlelt, bereitete er ſich durch glühende Andacht und mannigfadye Werke der 
Sottfeligkeit vor. Oft negte er den Altar mit feinen Thränen und fchien ganz 
in die Unendlichkeit der Liebe Jeſu verfenft; aus feinem Angefichte ftrahlte vie 
seine Flamme des Herzend. Zu Köln, Paris, Rom und in anderen Etädten ver⸗ 
fündigte cr dad Wort Gotted mit bewunderndwürdiger Kraft und Salbung und 
bewirkte dadurch häufige Bekehrungen. — Die innige Theilnahme an dem Helle 
jener ihm immer theuern Familie erwedte in ihm ein glühendes Berlangen, fle 
anf ven Wegen der Gerechtigkeit wandeln zu ſehen. Er arbeitete daher mit dem 
ößten Cifer an ihrer Belehrung und es gelang ihm, fie zur Ausübung der er- 
nften Tugenden zu führen. Seine ältehe Schiefer tweihte ſich ®ott in einem 
Klofter; die zweite heirathete den Grafen von Marfico, lebte eines tugenpfamen 
Wandeis und farb des Toded der GereKten. Seine Mutter fühnte durdy alle 
möglichen guten Werke die Fehler, wozu fie durch allzugroße Zärtlichkeit hinges 
riffen worden und endigte heilig ihr Leben. Geine Brüder, — und Rey⸗ 
nald, ſtarben ebenfalls, gelaͤutert durch das Feuer der Trübſal, als wahre Chriſten. 
1252 wurde T. nach Paris gifhidt, um dort die Theologie zu lehren. Der 
Ruf, den er fidy durch feinen umfaffenden und tiefen Geiſt erworben hatte, zog 
eine unzählige Menge Zuhörer in feinen Lehrfaal. Zur Annahme der Doftor- 
würde konnte ihn nur der ausprüdliche Befehl feiner Oberen bewegen. Die Lehrer 
an der Pariſer Hochichule hatten eine foldye Verehrung für den Heiligen, daß 
fie in einem, untır ihnen entflandenen, Streite über einiges Außerwefentliche im 
heiligen Altarsſakramente übereinfamen, an deſſen Entſcheidung fich zu halten. 
Nach demuthovollem Gebete zu Gott um Erleuchtung, erörterte T. die ihm vor- 
gelegte Frage mit einer ſolchen Geiftesüberlegenheit, daß Jedermann feiner Mein- 
ung beiftimmte. Die Gelehrten waren aber nicht die Sinzigen, welche daß feltene 
Verdienft des heil. T. erkannten. Der heil. Ludwig, König von Frankreich, 
hatte ein unbegrängted Vertrauen auf feine Einficht und fragte ihn in den wich- 
tigften Staatdangelegenheiten um Rath. In Bolge höhern Auſtrages verfaßte 
T. mit Albert dem Großen und drei anderen Lehrern einige Borfchriften zur wifs 
fenfchaftlihen Bildung der jüngeren Geiſtlichen. Bei feinen immer noch zu Paris 
fortgefegien Rehrvorträgen gewann er Aller Herzen durch feine Leutfeligfeit und 
Befcheidenheit. Epäter mußte er auch in Kom die Theologie vortragen. In 
feinen Vorträgen berrfchte die Spekulation und Dialeftif vor, mit der er aber 
auch die Myitif verband, Sein vorzüglichfted theologifched Werf: „Summa totius 
Theologiae Iripartita‘“ ift leider unvollendet geblieben. Yür den dritten Theil ift 
Einiges aus feinen Vorträgen zufammengeftellt worden, das Uebrige aus feinem 
Gommentar zu Lombardus ergänzt worden. In dem bier aufgeftellten, bes 
deutendſten und einflußreichften aller fcholaftifchen Syfteme ſchloß ſich T. entſchieden 
an Auguſtinus an und zeigte Nic nad dem Urtheile des, mit den Auguftinifchen 
Schrifien fo vertrauten Cardinal, Noris als der vorzüglichfte Ausleger des heil. 
Auguftinus ; zugleich iſt aber auch ein Einfluß Hugo's von St. Bictor bemerfbar, 
ven T. gleichfalls als feinen Lehrer betrachtete. Aus nicht zureicdhenden Gründen 
wurde diefe größere Summa für ein, noch nicht durch T. der Deffentlicyfeit 
übergebenes, Werf gehalten und behauptet, es fei erft nach feinem Tode aus feinen 
Borträgen aufgefegt worden, was nyr von dem britten Theile ie Dr we 
7 


BIERUETEN 


100 Thomas, 
Theil befteht aus zwei Abthellungen, wovon bie prima secundae mit der Ueb 
fchrift „de viritutibus et vitiis in genere“ die allgemeine u. die secunda secund 
die fpeziele Moral in getrennter Darſtellung enthält, während die anderen Sch 
laftifer fie mit der Dogmatif verbanden. Zwar hatte ſchon Abalard davon ei 
Ausnahme gemacht, aber mehr eine philofophrfche, als chriftlich-theologiiche Er 
beabfichtigt. Der Vortrag in der Eumme des heil. T. ift durchgehends in Frage 
zuerſt wirb minder richtig geantwortet, dann rectifizirt. In der Einleitung & 
er die Theologie als cine eigentliche Wiffenfchaft erwiefen, wiewohl fie au 
fchichte beruhe; denn den geichichtlichen Tharfachen liegen Ipeen zum Brum 
Der Theologie gebühre vor allen übrigen Willenfchaften der Vorrang, ' 
fie eine von Gott eingegebene fei, weldye auf Offenbarung Gottes beruhe u 
dadurh ſich von derjenigen Theologie unterfcheide, welche ein Theil 
Philofophie fir Im Kampfe mit den Ungläubigen, bemerkte er, mü 
man das Gehaltlofe ihrer Einwürfe darthun, mit den Hiretifern | 
irgend eine, mit und gemeinfame, Lehre anfchliefen und aldvann aus di 
innern Sufammenhange aller audy die Wahrheit der verfannten darthun. 
herrliches Streben zeigt fi) audy in dem, auf Beranlaffung Raymunde v 
PBennaforte für die Prediger in Spanien verfaßten, apologetichen Werke ge 
die Muhamedaner und Juden. Sn feinen Bommentaren zu biblifchen Schrifi 
find die Kırchenväter benübt und befonder6 das Dogma der Kirhe und | 
biblifchen Grundideen oft tieffinnig erläutert. — Alle kirchlichen Würden, we 
ihn der Papft erheben wollte, unter diefen auch das Erzbisthum Neapel, fchl 
T. Randhaft aus, blieb aber auf Verlangen des hi. Baterd immer an def] 
Seite und erhielt dadurch Gelegenheit, dad Wort Gottes in allen Städten, 
denen fidy der Papft aufhielt, zu verfündigen. Unter den verjchienenen Bekel 
ungen,. welche er bewirkte, tft namentlich die zweier ausgezeichneten jüdifch 
Rubdinen merfwürdig, die mehre Andere ihrer Glaubensgenoſſen nad) ſich zoge 
Der Heilige legte zuletzt, aus Sehnſucht nach ſtiller Zuruͤckgezogenheit, fein Let 
amt nieder und wollte endlich vom 6. Dezember 1273 bis zum 7. März v 
folgenden Jahres, wo er flarb, über theologiſche Gegenftände weder fchreib 
noch reden. Der Gedanke an die Ewigkeit erfüllte feine ganze Seele. Alle 
während er in gänzlicher Wbgefchievenheit nur dem Gebete leben zu könn 
laubte, berief ihn Gregor X. auf das zu Lyon verfammelte Concilium, wo ! 
paltung der Griechen gehoben und dem heiligen Lande Hülfe gefchafft werd 
folte. Obgleich gebrechlih und frank, trat T. doch die ihm befohlene Reife a 
begleitet von einem Drdendgenoflen, der für ihn zu forgen beauftragt war. 
de verfchlimmerte ſich feine Krankheit zuſehends; gleichwohl fepte er, obglei 
feines nahen Todes gewiß, feinen Weg weiter fort. Zu Foſſa⸗Nuova, ein 
berühmten @ifterzienferabtei im Bisthume Terracina, ward aber das Kieber 
heftig, daß er bleiben mußte. Bei feinem Gintritte ging er dennoch, feiner E 
wohnheit nach, auerft in die Kirche, das allerheiligte Altarsfaframent anzubett 
Seine Geduld, Demuth, Geiſtesſammlung u. glühende Andacht erbauten währe 
feines dortigen Aufenthaltes die ganze Genoffenichaft, auf deren Verlangen 
auch nody eine Erklärung des Bohen Liedes in die Fever fagte. Da Invefl 
feine Echwäche immer zunahm, legte er noch unter vielen Thränen eine allg 
meine Beicht von frinem ganzen Leben ab und bereitete ſich durch glühende A 
dacht und tiefe Verdemüthigung zum Empfange der hi. Wegzehrung vor. Au 
die legte Delung ließ er ſich nody bet vollfommener Biſinnung ertheilen u 
antwortete ſelbſt ganz deutlich auf alle dabei üblichen Gebete Nach diefem I 
er ruhig, in freudiger Erwartung feiner baldigen Auflöfung, auf feinem Bet 
danfıe dann dem Abte und der Genoffenfchaft für die ihm erwieſenen Liebe 
dienfte, betete noch einige angenblide und entichlief kurz nad Mitternacht 
dem Herrn, am 7. März 1274, in feinem 48. (50) Lebene jahre. Seine ſterblie 
Hülle ward in dem Dominifanerflofter zu Touloufe beigefegt. Pius V. befü 
1567, baß fein Feſt an feinem Todestage gefeiert werden folte, wie das der 


Thomas. 2 4101 


Kirchenlehrer des Abendlandes, nämlich ber heil. Ambrofins, Auguflinus, 
Hieronymus u. Gregor des Großen. — Die Werke des hi. T. theils, wie 
wir fen oben gefchen haben, theologifchen, theils philoſophiſchen Inhaltes, ers 
ſchienen: „Stud. et cura Vino. Justiniani et Thom. Manriquez“ (Rom 1570 — 
1574, 17 Theile in 18 Bänden, Fol.); „Cura fratrum ord. praed.“ (Paris 
1636 — 1641, 23 Bve.) ; die theologifchen befonderd: „Cura Bern. de Rubeis“ 
(Bened. 1745-89, 20 Bde., 4.); mit deſſen „Diss. crit. et apol. de geslis et 
3* ac doctrina 8. Thomao Aquinatis“, auch beſonders gedruckt Lıbendaf. 
RD, Bol). Vgl. A. Touron „Vie de St. Thomas d’Aquin avec un expos6 
de sa doctrine et de ses ouvrages“ (Paris 1731, 4.), Ludwig Garbone a Co⸗ 
Reriario „Compendium absolulissimum totius summae theol. St. Thomse Aqui- 
setis‘‘ (Den. 1507,8.); 3. Caſ. Alemanni „Summa theol. S. Thomae Aquinatig“ 
(Paris 1840); „Summa St. Th., hodiernis academicorum moribus accommodata 
s. cursus iheol.“, ap. Car. Ren. Billuarti (Trej. ad Rh. 1769, 8.); „Philosophia 
sd modum D. Th. Aqu. explicata“ ß Placid. Reutz (Köln 1723, 3 Bve., 8.); 
Set. 30m „De varia fortuna phil. Thom. Aquinatis“ (in defien „Opusc. sacra“ 
&.1.; Hörtel, Th. v. 9. u. feine Zeit, nach Touron, Delecluge u. den Quellen, 8., 
(Hugeb. 1846). — 2) 3. von Billanova, Erzbifchof von Valencia, wurde 1488 
m Suenlana in Gaftılien geboren und erhielt feine Erziehung zu Billanova, woher 
e auch feinen Beinamen hatte. Mit einem milden Sinne gegen die Armen vers 
band er in fehr früher Jugend befländige Abtödtung, die lebenswürdigſte Bes 
hbeivenheit und Sanftmuth, ungetrübte Herzendreinheit, großen-Abfcheu gegen 
die geringfte Lüge und eine beſonders zärtliche Andacht gegen die allerfeligfte 
Jagfrau. Mit großer Auszeichnung machte er feine Studien zu Alcala und 
Salamanca und während der zwei Jahre, wo er die Moralphilofophie in legterer 
Stadt lehrte, dachte er ernflich über feinen künftigen Beruf nady und entfchloß 
ſich endlich, unter wie Einſiedler des hi. Auguftinus zu treten. In ber briß 
ung6geit erlannte man bald, daß er ſich ſchon lange an die Bußſtrenge, die 
Selbfiverleugnung und an die Uebung der Beichaulichfeit gewöhnt hatte. Durch 
feine liebenswürdige Einfalt gemann er ſich in kurzer Zeit die Zuneigung aller 
ſeinet Rıtbrüder. Kurz nad) zurüdgelegter Prüfungszeit erhielt er die beiligen 
Beben; er lad im Jahre 1520 am heil. Weihnachtöfefte feine erfte bi. Meſſe. 
Der Gedanke, daß Gottes Sohn in Kindesgeftalt erfchtenen, machte während 
des bi. Opfers einen fo lebhaften Cindruck auf ihn, daß er wegen der häufigen 
Ihränen, vie feinen Augen enıftrömten, einige Zeit einhalten mußte. Achnliche 
Gefühle bemächtigten ſich feiner öfter am Altare, beſonders an den Zelten, wo 
vie Menſchwerdung des Sohnes Gotted der Hauptgegenftand der frommen An- 
dacht iſt. Bald darauf beftimmten ihn feine Oberen zum Berfündiger des gött⸗ 
lichen Worte und Ausfpender ded Bußſakramentes. Die wichtigen Aemter 
afüßte er mit fo gefegnetem Erfolge, daß man ihn gewöhnt ch Spantens Apoftel 
nannte. Mehre Male ward er zum Prior und drei Male zum Provinzial er- 
wählt. — Seiner Oottfeligfeit und hohen Kennntniffe wegen ward ber Diener 
Gottes von Kaifer Karl V. zum Hofprediger erwählt und unter deſſen Raͤthe 
mfgenommen. Bei mehren Gelegenheiten bewies ihm der Katfer hohe Achtung 
md zog feinen Rath feinen eigenen Anfichten vor. Als das Erzbischum von 
Granada erledigt worden, ernannte ihn der Kalfer für dasfelbe, mit der Weifung, 
ich nach Toledo begeben. Der Heilige gehorchte zwar, allein nur in der Ab⸗ 
icht, Alles aufzubleten, um dieſe hohe Würde von ſich abzulehnen, was ihm end» 
id auch gelang. Kinige Zeit nachher ward das Erzbisihum Valencia erledigt, 
a8 aber der Kalfer dem Heiligen nicht mehr antragen wollte, weil er deffen Ab- 
wigung gegen bie firchlichen Würden fannte. Es follte ein Orbendmann von den 
bieronymiten dazu erhoben werden. Inzwiſchen wurde doch das Ernennungs⸗ 
etrer für den Heiligen ausgefertigt. Der Kaifer fragte befremvet nady der 
Urſache dieſes Verſtoßes und der Geheimſchreiber antwortete, er habe geglaubt, 
tim Namen des T. von Billanova zu hören; allein er fönne leicht die Sache 
berichtigen. „Reln,” entgegnete ber Ralfer, „Ich erkenne bierin einen belonnern 





108 Thomas, 


Wink der Vorſehung und wir möüflen dem höhern Willen folgen.” Er unters 
zeichnete daher dad Ernennungs⸗Dekret und fchidte e& an den Heiligen, der da⸗ 
mals als Prior dem Klofer zu Valladolid vorftand. T., fehr beftürzt über bie 
fo gefürchtete Erhebung, bemühte ſich auf alle Weiſe, in feiner Verborgenheit 
leben zu Tönnen, allein fein Provinzial befahl ihm, kraſt des Gehorſams und 
unter Etrafe des Bannes, dem Willen des Kaiſers ſich zu unterwerfen. Die 
-Bullen des Papſtes Paul III. Iangten ohne Deriug an u. 3. wurde von dem Erz- 
bifchof von Toledo geweiht. Des folgenden Morgens trat er fogleidy den Weg 
nach Valencia zu Fuß und in einer unanfehnlichen Ordenskleidung an, begleitet 
von einem Ordenobruder und zwei Berienten. — Nach feiner Ankunft in Balen 
cia bezog er eine Wohnung bei den Auguftinern diefer Stadt und brachte da⸗ 
felbR mehre Tage in ftiller Geiſtesverſammlung zu, um den Segen des Himmels 
auf fich berabzufleben, deſſen er zur würdigen Erfüllung feiner Amtöpflichten be: 
durfte. Dem Geifte der angelobten Armuth treu, entfernte er alle überflüffigen 
Kofbarkeiten und nahm am erfien Tage des Jahres 1545, auf bloßer Erde 
knieend, Beſitz von feiner bifchöflidhen Kirche. Das Kapitel, feines Erzbifchofs 
Dürftigkeit kennend, machte ihm zur Einrichtung feines Hausweſens ein Geſchenk 
von 4000 Dukaten, das er mit Danf annahm, um es dem Epital zu fchenten, 
welches mit Kranken überladen war und brträchtlicher eng bedurfte, 
Das Erfte, was er nach feiner Befignahme that, war, daß er vie Sefängniffe 
des Erzbischums befuchte und fie heller und bequemer einrichten ließ. Zu dieſer 
Veränderung bewog ihn fein mitleiviger Sinn gegen alle Unglüdiidyen. Die in 
feinen Kloftermauern geübte Demuth begleitete ihm auch auf die hohe Ehrenſtufe; 
alle Merkmale irdiſcher Größe waren Ihm unerträglich. Selbſt fein Drdensflein 
legte er nidyt ab. Sein Tiih war immer fehr einfacdy und er beobachtete ums 
wanbelbar die von feiner Ordensregel vorgefchriebenen Faſten. Sein Palaſt war 
wirklich ein Haus der Armuth; man fah darin nicht eine einzige Tapete. 

wenn er frank war, bediente er ſich der Leinwand, fonft fchtief er oft auf einem 
Bündel Reifig und hatte einen Stein zum Hauptliffen. Treu in Erfüllung aller 
feiner Pflichten eines guten Hirten, befuchte er die Kirchen feines Gprengele, 
prebigte in den Städten und Dörfern mit folchem Eifer und folcher Salbung, 
daß Tebe6 Wort aus feinem Munde wie eine Flamme die Herzen burchglühte. 
Seine Predigten brachten foldye wundervolle Wirkungen hervor, daß man ihn 
al8 einen von Gott erwedten Apoftel und Propheten anfah, um die Sittenver- 
befierung des chriftlichen Volles zu bewirken. Nachdem er fein Bisthum bereist 
hatte, verfammelte er ein Provinzialconcilium, um weife Verorbnungen zur Abs 
ſtellung von Mißbräuchen zu machen, die ſich befonder® unter der Geiſtlichkeit 
eingefchlichen hatten. Alle, fidy ihm entgegenftellenben, Schwierigkeiten befiegte er 
durch feine Geduld und fein Flehen zu Gott, um dad Gedeihen feiner heilbring- 
enden Beftrebungen. Als er wahrgenommen, daß feine Dienerfchaft, um ihn 
nicht in feinen Andachtsübungen zu unterbrechen, ‘Berfonen, die ihn um Rath 
fragen wollten, warten ließ, gab er ven Befehl, ohne Verzug Alle anzumelben, 
die mit ihm zu fprechen begehrten, weil feine Liebe zur Abgeſchiedenheit und Ein⸗ 
famfeit feiner Pflicht weichen müfle und, feit er das bifchöflide Amt angetreten, 
er aufgehört habe, fein eigener Herr zu feyn, um der Diener feiner Heerde zu 
werden. Man hatte von feiner Einfiht und Klugheit einen fo hoben Begriff, 
daß man felbft in den fchwierigften Dingen feine Entfcheidungen mit Ehrfurcht 
annahm. Wenn Hindernifle fchwer zu beſiegen waren, oder wenn es ſich um die 
Belehrung eined verhärteten Sünders handelte, nahm er feine Zuflucht zu Gott 
und damit feine Gebete deſto wirkfamer würden, verband er damit häufige 
Thränen, Almofen und bisweilen außerordentliche Bußwerke. Auf dieſe Weite 
bewirkte er die Belchrung mehrer ‘Berfonen, die bis dahin, gegen alle Ermahn- 
ungen taub, feinem Gnadenrufe folgen wollten. — Die antehnlichen Einkünfte 
feines Erzbiöthums verwendete er mit der ſtrengſten Gewiſſenhaftigkeit. Jeden 
Zag fab man an feinem Palafle mehre hundert Arme, Jeder empfing eine 








Memas von Kempen, " 403 


Babe an Brod und Wein und ein Geldſtück. Er erklärte ſich als Vater der 
Waiſen. Arme Mädchen fleuerte er zur Heiratb aus. Für die Findelkinder 
trag er beſondere Sorgfalt. Gr belohnte diejenigen, welche fie Ihm überbrachten, 
mie auch die forgfältigften Pflegerinnen. Eine Eeeflabt feines Eprengeld wurde 
vos Seeräubern geplündert. Sogleich ließ er fie mit Lebensmitteln u. mit Geld 
verieben zur Loskaufung der Gefangenen. Den Reichen fuchte er ebenfalls ven 
Behlihätigleitöfinn einzuflößen, von dem er fo fehr durchdrungen war, fle er: 
sabnend, dahin zu fireben, daß fie noch reicher an Barmherzigfeit würden, als fie 
es an irdifchen Gütern feien. Der heil. T. ward dringend erfucht, auf dem Con⸗ 
alium von Trient zu erfcheinen; allein feine leivenden Gefundheitsumftände hinder⸗ 
wa ibn, an dieſem wichtigen Werke felbft Theil zu nehmen. Indeſſen blidte er 
ummer mit Schreden auf feine ausgedehnten und wichtigen Hirtenpflichten. Man 
börte ihn oft wiederholen, daß er niemals fo fehr gefürchtet habe, aus der Zahl 
ver Auderwählten ausgelöfcht zu werden, als feit er zum bifchöflichen Amte er> 
beben worden. Mehr, ald einmal, hatte er zu Rom und am Hofe Verſuche ge: 
sacht, um die Grlaubniß zu erhalten, fein Biösthum niederzulegen, die ihm aber 
sie gewährt wurde. Endlid gab ihm Gott die fo fehnlich gewünfchte Freiheit, 
mem er ihm zu fich berief.” Es ward ihm die höhere Erleuchtung, daß er am 
Gehe der Geburt der allerfeligiten Jungfrau in das ewige Vaterland hinüber- 
wandeln werde, welches denn auch wirklich zu feiner großen Freude in Erfüllun 

ging und zwar 1555, in feinem 67. Lebensjahre und in dem 11. feiner bifchöf- 
iihen Amteführung. Paul V. fprad ihn 1618 felig und Alexander VII. fegte 
ihn 1658 unter die Zahl der Heiligen. Sein Feſt wird auf den 18. September 
ghiert. — 3) 3, Erzbifhof von Canterbury, f. Bedet. 

Thomad von Kempen (a Kempis), mit feinem eigentlichen Ramen 2. 
Hammerken, geboren zu Kempen im Kölnifchen 1380, der unfterbliche Verfafler 
des, naͤchſt der hi. Schrift wohl am welteften verbreiteten, Wertes von der Nach⸗ 
folge Ehrifti (de imitatione Christi), widmete fidy frühzeitig mit großem Fleiße 
den theologiidyen Studien, namentlih dem Lefen der heilgen Schrift eben fo 
wohl, ald aicetifchen Uebungen, fam in feinem 20. Jahre in das Klofter der 
Augußiner sEhorherren auf dem Berge der hi. Agnes unweit Zwoll in den Nies 
berlanden und ſtarb als Superior dieſes Kloſters 1471. Er gehört zu den 
ebelfen Myſtikern des Mittelaiters. Rein, wie fein eigener Sinn u. Wandel war, 
facyte er auch in Anderen foldye Reinheit des Herzens heivorzurufen und ladet 
in jeinen zahlreichen praftijcy »religtöfen Schriften, vol freundlicher u. lieblicher 
Büpder, zum ſtillen Umgange mit Gott und Jeſu ein. Diefelben beftchen in 
Dreh ten, Anreden, Ermahnungen, ©ebeten, Liedern, afectifchen Abhandlungen, 

ſaͤmmtliche in lateiniſcher Spracdye gefchrieben und von dem Sefuiten Sommal 
(Annverpen 1607, 4.) herauegegeben worden. Worzüglich find darunter feine 
Eelbitgefpräche der Seele „Soliloquia animae“ und fein Rofengarten „Horlulus 
rosarum“ zu erwähnen. Wenn er in feinem fchen genannten Hauptwerfe „De 
imitsuone Christi“ den Tauler, in deſſen „Nachfolge des armen Lebens Ehrifti“, 
an Tiefe nicht erreicht, fo übertrifft er ihn aber an Einfachheit, aus der eine 
wahrhaft volföthümliche Herzlichkeit fpricht. Der file Umgang. mit Gott und 
Jeſu Chriſto ift der Grundgedanke; dazu gelange man durch Zurüdgezogenbeit, 
würdigen Gebrauch der hi. Saframente, unabläflige Betrachtung der bi. Echrift 
md richtige Würdigung der Welt. Im Geifte aller Jahrhunderte findet er in 
ver Euchariftie ven Müttelpunft alles chriftlichen und Tirdylichen Lebens und ver: 
weilt darum biebei am längften. Mehrfach ift dem T. die Verfaflerfchaft diefer 
Schrift und, nicht ohne glänzende Gründe, abgefprochen worden und Viele hatten 
kb für den Kanzler Gerfon (f. d.) als den Berfaffer entfchieden. Die neueften 
Unterfuchungen des SPräftventen von Gregory „De imitatione Christi et con- 
temlu mundi et omniumque ejus vanitatum libri IV. codex de advocatis saec. 
XIII. Ed. Il. cum not. et var. laett. curante equite G. de Gregory, Aquis 
Sext.* (1833) haben indeſſen nachzuweiſen gefucht, daß der Beneviftinerabt Jo: 


hannes Gerſen a Canabaro (Bavaglia), der zu Anfange bed 13. Jahrhunderts 
lebte, Verfaſſer dieſes Buches ſei. Vgl. Silbert "Gert, Gerfon und Kempis, 
oder, iſt einer von diefen dreien und welcher ift der Verfafler von der „Nachfolge : 
EhHriki"? (Wien 18528) und „Denkfchrift über den wahren Berfafler des Buches . 
von der Nachfolge Ehrifti, von ©. v. Gregory“, aus dem Franzoͤſiſchen übers 

febt von I. B. Weigl (Sulzbach 1832). 

Thomas, St., 1) eine, zu den Eleinen Antillen (f. d.) gehörige Inſel, 
von nur 1% [_J Meilen, weftlidy in der Jungferngruppe, ift im Befige der Dänen 
und bat Einwohnern weldye, mit Ausnahme von 800 Weißen und 1500 
freien Negern, fämmtlide Sklaven find. Die Inſel ift bergig u. eben nicht ſehr 
fruchtbar, die Hitze fteigt im Juni und Juli bis 31° R. und Drfane find häufig, 
Die hauptſächlichſten Produkte find Baummolle u. Zuder. Die gleichnamige Haupts 
ſtadt liegt auf der füplichen Küfte, bat einen ſichern und bequumen Freihafen und 
4000 Einwohner, welche bedeutenden Handel treiben. Außerdem gibt es auf ber 
Inſel noch zwei Miffiondpläge der Herrnhuter, Neuherrnhut und Niesky, 
mit 1900 Ginwohnern, im Jahre 1733 gegründet. Die Infel wurde zuerft 1648 
von den Niederländern colonıfirt, dann von den Engländern crobert und 1671 
an Dänemark abgetreten. Im Jahre 1685 wurde darelbf eine brandenburgifcye 
Colonie angelegt. — 2) 3., eine den Bortugiefen gehörlge Inſel, im Meerbufen 
von Guinea, weſtnordweſtlich vom Cap Lopez, iſt gebirgig, heiß und ungefund, 
befonderd in den Thälern ; der Bic darauf iſt gegen 1100 Fuß body, die Eüpfpige 
heißt Delgada, die Nordſpitze, Morro: Corado. Die Berge find bewaldet. “Die 
Produkte find: Schaafe, Ziegen, viel Schweine, Rindvieh, Zuder, Indigo, Baums 
wolle. Es zählt 20000 Einwohner. Die gleichnamige Hauptftadt, auch Annas 
de⸗Chaves, fteht an der Budyt auf der Rorpdfpige, mit einem kleinen, aber 
fihern Hafen, gefchügt durdy ein Fort, hat 3 Kirchen und 500 Häufer. 

Shomaschriften, — Neſtorius und Neſtorianer. 

Thomaſius, Chriſtian, ein verdienſtooller Philoſoph, geboren den 1. Jäns 
ner 1655 zu Leipzig, wo ſein Vater, Jakob, geſtorben 1684, ſich als Lehrer 
der Beredtſamkeit und Rektor der Thomasfchule durch mündlichen Unterricht und 
Schriften mannigfaltige Verdienfte erwarb, Unter feiner Leitung ftudirte T. Phi⸗ 
lofophie und feit 1675 zu Frankfurt an der Oder die Rechte, fam 1679 nad 
Leipzig zurück und hielt nun dafelbft jariflifche und philoſophiſche Vorleſungen, 
zog ſich aber durch feine Freimüthigkeit fo viele Feinde zu, daß er genöthigt war, 
fein Baterland zu verlaffen, weil in Dresden ein Befehl zu feiner Verhaftung 
ausgewirkt worden war. Er wandte fid) 1690 nach Halle, ſetzte auf der dafigen 
Ritterafademie feine Vorlefungen fort und der große Beifall, den er erhielt, a 
die nächfte Veranlaffung zur Errichtung einer Univerfität in Halle, welche 1694 
eingeweiht wurde. T. wurde auf derfelben zweiter, in der Folge erfter Rechtes 
lehrer, Tönigl. preußifcher Geheimer Rath, Direktor der Univerfirät und fepte 
feine wiflenichaftlihen Bemühungen mit großem Ruhme fort, bis zu feinem Tode, 
den 23. Sept. 1728. Die Verdienfte des 3. beftcehen hauptfüchlidy darin, daß er 
mit gewichtigen Gründen den, damals in Deutfchland herrichenden, religiöfen u. 
yhilolophifchen Überglauben niederſchlug und der deutfchen Sprache in den Unis 
verfitätsvorträgen und in gelehrten Unterſuchungen das ihr gebührende Recht 
verfchafftee Den Glauben an Heren und Beipenfter, die Herenprogefle und die 
Tortur befämpfte er mit allen Waffen des Willens, die ihm zu Gebote ftanden ; 
in die Tiefen der fpefulativen Philofophie drang er aber nicht ein. Man hat 
ihm diefes oft zum Vorwurfe gemacht, ohne zu bevdenfen, daß feine Abfidyt gar 
nicht dahin ging, fid) in metaphyfiiche Grübeleien einzulaffen. Bon ſeinen zahl- 
reichen Echriften nennen wir hier nur die „Freimuͤthigen, jedoch Vernunft» und 
geiegmäßigen Gedanken über allerhand, fürnäimlidy aber neue Bücher,“ Halle 
1690, 8.5 „Die Hiftorie der Weishrit und Thorheit,“ Halle 1693, 3 Thle., 8.5 
„Die Ernfthaften, aber dody munteren und vernünftigen Gedanken und @rinner- 
ungen über allerhand auserlefene juriftifche Händel,“ Halle 1720— 1721, 4 


r-. 
21 


% "pr N 


Menpfon— ae 1: 105 


HU, 4; und „Die vernünftigen und chrifllidhen, aber nicht ſcheinhelligen Ge⸗ 
anlen web Erinnerungen über alleihand gemiſchte philofophifche und —— 
hänhel,” Galle 1723—1725, 3 Thle., 8. gl. H. Lunden, „Ghrifian T., 
ach feinen Schickſalen und Schriften dargeftellt,“ Berlin 1805. 
on, f. Rumford. | 

1 en, 1) James, ein außgegeichneter englifcher Dichter, geboren 1700 
n Gramm bei Kelfo (Schottland), ftudirte zu Eoinburgh, ward in London durch 
a befchreibende Gericht „The Winter“ (1726) befannt und ließ bie 1730 die 
ismtlihen Jahreszeiten folgen. Unter feinen Tragödien fand „Tancred and 
Igismunde“ (1745). ven meiften Beifall; feine legte dichterifche Arbeit, war: „The 
astle of Indolence,“ eine geiſtreiche Nachahmung Spencer's. Er farb zu Kew⸗ 
une bei London 1743. Ob das Volkslied „Rule Britannia eto.“ in „Alfred“ 
1740) von ibm iR, oder von Mallet, ift ungewis. eine „Jahreszeiten“ wurs 
von hänftz aufgelegt und mehrmal® ind Deusiche überfegt. — 2) T., Thomas, 
or der Chemie an der Univerfirät Edinburgh, ward nach Beendigung feiner 
Leltor der Chemie in Edinburgh, bereiste 1812 Schweden und ließ 
5 van. in London nieder, von wo er‘ 1818 ald PBrofefior der Chemie an vie 
Inserfıät Glaſsgow birufen ward. — 3. hat ein eigenes Enftem der Chemie 
eüt, das mit Berzelius (f. d.) in Streit brachte und in Deutſch⸗ 
Im feinen großen Beifall fand. — Seine Haupefchriften find: „A system of 
chemistry,“ 4 Bove., Epinb. und Lond. 1502, 6. Aufl., 1820, wurde überiegt ins 
Deuricye und wiederholt ind Sranzöfifche; „System of chemistry of inorganic 
bedien,“‘ 2 Bde., Epinb. u. Lond. 1831; „Chemistry of organic bodies,“ 2 Vde., 
tem. 1838 und 1842, 2. Aufl. deo 1. Bos., 1842; „An attempt to establish 
ha.irst principles of chumisiry by experiments,“ 2 Bde, Lond. 1825, übers 
fee ins Franzoöſiſche ıc. E. Buchner. 

Thon nennt man verfchiedene Erd⸗ und Steinarten, welche bie Eigenſchaft 
kaken, das Wafler einzufaugen, eine fchlüpferige, fettig anzufühlende, plaftifche 
Mae damit zu bilden, die beim Trodnen ihren Zufammenbang behält, beim 
Yazma in flarker Hige aber bedeutend erhärtet und dann im Wafler nicht mehr 
erweicht. Die, am allgemeinften auf der ganzen Erde verbreitete und im engern 
Eimze %, genannte, Art deffelben ift der gemeine Töpfer⸗T., auh Tachet 
gemanzt, der fid) in allen Weltgegenden, meift im aufgefchwemmten Lande unter 
ve Dammerde in Lagern finde. Er fommt gelblich, röthlich, bläulich «grau, 
gan, oft auch freifig vor, if undurchfichtig, von erdigem, glanzlofem Brud), 
Sagt karl an der Zunge u. entwidilt, angehaudht, einen eigentbümtichen Geruch. 
E iR ſelten rein, ſondern mehr oder weniger durch fremdartige Beimiſchungen, 
a6 Sand, Eiſenoxydhydrat, Kohle ic. verunreinigt; auch enthält er zumellen ein 
seiheilten, oder auch in größeren u. kleineren Broden beftehenden Kalt; in leßterem 
zul iR er zur Verfertigung von Gefdyirren unbrauchbar, weil der Kalt nach dem 
Irennen Feuchtigkeit anzieht, fi) ausdehnt und die Geſchirre zerfprengt. Seine 
baupriächlichite Verwendung ift zur Berfertigung der gemeinen Töpferwaaren und 
ver Mauer s und Dadyziegel; außerdem benügt man den weißen und hellgrauen 
T, weil er auch Fett einjaugt, zum Bertilgen von Feitflecken aus Zeugen und 
holzwerk, namentlich aus den Stubendielen und den erflern zum Anſtreichen des 
wegen Lederzeuged beim Militär. 

Thonſchiefer, |. Schiefer. 

Thör, beißt in der altnordifchen Sprache und Mythologie der über Wolfen 
md Rrgen gebietende, fich durch Wetterfirahl und rollenden Donner verfündigende 
Sort, deſſen Keil durch die Lüfte fährt und auf die Erde einfchlägt und in 
bechdeutſcher Sprache Donar (Donner) genannt wird. Er it Wodan's und der 
Erde Sohn. Er fährt entweder, oder geht zu Buße, niemals fommt er reitend 
°r. Der donnernde Gott wird vorzugemweife als ein väterlicher aufgefaßt und, 
»e Zeus (Jupiter), mit langem Barte vorgeftellt. Die alten Eprachen unter: 
seiden drei Afte der Raturerfcheinung des Gewitters: das Leuchten, den Cchall 

























| 7 borah — Tperiaclk 

und das Einfchlägen. Dem blinenden Gott wird rothes Haar, dem bonnernden 
der Wagen, dem einfchlagenden Geſchoß und Waffe beigelegt, eigentlich Feilförmige 
Steine, die er vom Himmel herabwirft. Die norvifche Mythologie legt dem 
ausdrädlich einen wunderbaren Hammer zu. Vgl. Uhland: Der Mythus von 
Thor. Stuttgart 1836. x. 

Thorah, (deutſch Befeh) nennen bie Juden den Pentateuch (f. d.), da dieſer 
—— den Geſammtinhalt des, dem Moſcs von Bott geoffenbarten, Ge⸗ 
ehes begreift. 

Tporild, Thomas, ein ausgezeichneter ſchwediſcher Schriftfteller, wurbe 
1759 zu Kongolf in Schweden geboren, war Brivatdocent in Upfala, wurde 1798 
wegen feiner politifchen Schriften, befonders über Preßfretheit, des Landes vers 
wieien, begab fih hierauf nach Kopenhagen, lebte daſelbſt längere Zeit ale 
Privatgelehrter, wandte fid) alsdann nach Lübeck nnd Altona, wurde zulegt in 
Greifswald 1796 als Bibliothefar und Profeſſor der fchwenifchen Literatur an⸗ 

eftelt und flarb daſelbſt 1808. Als Schrififteller har fih T. im Fache der 
litik, Philoſophie und Poeſie ausgezeichnet. Außer den ſchon erwähnten 
Schriften nennen wir noch: „Leber die natürliche Hoheit des weiblichen Ge⸗ 
ſchlechtes“; fein Hauptiwerf „Maximum sive Archimetria“, Berlin 1799; „Systeme 
iheologicum humanitatis,‘‘ Greifswald 1803 u. 1804 und fein „Systema juridi- 
cum humanitatis naturale“, ebendaſelbſt. Eine Sammlung feiner poetifchen Schriften 
iſt noch nicht erfchicnen, allein feine übrigen Werke kamen gefammelt zu Upfala 
1819 heraus. T. befaß eine lebendige Einbildungsfraft und einen großen Reich⸗ 
ihum an kühnen und kräftigen Bildern und feine Schriften find reich an origi⸗ 
nellen Anfichten über Wefthetif, Philoſophie und Bolitif. Weber feinen Werth ale 
pbilofopbifcher Schrififteller vergl. Geijer, „Thorild, Tillika en philosophisk eller 
philosophisk Bekännelse“ Upfala 1822, 

Thorkelin (Brim Zohnfen), ein um die ſtandinaviſche Literatur hochver⸗ 
dienter Mann, 1752 auf Island geboren, machte 1786, nach Beendigung feiner 
Studien, zu feiner weitern Ausbildung eine Reife durch England, Irland und 
Scyottland u. ließ fi) dann auf der Univerfität St. Andrews niever. Eeine archäo⸗ 
logiſchen Forfchungen erhielten einen ungewöhnlidyen Beifall und das Verdienſt⸗ 
liche derfelben wurde audy von der Regierung zur Ernennung zum geheimen Ars 
chivar des Könige, zum Staatérathe und zum Ritter des Danebrogordend aners 
fannt. Seine vorzüglichften Werke find: „Kongaerfda ok Bikis Stiörn“, (Successio 
regia et regni administratio) 1777; „Analecta“ ; „Statuta provincielia“; „Diplo- 
matarium Arna-Magnaeanum“ 1786 und der Eommentar zur „Orkeeyinga-Suga“ 
1787. Auch bearbeitete er das wichtige Gefepbudy „Magnus Lagobaeters Gulathings 
Laug“ und gab „Vafihrudis mal“ 1779, eines der vorzüglichften Lieder der Edda 
und das angelfächfifche Gedicht: „De Danorum rebus gestis sec. Ill. et IV.“ 
Kopenhagen 1815, 4. heraus. | 

Thorlacins, 1) T. Stule Thordfen, geboren auf Island 1741, ftarb 
als geivefener Rektor der lateinifchen Schule zu Kopenhagen, mit dem Gharafter 
und Range eines Juſtizrathes 1815. Außer feinem Antheile an der Herausgabe 
der Heimskringla, feiner Borrede zum I. Theile der fümundinifchen Edda und - 
einigen kleinen Auffägen über Thor, über ein paar Runenfteine u. f. w., bleibt 
er dem nordifchen Philologen, Alterthumsforfcher und Literaten durch feine mufter- 
haften: „Antiquitatum hborealium observationes miscellanese, Spec. 1. — VII.“, 
Kopenhagen 1778— 1799, wovon das 4., „Borealium veterum matrimonia cum 
Romanorum institutis collata“ auch beſonders erfchien, Kopenhagen 1785, ıbeuer. 
| geupifäglie wird ihm jeder fritifche Forſcher der alten voetlichen und mythiſchen 

nkmale für feine gründlichen Commentare über „Hakonar-Quida, den Grotta- 
Savngr, Havstlavng, die Thrösdräpa“ u. ſ. w. für immer dantbar feyn. — 2) 2. 
Birger, däniidy Börge, des Borigen Sohn, geboren zu Colding ven 1. Mat 1175, 
Doctor und Profefior der Theologie zu Kopenhagen, königl. Etatörath und Ritter 
des Danebrogordens. eine „Libri Sibyllistarum“, feine populären Auffäge, das 


















deuſche, 
m na Dein ra 
2 0 


Berdienft um bie altnorbifche Literatur aber: bat 
vdavurch erworben, daß durch feine Liberalität — | 
—* * an © 30 ge endlich re vr ” und- 
au bearbeitete —— 
er ; abe bes IV. und V. Eee (618 (1813: —* 1818, ver 
hen 1783). ebenfalls —3 einem Verlaufe von 80 und mehren Jahren 


* Ereioſtadt und R obezirke Marienwerder der 
— am I Ufer ug | ri rag eine 2500 
rucke führt, beſteht aus der alten und neuen m rast, dat vr m 14 9a j 
* —— Kirchen, darunter die Marien fe ans 
h die Nikolailirche von 1263, die Sohaumietische mat 
von Thorwalbfen, drei 4 Klößer umd gegen 000 Einer w * 
@etreivbau, Holzhandel, Gerberei und —— w Scale 
und Stedrüben treiben. — Erbant von dem 
ma Bailf, 1232, btähte T. raſch auf und trat 12 
Inneue Etadt Rammt. In viele Fehden umb' Kri den erg; zukt 
Vchutherrſchaft es 1454 trat und ven deuntſchen gas ‚wit den 
ben verwidelt, hatte T. viele Belagerumgen —— uflter —* a 
‚Zu. von 1703 die verderblichke war. -In Bolge der Kir 
ehe nnaufbörliche BricbenöRdrungen; die endlich 1794 
Dlutbade führten, wobei der Pröfvent Rboner ira * 
yet und die Stadt durch —* — —5 meiſten echte beraudt 
—— kam T. an Preußen; von ben Franzoſen bes 
amd zum. Grofherzogihume Warſchau gefchlagen, 1813 aber Auſſen 
Zreußen geräumt, welche legtere es 1815 wieder —2 — ehe de 
ı 1831 es ald Dperationspunft gegen den polnifchen Wafftand benü 
— des berühmten Aftronomen Kopernikus und des —— 
ſering (ſ. d 
—— Bertel, der berühmteſte Bildhauer der neueſten Sohn 
gruen Steinmeßen and Yeland, zu Kopenhagen den 8. Nov. 1770 O geboren, 
rd fich für die Kunft ſeines Bater6 und warb auf die Zeichenafabemie zu 
bag gefchidt, wo er ſich bald fo auszeichnete, daß er 1797 eine Benin 
ahre Fila um in Rom zu fludiren. Hier lebte er, ohne fehr bem 
den u. ſchon im Begriffe, wieder abzureifen, ald der Holländer Hope de 
hrung eines ern Models: „Zafon wie er das eroberte 
e Bließ emporhäl armor von ihm verlangte. Dieß entfchieb feinen 
4 Aufenthalt in —5 und ſeinen Ruhm. Hope wußte das Kunfwert m 
a md fragte T., wie viel feine Ausführung in Marmor koſten würde? 
langte Zechinen, Hope aber verfprad ibm 800 und gab ihm mol 
or, um and Werk zu eben. Diefer Zafon ſteht noch in ndon; in Kos 
zen befigt man nur psabguß von einer Copie in Bronze in ver 
w. Maßftabe, weiche dem Könige gehört. Nachdem nım einmal T. ale 
r anerlannt war, folgten Beftcllungen auf Beftellungen, indem es unter den 
w und Kunfifreunden Ehrenfache wurde, eine Arbeit von feiner Hand zu 
L Ibm, dem Ausländer und PBroteftanten, ward das Denkmal des Papſtes 
VA. für die Peterslirche und die Präftventfchaft der Akademle St. Luca in 
Abertragen. Er befuchte Kopenhagen 1819, 1830, 1838 und 1842, blieb 
He Mal bafelbf und flarb am 24. März 1844 plötzlich. Da er nicht 
rathet war und, eine natürliche Tochter ausgenommen, Feine naben Aare 
e hatte, fo febte er fein Baterland zum Erben, en und ein Mufeum in in 
hapen vereinigt die von ihm gefchaffenen, wie die gefammelten Schatze der 
und der Literatur. Der Hauptzug feines —X Weſens IR Rüdkkhe 

































408 Wvorwaldſen. 


dur antifen Anſchauungsweiſe ſowohl Tünftlerifcher Aufgaben, als der Natur, 
nf, Einfachheit, Würde, Eharafter und, fo weit fie damit in Uebereinſtimmung, 
Schönheit der Seftalten, Wahrheit der Deivenung und Bollendung in der Aus» 
ührung; für dad Relief gewann cr das griechiſche Geſetz wieder: die fcharfe 
gränzung bet möglichft gehaltener Modelirung. In Marmor feib hat er 
nur wenig ausgeführt und zulegt felb die Modelle, bei allzugroßer Ueberbäufung 
mit Beftellungen, durch Echüler unter feiner Aufficht machen laflen. Rein poe⸗ 
tifchen Gegenſtaͤnden, oder folchen, die der Mythologie, der Natur und alten Ges 
—* entnommen ſind, war er am meiſten gewachſen; für die chriſtlichen Dar⸗ 
ellungen fehlte ihm die dafür unerlaͤßliche Wärme und Hingebung, wiewohl auch 
an dieſer Gtefle nichts Unwürdiges oder Unbedeutendes aus feiner Hand gekom⸗ 
men if. Ganz durchdrungen von den Anforderungen des momentanen Styles, 
wußte er herrliche Dentmale zu entwerfen, entging indeß doch nicht bei allen den 
entgegenftehenden Echwierigfeiten. Werke: a). Darftcllungen aus dem Le— 
ben und der Geſchichte: Der Hirtenfnabe bei Herrn v. Krauße auf Weiß⸗ 
druff von Dresden und an fünf anderen Orten; der Alcxanderzug, zu Ehren Ras 
poleon’& für ein Zimmer ded Duirinald in Rom entworfen, für die Villa Soms 
mariva am Gomer See in Marmor ausgeführt. b) Mythologiſche und poes 
tifhe Darftellungen: Mercurius Ahr den Herzog von Auguftenbur (mehr 
mald wieberholt) ; Ganymed mit dem Aoler für Lord Bower; Amor in vielen 
Lagen und ‚Hanblungen (der triumphbirende bei Kürft Efterhazy); Venus mit dem 
Apfel der Eris für Lord Lucan; Adonis für den König von Bayern; die Gra⸗ 
zien für den Herzog von Wuguftenburg; Relief sAnafreon für Graf Echönborn 
auf Reichartshaufen; Tag und Nacht für Fürſt Metternich und fonft fehr oft; 
Benus mit dem durch eine Biene verwundeten Amor; die Alter der Liebe; Dars 
ftellungen aus Homer's Ilias ꝛc. c) Ehriftlichsreligtöfe Darftellungen: 
der Taufſtein für die Kirche zu Millabye auf Island; die Predigt ded Johan 
ned, Fronton der Metropolitanticche zu Kopenhagen, ganze Figuren; Chriftu, 
Kolofjalftatue in der Schloßfapelle zu Kopenhagen; dazu die 12 Apoſtel. d) 
Bildniffe und Bildnißſtatuen: Kaiſer Alexander von Rußland; Gräfin 
Dftermann ; Prinzeffin Amalie von Dänemark; Denkmal des Kopernikus zu 
Warſchau; Grabdentmal des Grafen PBotodi in Krakau; des Herzogs Eugen 
von Leuchtenberg in München; des Papſtes Pius VII. in Rom ; die Reiterflatue 
des Fürften Poniatowoly, für Warſchau beftimmt (aber ſeit der legten Revolution 
entfernt) ; ded Kurfürften Maximiliau 1. in München; die Ehrenbilvfäulen Schil- 
ler's in nuttgart und Suktenbergs in Mainz, desgleichen Konradins von 
Schwaben in Keapel (erft nach des Meifterd Tode von ei Schoͤpf ausgeführt) ıc. 
Ganz befonderd groß zeigte fi I. in Reftauration von antifen Etatuen und hat 
er durch die der Yegineten in München fich ein unerreichbare® Verdienſt erwors 
ben, fo verdient bie Herftellung des Alerander, der Mufen, der Elpis u. v. a. 
nicht minder ausgeichnende Erwähnung. Sein letztes Werk, an welchem er noch 
wenige Stunden vor feinem Tode arbeitete, war das Bildniß Luther's. Am 17. 
Sept. 1848 wurde in Kopenhagen das Thorwaldfen’fche Mufeum eröffnet, 
ein Kunfttempel, dem an Reichthum wohl fein anderer in der Welt zur Seite zu 
ftellen if, wenn man bedenkt, daß feine Schäße die Frucht eines einzigen Rünf- 
lerlebens find: ein Leben, deſſen Dauer in der nämlichen Fülle und Kraft man 
auf mehr ald 100 Jahre anfchlagen möchte, wenn man feine erhabene, in fleter 
Friſche und Lauterfeit erhaltene, Wirkfamkeit betrachtet. — T.'s Werke find in 
dem Mufeum mit einem feltenen Kunftfinn georbnet, fo daß nicht blos Auge und 
Geiſt fi) an der Unendlichkeit von binreißenden Einzelnheiten erfreuen, fondern 
daß auch durdy diefelben in ihrer Gefammtheit ein imponirender Einprud hervor- 
gebracht wird, Die vielen ®emächer, die dem Befucher unaufhörlich einen neuen 
nblid von edler plaftiicher Schönheit gewähren und aus deren mannigfaltigen 
Statuen und Reliefs «8 ſich fo recht heraußftellt, wie neu, eigenthümlich, graziös 
und großartig der Gedanke des großen Künftlers ſich zur Form geftaltete;. vie 


nztorre, Nasa? befeeiten Briefendiund. Dig 
—* di Ähren geil u 
= a Eee 


[3 ae oder Thut u lern der Vater ber 
aften, ver — Be welchem wis. Sets 
yeRannten Wölter alleb Croße umd Bebentfame zufchrelben, "er -thmen 
Mer Erfindungen war, Me dem —— der 5*5— 
ut ode Dit entftanden zu ſeyn heine, . —— z M — 


= Prieftercolleginm zu 
Ant ven für eine Perfon genommen en 
und Kultur aller der Wiflenichaften und Bun: Bante, ve IJ 
ift Geren ausſchließliches Eigenthum - ja 
mben- u. 'culttofrt hat. Gott des Hande 6 mar er, weit —X 


mffaliend degunſtigten 
& Jacques Ara de Thuanus), echt aalenwouer 

tchtöfchreiber, geboren zu Varis 1339, land ſhon Kr In fit feldem 
"Kiugbeit und — daß er zu Verhandlungen mit dem Warſchal 
ZUSSG, Geheid NL, ver Ihm verihenene Wiflenen Ha Unglen 
m , m m ie land 8; 
—— Heinrich IV. fand in ihr Diener md geſchis⸗ 


BE 
# 
3 
3 
i 


Im 1 laments, währen 
arfaft "@cneralpireftor der Finanzen, — als Eommifär "ver Gm; 
iſchen du Pieffis / Mornal und du Verron bei und teformirte mit fen 
rrichteweſen. Er ftarb 1617. Man kennt ihn als achtbaren Inteinligen 
nd bewundert die „Geſchichte feiner Zeit“, welche mit er ſtrengl 


Unparteilichkeit und genaueſten politifchen Kennt gedrängter, 
—— aögefaßt R f Kan! — 1733): Mn Ye ne * 
m Geiſte Memoiren. — sohn, Erangois Wuguf de 


der 
ee Tugenden und feines Gens ward durch -Richelieu’6 Einfuf von 
kiom erhäften fern gehalten, und in bie Verſchwoͤrung von Eing- Mars 
&r büßte dafür mit feinem Haupte 1642. 
Ka en mae) nennt man bie von der Tpränendräfe (f. Thränen 
e) abgefonerte, tropfbare Feuchtigkeit, deren Sepatı aus & ungefähr 
fr und 4 af Beſtandtheilen BeReht, 403 ledtere beim Bei⸗ 
als feſtet Rüdfand zurüdbleiben. Iht ſpezifi Gewicht iſt kaum 
[73 18 jened des Waſſers. Sie enthalten viel Sons, ſowohl in reinem, als 
Ir, tod —— und phosphorfaurem Zuftande, nebft etwas pbosphor⸗ 
Mberbe, auch find fie mit Schleim- Dermengt der von den Kanälen der 
mgspräfe herrährt, Die Duantität des en Zu —8 ab⸗ 
EA —— {ft verſchieden, wie —* deſſen Miſchung Bas 
— T⸗Entmiſchung — betrifft Ms fo iſt Ir van 
— ee fo_went, pargefielt, ale in: yarholog, ſch⸗phyſtologi⸗ 
aufge ht; nur fovtel IR befannt, Daß deren vorwaltender Pr Mae 
Teimgefal — fharfet. — —— — 
ebilde ash Die ſich zumellen in den T.Kanälen bils 
teine find namentlich aus den Salzen der T. zufammengefegt und 
N geronnenen fchleimigen sur zu einer —X Gonfiftenz vereinigt. 
© T. belangend, fo if es fidyer, daß diefer fich nicht darauf befchränft, 
pfel gegen den rauhen Eindruck der atmoſphaͤriſchen Luft, 6. wie gegen 
pung der Augenlieder zu fchügen und zu reinigen, fonvern es vers 


110 Tpränenfadfikel — Iran, 


—* 206 in einer innigen dynamiſchen Berfnüpfung mit der Funktion des Ge⸗ 
tes. u. 
—— — (Fistula sacci lacrymalis) nennt man ein jedes, mit der 
Höhle des Thränenfades communicirende, d. i. denſelben durchbohrende Geſchwür. 
Die Durchbohrung des Thränenfades findet auf geradem Wege ftatt, oder es ber 
ſteht zwiſchen der äußern und innern Deffnung ein Fiſtelgang; oft gibt ed nur 
eine Definung, manchmal deren mehrere, deren Ränder meiftend mehr oder wes 
niger wulftig, zufammengezogen und mit ſchwammigen Wucherungen befegt find. 
Sie charakteriſirt fid) durch den Ausflug des Inhaltes — der Thränenflüffigkeiten 
— nad außen, oder durch Senken deffelben nach Innen in das unterliegende Zell 
ewwebe und, für den erften Kal, durdy die Möglichkeit der Einführung einer 
onde In den Thränenfad. Die Behandlung dieſes Uebels ift bald eine medizi⸗ 
nifche , infofern daſſelbe der Reflex eines a agemeinen Leidens ift, oder bloß eine 
hirurgifche, welche übrigen® jedenfalls die Befcitigung des urfädhlichen Grund⸗ 
be zur Wufgabe haben muß. Der Hellerfolg ift faft immer ein zweifels 
after 


. A. 
Thränenwerkzeuge, Thränenmwege, Organa lacrymalias, s. vise lacrymales, 
nennt man einen eigenthümlich georbneten, drüfigen und bäutigen Apparat, deflen 
Sunftion die Bildung und Kortleitung einer eigenthümlichen, dünnen und durch⸗ 
ſichtigen Flüſſigkeit, der Thränen (ſ. d.) if. Die einzelnen Theile dieſes Apparates 
find: Die Thränendrüſe, welche aus 2 ſelbſtſtändigen Drüſen — der obern u. 
untern %.-Drüfe, befteht, die aber auch wieder aus zufammengehäuften Drüfen 
zufammengefeßt find. Sie legt unter dem obern Augenlide in der Augenhöble, dicht 
unter der obern Wand des Stirnbeind, gegen vorn u. außen über dem Augapfel. Auf 
ihrem untern Rande entipringen 7 — 10 fehr vünnhäutige, enge Ausführungss 
gänge, die nach vorm und abwärts laufen, in fchräger Richtung die Bindehaut 
des Auges (cf. d.) durdhbohren und fich in feiner gebogenen Reihe nebeneinan- 
der, in der Nähe des innern Augenmwinfeld auf der Innern Fläche des obern 
Augenlives öffnen. Diefe Aus führungegänge leiten die, von den T.⸗Drüſen abs 
gefonderte, Feuchtigkeit nun auf die Oberfläche deo Mugeb, von wo fie ſich dann 
hinter dem untern Augenlide und befonderd In dem Innern Wugenwintel, dem 
fogenannten See, anfammelt. Die T.,Bunfte, Eleine, am bintern Saume 
jeded Augenlides, etwa 24 2. von deren innern Berbindung entfernt liegende 
Deffnungen, die Mündungen der T.Kanälchen, deren oberes fenfredht nach 
oben, das untere in gleicher Richtung nach unten in die Augenlider gebt, ſich 
fodann Enieförmig erweitern, nach innen umbiegen und in den vordern und äußern 
Theil des Thränenfades einmünden. Diefer iſt ein länglicher, hobler, in ver 
T.»Beingrube liegender Schlauch, deflen oberer Theil ein ſtumpf abgerundetes, 
verfchlofenes Ende bildet, unter welchem er die genannten T.Röhrchen aufs 
nimmt und deflen untere, abwärts und ſchräg nad) außen laufendes, im Um⸗ 
fange fi verjüngende® Ende in den häutigen 3.-Kanal übergeht, welcher 
n fchräger Richtung von oben und vorn nach unten und binten durch den 
Inöchernen, T.-Rafengang genannten, Kanal herabfteigt und fih in dem untern 
Naſengange, unter dem vordern Dritttbeile der untern Nafenmufchel, mit einem 
bogenförmigen Spalt, der Rafenfchleimhaut, öffnet. — Die T. Bunte werden beim 
Schließen der Augenlidſpalte in den T.⸗See eingetaucht, aus welchem fie die mit 
E chleim vermifchte T.⸗Feuchtigkeit auffaugen, die fodann, durch die T.⸗Kanaͤlchen 
in den T.⸗Sack gelangend, von diefem in vie Rafenhöhle entleert wird. “Die 
Fortbewegung der 3. -Flüffigfeit wird theils durch eine eigene Muskel und 
mirtelft der mitgetheilten Bewegung des Schließmusfeld der Augenlider, theil® 
durch die progreflive Verengerung ded Naſenkanals, fowie vermöge ihrer eigenen 
Schwere gefördert. — Die T. find mehrfachen dynamifchen und organiichen 
Kranktheitözuftänden unterworfen, die field von mehr läftigen, ald das Sehver⸗ 
mögenden flörenden, Eymptomen begleitet find. ni. 
Thran oder Fiſch⸗T. ift das, aus dem Spede der Wallfifcharten, Robben 





weiches der 3. in —* * —* 
Die zurũckgebliebenen Stͤde, we 


: —— — fa, ii FE 
Heimigen Theilen zu n, läßt ihn eine 


Die, na 









von Dem a biden a: ab, 


‚ Nr Be 
Beben 
m läßt, —A in 
achdem der zeine 
brauner J. —* 
* werden, denn — —* dam ge 
echenden Stoff un» fehr 
m Lebern, befonders ber ebenen ‘ober en, 
de Sehr gtoß und fett find, —* des Rabiiau und bes "Lengfl ches, 
7* welchet Leber⸗T. heißt und fetter iR, als Wallfiſch⸗T., 238 
r erhält, auch ſich leichter klärt und beſſer brennt. Auch if 
ne beſonders dadurch wichtig geworben, das ‚man ihn in ber Me edizin 
ngerourzelte rheumatiſche Uebel, —E 
ſ. w. ſehr haͤufig anwendet, weßhalb er 29 35 genannt 
In — gibt z. bedeutende T.Siedereien mburg, 
Hauptbeglehungepläbe dafür find: in Dänemar | in 
en —— | in Schweden Gothenburg (beionders für ⸗T.) im 
x Petersburg und Archangel ıc. Der ſtärkſte Verbrau — 2.6 rin in 
abe, t Bereitung des Suchtens, des fämifchgaren und — 
zum mieren des fogenannten Fiſchleders, u 55 idig⸗ 
mg des Stiefel- und Wagenleders, beim Kalfatern der Sch I Ende 
on Schmierfeife; er ift eine® ber beten —— Wenn aber 
buell; er kann zur Bereitung von Leuchtgas verwendet werben ; Eng 
waucht man ihn zum Heizen der Zuderpfannen; ale virniß gelocht, dann 
* Ir ordinären Anftreichfarben verwenden x. 
ara des Lykus Sohn, einer der beräßmtefken Feldherrn der Athe⸗ 
ſtete im peioponneflichen Kriege —— Baterlande, beſonders unter 
die efiläfen Dienfte, mußte aber dennoch, als Athen fi) an bie 
—X ergab und durch die, von dieſen eingeſetzten 30 Tyrannen nieder⸗ 
t. wurde, ins Eril gehen. Allein den fammelte ex eine kleine Zahl eben⸗ 
ertriebener Bürger, ri damit die Fekung Phylen in Attika am, bie er 
roberte und, als nun jene Tyrannen an ihn fchidten per ihm eine Stelle 
m Gollegium anboten, wies er dieſes von fich, griff He mit feinen num ver 
u Truppen an, ſchlug fie mehre Wale und zwang fie np, Athen zu 
Bet allem dem zeigte fich diefer Ueberwinder der Feinde feines Vater⸗ 
ganz ald großmüthiger Mann, indem er feinen verbannte, von-Bliemanden 
any al elnyog und eine allgemeine Ammeſtie bekaunt machen. Mr die 


u. 
7 






—* ae gegen 


* 











Fr 


man dad Geſetz der Vergeſſenheit nannte. So behielt er nun auch für Athen 
ein fehr großes Anſehen, ob er gleich demſelben, da es nicht mehr die erfte große 
Macht hatte, das nicht leiften konnte, was er ihm unter befferen Berbhältnifien 
ätte leiften fönnen. Als er endlich bei einem neuen Kriege mit Lacedämon 
on wichtige Foriſchritte gemacht und mehre der vornehmften Städte für die 
Athenienfer gewonnen hatte, landete er unter anderen zwifchen Pamphylien und 
Gificin und wurde von den Einwohnern der Stadt Aopendus verrätherifcher 
Weiſe ermordet. Seinen Körver hatten fich die Athenienfer doch wieder zu ver- 
fchaffen gefucht u. ihn nach Athen gebracht, wo nachher fein Grabmal errichtet 
wurde. ' 

Thrazien, hieß in den älteſten Zeiten bald das gene Rordland, über Mares 
donien hinaus, deſſen Gränzen man nicht kannte und das man ſich gewöhnlich 
als ein rauhes Bergland dachte; bald, in fpäteren Zeiten, der Landſtrich oberhalb 
Mazedonien, der öſtlich an das fhwarze, fünlich an das ägäiſche Meer und den 
Propontis gränzte und nordwärts bi8 an Wöften und das Gebirge Hämus 
ſich erſtreckte. Das Land war allergings urfprünglich, ehe e8 angebaut wurde, zum 
Theil rauh und die Alteften Bewohner, die Thrakier oder Trafer (unter ihnen die 
Geten), ein wildes kriegeriſches Volk; daher verfegte man dorthin den Boreas 
und hielt es für cin dem Mars oder Ares geweihtes Land. Indeſſen flevelten 
ſich ſchon in alter Zelt Griechen dort an und es mangelte dem Lande nicht an 
fruchtbaren ©etreidefluren und fetten Weiden ; e8 befaß reiche Metallgruben, auch 
Gold und Eiiber und die thrafiihen Rofle und Reiter wettelferten an Ruhm 
mit den thrffalifchen. Als thrafifche Gebirge find vor anderen zu merfen, außer 
dem Hämus an der Gränze, das rhodopeifche und pangäifche. Inter den Strö⸗ 
men {ft der größte und berühmtefle der Hebrus, jetzt Mariza. Das ganze Land, 
als ein Theil des türfifchen Reiches, heißt jegt Rum⸗Ili oder Rumelien; in ven 
älteren Zeiten war ed theils mehren Herrfchern unterworfen, theild mit Maze⸗ 
donien verbunden, dann römifche Provinz. Bon nun. an theilte es das Geſchick 
Griechenlands und wurde im 15. Jahrhundert von den Türken unterjocht, die 
es noch jept unter dem Namen Rumelien (f. d.) befigen. 

Threnodie (gricchifch) Klage oder Trauergefang, der lyriſche Ausdrud eines 
ergreifenden Echmerzed, ſelbſt der Verzweiflung an und für fi), ohne tröftende . 
Hoffnung und daher wefentlid von der fanfken und gemäßigten Elegie (h d.) 
verfchieden. Statt T. findet man im Auſonius Ihrenns und verftärft mit den 
Beiwörtern flabilis, moestus, tristis. Die griechiſchen Spnyvo: aber enthalten Klagen 
über den Verluft einer geliebten Perſon und find ganz eigentlich Trauerelegien 
im elegifchen Versmaße. 

Thucidides, der erſte große pragmatifche Gefchichtichreiber der Griechen, 
Sohn des Diorud und durdy diefen mit Miltianes verwandt, ſowie durch feine 
Mutter Hegefipyle ein Abkömmling der Könige von Ihrazien, geboren zu Arhen 
470 v. Ehr., wur ein Schüler ded Anaragoras und des Redners Antiphon. Als 
er in feiner Jugend den Herodotus bet den olympifchen Spielen feine Gefchichte 
vorlefen hörte, feuerte diefed den Züngling fo an, daß auch er mit allem Eifer 
darnach firebte, ein tüchtiger Hiftorfograph zu werben. Im peloponneflichen Kriege 
begleitete er dad Amt eines Strategen, und führte die Aufficht über die Gold- 
bergwerfe der Infel Thafos, während er fich felbft auf feinen Gütern in Thrazien 
aufbielt. Da er indeflen dem belagerten Amphipolis nicht fo fchleunfg au Hilfe 
fam, als die Athentenfer e8 gewünfcht hatten, wurde er mit der Verweiſung bes 
ſtraft. Er fchrieb hierauf zu Staptefula in Thrazten feine Geſchichte des yelos 
ponnefiichen Krieges in acht Büchern, von welchen jedoch nur fleben vollendet 
find, denn der Tod überrafchte ihn beim achten, Ati v. Chr. Ausgaben: die 
erfie Venedig bei Aldus 1502, Fol. Florenz bei Zunta 1526, Fol. und öfter; 
Hauptausgabe von Waffe und Dufer, Amftervam 1731, Kol. ; Gottleber, (herauss 

egeben von Bauer und Bed), Leipzig 1790, 1804, 4., London 1819, 4 Bde; 
eptytos Lukas, Wien 1806, 10 Bde. (mit neugriechiſchem Commentar); 3. ®. 


SHinnnkr-Miingen. j Li 
u. Paris 1807,:12 Be. (®. 1814, 8 Bde); ET. Poppo, Leipzi 
fl. 6 Bne; I. Better, Bertin 1 X Be: (DOrf 1821, — 
1826, 2 Bve; deuiſch von Heilmann, Simgo1760 (Mnegabe von Brevom, 
| 1829): Mar Jacobi, Hamburg 1801—1806f. 2 Bde; H. Müller, 
mezlau 1828; Dftander, Stuttgart 1827. Ueber T. fehrieben unter den Alten 
astellinoe und Dionyfios von Haltfarnafjos; unter den Neueren befonvers 
dweil. „Annales Thuoydidei“, Orford 1702, 4. Greuzer, Herodotos und T., 
wiig 1798; Krüger; Unterfuchungen über dad Leben des T., Berlin 1832; W. 
Iiper, Leben, Werke ımb Zeitalter des T., Göttingen 1842. 
- DT, Morig Auguſt von, ein geifivoller, fentimental-humos 
Mer deutfcher Schrifteller, geboren auf dem Nittergute — bei Leipzig 
ioidmete ſich nachdem er zu Ropl feine Schulftubten beendigt hatte, 
F der. Univerfltät Leipzig der Jurispru and machte, zugleich durch feine 
mubfchaftliche Verbindung mit Geller, Weiße, Nabener und Stleift, bedeutende 
Afehritte in ben Fchönen Bla ften. Bald-nachdem er die Univerfität verlaffen 
Re, trat er als Kammierjunker in die Dienfte des Erbprinzen Ernft Friedrich von 
—— der ihn nach dem Antriite feiner Regierung zum geb. Hofrathe und 
zum wirilichen geheimen Nathe ums Minifter ernannte, iefem Poſten 
wer rũhlichſt bis zum Jahre 1783 vor, wo er fich von allen Öffentlichen Ge- 
äften . Er lente zu Koburg eine Babrif von Heinen fleinernen Kugel 
; die burd) ihren bebeutenden — {hm ein ziemliches Vermögen eintrug, 
‚ch einer Weifährigen Reife, 1775 — ‚ durch Frankreich umd Stalten lebte 
An Kreife_ feiner —* abwechſelnd auf feinem Gute Sonneborn und in 
[ Et Rarh während eines Aufenthalte® in Koburg am 26. Dftober 1817. 
 Gtyl iR wmeiferhaft, feine Darftelung vol Eleganz, Phantafle und Big, 
de ſeiten Appig und lasciv; überall biidt ver Lebemann und feine Weltmann 
rch, glatt und Eunftreich nachläffig. Sein ausgezeichnetes Werk tft: „Reifen 
‚die mittäglichen Provinzen von Frankreich“, 9 Bde, 179t— 1805 und neben 
fem: „Wilhelmine oder der vermählte Bedant“, Brofnlfchefomifäes Gedicht 1764; 
em die „Imoculation ber Liebe" 1771 u. f.w: Sämmtlidye Werke, 7 Theile 
— a Shözfek Sad, Hefaben ale hallo Tnhmaotkeilde 
[3 1, geb. feld I, geftorben als herzo; jachen:gotl 
a eine Rab, Rammerpräfdent und DierRenerdireftor —XV 
a 1. März 1834, machte ſich um die Herzogthümer Sachſen⸗Gotha und Sach⸗ 
wlltenburg bochverbient. WI ein Freund der Künfte und Wiffenfhaften fand 
mit den auögezeichnetften Männern feiner Zeit in Verbindung. Rach feinem 
Hülen wurde et, ohne Sarg, unter dem Stamme feiner Lieblingseiche, auf ſei⸗ 
m Landaute Nöldenig, unmelt Loͤbichau in figender Stellung eingefenft. 
Thüringen hieß ehevem ein mächtige® Reich in Mirtelveutfchland; heut zu 
age {ft es nur noch der Golleftiuname mehrer Länder in Dömishfen, swtichen 
re Werra, Saale, dem Harze und Thürtnger Walde. Die Sige des alten Bols 
B der Thüringer reichten viel weiter (f. unten Gefchichte). Der Landſtrich, 
ichen man gegenwärtig Th. heißt, iſt größtentheil® Yon fanft gerundeten, fruchi⸗ 
ren Hügeln durchzogen, die fich gegen den Harz, das Eichefeld und den Thüs 
nger Wald Hin zu Bergen erheben. Lepterer beginnt im Eiſenach'ſchen und 
rdhrieht in einer Länge von 14 und in einer Breite von 2—4 Meilen die kurs 
fische Herrichaft Schmalkalden, das Gothaiſche, den abgetrennten Theil der 
rafiichen Provinz Sachſen, die Yürftenthümer Schwarzburg, bie — thümer 
achfen- Meiningen und Koburg, die Kürftenthümer Neuß, und verbindet + ger 
a Eüvoflen durch einen Drebenimeig, der Franken wald genannt, mit dem 
Inebirge in Bayern und gegen Suͤbweſten mit dem rodngehtrge während 
we nördlichen Ausläufer bis gegen den Harz hinftreifen. Der Thüringer Wald 
febarfrüdig, von 2400° — höchfter Gipfel der Große Beerberg, 3064"), 
d bi6 zum Kamme mit Forſten bededt, welche meift aus Fichten und Tannen, 
einigen Begenden auch aus Laubholz beſtehen. Er hat ſchone Thäler und W⸗ 
Nealenpciopävie. X. 8 


4114 Tpäringen, 


det mit feinen Abhängen reizende Landfchaften. Die am häufigften vorkommenden 
Beldarten find Porphyr, Granit und Thonfchiefer. Das einzige Metall, welches 
man hier in baumwürdiger Menge findet, ift Eifen; einige Fluͤßchen führen Gold 
mit fi). Die Gewäffer, weldhe dem Schooße des Thüringer Waldes entfpringen, 
find die Gera, Wipyer, Ilm, Schwarza, Loquig, Unftrut, Rodach, Haslach, 
Steinach, Itz, Werra, Hörfel und Leina. Der Hauptfluß T.s, die Saale, 
hat ihre Duelle am Bichtelgebirge in Bayern. — Das Land erzeugt alle gewöhn- 
lichen Gerreids und Obſtarten, Gemüfe, Handelspflinzgen und etwas Wein; der 
fruchtbarfte Stridy tft die „goldene Au“. Die Bewohner nähren fid) von Ader- 
bau, Biehzucht, Walpbenugung, Bergbau, Eifenfubrifatton und mandyerlei andern 
Induftriegweigen. Die Haupiftadt 3.8 ift Erfurt. Der König von Preußen, 
der Kurfürft von Heflen, der Großherzog von Weimar, die Herzoge von Meis 
ningen, Witenburg und Stoburg, bie Särten von Schwarzburg und Reuß find jebt 
die Beſitzer dieſer Landſchaft. — Geſchichte. ALS die Urbewohner 3.8 werden 
die Katten und Hermunduren von den Gelchichtfchreibern aufgeführt. Der 
Name ver Thüringer kommt erft im 4. Jahrhunderte vor. Die Gränzen 
ihres Landes umfagten gegen Norden einen großen Theil des Harzes, reich⸗ 
ten von der Lahn bis zum Elbfirome, umſchloſſen öftli das ganze Dfter- 
land dis zur Eifter wie das Voigtland, im Süden den ganzen Thüringer 
Wald, den Grabfeldgau, das Ylußgebiet ver fränkifhen Saale bis zum 
Main, wie das der Werra im Süden und Welten bis zur Weſer — Heflen, 
Weſterwald und Wetterau. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts erfcheinen die 
Thüringer unter ven Hülfsvölfern Attila's; ihre Herrichaft reichte damals gegen 
Süden fogar in das einft von den Narisfern und den Marlomannen bewohnte 
Land, in weldyem der Sup Reganus (Regen) fließt, alfo in die Oberpfalz; und 
den bayerifchen Wald herein. Bon dort aus machten fie verheerende Einfälle in 
die Donauebene und eroberten Paſſau. Die Reihenfolge ber ıbüringiioen Könige 
ift fehr unficher und ihre Namen fcheinen mehr der Sage als der Geſchichte ans 
zugehören. Die erften drei wenigftens, Chlodio, Merovig und Günther, 
find unzweifelhaft mythifche Verfonen. Nach ihnen läßt Gregor von Tours einen 
König Bafinus regieren, defien Söhne Baderich, Bertharich und Irmin— 
fried das Land unter fich theilten. Irminfried erfchlug feine beiden Brüder und 
nahm ihr Reich In Befig, verlor aber im %. 530 gegen die Franken und Sach⸗ 
fen die mörderiſche Schlacht an der Unſtrut, worauf die Sieger das eroberte Land 
zerriffen. Nord⸗T., über den Harz bis an die Elbe ſich erftredend, wurde zu Sach⸗ 
jen, Süd-T., das heutige T. begreifend, zu Franken gelchlagen. Das war das 
Ende des thüringifchen Königthümes. Nach fräntifcher Eitte ward T. in Gaue 
eingetheilt und anfängli durch Grafen verwaltet. Um das Jahr 630 fepte 
König Dagobert I. einen Herzog, Namens Ratulf, ein, damit eine Madıt 
gewonnen werde, welche die Ängrifte der Hunnen und Elaven auf dad Land Fräf- 
ip abwehre. Aber biefer verband fich mit feinen flavifchen Nachbarn und machte 

. unabhängig. Seine Nachfolger, welche ihren Sitz meift au Würzburg hatten, 
finden wir jedoch wieder unter fränkiſcher Oberherrlichkeitt. Im 7. Jahrhunderte 
fam der heilige Killan nah 3. und taufte den Herzog Gosbert. Allein das 
Volk verharrte im Heidenthume. (Erft dem heiligen Bonifazius gelang ed, die 
fegenöreiche Lehre des — bleibend einzuführen. Er erbaute in allienberge 
bei Gotha die erfte chriftliche Kirche T.s und gründete in Ergesfurt (Erfurt) ein 
Disıhum. König Pipin löste das Herzogthum T. auf und übertrug die Vers 
waltung wieder Grafen. Bel der Theilung des fränfifchen Reiches Tam T. an 
Ludwig den Deutfchen, und dieſer ernannte einen neuen Herzog, Tach ulf. Un« 
ter Ludwig dem Kinde fam die thüringiſche Herzogswürde an Dtto den Erlaudhs 
ten, Herzog von Sachfen, und nad) feinem Tode im Jahre 912 an feinen Sohn, 
den nachmaligen deutfchen König Heinrich J. Diefer machte den Raubzügen der 
Zinzarn nad Sachfen und 3. durdy die Bertilgungsfchladht bei Merfeburg für 
Amar ein GEnbe (933). Heinrich's Sohn, Kater Dito I, wor T.6 letzter Her⸗ 


Zhüringen. 115 


. Nach ihm treten in der Befchichte die Markgrafen und fpäter die Lands 
grafen von T. auf. Als den Ahnherrn der legtern nennt man Ludwig mit 
dem Barte, einen fränkiſchen Rüter, welcher theils durch Ankauf, theils durch 
die Schenfungen des Kaiferd Konrad II, feines Verwandten, bedeutenden Grunds 
befig im Lande erwarb. Sein Sohn Ludwig der Springer erbaute die 
Wariburg und gründete das Klofter Reinhardebrunn. Dem Gecſchlechte deſſelben 
miblühren Ludwig I, durch Kaiſer Lothar 1130 zu der Würde eines Lands 
grafen von T. erhoben, Ludwig IL, der Eiferne, Ludwig II, der Milde, Hers 
mann L., der Sängerfreund, Ludwig IV., der Fromme, Heinrich Raupe 
endlich, welcher die Kinder feines 1227 in Baläftina geftorbenen Bruders Ludwig 
und deffen Gemahlin, die heilige Elifabeth, fkatt fie ald Vormünder au befchügen, 
gemaltfam von der Wartburg verdrängte, Doch mußte er feinem Reffen Her» 
mann Ml., als diefer 1239 mündig geworden war, die Regierung übergeben, ers 
bielt fie aber wieder nad) dem ſchon 1242 erfolgten Tode des jungen Landgrafen. 
Später trat er als GegenfEnig wider Friedrich II. auf und verwidelte dadurch T. 
in vielfache Fehde. Mit ihm erlofh 1247 das Haus der Älteren Landgrafen. 
Ray feinem Ableben erhob fidy ein heftiger Streit um dad Thüringer Land, 
welches einerfeits der Markgraf von Meigen, Heinrich der Erlaudte, aus 
dem Haufe Wettin, ein Sohn Jutta's, der Altern Schweſter Heinrich Raspe's, 
von der andern Seite Sophie, eine Tochter Ludwig des Frommen und der heil. 
Eliſabeih, verwittwete Herzogin von Brabant, für ihr Kind in Anſpruch nahm. 
Eo begann 1254 der verheerende Thüringer Erbfolgefrieg, welcher neun Jahre 
andauerte und erft 1263 dadurch beendigt wurde, daß Sophie die anfchnlicdhen 
Befigungen in Heflen erhielt, welche die Landgrafen Ludwig I. und Hermann II. 
durch Heirath an ihr Haus gebracht hatten, während Heinrich dem Erlauchten T. 
wel. Diefer gab das Land feinem Sohne Albredht dem Unartigen, bes 
rühtigten Namens in der Gefchichte, weil er, um mit feiner Beifchläferin Sunts 

unde von Eiſenberg ſich verbinden zu Tönen, feine edle Gemahlin Margarethe, 
ochter Kaiferd Friedrich I., ermorven laffen wollte. Die unglüdliche Frau 
rettete ſich noch zur rechten Zeit in ein Klofter, wo fie 1270 ftarb. Nicht aus 
ftieden mit der gegen die Mutter verübten Unthat fuchte Albrecht nun ihren Soöͤh⸗ 
nen Heinrich, Briedrih dem Gebiſſenen und Diezmann das thüringifche Erbe zu 
verfürgen und einen beträchtlichen Theil deffelben Apis, dem Sohne Kunigunde's, 
zuwenden. Als aber jene das Land Fräftig behaupteten, verkaufte er ed um 
12,000 Mark Silbers an den Kuifer Adolf von Raffau, weldyer, um fich in den 
Befitz zu fegen, 1294 ein Heer wilden Raubgefindeld in T. einrüden ließ. Auch 
Adolf's Nachfolger, Kaifer Albrecht 1., trat, aufgereist von den Eifenadyern, mit 
Aniprüchen auf T. hervor und fuchte diefe mit bewaffneter Hand geltend zu 
machen. Friedrich und Diezmann aber erfochten 1307 über die Kaiferlicdyen den 
Eieg bei Luka und befreiten damit das Land von den ungebitenen Gäften. Das 
Jahr darauf wurde Diezmann in Leipzig ermordet, und Friedrich der Gebif- 
jene gelangte durch diefes Ereigniß zum alleinigen Befitze T.6, Meißens und des 
Ofterlandes. Ihm folgte, ald cr 1325 farb, fein Cohn Friedrich der Ernfthafte. 
Dieſer fümpfte viele Zehden mit Vafallen und Nachbarn durch, und befannt ges 
nug Äft in der thüringifhen Geſchichte der Grafenkrieg (1312—45), wo die Gras 
fen von Schwarzburg, Drlamünde, Weimar, Hennchberg, Kirchberg und andere 
gegen ven Landgrafen fidy erhoben und feine Macht zu flürzen trachteten, aber uns 
terlagen und mit großen Opfern fih den Frieden erfaufen mußten. Friedrich 
verließ das Zeitliche im 3. 1349, und von feinen drei Söhnen brachte Fried⸗ 
ti der Strenge die Pflege Koburg, Balbtafar das Amt Hildburghaufen 
und Wilhelm mehre Güter im Plauen’fchen an T. Nachdem fie 30 Jahre ges 
meinfchaftlich regiert hatten, theilten fie 1379 ihre Belfigungen in der Art, 08 
Friedrich das Oſterland, Balthafar T. und Wilhelm Meißen erhielt. Des Juodte 
enannten Cohn, Erledrih ber Einfältige oder Kriedfertige, farb AAAD 
inderlo6, und 3. fiel nun an feine Bettern, den Kurfürften Sriedric ven 
au 


118 Thüringer Bald — Thürme. 


Sanftmüthigen von Sachſen und den Markgrafen Wilhelm von Meiße 
Diefe fhritten 1445 au einer Theilung, durch welche T. mit den fräntifchen Ra: 
desiheilen und der Hälfte des Oſterlandes an den Letztern fam. Sich für ve 
kürzt haltend, begann Wilhelm einen heftigen Streit mit Friedrich, aus welche 
ein ververblicher Bruderfrieg entbrannte, der erſt 1451 im Frieden zu Naumbır 
auegeglichen wurde. In diefe Zeit fällt auch der befannte fächftfche Prinzenrau 
Wilhelm hinterließ bei feinem 1482 erfolgten Tode Feine Kinder und T. wa 
Erbe der Söhne Friedrich's des Sanftmüthigen, Ernſt und Albert, weld 
1485 eine weigreifende Landestheilung vornahmen. Bet diefer wurde die natü 
liye Lage und Gränze der verfchiedenen Bezirke nicht berüdfichtigt, und fie leg 
nebenbei den Grund zu dem bunteften Theile der Landkarte von Deutfchland. T 
Thüringer hatten aufgehört, ein Geſammtvolk zu feyn, und ihre Geſchichte ve 
ſchmilzt von nun an gänzlich mit der fächfifchen, befonderd mit der Geſchichte d 
Herzogihümer Erneftinifcher Linie (f. Sachen, Geſchichte). Das durch d 
beftändigen Theilungen vieler Linie in eine Menge Heiner Territorien zerriffeı 
Land hat nie wieder einen gemeinfamen Herrn gehabt. Die Bewegungemänn 
in den fächfifchen Herzogthümern laſſen ſich's in neuefter Zeit zwar ſehr angelegı 
feyn, die verlorne Einheit des Landes wieder herzuftellen, aber in ihrem Sinn 
nach weichem fie Einen Staat unter Einer Regierung (wo möglich mit republ 
fanifchen Formen) anftreben, wird bie Idee wohl fchwerlich realifirt werden. Di 
gegen ſchien ein thüringiiher Staatenverband in's Leben treten zu wolle 
Bereit8 am 15. und 16. Dezember 1843 harte auf Einladung des Reichskommi 
färs v. Mühlenfel® in Gotha eine Konferenz von Deputirten der verfchieden 
thüringtihen Minifterien ftattgefunden, allein die gründlichen Berathungen ſolle 
große Schwierigkeiten für die Ausführung ergeben haben. An die Stelle dieſes vereite 
ten Planes ift, wie wir hören, ein anderer getreten, nämlich der, ftatt bloß unter flı 
feibft, fi nunmehr mit dem Königreiche Sachſen in der Weiſe zu vereinigen, daß * 
u. Sachſen für gewiffe Angelegenheiten, 3. B. für Gefebgebung, Militärwefen ıc. ı 
einem gemeinſchafilichen Landtage zufammentreten, für untergeordnete, mehr provinziel 
Gegenflände aber ihre Somderlandtage behalten. Zur Einleitung der Ausführung di 
fe Planes war fhon am 9. Jun. 1849 der großherz. weimar'ſche Minifter vo 
Watzdorf nad) Dresden gereiet. Hier traf er den Minifter von Meiningen, an deſſe 
Wiverſpruch der erfte Plan fchriterte u. leicht auch der zweite fcheitern kann. — D 
Bater der thüringifhen Geſchichte it C. Sagittarius, deſſen Handichriftı 
Klotzſch zu feiner „Thüringiſchen Geſchichte“ (Chemnig 1772) benugt bat. %. | 
Galetti: Geſchichte T.s, Gotha 1782— 1785, 6 Bände; G. H. Riemanı 
T.s Geſchichte, Kaſſel 18255 F. Wach ter: Thüringifhe und oberfähfifihe G 
ſchichte, Lpz. 1826; H. Döring: Der Thüringer Chronik, Erfurt 1843; L. Bed 
ſtein: 3. LI Seftion des maleriſchen und romantiſchen Deutfchlandg. mD. 

Thüringer Wald, |. Thüringen. 

Thürme find befanntlicy Gebäude von geringer Grundfläche mit bedeutend 
Höhe. Die Grundfläche iſt gewöhnlidy rund, oder ein Quadrat, oder audy € 
regelmäßiges Bieled; der Thurm läuft nach oben entweder fpig, oder abgeftump 
zu. Die Beftimmung eines Thurmes ift nur in wenigen Fällen die, eine Wol 
nung abzugeben, vielmehr eine Zierde und ein hoher Standpunft zur Uebe 
fhauung der Umgegend (Kirch>T.), oder Befeſtigung und Vertheidigung ein: 
Platzes. Das Mittelalter baute gerne hohe KıdsT, (4. B. Sıraßburger un 
Wiener Münfter) und 3. auf den Burgen errichtet. Der Aufbau eines Thurmı 
richtet fi) natürlich nach ſtatiſchen Regeln; eine merlwürdige Ausnahme bievc 
machen die T. zu Bologna und Pifa, welche fchief gegen die horizontale Rich 
ung ftehen und von welchen die erfteren abfichtlich fo gebaut find, der letzte 
hingegen durdy allmälige Senfung auf der einen Eeite entflanden if. — We 
die I. als Befeftigungewerfe bertifft, fo verwendete Montalembert (f. d 
foldye zu detadyirten Forts um die Plaͤtze, die er ſchwach befeftigt annahm, od 
dle er gegen Annäherung fchügen wollte. So find feine Entwürfe zur Befeſti— 


— 


2: Br gut 41V 


derbeurge berühmt gemorden darch Ginfachheit ımb. Stärke: Erzher 
Imilian wendete. feine-%. ——— vorbereiteter —— 
wiplägen und verſchanzten Lagern an, ‚glaubt. aber mit Recht, dabei ‚des 
Be entbehren zu Tönnen, da feine Biateform allein mehr Geſchütgze auf 

fh bringt (alle 18), al ein großer jon Montalemberr'6. Yu 
sfhanzte Lager nicht zur Defenfive erbaut; bie Offenſive aus ihnen her» 
I vie feindlichen Batterien vernichten. : Gegen einen einzelnen Thurm Tann 
sfafjen» wirken und überlegenes Feuer entwickein; gegen eine Linie nicht, Da⸗ 
, die Martmilian’fchen J. billig u. einfach n. leiften, was der Zweck erfordert. 
Jofepb, ein tüchtiger Architeft, geboren. 1789 zu : München, er⸗ 
irch eine Preitaufgabe 1817 die Mittel, Rom zu befuchen, bereiste 1818 19 
enland (Binfichten Yon "Athen und feinen Dentmalen, Rom. 1823-26), Ie- 
; „Sammlung von Denktmalen und Berslerungen der Banfınft 
w 15, und 16. Jahrhundert” (Ditoden :4826-—34) : und: wirkte 
Bauſchule zu Dresden, das er durch mehte Bauten, wie Poſt, 
ta Sen eine gende Glfie non Ranbmdrbern, bie burd ei 
e e nom: dern, bie 

einander verbrüdert u. um Morde, als zu einem Theile Far t⸗ 
ichtet ind. Sie treiben dieſes Gewerbe fchon.felt dem 12 Yapıh. 
en 
bis 








j 


* 
9 


S 
2 
3 


⸗ 


V 
ars 


H 
37 


er Klugheit, Umficht u. dem firengen Halten ihres Geſetßes, 
roſſeln, lange. ver Aufmerkiamfeit. der englifchen Regierung, 
1 ebenfo Hug beredinete, als ſtrenge, Maßregeln gegen fie ergriff. 
Franz Maria, Freiherr von; —— Binifter. der 
en Angi legenheiten, der Sohn eineb TE. F. Kamerals und Kriegskaſſever⸗ 
>» zu. 2ing, geboren daſelbſt 1736, abfolsirte Die Humaniora in bem Jeſuiten⸗ 
ws feiner Vaterſtadt. Schon damals prophegeiten ihm feine Lehrer eine 
we Laufbahn und erfannten aid einen der herrſchenden Züge in feinem 
ter feine fehle Beharrlichfeit an einmal angenommenen, reißich durchdach⸗ 
afichten, vie ihn durch alle Perioden ſemes Lebens ausgezeichnet hat. 
sfang des Jahres 1754 trat er in die, eben damals errichtete, orientaltiche 
sie unter dem befannten Bater Franz; zugleich hörte er auf der Wiener 
hät von Martini die Rechte und von Lies gantg die Mathematit, auf 
gründliche und gediegeneds Studium Maria Thereſia befanntiich ber 
ı Werth legte und für angehende Staatsmänner günftige Vorbedeutungen 
1755 wurde er ald Sprachknabe zur Sntermuntiatur nad Konftantins- 
jefendet und drei Fahre darnach (1758) als. Granzdolmetſch in Efzek 
ie. Zu diefer Zelt wollte er ſich dem Müttärvienfte widmen und hatte 
ch ſchon einer Dffiziereftelle verfichert, konnte aber die Beiſtimmung feines 
Dazu nicht erhalten. 1702 ging er mit dem Freiherrn von Penkler als 
ver dritter Dolmetfh nah Konflantinopel. 1763 wurde er nad 
berufen, zum Hoffefretär in der Ef. geheimen Hof» und Staatslanzlei 
t und fpäter, nady einem Aufenihalte in Hermannftadt, ald Geſchäfts⸗ 
in Konſtantinopel angeftellt. Daſelbſt rüdte T. 1770 zum NRefidenten 
771 zum Hofrath, Internuntius und bevollmächtigten Miniſter vor. Run 
e böbere Sphäre verfeht, 308 er bald die Aufmerkſamkeit auf feine Ge⸗ 
führung. Auch wurde er Im nädften Jahre (1772) nad dem zu 
gewo zwiſchen den rufftichen und türkifchen Armeen erfolgten Waffenſtill⸗ 
dann zu dem, zu Fokſan und zu Bukareſt abgehaltenen, Congreſſe. ber 
achtigt, bei weichem Defterreich und Preußen ald Vermittler erfchienen. 
on aber der Waffenftiliftand am 9. November deſſelben Jahres bis zum 20. 
ı 1773 verlängert worden war, brachen vie Feindieligfeiten zwifchen den bei⸗ 
Mächten doch wieder aus und endeten mit dem Krieden von Kaynardſche 
zuli 1774. Im diefem Jahre beiohnte die Kaiferin Maria Therefia mit 
Erhebung in den reiherrnftand die in ihrem Miniſter anerfannten Ber- 
Re. 1775 erwarb er ſich neue und wichtige durch die Verhandlungen, welche 


EN 
Ei 





a8 


118 Thuniskon — Thuja Articulata. 


von Seite der Pforte die Abtretung der Bukowina an Oeſterreich, wodurch die 
Verbindung Galiziens mit Siebenbürgen hergeſtellt wurde, zur Folge hatten. 
1776 hatte die Grängberichtigung mit der Pforte Statt. T. wurde dann auf fein 
Berlangen von dem Poſten abberufen, an dem er fich über 20 Jahre in verfchie- 
denen Kategorien ausgezeichnet, Beifall, Auszeichnung und Belohnung von feiner 
Monarchin u. den Alliirten eingeerntet und zugleidh fich in einem hohen Grade 
die Achtung und Kreundfchaft feiner Amtscollegen erworben hatte. Er bereiste 
auf feine Koften die Infeln und Küften des Archipels, Fam über Trient nach 
Wien zurüd und unternahm eine diplomatiſche Reife durch Frankreich und Stas 
lim. 1778 beehrte ihn die Kaiferin Marta Therefia mit einer geheimen 
Sendung an Frieprich IL. 1780 wurde er zum Gefandten in Warfchau ernannt, 
wo er zwei Jahre verweilte. 1783 erfolgte, mit der ehrenvollſten Anerkennung 
feiner Verdienſte um den Staat, feine Defretirung zum geheimen Rath. Er gin 
odann nach Paris, wo er vier Jahre verweilte, 1787 aber als Geſandter nad 
eapel, weichen Poſten er zwei Jahre fpäter, feinem Wunfche gemäß, verließ. 
&r wurde dann als k. k. bevollmächtigter Hoffommiffär in der Moldau und 
Walachei und bei der, unter dem Prinzen von Sachen: Koburg ımd Suwarow 
vereinigten, Armee angeftelt. Hier geichah es, daß, als er ſich zufälig in den 
Laufgräben vor Giurgewo befand, die Türken eben in diefelben eindrangen. Ob⸗ 
gleidy fein Beruf ihn nicht nöthigte, an diefem Vorfall Thell zu nehmen, Tonnte 
man ihn doch nicht bewegen, fich zu entfernen. Er zog feinen Degen und bes 
mübte fi, mitten im euer, die Soldaten durch Worte und Belfpiel zum Wider: 
ftande anzueifern. 1791 ging er nah Brüffel und nad Paris mit Aufträgen 
in Bezug auf die beunruhtgenden Kortfchritte der franzöfifchen Revolution, die er 
gleidy bei ihrem Urfprunge gewürdigt und deren Berbreitern und Berfechtern er 
den unverfühnlichfien Haß geichworen hatte. 1792 Tam er nady Wien zurüd 
und erfhien noch in demfelben Jahre mit dem Grafen Mercy bei der preußs 
ifchen Armee unfen Suremburg, von wo er nah Wien zurüdfehrte. Hier 
ernannte ihn Kaifer Franz uerh 1793 zum General-Direktor der E. k. geheimen 
Hofs und Etaarsfanzlei, 1794 aber zum Minifter der auswärtigen Geſchäfte u. 
verlieh ihm 1796 das Großfreuz des St. Stephan⸗Ordens. Im Frühjahr 1798 
wurde er zwar auf feine Bitte von der Leitung der auswärtigen Gefchäfte ent⸗ 
hoben, die dem Grafen von Eobenzi zu Theil wurde. Indeſſen führte feine 
zeitweilige Rüdfehr an den kaiſerlich ruffifchen Hof T.'s erneuerte Theilnahme 
an den auswärtigen Geſchäften herbei, denen er endlich im Oktober 1800 für 
immer entfagte. Drei Monate fpäter darnach zog er fi) von allen Staats- 
dienften zurüd und wurde vom Kaiſer mit einem Anfehnlichen ©nadengebalte und 
mit beträchtlichen Gütern in Kroatien belohnt. Seine, hierauf noch in Preßburg, 
in Kroatien, zuletzt aber in Wien verlebten, 17 Jahre der Ruhe waren einem 
Heinen Kreife von Freunden und dem Lieblingsftubium feiner Jugend, der orien- 
talifchen , vorzüglich der perflichen Literatur gewidmet. Die Kraft feines Geifles 
äußerte fi, fowie in feinen Handlungen, fo auch in feiner Schreibart, die fich 
befonder® durch Bünbigfeit, Umficht und Gediegenheit auszeichnete. Jede, nicht 
durchaus noıhwendige, Mittheilung für fchäplich haltend, zog er ſich nar oft den 
Borwurf übertriebener Berfchloffenheit zu. Die Grundfäge der franzöfiichen Res 
volution hatte er ſtets für unvereinbar mit der Sicherheit und dem Beftehen aller 
europätfchen Staaten gehalten. Auch dann noch, als vereinzelter Wiverftand u. 
falſche Maßregeln fie Furchtbarer gemacht hatten, glaubte er nicht mit ihr trans 
figiren zu können, unter weldyer Geſtalt fie audy erfcheinen mochte. Es mußte 
ihm alfo zu feinem geringen Troſte gereichen, daß er noch Zeuge der Begebens 
heiten von 1813 und 1814 feyn konnte. 3. flarb zu Wien den 28. Mat 1818. 
Er war nie verbeirathet; feine Güter fielen daher der Krone wieder anheim. 
Thuiskon, |. Tuisko. 
_ . Zdnja Artienlata, der Lebensbaum, von den Arabern Harar genannt, 
R Ja in gang Algier verbreitet, ohne uͤbrigens irgenowo vichte Wälrer zu bilden. 


Thule — Thunfiſch. 119 


hola diefe® Baumes hat viele Aehnlichkeit mit dem der Ceder und fcheint 
e umverwüftlich zu ſeyn. Die Gingebornen gebrauchen es vielfach ale 
43, ziehen Harz und Theer aus demfelben, benügen die Rinde zur Be⸗ 
‚ ihrer Selle und die Blätter als Kataplasma. Die T. wächst fehr 
wird ziemlich did, aber nicht über 7 Metres hoch, und fcheint beftimmt, 
ime große Rolle in der Forftfultur der europäifchen Südländer zu fpielen, 
fie mit Leichtigkeit auf einem falfigen, trodenen, wenig fruchtbaren Boden fort- 
fo daß ausgedehnte Ländereien, die man nicht bewäflern und zu anderm Anbaue 
n fann, vortheilhaft mit diefer Baumart bepflanzt werben fönnen. — Die 
ı Dccidentalis, Ganadifche Ceder, ift in Rordamerifa zu Haufe. Ihre 
iechenden Blätter find als auflöfendes, harn⸗ und fchmeißtreibendes Mittel 
icinifchem Gebrauche. Auch gegen Rheumatismen, fo wie gegen Warzen, 
re Feigwarzen, bewähren fie id als hülfreich. mD. 
hule, ein Name, weldyen die Alten einem, an der Außerfien Gränze ber 
nach Norden gelegenen, Sande beilegtn. Wahrfcheinlich bezeichneten fie 
ıicht immer ein und daffelbe Land, oder diefelbe Infel damit, oder dachten 
erhaupt gar fein beſtimmtes Land darunter; daher auch die große Unge: 
t und die abweichenden Meinungen der Gelehrten. Nach Pytheas follte 
e Inſel feyn, 6 Tagereifen nörblid von Britannien. Manche dachten ſich 
er auch eine der ſchottiſchen Inſeln; Andere und zwar die Meiften die nor« 
be Küfte, noch Andere Island. Lepterer Meinung iſt auch Mannert. 
'bummim, |. Urim u. Thummim. 
thunberg, Karl Peter, Botanifer, geb. ven 11. Rov. 1743 zu Zönköping, 
nz Emaland in Schweden, fam 1761 auf die Univerfität Upſala, wo er 
eſonders unter Linné's Leitung dem Studlum der Naturwiſſenſchaften 
te. Nachdem er zum Med. Dr. promovirt war, unternahm er 1770 eine 
ſchaftliche Reife nach Paris; im folgenden Jahre aber trat er in die Dienfte 
dänpdifchen Compagnie und bradyte drei Jahre auf dem Gap der guten 
ing zu, von wo er zahlreiche Ausflüge in das Innere unternahm, um bie 
produfse desſelben fennen zu lernen; 1775 begleitete er die hollaͤndiſche Ge⸗ 
haft nad Japan; 1776 befuchte er die Infel Ceylon; 1778 nach Europa 
zekehrt, erhielt er bald darauf die Profeffur der Botanik in Upſala; auf feinen 
‚lag wurde an diefer Univerfität aus dem alten Königsgarten ein botanifcher 
a bergeftellt. Er ftarb am 8. Auguft 1798. — T. gehört zu jenen Maͤn⸗ 
die durch ihre Reifen den empirifchen Theil der botanifchen Kenntniffe in 
Maaße gefördert haben. — Er ſchrieb: Flora Japonica, 1784; Novae 
orum species, Upfala 1781—1791. Die Befchreidung feiner Reife nad) 
ı wurde überjegt ind Deutiche und Kranzofifche. E. Buchner. 
Ehunfifch (Scomber Thynnus L. Thynnus vulgaris Cuv.), ein, befonder® im 
‚s und jchwarzen Meere, doc) auch in der Nordſee und in den nordamerl- 
ven und chineftiichen Gewäflern lebender, fehr gefräßiger Raubfiſch, auf dem 
ı RRahlblau, am Bauche filberig von Farbe, der zwar gewöhnlich nur 1 —2 
oß ift, aber audy eine Länge von 8—10 Fuß und, da er fehr did ift, ein 
ht von 500— 1000 Pfund und darüber erreicht. Er Hält fi im Winter 
Tiefe ded Meeres auf, kommt aber im Frühjahre auf die Oberfläche und 
dann in Echaaren, zuweilen ſelbſt von mehren Taufenden, weldye ein 
ches Biered bilden, beſonders nach den Flußmündungen, um feine Eier, 
ht größer als ein Hirfeforn find, abzulegen. Er wird dann in den Küften 
Rıttelmeere® und beſonders Eardiniend und des füdlichen Frankreichs (hier 
nıltch bei Saint-Tropez im VBardepartement), dann auch an den italieniſchen 
panifchen Küflen in großer Menge gefangen und der Bang ift an manchen 
ı ein großes Volksfeſt; in Eardinien werden fogar öffentliche Andachten 
inen reichen Ertrag deifelben gehalten. Das Waffer zwiichen zwei Infeln 
zwiſchen dem feften Lande und einer Infel wird dann durdy große Nepe in 
Alungen und Kammern, die oft eine Stunde lang find, getheilt; diefe fangen 


120 Thurgan. 
den Zug der Fiſche auf, die In der lezten Kammer, welche deßhalb die Todten⸗ 


) 


LE, 
1 
zw. 


fammer heißt, mit Harpunen getödtet werden. Das Fleiſch ift röthlich von 
Farbe, fe, nahrhaft und fehr fhmadhaft; ed wird in großer Menge eingefalzen : 


und marinirt und befonders zur Berproviantirung der Schiffe benügt. 


Thurgau, Kanton der Echweiz, gränzt gegen D. an den Bodenſee, gegen 


©. an den Kanten St. Gallen, gegen ®. an Züri und gegen N. an den 
Rhein, welcher ihn von Schaffhaufen und vom Großherzogthum Baden trennt. 
Der Flaͤcheninhalt beträgt 15,6 [[J Meilen mit 82,623 Einwohnern, von welchen 


3 Proteftanten, 4 Katholifen find. Das Land, eines der am wenigften ne Ä 
$ 


igen in der Schweiz, ift durchgängig von kleinen Hügeln und Thaälern bur 


fchnitten und bat ein fehr lachende® Anſehen. Ueberall Zelver, Wiefen, Weins . 


berge und Hölzchen. Im Süden des Kantons, je weiter vom Bodenſee, erbeben 
fi) die Hügel zu Bergen (von welchen der höchfte, der Hörnlt, jedoch nur 


3520 ‘ erreicht) und die Gipfel und Abhänge derfeiben find mit trefflichen Weiden 


und beträchtlichen Waldungen bedeckt. Die Hauptgemäffer find der Rhein, die 
Thur, nach weldyer der Kanton benannt wurde, die Sitter und die Murg, 
Kebenflüffe ver Thur. Der Bodenfee dehnt ſich an der Grenze, eingefäumt von 
reizenden Geländen, hin, und im Innern gibt es einige Fleinere Seen, wie z. ®. 
der von Steinegg und der Bichelfee. Das Klima ift fehr mild und der Bos 
den fruchtbar. Es gedeihen Betreide, Obſt Wein, Flacho, Hanf ıc. Die Vic 
zucht wird ziemlich ſtark betrieben; der Bodenfee und die Thur führen fehr ſchmack⸗ 
hafte Fiſche. Das Mineralteich liefert außer Steinfohlen, deren Lager aber nicht 
mächtig genug find, Fein Produkt von Erheblichkeit. Der Handel ift fehr blühend, 
die Induſtrie ſehr thätig und befchäftigt fi) vornehmlich mit Berfertigung von 
Zwirn, Leinwand, Kattun, Muffelin und andern gemwebten Waaren. — T., im 
Bundedrange der 17te Kanton, hat eine demofratifche Staateverfafiung. Die 
Souveränetät beruht in der Geſammtheit der Kantonsbürger. Die gefchgebende 
und aufiehende Gewalt ift der große Rath, die höchſte Vollziehungss und Bers 
waltungebehörbe der kleine Rath, Ein Obergericht entfcheidet in letzter Inſtanz 
über Civil⸗ und peinliche Rechtsfälle. Ein Kırchenrath, aus beiven Konferflonen 
gewählt, hat die Aufſicht über die Fircylichen Angelegenheiten, ein Echulraih leitet 
das Schulweſen. Es beftehen mehre gelehrte Vereine. Das Bundeskontingent 
beträgt 2479 Mann. Eingetheilt ift der Kanton in 8 Beztife, Hauptort: 
Srauenfeld, Städtchen am Abhange des Immen⸗- oder Wellenberged an der 
Murg, mit 1500 Einwohnern und einem uralten Schloffe, deilen Thürme einen 
60° hohen Fels Erönen. Weitere bemerfendwerthe Orte find: das gewerbiame 
Arbon (Arbor felix) am Bodenfee, die Benediktinerabtei Fiſchingen mit fchös 
ner Kirche, das Schloß Arenenberg, einft Wohnfig ter Königin Hortenie, die 
Ruine Alttoggenbur 9, berühmt durch die Gräfin Ida von Toggenburg. — 
Man fieht im 3. viele Ueberrefte und Spuren der frühern Römerherrichaft. Was 
das Mittelalter unter diefem Namen begriff, umfaßte ald Gau beinahe den vier⸗ 
ten Theil der jegigen Schweiz und war ein Beftandiheil des Herzogthums Alle 
manten. Von diefem trennte es Kaifer Beni IV. ab und übergab es der 
Verwaltung der Herzoge von Zähringen. Nach dem Audfterben derfelben ward 
das Land den Grafen von Kyburg, dann dem Haufe Defterreich unterworfen, bie 
e8 1460 von den Eidgenofjen erobert wurde. Diefe behielten aber die Freiheit 
wohlmweislich für fi und behandelten die Einwohner als herrfchaftliche Unter⸗ 
thanen, über welche fie Landvögte festen, die in der Burg zu Frauenfeld ihren 
Sig nahmen und fidy nicht felten die ärgften Erprefiungen erlaubten. In die Rechte 
eines jelbftftändigen Kantons trat 3. erft 1803. In neuerer Zeit (1839) madhte 
es fi) durch den energifchen Widerfpruch befannt, welchen es Frankreich entge: 
enfegte, al8 Dicfes begehrte, daß der Prinz Ludwig Napoleon, der jegige Prä— 
Äbent der franzöfifchen Republif, aus dem Gebiete des Kantons verwieſen werden 
folle. An den Schweizer Religionswirren nahm auch T. vielfachen Antbeil. Auf 
der Badener Konferenz erklärte es ſich entfchieden gegen die Berufung der Jefui- 


" Zar W; Taxis. 
ı 27. Imi 1848 beſchloß ver große Rath nach dem Antrage deu 
r Kloſter kommiſſion die Aufhebung fämmtlicher Klößer, mit Yusnahme 
harinenthal bei Dießenhofen, nachdem früher ſchon (1836) das Wermögen 
m Stiftungen unter die Berwaltung des Staates geflellt worben war. 
hiſch⸗ſtatiſtiſche Darſtelljng des Kantons T., Zürich 1811... mD. 
nud Taxis, fü Haus in Deutſchland. Anherr. deſſelben iR 


della Tore, genannt der Riefe, De von Balfaffina und der Wir. 


‚i Mailand, wel den Kalfer Konrad De 
begleitete Sa! — in —— Sefangenfeafl Rank, et In 


ve Thurn (Torre, Tunis) wird hergeleitet von der Erbtochter eines‘ 


Torre, mit welcher Martins Bater, Eriprand, ein fränfifcher Ritter, 
verbunden hatte. Diefer Eriprand oder Heribert war mit den bur⸗ 
Königen verwandt, und leitete feinen Stammbaum bis auf Karl nen 
üd. Martin IL della Torre wurde 1259 von den Nailandern zum 





ido della Torre 1312 den mächtigen Visconti's 

er Söhne, Lamoral L, ließ fi 1313 in dem Gebikte von 
wm von dem ihm dort zugehörigen Berge Zaflo (Dachöberg) 
ı (Zorre) oder feine Burg Gornello land, den Ramen del Taſſo, 
m, und ward Begründer der Linie della Zorre und Taſſis. orale 
dger 1. von Thum, Taxis und Balfaffina trat 1452 ale. — 
He Dienſte Kaiſer Friederich's III. Er ſtifteie die niederlaͤndiſche 
jeyt blühende Kirk ide "Haut, . Selbe erhielt für Treue und use 
n dem niederländifchen Unabhängigkeitöfriege von Philipp H. va 


t, und ihm folgten in viefer Würde fieben feines PL: u 
yablt, un folgten in viefer noch ee 







s 
am⸗ 





dem 
fpäter 


ihr Wappen: Perpelup fide. . Auch) nach Frankreich gingen . 


Familie, wo fie fidh de la Tour nannten. Den in Jiallen verbiies 


i's rechnet man den berühmten Dichter Bernardo Taffo und feinen 


ch berühmteren Eohn Torquato Taſſo bei. — Durch Einführung, Er⸗ 
ınd allmähliche Vervolllommnung eines der vier (näch der Sprache) 
lturmiitel, der PBoftanftalt, hat das Haus T. und T. ſich ein hohes, 
“ genug anzuerfennendes Berdienft um die. Menfchheit erworben und 
in unvergängliches ruhmvolles Denfmal gefeht. Des genannten Roger L 
hn, Gabriel, führte in Tirol, wo die gräfliche Linte des Tarie’jchekt 
bh heute das Oberfthofpoftmeifteramt bekleidet, die Poſtanſtalt ein. 
ıkel, Franz J. der unter Kaifer Murimilian J. am burgundifchsnieber 
Hofe lebte, unterhielt zuerft reitende Boten, mit Pfervewechiel, von 
‚ an die franzöftiche Gränze, und errichtete dann regelmäßige Reitpoften 
I nah Wien (f. Port). Er ward 1516 von Maximilian zu feinem 
chen Poftmeifter ernannt, Die große Gemeinnützigkeit der Einrichtung 
machte Rudolf IL diefelbe zu einer Reicheanftalt, und erhob Leonhary 
d T. 1595 zum kaiſerlichen Seneraloberfipoftmeifter und 1608 in ben 
errenfland. Des Genannten Sohn Lamoral erhielt 1615 von Katfer 
das Generalpoftmeifteramt erblich als Reichsmannlehen und bald nachher 
räfliche Würde. Kaifer Ferdinand II. erklütte 1624 jenes Reichserbamt 
tifche® Weiberlehen. Lamoral's Urenkel, Eugen Franz, erbielt..1680 
Karl 11. die ſpaniſche Fürſtenwürde, und am 4. Oktober 1686 verlieh 
Ien feinen Nachfommen Kaifer Leopold I. den deutfchen Reichöfürftenftand. 
Stanz verlegte zwifchen den Jahren 1730 und 1735 feinen Wohnfig 
I nad) Frankfurt am Main, und erbaute dort das fchöne fürftliche 
1lerander Ferdinand crwiıkte 1744 die Erbebung feines reiches 
Generalpoftmeifteramted zu einem Reichsthronlehen, und ward 1754 
Biriiftimme in ven Reichsfürftenrath eingeführt. Wegen der ihm 1743 
Regierung Kalfer Karls VII. übertragenen hohen Würde cines kaiſer⸗ 
yzipaltommiflärd oder Repräfentanten des Reichsoberhauptes bei der all 
Reichöverfammiung, weiche nach ihm fein Sohn Karl Anfelm um 


a 


122 Thufis. 


fein Enkel Karl Alexander bis zur Auflöfung des deutſchen Reiches ebenmäßig 
befeideten, nahm er 1748 feinen bleibenden Aufenthalt zu Regendburg. Im Jahre 
1785 erfaufte Karl Anfelm die reichs unmittelbaren Herrfchaften Friedberg, Scheer, 
Fürmentingen und Buſſen für 2,100.000 Gulden, welche 1786 zur gefürfteten 
Reichögrafichaft erhoben wurden und dem Haufe T. und T. Sitz und Stimme 
auf der Fürſtenbank des fchmäblichen Kreiſes verfchafften. Als durch die frans 
zöfifchen Eroberungen bie öfterreichifchen Niederlande und bie deutfchen Länder auf 
dem linfen Rheinufer der tarifchen Reichspoſt entzogen worden waren, gab der 
Reichödeputationshauptregeß von 1803 dem fürftlidhen Haufe zur Schavloshaltung 
das gefürftete Damenftift Buchau, die Abteien Marchthal und Nercöheim, das 
Amt Oſtrach, die Herrfchaft Sehemmerberg, und die Weiler Tiefentbal, Franken⸗ 
hofen und Stetten. Die Auflöfung der Reichöverbindung, die Erhebung der Lan⸗ 
deshohelt der rheintfchen Bundesglieder zu voller Souveränität brachten ver 
Reichepoft gänzlich das Ende. Verſchiedene von jenen Souveränen eigneten ſich 
bie Poftverwaltung ausfchließend zu, andere ließen fie dem Haufe T. und T. ale 
blos inländifche Anftalt lehenweife und mit vollfommener Unterordnung unter ihre 
Staatshoheit. Bon den Regierungen, welche den erfigevachten Weg einfchlugen, 
leiftete Preußen Entſchädigung durch das als Thronmannlehen an 3. und 3, 
verlichene Fürſtenthum Crotoſzyn im Großherzogthume Pofen, Bayern durch Grund⸗ 
üter und Gefälle in der Stadt Regeneburg und deren Umgebung (die ehemals 
irhbifchöflichen Herrfchaften Wörth und Donauftauf) und in Unterfranfen (Herts 
ſchaft Sulzheim), mit ftandeöherrlichen Borrechten und der Würde eines Krons 
oberftpoftmeiftere, Baden durch eine Jahresrente. In den deutfchen Ländern, wo 
das fürftliche Haus das Poſtweſen behalten hat, droht dieſem ftarfe Beeintraͤch⸗ 
tigung durch die allenthalben fich verbreitenden Eifenbahnen, mehr noch durch ven 
rüdfihtölofen Konftituirungsgeift, welcher über die deutfchen Ständeverfammlungen 
gekommen ift, und durch alte Rechte und Berträge fich nicht binden lafien will. 
Das gegenwärtige Haupt der Familie iſt der Fürſt Marimilian Karl, geb. 
1802. Er folgte 1827 feinem Vater Karl Alerander, vermehrte das Brundeigen- 
thum des Haufed durch den Ankauf vieler und bedeutender Herrfchaften, naments 
lich in Bayern (Brennberg, Balfınftein mit Neuhaus, Laberweinting, Zaizkofen, 
Reufahrn, Alteglofeheim, Haus, Rain ıc.), führte großartige Bauten aus (die 
Gruftkapelle, den Marftal und die Reitfchule zu Regensburg (f. d.), dad Som⸗ 
merpalais in Donauftauf (f. d.), und legte eine werthvolle Gemäldefammlung an. 
Die in den Ricderlanden, in Schwaben, Bayern, Tirol, Böhmen und Polen zer 
fireuten fürftlichen Befigungen dürften zufammen 44 [j Meilen mit 140,000 Eins 
wohnern und einem Ertrage von 1 Million befaffen. — Die zweite Linie des 
Haufes T. und 3. bat ihren Sig zu Prag. Haupt derfelben ift der Fürſt Karl 
Anſelm, geb. 1792, — J. Ehiflet: Les marques d’honneur de la maison de 
Tassis, Anvers 1645; Flacchio: Genealogie de la maison de la Tour, Bruxelles 
1709; Aug. Krämer: Rüdblid auf das Leben Karl Alexander's, Yürften von 
T. und T., Regendburg 1828; derfelbe: Friedrich Wilhelm, Prinz von T. und 
T., Regeneburg 1826; derſelbe: Taris Ehre, Regensburg 1823; Klüber’ö ges 
nealogifched Stuatshandbudy. mD. 
Thufid, gut eingerichtetes, im Jahre 1825 auf Aftien gegründetes Bader 
Etabliſſement, im fchweizerifchen Kanton Graubündten, am füpdlichen Ende des 
Domleiſchger Thaled, beim Eingange in den Felſenpaß Via mala, unweit Chur 
und nördlich von Adeer, 2510 Fuß über dem Meere gelegen. Das Wafler der 
dortigen Mineralquelle gehört zu den wirkfameren Schwefelmäffern und hat ein 
fpenifiiches Gewicht von 1,001. Nach der von Capeller angeftellten Analyfe ent 
balten 16 Unzen deffelben: Schmwefelfaured Natron Gr. 1,025, fchmefelfaure 
Talkerde 0,775, jchwefelfaure Kalferde 0,312, Chlornatrium 0,062, kohlenſaure 
Kalferve 1,987, kohlenſaures Eifenorytul 0,062, harzigen Ertraftivftoff 0,125, 
Kiefelerve 0,120. Summe der feften Beftanvihelle = 4468 Br. Kohlenfaures Gas 


; Gänerföffgas 0,024 ©. 3., Stickgas 0,502. Zufalanen 1 
ER IS zum —— Sau mb —ãS — 20% Ä 
> helhen and) Die Winaden. Cfehe den Mrtilel Bacıhu6), nad 
.. au e en e en Baryu 

ter des Kaſtalos, einer Priefterin des Bacchus, weiche Helen 
Drgien feierte. od 


euß. Br 
thymi vulgaris), das blühende Kraut eines, in Subeuropa 
md in Gärten gezogenen Halbfir ‚ mit aufrecht 
ober. länglichee Blättern nit puchforrolten 2 “ 

ig; viertelförinigen, Aährigen Qläther u. gewurzha Ge⸗ 
‚Der 3. wird gegenwärtig mehr. aiB —2* Drum 


a angewendet. | 

in Geſchmack und Geruch dem Kraute und wird zu 
Cologne, Se fen, Vomaden ic. verwendet. Es IR: don 
«6 deſtillirt wurde; durch mehrmmdtigch Abziehen 


- mi Eohenranken über Weinreben umwundenet Stab, ein 
bat des Bachns (fſ. d), welcher daher Thyrfiger hieß and den Die 
unhanten an den Bacchanalien mit: würhenber Begeiſterung und, bem Bachus 
Seen‘ Shroer: fingend, emporſchwangen. EEE BREIT 
MAacta, 1) eitie In Geſtalt eines Kegels, oder ahnlich einem Tarkenbunde 
Hesmte, weit herabhangendein Schleier gesierte K fbebedung derin fich früher 
und Perfonen des höchfen Hanges in Kerflen bebienten. 1-1 .2) Die 
Menue Hauptzierde ac Dieſelbe beſteht aus drei über einander Rep 
Den yoldenen Ktonen, nebſt einem: Kreuze Yon: oben, mit zwei herabhängennen 
Mabern. Unfaͤnglich mar die T. nur eine Krone, Indem Alexander M. zuerfk, 
um Zeichen feiner weltlichen Landeshoheit, die Inful mit einer Krone umgeben 
hen fol. Bonifacius VIII. fügte die zweite und Benedikt II, nach Anderen 
ben V., die dritte hinzu. | | 

Mer (Tevere),.ein Fluß tm Kirchenſtaat, entfpringt auf den Apenninen, 
—— mit feinem gelben Waſſer in vielen mmungen ben Kirchenflaat 

son Perugie an für Btüffe und Boote, von Rom an für größere Fahtr⸗ 

mge ſchiffbar. Bei Rom iſt er etwa 360’ breit; durch ben vielen Schlamm, 
en er mit fich führt, erhöht er flets fein Bett, fo daß Berfuche, Antiken und 
share Schaͤtze aus vemfelben zu heben, gänzlich vereiteln mußten. - 

Ziberiaß, eine berühmte Etabt in Untergaliläa, im Stamme Zabulon, 
4 Stunden von Razareth, 120 Etadien nörblidy von Skythopolis, auf einer 
mipbaren, ſchmalen Ebene, am weltlichen Ufer des galtlätfchen Meeres, welches 
u der Dfifeite deren Mauern befpülte und von ihr den Namen des Seees Tibe⸗ 
ss erhielt. Eie wurde von dem Bierfürften Her odes Antipab ptachwoll er 
«ut und zur Hauptſtadt von Galiläa erhoben und, dem Kalfer Tibertus zu 
Iren, T. genannt. Die größtentheild fremden Einwohner erhielten. piele Frei⸗ 
eten und Borrechte und die Fiſcherei auf dem Gee war wohl ein bedeutender 
werbszweig für Sie Stadt. Nach der Zerflörung Jeruſalems wutde T. der 
muptfig der Belchrfamfeit der wieder eingewanderten Juden; denn hieher Fam 
æ Sanhedrin (hohe Rath) von Sepphoris und von hier ging die Mif chnah 
.d.) aus. Unter Kaiſer Konſtantin M. entftand bier eine chriſtliche Kirche mit 
nem Bisthume, welches in den Sreuzzügen erneut wurde Juden aus allen 
kedern wohnten bier zufammen. Im Mittelalter erlangte T. eine befondere 
Bihtigkeit während ver Kreuzzüge, indem es als eines der feſteſten Bollwerke 
u Kreusfahrer galt und Tancred (f. d.) gründete bier zu Anfang des zwölften 
aehunderts ein eigenes Kürftenthum. Allein eine gänzliche Niederlage, welche die 

am 4, Zult 1187 durch Saladin in den Ebenen von T. erlitten, 309 

m Untergang ber Etadt und bie Grfchütterung des chriftlichen Reiches im 






















nur. einm 












— 





i 


Tui 


124 Tiberius — Tibet. 


Driente nach fi. Noch jebt find die warmen Bäder von T., acht heiße Heil 
quellen, vorhanden. Man findet bier viele Trümmer. Etwas weiter nörplid 
liegt jetzt T abaria oder Tubariyeh, wo viele Juden wohnen, welche eine 
religiöfe Geſellſchaft bilden. Die Stadt wurde in den neueflen Zeiten durch ein 
Erdbeben fehr vermwüftet. 

Tiberius, Claudius Nero, römifcher Kalfer, war der Stieffohn des 
Auguftus, welcher, dem Willen des frühern Gatten der Livia Drufila gemäß, 
der Bormund für den T. fowohl, als den Drufus war und Beide erg. Da, 
großeniheild durch die Ränfe der Livia, nach und nach alle diefenigen binftarben, 
welche die Rachfolger des Auguftus in der Herrſchaft hätten werden Tönnen, fo 
ward T. immer mehr und mehr zu den Regierungsgeichäften gezogen. Bet Lebs 
zeiten des Auguſtus focht er in Alien, um den vertriebenen armenifchen König Tigs 
raned wiederum in fein Reid) aurüdhuführen ; hierauf ward er mit feinem Bruder 
Drufus gegen die Rhätier und Bindelicter und fodann, gemeinfam mit dem 
Duinctilius Barus, gegen die Bannonier gefandt. Nach dem Tode des Drufus 
ward ihm der Oberbefehl in Deutfchland übertragen und bier begann fchon fein 
hinterliftiger graufamer Charafter fidy zu entwideln, ver fpäter fo einzig in der 
Geſchichte daſteht. Im dritten Jahre vor Chriftus bewältigte er einen Aufruhr 
der Niederbeutfchen , fchloß mit dem Könige der Marfomannen, Marbod, Friede 
und unterwarf Pannonien gänzlih. Als Augufus (14 n. Ehr.) geftorben war, 
warb T. Katfer und num entfaltete er feinen Charakter, einen wunderbaren Ab» 
grund von Laftern, Heuchelei, Berftand, Schwäche, Eigenfinn, Lift und Gewalt⸗ 
thätigfelt, ohne Echeu, befonterd nach dem, wahrfcheinlich durch Gift herbeige⸗ 
führten, frühen Tode des Germanicus. Er führte das Majeftätögefeh, vielen 

tüdlich erfundenen Vorwand, feinen blutgierigen Argwohn gegen alle Edle und 

roße im Volle zu filllen, ein u. fröhnte aller, auch der unnatürlichften, Wolluſt 
Im Jahre 27 nach Chriftus ſchlug er feinen beftändigen Wohnfig auf der Infel 
Eaprea auf und lauerte von hier aus, in allen Wolluften und Schmelgereien er: 
tränft, auf Gelegenheiten, feine Blutgier zu flilen, ohne jemald nach Rom auf 
längere Zeit zurüdzufehren,, wofelbft Sejanus, fein Günftling, in Mord u. Gift 
wüthete, bis endlich T. voll Verdachts gegen ihn, audy feiner, u. mit Recht, nicht 
ſchonte, fondern ihn preisgab. So verlebte 3. feine Zeit im Schlamme ver 
Lafter, bis er, faft fterbend fchon, im Alter von Galigula (37 n. Ehr.), feinem 
Nachfolger, ermordet wurde. Wunderbar iſt e8, daß ein ſolches Ungeheuer denn⸗ 
noch Muſik üben und lieben fonnte, wie e8 bei T. der Fall war. 

Tibet (Tübet, Töbet, Tobbot, Thupo, Tufan, von den Einwohnern 
Bododer Bod⸗bba genannt), ein Reich in Mittelafien, Das höchfte Hochland der 
Erde, gegen 27,000 Meilen groß, gränzt an die hohe Budyarei, Tangut, 
Ehina, Birman, Butan, Nepaul, Afghaniftan und Turkeſtan. Im Norden ift 
es umgeben von den Gebirgefetten Küenlün, Khufunorr und der Hochterrafle 
von Sifan; im Oſten erfircdt fi) das Nicfengebirge Gangdisri oder Kantaiſſe, 
im Süden der Himalaja, im Weften der Karaforum und Hindufofch; von allen 
diefen ungeheueren Gebirgeftöden laufen nah allen Richtungen mächtige Ber: 
gweigungen durch das Land, mit einer unzählburen Menge von nadten Fels⸗ 
fuppeln und Schneegipfeln und geftaltın daflelbe zu einem wildromantifchen, von 
der ganzen Schauerlichkeit einfamer Urgebirgöfcenen angefüllten Alpenlande, 
defien tieffte Flußthäler felbft noch eine gie von 9 — 11.0 Fuß haben. Sn 
ihren höchften Spigen erheben ſich jene Gebirge bis gegen 27,000 Buß, während 
der Kamm derfelbin bis 15,000 Fuß fteigt, die Gebirgepäfle aber eine Höbe 
von 17,000 Fuß erreichen. Zu jenen, hoch in die Lüfte ragenden, von Echnee 
und Gletſchern ftarrenden, Gipfeln gehören der Bender Petiſchh, 21,000 Fuß, 
Kedarnath, 23,000 Fuß, Bedrinath 24,000 Fuß, Dſchawagiri 26,000 Zuß. Die 
Gebirge beſtehen aus Duarz, Feldſpaih, Glummerfchiefer, ſchwarzem Urgranit in 
zerftreuten Blöcken und bereinhängenden Felſenwänden über tief gähnenden Klufien 
und ſchrecklich zerrifienen Abgründen; zwiſchen hindurch fireden ſich Granitnadeln 


BE 7 Sue j L 


> : öbe empor. Die Thäler And. seh. be deaäfen 
” Beiden. hi : f 
—— — — u * —— 2 u 


Marten whd. Saftan,  Rrc * euer, Ahataren. Größer iR der 
** un Diineratien als: Sal, ale Metalle, Evelſteine, feRe Seſtelne ıc. 
[R ‚oduften ‚gehört das Amtra. Au "Yon -Zhleren And 
:_ Dee Büffel oder Jak, u — feiuſchw an ige 
Gef. Das Mofchnsihier, das Heine, bumte,. wilne Pferd, die-feivenhautige 
dao wilde Schaf Airget yn ‚geaeibiee. und Wild, Fiſche, Vögel ıc. find 
Wed. — ———⏑..———— 
1.3 sung niver! ia dem nicht." Im Weſten 
ngolen m I, ihmen haben einzelne Stämme fidy vermifcht, "Tief 
vem Gebirge haufen unbelannte, als wild und- graufam geſchilderte Völker 
heken, unter denen gnamıt werden die Brughba, Hlokba, ga . Auf den 
iohgirfen zwiſchen T. und Repauf ieben Burier in Bemeinfhaft mit Kaſch⸗ 
dern u. A. Die Ginwohnerzahl von. ganz T. wird fehr ungefähr. angegeben 
7 Mikionen. Der eigentliche Tioetanır "h muıhig, entfi (Slohen, fanft, gut 
höflich. Die Ratur des Bodens u. die Religion — —X Urfache, 
—X Kan Ha Fe aus Mildy und Getreide befieht. Won —æ 
— ‚einem Brei vermengt, die Hauptfache. Thee 
Nm —* nd vi mit Butter und Ealz gemoffen. ‘Die Kleidung bes 
einer rothen, gelben oder mann fegeiförmigen Müge, einer Bee ta fangen, 
* — Hofen, Stiefeln von Seide, Tuch und yo Der Bart 
Ka Haste gekochten. Die Bofeträne, ſo flets jen werden, 
be Sn Rufen, Lafurflein, Ambra. Die Se Heiden 
BE fen. Der Dalai Lama trägt eine regendachförmige, gelbe 
ie mon Eddie, aus demfelben Stoff Beinkleiver umd Bee, einen amık 
pe r —A de eine Schulter ee Beiden, Bet eſchlecht a 74 
dure tte als Zwang getrennt, die Frauen nen font! 
die fhiwerfi 3 —ã— Die Bol Ha und war rel 
obſchon gegen das religtöfe Gefeh, Abliy. Hieraus, wie FH dem für 
dis bruch, iſt empörenbe inenioſi⸗ kei enißanen weihen 
» dem ehelofen Kioferleben. ochzeiten, Taufen und Begräbnifie find von 
ntränmtichen Gesräuden b leitet. Todtenopfer, hunverttägige Trauer, eine 
Seelenmefien, gehören Die Wohnungen And fleinern, mehre Etod 
FR die der Yan und Beamten find Fünftlich aufgeführt und mit Bildhauerel 
er. Das Innere derfeiden- ik mit prachtvollen Schmude überladm. Das 
affen des Tibetaners reicht auffer feiner Religion nicht weit. Die Hellkunde 
id von Lamas und Zauberern mit @ebeten und Formeln ausgehdt. Die 
hahtſagerei treiben auch ‚Braun... DieZeischhnung haben -fir-mis den Mongolen. 


un 


fi 


128 Tibet, ° 
gemein, fie fegen aber den Anfang derfelben bis in das Jahr 2134 v. Chr. hinauf. 


R 


te Sprache ift raub und hart, wie die eined Bergvolfes. Biele Confonanten, ' 
neben einander gefchrieben, verfließen in der Ausſprache. Wie die Einſylbigkeit, 
jo theilt fie auch viele Wurzeln mit der chinefiichen und den hinterindiſchen 
Sprachen. Die Echriftzüge find dem Dewanagari entlehnt. In den Gebirgen : 


nähert ſich die Sprache den indiſchen Dialekten, oder die Bewohner fprechen auch 


wohl 2 Sprachen. Die Literatur befteht theild aus uralten Religionsfchriften - 
in neueren theologifchen Abhandlungen, theild aus Gefchichte und Poeſte, beide : 
in enger Beziehung zur Religion. Atronomifche Kenntniffe haben file von den : 
Chinefen erlernt. Das, was den Tibetanern die meifte Bedeutung in Aften gibt, iſt 
ihre Religion, der Buddhaiemus oder Lamaismus (f. d.), defien Lehre in : 
dem bänvereihen Werke Ganpfchur mit dem Commentar Danfchur enthalten iR, : 
der ungefähr 407 nach Ehriftus in T. Eingang fand ımd bier allmälig alle - 
Berhältniffe fo durchbrach, daß der Sit des Dalai Lama auch Mittelpunkt ver : 
Macht wurde und die bürgerlihe Geſellſchaft ganz in der religiöfen aufaing. . 


Die größten Feſte find das Neujahrfeft (im Zebruar), die Austreibung der Dä- 


monenfürften und die Entvedung des Schatzes. Im weftlichen Theile gibt es 
Anhänger des Islam, in den Gebirgen Brahmanen. Berfuche, das Chriſten⸗ 


thum einzuführen, find ſtets mißlungen. 3. ift ein Schutzſtaat von China; dem 


Dalai Lama u. dem Bandſchim Erdent ift die Regierungsgewalt durch chinefifche 


Beamte befhränkt. Bon den beiden Höfen zu Hlaffa und Dſchaſchi Lumbo geht 
die Verwaltung aus. Jene beiven Großlamen, als Priefter ſtreng an die Regeln 
ihre Standes gebunden, find als weltlide Herrſcher unumfchränft, Geſetzgeber, 
Richter, Häupter der Verwaltung. Die Befehgebung iſt nur in Griminaljachen 
beftimmt;* fonft entfcheiven Gutdenken des Richters, örtliched Herkommen oder 
chinefifched Verfahren. Die Strafen find Außerfi hart. Das Militär, meiftene 
Eingeborene, beläuft ſich auf 64,000 Mann, ift mit Zlinte, Lanze, Schwert, Dolch, 
Bogen bewaffnet. Kanonen hat man, ohne fie gebrauchen zu willen. Die Abs 
gaben werden in Natur geleiftet; außerdem find alle Einwohner zu Frohndienſten 
verpflichtet. Die Löhnung der Truppen geichieht in Silber. Die freiwilligen 
Geſchenke an die übermäßige Anzahl von Lamen und die regelmäßigen, an bie 
hobe ©eiftlichkeit faugen das Land aus. Nach Ehina werden von den Obers 
lamen alljaͤhrlich Dulbigungegsichenfe gefendet. Aderbau, Viehzucht und Jagd 
find die Beichäftigungen der Bewohner; durch die Anzahl von müßigen Lamen 
werpen dem überhaupt langfam ergiebigen Lande viele Hände entzogen. Die 
Handwerfe und Künfte, die am fertigften geübt werden, find: Steinhauerel, Tifch- 
lerei, Arbeiten in Metall und Weberei. “Der Handel ift Karawanenhandel befon, 
ders mit China, Produkte und Waaren aus Indien, Kafchmir, Butan und der 
Bucharel werden nach jenem Reiche hinpurchgeführt. In Ladakh Ereuzen fich die 
Straßen von Pekin nach Kafchmir und von da nach Yarfand und dem nörd⸗ 
lichen Aſien. Sign Dhebas als Handeldrichter beauffichtinen die großen 
Märkte. Am thätgften im Handel find die Weiber. Die Münze ift theils 
chineſiſch und indiſch, theils einheimifch; leßtere in Silber hat an Werth gegen 
15 Eilbergrofchen, die Scheidemünze von Kupfer, Indermilly — 7 Sar. 6 Ihr, 
Sonft werden Beutel mit Goldſtaub a 6 Thlr. 15 Sgr. und Silber a 120 Thlr. 
gegeben. Das Weftland oder Klein⸗T. zerfällt in die ‘Provinzen Ladakh, mit 
der Huauptfladt Leh, dem Site des unabhängigen Radſchah von Ladakh u. Una 
Defa, welche ganz hinefiih if. Die Provinzen von Groß⸗ oder Oſt⸗T. find: 
4) Ari over Nyari; 2) Dicdyang, das Reidy des Bogdo Lama, mit der Haupts 
ſtadt Dſchaſchilumbo; 3) Uni, mit der Refidenzfladt des Dalat, Lama, Hlaffa; 
4) Kam; 5) dad Mongolenland Khor u. Katiche — Geſchichte. Erſt im 
3. Jahrhunderte vor Ehritus wurde T. den Chinefen befannt. Die GSifbiangs, 
wie die Bewohner von dieſen genannt wurden, machten zuweilen Einfälle in 
China. Hunderte von Etämmen lebten damald getrennt neben einander. Nur 
gegen Oſten befand das Reich des Stammes Ti bis 371 n. Chr. Im 7. Jahr⸗ 






Fur on 


ebene ſich durch Verelnlgu ber Stämme das Reid Type, unge 
führ das jehige T. umfafiend. Die Sithiang® bewohnten Sifan, das —XãX 
wi Zeibiange, Nach 100jähriger Dauer and das Reid; auf feinem höchfen 
ausgedehnt bis China und bis an den Sihon. Die Uiguren vrängten 
os — —— chunderte in feine natürliche Gräne hd, bis es 3 Jahıhumderte 
innerlich zerfiel, Das — Kleſenreich aber machte feiner Unab⸗ 
ein Eade. Tufan im Oſten wurde mongoltiche Provinz, das mittlere 
wm 2. u zinsbar. Nach wich nnener Freiheit Tamm eb 
ab w zur Sn Herrfchaft, unter dem Kamen Königreich Uffuihſe 
Rah micht gan 400 Jahren fiel 3, in die Hände China's; sam 
Ye Delöten daſelbſt einen drüdenden Einfluß aus— a A 
Rord und Brand waren, die Folgen, bis der Kall 1720 a6 
ka. empörte ſich T. 1727, a — 
daft abgenommen en war, allein ohne Erfolg. Rur es Au — 
dor Zeit fange frei zu — "gewußt. 1749 is ein 3 en | fo nen 
ee —— daß — ‚glerung zu Beliag, für gut fe farb hem 
Sertiaft, ER * eben. — Cru in ar Kr 
Tben, wie überhaupt v 
Die Berfuche, —— Die mit 25 3 indungen 
— jederzeit. gefcheitert. Dal. „Döseriplion da — da 
pere Hyacinthe Bitchourin,* — 
— ER Tibelanliche Grammati und ®: Een. —— * 
ud 1840; Tfoma de. Körös, „Grammalica 
Tibet nennt man ein, aus der feinften Wolle, a, weiches 
Damenkleidern, mit fehr feinem Körper, ganz wie der — ** bat 33 ia 
Schwarz, Weiß und in allen anderen. Farben, $ ER A liche 
kn find, — den en, die Biden Babrikate von Fa 
Baldenbur, el u 
Fibulas, ai Albius, ein eleglicher römifcher Dichter, geboren zu Rom 49 v. 
Chr, gehörte dem tömifchen Nitterftande an, begleitete den Marcus Balerius 
Dıfala Eoroinus. auf feinem Feldzuge in Gallien, zog fich aber —e— weil 
feine wache — die Kriegsbeſchwerden nicht zu —8 en vermochte, im 
die Gtille des Landlebens gi et und —* Su Fra Rus: Ka Suintllan 
Urteil ei en tern der Römer der. erfie 
& an — sell a einem edeln und wahren Ausdruck a 
teaser. Manni afaltigtel keit der —— Bilder und Wendungen, ohne 
sine Kuuſt und ——e— Schmuck. Seine Elegien madın air —8— 
deren ledtes der Sulpicia u. mehren Selen beigelegt 
Heyne und Boß das dritte Buch dem Dice rim — 
Don Seinen Ausgaben fer Elegien, e ger 
des Catullus u topertiud verbunden — find rat ham 
von ah oder Bulpius, Padua 1710, 2. Ausgabe 1749, 4; Broekhuygen, 
1707, 2. Ausgabe 1727, di Wu Fr 1755; u Ausg., — 
Banveriichh und Diſſen 2 Bbe., 1819: eibelberg 1811; Bad, 
dia 833 1819; Suite, — Leireig 1819; a, ri6 1826; Sachmann, 
2 "Br. » Göttingen 1835. Deutſche Ueberfepungen 
Bee, . Bob, alien 1810; Strombed, 2. Aufl., Göttingen 1825; €. 
— — —* 1825; Richter, Magdeburg 1831 und Nürnberger, Berlin 1838, 
Epohn,: „De Tibu li vita et carminibus“ Leipzig 1819; Golbery, „De 
* vis et carminibus“ Paris 1824 und deſſen „Defense de T. contre 
guigses savans“, Paris 1826 und befonder6 Gruppe „vie zömifche Elegie“, 
Peine — 
vo 
Zieime, deutfch Teffin (bei den Alten Ticinus) ein Fluß tn der Lombardei, „eher 
bi Diebe Golonde aus dem Lago maggiore autritt, Busch eine Strecke 


Hi 
EI 


el 


128 Tieck. 


415 Meilen die Gränze zwiſchen dem Mailändiſchen und Navareſiſchen bildet, bei 
Campo maggiore zur Rechten den Canal Gravellone abfendet, der ſich aber bald 
wieder in der Commune Predomasko mit dem Fluſſe vereinigt und, nachdem er die 
Mauern Pavia's befpült, nächft Belvedere in den Bo fällt. Diefer Fluß hat ein 
ziemlich ſtarkes Gefälle, tft an manchen Stellen fehr reißend und bat zwiſchen 
Seſto und Robeno einige felfige Stellen. Bei Tieinum, dem heutigen PBavia, 208 
v. Chr. Reiterfihlacht zwifchen Hannibal und den Römern, in weldyer die lebteren 
geichlagen, der Conſul Publius Cornelius Eriplo (f. d.) felbft verwundet und 
nur mit Mühe von feinem ohne, dem nachhir fo berühmt gewordenen Scipio 
Afrifanus, gerettet wurde. 

Tied, 1) Ludwig, ein berühmter romantifcher Dichter und Novellift, ges 
boren zu Berlin 1773, der Sohn eined Seilermeifters, erhielt feine erfte Bildung 
auf dem Friedrichswerderſchen Gymnafium und machte fpäter feine Studien zu 
Halle, Göttingen, Erlangen, Berlin und Jena, wo er überall Verbindungen mit 
geihreichen Zeitgenofien, wie: ‚Herder, beiden Schlegel, Novalis, Fichte, Ricolat, 
Schroͤder u. A. anfnüpfte. Schon früh war er mit Wadenroder verbunden und 
befchäftigte fi gemeinfam mit ihm namentlidy mit altdeutfcher Kunft und Poeſie. 
Auch als Echriftfteller war T. früh beveutfam aufgetreten. Sein „Abvallah“ 
war merfwärdig, fein „William Lovel*, 1793, 3 Bde. aber für den befonders, 
weldyer die tiefere Bedeutung der darin auftretenden Figuren kennt, noch wichtiger. 
Diefem folgten „Peter Lebrecht“ und die „Volksmährchen“, in welchen lebteren, 
fowie in den „Romantifchen Dichtungen“ ſich ein fühner polemifcher, fein ironts 
fer Geift, gegenüber der profalfchen Anmaßung und flachen poetifchen Anſchau⸗ 
ung der damaligen Zeit und perfonell gegen Rambach, Merkel, Nicolai, Börtiger 
u. 9. m. ausſprach. Auch der „Bamböcciaden“, 3 Bde. trefflicher Erzählungen 
und fatyrifcyer Dramen, die er gemeinfam mit feiner Schwefter Sophie und 
Bernhardt herauegab, darf hier nicht vergeffen werden. Aus den Papieren 
Wackenroder's gab er 1797 „Herzendergießungen eined kunſtliebenden Kloſter⸗ 
bruders“ und 1799 „Phantafien über die Kunft“ heraus. Einen bedeutenden 
Anibeil hatte auch Wadenrover an dem berühmten Kunfttoman „Kranz Eterns 
bald“, in welchem ſich wunderbar Andacht, Sinnlichkeit, Sentimentalität, Derbheit 
u. Begeifterung für Kunft, namentlich altdeutfche, begegnen. — T. vermählte fich 
nun mit der Tochter des Predigers Alberti, weldye ihm zwei Töchter nebar und 
fpäter mit diefen zur katholiſchen Kirche zurüdtrat. Längere Zeit lebte T. nun ges 
meinfam mit Auguft Wilhelm u Friedrich Schlegel u. von Hardenberg im innigften 
Vereine zu Sena, wo ſich eben tamals auch Fichte und Schelling befanden. 
Dort überfegte er vortreffiidh ven „Don Quixote“, gab feine, ſchon oben berührten, 
„Romantifchen Dichtungen” und ein poetifches Journal heraus, weldyes unter 
anderen Briefe über den Shaffpeare enthielt, deſſen Etudium ihn ſchon fehr frühe 
befchäftigt hatte. Bon Jena wandte er fidh (1801 — 1302) nady Dresden unt 
gab feinen „Muſenalmanach“, gemeinſchaftlich mit den Schlegel’8, heraus u. lebte 
dann theil8 in Berlin, theild in Ziebingen, einem Gute des Herrn von Burgsdorf, 
unweit Franffurt a. D., und gab in diefer Zeit die Schriften des verftorbenen 
Novalis heraus, fowie eine Bearbeitung altdeuticher Minnelieder und den „Kaife 
Dctavian”, ein romantifches Luftfpiel. Hierauf reiste er in Begleitung feiner 
Echwefter und des Baron von Knorring nad Stalien, woſelbſt er ſich bis 1809 
in Rom aufbielt. Hier war es, wo feine Anfichten über Malerei reiften und et 
die alideutſchen Gedichte in der vaticanifchen Bibliorhef ftudirte und copirte. Zus 
rüdgefehrt, überfiel ihn in München eine lebensgefährliche Krankheit, weßhalb eı 
fi) dort längere Zeit aufhlelt und dann nach Zichbingen zurüdfehrte. Hier gab 
er Ulrich von Lichtenftein’d „Frauendienſt“ heraus und eine vermehrte Sammlung 
feiner früheren Erzählungen, die er in den Rahmen eined Romans faßte, der eben» 
falls doppelt Intereffant wird, wenn man die Wiererfpiegelung der Wirklichkeit 
darin zu erfennen verftcht, unter dem Titel: „Phantaſus“. Damals erfchien aud) 
fein „Witenglifches Theater" (1811) und 1818 unternahm er eine Reife nad) 


um dort für fein große Werk über Shakſpeare zu fammeln. Zurüdges 
5 er ſich in Dresden niever, 1819. Seit feinem eat elbſt 
aannigfaltig im Gebiete der Poeſte, wie der Kriuk bewegi. Er gab feine 


zum Shakſpearer heraus, ſammelte die Werke von Kleiſt's unb 
machte feine eigenen Gedichte in einer Sammlung beiannt, deren dritter 
vielfacher Hinficht merkwürdig iR und ſammelte in zwei Bänden unter 
el: „Dramaturgifche Blätter“ feine Thenterkeitifen, zu denen ihn feine 
ı zum Drespener Theater veranlaßt hatte. Er warb damals zum königlich 
a Hofrathe ernannt und ihm ein amtliche Berhältniß zum Theater ges 
yel bis zu feinem Abgange von Dresden fortbeftann, obſchon es 
. Wirkungen aus mannigfachen Gründen nicht hatte. ine ganz newe, 
roßartige u. merkwurdige Grfcheinung in unferer Literatur find feine ſeit 
ebenen Rovelien, unter denen wir vorzüglich „Die Relfenden*, „Dice 
' in zwei Thellen u. vorzugsweiſe den „Aufruhr in ben Gevennen” an- 
Scringer an Werth it „Der junge Tifchlermeifter” u. fein neueſter Roman 
a Accorombona“, 2 Bpe., neue Aufig 1841. Im diefen Rovellen zeigt 
früberer Romantik faum bie u. da eine geringe Spur; —*— 
reiche Dialog über Literatur u. Leben ber enwart, viel von der 
und fdhärfien Ironie durchdrungen. Die berähmten Abendcirkel in Dress 
T. fein ſeltenes Talent als Vorieſer entfaltete, waren ein lebendes Abbiſld 
rt vom Novelliſtik Eine der Refultate feines Antheild an der Leitung des 
er& in Dresven find feine gebaltreichen „Dramaturalichen Blätter”, 2 
1826. Bald nady der Thronbefteigung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen 
5 von demmfelben an feinen Hof gezogen und lebt feit dem, oft Tränfelnd, 
ind in Berlin und Potsdam, wo die verfchiedenen theatralifchen Buche 
m Sabre hauptfächlich als fein Werk zu betrachten find. Gine, wiewohl 
ht volftändige, Ausgabe feiner „Eämmtlichen Schriften” erſchien in 20 
Berlin 1823 — 1846. Auch gab er Heinrich v. Kleiſt's „Rachgelafiene 
»*, 3 Bde. 1826, neue Auflage 1846; mit Friedrich Schlegel Rovalie’ 
en“, 2 Bde. 1802, 5. Aufl. 1837; 3.39. 1846; mit Friedrich v. Raumer 
„Nachlaß und Bricfwechfel“, 2 Bpe., Berlin 1826 und Reinhard Lenz’o 
melte Schriften”, 3 Bde. Berlin 1828, Beraus. — 2) T. Chriſtian 
th, Bruder des Borigen, geboren zu Berlin 1746, gefchägter Bildhauer, 
r an der Kunftafademie und Direktor der Antikenſammlung zu Berlin, 
6 Knabe die Arfıngsgründe der Steinhauerfunft bei einem gewifien Meier 
r, wurde dann Schadow’s Schüler und bildete ſich in Dresden und nachher 
alicher Unterftügung in Paris und Rom aus. Seine Hauptflärke befeht 
Berfertigung von Büften und Portraits, unter denen wir die von Böthe, 
Boß, 5.9. Wolf und feinem Bruder Ludwig befonderd nennen. Alle feine 
s find mit einer fo tief poetifchen Anfchauurig verfertigt, daß wohl Tein 
In Deutfchland lebt, der ähnlich fchafft. Auch größere Wake hat er ges 
- Die Domkirche und das Schauſpielhaus in Berlin geben davon Bi 
Berehrung gegen ihn wird noch gefleigert, wenn man ihn als hen 
and lieben kann, ſowie andererfeit feine tiefe theoretifche Bildung für 
e Kunft unläugbar aus mehren fehr geiftreichen Aufſähen berworleuchtet, 
oßne ſich zu nennen, befannt gemacht hat. 
edemann, Fried rich, großberzoglich badiſcher Geheimerath und Profeſ⸗ 
Anatomie und Phyſtologie an der Univerſität Delbelberg, geb. den 23. 
81 zu Kaflel, Sohn des Profeſſors der Philoſophie, Dietrich T., ſtu⸗ 
Marburg, wurde dafelbfi 1804 zum Med. Dr. promovirt und habilitirte 
b im felben Jahre als Privatbocent. 1805 wurde er als ordentlicher Pros 
er Anatomie und Zoologie an die Univerfität Landshut berufen; 1811 
“eine, vom franzöfiichen Imftitut aufgefepte, Preisfrage über den Bau der 
nibiere, zu deren Bearbeitung er die Küften des abriatifchen Meeres bes 
stte; 1816 folgte er einem Hufe ale ordentlicher Proſeſſor N You 
wychopidie. X. 





Mi m 


⸗ 


40 Tiedge— Tiers-partle. 


und ſtologie an die Univerfität Heidelberg, an welcher er fortan thätig blieb. 
T. Fu —* ver ausgezeichnetftien Phyfiologen der neuern Zeit. ine der liebens⸗ 
würbigften Erfcheinungen, hat er ſich in hohem Maaße die Zuneigung feiner Zus 
hörer erworben, aber andy auf dem literarifchen Felde war er ſtets eifrig beſchäf⸗ 
tigt. Außer feiner: „Phyfiologie des Menfchen”, von der biöher nur der 1. und 
3. Band erfchtenen, Darmftadt 1830 und 1836, die aber in's Franzoͤſiſche ud 
nachgedruckt), Englifche und zweimal ins Italieniſche überfegt wurde, — fchrie 
er: „Zoologie“, 3 Bde., Helvelb. 1808—1814;, „Anatomie und Bildungsgeichichte 
des Gehirne im Fötus des Menfchen”, Nürnb. 1816, überfcht in's Yranzöflfche 
und Englifche; „Bon der Verengung und Schließung der Pulsadern in Krank⸗ 
De Heivelb. 1843 — und mehre wertbvolle Kleinere Abhandlungen. — Mit 
. Gmelin verfaßte er: „Die Verdauung nach Berfuchen“, 2 Bde. Heivelb. u. 
Lpz. 1826—1827, 2. Aufl. 1831, auch überfeht in's Sranzöftfche. E. Buchner. 

Tiedge, Ehriftoph Au au, geboren 14. Dez. 1752 zu Gardelegen in der 
Altmark, ftudirte zu Halle (feit 1772) die Rechte, war einige Zeit Sekretär bei 
dem Landrath zu Magbehurg, entfaggg frühzeitig der juriftifchen Laufbahn, ward 
1776 Hofmeifter in Elrich, wo er mit Goͤckingk, Gleim, Kl. Schmidt u. Elife 
von der Rede befannt wurde; folgte 1784 Gleim's Einladung nad) Halberftabt, 
ward 1792 Privatfelretär des Domherrn von Stebern zu Neinſtädt bei Quedlin⸗ 
burg, 1793 Domkommiſſär zu Halberfladt, lebte dann in Magdeburg, Halle, 
Berlin, erhielt durd) Gleim's Vermittelung eine Heine Vikariatspräbende am Dom- 
ftift zu Halberſtadt, reißte mit Kr. v. d. Rede 1805—8 durch Deutfchland, Die 
Schweiz und Stalien, brachte mit ihr den Winter gewöhnlich in Berlin zu, feit 
1819 in Dresden, die Sommermonate zu Teplig und Karlsbad und ftarb HF 
Dresden 8. März 1841. T. trat als Iyrifcher und epifcher Dichter auf; er iſt 
religiös und fittlih, mehr empfindfam und rhetorifch, als tief poetiſch und (in 
feiner „Urania“) tief chriſtlich. Seine einft über Gebühr gepriefene „Urania“ 
erichten zuerft 1811, in 11. Aufl. 1837. Sämmtlihe Werke, herausgegeben von 
Eberhard, Hulle 1823—29, 8 Bde.; 4. Aufl. daf. 1841, 10 Bde. Leben u. poet. 
Nachlaß, herausg. von Falfenftein, Rein. 1841—42, 2 Thle. x. 

Tieffinn nennt man die fortdauernde und unwillkürliche Schwermuth (vgl. 
den Artikel Melancholie); M einem andern Sinne aber ſetzt die Pſychologie 
den 3. dem aite und dem Scharffinne entgegen. Ste verfieht dann darunter 
eine Deichafienbeit des phtlofophifchen Geiſtes, oder den in die Tiefe der Gegen⸗ 
flände (der Ratur und des Geiſtes) eindringenden Sinn, Welcher auf die urfprüng- 
liche Einheit und das Wefen der Dinge gerichtet if. 

Ziernay, George, ein ausgezeichneter englifcher Staatsmann und politi- 
ſcher Schrififtcler, geboren 1756 zu London, gelangte 1796 in's Parlament und 
gewann al&bald in der Debatte hohen Ruhm. Er war Pitt’s furdhtbarfter Geg⸗ 
ner, mit dem er felbft 1798 ein unblutige® Duell focht und widerfehte ſich fletd 
mit Kraft degp Kriege gegen Frankreich. Ws Pitt vor dem Frieden von Amiens 
abtrat, ward T. Schagmeifter der Marine, unter For und Grenville erfter Se⸗ 
fretär von Irland, dann Präfident des Rechnungsburean. Als feine Partel vers 
drängt wurde, ftellte er fidy nach Ponſonby's Tode an die Spige der Oppofltion, 
trat unter Banning ale Münzmeifter ein, legte aber diefe Stelle unter Lord Go⸗ 
derich nieder. Er flarb 1830. Der Umfang feiner Kenntniffe, die Echärfe feines 
Darum und bie beißente Irenie feiner Rede verfchafften ihm ftets Gehör im 

arlamente. 

Tiers-Etat (der dritte Stand) hieß vor der erften franzöftichen Revo⸗ 
un derjenige Theil der Ration, ver weder dem Adel, noch der Geiſtlichkeit 
angehörte. 

Tiers-partie (dritte Bartei) wurde nad der Julirevolution in der 
franzöfifchen Deputirtenfammer eine Fraction des Centrums cf. d.) genannt, 
die zwar nicht zur Oppoſition gehörte, aber eben fo wenig ſich zu der Politik ver 
Doktrinärs (. d.) bekannte Sie verlangte eine Berwaltung aus Männern 


amis geiz. i 18 
Gerrſchaſt des Mittelſtandes und eine Politit der materiellen 


weB_Raiferreiihes, 
et et Gent a a o ae 
jonvernements Translaufaflen, 1 % „kemanifh tm 
Fo lg und baumreichen Gegend auf ee ieiten des Kur, uns 
jmar der größere Theil, namentlich die fer. ber Wohlhabenden, die Bazarı, 
— und Hauptfirchen, bie Gebäude Behörden, des, ogouwer⸗ 
Sberbefehishabers auf dem rechten a ul, eg entgegen, 
eine große Raramanferat, die große Beine, teihe Häufer deuticher 
fen » und. die Seflung einnehmen. ren Sůden —* ſich die Stadi an 
einen Sig elrüden, den fogenannten Rarikaleh oder Steinberg, auf weichem 
‚anfehn! Ruinen einer ſeht alten Burg befinden. Hauſer der 
Beorgier mit ihren flachen Dächern fehelnen wie an ben Berg angewachfen. Der 
Grimantfche Viad und einge Sen fan na — entopätfcher an angelegt, ber 
RR Keen ahatiich. Zu gehören drei Kirchen, weiche 
dh) zug! teich mit. der a ER a ae und a ſchon 1400 
wi Jos die — Gi ee Grarchen) , die 
fe dohen 2 Mer BR vi rt * des Le 
erthumg. Y 
ko du erge kunt. 3 und die fo * AH ann be te De 38 
KR Sabıhunderte. Im da zählt 2 — der Si 
Erarchen , eines armenife 0f6 und eines ruſſiſchen 
Beau: Ar eine —— —— Kan ven dlace 


ir jun, % Ken * — —— wi page 
je jelige, das eh e 
ahet, * in neueſter 3 —X ‚Hellbäver. 
een am Fuße des —— Pe und haben Aaifäen 3. Due BR 
Manufakturen in Tapeten, Baummollen + engen, Bons 
viele Schuhmacher, Gold» und — — Bewehrmani ver, Schwert: 
— er Stehen on ge Ay iR ſehr ieh, 35 
erſten und den eiskaut en; ſogar 
—3 — pe Älfte’® X kl 


FE 


— 


Sul, und beutf a 


we 5.5 De en Kat auf. —8 aan 8 


eia die R 

er neuen Haupiſtadt ven georgiichen Ramen a i 
Im Laufe der Zeit erhob T. zu einem anfehns 
were Unfälle, rem die wilren Züge der dem 
idſeligen Völfer oftmals Alles darin vernichteten und dem 
ten. So traten der Berferlönii ee die faurranı 
bie Bypantiner, bie Heerführer Omar’6, WB Nacfolgers 
Safe farm, die Saragenen, die Seldſchuden, die Bengaln, 

din, Timur, Schah Jsmael und feine Lo er, die Türken 
der Rolle der Groberer und Zerflörer au m neuerer Zeit 
) ve — Aga Mohammed ef bie an ginn mm 
fteopte 30.000 000 Menſchen in 26. Eeptems 
— der zu Guliſtan arg und Berfen aeichlofe 

r 

ein Raubthier aus bem — der Kahen (ſ. d.), am — 
ihm: iger auf den Fr mit m. sum 

Ka: Fell iſt Sb heit weiß, mit * 

Duerfirei jaare Kurz, —ã 
eit, an der Spihe ſchwarz. De et va fiptiche 
und ‚Sumeka, Seine erſtaunliche Kraft uns a 
äyrelen der. Bänberz bennoch läßt er men h euer 


I 


MT 
BE h: 


38 


38 
Ei 


* Aun aa uac u nur 
Hahn 
H 


gr: 


ı 


fih an die, welche ihn füttern, Die Jagd auf ihn hat große Gefahren. Das 
Fell iſt ein geſchaͤtztes Pelzwerf. 

Tigranes, König von Armenien, war ein Sohn des Königs Artavasdes, 
der nady einem unglüdlichen Kriege mit den Parthern feinen Sohn 95 v. Gr. 
al8 Geiſel geben mußte. Nach dem Tode feines Vaters erhielt er gegen Abtrets 
ung eines großen Theiles feined Reiches die Freiheit wieder, wurde auch 85 v. Chr. 
König von Eyrien und vergrößerte fein Reich durch Eroberungen, fo daß er for 
gar den ftolgen Titel „König der Könige” annahm. Defto unglüdlidyer war er 
gegen Lucullus, ald er zu Bunften feines Echwiegervaterd Mithrivates die Waf⸗ 
fen ergriff. Nachdem er Armenien, Kappadokien und andere Provinzen verloren 
hatte, empörte fi aucdy fein Sohn T., der darauf, von ihm gnefchlagen, zu den 
Parthern entflob, die mit einer großen Armee in fein Reich einfielen. Bon Poms 

juß erhielt er jedoch einen Theil von Armenien und Mefopotamien zurüd. Er 
arb als Freund und Bundeögenofie der Römer im 85. Lebensjahre. 

Tigris, ein großer Fluß in Mefopotamien, entipringt in den @ebirgen von 
Armenien und (du von Norden nach Südweſten; ein Arm desfelben, Diglito 

enannt, von einem Zweige des Taurusgebirged aufgehalten, ftürzt fich in die Höhle 
orranda, woraus er dann am Fuße ded Berges wieder erfcheint und fich welter 
bin unterhalb Diarbek mit dem weftlichen Arme vereinigt. Er verbindet ſich 
dann bei Barna mit dem Euphrat und ftürzt mit diefem durch 3 Hauptmünds 
ungen ind Meer, deren Singang durch die davor liegenden Sandbanke gänzlich 
unficher gemadyt wird. Bei Bagdad durdy mehre Nebenflüfle verftärft, beträgt 
feine Breite, nach Niebuhr, 600 Fuß. 

Ziguriner, eine den Helvetiern angehörige Völferfchaft. Ihr Gau, Tigu- 
rinus pugus, umfaßte den Kanton Zürich, den Thurgau, Baden am rechten Aar⸗ 
ufer, Appenzell ıc.; ihre vornehmfte Stadt war Tigurum, jetzt Züri. Die T, 
erfcheinen zuerft in Verbindung mit Cimbern, mit denen fie Einfälle in das Allo⸗ 
broger Land machten und den Conſul 2. Eaffius fchlugen; dann mit den Teutos 
nen und Ambronen, mit denen fie jenfeits des Rhodanus die Römer beftegten, 
Wefteuropa durchzogen und von den Belgiern zurüdgetrieben wurden. Epäter ers 
lagen fie mit. den Cimbern dem Parius bei Aquae sextiae (Mir) u. fehrten bar- 
auf in ihre Heimath zurüd. 

Tileſius, Wilhelm Gottlieb von, Raturforfcher, geb. ven 17. Juli 1769 
zu Mühlhaufen in Thüringen, ftudirte auf der Univerfirät Leipzig und wurde das 
felbft 1803 zum Med. Dr. promovirt; 1803 trat er als Hofraih und Profeffor in 
ruſſiſche Dienfte und begleitete ven Kapitän Krufenftern (cf. d.) ald Natırfors 
fher auf feiner Reife um die Welt. 1814 fehrte T. nach Deutfchland zurüd, 
wohnte abwechſelnd in Leipzig, Mühlhaufen und Dresden und ließ fich endlich 
in Leipzig nieder, wo er in großer Zurüdgerogenbeit feinen literarifchen Arbeiten 
lebte. — T. fchrieb unter anderen: „Ausführliche Befchreibung und Wbbildung 
der beiden fogsannten Stachelſchweinmenſchen“ (f. d.), Witenburg 1802; 

Raturhiftorifche Früchte der erften kaiſerlich rufftiben ... Erdumſegelung“, St. 
Petersb. 1813; „Ueber die Cholera und die Fräftigfien Mittel dagegen“, Nürnb. 
1830, überfegt ind Holländifche. E. Buchner. 

Tilgungsfond, ſ. Amortifatton. 

Ziuy, Jobann Tzerflas, Graf von, einer der ausgezeichnetften Felb⸗ 
berin des 17. Jahrhunderts, wurde 1559 auf dem Schloffe der Herrfchaft T. 
im wallonifchen Brabant, 2 Meilen von Gemblourd, weldyed Eamfon von Ca⸗ 
lain 1448 an Johann Tzerklas verfaufte und der fich nun Tzerklas von T. 
nannte, geboren und erbtelt feine wiſſenſchafiliche Bildung bei den Sefuiten, in 
deren Gefellichaft er auch als Noviz aufgenommen wurde. Aber feine Reigung 
zum Coldatenwefen veranlaßte ihn, das Collegium zu verlaffen und in fpanifche 
Dienfte zu treten. In den Niederlanden, dem Echauplage beftändiger Kämpfe, 
mit der befien Kriegsichule damaliger Zeit und unter Fuͤhrern, wie Alba, Res 
guejeed, Don Juan und Alexander Farneſe, bildete er fich zum Feldherrn heran 


rn 138 
it und ne damals Befondern 
833 ii kn ”, —— mat a 


Igte, 
ver Bile an, Rn laiſerli⸗ eg — um nd 1a 


umier dem hitipp Ei l von Lothringen - 
Gntbianilge % ‚ronhelbeft ano, dab er vor Rule Kuroii 
‚ernanht wurde, als welcher er ein Regiment WBallonen warb 


| 


ih 
In 


——— 
——— 
RB E in 
— re NER f 
TUR RSTHE 
SE En %: 
— 
Holt, 

8 32 
BERER 
E a Hin 


Mi 
— 
Rn 
Hi 
ES 
if, 
H 
is 
s® 


—— An el ie —X Urmee — als der kaih 
Felpbern die Winterquartiere be; eh wollte. 9 TE ee 
riet er den Lrhebern des Wufftandes welche nach Prag umd pr ihre Güter 
** waren, auf einige Zeit das Land zu meiden, Sei er ihre Gefangen⸗ 
Berurtheilung vorausſah. Nach der *5 Bodhmens vers 
Pr sn Bundes geno ee von F Pfalz, den Grafen Ernſt von 
————— lafiend, Ye am Rhein und im Elſaß auf das Bars 
S6 han "Das —— oloch am 29. April 1622 war für ihn 
Bun me je er den —— von Baden⸗Durlach, der für den 
a griffen hatte, am 6. Mai 1622 bei 
oh diefer ſelbſt nur durch bie trene Aufopferung von 300 
gern and Pforji Leben rettete. Auf dem Echanplage des Krieges 
dann ein dritter Kämpfer für Srievriche Sache a, der ER e an von 
r ——* des Bisthums Haiber flug T. 

4 In Se und a fein niet —5 "ahr lan — 
anofelds Heerhau ige Monate kämpften beide tm 

ve —2 a — dort —— unter furchtbaren Verheerungen 
; ia ein, daß der Herzog yon Braunſchweig ſchon frühet ausgeplänkert 
I trennten fie ſich; rend ee nad Kr ar 208, wurde 
von T. bei Stadtlooe im Münfterfchen KOT und in einer dreis 
Schlacht, vom 4.— 6. Au; 16 ur Bernichtung 
Görliten ober ee nad Paridı ı kin ——— 

a te nach Paris, um neue uellen 
Mittlerweile hatte die Mehrzahl der Städte und Sürfen —— 
den Kaiſer en ggwersen und den länderfüchtigen König von Dänes 
ftian IV., —X gewählt. Gegen ihn — elt T. 1625 
— ft 1626 treiem fi die Heere bei Lutter am Bas 
2 blieb % leg umensfeneden, da A] die Dänen wader hielten; 
aiferlider Sana! , weldye ven rechten Flügel ver Beinde 
durch einen Außer fr. Aftigen Angriff den Kampf entfchleden. Im 
mit Wallenfein (f. d.) Serfolgte T. den däntfchen König, ver⸗ 


en 


— 


134 Tilly. 


jagte deſſen Truppen aus ihren Schanzen bei Hamburg, drang bis tief in Holſtein 
ein, wandte fi) dann aber gegen die Holländer, entweder, weil er dem Gerüchte, 
daß diefe über Dftfriesland den Dänen zu Hülfe fommen würden, Glauben 
ſchenkte, oder weil er, was wahrfcheinlicher if, es verfchmähete, neben dem Hochs 
müthigen Wallenſtein im Felde zu flehen. Der Friede von Lübel, 12. Mat 
1629, endigte den Krieg mit Dänemark. Nachdem Wallenftein 1630, in Folge 
der Klagen der Reichöfürften, befonders des Herzogs Maximilian von Bayern, 
auf den die pfälziiche Kurwuͤrde übertragen war, ven Oberbefehl hatte niederlegen 
müffen, wurde 3. zum Generaliffimus des kaiſerlichen und ligiſtiſchen Heeres 
ernannt. Damit eröffnete ſich für feine whätgteit ein weites Feld; denn ein 
neuer und gefährlicher Feind des Reiches, ver Friegäfundige und muthige König 
Guſtav Adolph von Schweden, war mit wohlgeübten Truppen in Pommern ges 
landet, um die Proteftanten zu unterflügen und nebenbei einige Provinzen an der 
Oſtſee zu gewinnen. Denn Schweden trachtete nach der Herrichaft des baltifchen 
Meeres und hielt den Belt der Küftenlande für diefes Ziel nöthig. Nach der 
Erflürmung Neubrandenburg wandte fi 3. zunähft nad) Magdeburg, um 
dieſe Stadt, wegen ihres Widerſtandes gegen das Reftitutionsebift und gegen bie 
faijerlichen Befehle, zu züchtigen.. Am 5. April 1631 begann die Belagerung 
der Stadt; am 10. Mai darauf wurde fie erflürm. Pappenheim (f. d.) 
drang zuerft mit feinen Wallonen, troß der tapfern Gegenwehr ber Bürger, ans 
geführt durch den ſchwediſchen Oberften Dietrich von Falkenberg und den Major 
Schmid, in die Stadt ein, über die fich alles Entſetzen eines erbitterten Feindes 
verbreitete. Um das Maß des Elends voll zu machen, brady gegen 10 Uhr 
Morgens Feuer aus, das faft die ganze Stadt in Aſche legte. mitten der 
Flammen wütheten Wallonen, Ungarn und Kroaten mit Mord und Plünderung, 
fo, daß weder die Offiziere, nod —9 Pappenheim ihnen ſteuern konnten. — 
Menſchlich benahmen ſich dagegen die deutſchen Soldaten der Liga: kein geringer 
Troſt bei dem Ungtüde diefer mächtigen deutfchen Stadt, woraus religidje Par⸗ 
teifucht”fo vielen Stoff zu gegenfeitigen Anfeindungen gejchöpft hat. Man hat 
nämlich die Zerflörung Magdeburgs einen Schandfleden in dem Leben T.8 ges 
nannt und nicht aufgehört, pn als einen höchſt graufamen, blutgierigen Kriege» 
führer darzuftellen. Einige ligiftifche Offiziere, heißt es, hätten fi von %. den 
Befehl zur Steuerung des Plünderns erbeten; 3. babe gefagt: „Mordet und 
brennet noch eine Stunde; dann will ich mich befinnen; der Soldat muß für 
feine Mühe audy Etwas haben“. Diefes Mährchen bat Schiller aus einer höchfl 
unzuverläßigen Schrift: „Le soldat Suedois,“ erfchienen 1632, eninommen und tn 
feiner Gefchichte des 30jaͤhrigen Krieges aufgetifcht, ohne des Zuſatzes „wenn es 
wahr ift“, weiter zu gedenken. Jenes parteliiche und höchft unkritiſche Werk 
des großen Dichters ftüpt fich für die Zeit von 1630 — 32, feinem wefentlichen 
Inhalte nach, auf die oberflädhliche „Histoire de Gustave-Adolphe, Roi de Suede 
par M. D. M..... (Mauvillon) zu Amfterdam 1764, 4 Theile” und bat außer: 
ordentlich) viel auf das ungünftige Urtheil über T. eingewirkt. Uebrigens liegt 
die Unwahrheit jener Angabe auf der Hand. Wahr ift nur, daß 3. bei feinem 
Einzuge in Magdeburg die Unglüdlichen, welche man hungernd im Dome fand, 
fättigen ließ; daß er Thränen des Mitleids über das entfepliche Unglüd ver 
Stadt weinte und daß die Truppen der Liga, deren Menfchlichkeit fo fehr ges 
rühmt wird, unter feinem unmittelbaren Oberbefehle ftanden u. von ihm krieges⸗ 
tüchtig gebildet waren, fo, daß der Geift des Führers ſich in Ihnen widerſpiegelt. 
Auch haben neuere Schriftficher mit guten Gründen dargethan, daß die Zer⸗ 
flörung der Stadt durch Feuer, wenn nicht hauptfächlich der Zufall thätig war, 
cher dem Oberften von Halfenberg, als din SKaiferlichen zuzufchreiben tft; denn 
die Lage und die Feftigfeit machten Magdeburg zu einem natürlichen Vereinig⸗ 
ungspunfte aller Berthelvigungsmittel gegen ven heranrüdenvden Feind, weshalb 
dem kaiſerlichen General an dem Befige und der Erhaltung der Stadt wentgftend 
ebenfo viel, als den Schweden, liegen mußte. Endlich war es T., der dem 


un 97 — ss 

— dei md Sei meh dzu er⸗ 
fo viele unſchuld en mit Beten be6- mb Bus 
zeitlichen — dge außerſte Elend geſtürzt umb auch bie 
—* auf die Fi eführt werde”. Schließlich iſt zu be⸗ 





ſehr auch de —* Ai militärtfche Ginficht T.6 bei der 
von — hervortritt, doch der Erfolg des Sturmes ledi Id 
berichtei⸗ der 2. —* gar uf Ins Jene ee ea ala ven 
r und SJerufalem’d 8 oldy’ ein t ges 
bien worden. (Bol. Helfing, 3 ve Beles Belagerung von Magdeburg. Sf 
7 28* en — *5 — , Er 1835.) — Die-nächfle Folge der Er⸗ 
deburgs beft ie proteftantifchen Stände in Schwaben 
sub Frauken zum — om —R Bunde gendͤthigt wurden. T. ſelbſt 
sunädhR ben. *83 safen d von Heffen-Kaffel zu züchtigen, allein er wurde 
verhindert; den Adolph, der der Stadt Magbeburg nicht zu ..d0 fe 
* weil er nicht über die Elbe vordringen wollte, ohne ſich ein 
ze m baden, überfchritt jegt bei Tangermünde dieſen Strom und 
Werden dem Tiiy’ichen Heere gegenüber. Doch fam es le rin 
„wie fh auch der he General fie wänfchte. ei Dre 
Seas von: Leipzig, waffen ih am 7. abe 1631, die 
warf T. zu Anfang der Schlacht die mit den Fei 
GE * die Flucht; en, nachdem die Schweden fich des kaiſer⸗ 
üpes bemächtigt hatten, fonnte ihnen ber Sieg, trop des flebenmaligen 
6, der ihnen gegenüber fland und troß ber beifpiellofen 
Imentern ‚ weiche den ehrenvollen Ton fchimpflicher Flucht 
triffen werden u. T., biöher der Sieger in 36 Schlachten, jah 
zum. eıfken Male überwunden. Gr biutete an brei Schußwunden und 
Mühe der Sefangenfchaft und dem Tode. Erf in Halle traf 
eim * dem See feines aufgelösten Heeres ae jufammen 
von dort nach Weftpbalen, um neue Streitkräfte zu fammeln und 
d die Berbindungen des fchwebiichen Königs zu bedrohen. Diefer 
im Siegee uge die Rheingegenden und wandte fi, nachdem er 
Mann aurädgelaflen hatte, gegen die bayertichen 
Oriayen. ha ſich 3. genöthigt, den herangezogenen Truppen ihm zu 
befegte Bamberg und nahm zur Dedung Bayerns eine fefte Stellun 
Eräv tädichen Rain, am Zufammenfluffe des Lech und der Donau. Hier tar 
Suſtav Adolph nach der Einnahme von Donauwörth und erzwang mit gro- 
ſen Berluſte den Vlebergang über den Strom. T. felbft wurde, als er fich beim 
Suöfundichaften der Feinde zu weit vorwagte, durch eine „repfünbige Stüdfugel 
fe fehwer verwundet, daß er vom Pferde fant, den 5. April 1632. Man 
Inadyte ihn nach Ingolfadt. Hter verfchied der Greis, nach unfäglichen Schmer⸗ 
unter den Händen der Wundärzte am 20, april, in feinem 73. Lebensjahre. 
Ri ann unmittelbar vor feinem Tode ermahnte er die Eeinigen zur tapfern Gegen 
wche und empfabl „Tamenttich „Regensburg“ zu hüten, well fonft des Ka 
Krene in Gefahr komme. Den Blick auf das Erucifir görte, ſprach er: „Auf 
* o dar, babe ich vertrauet; darum werde ich in Ewigkeit nicht zu Schan- 
den werben“; und dann: „Regenaburg] Regensburg“! worauf er verſchied. Go 
Rarb der w, welcher von ſich ruͤhmen konnie „daß er nie ein Trinker geweren fet, 
zie ein Weib berührt und bis auf die Schlacht bei Leipzig nie den verloren 
habe.” Mit feiner Sittenfitenge wetteiferte feine beifpiell 0% — Uneigennüi gkeit. Er 
verfchmähete Geld und But, Titel und Würden. Eine Eoftbare, mit Diamanten 
befehte, goldene Kette, welche ihm Ifabella, die Statihalterin der Niederlande, 
überfan chenkte er dem Klofier zu Alt Dettingen; 1000 Rofenobel, welche 
tm die Stadt Hamburg aus Dankbarkeit verehren wolite, wied er zurüd. Darum 
war von Reichthum bel ihm feine Rede; fein mäßiges Bermögen wurde, feinem 
legten Willen gemäß, unter ‚die Offiziere feines ‚Heeres vertheilt. Als er In den 





Ks 


























1% TUR — Timans. 


Reichöfürftenftand erhoben werben follte, gab er dem Kanzleifchreiber 500 Thlr, 
damit er die Ausfertigung des Patente Hintertreibe. Sein ftarf gebauter Körper | 
überfchritt nicht das Mittelmaß; eine breite, geringelte Stirne, große, finftere 
Augen, eine lange Rafe und fpiges Kinn waren in feiner äußern Geftalt hers 
yore end. Guflav Adolph nannte ihn nur den alten Korporal und bezeichnete 
dadurch treffend feine Pünktlichkeit im Dienſte. Er ftarb, wie er gelebt Hatte; 
feine legten Gedanten waren auf den Krieg zur Sicherheit des Reiches und zur 
Bertheidigung der fatholifchen Kirche, die er, wie fein Anverer, verehrte, gerichtet. 
Ermwägt man die Verwilderung der Sitten bei der Mehrzahl feiner Zeitgenoffen, 
die barbarifche Kriegführung, die religiöfe Parteiwuth der Deutfhen, die Uns 
möglichkeit, aus allen Theilen Europa’s- zufammengeworbene Truppenmaflen von 
Raub und Plünderung fern zu halten; erwägt man ferner die entfeglichen Ge⸗ 
waluthätigfeiten, wie fie von den Heeren Manefeld's, Chriſtian's von Brams 
ſchweig, Wallenſtein's und der Schweden im Kriege geübt wurden: fo zerfallen 
die ihm gemachten harten Vorwürfe, wozu freilich das beflagenswerthe Unglück 
Magdeburg's verzeihlihen Anlaß gab, in ſich ſelbſt. Vergleiche Balve, Paren- 
tatio Tillii. B. B. 

Tilfit, Stadt Im Regierungsbezirfe Gumbinnen der Provinz Oftpreußen, am 
Einflufie der Titfe in die Memel, mit 12,500 Einwohnern, welche bedeutenden 
gend mit Holz, Getreide und Butter treiben, wurde 1512 erbaut, bat ein 

chloß und ein Gymnaflum und ift Geburtsort von Mas von Shenfenborf 
(f. d.). — In der neuern Gefchichte if T. berühmt durch den, am 8. u. 9. Zul 
1807 bier abgefchlofienen, beflagenswerthen Frieden zwiſchen Napoleon, Alexander 
und Friedrich Wilhelm UL, wodurch der letztere die Hälfte feines Königreiches 
verlor. 

Timarioten, auch Timar⸗Spahi's, bei den Türken eine Art Lehendleute, 
welche eine gewiſſe Nutznießung von Lehengütern, gemeiniglidy ald Belohnung ihrer 
milttärifchen Dienfte, unter der Bedingung erhalten, daß fie fowohl in on, 
als auch mit einer gewiflen Anzahl auf ihre Koften audgerüfteter Soldaten, auf 
dag eiſte Gebot ind Feld ziehen müflen. Jene Nutznießung, welche Timar beißt, 
befteht num In einer Anweifung auf liegende Gründe, Güter, E chlöffer, Städte ıc. 
oder auf Nutzung der Mauth, Z0le u. dgl. Einkünfte und es ift diefelbe bie, 
weilen erblich, bisweilen auch nur auf Lebenszeit, ja, auch noch kuͤrzer ertheilt, 
je nachdem es dem Verleiher, dem Sultan oder einem BeglersBeg, nefällig iR. 
Uebrigens gibt es zweierlei Arten von T. 1) Teskereln, welche ihre Lehenbriefe 
vom Sultan felbft empfangen; 2) Tes keretis, weldye von den egler- Bene bes 
liehen werden. Es wird ſonach dem Sultan leicht, ohne eigene Koften eine Armee 
von 300,000 Wann in's Feld zu flellen. 

Timäus. 1) T. aus Lokri, ein Pothagoräticher Philofoph im 4. Jahrhun⸗ 
dert vor Chriſtus, ift und nur durch Rachrichten Anderer und durch den ihn 
verherrlichenvden platonifchen Dialog dieſes Namens befannt, in welchem Plato 
wahrfcheinlidy die Lehren dieſes Philoſophen, deſſen Unterricht er genoffen haben 
fol, vorträgt, freilich) durchdrungen und dadurch modifzirt von feinem eigenen 
Seife. Man ift im Zweifel, ob die unter T. Namen auf und überfommecne 
Schrift „„IIepı Yuxäs nocuov nar Hucıos““ Vorbild oder Nachbild jener plas 
tonifchen fei; doch iſt ed wahrfcheinlicher, daß ein Epäterer den platonifchen Dialo 
escerpirt und dem T. untergefhoben hat; denn Ariſtoteles ignorirt dieſes Wer 
u. nimmt von den, im platonifchen T. ausgeſprochenen, Anflchten nur als von ven 
eigenen feine® Lehrers Rotiz. Einen correften Abdruck des Textes gab Bekker in 
der Gefammtaudgabe der Werke des Platon, Bd. 3, Thl. 3, Berlin 1819 und 
Stalbaum in der Ausgabe des Platonifchen „Timäus“, Gotha und Erfurt 1838 
und eine vollfändige befondere Bearbeitung 3. v. Gelder, Leyden 1836. Eine 
fehr gute deutiche Ueberſetzung Liferte der Berfafler der Schrift „Das Weltall 
und die Welt⸗Seele nach den Borftellungen der Alten und T. der Lofrer von der 
Seele der Welt und der Natur“, Leipzig 1834. — 2) Einen größern Ruhm erlangte 


Pi = 


—2 Taus Touromenium auf Sicilien, der zur Zeit ver beiden 
erden lebte und, mit ſtrenger Befolgung einer ronolop ſchen Drbnung 
unb | anberer SiRorifer, eine Geſchichte Italiens und Sici⸗ 
lens worin er ders die 

unbebentenben Vruch 





Kriege der Römer behandelte. Die nicht 
püde wurden von Böller in der Echrifiz „De silu et origine 
Syraesmmrum“, Leipzig 1818 und von Müller in „Historicorum gruen. fragmen- 
w’, Paris 1841, zufammengefellt. — Belannt iſt endlich 3) 3. der Sophiſt, 
ca grisıhifcher Graͤmmatiker des 2. hunderte nach Ghriftus, Durch fi 
m vocum Plaionicarum“, wovon noch eine. pärftige Compilation bes 
m, beraußgegeben von Ruhnlen, Leyden 1754, 2. Auflage 1789 und Koch, 
ing 1828, 2. Aufoe: 1833. Bel Kot „Observationes in -Timaei Sophisiae 
Ice“, Leipsig 
Zimbuctn oder. Tombuctu, ein unabhängiger Regerftaat in Sudan, im 
früßer die Wüſte, Hauffa und ven Hochſudan zum Theil 
chher als zinspflichtig an Marokko, Haufla, Bambarra, den Tuarife, 
fämpfte, unterworfen war, liegt um den Soliba, ik meift ſehr 
heißem Kuma, doch mit kalten Nächten tin ver ter6geit, 
Raubihiere, fowie anderes Wild, Bögel und Fiſche; Getreide, 
DR, Indigo, vielerlei Balmen, Datteln, Kolos und Waldbaͤume; 
Blei u, Ecpwefel. Die Einwohner, deren Zahl eiwa 100,000 beträgt, 
je Neger, die ſich tätowiren, lange Hemden, Beinkieiver und Sandalen 
Bbändern und Obrenringen 8 ſchmücken, in Monogamie leben, 
und Reid, Brod und Milch mäßig genießen. Sie befennen fidy 
! ei —— theils zum Wuhamevaniemus und befchäftigen ſich mit 
| von allerhand Waaren aus Metall, Holz, Kameelhaaren, Schafwolle, 
un» Uiderbau und treiben einen ſehr audgebreiteten Taufchhandel, der durch 
getrieben wird, wie nach Murſuk, Labes, Tripolis, Tafllelt, Marolto 
die Küfen des atlantiſchen Meeres gehen oder von da kommen. Die 
ver Wuaren beträgt jährlich 92,000 und die Ausfuhr 170,000 Thaler. 
Saat ſteht unter einem unumfchränft regierenden maurifchen Sultan, weicher 
im Diipenneh wohnt, auf dem rechten Ufer ded Niger, ein ſtarkes Heer, wobei 
3000 Maun beritten find, hat u. die Richter anordnet und beftätigt. — Die gleiche 
tRabt, in einer weiten, gelblichen, traurigen Sandebene, acht Meilen 
vom Üi tromufer des Joliba, enthält drei Meilen im Umfange, ift ohne 
Raseın u. Ihore, beſteht aus niedrigen vieredigen Häufern von Badfleinen und 
runden Lehmhütten der Armen und Sfiaven, hat weite, reinliche Straßen, fleben 
» wovon. gwei mit hoben Thürmen, drei königliche Palaͤſte, große Kara⸗ 
varſerei für die Reiſenden, Waarennteverlagen, Baumwollenfabriken und 12,000 
Einwohner, Neger, Mauren und Juden, ohne die ausländifchen Sklaven und. 
kei 10,000 Kaufleute aus Fez und Maroffo. T. ift ein wichtiger Hanvelöplag, 
von we aus allein ſechs Karavanenftragen durch die Sahara laufen und Sudan 
mit Steinſalz verforgt wird. Alle Lebensmittel bezieht die Stadt von Dſchenneh. 
Ihre gefährlichen Feinde find die Tuariks, welche als Räuber die Stadt umgeben 
zu) dem del fchaden. T. war lange das Ziel der afrifantfchen Reiſenden; 
aber erſt Caillio (f. dv.) hat zuverläffige Rachricht über dafſſelbe gegeben. 
Timokratie Ehrenberrichaft, nennt Plato diejenige Gtatöform, bei 
weicher alles Beftreben im Staatsleben nur auf die Ehre bafirt if, d. h., bei 
weiber alle Staateämter Ehrenämter ohne Befoldung find; Ariftotele dagegen 
gbrauchte das Wort für diejenige Verwaltungsart, bei welcher alle Staatsämter 
ur mit angefehenen und vornehmen Perfonen befegt werden, wodurch alfo gleich» 
im eine Geloherrfchaft entſteht. Man bat in neuerer Zeit diefe Form in ven 
mitutionellen Etaaten wieder finden wollen, in welchen die Wahlfähigfeit zu 
Imsedabgeorbneten auf eine gewifie Höhe des Steuerbeitrags gegründet ift; man 
versechfelt aber hiebei die Verwaltung des Staates mit dem dicleibe controlirenden 
Veyer, dem Landiage und bedenkt nicht, daß der Grundſah, daß, je mehr Jemand 










‚ 
f 
} 


fh 
2 
3 


1 
+37 


; 


5 y3 
ei 


3 
2 





I 


H 


44 


R 


f 


138 Timoleon — Timothens. 


zum Bebürfnifie des Staates beiträgt, defto mehr Interefie er an ber gehörig 
Verwaltung deffelben nehmen müſſe, unter allen der zweckmaͤßigſte ifl. 

Timoleon, ein Eorintbifcher Feldherr, befreite aus Liebe zu feinem Baterla 
daffelbe von der Tyrannei feines Bruders Timophanes u. war bei feiner Erna 
dung zugegen; er wurde aber dennoch als Brudermörber verbannt und erft 
Jahre nachher, als die Syrafufer Korinth um Hülfe gegen Dionyflus den Jüng 
baten, ward er zurüdberufen und an die Spitze der nach Sicilicn beſtimm 
Truppen geftellt. Er befiegte den Dionyſtus und zwang auch die Karthager, i 
net über Sieilten zu entfagen (um 340 v. Chr.). Nachdem er hierauf 

eichen der Tyrannei in Syrafus vernichtet und den Einwohnern eine be- 
Berfaffung gegeben hatte, legte er die ihm anvertraute Gewalt nieder und 308 
von den ho äften zurück. So viele Uneigennützigkeit verfchaffte ihm indeſſen 
Liebe und Achtung der Syrakuſaner in einem ſolchen Grade, daß fie keine Su 
von Wichtigkeit ohne feinen Rath befchlofien und ihn Vater des Vaterlant 
nannten. Sn feinem fpätern Alter verlor er das Geficht und farb um 36. 
(232 v. Ehr.), erhielt aber auf dem Marktplage in Syrafus ein prächtige g 
gräbniß und ein Denfmal, Timoleonteion genannt, das mit einer Galler 
verfehen und zugleich zu einem Kampfplage für die Jugend eingerichtet war. 

Timon, ein Athenienfer, der zur Zeit des peloponnefifchen Krieges, ungefäf 
420 v. Ghr., fich durch fein menfchenfcheued, menfchenfeindliches Weſen berübu 
machte. Einmal Fam er in die Volfsverfammlung und erflärte, er babe ein 
Feigenbaum, an dem ſich fchon verfchiedene Perfonen aufgehängt hätten; da 
ihn aber jegt wegen eined Baues wolle umbauen laflen, fo erinnere er die U 
wefenden daran, damit diejenigen, die noch Luft dazu hätten, fich bei Zeiten dar« 
hängen könnten. Sonderbar genug wollte e8 der Zufall, daß nad) feinem To 
die Erde um fein Grab, welches fich an dem Ufer des Meeres befand, wegg 
fpült wurde und fo nach und nach eine Infel entftand, die ihn alfo audy na 
dem Tode von den übrigen Menfchen trennte. In feiner Grabfchrift wünfchte 
ſelbſt noch den Lefern alle Unglüd auf den Hals. Jeden Menfchenfeind u 
Menfchenbafler hat man in der Folge T. genannt. — 2) T. von Phlius, e 
E chüler Pyrrho's und berühmter ffeptifcher Philoſoph und Dichter, lebte zur 3. 
des Ptolomäus Philadelphus, um 270 v. Ehr.; er war Arzt und ald Traue 
und Luftfpieldichter fchreibt man ihm 30 Trauers und 60 Luftfpiele zu, von den 
fid jedoch nur einige Fragmente erhalten haben. Befonders iſt dieſes zu bedaue 
in Hinficht feiner „Sillen“, die man blos aus Diogenes Laörtius, Lucdan u. f. I 
fennt. Sie beflanden aus drei Büchern, wovon das erfte erzählend, die ander: 
dialogifh waren und Spöttereien gegen die dogmatifchen Syſteme der Philoſoph 
enthielten. Die noch aus den Sillen und Schriften des 3. vorhandenen Fra: 
mente findet man in Brund’s „Analekten“ und Langheinrich's „De Timone Sille 
grapho“, Leipzig 1720 und 1721. 

Zimor, eine Infel Dftaflens, von 4184 D Meilen, durdygogen von Ber 
fetten, hat zwei Jahreszeiten jemmeliche indifhe Produkte u. 800,000 Einwohn 
vom Etamme der Dalayen, die theils den Ferifchen, theild dem Islam anhänger 
doch leben dort auch Papus im Innern und. fchwarze Portugtefen und Ehinefi 
an der Küfte Die Niederländer und Portugiefen haben hier Beſitzungen. 

Zimothens, ein berühmter athenienfljcher Feldherr, Eohn des Konon un 
Schüler des Ifokrates, folgte dem Ehabrias im Oberbefehle, 356 v. Ehr., unte 
jochte Byzanz u. Dlynth, eroberte Eamoß, befrtegte den thrazifchen König Koty 
befreite Eycifum von einer Belagerung und zog dem Nriobarzanes zu Hill 
Auch brachte er Gorcyra wieder unter atbentenfifche Botmäßigkeit u. verbünde 
viele Bölfer mit feinem Vaterlande, weßwegen denn die Lacedämonter mit bi 
Athenienſern Frieden fchloffen und ihnen die Herrfchaft zur See einräumten, w 
für dem T. eine öffentliche Statue neiebt wurde. In feinem hoben Alter erful 
er den Undank feiner Mitbürger, die Ihn zu einer Belpftrafe von 100 Talenten ve 
urtheilten. Aufgebracht über die unverdiente Mißhandlung, verließ T. fein Bate 


netten‘ * m 


Wh uihche fein Leber nach einigen Jahren zu Challis. T. war nidt nur ein 
Woken, fondern_aud, ein Preumd und ‚Kenner der ehe der ſich 
feine Berebtfamfeit, als durch feine eifrige u. Liebe 
hervorthat. Das umunterbrochene Glück, das ihn bei allen 
[ber jen begleitete, zog ihm viele Neider zu imd veranlaßte ein 
—— lafend vorgeſteli wurde und das Gluüͤck neben in 
nem Sy Stänte Argerte fi über biefen Spott. und behauptete, 
PL ich von feinen Bäbigteiten ber; auf das Gemälde aber 
Pat „an ich ſchlafend Stänte einnehme, was wärbe ich nicht thun, 
er Beitige, Bikdot und Matyre, Sohn des ahnen 
aters u. net fen Mutter, Eunite, weiche die chriftliche Religion angenommen 
Aatte, fammte aue Spfaonien u. wahrfcheinlih aus der Stadt u. übte ſich 
amter cr Beitüng feiner Mutter ſchon von heit an im Lefen der heil. 

Des Zeugnif, welches ihn die Gläubigen von Lyſtra bei dem aus 
bemog diefen Apoftel, ihn Ratt bl. Barnabas zum ihrten 
feiner Urbeitn zu wählen. Um inzwiicyen bei den Chriſten aus dem Judenthume 
sicht ofen, wollte er, daß ſer fein Jünger, bevor er mit fm zur 
9 ded Evangeliums unter ven Bölfern auftrat, der gefepli je 
— endge. Diefer Gebrauch, obgleich felt dem, Tode & ohne vers 
Michtung, wurde, jedoch ais eiwas Unwefentliches, bis K rung 

Derufalems ımd des Tempels von Bielen beobachtet. Durch diefe jebig! 
emarb der heil. Paulus feinem Yänger die —& der Juden und bewies den 
Bistraniidhen, daß er Kein Beind ihres Gefepe& ſei. Hierauf übertrug Paulus 
Minen Jünger, durch Auflegung der Hände, Das Amt der Verkundi des gött« 
lien Wortes ; denn eine auferorbentiche Tugend erpgte bei bemfaiben die fehl⸗ 
aben Fahre. Bon diefer Zeit an fah er in ihm nicht nur feinen Jünger und 
gs Soße, fondern feinen Bruder und Arbeitögenoffen. Gr nennt ihn einen 
Sottes und fagt in feinem Briefe an die Phillpper, Niemand ſei mit 
hen fe tanig vereint, wie T. — Der heil. Paulus durcheilte mit feinem Schüler, 
er a verlaſſen hatte, die übrigen Provinzen Aſtens, ſchiffte ſich dann 
tm Jahre 52 nach Macedonien ein u. predigte zu Philippi, Theſſalonich 
da die Lehre Jefu. MS er aber wegen der Wuth der Juden au® biefer 
Stadt entfliehen mußte, ließ er T. da zurüd, um die neuen Chriſten in dem 
Wauben zu befeſtigen. In der dolge fchicte er ihn, auf die Nachricht, daß die 
Nänbigen in Theſſalonich eine graufame Derfolgung erleiden mußten, zu ben 
ben, um fle zu tröften und zu flärken. Nach Korinth ward T. fpäter gefandt, 
m verfchledene Mißbräuche abzuftellen und den Reubefehrten die, von dem heil. 
Bauins erhaltenen, Lehren ins Gedaͤchmiß zurüdzurufen. Der geliebte Jünger 
auf allen Reifen feinem Meifter und war nur von ihm getrennt, wenn er 
Aufträge in den verfchiedenen Chriftengemeinden volführte. T. hatte auch 
täd, um Jeſu Chrifti Willen eingeferfert zu werden und die @hre, feinen 
Aauben vor vielen Zeugen zu befennen; man feßte ihn aber wieder in Sreihelt. 
- eine Prophezeiung und einen befondern Befehl des heiligen Geiſtes 
en, ward Er zum Bifchofe geweiht. Durch die Handauflegung empfing er, 
der Gnade des Eakramentd, die Gewalt, nicht nur die Kirche zu leiten, 
‚andy Wunder zu wirken, nebft mehren anderen Außerlichen Gaben des 
. Geiſtes. Der heil. Paulus fehte thn der Kirche von Ephefus vor, um denen 
erfand zu leiften, welche eine falfche Lehre ausfäcten u. Priefter, Diafonen u. 
AR Bifchöfe zu weihen; denn ihm war zugleidh die Sorge für alle Kirchen 
anvertraut. In dem erften der zwel Briefe, welche der heil. Paulus aus 
onien an T. ſchrieb, gewahrt man den Erguß eines Herzens, voll der ins 
ighen Zärtlichkeit gegen einen geliebten Sohn. Der zweite it von Rom aus 
a Jahr fpäter —E Der Apoſtel, der damals in Banden lag, beſchwoͤrt 
feinen getremen Jünger, zu ihm nady Rom zu kommen, um den Troft au 


FR 


ya: 


& 
Ei 


ZECHE 


10 . Stame — Zindel. 


haben, ihn noch einmal vor feinem Tode zu fehen. Gr ermahnte ihn, jenen 
Muth und jenes Feuer des heil. Geiſtes in fi) von Neuem anzufachen, womit 
er am Tage feiner Weihe erfüllt worden, dann gibt er ibm noch Berhaltungss 
wetfungen gegen die Irrlehrer jener Zeit und ſchildert ihm zum Voraus jene, die 
in der Zolge ſich noch erheben würden. Der heil. T. ift allegeit als der erfte 
Bifchof von Epheſus ngefehen worden und die alten Martyrologien legen ihm 
den Namen Martyrer bei. Er ſei, fagen feine Akten, von den Helden, unter der 
Regierung des Kaiſers Nerva, im Jahre 97 nach Chriſti Geburt, bei einer 
abgoͤttiſchen Feterlichkeit, von der er fle abhalten wollte, durch Steinwürfe und 
Keulen getödtet worden. Die Kirche begeht fein Andenfen den 24. Januar. 

Timur, |. Tamerlan, 

Zineturen (Tincturae), find Yuszüge, die durch Aufgüſſe aus Pflanzen 
theilen durch verfchtedene Löfungsmittel, als Wafler, Wein, Weingeiſt von vers 
fchiedener Stärfe und Schwefelätherweingeift, in den Apotheken bereitet werben. 
Die gewöhnliche Methode zur Darftellung derfelben beftebt darin, dag man die ' 
gehörig zerkleinerten Subſtanzen mit der vorgefchriebenen Menge des Wuflöfunges 
mitteld in verfchloffenen Gefäßen mehre Tage der Digefionemärme ausſetzt, 
hierauf das Fluidum erfalten läßt, die heile Flüſſigkeit abgießt, den Rück⸗ 
fand auspreßt und die ganze Flüſſigkeit filtrirt. Die, auf dieſe Weiſe ers 
haltenen, Flüſſigkeiten theilte man früher in T., Effenzen und Quinteffen- 
zen; al& wirkliche 3. wurden blos die heil» oder goldgelben, rothen oder licht 
bräunlichen, durchſichtigen Außzüge angenommen, die nur einzelne Subflanzen 

elösſst enthielten; Eſſenzen wurden bie möglichft gefättigten und dunfelfarbigen, 
—8 klaren, alle lösliche Beſtandtheile der ausgezogenen Subſtanzen enthalien⸗ 
den Yuszüge genannt; als Quinteſſenzen endlich bezeichnete man jene Auézüge, 
welche möglichft ſtark und concentrirt waren, oder die durch mehrfache Recıificas 
tion über Bflangentbeile erhaltenen Flüſſtgkeiten. Man theilt die 3. in ein» 
fache, d. h. Auszüge einer organifchen Eubftanz und in zufammengefepte, 
d. b. Auszüge aus mehren Subftanzen. Nach dem Vorwalten ihrer Beftandtheile 
laffen fid) die T. in 6 Ordnungen bringen, nämlidy: 1) %., welche narfotifche 
Stoffe, wenn auch nicht vorwaltend, enthalten, wohin 3. B. die Opium⸗T. ges 
hören. 2) T., weiche vorzugsweiſe Bitterftoffe enthalten, wohin die T. der bitteren 
Kräuter, Rhabarber, Ehina x. gehören. 3) T., welche vorzugsweiſe Gerbeftoff, 
Extraktivſtoff und Farbeſtoff enthalten, wohin Ratanhia⸗, Senna⸗ u. a. T. ges 
hören. 4) T., welche ätrheriidhe Dele oder fehr flüchtige, balfamifche Stoffe ents 
halten, wie die Bibergeil-, Mofchuss, Nelken ıc. 3. 5) T., welche vorzugswelfe 
Harz enthalten, wohin die T. der Benzoe, des Bernfteind u. f. w. gebören. 6) 
T., weldye Meralifalze aufgelöst enthalten, wohin verfchlevene Eiſen⸗T. gehören 
— Die T. müflen vollfommen Klar, nad) der Natur und Menge der aufgelösten 
Rang gefärbt ſeyn und deren charakteriftifchen Geruch und Geſchmack bes 
gen 


. a. M. 
Tindal, Matthäus, ein vielwifiender, aber Iasciver englifcher Rechts⸗ 
elehrter, der im Ainfange des 18. Jahrhunderts durch feine Angriffe auf die 
hrifliche Religion viele® Aufſehen machte, war der Sohn eines Prediger und 
wurde den 10. April 1655 zu Beer⸗Ferrers in Devonfhire geboren, fubirte zu 
Drford die Rechte, wurde dafelbft Doktor vderfelben und trat zur Tatholifchen 
Kirche über, Als Feind der englifchen @eiftlichfeit, griff er deren Rechte u. Pri⸗ 
vilegien in Schriften an. Bei Hofe aber war er jehr beliebt und leiſtete ver 
Krone manche gute Dienſte. Weil er von derfelben eine große Penfion bekam, die 
er auch zeitiebend behielt, fo Tehrte er unter Wilhelm II, wieder zur anglifanifchen 
Kirche zurüd. Diefer fowohl, als Georg I, und IL, bezeigten fidy fehr gnäpig 
egen ihn. Seinen Deidmus, den er lange verborgen hielt, legte er 1728 veuts 
licher an den Tag. Er wollte aus ber Aulänglichteit der natürlichen Religion 
zuerf die Unnöthigfelt, und dann den Ungrund der göttlichen Offenbarung erwei⸗ 
fen. Dieß that er in feinem Hauptwerte „Christienity as old as Ihe creation, 


Ztuehe — Zinterette, : 1a 


Ue gospel a repmblication of the religion ef — London 1739 u. ſehr 
15 deutſch, nebſt Foſters Widerlegung ja 3. L. Schmidt), Frankfurt u. Leipzig 
mmburg) 1741. ‘Der zweite Theil dieſes Buches wurde nie gedruckt. Was unter 
m Titel einer Fortfegung erfchien, ift nicht Acht. Das Buch wurde von den 
eiften begierig verfchlungen und fteht noch heut zu Tage in ſolchem Anſehen 
kihnen, dag man es -die Bibel der Teiften nennt. T. flarb zu Orford ale 
enisr des Gollegti Aller Seelen 1733. 

Dinte nennt man jede farbige Flüſſigkeit, deren man ſich zum 
reiben bevient. Am häufigen wird befanntlich die ſchwarze T. gebraucht, 
miger die rothe und noch feltener die grüne, blaue, gelbe ıc.; die legteren Arten 
mret man mehr zum Liniren, fowie zuweilen beim Zeichnen ac. an. Die weſent⸗ 
ben Beſtandtheile einer guten fchwarzen T. find: Galäpfel, Gifenvitriof, 
ummi, Wafler und auf das richtige Verhältniß dieſer Ingredienzen fommt ee 
daß fie eine gute T. bilden. Bon einer folchen verlangt man, daß fle dunkel 
michwarz von Yarbe fe, möglich fchwarz aus der Feder fließe, oder doch 
> dem Echreiben dunkeler, nicht bläffer werde; daß fie ſich durch Reiben nicht 

fchen lafie, mit der Zeit in der Schrift nicht gelb oder braun werde, 

trodne, fich zwar auf dem Papiere gehörig feſtſege, aber doch nicht zu tief 
wringe und nody weniger bucchichlage, gleichförmig und leicht aus der Feder 
fe und nicht ſchimmele. Das Schimmeligwerden wird am beften durch Hinzus 
un einiger Gewuͤrznelken, oder durch DQuedfilberpräparat verhütet; durch lehtes 
8 wird indefien die T. giftig. Auf Angabe der großen Menge von Recepien, 
webl zur Berfertigung der ſchwarzen, als der gefärbten T.n, können wir une 
er natürlich nicht einlaffen. — Um das Berfälfchen von Dokumenten, Akten ıc. 
. verhindern, hat man fidy in neuerer Zeit, befondere In Frankreich, viele Mühe 
eine unzerfkörbare T. zu erfinden, deren Züge: fid) weder durch ches 

, noch durch mechanifche Mittel wegichaffen laffen. Allein ſelbſt ver, in 
ranfreich eigend dazu nichergefegten, Commiſſion von Chemilern ift es nicht ges 
ngen, eine ſolche Gompofition zu erzeugen, welche zugleich alle übrigen, von 
ser guten brauchbaren 3. geforderten, igenfchaften in fi) vereinigt. Jede, mit 
m zeriheilter Kohle gefärbte, Flüffigfeit würde zwar allen chemifchen Reagentien 
werſtehen, allein e6 läßt fid) damit Feine flüffige T. hervorbringen, welche ihren 
srbeftoff beftändig fuspendirt erhielte und ſich nicht mit der Zeit zerſetzte. Die 
mwähnte Commiffton hat daher nicht Beſſeres, als eine Wuflöfung der chineſi⸗ 
ven Tufche vorzufchlagen gewußt, die man aber vor jevesmaligem Bebrauche 
nfchütteln muß u. nicht in zu großem Vorrathe bereiten darf. — Unter fymyas 
yetifchen T.n verſteht man ſolche Ylüffigkeiten, welche eine unſichtbare Schrift 
toorbringen, die nachher auf verfchlevene Weiſe fichtbar gemacht werben kann. 
ie werben befonders zur Ausführung von magifchen Kunftflüden und ähnlichen 
pielereien gebraucht. . 

Tintenſiſch, ſ. Sepia. 

Tintoretto, mit feinem eigentlichen Namen Giacomo Robuſti, einer der 
dßten Meiſter der venetianiſchen Schule, wurde 1512 zu Venedig geboren. 
e befam den Zunamen T., weil fein Bater ein Färber war. Er legte den 
rund der Malerei in der Schule des Tizian; doch lebterer, der bald das große 
alent feines Zöglings erfannte und fi) in ihm einen glüdlichen Rebenbuhler 
med Ruhmes zu erziehen befürchtete, ließ ihm durch einen feiner Echüler, @is 
lamo Danto, andeuten, ſich aus der Werkflätte zu entfernen. Robufti, auf viefe 
Beife feiner eigenen Leitung überlafien, beichloß nun, mit dem Studium der Werte 
ines frühern Meiſters das des Michel Angelo zu vereinigm. Wie man erzählt, 
hrieb er an die Wand feiner Werkftätte den Denkſpruch: „Die Zeichnung des 
lichel Angelo und das Golorit des Tizian“. Bei dem Studium des letztern 
uste er fi) Anfang auf einige nady deſſen Werfen gefertigte Kupferfliche be⸗ 
jränten ; den Michel Angelo ftudirte er nad Bypsabgüflen, die ihm einer (einer 
runde, Daniel von Boltersa, von einigen, auf dem Grabmale ver Minis 


142 Tippo Saheb — Zirade, 


befindlichen, Figuren vefielben gemacht hatte. Um befonders die Wirkungen des 
Scyattens und Edhlagfchattend richtig beobachten zu koͤnnen, verfertigte fich 
Robufti eigene Modelle aus Thon oder Wachs, die er befleivete, zu Gruppen 
vereinigte und mit Kerzen beleuchtete. T. hat eine große Anzahl von Gemälden 
hervorgebracht; die früheren find die vorzüglicheren. Zu dieſen gehört eine Dar⸗ 
ftelung des jüngften Gericht und der Anbetung des goldenen Kalbes, in ver 
Kirche Santa Marla dell Orto zu Venedig: zwei Gemälde von ungeheuerer 
Größe, die in ihrer Höhe 50 Fuß meſſen; eine Kreuzigung und mehre Darſtell⸗ 
ungen aus dem Leben des heiligen Maıfus, Rochus u. A.; viele Stüde von ihm 
finden fi) auch in auswärtigen Galerien in Frankreich, England und Deutfchs 
land. 3. ftarb 1594 und hinterließ einen in Domenico Robufti, und 
eine Tochter, Marta, die fich beide in der Borträtmalerei nicht geringen Ruf 
erworben haben. 

Zippo Saheb, Sultan von Myfore, ein Sohn Hyder Ali’s, des 
berühmten Erobererd, war 1751 geboren, zeigte in dem ege, welchen jen, 
mit Frankreich verbündeter, Bater gegen die Engländer führte, große militärtfche 
Talente und eine feltene Tapferkeit. 1780 vernichtete er eine, von Baille befehligte, 
Abıheilung des Heered von Madras und fchlug hierauf am Fluße Kolerun ein 
ſtarkes Detachement von Truppen der oftlindifchen Compagnie in die Flucht. 1782 
ftarb fein Vater; T. ©. erbte deſſen glühenden Haß gegen die Engländer und 
focht widerholt mit Glüd gegen diefelben. Da der Eriede zwiichen England u. 
Sranfreich (1683) ihm die Hülfe Frankreich's entzog und er fich zugleich von den 
Maratten bedroht fah, fo ſchloß er mit der oſtindiſchen Compagnie den Frieden 
von Mangalore (11. März 1784) unter vortheilhuften Bidingungen ab. Der 
Anfang der franzöflfchen Revolution gab ihm neue Hoffnung auf Unterftügung 
von Seiten Frankreich's und er ſuchte nun den Krieg mit den Engländern zu 
erneuern; deshalb griff er ihren Bundeögenofien, ven Raja von Travancore, an, 
was ihm 1790 eine Kriegserklärung der Engländer zuzog, die nun unter Corn⸗ 
wallis und Abercrombie in Myfore einrüdten, mehre Feſtungen eroberten und den 
21. März 1791 Bangalore erflürmten. Auch eroberte Cornwallis das, bei ver 
Baupikadt Seringapamam befinpliche, Lager T. S.s und legterer wurde in ver 

ühe feiner Haupiftadt befiegt. 1792 wurde Seringapatnam von den Englän- 
dern eingefchloffen und ter Friegeriihe Sultan genöthigt, Frieden zu fchließen. 
Er mußte den Englänvdern 3 Millionen Pfund Sterlinge bezahlen, ihnen mehre 
fefte Plaͤtze ausliefern und zwei feiner Jüngften Söhne ald Geiſeln fielen. Die 
englifche Compagnie, weldye den gefährlichen Yeind fürchtete und der Freumds 
ſchaft, welche 3. ©. fortan heuchelte, nicht traute, erneuerte 1791 den Krieg mit 
dem Sultan von Myfore. 3. S. vereinigte in alter Eile alle feine, ihm zu Gebote 
fiehenden Truppen, aber feine Anftrengungen waren vergeblich; in wenig Monaten 
war das Reich von Myfore, bis auf die fefte man Seringapatnam, erobert. 
Den 14. April vereinigten ſich die britifchen Heere vor lektgenannter Stadt, am 
22. fing die Belagerung an und den 4. Mai wurde die Stadt erobert. T. ©. 
focht mit heroifcher Tapferkeit u. wurde tödelich verwundet; die Engländer fanden 
ihn in feinem Palafte, in dem Augenblide, als er inmitten feiner Srauen und 
Kinder verfchten. Die Angehörigen feiner Familie wurden nach der Feſtung 
Vellore in Karnatif gebracht und ihnen eine jährliche :Benfion von den Briten 
ausgelegt. T. S.s Reich wurde getheilt; die Maratten erhielten 228, der Eubach 
von Dekan 480 [J Meilen, das Uebrige (764 [J Meilen) behielten die englifchen 
Eroberer. Der Toftbare Thron des Sultand, mit dem berühmten Tigerautomaten, 
wurde, nebft der fhäsbaren, an Sanskritſchriften und hiſtoriſchen Werfen über 
den Orient, fehr reichen Bibliothek, nad) London gebracht. Pfaff. 

Tirade, Wortziehung und Gedankenziehung; in der Rhetorik ein Wortſchwall 
über Gegenftänpe, die furz und bündig zu bezeichnen find; in der Muſik eine 
Reihe Noten gleicher Gattung, bie ſtufenweiſe aufs und abgehen, ein Echncllauf, 
italieniſch Tirada, oder eine Schleifung vieler Noten. a 


Arallliren ·Tirel. 443 
Yelicen, 1) in der len yplänfeln oder ähen einzelne Schüſſe 


Ay, mia Beind haburdy zu en und uam ungen zu machen, von 
H ein ei de 
an rar tn ea WA 


—— — var Bat 3 16 Dan ad ben 
um u 
—— wir van Sek. in —8 Bilden en feit 1840 ein 
*5* ae Bau —AeA —X —— 
“ * Kapital, ale man ſogleich bezahlen An, länger au_b ben jügen. 
r Kr beräßwier tebanifcer Sehe, Eiohn "bed Cneres und ber 
— des Spartaners nalen, war blind ges 


weriber, ſowie über feine —— ft, fidh verſchieden — Sagen erhalten 


geblendet, weil er fie, he utter baden! pr geſehen: 

Ähm die Göttin mit den den er jet in die in ——* und er h 
auf der Eile erblindet. Gharikio, der Yıhene gelichtefte Freundin, bat biefe 
= Sugenlicht wieder Bersußelen; de Kae Ice nos — — fo reinigt 
hör, daß er De fand, auch ſchenkte fie ihm einen 

lichen Stab, —— jm —— er, — nen wandeln haben ai 5 
T habe langen einander umwinden 
einen Schlag —** und ee dadurch aus einem Maune — 
Beibe gewordın. WS er dieſe Schlangen nach einigen Jahren a abermal ham: 


ac Ynen J alt dm 
en ward wi Run fritt ang gu Zeus —— 
Weit mehr ur Babe — fei? Den Gtreit konnte N a el ats als 
Zu der beides genen, ex fagte: das Weib empfinde, bei ber Bereinlung mit 
Dem Gotten, nammal mehr. Grzürnt bieräber, blendete ihn Here, doch Zeus 
Wüpenbie ifen De Wahrfagerkunft. T. rieth den Thebanern, fi) gegen die fieben 
Heben wer tbeidigen und verfprady ihnen den Sieg, wenn Giner der 
— Eparanen fich freiwillig opfern gain dies geſchah durch den Mos 
wseheb, Ws fpäter die Epigonen anrüdten, befahl T., die Stadt au verlaflen, 
in Der an feine Tochter Ranto zuruͤchlieb, die, — des Allmaͤon Beliebte 
uouuehe, Ai zwei Kinder gebar und dann dem N ale Antheil an ver Beute 
rer T. der Son Jens vrel bis fieben Menfchenalter befommen 
I auf der aus einem Duell Tilphufa tranl. Zu Ti * 
—— wi wie Banfan a Berihtet Man fagt_ dort, Projerpina ſei 
a daß er der Einzige unter ven Schatten des Tartaros 


—8— ehal 
uud Borariberg. Das Land T. im Süden von Bayern, im Nor⸗ 
ben vom Stollen gelegen, Bilbet gerade den Ueber jang von dem Stammfige der 
Römer zu den Gefilden des alten Alten Grrmaniene. Es iR einer der 
BeRandihel heile Deutſchlands, nicht nur wegen einer — 
— Ratıfhönbeiten, jonbern ud 1 jegen thüm! 
ken ice träftigen Far wi , — zit ein 
recht Yerrtider Lan ten und entzüdender Raturfcenen iſt dody nicht ner, 
6 Diefeh wundererfühte — Tuoler Muth — in EA 16 nach 
ber Tapferkeit jener Rarken Veriheidiger der z Gelbe m nur ber eine —*c* iR 


Ei 


Hi 


qeifchen ven beiden Bölfern, dag während ihre Kraft dazu ges 
, die Tiroler da, at Acht religläfer Wer 
er 


I? id die gröj wd edel 
Be ae a SE 
u unfoft, wir Vorariberg mit einbegreifen, alles Sand von Syrien 
1 yem Bovenfer, Lie gränjs en Bayern, bed Bohenfe, bad 


144 Tirol, 


Fürftenthum Lichtenftein, die Schweiz, die Königreiche Lombardei, Venedig und 
Illyrien und an das Erzherzogthum Defterreih. Der Flächenraum beträgt 518 
IM. mit 845,000 E. Beinahe fünf Sechstheile des Landes nehmen pie Ges 

ge ein, und man fann 3. mit allem Rechte als eine Fortfegung der Schweiz 
betrachten, denn hier wie dort fehen wir dieſelben ©letfcher, die nämlidyen unges 
heuren Eisberge, ſchwindelerregenden Abgründe, fchäumenden Waflerfälle, daffelbe 
frifhe Grün der Wiefen, belle Bäche, reifende Walpfiröme, und höchftens vers 
miſſen wir die prächtigen Eeen der Echweiz, gegen welche die T 6 nur Hein u. 
unbideutend erfcheinen. Borarlberg hat mäßigere, erfleiglichere pöben als das 
eigentliche T., freundliche Thäler und reizende Gegenden. — Drei Hauptgebirgss 
züge begrängen und erfüllen das Land mit ihren Berzweinungen, beinahe parallel 
von Weſt nah OR ſtreichend. 1. Die rhätifchen Alpen, ein Theil des 
europäifchen Central⸗Alpenzuges, ziehen ſich quer durch dafjelbe und ſcheiden es 
in zwei ungleihe Ihelle, Nord» und Suͤd⸗T. In der Mitte der Kette ragt ber 
Brenner, zwar nur 6430°' hoch, mit feiner alten Etraße, welche fo oft die 
Heerfahrten der deutfchen Kaiſer nach Italien gefehen. Vom Dreiherrnfpip 
an erhält da® Gebirge den Namen der norifchen Alpen, auch der Tauern, 
und verläßt mit dem Großglodner T. Die höchſten gemeflenen Punkte dieſes 
Zuges find die Weißkugel (11,840 und der Stmilaunfpis (11,424). 
Parallel mit diefem . Gentral-Alpenzuge läuft ein Rebenzug , weldyer mit jenem 
das Innthal einfchließt und einen bedeutenden Aſt gegen Norden abfenkt, deſſen 
zahlreiche Berzweigungen den fünlichen Theil von Vorarlberg auffüllen. Giner 
MWiderlage des Hauptzuge® gehören endlich noch die lombarpifchen Alpen 
an, welche füdlich vom Inn im Lande eintreten. Aus ihnen erhebt ſich die höchfte 
Spige T.s nicht nur, fondern ded gefammten Deutfchlande, der Orteles 
(12,351 °), und bildet den mächtigen Gränzpfeiler des Landes im Wehen, wie 
der Großglodner (11,672 ‘) im Oſten. 2. Gleichlaufend mit den rhätiſchen 
Alpen und mit diefen durch den Arlberg verbunden, ziehen nörbli vom Im 
die tiroler oder Deutfchen Alpen bin. Die bedeutendften Höhen find bier die 
rothbe Wand (8531 ') bei Bludenz und der Hochvogel (8167) an der bayıls 
ſchen Bränze. 3. Den dritten Hauptzug bilden die Trienter Alpen, deren 
Hochgipfel, ver Schlern, die Eima dt Lagorei und die Cima d'Aſta, ebenfalls 
8000 ' überfieigen, Bon ©. Pellegrino an erhält diefer Zug den Namen ber 
karniſchen Alpen und trennt 3. von Venedig. Yefter Granit, in feinen Ab⸗ 
dachungen von Schiefer begleitet, madıt den Kern der Eentralfette aus, während 
die beiden andern Hauptzüge dem Flötzkalk angehören und reih an Mineralien 
aller Art find. Die Glerfcher, in. „Ferner“ genannt, reichen bis 3800 in die 
Thäler herab und erfüllen einen Raum von 8H | JM. In ihrem Gebiete haupt⸗ 
ſächlich fürzen die furcdhibaren Lawinen oder Zähnen, Cine nicht weniger gefähr- 
liche Erfcheinung find die Erpfälle, audy Grund» oder Berglähnen Ctrodene Mur⸗ 
ren) geheißen, welche eine öolge des in 3. fo häufig vorfommenden Bergfchutted 
find. 72 Bäfle durchfahren die Rüden der tiroler Gebirge und dienen zu natürs 
lichen Uebergangs⸗ und Bertheidigungspunften. Manche verfelben haben durch 
bie heivdenmürhigen Kämpfe des Volles gegen den Außern Beind einen hiftorifchen 
Ramen erlangt. Das Banze bildet gleichſam nur eine ungeheure Sefung, zu 
welcher von den benachbarten Ländern her fchwer zu nehmende Eingänge führen. 
Wie T. drei Hauptgebirgszüge hat, fo zählt es auch drei Hauptihäler, dad Inm 
thal, eines der großartigften der Welt, das rauhe Puſterthal und das vom 
warmen Hauche Italiens angewehete Etſchthal. An viele fchließt fich eine 
toße Anzahl von NRebenthälern an, deren jedes feine eigenhümlichen Raturfchöns 
Beiten hat, fo daß in diefem Wechſel T. felbft die vielgerühmte Schweiz übers 
triff. — Den drei Hauptgebirgsfyftemen des Landes entiprechen ferner drei 
Hauptftromgebiete. 1. Das Gebiet des Rhein gehört ganz dem Vorarlberg an, 
defien Weflgränge diefer Strom in einer Länge von 5 Meilen befpült. Eeine 
bedeutendften Zufläfle find die Ill und die Bregenzer Ache. 2, Der. Inn 





el an —5— und ale “un War ie 
für die fchönften gelten —* alt bei Nie, 
Stäubi en und der Fall des Lodro bei at 
& es ie viele, "aber fie find nur Klein und unbe 
unter Ihnen der intereffantefte feyn. Von größer 
ee bei Bregenz die nordweftliche Oränze — 
nahen Sebhardsberge gefehen, den prachtvollſten Ans 
dringt der Garhiter mit tiefer Felfenducht in 
‚zählt man in T. 123; am befuchteften find das 
das romantiſch gelegene Heilbad Rabbi im 
Aima iſt in den verſchledenen Gegenden des Landes fehr 
an *4. iſt der — und 
uft friſch; — iſchthale Dagegen errei ie 
Grad. Während‘ dort der Mais Ah: Teten“ von 
ge hier die ebelften Sihfricte {m Sreien. Der Sitocco 
—E diefelben Verheerungen mie in der Schweiz. Das 
fe Klima Po die Gegend von Meran, Sa (b fie Bruſt⸗ 
angeranhen wird. Im Ganzen in z. ein fehr, ygelmdes 


Mh 
il: 


ar 
FH 
x 
ih 


EISIECHRN 

ni 

i Bl H 
— 


BE: 


wofür das Hohe Alter fo Bieler zeugt. — ein Reichthum der Raturpros 
bertrifft T. wahrſcheinlich alle enden Ber, a Beet Ann feine 
ulfchäge, aber nicht minder ausgehater iR iſt Wi Sie namentlich 
eraus üppige Mipenflora. — 3. ml —— — Benälfet- 
2: wilden b a Denkt m. 2 38 in de inminbung des 
e en en u. en It gewöhn! e 

as in bie h7 Die deutſch Shrofer Eden $ —— 
ner, Unterinnthaler und — 3 bie Fe taltenifchen zerfällt 


> belannte Wäl ei btirofer& und in ben labin —5 — ober en 
[2 — im m verräth der Deutfchtiroler in feinem _ 
sen, in gen denen es — einen Aufl je von 


ent Sohn 
x und if der en —— m nl Bde den 


ba lel Augen 
Fre rg H —78 — Eigenthämtii Bi air PR 
J eue 

— re Grmäugigtel' —— alten Rec te und 26 
audes find die —5 befeiben., m PH iſt te! ee free 

imer a n un 
— "häufig use verfehroßen Bug N ch als de 
m. fer — ———— ER a reg 
ine Gas amderwärts vielleicht bigott ade mi 
—52 Yahrenp Franc Ausdrud. Fleiß und Sparſamkeit befigt der St 
In hohem Brave, Senseo lan im are und Wandel, daher das mit 
Aberrehgtiäen oben burchnu® nicht begünſtigte Kand 8 gleichwott 


148 Tirol. 


eines gewiſſen —J erfreut. In mechaniſchen Fertigkeiten, auch im Kunſt 
talent iſt das Volk ausgezeichnet, wiſſenſchaftliche Thaͤtigkeit ſcheint ihm wenige 
zuzuſagen. Seinem religlöfen Sinne nady widmet fich der Tiroler vorzugsweil 
gern den theologifchen Studien. Als Bolfövergnügungen liebt er Geſang (Se 
dein), Tanz, Ringen, Fauſtkampf, Kegelichieben, vorzüglich aber dad Scheiben 
fchießen. Der Tiroler ift der letvenichaftlichfte und geſchickteſte Schüge, und f 
feinem Lande findet man 1 viele Schiepflätten. Die Kleidung iſt faft in jede 
Thale verſchieden. Nur die Wadenftrümpfe, welche dad Knie bloß laflen, di 
furzen Beinkleider, die breiten Hofenträger und Gürtel, die furzen Jaden und di 
großen runden Hüte find ziemlich allgemein. Noch mannigfaltiger iſt die weit 
iche Tracht. Die Hauptnahrung find Mehlfpeifen, welche —* fett bereitet wer 
den, dann das fogenannte Türfenmus (Maisbrei, Polenta). Einige Gegende 
Deutſch⸗T.s trifft der Vorwurf unmäßigen Genufles geikt er Gerränfe. Di 
Bauart der reinlichen, häufig bemalten Häufer unterfcheivet fidy nicht weientli« 
von jener in den benachbarten Gebirgslaͤndern. Im Ganzen zählt T. 22 Städt 
28 Märkte und 1720 Dörfer. — Der Aderbau befchränft fich nicht nur auf bi 
fruchtbaren Thalflächen, fondern der fleißige Tiroler benügt auch den undanfbare 
Felfenboven feiner Berge. Oft find die Felder fo ſteil, daß ſie nur mit Steig 
eifen bearbeitet werden Fönnen und der Dünger in Körben binaufgetragen werbe 
muß. Bei aller Mühe wird aber der Bedarf des Landes an Getreide nicht e 
tungen. Weizen und Korn werden in den beffern Gegenden, Gerſte und Hafı 
in der raubern vorzugsweiſe gebaut, Mais im Unterinnthal und Wälfh»T. Nid 
unbedeutend ift in den fünlichen Lagen der Anbau von Heldeforn (Plente), Hir 
und Moorhirſe. Kartoffeln geveihen allenihalben. Der Yutterbau iſt fehr bi 
trädhilih, und die Grundlage deſſelben bilden natürlich die Alpenweiden od 
Almen. Die Obftzucht ift fehr vorgefchritten, ihr Hauptfih die Gegenden vo 
Meran, Bogen und das Etſchthal. Dort fieht man aug ſchon Kaftanienmwälbe 
Die ſüdlichen Kreiſe erzeugen Agrumenen, Pomeranzen, Zitronen, Oliven, Beige 
Mandeln ꝛc. Bon Handeldgewächfen werden Flachs, Hanf und Tabak im Er: 
Ben gepflanzt, lehterer befonders um Roveredo. Der Wein ift ein Hauptprobu 
des Landes, und man fchäst den jährlichen Ertrag auf 550,000 Eimer. 4 
beften find die Weine von Ifera, Tramin, Trient, Bohen und Meran. D 
Waldungen nehmen bei 2 Mi. Joch ein und ihr Holzreichthum deckt nicht nı 
den Innern Bedarf, fondern liefert auch dem Auslande eine Maffe von Bauflän 
men. Die Rindvichzucht beruht in T., wie in der Schweiz, hauptſächlich aı 
der Alpenwirtbfchaft, mit welcher auch die Bereitung von Butter, Schmalz ur 
Käfe verbunden iſt. In den fühlichen SKreifen wird die Seivenkultur Iebhaft b 
trieben. Die Jagd iſt völlig frei und in Folge der allgemeinen Jagdluſt d 
Tiroler lange nicht mehr fo ergiebig wie früher. Immerhin erlegt man ab 
noch ziemlich viel Bären, Wölfe, —* und Hochwild. Die Gemſen finden fi 
nur noch in den ungugänglichften Hochihälern der Fernerlette, der Steinbod | 
ganz audgerottet, auch das Murmelthier fchon felten. Bon NRaubvögeln, wo 
unter der riefige Rämmergeter, gibt es viele Arten, ebenfo von Sumpfs und Wa 
fervögeln. Suͤd⸗T. it namentlich an Zugvögeln reich, und der Vogelfang wi 
dort mit großer Vorliebe betrieben. Der ifehfang ft nur im Boden» u. Gard 
fee erheblih. In Vorarlberg treibt man nicht unbedeutende Schnedenmäftun 
Das Mineralreich liefert etwas Bold und Silber, reichlicher Kupfer, Blei, Ga 
mei, Eifen, Steinfohlen, Salz, trefflichen Marmor, Beigkryſtall, Granaten, Ka 
niole, Achate, Beuerfteine, Thon, Bolns, Werfchiefer, Grünerde, Ocher, wet 
Kreide. — An technifcher Geſchicklichkeit übertrifft den Tiroler alle andern B 
wohner des Kaiſerſtaates, aber er zieht die felbfiftändine Arbeit der mafchine 
mäßigen Thellung derfelben vor, und darum iſt T. fein Yabrifland. Am bebei 
tendften iſt die Erzeugung von Metallmaaren. Es beflehen ein Kupferwalzwe 
und eine Meffingfabrif, beide Ararial, eine Mafchinenfabrik, eine Metallpreher: 
ein Bleiwalzwerk. Ferner werben leoniſche Waaren, Waffen, beſonders fehr gu 


. Exrol zur 

ı Radeln, Draht, ©: Maultrommel: verfertiget. 

u Wehen, u lan —— — — Etiden und 
Bppeln befchäftigen viele ne. Die Fabrikation von Geidenzeugen und 
Yat ihren — in Waͤlſch ·T., — m Ala, die der befannten 
hale Die Banmwellenmanufakturen fin —8 
Die tet Arco — —S zu Sen Fa 
md Bun. „2ulnen ben IR — mt durch feine vn fir gegen , 


han Ein Da 
1. eig —— Boa 
ie. beträchtlichen ‚Branntiveiubrenner ) 
Stalten- liegend hat T lee She A sm 
Auch iſt der Vertrieb der felbflergengten Natur und 
d ziemlich lebhaft. Ein’ nicht unbedentender Theil bes Hole 

R am Brenn, Si —— * ke a Landes eing Fr 
hwandern bie Brembe, te, . Effengen, Han ak Sr, 

n * a H —5 — — er 

Araßen fehr begünftigt. je Hauptroitten fin er ben Bremer 
die — — die über 


35 
er 
Mr 


I 


Hi 


wi das Berater sber Elfe 
Su EN: en ee Seelen 


wat, Arte außerdeutfchen Provinzen, in ver erreichten Rattos 
—— ‚u Sameentriren, us — einen weifel unterliegt. Die oberſte 
ungebe —ã iſt das Gubernium zu Innebrud. etheilt iſt das 
folgender et Ra an den ftalienifchen Grängen ( nfinen, auch 
nr mann; 2. Kreis von Trient; 3. Kreid an der Etſch, auch Boper 
* * — an in, in Brınede 5.8. Ms 
D I, au oager erinn! ge, 
RE Borariber Iberg, —— In lirchll Beʒiehung zerfaͤllt T 
* — 50 Rn ern 
. teben gegen er ve ener Orden. Pro⸗ 
« rue ee, — Aut, ſowie nur eine rag: Iaben el. 
jenanfalten find eine Univerficät @ „ ‚weh 
che Eeminarien, Ka "lorige ag Qu t), eine Ritters 
em 8 Spmnafen. Das Bolks ſchulw iſt wohl beſtellt. Unter den 
zungean| Bild: 


Raten der reidhha 
Sammlungen oben an. In Roberebo * eine geeire Gefellihaft, Acade- 
Be in Ah mie ef —— u Ser FE 
richtet, beſonders in den Städten. u —— na unte® 


num nn. Gr. ans "Dbernlien norbwaͤrts sernggen Senonen 


BED 


148 Tirol, 


oder Senogalliern in den gemeinfchaftlichen Namen Rhätier. Lange behauptete 
dieſes tapfere Gebirgsvolk feine Kreiheit gegen die Welteroberer, und erft ımter 
Auguftus ward die Unterjochung veflelben nach ſchweren Kämpfen bewerfftclliget. 
Das Schidfal des Landes unter der römiſchen Herrfchaft war in den beiden er 
ften Jahrhunderten des Kaiferreiches ein glüdliche® zu nennen. Der Provinz 
Hohenrhätien (Rhaetia prima) einverleibt, erfreute fi) T., welches den Römern 
wegen feiner Lage zwiſchen Italien und Deutfdyland von hoher Bedeutung war; 
aller Sorgfalt. Es wurden an geeigneten Bunften Kolonien begründet, deren 
Zahl und Ausdehnung fortwährend wuchs; bis in die entfernteren Thäler drang 
mit den neuen Bewohnern römifdhe Kultur und befonders das Etſchthal wett- 
eiferte an Reichthum und Blüche mit den gefegneten Fluren Oberitaliend. “Die 
Eroberer waren überall, wohin fie famen, Auch die unwillkürlichen Träger des 
chriſtlichen Glaubens, des Fräftigften Keimes milderer Geflttung. Die Stürme 
der Völkerwanderung zerftörten auch bier die Schöpfungen der Civiliſation, und 
über ein Jahrhundert lang war T. der Tummelplag der Markomanen, Allemas 
nen, Sueven, Gothen und Hunnen, welche das Land wechfelmeife verbeerten. 
Bald nachdem das weftrömifche Reich fein Ende genommen hatte, begründeten 
die Gothen ihre geriäaft in Italien (493). Um diefe Zeit geſchah die Trenn⸗ 
ung ded Lande 3. Der nördliche Theil, von Allemanen und Bojoaren unters 
worfen, gehörte fortan der deutfchen Nation an; der Name Rhätlen erlofch gänz« 
ch. Der ſüdliche Theil fam nach dem Untergange des Gothenreiches in 
Gewalt der Longobarden. Den zwifchen biefen und den Franken langgenährten 
Haß benügte Karl der Große, um in rafchen Giegen die Macht der Longobarden 
zu vernichten. Dem entthronten Könige Deſideriüs folgte im Untergange bald 
aud fein Schwiegerfohn der naperbersog Thafftlo il., und dieſer Doppelftunj 
des longobardijchen und bojvarifchen Reiches brachte das ganze Land, das wir 
jest T. beißen, im 3. 788 unter fräntifche Regierung, welche es in Gaue thellte 
und durdy Grafen verwalten ließ. Nach dem Erlöfchen des Karolingiſchen Haus 
ſes und dem Wiederaufleben der großen Herzogthümer in Deutfchland zogen bie 
Herzoge von Bayern 3. als altes Befitzthum am fih. Als Kalfer Friedrich 1. 
über Heinrich den Löwen die Acht ausſprach, riß er mit vielen andern Gebieten 
auch T. von Bayern ab und verlieh e8 dem Grafen Berthold von Andeche, 
welcher ſich Herzog von Meran nannte (1180). Deſſen Urenfel, Dtto IL, ve 
legte Eprofle des Andechfifchen Haufes, farb 1248 und vererbte feine Befigungen 
auf feinen Vetter Albert, Grafen von Vintſchgau uno T. Sept erft erhielt das 
Land den Namen „Grafihaft 3.” Albert hatte nur zwei Töchter; die ältere war 
vermählt an den Grafen Gebhard von Sirfehberg, die jüngere an Meinhard, Gra⸗ 
fen von Görz. An diefe beiden fiel das ganze Erbe Albert's, doch brachte Mein- 
hard 1254 den Antheil feines Schwagers durd Kauf an fidy und vereinigte fo 
T. wieder in ein Ganze. Der Görzifche Mannsſtamm eriofch bereits im 14. 
Jahrhunderte mit Heinrich, deſſen Erbtodhter, die bekannte Margaretha Maul⸗ 
tafch, nachdem ein frühzeitiger Tod ihren in der Ehe mit Ludwig dem Branden- 
burger gebornen Sohn Meinhard bingerafft hatte, am St. PBolyfarpustage des 
Jahres 1363 T. den Keraherzogen Rudolf, Albrecht und Leopold von Defterreich 
auf ewige Zeiten verfchrieb. So kam das Land an das Haus Habeburg, wel⸗ 
ches es, die Eurze Unterbrechung von 1805 bis 1814 ausgenommen, auch forts 
während im Befite behielt. er hat nicht von der SInfurreftion der Tiroler im 
Jahre 1809 gehört? Der Krone Bayern war das Land durch den Preßburger 
Srieden angefallen, aber die neue Regierung wußte ſich dort feine Eympathien zu 
ſchaffen. Sie beleidigte den Nationalſtolz, indem fie den Namen T. gänzlich 
fiti) und die Provinz als „Innfreis“ beritelte; fie verfuhr nicht fchonend genug 
egen die durch gefchichtlicdhe Erinnerungen geheiligten Einrichtungen des Landes; 
e beachtete nicht den befannten Hang der Tiroler zu den alten Eitten und Ge⸗ 
bräuchen der Väter und verlegte durch rüdſichtsloſe Neuerungen das Volk ins⸗ 
beſonders in feinen religiöfen Gefühlen. Es bedurfte nur eines günftigen Augen⸗ 


Tirvniſche Stuten «+ ifäbein. - 19 
den Groll über dieſe Mißgriffe, welcher im Innern ſtill fortglühte, 
—— u Kae, we. ihn führte der Krieg Me 
—* it ebler Begeiſterung und mit Auf⸗ 
iv are Biest den Aufftand, deſſen Vor⸗ 
Hin * ee u. a. (f. d) als Heroengeflalten aus 

han jo Deutfchland Fat * — unter 


Das. 
feit der Tiroler I unlen 
LH ber Wiener wem. 15: 
Nie in nme —— Des wort „Rationalität, 
Umflürze ver.e dar nnd ’ 


auch nz — die Klose Socng‘ Kat 
fich zu trennen, 
— — —— dt Se den Bi Be = 
bie dem en: —5 — Staufen! um Dei 
taufenb. Jahren Be von Be ver, a lamiio6 an. 5 Mr 

————————— wo die'Siege des tapfern Öfterwelihti 

— der männliche Wider Wiverfpruch der 

of — 33 von’ 


ar —— ftijcher Gem ͤlde vdn —— —— — 


I 
—— 
Ba 
PR 
Br 


1: 


nun 


Ai zg53 


von und Vorarlbeng; WB. vd. v..See erf 

vv &f. &., gunsse 18215; —— 
eo; Bari rz Ueber die Natur eines Rrleges in Mann 
erg Aal, Das Kaiſerthum Deterrei (Gektkön T tnit Borarlb 

. Setdl: I. und Steyermark . Seftlon der malet, u. 
land); v: Golbery: Die.Sch — — 1840; 
Kewalpr 87T, a die Ziroler; v. Hormayr o dintoriſche Sch mD, 

ie Noten, f. Abbreviaturen. . 
jo. au Bee kr ik Ben ge, idee 
e, ober upt aus fchleimigen ı Mai 

—— ähnlichen In Mörmemn in PR eine Emu ton q A — 
— Drangenbtüthwarfe oder ähnliche ufäpe: angenehm (meter 


eine berũhmte, heffifche Künftlerfamilte, von deren zul ei 
——— Sn einrih Wilhelm T. Men 
—— — lernte — A —J 
te 
und his —X ht ern — und a: 
—* die feinen Ruf verbr: at —* ging er erlin 
ve Ferdinand son Preußen ein grapen Beifall finbendes Ai J 
die Königin und andere Mitglieder des Knkatiären Sam Haufe, ſowie viele 
one Der Landgraf von Heſſen⸗Kafſel gewährte dem talentvollen 
welcher Ki in der — ausbilden wollte, Ünterfäpeng für 
58 durch die Schweiz nach Rom, In letzterer, —— ſo 
— 
en am je" Inals 
‚und geigie Der Ze —ã—ù — in ‘ feinem 
2 iten, taklenifchen: > ıBehnen eigentlichen Ruhr als 5; 
mmaler aber vbas m: —— —— e es 


* — 35 — 
ae an nö 


erde — 1797 In Te 


I 


& 


I 


150 Aiſchreden — Tiſchtitel. 


und kam nach einer mühſeligen Reiſe in Kaſſel an. Seit 1800 lebte er zu Han⸗ 
nover und Göttingen, von da an faſt immer in Hamburg und Eutin. Yür die 
Bemäldegalerie des Herzogs von Divenburg in Eutin malte er das berühmte 
Stück: Ajar die Caſſandra von der Pallas wegreißend ; für die Ansgarifirche in 
Bremen lieferte er ein fehr fchönes Altarblatt. I. ftarb zu Eutin 26. Juni 1829, 
Bon feinen artiftifchen Werken führen wir nody an: Tetes de differens animaux 
dessindes d’apres la nature pour donner une idee exacte de leurs caraclöres, 
Neapel 1796, 2 Bde. %ol.; Collection of engravings from antique vases etc. 
published by W. T. 4Bde., Neapel 1791 — 1809. Fol., deutfch unter dem Titel: 
„Umriffe griechifher Gemälde auf antiken, 1789— 1790 in Gampanten und St, 
cilien audgegrabenen Gefäßen, Weimar 1797, J. Bd. 1. Heft. (unvollſtändig); 
Homer, nach Antifen gezeichnet von T., erläutert von Eh. &. Heyne, Göttingen 
1801 — 1804, 4. Hefte. — 2) Johann Friedrich Auguf, Sohn des ale 
ga zu Hildburghaufen 1767 verftorbenen J. Balentin T. wurde zu 
aftricht geboren, von feinem Bater und feinem Oheim, 3. Heinrich, in ber 
Malerfunft unterrichtet, reiste dann fieben Jahre lange in Frankreich u. Stalien, 
wurde nach feiner Rühkehr Hofmaler bei dem Kürften von Walde und als Rath 
charakterifirt, hielt fidy in Holland, feit 1795 in Deffau auf, wurde Direftor der 
Leipziger Kunftfchule und flarb 1812 zu Heidelberg. — 3) Johann Heinrich, 
eboren 1722, lernte, großes Tulent zeigend, in Kaflel bei dem Tapetenmaler 
immermann und dem Hofmaler von Freefe, ging 1743 nach Paris und genoß 
hier bis 1743 den Unterricht 3. X. Banloo’d. Bon Parts reiste er nach Venedig, 
wo %. 2. Piazetta fein Lehrer war, lebte zwei Sabre in Rom, kehrte in feine 
heſſiſche Heimath zurüd und wurde 1752 Iandgräflicher Babinetömaler, nachher 
auch Profeffor an der Kaffeler Kunftafademie und ftarb 1789 in Kaſſel. Diefer 
Künftler, welcher ſich befonders tn wer hiftoriich-mythologifchen Malerei aus⸗ 
zeichnete und deſſen zürnender Achilles, fterbenve Alcefle, Elektra den vermeintlichen 
Tod ihres Bruners beweinend, weltberübmt geworden find, war das hervor; 
ragendfte Glied der T.fchen Künftlerfamilie und der Stifter einer neuen Kunſt⸗ 
fhule. Viele feiner trefflidden Gemälde befinden fi auf den Schlöffern Wils 
heimshöhe und Wabern bei Kaflel, fowie in dem Furfürftlichden Schloffe und dem 
Muſeum leßtgenannter Stadt. C. Pfaff. 

Zifchreden berühmter Männer wurden fchon im Alterihum gefammelt und 
aufbewahrt, Am befannteften find Inbeffen die 3. Dr. Luthers geworden, neuefle 
Ausgabe von Förftemann, 3 Thle,, Leipzig 1844 — 1846, die jedoch, ihrem plum 
und oft unfittlihen Inhalte nach zu fchließen, eben nicht gu ver Gortbeithafte en 
Meinung von dem PBrivatcharafter und dem Privatleben des „veutfchen Res 
formators“ berechtigen. 

Zifchtitel (Titulus mensae seu ordinationis), die gefehlicy gültige Verſiche⸗ 
Lund) weldye ein zu ordinirender Eatholifcher Geiftlicher vor Empfang der höheren 
Weihen, vom Subdiafonat aufwärts, zu geben hat, baß er auf den Fall einer ein- 
tretenden Untauglichkeit zur Seelforge feinen Unterhalt babe, um nicht als vers 
armter Geiftlicher der Kirche zur Laſt zu fallen. In den früheren Zeiten war mil 
der Ordination zugleich auch die Anftellung an einer Pfründe verbunden; dieſes 
fam mit der Zeit wieder außer Gebrauch. “Die fpäter herrſchend gewordene Sitte, 
Geiſtliche zu weihen, ohne ihnen einen beftimmten Titel (ein Kirchenamt) anzuweifen, 
zog verfchiedene Mißbräuche nach fidy, weßwegen das dritte lateranifche Concil 
auf die Eicherftellung eines anftändigen Lebensunterhaltes für jeden Weih⸗Candi⸗ 
daten befiand und den Bifchof dafür verantwortlidd machte. Bis ins 12. Jahr: 
hundert fannte man nur den titulum ecclesiae und professionis religiosae. “Det 
T. theilt ſich a) in den Titulus beneficii, wenn der Geiftliche mit einer, zu 
feinem Unterhalte hinreichenden, Kirchenpfründe verfeben if. Es kann Einer ſchon 
auf ein Beneficium non curalum, das er, in den niederen Weihen ftebend, erhalten 
hat, für die höheren Weihen orbinirt werden und nad) Erfüllung der vorgefchrie: 
benen Bedingungen auch ein Eeelforges-Benefizium erhalten. In ver Regel fol 


Ä Aſtyrhoue Tiffet. 151 
täulıs beueßeli ſich auf. ein Benefizium gründen, weiches hinreichenden Lebens⸗ 
weterhelt gewährt. . b) In den titulus —— wenn vom ——8 enten, ya 
—— oder einem Brivaten 
mittelſt Ausfertigung —58 — —I , 
ae hot ſich in den lan nbeaferalichen, m m den 3. von Gemeinden, Stiftungen 
ofessionis religiosae, wenn Ein 


— Pe Ai — * t, den Unterhalt d 















orgen 5 den Bettelo 
er a a er — rei Het 
gegründet 7 d) Sm den Utalus 4 Her Jemand fo vi 
ud a er als udn davon —* all und anf: 
un) Bir Drbinirte kann nur Dann ftentation wer 


noch erhalten zu haben, Pr —ãñã * * 
Der titulus patrimonii kam im 12. Jahrhundert durch ee 
* Goncit (117) ts das Contil von Trient —— Ihn 
auf eigenen Tiſch rein wurden; ; 
els a wicht der —— Sal vn Titel End gm 


er nen 
nterbalt nee Sakilhen m 
Nam ig wird, * 
In del ea 2 bienfemfibig on m; 


ſe IR dar für. Fär den — ——* hu: 
Schu zut — um — 


von Antyra. Nebſt dem-war es ii, Be ide; 
Pig in ein Kloſter, oder fonft in eine geiflicke Unftatt' zu * 
Heut zu Ta gel chieht lehteres audy noch, wo dann der T.⸗Geber die 
fen behr ten muß, ausgenommen, ed würden biefe dem- Correk⸗ 
tefen, ober fle müßten von- dem Sonde der geiflichen Correktiondanſtalt 
Ber ohne Verſchulden dienflunfähig wird, erhält eine verhälts 
größere ‚Euflentationsquoke, als Jener ber vurch Berſchulden feines 


‚ eine ver Cumeniden (f. d.). u 
Feidherr des perfiſchen Könige Artaxerres Demon, gie 
, welches Eyrus feinem Bruder Artarerses lieferte u. war 
- Abergab Ihm der Iegiere vie GStatthalterfchaft aller Länder, über e 
an gefegt war umd vermählte feine Tochter mit ihm. In der Bolge 
von. dem Epartaner⸗Koönig Ageſilaus in Lydien gänzlich geſchlagen und 
t tens in des Könige —— daß “a abgefeht und darauf zu Coloſſa in 
et w 
st, Samuel Bl nee = David, berühmter Int, eboren 
20. Kin 1728 zu Grancy im Waadilande, wo fein Bater Gommiflär ber 
war, wurde bei feinem Oheim, Pfarrer T. in Lisle, erzogen, kam 1741 
bie she nad) Genf und begab ſich, nachdem er dafelb 1745. den Brad 
artiam erhalten hatte, na Montpellier, um fib den Studium 
edizin zu widmen. 1749 wurde 3. zum Med. Dr. promovirt und ließ 
in —— nieder, wo er ſich während einer Pockenepidemie bald gro⸗ 
auen erwarb, nachdem er ſchon in Montpellier die große Pockenepidemie 
beobachtet hatte. 1750 wurde er —— in —* 1754 
—— er Ar „Rechtferti pefertign der Impfung“, nämlich der Inoeutation 
9), oder — goelcde Schrift rohen Beifall 
een ſhaffte 3. feine 1761 erfchienene „Anleitung für 
vs Bolt in Betrefj feiner umdheit“, welche Schrift in wenigen” Jahren allein 
in 17 —— in den ——— 
; 1086: wurde Fr zum SProfeffor an ver Wtateaie \xt — 









F 
3 





nt 





a 







Hl 








l 









—— 






AJ 
ji 


x 









J 








SEEN 
In 





F 





i 





Ann. 


152 Titan — Titus. 


ernannt; er hatte Berufungen nach Polen, Hannover, Padua u. Modena audges 
ſchlagen, als er 1781, nad mehrmonatlichem Aufenthalte in Paris, einen uf 
nad Pavia annahm. Hier erwarb er ſich den größten Ruhm, gab aber ſchon 
1783 feine Profeffur wieder auf und Eehrte nad) Zaufanne zurüd, wofelbft er am 
13. Juni 1797 farb. — 3. hat ſich großen Ruhm erworben durch feine Volkes 
ſchriften, ſowie durch einige epidemiographiſche Arbeiten. Außer den ſchon ger 
nannten find feine wichtigften: „Dissertatio de febribus biliosis“, Lauſanne 17 
mit einem Anhange: „Tentamen de morbis ex manustupratione ortis“, weldyer 
Anhang in verfchienenen deutfchen und franzöftfchen Ueberfegungen erſchien. — 
„Essai sur les maladies des gens du monde*, Laufanne 1768, überſett ind 
Deurfche. — Seine Schriften erfchienen gelammelt: „Oeuvres divers“, Paris 
1769, 10 Bde.; eine deutfche Ausgabe in 7 Theilen erfchien — 1774, in 
4 Aufl. 1807. — Bol. Eh. Eynard, „Essai sur la vie de Tissot“, Lauſame 
1839, deutſch Etuttgart 1843. E. Buchner. 
tan, T.Metall oder Menafonmetall, Titanium, eine, zuerk im 
Sabre 1791 von dem Engländer Gregor und 1795, unabhängig davon, au 
von Klaproth entdedies Metall, von kupferrother, in's Goldgelbe fallender . 
Farbe u. ftarlem Metallglanz, mit einer folchen Härte, daß es felbft Bergkryſtal 
tigt; dabei ift es fehr ſpröde und firengflüflig. In der Natur findet es fidy nicht 
geriegen, fondern fommt nur in Verbindung mit Sauerftoff, als T.Oxyd oder 
.Säure und, als foldye, wieder mit Kifen, Kalk, Gerium x., vor. | 
vorzüglichften diefer Erze find: das Rutin, auch rother Schörl ver TSchöorl 
enannt und der Titanit oder Sphen, welche ſich beide in mehren Gebirgen 
eutichlande, der Schweiz, Frankreichs, Schwedens, Norwegens ıc. finden. Das 
Ts Metall hat bis jegt noch feine Anwendung gefunben, dagegen wird das dar 
aus dargeftellte I. Oryd in der Porzellanmaleret zu Gelb, fowie zu einer fhönen 
blauen Farbe, die zu Glaſuren auf Porzellan gebraucht werden kann, benüßt; 
auch gibt es den ©lasflüffen eine mehr oder weniger dunfelgelbe Farbe. 
itanen hießen die Kinder des Urano® und der Gaea, deren 24 waren: 
Dfeanos, Adanos, Ophion, Anytos, Koeos, Andes, Hyperion, Oſtaſos, Eoo» 
nymos, Krios, Dlymbros, Japetos, Phaeton, Aegaeon und Saturn. Yerner bie 
Frauen Thetis, Rhea, Themis, Mnemoſyne, Phobe, Dione, Thia, Thrake, Eus 
tophaöfla; fie waren die erhabenften Schöpfungen der Urzeit, die riefigen Natur: 
ewalten, von denen das ganze fpätere Böttergefchlecht, Zeus an der Spite, abs 
ammte. Mit viefem lagen fie, durch ihre Mutter aufgereizt, in hartem Kampfe, 
nach welchem fie von Zeus in den Tartaros geftürzt wurden. Diefer Krieg ift ein 
Gegenftand eigener Geſänge der Griechen, der Titanomach ien u. vieler anderer 
Poemen, da fih die Vorzeit in der Schilderung gewaltiger Kämpfe zwifchen 
Göttern und Götterfräften gefiel. 

Titel (lateiniſch titulus), 1) die Auffchrift, Rubrif eines Buches ıc., 2) tn 
rechtlicher Bedeutung: irgend ein gefetlicher Grund, woraus Jemanden ein Reh 
oder der Beſitz einer Suche zufteht; 3) die Auffchrift der einzelnen Kapitel im 
römifchen Rechte, namentlich in den Snftitutionen, Pandekten ıc.; 4) im ge 
wöhnlichen Umgange: ein gewiſſes Wort, ein Name, wodurch in der bürgerlichen 
Geſellſchaft eine Perſon in Rüdficht ihres Standes, Amtes, ihrer Würde ıc. von 
der andern unterfchieven werben fol. Man unterfcheivet Standes⸗T. (4. D. 
bei Fuͤrſten, Adeligen ıc. zum Unterfchieve von bürgerlichen), Ehren⸗T. (ale 
Durchlaucht, Ereellenz ıc.) und Amts⸗T. (Rath, Profeſſor ıc.). 

Titteri, |. Algier. 

Ziturel, ein altes, ausländifches Rittergedicht in fiebenzeiligen Strophen, 
weldyes wir in der Bearbeitung Wolfram's von Efchenbad (f. d.) haben. Joſeph 
von Hammer glaubte, es fei eine Allegorie der Geſellſchaft u. Lehre der Templer, 
es ſtellt jedoch ein Ideal des Ritterthumes dar. 

Titus, der Heilige, Schüler des heil. Apofteld Paulus und Bifchof von 
Sreta, wurbe von heidnifchen Eltern geboren und, da thn der heilige Baulus 


m 


et 
Enzäds 
Ei 


= 

8 
8237878 
ent: 
Far zeägE 


a3 
a 





J Do ‚fein r 
‚ren.. Während. diefer. Reife —— er eint 
Kreia, um daſelbſt das Evangelium zu verfündigen Da ihn aber bie 
— a — — in en — — er —— ‚zum 
jer Inſel un! trug 0) ung; 6 glüdlich mes 
! nee. * it aulus, larniesahen Acht Tune 


(den, Brief, welcher unter. den eiben der Apoftel ı 
van ihm nach Nitopoliß,.in. Epirus, gu. Fommen ,. wo. er r 
gedadhte. diefem ‚Briefe .befahl er ihm: zugleich, Priefter , db; 
‚in allen Städten der Inſel einzuſehen. Nach einer genauen 
fr, einem Biſchofe nothiwendigen, E ften- folgen. welle 
u das, er. gegen feine Herde gu; beobachten habe u. wie unerjchütters 
de mi fi tung. der, Zucht, ‚au ‚der 
m ‚en — ſchidte der Apoſiel kom Eli m —* P 
k des u, verlündigen. > ehrte T. 
—— Infel, Kreta, dem. ich) x —9* io er in einem ſeht Bohn 


ndien, zurüd, : io er 

b dem er. mit t feine Kirche: geleitet und „die 
[rer In benachbarten Ay, —— — Jahteotag der 4. Januar. 
BSlavius Befpaftanus, romiſchet Kalfer, Altefter Sohn des Kais 

3 aſianus und der Flavia Domitilla, geboren der r 
r diente, „unter ſeinem Water, in: Judaͤa, ſette, als derſelbe Kaifer 
werben war.(69) 4 die Belagerung Jerufalems), fort amd eroberte, dieſe Stabt 
Auguf Nüdtehr 


Hs vi Du hab * Nie — mehr: Be KL * 
Em. it en. en mit feinem, er, nad) deſſen 
—— ——— 

vn — 


„Amor pt, delichee. ig kuma, nahm er au 
} ‚0 Mitoegenten: an, .: Unten Per ferne, waren 


den namen 
Dia Baterlaubeb* zugetanben u. ihn wegen feiner liebeneiwärbigen Ghgen- 
ni“ wanıten:. 


154 Aivsli. 


Herculanum, Pompeji und Stabiä durch einen Ausbruch des Veſuv verfchüttel 
und Campanien verwüſtet, ſowie auch zu Rom eine große Feuersbrunſt die 
ſchoͤnſten Theile der Stadt zerſtörte. Bei dieſen Unglücksfällen zeigte ſich fein 
menſchenfreundlicher Sinn in fchönftem Lichte. Nach ſelnem Tode, den 13. Sept. 
81, folgte ihm fein Bruder Domitian. 

Tivoli, das von Hırag u. anderen Dichtern fo fehr gepriefene Tibur de 
Alten, eine Keine Stadt mit 5000 Einwohnern, im Kirchenflaate, 18 Miglier 
von Rom, nad) dem Sabinergebirge hin, wegen feiner überaus reizenden Lagı 
berühmt. Der Weg von Rom dahin geht meiſt auf ver alten Via Tiburtine 
und iſt, wo nicht Bafaltbroden heranöge fien find, ziemlih gut. Iſt man auf 
der, nach der Mutter des Alexander Severus, Mammäa, genannten Brüde, 
Ponte Mammolo, (P. mammacus), 4 Miglin von Rom ü den Teverom 
(Anio), an dem Dentmale der Biulia Stemma (11. Miglien von Rom ud 
dem Lago de Tartart, einem ausgebrannten Krater, vorbeigegangen, fo fommt mai 
an die Thellung der Straße, deren einer, jegt nicht fahrbarer, Arm über Ponti 
Acquorio, wo ber Tempio della Toffe, wahrfcheinlidy ein Grabmal, ſteht, 
nad T., der andere über einen Kanal der Solfatara, eine milchige ⸗ 
felquelle (3 kleine Seee: Iſole natanti, Se Giovanni und delle Colonelle) ind 
über Ponte Lucano nach der Villa Hadrian's führt. Bel Ponte Lucano, 
nach dem Erbauer, Plautius Lucanus, benannt, maleriſche Anſicht der Brüde, det 
AUnto und des Plautianiſchen Grabmales. Ueber der Brüde theilt 
noch einmal der Weg und führt links nad, dem 2 Miglien entfernten T., red) 
nad) der 13 Miglien entfernten Billa Hadrian’e. Habrion war feld der 
Architekt diefer Villa, die 3 Miglien lang und 1 Miglie breit iſt und Tempel, 
Theater, Bäder und Porticus enthielt, die er mit Statuen und Gemälden und 
berühmten Namen des Alterthums und Auslandes, 3. B. Lyceum des Arifloteles, 
Akademie des Piato, Prytaneum von Athen, erapeion des Canopus, Poikile 
der Stoa ıc. ſchmückte. Hier fehlt es felbft nicht an einer Unterwelt, mit Elyſium, 
Tartarus, Styr und Lethe. Das Intereffantefte der Ruinen dieſes Baues ff: 
das griehifhe Theater, von dem das Profcenium und die Sige wohl ers 
halten find. Nahebei ein großer vierediger Hof mit Epuren eines Porticus umd 
ein neues Gebäude über einem antiken Nymphäum. Poikile, ein oblonges 
Gebaäude mit Porticus, wovon noch eine Mauer ſteht. Tempel der Stoiker, 
ein Halbkreis mit Nifchen, in denen ehedem Statuen fanden. Rahebel Tempel 
der Venus und Diana (7) — Teatro maritimo, fo genannt von einem 
Moſaik de® Fußbodens, auf dem Meertbiere Rebe find, wahrfcheinlidy ein 
Bad. Links Trümmer eines Gemaches (Bibliothek) KRatferzimmer, ein langes 
Gebaͤude, wahrfcheinlihd 2 Stockwerke hoch. Sichtbar find die Nefte fchönen 
Tafelwerks Hauptwace u. Caſerne des Prätorianer (Cento Camerelley), 
ſcheint 3 Stockwerke gehabt zu haben, mit Galerien und Säulengängen; jedes 
Zimmer hatte feinen eigenen Eingang, die Verbindungsthüren find aus neuerer 
Zeit. Naumachia, fcheint ein Eircus geweien zu ſeyn. Gerapeton des 
Canopus, eine Rahahmung des gleichnamigen in Aegypten; die offene Halle 
längs dem Gebäude fcheint mit Wafler gefüllt geroefen zu ſeyn. Einige Zimmer 
mit Gemälden find erhalten. Nahebei die Akademie, das Mufeum, von 
defien ſteben Niſchen noch drei ſtehen und ein zweites griechifches Theater. 
Dur das Thal Tempe, durch welches ein Heiner „Peneus“ fließt, geht man 
gewöhnlich aus der Billa den Hügel nach T. hinan. — Ray Dionys von Hall: 
carnaß hätten 60 Jahre vor dem trofanifchen Kriege Eicaner den Ort gegrundel 
und ihn Sicelion genannt; nach Anderen waren ed Peladger, denen es feinen 
Urfprung verdankt. Eeine Bewohner unterftügten die Gallier gegen Rom, wur: 
den aber von Eamillus bezwungen. Die Hauptgoitheit des Ortes war Herkules, 
in deſſen Tempel, der beutigen Kathedrale, Auguftus dfterd zu Gericht ge en 
Nabe dem Wirthöhaufe der Sibylle flieht der Tempel ver Sibylle, ein Ob 
/ongum mit einem Porticus von 4 joniſchen Säulen, jet St. Giorgio. — 


Tempel Bei Berka, Monopterod auf einem überhangenben üßer ve 
— — 214° im —— wit einem Porticus and ne Saͤnlen 
an ven Capitaͤlen y am Webätfe Schfenfchäpel, Blumen und Fruchtfeſt⸗ 
. Die There: uny daB’ Genfer Yeutm auf Hadrians mad, 
Srotia bi Nettnno, hohſt malerifch und naturgeſchichtlich Interefiant 7*— 
umerirdiſche/ ehedem hier er base brecdende, Urm des Anio 
: 4837 ern Richtung erhalten - und die Grotte: — 1843 faſt 
eingeftärzt. — Grotta welle: Sirene von ai aͤhnli nheit ımb 
Per A ungen De8 An wiehe duf mu 
In fie am andern: Ende weiter ließen. Von der runden Terraffe, 
om ‚General. ent 5 bat man bie derstkthken Sinfichten 
ver Wafferfiälle,: fo.wie der Kathenrale. Die Billa de Quintilius Barut 
uub Feder bie Arche der. Madonna di Duimtitio Rand an dieſer Stelle — Die 
Billa des Macenas, an der Straße nad Rem, jeht Eiſenfabrikz mit der 
— — Aubfigt über: die Gascadellen ind Schal anb- gegenüber die des 
(mach M. 2 Hosay). Man geht dahin durch Die Porta oßura. — Billa 
des Ball Maximus uns — drs ©. Unfeſtius bei. F dw * 
Gartenanlage, 1549 vom Cardinal Hippolyt vo 
(Gizansola), uralte 6 im, Goloffalftaine ber: —X * F 
maleriſch. — Die Caſcadelüen, die aud der Stadt und 
— fie ‚geleiteten; Arm: de6 Fluſſes herabſtromen ; ſicht a m 
Ä en Ufer des Anto auf dem Wege nach Untonid: und” en N Safım 
Gall ımb ud Serds, der Madonna Y uhneilig (nädj — 
Barus, dem im Teutoburger Babe Geſchlagenen, Mh n dem tiefer Van 
den Weinberg, gegenüber ven Waſſerfaͤllen, wie bier: ern ber 
yes Mäcer 2 C. Cabrale e F. del:Re Delle Vme Babe Monumenti 
antichi della citta et del territorio di Tibur, Roma 17779. Sante Viola Storie di Tibur 
della zua origine fino al sec. XVII., Roma 1819. Landuzzi- Vo ä Tivoll, 
Capelto Saggio sulia to fisica del solo di Tivok, Roma 1 
Tizian, Bercellt, ver berihmtefe italtenlfche Maler im Golorit geboren 
* a Gapo bei Gadote im Brlaul 1477 Oele um © 1480), lam in { 10. 


























* —— Wan ee Pre —* — 5 — Ruhm; er fol ge 
Rufe des Herzogs Aifons 1. nach Bern und fchloß dort An —* — dem 
Sänger des 1 Roland, ein no. ——— entftand 
auch fein berühenter. Ghrifiud mit dem ana en, jeßt eine ber Amir 
28 en 


of —— —8 

Perſonen zur Ehre, von’ —* genalt zu werden. —* V. 1800 

zur —2* nach ‚Bologna kam, Te er den Meifter T. rufen, a: von the 
ab zu werden und, da I. während. des Malens den Pinfel verlor, büdte 


ver Rulter ſelbſt u. reichte ihn dem knienden Künftler mit ven Worten: 
* werih, von Furſten bedient zu werden.“ Später ernannte er den Künſtler zum * 
Ritter und fehte ihm einen bedeutenden Jahrgehalt aus. Der König von Bra i 
rei, Heinrich IL, befnchte ihn felbſt in fine Atelier um» lange © —8— vet 
ebene, bemühte fich: d er Bay Bauliil., ihn von Venedi va nach 

— zogen in ſeinem —* Leden an * —5 {er 
lebliihe Blumen biähten, wetten und farben, alle aber neigten ihr Haupt vor 

gewaltigen Lorbeerbaume;'. der ‚in ſtiller Majeſtaͤt ami 2 vo der adriatiſ 
Knie en — Zweige entfaltete. Hatte man die. Kirche von 
Marcus geichen en Dalak des Dogen, den Rialto vom himmelhohen Gams 





yaniie, —— ve me: — dann war T.s Werlflätte der. Brennpunkt 
5* Venedig blieb immer en obnert und nur zu⸗ 
welfen unternahn er gedpere Reifen, var Sy ung a 


äh 


156 Toaſt — Tobias. 


ſcheiden und demüthig, wie es des Genius eines chriſtlichen Malers würdig 
war, ein ritterlicher Bürger und zugleich der liebreichfte Lehrer, flarb er 157 
zu Venedig an der Pet und wurde, troß dieſer anſteckenden Kranfheit, doch mit 
allen Ehren beftattet. inter feinen Hauptwerten in Venedig nennen wir: ben 
Tod Petrus des Martyrers und die Himmelfahrt Maria’s. In Florenz glänzen 
nody feine zwei Grazien, in Rom die 4 Kirchenväter, in Neapel die große Leda. 
Im Louvre zu Parts befinden fi 20 Titians, in Wien deren 49, unter ihnen das 
berühmte Ecce homo, in Dresden 13 mit dem fchon erwähnten Ghriftus bella 
moneta. Spanien, wenigftens früher, war fehr reich an 3.6. Borzüglidy berühmt 
ift ein Abenpmahl von ihm in dem Refectorium des Escurials. 

Toaſt (engliſch), heißen wörtlich geröftete Brodfchnitten, welche man in 
England zum Thee jervirt. Das Wort fol feine gegenwärtige Bebeutung als, Trink⸗ 
ſpruch, Geſundheitstrinken“ ogenden Scherze verdanken: die Geliebte eines Königs 
badete ſich; von dieſem Badewaſſer ließ ſich ein übergalanter Hofmann eine 
Quantitaͤt bringen und trank auf ihre Geſundheit. Die fämmtlichen anweſenden 
Säfte mußten es ihm natürlich nachthun und der leute fagte ſcherzend: Ich bes 
halte das geröftete Brod zurück“, womit er auf die damalige Sitte anfpielte, ein 
Stüdchen geröfteted Brod ind Glas zu thun. — Nirgends werden die T.s mit 
fo großer, PR gewifienhafter Feierlichkeit ausgebracht, ald in England. Niemand 
darf eher trinken, als bis der Wirth die Geſundheit einer der anwelenben Frauen 
ausgebracht und dieſe den 3. erwiebert hat. Alles dies gefchieht im ceremonid- 
feften Tempo; man forbert auf, ein Glas zu trinken; der Herausgeforberte bejaht 
durch eine Kopfneigung; fich einander anfehend, ſchenkt man dann ein, erfaßt fein 
Glas, verneigt ſich abermals und beide freundliche Widerparte bliden ſich feſt an 
und leeren zu gleicher Zeit ihr Glas. Da ein Jever einen foldyen Trinfftreit 
eingehen kann, fo gehen die Blide, Verneigungen, Ramensdaufrufe und das Glaͤ⸗ 
ferleeren wie ein Lauffeuer rund um den Tiſch herum. Später trinkt man auch 
die Geſundheit von Abwefenden, namentlich der föniglichen Bamilie, und jeder 
Anweſende muß diefen T. laut beim Trinken nachiprechen. Der erfte T., welchen 
bei feierlichen Männergaftmahlen der Wirth oder der Vornehmfte der Gefellichaft 
ausbringt, heißt T. from the chair und, da bei großen Tafeln nicht alle Gäfte, 
der Enıfernung wegen, denfelben verftehen fönnen, fo müffen bisweilen die Auf: 
wärter ihn an anderen Gegenden des Tiſches wiederholen. — Auch in Deutich- 
land werden joihe T.e immer gebräuchlicher; doch iſt das eigentliche Geſund⸗ 
heitstrinken eine alte deutſche Sitte. Bel den Gelagen und überhaupt in den 
Bafthäufern fangen im Mittelalter Sänger Lieder und fpielten die Harfe dazu. 
Umber faßen Zuhörer bei ehernen Bechern und tranfen wie Rafende Geſund⸗ 

eiten um bie Wette und glüdlidy war der zu preifen, der nad) einem folchen 

echen mit dem Leben davon kam. Auch bei den Franken war es Sitte, nady 
aufgehobener Tafel noch lange bei den Bedhern zu bleiben. Der Wirth reichte 
den Bäften einen Becher, ven fle auf einen Zug audleeren mußten. 

Tobias, ein Israelite aus Kedes⸗Nephthali, weldyer unter Salmanafar um 
722 vor Ehriftus nebft feiner Krau und feinem Sohne nach Rinive in Afiyrien 
abgeführt wurde: ein frommer, tugenphafter Mann, welcher ſtets den Gdtzendienſt 
verabfcheute und dem Geſetze treu blieb, auch feinen Sohn T. forgfältig erzog. 
Er fand zwar Gnade beim Könige, fo daß er feinen Landsleuten verschiedene Lies 
beödienfte erweifen Fonnte; allein defien Nachfolger Sennacherib verfolgte ihn, weil 
er ſich barmherzig der gefangenen Juden annahm. Als er eined Tages nach 
diefem Liebeöwerke einfchlief, traf ibm das Ungluͤck des Erblindens; dabei Hatte 
er noch Kränfungen und Verachtung von feinen Anverwandten zu leiden, was er 
Alles mit der größten Geduld und Ergebung ertrug, wohl aber fein Sen im 
Gebet vor Bott ausfchüttete. T. glaubte feinem Ende fidy nahe und gab feinem 
Sohne die heilfamften De mahnungen) als er ihn einer Schulpforderung wegen nad) 

Nages reifen Iteß. Der Engel Raphael war unerkannt fein Begleiter dahin. Am 
Iluffe Zigrie, wo ber junge 3. ſich die Fuͤße wuſch, drohte ein mageieneer Ah 


® 


Tobolst. 157 


ihn zu verſchlingen, aber der Engel rettete ihn, indem er ihn anwies, den Fiſch 
zu fangen und befien Eingeweide al& Heilmittel aufzubewahren. Hierauf ermahnte 
er den T., bei Raguel einzufehren und um deſſen Tochter Sara zu werben, in 
der er wirklich eine tugendphafte Gattin fand, fowie er auch den Unterricht des 
Engels bei feiner Bermählung gewifienhaft befolgte. Nachdem alle Geſchaͤfte bes 
forgt waren und Raguel den jungen T. zum Erben eingefept hatte, zog biefer 
nebſt feiner Frau und dem Engel wieder nad Haufe und vertrieb, nach der An⸗ 
weifung Raphael’®, die Blinvheit feines erfreuten Vaters. Nun wollten Vater 
md Sohn deflen Begleiter für feine Dienfte lohnen; doch biefer gab fich als den 
Engel Raphael zu erkennen und verfhwand, beide aber lobten begeiftert Gott 
den Herm. Der ältere T. ftarb, voll Verdienſte, in einem Alter von 102 Jahren 
(twa 663 vor Ehriftus) und wurde ehrenvoll zu Ninive begraben, deffen Unters 
gang, fowie die Rüdfchr der Ieraeliten in ihre Heimath, die Belehrung der Heiden 
md den Glanz des neuen Jeruſalems er vorherfagtee Der jüngere 5. zog nach 
dem Tode feines Vaters zu feinem Schwiegervater nach Ekbatana, wo er in einem 
Alter ven 99 Jahren ſtarb. — Das Bud) T., das XVII. fanonifche oder deutero⸗ 
lanoniſche Buch des alten Teſtaments, warb auf Befehl des Engeld Raphael (Gap. 
12, 20) vom ältern T. verfaßt, bie auf das letzte Kapitel, welches der jüngere 
T. und wohl einer feiner Eöhne aufzeichneten. Die dyalpäifche Urfchrift des Hi. 
Hieronymus, der das Buch in die lateiniſche Sprache übergetragen hat, iſt nicht 
mehr vorhanden und deßwegen nahmen ſolches die Juden auch nicht In ihren 
Kanon auf: dagegen wurbe es ſtets und allgemein von der Fatholifchen Kirche 
als eine wirfliche Begebenheit, als ein Werk göttlicher Eingebung anerkannt. 
Man kann diefes Buch in drei Theile zufammenfaffen: 1) wird die Gefchichte 
und der Gharakter der beiden T. überhaupt erzählt (ap. 1— 4). 2) Enthält es 
die Neifebegebenheiten des jüngern 3. und deſſen Bermählung (Cap. 5 — 11). 
3) Boldt, der ont u. die Weiffagungen des Altern T., fowie der Tod beider. 
(Gap. 12— 14). 

Pi oboLst. 1) Ein ruffliches Bouvernement in Weffibirien, mit 24,900 I M. 
md nahe an eine Million Einwohner (einfchlieglicdh der, 1838 ihm einverleibten, 
früher felbAftändigen, Provinz Omsk), ift bemäflert von den Flüſſen Ob, Tobol, 
Ittiſch, Iſchim, Tura u. a. und von verfchledenem Boden und Klima. In den 
füplichen und ſüdweſtlichen Gegenden if es im Sommer warm und angenehm, 
ſelbſt im mittlern Landftriche ift die Luft gemäßigt, obgleich der Winter von vielem 
Echnee begleitet ift. Die ganze größere noͤrdliche Hälfte iſt einer heftigen, furcht⸗ 
baren Kälte unterworfen. Im kurzen Sommer hat man zwar an mandyem Tage 
einige warme Stunden, aber, fobald der Wind von dem Eismeere herweht, wels 
ches oft gefchieht, fo wird die Kälte fchneidend. Die fühlichen und fünweftlichen 
Landftriche find fehr fruchtbar und tragen Getreide und Flachs in großem Lieber, 
fluffe; ihre grasreichen Weiden begünftigen die Viehzucht, daher man beträchtliche 
Rindvieh⸗, Pferde- und Schafzucht unterhält; hin und wieder zieht man (ogar 
Kameele. Wild und Fifche find in Menge vorhanden. Auch der mittlere Strich 
läßt den Fleiß des Landmannes nicht ganz unbelohnt; ver höhere Norden aber 
iſt des Anbaues ganz unfähig. Er ift mit dichten, moraftigen Waldungen bebedt 
und audy diefe hören näher gegen das Eismeer hin gänzlich auf; kaum flieht man 
noch Mooſe umd einzelne Stauden; nie tauen dieſe eifigen Wilpniffe auf. Ihr 
Reichthum befteht in koſtbaren Belztbieren, in Wild und Fifchen, auch in Renns 
tbierheerven, welche von den Oſtiaken und Gamojeden in der Wirthfchaft und 
zum Fahren gebraucht werden. Außer den Ruflen wohnen in dieſem Gouverne⸗ 
ment Tataren unter mancherlei Benennungen ald: Turalinzen, tobolskiſche Ta- 
taren, Bucharen und Andere, ferner Samojeden, Wogulen, Sirjänen und obifche 
Dftiafn. — 9 T. die gleichnamige Hauptſtadt des Gouvernements, unter 
580 41° 43° nördlicher Breite u. 850 45: 43. King 436 Meilen von Peters⸗ 
burg, an der Mündung des Tobol in den Irtiſch, in miedriner Step: EN, 
iR der Eis eines Oberkatthaltere von Weffibtrien, eines griehlien XXX 


158 | Toboſa — Tod. 


und eines muhamebanifchen Obergeiftlichen und wird in Ober⸗ und Linterflabt 
etheilt, von denen erftere body auf den Hügeln in einiger Entfernung von dem 
—38 liegt und letztere ſich nach Oſten an den Fluß erſtreckt. T. hat 16,700 
Einwohner, aus Ruſſen, Türken, Bucharen und Verbannten gemiſcht, gerade, 
breite, veinliche, mit hölgernem Pflafter verfebene Straßen, 23 Kirchen, darunter 1 
Iutherifche u. 413 griechiſche, 2 Kiöfter, 2 Mofcyeen, 1 Hofpital für 100 Kranfe, 
1 theologiſches Seminar mit 7 ‘Brofefforen, 1 Seminar für griechiſche @eiftiiche, 
1 Symnuftum, Milttärfchule, 1 Lancafterfcgule, 1 muhamedaniſche Schule, 1 Pocken⸗ 
impfungshaus, 1 Strafarbeitshaus für Verbannte, 1 Buchdruderel, mehre Kaufs 
böfe, große Magazine, worunter das große Pelztributmagazin, worin das Pelz⸗ 
werk für die Krone abgeliefert wird, zu bemerken ift u. befuchte Märkte. Außer 
einer Fabrik für chirurgifche Werkzeuge für das Heer und die Flotte, befinden 
fid) noch viele Juchtenfabrifen, Gerbereien, Seifenftevereten und Stidereien ba. 
Die Stadt, ald Hauptort des Speditionshandels, erhält theild durch die bucharis 
ſchen Karavanen, die fi des Pelz⸗ und Getreidehandels wegen bier einfinven, 
theils durch die vielen Kaufleute, theils durch Die Berbannten (über 3000), deren Auf⸗ 
enthalt bier ift, viel Leben. Die Beſatzung der Stadt iſt gegen 1500 Mann 
ftarl. Jenſeits derjelben fängt bald die tichymifche Steppe, noch mit ſchönen 
Wäldern, an und ringe um T. liegen Dörfer. | 
Tobofa, Flecken in der Provinz la Mancha des fpanifchen Königreiches 
Reufaftitien, verewigt durch den Don Dulrotte des Gervante® (Dulcinea von %.) 
4000 Einwohner. mD. 
Tod. Zufolge der Beftimmung des Schöpfers, nach der allweifen Einricht⸗ 
ung der Natur und den Geſetzen des Lebens, befteht fortwährend ein gegenfeitiger 
Austauſch in der organifchen Maſſe zwifchen der Thiers und Pflanzenwelt, in 
jedem einzelnen befeelten und unbefeelien Weſen fo wie im Gefammtorganismus 
der ganzen Welt. Unausgefebte Bildung und Erhaltung organifcher Verbind⸗ 
ungen geben die wefentlichen Lebensäußerungen der Organismen ab, weldyen eine 
innere, von Außern Reizen unterftüßte Kraft, Lebenskraft genannt, vorfteht, die mit 
dem Beginn des Lebens wirkffam wird, dann progreffiv an Intenfltät gewinnend, 
im Einzelweſen fortfchreitet und bei deſſen vollendeter Entwidelung feine größte 
Ausdehnung erreicht, nad) jener aber wieder allmälig rüdwärts fchreitet und zus 
legt in ihm erlifcht, d. t. den Zerfall der Individualität berbeiführt, ſobald fie 
aufhört bei ihr zur Grundlage der Erzeugung und Erhaltung der organtichen 
Verbindungen zu dienen. T. nennt man m das Erlöfchen der Lebenskraft, des 
erften und innerſten Grundes aller Lebensericheinungen, beim Menſchen die Rüd- 
fehr der unfterblichen Seele zum Schöpfer, aus deflen Hauch fie ward.” Der 
T. ift entweder ein nothwendiger (normaler, natürlier) oder gufälliger. 
Erfterer hat feinen Grund im Wefen des Organismus und erfolgt von Zufällig« 
teiten unabhängig und felbft unter den günftigften Berhältnifien nach einer gewiſ⸗ 
fen, für jede attung, organlicher Wefen eigenthümlich beftimmten Dauer des in⸗ 
dividuellen Lebens. Letzterer aber wird durch individuelle Verhältnifie, dem Cha⸗ 
tafter der Gattung entgegen, fchon vor der, verfelben von der Ratur angewieſe⸗ 
nen Lebensgraͤnze herbeigeführt und iſt urfächlich begründet in Aufhebung ber in» 
nern oder Außern Lebensbedingungen. Inſoweit nämlich dad Zufammenwirfen 
der organifchen Thätigfeiten,, unter biefen vorzugswelfe der drei wichtigften ber» 
felben — des Blutlaufs, des Athmens und der Hirnthätigkeit — plößlich oder 
allmälig unterbrochen wird, nach weldyer Reihe drei Haupttodes arten buch 
Ohnmacht, Stidfluß und Schlagfluß vorlommen, oder aber jene durch direkte oder 
indirekte feindliche Einwirkungen von außen — pofitive Schäplichfeiten — ober 
innen — Krankheit und Erſchöpfung durch übermäßige Anftrengungen — mittel⸗ 
bar oder unmittelbar außer Wirkſamkeit gefeßt werden. Oper es Tann audh ver 
zufällige I. feine Quelle in nicht genügender aktiver (felbfithätiger) und paſſiver 
Niderkandöfraft des Organismus (Fähigkeit des Lebens) gegen Außendinge 
finden. Dieſer Mangel kann individuell oder gattungemäßig ſeyn. Je höher, 


Ted. L} 
eibiger die Organifati der Menf: 
E rn ae ee die Bupung des er 
Se en en —— a Drganijation. — bei den Vo⸗ 
wen oder aha — des. Winterſchlafes . B. —, um, — iR in 
dh al bi wermkign Shen. au 5 —— 
“a arm! m ren, mehr ern a angen! 
m und überhaupt. mehr bei, tri ' * bei ae und reijbarerm Sndioipmen. 


ig und relativ wider ſtande faͤhl Bf feits.. die —— 
nach Abſtammung, Kt und Geſchlecht, ver 
der fc inflüffe — un einungen, unter welchen 
@. erfolgt, jo wie In ni: Au & ſich F flirt; find verſchieden 8 
— —— En Gange. Der normale T. 
bae vorhergega! im+böchiten Alten han und allı 


sit ober ol —— in a ige 3— in je); der zufällii ‚olge von 
— und Fi er, rich der email \ ae zes 
km& bem Kran a ng bemerfbar oder. nach in Brand Die 

Entzündung, — um eh erkt. ebenfo bei augenbliclicher Lnters 
— einer ber. drei — Central⸗ — mechaniſche Gewalt 
der Änmere Lebendverhältni —— he mung. a 
ai begleitet das Eiche beim — und plöglichen 

Lebens ur drüdt durch Beflemmung, Ungit, Krämpfe, 
san Be und —— de8 Bewuͤßlſeyns al ſelnd 

—— ſeht ‚und ſchelnbaret neuen Belebung. Eigen a. inter⸗ 

6 heinungen des Geiftes unmitielbar vor dem en 5 deutlicher Pt 
e Re u he Aufichwung beffelben ‚hervor, amverfennbar * nun ‚sek: 

und feine nahe Verllärung befonders bei Menfch —2 
a ey rt höhern ale ——— tufe ge — 0 feitin. 

mg fanden und vorzüglich bei ſolchen, welche en Gemürhes auf die 
—— ihres Lebens zurüctblidin loͤnnen und von den Troͤſtungen der Kirche 
flärft und im Stande der Gnade den Gang in das Jenſeits zu vollenden he 
Begrifte oifen, 6 eines Wechfel6 bewußt werben, der Re dem erfirebten 

Gott entgegenführen fol. Oft bg 

Sterbenden Fr ermögen ne he 
Erennung ber Geele von ihrer fleii Kopfelogen ollen 


flug auf das gleichzeii an a sund — 
ihren, a Ken — — — er he init its 


Banden und 
enfchen, die 
waren, in 
IR fe Abed and die & ind —— thene 
‚ fo finde er vorbergel s 
[3 Deutung. EHE Höhe auch bi je ——— 
| Seele vom Körper er: 
lebhafte ——— bei einem ent⸗ 


od Gricheiuung 

nesorzurufen: — Hader er — del I — ra «6 die Gms 
Änbungenersen, jene Vermittler wol Frei m Aupamet, welche 

e e em u 
le heim Sterben zuerſt —* Ewpfaͤnglichlelt verluffi en ® Die 
Bernie rar SEHE HE 

en 

* — * BER, m di ve A lähmu: a en — 

ei ul ’ 
Ige zup ‚Hände gemöfnlid) am ängfen ee 


J 


Es 


160 Tod. 


sigen Aeußerungswerkzeuge der Seelenempfinbung bleiben. Das Athmungsgeſchäft 
und die Blutbewegung And die erfim und legten wahrnehmbaren Wftionen des 
menfchlichen Lebend. Im Allgemeinen und beim natürlichen 3. nimmt vderfelbe 
feine Richtung von der Peripherie nach den Gentralorganen, unter denen bald 
das Gehirn, bald die Lungen zunädft und nach dieſen das Herz ihre Lebens⸗ 
thätigfeit verlieren, je nady der einen, oder der andern ver drei angegebenen 
Haupttodedarten. — Die charafteriftiichen Merkmale des T.es zerfallen in drei 
Abfchnitte oder Zeiträume — Erichlaffung, Erftarrung und Aufofung — deren 
Mebergänge aber durdy die mannigfachen Temperaturs und atmofphärifchen Ein» 
flüffe, fo wie durch die Todesart und die dem T.e vorhergegangene Krankheit 
ſelbſt noch manchen Modificationen unterliegen, fo baß fie Gaß oder lang⸗ 
ſamer in einander übergehen, oder ſich blos auf den erſten und letzten beſchränken. 
Der erſte Zeitraum iſt mehr durch negative (Kebens-) als poſitive (Todes) 
Merkmale ausgedrückt, als da ſind: Mangel an Lebenserſcheinungen, Reizloſigkeit 
des geſammten Körpers bei Anwendung der ſtärkſten Reize, insbeſondere der Dur 
pille im Auge, der Naſe, des Rachens u. f. w., Stillftand des Athmens, Auf⸗ 
bebung des Blutlaufs, Mangel an Lebenswärme, Erlöſchen der Lebensfülle und 
Schlafbeit und Nachgiebigkeit der weicheren Thelle, daher Mangel an aftiver 
Widerftandsfähigkeit gegen mechanifche Einwirkungen (mechaniſche Pafftoität) u. 
fefted Aufliegen des Leichnams mit feiner breiteften Fläche auf einer ihm ent- 
ſprechenden Unterlage, veren Erhabenheiten ſich in vie plattgedrüdte Form der 
aufliegenden Körpertbeile allmälig u. bleibend eindrüden, Widerſtandsloſtgkeit der 
Ringmuskeln des Mundes, Afters, der Nafe und Augen, während Dagegen die 
fchwächeren und Längenmudfeln noch mehre Stunden Empfänglichfeit gegen mer 
chaniſche und galvaniſche Reizung zu erkennen geben, wie denn auch Fi ſt nach 
dem T.ee der weibliche Fruchthaäͤlter noch gebären kann und ſich hierauf zuſammen⸗ 
zieht; Blutleere der Körperperipherie und Ueberfüllung der Gentralorgane und der 
tiefliegenden Gefäße, 3. B. am Rüden und am Gefäße mit Blut, daher bleiche, 
eblidye oder erdfahle Färbung der, im Leben mit mehr Blut verfehenen, Haupts 
Bellen und blaurothe Färbung der legtgenannten Stelle, die fogenannten Todten⸗ 
fleden; Reduktion der Körperwärme auf jene der Atmofphäre, 15—20 Stunden 
nach dem Mbleben, zunächft an den hervorragenveren und Außeren Körpertheilen, 
früher nach Berblutungen und chronifchen Krankheiten, fpäter nach Erſtickung, 
befonderd durch Kohlendunſt, nach fauligen Fiebern, Schlagfluß und plöglichem 
Tode umd bei vollfaftigen Menſchen; Ericheinungen beginnender Scheidung und 
zwar durch Verbünftung ber mwäflerigen Theile, daher der verbidte Schleim auf 
den Zähnen und der Wugenbindehaut, Verdickung, Berleberung und dunklere Färb- 
ung des Blutes. Der zweite Zeitraum, etwa 12 Stunden nad) dem Ableben 
und nur bei Fühler Temperatur, biftinguirt fich von dem erften, außer dem beut- 
a Hervortreten der genannten Merkmale, befonders durch den gänzlichen Bers 
Iuft eigener Wärme und des Geruches nach thlerifcher Eubftanz, an deſſen Stelle 
dagegen ver Leichengeruch bemerkbar wird; befonders charakterifiren dieſen Zeit⸗ 
raum die allgemeine, felbft auf jedes einzelne Gebilde ausgedehnte Starrheit — 
weßhalb fich auch die fteifen Gliebmaſſen im T.e verlängern — das völlige Ge⸗ 
rinnen des Fetted und deſſen theilweiſe Ausfcheidung aus dem Blute. Der 
dritte Zeitraum folgt dem Erlöfchen der thierifchen Reizbarkeit nach voll⸗ 
endeter Todtenflarre und iſt dharafterifirt durch den Eintritt der Fäulniß, das 
Berfallen des Leichnams an die Einflüffe der unorganifchen Kräfte, defien Grund» 
bedingungen Wafler, atmofphärifche Luft und eine Temperatur von 15-30 R. 
find, das erfennbar wird in der Ausdehnung des Körperumfanges durch Gasent⸗ 
widelung, Zeichengeruch, Bewegung der Ylüffigkeit nady der Oberfläche, Berfärb- 
ung berfelben in's Grün-Schwarze, zuerft am aufgetriebenen Unterleib, dann an 
den Seitenwänden des Bruftforbes und der Innern Fläche der Schenkel, wobei 
Die Bugen bervortreten und Geſicht und Lippen aufdunſen, grünfchwarz ſich fär- 
Ben, ſcheußlich audfehen und aus Mund und Naſe ſchwarzes, ſtinkendes Diut 


Tod. 161 


ießt. Hierauf wird die Oberhaut ſchmutzig, ſchwarz, grau, braungrün und er- 
ebt Ah in Blaſen, die plagen und ein ſchmieriges, graugrünes Blutwafler ent- 
eeren; ipäter treiben bie, ſchon früher entwidelten und die umgebende Atmofphäre 
vrpefenden, Safe (Schwefels und Phoephorwaflerfloff mit Ammontaf und Kol 
enmwuflerftoffgas) wie morfchen Wände des Unterleibs aus einander und ed ver- 
teen nun alle weicheren, dann die feflmeichen @ebilde und elaftifchen Gewebe ber 
ionnichreitenden Faulniß, werden ein Fraß der in den Eingeweiden entftehenden 
Rörmer und zuiegt in einen fchmierigen, mißfarbigen Brei verwandelt, wobei die 
Beochen und hornartigen Gebilde — Zähne und Nägel — unverändert bleiben. 
pt immer tritt der dritte Zeitraum des T.es ein. So trodnen z. B. in Grüf- 
m, wo ein flarfer und unaus geſetzter Auftaug herrſcht, oder in hermetifch gefchlofr 
mm Räumen Chaher auch die feiten Einwirkungen bei den Aegyptiern — Mus 
sin —), bei anhaltender, und trodener Hige (3. B. in ven arabifchen Wüften) 
ser ftarfer und fortgefeßter Kälte (3. B. unter dem norbifchen Eife) die Leichen 
ft volftändig aus und widerftehen aller Fäulniß. Auf Tünftlichem Wege erhält 
san fie faſt unverändert durch Weingeift, Holzeffig, Chlor, Sublimat und Ar- 
ei “Die Leichen Arfenikvergifteter bleiben meiftens fehr lange unverwest. Den 
aterefianteften, aber zugleich noch räthfelhaften, Kal von Nichtverwefung gibt der 
I840 audgegrabene Leichnam des Kaiſers Napoleon ab, den wir bier als er- 
Nirended Bild für die beiprochene Sadye und zugleidy als Nachtrag zu dieſes 
krübmten Mannes Geſchichte mitzutheilen nicht verjäumen wollen. — Auszug 
us Dr. Guillard's Bericht über den Zuftand des Leichnams Na- 
releon’6. Die breite und hohe Stirne zeigte fich mit einer harten, gelblichen, 
en anhängenden Haut bevedt. Man bemerkte felbft noch Augenmwimpern. Unter 
en —— Augendeckeln zeigte ſich die Erhöhung der Augenkugeln bei⸗ 
he in ihrer vollen Ausdehnung; dieſe blieben bei einem Drucke des Fingers 
janz fell. Die Knochen der Naſe und die fie bedeckende Haut waren wohl er- 
alten, nur die Rafenlöcher und die Nafenhöhlen hatten gelitten. Die Wangen 
daren vol. Die Haut dieſes Theiles des Geſichtes zeichnete fich bei der An⸗ 
ählung durch Weichheit und durch Weiße aus. Jene des Kinns war leicht 
lau: eine Tinte, die von dem Barte herrübrte, welcher nad) dem Tode noch ge- 
vachſen war. Die Haut felbit hatte keine Veränderung erlitten, fondern bewahrte 
vn eigenthümlichen Typus des Geſichtes Napoleon’d. Die dünnen Lippen hats 
m ſich geöffnet und es zeigten fi drei fehr weiße Schneivezähne unter der 
Dberlippe, die ſich auf der linfen Seite ein wenig hinaufgezogen hatte. Die 
haͤnde waren vollkommen, indem fie nicht die geringfte Veränderung erlitten hats 
un; dabei pie Nägel lang, feft anhängend und fehr weiß. Die Beine waren in 
Stiefeln; in Folge der Deffnung der Cäume jedoch traten die vier legten Zehen 
af jeder Seite hervor, von einem todten Weiß, mit Nägeln. Die obere Gegend 
vr Bruft war in der Mitte fehr zufammengebrüdt und die Seiten des Leibes 
hart und eingefunfen. Alle, durch die Kleider bedeckten, Glieder fchienen ihre Ger 
kalt bewahrt zu haben. Das Metal an den Orden hatte größtentheild feinen 
Slanz verloren. Die grüne, roth ausgeſchlagene Uniform, fowie die weißen 
Beinfleider waren wohl erhalten. — Bälle unverfehrter Erhaltung der Leichen 
gibt es übrigens auch ohne eine der genannten Einwirkungen, die ſich nicht 
wrers, denn als Folgen des göttlichen Willens anfehen laſſen und mehr der Ver: 
muthung Raum geben, als follte die flerbliche, durch Selbftüberwindung der Erb- 
finde entrüdte Hülle — das unentheitigie Fleiſch — diefem gewöhnlichen Gange 
des Fleiſches entrüdt feyn und der Nachwelt zum Beifpiele der Nachahmung 
dicnen, fo wie als Zeugniß des ingegangenfeon® unbefledt geblicbener Seelen 
mt ewigen Seligkeit gelten. — Der Schein-T., jener analoge Zuftand des 
Binerſchlafs der Thiere, bietet der Erfcheinung nach, aber nicht in Wirklichkeit, 
Ws Abbild der negativen Lebensmerkmale des erften Zeitraumes des wirklichen 
zu, weil bei ihm alle animalen und negativen Funktionen fdheinen zu ruhen, 
ide fie nur unmerkbar vor fich geben. Fothergill und Hegewiſch hatten den 
Rrolencyclopdble X. 1 


4 — 


162 Tod, 


Gedanken, durch Ausmeflen ver Wärme T. und Schein-T. von cinander zu un- 
tericheiden, der durch Naſſe weiter verfolgt u. durch die Erfindung feines I ha- 
natometer® realifirt wurde. Nach letzterm iſt es bie Wärme, welche, mit Ath⸗ 
men, Blutbewegung und Nerventhätigfeit in inniger Verbindung ftehend, nicht 
einem einzelnen Theile, fondern dem ganzen Körper angehörend, au jeder Zeit 
zwifchen den Aufhören des Athemholens und dem Eintritte der Fäulniß auege- 
mefien werden fann und hierdurdy in den Stand feht, ihrem fortfchreitenden Ein» 
fen von Grad zu Grad zu folgen und fo den Verlauf der, nad) jenem Aufhören 
fidy an einander reihenden Zuflände u. meift blos das Ende diefer Reihe zu erken⸗ 
nen. Der zur Ausmeſſung von Naffe ausgewählte Ort ift der Magen. Eeln 
dazu gebrauchtes Inſtrument befleht aus einem Yifchbeinftabe, an deſſen einem 
Ende und in der Richtung des Etabed ein Thermometer befefligt ift, deſſen Scala 
in einer Glasröhre eingefchloffen If und nur bie zu 40° R. geht. Die Kugel 
it von einer durchbrochenen Kapfel aus dünnem Bleche umgeben. Das Ein 
bringen diefer Röhre ift einfach und leicht. Bei Beurtheilung defien, was man 
bet Meflung der innern Wärme gefunden hat, muß darauf Rüdficht genommen 
werden, ob der 3. durch plöpliches Aufhören des Athmens, oder .bei allmäliger 
Verminderung des Athmend «bei chrontfchen Krankheiten) eintrat. Im erften 
Tale muß das Thermometer auf 200 R., im zweiten auf 13°R. gehen, um den 
T. zu conftatiren. — Das verläßigfte Mittel gegen das erfchrediiche Echidfal des 
Lebendigbegrabenwerdens und des hülfelofen Wiedererwachens im Grabe find bie 
Beichenhäufer u. deren Ueberwachung durch einen Arzt, oder, in deren Ermangel⸗ 
ung, die wiederholte Infpeftion der Leichen im Sterbehaufe durdy einen folchen, 
oder durch einen gut unterrichteten und gewiffenhaften Laien, der auch zugleid 
im Stande iſt, in vorfommenden Fällen die erforderlichen Einleitungen zur Wie 
dererwedung des [olummernben Lebens bis zur Ankunft eines Arztes zu treffen. 
Eine alte Borfchrift in der Medizin wollte den Werzten frei geben, in Fällen ım- 
aufhaltfamen Todes Mittel zu gebrauchen, welche den Todeskampf erleichtern. 
Ein folches Unternehmen iſt nicht nur pflichtwidrig und ungefeslich, fondern auch 
itreligloe, da c8 Beruf des Arztes und Mitmenfchen ift, das Leben Anderer zu 
erhalten und das Gegentheil nicht nur freiwillige Tödtung bieße, fondern auch 
ein Eingriff in die unmwandelbaren Rechte des allmächtigen Schöpfers wäre. ze. 
Tod, der bürgerliche. Wie die phyſiſche Perſoͤnlichkeit eines Menſchen 
erlöfdyen kann durch (phyſiſchen) Tod, fo kann auch die bürgerliche PBerföns 
lichkeit, das Anerfanntfeyn al8 ein mit gewiffen Rechten nusgefattete Weſen, 
erloͤſchen durch bürgerlichen Tod. Dieſes iſt der Fall, wenn irgend ein Ereigniß 
eintritt, welches den Berluft der, an die bürgerliche Perſoͤnlichkeit gefnüpften, 
Rechte zur Folge hat; 4. B. lange Abwefenheit von der Heimath, ohne daß Et⸗ 
was von dem Abweſenden befannt ifl; dann befonderd aber als Folge eines 
Straferfenntniffes. Die Nachtheile des bürgerlichen Tores beftehen darin, daß vie 
Ehe des Betreffenden für aufgelöst angefehen, feine Berlaffenfchaft für eröffnet erklärt 
u. den gefeglichen Erben ausgehändigt wird; auch hat der bürgerliche Todte nicht 
mehr das Recht eine Beflimmung darüber zu treffen, er kann nicht mehr erwer⸗ 
ben, nicht vor Gericht erfcheinen, Feinerlei Berpflichtung übernehmen u. Niemand 
fann fi gültig für ihn verpflichten. Soll verfelbe je noch rechtliche Hands 
lungen vornehmen, fo fann dieß nur durch einen Vormund gefchehen; wird jedoch 
der bürgerliche 3. über einen VBerfchollenen erkannt, fo muß im alle feines 
aurüdtehrene natürlich AN wieder in den vorigen Etand gefegt werben. ine 
ur von bürgerlichem Tode findet fich fchon in den Einrichtungen der Römer, 
bei denen man die capilis deminutio in drei Stufen kannte und in Deutfchland 
ing derfelbe aus der Acht (f. d.) hervor. Während ſich in Yranfreid das In⸗ 
Akut des bürgerlichen T.s bis jetzt erhalten bat, war daſſelbe durch die meiften 
deutſchen Geſetzgebungen fchon bis daher bedeutend mopifizirt u. die kürzlich vers 
—8 rundrechte der deutſchen Nation heben denſelben als Strafe un⸗ 
edingt auf. 


Todaustreibung — Todeöftrafe, 163 


Zodaustreibung oder Todaustragung heißt ein Bolfsfeft, welches fich 
8 ven alten Zeiten des Heidenthums herfchreibt und bis auf unfere Tage 
lien Bat. Es wird an dem Sonntage Lätare, der davon auch der Todten- 
ıntag heißt, gefeiert und hatte früher eine bei Weitem größere Verbreitung. 
24 ganze Bert if eine Frühlingefeier, obſchon es noch einer Unterſuchung be- 
rt, 0b der od, der dabei ausgetragen wird, ein urfprünglicher, oder erft 
ich die chriftliche Zeit untergefchobener Begriff, ftatt ded Winters, if. Am 
wine wenigftens, in der Pfalz, in den Gegenden zwifchen Nedar und Main 
b im Odenwalde, wird nur ded Sommers und Winters gedacht und der Ich 
e, unter Subelgefchrei der Kinder, nach einem Kampfe, in welchem der in 
ob gehüfte Winter von dem epheubefränzten Sommer beflegt wird, feiner 
mohfleidung beraubt u. davon gejagt. Dazu werden mancherlei darauf bezügliche 
wer gefungen. Andere ift es, wenn man über den Odenwald nach dem Innern 
anfen, dem Speffart und der Rhön fommt. Hier tritt der Tod ganz an bie 
telle des Winters. Man trägt zu Mitfaften einen Strohmann, wie der Tod 
getban, aufs nächſte Dorf und die Empfänger, je nachdem fie die Sache an⸗ 
ven, bewirchen die Leberbringer, oder empfangen fie mit Scheltworten und auch 
obl mit Schlägen. In Nürnberg durchziehen die Bauernmädchen von 7— 18 
abren, fhön gepubt, alle Straßen der Stadt unter Abfingung eine® eintönigen 
edes, indem fie auf dem linken Arme einen Fleinen, offenen Sarg tragen, aus 
m ein Leichentuch herabhängt, unter welchem eine Puppe liegt, die dann ins 
zaſſer geworfen wird. Diefer Gebrauch erläutert merfwürbig den, ber früher 
Leipzig fatıfand, wo im 17. Jahrhundert die öffentlichen Buhlbirnen ein 
roberned Bild des Todes, unter einer traurigen Melodie, durch alle Gaſſen der 
tadt trugen und dann in die Parde warfen, damit die jungen Weiber frucht- 
r, die Stadt gereinigt und die Einwohner vor der Pet und anderen ähntichen 
tanfheiten bewahrt würden. Aehnliche Gebräuche finden fich in Polen, in der 
wfig, in Böhmen u. Siebenbürgen. — Diefe Sommerfeler war in uralten Zeiten 
ohl ganz allgemein und in einzelnen Dingen verfchieven; denn der Mairitt in 
chweden, Gothland; der Sommereinzug in Schonen, Dänemark, Niederfachien 
ad ongland ift ganz derfelbe Gedanke, wie die Sommerfeler am Rheine und in 
7 Pfalz und die Todaustreibung in Franken, Thüringen, Meißen, Schleften, 
öhmen, Polen und Siebenbürgen. In Spanten hat —* etwas Aehnliches in 
m wunderlichen Gebrauche erhalten, am Sonntage Laͤtare eine Puppe, welche 
16 Altefte Weib im Dorfe vorftellt, Hinauszuführen, mitten entzwei zu fügen u. 
ı verbrennen: eine Sitte, welche ſich audy bet den Stroaten wieder findet. Auch 
ı Italien fand 1 eine ähnliche Sommereinholung. 

Zodesfurcht iſt die, jedem lebendigen Gelhöpte eigene, Scheu vor der Ber- 
ichtung des Lebende. Sie fteht mit der Lebensliebe in engfler Berbindung und 
t deshalb nothwendig, kann fich aber bald durch übertriebene Lebensliebe, bald 
urch ein böfed Gewiſſen, unter Mitwirkung der Phantafle, zur Todesangft 
eigern und als folche, als heftiger, deprimirenver Affekt, felbft den Tod herbei- 
übten. Andererſeits kann fie aber audy durch ernfte Neflerion über dad Leben 
md den Tod, beſonders aber durch religiöfe Gründe fo weit gemindert werden, 
a5 der Menſch und hauptſächlich der Ehrift in den Stand gefent wird, auch 
ei träftigern ebenötriebe dem unvermeidlichen Tode mit Yreudigfeit entgegen 
u geben. 

Todeskampf, |. Tod. 

Todeöftrafe (poena capitalis) ift die, an einem Menfchen volbrachte, ge- 
waltiame Entziehung feines phyftichen Lebens in Bällen, wo er dafjelbe nach den 
beſebenden Geſetzen (früher auch blos nach Anficht der jeweiligen Machthaber) 
uch Gefinnung oder Handlung verwirft bat. "Die Trage über die Zuläffigfeit 
oder Unuuläffigteit der 3. tft Schon vielfach, namentlich in neuerer Zeit, für und 
nider aufgerworfen und befprochen worden. Die Gegner derfelben führen ale 
rund ihrer Unzuläffigfeit an, daß diefelbe ungerecht, unnütz und „Kart eds 

11 


164 Todesſtrafe. 


widrig ſei. Als ungerecht erſcheint ihnen die T., indem das Recht, über die Fort⸗ 
dauer ſeines Lebens zu verfügen, ein unveräußerliches Recht des Menſchen fel, 
weßhalb der in den Staatöverband Tretende ein ſolches Recht nicht auf bie 


Staatögewalt übertragen kann. Dieſes Argument beruht aber auf der, längft 
als unhaltbar erkannten, Annahme eines flilichweigend eingegangenen Bertrage6 
zwifchen Staat und deſſen Bewohnern. Ein weiterer Grund der Ungerechtigkeit : 


fheint ihnen in dem Zwecke des menfchlichen Lebens zu liegen, den fle darin als 
lein fuchen, daß das Leben dem Menſchen zu feiner Bervollfommnung gegeben 
fel. Allein diefem angenommenen Lebenszwede ſcheint wohl, aufjer anderen, auch 
das entgegenzuftehen, daß ed fogar-öfter Pflicht des Menfchen tft, fein Leben 
für Andere binzuopfern. in dritter Grund wird endlich darin gefucht, daß es 
unmöglich ſei, die Zurechnungsfähigfeit fo darzuthun, daß man es für erlaubt 
halten könne, eine Strafe darauf zu bauen, die nicht wieder gut zu machen fel. 


u "rer ” R 


2* 


Dieſer Grund würde wohl in den meiften Etrafbeftimmungen eintreten; denn, wer ' 
fann wohl dem unfchuldig Berurtbeilten 3. B. die Zeit wieder geben, oder vers : 


üten, die er, feiner Sreiheit beraubt, bat hinbringen müßen? — Den Beweis ver 


wedwidrigfeit und Auplofigfeit der T. fucht man theild durch einzelne Bels 
L) 


fptele, daß nämlich Einzelne 


erbrechen begangen haben, um den Tod zu erleis 


den, oder, daß während einer Hinrichtung felbft ein Verbrechen verübt worden if; 


theild durch die Gründe zu führen, daß eine lebenslängliche Eflaverei eine furcht⸗ 


.. 


barere Strafe, als der Tod, ſei; daß oft Menfchen, um eined geringen Nutzens 


eben, ihr Leben in Gefahr bringen und daß die Volftredung der T. unzeitiges 
t 


leid erwede, oder dad Bolf an blutige Schaufpiele gewöhne. Dieſem läßt 
fi) wohl entgegenftellen, daß die Furcht vor dem Tode wohl immer dad ftärffe 


———— bleiben wird und daß, wenn eine Freiheitoſtrafe fo Bart je 
i 


follte, daß fie ein noch größeres Abfchredungsmittel bilden follte, diefelbe nur d 
einer langfam vollgogenen T. angeieden werden könnte. Jedenfalls muß be 
Entfcheidung der Frage über die Nothwendigkeit oder Nichtnothwendigkeit der T. 
immer auch die Erfahrung zu Rathe gezogen werden und diefe hat bis jet für 
die Beibehaltung derfelben gefprochen; denn in allen Staaten, wo biefelbe eine 
Zeit lange abgeht war, wie 3. B. in Oefterreich, Toskana ıc., iſt dieſelbe wie: 
der eingeführt worden. — So mannigfaltig, wie die Bildungsftufen der Wölfer, 
waren auch die T.n, welche fie über diejenigen, die als Verbrecher gegen die 
Gottheit oder die Staatsgeſellſchaft erflärt waren, verhängten. Die alten Perſer 
erftidten große Verbrecher in Aſche. Die Ifraeliten waren überreih an graus 
famen Strafen: Hängen, Kreuzigen, Steinigen, Verbrennen, zu Tode peltichen, 
Kopfabhauen, Entzwelfägen, in Abgründe flürzen, mit Dornen zerftechen, Augen 
und Haare außreißen, waren bei ihnen gefegliche Strafen. Die Griechen felbft 
beftraften den Diebftahl bei Nacht und den, der 50 Dradymen überftieg, mit dem 
Tode. Ans Kreuz fchlagen war bei den Griechen u. Römern eine fehr gewöhn⸗ 
liche Strafe, wobei der Verurtheilte das Kreuz auf den Richtplag tragen mußte 
und da entweder an baffelbe genagelt, oder gebunden wurde; ebenfo Hängen, Er- 
droffeln, Kopfabichlagen, in Abgründe ſtürzen, Bergiften (beſonders in Athen), 
lebendig begraben, in Säden Ind Waſſer werfen (Batermörder in Rom mit 
einem Affen, einem Hahn und einer Schlange), den wilden Thieren vorwerfen 
(in Rom). Im Mittelalter Fam das Rädern auf, Leibauffchneiven, Herzheraus⸗ 
reißen und ums Geficht fchlagen (für Hochverrath, deſſen Begriff aber fehr un⸗ 
beftimmt war, daher die Strafe oft den traf, der feinem unglüdlichen Herrn treu 
—5 war), an wilde Pferde oder Stiere oder Hirſche binden und zu Tode 
chleifen. Dabei waren die Strafen des Mittelalters ganz in der Willfür des 
Richters und die höchften Strafen wurden oft für die Heinften Vergehen ange: 
wandt. So wurde 1444 Jobſt Findeker in Nürnberg mit feinem verfälfchten 
Safran verbrannt; 1456 zwei Andere, ebenfalls wegen Waarenverfälfchung, ver: 
brannt; eine Frau aber, die dabei behülflih war, lebendig begraben. 1440 
mwurben In Paris zwei Frauen wegen Diebſtahl lebendig begraben und eine aͤhn⸗ 


eich 
der 


Todfünde — Todtentanz. 165 


tiche Strafe, nämlich die des lebendig Einmauerns, traf im Mittelalter auch Or⸗ 
dendiente beiderlet Geſchlechts, welche ihre @elübde brachen. — Was die Eins 
theilang der T.n in einfache u.gefchärfte (qualificirte),' betrifft, fo werben erftere 
jept nur noch durch Enthaupten, Erſchießen und Hängen vollzogen; lebtere, welche 
in Rüvern, Verbrennen, Biertheilen ıc., beftanden (innerlidy gefchärfte T.n) kom⸗ 
men gar nicht mehr vor und wo eine Schärfung überhaupt noch ftattfindet, {fl 
de nur eine Außerliche, wie 3. B. Gchleifung des Verbrecherd auf die Richt: 
Bitte; in Frankreich Hinausführen im Hemde mit umfchleiertem Haupte; dann 
KAufkeden des Kopfes auf einen Spieß ıc. In Deutfchlanv iſt die T. in allen 
ven Ländern, wo die Grundrechte deutfcher Ration bereitd gefebliche Geltung 
haben, mit einziger Ausnahme des kriegsrechtlichen Zuftandes, völlig abgefchafft. 

Todfünde, |. Sünde. 

Zodte Sand (Manus mortua), auch Mortuarium, oder Haupt» und Ster, 
befall, beißt das Recht eines Leib⸗ oder GOutsherrn, auf den Todesfall feines 
Leibeigenen und Gutsunterthanen aus deſſen Rachlaffe dasjenige zu fordern, was 
ibm vor den Erben nady Beleg oder Herkommen gebührt. Der Betrag vieles 
Erbtheils iſt eben fo verfchieden, ald die Bezeichnung dieſes Rechts in den ver- 
ihiedenen Gegenden Deutfchlande. — Im kanoniſchen Rechte verfteht man 
mter t. H. jene geiftlichen Gorporationen, die ihre Güter nicht veräußern dürfen. 
Dee gehören die Beflgungen der Klöfter u. indbefondere der Mendikanten⸗Kloͤ⸗ 

‚, weldye entweder gar nicht, oder nur Außerft ſchwer in den Verkehr gebracht 
werden konnten. Auch begreift man hierunter überhaupt die kirchlichen Stiftungen. 

Zodtenbeftattung, |. Beftattung. 

Zoptengericht, war in der ägyptiſchen Stadt Memphis üblich und verfagte 
vom Berftorbenen ein ehrliches Begräbniß, wenn er 3. B. unbezahlte Schulden 
binterlaffen hatte. Die Briten haben eine ähnliche Gerichtsart, wenn eine Pers 
fon gewaltfam verftorben if. Den Fall unterfucdht dann der Eoroner mit 12 Ges 
ſchworenen und fpricht fich mit folchen über die Natur des Todes aus, befüm- 
nen fh aber nicht um das Schuldenwefen, oder um die Moralität des Ders 

tbenen. 

Zodtenhauß, f. Leichenhaus. 

Zodten- Officinm (oflicium defunctorum), befteht aus Veſper, Matutin und 
Laudes; daflelbe ift fehr alt, der Verfaſſer aber unbefannt; es wird theils nach 
keionderen Fundationen, theild audy nach Herfommen, bei Anniverfarien, Duartal: 
Serlenämtern und Erequien, jedoch gewöhnlich mit einer Nokturn, verrichtet. Am 
Allerfeelentage muß jeder Geiflliche —**— beten. Daſſelbe wird am Allerſeelen⸗ 
tage, am Begräbnißtage, am Anniverſartage begangen und hienach finden auch 
einzelne Abweichungen flatt. An den beiden erften gilt dasfelbe ald ein officium 
duplex, fonft als simplex. 

Zodtentanz. Es iſt unbekannt, wann eigentlich die Berfinnbitblichung des 
Todes ale Gerippe aufgefommen iſt; noch mehr aber, wann man zu größerer 
Verſinnlichung der Allgemeinheit des Todes dieſen mit dem Menfchen als ein 
tanzendes Paar dargeftellt habe. Diefe bilvlichen Darftelungen waren Anfangs 
febr einfacy und wurden an die Mauern der Kirchen, Schlöffer, Häufer und 
Brücken gemalt, in Stein gehauen, in Holzfchnitten oder Kupferſtichen abgebildet 
und mit ober ohne Befchreibung befannt gemacht. Bon den in Stein gehauenen 
T.m find und waren die befannteften: 1) der T., welcher fidy in der Hauptlirdhe 
in Annaberg in Sachſen über der Sakriſtei befindet; 2) der leider unterge: 
gengene T., welcher an dem, zu Anfang des 18. Jahrhunderts abgebrannten, 
Ehlofle des Herzogs Berg von Sachſen zu Dresden angebradyt war. Unter 
den gemalten T.en waren die berühmteften jene zu Bafel und zu Bern. Erfterer, 
rüber auf dem Prebigerficchhofe in der Vorſtadt St. Johann zu Bafel befindlich 
m in der Nacht ded 6. Auguft 1805 muthwillig zerftört, wurbe zur Zeit des 
deſeler Conciliums (1431 — 48), ale die Pe dort eine Menge Menichen 
vyraffte, In Bresco gemalt, um an bie bamald herrſchende, keinen Stand vers 


466 Todtenuhr — Tödtung. 


(donnibe, große Sterblichkeit zu erinnern. Der Künftler, welcher diefen 3. auf 
efehl des Bafeler Rathes gemalt hat, ift unbekannt und irrig iſt die Meinung, 
daß es Hans Holbein geweſen fei. 1489 ließ ver Rath zu Bafel das Bild 
durch Hand Bock erneuern und Hand Hugo Glauber over Kluber frifchte es 
1568 auf und fügte fein eigenes Porträt, wie das feiner Frau und eines feiner 
Söhne, bei. Diefer Bafeler T. ift von Joas Denneder (1544) und von Merian 
d. ä. (1621) in 44 Blättern in Kupfer geftochen worden. Außerdem fanden br, 
nr gemalte T.e: an dem Auerbachöhofe zu Leipzig, an dem Hornifchen Paufe 
zu Sreiberg und noch heutzutage bewahrt eine Kapelle der Marienkirche zu Lübeck 
einen T., der 1463 vollendet wurde und auf dem Figuren aus allen Ständen 
vom Kaifer an fidy befinden. Auch zu Erfurt im Waifenhaufe und auf dem 
Kirchhofe des ehemaligen Dominikanerkloſters in Landshut, dann zu Straubing 
in der Gruft- und Seelenfapelle auf dem Friedhofe St. Peter, findet man folde 
Gemälde. Näheres über diefen Gegenſtand fiehe bei „Fiorillo, Geſchichte der 
zeichnenven SKünfte in Deutfchland und in den Niederlanden”. C.P. 

Todtenubr, |. Borfenfäfer. 

Todte Winkel heißen in der Zortififation diejenigen Räume, die vom bis 
reften Feuer eined Befeſtigungswerkes nicht getroffen werden können, wie 3. ®. 
die Gräben vor einem gerablinigen Erdwalle. Man vermeidet fie durch Flan⸗ 
lirung oder, wie im Tenaillentracé Montalembert's, durch Caſematten. 

odtes Meer, ein merkwürdiger Landfee in Paläftina, im Paſchalik Das 
mask (aftatifche Türkei), alfo genannt, weil Fein lebendes Weſen in demſelben fich 
erhalten kann, auch Afphaltfee, weil er Erbpechquellen hat; ift durch unterirdiſche 
Feuerausbrüche eniſtanden und liegt in einer Ebene, die auf der Oſt⸗ und Weſt⸗ 
feite von hohen Bergen begrängt ft und deren Boden aus Sand und Salz be 
fteßt, unter welchen man tiefer eine Lage von flinfendem, ſchwarzem Peche findet, 
daher hier Feine andere Pflanze, als Kult, fortfommen kann. Der See iſt 12 
Meilen lang, 3 Meilen breit und nimmt außer dem Jordan noch einige Bäche 
auf. Das Wafler deſſelben tft hell und nicht did, aber äußerft gefalzen und 
edelhaft von Geſchmack. Bon dem Grunde des See's fleigt zu gewiffen Zeiten 
in ziemlicher Menge Aſphalt oder Erdpech, auch Judenpedy genannt, auf, das 
fodann von dem Winde an’d Ufer geworfen, von den Arabern eingefammelt, 
verfauft und zu mandherlei Gebraudy verwendet wird. Diefer See hat keinen 
Abfluß; das Waſſer, das ihm zuftrömt, gebt wieder durch die ftarfen Aus duͤnſt⸗ 
ungen fort, welche durch die Hite des, hier noch ganz gewiß vorhandenen, unters 
irdifhen Yeuerd erzeugt werden und die Luft umher vergiften. Daher auch die 
Dampffäulen, die von Zeit zu Zelt in demfelben aufiteigen. Er wirft auch zu⸗ 
weilen Schladen, ſchwarze Steine, wahre Lava aus. Er beißt auch das Meer 
Sodom und Amur, weil bier, in dem fehönen Thale Siddim, die Städte Sodom 
und Gomgrrha ıc., geftanden haben, die, nach der mofaifchen Gefchichte, durch 
einen Schwefelregen in Aſche gelegt und in den Abgrund verfenft wurden. Man 
nennt ihn auch Lot's Eee, weil Lot's Weib bier in eine Salzfäule ſoll verwans 
delt worden feyn. 

Zodtfchlag, f. Tödtung. 

Zödtlichkeit, f. Letalität. 

Zödtung. Das Recht des Menfchen auf fein Dafein, oder auf Leib und 
Leben, iſt das erfte, deſſen Schuß der Staatögefellfchaft obliegt. Diefer Schuß 
felbft aber ift ein doppelter. Zunächft muß das Beftreben dahin gerichtet ſeyn, 
zu verhindern, daß jenes Recht gefährdet werde. Die Gefege müflen darüber 
wachen, daß Niemand einen Beruf, der fi) mit dem leiblicyen Wohle befchäftigt, 
ausübe, bis er nachgewiefen hat, daß er die Fähigkeiten und Kenntniſſe beſihe, 
die dazu erfordert werden und daß ein Solcher den Pflichten genüge, welche er 
mit der geftatteten Ausübung dieſes Berufs übernimmt. Kerner muß die Gefeh- 
gebung den freien Verkehr mit beftimmten gefährlichen Stoffen, ald Gift, Schieß⸗ 
pulver u. ſ. w., fo wie dad Tragen heimlicher, gefährlicher Warten fo beichrän- 


Zödtung. 167 


en, daß Die Gefahr für Leben u. Gefundheit abgewenbet wird und für Aufrccht- 
haltung Diefer Borfchriften Sorge getragen werde. Reiſſende Thiere müffen 
auegerotiet werden und wenn Jemanden geftattet wird, foldye Thiere zu beſitzen, 
fo müflen Borfehrungen getroffen werben, fie unſchädlich zu machen. Bei Aufs 
tihuung von Bauwerken müſſen Vorkehrungen getroffen werben, die gegen Ge⸗ 
fahren jchügen u. f. w. Außerdem muß der Staat jenes oberfte Recht dadurch 
khügen, Daß er geießgebend willfürliche Verlegungen deffelben mit Strafe bevroht. 
Der Mord, die 3. aus Ueberlegung und Willkür, ven ſchon die mofalfche Ge: 
ſezgebung mit dem Tode bedrohte, wird noch jet mit der ertremften Strafe, mit 
vom Tode, beflraft. (Vgl. übrigens unfern Artikel „Zodesftrafe”.) Der foges 
nmnte Zodtfihlag, die T. im Affekt, welche in früherer Zeit gleichfalls mit 
den Tode beftraft zu werben pflegte, wird jegt mit lebenswieriger oder zeitlicher 
freibeitöftrafe geahndet. Nach dem Strafgefehbuche des Koͤnigreichs Bayern 
fol der, der ohne Ueberlegung u. Vorbedacht, in aufwallender Hitze des Zorns, eine 
ledenſgefaͤhrliche Ar wider den Andern befchließt und ausführt, bei erfolg- 
im Tode des Beichäpigten zur Strafe des Zuchthauſes auf unbeflimmte Zeit 
seruribeilt werden. Hat jedoch der Getöbtete felbft durch unerlaubte Beleidig- 
ungen ober Deihknpfungen den Todtfchläger zum Zorne gereizt, oder befand ſich 
der Zodtichläger, ohne fein Berfchulden, im Zuftande des nicht alle Zurechnung 
aufhebenden Rauſches, fo foll die Strafe auf acht⸗ bis wötfjährigee Zuchthaus 
gemildert werden. Das füchfifche Geſezbuch ahndet eine, ohne Vorbedacht in 
anfwallender Leidenſchaft verübte, T. mit acht= bis zwanzigjährigem Zuchthaus 
aften Grades: eine Strafe, die bis auf vierjähriges Artzuehaue gemildert wer⸗ 
ven kann, wenn ber Getödtete durch beſonders ſchwere Beleidigungen oder thät⸗ 
liche Mishandlungen ven Thäter zum”Zorne reizte und diefer dadurch auf ber 
Etelle zur That bingeriffen ward. Im MWefentlichen ſtimmt damit das Straf: 
— von Württemberg überein. Der heſſiſche Eoder verfolgt den, der ohne 
sorbedacht im Affekt den Entfchluß zur T. eines Andern faßt und ausführt, mit 
Zuchthaus von 8 — 16 Jahren, läßt jedoch „unter beſonders erfchwerenden Um» 
tänden“ lebenswieriges Zuchthaus zu, auf welches befonders dann zu erfennen 
ii, wenn die That von dem Urheber eines Raufhandels, oder an Blutöver: 
wandten in aufs oder abfteigender Linie, an dem Bruder oder der Echwefter, 
oder von einem Ehegatten an dem andern, oder an einer Schwangern, Deren 
Zuſtand dem Thäter befannt gewefen, oder an einem im Dienfte befindlichen 
öffentlichen Beamten verübt worden ſei, während cd auf der andern Eeite ge- 
Ruttet, nur auf Borrefitonshausftrafen von 1 — 8 Jahren, wobei ed auf den 
Grad des Affektes, dic erſte Veranlaffung und auf die Größe und Ungerechtigkeit 
der Beleidigung oder Mißhandlung anfomme, zu erkennen; wenn der Getödtete 
ohne alle oder genügende Beranfaffung durch fchwere Beleidigung, oder thätliche 
Mißhandelung ded Thäters oder naher Angehörigen deſſen Affekt hervorgerufen 
habe und die That unmittelbar gefolgt fei. Im weiterer Abftufung wird die 3. 
aus Kahrläffigfeit, die wir fchon in der mofatfchen Geſetzgebung beachtet 
finden (der Schuldige mußte vor dem Bluträcher, dem das Recht der T. zuftand, 
ın eine der ſechs Kreiftädte fliehen und da bi8 auf den, die Blutrache auslöfchen, 
Tod des Hohenpriefterd bleiben, indem, wenn er fonft die Gränze überfchritt, 
a dem Biluträcher verfallen war), mit geringerer Sreiheitöftrafe geahndet. Die 
örage, ob der flrafbar handle, der einen Nebenmenfchen darum tödtet, weil biefer 
cd wünfcht ober fordert, ift, durch die neueften Gefebgebungen praktiſch entfchte- 
ten u. bejaht, gleichwohl noch Gegenftand der wiflenfchaftlichen Discuffion, — Zu 
Men Zeiten u. bei allen Völkern wurde der frevelhafte Raub des höchften Gutes, 
des Lebens, als eine fchwere Miffethat angefeben und von dem Geſetze verfolgt, 
„der die Geſchichte aller Zeiten und Bölfer lehrt auch, daß häufig folcher Frevel 
mgeftraft blieb, oder gar feine Belohnung — dag Tyrannei, Despotismus, 
diutdurſt das Geſetz verhöhnte und mit Füßen trat; daß die Politik ungeſcheut 
den Dolch führte und ſich erlaubte, was das Geſetz verbot, etwa deſſen Formen 


168 Tokoli — Tönnuiftein, 


mißbrauchend, um die Schandthat zu verfchleiern. Noch die neuefte Zeit wurde 
auf ſolche Art gefchändet. 
koͤli, Emmerich, Graf von, aus einem altberühmten ungarifchen Ge 
fhlechte, dad ſeit Matthias Eorvinus mehre bedeutende Krieger geliefert, war 
geboren 1657, ftand feit 1678 an der Spige der ungarifchen Malcontenten u. vers _ 
glich fi mit dem Katfer unter der Bedingung, daß Leopold in T.s Bermählung 
mit Helena Zrinyt, verwittwete Rakoczy, willige. Der Kaiſer gab feine Zufimms - 
ung. Die Bermählung hatte ftatt 16825 aber T. unterhandelte zugleih mit . 
den Türken. Als der Türfenfrieg ausbrach 1683, vereinigte er fih mit den 
Osmanen und wurde von ihnen zum König von Mittelungarn ernannt. Als 
das Kriegsglück ſich für die Türken ungünfttg wendete, wurde gem Zrinyi in 
Mumkacz belagert; fie vertheidigte ſich 3 Sakte, endlid wurde fie durch Hunger : 
zur Webergabe gezwungen. Noch einmal Tächelte T. das Glück; er eroberte 
Siebenbürgen, wurde aber bald wieder durch Ludwig von Baden binausgefagt. 
— Die Türken, ftatt ihrer eigenen Ungefchidlichfeit zu zürnen, ſchlugen —* 
Feſſeln; dieß erſchütterte ſeine Sattel. Biele traten zum Kaifer über und, obfchon ' 
T. bald wieder freigelafien wurde, Fonnte er feinen großen Anhang. mehr ſammeln. 
In der Schlacht von Zenta, 1697, in der Prinz Eugen die Macht der Türken 
brah, war T. auf. der Seite des Sultans. Er floh mit feinem Gefolge nad ° 
Belgrad und hat den ungariichen Boden nie mehr betreten. Er lebte mit feiner 
Grau, die gegen den General Häusler war außgewechfelt worven, nah vem 
Frieden von Karlowig in Konftantinopel; fpäter, verwiefen, in Nifomebien, wo er 
1705 am 17. September ftarb. Ueber feinen lebten Aufenthalt in der Türke - 
vergleihe man das ungariſch geihriebene Tagebuch feines Sekretär Komd- 
comy, welches Graf Johann Matlath herausgegeben hat. Maildch. 

Zölten, Ernft Heinrich, ein namhafter Kunftfenner und Kritiker, geboren 
1785 zu Bremen, fudirte zu Göttingen und warb daſelbſt, nady einer Reife no 
Rom mit Dito von Etadelberg, Lehrer der Alterthumswiflenfchaften und wir 
felt 1816 als Profeſſor, Sekretär der Kunftafademie und Direktor des Antiquas 
rium6 beim Mufeum in Berlin mit dem Titel eines geheimen Regierungsrathes. 
Seine Schriften find gründlih und Far. Außer vielen Abhandlungen für Zeit⸗ 
ſchriften: „Ueber Mythologie als Religionsgeſchichte des klaſſiſchen Alterthums“ 
(1812); „Weber das Basrelief“ (1815); „Ueber das Verhältniß der antiken und 
modernen Malerei zur Poeſie“ (1822); „Berliner Kunſtblatt“ (mit Förſter 1828 
bis 29); „Der proteftantifche Geift aller wahren Kunft“ (1839). 

Tölz, fchöner Markıfleden in Obeibayern, an der far, und Sig eines Land» 
gerichteß, Rentamted und einer Salzfaktorei. Lateinifhe Schule, Armens und 
Krankenhaus, Franzidfanerklofter, 3700 Einwohner. Die hiefigen Brauereien 
liefern ein fehr gefuchtes Produkt, das weithin verführt wird. Außerdem fördern 
den Rahrungsdftand des Ortes die Pferdezucht, der Handel mit Bich, Holz, Holz 
waaren, die Kloßfahrt nah Münden und die benachbarten Marmorbrüde. Die 
Bob des Calvarienberges bei T. welche mit einer ftattlichen, zweitbürmigen 

rche gekrönt ift, gewährt eine ſchöne Ausſicht. — T. erhielt fein Marktrecht 
von Kaifer Ludwig dem Bayer. Im breißigiährigen Kriege wurde es von ben 
Schweden erftürmt, aber durch die tapfern Bürger unter ihrem Pfleger Erivellt, 
im Berein mit den Bauern von Länggried und Hohenburg, dem Feinde bald 
wieder abgenommen. 1705 waren die T.er mit bei dem Zuge der Landesvers 
theidiger nady München, welchen die Niederlage bei Sendling fo unglüdlich be⸗ 
(bloß. Im Jahre 1742 wurde der Marftfleden von den PBanduren unter Trenf 
eplündert. 1809 fummelte hier der Oberft Graf v. Arco feine Truppen zu dem 
uge gegen die Tiroler. mD. 

Tonniſtein, auh Tönnftein im Kreife Maten im egierungöbegirte Cob⸗ 
lenz der preußiſchen Rheinprovinz, beſitzt einen Sauerbrunnen, Tillerborn genannt, 
deſſen Waſſer ſchon von den älteſten Balneographen gerühmt wird. Da elbe 
Fommt in feinen phyſitaliſchen und chemifchen Eigenichaften, (owie in ſeiner Wir⸗ 


LS 


Dyſer·Erferkauſi⸗ 10 
den vom Seit w [2 
Earl und —— ——— en 2** 
Getränke und als Zuſah zum Weine. Es wird nur —X 
7 ——— er und Bee, = ine 
a, wu -am Wien — X er einige Doa⸗ 
tr „Der Tagesbefchl, Der Empfehl imgebric, Der umb andere, die 
allig aufgen onen wurden, —— verließ er 1820 vie Bhne und Iebte 
——— er d ir ohne — m su m — — Doro. 
nicht ohne 7 
5; Die u * ann oder bie ſerkur; Die Einfalt 
F —* ren re find ‚fie Yello ——— — Seat; 
an el 
a an ae Meffert; "Der lebende ———— 
» Novellen“, 2 Be 1842; „Sufiplele*, 6 Bde, 1839— 1! 
Zöpfter, Buvotpd, geboren 1799, trat, nachdem. er fehhe 33. 


zu Senf 
, al der Aeſthetik an der 
und Ben in di ee a HH A ne de 
iſchen Verſuche, mit mt er vor das — trat, find Romane 


: 


Hei 


Ei 


, denen Erläi tr 

— auf Ya — jet —e——— a fh von nen Kine 
—— erheitern, Ganyen — von denen zwei: Helm 
m und 


— lage” erfch 
% Diefen Wirbelten ige De on en Er, — 
ae ke —— ie Exner 


1 
Er 


fe 
Maii faffer_der geii „v tour d chambre‘ 
ihn. in —ãA wet af ug eine Bermitlang gefhah c6, daß 
—ES einer Patiſer Zeitſchrift T. um Rovellen für fein Feinlieton bat. 
[3 nie bie „Nouvelles genevoises“ unb wurde plöglich befannt und 
in Deutichland haben diefe ifderungen, von Zſcholle einges 
— gefunden. Dem Vernehmen nach wird I * ung 
23.6, der „Bibliotheque de mon oncle“ u. 
n den fpäteren Wrbeiten des gemüthlichen Sorifhelers a 
ee Pan aan 
e ter! un ui m 
— A gu Hs ee Denon» —— und ers 
jet Zug fpäter mehr und m 
ab In ac machen. ae made | nd ein se Genen ber 
Dies gilt vorägtih von fi 
nes 
au n rer gelun; 
und Gertrud“, Berlin 1846. ses ® 


1 
| ble, war ſchon tm $i höchften Alterthume bekannt und wurde 
den Griechen und Römern mit vielem Gefchmade und in einem 
von Bolfommenhet geübt, 
Yet liefert — el 61 &laflen” von Zhonmoaaren: die erbigen und 


“ 


1 Bandes 
35 


a am en erbigen, glanzlofen Drug völlige Un- 
— und Be Beichaffenheit der Th: Shonmafle gemein. Die Hige wirb 
weit PR: der Thon die nöthige — ag 


durch einen gladartigen Veder 


a 


170 Törring — Toggenburg. 


die Slafur, erfegt. Arten der erbigen Thonwaaren find: Gewöhnliche Mauer⸗ 
Reine, Dachziegel, Gemeines Töpfergefchirr aus mehr oder weniger 
vothbrennendem Thon und mit Glafur (gewöhnlich Bleiglafur) ; Fayence, aus 
nicht weiß brennendem Thon, aber mit undurdyfichtiger, weißer Zinnglafur bevedt; 
Steingut (f.d.), aus weißbrennendem Thon und mit vollflommen durchfichtiger 
farblofer Bleiglafur; Thönerne Pfeifen, von weißem Thon ohne Glafur. 
Die glafigen Ihonwaaren haben zu Kennzeichen glafigen, glänzenden Brudy, 
Durchicheinbarkeit an den Kanten, und Unfähigkeit, Waffer einzufaugen. Die 
Hitze fteigt bier beim Brennen I body, daß der Thon eine anfangende Schmel⸗ 
zung ber Theilchen erleidet. Die Mafie gibt beim Anfchlagen einen hellen klin⸗ 
genden Ton. Die Glafur ift nicht nöthig, wird aber des fchönen Anfehene wegen 
aufgetragen. Arten der gie Thonwaaren find: die holländiſchen Klinker, 
feuerfefte Steine, Schmelztiegel, Steinzeug aus weiß oder braun bren- 
nendem Thon und mit Kochſalz glaſtrt, Wedgwood-⸗Geſchirr, Porzellan 
(ſ. d.), fowohl ächtes als Krittenporzellan. 

zörelng, Sofeph Auguft, Graf von, aus einem alten, in Bayern 
begüterten Gefchlechte, geb. zu München d. 1. December 1753, ftubirte zu Ingol⸗ 
ſtadt, wurde 1773 kurfürſtlich bayerifcher Hofkammerrath, 1779 Oberlandes⸗ 
regierungsrath, legte diefe Stelle 1785 nieder und übernahm 1789 das Amt 
eines Landespireftionspräfidenten, welches er ebenfalls 1801 wieder aufgab und 
von diefer Zeit an ald Privatmann lebte, bis er 1817 Präfident des Staates 
rathe8 mit dem Range eines Staat6minifter® und bayeriſcher Reichörath wurde. 
T., der auch Ritter des St. Georges und Großkreuz des Civilverdienftordene 
war, farb zu Münden den 9. April 1826. Er if der Berfafler der beiden 
Dramen: „Agnes Bernauerin”“, ein Trauerfpiel, München 1780 und Mannheim 
17915 „Kaspar der Thoringer”, Klagenfurt 1785. Beide Stüde, Rabilbungen 
von Goͤthe's „Goͤtz von Berlichingen”, zeichnen ſich durch inneres Leben und 
ae Dietion aus und haben ſich daher bis in die Gegenwart auf ber Dühne 
erhalten, . P. 
Toga, war 'bei den Römern ein wollenes, rundes nur am obern Theile 
offenes, fonft aber durchaus geſchloſſenes Oberkleid ohne Aermel, welches, über 
den Kopf getworfen, den ganzen Menfchen einhüllte, doch fo, daß der rechte Arm, 
um. Freiheit damit zu haben, bei der obern Deffnung binaudgeftredt wurde, der 
linfe Arm aber den unterften linfen Saum aufbob, —* diejenigen Falten 
‚veranlaßt wurden, die fie die Schoos (Sinus) nannten. Die gewöhnliche Farbe 
dieſes Kleides war weiß (toga alba), doch wurde fie bisweilen mit einer gewiſſen 
Gattung Kreide glänzend gemacht (toga splendens) u. vergleichen zogen die Bewerber 
um ein öffentliches Amt an; bei öffentlicher und Privattrauer wurde eine ſchwarze 
(toga pulla) angezogen. Außerdem gab es eine (toga praetexta), mit einem 
vorgefchoffenen Purpurfaume wie foldhe die Oberpriefter, alle hohen Obrigkeiten, 
die Oprigfeiten in Pflanz⸗ und anderen Etädten und endlich die Rathöherren zu 
Zeiten der römifchen Spiele trugen (toga picta, palmata), mit Gold und ‘Burpur 
efidt, wahrſcheinlich waren Halmawel e eingeftidt und diefe trugen die Feld⸗ 
* bei einem Triumpheinzuge u. a. Auch jetzt iſt T. noch ein Ehrenkleid des 

apfted, das er bei der Krönung trägt. 

To genburg, eine große Landfchaft im Canton St. Gallen, ſüdweſtlich vom 
Canton Appenzell, welche zwei Bezirke, Ober: und Unter⸗T., ausmacht. Sie war 
vormals eine Graffchaft und ihre Herren waren ſehr mädıtig; fpäter, feit dem 
Sahre 1468, doch mit vielen Breibelten, dem Abt von St. Gallen untergeben, 
feit 1803 aber dem Ganton St. Ballen zugetheilt. — T. ift ein zwölf Stunden 
langes und größtentheils ſehr ſchmales Thal, das fidh in der Gegend von Wyl 
öffnet und von da der Thur nach aufwärts fteigt, die in demfelben entfpringt 
und durch Bäche, die von allen Seiten herabflürzen, vergrößert wird. Es wird 
umgeben: weftlid Anfangs von der Allmanndkette, dann von dem Speer, dem 
Leiſtlamm und den Kuhfirften, nordöſtlich von den hohen Appenzellerbergen, ine 


Zoife-- Voledo. tt 


kbirgäfette, die vom Saͤntis gegen die Kuhſirſten binftreicht und über welche ein 

eht, trennt das gen en Bam che Werdenberg. Der tiefer —* 

9 vol * Huͤgel, wo der ſtark betriebene Feldbau de gebe; bins 
e 


Kocnypen von 


der höhere nur Alpen und Wiefen, vie durch echſelung 
ern und Obitbäumen, mit Vergabhaͤngen, die bald Schloͤſſer, 
gen bebeden, einen lieblichen Anblid gewähren. “Die übergroße 
- (man Pi über 48,000 Seelen), deren größter Theil reformirt hi 
et Daher, daß die Einwohner une dem Fabrikweſen gewidmet 






den viele e von und Baumwolle verfertigt. In mehren 
| fer und Manufalturen. Die große Land⸗ 
saße von St. Ballen und Ganten Appenzell nach Blarud und dem Wallen⸗ 


idterfee geht durch das T. und über die Berghöhe bei Bilbhaus. 
€, ein franzoͤſiſches Längenmaß. Die neue T. iſt == 2 Mötres (1 Mötre 
— ‚936 Pariſer Linien), die alte T. == 6 Fuß a 141 Baifer Linten. 
nigreich8 Ungarn, 


—— in der pliner anſchaft des Kö 
n fie des Bodrog in —2 mit 5000 Einwohnern, 4.-Kicchen, 
a a a ne aa 
| zniederlage. t 
m den del mit Tokaier Wein. Der „König der Beinen, das edelſte und 
zeugniß 

Ab 






# . 
e Erzeugniß Ungarns, wächst auf einer zwiſchen der Theiß und dem 
aan binziehennen Anhöhe, welche 5 Meilen in der Binde ſich erfiredt und den 
hier fü bang der Karpalden bildet, Diefes Weingebirge, deſſen hoͤch⸗ 
ee: Bunt 700° über der Seehöhe liegt, wird von den Ungarn Hegyalla ges 
sunt, und feine Rebenpflanzungen beveden 48,000 Morgen, Es iR mit den 
ollſten Kiosf’d und Veranda's geſchmuͤckt, und an feinem Buße lagern ans 
tfer und Fleden in großer eng fo wie auch Preßhaͤuſer u. Keller 
wölbe, mehr ald 1000 an-ber Zahl. Die Befchaffenheit des Bodens weist 
vulfantfchen Urfprung, auch ift das Gebirge noch der Fundort mehrer Mes 
und Halbedelfteine, namentlich von Rubinen, Karnlolen, Luchöfaphiren und 
aſpiſen. Das vorzüglich Erdreich und die befte Lage bat der fogenannte 
berefienberg oder Mezed Male (Honigfelm) in der Rähe von T. und au 
inen Hängen ift denn auch der Sig der evelften ungarifchen Traube, N 
Ssirmay de Szirma hat Bela IV. bier 1241 die erften Reben aus Italien und 
Rorea angepflanzt. Der Tokaier ift frei von aller Säure, beflgt einen feltenen 
rad Feuer, dabei übertrifft die Proportion feined Alkohols die von jedem andern ’ 
Beine, und binfichtlidy des Aroma's kommen ihm kaum die italienifdyen und 
tiechifchen Weine gleich. Die Lefe beginnt niemale vor dem Ende Oktobers 
nd gleicht einem eigentlichen Rationalfefte, indem viele Taufende aus allen Ges 
enden des Reiches 4 hier verſammeln. Man geht mit unendl Sorgfalt 
a Werke, ganz beſonders aber werben die Trockenbeeren behandelt. Nachdem 
tan fie mit größter Achtſamkeit ausgeſchieden bat, werben fie in ein Gefäß mit 
urchlöchertem Boden aefhätie, wo der blo8 durch den Drud ihres eigenen 
zewichtes außfließende Saft jene ölige Flüßigkeit gibt, die unter dem Namen 
‚ofaier &ffenz befannt if. Fließt nichts mehr ab, fo kommen diefe Beeren 
a ein anderes Gefäß, erhalten einen Aufguß von orbinärem Tokaier Moft aus 
ollreifen Trauben, werben jeht gepreßt, und das Produkt iſt der fogenannte 
lusbruch. Aus einer nochmaligen PBrefiung nach wiederholten Aufgüſſe ent- 
ht endlich die dritte Sorte, der Maszlas. Im Durchſchnitte ſchäzt man 
en jährlichen Mittelertrag der Hegyalla auf 180,000 Breßburger Eimer (der 
Hmer 36 Wiener Maß haltend). Die Preife haben indefien Teinen Maßſtab, 
md find nur bei gelagerten Weinen minder ſchwankend. So zahlt man für den 
Hmer 10 — 20jährt en Tokaier Efienz 60 — 100 Dukaten, für alten guten 
lusbruch AO — 65 Dukaten und für Maszlas von gleichem Alter 15 — 30 


aten. mD. 
Toledo, Stadt im Königreiche Neukaſtilien und Sig des Erabiichofess 





172 Toleranz. 


Primas von Spanten, bedeckt mit feinen mannichfaltigen, zum Theil verfallenen 
Säuferreiben die Abhänge eine® gegen den Tajo vorfpringenden Granitberges, und 
it von doppelten Mauern, auf weldyen über 100 Thürme flehen, umgürtet. Die 
Straßen find eng, krumm, fteil, dazu fchlecht gepflaftert, und nur eine einzige 
fann mit Wagen befahren werden. Die Gebäude zeigen den verfchienenartigften 
Gharafter; die Juden, die Römer, die Gothen, die Araber, das Mittelalter und 
daB Roccoco des 18. Jahrhunderts haben im Innern der Stadt ihre Werfe 
zurüdgelaffen. Unter den Kirchen verdient die Kathedrale befonvere Aufmerk⸗ 
famfeit, ein hochberühmtes Bauwerk im ſpaniſch⸗ gothifchen Style, eines ber 
prächtigften Gotteshäufer Spanien's und eined der reichflen der ganzen Chriſten⸗ 
heit. Das Schniswerf im Chore ift von unübertrefflicher Zartheit und Reinheit, 
die Altäre frogen von Gold und Silber und der Reichthum des Kirchenſchatzes 
gränzt an's Fabelhafte. Das Feſtgewand der heil. Jungfrau allen, auf Gold; 
grumd mit Perlen und Edelſteinen geftidt, wird auf mehre Millionen gefchätt, 
und folder Koftbarfeiten gibt es noch viele. Die Bibliothek des Domes enthält 
eine beträchtliche Sammlung arabifcher Manuferipte. Die fchöne gothifche Kirche 
San Juan de 108 Reyes kommt zunächſt der Kathedrale. Die rund um 
das Gebäude aufgehängten Ketten find die der chriftlichen Gefangenen, welche 
man bei der Eroberung von Granada In den Kerfern der Mauren fand. Bon 
den übrigen Kirdyen waren viele ehedem Mofcheen oder Synagogen, und tragen 
die alte Form faft noch unverändert zur Schau. Im Ganzen hat 3. 27 Pfarr; 
eien, und vor ber Unterbrüdung ber geiftlichen Körperfchaften zählte es nicht 
weniger ald 38 Klöfter. Für Unterricht und Bildung forgen eine Univerfität 
u. mehre Gymnafien. — Der Alcazar, der alte Palaſt der maurifchen Könige, 
wie er früher der Palaft der Gothenföntge gewefen war, ift auf dem höchften 
Gipfel des Stadtberged erbaut und überragt ftolz alle Gegenflände ringsum. 
Karl V. ließ unter dem Gebäude Ställe für 3000 Pferde auswölben. 1710 
wurde ed von den Engländern und ‘Bortugiefen durch Brand zerflört, u. darauf 
nur nothduͤrftig wieder bergeftellt. Seht geben vie koͤniglichen Hallen einer Ars 
menkolonie und einer Seidenmanufattur Raum. Noch find bemerfenswerth das 
durch feine mauriſche Bauart fich auszeichnende Sonnenthor, der weitläufige erz⸗ 
bifchöfliche Palaft und das fchöne Stadthaus. — In den Tagen feined Glanzes 
hatte T. eine Bevölferung von 150,000 Seele, aber davon find kaum noch 
20,000 übrig. Auch die im Mittelalter berühmte Induſtrie der Stadt iſt unter⸗ 
egangen, und was die guten Klingen betrifft, welche hier verfertiget werben, fo 
I diefer Fabrikationszweig ebenfall8 Tange nicht mehr die Bedeutung, wie 
früher. Ueberhaupt zeigt T. allentbalben die Merkmale der Berfunfenbeit; es ift 
ein trauriger Aufenthalt, ohne Regſamkeit und gefelfchaftlicddes Leben. — Alten 
Sagen aufol e fol die Stadt durch die Juden erbaut worden fen, doch if 
wahrfeeinlicher, daß die Karthager ihre Begründer geweien. Die Römer nann⸗ 
ten fie Toletum. Zur Zeit der Herrfchaft der Gothen in Spanien, war fte bie 
Hauptftadt des Reiches derfelben. Noch mehr fchwang fie ſich unter den Mauren 
empor; damals war fie einer der vornehmften Site arabiſcher Gelehrſamkeit und 
ftand in der höchſten Blüthe. 1085 wurde fie von Alphons VI., Könige von 
Kaftilien, erobert. Unter den Städten Kafliliens, welche fih gegen Karl's V. 
Verlegungen der alten Landesfreiheiten erhoben, trat T. an der Spite auf, wi⸗ 
derftand auch am Längften der Heeresmacht des Kaiſers. Don Juan de Padilla, 
ein edler Toledaner, büßte das Verbrechen, feine Mitbürger zum Kampfe ge en 
die Tyrannei angefeuert zu haben, mit dem Tode durch das Henferbeil, und bie 
Rache des königlichen Sieger ging fo weit, daß er fogar bad Haus feines 
Gegners bis auf den Grund niederreißen ließ. Die leere Stelle iſt aber nach 
der Anfchauungsweife der Gegenwart nicht mehr ein Denkmal der Schande, 
fondern ein Ehrenplag für den lebten Vörkämpfer kaſtilianiſcher Freiheit. mD. 
Toleranz ift das in ver Liebe gegründete Benehmen gegen fremde Religionss 
Genoſen, vermöge beffen wir im Zweifel immer das Beſſere vermuthen und 


Toll. 173 
dfichtlich ihrer Abweichung von unferem Glauben Bott das Urtheil überlafien ; 
cd folchen, ihrer Religion wegen, weder einen Liebeövienft verfagen, noch ſie 
fm, noch anfıinden, nody fie verfolgen, überhaupt Gewiffensfreiheit gegen fie 
en. — Die T. im theologifchen Sinne fann nach Fatholifchen Grundſätzen 
der Kirche nicht in der Art flattfinden, daß man den verfchiedenen, fich einan- 
r widerfitebenden, Religions » Meinungen u. Lehren beipflichtet, ihnen anhängt, 
ee ſich zu ihnen bekennt, indem ein ſolches Benehmen nicht nur gegen den 
—e— ſondern auch gegen die Form u. Verfafſſung der Kirche verſtoßen 
d auf kirchlichem Boden nur Indifferentismus erzeugen würde. Jede Ab- 
ichung von dem pofltiven Glauben und der Grundverfafjung der Kirche würde 
e Verlegung des eigentlichen Firchlichen Prinzips und, nad Umftänven, felbft 
e Zerflörung deflelben feyn. Die Kirche muß vielmehr überall da, wo fie den 
rtbum findet, befonders den formellen, fchon ihrer Selbfterhaltung wegen mit 
honung und Liebe und überhaupt innerhalb der Gränzen aller erlaubten Mittel, 

e auf die innere Meberzeugung wirken, zu berichtigen fuchen; denn T. ſchließt 
: Befugniß nicht aus, daß eine Kirdye, befonders, wenn fie angegriffen wird, 
en Lehrbegriff und ihre Berfaffung vertbeidigen, erläutern, mit- Öründen er⸗ 
iſen und folche in ihrer Reinheit darftellen dürfe. Uebrigens kann die Kirche 
che ihrer Genofien, welche ihre Glaubens⸗Satzungen nidyt annehmen und ber 
geführten Kirchenzucht fi) nicht unterwerfen wollen, von ihrer Gemeinfchaft 
ichließen, keineswegs aber fann fie gegen diefelben ihre Glaubens⸗Lehren mit 
Berem Zwang geltend machen, d. h., Me darf nicht deshalb mit Strafen ein- 
reiten, noch —2*— Religionsverwandte zum Eintritte in ſte zwingen, oder fie 
rch Lift zum Uebertritte verleiten. Ondeffen ſchließt die Unguläffigfeit der T. im 
wlogifchen Sinne die bürgerlidye oder politiſche T. keineswegs auß, 
{che legtere in dem Rechte der vollfommenen Gewiffendfreihelt begründet if. — 
ie bürgerliche T., welche allen SKirchengefellfchaften, deren Religionsbefenntmiffe 
ha dem Zwede des Staates vereinigen laffen, freie Uebung ihrer Religion 

artet, kann auf dem Gebiete des Staated wohl beftehen, weil diefer nur die 

Aigionsverhältnifie nach Außen und in Beziehung auf den Staatszweck beur- 
lt. Diefeibe unterfchelvdet fi) in die öffe ntlide und Privat⸗T. Erftere 
trifft dad Benehmen des Staated gegen die in ihm beftehenden Religiondgefell- 
aften, letztete das Benehmen des einzelnen Individuums gegen Andere, bie 
ıe6 andern Glaubens find. Rüdfichtlih ver öffentlichen bürgerlichen Duldung 
an der Staat entweder eine Kirche al& die herrfchende erflären u. den übrigen 
eligiond » Barteien nur die Uebung ihrer Religion unter gewiffen Levingungen 
Ratten, oder es genießen fämmtliche chriftliche Kirchengeſellſchaften gleiche Rechte. 
ie bürgerliche T. ift in allen ceuropäifchen Staaten, welche Conftitutionen haben 
d namentlich in den Grundrechten der deutfchen Nation, unbedingt audge- 
ochen und felbft Sultan Mahmud II. bat 1838 ein großartiges T.⸗Edikt cr- 
fen, wonach allen Religiongfekten der freie und öffentliche Kultus geftattet ift. 
- Bon Privat⸗T., d. 5. tolerantem Benehmen Einzelner gegen Einzelne, auch 
x als Boftulat noch fprechen zu wollen, wäre in unfern Tagen wohl überflüffig. 
ı diefer Beziehung hat ein großer Staatsmann, dem ewiß Niemand Hinneig- 
g zur Mode des Tages Echuld gibt, Fürft Metternich, ſchon vor Jahren den 
nfwürdigen Ausfpruch gethan: „einem Andern T. gegen fich zugeſtehen“, heißt 
viel ald zu ihm fagen: „Erlauben Ste ung! , mein Herr, as auch ich auf 
er Welt bin und andere Anfichten habe, als Sie“. 

Toll, Karl, Graf von, geboren 1778 in Liefland, ward im Land» 
bettenhaufe zu Petersburg erzogen, trat al8 Offizier in den Generalftab und 
gleitete Suw arow auf dem Feldzuge in Italien und der Echweiz, machte die 
Adzüge 1805, 1806 und 1808 — 1812 in der Türfel in gleicher Eigenfchaft 
it und war beim Ausbruche des Kriegee 1812 Oberſt. NIE folchen wählte 
n Kutufow zu feinem Oberquartiermeifter und von Ihm wurde ein Theil der 
perationen geleitet, die den Feldzug der Ruſſen 1812, 1813 und 1814 fiegreich 


174 Tollkraut — Tombad. 


machten. Nach Kutuſow's Tode befand fi 3. fat immer im Hauptquartiere 
des Kaifers Alerander, ward 1812 Generalmajor und 1814 Generallieutenant. 
Epäter, nad) dem Frieden von 1815, war er Chef des Generalftabes der erften 
Armce und begleitete ald jeiher den General Diebitfch in den Türtenfrieg, ward 
General der Infanterie, begleitete Diebitſch 1831 nach Polen, focht dort die 
erften Echladhten mit, leitete nach Diebitfch’8 Tode das Heercommando und be 
gm die Umgehung Warfchau’s, um ed vom Iinfen Weichfelufer anzugreifen. 

[8 Paskewitfch dort ankam, trat er in feine vorige Stellung zurüd, nahm nach 
Berwingung der Polen feinen Abſchied und lebte als Generaldirektor der Weg» 
communicationen und Staatsbauten, ®eneral der Infanterie und Generaladjutant 
ded Kaiſers in Peteroburg; er ftarb daſelbſt 1842. 

Tollkraut, ſ. Belladonna. 

Tolsſstoi, Peter, Graf von, geboren zu Moskau um die Mitte des 
17. Jahrhunderts, wurde 1702 von Peter dem Großen ald Garde⸗Kapitän nach 
Konftantinopel geſchickt, um den Frieden mit der Türkei zu unterbandeln. Der 
Zweck wurde erreicht: T. blieb in SKonftantinopel und Peter ernannte ihn 1710 
zum Geheimen Rathe. 1712 wurde 3. in die 7 Thürme geworfen; 1714 freiges 
laffen, Eehrte er nach Moskau zurüd, wurde Senator und begleitete Peter L auf 
feinen Reifen nach Holland und Franfreih. Bon Paris aus fendete Peter I. 
T. nah Wien u. von da nach Neapel, wo er den Groffürften Alerts werhaftee 
und erhob ihn dann zum Präfiventen des Handelskollegiums. 1722 begleitete 
T. den Ezar nach Perſien, ward zum Grafen ernannt und verließ Peter ven 
Großen bis zu deſſen Tode nicht mehr. Unter Katharina I. blieb er in feinen 
Würden; aber Peter IL., Alexis Sohn, entfegte ihn verfelben, zog feine 
Güter ein und fchidte ihn iu ein Klofter, wo er 1728 farb. 

Tomaſchek, Wenzel Johann, ein talentreicher Componiſt u. Tonfünftler, 
beſonders auf der Drgel und dem Bortepiano, 1774 zu Skutſch im Chrudimer 
Kreife Böhmens geboren, kam nad) den erhaltenen erften Vorbegriffen von der 
Muſik, welche ihm fein Vater beibrachte, nady Iglau, wo er an der Minoriten- 
kirche al8 Sängerfnabe aufgenommen wurde und auch das dortige Gymnaflum 
mit vielem Fleiß und Eifer befuchte. Zugleich erhielt er von dem dortigen Or⸗ 
ganiften und Chorregenten Donat Unterricht im Generalbaffe und fand über 
haupt Gelegenheit, ſich in der praftifchen und theoretifchen Tonkunſt auszubilven. 
1798 begab er fich nad) Bag, ſetzte daſelbſt feine Studien fort und las mit 
vielem Eifer die beften theoretiichen Werke über Mufif. Auch fammelte er bier 
theoretifchsmuftfalifche Werke, copirte Vieles, ftudirte auf diefe Weiſe die Parti⸗ 
turen aroper Meifter und brachte es dadurch zu einem hohen Grade von Voll: 
fommenbeit in der theovetii - praktifopen Muſik, befonders aber errang er im 
Eontrapunfte eine wahre Meifterfchaft. In der Kolge wurde er ald Muſikdirektor 
bei dem Grafen von Bucquoy in Prag angeftellt. Er bat mehre gute Schüler 
ebilvet, unter welchen vorzugs weiſe der talentvolle, leider zu früh verftorbene, 

orzifchet zu nennen if. T.s vorzüglichfte Compofitionen find: Premier 
concert pour le clavecin, avec accompagnement de grand orchestre. Grand 
sonate pour le clavecin; Bürger’8 L2eonore, componirt für den Gefang, mit Ber 
leitung des Pianoforte (dieſe Arbeit verfchaffte ihm die Gunft des Grafen von 

ucquoy); Seraphine, eine Oper, die 1811 im fländifchen Theater zu Prag 
aufgeführt wurde. Außerdem ſchrieb er noch mehre treffliche Compofitionen für 
Pianoforte, Gefang und Orchefter, mworunter ſich bejonders eine Meſſe, dann 
mehre Senaten mit und ohne Begleitung audgelchneten. Ä 

Zombad ift eine golvähnliche Metallmifchung, die ſich befonders durch ihre 
Dehnbarkeit und Gefchmeidigfeit auszeichnet und daher vorzüglich zu Heinen 
und feinen Arbeiten aus Blech und Draht verwendet wirb, fo mie zu folchen, 
die vergolvet werden follen, da er in der Regel eine röthere Goldfarbe hat, durch 
die die Berge ung mehr Schönheit erhält. Die Zufammenfepung geichieht iv 
verfchiedenen Verhältnifien, 3. B. 92 Theile Kupfer auf 1 Theil —8 ; ober 26 


pfer, 25 Meffing und 1 Zink; 16 Kupfer, 1 Zink und 1 Zinn; 70 Rupfer, 
Meffing u. i Zinn. Der Golvf lägen Su aus welchem das unächte Blatt: 
d verfertigt wird, beſteht aus 10 pfer und 25 Zink. Nach den verfchie- 
en Zufammenjegungen fällt auch die Zarbe verfdhieden aus und man unters 
* dabe gelben, halbrothen und rothen. Der beſte wird aus japaniſchem 
p reitet. 

Zomi, Stadt in Untermöſten, von Milefiern gegründet, wurde fpäter die 
wptſtadt der thrazifchen Provinz Skythia. Hier fol die Medea ihren Bruder 
yrtos ermordet und Aestes die zerftüdelten Glieder feines Sohnes begraben 
en. Hier war e8 auch, wo der Dichter Ovid (f. d.) im Eril lebte Der 
ge Rame diefer Stadt it Tomiswar. 

Tomsk, eine der ſechs fibirifchen Gouvernements, im aftatifchen Rußland, 
bes, am obern Obi und am Kleinen Altai gelegen, auf einem Flächeninhalt 

13,800 Meilen, das 492,700 Seelen abfolute und 27 Seelen relative 
ölferung bat. Außer den fumpfigen @egenben der durchziehenden Barabinsfi- 
a Steppe iſt der Boden, befonders im füpöftlichen Theile, gut angebaut. Das 
mernement zerfällt in 6 Kreife und fleht unter einem Givilgouverneur. Haupt⸗ 
t ift T. am Fluſſe Tom, unterm 56° 29° nördl. Breite und 82° 49° Hl. 
ge, eine fchöne Stadt mit blühendem Handel, welch' letzterer Hauptfächlicy durch 
vorüberführende große Straße nach der chineftichen Gränze begünftigt iſt. 

bäufigften finden ſich dafelbft Suchtengerbereien und Zeugbrudereien, vorzugs⸗ 
fe betrieben von Türken, die einen anjehnlichen Theil ver 12,000 Seelen be⸗ 
enden Einwohnerfhaft ausmachen. Außer andern Arten verbient bier Er⸗ 
mung die Stadt Barnaul, berühmt wegen der erglebigen Bergwerfe im Altat. 
: {RR der Hauptort des gleichnamigen Kreiſes und gehört zugleich zum Koly⸗ 
sfchen Hüttenbezirke, der unabhängig vom Gouvernement 3. ift und unmittels 
unter dem kaiſerlichen Kabinet in Meteröburg ſteht. Die Stadt iſt fehr regel 
Hg und zierlidy gebaut, hat breite und gerade Straßen, mehre Boulevards, 
ppelalleen, Promenaden ıc. ; ihre Bevölkerung beträgt 9000 Einwohner, bei 
m es weder an neueften Moden, Bällen, Gefang, noch an Interefie für Kunſt 

Wiſſenſchaft fehlt. Hier hat der Statthalter de6 Gouvernementd T. feinen 
huſitz, weil er zugleich der Oberbefehlöhaber des Hüttenbeatrtee fl. Barnaul 
t faft in der Mitte des Kolywanſchen Hüttenbezirkes, ver dem Klächeninhalte 
y der Größe des Königreiches Ungarn gleich fe n möchte. Die verſchikdenen 
e fänmtlicdyer Gruben, welche auf Gold, Silber, Kupfer und Blei gebaut 
ben, find in Gehalt, Sufammenfegung und Vorkommen fehr verſchieden; zu 
maul concentrirt fi) die ganze Gold⸗ und Silberpropuftion. Nach den neues 

Ulas-Beftimmungen muß der Kolywanfche Bergbau jährlich 925 Pud Yein- 
ber und 25 Bud Gold abliefern. C. Arendis. 

Ton (vom griechiſchen reivo), Spannung, Schall, Klang der 
imme, der auf eine Sylbe oder ein Wort gelegte Nachdruck, dann auch die 
der Empfindung bervorgehende Sprech» oder Schreibweife. Der natürliche 
den das Gefühl oder der Affekt willenlos erzeugt, ſchwebt dem innern Zus 
de gemäß zwiſchen dem Höheren und er dem Stärferen und Schwä- 
en, dem Schreienden und Sanfteren, dem Helleren und Gevämpfteren, und gibt 
n für fich allein ein treues Abbild ver Seele. Die Ratur felbft liefert in die⸗ 
Weife bereits die roheren Grundzüge der Melodie, der Harmonie und des 
uhmus. Ebenſo natürlich bildet fidy aber auch ver %. zu gegliederten Lauten, 
Sprache, die nicht blos Gefühle und Affekte, fondern auch Vernunft und 
land, die ganze Geſtalt des Geiftes, in 1 aufzunehmen und mitzuthetlen 
nag, demnach den erften geiftigen Zuftänden ſowohl, wie der ganzen fchon er- 
benen Kultur ftet6 parallel iſt und bleibt, und auch fchon dieſes allgemeinen 
klangs wegen eine hervorragende äfthetifche Seite hat. Der T., auf wels 
s die Sprache fchwebt, geftattet jeden Ausdruck der Gefühle, der Affekten, ver 
enfchaften und alles deſſen, was fi) irgend auf dieſe begleht und, mit der 


476 Tonart. 


Sprache vereinigt, auch alle Ideen auf das Beſtimmteſte berühren kann, ſo daß 
ſelbſt in der Sprache als Naturprodukt ſchon die Grundzüge des Verſes, der 
Declamation und des Geſanges zu Grunde liegen und weiter nichts noͤthig iſt, 
als den dargebotenen Stoff durch allfeitige Anwendung der Ideen zur Kunft zu voll 
enden. (Bl. auch Accent, Declamation.) — In mufikaliſcher Beziehung vers 
ftanden zuvorderft die Oriechen unter T.: forwohl Klang, Stimmung u. Tonart, ale 
Intervall, Akkord u. Syſtem. Mir aber bezeichnen mit dem Ausdruck muftkalifcher 
T. überhaupt den beftimmten Schall oder Klang nach dem Verhältniß von Höhe 
und Tiefe oder die Wirfung gleichmäßig wiederfehrender Schwingungen eine6 
fchallenden Körpers in größerer oder geringerer Schnelligkeit auf unfer Ohr, ins⸗ 
befonvere jedoch jeden einzelnen Stlang unferes T.⸗Syſtems, auch die ganze T.⸗ 
Leiter und die I. Art, endlich die Art des Klanges, welchen die Töne eines In⸗ 
firumented oder einer Stimme baben (bie Klangart oder Klangfarbe), fogar die 
Bortragswelfe einer Arte. Rüdfichtlicy ihrer Göe und Tiefe werden die Durch 
anhaltenden Drud mehr herausgezogenen muſikaliſchen Töne zwar beſtimmter aufr 
gefaßt und empfunden ald die kurz jeraußgezogenen Töne der Sprache, allein 
die menfchliche Stimme hat wieder, mit den Inftrumenten verglichen, einen mans 
nigfaltigeren, ausdrudvolleren und überhaupt fchöneren T. und je mehr dieſem 
ſich der T. eined SInftrumentes nähert, um fo vollfommener ift derſelbe. Im 
Meifterfange iſt T. gleichbedeutend mit Melodie (f.d.). T. in ver Malerei 
ift der in einem Gemälde herrſchende Charakter des farbigen Lichts, insbeſondere 
aber wird bier dur 2. der Brad des Hellen und Dunfeln bezeichnet. Auch 
war ſchon bei den Griechen der Ausdruck zovos in der Malerei gebräuchlich, den 
fie nach Plinius zwifchen dem Lichte und dem Schatten febten. Der allgemeine 
T. eined Gemäldes wird übrigens durch die allgemeine Tinte deſſelben beitimmt, 
fo daß, wenn jene grau oder gelblich, e8 der T. ebenfalls ift, diefer aber die herrfchende 
oder Haupifarbe des Gemäldes ausmacht und zuweilen fogar die Bedeutung von 
Manier und Styl annimmt. Im foldyer Berlebung iſt T. nicht weiter, als bie 
in irgend einer Zufammenfegung oder Eompofition vorherrfchenne Farbe, die 
Grundfarbe des Ganzen, wie auch in der Muſik jedes Stüd feinen Grundton 
hat. Das Durchſchimmern eines befondern 3.8 aber bezeichnet Field als ben 
natürlichen Anfangs-T. des Eoloritö und nennt denfelben Wärme. u 
Tonart ift im weitern Sinn die Gattung der zu einem Tonſtück verbinds 
ungsfähigen Töne In Bezug auf den Grundton (die Tonifa, f. d.), mit wels 
hem das Etüd anfängt und gewöhnlich endet, oder auch ber Snbegeif aller 
Klänge, Intervalle und Eyſteme, die zu einem und bemfelben Hauptflange ges 
hören. Diefe ftufenweife Folge der Töne aber von dem Grundton bis zu feiner 
Dftave (die Tonletter), welche zu einer 3, verwendet wird, kann fo befchaffen 
feyn, daß fih in dem Hauptafford entweder die große over Kleine Terz befindet. 
Im erften Ball entfteht die große, harte oder Dur⸗T., im zweiten die Eleine, weiche 
oder Mol-T., fo daß 3. im engern Sinn die befondere Anwendung: der, in der 
diatonifchen Tonleiter befindlichen, Töne zu einer harmonifch:melodifchae- Tonfolge 
zu nennen wäre Da aber die Dftave in zwölf Stufen oder Töne "geheilt ih 
deren jeder zum Grundton in der harten wie in der weichen 3. genommen wer 
den kann, fo gibt es in der neuern Mufif 24 Ten, die ihren Kamen von ver 
Note empfangen, mit weldyer fie beginnen, nämli 12 Dur: und 12 Moll⸗T.en. 
Strenger genommen beftehen indeß nur zwei Haupt-T.en, C-Dur und —— 
aus welchen ſich alle andern ergeben und die ſämmtlich zum Ausdruck verichies 
denartiger Empfindungen verwendet werden, indem fle durch den Grundton, aus 
dem fie hervorgehen, einen beftimmten Charafter haben, welcher einer befonvern 
MWeife der Empfindung entfpricht. Im Allgemeinen bezeichnen die DursT.en lebs 
bafte und fröhliche, Die Moll⸗T.en dagegen weiche und traurige Gefühle und Ems 
pfindungen. — In der griechifchen Muſik bedeutet T. ebenfalls den Inbegriff 
aller Klänge, Intervalle und Syſteme, die zu einem und demſelben Hauptklange 
(Srundton, Tonita) gehören. Da aber die Intervalle in jeder T. nach von 


Tongainſeln — Tonika, uud 
„Sorfäungen dur die Symphonie (ſ. d.) geſtimmt wurben, fo find 


je der einen T. allen anderen ber Groͤße nach vollkommen gleich. 
6 und Guflives haben 13 T.en angenommen, deren 13 Toniten (Haupts 
runbtöne) in den Umfang ber Dftave eingefchloffen find. Die fpäteren 
ser nahmen 15 Ten an, deren 15 Toniken eine Rone ausmachen. Hienach 
de I. von der naͤchſt höhern und nächfl tiefern um einen halben Ton 
Die Ramen diefer 15 Ten find folgende: en —E 
—ãS fe, Hypolydiſche; Doriſche, Jaſtiſche, Phrygifche, Weoliiche, 
oriiche, Hyperiaftifche, Hyperphrygifche Hyperäoll ae u. pr 
zufolge hatten die Griechen fünf Stamm-T.en:: die Dorifche, 

? Weolifche und Lydiſche (die genannten fünf mittleren) md z 
m, welche fie durch die Worte Eh (unter) und Hyper (Aber) von 
en. Die Hypo-T.en lagen um eine Duarte tiefer, als die gleich⸗ 
Hamm-T.en, die Hyper-T.en bagegen um eine Ouarte höher. Bel ver 
ı Anwendung aber verlieren die drei höchften T.en ihr Dafeyn, weil fie 
den, nur um eine Oftave höher liegenden, länge enthalten, als bie 
m, mithin hatten die Griechen nur drei —— — Die 


a T.en wurden auch auf den Kirchengefang der eiſten chriſtlichen 
ergetragen. Der heil, —A as) alte I en 


inte fie, mit Befeitigung der griechifchen Benenmungen, ven erflen, zwei⸗ 
a und vierten Ton. hiter ee fie den Kamen Sutbentiihe 
e ädhten, richtigen T.en, die fi) vom Grundton zur Quinte und Oftave 
tem. Papſt Gregor der Große, geftorben 604, behielt dieſe bei und vers 
wit vier anderen Kirchentönen, den fogenannten Blagaltfche 1 Weide 
Durch die Verfegung der Tonreihe in die Unterquinte hervorg uü. 
Dufnte des Grundtons zur Dftave und Duodecime aufftiegen, auch von 
änderten Richtung (Plaga) wohl ihnen Ramen haben. Diefe acht 
yt man bie acht Kirchentöne zu nennen, und unter den vier authens 
ĩdoriſche, phrugifche, Iybifche und myrolybifche, unter den vier plagas 
er bie — hypophrygiſche, hypolyviſche und —— 
em. Bald darauf ſollen noch zwei authentifche T.en, die aͤoliſche und 
und zwei plagalifhe T.en, die hupoäolifche und Sivelonifhe, u ger 
cyn, worüber jedoch keine weitere Erörterung nöthig fcheint, da Gregor 
edurch die Einführung eines neuen Syftems der T.en die fieben Töne 
re mit den fieben erften Buchftaben des Iateinifchen aghebee Berl 
b,c, d, e, f, g, ftatt der griechifchen Benennungen. Bgl. den Artifel 
efang. 
P ch oder Breundfchaftsinfeln, ein zu Wuftralten gehöriger 
von 188 Infeln im flillen Ocean, worunter 32 größere von 19° 44' 
32° füdlicher Breite und 200° — 204° öftlicher Länge, wurden wenige 
Theil 1643 von dem Holländer Tasman entdedt. Bon Cook, ver fie 
1777 befuchte, erhielten fie wegen der gaftfreundfchaftlichen —— 
I den Einwohnern gefunden hatte, den Namen Freundfchaftsinfeln. 8 
Auferft fchön und I Vegetation und Gefundheit jehr zuträglich. Steine 
tr iR ohne füßes Wafler. Die Zahl der Bewohner mag ſich auf 200,000 
Diefelben find von mittlerer Größe umd wohl proportiontrt, Fupfer- 
d zeichnen ſich durch freundlichen Sinn, Freigebigfeit, Großmuth, Ehr⸗ 
ıd Kunftfleiß vor den andern Süpfeebewohnern aus; body herrichte auch 
die Sitte der Menfchenopfer. Die bürgerliche Berfaffung der Inſeln 
ie naeh Die meiften derfelben flehen unter der Botmäßigkeit 
ſcheis auf der Infel Tongatabu. Die Bekel rung ber Bewohner gem 
um wurde felt 1820 mit Erfolg durch britiſche Mifftonäre betrieben. 
te der Infeln iſt Wawau. 
ſchlecht, ſ. Klanggeſchlecht. 

fa, der erfte ober Grundton der diatoniſchen Tonleiter, die runde Nex 
nispidle. X. 1% 


178 Tonkabohnen — Toufur. 


aupttonart, bie berrfchende Tonart eines Stücks auch genannt Grund» wi 

auptton, Prinzipals und toniſche Note und Finalſaite, weil in der Regel m 
diefer Note vom Baß das Stüd geibtofen wird. Der auf der T. ruhende 4 
ford ift allemal der vollflommene Dreiflang (f. d.). 

Tonkabohnen, Tunkabohnen (Fabae seu Semen Tonco) find die Sam 
des in den großen Waldungen Guarnas einheimifhen wohlriechenden To: 
febaumes (Dipterix odorata Willdenow),. Man unserfcheidet im Handel zw 
Sorten und zwar: hollänpdifche T., fie find länglich, gerade over auch etw⸗ 
gefrümmt, 1 —1$ 300 lang, 2—4 Linien breit und enthalten unter der bräu 
lich ſchwarzen, dünnen Schale einen hellbraunen, Hligen Kern von fehr angenel 
men Geruch und gewürghaften, beißend bittern Geſchmach; ferner englifche 3 
welche Heiner, außen faft fhwarz, Innen gelblich weiß find und Fräftigern Geru 
und Geſchmack befigen; fie ftammen wahrrhein! ch von dem in Gayenne häufige 
Baume (Dipterix oppositifolia),. Die organifche Chemie fand in der T. ei 
eigenthümlicye Subftanz, welche von Gouibourt Coumarin, (der Baum heißt au 
Coumarouna odorata Qubl.) genannt wurde. In Amerifa benüst man die 3 
al8 ein reizendes und fchweißtreibennes Mittel, in Europa machen die Homdk 
pathen von ihnen Gebrauch; außerdem legt man ſie gerne zwifchen Schnupftaba 
um biefen woblriechend zu machen. | C. Arendts. 

Tonkunft, |. Muſik. 

Tonne, kommt ald Gewicht⸗, Getreide- und Flüffigfeitsmaß u. f. w. vo 
1) Das Tun (Ton), ein Gewicht von 20 engl. Gentnern (Hundreweights 1 = 11 
Pfd. Avoir du poids oder Demelegewicht) als engl. Körpermaß ift die T. & 
Quartres — 4 Rafl; 1 3. Weinmaß = 2 Pipen = 8 Barrels = 252 Gallon: 
1 Tun oder Fudder Blei in London und Hull hält 194, in Rollen 20 Hundred 
zu Cheſter 20, zu Newcaſtle 21 u.|.w. 2) Die Schiffs-T., ein Gewicht od 
Maß bei Befrachtung der Schiffe und zur Belimmung ihres Ten⸗Gehalte 
(ſ. Lafl). 3) Ein Flüſſigkeitsmaß (bei Bier, Thran u. : w.) in Norddeutſchlanl 
Dänemarf, Schweden u. f. w. In Dresden wird das Gebräude Bier ; 
24 Faß a 2 Viertel, 4 T., 7 Schodfannen, 280 Bifir- und 420 Dresden 
Kannen; in Zeipzig aber zu 16 Faß a 2 Viertel, 4 T, 300 Sannen Leipzig: 
Schenkmaß gerechnet; in Berlin ein Gebräude = 9 Hufen = 18 Faß = 3 
T., alfo 1 Bier-T. = 100 Quart, und in Königsberg beim Biermaß d 
Laſt zu 12 T. a 100 Berliner Quart. Die La Theer hat ebenfalls 12 2 
Sn Kopenhagen ift 1 Bier-T. — 136 Pott. In Stodholm if 13 
flüffiger Waaren = 48 Kannen = 96 Stop = 384 Quartier = 1536 Jungfen 
Die Theer: und Pech⸗T. darf ein Stop Heiner feyn. 4) Ein Getreidema 
und Maß für andere trodene Waaren in Norbveutfchland, Dänemark, Schw: 
den, England, den Niederlanden u. |. w. 5) Ein Feldmaß: in Dänemaı 
ift die T. Hartlorn, je nach Beichaffenheit des Bodens, von fehr verſchieden 
Größe, circa 44 — 84 Berliner Morgen. Ein Pflug fchleswigifh hält 8 T. Har 
forn in 4 T. Saatland. Die T. Hartlorn beträgt am Land 210,280 und d 
T. Saatland 52,570 franzöftfche [I Fuß. In Schweden hält die T. Ausfaı 
56,000 fcywebifche [] Fuß oder 49,353 franzöfifche Aren. Endlich iſt 6) eine 2 
Goldes = 100,000 Thaler in Gold. 

Tonnengewölbe, |. Gewölbe. 

Zonnerre, f. Clermont-Tonnerre. 

ae (Corona clericalis), heißt eine, auf dem bintern Theile des Haupte 
runde, gejcherte Platte. Zuerft wurde ver Gebrauß, die Haare abzufcheren, b 
den Ordensgeiftlihen und Einftedlern eingeführt. Bon diefen IR er nun audy at 
die Kleriker übergegangen. Legtere ahmten die Mönchs⸗T. im Mittelalter um f 
lteber nach, weil fie dadurch der Mode, welche in jenen Zeiten befonders mit be 
Haaren zu fchaffen machte, entzogen wurden. — Die erfte Spur von T. findet ma 
im 17. Jahrhunderte. Im 8. Jahrhunderte aber ſcheint fie ſchon vor der Ordi 
nation gegeben worden zu ſeyn. Der Tonfuritte wird als Kleriker angefeher 


Tontine — Topfſtein. 179 


wenn er auch die Weihe nicht felbft [on empfangen hat. Webrigens ift heut zu 
Zuge die T. in manchen Diözefen vielfach außer Gebrauch gefommen. Ohnehin 
iR dad Privilegium des Gerichtöftandes, deflen ſich derjenige Kleriker, ver die T. 
nicht trägt, nicht erfreuen foll, gegenwärtig außer Wirffamfeit geſetzt. — Ge⸗ 
wöhulich ertheilt der Biſchof die T. bei der hl. Meſſe, jedoch kann er dieß auch 
außer derſelben thun. Uebrigens dürfen Cardinale, die nicht Biſchöfe find, tn 
ihren Kirchen und die Prälaten ihren Ordenoprofeſſen dieſelbe ertheilen. Sie ift 
keine geiftliche Weihe, fondern nur eine Vorbereitung zu den bi, Weihen. Sie 
Eınn Allen gegeben werben, die den ernftlichen Willen haben, im Klerikalſtande Gott 
tm zu dienen, die lefen und fchreiben Fönnen, in den Anfangegründen des 
Blauben® unterrichtet find. und das Sakrament der Firmung empfangen haben. 

Zontine oder Befellichaftsrente, iſt eine befonvere Art von Leibrenten, 
zu deren Anlauf ſich eine ganze Geſellſchaft bildet, welcher die Rente bis zum eintre- 
senden Tode ihres allerichten Mitgliedes jährlich unverfürzt gerahit wird. Es 
wird mithin der baare Werth der 3. gleich feyn dem baaren WWertbe einer Zeits 
sente auf die Dauer ded am längften Lebenden dieſer Gefellfchaft, welche Dauer 
yurd) die naahriigeinlichfelierechnung befimmt werden muß. Hiebei ift es ganz 
narärlich, daß, je mehr Mitglieder fterben, deſto größer die Dividende, d. h. 
ver Antheil an der Rente eined jeden der, noch lebenden, Mitglieder ausfallen 
mus. Dan bat auch zufammengefegte T.n, die jedoch nicht fo beliebt find; 
über Ddiefelben, fowie über T. überhaupt f. Süßmild „Göttliche Ordnung“ 
FAR F er Ausgabe, Berlin 1775 und Jahn „Wahrfcheinlichfeitsrechnung“, 

q . 

Top, Topp, überhaupt das oberfte Ende eines aufrechtftehenden Holzes, beißt 
au den Maflen, welche eine Stange tragen, das Stüd zwifchen dem Gielenaupt 
uns den Seelingen, bei den anderen hingegen, bie feinen Aufſatz haben, tft es 
immer die oberfte Spitze. 

Topas, einer der befannteften und nicht fehr koßbaren Evelfteine, befteht aus 
Kieſelerde, Thonerde und Fluor oder Flußfäure; er kryſtalliſirt in rhombiſchen 
Prismen (ſ. Kryftalle), deren man im Ural von 4 Zoll Länge und Dide 
findet. Die gewöhnliche Farbe des T. ift weingelb, doch fommt er auch farblos, 
blaugrünlich und röthlih vor; durch gelindes Glühen läßt er fich rofenroth 
färben. Seine Härte fteht über jener des Bergfryftalles oder Quarzes. Mit 
Duarz und Turmalin (f. dd.) gewengt, bildet er im Voigtlande ein Kleines 
Gebirge, den fogenannten Schnedenftein. Schöne und brauchbare Gremplare 
liefern beſonders: Brafilien (die Gegend von Billa rica), Eibiren und Sachſen, 
legtere find jedoch größtentheild nur ſchwach gefärbt. Nofenrothe und farblofe 
Te eben ziemlich hoch im Preiſe: von den gelben Steinen wird das Karat 
mu 6—8 fl. bezahlt; am wohlfeilften find die füchfifchen rohen T.e, von welchen 
dad Pfund fogenannter Ringfteine nicht über 30 Thaler koſtet. Bon den 
Alten wurde der häutige Chryſolith cf. d.), als 3. bezeichnet und pulverifirt 
mit Wein getrunfen, wo er gegen das Fieber und die Melancholie geholfen ha⸗ 
ben fol. C. Arendts. 

Zopfltein oder Lavezftein, auch Gtltftein und Comerſtein genannt, 
ein zu den talfs oder bittererdigen Mineralien gehörender weicher Stein, von 
grünlich grauer, zuweilen in's Lauch» oder Schwärzlichgrüne übergehender Yarbe, 
2,6 bi8 2,8 fpezififchem Gewicht, blätterig-fchuppigem Gefüge, fplitterigem oder 
unebenem Bruche, Perlmutter- oder Fettglanz, an den Kanten ſchwach durch⸗ 
fheinend. Er findet fi in mächtigen Lagern in Graubündten, Wallis, dem 
Beltlin, namentlich bei Profto in der Nähe von Chiavenna, in Tyrol, Salzburg, 
Echweden, Norwegen, Grönland, Korfifa, Oberägypten ꝛc.; eine Art deſſelben 
iR der fogenannte Dsmundftein in Schottland. Da er, wenn er aus dem 
Bruche fommt, ſich leicht fchneiden und drehen läßt, dabei aber fich im Feuer 
ſeht gut hält und den Geſchmack der Speilen und Getränfe nicht verändert, fo 
werden in Proſto und andern Orten viel Töpfe, Keflel, Tiegel, ao u. Kaffee 


180 Topik — Torenno. 


Geſchirre, Krüge, Bowlen, Buͤchſen ꝛc., ferner Schreibzeuge, Heerd-, Kamin⸗ 
und Backoͤfenplatten und dgl. daraus verfertigt. Die Kochgeſchirre werden ge⸗ 


wöhnlich mit eiſernen oder kupfernen Ringen verfehen. Ebenſo verfertiget man 


auch in der Schweiz allerhand Gefäße u. namentlich Dfenauffäte daraus. Durch 
das Brennen in Feuer wird der Stein härter, ohne eine nachtbeilige Beränders 


ung zu erleiden, 


Topil (griechiſch roxıny, scil. rixvy), IR wörtlich bie Kunft, Gemeindrter 
oder Gemeinpläge (Toroı) zu finden. Den Griechen und Römern war fie daher ' 


die Zufammenftelung allgemeiner Begriffe und Säte in ſyſtematiſcher Ordnung 
als Hülfsmittel zur —*— 


ndung und glüdlichen Wahl der evidenteſten Beweiſe. 


Arifioteled erklärt fie auch für die Kunfl, einen yproblematifchen Sag nach den 
4 Momenten: Definition, Genus, Proprium und Accidens au beurtheilen und 
verfteht alfo hierunter mehr die Dialektik. Die Alten unterfchieven aber auch 


noch zwifchen Beweisplägen (röroı, loci argumentorum, Duellen der Bewelfe) 


und Gemeinplätzen; von den erfteren, ald gemeinen Begriffen gingen fie auf den ' 
einzelnen Kal zurüd, und von den letzteren, als allgemeinen Säßen, fliegen fie 


zu dem Genus der durch die Beweisquellen bezeichneten :Berfonen und That- 
fachen auf. Sie verfuhren alfo hiebei nach der analytifchen und funthetifchen, 
oder nach der regreffiven und progreffiven Methode. Die neuere Rhetorik — 
nad) Maßgabe des veränderten Zweckes der Beredſamkeit — bezieht ſich meiſt 
nur auf die geirlihe; aber auch dieſe hat für eine befondere Bearbeitung der 
bomtletifchen T., zum Behufe der Previgtmebitation und Ausführung, reichen 
Stoff aud der T. der Alten erhalten. Im engeren Sinne aber ift 3. gleichbes 
deutend mit Topologie, topifcher Theologie, biblifcher T., weldye auf 
analytifchem Wege den Lehrbegriff der chriftlichen Dogmatif aus den fogenannten 
Beweiöftellen des neuen Teftamentes zu ermitteln fucht, zu deren Wahl und Bes 
handlung fie hauptfächlich die unentbehrlichften Grundfäge ſyſtematiſch aufftellt. 
No wird endlih T. gleichfam im metaphufifchen Sinne gebraucht, infofern fie 
auf die Grundbegriffe der menfchlichen Erfenntnig geftügt, den Umfang der 
legteren angibt und entwidelt. Kant nennt fie deßhalb die transcendentale T. 
Sie tft dann audy überhaupt der fuftematifche Gliederbau einer jeden Wiffenfchaft. 
Man fpridht auch noch von einer ffeptifchen T., worin die Quellen und Plaͤtze 
dee Toni pargefteilt Werden. ciſch — zrtlich; im ſpeziell 

op (abgeleitet vom griechiſchen roros, Ort), örtlich; im ſpeziellen 
Sinne Alles, was auf Gemeinplaͤtze Deaug hat (f. Topif). — Dertlidye Heils 
mittel (topica), entgegengefebt den allgemeinen, wendet der Arzt, befonder6 ber 
Chirurg, —ã auf einzelne Theile und Stellen des Körpers äußerlich 
an. — Die t.e Methode ift das homiletifche Verfahren, eine Fürzere Erflärung 
des Textes vorauszufchlden, auf deren Grund man einen Gemeinplag, eine all: 
gemeine Wahrheit, ausführlich erörtert (predigt). — T.e Fächer nannte man 
auch fonft die wörtlich niedergefchriebenen Rollen der Schaufpieler. 

Topograpbie, Ortsbeihreibung, ift die genauere Befchreibung einer 
Gegend, einer Stadt ꝛc., Gewäſſer, Berge, Wälder, beſonders angebaute Plaͤtze, 
einzelne Wohnungen, Wege, Brüden, Gaſſen und ihre Verbindung unter einan- 
der find die weientlichften Gegenftände derſelben. Inter einer topographifchen 
Zeichnung oder Aufnahme denke man ſich demnach eine foldye, wo alle biefe 
Caegenände tm Grundriffe beflimmt und genau angegeben find. Man unter: 
ſcheidet fie von generellen Riffen, wo dieſe Bezeichnungen [eblen, und dann wies 
derum von Riffen befonderer Zweige, ald Cameralrifie, milttärifche Riffe, Waffer- 
bauriffe, wo jedesmal die darauf Bezug babenden Gegenftände befonders heraus⸗ 
gehoben, bemerkt und ausführlich dargeſtellt find. 

Torenno, Don Joje Maria Queypo de Llano Ruiz de Saravia 
Eonde de T., geboron 1786 zu Dviedo in Afturien, ſtudirte Raturwifienfchaften 
und neuere Sprachen, nahm an dem Aufftande gegen die Franzoſen 1808 leb- 
haften Antheil, unterhandelte die Allianz mit England, warb 1810 und 1812 


Lorentik — "Por ar Bl 


viel zur Regulirung der Finanzen, aber au 
ve KR ne Rah Beinen d's VI. Ruckkehr mußte: 
Gurte hrt, jeichnete er fich unter den Cortes 
{ns von Reuem verbannt, lebte er 
2 Bhf —* el Gluck. ter, nach erlaſſener 
{en —— ward er * Ferdinand's VI. 













3 den. 
—* —* den Sohn Dudinors und der telerin Sr 
legte er fein Riniſterium nieder, ie 1836, — * 
n, —— und flarb 1 

$ Histolla dei — — guerra y revolueion de Eopana, Par 

EINE —— eingtab fo, der BT 
Zoxentit (vom Griech en r os rehen, eingtaben, folite, 

—— wm Gr in 








werben, Bin u ee Bern ‚Si 
® auch n nem au eren „wi 


gen dm Sm ae verſtanden darımter d en 
die n er —3 — die Benennung mu 

‘ober. au ebene Blguren bi rdenen Gefäßen, auf. das en be bei 
| 6 ge Bildnerei pi Drotie, in Elfenbein, H Sch, In an in Erz ans 

In 'ueueser er det a bauptfächtich durch Schneiber, die Bedeu 
vom — le va U befchräntt von halb oder ganz rbobenet 
ai in, * then, „enden durch Formen und Gießen hervorge⸗ 
—8 die Kunſt iſt, der au ——* Mm ertigen. ne, 
—2* u ein en Jahrhunderte v. Chr. zur on, Phidias, 
ws Gr all emein zu Gdtterftatuen und en Ferfen verwendet und 
*—* Berge im Technifchen der Erzgießerei war zu einer 
eiRerfepaft gediehen, daß die Statuen nicht einmal des Eifelteens be» 
von den feinen Zügen mithin Nichts verloren ging und bie Werke im 
bänn als feft ausfielen. Diefe Meiferihaft und Leichtigkeit erklärt 
verlei Gußwerle in einer fo außerordentlichen Anzahl geförbert 


—* 5 haͤufig angewendetes und faſt allgemein bekanntes Brenn; 
—8 tfächlich aus Pflanzenreſten, die entweder noch in ber Ver⸗ 
begeif en Aut oder dieſe bereits vollendet haben. Wenn der Boden 
ache Beden von größerem oder Fleinerem Imfange bildet, 
ann ammelte Waſſer durch unterprüdten Abfluß over gänzlidden 
genöthigt wird, einen oor zu bilden (zu flagniren), was tn 
Zone wegen ber ei ngern Verbunftung vorzugsweiſe der Fall iſt, 
ae en aller einen fo günftigen Standpunft benugen und 
—— bilden. Dieſe wird mit dem Wechſel ˖ der 
abferben und unterfinfen, um einer neuen Play zu machen, was fidh 
wieberbolt, bis der Sumpf endlich — Die ne 
werben durch Vermoderung einer rafchen Beränderun migegenge: 
Ele nehmen Sauerſtoff auf, reduciren Verbindung, die 4 
ee ihrer Umgebung befinden, 3. B. ae Sag Salze, deln Das i 
* ‚und Beriieren dann allmälig ihre Planen © Struktur, indem — 
in 2* warzbraunen, inte Schlamm übergehen. In Fleineren Ablagerungen 










= 


hie 


ul 
E5 Ki 








=R 





f 
n 





Abe man den T. faſt allenthalben; übrigens im” man audy Lager von gro 
Ki, rd wie in den Niederlanden, wo der T. das renn⸗ 
Dan In Notobeutᷣlant an ben Küften ver we in 





If 


182 Torgan — Torquemada. 


Irland. Es werden hauptfächlich zwei Arten von 3. gewonnen, bie fi} unters 
ſcheiden dur den Grad, bis zu welchem fie in ver Vermoderung vorgefchritten 
find; nämlih: jüngerer T., der ziemlich leicht iſt und deutliche Struftur der 
Wurzeln, Stengeln ıc. erfennen läßt; fernerer Alterer %., der fchwerer iſt und 
faft feine Spur von organifcher Struftur, dagegen vorherrfchenden Gehalt an 
Dammerde zeigt. Bekanntlich wird der T. in verſchieden geftalteten Stücken 
zum Verkaufe gebradyt. Seine Güte wächst mit feiner Trodenheit, Dichte und 
Teftigkeit; ein dichter T. von gleichem Umfange enthält mehr Brennfoff, als 
ein loderr. Man hat diefe Kigenfchaften durch Anwendung gut conftruirter 
Preſſen in neuerer Zeit zu erhöhen gefucht, namentlich gilt dieß von Irland; im 
Deutfchland hat Schafhacutl eine folche treffliche T.⸗Preſſe conftruirt. Im Allge⸗ 
meinen brennt der 3. langfam und verzehrt fich gleichmäßig, wobei er eine Afche 
hinterläßt, die fowohl der Menge als der Natur nach von der Holzafche wefent- 
lich verfchleden if. — T.sKohle erhält man durch Berfohlung von 3. in ver 
fchlofienen Räumen. C. Arendts. 

Torgau, Stadt und Feſtung an der Elbe, im Regierungsbezirf Merfeburg 
der preußifchen Provinz Sachſen, mit 7500 Einwohnern, einem Gymnaflum und 
einer böhern Bürgerfchule, einiger Induſtrie, die fi über Wollenwaaren, Ger⸗ 
bereien und Bierbrauerei erftredt, blühendem Handel, Schifffahrt und nicht unbes 
deutendem Hopfen» u. Weinbau. Unter ven Gebäuden find bemerfenswertb: das 
ſchöne neue Schulhaus und das Echloß Hartenfels, jegt in eine Kaferne 
umgewandelt. — Sriebrich II. befiegte hier am 3. November 1760 die Defterreicher. 
In der Nähe von. befindet fi) auch ein königliches Hauptgeflüte. C. Arendts. 

Toried und Whiges, f. Tory. 

Tormentill (tormentilla erceta), ein Kärbes und Heilfraut, das einen bürren 
Boden liebt; die fnorrige Wurzel, vol Fafern, treibt im April mehre Stängel mit 
tief zerfpaltenen Blättern, gleichfam in befondere Blätter getheilt. Die Blüchen 
find bleichgelb und die Früchte gleichen Erpbeerfnöpfchen, Die Apothefer benügen 
befonder® die Wurzel. Der eingetrodnete Ertraft ift dem Drachenblut ähnlich. 

Zornea, eine Feine Stadt im ruffifchen Finnland, auf einer vom gleichna⸗ 
migen Fluſſe umfloffenen Infel, mit nur 800 @inwohnern, ift die nördlichſte Stadt 
in den OÖftfeeländern und Hauptniederlage des Holz:, Theer-, Tabak⸗, Pelzwaa⸗ 
ren⸗, Branntwein-Handeld ıc. für die rauhen und nördlichen Gegenden. Beſon⸗ 
ders ift bie Stadt befannt geworden durch die Gradmeſſung Maupertuls’ im Jahre 
1736, die 1801 von fchwerifchen Gelehrten wiederholt wurde, ohne diefelben Res 
fultate zu liefern. Ihre Lage fchüste die Stadt nicht vor den Stürmen bes 
Krieges; fie wurde 1715 und dann wieder am 23. März 1809 von den Ruffen 
erobert und im Frieden zu Friedrichsham mit dem ganzen öftlichen Finnland an 
Rußland abgetreten. 

Torquemada oder Turrecremata, Juan von, Cardinal der römijchen 
Kicche, Prior des Dominikanerflofters in Segovia und erfter Großinquifitor von 
Spanien, geboren 1388, trat 1403 zu Valladolid in den Dominifanerorden, lehrte 
Hierauf zu Paris Theologie und Fanonifches Recht, wurde von Eugen IV. zum 

agifter Palatil ernannt, vertheibigte hierauf auf dem Concilium zu Bafel und 
Florenz die Rechte der Kirche mit vielem Eifer und erhielt ald Anerkennung deſſen 
den Garbinalshut, einige Bisthumsdotationen u, den Titel eines „Beſchützers ded 
Glaubens.“ Trog der breijäbtigen PBroteftation Papſts Sirtus IV. Be en die, von 
der bifchöflichen Gerichtsbarkeit unabhängige, Einführung der Inquifttion (ſ. d.) 
als reine Staatdanftalt, fegten Ferdinand der Ratholifche und Iſabella (f. db.) 
piefelbe gleichwohl durch und nicht ohne Grund laftet auf T. der Vorwurf eineb, 
bis zum Fanatismus gefteigerten, Eifers für die Zwecke dieſer Anftalt. Mehre⸗ 
male wurde er vom Papſte zur Verantwortung nach Rom vorgeforbet ; anſtait 
aber ſelbſt zu erſcheinen, ſandte er einen Freund dahin, um feine Sace qu führen, 
fo baß Sirtus IV., nach langem vergeblicyen Etreite mir ver Kom Exomeen, de 
endlich genöthigt ſah, 3, ale Sroßinquifitor von Eadilien und Leon antenne 


e morre — Torriceii. 488 


6 1468, ; Teinen Schriften erföhlenen nach ſeinem Tobe: ositid 
per toto psalterio“, Rom 1740, 4.; „Qusestiones spirit -convivii 
ä Rom 1777, Fol.; Nürnberg 1778, Fol.; „Commentarii in 
. ar , yon, 1619, 6 Bde, Kol; edig 1578, 4 Bpe, 4. 
‚Grescen 
Mrentius —8 eigentlich Lärinus van der Beken, geboren au 
Geal:15825 , u Löwen, Bologna und Rom, wurde Domberr zu Lüttich, 
m: und endlich Erzbiſchof von Mecheln, Rarb aber, noch e 

a dem enBifhäfl Stuhle Beſih nehmen konnte, 1595 zu Brüffel. 
| ter und Kenner. des Alterihums; als Iareintfcher 
mer des Horaz und als Theolog ein ger 

e 


Aer da g 
Bere Seine Ausgaben des „Suetontus“, Antwerpen 


„Antwerpen 1608 in feinen eigenen 
; einen Werth. 






- 































1608, 4., ben er an 

mie, haben noch jeht, namentlich hinſichtlich der fach 
8, Feſtung, jetzt nur noch ein Fleden mit 7000 Ein⸗ 
ber vortugieſiſchen Provinz Eſtremadura, ſechs Meilen von Liſſabon 
heile —A helle bie Fr den Ai 
| ver welchen, im Sabre 1810 *— das, gegen ihn an⸗ 
berlegene, 70,000 Mann ſtarke, franzoͤſtſche ger unter Maſſena 
den he, —ã ra nien Re * Frag es 
der en au riſte verſchanzt, dadurch, 
Berge, weiche von bier mit dem Meere in faf ei 
Liſſabon laufen, fenkrecht gemacht und 3 fie tn 

mt Batte, um das vor ihm liegende Land bamit überfchwenmen 

Rüden gewährte ihm das Meer ſtets freie Zufuhr und im Roth⸗ 
al einen ſichern Rüdzug, während die Feinde, hinter fidy durch den Aufſtand 
ver Laudleute bedroht, nach Vernichtung aller Brunnen, Mühlen und Lebensmittel, 
glich dem größten Mangel und bald dem gräßlichken Hunger auögefeht waren, 
ver ehe chen hinopferte, als die würhennfte Schlacht. Den Franzoſen war 
möglich, Liffabon zu men, ohne vorher Wellingtons Berfchanzungen, 
son 28 Mann, Stüden Geſchütz und 107 Schanzen vertheidigt 
bro zu haben. Maffena, ver ihm gegenüber bei Santarem .eine 
ſehr feRe Stellung eingenommen hatte, ſah H endlich, nad) einem ver» 
fenthalte von mehren Monaten, in welcher Zeit mehre ſehr hartnädige 
efechte geliefert wurden, am 4. März 1811 durdy Hunger genöthtgt, 
Rüdzug anzutreten, eben als Wellington im Begriffe ftand, ihn mit den, 
erſt aus England angelangten, Berftärfungstruppen anzugreifen. Den 
von T. B. verdanfte nicht allein Liffabon feine Rettung, fondern fie hatten 
u zur Bernichtung eines gut ausgerüfteten Heeres beigetragen und Wellington 

3 und Gelegenheit gegeben, feine Streitkräfte zum Angriffe zu entwideln. 
Torricelli, Evangelifta, berühmter Mathematiker u. Phyſiker, geb. 1608 
Buena, erhielt ven erſten wiſſenſchaftlichen Unterricht bet den Sefuiten feiner 
t und betrieb mit Vorliebe die mathematifhen Studien, daher er in 
swangigften Lebensjahre nach Rom zu Benevift Baftelli, dem vorzüglichften 
Satiler’s, gefchtift wurde, um unter deſſen Leitung feine Keuntniffe zu er» 
zog er die allgemeine Aufmerkſamkeit auf Ko durch feinen „Trat- 
io dei moto“. Gaftelli empfahl ihn nun ais Gehülfen an Galilei, der alters⸗ 
Mwach und blind war. T. begab ſich 1641 nach Florenz, wo Galilei Profeſſor 
Mathematil war; aber ſchon nach drei Monaten flarb lehterer und T. wurde 
er in der Profeffur u. ald Mathematiler ded Großherzogs. Durch die 
sung des Barometers (f. d.) hat fi T. bleibenden Ruhm erworben. Er gab, 
Dem genannten Zeile, heraus: „Opera geomelrica“, Flotenʒ AKA; „\er- 







ä 








„ 







ã 






184 Torrijos — Torftenfon, 


zioni academiche,“ herausgegeben und mit ber Lebenobeſchreibung © 8 verſehen 
von Th. Buonaventuri, Florenz 1715. . Buchner. 

Torrijod, Jofe Maria, eim ausgezeichneter fpanifcher General geboren 
Madrid 1791, trat in das Militär, war, nach noch nicht zurüdgelegten zwanz 
Sahren, bereitö Oberftlieutenant und Commandeur der Vorpoſten ded catalonifchen 
Heeres, 1812 Brigadier und Marefcallo del Campo, zeichnete ſich in den Pyres 
nden aus und warb nad Ferdinands VIL Ruückkehr zum zweiten Commandeur 
des nach Amerifa beftimmten Heeres ernannt. Hiemtt unzufriesen, confpirirte er, 
ward verhaftet und faß drei Jahre im Kerfer zu Alicante und Murda. Dur 
die Revolution befreit, hatte er ein Kommando in Catalonien, fpäter in Biscaya 
gegen die Olaubensarmee, zog ſich vor den Franzofen zurüd und hielt Gartagena und 

Itcante gegen die Sranzofen, die diefe Pläge erft nach dem Falle von Cadir ers 
hielten und I. eine vortheilhafte Gapitulation bewilligten. Die fpanifche Regie 
rung bielt aber diefe nicht und T. ging nun nach Franfreich, fpäter nach England. 
Dort gewannen ihn mehre eraltirte Gonftitutionelle ; er ging 1830 nach Gibraltar 
und beunruhigte nach der Julirevolution die Regierung von da aus im Januar 
1831 mehrmals, richtete jedoch Nichte aus. Im Dezember 1831 landete er, 2 
Einigen von treulofen Spantern felbft verleitet, nach Anderen auf der Reife na 
Algier begriffen und von fpantfchen Küftenfahrern verfolgt, mit einigen Gefahren 
an der Südküſte Epaniend, wurde aber bald in einem Meierhofe durch Truppen 
unter Moreno umgngelt gefangen und erfchoflen. 

Torrington, f. Byng. 

Torſo (ital.), der Rumpf einer verflüämmelten Statue, insbeſondere jener 
des Herfuled im Batican zu Rom, der gegen Ende des 13. Jahrhunderts aufs 

efunden wurde und den Namen .Apollonius trägt. Ein anderer fchoner T. bes 
—* ſich in der Glyptothek zu München. Auch verſteht man wohl unter T. ein 
unvollendetes Meiſterwerk, überhaupt ein Bruchſtück deſſelben. 

Torſtenſon, Leonhard, Graf von Ortola, aus einem alten ſchwediſchen 
Geſchlechte, diente dem Könige Guſtav Adolph im polniſchen Kriege, führte als 
Capitaͤn deſſen Leibkompagnie, Fam mit ihm als Oberſt der Artillerie 1630 in 
Pommern an u. (drang ch, als einer der beflen Zöglinge. aus des erfahrenen 
Guſtav's Schule, noch Im Laufe des breißigjährigen Krieges zum Generalfeldmar⸗ 
ſchall empor. 1639 zum Reichörathe ernannt, verließ er den Kriegsfchauplag und 
fehrte nach Schweden zurüd, wurde aber nady Baner’8 Tode (1641) von der 
ſchwediſchen Regierung zum Oberbefehlöhaber der Truppen ernannt und wieber 
nach Deutfchland gefendet. Hier fand er die ſchwediſchen Angelegenheiten in einer 
hoͤchſt ungünftigen Berfaffung, da faft alle Verbündeten vom Kriegsichauplage 
abgetreten waren; indeß die Verftärfung feines Heeres und das Geld, das er 
mitgebracht hatte, festen ihn in den Stand, bald angrifföwelfe verfahren zu Fün« 
nen. So ſchwach an Körper, daß er ſich in einer Sänfte tragen lafien mußte, 
war er body der fchnelifte und gewandtefte Held dieſes Krieges. In der morfchen 
Hülle wohnte ein gewaltiger Geiſt, der die Fürſten auf ihren Thronen zittern 
machte. Unter ihm veränderte fich der Schauplatz des Krieges, indem er 1642 
in Schlefien einbrach, den Herzog Sram Albert von Sachſen⸗Lauenburg, benfelben, 
an deflen Seite Guftav Adolph bei Lügen fiel und der in kaiſerliche Dienfte 
übergetreten war, ſchlug und am 31. Mai 1642 Schweinnig eroberte. Hierauf 
eroberte er in großer Schnelle das ganze, am linken Ufer ber Oder gelegene 
Schleſten, drang unaufbaltfam in das Innere von Mähren vor, bemeifterte fidh 
der Stadt Ollmuͤtz und machte felbft bie Hauptflabt Wien zittern. Kranfhelten, 
die in feinem Heere ausgebrochen waren, nöthigten ihn aber, von den kaiſerlichen 
Truppen gedrängt, feinen Rüdzug nach Sachſen anzutreten. Durch die Heerab⸗ 
tbeilung von Wrangel (f. d.) verftärkt, rüdte I. dem Feinde von Neuem ent⸗ 
je en, übenfehtoemmie die Laufig, nahm Zittau, ging dann bei Torgau über bie 

be und bedrohte verbale, Das kaiſerliche Heer eilte unter feinem Feldherrn 
Piccolomint zum Schutze Leipzigs herbei, wurde aber auf dem Breitenfelde, den 


Tortona — Tortofe. 185 


vember 1642, fo aufs Haupt gefchlagen, daß er eıft in Böhmen bie Flüch⸗ 
wieder fammeln Fonnte. Um fein geſchwächtes Heer durch die Beſatzungen 
eſiens und Pommerns zu verflärken, ging T. mit demſelben bis Frankfurt a. O. 
$, brady aber fchon im Anfange des folgenden Jahres wieder nach Mähren 
bearette Prag, entfehte das hart bedraͤngte Dumüb und ließ feine leichten 
yr bis an die Brüden vor Wien fireifen. Als man ihn bier befchäftigt 
te, Rand er plöplich, ungeachtet der rauhen Jahreszeit (Dezember), 100 Meilen 
ı, an den Küften der Öftfee, in Holflein und Schleswig. Diefe Länder 
a vom Kriege unberührt geblieben und boten daher ben Schweden reiche 
erquartiere dar. Den Borwand zum Kriege mit Dänemark fand man leicht 
T Giferfucht, mit welcher daſſelbe die Siege der Schweden immer betrachtet 
. Racdyvdem fi) T., bis auf Rendeburg und Glüdsftadt, aller feften Plätze 
chtigt Hatte, hinderte ihn nur die ungünftige und ftürmifche Jahreszeit, feine 
fn auch nach Fünen und Seeland zu tragen. Hoffend, die Schweden in 
ınd einzufchließen, war ber faiferliche Feldherr Gallas mit einem anfehnlichen 
e nach Holftein vorgerüdt; indeß T. trieb daflelbe bis an Die Eibe vor fich 
ſurück und fchnitt feine Gegner von Sachſen und Böhmen ab, fo daß Gallas 
durch große Umwege im Stande war, die traurigen Reſte feined Heeres nach 
men zu retten. Der fühne Zug 3.8 nach Dänemark trug viel zu dem für 
veden fehr vortheilhaften Frieden bei, den daſſelbe (1645) zu Brömfebrd mit 
emark abſchloß. Run brang der fiegreiche Feldherr wieder in Böhmen ein, 
ven Krieg von Neuem in bie faiferliben Erbländer zu verfegen; rüdte nach 
entfcheivenden Siege über die öfterreichifchsbayerifche Armee unter Hapfeld bei 
owig in Mähren und DOeflerreih ein und eroberte felbft die Schanze ber 
6brüde, im Angefichte Wiens. Selbft Wien würde vielleicht In feine Hände 
len feyn, wenn nicht die langwierige Belagerung von Brünn fein Heer, In 
vem auflerdem wieder Krankheiten würheten, fo zufammengefchmolzen hätte, 
er genöthigt war, mit demſelben fich zurüdzuziehen (1645). Don körperlicher 
vice überwältigt, legte er kurz darauf den Oberbefehl nieder und kehrte in 
Stille des Privatlebens zurüd. Nach ihm erhielt Wrangel den Oberbefehl 
Krmee. Die Königin Ehriftine erhob ihn in den Grafenftand und ernannte ihn 
Statthalter von mehren Provinzen. Er ftarb 1651, im acdhtundvierzigften Jahre 
5 Lebens. Außer dem Ruhme, den er fich durch die vortreffliche Führung 
es erworben, hinterließ er auch noch den eines Kenners und Beförderers 
iſſenſchaften und Künfle. 
Tortona, Stadt in der piemontefifchen Provinz Aleſſandria, mit 9000 Eins 
wen, die ſich mit Seidenwaaren-, Huts und Lederfabrikation befhäftigen, ift 
eines Erzbiſchofs und eines Prieſterſeminats. Sehenswerth find: die Trüms 
der ehemaligen Burg Friedrich Barbaroffa’s; die Kathedrale, mit einem ſehr 
en antiken Sarfophag mit den Diosfuren, dem Sturze des Phaeton und gries 
ven Infchriften des Inhalts: „Niemand tft unſterblich!“ und: „Adel bewährt 
uch Muh!" ©. Francesco mit der Kapelle Garofali. — 10 Miglien 
T. abwärts liegt das Städtchen Eaftelnuovo, mit rem Palaft des Yürften 
urione. Im der Richtung gegen Placenza das Schlachtfeld von Marengo. 
var fehon zu Römerzeiten ein bedeutender Ort. Eeine_alten Feſtungswerke 
n die Franzoſen gefchleift. Das jetzige Ausfehen der Stadt iſt ſehr öde. 
fa, alte Stadt und Feſtung in der fpanifchen Brovinz Tarragona, am 
n Ufer des Ebro, mit einer Schiffbrüde über denfelden und 7 Stunden ober- 
defin Mündung, hat eine Citadelle auf einem freiftchenven Yelfen, mehre 
je und Klöfter, einen Bifchoföftg, ein Collegium und 16,000 Einwohner, 
Getreide⸗, Süßholzbau u. Fiſcherei, ſowie Setfens, Papier: und Porzellan⸗ 
tikation treiben. In der Nähe Marmor und Alabaſterbrüche. Dabei aud) 
Auinen der alten römifchen Municipalſtadt Dertosa, der Hauptftadt der Iler⸗ 
ar, Schon der heil. Baulus ſoll hier das Evangelium geprevigt und den 
ba des heil. Simon von Kyrene als Bifchof zurüdgelaffen haben. Raimund 


186 Tortur — Toskana, 


Berengar von Barcelona, ver die Stadt 1148 den Sarazenen entriß, bevölferte fie 
wieder mit Chriſten. 1649 wurde T. von den Franzoſen erobert, aber ſchon 1660 
von den Spaniern wieder genommen, 1708 ergab ſich T. nad) einmonatficher 
Belagerung an Karl Il. von Defterreich, wurbe aber, nach hartnädiger Verthei⸗ 
dDigung, in demfelben Jahre von Philipp V. wieder erobert. Zwar wollte Stah⸗ 
temberg T. im Herbfte 1708 überrumpeln und war ſchon in die Stadt einger 
brungen, er mußte fie aber am folgenden Tage wiener räumen. Im fpaniich- 
portugiefifchen Befreiungsfriege ward T. von Suchet vom Juli 1810 bis zum 
2. Januar 1811 eingefchlofien, er nach tapferer Vertheidigung durch den Ges 
neral Antocdya übergeben und durch die Convention Gould und Wellington’s 
(18. April 1814) geräumt. 

Tortur, die Anwendung von förperlichen Marten, um Geflänpniffe von 
An eihulbigten zu erprefien. Bel den Israeliten war die T. nur wenig üblidy, 
wohl aber bei den Briechen u. Römern, jedoch nur bei Hauptverbrechen u. bei 
legteren geraume Zeit nur gegen Ellaven. Die alten Deutfchen Fannten fie nicht 
und die Weftgothen befchränften biefelbe in den römifchen Provinzen. Indeſſen 
wurde fie mit der Einführung des römifchen Rechtes im Mittelalter faſt in ganz 
Europa allgemein; in Deutfhland jedoch Anfangs blos an Leibeigenen, fpäter 
auch an Freien, namentlih durch die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiſer 
Karl's V., vollzogen. Indeſſen brachte die Halsgerichtsordnung doch einige Lin» 
derung durch die Befimmung, daß ohne hinreichende Verdachtsgründe die T. 
nicht angewendet werden folle. Doch erfannte man endlidy die Oraufamfelt und 
Unzuverläffigfeit dieſes Inquiſitionsmittels und fchaffte die T. allmälig in allen 
europäifchen Ländern ab, wobei fi Männer wie Thomaftus (f. d.), Hommel, 
Beccarta ıc. große Berdienfte erworben haben. 

Tory nennt man im britifchen Barlament die Anhänger der Krone und bie 
Miniftertalpartei. Diefen Namen erhielten zuerft die Töniglich Oefinnten unter Ja⸗ 
fob.I. und Karl I, obgleich dieſes Wort im Irländifchen Dialekte Räuber beveu- 
tet. Doch waren viele T.s patriotifche Bertheibiger des Koͤnigthums und der 
Volksrechte augleich. Diefelben belegten dafür ihre Gegner mit dem Kamen 
Whigs und zielten damit auf ihre Verbindung mit den Schottlänvern, beſonders 
auf die puritaniſche Partei in Schottland, zu deren Unterflügung währınd bes 
Bürgerfrieges (1648) Bauern aus Weftfchottland, die von dem rte Whigam, 
deffen fie fi) bei dem Treiben ihrer Pferde bedienten, Whigamores biegen, vie 
Waffen ergriffen hatten; nach Anderen aber entftand der ‘Barteiname aus dem 
fchottifchen Worte Whig, dad Molfen (dad Lieblingsgetränf jener Bauern) bes 
deutit. Als die Whigs 1688 den Erbflatthalter Wilhelm IM. von Oranien zum 
Thron beriefen, fingen fle an zu herrſchen, bis 1710 deren PBartet und mit ihr 
der ‚Herzog von 2 geſtürzt wurde. Ein Whigparlament berief das 
Baus Braunfchiweig eventuell zum Throne und die Whigs regierten unter dem 

amen bes Monarden biß unter Georg IL Seitvem bilden die Whigs die Op- 
pofition. Auch in Kirchenſachen ftehen fich beide Parteien entgegen, indem bie 
T. die Gerechtſame der bifchöflchen Kirche mit jenen der Krone ungertrennlich 
vertheidigen,, die Whigs dagegen die Gleichheit aller chriſtlichen Kirchen im po⸗ 
litiſchen Rechte für zuträglicher halten. 

Toſchi, Paolo, geboren 1788 zu Parma, ging 1809 als Kupferfiecher nach 
Paris, kehrte nach Italien zurüd und ward Begründer einer Kunftfhule u. Dis 
reftor ter Akademie. Werfe von ihm find: ein Blatt nach Albano's Benus u. 
Adonis und ein anderes größeres: Lo spasimo di Sicilia, nad) Raphael's Ges 
maͤlde in Madrid; desgleichen die Kreuzabnahme nad D. da Bolterra u. Cor⸗ 
teggio’8 Madonna della Scodella. 

Tofini, f. Fieſole. 

Toskana, ein Großherzogthum in Italien, nebfl dem Serpogibum Lucca, 
liegt zwifchen 27° 17° — 29° 50° öftlicdyer Länge und 42° — 44° 30' nörd« 
licher Breite, grängt im Norden an Modena, im Oſten und Süden an den Kits 


Kol. \ ww 


Weſten an das nittellänbi Meer und Sardinien. Boden nnd 
= e Bra 


din 
—— jroßen. Theile der: Apenninnen mit erlo 

e ne Rotondo) eingenommen ımb im Rorben worzäg- 

] Ü 5 nad dem: Meere Ge immer mlörlaers bir ante da 

(hrfonder6 Bezitte non Siena) meilengeofe Sumpfe in der Pi 
dern Austrodnung ımd Urbarmachung von ber. ‚fe Nrbeiten unter⸗ 
— a Lara a an u in fossrregt bach bie 
Beharrlichfeit, mit wı e je und ehmüng fortge⸗ 
führt wurde, die Bewundetunt t am Erde ein enſe 


fultat. Gegenden zuweilen 
—— ni it. ke: Arno, und 734 des 


Bin: 
EE 
Fass 
SR 
— f 
ã 
u 


f 


eilen im Umfang: Eintheilun Blägeninsatı, Em 


man T. gewöhnlich in das Gebict von das von Pi ‚Qaiı 
und der Infel Elba) Ar jenes von Siena. : u iſt das * 
5 Gempartimenti getheilt· 1. Flientino mit 102 1.52. 2. Bilano uk — On. 
% Senefe,mit 22 oR; .; 4. Aretino mit.92 5 5. di Brofetto: mit 119 


* 
EM 
Es 


354 DM. ——— 1 Beta eratien, 
IE, ale Silber, Kupfer, Blei, — großer je auf Elba; 
bi8.40,000. Ete.), Schwefel Woiterra, Drbitello) ; Khöner 
En —— Marmo A Siena), Alabaſtet feinet in, 

Daclifal; (bei Bolterca, Aufenft reiht), Batfalg (Elbe jährlich 54 ee), 
tülquellen aller Art, bie warmen: Bäder: zu Bifa bie berähmteften. 2) ahvıp 
Getreide, mern —3 — dährlich Scheffeth, Rafanien. a ven 
bigigen Gegenden 800,000.Scheffel), Del (das feinhe um 
früchte, Wein re Ser rothe Weine Germont and * ale 
Iufel Elba) von ausgezeichnetem Gefihmad und fehr gefucht. 9) Thlere 
—— und Pferde um Theil im Winter auf der Weide Run) ), auch 
> und Sameelzucht bei Piſa, Shık (14 Mi. durch Merinos veredelt), 
&iel (die — in er Seide, Thunfiſche und Sarbellen. carte be 
? —* —— Rug Die Spra⸗ a hen 
mwohnerzahl beträgt etwas 
ws * San Fe Bat die benölfertften koren „de rn force each) She oe 


Brato. Gewerbe: Gtrohfl 
I: hhüte) im Bi, en — rs ben fr Fo 
A % Bifa, Siena; künſtliche Blumen in Blorenz ma Piſa; 


5 
& 


Bei 


Sad 000 Ballm); Sammer und andere Seid: je in Florenz 
we Piſa; — in Piſa und Siena; — Korallen in 
eno Kupfergeſchitre wain ne u mit Seiden⸗ und MWollenzeugen, 
mi Früchten, Wein EL. —X Sarbellen. Liworno ber. erfe 


9 Be —— u mie haha fe gu Be 1 2a ae 
€ on | m 

ar Bes. Sim mins Kir Ha RldRer nur noch für Kranfenpfige 
[ Sch Dabfn unleit gegen andere Mel u ten u 
2 (meitene un — — artier). Wiſ — sind. 


fi falten 
——— 


ſu 
eht KAM ra als übrigen Italien. Drei 
—— ht vn, "ordner —E mit 120,000 Bon.), 
Bifa die nterfnätebislithef (60,000 Bde.), ;mehre zu Siena und an andern 
; Die u De Re —— — den ame 2000 : (6106 ita« 
feiner rı 


2 8 
Pr Ara EL Babe nd RE 


Hi 


188 Toskana. 


T.s und das daſige Adelskollegium iſt in ganz Italien berühmt. Die Kultur der 
italtenifchen Sprache bearbeitet die berühmte Academia della Crusca zu Floren, 
Der Milttäretat if gering. Fremde Truppen, welche in Rom und Reapd 
[pe grobe Summen wegnehmen, bat I. nie gehabt, und es unterhält nur 5500 

ann Militär, während das Großherzogthum Baden, das über ein Drittel klei⸗ 
ner ift und ein paarmal 100,000 Ehmopner weniger bat, faft die doppelte An 
zahl von Truppen unterhält. Die Regierungsdform if eine konſtitutionelle 
(mit einer Deputirtenfammer und einem Senate) felt Februar 1848. Der Groß⸗ 
berzog, gegenwärtig Leopold II. (Johann Joſeph Ferdinand Karl) if ein Prinz 
des öfterreichiichen Katferhaufes ; die Erbfolge beſtimmen die öfterreichlichen Haus⸗ 
gejee. Titel: Erzherzog von DOefterreich, Großherzog von T., mit dem PBräs 
dikate: Kaiferlicde Hoheit. Der Erbfolger nennt fich rbgroßberäog, Refidenz: 
Florenz. Ritterorden: 1) Et. Stephansorden (1554 gef.); 2) St. Joſephé⸗ 
orden (gef. 1807, erneuert 1817); 3) der Orden des weißen Kreuz: (1814 ges 
Riftet). Staatseinkünfte: 7 Mil. Gulden. Seit 1829 hat 3. Feine Staals⸗ 
ihulden mehr. — Das Herzogthum Lucca iſt feit dem 8. Oft. 1847 mit %, 
vereinigt. age. An der weftlichen Küße von Oberitalien. 27° 48° — 28° 29° 
öftl. 2, 43° 46'—44° 14’ nördl. Br. 20 [I M. mit 180,000 felpigen Einw,, 
welche nicht nur einen Reichthum an Wein, Getreide, Del, Vieh, Seide (fle vers 
faufen allein für 630,000 fl. an Fremde) befigen, fondern auch viele Beuge von 
Seide, Schafs und Baumwolle verfertigen. Gelehrte Anftalten: die Stern 
warte zu Marlia, Academia lucchese, Acad. di scienze, Lettere et arti (al® 
Privatverein 1584 unter dem Namen Academia degli Oscuri geftiftet, felt 1805 
unter dem Schutze der Regierung). Am Serch io die Hauptfladt Lucca mit 24,000 
Einwohnern. Die jährlidyen Einfünfte betragen 600,000 fl.; die von Defterreidh 
und T. in Beziehung auf Parma für die Lebenszeit der kürzlich verftorbenen 
Herzogin von Parma (Marta Luife, ehemalige Kaiferin der Franzoſen) zu 
zahlende Annuität betrug 195,050 fl. Das Militär 800 M. ine Goelette mil 
12 Kanonen und einige Kanonterfchaluppen zur Vertheidigung der Küften im 
Hafen von Biareggio. 

Geſchichte. Diefer Staat, welcher unendlich mehr, als materielle Kraͤfte 
und Umfang beftimmen dürften, die Gefchide der civilifirten Welt mit beftimmi 
bat und nun vielleicht berufen iſt, auf Stalien zum zweitenmale mächtig zu wirs 
fon, Hetrurien oder Tuskien (Toskana), gehörte zum longobarbifhen Rd: 
nigreiche, welches Karl der Große feiner Herrfchaft unterwarf. Sein Rad 
folger Ludwig der Fromme, übergab es der Aufficht von Markgrafen, vie 
zugleich über Modena, Regio, Mantua und Piacenfa im Namen des Kaiſers 
regierten. Mathilde, die Tochter und Erbin des reihen Maıfgrafen Bons 
facius I, beirathete den bayerifchen Herzon Welf ven Diden. Demnach fehte 
fie aus befonderer Ergebenheit gegen die Kirche und den Papſt Gregor VIL, 
den Kirchenftaat zum Erben der Yamiliengüter ein. Das Marfgrafthum vers 
faufte (1160) der bayerifhe Welf V. an den Kaifer Friedrich I. In dem 
Bezirke des Markgrafthums Tuskien hoben fich einige Städte, namentlich Piſa 
und Florenz, durch ihre blühenden Gewerbe und gaben fich eine republifanifche 
Berfaffung. Piſa, das einige Zeit lange über Eorfifa, Sardinien u. die fpanifchen 
Inſeln berrfchte, wurde zur Sce von Genua u. zu Land von Florenz gefchwädht. 
Das letztere überwältigte enplich alle übrigen Städte des Landes. In Ylorenz 
fämpften aber, fo wie in dem übrigen Stalten, Jahrhunderte lange, Welfen u. 
®ibellinen, bis endlich die Familie der Medici die erfte Stelle behauptete. 
Die Seeftädte waren ſchon mächtig und blühend, ald Florenz ein noch unbedeut- 
ender Ort war: in T. war ed nur zweiten Ranges und feine Entwidelung bes 
gann fpät und war langfam. Erſt nad) dem Tode der großen Gräfin Maihilde 
(1116) zeigte ih bei dem anbrechennen Tageslichte der LUnobtängtakelt ards 

Bere Regung. Die erfte bedeutende Gebtetderweiterung fand NOT wit ver ir 
oberung bes, 11 Miglien entfernten, Prato Ratt, Mit der Austitvung vr er 


un 


— 


des die gußere MR 
Iifte we Sahıh. —ãꝛVD —A * 
a I, das h ohne. le Bols 


ein mit Bifa die Erle hibellin 35 
eh, Die floren e fo, Aura an und der vormals fo TE 
de durch Burgen im rnothale, wie in ven Ben en des ello und 
Æomagna im Zanme gehalten. Nachdem iR vn —5 — 
re 3099 von Athen (1349) die Fat elb dem plößlich * 
gefebt worden war, A bie Sa ennideien und: unter 
36 zwar, aber doch ziemlich —X fit In der leßten Hälfte des 34 
derts wurden eine Menge — etotheile, zum Theil Gra 
w —— — Palatinen⸗Familie g a an orben; Arezzo * 1594 
3 Florentiniſch, Cortona, wie ich fchon früher —* (411. @& erfitedte 
das Territorium vom Trafimenifchen Gee zur unmittelbaren Rachbarfchaft 
ca’6, während eo, feit dem Falle P (6 (1408 u. der Uebergabe der großen 
ft Sherardesca, unter florentinifchem Schute, audy einen beventenven 
des Kuſtenſtriches umfaßte. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts war das 
ige Gafentino völlig unterworfen und, durch Erwerbung ı nepeutenben 
ter obern Tibergegend, griffen bie diorentiner ——n hin⸗ 
r. F war das Belt ver der Republik unter den Medici Altern —— be⸗ 
und ſo blieb es, mil ‚einigen Modifitationen und Zuwachs A der Ines 
s genuefifchen Selte, bis zum Sturze des Freiſtaates, Indem die Einver 
Ber nrbinatifähen —*— unter Papft 
5 war. Die groͤßte Erweiterung fand dann unter dem Perzoge, nach⸗ 
X I. ſtatt. Seine Abſichten auf Piomdino, wodurch 
eine — Kuſtenlinie erhalten haben wuͤrde, was bei den häufigen An⸗ 
ffen der verefnigten Galle» Osmanen und ihrer Eorfaren vom 2* Belang 
=, fchlugen fehl; aber im Jahre 1555 eroberte er Siena — eine Eroberung, 
iche der Sahre foäter durch die Eeffion Montaleino’s im —* Fr Chateau⸗ 
mbrefis vollendet ward, aber durch die Reſervirung ber enpläge ne Gun⸗ 
ı Spaniens bis m unfere Zeit zum Nachtheile 3.8 eh mälen biied,” Im 









Lunigiana, der nach der alten Stadt Luni bei Sarzana benannten Landſchaft 
fi) vom Luckhefiichen aus nach Modena und Parma hin erfiredt, erwar 
onus verſchiedene Lehen. Im Jahre 1608 — Ferdinand J. mit dem 
— die einſt Orſiniſche Grafſchaft Pitigliano, im Jahre 1615 Cos⸗ 
18 IL die Sforza'ſche Grafſchaft Eranzano und andere Lehen, im ‚Jahre 1633 
rdinand II. Santa Flora, eine Grafichaft der Linie der Sforza's, die noch 
Rom als Sforza-Eefarint beſteht. Im Jahre 1650 kaufte derfelbe Ferdinand 
ı 500,000 Scudi von König Philipp IV. von Spanien Pontremoli, den 
zuptort der Lunigiana. in beveutender Theil Elba's mit dem beften Hafen 
u [don 1548 an T. gefommen. — Mit ſolchen Bränzen erhielt das Haus 
thringen« Haböburg im Jahre a bad —— gthum, welches im Jahre 
45 893,724 Einwohner zählte. Die neuen erbungen in ber zuniglana 
wen nicht von großer Bedeutung. Das Köntgreid) Etrurien und daß, fr 
de Großherzogthum, wie Sl, Bacciocchi es —* mußten einzelne 
t6thelle abgeben; ; Bontremol B. ward zum Departement bed Taro ger 
lagen. Im Wiener Eongreffe nurben im Wefentlichen die alten Graͤnzen her⸗ 
ſelit mit nicht geringem Zuwachſe. Ganz Elba, das Fürſtenthum Piombino, 
: fpanifchen Küſtenplätze an der Maremna und die unbe y fte Herrichaft 
er mehre Endaven, alte SKaiferlehen, bildeten dieſe Bergr efer 
erfichtlichen Darſtellung laflen wir einige thätfächliche Rotizen —A— Den 
ohn des Johann von Medici, (+ 1426) Kosmus, welchem das Ver⸗ 
men feiner Mitbürger bie wichtigften Staatsämter übertrug, entfernten zwar 
133) die Ränte fe „jeiner Feinde; er ‚gef jedoch, bald I urüdgerufen, bie an ſei⸗ 
n Tod (1464) ein faſt — * Anſehen. Der kraͤnkelnde Sohn, Peter J., 


190 Toskana. 


ſtarb ſchon nach einigen Jahren (1469). Deſto länger aber erhielt ſich an der 
Spitze feiner Regierung der, auch um die Künfte und Wiſſenſchaften höchft ver⸗ 
diente, Enkel Lorenzo, der (1478) einer Berfhwörung der Familie Pazzi 
glüdlich entging. Aber deſſen Sohn, Peter IL, traf das Loos, verbannt zu 
werden. Die haphe Leo X. und Clemens VII. beide aus dem Haufe Mebict, 
fpielten eine fehr bedeutende Rolle. Durch lebtere u. durch Kaiſer Karl V. gelangten 
die Medici wieder zur Herrfchaft über T, Alerander von Medici, Gemahl der 
Margaretha, einer unehelichen Tochter Karl V., warb (1531) der erfte Her⸗ 
zog von T., feiner Graufamfelt wegen aber (1537) ermordet. Unter feinem 
Nachfolger, Kosmus I. Mepdicis, trat Spanien das Gebiet der alten Repub⸗ 
LE Siena an 3. ab. bendemfelben ward vom Papſte (1569) der Titel eines 
@rohherzogd ertheilt, aber erft feinem Nachfolger Franz I. (1576) vom Kalfer 
Maximilian I. beftätig. Unter der Regierung der Großherzoge blühten 
Künfte und Wiffenfchaften, blühte der Handel (Livorno feit 1609). Mit Jo⸗ 
hann Gaſto endete (1737) der medicelihe Stamm. Die Anwartfchaft auf fein 
Land wurde, noch bei feinem Leben, erft dem fpantichen Infanten, Karl, und 
hernady dem Herzoge von Lothringen zugefprochen, wofür der letztere fein Her⸗ 
ogthum zu Gunſten des entthronten polnifchen Könige, Stanislaus, an 

anfreich überließ. Derfelbe trat, ald Kaiſer Franz L, dad Großberzogthum 
T. feinem zweiten Sohne Beter Leopold ab, der 1790 dÖfterreichifcher Kaiſer 
ward; ihm folgte fein Sohn, Ferdinand Joſeph, der ed in dem Frieden 
von Lüneville (1801) gegen Salzburg vertauſchte. T. wurde jetzt dem Erbprin⸗ 
zen Ludwig von Parma mit dem Titel eines Königs von Hetrurien zu 
Theil Diefer hinterließ e8 (1803) feinem (Dez. 1799 geb.) Sohne Karl Lud⸗ 
wig. Defien Mutter und Bormünberin, die ſpaniſche Infantin Marie Luife, 
mußte es (1807) an Napoleon abtreten, der es mit dem Königreich Italien 
vereinigte. In dieſem Jußtande blieb T. bis zum Pariſer Frieden (1844), der 
ihm den Erzherzog Ferdinand Joſeph, welcher zuletzt Großherzog von Würzburg 
geweſen, wieder zum Beherrſcher gab. Unter dieſem, alle Künſte des Friedens 
weikthaͤtig und freigebig befoͤrdernden Fürſten, ſchritt das Land an Wohlſtand 
und Kultur ſichtbar vorwärts; fein Sohn und Nachfolger (1824) iſt der jetzt 
regierende Großherzog Leopold I. Die Zerftüdelung des Landed auf der luc⸗ 

efifch « modeneftfchen Seite war von vorneherein unerfreulich ; fie wird jeßt durch 
die Bereinigung Lucca's gemildert und T. erhält eine natürlichere Gränze, wenn 
auch nicht die dem alten toßfanifchen Namen eniiprehenbr, — Bon din Ereig- 
niffen, welche in den Jahren 1820 und 1831 die italieniſche Halbinfel erfchütter« 
ten und welche fich bald in dumpfer Gährung ausfprachen, bald in offener Em⸗ 
pörung Luft machten, blieb 3. fo zu fagen unberührt. Leopold I. (ver dieſes 
Land bis 1790 mit meifterhafter Weisheit regierte und bierauf feinem Bruder 
Joſeph 1. auf den öfterreichifchen Thron folgte), war bei der Bevölferung ſtets 
in gutem Andenken geblieben; nach der Vertreibung der Yranzofen fchloß fidh 
Alles mit erneuerter Anbänglichkeit an das alte Kürftenhaus, in Ferdinand UI. 
Als der iehige Großherzog diefem feinem Bater im Jahre 1824 fuccedirte, änderte 
er Nichtd im Gange der Verwaltung, behielt die alten Perſonen bei und hing, 
aus Findlicher Ehrfurdht vor dem Bater, an dem Minifter Koffombront, 
welcher an der Spige der Verwaltung fand. Auch nach des letztern Tode erhielt 
der Gang der Regierung feine merkliche Veränderung. Das offene Geheimniß 
der ungelörten Auhe, deren fih T. erfreute, gründete fich, auffer dem natürlich 
milden und weichen Charakter der Einwohner, auf die blühende Finanzlage, auf 
Aufſchwung in Handel und Wandel, Hebung des Aderbaues und der Bodenculs 
tur, Beförverung von Kunft und Wiffenfchaft, Seftattung einer möglichft freien 
Bewegung der — welche freilich oft bis zu einer großen Laxheit in 
Ausübung und Befolgung der Geſetze und bis zu einer, oft verderblichen, Nach⸗ 
ſicht gegen faule und untreue Beamte und gegen die Zuchtlofigfeit der unteren 
Claffen ausartete. Die perfönliche Neigung bes Großherzog war der Verbeſſer⸗ 


Tostana. 191 


es Bodenertrags und des Innern Verkehrs und dem Wohle der Lanbleute 
endet. Die trefflihften Landſtraßen durchſchneiden das Großherzogtfum in 
Richtungen, und zwei, nunmehr bald vollendete, Eifenbahnlinien verbinden 
lkreichſten Diftrikte mit einander. Livorno erbob ſich u einem der erſten 
ine des Mittelmeeres und der fehr beträchtliche Getreive- und Oelhandel 
: diefem Hafen einen großen Waarenverfehr, wozu der Gewinn durch Reis 
fommt, den diefe Stadt, als einer der Hauptlandungspläge der Dampf- 
mit fi) bringe. Im Winter und Sommer ift der Verkehr gleich prob, da 
eebäder aufferordentlich befucht find. Auch nad Florenz und Piſa brin- 
remde Iebr viel Geld. Die letztere Stadt, deren frühere Dede fprichwört- 
worden ift, verdient biefen Tadel nur im Sommer, während fie im Winter, 
es milden Klima's willen, von Jtallenern u. Ausländern, fehr befucht iR u. 
belebten Anblick darbietet. 3. hat einen ungemeinen Vorzug vor anderen 
m, daß bie Militärmacht fehr geringe Koften verurfadht. Den Communen 
tete die Regierung das freiefte Regiment in ihren Angelegenheiten; ja, fie 
ihnen oft zu viel ein, wenn ed galt, vie Sonberintereffen einzelner Gemein 
gemeinen Bedürfniffen gegenüber, durchzuführen. Der (angfame Gortgang 
ifenbahnbauten hat gerade darin feinen Grund, daß man bei der Erpros 
m und bei anderen Fragen des Einzelrechtes jeder beliebigen Klage allzu⸗ 
Jehör fchenkte. Dagegen waren die höchften abminiftrativen Stellen In den 
nzen fehr befchränft; die Gouverneure der größeren Städte, Livorno, Piſa, 
‚ befleiveten bloße Ehrenpoſten; bei den getingfien Angelegenheiten mußten 
Florenz anfragen und diefe Machtlofigfeit wurde von der niederften Volks⸗ 
oft genug audgebeutet. Die Gouverneure hütteten ſich, ftrafend einzugreifen, 
fürchteten, von der Gentralgewalt desavouitt zu werden. Man war in 
frieven, weil man fi wohl befand. Einen größern Unterfchie in ver 
sftimmung und in ver Berfahrungsart gegen inheimifche und Fremde 
m den beiden Nachbarſtaaten Modena und T., namentlich in den erften 
n nady 1831, konnte man fidy nicht Tenfen. In Modena die firengfte poli⸗ 
e Aufficht, ein Beobacdhtungd- und Spionenfuftem no allen Richtungen, 
rigften Nachfpürungen nach verbotenen Büchern, der Ausſchluß faft aller 
ıgen. In T. an allen Zollftätten die größte Liberalität, der freiefte Einlaß 
er Blätter und literarifcher Produktionen; ein, oft mehr als wünfchens- 
6, freicd Gewährenlaſſen nach allen Seiten. In Modena eine gedrückte, 
eine beitere Bevötterung. In Modena herrfchte eine firenge Criminalgeſetz⸗ 
‚in T. trieb man die Träume unferer modernen PBhilantropte uf die Außs 
ränze und hob die Todeäftrafe, auch für Mord, feit langer Zeit faktiſch, 
ıefter Zeit auch gefeglich auf. Einen Zweifel an der Reife des Volkes zu 
ſolchen Gefege können die Verzeichniſſe der Berbrechen erregen, wie ber 
f der, In den Straßen von Livorno arbeitenden, aleerenfträflinge. Sehr 
chtig war man in T. gegen alle diejenigen, welche früher in den Nachbar⸗ 
ı Theil an den politlihen Bewegungen genommen hatten. Sa, man berief 
r Reorganifation der Univerſität Piſa ſelbſt Männer zu Profeſſoren, weldye, 
im Kirchenftaate und in der Lombardei compromittirt, deßhalb ausgewan⸗ 
der verwiefen worden waren. Viele, politiſch unzufrievene, Angehörige be: 
ter Staaten wendeten fih nah 3. Als vor zwei Jahren in Ravenna 
en Legationen ſich ein neuer Aufftand entwidelte, lieferte man die geflücdh- 
Eheilnchmer nicht aus, fondern fchaffte fie nach Livorno, um ſich na ars 
einzufchiffen. Unter diefen befand fih der befannte Renzi, den man eben- 
mit der Bedeutung auswies, daß man ihn feftnehmen würde, ſobald er fid) 
blicken ließe. Nichtödeftomeniger war Renzi fo unbefonnen, furz darauf 
nach Livorno zurüdzufehren und fidy öffentlich zu zeigen. Wie ihm ange⸗ 
worden, wurde er feitgenommen und bald darauf nach Rom audgeliefert. 
Einprud vieles einfachen Ereigniſſes war merkwürdigerweiſe ganz außer- 
lich. Die Gefangennehmung und noch mehr die Auslieferung Renzi's gab 


92 Toeokana. 


tämlich das Signal zu offenen Au Sehen der Unzufriebentieit, IBie fich 
los * die — —— befchränfte. Die Popularität des Landeöfürfk 
and ich, zu meinem großen Grflaunen, reißend abnehmen und nicht leicht if 
Bechfel der Bolfögunft und Ihre ſchwache Bafis auffallender erſchienen 
Anfichtige Italiener fand ich in diefem Punkte nicht zu befchroichtigen. Alle en 
jegengehattenen Gründe, wie 3. B. bie Körierige Lage ded_Gouvernement&, 
Reclamationen benachbarter Regierungen gegenüber; die offenbare Tho 
Eoltühnhelt Renzi's im Trope Ihm gewordenen Mahnung, (wobei er 
var auf die Schwachheit der Regierung rechnete) fruchteten Nichts. Hör 
jab man zu, daß man Renzt hätte — men, aber ihn nicht ausliefern 
das {hm nicht angedroht worden ſel. Gleichwohl geſchah die Auslieferu 
inter der ausdrüdlichen Bedingung, daß der Gefangene nicht am Leben g 
verden folle. Der Ausgang diefer Angelegenheit fh befannt: Nenzi hatte © 
doppeltem Glũck zu fügen. Wenige Boden nad) feiner Beftfegung in der En 
rg farb Gregor XVI. und ohne Pius IX. und bie Amneſtie würbe er e 
Rerker wohl niemals verlaffen haben. — Jeder italieniſche Staat hat Stäpte 
Broninaen welche ihm —— zu ſaffen machen. In Sardinien if 
jenua, in der Lombarbei Malland, In Reapel Siciilen, im Kirchenftante 
s die Legationen mit Bologna an der Spige; T. hat, wenn auch im mi 
Brade, in Pifa und Livorno zwei Herde für den —— In erf 
Stadt Famen ſchon im Winter 1845—46 einzelne Aufläufe u. Demonftrationen 
Daß diefe Milde der Regierung, welche bald in Schwäche amfehtug, and 
Trübungen große Schuld trug, läßt ſich nicht in Abrede flellen. Als ein n 
jamer ge der Agitation mußten nun in ganz Stalin, wie fonft überall, 
armen $efuiten herhalten. Einen twillfommenen Anlaß bot noch die ü 
Dames du sacre cocur, welche man bı us als Affillirte der © 
Jeſu betrachtet. ‚Brofefaren ber Univerfität Piſa richteten eine Immeblatelı 
ın den Großherzog, in welcher fie die Hoffnung ausipradhen, derfelbe werde 
srohenden Ginführung der Jeſulten und der Beichränfung des freien Unte 
eine Zuftimmung verfagen. Bon fämmtlichen Brofefieten Cüber 40) fe 
ich vier von der Unterzeichnung aus, barumter zwei Theologen (währen 
ınderen zutraten) und ein als Schriftfieller berühmter Arzt. Die, auf bie 
jabe erfolgte, obwohl fehr milde, vertrauenfordernde Antwort, in welcher 
der ganze Schritt als folcher getadelt wurde, reiste bie funge eraltirte PB 
unter den Au joren zu einer neuen Adreſſe, von welcher fick ſedoch eine gr. 
Zahl von Profeſſoren ausſchloß. Um diefelbe Zeit erfolgte die, meift von 
denten auögegangene, nächtliche Genfeperträmmerung in ver Wohnung des Ge 
ıeralvifard Fanteria. Nun fing die Regierung endlich an, ftrengere poll eittche 
Raßregeln anzuordnen, fah Rd fogar veranlaßt, das biöher fo heilig gehaltene 
Baftzecht in mehren Faͤllen, wenn auch mit größter Schonung der Beil a 
aufzuheben. Eine, ſchon ſeit längerer Ey in Piſa lebende, RL Dane = 
u6 Genf erlaubte ſich die rüdfichtölofeften Eingriffe in den Sugendunterricht. Da 
ine, In Form eines fehr artigen Briefes vom Generalvifar ertheilte, @ — 
odllig undeachtet blieb, aber eine bittere Replik veranlaßte, wurde fie, als fie am 
einer Reife in die Schweiz zurückkehrte, nicht wieder über die Gränze gelaffen — 
Die Dame hatte viele Freunde, auch in Florenz und in den höchſten Krelſen ver 
GBeſellſchaft. Es erfolgte eine unmittelbare mündliche Verwendung bei dem Mo⸗ 
— welcher jedoch entgegnete: „Man habe lange überlegt und mit dieſes 
Mafregel gezögert, die man nun nicht mehr qurüdnehmen Könne.“ Ein zwelies 
Verbot erfolgte um biefelbe Zeit geaen eine vornehme Matländer Familie, die 
des Marchefe A., welche, früher bel den Unruhen in der Lombardei compromittirt, 
fpäter in die Amneſtie Seariien war, ihren Winteraufenthalt in Pifa genommen - 
batte und bier einen Mittelpunkt für die italieniſchen Patrioten bilbete, unter 
enen allerbing8 einzelne nicht zu den befonnenften gehörten. AB —E 
Elorenz Ipre Paffe verlangte, um für ven Iehten Winter welter EIS 






Toskana. 193 


foren, => mude ihr bedeutet, daß es ihr ertebe, überal in 3. ihren Auf⸗ 
wähle zw, jedoch mit Ausnahme von Piſa. Alle diefe Dinge verbreite- 
P türlid> im Publikum und man hörte die Anficht ausfprechen, daß 
g öfter «> ihiihe Einfluß Schuld ſei. Der Haß gegen die Minifter brady 
(06. In Slorenz, Piſa u. Livorno heftete man revolutionäre Mauer: 
BT ymcmeclde die Polizei an der einen Stelle abriß, während man fie 
dern Wei hellem Tage wieder anheftete. Am meiſten Aufſehen erregte 
ta «endemonfration in Pifa gegen den Erzherzog Ferdinand d’Efte, 
e zrübi ah 1847 im Palaft des Herzogs von Modena am Lung Arno 
a F EVvoch wurde dieſelbe in oͤffentlichen Blättern ſehr übertrieben. — 
ul u ey brachte einige befannte Müßiggänger ald Theilnehmer heraus 
etr ru» enten, welche man feftnahm, bald aber wieder frei ließ und zu 
He get amfhidte.e Sie waren, wenn wir nicht irren, vorzüglidy aus der 
t Areyo. Bel dieſer Gelegenheit wollten ſich die erhigten jungen 
D tan? weniger gegen einen öfterreichiichen ‘Prinzen, al® gegen den Com⸗ 
ar ver Miltärmacht zur Unterdrüdung des Aufſtandes in Galizien, 
an in T., wie für die Polen überhaupt, eine befondere Sympathie hatte, 
” gar um dieſelbe Zeit war man in mehren Ortſchaften an der Gränge 
KM ipriichen Bewegungen auf die Spur gefommen und Unterſuchungen wur: 
"ingefeitet, von denen nichts Genauered befannt geworden if. Alle diefe 
nae verfündeten, wie leichte Gasblaſen auf der Oberfläche ruhiger Gewäffer, 
gang . h 
in der Ziefe vorbereitste Gährung, deren fünfte Ausbruch unzmweideutig 
a feit Monaten vorauszufehen war. — Das Minifterium Yumbontg und 
‚mer flll, Marcheſe Ridolfi und Graf Serriftori traten an die Spitze 
‚Berwaltung. Der erflere ift einer der geadhtetiten und befonnenften Männer 
Stallen. Er hat die arößten Verbienfie um die Hebung der Lands und 
satöwirtbichaft in T. Er verfchmähte es, trog feines hohen Ranges, nicht, 
feffor in Piſa zu werden, wo er dad agrarifche Inftitut gründete; wie denn 
haupt nirgends mehr, als in T., der Adel mit dem gebildeten Mittelftande 
verihmolzen hat. Später ward er nad) Florenz berufen, um die Erziehung 
Erbgroßherzogs zu leiten. Unermuͤdlich thätig If er als Schrififteller und 
ger PBräftvent der berühmten Academia dei Georgofili in Florenz gewe⸗ 
Graf Serriftori ift General, fand eine Zeit lange in ruffüichen Dienften 
‘hat, wo ich nicht irre, den Feldzug über den Balkan mitgemadyt. Cr ftand 
n länger ald Gouverneur in Siena und die beiden legten Jahre in Piſa der 
maltung vor, welche freilich, wie für alle Gouverneure, höchft abhängig von 
Gentralftelle in Florenz war. Graf Serriftori unterhält in beiden Untverfi- 
Mänten die innigften Beziehungen zu den Profefforen. Er felbft iſt der Ver⸗ 
er des ausgezeichneten Werkes über die Statiftif von Italien. Beide Männer 
ı fehr gemäßigt, aber freifinnig; huldigen, wie alle tüchtigen Männer in Ita- 
ı der Anſicht von der nationalen Entwidelung, achten aber audy fremde Na- 
nalitäten, wie die deutfche, deren Literatur ihnen nicht unbefannt iſt. Leider 
Heß indeß ihre Verwaltung, daß fie mit der genauen Sachkenntniß u. dem 
m Willen nicht auch die hinreichende Energie befaßen und darum den ra⸗ 
den Elementen erlagen. Ein wichtiges Ereigniß trat nun für T. ein, indem 
308 von Rucca, der ohnehin nach dem Tode der Herzogin von Parma, 
ı Wiener Berträgen zufolge, Parma übernehmen und dafür Lucca an I. ab- 
m ſollte (ſ. Barma), dieß fchon jegt aus Unzufriedenheit über ihm ab- 
mmgene Gonceffionen that, gegen eine Givillifte von T. und Modena (lebteres 
Fivizzano). Die Ratififationen des Vertrages wurden am 8. Dftober 1847 
Blorenz auögewechfelt. — Wir können hier füglich das Nothwendige aus der 
ikhichte Lucca's einfügen. Es gehörte gleichfalls einft zu den Befigungen ver 
fpräfen Warbilde Dach ihrem Zobe (1115) wollte Lucca als freie Stodvt 
m, wurbe aber balb von biefem, balb von jenem Herrn überw ältiat ; eimlar 


Junge (1342 — 69) and fle unter ber Herridyaft von PiſeHierauh ds 


194 Todkana. 


kaufte fie (1370) von Kaiſer Kart IV. ihre Unabhängigkeit, die ihr Kaiſer 
giemund (1432) beftätigte und behauptete bis negen Ende des 18. Jah 
dertd cine republikaniſche Verfaſſung. Im Behr. 1799 wurde fie von dem 
zöſiſchen General Serrurier befcht und in eine frangöfifh organifirte Re 
umgefchaffen. Im Juli deſſelben Jahres noch verfchaffte ihr zwar die öſterrei 
ruffifche Armee die vorige Freiheit wieder; aber nach der Schlacht bei Ma 
(Juni 1800) mußte fie nicht nur eine Geldſtrafe von 375,000 fl. erlegen, fe 
auch (Dezember 1801) wieder eine franzöfifche Berfaffung annehmen. Seit 
1805 war fie mit dem, 1801 vom Könige von Neapel an Frankreich abgı 
nen, Fürſtenthum Piombino ein vereinigtes Herzogthum, das Kaifer Rayı 
feiner Schwefter Elifa, der Gemahlin des F ehen Felir Bacciocchi, 
liehen hatte. Der Wiener Congreß ſprach es der ehemaligen Königin vor 
trurien, Marie Loniſe, Infanıin von Eyanien, zu, welcher 1824 ihr 
Karl Ludwig nadfolgtee — Einem, 1844 abgeichlofienen, Vertrage a 
follte der Großherzog von T. nur die Iucchefifchen Diftrifie Pietrafanta u. 8 
behalten, das Gebiet von Fivizzano aber an Modena und das von Ponta 
an den zufünftigen Beflger von Parma abtreten, wogegen jedody die Ber: 
der zulegt genannten Diftrifte proteflirten und gleichfalie Bereinigung m 
verlangten. Die biöherigen Iuccheftfchen Beamten, mit Ausnahme der W 
und Ctaatsräthe, wie alle Gefege, Anorpnungen und Regulirungen wurde 
viſoriſch beitehalten, dabel eine ausgedehnte Amneftie u. Abichaffung der — 
ftrafe verfügt. Im Auguft 1848 trat das Minifterium Ridolfi ab, im 
ficht einer vom berüchtigten Pater Guerrazzi erregten Livornefer Etr« 
monftration und es folgte ihm das Minifterium Bapponto, weldhes ix 
1848 bereitö wieder fiel, weil es, gleich dem vorhergehenden, bei allen gut 
ſichten doch nad) feiner Seite hin fräftig verfuhr; indeß erfchlen doch unter 
dolfi’d Verwaltung (im Febr. 1848), die fehr freifinnige Eonftitution, w 
bereitö im Juni Kammer und Senat eröffnet und befondere durch fein Ayfı 
im oberitalifchen Sriege die Sympathien der Nationalen verfcherst: es m 
einem Minifterium der radikalen Partei Platz, einer Regierung ver livor 
Verfchmworenenfraftion, der anarchifchen Minorität. Der Staat Itallen's 
yon Alters her die meiften Elemente der Ordnung, der Oefittung, der Mäpi 
in fih trug und dieſſeits, wie jenfeits der Alpen dafür reichliche Anerken 
fand, gab Italien das ſchädlichſte, wie traurigfte Beiſpiel, Inden er die Reb: 
n der fchllinmften Bedeutung des Wortes fanfıionirte, das chen gefchaffene 
ftitutionelle Xeben zerftörte, dem Despotismus ded Marktes und der Gaſſe 
Geld einräumte. Beide Minifterien fielen, während fie in der Kammer die 
ſchiedenſte Majorität, unter dem Bolfe überwiegende Zuftimmung hatten. 
find vor dem Schreien einiger rabifalen Journale, vor bezahltem Etraffen 
vor den Drohungen einer undankbaren, wetterwendiſchen, aufgewiegelten 2 
mafje einer einzelnen Stadt (Livorno) gefallen. Wenn man die Gefchich 
Republik Florenz durchlas u. fand, wie leichten Kaufes im 14. u. 15. Jahrhi 
der Eirg der Parteien errungen wurde u. wie eine Fraktion die andere durd 
bloße Demonftration auf der Piazza de’ Signori ftürzte, fo wunderte man fi 
folhe Schwäche: in Zukunft wird man fidy nicht darüber wundern, denn Schl 
red geht unter unferen Augen vor und T. hat der Welt ein höchſt befiagensiwi 
Beifpiel der Ohnmacht gegeben. Man erwierere nicht, es fei der Sieg de 
mofratifchen Prinzips, welches unter den gegenwärtigen Umſtänden die Obe 
habe erringen müſſen: es ift der Sieg der Anarchie und des Treubruchs u. 
in einen Moment, wo Italien die größten Anftrengungen macht, die Anard 
unterdrüden, weldye es in Folge der ungünftigen Wendung ded lombard 
Kriegs bedrohte. Die gemäßigte Partei brachte jedoch felbft durch unverant 
liche Schler dieſes Inheil über das Land. In Fraktionen führte fle Monate 
Heinen PBlänklerfrieg gegen einander und bradyte ſeh wekfemene In Migat 
anftatt, worauf e8 wirkiich ankam, die Siyeritellung einer, ber embiiak 


ner m, TER 


ar feine Fein 
ae neue. 










ang . 
firajo. (Elba) als Gefangener zu 
rwoluniſchen Depuirterlanmer. — ——— 
714, wie Bias IX fe e Montenelll, 
ht {m —* 1848 einer der Yührer der Etubentenlegien dem 
1— wobei er (ri ib — **— das Mögliche chai/ 
und feinem Fuͤrſten die Gemuther — an en, 
sicht mehr aeife ten Gympatbien vom 
kunernene won Livorno ernannt, wo Tine erſte —* 
rrazzi ſich zu verbinden und, ſeinem Gibe ang A le 
Hinsnte außzufchreiben. Dies find vie entlen , welche J. 
gen Staaten Stalins, die in dieſem Augenblcke an Äner ——* 
kauen Sen follen. — Ratinlidh. war u8 die erſte Maßregel die 

















nad, Die‘ ——* ulöfen (am 4. Rev.) und neue Wal; 
30, Ron.) anzuberammen in falle, —* Yleer 
'aum — einem ſie mit Ab 


* ft auf gerungen bat, gibt fi ® jeder ihrer egeln 
ſten und Rebellion entſprungen, muß es in jeven 

r — und Geſetzlichkeit etmahnen, um Unruhen in Lucca, in 

toferrajo und landen er zu begegnen; es muß die eigenen Worte, 

ehem, n, Banklungen feiner Mitgliener Lügen Rrafen, einen eigenen 

„Wenn um unfertwillen die —2 nbet wurden 

—* —* Parodie des miniſteriellen Pro oramas dem Floren⸗ 

‚ La Vospa), fo werben wir die. Geſetze Fräftigen. Wem um uns 

Cola die Disciplin vergefien haben, werden wir dafür forgen, 

iiniren. Da wir aus Er wiffen , wie viel die öffent sche 

iR, werben wir eine nicht öffentliche Macht Be unter Dem 

ihr fpäter einen beliebigen Kamen beizule een “ &Dle Fa 

‚ was die Mannezucht. betrifft, in der sr en 2 — 

z neue Kriegdminifer, entwidelte | are den er gen In ih 

Tageöbefehlen und Kr eonfufen Berichten an ben tn ala 

Hirigleit; — was fol man aber von dem — — — inße⸗ 

s erwarten, welcher, früher neapolitaniſcher O 








beRänd in be verwidelt, nad eben € "ak ⸗ 
ſandes in in. Coſenza, wo die dem —2— treu * ⸗ 
u Stiche ließ, Mühe nach Livorno gelangt, in na 
* —2 des Milttärs im Friedenszeiten wegzup fi 


attonen im ah e der Deputirtenwahlen bon ein traus 
er neueften toskaniſchen Zuftände Nach der alten frommen Sitte, 
* der Buͤrgerpflichten an bie 5 Uebungen nüpft, ſoll⸗ 
der Ort der Wahl ſeyn m. Morgen des ahtiage 
h Maueranfcyläge das „Boll“ auf zu verfammeln, um 
Fäechen“, welche bie Fe AR gu Id Be — ei 
er Ju sverberben; — wer nidyt mbglebe, erräther an vet 
Beglerung that uicht das Mindeſte, 5 snulungeerte er 





192 Togkana. 


nämlich das Signal zu offenen Ausbrüchen der Unzufriedenheit, die ſich nicht 
blos auf die Regierungsbehörde beſchränkte. Die Popularität des Sanbeofärfen 
[an ich, zu meinem großen Erſtaunen, reißend abnehmen und nicht leicht iſt der 

echfel der Volksgunſt und ihre Noah Baftd auffallenver erfchtenen. Auch 
einfichtige Staliener fand ich in diefem Punkte nicht zu befchwichtigen. Alle ents 
negengehaftenen Gründe, wie 3. B. die fchwierige Lage ded Gouvernements, ben 
Reclamationen benachbarter Regierungen gegenüber; die offenbare Thorheit, ja 
Tolfühnhelt Renzi's im Troße der ihm gewordenen Mabnung (wobei er offen- 
bar auf die Schwachheit der Regierung rechnete) fruchteten Nichte. Höchſtens 
gab man zu, daß man Renzi hätte jefnchmen, aber ihn nicht ausliefern follen, 
was ihm nicht angedroht worden ſei. Gleichwohl geſchah die Auslieferung nur 
unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Gefangene nicht am Leben geftraft 
werden folle. Der Ausgang diefer Angelegenheit iſt befannt: Renzi hatte von 
doppeltem Glück zu fagen. Wenige gochen nach feiner Seftfegung in der Engels⸗ 
burg ftarb Gregor XVI. und ohne Pius IX, und die Amneflie würde er feinen 
Kerker wohl niemals verlafen haben. — Jeder italienifche Staat hat Städte u. 
Provinzen, welche ihm vorzugsweife ji fchaffen machen. In Sarbinten if e6 
Genua, in der Lombardei Mailand, in Reapel Sicilien, im Kirchenftaate find 
es die Legationen mit Bologna an der Spige; 3. hat, wenn auch im mindern 
Brave, in Piſa und Livorno zwei Herde für den Gährungsfloff. In erfterer 
Stadt famen fchon im Winter 1845—46 einzelne Aufläufe u. Demonftrationen vor. 
Daß viefe Milde der Regierung, weldye bald in Schwäche umfchlug, an diefen 
Zrübungen große Echuld trug, läßt ſich nicht in Abrede flellen, Als ein wirk⸗ 
famer Hebel der Ngitatton mußten nun in ganz Italien, wie fonft überall, die 
armen Sefuiten herhalten. Einen willfommenen Anlaß bot nody die Einführung der 
Dames du sacre cocur, welche man durchaus ale Wffiliirte der Getelthaft 
Jeſu betrachtet. Brofefforen der Univerfität Piſa richteten eine Immeblateingabe 
an den Örapberion n weldyer fie die Hoffnung ausiprachen, derfelbe werde der 
drohenden Einführung der Jeſuiten und der Beichränfung des freien Unterrichts 
I Zuftimmung verfagen. Bon fämmtlichen Profefloren Cüber 40) fchlofien 
ch vier von der Unterzeichnung aus, darunter zwei Theologen (während die 
anderen zutraten) und ein als Schriftfteller berühmter Arzt. Die, auf die Eins 
gabe erfolgte, obwohl fehr milde, vertrauenfordernde Antwort, in welcher jedoch 
der ganze Schritt als folcher getadelt wurde, reizte die junge eraltirte Partei 
unter den SBrofefforen zu einer neuen Adreſſe, von welcher ſich jenoch eine größere 
Zahl von Profefforen ausfchloß. Um diefelbe Zeit erfolgte die, meift von Stu⸗ 
denten ausgegangene, nächtliche Genfterertrümmerung in der Wohnung des Ges 
neralvifard Fanteria. Nun fing die Regierung endli an, firengere polizeiliche 
Maßregeln anzuorbnen, fah fd fogar veranlaßt, das bisher fo heilig gehaltene 
Gaſtrecht in mehren Fällen, wenn audy mit größter Schonung der Berbeitigten, 
aufzuheben. Eine, ſchon feit längerer Zeit in Piſa lebende, proteftantifche Dame 
aus Genf erlaubte ſich die rüdfichtslofeften Eingriffe in den Yugendunterricht. Da 
eine, in Form eine® fehr artigen Briefes vom Generalvifar ertheilte, Warnung 
völlig unbeachtet blich, aber eine bittere Replik veranlaßte, wurbe fie, ald fie auß 
einer Reife in die Schweiz zurüdfehrte, nicht wieder über die Gränze gelaffen. 
Die Dame hatte viele Freunde, auch in Florenz und in den höchften Krelfen der 
Geſellſchaft. Es erfolgte eine unmittelbare mündliche Verwendung bei dem Mos 
narchen, welcher jedoch entgegnete: „Man babe lange überlegt und mit diefer 
Maßregel gezögert, die man nun nicht mehr zurücknehmen könne.“ Gin zweites 
Verbot erfolgte um dieſelbe Zeit gegen eine vornehme Mailänder Familie, die 
des Marchefe A., welche, früher bei den Unruben in der Lombardei compromlttirt, 
fpäter in die Amneſtie begriffen war, ihren Wintcraufenthalt in Pifa genommen 
hatte und bier einen Mittelpunkt für die italienifchen PBatrioten bildete, unter 
denen allerdings einzelne nicht zu den befonnenften gehörten. Als dieſe Kamille 
in Florenz ihre Päffe verlangte, um für den Testen Winter wieder nach Piſa 


Toskana. 193 


Egufehren, wurde ihr bedeutet, daß es ihr freiſtehe, überall in T. ihren Auf⸗ 
ft zu wählen, jedoch mit Ausnahme von Piſa. Alle diefe Dinge verbreite- 
ich natürlich im Publiftum und man hörte die Anſicht ausfprecdhen, daß 
n der öfterreichifche Einfluß Schuld fei. Der Haß gegen die Minifter brady 
holen 106. In Florenz, Piſa u. Livorno beftete man revolutionäre Mauer: 
fäge an, weldye die Polizei an der einen Etelle abriß, während man fie 
mer andern bei hellem Tage wieder anheftete. Am meiften Aufichen erregte 
b die Straßendemonftration in Pifa gegen den Erzherzog Ferdinand d'Eſie, 
⁊ im Yrühjahre 1847 im Palaft des Herzogs von Modena am Lung Arno 
ıachtete. Jedoch wurde biejelbe in öffentlichen Blättern ſehr übertrieben. — 
Unterfuchung brachte einige befannte Müßiggänger als Theilnehmer heraus 
mehre Stubenten, welche man feftnahm, bald aber wieder frei ließ und zu 
Eltern heimſchickte. Sie waren, wenn wir nicht irren, vorzüglidy aus der 
nd von Arezzo. Bet diefer Gelegenheit wollten fi die erhitzten jungen 
: übrigen® weniger gegen einen Öfterreichiichen Prinzen, ald gegen den Com⸗ 
‚renden der Militärmacht zur Unterbrüdung des Aufftandes in Galizien, 
r man in T., wie für die Polen überhaupt, eine befondere Sympathie hatte, 
m. Faſt um diefelbe Zeit war man in mehren Ortſchaften an der Graͤnze 
sumiftifchen Bewegungen auf die Spur gefommen und Unterfuchungen wur- 
ringeleitet, von denen nichts Genauered bekannt geworden ift. Alle dieſe 
jänge verfündeten, wie leichte Gasblaſen auf der Oberfläche ruhiger Gewäfler, 
in der Tiefe vorbereitete Gährung, deren jünger Audbrudy unzweideutig 
ı feit Monaten vorauszufehen war. — Das Minifterium Yumbonrg un 
zer fiel, Marchefe Ridolft und Graf Serriftorti iraten an die Spitze 
Berwaltung. Der erftere ift einer der geachtetften und befonnenften Männer 
talien.. Er hat die arößten Verdienſte um die Hebung der Land» und 
stöwirtbichaft in T. Er verfchmähte es, trop feines hoben Ranges, nicht, 
eſſor in Piſa zu werden, wo er das agrarifche Inftitut gründete; wie denn 
haupt nirgends mehr, als in T., der Adel mit dem gebilbeten Mittelftande 
verfchmolzen bat. Später warb er nady Florenz berufen, um die Erziehung 
Erbgroßherzogs zu leiten. Unermüdlich thätig iſt er als Schrififteller und 
jähriger Präfident der berühmten Academia dei Georgofili in Florenz gewe⸗ 
Graf Serriftori iſt General, fland eine Zeit lange in ruffijchen Dienften 
bat, wo ich nicht irre, den Feldzug über den Balfan mitgemacht. Er ftand 
ı Sänger ald Gouverneur in Siena und die beiden legten Jahre in Piſa der 
valtung vor, weldye freilich, wie für alle Gouverneure, höchſt abhängig von 
Bentralftelle in Florenz war. Graf Serriftori unterhält in beiden Univerfi- 
tädten die innigften Bertehungen zu den Profefforen. Er felbft ift der Ber- 
E des ausgezeichneten Werkes über die Statiftif von Italien. Beide Männer 
fehr gemäßigt, aber freifinnig; huldigen, wie alle tücdhtigen Männer in Ita⸗ 
der Anficht von der nationalen Entwidelung, achten aber auch fremde Na⸗ 
ilitäten, wie die deutfche, deren Literatur ihnen nicht unbefannt iſt. Leider 
ed indeß ihre Verwaltung, daß fie mit der genauen Sachfenntniß u. dem 
ı Willen nicht auch die hinreichende Energie befaßen und darum den ra= 
en Elementen erlagen. Ein wichtige Greigniß trat nun für T. ein, indem 
erzog von Lucca, der ohnehin nach dem Tode der Herzogin von Parma, 
iener Berträgen zufolge, Barma übernehmen und dafür Yucca an T. ab- 
rı follte (f. Barma), dieß fchon jet aus Unzufriedenheit über ibm ab⸗ 
mgene Goncefftonen that, gegen eine @ivilifte von T. und Modena (lebteres 
Fivizzano). Die Ratififationen des Vertrages wurden am 8. Dftober 1847 
lorenz ausgewechfelt. — Wir können hier füglich das Nothwendige aus der 
bichte Lucca's einfügen. Es gehörte gleichfalls einft zu den Befigungen der 
fgräfin Mathilde. Nach Ihrem Tode (1115) wollte Lucca als freie Stadt 
eten, wurde aber bald von diefem, bald von jenem Herrn überwältigt; einige 
lange (1342 — 69) fland fie unter der Herrfchaft von Piſa. Hieraui vs 
enlencyclopävie X 41% 


194 Todkana. 


kaufte fie (1370) von Kaiſer Karl IV. ihre Unabhängigkeit, die ihr Kaiſer Si⸗ 
giemund (1432) beftätigte und behauptete bis aegen Ende des 18. Jahrhun⸗ 
dertd cine republifanifche Verfaffung. Im Behr. 1799 wurde fie von dem fraus 
zöfifchen General Serrurier beſctzt und in eine franzöſiſch organifirte Republik 
umgefchaffen. Im Juli deffelben Jahres noch verfchaffte ihr zwar die öſterreichiſch⸗ 
ruffifche Armee die vorige Freiheit wieder; aber nach der Schlacht bei Marengo 
(Juni 1800) mußte ſie nicht nur eine Geldſtrafe von 375,000 fl. erlegen, jonben 
auch (Dezember 1801) wieder eine franzgöfifche Verfaffung annehmen. Selt Juni 


1805 war fie mit dem, 1801 vom Könige von Neapel an Frankreich abgetretes : 


nen, Fürſtenthum Piombino ein vereinigte Hergogihum, das Kalfer Napoleon 
feiner Schwefter Elifa, der Gemahlin des F hen Felir Bacciocchi, vers 
iehen hatte. Der Wiener Congreß ſprach es der ehemaligen Königin von He 
trurin, Marte Loniſe, Infantin von Spanien, zu, welcher 1824 ihr Sohn 
Karl Ludwig nachſolgte. — Einem, 1844 abgefchloffenen, Bertrage gemäß 
follte der Großherzog von 3. nur die Iucchefifchen Diftrifte Pietrafanta u. Barga 
behalten, das Gebiet von Fivizzano aber an Modena und das von Pontremoli 
an den zufünftigen Befiger von Parma abtreten, wogegen jedoch die Bewohner 
der zulcht genannten Diftrifte proteflirten und gleihfnlie Vereinigung mit T. 
verlangten. Die bieherigen Iuccheftfchen Beamten, mit Ausnahme der Minifter 
und Staatsräthe, wie alle Gefehe, Anordnungen und Regulirungen wurden pro⸗ 
viſoriſch beibehalten, dabei eine ausgedehnte Amneftie u. Abfchaffung der Todes⸗ 
ftrafe verfügt. Im Auguſt 1848 trat das Minifterium Ridolfi ab, im Ange⸗ 
fiht einer vom berüchtigten Pater Guerrazzi erregten Livornefer Straßender 
monftration und es folgte ihm das Minifterium Capponio, welches im Oft. 
1848 bereit8 wieder fiel, weil es, gleich dem vorhergehenden, bei allen guten Abs 
ſichten doch nad) feiner Seite hin fräftig verfuhr; indeß erfchlen doch unter Rus 
dolfi's Verwaltung (im Febr. 1848), die fehr freifinnige Eonftitution, wurden 
bereits im Juni Kammer und Senat eröffnet und befonders durch fein Auftreten 
im oberitalifchen Kriege die Sympathien der Nationalen verfcherzt: es machte 
einem Minifterium der radikalen Bartei ad, einer Regierung der livornefer 
Verfchworenenfraftton, der anarchiſchen Minorität. Der Staat Italien’, der 
yon Alters her die meiften Elemente der Ordnung, der Ortung, der Mäßigung 
in fid trug und dieſſeits, wie jenfeitS der Alpen dafür reichliche Anerkennung 
fand, gab Italien das fchänlichfle, wie traurigfte Beifpicl, indem er die Rebellion 
n der fchlimmften Bedeutung des Wortes fankttonirte, das chen gefchaffene con⸗ 
ftitutionelle Leben zerflörte, dem Despotismud des Marftes und der Gafle das 
Geld einräumte. Beide Minifterien fielen, während fie in der Kammer die ent- 
ſchiedenſte Majorität, unter dem BVolfe überwiegende Zuftimmung hatten. Sie 
find vor dem Schreien einiger radifalen Journale, vor bezahltem Straffenlärm, 
vor den Drohungen einer undankbaren, wetterwendifchen, aufgewiegelten Volks⸗ 
majje einer einzelnen Stadt (Livorno) nefallen. Wenn man die Gefchicdhte der 
Republik Florenz durchlas u. fand, wie leichten Kaufes im 14. u. 15. Jahrhundert 
der Sieg der Partrien errungen wurde u. wie eine Braftion die andere durch eine 


bloße Demonftration auf der Piazza de’ Signori ftürzte, fo wunderte man ſich über 


folhe Schwäche: in Zukunft wird man fidy nicht darüber wundern, denn Echlimmes 
red geht unter unferen Augen vor und T. hat der Welt ein höchft beklagenswerthes 
Beifpiel der Ohnmacht gegeben. Man erwiedere nicht, es fei der Sieg de6 des 
mofratifchen Prinzips, welched unter den gegenwärtigen Umſtänden die Oberhand 
habe erringen müflen: es ift der Sieg der Anarchie und des Treubruchs u. zwar 
in einem Moment, wo Stalien die größten Anftrengungen macht, die Anarchie zu 
unterbrüden,, welche es in Folge der ungünftigen Wendung des Iombarbifchen 
Kriege bedrohte. Die gemäßigte Partei brachte jedoch felbft durch unverantwort⸗ 
liche Fehler dieſes Unheil über das Land. In Fraktionen führte le Monate lange 
feinen PBlänklerfrieg gegen einander und brachte fich wechfelmeife in Mißachtung, 


anftaıt, worauf es wirktich ankam, die Eicherftellung einer, der gemäßigten Ge | 


Teslane: 195 


sung bed Landes entfprechenven, Berfaffung und eines darauf baſirten, im 
Iuirauen des Bold wurgelnden und daraus feine Lebenskraft ziehenden, Gou- 
anements mit vereinter Bemühung anzuftreben. Das neue Minifterlum, die 
wfaung aller Anarchiften Italiens, befteht aus folgenden Perfonen: Fran⸗ 
seo Dominico Buerrazzi, Advokat aus Livorno, Verfaſſer des Romans: 
Issedio di Firenze, zu welchem er fidh bei deſſen Erfcheinen nicht befennen 
ufte, eine Buches, welches glänzende Talente und hinreiſſende Beredſamkeit 
Kden verkehrteften Prinzipien und fchredenerregenver Srreligiofität vereinigt; 
wB ver Däupter der Giovine Italia, wegen anderer, mit obengenannter an Geift 
&Beftnnung übereinftimmenden Schriften mehrmals gerichtlich verfolgt, im 
muar 1843 als angeblicher Urheber des Wufftandes in Livorno verhaftet und 
u Bortoferrajo (Elba) als Gefangener gebralht ; neuerdings radikales 
Welied der toskaniſchen Deputirtenfammer und ein ebenfo heftiger. Gegner 
art Albert’, wie Pius IX. Si ufeppe Montanelli, Brofeffor des 
* in Piſa, im April 1848 einer der Führer der Studentenlegion bei dem 
iſchen Zuge, wobei er ſchriftlich und mündlich das Mögliche ihat, feinem 
dmathlande T. und feinem Kürften die Gemüther abwendig zu machen, unges 
bet feiner nicht mehr zweifelhaften Sympathien vom Minifterlum unkluger⸗ 
ie zum Gouverneur von Livorno ernannt, wo feine erſte Handlung war, mit 
am Guerrazzi fih zu verbinden und, feinem ide zum Hohn, eine ikalie⸗ 
{he Conſtituante auszufchreiben. Dies find die Antecedentien, welche T. 
& den übrigen Staaten Italiens, die in dieſem Augenblide an einer Föderation 
beiten, Bertrauen einflößen follen. — Natürlich war e& die erfle Maßregel dies 
) Minifteriums, die Deputirtenfammer aufzulöfen (am 4.Rov.) und neue Wahs 
ı (auf den 20. Nov.) anzuberaumen. Die falfche Stellung diefer Regierung, 
elche, wie kaum je eine andere, einem fie mit Abneigung und Mißacdhtung ems 
angenden Lande ſich ſelbſt aufgebrungen hat, gibt ſich in jeder ihrer Maßregeln 
nd. Aus der frechfien Anarchie und Rebellion entfprungen, muß es in jedem 
sgenbli zur Ordnung und Gefeglichkeit emahnen, um Unruhen in Lucca, in 
Ita, in Portoferrajo und anderwärts zu begegnen; es muß bie eigenen Worte, 
rinzipien, Lehren, Handlungen feiner Mitglieder Lügen ftrafen, feinen eigenen 
Mfprung verdammen. „Wenn um unfertwillen die Gefepe gejchindet wurden 
eißt es In einer wibigen Parodie des minifteriellen Programms in dem Floren⸗ 
ver Journal La Vespa), fo werben wir die Gefehe Fräftigen. Wenn um uns 
twillen die Soldaten die Disciplin vergeflen haben, werden wir dafür forgen, 
zu rebiscipliniren. Da wir aus Erfahrung wiſſen, wie viel die öffentliche 
tacht werth iſt, werben wir eine nicht -Offentliche Macht einfegen, unter dem 
orbehalte, ihr fpäter einen belichigen Ramen beizulegen.“ Die toskaniſchen 
rmppen find, was die Mannezucht betrifft, in der klaͤglichſten Berfaffung. Hr. 
Ayala, der neue Kriegsminiſter, entwidelte ſogleich in den erften Tagen in 
'uferungen, Tagesbefehlen und fehr confufen Berichten an den Großherzog eine 
jgeheuere Thätigkeit; — was fol man aber von dem moralifirenden Einfluß 
ſes Mannes erwarten, welcher, früher neapolitanifdyer Offizier, vor der 
mfitution befländig in Händel verwidelt, nach derſelben einer der Anftifs 
»des Aufſtandes in Coſenza, wo die dem Könige treu bleibende Bevoͤl⸗ 
ung ihn im Stiche Tieß, flüchtig nad) Livorno gelangt, in Zeitungsartifeln 
» Bricht des Gehorſams des Milttärs in Friedenszeiten wegzuphilofophiren ſich 
mühte? — Die Agitationen im Gefolge der Deputirtenwahlen boten ein trau⸗ 
ed Bild der neueften toskaniſchen Zuftände. Rach der alten frommen Eitte, 
die Erfüllung der Bürgerpflichten an die retigtöfen Uebungen fnüpft, foll- 
ı in Florenz Rirden der Ort der Wahl feyn. m Morgen des Wahltags 
fen gebrudte Maueranfchläge dad „Wolf“ auf, ſich zu verlammeln, um den 
raden „Reichen“, weldye die Stimmenmehrheit zu erlangen drohten, ihr 
——ã Spiel zu verderben; — wer nicht mitziehe, ji Verrätber an der 
ptsfache. Die Regierung that nicht das Mindefte, die 







erfammlungsorte der 
13* 


200 " Tournay. 


denn bei der abenteuerlichen Verſchwörung, die Nikolaus I. auf dem Thre 
mit Slintenfchüffen empfing, war auch einer von 3.6 Brüdern betheiligt, d 
deshalb fein Vaterland für immer meiden mußte. T. felbft theilte feine Zeit for 
an zwifchen den Wiffenfchaften, dem Vaterlande und der Sorge für feinen Brı 
der. Faſt immer auf Reifen und nur momentan nad) Petersburg zurüdfchren 
verlor er doch feine Heimath nie aus den Augen und diente ihr dadurch, daß 
in allen Archiven, zu denen ihm nur der Zutritt wurde, alles auf die ältefl 
Zeiten Rußlands Bezügliche zufammenfuchte. Die reiche Ernte, die er hielt, 1 
enthalten in den beiden Bänden feiner „Monumenta historiae patriae, edila s 
Alexandro Turgenevo, Petropoli 1840 u. 1843.“ Andere werthvolle Auffäße vo 
ihm find in ruffifchen Zeitfchriften abgedrudt, 1844 verfchlimmerte feine fett Iaı 
ger Zeit leidende Geſundheit fidy bedeutend. Durch eine kurze Befferung getäuf 
machte er im Herbft 1845 die anftrengende Reife nach Rußland und holte 
am 15. Dezember in Moskau den Tod, als er dad Haus von Varobief befudht 
wo Die nd Sibirien Berurtheilten verfammelt werden, um den Unglüdlicye 
Rath und Troſt mit auf den Weg zu geben. 

Tournay (flämiih Doornid), wohlbefeftigte und gewerbfame Stadt in di 
belgifchen Provinz Hennegau, an beiden Ufern der Scheide, bat ſchöne und aı 
fehnliche Straßen, mehre Kirchen, ein Athenäum, Malerafademie, kunſt⸗ und nc 
turbiftorifches Dufeum, ein Priefterfeminar,, eine Bibliothaf mit 22,000 Bändı 
und 246 Handfchriften, unter denen das Pfalterium Kaiſers Heinrichs IL, ei 
Irrenhaus, mehre Hofpitäler und andere Wohlthätigfeitsanftalten. Unter dı 
öffentlichen Gebäuden if vor allen fehenswerth die Kathedralkirche, eine der Alt 
fin und fehenswürbigften Kirchen bed Landes. Das Schiff verfelben iſt i 
römifchen Styl. Das Chor iſt ein herrliches Monument ehemaliger Kun 
Allgemeine Bewunderung verdienen mehre Meifterwerfe in dieſer Stiche, befonbe 
die Kreuzigung Chrifti von Iordäns; das Fegfeuer von Rubens; ein herrlich 
Singdyor von Xecreur; die Kanzel, ein koſtbares Etüd von Gilis; das Reliquien 
fäftchen des hl. Eleutherius, ein Meifterftück der Goldarbeiterfunft, welches Walt 
von Marvis im Jahre 1200 diefer Kirche fchenkte; vier Genien in Marmı 
von Duquesnoy. Man zeigt in der Safriftet den Kaiſermantel Karls V. ur 
einige priefterliche Verzierungen von großem Werthe. Die Kirchen St. Quenti 
St. Piat und St. Jacques, find intereffante Denfmäler des erften gotbifch 
Styls; ferner die St. Brice und St. Nicolas du Chateau, leßtere beſitzt eink 
fhöne Gemälde und iſt von einer befonvderd merfwürdigen Bauart. Auch da 
Rathhaus iſt ein ausgezeichnetes Gebäude. Die Einwohner 25,000 an der Zah 
treiben fehr blühende Shdufrie und Handel. Die berühmten Teppichfabriken b 
fchäftigen allein gegen 5000 Menſchen, während ebenfoviel in den Yabrike 
für Strumpfwaaren thätig find. Auch werden Barchent, Leinwand, guter Zwir 
zu Spigen und zum Nähen und Striden, Tuch⸗ und MWollenzeuge, Fayenc 
Seite und Licht gefertigt und die großen Baummwollfpinncreten liefern vieles un 
gutes Garn, Mit diefen Zabrifaten, mit den In der Nähe brechenden Baufteine 
Schiefer und Kalf und den Produkten der Landwirthfchaft, namentlid mit G— 
treide, wird ein nicht unbebeutender Handel getrieben. T. war früher die Nef 
denz mehrer fränfifchen Könige und man bat dad Grabmal Ehilderihs 1 
welcher 482 ftarb, bier wieder aufgefunden. Bis 1525 gehörte ed zu Frankreid 
in weldyem Sabre ed mit den fpanifchen Niederlanden vereinigt wurde. Be 
Ludwig XIV, 1667 nach langer Dagerung erobert, blieb ed im Aachener Friede 
bei Frankreich, wurde hierauf durch Bauban 1668 anfehnlich befeftigt, jedoch fi 
Jahre 1709 von den Kaiſerlichen wieder eingenommen und Im Ülrcchter Friede 
1713 an Oeſterreich zurüdgegeben und als einer der acht Barrierepläge von di 
goninern beſetzt. Nach Aufhebung des Barrieretraftats im Jahre 1781 dur 

alfer Joſeph IL. wurde T. gefchleift und erft, nachdem es im erften Barif 
Frieden yon Frankreich an die Niederlande zurüdgegeben worden war, meift dur: 
frangöftfehe Gontributionsgelver wieder anfehnlich befeftlgt. Hier kant om FL. 


Zenl +-Ranlen. 
Gele: ar ch Ronfastiiwspel: und: leiſtete en R vr 
— u ern Artillerie * ver © aa ke 


Eee Es Der = 


des Friedens begab 3% 

* 24 Grant re, Sen —* *8 m — — —— * 

er 23 m 

um». Bitte des Bryan aufs Genaueſte befannt I Be 
‚Müter zog er ſich ins ‚Bripatieben we mb farb: 1798 ju Tag⸗ 
ocf in. Ungarn. In Dru de erſchien von: ih ni „Mömoirce sar les Turcz 
—— * 4 Abde., Amſterdam 17643; —6 , 1786 , nicht, he 
7 über bie Tärfel, Tatarei, en nee Kopp, 
zeit, erläutern ven Anne uns en at Ber Beyft —* ——— 
* nn —— und Sn 178, A auch in eagliſcher da⸗ 


en, sale nam en Arronsl ements Im anöffhen 
a — am. linfen Ufer ? — ah alten —8 
mehren Kloͤſtern, nen —2 — Zen hans, mehren. Wo 8 ge 
und. BO0D Sinwohnern, — ente⸗, Chaiſen⸗ollen⸗ 
— — und @ — *3* —— — — 
dar: em. * Tollum Leucorum fchon 410: ihre "eigenen Bifchäfe, 
um —ã und gehörte. unter m ‚Metovin- 
















































gern zu .Gie wurde von Grafen regiert, die: im J. 

gig. wurden mb 1136: im Manns ſtamm — worauf T. an 

das aber au die. upherrichaft rer Stadt und. das 

ausübte. 1152 den, wen herrſchaft, mit. 

aniveih in Streit, das Ks oieichfatte bie —æe ‚anmaßte ,. 2. bes 

mr zu darüber mehrmale, befonders mit Hergag Karl IL. in Krieg gerieth. 

og aber gab erft 1718 feine Schirm⸗ und Schutzherrſchaft auf. Hachdenn 

don. im weitphälifchen Zrieven an Frankreich abgetreten. worben war. 

enden die alten Mauern geileif und durch eine neue Umwallung erfet; 

IR es Keine Feftung von Bedeutung geworden. : In ber Revolution. wurbe 

* — — ; auch wurden bier mehre Concilien gehalten: ſo in den 

en. 550,.859 und 

Aonlon, ſtarke Zeftun und Hafenfladt-im Departement Bar Srantreiche, 

der .43° 7- nördlicher Breite umd 3%. 35° öftlidher Länge (von Paris) mit 

von Einwohnern. Die —5 untegelmäßig. gebaute Stadt liegt am 

Mflländifchen Meere und zwar am Fuße eines Bergesz fie hat einen “Doppel 

Wen, nämli gr 6s und. Rauffadrteibnfen md zeichnet. fich ganz beſonders 

Sch. ihre fch tabliffements :der Kriegsmarine m (rk 3 de, are der 

— FR 5 before dr Si Bi 5 Si * 

das Da usbeſſerung e, die „DIE. eret, 
owerfte * bie, bedeckten Tauwerfte. Ue werbienen : auch Er 








J So 
: das Stadthaus und das ae. sehe gto en. Gebäude, ‚welches bes 
mt iR, mehre Taufende. (45000 Baleerenfllaven aufgunehmen. Dr 
Wrie * von bejonberer Bichrigkeit, befchränft fidy auf grobe: Wollen 
ri » Bierbrauerei 2cı Bedeutender iſt ber e Handel mit 
nein anno, Dei Sädfrüchten aller Art-sc, wobek die —* m 
mi ahrten nad) Algier, Baia, Orau u: ſ. w. vortheilhaften Ein 


di Cultur 1 orgt :durdh :ei ‚, ine medi⸗ 
‚Schule für — Pam; le Kir le —A * Bewerbe 


Schifffahrtſchule, eine Geſellſchaft der 
— Wifenfchaften und Kanße; durch eine bebeutende, Biblio⸗ 
Sternwartesamb ‚einen. botanifcheu Garten, An Behörden befinden. fich 


202 Tours — Tourville. 


l'histoire ancienne et moderne de plusieurs isles d’Archiple, do Constantlinople‘ 
etc., 2. Bde, Paris 1777 in 4.,u. N Bpde., in 8., auch nadhgedrudt. E. Buchner. 
Zours, Haupıftadt des franyöfiichen Indres und Roiredepartements und der 
ehemaligen Provinz Touraine, am linken Ufer ver Xoire, über welche eine 1400 
Fuß lange und 42 Fuß breite fteinerne Brüde mit 19 Bogen führt, in einer 
Ebene, welde man den Garten Frankreichs nennt, ift antehntich und gut ges 
baut, hat fchöne Pläge und Straßen, darunter die die ganze Stadt durdfchnels 
dende Koͤnigsſtraße, 15 Kirchen, darunter die fehr fchone alte Ratperrale, die 
Martinsfirche; ein altes, feſtes Schloß, Rathhaus, Theater 1. Die Stadt iſt 
Sig eined Erzbifchofs, der Departementalbehörden, eines Militärs Diviflons-Eoms 
mando’s, einer Handeldfammer und eined Handelögerichts. Außerdem findet man 
bier: ein Briefterfeminar, eine Bibliothek, Öemälderammlung, eine dkonomiſch⸗wiſ⸗ 
fenfchaftliche und eine mediziniſche Geſellſchaft. Die 30,000 Einwohner treiben 
al8 Hauptnahrungszweig die Babrifation von Wollen: und Baummollen- naments 
li aber von Seidenwaaren (feit Ludwig XL), in welchen T. mit Lyon und 
Paris rivalifirt. Die ſchweren Seivenftoffe, Gros’ de Tours genannt, werben 
nirgends beijer gefertigt. Außerdem liefert die Induſtrie Stärke, Fuvence, Wachs⸗ 
lichter, Tapeten, Bortenwirkerwaaren, Töpferwaaren, Draht, Salpeter, Leder und 
anſehnlich ſind die Baumwoll⸗ und Wollſpinnereien und Faͤrbereien. Der Handel 
mit dieſen Fabrikaten und mit Getreide, Wein, Branntwein, Eſſig, Pflaumen, 
Mandeln, Hanf, Seide, Wolle, Häuten u. ſ. w., iſt ſehr anſehnlich. — T. hieß 
zur Römerzeit Caesarodunum; es kam unter die weg othben und dann an 
die Franken, wo es zu Neuftrien gerechnet ward. Es hatte damals eigene 
Grafen, deren erfter, Theobald, zugleih Graf von Blois war. Deffen Radıs 
fommen befaßen T. bis in das 2. Jahrhundert, wo der legte Graf, Theobald, 
von Gottfried von Anjou, Stammvater der Plantagenets, vertrieben ward. 
Bei T. 7265 Schlacht Karl Martells gegen die Sarazenen; 853 ward T. von 
ten Dänen geplündert und verbrannt. Unter Johann ohne Land nahm Philipp 
Auguft von Frankreich die Stadt und erſt König Heinrich VIL von England 
trat T. und die Touraine 1259 ganz an Ludwig den Helllgen, König von 
Sranfreich, ab. Seit 1300 wurde 5 al8 Herzogthum an nachgeborene franzöftiche 
Prinzen als Apanage gegeben. Bon der dortigen Abtei waren die Könige ſelbſt 
Acbte. 1583 verlegte Heinrich 11. dad Barlament und die anderen hoben Ge—⸗ 
richte von Paris hieher. T. wuchs dadurch außerordentlich, ſank aber bereutend, 
ale die Barlamente von Heinrich IV. zurüdgerufen wurden. Hier verfammelten 
ſich fonft oft die frangöftfchen Stände: fo unter Ludwig XI. 1470, Karl VIII. 
1484, Ludwig XI. 1516. Ludwig XI. hielt fidy großentheils zu T. in le 
Plessis le Tours, dem feften, königlichen Schloffe, auf und flarb audy bier 1481. 
1621 entfland bier ein Aufruhr ter Reformirten gegen die Karholifen, ven 
Ludwig XI. durch Vertreibung aller Reformirten endete. Das Erzbisthum 3. 
fommt ſchon im dritten Jahrhunderte vor. Hier fanden auch mehre Concilien 
Statt: fo 813, 1153, 1282 und 1510. 
Tourville (Anne Hilarton de Cotentin de), Marſchall von en 
Viceadmiral und Befehlshaber der franzöfifchen Seemacht, geb. in dem Schloſſe 
Zourville im Departement la Manche, ward ſchon im vierten Jahre Maltheſer⸗ 
ritter und legte frühe vorzügliche Proben feiner Tapferkeit ab. Er fah den erften 
Flor und den Untergang der franzöſiſchen Seemacht unter Ludwig XIV. und 
trug zu beiden das Seinige bei. Durch feine glüdlichen Erpebitionen im mittel: 
ländifchen Meere gegen die Spanier, Sceräuberftaaten und Genueſer erwarb er 
fi) das Zutrauen feines Königs, der Ihn zum Reichsadmiral und Anführer ver 
großen Flotte machte, mit der er 1690 die englifchnieverländifche Flotte auf der 
Höhe von Dieppe, im Kanal; ſchlug, aber zwei Jahre hernach erlitt er eine völlige 
Niederlage beim Kap la Hogue und Fonnte von diefer Zeit an feine Erpedition 
mehr unternehmen. Er ſtatb den 18. Mai 1701. Sewe „Mimoites de Tour- 
ville, Vice--Amir. de France“, erſchienen Amſterdam 1758, 3 Bir. 


Zouffaint L’DOuperture— Tower. 203 


Zouffaint 2’Ouverture, geboren 1745 auf einer Pflanzung ded Grafen Nos 
auf St. Domingo, erwarb fidy durch feine natürlichen guten Anlagen und feine 
Lemndegierde bald die Gunſt feines Vorgeſetzten, des Baron de Liberias u. wußte 

ach, von dieſem fehr gelinde behandelt, auch mit mehren Gelfteswerfen befannt 
iu machen. Bei bem Ausbruche der Regerempörung auf Domingo wurde er 
wit zu Rathe gezogen, doch traf er erft alle Anftalten, feinen Herrn in Sicherheit 
za dringen, dann nahm er Dienfte unter Braffon und war ber nädhfte nach 
dieſen tm Commando; bald aber an deſſen Stelle zum Diviſtonscommandanten 
ernannt, zeigte er nun eben fein Genie auf der voriheilhafteften Seite und, ob⸗ 
gleich ihm feine Feinde viel Graufanfeiten aufbürden, die zum Theil aber auf 
vie Rechnung des Ungeheuer Deffalines (f. d.) kommen, fo wird er body 
von vielen Glaubwürdigen ald guter, edler Menfch und General dargeftellt. Aber 
auch Die franzöftfcye Revolution Hatte für ihn bedeutende Folgen. Schon 1796 
haste er fich durch Befreiung des franzöftichen Generals Laveäux bet der neuen 
Republi in große Achtung geſetzt. Er wurde nun zum Divifionsgeneral von St. 
Domingo gemacht, commanpirte einen Theil der frangöfifchen Armee, machte 
1797 gute „Brogrefie gegen die Engländer und wurde von dem franzöfifchen Dis 
reftortum zum Dbergeneral aller Armeen auf St. Domingo ernannt. Der 1799 
poitipen ihm und dem Mulattenoberhaupte Rigaud audgebrechene Bürgerfrieg, 
ver Etröme von Blut foftete, fiel für T. fo aus, daß er Meifter von der ganzen 
Colonie ward und die Ordnung im Norden wieder herftellte. Indeſſen zeigte er 
doch in der Folge gewiſſe Widerfeplichfeit, fo, daß die franzöflfche Regierung 
Veidacht zu (hören anfing u. 1801 eine flotte unter Leclerc u. Villaret abjendete, 
der aber 3. den Eingang in die Stadt verweigerte. Die entrüfteten Franzoſen 
attalirten die Stadt; die flüchtenden Schwarzen unter Chriſtoph zündeten Alles 
an, die fürdhterlichfte Kataftrophe trat für die Colonie ein; T. und Chriftoph 
wurden von den Franzofen in die Acht erklärt, gefchlagen und zur Unterwerfung 
gmöthigt. T. wurde num aber durdy feine eigenen Verbündeten, den Deffalined 
und Chriſtoph, geſtürzt, von biefen durch erbichtete Briefe verläumdet, als ob er 
Berihwörungen angettelte, und hierauf von dem frangöfifchen General verhaftet, 
nah Frankreich abgeführt, wo er 1802 anlangte und dann 1803 auf der Feſtung 
Jom bei Beſançon auf einmal todt gefunden wurde. %. war ein Jeitenet 
Wann, eben fo ſtark im Unglücke als im Glüde, that aber nichts der Tugend 
Unwürdiges. Der Leichtigkeit wegen, mit der er in alle vertroglame Vorfchläge 
anging, hatte man ihm den Beinamen ®’Duverture gegeben. Nie konnte ihn ein 
noch fo unerwartetes Ereigniß außer Faſſung bringen; er fand fchnell den ficher- 
Ren Ausweg. Mit diefen Geiftesgaben verband er die genauefte Kenntniß des 
Landes. Sein Körper war gewandt und nicht zu groß; fein Anftand war edel 
und Fräftig, fein Geſicht voll Ausdrud, fein Blick rafch und dDurchdringend, feine 
ganze Haltung Aufmerkfamfeit gebietend. In feinen Genüffen war er mäßig, in 
ieiner außeren Gricheinung aber liebte er Pracht und Glanz. Er war miß: 
trauifch im Folge jeiner Verhältniſſe und Schickſale; auch war er religiös und 
beftieg wohl felbft die Kanzel, wo er dem Bolfe und den Soldaten mit Kraft 
und Ruchbrud Reden hielt. Ruhe bedurfte er wenig, immer befchäftigt, arbeitete 
er mit größter Leichtigkeit. Er hatte fünf Sefretäre, die edalic mehr als 100 
Briefe beantworten mußten. Uebrigens befaß er ein außerordentliches Gedaͤchtniß, 
war guier Gatte und Bater, fehr danfbar gegen feine Wohlthäter und Freunde, 
im bürgerlichen Leben eben fo zuverläffig, als fchlau tm polittfchen. Seine 
Landsleute liebten und bewunderten ihn bis zur Schwärmerel und feine Feinde 
fürdyteten ihn. 

Tower (abgeleitet vom Latenifchen turris), heißt die, am 31. Oftober 1841 
uch eine Feuersbrunſt gänzlich eingeäfcherte, am nördlichen Ufer der Themſe 
uns am füpöftlichen Under City gelegene Eitadelle von London, deren Beſchreib⸗ 
my wir bier nad eigener Anſchauung vor dem Brande im Johte 1840 qreben. 
— Der Hauptzugang ft auf ber Weflfelte; an der Süpfelte iſt ein Bogenein- 


204 Toritologie — Trabanten. “ 


gang, Traitord Gate genannt, durch welchen früher vom Fluſſe aus die Staats: 
Keen gebracht wurden; unweit des Traitord Gate iſt der biutige 
Thurm. Im ſüdöſtlichen Winkel find die königlichen Zimmer, die bis zur 
Thronbefteigung Eliſabeth's benugt wurden. Der ganze, durch die Wälle einges 
fchloffene, Raum mißt 12 Morgen 5 Ruthen u. der Umfang an der Mußenfeite 
des Grabende 3156 Fuß. Die Hauptgebäude innerhalb des Walles find bie 
Kirche, der weiße Thurm, die alte Münze, das Archiv, die Juwelenkammer, die 
Horse-Armoury, das große Vorrathhaus, worin die Heine Rüftlammer (Small 
Armour), der Xöwenthurm (Lion's T.) und dann früher die Menagerie und der 
Beauchamp⸗Thurm. Die Kirche, St. Peter (in Vinculis) genannt, ift merkwürdig 
durch die Beifegung der Eopflofen Körper vieler Berfonen, unter denen Thomas 
Moore (1535), Katharina Howard (1541). — Der weiße Thurm, 116 Fuß 
breit, bat 92 Fuß Höhe mit 11 Fuß diden Wänden, bietet auf dem, mit Blei 
gebedien, Dache eine weite Ausfiht. Im erflen der 3 Stockwerke iſt die Sees 
üflfammer (Sea Armoury) und die Volunteer Armoury für 30,000 Mann. 
innerhalb des weißen Thurms ift die alte Kapelle von St. John, von ſäachſtſcher 
Architektur, jest für das Archiv benupt. (In einem Gewölbe unter derſelben fol 
Walter Raleigh feine History of the World gefchrieben haben.) Südlich vom 
weißen Thurm if dad Modelljimmer, dem Fremden unzugänglicdh, mit Modellen 
von Gibraltar und anderen feſten Plägen. Der Paradeplaß in der Nähe des 
weißen Thurmes wird Sonntags ald Promenade fehr beſucht. Im Lokal des 
Urkundenbewahrers werden alle Urkunden gefammelt; in 56 Schränfen find alle 
Rollen von der Zeit Königs Johann bis Richard IV. deponirt. Für 102 Schilling 
kann man eine Nachſuchung ein ganzes Jahr lang halten. Einen Theil des 
Archives bildet der Wakefield-Thurm, in deſſen fchönem achtedigen Zimmer Hein⸗ 
rich IV, ermordet feyn fol. Die Juwelenkammer enthält die Kronjuwelen oder 
Regalia, unter denen die Reichsokrone mit Evelfteinen aller Art bevedt iſt; außer⸗ 
dem werden viele Seltenheiten hier gezeigt. Die Horse Armoury 150 8. lang, 
33 F. breit, enthält feit 1825 die Rüftungen Föniglicher Perſonen, fowie Waffen 
und Geſchützſtücke. Das große Vorrathshaus nördlich vom weißen Thurme bat 
345 F. Länge und 60 F. Breite, in defien oberem Etodwerfe die Feine Rüft- 
fammer (Small-Armoury) für 200,000 Wann fih vor dem Brande befand. Die 
Spaniihe Rüſtkammer enthält unter Andern die Waffen Tippo Saibs und 
anderer indifcher Fürſten und heißt danach auh: Afiatifhe Rüftfammer. 
gie zeigt man unter Anderm die Art, mit ter Anna Bolcyn enthauptet iſt, mehre 
efhüge und dgl. Dad Council-Chamber, im Gouverneurshaufs, war der Ber: 
fammlungsort der die Pulververfchwörung unterfuchenden Richter. Der Beau: 
hamp- oder Cobham⸗Thurm war das Gefängniß der June Gray. Vom Bowyer 
TI. fteht nur noch das Untergefchoß, in welchem der Herzog von Clarence in 
einem Faß Malvafier fol ertränft worden feyn. Der Löwenthurm (Lions T.) 
liegt rechts vom Innern Gingang des 3. Der Beſuch ſteht dem Publikum 
Sonntags von 10 — 3 Uhr gegen einen Eintrittöpreis von einem Schilling und 
einem weiteren Schilling für den Befuch des Juwelenzimmers offen. — Man 
führt die Gründung des T.s bis in das 11. Jahrhundert zurüd: er diente bie 
zur Regierung Richard's 1. ald Feſtung; unter Richard I. u. Johann war er 
koͤnigliche Refdenz; fpäter nahm er nacheinander die frangöftfchen, die fchottifchen 
Gefangenen, die Anhänger Ridyard’s IL, die Unruheftifter in Wales, die Herzöge 
von Bourbon und Orleans (unter Heinrich V.), Heinrich VI., die unglüdlichen 
Söhne Eduard's auf, bis er unter Heinrich VIL. wieder zu Hoffeften benugt murbe; 
doch ermangelte es nicht der häufigen Hinrichtungen in T.-Hill, fo u. U. der 
Anna Boleyn, der Maria Stuart; deren legte im Jahre 1746 ftattfand. 
Zorikologie (griechifch), die Lehre von den @iften, d. h. ein Theil der Mifs 
fenfchaft, der jich mit der Natur, den Wirkungen der Gifte und den zu Bekäm—⸗ 
pfung biefer. Wirkungen geeigneten Mitteln beichäftigt (wol. GiKV. 
tabanten, [. Rebenplaneten. 


Trabanten — Tradition. 205 


Zrabanten hießen im ‚Mittelalter bewaffnete Diener, welche fürftliche und 
andere Perſonen von hohem Range beftändig zu Zuße begleiteten und nach fpant- 
(her Art mit weiten kurzen Hofen und Wams befleivet und mit Hellebarden und 
Stesdegen bewaffnet waren. Aus ihnen bildeten fich fpäter die Gardes⸗du⸗Corps 
mu Buße und zu Pferde. Noch jept beftchen am Faiferlichen Hofe zu Wien tote 
am päpftlichen zu Rom: T.ensLeibgarben. 

Zraben hieß bei ven Römern ein Kleid in Geftalt einer Toga (ſ. d.), das 
entweder ganz purpurfarbig, oder purpurfarbig und weiß, oder purpurfarbig und 

eftreift war. Die erftere war blos für die Götterbilver beftimmt, bie 
auch damit befleidet wurden; die purpur= und weißgeftreifte T. trugen Anfangs 
Die Könige, nachher die Conſuln; die purpurs und fcharlachgeftreifte T. war die 
Kleidung der Auguren. Der Name fcheint von der Geftalt der Streifen entlehnt 
m ſeyn, welche die Form eined Pfahles Hatten. 

Trachyt, eine vulfanifche Felsart, die aus einer feinförnigen Grundmaffe 
von Kiefelerde und Feldſpath und eingemengten, mehr oder weniger häufigen, Kry⸗ 
ſtallen von glafigem Feldſpath befieht. Die Farbe des T.s iſt graulich= weiß, 
törhlich, bräunlich und ſchwaͤrzlich. Er ift felten in Schichten gelagert, zeigt aber 
Kabge Zerklüftung, bisweilen aud) fäulenförmige Abſonderung. Die Berge und 
ge welche er bildet, find meift breitfchulterig und abgerundet, ober bornartige 

pen und Kegel; fie treten aus den umgebenden Urs und Flößgebirgen, tfolirt, 
oder verfchiedentlich gruppirt hervor und find nicht felten von I. = Conglomeraten 
umgeben. Am bäufigften ift der T. in Ungarn und Siebenbürgen, in der Auvergne, 
auf den canariſchen Infeln und den Gorbilleren verbreitet; feltener findet er ſich in 
Deutſchland umd da meift nur untergeordnet am Siebengebirge, am Kaiferftuhl ıc. 
Da der T. der Einwirkung der Atmoſphäre nur wenig wiverfteht, fo taugt er 
and nicht zu Bauten; die fefteren Abänderungen dienen zum Strafienbau , die 
Isderen zu WBaflermörtel. C. Arendts. 

Zractat, 1) eine Unterhandlung, oder auch vorläufige Uebereinfunft vertrags- 
ihließender Parteien im Privatrechte; 2) ein Vertrag von befonderer Wichtigkeit, 

mit befonderen Formalitäten verbunden, daher befondere Staate- und Völkerver⸗ 
träge; 3) eine aus⸗ und durchgeführte Abhandlung über irgend einen wifienfchaft- 
lichen oder praftifchen Gegenſtand. In leßterer Bedeutung iſt der Wushrud In 
nzuerer Zeit etwas in Mißcredit gefommen, indem man damit namentlich die re- 
ligids⸗ myſtiſchen Geiſteserzeugniſſe bezeichnet, welche die proteftantifchen Pietiften, 
in befondere Geſellſchaften vereint, mit großer Geſchaͤftigkeit allenthalben zu ver- 
breiten bemüht find. 

Tractorie oder Zuglinie heißt jede Burve von der Beichaffenheit, daß alle, 
an diefelbe gezogenen, Berübrungslinien vom Berührungspunfte an bis zu dem 
Bunfte, wo fie einer andern gegebenen, geraden oder frummen, Linie begegnen, von 
einerlei Größe find; die gegebene Linie wird die Directrir u. Barameter der 
T. genannt. Wine foldhe 3. entſteht, wenn auf einer horizontalen Ebene ein 
völlig biegfamer Baden, an deſſen einem Ende ein Gewicht bejeftigt tft, mit ſei⸗ 
nem andern Ende auf einer, in der Ebene gezeichneten, Linie mit einer Kraft fort- 
geführt wird, welche eben hinreicht, um die Reibung zu überwinden. 

Tracy, f. Deftutt de Tracy. 

Tradition oder Ueberlieferung (tradilio, rapadocıs) wird in verſchie⸗ 
dener Bedeutung gebraucht. In der Theologie bedeutet es die Weiſe der Fort⸗ 
pllanzung und Weberlieferung einer Lehre, oder die überlieferte Lehre ſelbſt, oder 
auch Beides zugleich. Immer aber liegt in dieſer theologifchen Bezeichnung ein 
Doppeltes mit ausgebrüdt, 1) daß die überlieferte Lehre eine aus einer anderen 
Hund empfangene, nicht eine von dem Ueberlieferer zuerft aufgeftellte fel, 2) daß 
ver Empfänger diefe Lehre ald ein heiliged Bermächtniß zu bewahren und unver: 
ändert auf ündere zu übertragen hat. So war die Lehre ded Ehritenihumd Im 

Runbe bes ‚Gellanbe6 Feine 3. benn er war felbft der Brunnauell, aud ven Ar 
atfprang. Im Bunde ber Mpoftel bagegen war Ehrifti Lehre weint iur T., 


‚206 -Zrabition. 


ein heiliges, vom Sohne Gottes empfangenes, Bermächtniß, das fie pr bewahren 
und unverändert auf die Nachwelt zu überlicfern hatten. Unter 3. im weiteſten 
Sinne ded Wortes verfteht die Theologie: „die Geſammilehre“ des Ehriftenthumes, 
wie diejelbe aus dem Munde Ehrifti hervorgegangen ift, und von den Mpofteln 
und ihren rechtmäßigen Nachfolgern als heiliges Bermächtniß für alle fommenden 
Zelten und Gefchlehter aufbewahrt und ihnen verfündigt wird. Alſo das ganze 
Chriſtenthum felbft iſt wefentlih eine T. Aus Chriſti Wunde ift dieſer lebendige 
Strom entfprungen; die heiligen Schriften, durch Diele iebenbige Veberlieferung 
etragen, bezeugen fortwährend feinen Arfprung aus Gott; dad Bewußtieyn aller 
ahrhunderte und die fchriftlichen Zeugniffe der in ihnen lebenden Männer bes 
weifen das beftändige, unveränderte Vorhandenſeyn biefer Ueberlieferung und der. 
Mund der Kirche predigt den Inhalt derfelben, da® immer lebendige Wort Gottes 
allen Völkern und Zeiten. Diefe T. wird eine mündliche genannt in demfelben 
Sinne, als auch dad Lehramt der Kirche ein mündliches heißt. Eben fo wenig num, 
wie das Lehramt der Kirche aufhört, weſentlich ein münbliches zu feyn, wenn 
auch die Träger deſſelben die Echriftfprache zu Hülfe nehmen, oder aus PA 
benen Quellen ſchöpfen, eben fo wenig hört die Leberlieferung auf, tweientlich eine _ 
mündliche zu feyn, wenn auch der Inhalt derfelben ganz oder zum Theile aufge 
fchrieben erfcheint. Ihr weſentlich mündlicher Charakter berubet vielmehr darauf, 
daß die Träger und Organe derfelben nicht Bücher und Schriften, fondern Pers 
fonen, d. h. die Apoſtel und ihre Nachfolger, die Bifchöfe find. Der Geſammt⸗ 
inhalt der chriftlicyen Lehre iſt nicht etwas Lebloſes, etwas dem todten Buchftaben 
eined Buches Anvertrautes, fondern er Ift etwas Lebendes, durch lebendige Organe 
©etragened und im Erkennen und Glauben der Kirche ewig Gegenwaͤrtiges. 
Man unterfcheivet in dieſer T. des GEhriftenthumes ein mehr objeftlves und ein 
mehr fubichtived Moment. Die Geſammtheit der Lehre an fich, wie fle als ein 
unveräußerliched depositum oder testamentum vom Hellande den Apofteln über- 
geben, und von dieſen, vermittelt ihrer berufenen Nachfolger, unter göttlichem 
Beiftande auf die kommenden Zeiten überliefert worben ift, bildet die T. in ihrer 
rein objektiven Bedeutung. Die chriſtlichen Wahrheiten bilden aber nicht eine 
Summe abfirafter Lehren, fondern fie find Gcheimniffe Gottes, welche die unend- 
liche Hülle ihres Inhalte erft im Leben der Kirche erfchließen. Chriſtus würde 
Wenig für die Rettung der Menfchheit gethan haben, wenn er ihr nur die Summe 
feiner Lehren, etwa in einem Buche gefchrieben, als fein Teftament hinterlaffen 
hätte, Er führte diefe Lehren vielmehr Ind Reben ein; er erfchloß feinen Jüngern 
durch forgfältigen Unterricht ihren verborgenen Sinn; er gab ihnen feinen Geiſt, 
einzubringen in ihre, fich felbft nicht erſchließenden Geheimniffe, und gründete feine 
Kirche, die in ihrem twunderbaren Leben, in ihren Sakramenten und in Ihrer Gemein⸗ 
haft der Heiligen die Ichendige Nusgeftaltung und der allein wahrhaftige Gommentar 
ber Lehre Chriſti if. Was wäre die Lehre Ehriftt ohne die Kirche Ehrifti, ohne 
ihn ſelbſt! Nur in ihr iR feine Lehre Wahrheit und Wirklichkeit; ohne fie iR 
biefelbe für die Menfchen gar nidyt mehr vorhanden, fowie er ſelbſt für die Men: 
fchen nicht mehr auf Erden vorhanden if, als mittelft feiner Kirche. Dicſe Lehre 
. Chriftt kann darum nicht allein al8 eine Summe von Glaubens» oder Lehrfägen 
den Menfchen überliefert werden, fondern fie muß ſich fortpflanzen zugleich mit 
dem Leben, welches fie in der Welt erzeugt hat, worin fie ihren geheimnißvollen 
Einn erichloffen bat und worin fie ihre wahre Erklärung findet. Diefe, im 
Leben der Kirche fich fortpflanzende, Erflärung der Lehre Chrifti, die gleich der 
Lehre felbft aus Gott ftammt, ift das mehr fubjeftive Moment der T. Demnach 
it Die Kirche die lebendige Lehre Chrifti; fie ift das Buch, in dem Jeder lefen 
muß. Bon ihr kann die Lehre Ehrifti fo wenig getrennt werden, wie ber Leib 
von der Seele getrennt werden Tann, ohne daß der Menſch ſelbſt zerftört wird, 
An dieſem höheren Leben und Bewußtſeyn der Kirche, welches unter Gottes Schuß, 
al8 ununterbrochener Etrom einer heiligen Leberlteferung, Key \orulann, A 
Jebe gegen ben objeltiven Blaubensinhalt ſich erhebenne Neuerung nd Arie 


— 
Bus 


ei ne 


— — — — 


—— 
— Fe { 


ten 
yet, Ri Ian ee 
tea Be 
* DEE, ide, a — 

Bi 





208 Tradition, 
Fonnte in der Kirche zu irgend einem Anjehen gelangen, wenn fie nicht den Gläu⸗ 
bigen durch die Hand ver beglaubigten Lehrer übergeben und durch ununters 
brochene 3. den Ehriften beglaubigt war. Darım ſehen wir auch die Apoftel 
un abläffig bemüht, die von Chriſtus empfangene Geſammilehre als ein heilines, 
unantaftbares Vermächtniß durch neue von ihnen ausgerüftete Apoftel und Lehrer 
auf die Nachwelt zu bringen; Mpoftelgfch. 20, 20. 30— 32; 1. Cor. 11, 23; 
Galat. 1, 6—8; 1. Timoth. 6, 13 — 14; 2, 2; 3, 10. 14. Auch das Leben 
und Beiſpiel Ehrifti, das fih an den Apofteln ausgeprägt hatte, zugleich mit ver 
richtigen Auffaffung follte als eine Ueberlieferung auf die, von ihnen gebildeten, 
neuen Lehrer und auf die Kirche der kommenden Zeiten als T. hin bergehen, 
Coloſſ. 2, 1— 2; Philip. 3, 175 2. Timoth. 1, 13—14;5 2, 25 3, 10—11. 14. 
Ad 3. Die ganze Gefchichte des Ehriftenthumes beweifet audy, daß ſich daffelbe 
nur als lebendige T. fortgepflanzt Habe. Das Bud), worin Ehriftus feine Lehre 
gefchrieben hatte, waren, wie gezeigt wurde, die Apoftel. Sie bildeten um fich 
her Gemeinden, in die fie den in ihnen lebenden Glauben und das in ihnen vers 
wirflichte höhere Leben hinüberpflanzten. Daffelbe Ehriftentbum alfo, weldyes tn 
den Apofteln lebte, begann num audy in den Gemeinden Wurzel zu faflen, derfelbe 
Glaube, diefelbe Gnade der Erlöfung durch die Saframente, diefelbe Form des 
hriftlichen Lebens, nachgebildet nad) dem Einen, höchften Urbilde und Mufter, 
dem Leben Jeſu Chriſti felbft, pflanzte fi auf die Gemeinden hinüber. Die 
ganze Gemeinde, die der Apoftel um fich her gefammelt hatte, war mit ihm ge- 
wiffermaflen Eine Berfon geworden, und nahm an bemfelben höheren Leben, das 
in ihm war, Antheil. Jedoch blieb zwiſchen der Gemeinde und dem Apoftel 
immer der Unterfchted, daß der erftere die Stelle der Vaterfchaft gegen feine Ge⸗ 
meinde einnahm. In feiner Auctorität hatte ihr Glaube feine Bürgichaft, feinen 
lebendigen Grund; wenn biefer loögeriffen, verlor er fein Leben und feine be- 
feligende Kraft. Darum fchreibt ver Apoftel Paulus Epheſ. 2, 19 — 22: 
„Estis cives sanctorum et dumestici Dei, superaedificati super fundamentum 
apostolorum et prophetarum, ipso summo angulari lapide Christo Jesu, in quo 
omnis aedificatio constructa erescit“ etc. a Epheſ. 4, 11— 16. Die Nach 
folger der Apoftel aber find die Bifchöfe. Wie bei der Stiftung ver Kirche in 
dem Anfehen der Apoftel ver Glaube der Ehriften feinen Rubepunft und fein 
Fundament haben mußte, fo bildet noch fortwährend der Bifchof den lebendigen 
Grundſtein der bifchöflichen Gemeinde und ihres Glaubens. So fchreibt der Hl. 
Ignatius an die Gemeinde von Tralles Cap. 7: „Bor foldhen (Srriehrern) 
nehmet euch in Acht. Das aber gefchieht, wenn ihr weder aufgeblafen ſeyd, noch 
auch loögerifien feld von Gott, von Jeſus Ehriftus und von dem Bifchofe, noch 
auch von den Borfchriften der Mpoftel. Wer innerhalb des Altares iſt, der iſt 
rein; wer aber außerhalb der Gemeinſchaft des Altares ift, der iſt unrein; d. h. 
wer ohne den Bifchof und ohne die Priefler und Diafonen etwas thut, der iſt 
nicht rein in feinem Gewiſſen.“ Nach dem Tode der Apoftel hatte fich alfo ber 
Glaube derfelben fortgepflanzgt. Er lebte fort in den Gemeinden und wurde ge⸗ 
tragen und weiter fortgepflanzt durch die Bifchöfe. eve einzelne bifchöfliche 
Kirche hatte den ganzen vollen Glauben von den Apofteln befommen und bes 
wahrte denfelben zugleich mit der Nachfolge rechtmäßiger Bifchöfe. Zugleich 
aber find alle diefe Einzelkirchen ihrem Weſen nady auch wieder Eins und bilden 
auch ihrem Außeren Organismus nach eine ungetheilte Einheit. Denn alle haben 
urfprünglich Einen Glauben und diefelbe wefentliche Einrichtung befommen und 
die Bil r aller Einzelkirchen haben ihren von Gott gegebenen aigngezurn 
im Biſchofe von Rom. Die T. oder die Geſammtheit ver chriſtlichen Lehre 
vflanzt ſich alfo In jeder einzelnen Kirche felbfiftändig, getragen durch die Reihen⸗ 
folge der rechtmäßigen Nachfolger der Apoſtel, und zugleich in der Geſammikirche 
etragen durch den Gefammtepisfopat, an deſſen Spige der Nachfolger Petri 
Heht, ununterbrochen fort. Wo in einer Eingelfirche eine Abweichung von ber 
Lehre der Apoſtel verfucht wird, da tritt der Biſchof, als Wächter der Weberlies 


I Fr 


Ei hemmend dagegen au it aber eine a ‚rem Biſchofe 
Be des ee Kr e hi wird au fort die Frl hal 
he und der Grm der ya: Kirche erfannt und 
an u wird durch das allgemeine Gonckitum ober ven —V 
wieder hergeſtellt. Die u: der, Entfchelvung if Hier immer bie T., d. b. d 
von Alter® her in jeder einzelnen Kirche vorhanden geweſene Glaube. Ger Sun 
fag der Kirche war daher dom Anfange an das vom heil. Eyprian 
fprochene: „nihil innovetur, nisi quod traditum est.“ Denfelben Grundſah url 
Vincentius Lerinensis aus: „quod semper, Kr ubique, quod ab omnibus, 
id catholicum et verum  censeri_debet.“ Diem Grımbfahe der Fa — 
vom jeher jegliche Neuerung und Ittlehre ſcheitern. So ſagt Origenes in feinem 
Beriarchon: Das allein muß als Wahrheit angenommen werden, was in feinem 
Bunfte von der firchlichen und apoftolifchen T. abweicht. In fein 
m Matthäus fagt derfelbe Kirchenvater: „Wir Pe ihnen (den ba nicht 
lauben, noch ae elchen von der urfprün, malen lichen I, me etwas 
Eiern glauben, als was und durch bie rechi ige Nachfolge er Ag 
die Kirchen Gottes überliefert haben.” Srenäus adv. haeres cap- je 
— T, die der ganen Welt Fund geworben ft, Tonnen ie) unit die 
hrheit fehen wollen, era in der Kirche finden. nen woir Doch 
die von den Apofteln als Bifchöfe in ben — ef auf ei 
fammt ihren Nachfolgern bis auf File Tage hin, * alle chen 
Unfinn gelehrt a efannt haben, als jene (die Irrlehrer) vorbringen. gi 
die Monet Beheimich ren gehabt, die fie nur fm —— den Volllom⸗ 
menen mitgetheilt hätten, gewip märben ſie dieſelbe wohl ——— denen 
miigetheilt haben, denen fie die Kirchen felbft anvertrauten. Da das nun fo 
ven und gar einleuchtend ift, f darf man die Wahrheit nicht erft bei Anderen 
mg die man fo leicht bei ber Kirche finden kann, da bie ren in 
je wie in einer reihen Schablammer die se m und volle 
— en haben, damit ein Jever, der nur will, im ihr den Trank des — 
Hi ir fonnten diefen Worten des Jrenäus noch eine ae u 
nlfen bed Testullian, des Cyprian, des Auguftinus u, 
beweifen, daß ba6, Chrifentfum auf dem zes In 
mb vermittelft der — ber Bifchdfe erenigung en 
des heil. Petrus durch alle Zeiten ſich als Isa 
ms vap das ganze —8 Alterthum an eine ug 
ertrlihen 8 Lehre, ben von der Iı Ye nie gedacht 
Pr a werben bie angeführten Beweisftellen fi —F nn genügen, zus 
mal, ven auch die innere Rothwendigkeit der Tradition him ir. Das 
ber ad y über die Nothwendigkeit der eg =. eweis der Roth⸗ 
—** der T. wird häufig badurch rt, vaß mem get, he wie die h. Page 
nicht alle ehren, Chriſti enthalte, u an e Lehren 
ſelen, und wie die Schrift, wenn fie alleinige — —* —D — 
niemals zur Einheit des Olaubene Iren wärde m. Die Inu Be 
ſedt — einen ſo A von DE ein gewiſſen 
Sinne zugelaffenen riff von. T. voraus, daß wir auf efeibe bier ganz vers 
Kae Ja einer PEN Beweisführung Fönnte der ſchiefe, Ken ve 
Kirche verkennende, Gedanke zu Grunde liegen, als fet die h. een 
FA primäre Quelle des Glaubens, weige dur en nur —— 
Blelmehr iſt, ſowie die Kirche ſelbſt aus Iehre em 
at, 8 F das lebendige Wort ihres Mundes alle kommenden Ge⸗ 
en der Quell des ae, Fe Eine iſt gem ermafien 
nee Sohn Gottes, fein unverwes 


em Eommentar 








8 


210 Tradition, 


und kann fie zu jeder Zeit durch ihren Mund, ig das unfehlbare Lehramt 
ausſprechen. Dieſe Lehre Ehrifii weiß die Kirche nicht in Folge einer, immer 
von Neuem unmittelbar an fie ergebenden, Offenbarung, fondern durch Erinner⸗ 
ung an das aus Chriſti Munde für ein und allemal Gchörte. Sie ift eine Jüns 
erin Jeſu und bewahrt in ihrem Gedächtniſſe alles, während des Erdenwandels 

efu aus deffen Munde Gehörte. Der heil. Geiſt aber iſt e&, ver, allezeit bei 
ihr bleibend, fie an alles Gehörte erinnert. Iſt aber die Lehre Ehrifti eine für 
einmal und immer empfangene Offenbarung, die fe treu zu bewahren und allen 
Menfchen zu verfünden bat, fo ift fie auch ihrem Wefen nach nothwendig eine 
T. Sie it etwas im Gedächtniſſe und im Immer wachen Bewußtfeyn ber Kirche 
Fortlebendes, welches nie verloren geben, nie verwirrt und mit Falſchem unter; 
mifcht werden kann. Darum hat cin berühmter Theolog die T. das Gedächtniß 
der Kirche genannt. Ohne dieſe T. gäbe es Fein feftes Prinzip für die Ent- 
ſcheidung bei erhobenen Streitigkeiten über den Glauben. Denn vergebene bes 
riefe ſich die Kirche einem Irrlehrer gegenüber, auf ihre Erklärung der h. Schrift. 
Wer einmal die Yuctorität der Kirche nicht mehr anerkennt, der wird audy ihrer 
Erklärung der heil. Schrift fi) nicht unterwerfen und feiner eignen Erflärung 
wenigften® eine gleiche Berechtigung beilegen. So haben es alle Irrlehrer von 
den erften Gnoftifern bis auf Balvin und Luther gemacht. Es ift ein Auctoritäts- 
beweis nöthig, nicht, um den Irrlehrer zurüdzuführen, was felten gelingt, fondern 
um den mit Verführung bedrohten Gläubigen einen ficheren Halt, eine überzeus 
gende Richtſchnur des Glaubens zu geben. Das aber gewährt allein die T., 
weldye die Behauptung des Irrlehrers ald Neuerung nachweift, die alfo auf jeden 
Hal nicht die, urfprünglih von Ehriftus feiner Kirche gegebene, Wahrbeit feyn 
fann. Gin folder Auctoritätsbeweis allein gibt den Sutgefinnten in der Zelt der 
Prüfung einen ficheren Halt und ftellt fie ficher vor den Schwankungen, wors 
ein das bloß fubjektive Ratfonnement den Einzelnen fo leicht verwidelt. — Die 
T. ift demnach nicht etwa eine untergeorbncke Duelle, woraus die Kirche ihre 
Lehre zu fchöpfen hat, fondern fie iſt als bie Ueberlieferung der Geſammtlehre 
des Ehriftenthums die eigentliche Hauptquelle, woraus die Kirche fchöpft. Was 
nicht in der allgemeinen Ueberlieferung enthalten if, d. b. was nicht immer und 
allezeit in der Kirche ift geglaubt und gelehrt worden, das kann aud) nicht von 
Ehriftus und den Apofteln flammen. 8 eine Lehre in der heiligen Schrift ſtehe 
oder nicht, das macht keinen weſentlichen Unterſchied, wenn dieſelbe nur vom An⸗ 
fange an und allgemein in der Kirche als apoftolifh iſt anerkannt und geglaubt 
worden. Biele Lehren find der h. Schrift nur angedeutet, viele werben als 
befannt vorausgefegt und würden rein unverfländlich feyn, wenn ſte nicht aus 
dem Leben der Kirche und der Weberlieferung ihre Ergänzung und Erklärung ers 
hielten. Ja das joe der ganzen h. Schrift fiele ohne die T. völlig zuſam⸗ 
men. Daß ed eine h. Schrift gebe, daß diefelbe auf höhere Eingebung gefchrie- 
ben ſei, welche Bücher zu ihr gerechnet werden müflen, kann nur die T. uns 
lehren. "Sc würde, fchreibt der heil. Auguftinus, der heil. Schrift nicht glau⸗ 
ben, wenn nicht das Anfehen der Kirche mich dazu vermöchte.” Eben fo find 
die Lehren, daß nicht mehr der Sabbath, fondern der Sonntag zu feiern ſei, fer« 
ner, daß auch die Taufe unmündiger Kinder und die durch Ketzer ertheilte Taufe 
gültig ſei u. |. w., nur Lehren in der T., worüber in ver heil. Edhrift kaum 
einige Andeutungen enthalten find. — Zum Schluffe fol noch Einiges gefagt 
werden über die Weife, wie die 3. fich fortpflanzt, und wie aus der 3. jeder 
Gläubige die Lehre des Chriſtenthums ſchoͤpft. Es gibt eine zweifache Weiſe, in 
welcdyer die T. fich fortpflangt. Die eine, im Weſen der Kirche begrnbeie und 
darum für den Hortbeftand des Chriſtenthums unbedingt nothwendige, ift die durch 
dad mündliche Lehramt. Diefed Lehramt, zugleih Träger des Prieftertfumes u. 
Königthumes in der Kirche, ift der höchfte Träger des Gefammtlebens der Kirche, 
ift treuer Bewahrer und Verkünder der von den Apofteln empfangenen Lehre, u. 
darum dad lebendige Organ der T. Ob diefed Lehramt zur leichteren Aufbe⸗ 


Glaube ber Werpangenbeit BI6 3 den Balım rn Kg % 
ergangen en 3 
Das ER und — Sr tiefer ununterbrochenen Hi * die u 


zn 
x 
* 
Pr 
x» 
2 
* 


war cher, als ſie vorhanden; PN der Abdruck bes in 
en hate ve a 5 er weil fie auf unmittelbare 
——— worden iR. au el 09 ai 

um» ihrer Rachfolger, —— ap etiſchen, 

* lungen vn Bin, — — —— — 

Rare Alle Anı) am Morud Dee rei enmideten Sehens ya. Ahr 
De ag Ahnen unenik em Bam jgfeit Zeugniß von der Einheit db 

jeder in der Kicche 


, der u ji Kir 
und der ns Haut M Mn in — a und in all ihren ei jentlichen Einricht⸗ 
ungen wiedergefunden wird. ai geichrigbene Ueberlieferung iſt aber nicht eine 
Quelle des ee lau laubens, fondern fie ift nur ein £ugniß für ben Olauben und fen 
ununterbrochenes Borfanbenfeyn in allen chriftlichen —E Duelle des 
Slaubens hi nur bie münd! It Meberlieferung, aus welcher jedes le de 
he ſchoͤpft, während aus der geſchriebenen T. nur demjenigen Ei —2 
t iR, Ye taste —— — beſitzt, um bi 
— ve die 
der an de end en Or, —X —8 N hen der 
Hat —e—— v ag. —— ben, eı "is iſt — * a Br 
nicht nt, dr ma ben, ein’ Gr! feon, wirklichen Ans 
— DEN STE 
fen will, folgende Reg. 13 enge an ber Ge⸗ 
un) Dich . Nur 


Kirche 
Wahrheit und Leben; außer! 
eh Ye Genen Taf IM ma A) — vn FH des 
ber Brediat, nehme Imnifien der h. Sakra⸗ 

jöhere Leben der —2 le im ie Dita und — fein 
— u, den Bebon der Sahe, : Men ' vn 

ums nicht nur ihrem Inl je, ſor au tem 
eg ner ER 55 
nicht ausgeſchloſſen. mũſſen ſe Fran mi 
nid ausge tomlt mus Er hm je Auctorii de Side 
und getragen werben. pi 
Zag ber innert, —8 us Anette eführt 

auch der muß an die Kirche — und ver —ã— aner⸗ 
Teen. Was er ef am eine e gelem m hend als ®: beit anerlannt bat, 
das muß er glelı Kfm von Reuem aus ıde ber anfangen; denn 
nur aus ihr quilt wahres, al Sehen una jeher Eirahl hab * ai 


Fre Der Glaube ver Kirche IR 
ioem ai 


Ai 


Ei) 


5 


532 
g 


ER 


+3 
A 
Bez? 
5 
— 
ii 
M 
Er 
38 


& 
2 


Id. 


BER 

— 

el 
5 


212 Traditoren — Trafalgar. 


genbioo dem verirrten Wanderer leuchtet, gehört der Einen Geifterfonne an, die 
n der Kirche, der Wohnung des Menfchgewordenen Gottesſohnes, fcheint. — 
Aus der fchriftlichen Ueberlieferung dagegen fchöpft derjenige, der Andere über 
zeugen will, ober der in fi das Beduͤrfniß fühlt, gleihfam mit feinen eigenen 
Augen zu fehauen, daß der heut zu Tage in der Kirche lebende Glaube zu jeder 
Zeit der nämliche gewefen iſt. Für ihm gilt folgende Regel: 1. Er prüfe das 
Gewicht der Zeugen. Das größte Gewicht in die Schale legt hier die Stellung 
des Schriftftellerö zur Firchlichen Gemeinſchaft. Die kirchliche Bemeinfchaft eines 
offenkundigen Schriftftellers verleiht feinem Zeugniffe gewiffermagen das Gewicht 
des Zeugniffes der Gefammtlirche feiner Zeit. In diefer Hinfiht haben bie 
Schriften von Kirchenvätern, von anerkannten Lehrern der Kirche und von Hei⸗ 
Iigen ein vorzüglich fchweres Gewicht. Schriften von Männern, deren Recht: 
läubigfeit und kirchliche Gemeinfchaft verbächtig waren, finfen dagegen zu der 
Öältiz eit von einfachen Privatzeugnifien herab. Ferner kömmt die kirchliche 
Stellung des Schriftftellers in Betracht. Ein Biſchof hat, caeteris paribus, ein 
größered Anfeben, als ein Priefter, ein Priefter mehr, wie ein Laie ꝛc. — 2. Er 
rüfe bie zent der Seugnife. 3. Auch die Zeit, wann der Schriftfteller lebte, 
ommt in Betradyt. In diefer Hinficht gilt beſonders viel das Anfehen der apo⸗ 
ftolifchen Väter ꝛc. — Auf die Anfichten der Proteftanten über den Werth und 
die Bedeutung der T. einzugehen, ericheint um jo mehr überflüffig, weil das, was 
fie gegen die 3. vorbringen, das Weſen der Sadye gar nicht berührt und von 
durchaus falfhen Begriffen ausgeht. E. M. 

Traditoren, f. Lapsi. 

Traducianer, |. Bräertften;. 

Traͤgheit. Wenn irgend ein Körper aus der Ruhe in Bewegung verfeht, 
oder wenn die Richtung und Gefchwindigfelt feiner Bewegung (f.d.) verändert 
werben foll, fo wird dadurch eine gew if Kraft erforvert, die auf den Körper 
einwirfen muß. Iſt eine folche Kraft nicht vorhanden, fo beharret der ruhende 
Körper in feiner Ruhe und der bewegte ſetzt feine Bewegung unverändert in ber 
vorigen Richtung und mit der vorigen Geſchwindigkeit fort. Diefes Unvermögen 
eines Körpers nun, von felbft eine Veränderung feines biöherigen Zuſtandes zu 
bewirken, beißt T. Bon dieſer Eigenichaft der Körper haben fich die Phnflfer 
verfchiedene, zum Theile fehr irrige, Begriffe gemacht. Descartes z. B. ſchrieb 
den Körpern eine eigene Kraft zu, durch weldye fie in den Stand gelegt würden, 
in ihrer Ruhe oder Bewegum zu verharren. Wie wenig eine foldye Erklärung 
der T. mit dem, was uns die Beobachtung an den Körpern lehrt, übereinftimmt, 
tft leicht zu erkennen. Newton gab zuerft eine richtige Beflimmung des Be- 
griffes T. und ſeitdem ift feine Borftellungsart ald Grundſatz in der Mechanik 
unter dem Namen des Geſetzes der T. eingeführt worden. Nach dem Geſetze 
der 3. verhält fidy die Materie ganz leidend; fie bewegt ſich nicht, wenn feine 
äußere Kraft auf fie wirft und ruhet in ihrer einmaligen Bewegung auch nicht, 
ohne eine foldye einwirkende Kraft. Das Gefeb der T. fagt alfo Nichts weiter, 
ale, bap die Materie leblos ſei. Die Leblofigfeit der Materie fordert aber 
nicht, dieſelbe als kraftlos zu betrachten; denn, wäre fie dies, fo möchte fie auch 
wohl feiner Bewegung fähig ſeyn. Es kann hienach alfo die Lehre der Dynas 
miften, die der Materie anziehende u. zurüdftoßende Kräfte zufchreiben, gar wohl 
mit dem feftgeftellten Begriffe von der T. der Materie beftehen. 

Trafalgar, im Alterthume Junonis promontorium, Borgebirge im Süden 
des fpuntfchen Königreiches Sevilla, zwiſchen Cadiz u. der Straße von Gibraltar, 
biftorifch berühmt durch die Seefchladht vom 22, Dftober 1805, in welcher der 
britifche Admiral Nelfon die fpantichfranzöftiche Blotte unter Gravina und Billes 
neuve gänulich flug. Achtzehn Lintenfchiffe eroberten die Engländer, eines wurbe 
in die Luft gefprengt, der Admiral Gravina ſchwer verwundet, Villeneuve gefangen. 
Nelfon feibft bezahlte feinen Sieg mit dem Leben. Er fiel von der Kugel eines 
Jeindlichen Scharffchügen, welcher ihn an feinen Orden erkannt Hatte. mD. 


Meas / ath — Tomte. 28 
bi er Semni,. *83 einigen Man, 


RENT ve 2 dr 


de Bodod (Astragalus gummifer 
* 9 —* rn hits ai) Das Gumal kanlıt 
3 


das T. der 
leln ba ui hauptfi die 
Verfelben und ber ass der Brüde ben — fe * — 
des Materlals und dem, Kubilinhalte der Fahrzeuge, 
weiftentheild aber ui was ein Bahrzeug von beftimmten 


zu 
wie in der Plaſtit u. Malerei darzuſtellen. Plato bezieht das Tragifche 
foger uf vie — roßer, ausgezeichneter ah u nennt ae 
ven Som größten Ei ragödtenbichter, Auch iR ihm T. in Rede und Ants 
—ãS mit geſchmückt, prunkend, fon, bochfahrend, Bom Style 
* fen ruft gebraucht, wird jener ale bezeichnet, zu welchem die 
tiefhen Töne des Tonſyf —— Werben Das jentliche T.e aber if 
* Erhabene des abfoluten Geiſtes der alle Beftimmtheiten und Ginfeitigfeiten 
des fubieftiven Geiſtes in fich begreift und als bie fie bewegende u. beherrichende 
Kraft folche ebenfowohl aus fich hervorgehen, als fie in ihrer Unvollkommenheit 
und Relativität zu Grunde — läßt Hiernach IR der abſolute Geiſt pofitiv, 


er die ſubjektive Exrhabenheit aus erzeugt und negativ, indem er 
wieder an fi vern jet und fo ergibt en politiv "Les md 
negativ T.es. Erſteres iR ni wenn bie als ein 


je ubjektive 
Ausflu der göttlichen, bjekti bene Held ais ein Dr; heren 
— era Im € = 5* —— ig. Wa ee 


am ei eine rd Grund: erfällt dem erwähnten 
ei — eine Gabe ver höheren Macht und fein Leiden 
ein Tribut wache. Dieſes negativ T.e it aber das. Schidfal Das 


Ar Dragodie — Trajaunss. 


Erhabene des Subjekts iſt alſo der eigentliche Stoff, mit deſſen Entfaltung das 
T.e anhebt und den es tn der Energie des Böſen bis zum Furchtbaren ſteigern 
kann, welches Letztere bier nicht mehr als bloße Naturmacht, ſondern als gei⸗ 
ſtiger Urgrund zerſtörend gegen das einzelne Leben auftritt. Aber gewaltiger und 
furchtbarer tritt dann audy der abfolute Geift hervor, der feine Schreden ſo⸗ 
—8 a Beftrafung des Boͤſen, als in dem Lintergange des Böfen, aus⸗ 
en 

Tragödie, ſ. Schaufpiel. 

Train franz.) if im Allgemeinen ein größerer Zug von Kriegsfahrzeugen 
(daher BelagerungssT., Munittons-T.) ; tim Beſondern bezeichnet man aber damit 
diejenigen Fahrzeuge, welche dazu beſtimmt find, einer im Felde ſtehenden Armee 
die Verpflegung nachzuführen. Diefe Fahrzeuge find in einzeine Kolonnen getheilt, 
die, unter Mitwirfung der Intendanturen, einer befondern militärifchen Behörde 
überwiefen find. 3.-Depot bezeichnet diefe Berwaltungsbehörpe ſowohl, als den 
Ort, wo jene Fahrzeuge, nebſt dazu gehörigen Gefcdyirren, aufbewahrt werden. T.⸗ 
Soldaten werden diejenigen Mannchaften genannt, die bei ausbrechendem 
Kriege zum Yühren diefer Fahrzeuge ausgehoben werden. — Auch nennt man T. 
die Gefammtreihe der Waggons auf den Eifenbahnen zur Beförderung von Per- 
fonen und Effekten. 

Trajausbrüde, pie, wurde von Kaiſer Trajan über die Donau im großartig« 
ſten Mapftabe erbaut, ift aber bis auf wenige Spuren in den Gtürmen der Zeit 
untergegangen. Dan fucht ihren Standpunft nahe unterhalb der Kataraften des 
eifernen Thores, bei Skella⸗Cladovi in der Walachet und am fogenannten Seve⸗ 
rusthurme. Gewichtige Stimmen verlegen ihn aber audy weiter hinab, in die 
Nähe von Tielew. efür fpricht wenigftens, im Zufammenhange mit den bei 
dem genannten Orte erfennbaren Brüdenreften, die bie und da noch fichtbare 
„Trajansftraße”, welche in jener Gegend am Ufer der Donau beginnt und längs 
der Aluta bis nady Siebenbürgen hinan fich verfolgen läßt, Die alten Schrift: 
fteller, namentlich Procopius und Dio Eaffius, binterließen und von der T. Bes 
fchreibungen, welchen — ſie eine der herrlichſten Erzeugniſſe menſchlicher Kunſt 

eweſen eo muß. Nach diefen Schilderungen waren die Pfeiler, 20 an ver 
ah, aus maſſtven Quaderfteinen aufgeführt und mittelft fteinerner Bogen vers 
bunden. Sie hatten eine Höhe von 150 Zuß, 60 in der Breite und flanden 
470 Fuß von einander entfernt. Dio Eaffius nennt diefe Brüde ein erftaunliches 
Werk, mit welchen alle übrigen Bauten Trajan's faum zu vergleichen wären. An 
beiden Ufern war die Brüde durch befefligte Kaftele gefhügt. Baumeiſter war 
Apollodorus Damascenus. Als das römifche Reich zu verfallen begann, fah ſich 
Kaiſer Aurellan, um gedeckt gegen die Einfälle der jenfeit6 der Donau wohnenden 
barbariſchen Völker zu feyn, genötbige, die T. bis auf den Waſſerſpiegel nieder» 
reißen zu laffen. — Außer diefer Brüde erhalten längs der untern Donau aud) 
noch andere Denfmale Trajand Andenken, fo die Trajanstafel, eingelaffen in 
einen Zelöblod oberhalb Orſova, durdy welche der Imperator feinen erften Feld⸗ 
zug in Dazien (um dae Jahr 105) verewigen wollte, dann der TZrajanswall, 
Ueberbteibfel einer Wehrmauer, weldye von der Stadt Rafiova an der Donau, 
dem Axiopolis der Alten, bis an das ſchwarze Meer ſich erftredte. mD. 
Trajanus, Marcus Ulpius, römifcher Kaifer, Sohn des T., eined aus⸗ 
gezeichneten Feldherrn unter Beipafian in Paläftina und Statthalter von Syrien, 
geboren zu Stalica in Spanien, begleitetete feinen Bater in einem Feldzuge gegen 
die Parther, diente darauf am Rhein und zeichnete ſich dabei durch muthige 
Thaten aus, Gr wurde hierauf im Jahre 89 Prätor, 91 Eonful, 97 Adoptiv: 
fohn von Nerva u. Cäfar und, nach defien Tode, 98 Kaiſer. Seine Regierung zeich⸗ 
nete fidy durch Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Sparfamfelt aus. Sein einziges 
Streben ging dahin, das römiſche Volk glüdlidy zu machen und der römtiche 
Senat gab ihm deßhalb den Titel Optimus. Im Kriege glüdlich gegen den Kö- 
nig Decebalus von Darien, genoß er bie Ehre des Triumphes und befam den 


EZ Bu BT Zu 


414 „! 


4 


Tramin — Trankebar. 215 


Beinamen Dacicus. Ebenſo beflegte er die Barther, eroberte Armenien 107 und 
wachte dafielbe, ſowie das fleinigte Arabien, zu römifchen Provinzen. Zum An⸗ 
venten au dieſe Siege erbaute er 114 das prächtige Forum Trajanum und bie 
berübste Columna Trajani. Im folgenden Jahre ging er auf einer Schiffbrüde 
über den Tigris, unterwarf fi) Adrabene und ganz Affyrien, Ktefiphon u. Sufa, 
jegeite jodann mit einer Flotte auf dem Tigris bis in den perfifhen Meerbufen 
mb war der erſte und legte Römer, der venfelben befchifite. Nach feiner Rüd- 
tehr drang er von Neuem in Arabien ein, belagerte Wora vergeblich, die Haupt- 
habt eines arabifchen Volkes , zog ſich dann nach Syrien zurüd und übertrug 
Kränklichkeit, ald er eben im Begriffe ftand, einen neuen Feldzug zu unter- 
‚ dem Hadrian den O:berbefehl über fein Kriegsheer, während er fich felbft 
nach Italien einfchiffte.e Er erreichte jedoch nur Selinus, fpäter Trajanopel, in 
Giliien, wo er den 10. Auguft 117, nach 20jähriger Regierung, im 64. Jahre 
karh. Seine nach Rom gebrachte Afche wurde unter der trajantfhen Säule 
(mie von der, ben Daciern abgenommenen, Beute errichtet worden) beigefebt. Sein 
Rachfolger war fein Adoptivſohn Hadrian. 

Tramin, ein Markiflecken zwifchen Trient und Boten und im Etſchkreiſe 
vr gefürfteten Graffchaft Tirol, jenſeits der Erich, mit 800 Einwohnern, befannt 
wegen ſeines trefflichen Weines, Traminer genannt, aus weißen und rothen 
Srauben. Der weiße T.er, wovon ed den großen und Heinen gibt, führt von 
ver Geſtalt feiner Blätter auch den Namen Gänfefuß; der rothe T.er gibt einen 
ugenehmen füßen Wein, aber mehr weißlich, als roth; der Umftätter T.er bat 
greße, dunfelrothe, füße Beeren. 

Zramontana nennen die Staliener den Rorbiwind, weil dieſer über die Al⸗ 
yon zu ihnen fommt. Bei den Schiffern des mittellänpifchen Meeres heißt fo der 
Nerdpol, Polarſtern, auch Compaß, wovon die Redensart: die T. verlieren, fo 
viel bezeichnet, als: die Fafſung verlieren, den Kopf verlieren. 

€e, f. Laufgraben. 

Trantebar, eine früher dänifche, jegt englifche Befigung auf der Küfte von 
Koromamdel in Oſtindien, welche aus der Etadt und Feftung 3. mit einem, den 
Sieden Borejaru und 33 Dörfer umfaflenden, 20 [Meilen großen und 50,000 
Einwohner zählenden Gebiete, befteht. 1612 wurde zu Ropenhagen eine däntfch- 
oftindifcye Compagnie geftiftet und 1616 kam das erfte Dänifche Schiff auf der 
Küfte von Koromandel an, wo ed von dem Raja von Toujore gut aufgenommen 
wurde. Letzterer ließ fich mit dem dänifchen Oberfaufmann Roland Krappe we- 
gen Abtretung eines Lanpftriches zur Anflevelung für die Dänen in Unterhand⸗ 
lungen ein und 1620 erhielt der däniſche Befehlshaber Ove Giedda den Diſtrikt 
von T., wofür er eine jährliche Abgabe von 16664 dän. Thlrn. verfprady. Er 
legte nun die Stadt T. und das Fort Dansburg an und Krappe blieb als Gou- 
verneur der neuen Beflgung zurüd; 1777 überließ die Compagnie ihre Anftevel- 
ung an die däniſche Krone. Der größte Thell des Landftriches beficht aus Reis⸗ 
ielden und Palmenwäldern, ein kleinerer Theil tft ein falzichter Moraft, aus dem 
Salz gewonnen wird, die meiften Einwohner find Malabaren. — König Fried— 
ri IV. von Dänemark legte in T. eine Anftalt zur Belehrung der Heiden an 
md 1705 gingen die erften Mifftonäre von Kopenhagen nad 3. ab, wo fie im 
Juli 1706 anfamen. Diefe proteftantifche Miffton, welche audy eine eigene tamu⸗ 
liche Druderet befaß, hat aber keinen beſonders glüdlichen Erfolg gehabt, ob- 
gleich fie Durch bedeutende Geldfendungen aus Dänemark, Deutichland und Eng- 
Ind unterftügt wurde. In der Stadt 3. find 5 heidnifche Tempel, 1 mohamme⸗ 
daniſche Mofchee, 1 lutheriſche und 1 proteftantifch-malabarifche Mifftonsfirche, 

jomie 1 Gotteshaus der Katholifen. Der zur proteftantifchen Miffion gehörende 
Drift enchält 20 Freifchulen, worin 600 Kinder tamulifch und englifch leſen, 
jqreiben, vechnen u. f. w. lernen. 3. hat einen guten, 1783 als Freihafen er- 
Hirten, Safen, Baumwollfabrifen, Salzfievereien und lebhaften Seehandel mit 
‚He de Brance, Geylon, Batavia und China. Die Einfuhr beftcht vormugsmelr 


216 Transfiguration — Translation, 


in Arrak, Branntwein, Kupfer u. |. w. Bor einigen Jahren verkaufte Dänem 
diefe Beſitzung für 8 Lakh Rupien oder 80,000 Pfund Sterling an die engliſ 
oftindifche Compagnie. C. Pfaff. 
Trandfiguration (Ummwandelung) heißt in der römifchen Kirchenſpra 
die Verflärung Ehrifti auf dem Berge Tabor, zu deren Gedaͤchtniß Die Kirche ı 
6. Auguft ein beſonderes Yet feiert. Unter diefer Benennung ift audy eines | 
vorzüglichften Gemälde Raphael's, von dem wir einen fehr guten Kupferftich v 
Dorigny u. R. Morgben befipen, bekannt, diefen Gegenftand varftellend. 
ransfufion nennt man die Ueberleitung von Blut aus den Gefäßen ei 
lebenden Weſens in die Gefäße eines andern. Schon Medea (f. d.) fol Aeſt 
den Bater des Jafon, durch Einflößen des Blutes eines jungen Bodes verjin 
haben. Die erfte fichere biftorifche Nachricht von der T. findet ſich aber erſt 
16. Jahrhunderte, wo fle von einem Deutſchen vorgefchlagen, dieſer Vorſchl 
aber als eitles Hirngefpinnft befpöttelt wurde. Die erften wifienfchaftlichen V 
fuche ftellte in Mitte des 17. Jahrhunderts der Engländer Wren anz zuerft 
einem Menfdyen (einem Irren) wurde fie 1667 von King angewennet — ol 
ungünftigen Erfolg; gleichzeitig wendete fle in Frankreich Denis an und 16 
der römiſche Arzt Riva, fowie zur ſelben Zeit auch in Deutfchland mehte V 
ſuche an Menſchen flattfanden, Bald aber fam die 3. wieder in Bergefienk 
und erft im 19. Jahrhundert wurde fie wieder herworgefucht und namentlidy x 
dem Gngländer Blundell in faft hoffnungslofen Fällen von Mutterblutfluß 
Glück verfudht. Außerdem wurde die 3. auch als Heilmittel gegen bie Chol 
empfohlen, ſowie gegen Geiſteskrankheiten, Epilepſie, Waſſerſcheu, Scheintob 
Bewährt bat ſich aber ihr Nutzen nur bei Biurflüffen, deren Heftigkeit das Le 
bedroht und bei denen fie neben andern Belebungsmitteln oft das einzige A 
tung@mittel bleibt. Vollbracht wird die T. entweder unmittelbar, indem n 
eine geöffnete Pulsader des Blutgebenden mit der Blutader des Empfänger6 bu 
eine Röhre in unmittelbare Verbindung bringt, oder bei der großen Gefährlich! 
diefe® erfahrene mittelbar, indem das aus einer Bene gelafiene Blut in ei 
Kleine Spritze gebracht und durch diefe in eine geöffnete Bene des Kranken e 
gefprist wird. — Der T. nahe fteht die Infufion, die Einfprigung flüffl, 
Arznaftoffe in die Venen; dieſes Berfahren hat in feiner Entwidelung gleid 
Schritt mit der T. gehalten; aber audy die Infufton iſt in ihrer Anwendung bı 
zu Tage auf ganz feltene Faͤlle befchränft. — S. Paul Scheel: „Die I. ! 
Bluts und die Einfprigung der Arzneien in die Modern hiſtoriſch und in Rüdfi 
auf die praftifche Heilfunde bearbeitet“, 2 Thle., Kopenhagen 1802, ein 3. Theil v 
% J. Dieffenbach, Berl. 1828. E. Buchner. 
Sranlilo andel, ſ. Durchfuhrhandel. 
Trauskaukaſien, ſ. kaukaſiſches Gouvernement. | 
Translation (Uebertragung) heißt im kanoniſchen Rechte eine befond 
Art, zu geiftlihen Würden u. Wemtern zu gelangen, wenn nämlidy ein geiftlid 
Individuum entweder durch Wahl, oder Poſtulation, oder Ernennung mit fe 
Einwilligung, von einem Benefizium auf eine andere erledigte Kırdyenpfrür 
uͤberſetzt wird. Da die Bifchöfe durch ein geiftliched Band an ihre Kirchen | 
fnüpft find und die Seelforge bei Buratftellen ununterbrochen gepflegt wert 
fol, fo ſah man fie in der Kırdye nie gerne, ja, fie waren in den älteiten Zei 
bar verboten und in der Kolgezeit ließ man fle nur wegen einer dringen 
othwendigkeit, oder wegen eined augenjcheinlid großen kirchlichen Nutzens 
Jeder 3. muß eine ordnungsmäßige Unterfuchung vorhergehen, weldye ehem, 
in Anfehung der Biſchöfe der Metrropolit führte, die gegenwärtig aber, als e 
causa major, zu den päpftlichen Refervatrechten gehört. Daher follen die Ueb 
fegungen nur dann, wenn der zu Ueberſetzende gehörig vernommen worden ift 
—— mit Zuſtimmung des größern Theiles der Kardinäle geſcheh 
— Die 2.en ber niederen Kirchen⸗Beamten geſchehen unter Bemillaung ' 
Diözefan» Bifyof6; In unferen Tagen wird jedoch diegu au vie Sencak 


Translocation — Transſubſtantiation. 217 


Staats⸗Regierung, welcher zu dieſem Behufe auch die verhandelten Akten 
d Erfenntnifſe vorgelegt werden müflen, erfordert. — Durch die gehörig ges 
ehene Unterſuchung wird der Ueberfegte fowohl von dem Bande, das ie an 
ne biäherige Kirche Inüpfte, wie auch von den Obliegenheiten, die er in Ans 
mug derfelben hatte, befreit. Er verliert durch die vollzogene Ueberfegung alle 
he und Früchte der vorigen Kirche und muß ſich über die Interfalarten mit 
ua Rachfolger berechnen. Dagegen tritt er in alle Pflichten u. Rechte feiner 
gen Kirche ein. — Muß ein Kischenfeft, wegen eines andern, von dem ihm 
gewieienen Tage auf einen andern verlegt werden, fo heißt Died ebenfalls T.; 
imeber ift für dieſe Beer noch ein Monats over Wochentag übrig, oder durch die 
zit beftimmt, oder e8 muß foldye, fobald möglich, nachgeholt werden. 

Zraudlocation, Ortsveränderung, Berfegung, fowohl von Sachen, 
18 Berfonen gebraucht. 

Zranspadanifche Republik hieß ein, von Bonaparte nach der Schlacht von 
al 1796 aus der öfterreichifchen Lombardei gebildeter, ephemerer Sreiftant, 
eher, glei der zu derfelben Zeit errichteten cispadanifchen Republik 
. d.), eine Berfaffung nad) dem Mufter der franzöfiichen erhielt. Gin Direktos 
zm von drei Mitgliedern übte die vollziehende, zwei Räthe befaßen die geſetz⸗ 
ende Gewalt. Die transpadanifche und die ciöpabaniiche Republif wurden 
bon im Juni 1797 in die cisalpinifche Republik (f. d.) vereinigt, deren 
kbiet von 1805 14 2. Pr et % 0) ee F Bat 

Zrandparent, dur einend, dur tig, heißt ein, auf Papier 
sögeführtes, in Del getränftes und von der Kehrfeite durch Licht erhelltes Ge⸗ 
älde, das unter gewifien Umflännen wohl nothbürftig die Wirkung eined Del: 
maldes hervorbringen kann. 

Sransponiren heißt 1) in der Muſik: ein Stüd aus der urfprünglichen 
onart in eine andere verfegen (und umfdhreiben), oder in einer andern Tonart 
ertragen. Es dient nicht blos zur Uebung, ſondern wird aug bei Geſangſtuͤcken 
öthig, in ſoferne fie für die Stimme des Sängers oder der Sängerin zu hoch, 
wer zu tief liegen. Eine mechanifche Vorrichtung zum 3. des Mechanismus 
m Bianoforte, d. i. eine Vorrichtung zur Berrüdung defielben, hat Roller ers 
unden. 2) 3. in der Mathematif: die Berfegung der Glieder einer Gleichung 
on der einen Seite dad Bleichheitszeichen auf die andere. 

Transporteur, Gradmeſſer, ein, gewöhnlich aus Meffing angefertigtes, 
sathemaniches, in Reißzeugen enthaltenes Inftrument zur Beſtimmung von Winteln 
a Graden, halben und viertel Graden bei Anfertigung von Zeichnungen, Plänen 
nd Riſſen, in welchen Winkel vorfommen. Gewoͤhnlich bildet der T. einen 
dalbkreis von 3—10 Zoll Durchmefler, deflen Umfang eine Theilung in Graden 
md halben Graden enchält. Der innere Raum diefer Kreishalbfläche iſt etwas 
mögeihnitten und unten in ber geraden Linie 0° — 180° durdy eine Iineals 
ötmige Flaͤche gefchlofien, in welcher fi), dem 90. Grade gegenüber, ein ſenk⸗ 
eher Einſchnitt befindet, der beim Gebrauche des 3.8 an den Scheitelpunft 
6 aufjutragenden, oder des zu meflenden Winkels zu liegen kommen muß, 

Trausfcendent, was über den Kreid der Dinge hinausgeht, weldye wir 
md unjere Sinne zu beobachten vermögen, folglidy die Gränze unferer Erfahr⸗ 
ngen überjchreitet. — Transcendental, was blos dem reinen Berftande 
enlbar ift; daher Transcendentals Bhilofophie, welche nur den Berftund 
nd die Bernunft felbft betrachtet, ohne gegebene Objekte anzunehmen. 

Transfubftantiation ift, nach der Lehre der Fatholifchen Kirche, die wunder⸗ 
we Verwandelung der Eubftanzen im bi. Altarsfaktramente, wonach, fobald ein 
mensch geweihter Priefter auf dem Altare Brod und Wein durdy die heiligen 

e nad) der Einjegung Chriftt confefrirt, die ganze Subſtanz des Brodes 
weg die göttliche Kraft in Die ganze Subſtanz des Leibes Ehrifti und vie 
ꝶe Eubftanz bed Weined In bie ganze Subftanz des Bluted Ehrikt ver 
welt wirb: fo, daß von bem Brobe und Weine Richts übrig bleibt, a\& vie 


218 Trandverfallinien — Trapezunt, 


äußerlichen @eftalten, die das Außerliche Zeichen dieſes Saframentes find. 9 
katholiſche Kirche hat ihren Glauben in dieſer Hinfiht auf dem Triventir 
ſchen Eoncil, Sess. XIII., Canon 1. 2. 3. 4. 6 audgefprochen. Alles Nah 
fiehe in dem Artikel „Altarfatrament“. 

Ttansverfallinien heißen die befannten, gegen eine gewiſſe gerave Linie un 
einem beftimmten Winkel gezogenen, geraden Parallellinien, wie fie 3. B. auf v 
jüngten Mapftäben fich verzeichnet finden. Ihr Zwed tft, eine gegebene, nur ı 
bedeutende, Länge indirekt in eine gewifie Anzahl gleicher Theile zu theilen, wel 
[egtere direkt anzugeben entweder unmöglich ſeyn würde, over feine Genauig! 
zu gewähren vermöchte. Bor Anwendung des Nonius (ſ. d.) gebrauchte m 
T. auch bei Gradtheilungen, vorzüglich an aftronomifchen Winkelmeſſern, wie 
im 17, Sahräundert sonftruirt wurden, um biedurch die einzelnen Bogenminu 
anzugeben. 

Trapani, eine der älteften Städte Siciliens, auf einer Halbinfel im Bol 
Mazzara, am Meere, mit einem vortrefflidhen, durch das, auf hohem Belfen | 
legene, Schloß Eolombara geſchützten Hafen, gutgebauten, breiten Straßen u 
25,000 Einwohnern, reicher Korallen» und Thunfiſcherei, auch Wanufalturen v 
Korallen, Mufcheln, Elfenbein und Alabafter. — Die Sage läßt hier den Aene 
feinen Vater Anchifes begraben (Virg. Aen. 3, 710). Im Hafen ein Helı 
Feld mit einem Leuchtthurm, Scoglio del mal consiglio genannt, weil Joha 
von Procida dort die Sieiltanifche Veſper einleitete. Bon bier befteigt man | 
wöhnli den Berg Eryr (S. Giuliano) einen der höchften Siclliens; ' 
Weg dahin tft nicht befchwerlich und gewährt herrliche Ausſichten. Man Tom 
zuerft an ein Kleines Dorf, fodann an normännifche Befeftigungen, geht du 
das Thor eines, jebt als Gefängniß dienenden, alten Theiles derſelben u. kom 
an die Spuren eines alten Benustempeld und an die Mauern des Dädalı 
ohne Mörtel zufammengefügte große Steine und an die des alten, zum Tem 
gehörigen Wafferbehälters. Bet heiterem Himmel fiehbt man das K 

ona in Afrifa. Die Frauen von T. gelten als befonverd ſchön, find al 
meift in fchwarze Schleier Eout und sehr zurüdgezogen. — In der Umgege 
wächst häufig die Pflanze Soda, die in Glashütten zur Bereitung der Pottaſ 
gebraucht wird. Gegenüber die ägatiſchen Infeln. 

Tropez heißt in der Geometrie eine ebene, von vier geraben Linien ein 
fhlofiene Figur, fo zwar, daß diefe Seiten weder gleich, noch gleichlaufend flı 

anche nennen alle Bierede, die Feine Parallelogramme find, T.e und theil 
fie in T.e im engern Sinne oder Barallel»T.e (mit zwei parallelen Seite 
und Trapezotde, in denen Feine Seite der andern parallel ift. 

Trapezunt, türkifches Ejalet im norböfllichften Theile Kleinaftene. 453 | 
Meilen, 200,000 Einwohner. Die Hauptftadt T. (Trebifonde, Tarabofan), Ti 
am Ufer des fchwarzen Meeres, am Abhange des Berges Bostapah, und I 
mit ihren vielen Gärten einen Umfang von anderthalb Stunden. Sie ift v 
einer Mauer aus rohen Eteinen umgeben und befleht aus der Zeftung und zn 
Vorſtädten. Jene hat feinen eigentlichen Graben, aber der Bach, welcdyer vı 
Bostapah herabfließt, erfeht mit feinem tiefen, felgen Bette diefen Mangel. € 
anderer Bach bildet an der entgegengefehten Face einen Graben bis zum Mee 
Die öftliche Vorſtadt ift von Armeniern bewohnt und heißt Sjaur-Meida 
in der meftlichen, Namens Kabach⸗Meidan, leben vorzugswelfe Griedh 
Am Ende der Vorſtadt Gjaur-Meidan bildet dad Meer eine Bucht, in weld 
fleinere Schiffe bis auf 100 Klafter fi) dem Lande nähern fünnen. Auf beit 
Seiten find fleinerne Batterien erbaut. T. tft der Eit eines Pafcha von d 
Roßſchweifen u. eines griechifchen Biſchofs. Es hat 18 Mofcheen, 3 Medrefl 
10 griechiiche Kirchen, viele Schulen, Bazars, eine Schiffswerfte, Kupferhämm 
Färbereien, Baummwollens und Seidenwebereien, Fiſchfang, Nhederei, und 
überhaupt eine der wenigen türfifchen Städte, die im Aufblühen begriffen fiı 
1832 hatte e8 kaum 25,000 Einw , und gegenwärtig zählt es bereits 50,0 


Trappe — Trappiften, 218 


Ser nämlich die Hemmniffe der Schifffahrt auf dem ſchwarzen Meere entfernt 
find, bar fi) der Handel 3.8 ungemein gehoben und es ift nicht nur der Hafen 
für Erzerum, Tebris und Teheran geworden, fondern aud das KHauptentrepot 
für Gentralafien und Europa überhaupt, und man kann vorausfehen, daß es 
durch feine geographliche Lage immer noch mehr an Wichtigkeit geminnen muß. 
Denyhichiffelinien ſetzen ed mit Konftantinopel und den Donaumündungen in 
Sarindung, regelmäßige Karemanen mit den Binnenländern Aſtens. — . Die 
Ent war eine Kolonie von Synope und hieß urfprünglid Trapezos. Schon 
zuter den Griechen und Römern nicht unbebeutend, ftieg fle zu befonderem Glanze 
cayer, als Alexios I. Komnenos, ein Mitglied der von den Lateinern aus Kon⸗ 
Aannopel vertriebenen Faiferlichen Familie, 1204 hier feinen Sit nahm und das 
Raiferthum Trapezunt gründete Seine Nachfolger führten in der Stabt 
wichtige Baläfle und Kirchen auf, von welchen heute noch umfangreiche Trüm⸗ 
sa zu fehen find. Die Türken machten 1461 der trapezuntifchen Herrlichkeit 
ein Ende, indem fie Land und Stadt eroberten und den damaligen Kaifer David 
Komnenoß gefangen nahmen u. fpäter in Adrianopel hinrichten ließen. — Falls 
nera yer: Geſchichte des Kaiſerthums von T., München 1827. mD. 

Trappe (Otis), Gattung der Familie Laufhuͤhner, mit kurzem gewölbtem 
Ednabel, plumpen Leibe, langen Beinen und Halfe, kurzen, mehr zur Unterflühung 
des ichnellen Laufes, al8 zum Fluge dienenden Flügeln und dreizehigen, daumen⸗ 
isfen Lauffüßen. Sie leben in Bielweiberet, nähren fich von Sämereien, Kräutern, 
Bürmern und Inſekten und halten fidy gern in getreibereichen Ebenen des nörds 
lichen Europa’8 auf. Arten: 1) der große 3. (O. tarda), 34 Fuß lang und 
0-3 Pfund fchwer, oben hell roftfarben und ſchwarz gefledt, unten weiß, am 

fe, Kopf und Bruft hellgrau. Die weißgranen, egen acht Zoll langen fafer- 

Federn zu beiden Seiten des Unterkiefers fehlen dem Fleinern, blaſſer ges 

Weibchen. Diefes brütet jährlich im März 2— 3 fchmuptig - olivengrüne 
Eier in einem felbft gefcharrten Loche aus. Eine ſolche T.⸗Familie heit im 
eine Kette, ein game Zug (gewöhnlid aus 30 — 50 Stüd beftehend) ein 
rupp. Der 2. iſt ein Standvogel, der, ohne befondere Veranlaffung, gern jeinen 
befimmten Stand behält. Er ift fehr fcheu, wachſam und ſchwer zu ſchießen. 
Man fängt ihn audy mit Windhunden oder in Eifen und Schlingen. Das Fleiſch 
der Jungen ift zart, das der Alten muß erft durdhfrieren, oder in Eifig gelegt 
werden, ehe e8 zubereitet wird. — 2) Der Eleine oder Zwerg⸗T. (O. tetrax), 
14 Fuß lang, hellbraun und ſchwarz geftreifl. Der Hals des DMännchens ift 
(dwarz, mit doppeltem weißem Halsbande, ohne Bart; der des Weibchens braun. 
Seine Heimath ift das fünliche Europa, befonders Frankreich, Sarbinten u. das 
jüdliche Rußland. Man fängt ihn meift in Schlingen. Er legt 3— 5 Eier und 
hat wohlichmedendes Fleiſch. — 3) Der Kragen-?. (O.houbara) 2 Fuß lang, 
toffarbig mit fchwarzen Binden und einem fchwarz und weißen Halöfragen, ver 
dem Weibchen fehlt. eine Heimath iſt Afrika und Arabien, von wo er fich 
mmweilen nach Europa verirrt. — 4) Der Knorrhan (O.afra) in Capland. — 
5) Der Lohong⸗T. (O. arabs) in Afrifa und Auftralien. 

Trappiften, ein fehr firenger geiftlicher Orden, welcher aus der, im Jahre 
1122 durch Rotran I. Grafen von Perche, in Folge eines Gelübdes geftifteten, 
Eifterzienferabtei la maison Dieu notre Dame de la Trappe an den Grängen der 
Rormandie hervorging. Im Jahre 1664 fegte Armand de Bouthillier de Rance, 
weicher die Abtei la Trappe als Commende befaß, indem er behauptete, daß die 
Klofterzucht zu feiner Zeit fehr in Verfall gerathen fei, an die Stelle der noch 
rorhandenen wenigen Mönche, welche Benfon erhielten, fech8 Mönche von der 
Dblervanz des Ordens von Savigny, nahm felbft das Ordenskleid und wurde 
sh vollendetem Probejahre Abt. Da ihm aber die Regel des hi. Benedikt nicht 

ägte, gab er feinem Klofter eine neue, ungleich firengere. 11 Stunden des 
Tape bringen die 3. mit Gebet zu und die übrige Zeit füllt harte Arbeit mit 
beftandigem Schweigen und Betrachtungen aus. Auſſer ven täglichen Sehen 


220 Trappiſten. 


und Geſaͤngen und dem Gruße „memento mori“, darf Keiner ein Wort zu de 
Andern fpredden. Die Prinzeffin von Condé hat auch weibliche T.⸗Klöſter g 
ftiftet. Wegen feiner außerordentlichen Strenge erhielt der Orden feine gro 
Verbreitung ;. unter allen feinen Klöftern ift indefien das von la Trappe dasjenig 
wo die Drdensflatuten am firengften befolgt werden. Die Hauptfahungen fin! 
Entfagung alles Umganged mit Menfchen, auferlegtes Stiüfchweigen, die bärte 
Lebenswelſe bei der Arbeit, Kof, Kleidung und Schlaf, bembige Beichäftigin 
mit dem Tode u. f. w. Die, während der erften franzöftichen Revolution na 
England und in die Schweiz geflücdhteten, 3. und T.innen begaben fidy nach d 
Reftauration wieder nach Frankreich und bildeten allda feit dem Jahre 181 
Drdensvereine. Das Lofal der Abtei wurde vom Orden wieder angefauft uı 
zum alten Gebraudye eingerichtet: Die Abtei befaß im aan 1824 bereits fchı 
für 150,000 Franks Grundeigenthum. Sie liegt ungefähr zwei Stunden vı 
Montagne (in der ehemaligen Mroninz Perche, im jegigen OrnesDepartemen 
und gehört zur Gemeinde Soligny (solum igneum Brandftätte), Die Gegend | 
bügeli und waldig. Der Haupteingang befleht aus einem Thorwege und ein 
Seitnthüre. Ueber jenem fleht die bi. Jungfrau in einer Blende, unterhalb lie 
man die Worte: Domus Dei (Haus Gotted), — Die Ordenstracht beſteht aı 
einer Langen, groben, grauweiß wollenen Kutte mit weiten Aermeln; ſie if b 
zu den Waden aufgefchürzt und wird mittelft lederner Riemen feftgehalten, ti 
durch feitwärts an der Kutte angebrachte Ringe gezogen find. Unter derſelb 
tragen fie weiße, weite und lange Beinkleiver von etwas feinerer Wolle n 
Soffen von eben dem Zeuge und Holzfchube mit Stroh audgeftopft. Ueber d 
Kutte ift eine Kapuze von fchwarzer Wolle, woran nach vorn u. hinten zu zwei F 
breite Streifen bis an die Knie herabhängen und mit dem breiten ſchwarzledern 
Gurte ein Kreuz bilden, deſſen Schwärze mit der weiß wollenen Kutte auffalle 
abſticht. Links hängt ein Roſenkranz und ein Mefler. In der Kirche bäng 
fie einen großen, weißwollenen Mantel mit Aermeln und Kapuze über, ven 

aber faft nie fonft u. vollends nicht bei der Arbeit tragen, fie nennen ihn Cou 
Die dienenden Brüder unterfcheiven ſich durch die graue Farbe ihrer Kutte 
Niemand darf feine Kleidung ablegen, weder bei Tag noch bei Nacht; fic wi 
nur alle Monate gewechfelt und gewafchen. Die Brüder find gefchoren, tra 

weder Bart noch Bauptdaar ; man läßt ihnen nur eine Eleine, fingerbreite Toni 
von unbedeutender Höhe. Der Haushofmeifter (hotellier), der Kellermeif 
(cellerier) und der Arzt haben allein vie Erlaubnig, mit Fremden zu red 
Erfterer iſt zugleich der Geremonienmeifter, der fie berumführt und für ihre 8 
quemlichkeiten und Beduͤrfniſſe ſorgt. Die Schlafzimmer der Mönche find oh 
alles Geräthe, felbft ohne Betten und Betiftellen. ever fchläft auf einem, zu 
Fuß von der Erde abflehenden, mit fargähnlichen Fuß⸗, Kopf- und Geitenbretich 
eingefaßten Brette, worüber ein grobe® Tuch genagelt ift, nicht fowohl um ! 
Stelle der Matraben zu vertreten, als vielmehr das Reiben der Kleidung a 
dem harten Holze zu verhindern. Die Bettladen find fümmtlich einen Fuß 

furz, damit fich der Schlafende nie ganz ausftreden könne; nur fein Sargbr 
bat die ganze Länge, dies fol fein Troft und feine frohe Ausficht auf den lang 
Schlaf jeyn. Statt der Dede findet ſich ein grobes Stüd Tuch, flatt des Kiffen 
ein kurzer Strobfad. Das Speifezimmer ift nicht eleganter verfehen, ale \ 
Schlaffammern ; nur das dürftigfte und nothwendigſte Sifhpeichten feine Wiſt 
tücher, hölzerne Tafeln, hölzerne Bänfe. Jeder befommt feinen Waflerfrug, d 
er beim Trinken mit beiden Händen faffen muß; verfchüttet er einen Tropfen, 1 
er eine Brodfrumme fallen, fo will das Geſetz, daß er Iogte hinfniee u. den Vorftel 
durch Zeichen um Vergebung flehe, die er mittelft eines Schlages mit dem Ha: 
mer auf den Tifch, Doch immer nur auf Fürbitte eines Bruders, erhält. Die K 
eines 3. wird auf 36 Franken (17 fl.) des Jahres u. feine Kleidung auf 9 Fraul 
(4 fl. 12 fr.) gefchägt und darf beive Summen nicht überfteigen. Die Koft | 
Rebt aus Waſſer, Brod, Kartoffeln, Aepfeln, Nüffen und mit Waffer und € 


Trafimeniſcher See — Traß. 221 


echtem Gemuͤſe. Die firengere Regel feit 1816 hat alles Uebrige verbannt, 
vas ehedem zuweilen gereicht wurde, 3. B. etwas Mil, Eier u. |. w. Auch 
And die harten Matragen ganz abgefhafft, vom Schlafe wird eine Stunde abge⸗ 
für, die man zwar früher Abends im Bette zubringen darf, dafür aber aüch 
cu Stunde früher in der Nacht aufftehben muß. “Der Abt muß ſich, fo gut wie 
ver geringfle Ordens⸗ und Laienbruder den ſchwerſten und niedrigſten Arbeiten 
‚ wenn die Reihe an ihm tft. Findet Jemand Bergnügen an irgend 
ener Arbeit, b muß er es beichten und fie wird ihm abgenommen. Jede ges 
senfhaftliche Arbeit gefchteht ſchweigend und wirb oft durch das Knete 
vb Borftehers unterbrochen, worauf Gebet und Gefang mit gen Himmel gerich- 
wien Blicken folgen. Zwifchen drei und vier Uhr ift die Mabheii” wer zu fpät 
su der Arbeit zurüdtommt, muß oft fchlafen gehen, ohne gegeflen zu haben. 
dei dem Efien darf mit dem Mefier u. f. w. bei obiger Strafe kein Geräufch 
gaaht werden. Weit firenger find dieſe Strafen, wenn ſich ein T. beigehen 
lüt, mit feinem Nachbar zu fprechen oder Familienverhältnifie und Briefmechfel 
za mterbalten, zu entwifchen u. |. w. Die Hauptwerkzeuge der T. find: 1) der 
Sürtel Ceilice) von Eifendraht, beftehend aus zwei mit einander verbundenen 
Bingen, deren jeder mit zwei eifernen Spitzen verſehen if. Man trägt ihn auf 
va bloßen Leibe. 2) Gin breiter Gürtel (haire), dad härne Hemb ober ver 
Mme ®ürtel genannt. 3) Cine Geiſel (martinet) aus einem Büfchel Tanger, 
alt vielen harten und dichten Knoten verfehenen, Zwirnfäden beftehennd. 4) Ei 
ve Dornenkrone nachahmendes, Re von Pferdehaaren. Beim Gotteödienfte figen 
ne T. in vier Reiben, angethan mit der Goule, unbeweglich, ihre Augen auf den 
Beben geheftet. Ihr Belang ift einfach, volltönend, erbaulich und durch bie 
ange Gewohnheit kraftvoll und taktfeſt. Garten und Gottesacker find bei den T. 
fin und daſſelbe, indem dafelbft immer ein offenes Grab vorfinplich ifl. — Außer⸗ 
halb Sranfreich gibt ed noch in Stalien und Spanien 15— 20 T.- Klöfter. In 
Deutkhland waren deren zwei; und felbft Canada hat ein ſolches aufzuwelfen. 
Das T.Kloſter vom Delenberg bei Mühlhauſen im oberrheintfchen Departement 
deſtand noch im Jahre 1830. Nach der Revolution vom Jahre 1830 begaben 
fich die meiften T., beſonders jene des Klofters bei Straßburg, In die Schweiz u. 
biefer Orden wird, nach den feit diefer Zeit eingetretenen Berhältniffen, nicht fo 
leicht mehr fein Glück in Frankreich madyen. — Ein großer Theil der, aus Frank⸗ 
reich vertriebenen, T. wandte fich (1832) nad) Jıland, wo die Vertriebenen mit 
Sir Richarch einen Pacht auf 100 Jahre fchloffen, in Kraft deffen ihnen derſelbe 
600 Morgen (acres) oder Gründe überließ. Die T. errichteten dann ein großes 
Gebäude, das fie mit dem Namen ihres früheren Wohnortes la Melleray nann⸗ 
tm, und, was fehr zu wundern ift, dieß Bauwerk, deſſen jetiger Werth nicht 
weniger als 10,000 Pfd. Sterl. (250,000 Franks) beträgt, war von benfelben 
m drei Fahren vollendet, obwohl fie nicht über fünf Franks zu verfügen hatten, 
ald fie um die Ucherlaffung der Gründe baten, welche ihre Betriebſamkeit bereits 
sit reichen Ernten bevedte. Allerdings ift auch zu fagen, daß fie zum Erftau- 
un in ihren Arbeiten von den Bewohnern der Nachbarfchaft unterftüßt waren, 
veldhe, ohne irgend eine Vergütung, mettelferten, ihnen ihre Dienfte anzubieten. 
Das neue Klofter von Melleray iſt prächtig; die Gemächer in demfelben find gut 
ingetheilt, feine Lage an den Bergen Knofmeldowe, mitten in einem wüften 
igude, erinnert an die Hofpitien, welche die chriftliche lebe auf dem Gipfel ver 
qacebedeckten Alpen erbaut bat. Seit Gründung deſſelben haben fie die unbe 
bauten Streden in fruchtbare Felder umgewandelt. 
Trafimeniſcher See (lacus Trasimenus, jetzt Lago di Perugia), ein Landfee 
m alten Errurien, weftlich von PBerugia, wo Hannibal (f. d.) 217 v. Ehr. den 
tmiihen Conſul Cajus Flaminius fchlug. 
Traß oder Terraß, eine erdige, matte, graue oder graugelbe, ins Braune 
flape, mehr oder weniger poröfe, zerreibliche, rauh anzufühlenne Maffe, welche 
as Raubartigen Bimsſtein⸗ oder Trachpitheilhen befteht und far iwenrt trier 


— — 


222 Sraffiren — Trattnern. 


Bimsfteinftüdchen, Schladen, auch manchmal verfohltes pol enthält. Im 
frifhen Zuftande ift der 3. ziemlich weich; er wird daher mit dem Spaten ter 
raflenförmig abgeftochen (daher der Name) und befonderd zu Waflerbauten vers 
endet, indem man ihn anflatt ded Sandes zum Mörtel nimmt. Er findet fi 
befonder8 in großen Mafien im Bröhlthale bei Andernach am Rhein und wird 
von diefer Stadt aus nady Holland und England flarf verfendet. 

Traſſiren, ziehen, entnehmen, heißt beim Wechfelgeichäfte: einen Wechfel 
auf Jemand (einen Auswärtigen) ausftellen. Ein folder Wechfel, der an einem 
andern Drte, ald wo er ausgeftellt ift, zahlbar if, heißt ein traffirter Wech⸗ 
fel (Tratte). ES kommen hiebei vier Perfonen vor: 1. der Ausfteller over 
Traffant, der den Wechfel verkauft; 2. der Remittent, welcher den Wechſel 
fauft, um zu zahlen (remittiren); 3. derjenige, welcher den Betrag des Wed 
Ice zu erheben bat. Da diefer nun den empfangenen Wechfel demjenigen, ver 
hn bezahlen fol, zur Acceptation vorzeigt (präfentirt), fo heißt er Bräfen» 
tant und 4. der Traffat, auf den der Wechfel gezogen tft, der ihn alfo bes 
zahlen fol. Erklaͤrt 1 nun derſelbe durch das Wort: acceptirt oder anges 
nommen und burdy feine Ramensunterfchrift zur Bezahlung des Wechfels bes 
reit, fo beißt er im diefer Beziehung der Acceptant. 

Trattnern, Johann Thomas, Edler von, Reicheritter, E. k. Hofbuchs 
druder und Buchhändler in Wien, war geboren 1717 zu Jahrmanns dvorf bei 
Guͤns in Ungam, trat 1735 zu Wiener-Neuftadt feine Lehriahre als Buch 
druder an, nad deren Vollendung er nach Wien zu dem Hofbuchbruder vor 
Ghelen fam. Redlichkeit, Gene und Proteftion verfchafften ihm Freunde, 
durch deren Unterftügung er 1748 eine eigene Druderei erfaufte; fie war unbe 
trächtlih und verfallen, aber fein unternehmender Geiſt wußte fie bald in eine 
blühende Anftalt umpufchaffen, die allmälig, meift durdy Nachdrucke, veren Be 
günftigung damals im Staatsprincip lag, auf 34 Preſſen anwuchs und ned 
außerdem fünf Zilialdrudereten: zu Agram, Peſth, Innsbrud, Linz mb 
Trieft, nebſt 8 Buchhandlungen und 18 Büchernieverlagen, nicht nur in ben 
vornehmften E. k. Erblanden, fondern auch auswärts, zu Warſchau u. Krank 
furt am Main, erzeugte. Cie ift auch die Grundlage des ungeheuern u. prächt⸗ 
igen Dffizingebäudes in der Joſephſtadt, in welchem T. alle Zweige der Bud 
druderei und des Buchhandeld vereinigte. Er erbaute auch 1767 eine eigene Pa⸗ 
piermühle und 1786 eine zweite auf der fürſtlich Liechtenſtei n'ſchen Berrichaft 
Ebergaſſing, die er im folgenden Jahre ganz erfaufte und zierte Wien mit 
einem der fchönften Gebäude, das er aus dem ehemaligen Sreyfingerhofe und fünf 
daranftoßenden Häufern auf dem Graben herftellte. tiefes impofante Gebäude 
wurde in den Jahren 1773 bis 1776 hergeftellt. Der Baumeifter hieß Peter 
Mollner u. der Künftler, der an demfelben die Statuen, die fi oben an biefem 
Gebäude befinden, verfertigte, Tobias Kögler. Das jährliche Zinserträgniß 
des T.fchen Freihauſes überfteigt 60,000 Gulden Eonv.-Münze. — Durch die Bes 
mühungen 3.8 erhielt die Buchdruderei und der Buchhandel in den öſterreich⸗ 
tfchen Staaten einen neuen Schwung, der den Wiffenfchaften und der Bildung 
der Nation fehr zuträglich war. Auch wußten Defterreich8 Regenten feine Verdienſte 
zu fchägen und zu belohnen. Maria Therefia ernannte ihn zum Hofbudy 
druder, Franz L erhob ihn zum Reichsritter und Leopold II. gab ihm ven 
ungarifchen Adel. Er farb am 31. Juli 1798, nachdem er am 13. Mai de 
jelben Jahres fein SOjähriges Jubelfeſt al8 Buchdrucker⸗Prinzipal Begangen hatte, 
Immer ift der Name 3.8 noch in gutem Andenken, als der eines Mannes, dei 
ſich aus eigenen Kräften eine reiche Eriftenz fchuf, der zur Beförderung der Bud): 
druderfunft fo Vieles beizutragen wußte und der immer thätig auf dad Wllge 
meine wirkte Als T.'s Sohn ftarb, überfam fein Neffe, Johann Thomas 
Edler von T., das Gefchäft, trat ed aber an mehre Andere, die Buchhandlung 
en an Joſeph Tendler, ab und lebte von den reichen Erträgnifien feine 

en, 


Traubenkur — Traum. 223 


Traubenkur, der methodiſche, eine Zeit lange fortgeſetzte, faft ausfchließliche 
Genuß von reifen Weintrauben, am beften Gutedel, Musfateller oder Seiden⸗ 
trauben, zur Befeitigung von Krankheiten. Die Verbindung der Weinfäure mit 
Zuder in den Weintrauben, wodurch diefelben nicht nur die Darmaußleerung ges 
lind befördern, fondern auch die Tchätigfeit der Leber, beſonders die Gallenbereits 
ung, verbeflern und überhaupt auf eine milde Weife nähren, macht die T. zu 
einem fehr wirffamen Mittel in folchen Krankheiten, wo dad Blut fn grober 
Aufregung, Neigung zu Blutflüffen u. Abzehrung vorhanden ift, ferner bei Stock⸗ 
ungen in der Leber u. anderen Unterleibsorganen, Herzleiven, Hämorrhoiden, Hypo⸗ 
hondrie ıc. Namentlich wird die. von jüngeren Subjeften gut vertragen. Ein 
Hauptbebingniß dabei iſt die fleißige Bewegung. 

Trauerſpiel, |. Tragifh und Schaufptel. 

Traum ift ein Wachen des geiftigen Bildungsvermögens, während die 
übrigen Seelenvermögen und Ihre Verbindungsorgane mit der Außenwelt, die 
Sinne, in der Regel fchlafen, jedoch aber auch theilweife in Wirkſamkeit treten 
fönnen, wobel das Erinnerungsvermögen (Gedächtniß) in Verbindung mit dem 
Sombinationsvermögen früher erlebte Ereignifie, gehabte Borftelungen und Ideen 
gewöhnlich in eigenthümlicher oft baroder Verkettung der Seele vorführt, übers 
haupt Bilder zur Borftelung bringt, die entweder das Produkt der Aflociation 
einer im Augenblide aufgenommenen, aber untichtig aufgefaßten, Empfindung find 
oder fi) an einen ganz neuen und durch feinen neuern verbrängten und tiefern, 
ſelbſt durdy den Schlaf nicht verwifchten Sinned- und Gemüthseindrud anknüpfen. 
Blei wie dad Träumen nur aus der Berfnüpfung der Gegenwart mit der Vers 
gangenheit möglich oder eine Fortſetzung eines, in den Echlaf hinübergezogenen, 
tebhaften Eindruckes ift, ebenfo gefchieht auch nur die Erinnerung an den T. 
im wachenden Zuftande. Da die, der Seele während des Schlafes vorgeführten, 
Bilder nur einfach find und feine andern fich weiter damit verweben, fo treten 
fie um fo flarer vor die Seele und fo fommt ed, daß diefe ſodann um fo eher 
in den Stand gefegt wird, aus der Vergangenheit in die Zukunft zu bliden (fog. 
Divinationsträume). Der T. Außert fi demnach als ein Spiel der Phantafle, 
in Folge deren zu flarfer Erregung oder mangelhafter Beſchaͤftigung fie entfteht. 
Träume bei völliger Körperermüdung erfcheinen eher als die Ausgeburt innerer 
Anregungen und find freier von den augenblidlidhen der Außenwelt, als jene nach 
gepflogener Ruhe und Nichtermübdung, oder zu ſtark erregter Bhantafte, weil dann 
die Empfänglichfeit der Sinneborgane gegen Außere Sinnesreize arößer ft. Zu 
lebhafte oder zu anhaltende Träume beeinträchtigen die nöthige Körpererquidung 
durch den Schlaf und entziehen befonderd noch dem Seelenvermögen die ihm zu 
feiner ungetrübten Erhaltung erforderlihe Ruhe. Steigert fidy der T. über das 
Denken, Empfinden, Sprechen und leichtere, mit demfelben in Verbindung flehenve 
Körperbewegungen hinaus, fo entfleht jener Zuftand, welchen man je nad) feiner 
befonvdern Form und Grade T⸗Handeln, Nachtwandeln, Noctambulis- 
mus nennt. Dies ift die vollfommen praftifche Ausführung eines T.es, wobet 
nicht blos die pfochifchen Vermögen der untern, fondern audy der mittlern Seelen« 
fphäre in Thätigfelt fich befinden und die Bewegungsorgane ganz, wie im was 
chenden Zuftande, gehorchen, die Sinnorgane aber immer noch unempfänglich für 
äußere Eindrüde bis zu einem gewiflen Grade bleiben. Der Zuſtand des Schlafs 
handels tft ein weit vollfommnerer, denn jener des T.s; ftatt der regellos beleb⸗ 
ten Phantafie beherricht ihn ein beftimmter Trieb oder Idee, die der I..Handelnde 
ganz geregelt zur Ausführung bringt. Obwohl auch bei ihm alle Einne, der 
Taftfinn ausgenommen, in Unthätigfeit begriffen, To fcheinen fie doch nicht im 
Schlafe begriffen, da zuweilen die leifefte Anregung berjelben fie zur Thätigkeit 
wedt; dafür aber iſt das Gemeingefühl auf Sen höchften Punkt der Thätigkeit 
erhoben und der Leiter aller Handlungen. Sehr treffend vergleiht man einen 
Schlafwandier mit den höhern Thieren, welche inflinftmäßig, ohne Selbfibewußt- 
feyn, awedmäßige, verfländige Handlungen verrichten und dieſe umgekehrt ole 


224 Traun — Trannftein; 


bleibende Schlafwandler. Eine Erinnerung an die, im I.» Handeln vorgenon 
menen Handlungen, geht nicht auf den wachenden Zuftand über, wohl aber fe 
der 2,» Handler das in dieſem Zuftande Vorgenommene in dem nädhften fo 
während dagegen die Erinnerungen des wachen Leben® auf denfelben einfließe 
Der genannte Zuftand erfcheint in periopifchen, meift von den Mondsphaſen a! 
hängigen, Anfällen und zur Zeit tiefern Sinnenfchlaf8, daher gewöhnlich vor Mi 
ternacht. Urfächlich verwandt iſt derfelbe mit dem magnetiihen Schlafe (f. tbie 
eisen Magnetismus), mit welchem er ohnehin objektiv große Aehnlid 
eit zeigt. \ JB. 

Traun, ein Fluß in Oberöfterreih, entfpringt oberhalb Auſſee in Steye 
mark, fließt durch das Erzherzogthum Oeſterreich ob der Enns, bildet hier di 
Halftädter u. den Traun- oder Gmundeners See, nimmt fodann die Nager, Al 
und Krems auf und mündet bei Steyered in die Donau. Bon ihm bat das 3 
Viertel in Oberöfterreich feinen Namen. Der T.:See Ift ungefähr zwei Stund 
lang, eine Stunde breit und oft tobend, wenn der PViechtauerwind und d 
Nordwind feine Wellen in Aufruhr bringen. Der Schifffahrt wegen ſchwell 
man diefen See durch Deffnung der Klaufen des Grundel⸗ und Auffeerfeed ur 
der Klaufen am Halftädterfee. — Die Fahrt auf dem T. ins Salzlammergut h 
einen großen Reiz. Wenn der Reiſende die VBeranftaltung einer „Schweb“, d. 
eines großen Fifchfanges auf dem. bewirken kann, fo wird das Angenehme d 
Seefahrt noch um Vieles vermehrt, da meiftens eine zahlreiche Menge Zufchau 
in größeren und fleineren Nachen fich einfinden und ver allgemeine Jubel I 
vollen Neben das Fifcherfeft um fo lebhafter macht. Im März fängt gewöhnfi 
die Schifffahrt an und wird in den nächftfolgenden 4 Monaten am ftärfften E 
trieben. Die Dahl der Schiffe zum Salztransport beläuft fidh gegen 300. 3 
Winterözeit wird der See wenig oder gar nicht befahren, obichon er had 
felten ganz aufriert. Auf den umliegenden Anhöhen genießt man an mehren Pur 
ten die entzüdendften Landſchaftsgemälde über den weiten Eee. 

Traun, Otto Ferdinand, Graf von, E. k. öfterreichiicher Fel dmarſcha 
der Ablömmling eines altgräflichen Geſchlechtes aus Bayern, geboren 167 
ftudirte Anfangs zu Halle, nahm aber dann öſterreichiſche Kriegsdienſte bei dx 
Ausbruche des fpanifchen Succeffionsfrieges, worin er ſich mehrmals auszeichn 
und nach und nadh immer höher ftiea , B, daß er 1723 Generalmajor und 17: 
Gouverneur von Meifina wurde. Während des Krieges über die polnifche K 
nigswahl befehligte er bie öfterreichiichen Truppen in Sieilten, vermochte at 
nicht, gegen den überlegenen Feind das Feld zu behaupten. 1736 wurde er Sta 
halter von Mailand und vertheidigte im öfterreichtfchen Erbfolgefriege (174 
der Königin Maria Therefta von Ungarn und Böhmen die ttallenifch:n Staat 
aufs Nachprüdtichfte und erfocht den 8. Zebruar 1743 den großen Sieg | 
Campo Santo. Bald darauf nach Deutfchland verfeßt, wirkte er mit zu di 
Rheinübergange unter dem Oberbefehle des Herzogs Karl von Lothringen u 
rüdte bi® in die Nähe von Siraburg. Da aber der franzoͤſiſche Marſchall v 
Noailles mit großer Uebermacht ſich ihm nahte, zog er ſich ohne Verluſt ül 
den Rhein zurüd, befehligte darauf die Defterreicher in Böhmen gegen Frie 
ri N. und nach dem Dresvener Frieden am Main gegen bie &raniofen. Er 
hielt 1747 das Gouvernement von Siebenbürgen und ſtarb den 18. Febr. 17 
zu Hermannſtadt. 

Trannſtein, auf einer ſanften Erhöhung an der Traun liegend, gewerbig 
Städtchen in Oberbayern und Eitz eines Sanbgerichteß, Rentamtes und Hau 
ſalzamtes. Die merfwürbigften Gebäude daſelbſt find die Kirche St. Osmi 
auf dem fchönen Marftplage, das Schloß, das Rathhaus, dad Edhulhaus, d 
weiße Brauhaus. Zwifchen der Stadt und dem Fluſſe befindet ſich die Vorſt« 
Au mit den E. Salinen und Salzmagazinen. Die Sole wird von Reichenh« 
(f. d.) hergeleitet und gibt eine jährliche Ausbeute von 160,000 Etrn. Kurft 
Marximiliaũ L ließ biete große Wert durch den Baumelfter Hans Reitenftuhl 


a. a w. .. - . 
* — — 

ihren 1617 His 1649 zu Stande bringen. Außerde T 
—— A Heiligge geift. ig —— 
Scha Die bedeui⸗ —— Erwerbsquelle der 2100 C. 

Ne € chen werben auch durch den Handel -mit nee % 
mw — — — von Leinwand und Holguhren, die Rind 
A jucht, dann die Hammerwerfe und guten © 


7 — Die B 
wa X liegen bao Enpfinger Dad, ie — a 4 







i x 








ua 





jete, und da® befannte Heilbad Aelefen Kalr 
N‘ des I, ifte der ©: n 1375 d 
öJ u 
Tranttmannsdorf- Weinsberg, ein — ellges, thells su 
Pier ri und der — 
ge aus dem Huf ——— verliert, räßene u 


Spuren wir aber in Steyermark finden und das in mehre 
drien theilte. —— ren —— ne an: ” erhalten, 
Graf von, ein ———— Staatdmann, geboren 734 
— —— von —— Biel 1 
Deferteih, Ungarn au —— erhielt 


— 
dem — genden böhmifchen Mr , dab —— 
a — —— —3 irte er fpäter die Unier⸗ 


Wallen ſtein er 5 Bet: QDueftenberg Ne Lager defielben 
3 jan er ei mit Sachſen und anderen pro 
jeben, ſowle er bie Seele ber Unterhe igen, die 
dem Mer des wi ifchen Friedens vorangingen, war; denn d Sa 
jfeit hielt er Eervien, den frangöfifchen Unterhänbter und Dren 
und erwarb Deutfchland nad langem Kriege den Frieden. du 
1650. — 2) Maria Thadpäus, Graf von, Garöinal u. je 
von Dfmüs, 1761 zu Gräg geboren, ſtudirte daſelbſt Bhllofo ie, dann 
Anfangs im deutfchen Eollegium zu Rom, hernach 1783 
wurde er von * Domka u zu Olmäg zum Domberrn Beat; 1784 erhielt 
am Gräß die —— —* he und wurde 1785 Erzpriefter, ant und Pfarrer 
ihren, dann auch Olmützer erzbifchöfl. u. Conſih mia 





1708. Es er zum Zich von Trieft ae] e telt jebor 
11.4 diefes Stuhles das Bisthum von Königgräß öhmen. 18 
= er BE hof von Olmüg durch Wahl des Bent erforen; 
Pius VN. zum Cardinalptieſtet. Er 29. Jänner 


9, währe d + Aufenthaltes zu Wien, In feinen eig Ha Anfiten 
dem Jofephinifchen Zeitgefchmaste; namentlich war 
‚welche unter dem Titel: De tolerantia ati 5 
— eiſchien und mehrmals — wurde — 3) T, Zerdi⸗ 
un Hirt von, Ritter des goldenen Vließes und ee are des ji 
igarifchen Stephanorbens in Brillanten, f. f. wirklicher 

ae, Staats» u. Conferenzminifter, Oberfthofmeifter des en von —E 

der . Lelbgarden ıc., geboren zu Wien den 12. Jänner 1749, 9 
—— Erziehun; & war drei Jahre in der FE. N ongen enleur⸗Akademie &76 


die R —— — 1769 nach Besler 
d b so 
— rn n ——5 ie fh ei 


id Deutfchland vorn er zum + 
und balb ——— n. Öf. F Reg —— in Wien ernannt 


52* eheimen ne ck, me er ka h fort —— 








226 Trauung — Traveftie, 


wurde endlich 1787 zum bevollmächtigten Minifter in ven Niederlanden b 
Erzherzogin Marie Ehriftine und ihrem Gemahle, dem Herzoge Albrecht 
Sadyfen-Tefchen und zum Präfldenten des niederlänpifchen Guberniums err 
wo er fidy durch fein würdevolled Betragen fo auszeichnete, daß er vom ! 
Joſeph H. das goldene Bließ in Brillanten erhielt. Nach dem Ausbruch 
anzöftichen Revolution und wegen der, nun in den Niederlanden veränd 
Berhältniffe begab er ſich na ien und von da auf feine Güter in Böl 
bis er 1793 zum niederlänpifchen Hoffanzler ernannt wurde, welche Wüı 
bis zur Auflöfung der nieverländifchen Hoffanzlei bekleidete. T., nunmel 
Ruheſtand verfegt, wurde jedoch bald darauf zum Staats- und Gonferenzm: 
ernannt, 41805 in den Bürftenftand und 1807 zum Oberftbofmeifter ves K 
Franz I. erhoben. Beinahe volle 20 Jahre befleidete der Fürſt dieſes 
Hofamt mit al dem Anftand und der firengen Beobachtung des feftgefebte: 
remoniels, wie es der Glanz des Öfterreichifchen Hofes erfordert, daher ihm 
1816 ver Eöniglih ungariſche St. Stephanorden in Brillanten verliehen n 
Er ftarb den 27. Auguft 1827 zu Wien. Zu Amfterdam gab er 1792 
Denkſchrift über die, während feiner Verwaltung in den Niederlanden einge 
nen, Sreigniffe unter dem Titel heraus: Fragmens pour servir ä l’histoir 
ev6nemens qui se sont pass6s aux Pays-bas depuis la fin de 1787 
qu’en 1789. 
, zeanung, f. Copulation und Ehe, 

Travemünde, Städtchen im Gebiete der freien Hanſeſtadt Lübed, 2 I 
von diefer, an der Mündung der Trave in die Dftfee gelegen, mit 1600 ( 
und berühmten Seebävern. Es beftehen hier Einrichtungen für warme T 
Sturz, Sprig- u. Dampfbäder, ſowie feit 1843 eine Trintanftalt für Strus 
Mineralwafler. Die an fid) einförmige Gegend tft durch fünftliche Anlage 
deutend verfchönert worden, fowie der Berfehr durch Dampfſchifffahrts 
bindungen nady Doberan, Gotbenburg, Kopenhagen, Lübed, Eutin, St. P 
burg 2c. fehr belebt ift. 

Traverfe oder Duerwall, beißt in der Befeftigungsfunft ein 
welches von Erde, oder in der Eile nur von Sandfüden oder anderer Mi 
auf die Art und in der Höhe, wie eine Bruftwehr, aufgeworfen wird, dam 
die Soldaten dahinter begeben und wider den Anfall der Yeinde längeı 
wehren können. Man macht fie gemeiniglich auf dem bededten Wege üb 
— Ad daß zwiſchen der DBruftwehr und den T.n ein Durdganı 
affen wird. 

Traveftie (vom Branzöfifchen travestir, aus dem Lateinifchen transvı 
umfleiden), eine fcherzhafte Darftellung in der bildenden Kunft, hauptfe 
aber in der Poefle, wenn, im Gegenfabe der Parodie (f. d.), der Gegen 
eines ernfihaften Kunftwerfes zwar beibehalten, die Darftellung und Durd 
ung deflelben aber durch die Verwandelung der ernfthaften —* in ein 
miſche bergefkalt v:rändert wird, daß ein fomifcher, Lachen erregender 
zum Borfchein fommt. Ernſthaft, wie die Parodie, kann fie aber durchaus 
feyn, weil fie, einer richtig gemachten Bemerkung zufolge, noch an die Conſe 
des vorliegenden Inhalts gebunden und durch deflen bereits vorhandenen 
beftimmt wird. Die T. bleibt daher nicht, gleich der Parodie, beim Ae 
ftehen, enikleivet vielmehr den Stoff feiner urfprünglichen Geftalt und wag 
felbt an das Höchfte zur lächerlichen Darftelung, vorausgefeht, daß dei 

roß oder erhaben dargeftellte, Gegenftand eine ſchwache Seite darbietet, die 
n der 3. auf naive Weife aufgededt wird. Das Aefthetifche aber Liegt \ 
wenn durch die Nunlic vollendete Darftellung ein reines Gefühl der Luft erwi 
erhalten wird. Es kann dieß jedoch nicht gefchehen, wenn der Gegenftand 
erft ind Kleine oder Niedrige gezogen wird, um ihn Elein oder lächerlich t 
ftellen, fondern nur, wenn ein an ihm groß u. erhaben Dargeſt.lltes lediglic 
Ehimmer ber Bröße und Erhabenheit hat und folches alsbann ded Schin 


Trebbia — Trebonius. we 227 


wird in der T. Daher darf ein Willkuͤrliches nicht hineingetragen 
weil alddann Fein reines Gefuͤhl der Luft entiſteht. Uebrigens ift die T. 
ein rein Zomifcher, freier Erguß des Humors, oder fie verbinvet Beluſtig⸗ 
Satyre; der Form nach aber kann fie Iyrifch, epifch oder dramatiſch feyn. 
carron o — traveſtirter Virgil behauptet noch immer ſeinen Rang; 


— 


Jtalien oredano traveſtirte Ilias laͤßt viel vermiſſen; dagegen iſt Blum⸗ 
ers deutſche T. ver Aeneis ebenſo reich an Wis, wie an Geme nhelt Ziemlich 


nur bin und wieder mit zu grellen Zügen, bat Dr. von Wagemann die 
entenrer Telenach's traveſtitt, Ulm 1834, 2 Be. 

a (im Alterihume Trebia), ein Kleiner Fluß in Italien, der auf 
ı Apenninen entfpringt, durch das Gebiet von Genua fließt und oberhalb 
jatenza fich in den Po ergießt. Hier beftegte Hannibal (f. d.) 217 v. Chr. 
e zömifchen Gonfuln Sempronius u. Scipio. — Ebenfo am 16. bis 29. Juni 
99 Sieg der Ruffen und Defterreicher unter Suwarow über die Franzoſen 
wer Macbonald. Um nämlich die beabfichtigte Verbindung Macdonald’ s 
t General Moreau zu verhindern, warf fi) Sumwaromw, SObergeneral ver 
ierreichtfch = rufflichen Armee, zwifchen Beide und ging, während Belle- 
arde ven General-Moreau an der Bormida keobachtete, ſelbſt Macdonald 

m. Un der 3. fließen die Heere auf einander: Ruſſen und Oeſterreicher 
mahe 33,000, Franzoſen 35,000 Mann ftarf. in dreitägiger Kampf hielt fle 
: Die Hauptfchlacdht geſchah am 19. Juni. Mit bartnädiger Beharr- 
dauerte das biutige Spiel von 10 Uhr Morgend bis 9 Uhr Abende. 
Ye wankenden Ruffen zu neuem Borrüden zu ermutbigen, ließ ſich Suwarow 
a Grab bereiten. ine Bewegung rechte, welche Fuͤrſt Bagration aus 
iheen mußte, veranlaßte eine große Lüde im rufflichen rechten Flügel. Macs 
malb berühte fie augenblidlih. General Ehafteler. fiel den eingedrungenen 
zangofen im gefährlichfien Augenblide in die Flanke und entfchten bier. Run 
sachte, ſchon —* Abends, der republikaniſche Oberfeldherr einen letzten wüthenven 
Berfuh auf den linken Flügel der Defterreicher, ge en welche er mit feiner gan- 
‚en Gawalerie, welcher der Klumpen von Fußvolk im vollen Rennen folgte, ans 
preugte und da von hier Fürft Johann Liechtenftein mit Lobfomwig-Dras 
jorern und den Grenadieren der Divifion Frölich fo eben abmarfchirt war, fo 
rang er wirklich einige augenblidlihe Vortheile. Doch ſchnell kehrte Liech ten⸗ 
tein wieder um, fiel den Angreifenden in Seite und Rüden und warf fie in 
oifder Unordnung auf dad rechte Ufer der T. zurüd. Die Franzoſen zogen um 
Ritternacht in der Stille ab und gingen über die Stura zurüd. Ein aufge: 
angener Brief Macdonald's fagte, daß beinahe alle feine Divifiond- u. Brigade⸗ 
Benerale und bei 30 General⸗Adjutanten todt oder verwundet waren; daß einige 
halbbrigaden bei 40 Offiziere verloren hatten und daß feine Artillerie unbrauch⸗ 
or geworben fel. Er verlor 4000 Todte und auf dem Rüdzuge 12,800 Ge⸗ 
angene, unter biefen die Generale Rusca, Olivier, Cambray und Salm, 
it 500 Stabss und Oberoffizieren; 8 Generale waren verwundet. Die Ber- 
indeten batten bei 5300 Todte und Berwundete, darunter 130 Stabs⸗ und 
Weroffiziere. Die Bernichtung diefer, aus alten Truppen beftehenden, Armee 
dachonald's, auf welche Frankreich große Hoffnungen baute, entſchied über Ita⸗ 
md Schidfal in diefem Feldzuge. 

Zrebonius, ein tömifcher Ritter, fehte als Volkstribun, 64 v. Chr. durch 
e, nach ihm benannte, T.-bonia lex dur), daß Bompejus Spanien, Grafjus 
prien und Cäſar Ballten auf 5 Jahre als Provinzen erhielten. Gr felbft bes 
ätete Caſar als Legat nach Gallien, wurde 45 Gonful, nahm fpäter an ber 
afhwörung gegen Caͤſar Theil u. an dem Tage von deſſen Ermordung rief er 
a Antonius, defien Wachſamkeit man fürchtete, aus dem Senat u. beſprach ſich 
ft Yemfelben, während der Mord gefchah. Später ging er als Proconful nad) 
ber, wo er unter Brutus gegen die Triumvirn focht, wurde aber bort von 
olabelle hinterlißig ermorbet. . 

15 


S 





28 Ä Treffen — Trend. 


Treffen, 1) ein_ Kampf zwiſchen ganzen Heeredabtbeilungen, fomit bedeuten 
der, als ein bloße Scharmüßel, dagegen minder wichtig und entfcheidend, ale 
eine Schlacht (f. d.). — 2) %., die Linie der in Schladhtorbnung aufgereliten 
Armee. Im diefer Beziehung fagt man 3.8. erfted, zweites u.f. w. T.; Vorder⸗ 
Mittel- und Hinter-T., 

Treibhäufer, |. Botanifche Gärten. 

Treilbard oder Treliard, Jean Baptifte, franzöfifcher Staatsmann, 
geboren 1742 zu Brives la Gatllarde, einem Städtchen im Departement Eorreze, 
von armen Eltern, brachte es durch raftlofe Thätigkeit und Unterflägung eines 
he dahin, daß er 1761 Parlamentsadvofat zu Paris und Generalin- 
peftor der Krondomänen wurde. Beim Ausbruche der franzöftichen Revolution 
hielt er ſich Anfangs in der Mitte zwifchen beiden Parteien und eben viefe 
Maͤßigung verfchaffte ihm 1790 die Praͤſtdentenwürde. Er warb darauf Mitglied 
des Comitö des Pensions und erflärter Anhänger der neuen Gonftitution. 1792 
wurde er Mitglied des NationalsEonventd und als Bommiflär nach Belgien 
geichidt. Rad) der Hinrichtung des Königs kam er in den Rath der Fünfhuns 
dert. Im 3. 1797 fandte ihn das Direktorlum als Gefandten nach Lille u. bald 
nachher nach Raftadt. Im folgenden Jahre wurde er Mitglien des Direktoriums 
und biteb es bis zum 18. Yructivor. Unter Bonaparte's Conſulat war er zuerſt 
Bräfivent des Appellationsgerichts & Paris, dam 1802 Staatsrath, wo er an 
der Schöpfung des napoleonifchen Geſetzbuches großen Antheil hatte; er wurde 
darauf Großbeamter der Ehrenlegion, Ritter der eifernen Krone, Reichögraf und 
ftarb den 1. Dezember 1810. 

Treizfanerwein, Mars 3. von Ehrentreiz, Geheimfchreiber Katfers Mari 
miltan, führte ven Weißkunig (f. d.) aus. 

Tremulant, in der Muflf: die Bebung der Töne, die gelindefte Schwebung 
der Stimme auf einem Tone und die Nachahmung verfelben auf Inftrumenten; 
dann auch ein, jegt wenig mehr gebräuchlicher Orgeljug, der einen bebenven, 
zitternden Ton erzeugt. 

Trend, 1) Franz Freiherr von der, Ef. Bandurenoberft, der Schreden 
Bayerns im öfterreichifchen Erbfolgefriege, war 1714 in Sicilien geboren. Sein 
Vater, welcher dafelbft E. E. Oberftlieutenant war, ließ ihn bei den Sefuiten in 
Debenburg ftudiren. 1731 trat T. in Öfterreichifche Militärpienfte, ging aber 
bald darauf in ruſſiſche über, wurde jedoch wegen feiner zügellofen Aufführung 
caffirt und aus dem Lande age t. Beim Beginne des öRerreichlfchen Erbfolge⸗ 
krieges, 1740, erlaubte ihm Marta Therefta auf fein Anerbieten, ein Panduren⸗ 
Regiment zu errichten, womit er in Bayern einbrady und als Parteigänger zwar 
manche nüßliche Dienfte leiftete, jevoch mit Brennen, Morden und Plündern die 
furchtbarften Unmenfchlichfeiten beging. Durdy Geldgeiz und Raub hatte er fi 
bereitö ein Vermögen von beinahe 2 Millionen erpreßt, jedoch ſich durch fein 
graufamed Wüthen allgemein fo verhaßt gemacht, daß er 1746 des Commando's 
enthoben, vor ein Kriegsgericht geftellt und zu lebenslänglicher Gefan enfhaft 
auf dem Spielberg verurtheilt wurde, wo er auch den 14. Oktober 1748 farb. 
Uebrigend war 3. ein fehr fchöner Mann, von großer Gelehrſamkeit: er ſprach 
fieben Sprachen fertig, befaß unglaubliche Stärke und eine ungemelne Abhärtun 
ge en alle Befchwerden. — Er fchrieb auch feine eigene Biographie bis 1747, 

heile, Reipzig 1748, unter dem Titel: Merkwürdiges Leben und Thaten des 
Freiherrn Franz von der T., auch Wien 1807. Bgl. die Schrift: „Franz von 
der T., dargeftelt von einem Unpartetifchen (E. %. Hübner), mit einer Vorrede 
von Schubart”" (3 Bändchen, Stuttg. 1788). — 2) T. Friedrich Freiherr 
von der, Neffe des Borigen, durch feine fonderbaren Schidfale allbefannt, war 
geboren 1726 zu Königsberg und widmete fich daſelbſt frühzeitig den Studien; 

ei dem Ausbruche des zweiten ſchleſiſchen Krieges trat er jedoch in breupi Ihe 
Kriegspienfte u. ward 1744 Adjutant Friedrichs I. Wegen eines Liebeshandels 
mit einer vornehmen Dame und einer Gorrefpondenz mit feinem Verwandten, 


Treneſin. 229 
vem Faiferlichen Banburen »Oberfien, wurde 3. auf die Feſtung Glas gefangen 
. Rad mehrmaligen vergeblichen Berfuchen zur Flucht, die ihm —*28 
engere Haft und Vermehrung des Unwillens des Koͤnigs zuzogen, wußte er ſich 
endlich doch faſt romanhafter Weiſe zu befreien u. machte unter tauſend Gefahren 
eine Ba von 169 Meilen durdy Mähren, Polen u. Preußen nach Königsberg 
zu feiner Mutter; von da aus wandte er fidy an feinen Better, um eine Anftells 
ung im öflerreichifchen Heere zu erlangen. Diefer ſaß jedoch bereit auf dem 
Spieiberne und — ihn aͤußerſt übel, doch erlangte T. eine Anſtellung als 
öRerreichiicher Rittmeiſter. Auf erhaltenen Urlaub machte er eine Reife nadh 
NMoskau und begab fich ſodann nady Danzig, um mit feinen Befchwiftern das 
Erbe feiner mittierweile verftorbenen Mutter zu theilen. Hier wurde er jedoch 
auf Anfuchen Friedrichs IL verhaftet und, troß feines Ranges als Fatferlicher 
Offizier, nad) Magdeburg in ein eigencs, für ihn zubereitetes Gefängniß gebracht. 
Seine verfchievenen Befreiungs⸗Verſuche mißglüdten und hatten jedesmal härtere 
Berwahrungsmaßtegeln zur Folge. So wurde er 3. B., feinen Angaben nach, 
an Händen, Füßen u. Leib mit eifernen, 68 Pfund fchweren, Feſſeln angefchmies 
vet. Beim Ansbruche des fiebenjährigen Krieges wurbe er, wo möglid, noch 
härter behandelt; alle mit großem Erfindungsgeiſte erdachten Befrelungs:Berfuche 
fyeiterten und er wurde erft im Dezember 1763 aus dem Gefängnifje entlaflen 
und nach Prag gebradht. Run begann 3. ein wanderndes Leben zu führen; er 
108 ſich jedoch an mehren Orten, namentlich in Wien, Aachen, Spaa und 
annbeim, durch feine allzu freimüthigen und vorlauten Reden und Schriften 
viele WBerprüßlichfeiten zu und verlor auch dadurch einen großen Theil feines 
Bermögend. Nach der Thronbefteigung Briebric Wilhelm's II. erhielt er 
feine, in Preußen eingezogenen, Guͤter wieder zurüd, wodurch er fi), hätte es 
fein unruhiger Geiſt zugelafien, eines forgenfreien Lebens hätte erfreuen Eönnen. 
Beim Ausbruche der Revolution aber eilte er, von den Ideen einer umgezügelten 
Freiheit beraufcht, unverzüglich nad) Paris, wo ihn jedoch Robespierre 1794, 
als einen angeblichen Geſchaͤftstraͤger auswärtiger Mächte, verhaften und im 
Inli deffelben Jahres guillotiniren ließ. Er hatte im Drude hinterlaffen : 
Sämmtlicye Gedichte und Schriften, 8 Bde., Leipzig (Wien) 1786. — Seine 
Lebensgeſchichte, 4 Bde., Berlin, Altona und Wien 1786—92. (Ein fünfter, von 
anderer Feder, eridien 1796 zu Bautzen.). Diefelbe wurde von ihm auch in's 
Tranzöftfche überfegt und erfchten zu Paris 1789. 

—— GSrenchin, Trentſin, Trentſchin), ungariſche koͤnigliche Frei⸗ 
ſtadt und Hauptort des Trencſiner Comitats, mit Einwohnern, am 
linfen Ufer der Waag, welche hier eine lange Infel bildet, hat ein altes, auf 
einem hoben Yeldrüden erbautes Schloß, ein Eomitathaus, Rathhaus, adeliges 
Eonpift,.1694 von Georg Szoͤchoͤn yi geftiftet; die prächtige Kirche, dem hei⸗ 
gm Kranz Zaver geweiht, erbaute 1652 der Erzbiichof Lippay u. übergab 
fie, fammt dem Collegium, den Mitgliedern der Gefelfchaft Jeſu. Sie hat zwei 
Thürme und if eines der fchönften Gebäude in Ungarn. Nach Aufhebung des 
Jeſuiten⸗Ordens erhielten die Piariften dieſe Kirche, nebft dem königlichen Gymna⸗ 
ftum, welches der Graf INEshazy mit einer Foftbaren Naturalienfammlung befcyenfte. 
Die tatholifche Pfarrkirche, ein altes Gebäude, fteht auf einem Hügel nahe am 
Sahlofie Sie enthält ein ſehenswerthes Monument der gräflichen Illoͤshaͤzy ſchen 
Familie und hat einen Thurm mit berühmten, harmoniſchem Geläute. Auſſerdem 
befinden fich bier ein Bethaus und eine Schule der ‘Proteflanten u, eine Synas 
goge. — Berühmt find die T.er warmen Schwefelbäber, die fich in dem, 2 Stunden 
entfernten, gräflich Illoͤshaͤzy' ſchen Dorfe Te Bis befinden. Es find 7 warme 
Bäder, deren Temperatur von 284 — 32° R. fteigt und die von Badegäften 
aus Polen, Rußland, Schieften, Nahren und Oberungarn ſtark beſucht wer⸗ 
den. Ihr Gebrauch iſt von dem menſchenfreundlichen u. uneigennügigen Beſitzer, 
welcher die Gebaͤude in gutem Stande erhält und einen Arzt befofvet, unentgelt- 
lich geſtattet. Angenchme Spaziergänge in ben Umgebungen gibt «6 in Meuare. 


230 Trepanation — Treffan. 


Zrepanation nennt man jene dhirurgifche Operation, bei welcher, mittelft 
einer kreisförmigen Säge (Trepan oder Trephine genannt), ein Freisrundes 
Knochenftüd aus dem Schädel eines lebenden Menichen ausgefägt wir. Man 
unternimmt die T., um eingebrüdte, oder eingebrochene Knochenftüde, eingedrung- 
ene Knochenfplitter, oder außgetretened Blut aus der Schävelhöhle zu entfernen, 
welche durch den, auf dad Gehirn ausgeübten, Drud Bewußtlofigfelt der Ver⸗ 
legten verurfachen. Die 3. wird demnach in der Regel nur unter ganz mißlichen 
Berhältnifien audgelibt und dieß iR wohl Urſache, daß fie fo häufig ungünftigen 
Erfolg hat, — vielmehr, fie kann häufig den tödtlichen Ausgang nicht abwenden. 
Die hat vielfältig Beranlaffung gegeben, die T., welche fchon in den älteften 
Zeiten befannt war und namentli von Celſus befprocdhen wird, als eine uns 
zuläffige Operation zu bezeichnen, ober doch ihre Anwendung auf die Fälle von 
äußerlich fichtbarem Knocheneindruck zu befchränfen. E. Buchner. 

Treppe ift derjenige Theil eines Gebäudes, welcher die bequeme und fichere 
Communication zwiſchen den verſchiedenen Stodwerfen diefes Gebäudes zum Zwecke 
bat, weßhalb audy jede 3. ſoviel als möglich Licht erhalten muß, ihre Steigung 
niemals zu ſtark u. ihre Stufen nie zu [ümal feyn dürfen. Es gibt verfglebene Arten 
von T.n: HauptsT.n, gewöhnliche in, Wendel⸗T.n, Freisiuna.m. 
Eine Haupt⸗T. wird gewöhnlich fo angelegt, daß fie beim Eintritte in das Ge⸗ 
bäude in's Auge fällt und Hinlängli Licht hat. Ste kann etwa 5 Fuß breit, 
die Stufen ungefähr 6—8 Zoll hoch und 12— 15 Zoll breit ſeyn. Cine 3. 
3. B. von 26 Stufen, die von unten bis oben in @inem fortginge, würde ermü« 
den und überdem zu vielen Raum in der Länge einnehmen, oder zu fleil werben; 
daber find gebrochene Zn befler, d. 5. folche, die etwa nach 12— 15 Stufen 
einen Ruheplat haben. Große T.n befommen ee: mehre Ruheplaͤtze; Wendel⸗ 
T.n nehmen wenig Raum ein u. find daher zu geheimen Neben⸗T.n ſehr brauch⸗ 
bar. Zu Haupt⸗T.n nimmt man fie nicht gerne, wenn man es vermeiden Tann. 
Indeß können fie bequem genug feyn, wenn die Stufen nur hinlänglicdhe Breite 
haben. Frei⸗T.n vor der Hausthüre müflen von Stein und wentgftend 6 
breit fey; die Etufen werden nur etwa 6.300 body, aber 14— 18 Zoll br 

t 


Trefhow (Niels), ein, durch Verbreitung ver Eritifchen Philoſophie in 
Dänemark und Rorwegen hoͤchſt vervienter Gelehrter, geboren Fi Drammen tm 
[üblichen Norwegen, warb 1771 Gonrektor an der Schule zu Drontbeim, 1780 

ektor in Deifngkt, 1789 Rektor der Katbevralfchule zu Chriſtiania und Mits 
lied einer Eommiffion zur Berbefferung des Schulweiens in Dänemark, 1803 
Srofefe der Bhilofophte in Kopenhagen. Er trug viel zur Gründung der Friedrichs» 

iverfität bei, wurde daher zum wirklichen Gtatsrathe ernannt u. ging 1813 als 
Profeſſor der Philofophie na Chriſtiania. Als Deputirter diefer Stadt rieth er 
1814 auf dem aufferordentlidhen Storthing zur Bereinigung mit Schweden. 
Nachdem diefe erfolgt, ward er zum Staatdrathe und Chef des Departements 
für das Kirchen» u. Schulmefen ernannt, nahm 1826 feine Entlafumg u. farb 
1833 auf feinem Lanpfige bei Chriſtiania. Er fehrieb unter anderen: „Moral für 
Volk u. Staat;“ „PBrinzipien der Grun efebgebung ;" „Geiſt des Chriſtenthums.“ 

Zreöpe (bromus), eine Grasart, die theils als Futterpflanze, als Uns 

kraut vorfommt. AS erftere wird die weiche, Dueden- und Riefen-T, ans 
ebaut ; unter die Unfräuter dagegen gehört die RoggensT. (Sommerloidy, 
mellolch, Tollkorn, Schwinbelhafer), ein, befonders unter dem Roggen, ver 
Gerſte und dem Hafer Haufe vortommende® und wegen ber, ſich dem Brode, 
Dier ıc. mittheilenden, narkotiich » giftigen Eigenfchaften des Samens gefährliches 
Unfraut. Sie wird indefien von gewiſſenloſen Bierbrauern auch abfhtlich unter 
die Gerſte gemengt, um dem Bier dadurch eine beraufchende Kraft zu geben. :- 

Treſſan (Louis Eliſabeth ve la Bergne, Graf von), ein belichter 
feanzöftfcher Dichter des vorigen Jahrhunderts, 1705 zu Mons geboren, kam 
Mon in früher Jugend nach Paris und, durch feine Abflammung aus einem 


Treffen — Tretmühle. 231 


m Haufe, fowie durch feine Lernbegierde und feine Neigung zu den Wiffen- 
aften, in die Gefellichaft der angefehenften Männer der damaligen Zeit. Seine 
be zur Poefie und befonders zum Romane wurde durch cine Reife nach Sta- 
n, auf welcher er in der vatikaniſchen Bibliothef eine handfchriftliche Samm⸗ 
ng der alten franzöftfchen Ritterromane entdedte, noch mehr genähet. Nach fels 
r Heimkehr mußte er aber, ald Eprößling einer bedeutenden Familie, dem Hofe 
be bleiben und Milttärbienfte nehmen. Er machte 1741 den Feldzug nach 
mdern mit und zeichnete fich bei mehren Gelegenheiten durch feine Umſicht u. 
rh feinen Muth aus. Später ging er an den Hof des Königs Stanislaus 
Bunewille, weil er feiner Beförderung am franzöfiichen Hofe durdy einige beißende 
igramme ſelbſt binderlich geworben war. Als er aber auch bier feiner frei» 
nigen Anſichten wegen, angefeindet wurbe, Fam er nach Paris zurüd u. ward 
Bl als Mitglied in die franzöfifche Akademie aufgenommen. Cr befchäftigte 
‚nun mit der Bearbeitung alter Ritterromane und weckte dadurch wieder vie 
he zu dieſen längft verfchollenen Dichtwerfen. Auch verfuchte er eine Ueber⸗ 
ung ded „Rafenden Roland“ von Arlofto, die aber zu ſchlecht und flüchtig 
fertigt wurde, ald daß fie jeht noch Berüdfichtigung verdiente. Auſſer den 
Mzügen aus den Ritterromanen vollendete er ein phyſikaliſches Werf („Essai 
r le fluide Electrique consider& comme agent universel,“ Paris 1786, 2 Bde.), 
elches bei feinem Erſcheinen (nach des Berfaflers Tode) großes Aufiehen er- 
te. T. farb 1783. „Oeuvres choisies,* Paris 1787 — 1791, 12 Bde.; 
endafelb 1823, 10 Bde. 

Treſſen, find bandartige Gewebe verfchlerener Gattung und Breite, welche 
8 ächtem, plattirtem oder unächtem Gold⸗ oder Sildergefpinnft, dergleichen Draht 
ver Lahn verfertigt find. Wenn nur eine Seite das Mufter zeigt und mit Gold 
yer Silber bededt ift, nennt man fie Band-T., Halb-T. over Ligatur-T.; 
nd aber beide Seiten egal mit Metallfäden gedeckt und gemuftert, fo heißen fie 
Roppel⸗T. und beide Gattungen werden auch Borten genannt. Sind fie 
Habartig von Gefpinnft gewebt, fo nennt man fie Atlas⸗T. und, wenn die 
Doppelizefien anftatt des Sefpinnftes mit feinem Draht durchwebt find, Draht-T. 
!abas?. oder Plaſch-T. find folcdye, in denen das Mufter von Lahn gebildet 
R mb man nennt fie gebogte over doppelgebogte, je nachdem die eine 
kante oder beide mit Bogen verfehen find. Durchbrochene Lahn⸗T. heißen 
SommersT.; mit gegittertem Grunde Gaze⸗T.; wenn die Kette mit der foge- 
annten Korallenbinbung verfchränft if, Korallen-%. Die breiten T. mit kiei⸗ 
eren oder „größeren Bogen an den Kanten werden auch Garnitur⸗T. genannt. 
fine Art leichter, Pure T., deren Kette aus Gefpinnft oder Lahn, der 
Anfchlag aus Geſpinnſt befteht, heißen Galo nen oder Gitterborten. Die 
jold- und Silberſpitzen werden ebenfalls zu den %. gerechnet. Man uns 
tiheivet Achte, halbächte oder plattirte und unmächte oder leos 
iſche T. je nachdem das Gefpinnft, der Draht oder der Lahn Acht, plattirt 
ver unächt iſt; doch rechnet man gewöhnlich die plattirten mit zu ben Achten 
ıd unterfcheidet dann nur Achte und leonifche oder unächte T. 

ober Treber nennt man die untauglichen Hülfen von ausgepreßten 
er ausgelochten Beeren 2c.; in engerer Bedeutung die von den Weintrauben 
tigbleibenden, ausgepreßten Hülfen und Kämme. Man gießt bisweilen Waſſer 
f vie T.n, welches Lauer oder den (freilich fehlechten) T.-wein liefert. Auch 
oinnt man daraus durch Deftillation einen ſchlechten Branntwein, 

Zretmühle, ein neues, in England erfundenes Strafmittel, weldyes hier und 
den nordamerikaniſchen Freiftaaten, auch an einigen Orten Deutfchlands ein: 
ührt wurde. Eine foldye Mühle befleht aus einem oder mehren Treträdern 
d.), welche durch die Sträflinge, die, nebeneinander in eine Reihe geftellt, 
lam deren Tritte befteigen, in Umlauf gefegt werden und fo mittelft Der 
kime und des Kammrades die ganze Machine in Bervegung figen. Die 
hälinge halten ſich feR an einer Lehne und bleiben dadurch Immer in einer 


232 Tretrad — Trevirer. ü 


vertifalen Stellung. In England braucht man das Mühlentreten zum Mahlen 
des Korned u. zum Waflerziehen. In dem Strafhaufe zu Newyork find die Räder 
fo breit, daß 16 Perfonen auf einmal arbeiten können. Da diefe Arbeit fehr 
anftrengend und ermüdend ff, fo wechieln die Treter alle acht Minuten ab. 
Der Gewinn diefer Arbeit übertrifft den jeder andern, welche man bisher Sträfs 
Iingen aufzulegen pflegte, um 20 Prozent. Ueber die Schäpdlichkeit oder Unſchäb⸗ 
lichkeit dieſer Strafarbeit find die Aerzte getheilter Meinung. Berbefierungen in 
Sat auf die Geſundheit hat bei derſelben William Hafe in England einge 

hrt. Ein franzöfifcher Mathematiker, Coulomb, fol der urfprüngliche Erfinder 
der 2. (stepping-mill) geweſen ſeyn. 

Tretrad, wird ein großed Rad genannt, welches Menſchen und Thiere, 
durch Treten auf den Umfang vefielben, in Umdrehung fegen, damit ed von ba 
aus Mühlen und andere Maſchinen betreiben könne. Die Bertpherie viefer 
Treträder ift ein, mehr oder weniger breiter, durch vier oder mehr Arme mit einer 
Welle verbundener Kranz, den die Menfchen oder Thiere entweder von Außen, 
oder von Innen treten. Wenn lebteres der Kal ift, fo befommt das T. ben 
Ramen Laufrad, während man jenem Rade den Namen T. läßt. Das Laufrad 
dreht ſich, unter geiöen übrigen Umftänven, ſchneller um, als das T. 

Treuga, f. Gottesfriede. 

Treviranus, 1) Gottfried Reinhold, berühmter Naturforſcher, geboren 
den 4A. Febr. 1776 zu Bremen, Sohn eined Kaufmanns, Alteftes von 11 Ge⸗ 
ſchwiſtern, befuchte dad Gymnaſium feiner Vaterſtadt feit 1752 und fam 179% 
auf die Univerfität Göttingen, um daſelbſt Mathematif und Medizin zu ftubiren; 
1796 wurde er zum Dr. med. promovirt und ließ fi) nun in Bremen als yrafs 
tifcher Arzt nieder. 1797 wurde T. zum Profeſſor der Mathematif und Mebkin 
am Gymnaflum illustre feiner Vaterſtadt ernannt und hatte als ſolcher augle, 
abwechfelnd mit den anderen beiden Brofefioren der Medizin, den ärztlichen Dienſt 
am Stadtkranfenhaufe zu verfehen. Er wurde vieler gelehrten Geſellſchaften 
Mitglied und ftarb den 16. Behr. 1837. — T. hat durdy feine fhrififtellerifchen 
Arbeiten Ausgezeichnetes geleiftet, namentlich im Gebiete der Phyſiologie; ja, er 
hat durch fein berühmted Hauptwerk: „Biologie oder Philofophie der lebenden 
Natur“, 6 Bde, Göttingen 1802— 1822, wefentlidy beigetragen, bie Pbuftolsgie 
auf den Weg der Achten Erfahrung wieder zurüdzuführen. — Außerdem fchrieb 
er: „Die Erfcheinungen und Gefege des organifchen Lebens”, 2 Bode, Bremen 
1830— 1833. — „Beiträge zur Aufklärung der Erfcheinungen und Geſetze des 
organtichen Lebens“, 4 Hefte, Bremen 1835 — 1838 ıc. — Bol. „Biographiſche 
Skizzen bremifcher Aerzte” ꝛc. Bremen 1844. — 2) T., Lud of Chriſtian, 
Bruder des Vorigen, ordentlicher Profeſſor der Botanik und Direktor des botas 
niſchen Gartens an der Univerfität Bonn, geb. zu Bremen den 18. Sept. 1779, 
ftudirte zu Jena und wurde dafelbft 1801 zum Dr. med. promovirt. 1807 wurde 
er Brofeffor der Medizin am Gymnaſtum illustre in Bremen, 1812 fam er als 
Brofeffor der Naturgefchichte und Botanif an die Univerfität zu Roftod, 1816 
als Profeffor der Botanik und Direktor des botaniſchen Gartens an die Univer⸗ 
fität zu Breslau und 1831 in gleicher eigen [haft nad Bonn. — T. bat mehre 
werthvolle Schriften veröffentlicht: „Bom inmendigen Bau der Gewächſe“ ıc., 
Göttingen 1806. „Beiträge zur Pflanzenphyfiologte”, Oüttingen 1811. „Phyſio⸗ 
ale der — I & —* Bonn om 1838. holen! fe a ir ne 

eraus: „Vermiſchte riften anatomiſchen und o en Inhalts“, e. 
Goͤttingen 1816 — 1821. yhyſlelogiſch E. Buchner. 

‚Zrevirer, ein mächtiger deutſcher Volksſtamm in Gallien, an der Mofel, dem 
Rheine und der Maas, welcher beſonders durch feine gute Reiterei ſich auszeich⸗ 
nete. Caͤſar hatte viel mit ihnen zu fchaffen, wie er im 5. Buche De bello 
gallico erzählt und felbft unter Auguftus empörten fie ſich wieder, wurben aber 
bald wieder gebemüthigt und ihr Gebiet ward durch eingewanberte Ubier, Sie 
gambrer und Sueven vom Rheine her fehr befchränft. Noch einmal fchlofien fie 


Treviſo — Trianon, 233 


fpäter dem Claudius Civilis (ſ. dv.) an, worauf fie auch bie lebten 
ve von Freiheit verloren. Ihr Hauptort war Treviris (Colonia A 
wirerum, das heutige Trier); außerdem werden fpäter auf ihrem Gebiete ers 
bet: Palatium (Pfalz), Confluentia (Koblenz), Antunnacum (Andernach) und 
romsgus (Rimwegen). 

Treviſo, (das alte Travisium), Hauptſtadt einer Delegation im lombar⸗ 
venetianiſchen Königreich, an dem ſchiffbaren Fluß Sille, der hier die Rottes 
ı und Piaveſella aufnimmt, auf der Straße von Venedig nad) Tirol, von 
t, unregelmäßiger Bauart, ift Sitz eined Bifchofs, hat ein Lyceum, ein Gym⸗ 
um, mehre andere Lehranftalten, aljährlich im Dftober eine bedeutende Meffe 

16,000 Einwohner. Auch die Baduaner Univerfität warb hier nach ihrem 
m Erlöfchen hergeftellt und erft fpäter wieder nach Padua überſetzt. So wenig 
— im Ganzen die Stadt hat, um ſo angenehmer iſt pre Umgebung 
& die große Fruchtbatkeit des Bodens und durch das milde Klima, das jene 
b mehr befördert. T. iſt auch die Geburtsftadt des Gothenkönigs Totila 
d.). — Die Stadt, weldye ſchon unter den Römern entftand, warb unter ven 
ngobarbden zum Hauptorte einer der beiden Marfgrafichaften gewählt, vie fie 

den Gränzen ihres Reiches hier in Benetien und im Picenifchen errichtet 
nen. Die Mark T. wurde audy unter den Franzoſen nicht nur beibehalten, 
dern fogar Anfangs beträchtlich erweitert; aber in kurzer Zeit erhoben ſich 
:hre Familien zu großen Anfehen in dieſem Gebiete und ihre Reichthümer er- 
ırben ihnen weitläufige Befigungen, womit fie fih von der Marf trennten und 
bR die kaiſerlichen Statthalter, beſonders die Ezzelino's, eigneten fidy Die 
tadt mit ihrer Umgebung als erbliche Befigung zu. Die ebenfo mächtigen 
aminefi folgten auf den Sturz des Romaniſchen Haufes; allein ihre harte 
eglerung bewog die Trevifaner, fi dem Herzoge Friedrich von Oeſterreich 
. mnterwerfen. Doch auch diefe Unterwerfung dauerte nur kurze Zeit, bis end⸗ 
h im Frieden von Venedig (1338) die Herrſchaſt über T. und deffen Gebiet 
n Benedig Fam, von wo an jened alle Schidfale diefer Republik theilte. 

Triangel. 1) So viel ale Dreied (f.d.). 2) 2. in der Muflf: ein drei- 
diged Schallinftrument von Stahl, das mit einem eifernen Stäbchen gefchlagen 
id. Es gehörte früher ausfchließlich zur Militärmufik, wird jett aber auch im 
Rcheſter gebraucht und iſt zumeilen mit beweglichen Ringen verfehen. 

Zriangularzahl, Trigonalzahl, heißt diejenige Polygonaßadl aus der 
name von zwei oder mehr Gliedern einer arithmetifchen Progreſſion, beren 
nterfchien 1 iſt. Es ſei 3. B. die arithmetifche Reihe 

1, 2,3, 4, 5 u. f. w. gegeben, fo find 
1, 3, 6, 10, 15 u. f. w. die T.en. 

Triangulirmethode, auch Dreieds-, Triangel- oder Seftionsvers 
eſſung genannt, iſt die wichtigfte und gebräuchlichfte aller größeren Bermeffungs- 
tn und beftcht ihrem Wefen nach darin, daß man ftet von einem Dreiede zu 
nem folgenden, fi) an das erftere anfchließenvden, Dreiede übergeht und damit 
lange fortfährt, bis man die ganze Figur aufgenommen hat, wobei immer 
e nach und nach bekannt gewordenen Seiten der früheren Dreiede ald neue 
Kon ie, auf weldye die folgenden Meflungen baſtrt werden, anzuneh⸗ 
m find. 

Trianon, (Groß- und Klein-) zwei Luftfchlöffer im Bezirke und Part 
n Berfailles (f. d.), erftered von Ludwig XIV., legtered von Ludwig XV. 
zaut. Die Hauptfronte des Echloffed von Groß⸗-T. bildet eine Säulenhalle 
ifcher Ordnung, von buntem, campanifchen Marmor und zu beiden Ceiten 
ingen zwei Pavillons mit Pilaftern der nämlichen Ordnung hervor. Das 
inze iſt zwar nur ein Etodwerf hoch, zeigt aber dennoch den pomphaften Cha⸗ 
ter aller Bauten jener Zeit. Die Gartenanlagen, urfprünglich von Lenotre, wurden 
76 durch Leroy verändert und verrathen feitvem einen weniger fleifen Geſchmach, 
I die zu Verſailles. Die Statuen des Gartens, die nur mittelmäßlgen Wer 


234 Tribonianus — Tribunns, 


haben, dienen den jest fehr verfallenen Wafferfünften zur Staffage. Im den 
Sälen des Schlofies befinden fich einige gute Gemälde von älteren franzöfifchen 
Meiftern. Auch unter Ludwig XV. diente das Echloß zu Luſtpartien des Hofes, 
ebenfo unter Ludwig XVI. Seit der Revolution gericth das Ganze in Verfall, 
bis es Rapoleon in den erfien Jahren feiner Regierung herftellen Iteß und zugleich 
im Schloffe eine gewählte Bibliothek aufftelite. Zuweilen verbrachte er dort einige 
Tage in Zurüdgezogenhelt. Unter der Reftauration wurde das Schloß Häufig 
von dem jüngern Hofe befucht. — Das Hauptgebäude von Klein-T. bildet einen, 
zwei Stodwerfe hoben. Pavillon mit Eorinthifchen Säulen und Pilaſtern. 
Hier feierte Ludwig XV. feine fcheußlichen Orgien und dieſer, dadurch fo vers 
rufene, Ort wurde nachher der Lieblingsaufentbalt der Königin Marie Antoinette, 
welche die Gartenanlagen im englifchen Geſchmack verändern ließ. Nachdem das 
Ganze während der Revolution verfallen, flellte e8 Napoleon erft für feine Schweſter, 
die Prinzeffin Borghefe, dann für die Katferin Marte Louife her. Lebtere Hatte 
bier 1814, nach der Abdankung des Kaifers, die erfle Zufammenkunft mit ihrem 
Bater Franz I. Unter der Reflauration hielt fih zu Klein⸗T. häufig die Ber | 
zogin von Berri auf. Beide, In ihrer Einrichtung koſtbare, aber veraltete Orte _ 
wurden von dem Hofe der Julidynaſtie fehr wenig befucht. 

Tribonianud oder Trtbuntanus, ein berühmter Rechtsgelehrter aus Side 
in PBamphilien, erwarb fi) durch feine Gelehrſamkeit die Gunſt des Kalfers 
Juſtinian und ſchwang ſich zu den höchften Staatsaͤmtetn. Er war Magister 
officiorum, Quaestor sacri palatii und Gonful, wegen einer Volksinſurrektion 
entfegt, bald aber wieder eingefegt. Sein ſittlicher Charakter hatte viele Flecken; 
er war geizig und irreligiös. Ulnfterblichen Ruhm aber erwarben Ihm feine Ber 
dienfte ais vornehmfter Bearbeiter der Geſetzbücher Juftinians (|. d.). Diefe 
Kaiſer übertrug ihm nämlich die Verbefferung des Rechtsweſens und die Bers 
fertigung der verfchievenen Sammlungen der Defehe, die den größten N des 
Zuftinianifchen Geſetzbuches ausmachen. Daß er fein Chrift gewefen, iſt ſchon 
bewegen unwahrfcheinlih, weil Juſtintan durch Gefepe und Strafen allen 
Ueberreft des Heidenthums mit unwiderſtehlichem Nachdrucke zerftörte. Siehe 
Hesych, de viris doctrina clar. h. voc.; Suidas, h, v. Ed. Gibbon, hiſtoriſche 
Ueberficht des römifchen Rechts, überfegt mit Anmerkungen von Hugo, Gt: 
tingen 1789, 8. | 

Tribrachys, f. Rhytmus. 

Tribunal, hieß ehemals in Rom die öffentliche Gerichtsſtelle, ein großer er⸗ 
habener Platz in Form eines Haldfreifes, mit Säulen umgeben, wo der Prätor 
in bürgerlichen Angelegenheiten und PBrozeflen Recht fpradh; daher in ver 
neuern Sprache jeder —* Gerichtshof, wohin von dem Unterrichter appellirt 
werden kann. 

Tribunat hieß 1) bei den alten Römerm das Amt eines Trib unus (ſ.d.) 
oder das Collegium der Tribunen. 2) Nach der erften frangöfifchen Revolution 
führte diefen Namen eines der wichtigften Eollegien, welches aus 48 Mitgliedern 
(Tribunen) beftand, welche die vorgeichlagenen Geſetze prüfen und ihre Gründe 
für oder dagegen den gefeßgebenden Eorps vorlegen follten. Allein ſchon 1807 
Wurde e wieder aufgelöst und die Mitglieder dem gefehgebenden Corps wieder 
einverleibt. 

Zribunnd war im alten Rom urfprünglich der Titel der Vorfteher der Tris 
bus (f. d.), von denen jede einen hatte; fpäter wurde aber der Name auch auf 
andere Wemter übertragen und fo entflanden die Tribuni aerarii, welche die Steuers 
beträge von den Rädtiichen Duäfloren empfingen und dieſe wieder an bie Pros 
vinzial-Duäftoren abgaben, anfänglidy auch den Soldaten ihren Sold auszahlten, 
bis dieſe Verrichtung auch den Duäftoren übertragen ward; der T. celerum, der 
Befehlshaber der. berittenen königlichen Leibgarde, woraus in ber Republik der 
megister equitum eniftand; die tribuni militum, von denen Anfangs jede Legton 
drei Batte, bie aber fpäter bis auf fech® wermehtt wurden und de Soldaten qu 


na ; °” Tarae J 668 


Ortung im auftecht zu’ erhalten, die Militärgerichtspflege zu 
Peer han die ade —— ER a — 
re 

nun t, als die ttigier die er mi u 
—— a Fi en faffen wollten, aber enblich, als ditſe vo 
Frage wieder ap mi i.m.a. Am tigften wurden 
‚Abel Würde nach dem Auszuge der Plebejer 
zn mn sıcer (492 v. —2 entſtand, als die Patrizier den Plebejern end⸗ 
im Senate geſtatteten und deren Anfangs ——— 10 waren. 


Ki fen —— wurden Anfangs in den Eeniuriatscomitien, 
ber im den ig denen fie auch den Worfih hatten, erwählt. 
Ki waren galten aber nicht als u —9— 
deher asch Pe jr 4 re Tribunal figen, mußten 6 wir 
un des Seaato an der und ihre ganze Gewalt A mır in 
! der eines Senatobeſchluſſes, der auch durch ihr 
we vilig ward, erfiredtte fich. diefe Gewalt Eu nicht. über 
u Melie ie ver Stadi; HA durften diefelbe währen! ** ihrer, 
ger nicht md ihr Haus mußte beftänd! ‚ ‚das 

te Sälfe: füchen te. In fpäteren Zeiten Parc je une ſelbſt 


das Volt haranguiren, wobei fie Niemand unter⸗ 
fogar den Confuln das Reden wehren fonnten; 
v6 —— as Intereffe des Volkes öffentlich 
fie viefe je öfter —* erſt die — 
aſch, "den; sand der" De wieder bern 
Jane ut der Bolfstribunen auf; ſtellte 
A nahm ihnen aber zuleht alle Gew Ba Bi amd ale 
ein bloßer Schen, endlich tin ber Große 


die drei Vollsllaſſen (naher der 55 in welche Ro mu⸗ 
te Einwohner der Stadt Rom und des 2 him: & tes theilte 
wieder in 10 Eurien l. Dieſe drei T ; Bumnonsis . 
geborenen Römern nd; Tatiensis, 
em Bremblinge Beni, Eeruins Tullins y — 
und machte 4 von der Stadt und 26 für das römifche 
. urbanae et ER Die 1 am gagfelten in ber dolge einen 
pen erfteren. Zu jenen an. noch 5 und: 
iger Dauer. Die vier alten 7. urbsnae — 
ilina, Palatina, Collina; die T. rusticao: ie Len 
Pollia, Voltinia, Claudia, Aemilia Cornelia, Sebia, Horatia, 
ini Tamen die etruris 


# 
. 


i 


7— 


It 
Hi 


Bet 


Fa 


2 
4 
8. 
H 


Eu: 
I Mi 
FE 
& 
# 
ar 
isät 
g 
So: 
8 
sf 
33 
* 


SEHE 
dafur 
de 
rn 
3: 
Se 
a5 
— 
Sau 
ii 
ia: 


Ka 
— 
F 34 
8 2er 
al 
zer 
Fazit, 
ie 
ee 
| 
Keelee 

€ 


Anden, ef mg. 
5 — auf 35 woßel-e6 
Br Enns 
; Hl it 35 — — —— 
— — 

era “ 383); ander? erhielten tfre Ramen 


verloren rüi —X 
—— ehe BEE RNA 


in 
. 


236 Tribut — Trient. 


Servius Tullius nicht willkürlich aus einer in die andere ziehen. Keiner konnte 
in ge T. zugleich feyn, aber wohl den Namen von zielen tragen, wenn er 
3. B. von dem Bürger einer andern T. adoptirt, oder in eine höhere verfet 
wurde und den Namen der vorigen noch beibehieltl. Doppelte Stimme in den 
T.⸗Comitien hatte er nicht. Bon den ländlichen 3. galten die einen für vorneh⸗ 
mer, ald die anderen und ed war ein befonverer Schimpf, den ein Bürger er⸗ 
fuhr, wenn er wegen eines begangenen Verbrechens von den Cenſoren in eine 
niedrigere 3. verfegt wurde. Bon ben organifchen Bolfseintheilungen fcheinen 
die T. fi bis nach Auguſtus erhalten zu haben. 

Tribut hieß urfprünglich im alten Rom eine Geldabgabe, welche nach den 
Tribus (ſ. d.) von Jedem, nach Berbältniß feines Bermögens, an den Staat 
entrichtet werben mußte u. theils nach ven Köpfen, theils nach dem Bermögen, tbeils 
auch in außerordentlichen u. dringenven Fällen auferlegt wurde. Sodann verfieht 
man darunter überhaupt eine Abgabe u. endlich figürlicy das, was Einer von dem 
Andern als Schuldigfeit fordert, z. B. den 3. der Ehre, der Bewunderung ıc. | 

Tridentinifhed Concil, |. Trient, Kirchenverſammlung von. 

Trieb ift die allgemeine innere Bebingung des Streben®, vermöge welcher 
das Gemüth buch Luft und Unluft zu gewiflen Arten des panbeie angereist 
wird: eine natürliche Richtung auf das, was einem lebenden Weſen ale begehr- 
enswerthes But erfcheint. an unterfcheidet einen blinden T., bervorgehend 
aus der finnlihen Ratur, der, wenn er dauernd iſt, Reigung beißt und, wenn 
er das Bewußtſeyn gewaltig und ausfchließend beherricht, Leidenſchaft genannt 
wird; dann einen vernünftig en %., hervorgehend aus der geiftigen Ratur, ber 
zum Gebote wird und den Menfchen zur — bewegt. Iſt er dauernd, 
fo wird er Gefinnung und, erfüllt er dad Bewußtſeyn ſtark und ausſchließlich, 
fo wird er Begeifterung. Beide Antriebe des menfchlichen Willens find an fi 
nicht widerfirebend und der finnliche blinde) T. an ſich nicht verwerflih, ſon⸗ 
dern fie können und follen harmoniſch neben einander ftehen, 3. B. Geſchlechts⸗ 
T. (Ehe), T. nach Eigenthum (Fleiß u. Sparfamteit), T. nah Ehre (Ehrlich). 
Andere nehmen einen dreifachen 3. an: Genuß⸗T., Thätigfeit8-T. u. Tugend⸗T., 
oder: niederer, höherer u. fittlicher T. (de Wette). — T.Federn find alle Vor⸗ 
ftellungen, die auf das Begehrungsvermögen wirken u. eine Neigung oder Abneigung 
hervorrufen, oder der Grund, weßhalb der Wille wirklich eine Handlung befdyließt. 

Trient (ital. Trento), Stadt und Hauptort des gleichnamigen Kreiſes im 
füdlichen Tirol, in einem großen, von Hügeln und Gebirgen umgebenen Thale, 
am linfen Ufer der fchiffbaren Etfch, über welche hier eine 146 Buß lange Holz. 
brüde führt, iſt Sig eines Fürftbifhyofs und Domfapitels, des Kreisamtes, eines 
solealalgerichie in Eivils, Criminal und Wechſel⸗Sachen und einer Gentrals 
Gefällen⸗Verwaltung für ganz Südtirol. Die Bauart der Stadt ift ganz italies 
nisch, mit breiten, größtentheilß geraden Straßen, vortrefflich gepflaftert, mit an 
beiven Selten breiten Trottoirs, jede in ihrer Mitte von, in großen Mars 
morblöden goaumen, Kanälen durdfchnitten, die mit ihrem beftändig durch⸗ 
fließenden Wafler Vieles zur Reinlichkeit und Geſundheit beitragen, wodurch fidy 
dieſe Stadt beſonders auszeichnet. Inter den Kirchen der Stadt find bemerkens⸗ 
werth: die Kathevrale, ein großes, merfwürdiges Gebäude, größtentheild im neus 
griechifchen Style; fie erhebt fich zwiſchen zwei großen gepflafterten Plätzen, wo⸗ 
von der größere, Piazza grande, mit einem großen, prächtigen, rothmarmornen 
Brunnen, deffen oberfte foloffale Statue den Neptun mit dem Drelzad, dem Sym⸗ 
bole des Namens der Stadt, vorftellt, in feiner Mitte pranget. Santa Marta Maggiore, 
berühmt wegen ihres herrlichen Baues aus rofenrothen Marmorplatten und vorzüg« 
lich wegen des weltbekannten, 1545—63 darin abgehaltenen, tridentinifchen 
Gonciliumß (ſ. d.); Kirche von St. Beter u. Paul; die von PVedicaftello ; bie 
des Seminartums, einft der Sefuiten, durch Marmorpracht; die von St. Mars 
tin, ihres Altars wegen fehenewerth; die von Suffragio und die der Annunziata, 
vorzüglicy fehenawerth wegen ihrer mächtigen, rofenrotimarmornen Kicchenfäulen, 


BE | 

en Stade, das erhaben Gewölbe 
= de ia cher, —* —— find: —— 
ei y 
Side „ er — — — 


R 
[4 
ds 
a0 


ua MBänben, ol es in olahren von Militär alter Rationen 


— S— Sala * Een e —— 
is En 


tarmorfänlen, jede nur aus einem einzigen Bloge 
das, wegen feiner Bauart und Größe — 
z. zählt mehre wohlthätige Infitnle, 


Arbino; * 3 der neue Friedhof im tasten en Style, mit un- 
27 
⸗ — —— und ein Bee Waifenhaus, a 


l: 
⸗ —* And- dafelbft: Yns fürſtbiſchoͤfliche Seminar 


k Veh hotäubige — Studium; ferner eine 
* —— Ah hi oſchule; ein 
* die ei 


e 
it Biblio, 
—— Kr Ser Männer find: s Rufus 
contiuß ale Phlloſoph; Rover ti A Berflert 
ve We: Nanbrin! und Barbagoni in des Befeh« und Rechte 
Kimi 61er Afrononie; Bern — a en) 
ul) 
ma Ginatöverivali 


an 
tung; Zezanden — in Der dregete 8 ler 


ae —— Boz30 in der s und 
— 6 Stadt M rem Weichbilde 20,000 beträgt, 
tſachlich aus Geldes umd Weinerzgeugung, wel 
— auf den nädem Hügeln und in-der Ebene um 
lich iR auch bie Grrugung — Branntwein. 


Baarf von — ve if T. vaſſiv, da es erſteres größtentheile aus 
Nalien, Iehtereß aus Ni 1 beit Die J 
ia ver Geibenfpinnerei, (a ve der Fal * ee g — 
Be des Zudere. Es befinden fi) übrigens hier Marmorbräi 
m iſt ein —S a aus weihen, MR bie 100 x: 
Die tiatlenifche und italieniich iſt die —æ der Sumeır Kar Charakter 
*. anyen sei) vos ihr u N Si — ET —* Fer By, 
Bee. 5, wurde nu Anis vor Hilde Ahltem 


ab war damals das Saut ver — om Ar ps in der 
ugu ri e — blieb als ſolche unter römifher Herrfi 
** hen der ve uler unter Dvoater, finde un die —— 


fo Mauern —A— bat, In den Blogs eherefähte 
—E vn an Kön ge Oſtgothen, der ihre Mauern wieder aufbauen u: 
wie fie noch Pr fr Tage — 
Unter der Ger 1, der Auen warb 3. zum Gihe Has 
erhoben, je eine Reihe von KR und unter biefen Evin und 
ats, ivelchet Ieptere fih auch FH a it feinem © die Amer 
ner den Fraulen ward dann T. die Haut —— ie Re 
1 folche tm der Folge: jener von Trev ——— eit ver alles 


au Rerahli = rn an T. daſſelbe —— — [ug k& RER 


238 Trient, 


bie tridentinifchen Bifchöfe mehr den Guelphen und dem Papfte ſich anſchmiegten. 
In der Folge aber vereinten fie fi) mit dem Eugen Bifchofe Srievrih Wan 
ger und übertrugen ihm, unter Gewährleiflung einer befchworenen Conſtitution, 
(Statut) die Territorialherrfchaft. Die deutfchen Kaiſer beitätigten dieſelbe, das 
für wurden dann die Grafen von Tirol einige Zeit darauf und in der Yolge das 
gaus Defterreicdh durch Ueberfommung Tirol8 die Schugherren der tridentinifchen 
rche bis zur Zeit der Mebiatifirung, in welcher 3.8 Territorialherrichaft am 
den Kaifer von Defterreich überging. 1807 wurde T. zum Stöntgreiche Bayern, 
1809 zum Königreiche Italien gefhlagen und zum Haupte des Oberetfchdepars 
tements erhoben. Endlich, 1813 durdy den allgemeinen Frieden, kam es an Oeſter⸗ 
reich zurück und bildet feitvem einen Antheil der gefürfteten Graffchaft Tirot. 
Trient, Kirhenverfammlung von. Schon am Ende des 15. Jahr 
hunderts war das Verlangen nach einer allgemeinen Kirchenverfammlung ebenfo 
laut geworden, als eine durchgreifende Verbeſſerung in der Kirche an Haupt und 
Gliedern für nothwendig erachtet wurde. Der Ausbruch der Kirchentrennung 
durch Luther im J. 1517 brachte dieſen Gegenftand lebhafter zur Sprache, befons 
ders nachdem ſich der Reformator felbft auf ein allgemeines Concil berufen hatte. 
— Die in Nürnberg im 3. 1523 verfammelten Reichöftände gingen deshalb ven 
Papſt Hadrian VL, aus Brügge in Flandern, um die Zufammenberufung eines 
Concils, an. Der Papft war diefem Anfinnen nicht abgeneigt, ftarb aber fchon 
in demfelben Jahre. Der ihm folgende Papft Clemens VH. fprach es beim Re 
gierungsantritte als eines feiner erflen Vorhaben aus, ein allgemeines Concil 
zufammenberufen zu wollen, doch wurde er durch den Krieg zwifchen dem Kaiſer 
Karl V. und Franz I., Könige von Frankreich, fo wie durch ven Einfall ver 
Türken in die öfterreichifchen Staaten daran verhindert. — Nach hergeftelltem 
Frieden machte der Papſt neue Borfchläge zur Berufung eined allgemeinen Con⸗ 
cils, das nach der Welfe, die von jeher in der Kirche üblich geweſen fel, ges 
felert werben follte. Die proteftantifchen Stände wollten aber nicht darauf ein 
gehen, weil ver Papſt hienach den Vorſtitz im Concil führen würde, was fie nicht 
zugeben dürften, obwohl fie fich auf den Reichötagen zu Speier und Augsburg 
toieberhofentlich auf ein Concil und zwar ausdrücklich auf ein ſolches berufen 
hatten, das durch den Papft ausgefchrieben werden würde. Auch Eonnten fich 
beide Theile über den Drt nicht einigen, wo das Concil gehalten werden follte. 
— Linterdefien waren in Deutfchland die, durch die Wiedertäufer verurjachten, 
Unruhen ausgebrochen und die Türken verwüfteten die Uferftaaten Italiens mit 
Feuer und Schwert. Clemens VH. ftarb mitten in dieſer bevrängten Zeit im 
Paul des Jahres 1534. Ihm folgte in der Regierung wenige Tage nachher 
aulus II. Diefer befchied in der Convocationsbulle vom J. 1536 das allge 
meine Concil nad) Mantun auf den Monat Mai des folgenden Jahres. Die Prote⸗ 
ftanten weigerten ſich, darauf zu erfcheinen, weil Mantua zu fern von Deutfchland ges 
legen und unficher fe, auch ſprach fich der Herzog von Mantua felbft Dagegen aus. 
Nun wurde das Concil auf Mat 1538 nad) Vicenza berufen, das fich unter venetianis 
fcher Herrfchaft befand; aber es erfchien Fein einziger ‘Brälat. Die päpftlichen 
Zegaten wurden deshalb zurüdberufen und das Eoncil bis auf Oftern 1539 pros 
rogirt. Doch auch zu diefer Frift fanden ſich weder die Biichöfe, noch auch ihre 
Theologen ein und, da der König von Frankreich fi) dem Concil entſchieden abs 
eneigt zeigte, fo wurde die Eröffnung deſſelben auf unbeftimmte Zeit hinausge⸗ 
hoben, Endlih wurde im 3. 1542 wieder ernftlih an die Zufammenberufs 
ung des Concils gedacht. Dir päpftliche Legat ſchlug auf dem Reichstage zu 
Speier die, zu den öfterreichtichen Landen gehörige und nahe an Deutfchland und 
Stalien gelegene, Etadt 3. zur Haltung des Concils vor. Die Anfagungsbulle 
erfchien nun am 22. Mai 1542 und die Verfummlung wurde auf ven 1. No⸗ 
vember defleiben Jahres feitgefegt. Bei dem aber aufs Neue, zwifchen dem Kaifer 
und dem Könige von Frankreich ausgebrochenen, Kriege zerftreuten die Prälaten 
fh wieber und dad Concil wurde ſuspendirt. Nach vem Trieben von Ereöpy 


Trient, 28808 


Jiedoch die Eröffnung der Synode am 13. Dezember 1545 vor ſich. Es 
t am dritten Sonntage des Adventes, deſſen Meflefeler, mit welcher das 
ncl eingeweiht wurde, mit ven Worten anhebt: Gaudete omnes! — Freuet 
hb Wie! — Außer den 3 päpftlichen Legaten del Monte, Eervini und Bolus 
ren A Erzbiſchöfe, 22 Bil oft, 5 Ordensgenerale nebft den Gefandten des 
iſers und des römifchen Königs verfammelt.e Die beiven Hauptgegenftände, 
dem Goncil zu erledigen oblagen, waren die Verwerfung der Irtlehren und 
Barbeflerung der Kirchenzucht. Die kaiſerlich Befinnten verlangten, daß mit 
kt der Anfang gemacht werde, die päpfllichen Gefandten aber forderten, daß 
m die Slaubensfäge ſollten beſtimmt werden. Endlich fam man dahin übers 
ı, daß die Verhandlungen über Beides mit einander verbunden werden follten. 
: die late wurden nun in drei Claſſen geiheilt, die fi, im Haufe jenes 
gaten gejondert, verfammelten. Das Ergebniß ihrer Barticularcongregationen 
achten fie dann In die Generalcongregation, In welcher der Beſchluß abgefaßt 
id in der Sigung feierlich verfündet wurde, obwohl auch hier noch Erörterun- 
m zuläffig waren. Die päpfllichen Legaten waren in einer befonderen Inſtruk—⸗ 
oa angewiefen, „bei den Irrthümern nicht die Perſon, fondern bie Meinung zu 
abamımen und auch Hinfichtli der legteren den Urhebern derfelben Zeit zur 
tinigung zu vergönnen, Alles anzuhören, was gegen den römifchen Stuhl vor⸗ 
* werben würbe u. bie Rathſchläge der Väter u. der Nationen zu verneh- 
en, damit der Papft Alles genau erfahre und in den Stand gi werben 
iöge, die zur Abhülfe geeigneten Maßregeln zu ergreifen.“ Jede Sigung wurde 
ir einem Hochamte und einer Anrede an die Verſammlung eröffnet; den Schluß 
der Gitung machte der ambrofianifche Lobgefang. — Nachdem In der erfien 
igung das Concil eröffnet und in der zweiten die Lebensweiſe und einiges Ans 
eve fehgefept worden war, was beim Concil beobachtet werben follte, wurde in 
er dritten Sigung am 4. Febr. das nicänifdy = fonftantinopolitanifche Glaubens 
elenntnig, „ald das Grundprinzip, in weldyem Alle, die den Glauben Chriſti 
iennen, nothwendig übereinftimmen und als die fefte und einzige Grundlage, 
welche die Pforten der Hölle niemald überwältigen werben,“ von den verfammels 
ten Bätern ausgefprochen. Wenige Tage u diefer Situng ftarb in feinem 
Geburtöorte Eisleben am 18. Febr. 1546, 62 Jahre u. 3 Monate alt, Martin 
eher, um deffentwillen vorzugsweife die Zufammenbderufung des Concils zu 
Stande kam, obgleidy er felbft auf dem Concil nidyt erfchienen war. — In der 
sierten Sitzung, in welcher bereit 5 Carpinäle, 19 Erzbifchöfe und 42 Bifchöfe 
mgegen waren, wurde der Befchluß über den Kanon der heil, Schriften gefaßt. 
In ter fünften Sitzung erfolgte der Beſchluß über die Erbfünde, fowie der Ver⸗ 
keierungsbefchluß von der Gründung eines Lehrftuhled für pie heilige Schrift, 
ron den Predigern und Almofenfammlern. Per wurde das Boncil über ein 
ed Fahr lang in feinen Funktionen gehemmt. Die Proteftanten fürchteten 
rmlich im Sommer des Jahres 1546, der Kaiſer möchte fie mit feiner Heeres» 
aacht überziehen und trachteten daher, ihm feine Verbindung mit Italien abzus 
Gneiden. Der Anführer ihres Heeres war der Ritter Sebaftian Schärtlin von 
Jurtenbady. Er war fchon bis an die Gränze von Tirol vorgerüdt und eben 
a Begriffe, in 2. die wehrlofen Väter des Boncils heimaufuchen, al8 er von 
m Bundesräthen aus Ulm die Weifung erhielt, ſich fchleunig zurückzuzlehen, 
mit der römifche König, des Kaiſers Bruder, mit welchem man nicht im 
riege ſei, nicht gereizt werde. Die Befürchtung dieſes Ueberfalles fowohl, als 
ch der Umftand, daß man mit den Beichlüffen über die Rechtfertigung um den 
roteſtanten willen zögern wollte, weil man ihrer Anfunft auf dem Eoncil noch im⸗ 
er entgegenfah und mehre andere Lofalumftände verurfachten eine Suspenflon 
#Goncil® vom 17. Juni 1546 bis zum 13. Januar 1547, an welchem Tage 
ie jechste Sitzung ftattfand. — In diefer Sitzung wurden nun bie wichtigen 

fie und Kanon's über die ecfertigung und der nee unse uf 


* Anweſenheit der Biſchoͤſe in ihren Diögeſen u. anderes dahin Behtrigre 


[ 


240 Trient, 


promulgtrt. Während zwei Monaten war fein Tag vergangen, an weldyem nidh 
aufs Genauefte über alle Einzelnheiten des Defretes von der Rechtfertigung ver: 
handelt wurde, in der Art, daß man feiner Anficht, welche nicht, entfchleden ver: 
werflich fel, den Weg verfperren wollte, ſich geltend zu machen. Es entgin— 
nämlih den Vätern nicht, wie höchft wichtig diefer Gegenfland ihrer Verhänd 
lungen fei, indem eben in diefer Lehre die Grundverſchiedenheit ded altkatholtfche 
Glaubens und der durch Luther aufgefommenen neuen Anſchauung de Wurzel 
begriffs für die Yrucht des Erlöfungswerkes auögefprochen erfcheine. Es bemerf 
daber Pallavicini mit Recht in feinem Geſchichtswerke über das Concil von T. 
daß, wenn man erzählen wollte, wie genau und vorfichtig mit dieſem Artife 
verfahren, wie oft und wie lange das geringfle Wort forgfältig abgeroogen wor: 
den, man darüber ein eigenee Buch fehreiben müßte. In der flebenten Sieung 
(3. März 1547) wurden Kanon’ über die Sakramente im Allgemeinen und übe 
die Taufe und Firmung ins Befondere perfünbigt u. in den Befchlüffen von da 
Verbefferung über Benefizien, Seelforge, Hofpitäler u. m. a. verhandelt. Um 
diefe Zeit verbreitete fi dad Gerücht von einer anfledenven Krankheit, die In 
T. ausgebrochen feiz mehre Aerzte erklärten, das Uebel habe Symptome der Pe. 
Es machten daher die päpftlichen Legaten am 11. März ven Be das 
Concil nach Bologna zu verlegen; 36 Bifchöfe ſtimmten bafür, ver Earbinal 
Pacheco und 15 Bifchöfe, Unterthanen des Kaifers, wiverfegten fi und bfieben 
in T. zurüd, Die Übrigen gingen nach Bologna, ohne jenoch etwas Andere 
als Beichlüffe von wiederholten Bertagungen und Dal die als die 9. und 10. 
Sitzung bezeichnet find, zu unternehmen. — Endlich verlangte der Kaiſer dlı 
Fortfegung des Concil's in T., worauf der Papft dem Garbinal del Monte be 
fahl, die in Bologna befindlichen Präfaten zu entlafien. Bald darauf flarl 
Paulus III., kurz vor dem Schlufle des Jahres 1549. Ihm folgte am 7. Febr. 
1550 der letztgenannte Garbinal in der Regierung und legte fiy den Namer 
Julius U. bei. Am 1. Mat des darauffolgenden Jahres wurde das Gond 
mit der 11. Sitzung wieder eröffnet. In der 12. Sitzung ließ Heinrich IL 
König von Frankreich, der mit dem Kaiſer und dem ‘Bapfte wegen des Herzog! 
von ara in Krleg verwidelt war, durch feinen Gefandten Amyot dem Conci 
erflären, er verbiete feinen Bifchöfen, auf vemfelben zu erfcheinen und werde ei 
daher für Fein öfumenifches halten. Die Väter aber erwieberten ihm darauf, fi 
feien in 3. nicht zu dem Ende zufammengefommen, um dem einen oder dem ander 
chriſtlichen Fürften fich vorzugsweiſe dienſtfertig zu erzeigen, ſondern um Jeſi 
Chriſto, dem Fürſten aller Fürſten, zu dienen. Auch gehöre nur zu einem ökume 
niſchen Concil, daß die Bifchöfe aller Nationen dazu zuſammenberufen, nicht abe 
auch, daß fie alle gegenwärtig feien. Es waren unterbefien audy die Erzbiſchöf 
von Mainz und Trier und einige andere deutſche Bifchöfe auf dem Concil eı 
fchtenen. Am 10. Dftober 1551 traf auch der Erzbifhof von Köln, Adolpt 
Graf von Schauenburg, ein. Als die verfammelten Väter erfuhren, daß er ir 
Anzuge ſei, gingen fie ihm vor die Thore von T. entgegen, um Ihn zu empfan 
gen. Am darauffolgenden Tage fand die 13. Sitzung ftatt, in welcher die Be 
tchlüffe über das Altarsfaframent und die Zuriödiftion der Bifchöfe befannt gi 
macht wurden. Da ed Grundſatz der verfammelten Väter war, ſich nur an da 
Ausfbruche der allgemeinen SKirchenlehre zu halten und den Schulfragen eben] 
fernerbin freien Spielraum, als fie bei ihren Verhandlungen unberüditchtigt, 4 
laffen; fo ließen fe fich auch hier nicht darauf ein, ob der Leib Ehrifti im A 
taröfaframente gegenwärtig werde durch Production, nach Behauptung der Di 
minifaner, oder durch Apduction, nach der Lehre der Minoriten. Dieter Sigun 
wohnten auch die Sefandten des Kurfürften Joachim von Brandenburg be 
welche fih in Folge des, auf dem Augsburger Reichötage gefaßten, Befchiuffe 
daß die proteftantiichen Stände fi) auf das Concil nad T. begeben follten, b 
reits daſelbſt eingefunven hatten. Da nun aber die übrigen nody nicht erfchiene 
waren und für biefelben freies @eleit, fowie auch die Werichiekung des B 


Trient, 241 
ſes über die 4 Artikel vom Altarsfakramente bis zu ihrer Ankunft verlangt 
e: fo ertheilten die Väter in derfelben Situng das freie Geleit und vertag- 
je zweitfünftige Sigung auf den 25. Jan. 1552. In der 14. Sitzung 
Roy. 1551) wurden die Beichlüffe über die Saframente der Buße und der 
: Delung, fowie über die Ertheilung der Weihen ıc.* befannt gemacht. — 
Proteflanten waren, wegen der unter ihnen felbft eingetretenen Glaubens⸗ 
ingen, In eine nicht geringe Verlegenheit verſetzt, wenn fle auf dem Goncil 
inen follten. Zu dem Ende wurde Melandıthon beauftragt, ein Glaubensbe⸗ 
niß aufzufegen, das im Namen Aller den Trienter Bätern vorgelegt werden 

Er unterzog ſich diefer Arbeit in der Art, daß er mehre Ausdrücke des 
burger Glaubensbekenntniſſes abänderte, um fie den verfchledenen Parteien 
mbar zu machen, was ihm denn audy gelang. Darauf erfchienen nach u. 
die Geſandten des Herzoge von Württemberg und des Kurfürften von 
fen; von den proteftantifchen Theologen hatte din aber wieder feiner einges 
n. Diefe Gefandten forderten nun ein umfaflenderes freie Geleit, Die 
beachtung der kirchlichen Erbichre bei den Verhandlungen, eine neue Unter⸗ 
ng aller Nrüberen Verhandlungen und Beſchlüſſe und daß die Bifchöfe von 
‚ dem Papſte geleifteten, Give entbunden werden follten. Die Väter ertheils 
ı der 15. Situng das verlangte freie Geleit und erließen ein Dekret, wel⸗ 
die Enticheidung der, in der legten Sigung verhandelten, Gegenftände bis 
19. März 1552 verſchob, weil man bis dahin die Ankunft der proteftans 
ı Theologen zuverläſſig erwartete; auf die übrigen Korderungen der Ges 
m ließen die Bäter fidy nicht ein, weil darin theild das Aufgebın eines 
dprinzips des Fatholiichen Glaubens, tpeile der bierardhifchen Disziplin 
fprochen war. — Unterdeffen war der Krieg zwifchen dem Kurfürften Morig 
Sachſen und dem Kaiſer ausgebrochen; die Ziroler Päfle wurden befegt und 
Bifchöfe, einen Ueberfall befürchtend, verließen T. Es wurde daher in der 
Sitzung, am 28. April 1552, gegen die ‘Broteftation von 12 fpanifchen Bi⸗ 
n die Suspenflon des Concils befchloffen. Die Unterbredhung, während 
er die Päpfte Julius III., Marcelus I. und Paulus IV., fo wie audy der 
er Raıl V. farben, dauerte neun Jahre lange, bis Pius IV. das Concil am 
Rovember 1560 aufs Neue berief. — Am 18. Jun. 1962 wurde e8 (in der 
Sigung) zum dritten Male feierlich eröffnet. Paͤpſtlicher Legat und erfter 
Sender war: Gonzago, Cardinal von Mantua, ihm beigegeben waren die 
Inäle Dupuy, Eeripanti, Simonetti, Hohenems (Altaemps), Bifchof von 
tanz und Hoflus, Bifchof von Ermeland. In der 18. Sigung wurde den 
ftanten Deutfchlands und anderer Nationen ein neuer Geleitsbrief ertheilt. 
b den, am 26. September 1555 auf dem Augsburger Reichstage gefchlofie- 
Religionsftieden war aber kaum mehr an die Ankunft ver prötefantifehen 
logen zu denken; auch machten fie wiederholt folche Anforderungen, nad) 
‚en ein Concil, gemäß den früherhin in der chriftlichen Kirche immer geltend 
fenen Beftimmungen, eine Unmöglichkeit wurde. Nachdem in ven beiden 
iden Sigungen nun wiederholt eine Bertagung befchloffen worden war, 
e am 16. Juli 1562 die 21. Sitzung gehalten, in welcher über die Commu⸗ 
unter beiden Geftalten und die der Eleinen Kinder, fo wie auch über die 
yaltung der Seelforge, die Errichtung neuer Pfarreien ıc. Beichlüffe gefaßt 
en. Sn der, am 17. September gerelerten 22. Sitzung, in weldyer 180 
aten verfammelt waren, wurden die Befchlüffe und Canones vom hi. Meße 
‚ fo wie mehre, die Verbeſſerung betreffende, befannt gemacht, welche legtere 
wf den Lebenswandel der Geiftlichen, auf perfönliche und fächliche Verhält⸗ 
an den Kathedral⸗ und Eollegiat:Kirchen, die Verwaltung frommer Orte ıc. 
en. — In ber, biefer Sibung vorhergegangenen, Congregation hatte die 
e, ob den Laien der Kelch wieder zu geftatten ſei, einen langen, heftigen 
t erregt. Die Gefandten des Kaiſers und die dee Könige von Frankreich 
jen auf die Bewilligung, die Bifchöfe hingegen waren In ihren Ankhien 
alencyclopabie. X. 165 


242 Trient. 


Ich geheilt. Es flimmien 38 für die Verweigerung, 29 für die Geftattung ; 
24 dafür, daß die Sadje an den Papſt verwiefen werde; 31 hlugen vor, man 
ſolle den Kelch bewilligen, aber dem Bapfte die auefihrung überlaffen; 10 
waren der Meinung, daß der Papſt Abgeorpnete nach Deutfchland fenden follte; 
19 wollten die Bewilligung auf Deutſchland und Ungarn eingefchränft wiſſen. 
Endlich kam man überein, die Vollmacht, den Raten den Kelch zu bewilligen, 
auf das Oberhaupt der Kirche zu übertragen. — In ber, die 23. Stkung vor- 
bereitenden, Eongregation erregte die Yrage, ob das Episkopat göttlicher Eins 
feßung ſei, oder ob die Bifchöfe ihre Sendung und Gewalt vom Papſfte erhielten, 
den gewaltigften Sturm. Die fpanifchen und franzöftfchen Bifchöfe behaupteten 
das Erftere, die italienifchen vertheidigten bi zur unanftändigen Heftigleit das 
Restere. Die fchon in der 6. Sitzung verhandelte Frage über die Anweſenheit 
(Refivenz) ver Bifchöfe in ihren Didzeten, fam auch wieder zur Sprache u. dieſes, 
nebft vielem anderem darauf Bezüglichen, gab zu fo vielen Erörterungen Anlaß, 
daß die, auf den 12. November 1562 anberaumte, 23. Eitzung erft am 15. Juli 
1563 ftattfinden konnte. In diefer Situng waren, außer den beiden päpftlichen 
Gardinallegaten, die Geſandten des Kaifers, der Könige von Frankreich, Spanien, 
Portugal, Polen, der Republit Venedig u. bes Herzogs von Savoyen, 206 Erzbi⸗ 
fchöfe u. Bifchöfe, mehre Ordensgenerale u. Aebte u. eine große Anzahl Doktoren 
ge enwärtig. Unter anderen wurde auch die Errichtung geiſtlicher Seminarten 
eihloffen; mehre Väter verficherten fogleich, wenn fle auch fonft keinen Nutzen 
aus dem Concil ziehen würden, fo hielten fie ſich fchon durch dieſen Beſchluß 
für alle ihre Arbeiten reichlich entichäbigt; der Papſt gab durch die Gründung 
des römtfchen Seminars, deſſen Leitung er den Sefulten anvertraute, das erfte 
Beifpiel. In den nächften Wochen verurfachte dad Begehren mehrer Prälaten, 
daß über eine Reformation der Fürften, d. b. über die Immunität des Klerus 
und deffen Unabhängigfeit von der weltlichen Gewalt, Beichlüffe gefaßt würden, 
einen lebhaften Zwiſt; die franzöftfchen Geſandten begaben ſich darüber fogar von 
T. weg; man ließ aber bald die ganze Sache fallen. — Faſt vier Monate nad 
der vorigen Sitzung wurde am 11. November 1563 die 24. Eitzung gehalten, 
in welcher die Befchlüffe über die Ehe und viele wichtige, die Kirchenzucht be- 
treffende, Anoronungen bekannt gemacht wurden. Die Behauptung von der Uns 
auflösbarfeit der Er ſollte anfänglidy abfolut ausgefprochen werben und ber 7. 
Kanon war zuerft fo abgefaßt, as er den Kirchenbann über Jeden audfpran, 
der die Auflösbarfeit des Ehebandes im alle des Ehebruchs behaupte. Die 
venetianifchen Befandten ſtellten aber vor, diefe Entſcheidung würde Unruhe unter 
den unirten riechen ftiften, welche wegen Ehebruchs das Band der Ehe lösten 
und nach alter Sitte dem unfchuldigen Theile fich wieder zu verheirathen erlaubten 
und diefer ihr längft befannter Gebrauch fel noch von feiner ökumentichen Synode 
verworfen worden. Diefe Gründe bewogen die Väter, den Kanon abzuändern, 
fo daß der Kirchenbann nur über diejenigen ausgefprochen wurbe, welche die rö- 
mifche Kirche wegen ihrer Lehre von ber gänzlicyen Unauflößbarfelt der Ehe, auch 
im alle des Ehebruches, des Irrthums befchulpigten. Auch der 4. Kanon ers 
fuhr eine Modifikation; In demfelben war der Kirche allein die Gewalt einges 
räumt, trennende Ehehinderniſſe zu fetten, aber auf die Borftelung eines Bifchofs, 
daß diefe Entſcheidung die Rechte der Monarchen angreife, wurde dad Wort 
„allein” weggelafien. In den Befchlüffen von ver Berbeflerung wurde unter 
anderem auch ausgefprochen, daß der Papſt fo viel wie mönlih die Garbinäle 
aus allen Nationen der Ehriftenheit wählen folle. — Mittlerweile war der Wunfch 
allgemein geworden, das Concil beendigt zu feben; auch der Kaiſer fiimmte in 
Bieten MWunfch ein und der Papſt war der Erfülung defielben nicht abgenelgt, 
umal, da nur noch Seniged über die Lehre und die Kirchenverbefferung zu er 
örtern übrig blieb, auch Feine entfernte Ausſicht mehr vorhanden war, die protes 
ftantifchen Eheofogen auf dem Goncile erfcheinen zu fehen und dem Papfte die 
Unterhaltung der armen ‘Prälaten auf feine Koſten fehr fchwer fiel; die Rach⸗ 


Ä Teleit, en 
einer gefährlichen Krankheit deſſelben beſtimmte bie Legaten In no 
— — — — bei dieſem —** br n 
ft, ſprach er unter. amderen diefe bedeutungsvollen Worte aus: „Die 
babe durch Beſtimmung der GSlaubenslehren und Vetbeſſerung ber 
herrliche Fruüchte gebracht. Vielleicht Hätte: bezüglich des lehtern 
Bered gewünfcht werben können; nady Maßgabe der Umflände habe das 
anftatt des Ben en, gewählt werden muͤſſen. Gott werde vielleicht, um bie 
un 
ber 









kr 


tum affung verwandte Mühe zu belohnen, „bereinft den 

g zu Beffern * en Gomit wurde mit der 25. — welche am 

4. Dezember 1 Rattfand, daB Heilige öfumenifhe und allgemeine 

weit beenbigt. Am erfiern Sage bielt der Bit of von Sulmo das Hochamt 

Benetianer 8 mud agazon! die Schlußrede an die Verfammlung. 

eranf wurden die Beichlüffe über das Fegfeuer, die Anrufung und Berehrung 
: Belligen, die Verehrung ihrer Reliquien und der Bilder und über die Kloſter 
jeiſtlichen ıc. befannt gemacht, an welche ſich mehrfache Befchlüffe über 

' Kirchenverbefferung anreihten. Sehr auffallend if es, daß berjenige Gegen⸗ 
wd, ber ur K den! altung und in der Folge auch zur Berufung des Gonclie 
t erſten Anlaß gab, daß die Lehre vom Wblafie beinahe gar nicht zur Eroͤrter⸗ 
1 gefommen w Als die Väter am 3. De Thon hre Sitze vers 
hatten, ſprachen fe, mit Ausnahme eines Ginzigen und in der Ueberein⸗ 
mit den weltlichen Gefandten, den Wunfch aus, daß am folgenden 

ine. ein Befchluß darüber möchte befannt gemacht werben, weßhalb eine users 
Commiſſion zufammentrat, die fi während der ganzen Nacht mit dem 
deſſelben befchäftigte. Am 4. ee hielt der 34 von Catanea 
amt; die Anrede unterblieb. Schlußfeierlichleit des Concils ſelbſt 
Rand in wechſelſeitigen Acclamationen. Die paͤpſtlichen Legaten theilten 
‚000 Goldgulden als Ehrengeſchenk unter die Gefandten und als Reiſegeld 
ter die beduͤrftigen Prälaten aus; zwei von ihnen, Morono und Simonetti, 
zäben ſich gleich nach Rom, um im Namen des Concils vom Papſte die Bes 
gung zu erbitten; die beiden anderen, gofiue und Ravagero, kehrten mit Er⸗ 
ibniß es Papftes in ihre Didzefen zuräd, jener nach Ermeland, viefer nad 
wora. Alle aber gingen mit frohlodendem Herzen von bannen, in dem Ger 
jle, daß ihnen vergönnt geweſen war, einer Kirchenverfammlung beizuwohnen, 
, vielfältig unterbrochen ımd unter den ſchwierigſten Umſtänden Tortgefeht, nun 
18 Jahren zum Helle der ganzen Gäriftenbeit lücklich ihr Ende erreicht 
te. Unter den Dräfaten waren mehre eine wirfliche Bierbe ihres Jahrhunderts 
d unter den 150 Theologen, welche emälie auf dem Boncil erfchienen, —5* 
At die. meiſten im wohlverdienten Rufe reicher und gründlicher Gelehrſamkeit. 
fe beiden Hauptvorwürfe, bie dem Concilium gemacht werden, entkräften ſich 
a ſelbſt durch ven gegenfeltigen Widerſpruch: die Einen behaupten, bie Bäter 
en zu eilig verfahren; die Anderen geben vor, daß fie ihre Erörterungen zu fehr 
die Länge gejogen haben ; der unbefangene Beurtheiler aber kann, die obwal⸗ 
den Berhältnifie jener Zeit berüdfichtigend, da® würbdige u. gewifienhafte Ver⸗ 
bren der Bäter nicht in Abrede ſtellen — Pius IV., ver fih allmälig von 
ser ſchweren Krankheit erholt hatte, beftätigte die Beſchlüſſe des Concils unbe⸗ 
sgt am 6. Januar 1564. Die Benetianer nahmen fie zuerfi an und ließen fie 
erlich verfündigen. Philipp IE that beögleh ‚ jedoch mit —— der 
ichen Rechte in Spanien, Reapel und den Niederlanden. Sebaſtian, König 

N tugal. der Herzog von Savoyen und die Polen auf ihrem Reichstage 
Imen dad Concil unbedingt an. Der Kalfer Ferdinand und ber Serien l⸗ 
Kt von Bayern begehrten dringend vom Papſte die Geſtattung bes Laien⸗ 
bes und der Priefterehe für ihre Staaten; lebtere verweigerte der Bapft, vie 
nführung des Kelches aber bewilligte er nicht mur dem Kaiſer unb dem Her⸗ 
z von Bayern, fondern ug den Erzbiſch von Mainz, Trier und Anderen, 

gleich fie es noch nicht verlangt hatten, Indeſſen fanden wie we. alla 

Bo N 







9 








244 Trier. 


Pius IV., daß die gegebene Erlaubnig den erwarteten Erfolg nicht habe, daß 
vielmehr mannigfache Unordnungen darau®. entftanden feten; fie ſuspendirten fie 
daher und nahmen fie endlich ganz zurüd. In Böhmen wurde der Keldy bie 
ins Jahr 1623 beibehalten, durch Kaiſer Ferdinand II. aber wieder verboten. — 
Da Ferdinand I. ſchon im Jahre 1564 Rarb, fo ließ fein Rachfolger Maris 
milian II. die Befchlüffe des Concils in feinen Staaten verfündigen und die katho⸗ 
lifchen Fürſten nahmen fie auf dem Reichstage in Augsburg im Jahre 1566 an. 
In Frankreich wurden die Befchlüffe des Concils über die Lehre ohne Widerrede 
angenommen, auch viele feiner Disciplinarverorbnungen eingeführt, aber zu einer 
förmlihen Annahme ver trienter Befchlüffe iſt e8 nie gefommen, fo fehr ſich auch 
die Bäpfte und die franzöftfchen Bifchöfe dafür verwandten. Letztere begehrten 
bie Annahme ſchon auf den Berfammlungen zu Blois und Melun; Clemens VII. 
forderte fie al& wefentliche Bedingung zur Ausföhnung Heinroch's IV. mit der 
Kirche; aber das Parlament wollte das Edikt des Königs nicht einregiftriren. 
Darnach bemühte fich der Klerus in den Jahren 1610 und 1615, die Einführung 
des Concils durchzuſetzen, allein Alles vergeblidh. Die Magiftrate erflärten, das 
Concil enthalte zu Vieles, was den frangöflichen Geſetzen und Gebräuchen wider- 
ſpreche und die Freiheiten der gallifaniichen Kirche gefährde. Die Prälaten 
— daher vor, man jede das Concil publiciren mit der Clauſel: „Unbe- 
ſchadet der Rechte des Königs und der ‘Privilegien der gallifanifchen Kirche“ ; 
doch auch dies wurde verworfen. Wie fich indefien auch Parlamente und Juris 
ften der Einführung der Synode von 3. widerfegten, fo thaten Die Bifchöfe doch 
wenigſtens foviel dafür, als in ihrer Gewalt fand und im Jahre 1615 vers 
pflichteten fi) 53 zu Paris verfammelte Bifchöfe eivlih, Die Befchlüffe der Sy⸗ 
In —— ne möglich fet, zu beobachten und in ihren Diözefen mit Geſetzes⸗ 
raft einzuführen. 

Trier (Augusta Trevirorum), ehemalige Hauptftadt des Erzſtiftes und Kur⸗ 
fürftenthbums und jest des Regierungsbezirkes gleiches Namens in der preußifchen 
Rheinprovinz, liegt in einem Puchtbaren. anmuthigen Thale am rechten Mofel« 
ufer, zwifchen Rebenbergen, am norböftlichen Buße des Hochwaldes, iſt Sig eines 
Biſchofs und Domfapiteld und zählt bei 18,000 Einwohner, welche zu  Kas 
tholifen find. Die Stadt befteht aus der eigentliden Stadt und 12 Vorſtädten 
und ift namentlich durch die Menge ihrer Denkmale aus der Römerzeit eine ver 
merfwürbigften Städte Deutſchlands. Bon den einzelnen Sehenswürbigfelten 
führen wir bier der Reihe nah an: Die Domkirche, zum großen Theil noch rö- 
mifchen Urfprungs, wahrfcheinlich die Attefte Kirche Im nördlichen Europa, ent- 
ftanden auf Befehl der Kaiferin Helena aus einem Theil ihres Balaftes u. 328 
geweiht, urfprünglich im Quadrate erbaut, mit vier römifchen Granitfäulen und 
einer Abſis, wurde im 11. Jahrhundert von Erzbifhof Popo beträchtlich verän- 
dert und erweitert und enthält, neben den Grabmälern mehrer Erzbifchöfe, eine 
Anzahl Eoftbarer Reliquien, unter diefen namentlid den ungenäheten Rod Chriſti. 
Schöner u. ein wahres Meiſterſtück Firchlicher Bauart ift die, von 1227—1243 ers 
baute Liebfrauenkirche mit fchönen Skulpturen am Haupteingang, Madonna mit 
dem Kinde im Giebelfeld, dabei Ecenen aus der Kindheit Ehrifti, anbetende Engel 
und Heilige in den Bogenwölbungen, zu Außerfi die Eugen und bie thörichten 
Jungfrauen; über dem Bortal die Verfündigung, dad Opfer Abraham's, Noah’s 
u. Ehrifti; zu den Selten der Thüre aber Ehriftentbum und Judenthum. An den 
12 Pfeilern die 12 Apoftel, die man alle von einem fchwarzen Stein aus unweit 
de6 Eingangs augleich fehen kann, am Seitenportal Krönung Mariä. Bon den 
vier berühmten Abteien iſt St. Marimin, dieſes reichfte deutſche Benebiktiner- 
ftift, jetzt Kaſerne; St. Martin an der Mofel ift Stearinfabrif; St. Matthias 
(1148), wo die erfte Ehriftenfirche geftanden haben fol, Schullehrerfeminar; St. 
Paulinus mit der Martyrergruft, jegt Wrtillerievepot. Die Brüde über bie 
Mofel, 24° breit, 690° lang, von Auguflus 28 vor Ehriftus erbaut, erft unter 

£ubwig AIV. gerfiört, bis auf die Pfeiler aus Lavablöden vom Laacher Ser. 


ODie 
—— — —* neuerdings ie theifwet 
nid al römiicher Katferpala erfannt, erbaut von Er 
. LT weiße Thor, ein Durchgang durch vie —* vers 
Br Bafiltca (ehedem Palaſt Konflantin’s genannt), gur 
e nm g6 verwendet, LMU ee 2 oh der 
; bie Arena, 234’ lang und 155° breit, mit 
davon der eine fit einen —S umge, 
Spuren von Kanälen zu u Reumatdien, jebt von 1) une 
wieder gang nantbar ge 
e graufanen Spiele Codi Franciei), bei denen 
tb wilder Thiete zu Tauſenden übergab 306-813, 
supplice). Das Gebäude faßte 6000 Zus 
‚größte Theil davon zu Wohnungen verbaut, — — Bom qui 
ı ‚finden Ach nur noch umter der Erde Spuren. 
Porta Mertis, 115° lang ; 67° breit, 70' 


| —* Thor, auch) Po 
im | l un j 
großen Quadern tootani a en ale efährt mi 2 * 











a ** —Se ah A ae '. 















Spitze des Thurmes an, in Folge d des ie 
ea an EA 5 
erung gab ihm fo m e alte Q 
da Buftem — Hafer won nehme bar * ie Di 
me Dietrichfitaße, nahe beim rot — ee den ent⸗ 
ı Blägen und Gebäuden find zu dem Bent. — ia Marktplatz, mit einer 
und dem Krenz darauf, da® 958 am Himmel gefehen worden; mit einem 
mälerifchen Gebäuden, namentlicdy dem ehemaligen Rathaus, der foge- 
m Steipe, jetzt Gaſthof zum rothen Haus, aus dem 19. ne 
se Bffenttie en Anftalten find hervorzuheben: das große Prieſter⸗ 
t, das bifchöfliche Anabenconvict, daB Gymnaſium, die hab Bürger» u. 
en das * ſtaͤdtiſche Hoſpital, unter der Leitung a anen en 
vom heil. Karl, dad Landarmenhaus und mehre — 
* mehre ale Bibltothelen, darunter die Stadtbibliothek‘ on 
us 94,000 en, 4000 Handfchriften ımb 2520 Snbumabein: femer ein 
ches und en reiches antiquarifche® Mufeum, ‚eine Geſellſchaft nuͤtz⸗ 
Hungen ıc. Verſchiedene Fabriken, ſtarker Weinbau, ndel umd 
fahr auf der Mofel bilden im Allgemeinen die Haupterwerböquel- 
* AR — Die wg — nn vertiert aa in bie bunkeen 
— als gew er iſt anzunehmen e zu den 
2 —— ehoͤrt — 88 ganz Gallien durch ö N far der Tinten 
—* war, gehörte T. nach der neuen Einthe an Abe 
—* ) Belgien ,‚ worin es fchon gegen die Mitte des abrhunderts 
Thriſtus als die bedeutendſte und reichſte Stadt berborgehsben wird. Rad 
holten vergeblichen Berfuchen ver Trevirer, dad Joch der römifchen Fremd⸗ 
haft nr — befreundeten fie ſich allmälig mit ver roͤmiſchen Kultur u. 
Ei Sitten und ſchon in der Weiten (fte de6 dritten Jahrhun⸗ 
— et die römtfchen — von ihren Aufenthalt in T. 
wird es auch der I F —**— von Gallien, von bem 
Fri Ballen. Sherin und Britannien abhingen und. rückſichtli 
Matien und —— — der mannigfaltigfien 9 Art konnte es mit: 
Kaiſer Konftantin refldirte zwifchen den Jahren 306 und 931 
us ta T. und ihm verbanft bie Elan die herrlichen Öfentlißen Bauten, 
U Debeneße fie für bie Freunde romiſcher Alterihumet zu arettruingen 


3 








246 Trieſt. 


Stadt dieſſeits der Alpen erheben. Viele feiner Nachfolger auf dem römtifchen 
Kaiferthrone behielten 3. als Refidenzſtadt bei und alfo bob fidy die Stadt im 
Laufe der Zeit Immer mehr und mehr, bis fie unter Kaifer Gratian ihren höchſten 
Glanzpunkt erreichte. Bon feinem 15. Jahre an lebte nämlidy Gratian fafl ums 
unterbrochen in T., wo auch fein Erzieher Aufontus, weldyer befanntlidy den Mo 
felfluß bejungen, die höchſten Staatsämter bekleidete. T. entatn burdy feine faR 
verborgene Lage glücklich den Ueberfällen der wandernden WBölfer zur Zelt des 
Sturzes des weftrömifchen Reichs, bis zu Anfang des 5. Jahrhunderts, wo es 
vreimal kurz nach einander von überrheinifchen Volksſtämmen verwüſtet und fpds 
ter im Jahre 411 abermal von den Franken geplündert und verbrannt wurde. 
Noch hatte ſich die unglüdliche Stadt nicht von diefen —— erholt, als 
ſchon wieder 451 die wilden Hunnenzüge über fie hereinbrachen. Welch trauriges 
Bild von da ab die Stadt auch bot, bie römifche Serrfaf bielt ſich dennoch 
in ihr laͤnger genen die andrängenven Franken, als in irgend einer Gegend bes 
Unterrheins, bis fie im Jahre 461, von den Franken erobert, die I morfche 
zömifche FE mit der fränfifchen vertaufchen mußte. Unter dieſer beginnt 
T. bald fi von Neuem zu erheben und namentlid gewinnt die chriftliche Relis 
ion immer mehr die Oberhand. Nach der Tradition wurbe biefe bereitd von 

chülern des heil. Petrus nach T. gebracht; im Anfange des 4. Jahrhunderts 
fehen wir fchon die T.'ſche Kirche auf dem Concil von Arles im Sabre 314 
durch ihren Bifchof Agritius vertreten. Bon ient ab und vorzüglich ſeit der, 
für die Kirche beſonders günftigen, Zeitepoche der Regierung Karl's des Großen 
tritt die politifche Wichtigkeit 3.8 in den Hintergrund und die kirchlichen Ber 
hältniffe machen fich je mehr und mehr geltend. In dem Bertrage von Verdun 
wird die Stadt dem lothringifchen Reiche, fpäter aber, im Jahre 870, in Folge 
einer neuen Theilung, Ludwig dem Deutfchen zugeiwiefen. Lange Zeit bedurfte e6, 
ebe T. fidy nady dem MUeberfalle der Normannen im Jahre 882 erholte Als 
Sitz des Erzbiſchofs und Kurfürften von T., der zugleich Erzkanzler des römtichen 
Reichs durch Gallien und Arelat war, erhob ſich im Mittelalter die Stadt zwar 
in faft fortwährenden Fehden mit ihren geiftlichen Herren zur alten Größe und 
felbft Friegerifche Erzbiichöfe, wie der mächtige, in feinem 22. Jahre zum Gr 
bifchof gewählte Balduin (1307—1353), vermochten Nichts über fi. Doch war 
das, von Kalfer Heinrich II. 1018 dem Stift gefchenfte, Koblenz Hauptreſidenz. 
1473 wurde von dem Erzbifhof Johann von Baden hier eine Univerfltät ges 
gründet, die bis zu ihrer Aufhebung in der franzöfifchen Revolution 1798 fehr 
blübend und befucht war. 1522 wurbe die Stadt erfolgioe von Franz von 
Sickingen belagert, 1552 aber von Albrecht von ed eingenommen und ver 
wüftet; 1559 wurde durch Olevianus aus T., einen Schüler Calvin's, der Ber 
ſuch gemacht, die Reformation einzuführen; allein fle ward vom Kurfürften Jo⸗ 
hann mit Nachdruck und Erfolg befämpft und 1605 wurden zu weiterer Sicher 
ung der fatholifhen Sache die Jeſuiten bieher berufen. 1632 ftellte der Ku 
P tipp Ehriftoph von Sötern, aus Furcht vor den Schweden, T. unter franzd 
fhen Schuß; 1645 nahmen es die Spanier ein; 1684 die Franzoſen; im ſpan⸗ 
ifchen Erbfolgefrieg 1704 die Engländer unter Marlborough; 1794 kam es an 
Sranfreih und blieb dabei bis 1814, wo ed mit dem ganzen ehemaligen Erzfifte 
an die Krone Preußen fam. 1844 ſah die Stadt, wie fehon früher öfter, Die 
großartige und herzerhebende Feier der Ausſtellung des heil. Rockes Ehrifti, bei 
welcher Gelegenheit gegen 14 Millionen andächtiger ®läubigen in der alten 
Augufta zufammenftrömten. Sl. hierüber den Artikel Arnoldt. 

Trieft, 1) Gouvernement im öfterreichifchen Illyrien (f. d.), auch Küſten⸗ 
land oder Sittorole genannt, zerfällt mit feinem Areal von 144,3 geograpbifchen 
Meilen, auf weldyen 481,189 (alfo auf je 1 [J Meile 3260) Einwohner 

leden, in drei Kreife, nämlih: Tier-Gebiet, Görzer-Kreis (auch Friaulh) 
und ISftrianers Kreis und bat 30 Städte, 14 Märkte und 944 Dörfer und 
Weiler. Die Bewohner zerfallen, nach nationaler Verfchiedenheit, in Slaven 








Fe 


Trieft. 247 


tier), weldye den größten Theil der Bevölkerung ausmachen, in Italiener 
Deutſche. Nah kirchlicher Verfchiedenheit in: Römifhe Katholiken 
230), Richtunirte Griechen (2600), Proteitanten (1100) und 
a (200). — 2) T., (Trieste) Hauptfladt des gleichnamigen Gouvernements, 
ördlichen Ende des adriatiichen Meeres und an dem nach ihr benannten 
bufen, unter 45° 33° 37" NR. Br. und 139 46' 27" D. 8. (von Green: 
aus), mit 56,000 Einwohnern. Während die Altfladt unregelmäßig gebaut 
igt die weit größere Neuftadt (Therefienftadt) herrliche gerade Straßen von 
bertriebener Reinlichkeit und fchöne große Pläge, unter denen fidy befonders 
traße des Corſo, der rothen Brüde und des alten Lazareths, dann ber 
ia mit der Bilpfäule Leopolds I. und der Marftplag mit der Bild⸗ 

arls VI. vortheilhaft auszeichnen. Die fchönften Häufer flehen an dem 
Marta Therefia erbauten Kanal und haben meiſtens hübfche Facaden. 
en merkwürdigſten Gebäuden gehören: die Börfe, mit einem prachtvollen 
e und anderen fchönen Lofalitäten; die Domkirche, fehendwerth wegen ihres 
enthurmed, der an der Etelle eines roͤmiſchen Tempels erbaut ift, von dem 
noch fünf Säulen und Theile der Mauer ſehen kann; die Jeſuitenkirche 
Maria Maggiore, die neuerbaute St. Antonsfircye, das große Theater 
das neue Spital find wegen ihrer architektoniſchen Ausführungen bemers 
yerib, ebenfo dad Tagstheater, eine Art gededter Arena, wo bei Tage 
lt wird, das Mauthgebäude, die beiden Kafernen und das neue 
erh müſſen wegen ihrer Größe erwähnt werden, Unter den Privatge- 
n hält man den Balafı Garclottt und den des Grafen von Montfort Ceinft 
z von Weftphalen) für die fchönften, man zählt aber auch das prächtige 
eſt eum mit 96 Kauflävden ꝛc. zu den audgezeichneten. In Bezug auf 
handel ift I. ohne Zweifel der wichtigfte — des geſammten Kai⸗ 
ates, was die Stadt ihrer Erhebung zum Freihafen u. ihrer glücklichen Lage 
sdanfen hat. Der Hafen, ſchon 1717, als die Stadt nur 5000 Einwohner 
„zu einem Freihafen erklärt, ift ohne alle Klippen und gefchügt durch zwei 
8, von denen der eine durch Maria Therefia auf römifchen Bundamenten 
t und Molo vecchio oder Santa Theresa genannt wurde; auf der Spitze 
tern Molo wurde in neuerer Zeit ein Leuchtihurm, eine Säule von 110 Fuß 
und 16 Fuß Dide, aufgefünrt Bon dem Golf aus zieht fich der oben 
inte Kanal, welcher 9— 10 Fuß tief gehende Schiffe aufnehmen fann, in 
‚berefienftabt Bid zu den Kaufmanndmagazinen. Hier wird ein großer Theil 
rohen und verarbeiteten Produkte des eigentlichen Defterreich®, Illyriens, 
vatiend, Ungarns und Italiens aufgeftapeltz Feld, Wald, Berg, Stadt und 
‚ mit de fleißigen Händen, ergießen die Schäpe ihrer Induftrte in dieſes 
reine Baſſin, von wo aus fie dann wieder in alle Weltgegenden weiter vers 
n werden. Auch bie Provinzen des ſchwarzen Meeres, die Türkei, Griechen- 
und Aegypten fenden ihre Erzeugniſſe in beträchtlichen Ouantitäten auf den 
t von T. Eingeführt werden: "der, Kaffee, Del, Baumwolle, Getreide, 
:, Barbewaaren, Droguen, Eüpdfrüchte, Häute, ordinäre Wolle, durchfchnittlich 
. 55,000 Etr. ıc. Wie fehr T. in Anfehung der Bevölkerung, des Handels, der 
ſtrie und des Reichthums ftieg, mag aus Nachſtehendem erbellen. m %. 1753 
T. nur 6424 Einw. ; bi8 zum 3. 1808 war die Bevölferung ſchon auf 40,862 
gen. Als während der frangöfifchen Herrfchaft der Handel In Verfall gerieth, 
die Einwohnerzahl bis zum Jahre 1814 wieder auf ungefähr 28,000 herab, 
in wenigen Friedensjahren hob ſich diefelbe fo, daß fie 1820 auf 43,360, 
auf 58,780, 1837 auf 70,208 und 1839 auf 75,551 (inclufive des Eleinen 
zebietes) ftand. Die Ausfuhr des Handels betrug Im Jahre 1770 nur 
‚000 fl., flieg aber bis 1803 auf 29,210,470 fl., fiel jedoch wieder 1813 
uf 447,844 fl. herab. Nachdem Defterreich Beſitz genommen hatte Rieg ie 
dings und zwar 1820 fchon auf 18,012,819, 1830 auf 35,159,205 und 1836 
15,363, 911 fl. Nach einer Angabe des jüngft verftorbenen Geographen Balbi 


243 Triglyph — Trigonometrie, 


erreichte der mittlere jährliche Betrag der Ein« und Ausfuhr 3.6 in den Jahren 
1831, 4832 und 1833 die Summe von 84,000,000 fl.; demnach war der Handels: 
verkehr während dieſes Zeitraumes in dem einzigen Hafen von T. faft doppelt fc 
groß, als im Jahre 1826 in allen Häfen Spaniens zufammen; beinahe & färfer 
als im Jahre 1825 der Gefammtverkehr der Häfen im merifanifchen Bundesftaate 
und um + geringer, al8 im Jahre 1824 im Hafen von Rew: York, dem größter 
Handelsplape von ganz Amerifa. Yür die Eins und Ausfuhr der Jahre 1834, 183: 
und 1836 erfcheint die Mittelfumme von 98,260,000 fl. Im Jahre 1843 Tiefer 
8513 Schiffe ein u. führten Waaren ein um 58,300,000 fl.; aus liefen 8321 
Schiffe und führten um 43,500,000 fl. Waaren aus, fo daß der Befammtver: 
kehr T.8 101,800,000 fl. darftellte, der fidh aber im Jahr 1846, wo 8611 Schiffe 
anfamen und 8648 abgingen, bereitd auf 221,000,000 fl. C. M. erhob. Di 
meiften Schiffe waren griechifche, öſterreichiſche, neapolttanifche, päpftliche ıc. — T. 
das zu Deutfchland gehörende, raſch und doch befonnen vorwärts ſchreitend 
hat cin, wegen feiner hohen Nützlichkeit ausgezeichnetes, Inftitut in dem öfter: 
retchtifhen Lloyd (ſ. d.); zu den vorzüglichften Iiterartichen und Unterrichts: 
anftalten gehören: die Real» und nautiſche Echule, an welcher im Jahre 
1817 von Kalfer Franz I. der erfte Lehrftuhl für Erbauung von Hanbelsfchiffen 
errichtet wurde; fie zählt 13 rofefjoren und Lehrer und befigt ein reichhaltigee 
naturbiftorifches und phyſikaliſches Cabinet. Ferner find bier: eine Mädchen: 
auptſchule, eine NRormalfchule für katholiſche Jünglinge, eine ander 
auptfchule für Katholiken, eine Hauptfchule für Jeraeliten, eine Hand 
werferfchule für Arme in der BVohlthätigkeitsanftalt, ein Symnaftum, ein 
öffentliche Bibliothek, ein botantfcher Barten, das Kabinet dei 
Minerva (eine literarifche Geſellſchaſt) mit einer ausgewählten Bibliothek unt 
einem eigenen Jornale, dem „Archeografo triestino“, in welchem geographifd 
und hiftorifhe Abhandlungen über T. und Iſtrien ericheinen. Auch an at: 
fammlungen ift T. reich; von denfelben find aufzuführen: die werthvolle Bibliothel 
von De Rofetti, in der die verfchiedenen Ausgaben fämmtlicher Werke Petrarca’e 
und Aeneas Eylvius Piccolomint’8 (Pius 11.) aufbewahrt werben; die Samm: 
lungen von Münzen und hetrurifchen Bafen des Herrn Fontana; das Herbarlum 
der Herren Biafoletto und Tommafini. — Obwohl der Boden um %. ziemlid 
unfruchtbar ift, wird doch der Fremde angenehm überrafcht durch die fchönen 
Umgebungen der Stadt, wo zahlreiche, herrliche Lanphäufer, namentlich im Thale 
S. Giovanni, zwifchen Fünftlichen, mit wonnigem Grün bevedten Hügeln, Reben: 
gängen, Eypreflen, Pinien, Feigen- und Granatbäumen liegen. Zu den intereflan- 
teren Landhäuſern gehören: die Billa Neder, früher Eigenthum von Hieronymus 
Bonaparte und Die Billa Bacciocchi, welche in den Befit von Murats Witte 
kam. C. Arendts. 

Triglyph oder Dreiſchlitz nennt man in der Baukunſt und zwar in der 
doriſchen Saͤulenordnung eine Art Balkenkoöpfe oder hervortretende Tafeln, welche 
in der Mitte zwei herabhängende Vertiefungen (Schlitze) haben, an den Eden aba 
abgefantet find. Bol. den Artifel Säulenordnung. 

Trigonalzahlen, |. Bolygonalzahlen. 

Trigonomefrie (Dreiedmeffung), beißt derjenige Theil der Geometrie 
welcher lehrt, wie man alle Triangel oder dreieckige Figuren nach ihren Winkelr 
u. Seiten vermefien fol. Sie zerfällt: 1) in die plane oder ebene, welche ſich mi 
der Berechnung ebener Dreiede befchäftigt; 2) in die fphärtfche, die fich mit dei 
Berechnung der fphärifchen Dreiecke abgibt; 3) in die ſphäroidiſche, die fich mi 
Berechnung der fphäroidifchen Dreiecke abgibt; 4) in die Bolygonometrie, di 
aus den gegebenen Seiten u. Winkeln eines Vierecks, die übrigen durch Rechnung 
finden lehrt. Die anfenoifienfhaften der 3. find: Gontometrie(f.d.), Cyklome 
trie, daß tft, der Inbegriff der Formeln, welche die Relationen ver Kreisbogen u. de 
ihnen zugehörigen geraden Linien darftellen u. Eyflotechnie, d. t. die Anwend 
ung ber eyHlometrilchen Formeln auf die numertiche Berecynung der zu den Kreis 


Teiler — Trilogie, 249 


bogen gehörigen geraden Linien u. umgekehrt. — Trigono metrifche Tafeln find 
ſolche Zafeln, weiche für alle Grade des Duadranten (f. d.) die Sinus, Co⸗ 

‚ Zangenten, Eotangenten u. f. w., alfo die trigonometrifchen Linten ſelbſt, 
in einer beſtimmten Anordnung enthalten, wobel der Halbmeffer (Radius) gewöhn- 
PA der Ginheit, oder auch gleich 10000000 angenommen worden iſt. 

trigonometrifchen Tafeln findet man jebt theils befonders, theils aber auch, 
uud wohl am meiften, den verfchienenen Logarithmentafeln beigegeben. — Die 
T verdankt ohne Zweifel ihren Urfprung der Aftronomte (f.d.) und das Meifte, 
was man davon bei den Aiten findet, betrifft die ſphäriſche T. Im 11. Jahrhundert 
fingen die Araber an, der T. ihre jetzige Geftalt zu peben. Erſt im 15. Jahr⸗ 
hunderte (1423) berechnete Burbach für die Sinus eine Tafel und fein Schüler 
NRüller (Regimontanus) ſchrieb 1436 „de Triangulis“ die erfte vollſtaͤndige ebene 
mb ſphaͤriſche T. Rhäticus führte zuerfi Secanten ein und berechnete Sinus, 
Zangenten und Gecanten. Auch haben ſich Landéberg und Snelllus um 
ve 3. verdient gemacht. Durch die Anwendungen der 3. auf faft alle Theile 
vr angewandten Mathematit lernte man fie immer mehr entwideln. Die 
Unalyfid auf die T. angewendet findet man In den Lehrbüchern von Käftner, 
Karen und Klügel. 

Triller (ital. trillo), der fchnelle und gleichmäßige Wechſel zweier neben» 
Auander liegenden Töne, ift in der Singfunft eine der angenehmften, aber auch 
ver ſchwierigſten Verzierungen, oft nur durch viele Uebung und Mühe zu erlernen, 

b er auch für eine reine Raturgabe erklärt il. Der T. behauptet man, 
war fchon den Alten, doch wohl nur den Römern, unter der Benennung vibrare 
md vibrissare befannt, wenn man nicht die, angeblich von Timotheus zur Zeit 
ws Sophokles gemadhte, von Ariſtophanes mit dem &ı EiAiooere verfpottete Er⸗ 
Ag, mehre Töne auf eine Syibe fingen zu laffen, gleichfam gewaltfam Dieberziehen 
will, der Bedeutung von trillern, oder die Stimme fehnell und zitternd bes 
wegen, erjcheint vibrissare in den Yragmenten des Titinnius; im Plinius findet 

, vor „sonus vibrans lusciniae“ der trilleinde Schlag der Nachtigall. Damit iſt 
freitich noch nicht die Exiſtenz unſers heutigen T.s nachgewiefen; allein, da der 
T. an fidy mehr von der Ratur egeben, als durch Kunft erworben wird, fo mag 
immerhin die Erneuerung berfe en dem ©. Luca Gonforti von Milet, weldher 
am 4. Rovember 1491 als Sänger in bie päpftliche Kapelle eintrat, zugefchrieben 
werden. — Der 3. befteht wefentlicdh aus einem obern, höher liegenden, oder 
vem Hülfston und aus einem untern, dem Hauptton, die von einander um 
einen ganzen oder halben Ton entfernt find. Ber untere Ton trägt, nach dem 
geruhlichen Ausdruck, den T., der in ver NRotenfchrift mit tr-——- angezeigt wird. 

e Ausführung fängt bei dem einen oder andern, gewöhnlich aber, der größern 
Reinheit wegen, bei dem obern oder dem Hülfston an. 

ATrillmeiſter, hießen im Mittelalter und auch noch fpäter, bis nad) dem 
vreißigjährigen Kriege, diejenigen Kriegsleute, deren Geſchäft es war, die junge 
Manniyaft im Gebrauche der Waffen und im Ererciren abzurichtn. Im der 
Echweiz hat ſich die Benennung für die Ererzirmeifter der Miliz noch bis in die 
neuefte Zeit erhalten. Abzuleiten iſt das Wort von Trillen, ie viel ale: fi) um 
Heinlide Dinge befümmern. Vgl. „vie Trillfunft, das iſt Friegsübliche Waffen- 
band ung der Mousquetire und Piqueniere“, Nürnberg 1664. 

Trilogie (Dreivichtung), iſt in Beziehung auf die alte griechiſche Tra⸗ 
gödie eine Dreiheit von Tragövdien, welche an einem Tage zur Aufführung 
gebracht wurde. Wurde noch ein Satyrfpiel ald viertes Stuͤck hinzugefügt, fo 
nannte man das Ganze eine Tetralogie Cieriehtung). Der Scholtaft ded Ari⸗ 
ſophanes (ad ranas 1142) berichtet: „Die Divdaskalten nennen die Oreſtias 
(6 Aeſchylus), nämlich den Agamemnon, die Chosphoren, die Eumeniden und 
8 Satyrſpiel Proteus eine Tetralogie, Ariſtarchus und Apollonius nennen T., 
wenn kein Satyrfpiel vorhanten if. Rebteres iſt wohl nur eine allgemeine Be- 
wrhung, aus welder Kaum hervorgehen möchte, daß damit ver Drehkod dod 


20 Triberg — Trinidad, | 
Satyrfpiel abgefprochen fei. Es handelte fi nur um eine Erklärung des Aus⸗ 


drucks Triologia, im Gegenfab der von den Divasfalien genannten Tetralogia, 
woraus allerdings die Folgerung abzuleiten ift, daß die Griechen 3 Tragödien, 
auch ohne Satyrfpiel, zur Aufführung gebracht haben. Die Dreiheit liegt ſchon 
in der Lenennung T.; auch hatte ja Aeſchylus 70 Tragödien und 5 Satyıfpiele 
geichrieben, was in feinem Berhältniß fände, wenn immer 3 Tragoͤdien, mit einem 
atyrfpiel Hätten verbunden feyn müſſen. Es ift nun zwar anerfannt, daß es zwei 
weſentlich verfchienene Tetralogien gegeben habe: foldye, wo bie drei, dem Satyr⸗ 
Ipiele voraudgehenden, Tragödien einen innern Zufammenhang haben und vers 
eint ein großed Drama bilden; dann ſolche, wo die 3 Tragddien, außer dem 
Tage der Aufführung, Nichts mit einander gemein baben; allein hierauf läßt ſich 
auch wohl nicht ein Unteriehieb awifchen 3. und Tetralogie gründen, daß näms 
lich 3. der Inbegriff dreier wefentlich ‚ufammenbängender Tragödien 
u einem Fünftlertihen Ganzen geordnet und die eigenthümliche Kunftform bes 
eſchylus ſei, unter Tetralogte aber ausfchließlih nur unzufammenbängende 

Stüde verflanden werden müßten. Was mit Grund zu behaupten iß, —* 
nur etwa darin, daß zur Zeit des Aeſchylus die T. oder Tetralogie im innern 
Sufammenhange die herrfchende Form geweſen ſei, von weldyer Sophofles da⸗ 
duch abwich, daß er nicht mit T.n oder Tetralogien, fondern mit einzelnen 
Tragödien den Wettlampf begann. Suidas fagt dies auch ausdrücklich unter 
dem Worte „Sophofles*. Der Beweis aber, daß T.n und Tetralogien theils 
zufammenbängend waren, theils nicht, ergibt fi) aus den vorhandenen Tragödien 
felbft, namentli aus der Dreftiad des Aeſchylus und den Tetralogien des Eus 
tipides, welcher, als Nachfolger des Sophokles, zu der alten Form zurüdfehrte, 
ohne an eine innere Verbindung der Tragödien zu denken. Daß übrigens vie 
Stüde einer 3. und Tetralogie Immer an Einem Tage aufgeführt wurden, ift 
als entfchieden anzunehmen, weshalb denn auch jene Stelle des Diogenes Laer⸗ 
tius (in vita Platon.), woſelbſt von einer vereinzelten Darfiellung jener 
Stüde die Rede iſt, an den ohnehin unrichtig angegebenen Feſten, für unterges 
fhoben erklärt if. Wenn aber nach den Argumenten der Komödien des Arifto: 
phenes im Wettlampfe der Tragifer mit T.n und Tetralogien gewöhnlid drei 
Bewerber aufzutreten pflegten, fo ergibt fi) daraus die Bermuthung, daß die 
dramatifche Feſtlichkeit aus mehre Tage wird vertheilt geweſen ſeyn. Vgl. auch 
G. Hermann, De compositione tetralogiarum, *eipzig 1819. 

Trimberg, ſ. Hugo von T. Hugo 5). 

Trimeter, Dreimeffer, ein jeder aus 3 Füßen beftehende Vers. Hienach 
bat man einen trochälfchen %. — u— u— u, einen jambifhen — — u— 
u.f.w. Lebterer, in drei Doppelfüßen dargeftlt u— u— u— uv— U—U—, 
ift die Versart der griechtichen Tragödie und Komödie, auch in der Gefcyichte 
der jambifchen Metren zuerft Fünftleriih ausgebildet (vgl. JSambus). Zur 
epiſchen Erzählung aber wurde er von den Griechen nicht verwendet. 

Trincavela, Victor, ein berühmter Arzt zu Venedig und geünbliiper 
Kenner der griechiichen Sprache, geboren 1496, ftudirte zu Padua u. Bologna u. 
ließ ſich hierauf in Venedig nieder, wo er bei einer Epidemie, die die Infel Mu- 
tano verheerte, ſich fo thätig erwies, daß er bald einer der befchäftigteften und 
wohlhabendften Aerzte wurde. 4551 verſetzte ihn der Senat als Profeſſor nad) 
Padua, von wo er 1568 wieder nach Venedig zurüdfehrte, aber noch in demfelben 
Sabre farb. Er war ein grober Anhänger der arabifchen Medizin, die er mit 
vielem Scharffinne vertheidigte; indefien muß man von ihm anerkennen, daß er 
viel dazu beigetragen bat, die Dunkelheit in der Wiflenfchaft zu zerftören und der 
griechiichen Medizin Gerechtigfeit widerfahren zu laffen. Seine Schriften erſchie⸗ 
nen gefammelt unter dem Titel: „Opera omnia“ (yon 1586 u. 1592, 2 Bde., 
Fol.; Benedig 1599, 3 Bde., Fol.). 

Trinidad, die fünlichfle und größte unter den Eleinen Antillen (ſ. d.), 
mit 113 [I Wellen und: 60,000 Einwohnern, von dem (ühawerilaniicen Con⸗ 


nn 


Trinitaͤt. 251 


tinente durch den Golf von Paria getrennt, gehört nicht zum Bergſyſtem ber 
Antilien, fonvern if ein Beftandtheil des Fefllandes von Süpamerifa. Die, auf 
der nörblichen Seite der Inſel binziehende Bergkette, welche fi) bie zu 3000’ 
erhebt, iR eine Fortſezung der Küftenkette von Benezuela; das Innere fl flach, 
die Eirfüe bapegen flelgt wieder zu einer minder hohen Bergkette an. 338 
Jamaila if te größte britifche Infel Weſtindiens und hat eine, wenn au 
gehörig auögebreitete, günftige Lage vor den Mündungen des großen Orenocos 
mes. Der gan Golf Paria ih als ein großer guter Hafen zu betrachten, 
während auch T.s Weſtküſte reich ift an Rheden, wie ort Royal und Port 
of Spain, mit der Hauptfladt des Bouvernements gleiches Namens. T. iſt 
sulfaniich, Klima und lanenreich find mopigh. Die Stapelprodukte find: 
Juder, Kafe, Baumwolle, Rum, Gacao. Die weiße Bevölkerung ſpaniſcher 
— ehr pering gegen die farbige. Die Einfuhr überfleigt die Ausfuhr, 
Die tung iſt in fo fern verfchieden von den übrigen britifchsamerifanifchen 
Kolonien, al der Bouverneur volfommener Selbftherricher iſt. Die Rechröpflege 
wird fpanifchen Belegen verwaltet. Die Infel hat englifche Garniſon und 
entlichen Einnahmen und Ausgaben gleichen ſich aus. Die fas 
ölterung hat einen apoftolifchen Bifar. — Die Infel kam 1796 aus 
der Spanier in den der Engländer. Br. 
Teinität, Dreieinheit, Dreieinigkeit (welcher Ausdruck mehr fagt, als: 
Feen. Triplicttät), d. h. Einheit in Dreiheit und Dreiheit in Einheit. — 
Die ge Boolle, über menfchliches Begreifen hinausgehende Lehre des Chri⸗ 
‚ daß in dem Einen göttlichen Helen (ovcia, essentia), oder in der 
göttlichen Subſtanz (substantia) drei Perfonen (Urooraceıs, personae 5, 
), d. i. drei, als denfend und wollend, Individuell für ſich Beſtehende 
— welche nicht weſentlich, weder vom göttlichen Weſen, noch von einan⸗ 
ke, fondern uur nlich, aber ale Perjonen viel von einander verfchieden find, 
Ein Anderer (alius) ift (wenn gefragt wird: wer?) der Vater, ein Anderer ber 
ein Anderer der heil. Geiſt; aber Keiner verfelben ift (wenn man gefragt 
win: was if der Eine und Andere?) ein anderer Gott. Die drei Perſonen, 
einander dem Weſen nach völlig gleich (öuovcıo:, consubstantiales, nicht duorov- 
cıı, similes), fo daß der Sohn lic ewig, almächtig, allwiſſend, allgegenwär- 
iR mit dem Vater, der Geiſt daſſelbe mit Vater und Sohn und die Eine 
Perſon dem Weſen nach, d. h., fofern fie Wefenheit u. Beftändlichkeit hat, nicht 
koch dem perfönlichen Unterfchieve nach, ganz In der andern iſt, (welches Ver⸗ 
hältniß circuminsessio, d. 1. das Sneinanderfeyn, genannt zu werden pflegt). — 
Dieje drei PBerfonen, wird gelehrt, machen das abfolute, einfüche, untheilbare 
göttliche Weien aus. Der Sohn, gleich ewig mit dem Bater, if vom Bater 
nicht gefchaffen, wohl aber aus feinem Wefen gezeugt (genitus, non factus) ; ber 
Geh wird vom Bater und Sohne gehaucht (spiratus) u. geht fo aus (procedit) 
von Beiden. — Diefe Lehre, foweit fie dem Sonne die Wefenheit mit dem Bater 
vindicirt, wurde feftgeftellt auf dem Concil zu Nicäa, im Jahre 325, gegen Artus, 
ver in einer Schrift, betitelt: „Thalia,“ die Meinung ausgefprochen Taite, Gott 
habe, ums die Welt zu fchaffen, den Sohn zuvor aus Nichte — LE oun Övrwv 
— erfhaffen, und auch feftgehalten gegen die Semtarianer (Eunomianer, oder 
Aerianer, weldye die Meinung vertheidigten, der Sohn fel dem Vater duoov- 
9105, d. k dem Weſen nach Ahnlidy); — was fie vom Geiſte enthält, das wurde 
fihlich fanctionirt auf dem Concil zu SKonftantinopel, im Jahre 381. Gegen 
vu Macedonius und feine Anhänger, die fogenannten rvevuaroudxoı, d. 1. 
Bereiter der PBerfönlichkeit des heil. Geiftes, deren Arlom war: Spiritus S. est 
mi genitus aut non; si genitus: duo filii, si non: duo patres. Neutrum con- 
w@ditur, tertium non datur; ergo Spiritus S. est vera vis, de qua scriptura 
s tropice loquitur. Sie wollten fagen: erhält der heilige Geift perfünliche Subs 
Ray, fo wırd er, wie der Sohn, gezeugt, d. h. es wird ihm das göttliche Wer 
fa mitgetheilt; es Fommca aljo in bie Dreieinigkeit zwei Soͤhne und oc Wxt. 


7 


ii 


F 


Die garge Lehre if welt erörtert: worden von “einzelnen griechiſchen ım 

—— Klrchenvatern, ı. V. von Baftlius, ——c— Cora! (orat! 2. contra. Arl 

arts, de’trin.; von Mugu fin, de der ledtere will fie and 

—2 jränden. S. unten. — ir merten bier Einigeß an: 4) Uebe 

denK der Lehre and einzelne, darin zu — 
Begriffe. ©) Perſon: Bölhius, De duabis naturis Christi, befinirt di 

riff: rationalis natirae individuae substantia, d. h. das, was alß ein Sn 

—X in untheilbarer Einzelheit, und war ale vernünftig: 366 Inbividunm, nich 

a wie das auch ein Nichtdenlendes en Fatın, für ſich be 

— unterſchieden Anfangs zwiſchen odsia und Urdorası 

fo_genan, hl die Lateiner, ale welche Urooracıs nicht durch substantis 

mn Burd) person Äberfetten u. alfo fagten: es fei in ber Gottheit una sub 

u ie, it a Ibet tres substantiae, während bie ortentaltichen Karo 

t ap rosa beibebtelten. eronymus 9 — ſoga 

rtefe an den Baht Damafus genauere © 

des Ausdruds zu erbitten. b) Der Bater wirb —3 


der Sohn oder das Wort principium ineipio, Vater und Sohn prineipi 

Hu sanoti jenannt —8 der ——— causa wieder vermieden, wiewohl di 

Baftlins, or IE von %, Job, von Damaskus ı, ‘x auch da 

Bi: — fagt man nicht, es ſeien in der eu] 
wei iate; eateiner | auch, daß der Vater den Sohn und Belt 

Fe en een Ben En net: 0} Ai wei —— N 

tl — vier origines, 

— iv passiva; Ai - Bater und Sohn, Kir spiratio activa, Eis Tha 

Banns und ded Gohned und pässiva, das Gezeugtwerben, wodurch de 

3 ger zerfönlich wird. — Bier relntiones, Beichungen, nämlich: aa 


tas, "Baterfchaft; bb) Aileti Sohnſchẽ ) die spiratio aclivs, wodute 

ater: und Soßn —* —— Ko im "Seinen zugleid 
ta Beziehung ae t werben zum Heiligen @eifte, deſſen Berjönlichwerben dd) di 
spiratio rn Generatio id. #1 Ei acliva fft zugleich generati spirati 


acliva in ung af, auf ven be © Self. Es bleiben alfo, der vier Relationen um 
geachtet, pi dre —— porsonales: innascibilites 
dyevvı das ng en des Baterb; fliatio, das Gezeugtiey: 
oder die Sohnfchaft; spiratio passiva, das Be — 2) Weber da: 
—— und bie Wahrheit der FR Tre — Die Lehre iſt theils am 
der heitigen Schrift gefhöpft, thells mit zBnliofophie In Berbiriung gebrach 
®), “ ——— trd bewieſen, a) vom Sohne, vaßer m) Da — 


Adyoy alfo etwas Geifigeß, der göttlichen Intelilgenz von Emigfel 
—— ek; 3. 1, 1. Berg. Brov. 8,22., „der Herr dar mid geb as 
zn A wie die Arianer wollen. von Anbeginn, che er Etwas machte. 
27. 9.43 Ib 8, 58. 6, 63. 17, 5. bb) Daß er gezeugt ffi 
—* 2%, 7 109, 3.) Jon 1 1 14 Over. Gingeborene) und cc) daß er das Eben 
BL d ‚Gottes iſt De 3.5; Job; 14, 9.; Kol. 1, 15. Diefe Vorſtellung ſuch 
Em — v fräeflen Rirchenlehrer; Zufinus M., Athenagotas, Tatlan 
. zu erläutern, zu ‚begründen. 6) Bom Seife: daß er aa) ein 
ErES "oh. a 17. 26. 15, 26. 16, 13.; Röm. 8. 46, bb) Daß er Go⸗ 
19.5 Att. 5, 4.; Bit, 28, 1 Kor. 13, 13. (1 
N 5,7). 2 2 er aus gehe, Joh, 15, 26, — Y ER der Bernunf 
ya bi die Fr verſtaͤndiich zu machen gefucht insbeſondere Auguftin, nicht bie 
ihern „De trinitate“, fondern auch in anderen ien, 3- „D 
ordine, Pr religione* ü. a., dem er platonifche Idern eingewebt hat. &: 
Alles was iſt, ift-unum, verum (denkbar) bonum, ſich mit fi eintgend, —9— 
{mm mn lebend, Daher auch die Harmonie, Didnung oder Regelmaßtgk 
rän! en: im &, Be. Was if, if Eins durdy die Form — dm 
FH [2 Sein verbunden. Wie dieſe Triad cm ten Timm 


Trinitaͤt. 253 


ſich darſtellt, obwohl die Einheit hier noch durch die Materie auseinander gehal- 
ten wird, fo legt fie fich auseinander und einigt fie ſich wieder in den geift gen 
Natura: in dieſen iſt Seyn oder Kraft, ſodann Denken, ald Form, und endlich 
Wille oder Liche. Diefer Trias tft die Einheit als Zwed gegeben; das höchſte 
Srya iR das Einfachſte (Geiſtigſte). Das Denken, die Logik, bezieht fich auf 
die Einheit. Das Wollen hat ehenfalle Einheit zum Gefege — wonach) auch 
die drei Wiffenfchaften: die Phyſik, Logik, Ethik, fi an einander anſetzen. Wir 
ſihn alfo Hier den Wiederfchein der göttlichen Dreteinheit; auch in Gott if 
Sean, Erkennen, als Form des Seyns und ein Band zwifchen Beiden, die Liebe 
oder der Geiſt. — Wie man flieht, hat man in diefer Erpofition nicht blos Er⸗ 
Wutenmgen des Dogma aus der Vernunft, fondern die, in ein Philoſophem ges 
faßte, fpefulative Ertlaͤrung der Dreieinigkeitslehre, oder dieſe letztere fogar als 
Prinzip der Philoſophie vor fih. Wir Tonnten diefer philoſophiſchen Erklärung 
anch neuere, aus den neueren philofophifchen Schulen, 3. B. der Kantiſchen und 
Schelling ſchen, an die Seite fegen, wenn wir nicht die Behauptung ver 
Scholaftifer unterfchreiben müßten, daß die menfchlifche Bernunft, mit ihren 
Borfchungen über Natur u. Geift, auf die chriftliche Dreieinigkeitslehre durch ſich 
flbR nicht Tommen könne. Sie fommt höchftend auf eine Triplicität (auf drei 
Verſchiedene) und, wenn fie audy drei hat, fo kann fie doch nicht verbürgen, daß 
diefe lebendig find. Nichts defto weniger It 6) auch die Kirchenlehre mit 
Spekulatſon verfept. Sie betrachtet den Vater als abfolute Macht, ven 
Sohn als das Erkennin des Vaters, (dad Wort), den Geift als die, Vater und 
Eohn vereinende Liebe. Es wird gelehrt: aa) Gott ift zwar wefentlic Intelligenz 
und Wille (daſſelbe find alfo alle drei Perfonen, eine wie die andere), aber als 
Bater erfennt Bott fi jelbft und Alles, was in feinem Wefen enthalten iſt 
(alfo auch die möglichen Dinge) mit der scientia necessaria (nicht libera, oder ber 
seientia visionis), während er dad Wort (die Urvernunft, den Logos) producirt 
md fein Erkennen gleichfam in den Sohn hinein erfennt. Das väterlidhe Er- 
tınnm ift ſonach ein perfönliches und perfonbildendes (erzeugende6) und die das 
dur produeirte Perfon haucht, in Gemeinfchaft mit dem (ebenfalls hauchenden) 
Bater, den liebenden Geiſt, der mit den beiden anderen Berfonen den gleichen An⸗ 
theil an der Gottheit hat. So wird denn dad wesentliche, jeder der drei Per⸗ 
icnen zulommende, Erkennen und Wollen (Lieben) von dem hypoftatifchen und 
yerfonbildenden unterjchieden, zwar nicht realiter (dem Weſen nady), aber doch 
ratione (dem Begriffe nach). — Hieraus foll nun Lb) noch manches Andere ver⸗ 
ftändlich werden und zwar beſonders Folgendes: aa) warum in der Gottheit 
nur zwei Broceffionen (die de8 Sohnes und die des Geiſtes) feien; zwei nämlich 
darum, weil die erfte nach der Form des DVerftandes, die zweite nach der Form 
des Willens erfolge; 23) warum der Sohn ald die zweite, der Geiſt ald die 
triste Perfon zu fegen fel; dieß hat nämlich darin feinen Grund, daß der Ver⸗ 
Hand dem Willen vorangeht. Wetter fol hieraus erhellen yy) daß es nicht 
ganz fchilicy fei, zu fagen, der Sohn werde aus der Natur des Vaters gezeugt, 
als ob der Vater paffiv jet (mad dem Irrthume der Aloger Vorſchub thue) ; 
man müfle ſich nämlich die Zeugung als einen geiftigen Akt denken. Auch dürfe 
man nicht fagen, der Bater zeugt und Bater und Sohn fpiriren mit freiem Wil- 
im, al8 ob der Wille das (öaffende Princip wäre, fondern es fet zu fagen: fie 
hun es als Wollende (der Wille begleitet nur den Akt). Endlich ol ſich 
bieraus 55) krgeben, daß die lateiniſche Kirche mit Recht den Ausgang des Gei⸗ 
Red nicht nur vom DBater, fondern auch von dem Sohne (filioque — iſt zu dem 
‚procedit ex patre“ des Nicänifchen Symbols hinzugefebt in dem fogenannten 
Ibanafianifchen Eymbolum) gegen die neueren Griechen (welche, das Athanaf. 
Eymb. als apokryphiſch verıperfend, lehren: der Geiſt geht vom Vater au durch 
da Sohn, per filium) behaupte. Denn der Wille gebt vom Berftande aus und 
R vom Berftande durchbrungen. (Belläufig: die neuere Spekulation würde bie 
Eiche oder ben Trieb — mithin ben Geiſt — nicht ald das Dritte, \ondern uiels 


ww E03 J 
Eule hab Orte wird auch zugeben müffen, daß Mille u. Liche 
aa et iR.) A Wnen weft En en, als er noch Reſto⸗ 
zinter a der Geiſt mur vom Bater auögehe. Gr warb vom Epheſiniſchen 
Goncitium "im Jahre 431 verdammt und, ba er wiverrief, vom Gomeiltum 
Ghalcedon_im Jahre 451 wieder in bie Bude gemelnſcha ——— 
337 ſeparirten ſich im Jahr 1050 unter dem PBatriarı ER 
lartus, von der lateiniſchen Kirche völlig —— het Mr wir 
fie ie Ausglı ng at men von den Lateinern auf dem cone, Lateran. F 
———— der Eynode zu Won unter Gregor X. verſucht ı 
werden war. Die Pe ſche de ade behauptet, daß ihr, ven Griechen eitg F i 
eotet, Dogma uralt fi tulL contra Praxeam, nicht weit vom . 
je: „tertius est — a fe et Ailio, sicut tertius a  radice, frutex ex fa- 
ee ar, d6 Trial, Ambros. de Spirit. s, 1, 10. August. de trinit. 
tom. 5. homil. 1. Cyrill. Älexandr. thesauri 13, 2,“ Cinen 
St seen! n Bene A da6 6 Dogma entchnen die asien eichenirer aus 


ẽs aus dem Meinen nehmen und Euch verfünd- 
tan (re Ve der —— al nach dieſer Stelle fein Verkündigen, alfo 
en Wiffen md mithin, da BWifen und Seyn Eins find, fein Seyn vom 
Sohne. (Neuere Eregeten —* —* einer] — daß bier nur von einem, 
nad) ber ——— Chrifti zu erwärtenden, Vertundigen des heiligen Geifted u. 
— — Vater, ‚a ma a nr 3 
tfchöpfung, oder von en Handlungen die Rede fe, 
‚übeigend ber Ausbrud: er wird's a ae en Ka 0 ſagen ‚wolle: er 
wird gi euerer Belehrung das benügen, —* euch berells gefagt, was ich in 
euch als Depoſttum leberg t Habe.) y) Entgegengefegt ber SKirchenlehre Cunb 
son der Kirche verworfen) aa) der Monotheiömus, der Ehrifto eine über 
aufalde Perſonlichkeit umd dem @eifle die SBerfönlichteit überhaupt abfpricht. 
(Die Lehre des Hermogenes, Prarens, Böthius, Sabelllus, Paulus Samofat. 
Zbeun Dieſe Männer finden in der oölehre des Evan jeliften Johannes u. 
in der Rede vom zveuua bloße PR ob ſie gleich zugeben, daß Ehti , 
J vom Gott auferwedt und in den Himmel erhöht — fel.) bb) Die Vor⸗ 
I] Chriſtus zwar vor allen Geſchoͤpfen erihirt babe, aber von Gott 
(al® die jeborene aller — 7 der querft exfe zu 
co F der Gott mterworfen iR, 1. Eor. 15, 28), je Lehre des A 
ud bie Meinungen der neueren Irinitarler: Michael Servetus, Geor— Blau, 
rata, Balentin Gentilis, Jordanus Bruno, welche alle verbrannt (I) ven find. 
» Die Richtigkeit der Dreieinigkeitslehre zu prüfen, maßen wir und Her nicht 
Indeſſen wenn fie geprüft werden ſollle, käme es hier nicht darauf a ob 
e log iſche Biderſprüche enthalte, ober nicht (bie Einwürfe, 3. B. an) ob bie 
fan reell verfc pieden ſeyn fönnen, ohne weſentlich verſchleden zu feyn, bb) ob 
der Sohn als egeugt; und ale Gottwefen ungeingt fegn Rome u. Eu 
haben fhon die Sacla fer befeitigt. ©. &bam Zanner: Theologia scho 
vom. 1.), fondern 8) darauf, Y je exe, ne inbet fel. Hier erinnern *3 
en nenere Zweifler: aa) daß fiſteller des N, Gh 
ferlchum — me —* aa) Gott hat allehn 
BTL 
B 2 2. ri 
Beben der ttlichen Ratur —* Alm. BB) Einft fol der Sande we 
den rim. Ihm, dem zuerſt Erftandenen, iſt die Hi Aber — 
— ae, — — nur 43. aA wird en Er hat g58 Bel ), das der 
in 
— & auch geichaffe “ ſchaffen An Bi war er Doc "vor der — md 
Bea Me dr Setlhte Gr Hat ale Im 
jott Priorität vor allen Ereaturen. Barum will man am 
bung Zengung, oder durch Erſchaffang von Bor erhalten hake 


— 


Trinitarier — Trinken. 255 


will ermefien, inwiefern Erhabenheit über allen Creaturen und Erlſtenz vor ber 
Belt göttliche Wefenheit fe, oder nicht? Verſtehen wir beffer, was die Erfchaff- 
mg ſei, ald was die Zeugung? — bb) Müffen wir uns bei den Philofophen 
jepe (naturphilofophtfche) Trinitätslehre, die nicht die meuteftamentliche iſt, ver⸗ 
bürm, wenn fle uns flatt jener etwas Beſſeres bieten will. Endlich müflen wir 
ec) in Beziehung auf Religionslehre erinnern, daß es für den Chriſtenthumsbe⸗ 
kenner nicht die Hauptfache iſt, das Dogma in's Gedächtniß zu faffen Chiftorifch), 
ſendern dieß, vo er die Realität und Wirkſamkeit Derer graube bie im Dogma 
als Berfönlichkeiten genannt finn, um im Tode Chrifti die Liebe Gottes zu er- 
fennen und, von Gegenliebe zu Bott befeelt, ſich mit gottbegeiftertem Geiſte dem 
Ucberirbifchen zuzumenden. Dr. Wilke. 

Trinitarier beißen die Glieder des, von zwei Einfiedlern, Johann von 
Matba und Felis von Valois, in der PBrovence 1198 geftifeten und von Innos 
cenz II. beftätigten Ordens von der heiligen Dreieinigfeit (ordo sanctae trinita- 
is) genannt, welcher, neben den gewöhnlichen Kloftergelübden nach Auguſtin's 
Regel, ſich namentlich auch zur Loskaufung armer Gefangener in Kreuzzuͤgen und 
den mauretanifchen Kriegen verpflichtete; daher die T. auch Fratres de redemp- 
tione captivorum heißen. Die Drbemobefleibung war ein weißer Rod, welchen 
ein rothes und blaues Kreuz zierte. Damit die Ordensbrüder nicht von ihrem 
wohlthätigen Zwecke abwichen, beflimmte die Regel ausdrücklich, daß ein Dritt- 
theil der gefammten Drvenseinfünfte zur Losfaufung von Ehriftenfklaven ange⸗ 
wendet werden follte. Der rüftige Muth, mit welchem der neue Orden, dem ke 
ſchon 1201 andy weibliche Kiöfter beigefellten, and Werk ging, forderte nicht nur 
Ale, die nicht felbft in den Orden traten, auf, ihr Schärflein beizutragen und 
im ſchönen Wetteifer nach Kräften beizufteuern, fondern Männer von hohen 
Berdienfien und ausgezeichneter wifienfchaftlicher Bildung bewarben fich fogar 
um die Aufnahme in diefe Brübergemeinfchaft. Frankreich, welches auf den 
Ruhm, dem Orden das Dafein gegeben zu haben, audy das Recht gründete, ihm 
nah efgener Wahl einen General zu geben und das chriftliche Spanien, welches 
bet feinen fleten Kämpfen mit den Sarazgenen durch eine ſolche Anftalt nur ges 
winnen konnte, wendeten den unermüplichen Mönchen ihre befonvdere Borltebe zu; 
aber auch in England, Deutlchland, Stalten, Portugal, Ungarn und Polen, felbft 
in Amerifa wurden Trinitarterflöfter geftiftet und im 18. Jahrhundert befaß ver 
Orden, mit Inbegriff der bei Gelegenheit feiner Reformen in Spanien geftifteten 
u. feit 1636 unter einem eigenen Generale ftehenden Trinitarter-Barfüßer, in Eus 
ropa 300 Klöfler. In 437 Jahren (bi 1635) hat derfelbe 30,720 Sklaven 
Ioögefauft. Doch, mit der Zeit erfaltete auch diefer fromme Eifer und da die 
erſte Begeifterung für den urfprünglichen Zwed nie wiederfehrte, fo- mußten alle 
neueren Sabungen unwirkſam bleiben. In Spanien und Portugal, wo die T., 
a.ner Amerika, noch die meiften Klöfter hatten, hat auch fie das allgemeine Loos 
der geiftlichen Orden getroffen. 

Trinken ift die Aufnahme einer aröfem Maſſe Flüffigfelt auf einmal; dies 
gefchieht auf drei verfchievene Arten. Als Schlürfen, nad Art des Saugend 
der niederen Thiere, durch Einathmen, indem die, auf eine enge Spalte aneinans - 
der gefchloffenen, Lippen an die Oberfläche des Waſſers gehalten, oder in daſſelbe 
eingetaucht werben; wie 3. B. bei den Einhufern, Wiederfäuern und Schweinen. 
Als Aingießen ‚ dies geſchieht, indem die Flüßigkeit entweder durch ihre 
Schwere in den Mund herabfließt, wie bei den Vögeln, welche den eingetauchten 
und an feiner Spige gefüllten Schnabel in die Höhe halten, um dadurch die 
Flüſſtgkeit zurüdfließen zu laffen, oder durch einen treibenden Körper hineinge- 
worfen wird, nad) Art ver Fleiſchfreſſer und Affen, welche die heraudgeftredte 
md ausgebreitete Zunge eintauchen, an der Spike umbeugen und mit ber ges 
Khüpften &lüffigfeit fchnell in die Mundhöhle zurüdzteben. Als Mittel zwiſchen 
Shlüärfen und Eingießen, unter dem Beigebrauche eines befondern Wert: 
zenges — der hohlen BHanb ober eines Geſchirres — die Trintwelle ded Men« 


—— 


% 


fchen, welche dadurch gefchieht, daß verfelbe die Unterlippe an das Geſchirr, bie 
Oberlippe an die Oberfläche der Flüffigkelt legt und dann mit en 
Zunge eine Athmungsbewegung macht, worauf fiy die theils eingegoffene, theils 
eingefogene Hlüffigfett in der, durch die aufgeftiegene Zungenwurzel u, das herab» 
gezogene Gaumenfegel nad) hinten abgefchlofienen, Mundhöhle fammelt und end» 
lich verfchludt wird. Weber Trinkbeduͤrfniß, ſowie über Qualität und Duantität 
ber, natürlichen und Fünftlichen Getränfe handeln die Artifel „ Durft und Ge⸗ 
tränfe. u. 

Trio, ein Inſtrumentalſtück mit drei weſentlichen, d. i. obligaten Stimmen, 
das eigentliche Concertant⸗T.; dann aber auch mit zwei Hauptſtimmen und der 
Bafbegleitung, oder mit einer Hauptſtimme und zwei begleitenden Stimmen, mit⸗ 
unter Sonate a tre genannt; endlich bei einer Mennuett der fonft dreifiimmig 

efegte, mit dem erjten Theil derfelben abwechfelnde und entfpredhende Sap, bie 
ogenannte Menuetto alternativo oder secondo. Yrüher hatte man, nach Bers 
fhievenheit des Styls, Kirchen und Kammer⸗T.s. Bol. Terzett. 

Triole, eine Notenfigur, in welcher drei Roten gleicher Battung nur ben 
Zeitwert von zwei dergleichen Noten haben. Das Berhältnig it alfo wie 3 m 
2,3. B. 3 Achtel flatt 2 Achtel auf 1 Viertel. In der Wusführung der 3, 
welche gewöhnlich mit 3 bezeichnet wird, fällt der Accent immer auf den erſten 
Schlag, oder die erfie Note, und die andere werben fanft nachgezogen. 

Triolet, eine Reimform der alten frangöftfchen Poeſie, die feit 1649 wieder 
in Aufnahme fam. Als ein abgefürztes Rondeau beflehbt das T. aus adht, zus 
weilen neun Berfen, deren erfter, vierter und fiebenter nur ein Vers find, fo daß 
derfelbe dreimal gehört wird. Bon dieſer dreifachen Wiederholung ſtammt Die 
Benennung. Diele Iyrifhe Form paßt vorzugsweife für pas Tändelnde, Raive m, 
Scherzbafte und if auch von deutſchen Dichtern benüpt. Vgl. Fr. Rafmann, 
Sammlung triolettifcher Spiele, Leipzig 1817. 

Tripel, eine zum Poliren dienende Mineralmafie, wird derb in Lagern, zu 
wellen in fphäroidiichen Stüden, von unvollflommen fchiefriger Struftur im Gros 
fen, erdig im Bruche, von geringem Gewichte, aſch⸗ und gelblich-grauen Yarben, 
etwas taub und mager anzufühlen und ohne Glanz gefunden. Sie haftet nicht 
an der Zunge. Größtentheild enthält fie Kieſelerde (80 Prozent und mehr), 
Eifenosydp, Schwefelfäure, Thonerde u. Waffer. Bekannt iſt ver T. von Ronnes 
burg, der aus Ungarn, Böhmen, Mähren und Frankreich. 

Triplif heißt im rechtlichen Berfahren, da, wo daſſelbe fchriftlich iſt, die 
dritte Schrift des Klägers, im mündlichen der dritte Sat. Eigentlich follen, 
nad) dem gemeinen Prozeſſe, jedem Theile nur zwei folche Expoſéè's zuftehen: dem 
Kläger die Provokation oder Klage u. die Replik, dem Beflagten Einlafjung mit 
den Erceptionen u. dann die Duplif (ſ. dd.). Gründe beftimmen, daß der dann 
erfolgende Aktenbefchluß aufgehoben und die Fortſetzung verftattet wird. Diefe 
venia triplicandi für den Kläger fhließt die venia quadruplicandi für den Be 
Hagten in ſich, weil diefer das lebte Wort haben mus, Manche Progeporbnungen 
beftimmen, daß jedes Verfahren, mindeftens in erfter Inftanz, in drei abwechſein⸗ 
den Schriften oder Sätzen von jeder Partei vollendet werben fol; dann braucht 
ber Kläger um die Erlaubniß, eine 3. einzubringen, nicht beſonders zu bitten. 

Tripoden, f. Dreifuß. 

Tripoli, einer der Barbaredfenftaaten Afrika's, gränzt gegen Oſten an 
Hegypten, gegen Süden an bie Sahara, im Weflen an Tunis, gegen Norden 
an das mitteländifche Meer. Es ift ein Ianageftredtes, ſchmales Küfenland, 
an manchen Stellen kaum 15 Meilen breit. Ylächeninhalt 8000 Meilen, Eins 
wohnerzahl 1,500,000. Größtentheild eben, wird 3. nur von den öhtichen, 
niedrigen Ausläufern des Atlas berührt, ven Harudſch- und Qurtangebir- 
gen, deren höchfte Epige der Tekout, nicht über 1500° erreicht. An der ägyp⸗ 
tischen Graͤnze liegt das Hochland Barfa. Das Meer bildet an der Küfte die 
große Syrte oder den Bufen von Sydede. Die Binnengewäller erheben ſich 


Tripoli. 257 


über den Rang unbebeutender Küftenflüffe. Das Klima wird ald ziemlich 
fig und gefund geſchildert. Vom Anfange des Mai bis zu Ende Dftoberd 
ie Kitterung troden; nur durch Thau wird während dieſer Zeit der Boden 
ſcht. Im fogenannten Winter, vom Oktober bis Mat, regnet es ſtark und 
Gewächſe gedeihen. Der Boden ift an der Küfte zumeift fandig und daher 
g fruchtbar. Weiter landeinwärts wird er beffer und bringt fo viele Früchte 
, als die Bevölkerung bevarf. Im Süden ift T. nicht fcharf von ber 
te abgetrennt und diefe tritt an manchen Ort tief in's Land herein. Die 
tigften Erzeugniffe des Pflangenreiches find Getreide, Süpfrüchte, vornehmlich 
din und Dliven, Galläpfel, Eenneöblätter, Safran, Lotusbohnen. Die 
a2 ift reich an vortrefflichen Pierden, Efeln und Büffeln (Bubal), feinwolli- 
Schafen, Kameelen, wilden Bienen, doch audy an fchäplichen Thieren, ale 
ua, Banthern, Hyänen, Goldwölfen, Raubrögeln, Schlangen, Sforpionen, 
ichrecken u. a. In den Wüſten fommt der Strauß häufig vor. Die Schäße 
Mineralreiches find noch wenig erfchlofien, doch findet man in ben Seen 
Suͤmpfen an der Küfte eine Menge Salz. — Die Ureinwohner von T. find 
Berbern, bier Ademfer genannt, welche überhaupt den Kern der Bevölkerung 
vr ganzen Berberei bilden. Sie und die Beduinen (diefe theilweiſe Noma⸗ 
ı leben zumelft auf dem Lande und treiben Aderbau und Viehzucht, während 
Mauren und Juden in den Städten wohnen, Handel und Gewerbe yflegend. 
Türken find nicht fehr zahlreich, bilden aber den Beamten» und Solvaten- 
d und haben daher die ganze Macht in Händen. In der Stadt Tripoli 
: mann auch Europäer, die dafelbft größere Freiheit haben, als in den übrigen 
aten der DBerberei. Außer ihnen u. den Juden befennt fidy Die ganze übrige 
ölferung zum Jölam. Die Tripolitaner find zufolge ihres häufigen Verkehrs 
den europäiichen Bölfern unter allen Bewohnern der Berberei in der Eivili- 
n am weiteften vorgeichritten. Den Landbau haben fte allerdings noch nicht 
nioneller Weiſe los, aber in den technifchen Gewerben ftehen ſie verhältnig- 
9 auf einer atemlich hohen Stufe. Ste verfertigen gute Stoffe aus Wolle, 
mwolle und Eelve, Leder, Metallmaaren, befonders Waffen ıc. Haupibe- 
frigung aber iſt der Handel, vornehmlich der Karawanenhandel, welcher aus 
Innern Afrika's Straußfedern, Elfenbein, Gold, Bummi, Sklaven herbei: 
rt und hinwieder die Dafen der großen Wüſte und die Länder im Sudan 
europäifchen Manufakturwaaren und Kriegsgerätben verjorgt. Bon den 
en PBroduften werden ausgeführt: Weizen, Lotusbohnen, Safran, Del, 
»e, Schlachtvieh, Häute, Wolle, gefalzene Butter und Cala. — T. tft ein 
Umftaat des osmaniſchen Reiches, mit einem Paſcha an der Spite, welchem 
erathender Divan zur Seite ſteht. Diefe Körperfchaft hindert übrigens den 
ya durchaus nicht, fo despotifch zu regieren, als er will, wenn er nur die 
chen ihrer Mitglieder und der türfifchen Miliz nicht verlegt. Die einzelnen 
inzen werben von Bey's verwaltet, die der Paſcha einfegt. Die Einkünfte 
t man zu 300,000 Thlr. Das Lanpheer befteht aus 3000 Mann türkifcyer 
ten, Tann aber durdy Aufgebot in Kriegözeiten auf 50,000 Mann gebradyt 
en. Die Seemacht befchränft ſich auf einige kleine Kriegsfahrzeuge. Ab⸗ 
ig von 3. find die Dafenlandfhaften Fezzan, Gadames, das dattel- 
: YAugila und das Hochland Barka. — Die Hauptfladt Iripoli, von 
Türken Tarables genannt, liegt auf einer Landzunge am mittelländifchen 
e; fie ift von Mauern und Bafteien umfchlojien, weitläufig erbaut, indem 
ne Meile im Umfange hält, aber nicht ſtark bewölfert (25,000 Einwohner). 
Häufer, welche von Ferne einen hübſchen Anblid gewähren, find in ber 
: betrachtet nichrig, düfter und ſchmutzig. Der Paſcha bewohnt ein große®, 
igtes Schloß, welches in einzelnen Theilen fchön gebaut ift. Die Stadt hat 
Rofcheen, ein KRapuzinerflofter mit Hofpital für kranke Eflaven, 3 Synago⸗ 
mehre Bazard, Karavanſerais und öffentliche Bäder, 3 europäiſche Gafthöfe. 
ſchoͤne halbmonbförmige Hafen wird auf der einen Seite von einem Kıtt, 
alentyclopäble. X. 17 


258 Tripoli. 


auf der andern von Felſen geſchützt. Die Einwohner, unter welchen ſich 200 
Katholtken, meiſt Malteſer, und 2000 Juden befinden, find gewerbfleißig und tre 
ben lebhaften Handel. T. iſt ein Hauptſtapelplatz für den Verkehr zwiſchen de 
Innern Afrika's und Europa's. An die alten Herren des Landes erinnern noı 
die Ueberbleiſel mehrer römifchen Gebäude, unter andern ein Triumphbogen. D 
nächfte Umgebung der Stadt iſt ſehr fruchtbar und mit Sanbhäufern ımd Gärtı 
bedeckt. — Seihicte Der weſtliche Theil von T., mit der urfprünglii 
phöniztichen Pflanzſtadt Großleptis u. a. gehörte zu Karthago, im öͤſtlich˖ 
Theile war fchon feit vem 7. Jahrhunderte v. Chr. eine blühende griechiſche Kı 
Ionte, Eyrene, entflanden und nachmals ein felbfiftändiges Reich geworder 
Bekanntlich fiel im Laufe der Zeit ganz Nordafrika unter die Botmäßigfeit dı 
Römer, welche das Land nach ihrer Weife organifirten. Die Gebiete der Städ 
Großleptis, Sabrata und Dea ſchmolzen fie in die Provinz Tripolitana regi 
Anfammen. Im 5. Jahrhunderte n. Chr. gründeten die Bandalen in der heutige 
erberet ein Neidy, welches im 3. 533 durch Belifar dem griechifchen Kaiſer 
thume unterworfen wurde. Im 7. Jahrhunderte gelangten die Araber in dei 
Befis des ganzen nördlichen Afrika. Die Berberei wurde von einem Stattbalte 
verwaltet, welcher feinen Sit in Kairwan, 12 Meilen fünlich von Timis, hattı 
Nach dem BVerfalle des Chalifats bildeten ſich in der Berberet ſelbſtſtändig 
Staaten, welcher fich feit dem Beginne des 16. Jahrhunderts, mit Ausnahn 
Marolko's, allmählich die Türken bemächtigten. T., das längere Zeit zu Tuni 
gehprt hatte, empörte fich zu Ende des 15. Jahrhunderts und feßte einen eigene 
Scheidh ein. Diefer wurde 1509 von den Spaniern vertrieben, weldyer da 
Land durch Statthalter regierten. 1551 wurde es ihnen durch den türkifche 
Seeräuber Dragut entriffen und unter die Oberhoheit der Pforte gebracht. Jt 
doch herrfchten die Paſcha's, und feit 1710 die von den Soldaten gewählte 
Dey's fat unumfchränft, und die Verbindung mit dem Sultan warb imme 
loderer, fo daß man zulegt T. ald in der That ganz unabhängig betradyte 
fonnte. Die Seeräuberei war lange die Erwerbsquelle der Einwohner und für 
den Handel aller Nationen. Um ſich gegen Anfälle auf ihre Schiffe zu ſchuͤther 
zablten bie chriftlichen Mächte dem Dey einen jährlichen Tribut, weldye® di 
Geringfügigfeit der tripolitantichen Seemacht gegenüber nur dadurch erflärlik 
ift, daß jede zur Züchtigung des Raubſtaates ausgerüftete Expedition dad Hm 
dertfache des Tributes gefofet haben würde. In lehter Zeit berrfchte das Hau 
Karamanli ein Jahrhundert hindurch ununterbrochen über T. Als aber der De 
Sidi Juffuf, durch feine englifchen Gläubiger gedrängt, deren Foderungen vo 
dem Konful Warrington nacydrüdlich unterflügt wurden, fich mit Erprefjunge 
zu helfen fucdhte, kam e8 1835 zu einem Aufftande, der den alten Jufſſuf nörhigt 
zu Gunften feines Sohnes Sidi Ali abzudanfen. Auch unter diefem dauerte di 
Empörung fort u. der neue Dey wendete fidh deshalb um ‚Hilfe an den Sultaı 
Im Mai des genannten Jahres erfchlen eine türfifche Flotte mit 4500 Man 
am Bord vor 3. Sidi Ali begab ſich auf dad Anmiralichiff, wurde aber do: 
als Gefangener zurüdbehalten, während der türfifche Befehlöhnber erklärte, da 
er beauftragt fei, die Regierung zu übernehmen. Die noch vor der Stadt . 
ernden aufitänpifchen Beduinen wurden fogletch überfallen und geihtagen und 
fegte fih der Bafcha auf feinem Poften in T. feſt, welches ſeitdem wieder ei 
türfifches Ejalet if. Die Pforte blieb jedoch in ihrer Herrfchaft nicht unangı 
fochten, denn die Araber erhoben fidy mehrmals gegen fle, am drohendften 184 
unter der Leitung des Scheichs Abvel-Dfchelil, eines Berwandten der Dynaft 
Karamanli. Askar Alt, der damalige Pafcha, wandte gegen dieſen geſatzuc 
Gegner die gewöhnliche Waffe ver türkifchen Politik, die Hinterliſt, an, lockte it 
durch falfche Verfprechungen nad T. und ließ ihn dort fammt feinem Brub 
hinrichten. Auch Ali's Nachfolger, Mehemed Paſcha, gebrauchte, die Unterwe 
fung zu erzwingen, die blutigſten Mittel, und unter dem Schwerte ſeiner Henk 
fielen an Einem Tage die Köpfe von 72 arabiſchen Scheichs. Dieſe furchtba 


Tripolizza — Triftan. 259 


—e— N verbreitete Echreden im ganzen Lande, und es beugte fich zitternd 
unter das Joch des Defpoten. mD. 

‚ Tripolizga, Hauptftadt des griechifchen Nomos Arkadien, wahrfcheinlich das 
Tripolis der Alten und aus den Ruinen der alten Städte Megalopolis, Man- 
tinea, Tegea und Pallantium entflanden, war einft die Hauptftadt von ganz Mo: 
tea (f. d.), bis zum griechifchen Breiheltsfampfe mit Mauern und Feflungswerfen 
umgeben und hatte damals an 15,000 Einwohner, welche lebhaften Handel mit 
Landesprobuften trieben. Als 1821 die Stadi, welche damals von den Türken 
und ebanefen befegt war, durch die Briechen erflürmt und eingenommen wurde, 
ward fie beinahe ganz zerftört, doch bald wieder aufgebaut. Ibrahim Paſcha 
(f. d.), der die Stadt 1825 einnahm, verließ viefelbe im Jahre 1828 als einen 
Trümmerhaufen. Gegenwärtig beträgt die Zahl der Einwohner ungefähr 8000. 
— Die Umgegend, eine weite, wellenförmige Ebene, entfpricht noch jetzt ven 
Schilderungen, welche die alten Schriftfteller von den herrlichen Thälern Arka⸗ 
diens machen. 

Zriptolemus, Sohn des Könige Keleus, ein Günftling der Ceres (f. d.), 
den diefe in ihren Myſterien unterrichtete, den fie den Aderbau lehrte, mit einem 
Drachenwagen befchenfte und ihn, fo außgerüftet, durch die ganze Welt fchicdkte, 
um fle mit den Segnungen der Kultur des Bodens befannt zu machen. Unter 
Reten Gefahren vollzog er feine Sendung, ward aber audy dafür von Ceres in 
Allem auf das Thätigfte unterftübt, aus den drohendften Gefahren gerettet und 
endlich an den Himmel verfegt, wo man ihn im Ophiuchos fehen will. An meh: 
ren Orten hatte er Altäre, in Eleufts felbft einen Tempel. 

Triremen, Dreiruderer, waren Schiffe mit drei Ruderbaͤnken, welche Art 
von Schiffen die Alten vorzüglich zu Kriegsſchiffen gebrauchten. Sie waren von 
länglicher Beftalt, wurben theils durch Ruder, theils durch Segel in Berwegung 
gelebt, zwar fchon bei ven Phöniztern gebräuchlich, ihre Erfindung jedoch unter 
den Griechen den Korinthern zugefchrieben. Bon anderen Schiffen unterfchieven 
fie fih darin, daß ſie ftatt eiferner Nägel eherne hatten, wodurch fle dauerhafter 
— indem das Erz auch im Waſſer nicht ſo leicht vom Roſte angegrif⸗ 
en wird. 

Triömegiftoß, |. Hermes Trismegiſtos. 

Trismus, ſ. Starrframpf. 

Sriffino, Giovanni Giorgio, ein berühmter —T Dichter, ge⸗ 
boren zu Vicenza den 7. Juli 1478, aus einem alten Geſchlechte, ging in ſeinem 
24. Jahre nach Rom, wurde von Leo X. als Geſandter an Kalter Marimis 
Ian gefchidt u. war unter Clemens VII. Nuntius am Hofe Karl's V. u. bei 
der Republif Venedig. Kaiſer Karl V. ertheilte ihm den Orden bed goldenen 
Vließes. Er ftarb 1550 zu Rom. Man hat von ihm: Le sei divisioni della 
Poetica, Bicenza 1580, 4.; La Italia liberata da’ Gotti, ein epifches Gedicht in 
27 SBefängen, worin er die Befreiung Italiens von den Gothen durch Belifartus 
unter der Regierung des Kaiſers Juſtinian befingt, was ihm den meiften Ruhm 
erworben hat. Er nahm fidy dabei den Homer zum Mufter, ohne jedoch gar zu 
ſtlaviſcher Rachahmer dejjelben zu werben. Auch liebte er die Baukunft fehr und 
gab dem berühmten Pallavio fehr gute Rathichläge. Auch erfand er die freien 
Verſe, Versi sciolti, und ift Berfafler des erfien regelmäßigen Trauerfpiele® der 
Staltener: La Sofonisba, 1524, 4., das nad) dem Mufter des griechiichen Thea⸗ 
ters gefchrieben ift und Chöre hat. Maffei gab 1729 feine ſämmtlichen Schrif- 
ten zu Verona in zwei Koliobänden heraus, wobei feine Lebensbefchreibung 
ch Defindet. Ausgaben des epifchen Gedichtes, Venedig 1547 u. 1558, 3 Thle. 
(jelten); 1729 wurde e8 zu Paris in drei Oftavbänden aufgelegt. 

Triftan und Iſolde find die Hauptperfonen einer, zum Sagentreife der 
Tafelrunde (ſ. d.) gehörenden, die verzehrende Liebesglut der irdiſchen, finn⸗ 
lichen Liebe ſchildernden, romantiſchen Erzählung des Mittelalters, die zuerſt ein 
engliſcher Dichter, Thomas Erceldaune (herausg. von W. Scott, 2. Wo Krb, 

17 


260 Triſtan d'Acunha — Triumph, 


1806), dann ein franzöfifcher Dichter, der Ritter Luce, bearbeitete. Das Gedicht 
des legtern vollendete Helle de Borron (Ältefte Audg. Rouen 1489, neuefte Paris 
1799). Am beften ift die poetiſche Bearbeitung von dem deutſchen Dichter 
Gottfried von Straßburg (f. d.). Bergl. Mone, Die Sage von T. u. J., 
Heivelb. 1822. 

Triſtan d'Acunha, |. Erfrifgungsinfeln. 

Triſtram Shandy, |. Sterne. 

Tritheim (lat. Trithemius), Johann von, mit feinem eigentlichen Ramen 
Heidenberg, geboren in dem Dorfe Trittenheim im Trieriicyen 1462, fludirte 
zu Trier und Heidelberg, trat in der Abtei Sponhelm in den Benediktinerorden, 
wurde daſelbſt 1483 Wbt, legte aber diefe Stelle, wegen ber Widerſpenſtigkeit feiner 
Mönche, nad) 23 Jahren nieder, wurde Abt im Klofter St. Jakob in einer Vor⸗ 
ftadt von Würzburg und ftarb daſelbſt 16. Dezember 1516. T. war Theolog, 
Philofoph, Mathematiker, Gefchichtöfchreiber und Dichter von großer literarifdyer 
Thätigfeit und, wegen feiner vertrauten Bekanntſchaft mit den „Ichwarzen Ges 
heimniffen*, der Zauberet bezüchtigt. Unter feinen vielen Schriften find die hiſto⸗ 
tifchen durch Reichthum an Materialien und die Briefe am ſchätzbarſten. De lu- 
minaribus Germaniae, Utrecht 1495, Mainz 1497, %ol.; De laudibus scriptorum 
manualium, ebd. 1494; De script. eccles., Bafel 1494, Fol. Paris 1497; Opp. 
hist. herausdg. von Freher, Frankfurt 1610, 2 Bde., Fol.; Opp. spiritualia in unum 
vol. redacta al. Busaeo, Main; 1605, %ol.; I. Busaei Paralipomena, ebd. 1605. 

Tritheiten hießen in der chriftlichen Kirche Irrlehrer, welche annahmen, daß 
jede Perſon der Trinttät eine befondere individuelle Subftanz, ein befonderes 
Weſen fet, alfo drei Gottheiten flatuirten. Des Tritheismus wurden namentlidy 
der Syrer Adfusnages und fein Schüler Bhlloponus im 7. Jahrhunderte befchuls 
digt. Letzterer erklärte namentlich in feiner Schrift: „Ilepı rs dyias zpıados“ 
den Namen Gott für den, den drei Berfonen gemeinfamen, Gattungsbegriff und 
die drei Perſonen für die drei Subftangen, die durch gemeinfame Fheilnahme an 
der Einen göttlichen Wefenheit unter ſich verbunden wären. Sein Gegner war 
der Bifhof Damianus in Alerandrien, welcher nur der Einen Gottheit yperfön- 
liche Subftanttalität zufchrieb, die drei Verfonen aber für bloße Wirfungswelfen 
erklärte. 

Triton, Sohn des Okeanos und der Thetys, oder des Neptun und der 
Aphrodite, einer der berühmteften Meergötter, beſonders ein Diener, eine Art He⸗ 
told des Poſeidon; er half ven Göttern bei dem Kriege wider die Giganten und 
ward deshalb zum Nächten nady Poſeidon erhoben, in vefien Geſellſchaft ver 
Herrfcher immer if. Seine Bildung iſt eigentlich ganz der der Giganten gleldy; 
er ward von Oben herab bis zu den Beinen in menfchlicher Geftalt vorgeftellt, 
die Echenfel aber, ftatt in Sneee, Waden und Füſſe überzugehen, verlaufen hr 
in Echlangenfchweife, welche geeignet find, ihm mit großer Schnelligfeit dur 
die Gemäfler zu helfen. 

Triumph, der, war bie größte Öffentliche Belohnung der römifchen Heerführer, 
die entweder zu Lande oder zu Wafler einen wichtigen Sieg erfodhten hatten, 
eine Feterlichkeit, die fchon unter den fpätern römifchen Königen üblich war und 
von Tarquinius Priecus aus dem Etrurien eingeführt worden feyn fol. In⸗ 
deffen konnten nur Diejenigen zu diefer Ehre gelangen, welche Eonfuln, Diktatoren 
und Prätoren waren oder gewefen waren, den PBroconfuln hingegen wurde fie 
ſchon nicht geftattet. In den fpäteren Zeiten machte man jedoch hievon öftere 
Ausnahmen. Auch mußte der, welcher auf einen T. Anfpruch machen wollte, 
nicht blos Anführer, fondern Oberbefehlshaber des Heeres geweſen u. ber Sieg 
in der, dem Conful oder Prätor angewiefenen, Provinz erfochten feyn. Dab 
fam audy die Erheblichkeit des Yeldzuged und des Sieges und der Vortheil des⸗ 
felben für den Etaat in Betracht und endlich mußte der Feldherr das Kriegsheer 
mit fich zurüdgeführt haben, damit ed an der Ehre feines T.s Theil nehmen u, ihn 
Dabei begleiten konnte. War nur eine verlorne Provinz wieder erobert, fo wurde 





Trinmphbogen. 261 


e dafür ein T. bewilligt. — Die erſte Feierlichkeit, welche man nach einem 
tege ta Rom ausſtellte, waren Dankfeſte over Supplicationen, dann 
ufle ver Feldherr um Geftattung eines T.s beim Senat anhalten und diefer 
m —* Oft jedoch erhielt er dieſe Erlaubniß, wider Willen des Senais, 
n den Bolfötribunen. Dieſe letzteren trugen bei ſolcher Gelegenheit allemal 
eim Bolf auf ein Geſetz an, daß dem Steger am Tage feines 3.8 der Heer: 
febl (imperium) in der Stadt zugeftanden würde. Der Mißbrauch dieſer öffent- 
Ehre veranlaßte indes im Jahr Roms 691 (63 vor Chrifli Geburt) ein 
deres Geſetz (lex triumphalis Porcia), daß fie Seinem geftattet feyn follte, 
gen den nicht wenigſtens 5000 Yeinde in der Schlacht gefallen wären. 
brigens durfte ber triumphirende Feldherr nicht eher, ald am Tage feines Siegs⸗ 
yrängeß, in die Stadt kommen und fein vorläufige Geſuch an ven Senat ge- 
yab außer der Stadt, im Tempel der Bellona. Die Koften der Keierlichkeiten 
mden gewöhnlich aus dem öffentlichen Schap genommen, nur dann nicht, wenn 
re Sieger, ohne Genehmigung des Senats, auf dem albanifchen Berge feinen 
. hielt und diefe Koften waren fehr anfehnlih. Kurz vor dem 3. pflegte der 
Adhert feine Krieger und Andere zu befchenfen. Dem Triumphirenden ging der 
enat bis an das Thor entgegen, in weldyes er einzgog. Die Ordnung des 
uges war nicht immer die nämliche. Der Sieger ſaß auf einem hohen Was 
n, von vier weißen Pferden gezogen, in Purpur und mit einem Lorbeerfran;. 
anz voran gingen gewöhnlich die Lictoren und obrigfeitlichen Perſonen, ihnen 
Igten die Trompeter, die Opferthiere, die zur Schau getragene Beute, auch Ab⸗ 
dungen der eroberten Länder, die Waffen der Beflegten, ihre Wagen, vie bes 
ungenen Fürſten oder Heerführer und andere Kriegsgefangene; ſodann ber Sies 
re ſelbſt und fein zahlreiches Gefolge, welches theild in feinen Anverwandten, 
fonder® aber in dem ganzen, regelmäßig aufziehenven, Kriegsheere beftand. Der 
ig ging, unter beftändigem Freudengeſchrei, durch die ganze Stadt auf das Ca⸗ 
ol, wo die O:pfer geichlachtet wurden und ein Theil der Beute den Göttern 
weiht wurde. Dann folgten Gaſtmahle, öffentliche Luſtbarkeiten u. Schaufpiele. 
ehr oft dauerten die 3.e mehre Tage nach einander, Pracht, Aufwand und 
chwelgerei wurden dabei immer größer und die ganze Sitte ward Durch ihre 
oftmalige Wiederfehr u. durch die Mißbräuche einiger Kaifer zulegt gemein u, ver⸗ 
Itlich. Den erften See⸗T. (triumphus navalis) hielt der Conſul C. Duillius nad 
nem, im J. Rome 493 (261 v. Chr.) über die Karthager erfochtenen, Siege. — Min- 
: feierlich, als ein T., war die Dvation (f.d.) und von jenem befonder® bar- 
verfchieden, daß der Sieger nicht auf einem Wagen, fondern zu Buß oder zu 
erde feinen Einzug bielt und nicht mit der Trabea, fonvern nur mit der Prae- 
sta befleidet war. Bon den triumphirenden Feldherren wurde auf dem Capi⸗ 
‚ ein Stier, von den ovirenden hingegen nur ein Schaf (ovis) geopfert; ein 
ufland, von dem die ganze Feierlichkeit benannt zu feyn fcheint. Auch der 
yon erwähnte T. auf dem albanifchen Berge war minder felerlih und 
urde zumellen nur von folchen gehalten, denen ein fürmlicher Siegszug durch 
e Stadt felbft nicht war bewilligt worden und denen nur eine Dvation zus 
fanden war, die fie dann auf jenen 3. außer der Stadt folgen ließen. Die 
jebräuche dabei waren, wie es fcheint, jenen feierlicyeren ähnlich und der Zug 
var vermuthlich in dem, auf dem albanifchen Berge gelegenen, Tempel des Jupi- 
m Latiaris. 
Triumphbogen (arcus oder fornix triumphalis), nennt man eine Ehrenpforte, 
ne den ftegreichen Feldherren bei ihrem Triumpheinzuge in Rom errichtet wurde, 
Anfangs einfach, dann nicht felten von Marmor und mit Figuren und Infchriften 
yächtig verziert. So wurden fie befonders den Kaifern errichtet u. noch find 6 zu 
Rom, zum Theil nur in Trümmern, vorhanden, 5. B. die T. des Konftantin, des Gal⸗ 
lieg, des Septimius Severus und des Titus, welcher legtere vorzüglich dadurch 
unfwürbig ift, Daß die daran befindlichen, vortrefflich gearbeiteten Basreliefs fld 
auf die Befiegung der Juden und die Eroberung Jeruſalems beziehen. Die drei 


262 Triumvirt — Troikar. 


letzteren T. find in der Form einander fehr ähnlich und bilden ein großes Portal, 
zu deffen beiden Seiten ſich noch zwei Fleinere befinden. Die anderen und hinteren 
Hauptfeiten find mit Säulen verziert, die ein volftändiges Gebälfe mit darüber 
gefeter Attifa tragen. Ueber dem Bogen und an dem Fries des Gebälkes finde 
man die Abbildung der Thaten in Stein audgchauen, mweldye das Denfmal ver 
anlaßten. Außerdem fieht man alte 3. zu Benevent, Fano, Ancona, Rimini, 
Pola, Berona, Euza und zu Alr in Savoyen. — Auch die neuere und neuefı 
Zeit hat grobart e Nachahmungen von antifen T. aufzuweifen, von denen wir 
hier nur fur anführen, indem betreffenden Ortes bereit näher davon gefprodhen 
wurde: bie 3. auf dem Barroufel-Plage und an der Barriere de l’etoile, fowie 
diejenigen an den Thoren St. Denis und St. Martin zu Paris; das Brandens 
burger Thor zu Berlin; das Burgthor zu Wien; das Siegesthor zu München, 
der T. zu Mailand u. a. 

Triamviri (Dreimänner), bieß bei den Römern jede außerorbentlicdye 
Gommiifion von drei Perfonen zu irgend einem Staatszwede, blo6 von ber 
Anzahl benannt, fowie e8 auch Duumviri (Zmweimänner), Decemviri -(Jehnmänner) 
ab und ein Zufag zu biefem Titel ihre befondere Funktion bezeichnete. Beſonders 
nd zwei foldye Vereine In der römifchen Gefchichte befannt geworben, welche 
fi) triumviri reipublicae constituendae (Triumvirn zur Ordnung des Staats⸗ 
wefens) nannten und von denen die Mitglieder des erftern Caͤſar, Pompejus 
und Grafius, des zweiten Antonius, Octavianus und Lepidus (f. d.) waren. 
In der Gefchichte werben fie unter dem Namen Triumvirate aufgeführt, 

Zrivial, (abzuleiten von dem mittelalterlich - lateinifchen Trivium, womit man 
die drei niederen unter den fleben freien Künften: Brammatif, Arithmetik umd 
Geometrie, als die Grundlagen des gelehrten Unterricdyts, bezeichnete), heißt übers 
haupt alles Altäglicye, Gewöhnliche, Abgenügte; und Trivtalfchulen (im Gegen 
fage zu den gelehrten Schulen) heißen ſolche, worin nur die nothwendigſten und 
allgemein anmendbaren Senntniffe gelehrt werben. 

Troas, f. Troja « 

Trochäus, (vom griechifchen zpexw laufen), ein Sylbenfuß von einer langen 
und einer kurzen Sylbe, — u, von welchen jene den Niederſchlag, diefe den Aufs 


ſchlag macht, 3. B. Selig, Selig, wer gefunden. In der deutfhen Sprache find 
die trochaäiſchen Wortfüße viel zahlreicher, al& die jambifchen und aus diefer Urs 
fadye hat man den trochäiſchen Vers unferer Sprache vorzugsweife anpaflend 
gefunden. Mit trefflichem Erfolge kann der T. auch mit dem Sponbäus ver: 
wechfelt werden, infofern legterer ein finfender if. In einen Daftylus aufs 
gelöst, iſt er allenfalld nur nach einer Cäſur zu geftatten. 

Troglodyten, Höhlenbewohner, hießen gewifle Völkerfchaften (wahrſcheinlich 
die Ureinwohner) verfchiedener Länder des alten Aftens, ſowie des arabiſchen 
Meerbufens in Aethiopien und in Aegypten; indeffen find alle Rachrichten, welche 
die alten Schriftfteller über fte Binterlaffen haben, höchſt unbeflimmt und ungu- 
verläffig. — In der Raturgefchichte führt diefen Namen auch eine, dem Orang⸗ 
Dutang Ähnliche, Gattung ungefchwängter Affen. 

Zrognd Pompeius, |. Juſtinus. 

Troikar, nennt man ein chirurgifches Inftrument, mit welchem die Baras 
centeje (f. d.) verübt wird. Derfelbe befteht aus einer dreifchneidigen Spipe, 
die aus einer metallenen Röhre bervorragen. Der T. wird an der paflenden 
Körperftele eingeftoflen und die Spige ausgezogen, die Röhre aber bleibt fleden 
und durch diefe fließt aus der angeftoffenen SKörpergegend die angefammelte 
Slüffigfeit ab. Man bat T.e von ſehr verfchiedener Größe, je nachdem größere 
oder Heinere Duantitäten entleert werden follen. — In der Thierarzneikunde 
wendet man den %. bei den Wiederfäuern an, wenn fie zu viel frifches Futter 
gefreffen haben und in Folge davon aufgebläht find, um die angefammelte Luft 
aus der Bauchhöhle zu entfernen. — Zu gleicher Abficht hat man den T. auch 


Troiza — Trollhaͤtta. 263 


in der Menfchenheillunde bei Tympanitis (f. d.) angewendet, aber bisher ohne 
ei Zreize, das .e ichnetſte und reichſte Stlofer i ruplann ı 
, ausgezeichnetſte und r e Klofter in ganz Rußland, im 
GBousernement Moblau, 1340 gegründet, auf einer Anhöhe, von Mauern, 
Tharnen, Gräben und Wällen umgeben, hat neben einer Kathebrale noch neun 
ansere Kirchen und Kapellen, ein Seminar für künftige griechifche @eiftliche, mit 
2000 Stu vienplaͤtzen, einer reichen Bibliothek, Kunfkhäge und Mertwürbigfeiten 
aler Art und ein Hofpiz für bie hieher wallfahrenden zahlreichen Pilgrime. 
Troja, (früher Ilios oder Ilion genannt), die Hauptftabt der kleinaſtatiſchen 
ber Troas, lag in Phrygien, auf einer Anhöhe zwiſchen den Zlüffen Simois 
ws Elamandrod oder Zanthos, nicht weit von der Meeresküfte, am Fuße des 
* Ida. Die Zabel erzählt, daß ver Name T. oder Troas von Tros, einem 
se des Erychthonius, herftamme, der fein Reich zuerft fo genannt und, mit 
Ralirchoe, der ter ded Stamandros, vermählt, den Ilios und andere Kinder 
agngt babe. Die Feindſchaft mit Tantalos fol den erfien Grund zu dem fpätern 
Schickſale von T. gelegt haben. Merkwuͤrdig wurde T. durch den 
tojanifchen Krieg, deſſen Beranlaffung in dem Artikel Paris, der die Helena 
rte, weitläufiger von uns angeführt worben ift. Zwei Jahre lange brachten die 
en mit Zurüftungen zur Belagerung von T. (wohin Paris die Helena ges 
Batte), zu und die größten Helden: Agamemnon, Achilles, Patroklus, 
e6, Ajax x. von griechiicher, fowie von trojantfcher Seite Hektor, Paris, 
eneas, Antenor ıc. haben ihren Ruhm auf die Nachwelt gebradyt. Rad) or 
Fahre langer Belagerung nahmen endlich die Griechen zur Li ihre Zuflucht. 
Unter dem Scheine, als ob fie abfegelten, ließen fie vor der Stadt ein großes, 
es Pferd fichen, in deſſen Bauch ſich die tapferften Soldaten fleden mußten. 
wirüdgebliebener Grieche, Sinon, den man vor Priamus, den trojantichen 
König, brachte, gab vor, dieſes Pferd fei zur Entſchädigung für das geraubte 
Palladium; auch würde die Etadt, wenn man das Pferd hineinbrächte, eben fo 
heilig und unũberwindlich, als das Palladium felbft, feyn. Das Volk beftand 
nun darauf, das ‘Pferd Hereinzuziehen und, obgleich fi Laofoon (f. d.) heftig 
widerfegte, fo zog man ed dennoch voller Jubel hinein, riß die Thore, wegen des 
Pferdes Höhe, nieder und überließ fich ganz dem Jubel, indeſſen fidy der Baud) 
des Pferdes öffnete und nun die Griechen das furchtbarſte Blutvergießen anrich⸗ 
teten, die Stadt einäfcherten und vernichteten. Die Gefchichte diefed trojaniſchen 
iſt von Bielen, namentlih dem Engländer Bryant, bezweifelt worden; 
en haben Lechevalier, Choiſeul⸗Gouffier, Leake, Zofeph v. Hammer, Prokeſch 
von Oſten und andere Öelchrie, obgleidy vieled Fabelhafte in jener Erzählung fich 
befindet, die Thatfache felbft mit triftigen Gründen nachgewiefen. Außer diefen 
ören bieher audy noch: Die Schrift von Spohn „De agno trojano in carmini- 
Homericis descripto“ Leipzig 1814; Barfer Webb's „Unterſuchungen über 
ven Zuſtand der Ebene von 3.”, deutfch von Hafe, Weimar 1822; Ulrichs 
„Ueber die Lage T.s“, im „Rheinifchen Mufeum fur Philologie”, Frankfurt 1846 
and Forchhammer „Ueber die Ebene von T.“, 3. Jahrgang, in den „Berhand- 
lungen deutſcher Philologen und Schulmänner“, Dresden 1846. 
Trollhätta, if ein Dorf in dem ſchwediſchen Län Elfsborg, an der Göthaelf, 
nahe bei dem Auaflufie verfelben aus dem Wenerfee, wo diefer Fluß einen der 
Ihönften Wafferfälle bildet, indem er zwiſchen Felfenriffen 53 Buß hoch mit einem 
großen Getöje herabftürzt und weöhalb dieſe Gegend von allen Reifenden in 
Schweden beſucht wird. Zur Beförderung der Schifffahrt hat man deshalb im 
Jahre 1793 bis 1800 einen großen Kanal (Trollhättakanal) mit einem Koften- 
aufwand von 360,000 Thaler ausgeführt. Um nun aber die Dimenfionen des 
Kanals mit denen des Göthafanald in Uebereinſtimmung zu bringen, wurde ber, 
im Jahre 1844 vollendete, neue Trollhättafanal, ver zehn Schleufen hat, 
an ver Seite des alten angelegt. Durch diefen, in VBerbindunng mit der Göthaelf, 
den Binnenfen und dem Göthalanal, ift eine 36 Meilen lange Durchfahrt von 





264 Trollope — Trommsdorff. 


Söderköping und der Oſtſee nach Gothenburg und dem Kattegat, mitten durch 
das Reh, ohne den Eund zu paffiren, eröffnet, welche jeded Jahr mehr be 
nügt wird, 

’ Trollope, Frances, eine der fruchtbarften neueren englifchen Schriftſtel⸗ 
lerinnen, Tochter des Vikars Milton zu Hedfield, geboren dafelbft 1790, verhei⸗ 
rathete fid) 1809 an den Advofaten T. und wurte 1835 Wittwe. Im Fache 
der Relfebefchreibung lieferte fie folgende, jedoch meiſtens ziemlich einfeitig aufge: 
faßte, Werfe: „Domestic manners of the Parisians“, 2 Bde., deutſch, Aachen 
1836; „Belgium and. western Germany in 1833“, 2 Bde., deutfch Aachen 1833; 
„Vienna and the Austrians“, London 1838, 2 Bde., deutfch Leipzig 1838, 2 Bbe. 
An Romanen hat man von ihr: „Widow Barnaby“, London 1838, 3 Bde., mit 
der Fortſetzung: „Barnaby married; Vicar of Wrexhill‘‘, neuefte Auflage, London 
1839, 3 Bve., deutfh Wachen 1837, 3 Bde.; „The life and the adventury of 
Michael Armstrong, the factory boy“, London 1840; „Romance of Vienna“, 
ebenvafelbft 1838, 3 Bde; „Tremondge Cliff; Jonathan Jefferson withlaw“, 
London 1839, 3 Bde.; „Chester field; Jessie Philipps, a tale of the poor laws“, 
(Roman über das Armengefeh), London 1843, gleichzeitig mit Hargrave oder dem 
Mann von gutem Ton. | 

Tromlig, ſ. Witzleben. 

Trommel, 1) T., ein militäriſches Muſikinſtrument, beſtehend aus einem 
cylindriſchen Körper von dünnem Holze, Kupfer oder Meſſing, über welchen oben 
und unten ein gegerbted Kalbfell gefpannt if. Das obere, worauf mit Kloͤppeln 
geichlagen wird, beißt dad Schlagfell, da® untere dad Schallfell. Ueber 
diefes iſt nämlich eine Darmfaite ſcharf angezogen, durch welche der raufchende 
Ton hervorgebradht wird. Im Militär wird durch die Echlagfiguren auf ber 
Trommel theild dad Marſchiren erleichtert, theild dienen fie zu vwerfchiedenen 
Signalen. Beethoven und Roffini waren die erften Componiften, welche bie T. 
in das Drchefter verſetzten. — Die große T. ift eine drei- bis vierfache Vergrößers 
ung der gewöhnlichen u. nur darin verfchieden, daß fle mit einem Schlägel, der 
einen derben, belederten, runden Kopf hat, gefchlagen wird. Sie gehört zur 
ürfifhen Muſik und bezeichnet die guten Takitheile der Märfche und anderer 
Zonftüde. — 2) In der Architektur heißt T. ein Steinftüd zum Schaft der 
Säule. Diefed wurde forgfältig einzeln ausgeichliffen, indem man hölzerne Dobel 
aus Eederholz in der Mitte zwiſchen venfelben befeftigte und foldye fo lange drehte, 
bis ein Steinſtück auf das andere enge anichloß und die Zuge vom Auge uns 
ſichtbar wurde. — 3) In der Uhrmacherkunſt heißt T. das cylindrifche Beräp, 
worin die Feder ftedt, welche das ganze Werf in Bewegung feht. 

Zrommödorff, Johann Barthbolomäuß, ausgezeithneter Pharmazeut, 
geboren zu Erfurt den 8. Mat 1770, Sohn des Arztes, Univerſitaͤtsprofeſſors 
und Apothefenbefigere Wilhelm Bernhard T. befuchte die Schule und das Gym⸗ 
nafium feiner Vaterſtadt, fam als Apotheferichrling 1784 nad) Weimar, dann 
als Apothefergehülfe nad) Etettin, Stargard und Hamburg und übernahm 1794 
die väterliche Apothefe in Erfurt; 1795 wurde er PBrofeffor der Chemie und 
Phyſik an der, 1819 aufgehobenen, Univerfität Erfurt und gründete im felben Jahre 
das berühmt gewordene pharmazeutifche Inftitut. 1809 wurde T. Medizinalrath, 
1811 fürfttich fchwarzburgsrudolftäptifcher Hofrath, 1823 Direftor der löniglich 
preußifchen Akademie gemeinnügiger Wiflenjchaften in Erfurt und 1834 königlich 
preußifcher Geheimer of Er ftarb den 8. März 1837.: T. bat ſich große 
Berdienfte um die wiflenfchaftliche Ausbildung der Pharmazie erworben; indbe- 
fondere aber hat er ſich verdient gemacht durch die Gründung feines Inſtituts, 
aus weldyem eine Reihe der tüchtigften Chemiker und Pharmazeuten ‚hervorges 
gangen find, und ebenfo durch Gründung feines „Sournald der Pharmazie“, 
welches die erite pharmazeutifche Zeitfchrift in Deutfihland war und über vierzig 
Jahre lange, von 1794 bis 1834, von 3. herausgegeben ward. — Bon feinen 
zahlreichen anderen Echriften find zu nennen: „Syſtematiſches Handbuch ber 


Tromp — Trompete, 265 


Pharmacie“, Erfurt 1792, 4. Aufl, 1831, auch nachgebrudt und ind Schwediſche 
und Holländifche überfept. „Lehrbuch ver pharmaceutifchen Erperimentalchemie“, 
Altona 1796, 3. Aufl, 1811; überfegt ind Schwediſche. „Chemiſche Receptir: 
funft“, Erfurt 1797, 5. Aufl. 1826, auch nachgeprudt und überfet ind Franz⸗ 
õſtſche, Stalienifhe und ins Holiaͤndiſche. „Handbuch ber gpharmazeutifchen 
Waarenkunde“, Erfurt 1799, 3. Aufl. 1822. „Spftematifches Handbuch der 
gelemnten Chemie“ ⁊c., 8 Bde... Erfurt 1800 — 1807, 2. Aufl. 1805 — 1820, aud) 
ſſtſch. „Die Apothekerfchule”, Erfurt 1803, 2. Aufl. 1810, überſetzt ind Däntfche, 
Sranzöftfche, Staltenifche, Ruffiiche, Holändifche und Bolntfche ıc. Vgl. I. ©. 
W. Menfing, „T.s Lebensbeſchreibung“, Erfurt 1839. E. Buchner. 
Tromp, 1) Wartin Haperzoon, ein berühmter holländifcher Sechelb, 
eboren zu Briel 1579. Schon im achten Jahre ging er zu Schiffe mit nad) 
Indien und, von einem englifchen Kaper gefangen, lernte er bier bald die Künfte 
des Kleinen Seefrieged. In der Folge gerietb er auch in türkiiche Gefangenfcyaft, 
trat nachher in die Dienfle der Generalflaaten und warb 1639 Admiral von 
Holland, griff die fpanifche Flotte mehrmal an und erlangte durch den über fie 
erfochtenen Sieg einen großen Namen. Bei den Streitigfeiten zwiſchen England 
und Holland 1652 erlitt er, wiewohl unfchuldig, einige Unfälle, wurde deshalb 
zwar auch feiner Stelle entlaffenz; allein bald wurde fie ihm wieder übertragen 
und er ſchlug nun die englifche Flotte unter Blake. In Berbindung mit de 
Ruyter verloren fie in einer dreitägigen Schlacht (7. Auguft 1653) gegen die 
Engländer; allein in der Schlacht zwifchen Scheviningen und der Maas durch: 
brach er die feindliche Linie, wurde aber umzingelt und, von feiner eigenen Zlotte 
verlaflen, fanf er, von einer Kugel getroffen und gab bier, glücklich fich preifend, 
für6 Vaterland zu flerben, den Geift auf (6. Auguft 1653). Ein glaänzendes 
Grabmal zu Deift ehrt fein Andenken, das noch ver Staat durch Denkmünzen, 
auf ihn gefchlagen, zu erhöhen ſuchte. 33 fiegreiche Seetreffen werden ihm zuge⸗ 
fhrieben, 2)%., Cornelius, zweiter Sohn des Borigen, geboren 1629, nahm 
ebenfalls früh Kriegsdienſte, befehligte fchon im 19. Jahre ein Schiff gegen bie 
Corjaren an der afrifanifchen Küfte, wurde 2 Jahre darauf Eontreadmtral und 
rertete 1665, nach dem ung aauchen Treffen bei Solebay, einen großen Theil 
der hollaͤndiſchen Schiffe. Ebenſo zeichnete er ſich bei der viertägigen Schlacht 
in den Dünen im Junt 1666 aus, wurde aber, well er die engliiche Flotte uns 
vorfichtiger Weife zu weit verfolgt und dadurch den Admiral de Ruyter in Ge⸗ 
fahr gebracht hutte, von demſelben angeflagt und feiner Stelle entfegt. Beim 
Ausbruche des Krieges zwifchen Holland, England und Frankreich (1673) erhielt 
er indeſſen, mit de Ruyter audgeföhnt, wiererum eine Anftelung, erfocht mehre 
Siege über die Ongländer und wurde 1675, nachdem der Friede mit England 
abgeichlofien war, bei einer Reife in dieſes Land auf dad Ehrenvollftie empfangen 
u. vom Könige Karl IL zum Baronet ernannt. Noch in demfelben Jahre erhielt 
er von der holländifchen Regierung den Auftrag, nad Kopenhagen zur Unter⸗ 
ftugung Dänemarf’8 gegen Schweden zu gehen und befam von dem Könige von 
Dänemark den Elephantenorden. Nach de Ruyter’8 Tode folgte er demfelben als 
Admiral: Oenerallieutenant der vereinigten Staaten, blieb jedoch während des 
Krieged in däniſchen Dienften und hatte großen Antheil an den @roberungen 
diefer Krone im Norden. Er ftarb zu Amſterdam den 29. Mat 1691, als er 
eben im Begriffe ftand, beim Ausbruche des Krieges zwifchen Holland u. Franf- 
reich den Oberbefehl über die holländische Flotte zu übernehmen. 

Trompete, abgeleitet von dem altfächfifchen Worte Dram was foviel bes 
deutet ald Geräufch, ift ein befannted Blasinftrument, beftehend in einer langen, 
dünnen, dreifach zufammengelegten Röhre von Metall, mit einem Munpdftüd oben 
und einer weiten Deffnung unten. Die I. hat einen Umfang vom Tenor_g, bie 
Discant c und ihre Noten werden, wie beim Waldhorn, immer im Biolinjcylüffel 
aus c gefegt. Sie ift der Sopran des Waldhorns, denn fie fleht in ihrer 
Stimmung gerade um eine Dftave höher, als diefes, ift aber beſchraͤnkter, weil 


266 Trompeter — Trope, 


K die en Töne fehlen, wogegen ihr Ton durchdringender und filberheller 
iR. Rüdfichtlidy ihrer Behandlun— iR fie aber eben fo fehwierig, wie das Walds 
bom, ja die Fehlet fallen ihres ſcharfen Tone wegen noch weit mehr auf. Das 
aan, worin fich die Deutfchen auszeichnen, If deſonders fchwer auszuführen. 
Die alten Abbildungen ſtellen bie T. a ausgehend, wohl auch in der Geſtalt 
eines Ochfenhorn® vor; die jehige Borm fol fie aber unter Ludwig XIV. durch. 
einen gewiffen Morig erhalten haben. Der Hoftrompeter Weldinger in Wien erfand 
1801 die Klappen»T., die zwar einen größeren Tonumfang hat, doch an Eis 
jenthümlichkeit des Tons verliert. Indeß führte dieſe Erfindung auf die der 

ug⸗T.n, trompette ä piston, auf welchen ein Ton ganz, halb und um andert⸗ 

16 Töne. erniedrigt, auch die ganze chromatifche Tonleiter ausgeführt werden 
ann. Man wendet jegt auch die T.n an in verfchledenen Stimmungen für den 
At, Tenor und Baß und nennt fie in Deutfchland Tenor» und Alihörner, oder 
Tenor» und Alt-T. Gine T. mit Schlüffeln, welche man blos mit einer 
Hand zu behandeln braucht und die nichts an gu und Gebtegenheit de Tone 
verliert, hat zum Gebrauche in der Gavallerie Ludwig Maurt, in päpftlichen 
Dienften, jedoch in der Lombarbei geboren, 1836 erfunden. Berner heißt T. auch 
ein Orgelgug im Manual oder Mena. 

Trompeter heißen die Spielleute bei der Eavalerie; fie dienen bei den 
Escadronen hauptfächlich zum Signalgeben und bilden vereint, unter der Seitung 
des Stabs⸗ T.s, das Regimentömuflfcorps. — Außer den T.n beim Militär gal 
es früher in Deutſchland gelernte und ungelernte T. Letzteren diente die 
Trompete nur als Rebeninftrument, erſtere dagegen befchäftigten ſich mit derfelben 
ausſchließlich bildeten, von Kalfer Ferdinand MH. 1632 privilegirt, eine eigene 
Zunft oder Kameradſchaft und Hatten ihre Geſehe und Vorrechte. Außerdem 
übte der Kurfürſt von Sachſen, ald Ergmarfhall, über alle T. und Paufer des 
hi. römifchen Reichs ein befonberes Schutzrecht. 

Trouchet. Srangois Denis, berühmter Rechtögelehrter und Parlaments⸗ 
Advotat zu Parid vor Ausbruch der Revolution, wurde 1789 Deputirter des 
dritten Standes bei der Verfammfung der Generalfiaaten und geihnete fi durch 
große Dräfigtelt aus. Am 25. Febr. 1790 unterflügte er den Antrag, die Rechte 
der Er jeburt bei Erwerbung eined Lehend zu vernichten und erhielt auch die 
Vertheidigung Ludwig's XVI. nach der mißfungenen Flucht nach Varennes. Den 
unglüdlicen König zu retten, gelang ihm indeffen nicht. Er trat hierauf im 
Sept. 1795 in den Rath der Alten, Pi im Mai 1796 mit vieler Wärme zu 
Gunſten der Väter und Mütter der Emigrirten, kam 1801 in den Erhaltungs- 
fenat und farb den 10. März 1806, nachdem er an der Redaktion des neuen 
Civilcoder großen Antheil genommen hatte. 

Trondhiem, f. Drontheim. 

Trope (griechiſch zpdros), eigentlich: enbung, Umkehrung; in der Rhe⸗ 
torif der figürliche und uneigentliche Gebraudy ver Wörter, alfo die Umfchrung 
des gewöhnlichen Nevegebrauches, Die T.n bezweden, wie die Figuren, eine grö- 
Fere Veranſchaulichung und Lebhaftigfeit der Darſtellung, unterſcheiden ſich aber 
dadurch von den eigentlichen Redefiguren, daß fie bie Veranſchaulichung durch 
wirkliche Uebertragung ver eigentlichen Bedeutung des Ausoruds, d. i. 
durch einen uneigentlichen Ausorud, oder durch Bertaufgung des Gegenftandes 
mit felnem Gegenbilve bewirken: 3. B. die gene Welt Eennt es, alle Nationen 
trauern u. f. w. Man bezeichnet daher die In als eine befonbere Art der bild⸗ 
lichen Figuren und rechnet felbft zu ihnen die Ironie, Metapher (Bild, Allegorie, 
Symbol), die Metonymie, Perfonififation, Sermocination und Syneldoche 
(. ®d.). Andere fondern die Im noch im ſolche, welche lediglich die Bezeich⸗ 
nung des Hauptgegenftandes mit einer uneigentlichen oder bilvlichen vertaufchen 
und in ſolche, wo durch diefe bildliche Bezeichnung des Hauptbegrifie auch deſſen 
gefammte ſtyliſtiſche Umgebung ein bildliches Gepräge empfängt. Zu jenen wird 
dann gerechnet: die Metapher, Metonymie, Periphrafe, ‘Berfonififatton, Sermo⸗ 


Tropenlaͤnder. 267 


— und Synekdoche; zu dieſen die Allegorie und Viſton. Indeß kann doch 
ö die Periphrafe den Sinnfiguren, die Allegorie der Metapher u. die Biflon 
ver Berfonififation beigeordnet bleiben. 
Tropenländer, die Länder zwifchen den Tropen oder Wendekreiſen, deren 
e Kenntniß wir bauptfächlidh den großen Korfchungen Alexander’ von 
pt verdanken. Alles, was Klima und Vegetation und überhaupt 
Katur Schönes und Großes haben, vereiniget ſich in diefen Gegenden. eh 
auer fenkrechten Höhe von 14,400 Fuß erfcheinen, von den Palmen» u. Pifangs 
gebüfchen des Meeresufers bid zum ewigen Schnee, die verſchiedenen Klimate, 
geichſam fchichtenweife über einander gelagert. In jeder Höhe erleidet die Luft: 
wärme Jahr aus, Jahr ein, faft Feine Veränderungen. Dieſes gilt ganz vorzüg- 
ih von dem Raume, welcher von 10° nörblicher bis 10° fünlicher Breite geht; 
zäber nach ven gemäßigten Zonen tritt ſchon mehr Unbeflimmthelt und ein mehr 
- möbnlicher Charakter ein. Der Luftdruck muß natürlich unter diefen Umftänden 
HR verfchieden fen. Je höher man gelangt, deſto mehr nimmt Ermattung 
md Schwache des ganzen Nervenfuftemed zu; man fühlt biöwellen Neigung 
um Erbrechen; über 2975 Klafter fließt dad Blut aus Lippen, Augen u. Zahns 
. So troden auch die Luftfchichten auf den Gebirgen find, fo ſchwebt doch 
en fa immmerwährender Nebel über 1283 Klafter an vdenfelben, welcher dem 
—— dieſer hohen Wildniſſe ein unnachahmlich prangendes Gruͤn leiht. 
Die neferen T. enthalten in ihrer, viele Monate hindurch wolkenfteien, Luft eine 
fo große Menge Waſſer, daß die Pflanzen fih, blos durch Anziehung deſſelben, 
in per Trodenheit ganzer 5 — 6 Monate aufrecht erhalten koͤnnen; daß eine 
Blätterfülle ununterbrochen fortdauert in einem Lande wie Cumana, wo es oft 
in 10 Monaten weder Regen, noch Thau und Nebel gibt. Die tiefften Luft- 
—5* zeigen gewöhnlich eine nur geringe elektriſche Tabung, die dagegen in 
den Wolfen vereinigt zu Teyn fcheint. Diefer Mangel an Gleichgewicht erregt 
Kise Gewitter in der Ebene einige Stunden nad Mittag, in den Flußthälern 
bei Nacht; am ſtärkſten find diefe in den Gebirgsebenen, über 1026 Klafter 
find fie feltener und noch höher zeigen fe fi) hochſtens nur in Hagel und 
Schnee. Sternfchnuppen find in dieien wärmeren Ländern außerordentlich häufig. 
Humboldt bat die -ufıbiäue unter den Tropen viel dunkeler gefunden, als in 
gelber Höhe in gemäßigten Zonen. Bon den Ttopennächten * er: die ſchoͤn⸗ 
ſpaniſchen und italieniſchen Sommernächte find nicht mit der ſtillen Majeſtät 
ber Tropennächte zu vergleichen. Nahe am Aequator glänzen alle Geſtirne mit 
ruhigem planetarifchem Lichte. Funkeln ift kaum am Hortzonte bemerkbar. We⸗ 
gen der Reinheit der Luft ift das Licht der Sonne viel ftärfer, al® in Europa 
unter gleicher Höhe, fo, daß man ſich mehr vor der Helle, als vor der Wärme 
fürchtet. Die verfinfterte Mondfcheibe wird bei uns in der Regel nicht gefehen; 
aber in den T.n erfcheint fie in einem röthlichen Lichte, wie der Vollmond, wenn 
er über die Erve herauffteigt. Die Nerven werben durch das Sonnenlidht, deſſen 
Kraft an den niederen Gegenden geihwächt ift, in den höheren fo gereizt, daß 
die Cinwohner von Duito und Merico außerorbentlid über Schwäche Hagen, 
wenn fie in 1800 Klafter Höhe den ſtechenden Sonnenftrahlen ausgeſetzt find, 
Bon den Gebirgsarten liegt der Granit auch hier zu unter. Auf ibm ber 
Gneud, der in Glimmerſchiefer, fowie diefer in Urthonfchtefer übergeht. Auf 
ihm erfcheint fodann der Porphyr, der Mandelftein, der Trapp und alle neueren 
Füpformationen. Die Steinkohlenflöge ver T. liegen oft 1352 Klafter hoch. 
Berkeinerungen finden fich noch in einer Gegend von 2205 Klafter Höhe. An 
kennenden Vulkanen find die 3. vorzüglich reich. In der Region der Balmen- 
wid Bananengewächfe, vom Meere an bis 513 SKlafter Höhe, niet es Mais, 
Gxas, Ananas, Drangen, Kaffee, Zuderrohr u. Indigo; ferner Riefenfchlangen, 
Amat's, Krotodile, Flußſchweine, Alouaten, Eapajouaffen, Zaulthiere, Papa: 
gen, Tannagras, Hoccos, Löwen, Jaguars, Tieger, Hirſche, Amelfenbären, 
giftige Fliegen, Bremjen, Spinnen u. Amelfen. In der Region der baumarllamı 


— " 


. 


268 Tropfbarkeit — Trophonins. 


Farrenkraͤuter, von 513 — 1026 Klafter, findet man alle Getreidearten, Baum; 
wolle, den Tapir, das Nabelfchwein; in der obern Region der Gindyona, von 
1026 — 1539 Klafter, den flärkften Getreidebau, die egerfage Bären und den 
roßen Hirfh. In den Falten Gebirgöftreden, von 1539—2052 Klafter, ift der 
feine Pumalöwe, der Kleine, weißftirnige Bär und ſogar manche Eolibriart zu 
treffen. Die Region ver Grasfluren, von 2052—2565 Klafter, nährt Stameelfchafe, 
af, Alcapas ıc. und der Condor allein ſchwebt in einer Höhe von 3334 
laftern. 

Tropfbarkeit, ſ. Slüffigfeit. 

Tropfen nennt man 1) überhaupt Fluüſſigkeiten in Kugelgeſtalt, welche Geſtalt 
der fallende Regendimft annimmt nady dem nämlichen Geſetze, nach welchem bie 
Weltkörper Eugeliger Form zu feyn fcheinen, alfo einen Heinen Theil eines Hüffigen 
Körpers, welcher in einer runden Geftalt erfcheint; 2) im engerer Bedeutung eine 
flüffige Arznei, welche man tropfenweife einnimmt; 3) eine fehr geringe Menge 
von einem flüffigen Körper; 4) auch ein Körper, der eine länglicy = runde Geflalt, 
wie ein T., bat, 

Tropfſtein, |. Stalaftit. 

Trophäen oder Tropäen find Denkmäler zum Zeichen eines erhaltenen 
Sieges, von eroberten Waffen zufammengefeht; T. in weiterem Sinne Sieges⸗ 
zeichen aller Art. Die alten Völker richteten dergleichen gewöhnlich an dem 
Orte auf, wo fie einen Sieg erfochten hatten. Schon in den früheflen geilen 
bing man bei den Griechen die, dem Feinde abgenommenen, Waffen oder Beute 
an einer Eiche oder einem Delbaume auf und zwar fo, daß fie die Figur eines 
Bewaffneten vorftelten. Bon dem nächften Baume wurden Zweige herunterges 
hauen, bis auf einige wenige, an welche Schilder, Schwerter, Spieße ıc. gehans 
gen wurben; den obern Gipfel bedeckte man mit einem Helme u. an den Stamm 
wurde ein Panzer oder Harnifch geftellt. Dann wurden aud) von Holz Träger 
der T. errichtet, nicht aber von Stein, weil die Griechen Anfangs die Dentmale 
der Feindſchaft nicht fortvauern lafien wollten. Ecſt fpäterhin errichtete man 
auh 3. aus Bronze und Marmor, felbft aus Gold und fie waren ein Gegen: 
ftand, der oft auf Münzen abgebildet wurde. Die Sinnbilver der befiegten Pros 
vinzen oder Städte wurden zuweilen unten an dem Stamme in trauernder 
Stellung angebracht, dem Ganzen aber eine Infchrift, die mit einigen Worten den 
erfochtenen Sieg andeutete, beigefügt. Auch gefchah dieſes auf Altären. Zu. 
weilen ward einem aufgehängten Schilde eine Infchrift gegeben, die den Sieg 
verewigte. Bel Triumpben (f.d.) pflegte man die T. vor dem triumphirenden 
Geloherrn herzutragen. In der Baufunft hat man nachher, zur Nachahmung 
derfelben, allerhand Zierrathen in Holz oder Stein bei Gebäuden, beſonders an 
Triumphbogen, angebracht. 

„eonponin, Sohn ded Erginus, Königs von Orchomenos in Böotien. Er 
und fein Bruder Agamedes halfen dem Apollo den Tempel zu Chryſa bauen. 
Der Gott legte den Grundbau, ſie aber fleinerne Schwellen darüber. Eie er: 
bauten auch den Tempel zu Delphi und baten nachher den Gott um eine Bes 
lohnung dafür. Diefe ward ihnen auch den ficbenten Tag verheißen u. fie wur: 
den ermuntert, ſich bis dahin durch Gaſtmahle zu ergögen. Am fiebenten Tage 
wurden fie beide im Echlafe todt gefunden. Andere erzählen: beide errichteten 
dem Hyrieus ein Gebäude zur Aufbewahrung feiner Schäße, festen aber einen 
Stein jo in die Mauer ein, daß fie ihn des Nachts herausnehmen, nad) Bes 
lieben von dem Gelde entwenden und die Deffnung wieder verfchließen konnten, 
obne daß Etwas zu bemerken war. Hyrieus fah feinen Schag täglich abnehmen, 
aber Thurm und Schlöffer unverfehrt. Er ließ alfo Schlingen legen; Agamedes 
fing fidy darin, aber T., um nicht verrathen zu werden, ſchnitt ihm den Kopf ab 
und nahm ihn mit fih. Bald nachher verfchlang ihn die Erde im Hain Leba⸗ 
dia. Nach Anderen floh T. aus Elis nady Lebadia in Böotien, legte fich unter 
ber Erde eine Wohnung an, fpielte hier den Wahrfager, ftarb in derfelben und 








Zropifched Jahr — Troppan. 269 


ward nachmals vergöttert. Er erhielt in der Folge einen Tempel, worin er, 
ald Jupiter T. eine von Prariteled gearbeitete Statue, verehrt wurde und theilte 
Drakel aus. ein Drafel ward bei folgender Gelegenheit entdeckt: ine zwei⸗ 
jährige Dürre bewog die Böotier, das delphiſche Orakel um Rath zu fragen. Es 
befahl ihnen, fih an den 3. in Lebapia zu wenden. Lange fuchten die Äbgeord⸗ 
win nad) dem Drafel, welches Niemand kannte. Endiich fah der Altefle von 
iheen einen Bienenfchwarm, dem fie nach einer Höhle binfolgten. Hier gewahrs 
ten fie die Gegenwart eined Bötterweiend, bezeugten dem T. göttliche Ehrfurcht, 
ablelten feine befriedigende Antwort und Unterricht, wie man ibn künftig ver- 
ehren und um Rath fragen folle. Wahrfcheinlih war alfo die Entftehung dieſes 
Drafel® eine Spekulation der Priefter zu Delphi. Trophonia waren feierliche 
Spiele, die dem Jupiter 3. zu Ehren jährlich zu Lebadia gehalten wurden. 

Tropifches Sahr, f. Jahr. 

Zroppan, 1) ein, dem fürktlichen Haufe Liechtenftein feit 1614 gehöriges Fürs 
ſenthum, das theils im Ter Kreife des Öfterreichifchen Sichefiend, theild tm 
lebfchüger Kreife des Regierungsbezirkes Oppeln von preußiſch Schieflen liegt 
u wovon der erftere Antheil 80.000, ver letztere, mit Einfchluß des Fuͤrſtenthums 
gerndorf, das ebenfalls Beſitzthum des Kürften von Liechtenftein if, 60,000 
Gnmwohner zählt. Das Land bat Feine Berge, fondern nur Be wenig Wald» 

und mittelmäßigen @etreidebau, dagegen aber gute Hornviehzucht. Bes 

eıt ift e8 von der Oder, Oppa und Mohra. Früher zu Mähren gehörig, 

km ed zugleich mit diefem an Böhmen, wurde von Dttofar II. 1254 zum Fürs 
ſenthum erhoben und von ihm feinem natürlichen Sohne, Nikolaus J., gegeben. 
US defien Nachkommenſchaft erloſch, kam T. 1480 an Herzog Eafimir von Tes 
ſchen, nach deſſen Tode, 1528, e8 an Böhmen zurüdfiel. 1614 verlich ed Kalfer 
Barthias an dad Haus Liechtenftein. — 2) Die geihnamige Hauptflabt des Fürften- 
thums und des T.er Kreifes, in angenehmer Gegend am rechten Ufer der Oppa, 
beſteht aus der eigentlichen Stadt, 3 Vorſtädten und dem auf der linfen Oppa⸗ 
feite gelegenen Orte Kathreindorf und hat, mit Einfchluß des lehtern, 14,000 
Einwohner. Im Ganzen hat die Stadt ein freundliches, heitered Außfehen, wos 
zu, nebſt den geraden und ziemlich breiten Straßen, die faft überall angebradyten 
Seuermauern nicht wenig beitragen. Sie imponiren durdy den Schein eines 
köhern Geſchoſſes u. verhüllen die, durchaus mit Schindeln gedediten, Dächer dem 
Auge. Es find hier fünf Pläge, deren einer, der Viehmarkt, auch Herrengaffe 
genannt, von fehönen Häufern umfchloffen if. Auf dem höchften Bunte der jonft 
ſiemlich eben Iegenben Stadt erhebt fih am Freithofplage die Hauptpfarrficche 
der Jungfrau Marta, im gothiſchen Stile erbaut, mit einem modernen Thurme, 
ver auf der Spite dad Kreuz des deutfchen Orden trägt, dann einem zweiten, 
wnvollendet gebliebenen Thurme; außerdem befigt T. noch die fchöne ehemalige 
Jejuitenkirche neben dem Gonviftual- Haufe, die Minoritentirche zum heil. Geiſt 
mit einem jchönen Geläute und mehre andere Kirchen. Bon den übrigen Ges 
häuden find zu bemerken: der neu und geſchmackvoll erbaute, mit einer zterlichen 
Galerie umgebene Stadtthurm, mitten in der Stadt, die ſchöne Hauptwache neben 
vemfelben, das Theater, das alte geräumige Ratbhaus, das Lonventualhaus 
(ebemald Sefuitencollegium), das fürftliche Schloß ıc. — T. ift Sid des Kreid- 
amts für den T.er Kreis, des Landrechts der Fürſtenthümer T. und Jägerndorff, 
des mit dem Stadtmagiſtrate vereinigten Criminalgerichto, Merkantil- und Wech⸗ 
ſeigerichts für den öfterreichifchen Antheil am Herzogthum Schleſten und anderer 
Siellen und hat ein Gymnaſium mit einem 1814 errichteten fchlefifhen Mufeum 
(beehend aus Bibliothek, Mineralien-, ornithologiicher, Infektens und Pflanzen⸗ 
amlung), eine Hauptfchule, eine vorzügliche, durch den Eifer des thatkräftigen 
Sizeriten-Buardians und Pfarrers Peter Klofe 1835 errichtete Kleinkinder⸗ 
mahranftalt, dad Heidrifch’sche Krankenhaus im ehemaligen Franciscaner⸗ 
Khe, eine Tuchmanufaktur, eine zahlreiche Tuchmacherzunft und viele andere 
Genabe, Tücher und Leinwand find Hauptgegenflände des biegen Hand, 


270 Tros — Troyes. 


In der neueſten Zeit wurde T. merkwürdig durch den, bier vom Olktober bis 
Dezember 1820 gehaltenen Monarchen-Gongreß, der den Grundſatz der bewaff- 
neten Intervention aufftellte. Vgl. Bignon: „Du congres de T.“ (Par. 1521). 

Tros, 1) der Stamms und Kandes- Heros der Dardanier, Sohn des Erichtho- 
nios und ber Aftyoche, der Tochter des Flußgottes Simois. Er vermählte fidy 
mit Kalircrhoö, der Tochter des Fluſſes Skamander und nannte dad Land nach 
fi) Troja (f.d.). — 2) 3, Sohn des Alaftor, nahte fidy gefangen u. waffenlo® 
Dem Mil und umfaßte defien Knie, doch diefer durchhieb mit dem Schwert ihm 

e Leber. 

Troubadours (vom franz. trouver, finden, fo genannt in Beziehung auf 
die poetifche Erfindung, oder auf die Leichtigkeit der Poefle) find die Dichter des 
fünlichen Frankreichs, von Languedoc und der :Brovence, die Brovenzalen (f.d.). 
Man bat fie fehr paſſend die Rhapfoden und jonifchen Sängerfchulen tes Mit: 
telalterd genannt und ihre Poefle ald der Kindheit angehörig bezeichnet, in wels 
cher das Epiel als eigentlicher Ernft behandelt wird u. Poeſie eine Lebensarbeit 
tft, wogegen die fpätere ſpaniſche und italientfche Poeſte dem reifern Alter ange: 
hören, wo die Schelbegränge von Spiel und Ernft bereitd erfannt und gewürdigt 
ift und der Ernſt des Lebens im frifchen Spiel der Poefte fi) auflöst. — ine 
Abart der T. find die Trouveres, die epifchen Dichter des nördlichen Frankreich, 
die insbeſondere auch Contes und Kabliaur (f. d.) fehrieben und unelgentüih 
in England Minftreld genannt wurden. Sie nahmen Ihren Urfprun dem 
von Rollo geftifteten Herzogthum ber Rormanbie, theilten fich zwiſchen Frankreich 
und England und beitanden vom 12. bis 16. Jahrhunderte Ihre Dichtung 
war, wie bemerkt, hauptiächlich erzählend und fie find es, die in ihren Gefängen 
und Ritterromanen die Zabelkrcife der Ritter von der Tafelrunde, von Karl dem 
Großen und feinen Pairs und, wie Einige behaupten, audy der Amadiſſe ges 
fchrieben haben. Bgl. Ritterpoefie, | 

Trorler, Ignaz Baul Vitalis, Profeſſor der Philoſophie an der Unis 
verfität Bern, geboren den 17. Auguft 1780 zu BerosMünfter im Kanton Lu⸗ 
zen, befuchte die Gymnaſien zu Solothurn und in Luzern, war bei dem Aus⸗ 
bruche der franzöftfchen Revolution Sekretär des Regierungs-Statthalters, ftubirte 
fett 1800 die Heilfunde zu Iena und Göttingen und wurde 1803 an erflerer 
Hochſchule zum Med. Dr. promovirt; 1804 begab er ſich nah Wien, 1806 ließ 
er ſich in Luzern als praftifcher Arzt nieder, gerieth aber durch feine Schrift: 
„Einige Worte über die graffirende Krankheit und Arzneifunde im Kanton Luzern 
im Jahre 1806”, Zug 1806, mit dem Santtätsrathe feines Kantons in Streit 
und ging daher 1807 wieder nady Wien, bereiste die Niederlande, Frankreich u. 
Italien und fehrte erft 1808 nach Luzern zurück. 1814 fam er wegen demago⸗ 
gifcher Umtriebe in Unterfuchung, wurde aber freigefprechen und ging 18315 in 
politifcher Sendung nady Wien und Berlin; 1816 privatifirte er zu Aarau, 1817 
zu Bero-Münfter; 1820 wurde er als Profeffor der Philoſophie und Gefchichte 
in Luzern angeftellt, mußte diefe Stelle aber wieder aufgeben, errichtete 1823 in 
Yarau ein Erziehungsinftitut und übte nebenbei die ärztliche Praris aus. 1830 
wurde er Profefior der Philoſophie und Pädagogif an der Univerfität Bafel, war 
das naͤchſte Jahr Rektor, verlor aber feine Profeſſur wegen politifchen Verdachts 
und 309 ſich nad) 1831 auf fein Gut im Aargau zurüd; 1835 aber wurde er 
als Profeſſor der Philofophie an vie Univerfität Bern berufen. — T. gehört zu 
den beveutendften Anhängern der Raturphilofephie, die er in würbiger und felbh- 
fländiger Weife auf die Theorie der Medizin anzuwenden verfuchte. — Zu feinen 
wichtigeren Schriften gehören: „Ideen zur Grundlage der Nofologte und Thera⸗ 
pie", Jena 18035 „Grundriß der Theorie der Medizin”, Wien 1805; „Leber 
das Leben und fein Problem”, Göttingen 1806; „Blide in dad Wefen des Mens 
fhen“, Yarau 1812; „Der Cretinismus*, Zürich 1836 ıc. E. Buchner. 

Troyes, Hauptftadt des Departements Aube in Frankreich, in der ehema⸗ 
Iigen Champagne, an der Seine, in einer großen und fruchtbaren Ebene, bat 


Tropgewicht — Trüffel, 271 


einen großen Dom mit vielen Eoflbaren Reliquien, mehre andere, zum Theil fchöne 
Kirdyen, ein Rathhaus mit merkwürdigem Audienzſaale, eine Börfe, ſchönes 
Hofpital und Bibliothek mit 40,000 Bänden. Die Stadt iſt Sie eines Bifchofs, 
der Departementsbehörben, eines Civil- und Handelstribunals, General⸗Handels⸗ 
ratho, Handeldfammer, Conseil-de-prud’hommes, einer Geſellſchaft für Aderbau, 
Wiſſenſchaft und fchöne Künfte; ferner findet man hier ein Priefterfeminar, eine 
Zeichnungs⸗ und Baufchule, eine chemiiche Unterrichtsanftalt u. a.m. Die 35,000 
Einwohner der Stadt betreiben Fabrifen in Strumpfwaaren, Müten, Krämpeln, 
Wachs⸗, Woll⸗ und Baummollgarn, Tuch, Baumwolldecken, Wachstuch, Del, 
Bapier, FZärbereien, Bleichen, Btjoutertewaaren, Mefierichmieden, Gerberei, Handel 
und Schifffahrt. — T., defien ältefter Rame Tercatum, Noviomagus Tricassi- 
norum war, erhielt von Auguſt den Namen Augustobons, worauf fie im 5. 
Jahrhundert den Ramen Trecae annahm. Als das römifche Reich verfiel, warb 
%. zu Lugdunensis quarta gefchlagen. Unter fränkifcher Herrfchaft fam T. an 
Keuftrien. 893 zerflörten eö die Rormannen, 950 wurde ed wieder erbaut. Dann 
befaßen es die Grafen von Champagne und ed warb Hauptftabt derfelben; endlich 
fam es mit der Champagne an Frankreich. 878 hielt Papſt Johann VII. 
bier eine Synode Im Jahre 1111 hier ein Concil, wo die gregorianifchen Edikte 
wegen der Inveſtitur erneuert wurden. Den 21. Mai 1420 Friede zwiſchen 
Franfreih und England, in welchem Heinrich V. KRatharina’s, Karls VI. 
Tochter, Hand, die Zuficherung auf die Thronfolge nach des Schwiegervaters 
Tod und bis dahin die Regentfchaft in Frankreich erhielt. T. ift auch der Ges 
burtsort von Papſt Urban IV., der der Sohn eined dortigen Schufters war. 
Im Feldzuge von 1814 war ed ald einer der Hauptoperationspunfte der öfter 
teichifchen Armee wichtig. 

Tropgewicht, heißt das in England gebräuchliche Gewicht für Gold, Stiber, 
Münzen, Epelfteine und Medikamente, fowie das früher in Holland übliche Gold⸗, 
Eilber- und Münzgewicht, nach welchem die holländifche Mark oder T.⸗mark in 
5120 holländische As eingetheilt wurde und die Hälfte eined T.-pfundes war; 
— — var ohngefähr zwei Grammen leichter, ald das alte hollaͤndiſche Hans 
delſspfund. 

Truchſeß (lat. dapifer), war im deutſchen Reiche ein hoher Wuͤrdentraͤger, 
welcher ganz dem franzöftichen Seneſchall, dem jetzigen Hofmarfchall, entfprach 
und bei feierlichen Gelegenheiten die erſte Schüflel dem Yürften übergab, fowie 
der Erz⸗T. des deutſchen Reiches bei der Kaiferfrönung dem Kalfer. eine 
Schüffel mit Rinderbraten überreichen mußte. Erz⸗T. des deutfchen Reichs war 
früher der Herzog von Bayern; durch die goldene Bulle (1356) wurde es ver 
Kurfürft von der Pfalz; feit 1623 ning die Würde mit der pfälzifchen Kur 
wieder an Bayern über, welches dieſelbe nur mit der kurzen Unterbrechung von 
1708— 1714, wo fie die Pfalz wieder verwaltete, bis zur Nuflöfung des deuiſchen 
Reiches behauptet hat, weshalb es einen Reichsapfel im Wappen führte. Diefen 
mußte nämlich der Erz⸗T. bei dem Krönungszuge dem Kaiſer vortragen und es 
läßt fi) daraus die Erklärung der Würde ald Reichs⸗T. fehr wohl ableiten. 
In Abweſenheit ded Kurfürften verrichteten die Grafen (zum Theil jetzt Fürſten) 
von Waldburg (f.d.) das Amt, welche ſich deshalb T. von Waldburg nannten 
und ebenfalld einen Reichsapfel im Wappen führten. 

Zrüffel (Tuber cibarium oder T. gululosum), ein in mehren Ländern des 
füblichen Europa, Spanien, Oberitalien, dem fünlichen Deutfchland (Bayern, 
Württemberg, Baden, Tirol, Thüringen ꝛc) in der Erde wachiender Pilz, außen 
mit einer rauhen, warzigen, gewöhnlich fchwärzlichen, erbfarbenen, zuweilen au 
weißröthlichen Oberhaut bededt, inwendig dicht, wie eine Mußkatennuß bräunli 
marmorirt, frifch von angenehmem, eigenthümlich bifamartigem, auch zumellen fnob- 
lauchartigem Geruch und füßlich genänbaftem Geſchmack, von der. Größe einer 
Erbſe bis zu dem Gewicht eines halben und ganzen Pfundes. Sie wachfen an 
fhattigen, mit Bäumen befegten Orten, befonderd gern unter Eichen, welche ud 


272 Truffaldino — Trunkſucht. 


die vorzuͤglichſten ſeyn ſollen. Die meiſten und beſten kommen aus Frankreich, 
wo beſonders die von Perigord im Departement der Dordogne beruͤhmt ſind, 
dann die aus der Provence, Avignon und Venaiſſin. Sie werden entweder ge⸗ 
trocknet und in Wachspapier gewickelt, oder auch mit Baumoͤl übergoſſen verſendet. 
Das Aufſuchen geſchieht durch beſonders abgerichtete Hunde, oder auch durch 
Schweine, die fie ſehr gern freſſen und denen man, damit fie die T.n nicht vers 
zehren, einen Ring um den Hald legt. Die befte Einfammlungszeit ift der Herbfl. 
Die aus dem Piemontefifchen fommenven weißen T.n haben eine gelbbraune over 
eine blaß graugelbe Oberhaut und im Innern feine rotbgelbe Adern, zwiſchen denen 
fidy Heine röthliche Slede befinden; man gibt ihnen den Vorzug vor den bramen. 
Man verwendet die T.n in der höhern Kochkunft, zu Paſteten und anderen 
Delicatefien, befonders in Frankreich und Stalien. 

Truffaldino, vom Stalienifchen iruffare, täufchen, hintergehen; eine Maske 
des Volkstheaters, etwa dem Harlefin ähnlich. 
Trugſchluß. 1) In der Logik ein falfcher Schluß, ein Sophisma, bei wel« 
chem gew hulich die Abſicht zu trügen, aber nicht gerade nothwendig, Statt findet; 
verfchleden von Fehlſchluß, aus welchem nämlich nicht geichlofien werben 
fann, was daraus folgen follte und welchem man das Fehlerhafte gleich abmerft. 
2) In der Muſik beißt T. oder T⸗Cadenz eine Cadenz (f. d.), In welcher auf 
den Borbereitungsalford nidyt der erwartete Schlußafford, fondern ein anderer 
gehört wird. Der T. entfteht, wenn der Componiſt eine ganze Cabent abfichtlich 
vermeidet, die doch dem Sinne und dem Gange der mufifalifchen Periode gemäß 
zu erwarten iſt, was am gehörigen Drte allerdings von guter Wirkung ſeyn 
kann, indem dadurch die Aufmerkfamfeit erhöht, oder auch der folgenden Periode 
größerer Nachdruck gegeben wird. 

Trunkfucht, Dipfomante. Der Hang ded Menfchen, feine Gefühle und 
Empfindungen zu fleigern, alle Genüfle mit noch mehr Illuſton zu genießen und 
dabei aller anderen unangenehmen Nebengefühle ledig zu werden fowohl, als fich 
nach Förperlicher Erfchöpfung wieder zu dem frühern Kraftgefühle zu erheben, bat 
alle Völker, feit Noah von Gott mit der Weinrebe aus dem PBaradiefe befchent 
worden war, Reizmittel auffinden laflen, mittelft welcher fie dieſe gewänfhte 
Steigerung ihrer geiitigen und Förperlichen Thätigfeit zu bewirken Stande 
waren; hat fie, die gütige Abficht ded großmüthigen Schenker vergeflend, dem 
Drange zum ercefftven Bmmufie diefes belebenden Reizmittels und feiner Surrogate 
nachgeben laſſen, theild im irrigen Wahne, auf diefe Weiſe ein größeres Maß 
von Kraft entwideln zu können, oder, um aus Ungenügfamfeit das glüdliche Bors 
gefühl himmlifcher Seligfeit noch zu fleigern und ununterbrochen zu genießen, 
theil8 um unangenehme Lebensverhättniffe vergeffen zu machen, ober Gewiſſens⸗ 
regungen zu übertäuben. Hierdurch) wurde das Verlangen nach fortgejeßter 
Reizung und Betäubung zur Gewohnheit; dieſe gebar den Mißbrauch, hieraus 
entiprang das Bedürfniß, womit fidy die Leidenfchaft vergefellfchaftete, die jenes 
Lafter erzeugte, dad man gemeinhin unter dım Auédrücke T. begreift. Die 
duge einer beharrlichen Gewöhnung an Reizmittel ift eine Abftumpfung der Empfängr 
lichkeit ded Körpers und des Nervenſyſtems für diefelben, wodurch eine immer 
größere Menge, oder eine flärfere Qualität verfelben zur gewünschten Wirfung 
erforderlich wird, die am Ende in der letztern Weiſe ganz erfolglos bleibt, aber 
zu einem Heere förperlicher und geiftiger Xeiven führt, ald deren Quelle der Bons 
flidt der unnatürlich erzmwungenen Erregung der Lebensthätigfeit mit ihren orga⸗ 
niſchen Grundbedingungen zu betrachten ift. “Der bedauerungswürdigfte Zuftand, 
den häufig die T. nady ſich zieht, ift jene Form der Geifteöverwirrung, den man 
als „Säuferwahnftnn, Delirium tremens potatorum” bezeichnet. Das Bild eines 
mit der T. behafteten Menfchen, eines fogenannten Trunfenboldes, ift ein höchſt 
trauriged, da er fortwährend im Zuftanve des Verlangens nach geiftiger Anregung, 
oder in jenem der Meberfättigung begriffen ift und für fein anderes und edles 
©efühl mehr empfänglid if. Schon die älteften Völker verabfcheuten dieſes Laßeı 


Truthuhn. J 273 


und beftraften es firenge, obfchon e8 — zur Ehre ihrer Moralität ſei es gefagt — 
felten bei ihnen vorfam. Zu Athen ward ein Ardyont mit dem Tode beftraft, 
wenn er es wagte, beraufcht In Amtötracht öffentlich zu erfcheinen. Die Spartaner 
benügten den moralifchen Weg zur Bernhaltung diefed Laſters, indem fie ihren 
Eöhnen das abfchredende Bild beraufchrer Sklaven vor Augen ftellten; dieſes 
freilich) aber nur ſo lange, als fie auf der hohen Stufe ihrer politifchen Bedeut⸗ 
ung und der Reinheit ihrer Gitten ſtanden. Minder enthaltfam im Genuffe 
geifiger Getränke, als die ſuͤdlichen Völker, erfcheinen die Beivohner des Nordené, 
die, ob des Fältern Klima’d und der bunftreichen Luft, ven gebrannten ©etränfen 
befonderd ergeben, nicht allein die ganze abfchredende Seite dieſes Laſters dar⸗ 
bieten, fondern audy das Volksleben in feinen tiefften Grundlagen zu erfchüttern 
drohen. — In gerichtlich - medizinifcher Hinficht ift die T. im 19. Jahrhunderte 
ein häufiger Begenftand der Beſprechungen und der. entgegengefehteften Anfichten 
geworden. Es war nämlich in Frage gefommen, ob fie ald ein moralifcher Fehler, 
als ein Lafter, oder al8 eine, auf phyſtiſchen Urfachen beruhende, Törperliche Krank⸗ 
heit zu betrachten fei, um daraus die Zurechnungsfähigfeit der Trunffüchtigen für 
fräfliche Handlungen anzunehmen oder zu verwerfen. Obwohl unbeftritten ans 
genommen werden muß, daß die vollendete T. auch al8d wirkliche Krankheit ans 
gefehen werden fann, fo bleibt e8 auf der andern Seite nicht minder wahr, daß 
bie damit Behafteten fih immerhin derſelben anfänglich in fittlicher Freiheit über- 
faflen haben und alfo jedenfalls — fo lange nody Feine offenbare Geiſteszerrüttung 
zugegen tft — für verübte gefeblofe Handlungen verantwortlich zu halten find. 
Dieſe leptere Annahme findet in der Erfahrung ihre Beftätigung, daß die T. durch 
religidös-moralifche Stärkung des Willensvermögens beffer, ald durch irgend mater 
rielle oder medizinifche Heilmittel heilbar ift und daß die, jebt allgemeiner wer⸗ 
denden, fehr Im Zeitbevürfniffe liegenden, Mäßigfeitövereine in dieſer Beziehun 
den Triumph über die Medizin davon getragen haben. — Auch als Krankhe 
ftellt fich die vorgerüdte T. lediglid dar und zwar, wenn der damit Behaftete 
aufs Lebhaftefte das Entehrende und moralifch, fowie materiell Rachıheilige feiner 
Leidenſchaft erfennend, zu gewiſſen Zeiten ganz geregelt lebt, aber beim pertodifchen 
Annahen feiner unglüdiichen Leidenſchaft feiner moraliſchen Kraft verluftig werdend, 
feinem mächtigen, ihn überwältigenden Triebe Genüge leiftet; wenn diefelbe offenbar 
einen periobifchen, gleichſam fieberhaften Charakter verräth und in regelmäßigen 
Anfällen verläuft, denen Vorboten vorhergehen; wenn diefe einzelnen Anfälle nur 
eine gewiſſe Dauer haben und als folche gewiflen Geſetzen unterworfen find ; 
wenn biefelben unter Eritifchen Erfcheinungen enven und endlich, wenn die Grund» 
urfacdhe des Uebels auf rein fomatifche Verhältniſſe bafirt ift und dieſes, als fols 
ches, phufifchen Mitteln weicht. Die Dbuflognomie ber I. tft eine verfchiedene 
und zwar je nad) dem Eharafter des Trunffüchtigen und der, im Zuflande der 
Trunfenheit aufgenommenen geiftigen Anreizungen; zugleich fteht die Intenſität 
der einzelnen Beraufhung mit der Stärke (Koncentration) der Getränfe (f. d.) 
in ziemlich ebenmäßigem Verhältniſſe. Die phyſiſchen Mittel, deren man fidy 
zuweilen mit günftigem Erfolge gegen die T. bedient, find: allmälige Entwöhnun 
durch Subftitulrung weniger concentrirter Getränke und weniger ſchaͤdlicher, felb 
heilfamer Surrogate, 5. B. der Wermuthtinctur; durch Veredelung des Lieblings⸗ 
geträntee mittelft Uebeligfeit erregender Zufäge, 3. B. des Brechweinfteines in fehr 
feinen Gaben; durch dreimalige Darreichung von 10 — 20 Tropfen der vers 
dünnten Echwefelfäure (des haller'ſchen Sauer's) für einen Tag, oder des 
Duaffiaertractd und anderer bitterer Mittel. Was die T. als Krankheitsſymptom, 
d. i. das unerfättlihe Verlangen nach durftlöfcdyenden Getränken angeht, fo findet 
diefer Zuftand unter dem Artikel Durft feine weitere ‚Behanblung. u, 

Truthuhn (Meleagris), ein zur Familie der Hühner gehöriger Vogel, eins 
heimiſch in Oſtindien und Afrifa und fchaarenweife in Amerika, woher er 1530 
nady Deutfchland gebracht wurde und der dermal auch bei und einheimifch iſt; 
bat einen unbefiederten, mit ſchwammigen Drüfen befegten Kopf, deren andy nis 

" Realencpclopäble. X. 18 


274 Arvyphiodorus — Zfiherkefflen u. Tſcherkeſſen. 


vom Schnabel und ver Kehle herabhaͤngen; dieſe ſchwellen an und werben roth, 
wenn das Thier böfe iſt; audy breitet es, vorzüglich der Hahn, Truthahn 
(gallopavo), feinen Schweif in diefem Zuftande radförmig aus. Ste fommen in 
der Rahrung und Lebensart unferen Hühnern gleich, pflanzen fich aber viel befier 
fort, wenn man fie fidy felbft überläßt. Ihr Fleiſch wird gefchäßt. 

Tryphiodorus, ein griechticher Dichter aus dem 6. chriſtlichen Jahrhundert, 
von Geburt ein Wegypter und Berfafler eines, mit Schwulft überladenen Ge⸗ 
dichtes: ITAiou aAwoıs, von Troja’s Einnahme und Zerförung. Daffelbe if oft, 
zugleich mit dem Kolurhus, herausgegeben und einzeln von & Merrid, Orford 
1741; von Bandint, Klorenz 1465; von Thom. Rorihmore, neue Audg., London 
1804; von &. H. Schäfer (eine Prachtausgabe), Leipzig 1809, Bol. und am 
vollftändigften von F. A. Wernide, Leipzig 1819. 

Tſchaiken⸗Diſtrikt, ein militärifcher Gränzbeztrf in der Batfcher Befpann- 
ſchaft, in Niederungarn, dieſſeits der Donau, wo diefe und die Theiß bei ihrer 
Bereinigung einen Winkel bilden und der durch einen, unter dem römifchen Kai⸗ 
fer Diokletian erbauten, Damm abgefchlofien if, mit ungefähr 165 Meilen 
und 27,000 Einwohnern. Seinen Ramen hat diefer Difrift von dem 3.» Batalls 
Ion (Pontonier's- u. Matrofencorps), welches 1771 zur Beichügung der Donau, 
Save und Theiß durch eine Flußflottille von Heinen bewaffneten Schiffen, bie 
man Tſchaiken nennt (csajka iſt ein ferbifch -türfifcher Name, ungariſch sajks, 
ein Heines Schiff), errichtet worden if. Die Einwohner (Serben oder Raipen 
und aus dem vormaligen Temesvaärer Banate eingewanderte Walachen) wur⸗ 
den von der Grundheriſchaft befreit und zu Gränzioldaten umgefchaffen. Sie 
find fämmtlidy dem T.⸗Dienſte gewidmet und bei jedem Türfenfriege auf ihren 
Tſchaiken Milttärdienfte zu thun verbunden. Der T. gehört zur flavonifchen 
Militärgränge. Die Tſchaikiſten machen ein, 5 Gompagnien ftarfed, Bataillon 
von ungefähr 1500 Köpfen aus, ftehen unter der Anführung eined Oberften und 
find dem flavonifchen ®eneralcommando zu PBeterwarbein unterworfen. Der Stab 
it in Tötel, am Zufammenfluße der Theiß mit der Donau, wo auch dad Ar⸗ 
fenal und die Magazine ſich befinden. Die Einwohner dieſes Bezirfd befennen 
fih zur nicht unirten griech lichen Kirche und ſtehen in geiftlichen Angelegenheiten 
unter dem Reufager Biichofe. Der Boden dieſes Diftrifts ift eben. Hauptpros 
dukte find: Getreide, Tabak, Viehzucht und zahlreihe Theiß- und Donaufiſche 
(darunter audy Haufen). Der Diftrift enthält einen Martıfleden, 13 Dörfer u, 
11 Prädien. Auf einen Compagniebezirk kommen im Durdhfchnitte 4500 Seelen. 
Die Tſchaiken oder Waflergaleeren find von verfchievener Größe: von 3 Kanonen, 
mit 10 Soldaten bemannt u, von neun Kanonen, welche auch 100 Soldaten faflen. 
Das Tichaitiften« Bataillon wird jährlich zur Herbfizeit 14 Tage hindurch im 
Pontonierödienfte geübt und wegen dieſer länger dauernden Zufammenrüdung 
übernimmt der Staat die Verpflegung des Bataillons während diefer Zeit. 

FIſcherbet, ſ. Sorbet. 

Tſcheremiſſen, eine finniſche Völkerſchaft, die ſich ſelbſt Mari nennt, im 
Gouvernement Kaſan und Orenburg im afiatiſchen Rußland, an den Ufern der 
Kama, ungefähr 200,000 Köpfe ftarf. Sie find von mittlerer Größe, haben ein 
blondes oder roͤthliches Dat dad rund um den Kopf kurz abgefchnitten wird, 
eine weiße Haut und befigen wenig Kraft, Muth und Bebhaftigtelt. Man hält 
fie für betrügerifch, eigenfinnig u. argwöhniſch. Ste wohnen in Dörfern, die bis 
30 Höfe enthalten und felbft gewählte Echulzen, Unterfchulzgen u. Yeltefte haben. 
Sie find gute Adersleute, Viehwirthe und Bienenwärter und im Winter Jäger. 
Handwerke treiben fie nidyt; dad Frauenzimmer aber fpinnt, näht, webt, flidt 
leinene Kleider, mit ſelbſt gefärbter Wolle, verfieht die Küche und übrige Haus⸗ 
arbeit; Unreinlichfeit ift allgemein. Sie find meiſtens Muhamebaner; Einige eis 
den, bei denen die Bielweiberei Sitte if, ſowie bei den erſten; Andere find 
griechifche Ehriften, die aber vielen Aberglauben von den Heiden beibehalten haben. 

Tſcherkeſſien und Tſcherkeſſen. — T. oder Eirkaffien in weiterer Bedeutung 


Acherkeſſien u. Tſcherkeſſen. 273 


umfaßt dic große u. Heine Kabarda, die Länder der Abafen u. Abchafen, ſowie 
die der eigentlichen Ticherfefien und nimmt den ganzen Nordabhang des Kau⸗ 
kaſus (. d.) bis zum Gebiete der Lesghier im Often und dem Kuban und mitt: 
lern Tetek im Rorden, fowie den Südabhang bis nad) Mingrelien im Süpoften 
ein; die weſtliche Gränze bildet das ſchwarze Meer. Alle Bewohner viefer Län⸗ 
der, die Tſcherkeſſen, Ingufchen, Tfchetfchenzen, DOffeten, Lesghier, 
Sfuanen, Abaffen und Georgier, find durch Sprache, Lebensweile und 
Sitten näher oder entfernter mit einander verwandt und gehören einem und dem⸗ 
ſelben Bolföftamme an. — T. im engern Einne begreift ven nörblichen Theil 
des Kaufafus, den Winkel zwifchen dem Kuban und dem ſchwarzen Meere, bid 
zur Saba, oder den Kabarden am obern Kuban und Terek, im Rordoften u. bie 
nad Bagra an der Gränze Abchaftens im Eüdoften. — Die Tfcherkeffen 
(abgeleitet von Tſcher, Weg, und Keſſmek, abfchneiden, alfo f. v. a. Weges 
fagerer) nennen ſich felbft Adige, bilden ein Volk von etwa 600,000 Köpfen u. 
waren früher viel weiter nach Norden auögebreitet und ihre Weidepläge gingen 
bis über die Kuma hinaus. Erſt die Ausbreitung der Ruſſen und die Anlage 
der kaukaſtſchen Linte im Jahre 1777 drängten fie über den Teref, die Malfa 
und den Kuban zurüd. Gegenwärtig bewohnen fie die fogenannte große und 
kleine Rabardah, d. b. dad Thalbeden des Kuban, bie die Gegend von 
Anapa bin und das mittlere Terekthal. Ste felbft behaupten, aus Arabien zu 
Rammen, im Kaufafud Europäer (Chriſten, wie die nody vorhandenen Kreuze 
von roher Form beweilen) vorgefunden und verdrängt zu haben. Ihre Wunder; 
ungen, bei einem uriprünglichen Hirten» und Jigervolfe leicht erflärlich, find ers 
wiefen, fcheinen fich jedoch nicht weit über die, an den Kaufafus gränzenden, Ges 
biete erfiredt zu haben. ebenfalls find fie Ureinwohner und die Sychen, von 
denen die alten griechifchen Echrififteller erzählen. Ihre Sprache flieht im Kau⸗ 
fafus ganz allein und bietet nur mit finnifchen, hauptfächlicdy mit mogulifchen u. 
aflatifehen Wurzelwörtern (in Sibirien) Aehnlichkeit var. Die Ausfprache ift cine 
der ſchwerſten der Welt, wegen ver unglaublich vielfachen Modificirung der Vo⸗ 
fate und Diphthongen, des Schnalzens mit der Zunge, das viele Buchftaben ers 
fordert und der häufig vorfommenden tiefen Kehllaute. — Gin gemeinichaftliches 
Oberhaupt kennen fie nicht und leben in einer Art von ariftofratifcher Republik, 
in der ſich ein vollfommenes Lehnsweſen ausgebildet bat. Es gibt unter ihnen 
fünf Klaffen: Fürften, Pſchi's oder Bai’s genannt; Adel, Work oder Usden; 
Bafallen des Adels und Leibeigene, welchen lebteren der Aderbau und die häus- 
liche Bedienung anheimfallen. Jeder Fürft hat eine Anzahl von Usden, deren 
hauptfächlichfte Verpflichtung darin beftcht, daß fie ihm mit ihren Bafallen in 
den Krieg folgen. Der Fürſt pflegt feinen Vafallen von Zeit zu Zeit Geſchenke 
zu machen und kann dagegen von ihnen verlangen, daß fie im Nothfall für feinen 
Unterhalt Sorge tragen. Der Standeöunterfchled wird fo ſtreng feftgehalten, daß 
Heirathen aus einer Claſſe in die andere fo gut wie nie vorfommen. Geſchrie⸗ 
bene Geſetze gibt e8 nicht. Sind Streitigkiiten zu ſchlichten, fo bilden die Aelte⸗ 
fien der Fürften, Usden und Vaſallen das Gericht. Cinfälle in das ruffifche 
Bebtet, Fehden, oder endlich Jagden, die zumeilen mehre Wochen dauern, find die 
einzige Bichäftigung der höheren Claſſen. Blutrache iſt ein unverbrüchliches 
Gefeh; Krieger, die im Kampfe gegen die Ruffen gefallen find, werben nie be- 
trauert. Außer dem Haufe erfcheint der Tfcherkeffe nie ohne Waffen, wenigftens 
nicht ohne Säbel und Dolch. Im Kriege gehören zu feiner Rüftung, außer Säs 
bei und Dolch, Pifkole und Flinte, noch ein Panzerhemd, ein Helm, eiferne Hand- 
ſchuhe und Armfchienen. Die Panzerhemden find gegen Piſtolenkugeln durch⸗ 
aus undurchdringlich. Im Frieden befteht ihre Kleidung aus einem weißleinenen 
oder rothſeidenen Hemde, aus einem feldenen und geftidten Unterfleive und einem 
furzen Ueberwurf, mit Tafchen an den Eeiten für die Patronen. Den Kopf bes 
deckt eine geſticke Mütze, vie Füße ruhen in zierlichen rothen Stiefeln. Gegen 
ſchlechtes Wetter ſchuͤßzt ein Filzmantel. Pferde von mittelmäpiger Bir, übers 
AR 


270 Ifcherkefften u. Ifcherkeffen. _ 


aus gewandt und kaum zu ermüben; Ochſen, die vorzüglich ald Zugthiere ges 
braucht und daher felten verkauft oder gefchlacdhtet werden; befonderd aber Schafe, 
deren Fleiſch nebſt Hirfe die Hauptnahrung iſt, bilden den Reichthum der Tfchers 
feffen. Ihre Dörfer oder Auls beftehen der Regel nady aus 40 bis 50 Häus 
fern, die in einem Kreife ftehen und von einem gemeinfchaftlihen Zaun aus ges 
flochtenen Weidenruthen umgeben find, damit das Vieh Nachts nicht fortläuft. 
Die Häufer find ſehr einfach, aus Weidenzweigen geflochten und außen u. innen 
mit Thon belegt; das Dach befteht aus Stroh oder groben Gräſern. Die Mäns 
ner befigen große Eörperliche Kraft und Gewandtheit, ausprudsvolle Gefichtszüge, 
hohen Wuchs, die Frauen find die fchönften des ganzen Kaufafus. Unbegrängte 
Gaſtfreundſchaft ift allgemeine Tugend ; Tapferkeit, Dienftfertigleit, Verſchlagenheit 
bervorftedhende Eigenichaften. Der Islam, der von den Türken feit dem Frieden 
von Kainardfche (1774) gefliffentlich verbreitet wurde, hat auf die Sitten vor⸗ 
theilhaft eingewirft, denn das Branntweintrinfen, früher ein fehr verbreitetes 
Lafter, if ſeitdem verfchmunden. Der Angabe, daß die Tſcherkeſſen mit ihren 
Srauen und Töchtern früher türkiſche Harems bevölkert hätten, widerſpricht 
Klaproth (Reife in den Kaufafus). Nacdy feiner Angabe verkauften fie blos 
geraubte Sflaven und die türfifchen Sflavenhändler wurden mit Mädchen aus 
fchließlich aus Imerethi und Mingrelien verforgt. Die erften Beziehungen Ruß⸗ 
lands zu dem Kaufafus begannen 1555 unter Iwan Wafiljemitfd. Geor- 
nien fuchte gegen die Türfen bald perfifchen, bald ruffifhen Schu und felbft 
Fürften des Hochgebirged und Häuptlinge der Kabardah follen, nach ruffiichen 
Duellen, mehrmals mit den Ruſſen gegen die Khane der Krim gefochten u. den 
Eid der Treue gefchworen haben. Jedenfalls waren diefe Verbindungen bi8 auf 
Peter den Großen unbedeutend. Mit dieſem Monarchen begann bekanntlich, das 
Streben Rußlands, die öfllichen Meere zu gewinnen, in Mittelafien einzubringen 
und ſich für die Zukunft einen Weg nach Indien zu eröffnen. Peter der Große 
zog verfönlidy nach jenen Gegenden und eroberte das wichtige Derbend am kas⸗ 
piichen Meere. Furcht vor dem verfifchhen Schah Nadir bewog ihn, diefe Er⸗ 
werbungen wieder aufzugeben. 1763 wurde die Feſtung Mosdok angelegt; 1774 
durch den Fricden von Kainarbfche die große und Feine Kabardah gewonnen, 
jedoch unter lautem Widerfprudye der Einwohner, die fchon im folgenden Jahre 
Aufftände erregten und nur zum Theil unterworfen werden fonnten. Zur Bes 
wältigung der Gebirgsbewohner legte man jebt die fogenannte Faufaftiche Linie 
an, eine lange Reihe von Feftungen und Forts, die den Teref und Kuban fidyert 
und mit einander verbindet. Im Süden des Kaukaſus faßten die Ruffen feften 
Fuß im Jahre 1785, als die Könige Heraklius von Georgien und Salomo von Imerethi 
als Vaſallen ſich unterwarfen. Sie benügten dieß, um eine Etraße über den Kauka⸗ 
fus anzulegen und die unabhängigen Völfer mehr einzuengen. Diefe Straße tft 
die gegenwärtige Straße von Tiflis, wurde mehrmals von den Bergbewohnern 
zeaftört und flet6 wieder hergerichtet. Im Frieden von Jaſſy erkannte der Sul⸗ 
tan den Kuban als ruffifhe Gränze an und Rußland dehnt ſich von jebt an, in 
Folge glüdlicher Kämpfe mit den :Berfiern, bis Baku am kaspiſchen Meere aus, 
An die Nordgränge wurden die fogenannten Koſaken vom ſchwarzen Meere vers 
pflanzt, um die Einfälle der Gebirgsbewohner zurüdzumeifen ; dieſe legteren er⸗ 
hielten fich frei und did Feſtung Wledikaukas bewährte ihren Namen (Zwing⸗ 
faufafus) nicht. Die türftichen Feſtungen an der Küfte des fchwarzen Meeres, 
Anapa und Sudhum-Kaleh, fielen in dem Kriege von 1811 in die Hände der 
Ruſſen, fo daß diefe den Kaufafus jegt bereitö von allen Eeiten umringt haben. 
In diefem, wie in dem nächften Kriege von 1829, waren die Ticherfeffen die Ver⸗ 
bündeten der Türfen, gaben ihre Unabhängigkeit jedoch fo wenig auf, daß fie alle 
Einflüfterungen der benachbarten Paſcha's, den Sultan, zum beffern Schuge gegen 
Rußland, als ihren Oberherrn anzuerkennen, fortwährend zaurüdwiefen. Die Di⸗ 
plomatte ignorirte diefes Verhaͤltniß. Als die Pforte im Frieden von Adrianopel 
den ganzen Küftenfirich von der Mündung des Kuban bie zum Fort Ricolat an 


Tigerkeffien u. Tſcherkeſſen. 277 


dlichſten Graͤnze von Imerethi abtrat, hielt fidy Rußland für berechtigt, den 
nten Kaukaſus ald fein Eigenthum zu betrachten. Das thatfäcdhliche Ber: 
3 beftand nur darin, daß es das Gebirge von allen Seiten abfperrte, nörd⸗ 
nd ſüdlich große, zufammenhängende Gebiete befaß, öftlih und weftlich lange 
hmale Küftenftriche, im Innern dagegen gar Nichts, Die wenigen Yeftungen 
: großen Straße von Mosdof nad) Tıflie ausgenommen. In Europa be- 
man die Veränderungen, die der Krieg im Kaufafus hervorgerufen hatte, 
als gar nicht. Der Tert des Vertrags von Adrianopel, foweit er befannt 
ließ nidyt entfernt die Vermuthung auffommen, daß Rußland ven Kauka⸗ 
6 feine Provinz betrachte. Diefer Vertrag nannte die Kaukaſier „anwoh- 
Bölferfchaften“ und flipulirte die gegenfeitige Verpflichtung der contrahiren- 
tächte, gegen die Einfälle und Räubereien verfelben die geeigneten Mittel 
ieten. Aus diefer Benennung „anwohnende Völkerfchaften“ und noch mehr 
tefer Eingehung eines Bündniſſes gegen die Kaufafier ging Elar hervor, 
ußland diefe Bölfer der „Pforte gegenüber” nicht in der Eigenfchaft von 
banen geltend machte, denn anmohnend find bloß folche Völkerſchaften, Die 
yalb der Gränzen leben und ein Buͤndniß fchließt man gegen Dritte, nicht 
fich ſelbſt. Die nächtten Kämpfe im Kaufafus blieben in Europa unbe- 
wie ſchon bemerkt wurde. lm fo entfchiedener wurde die Aufmerkfamfeit 
als im Anfang des Jahres 1836 in England plöglich ein Dokument er- 
welches fid, eine „Unabhängigfeitserflärung ver Girkaffler” nannte. Anfangs 
nan es für unächt, doch der Ort der Veröffentlichung (im :Bortfolio) ließ 
einen Zweifel übrig, daß es wirklich aus dem Kaufafus fomme und auf 
‚atifchem Wege nach England gewandert ſei. David Urquhart, der wahr- 
iche Veröffentlicher dieſes Dofuments, war 1834 von feiner Regierung 
n den Kaufafus geſchickt worden, um Rußlands Geheimniffe dafelbft zu er⸗ 
n und zu enträthfeln und diefer Diplomat, mit den Verhältniffen des Orients 
vertraut und die Fünftlich verfchlungenen Plane Rußlands ziemlich durch» 
id, fuchte England zu einer thätigern Anterftügung der Kaukaſus⸗-Völker 
tiben. Lord Palmerſton fcheint auf feine Plane eingegangen zu feyn; es 
is erfchien, nachdem die engliichen Blätter das Rechi der Ruffen auf vie 
ängige Küfte von Anapa bis Nicolai heftig beftritten und die Anfnüpfungen 
ındelöverbindungen mit dem Kaukaſus ald nabe bevorftehend angelündtgt 

an der dortigen Küfte ein engliſches Schiff, die Biren Guüchfin) unter 
n Bell. Die Ruffen nahmen das Schiff, weil ed mit einer blofirten 
unerlaubten Verkehr g.trieben habe und das engliiche Minifterrum hielt es 
thig, dieſe „vollendere Thatfache” mit Stillichweigen zu übergehen. Man 
fi) damit, daß Kapitän Bell u. feine Mannfchaft in Rußland die ſchon⸗ 
Behandlung gefunden hätten und von einem direkten Verjuche zu Gunften 
cherkeſſen, wofür die Abfendung der Vixen allerdings gelten muß, war 
feine Rete. Die im Kuufafus weilenden Engländer famen durch Die 
zültigkeit ihrer Regierung in eine üble Lage und es ift für die Bildung 


Ahark.Ton anmih aim nntaR DIatcham nah Ga thra artänichron Mafnunaon 


Term menge on 


Sem - - - 





278 Tſcherkeſſien u. Tſcherkefſen. 


auszuſetzen. Kleinere Fahrzeuge, ſelbſt Fregatten und Linienſchiffe, gehen in jedem 
Winter verloren. Es wird noch von diplomatiſchen Unterhandlungen berichtet, 
die England direkt oder durch feinen Geſandten in Konſtantinopel gepflogen hätte. 
Bei den Sitten der Tfcherkeflen ift es mehr als zweifelhaft, daß fie wirklich, wie 
erzählt wird, auf gegenfeitige Einftelung von Yeindfeligfeiten angetragen haben 
follten. Ebenfo wenig durfte Rußland, da es den Kaufafus einmal ald fein 
Eigentum betrachtet, einen folchen Antrag annehmen und konnte nur auf Unter: 
werfung beftehen, wie es dieß wirklich that. „Wißt ihr, mit wen ihr kämpft ?“ 
heißt e8 in einer Broflamation des ruffifchen Generald Weljaminow an bie Tſcher⸗ 
fefien. „Mit Rußland, das den Himmel mit feinen Bajonetten hüpen könnte, 
wenn er einzufallen drohte.” Den einen Bortheil hatte die Anweſenheit der Eng: 
länder im Kaufafus, daß die Kaukaſier auf die Nothwendigfeit innerer Einigung 
aufmerkfam gemacht wurden. Dad Bündniß, zu dem Urquhart Beranlaffung ge: 
geben haben mag, iſt feitvem Häufig erneuert und erweitert worden. (Einige 
Stämme mögen —F— aus alter Feindſchaft von den übrigen abſondern, einige ſo⸗ 
gar mit den Ruſſen verbünden: die Hauptmaſſe hält gegen den äußern Feind feſt 
zufammen und handelt fogar nady gemeinfchafilicyen Planen. die in großen Ber: 
jammlungen der Häuptlinge entworfen werden. An einen Einfluß von Fremden, 
die eben erwähnten engliichen Agenten ausgenommen, darf man am wenigfien 
denken. Alle Nachrichten der Zeitungen, daß geflüchtete polniſche Offiziere 
an der Epige der Tfcherfefien fländen, find unwahr, fo häufig e auch wie 
derbolt werden. Die polnifchen und ruffifchen Ueberläufer, die fi) bei ben 
Gebirgsvölfern befinden, find gemeine Soldaten und werben, glaubwürbigen Bes 
richten zufolge, der Regel nad nur zu den Arbeiten des Aderbaues verwendet. 
Ziehen fle mit in den Krieg, fo find fie im Gefolge, nicht an der Spige der 
Hürften. Die Meiften werden mit Mißtrauen betrachtet und fireng gebütet, was 
ihrer großen Zahl wegen nöthig erfcheint. Es find nämlidy nicht blos viele Eins 
zelne, fondern ganze Compagnien und einmal fogar zwei vollzählige Regimenter 
zu den Licherfeffen übergegangen, Polen, wie Ruffen: die erften aus Nationalhaß, 
die zweiten aus Ueberdruß der ſchmalen Koft und der firengen Zucht. Die Zug- 
führer der Stämme find ſtets Eingeborene. Unter den Tſcherkeſſen wurde früher 
der Häuptling Adlam-Bire am meiften genannt, unter den Abaflen Omar, 
mit dem Beinamen Abref, d.h. der Lieberläufer. Unter den Tfchetfchenzen haben ftch 
Kaſimulah u. beſonders Schamyl hervorgethan. — Die Darftellung der neueren 
Kriegsereigniffe im Kaufafus, zu der wir jeht übergehen, Tann nur eine ffigzirte 
Kriegsgeſchichte feyn und auf Vollftändigfeit und Allfeitigfeit um fo weniger Ans 
jpruch machen, als ed vor Allem immer noch an einer, ftringeren Anforderungen 
genügenden, Karte des Kaukaſus fehlt; ferner die offiziellen Berichte von ruffticyer 
Seite wahre napoleonifche Bülletind find, einzig darauf berechnet, einen der rufs 
ſiſchen Regierung günftigen Eindruck zu macdyen, während Die frangöflfchen und 
englifhen Darftellung:n abſichtlich ins Schwarze malen. In den Jahren 1835 
—1837 verfolgten die Rufen hauptſächlich den ‘Plan, die aanze Küfte der ſchwar⸗ 
zen Meeres durch die Anlegung von Feftungen zu unterwerfen. Sie erbauten 8 
Forts, das größte zu 1500, das Fleinfte zu 800 Mann Befabung, fanden jedoch 
eınen ſolchen Widerftand, Daß gegen einen einzigen Punkt, gegen die Mündung des 
Tuabs, 8000 Mann, von 11 Kriegsfciffen unterjtügt, verwendet werden mußten. 
Die Feſtungen nüsten überbteß zu weiter Nichts, als, bei furzen Erpeditionen in 
das Gebirge zu Stüppunften zu dienen und waren Außerft foftfpielig zu unters 
halten, da fie von Odeſſa und Sebaftopel aus verproviantirt werden mußten. 
Einige kleinere unter diefen Feſtungen fielen fogar in die Hände der Tſcherkeſſen, 
welche die Befatungen nievermegelien, die Vorräthe raubten, aber die Feſtungs⸗ 
werfe unverlegt ließen. „Diefe Feſtungswerke feien ihre Bienenkörbe,“ fagen fie, „in 
weldye die Ruſſen fleißig Salz, Bulver und Kugeln eintrugen, die zu zerfiören 
fie daher vermeiden müßten, um eine für fie fo nüsliche Betriebſamkeit nicht zu 
unterbrechen.“ Die Ticherfeflen unternehmen ihre Stürme in dunklen Nächten, ers 


Aſqherkeſſten u. Tſqherkeffen. X 


1e Wälle im erſten Anlaufe, hauen bie Poſten nieder und find mitten 
: Sehung, ehe noch Lärm entftanden. Werden fie früher bemerkt, fo brüden 
h bart an die Eeite des Brabens, um gegen das Geſchützfeuer geſchützt zu 
ſchießen unaufhörlidy und benügen die Kleinfte Berwirrung, die in der Bes 
g entftebt, um in das Innere zu dringen. Die Ruſſen flanden ihren wilden 
a an Tapferkeit nicht nad). Eine three Großthaten mag bier eine Stelle 
.. Sn einer dunfeln Winternacdht, das Jahr iſt nicht genannt, überfielen bie 
er das Dorf Tichirach, mepelten - die Bewohner und 80 Grenadiere der 
ıng nieder und umzingelten die Kleine Feftung, deren Borfladt das Dorf 
. Die ruffifcye Befayung beftand aus einem Bataillon des Asperon'ſchen 
diersRegiments ; die Eee der Stürmenden wird zu 12,000 angegeben. “Die 
er ffürmten wiederholt, wurden aber ſtets nach einem furchtbaren Handges 
jurüdgeworfen. Die Delagerung batte auf dieſe Weife unter fortwährenven 
en drei Tage gedauert, als ſich bei dem fehr zufammengefchmolzenen Häufs 
T Ruflen der drückendſte Waflermangel einftellte und auch der Kugelvor- 
richöpft zu werden begann. Dennoch wies der Befehlshaber Owelſchkin 
ufforderung ab u. drohte Demjenigen mit dem Tode, der von der Uebergabe 
n würde. Am vierten Tage lebten von dem’ ganzen Bataillon blos noch 
on denen 62 verwundet waren, als endlich Entſaß herbeifam. Aehnlichen 
erwarb 2 Dberftlieutenant Paſſek in dem befeftigten Dorfe Surjach, das 
m ganzen Monat lange gegen zehnfach überlegene Feindesmaſſen vertheidigte, 
als der Mundvorrath ausgegangen war, trotz der Schluchten und Feis⸗ 
der Umgegend fich rt und feine Bereinigung mit dem General 
au glüdiidy bewerffielligte. ie Kriegögefchichte wurde durch diefe und 
e Thaten mit manchem fchönen Zuge bereichert, die ruffiihen Annalen 
ı von Feiner neuen Eroberung erzählen. Eine Zeit lange hoffte man viel 
m Plane, den mächtigen Stamm der Schapfugen in zwei Theile zu tren» 
a6 man durch die Anlage von Feſtungen zu erreichen gedachte Als die⸗ 
an ſich nicht bewährte, verfiel man auf doppelte Erpeditionen, theild von 
a und Süden aus unternommen, theild von Norden und von der weftlichen 
te aus. Die rufflichen Berichte ftrogten in jedem Jahre von Siegesnach⸗ 
‚ dody mußte auffallen, daß fle nach fo glänzenden Erfolgen flet6 wieder in 
en Etandquartiere zurüdkehrten und ihre Syfipbusarbeit in jedem Früh⸗ 
eu begannen. Sie mußten zuweilen fogar eingeftchen, daß ed den Beinden 
en fei, einzelne, bis dahin treue, Etämme zum Wbfalle zu vermögen und 
indjeligfeiten in Gegenden zu tragen, die bereit8 als ruffiiche ırodinzen 
Ueber einzelne Niederlagen verlautete, daß eine ftarfe ruſſiſche Abtheilung 
bre 1837 im Paſſe Verdavi zurüdgefchlagen ſei, die Leöghier in Dagheftan 
m ſchwarzen Meere ftreiften, die Ticherkefien 1838 bei Schufchen einen 
idenden Sieg gewonnen hätten. Die ruffiihen Verlufte müflen, nad) den 
. Zruppenaushebungen und nady den Begünftigungen zu urtheilen, die man 
Kaukaſus dienenden Offizieren gewährt, immer fehr bedeutend geweſen 
Diefe Begünftigungen beftehen darin, daß die Dffiziere, abgejeben von 
hnelleın Borrüden, was der Krieg von felbft mit ſich bringt, einen Jah⸗ 
‚ zum Voraus, fodann, während der Feldzüge, doppelten Gold und die Ber- 
j der Reifefoften erhalten. Bon diefen Bortheilen angelodt, meldeten ſich 
88 fehr viele Difiziere, befonders von der Garde, der man zu verfichen ge 
hatte, daß der Kampf im Kaufajus für fie eine Ehrenfache ſei. Der Zus 
nahm jedody ab, jeit die rufjtichen Offiziere die Entvedung machten, wie 
ingend der Feldzug am Kaukaſus für fie fei. Im den Standlagern am 
ı und Terek Eumpfficber, in den Gebirgen unerhörte Strapazen u. hitzige 
fe mit der blanfen Waffe: das ift eine Berfpeftive, die den Drang_ nad) 
derung bedeutend abzufühlen vermag. Bon der ruſſiſchen Garde fol fich in 
egten Gahren nicht ein einziger Offizier mehr zum Dienft im Kaufafus ges 
a haben, Zugleich hörten auch die Zeitungen von St. Betersbing auf, Des 





- 4 
280 Tſcherkeſſten nu. Tſcherkeſſen. 


richte aus dem Kaukaſus zu bringen, was deutlicher, als Alles, gegen die Glaub⸗ 
würbigfeit der früheren Siegesnachrichten ſpricht. Der Kaiſer von Rußland hatte 
dem Kaufafus im Oktober 1837 felbfi einen Befuch gemacht und dabei, wie es 
heißt, grobe Willkürlichkeiten und Unterfdhleife feiner Generale entdeckt. Auf die 
Operationen übte diefer Beſuch feinen Einfluß; vielmehr vergingen die beiden 
näcdhften Jahre gänzlich refultatlo®, obgleich die Ruſſen ihre Armee bis auf 
‚000 Mann vergrößert hatten. In dieſer Zeit machte fich, neben Rajewski, der 
General Saß bemerklih, der den Gebirgsbewohnern durch grobe perfönliche 
Tapferfeit — er pflegte bei ven Gefechten felbft einzubauen und iſt mit Wunden: 
narben bevedt — und eine raftlofe Thätigfeit Achtung einflößtee Im Eleinen 
Kriege unermüblich, legte er zugleich mehre Feſtungen an und wußte ſich gegen 
die Keinde zu behaupten. In den Jahren 1839 und 1840 entführte er, nach Acht 
rufftfcher Sitte, mehre taufend armeniſche Familien und verſetzte fie hinter Die 
kaukaſiſche Linie. . 1840 machte Schamyl am Teref, an der Sundſchah und am 
Koiſuh große Kortfchritte, fchnitt Grotſchnoi vom Terek ab, und wiegelte eine 
Menge von Stämmen auf. Um diefe Erfolge zu zerftören, wollten die Ruffen 
1841 von Stawropol und von Tiflid aus gleichzeitig vordringen, In der Stanizze 
Ticherwienna am Terek ſich dereinigen und dann gemeinfchaftlich gegen Tſchirkei 
vorgehen, das ald Handelsplah der Kaukaſter im nördlichen Dagheſtan eine ges 
wiffe Wichtigkeit beſitzt. So war verabrevet, ald Generab Golowin plöß- 
Ih auf dem Marfche nach Tſcherwlenna, wo er ſich mit Grabbe vereinigen 
follte, weftlich ablenkte und eigenmächtig auf Tſchirkei marfchirte, ohne den an⸗ 
dern Feldherrn auch nur Mu benachrichtigen. Bei Tſchirkei angelangt, griff 
er den Drt an deflen flärffier Stelle an, auf der Flußfelte, wo bie toben- 
den Wellen wever ein Durchwaten, noch das Schlagen einer Brüde geſtat⸗ 
ten und hohe Felsmaſſen, in welche Schiegfcharten eingehauen find, vie ers 
theidigung ungemein erleichtern. Da das Schlagen einer fliegenden Brüde miß⸗ 
glückte, das ruſſiſche Geſchützfeuer erfolglos blieb, die Kugeln der Feinde das 
gegen eine Menge Menfchen wegrafften, fo gab Golowin die Belagerung 
ur, ließ den General Vegeſack mit einem fleinen Corps zur ung zu⸗ 
rück und vereinigte fich nahe am Engpaſſe von Kubar mit Grabbe. ieſer 
Engpaß, der wie ein tiefer, enger Spalt in die Gebirge eingeklüftet iſt, außer- 
ordentlich fteil emporfteigt und im Frühjahr — dieſes war die Zelt der Er- 
pedition — vermöge feiner Schneemaffen noch mehr Schwierigfeiten darbietet, 
war von den Ruffen deßhalb zum Eindringen in das feinvliche Land gewählt 
worden, weil ihse Gegner fle bier am wentaften erwarteten. Schamyl hatte in» 
defien Nachricht befommen und befegte ven Paß mit 8000 Mann, als die Ruffen 
eben am Eingange unten anlangten, Am folgenden Tage drangen fie in 3 Kos 
Ionnen ver, eine im Thale, die beiden anderen auf ven daflelbe flankirenden 
Bergen. Der Kampf war ein furchtbarer. Für die beiden Seitenfolonnen wurde 
das Terrain mit jedem Schritte ſchwieriger, im Thale mühte fich die Artillerie 
fruchtlos ab. Die Soldaten mußten fih bald ihrer Waffe ald Stüge bevienen 
und fonnten nur dann feuern, wenn fie ſich an Bäume anlehnten. Je höher fie 
ſtiegen, defto heftiger wurde dad Feuer der Tfcherfchenzen, deſto größer aber auch 
die Erbitterung der Ruffen. An Ordnung konnte nicht mehr gedacht werden. 
Bald vordringend, bald zurüdgeworfen, jetzt durch einen Baum gefchügt, dann 
wieder ganz frei den feindlichen Kugeln preißgegeben, focht jeder Soldat mehr 
für fein Leben, als für einen gemeinfchaftlichen Zwed. Diefer Kampf, der an 
den meiften Drten zu einem Handgemenge mit Bajonnet und Säbel wurde, 
dauerte den Morgen, den Nachmittag ununterbrochen fort und erft am Abend 
waren die fteilften und eben deshalb gefährlichften Stellen überwunden. In der 
Nacht wachten die Truppen auf der Höhe des Paſſes. Während des Gefechtes 
hatte die Frühlingöfonne glühende Strahlen auf fie geſandt und jegt lagen fie 
im Schnee, ohne Mäntel, einem fchneidenden Winde ausgefegt. Viele erlagerm 
dter, noch weit mehre waren im Kampfe gefallen und doch war das Gefecht ei 


Acherkeſſien u. Zfcperteffen. 281 


eweſen, denn das Tichirkei, um dad man fih am Kubar fchlug, hatte 
— und deſſen Kriegern verlaſſen, bereits an Vegeſak ergeben. 
ſſen kehrten deshalb zurück, um an der Sundſchah zwei neue Feſtungen 
in. Im September wurde ein Feldzug gegen das Gebiet der Tſchet⸗ 
ausgeführt. Zu einem bedeutenden Gefecht Fam es nicht, die Schar: 
ahmen fein Ende. Die größte Krichsthat befland darin, daß man große 
äthe verbrannte, welche die Tichetfchenzen zufammengetragen hatten, um 
m beabfichtigten Einfalle in das Land der Kumüten Pferbefutter zu 
Diefer Einfall fand dennoch ſtatt; denn kaum waren die Ruffen zurüd: 
I, fo fammelte Schamyl 15,000 Krieger, brannte die Dörfer der Kus 
teder, führte ihre Heerden fort und erfchlug mehr rufftfche Abtheilungen, 
unvorfihtig vorgewagt hatten. Auf die Nachricht von diefen Unglüde- 
Iten die Befehlöhaber der Feſtungen Groiznoi und Tſcherwlenna herbei 
ten Schamyl einzufchließen. Wirklich fanden fie auf dem Bunfte, fich 
iigen, als Schamyl fein Heer keilfoͤrmig zwiſchen fle einfchob, fie auf 
seiten in Kampf verwidelte und unterdefien 40,000 Stüd erbeutete® Vieh 
i eroberte Kanonen auf dem freien Wege zwiſchen ven rufftfchen Abthei⸗ 
n das Gebirge entführte. Durch diefen fkhlechten Erfolg gewarnt, bes 
die Ruffen, ſich mehr auf der Defenftve zu halten und nur dann zum 
zu ſchreiten, wenn alle Berhältniffe die günftigften wären. Sie wollten 
ern Gebirge die Kriegsvorräthe und namentlich das Salz, woran es ihm 
fehlte, abfchneiden und es durch die Anlage von Feſtungen immer mehr 

Ihr Bulver bereiteten jest die Tſcherkeſſen aber felbft, indem fie ges 
ttn, aus einem Kraut (Amaranthus pallidus) Salpeter zu gewinnen. 
n größere Geneigtheit zu einem gegenfeltigen Handelsbetriebe einzuflößen, 
n auf verfchiedenen Punkten der kaukafiſchen Linte Taufchhöfe an, wo 
othmendigften Lebensbepürfniffe wohlfeil erhielten. Dies Alles hatte kei⸗ 
Hg. Die Taufchhöfe fanden leer, da die Bergbewohner vorzogen, ihre 
iſſe mit den Waffen in der Hand zu erobern. Der Beflungsgürtel half 
„ daß Schamyl bi8 hinter die Faufafifche Linie vordrang und im Ein⸗ 
iffe mit den nogayifchen Tataren große Verwüſtungen anrichtete. Ein⸗ 
fiihe Generale erlitten größere Niederlagen, namentlich ®rabbe, als er 
ı Aul Dargo zu nehmen verfuchhte. Im Winter 1842 wurden fämmts 
iſche DOberbifehlshaber Saß, Grabbe und Galowin ihrer Stellen enfeßt, 
wiß die befte Kritik ihrer Erfolge if. An ihre Stelle traten Gurko, 
t und Befobrafow IL Es wurde wieder verfündet, daß der Krieg feinen 
ı Charafter verliere und der von den feindlichen Bergvölfern befegte 
ı Dagheftan durdy einen Militärkordon ftreng eingefchloffen werden folle, 
n endliche Unterwerfung herbeizuführen. So weit war man alfo jeßt 
früheren Hoffnungen zurädgefommen, daß man nicht. mehr von der 
fung des gefammten Gebirge ſprach und fchon viel erreicht zu haben 
wenn es gelänge, einem Fleinen Bezirk endkich zu unterwerfen. Gegen 
8 Jahres trafen wieder beveutende VBerftärfungen ein und man erwartete 
ößere Unternehmungen. Der Anfang der Operationen wurde durch einen 
Schneefall verzögert, der die Ruſſen zwang, ſich ruhig in. ihren Feſtungen 
a und ſelbſt den raftlofen Schamyl zur Unthätigfeit- verdammte. Alg der 
endlich eröffnet wurde, fam es nur zu zwei größeren Gefechten, in denen 
Ruffen den Sieg zufchrieben, ob mit Recht oder Unrecht, läßt ſich nicht 
n. 1845 wurde an der Stelle des Generals Neidhardt der Generaladjutant 
ſers, Graf Woronzow, zum Oberbefehlshaber im Kaufafus ernannt 
: den ausgedehnteftlen Bollmachien verfehen. Er verbindet mit dem Mi⸗ 
hl zugleich die oberfte Leitung der Verwaltung und an ihn gelangt das 
ur Entfcheidung, was früher der perfönlichen efimmung des Raiters in 
irg unterlag, Seiner Abreife nad) dem Kaufafus singen eine große 
taushebung und eine Berathung der fämmtlichen, nad PBeteröturg beor⸗ 


2:2 Tſcherkeſſten u. Tſcherkeſſen. 


derten, Beſehlshaber des Kaukaſus voran. Das Heer wurde jetzt auf 160,000 
Mann gebracht, wovon indeſſen böchftend 90,000 al& verwendbar gelten können. 
Als Zielpunkt der diedmaligen Angriffe war der Aul Dargo im Gebirge am 
Akſai bezeichnet. Dargo war einer der gewöhnlichſten Aufenthaltsorte Schamyl's, 
der dort feine Vorräthe an Waffen, Pulver und Lebensmitteln aufgehäuft hatte. 
Er hatte audy eine Moſchee erbaut ımd viele Wallfahrer befuchten diefelbe, theils 
um zu beten, theils um dem berühmten Anführer Kunde von den Ruflen zu 
bringen. Das ruſſiſche Heer, aus drei Borps zufammengefeht u. von Woronzow 
perfönlich befehligt, febte fih am 12. Juni in Marſch. Der Feind war weniger 
binderlih, als das ungünftige Wetter und der fchlechte Weg. Ganz ihrer Ges 
wohnheit entgegen, fchoflen die Bergvölfer wenig, griffen nie mit der blanfen 
Waffe an und begnügten ſich damit, Steine von den Bergen zu rollen. Blos 
an zwei Gebirgspaͤſſen, am Berge Autichimte und an den fogenannten burzuka⸗ 
lifchen Thoren, einem Bergrüden, der Humbet von Andi fcheidet, fanden ernftere 
Gefechte ftatt. Selbft hier wichen aber die Feinde, fobald Geſchütz vorfuhr und 
fanden namentlich keinem Bajonnettangriff. Die Stimmung der ruffiichen Re- 
Truten, die überdies mit Lebensmitteln und Branntwein reichlich verforgt wurden, 
war daher die fröhlichfte und es verbreitete fi unter ihnen die Meinung, daß 
Schamyl durdy Aufflände der eingeborenen Stämme, oder durch Mangel an 
Bulver gelähmt werde. Die Ruſſen fcheinen, nachdem fie die erften Gebirgöpäfte 
überwunden hatten, einige Zeit geraftet zu haben, um Lebensmittel zu fammeln, 
Truppenrelaid zu legen und zu deren Schu Verſchanzungen aufzumwerfen. Erft 
am 29. Juli traten fle ihren weiteren Marſch an. Der Widerſtand der feine 
geftaltete fi jest ganz anderd, Dargo ift durch Höhen und durch unermeplidy 
dichte Buchenwaͤlder vertheidigt, die den Zugang von allen Seiten her erfchweren. 
Sobald die ruſſiſche Vorhut in dieſe Wälder eindrang, ſah fle fi von allen 
Eeiten angegriffen und litt unendlich durch ein wohlgezielte® Feuer, das aus 
zahllofen Verhauen bervorfprühte. Jeder Verhau mußte mit dem Bajonnette ges 
nommen werden, wobei die georgifchen Compagnien und die Faufafifchen Milizen 
ſich ziemlich zaghaft bewielen. Dennoch erreichte man Dargo noch vor dem 
Einbruch der “Dunkelheit, fand aber den ganzen Aul in Aſche liegend. Schampyl 
hielt mit etwa 6000 Tſchetſchenzen einen hoben Berg, dicht bei Dargo, befegt und 
beſchoß von dort aus mit einigen Echügen das ruffifche Lager. Mehre Angriffe 
der Ruſſen mißlangen, doch nahmen fie Ihn zulegt mit dem Bajonnet, fanden 
aber auf der Höhe weder Feinde noch Kanonen mehr. Der Kampf war von 
Seiten Schamyl’8 ein bloßes Scheingefecht geweien. Während feine Häuflinge 
hier plänfelten, griff er felbft einen ruffifchen Konvoi an, der nad) Dargo fe: 
bensmittel bringen follte. Die Kaufafter follen noch nie fo wüthend gefochten 
haben, als bei dieſem Anarifi Durch die Blutrache fanatiftrt, fürmten fie in 
dichten Haufen durch die Reihen der Plänkler in die ruffifhen Kolonnen ein 
und griffen mit Doldy ynd Sätel an. Der Zug mußte enger aufeinander rüden 
und mehre Wagen nebft einer großen Menge von Maulıhieren preisgeben. Zwei 
der tüchtigfien Generale (ein dritter war wenige Tage früher geblicben) ftelen 
im — und der Verluſt an Todten telief ſich auf mehr, denn 1300. 
In Folge diefer Niederlage ftellte fich bei den Ruſſen der cmpfindlichfte Mangel 
ein. Die Soldaten erhielten halbe Kationen, die Pferde und Laſtthiere mußıen 
fi) mit grünem Butter begnügen; Dargo wurde unhaltbar. Am 6. Auguſt trat 
MWoronzow den Rüdmarjch durch das Akſaithal an. Unterwegs fiieß man überall 
auf neue Verhaue und im Didicht der Urwälder, in bemfelben Walde am linken 
Ufer des Akjai, der 1842 die Niederlage des Generald Grabbe gefehen hatte, 
wurde ter Kampf fo Leiß, daß Woronzow, um den Rückzug nicht in völlige 
Flucht ausarten zu lafien, Halt zu machen befhloß. Vor gänzlicher Vernichtung 
rettete ibn blos das Erfcheinen des Generals Freitag mit 6000 Mann Fußvolk 
und 300 Koſaken. Durch dieje Verftärfung ſah ſich Woronzow in den Stand 
gefest, die Paufafifche Linie wieder zu gewinnen. So war denn auch biefer 


72 rn «A 1 * = . 
U u. 


Pen) 


7 


Tſchernigow — Ifchernitfgeff. 283 


Teldgug, der fühnfte und blutigfte, den die Ruſſen je unternommen, vollfommen 
erfolglo® geblieben. Sie waren von einem nördlichen Punkte der Kaukaſuslinie 
audgezgen, hatten einen Kreiöbogen im Gebirge befchrieben und waren dann 
auf einen andern Punkt derfelben Linie zurüdgegangen. Die Einnahme von 
Dargo kann für feine Ausgleichung ihrer großen Berlufte gelten. Schamyl findet 
bundert andere Wohnorte und der moraliſche Eindruck, ven der Berluft dieſes 
Auls vielleicht gemacht haben könnte, wird dadurch volllommen aufgehoben, daß 
die Rufen nad) anfänglichen Siegen zulegt erlagen und nicht bios ihre Todten 
aurüdlafien mußten, was in den Augen der Gebirgsvölker ein unzweideutiges 
Geftändniß der —— — iſt, ſondern ſogar ihre Verwundeten. Dies iſt, was 
wir über die ruſſiſchen Kämpfe in Kaufaften wiſſen. — Läßt ſich daraus ein 
Schluß für die Zukunft ziehen, fo tft e& der, daß die Unterwerfung bed Kaukaſus 
noch lange anftehen wird, wenn fie überhaupt je gelingt. Die rufftichen Razzias, 
von denen man ſich das Meiſte veripricht, find lange nicht fo erfolgreich, wie die 
ähnlichen franzoͤſiſchen Großthaten in Algier, die dort venfelben Zweck der Unters 
werfung feindlicher Stämme verfolgen. Die hoben Gebirge des Kaukaſus bilden 
ganz andere Hinderniffe, wie die Sandebenen Algierd, wozu noch kommt, daß 
die Kaufafler diefe Razziad den unterworfenen Stämmen der Ebene vergelten u. 
dubei im entſchiedenſten Bortheile find. Entvölfern wird man den Kaufafus 
durch die fortgefehten Kriege ebenfalls nicht, denn im Gebirge wohnen, nach den 
geringften Angaben, 350,000 Krieger, von denen nicht zehn Prozent jährlich 
fallen, eine Ginbuße, die der Nachwuchs der Bevölkerung binreichend erfebt. 
Die taufend früheren Fehden unter fich Eofteten mehr Menichen, als jetzt der 
allgemeine Krieg gegen Rußland. Es läßt fi) daher vorausfegen, daß ber 
mächtige Kaifer aller Reuſſen gegen den Kaufafus ebenfo fcheitern wird, wie im 
vorigen Jahrhunderte Schah Nadir von Perfien. 

Tſchernigow, ein ruffifches Gouvernement, zwifchen den Stattbalterfchaften 
Mohilew, Minsk, Kiew, Boltawa, der flobopifchen Ukraine, Kursk und Drel; 
dafielbe bat auf einem Blächenraume von 999 Meilen 1,300,000 Einwohner: 
Ruſſen, Deutiche, Polen, Serbier, Molvauer, Armenier, Juden, Griechen und 
Zigeuner. Der Boden ift durch den Duepr, die Desna ıc. bewäflert und im 
Ganzen fehr fruchtbar. Viehzucht, Bienenzucht, Jagd und Fifcherei find nicht 
jonderlich bedeutend. Der Fabriken find wenige und es blüht nur Handel mit 
Erzeugnifien. Das Gouvernement ift in 12 Kreife getheilt. — Die gleichnamige 
Haupıftadt darin, an der Desna, ift Sitz eined Erzbifchofes, hat eine ſchöne 
Karhedraifirche u. noch 17 andere Kirchen, ein Bergichloß, ein Gymnaflum, ein 
Vriefterfeminar, Fabrifen, berühmte Sahrmärfte und 11,500 Einw. 

Zfcherning, Andreas, cin für jeine Zeit achtungswerther deutfcher Dichter, 
geboren zu Bunzlau 1611, ftudirte zu Breslau und Koftod, ward daſelbſt 1644 
Ptofeſſor der Dichikunft u. ftarb 1659. Er war vorzüglich glücklich in dichterifchen 
Schilderungen der Natur und des Menfchen. Din Opig ahmte er in Gedanfen, 
Wendungen, Bildern und Ausdrücken nach, doch hat er auch hier und da eigene 
Bılder und überhaupt eine körnige Sprache. Er hat einen „Frühling und 
Sommer deuticher Gedichte”, eine „poctifche Schatzlammer“, einen „Vortrab des 
Eommerd deuricher Gedichte“ und „Unvorgreifliches Bedenken über etliche Miß⸗ 
brauche in der Teutfchen Schreib: und Sprachkunſt, infonderheit der edlen Poete⸗ 
wi", Kübel 1658, (ein profaifches Werk, das fchon zu feiner Zeit wenig Auf 
ihn machte), hinterlaffen. Das Beſte aus feinen Gedichten hat Eſchenburg 
in 3 Bänden zu Zacharia's auserlefenen Etüden der beften veutfchen Dichter 

außgezeichnet, 

chernitfcheif, 1) Zacharias, Graf von, ruffifch Taiferlicher General, 
georen 1705, befehligte im fiebenjührigen Kriege 1761 als Generallieutenant 
m Corps, welches den Defterreichern nach Schleften zu Hülfe gefendet ward, 

wm verweilte mit etwa 20,000 Mann bei Loudon, als ſich auch die ruffliche 
Saatmacht unter Butturlin ſchon zurüdgezogen hatte. Dies Corvs Meh Inder 


281 Tſcheome — Aſchirnhauſen. 


als Peter IN. im Januar 1762 zur Regierung gekommen war, zu Friedrich IT, 
ward jedoch nach Peter's Entthronung wieder abberufen. 3. war jedoch Fried: 
rich I. fo ergeben, daß fein Corps, ald er fchon den 19. Jult 1762 die Nach⸗ 
richt von der Thronveränderung u. feiner Zurüdberufung nach Rußland erbalten 
batte, doch noch einen Theil der Defterreicher im Schady hielt, während Fried⸗ 
rich II. den andern bei Reichenbach angriff. Später führte I. ein Commando 
In Polen, ward Präflvent des Kriegscollegiums u. Keldmarfchall, legte aber 1774 
wegen Alteröfchwäche alle diefe Poften nieder und farb bald barauf. — 2) T., 
Alesander, Kürft von, geb. 1779, nahm fehr frühe ruffifhe Kriegsdienſte; 
1811 ward er Oberſt eined Koſaken⸗Regiments und als außerordentlicher Ge: 
fandter nah Paris geſchickt. Dort wußte er durch Beftechung mehrer, im 
Kriegsminifterium Angeſtellter, die Detaild des fFünftigen Operationsplanes 
Frankreichs auf Rußland zu erhalten. Zufällig ließ er bei feiner Abreiſe eines 
der Blätter, worauf fi) eine Angabe befand, auf einem Sophakiſſen feines 
Zimmers liegen; die franzöftiche Polizei erfuhr dies und einige Stunden, nad): 
dem er die Brüde von Kehl paſſirt hatte, langte mit dem Telegraphen der Be- 
fehl zu feiner Berhaftung in Straßburg an. Dennoch entfam er glüdlih und 
befehligte 1813 eine Divifton Kofaten, welche, bald die Avantgarde, bald ein 
Streifcorps bildend, den Franzoſen viel Schaden that u. unter anderen im März 
Augereau in Berlin bevrohte, fpäter gegen Halberftadt ſtreifte und dort einen 
Train Artillerie nahm, das Königreih Weftphalen auflößte und 1814 an ver 
Elbemündung und in Holland focht. 1817 ward er mit einer außerordentlichen 
Miſſion nach Belgien, um mit Wellington zu conferiren, beauftragt. 1822 
folgte er dem Kalter nad Berona zum Gongref. Er wurde darauf General der 
Cavalerie u. Kriegeminifter, fowie auch 1841 bei ver Vermählung des Thron: 
folger8 in den Fürftenftand erhoben. 

Tſchesme over Dichesme, ein unbedeutender Drt an der Oſtküſte Kleinafiens, 
der Infel Skios gegenüber und nur merfwürdig wegen ber dabei vorgefallenen 
großen Seefchlacht, in welcher die Ruffen unter Orloff, Epirtvoff und den, in ber 
ruffifchen Marine angeftelten, Engländern Eiphinftone und Greigh in der Nadıt 
vom 5. auf den 6. Juli 1770 die ganze türfifche Flotte verbrannten. 

Zichetfchenzen, ein kaukaſiſches Bergvolf, welches, wie die Ingufchen, Kara: 
bulafen und Fulchen, zum Stamme der Mizdfchegen gehört und an den Ylüfien 
Argun, Arai und Koifu in dem Pügelande Kiitien. oder Kiffetien wohnt. Die 
Produkte ihres Landes, deſſen Flächeninhalt zu circa 72 [J Meilen angegeben 
wird, find: Wildpret, Süpfrüdhte, Silber, Kupfer, Schiefer u. a. Minera⸗ 
lien. Regiert find die T. von eigenen Etammisfürften ; Ihre Religion ift ein Ge: 
miſch von vielerlei Gebräuchen, unter denn der Muhamedanismus vorherrſcht; 
Charakter und Sitten find denen der Tſcherkeſſen ähnlich; ihre Zahl wird zu 
18,000 Familien, darunter 12,000 ftreitbare Männer, angegeben. Die T., be 
ſonders die Berg-T., ftehen gegenwärtig an der Spike des Kampfes der Tfcher: 
feffen (f.d.) gegen die ruſſiſche Oberherrſchaft. 

Zichirnhaufen, Ehrenfried Walther von, Philofoph u. Mathematiker, 
aus altadeligem Geſchlechte, geb. den 10. Aprit 1651 auf feined Vaters Gute 
Kislingswalde in der Oberlaufig, befuchte das Gymnafium zu Görlig u. betrieb 
ſchon bier mit Vorliebe die Mathematik; 1669 fam er auf die Univerfität Ley: 
den; 1672 und 1673 diene er als Freiwilliger im holländifchen Heere gegen 
die Sranzofen; Dann bereffete er England, Frankreich, Stalien, Sichien und 
Malta; 1682, bei einer driıten Anweſenheit in Paris, wurde er als Mitglied ver 
Akademie der Willenichaften aufgenommen; im felbın Sabre verbeirathete fih 7. 
und 308 ſich in die Heimat zurüd. Eine neue Reife durch Holland und Franf- 
reich unternahm er 1701. Er ftarb den 11. Oftober 1703. — T. hat alle, ihm 
angelragene, Wemter und Ehrenftellen abgelehnt und ſich Zeit feines Lebens mit 
den Natunwiffenfchaften befchäftigt und mit darauf bezüglichen Einrichtungen in 
feinem Vaterlande. So errichtete er drei Glnehütten, die erften in Sachfen, 


Tſchirokeſen — Tſchuktſchen. 285 


wodurch daflelbe im Glasbedarf von Böhmen unabhängig wurde; audy hatte er 
großen Antheil an der Erfindung des Meiffener Porzellans. Am berühmteften 
aber wurde er durch die von ihm verfertigten Brenngläfer (f. d.). — Seine, 
wichtigfte Schrift iſt die „Medicina mentis“, Amftervam 1687, 2. Aufl. 1695. 
Weniger bedeutend iſt die „Medicina corporis“, Amft. 1686. — Vgl. „Lebens⸗ 
und Todes⸗Geſchichte des ıc. T.“, Gorliß 1709. E. Buchner. 

Tſchirokeſen, ſ. Cherokeſen. 

Tſchuden (d. i. Fremdlinge) heißt bei den Ruſſen ein altes, jetzt unter⸗ 

gegangenes Volk, welches die ganze Strecke von Sibirien an dem Nordrande 
Hochafiens inne gebabt hat und von deffen Daſeyn und bedeutender Eultur die 
Menge von Brabhügeln, ähnlich den Hünengräbern, in welchen man Schmuck, 
Ban und Gerächfchaften aller Art von Bold, Silber und Kupfer gefunden bat, 
die Epuren von Bergbau auf Gold und Kupfer, die Rıfte von Feſtungswerken 
deutlich Zeugniß geben, welche die dafige Volksſage durdyaus einem, ehemals bier 
berrichenden, Volke zufchreibt. Alle näheren Nachforfhungen nad) diefem Volke 
baten indeß bis jet noch Fein genügendes Refultat gegeben. Am wahrfcheinlich- 
ften hat man den Ramen auf die fonft weit verbreiteten und mächtigen finnifchen 
Bölferfchaften (ſ. Finnen) bezogen und noch jeht pflegt man die &fthen zumellen 
T. zu nennen. . 
Aſchndi, Aegidius, ein berühmter fchmwetzerifcher Ehronift, Ablömmling 
eined altadeligen Geſchlechies, war 1505 zu Glarus geboren und machte feine 
Studien zu Bafel und zu Paris. 1523 wurde er Geſandter von Glarus auf 
der Tagſatzung, 1529 Landvogt in Surgans, 1532 Dbervogt über mehre Aemter 
des Abtes zu Et. Ballen und 1533 Landvogt von Baden, trat aber fpäter als 
Hauptmann in franzöftfche Dienfle und kehrte erfi nad) 8 Jahren nach Glarus 
aurüd, wo er 1549 wiider Landvogt von Baden, 1556 Statthalter und 1558 
Yendamman ward und, nachdem er als folcher auch mehre Gefandtfchaften auss 
geführt hatte, din 29. Februar 1572 flaıb. T. hat fich"der Nachwelt hauptſäch⸗ 
lich rühmlich befannt gemadyt durch feine, mit großem Fleiß und vieler Sorg⸗ 
falt bearbeitete Schweizer- Ehronif, welche handſchriftlich bis zum Jahre 1570 
vorbanden tft und auch von Sırlin (jedoch nur bis zum Jahre 1470) in zwei 
Binden, Bafel 1734, Fol., im Drud herausgegeben wurde. Dieſes Werf, das 
ſich durch einen Fräftigen und natürlichen Styl, jowie durch reichhaltiges Dates 
ttal vortheilhaft auszeichnet, bildet eine Hauptquelle der Schweizergefehlchte und 
wurde auch von Johannes von Müller vorzugsweife als folche benügt. Vgl. I. 
Fuchs, „Argid. 3.8 Leben und Schriften” (2 Bde., St. Gallen 1805). 

Tſchuktſchen, ein Voll, das die norpweftliche Epige von Sibirien gegen 
das Eio- und Dftmeer, auch Infeln diefer Meere bewohnt: ein Land, das durch 
ieine bolzlofen Felſen und Moräfte und durch die Kälte, welche faft nie aufhört, 
ned der unmwirthbarften und unfreundlichften Länder der Erde if. Die T., etwa 
30,000 Köpfe ftarf, find von mittlerm, mitunter von ziemlich hohem Wuchfe, 
haben einen wohlgebauten Körper, offenen Blick, Fleinen Kopf, ein rundes, mas 
geres, dunkelbraunes Geſicht und ſchwarzes Haur, das die Männer kurz ab- 
ihneiden, die Weibäperfonen aber in zwei Zöpfen frei hängen laffen. Die T. 
theilen fi) in Heimathloje und Anfüßige. Der erfteren Reichthum befteht in Renn- 
ıkieren, wovon Mancher 1000—10,000 Etüde befist. Die lepteren bewohnen die 
Küften von Anadir bi zum Oftcap, ichiffen auch wohl bis zum Vorgebirg Scher 
lazkoi am Kismeere. Sie verforgen fich felbft und die Umbherziehenden mit Bifchen 
und dem fette der Seeihiere, mit Kleidern, die fie aus den Gedärmen nähen, mit 
Eommerftiefeln, Waffen und Eflaven und befommen dagegen von jenen Renn⸗ 
thiers und andere Belle, Tabak, Keſſel, Mefier und andere rufftjche Waaren. Aus 
Mangel an Rennthieren halten die Anfäßigen Hunde zur Echlittenfahrt. Die T. 
verlegen ſich vorzüglich auf den Walfiichfang. Sie find fleißige, in allen Ars 
beiten gefchidte Leute, lernbegierig, muthig, freiheitliebend, dabei aber 1 und 
wid, graufam und rachſuͤchtig. Bon rellgiöfen Bebräuchen wifien fe wenig, M 


2836 Tſchuwaſchen — Inbertel, 


begeben blos einige Opferfefte und verbrennen ihre Todten ziemlich feierlich. 
Springen, Wettrennen und Kämpfe find ihre gewöhnlichen Beluftigungen. Die 
ganze Voͤlkerſchaft theilt fich in Feine Gefelifchaften, die blos durch Familienbande 
oder Freundſchaft verbunden find; eigentliche Befehlshaber erkennen fie nicht über 
fih, aber jeve Gefellfchaft bezeugt gewöhnlid dem Reichſten, vorzüglih, wenn 
er eine zahlreiche Familie hat, eine befondere Achtung, ohne ihm aber zu gehorchen. 

Tſchuwaſchen, ein zahlreiches tatarifches Nomadenvolf, wovon die Statt- 
halterſchaft Kaſan 235,000, die Etatthalterfchaft Wiätfa 90,000, Simbirsk 5000 
und Sibirien 500 zählt. Wiele von ihnen find fchon griechifche Ehriften und zum 
Aderbau übergegangen. 

Tuariks, ein zahlreiches, anfehnliches und mächtiges Volk, das feine eigene, 
von der arabifchen ganz veſchiedene Sprache hat, bewohnt einen beträchtlichen 
Theil des Innern von Nordafrika, weit» und ſüdwärts won Fezzan, auch einen 
Theil der eigentlichen Sahara. Sie find in viele Stämme und Bölferfchaften 
etheilt, vie fi) auf mancherlet Weife wieder von einander unterfcheiden. Sie 
And feine Neger, fondern bräunliche, wohlgebildete und wohlgewachfene Leute von 
großem, gelenfigem Körperbau. Es fol jedoch auch ſchwarzbraune Stämme un- 
ter ihnen geben, aber ohne Negerbildung. Cie find ernfthaft und fehr Ertegeriich. 
In der Hand trägt der T. immer feine fünf Fuß lange, hübſch gearbeitete Lanze 
und am rechten Oberarme einen ſchwarzen Ring von Horn oder Stein, ald Ab- 
zeichen feiner BVölferfchaft. Die herrichenne Religion tft bie muhammebantiche, 
doch gibt es audy einzelne heidnifche Stämme unter ihnen. Die weftlidhen T. 
bewohnen einen Theil der Sahara und ziehen herum, Doch haben fie auch Städte 
und Dörfer; andere Stämme wohnen im eigentlichen Nigritin. Sie treiben 
ziemlich anfehnlichen Karawanenhandel. 

uba, ein von dem Kammermuftfer und afademifchen Künſtler Wieprecht 
in Berlin 1835 erfundenes Infrument, bei welchem der Inftrumentenmacher 
M orig ihm hüffreiche Hand geboten hat. Diefe T. fteht um eine ganze Dftave 
tiefer, als das engliiche Baßhorn und um eine Eerte tiefer, als bie Ophikleide. 
Ihr Ton iſt wirklich furchtbar betäubend, bei Militärmuſiken jedenfalls ergreifend 
und erſchütternd. Der darüber vorhandenen Rachricht zufolge beruht die Be: 
rechnung ihres Umfangs u. ihrer harmonifchen Eintheilung auf der Vergleichung 
der, in jedem Blechinftrumente befindlichen, Naturtöne mit den Echwingungen 
oder Echwingtheilungen einer auf Saiten» Inftrumente angelpannten Darmfalte. 
Das Refultat diefer angeflellten Vergleichung führte den Erfinder nicht nur zur 
Benügung der natürlichen Töne, fondern auch au deren Berlängerung von einem 
halben und einem ganzen Tone, welche beive Verlängerungen, mit einander ver: 
bunden, den Raturton einen und einen halben Ton tiefer ftimmen, fo daß in jeder 
Tonart das Inftrument feinen Akkord hat. Wieprecht ift auch der Erfinder eine® 
zweiten Snftruments, welches die Benennung Bathyphon erhalten hat und zu 
deffen Ausführung der Inftrumentenmacher Scora in Berlin mitwirkte Dies 
ift ein Holz» Baß-Blas - Inftrument, welches, den Holzinftrumenten gegenüber, 
den nämlichen Platz einnimmt, den die T., ihren verwandten Blech-Inſtrumenten 
gegenüber, behauptet. ein Umfang ift der des Contrabaſſes. Angeblafen wird 
e8, wie das Fagott. Sämmiliche Tonlöcher werten durch Stlappen regiert. Die 
Bolubilität ft nicht geringer, al8 bei dem Baflethorn, das Munpftüd dem Cla⸗ 
rinettfchnabel ähnlich, das ganze Gewicht fünf, und cin halbes Pfund. Der Ton 
fol außerorventlih viel Kraft haben, die Ecala vollfemmen rein und bie Be 
handlung überhaupt ziemlich leicht feyn, indem die Klappen in ähnlicher Weife 
geordnet find, wie beim Glarinett und Baflethorn. 

Tuberkel, Knoten, nennt man franfhafte Erzeugniffe von feftweicher oder 
weicher körniger Befchaffenheit, welche ſich zwifchen der Subſtanz aller Organe 
vorfinden Fönnen, nicht auf Koften der Eubftanz wachfen, bet freier Entwidelung 
Körner von rundlicher Geflalt und höchſt verfchledener Größe bilden, oft aber 
au formlos im Gewebe audgebreitet find. Der Form nad unterſcheidet man 


die T. in hirfefornförmige Miliar-T,, in robe T., in Euberkuldfen Gra— 
nulationen und in formlofe T.-Ynfiltration. Der T. erweicht allmählig, 
indem fich unter Zerfegung feiner Subftanz Verfchwärungsflüfftgfeit bildet; der. 
fo entkandene tuberculdte Absceß entleert fidy unter Zerftöürung des angrän- 
enden Gewebes und die zurüdgelafiene Höhle vernarbt; oder in feltenern Yällen 
vertrodnet der T. und bildet fi) um in eine fteinartige Goncretion. Der T. 
fömmt mit Ausnahme ded Horngewebed in allen Geweben vor, am meiften aber 
in den Bronchialdrüſen und in der Zunge. Die Urfache der T. ift eine allges 
meine, angeborne, ererbte oder erworbene Entmifchung, welche man T.⸗Sucht 
(Tuberculosis) nennt, fobald fie die Entftehung dieſer eigenthümlichen Abfonder- 
ungen veranlaßt oder zu veranlaflen droht, die aber fo lange die Entmiſchun fich 
in ihren Wirfungen auf dad Drüfengewebe befchränft, Skrophelſucht hi d.) 
beißt. Erworben wird die Anlage zu T. durch rohe, grobe, vegetabllifche Nahr⸗ 
ung, Aufenthalt in dunleln Wohnungen und in einer unreinen feuchten und 
tumpfigen Atmofphäre Dagegen wird die angeborne Anlage zu T. mit Erfolg 
befämpft durch gefunde Mildy und fpäter eine zweckmäßige mehr animalifche ald 
regetabilifche Ron, verbunden mit einer naturgemäßen Erregung ded Hautorgang, 
ber Zunge ıc., durch Licht, reine Luft und Bäder. — Am gefährlichfien unter 
allen T. find die Lungen⸗T., welche vorzugöweife in ben Falten und gemäßigten 
Glimaten und im jugendlichen fowie in der erften Hälfte des männlichen Lebens⸗ 
alters vorkommen, und durch ihre Erweichung und die dadurch bedingte Zerfiörun 
des benachbarten Lungengewebes eine der häufigflen Formen der Lungenfucht, bie 
tmberkulöfe Lungenſchwindſucht begründen. E. Buchner. 

Zubus, f. Fernrohr. 

Tuch, bedeutet urfprünglich überhaupt einen gewebten Stoff, doch bedient 
man fidy deſſelben jetzt vorzugsweife in zweierlei verſchiedenem Sinne, indem man 
darunter entweder ein Gewebe von allerhand Stoffen: Seide, Wolle, Baumwolle, 
Leinen oder auch von mehren derſelben gemifcht, meift von geringer ®röße und 
gewöhnlich nicht länger ald breit verfteht, was man nach dem Zwed, zu dem es 
biſtimmt ift (als Tafchen- oder Schnupftuch, Halstuch, Umſchlagtuch ꝛc.), bezeichnet 
u. woron oft mehre in einem Etüd zufammenhängend gewebt find; oder man ver- 
Rebt Darunter einen wollenen Zeug, bei dem die Wollhaare durch eine eigenthüm⸗ 
lihe Behandlung zufammengefilzt find, wodurch er einen hohen Brad von Dich⸗ 
tigfeit erlangt hat und deſſen Gewebe auf der Oberfläche nicht wahrnehmbar ift, 
indem es durdy die nach einer Scite gelegten Faſerenden bededt wird. Diefe 
leßte Gattung von Geweben nennt man eigentlich T., niederdeutſch Laden und 
in der Mehrzahl T.e, wogegen man von der erfteren Gattung nur ein einzelneg, 
u beſtimmtem Gebraudy abgepaftes Stück Gewebe ein T. und mehre Tücher 
nennt. Wir fprechen hier von der obigen zweiten Klaffe, dem eigentlichen Wollen- 
tcche, welches jegt in der ganzen civilifirten Welt, befondere in ber gemäßigten 
und fälteren Zone, den Hauptbeftandtheil der männlichen Kleivungsftüde bildet 
und daher einer der wichtigften Induftries und Handeldartifel if. Wlan ver: 
wendet dazu faft durchgängig Schafwolle, nur felten Vicognewolle, welche zwar 
feine ift, aber ein rauheres, mehr tüffelartiged Gewebe gibt. Das Garn, aus 
welhem dad T. gewebt wird, ift Krempel- oder Streichgarn, weldyes aus, von 
Ratur gefräufelter, Wolle verfertigt iſt, die fich daher befier filzt, als die glatte 
Ville, aus weldyer das Kammgarn befteht. Zu den feinen, bunfelfarbigen und 
chenſo zu allen melirten T.en, wird die Wolle vor dem Spinnen gefärbt; bie 
geringeren fowie die heilfarbigen dagegen werden nad dem Weben, im Stüde, 
färbt und das Garn wie das daraus gewebte T. hat daher die rohe, gelbliche 
Bolfarbe. Das Garn zum Aufzuge oder der Kette {fi gewöhnlich rechts und 
meieich flärker gedreht, wogegen dad zum Einfchlage weniger und meiſt links 
gereht if. Da fih das 3. durch das Walken bedeutend mufammenzieht, fo muß 
de Kette nach Berhältniß breiter gemacht werben, als das T. werden fol. Nach⸗ 
dem das ganze Tuchflüd gewebt iſt, wird es getrodnet und dann genopnt, d.h, 


288 Tuch. 


es werden mit kleinen, ſpitzigen Federzangen die Knoten, Fadenenben und ſonſtige 
Unreinigkeiten davon entfernt und zugleich am lichten Stellen die zu weit von 
‚einander liegenden Fäden dichter zufammengeichoben. Das vom Webftuhle kom⸗ 
mınde I, tft noch fehr dünn und loder und enthält auch noch das, beim Kräm⸗ 
peln des Streichgarns in die Wolle gebrachte Del. Um das lehtere daraus zu 
entfernen und es zugleich durch engere Bereinigung und Verfilzung der Fäden 
dichter zu machen, wird ed mehre Male nach einander gewalft, d. 5. in einem 
Troge von den befonders geftalteten Walkhämmern, unter ftetem Umwenden, eine 
EM lange heftig gefchlagen und gebrüdt, wobei die Entfernung des Oels durdy 
ufag von Walfererde und Seife bewerkfiiligt wird. Dann wird es geraubt, 
indem man vermittelft der Weberbifteln oder Garden die Enden der Wollfafern 
auf der einen Fläche des 3.8 hervorzieht. Nach dem erfien Rauben wird das 
T. mit wenig fchneidenden Scheeren geichoren, wodurch die längften und ftrup- 
pigften Haare entfernt werden. Es wird dann wieder naß gemadt und zum 
weiten Male perauß, wobei die Barden abwechfelnn nady der einen und nach 
der andern Richtung geführt werden, wenn das T. noch gefärbt werben fol; ift 
es aber fchon gefärbt, jo geichieht erft das dritte Rauhen gegen den Strich. Das 
TI. wird dann zweis bis dreimal mit fcharfen Scheeren gefchoren und hierauf, wenn 
es nicht in der Wolle gefärbt war, gefärbt. Dann wird es zum dritten Male 
gerauht und zum letzten Male gefchoren, nachdem es vorher auf dem Rahmen 
ausgefpannt und ausgeweitet oder geftredt worden if. Um die, nach dem 
Scheeren noch hervorragenden, Wollfafern auf der Hauptfeite des 3.8 durchgängig 
nad) einer Richtung, zu legen oder dem T.e den Strich zu geben, wird es ent- 
weder auf eigenen Bürftmafchinen gebürftet, oder auch mit einem 5—6 Joll breiten 
olze von der Länge der Tuchbreite, dad auf der einen Seite mit einem biden 
Harzfirniß überzogen ift, auf den, fo lange er noch warm war, fein gepulvertes 
(a6, Bimsftein und ein wenig Eiſentheile geftreut worden, nach einer Richtun 
geftrichen und dann gebürflet. Das 3. wird hierauf feiner ganzen Länge na 
zufammengefchlagen, fo daß die rechte Seite nach innen und eine Sahlleifte auf 
die andere zu legen kommt und dann in der Quere blattweis im Zicktack zufam- 
mengelegt, fo daß die Preßfpäne fich leicht dazwiſchen fchieben laffen. Es merven 
dann zwiſchen die beiden zufammenliegenden echten Seiten des T.s feine Velin⸗ 
fpäne und zwiſchen die Rüdfeiten gewöhnliche Preßfpäne gelegt; hierauf wird eine 
Anzahl Srüde T. abwechfelnd mit Brettern, zwiſchen denen heiße Gifenplatten 
ltegen, in eine ftarfe Preſſe gebracht und drei Tage eingepreßt flehen gelaflen. 
Dadurch erhält das T. einen ftarfen Glanz und eine weich anzufühlende Ober: 
fläche; allein jeder Waifertropfen zerftört den Glanz und macht einen Fleck, was 
weniger der Kal ift, wenn es Kalt, d. h. ohne heiße Eifenplatten, gepreßt wird. 
Nach dem erften Preſſen wird das T. aus der Preffe genommen und umgelegt, 
ſo daß die bisherigen äußeren Yalten in die Mitte fommen, und fo läßt man es 
etwa noch einen Tag cingepreßt ftehen. Wenn das T. nur feinen natürlichen 
Glanz erhaltın fol, auf dem das Waſſer feine Flecken macht, fo wird ed dekatirt, 
d. b. nur 1— 2 Stunden in einer Vorrichtung gepreßt, in der es von heißen 
Waflerdämpfen durchzogen wird, was auch häufig erft nach dem Einzelnverfauf 
des T.es geichieht. Das nun ganz fertige T. wird noch zum Verkauf zugerichtet 
oder ausftaffirt. Die wichtigften Länder für die T.-Manufaftur find gegens 
wärtig Belgien, die preußifche Rheinprovinz, Sranfreid und England. In ven 
Niederlanden wurde fchon in fehr früher Zeit T. für den auswärtigen Handel 
verfertigt, denn man weiß, daß es bereits zu Anfang des 9. Jahrhunderts dort 
ein Handelsartifel war, welcher fowohl zu Lande al8 auch nach den Nordfees 
ländern und nach England ausgeführt und auch von venetianifchen Kaufleuten 
als Rüdfracht mitgenommen wurde. Die Berfertigung ver feinen T.e follen die 
Niederlaͤnder jedoch von den Florentinern gelernt haben, welche im 12, Jahre 
hunderte T.e bereiteten, zu denen Seide unter die Wolle gemengt war, woburd) 
fie ein glänzended Anſehen erhielten und bei gleicher Tauerhaftigkeit weniger ſtark 


Tuch. 289 


zu fegn brauchten ald die wollenen. Der nieverländifche Fleiß wußte es jedoch 
dahin zu bringen, daß auch ohne Seide ein feines T. verfertigt wurde. Dad 
Fabrikat wurde bald jo audgezeichnet, daß man nach allen Rändern, wo T.⸗Ma⸗ 
nufaltaren errichtet wurden, nieberlänbilehe Arbeiter fommen ließ und foldye wur: 
den auch nach Spanien esogen als die Riederlande unter die Herrfchaft dieſes 
Landes famen, um dafelbit T.-Manufakturen zu errichten. Da Spanien die feinfte 
Bolle befaß, erlangte es bald eine große Berühmtheit wegen feiner feinen T.e. 
As ſich Die Niederlande von der fpuntichen Herrfchaft losgeriſſen hatten, unter⸗ 
ſchied man die nieverländifchen T.e in bolländifche und brabanter und gab den 
erfieren den Borzug, weßhalb audy noch felbft zu Anfang unferd Jahrhunderts viel 
davon nach Deutfchland abgefegt wurde. Jetzt Kat fich dies jedoch fehr geändert, 
indem Holland, obgleich es in Leyden, Utrecht, Herzogenbuſch, Delft, Bergenops 
som ıc. noch T.⸗Manufakturen befigt, deren Fabrikat wegen Feinheit und guter 
Farbe geſchätzt ift, doch nicht einmal feinen eigenen Bedarf probucitt. Zu den 
niederländtfchen T.en rechnet man auch die aus den Fabriken der preußifchen 
Rheinpropin; und am beveutendften ift die Manufaktur in Brüffel, Löwen, 
Verviers, Eupen, Imchenbroich, Limburg, Aachen, Burtfcheit, Krefeld, Düren, 
Stoibern xc. ganz befonderd aber in Verviers, Eupen und deren Umgegenb. In. 
Sranfreich iſt die Fabrikation der Wollenwaaren und namentlich der T.e über das 
anze Land verbreitet, indeſſen zeichnen fich ganz befonderd die Städte: Elbeuf 
I Departement der Niederfeine, Eedan im Departement der Ardennen und Lous 
riers im Departement ber Gure, durch ihr vortrefflidyes Yabrifat aus. Außer 
viefen find noch zu bemerken: Darnetal und Beaumont-lesRoger bei Rouen, 
Abbeville, Beauvaid, Mouy, Nancy, Buhl, Mühlhaufen, Biſchweiler, Vire, 
Vienne, Gaftres, Lodeve, Klermont, Saint» Bond, Saint⸗Chinian, Limaur, Chas 
labre, Garcaffonne, Lavelanet, Mazamet, Montauban, Chateaurouz, Romos 
rantin u. A. — Die englifhen T.e übertreffen beſonders in ven mitten 
Dualitäten, in Folge der forgfältigen Wollfortirung und der vervollfommneten 
Rafchinen, das Fubrifat aller übrigen Länder. Die Hauptfige der T.-Fabrifation 
ind: der weftliche Theil von Yorkſhire, Sloucefterfhire, Wiltfhire und Sommer⸗ 
ſetſhire und die Städte Led, Bradford, Halifar, Hubdersfield und Wakefield 
And die Gentralpunfte derfelben. Befonvers tft Leds der größte Markt für ges 
fürbted und ungefärbice T. und befigt für diefen Handel große Hallen, von denen 
eine 1210 verſchiedene Stände enthält. Das farbige 3. iſt durchaus in der 
Wolle gefärbt. Bei Halifax wird beſonders Militär-T. verfertigt und bei Batley 
und Dowebury gibt e8 Kabriken, welche wollene Lumpen u. alte Kleidungsftüde 
mit Zufap von frifcher Wolle in geringes T. verwandeln. Der Wrft-Riding in 
Dorfihire, ein Diftrift von faft 800 englifchen [J Meilen, umfaßt mehr ale & 
der gefammten T.⸗Fabrikation Englande. Die meiften fuperfeinen T.e werden 
— in und um Bradford in —*— verfertigt, ferner zu Frome in Sommer⸗ 
ſetſhire. Die T.-Manufaftur Schottlands iſt in Vergleich mit der englifchen 
nur fehr unbedeutend, in Aberdeenfhire wird feines T. übrigens meift mittled 
unb geringes verfertigt. Irland hat nur in der Nähe von Dublin und Gorf 
einige Fabriken von feinem T. Spanien, deſſen T.-Fabrifen fonft fo berühmt 
waren, erzeugt jeht nicht den eigenen Bedarf; am bemerfenswertheften find die 
Manufalturen von Guadalarara, Bribnega, Segovia und Bejar. — In Ruß 
land Bat die T.⸗Manufaktur feit einigen Jahren einen bedeutenden Auffchwung 
enommen und das inländifche Erzeugniß erſetzt faft ganz die frühere Einfuhr aus 
(em und dem Auslande, fo daß Pet nicht mehr ald etwa 200,000 Arfchinen 
eingeführt werden. Ebenfo nimmt jegt die Einfuhr der Wolle von Jahr zu Jahr 
ab, indem die Schäferelen in den Dftfeeprovingen den Anforderungen dieſes Induſtrie⸗ 
ed bereitö zum größten Theile entfprechen.. In Deutſchland iſt, beſonders 
felt der Einführung englifcher Mafchinen, die T.-Fabrifatton fehr vervollfommnet 
worden. Die wichtigften Fabriken find die fchon oben erwähnten in ver Rheio⸗ 
provinz, deren Erzeugniß dem beigifchen völlig gleich kommt, auch allgemein unter 
Heslencyclopädle. X. 10 


Lo} Tador — Tübingen, 


Ay hen, — Sin Mi sit. I vefäieieen Quer 
täten verfertigt; in der —R die Fabrilen in der an 
—— En. g Bun Te en 96 a in 
— eh per Due —— Ye — Die Stabi noch 

—— 


Örte, d daß bi el 
Ban 8 don Yan 8 hans ie, & — SE wine Hana 
en! ben Provi eußen, mern 
Bohn Serfertat man ders orbinäre und mittle T.e, von denen aber wenig 
** Nichts aneg — In den oͤſterrelchiſchen Staaten iſt die 
Tation de auß, Pl und am bedeutenbflen in —— und Mähren, deren 


Erzeu; fowı * gie deutſchen Märkte, ald auch nad) Polen, Galizien, Sta 
e und Levante ausgeführt wird. Die Hauptorte find — 
en, Kr jenber; Bun — Böhmifch-Leipa, Neu- Dettingen, Ober⸗ 


— en ähren: Brünn, Namieft, Iglau, Fulnec, Neutit- 
für Defterreich noch die .-Fabrifen um Wien, in 

© gi Veventung. Bedeutend it die T.-Fabrifation im 

Fr —X a + fowohl mittelfeine, als auch Ki ſchoͤne feine Te ver 


eine vor; pretur haben, ind bier befonders 

Kane ei role Zu namen: Grehenhain, Salniden, Bibel, Drau, I — 

ibſchau, iu, Kirchberg, Deveran, Werdau, Zichopan, ſchofswerda, 

en, Ziltau x. m — 3 Laͤndern if zwar die Tr Fabrikation 

nicht unbedeutend, Ai nur auf einen inländiichen — 
den fie meiſt völlig et FA e 


deutend. iſt diefer Inbuftriegweii 
den nordamerifant: den Freiſt agten, namentlich in den Staaten Hans 
York, ee orbearolina, Maryland, Rhode » Feland, FR * 
ausgezeichnetes, dem engliſchen zum Theil nicht nachſtehendes, Fo in 
Bebeunenber Duantirät liefern. Mfäge damlle, bie dem Reiche bel wei 
or, eine berühmte en, e Familie, die dem e Könige u. 
an jinnen ge; , ammt Fr Wales ber und vühn — von ven alten Bes 
ern 4 andes abzuſtammen. Di Wittwe König — ichs V. Katharina 
ve! jalols, vermählte id mit Owen T., obwohl Viele diefe Berbinbung abung gem. 
iger Hatten. Rad dem Tode ber *öntgin ward Owen, auf Ehuard 
Befehl, ergriffen und 1461. enthauptet. Sein ältefter Sohn, Edmund & ei 
von pmond, war Bater von dem nachfolgenden Könige Heinrich VIL, ver 
Richard IL 1485 vom Throne fließ und die Herrfchaft von England feinem 
Sohne Heinrich VII. hinterließ, deſſen drei Kinder, Evuard VL, Maria u. Eliſa⸗ 
beth darauf nach einander die Krone von Großbritannien trugen, fo, daß das 
Heu T. von 1485 — 1603 die 86380 beſaß. 
en, alte und unre gem! gebaute, aber geri gelegene Stabt im 
— [dfreife des KönigreihE Württemberg, am Necar, der bier die Ammet 
und Steinla aufnimmt, mit Einwohnern, ift ihrem größten Theile nach 
an einen Berg, den függnannien Schloßberg, eo auf, zei em ſich das alte, 
1535 vom Herzoge Ulrich erbaute, ih Schloß Ho nz. m wel weit 
Inausragt” Gas Redarthal, Stadt ift Sn dee 
jofes für den Schwarzwalbfreis, befonders aber wichtig on ie ia mm 1477 von 
Pag ne ” a re een it s K r —— 
', 1 jur e, 1 mei e, 1 philofophifche um aatswi 
Ei 30 — en und 6 — ade irofefjoren, im — 
60 Dozenten und durchſchnittuch bei 0 tudirenben , — * 100 
Ausländer. Die mit der Univerfität verbundenen Anſtalten, als: das katholiſche 
Convilt und proteftantifche Seminar; die Bibliothek von "gegen 140,000 Bänsen, 
dbe neue Anatomie auf dem fogenannten Deferberge; das —XX bie. Stern ⸗ 


Taurkei — Tuͤrkheim. 291 


warte, das naturhiftorifche und phyſtkaliſche Kabinet, der herrliche botanifche 
Sarten u. a. gehören, namentlich fett der reichen Ausftattung von Seiten ber 
Regi in neuerer Zeit (nach dem neueſten Budget jährlich 98,000 Gulden) 
zu den reichhaltigften diefer Art in ganz Deutfchland. Unter den Gebäuden find 
bewmerkenswerth: die Stifiöfirche aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 
mit einem noch Altern Chor, wertvollen Glasgemaͤlden, einer Kreuzigung von 
EC häufele "und den Grabmälern von Graf Ludwig dem ältern, ei. 1450; 
308 Eberhard im Bart, geft. 1496; Herzog Ehriftoph, geſt. 1508; Herzog 
wig, geh. 1593 a. Berner von Johann Georg von Schleswig sHolfteln ; 
Rudolf, Biſchof von Halberftadt; Georg Dito, Pfalsgraf bei Rhein; Anton 
Henri, Graf von Oldenburg. Die Spitalficdhe aus dem 13. Jahrhundert ; 
die kleine Tatholtiche Kirche neben dem Convikte. Das Schloß Hohen-T., von 
erzog Ulrich 1535 erbaut, mit reichem Portal, großen Kellern, einem Riefenfaß, 
efem Brunnen u. fchöner Ausficht; die Denktafel der Vertheitiger des Schloſſes 
son 1519. Das große, 1455 aus Holz erbaute Rathhaus; das Mufeum; die 
neuen, prachwoll aufgeführten, Univerfitätögebäude öftlich vor der Stadt; die 
alte Aula, die Gebäude des Fatholifchen Convikts und des proteftantifchen Ges 
minars, dad neue Anatomtegebäude. Außerdem findet man bier ein Lyceum und 
eine Realfchufe, blühenden Buchhandel und mehre Buchoruderein. Die Ein- 
wohner finden, außer von der Univerfität, ihre Hauptnabrungsquellen in ausge⸗ 
dehntem Grundbeſitz (Ader-, Obſt⸗ und Weinbau), Induftrie und Handel find 
anz unbedeutend. Die Umgebungen der Stadt find äußerſt reigend; zu den bes 
fiebteften Ausflügen gehören: Das Bläfibad; das Walnhörnchen ; die alte Wurm⸗ 
Iinger Kapelle, auf einem 1480 hohen Bergfegel; Luſtnau; das ehemalige, eine 
Stunde ri mitten im Walde gelegene Klofter Bebenhaufen, an der neuen 
Etraße nach Stuttgart; Heshingen und Hohenzollern; Rottenburg; die Bäder 
Riedernau und Imnau ıc.. — 3. fchreibt feinen Urfprung fchon von Kaiſer Va⸗ 
lerian ber, der e8 278 nad) Chr. gegründet haben fol. Römiſche Alterthümer 
wenigſtens birgt die Umgegend. Im 11. Jahrhunderte war es der Sit mächtiger 
Pfaligrafen, die es an die Grafen von Württemberg verkauften 1342. Graf 
hard gründete 1477 vie Univerfität. Der I. Vertrag 1514 ficherte den 
württembergifchen Ständen ihre Rechte gegen den verfchwenderifchen Herzog 
Ulrich. A519 flüchtete ſich Herzog Uirich's, des Vertriebenen, Sohn Ehriftoph 
bieber und I. ward von den Bündifchen (Reichsſtädten und Bayern) erobert. 
Im ſchmalkaldiſchen Kriege ward T. vergeblich belagert; 1634 aber von den 
Bayern erobert u. die Bibliothek gegen die Stipulation nah) München entführt; 
1683 fchleiften die Sranzofen feine Mauern. — T.s Untverfität hat fich in alter 
und neuer Zelt durch eine Menge berühmter Lehrer ausgezeichnet; Namen wie: 
Reuchlin, Melanchthon, Dfiander, Ploucquet, Storr, Zlatt, Südfind, Bengel, 
Hug, Drey, Herbft, Hirfcher, Feilmofer, Möhler, Kuhn, Hefele, Welte, Efchen- 
mever, Rösler, Mfleiverer, Bohnenberger, Conz, Tafel, Gmelin, Autenrieth, 
Michaelis, Warnfönig, Wächter, Schrader, Fulda, Mohl, Ewald, Uhland, 
Bifcher, Riede, Wunderlih, Walz u. v. a. find in der gelehrten Welt allgemein 
befannt und gefchäßt. 

Türkei, ſ.Os maniſches Reich. 

Zürktheim, Stadt im franzöftichen Departement Oberrhein, früher eine Eaifer- 
liche freie Reichsſtadt, am Eingange des Gregorien- over Münfterthales, mit 2300 
Einwohnern, weldye ftarfen Weinbau und Papierfabrifation betreiben. Hier am 
3. Januar 1675 Sieg Turenne's (f.d.) über das Faiferliche u. alliirte Heer. 

im, Johannes von, ein ausgezeichneter Statsmann und publiziftis 
her Schrififtcller Frankreichs, aus einer angefehenen proteftantifhen Familie in 
Eiraßburg, wo er im Jahre 1746 geboren wurbe, widmete fidh beſonders dem 
Studium der Staatöwiffenichaften, bildete fich dann durch mehre Reifen weiter 
aus und bekleidete hierauf einige einflugreiche Aemter in feiner Vaterftatt. Von 
biefer wurde er im Jahre 1789 zum Mitgliede der conſtituirenden Rotionioer- 

AN 


292 Turkis — Tuffſtein. 


ſammlung rät, zeichnete fich darin durch Rechtlichkeit und Eifer für das 
Wohl des Staated aus und machte eine fehr gehaltvolle Schrift unter dem Titel: 
„Darftelung der politifchen Verhältnifie des Elſaſſes überhaupt und der Stadt 
Straßburg indbefondere” bekannt. Zur Zeit der Schredenöherrfchaft verließ er 
Granfreid und begab fidy auf fein Gut Altvorf bei Ettenheim, wo er einige 
Jahre lebte und durch deſſen Beſitz er in die ortenauifche Ritterfchaft eingetreten 
war. Hierauf wohnte er als Abgeorpneter mehrer fächflichen Kürftenhäufer der 
fränfifchen Kreisverfammlung zu Nürnberg bei, nahm alsdann hefien-darmftäptifche 
Dienfte und wurde zum bevollmädhtigten Mintfter beim Reichötage zu Regensburg 
und bei der Reich&beputation ernannt. Nach der Auflöfung der deutfchen Reichs- 
verfufjung übernahm er mehre diplomatifche Sendungen von Wichtigkeit und gin 
aledann im Auftrage feiner Regierung nad Wien, wo er ſich längere Zelt aufs 
hielt. Im Namen der Fürften Süpdeutfchlands unternahm er hierauf mit dem 
Freiherrn Schmig von Grollenburg eine diplomatifche Reife nah Rom, um dafelbft 
mit dem päpftlichen Hofe das Concordat zu unterhandeln. Bon bier zurüdge- 
fehrt, begab er fich wieder auf fein Gut Altdorf und farb dort am 28. Januar 
1824, im 78ften Jahre feines Lebens. Mean hält ihn für den Berfafler ver 
„Histoire genealogique de la maison de Hesse.“ 

Türkis, Kaloit, ift ein Evelftein von verfchledenen Rüancen der blauen 
oder grünen Farbe, 3. B. himmel» malte apfelblau, feladon- und piftaglengrün, 
—* mit einem Strich in's Gelbe. Der T. ritzt den Apatit, aber nicht das 
weiße Glas; von der Zeile wird er fehr leicht angegriffen; fpeztfifches Gewicht 
— 2,86—3. Dur anhaltende Glühhige vor dem Löthrohr verliert er feine 
blaue Farbe und wird gelblicy-braun, verglast ſich oberflächlich, ift aber fonft 
unfchmelzbar. Seine Belandibeile find Thonerde, PBhosphorfäure, Waſſer, Kupfer: 
oxyd und Eifenosybul. Im Handel unterfcheivet man folgende beide Arten T. 
1) T vom alten Stein oder Felfen, ortentalifher T. bimmelblau 
und feladongrün, zuweilen milchblau. Dies iſt der Achte, aus Berfien kommende 
T. 2) T. vom neuen Stein oder Felſen, occidentalifcher T. Zahn 
T, bell- oder dunfelbleu und bläulichgrün; zuweilen ift die Oberfläche mit Adern 
gezeichnet, die etwas dunkler find, ald der Grund. Er ift organifchen Urfprunge. 
Es find durch etwa zwei Procent phosphorſaures Eifen blaugefürbte Zähne von 
urweltlichen Thieren (aus der Gattung der Maftodonten). Schon durdy die 
Etruftur, durch die inneren Blättchen und Streifen, welche den Enochenartigen 
Bau verrathen, unterfcheivet fich diefe Art von der erften, auch nimmt fie Feine 
fo glänzende Politur an, löst ſich in Säuren auf u. entfärbt fih in beftillirtem 
Waller. Man findet ihn bei Miask in Sibirien, in Languedoc und anderen Orten. 
Den ächten T. trifft man auf ſchmalen Gängen im Thoneifenfteln oder aderweife 
in Fiefelfchieferartigen Gefteinen, auch als Gefchiebe in der Gegend von Nifchabour 
bei Khorafan in Werften. In neuerer Zelt wurde er auch bei Branfenftein in 
Schlefien und bei Delsnig in Sachſen entvedt. — Der T. wird von den Bucharen 
meiſt fchon gefchliffen und polirt, aber ſchlecht, ſelten roh als Handelsartifel nad) 
Moskau gebracht. Dort wird er noch einmal umgearbeitet und zu verſchieden en 
Schmudfahen, 3. B. Rings und Nadelſteinen, Obrgehängen u. dgl. geichliffen. 
Häufig benügt man ihn auch zum Einfaffen anderer Edelfteine. — Pan fann 
den 3. durch Kunft täufchend nachmachen, indem man calcinirtes Elfenbein eine 
Zeit (Woche) lange in einer Kupferauflöfung mit Hirfchhorngeift liegen läßt. Ein 
ſolcher T. ift weicher, als der ächte und gibt beim Schaben mit einem Kedermeffer 
Spähne, während ver Achte fich in ein Feines weißed Pulver verwandelt. Ein 
ungewöhnlidy großer I. befindet fih im Mufeum der Eaiferlichen Academie zu 
Moskau. Derfelbe ift mehr als 3 300 lang und 1 301 breit. 

— — Muſik, ſ. Janitſcharenmuſik. 

Türkiſcher Weizen, ſ. Mais. 

Tuffſtein, eiene oder Kalktuff, eine Art Kalkſinter von neuer und 
neuefter Bildung, der ſich durch Incruſtirung verſchiedener Pflanzentheile, wie 


— 


Tugend — Tugendbund. 293 


Zweige, Stängel, Wurzeln, Blätter, auch Sand u. dgl. aus Falfhaltigem Waffer 
erzeugt: Er findet ſich faft immer weich, felten balbhart, meift durchlöchert oder 
mit vöhrenförmigen Höhlungen, von den zerfegten Mflanzenftengeln herrührend, 
audy noch Pflanzenüberrefle und Abdrüde oder Eüfwaflermufcheln u. dgl. ent- 
baltend, häufig fehr pords und zellig, von rauher, warziger oder nierenfürmiger 
DOberflädhe und von geringem foesifiichem Gewichte. Es ift eine lodere Maſſe 
von gelblichgrauer, audy weißer, gelber, rother und brauner Farbe in den ver- 
fhiedenften Schattirungen und wird in vielen Falfreichen Ländern gefunden. 
Seiner Leichtigkeit wegen benüst man ihn ald Baumaterial zur Aufführung von 
Orwölben, zum Ausmauern ber Wände, zur Zufammenfegung Fünftlicdyer Grotten, 
Höhlen, Ruinen, Wafferfälle u. vgl. in englifhen Gärten und er bilvet fehr 
trodene und warme Mauern; auch ift er leicht zu bearbeiten, darf jedoch nicht 
frifch gebrochen oder naß vermauert werden, weil er dann bei fchnell eintretenver 
Kälte leicht berſtet. Beim völligen Austrodnen an der Luft gewinnt er jedod) 
fehr an Härte und Dauerbaftigfelt. Die Osteocola und der Traveftin find 
Arten des T.s. 

Tugend ift ein beftändig geneigter Wille und eine erlangte Bertigfeit, feine 
Handlungen nach den Geboten Gottes, nach der Vernunft und nach feinem Be- 
rufe einzurichten; oder: die Harmonie unferer Gefinnungen u. Handlungen mit dem 
göttlichen Geſetze. Aehnlich definirt fie fchon Plato, der fie die Uebereinſtimmung 
aller Kräfte und Thätigfeiten des Menfchen mit der Vernunft nennt. Ariftoteles 
nennt 3. die Fertigkeit, die Pflicht zu erfüllen und das Schidliche zu thun, der 
Mittelweg zwifchen zwei entgegengefegten Luftern. Einzelne, durch jenes Beftre- 
ben erzeugte, Handlungen heißen Tien. Da nun aber ale 3. Frömmigkeit fein, 
dv. 5. aus Liebe zu Gott und aus der Empfindung des abfoluten Werthes des 
Bahren und Guten hervorgehen fol, fo kann e8 ohne Religion feine wahre T. 

eben und bie Heiden Fonnten fich daher, weil fie Götzendiener waren und den 

lauben an Unfterblichfeit nicht hatten, natürlich nicht zur I. im chriftlichen Sinne 
erheben, d. h., zu dem fortgehenden Etreben nad Gotiähnlichkeit (Vollkommenheit, 
Fteiheit), ihre T. ift daher meiftend entweder eine bloße Legalität oder menfchliche 
Klugheit, Weisheit, Muth, Seelenftärfe und dgl. Der Gefinnung (Form) nad) 
gibt es nur eine T. weil alle Gefege aus einem bi. Willen Gotted hervor⸗ 
gehen u. fie ift die flete Unterorbnung unter diefen Willen; aber der Wirklichkeit 
und Grfcheinung (Materie) nach gibt es, nach Berfchievenheit des Gegenſtandes 
und des Inhalte, mehre Ten. Ueberdieß iſt T. nur etwas relativ Vorhandene, 
in Rüdfiht auf das von dem göttlichen Geſetze erfüllten Bewußtſeyn eines 
Menfchen und diefelbe Außere Handlung, von zwei DVerfchiedenen vollbracht, kann 
bei Einem T. feyn, bei dem Andern nicht, 3. B. Wohlihätigfeit aus Liebe und 
aus Selbſtſucht. Bei der T. kommt es alfo auf die Motive an (Gottes- und 
Menfchenliebe), auch ft fie nicht etwas Urſprüngliches im Menfchen, fondern 
etwad Werdended und Wachfended, das feinen Anfang nimmt al8 Gehorfam 
gegen ein Zwangsgebot; dann, von Furcht und Hoffnung motivirt, zur Klugheit 
wird und dann erft in feiner Vollkommenheit als Liebe zum göttlichen Geſetze 
erfheint. Der Glaube an einen heil. Geſetzgeber und einftige Vergeltung gehört 
dazu, um den Menfchen über alles Sinnliche zu erheben. Die die T. wirklich 
hervorgebracht und im beftändigen Wachsthume erhalten werden müſſe, dieß iſt 
der Gegenſtand desjenigen Theils ver Moral, welchen man gewöhnlich Afcetif cf. d.) 
nennt. Diefe hat ed vorzüglicdy mit den fogenannten T.-Mitteln zu thun, unter 
welchem Namen man Alce begreift, was die moralifche Aufklärung beförvern 
u. fittliche Gefühle zu erweden, zu ftärfen u. zu vereveln vermag. Vgl. Eajetan 
von Weiller, „T. die höchite Kunft,” München 1816. 

Zugendbund hieß ein in Preußen entflandener Berein patriotifcher Männer, 
der nach Deutfchlands Unterjochung durd) Napoleon in den Fahren 1806 u. 1807 
zu den Endzwecke (urfprünglicdy unter der Benennung: fittlic) - wiffenfchaftlicher 
Berein) zufammentrat, durch Wort, Schrift und Beifptel, zunächit in em yreußl: 


294 rugendbund. 


ſchen Volke, dann aber au in dem übrigen Deutſchland Bäterlanbeltebe und 
politiſchen -Semeingeift: möglich zu erweden und zu verbreiten. Da für bie 
fpätere Erhebung und Befreiung unſers gefammten Baterlandes diefer Bund auch 
ne Zweifel das Seinige beigetragen ımb mehr, als man fpäter anzuerkennen 
r gut fand, das neuere, innere politifche Leben befördert hat, fo iſt ihm ſchon 
dadurch feine hiſtoriſche Bedeutung gewiß. Derfelbe kann übrigens nur in Bes 
zug auf die Sranzofen ald eine geheime Berbindun begelihnet werben, da feine 
Zwede, Statuten und Mitgliener der preußlichen egierung befannt und von 
ihr gebilligt u. begünftigt waren. Auch die. Franzoſen erkannten feine Bedentun 
fobald fie von ihm Kunde erhielten, fehr beſtimmt an. Es ſteht geſchichtlich fert, 
daß Rapoleon diefen, aus dem Geiſte des Volko hervorgegangenen, Verein 
mit dem-richtigen Inſtinkte des Despotiömus nicht wenig fürdytete u. daß fchon 
1809 von dem franzöflfchen Miniſter Maret Emifjarien nach Deutfchland ges 
jaidı ‚wurden, um’über biefen T. Erkundigungen eben, fo wie. auch noch 
März 1813 in dem Berichte Regnauld's De St. Jean d’Angely an den 
franzoͤſtſchen Senat, dem T. der Krieg Preußens gegen Graue 
ward. Ein andere® Intereſſe bet dieſer 3. dadurch, daß als feine lieder 
General Echarnkorf, Ei, der Freier vor Ehen, Bicht, Jahn, Kat, Gum 
r ’ er VOR t u, te; a nt, ü ums 
boldt, Schleiermacher, Bd, Gneiſenau :c., freilich zum Theil ganz itriger 
Belle. Am merhwürbigften ift derſelbe dadurch, Da er nad) —* Auf⸗ 
hören und völligen Erloͤſchen von der antikonſtitutionell gefinnten Bars 
tet, in und aufierbalb Preußen, ale Sejpent eraufbefchworen und dazu gemiß- 
braucht wurde, um die fchöne Einigkeit zwifchen Fürften und Bölfern burch 
Miptrauen zu ſtoͤren und namentlich in Preußen die, auch dort fo kräftig begon⸗ 
nene, conftitutionelle Entwidelung zu hemmen. Die innere Beranla 
zur Stiftung deſſelben war folgende: Durdy den Titfiter Frieden, welcher Bteußen 
mehr als die Hälfte feines bisherigen Gebietes Eoflete, war daſſelbe von feiner 
frübern glängenden Höhe in die Reihe der Staaten vom zweiten, wo nicht gar 
vom dritten Range berabgefunfen. Doch lebte immer nody ein kraͤftiges Volls⸗ 
gefühl fort und die vielen ausgezeichneten Männer, die diefer Staat in ſich zu 
vereinigen gewußt hatte, gaben keineswegs vie Hoffnung einer bereinftigen 
dererhebung auf, welche fie auch durch die geeignetfien Mittel zu bewirken ſuch⸗ 
ten. Ueber diefe Mittel boten die Urfachen der Zertrümmerung ber -preußlichen 
Macht genügende Andeutungen bar. “Die Haupturſache war, ohne Zweifel, der 
noch aus früherer 2er flammende Mechanismus des ganzen Staatöwefens, 
die bis zum Unerträgli gediehene Bevormundung des Volkes durch bie 
Beamtenwelt und die Unterdbrüdung alles öffentlichen Lebens, al 
les polititifchen Bemeingeißee und der wahren Seele des Staats, der 
öffentlißen Meinung. te zweite Haupturfache die, zum wahren 
geftiegene, Entfremdung zwifchen ven verfchtedenen Ständen u. befonders zwif 
dem preußifchen Bolfe u, dem Heere, in deſſen Dffierfiande das übermütbigfte 
Junkerthum herrfchte, fo daß das Volk fogar mit einer gewifien Befriedigung 
die Kunde von der Kiederlage bei Jena aufnahm! — Mit der Erkenntniß dieſer 
Hauptübel war auch die Indikation der Heilmittel gegeben. Demgemäß bewirk⸗ 
ten Männer, wie Scharnhorft, Sneifenau, Müffling, Boyen ıc. eine durchgreifende 
Reorganiſation des preuß. Heeres, verfechefachten v auf 42,000 Wann beichräntte 
Armee, hoben das Selbfigefühl des Solvaten durch Abfchaffung der Prügelftrafe, 
fowie das des Bürgerftandes durch Aufhebung der Vorrechte des Adels auf Dfs 
figierftellen und riefen das, für die politifche Freiheit fo unendlich wichtige, In 
tut der Lanpwehr in's Leben. In gleichem Sinne wurde dur” Umbildung der 
Sefehgebung und Verwaltung im Innern des Staats und durch Hebung der 
allgemein geiftigen Bildung das Selbfiftänpigfeitsgefühl des Vollkes er 
wedt und belebt. Schon das Edikt vom 9. Dftober 1807 und die darauf foig- 
enbe agrarifdye ©efepgebung , beſonders das Edikt vom 14. September 1811, 





! 


Tugendbund. 295 


feitete Burch Aufhebung der Hörgfei u. Erbunterthänigfeit, fo wie der feudalifti- 
{hen Borrechte des Ädels in Bezug auf den Grundbeſiß, die große Emanci⸗ 
pation des Bauernflandes, diefer zahlreichen und wichtigften aller @lafien von 
Staatöbärgern, ein. Sodann wurde durdy den Etaatöminifter von Stein (ſ. d.) 
die Städteorunung vom Jahre 1803 ins Leben gerufen, um durch Theilnahme 
der Bürger an der Verwaltung ihrer ftäptifchen Angelegenheiten ebenfalls das 
Gefühl der politifchen Gelbfifländigfeit des Volkes zu —** In dem berühm⸗ 
ten. Sendfchreiben aus Konigsberg vom 24. November 1808, welches der Frei⸗ 
bar von Stein bei feinem, durdy Napoleon erzwungenen, Audtritte aus dem 
preußifchen Staatsdienſte erließ, erklärte derſelbe ausdrüdlich, es fei darauf anges 
fommen, die Disharmonte, die im Volke ftattfand, den Kampf der Stände 
unter fich, zu vernichten, weshalb namentlidy eine Reformation des Adels nöthig 
fi und daß durch die Verbindung defielben mit den übrigen Ständen die Nation 
zu einem Ganzen verleitet werde,” weshalb Stein auch auddrücklich auf „eine 
allgemeine Rationalpräfentation” antrug, wobei er bie biöherige land» 
Ränpif gr Form ale „höchft unvollfommen eingerichtet” erklärte. Ebenſo ent⸗ 
ſchied er fich für a der Patrimontalgesichtöbarkeit, für Einführung ber 
allgemeinen Pflicht zur heidigung des Baterlandes u. ſ. w. und legte fchliehs 
lich beſonders dringend die Sorge für die Erziehung und den Unterricht ber 
Jugend and Herz. In diefer lebten Beziehung war die Errichtung der neuen 
Untverfität zu Berlin, deren Plan Wilhelm von Humboldt entwarf, von 
dem entſchiedenſten Einfluffe; auch F. 2. Jahn's muß hier gedacht werden, da 
derfelbe durch die Wienererwedung der Turnkunſt großes Verdienſt fidy erwarb. 
Diefen Beftrebungen feiner Führer entfprachen auch wirklich die des Volkes und 
als einer der verichienenen Bewelfe, daß die Idee, das Volk müße ſelbſt mit 
geb anlegen, wirklich in daſſelbe eingedrungen war, ift nun eben der fogenannte 

anzuſehen. — Was die Äußere Gerchichte u. Organifation defielben betrifft, fo 
waren es urfprünglich zwei Männer, welche in Königsberg zufammentraten , bes 
fondere Statuten entwarfen und biefe der Regierung vorlegten. Don dort ver- 
breitete fi) der Verein in die übrigen Provinzen des preußifhen Staates, fo 
daß bald darauf fi Fi in jeder Stadt ded Landes ein T. befand. Un der 
Epige Rand ein hoher Rath von 5 Mitgliedern, die aus dem Stammvereine, d. h. 
den zuerft eingetretenen 20 Mitgliedern, gewählt wurden. Einer dieſes hoben 
Rathes war der Genfor, der auf die Aufrechthaltung der Geſetze zu fehen u. die 
Steeiigleiten unter den Mitgliedern zu Ichlichten hatte. Der hohe Rath wurde 
von Zeit zu Zeit neu gewählt. Der Verein beftand übrigens aus 5 Abthellungen: 
für Erziehung u. Vollsbildung, für die Staatd- u. häusliche Oekonomie, für die 
Bolizet, für Literatur und für das Milttär. Jede Abtheilung hatte wöchentlich 
einen Arbeitötag und jedes Mitglied mußte fih bei feiner Aufnahme eine oder 
mehre Abtheilungen wählen, für weldye es arbeiten wollte. Aufgenommen Fonnte 
jeder unbeicholtene hriftliche Bewohner des Koͤnigreichs werden, der von einem 
Mitgliede vorgefchlagen war und von dem der Genfor noch genauere Erfundigs 
ung eingezogen, aber nicht ihm zur Laft Fallendes erfuhr. Ausländer waren 
durchaus ausgeſchloſſen. Es war natürlich, daß bei dem über ganz Deutichland 
gezogenen Rebe von Spionerie, die Franzoſen bald von dem T. Kunde erhielten 
und nad) dem Auffangen des befannten Briefes ded Minifters von Stein an 
den Fürſten Witgenftein, fowie nach dem Zuge Schil’8 (ver offenfundig Mitglied 
bes T.es war), den, 1809 nad Berlin zurüdgelehrten, König von Preußen 
nötbigten, den 3. durch eine Cabinetsordre fofort aufzulöfen. Dieß gefchah ber 
Form nad; aber ungeachtet dieſer gefeglichen ng fuhren natürlidy die 
Mitglieder fort, den gemeinfamen Zweck, Jeder für ſich oder in formlofer Ber: 
einigung, fernerhin zu befördern. Endlich ward das Feuerzeichen Deutſchland durch 
den Brand von Modfau gegeben. Daß im Winter 1812—1813 die Mitglieder 
de® T.es wieder näher zujammentraten, iſt zwar nicht urkundlich ausgemacht, 
aber höchſt wahrfcheinlich, jo wie es gewiß iſt, daß dieſelben währenn ded Bes 


2 


freiungokrieges nach Kräften mitwirften. Dagegen bleibt es ungewiß, ob 
biefelben nach der Leipziger Schlacht noch irgendwo und fr —8* in einer be⸗ 
ſtimmten Form eines Bundes fortbeſtanden und im Gegentheile iſt es ebenfalls 
höchſt wa A dag von jenem Zeitpunfte an auch faktiſch und vollſtaͤndig 
ſich jener T. auflöste, da fein Zweck bereitö erreicht war und im Grunde das 
ganze deutfche Wolf in einen weit großartigern, wenn auch formlofen Tugend⸗ 
verein zufammengetreten war, in welchem jede Beſonderheit ſich von felbR verlor. 
Hatte nun der 3. unſtreitig eingewirkt für biefe alpemeine Stimmung, jo war 
es doch fehr ungerecht, dag man ihm bie fpätere Unzufriedenheit des beutichen 
Bolkes zur Laf legte. Da man übrigens in den Befrelungsjahren bie Madht 
einer in Deutſchland unbekannten Gewalt, nämlich die ver öffentlichen Mein; 
ung, erkannt. hatte und es nicht ratbfam erfchien, ſich ohne Weitere mit ders 
felben in Oppofttton zu fegen, fo mußte biefe erſt vorbereitet oder bearbeitet wer⸗ 
den und dazu fand fich mehr ald ein deutſcher Schrififieller bereit. Darunter 
waren fogar Publiziſten von nicht unbebeutendem .literarifchem Rufe, unter benen 
wir nur den Staalsrath u. Profeffior Dabelow in Böttingen u. den. 
Rath Schmalz in Berlin nengen. wollen. Namentlich war es bie, nur einen 
Bogen ftarke, Schrift des letztern, welche in ganz Deutfchland ven —— —* 
Eindrud hervorbrachte. Nachdem Schmalz allerlei von dem ſogenannten alten 
T. erzählt, auch ſelbſt von feiner Aufhebung gelprochen bat, fügt er a es 
haͤtten ã— Berbindungen bald darauf In der Stille gebildet, deren Zwecke 
er „böchft fluchwürbig* nennt und denen des Jalobinerclubs gleichſtellt; u. 
find es beſonders zwei Hauptpunkte, nämlich: daß jene Verbindungen eine Ein- 
heit Deutfhlande im Auge hätten und, wider den Willen der Fürften, allge 
meine oder beſondere Gonflitutionen durchſetzen wollten. Um biefe Anſicht zu bes 
ründen und unferm Wolfe fein, durch jene Erhebung wohlerworbenes, ſowie 
—* zu — Recht auf wahre Volksvertretung zu beſtreiten oder abſprechen 
zu Eönnen, Bat chmalz die Frechheit, den ganzen Aufſchwung ber Begeiſterung 
des Volkes geradezu in Abrede zu ftellen und völlig zu ignoriren, wie in ‘Preußen, 
während bie Keglerung in Folge ihrer unglüdfeligen Stellung noch ganz für die 
Franzoſen handeln mußte, fchon lange jene Befrelung vorbereitet ward (worüber 
die Briefe des Feldmarſchalls von Gneiſenau an den Grafen BRünfter ven bes 
fimmteften Auffchluß geben) ; wie namentlich der General Dort pas erfle und 
wichtigfte Signal zur Erhebung gab und zwar ohne Wiſſen und Willen ver 
Re kerung ach Schmalz verbielt ſich das preußifche Volk in ver vollſten Baf- 
fivität, bis der König einen befannten uff erließ und auf diefen Aufruf ploͤtz⸗ 
id die ganze Nation auffland wie ein Mann. Keine Begeifterung, überall 
ruhiges und deſto Fräftigeres Pflichtgefühl. - Alles eilte zu den Waffen und zu 
jever Thätigfeit, wie man aus ganz gewöhnlicher Bürgerpflicht zum Löfchen einer 
Geuersbrunft beim Yeuerlärm eilt. Uebrigens wurbe nirgends, weber in viefer, 
noch in den zwei kleinen folgenden Schriften von Schmalz, auch nur der aller 
eringfte Beweis des Daſeyns folcher Bünde oder Bündler gegeben. Schmalz 
—* heftige Gegner, namentlich an Niebuhr, Schleiermacher, Koppe, L. Wieland 
u. A.; und da die, in und außer Preußen durch dieſe Denunciation angefachte, 
allgemeine Entrüftung immer heftiger zu werden drohte, fo glaubte die preußifche 
Regterung, diefer ganzen Gefchichte fofort ein Ende machen zu müßen und aud 
zu Tönnen. Unter dem 6. Januar 1816 erfchien eine Kabinetsordre, des Inhalte: 
Der König felbft habe den T. als Beförberungsmittel des Patrlotismus enehe 
migt; fpäter habe die Lage des Staats es nothwendig gemacht, den “Ber 
aufsuheben, Die Cabinetsordre flellt dem T. felbft ein ſehr rühmlicyes Zeugniß 
aus, Jetzt aber, wo der Friede wieder hergeftellt fe, vürfe alle Bürger nur ein 
Geiſt befeelen und nun ward das Edikt vom 20. Dftober 1798 in Betreff ver 
geheimen Verbindungen, die dem Staate gefährlich werven Könnten, in Erinnerung. 
gebracht und endlich der Streit über folhe Geſellſchaften für unnüg erflärt und 
geradezu verboten, ferner Etwas darüber druden zu laſſen. Seitvem if der 3. 





L 


Tuilerlen — Tullus Gofilins, 29 


ganz verfhollen, zumal, da bald darauf die fogenannten vemagogifchen Unterfuch- 
ungen nnen Fr De Karlsbader Beichläffe zur unmittelbaren Folge hatten. 
. Bari, 

Zuideo wird von Tacitus nach alten Liedern als Urahnherr an die Spitze 
unſeres Bolkes geftellt. Er erfcheint nicht als Held, fondern tft vielmehr felbft 
ein Bott und zwar der Sohn der Erde. Sein Sohn war Mannuß, der erfte 

„des erfigeborenen Gottes Sohn und aller Menfchen Vater. Bon T. und 

annus flammen alle Deutfchen ab. Ueber das Mythiſche oder Befchichtlicye 
des T. find gar verfchiedene Anfichten geäußert worden: von Lachmann, Grimm, 
Badhter, Luden, Titze, Mone, Schevius u. U. Der Name 3. ift (nach Lachs 
mann und Grimm) wahrfcheinlich entftanden aus Tivisco, von dem Worte tiv 
mit dem Begriffe des Himmels. x. 

Zule, am Einfufi der Tuliza in die Upa, Hauptflabt des ruffifchen Gou⸗ 
vernement® Tula, Si eine® griechifchen Biſchofs und bedeutender a 
Es befteht aus drei Theilen, der eigentlichen Stadt, dann der Ticyulfowifchen 
und Moskauiſchen Vorſtadi und zählt 52,000 Einw., 28 Kirchen, mehre Kiöfter 
und SO Fabriken. Unter den Bauten nehmen durch ihre Größe und Schönheit 
der Thurm der Himmelfahrtöfirche mit feiner vergoldeten Spite und die Aller: 
helligenfirche die Yufmerkfamfeit hauptfächli in Anſpruch. Das Ererzierhaus, 
die Regierungsgebäude, der Kal und die Schleußen koͤnnen gleichfalls als Zier- 
den von 3. gelten. In der Mosfauifchen Borftadt befinden ſich die ungeheuren 
und Durch ihre innere Einrichtung ausgezeichneten G:bäude der berühmten kaiſer⸗ 
lichen @ewehrfabrif, welche 8000 Arbeiter befcyäftiget und jährlich 70,000 Flin⸗ 
ten, 25,000 Stüd blanfer Waffen und andere treffliche (Elfen und Stahlmaaren 
fertiget. Außerdem findet man bier Fabrifen in Eifen, Weißfupfer, Leder, Talg, 
©iegellad, Handſchuhen, Hüten, Pomaden, Barfümerlen, Fünftlichen Blumen, 
BWollenzeugen ıc. Sehr lebhaft ift der Handel mit diefen Erzeugnifien, dann mit 
geil en Weinen, türfifchen Waaren, mit Getreive, Hanf und Pfeffergurfen. 

on Bildungs- und Bohlihätigfeitsanftalten befigt T. ein geiftlicyed Seminar, 
en Gymnaſtum, ein adeliged Erziehungsinftitut, ein Theater, ein Findelhaus, 
mehre Armenhäuſer. — Die Stadt gebörte Im 13. Jahrhunderte zum Yürftens 
tbume Rjäfan u. war unter der Fürftin Taidula der Aufenthaltsort der tatariſchen 
Baskaken (Zöllner), welche in Rußland den Tribut einfammelten. Glaublidy wurde 
fie auch von biefen u. nicht von Ruffen gegründet. Später ging fle an Moskau 
über. 1607 hielt fidy bier der fulfche Peter (Koſak Ileika) gegen den Gar 
Waſſfili Schuiskoi, bis dieſer durch Anfchwellung der Upa die Stadt unter 
Wafler ſetzte. Man fieht noch heute zwei Werfte unterhalb 3. den den Yluß 
durdyfchneidenden Ervwall. 1712 wurde nach einem Ukas PBeterd des Großen 
die Gewehrfabrif eingerichtet. Am 11. Juli 1834 verzehrte ein großer Brand 
2000 Häufer der Stadt. mD. 
oſtilius, der dritte König Roms und Nachfolger ded Numa 
Pompilius. Sein Großvater, Hoftus Hoftilius, hatte unter Romulus gefochten 
und den Enkel belebte derſelbe fEriegerifche Gef. Da zwifchen Rom und der 
Mutterftadt Alba Longa Streitigkeiten entftanden waren, fo fi ing I. dem 
Mettus Suffettus, welcher die Albaner befehligte, vor, die Mißhelligfeiten durch 
einen Zweifampf zu beenden und feßte die Bedingung, daß die Verlierenden bes 
Eiegerd Oberherrichaft anerkennen follten. Died ward eingegangen u. von beiden 
Eeiten fochten Drillingebrüder: von Eeite der Römer die Horatier u. von Seite 
der Albaner die Euratier. Die Römer fiegten und Alba Longa mußte zu Schuß 
und Trug ſich mit Rom verbinden. Dies ward bald lAftig und Mettus Suffes 
tus, heimlich mit den Bejentern und Fidenaten, vie mit den Römern Friegten, 
verfändigt, führte mitten in der Schlacht feine albanifchen Hülfstruppen zu den 
Feinden der Römer über. Dennoch aber fiegte T. und beftrafte ſodann den 
Berrathh der Albaner durch Zerflörung der Stadt, Wegführung der Einwohner 
nah Rom und Hinrichtung des Mettus, welcher von Pferden yerrifen woutıe. 


298 Lulpen — Kungufen. 
Er zog den mons coelius zur Stadt und hatte demfelben einen Balafl. Ra 
einem gtädlich bernbeten Kriege mit den Sabin —ã— ſtarb er, nach 32faͤhriger * 
gierung, von Jupiter, der Say. nach, mit dem Blitz getöbket, weil er dieſem ein 
pfer im nicht richtiger Weiſe brachte. Auch feine Gefchichte, wie vie aller Kö⸗ 
nige Rome, Erich t old gemilcht mit Dichtungen oder Volkomythus. 
oder Tultpanen eine Qaktın ‚Srniebeigewänhfe, von denen bes 
fondere die Gartentulpe, mit. großen, glodenförmigen 
Fri gefärbten j Ibelie —* Kr 63 Blumen, eine ver f — 2* 





gözlerden unſerer © e 3. foll daher rühren, weil man 
er Form eine —*— it ehem türfifchen Turbane (Dulbend) fand. 
Sie famen aus der Krim, dem füblichen Rußland und Kieinaflen n Konflans 
tinopel, wo die Blume nicht allein als ein Shmud —F Bären gef wird, 
— wo man auch die Zrieben gebraten und t und we Ränner 
rauen Wangen und Lippen mit dem wohlr .⸗Oele beſtrei — 
ah Deutfehland fam die Garten-T, um um be. Mitte be 6. Jahrhuwens um 
33 1556 wurde die erſte, in Augebutg blühende, von Geßner be 
A IA vefhian g amen erhalten Hat. Durch die Kultur d eine 
a mag geielchneter. u und geformter Spielarten ents 
ıben ‚ — er e Ramen deren Zwiebeln noch immer 
bedeutenden. —e der Kun —ã bilden, obgleich fie jetzt bei 
oem nicht mehr jo beitebt ſind, wie vor etwa 100 Jahren, —5e— * den 
Niederlanden, u befonder® die Harlemer 3.- Zwiebeln berühmt waren unb eine 
einzige oft für 2—3000 Gulden und noch mehr verkauft wurde: Andere, ebens 
peu beliebte, I.» Gattungen find: vie —A— T. oder Duc van 
oll, Tulipa suaveolens, mit rother und gelber Blume auf niedrigem Gtengel, 
die, wenn fie gefällt iR, Tournefol Fre wird; die Sonnenaugentulpe, 
T. Oculus solis, mit rother, an der Bafls blausfchwarzer Blume, bie bejonbere 
im füplichen Frankreich gezogen wird; "bie türkiſche 2. oder le —* 
acuminata oder Turcica, mit tief eingeſchnittenen, gezahnien gefrn 
Blumenblättern. Man erhält die T.⸗Zwiebeln von den Handelsg ern 
den größeren deutfchen Stäbten, wie Hamburg, Berlin, Wien, Dredben, Leipzig 
u. v. 


Tumult, ſ Aufruhr. 

Tunguſen, die, ein Bolt mongoliſcher Rage mit t pemeinfamer Spadh, 
welches Feine Stammfige in der Manpfchurei, dem norvöftlichften Theile China's 
—8 Außerdem findet man es auch in Sibirien, namentlich im Gouvernement 

iſeils — auf der Oſtſeite des Baikalſees, im Gouvernement Irkutok. Hier, 
wie in ihrer eigenitichen Heimath, leben die T. ald Nomaden. Ueber bie unter 
hineflicher Boimaͤßi ig keit ſtehenden T. Iefe man den Artikel „Mandfchu” die 
ſes Werkes nad). Die in Sibirien lebenden, elle Die Seelenzabl von 50,000 
nicht überfteigend, werden von den Ruſſen In unzählige Eleine Bölferzweige unters 
ſchieden; doch kann man deutlich drei Hauptflämme erkennen, die TZungufen, 
vom Jeniſſei bi6 zu den Quellen des Amur, die Lamuten, am Ochotskiſchen 
(Kurilifchen) Meere und die Dlenzen, im ®ouvernement Irkutok. Nach den 
Thieren, mit welchen fie nomabifirend herumziehen, werden fte auch in Pferdes, 
Rennthiers und Hunde⸗T. eingetheilt. Die fogenannten Pferde⸗T. bewohnen 
——e— die Steppen des Kreiſes Feriſchints im Gouvernement Irkutsk. Sie 

mmen von Einwanderern ab, welche im J. 1680 mit dem Füuͤrſten Peter 
Gantimur aus dem chineflfchen Schiete am Fluffe Raun berüberfamen, und les 
fteten der ruffifchen Regierung wichtige Dienfte, als die Ehinefen Nertſchinks 
umlagerten u. mit einem Angriffe bedrohten. Gantimur's Nachkommen erhielten 
die erbliche Fuͤrſtenwürde, aber ihre Macht iſt fehr befchränft; fe haben nur ben 
Tribut zu erheben und unbedeutende Streitigkeiten zu fchlichten. Die T. dieſes 
Stammes, welcher gegen 11,000 Seelen zählt, unterfcheiden fid) in Gefichtoſchnitt 
und Fleibung wenig von ihren Nachbarn, den Buräten, aber im Charakter iſt 


TE 


Tunica. 299 


bie Berſchieden heit ſehr merklich. Die T. find tapferer, Müger und gaftfreier 
als jene, auch nähern fie ſich bälder den Ruſſen in Sitte und Lebensweiſe. Als 
Romadenvolk ſehen fie zahlreiche Heerden als das erſte Beſitzthum an, und ha⸗ 
ben aud) wirklich große Pferdeheerden, die frei auf den unermeßlichen Steppen 
wein Die Hälfte von ihnen iſt getauft; dies geſchah in Folge des Beifpieles, 
wis Gantimur beim Uebertritte über die ruffifche Gränze den Stamm» 
bäuptlingen gab. 4500 find Lamadiener und der Ueberreſt hängt noch dem alten 
Ehananenthume ihrer Bäter in ter Mandfchurei an. Diefe find fehr aber- 
gäubiih und Halten ihre Schamanen für Zauberer, welche die Zufunft vorauss 
/ e Rennthler=T. wohnen als Nachbarn der Jafuten in der Pros 
vin; JakutsF. Ihre Jurten, welche felten länger als einige Tage auf einer und 
deſelben Stelle aufgeichlagen bleiben, find kegelförmt gehaltet und beftehben aus 
engen Pfählen, welde oben und an den Seiten mit Birkenrinde oder Elenns⸗ 
ne überfleidet find. Drei im Boden befeftigte Steine, auf die man einen 
Leſel ſtellt, Das iſt die Küche. Der Rauch zieht durch eine Kleine Deffnung im 
Dache ab. Bauegerätie fieht man feine. Das fanfte, edle Rennthier bildet den 
Reichthuum dieſer 3. Sie reiten auf ihm, nähren fi) von ſeinem Fleiſche und 
in id von feinem Felle. Ginige find getauft, aber die Mehrzahl ift ohne 
Regen und, das Schamanenwefen und einige Sagen abgereanet, ganz uns 
im. Man fchreibt und fpricht häufig: Dies oder jenes Bolt hat bie ſcha⸗ 
milde Religion; jetzt gibt es aber feine ſchamaniſche Religion mehr, oder gab 
vieleicht auch niemals eine. Einige abergläubifche Anfichten darf man noch nicht 
os Trũmm er einer alten Religion anfehen, aus welcher doch irgend etwas Ge⸗ 
ninfamed, einige Blaubensartikel, fich gerettet haben würden. Man kann von 
den Schamanenthume fagen, es fel ver Glaube der rohen Menfchen an zwei 
Piinſpien, ein gutes und ein böfcd; die Welt ſei angefüllt mit Geiftern, welche 
den Menichen je nad ihrer Laune fchaden oder wohlthun, und man fönne biefe 
Gefer gewinnen oder erzümen; eines wie das andere ftehe in der Macht ver 
Ehrmann. — Die Hunde⸗T., die nördlichften von allen, haben ihren Na; 
mm daher, weil fie fih auf ihren Zügen ver Hunde zum Transporte bedienen. 
— Die ſibiriſchen T. nennen fidy feibft Ewen⸗ki; ihre Sprache, ein Mandfchus 
Dialekt, it Fehr wohlflingend, aber nicht reich. Neben ver Viehzucht treiben fie 
ab Jagd und Fiſcherei. Sie wandern auf weiten Streden umber und gehen 
gar manch mal über die chinefiiche Gränze, wohin fte die Gelegenheit lodt, ſich 
dort Mehl, Pulver, Blei und Branntwein von den Dauren und den Mandfchus 
Kaufleuten zu verfchaffen. Die ruſſiſche Regierung hat ihren Unterthanen verbo⸗ 
ten, ihnen Branntwein zu verfaufen, denn von Natur aus fanft und rubig wird 
der Tunguſe im Trunke wüthend, zerſchlägt Alles, ſtößt um ſich und wälzt fi 
af dem Boden, bis er endlich ganz ermattet einfchläft. Den Mandſchu⸗Kauf—⸗ 
lutn fommt dieſes Berbot ſehr zu Gute, und ſeitdem liften fie den T. gegen 
Branntwein die Foftbarften Belzwaaren ab. — Man muß die T. wohl als Urs 
einmohner Des öftlichen Aftend anſehen. Bor ihrer Hiftorifchen Zeit vereinigten 
fie ih nur in der Mandſchurei zu einer bürgerlichen Gefellichaft, wurden maͤch⸗ 
tig und eroberten im 17. Jahrhunderte China. Doch fagte dieſes Land einem 
Theile Des nomadiſchen Volkes nicht zu, und diefer rüdte, den Jagd⸗ u. Weide⸗ 
plägen folgend, almählid) gegen Norden vor. Bis zur Ankunft der Ruflen in 
Sibiren zahlten die 3. den Jakuten und Buräten Tribut. Lamuten, Gorenzen, 
Koräten, Tſchuwanen, Sufagiren, Karagaſſen, Dauren, Solonen, Natfen, Gila⸗ 
im, find alle tungufifchen Stammes, der, obwohl er fchon fett Fahrtaufenden 
einen fo großen Raum einnimmt, doch nicht zahlreich ift, woran wohl die aufs 
teibende Lebensart Schuld hat. — Journal des rufftihen Minifteriums des 
mern, 1844; Ausland 1844. , mD. 
Zunica, war bei den alten Römern ein Kleidungsſtück, gewöhnlich aus 
Belle gefertigt, welches fowohl Münner, als Frauen, auf bloßem Leibe unter 
ver Toga (ſ. d.) trugen. Leptere zog man nur außerhalb ded Hauſed on, Die 


800 Ä Tunicell — Tunis. 


T., oder auch mehre über einander, wurde angelegt, ohne fle umzugürten, aufſer 
bei irgend einer Arbeit. Nur das weibliche Geſchlecht trug biöwellen eine leinene 
T. mit Aermeln, die bis an die Kniee reichten, ähnlich dem jetzigen Hemde. 
Tunicell heißt ein kirchliches SKleivungsftüd, welches die Wiſt unter dem 
Meßgewande anlegen und unter letzterem tragen. Dieſelbe ſcheint nicht gleich 
Anfangs zum Pontifikal⸗Ornate gehört zu haben, war indeſſen ſchon zur Zeit 
Gregors d. ©. befannt und ihr Gebrauch mag damald (nach Cardinal Bona's 
De reb. liturg. c. 1., o. 24) von ver päpftlichen Bewilligung abgehangen 


haben. 
Tunis, Staat der Berberei in Norvafrila, gränzt im Welten an Nigier, 
im Rorden vom Kap Blanco bi zum Kap Bon an das Mitteländifche Meer, 
egen Often, von dem lebtgenannten Kap bis zur Fleinen Syrte, an daffelbe 
eer, dann an Tripoli, im Süden endlich an die Sahara. Im Flächenraume 
hält e8 3400 [I M. Verzweigungen des Atlas durchziehen das Land der ganzen 
Breite nach; der fürliche Arm biete Gebirges, Nefufa genannt, trennt es von 
Biledulgerid. Die Küften find felfig und voller Bufen, worunter ber beträcht- 
lichte der Golf von Cabes (die Kleine Syrte). Hauptfluß iſt der fchlammige 
Medſcherda, welder in ber algierifhen Provinz Gonftantine entfteht u. noͤrd⸗ 
lid von der Stadt T. das Meer erreicht. Unter den Seen iſt der bemerfen®- 
werthefte der Lowedejah (Triton), der von einer beweglichen Sandoberflaͤche 
umgeben ift, fo daß Menfchen und Thiere, wenn fie fich in die Nähe des trüger- 
iſchen Ufers wagen, fpurloß verfchwinden. Das Klima iſt gefund, die Tempera: 
tur an den Küften durdy die Seeluft gemäßigt, im Innern aber fehr vrüdend; 
namentlid) fallen die beißen Südwinde befchwerlih. Die Umgebungen des Med- 
ſcherda und die Ahhänge des Atlas bevedt fehr frrchibarer Boden. Produkte u. 
Handeldartifel find diefelben, wie in Tripoli (f. d.). — 3. {fl unter den Län» 
dern der Berberei das Eleinfte, aber verhältnifmäßig das volkreichſte. Es leben 
in feinem Umfange 3 Millionen Menfchen; Mauren, Beduinen und Berbern 
(bier Kabylen genannt) bilden die Mehrzahl, nebftvem find 150,000 Juden, 7000 
Türken und Kulugli's (eine Mifchlingsrace, durch Verbindungen von Türfen mit 
Araberinen oder Regerinen entflanden) und mehre taufend Europäer, zumei 
Maltefer, anſäſſig. Als Nahrungsquellen dienen Aderbau, Viehzucht, Fiſcherei, 
die Verfertigung von Wollen⸗, Seiden- und Linnengeweben, von feinen Ledern, 
Töpferwaaren, Müpen (die fehr gefuchten tunefifchen Feß), vornehmlich aber der 
Handel, deſſen Hauptauffuhrartifel Getreide, Del, Datteln und die fchönen Pferde 
des Landes find. Eingeführt werden europäifche Yabrifate aller Art, Eiſen, 
Stahl, Kaffee, Zuder, Spegereien, Bretter, Bauholz ıc. Biele diefer Waaren 
werden durch die Karawanen nach den andern Rändern der Berberei und in dad 
Innere von Afrika gebracht. Die Regterungsform iſt eine Art militärifcher 
Republif, unter einem erblichen Bey, der zwar die Oberberrlichfeit der ‘Pforte 
anerfennt, aber um die Anordnungen derfelben fich fehr wenig fümmert. Der 
Sultan fann von den meiften feiner Bafallen und Pafchen mit demfelben Rechte 
fagen, wie welland Kaifer Mar I von den beutfchen Fürften: „Sch bin ein 
König der Könige, die gehorchen mir, wenn’s ihnen beliebt.” Dem Dey ftebt 
ein Divan zur Seite, der aber Feine Macht hat. Die Einfünfte follen gegen 4 
MIN. Gulden betragen. Das Heer befteht aus 13,000 Mann regulärer Trup⸗ 
pen, welche auf franzöftfche Art ererzirt, aber ſehr fchlecht befolvet find, und 
12,000 Mann irregulärer Kavallerie. Die Seemacdht ift ebenfalld auf europäs 
iſchem Buße eingerichtet, hat aber gleichwohl nicht viel zu bedeuten, da ihre ſtaͤrk⸗ 
ften Fahrzeuge zwei Korvetten von 22 und 20 Kanonen find. — Die gaupriabt 
Tunis liegt amphitheatralifch im Hintergrunde der durch den GolettasKanal mit 
dem Meere in Verbindung ſtehenden Lagune Boghaz cder el Bahetra. Sie 
ift mit einer guten Mauer umgeben und hat m Einfchluß der zwei Borftäpte 
etwa eine Meile im Umfange. Die Zahl der Häufer beläuft fid) auf 12,000, 
die ber Einwohner auf 156,000, worunter über 30,000 Juden, die hier ihren 


Tunis, 1 


eigenen Bazar haben, und 2000 Chriſten. T. hat 11 Thore, viele Mofcheen, 
em Kapuzinerkiofter, ein griechifches Kiofter, eine muhamedaniſche Hochichule, 
eine Börſe mit Lefegimmer, fchöne Kafernen, öffentliche Bäder, Bazars und Ka⸗ 
tawanſerais, eine Waflerleitung. Im Ganzen aber if die Stadt keineswegs 
ſchön zu nennen, denn wenn fie auch einzelne hübſche Gebäude befigt, fo if da⸗ 
gegen Die Mehrzahl der Häufer nievrig und unanfehnlich, die Anlage der Straßen 
böchft unregelmäßig. Der Ben bewohnt einen großen, im maurifchen Style über 
von Kaufhallen neu erbauten Palaſt; abwechfelnn hält er ſich auch in dem: eine 
Stunde von T. entfernten Schlofle Barda auf, welches Mauern und Thürme, 
wit Kanonen befekt, umringen. Die alte Reſidenz und Feſtung zu T., die foges 
nannıe Kafaubah, iſt faſt —5 zerfallen. Es herrſcht viel Bewerbfleig in der 
Stadt, weldyer ſich durch Bereitung von Seidenwaaren, Shawls, Feß, Leder, 
Rofenöl, guten Feuerwaffen u. dgl. kundgibt. Die Fruchtbarkeit der Umgegend 
begünftigt auch dın Gurten: und Landbau. Groß ift ver Verkehr mit Lebensmit- 
ten auf den dortigen Märkten, ihr ‘Preis ungemein ville, fehr bedeutend auch 
ver Land» und Seehandel. Konfulate Englands, Frankreichs, Sarbiniens und 
Rordamerifas haben zu T. ihren Sit. Der Hafen if geräumig. Am Eingange 
der Lagune Boghaz liegt das pefeftigte Städtchen Goletta, wo ein LKeuchts . 
thurm und die Schiffswerfte. Yünf Stunden nördlich von T., bei dem Dorfe 

Malaga, fieht man die Trümmer Bartbage ®, welche in fpärlichen Ueberreften 
von Tempeln, Mauern, Wafferleitungen, Gifternen ıc. beftehen. — Nachſt T. find 
die beträdhtlichften Städte des Lande Kairwan und Babes. Erftered war in 
den Zeiten des Chalifats die Refivdenz der arabiſchen Statthulter der Berberei u. 
feine prächtige, auf 500 Granitfäulen ruhende Mofchee gilt noch Heute für die 
beiligfte in ganz Afrika, und es wallfuhrten bieher die Pilger, welchen ihre Les 
bensverhältniffe nach Mekka zu gehen nicht erlauben. Kairwan ift übrigens audy 
ein namhafter Handelöplat und zähltt 60,000 E. Cabes, am gleichnamigen 
Meerbufen, hat einen Hafen und unterhält ftarfen Karawanenhandel mit Bile⸗ 
dulgerid, woher große Yabungen von Datteln und Henna (zum Färben) bezogen 
werden. 30,000 E. — Zum Gebiete vonT. gihört auch die fruchtbare und gut 
angebaute Infel Dicherba, an der Gränze gegen Tripoli gelegen u. in frühern 
Zeiten ein Gegenftand heftiger Kämpfe unter den muhamedanifchen Fürften. Doch 
it der Bey mehr Pächter derfelben, als Befiger, denn der Ertrag iſt dem Wit⸗ 
thume der Eultanin Walide zugewiefen. Man findet auf der Inſel, welche im 
Ganzen 50,000 €. hat, die Stadt Dicherba, mehre Dörfer und fehr viele eins 
zelne Gehöftee — Geſchichte. T. lag im Gebiete von Carthago und feine 
alte Geſchichte fällt demnach ganz mit jener der berühmten Nebenbuhlerin Roms 
zufammen. Die Et. hieß damald Tunes und war cine der ftärkften Feſtungen 
des Landes. Die fpäteren Schidfale von T. gehen Hand in Hand mit denen 
Tripoli's (ſ. d.) und der übrigen Berberei. Nach dem Untergange Carthago's 
herrfchten bier die Römer, dann die Vandalen, Byzantiner und Wraber. I 
ſich die arabifchen Statthalter vom Chalifate lodriffen und eigene Dynaftien bils 
beten, gelangte eine folche auch zum felbftftändigen Befige von T. Der berühms 
tefte in der Reihenfolge diefer Autofraten war Abu Ferez, aus der Dynaftie der 
Haffiten, welcher fi) Tlemecen und Fez tributbar machte und den Titel eines 
Königs von T. annahm. Mit ihren Glaubensgenofien in Spanien blieben bie 
Beherrfcher von T., gleidy denen der übrigen Berberftaaten, in genauer Verbind⸗ 
ung und nahmen eifrig Partei für fle im Kampfe des Chriftentbums mit dem 
—8— auf der pyrenaͤiſchen Halbinſel. Sie bekriegten die Spanier zur See und 
faperten die Schiffe derfelben. Seit dem 16. Jahrhunderte dehnten fle aber ven 
Seeraub auf alle chriftlihen Schiffe aus. Kardinal Ximenes veranftaltete 1509 
einen Kreuzzug nach Afrika und machte die Könige von Algier und I. Spanien 
zinsbar. Um dieſe Zeit fegte ſich ein kühner türfifcher Eeeräuber, Sri, unter 
dem Namen Barbarofia befannt, in Algier fe. Sein Bruder Chaireddin ober 
Schereddin Barbarofia, welcher ihm 1519 in der Regierung aefolat wor, venta, 


802 Tunkin. 


die unter den Haffiten in T. ausgebrochenen Familienſtreitigkeiten, um ſich auch 
dieſes Staates zu bemächtigen. Der vertrietene König Mulei Haſſan flehte nun 
feinen Oberlehnsherrn, den Kater Karl V., um Hülfe an, und dieſer Tandete 
1535 mit einer. Flotte von 500 Segeln bei T., überwand Barbaroffa In einer 
Schlacht, befreite 20,000 Ehriftenfllaven und übertrug Mulei Haffan die Regter- 
ung wieder. Im J. 1570 eroberten die Türken T. abermals von Algier aus. 
Zwar wurde es ihnen 1572 nach der Seefchlacht bei Lepanto durch Don Juan 
von Defterreich wieder entrifien, doch ſchon 1574 brachte es der türkiſche Admi⸗ 
ral Sinan in feine Gewalt und behtelt ed als Paſcha und Lehensmann ver 
Pforte unter der Beihülfe von 5000 Sanitfcharen. Damit wurde der Grund zu 
der Abhängigkeit des Landes vom Sultan gelegt, welche unter mannigfachen Ber- 
änderungen bis heute fortbauerte. Anfangs regierte in T. ein Paſcha, dann ein 
Aga, P ter ein Den mit fehr befchränkter Gewalt. Unter ibm beforgte ein Bey 
die Eintreibung ded Tributes und der Steuern. Indem fie bie Schäße des Lans 
des in ihrer Hand hatten und mitteld diefer großen Einfluß gewannen, bahnten 
fid) die Bey’d den Weg zur. oberfien Gewalt. Murad war der erfte erbliche Bey 
und fein Haus regierte in T. über hundert Jahre. Ganz nad Art der übrigen 
türkifchen Bafallenfürften in der Berberei herrfchten vie Bey's despotiſch, trieben 
Seeraub und waren den immerwährenden Meutereien ihrer Janitfcharen audge- 
ſetzt. Ueberhaupt bietet die ganze Geſchichte von T. feit Ende des 16. Jahrhun⸗ 
dertö wenig mehr als eine Reihe von Palaftrevolutionen, Soldatenaufftänden u. 
Hofintriguen. Erſt die Befignahme von Algier durch die Franzoſen verfchaffte T. 
rößere Wichtigkeit, Indem es jetzt mehr in die Verwidlungen der europäifchen 
Motiet bineingegogen wurde. Anfangs beftürzt über die Siege der Ungläubigen 
auf muhamedanifchem Boden und den fremden @indringlingen entfchteden abhold, 
ab fich der Bey fpäter genden, den Schuß derfelben aufzufuchen, als die Pforte 
ven Plan, T. in ähnlicher Weife wie Tripoli in das Ahhängigfeitöverhältniß 
eined Paſchaliko zurück zu verfeben, immer beutlicher enthüllte. Seitdem hat 
Frankreich in T. weit mehr Einfluß als der Großherr, und der gegenwärtig re- 
gierende Bey, Achmed Paſcha, ftattete 1846 fogar einen Beſuch in Parts ab, 
wo er mit Föniglichen Ehren empfangen wurde. MWeberhaupt fucht. er mit Hülfe 
feines Minifters, des italienifchen Kavaliers Raffo, fein Land und feinen Hof- 
ftaat immer mehr zu europäifiten. Er unterntmmt große Bauten, verwendet ans 
fehnliche Summen auf die Verbefferung des Heerweſens u. dgl. Einen erfreus 
lichen Beweis feiner humanen Gefinnungen hat er durch ein Edikt vom 26. Nov. 
1842 geliefert, nach welchem alle Sklaven, die das Land betreten, frei feyn und 
bi8 1849 auch die einheimifchen Sklaven freigelaffen werben folen. mD. 
Tunkin, Nord-Annam, Dong fingb, Land in Hinterindien, zum Reiche 
Annam oder Cochin⸗China gehörnd und an China und den Meerbufen von Tun 
fin grängend. Bid auf den heutigen Tag hat der Umfang dieſes anfehnlichen 
Gebietes nicht genau beftimmt werden können. Nur annähernd wird der Flächen⸗ 
raum zu 5200 [IM. und die Einwohnerzahl auf 20 Millionen gefchägt. Von 
Ehina ift es durch Wüften und ftelle Bergketten, deren Engpäſſe gugemauert find, 
geirennt. Kühn und fihroff, wie die helvetifchen Alpen, erheben ſich die Gebirge 
von 3. Hauptfluß if der Sang koi. Man trifft in T. viele fruchtbare, wohl: 
bewäflerte Thäler und Ebenen, und ed wachſen da in Fülle Ananas, Bananen, 
Theeflauden, Zimmt, Zuderrohr, Pfeffer, Ingwer, Kokosbäume, Baumwolle, Bam⸗ 
busrobr, Gummibäume, aus denen man ſchönen Ladfirniß bereitet, treffliche Eis 
tronen, Bomeranzen, Pflaumen, PBataten, Reis, Mais, Arefa und Betel — fers 
ner die eigenthümliche Obftart Bat, deren weintraubenartige Frucht rothe Beeren 
in der Größe eined Hühnerelcd und vom Geſchmacke der Kirfche hat. Die Ins 
duftrie fteht im Ganzen genommen tiefer ald die Agrifultur. Bon ausgezeichneter 
Dualität find die ladirten Waaren T.s. Das Geſetz verbietet den Eingebornen 
außer Landes zu gehen, daher bejchränft fidy ihr Handel auf den innern Berfehr, 
während ber auswärtige Handel ganz In den Händen der Ehinefen if. — Die 


Tunnel — Turenne. | 803 


Zunfinefen gehören zur mongolifchen Race, haben eine gelbbraune Farbe u. find 
den Chineſen aͤhnlich, von Denen fie fich jedoch durch eine geiftreichere Phyſio⸗ 
nomie und eine hervortretende Nafe unterfcheiven. Die Frauen find ſchön von 
Angefät und Geflalt. Die Sprache von T., über weldye Remufat eine ſchätz⸗ 
bare Abhandlung ſchrieb, ift ein Dialekt der chinefifchen, einfyibig und unver: 
mögend, abftrafte Begriffe auszudrücken, aber dennody Fraftvoll und nicht mit Hy⸗ 
perbeln überlaven. Den neueften Forſchungen zufolge if die Literatur von T. 
reich an ethifchen, pramatifchen und botanischen Werten. — T. if in 15 Pros 
vinzen getbeilt, Hauptftabt und Sig des Vicekonigs Bading, auh Kacho und 
Keſcho genannt, am Fluſſe Sangfot. mD. 
Tunnel, heißt im Allgemeinen jeder unterirbifche gewölbte Gang, wie folche 
namentlich bei Eifenbahnbauten und, wiewohl nur höchſt felten, als unterirdifche 
Brüden unter den Flußbeeten angeenbei werben. Weltberühmt iſt der Themſe⸗T. 
zu 2ondon, weldyer zur Berbindung zwiſchen Rotherhine und Wapping unter 
dem Flußbeet der Themfe dient. Dieſes Riefenwerk befteht aus zwei, aus Bad 
Rrinen gewwölbten, Bängen für Fuhrwerke, mit Seltengängen für Fußgänger. (Er 
iR 1 Fuß lang, 35 Fuß breit und 20 Fuß hoch. Die Breite jedes gewölbten 
Ganges in 14 Zuß, die Dice der Erde zwilchen der Krone des 3.8 und dem 
Slußbeete ft ungefähr 15 Fuß. 1824 von dem berühmten Ingenieur Brunel (cf. d.) 
entworfen und begonnen und mehrmals unterbrochen, hat vie Gerfelung biefee 
Werkes einen Zeitraum von faft 20 Jahren und. eine Ausgabe von ‚000 
Afung Sterling zu feiner Vollendung erfordert. Vgl. übrigens auch den Artikel 
ondon. 
urban (Dülbend), ein Bund over eine Art Mübe, welche die Muhames 
daner und Die meiften morgenländifchen Völker tragen. Sie find von einem 
langen Stüde Leinwand oder Taffet gemacht, welches vielmal um eine Müte 
berumgewidelt wird. Des Sultans T. ift ſehr did, mit drei Reiherbüfchen, weit 
er in drei Thellen der Welt gewiffe Länder befist, nebft vielen Diamanten und 
anderen Edelſteinen geziert; die Türfen halten denfelben dermaſſen in Ehren, daß 
fie ih kaum unterftehen, ihn anzurühren. Es ift auch nur dem Großfultan, dem 
Mufti und den Emirs, als Anverwandten des Muhamed, erlaubt, grüne 3.8 
zu tragen; allen anderen Türken find folche bei Lebensſtrafe verboten. Für die 
Aufbewahrung des 3.6 des Sultans ift ein befonvderer hoher Hofbeamter, der 
Tulbend-Aga, angeſtellt. Der Großweſir hat auf feinem T. zwei Reiber- 
büfche ; geringere Befehlöhaber führen deren einen oder auch gar Keinen. 
Zuremme, Henti de la Tour, Vicomte de, Föniglich frangöflicher Feld⸗ 
marſchall, zweiter Sohn von Henri de la Tour d’Auvergne, Herzogs von Bouillon 
und von Eliſabeth, Tochter des Fürften Wilhelm I. von Dranien, geboren zu 
Sedan den 11. Sept. 1611, erhielt durch das Leſen der Geſchichte Aleranders 
von Curtius und die Lebendbeichreibung großer Feldherren eine Richtung, bie 
auf fein fpätere® Leben ven größten Einfluß hatte und volführte die erſten Waf⸗ 
fentbaten unter den Augen feines Oheims, des Prinzen Morig von Raffau. 
Seinen erften Selbaug machte er In Holland, trat hierauf in franzöfifche Kriegs⸗ 
dienfte, erhielt ein Regiment und zeigte im Laufe des bdreißigiährigen Krieges 
zuerſt 1634 feinen Muth und Klugheit durch die Eroberung ‚der Feſtung la Mothe 
in Lothringen, fodann aber audy nady und nach bei verfchievenen Belagerungen 
u. Schlachten, beſonders bei der, 1638 gefchehenen, Eroberung der Feſtung Breifady. 
Neue Lorbeeren wurden ihm 1639 in Italien zu Theil, wo er den Steg bei 
Montcallier erfocht. 1643 eroberte er die Srafichaft Rouffilon und erhielt im 
— Jahre den franzöſiſchen Marſchallſtab. In Deutſchland wurde er zwar 
| bei Mergentheim’ geichlagen, fiegte aber drei Monate fpäter bei Rörplingen 
und vereinte fih darauf mit Wrangel, fchlug mit diefem die Bayern bei Zus⸗ 
moröhaufen und zwang ven Kurfürften zum Frieden. Da derfelbe jedoch bald 
Darauf wieder abfiel, ſchlug ihn. und trieb ihn aus dem Lande. Während des 
bürgerlichen Kriege® der Fronde gehörte T. diefer Bartei an, wwrde ober AK 


804 Turfan — Turgot. 


vom Marſchall du Pleſſis Praslin bei Rhetell geſchlagen, fühnte fi mit dem 

ofe aus jr wurde aan die Spige der föniglidyen Armee geftellt, die den 
—*— von Enghien, nachmaligen Prinzen von Condé zum Gegner hatte. Seine 

iege über Spanien, bejonderd die Eroberung von Dünfirchen, bewirkte den, für 
Sranfreich vortheilhaften, pyrenätfchen Frieden zwifchen Sranfreih und Spanien 
1659, worauf T. im folgenden Jahre die Würde eines Generals Feldmarſchalls 
der franzöfifchen Armee erhielt. Er befchleunigte audy bei dem, 1667 aufs Neue 
ausgebrochenen, Kriege mit Epanien den Abſchluß des Friedens 1668 zu Aachen. 
Als darauf 1672 die Sranzofen Holland eroberten, befehligte T. vie franzöftiche 
Armee und nöthigte auch 1673 den Kurfürften Friedrich Wilhelm von Branden- 
burg, den Bundeögenofien der poländer, zum Frieden von Voſſem. Ebenfo 
eroberte er im folgenden Jahre die Franche-Comté, ging dann bei der Philipps⸗ 
burg über den Rhein, eroberte Sinsheim und trieb die Kalferlichen: bis an den 
Main zurüd, forte er auch den herbeieilenvden Prinzen von Bournonvifle beſtegte 
und deſſen Bereinigung mit der faiferlichen Hauptarmee verhinderte. Ebenſo glück⸗ 
lid war er gegen die in das Elfaß eingefallenen Kaiferlichen und zwang ſie, über 
den Rhein zurüdzugehen. Jetzt flellte ihm Defterreich den berühmten Monte: 
cuculi (ſ. d.) entgegen und beide Feldherrn fanden mehre Monate einander am 
Rheine gegenüber. Bergebend fuchte Montecuculi den T. zu einer Schlacht zu 
bewegen; endlich aber ging diefer über den Rhein und der 27. Juli 1705 follte 
bet Sasbach, unweit Straßburg, entfcheiden; allein, da %. die Gegend und das 
fatferliche Lager recognodeirte, wurde er durch eine Kanonenkugel aus dem öfters 
reichifchen Lager auf der Stelle getödtet. Sein König befahl, fein Leichenbegängniß 
mit allen, nur bei Prinzen von Geblüte gewöhnlichen, Feierlichkeiten zu veran- 
ftalten, ließ feinen Leichnam nady St. Denis in das Fönigliche Begräbnig bringen 
und ein foflbared Grabmahl errichten, fowie ihm auch auf dem Platze felbft, wo 
er fiel, der Kardinal von Rohan, Fürftbifhof von Straßburg, noch 1781 ein 
praͤchtiges Monument aufführen Tief. Doch noch mehr Ehre wiverfuhr feiner 
Aſche während den wildeften Stürmen ver franzöfifchen Revolution. Als man 
1793 auf Befehl der Municipalität zu Et. Denis (damals Franciade) die dort 
befindlichen Leichname ausgrub, um das Blei von ihren Särgen und Begräbnijien 
zu nehmen, fo fand man bei Eröffnung des Grabmahles von T. feinen Leichnam 
in tem Zuftande einer auegetrodneten Mumie. Er wurde fogleich in einem Kaften 
von Eichenholz aufbewahrt, in die Safriftet der Kirche gefeht, wo man ihn länger 
als acht Monate ver neugierigen Menge zeigte, bis er auf Anfuchen des Profeflord 
Desfontaines in das Narionaimufeum der Naturgefchichte gebradht wurde. Nach 
einem Befehle des Volziehungs-Direcioriums wurde er 1799 von dort ind Mufeum 
der frangöftichen Denkmäler geſchafft und in dem Elyſium dieſes Inſtitutes in 
einem Sarfophag begraben, allein 1800 auf Befchluß der Conſuln auch von dort 
wieder weggenommen und mit großem PBompe in dem Marstempel (der ehemaligen 
Kirche der Invaliden) im Innern des, für ihn in der Abtei St. Denis aufbes 
wahrten, Denkmalcs beigefept. Ueber T. als Krieger herrfcht nur eine Stimme 
des Lobeß, ungeachtet er micht immer Sieger war, auch feine entfcheidenden 
Schlachten lieferte; ebenfo lobt man ihn al® einen uneigennügigen und großs 
müthigen Wann. 

Zurfan, f. Tatarei. 

Zurgot, Anne Robert Jaquesd, Baron von Aulne, berühmter frans 
zöftfcher Yinanzminifter, Sohn des Präfidenten M. €. T., geboren zu Paris 1717, 
ftudirte Anfangs in dem Collegium St. Louis dafelbft Theologie, erwarb fich aber 
auch zugleich alle die Kenntniſſe, die zu den höchften Civilſtellen führten. Aber, 
indem er fid, mehr dem Gabinet, als dem Studium des menfchlichen Herzens 
widmete, erlangıe er größere Vollkommenheit in wifienfchaftlichen Dingen, als in 
der Kunft, die Menfchen fennen und regieren zu lernen. Er vollendete feine Studien 
zu St. Sulpice, wurde Prior der Sorbonne und zeichnete fich auf diefer Laufbahn 
In jeber Hinficht, befonders durch ungeheuchelte Krömmigkeit aus. Bol Eifer, 


dem egerlende in einem ausgedehnteren Kreife nüglich zu werben, widmete er 
fi) Staatödienftle, wurde 1752 zum Subftituten des Generalprokurators, 
alddann zum WBarlamentsrathe und 1753 zum Requetenmeifter ernannt und trat 
nad) Aufhebung der Parlamente und nach Einfegung der Föniglichen Kammer 
(chambre royale) als Mitglied in diefelbe ein. Hierauf begleitete er den Han⸗ 
delöintendanten de Goernay auf feiner Reife durch Frankreich und wurde tm Jahre 
1761 zum Intendanten von Limoges ernannt, Hier erwarb er fich große Verdienſte 
um die beſſere Adminiſtration diefer Provinz, bie ibm Ludwig XVI. 1774 den 
Poſten eined General» Controleur der Finanzen übertrug. Er war der erfte 
Minifter, der im Schoße der Regierung die Vervolllommnung des menfdylichen 
Geiſtes und der politifchen Anftalten entwidelte und wendete die neuere Philoſophie 
auf die politiſche Sefchäftsführung an. Das Yinanzminifterium übernahm er 
unter der ausdrüdlichen Bedingung, daß Feine Banferotte, Feine neuen Auflagen 
und Anleihen, hingegen große Erfparungen gemacht werben follten. In inniger, 
reiner Volksliebe flimmte er ganz mit dem Könige überein. Er begann mit 
BWiederherftellung des Kornhandeld im Innern des Reiches. Die ungeheueren 
Summen, welche bisher die Generalpächter dem Yinanzminifter zu fchenfen ger 
wohnt waren, wandte er zur Erleichterung der Armen any überhaupt begünftigte er 
die Freiheit des Kunftfleißes und Hanveld. Er autorifirte die Caisse d’escompte, 
dachte auf Abſchaffung der Babelle und beförderte die einheimische Schifffahrt. 
Bei allen feinen Reformplanen zeigte er einen Charakter, der ſich weder beugen, 
noch Ienfen läßt. Er verftand weder die Kunft zu negociren, noch die gehen gen 
Rebenwege einzufchlagen, die in der Politik gewöhnlich am erften zum Ziele führen. 
Er war feft, unbezähmbar in der Ausführung feiner Entwürfe. Mit Unwillen 
und Eiferfucht bemerften die Höflinge feinen Einfluß auf den König und feinen 
durchgreifenden Reformationsgeifl. Sein Sturz wurde daher befchloffen und um 
io leichter berverffetlit, ba die Königin ihn von Grund aus haßte und der König 
jetne Reformplane felbft für höchft gefährlich zu halten anfing, auch alle Minifter, 
die geſammte Gelftlichkeit, ver Hof und der Adel und der gefammte Buͤrgerſtand 
gegen ihn waren. Er mußte nach einer zwanzigmonatlichen Aominiftration in den 
Privatſtand zurüdtreten, deſſen Muße er mit Literatur und Correſpondenz über 
Gegenflände der PBolitif und des Gemeinwohls ausfüllte, bis er den 20. März 
1781 farb. T. war ein fehr tugendhafter Mann und ein enthuftaftifcher Liebhaber 
der fchönen Literatur. Er iſts, der zuerft in Frankreich nicht nur Oſſian's Ger 
dichte befannt machte, fonvern fie auch mit tieffinnigen Bemerkungen über bie 
Moefie der wilden Völfer befleivete; er überfegte aus dem Griechiſchen die Iliade, 
aus dem Hebräifchen dad Hohelied, aus dem Lateinifchen verfchiedene Meifterftüde 
der römiſchen Dichtkunft, aus dem Stallenifchen ven Pastor Fido, aus dem Deut: 
ſchen Klopſtoks Meſſias und Geßners Tod Abel. Gedrudt find von ihm vers 
ihiedene Abhandlungen über Gegenftände des Finanzweſens u. v. a. In feinem 
Aeußern harte T. etwas Einfaches aber Angenehmes; in großen Gefellfhaften war 
er ängftlich, aber im Eonfeil defto muthvoller und in feinen Planen defto kühner. 
Gr fand eine fo ungeheuere Menge tief eingewwurzelter Migbräuche, dop er bei aller 
seiner Gntfchlofienheit um fo weniger durchgreifen konnte, da er die Menfchen 
nicht genug fannte und zu rafch durchgreifen wollte. In feinen fpäteren Jahren 
lieg auch 3. ſich von dem leidigen Rhilofophiemus feiner Zelt binreißen und, 
während er früher als Prior der Sorbonne eine öffentliche Rede über den wohl- 
thätigen Einfluß des Chriftenthums auf die Wohlfahrt des Volkes gehalten 
hatte, trat er ald Minifter mehrfach als Gegner des chriftlichen Eultus, al6 eines 
Verkes eiteln Aberglaubens, auf. Bu 
Turibius, der Heilige, Erzbiſchof von Lima, der zweite Sohn des Edeln 
von Mogrobejo, geboren den 16. November 1538, det: ſchon von Kindheit an 
außerordentlichen Abfcheu vor der Sünde, Liebe zur Abtöbtung, zartes Mitgefühl 
ar die Armen u. eine inbrünftige Berebrung ber allerfeligften Jungfrau u. einen qlüh- 
enden Eifer für die Ehre Gottes, die den Fünftigen Apoftel ver N deuttuntete. 


Ryralencpclopdble. X. 


306 Zuribins, 


Seine Bildung in den höheren Wiffenfchaften begann er zu Valladolid u. beendigte 
fie zu Salamanka. König Philipp IL verlich ihm, feiner großen ‚Berbienfte wegen, 
mehre wichtige Wemter und erhob ihn fogar zur erften Würde in Granada. Der 
Heilige bekleidete dieſe Stelle fünf Jahre lang mit einer Unbefcholtenheit, Klugheit 
u. Auszeichnung, welche ihm die allgemeine Hochachtung erwarb und den Weg zur 
fünftigen Erhöhung in der Kirche bahnte. — Der traurige Zuftand der Religion in 

eru erforderte einen, mit apoftolifchem &eifte befeelten, Hirten u. diefen hatte fich 

ott in dem eifersollen T. erfehen. Als das Erzbisthum Lima erledigt wurde, 
ernannte ihn der König Philipp zu diefem wichtigen Amte. Nie wurde viel» 
leicht eine Bifchofswahl mit allgemeinerem Beifalle aufgenommen; denn man er: 
kannte T. als den einzig tüchtigen Mann zur Abhülfe der Mergerniffe, welche 
der Bekehrung der Heiden im Wege fanden. Für den Heiligen aber war die 
Nachricht Dieter Ernennung wie ein Donnerfchlag; er warf fi vor dem Bilde 
bes Gekreuzigten nieder u. flehte, in Thränen zerfließend, zu Bott, er wolle nicht 
zulaflen, daß ihm eine fo ſchwere Vürde aufgelegt würde, die er nicht zu tragen 
vermöge. Zugleich ftellte er dem Töniglichen Rathe feine Untauglichkeit zu dieſem 
Amte vor und zog das Berbot ver Kirchenfagimgen an, einen Laien zur Bi- 
fhofswürbe zu erheben; allein man nahm auf feine Einwendung feine Rüdficht 
und er mußte endlich feine Zuftimmung geben. T. wollte die vier nieberen, 
Beihen an vier verfchiedenen Sonntagen empfangen, um fie gehörig ausüben zu 
fönnen, worauf er, nach Empfang der übrigen Weihen, zum Biſchofe gefalbt 
wurde. — Ohne Verzug beftieg der neue Oberhirt ein, zu feiner Ueberfahrt nad) 
Peru beftimmted, Schiff und Iandete im Jahre 1581 in ver Nähe von Lima, wo 
die Ratur mit den Laftern und Leivenfchaften der Menfchen fich verfchworen 
zu haben fchien, um feinem Wirken Hinderniffe aufzurhürmen. Der Sprengel 
von Lima dehnt fih 65 Meilen weit an der Hüfte aus und enthält mehre Städte 
und zahllofe Dörfer und Weiler, die auf beiven Bergfetten der Anden zerftreut 
liegen. Aber weder die ungeheure Höhe der fteilen Berge, wo ber Indianer 
dem Adler ale borftet, noch das ewige Eis und die norbähnlichen Schneefels 
der, feine Mühe und Befchwerlichkeit, Feine Gefahr fchredte ihn ab. Er wollte 
einen genauen Ueberblick feines Sprengels erlangen und, voll des Geiſtes unferes 
göttlichen Oberhirtene, bereit wie diefer, dad Leben für feine Heerde zu laffen, trogte 
er allen Hinderniflen, um dem Aermften feiner Kinder geiftlichen Troſt zufommen 
ji laffen. Mit unbeflegbarer Ausdauer folgte er der Epur der, auf Bergen und 
n Eindden umperftreifenden, Indianer, diefer armen verlorenen Schafe, die er mit 
Aufopferung von Schweiß und Blut zurüduleiten ftrebte. Während biefer uns 
befchreiblidy mühfeligen Reiſen ftrebte er durch fleißiged Gebet und anhaltende 
Haften, den Segen des Himmels auf feine Werke zu rufen, da durch dieſen allein 
die Frucht foldy heiliger Ausſaat zu erwarten if. In die Zeit feiner 25jährigen 
Amtothaͤtigkeit fallın drei folche Reifen; die erfte dauerte fieben Jahre, die zweite 
fünf Jahre und die dritte unterbrach fein Tod. — Aber noch andere Hinderniffe, 
als die der natürlichen Befchaffenheit des Landes, ftellten fidy feiner Wirkſamkeit 
entgegen; denn er hatte nicht mit Bölfern zu thun, welche zum erften Male das 
Evangelium hören u., nach kurzem Wiverftande, ihre ungezähmten Leidenfchaften 
dur Einwirkung des göttlichen Lichtes unter das fanfte Joch Chriſti beugen. 
Die Ausbreitung des Chriftenthbums in diefen Ländern fiel in eine Zeit, deren 
Erinnerung die Peruaner mit Bitterfeit erfüllte Cie gedachten tn tiefer 
Schwermuth* ded Sturged ihres uralten Reiches der Eonne, der Blutfröme, 
welche gierige Eroberer vergoffen, die ven Glauben Ehrifti nur als ein Werkzeug 
ihrer Tyrannei und Unterjochung betrachtet hatten. Der Religion und Menſch⸗ 
lichkeit Hohn fprechend, waren die Beftegten wie Laftthirre behandelt worden und, 
Veitiche und Stod in der Hand, hatten die Sieger einer ganzen Nation befohlen, 
fi vor den Wltären des Gottes der Spanier zu beugen und unter dem Scepter 
irdiſcher Könige zu erbeben. Vergebene hatten edle Blaubensprediger mit glühen- 
ber Berebtfamkeis, zu Bunften der gefchändeten Dienfchheit, fich erhoben und mit 


Turibins. 307 


ı gegen die fcheußliche Britwirkang roher Gewalt gedonnertz; vergebens 
fie den Thron von Madrid mit ihren gerechten Beichwerben umlagert ; 
ns ſchritt der Hof ein: alles Anfehen ward mit Füßen getreten; denn bie 
räder erkannten nur. das Gefeg blutiger Grauſamkeit und unerfättlichen 
an. Das Ehriftentfum, durch folche Mittel dem bedaurungswürdigen 
mfgebrungen, trug ſchlechte Früchte und erftarb unter ven gräßlichen Aus 
mgen der Grauſamkeit. Blutige Bürgerkriege und häusliche Streitigfelt 
ten den Ruin, allenthalben fah man nur Grauſamkeit, Untreue, Berrath, 
volle Ausfchweifungen und die efelhaftefte Truntenheit, welche die Spas 
ı Laftern des Volkes zufügten, um fie durch Derabmärbigung zur Thierheit 
yen zu können. — Der Beitige Erzbiſchof vergoß heiße 3 bren beim Ans 
tefer ſchauderhaften Unbilden und befchloß der großen Roth zu feuern. 
zermüplicher Eifer, gepaart mit unendlicher Weisheit u. Liebe, triumphirte 
» Hindernifie, nach und nad) verfchwanden die gräßlichen Unorbnungen 
erhob ſich die Herrichaft der Frömmigkeit auf den Trümmern des Laflere. 
derbeflerte er die Geiftlichfeit u. deren verwilperte Disciplin, fehte überall 
rtbe Beiefter ein, deren Eifer die Rohheit, Dummheit, Lafterhaftigfett 
ten u. die Sünden Ihlaffer Vorgänger wieder gut machten. Er beflimmte, 
e zwei Jahre Synoden in den Sprengeln und alle fleben Jahre Provin⸗ 
den gehalten würden und die Verordnungen biefer Kirchenverfammlungen 
siner Aegide find ewige Denkmäler feiner Weisheit und Belchrfamfeit. Er 
ich ftets unerbittlich bei Unorknungen der Geiftlichkeit,- befonderd, wenn 
ie Urfache war; unbeugfam, ohne Anſehen der Perſon, vertheidigte er bie 
Gottes und feiner Nebenmenfchen, erichten als ein Schreden und eine 
der Böfen, al6 ein gätiger und getreuer Befchüger der Unterbrüdten, ers 
durch feine Feftigfeit die Machthaber in Peru, deren ſchmachvolle Hands 
er tagtäglich durchkreuzte. Diefen Elenden, der hohen Stellung und des 
end unwürbigen Böfewichter, die vor Ankunft des tugenbhaften Vicekönigs 
von Toledo Alles ſchamlos der Selbftfucht ihrer gemeinen Leidenfchaften 
ı und dem Heiligen durch Haß und Derfolgung vergalten, feste er nur 
nuth und Geduld entgegen. Ein fo weiſes Benehmen und eine fo bewuns 
Smürdige Ausdauer mußte über die eingewurzelteften Mipbräuche fliegen. 
tädte, dieſe Hobten der unreinften after, fchmüdten fidy mit Tugenden, 
der erften Zeitalter der Kirche würdig waren und das fegensvolle Wort 
(fgen Apofteld bevölferte die wildeften Cindden, die unzugänglichften Felſen⸗ 
nit inbrünftigen Ehriften, daß Peru tin einem neuen herrlichen Gewande 
hren Religiofttät erſchien. — Es galt aber dem würdigen Manne, fein 
Werk für künftige Zeiten in fleigendem Flor zu erhalten, darum ftiftete er 
; und Seminarien, erlaubte aber in feiner gränzenlofen Demuth nicht, daß 
ıme fin ben Stftungeurfunden genannt werde. Diefelbe Ruͤckſicht befahl 
Stiftungen der Hofpitäler für unbemittelte Kranke, die er während feines 
altes in Lima täglich befuchte und feine hoͤchſte Wonne darin fand, fie zu 

ihr Bertrauen zum Leben wieder zu erheben und fie fterben zu lehren. 
: Vet in feinem Sprengel würhete, verdoppelte er feinen Eifer und feine 
rung für dad allgemeine Wohl, beraubte fich felbft des Nöthigften, um 
Jüchen Peſtkranken jede nur mögliche Unterflügung zu gewähren, for⸗ 
ne Heerde zur Buße auf, gebot öffentliche feierliche Umgänge, denen er, 
Zähren des Mitgefühls weinend und dad Kreuz tragend, beimohnte, 
) vor dem heil. Zeichen, dem alleinigen Trofle des Unglüdlichen, bot er 
ste ein anderer Borromäus, Gott zum Sühnopfer dar. Nächft diefen 
hen religiöfen Handlungen, die Muth belebend und Innbrunſt erzeugend 
‚ betete, faftete und beraubte er fich des Schlafs bis zu dem Augenblide, 
tt die Plage der beflagenswerthen Gegend aufhören ließ. Beſonders 
er unermübliche Prediger und Religionslehrer, die Unmwiffenden u. Armen 


errichten ,„ erlernte deswegen im ſchon vorgefärlttenen, Daft vo 


uuuunmufRir- „m ser er : SE = = - u dr 


308 Turin. 

verſchiedenen Idiome der peruaniſchen Wildſtäänme. Jeden Morgen bereitete er 
ſich durch die Beichte und das heil. Opfer nebſt langen Vor⸗ und Nachbetracht⸗ 
ungen zu dieſem edeln Tagwerke vor, ſchloß ſich zu beſtimmten Stunden ein, um 
vor Bott der Pflichten eined guten Hirten zu gedenken, u. zeigte am heiligen Altare 
die göttliche Liebe, die fein Inneres begeifterte und fih durch einen bimmlifchen 
Glanz feines ehrwürdigen Antliges Fund that. Er erfranfte.in Santa, einer 55 
Meilen von Lima gelegenen Etadt, fagte feinen Tod voraus und verfpracdh dem 
eine Belohnung, der ihm zuerft die Kunde vom Berzweifeln der Aerzte an feinem 
Aufkommen bringen würde. Seinen Dienern fchenfte er alle Sachen, deren er 
fi) zu eigenem Gebrauche bedient hatte, den Armen all fein übriges Eigentbum, 
dann wollte er fich nach der Kirche bringen laſſen, um dafelbft die heilige Weg» 
zehrung zu empfangen, mußte fich aber die legte Delung im Bette geben laflen 
und farb am 27. März 1606 mit den Worten: „Herr, in deine Hände 
befeble ih meinen Geiſt!“ u. ward im folgenden Jahre in Lima beigefeht. 
Er hatte viele wunderbare Heilungen verrichtet und einen Todten wieberbelebt ; 
auch begaben ſich viele Wunder durch feine Reliquien und feine angerufene Ber- 
mittlung, weshalb er von Innocenz XL 1679 feltg und von Benedikt XIII. im 
Sahre 1726 heilig gefprochen ward, Jahrestag 23. Mai. 

Zurin (ital. Torino), Hauptftadt des Herzogtbums Piemont und des ge 
fammten farbinifchen Staates, am Einfluffe der Dora riparia in den Bo, über welche 
Flüſſe zwei ſchöne Brüden führen, in einer fchönen, von Hügeln, die mit präch⸗ 
tigen Zanphäufern befebt find und deren Hintergrund nordwärts die Alpen bilden, 
umgebenen Ebene, zählt 160,000 Einwohner, iſt die Refivenz des Könige, Sie 
eined Erzbifchofs und aller höchften Staatsbehörden. Die Stadt, deren Anblid, 
namentlich von Genua und von Sup ber, majeſtaͤtiſch ift, theilt fich in die Alt⸗ 
und fchon gebaute Neuftadt, hat zwei Vorſtädte, 10 Plätze und 32 Hauptfiraßen, 
welche ſich in der Neuftadt alle rechtwinkelig durchichneiden. Die Straßen: Strada 
nuova, Dora und Bo find impofant, ebenfo ver Platz des Emanuel Phili— 
bert, von wo aus man nach der neuen Brüde von einem Bogen über die Dora 
und der ded Bictor Emanuel, von dem man zur Brüde über den Bo gelangt. 
Piazza S. Carlo, mit der Reiterſtatue Emanuel Philibert's, des Siegers von 
S. Dumtin, von Maroſchetti, vann P. Barolina, P. delle Erbe u. Bescara 
find gleichfalls zu nennen. Unter den Häufern gibt es viele palaftähnliche. Bon 
den 43 Kirchen find hervorzuheben: die Kathedrale, urfprünglich aus longobar⸗ 
difcher Zeit und im 16. Jahrhundert neu erbaut; die Kirche Corpus Domini, die 
teichfte, aber freilich auch gefchmadiofefte der ganzen Stapt, 1607 zum Andenken 
an die, aus einer geraubten Monſtranz In die Luft geflogene, heil. Hoftie, nach 
dem Plane Vitozzis erbaut. Hier legte der A6jährige I. 3. Rouffeau den Cal⸗ 
vinismus ab, den er In feinem 40. Jahre wiederholte. Gran Madre di Dio 
an der PosBrüde, eine Radyahmung des Bantheond von M. Bonſignori; die Kas 
puzinerfirche in einer ausgezeichnet fchönen Lage u. m. a. Außerdem find bemers 
Tmewerib: Das koͤnigliche Refivenzichloß, unter Karl Emanuel II. erbaut, von 
Amad. di Gaftellamonte, mit glängenvder innerer Einrichtung, einem Fleinen Garten 
‘von le Nötre, dem Gartenbaumeifter der Tuilerten, und in Verbindung mit dem 
Palaft der Herzoge von Savoyen von Alfiert mit Gemälden, vornämlich aus ber 
holländifchen und nieverländifchen Schule. Ferner das Rathhaus, das Univerfl« 
tätögebäube, das jchöne Münsgebäude, die vier Theater ıc. Unter den Unter⸗ 
richtö s und anderen Öffentlichen Anftalten fteht oben an die, 1405 geftiftete und 
unter Victor Amadeus N. reformirte, Univerfität mit mehr ald 2000 Etubenten 
und faft lauter Profefioren von europätfchem Rufe, mit vielen Sammlungen, 
namentlich der, aus der Sammlung der alten Herzoge von Eavoyen entftandenen, 
Bibliothek mit 120,000 Bänden, 70 hebrälfcdyen (darunter ein Commentar des 


Edra, ein Koran), 370 griechifcdhen, 1200 Iateinifchen, 220 italienifchen und 120° 


franzöfifchen Manuſcripten. Hier find die Balimpfefen der unedirten —* 
mente von den Reden Cicero's pro Scauro, Tullio und in Clodium. Ste ſtehen 


Turkmanen. 309 


der Collatio culn Maximino, Arianorum episcopo des Augaftin. Eine Flora 
nts, in mehr als 5000 Abbildungen. Ferner beſitzt T. eine Artilleriefchule, 
Gymmaften, eine TIhierarznet-, Muſik⸗, Handwerkſchule, eine koͤnigliche Aka⸗ 
der Wiffenfchaften, Literatur und Künfte, eine Militärafademie, geftiftet u. 
t vom Grafen Eäfare Saluzzo, eine Aderbaugefellfchaft, ein Fönigliches 
m der Antifen, ein Mufeum der äguptifchen Alterthümer, ein Münzkabinet, 
ver reichften in Europa. Unter den blühenden Fabriken zeichnen fidy vor 
ie in Seldenzeugen und Sammet, in ſeidenen Strümpfen und Handfchuben 
ud fertigt man Damaft und Spiten, Tuch und Wollenzeug, Papier und 
1, Pergament, Strohhüte, Kunftblumen, Tabak, Spiegel, Porzellan, Fayence, 
re, Wagen, Seife, Wach8 » und Marmorarbeiten, Maccaroni, Chokolade, 
re. Werner befinden na bier u. in der Umgebung Zuderraffinerien, eine Kanos 
erei, Bulvermühlen, Bitriols und Salpeterfiedereien. Da In T. nicht nur 
uptftraßen des Landes zufammentreffen, fondern auch die große Handels⸗ 
sus Frankreich nach Italien durchführt, fo ift der Handel nicht unbebeus 
Am wichtigften it der Handel mit plemonteflfcher Seine. Dabei macht T. 
iche Wechfelgefchäfte. — Gegründet von ligurifchen Völkern, war 2. ſchon 
ımibal’8 Zeiten eine bedeutende Stabt und wurde, da fie ſich nicht mit 
rbünden wollte, von ihm zerflört. Julius Bäfar hinterließ fpäter, nachdem 
der aus der Afche erftanden, eine Colonie (Julia) dafelbft, die unter Auguſt 
ımen Augusta Taurinorum annahm. Unter der lombarbifchen Herrfchaft 
I. Refidenz eined Herzogs und aus dieſer Zeit fchreibt fi) die, vom Her⸗ 
zilulf (nachmals Theodolindens Gemahl) erbaute, St. Johannis kirche (jeht 
ale) 602. Karl der Große machte T. zur Reſidenz des Herzogs von 
deflen Linie bis auf Ulrico Manfredo, 1032, regierte, nach deſſen Tode das 
Savoyen eintrat, das von da an in T. geberricht und an allen Kriegen 
eichs gegen Defterreich und Spanien geatoungen Antheil genommen. Nach 
nzöflfhen Invaſion 1797 verlor T. feinen alten Glanz, gewann ihn aber 
em Frieden von 1815 wieder und befindet fich jebt in einem blühenveren 
be ald jemals. 
urkmanen oder Truchmenen, die, bewohnen dad Turfmanen- ober 
menenland, jest zum Theil auch die Wüfte Deſcht Komwar genannt. 
zt in der freien Tatarei (Turkeſtan, f. d.), zwiſchen Buchara und der 
en Provinz Chorafan und umfaßt zugleich den größten Thetl der Oftfüfte 
Ipifchen Meeres, fo daß es im Norden bis zur ruffifchen Gränze hinaufs 
Die 3. find Stammverwandte der Turks oder Turfen, welche ebenfalls 
Tatarei ihre Site haben und ven den im Lande gebliebenen Urvätern der 
n Türken herkommen. Das Turfmanenland befteht faft gänzlich aus einer 
n, unfruchtbaren Steppe, die nur an einigen bemwäflerten Stellen anbaus 
fl. Darum betreiben die Einwohner, ohnedied von Haus aus Nomaden, 
orherrfchend die Viehzucht, den Aderbau aber in geringer Ausdehnung. 
indftrich längs dem Faspifchen Meere heißt Mangyſchlak. Die Berge 
uchten, welche dort das Ufer bilden, die tiefen Baien und Meerbufen, 
inigen Infeln, dienen als fichere Zufluchtsorte gegen Stürme und Unger 
in den Steppen und auf dem Meere und ald Landungspläge für die durch 
nen weiter zu befördernden ruffifchen Waaren. Ueber die T. von Mangy⸗ 
fchreibt die Aftrachaner Gouvernementszeitung: Sie befennen fi zum 
und haben ihre eigenen Mullah's und Kaſi's. Die Stämme ftehen unter 
tung des Nelteften des Gefchlechted. in tapferer, in Kämpfen u. Ueber: 
erfahrener und gewandter Mann heißt bei ihnen Batyr (Held). Er ge 
ne befondere Achtung nur im Felde, wenn er gerade in Thätigkeit ift; zu 
Zeiten aber fieht man nicht, daß irgend wer eine höhere Würbe in ihm 
nte. Bei Streit und Unfrieven wählen beide Gegner einen Vermittler, 
als Richter auftritt und verpflichtet if, nach Billigfeit zu entfcheiden. 
i wird unter den T. nicht geduldet, den Raub dagegen betradyten Nie al® 


310 Zurmelin. 


das Kennzeichen eines mannhaften Charaktere. Wo fie können, fallen fie über 
Kaufmannswanren ber, die dann zu gleichen Theilen unter ihnen vertheilt wers 
den, Sie leben In Silanütten, wie die Kalmüfen; in der Kleidung ähneln fie 
den Chiwaern und Bucharen. Schmud zeigen fie nur in den Waffen und ihre 
Eitelkeit in der Schönheit der Pferde. Aderbau treiben fie wenid, und darum 
leiden fie Mangel an Getreide; ihr Hauptunterhalt iſt die Viehzucht. Ihre 
Pferde ftehen an Schnelligkeit und Kraft den arabifchen nicht nad). ben fo 
find fie bemüht, ihre Kameele zu vermehren, die fie um theures Geld an bie 
Chiwaer und YBucharen zur Kortfchaffung der Waaren vermiethen. Einige treiben 
Handel, namentlich aus den Stämmen Obdoli, Kurban, Dalu, Megli, Chodſcha 
und Ogor, die in und um Sardaſch wohnen und von da mit ihren Karawanen 
nach Chiwa ziehen. — Die Zahl der in dem nach ihnen benannten Lande wohs 
nenden T. wird auf 250,000 bis 300,000 angefchlagen; fie leben hier fo gut 
wie unabhängig, obwohl der Khan von Chiwa oder Khiwa die Oberberrfchaft 
über fie anfpricht, Eine Million Angehöriger dieſes Volkes ift im übrigen os⸗ 
mantfchen Aften zerftreut. Man findet fie in Rorbperfien, in der aflatifchen Tuͤrkei, 
namentlich in Armenien, welches nach ihnen audy Turfmanien beißt, fogar auf 
der Weftfeite des kaspiſchen Meeres, unter rufflicher Herrſchaft. Murad IV. hat 
einige Horden nach Europa Üübergeflevelt, wo fie an ver Weftfelte des Hämus 
wohnen. Im Ganzen zählt das turkmaniſche Volk 74 Stämme le find 
Moslem's, in der Bildung aber wenig vorgefchritten; doch fehlt ed ihnen nicht 
an Volksliedern, und felbft ein Rationalepos haben fie, deſſen Held, Ruſchan 
oder Karroglou (der Sohn des Blinden) genannt, eine Art Rinaldo Rinaldint, 
ein poetifcher Räuberhauptmann if, welcher plündert und mordet, aber von Zeit 
zu Zeit auf Unfoften Anderer den Großmüthigen ſpielt. Die Handlung dieſes 
Epos fällt in die Zelten Schah Abbas von Perfien (1661 — 1666), und vorge 
tragen wird e6 von herumziehenden Rhapſoden over öffentlichen Erzählern. — 
Die Alten bezeichneten den wüften Landſtrich an der Gränze von Parthien (Cho⸗ 
rafan) oder das heutige Turfmanenland mit dem Namen EChorasmien. Die 
Araber unter den Chalifen drangen hier erobernd ein, nach ihnen die mongolifchen 
Deren, welche die von ihren Vorgehern begründete Kultur gänzlich zerflörten. 
ie 3. wohnten Anfangs nördlich vom kaspiſchen Meere, von wo fie durch bie 
Völferbewegungen an die Oftfüfte und nach Ehorafan gedrängt wurden. Andere 
Stämme zogen fi) nad) Armenien und Syrien. In ber Serchichte des Mittels 
alters erfcheinen 3. vom ſchwarzen Schöps und vom weißen, nady den Zeichen, 
welche fie in ihren Fahnen führten. Jene erhielten von den ſeldſchukiſchen Sulz: 
tanen SJerufalem eingeräumt, wurden aber von den Kreuzfahrern bald wieder 
aus biefer Stadt vertrieben. Die T. vom weißen Schöps ſchloſſen fich den 
Kriegdzügen Tammerland an und wurden dafür von ihm mit Ländereien in Ries 
derarmenıen und Mefopotamien befchentt. Im 15. Jahrhunderte dehnten fie ihre 
Herrſchaft über die Befigungen der 3. vom fchwarzen Schöps und über einen 
großen Theil Perfiend aus. Ihr Emir, Uzum Haffan, fand in foldyem Anſehen, 
daß ihm der Kaiſer von Trapezunt feine Tochter zur Ehe gab und die Venetia⸗ 
ner mit ihm in Unterhandlungen traten. Uber feine Nachkommen fchwächten ſich 
durch innere Kriege, und fo Fam ed im Anfange des 16. Jahrhunderts, daß 
Jomael, aus dem Geſchlechte der Sofi's, der Gründer des neuperfifchen Reiches, 
die 3. befiegte und fie feiner Botmäßigkeit unterwarf. mD. 
Turmelin ift der Name für mehre natürliche Kiefelerdeverbindungen von 
gleicher Kryftallifation, die aber durch ihr chemifches Berhalten ſowohl, als durch 
die verfchiedenen Refultate der vorhandenen chemifchen Unterfuchungen, in vers 
ſchiedene Arten zerfallen. ALS conftante Beftanptheile findet man in benfelben: 
Kiefelerve, Borarfäure und Thonerde; als wechfelnde Beftandtheile kommen darin 
vor: Bittererde, Kalk, Kalt, Natrum, Lithion, Eifen- und Manganoryde. Der 
Di ineraloge Breithaupt nimmt 7 Specied an, von denen man aber nicht weiß, 
welche WMifchungen ihnen zufommen. Sie Tryftallifiren im heragonalen Syfteme 


Turnebus — Turnen, | 311 


tyſtalle) und haben ein Rhombosder zur Stammform; fie kommen meiſt 
gen, dicken Prismen, öfters aber auch dünn und nadelförmig vor und find 
chiedenem Grade ſchmelzbar. Dieſes Mineral {ft fehr verbreitet und findet 
ı allen Farben, aber nur felten rein und hell. T.e von ſchön rother Farbe lie⸗ 
fonder& der Ural und die Gegend von Rofchna in Mähren; dunfelgrüne, braune 
situnter auch blaue und rothe fommen aus Brafilien und Geylon. Der 
rge T, welcher am häufigften angetroffen wird, beißt auch Shörl. Am 
Rem ift der rothe, Rubelit oder Siberit genannt; von ihm koſten Steine 
bis 5 Linien oft bis zu 600 Franken. Zuerſt wird der 3. in einem 
erwähnt, welches den Titel führt: „Euriöfe Epeculationed bei ſchlafloſen 
m, von einem Liebhaber, der gern fpeculirt. Chemnitz und Leipzig, 1707*. 
ird dort gefagt, daß die Holländer 1703 einen aus Dftindien von Eeylon 
nden Ebelflein, 3. oder Turmale genannt, zum erflenmal nady Holland ge⸗ 
hätten, welcher die Eigenfchaft habe, die Torfafche anzuziehen, deßhälb 
er von den Holländern Aſchentreker (Afchenzieher) genannt. Der 3. 
auch wirklich durch Erwärmen in einem ausgezeichneten Grade elek⸗ 
und zieht dann Kleine Körperchen an. Der grüne T. wird zu Schmuck⸗ 
verarbeitet, dient aber, wie auch der braune, burchföhtige, an opteihen 
ts. 


hen. 

arnebus (eigentlih Tournebeuf), Hadrian, ein vielfeitiger frangöftfcher 
ter, geboren zu Andely unweit Rouen 1512, flubirte zu Paris, Iehrie bie 
Sprachen zu Touloufe, feit 1547 zu Parts und flarb den 12. Junt 1565. 
be Zeugen feines unendlichen Fleißes find feine zahlreichen ausgezeichneten 
ten, beftehend in Briefen, Gedichten, vorzüglich aber in Sommentaren, Vor⸗ 
und Ueberfegungen von vielen alten Glaffifern; fo namentlich feine Com⸗ 
re in Ciceronis „Orationes“, „Academ. quaest.“ } „Libr. de legibus“, 
de fato“; in M. Varronis „Libr. de lingua latina“, ete.; feine Ueberſetz⸗ 
von „Wrlfioteles“, „Theophtaſt“, „Plutatch“, „Plato“; feine „Praefationes 
acididem“, „Dionysium“, „Platonem“ etc. Seine Geſammtſchriften gab 
sohn, Stephan T., unter dem Titel: „Adriani Turnebi Opera“ (Straßb. 
3 Vol., fol.) heraus. 

Enrnen heißt fovtel als fich drehen, wenden, bewegen, nad dem altdeutfchen 
, von dem auch das franzöftiche tourner abflammt, und Dezeichnet die Leis 
ingen der Deutſchen. Schon bet den alten Germanen waren Leibesübungen 
ıchlich, wenn fie ſich auch mehr auf Jagd» und Kampfesfpiele befchräntten; 
aber famen die Leibesübungen viele Jahrhunderte hindurch in Vergeſſen⸗ 
2 waren gewiffermaßen um fo mehr verpont, je mehr man die geiftige Aus» 
g böher und höher ſchätzte, dabei aber freilich einfeitig genug den alten 
„ein gefunder Geift nur im gefunden Körper” überfah und dad Geſunder⸗ 
des Körpers vernachläßigte. Endlich im vorigen Jahrhunderte drängte ſich 
othwendigkeit der leiblichen Ausbildung dem Bewußiſeyn wieder auf und 
Dom (i. d.) war ed, der zuerft in dem, von ihm gegründeten, Philanthro⸗ 
Deſſau die Leibesübungen mit in den Lehrplan aufnahm und der phy⸗ 
Erziehung ihre Rechte bei der Erziehung der Jugend einräumte. Noch 
geſchah dieß von Salymann cf. d.) in Schnepfenthal und die volle Auf⸗ 
mieit der pädagogifchen Welt ward den Letbesübungen zugewendet durch 
'93 erfchienene Schrift von Gutsmuths (ſ. d.): „Gymnaftif für die 
d“. — Einen neuen Auffhwung nahm das T. und erhielt nun dieſen Na⸗ 
zurch Friedrich Ludwig Jahn cf. d.), der 1810 in Berlin mit einer 
r Knaben Spiele und einfache Llebungen vornahm, 1811 aber den erften 
platz in der Haſenheide eröffnete, von wo an die Bezeichnungen: Tur⸗ 
Turnkunſt ic. üblich wurden. Unter mancherlei Anfechtungen breitete 
m das T. weiter aus und ed entflanden an verfchiedenen Orten T.»'Pläße ; 
folgten alle wehrhaften Turner dem Aufrufe des Könige und zogen zu 
ebenfo 1815, als Napoleon wieder fam. In den folgenden Jahren (dyien 


. 912 . Turnen, 


der Werth des 3.8 mehr und mehr anerkannt zu werden; 1817 wurbe baffelbe 
im Kabettenforps zu Berlin eingeführt und Jahn mit diefem Unterricht beauf- 
tragt; der Dbermebicinaltatb Koͤhnen empfahl vafjelbe vom ärztlidden Stand- 
punkte aus in einer eignen Schrift; aber auch die Gegner mehrten fi. Der 
entfchienene Sinn der Turner, ihr Beftreben, die eigenen Bebürfniffe zu vermin- 
dern und auf das Nöthigfte zu befchränfen, ihr ‚Pinweggeben über die lächerlichen 
Sitten der en Ueberfeinerung, wohl audy etwas zu viel Werth legen 
von ihrer Seite auf äußere Dinge: im Erfcheinen ohne Halsbinde, im altdeut- 
ſchen Rode, ohne Handfchuhe ıc., ihr nicht immer genugſam begründetes Herab- 
fehen auf anders Gefinnte sc. zogen ihnen Spott und den Vorwurf der Rohheit, 
der Selbftüberfchägung, des Eigendünkels zu; — und ald nun vollends 1819 
bie politifchen Unterfuchungen über die demagogifchen Umtriebe auf den Univer- 
fitäten begannen und manche Turner in diefe verwidelt wurden, ja zum Theil 
beim Wartburgfeft betheiligt erfchienen, brach der Sturm gegen das T. los und 
man gab diefem Schuld, was jedenfalls in feiner Wefenheit nicht begründet war. 
Sämmtliche Zurnpläge der preußiichen Monarchie wurden geſchloſſen und fo 
ſchien dad T. neuerdings dem Untergange gewidmet. Aber fchon Hatte ſich das 
T. auch anderwärtshin verbreitet und wurden auch außer ‘Breußen die meiften 
Turnanftalten aufgehoben, fo blieben dody die Turner und die Turnfreunde und 
nicht lange fland es an, fo machte fidy die Wahrheit geltend, daß Demagogie u. 
Zumübungen in feinem urfächlichen Zufammenhange Beben, daß die letztere aber 
von großer Wichtigkeit für phuflfche wie moralifche Gefundheit und Ertuͤchtigung 
find. Schon 1821 wurde die Turnanftalt in Stuttgart unter der Leitung von 
W. J. Klumpp errichtet; 1826 erhielt Maßmann (f. d.) den Auftrag, im 
Kadettenkorps zu München den Turnunterricht einzuführen und 1828 wurde da« 
ſelbſt eine öffentliche Turnanftalt errichtet. In Sachen wurde 1837 die Einführs 
ung des 2.8 engeorbnet ; um biefelbe Zeit wurde in Dean eine Öffentliche Nor; 
malfhule für Bildung gymnaftifcher Lehrer unter der Leitung des, um das T. 
fehr verdienten, Werner errichtet auch in beiden Heſſen und in Baden wurde 
das T. in den Bereich der Lehrpläne aufgenommen. ber audy außer Deutfch- 
lands Gauen verbreitete fih das T.: Elias von Bern verpflanzte daflelbe nach 
Sranfreidy u. England, wo es jedoch zwar Anerkennung, aber nicht die volfs- 
thümliche Auffaffung finden Fonnte. In Preußen hatten PBrivatturnanftalten fort 
beftanden; unermübet nät für das T. war Eifelen, der erfte Gehülfe Jahn; 
allgemein wurde das Verlangen nach Turnanftalten, als Lorinfer cf. d.) auf 
das Geſundheitswidrige in unfern Schuleinrichtungen hinwies. So fam es, daß 
1843 die preußifche Regierung wieder befchloß, öffentliche Turnanftalten zu er- 
richten. Seitdem hat das T. neuen großen Aufſchwung gewonnen; es entftunden 
neue Turnpläge und Turnvereine, in denen ſich namentlich die ältern Ge⸗ 
noffen zufammenthaten. Turnfefte und TZurnfahrten gaben Kunde von dem 
regen Xeben, das unter den Turnern herrfcht; — und wenn audy einzelne Turms 
vereine in neuefter Zeit, getragen von volfdthümlichen Ideen, ſich abermals ine 
Gebiet der eigentlichen Politik verirrten und als politifche Bereine auftraten, fo 
ift das nicht Folge des T.s, fondern nur Folge der Zeit. — Der Nugen des T.s 
tft unverfennbar, er befteht in der Hebung der Körperfräfte, die bei dem ſtets zus 
nehmenden figenden Berufe unferer Jugend fo unerläßlich ift, fol nicht durch die 
einfeitige geiftige Ausbildung die Gefunpheit gänzlich zerftört werden; — das 
T. härtet aber auch ab gegen äußere Einflüffe, führt zur Genügfamfelt, vermins 
dert die Bedärfniffe und eifert in mehr als einer Beziehung an zur Enthaltſam⸗ 
feit, — iſt aber dadurch eins der mächtigften Gegengifte gegen die Genußfucht 
‚unferer Zeit. — Das T. wirkt nicht bloß zur Erhaltung, fondern audy zur Wie: 
derherfiellung der Gefundheit; daher fehen wir daffelbe in allen wohleingerichteten 
orthopädifchen Anftalten unter die Zahl der Heilmittel aufgenommen, ja in 
Schweden benügt man daffelbe nicht bloß zur Heilung der Verfrümmungen, fon- 
dern auch anderer Krankheiten (ſ. mebicinifche Gymnaſtik). — Man hat 


Turner — Turniere, 818 


„ auch für das weibliche Geſchlecht empfohlen und Kin und wieber Maͤbd⸗ 
Zurnanftalten errichtet; hier muß aber freilich, fol dein Wefen bes 
ichen Geſchlechts nicht zu nahe getreten werden, eine weiſe Beichränfung in 
Fumübungen eintreten. — Alle Zumübungen werben frei, oder mit verſchie⸗ 
ı Turngeräthe, oder an befondern Turngerüften, die auf den Turn⸗ 
en oder in den Turnfälen angebracht find, vorgenommen. “Die Uebungen 
Laufen, Springen, Klettern, Klimmen, Schwingen, Werfen ıc.; das dazu 
de Surngeräibe: die Ziehtaue, Hanteln, Kugeln, der Ger ic. u. die Turnges 
das Red, ver Barren, der Kletterbaum, die Stridlelter, das Klettertau, 
hwingel, der Schwebebaum ıc. — ©. F. €. Jahn und E. Eifelen, „Die 
)e Turnkunſt,“ Berlin 1816. — K. Euler, „Jahrbücher der deutfchen Turn⸗ 
" Danzig 1843 u. Solingen 1844. — W. J. Klumpp, „Das T., ein deutſch⸗ 
ales Entwidlungs Moment,” Stuttg. u. Tübingen 1842 (Abdruck aus der 
ven Bierteljahrsichrift). E. Buchner. 
Eurner, Edward, Chemiker, geb. 1797 auf Jamaika, Sohn eines reichen 
efigere, kam fehr jung nach Großbritannien, befuchte die Schule in Bath, 
e dann in Edinburgh die Heilfunde und beſonders die Ehemie und wurde 
rt 1819 zum Med. Dr. promovirt. Er bereifete nun den Eontinent und 
ich längere Zeit in Parts und Göttingen auf. 1824 wurde er Docent der 
te an der Univerfirät Edinburgh, 1828 erhielt er einen Ruf als Profeſſor 
hemie an die neuerrichtete Univerfität in London und flarb daſelbſt an der 
mfucht den 12. Kebr. 1837. — T. fchrieb, außer mehren Kleinen Abhand⸗ 
n: „An introduction to ihe study of the laws of chemical combination“, 
urgb 1825, ind Deutfche überfegt. — „Elements of chemistry“, Lond. 1828, 
ıfl. herausgegeben von Juft. Liebig und Wil. Gregory, Lond. 1840—1842, 
gt ind Deutiche und wiederholt in Amerifa nadygevrud. E. Buchner. 
Turnhout, mohlgebaute Stabt in der belgifchen Provinz Antwerpen, mit 
u E. weiche Fabriken in Zwillich, Spigen, Leinwandwaaren, Ztegelbrens 
n und Branntweinbrenneret, fowie lebhaften Handel mit diefen Yabrıfaten 
den. rüber eine freie Herrfchaft, kam die Etadt mit ihrem Gebiete aus 
treitigen Erbſchaft sönige Wilhelm von England an den Prinzen von Rafs 
1732 an Preußen, 1735 an Defterreih und wurde zu einem Herzogthume 
en. Am 22. Jan. 1597 fand bier ein Gefecht zwifchen den Niederlanden 
Mori von Dranien und den Spaniern unter dem Grafen von Barar 
wo leßterer gefchlagen wurde und auf dem Schlachtfelde blieb. Am 22. 
er 1789 Sieg der aufgeftandenen Riederländer über die Defterreicher. 
Zurniere waren im Mittelalter ritterliche Luftlämpfe zu Fuß und zu Pferde, 
Mann gegen Mann in voller Rüftung mit Speer oder Schwert Tämpfte. 
erfte Uriprung der T., wie jener des Ritterthums, ift ungewiß. Alle ge- 
tlihen Denfmale beurfunden, daß das Ritterthum germanffchen Urfprunges 
ıd fich außer Deutfchland nur noch in den Ländern entwidelt hat, wo Deutfihe 
ftämme ſich niedergelafen hatten. Im 9. oder 10, Jahrhunderte erhielt es 
völlige Ausbilvung bei den Franzoſen, denn bei biefer Nation ift ed un⸗ 
g am erften in feiner nachmaligen Geftalt befannt geweſen. Ein franzöfts 
Edelmann, Gottfried von Preuiliy, fammelte um 1066 die Geſetze und Ge⸗ 
heiten der T., die im 12. und 13. Jahrhunderte audy bet anderen Nationen 
ımmen wurden. Daß der deutiche König Heinrich I. die T. erfunden 
ift ungegründet. Ritterliche Geburt Cturnierfähige Gefchlechter) und ein 
aus unbejcheltener Wandel waren unerläßliche Bedingungen, um bei T.n 
ıffen zu werden. Es fcheint jedoch, daß man nicht immer ganz ftreng bie 
se beobachtet habe. In Deutfchland hielt man diefe Spiele gemöhnlidy auf 
Markte oder auf anderen freien Plägen der Städte, in Frankreich aber auf 
3 Kelde, in der Nachbarſchaft von Städten. Es wurden dazu eigene Schran⸗ 
nd Rennbahnen errichtet u. vieles Volk ftrömte hinzu. Bor dem Tage des 
mußten diejenigen, welche daran Theil nehmen wollten, wenn fie widır Kür 








314 Turnterfragen — Tarpin. 


liche Perfonen oder fonft ſchon bekannte Ritter waren, ihre Ahnenprobe machen. 
Derjenige, welcher dad T. veranftaltete, ſetzte nicht nur den Preis (Dank) für 
die Sieger aus, welcher gewöhnlich aus Ichönen Waffenftüden over kriegeriſchem 
Schmude, von Damen verferiigt und ausgetheilt, beftand, fondern trug auch alle 
übrigen Koften des 3.8 und bewirihete die fremden Gäfte bisweilen mit großem 
Aufwande. Die Waffen, deren man ſich bei den T.n beviente, waren Anfangs 
unbefchlagene Kolben und ftumpfe Schwerter, dann aber ımb faft ausfchließlich, 
ganzen oder Sperre. Man nannte fie flumpfe Waffen. Je größer die Zahl ber 
zerbrochenen Ranzen war, die, ein Ritter bet einem T. aufzuweiſen hatte, deſto 
größer war fein Ruhm. In der Kolge wurden auch fcharfe Waffen gewöhnlich 
und bie %. wurden nun blutig und mörderiſch. Aus diefem Grunde und wegen 
des ausfchweifenden Luxus, der oft dabei ftatt hatte, verboten Könige, Päpfte u. 
Kirchenverfammlungen die 3. bei fchwerer Ahnung; deſſen ungeachtet aber 
dauerten biefelben noch lange Zeit fort. Die Einführung des Schießpubvers, welches 
die, bis dahin gewöhnliche, Küftung der Ritter unnüg machte; die ganz veränderte 
Art, Krieg zu ihren und vielleicht auch die Aenderung des Geſchmackes und ber 
Mode, trugen dazu bei, daß die T. im 16. Jahrhunderte nach und nach aufhoͤr⸗ 
ten. Die ouſels traten an ihre Stelle. 

Turnierkragen (Bank, Steg) nennt man in ber Heralbif einen fchmalen 
Querbalken, der nicht an den Rand des Schildes ftößt und unten ordentlich drei 
Lätze (Beftelle, Zipfel) hat, oft mehre, deren Zahl angegeben werden muß, 
bisweilen auch mit anderen Figuren belegt. Er tft, befonder® in außerbeutfchen 
Wappen, hauptfächlih in englifchen, das Unterfcheidungszeichen der jüngern 
Linte eines Haufes und das Schildeshaupt ift fein ordentlicher Plaz. Eine Ber: 
muthung, warum man diefe Figur ald Belzeichen gebrauchte, ift, daß, wenn Va⸗ 
ter und Sohn gleich gerüftet beim Turniere erfchtenen, ver lebte einen folchen 
eifernen Kragen um den Hals trug; der Gebrauch defielben ging von den Fran⸗ 
zofen aus. In Deutfchland tft er oft wirkliche Schilvesfigur. 

Turniket, Aderpreffe, if ein chirurgifches Inftrument, mittelft defien man 
einen Drud auf ein Gefäß ausübt und dadurch die Blutcirculation in diefem &es 
fäße aufhebt oder doch befchränft. Das T. vertritt demnach die Stelle des Ying- 
erdrucks in wichtigen oder lange andauernden Fällen. Angewendet wird bad T., 
um Blutflüffe zu ftillen oder zu verhüten, namentlich aber gebraucht man daſſelbe 
bei Amputationen, um heftige Blutungen aus dem Gliederftumpfe zu verhüten. 
Man bat fehr verfchiedene T.s; das Wefentliche jedes T.8 beftcht in einem rund» 
lichen PVolfter, welches auf die Gefäße drüdt und feftgehalten wird mittelſt eines 
Banded, das um das ganze Glied gefchlungen wird und durch eine Schraube 
angezogen, d. h. verfürzt oder nachgelaffen werden kann, fo daß das Polſter nad) 
Belieben mehr oder minder auf die Gefäße angebrüdt und dadurch in biefen der 
Blutlauf mehr oder minder aufgehoben wird. E. Buchner. 

Turnus, König der Rutuler, Sohn des Daunus und der Benilia. Er war 
ein Neffe der Königin Amata, Gattin des Latinus und verlobt mit deren Toch⸗ 
ter Lavinia. Diefe letere, dem Aenas vom Schidfal beftimmt, war der Gegens 
fand des Streites zwifchen ven Trojanern und den Luteinern, in welchem die 
erfteren fiegten. T. blieb, nach vielen wilden Schlachten, endlich in einem Zwei: 
fampfe mit Aeneas. 

Zurpin, Johann, Mönd im Klofter St. Denis bei Paris, ſeit 753 Erz 
bifchof von Rheims, befand fi im Jahre 769 auf dem, wegen der Bilder: 
verehrung zu Rom abgehaltenen, Concilium und farb im Jahre 800 (nach An- 
deren 811). Er fol Geheimfchreiber u. Waffengefährte Karl’d des Großen ges 
weien feyn und wird für den Verfaſſer einer Chronif gehalten, weldye das Leben 
Karle des Großen nach Volksliedern, Romanzen und Eagen erzählt. Allein ges 
rade die eben angegebenen Quellen diefer Chronik machen e8 mehr als wahrfchein« 
lich, daß diefelbe erft fpäter abgefaßt wurde und, obgleich Papft Balirtus II. das 
Werf 3.8 für aͤcht erklärte, fo können wir doch kaum Anftand nehmen, der Ans 


Turſellinus — Tuſchmanier. 315 


jupflichten, daß baffelbe viel fpäter und zwar im 11. Jahrhundert, von 
mdern Mönche, der nach Einigen an der ſpaniſch⸗franzöſtſchen Granze, 
nderen zu Wien lebte, unter 7.8 Ramen abgefaßt wurde. Ausgaben da⸗ 
ben wir von Ciampi (Florenz 1822), von Rerffenberg tn „‚Chronique de 
Mouskes* (Bd. 1), in deutfcher Bearbeitung von Fr. Schlegel (1806). 
inifchen Berfen wurde dieſe Ehronif bearbeitet in Karolellus „Historia 
Remigiensis“, bandfchrifilich aus.dem 13. Jahrhundert, im brittfchen 


a. 
trſellinus, Horatius, ein gelehrter Jeſuit, geboren zu Rom 1545, trat 
ı den Orden und war nach und nad) Rektor der Collegien zu Florenz, 
und Rom, am längften an dem lebtern, und farb auch daſelbſt 1609. 
at von ihm ein Werk: „De vita s. Francisci Xaverii“, Rom 1594 und 
wie eine Ueberfeßung der Briefe dieſes Heiligen aus dem Spaniſchen in 
teinifche, ebendafelbft 1596; ſodann ein Hifortiches Werk unter dem Titel: 
iarum a condito mundo libri X.“, letzte Ausg. Eton 1775. m vervienteften 
w er fich gemacht durch feine werthvolle grammatifche Schrift „De usu 
larum latini sermonis“, zuerft Rom 1598, dann fehr oft neu heraudges 
in Deurfchland von Schwarz, Leipzig 1719; von Erneftt, ebd. 1769; von 
ebd. 1784 und von Hand, ebd. 182945, 4 Bde. Auch Gedichte hat 
m ihm. Sein fchon erwähntes Geſchichtswerk wurde auf den bolländifchen 
fitäten biß ins 18. Jahrhundert als Leitfaden gebraucht. 
ufche, die, auch Tufch, der, Fa urfprünglich eine feine, zum Malen und 
ben beftimmte, aus feinem Ruß beftehende und durch Zufegung eines Leims 
Täfelchen geformte, [Omarae Farbe; doch verfteht man darunter aud) 
fein geriebene u. auf die nämliche Art geformte, Lack- oder Erbfarben. Die 
hwarze T. kommt aus China und wird meift aus dem Ruß von vers 
mm Kiefernholze, nur wenia aus dem Ruß von in Lampen gebranntem 
nd zwar theild von Sefamöl, theild von dem Oele von Bignonia tomen- 
erfertigt. Man verfertigt auch in Deutfchland und anderen europäifchen 
n viel T., welche oft für chineftfche ausgegeben wird. Das befte Klebmittel 
mmirung der 3. in Täfelchen foll Leim aus Kälberfüßen feyn. Eine gute 
6 vollfommen ſchwarz, zerbrechlich, Flingend, auf dem Bruche glasartig 
nd, mit Waſſer aufgerteben, in der Auflöfung langfam einen feinen, fams 
varzen Nieverfchlag bilden, der ſich in die Haut einreiben läßt und nicht 
gt. Bel der Berfertigung der farbigen T. oder T.⸗ Farben werden d 
td oder Ladfarben in der Regel zuerft mit reinem Wafler und dann mit 
uwaſſer forgfältig abgerieben und hierauf ebenfalls in Taͤfelchen geformt. 
ufhen oder Tujcheti, (d. h. Träumer, wegen ihres flarfen Hanges zum 
auben) heißt ein, ungefähr 10,000 Köpfe ftarfer, Stamm der Midgpfchegen 
drufter, welche die nocdweftlihe Epige von Lesghiſtan, das fogenannte 
en, in der ruffifchen Provinz Gruſien, bewohnen. Sie bekennen fich zur 
ſchen Kirche, erwerfen aber dem Propheten Elias eine befondere Verehrung, 
ftfrei, dabei aber raubſüchtig, huldigen der Biutrache und laffen feige Krieger 
n Hunden aus einem Troge frefien. 
uſchmanier, das Zeichnen mit Tufch, gefchieht mit dem Pinfel auf Papier 
ögejparten Lichtern, aber nicht ausfchließlich mit der chineftfchen Tuſche, 
ı aud) mit Sepia und Biefter, mit Indigo und Karmin gemiſcht. Diefe 
ungsart ift der Lebergang aus dem trodenen Zeichnen mit Kreide oder 
ı zum Malen, bei der es hauptſächlich darauf anfommt, zuvörderſt die 
entheile in Maflen anzulegen, fie durdy fanftes Schraffiren und zartes 
beiten mit weichen Punkten bis zur Vollendung auszuführen und auf 
Beife ihnen die, zur Rundung und Tiefe erforderliche, Durchfichtigfeit zu 
Uebrigens geftattet fie eine allfeitige Anwendung und die höchfte Bollend- 
— Wenn der Künftler beim Führen des Etiftes auf die befonderen Fälle 
Ham ift, welche das Helldunkel auf erleuchteten und erhabenen Geaı- 





816 Andðeien -Twiſt. 


ſtaͤnden hervorbringt und in Folge dieſer Beobachtung den Stift an einigen 
Stellen feſter andruͤckt und —8* die Einfoͤrmigkeit des Zuges unterbricht; wenn 
dieſer Zug ſodann fi) an jenen Stellen marfirter aeigtı wo die Wirkungen bes 
Schattens ausgedrückt werden follen: fo Hat der Zeichner dad, was man Touche 
nennt, angebracht und den Grund zum Charakter in der Zeichnung gelegt. So 
ift touche ein, aus der Natur genommenes, nachbildendes Zeichen, und zugleich 
ein folches, welches die Art anbeutet, .wie der Kuͤnſtler fieht u. fühlt. Im franzoͤ⸗ 
fiicden Sinne bezeichnet demnach tufchiren, toucher, in der Malerei, die Manter, 
die Farbe anzuwenden und in dieſer Bedeutung fagt man, der Maler touchirt 
(behandelt) vollfommen u. geiftreich den Baumfchlag, das Fleiſch ıc. — Figürlicd, 
wird mit touche auch der —— oder dichteriſche Styl bezeichnet. 

Tuscien, |. Toskana und Etrurien. 

Tusculum, eine alte latinifche Stadt, das jebige Yrascati im Kirchenſtaat, 
24 Meilen fünöftlich von Rom, in höchft anmuthiger Lage, in deren e igem 
Gebiete, dem fogenannten ager tusculanus, viele vornehme Römer, ter 
(suburbana) hatten. Das, berühmtefte unter denfelben war das Tusculanına des 
Gicero, weldyes mit feinem Befiger gleichen Ruhm erlangt bat. Es war fein 
Lieblingsaufenthalt, er hatte hier eine Bibliothek und fehr häufige gelehrte Unter 
haltungen wurben hier veranftaltet; daher auch feine Disputationes tusculanae. 
As Julius Caſar in Rom die Oberhand erhielt, ging Eicero aus Verdruß auf 
dieſes fein sanbgut und ftellte philofophifche Unterredungen mit jenen jungen 
Freunden an. Bel Cicero's Bertreibung ließen feine Feinde natürlich auch ihre 
Wuth gegen diefed Landgut aus und fledten es in Brand, wiewohl nachher der 
Senat ed wieder auf öffentliche Koſten herftellen ließ. Man nennt auch jebt 
noch ein, der Muße geweihtes, Landgut. eined Gelehrten ıc. fein 3. 

Sutel, |. Bormundfchaft. 

Tutti, (ital.) wörtlich Alle; eine muflkaltiche Anbeutung, daß alle Inftrumente 
oder alle Stimmen einer Gattung, oder überhaupt alle Stimmen des Chors oder 
Orcheſters eintreten und zuſammenwirken follen. Jenes iſt T.⸗Spiel, dieſes T.- 
Geſang und dem Solo entgegengeſetzt. 

Twer, ein Gouvernement im europätfchen Rußland, an den Flüſſen Twerza, 
Düna, Mſta ıc., zwifchen den Statthalterfchaften Nowgorod, Jaroslaw, Pflom, 
Smolendf, Moskwa und Wladimir, auf einem wohlbewäflerten, meiftend ebenen 
Boden, hat 1223 [J M. und 1,300,000 Einwohner. Durch einen Theil des 
Landes zieht ſich das alamtfche Gebirge und der woldjonskiſche Wald, wo aud) 
die Wolga entfpringt. Die Seen find zahlreih; auch ift hier der Kanal von 
Wiſchnei⸗Wolotſchk zu bemerken, welcher das baltifche mit dem kaspiſchen Meere 
verbindet. In diefem waldigen, mittelmäßig fruchtbaren Lande wird NAderbau 
und Viehzucht ftark betrieben. Wild, Fiſche, Eifenerze, Kalk gibt es noch in 
Menge. Die Haupteinwohner find Rufen und Finnen, die ſich hauptfächlich 
mit der Landwirthichaft beichäftigen, weswegen auch Feine Zabrifen blühen. Die 
Statthalterfchaft befteht aus neun Kreifen. — 2) T., die gleichnamige Hauptfladt, 
an der Mündung der Tmafa und Twerza in die Wolga und am rechten Ufer 
dieſes letztern Ylufies, über welchen eine Schiffbrüde führt, in einer febr ſchönen 
Gegend, hat 32 Kirchen, unter dieſen die prächtige Kathedrale, 2 Klöſter, einen 
kaiſerlichen Palaſt und 24,000 Einwohner. Sie ift der Sig eines griechifchen 
Erzbifchofes und der Obergewalten der Statthalterfchaft, hat eine Bildungsanftalt 
für junge &eiftlicye, ein Gymnafium, eine adelige Schule, eine Hauptvolksfchule, 
Leinwandmanufafturen, Strumpffabrifen, Delfchlägereien, Gerbereien, Wachsfa⸗ 
brifen, Lichtziehereien, Glockengießereien ıc. und einen nicht unbebeutenden Handel. 
Seit dem Brande von 1763 ift T. eine der fehönften und regelmäßigft gebauten 
Städte Rußlands. 

Twiſt, nennt man englifches Mafchinengarn von vorzüglicher Feinheit, Glätte 
und Gleichheit der Fäden. Das flärkfte wird Waffergarn; die andere, weniger 
gedrehte Sorte, Mulegarn genannt, Die Spulenmafchinen, welche den 3. 





Tyche — Tychſen. 317 


liefern , heißen Mulemaſchinen. Zum Einfchlaggarn, oder Weft, bat man bie 
Jenny⸗Maſchine. Das Garn oder der T. wird aufgehafpelt. Die Hafpeln haben 
54 Zoll im Umfange. 54 englifhe Zoll oder 14 Yard machen einen Faden; 
SO Karen machen ein Unterband; 7 Linterbänder machen eine Zaspel und 20 

pel einen Strang. Waflergarn hat einen feſtern Faden und ift theuerer, als 

egarn. Es wird daher meiftens zur Kette gebraucht. Die geringfte Baums 
wolle, welche man zu Waſſergarn fpinnen kann, ift die weftinpifche, vie befte aber 
iR die nn ic Smyrnifche und andere Ievantifche fowohl, als auch Surates 
baummwolle, lafien fi) gar nicht zu T. fpinnen. Waſſergarn kann nicht höher, 
als bis ungefähr Nro. 50 gefponnen werden. Die niebrigfte Sorte ift Nro. 10. 
Nulegarn hat einen weichern, nicht fo ſtark gedrehten Faden. Man gebraucht 
es daher am meiften zum Einſchlag. Zu allen Mouffelinen aber gebraudyt man 
dad Mulegarn nicht blos zum Einſchlag, fondern auch zur Kette. Weft dient 
blos zum Ginfchlag. Der Faden tft ganz weich und läßt fich leicht in Fäferchen 
auseinanberrupfen. Aus allen Sorten von Baumwolle wird Weft gefponnen, 
je nachdem die Waare fein oder gering werben fol, Man darf aber ja feine 
Sorte Baumwolle mit einer andern vermifchen; denn zweierlei Sorten nehmen 
micht immer biefelbe Farbe an, daß alfo leicht eine unangenehme Ungleichheit der 
Sarbe entfichen Fönnte. Indeſſen laſſen ſich alle Arten levantifcher Baumwolle 
zufammenfärben und können mithin audy ohne Unterfchien zufammengefponnen 
werden 


Tyche, 1. Fortuna. 

Tycho⸗Brahe, ſ. Brahe. 

Tychſen, Thomas Chriſtian, Hofrath und Profeſſor der Diplomatik in 
Goͤttingen, geboren den 8. Mat 1758 zu Horsbyll an der reiefeyen Küfte In 
Schleswig, wo fein Bater ale Prediger lebte. Um fi dem Stublum der Phi⸗ 
lologie und Theologie zu widmen, bezog er die Univerfität Kiel und fpäter Göot⸗ 
tingen. Heyne warb ihm Lehrer und Freund und Muſterbild der Nachahmung. 
In fein Baterland zurüdgelehrt, machte er in Folge freigebtger Unterftügung ver 
Regierung in Begleitung des nachherigen Etatsrathes von Moldenhauer eine ge- 
(lehrte Reiſe durch Deutichland, Branfreih, Spanten u. Italien, weldye in zwei 
Zabren, 1782— 1784, erft vollendet wurde. Durch Heyne's Empfehlung erhielt 
er alſogleich den Ruf als außerordentlicher Profeffor der Theologie nach Goͤt⸗ 
tingen, ward aber 1788, da feine Studien mehr der philofophifchen Fakultät fi 
zuwanbten, zum ordentlichen Profeffor der Philofophie befiimmt; 1806 zum Hofs 
rathe erhoben, erhielt er 1815 das Ritterkreuz ded Danebrogordend, 1817 von 
der theologifchen Yakultät in Göttingen die Doftorwürde. Sein Hauptfach war 
orientalifcye und klaſſiſche Philologie und feine Schriften, deren er, mit Inbegriff 
der einzelnen Abhandlungen, im Ganzen 43 berausgab, beurfunden umfaflende 
Gelehrſamkeit, Gründlichkeit und Befcheidenheit, welche im Gegenfage bochfahrender 
Hypotheſen wohlthuend anſpricht. Seine jüngfte Tochter ftarb 1812 nach viels 
jähriger Krankheit an der Lungenfchwindfucht und verdient deshalb im Vorbei⸗ 
eben Erwähnung, weil fie mit dem Dichter Ernft Schulze verlobt war, der durch 
fhren Tod zu feinem Gedichte: „Cäcilia“ bewogen wurde, wo er als Held ber 
Blume der Schönheit und Tugend durch jede Art von Gefahren folgt, aber Immer 
von dem bald erreichten Ziele durch ein widriges Geſchick, befonders durch einen 
rohen Rordländer, zurüdgedrängt ward. 3. felbft war bis in fein 70. Lebensjahr 
nie frank und erft von dieſem hohen Greifenalter an litt er an Schwindel, der 
mit einem Nervenichlage fein Leben endete am 24. Oft. 1824. Seine Erſtlings⸗ 
arbeit war bie enbenblung „Ueber den Luxus der Athener“ und erbielt von der 
Alterthumsgeſellſchaft in Kaffel das Acceffit, 1781. „Ueber die älteren italifchen 
Gottheiten“, 1782. Commentar „de Qu. Smyrnaei paralipom. Homeri. Gott. 
1784. De nummis Hebr.-Samar. ignoto charact. inscriptis. Vol, 8. Comm. Gott. 
Nov. Grundriß einer Geſchichte der Hebräer, Gottingen 1789. Ueber das Alter 
der arabiſchen Vokalpunkte und dialektiſchen Zeichen. „Beitrag zur orokiiägen 


318 Zybens — Typen. 


(äographie, 17%. Bon Koppe's Nov. Test. bearbeitete er den 6. Bh. Pauli 
riefe an die Galater, Ephefer und Theffalonicher, 1791 und vollendete den 4. 
und lebten Theil zu Michaelis Ueberfegung des neuen Teſtaments mit Anmerk⸗ 
ungen für Ungelehrte; ebenfo Michaelid Suppl. ad. lex. hebr. 1792. Behufs Auf- 
Härung der, aus dem Alterthume gebliebenen, Schriften und Kunftwerfe verband 
er fih mit Mitfcherlich u. Heeren zur Herausgabe ver „Bibliothek der alten Lite⸗ 
ratur und Kunft“ und lieferte mehre ſchätzbare Beiträge: über die Buchſtaben⸗ 
fchrift der alten Aegypter; Befchreibung der Handfchriften von Homer im Es⸗ 
furial u. a. m. Befondere Auszeichnung verdienen die verfchtebenen Auffäge aus 
dem Gebiete der alten Numismatik in den Commentat. Soc. reg. Gott. „Ueber 
die Abfchriften der Sabier oder Johannischriſten“; „Bon der Religion der kau⸗ 
kaſiſchen Voͤlkerſchaften“ in Stäublins Beiträgen zur Philofophte. „De chartae 
papyraceae in Europa“ etc.; „De inscriptionibus indicis et privilegiis Jadaeorum 
et Christanorum St. Thomae in ora Malabarica cum explic. inscript. triling. 
a Buchanano adlatae“ und mehre einzelne andere Programme. Cm. 
Tydeus, Sohn des Oeneus und der Peribön, mußte wegen eines began- 
genen Mordes vor den Söhnen des Agrios aus feinem Baterlande fliehen und 
wandte fi zu Adraſtos (ſ. d.), der ihm feine Tochter Deipyle zur Gemahlin 
gab. Mit diefer jeugte T. den Diomedes, daher leßterer bei Homer den Bei- 
namen „der Tydide“ führt. Darauf zog T. mit vor Theben und ging als Ge⸗ 
fandter zu Eteofles, um ihn zu einem Vergleiche zu veranlaflen. Als fein Bor: 
Ichlag nicht angenommen wurde, fämpfte * gegen die Thebaner. Athene wollie 
ihm Unſterblichkeit geben, doch änderte ſie ihren Plan, da T. des getöbteten Me⸗ 
ag Kopf zerſchlug und fein Gehirn fraß. Töptlich verwundet, blieb er In 
efem Kriege. 
ympanitiß, Trommelfucht, nennt man die Anfammlung von Luft inmer- 
halb des Darmfanald, oder auflerhalb deſſelben in der Höhle des Bauchfelld. Die 
T. bildet oft eine fehr bedeutende, meift gleichförmige Anfchwellung des Unterleibe 
und unterfcheibet ſich von ähnlichen Zuftänden vorzüglich durch den ſtarken Schall, 
den der Unterleib beim Anfchlagen von ſich gibt, — es ift, ald ob man auf eine 
Trommel ſchlüge. Die T. kann die Folge verfchiedener Krankheiten feyn, ja, In 
vielen” Krankheiten tritt T. fomptomatifih auf. Die %. Tann aber auch, 
ohne Zugrundellegen eines bedeutendern Leidens, entftehen bei Hartleibigfelt, 
Stuhlverftopfung, oder, wenn auch nur der Abgang der Blähungen gehin- 
dert iſt. E. Buchner. 
Tympanum (vom griedh. rurrw, fchlagen), 1) ein vem Tambourtn cf. d.) 
ähnliches Schlaginftrument der Griechen und Römer, oben rund, mit einer Haut 
befpannt, unten flach, welches mit den Händen geichlagen und befonderd am Feſte 
ber Cybele, von den Parthern aber auch im Kriege gebraucht wurde, — 2) In 
der Baufunft verftand man darunter eine Berzierung bei Thüren, aus einem 
vieredigen Brete beftehend, den dreiedigen, zugemauerten Raum im Giebel der 
Tempel und ein gewifles Glied, vieleicht den SReif oder Stab in der eigentlichen 
Bedeutung des griechiichen ruunavor, 
Tyndareus, König von Sparta, Sohn des Debalod und der Batea, wurbe 
von feinem Neffen vertrieben und floh mit Ikarius nach Aetolien zu König The 
ſtios, mit deflen Tochter Leda er fi vermähltee Nachdem fodann Herakles die 
Söhne des Hypokoon getödtet hatte, kehrte T. wieder nach Sparta zurüf u. wurde 
von Leda Bater ded Caſtor und der Klytämneflra, während biefelbe von Zeus 
den Pollux und die Helena gebar. Einft, ale T. allen Göttern opferte und die 
Aphrodite allein vergaß, rächte fich diefe an ihm, indem fe bewirkte, daß feine 
Töchter ihren Gatten die eheliche Treue nicht hielten. Als Caftor und Pollur 
unter die Götter aufgenommen waren, übergab 2. feirtem Schwiegerfohn Mene⸗ 
[908 das Reich. 
Tyndariden, ſ. Diosluren. 
Tppen, |. Schriften. 


Typhon — Typhus. 319 


Typhon, auch Typhöus und Typhaon genannt, Sohn ded Tartarus 
d der Gaͤa, ein Ungeheuer, das mit feinen Beinen über die höchſten Berge 
gte und mit dem Haupte an die Sterne ftieß, mit einer Hand den Morgen, 
t der andern den Abend berührenn. Er fol die Veranlaffung zu dem ägyp⸗ 
chen Thierdienft gewefen feyn, indem die fümmtlidyen griechiichen Götter vor 
m nad) Meghpten und zwar in Thiergeftalt: Diana als Katze, Hermes als 
und (Anubis), Dionyfos ald Stier (Apis), Pan ald Bock (Mendes) ıc. ent« 
ben; u. Zeus blieb zurüd, einen Kampf mit T. wagend, in weldyem er jedoch 
terlag. Der Riefe fchnitt ihm die Sehnen aus und fperrte den Gelähmten in 
e Höhle, aus der ihn nur die Lift Merlur's befreite. Zeus warf endlich ben 
tina auf das Scheufal und auch diefe Laſt bändigte ihn noch nicht ganz. Das, 
is der Berg ſpeit, fommt aus dem Rachen des noch nicht überwältigten Uns 
ers. T. erzeugte mit Echivna die Gorgonen, die Sphinr, die Skylla, den 
rbero®, die lernätfche Hydra u. den heöperifchen Drachen. — Zu unterfcheiden 
von diefem ver ägyptiſche T., ein Bruder des Oſiris und der Iſis und 
örder des erftern, dem er nady der Krone ftrebte. Vgl. Ofiris, und Iſis. 

Typhoun heißt eine fogenannte Waflerhofe oder Trompete; dieſe ift eine, im 
rm eine® umgelehrten Kegels oder Spracdhrohres fidy nach der Meeresfläche mit 
oßem Geraͤuſch herabfenfenve, dunkle Wolfe oder Dunftfäule, welche Wafler eben- 
wohl, als Fiſche, ja ſelbſt kleine Fahrzeuge aus der See in die Höhe zieht, fich 
it außerordentlicher Schnelligkeit im Wirbel herumdreht, indem fie über vie 
teeresfläche fortrüdt, oft auch Schiffe entmaftet und nicht nur den Schiffen, be⸗ 
nders audy wegen des zu befürchtenden Zerplagene, fehr gefährli wird, fon- 
m auch, fommt fie auf's Land, große Verwüſtungen bier anrichtet. Bisweilen 
gt eine ſolche Waflerfäule audy umgekehrt aus dem Meere in die Höhe, wo 
: ſich dann mit einer Wolfe verbindet umd diefelben Wirfungen hervorbringt. 
m indifchen Deean, bei Eiam, China, Japan ıc. fommt diefes, für die Sees 
hrer erhabene, aber zugleich auch fehr furchtbare Schaufpiel häufig vor. Ueber 
is Eniſtehen dieſes fonderbaren Phänomens ift man fehr ftreitig. Einige haben 
3 von Luftwirbeln, Andere von unterirdifchen Dünjten und wirklichen vulfantfchen 
usbrüchen herleiten wollen. Die neueften Naturforfcher halten die Elektricitaͤt 
ie Urſache jener Erfcheinungen, indefien ift man immer noch nidyt zu einem ganz 
fimmten Aufſchluſſe darüber Aiommen. 

Typhus, nennt man im Allgemeinen jedes Fieber mit beſonderm GErgriffens 
on des Nerveniyftemd, daher der Name gleichbedeutend ift mit „Nervenfieber“. 
:hon Hippofrated bedient ſich des Wortes T. umd bezeichnet damit einen Zus 
and von fenforieller Betäubung; in den fogenannten unächten Hippofratifchen 
;hrifien aber wird der Name 2. fünf verfchievenen Krankheiten beigelegt. In 
hnlichem Maaße nun wurde dieſer Name fort und fort für die verſchiedenſten 
ranfheiten in Anwendung gebradit; Sauva ge6 (ſ. d.) ftellte 9 Arten des T. 
ıf u. von da an bezeichnete man mit I. jede Serankheit, die in der Verminderung 
7 Lebensıhärigkeit bemerkt wurde. Erf Johann Balentin von Hilden» 
rand (f. d.) ſtellte durdy feine Schrift: „Leber den anftedenden Typhus“ den 
egriff 3. wieder fefter. Hildenbrand bejchrieb unter diefem Namen die, damald 
ı Gefolge der Kriege allgemein verbreitete Seuche, die von Anderen fogenannte 
Rriegöpen". Er theilt den T. in den bösartigen over Peftilential-T,, 
obin er die orientalifche Peſt cf. d.), fowie das gelbe Fieber (ſ. d.) 
hnet und in den gemeinen oder europäifchen T., der weit weniger afut 
id gefahrvoll auftritt und als defien Barietäten der Spital⸗, Kerker⸗, Las 
te, Schiffs» und Kriegs-T. bezeichnet werden. Diefer letztere trat noch 
den Kriegen im Anfang dieſes Jahrhundertd mit aller Heftigfeit auf: mit der 
genthũmlichen Brennhige, dem unlöfcylichen Durfte, würhenden Delirien, tiefem 
scpor, Petechien, Parotiven-Geihwülften, Bubonen, Anthrar und nicht felten 
weichem Ausgang innerhalb der erften 24 Stunden. Meiſtens aber erfchien er 
ben vom erften Kriege diefed Jahrhunderts an in weit milderer Torm, von her 


320 Typographie — Tyranm. 


das faulige Element gewichen und bie weniger von Sranthemen und dem meift 
F gefürchteten Brande der Außeren Theile begleitet war. In diefer mildern Form 
ft der T. felt dem leuten Kriege zur vorherrichenden Volkskrankheit geworben u. 
bald in verbreiteten, mehr oder minder gefährlichen Epivemien, bald ſporadiſch 
vorgelommen. Er wüthet mit gleicher Heftigfeit gegen alle Stände, iſt auf Dör- 
fern, wie in Etäpten beimifch, in manchen größeren Städten felbft endemifch und 
dann namentlich neuen Anfömmlingen gefährlih. Vorzugsweiſe ausgefept ift dem 
T. die erwachfene Jugend und das Fräftige Mannesalter. Bel trägt zu feinem 
Entſtehen: ſchlechte verdorbene Luft, Mangel an Lebensmitteln over hlechte Be- 
fchaffenheit derfelben, nieverprüdende Gemuͤthsſtimmung ıc. — Man theilt den T. 
ein, je nachdem ein Drgen vorzugsweiſe ergriffen ift, in ven Petechial⸗T., die 
fhlimmfte Form; den Abdo minal-T., die gegentoärtig am häufigften vorkom⸗ 
mende Form; den Cerebral⸗T. und in den BranchialsT. — Die höheren 
Gormen des T. find entfchleven anftedenn, weniger gilt dieß von den zuletzt ges 
nannten brei Formen, wenigſtens fo lange fie ſporadiſch aufıreten. E. Buchner. 

Typographie, ſ. Buchdruckerkunſt. 

Typolithen nennt man Verſteinerungen von Mufcheln, welche nur die Außere 
Form des organifchen Körpers enthalten, deren leere Höhle oft andere unorga- 
nifche Körper ausfüllen, welche dann Berfteinerungsferne genannt werden. 

zunolifbogranbie, die griechifche Benennung des Hochdrucks (f. d.). 

Typometrie, die Kunft, Landkarten mit Typen zu fehen und zu druden. 
Erfunden wurde diefelbe von Breitlopf in Leipzig und in neuefter Zeit von Bauers 
feller in Karlsruhe beveutend vervollkommnet. 

Typus, wörtlicd und eigentlich ein im eine weiche Maſſe eingeprägtes Mu- 
fterbild, Modell, dann überhaupt ein Borbild, Mufterbild, nennt man im übers 
tragenen Sinne: 1) die Formen, welche, gemäß der fcholaftifchen Philofophte, für 
die Einzelwefen im urbilvlichen Verſtande vorhanden find und wornach diefe ihre 
beftimmte Geftalt erhalten haben. 2) In ver chriftlichen Theologie "bezeichnet T. 
die, im alten Teftamente gegebene, Borbildung ver Perſon, Schidfale u. Wohl: 
thaten des zufünftigen Meſſias. Man theilt diefe I. ein in Perſonal⸗T. 
(folche find 3. B. Adam, Melchifenedy ıc. für Chriſtus) und in Real-T. G. 2. 
die jüdiſchen Opfer für den Opfertod Chriſti). Daher Typik, Typologie, 
derjenige Theil der Theologie, welcher ſich damit befchäftigt, Ereigniſſe u. That: 
ſachen des alten Teſtaments fo anzuwenden und zu erklären, daß jene als die 
Vorbilder von diefen anzufehen find. — 3) T., die Ordnung oder Zeitfolge, in 
welcher die Zufälle der Krankheiten, befonders der fieberhaften und krampfhaften, 
wiederfehren. Man unterfcheidet T. vagus, unbeflimmte Seifolge T. fixus, be- 
flimmte Zeitfolge; T.anticipans, wo die Zufälle früher, als bisher, T. post- 
ponens, wo He fpäter eintreten. 

Tyr, einer der oberften Götter des norbifchen Altertbums, ein Sohn des 
Odin u. der Frigga u. Bruder des Thor. d.). Als Gott der Kühnheit, Weisheit 
und Stärfe ward er ſowohl von den Helden, als den Sfalden um feine Gunft 
gebeten und zugleich mit Thor und Odin verehrt. Don feiner Unerfchrodenheit 
wird viel GrRaunliches erzählt; beim Weltuntergange kämpft er mit dem 
Höllenhunde Garm und beide tödten einander gegenſeitig. Mehre Alterthums⸗ 
forfcher find geneigt, ihn mit Tuiſto au identificiren. 

Tyrann hieß nach dem altgriechifchen Sprachgebrauche jeder, der in einem 
nicht monarchiſchen Staate fi) zum alleinigen Oberhaupte aufmirft, alfo, was 
man jest einen Ufurpator nennt. Auf befondere Eigenfchaft, ob der T. gut 
oder fchlecht, mild oder graufam regierte, Tam ed dabei gar nicht an und fo 
führen diefen Namen in der griechifchen Geſchichte die trefflichften Regenten, wie 
der Athener Pififtratus, der Korintber Eypfelus u. a. Werabfcheut aber waren 
ſchon damals die T.en, weil fie fich gegen die beftehende Verfaſſung auflehnten. 
Geſchichtlich na find die dreißig T.n, denen wir zweimal begegnen: zu 
in ber athenifchen Geſchichte, wo die dreißig T.en die Männer, aus ariftofratif 


. Tyrannion, 921 


efinnten erwählt, genannt werben, welche Athen in dem Frieden, welcher 404 
Chriſti Geb. den peloponnefifchen Kriege endete, durch fpartanifchen Einfluß 
nöthigt, als die oberfien Machthaber anerfannte und welche, wegen ihrer 
Schreiien® s Regierung verabfcheut, durch Thrafybulus (|. d.) wieder geftürzt 
yurden. Dann wieder in der Mitte des 3. Jahrhunderts nady Ehr. im römi⸗ 
ben Reiche unter der Regierung des Gallianus, wo, durch die Schwäche der 
tegierung veranlaßt, in den meiſten Provinzen Einzelne als Regenten hervortraten, 
a, unabhängig von dem rvömifchen Hofe, felbft Herrfcher zu ſeyn. Aber dieſe 
ıd nur fehr ımeigentlich die 30 T.n genannt worden, denn ihre Anzahl erreicht 
efe Höhe nicht und zudem find fie in feiner Hinficht mit den atheniſchen, mit 
nen man fie gleichwohl verglichen und danach benannt hat, vergleichbar. Sie 
hoben fidy aus Noth, weil der Katfer ihre Staaten nicht regieren konnte, in 
n verſchiedenſten Thellen des Reiches — von Gallien bis in die öſtlichen 
heile und Eonnten daher auch erſt allmälig wieder geflürgt werden, was in 
ıhen mit einem Echlage gefchah. 

Zyramion, Biſchof von Tyrus, Heiliger und Martyrer, nebft 
nderen Blutzeugen. Bon T. erzählt der heil. Eufebius ald Wugenzeuge: 
ine große Anzahl Ehriften aus Aeanpien, welche in PBuläftina und zu Tyrus 
ohnten, gaben bie glänzenpften Bewelfe ihrer unerfchürterlichen Anhänglichkeit 
ı den Blauben. Man warf diefelben, nachdem fie graufem mit Ruthen ge- 
richen worden, grimmigen Leoparden, Löwen, Ebern und Stieren vor. Ich 
[HR fah gegen fie diefe Thiere loslafien, die nur gewöhnt waren, von Mens 
benblute fidy zu nähren. Doch, weit entfernt, fle anzufallen, wie man von ihrer 
tärlicdhen Grauſamkeit erwartet hatte, biteben fie ganz ruhig und fchienen ihre 
theiligten Leiber zu verebren. Was zugleich aber ganz offenbar die Kraft Jefu 
hriſti beweist, iſt, daß fie auf die Heiden losftürzten, die fi) auf dem Kampf⸗ 
age befanden. Umfonft wurben fie von den WMartyrern, wie man diefen befahl, 
reizt; fchüchtern zogen fie fidy zurüd, ohne ihre Beute zu berühren. Manchmal 
doch flürzten fle wirklich mit Ungeftüm auf fie los; allein eine geheime und 
ſttliche Kraft hielt fie plötzlich zurück. Dieſes gefchah zu verfchtevenen Malen, 
odurch die Zufchauer ganz in Erftaunen geſetzt wurden. Da die erſten Thiere 
ht angriffen, ließ man zwei- bis dreimal andere los; allein die Wuth der 
eiden Fund ihre gewünfchte Befriedigung nicht. Indeſſen biteben die Martyrer 
ets unerfchütterlidy, obgleidy nur wenige Bejahrte unter ihnen waren; vorzüglich 
ber zeichnete ſich bei ihnen ein Süngling aus, der noch nicht fein zwanzigſtes 
abr erreicht hatte. Mitten auf dem Kampfplatze fah man Ihn die Augen gegen 
immel richten mit freuzweife erhobenen Armen. Er blieb unbeweglich, obgleich 
n Bür und ein Leopard, ihn zu zerreißen, blutſchnaubend hervorftürmten; allein 
lefe Beſtien hatten fih ihm nicht fobald genahet, als fie ſich, ohne ihn zu ver- 
sen, zurüdzogen. Auf Andere ließ man einen wüthenden Stier los, der plöglich 
nige Heiden mit feinen Hörnern ergriff, in bie Luft emporhob und fie fobann 
alb todt auf den Kampfplatz niederwarfz nur die Martyrer verfchonte er. Ver⸗ 
ebens ftieß man ihm ein glühendes Eifen in die Seite; er ſcharrte wüthend 
m Boden, daß rechts u. links der Sand auffläubte und weigerte fi) vorwärts 
ı geben, gleih als hielte ihm eine unfichtbare Kraft zurüd. Man ließ noch 
ndere Thiere 108, allein mit demielben Erfolge. Endlich tödtete man die Mar⸗ 
ver mit dem Schwerte und warf ihre Leiber in das Meer. Mehre wurden 
ım Heuer u. noch zu anderen Todeöftrafen verurtheilt.” Alle diefe heldenmuͤthigen 
Ampfer Jeſu Ehrifti erlitten unter Diocletian im J. 304 den Martyrertod. 
. war Zeuge ded Kampfes der oben erwähnten Heiligen und hatte fie felbft 
it Muth befeelt, flanphaft für den Glauben zu ftreiten. Man brachte ihn von 
us nach Anttochien, mit dem Priefter Zenobius, wo er verfchievene Qua⸗ 
m erdulden mußte und zuletzt in das Meer, oder vielmehr in den Orontes ges 
sorfen wurde. Zenobius ftarb auf der Folter unter den Händen der Schers 
en, die ihm mit eifernen Haden die Seiten aufriffen. Das romiikhe Martutes 

Rrolsncpclopädte. X. a 


| er 


Iogtum feht den Jahrestag des heiligen T. auf den 21. Febr., den des Zenobius 
aber auf den 29. Dftober. 

Tyrol, f. Tirol. 

Tyrtäus, ein berühmter elegifcher Dichter der Griechen, aus Athen, ober, 
nach Anderen, aus Miler, lebte ungefähr 680 v. Chr. Die Lacedämonier barten 
nady vielen, von den Meffeniern erlittienen, Niederlagen von dem belphifchen 
Drafel den Rath erhalten, fidy von den Athenieniern einen Anführer auszubitten. 
Diefe nun ſchickten zum Spott jenen T., einen Heinen, unanfehnlichen, gebrech⸗ 
lichen Mann, der zwar die Jugend unterrichtete, aber von Kriegokunſt gar Nichte 
verftand. Indeſſen, was ihm davon abging,- erfeßte er dadurch, daß er die Lace- 
dämonier immerfort durch feine Lieder zur Tapferkeit, zur DBaterlandesliebe, zur 
Berachtung des Todes ıc. aufmunterte und, obgleich Anfangs von feinem großen 
Erfolge begünftigt, wirkten doch nad und nach diefe Lieber fo fehr auf den 
Muth der Soldaten, daß diefe wirklich einen entfcheidenden Eieg über die Meſſe⸗ 
nier erfochten und dadurdy zu ihrem Vortheile dem Kriege Ende machten. 
Zur Belohnung erbielt T. das Bürgerreht. Es find nur noch 4 Sreaegelünge 
son ihm und einige Fragmente auf und gefommen. Ausgaben: bie von 
Klog (Bremen 1764; 2. Auflage, Altenburg 1767); Gaisford in den „Poetae 
minores graeci“ (Band 3, Leipzig 1823); Bach, in „Callini, Tyrtaei et Asü 
carmina quae supersunt“* (Leipiig 1831), nebft einem „Nachtrag“ dazu (Leipzig 
1832) und Schneivewin im „Delectus poesis graecae elegiacae etc.“ (Band 1, 
Göttingen 1838). Eine neue Zertrecenflon und Anordnung des Ganzen verfuchte 
Kranfe in feinem „Callinus“ (Altona und Leipzig 1816), den Matıhiä in der Ab⸗ 
handlung „Do Tyrtaei carminibus“ in deffen „VBermifchten Schriften" (Mitenburg 
1833) widerlegte. Gute deuiſche Weberfegungen gaben: Conz (Zürich 1783); 
Sedendorf, in den „Blüthen griech. Dichter” (Weim. 1800); Hedner (Dillingen 
41822); Braun, in den ‚Bellen von Hellad* (Mainz 1822) und Weber in den 
ae 192 Nichtern der Hellenen“ (Frankfurt 1826); eine franzöſiſche Hautome 
(Paris . 

Tyrus, eine der berühmteſten Handelsſtädte des alten Phöniziens, 24 Meilen 
von Sidon (f. d.), an der Kufle des Mittelmeeres, war ſchon zu Anfang des 
14. Jahrhunderts v. Ehr. eine fehr blühende Stadt, übertraf fogar den Wutter- 
ftaat Sidon bald an Macht und hatte feine eigenen Könige. Die jüdiſchen Kö- 
nige David und Salomo ftanden mit Hiram, dem Könige von T., in freund: 
ſchaftlichem Berhäliniffe und Salomo bezog von diefem Materialten und Kunfts 
arbeiter zu feinem Tempelbaue. T wurde allmählig fo reich und mächtig, daß 
es in den entlegenften Ländern Kolonien anlegte, welche felbft zu bedeutenden 
Staaten auffirebren, wie Karthago, Bades, Karteja u.m. a., die theilweiſe fogar 
von eigenen Königen beberrfcht wurden. Viele Bölfer dienten auf den lotten 
und in den Heeren von T.; auch trieb diefe mächtige Stadt mit ihren zahlreichen 
Niederlaffungen in den 3 Welttheilen einen ausgebreiteten, ergiebigen Handel. 
Aber jene Draht und Größe zogen den Verfall der Sitten und den Untergang 
von 3. nach ſich, wie foldye die Propheten des alten Teftaments fchilderten und 
verfündigten, was auch durch Nabuchodonoſor erfüllt wurde Allein die 
übrig gebliebenen Einwohner gründeten auf einer, nahe an der Küfte gelegenen, 
Inſel Neu⸗T., welches fich bald wieder zu großer Bebeutung erhob, während 
daB alte, Palä⸗T., mehr und mehr in Berfall gerieih. Alexander der Große 
eroberte Neu⸗T. unter ferneren Berwüftungen des alten, indem er mit großer 
Mühe die Etadt durch einen Damm mit dem Feſtlande verbinden ließ. Auch 
unter griechtfcher und römifcher Herrfchaft wußte T. in feinem Woblftand ſich zu 
erhalten. Jeſus felbft predigte in der Umgebung von T. und Biele von dort 
famen zu ihm; der heilige Paulus fand auf feiner Reife nach Serufalem das 
felbft viele ſtandhafte Ehriften; auch wurde in T. bald ein bifchöflicher Si, es 
gründet und bis in die Kreuzzüge war die Stadt eine der wichtigften jener fe. 
Aber nach und nad fiel 3. ganz in Trümmer; veffen Einwohner bielten fich 


Tyrwhitt — Tzſchirner. 323 


m Gewölben auf und naͤhrten ſich meiſtens von der Fiſcherei. Zwar hat fich 
defien alter Name Zor in dem neuem Sur (Tor) erhalten; aber bie Stabt 
gleicht mehr einem Dorfe und nimmt nur einen Theil der Infel ein, welche ganz 
mit Meeresfand bedeckt If. 

Tyrwhitt, Thomas, ein verdienter, englifcher Philolog, geboren zu London 
1730 (1721), wurde 1757 UntersStaatsfefretär im Kriegsdepartement, befleivete 
von 1761 — 1767 die Stelle eines Sefrertärd des Unterhaufes, wurde 1784 Cu⸗ 
tator des britifchen Mufeums, Mitglied der königlichen Societät zu London und 
Rarb daſelbſt 1786. Man bat von ihm unge de Schriften: Dissertatio de Bab- 
rio, London 1776, Auctarium etc. dazu 1781. n. W. Erlangen 1785; Fragmenta 
Plut-rchi, London 1773; Conjecturae in Strabonem, ebendaſelbſt 1783 ı. 4. 
Erlangen 1789; auch gab er heraus: Orpheus De lapidibus, London 1781; Ziäus, 
Dratio ad Meneclem, ebend. 1785 u. a. m. Die befannten Poems supposed to 
have been written at Bristel, bv Th. Rowley (2ondon 1778), begleitete er mit 
einer Eririfchen Einleitung und Anmerkungen. Auch bat nıan von ihm die befte 
Ausgabe von Ehaucer’8 „Canterbury tales* (2 Bde., London 1798, 4.). 

Tzetzes, Johannes, ein griechiicher Grammatifer aus dem 12. Jahr⸗ 
bunderte, der fid, in feinem Zeitalter durch gelehrte Kenniniffe auszeichnete und 
befien Schriften, bei allen ihren Mängeln, zur Erläuterung mancher biftorifchen 
und mythologiſchen Umflände brauchbar find. Sie beftehen aus Scholten über 
den Lykophron und Heſiodus (I. d.), die auch wohl feinem Bruder Iſaak 
ugeichrieben werden und aus allegoriichen Gedichten. Dazu kommen noch feine 
Chiliades, herauſsgegeben von Kießling, Leipzig 1826. Wuch feine Exegesis in 
Homeri Niadem, welche, mit Drafo’8 aus Stratonicea Echrift De metris poeticis, 
G. Hermann zuerft berausaegeben bat, Leipz. 1812. — Man hat audy von ihm 
eine, jedoch geihmadlofe Compilation aus mehren zum Theile noch in Bruch⸗ 
ftüden vorbandenen Dichtern, Antehomerica, Homerica u. Posthomerica betıttelt, 
bie er felbft mit Scholien verfah ; befte Ausgaben: von Jacobs, Leipz. 1793 und 
von Bekker, Berlin 1816. 

Tzſchirner, Heinrich Gottlieb, proteftantifcher Theolog, Profeffor und 
Euperintendent in Leipzig, geboren den 14. November 1778 zu Mitweida in 
Sachſen, Sohn ded Oberhofprepigers, welcher ihn bi gum 13. Jahre felbft 
unterrichtete und dann auf dad Gymnaflum zu Ehemnig fchidte. Seine theolog⸗ 
ifhen Studien machte er in Leipzig 1796, wo befonders Seil anreg nd auf ihn 
wirkte, mit welchem er fpäter die Zeitfchrift: „Analeften” herausgab. 1799 bes 
ftand er zu Dresven das theologifche Kandidaten: Eramen mit folcyer Auszeich⸗ 
nung, daß Oberbofprediger Reinhard ihm dringend an's Herz legte, doch ja die 
afademiiche Laufbahn au feinem Lebendberufe zu machen. 1800 habilitirte T. fich 
in Wittenberg u. lad über empirifche Piychologie, wo Krug fein College war. — 
Die Iebensgefährliche Krankheit feined Vaters, der ihn zu feinem Amtögchülfen 
wänfchte, berief ihn um Oftern 1801 dorıbin und, da derfelbe bald darauf farb, 
ward er zum Diakon in Mitweida ernannt. Hier bearbeitete er „die Geſchichte 
der Apologetif”, wozu Reinhard die Vorrede fchrieb und feine Erftlingsarbeit in 
ben Kreis des theologiichen Publifums einführtee 1805 erhielt er die vierte 
Profefiur ver theologiihen Fakultät in Wittenberg, und ward Dr. der Theologie. 
Seine Borträge umfaßten Relig.⸗Philoſophie, Dogmatik und Rirchengefchichte 
1809 nahm er nady Leipzig den Ruf an u. feine, am 4. Des. bei der Jubelfeter der 
Univerfität gehaltene, Predigt bewährte ihn zugleich als vorzüglichen Kanzelrepner. 
Dies gab die Veranlaffung, daß ihm der Stabtmagiftrat 1814 das erledigte 
Archidiakonat an der Thomasfirche übertrug, und ein Jahr darauf folgte er dem 
verlebten Rofenmüller in feinen hinterlaffenen Amtöverrichtungen als Paſtor zu 
St. Thomas, ald Superintendent der Leipziger Ephorte und Aſſeſſor ded Eon- 
forums. 1815 rüdte er in die dritte theologifche Profeffur vor und erhielt 
das Kanonifat zu Zeig; 1818 warb er Domherr zu Meiffen. Die Kortiehung ver 
Schrödth'fchen Kirchengeſchicte entfähteb für Immer feine Dorliebe für Vielen 

Y2 


324 u — Ubiquität, 


Zweig, fo wie für bibliſche Theologie. Er huldigte dem Rationalismus und als 
feine Maritime pflegte er den Grundſatz aufzuftellen: „der Gelehrte dürfe ſich ale 
Mann der Wiſſenſchaft durchaus an feine Äußere Autorkät binden.” Durch 
Reinhard's „Geſtändniſſe“ fah er fidh zur lit. Polemik veranlaßt, indem er die, 
von Reinhard ais Gegenſätze ausgeſprochenen Richtungen des Nationalismus u. 
Eupranaturaligmus in der Anwendung auf kirchliche Dogmanif zu verfühnen fuchte, 
Die Zubelfeier der Reformation rief die Schrift: „Proteſtantismus und Katholis 
ismus aus dem Standpunkte der Politik“ 1822 hervor, worin er die Anſchuld⸗ 
gung zn wiberlegen fuchte, als befördere die Reformation Revolutionen. Webns 
lihen Inhalt haben die anderen beiden PBiecen: „vie Gefahr einer deutfchen Res 
volutign” 1823; „das Reaktionsfyftem” 1824. Er ftarb am 17. Febr. 1828 
an den Folgen einer Luftröhrenkrankheit. — Aus feinem lit. Nachlafle erfchien 
„der Hall des Heidenthums,“ herausgegeben von Profeffor Niedner. Seine Predig⸗ 
ten gab fein Collega Goldhorn heraus in 3 Bänden 1828, Vorleſungen über 
die chriftliche Glaubenslehre, herausgegeben von K. Hafe, 1829. Eine bedeutende 
Anzahl von Programmen und Aufjägen, in einzelnen theologiſchen Zettfchriften 
zerftreut. Mehre Flugfchrifien: 3. B. die Sade Griechenland's 1821. . Der 
Uebertritt des H. von Haller zur katholiſchen Kirche 1821. Die ypreußtiche 
Kirchenagende 1826. Die reine katholiſche Lehre, 2 Briefe 1826 u. f. w. Er 
betheiligte fich an mehren theologifchen Zeitfchriften al8 Mitredakteur; außer ben 
obigen „Analekten”, 1810 Memorabılien für Prediger, 8 Bände. Mit Stäud- 
iin Archiv für alte und neue Kirchengefchichte, 5 Bände 1822, „Löffler's und 
Ammon’d Magazin für chriftliche Predigten“, von T. fortgeſetzt in 5 Bänden. 
Sein Bildniß findet fich in Röhr's neuem Predigt» Magazin 1828, I. Band. 
Ueber fein Leben geben Notizen: Krug, Goldhorn, Poölitz. Cm. 


u, 


. U, 1) ald Laut- und Schriftzeichen: der 21. Buchſtabe im deutſchen 
Alphabete und ein Selbſtlauter. Im Lateiniſchen, wo zwifchen dem Vokal u u. 
dem Gonfonanten v eigentlich Fein Unterfchted war, wurde früher für beide das 
Zeichen v gefchrieben und erft feit dem "16. Jahrhunderte fegten die niederländs 
ifchen Philologen den Unterfchied fe. Im Griechifchen tft ver Laut u aus o 
und v zufammengef $t, daher auch gefchrieben ov over ». — 2) Ad Verkürz— 
ung: a) auf römifchen Münzen und Inſchriften, f. d. Art. B.; b) auf dem Res 
vers neuerer frängöffcher Münzen die Münzftätte Bau. — 3) ald Zahlzeichen, 
a) im Lat. f. unter ®.; b) in der Rubrictrung = 20. 

Übier, ein alter deutſcher Volksſtamm; fie wohnten urfprünglidy am rechten 
Rheinufer um die Steg, wurden aber beftändig von ihren mächtigen Nachbarn, den 
Katten, fo gedrängt, daß fie einige Male den Bäfar gegen diefelben zu Hülfe 
riefen und fi) unter den Schuß der Römer begaben, fpäter, auf ihre Bitte, von 
Bipfanius Agrippa auf das linfe Rheinufer verfegt wurden (30 v. Ehr.), wo fie 
da8 oppidum Ubiorum erbauten, welches 50_n. Chr. durdy eine, von der Entelin 
Agrippa’s, Agrıppina, der Gemahlin des Kaiſers Elaudius, dahin gefegte römifche 
Colonie den Namen Colonia Agrippina erbielt, dad heutige Köln. Das Gebiet 
der U. umfaßte jet das ehemalige der Eburonen und einen Theil des der Tr 
virer und al8 Städte darin werden genannt: Bona (Bonn), Novesium (Reuß), 
Tolpiacum (Zülpid), Juliacum (Juli), Tiberiacum (Berdyem) u. a. Sie 
blieben treue Bundesgenoſſen der Römer und hatten deßhalb bei dem Aufſtande 
des Claudius Civilis viel zu leiden. Später verſchwindet ihr Name. 

Ubiquitdt, Wllgegenwart, nannten die Lutheraner diejenige Eigenfchaft 


Udine. 925 


des Leibes Chriſti, vermöge welcher biefer in (mit und unter) dem euchariſtiſchen 
Brode und Weine allenthalben gegenwärtig ſeyn ſollte. Diefe falfche Lehre 
entſtand alfo. Die Lurheraner Iäugneten nicht, daß in der Euchariſtie der wahre, 
wirkliche Leib Ehriftt (der verklärte Ehriftus) genoſſen werde, widerftritten aber, 
dag Chriſtus leiblidy gegenwärtig werde durch Umwandelung der Brod⸗ u. Wein⸗ 
fubfanzen in die Subftung Chriftt, d. h., daß durch die priefterliche Gonfefration 
Bro» und Wein aufhörten, dieſes zu feyn, und Leib und Blut Chriſti durch 
Weſensumwandlung würden, fo, daß nur noch die früheren Erfcheinungsformen 
bed Brodes u. Weines zurüdblieben. Im Streite mit den Reformirten, welche 
eine blos geiftige Gegenwart Ehrifti in der Euchariftie ftatuirten, wurde den Lu⸗ 
theranern anz richtige Dilemma geftelt: „Entweder iſt Chriſtus in der 
Euchariſtie — Weſensumwandelung, wie die katholiſche Kirche lehrt, wirklich 
enwaͤrtig, oder er iſt nur geiſtig gegenwärtig; denn der Leib Chriſti, als etwas 
liches, iſt im Raume begränzt.” Die Lutheraner, alfo bedrängt, entgeg⸗ 
neten: die beiden Naturen in Ehrifto hätten ihre einzelnen Eigenfchaften ſich ges 
genfeitig alfo mitgerheilt, daß eine Eigenſchaft der einen Natur ohne die der ans 
dern nicht gedacht werben fünne. Set nun Ehriftus als Gott allenthulben gegen 
wärtig, fo ſei er dieß auch feiner Menfchheit nach; mithin im euchariftiichen 
Brode u. Weine allenıhalben gegenwärtig, Die Bertheidiger diefer abgefchmadten 
Leyauptung erhielten den Ramen Ubtiquiften oder Ubiquitiſten (Allgegenwärts 
ler). — Bird die gegenieitige Mitiheilung der Eigenfchaften beider Raturen 
Chriſti in dieſer Weiſe aufg:faßt, fo hören fie überhaupt auf, zwei Raturen zu 
feyn; was aber vernünftig nicht einmal gedacht werden fann, da eine derartige 
Bereinigung nicht Bereinigung, fondern nothwendig Untergang der einen oder 
andern Ratur wäre. Wollte man nun die menfchlidye Nutur in der görtlicyen 
als untergegangen denken, fo wäre Ehriftus nicht Ehriftus, d. h. nicht der Gott⸗ 
menſch; fich aber die göttliche Natur als in der menfchlichen untergegangen zu 
denken, wäre doch gar zu abfurd. Wäre Ehriftus auch feiner menſchlichen Natur 
nach allenthalben gegenwärtig, fo wäre jedes Ding in der Welt lutherifdye Eus 
chariſtie und audy die Eäue an ihren Trıbertrögen, wie fidy einft ein alter Doc⸗ 
tor der Eorbonne etwas derb ausprüdte, würden mit lutherifcher Euchariſtie ges 
mäftet und es ſei nicht abzufehen, weßhalb die Lurh.raner die Euchariftie gerade 
am Wleare und nicht in der erften. beften Boutique genöflen. Ja, nad der U.s⸗ 
Lehre könnte die Euchariftie überhaupt gar nicht genoflen werden. Denn, was 
allenthalben ifl, das kann nicht bewegt, das kann nicht von einer Gtelle zur ans 
bern gebracht werden. Ob daher gleich der Leib Ehrifti im Brode und Weine 
wäre, fo könnte er doch nicht genoflen werben, weil er nicht bewegt werden u. nicht 
übergehen könnte mit dem Brode und Weine zu dem Munde u. von dem Munde 
zum Wagen. Denn der Leib Chriſti wäre auch ſchon zuvor im Munde und 
Magen, ehe denn Brod und Wein dahin gebracht würden. — Später gaben bie 
Lutheraner diefe verkehrte Lehre auf, find aber bis heute den Beweis fchuldig ges 
biieben: wie, wenn der Leib Ehrifti nicht durdy Wefensummandelung gegenwärtig 
werde, er überhaupt wahrhaft gegenwärtig feyn Fönne. F. v. Berlepsch. 
Wdine, Pauptftant der Delegation U. oder Friaul, im lombardiſch⸗venetian⸗ 
iſchen Königreiche, am Fluſſe la Roja, mitten in einer ausgedehnten Ebene, ift 
wohlgebaut, hat aber Fein freundliches Anfehen und ift für ihre Größe zu wenig 
bewohnt. Die Stadt ift mit Mauern umgeben und hat fech8 Thore; die Gaſſen 
find meift eng, frumm und mit Bogengängen verfehen; auf dem geräumigen 
tplatze fteht die fchöne Srievene hate von Campo Formio. Auſſer der 
mtirche Beata Vergine Annunziata, welche ſich durch ihre fchönen Säulen von 
Marmor und ihre kunſtreichen Basreliefs auszeichnet, hat die Stadt noch zwei 
Barren und viele Dratorien und SKap-llen. Bon den übrigen Gebäuden find die 
vorzüglichften: die prächtige, mit Säulen überladene Hauptwache, der anfehnlidye 
Brmeindefaal, der bifchöflichhe ‘Balaft, das fchöne Opernhaus ıc. Das, auf einem 
einzeln ſtehenden Hügel in großem Styl erbaute Kaftell, weldyed (ont die Kettüeny 


826 : Neberbein — Uebergabe. 


des Gouverneurs war, iſt jetzt ein Strafhaus und bietet eine fehr fchöne Aus⸗ 
ficht über bie ganze Ebene und in die nahen Berge. Unterhalb des Kaſtells 
haben bie Srangofen eine Promenade angelegt, einen Biag mit Baumpflanzungen, 
einem großen Wafferbehälter, einer Infel und Blumenmwerk darauf; bier werden 
am Laurenzimarkte Pferverennen u. fonftige Volksſpiele gegeben. U. iſt der Sig 
der Delegation und Provinzial-Eongregatton, eines Provinzial-Tribunale, eines 
Bisthums mit Domkapitel und hat ein Lyceum, zwei Gymnaften, eine Haupt 
ſchule und eine Hauptmädchenfchule, zwei öffentliche Mäpchenerztehungs-Collegien, 
ein bifhöflichem Seminar mit philoſophiſch⸗ theologiſchem Stubtum, eine bifchäfliche 
Bibllothel und eine Aderbau-Akademie. Bon Wohlthätigkeits- Anftalten finden 
ſich bier: ein Hauptfpital, ein Bindelhaus, ein Waifenhaus für Kinder beiverlei 
Geſchlechts, ein Waifenhaus delle Zitelle für Mädchen von 7 — 10 Jabıen, 
denen nach vollenberer Gertebumg Ausftattungen ertheilt werben. Die Einwohner, 
deren Zahl fi) auf 20,000 beläuft, befe Aftigen ſich viel mit Selvencultur und 
unterhalten mehre Seivenfpinnereien und Reinwandiwebereien, eine bedeutende Les 
verfabrif, eine Baptermühle ıc. und treiben einigen Handel mit Kunſt⸗ und Ras 
turproduften. Der biefige Gottesader foll einer der jchönften in Europa feyn. 
Ueberbein (ganglion) iſt eine Art Balggefchwulft, meift auf ver Rüdfläche 
der Hand und fommt von ber Größe einer Haſeinuß bis zu der einer waͤiſchen 
Nuß vor. Es entfteht gemeiniglich in den Slechfenfcheiden der Muskeln durch 
Anftrengung u. Drudz die Behandlungsart ift biefelbe, wie bei der Balggeſchwulfi 
Ueberfall heißt der unerwartete, im Geheimen vorbereitete Angriff eines 
feindlichen Eorps, einer Feſtung oder eines Poſtens. Um einen ſolchen mit Er⸗ 
folg zu unternehmen, bebarf es vor Allem einer genauen Kenntniß der Lage und 
Verhältniffe des Oris, fowie der Stellung und Stärke des Corps ıc., welches 
überfallen werben fol. Laͤßt ſich ver feindliche Boften umgehen, fo if die Wahrs 
ſcheinlichkeit für das Gelingen. Schlechtes, nebliges, regnerifches Wetter gehören 
zu den günftigen Umftänden eines U.8. Der Entwurf dazu iſt, wie überall, ab⸗ 
hängig vom Objeft der Operation und von den Linien, die zu demfelben führen. 
Heimlichkeit des Marfches if wefentliche Bedingung; die Sicherheit des Rüd- 
marfched muß bafirt feyn. Steine Ueberfäle werden am WBortheilhafteften gleich 
nad Mitternacht, große aber erft etwas vor Tagesanbruch ausgeführt, 
Webergabe Ctraditio), die rechtliche Uebertragung eines Förperlichen Gegen⸗ 
ftandes von einem Befiger auf einen andern. Bel nicht Förperlichen Gegenftän- 
den, ebenſo bei Berechtigungen, dient ſtatt der U. die Ueberlaffung, indem man 
dem Annehmer die Ausübung zugefteht: ein Verhaͤliniß, woraus vorzüglich der 
Unterfchied zwifchen „Kauf einer Sache“ und „Eeffiren eines Recht s“ 
hervorgeht. Von umfaflendfler Bedeutung iſt die U. (ald Befigräumung) bei 
Eigentyumsübertragungen, indem nur durch Erlangung des Befiges das, zum 
Eigenthum gehörige Recht, feinen Willen an der Sache geltend zu machen (do- 
minium, jus reale), zur Ausübung gebracht werden Fann. Die Juriften erfiären 
deßhalb die U, für den inftrumentalen Grund der Gigentbumsübertragung. 
Der Vertrag allein über die Uebertragung des Gigenthums auf den Anvern 
würde bloß einen perfönlicyen Anſpruch an den Verfprechenden bilven, nicht 
aber die Sache ſelbſt zu eigen machen. Hiebei zeigt fich der Unterſchied zwifchen 
dem natürlichen und dem Völkerrechte auf das Augenfälligfte. Da die Sicher⸗ 
ung von Beſitz und Eigenthum bei Grunbftücden nur durch grgenfeitige Zuficher⸗ 
ung der Bölter im foctalen Zuftande erreicht werben fann, fo hat man in ben 
meiften Etaaten zur Eigenihumsübertragung bei Grundftüden für rathſam ger 
hatten, den civflrechtlichen Befig nicht von einer actuellen U. durch Hineinführung 
‚oder Einweiſung durch Worte oder verftändliche Zeichen abhängig zu machen, fondern 
dazu die gerichtliche Erklärung des Einen, daß er ſich von der Sache losfage 
und die des Andern, daß er Ihe annehme, zu verlangen. Died hat die Ver- 
anlaffung gegeben: 1) bei Allovialgrundftüden zu den, in verfchiedenen Ländern 
sorfommenvden, fogenannten Lehneauflafiungen umd Lehnsreichungen oder, flatt 


— 


Vebergangsgebirge — Uebervoͤlkerung. | 327 


deren, zur Eintragung des Beftstitels in das dazu im Gerichte gehaltene Re- 
giſter und 2) zur Eintragung der Realrechte in die Hypothefens und Grundbücher 
oder en 


Uebergangägebirge, f. Gebt 
ang rge, f. Gebirge. 
Heberlingeriee, |. Bodenfee. 

Heberf&plägelchen, ſ. Bäffchen. 

Ueberſchwaͤngerung, |. Superfötation. 

Ueberfegungstunft ift diejenige Fertigkeit, eine Schrift aus einer Sprache 
in die andere fo zu übertragen, daß die Uebertragung dem Driginal nady Inhalt 
u Form volllommen gleich iſt. Es gehört mithin zu einer vollkommenen Ueberſetz⸗ 
ung: 1. Webereinflimmung mitden Gedanken des Originals, im ®an- 
zen wie im Ginzelnen. Hiezu ift die vollftändigfte Kenntniß der beiden 
Spraden und ein tüchtiges hiftorifches Willen nothwendig; ebenfo muß fich der 
Ueberfeßer in die Individualität des Driginalfchrififtellers veriegen Fönnen, um 
nicht deſſen Worten durch ſubjektive Einmiſchung einen fremden Sinn unterzu- 
fhieben. I. Uebereinſtimmung mitder Form, in weldyer der Original—⸗ 
fhriftfkeller feine Gedanken auegenrüdt bat; denn die Ueberſetzung 
fol nicht blos wiedergeben, was dad Original ausdruͤckt, fondern auch wie es 
daflelbe ausprüdt. Es ift daher vor allen wörtliche Treue in fo weit erforder- 
ld), als dieß ver Genius der Sprache des Leberfegers, unbefchavet der Deutlich 
keit des Gedankens, zuläßt. Geht der Weberfeger weiter und madht er den Ge⸗ 
danken des Originals faßlicher, jo verfällt er in Paraphrafe, die, als Erfiärung, 
von der Veberfegung wohl zu untercheinen fl. Zur wörtlidhen Treue gehört fer⸗ 
ner, daß ver Ueberſetzer die Dunfelheiten und Zweideutigkeiten des Originals 
nadyahme. Denn er fol das Original nicht verbefiern, fondern er foll ſich fo 
ausdräden, wie ſich der Originalfchrififteller, wenn er in der Sprache des Ueber- 
feßer6 gefchrieben hätte, ausgeprüdt haben würde. Es Bart daher der Leberfeber 
das Original durch Befeitigung der Dunfelbeiten und Zweideutigkeiten nicht vers 
beffern, noch überhaupt temfelben Erwas hinzuthun, nody abnehmen; es müßte 
denn eine Ellipfe, oder ein Pleonasmus, nur in der Spracdye des Originals zu⸗ 
läffig und verftändlich, fern. Daß Proſa in Proſa, Poeſie in Poeſie und zwar 
in ven nämlichen Bersmaßen, zu überfegen ifl, erhellt aus dem biöher Gefagten 
von ſelbſt. — Die U. tft eine ſehr fchwierige, die, neben umfaſſender Gelehrſam⸗ 
keit, noch beſonders einen feinen, viel geübten Gefchmad erfordert. — Unter den 
neueren Sprachen eignet ſich unzweifelhaft die deutſche am beften zum Ueberſetzen. 
Ihr ungemeiner Wortreichthum bei der größten Schmieg- und Biegfamfelt magt 
es moͤglich, ſelbſt die fchwierigften antifen Sylbenmaße nachzuahmen, was z. B. 
die franzoͤſtſche und italieniſche Sprache abſolut nicht vermögen. Keine neuere 
Sprache hat Ueberſetzungen aufzuweiſen, wie wir. Man denke nur an den Ho⸗ 
mer, Heſiod und die Bufolifer. von Voß; Pindar von Mommſen; Aeſchylus, So⸗ 
phofled und Euripides von Minckwitz; Ariſtophanes von Droyſen; Lucrez von 
Knebel; Horaz von Voß; Virgil von Voß und Reuffer; Propertius von Voß u. 
Herzberg; Torquato Taffo von Schlegel, Calderon von Gries; an die Maſſe 
ausgezeichneter Urberfegungen profuifcher Werke, 3. B. De divinatione von Fried 
rich Jacobs, De ofliciis von Zumpt. Stolz auf feine Epracdye, wenn auch fonft 
nicht auf fein Vaterland, kann der Deuiſche fragen: Welch’ andere Epracdye hat 
Aehnliches aufzuweiſen? v. Berlepsch. 

Uebervolkerung, die unverhaͤltnißmaͤßig große Bevölferung eines Ortes oder 
Landes, tritt theils da ein, wo der Boden die unerläßlichften Lebenshrpürfniffe 
nicht in verhältnigmäßiger Menge erzeugt, oder die Herbeifchuffung derfelben aus 
der Ferne zu fchwierig und zu Foftbar feyn würde, ge in einigen Provinzen 
Indiens, Ehina’d und Japans, in Großbritannien und in Württemberg); wo bie 
Menſchen außer der Bearbeitung des Bodens nicht genug Erwerb finden, indem 
Handel und Gewerbe bejchränft, oder durch Hindernifje niedergebrüdt werden, wo 
alfo ein großer Theil der Bevölkerung in Armuth verfallen wu, Wo rum 





328  Nehtland— uferban. 


und Boden zu dürftig find, bleibt Auswanderung fall das einzige Mittel gegen 
U., obgleih auch dadurd) etwas geholfen werden kann, daß man dem Landbau 
alle mögliche Aufmunterung und Unterſtützung zu Theil werren läßt. Erſchwer⸗ 
ung des Helrathend als Gegenmittel hilft wenig; ebenfo Erfchwerung des Ein» 
wandernd, da gerä bull von Nachbarländern das Retorfionsrecdht angewendet 
wird. Gegen U. einzelner Ortfchaften ift allerdings Erſchwerung der Aufnahme 
Auswärtiger ein wirffames Mittel, aber doch zum Nachtheil des ganzeh Landes, 
da Erleichterung des Erwerbes und Unterfommend dadurch verhindert wird. Um 
die U. der Städte weniger fühlbar zu machen, tft die Eriheilung neuer Privilegien 
oder firenges Fefthalten an den alten nur ein ‘Balltatiomittel, da gerade Ber; 
a jeder Art des Erwerbes über das ganze Land das befte Ableitungs⸗ 
mittel if. | 

Wechtland, (der alte Ausprud für Debland), heißt ein Landſtrich in ver 
Schweiz, ver dad Gebiet des jetzigen Cantons Freiburg (f. d.) und einige 
angränzende Streden umfaßt. Er gehörte früher zu Hochburgund (f. d. Art. 
Burgund) und hatte feinen eigenen Grafen. 

Uechtritz. 1) Ein aus Böhmen ſtammendes, von da nady Deutfchland über: 
geſtedeltes und namentlich in Sachfen, der Oberlaufig und Schleſien begütertes 
Aveldgefchleht, aus dem wir anführen: Emil von, geboren zu Treben im 
Herzogthum Sachjen- Altenburg 1783, wurde 1804 bei der ſächfiſchen Geſandt⸗ 
ſchaft am deutichen Reichstage angeftellt; 1807 erhielt er den fächfifchen Geſandt⸗ 
fhaftspoften in Stuttgart und 1812 zugleich den bei dem Großherzog von Frank⸗ 
furt. Vergeblich — 88— er Ende 1813 für bie Befreiung des Könige von 
Sachfen zu wirfen; er vermochte Richts, als einige finanzielle Vortheile ar den 
König zu erlangen; 1815 ward U. Gefandter am franzöftidhen Hofe und ſchloß 
1818 den Vertrag wegen Privatreflamationen an Frankreich ab; 1827 wurde er 
von Paris abberufen und zum Oberfammerherrn, ſpäter zum wirklichen Geheim⸗ 
rath ernannt, aber 1830 wieder Gefandter an, dem öfterreichifchen Hofe und flarb 
1841 zu Wien. — 2) U, Friedrich von, ein namhafter dramatifcher Dichter, 
geboren 1800 zu Goͤrlitz, ſtudirte zu Leipzig die Rechte, Fam als Landgerichtsaſſeſſor 
nad Trier u. fpäter nach Düffeldorf, wo er noch lebt, gegenwärtig fehr thätig für 
das Theater und die Akademie. Tieck und Immermann erkannten und förderten 
fein Talent. Seine Dramen zeichnen ſich aus durch gute Erfindung, hohe Phans 
tafie und fchöne, bisweilen zu Iyrifche Sprache; die Durchführung follte etwas 
gedrängter feyn. „Chryſoſtomus“ (1822), „Rom und Spartafus“ und „Rom 
und Otto 11.” (1823), „Alerander und Darius“ (1827 mit einer Borrede von 
Tied), „Das Ehrenfchwert” (1828), Roſamunde (1833), „Die Bubylonter in 
Jeruſalem“ (1836). Außerdem: „Blide in das Düffeldorfer Kunft- und Künſt⸗ 
lerleben” (1839 — 1841) u. f. w. 

Uferbau heißt jever, an u. mit einem Ufer vorgenommene Bau, deflen Zwed 
ein dreifucher tft, entweder: durch Wegräumung der, durch die Befchaffenbeit des Uferd 
entftandenen Hinverniffe einen Fluß ſchiffbar zu machen, oder das anftoßende Land 
gegen Ueberfchwemmungen, oder endlich das Ufer gegen den Abbruch des Waſſers 
zu f[hügen. Im erften Balle ftehen die U.ten meift in Sprengung der, von dem 
Ufer vorfpringenden Zelfen, in Hinwegräumung der Sandbänfe und in Eineng⸗ 
ung und Tieferlegung des Flußbeetes; im zweiten Balle in Anlegung von 
Deichen (f. d.) und im dritten Falle fucht man der Abfchälung des Ufers vor; 
zubeugen durch Anhägerung, Schlidfinger, Bekleiden durch Bollmerfe und Futter⸗ 
mauern ıc. Bel U.ten mus man auch darauf Rüdficht nehmen, durch weldye Art 
der Bewegung das Wafler dem Ufer Abbruch thut. Diefe Bewegung kann 
äftuarifch oder wellenförmig feyn, wo fie den Namen Rollung, Wals- 
lung, abbelung, Stampfen over Brandung befommt und durch 
Steigen und Fallen der Wafferoberfläche durch bie Eur und durch flürmifche 
Winde bewirkt wird. Hierdurch wird das Ufer nur auf der Oberfläche anges 
griffen, alfo Abfchälung oder Uferabbruch im engern Sinne bewirkt. ie 


⸗ ” 


Ugarte — Uhland. 329 


andere Bewegung des Waſſers iſt die progreſſiviſche oder Arömende: burdh 
diedelde wird das Ufer in der Tiefe beichädigt, alfo Grundbruch over Strom⸗ 
abbrud, bewirkt. Oft finden beide Beichäpigungsarten eines Ufers zugleich 
Statt. Dem Grundbiuch kann man dadurdy abhelfen, daß man das in ben Fluß 
hinmntergehende Stud Ufer durchſticht, alfo den Fluß rectificirt und der Strombahn 
eine andere Richtung gibt. 

Ugarte y Larrizgabal, Don Antonto, ein ſpaniſcher Staatdmann, der 
Abfommling eines alten navarrefiichen Geſchlechtes, wurde 1817 von dem ruſſiſchen 
Geſandten am Hofe zu Madrid, Bailli Tatiticyeff, dem Könige von Spanien 
empfeblen und ftieg von da an immer höher in deſſen Gunſt. Beſonders wurde 
er mit mehren wichtigen Aufträgen betraut, die der Monard) vor den Augen der 
Minifter geheim gehalten wiffen wollte. Er handelte fortwährend im Innigften 
Einverftändniffe mit dem ruffigen Gefandten und betrieb unter anderen vorzügs 
lich den Unkauf der ruſſiſchen Schiffe, die zur Veberfahrt der fpantfchen Truppen 
nach Amerifa befiimmt waren. Allein ungeachtet der Bunft, in der er bei Fer⸗ 
dinand VI. fand, wurde er dennoch kurz vor dem Ausbruche der Revolution 
von 1820, befonders durch den Einfluß des Minifters, Herzogs von San Fernando, 

‚rad Gegovia verwiefen, kehrte jedoch nad) der Munahme der Conſtitution von 

.Seiten des Königs zugleich mit diefem nah Madrid zurüd, ohne aber feinen 

„v frühen Ginfluß fogleidy wieder gewinnen zu lönnen. Indeß leitete er die geheime 

-» Someipondenz Ferdinands VI. mit dem Kaifer von Rußland und anderen 

2  Fürken und wirkte fehr thädg zur Drganıfation der erften royaliftifchen Inſur⸗ 
utıion (1822). Nach der Wiederherftelung der Föniglidyen Macht (1823) nahm 
fen Einfluß täglich mehr zu u. er veranlaßte den Sturz des Miniſteriums Bictor 
Cay. 18524 wurde er zum Sekretär des Minifteriumd und zum Staatörarhe 
nit vem Range eines Minifters ernannt, letiete aber in der That ala Ehef dus 
Kinikterlum, in weldyem er das rufftiche Intereffe begünftigte, bewirkte den Eturz 
des bald Darauf zufammengetretenen Minifteriums Ofalia und brachte Zea-Bermu- 
dej an die Epige der Regierung. Da jedody U. bald einſah, daß er ſich durch 
ve Wahl Zea's um die Gunft der Abfolutiften gebradyt hatte, ſchloß er fih an 
deſſen vorzũglichſften Gegner, Galomarde, an, um ihn zu ftürzen; alleın Zea, dies 
bemerkend, brachte es dahin, daß der König am 17. März 1825 feinen bisherigen 

Yünfkling zum Gefandten in Turin ernannte, um ihn aus Spanten zu entfernen 
md, als er den Geſandtſchafispoſten ablehnte, gab ihm Zen zu erfennen, daß er 
kann wenigſtens Madrid verlaffen und ſich nach Toledo begeben müfle Er ging 
daher nach Turin ab und wurde zwar 1827 wieder zurüdgerufen, mußte jebod) 
Anfangs in Vittoria und fpäter in Burgos verweilen und erhielt, ald er im Mai 
1829 ım Begriff war, fi nah Madrid zu begeben, den Befehl, ſich 15 Meilen 
don der Huuptitadt und den königlichen Luftichlöffern entfernt zu halten. Er 
begab ſich Daher nach Buitrago und hierauf nad) Guadalaxara. Endlich bewirkte 
der Miniſter Balomarde im Juni 1830 feine Zurüdberufung nad) Madrid, wo 
er jedoch noch in demfelben Jahre ftarb. 

Ugolino, ſ. Gherardesca. 

Uhland, Johann Ludwig (pseud. Volker, der Recenſen Spindelmannm), 
geboren 26. April 1787 zu Tübingen, ſtudirte daſelbſt von 1805— 1808 Juris⸗ 
prudenz, machte dann eine literarifche Reife nach Paris u. trat 1811 als Advokat 
in Tübingen, 1812 als folcher in Stuttgart auf. Als der König Friedrich 
von Württemberg 1815 die Stände berief, nahm fich U. der projektirten Conftis 
tution fehr an, ward 1819 von dem DOberamte Tübingen, 1820 von der Stadt 
Tübingen zum Ständemitgliede u. fpäter in vem Ausichuß gewählt. Im Sahre 
1830 ward er Profeffor der deutfhen Sprache und Literatur in Tübingen, legte 
aber dieſe Stelle fpäter freiwillig nieder, lebte als Privatmann und ift gegenwärtig 
Mitglied der Nationalverfammlung in Frankfurt a. M. Aecht lyriſcher und dras 
*8 Dichter, Redner u. Literärhiftorifer, vertieft er ſich mit Vorliebe in Die 
Natur und in die deutſche Vorzeit, fingt mit deutfcher Treue und deutidyer Roi 


TERN BEN 


AR 


330 Uhlich — Uhren. 
und iſt als Lyriker laͤngſt der Liebling des deutſchen Volkes. Ihm iſt es mehr, 
ald Anderen, gelungen, die antike Plaſtik mit der modernen Romantif zu verbinden. 
Ballade, Lied und Sonett find es befonders, die er hier mit Glüd bearbeitet. 
Seine Sprache iſt gebilvet, mit etwas alterthümlichem Anftrich ausgeftattet, was 
feinen Bulladen einen hohen Netz verleiht. Als Dramatiker lieferte er zwei bis 
ſtoriſche Schaufpiele: „Ludwig der Bayer“ und „Ernft, erzo von Schwaben“. 
iftorifche Treue, Einfachheit und poetifche Haltung weifen dem leßtgenannten 
einen ehrenvollen Platz in unferer dramatifchen Literatur an. Groß find die 
Verdienſte, die fih U. als Literaturhiftorifer in der Schrift „Ueber nordfranzöftfche 
vefte”, in der Abhandlung über „Walther von der Vogelweide“ (1822) und 
ber den „Mythus von Thor“ (1836) erworben hat; bejonderd aber verpienen 
feine „Alte hoch⸗ und niederbeutfche Volkslieder" (1844) den Dank eines jeden 
Freundes unferer vaterländifchen Poeſte. Möge der Dichter und bald mit ber 
längft erwarteten Gefchichte des deutfchen Volksliedes befchenten! Bon feinen 
Gedichten erfchten die 1. Ausgabe 1815, die 13. Ausgabe 1843. „Herzog Ernſt“ 
erfchien zuerſt in Heidelberg 1818, „Ludwig der Bayer” zu Berlin 1819, beide 
zufammen in einer neuen Ausgabe, 1846. x. 
Uhlich, Gottfried a. S. Elifabetha, Piariſt, Profeſſor der Numisſsma⸗ 
tik und Diplomatik an der Hochſchule zu Lemberg, geboren zu St. Pölten 1743, 
begann daſelbſt feine Studien trat in den Orden der frommen Schulen und 
wurde nach vollendeten Studien, Lehrer der Untverlafgefchlihte und des deutſchen 
Styles am Lowenburg'ſchen Convikte in Wien, beſchaͤftigte ſich nebenbei auch 
viel mit Schriftſtelleret, beſonders im Fache der Geſchichte. 1785 erhielt er 
obengenannte Profeffur zu Lemberg, wo er auch den 13. Jänner 1794 flarb. 
Im Drude erfchlenen von ihm: Äbriß der Univerfalhiftorie, Wien 1778; Ges 
Kae des bayerifchen Erbfoigefrieges, Prag 1779; die hiftorifchen Hulfswiſſen⸗ 
aften, Anhang zur Univerfalbiftorie, Wien 1780; Leben Maria Therefta’s, 
ag 1782; die zweite Belagerung Wien's durch die Türken, Wien 1784; 
Praelectiones diplomaticae, Zemberg 1785; Praelectiones numismaticae, ebendaſ. 
1785; die Belagerung Belgrad's, von der Entftehung diefer Feſtung bis auf 
unfere Zeiten, Leipzig 1791. 
Uhren nennt man im Allgemeinen alle diejenigen Werkzeuge, mit denen bie 
Zeit in gewiſſe Abſchnitte getheilt und der Verlauf verfelden gemeflen wird. Es 
ehören daher In diefem weiteren Sinne auch die verfchledenen Sonnen⸗U., die 
and⸗U. und die früher gebräuchlichen Waffer-U. dazu, während man tn 
einer engeren Bedeutung befonber die Räder-U. darunter verfteht. Diefe find 
fünftliche Mafchinen, ın denen entweder die Schwere von Gewichten, oder bie 
Kraft einer Epiralfeder eine Bewegung hervorbringt, welche durdy mehre, mit 
einander verbundene, Räder fortgepflanzt und durch eine eigene Vorrichtung, bie 
Hemmung, tegulirt wird, fo daß das letzte Rad, auf deflen Zapfen ein Buiger 
befeftige iſt, ſich möglichft genau in einem gewiſſen Zeitraume einmal um ſich 
feld dreht und der Sagen auf einem Zıfferblatte die verfloffene Zeit angıbt. 
Mun theilt demnach die U. hauptfählih in Gewichts⸗U. und in Feder⸗U.; 
zu den erften gehören die Thurm-U. oder Groß-U., deren Raͤderwerk meift 
von Eiſen ift und die von den Großuhrmachern in der Regel auf Beflellung ges 
fertigt werden u. daher feinen Handelsartifel bilden; ferner verfchtedene Wand 
U.; zu den lebteren gehören die Stug-ll., Gemälde-U., Taſchen⸗U. x. 
Wenn mit der Hemmung ein Perpendifel oder Pendel verbunden if, durch deſſen 
Immer gleichmäßigen Schwingungen der regelmäßige Gang der Uhr hervorgebracht 
wird, fo nennt man die Uhr eine Bendeluhr und dazu gehören die Groß⸗U., 
die Wand-U. und die Stutz⸗U., wogegen namentlich bei ven Tafcken» u. anderen 
Heinen U. die Hemmung durch die Spiralfeder regulirt wird. Da ver richtige 
und gleichmäßige Gang einer Uhr hauptiächlich durdy die Hemmung hervorge⸗ 
bracht wird, jo hat man in neuerer Zeit mehre, fehr finnreiche, verbefierte Ein- 
richtungen berjelben erfunden, von denen hauptfächlich- die Cylinder- und die 


Uhren, 331 


Anterhemmung zu bemerken ift, welche beſonders an Taſchen⸗U. angebracht wer- 
den, und Diefe werden dann Eylinders oder Anker⸗U. genannt. Beide Arten 
gehen genauer, als die gewöhnlichen mit Steigraphemmung und haben außerdem 
noch den Borzug, daß fie viel fladher und zum Tragen viel bequemer find als 
jene. Ramentlidy die Cylinder⸗U. find daher fehr häufig im Gebrauch, obgleich 
He bedeutend theurer find, als vie gewöhnlichen Tafchen-U. Die größeren U, 
eben meift durch den Schlag eined Hammerd auf eine Slode, oder auf eine 

tahlfeder bie ganzen und halben Stunvden, zuweilen auch bie Viertelſtunden an 
and heißen dann Schlag-U. Auch die Taſchen⸗U. ſchlagen zuwellen, doch 
mei nur, wenn fle repetiren, db. b. wenn fie, nachdem man auf eine Feder ges 
vrüdt bat, die vergangene Stunde und die Bierteiftunde durch Schläge eines 
mmerchend an eine Stahlfever oder an eine Glode angeben. Man nennt 
oiche U. Repetir-U.; das Werf verfelben {ft fehr complicirt und daher ehr 
leicht Reparaturen unterwerfen. Auch die Stutz⸗ u. die Wand⸗U. haben zuweilen 
ein Reptitimerf, welches gen oͤhnlich durch eine, aus dem Uhrgehäufe hervorragende, 
Schnur in Bewegung geſezt wird. Zuweilen if mit dem Räderwerle größerer 
U. eine mechanıfche Vorrichtung in Verbindung gefebt, welche alle Stunden over 
halbe Stunden eın Muſikſtück fpielt, indem fle eine ſich drehende Walze enthalten, 
auf deren Oberfläcdye Kleine Stifte eingelchlagen find, welche entweder Hämmer 
tn Sewegung fegen, die auf Stahlftäbchen fchlagen, over Pfeifen dffnen, in 
weiche Wind eingeblafen wird, fo daß auf beide Arten regelmäßige, eine Melos 
die bildende, Töne hervorgebracht werden. Man nennt foiche U. Spiel» oder 
Muſik⸗U. und die mit Pfeifen auch Klöten-U. Auch hat man Tafchen U. 
mit Muſik, in denen gewöhnlicdy die Stifichen ver Walze unmittelbar auf Fleine 
Stahlfedern drüden u. durch das Rosfchnellen derfelben die Töne bervorbringen. 
Die meißen U. zeigen Stunden und Minuten an, indem fie zwei Zeiger, einen 
Stunden» u. einen Minuten- Zeiger haben, man nennt diefe U. Minuten: U; Se- 
kunden⸗U. aber find ſolche, weldye noch einen dritten Zeiger haben, der in 
einer Minute umläuft, in jeder Sekunde aber um den 6Often Thell des Umkreiſes 
fortfpringt. Die, zu aflronomifcyen Beobachtungen beftimmten, U. haben zuweilen 
aud) einen Zeiger, der in einer Sekunde einmal umläuft und deſſen Bewegung 
über den 60Oſten Theil der Peripherie, alfo eine Tertie, angibt. Ste beißen 
Tertien-U. und haben gewöhnlich eine Vorrichtung, durch welche man, indem 
man auf einen Stift vrüdt, den Lauf des Tertienzeigers augentlicuch hemmen 
und dann fehen kann, wieviel Tertien er zurückgelegt hat. Datum⸗U. haben 
auf tem Zifferblatte einen, in 31 Theile getheilten, Kreis und einen Zeiger, der 
jedesmal um Mitternacht um einen foldhen Theil fortrüdt und fo den Monatstag 
anzeigt. In den Monaten, weldye weniger ass 31 Tage haben, muß man am 
Abende des letzten Tages den Datumzeiger um cin Theil (im Febr. um 3 oder 
2 Theile) fortrüden. Auch werden zuweilen 11. verfertiget, welche den Monat, 
den Mondswechſel ıc. anzeigen. Jede Uhr muß nach einer gewifien Zeit aufges 
zogen werden, d. h. bei einer Federuhr muß die Feder, wenn fie fi) abgefpannt 
bat, durch Umdrehung des Fedeiſtiftes wieder angeipannt und bei einer Gewichts⸗ 
uhr das Gewicht, wenn die Echnur deſſelben abgelaufen, oder wenn es bis auf 
den Zußboden gekommen iſt, wieder aufgewunden werden. — Die Erfindung der 
Eand= und Wafler-U. fällt fchon in eine undenklich frühe Zeit, jedoch gab es 
auch ſchon feit dem 6. chriftlichen Jahrhunderte Räder⸗U.; dieſelben wurden aber 
meiſt durch Waſſerkraft in Bewegung gefegt. Schon 760 ſchickte Papſt Paul I. 
dem König Pipin ein Räderuhrwert. 807 fchenkte der Kalif Haroun⸗el⸗Raſchid 
tem Kaifer, Karl dem Großen, ein Uhrwerk mit beweglichen Figuren, das auch 
die Stundenzahl durch Herabfallen eherner Kügelchen anzeigte. Die Erfindung 
der Uhr mit Rädern und Gewichten wird einem Archiviafonus Bacificus tn 
Berona, der 846 ftarb, zugefchrieben, oder auch dem Franzoſen Gerbert, ver als 
Bapft Eyivefter I. 1003 farb. Trotzdem iſt die Eıfindung der Rävers und 
Gewichtuhr ungewiß, Im 14. Iahrhundert war der Abt Winelm m Hitdygen 








832 Uhren. 


wegen eines Uhrwerks berühmt, das den Lauf der Geſtirne anzeigte. 1232 er 
bielt der Kaifer, Friedrich II, von dem Agypiifchen Sultan eine kuͤnſtliche Uhr 
mit Räderwerk und einer Borftellung des Laufes der Geſtirne. Solche Räver-U, 
gab ed in Stalien ſchon im 13. Jahrhunderte und namentlih auf Kirdythürmen, 
welche Stunden fchlugen. 1344 wurde eine Uhr am Thurme des Palafted zu 
Papua angebracht, die der Arzt Giovanni Dondi gemacht hatte. Diefelbe zeigte 
die Stunden, den jährlichen Kauf der Sonne, der zwölf Himmelszeichen und den 
Lauf der Planeten. In England wurde fchon im 13. Jahrhunderte das Glocken⸗ 
haus bei Weftmünfterhall in London mit einer Schlaguhr verfehen. Die erfle 
Raderuhr verfertigte in England 1326 der Abt Richard Walingfort zu St 
Alban. In Gourtray in Frankreich gab es ſchon um 1332 eine Gewicht⸗ und 

lagubr. Bologna befam feine erfte Uhr 1356, Breslau 1363 durch Meifter 
Scwelbelin, Straßburg 1370, Augsburg 1398. In Parts baute 1370 auf dem 
Thurme des Palais der deutfche Künftler, Heinridy von Wil, den Karl V. auf 
feine Koften dorthin kommen ließ, eine vorzügliche Räpderuhr. Die erfte Uhr in 
Spanien war die auf der Kathedrale zu Sevilla 1400, die erfte in Bavia 1402, 
in Nürnberg 1462, in Venedig 1493. Im I. 1484 braudyte Walther eine gut 
regulirte Uhr zu aftronomifchen Beobachtungen am Merkur. Tycho Brahe hatte 
3 folder U., die Minuten und Sekunden zeigten. Purbach brauchte 1500 in 
Wien Räver-U. mit Minuten und Sekunden zu aftronomifcyen Beobachtungen, 
Die Erfindung der Tafchen- oder Sad-U., die man ihrer Form wegen 
Rürnberger Eter nannte, welde in Nürnberg von Peter Hele (farb 1540) 
erfunden find, gefchah bald nady 1500; nicht erft 100 Jahre fpäter durch ven 
Straßburger Marhematifer Iſaak Habrecht. Settvem wurden in Nürnberg U. 
verfertigt,, und namentlich waren bier die beiden Kunftfchlofler Andreas Heinlein 
und Caſpar Werner zu gleicher Zeit, (die beive um 1545 flarben) wegen ihrer 
Heinen lihrwerfe, berühmt. Gallilei benugte 1649 das Pendel zuerft zur Regu- 
lirung ded Ganges einer Uhr; Huygens fcheint 1676 die Unruhe in den Taſchen⸗ 
U. angegeben zu haben und in demfelben Jahre wurde von Barlow die erfle 
Repetiruhr gebaut. Graham befeitigte 1715 durch den Compenſaiions⸗Pendel, 
weicher durch den Einfluß der Wärme nicht ausgedehnt wird, die Haupturfadye 
des unregelmäßigen Ganges der Pendel-U. In der neueren Zeit find mannig⸗ 
fache VBerbefferungen in den verfdyiedenen Uhrwerken angebradht worden, um 
diefelben gegen den wechſelnden Einfluß der Wärme und Kälte unempfindlicher 
zu machen, weil dadurch der genaue Gang leidet. Facio ließ zuerft die Axen 
der Räder in Steinen laufen. Die erfteren flachen Taſchen⸗U. baute der Uhr⸗ 
macher Lepine in Frankreich, indem er in dem Raͤderwerk bedeutende Veränder⸗ 
ungen vornahm. Seitdem nennt man in Frankreich ıc. die flachen U. montres 
a la Lepine. Das fogenannte Echappement duplex baute zuerft Pierre Leroy. 
Der Erfinder des Echappement libre à detente ift Julien Leroy; die Ehre der 
Erfindung macht ihm zwar Ferdinand Berihoud ftreitig, jedoch hat diefer dieſen 
Mechanismus nur vervollfommnet und verbreitet. Die Uhrmacherkunſt bat fos 
wohl für die Induftrie, als auch für den Handel eine fehr große Bedeutung und 
{ft der Wiffenfchaft in verfchtedenen Beziehungen ebenfo, wie dem gewöhnlichen 
bürgerlichen Leben, unentbehrlich geworden. Sie wird jegt meiſt im Großen 
fabrifmäßig betrieben. In früherer Zeit war der Betrieb der Uhrmacherei in 
Frantreich beträchtlich, aber durch die Aufhebung des Edicts von Nanıed wurs 
den die thätigften Bewohner aus Frankreich vertrieben. Sie liegen fidy in der 
Schweiz nieder, wo jet Die Uhrmacherfunft in ihrem ganzen Umfange, nebft der 
Fabrikation der Ubrmacherwerkzeuge, in dem Canton Neuenburg (Reufchatel) zu 
Locle, Chaux⸗des⸗Fonds ıc. und in Genf blüht. Die Fabrıfen liefern, außer 
volftändigen Taſchen⸗A. in Gold» oder Silbergehäufen, die einzelnen Stüde des 
fogenannten Gehwerkes, Dofen, Ringe, Uhrſchlüſſel, Petſchafte ıc. mit Spiels 
werfen und Uhrmacher-Werkzeugen. Stug-U. werden feit Juhren nicht mehr in 
der Schweiz gemacht. In Frankreich wird in Parts nicht fowohl die Uhr⸗ 


Ukas — Ukraine, 333 


rei, als vielmehr nur U.» Handel mit adjuftirten Schweizer Tafchens und 
el-U, betrieben ; dagegen liefern Befancon, Berfailles, Beaucourt, Melun ıc. 
Were. Den Borzug, vorzüglihe Ehronometer (f. d.) zu liefern, ven 
ikreich behauptete, beftreiten mit Erfolg Englands Künftler. Die Schweizer 
sacherei liefert fowohl fehr feine, als gewöhnliche Uhrwerke, vie durch die 
' Welt verbreitet werden. Die in England gearbeiteten Uhrwerke zeichnen ſich 
Fehr genaue und folive Arbeit aus, haben aber auch einen verhätmißmäßig 
yöhren Preis. Sie werden nach Amerika und dem Orient ausgeführt. In 
reich wird in Wien die Fabrikation der Stug= U. betrieben. In Deutfchs 
ift, beſonders im baden'ſchen Schwuarzwalde, die Wand-U.:Fabrifuton feit 
Ende des 17. Jahrhunderts heimtih. Durch die Verfuche des Schreiners 
u. des einfachen Landmannes Kreuz tft fie zuerft bier befannt geworben. Selt- 
debnte fie fi) immer mehr aus u. e8 werden verfchiedene Kunſtwerke gebaut; 
1g-U., GSpiel-U. mit Glöckchen und Pfeifen, fogenannte aſtronomiſche U., 
k⸗U. ꝛc. Das Räderwerk beftand früher aus Holz, tft jetzt aber meiſt aus 
MI gearbeitet. Die Schwarzwälder U.sHändler verbreiteten fidy beinahe über 
anıe Erde und fuhren ihrer Heimath Verdienft zu. In Sachſen iſt die 
DU. -Kabrifation zu Carlsfeld, im Obererzgebirge, im 3. 1829 eingeführt und 
durch eine Aktiengefellichaft betrieben. 
Ukas nennt man in Rußland 1) Befehle oder Borfchriften, infofern 
ſolche nicht auf Willkühr, fondern auf Grundfäge beziehen (daher nauka, die 
enfchaft); 2) eine fpezielle Anordnung, oder ein Geſetz, welches un⸗ 
Ibar vom Katfer ausgegangen if. 
Ukermark heißt der nördlichfte Theil der Mark Brandenburg (f. d.) am 
a Ufer der Oder, der ſüdlich an die Mittelmark, weſtlich an diefe und an 
{enburg-Strelig und öftliy und nörplich an die Reumark und an Bommeln 
st. Sie zählt etwa 100,000 Einwohner auf 67 [) Meilen und bilver jegt 
ı Shell des Regierungsbezirks Potsdam u. zwar die Kreife Prenzlau, Temp⸗ 
ınd Angermünde; ihren Namen hat fie entweder von dem Flüßchen Ufer, oder 
dem alten wendtichen Volksſtamme der Ukern. — Zu Anfang des 15. Jahr⸗ 
erts gehörte die U. nur ihrem größern Theile nach zur Mark, bis 1472 
uͤrſt Albredyt Achilles durch den Kriedensvertrag mit Erich IL, Herzog von 
mern, auch die, bis dahin von den Pommern behaupteten, norböftlichen 
[e derfelben erhielt. 
Ukert, Friedrich Auguft, ein verdienter deutfcher Geograph und Hiſtori⸗ 
zeboren zu Eutin 1780, ftudirte feit 1800 zu Halle, wurde 1804 Haußlehrer 
yanzig, 1807 Erzieher der Söhne Schillers, folgte aber ſchon im Jahre dars 
einem Rufe als Profeffor an das Oymnafium zu Gotha und wurde bald 
ıf Hofrath und Oberbibliothefar der herzoglichen Bibliothek daſelbſt. Man 
von ihm: Handbuch der Geographie der Griechen und Römer, Weimar 
—46, 3 Bde; Ervbefchreibung von Afrika (in Haflel’8 u. Gaspari’d, Hand- 
der Erbbeichreidung, 21 und 22 Bde.), ebend. 1824 ff.; Gemälde von 
henland, Königeberg 1811, neue Auflage, Darmftadt 18335 Italien, Chre⸗ 
tbte, Gotha 1823. In Verbindung mit Heeren (f. d.) und nad deſſen 
allein gab er feit 1820 die Gefchichte der europäifchen Staaten, Hambur 
erthes heraus, fomie mit Jacobs die Beiträge zur Altern Literatur oder Merk⸗ 
igfeiten der herzoglichen Bibliothek zu Gorha, Leipzig 1835-38, 3 DBpe. 
ürraine (nit Ulräne). Den, eigentlich nur noch hiftorifchen Namen U. 
ızland) führen zwei lange, fchmale, von Koſaken bewohnte Streifen Landes, 
rdöftlichen und fünweftlichen Theile Kleinrußlande (f. d.), links und 
vom Dniever. Wie die Mogkowiter gegen die Polen und Tataren die 
kleinruſſiſchen Krieger (Kaſaki) an ihren Gränzen anfiedelten, eben fo mach» 
die Bolen an ihrer Gränze gegen die Türfen und Tataren und es ent⸗ 
auch bei ihnen die Benennung U., die dann im Gegenfage jener großrufs 
wohl die Bezeichnung „polnifhe" erhielt. Die yoiichen helnen 


832 Uhren. 


wegen eines Uhrwerks berühmt, das den Lauf ber Geſtirne anzeigte. 1232 ers 
hielt der Kater, Friedrich II, von dem ägyptiſchen Sultan eine kuͤnſtliche Uhr 
mit Räderwerk und einer Borftelung des Laufes der Geſtirne. Solche Räver-U, 
gab es in Stalien fchon im 13. Sahrhunderte und namentlich auf Kirchthürmen, 
weldye Stunden fdhlugen. 1344 wurde eine Uhr am Thurme ded Palaſtes zu 
Padua angebracht, die der Arzt Slovanni Dondi gemacht hatte. Diefelbe zeigte 
die Stunden, den jährlichen Lauf der Sonne, der zwölf Himmelszeidyen und den 
Lauf der Planeten. In England wurde ſchon im 13. Jahrhunderte das Glocken⸗ 
haus bei Weftmünfterball in London mit einer Schlagubr verfeben. Die erfte 
Räverubr verfertigte in England 1326 der Abt Richard Walingfort zu St. 
Alban. In Gourtray in Frankreich gab ed fchon um 1332 eine Gewicht⸗ und 

laguhr. Bologna befam feine erfte Uhr 1356, Bresluu 1368 durch Meifter 
Schwelbelin, Straßburg 1370, Augsburg 1398. In Paris baute 1370 auf dem 
Thurme ded Palatd der deutſche Künftler, Heinridy von Wil, den Karl V. auf 
feine Koften dorthin kommen ließ, eine vorzüglicye Räderuhr. Die erfte Uhr in 
Spanien war die auf der Kathedrale zu Sevilla 1400, die erfle in Pavia 1402, 
in Rürnberg 1462, in Venedig 1493. Im I. 1484 brauchte Walther eine gut 
regulirte Uhr zu aſtronomiſchen Beobachtungen am Merfur. Tyco Brahe hatte 
3 folder U., vie Minuten und Sekunden zeigten. Purbach brauchte 1500 In 
Wien Rävder-U. mit Minuten und Sekunden zu aftronomifchen Beobadytungen, 
Die Erfindung der Tafchen- oder Sad-U., die man ihrer Form wegen 
Rürnberger Eier nannte, welde in Nürnberg von Peter Hele (ſtarb 1540) 
erfunden find, geſchah bald nach 1500; nicht erft 100 Jahre fpäter durch ven 
Straßburger Marhematiter Iſaak Habrecht. Seitdem wurden in Nürnberg U. 
verfertigt, und namentlich waren hier die beiden Kunftfchloffer Andreas Heinlein 
und Caſpar Werner zu gleicher Zeit, (die beive um 1545 flarben) wegen ihrer 
Heinen Uhrwerke, berühmt. Galilei benugte 1649 das Pendel zuerft zur Regu- 
lirung ded Ganges einer Uhr; Huygens fcheint 1676 die Unruhe in den Taſchen⸗ 
U. angegeben zu haben und in demfelben Jahre wurde von Barlow die erfle 
Repetitruhr gebaut. Graham befeitigte 1715 durch den Oompenjatione »"Benoet, 
weldyer durdy den Einfluß der Wärme nicht ausgedehnt wird, die ae 
des unregelmäßigen Ganges der Pendel-U. In der neueren Zeit find mannig- 
fache Veibeſſerungen in den verfchiedenen Uhrwerken angebradyt worden, um 
diefelben gegen den wechfelnden Einfluß der Wärme und Kälte unempfindlidyer 
zu machen, weil dadurdy der genaue Gang leidet. Facio ließ zuerft die Axen 
der Räder in Steinen laufen. Die erfleren flachen Taſchen⸗U. baute der Uyr⸗ 
madher Lepine in Frankreich, indem er in dem Raͤderwerk bedeutende Veränder⸗ 
ungen vornahm. Seitdem nennt man in Frankreich ıc. die fladyen U. montres 
a la Lepine. Das fogenannte Echappement duplex baute zuerft Pierre Leroy. 
Der Eıfnder des Echappement libre à detente ift Julien Leroy; die Ehre ver 
Erfindung macht ihm zwar Ferdinand Berihoud ftreitig, jedody hat dieſer dieſen 
Mechanismus nur vervolfommnet und verbreitet. Die Uhrmacherkunſt hat fos 
wohl für die Induftrie, als auch für den Handel eine fehr große Bedeutung und 
iſt der Wiffenfchaft in verfchiedenen Beziehungen ebenfo, wie dem gewöhnlichen 
bürgerlichen Leben, unentbehrlich geworden. Sie wird jegt meift im Großen 
fabrifmäßig betrieben. In früherer Zeit war der Betrieb der Uhrmacherei in 
Srantreich beträchtlich, aber durch die Aufhebung des Epictd von Nantes wurs 
den die thätigften Bewohner aus Frankreich vertrieben. Sie ließen fich in ver 
Schweiz nieder, wo jegt die Uhrmacherfunft in ihrem ganzen Umfange, nebft der 
Fubrifation der Uhrmacherwerkzeuge, in dem Canton Neuenburg (Neufchatel) zu 
Locle, Chaur: des: Bonds ıc. und in Genf blüht. Die Babrıfen liefern, außer 
volftändigen Taſchen⸗U. in Gold = oder Silbergehäufen, die einzelnen Stücke des 
fogenannten Gehwerkes, Dofen, Ringe, Uhrſchlüſſel, ‘Berfchafte ıc. mit Spiels 
werfen und Lhrmacher- Werkzeugen. Stug-ll. werden feit Jahren nicht mebr in 
der Schweiz gemacht. In Franfreid wird in Paris nicht fowohl Die Uhr 


Ukas — Ukraine. 333 


macherei, als vielmehr nur U.⸗Handel mit adjuſtirten Schweizer Taſchen⸗ und 
Pendel⸗ U. betrieben; dagegen liefern Beſançon, Verſailles, Beaucourt, Melun ıc. 
gute Werke. Den Borzug, vorzügliche Chronometer (ſ. d.) zu liefern, ben 
Frankreich behauptete, befreiten mit Erfolg Englands Künftler. Die Schweiger 
Uhrmacherei liefert fowohl fehr feine, als gewöhnliche Uhrwerke, die durch die 
ganze Welt verbreitet werden. Die in England gearbeiteten Uhrwerke zeichnen fich 
durch fehr genaue und folive Arbeit aus, haben aber auch einen verhaͤltnißmaͤßig 
viel hoͤhren Preis. Sie werden nach Amerika und dem Orient ausgeführt. In 
Defterreidy wird in Wien die Kabrifation der Stug= U. betrieben. In Deutfchs 
land iſt, beſonders im baden'ſchen Schwarzwalde, die Wand-U.:Fabrikuton fett 
em Ende des 17. Jahrhunderts heimtih. Durch die Verfuche des Schreiners 
£enz u. des einfachen Landmannes Kreuz ift fie zuerft hier befannt geworben. Seit 
dem debnte fie fi) immer mehr aus u. es werben verfchiedene Kunſtwerke gebaut: 
Echlag⸗ U., Spiel⸗U. mit Gloͤckchen und Pfeifen, fogenannte aftronomifche U., 
Kufuf-U. 1. Das Räderwerk beftand früher aus Holz, iſt jetzt aber meiſt aus 
Metall gearbeitet. Die Schwarzwälder U.Handler verbreiteten fich beinahe über 
De ganze Erde und fuhren ihrer Heimath Verdienſt zu. In Sachſen iſt die 
Band⸗U.⸗Fabrikation zu Earlöfeld, im Obererzgebirge, im 3. 1829 eingeführt und 
wird durch eine Nftiengefellichaft betrieben. 

Was nennt man in Rußland 1) Befehle over Vorſchriften, infofern 
ch folche nicht auf Willkühr, fondern auf Grundfäge beziehen (daher nauka, die 
Wiſſenſchaft); 2) eine fpeztelle Anordnung, over ein Geſetz, weldyes un⸗ 
mittelbar vom Kalfer ausgegangen ift. 

Ukermark heißt der nördlichfte Theil der Mark Brandenburg (f. d.) am 
linken Ufer der Oper, ver ſüdlich an die Mittelmark, weſtlich an diefe und an 
Medienburg-Strelig und öftlidh und nördlih an die Reumarf und an Bommeln 
gränzt. Sie zählt etwa 100,000 Einwohner auf 67 D] Meilen und bildet jept 
einen Theil des Regierungsbezirks Potsdam u. zwar die Kreife Prenzlau, Temp» 
(in und Angermünde; ihren Ramen bat fie entweder von dem Flüßchen Ufer, oder 
von dem alten wendifchen Volfeftamme der Ukern. — Zu Anfang des 15. Jahr⸗ 
bunderts gehörte Die U. nur ihrem größern Theile nach zur Mark, bis 1472 
Kurfürk Albrecht Achilles durch den Krievensvertrag mit Erich IL, Herzog von 
Bommern, auch die, bis dahin von den Pommern behaupteten, norböftlichen 
Theile derfelben erhielt. 

Ukert, Friedrich Auguft, ein verbienter deutfcher Geograph und Hiſtori⸗ 
fer, geboren zu Eutin 1780, ftudirte feit 1800 zu Halle, wurde 1804 Haußlehrer 
in Danzig, 1807 Erzieher der Söhne Schillers, folgte aber fchon im Jahre dar 
auf einem Rufe als Profeffor an das Gymnafium zu Gotha und wurde bald 
darauf Hofrath und Oberbibliothefar der herzoglichen Bibliothek daſelbft. Man 
bat von ihm: Handbuch der Geographie der Griechen und Römer, Weimar 
181646, 3 Bde.; Erpbefchreibung von Afrika Cin Haflel’8 u. Gaspari's, Hands 
buch der Erdbeſchreibung, 21 und 22 Bpe.), ebend. 1824 ff.; Gemälde von 
Griechenland, Königeberg 1811, neue Auflage, Darmitadt 1333; Stalien, Chre⸗ 
Romatbie, Gotha 1823. In Berbindung mit Heeren (f. d.) und nad deſſen 
Tod allein gab er feit 1820 die Geſchichte der europäifhhen Staaten, Hambur 
bei Berihes heraus, ſowie mit Jacobs die Beiträge zur ältern Literatur oder Merf- 
wärdigfeiten der herzoglichen Bibliothek zu Gotha, Leipzig 1835—38, 3 Bpe. 

Ufraine (nit Ukräne). Den, eigentlih nur noch hiftorifchen Namen U. 
(Bränzland) führen zwei lange, ſchmale, von Kofafen bewohnte Streifen Landes, 
im nordöftlichen und fünmweftlichen Theile Kleinrußlands (f. d.), links und 
rechts vom Dnieper. Wie die Moskowiter gegen die Polen und Tataren die 
freien, kleinruſſiſchen Krieger (Kafaki) an ihren Gränzen anfiedelten, eben fo mach⸗ 
tim es die Polen an ihrer Gränze gegen die Zürfen und Tataren und es ent» 
Rand aug bei ihnen die Benennung U., die dann im Gegenſatze jener großruſ⸗ 
fichen wohl die Bezeichnung „polnifhe" eihielt. Die ywliigen beinen 


334 Ulanen — Ulema's. 


Ukrainen liegenden Länder des Pultawa'ſchen, Czernigow'ſchen und noͤrdlichen 
Kiew'ſchen Gouvernements wurden nie zu einer derſelben gerechnet und 
hießen immer vorzugsweiſe Maloroſſija (Kleinrußland). Die weſtlichen Geo⸗ 
graphen machten dann fuͤr ihre Bequemlichkeit aus allen dieſen polniſchen und 
großruſſiſchen Gränzländern, nebft dem übrigen Kerne Kleinrußlands, Ein Land, 
weldyes fie wilführlih U. hießen. Der Name der polnifchen U. ift mit dem 
polnifchen Etante verfhwunden u. auch der der ruffifhen U. wird von dem ges 
meinen Manne nicht mehr gebraucht, ſondern höchftens noch aus dem Munde 
des gebildeten Publikums gehört. Doch begreift dieſes darunter nur die Kreife 
jener ehemaligen koſaliſchen Gränzfloboden (Gränzorte) und unterfcheinet immer 
davon die Gouvernements Pultawa, Kiew und Czernigow. Officiell heißt bie 
roßruſſiſche U. jest das Gouvernement Charkow, fo daß es alio 3. B. keinen 
E atthalter der U., fondern nur von Charkow gibt. Die Hauptfladt der U., 
Charkow, iſt entichieven einer der wichtiaften und intereflanteften Orte des 
ruffifchen Reiches. Lauffen wir die Refidenzftänte Moskau und Peteroburg, ſowie 
die großen Hafenpläge Odeſſa und Riga aus dem Epiele, fo nimmt Charkow in 
jeder Hinficht einen der erften Plaͤtze in der erften Ranaclafie der ruffiichen ‘Pros 
vinztatftädte ein. Seine Einwohnerzahl (neueftend 34,000) ftellt e8 Kiew, Kurks, 
Tula, Nowgorod an die Seite; fein Handel ift lebhafter, als der von Kiew, feine 
Univerfität wetteifert mit Wilna und Kafan, feine Meffen und Jahrmärkte, mit 
denen von Afchnel Rowgorob und feine felne Geſellſchaft tft felbft vornchmer 
und größer, als die von Kafan und Kiew. Ein Koſak, Charkow, war es, ber 
vor etwa 260 Jahren am Zufammenfluffe des Lopan und der Charfowfa feine 
Ehate (Lehmhaus) baute, um welche fidy bald ein ganzes Dorf anflevelte. Der 
Motlauifhe Ezar Alexei Michailowitſch verlegte dann eines ſeiner Koſakenregi⸗ 
uienter hierher und dieß, fowie andere, den Handel des Ortes begünftigende Um; 
flände und endlich ihre Erhebung zur Hauptfladt eines Gouvernemenis (1780, 
zur Zeit Katharinens), machte die Kolonie fo beveutend, wie fie ſich uns jekt 
zeigt (|. Charkow). — Was die natürliche Beichaffenheit der mit dem Ramen 
U. bezeichneten Landſtriche anbelangt, fo haben fie einen fehr fruchtbaren Getreid⸗ 
boden und herrliche, mit zahllofen Rindvieh- und Schafheerden bevedte Wieſen. 
— 5%. ©. Kohl: Charkow und die Ukraine, Ausland 1839; Blaſius' Reife 
im europäffchen Rußland. mD. 

Ulanen, eine Gattung leichter Reiterel, die eigentlich tatarifchen Urfprunges 
ift, dann aber in Polen eingeführt und von den Königen zunähft zum befonvern 
Dienfte, 3. B. Escortiren, nachher auch im Kriege gebraudyt wurden. Ihre 
Hauptwaffe ift die Lanze. Die oben an derfelben befeftigte Fahne dient dazu, durch 
ihr Slattern die Pferde des Feindes fcheu zu machen. Wenn die Lanze gefchtdt 
geführt wird, iſt fie allerdings beim Angriffe und der Verfolgung von aroßer 

irkung. In der Folge wurden die U. bei dem öfterreichifchen und im flebens 
jährigen Kriege auch bei dem preußifchen Heere, in den neueflen Zelten aber bei 
den meiſten europäifchen Heeren errichtet. Doch fprechen alle Sachkundige den 
Polen den Preis der Geſchicklichkeit zu. 

Uleaborg, Haupiftadt des gleichnamigen Län, im ruſſiſchen Großfürftentbum 
Finnland, an der Mündung des Ulea in den bottnifchen Meerbufen, ift der Bes 
deutung nach die dritte Stadt des Landes und feit dem großen Brande von 1822 
regelmäßig und viel geräumiger, als früher, wieder erbaut. Die Stadt hat eine 
fhöne Kirche, ein Gymnaſtum, einen Hafen, Leuchtthurm, Schiffwerfte, eine 
befuchte Mineralquelle und über 5000 Einwohner, welche Schiffsbau, Lach6fang 
und einen bedeutenden Handel mit Theer, Pech, Holzfchnittwaaren, Fiſchen, 
Butter ıc., treiben. 

Ulema's, nennt man bei den Türfen die Claſſe der Rechtögelehrten, welche 
zugleich ald Geiftliche betrachtet werden, da das Recht oder bürgerliche Geſetz 
der Türken eben fowohl, als ihre Religion, von Muhamed berfommt und in ihrem 
Keligtonsbudye, dem Koran, auf den fi auch alle fpäteren geſetzlichen Bor- 


n 


Ulfilas — Ulloa. 335 


riften gründen, enthalten il. Das Oberhaupt der U. iſt der Mufti (f. d.). 
e oberfte Etele noch dieſem nimmt Tann der Kadileskier ein, deren es 
i gibt, einen in Europa, einen in Aflen und den dritten in Megypten. Sie 
ven Eid und Stimme im Divan; alle Kadi's oder Unterrichter in dem ihnen 
tergebenen Theile des Reichs ftehen unter ihnen und werben von ihnen anges 
re Die Etelle eines Kadilesliers babnt den Weg zu der Würde des Mufii; 
kann feiner die letere erlangen, wenn er nidyt vorher jene mit Ehre und 
fall befleidet hat. Die dritte Claſſe ver U. machen die Mollah's aus, 
, nad) der Größe des Gehaltes, vom erflen oder zweiten Range find und 
: SDberrichter in den einzelnen Pıovinzen vorftellen. Nach ihnen kommen die 
ıdi’8 cf. d.), oder Unterrichter, welche überall in erſter Inſtanz Recht 


echen. 

Uifilas, Biſchof der Wefgothen, geſtorben 388 im 70. Lebensjahre, ſtammte 
n hriftlichen Eitern, weldye aus Salagolıhina in Capadocien gebürtig waren. 
unterwies die Goihen 33 Jahre lang im chriflihen Glauben und überfepte 
: beit. rift *) ind Borhifche, wozu er, wie nicht unwahrfdheintich if, ein 
zenes, theils altgermanifches, theild dem griechifchen entiehntes Alfabet erfand. 
ieſes Werk blieb Jahrhunderte lang bei den Gothen im größten Anfehen und 
e Eprache desfelben wurde noch im 9. Jahrhunderte verftanden. Eeitvem gerieth 
gänzlich in Bergeflenheit und nur die Racdnichten griechiicher Kirchenhiftorifer 
zeugten, daß einft ein U. gelebt habe und eine von ihm verfaßte Ueberfegung 
t Bibel vorhanden gewefen fe. Am Ende des 16. Jahrhunderts verbreitete 
h durdy einen, in heſſiſchen Dienften flehenden, Geometer Arnold Mercator die 
ınfle Kunde von einer, in der Abtei Werden befindlichen, Handfchrift, die eine 
ralte deutfche Uebrrfigung der vier Evangelien enıhalte. In der Folge gelangte 
efe Handſchrift nach Prag, von wo fie nach Eroberung diefer Stabt durch den 
zrafen Königemark (1648) nad) Schweden gebracht wurde und noch heutzutage 
ı der Bibliothek von Upfala unter dem Namen des „Silbernen Eoder“ 
sodex argenteus) aufbewahrt wird. 1818 entdedten der jegige Cardinal Angelo 
Rat und der Graf Baftiglione in dem lombarbifchen Klofter Bobbio bie Ufche 
Ieberfegung der Briefe des Mpofteld Paulus. Bon der Ueberfegung des alıen 
‚eRamentes find nur wenige Zeilen erhalten worden. C. Pfaff. 

Ulloa, 1) Don Antonio di, Generalvirektor der fpanifchen Marine, ver 

lbfömmling einer edein Familie, geboren zu Sevilla 12. Januar 1716, widmete 
& früher dem Seedienfte und wurde fchon 1733 Kapitän einer königlichen Fre⸗ 
atte. Im folgenden Jahre erhielt er den Auftrag, der berühmten Gradmeſſun 
ı Bekimmung der Geftalt der Erdkugel in Südamerika beizuwohnen u«d bile 
ig 1744 in Quito. Nach feiner Ruͤckkehr machte er auf föniglichen Befehl eine 
wmeralififche Reife durch einen großen Theil von Europa und wendete feine ges 
mmelten Kenntniffe und Erfahrungen mit patriotiichem Eifer zum Bellen feines 
zaterlandes an. Unter anderen war er der vorzüglichfte Beförderer der Föniglichen 
Bofenmanufafturen, vollendete die großen Kanäle und Baſſins von Karthagena 
nd Ferrol, beliebte die berühmten Duedfilberminen von Almaden aufs Neue, 
ing 1759 in eben diefer Abficht nach Peru in die Duedfilderminen von Guan⸗ 
wellica und wurde von ba 1766 zum Bouverneur des an Spanien abgetretenen 
ouiſiana ernannt, blieb aber wegen erfolgter Unruhen nicht lange an bdiefer 
tele. Der König erhob ihn endlich zum Ritter und Gommandeur des St. 
agoordens, zum Generallieutenant der Föniglicyen Flotten und zum Generalvirefs 
x der ganzen an Marine, in weldyer Würde er den 5. Juli 1795 auf 
mem Landhaufe unweit Cadix ftarb. — U. war einer der berühmteften und vers 
enkvoliftien Männer feiner Nation im 18. Jahrhundert, der mit geprüfter Eins 


*) „Die Meberlieferung fagt, allein mit Ausnahme der vier Bücher der Könige, nm durch 
die darin enthaltenen Kriegsgeſchichten ben kriegeriſchen Sinn feines Volkes nit 1m 
eutflammen. Nilhnazr. 


336 Ulm. 


fiht alle8 Gute patriotifcy beförderte und ſich nicht allein um die Verbeſſerung 
der Marine und Manufakturen, fondern auch um die Ausbreitung der Wiſſen⸗ 
ſchaften in Epanien, fonderlich der mechaniſchen und phyfifaliichen, große Vers 
dienfte erwarb. Bon feinen eigenen gelehrten Kenntniffen und frinem tiefen Bes 
obachtungsgeifle zeugen vornämlich folgende Werke, die in der Länders u. Völ⸗ 
kerkunde ein Eraffifche® Anfehen behaupten: A la America meridional, Madr. 1748, 
2 Bde., 4. mir 47 Kpf.; deutſch im 9. Bde. der allgemeinen Hıft. der Reifen; 
befier franzöf., Amflervam 1752, 2Bde., 4., auch englifdy; Noticias Americanas 
sobre la America meridional y la septendrional oriental, Madr. 1772, 4.; 
deutfch von 3. A. Dieze, mit ZJufägen von J. G. Schneider, Leipizig 1781, 2 
Doe.; franzöfifh, mit Anmerkungen und Zufägen von Le Febure de Billebrune, 
Paris 1787, 2 Bde. 8. Defter bat man U. mit 2) Don Bernardo di Ulloa, 
einem feiner nahen Berwandten, verwechielt, dem Verfaſſer des intereffanten 
Werks: Restublecimiento de las Fabricas y commercio Espanol, Madr. 1740, 
neuer Abdruck, ebend. 1765; franıöi. (von Plumard de Dangeul) Amſterdam 
1761, 8., welches audy wichtige Aufſätze von Antonio felbft enthält. S. Euro- 
pean. Magaz. 1790, Oct. 203; Allgemeine lit. Zeit. 1796, Intelligenzbl. Ar. 110. 
Ulm, ehemalige deutſche Reichoſtadt, jetzige Hauptſtadt des wärttemberaifchen 
Donaufreifes, am linken Ufer der Donau, und demnächſt im Bau vollendete 
deutfche Reichefeftung, deren Werke fi auch über die, am rechten Donauufer 
gelegene, bayerıfhe Stadt ReusU. ausdehnen, liegt in einer ausnehmend frucht« 
baren Ebene, ift nach altreichsſtädtiſcher Weife eng, aber ftattlich gebaut, hat 5 
Thore, eine fchöne, von Bayern und Württemberg gemeinſchafilich erbaute, Reis 
nerne Brüde über die Donau, fünf fteinerne und drei hölzerne Brüden über bie 
hier einmündende Blau und, einfchlieplich der Garniſon, bei 20,000 Einwohner. 
Das merkwürdigſte Bauwerk U.s iſt unftreitig der Münfter, die größte deutſche 
Kirche und eines der fhönften Denfmale germanifcher Baufunft, angefangen 1377 
unter dem Bürgermeifter Ludwig Krafft, von Meifter Heinrich. Die Schiffe 
wurden von Morig Enfinger vollendet 1478, der Thurm aufgeführt von Burk⸗ 
hard Engelberger um 1500. Länge 432°, Breite 170‘, Höhe des Mittelfchiffee 
141’, der Seitenfchiffe 704’, des Chors 90‘; 20 große Pfeiler. U.ber dem Ein- 
gang erhebt fidy der Thurm, der, In dem Plan auf 520° angelegt, nur auf 234' 
ausgebaut und durch einen modernen Aufſatz bis 337°‘ erhöht worden. Zei 
Thürme im Often find faft ganz unausgeführt. Am Süpportal der Oftfeite iſt 
ein Denfftein eingemauert , auf dem dad Modell des Münſters (nach der erften 
Anlage) zu fehen, von 2. Krafft der Madonna dargereicht. Am Hauptportal 
E culpiuren aud dem 15. Jahrhunderte. Im Innern das Sacramenthaus, nörds 
lich vom Kreuzaltar vor dem Chor, 1469 angefangen, 90° hoch, wahrſcheinlich 
von Adam Krafft. Der Taufftein unter einem Baldachin von 3 Säulen, geziert 
mit 4 Löwen und 8 Heiligen des alten Bundes, 1470 von Jörg Syrlin. Die 
Ehorherrenftühle von vemfelben 1469 — 74. Der Weibteffel von 1507. Die 
Kanzel, am flebenten Pfeiler des Mittelfchiffd, von Burkhard Engelberger; bie 
Kanzeldede von Z. Eyrlin 1510. Am mittlern oder Kreuz, auch Seelen-Mltar, 
das Abendmahl von Schäufele, mit Chorftühlen an der Rüdwand von J. Syr⸗ 
lin; am Choraltar Bildfchnigwerf von 1521, Malereien von M. Schaffner, 
Blagfenfter von Cramer und Hand Wild 1480... In der Kapelle der Beſſerer 
alte Gemälde und Glasmalereien; in der Safriftei ein Fleined Altärchen, wahr: 
jheinlid von M. Schongauer. In der Neivharpi'fchen Kapelle alte Bild: 
fchnigereien und Gemälde. Die Orgel hat 45 Regifter und 3000 ‘Pfeifen. “Das 
Rathhaus aus dem 15. Jahrhundert, mit Bilverreften aus dem 16. Jahrhundert; 
der Ehinger Hof mit wohl erhaltenen Fresken; die Dreifaltigkeitsficche ; die katho⸗ 
liſche Kirche; der vor einigen Jahren reftaurirte gotbifche Brunnen bei dem Rath: 
hauſe ꝛc. U. if Sig der Föniglichen Regierung, Finanzkammer und des Gerichts⸗ 
ofes für den Donaufreis. Auch findet man dafelbft ein Gymnaflum, Realichule, 
tabtbibliothel, Verein für oberichwäbtiche Alterthumokunde und viele wohlthätige 


— 
Zr * % 


hige Ar A. iſt einer der wichtigſten Gewerbe, 
jettemb wozu die demnächft her; engen — bie ae 
— dem Rhein und Boden! — ſowie die in Auoſicht 
ig und München einer⸗ und mit Nürnberg, Leipzig, 
fördernd einwirken Bürfie jan. findet 
Ti un ute ———— Karten 
one — m et ae — 
man 
\Bekamt u. Bert: fin find auch 
verfertigt werden, 


40 Ulmer © 
5 rn id — emäfteten 
berei, 

——— Bun ' 








F 





Its 


ii 


u werden. In diefer Hi t der — Spevit 
bandel der rg aroßen aD — Eon 
= durch den —— be — ft,’ vileſe Bar 


j 


an fich wird/ befe 68 ein! a FT 
‚Main Fer RR ir der Donuurhiman deſ 
—— er; wenn befteht hier eine: Damp! 
welde in U. für die Donau gebaut 
— nl, "ind n Fuß lang und — von 300 Nie 500 
ungeriffem Urfprunge, wird U. zuerft in einer Urfunde vom 
u, ward von Karl dem Diden'ald Stadt beflätigt. Im 12. 
—— Hohenſtaufen gegen Heinrich von ® der «6 1134: 
twiever aufgebaut, nahm e8, flgt v von den Kai 
noch —— Interregnum Relche ſtadt ats iwelche es den 
und von Württemberg viele Fehden zu beſtehen Hatte, 6 
mwurbe der Proteftantismüs hier'eingefühtt und 1554 mußten We Kuil 
räumen. Wegen Theilnahme an dem ſchwäbiſchen une 
ragen hatte U. viel zu leiden und wegen 
* — N In —* —* = dojn 
j, Bram ung und m uerefflonserie; 
BE — und 100 Jahre br, Im 
eigener“ emo un befeftigt jatte, von 
Brig genommen. va Fam die Stadt un Württemberg am feit 4 
‚beutiche | Be erften Ranges aufs Neue bejeßigt: MWereits Mid 
Wilhelmoburg iiheimofeſte don dem Michaeiaberge waj —* herab 
md das En if in Bollendung nahe. U.ift vie vieler audges 
lehrten und Künftler und der Pepper car eine Pet ‚KRunfiebens. 


N ‚ Um 4 
alter, 1 ' „Rage ni! ine geiftigen ie wine. in Frdimte Dr 


ai, 80. die I im 14. Jahrhun 
Ulme oder Rüfter (Ulmus), — * müglichften und: auf.'guiem Boben 


fehneit twachfenden Bäume, der. morbifcer Kälte see, aid digen un 
Tr —* mit wedhfelmeife eh Blättern — — 
ET, Re pe See 
e, 
gie fe — 1) 58 


* —— Ba) Ri Pr * —8 
Besieupioidie X. 


Bl 


} 


Et 
HEN 


Sy 






938 Ulphilas — Ulrich. 


ftetfen Blättern; vie jungen Zweige find glatt, zähe und weißlih und wadchle 
fperrhaft, die Pfahlwurzel gebt fehr tief. Das Holz ift weidh, aber doch ei 
befuchted Nutzholz zu manchem Behufe; 2) die glattblätterige weiße (U 
glabra), hat gemaferte Fibern uud fperrige Zweige; 3) die englifhe breit: 
blätterige (U. scabra), hat die größten Blätter und einen ungleidy gezähnter 
Rand. Die Rinde der jungen Zweige ift glatı und gelbbräunlid), aber dat 
Holz iſt weich und brüdig; 4) die Fleinblätterige oder rothe (U. sativa) 
die Blätter find Hellgrün, die Rinde ift dunkel, raub und aufgeborften. Ih 
Boden kann troden ſeyn. ie liefert gutes Schiffbauholz und Holz zu Wageı 
und Mühlen, da fidh die Planken niemal® werfen, auch wegen der ſchoͤnen Adern 
Tiſchlerholz. Man hauet diefe U.n gegen Ende des Herbfted. Auch zur Köpf 
ung der Zweige ift ver Baum geeignet; 5) bie holländifche (U. hollandica), 
mit ziemlich breiten, oval zugeſpitzten, dunfelgrünen Blättern. Die ſchwammig 
Rinde der Zweige reißt ſich auf und wird furchia ; 6) die kanadiſche, vir— 
gintfche oder karoliniſche (U. americana), die Blätter gleichen faft jener 
der rothen, haben oben eine rauhe und unten eine glaite Oberfläche mit Adern, 
Der Baum wächst fchnell, da die weiche und faftige Schaale fehr lange im 
Herbie noch Nahrung an fich zieht und fehr lange grän bleibt, aber alle Thier 
der Wälder und Hauszucht benagen gerne die weiche Rinde. Sie liefert fchnell 
Pr geten und treffliche® Nutz⸗ und Brennholz, fchlägt auch aus ber Wurzel 
den aus. 

Ulphilas, ſ. Ulfilae. 

—— Domitius, ein berühmter römiſcher Rechtsgelehrter, von ſyri⸗ 
ſcher Abkunft, war zugleich mit Bapinianus (|. d.) Assessor judicüi und 
Magister scriniorum. Kaiſer Heltogabal entſetzte ihn jeiner Würden u. verwies 
ihn des Landes; Nlerander Severuß aber rief ihn wieder zurüd, bediente fid 
feines Rathes und machte ihn zum Praefectus praetorio. Er zog ſich abeı 
den Haß der Soldaten zu, die ihn im 3. Ehriſti 228 vor den Augen des Kai: 
ſers ermordeten. Als Rechtögelchrter erlangte er den größten Ruhm, allein ven 
der Menge feiner Werke haben fidy nur Bruchflüde erhalten, die man gefammelt 
bat unter dem Titel: Fragmenta libri regularum, s. Tituli ex corpore Ulpiani, 
herausgegeben von Hugo, 9. Auflage, Berlin 1834. Diefe Kragmente find des⸗ 
wegen nicht ohne Wichtigkeit, weil Manches davon in die Pandekten überge: 
gangen iR. Ein Fragment von U.s Inftitutionen wurde herausgegeben von End- 
icher, Wien 1835. 

Ulrich oder Udalrich, der Heilige, Bifchof von Augsburg, war ein Cohn 
des Grafen Hugald von Dillingen und Bruder Luidgarda’d, der Gemahlin Her- 
3088 Burkhard II. von Schwaben und Elfaß. Er wurde 890 oder 893 zu 
Augsburg geboren und hatte in feiner Kindheit einen fo ſchwächlichen Körperbau, 
daß ihn eine Eltern aud Scheu den Augen der Fremden entzogen und für fein 
Leben ängſtlich beforgt warn. Allein ein unbekannter Beiftlidyer, der damals 
in ihr Haus gefommen und von U.s Eltern auſs Befte aufgenommen worden 
war, rieth ihnen, das Kind zu entwohnen und ed werde dem Tode entriffen feyn. 
Sie folgten und der Knabe wurde in furger Zeit wieder geſund. Nachdem U, 
unter den Augen feiner Eltern in Frömmigkeit und wifjenfchaftlicher Bildung ber- 
angereift war, vertrauten biefe feine weitere Ausbildung den DOrdendmännern im 
Klofter St. Gallen an, weldye zu jener Zeit in hohem Rufe ver Heiligfeit und 
Gelehrſamkeit ftanden. Der Jüngling gewann die Liebe und “tung diefer feiner 
Lehrer und Erzieher durch die — ſeines Geiſtes, die unſhut feiner 
Eitten, die Freundlichkeit feiner Gemüthsart, beſonders aber durch feine, ſich im⸗ 
mer gleich bleibende, Froͤmmigkeit in ſolchem Grade, daß dieſe ihn für ihre Ges 
nofienfchaft zu erhalten fuchten. U. fragte deßhalb die fromme Klausnerin Wis 
berada, welche in der Gegend von St. Gallen wohnte u, die ihm fchon mandye 
heilfame Lehre eriheilt hatte, um Rath. Die Heilige brachte drei Tage im Ber 
bete zu und fagte ihm dann, es ſei der Wille Gottes nicht, daß er ind Kloſter 


Wei, 939 


trete, fondern gegen Aufgang, wo ein Fluß (der Lech) zwei Länder ſcheide, folle 
er als Biſchof dem Herrn dienen und nach fchweren Leiden, den Sieg erringend, 
im Rube feine Tage verleben. — Schon hatte er fich vielfeitige Kenntnifle er- 
worber und in der Tugend fich feft begründet, als feine Eltern ihn der Leitung 
des fremmen Biſchofs Adalbero von Augsburg übergaben. Der Oberhirt er- 
Eannte bald die ſchoͤnen Eigenfchaften des Fünglingd, erhob ihn nad) und nach 
zu wichtigen Kirdyenämtern und eriheilte ihm zuletzt die geiftlichen Weihen. U. 
erfannte zu gut die Gefahren und Pflichten feines Standes, als daß er ſich nicht. 
aus allen Kräften hätte beftreben follen, jene zu vermeiden und diefe aus allen 
Kräften getreulih au: erfüllen. Alle feine Stunden verwendete er zum @ebete 
oder zu böherer Ausbildung in den Wiflenfchaften. Die Armen erhielten ben 
größten Theil feiner Einkünfte. Bald nach feiner Priefterweihe machte ver eifrige 
Diener Gottes eine Wallfahrt nach Rom zu den Gräbern der heiligen Apoftel 
Betrus und Baulus. Der heilige Vater nahm ihn fehr huldvoll auf u., als 
er von ihm erfuhr, daß er von Augsburg gebürtig fei und im Dienfte des dort⸗ 
igen Bifchofß Adalbero ftehe, offenbarte er ihm, viefer fein Bifchof habe das 
Zeitliche geſegnet und er (U.) fei zu deſſen Nachfolger beftimmt. Da U. feine 
Weigerung äußerte, fuhr der Papft fort: Wenn er die verwalste Kirche, die jetzt 
noch des Friedens genieße, nicht regieren wolle, fo werde er fie, nachdem fie von ihren 
Feinden zerſtoͤrt und geplündert feyn werde, mit vieler Mühe und Beſchwerden 
verwalten müffen. U., betroffen über die traurige Todesnachricht und die Weis⸗ 
gung des PBapfted, verließ gleih am andern Sage, ohne fidy zuvor bei dem 5. 
Bater zu beurlauben, Rom. Bei feiner Rücklehr nach Augsburg fand er feinen 
Bifchof wirklich ſchon beftattet und Hiltin an defien Stelle erhoben. Ohne ein 
öffentliche® Amt zu befleiven, widmete er ſich in fiiller Einſamkeit der Froͤmmig⸗ 
felt und der Sorge für feine Mutter, welche im Jahre 908 ihren Gemahl ver- 
(oren hatte. Täglich flieg fein Eifer höher und, immer mehr vom Irdiſchen ſich 
abwendend, fchritt er muthig in der Vollkommenheit voran. Er floh, ſo viel 
möglich, jeden Schatten der Gefahr, beſonders wenn ed Verſuchungen gegen die 
Reinigkeit betraf.” In diefer Beziehung pflegte er zu fagen: man weiche der 
Slamme dadurdy aus, daß man Alles vermeide, was fle unterhalten könne. Nach 
Hiltin’s Tode wurde unfer Heiliger, damals erſt 31 Jahre alt, zu Ende des 
Jahres 924 als deſſen Nachfolger in der bifchoflicden Amtöführung ernannt. 
Augsburg und der ganze SKirchenfprengel befanden fi damals im traurigften 
Zuftande. Die Ungarn und Slaven hatten überall die Gräuel der Verwüfiung 
verbreitet. Der Dom und die anderen Kirchen lagen im Schutte, die Häufer 
waren geplündert, die meiften feiner Gehülfen harte der Feind erfcylagen, vie 
Dörfer waren verwäüftet u. niedergebrannt; Furz, wo er hinblidte, fah er Richie, 
als Jammer und Elend. Allein der Mann des Vertrauens verzagte nicht in 
diefer ſchrecklichen Lage; feine zerftreute Heerde fammelnd, gewährte er allenıhals 
ben zeitliche und geiſtliche Hülfe; durch gefchidte Bauleute ließ er die Kirchen 
wieder aufführen, worunter er vorzüglidy der Kirche zur heil. Afra ihren ver- 
dienten Glanz wieder zu geben fuchte. Während dieſes Baues ſahe Rambert, 
einer feiner Geiftlichen, in einer Erſcheinung den Bifchof Adalbero im Priefters 
gewande, ihm zuwinkend. Als er, nach U.s Berlangen, fid dem Adalbero 
nabte, befahl ihm vieler, feinem Bifchofe zu melden, er werde für das um fei- 
netwillen verrichtete Gebet und für da® vielfach geipendete Almofen von Gott 
feinen Lohn empfangen; er und Fortunat werden mit ihm am nächſten grünen 
Deonnerstage das Chrisma weihen; wie erbaute Gruft werde zufammenftürzen u. 
er möchte in Zukunft diefelbe dauerhafter bauen. Unterdeſſen begab fih U. in 
Frl ten an das Hoflager des Könige, wo er längere Zeit alle Ehren genoß. 
feiner Rückkehr von demfelben fchmeichelte er fih, jenes Gebäude vollendet 
za ſehen; allein er fand es, nach Adalbero's BVorausfagung, zufammengeflürzt. 
&r wieder Hand an das Werk, forgte für einen feftern Grund und hranyır 
es vollfommen zu Stande. Gine merfwürkige Erſcheinung ereignete Rd Im Ver 
22 


340 Ulrich. 


Nacht vor dem grünen Donnerstage. U. hörte rufen, er werde Gaͤſte bekomme 
Darüber wachte er auf und dachte Darüber nad, wer wohl dieſe feyn möchte 
Als er wieder einfchlummerte, vernahm er weiter: „Dein Gebet und dein Alm 
fen haben die Augen des Herrn gefehen und dich daher deinen zwei Borfahre 
Hortunat und Adalbero, empfohlen, damit fie dir Heute und Fünftig I 
Feierlichkeiten und Verrichtung des heiligen Opfers beiftehen und mit dir daſſel 
jegnen.” Als er des Morgens das Hochamt hielt, erblidte er und einige A 
weiende die Rechte des Herrn mit ihm die heiligen Sakramente fegnen und di 
Kreuz darüber machen. Bel der Ausfpendung der heiligen Communion legte 
denjenigen, die an biefem Geſichte Theil nahmen, den Finder auf den Mun 
zum Zeichen, daß fie, fo lange er lebe, das firengfte Stillſchweigen beobadht 
follten; nachher wiederholte er dieſes Verbot audy mündlich. Einer ähnlich 
Erſcheinung wurde der Bifchof am heiligen Ofterfefte gewürbiget. Bel der Ruͤt 
fehr nach Haufe warf fidh der Priefter und Kantor Heilrich zu feinen Füß 
und erıählte unvorfichtig in Gegenwart mehrer Laten, was er gefehen hatte. | 
ftrafte ihn darüber und Heilrich weinte fo fehr, daß er das Augenlicht verlor. - 
Eine dritte Erſcheinung erzählen feine Biographen auf folgende Weife: Als 1 
fi) einſtens fchlafen legte, fah er die heilige Afra in einer fhönen Kleidung v: 
fi, die ihm aufiuftehen und ihr zu folgen befahl. Ste führte ihn auf das Led 
feld, wo der heilige Apoftelfürft Petrus mit einer Menge Biichöfe und ander 
Heiligen eine Synode hielt, große und wichtige Dinge fchlidytete und den Herz 
der Bojoaren, Arnulf, über die Zerflörung und Verleihung vieler Ktöfter zı 
Verantwortung zog. Er zeigte ihm audy zwei Degen, deren einer mit, der ande 
ohne Griff war u. befahl ihm, dem König Heinrich (dem Bogler) zu bedeute 
der Degen ohne Griff bezeichne einen König, der feine Krone nicht aus bifchöflich: 
Händen empfangen, der mir Griff aber einen, über welchen Gottes Segen eifle 
worden fei. Nach der Eynode wieß ihm die h. Afra den Ort, wo König Dtto di 
Reichöverfammlung halten werde, bet weldyer fih Berengar, König der Lombard 
u. fein Sohn Adalbert mit vielen Bifchöfen einfinden u. dem König Otto fidh unte 
werfen würden. Dann zeigte fie ihm den Einfall der Ungarn an u. wies ihm di 
Scylachifeld mit dem Bemerfen, die Ehriften werden nur mit angefltengter Mül 
biefelden überminden. Diele Erfcheinung erzählte U. nur wenigen Klugen ur 
Bertrauten. Der Hetlige hatte nicht ſobald Alles wieder hergeftellt, als die Uı 
gern abermal wieder in Deutichland einbrachen und um das Jahr 925 die Eta 
ugsburg belagerten. In diefer bangen Rage wählte 11. ein wunderbares Mitte 
Bei Annäherung der Zeinde ließ er alle Säuglinge in die Kirche tragen und | 
am Wltare auf die bloße Erde hinlegen. Hier vermifchte er fein und feines Bo 
kes leben mit dem Eläglichen Gewimmer der Kleinen und ſchützte fo feine Sta! 
vor der Wuth der Feinde, die die Belagerung aufhoben, weiter zogen und gaı 
Alemannien, Franken, Elfaß und Gallien überſchwemmten. Nach) eingetretene: 
Frieden begab fi U. an das Hoflager des Königs und widmete demfelben feiı 
Dienfte bis zu deflen, im Jahre 936 erfolgten, Tode. Während diefer Zeit we 
er im Jahre 931 bei einer zu Altheim und 932 bei einer andern zu Erfurt g 
haltenen Eynode zugegen; dann im Jahr 935 beerdigte er den Biſchof Rothun 
von Konftanz und rieth dem Klerus und Bolf, den Propft Konrad, feiner Ti 
enden halber, an des Berflorbenen Stelle zu fegen. U., fatt der weltlichen ©: 
häfte, fuchte ſich von dieſen loszuwinden, um einig und allein die Pflichte 
eines Bifchofes mit aller Pünktlichkeit zu erfüllen. Er flellte feinen Neffen Adal 
bero, einen Sohn feiner Echwefter Luitgarda und ded Grafen Peiern, de 
feine Bildung im Klofter Weflenbrunn durch den Abt Benedikt erhalten u. nu 
zu einem mannbaren Alter berangereift war, dem Kaiſer vor und empfahl th 
defien Huld und Gnade, damit er feine Stelle am föntglichen Heflager vertrete 
dürfte. U. ward entlaffen und fonnte nun allen und ungehindert nach feine 
Herzens Drange den bifchöflichen Amtöverrichtungen obliegen. Sept, aller Hof ı 
Militärgefhäfte enthoben, war er ganz Blichof. Er lag beftäubia den Werfe 


nn 


Ulrich. 341 


ver Gottſeligkeit ob; täglich erſchien er, wenn ihn nicht nothwendige Geſchaͤfte 
abbieiten, zu allen Zeiten im Chor und fang mit feinem Klerus vol flammenden 
Eifere das Lob Goites. Außerdem betete er die Ofſicien von der allerfeligfien 
Jengfran, von dem heiligen Kreuze und allen Heiligen und, wenn er nicht ver⸗ 
hindert war, täglidy den ganzen Pfalter, audy las er täglich eine oder zwei und 
biäwellen drei heilige Mefien. Gegen fi) war er fehr firenge; er beobachtete auf 
das Genaueſte das Faften, er kreuzigte feinen Leib mit einem wollenen Unterkleive, 
brachte die Rädhte im Gebete zu, fchlief nur wenig und zwar auf einer, mit einem 
Teppich bededien, Binfenmatte. Bei Tage diente er dem Herm mit Martha in 
ſeinen Sliedetn und zu Nacht faß er mir Maria zu feinen Füßen und faßte bes 
—* fein Wort auf. Nach der Complet nahm er weder Epeiſe noch Trank zu 
‚» bielt das ſtrengſte Stillfchweigen und lag dem Leſen goͤttlicher Bücher ob. 
Den Müffiggang floh er als feinen größten Feind; daher Ei man ibn immer 
beten, lefen oder arbeiten. Bet feiner Tafel bemerfte man eine gemäßigte Spar» 
famleit und er felbft beobachtete zu gelten eine befondere Art von Abftinenz, durch 
die er feine Gäfe auf eine heilige Weiſe zu täufchen pflegte. Denn er ftand 
öfter ganz nüchtern von der Tafel auf u. las noch die heilige Meſſe. Die Armen 
lagen ge ganz an feinem milden u. wohlthätigen Herzen. Einer feiner Geiſtlichen 
mußte fie aufnehmen, beherbergen und ihnen Epeife, Trank, Kleidung und Al⸗ 
mofen reichen. Er felbft fpeiste niemals ohne Arme und jedesmal bediente er fie 
merk mit Brod und Speiſen. Kür die Kranken, Lahmen, Schwachen u. Preſt⸗ 
hafıen war er beſonders beforgt. Nach dem Beiſpiele des Heilandes wuſch er 
ven Armen bie Füße und auf feinen Retfen waren fie feine Begleiter. Für fie 
gie er auch bei dem heiligen Kreuze ein Spital an und dotirte es reichlich. 
Gaſtfreiheit war in feinem Palaſte zu Haufe. Die ankommenden Bäfte fan⸗ 

ben immer die liebevolifie Aufnahme und eine frugale Bewirtung. Des Könige 
Bafallen empfing er mit Ehren und war für fie ſowohl, ald für ihre Begleitung, 
beforgt. Die Geiftlichen, Mönche und Ronnen, fanden bei ihm ein liebvolles 
Baterherz und Labung für Geiſt und Körper. Yür die Geiſtlichkeit zeigte er eine 
große Wachſamkeit und Sorge und er hielt fie in einer engen Zudt. Er richtete 
die zerflörten Schulen wieder auf, führte eine verbeflerte Lehrart und eine firenge 
Zucht einz forgte, daß feine jungen Geiftlichen, auch adelige und nicdhtadelige 
Kinder in feinen Schulen erzogen und gebildet wurden und munterte fie durch 
Beförderung auf Beneficien und Würden zum Wetteifer auf. Seine Unterthanen 
liebte er wie feine Kinder; daher erichienen fie vor ihm allegeit mit Ehrfurcht u. 
Frende und, weil fie weder Trug noch Falſchheit befürchteten, hielten fie ſich über- 
zengt, ſie werden Alles, was er ihnen verfprochen hatte, ohne Verzug erbalten. 
Die Klagen der Untervrüdten und Mißhandelten hörte er aufmerkffam an, gab 
feinen Beamten den firengften Befehl, jedes, den Seinigen zugefügte, Unrecht gut 
m machen, fie bei ihren Rechten zu fchügen u. von feinem mehr, ald er zu leiften 
(duldig if, zu fordern. Während der Yaftenzeit verboppelte er feine Bußſtrenge; 
von der Meiten an bis nach vollendeter Veſper blieb er in der Kirche und lag 
sit glühendem Eifer dem Gebete und anderen religiöfen Handlungen ob u. nahm, 
bevor er nicht die Armen bevient hatte, Feine Speiſe zu fih. Am Palmſonntage 
weihte er in der Kirche der heiligen Afra die Palmen, ging alsdann in feierlicher 
Proceffion in die Domkirche, wo er dad Hochamt bielt. An den folgenden drei 
Tagen rief er feinen Diözefanklerus zu einer Eynode zufammen, verrichtete in 
defielben Gegenwart am grünen Donnerstage die heiligen Geheimniffe, weihte das 
Chrisma und Del und theilte ſolche unter denfelben aus. Nach der Tafel wuſch 
er, unter Abfingung einiger Antiphonen, feinen Jüngein die Füße und labte fie 
nit Dem beften Grtränfe. Die lepten zwei zuge brachte er in Verrichtung de, 
von der Kirche angeordneten, Gottesdienſtes, In Abberung des Pfalteriums und 
frengem Fıflen zu. Das Ofterfeft feierte U. mit einer befondern Froömmigkeit u. 
Sröhlichkeit, an der der Klerus des Doms und der heiligen Ara Theil nahm u. 
brachte die ganze Oktav in der heißeften Andacht zu. Er pflegte auch im her 


342 ulrich. 


öfterlichen Zeit die ihm beſonders angehörigen Stifte und Kloͤſter, nämlich: 
Feuchtwang, Stafenfee, Füſſen, Wiefenfteig und Habach, in Denleltung einiger 
Prieſter, Kapläne und einiger feiner Bafallen, zu befuchen und in venfelben die 
nörhigen Vorkehrungen zu treffen. Den kanonlichen Borfchriften zufolge, vifltirte 
er öfters feine Diözefe; in jener Gemeinde verfammelte er die vernünftigften und 
rechtſchaffenſten Männer und erfundigte ſich genau nach den, in jeder Pfarrei eins 
gefchlichenen, Mißbräuchen und Unorbnungen, die er fogleidy mit Zuziehung feiner 
Rärhe abzuſtellen und denfelben einen feften Damm entgegen zu fegen, fidy anges 
tegen feyn ließ. An einigen Orten flellte er an die Erzdiakonen, Erzpriefter umd 
andere verfammelte Geiftliche verfchiedene Fragen über ihre Amtöführung, moral⸗ 
ifchen Charalter ꝛc. — Rach gefchehener Unterfuchung ertheilte er nad) Verdienſt 
Lob oder Tadel; er fuchte allen Klagen abzuhelfen, alles Unrecht gut zu machen 
und alle Streitigkeiten, nad) den Rechten und dem Willen Gottes, beizulegen. 
Die Viſttation ſchloß er mit Ertheilung der Firmung, welche oft bis in die fpä- 
tefte Nacht fort eiegt wurde. Die Armen, die Schwachen, die Gebrechlichen ließ 
er überall durch einen dazu verorbneten Geiftlichen verpflegen. Die Simonie 
haßte er wie die Peſt; daher ließ er über die, von dieſem Lafter Befangenen, un- 
erbittlich die Rrengfte Ahndung ergehen. Auf der andern Seite aber war er bes 
eifert, auch die Gerechtfamen feiner Kirche und feiner Geiſtlichkeit unverlegt zu 
erhalten und fchüste mit Kraft und Würde feine Unterthanen vor allen Eingrif⸗ 
fen und Berrüdungen, ließ unter den Seinigen Alles, nady dem Mapftabe ver 
Billigkeit und Gerechtigkeit, entfcheiden und Jedem fein Recht wiverfahren. Für 
die Vermehrung des Gottesdienſtes, Erbauung und Dotirung mehrer Kirchen in 
feiner Didzefe war er Außerft beforgt, gab jeder einen tauglichen Prieſter und 
weihte fie felbft, ohne die mühfamen Reifen und die oft damit verbundenen Be- 
fchwerlichkeiten zu feheuen. Eines Tages kamen zu ibm Einige aus dem obern 
Allgäu und trugen ihm wehmüthig vor, fie hätten aus ihren eigenen Mitteln eine 
Kirche gebaut, aber zu ihrer Einweihung noch keinen Bifchof befommen Fönnen, 
weil fie in einer, faft unzugänglichen und fchauderhaften, Eindde wohnten. Mit 
Thränen des Mitleids und der Freude hörte U. diefe guten Leute an, ſchickte fich 
gleich zu diefer befchwerlichen Reife an und weihte die Kirche ein. Die Leute 
brachten ihm Geſchenke, er gab fie aber ihnen wieder zurüd und ermahnte fie 
zum Frieden. Um das Jahr 940 reiste U. nah St. Moritz im Walltferlande, 
wo biefer Heilige mit feinen Genoſſen die Martyrerfrone errungen hatte, um ven 
Deligen zu verehren u. einige, von dem Könige von Burgund ihm verſprochene, 
Keliquten abzuholen. Mit einem anfehnlidhen Theil verfelben bereichert, wählte 
er feinen Rüdweg über Konftanz, wo er feinen Freund, den Biſchof Konrad, 
befuchte und dann in das Klofter Reichenau ging, wo er noch eine beveutenve 
Anzahl von Reliquien des heiligen Mori und anderer heiligen Wartyrer von 
dem Abte Alamwif erhielt. Die Geiftlichfeit und das Volk von Augsburg Fam 
ihm eine Strede weit entgegen, begleitete ihn mit den heiligen Reliquien, unter 
Abfingung einiger Pfalmen, in die Domfirche, wo er diefelben in einen, mit Gold 
und Eilber gezierten, Sarg verfchloß und zur Verehrung ausſetzte. Rach der Er: 
zählung des Benro, Abtes in der Reichenau, fpeiste cinft U. an einem Donnere- 
tage Abends mit feinem Freunde, dem Bifchofe Konrad von Konftanz, in dem 
Stifte St. Afra und brachte mit ihm die ganze Nacht in geiftlichem Geſpräche 
zu. Am Sreitage in der Frühe, während fie noch beifammen faßen und Fleifch- 
fpeifen vor ſich hatten, fam ein Bote von dem Herzoge von Bayern zu U., den 
diefer fogleich abfertigte; auch gab er ihm, ohne zu wiffen, daß es ſchon Frei- 
tag wäre, ein Stüd sei Der Bote eilte mit boshafter Freude zu feinem 
Dem und wollte jene heiligen Männer durch Borweifung des Fleiſches als 

ebertreter des Kirchengebotes anklagen und ihre Ehre befleden ; allein ſtatt des 
Fleiſches zog er einen Fiſch aus feiner Tafche, wodurch er zu Schanden gemacht 
und die Ehre diefer Diener Gottes gerettet wurde. Im Jahre 948 wohnte unfer 
Heiliger einer, in ©egenwart des Kalferd Dtto I, und des Könige Ludwig IV. 





Will, 8 
ich, jaftenen, de bei, in R sis 
m nee 

en niet 
U 
n uf 95; 52 Sa ode, ARE — den Beine, de 


enſtande Hattı 
nahm un den & bil den v 13 ii 
BEL UESH DEE 
feinen Beh ee En 3 oh. 
ei 
mit. — der — ern zu —— in bt Em H 2 —— — 
Abweſenhe von Bayern, uitolf, auf Au; 
nad er a ie te m — 3 un — 
mi au uitol en 
u. Men tens nach Augsburg: ie, — da em Bed han 
mnte, ging er mit —5* ingen, wo er 
re Schloß verfchanzte mb ie Sa 


I 


= 


de ver⸗ 
Arnulf fordert di h fu er⸗ 
sn, a Font emarf fein Sm 

ae nr ekses 
ofen Beginnen abzuhalten. umb ˖ feine Unterthanen — dem 


F — 3 in. * Be 


ie 
I ; 


f 


sat 3 
— 
——— 
— 
— 
sh 
Is 
ine 
— 
FEPE LI 
Pi: 


ng FÜ 


Bifigef um Vergebung und föhnten fih mit Gott und Maria aus 
Sraulf verhartie — einen — un — bei der Belagerung von 

in einem: —E etoͤdtet. — eingetretener Ruhe in u. 

— ni u, in von Berdaum auf Bott, mit Fi A 

* m Oclagen ber Ranben, mit einander susjeföhnen 

* um jen bereit en t einen! 

ein Gnbe zu machen, welches aud, beiden Bermitiiern 

ve u , gentnkhe Brieve war von feiner langen Dauer. 

berſchwemmten die Hungarn Deutfchland von ber 

Dim. —S und bezeichneten ihre Durchäge mit Blut and 

16 fie — den Lech geſeht, verbrannten fie die Kirche der 
— nen die ſch Sefefigte Stadt Augäbung, Allen U, gr 

eine Stole an⸗ ie ee dem Kern feiner Eivaten t er 

— wurde erſchlagen und der Feind in ſein Lager 

28 * a acht benägte der Heilige Bifchof zur Befekigung 

und zum effrigften Gebete; er orbnete Prozeffionen und allgemeines 

Ichtete b — jendem Tage das heilige rebopler, 1 —— den 

den die heilige Communlon mit und ermunterte fie kraftvollen 

—2 auf Bott. Während die Hungarn einen Angriff auf bie 

„te Mauerbrecher heranrüdten und ihre Leute mit. Geißeln zum 

‚ Iamgte die Rachricht im feindlichen 2a er —* daß der Kalfer 

Rarten Heere im Unzuge je, Der ver Kung ab 


vor 


mi 


I; 8 


ni 


up 
r 
i 


344 Ulrich. 


deshalb die Belagerung auf und ging dem Kaiſer Dito entgegen, welcher aber, 
von dem Arme des Allmächtigen unterflügt, ihn auf dem Lechfeld den 10. Auguſt 
955 muthig angriff, fchlug und die ganze feindliche Armee, obwohl fle der fein» 
igen an Zahl weit überlegen war, beinahe ganz vernichtete. Bel diefem blutigen 

reffen verlor U. feinen Bruder Dietpold, feinen Schwefterfohn Reginbald 
und mehre Anverwandte. Der Kaifer verfolgie die Flüchtlinge und kehrte erſt 
am Abende ganz ermattet in die Stadt zurück. Gr brachte die Nacht mit U. au, 
tröftete ihn wegen bed Berluftes feines Bruders und feines Schweſterſohnes u. 
fegte den Richwin, den Sohn Dierpolds, in die Brafichaften feines Vaters ein. 
Blei nach dem Abzuge des Katfers ließ ver heilige Bifchef feinen, in der 
Schlacht gefallenen, Bruder Dierpold und feinen Neffen Reginbald in die Stadt 
bringen und in der Domfirche, am Altare der heiligen Walburga, beerbigen. 
Dann wandte er feine vornehmfle Sorge auf den Unterhalt feiner Kleriſei, die 
fi) nicht mehr ernähren und erhalten fonnte. Die Wiedererbauung der einge⸗ 
äfcherten Kirche der heiligen Afra lag ihm befonder am Herzen und, da er über 
den Plan ded neuen Gebäudes mit fidy nicht einig werden konnte, nahm er feine 
Zuflucht zu Gott durdy Beten und Faſten, wodürch er einer Erſcheinung der 
heiligen Afra gewürdiget wurde. Diefe zeigte ihm ihre Ruheſtätie, verbot aber, 
ihr eine Gruft zu bauen, weil an eben diefem Drte viele Dear ruhen und den 
Tag der Auferfichung erwarten. Auf dieſe Grinnerung egte U. Hand an das 
Werk und ftellte eine viel größere, höhere und berrlihere Kirche her. Außer 
derfelben, an der fünlichen Seite, bereitete er für fich eine Grabftätte, die er mit 
einer Mauer umgab. Nach olendung, derfelben ließ er auf dem Domfreitbofe 
zu Ehren des heiltgen Johannes des Täufer eine Kirche bauen und verordneie 
dahin den Taufftein und einen eigenen Prieſter. Um diefe Zeit übertrug der 
Kaiſer dem Bifchof U. die Sorge über das abgebrannte Klofter Kempten, wo 
er Alles wieder in Ordnung brachte, die heilige Kreuzkirche erbaute und dotirte. 
Im Jahre 961 wohnte U. einer, von dem Kaifer in Regensburg veranftalteten, 
Synode bei und etwa 3 Jahre darauf reifete er mit demfelben nach Rom, wo er 
unter andern Reliquien auch das Haupt des heiligen Martyrerd Abundus ers 
bielt. In dieſe Zeit fällt auch die, von dem heiligen Bifchofe gemachte, Stiftung 
des Frauenklofters in der Vorſtadt bei der Kirche des heil. Stephanus, welchem 
er die Regel des heiligen Benedikts und die felige Elefinde zur Vorſteherin 
ge Sm 3. 965 unternahm er eine Reife nach Einfleveln, wo er den Heiligen 

olfgang zum Priefter weihte. Ungeachtet feine hohen Alterd wallfahrtete U. 
im 3. 971 nochmal nady Rom, um fein Lebensende den heiligen Apofteln Petrus 
und Paulus gu empfehlen. Seine Rüdreife nahm er über Ravenna, wo der 
Kaifer, auf fein Bitten und die Einwirkung der Kaiſerin Adelheid, feinen Neffen 
Adalbero zu feinem Gehilfen u. Nachfolger im Bisthume ernannte. Nach ferner 
Rückkehr legte U. feinen bifchöflihen Schmud ab und zog das Benediltinerfteid 
an. Advalbero aber ließ fih nicht nur von dem Milttär und den Unterthanen 
des Biſchofs huldigen, fondern trug audy öffentlich den bifchöflichen Stab. Diefe 
unfanonifchye Anmaßung des Adalbero zog dem heil. Biichof Feine geringe Prüf: 
ung zu. Denn als im Jahre 972 zu Ingelheim eine Synode gehalten und U. 
mit feinem Neffen ehrerbietig eingeladen wurde, bezeigten die verfammelten Bifchöfe 
über Die Anmaflung des Adalbero ihr größtes Mipfallen und erklärten ihn ale 
Uebertreter der kanoniſchen Satzungen und Kleber. — Adalbero, hievon benach⸗ 
nohrigt, widy der erften Synodalfigung aus; dagegen erfchien U. mit feinen 
Kaplänen und ließ, weil feine Stimme ale eines Greifen von 82 Jahren 
nicht binlänglicy vernehmbar war, feine Handlungsweiſe durdy einen ©eiftlichen, 
Ramend Gerard, vertheidigen, u. die Synode bitten, die, für fein Alter zu läfige, 
Bürde abzunehmen, damit er fein übriges Leben in einem Klofter, nach der Regel 
des heiligen Benedifts, zubringen könne. — Nachdem Aralbero nun am folgenden 
Tage alle Anſchuldigungen und allen Verdacht einer Keberei in der Eynode fo: 
gar durch einen Ein von fich abgelehnt hatte, lich U. feine vorige Bitte wieder: 


Ulrich. 845 


holen. Die Bifayöfe, welchen fein Verlangen im Ganzen nicht gefiel, wollten 
den Halligen in der Eynove nicht widerfprechen, fondern durch eine Geſandt⸗ 
khaft Diele Sache im Stillen abihun. Die Befandten der Synode machten ihm 
folgende VBor ſtellung: „Ehrwürbiger Vater, da dir die Geſete der Kirche fehr wohl 
ſind und Du immer auf dem Pfade ver Rechiſchaffenheit gewandelt biſt, 

fo es unſchicklich, denſelben jetzt zu verlaflen; denn, wenn ein Anderer bei 
Dean Lebzeiten an Deine Stelle treten follte, könnte dieſer Fehler üble Folgen 
apagen. ach diefem Beifpiele würden in Zufunft gewiß mehre Neffen u. andere 
arigtige Berfkliche bei Lebzeiten ihrer Bifchöfe, diefeibe an fich zu reißen fuchen, 
a dadurch denſeiben viele Berbrüßlichkeiten zuziehen. Zuträglicher iſt es alfo, 
Du in Deinem, von Bott Dir anvertrauten, Amte ausharreft, ald daß Du, 
Pre dgeın Willen folgend, Anderen Aergerniſſe bereiteft. Durch Dich follen 
us die Chorherren, die Mönche, die Klofterfungfrauen u. die übrigen Ehriften, 
vu Ach felbft Tberlaſſen, auf Abwege gerathen, auf der Bahn der Pflicht erhalten 
a) die irrig Wandeinden mit Gorteehülfe auf dieſelbe zurüdgeleitet werden. 
A Hinficht “Deines Neffen Adalbero erklären wir, daß wir, nach Deinem Tode, 
kam Andern, als ihn zum Biſchofe der Augsburgifchen Kirche weihen werden.“ 
U, mit dieſem Nathe der Gefandten vollfommen zufrieden, verfügte ſich mit 
Ian in die Werſammlung, in welcher die ganze Sache in Gegenwart des Kais 
ſers dahin entſchieden wurde, daß Adalbero, unter Aufficht des Bel en, die Bers 
waltung des ganzen Bisthums führen follte Allein dieß war von feiner langen 
Dauer; denn als U. mit Adalbero im folgenden Jahre 973, feined Bruders 
Eohn, Rich win, in dem Schloſſe zu Dillingen befuchte, iſt Adalbero ganz unver 
murhet von Diefer Welt gefchienen. U. führte den Lichnam ſelbſt nad) Auge⸗ 
burg, beerbigte ihn in feiner Grabſtaͤtte in der Kirche der heiligen Afra und 
iet die Erequien. Als der Heilige nachher eines Tages aus einem tiefen 
hlummer erwadte, fagte er bei fih: „Ad! hätte ich doch niemal meinen 
Refien Adalbero gefehen, weil ich nach feinem Willen gebandelt habe, wollen fie 
mich nicht ungeiraft in ihre Grfellfchaft aufnehmen.“ Nach dieſem bewarb er 
fi) bei dem ifer, um die, durch den Tod feines Neffen erledigte, Abtei Dtiens 
beum nur im der Abficht, ven Mönchen alida die Wahlfreiheit zu erhalten. Als 
ihm dieſer Beides zugefagt hatte, ging er über Wittislingen, wo er noch die Er 
Deiterung Der Kirche über der Grabftätte feiner Voreltern anordnete, nach Detts 
Ingen, unweit Ditenbeurn, wohin er die Mönche des Kloſters berief, ihnen die 
vom Katſer geſchenkte Wahlfreibeit befannt machte und einen Abt zu wählen bes 
fahl. Da aber die Mönche ihm die Wahl überließen, ernannte er den Ruds 
ung, welchen er ald den Würpigften unter ihnen fand, zum Abte. Nach Boll 
endung dieſes gottfeligen Werkes, kehrte er nach Augsburg zurüd, verrichtete für 
leinen Neffen und ven SKatfer, ber ihm In die Ewigkeit vorausgegangen war, 
Das inbrünftigfte Gebet und theilte reichliches Almofen aus. — In Seinen letzten 
Tagen verdoppelte U. feine Bußübungen. Er las noch täglich die heilige Meſſe, 
oder fang das Hochamt und, als ihm dieß feine abnehmenpen Kräfte nicht mehr 
erlaubten, ließ er fi in die Kirche führen und wohnte dem heiligen Opfer bei. 
Die übrige Zeit brachte er in Abbetung des Curſes, des Pfaltertumd und in 
andeın Andachten zu und ließ ſich geiftlihe Bücher, unter denen die Lebendges 
ſchichten der Bäter und die Dialogen ded heiligen Gregor's waren, von dem 
Mropfte Gerard vorlefen. Am 18. Juni, nach Anhörung der heiligen Meffe, 
warf er ſich bei dem heiligen Kreuze auf fein Angeficht nieder und blieb beinahe 
eine halbe Stunde auf emem audgebreiteten Teppiche liegen. Als er ſich aufs 
richtete, befahl er feinem Kämmerer Yulıpold, alled ihm Anvertraute, außer eincm 
eaingen Haus⸗ und Tifchgerärhe und einem Marverpelz, die er feinem Nach⸗ 

% er zurüdließ, herbeigubringen und vor dem Altare binzulegen mit den Worten: 
„Vozu alles Dieſes?“ obgleich es nur wenige Chorkleider, fieben oder acht 
Unzceuge, zwei Mäntel und zehn Schillinge Silber waren. Er ließ es glei) 
unter die Armen, feine Geiftlichfeit und einige feiner Sreunde, unter welchen Ur 


846 Ulrich. 


Rekluſen, Hatto zu Ottenbeurn und Ruzon zu Kempten waren, vertheilen. — 
Am Geburisfeſte des heiligen Johannes des Täufers, um 1 Uhr in der Nacht 
vom Schlafe erwacht, rief U. feinem Kämmerer und befahl, ihm die Kleider und 
Scyube anzuziehen. Diefer zauberte, weil er nicht wußte, ob dieß mit oder ohne 
Bewußtſeyn befohlen werde; er gehorchte aber doch und Fleivete ihn an. Darauf 
verfügte er ſich in die, von ihm erbaute, Kirche des heiligen Johannes, wo er die 
Frühmefle las und nach diefer noch das folenne Hochamt hielt. Beides voll⸗ 
brachte er ohne [rembe Hülfe, ſtehend bis and Ende, mit aller Andacht. Darauf 
faß er nieder und erklärte feiner erflaunten Klerifel, daß er dieſe Berrichtungen 
nicht mit Vertrauen auf feine Lebendfräfte, fondern aus Gehorfam gegen eine, diefe 
Nacht gehabte himmliſche Bifion unternommen habe. Jetzt fehnte ſich der Heilige 
mit heißer Begierde, gleid, dem heil. Paulus, aufgelöst zu werden u. mit Ehriftus 
zu ſeyn. Er wähnte, daß er diefer Gnade am Borabende des heiligen Petrus 
und Paulus würde theilhaftig werden; daher ließ er fi zur Veſperzeit das 
Sterbfleid anziehen und erwartete troſt⸗ und vertrauensvoll feine legte Stunde. 
Nach der Veſper ließ er ſich von der Erde, auf der er lag, aufrichten u. Elagte 
mit faſt erloſchener Stimme: „OD heiliger Peter, Du haſt meine Wünfdye nicht 
erfüllt”. Gerard tröftete ihn mit den Worten: „Herr! laß den Much nicht 
finfen und gevenfe, daß ed auch anderen heiligen Bifchöfen eben fo ergangen 
it." Er war nun ganz zufrieden, zeigte fich gegen die Umſtehenden fehr freund- 
lich, vergab Jedermann, that allen An« u. Abweſenden nody Gutes und ertheilte 
allen feinen väterlichen Eegen. Am Freitag, nach dem Feſte der heiligen Apoftel, 
ließ er fidh vor Sonmenaufn ang auf Afche legen, darauf empfabt er Gott Teinen 
Geiſt und enticdhlief im Kreife feiner Getftlichfeit am 4. Zult 973 tm drei und 
achtzigften Jahre feines Alters und im fünfzigften feine Bisthums. ein 
Leihnam wurde in einer feierlichen Prozeſſion in die Kirche der heil. Afra 
gras und in das, von ihm felbft zubereitete, Grab von dem Bifchof 

olfgang von Regendburg gefentt.e Seine Heiligkeit warb durch viele und 
grobe under bald beftätigt und daher ward er, auf Anfuchen des Bifchofe 
uttolf, fchon Im Jahre 993 von dem Papft Johannes XV. feierlich Tanonifirt. 
Diefes tft die erfte Heiligfprechung, welche nach ven, jebt zu Rom üblichen, 
Formen in der Kirche gefchehen if. Nah Berlauf von 210 Jahren, 
nämli im J. 1183, unter Biſchof Hartwid, bei einem neuen Slirchenbau, 
bat man die Gebeine des Heiligen aufgefunden. Diefe wurden im J. 1187 
unter Bifchof Udalſcalk, bei der Einweihung der neuen Kirche in einem Tupfernen 
Sarge verfchloffen und mittel® einer felerlichen Prozeſſion, in Gegenwart des 
Kaiſers Friedrich I., welcher mit feinem Sohne und andern Fürften des Reiche 
denfelben trug und mehrer Biichöfe und Fürften beigefett. Im J. 1762 veran- 
ftaltete der fromme Bifchof Joſeph auf eine befondere Veranlaffung eine zweite 
Erhebung und eine genaue Unterfuchung derfelben, übertrug ſie in einem Fupfer- 
nen und vergoldeten und mit Silber gezierten Earg, weldyen er in einen, von 
Marmor fchön gearbeiteten, Sarfophag in der Gruft verfchließgen ließ. Neben 
diefem unfchäßbaren Heiligthum des heiligen Bifchof8 U. wurden und werben 
noch in dem Safrarium der- Kirche der heiligen U. und Afra mehre merfwürdige 
Reliquien des Heiligen, als feltene Monumente feiner Heiligkeit und des Alter- 
thums, bis auf gegenwärtige Zeiten aufbewahrt und allgemein verehrt. 

Ulrich. Der Name mehrer württembergtfcyen Regenten, unter denen wir ans 
führen: 1) U. mit vem Daumen, geboren 1226, der ältefte Graf von Würt« 
temberg, den die ©efchichte mit Gewißheit nennen kann. Er war ein Ritter von 
audgezeichneter Tapferkeit, der, nebft anderen ſchwäbiſchen Herren, dem Könige, 
Heinrich Raspo ſich widerfeste, fein Land durch die Grafſchaft Urach vermehrte 
und von dem unglüdlichen Konradin das Marfchallamt in Schwaben, die Vogtei 
über Ulm und das Landgericht über Plürs erhielt. Er ftarb 1265 und hinterließ 
zwei Söhne, U. und Eberhard, die gemeinfchaftlich regierten und zufammen 
nur elnen Hofftaat hielten. Der 1279 erfolgte Tod U.s fegte feinen Bruder 


Ulrich von Lichtenftein — Ultra. 347 


Eberhard in den alleinigen Beflb des Landes. — 2) U., der dritte Demon von 
Württemberg, geboren 1487, war erſt 11 Jahre alt, ale ihm Katfer Martmilian, 
nachden fein Borgänger Eberhard II. der Regierung hatte entiogen muͤſſen, dies 
felbe übertrug. Sein Vater Heinridy war biödfinnig und feine Bormünder ließen 
ihm ſelbſt ſchiecht erziehen. Jagd, Turniere und Feldzüge verzehrten erſtaunliche 
Geldſummen. Im den Landshut'ſchen Erbfolgekrieg jog er mit 2000 Wann 
Zußoolt und 800 Reitern. Auf dem Reichötage zu Coſtniß erfchien er 1507 mit 
30 woblgerüfteten Grafen, Rittern und Edeln, welche insgeſammt Pferde von 
allerlei Farbe hatten. Auf feinem Vermählungsfefte bewirthete er 1000 Gäſte. 
In weniger ald 10 Jahren ward hiedurch eine Million Schulden bewirkt, Nun 
erhöhete er den Weinzoll und verringerte Maß und Gewicht. Die darüber miß- 
rergnügten Bauern brachen in gefährliche Unruhen aus, die durch den Tübinger 
Bertrag 1514 auf einige Zeit unterbrochen wurden. Zu dem noch nicht unter: 
drũckten Mißvergnügen feiner Unterthanen kam noch Unelnigkeit mit feiner Ge⸗ 
mahlin und Giferfucht auf Hans von Hutten, den cr ermordete. Deſſen Familie 
Hagte bet Katfer Maximilian; U. verfagte demfelben den Gehorfam und rüftete 
fi 1516 zum Kriege. Maximilian erfärte ihn in die Acht; doch verglich er 
fh mit demfelben. U. follte nun die Regierung einigen Landſtänden übergeben ; 
er behandelte aber etliche Minifter, die er der neuen Regierungdform geneigt bielt, 
auf Das Grauſamſte und Marimilian ward nur durch feinen Tod verhindert, ihn 
ernſtlich zu befirafen. Durch den Ueberfal von Reutlingen brachte er hierauf 
den ganzen ſchwaͤbiſchen Bund gegen fid) auf und nun verlor er 1519 fein ganzes 
Land. Er machte von der Pfalz aus einen Verfuch, es wieder zu erobern; die 
Macht des ſchwäbiſchen Bundes war ihm aber überlegen. Diefer übergab das 
württembergifche Land an Kaiſer Karl V., welcher feinen Bruder Ferdinand damit 
belehnte. U. verfuchte, beſonders zur Zeit des Bauernkrieges, es wieder zu 
erobern; allein die Srennung Des fchwäbifchen Bundes und Philipps von EA 
Unterügung bewirkten dad Meifte U. und Philipp brachten mit —* rank⸗ 
reichs ein Heer von 5000 Reitern und 20,000 Mann Fußvoll zuſammen und 
der Sieg bei Laufen 1534 verfchaffte U. fein Land wieder, in deſſen Beſitze er 
durch den Bertrag von Baden befefligt wurde. 11.8 Charakter war durch fein 
Ungrüd in etwas gemildert und geberfert worden; feine Unterthanen nahmen thn 
bereitwillig wieder auf, jedoch behielt ſich Oeſterreich damals die Lehnsoherrſchaft über 
Württemberg vor, ein Berhältniß, das dem Herzog fortwährend viele Unannehmlich- 
feiten verurſachte. Run führte U. auch den Broteftantismus In feinem Lande durch, 
was fidy feine Unterthanen, die ſchon vorher in diefer Richtung bearbeitet worden 
waren, eben nicht ungern gefallen ließen. An dem fchmalfalvifchen Kriege nahm 
U. ale Mitglied der proteftantifhen Verbündeten 1546 lebhaften Antheil, mußte 
aber nach der Zerfircuung des ſchmalkaldiſchen Heeres fein Land von den kaiſer⸗ 
lihen Truppen befegt fchen. Zwar erfaufte er durch eine beträchtliche Summe 
und durch Einführung des Interims (ſ. d.) den Trieden mit dem Kaiſer; allein 
ter römifche Stonig Kerbinand lich gegen ihn, als feinen Afterlehensmann, einen 
Brozeß wegen Felonie einleiten und ſchen war U. entfchloffen, fein FR — 
defien Bertuft ihm nun auf dem Wege Rechtens bevorftand, an feinen Gohn 
Chriſtoph (f. d.) abzutreten, al& er am 6. November 1550 farb und lebterer, 
der feinen Theil an dem Kriege genommen hatte, ihm in der Regierung folgte. 

Ulrich von Kichtenftein, ſ. Kichtenftein 1) 

Ultimatum, (das zulegt Gegebene oder Verfprochene), nennt man in ber 
neuern diplomatifchen Sprache die legten Vorfchläge bei einer Verhandlung, wobei 
beide Theile flehen bleiben zu wollen erklären. 

Ultra, (lat. über Etwas hinaus), wird vorzüglich in dem neuern Spracdhge- 
brauche dem Namen der verfchiedenen politifchen u. religiöfen Parteien vorgefegt, um 
cine Meinung anzudeuten, welche in ihrer Richtung nody über die gewöhnlichen Grund⸗ 
füge hinausgeht. So gibt ed U.sRoyaliften, U.-Servile, U.»Rattonaliften, U.-2ib- 
erale ıc., welche, bezüglich auf ihre Gegner, wohl auch oft einfach V. genannt wuertuen. 


848 Utramarin — Ultramontan. 


Ultramarin, ein ſehr feines, kornblumenblaues Pulver, deſſen Farbe ſich 
weder in der Luft, noch am Feuer verändert u. welches eine der köſtlichſten blauen 
Karben abgibt. Ehe man die weit wohlfellere Smalte(f.d.) fannte, war das 
U. noch geſuchter, als jet. Man bereitet daſſelbe aus dem Lafurfeine(f.d.), 
indem man dieſen bis zum Rothglühen erbist, ihn dann in Wafler ablöfcht, 
hierauf auf's feinfte pulvert und ihn einem Echlemmprozefle unterwirft, woraus 
das zartefte und feurigfte Pigment zuerſt und dann die lichteren Rüancen erhal⸗ 
ten werben. Zu dem Ende bereitet man eine Harzmafle (Eiment), mit der man 
das zarte Pulver zufammenfnetet : vieles harzige Gemiſch wırd dann unter faltem 
Waſſer gefnetet, wodurch die feinften Farbıheile fid) vem Waſſer beimengen. Gutes 
U. muß ſchon dunkelblau, nicht fandıg und nicht gemifcht feyn; mit Del anges 
trieben, darf es fi in einem glühenden Liegel, oder auf einem glühenden Gifen- 
bleche nicht entfärben, auch muß es ſich in ftarfen Säuren ohne Aufbraufen aufs 
löjen. Die, beim Schlemmen zuletzt zurüdbleibenden, Theile werben unter dem 
Namen U.⸗Aſche (Centre d’outremer), verkauft. Wegen des hohen Preiſes foms 
men fehr häufig Berfälfchungen vor. Das U. dient nur zu den feinfien Malers 
farben, muß aber vor dem Gebrauche fo fein gerieben werden, daß es nicht mehr 
zwifchen den Zähnen knirſcht. Das befle U. wird in Italien präparirt. Sn 
neuerer Zeit hat man audy Fünftlihed U. bereitet und Gmelin gibt bazu 
folgende Borfchrift: man nimmt Kiefels und Thonervehydrat, Nepnatronlauge und 
Schwefel, dampft diefe ab, fett Eohlenfaures Ratron und Echwefel binzu und 
fchmelzt die trodene Maſſe in einem Ziegel, wobet aber, wenn die Farbe gehörig 
blau werden foll, der Sauerftoff der Luft nothwendig Zutritt haben muß. Die 
Färbung rührt jedenfalls vom Schwefel her. 

Ultramontan, lateinifch ultramontanus, wovon Ultramontantsmus (von 
ultra montes) heißt eigentlich: Einer, welcher jenfelt® der Berge wohnt. Hieraus 
ergibt fich, daß, je nad) dem Wohnorte ded Sprechenden, ullramontanus eine ans 
dere Bedeutung habe und haben müflee Yür den Römer war ultramontanus 
jeder, weldyer jenfeit6 der Berge, d. b. der Alpen wohnte, fonady die Bewohner 
Deutſchlands, Frankreichs, Spaniens u. f. w.; für die dieſſeits der Alpen 
MWohnenden dagegen waren die italifchen Bölkerfchaften, insbefondere die Römer, 
bie ultramontani. “Dieß die Bedeutung des Wortes „ultramontan“ in der Brofan- 
—* Aus ihr ging es fpäter auch in die kirchliche über und kommt in dieſer 
est faſt ausfchließlidh vor. Seine Bedeutung iſt, je nach dem theologifchen oder 
lirchlichen Standpunkte dedjenigen, welcher das Wort gebraucht, eine verfchiebene. 
Die vorzüglichften Bedeutungen find folgende: 1) man bezeichnet mit dem Worte 
„ulttamontan” alle jene, welche die mittelalterliche Anficht von dem Verhälmiſſe 
zwifchen Kirche und Staat theilen, deren Urheber Gregor VII. war u. wonad 
befanntlicy der Staat der Kirche nicht coordinirt, fondern fuborvinirt, die Staats; 

ewalt nicht, wie die Firdhliche, eine urfprüngliche, fondern nur ein Ausfluß ber 
egtern iſt, wonach der Etaat zur Kirche alfo in dem nämlichen Verhältniſſe, in 
welchem der Mond zur Eonne, ſteht: ein Bild, deffen Gregor VI. fidy gern zur 
Bezeichnung des fraglichen Berhäliniffes bediente. 2) Ein ähnlicher Streit, wie 
zwifchen der Kirchens und Etaatögewalt im eilften, entfpann fi im vierschnten 
und fünfzehnten Jahrhundert zmwifchen der päpftlichen und bifchöflidyhen Gewalt. 
Aus diefem Streite gingen zwei Theorien hervor. Die eine betrachtete in fireng 
monarchiihem Sinne Papſt und Kirche als Eines und ließ alle Gewalt in ver 
Kirche bios vom Papſte ausgehen; die andere legte vie höchfte Gewalt in die 
Gefammtheit der Biſchöfe, fo, daß der Parft, derfeiben gegenüber, nicht der Erſte, 
fondern ihr unterworfen war. Die erfte Theorie if befannt unter dem Namen 
Papalſyſtem, die andere unter dem Namen Episkopalſyſtem. Jenem 
huldigten vorzugsweiſe die römiſchen, diefem die franzöftichen und deutſchen Theo⸗ 
logen auf den reformatorifchen Eoncilien zu Konſtanz (1414— 18) und zu Batel 
(1431 — 49). Die Anhänger des Papalfyftems wurden und werden noch jet 
Le genannt. 3) Eine andere Bedeutung erhielt das Wort zu Ende des vorigen 


ne, 


Wpfes— Umbrer. 849 


Jahrhunderts, wo ein Ritolaus von Hontbeim, Weihbiſchof von Trier (unter 
vem Namen Juſtinus Febronius) und ein Kaiſer Joſeph IL, der mit den atheifl- 
iſchen Bhllofophen Frankreichs und ihrem Werkzeuge, dem Könige Friedrich II. 
von Freußen , Liebängelte und unter dem Einfluſſe der freigeiftifchen Illuminaten 
Rand, die heftigften Angriffe, nicht nur gegen die Gewalt des Papftes, ſondern 
ad gegen das Chriſtenthum felbft, gegen defien Lehre, Eultus und Disciplin 
räeten. AU. voar für dieſe, und ift noch heute für ihre Gefinnungsgenoffen efn 
ser, dee Diefe, dem Ghriften« und Kirchenthum ‚gleich feindfeligen, Tendenzen 
zit theilt, oder ſich ihnen entgegenftellt. 4) Als Nachklänge diefer kirchenfeind⸗ 
Ikea Richtung Haben wir ven fogenannten Tirchlichen Liberalismus in den erften 
Dreanin Des gegenwärtigen Jahrhunderts anzufehen, ver befonders in Baden, 
Bintenderg, Der Schweiz und vorüberaehend auch in Gachfen um ſich griff, 
md deſſen Hauptwertreter der Freih. von Weffenberg in verfchlevenen Schriften, 
Han in den freimüthigen Blätiern, Sicher in den katholiſchen Blättern, bie 
Ilma Jahres ſchrift, Wierander Müller in dem fanonifchen Wächter, Fridolin 
br, Schreiber u. v. A. waren. Sie hatten ſich die Wufgabe geflellt, ven 
tholizie mus Dem modernen Zeitgeifte entfprechend zu machen und dieß 3. B. 
ud Abſchaffung der lateinifchen Sprache beim Gottesdienfte, durch Vereinfach⸗ 
ung ver Geremonten, durch Aufhebung des Eölibates, oeretfung von Rom und 
Gründung einer deutichen Rationalfirche u. f. w. Wer dieſem Tirchlichen Liber 
alisnus nicht Huldigte, wurde ulttamontan genannt. 5) Eine andere Bebeutun 
rbiet dad Wort „ultramontan“ in den Kämpfen, welche im der füngften Zeit 
wilhen Der Kirche und dem Staate, 3 DB. wegen der gemtfchten Ehen, geführt 
pvurden. Wer hier der Kirche nody eine Wutonomie, wie gering fie au feyn 
mochte, vindicirte; wer die Omnipotenz (Allmacht) der Etaatögewalt, ihre Bes 
ugnisg, auch in rein kirchlichen Dingen gefehgebend aufzutreten, läugnete, ober 
‚ar belämpfte, ward des Ultramontanismus befchuldigt. 6) Im Munde der fos 
‚enannten “Deutfhhfatholifen, proteftantifchen Lichtfreunde, fo wie im Munde aller 
yerjenigen, welche in unferen Tagen das pofitive Chriſtenthum anfeinden, tft da® 
Eort „ultramontan“, „Ultramontanismus“ gleichbedeutend mit „Eatbolifch”, „Ras 
Holiziomus“ u. der gerade Gegenfat von Rarifalismus. Hiernach iſt Jeder ultra⸗ 
zzontan, woelcher im Sinne ver Fatholtfchen Kirche an dem pofitiven Chriſtenthum 
erhält und für dasfelbe ftreitet. Als daher der deutſche Episkopat fidy jüngſt 
in Würzburg verfammelte, um zu berathen, welche Stellung die Fatholifche Kir 
ber eingetreten politifchen Revolution und dem Staate gegenüber einzunehmen 
babe; als vie Fatholiihen Pius Vereine jüngft in Mainz zu ähnlichem Zwede 
zufammentraten, fo waren dieß, nach dem Zeugniß des politiichen und kirchlichen 
MNadikalis mus, nur Berfammlungen der Un. 7) Mit dem Namen „ultramontan“ 
beieihnet man aber endlich audy heutzutage eine beftimmte Partei unter den Ka⸗ 
tholiten ſelbſt. Man pflegt fie auch, im ®egenfage zu den gemäßigten, die firenge 
au nennen. Beide Parteien gehen in ihrer Anficht über den Eultus und 
die Disciplin aufeinander, reip. in der Unterfcheidung zwifchen wefentlichen und 
nwefentichen Theilen derſelben. U.e werden in biefer Beziehung jene genannt, 
welhe die angegebene Unterfcheidung nicht gelten laflen, fondern Alles, was bie 
tuholifche Kirche im Laufe der Zeit, nach den jeweiligen Beduͤrfniſſen der zu ers 
ihenden Wölfer und Individuen, an folhen Formen zu Tage gefördert, als mit 
von Weſen diefer Kirche gefept, darum felbft als wefentlidhe und unaufgebbare 
formen anſetzen, währenpdem die gemäßigte ‘Partei hierin der Zeit und ihren 
Imelligen Bebürfnifien Rechnung getragen, das Beraltete und unbrauchbar Ge⸗ 
wordene bei Seite und Paſſendes an feine Stelle gefegt wiſſen will. Dr. Fluck. 
niyſſes, f. Donffeue, 

Umbrer (Umbri), eines der älteflen und mächtigften Völker Staliens, hatte 
früher das ganze Land zwifchen dem Po und der Tiber inne, wurbe aber von 
den einpringenden Tyrrhenern gurüdgenrängt und wohnte fpäter in dem Laud⸗ 
friche zwifchen Dem Rublco, ber Tiber, bem Rar (Rara) und vera trlodiäen 





350 Umdrehung — Umingki. 


Meere, in den jetzigen Delegationen Urbino, Perugia (zum Theil), Ancona, Ma⸗ 
cerata, Fermo, Camarino, Äscoli u. Spoleto. Ihre vorzüglichſten Städte waren: 
Ariminum (Rimini), Pisaurium (Peſaro), Fanum Fortunae (Fano), Senegallis, 
Sarsina, Urbinum, Sentinum, Comerinum, Aesis (Jeſi), Asisium, Inguvium 
(Gubbio), Spoletium (Spoleto), Narnia (Narni), Fulginia (Foligno) u. a. Die 
U. erbielten lange ihre Unabhängigkeit, bis fie im erſten punifchen Kriege von 
den Römern unterworfen wurden und, wenn fie auch fpäter einige Male wider 
diefelben fich auflehnten, doch ſtets den Fürzern zogen; ihr Name blieb aber noch 
fehr lange üblidy und das Land bildete ımter Auguſtus die 6, Region Italiens. 
Im Mittelalter beftand dad Herzogthum Urbino, doch gehörten Theile des Landes 
F Mark Ancona und zum Herzogthume Spoleto. Die Aufmerkſamkeit der 

eueren haben die Reſte der umbriſchen Sprache auf ſich gezogen, welche als 
Inſchrift auf den ſogenannten eugubiniſchen Tafeln gefunden worden ſind und 
einiges Licht auf die altlateiniſche Sprache werfen. Vgl. Groteferd „Rudimenta 
linguae umbricae“ (Fasc. I. Hannover 1835). 

Umdrehung, Ummälzgung oder Rotation, ift diejenige Bewegung eines 
Körpers, wo eine geaife, in ihm gedachte, gerade Linie dabei in relativer Rube 
bleibt, d. b. ihre Stellung im Raume nicht Ändert, während die übrigen Punkte 
des Körpers Kreife um fie befchreiben. jene ruhende gerade Linie heiße Rotas 
tionsare und die Punkte, in denen fie die Oberfläche des Körpers trifft, die 
Pole der U. Iſt der betreffende Körper eine Kugel, fo heißt der, auf der Are 
fentrecht ſtehende, größte Kreis der Aequator, jeder ver übrigen Eleineren, ihm 
gleichlaufenden Kreife aber Barallelfreis. Im leeren Raume, 5.8. im Welt⸗ 
Taume, welchen man frei von jedem widerfichenden Mittel annimmt, bewirkt ver 
centrale Stoß gegen eine durchaus gleichartige Kugel blos eine fortgehende Cpros 
greffive) Bewegung ohne Rotation; ift aber der Stoß ercentrifch, fo bringt er 
zugleich Arendrehung hervor. Belde Bewegungen, wenn fie einem Körper einmal 
mitgetheilt find, dauern im leeren Raume ununterbrochen, nur ohne gegenfeitigen 
Einfluß auf einander, fort; Centralfräfte, welche zugleich auf venfelben Körper 
wirken, ändern zwar die progreffive, aber nicht die rotatorifche Bewegung. Eine 
folde U, um eine Are beobachtet man an allen Planeten und Rebenplaneten 
unſers Syſtems; fie erfolgt bei ihnen allen in der nämtlichen Richtung: nämlich 
von Welten nad Often (nach der Folge der Zeichen). Da die progreffive 
Bewegung in dem nämlichen Sinne flattfindet, fo leitet man letzteres aus jenem 
von einer gemeinfchaftlichen Urfache, einem ercentrifchen Stoße auf die Mafle ver 
MWeltförper, ber. Alle Rotationen gehen mit ununterbrochener vollfommener Gleich⸗ 
förmigfeit vor fi, da die Kräfte, welche die progreffive Bewegung ftören, auf 
fie keinen Einfluß haben; 3. B. in der U. zeit der Erde um ihre Are ift feit fo 
vielen Jahrtaufenden auch nicht die Heinfte Berfchievenheit bemerkt worden. Durch 
die Axendrehung erhalten die Theile des fich drehenden Körpers eine Schwung: 
kraft, die fle von der Are zu entfernen firebt und auch wirklich entfernt, wofern 
dies nicht entweder durch ihren körperlichen Sufammenbang, oder durch die, nach 
dem Miitelpunkte des Körpers gerichtete, überwiegende Anziehung verhindert wird. 
Wirkungen dieſes, aus der U. der Erde um ihre Are entflehenden, Schwunges 
find namentlidy die, nad Maßgabe der Annäherung an den Nequator zunehmende, 
Verminderung der Schweren, die Abplattung der Erbfugel unter den Polen (I. 
Abplattung) ıc. Alle diefe Säge über die rototarifche Bewegung machen einen 
fehr wichtigen Theil der Theorie des Weltſyſtems aus. 

Uminski, Johann Repomuf, polnifcher General, geb. 1782 im Großherzog: 
thum Poſen, trug fchon 1794 unter Kosciuszco die Waffen für fein Baterland, lebte 
nach Polens dritter Theilung abwechfelnd in Dresden und auf feinen Gütern, 
bis er 1806, auf Napoleon® Aufruf an die Polen, aus den Tapferften feines 
Volkes eine Ehrengarde für Napoleon in Warſchau bildete. Er focht dann an 
der Epige einer Reiterfchaar vor Danzig, wurde 1807 bei Dirſchau verwundet 
und von ben Breußen, weldye damals alle yolniichen Gefangenen wie aufrührert- 


Umkehrung — Uncialbuchfiaben, 954 


ſche Untertbanen behandelten, gefangen genommen und von einem Kriegögerichte 
zum Tepe verurtheil. Schon ftand er mit verbundenen Augen vor einem Haufen 
Füfliere, als ein frangöfifcher Parlamentär im Namen des Kaifers erklärte, daß 
das Leben des gefangenen Bringen Auguſt von Preußen für das der gefangenen 
Dolm und namentlidy U.8 haften werde. Er blieb nun bis zur Beendigung des 
Feldages in Riga. Als er zur Armee zurüdfam, ward er zum Major im 5. 
Jaͤgerregimente zu Pferde ernannt, befehligte im öfterreichifchen Feldzuge 1809 die 
Borhut ded Generals Dombroweti und zeichnete fi) durch Fühne Unternehmungen 
aus, die ihm den Brad eines Oberften verfchafften und errichtete, als eine fürme 
liche Umbibung der polnifchen Truppen ftatıfand, das 10. polniſche Hufarens 
sepiment. Mit diefem zog er zuerſt 1812 in Moskau ein, ein anderes (Krafufen) 
atichtete er zu Krakau. Bei Leipeig verwundet und gefangen, diente er einige 
Jeit im polniſch⸗ruſſiſchen Heere. Weil er 1821 die Verbindung der Senſen⸗ 
fr errichtet hatte, ward er 1826 zu fechsjähriger Feſtungsſtrafe verurtheilt, 
er entfloh aus Glogau 1831 und führte mit gewohnter Tapferkeit eine 
Dsifton bei Grochow, Dembe ıc. und vertheidigte Warfchau. Geaͤchtet, rettete 
a ſich nach Zranfreih. Man hat von ihm, außer mehren polnifchen Schriften‘ 
über die Revolution, eine deutfche „Beleudhtung des Werkes von F. Smitt“, 
Brüfel 1840 und ein „Recit des &vönements militaires de la bataille d’Ostro- 
lenks”, Baris 1832. 
Umkehrung, f. Inverfion. 

Umlauf, nennt man im Allgemeinen die Bewegung eines, um einen Mittels 
punkt laufenden, Körperd durch feine ganze Bahn; dann aber befonderd: 1) die 
Bewegung eined Planeten in feiner Bahn um feine Sonne. 2) Die Bewegung 
eines Mondes oder Trabanten, in feiner Bahn um feinen Hauptplaneten und 
3) Die Bewegung des einen von zwei, einen Doppelftern bildenden, Firfternen in 
feiner Bahn um den andern, Gentralftern genannten, Zirftern. — Die Zeit, in 
welcher der U. eines foldyen Himmelskörpers einmal vollendet wird, heißt bie 
Umlaufßzelt dieſes Himmelsförpers. 

meiß oder Contour beißen in ber zeichnenden und bildenden Kunft bie 
äußerten Binien, welche die Formen eines Körpers beflimmen und bei einer lebens 
ven Figur, oder ronde bosse, die, aus einer gewählten und angenommenen Ent⸗ 
fernung fihtbaren, äußerften Flaͤchenlinien. Jene erfteren bleiben unveränverlich, 
legtere ändern fi) mit der wechfelnden — und nad) dem Standpunkt des 
Beichauenden. Immer hängt der vorzüglichfie Werth einer Figur von der Richt- 
iglelt und Schönheit der Umrifie ab und daher if das Studium dieſer dem 
jeichnenden u. bildenden Künftler unentbehrlih. Die Umriffe der Figuren können 
übrigen ſich harakterifiren durch Anmuth, Korreftheit, Größe, Kraft, Stärke, Wahrheit 
u duch Zierlichkeit. Wenn aber von Gontouren oder von Zeichnungen in U.en 
überhaupt die Rebe ift, fo verfieht man darunter Bilver, welche lediglich die Zigur 
ver Körper zur Anfchauung bringen, ohne daß dabei von Karben, Schatten und 
Licht u. dgl. Gebrauch gemacht iſt. Das Verdienſt foldyer Eontouren liegt dem⸗ 
nady allein in der Moviffation der Linien, in der richtigen, mit Geiſt ausges 
führten Zeichnung und Anorbnung, weßhalb fie auch von Kunftfennern ziemlich 
gefucht u. geſchäht find. — In der Kupferftecherkunft heißt „ven U. abtragen“ 
den U. einer Zeichnung auf die Kupferplatte, zur größern Sicherheit der Aus⸗ 
führung, übertragen. 

Umtriebe, vemagogiiche, fe Demagog; geheime Befellfhaften; 
Burſchenſchaft. 

Unalaſchka, ſ. Fuchsinſeln. 

Uncialbuchſtaben, Capitularbuchſtaben), heißen dem Worte nach ſolche 
—— welche die Länge eines Zolls (uncia) haben; fie wurden urſpruͤnglich 

f Monumenten gebraucht und die Benennung U. blieb nad) der Erfindung der 
Heineren Buchfiaben für die größeren, mit denen noch vie Alteten Handichriften 
gefchrieben find; daher Unialjhrift, Schrift mit lauter. großen Bucdykaken. 


352 Undinen — Unfruchtbarkeit, 


Unbdinen, die Geifter, welche das Waſſer bewohnen, gleidy den Niren, mit 
denen fie twahrfeeintich identiſch find. Inder alten Raturgefchichte fpielten die Ele⸗ 
mentargeifter eine große Role; man glaubte die vier Elemente der Scholafiifer 
befeelt und durdy zarte oder gröbere ärherifche ober ſtark irdiſche Wefen, zu denen 
dann die U., ald Bewohnerinnen der Quellen, Bäche und Ylüffe gehörten. Mit 
unnachahmlicdhem Zauber befleidete die blühende PBhantafte eined Fouqus, in dem 
wunderbar Iieblichen Gedicht „Undine“ ein folched Weſen. 

Uneheliche Kinder find fe e, bei deren Geburt die Eltern nicht mit eins 
ander verheirarhet waren. Sie find von Selten der Mutter legitim, gehören {hr 
an, erhalten ihre Heimath und follen, nach den meiften Gefehgebungen, veren 
Namen führen, jedoch ohne Anfprüche auf Familienrechte gro die Seitenver- 
wandten der Mutter (preuß. Landrecht). In Erbfchafisfällen fuccebiren fle ihr 
augleich mit den ehelichen Kindern. In den früheren Zeiten nannte man tn 

tfchland die Kinder, weldye zwar außerhalb des Eheſtandes, doch nicht von 
verdammter Geburt (in Blutfchande) erzeugt worden waren, bezüglich auf 
den Bater Baftarde (f. d.). Im Beziehung zur Mutter galt das Eprichwort: 
„Keine Mutter trägt einen Baftard.” Es fand daher zwifchen ihnen 
und der väterlichen Berwandtfchaftölinie kein gegenfeltiges Erbrecht flat. Nach 
einem Brivileglum von Katfer Marimilian I erhielt der Kurfürft von ber 
Pfalz die Behianiß, alle Baftarde in feinem Lande leibeigen zu machen. Rach 
dem römifchen Rechte erhielten die natürlichen (im Eoncubinat erzeugten) Kinder 
zugleich mit der Mutter das Snteftaterbrecht in 4 vom Nachlaſſe des Baters. 
Wegen ver Billigkeit wird dieſes Geſetz in vielen Ländern auf alle U. K. ange⸗ 
wendet. Nach dem preußifchen Landrechte (Thl. II. tit. 2. 6. 652) erhalten U. 8. 
den 6. Theil vom Ruchlaffe des Vaters, wenn eine ehelichen Gefchwifter und 
fein Teftament vorhanden find. Im Mittelalter waren die U. 8. anrüchtig 
(f. d.), von den Zünften ausgefchloffen und mußten erft vom Landeéherrn ſpezielle 
Erlaubniß erhalten. — Etaat@männer und Gelehrte habın fi) Mühe gegeben, zu 
unterfuchen, in wiefern der überhandnehmenden Progreffion der Geburten unehe⸗ 
licher Kinder zu fteuern iſt; man fcheint jedoch aus der Adht gelaffen zu haben, 
daß beim gleichen Hortfchreiten der Erichwerungen des ehelichen und Yamtlien- 
lebınd durch Eommunaleinrichtungen, Heimathé⸗, Zunfte u. Militärzwang, durch 
Mafregein gegen das Ausland ıc., die ftärkere Natur dann eben immer ihre 
Rechte behaupten wird. 

Unendiih, heißen in der Mathematik ſolche Größen, die man fi ohne 
Graͤnzen denkt u. die daher, in Bezug auf endliche Größen, nady Erforbern größer 
oder Feiner angenommen werden. So fagt man: eine veränderliche Größe werde 
unendlich groß, wenn ihr numerifcher Werth unbegränzt wächst und folglich 
größer werden kann, al& jede gegebene, noch fo große Groͤße. Ebenſo audh: eine 
veränderliche Größe werde unendlich Elein, wenn ihr numerifcher Werth uns 
begrängt abnimmt, fo daß er Heiner werben kann, als jede gegebene, noch fo 
Heine Größe und folglich der Null fi immer mehr nähert und ver Abnahme 
feine andere Gränze, ald Null felbft, gefebt werden. Das u. Große drüdt 
man fürzlidy dur 00 das u. Kleine dur O aus u. die Anwendung der, auf 
diefen beiden Begriffen beruhenden, Sätze macht den Inhalt der Infinttefimals 
rehnung (f.d.) aus. Unenpliche Reihen (series infinitae) find ſolche, deren 
Glieder nach einem beflimmten allgemeinen Geſetze, ohne jemals abzubrechen, ins 
Unendliche fortlaufen. Unendliche Kettenbrüche find folche, deren lieder nad) 
A LeRimmten allgemeinen Gefege, ohne jemals abzubrechen, ind Unenpliche 
ortlaufen. 

Unfehlbarkeit, ſ. Infallibilität. 

Unfruchtbarkeit nennt man im Allgemeinen das Unvermögen zu Zeugen 
beim männlich.n und beim weiblichen Geſchlechte; vorzugsweiſe fo heißt aber bie 
Unfäbigtelt zu Empfangen beim weiblichen Geſchlechte. U. iſt immer vorhanden 
bei mangelnder Faͤhiglelt zum Beiſchlafe; fie kann aber auch beftchen bei voll 


Ungarn. 853 


ommenem WBermögen zum Beiſchlafe, in welch letzterem Kalle die Auffindung 
hret Urſachen oft fehr fömierig, ja fchlechtervinge unmöglich if. (Bgl. Im⸗ 
potenz.) — Die Heilung der U, erfordert vor allem Hebung der Urfachen; ba 
dieſe aber oft nicht entfernbar find, ja Häufig nicht einmal erkannt werden fönnen 
fo it die Hetlung der U. meiftend unmöglich. In mandyen Fällen dagegen if 
vie angebliche U. nur eine fcheinbare und es bevarf nur einer verfländigen Ans 
udamug der Lebenoweiſe von Seiten ded Arztes, um der U, ein Ende zu 
ich M D B. b. das Sand der Bagpar 
arn — magyar agyar Orszag d. h. Dad Land der Magyaren, 
laviſch Bengria, adyariſtan — bezeichnet 1. im weitern Simme den 
amen Länderkomplex ver öſterreichiſchen Monarchie, welcher öſtlich von den 
eufchen und italienifchen Staaten derjelben liegt, alfo das eigentliche Königreich 
l, Kroatien mit dem zu felbem herübergegogenen Theile Illyriens (das Littorale 
mannt), Slavonien, Dalmatien, Siebenbürgen und die Militärgränge, zufammen 
sche als Die Hälfte des Flächenraumes und ungefäbt Fa der &inwohnerzahl der 
nen Monarchie umfaflend; 2. im engeren Sinne die drei vereinigten Königs 
iche U. Kroatien und Slavonten; 3. im engften Sinne endlich das eigentliche 
Leder fogenannte ProvinztalsU. Die Geographen nehmen Iindgemein unter den 2, 
aedneten Inbegriff U.8 an, u. in diefem Sinne bat das Land einen Flächen- 
alt von A144 D Meilen und eine Bevölkerung von approximativ 11 Mill. 
Selen, wovon 4,708,260 Magyaren, 1,156,400 Deutfche, 1,822,730 Slovaken, 
5310 Ruthenen, 739,240 Serben, Schafazen u. Stavonter, 689,589 Kroaten, 
9600 Stovenen, 13,580 Bulgarem 1,029,680 WBaladyen, 33,000 Zigeuner; 
10,000 Griechen und Macedo⸗-Walachen (Zinzaren), 4000 Staliener, 3000 Ars 
nenier und 265,620 Juden find. Wir werden vornehmlich das eigentliche U. 
ia tn Betracht zichen, weil Kroatien und Slavonien bereits ihre eigenen Ars 
id in dem vorliegenden Werke haben. Das Königreih U. an und für fi 
tan gegen Welten an Mähren, das Erzberzogthum Defterreih und Steiere 
af, gegen Süden an Kroatien, Siavonien und die banatifche Milttärgränge, 
m Ofen an Siebenbürgen und Galizien und tim Norden wieder an Galizien. 
36 hat einen Ylächenraum von 3300 Mein und 10,100,000 Einwohner. 
Ban untesfcheidet zwei große Hälften, die weftliche und öftlidhe, von welchen 
me mit Rückſicht auf die Obirflächengeflalt Nteder-U., viele Ober⸗U. ges 
namt wird, obwohl Nieder⸗U. in's Gebirgsland reicht u. Ober⸗U. ſeinerſeits in 
de große Ebene herübergreift. Land wie Volk find fo mannichfultig und reich, 
Wr {im voraus gar nicht alle günftigen Chancen berechnen lafien, die fidy 
eraeben müflen, wenn dad Bodens» u. Menichenfapital dereinft befier benüßt wird, 
ald es leider bisher der Fall war, und von den Torffeldern am Süpfuße der 
Kawaihen bis zu den Goldwäſchereien des Banatd, von dem reichen Bergbau 
Rieder⸗ U.s Bis zu den unerfchöpflichen Steinfalsgruben der Marmaros, von der 
Dlege DEB Flachſes im Norden des Landes bis zu dem Reisbau und der Sets 
denzjucht des Südens, von den Steinkohlenflögen des Weſtens bis zu den Traus 
benhügeln und Melonenfelvern des Oſtens — von allen Gränzen des Landes bis 
u den entgegenftehenden fehen wir ein wunderbar reiches Produktennetz ausge⸗ 
ſpannt, fehen wir überall das Füllhorn des Naturfegend audgegofien. — Un 
den Weſt⸗, Nord» und Oftgränzen des Landes erhebt fich die Gebirgskette der 
Karpathen (. d.), weldde vom linken Ufer der Donau bei Prefburg in einem 
maldigen 120 Meilen langen Bogen bis Altorfova hinabzieht und U. von 
Dentfehland und Galizien, Siebenbürgen von der Moldau ſcheidet. Höchfer 
Theil dieſes Gebirges find die Eentralfarpathen oder die fogenannte Tatra, wo 
vie noch nie beftiegene Eisthalerfpihe nach den neueften Mefiungen 8300° 
erreicht. Im Weiten ftreichen Zweige der fteirifchen Alpen in's Land herein und 
büden den Bafonyer Wald nördlich und das Gebirge von Fünfkirchen fünlich 
vom Plattenſee. Am füblichen Fuße der Karpatben dehnen fi, vurdy Darts 
riegel, weldye von jenem Gebirge außlaufen und mit den Alpen in Berbinuung, 
23 


Kealenwclopddie. X. 


354 Ungarn. 


fliehen, von einander abgefonvert, die Eleine und die große ungarifı 
Ebene aus, letztere über einen Flächenraum von 1568 8 Meilen und ı 
Waizen oberhalb Befth bis Bancfova in der Nähe von Belgrad hinabreiche 
Wie gering ihre Neigung ſei, erkennt man ſchon an den überaus zahlreid 
Serpentinen der Theiß. Der Haupiflrom 1.6 iſt die Donau, melde o 
Brefburg aus Deutſchland eintritt und bei Peterwardein in bie —— 
ergeht. Die beventendften Nebenflüſſe derſelben ſind — links: Die Ma: 
(Graͤnzfluß zwiſchen U. und Deutſchland), die Waag, Neitra, Gran, 
heiß mit der aus Siebenbürgen kommenden Maros und die Temes 
rechts: die Leitha, die Raab, der Sarvicz und die Drau (Bränsfluß ae 
Kroatien und Slavonien). Die Donau bildet auf ihrem Laufe durch das Loe 
mehre große Inſeln, fo die beiden Schütt (f. d.), St. Anpreas, Ezepel, M: 
tta. Landſeen bat U, in großer Anzahl u. darunter zwei, die zu ben beträchtlich 
Europa gehören, nämlidy den Neufiedlerfee und den Plattenfee o) 
Balaton (f. d.). Sehr merkwürdig find die vielen Seen in den Schludhi 
der Karpathen, weldye der Bebirgslänee nährt, darunter der grüne Se 
2 Meilen von Kesmark, den 5000 Hohe Granitmaflen umfchliegen. In t 
Riederungen des Landes, befonders an der Theiß, finden ſich Moräfte von | 
deutendems Umfange. Bon ihnen if ver Hanfag am Reuftenlerfee durch 
großartigen Entfumpfungsarbeiten, welche man dort vorgenommen bat, der | 
nntefte geworden. — Das Klima fft fehr verfchieden, in den Karpathen ra 
mit firengen Wintern, füplicher mild bis zum Gedeihen der edelſten Weinſort 
ja felbf der Baumwolle. Die Moor egenden haben feuchte, drückend fchwü 
ungefunde Luft; in den Ebenen Mittel-U.8 ift die Temperatur fehr veränderli 
bei Tage heiß und Nachts plöglich empfindlich fühl. Im Sommer regnet es 
diefen Gegenden wenig, dagegen fällt flarfer Thau. Auf den Haiden beme 
man häufig die überrafchenpften Luftſpieglungen. Erdbeben richten bie und 
große Verwüftungen an. — Der Boden U.8 if fehr fruchtbar, mit Ausnah 
der wilden, rauhen, mit Trümmern überfäten Engthäler der Sarpathen. Di 
wechfeln auch in den Ebenen üppige MWiefengründe und Viehweiden — die fo; 
nannten Puſzten, den fünamerlfantfchen Bampa’s ähnlich — mit traurig 
Sumpfftreden und flerilen Sandflächen und Heiden, wohin 3. B. die große D 
brecziner und die noch größere Ketöfemeter Heide gehören. — Das Laı 
hat einen fo großen Reichthum der herrlichfien Naturerzeugnifie, daß die Mag 
aren in ihrem überfchwänglichen Nationalſtolze fagen: Extra Hungariam non € 
vita, et si est vita, non est ita. Das Pflanzenreich liefert Getreide im Uebe 
fluffe (im J. 1842 wurden 108 Millionen niederöfterreichifche Metzen geernte 
fehr viel Mais, Hirfe, Kartoffeln, Hülfenfrüdhte, Obſt, Gemüfe, Gartengewäd 
aller Art, Melonen auf freiem Yelde, Gurken, türkifcyen Pfeffer CBaprifa), Moh 
Hopfen, Flachs, Hanf, Tabak (560,000 Eentner jährlich und größtentheild v 
vorzüglicher Güte), Färbe⸗ und Yutterfräuter, Reis, Rhabarber, Buumwol 
Die ungarifchen Weine, deren im Durdhfchnitte jährlid 26 Millionen nied« 
öfterreichifche Eimer gewonnen werden, gehören zu den beften der Welt, und 
befindet fidy unter den 300 Sorten derfelben der König aller Weine, der feuri 
%okaler cf. d.). Holz hat das Land in außerordentlicher Menge; der frül 
durch feine Räuberhorven berüchtigte Bafonyer Wald erreicht allein eine Au 
dehnung von 12 Meilen und befteht faft durchgehend aus Eichen. Doch fl 
die Forfte fehr ungleicd, vertheilt, fo, daß einzelne Gegenden überreich mit He 
efennet find, während man in den Ebenen um die Donau, Thei und Marı 
fig Stroh, Schilfrohr oder gedörrten Kuhmiſt als Brennfloff verwenden mu 
Zu den einträglichen Waldproduften U.8 gehören auch die Galläpfel und ? 
Bottafche. — Bon Thieren bat U. vieles (5 Mil. Stüd) und treffliches Rin 
vieh, Pferde (1 Mill., größtentheild von edler Race), Schafe (17 Millionen g 
meine imd verebelte), Schweine (4 Millionen), Efel, Ziegen, Geflügel und foı 
bie gewöhnlichen Haus = und Zuchtthiere, dann zahlreiches Wild, vom Hirſch 


i 


Ungarn. 355 


und der Gemſe herab bis zum Kaninchen u. f. w. An und in den Gewäflern 
(eben Biber, Fifchotter, eine außerordentliche Menge von Sumpf» und Waffer: 
vögeln, darunter der PBelifan und der Silberreiher, aus deſſen Drabtfedern die 
en Federbüfche der Hufarenoffiziere gemacht werben; die Flüſſe find fehr 
Khreich, und von der Theiß heißt es ſprichwoͤrtlich, fie enthalte mehr Fiſche als 
Baffer. Die Donau ernährt den größten Süßwaflerfifch, den Haufen. Ferner 
finden ſich von mutzbaren Thieren der Seivenwurm, die Biene, der Blutegel, 
welcher einen ftarfen Yusfuhrartifel bildet, u. die bekannten ungartichen Sprofier. 
—* egen gibt ed auch mancherlei Arten ſchädlicher Thiere, ale Wölfe, Bären, 
e, 393 —— Raubvögel, Heuſchrecken u. a. m. Sam befonber 
ni iſt 906 Mineralreih. U. —* das meiſte und feinſte Gold in Curopa, 
ſehr viel Silber, Queckſilber, vorzügliches Kupfer, Eifen, Spießglanz, Biel, 
t, Kobalt, Stein» und Quellſalz, Edelſteine und andere werthvolle Steinarten, 
‚ Wam, Bitrtol, Salpeter, Schwefel, A Steinkohlen, Porzellanerde, 
Graphit ꝛxc. Mineralquellen rechnet man über 300, worunter heiße, eile e 
Sauerbrunnen, kupferhaltige und Cementwaſſer find. — Merkwürdig iR. in 
die Berſchiedenheit der Nationen, welche ſich mit ihren Eigenheiten ſchroff gegen⸗ 
über ſtehen. Die Magyaren haben einen kraͤftigen Körperbau, edel geformte 
Geſichts züge, ſchwarze Saar und Augen, bleichen Teint. Die Männer halten 
den bart für die fchönfte Zierde ihres Leibes. Bon Charakter if ver 
— lebendig, leicht erregbar, offen, gaſtfrei, vaterlandsliebend, vera, 
tapfer. Seinen vielgerühmten Edelſtun möchten wir übrigens mehr Fi Nobleſſe, 
als für reinen Seelenadel erkennen. In den Sitten der Maſſe hat -fih noch viel 
von dew: alten barbarifchen Sauerteige erhalten, der gar leicht die dünne Kruſte 
der Civiliſation durchbricht, wenn ihn die Leidenichaften in Gaͤhrung en. 
e deſſen find die Roheiten, welche ſich die Magyaren, insbefonbere ihre 
verwandten, bie Szefler, in dem jetigen Bürgerfriege gegen ihre pos 
litiſchen Gegner erlauben. Ueberhaupt hat der Magyare den altatiichen Nomaden 
noch bie zur Stunde nicht ganz abgelegt. Er tummelt gern fein Roß auf den 
Ben Ebenen, weidet fein Vieh auf den grasreichen PBufzten, fcheut jedoch an⸗ 
—* ende Arbeit. Das Hauptlaſter dieſes ſonſt vielfach begabten Volkes aber 
iR fein bis auf die äußerſte Spitze getriebener Hochmuth, der es veranlaßt, auf 
jeden Nichtmagyaren mit Verachtung herabzuſehen. Insobeſonders find biefer 
Beringicht ung der Slave ausgefegt und des Deutfche, welchen der Ungar weg⸗ 
werfend „Swab” heißt. Der tolle Ultramaghariömuß möchte am liebften Alles, 
was nicht direft aus den Lenden Arpad's abitammt, zum Lande hinauswerfen. 
Die malerifche Rationaltracht des Magyaren dürfte jedem unferer Leſer theils 
vom Selbſtſehen, theild durch Abbildungen und Befchreibungen binlänglich be- 
fannt ſeyn. Die Rahrung des gemeinen Mannes tft ziemlich armfelig. Im 
na egenden lebt das Volk von ſchlechtem Haferbrode, Kartoffeln, Hülfen- 
früchten, is, Sped. Alle Speifen werden fehr fett bereitet und wo möglich 
mit Paprika gewürzt. Die Wohlhabenden efien natürlich befier. Lanbwein iſt 
das allgemeine Betränfe; den Tabak lieben die Magyaren außerorbentiih. Die 
Bauernhäufer find von roh zufammengefchränften Balken, in den holzarmen Ges 
genden von Fachwerk mit Luftziegeln erbaut und werben im Innern ziemlich 
tiinlich gehalten. Die Magyaren haben fidy zumeift in den Ebenen niedergelaflen, 
We Siaven bewohnen die Gebirge; doch findet man beide Volkoſtämme häufig 
untermifcht. Der Typus u, die Sitten der Slaven zeigen fidy, einige ungarifche 
Angewohnheiten abgerechnet, bier in derfelben Weiſe wie anderwärts, “Die 
Deurfchen find die Reißigften und nüglichften unter den Bewohnern U.8, aber. fie 
laſſen fih von den Magyaren treten, ohne dagegen zu mudfen; es fehlt ihnen 
bier, wie in dem eigenen Baterlande, der rechte Gemeinfinn, und darum haben 
fe auch faſt ge feinen politifchen Einfluß. Ungeachtet ber vielerlei aationaihke 
ten, welche U. aufzuweiſen bat, iſt das Land im Ganzen doch (ehr vimn 
ert, und es Fönnten zu ben 11 Millionen Einvoohnern nody neue N Run 
2%) 


356 Ungarn, 


fommen, obne daß eine Ueberfüllung bemerkbar würde. Während im Lande ob 
der Enns 20 Ortichaften auf die Quadratmeile treffen, findet man auf dem 
gleichen Ylächenraume in U. nur 3. Freilich find darunter hie und da Dörfer 
oder Yleden von 16 — 20,000 Einwohnern, aber das ändert im Kalful wenig 
oder gar nichts. Ein einziger Blick auf die Karte der ungarifchen Lande genügt 
um zu zeigen, weldy ein unenbliches Feld hier noch wüft und öde liegt und feiner 
Erlöfung aus dem Banne der Wildniß entgegenharrt. Der Menfch braucht nur 
feine Hand auszuftreden, um die nimmer verfiegenden Schätze der Natur aus 
dem Edjooße der Erde zu heben. Der Ungar aber ift der Mann nicht, der das 
Zauberwort zu fprechen verfände. Dazu gehören größere Kortfchritte in ber 
Kultur, ein höherer Grad von Intelligenz. Gelänge es, den Etrom deutſcher 
Auswanderung in diefe gefegneten Gegenden zu leiten, vie Folgen würden von 
unberechenbarem Ruten feyn für Land und Leute. Insbeſondere bietet der ganze 
weite Bezirk am linken Donauufer, fo wie das fünöftlich ſich ausbreitende, von 
der Theiß und dem Körds befpülte Gebiet ein noch faft brady liegenbes Feld 
zum Anbaue. Deutſchland dürfte die Söhne, welche es hierher ſchickte, nicht 
verloren geben, wie es mit feinen Auswanderern nach Amerika der Full iſt; fo 
lange die Donau nicht zu firömen aufhört, fo lange beftünde ein fefle®, unwans 
deibared Band zwiſchen dem Mutterlande und den deutſchen Anftenlern in U. 
Vorausgeſetzt, daß die deutſche Rationalverfammlung nicht den Unfinn begeht, 
Defterreih vom Bundesſtaate auszuftoßen, und daß ed den kaiſerlichen Heeren 
elingt, in U. einen gejepgmäßigen Zuſtand dauernd wieder herzuftellen ,. fallen bie 
öheren Bortheile vieler deufchen Kolonie ohne weiteres in's Auge, nämlich vie 
Borrüdung deutſcher Bildung und Geftttung gegen den Orient, die Eröffnung 
neuer und nachhaltiger Wbfagınege für die Erzeugniffe der deutſchen Induſtrie, 
der aroße Zuwachs an Macht für Deutfchland, die Beherrichung der Donau u. 
der Adria. Die öfterreichifche Regierung hat durch ihren Bevolimächtigten dem 
Reichsminiſterium in Kranffurt bereit6 eine Note mitgetheilt, worin auseinander: 
efegt wird, wie ed im deutfchen Intereſſe wünfchendwerth fei, unter den Um⸗ 
Händen, wie ſie fich jegt in U. geftalten würden, die Auswanderung nach dieſem 
Lande zu lenken. Möchte diefe Andeutung von den deutfchen Fürften und Völkern 
nicht unbeachtet gelaffen werden! — Die Volfsbefchäftigung ift in U. mannichfalt 
wie überall. Das Land iſt vermöge feiner natürlichen Befchaffenheit und? 
auf den Aderbau und die Viehzucht angewieſen; gleichwohl ſtehen beide nody auf 
einer ziemlich niedrigen Stufe, und die Schuld davon tragen die geringe Bildung 
des ungarifchen Bauerd, die fpärlie Bevölferung und die feudalen Feſſeln, 
welche erft fett 1836 fo weit gelodert find, daß fie dem Bauer den freien Ge⸗ 
brauh, Kauf und Berfauf der Nugnießung feines Grundes geftatten. Cinzelne 
Güter der Evelleute werben zwar rationell behandelt, auch beiteht ein landwirth⸗ 
Ichaftlicher Berein, deſſen Zwed Berbreitung gemeinnügiger landwirthfchgftlicher 
Kenntniffe in U. und Siebenbürgen ift, und in Jelemer im Szabolcfer Kömitate 
ift, abgefehen von den Altern Lehranftalten der Art in Kefzthely u. Ungariſch⸗Alten⸗ 
burg, feit 1845 eine landwirthſchaftliche Schule nad) dem Vorbilde des Fellenberg- 
ifchen Inſtituts zu Hofwyl errichtet, doch müſſen, um dem allgemein berrfchens 
den Schlendrian wirkffam entgegentreten zu können, noch bebeutendere Kräfte ent⸗ 
widelt werden. Auch die Induſtrie liegt noch in der Kinpheit; Wien allein 
fabrizirt mehr, als ganz U. Einzelne Handwerker indeß betreiben ihr Gewerbe 
ausgezeichnet, wie 3. B. die Schnürmacher, Kürfchner, Gerber, Riemer, Schufter 
und andere. Auch verdienen erwähnt zu werden die Leinwandwebereien, die 
Tuchfabrik in Gatſch, die Zuderraffinerien in Dedenburg und Peſth, die Pfeifen⸗ 
abriten in Debregin, welche jährlih an 11 Millionen Thontöpfe liefern, die 
agenfabrifen zu Peſth, Ofen und Dedenburg, die Alaun⸗ u. Salpeterftedereien, 
einige bevemtende Lederfabiiken, die Steingutgeichirrfabrifen, die Eifen- u. Kupfer: 
Hmwer. . Den Bergbau betreiben zumeift Die Deutfchen und Slaven. Man zählt 
im Ganzen 50 — 60,000 Bergleute. Der Handel if far ausichlieglich in den 








Ungarn. 357 


De der Deutfchen, Griechen und Juden. Die Refultate deſſelben laſſen fich, 
o weit er fi) auf den innern Verkehr der öfterreichifchen Monarchie bezieht, für 
die ungariſchen Länder überfeben, da diefe bisher ein von den übrigen Ländern 
ver Monarchie abgefondertes Zollſyftem hatten, mithin bier die Steuerregifter 
en, die da zeigen, daß der Berfehr der ungarifchen Länder mit den deut- 

ſchen, italieniſchen und polnifchen ſich jährlich um 90 Mill. Gulden C.⸗M. be- 
wet, wovon ungefähr die Hälfte auf die Einfuhr nach U. fällt. In Diefer 
Einfuhr bilden Baummollen- und Wollenwaaren die bedeutendften Artikel. U, 
Yagegen gibt anfehnlicdye Duantitäten Wolle, Getreive, Wein, Tabak, Hanf, 
Bergwerkderzeugnifie, Vieh, Häute und andere NRaturerzeugnifie an die übrigen 
Länder der Monarchie ab. Den Iebhafteften Verkehr unterhalten die ungarifdyen 
Länder mit Niederöſterreich; weit über die Hälfte ihres Handeld hat diefe Pro⸗ 
vinz zum Zielpunkte. Aber auch Mähren, Schlefien und Galizien haben einen 
nicht umtwichtigen Antheil an dem Handel mit U. und Siebenbürgen. Im Hans 
dei mit dem deutfchen Zollvereine gewinnt U. jährlid 5—6 Milltonen, bagegen 
verliert es an die Türkei 2 Millionen. Die wichtigften Handelsplätze des Kö⸗ 
wigreiched U. find Peſth, Kaſchau und Oedenburg; Handeldömefien und große 
Sahrmärkte werden gehalten zu Peſth und Debrecsin. Ungemein hemmend für 

ven Handel find die hlechten Straßen. Chauffeen findet man in U. nur auf 
inigen wenigen ber wichtigfen Communtkationspunfte. Eifenbahnen find theils 

eftirt, theils ſchon im Bau begriffen von Peſth nach Wien, von Peſth nach 

in (ungariiche Gentraleifenbahn), von da ſüdlich zur türfifchen Gränze, 

von burg nach Tyrnau, von Raab nady Wien, von Dedenburg nad) Reus 
ſtadt in Defterreih. Der Waflertransport wird durch die fchiffbaren Flüſſe Do- 
van, Theiß, Yang, Drau u. a. begünftiget. Die Verbindung mit dem Yuslande 
vermittelt befonders die in großartigem Style betriebene Dampffchifffahrt auf der 
Donau. Der Franzenskanal, bei Monoſtorſzeg beginnend u. bei Foͤldvar endend, 
vereiniget die Donau mit der Theiß und kürzt die Etromfahrt von 2—3 Wochen 
auf eben fo viele Tage ab. Bollendet find auch der Begakanal, der Berzavas 
fanal, der Sarviezfanal, andere, wie z. B. einer von Peſth nach Szolnof 
(zwiſchen Donau und Theiß), noch Projekt. — Sprachen gibt ed in 11. fo viele 
als Rationalitäten. Am .merfwürdigften geftalten ſich die Sprachverhältniffe im 
Gfanader Bisrhume, wo die Benölferung fo gemifcht ift, daß in 26 — 28 ver- 
Igenenen Epradhen und — — et wird. Lange Zeit war 






Tateinifche Sprache die Verbindungsſpra er Bewohner des Landes, was 
aber aufgehört hat, ſeitdem der Reichetag«: efammtbevölferung die magyar: 
iſhe Sprache aufzwingen will. Für diefe führte der Haß der Llitramagyaren 
egen jedes fremde Element das Gute herbei, daß fie fich in den letzten 50 Jahren 
FA ausbildete und eine eigene Literatur erwarb (f. Ungarifche Kiteratur). 
Im Ganzen fiehen aber Wiffenfchaften und Künfte auf einer merklich niedrigeren 
Stufe , çals in den deutſchen Provinzen Defterreihd. Die ungarifchen Blätter 
und indbefondere die Organe der Ariftofratie, welche indgemein alles in U. Bes 
fehende durch eine rofenfarbene Brille anfdyauen,, behaupten, daß das Bolfs- 
ſchulweſen des Landes fih in einem einer civllifiiten Nation angemeflenen Zus 
Rande befinde; näher betrachtet, erfcheint felbes aber keineswegs in einem fo 
glänzenden Lichte. Denn nicht nur fit die Zahl der Schulen überhaupt lange 
nicht genügend, fondern die wentgen Schulen werben auch fehr lau befucht, eo 
daß in manchen Komitaten von zehn Kindern nur eined_in die Schule geht. 
Am Günſtigſten geftaltet fi noch das Berhältniß der Echulbefucher in jenen 
Komitaten, die nähft den Magyaren am meiften von Deutfchen bewohnt find. 
Der Schulswang ift bisher von der ungarifchen Geſetzgebung ausgefchloffen, und 
freiwillig ihre Kinder in die Schule zu fchiden, find die Leute um fo weniger 
geneigt, als der Linterricht, welcher dort ertheilt wird, fehr mangelhaft ift,. und 
die Kınder unter fechsjähriger Pladerei doch nichts Rechtes lernen. "Die: 
fade hievon liegt in dem gänzlichen Mangel an guten Bilvungsantait 





358 Ungarn. 


kuͤnftige Schullehrer und in dem daraus folgenden Mangel an guten Lehrern. 
Aber auch der höhere Unterricht liefert kein erfreulicheres Bild. Es gibt im 
Lande weder eine eigentliche philologiſche Fakultät, nody irgend eine andere 
Bildungsfchule, worin angehende Gymnaſiallehrer in der Philologie und Päda⸗ 
gonlt ehr ihren Beruf gründlich vorbereitet würden. Man muß es den Piariften 
n U. zum Lobe nachfagen, daß fle noch die brauchbarften Gymnaflallehrer bilden 
und auch ihre Gymnafien die beften find. Diejenigen Männer in U. welche der 
Nation leuchtend voranfchimmern, haben zum Theil ausländifchen Univerfitäten 
ihre Bildung zu verdanken, theils haben fle mit Hülfe ihrer ausgezeichneten Gel: 
ftedgaben, womit in U. die Mutter Ratur befonders freigebia if, dur nachtrag: 
tiche® eifriged Selbſtſtudium eine höhere und gründliche Bildung erlangt. Es 
tönt auch In der That von einem Ende des Landes bis * andern die gerechte 
und wohlbegründete Klage, daß die Peſther Univerfität, die iu den beflbotirten in 
Europa geh rt, nicht einmal den fehr befcheldenen ungarifähen Anfprüchen zu 
genfgen m Stande fl. Und doch iſt diefelde In dem weiten Lande die einzige. 

enn der ungarifche Reichstag nur einen mäßigen Theil des Eifers, den er fo 
häufig an nußlofe Parteidebatten verfchwendet, der Verbeflerung des Unterrichts⸗ 
weiend zumendete, würde er fich unfterbliche Verdienſte um das Land faınmeln. 
Seit 1832 beſteht in Peſth auch eine ungoride Akademie der Wifienfchaften. 
Literariſche Hülfomittel find die zahlreichen Bibliotheken u. andere Sammlungen, 
vorzüglich die de vom Grafen Szechenyi gegründeten National⸗Muſeunms u. ber 
Univerfität zu Peſth. Was bie Organiftrung des Schulweſens betrifft, fo find 
die Faibotifchen Lehranftalten des ——I in 4 Literarbezirke — Kafchau 
mit einer T. Akademie und dem erzbiſchoͤflichen Lyceum in Erlau, Raab mit einer 
f. Aademie, Großwarbein mit einer E. Mlademie, Preßburg mit einer foldyen — 
eingetheilt. Jedem diefer Bezirke ſteht ein k. Oberftudiendireftor vor. Die Pros 
teftanten haben Lyceen und Kollegen zu Preßburg, Oedenburg, Kesmark, 
Eperied, Debreczin, Saros » Bataf, Papa, Loſontz, Ketskemet. Schemnitz 
beſteht eine k. Bergakademie. — Der Religion nach find die Bewohner U.s, bie 
auf die Juden und Zigeuner, Chriften und zwar befennen ſich 1,500,000 zur 
nichtunirten griechifchen, über zwei MIN. zur proteftantifchen und die übrigen zur 
katholiſchen und unirten griechifchen Kirche. Die Katholiken haben drei Erzbifchöfe 
(zu Gran, defien Erzbiſchof Primas von ganz U. ift, Kolocfa und Erlau), 16 
(mit den unirten Griechen 20) he 186 Manns», 12 Frauenkloͤſter u. 3252 






Pfarreien. . Die Proteftanten it vier Tutherifchen, vier reformirten Supe- 
rintenduren und 2400 Pfarreien Miter der Statthalterei in Ofen. Ste haben in 
den meiften Beztehungen gleiche Rechte mit den Karholifen und werden daher 
hier gefeglich als recepirt angejehen, während fle in ben übrigen öfterreichifchen 
Erdftaaten bis zum Revolutionsjahre 1848. nur tolertrt waren. Die nichtunirte 
griehifche Kirche hat in U. 5 Biſchöfe; ihr Erzbifchof und Patriarch reſidirt zu 
Karlowig in der Milttärgränge. Die Angehörigen diefer Konfeffion finddin den 
polttifchen Rechten den Katholifen völlig gleichgeſtellt. Die katholiſche Geiftlichkeit 
hat durch die ungarifhe Geſetzgebung eine fehr chrenvolle und entſcheidende Stel- 
lung im Staate befommen ; jeder Fatholifche Pfarrer nimnıt Theil an den Komi- 
tats⸗Kongregationen und hat dort fein Botum. Die Prälaten fipen in der Reichs⸗ 
verfammlung. — U, bat cine eigene, monardhifch -ariftofratifhe Ber 
faffung. Die Reihsftände beftehen aus den Magnaten cf. d.), Prälaten, 
Edelleuten und den königl. Freiftädten. Der Land» over Reichstag (Diaeta) 
wird geſetzlich alle drei Sahıe, oder fo oft ed das Befte des Reiches erfordert, 
durch koͤnigliche Komitalbriefe einberufen. Er theilt fi in zwei Kammern ober 
vojeln, die der Magnaten (nebſt den Prälaten) und der Stände, aus ben 
adeligen Repräfentanten der Komitate und ten Abgeordneten der Töniglichen 
Stänte Wen, Bei der erften hat der Fönigliche Palatin oder Gtatihalter, 

Ber MWeiten der Eönigliche PBerfonal den Vorfig. Diefe Verfaffung datirt 
ereitö aus dem 13, Jahrhundert (ſ. Geſchichte) und leidet in Folge der 





Ungarn, 359 


tung, fo viel auch fchon an ihr nachgebefiert wurde, an manchen weſent⸗ 
Bebreen, welchen zuzufchreiben ift, daß U. in feinen WBerhältniffen und 
hulicdy in Betreff der Landeskultur den meiften Staaten von Weſteuropa 
eht. Bon vorne herein ſtößt un® der feltfame Umftand auf, daß die 116 
sirten der freien Stäpte, welche doch 650,000 Seelen vertreten, auf dem 
Stage nichtöpeftomweniger zufammen nur Eine Stimme, die 102 adeligen Des 
m der Komitate oder Gefpanfchaften bagenen ein ever eine befondere 
me haben, gewiß ein arges Mißverhaͤltniß! d während nun dieſe nach 
m, jene aber nur ald Stand flimmen, haben wieder Anvere nur eine beridht« 
ende Stimme (votum informativum), oder felbft nicht einmal diefe, fondern 
Nuffichteredyt in der Verfammlung Die Proteflanten, als foldye, genießen 
Reichstage gar Feine direkte Vertretung und noch weniger die Bauern, denn 
toteftant kann doch wenigſtens als Edelmann in die Kammer kommen. Die 
ung der beiden Kammern zu einander iſt nicht genau begränzt. Dat der 
tag dad Recht ver Initiative, abgefehen von den königlichen Borfchlägen? 
, fagen die Bertheidiger der Prärogative; ja, behaupten die Uebrigen, aber 
I Recht gebührt nur der zweiten Kammer. Nach den Lehren der Fortſchritts⸗ 
i würde fidh die Rolle der Magnatentafel nur auf die Ausübung eined ges 
n Veto⸗Rechtes zu befchränfen Heben Ueber alle diefe Fragen, wie über fo 
andere, herricht nichts al® Zweifel und Dunkelheit. In den Gefepen fehlt 
nähere Beſtimmung und in den Antecedentien faun man finden, was man 
Gine andere Urlache der Verwirrung iſt folgende. Jeder Komitatsabges 
te bat in dem Sitzungsſaale felbft zwei oder drei GSefretäre bei ſich, welche 
ben Komitaten ernannt werden und beauftragt find, ihnen fortlaufend über 
Isbeiten der Berfammlung Bericht zu erftatten. Die jungen und aufgeregien 
figen mitten unter den Deputirten und nehmen gewiffermaflen an ber Bes 
ng Theil, wenigſtens durdy Zurufe und —X lautes, oft ſtuͤrmiſches 
ıgen ihres Beifalls oder Mißfallens. Sie üben ſomit nicht nur ein Gebiet 
heſetzgebung, ſondern auch eine nicht unbedeutende Tyrannei aus, und da 
dieſet Mißbrauch auf die Privilegien der Verſammlung ſtützt, iſt jedes Eins 
iten mmöglich. Dem Könige iſt vorbehalten das Patronatsrecht, das Recht 
Adel zu ertheilen, die Ernennung zu allen Staatsämtern und Würden, mit 
abme des Palatinus und der Kronhüter, das Münzrecht, das Poſtweſen, 
Kecht Krieg zu führen und Frieden zu fchließen, die Verfügung über das 
är und das Recht, den Landtag audzufchreiben und zu entlaflen. Geſetz⸗ 
g, Recht der Defeuerung und der Rekrutirung theilt der König nur mit 
Ständen. Seine Stelle vertritt der Balatin (ſ. d.). Die Krone ift erblich 
Haufe Habeburg Die Stuatöverfaffung von U. gilt auch für Kroatien, 
nien und das Küftenland, nicht aber für Siebenbürgen und die Militärs 
e. Die Berwaltung des Reiches liegt in den Händen des Könige, deflen 
e Hülfe bis 1848 die ungarijche Softanzlel zu Wien war; gegenwärtig 
befteht ein eigenes ungariſches Minifterium zu Peſth. Oberſte Wominifiras 
le nächft dem Minifterium ift die königliche Stattbalteret tu Ofen, deren 
dent der jedesmalige Palatin. Ihr find die ungartichen, Froatifchen und 
niſchen Komitate, die Föniglichen Freiſtaͤdte und die privilegirten, zu keinem 
tate gehörenden Diftrifte untergeoronet. Jede Geſpanſchaft hat einen 
jefpan, zwei Bicegefpane und mehre andere Beamtete. Die konſtitutionell 
htigten, an keine fonftige Befähigung als den Adel gebunden, wählen alle 
Jahre ihren Magiftrat und erfcheinen gewöhnlich viermal im Jahre auf dem 
sfige der Komitatsverwaltung in öffentlichen Berfammlungen (Songregatior 
wo fie als adminiftrative, richterliche und politifche Körperfchaft verwalten, 
len und regieren. Ganz im Gegenfage zum franzöftfchen Centraliſations⸗ 
e, genießen diefe Provinzialbehörden der freieften Bewegung und Selbfire- 
ıqg und deshalb tft ihre Unverleglichfeit, trog der großen Mängel, welche an 
Hafen, ein theurcd und. vollsthümliches Gemelngut. Die ekhekkamie 


Ungarn, 


360 
ne der Komttate umfaßt: Die Komttatöverwaltung, Ausarbeitung und 
Beſtimmung der Vollmachtsbriefe für den Reichſstag, die Wahl der Komitatsbeams 
ten und Deputirten, und zum Theil auch Uingelegenheiten, die, mehr von reichs⸗ 
täglicher als örtlicher Erkenntniß, binfichtlih der Feſtſetzung und Leitung nicht 
allein einen abgefonderten Körper betreffen, fondern mit den übrigen Thellen im 
Staate verkettet find, wie 3. B. das Recht, eigene Geſetze oder Statuten zu fors 
men, die Vertheilung der Steuer nach eigener Maßgabe, die Berfügung über 
Kommuntfationdmittel und die hiezu nöthigen Frohnen. Ebenſo hat die Bürger: 
ſchaft der Föniglichen Sreiftäpte ihren eigenen Magiftrat, der aud dem inneren 
Rathe (den auf Lebenszeit gewählten Senatoren) und dem äußern (den Wahl⸗ 
bürgern, die den Senat wählen und fidy felbft ergänzen) zufammengefeht if. 
Auch die privilegirten Diftrifte wählen ihren Magiftrat ſelbſt. Die höchtte Inftanz 
der Rechtöpflege in U. bildet die Siebenmänner=- oder Septempiraltafel in 
Peſth, unter dem Präſidium des Palatins, die zweite Inftanz die königliche 
Tafel in Peſth, welche ihrerſeits das Apyellationsgericht für die Diftriftual- 
tafeln (in Tyrnau, Guͤns, Eperies und Debregin), die Komitaté gerichte, 
die Magiftrate der Freiflädte, die Herrenftühle der Grundherrichaften iR. 
Die Krimtnalgericytöbarkeit wird von den Dominien und den königlichen Etädten 
über die Unterthbanen und Infaflen, und von den Komitaten über Adelige und 
Nichtadelige ausgeübt. In Kroatien und Slavonien iſt die Banaltafel das, 
was in U. bie Königliche if. Den Borfig führt der Ban (ſ. Banus) oder 
Statthalter von Kroatien und Slavonien, weldyer nebft dem Reichſs⸗- und Hof: 
richter (Iudex Curiae) und dem Föniglichen Schagmeifter (Tavernicorum regalium . 
Magister) zu den Reichsbaronen vom erſten Rınge gebört. U. bezahlt die Koſten 
der Komitats⸗ und Städteverwaltung, welche ſich jährlic, auf ungefähr 5,500,000 fl. 
belaufen. Es befteht dafür die Cassa domestica. Die Summe wird unter Auf 
fiht des Statthaltereiraihes von den Municipalitäten umgelegt und mit jährlicher 
öffentlicher Rechnungsablage verwendet. Die Kriegöfteuer zur Beftreitung der 
Ausgaben für das Militär und die Werbung beträgt feit 1764 jährlich 4,470,244 fl. 
384 fr. &.-M., wurde von dem Landtage ftets für drei Jahre votirt, durch die 
Muntcipalitäten umgelegt und einkaſſirt und dem Provinzial: Kommiffariate über- 
geben. Die Einnahmen der ungarifchen Hoffammer betragen ded Jahres an die 
24 Mil. und eben fo viel die Ausgaben. Den Armeebeſtand U.8 machen 15 
Infanterie- und 12 Hufarenregimenter aus; hiezu fommt in Zeiten der Landes⸗ 
efahr die Infurreftion. Beftungen find Komorn, Temesvar, Alt Arav, 
unfac6 und Leopolpfiadt. Das in U. Fantonirende Militär fleht unter 
dem Generalfommando in Ofen. Orden ift der 1764 von der Kaiſerin Maria 
Therefia geftiftete ungariiche Et. Stephansorden. Wir fchliegen diefe Furzen An- 
deutungen über die Verfaflung und Berwaltung U.8 mit der Bemerkung, das 
hierin in Bälve wmefentliche Umgeſtaltungen eintreten dürften, indem dad Land 
gegenwärtig die Krifis einer Revolution durchmacht. — Politiſch eingetheilt ift 
bad Königreich U. wie folgt: I, Rieder-U,, 1) Kreis dieſſeits der Donau 
mit den Komitaten Preßburg, Neutra, Trentfin, Arva, Liptau, Thurocz, Zohl, 
Bars, Gran, Honth, Neograd, Peſth und Bace⸗Bodrogh; 2) Kreis jenfeite 
der Donau mit den Komitaten Baranyı, Tolna, Sümegb, Szalad, Eifen- 
urg, Bepprim, Stuhlweißenburg, Komorn, Raab, Devdenburg und Wiefelburg; 
1. Dber⸗U. 3) Kreis dieſſeits der Theiß mit den SKomitaten Zips, 
Gomer, Heves, Borfod, Torna, Abaujvar, Saros, Zemplin, Ungbvar u. Beregh; 
4) Kreis jenfeits der Theiß mit den Komitaten Marmaroß, Ugore, Szath⸗ 
mar, Szabolcs, Bihar, Bekes, Cſongrad, Cſanad, Arad, Temes, Kraſſova und 
Torontal. Die drei letztgenannten Giſpanſchaften bilden zuſammen das Banat, 
einer der fruchtbarſten Bezirke des reichen Ungarlandes. Außer den oben aufge⸗ 
führten 46 Komitaten find im Provinzlalungarn noch folgende fünf Difrifte zu 
bemerken, welche feiner Geſpanſchaft eınverleibt find und ihre eigene Gerichts⸗ 
barkeit haben, nämlich: 1) Der HajpufensDiftrift, 2) Jazygien und Kumanien, 


Ungarn, 361 


3) Die 16 Töniglichen Zipfer Kronftänte, 4) der königlich freie Krondiſtrikt dieſſeits 

der Theiß, 5) der Königlich freie Diſtrikt Groß-⸗Kikmda. — Die Hauptflähte des 

Landes find: Dfen, Sitz der Fönlglichen Statthalterei, Perth, Sitz ded Reichs⸗ 

taged, Preßburg, Krönungsfladt. — 3. v. Efaplovics: Gemälde von U., 
Pet 1829; 3. S. Albach: Kurze Geographie von U., ebd. 1834; Graf 
Stephan Szochenyi: Einiges über U., ebd. 1839; Alex. v. Kenyes: Sta- 
tikil des Königreihee U., ebd. 1843 —1844; W. Richter: Wanderungen in 

U, Berlin 1844; 5. Bajaky: Handeld- und Gewerbögeographie von U., Preß⸗ 

burg 1845; Barandy: Zuflände U.s, Predburg 1 7, und: Ungarifche Zus 

Rinde, Leipzig 18475 E. v. Langsdorf: Der Reichstag und bie ılalen Res 

formen in U, im Magazin für die Literatur des Auslandes, Jahrgang 1849; 
die gesgraphifhen Schriften von Berghaus, Cannabich, Ungewitter u. A, Aus⸗ 
und, Allgem. Seitung. 

Geſchichte. Das Gebiet des heutigen U.s mit feinen Rebenländern vers 
ibeilte fich im Alterthume auf die römtfchen Provinzen Bannonten (f. d.) und 
Dacien (f. d.). Die Pannonier wurden von Auguſtus beflegt, Dacien unters 
warf Trajan. Die Römer legten Pflanzſtädte und Kaflelle an im Lande und 
braten ihm den Aderbau und die Kultur des Weinftodes, fpäter auch die Seg⸗ 
nungen des Chriſtenthums. Unter Konftantin dem Großen waren in Pannonien 
und Dacien bereits bifdhöfliche Etühle errichtet. Aber die nicht lange nach dem 
Tode des genannten Kaiferd beginnende Völkerwanderung zerflörte alle Keime 
der Ginilifatton in diefen Ländern wieder. Erf fielen die Duaden und Jazygen 
.ia Bannonien ein, dann die Hunnen, deren König Attila feinen Si an ber 
Theiß aufichlug Den Humnen folgten in der Mitte des 5. Jahrhunderts die 
Gepiden, Skyren, Herkuler und Rugier, diefen die Oſtgothen und Longobarben. 
Als legtere um 568 über die Alpen zogen, nahmen die Avaren (f. d.), ein 
mongolifcher Stamm, das verlafiene Pannonien in Beſitz und nannten das Land 
Avarien. Zweihundert Jahre behaupteten fie ihre Herrichaft, wurden aber zulept 
von den Serben und Bulgaren von Oſten her gedrängt und fucdhten nun in 
Bayern und Kärnthen ſich auszubreiten. Karl der Große bezwang fie im Jahre 
794, machte Avarien zu einer fränkifcyen Provinz und die Betwohner zu Ehriften. 
Indeß dauerte der Lichtblick chriftlicher Bildung nicht lange, denn bereits zu Ende 
des 9. Jahrhunderts betraten die Magyaren (ſ. d.), die Iehte Welle der Voͤl⸗ 
kerwanderung, dad Land und festen fidy, über eine Million flark, unter ihrem 
Heerführer Alm us allen Donau und Theiß fefl. Almus, Sohn, der tapfere 
Arpad, vollendete bis zum Jahre 900 die Eroberung, und nady ihm wurde ber 
erſte einheimifche Königefamm der Arpabifche genannt. Die Magyaren, von den 

Elaven Uhri, Ugri, Ungri und Wengri, von den Deutſchen Ungarn geheißen, 

ftanden noch auf der unterften Stufe der Bildung, als fie fich in U. niederließen. 

Des Aderbaues unfundig waren fie nur an die Befchäftigungen eines nomadifchen 

Volkes, Jagd und Viehzucht, gewöhnt. Sie lebten, wie chevem in ihren aflati- 

ſchen Etippen, unter Zelten, und das Land, welches unter die Stammhäupter 

und die ausgezeichneten Krieger vertheilt worden war, mußten bie alten Ein» 
wohner bebauen, die nun zu Leibeigenen herabfanfen. So errichteten die Magyaren 
einen durchaus Friegerifchen Staat, welcher nur durch Waffenruhm glänzen und 
fi) vergrößern wollte Wie ein Keil hatte ſich dieſer zwifchen die flavifchen 

Bölfer eingedrängt, trennte fie und unterbrach zugleich die Verbindung der ger⸗ 

manıfchen Voͤlker mit Griechenland auf der Donau. Der Kriegsdurſt der 

agvaren, vereinigt mit einem wilden Hange zu Raub und Gewaltthaten, brachte 

im Xaufe des 10. Jahrhunderts großes Unglück über Deutfchland und Stalten. 

Berheerend durchftreiften die barbarlfchen Horden den Weften Europa’8 bis zur 

Wefer und Tiber, und nicht nur bier, fondern auch tm griechtfchen Reiche mach- 

ten fie fich durch ihre Einfälle furchtbar. Deutichland fuchten die Magyaren von 

907 angefangen faft alljährlich mit ihren Raubzügen heim, bis endlidy Kaifer 

Dtto I. in der Schlacht am Lechfelde (955) eines ihrer größten Heexe weruide- 


362 Ungern. 


tete. Go fehr war durch diefe Niederlage Ihre Macht gebrochen, daß fie 
weder untergehen, ober in die Reiche der chriftlichen Staaten eintreten muj 
hr Führer Geyſa, der Urenkel Arpad's, wählte das Letztere. Er ließ fid 
Jahr 988 taufen, nachdem er früher fchon auf Zureben feiner Gattin Saı 
den Bifchöfen der benachbarten Sprengel Deutſchlands geftattet hatte, die di 
liche Lihre in feinem Reiche zu verkündigen. Geyſa's Sohn, Stephan 
etlige (f. d.), vollendete während feiner vteljährigen Herrichaft (997 — 11 
die En aanffrumg U8 Er, der erſte König U.s, durch Kaiſer Otto II 
diefer Würbe erhoben, wurde der Erfte am 15. Wuguft des Jahres 1000 mit 
vom Papfte Syivefter den Ungarn gefchenften Krone gefhmüdt und gab 
Lamde kirchliche und politifche Einrichtungen, welche großentheils bis In die ne: 
Zeit Beſtand hatten. Er gründete zehn Bisthümer und erhob Gran zum C 
des GErzbifchofes Primas, ftiftete Klöfter und Schulen, erbaute Kirdyen 
Kapellen, führte den Zehnten ein, uch alle chriſtlichen Sklaven frei, fi 
gegen die Großen, welche ſich dem Chriſtenthume feinplich zeigten, die Cd 
des Schwertes. Die Iateiniiche Sprache wurde nicht nur Kirchen, fon 
auch Hofs und Gerichtsſprache. Das Reich, welchem Stephan auch Sie 
bürgen einverleibt hatte, theilte er in 72 Geſpan⸗ oder Graffchaften (8 
tate) und über jede verfelben fehte er einen Grafen (Iſpan), welcher 
hoͤchſte Civil- und Militärgewalt ausübte, Am Hofe, der feinen Sit 
Stuhlmweißenburg hatte, führte er viefelben Aemter ein, welche in Deutſch 
befanden. Den erfien Rang erhielt der Oberrichter oder Pfalzgraf (PBalattı 
Diefe hohen Beamten, fo wie bie großen Grundbeſitzer, die Lehensleute des 
nine waren, die Grafen und Bifchöfe wurven als die Großen des Rei 
(Magnaten) zu den Reichetagen berufen. Die Heinen Gutöbefiger, weldhe ı 
der Gerichtsbarkeit und dem Yufgebote der Grafen flanden, bildeten den nie 
Adel, Auch als Gefehgeber machte ſich Stephan um fein Bolt verdient. 9 
hat von ihm eine Geſeßſammlung (Decretum Stephani) vom %. 1016. J 
entfagten die Magyaren nur ungern ihrer alten Xebensweife, ihren Gebräuche 
igenthüml'chelen. Lange nod, wohnte ein Theil des Volkes, treu der 
fprünglihen Wildheit, in feinen Romadenzelten und noch viele der ſchör 
Gegenden wurden blos als Viehweiden benügt. Zu diefem Widerſtreben 
Nation gegen die Kortfchritte der Kultur famen bald nach Stephan’8 Tode ı 
Thronftreitigfeiten und blutige Bürgerkriege. König Peter (1038—1046) I 
faum einige Jahre die Regierung geführt, als die altmagyarifche Partei den 
genfönig Aba erwählte, welcher die von Peter in's Land gezogenen Auslände 
as Chriſtenthum überhaupt mit barbarifcher Wuth zu vertilgen tradhtete. 
beftegte Kaiſer Heinrich IH. im I. 1045 bei Raab und ließ ihn enthaupten. 
in diefer Weife unterftügte König Peter erfannte die Oberherrlichkeit des d 
{hen Reiches an, erregte aber dadurch folchen Unmillen, daß pie Ungarn 
abermals entfegten und in der Perſon Andreas I. (1046 — 1060) fr e 
neuen König erwählten. Peter ſtarb geblendet im Gefängniſſe. Andreas F 
eine mächtige Reaktion gegen das Ehriftenthum niederzufämpfen, und auch u 
feinen Nachfolgern Bela I, Salomon und Geyſa I. dauerten die in: 
Kämpfe fort, bis endlich Ladislas des Heiligen (1077—1095) Fräftige £ 
bie Zügel ergriff und dem Ungarlande bie Ruhe wieder gab. Diefer Fürſt, 
er ſich eben fo fehr durch Tapferkeit als durdy feinen Eifer für das Ehri 
tbum auszeichnete, behauptete mit Nachdruck die Unabhängigkeit des Reiches 
en die Einmifchungen der Deutfchen und Polen und fuchte durch gute Ge 
ube und Ordnung zu befefligen.. Er verband Kroatien durch frievliche Ue 
einfunft mit U., wehrte Die Angriffe der wilden Kumanen (Uzen) ab und fiel 
diejenigen unter ihnen, welche in Gefangenfchaft gerathen waren, In der gr: 
Steppe der Theiß an. Ihm folgte Koloman (1095 — 1114), unter wel 
Gottfried von Boutllon nit den Kreuzfahrern U. durchzog. Der neue Ki 
forgte wie fein Borfahr durch Verbeſſerung der Geſetze für bie Bildung fe 


Ungarn, 863 


jolted, welches bie alte nomabifche Lebendweife noch immer nicht ganz ablegen 
oüte. 1402 eroberte er Dalmatien und vereinigte ed mit U. gab aber dadurch 
alaß zu vielfachen Kriegen mit Benedig. Auch brachen während feiner Regier- 
ng vie Familienzerwürfnifſe im Haufe der Arpaden wieder aus. Andrea I. 
aue, wie Graf Mailath erzählt, feinem Bruder, dem nachherigen Könige Bela l., 
er dritten Theil U.6 als Herzogthum übergeben, eben fo hatten Bela’d Söhne, 
Jerfa und Ladislas, das Herzogthum behalten, als fie Salomon zur Krone 
fen. Beide Male war dieß Urſache heftiger Streitigkeiten, die jet wieder bes 
aunen, ald Koloman feinem Bruder oder Better Almus abermal® das Herzog⸗ 
um überließ. Durch die nie endenden Zwifte gereizt, ließ der König den Her 
sg ımd deſſen Sohn Bela blenden. Endlich wollte er beide töbten laffen; bevor 
e aber erfahren Fonnte, daß die Möndye von Dömds den Morbbefehl gehindert 
atten, ftarb er. Almus und Bela galten für tobt, und Kolomans Sohn und 
Rachfolger, Stephan II. (1114-1131), erfuhr erfi fpät, daß fle noch lebten. 
Rinderloß, wie er war, berief er Bela nach Hof, der ihm auch unter dem Namen 
Bela MI. (1131—1141) in der Regierung folgte, aber, blind und überdies 
va Trunke ergeben, in jedem Betrachte ein unfähiger Fürft war; für ihn 
herrfchte feine Gemahlin Helena, eine ferbifche Prinzeffin. Sie kriegte mit den 
nern um Dalmatien und brachte einen Theil Serbiens an U. GeyſaI. 
1144—1161) kaͤmpfte glüdlich gegen die Betfchenegen, denen er Siebenbürgen 
ntri, wohin er dentfihe Rolorihen aus dem Elfaß, Flandern ıc. verpflanzte, 
He, gewöhnlich mit dem Namen „Sachſen“ bezeichnet, den erfien Grund zum 
Inbane jened Landes legten. Im Innern machte ihm der Thronprätendent Bos 
16 zu fchaffen, ver fich für einen Sohn Koloman’d ausgab und fchon unter 
Bela IL. U. beunruhigt hatte. Den Markgrafen Heinrich Jafomirgott von Defters 
eh, welcher dieſem Gegentönige Hülfe geleiftet hatte, fchlug Geyfa an ber 
und zwang ihn aum Frieden (1146). Später führte er einen langwieri⸗ 
en Krieg (1152—1157) mit dem Kaiſer Manuel Komnenos wegen Serbien. 
Rad Geyfa's Tode krönten die Magnaten feinen minderjährigen Sohn Ste⸗ 
‚han IH, zum Könige, welchen aber feine beiden Oheime nach einander verbräng- 
en, ef Ladiolas Il, und als diefer ſchon nad fechömonatlicher Regterum 
tarb, Stephan IV. Aber auch Lebterer konnte fich nicht ange behaupten, und 
Stephan IH. gelangte wieder zum Throne, auf dem er von 1162—1173 faß. 
&r hatte fortwährend mit den Byzantinern zu kämpfen, weldye dem Reiche Kroa⸗ 
tin und Slavonien entrifien hatten. Ihm folgte fein Bruder Bela MI. (1173 
—1196),. der jene beiden Länder wieder an U. brachte und, am griechifchen Hofe 
en, für die Kultur des Landes folgenreich wirkte Mehre ofämter n. eine 
efanzlei wurden nach byzantiniſchem Mufter eingeführt, Die zweite Ber- 
heirathung Bela's mit einer frangöfifchen Prinzeffin brachte den ungarifchen Hof 
und Adel auch mit der Partfer Eleganz in Berührung. Zu Veßprim wurde 
na dem Borbilde der Univerfität von Parts eine Akademie errichtet. “Der fol⸗ 
gmde König, Emrich, war ſchwach und kränklich. Sein Sohn Ladis las ill, 
gan das Kind, wurde, dreijährig, noch bei des Vaters Lebzeiten gekrönt. 
6 Emridy farb, entfloh die Königin Wittwe Konftanze mit ihrem Sohne, miß⸗ 
trauend dem Oheime und Bormunde Andreas, zum Herzog Leopold von Defters 
ech; allein ehe dieſer noch das Schwert für feinen Schügling ziehen Fonnte, 
tarb Ladislas. Andreas 1. (1205—1235) brachte Galizien an feine Dynafte 
nd unternahm 1217 einen erfolglofen Kreuzzug in das gelobte Land. Nach 
ner Rückkehr fand er die Magnaten übermächtig, die übrigen Stände unter> 
rüdt, und fah ſich 1222 zur Erlaffung der „goldenen Bulle“ (Bulla aurea sa- 
ratissimi regis Andreae II.) gezwungen, welche, die Vorrechte des Adels erwei⸗ 
emd, die königliche Macht fehr befchränfte, des Bürgers und Bauerd aber faum 
dachte. Auch ging um biefe Zeit Balizien wieder verloren. Bela IV. (1235 
1270) traf bei feinem Regierungsantritte die beften Anftalten zur Emporbring- 
ing des Landes, aber feine mwohlthätigen Reformen wurden vurdy ven EinkoN 


364 Ungarn, 


der Mongolen im 3. 1240 unterbrochen. Der König verlor die Schlacht am 
Sajofluffe und mußte ſich nady Dalmatien flüchten. And Jahre lang war U. 
den Berbeerungen des grimmigen Feindes preißgegeben, und als Bela nach 
Abzuge der Mongolen fein Reich wieder beirat, fand er es im traurigften Zu 
ſtande. Doch war er ganz der Mann für biefe ſchwere Zeit, und unter feiner 
umfihtigen Leitung kam das verödete Land allmählich zu neuem Flore. Er ſam⸗ 
melte die zerfireuten Bewohner, rief deutſche und italieniiche nfiedler her! 
vermehrte die Anzahl der Freiftädte, handhabie Ordnung und Sicherheit u. ward 
mit einem Worte der Wieverherfteler U.s. Bela's Sohn, StephanV., vgl 
nur kurze Zeit (1270—1272). Ladis las IV. (1272—1290) war ein Wüſt⸗ 
ling, der feine vechtmäßige Gemahlin Maria, Tochter des aönige Karl von Si⸗ 
dilien, gefangen bielt und mit kumanifchen Kebsweibern lebte. Zum großen Aer⸗ 
jerniffe der Ungarn beförverte er die Berwandten feiner Mätrefien zu allen Chren⸗ 
Keen, ward defhalb von den Magnaten zweimal in Se genommen u. erntete 
zuletzt noch den ſchlimmen Lohn, von feinen eigenen Günflingen, ben Kumanen, 
erſchlagen zu werden. Mit Andreas I. erlofch 1301 der Arpabifche Stamm; 
welcher in 300 Jahren U. 23 Könige gegeben Hatte. Große Regenten 
Darunter nur vier: Stephan der Heil je, Ladislas der Heilige, loman 
Bela IV. Die Kreuggüge, welche In die Periode dieſer Dynaſtie gefallen 

hatten auf U. faft gar feine Einwirkung. — — Rad) dem Abgange der 
jelangten Fürften aus verfchledenen Häufern, meiftens des Auslandes, 

ron U.6. Gleich Anfange ſtritten um bie erledigte Krone breb 

Karl Robert von Anjou, Wenzel aus Böhmen und Dtto 

Karl, der Enkel ver Königin Maria von Neapel, einer Tochter: 

jründete feine Anſprüche auf das Erbrecht, welches auch die belden 

Enter Beia's IV. von weiblicher Linie, für ſich geltend machten, 

wurden auch von der Mehrzahl der ungarifchen Großen zu Ra 
dreas TI. gewählt, allein fie fonnten fi nur kurze Zeit auf dem 
haupten, Wenzel von 1301—1304, Dtto von 1305—1308. Karl R 
dem römifchen Stuhle unterflügt, behielt zulegt vie Oberhand, Er 

November 1309 von der Volföverfammlung auf dem Felde Rakos bei 
Könige gewählt und regierte bis 1342 mit Weisheit und Kraft, verbefig 
Münzweien, das Abgabenfoftem und das Gerichtöverfahren, und verſcha 

Sohne Ludwig die nmartfepaft auf den polnifchen Thron. Ludwig 

— 1382) war der größte ungarifche Regent und erwarb ſich ſowohl ald 

als Held Hohen Ruhm. Er demüthigte Venedig, trug feine Waffen —* al fieg- 
reich nach Neapel und erweiterte die Grängen feines Reiches über Rothrußland, 
die Moldau, Bulgarien, Serbien, die Walachel, Bosnten und Dalmatien. 1370 
ward er auch zum Könige von Polen gewählt. Auch für das Innere Wohl ſei⸗ 
ner Staaten trug er gemiffenhafte Sorge. Er förderte den Landbau und den 
ſtädtiſchen Gewerbfleiß, befreite den Handel und zeigte fih durch die Gründung 
einer Hohen Echule zu Fünffirchen felbft ald Gönner der Wiflenfchaften (f. Lu d⸗ 
wig L, Band VI., ©. 875). Rad) feinem Tode verfhlimmerte ſich U.8 öffents 
licher Zuſtand wieder für längere Zeit, theils durch innere Unruhen, theil dur 
unglüdliche Kriege, befonderd mit den Türken. Dem Könige, welcher feinen 
Sohn hinterlaffen hatte, folgte feine Tochter Marta in der Regferung, Diefe 
erlebte vielfachen Echidfalswechfel. Zuerft ward fle durch Karl den Kleinen 
von Neapel entthront (1335), welcher aber wenige Wochen nach feiner Krönung 
vor den Augen Mariens durch Blafius Forgacs tödtlich verwundet wurde u. bald 
darauf in den Befängniffen des Schloffes Biffegrad ſtarb. Run rief Horvath, 
der Ban von Dalmatiın, Karl’ Sohn Ladisias als König aus, während 
Marta in Stuhlweiffenburg wieder Königin wurde. Später gerieth fie in die Ge⸗ 
fangenfchaft des Band van Kroatten, eines Bruberd des obengenannten Hors 
vath, welcher fie auf fein Schloß Novigrad brachte. Die Benediger befreiten fie 
aus Ihrem Kerler. Heimgelehrt vermählte fe fi mit Sigmund von Lurem- 









Ungarn, 35 


burg, dem nachherigen Kalfer Sigmund, welcher von da an König der Ungarn 
(1387— 1437). Biel! mit den Angelegenheiten des Beutfehen Reli . u. 

der Kirche beſchaͤftiget und ſeit 1419 auch König von Böhmen, traf er doch auch 
im manche danfenswerthe Anordnungen. Namentlich führte er Gleichheit der 
Mafe und Gewichte und das erſte Willtärregiement ein, und veranlaßte dadurch, 
er wmehre große Ortfchaften zu königlichen Freiſtaͤdten erhob, ben Urfprung 
Gtädte als vierten Standes. Im Ganzen konnte er aber fo menig das för 
zigliche Anfehen im Innern, als das Gebiet gegen auswärtige Feinde behaupten. 
Umer ihm geſchah der erfte Einfall ver Türfen in U., nachdem er 1396 gegen 
Sultan jaget die große Schlacht bei Rikopoli verloren hatte. Auch feine en 
teren Kriege mit den Türken liefen wenig gluͤcklich ab. Zugleich machten Ihm 
We item 1.6, welche er durch Einerife in ihre Vorrechte erbittert hatte, 
wm fen. Die Unzufrievenen brachten ihn 1401 fogar in Gefangenſchaft, 
ans welcher er aber nach 18 Wochen durch Rifolaus von ara wieder erlöst 
ware... Bon, den Schläffern feines Befreiers aus unterhandelte er mit den Mag« 
und erhielt die. Regierung wieder, indem bie Ungarn wohl einfahen, daß 
* dem Lande unendlich ſchade. Stets geldbedürftig, veräußerte oder 
te Sigmund mehre Gebiete, fo unter andern 13 Städte in der Zips an 
Im %. 1422, vermählte er feine einzige Tochter Elifaberh mit dem Her⸗ 
echt von — wodurch ſelber nach Sigmunne Tode 1438 auf 
n . Leider aber farb diefer zu den fchönften Hoffnungen 
iwft fchon im nächffolgenden Jahre. Die Ungarn wählten num 
1 von Polen zu ihrem Könige. Inzwiſchen gebar Glifaberh, vie 
——— Tode in geſegneten Umffͤnden hinterlaſſen hatte, einen 
[Bla8, welchen die Anhänger der Königin in Stuhlweißenburg durch 
hof von Gran Frönen ließen. Kaiſer Friedrich IV. nahm das Knigs 

in feinen Echus, und auch ein Theil der Ungarn ergriff für es d 
Thronfirelt rief einen Bürgerkrieg hervor, welcher erſt fein Ende 


MWiadislam 1444 in der Schlacht bei Barna gegen die Türken ger 
Für den unmündigen Ladislas V. Poſthumus (1445—1457) 
Hunyadi als Reichöftatihalter die Regierung. Der PH dieſes 


Nationalhelden, die Türken aus Europa zu vertreiben, ſcheiterte an 

der chriftlichen Höfe und den Ränfen feiner Neiver. Darum gingen 

ie Früchte feiner glänzenden Siege über die Osmanen großentheild wieder 

ie 3. 1453 übernahm Ladislas felbft die Regierung. Nach feinem 

1457 plöglich erfolgten Tode fah die Königsburg in Dfen wunderbaren Wechfel 
lichen Blüdes. Ladislas hatte die beiden Söhne des kurz vorher in 

Ermiin verſtorbenen Hunyadt, um fie für den an dem Grafen von Cilley began⸗ 
gm Mord zu firafen, gefangen fegen laffen. Der eine derfelben wurte auf 
dm Gchloßplage enthauptet (1457) ; ein Jahr darauf (1459) V des Hingerich⸗ 
teten Bruber als König über denſelben Plag. Matthias I. Corvinus, fo 
beß der von den Ungarn zum Könige erwählte Hunyade, ein Zürft von hohem 
Lerſtande und feltener Kraft, fand dem Reiche Durch feine ganze Regierungezeit 
(1458— 1490) mit hohem Ruhme vor. Nicht nur mit Böhmen, Defterreich und 
Bolen führte er glüdliche Kriege, fondern auch die Osmanen vermochten nichts 
wider ihn. Ihm verdankt U. vielfache Bortfchritte in der Kultur, die Gründung 
Ainer Univerftät zu Ofen, die Anlage einer großartigen Bibliothek, für weiche 
mehr als 300 Wbfchreiber in verfchtedenen Ländern Europa’s arbeiten mußten, 
die Berufung von Seiehrten, Künflern, Bewerbömeiftern und Aderbauverftändigen 
(. Matthias Eorvinus, Band VI, ©. 44). Rach dem Tode dieſes treffe 
lichen Königs hatte U. daſſelbe Schidjal, wie nach dem Tode Ludwigs des 
Soßen (L). Der von den Magnaten auf den Thron des heil Stephan berufene 
Bihmentönig Wladislam IL (1490-1516) war ein Herrfcher ohne Kraft 
umd Thärigleit. Ehe audy nur eine Hauptfchlacht gewagt war, gab er Wien u. 
Ades, was fein Borgänger von Defterreidy, Steiermark, Kärnthen und Krohn tits 





36 Ungern. 


obert hatte, zurüd. Ja durdy eben biefen Friedensvertrag (1491), welcher ſolche 
Abtretungen befätigte, wurben die Ungarn fogar verpflichtet, im dalle der männ- 
liche Stamm Wladisiaw's erlöfche, einen Rachtommen Maximilians von Defter- 
eich zum Könige zu wählen. Zu dem Ungtüde der auswärtigen Unternehmun⸗ 
gen lamen überdieß noch große Innere Zerrüttungen, fo 3. B. der Bauernaufftand 
unter dem Gzefler Georg Dofa, welcher nur durch die härteften Maßregeln un- 
terdrüdt werden Eomnte (1514). Diefe Wirren dauerten audy unter Ludwig IL 
(1516—1526) , dem Sohne und Nachfolger Wladislaw's, fort und lähmten des 
Reiches Thatkraft nach Außen gänzlich. Die Folge hievon war die unglüdliche 
Schlacht bei Mohacs (29. Augur 1526), welche dem kaum 20jährigen Könige 
das Leben EoRete und einen großen Thell U.8 auf 160 Jahre unter das eiferne 
och der Türken brachte. — Wir kommen nun zu der Geſchichte U.8 unter den 
böburgern. Nach dem tragifchen Ende Ludwig's ſtritt ſich um ben Reſt des 
landes e von Defierreich mit dem Grafen von Zips und Woiwoden 
von Siebenbürgen, Johann Zapolya. Jener pipe fi auf die zwiſchen den 
Öfterreichifchen Yürften und den legten ungariſchen Königen abgefchlofienen Erb- 
verträge; —8 hatte ein Theil der ungarifi Großen zum Gegenkönige aufe 
eftelit. Diele getheilte Wahl brachte unfägliches Werberben über das Land. 
—— nahm ſich Suleiman (Solyman) der Prächtige an; ohne nachhaltigen 
tberftand zu finden, durchzogen bie türfifchen Heerſchaaten erobernb das von 
Barteiungen zerrifiene U, und lagerten ſich jogar vor Wien (1529). Auch der 
Friede von Gropwarbein (1538), durch welchen Zapolya der Königetitel, Gier 
benbürgen fo wie das Land bis an die Theiß gewährt wurde, unter der Beding⸗ 
ni, daß nach feinem Tode ganz U. an Ferbinand kommen fote, enbigte ven 
Streit nicht. Denn ale jener 1 Rarh, wurde dem Bertrage zumiber fein 
Sohn, Johann Sigmund, als König auögerufen. So beftand bie langjährige 
Regierung Ferdinand's I. (1527—1564) in fortwährenden, meiſt unglüdlichen 
Kämpfen mit den Zapolya’s und ihren Protektoren, den Türken, welche dem Kö: 
nige oger einen jährlichen Tribut für U. fe Unter derdinands Nach 
folger, Max imilian I. (ald Kaifer Mar IL, 1 1576) fiel Suleiman an 
der Spige von 200,000 Wann neuerdings in U. ein, flarb aber vor dem von 
Nikolaus Zriny heidenmüthig vertheidigten Szigeth am Lagerficher (1566). Der 
Krieg dauert zwar fort, doch Fam es 1568 zu Anem at lähr gem Waffenſtillſtande 
mit den Türken. Run endlich wurde Johann Sigmund von Maximilian dahin 
geiradt, daß er auf U. verzichtete und Ka mit Siebenbürgen, ald Fuͤrſtenthum, 
egnügte (1570). Zu dieſen Thronftreitigkeiten kamen in diefer Zeit auch veliatar 
Bewegungen, indem der Proteſtantis mus, welcher bereits unter Ferdinand In U. Eins 
jang gefunden hatte, während der Regierung Marimilians ſich mehr u. mehr aus⸗ 
eitete. Rudolfsl. (ald Kaiſer Rudolf IE, 1576—1608) Schwäche war nicht ges 
eignet, die Wirren in den Zuftänden U.s zu löfen. Der unthätige Fürft vernachlaͤßigte 
die Stautöverwaltung und brachte dadurch das Land tn immer größern Verfall. 
Dazu kamen noch Kriege mit der Pforte umd mit Siebenbürgen. Der dortige 
Großfürſt, Stephan Bocokay, fiellte ſich an die Spipe der Mißvergnügten und 
hatte vornämlich die Proteftanten auf feiner Seite. Mit ihrer Hülfe eimang er 
den Wiener Frieden von 1606, vermöge deſſen er für fich und feine Erben Sie 
benbärgen nebft einigen ungarifchen @efpanfchaften erhielt, welche Gebiete jedoch 
nad) dem Grlöfchen feined Stammes wieder an Habsburg fallen folten; ben 
Augsburgifchen und helvetifchen Konfeffionsverwandten wurde freie Religion 
übung, zugel Roc im felben Jahre ſtarb Bocslay, ohne einen Sohn zu 
Hinterlaffen, aber flatt daß jeht, dem Wiener Frieden gemäß, Siebenbürgen an 
ubolf gefommen märe, warf fh dort Gabriel Baihorf ale Für auf: ARubolf 
Tonmte fein Recht nicht geltend machen, denn fein eigener Bruder Matthias hatte 
ſich mit den Ungarn vereiniget und zwang ihn im J. 1608, der Krone zu ent 
u he der Ufurpator aber unter dem Namen Matthias II. (1608—1619) 
biefe auP8 Haupt fepen konnte, mußte er eine ſchwere Wahlfapitulation uns 


Ungarn. 387 


n, in weldyer er vollflommene Religionsfreiheit geRaltete und verfprach, 
Sgeichäfte durch Ungarn verwalten zu laflen, alle drei Jahre Landtag 
. die an Oeſterreich und Polen verpfändeten Städte einzulöfen, über 
Frieden nicht ohne Einwilligung der Stände zu beftimmen, ftet6 in 
diren u. ſ. w. Im diefer Zeit erreichte der Proteftantismus den Kuls 
punft feiner Macht in U. Der größte Theil des Landes, faf alle 
milien waren proteftantifh. Die feit 1561 im Reiche eingeführten Je⸗ 
Ipften unausgeſetzt, aber erfolglos für die Fatholifche Kirche. Matthias 
nadydem die böhmifchen Unruhen ausgebrochen waren, welche ven 
ı Krieg nach fidy zogen. Es war ein Glüd für dad Haus Habsburg, 
Radıt der Pforte damals bereits zu finfen begonnen hatte, denn fon 
kaufe dieſes ververblichften aller Kriege U. zweifelsohne von erreich 
ı worden, zumal das Land in feinem Innern fortwährend durch Par⸗ 
und Rellgionöftreitigfeiten beunruhigt wurde. Des Könige Matthias 
e Ferdinand IL (1619—1637) hatte glei Anfangs einen harten 
gen den ihm feindlich gefinnten Fürſten von Siebenbürgen, Bethlen Ga⸗ 
rer mit Hülfe der ungarifchen Proteftanten fein Heer bis auf 60,000 
Märkte und in Kurzem faft das ganze Land in feine Bewalt brachte. 
ft 1620 ließ er fi) fogar zum Könige von U. wählen, verbannte bie 
des Kaifers und zog alle Büter der Fatholtfchen @eiflichkelt ein. Ins . 
te die Schlacht am weißen Berge bei Prag den Stand der Dinge und 
ethlen gfugge ſo daß er den Frieden von Nikolsbur einging (1621), 
n er dem Königstitel entfagte, wofür er den Titel eines Reichöfürften 
iebenbürgen 7 angränzende ungarifche Komitate erhielt. Zwar erhob 
er Hand, durch den befannten Matthias Thum und fpäter von Mans⸗ 
t, noch zweimal die Waffen genen Ferdinand, es erfolgte aber nichts 
nde8 (f. Bethlen Gabor, Band II., S. 206). Unter den Großen 
Inzwifchen ſeit dem Reichstage zu Dedenburg im %. 1624, weldyer den 
ikolaus Efterbazy zum Balatin beförverte, eine Reaktion eingetreten, u. 
lben kehrten zum Fatholiichen Glauben zurüd und fchloffen die proteftan- 
schen auf ihren Gebieten. Insbeſondere der Eifer des Enpbiichore von 
, Karbinald Beter Pazman (ſ. d.) erwirfte ed, daß währenn ber 
Ferdinand's und feines Rachfolgers, Ferdinand's III. (1637—1657), 
; Ungarn wieder der alten Kirche fich zumendeten, fo daß von da an bie 
viegende Mehrzahl Fatholifch if. Die Sache der Protefanten führte 
dem Tode Berhlen Gabor’d zum Fürſten von Siebenbürgen erwählte 
ikoczy. Er fchloß einen Subflvienvertrag mit Zranfreih u. Schweden, 
Ratfer 11, zu entreißen, drang im J. 1644 mit einem Heere von 70,000 
obernd im Lande vor und nöthigte den Kaiſer zum Frieden von Linz 
yelcher den Proteftanten alle gewünichten Rechte einräumte. LeopoldL 
705) hatte die lange Zeit jeiner Regierung über fortwährend mit den 
nd den ungarifchen Malfontenten zu thun. Siebenbürgen war wieber 
Zankapfel, Der Kaiſer unterfügte den Yürften Johann Kemeny, bie 
gegen wollten die Herrfchaft über jenes dem Grafen Michael Apaffl 
Darüber entfpann fich ein Krieg, und Montecuculi erfocht am 1. Aug. 
dem Dorfe St. Gotthard einen glänzenden Sieg über die Türfen, wels 
nicht gehörig benügt wurde, und fo mußte Leopold im Frieden von 
en Apaffi als Fürften von Siebenbürgen anerfennen. Des auswärtigen 
ıtlediget,, erneuerte nun der Katfer feine fchon früher begonnenen Ver⸗ 
in einen rein monarchifchen Staat zu verwandeln. ine Verſchwörung 
n für Aufrechthaltung der Landes⸗ oder vielmehr Adelöfreiheiten wurbe 
unterdrüdt, und die Häupter derfelben, Frangepan, Radasdi u. Zrinyl, 
f dem Blutgerüfle (1671). Die Proteſtanten, weil fie den fogenannten 
ten anbingen, mußten jegt den ganzen Zorn des Katlers fühlen, words 
für fie ih verwenbenben protefantifchen Mächten antwortete, doh Er 


3 Ungarn 


obert hatte, zurüd. Ja durch eben biefen Friedenovertrag (1491), welcher ſolche 
Abtretungen beftätigte, wurden bie Ungarn — verpflichtet, im Falle der mann⸗ 
liche Stamm Wiadielaw's erlöfche, einen Rachkommen Marimiltans von Deſter⸗ 
reich zum Könige zu wählen. Zu dem Unglüde der auswärtigen Unternehmun 
gen kamen überdieß noch große innere Zerrättungen, fo 3. 8. der Bauernauffand 
unter dem Szekler Georg Dofa, welcher nur durch die härteften Maßregeln uns 
terdrüdt werben Fonnte (1514). Diefe Wirren dauerten auch unter Ludwig IL 
(1516—1526) , dem Sohne und Nachfolger Wladislaw's, fort und lähmten bes 
Reiches Thatkraft nach Außen gänzlich. Die Folge hievon war die unglädtiche 
Schlacht bei Mohacs (29. Auguft 1526), welche dem kaum 20jährigen Könige 
das Leben koſtete und einen großen Theil U.8 auf 160 Jahre ımter das eiferne 
Jod) der Türken brachte. — Wir fommen nun zu der Gefchichte U.s umter den 
gi Hburgern. Rach dem tragifchen Ende Ludwig's Aritt fi) um den Ref des 
landes — von Deferreih mit dem Grafen von Zip6 und Wolwoden 
von Siebenbürgen, Johann Zapolya. Jener fügte fich auf die zwiſchen ver 
Öfterreichtfchen Yarkm und ben letzten ungarifchen Königen abaefelopenen Ch 
verträge; Zapolya hatte ein Theil der ungariichen Großen zum @egenfönige aufs 
eftellt. Diele geteilte Wahl brachte unfägliches Verberben über das Lat. 
Sat 08 nahm ſich Suleiman (Solyman) der Praͤchtige anz ohne nachhaltigen 
derſtand zu finden, durchzogen die türfifchen Heerſchaaren erobernd das von 
Parteiungen zerrifiene U. und agerten ſich jogar vor Wien (1529). Much der 
Briede von Großwardein (1538), durch welchen Zapolya der Königstitel, Sie 
benbürgen fo wie das Land bis an die Theiß gewährt wurde, unter der Bedinge 
niß, daß nad feinem Tode ganz U. an Ferdinand kommen follte, enbigte ben 
Streit nicht. Denn als jener 4 Rarb, wurde dem Verirage zuwider fein 
Sohn, Johann Sigmund, als König ausgerufen. So befland vie I e 
Regierung Ferdinand's I. (1527—1564) in fortwährenden, meiſt ungtädtidyen 
Kämpfen mit den Zapolya’s ımd ihren Protektoren, den Türken, welche dem KR: 
nige gar einen jährlichen Tribut für U. auferlegten. Unter Ferdinands Rad: 
folger, Narimilian 1. (al Katfer Mar U., 15 4576) fiel Suleiman an 
der Spige von 200,000 Mann neuerdings in U. ein, flarb aber vor dem von 
Nikolaus Zriny heidenmüthtg vertheidigten Szigeth am Lagerfieber (1566). Der 
Krieg dauert zwar fort, dd kam es 1568 zu Anem acptjährigen Waffenſtillſtande 
mit den Türken. Nun endlich wurde Johann Sigmund von Marimilian dahin 
gerad, daß er auf U. verzichtete und 13) mit Siebenbürgen, als Fürſtenthum, 
egnügte (1570). Zu diefen Thronftreitigkeiten kamen in dieler Zeit auch religlöfe 
Bewegungen, indem der Proteftantiömus, welcher bereitö unter Ferdinand in U. Eins 
gang gefunden hatte, während der Regierung Marimilians fich mehr u. mehr aus⸗ 
breitete. Rudolfel. (ald Kaifer Rudolf IL, 1576—1608) Schwäche war nicht ger 
eignet, die Wirren in den Zuftänden 11,8 zu löfen. Der unthätige Fürft vernachläßigte 
die Stautöverwaltung und brachte dadurch das Land tn immer größern Verfall. 
Dazu famen noch Kriege mit der Pforte und mit Siebenbürgen. Der dortige 
Gropfürk, Stephan Borsfay, ftelte ſich an die Spige der Mißvergnügten und 
hatte gernämlich die Proteftanten auf feiner Seite. Mit ihrer Hülfe erzwang er 
den Wiener Frieden von 1606, vermöge beffen er für fi und feine Erben Sie 
benbürgen nebft einigen ungarifchen @elpanfchaften erhielt, welche Geblete jedoch 
nach dem Erlöfcyen feined Stammes wieder an Habsburg fallen follten; den 
Be und helvetiſchen Konfeffionsverwandten wurde freie Religions 
übung zugeſichert. Noch im felben Jahre farb Bocokay, ohne einen Sohn zu 
Hinterlaffen, aber flatt daß jeht, dem Wiener Frieden gemäß, Siebenbürgen an 
Rudolf gefommen wäre, warf ſich dort Gabriel Barhor, ale Für auf. dolf 
konnte fein Recht nicht geltend machen, denn fein eigener Bruder Matthias hatte 
fih mit den Ungarn vereintget und zwang ihn im % 1608, der Krone zu ent 
ve be der Ufurpator aber unter dem Namen Matthias II. (1608—1619) 
biefe auf 8 Haupt fegen Tonnte, mußte er eine (were Wahllapitulation uns 


Ungarn. 87 


rfchreiben,, in welcher er vollkommene Religionsfreiheit geſtattete und verſprach, 
De —— — durch Ungarn verwalten zu laſſen, alle drei Jahre Landtag 
u halten, die an Deſterreich und Polen verpfändeten Städte einzulöfen, über 
Rrieg und Frieden nicht ohne Einwilligung der Stände zu beftimmen, ſtets in 
J. m reſidiren u. ſ. w. In diefer Zeit erreichte der Proteftantismus den Kuls 
ninationspunft feiner Macht in U. Der größte Theil des Lanves, faſt alle 
moßen Familien waren proteftantifh. Die fett 1561 im Reiche eingeführten Je⸗ 
siten kämpften unausgeſetzt, aber erfolglos für die katholiſche Kirche. Matthias 
arb Bald nachdem die böhmifchen Unruhen ausgebrochen waren, welche ven 
Ojährigen Krieg nach fih zogen. Es war ein Glüd für dad Haus Habsburg, 
aß Die Macht der Pforte damals bereits zu finfen begonnen hatte, denn fonft 
yäre im Laufe dieſes ververblichften aller Kriege U. zweifeldohne von Oeſterreich 
) ſſen worben, zumal dad Land in feinem Innern fortwährend durch Bar- 
klämpfe und Religiondftreitigfetten beunruhigt wurde. Des Könige Matıhias 
tachfolger Ferdinand I. (1619-1637) hatte gleich Anfangs einen harten 
Stand gegen den ihm feindlich gefinnten Kürften von Siebenbürgen, Bethlen Gas 
er, welcher mit Hülfe der ungarifchen Proteftanten fein Heer bis auf 60,000 
Rann verflärkte und in Kurzem faf das ganze Land in feine Gewalt brachte. 
Ya Auguſt 1620 ließ er fi) fogar zum Könige von U. wählen, verbannte bie 
Kabänger des Kaiſers und zog alle Güter der Fatholiichen @eiftlichkelt ein. Ins . 
jeß änderte die Schlacht am weißen Berge bei Prag den Stand der Dinge und 
nachte Bethlen gefüniger, fo daß er den Frieden von Nikolsburg einging (1621), 
u welchem er dem Königstitel entfagte, wofür er den Titel eines Reichsfuͤrſten 
mb zu Giebenbürgen 7 angränzende ungariiche Komitate erhielt. Zwar erhob 
z nach der Hand, Durch den befannten Matthias Thum und fpäter von Mans⸗ 
eib gereizt, noch zweimal die Waffen genen Ferdinand, es erfolgte aber nichts 
Intfheidendes (f. Bethlen Gabor, Band I, S. 206). Unter den Großen 
16 war inzwifchen felt dem Reichötage zu Dedenburg im J. 1624, welcher den 
Brafen Nikolaus Efterhazy zum Palatin beförverte, eine Reaktion eingetreten, u. 
ziele derſelben fehrten zum katholiſchen Glauben zurüd und fchloffen die proteftans 
iſchen Klrchen auf ihren Gebieten. Insbeſondere der Eifer des Enbiichofe von 
Bran und Karbinald Peter Pazman (f. d.) erwirkte es, daß während ber 
Regierung Ferdinand's und ſeines Nachfolgers, Ferdinand's III. (1637—1657), 
ie meiften Ungarn wieder der alten Kirche fich zuwendeten, fo daß von da an bie 
seit überwiegende Mehrzahl katholiſch if, Die Sache der Proteftanten führte 
er nach dem Tode Berhlen Gabor's zum Zürften von Siebenbürgen erwählte 
Beorg Rakoczy. Er fchloß einen Subfivienvertrag mit Frankreich u. Schweben, 
m dem Kaifer U. zu entreißen, drang im 3. 1644 mit einem Heere von 70,000 
Rann erobernd im Lande vor und nöthigte den Kaiſer zum Frieden von Linz 
1645), weldyer den SProteftanten alle ervünichten Rechte einräumte. Leopoldl. 
1657— 1705) hatte die lange Zeit feiner Regierung über fortwährend mit ben 
‚ürfen und ben ungarifchen Malfontenten zu thun. Ciebenbürgen war wieder 
er erſte Zankapfel. Der Kaiſer unterftügte den Yürften Johann Kemeny, bie 
‚ürfen dagegen wollten die Herrfchaft über jene® dem Grafen Michael Apaffl 
umenben. Darüber entfpann ſich ein Krieg, und Montecucult erfocht am 1. Aug. 
664 bei dem Dorfe St. Gotthard einen glänzenden Sieg über die Türfen, wels 
ver aber nicht gehoͤrig benügt wurde, und fo mußte Leopold im Frieden von 
zasvar den Apaffı als Fürften von Stebenbürgen anerkennen. Des auswärtigen 
«indes entlebiget, erneuerte nun der Katfer feine fchon früher begonnenen Bers 
he, U. in einen rein monarchifchen Staat zu verwandeln. ine Verfchwörung 
er Großen für Aufrechthaltung der Landes⸗ oder vielmehr Wdelöfreibeiten wurde 
ewaltfam unterdrüdt, und die Häupter derfelben, Frangepan, Radasdi u. Zrinyf, 
ndeten auf dem Blutgerüfte (1671). “Die Proteftanten, weil fie den fogenannten 
Raltontenten anbingen, mußten jet den ganzen Zorn des Kaiſers fühlen, wels 
ber den für fie verwendenden protelantiichen Mächten antwortete, doh er 


Pr | — 


368 Ungarn, 


nicht ihres Glaubens, fondern der Rebellion wegen gegen fie verfahre. Ein 
neuer Aufſtand war bie Folge der überfirengen Mapregein Leopold's, an deſſen 
Spitze ſich der Graf Emmerich von Töföli (f. d.) ſtellte. Zu ſchwach, allein 
es mit dem kaiſerlichen Heere aufzunehmen, ſchloß dieſer ein Bündniß mit Mu⸗ 
hamed IV. 1683 überſchritt der Großweſſir Kara Muftapha die ungariſche 
Graͤnze und drang bis Wien vor. Aber an den heldenmüthig vertheidigten 
Mauern diefer Stadt zerfchellte die Macht des Halbmondes. Der Großweſſir 
wurde von den Polen unter ihrem Könige Johann Sobtesfi und den mit ihnen 
vereinigten Reichötruppen — dgeichlagen, und von da wendete ſich das Krieges 
glüd ganz zu Defterreih. Der kaiſerliche Feloherr, Geriog Karl von Lothringen, 
erfocht eine Reihe gläniender Siege über die Türken. Neuhäufel, Dfen (1686) 
und andere wichtige Pläte wurden genommen, und im Auguft 1687 brachte der 
Herzog dem Großweſſir bei Mohacs eine der furchtbarften Niederlagen bei. Wäh- 
rend die Eatferliche Armee dieſe Lorbeeren fich erfämpfte, trat in Eperies unter dem 
Vorfige des Benerals Earaffa ein Blutgericht zufammen, welches gegen die einee 
Einverfändnifies mit dem Yeinde Bervächtigen Folter und NRichtichwert ſchon⸗ 
8108 anwendete und eim nicht wegzumwafchenver Flecken in der Regierung 

fchichte Leopold's bleibt. Unter dem Ginprude dieſer Ereigniffe erklärten pi 
Stände auf dem Reichötage zu Preßburg die Krone U.8 für erblich im öfter: 
reichifchen Mannsftamme und veriichteten auf das in ihren Privilegien bishe 
enthaltene Recht, ſich mit offener Gewalt dem Könige zu widerfegen, wenn er ei 
wagte, die Freihelten der Nation zu verlegen. Am 9. Dezember 1687 wurde bei 
Erzherzog Joſeph, Leopold's Altefter Sohn, ald der erfte Habeburgifche Erb: 
fünig von U. in Preßburg gekrönt. Der Krieg zwiſchen Oeſterreich u. bei 
Pforte dauerte indeß noch geraume Zelt fort, geftaltete fidy aber für diefe immeı 
ungünftiger. 1688 erftürmte der Kurfürft Mar Emanuel von Bayern Belgrad, 
und Eugen von Savoyen vernichtete am 11. September 1697 bei Zentha bat 
türfifche Heer. Run fam es zum Friedensſchluſſe von Karlowig (1699), welche: 
die Pforte auf das Tiefſte demüthigte. Sie mußte Siebenbürgen aufgeben unt 
verlor ale ihre Eroberungen in U. bis auf den Bezirk von Temedvar. Wei 
aber dieſer Friede ohne Beiziehung ungartfcher Abgeorpneter gefchloffen worder 
war und in ſeinem Gefolge Beſchränkungen der ungariſchen Freiheiten u. Weiter 
ausdehnung der koͤniglichen Rechie befürchten lich, harten fih die Malkontenten 
neuerdings unter ihren Fahnen. Franz Rakoczy (f. d.) führte fi. Die Sie 
benbürger wählten ihn 1704 zu ihrem Fürften, die Stände von U. 1705 3ı 
ihrem Herzoge, und Frankreich unterftügte ihn. Leopold erlebte das Ende dieſe 
Unruhen nicht mehr, welche auch die kurze Regierungszeit feines Nachfolgere 
Sofeph 1. (1705—1711) ausfüllten und erft durch den Szathmarer Ariedei 
vom 1. Mai 1711 gedämpft wurden. Die Konföperirten erhielten Amneftie, de 
Proteftanten ward freie Ausübung ihrer Religion zugeftanvden, die Rechte de 
Ungarn wurden aufs Neue beftätiget. Nur Rakoczy blieb geächtet, weil er fic 
geweigert hatte, dem Friedensvertrage beizutreten. Unter Karl II. (ale Kaiſe 
Karl VI, 1711—1740), gewann der fiegreiche Prinz Eugen den Türfen in 110 
Feldzügen dad ganze Banat nebft einem Theile von Serbien und der Walachei a 
(Baflarowiger Friede von 1718), aber ein fpäterer, unglüdlich gefübrter Krie 
(1737— 1739) ließ alle diefe Erwerbungen, mit Ausnahme des Banats, wiede 
verloren gehen. Beſonders die Abtretung Belgrads an die Pforte fiel den Un 

arn ſchmerzlich. Karl bildete das ſtehende ungarifche Heer, reorganifirte da 

and politifch und juridiſch und richtete die Verwaltung neu ein. Als aber de 
Kaifer die Frohnen und_ die Leibeigenfchaft einzufchränten und das Recht abzu 
ſchaffen fuchte, welches fich die Adeligen angemaßt hatten, jedes für fich oder ih 
Kinder erfaufte Bauerngut der Befteuerung zu entziehen — die urfprünglich adel 
igen Güter genoffen ohnedies volfommene Abgabenfreiheit — erhoben fidy dagı 
gen heftige Reklamationen. Nichte lag indeß Karl mehr am Herzen, als feir 
pragmatiiche Santtion, welche ver von ihm abkammenden weiblichen Rachkon 


m 


Ungarn, 369 


enſchaft die ungehinderte Erbfolge in allen feinen Staaten fidhern jet. Selbe 
werde auf dem Reichötage zu Preßburg im 3. 1722 für U. einfimmig anges 
smwen. Über obwohl die bedeutenpften Mächte diefe Succeſſtonsordnung ges 
väbrleiter hatten, begann nach Karl's Tode dennoch der öfterretchiiche —* e⸗ 
rieg. Die Ungarn leiſteten während deſſelben der Kaiſerin Königin Marta IL 
Eherefia (1740-1780) trefflicdhe Dienfte und brachten der von ihren Feinden 
ent Bedrängten mit Freudigkeit die größten Opfer. Auch blieb die wohlmollende 
jerrfcherin fletd dankbar gegen die Ungarn. In ihre Regierungszeit fällt die 
lafhebung der Jeſuiten, die durchgreifende Reform des ungarifchen Schulwefend 
nd die Einführung des fogenannten Urbartums, durdy welch.& die Unterthanens 
abälıniffe requlirt wurden. Die Ungarn verehrten Marta Therefia ale Mutter, 
nd das Zutrauen zu ihr wanfıe ſelbſt da nicht, als fie im @eifte jene® goldenen 
eisalter® der Despotie, welcher jede Mittelmacht im Lande anfeinvete, 16 Jahre 
ang feinen Reicherag mehr einberief. Ihr Eobn Joſeph I. (1780 — 1790) 
berſtürzte fih auch in U. mit feiner befannten Vorliebe zu Reformen, für welche 
vr Boden hier nody weniger vorbereitet war, als in den übrigen öfterreichifchen 
Irblanden. Gr bob die Leibeigenichaft auf, beſchränkte den Zunftzwang, ſprach 
ven Adel die Lehnsrechte ab und verpflichtete ihn zu gleichem Anthelle an ven 
Etatölaften, führte einheimifche Geſetzbuͤcher ein, fäfularifirte die Klöfter,, erließ 
wu Toleranzedikt, gewährte Preßfreiheit. Dieß Alles, fo tief es auch in bie 
Befaffung des Landes einſchnitt, geſchah ohne Beiziehung des Reichstages, wel⸗ 
der nie verfammelt wurde, und um ja volfommen freie Sand zu haben u. dur 

va Eid auf die ungarifche Konftiturton nicht gehemmt zu feyn, ließ ſich Joſep 

si einmal ald König Frönen. Degreifliher Weife fanden feine Reuerungen 
bi der Nation mehr Wiverſtand als ntertüßung , — bei den bevorredhteten 
Ständen, weil fie fidy fchwer in ihren Snterefien beeinträchtigt fühlten, bei ven 
Bürgern und Buuern, weil fie zu ungebilvdet waren, um auf ded Kaiferd weits 
ausfehende Pläne eingeben zu fönnen, bei den Achten PBatrioten endlich, weil fie, 
wenn auch das viele Wohlgemeinte in Joſeph's Umgeftaltungen erfennend, ſich 
e6 doch nicht in diefer verfafjungswidrigen und gewalthätigen Welfe aufprängen 
laffen wollten. Am Tiefen verlegte der Katier das Nationalgefühl durch das 
Bebot, welches allen Lanveseingebornen, Magyaren wie Elavın, die deutfche 
Sprache als Geſchäftsſprache aufpringen wollte. Diefe in jedem Betrachte uns 
fuge Maßregel führte gerade zum Gegentheile, indem fie bei den Ungarn jenen 
Sifer für ihre bisher vernachläffigte Murterfprache erregte, weldyer in unfern 
Tagen ſich zum Fanatismus geftelgert hat. Der Aufftand in den Niederlanden 
nd der unglüdlide Gang des Türfenfrieged (1788— 1790) gaben der allgemel- 
nen Mißſtimmung den Muth, fidy öffentlich zu äußern, und die Gaͤhrung erreichte 
bald einen foldyen Grad, daß der Kaiſer ſich gezwungen fah, alle feine Berords 
angen, allein das Toleranzebift ausaenommen, zu widerrufen. Died geichah 
durch ein Reſcript vom 28. Jänner 1790, und drei Wochen darnach flarb Jo⸗ 
ph. Seine Bruders, Leopold IL, kurze Regterung (1790—1792) reichte eben 
in, um durch Einlenkung in die Fonftitutionelle Bahn die Gemüther der Ungarn 
sit Defterreidy) wieder zu verfühnen. Franz J. (1792—1835) hatte in den erften 
3 Jahren feiner Regierung fchmere Kämpfe mit Frankreich zu beftehen, in deren 
folge U. viermal — 1797, 1800, 1805 u. 1809 — infurgiren mußte (vergl. den 
Inifel „Inſurrektion“). Erzherzog Joſeph, des Kaiſers Bruder, wurde dem 
ande als Palatinus vorgeſetzt. Das Finanzpatent von 1811 hatte einen ftürs 
uſchen Reichſstag zur Folge, und nun verfammelte der Katfer die Stände 15 
Jahre lang nicht mehr. In der Zwiſchenzeit wurden zur Dedung der Staatöbes 
ürfniffe freiwillige Beiträge von den Komitaten erhoben. Vergebens forderten 
te Ungarn die Einberufung der Rationalverfammlung, vergebens ftellten fie vor, 
af die Bevuͤrfniſſe des Landes fie erheifchten, um für das allgemeine Wohl 
u arbeiten: Deſterreich blieb taub für das rechtmäßige Begehren u. als Italien 
— ia Jahre 1820 — das Hoffabinet in ernftliche Belorgnib veriegte um W 


Reslencpclopidie: X. 2 4 


870 Ungarn, 


Klugheit gebot, die kaiſerlichen Heere zu verflärfen u. den Staatsſchatz in Stand 
zu fegen, war ber Sieg des Abſolutismus bereitö fo entſchieden, daß vie Minifter 
Defterreich® glaubten, unumfichränft über U.s Hülfsquellen verfügen a können, 
und eine Kontribution in Münze und Refrutenftellung von den Komttaten vers 
langten. Da erhob fidh dad ganze Land wie Ein Mann u. verwahrte fidy gar 
alle ungefeglichen Maßregeln der Regierung, fo daß fi am Ende der Kaiſer 
dennoch gendthigt fah, den Reichstag im J. 1825 einzuberufen. Es verfühnte 
die Gemuͤther nicht, daß er In der Thronrede fein Unrecht eingeftand, indem er 
zugab, es feten Dinge vorgegangen, die nicht hätten geſchehen follen und u 
wieder gefchehen würden; ver Reichstag drüdte laut feine Entrüßung aus, 

er ſich herbeiließ, die Föniglichen Propofttionen zu berathen und alle Graffchaften 
unterflüßten einen Antrag, der den Tod der Berräther verlangte, welche den 
Monardyen irre geführt. Die Folge dieſes Landtages waren mehrfache Zuges 
ftänpniffe von Selten der Regierung, welche ſich verpflichtete, die Brundgeiege 
des Königreiches zu beobachten, ohne Mitwirkung des Reichötages nie wieder 
Steuern zu erheben u. diefen fortan jedes dritte Jahr einzuberufen. Die Gtänbe 
dagegen ſtimmten zu der Aushebung der nötbigen Truppen und erhöhten bie 
Steuern auf 4 Mil. Gulden. Auch auf dem Reichötage von 1830 begegnen wir 
der einftimmigen Bertbeivigung der Rechte ded Landes gegen die Anmaſſungen 
des Hefes; an der Spitze der Verfechter diefer Richtung fand Graf Szechoͤnyi. 
Mit Energie drangen die Stände darauf, daß die Verhandlungen beim Reichs⸗ 
tage nicht mehr in Iateinifcher, fondern in magyariſcher Sprache geführt werben 
ſollten. Yür den Freiheitsfampf der Prien ze giem fih in dieſer Zeit bei den 
Ungarn die lebhafteſten Eympathteen und in vielen Komitaten wurden Adreſſen 
abgefaßt, welche geradezu eine bewaffnete Einmifhung begehrten. Die Cholera, 
die im Sommer 1831 nad U. einbrang. gab zu traurigen Berwirrungen Anlaß. 
Sn den untern Klafien hatte ſich nämlich dr Wahn verbreitet, die Krankheit 
merde dem Volke durch Vergiftung zugebracht, und fo entſtanden an mehren 
Drten wilde Tumulte, die gräuliche Eigenthumszerſtörungen und ſelbſt Mord⸗ 
thaten im Gefolge hatten. Auf dem 1832 eröff ’eten Reichötage legte die Regier⸗ 
ung einen Befegentwurf. das fogenanrte Urbartale, vor, welcher die Verbaälmiſſe 
der Unteribanen zu den Grundherrichaften nad billigen Brundfägen ordnen follte. 
Etatt hierüber zu beratben, verlangte die Stänverafel Preßfreibeit. außfchließlichen 
Gebrauch der magyariſchen Sprache in allen amtlichen Aftenftüden, WBerlegung 
des Reichetages von Preßburg nach Peſth u. f. w. Die Magnatentafel ging 
auf feinen dieſer Anträge ein, und in der zweiten Kammer felbft bildete fich eine 
Bartet, die in Wien eine Stüge fuchte, um dem Etrome der neun Ideen Eins 
balt zu thun. Bon diefem Wugenblide an fehte das Kabinet den Liberalen offenen 
Miverftand entgegen. Defto gereizter erhoben diefe nun ihre Stimmen in den 
Komirarkverfammlungen. Als die bedeutendſten Wortführer thaten fidy hier Wels 
felenyt, Keſſuih, Franz Teak, Blauzal, Tekeli, Balegh, Raday hervor. Mehren 
von ıhnen ließ die Regierung den Prozeß machen. Während dieſes politiſchen 
Kampfes farb Franz I. und ihm folgte fein Sıhn Ferdinand V. (1835 bie 
1848), Welcher bereit® fünf Jahre,vorker zum Könige von Ungarn gekrönt wors 
den war. Diefer Thronwechſel hatte übrig. ns auf den Geiſt der Regierung 
durchaus feinen Einfluß, denn nad) wie vor mar dad Mettirnich’fche Syſtem in 
Oeſterreich das herrfchende. Nur eine andere Tafıtf wählte das Kubinet den 
Ungarn gegenüber und ftatt, wie früher, unumfchränfte Gewalt anzuwenden, 
ſuchte es jegt durch feine Berbindung mit der Fonfervariven Partei auf frieds 
lihem Wege feine Zwecke zu erreichen. Um gerecht zu feyn, darf man übrigend 
nicht verbehlen, daß die vormärzliche Politik der öſterreichiſchen Regierung U. ges 
genüber nicht etwa nur in abfoluriftifchen Gelüften ihren Grund hatte, fondern 
weit mehr aus ftaatewirthichaftlichen Verhältniſſen eniſprang. In einer Zeit, 
weiche reichlichen Zufluß von baarem Gelde in den öffenılihen Kaffen zum dring⸗ 
enden Bebürfniffe erhoben hatte und Defterreich noͤthigte, die Kräfte der deutſchen, 





a 


Ungarn. 371 


lleniſchen und tſchechiſchen Provinzen nach Möalichkeit anzuſtrengen, duldete 
Hung Us, deſſen Gebiet beinahe die Hälfte des Geſammiſtaates eins 
mut, feine gleichartige Beſteuerung. U.s Konftitution war ed, was die öfters 
ichiſchen Finanzen, verglichen mit den anderen Staaten, auf ein armieliges 
daß heraborüdte. Iſt es ein Wunder, wenn unter diefen Umſtänden Oeſter⸗ 
ichs Binanzmänner die ungarifche Berfaffung haften? Anderſeits entiprang ver 
Naerfland der Oppofition gegen die öfterreichiiche Regierung keineswegs immer 
6 reiner Freiheitsliebe, fondern nur gar zu oft aus der enghberzigen Sorge für 
mderinterefien, aus den ichon öfter angebeuteten Gelüſten des Magyartömus 
bh ver Suprematie im Lande, aus der immer deutlicher beroortretenden Ends 
At, die Fönigliche Macht auf Null herabzufegen und aus anderen foldyen trüs 
n Quellen, fo daß der befonnene Freiheitsfreund den Beftrebungen dieier Partet 
ne Eymparhien faum unbedingt wird zuwenven fünnen. Wancher fchwer ges 
delte Staatsſtreich des Wirner Kabineis erklärt fi aus biefem Charakter der 
motion, mit deren Starrfinne auf konſtitutionellem Wege nichte ausgerichtet 
nden Tonnte Eine zankjüchtige Rathöverfammlung wird gegen jede, auch die 
te Maßregel eine Maſoriiät aufzubringen vermögen, eine weife und 
Körperfchaft wird über die Cinreden hinweg auf das erfprießlichfte 
eltat ſchauen. Die Stände, nun fchon- im vierten Zıhre verfammelt, brachten 
aluch Doch das Urbarialgefeg zu Stande und geftatteren Nichtudeligen, PBrozeffe 
eigenem Namen zu führen. Am 6. Juni 1839 wurbe ein neuer Reichstag 
net. Die Regierung legte drei wichtige Propofttionen vor: Refrutenftellung 
u Ergänzung des ‚Heeres, Militärverpflegung zur Erleichterung bed Landmannes, 
trung des Donauftromes. Die Oppoſition aber brachte die Anficht zur Geltung, 
ehe man dieſe ausſchließlich nur das materielle Wohl erzielenden Vorſchläge 
rt Berathung vornehme, erft den Beſchwerden des Landes über die Verlegung der 
Bahls u. Redefreiheit abgeholfin feyn müfle, und als die Mugnatentafel diefem 
eſchlufie nicht beitrat, kam ed au höchſt ftürmifchen Auftritten. Gleichwohl ers 
ngte diefer Reichstag mehre günftige Refultute. Der Handel erhielt ein Wechfels 
ht, für Hebung des Aderbaues und der Induſtrie wurden neue, zwedmäßige 
etimmungen getroffen, für das Gıbredyt der Unterthanen gewann man ein vers 
ſſertes Geſetz, für den Peſther Brüdendbau erfchten die Ratifitution, auf die 
iſenbahnlinie nach Trieft das Erpropriationdgeieg. Der von beiden Tufeln ans 
aommene Geſetzentwurf aber, welcher die magyartfche Sprache zur ausſchließlich 
sıfhenden am Reichtage, bei Gericht, in der Schule, in den Kirchenbüchern 
bob, fogar die Adelsverleihungen und die Ertheilung des Bürgerrechtd von der 
enntniß diefer Sprache abhängig machte u. feine ftrengen Beſtimmungen nicht 
os auf das eigentliche Magyarenland befchränfte, fondern auch über die von 
Haven oder Deutfchen bewohnten Theile des Königreichs ausdehnte, erregte bei 
nm Nichtmagyaren durch feine offenbare Tendenz, ihre Volkothümlichkeit zu unter⸗ 
üden, die größte Erbitterung und lodte den Keim zu dem Ungarn gegenwärtt 
rfleifchenden Bürgerfriege hervor. Den Magyaren bat ed ihr Ragenftolz nod 
ht zugelaffen, die übrigen ungariichen Bölferichaften als gleichberechtigt anzus 
ben, vielmehr betrachten fie ſich heute noch als das herrfchende Volk auf dem 
etten Gebiete ded Reiches. Diefer Ragenftolz iſt ein fehr ernftliches La 
U.. denn er vergiftet alle Fragen der inneren PBolitif, und hat natuͤrlich au 
n Racengeift bet den anderen Bö:fern wach gerufen. Hätten die ungariſchen 
ttmmführer, ftatt einen engberzigen Magyarismus zu begründen, ein allgemeines 
yarthum erftrebt, mit Gleichſtellung aller U. bewohnenden Stämme, wer weiß 
le weit ihre Macht gegangen wäre, und wohin dieß Streben hätte führen koͤn⸗ 
3? — Um die Liberalen zu verjöhnen, erließ der König im Jahre 1840 nad) 
T Auflöfung des Landtages eine Anmeftie, die politifchen Prozeſſe wurden nies 
zgefchlagen und die Befangenen in Kreiheit gefegt. In der nächftfolgenden Zeit 
a 6 in mehren Komitaten wieder zu großen Bewegungen, hervorgerwien wurd 
e zur Sprache gebrachte Frage über Deffentlichkeit und Rund Ver Br: 
24 






„0. 


372 Ungarn. 


richtöfigungen. Die Stände des Vefther Komitats defretirten 1842 in einer aufs 
ferordentlihen Generalkongregation auf eigene Fauſt diefe wichtige Umgeftaltung 
des Gerichtöverfabrene, und vergebene fuchten die gemäßigteren Mitglieder zu 
beweifen, daß eine derartige Reform die Bränzen der Komitaröprärogative welt 
überfchreite. Ihre Borftellungen wurden von den Rednern der liberalen oder 
vielmehr radifalen Partei, unter welchen fid) insbeſonders Kofſuth hervorthat, 
niedergedonnert. Als aber ein königliche Refeript die Eröffnung der bereits aus⸗ 
gefchriebenen öffentlichen Berichtäfigung ernftlichft verbot und den Gerichtshof für 
die Kolgen des Ungehorſams verantwortlich machte, fah fi das Komitat e 
nötbigt, feinen Beſchluß zur Zeit aufzuheben, fügte jedoch die ausprüdliche 
merfung bei, daß man nur der Gewalt weiche und beim nächften Reich6tage bes 
fchwerend einfommen werde. Demſelben, welcher am 20. Mai 1843 vom Kaifer 
perfönlicy eröffnet wurde, gingen blutige Wahlfämpfe und mannichfadye Unorb- 
nungen von Seite der Juraten und Schreiber voraus. Die Regierung fchlug 
dießmal einen neuen Weg ein, und die Föniglichen Anträge waren fo zu fagen 
dem von Koſſuth redigirten „Pesti hirlap“ enınommen, faft Alles enthaltend, was 
die liberalen Blätter feit Jahren gefordert hatten. Zwar fegte die Magnatentafel 
foftematifchen Widerſtand entgegen, aber deflen ungeadytet machte der Landtag 
neue Eroberungen ; die religiöien Kragen, 3. B. in Betreff der Mifchehen, wurden 
freifinntg gelöst, alle öffentlichen Wemter den Nichtadeligen zugänglich gemacht, 
die Bauern erhielten die Befugniß, adelige Güter zu Faufen und die Steuerfra 
wurde in einer Weiſe georbnet, die feinen Zweifel übrig zu lafien fchien, daß fie 
beim nächſten Landtage im liberalen Sinne entichieden werden würde. Rüdficht- 
lich des Gebrauches der ungarifchen Epracdye ward feftgefeht, daß dieſelbe fortan 
definitiv als offiielle Sprache zu gelten habe. Gegen Erzeffe, welche um dieſe 
Zeit in mehren Komitaten, vornehmlich bei den Breamtenwahlen ftart fanden, trat 
die Regierung energiſch auf; doch audy die Oppolition zeigte fortwährend eine bes 
deutende Thätigfeit. Wie fehr die patriotifche Eraltation bei den Ultramagyaren 
damals fchon überhand genommen hatte, hiefür fpricht die Thatfache, daß Mit: 
glieder des ungarifchen Echugvereins für inländifche Induftrie die Leute auf der 
Straße anfielen, wenn fie an ihnen aus fremdländiichen Stoffen gefertigte Kleider 
bemerkien. Die Aufftärde in Galtzien und Krakau, im Yebruar 1846, errepten 
zwar in U. das alte Mirgefühl für Polen, battın aber feine bewaffnete Erhebung 
zur Folge, wie man in Sranfreidy und den infurgirten Gegenden wohl hoffen 
mochte. Das Peſther Komitat blieb unter Kofſuth's Auſpizten fortwährend der 
Baupıbeer der polttiichen Unruhen. Am 13. Jänner 1847 ftarb der Palatinus, 
raberzog Joſeph, und ihm folgte in dieſer Würde fein Altefier Sohn Stephan. 
Auf das Land hatte dieſer Todesfall feinen Einfluß, defto gewalıiger war aber 
jener der Märzrevolution von 1848, welche die Verhältniffe U.8 zu feinen Neben, 
ländern, wie zur öfterreichifchen Geſammtmonarchie überhaupt, gänzlich neu ge 
ftaltete und auch im Innern die Dinge zur völligen Umfehr brachte, indem fie 
die Wirkfamkeit der gemäßigteren Patrioten paralyfirte und das Ruder des 
Staates dem überfpannteften Magyarismus in die Hände fpielte. Yolgen davon 
waren der durch die grellen Rüdfichtslofigketten diefer Partei entzündete Ragen 
fampf u. der Aufftand gegen Defterreich, welcher indeß weniger eine Erhebung des 
eigentlichen Volkes iſt, chwohl die Kührer diefes in ihren Anfprachen u. Erlaffen ſtets 
voranftellen, fondern vielmehr eine feudaliftiiche Rebellion. Der demokraliſche 
Geiſt, welcher durch Wefteuropa gährt, hat, ohne fein inneres Wefen zu ändern, 
im Oſten ein ariſtokratiſches Gewand angezogen. Nicht bloß in Rußland und 
Polen, fondern aud in U. ift der Adel befanntlich derjenige Stand, welcher vors 
berrfchenden Einfluß übt u. bei etwaigen Staaısveränderungen den Ausichlag gibt. 
Was der galiziiche Adel im J. 1847 unternehmen wollte, das verfucht im gegen- 
wärtigen Augenbiide der ungarifche. Wie jener — mit Ausnahme weniger der 
größten G.fchlechter, 3. B. der Eſterhazy, der Appony, der Feftiticd, der Palffy, 
welche fih durch Heirathen mit dem Geſammtintereſſe des öfterreichiich-flanifchen 


Ungarn. 373 


errenſtandes verfehwägertn — in eigenliebiger Abſonderung verharrend, ges 
öhnte fidy der ungariiche Adel nicht daran, gleich dem veutich »flavifchen eine 
erh ng feiner befondern Berhältniffe durdy aligemeine Hebung der Kräfte 
ed Gelammtreicyes zu erzielen, fondern fledt jetzt ein eigenes, dem Ganzen 
Ambfelige® Banner auf. Die tiefe Aufregung der Magyaren datirt ſich zum 
‚heil fchon von der erften franzöftichen Revolution ber und bat in ven nach⸗ 
Hgenden Bewegungen des Weftens immer neue Rahrung gefunden. Die ungs 
tnchen Patrioten der fjüngftvergangenen Zeit, wenn fle ſchon die Mängel ver 
mdes verfaſſung erfannten und denfelben abzuhelfen ſuchten, hatten indeß keines⸗ 
egs die Mbfiht, U. von Oeſterreich loszureißın. Aber indem die Maßregeln, 
eihe fie in's Leben führten, die Hülfsmittel des Landes vermehrten, die 
Igemeine Enmwidiung 11.6 beförderten, beflügelten fie zugleich bei ver Op⸗ 
& tout prix, weldye zumelfi aus dem niederen Adel fidy refrutirte, den 
eiſt des Widerſtandes gegen Defterreich und machten dadurch, ohne es ſelbſt zu 
ollen, den Bruch unv rmeidlich. Zu diefen Männern gehdit befanntlidy der 
rühmte Stephan Szeéͤchoͤnyi, der befte unter den europälfchen Bewegungsmännern; 
iR während der Ivgten Wirren in Wahnfinn verfallen, weil er die nieder- 
hmetternde Entdeckung machte, daß die non ihm in guter Meinung eingeführten 
formen dazu beigetragen hatten, eine Dracdhenfaat emporzutreiben. Nicht fo ger 
iſſenhaft ald Szöchenyi und deſſen Kreunde war die große Mehrheit des mas 
ſariſchen Adels. Köpflings flürzte fich viefelbe, ale die Märzreignifie ihr den 
ng erfehnten günftigen Moment herbeigeführt zu haben fchtenen, in den Strudel 
z Revolution und erhob die Losreißung U.s von Defterreidy und die Erricht⸗ 
ig eines ſelbſtſtaͤndigen Staates zum Lofungsmorte. Haupt des unverföhnlidyen 
tramugyariömus if, wie ale Welt weiß, Ludwig von Kofjuth, ein Mann, dem 
an feltene Talente, namentlich hinreißende Beredſamkeit, nicht abıprechen Tann, 
n Bann, der alle Berleginbeiten, welche die legte Pariſer Revolution dem 
ziener Hofe bereitet hat, auf's Schlauefte außgubennen wußte und der gegens 
irtig das Gelingen der von ihm geleiteten Empdrung auf den Würfel des 
Baffenglüd.8 ſegt. — Wollen wir ſchließlich nun die neucften Greignifle in U. 
ach ihrer Zeitfolge in Betracht nehmen. Am 7. Rovımber 1847 wurde der 
ıgaritche Reichſtag eröffnet. Die königlichen Propofliionen waren: Wufhebung 
? Zolllinien zwiſchen U. und ven Erbländern, Wdlöfung der Truppen⸗Ratural⸗ 
erpflegung, Regultrung der Landtagsſtimmen der kgl. Freiſtädte, der freien Di⸗ 
ifte und Domkapitel, zeitgemäße Verbefferung der Innern Drganifation dieſer 
fin, Regulirung des adeligen Befisthums im Erbe und Einführung 
nes dbuches, Ablöjung der Robot, Errichiung einer Landeskaſſe zur Regu⸗ 
nmg der Graͤnzzoͤlle, wie zur Herftellung der Straßen, Kanäle ıc. u. zur Heb⸗ 
ng der Induſirie und des Handeld. Bereitd am 30. defl. Monats erfolgte eine 
ichtige Abſtimmung in der Ständetafel, durch welche die Mehrheit fidy für gleiche 
äßıge Berheiligung des Adels an der Domeftifalfteuer (zur Dedung der Innern 
erwaltungstoften), ingleihen für Errichtung einer allgemeinen Landeskaſſe (au 
jteuerbeiträgen aller Einwohner) zur Dedung der Öffentlichen Bedürfniſſe aus⸗ 
rach. Den 3. März 1r48 nahm die Ständetafel einhellig den Antrag Koſſuth's 
ı, eine Reichödeputation an den König nach Wien zu fendın, um die fofortige 
mennung eines nur aus Ungarn beftehenden, verantwortlichen Staatsminiſteriums, 
wie fofortige Aufhebung aller Beſchwerden und eine zeitgemäße Umänderung 
T Berfaffung zu verlangen. Diefem Begehren wurde ſchon am 23. März ents 
rocyen und Graf Ludwig Bathyany zum Premier des neuen Minifteriumd ges 
acht, während Szemere die Verwaltung des Innern überkam, Fuͤrſt Paul 
derhazy das Heußere, Kofſuth die Finanzen, Méizaros das Kriegsweſen, Sj6- 
önyi den Straßen und Wafferban, Baron Edtved Kultus und Erziehung, 
lauzal Handel und Induſtrie, endlich Franz Deak die Juſtiz. Die Zufammens 
yang dieſes Minifterrums, fo wie die durch ven Eaiferlichen Erlaß ertheilte voll⸗ 
mmene Prepfreiheit und Bewilligung aller übrigen Korverungen erweäis 









— 


Bi: >| Ungarn. 


be Freude, befonders in ber Eträndetafel, welche in der kurzen Eigur 
8. März freies Stimmrecht für alle Abgeorpneten, umunterbrochene Birkulur 
bis fämmtliche Punkte ausgearbeitet feien, bei ihrer Wied: rverſammlung fı 
zu Befchlüff n erhoben hatte, nachdem ſchon am 15. für gleichmäßige Be 
ung des Adels an allen Steuern und Laſten des Landes und Aufbebun, 
Unterthanenverhälinifie ver Bauern gegen die Grunde igenthümer mit Entf 
ung der legtern dindy den Staat geflimmt worden war. SDefterreich trat 
ſeits mit der Anforderung hervor, U. folle eine verhältnismäßige Beiſte 
den Staatsausgaben für die Geſammtmonarchie leiſten und fidy zur Ucbe 
eines Theile der Staatsfchuld verfiehen. Allein die Magyaren, welche 
gut einfahen, daß fle mit der Genehmigung eines ungartichen Miniftertu 
tafsifche Lostrennung U.s von Oeſterreich erlangt hatten, dachten an nid) 
niger, als Oeſterreichs Laſten tragen zu helfen, vielmehr famen jett ihre 1 
ungen, ſich vom Kaiferftaate auch formell abzureißen und zu ‚Herren der 
fänder, nmamentlidy des bisher von U. ganz unabhängigen Giebenbürger 
machen, unverhült an den Tag. Bald indeß erhob fi auch in dı 
rigen Volksſtaͤmmen das Gefühl der Selbfiftändigfeit. Erſt verfammelt 
Abgeordnete der 11 ſächſtſchen Kreife zu Hermannftadt und erflärten, bu 
dermaligen, auf Magyarifirung und Separatismus gerichteten Beftreb: 
Reichötages hielten fie eine Union mit U. für fchädlich und der Treue 
das Kaijerhaus, der Integrität ver Monarchie und dem Interefle des Ge 
vaterlandes nicht für zuträglih. In ähnlicher Weiſe proteftirien vie fleb« 
fen Walachen in einer Berfammlung zu Blafendorf gegen eine Bereinigu 
1 Man berief auf den feierlichen Bertrag oder das fogenannte 2eoy 
ſche Diplom von 1691, weldem gemäß Siebenbürgen nicht U., fonden 
Habeburgifchen Haufe unter Borbehalt volllommener Autonomte in der 
ebung, Verwaltung und Juſtizpflege fidy übergeben babe. Defienungeach 
chloß der fiebenbürgifdye Landtag, auf welchem die Magyaren und Szekl 
Uebergewicht hatten, am 30. Mat den Anſchluß an U. Zu gleicher Zeit 
ſpruchten die Kroaten und Slavonier die Aufrechthaltung ihrer befonder: 
beiten, und der Banus Jellachich, mit Leib und Sele ein flavifcher | 
enerzifcher Begner des Mugyarenıhums und der Antipode Koſſuih's, mac 
Sache feines Volkes zu der feinigen, und erhob fidy zum eifrigen Berfech 
iuyrifchen Rechte. Auch die Ratzen (Serben) im ſuͤdlichen l. verlangt 
Anerkennung ihrer nationellen Selbfiftänpigfeit, und beriefen ihre Deputt 
einem Rationalfongreß in Karlowig, welcher Zofeph Rajascic zum Patr 
und Euplicae zum Woiwoden erwählte. Die ungarifchen Beamten wurd 
trieben und neue ferbifhe an deren Stelle gefegt. Die Ungarn wollten de 
Rand mit Gewalt unterdrüden, allein ed gelang ihnen nicht, vielmehr b 
die Serben im Bereine mit den Illyriern Reuſatz, Titel und andere n 
Plaͤtze, erbrachen die Arfenale und nahmen die Kanonen u. den fonftigen S 
bedarf heraus. Die Illyrier (Kroaten und Slavonter) hielten zu Agram 
Herde der fünflavifchen Bewegung, eine Bunalfonferenz, auf welder y 
zwei Palatinalerlaffe eingingen, welche alle Verordnungen, die der Banus 
erlaſſen hatte, ald verfa ungerwibrig bezeichneten. Dies erregte einen furd 
Volkoſturm, und Der Ban fonnte nicht verhindern, daß das Bilpnig des ® 
nus von der tobenden Menge auf dem Stadiplape verbrannt wurde. Die 
befonnene That gab den gerechten Forderungen der Kroaten den Schein 
Empörung, und es gelang dem ungariſchen Minfterium vom Sönige 
40. Juni ein Mantfeft zu erwirfen, weiches die Kroaten und Slavonter vı 
Widerfiande gegem ihre Bereinigung mit ber ungarifchen Krone abmahnt 
hie Vorſchritte des Banus Jellachich im ungnädigften Tone beſprach, ja 
fogar ſeiner Banalwürde entſetzie. Andere Manifeite an die Serben und 
Oränzer wieſen dieſe ebenfalls an U. Die Stadt Karlowig in der flavo 
Multärgränze wurde. fogar von Truppen unter dem öferreichifchen Feidma 


Ungarn. 375 


utenant Hrabowefy beſchoſſen. Dieb fchredte jedoch bie Infurgenten nicht 
‚ vielmehr bemädhtigten fie fidy mit Hülfe von ferbifchen Zugügiern aus Belgrad 
ser Eranimirovih und Novakovich dir Stadt Weipkirchen im Banat. Um 
). Iri hatte Jellachich bei dem Kaifer zu Innebrud eine Audienz, in welcyer 
a Die vom ungariſchen Minifterrum angefuchte Bermittlung des —— 
chann als alierhöchfte Entſchließung eröffnet wurde. Der öſterreich (de 
Latour unteflügte ihm mit Geldſendungen. Die Magyaren 
fuchten aller Drien Sympathieen für ihre Sadye zu erregen und 
weten “Deputationen an die Aula zu Wien, ja felbft zur deuiſchen National⸗ 
fammlung in Sranffurt und nach Paris. Dabei vergaßen fie nicht, ſich zum 
michfien Kampfe zu ruͤſten und angefeuert von den großen Reden Koſſuth's 
wiäigte der Reichetag Hunderttaufenrte von Rekruten und Millionen tin Geld. 
ie ungariichen Regimenter folltıen aus Stalien gurüdberufen werden. Am 
Anguſt erſchien das Manifeft der Froatifch » flavonifchen Nation: Sie will 
A ſeyn im freien Kaiſerſtaate und nichis von Unterordnung unter U. wiflen; 
will einen allgemeinen Reichötag aus Abgeordneten aller Provinzen für vie 
swärrigen, die Kriegs⸗, Finanz⸗ und Dandelangelegenheiten , mit einem ibm 
rantwortlichen Miniftertum ; jedes einzelne Sand foll für Die übrigen Angelegens 
ken feinen eigenen Landtag und feine dem Lande verantwortliche R.gierung 
ben. Des Berſuch einer Bermittelung, überdies durdy die Abreiſe des Ber- 
ker, des Ersberzoge Johann, nad Kranffurt am 30. Juli unterbrochen, 
m vergebene. Der Banus von Krostien und die Ungarn rüfteten ſich zum 
watichess Unfall. Meiternich's Politik hatte einen Kofiuth geboren, und ver 
mamagyariömus dieſes Parteiführers rief den Ritter Jellachich auf ben 
dauplag. Die Weltgeſchichie har ihre ewigen Gelege, wie die Rutur, folge 
, ‚ nur weniger in Dunfel gebült, wie diefe. in kaiſetliches 
mpfchreiben an den Erzherzog Platin von U. vom 31. Auguſt forderte gu 
denaligem Friedenoverſuche und eine Beſprechung in Wien auf, während am 
Cepicmber der Kaiſer dad gegen den Fteih. von Jellachich unterm 10. Junt 
laſſene Manifeſt widerrief, und dieſer am 11. September die Drau von Was 
Odın aus überichritt. Er erreichte am 25. Kelety. Eine ungariſche Deputation, 
ide am 9. Sepiember vom Kaifer Schu und Mafregein gegen den Banus 
fangte, fand nicht die gewünicdhte Aufnahme, Nach ihrer Rudtehr nad) Peſth 
ste das ungariſche Miniſterium am 12. September ab, mit Ausnahme des 
miſteis des Innern, Bartholomäus Szemere. Das Anerbieten des Erzherzog 
laninus, die Zeitung der verantwortlichen Regierung einſtweilen zu übernehmen, 
id Seinen Anklang beim Reichſstage. Derfelbe glaubte nun einen Bergleidy mu 
a Banus von Kroatien verjuchen zu fünnen, und eilte deßhalb in dad ungar- 
ve Lager; dort erreichte ihn aber die pufldive königliche Weiſung, ſich jeder 
amiſchung in den Streit zu enthalten. Der Palaunm gehorchte augendlicklich 
d Sam mac Wien; bier wünfchte man feine Refignation, er reichte fie 
. Wan emannte den ungarıfhen Reichsgroßrichter, Grafen Matlaıh, ale 
ſerimiſtiſchen Etauhalter und &tellvertreter des Palatinus. Am 25. Sept. 
ade der 5 -M. » Lieutenant Graf Lamberg mit dem Oberbefehle ſaͤmmtlicher 
uppen und bewaffneten E:rp6 in U. beauftragt, und ein Manifeft von dem⸗ 
ben Tage verlündigte: Graf Lamberg habe die Aufgabe, die Waffenrube her⸗ 
teen; die in NRord⸗U. ausgebrochenen Unruhen würden durch Einſchreiten 
er militaͤriſchen Wacht aus Mähren unterprudt werden; die erforderiichen Maß⸗ 
ein feren eingeleitet, um eine alle Theile befriedigende Auſsgleichung der ‚Innern 
iſtigkeiten zu bewirken. Am 27. September erklärten die ungarıychen Repräs 
wnten das Munifeft, welchem eine minıfterlelle Eontrafignatur abgehe, für 
yülsig, jeden Beamten, welcher defien Verbreitung oder Vollziehung brgünftigen 
ve, bevrohend; dem Grafen Lamberg verbot man den Oberbefehl. ‘Derfelbe 
zye am andern Tuge in Peſth vom Volke gräplicdy ermordet. Das Repraͤſen⸗ 
renhaus mißbilligte dieſe Schandthat, fehte aber zu gleicher Zeit, nodennb Rob 










876 Ungarn. 


Banner der Revolution entfaltend, eine aus 6 Mitgliedern beſtehende Kommi 
als proviſoriſche Regterung mit unumſchränkter Machtvollkommenheit ein. 
zwiſchen nahm Jellachich, deſſen Streitkräfte ſich auf 40,000 Mann bela 
mochten, Stuhlweißenburg und machte hierauf, einer eigentiichen Schlacht 
harclich ausweichend, einen Flankenmarſch nah Raab u. Wiefelburg, um, d 
bm an fchwerem Geihüs und Geald fehlte, den Sendungen aus Wien ent 
zu geben. Minder plüdlih waren die froatiihen Generale Rott und Philt 
wid, weldye mit ihren Abtheilungen von den Ungarn geſchlagen und gefu 
nad) Peſth gebradyt wurden. Am 3. Dftober erſchien ein kaiſerlich.ð Man 
welches den Reichstag aufiöste, jeden nicht fankftionirten Beſchluß deſſelben 
ungültig erklärte, ade in U. befindlichen Truppengattungen dem Banus Jella 
unterordnnete und das Lund unter das Kriegsgeſetz ftelltee Dieſes Akter 
wurde von dem ungarifchen Repräfentantenhaufe verworfen und als ungülıt 
egal erklärt. Mittlerweile brach in Wien die Dfioberrevoluton aus (f. Wi 
die befanntlicdy mit den ungartiben Zuftänden der Ichten Monate eng verln 
war. Der Reichetag erlieh alsbald eine langathmige Proflamation an 
Wiener, in welcher er dıefen alle mögliche Hülfe gegen den gemeinfamen F 
veriprady. Aber den fchönen Worten entfpracy die Tkat nicht. Die ungar 
Armee blieb während der Belagerung der Stadt durch die Fatferlichen Tru: 
theilnahmlos an der Bränze ftehen, und erft am 30. Dftober, als Wien be 
fi) ergeben hatte, machte fie bei Schwechat eine matte, erfolglofe Diverſton, w 
ihren Bunvdeögenofien weit mehr fchadete als nützte, indem fie diefe zum Bı 
der Kapitulation verleitete und die fchredlichen Ereigniffe eined Bombardem 
und einer Einnahme mit flürmender Hand über das unglüädliche Wien be 
führte In U. ſelbſt dauerte der Bürgerkrieg fort. Die Serben beunruhi 
die füdlichen Komitat. Die gut magyariſch gefinnte Stadt Arad wurde 
dem Defterreich treu gebliebenen Kommandanten der dortigen F ftung bombar 
dagegen Eſſegg von den Ungarn erobert. Im Norden regten fidy die Siov 
unter ihren Anführern Hodzſa, Stur und Hurbun, proteflantifchen Getftlü 
Ueberdies konnte es nady dem Falle Wien's feinen Augenblid mehr zweifel 
ſeyn, daß der Kaifer die ihm zu Gebote ſtehenden Streitkräfte nunmehr zur 
terwerfung 1.6 gebrauchen werde. Deshalb traf Koſſuth die ausgedehnt: 
Bertheidigungsanftalten. Er vermehrte das Heer, bot den Lanpflurm auf 
ließ Tag und Racht an den Befcftigungen Raab’, Peſth's und Dfen’s arbe 
Im ganzen Lande entwidelten die Kommiflarien des Vertheidigungsausich 
ihre unermüdliche Thätigkeit. Am 2. December entfagte Kaifer Ferdinand 
Krone zu Bunften feines Neffen, des Erzherzoge Franz Joſeph J. welche 
einem Manifefle den Ungarn feine Thronbefleigung verfündete und dieſelben 
Rückkehr auf die Bahn der Geſetzlichkeit aufforderte. Der Reichsſstag aber erf 
diefen Thronwechſel für null u. nichtig. Bald darauf begannen die Operati 
der kaiſerlichen Armee gegen U. Acht Henfäulen rüdten von den Rundesgrä 
gegen den Mittelpunft Buda-PBefih, Jellachich mit dem erſten Armeecorps 
der Referve am rechten Donauufer, Wıbna mit dem zweiten Armeccorpé 
linfen, Simonich durch dad Waagthal über Tyrnau, Schlick von Galizien 
durh die Karpatben nad Kaſchau und Eperied, Puchner aus Siebenbü 
gegen Großwardein, Supplicac, der neue Woiwode der Serben, war im © 
gegen Therefienftadt im Anmarfch, endlich follten ſich Theodorovich aus Kroc 
und Buriis aus Stetermarf bei Kaniſa am Plattenſee vereinigen u. über Eı 
weißenburg nad Dfen vordringen. Den Oberbefehl über die ganze Ar 
weiche 120 — 130,000 Mann ftarf feyn mag, bat der Feldmarſchal Zürft 2 
difchgräg. Er fand keinen bemerfenswerthen Wivderftand. Die Ungaın verli 
die großartigen Verfchanzungen bei Raab und gaben fie dem Feinde preis, 
am 5. Zänner 1849 zogen die kaiferlichen Truppen ohne Schwertftreich in & 
und Peſth ein. Kofluch entwich mit dem Reichstage nad) Debreszin. 
Flůchilinge hatten alle Kaflen, Banknotenprefien und fonftigen werthvollen Ge 


nt 


Hugarifge Sprache u. Biteratusi 877 


Inde mit fidh genommen. Hier, in den Komitaten an ber Thelß, wo das 
Rogyarenıhum die fefteften Wurzeln hat, kann es Koffuch gelingen, dem kaiſer⸗ 
den Heere nech ernſte Berlegenheiten zu bereiten, bie endliche Unterwerfung 
ea Landes wird er indeß doch faum verbindern können. Da die kaiſ. Heeres⸗ 
biheilungen von Norden, Welten und Süden gegen Debrerzin, Großwarbein und 
Segedin im Anzuge find, fo wird der Kreid immer enger, welcher das Kofſuth⸗ 
he Großreich auf die Ebenen zwiſchen Theiß, Maros und den Wusläufern der 
darpathen beſchränkt. Das rechte Donauufer iſt feit der Wiedereroberung 
ifſegg's durch die kaiſerlichen Truppen (14. Febr.) bis zu dem nody von den 
Ragyaren b:haupteten Peterwardein hinab ganz befreit. Der Pole Bem, jeden, 
6 Der Triegegewandtfte unter den Yührern der Ungarn, gerriß das ihn 
umgebende Res und ſchlug fi) nach Siebenbürgen durch, wo er die zum 
Teil pacificirten Szekler wieder aufgewiegelt bar. Diefe fanatifirten Horden 
vächeten nad) Bandalenart gegen die Sachſen und Walachen mir Feuer und 
Bhwert und bedrohten felbft Heimannftadt und Kronſtadt mit dem Untergange. 
übgeichnitten won der in Ungarn opertrenden Huuptarmee, in die Unmöglichkeit 
deiſezt, mis feinen ſchwachen Erreitfiäften zugleich dem feindlichen Generale die 
ige zu bieten und das Sachſenland vor ven Berbeerungen der Szekler zu 
Wägen, überdies von den geängfieten Einwohnern mit Bitten beſtürmt, entichloß 
Mh der Kommandirende in Stebenbürgen, Feldmarſchalllieutenant Puchner, zur 
Sebeirufung ruſſiſcher Hülfe, obgleich er hiezu von feiner Regierung nicht ers 
schhriger war. In Folge deflen rüdten am 1. Februar 6000 Mann Rufen in 
Krouhant, am 4. aber 4000 in Hermannſtadt ein, ein Ereigniß, deflen Trag⸗ 
weite ich in diefem Augenblicke nody nicht berechnen läßt. Beim Wbichluffe des 
w den Artifeld vernahm man als das Weuefte die Kunde von einer großen 
tägigen Schlacht, die Fürſt Windifchgräg der Hauptmacht der Ungarn am 
%. und 27. Februar bei Kapolna geliefert bat, und in welcher das kaiſerliche 
Heer Sieger geblieben if. — Duellen — abgefeben von den vieln Altern las 
teimifchen Sammels und Geſchichtswerken — 8. W. Gebhardi: Geſchichte von 
U., 4.Bve., Leipzig 1778— 82; 3. E. v. Engel: Geſchichte des Königreiches 
U, 5 Bde, Wien 1804; 3. U. Feßler: Geſchichte der Ungarn und ibrer 
tandfaflen, 10 Bde., Selb 1810— 25; 3. v. Mailath: Geſchichte ver Ma- 
en, 5 Bde. Wien 1823—31; ©. Santowety: Fragmente zur Gefchichte 
ver Bölker ungarifcher und flavifcher Zunge, Tyrnau 18405 U. de Gerando: 
leber den öffentlichen Geiſt in U., feit dem 3. 1790, Leipzig 18485 Defar 
Fodal: Der Krieg in U., Mannheim 1849; Allgemeine Zertung. mD. 
Ungarifhe Sprade u. Literatur. Die ungarifche (magyariſche) Sprache 
hägt orientaliichen Typus und hat Wehnlichkeit mit der finnifchen, weil die Mas 
garen jenem großen Völferftamme angehören, welcher vom kaspiſchen Meere bis 
aa Finnland hinauf reichte. Charakietiſch iſt in der ungarifchen Sprade folgen 
des: 1) fie hat fieben Selbfliauter, a, e, i, 0, u, ö, ü. Diefe Vokale werden 
auch accentuirt; d, 6, i, 6, ü, 6, ü; dann find fie lang u. & und 6 werden dann 
mderd ausgeſprochen, ald a und e. 2) Die Vokale a, o, u find nie in einem 
Vorte mıt e, ö, ü, beifammen; i kommt fowohl mit a, o, u, als mit e, ö, ü, 
vor. Jene Worte, in denen a, o, u mit e, ö, ü vermiſcht vorkommen, find 
fremden Urſprungs. 3) Die ungarifye Sprache kennt Feine Doppellaute. 4) 
Cigenthümlich ift die Verſchmelzung des y mit g, I, n, t, ald: gy, Iy, ny, ty; 
das y wird bier nicht als y audgefprocdyen, fondern mit dem vorausgehenden 
Ritlauter innigft verfchmolzen. 5) Es gibt nur einen unbeftunmten Artikel az, 
wer apoflrophirt a'. 6) Die Haupiwörter werden durch Anhängiyiben abge⸗ 
indert. Die Abwandelung der Zeitwörter gefchieht ebenfalls durch Anhaͤngſylben. 
1) Es gibt zweierlei thätige (altive) Zeitwörter, z. B. rägok, ich kaue, rägom, 
ich kaue ed. 8) Das Wurzelmort des Zeitwortes ift die dritte Perſon eintacdyer 
Zahl der gegenwärtigen Zeit, 3. B. räg er faut. 9) Es gitt feine Vorſetzſylben 
(Bropofttionen), ſondern blos Rachſetzſylben. 10) Die NRacyienigiben weruen at 






878 Ungariſche Sprache u. Literature, 
zu fieben bis acht gefteigert, deren febe dem Grundworte eine andere Beb 


gibt; 3. B. el, fort; ellen, entgegen; elleusdg, der Feind; ellensöges, feinpfelig; 


ellensöges ked6s, Feindſeligkeit; eilens&ges kedösed, deine Feindſeligkeit; ellensögen 
kedeseduck, deiner Feindſeligkeit. 11) Die Nachſetzſylben richten ſich nach den 
®rundiyiben 6 Wortes. Die Worte mit a, o, u, baben ebenfall® nur männ- 
liche Nachſetſylben; e, ö, ü, num weibliche Rachſetziylben. 12) Es gibt in Ver 
anzen Sprache nur wenige Ausnahmen von den Grundregeln. Die ungarifdhe 
fodie iſt fireng geregelt, gebt nady dem Wohllaut. Die Grundregeln find: 1) 
ale accentuirten Vokale find lang. 2) Die nicht accentutrten Bokale find kurz. 3) 
Der nicht accentutrte Bofal wird lang, wenn zwei Gonfonanten darauf folgen. 
4) Wenn von den zwei Gonfonanten, die dem nicht accentuirten Bolal folgen, ver 


eine ſtumm, der andere flüfflg if (muta et liquida), kann der vorangehende Bokal 


auch als kurze Eyibe behandelt werden. Die ältefte, leider verloren gegangene, 
Sprachlehre hat Janus PBannonius im 15. Jahrhundert gefchrieben. In neuerer 


it And viele Eprachlehren erſchienen. Die gründlichfte, von Niklas Rävay (2 
de., Peſth, 8.) ift leider unvollendet. Kür Deutfche, die ſich ſchnell u recht ° 
finden wollen, iſt die kurze magyariſche Sprachlehre in ragen u. Antworten von 
Johann Graf Mailaıh, Peſth, Hartleben, 3 Auflage; Fe gibt nur Die Haupt 


riſſe. Für jene, die ſich ausführlicher unterrichten wollen, iſt Blochs Eprachlehre 
beſonders zu empfehlen. Die ungarifche Akademie hat über die Orthographie 
ein fehr verpienftliches Feines Wertchen herausgegeben. Gute Wörter find 
jene von Maron und Bloch. — Ungarifche Literatur. Die erfie Vildung 
der Ungarn ging aus den Kiöflern und bifyöflichen Schulen hervor, vie ſchon 
im 14. Jahrhunderte entſtanden. Im Anfange des 13. Jahrhunderts befand 
ſchon ein Studiem generale zu Beßprim: es wurden da die freien Künfte, Theologie 
und Rechtswiflenichaft gelehrt. Ludwig 1. ftifiete 1367 die hohe Schule zu Fünf- 
firhen. Sigmund gründete 1388 ein Studium generale zu Ofen; es wurde von 
Matthias Corvinus erneuert und von ibm eine Akademie zu Preßburg geftiftet. 
Die Eorvinifche Bibliothek war weltberühmt. Die erfle Druderel errichtete 
Andreas Heß in Dfen 1473. Im 16. Jahrhunderte errichteten die Proteftanten, 
im 17. Jahrhundert die Jeſuiten viele Schulen. Tyrnau war Univerfirde der 
Jefuiten. Nach Aufhebung verfelben wurde die Univerfität nach Dfen 1780 und 
bald, 1784, nad) Peſth verfegt. Königliche hohe Schuten finn: die Peſther Uni⸗ 
verfirät, die Akademien (ed wird Phileſophte und die Rechtswiſſenſchaften gelehrt) 
zu Preßburg, Raab, Kaſchau, Großwardein und Agram. Der Bıfchof von 
Erlau, Graf Eſzterhäzi, bat zu Erlau; der Biſchof von Fünffirchen, Baron Szepeſſy, 
hat zu Fünfkirchen, der Bıfchof von Kfandd, Lonovics, zu Temesvar Akademien ges 
fifiet. Die Hauptfchulen der Proteftanıen find zu Debreczin, Saͤros Patak, Preß⸗ 
burg und Tone. Seit 1825 beftcht eine ungariſche Selehiten- Gcfellfchaft, deren 
Begründung dem Grafen Etephan Szechenyt zu danken ifl. Sn der arpadiſchen 
Zeit gab ed wenige Echrififteller, meint find es Ghriften. Unter Matihtas Cor: 
vinus begann die Literatur ſich zu heben und von da an gibt es viele nambafıe 
Schrififteller, fowohl im Felde der Gefchichte, als Medizin, Raturmiffenfcyaften, 
Philoſophie, Mathematif und Poeſie, aber beinahe alle fchrieben lateintſch. Die 
ätteften Ueberbleibſel der in ungarlicher Sprache gefchriebenen Werke fallen in das 
13. Jahrhundert; die ungarifche Akademie hat duich Döbrentey die Älteften Denk⸗ 
mäter der magyarifchen Literatur fammeln und herausgeben lafien. Bom Res 
gierungsantriste des Hauſes Oeſterreich angefangen, 1526, find ſchon häufiger 
ungartiche Bücher zu finden, mei Geſchichte, Theologie, Medizin und Poeflez 
bie Alteften volfändig auf und gefommen. Ueberfegungen ver heiligen Schrift 
(aus der Zeit vor den Proteftanten gibt ed nur Fragmente) find von Proteitans 
ten.: In der Ueberſetzung v. Eyivefter 1541 find die Weberfchriften der Bücher 
in Gerametern. Aus der Periode des 16. und 17. Jahrhunderte muß der Cars 
dinal und Erzbiſchof von Gran, Peter Pasman, als ungarifcher Kanzelredner, 
GSraf Nitles Irmyi der Jüngere ald Dichter erwähnt werden. Er befang die 


— ü 








ji ni In 

















HH HE 
" Ei Ha 
I — — 
| : Ban zogzE5 all 
238% SSER ETF: 
ni —— 
Bil! Ein 
— —— 
LE ; 






[4 


880 Ungern - Sternberg — Iinglaube, 


1740 Iebte, mit immer größerem Fleiße auf dieſelbe, beſonders, nachdem er daſelbſt 
fihh als Buchdrucker und Buchhändler etablirt hatte und fucdhte nicht allein den 
Geſchmack ver Typen und typographiſchen Verzierungen g verbefiern, fonvern 
löste auch ſelbſt ſehr fchwierige Aufgaben, indem er 3. ©. fünf Landſchaften in 
Hol ſchnitt, welche einen hohen Kunftwerth haben. Er flarb zu Berlin 1788, obne 
eine große Anerkennung gefunden zu haben, welche aber feinem Sohne und Nach⸗ 
folger 2) Johann Friedrich Gottlieb U., in deſto größerem Maße zu Theil 
wurde. Diefer, geboren zu Berlin 1750, widmete ſich ebenfalls der Buchdrucker⸗ 
und Kormfchneidelunft und vereinigte mit großer Geſchicklichkeit einen fehr guten 
chmack und ungemeine Thätigkeit. So fuchte er den Lettern eine immer 
fchönere Form zu geben und befonderd bie edige deutiche Schrift durch gröbere 
Rundung der lateinifchen näher zu bringen und ihr eine, dem Auge gefälligere, 
Form zu geben, wodurch die, lange fehr betiebte, Un ge! de Schrift enıftanv. 
Auch ſchniit er eine Menge Zeichnungen, meift nad Meil, mit großer Kunft in 
olz, warb deßhalb zum Mitglied der Akademie der Künfte und 1800 ſelbſt zum 
rofeſſor der Holzfehneiveunf an vderfelben ernannt und lieferte eine Anzahl 
gründlscher Abhandlungen über Form⸗ und Holzfchneidefunft in mehre Journale; 
doch flarb er fchon 1804. 3) Seine Battin, U. Friederike Helene, eine ge 
fhägte deutſche Schrififtellerin, 1751 zu Berlin geboren, Tochter des ypreußlichen 
Generals von Rothenburg, feste nach dem Tode ihres Batten deſſen Geſchä 
ut In ihren Dufenftunden befchärtigte fie ich mit literarifchen Arbeiten, d 
‚ ohne ihren Ramen zu nennen, berausgab und flarb 1813. Ihre Romane 
eichnen fidy durch vortreffliche Zeichnung der Sitten und gelungene Gharafter- 
Khilperung aus und behaupten jegt noch einen vorzüglichen Rang unter den ans 
enehmen unterbaltenden und zugleidy belehrenden @eiftespropuften weiblicher 
chrifiſteller. Ganz befonderd wurde der Roman „Julchen Grünthal, eine Ben- 
fionegefchichte” (Berlin 1784, neue Aufl. 1798, 2 Shle.), ein, ganz nach dem Les 
ben gezeichnete® Gemalde, mit allgemeinem Beifalle aufgenommen und in mehre 
fremde Sprachen überfegt. Außer diefem find noch mit Auszeichnung zu nennen: 
„Sräfin Pauline" (Berlin 1800, 2 Thle.), „Melanie das Findeltind” (ebv. 1804), 
„Belenntnifle einer ſchönen Seele” (ebd. 1806) und „der junge Franzoſe u. das 
deutfche Mädchen” (Hamb. 1810). Ihre zahlreichen Ueberlegungen aus dem 
Engliihen und Franzöflfchen find treu und gefchmadvol. 

Ungern-Gternberg, ſ. Sternberg. 

Unglaube, der Hang oder die Gewohnheit, Nichte, als was man felbfl 
finnlich wahrgenommen bat, oder wahınehmen kann, als wahr anzunehmen. Man 
kann in diefer Beziehung einen dreifachen U. unterfcheiden: einen hiſtoriſchen, 
einen philoſophiſchen und einen religiöfen. Der erfle verwirft Wahr⸗ 
beiten, die nicht durch plaubtwürbige biftorifche Zeugnifie und Thatfachen begründet 
find; der andere beftreitet die urfprüngliche Gültigkeit von Bernunftfägen, 3. B. 
die Lehre vom Dafeyn Gottes; der dritte endlich läugnet entweder die Glaub⸗ 
würdigfeit der göttlichen Offenbarung überhaupt, oder einer gewiflen Form ders 
felben, oder einzelner Religionslehren. Yür den Unglauben haben nur die finn- 
lichen Wahrnehmungen Realität. Was ihm nicht Außerlich erfcheint, es ſei ale 
Anſchauung, oder als Empfindung; wa® dem Innern Einne allein fi) offenbart, 
iR ihm eine leere Täuſchung; er nimmt nur das an, was verflanden werden 
fann und wähnt nur dasjenige volllommen zu verfiehen und au erfennen, was 
wir mit unferen Sinnen faflın: ein deppelter Irrthum, da der Minſch Vieles an⸗ 
nehmen muß, was über feinen Berfland gebt und ebenfo wenig die finnlicyen 
Anfhauungen und Empfindungen, ald dad, was Ihnen zur Grundlage dient, zu 
verfiehen vermag. Der U. geht aber noch weiter. Die Natur der Vernunft vers 
fennend, fchügt er oft diefeibe vor, um fein Abläugnen gewiſſer Eriftenzen zu 
rechifertigen. Gr fieht Die Vernunft nur in Vernunfiſchlüſſen und verfehlt dadurch 
ihr wahres eigentliche Wefen; er fordert von ıhr, zu beweifen, was, al& eine 
Unwahrheit, fidy allen Beweifen entzieht und behauptet, Alles, was ſolche Beweiſe 





un, 


Uniform — Union. s81 


nicht zuläßt, verwerfen zu vürfen und fogar zu müflen. Nothwendig führt ber 
confequente U. zum Atheismus (f. d.). Der U. fchübt aber ar: nicht vor 

auben, denn die Seele des Menfchen kann die Leere der Negativirät nicht 
lange ertragen und, fült der Menſch diefe Leere nicht mit poſitiven Wahrheiten 
and, fo muß er ed mit Irrehümern thun. Man hat daher Freigeifter geichen, 
die von einer Menge abergläubifcher Vorſtellungen, wie mit Feſſeln, gebunden 
waren. So glaubten Alerander, Caͤſar, Napoleon an Borbedeutungen, Götter 
—* u dal. und verfubhren dabei fo, als ob Kein göttliche Strafgericht zu 

ten 

Uniform nennt man bie, einer gewifien Corporation, oder einem Stande 
mkommende, gleichförmige Kleidung, vorzüglich im Staats⸗ und Militärbienfte, 
um dadurch fich Außerlicy von Anderen zu unterfchelden. — Schon bie Römer 
faunten die U.en in den verſchiedenen Auszeichnungen an den Kleidern, befondere 
der Toga und Tunika, während beim Militär diefelbe nur durch Gleichförmigkeit der 
Bewafnung befimmt wurde. Auch im Mittelalter hatten Beamte befondere 
äußere Auszeichnungen, während bei den Soldaten ebenfalld nur die Bewaffnung 
mit Harnifdy und Haube einen Unterſchied von der newöhnlichen Kieldung her⸗ 
beiführte. Erf im 17. Jahrhunderte fing man an, die Hof» und SJagbtrachten 
gleichmäßig einzurichten und die ſchwediſchen Soldaten im dreißigjährigen Kriege 
imterichieden fidy nad) der Farbe des Rockes. ubwig XIV, fing endlidy zu Ende 
des 17. Jahrhunderts an, das Militär gleichförmig zu kleiden und bald ahmte man 
tn anderen Staaten nady; doch blieb die Kleivung immer noch fehwerfällig und 
erſt die neuere und neuefte Zeit hat darin die zwedmäßigfte Wenderung hervorges 
rufen. Nach dem Muſter der Mititär-U.en, weldye man übrigens bei den Ge⸗ 
meinen und Unteroffizieren gewöhnlid Montur nennt, wurden auch allmälig 
Die Civil⸗U.en eingerichtet, weßhalb fie meift einen milttärtichen Schnitt haben. — 
Berfchieden davon find die Amtstrachten, wie 3. B. die der Beiftlichkeit, der 
Lehrer an Univerfitäten und gelehrten Schulen, der Richter und Advokaten in 
mehren Staaten, welche aber nur bei feierlichen @elegenheiten und befonderen 
Beranlaflungen getranen werben. 

Uniformitäts - AUcte, bieß eine Derorbnung des englifchen Parlaments 
von 1662, zu Bolge welcher alle Geiſtlichen bis zum 24. Auguſt deflelben 
Jabre® ihre Uebereinfiimmung mit der Lirurgie der bifchöflichen Hochkirche 
erfiären und nur unter der Bedingung dad Abendmahl verwalten follten, wenn 
fie von englifchen Bifchöfen geweiht wären. Zwettaufend nonconformiftifche 
Prediger legten daher an dieſem Tage ihre Wemter nieder. Erſt das Tole⸗ 
—** des Parlaments von 1689 unter Wilhelm IIL bob die, den Diſſenter's 
fo ungünftige, U. auf. 

Unigenltus, eine berühmte päpftlicdhe Bulle (mit den Worten: Unigenitus 
Dei filius anhebend), weldye auf Anregung einiger franzöflfcher Geiſtlichen von 
Pay Ciemens XI. 1713 gegen die Janfeniften (f. dv.) erlaflen und worin 
die Schriften des Duesnel als Feberifcy verdammt wurden Diefe Bulle, weldye 
für die Folge große Streitigkeiten erregte, erreichte den gehofften Zwed 
nicht, indem zulegt audy die Barlamente in Frankreich auf die Seite der Jans 
fenifien traten. 

Union, 1) Im politifchen Sinne: eine Verbindung mehrer Staaten zu einem 
Haupftaate, einem Bundeöftaate, fo daß die gemeinfchaftliche Staatsgewalt fich 
über Alles erftredt, was nicht befonderd ausgenommen und der beliebigen Anord⸗ 
nung der einzelnen Staaten überlafien if. Sr fteht entgegen die Confödera⸗ 
tion, eine Etaatenverbindung, in welcher die cigentliche Souveränität bei den 
einzelnen Staaten ift (in der U. iſt die Geſammtheit der Souverän, wie ehemals 
im deutfchen Reiche) und der Centralregierung nur gewiſſe Angelegenheiten übers 
tragen find. Nordamerika ift eine U., der deutfche Bund war bis daher eine 
Gonföderation. — 2) U. kirch liche, nennt man die verfchledenen — die 
von einander getrennten chriſtlichen Confeſſtonen wieder mit einander yu BrLeinlarn, 






388 . Ruin, 


Dergleichen fanden ſchon früße flatt: A) zwiſchen ber rͤmiſch⸗katholiſchen 
und der, von ihr getrennten, griechiſchen Kirche (f. d. Art. griechiſche 
Kirche). B) Zwiſchen der römifchsfatboltifchen Kirche und den verfchles 
denen proteftantiichen Sehen. Die Hoffnung des römifdyen Stuhles auf bie 
Wiedergewinnung der, durch bie Olaubenefpaltung von ihm getrennten, Ränder 
und der Wunfch mehrer Häupter der fogenannten Reformation felbft nach gütli- 
her Beilegung des Streites hatte fchon früher U.s⸗Verſuche veranlaßt, die aber 
natürlich alle fo lange zu keinem günftigen Refultate führen Eonnten u. auch nie 
führen werden, als der diamerrale Gegenſatz, in welchem beide Theile, ſowohl nad) 
ehe als Eultuß zu einander ftehen, nicht gehoben ſeyn wird, was Weber 
durch Religlondgeipräche, noch Unterhandlungen anderer Art, fondern lediglich 
durch unberingte Rüdfchr der Getrennten zur Mutterkirche und Unterwerfung 
unter die Auctorität des apoftolifchen Stuhles möglich if. Was bis daher — 
aber, wie eben bemerkt, fruchtlos — verfucht worden, mag aus Nachftehendem 
erbellen. Echon gegen Ende des Jahres 1540 begann ein Reliqionsgeſpräch 
zwiſchen Katholiken und Proteflanten zu Hagenau, das von hier bald nach Worms 
verlegt, dort aber im Januar 1541 abgebrochen, jedoch noch in demfelben Jahre 
auf dem Reichstage zu Regeneburg wieder aufgenommen wurde. Kalfer Karl V. 
hatte wohl die ernftliche Abflcht, beide Theile mit einander zu vereinigen; allein, 
da der römifhe Stuhl weientliche Theile feiner oberften Hirtengewalt abgeben 
follte, fo wurde diefer Schritt ded Kalfere von Rom aus gemißbilliigt und ber 
päpftliche Legat Contarini war beauftragt, eine ſolche illuſoriſche Ausgleichung, 
die auch nicht die mindefte Garantie des Beftandes in ſich trug, zu hindern. 
Aus gleihem Grunde blieben aud, die U.s⸗Vorſchläge, welche Erasmus von 
Rotterdam 1553 machte, ohne Erfolg, fowie die, 1564 auf Veranlaffung Kalfers 
Ferdinand I. von Caſſander und Wicelius zu diefem Zwecke verfaßten Gutachten, 
weiche Horderungen enthielten, die der römiiche Stuhl unmöglich bewilligen konnte, 
wie namentlidy: Geftattung der Priefterehe, Abichaffung der Bilder: und Reliquiens 
verehrung, Freiheit In kwernilichen Theilen des Cultus und damit natürlich mit« 
telbare Aufgebung ver lirchlichen Einheit ſelbſt. Gleiches Schidfal hatte die, 
1644 von Rom, jedoch ohne päpftliche Auctorität, ausgegangene fogenannte 
Eonfultation, welche eine Bereinigung der proteftantifchen Fürften und Staͤdte, 
ohne Mitwirkung der proteftantiichen Theologen, beabfichtete. Die U.6-Borfchläge, 
weiche 1660 Kurfürft Johann Philipp (Schönborn) von Mainz durch feinen 
Kanzler von Beyneburg mehren proteftantifhen Fürften machen ließ, worin er 
eine Eynode von 24 Deputirten beider Confeſſtonen beantragte, welche die Glau⸗ 
bensbekenntniſſe beider Theile prüfen und übır das Religionsmefen in Deutichland 
entfcheiden follte, fanden auf Seiten der Proteftanten deswegen feinen Anklang, 
weil diefe dieſelbe auf eine allzugelinde Anbequemung der katholiſchen Unterfcheids 
ungelehren baflrt erklärten. Nun nahm der Biſchof Ehriftoph Rojas de Spi⸗ 
nola den Faden von Neuem wieder auf und bereiste von 1675 an durch 20 
Jahre hindurch im Auftrage Kaiſers Leopold I. Deutfchland, Ungarn u. Sieben⸗ 
bürgen, verbieß den Proteftanten die Aufrechthaltung aller ihrer Rechte und vers 
langte blos Anerkennung des Primats des Papſtes, nicht einmal hinfichtlich der 
oberften Gerichtsbarkeit, fondern blos nach der hergebrachten hierardyifchen Ord⸗ 
nung. Das Nähere follte audy bier auf einem allgemeinen Concil feftgefcht 
werden und die Proteflanten, durch eine päpftlidhe Bulle von dem Namen Keber 
entbunden, als Mitrichter auf dem Concil erfcheinen. Allein bald zeigte es ſich, 
dag Epinola hiezu Feine Vollmacht vom Bapfte erhalten hatte. Auch war f 

Auftreten etwas zweideutig, fo daß auch die Proteftanten Fein Vertrauen zu ihm 
fhöpften. Gleichzeitig machte Boffuet (f. d.) mit dem proteftantifchen Abte 
von Loccum, Molanus, einen U.8-Berfuch. Beide Männer fchienen diesmal den 
richtigen Etandpımft getroffen zu haben. Boſſuet erklärte, daß man zwar den 
Proteftanten Tarholifcher Seits Zugeftänpnifie zu machen bereit fet, daß aber bie 
Zatholtfcpe Kisye unter Feiner Bedingung von ihrem einmal angenommenen Blaus 


& 
Union, 2 383 


ben&befenntniffe abweichen Tönne; worauf Molanus, bievon ſich überzeugend, 
bereitß in vielen Theilen nadygab. Allein die Beichuldigung des Kryptofacholis 
cömud war die einzige Frucht, die Molanus aus dieſer Unterbandlung zog. Und 
dazu fam noch, daß das kurbraunfchweigifche Fürftenbaus, welches eben damals 
Ausficht auf den Thron von England hatte, von der Beförderung der Wiederver- 
eisigung Nachtheil für ſich fürchtete, weßhalb Molanus von feinem Hofe Winke 
erhielt, Die deren Zuftanvebringung Nichts weniger, als günftig waren. Auch 
Leibnitz (f. d.) wechlelte zu Ende des 17. SYahrkunderts mit Peliſſon und Bofs 
fuet eine Reihe, die Wiedervereinigung bezwedende Briefe, überzeuate fidh aber 
bald feibft von der Unmöglichkeit de& Unternehmens. Bon da an find nur noch 
wenige U.s⸗Verſuche zwiſchen Karholiten und Broteftanten gemacht worden. Die 
Schriften, weldye in den Jahren 1717—1719 zwiſchen dem Theologen der Sor⸗ 
bonne, du Pin und dem Erzbiſchof Wale von Canterbury über eine U. der franz⸗ 
öftichen und anglikaniſchen Kirche gemwechfelt wurden, erichlenen damals nicht 
Öffentlich ; die Vorfchläge, welche Hontheim (f. d.) zur Wiebervereinigung tbat, 
fanden weder auf der einen, noch auf der andern Seite Anklang: auf den Antrag 
des Erzbiſchofs von Turin, della Lanza, ertheilte der Abt Jeruſalem 1772 ein 
ablehnendes Butachten und die Wufforderung des Eribifchofs Leco z von Befancon 
an die protefantifchen Prediger zu Paris, zur Rückkehr in die Eatbolifche Kirche, 
wurde ebenfall® abgelehnt. Der legte, von dem franzöftichen Juriſten Beaufort 
ausgegangene und felbft dem Kaiſer Napoleon vorgelegte (1806), U.8-Plan endlich 
mißfiel beiden Kirchen. — C) U.s⸗Verſuche der verſchiedenen proteftans 
tiſchen Religionsparteien unter fidy ſelbſt. Man weiß, daß der Bruch 
zwifchen Lutheranern und Reformirten durch Luthers Feſthalten einiger Dogmen, 
(namentlich der Abendmahlslehre) gegen Zmingli zu Marburg 1529 herbeigeführt 
wurbe und, troß der Wittenberger Eoncordienformel von 1536, loderte zwiſchen 
beiden Parteien der ®laubendhaß mit aller Macht empor. Ridyts fruchteten bie 
Geſpraͤche zu Leipzig 1631, au Thorn 1645 und zu Kaflel 1661. John Dury, 
ein Breviger der ſchottiſchen Gemeinde zu Eibing, arbeitete feit 1631 40 Jahre 
hindurch auf Reiſen, an Höfen und bei Theologen, ſowie durdy Schriften an 
einer U. der englifchen, holländiſchen, fchweizerifchen und deutſchen Reformirten 
mit den Autberanern. Aber feine Bemühungen, wie die gleichzeitigen des Calixtus, 
(ſ. d. Art. Synfretismus) blieben erfolalod. Mehr hoffte man von dem U.8s 
Giefprädye, welches der reformirte König Friedrich J. von Brandenburg im Jahre 
1703 m Berlin unter einheimifchen Lutheranern und reformirten Theologen vers 
anfaltete. Aber die Unterhandlung löste ſich in einen heftigen Schriftenmechfel 
ımter den Dribodoren und Pietiften auf, irdem biefe von jenen des Eynkretis⸗ 
mus befchuldigt wurden. Wenig fpäter (1719 — 1722) veranlaßte eine Berathung 
der proteſt mtiihen Stände zu Regensburg wegen der fortvauernden Befchwerben 
über die Berrüdungen der Lurherifchen und R:formirten einen U.s⸗Entwurf, der 
beide protcftantifben Theile bei ihren Entſcheidungslehren ließ. Allein mehre 
Iutberliche Stände widerſprachen beftimmt; unter den Schriftftellern am heftigften 
der Brediger Neumeifter in Hamburg, mit Mäßigung Moohelm und Andere. 
Friedrich Wilhelm I. aber ließ die, mit dem reformirten Gottesdienſte unver 
einbaren lutherifchen Ceremonien, als: das Colleftenfingen, die Ehorhemben, 
Meßgewaͤnder und Lichter beim Abendmahle in feinen Etaaten abſchaffen. Doc 
unter Friedrich II. Eehrten die meiften Gemeinden zu den alten Formen zurüd. 
Entſchiedene Schritte für die Wieververeinigung der proteftantiichen Religionsge⸗ 
jellichaften gefcbaben in der neuern und neueften Zeit. Hauptſächlich war es in 
Preußen, wo 1817 die Jubelfrier der fogenannten Reformation als Beranlaffung 
ar Zuflandebrinaung einer Kirchen» und Saktamentagemeinſchaft zwifchen ben 
Lutberanern und Reformirten benübt wurde. Am 31. DOftober wurde in den 
unirten Kirchen Preußens, in Potsdam vom Könige ſelbſt und in Berlin von 
den hödhften Behörden, das Abendmahl nach dem Ritus der U. gefeiert, dem eine ger 
meinfchaftliche Lehre zu Grunde lag, die weder die lutheriſche, voch oe Teiaruirıe, 


984 Unirte Griechen — Univerſal ⸗Sprache. 


war. Als aber 1821 die neue Agende erſchien, entſtand ein heftiger Streit, der | 
nach feiner Seite hin Segen bringen konnte, weil die Staatsgewalt dabei 3 
verkehrt auftrat (meitläufig hierüber handelt unſer Arukel Agende). Viele Ult⸗ 
lutheraner wanderten damals ſogar aus; die bleibenden blieben von der U. ges 
trennt u. fo entftand, anftatt der Wiedervereinigung, nur nody größere Spaltung 
Im Heerlager des Proteſtantismus, bis 1845 Friedrich Wilhelm IV, den, die 
U. verwerfenden, Lutheranern Blaubensfreiheit und Privatgottesvienft bewilligte. 
Außer Preugen if die U. zwifchen den proteftantifchen Parteien zu Stande ges 
fommen: im Herzogthum Raflau 1817; in Rheinbayern 1818; in Baden 1821; 
in Kurheflen zuerft im Yürftenchume Hanau 1820 und in den übrigen Landes» 
theilen 18235 in Anhalt-Deffau und AnhaltsBernburg 1828; im Großherzogthum 

efien (theilweiſe) 1833. In Württemberg beftehen ſchon ſeit vielen Jahren 
eine eigenen reformirten @eiftlichen mehr; die wenigen Reformirten find, was 
Kirchendeſuch und Seelforge betrifft, den Iutherifchen Gemeinden einverleibt, ger 
nicgen indeflen das heilige Abenpmahl nach eigenem Ritus in Iutherifchen Kir« 
chen und aus der Hand lutherifcher Geiftlidher. Am weiteſten iſt die Sadye in 
Frankfurt a. M. gediehen, wo feit 1817 lutheriſche und reformirte —* 
wechſelsweiſe in ihren Kirchen predigten und eben fo gegenſeitig das Abendmahl 
genoflen, welches nach dem Ritus jeder Confeſſton von den @eiftlichen beider aus⸗ 
getheilt wurde. — Seit 1841 iR audy in Ungarn eine U. beider proteftantifchen 
Gonfeffionen im Werke. Die Magyaren wünfchen diefelbe aus ypolitifchen Gruͤn⸗ 
den, die Slowaken aber find aus gleichen Gründen gegen eine foldye, da in ber 
Sprachſache die Magyaren auf dem Reichſtage von 1845 ihrer Rationalität fo 
nahe geireten find. Zudem find viele Geiftlihe und Gemeinden, tropdem, daß 
beim eneraltonvent bie Mehrzahl der Magnaten und Edelleute und ſelbſt ber 
reformirte Oeneralfuperintendent ſich günftig ausgefprochen haben, gegen bie U. 
und es ift fehr zu beforgen, daß, wenn audy der Generalkonvent bielelbe zu Stande 
bringt, doch viele Gemeinden zurüdbleiben werden. — Bon einer Bereinigung der 
deutichsproteftantifchen und anglikaniſchen Kirdye, als deren Borläuferin man bie 
gemeinfchaftlide Gründung eines proteftantifchen Bisthumso Serufalem (1842) 
betrachten Fonnte, ift es ſeitdem wieder ftill geworden. Auch iſt die Eache wohl 
ſchon darum nicht möglich, weil, während der deutiche Proteftantismuß feinen 
biftorifchen Boden immer mehr verläßt und fich in Iuftigen Speculationen ergeht, 
die engitiche Kirche fe an ihren Dogmen hält und durch die Brüde des Bu 
ſeyismus (cf. d.) wohl eher fidy mit der Zeit wieder der Farholifchen Mutter 
firche anfhlihen ,‚ als mit ihrer deutſchen proteftantifchen Schwefter vereini⸗ 
gen dürfte. 

Unirte Griechen, ſ. Griechiſche Kirche. 

Unisono (im Einflange),, ein mufifalifcher Ausprud, wenn nämlich mehre 
oder alle Stimmen denfelben Gang auf dem nämlicyen Linienfyftem machen fols 
len, wobei e8 auf den Einklang der Töne rückfichtlich der Höhe und Tiefe, nicht 
aber auf die Verſchiedenheit der Inſtrumente anfommt. Uneigentlich aber wird 
diefer Ausdruck auch dann gebraucht, wenn die Melodie in einem mehrftimmigen 
Sape zu gleicher Zeit von allen Stimmen, obgleich in verfchiedenen Oktaven, 
auszuführen if. 

Unitarier, |. Intitrinitarier. 

Unität, f. Brüdergemeinde. 

Univerfalen heißt eine Eefte in England und Nordamerika, it in 
dem Staate News Bork, wo fte bei 600 Gemeinden zählt, weldye, ohne fi zu 
irgend einer geoffenbarten Religion zu befennen, nur eine natürlidye annimmt, 
Belohnung und Strafe im zukünftigen Leben läugnet, als höchfte Pflicht ſtrenge 
Befolaung der Staatögefege aufftcllt, dabei aber von ihren Mitgliedern die 
a le verlangt und unmoralifhe Mitglieder aus der Gemeinde 
aus t. 

Univerſal⸗Eprache, |. Sprache, 





Univerfitäten, 985 
erfitäten, Hochichuln, Akademien, von dem lateinifchen Worte 
; den Kamen führend, das nach römifchem Sinne eine Genoſſen⸗ 
orporatio), die fi) bei Veranlaſſung des Lehrens und Lernens unter 
ıd Schülern gebildet Batte, bedeutete, während der Ausdruck Studium *), 
yefonderd in Italien für universitas gebrauchte, ſich mehr darauf bes 
jeder Cinheimiſche und Fremde Zutritt hatte und das jus promovendi 
Sichließended Recht einer ſolchen Hochſchule galt. Die Entftehung ver 
ı U. füllt in das 12. Jahrhundert. Karl der Große, welcher eifrig 
ır, in den, feiner Herrfchaft unterworfenen, Ländern wiſſenſchaftliche 
zu verbreiten, gründete Kofler» und Stiftöfchulen. Diefe Schulen 
ve Jahrhunderte hindurch die einzigen Anftalten, wo die Wiflenichaften 
den. Nach und nach traten an einigen Orten Lehrer auf, welche in 
. 5. bisher noch nicht vorgetragenen Wiffenfchaften Unterricht ertbeilten ; 
welte fi) um dieſe Lehrer eine Menge wißbegieriger Schüler; der Bors 
e ſolchen Schule hieß Rektor. Der Glanz diefer Schulen ging theils 
zufälligen, perfönlichen und vorübergehenden Gründen hervor, einige 
ı großem Geifte konnten eine Schule heben und unter den ungefchidten 
er nächften Nachfolger konnte fie wieder finfen. Drei hohe ulen 
ft au gleicher Zeit in großem Anfehen: Paris für Theologie und 
e, Bologna für römifches Recht u. Salerno für Medizin. Paris 
na find entfchieven Die Alteften Schulen, weldye zu allgemeinem Rufe 
furopa gelangten und den zahlreichen, fpäteren Schulen als Mufter 
In der Berfaflung jener beiden findet ſich aber von der Alteflen Zeit 
nerfwürbiger Gegenfat. In Paris beftand die Corporation au 
m Lehrern, diefe waren im Beſitze aller Gewalt und von den Schülern, 
unterthänigen Mitgliedern des Kleinen Staates, war gar feine Rebe; in 
aber bildeten die Schüler die Korporation, wählten aus ihrer Mitte die 
verfelben und die Lehrer waren dieſen unterworfen. Jene beiden Grund⸗ 
urden auf den U., welche nachher in großer Anzahl entflanden, nach⸗ 
n der Art, daß Paris für England und Deutichland, Bologna für 
Spanien und Frankreich Vorbild wurde. Wir wollen, um eine Ueber 
ad Ganze zu gewinnen, der Ginrichtung iener beiden Muſter⸗U. unfere ,. 
Aufmerkſamkeit widmen. In Paris, von deflen Berfaflung, bereits 2 
ı ded Papſtes Alerander IM. Nachricht geben, gehörten zur Generals 
lung der U. urfprünglich Alle, welche den Grad eines Doktors oder 
batten, was Lange Zeit gleichbedeutend mit einem wirklichen Lehrer der 
Als aber auch hier üblich wurde, ſich einen alademifchen Grad zu ers 
hne au lehren, fo wurde im 13. Jahrhundert zuerft durch Gewohns 
n durch Geſetze die Abänderung getroffen, daß in der Regel nur bie 
Lehrer oder Profeſſoren (magistri regentes) in der Berfammlung er- 
nd Befchlüffe faſſen follten, in außerorventlichen YAlen follten auch die 
draduirten Theil nehmen Fönnen; den Scholaren wurde nicht der ges 
nfluß geftattet. Lehrer u. Echolaren waren, je nach ihrem Baterlande, 
richten der wiflenfchaftlichen Fächer in folgende 4 Nationen eingetheilt 
öſiſche, 2) englifce oder deutfche, 3) picardiſche, 4) nor⸗ 
be. Jede diefer Nationen hatte wieder eine Anzahl Provinzen unter 
ı die Mitte des 13. Jahrhunderte wurde bie Warifer Univerfität in 
jwierigen und gefährlichen Streit mit den neu entflandenen, viele gu 
nner zählenden, Orden der Bettelmönche verwidelt, die, von den Paͤpften 
‚ Stellen in der Univerfttät verlangten, von biefer aber nicht aufges 
wurden. Diefer Streit gab die Veranlaffung, daß ſich ſammtliche 
theol. von der U, abfonderten und ein befondered Collegium bilveten; 


am generale. 
depäbie. X. 2 


358 Univerfitäten. 


ihrem Beifptele folgten die Kanoniften und Mediziner. Seit diefer Zelt beftand 
die U. aus 7 ua ungleichartigen Theilen: den 3 genannten Fakultäten und ven 
4 Nationen. Die Fakultäten wurden von Defanen, die Nationen von Bros 
furatoren dirigirt und vertriten. In der That waren die 4 Rutlonen die alte 
U. und führten deren Namen, wie fie auch im ausfchließlichen Beſitze des Rik⸗ 
toratc® und der Gerichtöbarfeit blieben. Die Bachalarien (Baccalaurei) und 
Scholaren der Theologen, Kanoniften u. Mediziner waren auch in den Nationen 
zurüdgeblicben, indem die Fakultäten nur aus den Doktoren diefer Fächer beflan- 
den. Epätır fing man an, die 4 Rutionen zufammen als eine einzige, vierte 
Fakultät, die der Artiften, zu behandeln, welche nun auch ausſchließlich tm 
Befitze des Nektorates war. — J de Fakultät hatte ihre eigenen Hörſäle und 
Kirchen; fo bielten fi 3. B. die Kanoniften zur Kirche Et. Jean de Latran, 
worin fie nicht nur. gemeinfchaftlich dem Gottesdienſte beimohnten, fondern auch 
ihre Berfammlungen hielten und die Promotionen verrichteten. Für den Unter⸗ 
halt armer Schüler gab es Eollegien, worin jene unter Aufficht aufammen 
lebten*); almälig aber wurden dieie Stiftungen für Arme zugleich Penflons⸗ 
anftalten für Wohlhabende, fo, daß zulegt b inahe die ganze U in den Collegien 
enthalten war und daß die, außer jenen Collegien wohnenden, Scholaren als 
Ausnahme von der Regel den befonderen Ramen Martinets führten. Das ältefle 
und berühmtefte dieſer EcHegten, vie 1250 geſtifiete Eorbonre, hat man nidht 
felten mit der Partfer theologiſchen Fakultät verwechfelt, von der es jedoch we 
ſentlich verfchieden war. — Das Huupt der U. war rer Rektor, er wurde 
aus den Magiftern der Artiften von 4, hiezu beſonders ernannten Wählern, die 
30 Jahre alt feyn mußten, gewählt, welche Wahl früher alle 4 oder 6 Wochen, 
feit 1279 aber alle 3 Monate flatıfand. Auß.r dem Rektor, der ehelos feyn 
mußte, aber dem geifllichen Etanre nicht anıugehören brauchte, gab es noch 
einen Bonfervator der königlichen Privilegien, weldhe® Amt der 
Proͤrot von Paris befletvete und einen Eonfervator der apoſtoliſchen v. 1. 
päpftlihen Privilegien; lebtered Amt war mehr ein Ehrentitel. Was die 
Gerichtebarkeit benifft, fo Rand die Pariſer U. in früheren Zeiten unte 
der Perſon des Königs von Frankreich, feit Mitte des 15. Zabrbunderts aber 
unter dem Parlament. Die Criminalgerichtsbarkeit war durd ein Pri⸗ 
vilegium von 12C0 an das geiftliche Bericht, d. b. an das Dffizialat von Paris, 
gegeben bis fie fpär r an das Parlament überging. Die Civilgerichtsbarkeit bat 
d18 hiihöflihe Gericht wahrſcheinlich früher auch gehabt, 1340 aber fam fie an 
den Brerör von Paris. Damals erhielt au die U. von dem Könige das 
wichtige ‘Privilesium, daß ihre Mitglieder nicht nur als Beklagte, fondern aud 
als Kiäser in Paris das Recht nehmen konnten, ohne Ruͤckacht auf die Gerichte 
ihrer H imath. Die Gerichtsbarkeit, weiche der U. ſeibſt zufam, betraf Ange: 
fegenbetten, die mit dem Schulverhälmiß In Verbindung fanden, wie Lehramt, 
Dieciplin u. f. w. Die Strafn waren fehr ftrenge und beftmren häufig in 
Rutbenſtreichen, die auf enıblößten Rüden in Gegenwart des Rektors und der 
Profuratoren gegeben wurden. Solche Strafen famen nicmals auf den italieniſchen 
U.n vor. Die Bromotlonen wurden in der philofophiichen Fakultät mit Ge 
rehmigung des Kanzlers von St, .Genevieve, in den übrigen Fakultäten mit 
Genehmigung ded Domfanslers eriheit, Ehelofer Stand war bei allen 
Profeſſoeren Erforderniß ; 1452 wurden die Aerzte davon aufgenommen, 1600 die 
Kanoniften, bei den Artiften blieb jene Beftimmung bis in die neuefte Zeitz in 
dem proteftantifhen Tübingen wurde audy noch in fehr fpäter Zeit von den mes 
diziniſchen Profefloren der Bölibat gefordert. — Theologie war der Haupt 
lehrgegenftand auf der Pariſer Hochſchule, daher galt Diele au für eine geiſt⸗ 
liche Anftalt und fand unter befonderer Wuffiht des Papſtes. Honorius IL 

*, In Deutfchland waren es die Burfen (bursae) deren Bewohner bursarii genannt wur 

den, woraus vie Benennung „Burfchen“ entkanden if. 


Univerſitaͤten. 887 


gar 1800 für Partd und die umliegende Gegend alle Borlefungen über 
> Recht, bis 1568 das Parlament erlaubte, einftweilen roͤmiſches Recht 
5 zu lehren: 1679 wurde das alte Berbot ganı aufgehoben. Die medi⸗ 
Felultät erſchien als folche feit dem Jahre 1331 und hatte bis 1634 
schier großen Feierlichkeiten theils erlooete, theils erwählte Profeſſoren, 
2 Jahre wechſelien. Die Honorare waren freiwillig und betrugen bei 
venden höchftend 6 Ecus d'or jährlich für jeden Lehrer. — Die Hochs 
. Bologna entſtand hochſt wahrſcheinlich nad) und nach aus Kiofters und 
mien,.. weshalb fidy Fein beftimmter Zeitpunkt ihrer Gründung und Ent⸗ 
nachweiſen läßt. Das raiche Emporfommen diefer U., auf weldyer vor« 
je das römifche Recht gelehrt wnrve, verdankt man dem Bolognefer Ir⸗ 
‚ weldyer bereiis um 1140 geftorben war. Kutfer Friedrich 1. ficherte 
m Studirenden feinen Schuß zu und ließ ihnen hinſichtlich der Gerichts⸗ 
bie Wahl zwiſchen ihren Lehrern oder dem Biſchofe; fpäter hatten die 
m noch den Rektor und die Studtobrigfeit zu Richtern. Bon den Fa⸗ 
war die furiftifcdye die Altefle und vor dem Ende des 12. Jahrhunderts 
& kein Magifter ver Arzneifunde, obgleih man dieſe Wiſſenſchaft ſchon 
ehrte; der erfie Dr. med. fommt um die Mitte des 13. Jahrhunderts 
m eben viele Zeit bob fich zu Bologna auch das Studium der Theolo⸗ 
‚lofopbte, Marbemarif und Grammatik. Eo lehrte der nachherige Papſt 
re IM: Theologie; indeffen erhielt die theologiſche Fakultät eiſt in ver 
Hälfte des 14. Jahrhunderts durch Innocenz VI. ihre weitere Ausbild⸗ 
h dem Muſter der Barifer. Die fremden Studenten der Rechte zu Box 
zurden eingetheilt in Citramontani und Ultramontani; jene bildeten wieder⸗ 
dieſe 18 Ratlonen. An dr Spige einer jeden dieſer Huuptabihcilungen 
n Rektor, welcher nach einer gewiſſen Reihenfolge von den verfchledenen 
n gewählt wurde. Epäter erhielten alle Juriſten nur einen und die 
m einen zweiten Rektor, in der theologiſchen Fakultät aber ging alle 
ng von den Lehrern aus. Bel den übrigen Fakultäten machte nämlich 
ı Rektor berufene Berfammlung der Studenten die eigentlidye universitas 
fm diefer Berfammlung wurde mit weißen und fchmarzen Bohnen über 
gelegenheiten abgefiimmt und auch eine gewiffe Anzahl Wähler ernannt, 
br dem abgehenden Rektor und den Nächen over Vorftehern der einzelnen 
n, jährliy den neuen Rektor wählten. Der Rektor mußte ein Mitglied 
feyn, unverheirathet, aber nicht Kloftergeiftlicher, wenigftene 25 Jahre alt 
ı binreichendem Bermögen; ferner mußte er weniaftend fünf Jabre lange 
ne Koften die Rechtswiſſenſchaſt ftudire haben. Unter der Gerichtöbarkeit 
tors fanden felbft die Lehrer und Profefioren, fie Eonnten von ihm ges 
erden, mußten von ihm Urlaub einholen, hatten aber in der Berfammlung 
eine Stimme, fofern fie nicht fchon einmal das Amt eined Rektors bes 
atten. So fehen wir, daß in Bologna die Studenten eigentlich den ge⸗ 
enden Körper bildeten, was ſeltſam erfcheinen möchte, aber erklärbar 
ı mm bedenkt, daß die Studenten damals im Durchfchnitte weit älter u. 
Hl Männer waren, die in der Heimat fhon Amt und Würden befaßen, 
3 Liebe zur Wiffenfchaft das ferne Bologna auffuchten und große Bes 
ngen erwarteten, wie auch verdienten. — Wach dem Mufter von Bologna 
ris bildeten ſich nun größtentheild folgende U. in Stalten, Frankreich u. 
: Arezzo, Anfang des 13. Jahrhunderts, Dicenza 1204, PBarua 1222, 
1224, Vercelli 1228, Piacenza 1243, Trevifo 1260, Ferrara (1264) 1391, 
1276, Rom 1303, Piſa 1344, erneuert 1472, Pavia 1361, Palermo 
urin 1405, Cremona 1413, Florenz 1438 (1349), Batanea 1445, Mont⸗ 
1180) 1289, Touloufe 1228, Lyon 1300, Cahors 1332, Aolgnon 1340, 
1364, Air 1409, Caen 1433, Bordeaur 1441, Valence 1452, Nantes 
Jourged 1465, Oxford 1249, Cambridge 1257, St. Andrews 1412, Glas: 
4, Aberdeen 1477. — In Portugal und Spanien: Salamanıı DAN, 
25 


ee. 


388 Iniverfltäten, 


Liffabon, nachher in Coimbra, 1290, Valladolid 1346, Huesfa 1354, 
1410, Siguenza 1471, Saragoffa 1474, Avila 1482, Alcala 1499 (15 
villa 1504; in Burgund: Dole 1426; in Brabant: Loewen 1246; i 
Krakau 14005 in Dänemark: Kopenhagen 1479; in Schweden: Upfala 
Ungarn: Wünftirchen 1367, Ofen 1465 und Preßburg 1467. — 3 
Baterlande Deutſchland wurden die erften U. geRifet zu Prag 1348 u. 
41365, biive wurden nach dem Muſter der Pariſer gebildet und auf beit 
die Eintheilung in vier Nationen angenommen. Diefer Umfland gab 

fall der Univerfliät Prag und zur Gründung einer neuen Univerflt 
Karl IV. hatte bei Stiftung der Prager Hochſchule Lehrer und Stud 
die böhmifche, polnifche, bayerifche umd ſaächſiſche Nation eingetheilt; die 

hatten daher durch ihre Mehrzahl das Uebergewicht über die Böhmen 
wollten den Uebermuth der Deutfchen nicht mehr dulden und Kalier M 
fi) bewegen, aus der böhmifchen Nation drei zu machen und alle D 
eine Ration zu vereinigen (1409). Mehre Taufende von bdeutfchen £ 
Studierenden zogen hierauf von Prag weg und gaben zur Stiftung be 
fität Leipzig Anlaß, wo fie fi auch in 4 Nationen: die meißntfche, 

bayeriſche und polntfche teilten. Mehre der übrigen, in Deutfchland waͤ 
15. Jahrhunderts geftifteten U., Breifswalde (1456), Tübingen (1475) 

(1418) nahmen, wahrſcheinlich durch das Beifpiel von Prag gewarnt, 
theilung in Nationen nit an. — Während die Alteften Eoshfehufen 

von fi ſelbſt entſtanden und fich ihre Borrechte erwarben, ohne daß el 
Macht ihnen viefelben gefchenft hätte, wurden in der Folge die U. feie 
fiftet und ihre Privilegien faR drei Jahrhunderte hindurch von den P 
Rätiat, die zugleich das Recht hatten, alle von ihnen beflätigten Hoch— 
fügen, aber audy vifitiren und reformiren zu lafien. Die Fürſten, we 
Schulen in ihren Ländern errichten wollten, verlangten von den Päpflen 
flätigung derfelben, was noch im vorigen Jahrhundert in Fatholifchen LA 
Fall war. Wittenberg war die erfte deutiche Univerfirät, die nicht vor 
fondern vom Kaifer Marimiltan I. (1502) das Beftätigungspiplom erhi 
wurde fpäterhin noch die päpftliche Beftättgung nachgeſucht; Marbu 
1527 obne päpftlicdhe und kaiſerliche Privilegien und Beftättgungsurfund 
tet, erhielt aber im ver Folge noch die Beftätigung des Kaifere. Sekt 
formation tft feine proteftantiiche Univerfltät mehr von den Päpften, fon 
von den Kaifern beftätigt worden. Die Reformation griff überhaupt in 
fen der U. tief ein. Auf den Hochichulen, weldye der Kirche treu blieb 
nahmen die Vorkämpfer gegen den Proteftantismus, die Jefutten, bie! 
der Theologie und der meiſten zur philoſophiſchen Yafultät gehöriger 
haften. Die Theologie und Jurisprudenz behaupteten den Vorrang ı 
Fakultäten; in der medizinifchen waren gewöhnlich nur drei Xehrer, die 
auch die Raturwifienfchaften vortrugen. Der vreißigiährige Krieg hatte 
deutfchen Hochfchulen den nachtheiligften Einfluß, Fleiß und gute Sitten 
von denfelben ganz verfchwunden zu ſeyn. Im Anfange des 18. Sabı 
hoben fich die deutſchen U. wieder und das rafch aufblühende Götting 
manchen ald Vorbild, aber leider hinverte der, beſonders auf den protef 
U, herrfchende, Pedantismus und ſchmutzige Innungegeift vielfach das 9 
biefer Lehranftalten, auf denen die Studiernden häufig genug das zügell« 
wildefte Leben führten und Feine Benennung weniger für diefe jungen 
paßte, als der Namen „Mufenföhne*. Die Regierungen duldeten lanı 
diefe Zuftände, ja, fie fahen dieſelben fogar nicht ungern, bis die Zeit ver 
Sreiheliöfriege audy dem Geiſte der Studierenden eine andere Richtung 

terlandoliebe und Freiheitofinn in ihnen wedte und fie von roher Genuß 
und der Politik zuwendete. Manche Aeußerung jugendlicher Schwärmeret 
Verirrung hat diefer Umſchwung im Leben beuti er Hochſchuͤler erzeug 
gleich, was nicht geläugnet werden Tann, auch wiele edle Keime burch ihr 


Univerfität. 2 


ber jene Bertrrungen ‚und politifchen Ertrauagangen, sole das 
. die That Sand's m. a. lenkten die —— der Re⸗ 
era mf die U. und verdächtigten dieſe. ine Folge davon waren die 
bater Beichläffe von 1819, wodurch die U. in politifcher Hinſicht einer 
= Beauffichtigung unterworfen wurden, die hauptſächlich das Studentens 
um> deflen Disciplin betraf, theilweife aber auch die Lehrfreiheit befchränfte. 
retggnifie der erften dreißiger Jahre in Deutichland und die Betheiligung 
sezuder an benfelben riefen gemeinfame Anordnungen Seltend ver beurichen 
urt ggen zur Umgeftaltung des Univerſitaͤtsweſens hervor, die theilweife fehr 
g waren und 1835 in allen Bundesftaaten veröffentlicht wurden. Die Bes 
gexa ber Gegenwart fcheinen auch an den deutſchen Hochſchulen nicht ſpur⸗ 
begehen zu wollen; das Beduͤrfniß einer Reform in manchen ihrer ins 
zen liegt am Tage und hat fid, bei dem, im Herbfle 1848 zu Jena abges 
ws, SBrofeflorenkongrefie deutlich genug ausgeſprochen. — Wir fügen bier 
Stonologifche Ucberfidyt der deutichen, noch beflehenden und eingegungenen, 
u den Jahren ihrer Stiftung bei. 1) Prag (farholifch), die erfte Univer⸗ 
ı Deutschlands, geftiftet von Karl IV., 1348. 2) Wien (fath,), geftifiet von 
ı Hetjogen Rudolph Wibrecht und Leopold 1351, beftätigt von Papft Urban V., 
‚macher Zeit (1848) der Heerd revolutionärer Wühlereren und durch die „alas 
Legion“ und die „Wiener Aula” berüchtigt geworden, daher auf län« 

re Zeit geichlofien. 3) ‚Heidelberg [Ruperto-Carolina] (kath. bis zur Reformas 
t, dann gemifcht, jebt proteſtantiſch), gef. von Afalygraf Ruprecht L 1386, 
yend erneuert durch Karl Kriedricdy von Baden. 4) Köln (kath), geft. vom 
gärate der Stadt Köln 1325, beſtätigt von Urban VL, eine der berühmteften 
m 15. Jahrhundert und ein Bollwerk des katholiſchen Blauben® zur Zeit 
Reformation, leider aufgehoben durch die Franzoſen 1797. 5) Erfurt, geft. 
Kurfürken Johann von Mainz 1392, aufgehoben 1810, 6) Würzburg 
iJ, juerft bearündet nach dem Mufter von oiogna durch Fürfbifchot Jos 
L von Egloffſtein *), beftätigt von Bonifacius IX. durch eine Bulle, d. d. 
10. Degember 1402, weit mehr durdy die Unruhen einer wilpbewegten Zeit, 
wurdh Urfachen, weldye die omindfen leoninifchen Verſe ded Chronicon Hir- 
iense, T. 1, p. 296**) angeben, zerrüttet, glänzend wieberbergeftellt u. dotirt 
dem Yürftbifchofe Julius Ehter von Mespelbrunn (f.d.), mit päpftlichen 
laiſerlichen Privilegien von Gregor XI. und Marimiltan II. auögeftattet u. 
Julius den 2. Januar 1582 feterlichft eingeweiht. Diefe Univerfität hatte 
he Lehrer, befonders im Bade der Heilkunde, blühte befonders unter dem 
geßlidyen Zürftbifchofe Kranz Ludwig von Erthal, wurde tMuminatifirt und 
tantifirt durch die pfalzbayerifche Regierung 1810 5 ja, aus ihren Fatholifchen 
3 eine proteftantifchstheologifche Hakultät mit Lehrern wie Ghren Paulus 
o. gegründet, welchem Unfuge jedoch Großherzog Ferdinand von Toskana ein 
machte. Jetzt ift die fränkifche Hochichule, obgleich noch immer berühmte 
und treffliche Hülfsanftalten des Unterrichtes, befonderd im mebdiziniichen 
aufweifend , eın Schatten ihrer frühern Größe und aus vollem Herzen 
a wir diefer Fatholifchen Univerfität einen fräftigen Auffhwung tünjcen. 
ipzig (protefl.), gef. 1409 von dem Kurfürften rtedrich dem Streitbaren. 
ſtock Uluther.) geft. 1419 durch die Herzoge Johann und Hlbrecht, im Ver⸗ 
sit dem Magiftrate. 9) Greifswalde (proteft.), geft. von Herzog Wratislan 
3ommern 1455. 10) Freiburg im Breisgau [Albertina] (fathol. dem Ras 
aber nidyt der That nach), gefl. von Erzherzog Albrecht von Oeſterreich 
‚ leider am Ende des 18. und in den erſten Decennien des 19. Jahrhun⸗ 





Sg 





Bergl. die Monographie: Zohan I. von Ggloffttein, Bifchof von Würzburg, Stifter ber 
Ben Hochfchule in W., von Prof. Dr. Reng, Würzburg 1847. 

‚Beinen, census, amor, lis, alea, crapula, clamor Impediunt multum Herbipolense 
studium,“ 


980 Iniverfitäten, 


derts der Tummelplatz falfcher Aufklärung u. des Joſephinianiemus, vor we 
Jahren faſt der Aufhebung durdy die kirchenfeindlichen badiſchen Landſtände 
ebracht, in ſeinen katholiſchen Intereſſen nur zu ſehr verkümmert und ver 
11) Trter (kath.) geft. 1454 vom Kurfürften Markus, aufgehoben 1797. 
Ingolſtadt (kath.), geftiftet von Herzog Ludwig dem Neichen 1472, einft ich 
rühmt, ſeit 1802 in Land&hut, wurde 1825 nad) München verlegt. 13) T 
gen (paritätiſch?), gef. von Eberhard I. 1477. 14) Mainz (fath.), gef. 
Kurfürften Dietrich 1477, aufgehoben in der volleften ‘Periode feines fall 
künftlichen Glanzes 1797. 15) Wittenherg, gef. nach dem Muſter von T 
en durch Kurfürft Friedrich III, mit Halle vereinigt 1815. 16) Frankfurt 
der (protefl.), gef. von dem Kurfürften Joachim I. nad dem Vorbild 
Zeipzig 1506, vereinigt mit Bredlau 1811. 17) Marburg [Philippina] (pre 
aus den Gütern aufgehobener Klöfter vom Landgrafen Philipp dem fog. 6 
müthigen am 30. Mai 1527 gefl., war lange Zeit die Hauptfchule des | 
ſtantismus, wurde durdy Stiftung Gießen fehr geichwächt und iſt jetzt in ı 
trofiloſen Zuftunde, der gründliche Abhülfe dringend erhellt. 18) Straf 
(luther.), gef. vom Magifirate 1538, im 18. Jahrhundert berühmt durch 
mediziniſchen Anftulten u. als publiciftifche Nechtsfchule fehr befucht, zu einer tt 
gifchen und philofophtichen Fakultät zurüdgeführt 1803. 19) Königsberg (lut 
gef. von Herzog Albrecht, eingeweiht 14. Auguſt 1544. 20) Jena (pro 
ale Gymnaſium von den Söhnen red Kurfürften Johann Friedrich 1548 
erhielt die Privilegien einer Univerfität 1557, eingeweiht 2. Yebruar 1553, 
Jahre Hindurdy die erſte medizinifche Schule Deutichlands und von 178 
1818 Pflanzfchule der neueften Philofophte. 21) Dillingen (fath.), gegr 
von dem Augsburger Biſchofe Dito von Waldburg 1554, fam zu großem 
durch fpanifche Jeſuiten, welche feit 1563 dort lehiten, wurde 1 aufgel 
und in ein Lyceum verwandelt. 22) Helmſtaͤdt (luther.), geft. von Herzog 3 
von Braunfchweig, eingeweiht 15. Oktober 1576, aufgehoben 1809. 23) 2 
(luther.), geft. als Akademie vom Nürnberger Magıftcat 1575, aufgehoben ! 
24) perdorn, Akademie, von Johann d. &., Grafen von Nuaffau, geft. 1584, 
verftiät, aber ohne Privilegien und Ginweihung 1654, theologiſches Ser 
1818. 25) Gräß (kathol.), geft. 1535 von Erzherzog Karl, mit theologiſch 
philofopbifcher Fakultät, Lvceum 1783. 26) Padeiborn (fatbol.), gef. vom 
ſchofe Theodor von Fürftenberg, mit theologifcher und philojophifcher Kakultär ı 
richtet 1616, aufg-h. 1819, jetzt nur noch eine theologijche Kehranftalt. 27) © 
[Ludovica] (partätifch), geft. vom Landgrafın Ludwig von HeflensDarmftadt : 
aufgehobin 1625, wiedıryergeftelt 5. Wat 1650. 28) Rınteln (protefl.), 
vom Grafen Ernft von Schaumburg 1619, eingeweiht 1621, aufgehoben ‘ 
29) Ealzburg (fathol.), geft. von dem trefflichen Erzbifchofe Paris Graf 2 
1622, berühmt im 18. Jahrhundert durch feine mepizinifche Fakultät, aufgel 
1810, jetzt Lyceum. 30) Wünfter (fath.) [Maximilianea-Fridericiana], geft. 
Bifchofe Ferdinand von Fürſtenberg 1631, aufgehoben 1818, als theolo 
philofophifche Akademie wieder hergeftellt 1824, wird hoffentlich in nädyfter 
funft als katholiſche nie Preußens wieder erftehen. 31) Bamberg (fat 
geft.vom Fürftbifchofe Melchior Dito 1647 als theologifche und philofophifche Y 
tärz Fürſtdiſchof Karl fügte 1739 die juriftijhe und medizinische Fakultät E 
welche fich feit 1773 rühmlichft auszeichnete, in ein Lyceum verwandelt 1 
32) Duisburg (teform.), geftiftet vom Kurfürften Friedrich Wilhelm von X 
denburg 1655, aufgehoben 1804. 33) Kiel (luther.), gefl. 1665 vom H 
Ehriftian Albrecht von Holftein. 34) Innsbruck (fathol.), errichtet 1672 
Kaifer Leopold J. Lyceum 1752, als Univerfität wiederhergeftellt 1792, aber 
in ein Lyceum verwandelt 1810 und aufs Neue zur Univerfirät erhoben 1. 
1826. 35) Halle (luther.), gef. vom Kurfürften Friedrich 1. von Brander 
1694, feit Jahren die theologiſche Hauptfchule des Proteſtantismus. 36) 9 
lau [Leopoldina] (paritaͤtiſch ?), als turholiiche Ihenlogikche und philofop! 


an 


Anlverſum — unke. 39 


Bafultät geft. von Kaifer Leopold I., mit der Unfverfltät zu Frankfurt a. d. Ober 
gereinigt den 21. Oktober 1811. 37) Fulda [Adulphiana], geh. von dem hody- 
berzigen Yürftakte Adolph von Dalberg 1734, hatte tüchtige Lıhrer, befonders 
and dem Benediftinerorden, wurde aber, was nur zu fehr beflagt werden muß, 
wurd) den E.bprinzen von Dranien » Raffau 1805 aufgehoben und in ein, aud 
nicht mehr befiehendes, Lrceum verwandelt, dürfte aber als katholiſche Hechſchule 
des deutſchen Reiches wieder erfichen. 38) Göttingen [Georgin Augusta] (luther.), 
get. von Kön:g Greorg I. von England 1734, eingeweiht den 17. September 
1737, lange Zeit hindurch die erfte und blühendſte deutſche Univerſitaäͤt. 39) rs 
langen (luther.), in Bayreuıh zuerſt begründet vom Markgrafen Friedrich 1742, 
nach Erlangen verlegt 1743, jegt die proteftantifhe Univerfität Bayerns und ein 
Sitz des orıhoporen Proteſtantismus. 4) Bützow in Medienburg (luther.), 
eft. 1760, mit Roftod vereinigt 1738. 41) Berlin, geftiftet und reichlich mit 
ütfömtteln ded Uxterrichts ausgeftaitet von König Friedrich Wilhelm I. von 
reußen 1810. 42) Bonn [Friderico-Rhenana] (partiätifh?), gef. von dem 
Kurfürften und Erzbifchhefe Marımlian von Köin 1774, volftändiger eingerichtet 
von Maximilian Franz 1786, damals eine wahre Pflunzfchule falfcher Aufflärung 
und unkirchlichen Geiftes, aufgelöst 1794 neu geflifter und reich dotirt von Fried⸗ 
rich Wilhelm Il. als Univerfität für beine Confeſſionen, aber mit überwiegend 
proteſtantiſcher Härbung, den 18. Dit. 1818. — Bei Durchgehung diefer Ueberfigt 
wird einem Jeden die geringe Zahl der noch beftebervden katho iſchen Hochſchulen 
Deutſchlands, D.fterreidy abgerechnet, auffalien. Rur drei, München, Würzburg 
und Freiburg, biftchen noch von den viren U., auf denen einft katholiſche Got⸗ 
teegelehrihent und eine, von kirchlichem Geiſte geläuterte, weltliche Wiſſenſchaft 
vorgetragen und durch Firchliche Inſtitutionen dem religiöfen Geiſte katholiſcher 
Stupdurenden reiche Rahrung geboten wurde. Die meiiten der eingegangenen ka⸗ 
tholiſchen U. hat der Sturm der Zeit vernichtet, mandye von ihnen aber hatten 
fi) audy felbft ihr Grab bereitet, indem fie mit dem Alles zeriegenden, frivolen 
Stifte einer, nichts weniger ald kirchlich gefinnten, Zeit Buhlſchaft trieben u. an 
feinen giftigen Früchten fidy ihr Verderben aßen, wie Mainz und das frühere 
Bonn in der legten Periode ihres Daſeyns. Diefer Mangel an katholiſchen U. 
in unfirem Geſammtvaterlande ift ein großes Uebel, das baldige und fräftige 
Hohülfe erfordert. Der hochwürdigſte doitfop at Deutſchlands hut dieß auch bei 
feinem Zuſammentritt zu Würzburg im Ditober und Rovember 1848 erkannt u. 
die Gründung einer rein fatholıychen, veutfchen Hocdyichule nach dem Mus 
fir von Löwen beichlofien. Vier Städte, Bamberg, Fulda, Münfter und Salz 
burg, wetteiferten um die Ehre, dieſe hohe Schule in ihren Mauern zu hefigen; 
Zulda, von defien Klofterfhule aus einft chriſtliche Bildung über ganz Deutſch⸗ 
land fich verbreitete, in veflen Haupikuche des Wpofle:6 der Deutfchen Grab ifl 
und das heute noch trauert um die Aufhebung feiner Adolphisna, hat fi ganz 
befonderd darum beworben, die Pflanzſchule Acht chriftiicher Wiſſenſchaft in feınen 
Mauern aufzunchmen, um ihr die gafttichfte Stätte zu beriiten. Moͤchte das 
Berlangen der, zur Aufnahme einer U. in fo hohem Grade I eignenden, Etadt 
in Erfüllung geben und am Grabe des heiligen Bonifazius die Echule eıblühen, | 
deren Leyren aus dem heutigen Deutfchlund dad Heidenthum des 19. Jahrhun⸗ 
deri® verdrängen follen, wie einft die Fuldaer Klofterſchule undhriftliche Glaubens⸗ 
und Denfweije aus den Herzen unierer Alwordern verdrängte! — Literatur: 
Meiners Geſchichte der Entſtehung und Entwidelung der hoben Schulen unſers 
Erdtheiles, 4 Bde., Göttingen 1802—1805; Br. von Raumer, Geſchichte ver 
Hobenflaufen und ihrer Zeit, VL Bd., Leipzig 1825; Cavigny, Geſchichte des 
römiſchen Rechts im Mittelalter, I. Bo. (treffiihe, von und danfbar benützte 
kritiſche Forſchungen enthaltend), Heidelberg 1834. C. Pfaff. 
Univerfum, ſ. Welt. 
Unte (Bufo variabilis), eine Kleine, über ganz Mitteleuropa verbreitete, faft 
ausſchließlich im Waſſer fi aufhaltende Krörenart, welche an warmen Sagen 


992 uakrant Unſterblichkeit. 


und Abenden einen eigenthuͤmlichen, tiefen, klagenden und, entfernten Glockentoͤnen 
ähnlichen, Laut (den fonenannten Unfenruf) hören läßt, welchem der Aberglaube 
allerlei unglüdlicye Borbebeutungen zufchreibt. 

Unkraut nennt man im Aligemeinen Pflanzen, weldye fich von ſelbſt aus⸗ 
fäen, oder durdy Wurzeln und Ausläufer vermehren und dem Culturzwecke eines 
beftimmten Landes nicht entfprechen, fowie audy dem Wacherhume der auf dem⸗ 
felben cultivirten Pflanzenarten binderlich find. Die Bertilgung des U.es if oft 
jehr fchwierig, kann aber, bevor daſſelbe die Samenreife erlangt hat, durch fleiß⸗ 
iges Ausjäten, fo wie durch Beftreuen des Landes mit —— Aſche ıc. bewirkt 
werden; indeffen hinterlaffen doch die Unkräuter durch ihre Rüdftände dem Boden 
mehr Düngung@materlal, als fie ihm Krafı entziehen. Namentlich dient zur 
Düngung das Jäte⸗U., das U. auf der Brache u, unter den Stoppeln, indem e&, 

leich nach der Ernte untergepflügt, fowohl die Bährung des Bodens, als die 
Serfepung der Getreideſtoppeln fördert. 
Unmänbdigteit, f. Minorennität. 


Hal litt, f. Talg. 
Unſchuld If zunaͤchſt das Nichtvorhandenfenn eines beftimmten Bergebene, 
dann aber audy namentlich derjenige fittliche Zuftand des Menſchen, wo die Herr⸗ 
fchaft der finnlichen Triebe bei ihm noch nicht die Oberhand gewonnen hat, das 
her überhaupt der Unterfchten gwifchen Gut und Böfe bei ihm noch nicht zum 
ewußtjeyn gekommen iſt. In diefer Beziehung fpricdht man von einem Stande 
der U., der freilich nur im früheften Kindesalter flatıfinden Tann und in dem⸗ 
felben Berbältnifie entfchwinden muß, jemehr der Menfch mit fortfchreitenden 
Jahren Kenntniß von den Außeren Lebensverhältnifien erhält. — In diefem Stande 
der U. befanden fi) auch, nach der heiligen Schrift, die erſten Stammeltern 
unfers Geichlechted vor dem Sündenfalle; fie trugen, nad) dem Ausdrucke der 
Bibel, das Ebenbild Gottes, welches fie durch die Sünde verloren u. traten 
dadurch in den entgegengefeßten Stand, den Stand der Berderbniß, ein, welcher 
durch die Erbfünde Ri d.) fih auf das ganze Menfchengefchledht vererbte. — 
In engefter Bedeutung: die Reinheit von finnlichen Begierden u. Handlungen u. 
fomit gleichbedeutend mit Keufchheit, Jungfraͤulichkeit. 

Unfterblichkeit nennen wir die perfönliche, mit Bewußtſeyn verbundene, Fort: 
dauer der Seele nady Ihrer Trennung von dem, dem Tode verfallenen Körper. 
Es gibt vieleicht kaum eine Frage, welche für den Menfchen größere Wichtigkeit 
und höheres Interefie bat, als die, über das unferm geiftigen Sc jenfeits dieſes 
Lebens bevorfiehende Geſchick. Auf die verfchtedenfte Werfe bat man fie zu bes 
antworten gefucht; jede Religion bat ein Dogma hierüber aufgenommen, jede 
Philoſophie hat fih mit vielem Problem — t und in jedem einzelnen 
Menfchen bildet fi) eine Vorftelung über die U., wie fie cben feiner individuel⸗ 
len Beichaffenheit und Berhälmifien angemefien if. In feiner poſitiven Religion 
fehlt die Kehre, daß das Leben au * dem Tode fortgefegt werde, fo abweich⸗ 
end auch die Anfichten über dad Wie find. Der Glaube an eine Vergeltung 
Bf zwei entgegengefebte Räume, wo viefelbe ftattfinden könnte, Scheol und 

aradies, Gadee u. Elyfium, Hölle u Walhalla u. alle Berhältniffe 
Zuftände des zukünftigen Lebens waren dem gegenwärtigen entlehnt, nur in bie 
beiven Extreme ausgebildet und aus dem Wechſel der Bewegung in eine ewig 
ftabile Ruhe verfeht. — Das Chriſtenthum macht den Glauben an U. zu einem 
Grundftein und zeigt ihn in einer reinen, geiftigern Geftalt, ohne übrigens den 
Schleier zu lüften, welcher die Welt der @elfter dem irdiſchen Blicke entzieht. 
Cigenthümlihe Färbungen hat aber auch diefe chriftliche Lehre unter den ver- 
ſchiedenen Nationen angenommen und von den Theologen hat fie Entwidelungen 
erlitten, welche theild den geiftigen Gehalt derfelben zu Tage förberten, theils das 
Gebiet des Glaubens bei Weiten überfchritten.. Die Philoſophie aber iſt, wie 
überall, auch bier ihren eigenen Weg gegangen und hat zuvörderſt nach Beweifen 
für die U, der Seele fi) umgethban. Zuerft wurde von Platon diefer Berfuch 


Unterhindung— Unterfeanten, 308 


wiſſenſchaftlich und möglichft vollftänvig angeftellt. Einen unumftößlichen Beweis 
kann aber lediglidh die Gewißheit von der Immaterialität und folglich Ewigkeit 
der Eeele liefern, aber weiter, ald zur Hypotheſe, Tann es bier nidyt gebracht 
werden. Man hat daher fpäter und dieß ift namentlich von Stant geicheben, aus 
der moralifchen Ratur des Menfchen und aus dem zwingenden Bewußtſeyn den 
Blauben an U. als ein Poftulat der Vernunft abgeleitet und zwar die U. ale 
rein geiftige Fortrauer bargeftellt, deren Zwed bie, ins Unendliche fortgebende, 
moralıfcye und geißige Bervollfommnung, als die Beflimmung des Minfchen 
überhaupt, wäre und welche durchaus nicht von den vernünftigen Borftellungen 
des göitlichen Weſens zu trennen feyn dürfte. Perſoͤnlichkeit, moralifdye Bers 
geltung, Rüderinnerung, Wiederfehen können aus einem folcyen Zuftande nicht 
ausgeſchloſſen werden. Dffenbar kommt diefe Anſicht dem Kern der ran 
Lehre am nächften und darum befennen ſich zu ihr auch alle diejenigen, bie fich 
auf feftem, chriftlihem Bodın bewegen. Anders freilich urtheilt der Pantheismus 
und in diefem Punkte treffen Epinoza, Schelling und Hegel zuſammen, daß fie 
die Perfönlichleit des Individuums in dem Geiftesmeere, das feine Welle durch 
n. um das Univerfum fchlägt, verrinnen laflen. Die eigentlichen u. gefährlichften 
Widerſacher der U. aber find biefenigen, welche dem Materialismus und Raturs 
alismus huldigen. Auch diefe gehen von der Unterſuchung über das Wefen der 
Seele aus und in der Erfahrung finden fle, daß die Beichaffenheit und Thärigkett 
derſelben durchgehende von dem phufifchen Organismus bedingt ift und halten 
ſich zu der Folgerung berechtigt, ie eine foldye abhängigtei nicht ftattfinden 
könne, wenn die Seele ein rein gelftiged Weſen fei; daß eine immanente Subftan; 
unveränderlich, ewig feyn müfle und daß ein ewiged Ende ohne, einen ewigen 
Anfang nicht gedadyt werden lönne. Ste halten daher den Menfchen keineswegs 
für ein Doppelwefen, Geiſt und Körper nur für zwei Namen und Unterfcheidung 
eine® und deflelben Weſens, welches durchweg als ein natürliche Produkt be- 
trachtet werden müfle und von den tiefer ſtehenden allein dadurch fich unterfcheibe, 
daß es mit einer feinern Organifation und mit Bewußtfeyn begabt ſei. Denn, 
was man Freiheit des Willend nenne, fet ein Mißverſtaͤndniß, eine Berwechfelung 
mit dem Bewußtſeyn und eine Art optifche Täufchung, ähnlich der, mit welcher 
man die Sonne um die Erde freifen febe, wiewohl fle in der menfchlichen Natur 
begründet u. darum nothwendig fe. Während daher Andere in der U. den An⸗ 
trieb zu tugendhaften Handlungen, die Warnung vor dem Böfen, Troft und 
Aufrichtung im Unglüde fänden, fo liege für fie ein eben fo gewichtiges u. be- 
ruhigendes moralifches ‘Prinzip in der Ueberzeugung von der Naturgemäßheit, der 
die enjden, wie alle natürlichen Gefchöpfe, unterworfen feien und wodurch 
alle Räthiel, in denen das Leben verborgen fet, befriedigend gelöst würden. Das 
eigentliche Gluͤck aber ſei: zu leben u. nicht ein anders Leben zu erwarten; bie wahre 
Sitilichkeit beftche darin, daß man das Leben naturgemäb einrichte. Wie nun 
aber der Menfch durch feine Individualität und die Verhältniffe erzogen, geleitet 
und gebildet werde; wie von Natur und Einflüffen fein Glaube und fein Leben 
beherrfcht u. geftaltet werde: fo müfle man hierin den unerfchöpflichen Reichthum 
und die unverfiegbaren Kräfte des Naturgeiſtes bewundern und bürfe nicht ver⸗ 
gefien, daß in jeder einzelnen Erſcheinung eine objektive Wahrheit erfannt werben 
müffe. Auf dieſe Weife fuchte der franzöflfhe Materialismus des 18. Jahr- 
hunvert® feine Sätze plaufibel zu machen und mir ähnlichen Deduftionen hat 
eine unchriftliche und. mit Recht verfchrieene Partei der neueflen Zeit ihren Uns 
glauben zu rechtfertigen verfucht. 

Unterbindung, f. Ligatur. 

Unterfranten u. Alchaffenburg, einer der acht Kreife des Königreiche 
Bayern, mir 150 [J Meilen und 610,000 Einwohnern, feit 1837, bei der neuen, 
auf gefchichtlichen Grund zurüdgeführten, Eintheilung des Königreide, an bie 
Sielle des frühern Untermainfreifes mit unverändertem Umfange getreten. Er 
begreift, feinen hiſtoriſchen Beſtandiheilen nad), das ehemalige Barum Woxk 


394 Untergrund — Unterricht, 


burg, das vormals kurmainziſche Fürſtenthum Afchaffenburg, einen Theil von 
Fulda, die Reiheftadt Schweinfurt und verichievene Standesherrichaften. Diefer 
Kreid iſt gebirgig und waldig durch die Rkön, den Eteloerwald und GSpeffart, 
in den Flußgegenden dagegen eben; Haupifluß iſt der Main, der den Kıeiß in 
mehren großen Bogen durchzieht und bier die fränkiſche Saale und mehre Eleine 
Flüſſe aufnimmt. Haupiſtadt und Sig der Regierung it Würzburg (f. d.), 
Sıg des Appellationsgerihts Aſchaffenburg (f. d.). 

Untergrund beißt die, zumächft unter der Aderfrume liegende Erdſchichte. 
Bon feiner Beſchaffenheit hängt haupıfüchlih Tas Gedeihen der Früchte ab; ift 
er allzu durchlaſſend, fo wird die Aderfrume aufgelaugt und die Pflanzen 
verbrennen und werden norhreifz iſt er bingegen fehr undurdlaffenp, fo 
trodner die Aderirume nur langſam ab, die Beftelung wird fehr verfpäter, die 
Pflanzen leiden vor Näffe und verderben. Außer daß fich die Pflanzen aus dem 
U. mit Waſſer verforgen, nehmen fie auch Wahrung aus ihm. Warm nennt 
man den U., wenn er das Waſſer leicht durchläßt; Falt, wenn er daſſelbe nur 
langjam wieder fahren läßt; feinförnig heißt er, wenn er, zwiſchen den Fingern 
gerisden, feine fcharfen Sandkörner erfennen läßt; grobförntg, wenn er aus 
groben Fragmenten verſchiedener Mineralien beftebt; granpdig, wenn er viele 
Eine Steine enthält. Sehr undurchlaffenden U. kann man verbeflern durch 
unterirdiiche Abzüge, fchmale und hohe Beete und viele Waflerfurchen; allzu 
durchlafienden, wenn man Thon oder thonigen Mergel fehr tief unterpflügt. 
Bol. Humus. 

Unterhaus, f. Barlament 2). 

Unterholzner, Karl Auguſt Dominikus, ein verbienter Rechtsgelehrter, 
geboren zu Yreyfing 1787, wurde 1809 Profefſor der Rechte zu Landshut, 1810 
zu Warburg, 1811 in Bredlau, 1815 Univerfirdisbib.iothefar daſelbſt u. flarb ale 
folcher u. al8 Ordinarius des Spruchcolleaiums 1838. Man hat von ihm: Juris 
Ktiche Abhandlungen, Münden 1810; Allgemeine Einleitung in das juriftifche 
Studium ıc., ebendaf. 1812; Die Lehre von der Verjährung durch fortgeichten 
Beſitz, Breelau 1815; Ausführlide Entwidelung der geſammten Verjährungstehre 
aus dem gemeinen in Deutichland geltenden Rechte, Lerpzig 1823, 2 Binde; 
Conjecturae de supplendis lacunis, quae in G-ji institutionum Commentario 
quario accurrunt, Breslau 1823; Disserlat. de mutata ralione centuriatorum 
comitiorum a Servio Tullio rege institutorum, Breslau 1835; audy war er feit 
1833 Mumerausgeber des „Rheiniſchen Muſeums“ und Mitarbeiter an mehren 
juriftifchen Zeitſchriſten; nach feinem Tode erfchten, von Ph. E. Hufche heraus⸗ 

egeben „Duellenmäßise Zufamminftellung der Lehre des römischen Rechts von den 
Schuldverhälmiſſen,“ Leipzig 1840, 2 Bde. 

Unterleib, ſ. Baud. 

Unterricht, Unterrichtöfrage u. Unterrichtöfreiheit. So verſchieden auch 
die Anfichten über den Begriff der Erziehung find, fo treffen fie doch alle in dem 
Einen Punkte zufammen, dat diefelbe eine fehr wichtige Angelegenbeit, fowohl 
für die Familie, als für das öffentliche Leben fei und diefe Wahrheit gründet 
fi) auf dın Satz, daß der Menich nur durch Äußere Einprüde u. Einwirkungen, 
nicht durch fich felbft, feine Vermögen und Kräfte entwideln und zu lebendiger 
Thätigfeit aus dem Echlummer, in welchem fie von Natur liegen, erweden lönne. 
Die Hülfe, welche d.m Menſchen dazu von Außen geboten werde, fei daher für 
feine Lebenswirkſamleit enıfcheidend und müfje mit der größten Sorgfalt geboten 
werden. Was ſolche Einwirkungen im Endrefultate vermögn, bis zu melcher 
Höhe fie allfeitig gefteigert werden können, iſt bei der alheitgen Bildungefühig- 
keit des Leibes und der Eeele etenfo wenig möglich zu verfuchen, als die An- 
wendung und Nefultate aller anderen Kräfte erforfchbar find. Daß aber in ver 
Erwedung und Entwidelung der Kräfte des Menichen nady beflimmten Zweden 
der Begriff der Erziehung wenigftens einen Theil feiner Anwendung finde, icheint 
Daraus Dody unzweifelhaft herworzugehen, die Graͤnze derfelben mag nun noch fo welt 


Unterriät, 305 


fortgerüdt werben u. über die Enimidelungejahre der Jugend weit binweggehen, 
ja, das ganze Leben eifaſſen. Und gewiß gitt es GEinflüffe und Einwirkungen, 
welche das ganze Leben bindurdy leitend und erziehend fortgehen. Wenigftens 
ſpricht man in diefem Sinne von einer natürlichen, abfichtölofen Erziehung und 
hpr dieſe der künſtlichen abfichtlichen entgegen. In der legten Beziehung allein 
kann die Rede von einer Wiſſenſchaft u. Kunft der Erzichung feyn und in jener 
die drei großen erziehenden Elemente, die Natur, die Echidfule nnd die Menfchen, 
gedacht werden. Ihre Ginwirfungen find Jedem, der fidy im menfchlichen Leben 
nur oberflädylidy umgefehen hat, als die mächtigften Leicht erlenntlich. Eowohl 
die innere Ratur jedes Individuums; wie das äußere AU, fomohl der flille Kort- 
gang in den zufällig ſcheinenden Ereigniflen des täglichen Lebens, als die plöb- 
Iıhen Blüdss und Unglüdsfälle; ſowohl der Einfluß der ganzen Umgebung in 
Samilie, Gemeinde, Kırche, Staat, als der befonvere des einzelnen Menſchen 
durch Rath und Handlungswelfe, wirfen leitend, fördernd und befchränfenn überall 
und bi6 an's Ende des Lebens. Keinem Menfchın tft es gegeben, ihrer Macht 
fidy zu entziehen und ihren Kinwirfungen fremd zu bleiben. Sie bilden die große 
Scyule des Lebens und erlabmen nie in ihrer wechfelfeitigen Thätigkeit. Ob⸗ 
wohl fie ihr ®eleit ohne Regel und Wbficht geben und wie vom 3ufale regiert 
zu feyn fcheinen, fo bietet doch ihr Reſultat eın Ganzes und in dem Lebensfaden 
eined Jeden einen Zufammenhang, wie ihn die confequentefle Erziehung ver 
Schule nıcht zu geben im Stande if. Diefe Erziehung war ed allein, welche 
nicht blos viele einzeine Charaktere bildete, fondern ganze Völker zu großer und 
rubmreiher Entwidelung führte, Die Weifen und Helden des Alterihums, die 
großen Völker der Sriechen und Römer find in vieler Echule gebildet und ers 
zogen, ja, darin unfere Lehrmeiſter geworden. Sie hört noch immer nicht auf zu 
wirken, bildet vielmehr die Ö:unblage der abfichilichen und nach Zweden einge: 
richteten Bildungsweiſe. Will diefe ihr Ziel nicht verfehlen, fo muß fie jene 
allgemeine Entmidelung, fo weit es möglich ift, thätig mitwirken laffen und ihr 
ale die Vortheile abgewinnen, die fie bietet. — Die abfichtliche Bildungsweiſe 
at ihre Schwierigfeit in der Beftimmung des leitenden Zwedd. Die 
inheit und Feſtigkeit deſſelben regultrt das Ganze; ohne diefelbe find Wilfür, 
Theilung und Haltloſigkeit allgemein. Die Frage iſt noch nicht beanwortet, 
warum das Alterthum fein Schul⸗ und Erziehungsmelen in dem Sinne, wie 
das Ghriftenihum, harte. Der Angelpunft der Beantwortung fcheint In der Uns 
befimmiheit zu liegen, worin dad Alierihum über den allgemeinen geiftigen Les 
benezwed war. Sie hatten feinen gemeinfjam anerkannten geiftigen Lebenszweck, 
lonnien darum alfo audy nicht abſichnich darauf ihre Bildung allgemein hinrichten 
und jomit nicht zu einem allgemeinen Strebepuntte und zu der Einheit gelangen, 
weiche dad Chriſtenthum in allen Theiten durchdringt. Jede Gefammtheit batte 
politifche Strebipunfte auch für die Erziehung, aber feinen gefammten geiftigen. 
Gleichwohl verliert fich die abfichtliche Bildungsweiſe im Einzelnen in die Bild» 
ungsgeſchichte der alten Völlker, tritt aber erft allgemein in ihrer ganzen Bedeut⸗ 
ung in dem fpäterın chriftlichen Erziehungswefen hervor. Das Alterihum hatte 
[don genug gezeigt, daß fi) dem Menſchen Feine Aufgabe, keine Schwierigfeit 
ftellte, die er nidyt, wenn auch erft nach unendlichen Verſuchen, überwunden 
hätte, Ueberall entfprachen die vicljeitigen Kräfte des Menſchen den Anforder⸗ 
ungen des Lebınd und ließen ſich zu allen Zwecken auf das Berritwilligfte herans 
biiden. Die Bildungsfähigkeit des Menſchen wurde daher nicht blos nad) 
Zweden de6 äußern Lebens geregelt und gebildet, fondern immer wieder nad) 
dem Zwede des menfhlichen Lebens überhaupt gefragt. Die Ant: 
worten, weldye das Alterthum darauf durdy den Mund aller friner Weifen gab, 
genügten. Keine war erfchöpfend, feine war dauernd, feine konnte ſich zu allge- 
meiner Anerkennung durcharbeiten. Mochten fi) auch ganze Schulen an die 
Meinung eines Mannes anſchließen: zu einer allgemem anerkannten Lehre, W 
einer Wahrheit im rechten Sinne des Wortes, erhob ſich tein Streruiitger, — 


996 Unterriät. 


Diefelbe Hatte ſich Bott den nach Wahrheit durſtenden Menſchen zu geben ſelbſt 
vorbehalten. Die Erlöfung hat das Reich der Wahrheit erfchlofien und Zweck 
und Bedeutung des menfdhlichen Lebens erft beftimmt. Darin war eine Grund» 
lage, ein Bofltioum gegeben, weldyes alle Menfchen kennen lernen, um das ſich 
ale Völker ſammeln n ten. Es war die Heilslehre des Menfchen, die Erlöfung 
von der Sünve und der Schag der Wahrheiten, welde darin offenbar wurden. 
Die Frage der Fragen war nun gelößt; die Sonne aufgegangen, an welcher fidh 
die Jahrhunderte erwärmen u. beglüden follten. Der Mittelpunft war gefunden, 
um weldyen ſich Kirche, Staat, Familie, Schule u. alle Lebensthätigkelt entfalten 
und in Kunft, Wiſſenſchaft, Geſetzen, Eitten, Gebräudyen und allen neuen 
Bormen, welche die fpäteren Jahrhunderte charakterifirten und die hrifliche Welt 
geftalteten, wirfen folltn. Darin war auch der Zielpunft gegeben, nach welchem 
ein allgemeined Erziehungsweſen firebend entftehen konnte und entftehen 
mußte, fowie es andererfeit6 unmöglidy geiwefen wäre, daß ohne vdenfelben ver 
Menſchen Werth gewürdiget worden wäre u. ein confequente® Erziehungsweſen ſich 
irgendwo geftaltet hätte. Wie der Menfch durch Ehriftus erft in —* hohen 

eſenheit und Würde allgemeine Anerkennung fand, fo konnte er auch erſt von 
nun an in derſelben gehandhabt und in feinen höheren Kräften allſeitig gebildet 
und erzogen werden. Damit aber war audy das Orundgelet alter Erzieb- 
ung auögefprochen: daß fie zwar auf jeder Stufe hriftlich, aber, je höher die 
Ausbildung ginge, defto tiefer hriftlich begründet feyn müfle — Diefem 
Grundgeſehe treu, entfalteten fi die chrifllichen Echulen, unter der Leitung der 
Kirche, überall und bildeten und erzogen die wilden Naturelemente der ger: 
maniijhen Stämme in Europa zu chriftlichden Völkern und Staaten. Sie hatten, 
ausgehend vom Alterthbume, audy an deſſen Geiſt und Sprachen angefnüpft, 
und diefe reine Duelle rein menfchlicher Erfahrung und Weisheit nie ganz ver- 
laffen. Die Vorftellung, dag im 15. Jahrhunderte die alten Sprachen als ers 
leuchtende, die Finfternifie des Mittelalters vertreibende, Sonne ploͤtzlich aufge 
angen feien, ift zwar allgemein verbreitet, aber ganz unbiftortfch und irrig. Die 
ormelle Einrichtung des Unterrichts der römiichen SKaiferzeit, namentlid ver 
legten Jahrhunderte derfelben, erhielt fi im Abenplande, zog fich freilich in Die 
Klöfter zurüd, verblieb aber bei derfelben Form u. demfelben Stoffe. Bekanntlich 
wurde Virgil, wie ein hriftlicher Schriftſteller, das ganze Mittelalter hindurch verehrt 
u. feine vierte Efloge fogar als eine Brophetic auf Ehriftus gedeutet. Cicero war der 
Schule nie fremd geworden. Auch die griechifche Sprache war durch die kirch⸗ 
liche u. politifche Verbindung ded DOrientd mit dem Abendlande hier im Leben ge⸗ 
blieben u. vielfach in der Schule gelehrt worden, wentgftens nicht fo außgeftorben, wie 
die Furcht vor den SFinfterniffen des Mittelalterd hat glauben machen wollen. Die 
Schätze beiver Sprachen öffneten ſich aber wieder ganz, als die Griechen, durch 
die türfifche Eroberung von Konftantinopel und Griechenland, nach Stalien und 
dem Werften vertrieben wurben und ihre Literatur und Studien diefen Ländern 
allgemein mittheilten. — Wenn ſchon biß dahin die Sprachen der einzelnen Länder 
Europa's theild Form und Geift, theild blos Geiſt, wie es wahrfcheintich ift von 
Deutichland, dem Altertum entnommen u. in diefer Schule denfen u. fidy ausdrücken 
gelernt hatten, fo trat jegt dad chaſſiſche Element, ein Erzeugniß einfacher 
und natürlicher Entwidelung des Menfchen in reichfter Fülle und fchönfter Form 
als Nahrung zu dem chriftlichen hinzu und griff als Bildungaftoff in Europa’6 
Civilifation mächtig ein. Die Kreuzzũge hatten bereitd den Dften aufgefchloffen, 
die vielen Erfindungen des 14. und 15. Jahrhunderts die irdifche Welt und nun 
auch die Welttheile zugänglich gemacht und den Geſichtskreis erweitert, es fehlte 
nurmehr noch die Bildung des Geiſtes zur Herrfchaft über die natürlichen Be⸗ 
ſtimmungen des Lebens. Sie wurden in dem claffifchen Elemente gegeben, welches 
als Grundlage jeder höhern Bildung im Alterthume aufgeftellt worden war. 
Daffelbe follte, indem ed Gedanken- und Ideenreichthum fammt feinem Sinne 
für bie Entwidelung aller geiftigen Ihätigfeit bot, einerfeitö die Vorſchule und 


en 


Unterricht, 397 


der Schlüffel zu jeder allfeitigen hoͤhern Eulturftufe, andererfeits aber auch Schuß 
und Wehr gegen jebe Gefahr einer einfeitigen Richtung werden. Zum Ehriften- 
thume war und blieb ed in dem Berhältniffe jeder irdiſchen Wilfenfchaft, er- 
mumterte, leitete und wies durch Lehre, Erfahrung und Weisheit überall zurecht, 
Rärkte dadurch die geiflige Ihätigkeit, wie ein Fernrohr das Auge und wurde 
endlich Mufter und Form für jede Aeußerung des Geiſtes. Durch diefen Reich- 
thum des Stoffes und der feinen Formen wurde es von der Zeit, welche für die 
irdiſche Wiſſenſchaft und ihre Beziehungen unter den vielen Erfindungen für das 
äuffere Leben wach geworden war, heißhungerig verfchlungen und wirkte durch 
alle Gebiete der Kunft, der Wifienfchaft und des öffentlichen Lebens. Es machte 
fih fo als zweites Element der menfchlihen Bildung geltend und wurde bie 
zweite Brundiage aller hoͤhern Entwidelung und Erziehung in ganz Europa. 
Aber die volle Entwidelung jener beiven Grundfräfte der Erziehung kam, wie fie 
vereint hätten wirken müflen, in ihrer gan Großartigkeit nicht zur Durchbildung, 
wurde vielmehr durch die relglöfen treitigfeiten in vielen Laͤndern, befonders 
in Deutfchland, von ihrem Zielpunkte abgewendet und gehindert, ja, eine, dem 
erſten feindliche, Bahn überall eingefchlagen. Es errang ſich nämlich die Philo⸗ 
fophie allmältg das Anfehen und die Macht, ven Lebenszweck des Menfchen zu 
beſt mmen und Ns dadurch über das Ehriftenthum zu erheben. Wie es im Alters 
thume geweſen war, fo wurde auch jegt wieder den Unterfuchungen und Mein- 
ungen der einzelnen Menſchen in Dingen geglaubt, welche Gott felbft anders bes 
ſtimmt hatte. Gegen die Lehre der Kirche, der Schule und des Lebens, bra 
ſich in England der Materlalismus Bahn und führte daſelbſt hauptfächlich dur 
Lode, in Frankreich durch Rouffeau die Erziehung diefem Prinzipe und dem ver: 
wandten Naturalismus zu. Praktiſche Brauchbarfeit im Leben wurde als End- 
firebepunft des Menfchen, fomit auch feiner Erziehung, aufgefreilt und fo flegreich 
in die praftifcdye Richtung der Zelt hinübergeführt, dag wir bald audy in Deutfch- 
land die Einfeitigfeit und Ververblichfeit diefer Richtung empfanden und nunmehr 
bald ganz Europa daran zu erfranfen anfangen dürfte. Denn die Induſtrie und 
ihre Zwede haben die geiftigen Träger des europälfchen Lebens, das (hriften- 
thum und die claſſiſche Bildung, nicht nur allenıhalben eingeengt und beidhräntt, 
fondern vielfach fogar in Mißachtung gebracht und vielfach verdrängt. In Deufch- 
land hatte die Entwidelung auf dem Gebiete der Wiffenfchaft einen andern Forts 
gang. Die allgemeine Wiffenfhaft hatte hier im Anfange dieſer praftiichen 
Richtung nicht gehuldigt, das Erziehungsweſen blieb daher in einer geifligern 
Richtung. Die Phtlofophie hatte ſich zwar auch hier die Beftimmung des menfch- 
lichen Lebenszweckes angeeignet und ihre Släubigen im innerften ®runde von 
dem chriftlicdhen Glauben abgebracdht, war aber in mehr ivealifiifcher Richtung 
fortaegangen. Sie hatte, indem fie bier nah Syſtemen fortfchritt und jedes 
die Refultate des vorigen negirte, kritiſch dialektiſch jedes Objekt ver Wahrheit, 
bis auf die Kräfte des Menfchen, aufgelöst und, als Zielpunft aller Ausbildung, 
diefe felbft in ihrer Geſammtheit hingeftelt. Mit dieſem Refultate der deutfchen 
Philoſophie war ein vierter Zwed gegeben, weldyer fidy bald auf dem @ebiete 
der Erziehung in Theorle und Praxis geltend machte. Gr ſchloß fi) an den 
clafftihen an, oder loͤste dieſen vielmehr in fi auf, nahm bie alten Spracen 
als Mittel in feinen Dienft und bewirkte, indem er ſich auch der Macht der 
Induſtriellen nicht erwehren konnte, eine innere Umgeftaltung des gelammten Er⸗ 
ziehungsweſens. In dem Beſtreben der formellen Bildung der Kräfte, was ſich 
ſelbſt I den Elementarfchulen geltend madhte, wurde das Reale des Ehriftenhume 
und des claffiihen Alterthums blog Mittel zum Zwede und blieb nicht mehr 
ſelbſt Zweck. Diefe Auffaſſung ging dahin fort, daß beide gleichmäßig Lehrgegen- 
flände wurden, um, wie die Mathematik die Kräfte der Auffafiung der Grüßen 
und ihrer Berhältniffe, fo auch ihrerfeitd die ihnen zufallenden Erkenntnißkräfte 
u entivideln. Huf diefem Wege war das Reale de Alterthums in Gefahr ges 
ommen, in ein abſtraktes grammatiſches Syſtem ausjuarten und ο 


398 Unterrit. 


wenn nicht die Weisheit der hohen Echulbehörde died wahrgenommen und ihm 
auf verfchlevene Weiſe, wie namentlich durch die neuen Erlafle über den deutichen 
Unterricht und die Rudhardſche Memoirm thode jüngft entgegenzurreten angefangen 
und ed dem pofitiven Boren des Objektiven zugemendet hätte. Das hrıftlidhe 
Reale war aber in einer Welfe erniedrigt, daß es ald Nebenmagd mit diente, 
während es, wenn irgend wo, bier herrſchen mußte Als Objekt galt cd, wie 
alle Erkenninißnormen, nur fo viel, ald das Subjert daraus machte und feine 
Lehre war darin gleich jeder Weisheitöregel des Sofrated, oder eined andern 
heidnifchen oder neuern Philofophen. Im foicher Aufldfung des Objektiven wurden 
Gott, die Erlöjung, die Wahrheit des Chriſtenthums ale nur fo viel, ald das 
Begriffsoermögen des Einzelnen -daraus machte, ein Gedanke, eine Anflcht, die in 
ihrer Wirkſamkeit auch gleich einem Traume feyn konnte. Daß diefe Auflöfung 
der objektiven Wahrheit auf dem Gebiete der Ersiehung nichts Gutes wirken kann 
und höchſtens Heuchler bildet, Itegt in der Ratur der Sache. Noch zerftörender 
aber, als im Odjekte, war diefe Entwidelung ver Wiffenfchaft im Subiefte. Nach⸗ 
dem die undhriftliche Philofophie von jedem Gebildeten angehört und ihr Studium 
in vielen Staaten den Studirenden zur Pflicht gemacht worden war, ihr Lebens⸗ 
zwed daher im Refultate der Lebenszweck der Studirenden zu werben anfing, hörte 
die chriftliche Ueberzeugung in den Herzen der Gebildeten fowelt auf, als die 
aufgenommene Raifon Denken, Wollen und Anfchauen durchdrang und ihnen 
Zweck und Mittel ſetzte. Daß darin der Grund aller geiftigen Aufldiung in ganz 
Europa liege, wäre durch einige Andeutungen leicht eiwieſen, gehört aber nicht 
hierher, wiewohl aber müflen wir bier die Anwendung auf vie Erzieher und ibre 
Aiffenfchaft u. Thätigkeit in Erwägung bringen. — Wer Kanr's, Fichte's, Hegel’6 
oder Seellinge Eyflem, oder eine Abflufung ihrer Anbänger annahm und ber 
folgte; wer Rouſſeau's Emil fidy zum Erziehungs » Yoeale gewählt, oder Locke's 
Matertalismusd und Induftrialismus für ein weltbeglüdendes Erziehungsprinzip 
anſehen lernte, nahm ven einfeltigen Lebenazweck eines folchen einfeitigen Stand: 
punftes der allgemeinen Wahrheit (was alle Eyficme find) an und wirfte als 
Erzieher diefem entiprechend. Getheilt in die taufend Karben diefer fubjeftiven 
Anıchauungen und Lebenszwecke, war an einen einheitlichen Begriff, wie in ver 
Wiffenfchaft, fo im Leben nicht mehr zu denken. Der Wechfel der philofophifchen 
Eyfteme und dann ihrer Wahrheiten, alfo audy ihrer Lebenszwecke, der Grundlage 
jeder Erziehung, hielt jeden jungen Lehrer in Zweifel über den allgemeinen Lebenszweck 
feine® Zöglinge, den er nicht anerkannte, und hätte damit feine Erziehung ftreng 
genommen vernichten müffen. So lange die Lehrer aus dem geiftlihen Etande 
genommen wurden, behielten gewöhnlich ihre theofogifchen Studien die Oberhand 
und die ganze Erziehungsrichtung blieb die chriftiidhe. Als aber zu dem Einflufle 
der allgemeinen Studien die Philologie durch F. U. Wolf au einer beſondern 
Wiffenichaft erhoben und aus den Studirenden derfelben der Lehrerſtand gebild:t 
worden war, blieben die Erzieher mehr und mehr der Erfenntniß der hoben Wahr: 
beit des chriftlichen Lebenszmwrdes, wie er ſich wiſſenſchaftlich begründete, fremd 
und wurden, wenn fie nicht Glauben und chriftliche Bildung anderswoher erhalten 
hatten, entweder den ſchwankenden Anfichten der heirnifchen Philofophen, oder den 
einfeittgen Beftrebungen der Induſtriellen, oder den unficheren philofophifhen Ey: 
ftemen der Neueren zugewiefen, dadurch aber ihrem eigentliden Berufe 
chriſtlicher Erzieher entboben und des feften Grundes beraubt, deſſen fie bei 
jedem Schritte in der Praxis bedurften. Die chriftliche Gefinnung, feſt im Glauben, 
feſt durch wiſſenſchaftliche Bigründung, feſt im Objekte. unerſchütterlich im Sub⸗ 
jefte, war durch dieſen Fortgang der Entwickelung gefährdet und die nanze feciale 
Anſchauung nad chriftlichen 2egriffen bei dem &hande der Erzieber in Frage 
geheilt. Damit war die Einheit in der Erziehung, der Grund und Boden, worauf 

topa’d Civiliſation u. Eultur, alfo audy daB Leben feiner Zöglinge ruhte, dem 
Stande wegnenommen u, er in eine ſchwierige Lage geſetzt. Die Erziehung, wie der 
Unterript jept bei jedem Schritte Weftiglelt und Wahrhaftigkeit voraus. “Die 


Unterrict. 399 


ganze Verfönlichkeit des Erzieher muß daher wahre Grundfähe repräfentiren und 
wo möglich darin aufgehen. Wenn nun ein Errteher die Wahrheiten der zehn 
Gebote oder des apoftolifhen Glaubensbekenntniſſes in dem Gange feiner philo- 
fopbifchen Studien nicht hätte fefthalten können; wenn er ſtait des breieinigen 
biblifchen Gottes den pbilofopbifchen Begriff feines Syſtems ſich angeeignet; wenn 
er über die 2.bre der Eriöjung zweifelhaft und der chriftlichen Eitteniehre und 
Geſtttung nur fo weit ergeben wäre, als fie fein philoſophiſches E yflem anerkannte, 
und doch nach chriftiichen Grundiägen leiten, führen, erziehen follte: würde das 
nicht ebenfo unwahr, blöre, lahm und erfolglo8 geichehen, ald wenn ein Ghrift 
von Meberzeugung einen Türken in türfiihem Blauben und Sitten erziehen ſollte? 

ürden nicht dort, wie bier, alle möglichen Künfte angewendet werden müffen 
und die Wahrhaftigkeit aufgeben, weldye das unerfuhrene Kind von feinem Führer 
mit demfelben Rechte verlangen kann, wie der Blinde ſicheres Geleit? Würden 
chriſtliche Eltern ihre Kinder folchen Erziehern anvertrauen können? Gewiß 
nicht. Glücklicher Weite ift in der Wirklichkeit dad Leben und der, von den 
Eltern auf die Kinder überlieferte, Glaube wirkfamer und ccnfervativer gewefen, 
als der Kortgang auf dem Gebtete der Wiſſenſchaft. Wenn die Erziehung aud) 
an Wahrhafıtgkeit und Feftigfeit in der Theorie gelitten hat, fo fleht doch der 
Lehrſtand in dem Glauben feſt und wirkt durdy feine gründliche, woifienfchaftliche 
Bildung deſto erfolgreicher. UWeberall ſieht er auch die Mängel und Schwierig⸗ 
feiten feiner Lage ein und wird bei dem Bebürfniffe nach Wahrheit und Achter 
Wiffenfchaftlichkeit gewiß den feften Boden wieder zu erreichen fireben, nach wel⸗ 
chem allen Ständen aller Länder Europa’8 zu verlangen anfängt. Aus dieſen 
orientirenden Andeutungen, weldye der Entwidelung und Tem Yortgange des Er⸗ 
ziehungsweſens, feiner allgemeinen Bedeutung nady, entnemmen find, wird jede Er⸗ 
ziehungdanftalt mit Nachdrud dem pofttiven Gebiete zugemiefen und gleidh- 
fehr von jeder individuellen Meinung abgemahnt. Der Umftand, daß wir Alle 
unter dem Einflufſſe der Philofophte erzogen worden und zum Theile gewiß ihrer 
Docarin und Anfiht die Stelle fefter Wahrheit eingeräumt haben, muß dieſer 
Weifung noch mehr Gewicht beilegen. Meinung und Zweifel macht ſich oft da 
eltend und zwingt ftille zu ftehen, fich zu befinnen und zu wählen, wo die höchfte 
— eiöhelt ſchon eniſchieden hat, drängt Anfichten auf, wo feine gelten dürfen, wo 
Wahrheit und Falſchheit, Seyn und Nichtfeyn dem einfach Sehenden klar ent- 
gegentreten. Kein forgfältiger und verftändiger Vater wird die Eriichung ſeines 
Kindes von den Anfichten eines Erzieher abhängig machen; die Wahrheit, durch 
Gott oder die Kirche, oder Jahrhunderte verbürgt, kann ihm allein werıh feyn, 
Geiſt und Herz feine® Kindes zu durchdringen, wie fie denn auch allein im Stande 
ift, Wiffenichaft und gute Sitte in ihm au bilden und zu verbinden. Wenn dies 
ſes von rer Erziehung eined Einzelnen gilt, um wie viel mehr muß es auf Biele 
feine Anwendung finden! Das, was nun die Erziehung und der Unterricht foll 
und vermag, wird fi daraus leicht ergeben. In dem allgemeinen Sinne, in 
welchem biöher von der Erziehung geiprochen worden ift, umfaßt nämlich die Er⸗ 
ziehung den Unterricht als eine Weiſe ihrer Ihärigfeit in fi und die Ausbild⸗ 
ung des ganzen Menſchen, nad) dem chriftiichen und irdiſchen Lebenszwecke, ıft ihr 
Ziel. — Die abfidhtlihen Einwirkungen auf die Zöglinge, in deren geſammter 
Summe die Thätigfelt einer Erziehungsanftaft befteht, müſſen demnach alle ihren 
Grund und Boden zunächft in dem chriftlichen Lebenszwecke finden und denfelben 
lebendig zu madyen beftrebt feyn. Der Lebensberuf iſt dann das zweite Ziel, 
was, auf jenem gründend, die Wirkfamfeit der Anftalt leitet und jedı8 mitwirfen- 
den Gliedes Thätigfeit, ſowohl im Unterrichte, als zu jeder andern Zeit, beſtim⸗ 
men muß. Die Erziehung in diefem allgemeinen Sinne {ft nämlidy die leitende 
Macht, welche das Kind zu einem wahrbaften Ehriften und lebensrüchtigen Mens 
ſchen forıführt. Sie wird ſich in Wort und Betipiel, in Ordnung und Zucht, 
in Gemöbnung, Unurricht, Uebung, kurz in allen fördernden Einflüſſen Eund geben 
und ebenfo die bindernden hemmen und abhalten. Die aligemeine Drinung "HR 


[4 


U 


400 Unterriät, 
Umgebung wirken überhaupt fehr mächtig und verdienen die erfle Beachtung. 
Das war auch der Brund, warum die ftiftenden Familien der Rheiniſchen Rit- 
ter⸗Akademie, bei der Auswahl des Drted, das Land der Etadt vorgezogen haben. 
Stets umgeben von Gottes freier Natur, im Genuſſe ihrer gefunden Luft und 
erhebenden und kräftigenden Einwirkung, dagegen auch allen böfen Leuten und 
Gewöhnungen großer Städte entzogen, wachſen hier die Kinder gefund u. Fräftig 
auf und alles Edle, von ihrer Unfchuld an bis zur höchften Tugend, kann unges 
fört und ungetrübt gedeihen und dieſes ohne Fehl, wenn noch die übrigen, abs 
ſichtlich hebenden, Einfluͤſſe zweckmaͤßig hinzufommen. Dahin muß zunächſt die 
ganze Lebensordnung gerichtet werden, die wir in den zwei Worten andeuten 
möchten: ora et labora. — Das Kind, welches einer höhern Bildung, höheren 
Studien, einer höheren Lebensordnung zugeführt werden fol, muß vor Allem 
der Grundlage jeder Bildung, der Religion feft zugewiefen werden, dann etwas 
Sächtigee lernen; es muß aber auch feinen natürlichen Boden, feine Berfönlich- 
feit, feinen Charakter zu entwideln, nidyt gehemmt werden. Dazu muß es fo frei, 
ald möglich jede Bewegung machen fönnen, die es will: es darf ihm Nichts in 
den Weg gelegt werben, Nichte benommen feyn, was nur immer erlaubt, d. h. 
was nur nicht feiner höhern Bildung im Einzelnen und im Enbrefultate entgegen 
feyn Tann. Der Zögling muß, ohne Gränze u. Schranke, dem erlaubten Spiele 
und jeder unfchuldigen Freude ſich hingeben dürfen; er muß Kraft, Muth und 
Ausdauer in den Vebungen des Leibes und des Geiftes üben und felbft die That- 
kraft und den Muthwillen ungehindert zeigen und verfuchen dürfen, die ein Vor⸗ 
ſpiel männticyer Tapferkeit und oft des Löwenmuthes find, welcher im Kriege 
nie fehlen ſollte. Der Orundfag muß daher in der Leitung und Ueberwadhun 
feſtſtehen, Nichts zu hindern, was nicht durch dad Gefeh der guten Sitten un 
des Anftandes verboten if. Die Freude in dem Rechten und Guten erwacht bald 
und lernt dad Ebenmaß finden, welches den Menfchen im ganzen Leben nicht 
verlaffen ſollte. Den Naturen, welche diefes felbft nicht finden können, muß die 
Strenge in Allem entgegentreten, welche vom Niedrigen und Echlechten wehrt, ohne von 
fi) abzuwenden, die Strenge mit der Liebe verbunden, weldye gern dem Irrenden ver- 
zeiht u. den Gebeflerten eben 10 lieb oder lieber haben kann, wie den, welcher nie das Maß 
verliert, Geht ein folcher Ernft und Liebe aus rer Natur und aus religiöfer Ueber: 
zeugung und Sorgfalt für dad Wohl des Kindes hervor, hat fie in dem religtö- 
fen Bewußtfeyn die nöthige Confequenz, im Hinblide auf das Ziel, fo fann nicht 
leicht ein Kind längere Zeit dieſer Macht der Erstebung widerftehen,, es befreun- 
det ſich mit derfelben, ſchenkt Bertrauen, gewinnt Liebe dafür, iſt davon über: 
wunden und nimmt das Gute auf, was ihm geboten wird. Freudiger, pünft- 
licher Gehorſam ift die natürliche Folge davon, gänzliche Hingebung folgt felbft 
dann, wenn das fonft Erlaubte veriant werden muß. “Denn Ueberwindung, Zu: 
friedenheit, Geduld, wo ein höherer Wille und Auctorität gezeigt werben, ift bie 
höhere Stufe, welcher die chriftliche Erziehung zuftreben muß. Ernft, Liebe und 
Confequenz dürfen dabei aber nie fehlen. — Solcher Einfluß des Menfchen grängt 
an das Geheimnißvolle der ummittelbaren verfönlichen Berührung, beruht aber 
jedenfalls auf der Macht der otjektiven Wahrheit und der Wahrbaftigfeit des, 
jene Wahrheit vertretenden, Subjektes, zugleich aber audy auf der Liebe und dem 
Berirauen auf diefelbe, envli auf dem Ernfte und den Conſequenzen, welche 
allen menfchlichen Beziehungen zu Grunde liegen. Diefe find die pädagogifchen 
Kräfte, welche die Perfönlichkeit jenes Menfchen, um fo mehr des Kindes, für's 
anze 2eben bilden und formen loönnen. Am Meiften ift es aber bie religiöfe 
Bahrheit, Liebe und Confequenz, weldye unwiderftehlich einzeln und zuſammen 
wirken; ja, andere Beziehungen biefer Kräfte vermögen nur fo viel, als fle auf 
jenen beruhen und daraus Leben und Kraft entnehmen. Die religtofen Wahr: 
heiten müfjen daher den Zögling überall umgeben, in direfter und indirefter Form 
an fein Herz und Ohr anfchlagen, durch Unterricht, wie durdy Gewöhnung fein 
@igentbum werben, im Glauben, im Begriffe, in der Geſittung ihn erfaflen und 


Unterriät, 401 


eine Gefühle, Denk» und Anfchauungswelfe leiten und bilden. Denn die mächtige 
Kraft, welche fie fo begierig und erfolgreich aufnimmt, ift er felbft, ik der Menich, fi 
der nach Bott ſich ſehnende Geift, ift der auf Erlöfung und deren Freiheit harrende 
Befangene, weldyer, in hülflofer Hülle und in jedem Unvermögen geboren, nach 
Kräftigung firebt und ringt, jvden Lichtfirahl von oben begierig und dankbar 
aufnimmt und ſich daran entwidelt, flärft und emporarbeitet. Singebend und 
gläubig, wißbegierig und Arebfam, hält fie felbft im Kinde feſt und greift durch 
all den Wechſel und Schein nady dem Kern und Mittelpunfte durch, nach dem 
die Weiſen aller Zeiten vielfach vergebens gefucht haben. — Nadydım wir im Bors 
Rehenden den aligemeinen Begriff von Erziehung und Unterricht feftgeftellt, haben 
wir beide in ihren Bertehungen zum Staate zu betrachten. Zachariä, den man 
klerikaliſcher Sympathien ſchwerlich bezücdhtigen wird, fagt in feinen vierzig Bü- 
chern vom Staate (Umarbeitung, Heidelberg 1842, Bp. VI.) fehr treffend: eine 
polttifche oder eine Rationalerziehung if eine Volkserziehung, welche, 
fowte fie allein dad Werk des Staates ift, fo audy allein das Interefle des Staates 
— das eines beflimmten Etaates — beiwedt. Da die neue Bolfserziehung ſchlecht⸗ 
bin und allein dad Werk des Staates ift, fo ſchließt fie (in der Idee) eine jede 
andere planmäßige Erziehung, ſowohl die elterliche, als die Kirchliche Ergtebung, 
aus. Der Zwed der Ratlonalerziehung kann nur der Vortheil eines beflimmten, 
in der Erfahrung gegebenen Staates feyn. Durch den, allen Staaten gemein, 
ſchafilichen, Zwed läßt ſich die rechtliche Zuläffigkeit oder Nothwendigkelt einer 
Rationalerziehung nicht begründen. Denn zufolge dieſes Zwedes find die Mens 
ſchen nicht (mie es doch die Idee einer Ratlonalerziehung mit fidy bringt) des 
Staated wegen, fondern iſt der Staat der Menfchen wegen da, aus welchen er 
beſteht. So gewiß audy die Mittel verfchieven feyn Fönnen und verſchieden feyn 
müflen, von welchen der Staat zur Erreichung des Zweckes einer Rarionalerziehs 
ung — und, je nachdem diefer Zwed bier dieſe, dort andere Veſonderheiten hat, 
bier unter diefen, dort unter jenen Verhältniſſen zu verwirkticdyen ift — Gebrauch 
zu machen hat: allemal wird zu einer Rationalerziehung aud eine National» 
religton vorausgeſetzt. Das heißt nicht jo viel, al& ob, wo es eine Wational- 
erziehung geben folte, auch der Glaube und der Kultus des Volkes das Werf 
des Staates feyn müßte. Eine poſitive Religion, die blos Menſchenwerk if, 
kann unter feiner Vorausſetzung zu dem Anfchen einer öffentlichen Religion, oder 
zu einem dauernden Einflufie auf die Denk- und Gemüchsart der Menſchen ges 
fangen; fondern nur fo viel fol mit jenem Satze gelagı feyn, daß eine Natio⸗ 
nalerziebung nur unter der Bedingung beftehen und gedeihen kann, daß fte fich 
an die Religion unmittelbar anfchließt, oder mit der Religion gleichſam verwebt, 
welche nach dem Btauben des Volkes auf einer görtlidhen Offenbarung beruht 
und daß nur der Staat diefe Religion, ihrem Anfehen und ihrer Unabänderlich⸗ 
keit nach, den Einrichtungen gleichftelt, weiche er ſelbſt in dem Interefie der 
Rıtioralerzichung getroffen hat. Uebrigens liegt auh das in jenem Sape, 
dag eine Religion, um einer Nutionalerztehung zur Grundlage zu dienen, aud) 
ibrem Inhalte nad eine Nationalreligion ſeyn muß. Denn, wie fönnte 
fie fonft zur Erreihung des Zweckes dienen, welchen eine Narionalerziebung 
ihrem Wefen nad hat — die Menichen, aus weldyen ein gegebener Staat bes 
ſteht, ausfchließlidy zu Bürgern diefes Staates zu bilden?" .... Wenn nun 
Zadhariä diefen Sägen, deren einluchtende Wahrheit wohl feiner Bekräftigung 
oder Erläuterung bedarf, die Bemerkung beifügt: eine Nationalerziebung Tönne 
fi nur bei einem Volke erhalten, welches von der übrigen Welt möglichft ab⸗ 
geichtoflen fei; bei den chriftlichen europäifchen Bölfern aber, beſonders denen 
germanticher Abfunft und bei der heutigen Entwidelung des Verkehres fel deren 
Durchführung eine reine Unmöglichkeit: fo iſt hiemit audy binreichend der Plan 
irgend einer Staats⸗ und Rationalerziehung dharafterifirt. Indem wir und nun 
den Berhältnifien des Unterrichts in den hauptiälichkten europäifchen Staaten 
zuwenden u., wie billig, mit Deutſchland beginnen, legen wir unlırer Datlung, 
Realencpcelopädie. X. RG 


1 


AR Unterricht. 


den Gab zu Grunde: die Frage bed Unterrichts ruht in der religiöfen Frage, 
d. h. in der Frage über die Gtellung ber Kirche zum Staate, wie wie Seele in 
dem Leibe. Der Hauptwerth unferer deutichen conftitutionellen Berfaffungen Tann 
nur darin beſtehen, daß fie das, was des Staates iſt, genau zu ſcheiden fuchen 
von dem, was der freien Gelbfibefimmung feiner Glieder vorbehalten ' bleiben 
fol, Dahin gehört Alles, was zum Zwecke ihrer eigenen yerfönlicyen Befriedig⸗ 
ung gereidhen u. won ibnen felbft, ohne die pemeinfüme Sicherheit zu gefährden, 
durch perfönliche Anftrengung und Kraftentwidelung erreicht werden mag. 
der Etaat fol nur dem Zwecke der perfönlichen Befrteninung feiner Glieder 
dienen und, wınn er auch nicht auf den bloßen Sicherheits; zu befchränfen 
iR, fo kann er doch, was darüber binaus liegt, nur durch fretwillige® Zufammen 
wirfen feiner Glieder erreichen. Diefed Zufammenmwirfen ift in AUlem, was ben 
Glauben und den Cultus berührt , unmöglidy geworden durch die Religtonsfpalt- 
ung des 16. Jahrhunderts und Rligiones und Gewifienefreiheit ift daher, nebſt 
der Preßfreibeit, das Eıfte, was wir felıdem vom Staate begehrten und was 
unfere heutigen Berfafjungen und auch, als eine Kolge oder „Errimgenfcbaft” der 
legten Märzürme, gewähren. Diefe Freiheiten find untrennbar: wozu das Ger 
wiſſen uns treibt, das müflen wir auch frei äußern und befennen bürfen und 
zwar nicht blos in Hinficht der Religion und des Cultus, fordern auch in 
inficht der ſiulichen und wiffenfepahtichen Ueberzeugungen. Diefes Alles if 
ache des Gewifl:nd und, was wäre Gewiffensfreibeit, wenn fle nur in dem, 
der Gewalt ohnehin unerreichbaren, ®ebiete der Gedanken und Empfindungen bes 
Aande? — Was der weitphälifche Friede den Ständen des deutſchen Reiches 
cherte, das jus reformandi, d. b. das Recht, den Glauben und die Religions, 
übung in ihren @ebieten zu befimmen und zu ändern, das ift durch unfere Ber- 
faffungen jegt Gemeingut aller Deutichen geworben; und wie ber Banbaraf 
Moriz von Hefien te: „die Freiheit in Religionsfachen iſt der Stände 
höchftes Regal,“ fo erbliden auch wir darin das höchfte unferer politifchen Rechte 
Unfer Gebiet it unfer Haus und unfere Familie. Darein eingreifen, um unfere 
Kinder zu einem Unterricht au nöthigen, der unferem Gewifien widerftrebt, das 
heißt nicht blos das Koftbarfte unferer politiſchen Rechte verlegen, fonbern ge- 
radezu die erfle Grundlage des öffentlichen Friedens und politifchen Beſtandes 
mit frevelnder Hand angreifen. Während in der Berfafiung die Scheidung des 
Staates und der Kirche und die freie Wahl des Glaubensbekenntniſſes geficyert 
wird, tragen Mitglieder von Deputirtenfammern unter Beifall, (wie es vor einigen 
Sahren in der badifchen Kammer gefchah) auf Aufhebung der Confeſſtons ſchulen 
und auf Herftellung gemifchter Staatsichulen an, „um die fo wünfchenswerthe 
Bereinigung beider Confeifionen zu einer wahren chriftlidyen Kirche zu fördern“. 
Das Eyftem der Etaatsfchulen u. nody mehr die ganze Lehre von dem Staates 
hoheitsredht und Staatdmonopol der Erziehung und des Unterrichts if ebenfo 
unvereinbar mit dem Buchftaben der deutichen Berfaffungen, wie mit dem Geiſte 
chriſtlicher Staaten. Gegen diefe letztere Behauptung wird umfonft der hiftorifche 
Beweis verfucht, daß die Kirche ſelbſt die Echulanftalten des Etaates u — 
defien Einfchreiten ſogar bervorgerufen und zur Durdyführung des von e⸗ 
abſichtigten Unterrichteſyftems bereimmillig die Hand geboten habe. Schon ber 
Verſuch diefes Beweiſes zeugt jedoch von einem völligen Mißverftändnifle der 
Geſchichte. Die Kirche hat nie die weltlichen Wiſſenſchaften für unentbehrlich 
gehalten oder gering geachtet, mithin auch nie gegen weltliche Schulen Etwas 
einzuwenden gehabt. Sie hat immer und in allen Stüden den Grundfah feſt⸗ 
ebalten, daß die Staatsgewalt zu Allem, was die im Staate öffentlidy aner- 
annte Glaubens⸗ und Eittenlehre fordere, oder nad) derſelben dem Bolfe heil 
fam fei, ibre Macht gebrauden und die Säumigen oder Widerfirebenden zur 
Eifuͤllung ihrer Pflichten anhalten folle. Aber fle bat fletd und überall die An⸗ 
maßung belämpft, irgend eine menſchliche, blos von Staatswegen defretirte, Lehre 
bes Bolfe gegen fine Ueberzeugung aufzubringen und bat Rets und überall den 


Unterricht. 403 


zebrauch der Wiſſenſchaft verworfen, der, ftatt die eisige Wahrheit zu fördern, 
ur fie zu verbunfeln und von ihr abzuleiten ſtrebte. Sie muß alfo ein Schuls- 
pftem verwerfen, welches geradezu die Lehrgewalt der Kirche läugnet und für 
en Staat in Anfpruch nimmt; welches, das wahre und rechte Verhältniß um: 
ehrend, die weltliche Wiflenfchaft zur Hauptfache, die religiöfe Erfennmiß zur 
Rebenfadye macht und die Bildung der Staatsangehörigen für diefe Welt als 
a6 Weſentliche und Unerläßlicyhe, die Erziehung der Menfchen aber für jene 
Belt als dad Allergleichgültigſte, als eine Geſchmackſache fo zu fagen jedes Eins 
!inen, behandelt (Hiſtoriſch⸗Politiſche Blätter für das kath. Drutfchland, Bd. XIV., 
yeft I. 1844. Weber das Schulweſen in Deutichland). Ohne fih übrig ns auf 
en Standpunft der Kirche au ftellen, vom rein weltlichen Standpunfte aus, muß 
der, nicht von der Leidenſchaft Geblenvete, einfeben, daß im Erziehungs⸗ und 
Interrichtewefen von einer auefchiieglichen Berechtigung des Staates e, went 
18 der Kirche, die Ride ſeyn kann. Mit Recht haben ſich die Katholifen in 
jranfreich gegen ven Vorwurf verwahrt, als befämpfien fie dad Monopol des 
Staate® nur, um das der Kirche oder gar das der Jeſuiten an die Etelle zu 
ten. Nicht für den Staat, nicht für die Kirche iſt der Menfch au erziehen; 
ondern für fein eigenes Heil, d b. für die Freiheit und für Bott. Denn durch 
ie Freiheit fol er au Gott u. durch Gott foll er zur wahren freiheit gelangen. 
Im der Freiheit millen theilt ſich aber die Menſchheit in nie Wirfungsfreife des 
Staate® und der Kirche und des, die Befriedigung des Einzelnen ausfchließlich 
eswedenvden, Privatlebens und Feiner gekört einem diefer K’eife allein an; feiner 
ann und darf fi daher auf einen diefer Kreife alletn beichränten. Keiner fol 
nd Darf folglich auch für einen diefer Kreife allein gebildet werven, fondern es 
at, wie auch Immer die Berufsarten der Einzelnen fich thellen, jeder von dieſen 
Preifen an Jeden von und feine eigenen Aufprüde und für feine Bildung das 
Seinige zu leiften. Es entiprechen aber dieſe drei Wirfungafreife den drei Haupt⸗ 
ichtungen der menfchlichen Entwidelung, nad der Seite des Gemürhed, der 
eifiaen Erfenntniß und der äußern Tharfraft und, wie die Perioden diefer Ents 
videlung duf einander folgen, jo fellen naturgemäß audy die Einwirkungen dieſer 
rei Rebensfphären auf die Errichtung und Bildung jedes Einzelnen fi) ablöfen, 
zuerſt alfo gehört der Menich dem SKreife der Yamilie und des Privatlebens an, 
0 er allein unter der pflegenden Hand der Mutter, der Verwandten und Wohls 
häter, lieben und vertraurn und aus Liebe und Vertrauen folgen und gehorchen 
ent. Dann übernimmt ihn die Kirche, um ihn zu unterwellen in der Wahrheit 
nd ihn felbfiftändig zu machen In jenen Weberzeugungen, von welchen fein zeit 
iches und ewiges Heil abhängt. Endlich, wenn der Zeitpunft der fittlichen 
Reife gefommen, tritt der Staıt an ihn heran mit der Forderung, daß er nun 
er in ihm auffelmenden Kraft auch eine nügliche Richtung gebe und vermittelft 
er, vom Staate negründeten, Unterrichtsanftalten ſich rüſte; um feine Stelle in 
er menfchlichen Gelellfchaft auszufüllen. Diefe Scheidung der Perioden der 
Auslichen, kirchlichen und politiichen Erziehung tft nicht nur in der Natur der 
Sache gegründet, fondern auch durch den heutigen Stand der wiffenfchaftlichen 
Erfenntniß und des gefellichaftlichen Lebens zur unbedingten Rothwendigfeit ges 
yorden. Da es keine Staatsreligion mehr gibt, fo fann der Staat feine Anger 
örigen für feine Zwecke und Anftalten erft dann in Anfpruch nehmen, wenn fie 
ereits religiös ſelbſtſtändig find. Ueber Zufammenhang und Gliederung der 
senfchlichen Erkenntniſſe ift Täufchung nicht mehr möglih. Es iſt durdy allzu 
ittere Erfahrung Har geworden, wie alle befonderen Eikenntniſſe nur auf ciner 
Ügemeinen Grundlage beftehen Tönnen, die man entweder fich feiber macht, oder 
18 gegeben hinnimmt und benügt. Diefe allgemeine Grundlage ift die Arficht 
on dem Urfprunge und Endziele des Menſchen. Wie die Idee des Seyns allen 
Inzelnen Behauptungen von irgend einem Dafeyn zum Grunde liegt, fo ift dieſe 
Borftelung von des Menfchen Urfprung und Ende die fiillichwelgenne Borands 
$ung, von der alle feine Beflrebungen getragen werden. Würd grwiunt Kt 
25 * 


Pr | m 


44 unterricht. 


uns eine andere Geſtalt und Bedeutung, je nachdem wir in dieſer Beziehung ber 
heiligen Weberlieferung trauen, oder auf unfere eigene Forſchung und Einficyt uns 
angewieſin glauben; Ziel und Streben des Unterridht wird augenblidiich ein 
andered. IM die Aufklärung über das, worauf zuleht Alles anufommt, als der 
Preis unferer eigenen invividuellen Anftrengungen auögefegt, fo iſt kühnes Selbſt⸗ 
vertrauen dad Erſte, was und Noth ıhut und, von ficherem Gefühle geleitet, 
fucht auch der Schüler vor Allem damit fi) audzurüften. Es bedarf nicht, daß 
der Lehrer es ibm predige; wollte er hindern darin, er Tönnte es nicht. “Die 
nothmwendige Folge iR, daß der Schüler zunächft feiner Natur folgt, wie fie iſt 
und höchftens der Gewalt weicht, wenn es auf ihre Befriedigung ankommt. 
Nimmt er auch ihre Eingebungen nicht für den abfoluten Maßſtab aller .Wahrs 
beit, fo betradytet er doch jedenfalls das Spiel derfelben ale —— 
für das Reſultat ſeiner geiſtigen Forſchungen und ſucht im glücklichſten Falle 
feine Zeit fo zu theilen, daß das finnliche Leben nicht ſtörend eingreife im feine 
geiftige Thaͤtigkeit. Die Bildung fcheidet fi) dann von der Willen ft und, 
wie diefe ſich oft mit der größten Robheit gepaart, fo findet fich jene nicht felten 
bei der ſchmachvollſten Unwifienheit bis zur übermürhigften und weichlichken Ber; 
feinerung gefleigert. So wird der Unterricht verfchmäht, oder nur als ein Mittel 
zur ei ehlgumg ded Hochmuths und des Eigendünkels, oder der allergemeinften 
Eelbftfucht t. Es bedarf nun wohl nicht erft der Bemerkung, daß auf der 
©rundlage der Veberlieferan nur die Eatholifche Lehre rubt und Angeſichts ber 
allgemeinen Erfahrung, bie In unferer Zeit nur allzufehr vie Richtigfeit des eben 
Borgetragenen bezeugt, wird wohl Niemand, ver dieſes beherzigt, zu behaupten 
wagen, dab es einen confefflonell gleichgültigen Unterricht in irgend einem Zweige 
ber Erfenntniß geben Finne Ganz borzüg ch aber gilt unfer Sag von dem: ſo⸗ 
annten Eaffifchen Unterrichte. Wohlweislich hat die Kirche und baben alle 
schlidy gefinnten Meifter der Erziehungokunſt, bei der voliften Anerkennung der 
Unentbehrlicykeit und bildenden Wirkſamkeit dieſes Unterrichts, doch ihr Haupt⸗ 
augenmerf darauf gerichtet, daß er nicht andere, als auf eine ganz fehle und ent 
widelte religiöfe Etkenntniß geimpft und durch und durch von der lirchlichen 
Disciplin beherrſcht werde. Man muß die Ordnung der erften chriftlichen 
Schulen der Vorzeit, die Anweifungen eines Hieranymus, Auguftinus, Caſſiodor 
und Bincenz von Beauvais gelefen haben, um in unferer Zeit ſich eine Vorſtell⸗ 
ung von dem Umfange diefer Fürſorge zu machen. Alle war darauf beredynet, 
die ganze Fuͤlle der formellen ——— aus den Geiſteswerken der Alten ſich 
anzueignen, den Geiſt des heidniſchen Alterthums aber fern zu halten. Seit 
der ſogenannten Wiedergeburt des wiſſenſchaftlichen Studiums ſucht man aber 
mehr u. mehr gerade mit dem Geiſte der Alten ſich zu durchdringen und — dann 
fol ein geiſtlicher Religionslehrer mittelſt einiger Unterrichtsſtunden die Schüler 
zu Ehriften bilden! Rur eine, von proteftantither Anfchauungsweife fo gänzlich 
beberrfchte Zeit, wie die unferige, Tonnte über die Bedeutung einer blos theoret: 
ifchen Belehrung fich in folchem Grade täufhen. Man glaubte zulegt noch ges 
wiffermagen ein Ueberflüffige® für die religtöfe Richtung des Unterrichtd und die 
kirchliche und confeſſionelle Eidyerung der Schüler zu thun, wenn man dem Res 
Iigionslehrer einen religiös gefinnten, bei confeifionell gemifchten Schulen für jebe 
Religionspartet befonder6 gewählten, Lehrer der Geſchichte an die Seite flellte; 
ale ob ein Lehrer, der den vom Geifte des Heidenthums erfüllten, Schülern die 
Greignifie der Vorzeit aus chriftlichem Gefichtöpunfte zu betrachten befieblt, bei 
diefen den geringften Glauben finden Fönntel Man wird unfere Weußerung viel 
leicht hart oder mindeftens gewagt finden; aber, wenn die oft wiederholte Bes 
hauptung von einer relativen Weberlegenheit der proteftantifchen Studienanſtalten 
in Deutchland über die fatholifchen einigermaßen gegründe ift, fo fdheint ung, 
abgefehen von einer Menge anderer Urfachen, die dabei in Betracht kommen, ein 
Hauptgrund darin zu liegen, daß der Geift des Proteſtantismus, wie er aus 
dem WBiedererwachen ber humaniſtiſchen Studien gleichfam ſich entwidelte, fo bei 


Po, 


Intel. u 
fortfchreitenben Ausbildung auch dem Eindringen in den Geiſt ber Witen 
seit förberlicher erweifen mußte, als der katholiſche Glaube. Die — 
mg aber, ‚von ihrer eigenthuͤmlichen Grundlage losgeriſſen und in die 
en Bahnen mehr und mehr hineingezogen, mußte immer. fchwächer und 
cher werden. Auch da, wie in Sachen der gemifchten Ehen, mußten wir 
Heußerfien gebrängt werben, che wir den Abgrund erkannten, der unter 
m Füßen gähnte. Jegttt iR die Krifiß eingetreten und vermehrter Drud, wo 
ufinden follte, wird nur dazu dienen, die Heilkraft ver Kirche mächtiger zu 
en um» die rüdläufige Bewegung zu befchleunigen. Das Staatsmonopol 
Interricyts Tann nicht länger mehr vor der öffentlichen Meinung befehen. 
zum Hoheltörechte geftempelte Monopol des Unterrichts und der Erziehung 
: nur auf das Präftigium, d. 5. auf das blendende, Alles überfirahlende Ans 
womit die weltlichen Regierungen felt dem 15. Jahrhundert in immer flei- 
m Maße ſich umkleideten und auf den Blauben und das Bertrauen, womit 
‚ölfer von dort an, beſonders in Hinficht ihrer geifigen und ſittlichen Ins 
n, immer ausfchließlicher ihnen entgegenfamen, gegründet: werben. Dieſer 
er iſt vernichtet und jened Anſehen der Renierungen und der Blaube an 
Staat {ft leider bereitö unter das gebührende Maß heruntergefunlen u. noch 
e im Sinken begriffen. Wo ift noch Wutorität, auffer bei der Kirche u. 
olfeführern, wie D’Gonnell, die in Ser religiöfen Uebereinſtimmung mit 
Raflen und in der hervorleuchtenden B ng fireng fittlicher Ueberzeng- 
das Geheimniß einer begeifternden Wirkſamkeit gefunden oder bewahrt 
? Ohne Autorität indefien iR Teine Erziehung und fein Unterricht, ins⸗ 
ere aber Feine harmoniſche, einheitliche Kührung der Unterrichtes und Er⸗ 
gsanſtalten möglich. Und was find Wrziehung u. Unterricht ohne Ginheit 
Führung? ar jeder Lehrer in unferen öffentlichen Unterricdhtsanflalten 
ber Grund, Ziel und Mittel der Erziehung feine befonderen Anfichten, met 
itſchiedenen Anficht, fie nach Kräften geltend zu machen. Keiner hat in der 
von jenem Gehorfam, ver felbft die Einfiht und Ueberzeugung einem 
ı Ermeflen unterzuordnen gebietet, auch nur bie entferntefte Sorkelung; 
e find, die nicht, wenn fie könnten, zu Reformatoren over mindeflens zu 
tern fich aufwerfen würden. ———* Befehdung unter ihnen, Un⸗ 
bung ihres Anſehens, Uebereinſtimmung nur in der Nichtbefolgung der vor⸗ 
jebenen Methoden und in der Nichterfüllung der von der Regierung funds» 
men Abfichten iſt die Folge davon. Und da hilft fein Befehl und feine 
lt; was nur die Frucht des einträchtigen, freiwilligen Zuſammenwirkens 
: jeyn Tann, das läßt fich nicht erzwingen, Darım tft in Unterrichtöges 
und Schulplänen Fein Hell. Nur vie freie Concurrenz kann wieder den 
und die Kraft weden zu gedeihlichem Wirken. Die Unterflübung des 
es fel dann der Preis des beften Erfolges. Unter dieſer freien Concurrenz 
yen wir indefien nicht einen Zuftand, wo die Regierung die Zügel aus ber 
ließe, um das Unterrichtds und Erziehungsweſen dem Spiele des Zufalle® 
dem Unweſen hbabfüchtiger Spekulanten preiözugeben. Wer unfere Worte 
deutete, würde und eben fo mißverſtehen, wie der Minifter Villemain ger 
He Abfichten der franzöftichen Biichöfe mißdeutete, als er in der Batröfam- 
uörief: „es müſſe ſich zeigen, ob nun völlige Anarchie berrfchen folle, oder - 
etwa eine Kiafle von Unterthanen gebe, die, unter Berufung auf ihr Ges 
‚ fi) über jedes Geſetz erheben und aller Aufficht entziehen könnten.” Dars 
chte die franzöftfche Geiftlichkeit nicht; aber, Indem fte fi) in ihrem Wider⸗ 
gegen den pantheiftifchen Unterricht der franzöftfchen Univerfität auf ihr Ge⸗ 
berief, berief fie fich auf ein Geſetz, welches in Frankreich u. in der Eharte 
ich anerkannt iR, auf dad Geſetz des chriftlichen Glaubens, ald defien Or⸗ 
e auftrat. Sie begehrte .nicht zügellofe Freiheit; aber fie proteftirte gegen 
vernünftige und tyrannifche Umkehrung der Berhältniffe, wonach die I 
gen über den Glauben zu Gericht fiten und, ald gäbe *& tee Shrdge \m 


— ⏑ 


/ 


406 Unterricht. 


Frankreich, wonach von dem Geiſtlichen, der eine Schule errichten will, nicht das 
Zeugniß eines Biſchofs, ſondern das Zeugniß und die Empfehlung von Leuten 
gefordert wird, die entweder als @läubige von ihm Belehrung und Anweiſung 
zu empfangen hätten, ober als Lingläubige in der Lage find, durch ihr Lob ihn 
zu fchänden und durch ihren Tadel gerade fein Lob zu verfünden. So begehren 
auch wir in Eachen des Unterrichts und der (Erziehung feine andere Freiheit, 
als die, welche in Sachen des Glaubens befteht. Unter diefelbe Autorität, wie 
der Gläubige, fei auch das mit dem Glauben fo eng verknüpfte Unterridytss und 
Graichungötwefen geftellt und, wie die Wahl des Bluubensbelenntnifies, ſei auch 
die der Unterrichtsanftalten freineneben, biß zu dem Yugenblide, wo der Eintritt 
in das öffentliche Leben die Erfüllung der für den Dienſt des Etaates erforder: 
lichen Befähigungsvorfchriften notwendig macht. If die Rüdtehr zur Cinheit 
ded Glaubens überhaupt noch möglich, To iſt fie gewiß nur auf dieſem, vom 
Könige von Preußen bezeichneten, Wege des Wetteifers unter den, um ben 
Ramen der chriftlichen ſich freitenden, Glaubens» Parteien zu hoffen. Es iſt eitele 
Berbiendung, ESpiegelfechterei der Leidenfchaft, wenn man in diefer Unterridyts- 
frage mit den Geſpenſtern von klerikaliſcher Ufurpation und hierarchiſchem Des⸗ 
potismus fich und Andere ängftigt und dagegen mit Planen von Säcularifirung 
des Unterrichts und politifcher onopolifrung des. Erziehungsweſens fidy ders 
umträgt. Es fäcularifirt fidy Alles von ſelbſt: die Menfchheit läßt fich in dem 
gebeiligten Kreife religiöfer Betrachtung nicht feftbannen. Sie fchmeichelt fich 
aber auch vergebene , immer und ewig auf den üppigen Auen bes irpifchen Les 
benogenuſſes fich herumtreiben und blod mit den Fruͤchten ihrer Außern, zeitlichen 
Betriebſamkeit erlaben zu Tönnen. Es kommen die Tage der Trübfal, «6 fommen 
die Tage des Alters, wo fie nothgedrungen wieder ihren Blick zurückwendet nad) 
den Gegenden ihres Urfprungs, nach den Höken, von wo fie herabgekommen u. 
fragt nady dem Baterhaufe, wo fie einfehren möge. Solche Tage find über uns 
gekommen, wir find ein alternde® Geſchlecht und die Lenker der Etaaten ſtem⸗ 
men ſich vergeblich wider den mächtigen Zug, der die Maſſe der Müpden und 
Sehnſüchtigen fortreißt, entweder mit raſchem Eprunge fid der Vernichtung zu 
weihen, oder in der Rückkehr zu Gott den Frieden zu —* der allein noch als 
ein wahres Gut fie anzuziehen, auf ihre welke Phantafie eine Art von Reiz zu 
üben im Stande ifl. „Fret will die Wıflenfchaft feyn und nur im örtlichen 
ihr Maß, ihre Ordnung finden.” Was Wunder alfo, wenn in unferen Tagen 
der Emancipation aller Kräfte die Wiffenfchaft auch ihre Freiheit fucht von den 
Banden der Unterrichtspolizei ded Staates, welcher mit feinem äußern Zwange — 
und zu dieſem hat er die Sanftion feiner Autorisät felbft herabgewürdigt — bie 
geifiige Höhe der Wiſſenſchaft nicht erreicht; wenn die Schule die Polizei nicht 
als eine Edenbürtige, geſchweige als eine Höhere anerkennen will. Und hat denn 
diefe Unterrichtöpolizei mit ihren Argusaugen das Heiligthum, die Unf der 
Schule bewahrt? Hat fie nicht vielmehr den Unteiricht ale einen Diebsſchlüſſel 
in das Heiligthum der Kirche gebraucht und ‚mit deren Außerer Autorität die 
Geltung des Staats felbft erfyürtert und begraben? Hat fie nicht aus ihren 
Schuliehrerfeminarien Schaaren von Volkolehrern entlaſſen, welche in eiteler Halb» 
wifleret gerade das nicht gewonnen haben, was die Grundlage jedes gefegneten 
Bolkdunterrichts feyn muß: Die Religiofität, welche, flatt angehalten zu wer: 
den, fich fireng an die Aufgabe ihres Amtes zu halten und dieſes in einer langen 
ſtärigen Praxis eins und dürchzuũüben, hinaufgeführt wurden in eine Reihe von 
Wiſſenſchaften, für welche den Schülern die Vorbildung gebridht, von denen fie 
nur Bruchftüde in unficherem Dunfel entwenden und ſtatt Gründlichkeit die Halb⸗ 
beit in ihrem Berufe erholen, Edel vor dem, nad ihrem Dünfel als zu nieder 
erfcheinenden Gefchäft, ſtatt Gottesvertrauen den tödıenden Efepticidömus gefunden 
abın?...* Und damit ja die Äußere Organıfation ded Wolfsiehreribumd dem 
nnern Gewirre ihrer Pflanzſchule entſpreche, hat man fie von der Geiftlichkeit 
Dis zur Ungebühr emancıpirı, ihnen einen offiziellen Inftinft gegen das Kirchliche 





* 


Unterricht. 407 


ingebilbet. Die Früchte folder Berbildung find auch nicht ausgeblieben: in dem 
Stande diefer Schullehrer hat ſich eine fürmliche Oppofition, nicht blos gegen die 
Kirche, fondern gegen den Staat ſelbſt erhoben und, fo vielerlei in diefen Schu⸗ 
len getrieben wird, ein fittlicher Erfolg will fidy bei ihnen nirgends zeigen und, 
wird auch das Werkzeug ded Lernens mitunter ordentlidy herangezogen, der ns 
halt bleibt aus, die gotteafürdhtige Lehre, welche wie im Syſtem den ganzen Uns 
terricht durchſetzen foll: ein Mangel, den die ausnabmsöweiſe Nachhülfe der Geift- 
lichen oft nicht heilt“... „Die Schüler wenden fi aber aus der Bollsicyule 
mitweder zu gelehrten, over zu gewerblichen Berufen. Yür die Iegteren hat bie, 
ie Induflrie anbetende, Zeit in vielfachen Abftufungen gewerbliche Schulen anges 
egt, allein mar hat meıft mit dem Gipfel_ den Bau angefangen und, wie ges 
verblicye Univerfiräten, die polytechniichen Echulen zuerſt gegründet, ftatt fie auf 
Yie breite Unterlage nieberer gewerblichen Schulen zu flüben und dieſe mit der 
Nebung in den Werlſtätten in lebendigen Verband zu fegen. Go fehlt das Fun⸗ 
zament, allein auch dem ganzen gewerblichen Lchrfreife die Unterorbnung . . .” 
‚Bür die Erziehung efchicht aber an diefen Schulen gar Nichts und fo zeigen 
ie denn auch bald eine auffallende Berwilderung ihrer Jugend. Den Schülern 
er Gelehrtenſchulen geht ed in diefer Beziehung nicht befler: die Disciplin 
R vor den Phantomen einer fid, fo nennenden Selbftentwidelung der Zöglinge, 
8 des Prinzips diefer Schulen, bier zurüdgewidhen. Und ver verviefältigte 
tchrftoff und feine Anordnung hilft nad. Es wird allerlei und zu vielerlet ges 
tieben und Richts zu einer ernften Vollendung gebracht. Was aber am mceiiten 
ihadet, ift dieſes, daß hier jede Cohärenz der Lehre mangelt, wodurch fie ſich zu 
nem lebendigen Syſtem geftaltet und die Jugend fi) fo unterordnet, daß es, 
mr zweiten Ratur geworden, ſie ind Leben begleitet. Die einzige Einheit, weldye 
ih Darftellt, ift ein mechanticher Schulplan, ſelbſt ohne Leben und fomit unvers 
nögend, Leben zu geben. Die Lehrer aber, aus Laien und Geiftlichen genommen, 
yaben fein Programm ald Alle bindended Eymbol der Schule. Jeder lehrt nach 
igenem Styl und Zug. Alle Lchre bleibt fo zerriffen, und die Sehnſucht nady 
ebrenden Affocistionen mit einer einheitövollen Doctrin und Dieciplin erwadt 
si den Einfichtövollen täglidy fordernder. Werl aber bei der zurüdtretenden Er⸗ 
iehung Zucht⸗ und Sittenlofigfeit -eintritt, fo fenden viele gewifienhafte Haus⸗ 
yärer gleich Anfangs ihre noch unverdorbenen, oder ihre in den Mutelichulen vers 
jorbenen, Söhne Ind Ausland zu lehrenden Gongregationen, welche fie ale wohl 
ınterrichtet und geftttet, die verwildert empfangenen aber gebeflert zurüdgeben. 
Ind diefe Zufammenhangßlofigfeit, diefe wiſſenſchaftliche und kirchliche Glaubens 
oſigkeit und der Unglaube in beiderlei Bezichung wulten gleidy verheerend an den 
Inıverfitäten. Unter dem Drude der Unterrichtspoltzei kann fig ein inpivi- 
ueller Charakter diefer Anftalten nicht aueprägen, fo daß cine, in Wiſſen und 
Wollen übereinftimmende, Zahl von Lehrern Ähnlich geftimmte berufen können und 
o ein beflimmtes, charattervolled Lehramt ſich zu erbauen vermöchte. Wäre 
ad Ergebniß einer folhen Majorität die Berneinung, fo würde fie, fi 
elbſt verneinend, ſich batd vernichten und dieſes wäre eın Gewinn. Wäre aber 
iefe Mehrheit eine erbauende, fo wäre diefed ohnehin ein Segen. Solche frucht- 
are Einheit will die, das Kultusminifterium erfüllende, Bureaufratie nicht fehen. 
Jivide et impera, gilt auch hier. Iſt eine gute Lehrkraft wie ein Zufall gewon⸗ 
ven, ſchnell wird eine fchlimm gefinnte vorgeſchoben und fo die Beſtreitung und 
Selbfizerftörung in den Lehrlörper geſtreut. Was der Zuhörer von dem einen 
'ehrftuble von der Gluht des Glaubens vernommen: von dem andern herab wird 
8 bezweifelt, von dem dritten biftritten, von dem vierten vernichtet. Daß hier 
in kirchlicher oder wiſſenſchaftlicher Glaube in eınem gefunden, Eräftigen corpus 
loctrinae einwachſe, gewinne, abjorbire, ift zu denfen nimmer möglıdy. Und fern 
om Waterhaufe und von der Mitelfchute nicht mit Zucht ausgeftattet und bes 
raffnet, verirrt fi) der Jüngling in der zu fchroff erlangten Zreiheit, welche an 
er Disciplinargewalt der Univerätögerichte nur bei groben Äußeren Beriirungen 


08 Unterricht, | - 
Halt und Repreffton findet. Eine Urt höoherer Erziehung aber durch eimen en 
gern Verkehr zwiſchen dem Profefforat und den Zuhörern zu ermöglichen, ſchei⸗ 
tert an der Indifferenz der erferen und an der Gleichgültigkeit der leßteren: ein 
Univerſitaͤtsgotteodienſt beſteht aber entweder gar nicht, oder blos verfümmert. 
Und aus der Hand folcher Echulen folte nun vie Kirche ihre Diener nehmen? 
Ste, welche noch in ihrer lehten allgemeinen Berfammlung zu Trient, Sess. XXL, 
cap. 18, ausgeſprochen hatte: „Cum sdolescentium 'aetas, nisi reote instituatur, 
prona sit ad mundi voluptates sequendas, nisi a teneris annis ad pietatom et 
religionem informetur, antequam vitiorum habitus totos homines passideat, 
nunquam perfocte ac sine maximo ac singulari prupe modum Dei omnipoten- 
tis »uxiliv in disciplina ecclesisstica perseveret: sancla Synodus ztaluit. ut sin- 
gulae Cathedrales, Metropolitanae alque majures ecclesiae pro modo faculıatum 
et dıvecesis, vel ejus provinciae, si ibi non reperiantur, numerum in coliegi 
ad hoc prope ipsas ecclesiss, vel alio in loco convenienti, ab Episoopo eligen 
alere ac Teligiose educare et ecclesiasticis disciplinis instituere teneuntur. la 
boo vero coliegio recipiantur, qui ad minimum duodecim annos et ex legitimo 
matrimonio nali sint ac legrre et scribere compctentes noverint, et quorum 
indoles ot voluntas spem asserat, eos ecclesiasticis ministeriis perpeluo inzer- 
vituros.* So tief hat vie Wershelt der Bäter des Concils gebiidt, daß dem 
Dienfte des Heiligen die Seelen ihrer Diener früh zugewandt werden follen. So 
weit ift es aber bei und, unter dem glaubendvollen Echulwefen, gekommen, daß 
der Kierus feine Süngling: zur Ergänzung ſeines geiftlichen Heeres mehr findet. 
Einnlidy und ohne chriſtlichen —* herangebildet, meiden ſie das Heiligthum. 
Und ſonderbar, eine die chriſtliche u. lirchliche Ordnung verſchmähende Regierung 
fieht ſich genöthigt, wider Willen auf die Gründung von Knabenſeminaricn für 
bie —— des geiſtlichen Standes einzugehen. - Allein, it denn die antere, 
nicht dem ‘Priefterberufe ſich weihende, Jugend nur eine ſchiechte Materie, verfüg- 
bar undhriftlichen Erperimentn? Soll der Staat hinnehmen, was die Kirche zu 
nehmen verfchmäht? Bedarf er in feiner GErfchüttertbeit nicht eines gleich fiit⸗ 
lihyen bürgerlichen Prieſterthums der Beamiuung? Haben die ehrwürdigen Ahnen 
ihre, mit großen Entbehrungen gemadten, Stiftungen fo ſchlimmen %Berfuchen, 
folhen Eurrtlegien an dem jungen menſchlichen Geifte gewidmet? Zublen die 
Zamilienväter ıhre fchweren Steuern, daß man um das, aus der Stanıslafle ent» 
nommene, Echulbudget die Eeelen ihrer Kinder verderbe, oder doch wenigſtens 
vernadhläjfiget — Auch da hat Frankreich die thränenreiche Prärogative geübt, 
den anderen Staaten Europa's mit erbebennem Beifptele voranzugeben. Sein 
Epirfoput, fromm und gefinnungsreidy und Iräftig, hat den Atheismus oder die 
Indifferenz der Schule offen angegriffen. Und doch hat er feine theologiſche 
Jugend in den feinen und in den großen Seminarien geborgen. Allein nicht 
will er auf geweibter Bruſt die Gewiſſenloſigkeit tragen, die, zur Aitung des 
chtiſtiichen Staates und der chriftlichen Geſellſchaft fih vorbereitende, Jugend uns 
ter dem Drude ded Indifferentismus, der Glaubensarmuth, der Zweifelſucht und 
des Unglaubens zu belaflın. Geftügt auf feine heilige Pflicht, auf die Verzweif⸗ 
lung der Hausväter, will er die Jugend zu heiligen Weberzeugungen gewinnen, 
einem kirchlichen Leben hingeben, dem Gewiſſen und feiner Freiheit Raum und 
Kraft und dem Staat, der nur vom Glauben, nicht vom Zwange lebt, Unterlage 
und Sıüge geben. Und diefer Streit des frangöfifchen Epiftepatd mit dem bes 
drüdenden Unterrichtemonopol der Univeiſitaͤt hat einen ernften Wwerhall in 
deutschen Landen gefunden. Im einer glaubenslofen Zeit — und offinbar ift eine 
foiche die Gegenwart — iſt der Unterricht allein ver Weg zur Kirche. Die 
Seele lebt und ftirbt in der Gegenwart durch den Unterricht. Und die Kirche 
it in Deutfchland lahm für denjelben. Und doch Fönnte fie, trog der Schnürung 
durch die Unterrichtöpoligel, in der Macht der Affociation ſich ſeiber helfen, hätte 
fie lebendig in der Seele das Bewußtſeyn ihrer Sendung. Go hat_ denn aud), 
nnabhängig von dem frangöftichen Epiifopat, jener Erzbiſchof, der ſich in Gott 


4 


Naterrigt, 409 


Hare Glemens Auguſt von Köln, in einer Schrift, wo er in fefter Erkennt⸗ 
ntß die Stellung der Kirche zum Staate erfaßt (Ueber den Frieden unter der 
Kirche und den Etaaten, Münftır 1843) auch über die Einwirkung der Kirche 
auf ven öffentlichen Unterricht Worte tiefen Wiſſens und chriftlichen Sr es 
redet.” Gofrath Dr. Buß, „Die Gemeinſamkeit der Rechte und der \ ntereffen 
des Katholiziemus in Frankreich und in Deutſchland. Nachgewieſen an den 
jüngſten und wichtigften Streitigkeiten zwiſchen Kirche und Staat.” HeftL: Der 
Etreit über die Freiheit des öffentlichen Unterrichts; Schaffhauſen 1347). In⸗ 
dem wir fomit zu der Gefttichte und Lage ver Unterridtefrage In — 
—— worden, bemerken wir, daß das ewig denkwürdige Jahr 1848 au 
unjerem Univerſitätsweſen eine große Umwälzung vorbereitet. Was im Odigen 
vom Drude des Polizeiſtaates auf dieſe Anſtalten, von deren Bevormundung geſagt 
worden, wird wohl fortan nur eine geſchichtliche Wahrheit ſeyn. Die preußiſchen 
Untverfirätecuraforien find bereitd aufgehoben und die vorberathende Berfammlung 
deutfcher Univerſitaͤtslehrer, im Dale 1843 zu Jena zuſammengetreten, wiıd 
vom wejentlichften Einfluß auf die freiere Geſtattung der Univerfitäten feyn, wie auch 
bereits die Hochſchule Gießen, im Einne der Beichlüſſe jener Verſammlung, fid) 
eine neue Organtfution gegeben. Sodann bat auch die Frankfurter verfaffungs 
gebende Berfammtung beichlofien u. als Orundſatz aufgeftellt: „die Wiflenjchaft 
u. ihre Lehre if freis" anderfeits hat fie freilich das wahre Weſen der Unterrichts⸗ 
freiheit groͤblich mißverftanden, indem fie fich für völlige Lostrennung der Edyule 
von der Kirche auögefprochen. Zu der Zeit, als die Orundfäge des Lurheranismus 
{ef in allen Ländern Europa's Eingang gefunden hatten und der Fatholifchen 
ligion und Kirche Zerftörung und Untergang drohten, ftellte ſich Ignatius von 
Loyola die Aufgabe, der Rıformation mit einer Gcgenreformation zu begegnen. 
Er verband fidh mit mehren @leichgefinnten zu dem Werle der Reformation, deren 
bie Zeit bedurfte, zu dem Werke des Helles, wodurch die Autorität gerettet wers 
den follte, die von den preteftirenden Reformaroren mit Füßen getreten wurde, 
Das Mittel, wodurch die katholiſche Reformation bemerffielligt werden follte, war 
die Erziehung. Loyola felbft gründete eine Menge Unterricytsanftalten mit einer 
Aufipferung, wie fie nur das vollendete Ehriftenthum hervorbringen fann. In 
furger Zett ging das Geſchäft der Erzichung beinahe in ganz Europa in die 
ände der Jeſuiten über. Dadurch gewann der Orden einen Einfluß auf den 
af ver Zeit und auf die Bildung ded Jahrhunderts, der mit jedem Tage zus 
nahm und in immer fchärfern Gegenſatz zu dem modernen Heidenthume trat, 
dad durch die proteftantifche Reformation hervorgerufen worden. Aber in dem⸗ 
feiben Maße, in welchem ihr Einfluß wuchs, nahm audy die Zahl ihrer Neiver 
und Gegner zu und, als die Philoſophie des vergangenen Jahrhunderts mit den 
Encpkiopäpiften alle Scham auezog und allen Stauden verhöhnte, wurden haupts 
fäd,lich die Zefuiten die Zielſcheibe ihres gottesläfterlichen Witzes. Der Orden 
ward zwar geftürzt, allen nicht fein Einfluß auf Erziehung und Lehre. Im Jahre 
1814 ward er bekanntlich wieder hergeſtellt. In Frankteich wurde er vom Etuate 
nicht anerkannt, allein er fchiug im Volke um fo tiefere Wurzeln u. es enıfpann 
fi ein Kampf auf Tod und Leben zwifchen dem Unglauben und der Reltyion, 
beive vertretin von der Univerfirät und dem Klerus. &ie Are, um die der Kampf 
fidy dreht, ift die Freiheit des Unterrichts. Vor der franzöfiichen Revolution hatte 
jeder Bürger das Recht, Kinder wo und von wem er wollte unterrichten zu laffen, ohne 
deshalb befondere Rachıheile für fie befürchten zu müſſen. Bon einem Monopol 
wußte man durchaus nichts; weder der Staat, noch die Geiftlichkeit befaß ein 
ſolches; fo war 3. B. felbft der Rektor der Univerfirät häufig ein Late. And ver _ 
Klerus bildete in Bezug auf den Unterricht keineswegs eine Corporation, wie fo 
häufig behauptet wird. Die verfchiedenen Orden hatten auch verfchiedene Unter: 
richis anftalten, in denen verfchiedene Methoden ıc. eingeführt waren. Die Uni⸗ 
verfitäten hatten Erin anderes Recht, als das Recht der Aufficht über die Schulen 
in ihrer Provinz, aber diefe Aufficht war durchaus negativer Rakur wm er 


40 Unterricht, 


Könige befaßen kein anderes Recht, als einzelnen Anftalten ober Gorporationen 
gewiſſe Zreiheiten und Vortheile * ewaͤhren; allein dieſes Recht ſtand auch 
außerdem Jedem frei, der irgend ein 35 an dieſer oder jener Anſtalt hatte. 
Stifrungen von Privaten waren ebenſo unabhängig, als Inſtitute von Corpora⸗ 
tionen und in Folge dieſer Freiheit war die Zahl der Privatinſtitute und Muni⸗ 
sipalfchulen größer, als diejenige der Collegien, die unter der Aufficht irgend einer 
Untverfltät ftanden. Die Univerfität felbft zeichnete fich in ihren Rechten vor 
anderen Bildungsanftalten durch Nichts aus, durch das Privilegium, alademi⸗ 
ſche Grade zu verleihen; aber einen afavemifchen Brad konnte Jever erlangen, er 
mochte feine Bildung genoflen haben, wo er wollte und biefer afademiiche Brad 
gab ihm lediglich nur Ehrenrechte. Selbſt die Revolution predigte die Freiheit 
des Unterrichts und, obgleich Danton im Wohlfahrtsausfchufle den Grundſah 
ausfprach, die Kinder ſeien Cigenihum des Staats, fo wurden dod) Befteuerungen 
getroffen, wie wir fie in Desgarot's neueſter Schrift „L’universit6 par 
elle-möme“ aufgeführt finden. Der Kaifer mußte bei feinen Riefenplanen vor 
Allem darnach trachten, der ganzen Nation feinen Willen als unausiäfchlichen 
Stempel aufzubräden und, um diefen Zwed zu erreichen, fuchte er alle Herzen 
der Jugend in Eine Form zu gießen. 8 ganze Erziehungs» und Unterrichts 
wefen wurde militärtfch eingerichtet. Der Katfer ' behielt ſich das Regiment vor 
und legte fidy einen Adjutanten bei, der, aid Großmeifter der neu organifirten 
Univerfttät der tfladt, alle Bildungsanftalten des Reiches militaͤriſch regierte 
und gleich Drathpuppen fpielen ließ. rer, Lehrbücher, Methoden ımd Grund⸗ 
fäge gingen von der Dmnipotenz ded Kalfer6 aus und wurden durch Die Kanäle 
von eralinfpeftoraten und SInfpektoraten den Anflalten zugeführt. Alles follte 
nun plöglidy in dem gleichen Geifte denken lernen; aber «6 fleht nicht im ber 
Macht des Töpfer, den Thon zu befeelen, den er geformt hat. “Der Gtaat,- fagt 
ein Schrififteller unferer Tage, zeigte fidy völlig unfähig, der todten Form, die er 
erichaffen hatte, einen Geift einzuhauchen. Dergleichen läßt fidy durch blos nega⸗ 
tige und mechantiche Mittel, durch Controle und Beauffichtigung, durch Regiker 
und Prüfungen weder erzeugen noch willkuͤrlich lenken. Die leere Hülfe konnte 
Rapoleon zu Stande bringen, einen Weift nach feinem Willen und Belieben in 
diejelbe zu bannen fland nicht in feiner Macht, weil dies weit über die Gewalt 
jedes Herricher6, auch des mädhtigften, hinausgeht. Möchte man doch endlich 
von dem Wahne zurüdlommen, daß fidy die Jugend beliebig für diefen oder jenen 
äußern politifchen Zwed, nad) der jed.smaligen Laune der Machthaber, dreffiren 
und wie ein Teig in diefe oder jene Form kneten lafle. Gerade die jugendlichen 
®emürber merfen am erften die Abflcht der Lehrer und Erzieher; ihren Slauben 
in einem beftimmten, höhern Orté anbefohlenen, Einne zu influenciren, ihren Geift 
in dem Garne eines polizetlidy vorgeſchriebenen Syſtemes gefangen zu nehmen: 
gerade das ift das ficherfte Mittel, fie in die entgegengefegte Richtung zu werfen. 
ur die eigene warme und lebendige Ucherzeugung, nur das Herz des Lehrers 
fann auf die Veberzeugung und das Herz der Jugend wirken. Trotz aller Bors 
fehrungen des Kaiſers und feiner Kreaturen ſetzte ſich in der Univerſität der Geiſt 
auf den Thron, der die Revolution hervorgerufen hatte und den der Kaiſer, nicht 
etwa aus rellgiöfen oder moralifchen, fondern aus rein politiichen Gründen zu 
erdrüden fuchte. Und kaum war Rapoleons Herrfchaft zu Ende, fo trat biefer 
Geiſt der Philofophie des 18. Jahrhunderts auch in lebendiger Reaktion in bie 
Erſcheinung; die Jünglinge, die in den Jahren 1814— 1830 an der Univerfität 
Paris erzogen wurden, traten in die hefligſte Oppoſition gegen die Regierung 
und man weiß, weldyen Antheil die Hochfchule und die übrigen Bildungsanftalten 
der Haupaftant an der Julirevolution hatten. Der Philoſophiemus, der die Res 
volutlon ind Dafeyn gerufen hatte, war keineswegs vernichtet; er war nur ein 
geichüchtert ımd hatte ſich in einen engen Raum zufammengezogen, um fidy vermöge 
feiner Spannfraft um fo energifcher wieder auszudehnen, und dieſer Philoſophis⸗ 
mus war davon auögegangen, den Glauben der Vernunft zum Opfer zu bringen 


uaterricht. 44 


et die Bernti \7 n Ber 
ke Bee ak Erg m fa Ka 8 
—— widerſprach. Die Beibehaltun bes Grharmım — Unterrichis⸗ 
deſen IR ein um fo größerer Biene Fumatigen Politik, ale nun aa 


Be Beet vermäßte 1 Sr dadurch ge Sn an — u 
ee ve die früher o) ter er neuen 0! m ren 
wenn nicht madgehalt wi, was — {mn Unfange hätte gefdhehen 


* Die Charie von 1830 ſprach die Fre des Eultu der Ye Funs ber 
«us und die Univerfirät ie die oberſte Leitung aller öffentlichen Unters 
Adyt6anfalten bei. In der Univerfität aber hatte ber Üingtanbe. -und die Srivos 
tskt vee ihren Thron aufgefchlagen. Die verwegenſten Ideen wider⸗ 
fälen und die Jugend, die in diefelbe gebannt war, verlor alle 
I? Es iſt entfeglich, welche um —S Fol⸗ im der 
fi it auf Die ge gene fe —2 — Jugend bis jepr auögeh bt Bat 


R ae keit jen 
hauche ihrer he her — an — 


taaıe vorgeſchi iebenen —E Hi ri m Eörinkeke, anf 
us or] auf kn vom men Be * ni im 
taade vor jenen, oben dur t hatz wer nicht 
20 Sahren, wo der fünftige Se feine Brüi a 
var Wahl dieſes Standes ntfhlafen, wer dann nicht der 
—— RE fi in der Gunſt der Leiter, 
* u —XX Dr ‚Sa, za ka nn] “ 
che Sehembinge naht in Betracht. Das Brevet der Res 
Se & igenfchaften, wo fie fehlen, u "yinlängticjem — md 
‚e Rüdficht verlcm indet bekannilich vor der Gonfequenz der Etaatsalls 
5} Fr auf diefe Welfe derjenige Süngling, weicher feine Bildungs 
Pr den Rarren Vorſchriften des Staaies gemacht und vollendet 
enntniſſen durch die Erlangung des Grades eine Baccalautens, den 
nut ve Untverfltät Paris verleifen fann und nur in Goncurtenz mit ihren 
55* verleiht, die Krone aufgeſeht hat, von jedem Lehrpulte audger 
find auf der andern Seite alle Mafregeln genommen, die Geiflichen, 
einem Orden angehören oder nicht, fo jehr al6 möglich von der Mits 
Man den Unterrichtdarftalten auszuichliehen, fo daß die Jugend willenlos 
den Mördern ihrer Seelen preisgegeben ift und felbft' das erfte Recht, das dem 
—5 — die Ratur verleiht, das Recht, feinen Kindern diejenige Richtung 
Ei die fein Wiffen und ra fu die befte halte, gegen die ——— 
gichaft der Eharte mit düben wird; denn daß unter diefen Umftäns 
teine Rede von Sreiheit des Yderriche Rn feh Jeder von ſelbſt ein. Allein 
PN nur ein rechtöwidıigee, fondern auch ein vernunftwibriges, ein Hi 
ipoliti — die — Pe Por 4 
mon [0 lange zu verzögern. Es t der mr te 
Bolero ve &ır vn Bhilojopben welches "Heute die Univerftiät in Frank 
reich als ihre Domatne ausbeutet, alles Interefle hat, bie gefährliche Goncurrenz 
hd Briefer zu befeitigen, um fi) das Monopol der anbildung der Jugend 
em Geiſte zu fihern. Was aber fchwer, ja unmöglich Me dein — 
* IR das tere einer Regierung, weldye die Orbnumg in Frankreich wieder 
herſtellen und den Thron gegen bie Brandung des revolutionären Schwindels 
aufrecht erhalten will, — an ver Feflhaltung und hartnädigen Bertheidigung 
dieſes Monopols. Die nah welche durde die Julirevolution auf den Shron 
gehoben wurde, mag Urſache haben, an der Ergebenheit eines Zhetes m Klaus 
ju zweifeln; wir längnen es nicht. Aber abgefehen davon, daß die U ng 
der ältern @etflicpkeit aus ganz: nahe liegenden ſiauſtiſchen Grinaen Ay 


® 
13 
v 
I 
1 
2 


5 
gis 
ii 


5° 
175 
A 
8 


7 — 


5 


8% 


412 naterricht. | | 
jedem Jahre vermindern muß — ergibt ſich daraud noch keineswegs bie Folger⸗ 
ung, daß es vortheilhafter für das Land und die Regierung ſei, „bie — 

Beine jeder Ordnung auf Erven, auf Koften. jenes Klerus, andſchließlich zu bes 
vorrechten, ein beilige® Freiheitsrecht aller Eltern zu beeinträchtigen und das künftige 
Sranfreih durch eine Zunft wahnwisiger Sophiſten wiſſentlich demoraliſtren zu 
lafien.” Und diefe Demoralifation it es, weldye die Reflamirung der, in der 
Eharte odır Gonftitution verfprochenen, Unterrichtöfreihett haupıfächlich hervorrief. 
Die Eonftitutionen find aber großentheild Produkte des Verſtandes, der von einem 
Grundgedanken ausgeht und venfelben auf alle denkbaren Berhältnifle 

ohne den vorhandenen Leidenfchaften. und den [ekiihen Zufländen Rechnung zu 
tragen. Erſt die Durdführung flößt auf die Wirklichkeit und ba treten dem 
auch alle vorhandenen Elemente mit ihren Sympathien und Antipathien auf den 
Schauplap des Öffentlichen Lebens und fuchen fidy Areitig zu machen und abzu 
trogen, was man fich in absiracto gegenfeitig zugeſtanden ober in Auoſicht ge 
Rellt Hatte. Die. conRitutionelle Charte, welche unterm 9. HugıR 1830 
von Lonis Philipp feierlich befchmoren „wurde, ftelt in ihrem 69. Ur 
diejenigen Punkte zuiammen, ‚welche „in der möglichft Fürzeten Frif* durch ſpe⸗ 
zielle Geſeze geregelt werden follen. (Charte const. $. 69. „Il sera pourvu 
successivement par des lois söpardes et duns le plus. court de la possible 
aux objets qui suivent etc.) “Die achte Nummer ihre unter denfelben „das 
Öffentliche Schulweſen in die Freiheit des Unterrichts” auf. Wenn Jemand, fo 
war die fatholifche Kirche bei dieſem Gegenſtande v34 und auf die hand⸗ 
reiflichſte Weife beiheiliget; denn das erleidet gar Feine Widerrede, daß ihr 

and in jedem Lande bedingt iſt von dem Zuftande der Schule u. daß fie, o 
Antheil an dem öffentlichen Erziehungsweſen, eben nur fo viele ee en. 
Tann, als dieſes ihrer Miſſton und ihrem Geiſte befreundet iR; iR die Echule im 
Widerſpruch mit der Sendung und aufgabe der Kirche, dann muß fie auf bie 
bedeutendſten Berlufte sn eyn, fie iſt von den geiftigen Bewegungen eines 
Volkes ausgefchlofien, fie hat keine Zukunft, als diefenige, welche did göttliche 
Burmberzigfeit aus fpezieller Gnade verleihen will. Einen conftitutionellen Staat 
muß die Kirche nehmen, wie er ift, Tann aber auch rechtlich von ihm verlangen, 
was ihr die Berfaffung feierlich garantirt. (Katholiſche Zeitfchrift für Wiſſen⸗ 
fhaft und Kunft, von den PBrofsfioren der katholiſch ıheologifchen Fakultät zu 
Bonn herausgegeben, rebigirt von Dr. Dieringer. Erſter Jahrg. Erſten BVos. 
erſtes Hft.) Die Univerfliät von Paris u. die Run Bon Dr. Dieringer. 
1. Artikel. Das Recht der Kirche in ver U.s⸗Frage. Zu diefen verfaffungsmäßigen 
Garantieen treten noch die feierlichen Berfprechungen von Selten des Könige, 
nicht nur unverbrüchlic an der Eharte fefthalten, fonvern audy die ausprädiichen 
Zufagen derfelben in Erfüllung bringen zu wollen. Die frangöfliche Conſtitution 
mußte aber, nach ihrem ganzen Geifte, Freiheit des Unterrichts einräumen und 
fihern. Sie gründet ſich nämlidy, wie auf die unvollfommene individuelle Frei⸗ 
beit (88. 1. 4.), alfo auch auf die vollkommene Religionsfreiheit, dergeflalt, daß 
der 5. Artifel geradezu ausfpricht: „Jeder befennt feine Religion mit der gleichen 
Freiheit und empfängt für feinen Cult denſelben Schug.” (8. 5). Wenn im 
darauffolgenden Artifel der Katholizismus als die Religion ypräpicirt wird, zu 
welcher fich die Mehrzahl der Franzofen befennt ($. 6.: Les ministres de la 
religion catholique, apostolique et romaine, professe par la majoritö des 
Frangais, et ceux des autres cultes chrötiens, regoivent des traitemens du trösor 
public), fo iſt bier nur ein tharfädyliches Verhältniß in der Geſetzgebung an- 
erfannt, keineswegs aber der katholiſchen Kirche eine rechtliche Bevorzugung zus 
gefprochen. Der Staat hat fi) demzufolge über bie einzelnen, zu Rechte bes 
ftehenden, Eonfeifionen geftellt, hat ſich zu Feiner derfelben fpeziel befannt, hat 
allen gleiche Zreiheit und gleichen Schuß zugefprochen, ift aber felbft ohne eine 
beftimmte Eonfefflon, ‘oder, wie fi) der Franzoſe eraggerirend ausfpricht, der 
Staat an fidy Cabgefehen von der religiöfen Eigenthümlichfeit der concreten, am 








Untersiiht, | 48 

uber fließenden, onen eiſtiſch. Vollkommene individuelle t in 
ver rechtlichen Pe t, re Sleichheit der Gonfefjionen a Ge⸗ 
Frau jeden nad) ihrer ae a heit, Stellung des Staates.über den 
mit für jede, — diefe Eigenthümlichkeiten der fran« 
be ung. ne Yen der ausſchließlichen Berechtigung des 
den ganzen ht und das a“ e Erziehungswefen allein in 
—** haben, beſtehen n der de Staat — u. Niemanb 
‚verwehren, in biefem —2 — "etbRıhäktg zu ſeyn, — muß die reis 
ü des Em —* der Corporation, der Kirche reſpektiren und ſie mitunter⸗ 
Hten. miterzichen ieffen, fo lange deren diesfallige Thaͤtigkeit inner der geſetz⸗ 
hen Schranten bleibt. Das if vom Standpunkte der franzöfifchen Gonftitution 
fo klat und en, daß es nicht Hr einer prundgeeglichen eeranıie 


















8 
a Ge und Inhalte ber an eine Anomalie fi. Dem Staate Tann 
a , daß Äberhaupt unterrichtet und erzogen werde, baß ber Unters. 





und bi lehung in Händen ruhen, welche bie erforderlichen Garantien 
| licher und * Dicht, darbieten, vaß jeder Bürger feine 
inber feinen Grundſaͤten u. often entfprechenven, ule anvertrauen 
me, daß zu Rechte a Corporation ſich — die Schule ergaͤnzen 
* ** Siehe Ri Bi, sie ui Mufande ler innnlbckhrhen ar 
e u r 
—— ſie beruht in — —— — der —— 





De oki haben fle dahin zu koisfen, daß die Beften, die Kenntnißreichſten, die 
—— die — auf vie Geſtaltung des öffentlichen Lebens auch 
fen Einflug erhalten Fönnen. Die Schule müßte in Feiner fo 
34 Verbindung mit der Kirche ſtehen, als dies wirklich der Fall if; der 
auzöfliche Gpiffopat müßte den Eifer nicht ‚befipen, ber hn fo fehr auszei 
t;_ die enden Katboltten müßten die Rechte über Borb werfen, welde 
e Charte auch ihnen zuſichert, wenn bie Stimmführer des Katholizismus * 
—* —**— ſollen, die garantirte Freiheit des Unterrichts 
ſich in Anſpruch zu nehmen. In der U. war das conſtitutionelle 
echt entſchieden auf Seiten der Kirche, die despotiſche Tradition aber auf 
jeiten der Staatsgewalt. Schon im Jahre 1831 eröffneten einige katholiſche 
hrifitteller ein Blatt, das der Erlangung der, durch bie Charte ver⸗ 
zochenen, Unterrichtöfreiheit gewidmet ſeyn follte;s allein da fie eine Sprache 
ihrien, welche fidy nicht mit ver Liebe und Mäfigung vertrug, welche das 
hriſtenthum u. die er beit fordert, fanden ſie feinen Haltpunft an ber höhern 
eiſtiichkeit und die B fait tabelten ihre Polemik ſehr. Doch Hatte fie vie 
eblihätiee Folge, daß die Regierung im 3. 1833 den Berfuch machte, die Zu⸗ 
gen der Gharte in den rim sichulen zu realifiren. Für die höheren Anſtalten 
urden zwei Entwürfe vergebene berathen und ein dritter einftweilen verheißen, 
tan hatte eine Aufforderung an die Bifchöfe erlafien, ihr Gutachten über vie 
inrichtun ihren niederen Seminarien abzugeben, allein diefe Gutachten felbft 
ichen —X Zahre lang unbeachtet u. nur einige Aeußerungen des Cultuomini⸗ 
der Berathung über den erften Geſezentwurf im Jahre 1837, fowie des 
Inifere des Öffentlichen Unterrichts, bei der Wiederaufnahme dieſer Berathung 
3. ‚ deuteten auf die Bemerkungen und Wuͤnſche der Biſchofe bin und 
* Berathungen fcheiterten.. Die Biſchoͤfe, die bis jeht das tieffie Stillſchwei⸗ 
an beobachtet Hatten, glaubten ſich um fo mehr zur Erbebung ihrer Stimmen 
fgefordert, als in dem Gefegentwurfe von 1840 die Freiheit des Unterrichtes 
t weit befchränfenderen Glaufeln ängetragen wurbe, als dieß im Jahre 1837 
e Gall geweien war. „Beinahe Alle erhoben fich dagegen, fagt ver hackwärs 
‚Re GErzbiichof von Paris in feinen Bemerkungen. über die Treigeit Bd \niet 


414 - Unterricht, 


richte. Einige ſchrieben an den Gultmintfter, Andere wenbeten ſich an das Pu⸗ 
blifum. Ihre Bemerkungen waren im Allgemeinen gegen die Anordnungen ges 
richtet, welche vie nieveren Seminarien betrafen. Der Miniſter des öffentlichen 
Unterrichts wollte diefe nicht im feinen Entwurf aufnehmen und gab nur (man 
muß ihm dieſe Gerechtigkeit widerfahren laſſen) ber Berwenbung einiger edel⸗ 
denkenden Etaatömänner nach, welche ſich der Religion mit dem Iobenswerthiehen 
Eifer annahmen u. Ihr einen Dienft zu erweiſen glaubten, wenn fie. die niederen 
Eeminarien unter das gemeine Recht ftellen ließen. Die Biichöfe würden biefem 
Entwurfe mit Freuden beigetreten ſeyn, wenn das gemeine Recht, welches die 
Regierung in Vorſchlag brachte, nicht Anorbnungen enthalten hätte, welche Diele 
Wohlthat für den größten Theil der Diözefen zu einer blos illuſoriſchen machten. 

Miniſter wollte nämlidy ‚die Geiſtlichkeit wieder auf den VBereich der niederen 
Seminarien befchränfen, um fie nicht aus der flarf umadumten Stellung beraus: 
treten gu laſſen, welche ihr die Drdonnanzen von 1628 angewiefen hatten ımd 
weldye die Jurisdiction der Univerfliät von Tag zu Tag noch enger einſchloß. 
Die Katholilen aber, von denen wir ſoeben geſprochen, wollten zwiſchen der Uni⸗ 
verſitaͤt, den verſchiedenen Unterrichtsanſtalien und ver Geiftlichleit eine Con⸗ 
currenz in's Leben rufen, welche für Ale, hauptſaͤchlich aber für die framoſiſche 
Jugend, gleich nuͤguich wäre. Das Epifcopat konnte zwar eine ſolche Wbfiht 
nicht verwerfen, allein es ſab, flaıt des gepriefenen Mittels, einen wohltkätigen 
Wetteifer zu erwecken, blos Bedingungen, welche die Freiheit im böchſten Grade 
beeinträchtigten h denn es follte eine Anftalt, die ale Mirbewerberin —A 
war, unumſchraͤnlte Richterin ſeyn, während die Geiftlichkeit, vermöge Der Etell⸗ 
ung, die man ihr feit dreizehn Jahren angemiefen hatte, eine ſolche Concurren 
nicht wohl aushalten Tonnte. Auf der andern Eeite fah fie die niederen E emi- 
narin, an bie man bereitö fo firenge Anforderungen machte, in ihrer Friften; 
bedroht. Und es erhob ſich ein Echrei des Entfepens, den fich der Miniſter ded 
öffentlichen Unterricht nicht au erklären wußte, indem er die wohlwollende Ab⸗ 
fiht hatte, — die niederen Eeminarien unangetaftet zu Taflen, im Falle die Bi- 
fchöfe genöthiget würden, auf die Gründung anderer Anflalten zu verzichten, 
Die Einiprachen der Biſchöfe gefchahen auch, wenn wir uns recht erinnern, 
bauptfächlich zu Gunften der Unabhängigkeit der niederen Seminarien und ſelbſt 
im 3. 1841, eilf Jahre nach der feierlichen Bekanntmachung der Eharte, über: 
ließen ‚fie e8 Anderen, die vollfommene Erfüllung des gegebenen Verſprechens zu 
verlangen. Unter denjenigen, welche fid) der U.s⸗Frage am ıhätigften annahmen, war 
hauptfächlih Herr Desparets, der in der Echrift: Le Monopole Universitaire 
Destructent de la Religion et des lois, den ververblichen Einfluß des Univerſi⸗ 
taͤtsmonopols auf die Religion und Eittlichfeit der Nation nachwieß, indem er 
die öffentlichen Lehrer der Univerfität in wörtlichen Auszügen aus ihren eigenen 
Schriften und Borlefungen der gefährlichfien Grundſätze überführte.e Und diefe 
Schrift war es auch, welche das Signal zum Angriff auf die Jeſuiten gab, bie, 
wie wir aus dem Bisherigen gefehen haben, den geringften Theil an der ganzen 
Sache hatten u., wenn fie audy dabei beiheiligt waren, nichts Anderes, als die 
Rechte der Menichheit, die Rechte der Nation zurüdforderten. Mit einer unbe 
fhreiblichen Wuth fiel man über dieſe Väter des Glaubens her. Gottesläſter⸗ 
ungen egen Jeſus Chriſtus, Beſchimpfung ver Heiligen, Verläumdung der Lehre 
der Bifh fe, Aufruf aller Leidenſchafien gegen den Katholizismus, Michelet's 
Erfiärung, daß er eher zehn Dynaftieen über ven Haufen werfen, als die Jeſui⸗ 
ten dulden wolle, — dieß find die Gegenflände, durch welche man die Lehre der 
Berachtung der Religion, der Geſetze und der Freiheit entfchulnigen wollte; dieß 
find die ©egenftände, wodurch man eben bewies, daß man Religion, Geſetge und 
Freiheit verachtete, und daß Des parets in feiner Echrift Recht hatte, wenn 
er die Profefloren der Demoralifüatton von ganz Frankreich beſchuldigte. Die 
Angriffe, welche durdy dieſe Echrift hervorgerufen wurden, widırlegte er In 
feiner zweiten, bereits genannten, Schrift: L’Universitd jugee par elle -m&me 





m 
X 


Unterricht. dis 
"auch der Epiſtopat mit Gntfchievenheit gegen das Monopol der 
Univerfisät, d. 5. den Inbegriff aller len ober ben lehrenden Staat, 
centralifirten boctrinären Zwang des Etaated ſich zu erheben; nament« 
\ der Cardinal⸗Erzbiſchof von Lyon, de Bonald, wie die Bifdyöfe 
und Gharires, weiche in vielen Dentichriften als unermüpliche Bor: 
ie Freiheit des Unterricht in die Schranken traten. Außerdem ers 
ließen der Graf von Montalembert und v. Lamartine fehr beacht⸗ 
und die Frage geiſtreich und erſchöpfend belenchtende Denkſchriften. 
bafen in der Geſchichte der Frage bezeichnen die, ſich mit ver Regel 
terrichtöiwefens befaflenden, Befehentwürfe Guizot's vom 3. 1836, 
Unterrichtöminifterd Billemain aus den Jahren 1841 und 1844 und des 
Unterrichtöminifierd Salvandy vom 12. April 1847. Was ven erſten Geſetz⸗ 
mtwurf aubelangt, fo muß zugeftanden werben, daß Guizot, als erleuchteter 
Die. Berheißungen der Charte zu erfüllen trachtete. Scin Entwurf 
weber eine religiöfe Erklärung, noch Etudiencertificat; weder verlangte 
ätögrade für die Profeſſoren und ihre Affiſtenten, noch geflattete 
Uiniverfität,, über ‚ven Inhaber oder Vorſtand einer Privaterziebungsanffit 
irgend welchem Grunde die Suspenflon zu verhängen; auch hob er die Ber» 
auf, die Borlefungen an der Univerfltät zu hören. Der Klerus ers 
? Die im Geſetze liegende Freiheit an und verhielt ſich ſtillſchweigend, von 
erwartend, daß auf dem betreteuen Wege die, einmal anerkannten, 
Grundſaͤtze noch weiter entwidelt werden würden. Die Kammer ihrer 
gleidy den wahrhaft liberalen BRännern ein entichiedener reform 
eben gegen die fogenannte Untverfität wünſchenswerth geweſen wäre, 
in fehr würdigen Discufflonen das Projekt —* auf. Trot 
ch das Miniſterium bei feiner ſchwankenden Politik veranlaßt, den Ent⸗ 
zunehmen. Faſt vier Jahre fpäter erſchien ein neuer Enwwurf, ver 
vorhergehenden förmlich. aufhob und damit bie Hofnungen der Freiſin⸗ 
der Geiftlichfeit vernichtete. Gr bewies, daß die Univerfität inzwiſchen 
n Einfluß aufgeboten hatte, um zu verhüten, daß fle, ihres Monopol 
einer gefährlichen Concurrenz außgefegt werben würde In der Mos 
des Entwurfs war fogar geradezu außgefprochen: „Die Freiheit des 
qhis mochte im Prinzip von der Charte anerfannt werden, iſt aber dur 
8 kein integrirender Theil derfelben, ja, es befundete ſich das Weſen ver poli⸗ 
üfchen Sreihelt häufig eben durch einen ausfchließlichen und abfoluten Einfluß 
des Staats auf die Erziehung der Jugend.” : Natürlich mußte nun der Klerus 
Schweigen brechen, aber audy bie, von der Deputirtenfammer niebergefepte und 
von Salvandy präfldirte, Prüfungslommilfion ſprach fich entichieben gegen den: 
Entwurf aus, wenn auch nicht in einem offiziellen Berichte. Es kam weder da⸗ 
m, noch zu einer Discuffion und zwiſchen zwei Seffionen der Kammer warb ber 
Entwurf aurüdgegogen Dagegen erichten im Jahre 1842 in Form eines Bes 
richtes an den König eine offizielle Apologie der Univerfltät und ihres Monopols 
md anf diefer Grundlage war der Befehentwurf von 1844 aufgebaut. Er war 
excluſwwer gegen die Freiheit, wenn er auch die Anſprüche der Etaatögewalt 
Gontrolirung der niederen Seminarien jenen ließ. Namentlich verlangte er 
— was der Entwurf von 1841 nicht gethan — eine Erklärung Desjenigen, 
velcher yrivatim lehren und erziehen will, vaß er feiner, im Lande nicht gefel 
ngelafienen, teligiöfen Congregation angehöre. Der „Courrier francais“ pr 
ch folgenderm über den Entwurf des Unterrichtöminifier® und Großmei⸗ 
ter 6 der Univerfität aus: „Das Grundübel dieſes Geſetzes, fein urfprüng- 
iger und unverlöfchbarer Makel iR, daß es nicht das Werk des Staates, ſon⸗ 
ern der Univerſität; daß in jedem feiner Artikel die Univerfität fich verräth und 
gt: Der Staat bin ih! Es ift ein Ausſpruch der Bartel, nicht der Regier⸗ 
mg." Der Sardinal-Erzbifchof von Lyon fagte feinerfeits in einem meifterhaften 
Bendfchreiben an die Balrslammer, welcher der Entwurf zuerk woraelear north, 







Hl 


⸗ 






ii 






8 
; 






S5aEa 
Kr 


u 
An 


# 


* 


*0 
' über denſelben u. a.: Ich muß Sie, meine ‚ bier aufmerfiam 
machen, daß in dem Geſetzentwurfe und feiner Binleitung die Erziehung nur 
eine _ untergeorbnete Rolle ſpielt. Die Wiflenfchaft iſt Alles, gerade, ale wenn 
die Wıffenibaft der ganze Menſch wäre, ald wenn die Erziehung nicht mehr, als 
die Wiffenfchaft, zum Blüde des Lehags und zur Ruhe der Familien e. 
ber Schule wird der Schäler unterrichtet, aber erzogen wird er d 
der Erholungsflunden, auf den Spaztergängen, im: Schlafzimmer, im — 
mer, in der Hauskapelle. Dort aber erſcheinen die Profefforen; HAM der 
Wiſſenſchaft, nicht mehr; ihr Rang erlaubt ihnen wahrfcheinlich nicht, ſtch mit 
der Erziehung zu hefchäftigen und es iſt diefe Sorge einer Kiafle. untergeordne⸗ 
ter Beamten (den maitres d’ötudes) übertragen. “Die Uiniverfität IR alfo, wie es 
eint, der Anficht, daß, um fletö unter Kindern zu feyn, um ihre Spiele, ihre Ge⸗ 
äche, ihre Angewöhnungen überwachen, um iönen bei Gelegenheit guten Rath 
und eine fittliche Ri tung geben zu Tönnen, es Feines großen Zartgefühle, feiner, 
das Gewöhnlicye weit überragenden, Richtung des Denkens, Feiner feinen Vild⸗ 
u bebürfe; vielleicht fcheint ihr auch das praftifche Chriſtenthum und ſtrenge 
ttichteit überfläffig. Wir dagegen, wir find der Mnflcht, daß die reinflen 
Hände und die evelften Herzen das Kind bei feinem Yuetritte aus der Schule 
Keplungen und daß die Religion und eine erleuchtete Liebe Tag. und Nacht über 
di ofbaren Schab machen müflen. — Ich habe ferner mit Schmerz bemerkt, 
daß in diefem Geſetzentwurfe über den Secundarunterricht die Religion chen fo 
wenig Platz ‚gefunden hat, . wie jene Rückſicht. Ginige Falte Ausdrücke der Acht⸗ 
ung gegen unfern Glauben, einige farbiofe und fchüchterne Phrafen über Moral: 
das IR eben Alles, was. man über. pie weientlichfie Grundlage der Erziehung zu 
fügen weiß, eine Grundlage, obne welche es fein häusliches Glück gibt, ſei auch 
die Wiffenichaft, . weiche der Schüler In das väterlidhe Haus ans dem Gynma⸗ 
flum mitbringt, noch fo groß." Am Schluſſe heißt es: „Ohne allen geheimen 
Rüdhalt fpreche ich Ihnen gegenüber meine Prinzipien aus und habe allen Grund 
zu glauben, daß von meinen Gollegen im Epiflopate meine Geftnnung feine Mißs 
biligung erfahren wird: 1) Wir verlangen nicht die Vernichtung der Univerfirät. 
2) Wir verlangen nicht, daß der Klerus allein das Privilegium haben folle, zu 
lehren, weil wir das Monopol überhaupt nidyt wollen. 3) Wir verlangen vor 
Allem nicht, daß irgend eine Socterät oder Corporation, heiße fle wie fie wolle, 
allein mit dem Lehramte beauftragt werde. 4) Wir verlangen die Freiheit fo, 
wie fie in Belgien beſteht. Wir verlangen fie für alle Welt. 5) Wir ver- 
langen, daß dem religtöß s wiſſenſchaftlichen Unterrichte die Bahn der freien Con⸗ 
currenz eröffnet werde. 6) Wir wollen, daß der Unterricht unter derfelben Ueber, 
wachung der Behoörde lebe, wie die Prefie und welien in Saden de Unter: 
richte jene präventiven Maßreneln zurüd, weldye das Geſet nicht duldet, wenn 
e8 fi darum handelt, feine Meinung durch den Drud zu veröffentlichen. Wir 
verlangen alfo für jeden Franzoſen die Freiheit, Schulen zu eröffnen, welche von 
dem Univerfitätsjoche unabhängig find und für unfere geiftlidhen Schulen insbes 
fondere verlangen wir die Aufhebung der Ordonnanzen vom Juhre 1823, — 
Diefem Sendfchreiben, wie einer Denkichrift und glänzenden Reve Montalem- 
bert's, iſt es wohl hauptfächlicy zugufchreiben, daß der Gefeßentwurf eine fehr 
ungünftige Aufnahme im Haufe der Pairs fand und eigentlich fchon gefallen war, 
no ehe fein Urheber, plöglich von einer Gemüthskrankheit befallen, verfuchen 
konnte, den legislativen Kammern feine Anfichten genehm zu machen. Es erfchien 
nun noch, faft drei Jahre fpäter, der Gefepentwurf Salvandy’&, auf den man 
roße Hoffnungen baute, denn Salvandy war entſchieden gegen die Billemains 
hen Entwürfe aufgetreten. Allein das Geſetz konnte weder die Freifinnigen und 
Katholiken, noch die Univerflsät zufrieden ftellen und bei feinem Beftreben, jeber 
der beiden Parteien Ciwas zu bemilligen, verlehte e8 beide. Es war eine halbe 
Maßregel, eine halbe Gerechtigkeit; wie alles Halbe, war ed fchlimmer ald gar 
Nichto und darum moralifch todt, ehe es geboren war. Sehr bedeutungsvol iſt 





Unterricht. 417 


der Umftand, daß Salvandy In der Motivirung feines Entwurfes offen zugeftcht, 
das Ältere Unterrichtöfuftem fei viel beſſer geweſen, als das neuere. „Unter dem 
alten Enftem, im Jahre 1760, wo die Bevölterung Frankreichs ſich kaum auf 
24 Millionen belief, machten in 740 Schulen, welche noch einige Spuren ihrer 
[rüber Einridytung aufwiefen, etwa 75,000 Studenten ihre claffifchen Studien. 
den Gollegien find etwa 100 nicht mitgezählt, über die wir feine Mittbeil- 
ungen befigen, fondern nur wiflen, daß fie befanden. Dazu kommen noch manche, 
deren Ramen fogar verloren gegangen und eine Menge bekannter und unbekann⸗ 
ter Studenten, bie zu guten Sbilologen in jedem Klofter, in jedem Kapitel, von 
jevem Pfarrer, ja faſt von jedem @eiftlichen in feinem Haufe gebilvet wurden. 
Mit Recht Tann man daher das Doppelte von 75,000 Studierenden annehmen. 
Velch einen Abſtand bliden dagegen unfere gegenwärtigen Berhältniffe in dieſer 
Beziehung.” Der Minifter ſchien wirklich eine traurige Freude daran zu finden, 
die Kirche zu rächen gegen die mannigfaltigen Berläumdungen, welche von einer 
undanfbaren Generation gegen fe geichleudert werden. So bemerft er welter, 
daß Frankreich, obgleih nun eine Bevölferung von 36 Millionen befigend, nur 
365 Golleaten und außer den dffentlihen Anftulten Taum 753,000 Studierende 
jäble. „Die allgemeine Bevölferung des Landes habe alfo in demfelbem Maße 
zugenommen, ald die wifienfchaftlich gebildete abnchme.“ Dieſe Tharfache ftellte 
der Minifter noch fchärfer heraus, indem er bem-rfie, früher habe ein „allgemel- 
ned Syſtem Eoftenfreier Ausbildung” die franzöflfhe Jugend vieleicht zu fehr zu 
den Studien bingezogen ; die gegenwärtige „Foftipielige* Erziehung habe aber die 
umgefchrte Gefahr, viele von denen, die zum Studium geneigt gewefen wären, 
von den Wiffenfchaften fern zu Halten, fo daß im Ganzen vie Zahl der Gebil⸗ 
beten abnehme, was cine befiagenswerthe Oberflächlicyleit u. Berfommenheit ver: 
anlaſſe. „Wenn wir bevenfen, daß unter unferen 80,000 Bürgern, weldye ſich 
einer wiſſenſchaftlichen Bildung rühmen können, viele weder das nöthige Alter, 
noch Bermögen befigen, um Wähler zu werden; daß wenigſtens die Hälfte von 
ibnen nicht gewählt werden fönnen, fo müflen wir zugeflehen, daß, da 240,000 
Wähler den politiſchen Körper bilden, welcher über das öffentliche Vermögen, 
über Menfchen und Dinge verfügt, weniaftınd 3 deſſelben nicht jene Studien 
über das Alterthum, die Gefchichte und Philofophie gemacht haben, welche durch⸗ 
aus weſenilich zu einer allgemeinen und richtigen Erfenneniß der ftaatlichen Ans 
nelenenheiten nothwendig find.“ (Und wie ift dieß erft bei der allgemeinen Wahl⸗ 
freiheit!) Ueber die Univerſtiät endlich urtheilte Salvandy folgendermaßen: „ 
Folge ihrer allgemeinen Privilegien fcheint die Univerfität dem eigentlichen Bes 
ariffe des Staates zu widerfprechen... Obgleich voll Freiheit in ihrem eigenen 
Bufen, iſt fie in einer Weile organifirt, foweit die Geſellſchaft biebei berheiligt 
iR, daß fie politifche und bürgerliche Freiheit durdyaus ausfchließt. Privatan⸗ 
ftalten fönnen nur mit ihrer Grlaubniß beflehen und müffen ihrer eigenen Hier⸗ 
archie angehören, ihrer Diepofition und ihren befonvderen Geſetzen gänzlidy unters 
mworfen feyn, fönnen von ihren Oberen vernichtet werden. Nach dieſem Syſteme 
übernimmt der Etaat die Etelle eines Bormunds , ja, iſt der einzige Bormund 
und beraubt ſich fomit freiwillig jened anregenden und ermuthigenden Einflufjes, 
ben der Wetteifer erzeugt, welcher doch dad Welen alle wahren Foriſchrittes if. 
Ein ſolches Syſtem war noch in feinem Lande verſucht worden. In keinem 
Theile der Welt erlebte man eine foldy überwältigende Ufurpation der Gewalt 
über die Jugend, über Unterrichtämethoven, über den praftifchen Unterricht, das 
Studium ſelbſt. Der Minifter geht fogar fo weit, den Klerus zu rechtfertigen 
wegen feiner Haltung der Staatsgewalt gegenüber und es gerecht zu finden, daß 
die Yamilienväter eine folche Tyrannet nicht dulden wollten. Des Familienvaters 
Rechte gründeten ſich auf Prinzipien, die höher flünden, als jeglidyes menſchliche 
Geſetß: Prinzipien ‚ die feine vernünftige und gefegliche Regierung jemals in Ab⸗ 
rede ftellen follte.” — „Die Redyte ded Staates beruhen lediglich auf denen des 
Vaters und, wollte er feine eigene Thätigkeit, feine eigenen Anfäten veocn (us 
Reslencpclopddle X. | 


48 unterricht. | 
ftitufren, welche auf ben Rechten des Vaters beruhen, fo wäre dieß eine offen- 
bare Ufurpation.* — „Sie erinnern Sich wohl, weldye Unfichten ſich in Betreff 
der freien Erziehung von einem: Ende des Reichs bis zum andern mit befonberer 
Energie geltend gemacht haben. Sie erinnern Sich deſſen nicht nur, weil ie 
Reaktion laut ſprach, jonbern weil fie fich notwendig ausfprechen mußte. e 
Kirche hat manche Perioden ihre® Beſtehens durchgemacht; hoffen wir, daß fie 
zu Feiner Zelt gegen Erziehung und Unterricht pe gleichgültig verhalte; denn 
dann würde fie teichallche geworden feyn über die Richtung des menſchlichen 
Gemuͤths, gleichgültig In Betreff des ihr anvertrauten Glaubensſchates, in Be 
treff der Religion ſelbſt, des fittlichen Zuſtandes der Geſellſchaft. Die Bildung 
des Geiſtes 4 viel zu innig verbunden mit der des Gewiſſens, um nicht Die⸗ 
jenigen, welche die rechtmäßigen Ueberwacher des letztern find, anzufeuern, theil⸗ 
nehmende u. eiferige Beobachter der, der erſtern gegebenen, Richtung zu ſeyn. “Der 
franzöftfche Klerus verfpricht eine richtige Auffaffung feiner Miffion und beweist 
feine Aufrichtigfeit, wenn er irgend eine Betheiligung an ven Angelegenheiten des 
Unterrichts bekundet.“ Daß nun bei foldyen Anfichten des Miniſters deſſen Bes 
feßentwurf nicht liberaler ausftel, die Inſpektion der Univerfitäsbebörden über bie 
Unterrichtsanfalten, die Erclubirung der religiöfen Gorporationen und Webnliches 
beibehielt, wäre in der That ein rätbfelhafter Widerſpruch, läge die Annahme 
nicht nahe, daß eine Äußere Gewalt den Minifter nöthigte, feinen eigenen Anfidy 
ten feine Folge zu geben und daß er feinem bebrängten Gewiffen in der ihm 
freiſtehenden Einleitung des Geſetzes Luft machte Mit ber Februarrevolution 
fand die Frage ihre eh nung, tb hoffentlich nicht blos in Frankreich; denn 
die Dmnipotenz der weltlichen Gewalt fcheint überhaupt gebrochen ‚ deren Ueber⸗ 
geeifen in das geiflige Gebiet nicht mehr möglih. „Die Wiſſenſchaft und ihre 
ehre {ft frei," fagt die franzöfifche u. auch die deutfche Eonftituante, wenn auch 
die letztere es nicht unterlaffen Eonnte, dieſe Freiheit dahin zu verfiaufultren, daß 
die Schule, zn einem Elemente des Staatsleben® erhoben (?), dem Bereiche der 
Kirche entzogen wurde. Die Kirche hat aber nicht blos das Recht, fondern auch die 
Pflicht, ſowohl die Bolfs-, wie die höhere Schule ihrem Einfluffe nicht ent⸗ 
ziehen zu lafien. Sie hat dad Recht, eine, ihre Interefien fichernve, Beſetung des 
Lehrlörpers und pofttive Lehre anzuſprechen; es Können alfo auch die gegenfeitige 
Beauffichtigung und Leitung der Univerfitäten von Kirche und Etaat, je nad 
ihrer Zuftänpigkeit, gefordert werden. Verweigert der Staat der Kirche ihren 
rechtlichen Einfluß auf die hoben Schulen, fo ift fie zur Gründung eigener 
Untverfitäten ermächtigt. Die Einmwirfung der Kirche auf die Univerfitäten 
iſt um fo berechtigter, wenn, wie in Deutfchland, die Zöglinge des Priefterftandes 
ihre Studien an den hoben Schulen machen; fie ift es aber auch obnehin, da 
auch die, anderen Berufen fich zuwendenden, Studierenden in ihrer religiöien Er⸗ 
ziehung nicht verfümmert werden dürfen. „Zu lehren und zu unterrichten tft nicht 
Sache red Staats; denn Lehre und Unterricht erzeugt das geiftige Bewußtſeyn 
der Völker; die Äußeren Mittel und Bedingungen mag er fchaffen, aber nicht ſich 
felbft in das Heiligtum der Geifter drängen. Der Staat hat das geiftige Bes 
wußrieyn von fidy ausgefchieden; durch Erkebung der Schulen zu Staatsanftalten 
aber würde er felbft nur verfuchen, dieſes Bewußtſeyn des Fünftigen Geſchlechtes 
zu zeugen. Der Staat würde fo die religio, das Innere Band der Bölfer; er 
würde fidy feibft ald das allgemeine Bewußtſeyn unterftellen und mit dem phyfis 
fhen Edywerte auch daß geiftige verbinden und mit Zwang und Gewalt und 
allen Äußeren Mitteln, die ihm zu Gebote fleben, ven Glauben an fidy verkünden, 
während es den bisherigen Eonfeffionen vielleicht aus Gnade nur erlaubt feyn 
ſollte, Winfelfhulen zu halten.” (Kirche und Staat in Bayern, ımter dem Mi⸗ 
nifter Abel und feinen Nachfolgern; Schaffhaufen 1849.) — Wil man das 
eal der Erziehung durdy den Staat fennen lernen, fo blide man auf Rußland, 
wo Niemand die Funktionen eines Lehrers, nicht einmal einer Gouvernante, aus⸗ 
Üben darf, ohne die Ermächtigung des Minifters des öffentlichen Unterrichts; wo 





—— 


Unterrichtslehre — Unterwalden. 4419 


eſbſt die Bilpungsanflalten der Geiſtlichen Staatsinftitute find, der Klerus aber 
mch in fittlicyer und geiftiger Verfumpfung fchmachtet. Im Berichte des Unters 
richtsmintſters Uw ar ow an den Katfer für das Jahr 1842 iſt zu lefen, daß 
auf 6O Millionen ruffifcher Unterthanen nur 1554 Lehrer und Lehrerinnen kom⸗ 
men. Indem wir noch bemerken, daß die große Frage über die Freiheit des Uns 
terrichts keineswegs eine Darlegung der Verhältniffe des Unterrichtsweiene in 
den einzelnen Ländern involvirt, fügen wir bei, daß, wie in Belgien, fo auch in 
England der Unterricht frei ift, wenn auch der Anglikanismus, ale Staatsinfti- 
at, feine eigenen Hochfchulen hat. Br. 

Un töledre, |. Divaktik. 

Unterfchiebung if eine Art des Betrugd, wodurch eine Sache oder Perfon 
ür eine andere audgegeben und an die Stelle derfelben gebracht wird, wenn 
vieleicht auch eine achte gar nicht vorhanden iſt; 3. B. wenn ein Teſtament, ein 
Kind unterichoben wird, wo gar feines vorhanden war. Diefe U.en fommen in 
mancherlet Formen vor. E8 find wichtige Prozeſſe geführt worden über U. und 
Bertaufchung von Kindern, wo die Mütter gar nicht fchwanger waren, wo Le⸗ 
hende für Todte, Knaben für Mädchen und umgekehrt untergefchoben worden 
ſeyn follten. Diefe Art des Betruges kann übrigend zu den jchwerften Rechte, 
verichungen gebraucht werden und daher auch fehr verfchlebenen Strafen unter 
egen 


legen. 

Unterfchlähtig, | Mühlen. 

Unterfchlagung (interversio), ift die Heimlidye Innebehaltung, Ber 
sntreuung einer Sadye, die dem Betrüger, 3. B. einem Boten, zur Ablieferung 
ın einen Andern übergehen war. was dieſer nicht wußte, die alfo der Eigenthümer 
sicht im Befig hatte. Die U. unterfcheidet fi) vom Diebſtahle (f. d.) dadurch, daß 
ver Betrüger die unterſchlagene Sache nicht aus fremdem Befige wegnimmt, denn 
t bat fie fchon im Beſitze. Vollendet ift dies Verbrechen erft, wenn die, zur Res 
ditution der Sache an den Eigenthümer beftimmte Gelegenheit, ohne davon Ges 
rauch zu machen, abfichtlidy vorübergelafien, oder vereitelt wird. — U. von 
Seiten eines öffentlichen Beumten, gehört unter die Amtsverbrechen. 

Unterthan heißt der Staatsbürger im Verhältniſſe zum Souverän u. einzig 
ur in dieier Bertehung. Du, wo man bidher die Untergebenen eine® Grund» 
and Qutsherrn U.en nannte, ift dies nur ein uneigentlicher Ausdruck; blos tim 
wfammengefegten Staate fönnen die untergeordneten Regenten wieder U.en haben. 
So mar e8 ehemals im deutichen Reiche; fo war es in gewifler Hinficht bis In bie 
neuefte Zelt bei den ehemals fouveränen, nun flandesherrlichen Befigungen. In 
unumfchränft monardyifchen Staaten gibt e8 feinen Stand, der nicht U. iſt; die Ges 
mablin bed Souveränd iſt deſſen erſte Uin. Auch Fremde find U.en, fo lange 
fie im Staate weilen (subditi temporarii), nur diejenigen ausgenommen, welchen 
nach völferrechtlichem Gebrauche die Erterritorialisät zufommt. . 

Unterwalden, einer der drei Uıkantone der Eidgenoffenfchaft, faft in ber 
Mitte Der Schweiz, gränzt im Weiten an den Kanton Luzern, im Ofen an Urt, 
gegen Mittag an Bern, gegen Mitternacht an den Bierwulpftäpterfee und den 
Rilatusbera. Der Yläüchenraum beträgt 12,4 [[] Meilen, die Bevölkerung 22,570 
Seelen. Die Gebirge (Engelberger und Sarner Alpen) erheben fih bie zu 
10000' über dad Meer und die im Eüden gelegenen bevedt ewiger Schnee. 
Die höchfle Spige iſt der Titlis (10.570). Ein dicht beflandener Gebirgs⸗ 
rüden, der Kernwald, vom Titlid auslaufend, theilt den Kanton in 2 Theile 
oder Thäler, Unterwalden und Dberwalden, oder nach der Volksſprache 
— das Land ob dem Wald und nid dem Wald. Haupıflüfle find die bei⸗ 
ven Aa und die Melch. Der Biermwaldftädterfee berührt die nördliche 
Seite des Kantons und bildet dafeltft' die prächtige Wipenacher Bucht. Außer, 
dem finden fich noch vier andere Seen, der von Lungern, Meldy, Sarnen und der 
Trübfee. Das Klima ift, die höher gelegenen Thelle ausgenommen, ſebt wu, 
das Anſehen des Landes überaus freundlich. Die tiefen Thaͤler Nut —XX 

27 


im. 


420 unterwalden. 


die Höhen mit ſchoͤnen Weideplatzen bedeckt. Die Einwohner find beinahe aus⸗ 
ſchließlich Hirten; im Sommer ſieht man mehr als 11,000 milchr Kübe auf 
den Alpen. Bon Wild kommen befonders Gemſen, Murmeltbiere, Hermeline x. 
vor ; die Gewäfler find fehr ſiſchreich und ver Fiſchfang befchäftiget einen großen 
Theil der Anwohner der Seen. Der Wderbau iſt durch die eidersirıbfehaft 
zurüdgefebt, dagegen werden bie Obſtbaumzucht und ver Gemüfebau in ausge, 
dehntem Maße beirieben. Auch die Forfinugung iſt enli bedeutend. Die 
Gebirge von U. beſtehen zumeift aus Kaifftein und nur in den höheren. Regionen 
fiehbt man den Granit hervorbrechen. Der Mineralreichthum des Landes wurde 
übrigens nie einer befondern Beachtung gewürbdiget. Im Melchthale und ander: 
wärts wird Marmor gebrochen; Kalk, Schiefer und Baufteine fehlen nicht. 
Mineralquellen bat der Kanton zwei. — U. iſt gan katholiſch und gehört jur 
Didsefe Chur. Der Menſchenſchlag iſt ſchoͤn. Die urfprängliche Volkstracht 
verliert fidy aber von Tag zu v. mehr. ndel u. Induſtrie find unbedeutend ; 
ausgeführt. werden Vieh, Käfe, Butter, Häute, Hol. — U. bildet im Schwei⸗ 
bunde nur Einen Staat, ift aber im Innern fchon feit dem 12. Zahrhumderte 
In zwei Thelle geſchieden, Ob» und Nidwalden, mit gegenfeitig unabhängiger 
Berfaffung und Verwaltung. Indeß weichen die Konſtitutionen beider Thelle in 
den wefentlichen Beſtimmungen nur wenig von einander ab; überall liegt die 
abfolure Demokratie zu Grunde und beruht die höchſte fouveräne Gewalt auf ver 
Landesgemeinde, oder ber Berfammlung aller ehrenfähigen Landleute. An ber 
Epige der vollziehenden Gewalt fiehen der Landammann und ‚vie Mitgliever des 
Landrathes. Zum Natlonalrathe fendet U. 2 Abgeordnete; dad Bundesfontin- 
ent beträgt 677 Mann. — Wir führen nun die bemerfenswertheften Bunfıe des 
antone vor. — Sarnen, der Hauptort von Obwalden, if ein Fleden mit 
4000 Einwohnern, deſſen Gemeindebaus die Bildniſſe der Landammanne ſeit 
1381 zieren. Auf der Anhöhe nahebei ragen die Ruinen des Schloſſes Landen⸗ 
bergs, in deſſen Hofraume ſich die Landesgemeinde verſammelt. An den Ufern 
des Sarnerſees liegt das Dorf Sach len, die Grabſtätte des Bruders Niko: 
laus von der Flue, der durch eine ſeltene Vereinigung großer Eigenſchaften der 
Schutzgeiſt und der Friedens oermittler ſeines Vaterlandes wurde. Das roman⸗ 
tiſche Melchthal gab einem der drei Gründer der Schweizer Freiheit Leben u. 
Namen, und das hoch liegende, rauhe Engelbergerthal, alſo genannt von 
dem in feinem Schooße erbauten Kloſter Engelberg, leitet zum Fuße des Tit— 
lis bin, deflen riefiger Gipfel cine mehr ala 170 Fuß dide Eiekruſte trägt, welche 
unaufhörlich ftürmiſche Lawinen hinabwälzt, Stanz mit 3500 Cinwohnern ifl 
der Hauptort von Nidwalden; man fteht dafelbft das noch erhaltene Wohnhaus 
Arnolv’s von Winkelried, der ſich in der Schlacht von Sempach opferte, um 
feinen Landsleuten die feindliche Schlachtlinie zu öffnen, und der Brunnen auf 
dem Plate tft mit der Starue dieſes Nationalhelden gelhmädt, — Es win, 
wir wifien nicht mit welchem Rechte, behauptet, U. ſel zuerft von römifchen 
Flüchtlingen bevölkert worden. Gewiß ift, daß es der Reihe nach unter fränf- 
ticher, burgundifcher und deutfcher Oberherrfchaft ftand. - Im 3. 1308 verjagten 
die Bewohner, im Bereine mit den Urnern und Schwyzern, die Reichevägte u. 
zerftörten die Zwingburgen Sarnen und Ropberg. Darauf Fämpften fle tapfer 
bei Morgarten und Sempady mit, halfen aber audy den benachbarten Kantonen 
die Unterwerfung von Bellinzona bewerfftelligen und rifien, bei aller Liebe für 
eigene Freiheit, Herrenrechte — wenn fchon von geringem Antheile — über das 
Teſſiner Land an fi, weiche fie bis zur Revolution von 1798 behaupteten. In 
diejem Zeitraume bereiteie fi) dad Land, gleicd, den andern demofratifchen Kan⸗ 
tonen, zu einem lebhaften Widerftande gegen die Truppen der franzöftichen Res 
publif vor. Wein ungeachtet des Heroismud der Baterlandevertbeibiger dran 
der General von Schauenburg durdy das Melchthal ein. Es koſtete ihn 4i 
Soldaten, aber dafür wurde nun auch Alles angezündet, dad Vieh weggenommen, 
Hr und Jung erfchlagen. Dieſes Unglüd war vorzüglich Nidwalden, welches 


Unterwelt, 421 


h beim Kampfe ernſtlicher betheiliget Hatte, ald Obwalden. 1802 nahm U, 
ı der Inſurrektion der Echweiz Theil u. 1815 wurde es, weil es fich weigerte, 
e neue Berfaflung anzune men, durch Waffengewalt zur Unterwerfung gezwun⸗ 
a. Sm der legten Zeit zeigte fich U. fortwährend Tonfervativ, verwarf die Bas 
mer Konferenz, proteftirte gegen die Aufhebung der Kiöfter (1841), flimmte in 
efem @eifte in der Jeſuitenfrage (1845) und faßte in der Landgemeinde zu 
tanz ben 10. Dftober 1847 den Beſchluß, am Sonderbunde feflzubalten. Nach 
m diefen unglüdlicdyen Yusgange bee ‚Dürgertriege Fapitulirte es am 21. Ros 
mber unter benjelben Bedingungen, wie Zug: NRüdtritt vom Sonderbunde, 
efegung durch eidgenönftiche Truppen, Entlaflung der Kantonstruppen, Abgabe 
t Zandflurmöwaffen an das Kantonalzeughaus, Worbehalt aller ragen nicht 
ilitäͤriſcher Natur zur Entfcheidung der Tagſatzung. Man rühmt den Unter- 
aldnern nah, daß fle während des Krieges ſich am tapferfien geichlagen unb 
ich demfelben ihre Verbindlichkeiten am erften erfült haben. Doch konnte dies 
m mit großen Opfern gefchehen, und U. iſt durch die Koften der bewaffneten 
tfupation und die auferlegten Kriegäfteuern, glei den übrigen Sonderbunde- 
ntonen, ſchwer gevrüdt, fo daß außerordentliche Steuern erhoben werden müflen. 
- 3. Buffinger und & R. Zeller: Verfuch einer Geſchichte des Freiſtaates 
„2 Thle., Luzern 1789 — 92. mD. 
Unterwelt, die, kommt in doppelter Bebeutung vor: einmal in den kosmo⸗ 
mifchen Syſtemen, mit Rüdficht auf die früheren Borftelungen von der Geſtalt 
id Befchaffenheit der Welt und der Erde und dann in den religtöfen Anfichten 
8 Alterthums. In der erfien Beziehung dachte man fi, da man die Erbe 
s eine Scheibe betrachtete, einen Raum über berfelben und einen andern, ihm 
tfprechenden, unter berfeiben ausgedehnt; jener war der Himmel oder die Ober . 
eit, diefer der Tartarus oder die U. Die Kosmogonie der Witen ließ die U. 
durch enifiehen, daß die Erdfcheibe durch die Umarmung des Eros und des 
haos aus dem legteren entſteht und ſich durch das ei» oder fugelförmige A 
dehnt. Dadurch gefchieden von dem Himmel, an den die Tag und Licht 
ingenden Geftirne geſtellt wurden, herrfcht in der U. eine ewige, undurdydrings 
be Finfternig (Erebus), daher auh Hades genannt, d. h. ein Drt, wo 
an Nichts fieht und auf ihrem Boden folten die Säulen flehen, worauf Erde, 
teer u. Himmel ruheten. Hieher verfegten die Dichter den Kerfer der von Kronos 
fürzten Titanın und dann, nach Zeus u. der Kroniden Siege, den entthronten 
ronus ſelbſt. Die Phantafte der Dichter ließ die U. mit einem metallınen Bo⸗ 
n verfehben und von metallenen Mauern-umfchloflen feyn, durch weiche eherne 
bore führten, bewacht von den Gentimanen Kotius, Gyes und Briareus. Nie 
iß der Abgefchievenen, als das Reich der Todten wird die U. erſt fpäter ges 
innt und bei Heftodus und Homer find die Infeln der Seligen weder als Auf- 
thaltsorte der Seelen aller ©eftorbenen, fondern nur einzelner Göttergünftlinge, 
ch unter der Erde, fondern außerhalb derfelben, an ihrem Weſtrande, in den 
luthen des Oceans, gedacht. Indes ſchon vie Zeit, welcher die Odyſſee anges 
rt, fcheint d.e U. al8 den Eig der abgefchiedenen Menſchenſeelen angenommen 
: haben; wenigflend werden in diefem Gedichte die auflerirdischen Sige der, der 
rde eninommenen, Götterfreunde und die U. an verfchtedenen Stellen genannt; 
m einer Bergeliung ift noch deine Rede. Weil überhaupt die epliche Seit nur 
e Ramen von Helven kennt, fo kamen, weil nur perfünlicher Much ald Tugend 
le, alle Gefchiedenen an einen Ort u. nur erflärte Götterfeinde, wie Tityus, 
antalus, Siſyphus und 9. erduldeten pofitive Strafen. Dieje Scheidung bes 
mmte, als Richter der Todten, der als gerechter König im Leben bewährte 
önig von Kreta, Minos. Mit der Zeit änderte ſich jedoch der angebliche Ort 
t U. u. die dafelbft angenommenen Räumlichkeiten. Als Todtenreih war die U. 
in wirklich angenommen, aber, je richtigere Anfichten von der Geftalt der Erve 
ıbreitet, als diefelbe als eine Kugel erfannt wurde und man von einer, zwiſchen 
n leeren Himmels⸗ und U.8-Räumen fchwebenden, Scheibe abtam, Wo wur 


422 Nintertwelt, 


‚man bad Todt derewohin . Die Ei af das 
32 der eb —* Bade —8 rocber — —— 
Theilen, oder, beſtimmter, in der Mitte und Zugänge. in biefe waren alk 


| erigen Erdriſſe, Höhlen, Klüfte, Felsſpalten und dgl., 3. ©. dem lalon- 
oem —A arm ‚ vl Ger Halentichen Stant x Int 
hatte fidy, auch durch ‚hervortretendes fittliches Prinzip in der griechtfchen R 


befonderd durch orientalifche Ideen erregt, die Idee an eine eltung wach 
dem Tode beftimmter berausgebildet und nach derfelben durften die Eeelen der 
Guten und die der Schlechten nicht an demfelben Orte im attenreiche ver 
weilen, fondern fle mußten von einander gefchiedene Räume bewohnen. Die U, 
Bades, oder auf lateiniſch Orcus (welche beide Ramen audy für den, bie AL res 
erenden, Gott. gebraucht werden), tbeitte fi) nun in 2 Theile: in das Ely⸗ 
ium, wobin die Srommen und ven Tartarus im en Einne, wohin die 
Gtrafwäürbigen kamen. Bon Merkur wurden die Seelen in die U. 
dort gelangten fie zuerfi an den acherontiſchen See, weicher durch das 3 
frömen der Me len Sünde Kocytus und. Gtyr gebildet wurde. 
diefen See führte fie Eharon (1. d. Artifel), auf einem alten, gerbrechlichen Boote, 
wofür diefem ein kleines Belvftüd (Danafe, audy ein etwas weniger getmbes, 
Obotus) gezahlt wurde. Daher pflegte man dem Todten eine foldye ige in 
ven Mund zu legen. Doc, wurden nur bie übergefahren und in deu eigenilichen 
Bereich der U. gebracht, welche nach ihrem Tode auf der Oberwelt 
d. h. mit Erde bedeckt waren; weflen Körper unbeerdigt geblieben war, deſſen 
.Seele mußte 100 Jahre rubes u. raſtlos an dem fiyaudervollen Ufer des trüben 
Sees umberirren. Auch Lebende konnten dahin kommen, wenn mit einem 
goldenen, ber ‚Broferpina geweihten, Zweige bewehrt waren. Jenſeits ves 
trafen die wandernden Geifter zuerft auf eine Höhle, in welcher der wreitö 
Gerberus (f. d. Artikel) lag; wer diefe paıfirt hatte, konnte von dort nicht 
wiederfehren; nur dem lebendig hinabgeftirgenen Herkules glüdte es mit des Ub⸗ 
meto8 Gemahlin. Auf einem dahinter liegenden Platze angefommen, erbiidten 
die Echatten den Richteiftuhl des Minos; er entfchien, nad) den Thaten auf der 
Dberwelt, ob einer im Eiyflum, oder im Tactarus fortzuleben verdient habe. 
Der legtere war ein trauriger und finfterer, von einer dreifuchen Mauer umgeb- 
ener, von dem feuerftrömenden Phlegethon und dem traurigen Acheron um- 
flofjiner Ort, wo ein anderer Höllentichter, Rhadamanthus, Art und Grad der 
Strafe beftimmte und die Zurien die Berurtheilten mit allen Dualen petnigten. 
Der Weg hieher führte lints von dem Gerichtsplatze; rechte lag das Eiyfium, 
ein herrlicher, mit Alem, was die Ratur Reizendes bietet und die Phantafle nur 
Schönes fchaffen kann, verfehener Ort; um denſelben floffen die Fluthen ver 
Lethe, von deren Waffer trintend, die Schatten Allcs vergaß.n, was fie auf 
der Oberwelt gelitten und gıduidet hatten; nur die Erinnerungen an die obers 
weltlichen Freuden blieben ihnen und in denfeiben Befchäftigungen fehen wir die 
Seligen dort geſchildert, die fle dieſſeits geliebt. Daß einzelne Ideen, oder viel 
mehr die Grundidee, worauf die Griechen den Glauben an eine Bergeltung 
gründeten, aus orientalifchen, befonders perſiſchen Aniichten herrührsen, ift fchon 
oben angedeutet. Die Annahme derfelden fält gewiß in die ruhige, von feinem 
bedeutenden Kriege geftörte, Bildungsftufe des Hellenenthums nach dem homer⸗ 
iſchen Zeitalter und vor den Perferkriegen, wo die, fidy über Griechenland aus⸗ 
breitenden, Magier ibre Ideen dahinbrachten. In jenem Zeitraume war aber 
auch Aegypten ven Hellenen geöffnet worden u. auch aus der Mythologie dieſes 
Landes entiehnten diejelben Vieles, hauptſaächlich Lokales; denn wer dürfte wohl 
daran zweifeln, wenn man bad oben Angeführte mit den ägyptiſchen Anfichten 
vergleicht ? gie glaubte man einen Amenthes, das unterirdiſche Todtenreich, 
wo Ofiris, Serapis und Iſis richteten, wohin Anubis die Eeelen führte u. wo 
Wölfe den Eingang bewachıen. Das Fahren über den acherontiſchen See fcheint 
von dort genommen ju feyn; denn aus Memphis wurden Die Rumten in Kähnen 


E 








über den See Möris in die Todtenkammer geführt. Vielleicht gab auch die 
ptifche Eitte, vor der Beifehung der Mumien ein Toptengericht gu ann, 
anlaffung zu den umterirdifchen Gerichten. — Das Judenihum, deflen Glaube 
Beſtimmung des Menichen und Bergeltung feiner Thaten im troifchen Leben 
amahm, war ziemlich gleichgültig gegen ein anderes Leben; doch dachten fis, die 
Seele gehe nicht ganz unter und in dem Scheol, weldhen Drt fie audy in bie 
inneren Räume ber Erde verfepten, wo ber Körper geborgen wurde, meinten fie, 
Ike die Seele in fehlummerähnlichem, freudes und erinnerungslofen Zuftande 
t Erſt nah der Rüdfehr aus dem babylonifchen Eril finden fidy auf eine 
tere Fortdauer und Vergeltung Hindeutende Anſichten, welche man den 
Chaldaͤern entlehnt hatte u. die ſich dann in der griechifichen Zeit verſchieden im 
alten Baterlande und bei den alerandrinifchen Juden, unter mannigfaltigen Außs 
erm Ginflüffen, geftalteten. . 

Unze, ein zum Kapengefchlechte gehörige Raubthier, eine Spielart zwifchen 
Bonther und Leopard. Die U. wird nicht allgemein als befondere Thlergattung 
ee halt indem Einige fie mit dem Leoparden, Andere mit dem Jaguar für 

en. ! 

Unze, 1) ein, in allen deutfchen Staaten übliches, Gewicht von zwei Loth. 
In Frankreich heißt es Once, in Italien Oncia etc. In einigen afrifanifchen 
Staaten wird nad U.n Gold gerechnet, weiche z. B. in Abyifinien == 14 Thir., 
in Maſſuah 64 Thlr. preußiſch Bourant if. — 2) U., in Sicilien eine wirkli 

eprägte Nationals Boldmünze, 3 Ducati (f. Ducato) an Werth, wovon es a 
peite, fünf» und zehnfache ar 

er, Johann Auguft, Arzt und Schriftfieller, geboren den 29. April 
1727 zu Halle, fludirte dafelbft und wurde 1748 zum Med. Dr. promovirt. @r 
übte nun die Ärztliche Praxis in feiner Vaterſtadt aus, zog 1750 als praftifcher 
Arzt nady Hamburg, dann nady Altona und wurde fpäter Drofffor in Rinteln, 
wo er am 2. April 1799 ftarb. — U. war ber peiftreichke ertreter jener Richt⸗ 
ung ber Rervenphyſiologie, die ſich aus der Jrritabititätsichre entwickelte. Am 
berühmteften aber wurde er durch feine populärsmediziniiche Wochenfchrift: „Der 
Arzı,” 6 Bde., Aitona 1759, 2. Aufl., 1769. — Aufferdem fchrieb er: „Medi 
ziniſches Handbuch,“ 3 Thle., Leipzig 1770, 5. Aufl., 1794; „Erſte Gründe einer 
PBhyflologie der eigentlichen thieriſchen Ratur tbieriicher Körper,” Lpz. 17715 
„Einleitung zur allgemeinen Pathologie der anftedenden Krankheiten,“ Leipzi 
1782 x. — Eeine Srau: Johanna Eharlotte Ziegler, geb. zu Halle 74 
geftoiben zu Altona am 29. Jun. 1782, if befannt als Dichterin. E. Buchner. 

Anzucht, |. Fleiſchliche Vergehen. 

Unzupändigteit, ſ. Incompeten;. 

Upas (Antiaris toxicarıa), der Giftbaum, fommt auf Java vor und ent 
hält einen ſehr fcharfen Saft, der, in's Blut gebracht, ſchnell toͤdtet und deöwegen 
ur Bergifiung der :Pferlipigen benügt wird. Die Gingebornen nennen dieſen 
Baum An Har. Er gehört zur 21. Klaffe nach Linnde. Die männlichen und 
weiblichen Blüchen ftehen auf demfelben Zweige nidyt weit von einander enıfernt, 
Das Sumengefäß tft eine längliche, in einen Keldy auslaufende Steinfrucht, und 
der Same feibft eine eltunde zellige Ruß. Der cylınderförmige Stamm wird 
60—80’ body und feine Aefte bilden eine hulbfugelartige, nicht ganz regelmäßige 
Krone. Die Rinde ift weißlich und mit leichten Längenriffen verfehen. Dicht 
am Boden ift fie bei alten Bäumen mehr als einen halben Zoll did und wenn 
man fie tigt, läuft ein milchiger Suft hervor, aus welchen das Gift bereitet 
wird. Diejer Saft iſt gelblih, ſchäumig und färbt ſich an ver Luft braun. 
Seine Konfiftenz iſt dider und klebriger, al6 die der Milh. Der Saft if in ver 
Rinde oder eigenttichen cortex enthalten. Die innere Rinde (liber) ift ein dich⸗ 
tes, faferiges Gewebe und ficht, wenn fie abgelöst und ereinigt wird, wie grobe 
Leinwand aus. Man madıt flarfe Stride aus ihr und fogar einen groben Kleid⸗ 
ungsſtoff, welchen die armen Leute bei der Beldarbeit tragen. — Der Gifibaum 


wird nur in großen Wäldern gefunden, und es if eine Babel, daß in fekier 
Nähe keine andere P gedeihe und daß feine Ausdünſtungen ober wohl 
ſchon fein Schatten Menſchen und Thiere tödten. 

‚ Hauptort der Län (Landeshauptmannfchaft) gleichen Namens, in 
der Provinz Upland des Königreichs Schweden, liegt in einer weiten und frucht⸗ 
baren Ebene, der größten in Mittelfchweren, an dem Yyrisflufie, u. iſt der Gig 
eines Erzbiſchofes (des Primas des Reiches) und einer Univerfliät. Die Stidi 
wurde in den leuten Jahren durdy neue Häufer u. Barkanlagen fehr verſchoͤnert. 
Unter ven Gebäuden ragt insbefondere der Dom hervor, die größte und fchörfe 
Kirche des ganzen proteflantifchen Nordens. Der Bau wurde 1258 begomen 
und erreichte erft nach zwei Jahrhunderten feine Vollendung. Seine Dimms 
fionen find 180 Ellen Ränge, 76 Breite und 57% Höhe. Hufen zeigen fich zwei 
Thürme und das mit Kupferplatten belegte Dach. Im Innern tragen vier neen 
einander Binlaufende Säulenreihen das herrliche Gewölbe und umgeben eisen 
großen freien Raum, wo die Könige von Schweden gekrönt werden. Die Kirche 
enthält viele Reliquien der Landesgefchichte und interefiante Grabventmäler, tar 
unter das Linnos. Das von Gufiav I. erbaute prächtige Schloß fleht auf einem 

ügel aufferhalb der Stadt, zu deren Sehenswürdigkeiten auch der zum Anderken 
ulav Adolph's errichtete Obelisk und das Wohnhaus Linn’ gehören. Die 
1476 von dem Reichöverwefer Sten Sture gefiftete Univerflsät iſt eine der bes 
rühmteften Hochſchulen des nörblichen Europas und zählte im Jahre 1845 1367 
Studenten. Ihre Bibliothek umfaßt 100,000 Bände Drudwerke und 6000 
BAHR darunter der berühmte Codex Argenteus, die Edda, die Manu 
ie aus den zwei myſteridſen Kiften Guſtav's Hi. u. a.; ferner bat fie ein 
Mufeum mit einer Bilpiäule Linne's, von Thorwaldſon, ein Mürtjläbinet, eine 
Sternwarte, einen wohleingerichteten botanifhen Garten u. f. w. Nebſt ver 
Univerfltät beſtehen in U. eine k. Geſellſchaft ver Wiffenfchaften, eine Kathe⸗ 
dralfchule, ein Lyceum, eine Real» und mehre Volksſchulen, fowie ein Vollslehrer⸗ 
feminar, Tabak⸗ Bands u. Strumpffabrifen; 5000 Einwohner, ohne die Studen- 
ten. Ein großer Markt, Difathing genannt, verfammelt aljährlich zu Anfang 
Zebruars die Bauern aus NRorrland mit ihren PBroduften in der Stadt. — 
bat fehr merfwürdige Umgebungen. An einer Bucht des benachbarten Mälar- 
ſee's liegt die uralte Stadt Sigtuna, die Refivenz Odin's und der Ausgangs» 
unkt feiner Lehren. Alt⸗U., ſetzt ein Kirchporf, eine Stunde von der Stadt, 
—* einſt einen prächtigen Götzentempel und war ber ee der ſchwediſchen 
Könige bis auf Diof Schooßfönig, um das Jahr 1000 nach Chr. In der Wäbe 
U.8 find audy die in der Altern Rundesgefchichte fo berühmte l&bene Fyriow all, 
der Wahlplap, die Morafteine genannt, wo von der Mitte des 11. bis gegen 
Ende des 15. Jahrhunderts die Ehwenifchen Könige gemählt wurden, die vier 
Högarhügel(Hünengräber) von welchen einer oben abgıplartet iſt u. Thing s⸗ 
FM Gerichtshũgel) heißt, indem die alten Könige auf ihm zu Gericht faflen. 
diefen Hügein wurde 1843 die Berfammlung der ffanvinavifchen Studenten 
gehalten. Andere befuchenswerthe Parthien der Umgegend find das fchöne k. 
Luftfchloß Rofersberg am Mälarfee, Pammarby, der etemalige Landſitz Eins 
nö’, Stoftofter, ehebem eines der reichfien Klöfter des Landes, jet Ritteiſitz 
des Grafen Brahe, mit einer fchönen gotbifchen Kirche, in weldyer der berühmte 
Feldmarſchall Wrangel begraben liegt, und weitläufigen Gebäuden, Signilds⸗ 
berg, Ritterfig de& Freiherrn Baner, weicher feinen Ramen von Gignild hat, 
der Tochter des im 8. Jahrhunderte lebenden Königs Eigurd Ring, die fi) aus 
Derzweiflung über den ſchmählichen Tod ihres Geliebten, des Prinzen Habor, 
mit ihren fämmtlidyen Jungfrauen verbrannte. Etwa 6 Meilen von U. liegen 
die berühmten Eıfenbergwerte von Dannemora. — Die Stadt hieß vormals 
Defra Aros, ſpäter auch Neu⸗-U., zum Unterfchtede von Alt⸗A. Bei Eins 
führung des Chriſtenthums in Schweden wurde hier ein Bisıhum gegründet, 
welches König Karl I. 1163 zum Erzbisihume erhob. mD. 


. Seal, 425 


Ural, d. 5. dee Gürtel (montes riphaei ober hyperboraei), ein @ebirge, 
a6 auf 300 Meilen vom Eis, bis zum Faspifchen Meere die Graͤnze zwiſchen 
Zurepa und Aften bildet. Der nörblichfte Theil heißt das werchoturifche oder 
ugorifihe Gebirge. Süuͤdlich vom uraler Bergrüden ſenkt fidy derſelbe in den 
kun Iindlifchen Bergen in die Kirgifenfteppe. Sein padwinskiſcher Felſen liegt 

7 Fuß böber, al& das kaspiſche Meer. Mehre Flüffe, auf der öftlichen und 
weſtlichen vibdachung des U., befördern den innern Harudelsverkehr des Gouver⸗ 
nements Perm, deſſen größte Merkwürdigkeit das metalireihe U.-Gebirge iſt. Der 
Krone gehören 9 Bergwerke und Hütten in Eiſen, 51 Kupferbergwerke, eine Gold⸗ 
zäiche, ein Münzhof; von Privaibergwerken find 81 in Bußelfen und 18 in 
Rupfer vorhanden. Die jährliche Ausbeute an Kupfer beträgt 200,000, an Eiſen 
300,000, an Gußeiſen 8,500,000 Bud. Die Salzwerlfe der and geben 
jährlich 1,300,000 Bub Salz, vie Privatfalswerte Itefern 6,136, Bud. 
Die Zahl der Arbeiter in ven Bergwerken beläuft fi) auf mehr als 120,000. 
Bon gan findet man gar keine, von Blei und Silber nur geringe Spuren auf 
dem U.» Gebirge. Die, aus den Bergwerken gewonnenen, Brodufte kann man 
jährlich im Durchfchnitte auf 45 und, mit Einfchluß des Wafchgoldes, auf 50 
Millionen Rubel fchägen. Seit Kurzem hat die A— der Ooldadern des 
U. einen überaus reichen Ertrag gegeben. Den uralifdyen Goldſand kannte man 
khon ſeit 1774. Er bevedt eine dläche von 135 8 Meilen. Man findet ihn 
ſowohl in den Bergadern, als in dem Uferſande. Die Sandbänke find wahr⸗ 
ſcheinlich Trümmer früherer Gebirge. Aus den Bergadern wird das Gold durch 
Stampfen in Kaſten von Gußeiſen gewonnen, aus denen man das, zu Sand zer⸗ 
Rampfte, Mineral mittelſt des Waſſers auf die Wufchbälge bringt, wo der Schlamm 
md die leichten Theile durch das Wafler weggeipühlt werben, die fchweren mes 
talliſchen aber fidy auf dem Wafchbalge fegen, von dem fle als Kleine Körner 
aufgeiefen werden. Das Gold aus den Eandbänfen wird durch Wachen mittelfl 
Rebartiger Gefäße gewonnen. Zu diefem Erwerbszweige braucht man 14,000 
Rrbeiter, darunter 4380 Bauern der Regterung. Bis 1817 betrug die Ausbeute 
des Goldes auf den uralıfhen Gebirgen nicht über 18 Pud im Durdhfchnitte; 
im Jahre 1843 war der Ertrag bereits auf 1313 Pub 30 Pfund geftiegen. Im 
San;en kann man rechnen, dag die Gefammtausbeute aller uralifdyen Goldberg⸗ 
werte feit 1815— 1843 zum mindeften 6000 Pud oder 420,000 Fölntfche Mark, 
das if an Werth in runder Summe 90 Dil. Thlr., betragen hat. Unter ven 
Brivarbefigern haben im U. die beveutendften Bergwerke: die Familien Demidow, 
Jakowlew, Stroganow und dad Handeldhaus Yubin. Merkwünrdig iſt die Aus⸗ 
beute an Platina (f.d.); im Jahre 1843 teutete man beriiis 203 Pud 30 Pfo. 
dieſes Minerals in den uralifchen Bergwerken aus. Body ift dieſelbe nicht in 
[0 regelmäßiger Zunahme begriffen, wie die Goldproduktion, auch kommt dieſes 
Mineral nicht in fo enormen Klumpen vor, wie dies beim Golde zumellen der 
Kal iſt. Im Jahre 1825 hatte man bereitd einen Goldklumpen von 14 Pfo. 
Schwere gefunden; fpäter fand man Etüde von 15— 20 Pfd. und am 26. Oft. 
1842 entdeckte man endlidy beim Abbruche eines Hüttengebäuded im Bereiche der, 
um flatuftifchen Hüttenbezirfe gehörenden, mijaßkiſchen Gelpfandlager eine, jegt 
im Dufeum des Berginftituss zu Petersburg niedergelegte, 77 Pfd. fhwere Gold⸗ 
Rufe, deren Werth gegen 33.000 Thir. beträgt. Auch ıfl der U. reich an Edel⸗ 
ſteinen; bejonder® berühmt find die Topasgruben bei Murfindf und die Beryll⸗ 
gruben von Sefaterindurg. An letzterem Drte fand man in neuefter Zeit einen 
6 fd. ſchweren, fehr reinen Beryll ven grüner Farbe. Ebenſo findet man bier 
prächtige Malachitdruſen u. feit 1836 auch Bernftein. Bgl. Hoffmann u. Helmerfen, 
„Beognoftuche Unterfuchungen des Cüpduralgebirges*, Berlin 18315 Humboldt, 
„Progments de geologie et de climatologie asiatique*, 2 Bde., Parié 1831, 
vun, Berlin 1832; Erman, „Reife um die Erde durch Rordaſien“, 3 Bde, 
Berlin 1833 —1838 und Gregor Echifchurowety, „Das Uralgebirge In phyfſiſch⸗ 


208 Ural — Urban. 
geographiſcher, oſtiſcher und: mineralogiſcher Beziehung?, Moskau 1S41, in 
ruffticher & geſchrieben. | lee 
Ural (der Fluß), bis 1775 Jaik genannt, entſpringt im rufifchen Gower⸗ 
nement Orenburg, füplid) am Uralgebirge. Gein Lauf if zuerſt ſüdlich bis 
Orskaia, dann weRlich auf der Graͤnze des. Gouvernements Orenburg und bes 
Kirghiſenlandes; er nimmt den Ilek auf und fließt von Uralsk wieder füblich bis 
zur Mündung ins kabpiſche Meer. Gr IR giemlic tief, — un dat dam 
ra Lauf. Nebenflüſſe von ihm find: Kill, Tanalik, Bolchoi⸗ 
T Bean nduel, Or, Ilek, Uwa, grad 
rania (die Himmlifche, rein Unkörperliche), iR 1) der Rame 
einer. der neun Muſen (f.d.), der Mufe der Sternfunde. Gie wird gewöhnlich 
mit einer Sternenfrone auf dem Haupte und in einem, mit Sternen befäcten 
Gewande, in der Linken eine Himmelöfugel ober eine Leiter haltend, vorgeſtellt 
Einige geben ihr auch ein rohr, einen Zirkel und eine Himmelskugel 
m enfahe der bio . en term 
ie ne —— N —— — logie der U des gries 
rano n r en olo rvater anzen 
chiſchen Goͤttergeſchlechts. y* ne erſten einder waren bie Gentimanen. dann 
gebar ihm Baea die Cyklopen; diefe wurben wegen ihrer ungeheuern Gewalt in 
den Tartaros gefperrt, wa® deren Mutter fo fehr erzürnte, fie ihre nachher 
borenen Kinder, die Titanen, gegen den Bater aufreiste und biefe denfelben vom 
rone der Welt verſtießen, ja, ——** fein jüngfter Sohn, ihn fogar wit einer 
diamantenen Sichel unfähig zu ferneren Zeugungen machte. Das Meer nahm 
bie verKümmelten Glieder auf, bie der Venus das Lben gaben; and dem ver 
lich Biute aber entflanden die Biganten, die Grinnyen und. die meliſchen 





mphen. | 

Urban, Rame von acht römifchen Paͤpſten. 1) U.I., Helliger und , 
ein Römer non altadelicher Abkunft, wurde im Jahre 5P zum Papfte erwählt. 
Er taufte viele Perfonen, weldye vem roͤmiſchen Adel angehörten, wie die heilige 
Caciiia u. ihren Bräutigam Balerianus. Er verorpnete, daß die Gefäße, welche 
beim Gottesdienſte gebraucht wurden, von Silber ſeyn follten, weßhaib anzuneh⸗ 
men iſt, daß die fllbernen Keldye fchon vor diefem ‘Bapfte im Gebrauche waren. 
Daher wiederholen wir mit Novaes die Antwort, welche der bl. Bonifazius auf 
die Frage gab: „ob es erlaubt fei mit hölzernen Gefäßen zu celebriren?* „Sonft, 
fügte er, als die Priefter golden waren, bedienten fie ſich hölzerner Kelche; jekt, 
da die Prieſter von Holz find, bedienen fie fidy goldener Kelche.“ U. gab die 
Verordnung, daß die getauften Ehriften nur aus der Hand der Bifchöfe Die Hi. 
Firmung empfangen follten. Daraus haben die Irrlehrer den Portchien Schluß 
gezogen, als habe er das Sakrament der Firmung eingeſetzt. Es iſt ſo gewiß, 
daß dieſes hl. Sakrament ſchon vor U. eingeſetzt wurde, als ed erwieſen iſt, daß 
Jeſus Chriſtus und die Apoſtel ſchon vor dieſem Papſte gelebt haben. Gr ſoll 
verordnet haben, daß die Throne der Biſchoͤfe höher geſtellt würden, damit ſie 
die Gläubigen überfehen könnten, weshalb die Stätten, wo fie fliehen, auch Em⸗ 
porfirchen gınannt werden. Er litt den Martertod unter Alexander Severus im 
Yabre 230. Wir nehmen deshalb das Lob nicht zurüd, welches wir anderwärts dieſem 
Kaifer gefpender haben. Cefarotti hat enau- machgeiie en, daß Leute, vie dem 
Cultus der alten Geſetze hartnädig anbingen während der Abweſenheit dieſes 
Kaiſers das Volk aufwiegelten und die Chriſten dem Martertode überlieferten. 
Mehre frühere Befchlüffe ließen zu, daß die Ehriften unter verfchiedenen Bor: 
wänden mißhandelt und als Römer, weldye ſich gegen den Staat verjchworen 
hätten, gefangen genommen werden fonnten. Zur Verurtheilung reichte e® bin, 
an em Brafbares ergehen zu erinnern, ohne nachzumeifen, daß der Gerichtete 
ein anderes Berbrechen begangen habe, als dag er ein Ghrift je. — In fünf 
DOrdinationen ernannte der bl. U. J. acht Bifchöfe, fünf Priefter und acht Djakone. 


Urban, æ 


Gr wurde in der Grabſtaͤtte Pretertat’® an dem appianiſchen Wege, bei der Porte 
von St. Eebaflian, begraben. Das Haupt diefes hi. Papſtes wird in der Kirche 
ver „bi. Maria über der Tiber”, in der Kapelle der „Madonna de Strada cupa“ 
verehrt, weiche durch den Cardinal Herzog von York, Commendator dieſer Kirche, 
reichlich ausgeſchmückt und eingeweiht wurde. Die Beremonte fand am 14. Roy. 
1762 Ratt. — 2) U. M. aus einer edeln Familie in der Champagne, nach Eini⸗ 
en zu Rheims, nady Anderen zu Chatilon an der Marne geboren, bieß zuvor 

tto, wurde Beneviktiner im Kloſter Clugny, fpäter Cardinal und Biſchof von 
DRia und war einer von jenen Dreien, weldye ſchon Gregor VIL des Papſtihums 
würdig erklärt hatte Er wurde den 12. März 1088, ale Nachfolger Papſts 
Bilsor III., obgleidy der Gegenpapft Clemens III. noch lebte und einen nicht unbes 
beutenden Anbang in Rom hatte, auf den päpftlichen Stuhl erhoben. Seine 
Wahl wurde in der ganzen Ehriftenbeit mit Freuden aufgenommen. Obfdyon U, 
vielfältig durch den Gegenpapſt beunruhigt wurde, fo unterließ er doch Nichts, 
was dahin ziwedte, die Kebereien zu unterdrüden, die Spaltungen, die ungciftlichen 
Belehnungen und andere Mipbräuche zu hemmen. Aus Beranlaflung der Ketzerei 
des Roscelin über die Trinitätsiehre, weichen der Erzbifchof Anfelm von Canter⸗ 
burg widerlegte und deshalb viel zu leiden hatte, nahm er den legtern kraͤftig in 
Schutz. Auch verfammelte er im Dftober 1098 ein Eoncil zu Bary, um an der 
Bereinigung der riechen zu arbeiten. Unter U.8 Regierung begannen audy bie 
Kreuzzüge (f. d.), zu denen ſchon Papſt Gregor VII. den Grund gelegt hatte, 
U. unterftügte nach Kräften das Bemühen MB etere von Amiens (f. d.), 
der, nachdem er ſich felbft von der Bedrückung der Ehriften im Morgenlande 
überzeugt hatte, die Hülfe des Papſtes, der Kürften u. Völker anrief. Bei einer 
Berfammlung von mehr ald 300 Bifchöfen und Webten, einer unzäbligen Menge 
von @eiftlichen und Laien zu Elermont im Sabre 1095 hielt U. IE auf freiem 
Felde eine fo eindringliche Rede, daß ihn die ganze Berfammlung unterbrady und 
mit Einer Sıtmme rief: „Gott will es! Bott will e8!* Nachdem es 
wieder fill geworden war, erhob der Papſt wieder feine Stimme und fprad: 
„Es gehen die Worte der Schrift in Erfüllung: „„Wo audy nur zwei oder drei 
verfammelt find in meinem Namen, werde ich mitten unter ihnen ſeyn.“ Denn 
nur ded Herrn Einwirlung machte es möglidy, daß der gleiche Eifer ſich erzeugte 
in eudy Allın und das gleiche Wort audgeiprochen wurde von jedem Einzelnen. 
Eo möge denn das Wort: „„Gott will es!““ euer Feldgeichrei feyn in jeder 
Gefahr, weiche ihr übernchmer für die Lehre Ehrifti; das Kreuz aber euer 
Zeidyen zur Kraft und zur Demuth. Der Fluch des apoſtoliſchen Stuhles fol 
Jeden treffen, ter fidy unterfängt, das bi. Unternehmen zu hindern ; feinen Beiftand 
dugegen ım Namen des Herrn euere Buhn ebnen und euch geleiien auf allen 
W.gen.” — 66 wollte nun Alles den überall geprevigten Kreuzzug mitmachen, 
aber nidyt Alle aus rein.m Bewengrunde; daher ichon der erfte Zug von 200,000 
Menſchen theild unterwegs ven Hunger und Elend, oder durch bewaffneıe Eins 
wohner als Raubgefindel aufgerieben, theild, da die virfchiedenen Nationen unter 
tinander uneind geworden und fih getrennt hatten, von den Türken vernichtet, 
oder in die Gefangenſchaft und Sklaverei gefchleppt wurden und nur Peter von 
Amiens mit höchſtens 3000 Menſchen Rettung durch und bet den Sriechen fand. 
Einen beſſern Erfolg harte ein zweiter Kreuzzug unter Gotifrted von Bouillon 
10%. Am 15. Julins 1099 wurde Jerufalem, nady neununddreißigtägiger Be 
lagerung,, im fohredlichften Eturme erobert und von 70,000 Sarazenen blieben 
nicht fo viele am Leben, um die Ermordeten zu beerdigen. Die Griechen, welche zwar 
die abendländifchen Ehriften um Hülfe gegen die Türfen angerufen, aber bei ihrem 
Ericheinen eine feindliche Stellung genommen, offenbarten feine Freude über bie 
Eroberung Serufalemd; audy war das Bemühen des Papſtes U.IL., die Griechen 
wieder mit der Kirche zu vereinigen, fiuchtlos gewefen; befto größer war die 
Sreude bei der römifchen Ehriftenheit, welche dedwegen Lob⸗ und Danflieder an» 
ftimmte und gu neuen Zügen nady dem gelobten Lande belebt wurke, 1, AL. 


43 Urdan. 
welcher für den glücklichen Ausgang des Krieges den Geißlichen bie Sagzeiten 
gu Ehren der h. Jungfrau Maria * beten befahl u. die Heiligung des Sonnabends 
zu ihrer beſondern Verehrung einführte, hatte zwar von dem Gange des erſten 
Kreuzzuges die erforderlichen Nachrichten erhalten; allein die erfreülichſte bekam 
er nicht, denn 14 Tage nach Eroberuug Jeruſalems ſtarb er, den 29. Juli 1099, 
nachdem er die Kirche 11 Jahre u. beinahe 5 Monate regiert hatte. „Er hat,“ 
fagt ein franzöfcher Schriftſteller, „nad Echiff Betri mit eben fo viel Weisheit, 
a8 Muth gelte. Gr befämpfte zu gleicher Zeit einen gewaltihätigen und 
vielgeltenden Gegenpapft, Glemen& III., einen fchtömatifchen Roller Heinrich IV, 
einen ausfchweifenden König von Frankreich, Philipp L, einen gewaltthätigen 
und wenig gewifienhaften König von England, Wilhelm ven Rot des Eon, 
cubinats und der Stmonie fchuldige Prälaten. — 3) U.IIL, vor feiner en 
umbert Erivelli, aus Mailand, wo er auch eifse war, ie nach Lucius 
die päpftliche Tiare, den 25. Rovember 1185. Auch diefem apfe war es, wie 
mehren feiner Borgänger, nicht vergönnt, rubig zu Rom zu leben, weshalb er 
feinen Sig in Berona auffchlug. egen aller Sried io befchwerte er fih in 
einer Zufammenfunft, daß er das Kıbtheil bebielte, weldyes bie von ber 
Graͤfin Marhilde befommen, die Güter der verftorbenen Bifchöfe zu Staats⸗ 
gütern machte, fromme, Bott geweihte Jumgfrauen unter dem Borwande, die Zucht 
und Sitte herzuftellen, aus ihren Klöftern jagte und fich ihrer Büter bemächti 
Nach dem Belipiele Alexanders II. (f. d.) wollte Papſt U. M. den kaiſer 
Bringen Heinrich nicht eher. Trönen, als bis der Kaiſer ſelbſt Die Krone 
abgelegt hätte; dagegen fchidte er den Garbinal: Detavian an ben König 
Henri II. na ngland, mit dem Grbieten, einen feiner Eöhne, weldhen er 
wollte, zum Könige von Itland zu krönen. Die Nachricht, daß die Chriſten 
SJerufalem wieder verloren hätten, fchlug ihn fo nieder, er. am 19. Oktober 
1187 vor Betrübniß farb, nachdem er die Kirche nicht volle zwei Jahre regiert 
atte. — 4) U.IV,, geboren zu Troyes in ber Champagne, war der Sohn eines 
chuhmachers und hieb Jakob Bantaleon. Durdy feine Gelehrſamkeit und 
fen berühmte® Predigttalent brachte er es dahin, daß er Erzdiakon zu Lüttich, 
dann Biſchof von Verdun ward, als päpftlicher Legate in verfchiedenen Geſandt⸗ 
fhaften in Pommern, Preußen, Liefland und Deutfchland fi) auszeichnete und 
von Papſt Alerander IV., deſſen Legat er geweien war, zum Patriarchen von 
Ferufalem ernannt wurde. U. wurde im J. 1261, nach dem Tode Alexanders IV., 
dum Papſte ermählt. In demfelben Jahre ward Konftantinopel von den Griechen 
berrumpelt und fomit harten das lateinifche Kaiſerihum und das lateinifche Pa- 
triarchiat ein fchnelle® Ende. Der Papft ließ zwar einen Kreuzzug gegen den 
griechifchen Kaiſer Michael Paläologus predigen; diefer aber, der von [einem 
eigenen Patriarchen ercommunieirt war, ſchien eine Kirchenvereinigung befdıdern 
gu wollen; es hatte daher daß Eriegerifche Unternehmen gegen ibn feinen Fortgang. 
Beſonders ausgezeichnet ift bie Regierung U.81V. durch die Einfegung bes Krohn: 
leihnamefeftes (f.d.), deſſen Yeier jedoch, wegen des bald darauf eingerretinen 
Todes des Papftes, der nad) einer Regierung von vier Jahren am 2. Oktober 
1264 eıfolgte, noch über 40 Jahre ausgefegt blieb. — 5) U.V., ein Eohn Wil: 
helms von Grimoard, Barons von Roure und Grifac, aus der Diözefe Mende 
gebürtig, war nady und nad) Benedikunermöndy, Abt zu Et. Germain dD’Aurerre, 
dann v.n St. Viktor zu Marfeille und nach Innocenz VI. Bapfl, den 23. Oft. 
1362. U. V. war der legte Papſt, der zu Avignon refidirte; er überwand die 
Hindernifie, weidye ihm der König von Franfreidy machte, nady Rom zu gehen, 
wo er den 26. Dit. 1367 unter den größten Sreudenbezeugungen feinen Einzug 
hielt und im darauffolgenden Jahre 1368 von Kaiſer Karl IV. nebft deflen Ge⸗ 
mahlin Anna einen Beſuch empfing. 1369 fam ver griechifdhe Kaifer Johann 
Paläohogus, welcher ſchon mit Innocenz VI. zu unterhandeln angefangen 
baute, nach Rom, um gegen die fchnellen Fortfchritte der Türken Hülfe zu fuchen; 
er legte daſelbſt das katholiſche Glaubensdekenntniß ab, kehrte zwar ohne die er- 









Urban. 429 
wartete Hülfe, doch zufrieden zurüdz; allein die türkifchen Eroberer Amurat und 
deſſen Rachfolger Bajazet drängten das griechifche Reich immer mehr. — Die 
Gegenwart ded Papftes U. V. zu Rom hatte ſchon fehr viel Gutes geftiftet, als 
er ploͤtlich den Entſchluß faßte, wieder nach Avignon, welches yäpfliches 
Eigenthum geworden war, zurüdzufehren, was ihm aber die bi. Brigitta, welche 
von Echweden nach Rom gefommen war, um ihre Ordensregel beftätigen zu 
lafien, mißrieth, weil er zu Avignon flerben würde, Wirklich fiel U. auch bald 
nach feiner Ankunft zu Avignon in eine fchwere Krankheit, in welcdyer er öfter 
beichtete, die hl. Saframente empfing und in Gegenwart vieler angefehener Ber: 
fonen erklärte: „Ich glaube feſt Alles, was die bi. katholiſche Kirche Iehret. Wenn 
ich Etwas, was derfelben widerfpridht, gelehrt habe, fo widerrufe ich es und unter- 
werfe mid) der Berbeflerung der Kirche." Er farb ven 19. Dezember 1370, nady 
einer Regierung von adyt Jahren und zwei Monaten, — Papſt U. V. fol zuerft 
die dreifache Krone getragen haben, was fich auch dadurch beftätigt, daß, 
als er die Häupter der heiligen Apoftel Perrus und Paulus unter dem Altare, 
wo fte feit langer Zeit verfchloffen waren, hervornehmen und fie mit Bruftbilvern 
verfeben ließ, der hi. Petrus mit der Fegelfötmigen- Tiara und drei Kronen vors 
geſtellt wurde. Die päpftiiche Regierung U.8 V. gehört unter die audgezeichnetften, 
fo daß ſelbſt Petrarca, der ſtrengſte Richter der franzöflfchen Päpfte, geſteht, kein 
Menſch babe ſich gefunden, der je eine Klage gegen die Regierung oder Aufs 
führung dieſes Papftes rn t- hätte. Seine Liebe war fo groß, daß er auch 
auf eigene Koſten taufend Jünglinge auf verfchledenen Univerfitäten fludiren ließ 
und zu Montpellier für zwölf Studenten der u ar ein Gollegium 
fliftete, alle Mittwoche, Yreitage und Samstage des ganzen Jahres viele Armen 
an feiner Tafel fpeiste, während er bei Wafler und Brod faftete, was ihm gewiß 
zur größten (Ehre gereiht. Es ift ein Irrihum, wenn man biefem Papfie die 
Einführung der Agnus Dei (f. d.) und der geweihten goldenen Rofen als Ges 
fhenfe für Fürſten zufchreibt: jene find mindeſtens ſchon feit dem 5. Jahıkunderte 
im Gebraudye. Die goldenen Rofen betreffend, fo ift ihr Gebrauch fon im 11., 
fitjer im 12. Jahrhunderte befannt geweien; denn Papſt Alerander III. verehrte 
dem franzöftfchen Könige Ludwig VII. eine goldene Roſe; ihre feierliche Weihun 
aber wird dem Papfte Innocenz IV. zugefchrieben. Die goldene Roſe wird no 
jährlich vom Papfte am vierten Sonntage in der Faften, Kätare, feierlich geweiht, 
um anzuzeigen, gleichwie die natürlidye Rofe nach dem Winter durdy Schönheit 
und Woblgerudy erfreuet, ebenfo auch Jeſus Ehriftus, die geiftlihe Rofe, 
die Menfchbeit erfrue. — 6) U. VI, zuvor Barıholomäus von Vrignano, 
aus Reapel gebürtig und früher Erzbifchof von Bart, wurde den 8. April 1378 
aım Papſte erwaͤhlt. Seine Wahl veranlafte eine vieljährige Epaltung. Die 
franzöftichen Cardinaͤle erflärten die Wahl U.s, der durch feinen rauben, unges 
ftümen Gifer, ohne Klugheit, feinen unbeugfamen Starıflan und Härte, bei 
großer Schwäche gegen Schmeichler und Berwandte und fein rüdfichtelofeß, ges 
waltſames Zuſahren ſich Alles entftemdet hatte. für erzmungen und wählten den 
Gardinal Robert von Genf, der den Namen Clemens VII. führte u. feinen Eitz 
zu Avignon nahm. Da war nun das Echiöma, das feine Wurzel längft in ver 
franzöftichen Politik der Päpfte geichlagen, mit einem Male bervorgebrocyen. 
Stallen, ein großer Theil Deuiſchlands, Englands, Portugals, Ungarns, Polens, 
Dänemarks, Schwedens, hielten an U. \1.; Frankreich, Epanten, Reapel, ein 
Theil Deutfchlande an Clemens VI. Die Strenge U.6 rief eine Verſchwoͤrung 
von 6 Eardinälen gegen ihn hervor, wurde aber entdedt und die Barbinäle auf 
Befehl des Papfted graufam gefoltert, in hartem Gefängniß gehalten u. endlich 
5 davon —8 Den Vorſchlag Clemens VII, ihren Etreit durch ein 
allgemeines Concilium entfcheiden zu laſſen, verwarf er. Er flarb, allgemein ger 
haßt, den 15. Dftober 1389, nach einer Regierung von 114 Jahren. — 7) 
u. VL, früher Johann Baptift Caſtagna, ward ald Nachfolger Sirtus V. den 
14, Geptember 1590 zum Papft erwählt, farb aber Icon am AB, Taar vo _ 


AD. Urbaniſtinnen — Urbarium. 
feiner Wahl. Gleich in den erſten Tagen bewies er ſeine Rildthaͤtigkelt mit 
Austheilung von reichlichem Almoſen; auch verbot er feinen Beamten, ſeidene 
Kleider zu tragen, damit er fi) vem Lurus um fo Fräftiger widerſehen Fönnte. 
Seine Anverwandten, die auf die Nachricht von feiner Erhebung auf den päpf- 
lien Stuhl nad) Rom gekommen waren, mußten bie Stabt verlaffen. So 
rühmlich fing U. VII. feine Regierung an, allen er wurde fchon am dritten 
Tage krank. Alle Kirchen waren Tag und Nacht voll, um für bie Geneſung 
eined fo tugendhaften Papſtes zu beten. Gott hielt es aber für gut, Ihn ber 
Kirche nur gezeigt zu haben. U. ſelbſt fand feinen Tod erwünſcht. „Bott,“ fagte 
er, „befreiet midy von Banden, die mir hätten traurig werben Fönnen. Wie fchred- 
lich hätte mein Fall werden können auf der Stelle, auf welcher ich mich befinde.“ 
U. VIL farb und nahm alle Hoffnungen, die er gegeben hatte, mit in's Grab. 
Sein Dermögen beſtimmte er zur Ausſtattung von armen Mädchen und Walken. 
— 8) U. VI, zuvor Maffeo Barberint, aus Klorenz, wurde erwählt ben 
6. Auguſt 1623. Die Fähigkeiten diefed Bapftes, beweifen fi daher, daß er 
mit 19 Jahren fchon Priefter, von Sirtus V. al& Referendar aufgeflellt, von 
Clemens VIIL, in einem Alter von 24 Jahren, für die Regierung von Fano 
beflimmt, dann zum apoftolifchen Rotar gemacht, zu dipfomatikhen Arbeiten und 
Sendimgen frühzeitig gebraucht ward. Er wurde ale Eeabilhet von Razareth, 
Nuntius in Kran ‚ bierauf Cardinal, Legat von Bologna, Bifchof von Spo⸗ 
Ieto, Befchüger der Schotilander und Mitglied der Eongregation zur Ausbreitung 
ded Glaubens. Selbſt ein Liebhaber der fchönen Wiſſenſchaften und Dichter 
eiliger Sefänge, wollte er der Beichüber der Gelehrten ſeyn. Obſchon U. VII. 
r "eine Berwanbten große Sorge trug, fo wußte er body auch die Beſcheiden⸗ 
zu beobachten und gab ihnen feines von ben beträchtlichen Lehen, welche 
dem ypäpftlichen Etuble zugefallen waren. Den Garbinälen, weldye bisher 
bloß Illustrissimi . und Reverendissimi betitelt wurden, gab er den Titel 
Eminentissimi, Eminenz. U. feierte 1625 ein Jubeljahr; auch bob er mehre 
Feiertage auf, um der Roıh der Armen zu Hülfe zu kommen und die Belegen: 
heit zu manchem Lafter ahzufchneiden. Bei allen feinen Unternehmungen befaß 
er ein außerordentliches Selbſtgefühl. Das Cardinalcolleg fragte er felten um 
Kath und, als man ihm einft einen Einwurf aus alten päpftlicdyen Conſtimtionen 
machte, bemerkte er: der Ausſpruch eines lebenden Papſtes fei mehr werih, als 
die Satzungen von hundert verftorbenen. Seine politiſche Stellung zu Frankreich 
führte ihn zu einer, fo offen bervortretenden, Kälte gegen das fpaniich-öfterreichifche 
aus, daß man ihm bereits mit Wallenftein drohte. Unter U. fiel dem Kirchen 
aate das reiche Herzogthum Urbino heim (1631). Danegen hatte U. die Schul- 
den des Kirchenftanes, die fi beim Antritie feiner Regierung auf 18 Mil. 
Scudi beliefen, bi8 zum Jahre 1635 auf 30 Millionen erhöht, theild durch Be⸗ 
reicherung feiner Verwandten, theils durch Foftipielige Bauten u. ſ. w. Der 
unnüge u., den römifchen Stuhl In der Öffentlichen Meinung fehr bloß ſtellende, 
Krieg gegen den Herzog von Parma koſtete dem Papſte allein bei 12 Mill, 
V. karb den 29. Juli 1644, nadydem er die Kirche 21 Jahre verwaltet hatte. 

Urbaniftinnen, f. Elarifiinnen. 

Urbanität (ftäpttfhe Sitte, im Gegenſatze zur bäuerlichen, Nufttcität) 
nennen wir die feine Lebensart, das feine Benehmen in Gefellichaft Anderer, 
wodurch man Alles, was den gebildeten Geſchmack oder das Schönheltsgefühl 
beriepen würde, zu vermeiden ſucht. U. iſt michin verfchieven von der Höflichkeit 
und Artigkeit. 

Urbarium, nidyt vom Lateintfchen urbs abzuleiten, fondern, nach Woelung, 
ein urfprünglich deutſches Wort, von ur, er, u.bären, tragen, daber foviel als 
Urbarbud, Ertragbuch, bedeutet ein Buch, in welchem die urbaren u. daher 
zins⸗ oder fleuerpflichtigen Kändereten eines Bezirkes oder einer Gemeinde vers 
zeichnet und befchrieben find. Die Benennung tft jedoch nicht allgemein u. man 
nennt foldye Bücher audy Erdbücher, Grund«, Lagers, Zind- und Steuerbücher. 


PU (wo 


Urbarmachuug — Urevangelium. 431 


Bekannt iſt namentlicd, das ungarifche Urbarlalgefeg, das auf dem Meichötage von 
1835 zu Etande kam und die Berbältniffe ver Grundherren zu ihren Unterihanen 
hinſichtlich der Urbarmachung der Grundflüde, der freien Benügung berjelben 
und der Abgaben von denſelben feflfegt. Vergl. Mallarh, „Das ungariſche Urs 
barialſyſtem,“ Peſth 1838. | 

Urb nennt man die Bearbeitung eines, noch gar nicht, oder ſeit 
langer Zeit nicht mehr im Ertrage geweſenen, Landes, zum Zwecke der Umwand⸗ 
Img in fruchtbares Aderland. Bei dem, dabei zu beobadhtenden, Berfahren, fommt 
es darauf an, von welcher Befchaffenheit der Boden iſt u. wozu das ungebaute 
Land zeither benügt wurde. Bei Waldboden if, nach Abtreibung des Ober: 
holzes, eine fehr forgfältige Ausrottung der Wurzeln, befonder vom Laubholze 
nöthig. Dieſes Durcharbeiten ded Grundes macht dad Land, bei einigermaflen 
uter Befchaffenheit, fogleich gefchidt, um mit Getreide, oder noch befler mit 

artoffeln beftellt zu werden. Bei einem, mit Dornen und geringem Bufchholze 
bewacdhienen, Boden wird dieſes, ganz nahe an der Erde, ober einige Zolle unter 
der Erde, abgehauen; benügt man nun dieſes Rand 3 Fahre lange ale Wiefe, fo 
vergehen meiſt die jungen Sprößlinge und Wurzeln fat gänzli und alsdann 
faun man die Wiefen umreißen und mit Kartoffeln oder Getreide beftellen. 
Moorboven muß erft durch Abzugsfanäle troden gelegt werden, worauf das Land 
ale Wiesgrund benüßt, oder auch in Nderland verwandelt werden kann. Es 
wärde nicht rathſam feyn, unbebauted Land urbar zu machen, wenn die Beichafs 
fenheit des Bodens fo gering if, daß fi) das darauf gewendete Capital nicht 
versinfen Fönnte, oder auch, wenn dad Stüf Land zu entfernt vom Eitze der 
Wirtbichaft ift, fo daß die Beſtellung immer fehr Toftiptelig bleibt und nur ein 
eringer Reinertrag erwartet werben fann. Müßten wegen bes urbargemachten 
Sandee neue Wirthichaftögebäude an Ort und Stelle aufgeführt werven, fo ift 
diefe Höhe des Koftaufmandes mit in Rechnung zu ziehen. Was jedoch für 

ößere Wirthſchaften unrathfam iſt, kann Vortheil gewähren, wenn fleinere 

irehfchaften angelegt werden, welche den Boden, beſonders durch Epatencultur 
urbar machen. 

Urbino, Hauptſtadt einer Legation im Kirchenſtaate, welche, vereint mit 
Pefaro. 704 [[J Meilen u. 230,000 Einwohner zählt, auf einer Anhöhe an der 
vortrefflichn neuen Straße, welche von der Romagna nad) Florenz führt, iſt 
Gig eines Erzbifchof6, einer, von Papit Leo Xil. reftaurirten, Univerfität und bat 
auſſerdem mehre höhere Lehranftalten und 12,000 Einwohner. Unter den Ger 
bäuden führen wir an: den Dom, die Kirchen St. Francesco u. St. Gtovanni 
Bartifta ; den vormaligen herzoglichen Palaſt, beſonders feiner fchönen Acchitek⸗ 
tur wegen fehenswerth; den Palaſt Albani mit einer interefjunten Gemäldeſamm⸗ 
fung, worunter namentlidy werthvolle ‚Dandgeichnungen. — Ehemals Sitz eines 
bechgebildeten herzoglichen Hofes, ift U. im 16. Jahrhunderte an den päpftlichen 
Stubl gefommen u. hat ſeitdem viel von feiner frühern Bedeutung verloren; allein 
immer noch zieht ed wegen feiner ausnehmend ſchönen Lage, des guten Tones 
feiner Bewohner, namentlich aber ald Barerftant Rafaels cf. d.) viele Fremde 
an. Das Haus, in dem Rafael geboren wurde, ift aber leider nur felten zus 
gänglich, da der jetzige Befiger ſich meiſt auf dem Lande aufhält. in, von 
Rafael fchon als Kınd gemalted und im Hofraume dieſes Haufe befindlich ges 
wefenes Bild der heiligen Jungfrau fol im Jahre 1837 verkauft worden feyn. 
Die Inſchrift über der Haudtbüre heißt: Nunquam moriturus exiguis hisce in 
aed.bus eximius ille picior Rafael natus est oct. id. apr. anno 1433. Venerare 
igitur hospes nomen et genium loci ne mirere. 

Urevangelium beißt ein Evangelium, das fchon früher, als die vier kanoni⸗ 
fen Evangelien des neuen Teftaments vorhanden gewefen fei und aus welchem, 
nad) der Meinung verfchiedener biblifcher Kritifer, die erſten Evangelifien Mar 
thäus, Markus u. Lukas, ald aus einer gemeinfchaftlichen Duelle geichöpft haben 
follen. Indeſſen it das Daſeyn eines Plchen. U.s durch Nichte nadggamelien, 





432 ürfehde — uri. 


ſondern es gründet ſich dieſe Behauptung auf bloße Hypotheſen, indem man dar⸗ 
aus die einzelnen Abweichungen in den genannten 3 Gvangelien neben ver 
großen Uebereinfimmung in der Erzählung von den Reben und Thaten Jeſu 
erklären wollte. Das U., behauptete man, habe die Thatfachen nur ganz kurz 
in einer Art tabellarifchher Reihenfolge enthalten und die Verfaſſer unferer 
Evangelien hätten diefe dann, jeder nadh feiner individuellen Anfchauungewelfe, 
oder mit Hülfe ihres Gedächtniſſes, ober einer bereits gebildeten - Trapition 
weiter ausgeführt. Einige neuere Kritifer verwarfen bie abme eines, von 
den erſten Evangeliſten des neuen Teftaments unabhängigen, U.6 und wollten 
dafleibe in dem Evangelium des Markus erkennen, welches dann von Marthäus 
und Lukas weiter ausgeführt worden wäre. 

Urfehde oder Urphede war nach gemeinem beutfchem Rechte das eidliche 
Angelöbniß, weiches von Kriegögefangenen, fowie von folchen, weiche eine lang» 
wierige Gefangenſchaft oder die Tortur erlitten hatten, verlangt wurde, nach 
Ihrer Freilaſſung weder an dem Gerichte, von dem fie verurtheilt worden waren, 
nody an dem, der ihnen Die Befangenfchaft zugezogen hatte,. Radye nehmen zu 
wollen. Die Verlegung dieſes Eides nannte man den U.⸗Beruch. Die einfache 
‚Strafe des legten war in. den Alteften rohen Zeiten die des Abhauens der drei 
erften Finger der rechten Hand, deren er bedurfte, um das Schwert zu führen; 
bei der bloßen Rachedrohung aber anderweitige Befängnig, bis zur geleiteten 
Eicherheit. Diefe ältere Siue batte ſich auch nach der Wuflöfung des beutfchen 
Reiche noch in vielen deutfchen Ländern erhalten, obfchon die Strafe der Uebers 
tresung gemildert if. 

uegebirge, f. Geognoſie. | 
Urban, Ehriſt ian, geboren 1790 zu Montjote bei Wachen, witmete fidh 
(don frühe der Muſik und fchrieb bereit® im 12. Jahre Barlationen für bie 
ioline, die allgemeinen Beifall fanden... Der Kaiſerin Joſephine vorgeftellt, 
wurde er zu Lefueur, dem Kapellmeiſter der kaiſerlichen Kapelle, gefhidt: und 
trat nach 5 Jahren in die Kapelle. Unter der Reftauration u. mehr nody nad) 
4830 ftieg fein Ruf fo daß er in der Meinung Vieler für den erſten Btolinfpieler 
von Paris galt. Sein Lieblingeinftrument waren die Viole d’amour dann Biolin, 
Bratſche, der er eine eigenihümliche Stimmung zu geben wußte und PBianoforte. 
Kür ihn fchrieb Meyerbeer die fo vielfach -angefochtene Begleitung zu Raoul's 
Romanze im erften Aufzuge der Hugenotten. U. hat für die Verbreitung deut: 
ſcher Muſik, namentlidy Schubert's u. Beethoven's Eompoftiionen, in Parts viel 
geihan. Unglüdticher Weife verdüfterte in den fpäteren Jabren, eıwa von 1836 
an, fein Geiſt u. er verfiel einer Myſtik, die feinem Fünftlihen Wirken bemmend 
entgegentrat. Eine ſchmerzhafie Krankheit nörbigte ihm zuicht, feinen Dienſt im 
Orcheſter als erfier Biolinfpieler aufzugebın. Am 4. Februar 1845 erfolgte fein 
Tod. Er bat wenig, abır Gediegenes compenirt; für das Piano: Les Regrets, 
La Salutalion angelıque, Les Lelires u. a. Also er feine Stelle im Orcheſter ans 
trat, gab er ſeinem Geiftlichen das Verfprechen, nie einen Blick auf die Bühne 
zu werfen und bielt dies Gelübde unverbrüdhlih. Er fah blos auf feine Stimme 
‚und den Dirigenten, in ven Zwifchenaften las er fromme Bücher. 
Uri, einer der drei Unfanıone der Echweiz, liegt zwifchen den Kantonen Grau⸗ 
bündten, Teffin, Wallis, Bern, Unterwalden, Echwy; und Glarus, und umfaßt 
einen Fläächenraum von 20 [JMetten mit 14,500 Bıwohnern. Das Land iſt faft 
von allen Eeiten her mit febr hohen Gebirgen umgeben. Im Welten und DOften 
begrängen e8 mit ewigem Echnee bededte Berner, worunter der Töls, der Bals 
dus, der Erifpalt, dag Scheerhorn, der Titlis, das Suftenhorn, ſämmt⸗ 
ih 9—10000 Fuß body, im Eüven erhebt fi} der mächtige St. Gotthard. 
Bon diefen Eisbergen ftrömen over vielmehr flürzen fich die drei Quellen ver 
Reuß herab und durchziehen, nachdem fie fich vereinigt haben, den Kanton feiner 
ganıen Länge nach, um fich endlich in den Vierwaldſtädterſee zu ergießen, 
eſſen fünlihe Bucht zwiſchen zwei Belswänden in die Marten U.s eindringt. 





So befteht das ganze Land eigentlich nur aus dem langen und wilden Reuß⸗ 
ihale, in das fi) einige andere Thäler münden, wie die von Schächen, Mavderan, 
Meyen ıc., deren Gießbäche der Neuß zuftiömen. Die Gegenden um die Quellen 

der Reuß find ungemein raub; nicht felren trifft man 30—40 Fuß tiefen Schnee 
auf dem St. Gotihard. Weiter unten wird das Klima milder, Wiefen u. Gär- 
ten laſſen ſich erbliden, und herrliche Nußbaumpflanzungen umgeben die Dörfer. 
Deu Schneeftürzen find die Thäler des Kantons U. häufig ausgeſetzt, und eine 
noch fchlimmere Landplage iſt ter Föhn. (Er braufet von Zeit zu Zeit vom St. 
Gotthard herab, verfängt ſich im Reußthale, wird immer heftiger, je tiefer er 
fommt, ſtürzt Häufer um, fchmelzt den Schnee an den Bergbängen in wenigen 
Stunden weg und fchwellt die Gießbäche furchtbar an. In feinen Einwirkungen 
auf Die Geſundheit gleicht er dem Sirocco; er ſchwächt die Nerven, verurfacht 
heftige Kopffchmerzen und verbreitet eine allgemeine Abfpannung der geiftigen 
Kräfte im Menſchen. — In einem Lande, wo die eng zufammentretenden Fels⸗ 
fetten fo wenig Raum für urbaren Boden lafien, find die Bewohner zumeift auf 
das Hirtenichen-angemwiefen. Die Ilıner unterhalten eine große Zahl Rindvieh 
von trefficcher Race, und außer dem Käfe, den fie fchr gut zu bereiten verfteben, 
führen fie audy das Vieh ſeibſt aus, befonverd nach Jialien. Der Aderbau ift 
fehr geringfügig; mun zieht nur etwas Gemüfe und Obſt. Bon Wild findet 
man Gemjen, Wurmelthiere und Alpenhaſen; die Bäche find fehr rei an Fo⸗ 
rein. Der St. Gouhard und die Bergkolofiin in feiner Nachtarfchaft lieferten 
chevem prächtige Quatzkiyſtalle, doch jept find Die Gruben erichöpft. Ueberhaupt 
werden die Buben des Mineralreiches von den Eingebornen wenig geachtet. Auch 
in ven Gewerben herrſcht geringe Regſamkeit; bedeutender aber iſt der Tranflı- 
handel -auf der Et. Gotthardeſtraße, obwohl der Wuarentranepart, ſeitdem m.hre 
Alpenpäfle durch Anlegung von Kunfiftraßen fahrbar geworden find, gegen früher 
abgenommen hat. — Die Urner enıftammen deutſchem Blute, und ihr Charakter 
näbert fi dem der übrigen Urſchweizer. Cie find einfach, fromm und anhängs' 
ih an's Barerland und ihre Kirche, die katholiſche. Die Verfaffung des Kan⸗ 
tons ift rein demokratiſch; die bödfte Gewalt fleht der Lundesgemeinde zu, bie 
vollziebende Gemalt übt der gewählte Landrath, unter Vorſitz des regierenden 
Landammannd. Als Bundeskontingent ftellt U. 405 Mann u. den Ratlonalrath 
beſchickt es mit Einem Abgeordneten. — ingetheilt wird der Kanton in zwei 
Bezirke, U. (das Gebiet des alın Kuntond) und Urſeren. Haupiort if der 
gleden Altorf Ci. d.) an der Mündung der Reuß in den Vierwaldſtädterſee. 
Andere Merkwürdigkeiten des Kantons find das Dorf Bürglen, der Geburts 
ort Wilhelm Tell's, die Tellskapelle am VBierwaldftädterfee, das durch den 
Bundesſchwur berühmt gewordene Rütli oder Grütli, die alte Vefte Mting 
haufen und die oben erwähnte St. Gotthard eftraße, auf welcher das lieb⸗ 
liche Urferenthal, das Urnerlodh, die Teufeldbrüde und die fdyauerlichen Schölles 
nen vorzüglidy beachtenswerih find. Yrüber nur Saumroffen zugänglich, wurde 
diefe Straße nach zehnjähriger Arbeit (1820—30) mit einem Aufwande von einer 
Million Schweizer-Franken fahrbar gemacht. — U. theilt mit den Kantonen 
Schwyz und Unterwalten die Ehre, die Wiege der fchweizerifchen Unabhängig» 
feit geweſen zu ſeyn. 1410 nahm es das Urſerenthal in feinen Schirm auf und 
fpäter erwarb es auch noch das Levantinerıbal, Hier übie es unbefchränttes 
Herrenrecht aus, bis die franzöfliche Revolution Gleichheit der Rechte aufſtellte u. 
den Kanton zur Entſagung feiner Supremarte nöthigtee Der Diſtrikt Urferen 
ward U. einverleibt und das Levantinerihal Fam in Kolge der Mediationsakte an 
ven Kanton Teffin. Beide Berfügungen betätigte nachmals der Wiener Kon⸗ 
greß. Im neuerer Zeit gehörte U. ſteis zu den Fonfervativen Kantonen und vers 
folgte fat immer das politifche Syſtem von on und Unterwalden. Mit 
dieten nahm es audy Theil am Eonderbunde, erflärte in der Landedgemeinde vom 
3. Dftober 1847 fi, für den Widerſtand gegen bie Tapfapungsbeidhlühe vwðe 
beſetzte, als der Krieg ausbrach, die Höhe des St. Gotihard mir HU Mon, 

28 


Rralencprlopäble. X. 


* | un 


rw Arim urkuihenbewels. 


Dieſe, verſtaͤrklt durch Schwyzer und Walliſer, trieberi am 18. Novembre bie Teſ⸗ 
finer aus Airslo thalab bis hinter Ponte grande. Schon aber hatte die Sache 
des Sonderbunde®_ eine umglüdlicdye Wendung genommen. freiburg war geladen, 
Luzern bedroht, Die Regierung dieſes Kantons, Siegwart-Müller und Staats 
fchreiber Meier, erfchien als Ylüchtling auf dem Boden von U. Bald Yarauf 
wurden audy Unterwalden und Schwyz vor den eidgenöffifchen Truppen befeht, 
und U. fonnte unter vielen Umſtänden an eine Fortſezung des Keieges auf feinem 
Gebiete nicht denken. Es kapitulirie am 28. November und ſchickte Ye von Lu⸗ 
zern hergebrachten Kaſſen, Siegel, Dokumente und Vorräthe zuräd; auch ver⸗ 
pflichtete es ſich zur Herausgabe der im Kanton Teſſin gemachten Beute, Bon 
den Dftupationstoften, weldye die Tagfapung den beflegten Sonverbundöfentonen 
‚auferlegte, trafen U. 96,760 $r. — Geograsbiich-Rarikifche Darſtellung des Kan⸗ 
tons U, Züri 18055 F. B. Schmid: Geſchichte des Breilante® U. Zug 
eh u. Thnmalen Q. 5. Dffens Wahrbeit,.cber Lit 
n. . h. enbarung u. Wahrheit, o n. 
Necht) hießen zwei kleine, dieſe Begriffe vorſtellende Vilderſchriften, welche ſich 
in der innern — des Bruſtſchides des jünifchen Hohenprieſters en 
Bol. 2. Mof. 28, 30. 3. Mof. 8, 8. Diele heiligen Looſes beviente ſich ber 
Hobepriefter bei Ausfpräcdhen über wichtige Rechtöfachen und andere Gtrettfragen 
tm Ramen Jehova's, nachdem er diefen gleichfam um Rath gefragt hatte. Na 
den Rabbiren geſchah die Antwort durch das Hervorfpringen oder das Leuchten 
einzelner Buchhaben im Bruſtſchilde, welche die Antwort bildeten; vie heilige 
er fagt joch Hievon Richie. | 


ſ. Harn 
Urkunde heißt 1) urſpruͤnglich jedes Bekenntniß oder Zeugniß zur WBelräf- 
tigung der Wahrheit ner Ende oder Handlung; daber kunden u. urfunden 
ſ. v. a. Zeugniß-geben. 2) Insbeſondere dieſes gefchriebene Zeugniß; daher U.n von 
einer Sache, neichriebene Zeugniſſe. In diefer legtern Bedeutung heißen alle Di⸗ 
plome (f.d.) Un. Nach ven beftehenden Geſetzen find die U.n entweder dffent- 
liche oder private. Den öffentlichen Un if in Anſehung des Factums, 
worüber fie errichtet werden, voller Glaube beizumefien. Für öffentliche Un find 
zu balten: a) jene Schriften, welche Regierungen, Gerichte und andere landes- 
fürftliche oder ftändifche, beeidigte u. zur Ausftellung von derlei U.n eigens berech⸗ 
tigte Beamte in Amtsſachen; b) eine Obrigkeit, over ihre, aut Ausübung der 
obrigfeitlichen Handtungen beeidigte u. zur Ausſtellung von derlei eigene berechtigte 
Diener, ebenfalls in Amtsſachen errichten; c) die von den, in auswärtigen Landen 
zur Ausſtellung öffentlicher Amto⸗U.n eigens berechtigten, Perfonen errichteten und 
mit der, in jedem Lande üblichen, Segalifirung verfebenen Schriften; d) die Wech⸗ 
felprotefte der gehörig aufgenommenen Rotare; e) die Bücher der gehörig aufge 
nommenen Senfale, wenn fie in der vorgeichriebenen Form geführt worden find; 
f) die Taufs, Trauungs⸗ und Todtenbücher der Pfarrer. ivatsU.n find die 
jenigen, welche von Privatperſonen au@geftellt werden und denfelben IR Glaube 
wider denjenigen beizumeſſen, weldyer fie errichtit hat, jedoch werden Privat⸗U.n 
zu öffentlichen durch eine amtliche Betätigung. Daß ſich Jemand durch die 
Nachahmung oder Verfälfchung einer öffentlichen U. nach den beftehenden Straf⸗ 
gelesen des Verbrechens des Betruges ſchuldig mache, ıft ſchon unter dem Wrtifel 
etrug angeführt worden. 

denbeweis oder Edition heißt ver mit Benützung von ſchriftlichen 
Urkunden geführte Beweis (f.d.). Zur Herausgabe von Urkunden Behufs ver 
Beweisführung iſt der Kiäger ohne Weiteres verpflichtet; der Beflagte und jeder 
Dritte nur dann, wenn ver fie Fordernde den Beſitz des Gegners und fein In⸗ 
terefie bei der Herausgabe nach veist, oder der Fiskus oder eine Kirche iM. Laͤug⸗ 
net der auf Edition Belangte und dazu WVerpflichtete den Beſitz der Urkunde, % 
muß er auf Verlangen deöfenigen, der die Edition fordert, died beſchwoͤren (den 

Eotetondeid Ieiften). | 











Urkundenlehre — Urrechte. 435 


Urkundenlehre over Diplomatik iſt die Wiflenfchaft von den ſchriftlichen 
Kuffägen, welche Rechte und Thatſachen beurfunden und in fünftigen Zeiten als 
Beweis dienen follen und von dern Alter und deren Aechtheit: ein Haupttheil 
ver biforifchen Quellenkunde. Da fi) das Alter keiner, auf ägyptiſchem Papier 
oder Pergament gefchriebenen, Urfunde weiter zurüd, als bis zum 5. Jahrhunderte 
erw iſen läßt, fo bewegt ſich auch die Diplom.ıtık innerhalb der lebten 13 Jahrhunderte. 
Zwar gab es früher ebenfalls Urkunden; allein, da fie nidyt mehr im Original 
vorbanden find, Fönnen fle auch fein Gegenſtand der Unterfuchung feyn. Die 
Diplomatif, ald Wiffenichaft, bildete ſich in der erften Hälfte des 17. Jahr» 
mderis, wo Länderftreitigkeiten, die in Deutfchland ſtattfanden, zur genauen 
Üuterfuchung von Urkund n führten. Nikolaus Zylleſius war 1633 der 
Erle, der Grundſätze zur Unterfuchung einzelner Urkunden (bei Entſcheidung eines 
Streit zwiſchen dem Kurfürften von Trier und der Reichsabtei St. Maximin) 
mfſtelltez ihm folgen D. Heider, DB. Leuber und beſonders H. Conring, 
deren Echriftien durch Zweifel über die Wechtbeit alter Ilrfunden veranlaßt wurs 
ven und der J ſuit Papebroch bildete 1675 die Anwendung diefer Grundſaͤtze 
in feiner Schrift: Propylaeum antiquarium circa veri sc falsi discrimen in ve- 
tastis membranis (Act. SS. April. Tom. I. 1675), auf Urkunden im Aügemeinen 
weiter aus. Die Karmeliter und Benediktiner waren in diefem Werke wegen des 
ter mehrer ihrer Klöfer angegriffen u. dieß veranlaßte leutere, die Diploms 
nik genauer zu erforfchen und war lirfache von Mabillon’d claffifchem Werke: 
De re diplomatica, Paris 1681, Suppl. 1704 Fol.; diefem folgte Maffei mit 
einer Istoria diplomatica, Mantua 1727, von Beifel, Heumann und beſon⸗ 
vers die Benedikiiner Touftain und Taftin mit ihrem Trait6 de diplomatique, 
3 Bde. mit 100 Kupfern, 1550 — 1565, überfegt von Mbelung, Erfurt 1769. 
Später ſtellten J. D. Köhler und 3. Ch. Gatterer die Diplomatif noch 
viffenfhaftlicher auf und Dberlin, Shwartner, Job. v. Schmidt⸗Phi⸗ 
elded und befonders Schönemann vervolfommneten fie immermehr. AI 
Hütfewiffenichaft iſt faft unzertrennlidy von ihr die urkundliche Chronologie (Zeits 
echnungskunde). 

Urmia, eine volkreiche Stadt in der perfifchen Provinz Aſerbeidſchan, in einer 
m edlen Früchten reichen Gegend, an der Stelle des alten Tatarma erbaut, ift der 
Beburtsort Zoroafter® (f. d.). — Unweit der Stadt weftlich befindet fich der gleich“ 
samige, 24 Meilen lange u. 164 Meilen breite See, auh Schahi genannt, in 
veichem fein Fiſch lebt und der ſich durch feinen Salzreichthum auszeichnet. Die 
yort befindlichen Salzfievereien gehören theils den Ruffen, tbeil® den Armentern. 

Urne, f. Bafe. 

Urphede, f. Urfehde. | 

u ,‚ Grundrechte oder unveräußerlihe Rechte nennen die Ras 
urrechtölehrer diejenigen Rechte des Menfchen, welche ihm angeboren find u. bie 
r durch feinen Vertrag over Berzicht an einen Andern abtreten kann, die fomit 
anter keinerlei Umftänden für ihn verloren gehen können. Es find ihnen entgegenges 
est Die veräußerlichen oder erworbenen Rechte, die entweder Gegenftand des 
Berfehre find, oder wenigftens, ihrer Ratur nach, veräußert werden Fönnen. Zu 
en U.n, die auh allgemeine Menſchenrechte heißen, werben ziemlich 
ibereinfiimmend folgende gerechnet: 1) das Recht, als rechtsfähiges We⸗ 
en, ald Perſon und Selbftzwed oder Rechtöfubjeft anerfannt zu werben, woraus 
su das Recht auf Ehre abgelsttet wird; 2) das Recht auf Leib und Leben, 
uuf die Erhaltung feines Daſeyns und die Unverlegtheit der einzelnen Glieder u. 
Drgane feines Körpers; 3) das Recht auf ungehinderten Gebrauch der geiftigen 
a. förperlichen Kräfte — Recht der natürlichen Freiheit, welches wieder die folgen, 
ben befonderen Rechte in fich fchließt: die Denkfreiheit (f. d.), oder die Bes 
fugniß, feine Gedanken zu Außern und Anderen mitzuthellen; die Gewiſſens— 
reibeit und die Glaubensfreiheit (f. dd.), oder die Befugniß, feiner mo⸗ 
alifchen und religiöfen Weberzeugungen gemäß zu handeln, Bad Redıt her Au 

28* 


— — 


. 
“ nee Er 
"hun. ale . De Br } 


eignung von Sachen und das Recht der Verträge, oder die Befugniß,. feinen 
⸗Willen mit einem fremden Willen auszutaufchen, zu vereinigen. — wi 

die Rolle if, welche die unveräußerlichen Rechte im ganzen Rechtögebiete ſpielen, 
um fo wichtiger iR auch die. Beftimmung der Gränzlinle, dis zu weicher ihre Ber 
ſchraͤnkbarkrit, im Gegenſatze zur Beräußerlichkeit, geht und es IR eine der vor 
nehmften Aufgaben der Rechtöphilofophie, das unveräußerliche Recht zu deduciren 
und Maß und Graänze der Beſchraͤnkbarkeit anzug ben. — Gebt man zu dieſen 
Endzwed auf deu Iehten Grund aller Rechtsfaͤhigkeit und alles Rechts zurüd, fo 
iſt es eine nicht weiter zu beweifende, aber auch ungweifelhafte, weil 
gewifle Tharfache aus der Welt der innern Etfahrung und des menſchlichen Ber 
wußtfeyns, daß ver Menſch eine fittliche Beſtimmung hat, zur Sitilichkeit oder 
zur ‚freien Erfüllung des Gittengefeges- beftimmt if. -Zur freien Erfüllung des 
Sittengeſetzes gehört aber ein: nicht blos innerlich, fonvern auch Außerlidy freier 
Mille und eine Willensfphäre oder ein Gebiet, in deſſen Umfreis er. fich fre} von 
jedem Zwange bewegt. Gin: foldyer freier Wille wird. ein gültiger. Wille, wenn 
feine Freiheit feine blos zufällige, — Iener fremden Willkuͤr — ebene, 
wie die des Vogels in der Luft, ded Wildes im Walde ⁊c. if, ſondern am ere 
fie anerkennen oder gelten laffen muͤſſen, und wer dieſe Anerkennung, foweit 
er: will, fordern und noͤthigenfalls eapoingen darf, der iſt rechtsfaͤhig, er IR eine 
Berfon und Rechtsſubjelt; die Sphäre. aber, worin Andere feinen guten en 
gelten Iaffen-müflen, oder die Begenftänne,- die in dieſe Sphäre. gehören, oder über. 
die fi fein Wille erſtredt, fei es nun feine eigene Perfon oder ein Theil der. Außen⸗ 
welt, bilden fein Kechtögekiet — Der Anſpruch nun auf ſolche Geltung ,,- auf 
folche Freiheit oden Unabhängigkeit des eigenen Willens und Willensgebiets vom 
fremden Willen kommt allen denjenigen, aber auch nur denjenigen Weſen zu, die 
eine vernünftigeflttliche Beftimmung haben und erfüllen ſollen. Denn, wer folt, 
der muß auch Eönnen, weil Sollen und Nichtkönnen en Sbiberfprudh iR; wer 
alfo das Sittengefeg mit Freiheit erfüllen foll, der muß, um: dieß zu Fönnen, 
auch in Wirklichkeit frei: feyn, ein Recht auf Freiheit haben und die Anerkennung 
diefer Freiheit erzwingen dürfen. Aber auch nur wegen feiner fitilihen Beſtim⸗ 
mung, zur Realıfitung des ihm angeborenen Pflichtgeſetzes, werben jenem Men- 
fchen Rechte zugeichrieben, find die Bedingungen und Geſetze feiner Natur und 
feine® Lebens auch von Anderen anzuerkennen, haben biefelben auch außer ihm 
ſelbſt und für Andere (alfo objeftive) Gültigfett, wie fie dem Thiere, der Pflanze 
und Gefteine nicht zufommt. — Co gewiß jedoch, wenn freie Sittlichfeit des 
Menſchen Betimmung if, fein Wille ein auch Außerlidy gültiger ſeyn und es in 
feiner Macht und Willfür fichen muß, das Sittengefeg im handelnden Leben zu 
erfüllen. oder unerfüllt zu laffen, fo kann doch diefe Wahlfreiheit Feine gang unbe⸗ 
dingte und in allen Faͤllen unbefchränfte feyn. Das Sitengefep ift naͤmlich, den 
Nebenmenfchen oder den Mitlebenden gegenüber, ein Geſetz der Bleichheit 
und zwar fowohl ber gleichen Liebe und Förderung, als der gleichen Achtung 
oder Geltung und Anerfennung ; das Raturgefeh hingegen, welche bloß auf Bes 
friedigung der angeborenen Triebe .gerichtet ift und meldyed der Menſch mit dem 
Thiere gemein hat, ift ein Geſetz des Stärfern, der feinen felbftijüchtigen Willen, 
ohne Rückſicht auf den entgegenftehenden des Echwächern, durchfegt u. die Eitts 
lichfeit bifteht eben darin, daß der Menſch, bei der ihm freigelaffenen Wahl ei 
fchen der Befolgung des Einen oder des Antern, für das Erfle entſcheide. Staͤnde 
nun aber Jedem frei, den Nebenmenfchen, wie es. ihm in jedem Fall beliebt, ent⸗ 
weder nach dem fittlichen Gefege der Gleichheit, oder nach dem Raturgefeße des 
Stärken zu behandeln, fo würde. die völlig fchranfenlofe Freiheit des inen bie 
des Andern aufheben und Gleichheit würde zwar auch hier flatıfinden, infofern 
das, was dem Einen erlaubt wäre, aud jedem Andern freiftände ; aber dieſe 
gleiche Unbefchränftbeit der Geltung jedes Einzelnen wäre ein förmlicher, immers 
währender Krieg Aller gegen Ale und noch ſchlimmer, als der rohe Ratursuftand, 
indem dad Recht des Siaͤrkern gilt, Die Freiheit in Erfülung oder Richters 














Urrechte. 437 


fülung bed Gittengefehes kann daher nur einen Theil der durch vafielbe vorges 
ſchriebenen Pflichten umfaflen und, fo gewiß es unerzmingbare Pflichten, freie 
oder reine Gewiſſenspflichten geben muß, wenn freie Erfüllung des Sittengefches 
möglich feyn fol: eben fo gewiß muß ed auch unfreiwillige Pflichten oder einen 
ergwingbaren Theil des Eitiengefeged geben. Nun find audy in der That die, 
vom Sittengefege im Verhäliniß zu Mitiebenden gebotenen, Pflichten weſentlich 
verfebievener Art: als ein Geſetz der Gleichheit fordert das Sittengeſttz theils 
fine bloße Sleichheit der Achtung, die dem Willen des Rebenmenfchen gleidye 
Beltung, wie dem eigenen, zuerfinnt, theils eine weitergehende Blcichhrit der Liebe, 
‚ie für des Nächften Wohl, wie für das eigene, beforgt {ft und der unerzwingbare 
Theil des Sittengeſctzis iſt derjenige, der auf die Achtung Anderer, die Anerken⸗ 
mg gleicher Geltung ihres Willens fich bezieht, während derjenige Thiil des 
Eittengefehes, weldyer die gleiche Liebe, wie für fich ſelbſt, auch für den Neben- 
menfchen fordert, unerzwingbar bleibt. Die, zur freien Erfüllung des Sittunges 
ſeges nothwendige, Gleichheit kann alfo weder eine, audy die reinen Liebespflichten 
umfaffende, noch eine, auf der gleichen Unbefchränftheit jedes Einzelwil⸗ 
lens deruhende ſeyn, fondern fie muß in der pieiben wechfelfeitigen Bes 
ſhränktheit oder wechfelfettigen Bleichheit Aller beftehen. Hiernach 
R es erzwingbare Pflicht, Andere nicht zu verlegen und eingegangene Berträge 
ja erfüllen; die blofen Liebeöpflichten aber find unerzwingbar, ſo lange fie nicht 
rch Bertrag oder Geſetz zur Rechtepflicht geworden find. Allein auch der an 
ich egwingbare Theil ded Sittengeſetzes iſt wiederum nicht unbedingt oder ohne 
le Beſchränkung erzwingbar, fendern nur in fo weit, als der Menſch dadurch 
die, zur Erfüllung ferner menſchlich⸗fitilichen Beſtimmung unentbehrliche, Freiheit 
per Willendgeltung und Willensſphäre nicht verliert; denn diefe muß ihm jeder 
Zeit gefichırt, von Fremder Wılltür oder Gnade unabhängig bleiben und darf ſeibſt 
zurch die fonft erzwingbaren Pflichten, durch den Orundfag der gleichen we chiel⸗ 
eitigen Beichränfiheit oder wechfelfeitigen Gleichheit Aller nicht geicdhmälert wer⸗ 
ven, weil es ein Widerſpruch wäre, wenn daffslbe Geſetz, das gewifle Pflichten 
für erzwingbar erllärt, blos, um die Mittel zur fıieten Erfüllung ıhrer firttichen 
Beftimmung den auf Erden Lebenden zu fidyern, diefe Eramingbarkeit fo weit aus⸗ 
dehnte, daß durch fie — das bloße Mittel — der Zwed felbft zerfiört wırd. 
Wenn idy daher dem Hungertode nur dadurdy entgehen tann, daß ich mich an 
fremdem Gigenthume vergreife; wenn ich, um ein vertragemäßig gegebene Ver⸗ 
prechen zu erfüllen, eine Schändlichkelt begehen müßte: fo hört die ſonſt erzwing⸗ 
are Verpflichtung, Andere nicht zu berauben und dad im Wege des Vertrages 
jegebene Wort zu balten, auf, weil in dem legten alle ich meiner fitilichen Bes 
immung geradezu entgegenhandeln, im erften aber eine Grundbedingung fittlicher 
Menfchheitsentwidelung, dad lebedige Dafıyn, verlieren würne. — Es muß alfo 
Rechte geben, welche jedem Menfchen unbedingt, nicht blos gleichheitiicdy oder 
tacdy dem Grundfatze wechfelfeitiger Gleichheit zuftehen und in deren Behauptung 
eine Rechispflicht ihn befchränfen fann, weıl fie das, zur Erfüllung feiner menfch- 
ichen, firtligsvernünftigen Beftimmung unentbehrliche, Willend- oder Redyiögebiet 
ımfaflen und in dieſes Gebiet muß Alles fallen, was vom Begriffe des Menıcyen 
ich nicht trennen läßt und einen integrirenden Beftandtheil feines Weſens bilvet ; 
yenn in der freien und volltändigen Menjchheisentwidelung befteht ded Men- 
hen fittliche oder vernünftige Beftimmung und, um diefe in ihrem ganzen Um⸗ 
ange erfüllen zu fönnın, müffen vor Allem die von feinem Begriff und Wefen 
ingertrennlichen Gigenfchaften als unzertrennliche und unveräußerlidye, oder als 
olche, zu deren Hingabe er nie redyt verpflichtet feyn kann, anerkannt werden. 
Bcht man demnach von dem Begriffe des Menicyen als rechtofähiges Wefen aus: 
o ıft das von feinem Wefen fchlechterdings unzertrennliche Recht — das Recht, 
mter dem Nechtögefege zu ftehen, oder nach dem Gefep der mwechfelfeitig gleichen 
Seltung Aller, fo weit dieielbe mit der gleichen unbedinaten Willendgeltung jede® 
Einzelnen vereinbar iſt, behandelt zu werden. Auf dieſes Uxrecht, weldes kr 


4% urſici — uucchell. | 
ander te in aß; ! i | werb ‚dl 06 eine netkwerbige 
——— kur bei Ei Bee, el da mie 


Keka oben De Fer hu Ur ſinus genamt), ulvins, en elle 

1 Paleig un ex N Fang Fe m —* 1530 * ter len 
t angenommen, 

De ur ei Dem Ger Malie bes bei dem — 























hesaurus antigei 
Anmerkungen tus, ebd. 1881; ne une. 1od — 
rei * — ich * Gen Hlßeritern, &n FE den 
Bragmenien der gri ln en e. — 16; mad u er den Kom 
1583, ımd —* a y- De trielmlis, 1588, 
eme 
‚ die Heil 1ge und ihre a uud os und 
Marıyrinnen. ud tm 5. Jahrhunderte di 
land verheerten, eos viele ber alten Written 
la in Armorica, das in ber ven Namen 1 Ba 
f in die Rieberlande Aber und b vi ‚Brittenburg an ber‘ 
3. 6. Um eben dieſe Zeit nn anfere heiligen 
brisannien Vo England a a — 
Lebens darbringen, e en. Bun 
die damals fo Siele Länder mit —* und Schwert ver ermordeten. wiske 
ee Binding am Niederrhein. Man hält eimmäihig dafür, * wel, 











ligen urfpränglich aus Großbritannien gefommen feien und daß U, wie Toch⸗ 
ter eines Put en englifchen Fürften, an ihrer Spitze Ren um fie zu lei⸗ 
Ramen ung- 


ten und zu Kr Obgleid man fie mit dem 
kaum bezeichnet, es doch 893. unwahrſcheinlich, va unter benfelben auch 
erheirathete —Xy Die Zahl dieſer heiligen Blutzeugen iſt unbckannt. Ueber 
Ir Orabkäne au Köln erbaute man, nad) dem Gebrauche jener Zeit, eine 
irche, die ſchon 643 berühmt war, ald Gunibert zum Erzbiſchof diefer- * 
gewaͤhlt wurde. Der heilige Hanno, — von Koͤln im 11. Jahrhundert 
jatıe eine große Andacht zu dieſen heiligen prinnen und beiete oft * 
aͤchte eur auf ihren Gräbern, die auch durd, mehre Wunder verberrlicht 
wurden. Die Kirche feiert den —E der heiligen U. und ihrer Gefährtinnen 
am 21. Oktober. — Die bi. U. welche fo viele, von ihr zur Tugend gebildete, 
Serien dem Himmel zugeführt, wird als ein ufter derjenigen aufgeſtellt, bie 
fi) der Erziehung der chrifllicdhen Jugend widmen. So find unter 
ung viele Orztejunge häufer für junge Mädchen entflanden, beſonders 1611 
Urſulinerinnen ieſer legtere Orden wurde von Maria d'Hunillier de 
Sainte Beuve, einer Dame von ausgezeichneter Froͤmmigkeit, geftifiet und von 
Paul V. genehmigt. Religiös » fittliche Erziehung der weiblichen Jugenb und 
Unterridyt derfelben in den gemöhnlichen häuslichen Arbeiten, als: 
Sıtriden, Stiden, Spinnen, Kleivermachen u. f. w. find der Hauptzwed Diet, 
ehemals * " een Ordens, der noch jetzt an manchen Orten mit 
n lem en fortbefteht 
Netpeit ‚ 1) in der Logik: die Beftimmung des Verhältniffes zweier ober 
mehrer Begriffe gegen einander zum Behufe der Erkenntniß. Die Begriffe felbft 
machen die Materie oder den Inhalt aus; das beftimmte Verhältnis, in dem 
diefe eben, oder die Art ihrer Verbindung, bildet die Form des U.s. Zum 
Ausdruck des beflimmten Berhältnifes dient Die Copula, die verbundenen Begriffe 
find Subjekt u. Prädikat. In Anfchung a ber horn —— io! Me Urs * 4 
Gefichtopunkten betrachten: 1) von Seiten des Umfangs ( und man 


Urtßeil, ' 439 


unterfcheivet allgemeine, befondere ober partifuläre und einzelne U.e, 2) von Sei⸗ 
ten des Inhalts, je nachdem mehre Begriffe im Bewußtſeyn verbunden werden, 
oder nicht (Dualität); in diefer Rüdficht find die U.e bejahende, verneinende und 
Umitirende oder unbeftimmte, in denen die Gopula bejahend, dad Praͤdikat ver- 
neinend if, 3. B. die Seele it — nicht fterblidy, wogegen das U.: die Seele ift 
nie — fterblich negativ ifl. 3) in Anſehung der gegenfeltigen Unterordnung u. 
Abhängigkeit der verbundenen Begriffe (Relation) ; bier find die Ue kategoriſch, 
wenn der Begriff blos hinfichtiidy feiner Unterordnung unter einen andern bes 
trachtet wird, 3. B. der Menſch ift ein vernünftiges Geſchoͤpf; oder hypothetiſch, 
wo eine Behauptung nur unter gewiffen Bedingungen aufgeftellt wird, z. B. 
wenn es regnet, wird es naß; oder endlich disjunctiv, wenn ein Ganzes in ſei⸗ 
nem Berpäliife zu feinen ſich gegenfeitig ausıchließenden Theilen vorgeftellt 
wird, 3. B. die Thiere find entweder Säugethiere, oder Kifche, oder Bögel. 4) 
in Anfehung des Berhältnifles eines U.8 zum Erkenntnißvermoͤgen überhaupt (Modas 
tät) und dann wird eine Behauptung entweder al& bloß gedacht oder denibar 
dargeftellt: problematifches U., oder Etwas wird ſchlechthin behauptet: aſſertoriſches 
U., oder der Behauptung wird die Andeutung von Gründen hinzugefügt: apo⸗ 
biftifches U. In Anfehung der Materie theilt man die U.e in analytifye, wenn 
das Bräpifat feine anderen Beflimmungen enthält, als die fchon in dem Subjektiv⸗ 
begr lagen oder gedacht wurden u. die man durch die Entwidelung des legtern findet 
8. alle Körper haben Ausdehnung u. in fonthetifche, wenn andere Beftimmungen bins 
hats: werden. Wenn zwei oder mehre U.e Etwas unter ſich gemeinfchaftlidy haben, 
aber fid) in der Form unterfcheiden, fo find fie mit einander verwandt u, laſſen ſich 
mit einander vergleichen. Jenes Gemeinſchaftliche iſt ver Inhalt der U.e. Wenn 
man folche verwandte U.e fo bıhandelt, daß man das eine aus dem andern ableitet, fo 

einSchluß (ſ. d.). U.e von völlig gleichem Inhalte Fönnen mit einander 
verglichen werden: 1) in Anfchung der Quantität, wenn das eine ein allgemeis 
nes, das andere ein befonderes ift, 5. B.: alle Menichen find ſterblich und: einige 
Menfchen find ſterblich; das allgemeine heißt das fubalternirende, Das bejondere 
das jubalternirte U. u. das Verhältnig felbft Subalternation; 2) in Anfehung der 
Dualität, infofern das eine verneint, was das andere bejaht; die Entgegenſetzung. 
Diefe ik entweder bloßer Widerſpruch, wenn das eine U. das andere aufbebt, . 
ohne eine andere gpoftine Beflimmung hinzuzufügen: contradictorifches, entgegen« 
gefehtes U., 3. D. diefer Dfen ift har und dieſer Dfen ift nıcht ſchwarz; 
oder Widerfireit, wenn das eine das andere nicht blos aufhebt, fondern außerdem 
—F etwas pofilives von demſelben Subjekte ausſagt, conträr entgegengeſetztes U., 
ı. B. dieſer Ofen iſt ſchwarz und dieſer Ofen iſt weiß; 3) in Anſehung der 
Relation, wenn dad Subjeft des einen U.s in dem andern Prädikat wird: Um- 
fehrung und zwar reine Umfehrung, wenn das Subjelt und Praädikat von 
gleichem Umfange ift, 3. B. jeder Körper tft fhwer — Alles, was ſcywer iſt, 
R ein Körper; oder veränderte Umfehrung, wenn das Prädikat von weiterem 
Umfunge ıft, ald das Subjekt u. dann muß das allgemeine U. in ein befondered 
umgewandelt werden, 3. B. alle Gelehrte find Menıchen, aljo find einige Men⸗ 
fen gelehrt. Eine Art der Umkehrung ift die Kontrapofition, wenn bei der 
Umfehrung die vorher poſitiv aufgeftillıen Begriffe negativ ausgedrüdt werben, 
z. DB. alle Dreiede find Figuren von 3 Seiten: eine Figur, die nicht 3 Seiten 
hat, if kein Dreieck. — 2) U. in juriftifcher Bedeutung, die Meinung, das 
Gutachten, der Beichluß des Richters über eine ftreitige Suche, fowie die Be⸗ 
Rimmung einer Sırafe für ein Verbrechen. Das richterliye U. kann ebenfo in 
einer förmlichen Entſcheidung, ale in den -Entfcheidungsgründen eined Erkennt⸗ 
niſſes (motivirtes U.), in eınem Berichte an eine höhere Behörde, oder in einer 
Zufchrift an eine gleiche Behörde ausgefprochen feyn. Das U., in wiefern es 
ein wirklicher Beichluß des Richters if, erfolgt nach, von beiden Selten geſche⸗ 
hener, Bertheidigung beider Parteien und heißt in diefem Falle Entſcheidung, 
Erfenntniß (sententia, decisum), oder auf eine einfeitige Borftellung (Decre- 


a Urtheilſkraft — Uruguay, 
tum simplex). Ein Zuiſchen⸗U. Heißt ein ſolches, welches die Eutſcheldung 
in ver Hauptfacdhe erfi von dem Ausaenge: gewifer, durch daſſelbe ungeorbneter, 
prözeffuallicher Handlungen, wie 3. B. ded Beweiſes, abhängig macht 
Urtheilskraft if vaojenige Bermögen ves Verſtandes, vermittelt. deffen bie 
Regeln auf einzelne Bälle. angewendet werden und welches heurthellt, ob un» wie⸗ 
feın ein geroifier, vorkommender Fall unter eine gegebene Regel gehört (ſubfumi⸗ 
ten). Dies fegt deutliche und beftimmte Begriffe von den Gegenſtänden, veren 
Berhältniß zu einander hierbei beachtet wird, voraus und von je mehr Ge 
fänden man deutliche und befiimmte Begriffe hat; über deſto mehr Geg 
kann man urthellen. Diefes Bermögen kann zwar, wo es ;in geringen" Obrade 
vorhanden iſt, Dutch Uchung geftärkt und erhöht, aber nie durch Anweiſu u. 
Vorſchriften hervorgebracht werden; denn jede Vorſchrift iſt wieder eine Regel, 
deren Unmwendung jened Berniögen immer wieder vorausfeht. Ä 
‚ eine ber fünumerifantfchen Republifen, die —— den. Ramen 
Banda Oriental, Montevideo und Gieplataria führte, liegt im Rorden des La 
Plataſtromes, oͤſtlich vom U. und ſüdlich von Brafllien und bat einen 
raum von 4,915, nad; anderen Angaben von 10,565 [J Mdlm. Der meftliche 
Theil des Landes iſt fanfte® Hügelland, tm Rordoften nach Braftlien zu erheben 
fi) einige Landrüden, die unter dem Namen ver Sierra de San Bablo. ſich 
nach Suden hinunterziehen, der übrige Theil des Landes if Ebene, bie und va 
mit fanften Anfehwellungen wechfelnd. U. iR ein, an Raturidyönhelten-- reiches 
md durch Fruchtbarkeit des Bodens — ichnetes, Land, das von gahlrei 
—35— und Bächen bewäſſert wird, welche in bie eftröihe- Uraguay, Regro, 
elati, Luca und Yb cui fließen. Groß und fiſchreich iR der Ririm — oder 
Mimtfen, welcher durch einen natärlichen Kanal mit der großen Lagune. Patos 
in Brafitien in Verbindung ſteht. Das Klima bon N: IR angenehm, gefmp- u. 
weit ndiger, als in dem gegenüber Ilegenten Buenos» Wyred, die Sommer 
find heiß und troden, im. 4 Winter und Brüßling fallt fehr viel Regen. 
Der Boden ift meift rothe Thonerde und enthält fieine Maſſen von zerreiblichem 
Mergel und Kaltftein, auf den Bergen geben Schiefer und Granit häufig zu 
Tage. Gegen den Uruguay hin beiteht das Erdreich and vermwittertem thon⸗ u. 
kallhaltigen Geftein, gebt in volfommene Pampas über und, flatt der üppigen 
Graofluren des übrigen Landes, flieht man bier aufgedehnte Diftelfelder, vie auf 
Trodenheit des Bodens hindeuten. U. it Gras⸗ und Weideland, daher Bich- 
zucht der Hauptnahrungszweig feiner Bewohner. Rinder, Pferde und Bicunna- 
fhafe find die Quellen des Rattonalreichihums und groß ift die Ausfuhr an 
Häuten, Talg, gefalgenem Fleifh und Wolle. Aderbau wird auf dem frucht⸗ 
baren Boden, welcher Weizen, Maid und andere Gewächie von vorzüglider 
Güte erzeugt, wenig betrieben, weil die Bewohner das Hirtenleben vorzteben. 
Auffallend If der Holzmangel des Landes, nur einige fellige Hügel nnd Lands 
rüden find mit dichten Gebüfche bewachfen, wo aber irgend eine Quelle hervor 
riefelt,, da iſt meift ein Heiner Hain, der fühlenden Schatten fvender. Die Bes 
völferung des Landes einft 700,000 Seelen zaͤhlend, ift durch Bürgerfriege, Aus» 
wanderungen u. f. w. auf 250,000 Seelen herabgefunfen. Die Einwohner find 
theil8 Nachkommen fpantfcher und portugieſiſcher Woloniften, gröptnıheil® aber 
Miſchlinge; europäifche Einwanderer aus Kranfreidh, England und Deutichland 
befinden fih etwa 50,000 im Kunde, die Zahl der Indianer iſt gering. Die Bes 
wohner von U., meift Hirten und Jäger, find im Allgemeinen gebildeter, als vie 
Brafilier. Die V-rfaffung diefes Freiſtaates vom 10. Eeptember 1829 if} die 
freiefte unter den Verfuffungen der jüdamerifanifchen Freiftaaten und ihre Grund⸗ 
züge find: Zwei Kammern, die erfle mit 9 Senatoren, die zweite mit 29 Abge⸗ 
orbneten, Freiheit des Glaubens und der Preife, Geſchwornengerichte, Bürger⸗ 
bewaffnung und Hin ſtehendes Heer, Ertheilung des Staatsbürgerrechtes an 
jeden, fidy im Lande niederlaſſenden, Fremden, Aufhebung des Briefportos, öffent⸗ 
licher Unterricht auf Staauskoſten und Verpflichtung jedes Staatsbuͤrgers, fein 









urwelt -Manien 4 


Kind ıumterrichten zu laſſen Geſetzbuch für die Nechtöpflege I der Code Napo⸗ 
leon mit einigen lokalen Modifikationen. Die Finanzen Us 8 find, trog der forts 
währenden Kriege mit Buenos »Ayred und Braftlıen, fo geregelt, wie die leines 
anderen füdamerifanifchen Staates; die Stautsfchuld beträgt 2 Millionen, die 
jährlichen Einnahmen 14 Millionen, die Staatbausgaben 1 Million Dollars, 
Das ganze Land ift in 9 Departements eingerheilt, Hauptſtadt: San Felipe de 
Montevideo (16,000 Einw.). — Geſchichte U.6. Diele Lund wurde zuerſt 
von Spaniern bevölkert und 1724 die Hauptftadt Montevideo angelegt. Später 
wurde die Banda Oriental der Sammelvlag brafilifcher Schleichhändler, wodurch 
Braſtliens Handel faſt ganz vernichter wurde. Um dieſem Unweſen zu feuern, 
gewann der Vicefönig von Buenos⸗Aytes, Graf Sobremata, den berüchtigften 
und entfchloffenften aller Schleihhändter Don Jofe de Artigad u. diefer reinıgte 
nun in kurzer Zeit die Banda Driental von Schmugglern und raubluftigem Ge⸗ 
findel, wofür er um ®eneralfeldwächter der Provinz Montevideo ernannt 
wurde. Als die Revolution in Buenoſs⸗Ayres ausbrach, wollte Montevideo ſich 
derfeiben anfchliegen, aber die Bemühungen eines ehrgeizigen Advokaten Dr. Obes 
brachten «8 dahin, daß die Junta ven Buenos⸗Ayres nicht anerfannt wurde, 
. was. die Beranlaflung. zu traurigen Epaltungen zwiſchen U. und Ichterem Eraate 

gab. Indeſſen bifiegten die fich erhebenden Patrioten, unter Anführung des fchon 
erwähnten Artiga®, die Spanier tet Lad Riedras und am 20. Juni 1814 ergab 
fi) Montevideo, dieſe wichtige fpanifche öchung bım patriotiſchen Oberſten Als 
vear. Bon jitzt an nannte ſich Artigas das Oberhaupt der Banda Driental, 
zerfiel de6halb mit Bueno6sAyres und trieb die Truppen des legteren Staates 
aus Montevideo, worauf er von tem Direktor Poſades als Rebell geächtet 
wurde. Die eroberungafüchtige, brafilianifche Regierung fendete 1816 den Ge⸗ 
neral 2ecor mit 8000 Mann nah U., die, nach biutigen Gefechten mıt den tapfs 
eren, berittenen Viehhitten (Gauchos), einige Plähe befegten. Artigas, der kühne 
Faccioſo, führte nun gegen die Brafliianer, einen Buertlladfrieg, der einen uns 
glüdi:hen Ausgang nahm, 1821 wurde die Banda Oriental eine braft.anifche 
Provinz, weshab e8 zwifhen Buenos⸗Ayres und Brafilien zum Kriege kam 
(1826 — 28), den Englands Bermittelung erledigte. Nah den Beltimmungen 
diefer Bermittelung wurde Cieplatana für volfommen unabhängig erklärt und ihr 
das Recht eingeräumt, ſich als ſelbſtſtändigen Staat mit einer beliebigen Regier⸗ 
ungsform zu conftituiren. Die Provinz Montevideo erflärte fi) unter dem Ras 
men Republica oriental del U. für einen felbfitändigen Freiſtaat u, gab ſich am 
10. Sept. 1829 eine eigene Berfaffung. C. Pfefl. 

Urwelt nennen die Geologen den Zeitraum und den Zufland der Erde, 
welcher mit der Bildung der Diluvialformation ſchließt, alfo die Periode, in ver 
dte feinpfeligfen Elemente, Wafler und Feuer, mit gewaltigen Kräften an der 
Geſtaltung der Erde arbeiteten und wo fur den Menfcyen, mitten in dem tobens 
den Aufruhre der Natur, welche ihre eigenen Erzeugniſſe verichlang, um fie immer 
wieder neu zu gebären, noch feine Erätte bereitet war, allmätig aber in geord⸗ 
neter Etufenreibe die Pflanzen» und Thieiwelt fi entwidelie. Die Geſchichte 
diefer unermeßlichen Zeit ift eingegraben in den Yelfen, welche Zeugen und Pros 
dufte jener Revolutionen find; zur Entzifferung und Deutung dieſer geheimnißs 
vollen, wunderbaren Züge, teren Schlüſſel die neucfte Mıffentihaft gefunden bat, 
iſt vornämlich die Peirefaktenkunde, die Kenntnig der, in dem Echoofe der Ges 
ft.ine begrabenen, vegetabuiichen und animulijhen Gefchöpfe förderlich gewefen. 
f. Geognoſie und Petrefakten. 
funzen, Handelo⸗U. oder Handelsgebräuche, nennt man die, meift 

von den Hanvelögefegen unabhängigen Gewohnheiten, weiche von den Kaufleuten 
einer Stadı oder eined Landes als gültig angenommen worden find und al® ges. 
ſetzliche Vorfchriften befolgt werden, auch meiſt von den Behörden anerfannt und 
als Belege angenommen worden find. Sie haben jedoch meiſt den Uebelſtand. 
daß fie bei entfiehenden Streitigkeiten Wiverfprüche in ihrer Audleaana nen 


ur J NAs beten — We; 
un 


d- daß fle auch nicht durchgaͤngig von den Berichten anerklannt lub. Es muß 
daher oft durch Barere (f.».) — entſchieden werben. ine der 
Arten der U. find die Wechſel⸗R. (f. d.). 

Usbeken (der Rame it hergeleitet vom türifchen „US“ feib u. „We“ Herr, 
alfo foviel als: eägene Herren), Beipe ein tuͤrkiſcher, jeßt in der Tatarei berrfchen- 
der Volkoſtamm, welcher dad heutige Bolhara oder Uäbeliftan u. Turfomanien 
bewohnt und ſchon feit 3 Jahrhunderten der Schreden eines großen Yon 
Mitteloften iR. Schal Bel oder Schaibant. Khan warb 1498 ver Stifter 
der U.⸗Macht am Drub ( Gihon oder mv). Er entriß ven Timuriden den lebten 


Schatten . | . 
fortvauernden Kriegen mit den Perſern, Bokharen (Sarten), Truchmenen (Turk⸗ 
menen) und ben alten Ghorasmern, nad verwüftenden Bürgerfriegen u. biutigem 
ſcherwechſel, errang endlich 1802 Mahmud Rahim Khan die unumfchränfie 
errſchaft über Khiwa und die benachbarten Länder. Er endigte Die biöherige 
ardyie, ordnete das nene Reich, ſetzte einen Gtaaterath ein und lieh Gold⸗ u. 
GSäbermänzen prägen. Die U. übertreffen an Ehrlichkeit alle übrigen Böller des 
Khanats. Gerechtigkeit if einer ihrer — Sie haſſen die Lüge u. jede 
Kriecherei und verachten die Sucht nach Gold. Krieg und. Raͤuberei treiben 
fie, al® ein ehrenvolles Gewerbe. Noch immer führen fie bald mit den Berfern, 
bald mit ven Truchmenen einen wahren ——— fallen unaufhoͤrlich in 
die umliegenden Provinzen ein und ſchleppen die zum Dienfte brauchbaren Men⸗ 
fhen als Sklaven mit fih fort. Unter ihnen follen jegt an. 3000 Rufen und 
an 30,000 :Berfer als Eklaver ſich befinden. Die U. leben gegenwärtig größten- 
theils in Staͤdten, befleiden die höchflen Stellen im Staate und find Be der 
vielen Heinen Schlöfer und Burgen, die man zerfireut im Khanate findet und 
die. le an die Truchmenen un», Garten, die Eein eigenes Land befigen, verpachten. 
Sie theilen fidy in vier Haupikämme; die Anzahl ihrer Krieger mag ſich etwa 
auf 30,000 belaufen. Der Khan hat überhaupt gegen 3 Millionen Untertbanen. 
Groͤßer noch, als Khiwa, die Refivenz des Mahmud Rahim, iſt Neuurgenz, eine 
uralte, zur Zeit der Araber blühende, jetzt entvölferte Stadt. Man fultioirte 
dan Bifienfgaften und Künfte, Muflf und Borfie Sie war bis in's 14. Jahr⸗ 
undert der Sammelplak aller Karawanen am Gihon. 
Uſher, Jakob, gemwöhnlidy Ufferius genannt, hochkirchlicher Erzbhiſchof, 
. geboren zu Dublin 1580, ſtudirte in feiner Baterftadt, neben der Theologie, vor⸗ 
nämlich Geſchichte, lehrte und predigte dafelbft und erhielt, in Folge feiner Ge⸗ 
lehrſamkeit und übrigen Berpienfte, 1624 das Erzbisthum zu Armagh iu Irland, 
wo er.’bi® 1640 biteb. Bon diefer Zeit an hielten ihn aber die innerlichen 
Streitigkeiten in England zuuͤck. Ais treuer Anhänger Karl's I. verlor er das 
ihm vom Parlament verliehene Bisthum Carlisle, wurpe aber öffentlich nicht 
weiter verfolgt. 1647 wurde er Prediger zu London, legte 1654 feine Stelle 
nieder und flarb den 20. März. des folgenden Jahres zu Ryn. Ausgerüſtet mit 
einer ausgebreiteten Gelehrſamkeit, ausgezeichnetem Edyarffinn und Eritiicher Bes 
nauigfeit, erwarb ſich U. bleibende Verdienſte um die bibtifche Literatur, Geſchichte 
und Chronologie. Seine beveutendften Schriften find: „De ecclesiarum christie- 
narum successione et statu“, 2ondon 1613; Discourse of the religion ancient 
by professed by the Irish et British, ebendaf. 1622, 4.; Goteschulci et prae- 
destinatian«e controversiae ab eo motae historia, Dublin 1631; Veterum 
epistolarum hıbernicarum sylloge, London 1632, Par. 1606, 4.; Britannicarum 
ecclesiarum antıqu.lates, Dublın 1639, 4., London 1697, Fol.; Annales veteris 
et novi testamenti, London 1650— 54, 2 Thle., Fol., Paris 1673, Fol., Bres 
men 1696; er gab auch 1644 die Briefe des Polyfarpus u. Ignatius heraus. 
Seine Biograpbie, Paris und London 1686. 
Ufo oder Uſo⸗Wechſel. Schon früße fteliten fich, neben anderen Ufanzen 
(f. d.), auf Werpfeipiägen gewifle Friſten feft, in welchen man in der Regel 
von einem ſolchen Binge auf einen andern und umgekehrt die Wechſel auszuftellen 


Uſteri — Uſurpation. 443 


pflegte. Wollte man daher nicht aus befonderen Gründen von biefer Gewohnheit 
abweichen, fo unterließ man ſehr häufig im Wichfelbriefe ſelbſt die Angabe der 
Zahlungsfrift (Verfallzeit) und fchrieb dafür blos: „Rad Ufo“, „a Uso“ 
oder „a Usamce“, d. h. nad) dem beſtehenden Behraucye; längere Wet fels 
[ihn pflegte man auch in poppelten (2) oder 14 Ufi auszudrüden, küͤrzere 
ı U. Dem fetfiebenden Herlommen gemäß wurde hiernach leicht der Berfalltag 
befimumt und fo hat ſich dieſer Gebtauch bis jegt erhalten; der U. ſelbſt aber, 
d. b. die Anzahl der Tage, die er begreift, iſt an den einzelnen Orten fehr vers 
fchieden, weshalb man ſich damit genau befannt madyen muß und zu welchem 
Ende in ven Hanvelsleriten unter allen Wechfelplägen das Nötbige bemerkt 
wird. Wechielbriefe, welche nach U. geftellt finn, heißen U.-WBecdfel. Nicht 
allein die Dauer des U. ift in den einzelnen Ländern und Orten verſchieden, 
ondern auch der Zeitpunkt, von welchem an man benfelben zählt, Indem ders 
eibe auf manchen PBlägen von der Borzeigung (Präfentation) oder Annahme 
(Rcceptation), auf anderen aber von der Ausftellung an gerechnet wird; hiernach 
find die U.⸗Wechſel (im erftern Kal) Sichtwechſel oder (im andern Yall) 
Dato⸗Wechſel. An mehren Orten, 3.8. in Sranfreih und den Niederlanden, 
find beide Arten gebräudplich: dann muß im Wechfel bemerkt ſeyn, ob der U. nad) 
Bein oder Dato zu verfiehen fe; im zweifelhaften Falle werden die U.⸗ 
Wechſel meift als Datowechſel angefehen, 3. B. in den Niederlanden. In den 
meiften beutfchen Handelsplaͤtzen iſt der U. der auf fie gezogenen Wechfel 14, auch 
15 Tage nach der Vorzeigung. 
eri. 1) Martin, ein trefflicher Lieverbichter, geboren zu Zürich 1763, 
war Kaufmann daſelbſt und farb zu Rapperswyl am Züricher⸗See als Mits 
glied der Regierung des Canton Züri 1826. Gr dichtete Lieder und Idyllen 
aus feiner Alpenwelt, iheild in Schweiser Mundart, theild hochdeutſch, einfach 
und gemüthlich, 3. B. das bekannte „Freut euch des Lebens." „Dichtungen“ 
2 Bde., herausgegeben von.Heß, 1831, die mehr im Bolfe gekannt zu jeyn vers 
dienten. — 3) Baul, geb, 1768 zu Zürich, bildete fidy in Göttingen zum Arzte 
und übte und lehrte, über Berlin und Wien heimgefehrt, fine Kunſt im Baters 
lande, wo er ſchon 1797 in den großen Rath gelangte und bis zu feinem Tode, 
1831, fegendreich in die polittichen Berhättnifie Zürih6 und der Schweiz eingriff. 
Er war zulegt Borfland des Regierungsdepartements, des Innern, Sanitäisrarh 
u. SBräfldent der naturforfchenden Geſellſchaft. U. ſchrieb Mihres über Botanik u. 
Mevizin, leitete mehre politiſche Zeitfchriftien und verfaßte „Schweizerifched Staats, 
recht” 3. Aufl, 2 Bde. 1815 — 1831; „Kleine Schriften“, Aarau 1832. 
Wiurpation, ein in der Politik längft eingebürgerter Ausprud, welcher der 
Befigiehre entichnt ift und bier in dem Falle gebraudyt wird, wenn, ohne vertrags⸗ 
mäßige Mebertragung des Bifigrechted an einen Andern, die Bedingungen dee 
Beſthes in dem bisherigen Befitzer aufhören, ed fei nun von Seiten des Körpers 
oder ded Willens, und insbejondere, wenn der biöherige Befiger enıfıgt wird. 
Wie bier, fann audy in Bezug auf dad Befigrecht einer Krone — die Souve⸗ 
ränitär in einer Erbmonarchie — von einer Jlegitimisät des Erwerber nur im 
Berhältniffe zu einem frühern, rechtmäßigen Befiger die Rede fein. Als 
bier mögliche Fälle treten und folgende diei entgegen: 1) daß eine Perſon, weiche 
nicht zu der berrfchenden Yamilie des Lande gehört, — cin Untertbpan — mit 
Berdrängung erfterer oder 2) ein Mitglied dir Herrfcherfamilie ſelbſt, mit 
Berdrängung des beffer berechtigten Erben, fi) die Souveränität anmaßt, oder 
endlid 3) daß ein fremder Souverain das Land kriegeriſch occupirt und bie 
frühere Regentenfamitie vertreibt. — Ale unter einer U. vorgenommenen Atte, 
als: Berkäufe von Staatsgütern, Confiskationen, Verbannungen, eigentlich auch 
alle Urtheilsſprüche, gegebenen Geſetze x. find, wenn der legitime Herrſcher zu⸗ 
rückkehrt, unguͤltig; indefen treten, befonders, wenn bie U. mehre Jahre lange ges 
währt hat, da eine folde U. meift mit der fuktifchen Anerkennung der Groß; 
mächte verbunden If, oft folche Berwidelungen ein, daß 1% \Aywer iR, en 


444 Usus fructus — iopien, 

Grundſatz nach feiner ganzen Strenge burdhzuführen, wies. B. bei dem wehtphäftfchen 
Domänenverlaufe. IR fdhon bei diefer Art U. die Frage fireltig, wie welt ſich die 
Reaktion nach einer U. erfireden kann, fo wird e8 noch weit mehr, wenn das 
Volk den Herrfcher vertrieben und die geride ewalt als Republit geübt, ober 
fi) einen andern Fürften gefebt hat. In der PBraris wird, menn eine foldhe U. 
nur einige Zeit gewährt hat, gewöhnlich noch viel weniger fireng verfahren, als 
bei der erſten Art und mei waltet die Milde vor. Ein gegentheiliges Benehmen 
iR immer die Urfache von früheren oder fpätcren Reactionen, wie wir dic® an 
den B.tipielen von Spanien, Portugal und ähnlichen fehen. 

Usus fructus, f. Nießbrauch. 

Ut, Re,Miı, Fa, Sol, La, in der Muſtik die Guido niſchen Sylben genannt, 
weil der itatienuche Benediktinermöndy Guido von Arezzo (Aretinus) im 11. Jahr⸗ 
hundert fich ihrer zu Bezeichnung der Töne c, d, e, f, g, a bediente. Er ent 
lehnte fie einem in ver Kirche gebräuchlidhen Befange, ın welchem der heilige 
Johannes als Schutzpatron der Sänger gegen die Heiferkeit angerufen wurde: 


Ut queant laxis Damit deine Diener 

Resunare fibris Mit erweiter Bruf 

Mira gestorum Deine Greßthaten beingen Fönmen, 
Famuli tuorum D, fo lilge die Schuld 

Solve polluti Der entweihten kippen 

Labii reatum Heiliger Johannes! 


Sancte Joannes! 


Die aus den Anfangebuchflaben „Sancte Joannes“ gebildete Sylbe si kam erft fpäs 
ter hinzu und diente zur (Erweiterung ter Tonreiben, wie zur Bereicherung der 
melodiihen Schoͤnheit. W. Ehriftian Müller it zweifelhaft, ob er die Erfindung 
dem Deutfchen Praaperg aus Meiſiburg, Cantor in Bafel 1501 oder 1525, oder 
dem Niederländer Waclrant, 1550, zufchreiben fol, Lräterer muß indeß die Eyibe 
si, mithin audy den Ton g, mohl ſchon vorgefunden haben; denn er veränderte 
nicht nur die ſechs Guidoniſchen Eiiben in bo, ce, di, ga, lo, ma, fondern audy 
bie Ey.be si in ni. Weniger noch kann Kilian Hammer in der zwe:ten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts die Enlbe si den fech6 Burdonifchen beigefügt haben. Die 
Eyibe ut verwandelte aber C. B. Dont, ein gelchrter Muflter, 1640, in do, well 
biefe dem trattenifchen Ohre mehr zufagte, und C. H. Braun (geftorben 1759) 
brachte flatt der Guidoniſchen die Syiben da, me, ni, po, tu, la, be in Vor⸗ 
flag. Italiener, Franzoſen, Spanier und Bortugiefen haben jene Sylben ut (do), 
re, mi, fa, sol, la, si zur Bezeichnung der Töne der diatonifchen Tonleiter beibe⸗ 
baiten, die Deutfchen und Engländer jedoch flaıt ihrer die Buchſtaben c, d, o, f, 
g, a, h angenommen. Bgl. dd. Art. Guido und Solfeggiren. 

Uterini, Schoo&gefchwifter, nennt man die Kinder einer und berfelben 

utt:r. 

Utica, eine von den Phöniziern gegründete Stadt des Alterthums, im noͤrd⸗ 
lichen Afcıka, eine Verbündete Karthago's, nach deſſen Halle fie der Hauptort der 
römiſchen Provinz Afcika und die bedeutendſte Handeloſtadt dafelbft wurde. In 
den bürgerlichen Kriegen hielt fie der berühmte Marcus Porcius Cato, der Geg⸗ 
ner Caͤſars, für die Partei des Pompejas befegt, woher er den Beinamen Ui 
censis erbielt; auch war es hier, wo er fich felbf den Tod gab. Jetzt ift die 
Stadt, bi8 auf eine große Ruine im Gebiete von Tunis, völlig verfchwunden. 

Utopien —* woͤrtlich: nirgendamwo) nennt man ein Land, das nicht 
wirllich vorhanden if, ſondein nur in der Phantaſie exiſtiit. Thomas Morus 
(ſ. d.) ſchrieb im 16. Jahrhunderte einen politiſchen Roman „Utopien“, in wel⸗ 
chem er das Muſterbild eines vollkommenen Freiſtaates aufſtellte, wie er aber 
freilich nirgends anzutreffen if. Nach diefer Idee verfertigie gegen dad Ende 
des 17. Jahrhunderts der Öfterreichifche General Echrebelin eine moralifch sfaty« 
riſche Lanpdfarıe unter dem Namen: Tabula Utopiae oder Schlaraffenland. Seit 
dem nennt man auch phantaftiiche Weltverbeſſerer Utopiften, 


Utraquiften — Utrecht. 445 


Utr sifen, (. Galiztiner. 6 

( joctum, Traj"ctum), Hauptflabt der gleichnamigen nieberläns 

bifchen Provinz —2 Meilen mit 155,000 Einwohnern) am Zufammenflufle des 
alten Rheined und der Vecht, in einer angenehmen und fruchtbaren Gegend, iſt 
mu Wällen, Mauern und Thürmen umgeben, überhaupt alterthümlich gebaut, 
hat aber auch viele fchöne Gebäude und angenehme Spaziergänge, unter welcdyen 
iegteren die, an der Offeite der Eradt angelegte, Waillebahn berühmt iſt. Unier 
ben 54,000 Einwohnern der Stadt find nicht ganı die Hälfte Kaıholifen. Man 
findet hier acht Eutholifche und acht protifluntliche Kirchen, eine der Janſeniſten 
u. eine der Wiedertäufer. Unter ven'elben tft bemerfenswerth: der Dom, deffen 380 
Fuß hoher Thurm in Folge eines Sturmes, der 1674 das Schiff der Kirche zus 
jammenwarf, von dem Chore getrennt if. Won diefem Thurme überfteht man 
einen großen Theil des Landes und an zwanzig Städte Im Chor find die 
marmornen Maufoleen mehrer Bifchöfe und das Denkmal des Aomirals van 
Send, der 1672 bei der Themfe- Erpedition blieb. Man findet bier ferner eine 
Univerfität, errichtet 1636 und verbunden mit einer bedeutenden Bibliothek, einem 
anatomiſchen Theater, phyſikaliſchen Kabinet, botanifchen Gurten, Obfervatorium ıc. ; 
eine Thtrarzneifchule, ein Gymnafium, ein Mufeum der Künfte, eine Geſellſchaft 
der Künfte und Wiflenichaften, eine Gefellichaft für Dichtfunft, ein Malercollegtum, 
einige, namentlich an Stüden aus der holländifchen Schule reiche Piivat⸗Gemälde⸗ 
fammlurgen, eine Münzſtätte +. — Dabei zeichnet fi) U auch durch Gewerb- 
fleiß und Handel aus. Es fabricirt Tuch (das hiefige fchwarze Tuch foll alle 
übrigen an Farbe übertriffen), Seivenftoffe, Sammet, halbſeidene und baumwol⸗ 
lene Waaren, Peinwand, Epiten, Teppiche, Matten von Schweinshaur, Tubaf, 
Thonmaaren, Zuder, E piegel, Gcwehre, Nadeln, Ladmus und andere Zurben und 
hemifche Artitel, Feuerſprihen, Wagen und beſitzt Delraffinerien, Geneverbren⸗ 
nereien, Salıraffinerien, Leinwandbieichen. Dabei ift die Umgegend rei an 
Getreide (berühmter Buchmiizen), Tabak (b fter in Helland), Hülſenfruͤchten, 
KRübfamen, Flachs und zieht gute Pferde, vortreffliches Rindvich (ron dem man 
vorzüglich Buiter und Käfe gewinnt) und viele Bienen. Diefe Predufte und die 
genannsen Induſtrieerzeugniſſe find für die Stadt U. der Gegenſtand eines fehr 
anfehnlichen Handels, weicher auf dem Rheine und feinen Rebenarmen fidy nicht 
nur nad) den holländifchen Plägen, fondern auch nach Deusfchland erftredt. — U. 
foll 65 nach Chriſtus von dem römlfchen Tribunen Antonius Columnus, der 
fi) von Rom vor Nero hieher flüchtete, erbaut u. nach ihm Antonta genannt 
worden feyn; nach Anderen foll es legtern Namen von dem Kaifer Antonius 
Pius, der es ausbeflern lich, erhalten habın. Gcwöhnlicher war aber der N.me 
Trafectum oder Trajectus, weil bier eine Fähre über den Rhein war ; doch 
fol diefer Rame nady Anderen eıft im 7. Jahrhunderte unter dem Frankenkönige 
Dagobert aufgefommen ſeyn. Da aber Waftıicht Superius Trajectum hieß, n 
nannte man U. Ulterius Trajeclum, woraus Ultrrjectum und U eniſtand. Echon 
in dem hinerarium Antonii wird U.8 als Siadt gedacht und au Karls des 
Großen Zeiten ihrer als Velus Trejeclum erwähnt. Rach dem Verfalle des roͤm⸗ 
iſchen Reichs gehörte das, ven einem Burggrafen bewohnte, Kaftell Trajectum 
den Frieſen; datei war eine Stadt Willaburg gelegen, wo auch dır biichöfs 
liche Sitz war und das der Ieoine Flecen Willinburg, eine halbe Etunde von U,, 
iſt. Anfangs lag U. auf der Nordſeite des Rheins, ſchon 630 aber legte Tas 
obert die Kathedrale auf ter Eüpfeite an und darauf ward die eigeniliche Stadt 

ni auf der Südſeite erbaut und wuchs nun raſch, beſonders unter dem Biſchofe 
Balderih (um die Mitte des 10. Jahrhunderts). 1046 ſchenkte Konrad der 
Salier die Graficbaft Theifterband und die Infel Betan der Kirche von U, 
und zu felbiger Zelt IGeint auch der Bifchof feinen Eig in U. genommen zu 
haben. Biſchof Heinrich, Prinz von Bcyern, überlich Stadt und Fünſtentbum 
UM dem Kalfer Karl V. als Herzog von Brabant und Grafen von Holland 1527, 
1529 baue Karl V. in der Stadt ein Echlog, die Weradurg ander Krirurue 


L ncen aui — Refäpneiti, 
burg. 1559 erhob Vapf Vaul IV. die Kirche non U. gur Mettepätknfirche u. 
— dem neuen Ti zbifchof die Bißrhämer em; —— — 
den, Deventer und Gıdnin, Eifer Erzbiſchof war Friedrich vom 
Tautenburg (farb 1580). 1577 wurde das Ehloß Beraburg von den Einwoh ⸗ 
nern zerftört. Nachdem umter der Regierung Baltepe IL and: bier der Broter 
Rantiemus Eingang gefunden hatte, vereinigte fi U. am’ 23." Januar 1579 mit 
den fech6 anderen niederländifdhen Provinzen durch die fogenanmte'U,er Ant 
welche als das erſte u. wornehmfte Stundgeſet derſelben angehen wurde We 
wurdn die Verfammlungen der Generalkanten Anfange in diefer Stadt ges 
halten, bis fie 1593 nach dem du verlegt wurden, wo ſie nachher bis zu den 
neueren Zeiten blieben. 1672 bemãachtigten ſich vie Framoſen der Stadt, vers 
ließen diefelbe aber daid wieder. Einer der wichtigfen rievenafchläffe bed 18: 
Jahrbundert6, der fogenammte Wer Friede, den 11. Aprit 1713 bier zwolfchen 
drankreich einer und Gngland, PBortuaal, Holland und Preußen andererfeits abr 
gefölefien, beendizte den foanifchen Erdfolgefrieg di. d,). U. if auch Ge⸗ 
rtdort Papſt Hadrian’s VL ’ - . 
Uttmann, Barbara, die Tochter Heinrich's von Elterlein. deffen Vorfah⸗ 
ren da6 ‚gleichnamige Staͤdichen im fächfifchen Erzgebtrge gränbeten, nachdem 
u A , warb 
1514 zu GEiterlein geboren und gerbetratbetere Ad) fpäter an Chriſtoph N., einen 
Bergherin zu Kmaberg, Hier erfand Barbara das Gpipenftöppeln, nach Ver 
gemdöntihen Angabe ia Jahr ISRt und Aarb auch bafelbk al® WBlitwe 1575, 
von einer zahlreichen Nachkommenſchaft gefegnet. j ' 
ü ſchneider, Joſeph von, tk. [cher geheimer Rath und | 
Unternehmer vaterländifcher Impuftriegweige, geboren u Rieben am 
wo fein Bater Landwirih war, au 2. 1 763. Be Tam der: 
nach München zu feinem Ohelm, weldyer bei der Herzogin Maria Unna Zahls 
meifter war, befuchte dort die lateiniſche Schule und fand bald Aufnahme in dem 
Kadettenforps. Wuf der Untverfirät Ingolſtadt erwarb er ſich 1783 den philo⸗ 
ſepbiſchen Doktorgrad und erhielt an der neu organifirten Mititärafadembe den 
Auftrag, Marhematit und Phyfit mit den Böglingen zu repetiren. Da ihm die 
Herzogin die Verwaltung der Meierei Schwaigangen im bayerifchen Oberlande 
anvertraute, gewann er zueift Reigung zur Landwirthfchaft, welche ſich von Jahr 
zu Jabr fleigerte und der er bis and Lebensende treu blich. Die Unbeformens 
heit, ſich in den Illuminaten ⸗Orden aufnehmen zu laſſen, zog ihm vielfältige Ber» 
Drießtichkeiten zu und ſchon war er Willens, deshalb Bayern nanz zu verlaffen 
und in die Dienke Friebrich& von Preußen zu treten. Da verfchaffte ihm feine hohe 
Bönnertn 1784 die, bei der bamaligen Einrichtung bedeutende, Stelle eines kurs 
fürflichen Hofkammerrathes mit ik und Stimme. Kür die Eultur des Donau- 
mooſes wirkte er worzäglich härg, ſchlichtete die entflandenen Zrrungen mit 
Galzburg und Berchteögaden tn Bezug auf bie Bayerifchen Saltnen, wodurch die 
bedeutendfte Saline zu Berg mit Pfanne und Wald 1795 an Bayern überging. 
Mar Jofeph ernannte ihn 1799 zu einem der ſieben Direktoren bei der neu et» 
richteten General-Landesbirektton, noch in demfelben Jahre am 8. Juni zum ge 
kinm Referendar im Finanzminifterium für die fogenannten Landſchaftoſachen. 
in erſtes Gefchäft in feiner neuen Etellung war die ſchwierige Unterfuchung 
des zerrütteten Finanzſtandes, den er dem Kurfürften griiffenbaht enthüllte und 
der von der Art war, daß man bis dahin weder den wirklichen Stand ver 
Staatöfchulden noch den Ertrag der Staatseinnahmen kannte. Mit den Ständen 
des Herzogtbumes Neuburg brachte er am 5. Dftober 1799 den fogenannten 
doppelten Abichluß zu Stande, zog fich aber dadurch viele Anfeindung zu; vers 
dächtigt als Revolmionär und Zakobiner bei dem Kurfürſten verläumdet, erhielt 
er am 10. Juni 1801 feine Entlaffung. Da er nicht mehr als Beamter wirken 
tonnte, ergriff fein feuriger Geiſt die neue Laufbahn, ven Aufihwung der Euftur 
kn Bayern zu fördern. Zuerft gründete er eine Lehermanufattur in München, 


— 


Utzſchneider. 4 


die in Eurger Zelt emporblühte und jetzt noch in gutem Betrieb flieht. Mit dem 
Airtideriehauptmann Reichenbach und dem Uhrmacher Liebherr verband fi U. 
am 20. Aug. 1804 zu einem Befellichaftsvertrage, um die Werkftätie zur Verfertig⸗ 
ung mathematiſch⸗phyſikaliſcher Inftrumente mit größerer Ausdehnung zu betreiben. 
Um die aftronomifcdhen Inftrumente zugleich mit optiſchen zu verfehen, unternahm 
er bedeutende Reifen und beſuchte die ausgezeichneten Optiker an Ort und Stelle 
und nahm die genauefle Einficht von ihrer Werkſtätte. In Genf fand er den 
Blasfcdymelzer Guinand, der früher brauchbares Flintzglas erzeugte. Mit diefem, 
fowie mit dem genlalen Bladfchleifer Nigzel, begann er in Benebifibeuren die 
opdliche Unftalt, worin bald darauf Srauenbofer durch feine herrlichen Leitungen 
e Belt in Erſtaunen verfegte Um 7. Februar 1809 wurde der Gelellſchafis⸗ 
vertrag zwiſchen U., Reichenbady und Frauenbofer geichloflen, denn Riagl hatte 
bereits das Inſtitut verlafien, bis 1814 auch Reichenbach austrat, um eine eigene 
mechantfche Werfflätte zu etabliren. Rad dem erfolgten Tode Krauenhofers, dem 
U. das befannte rühmliche Denkmal mit der finnvollen Infchrift batıe ſetzen laſſen, 
ging vie Anftalt, um fle für die Zukunft zu erhalten 1839 an Merz und Mahler, 
die Schwiegerſoͤbhne Lirbbe:r6, über. 1. ward in den Staatsdienſt zurüdgerufen, 
zum gehelmen Sinanzreferendar und Generaladminiftrator der Ealinen ernannt, 
erade zu einer Zeit, als die Regierung in großer Geldverlegenheit, wegen der 
Tangiwierigen foftipieligen Kriege, diefeiben verpachten wollte U. wirkte dage⸗ 
und brachte e® fogar dahin, daß die neue Saline in Rofenheim erbaut wurde. 
SReichenbach trat auf U.8 Bitten aus dem Militärs in den Civildienſt als Sa⸗ 
Iinenrath über und führte die Soolenhebung und Soolenleitung mit einer Sicher: 
beit und Kühnbelt aus, die feinen Namen difch ganz Europa berühmt machte. 
Der Krieg 18:9 drohte dem Unternehmen Vernichtung: da enıfchloß fih U. auf 
eigene Gefahr ohne Paß und Vollmacht nad Wien zu reifen und begann dort 
mit der franzöftfchen Generalintendantur der Armee die Unterhandlungen wegen 
der, in Bayern geführdeten, Salinen u. es glüdte ihm, einen vorıheilhaften Vertrag 
abzufchließen. ine der fchönften Anftalten, die er ins Leben tief, war jene zur 
Herfiellung des Grundkataſters, nämlich die ganze Grundfteuer d. h. Vermeſſung, 
Bonttirung, Liquidirung, um die daraus hervorgehende Kataftirung zu beftinmen, 
wurde, troß heftigen Widerſtandes, ind Leben geführt, Er benügte hiezu die neu 
erfundene Kunft der Lirhograpbie, indem er die fümmtlichen Plane der Kataſter⸗ 
fommiffton auf Steinplatten auftragen ließ und dem Erfinder Senefelder einen 
Jahresgehalt auf die Dauer feines Lebens ficherte, Dadurch fuchte er zugleich 
für die Förderung des Landbaues zu wirken, indem durch die lithographirten und 
ımter dad Volk vertheilten Plane und Aufnahme der Drifcyaften mit den Privat⸗ 
und Gemeindegründen Jedem die Bortheile der Güterabrundung und Bereinigung 
einleuchten mußten. Allmälig ſollte diefer Plan allgemein durchgeführt werven, 
und er beftimmte aus feinen eigenen Mitteln Preiſe zu 1000 fl. und 500 fl. für vie 
beten Schriften über Güterabrundung. Um in den, durch die langwierigen Kriege 
jerrütteten, Zuſtand der Finanzen einigermaßen Ordnung zu bringen, trug U. 
darauf an, die fämmtlichen Staatöfchulden von den Kaflen für die laufenden 
Dienfte zu trennen, dadurch den argen Mißftand der Befoldungsrüdftände zu vers 
mindern und mit Berzinfung und Tilgung der Schulden nach einem feften Plane 
verfahren zu können. Cr ſelbſt wurde zum Borftande der Staatsfchulden-Tilgunge« 
Commiſſion ernannt. Es ſchien der Plan den beften Erfolg zu haben, da ereig⸗ 
nete fich die faR gänzliche Aufreibung des bayertichen Heeres auf den Eisfeldern 
Rußlands. Um ein neue pen, mit dem ndihigen Kıtegdmaterlal, zu fchaffen, 
fiel U. auf die Idee einer freimilligen Lotterieanleihe, die einen günftigen Fortgang 
nahm und binnen einigen Monaten ein neues Heer fdhlagfertig machte. Die 
Bedürfniffe der Gegenwart zu beftteiten, mußte die Schulpentilgung begreiflich 
anegefept werben, aber dieweitern polittichen Berhälmifie, der, für Baverns Hoff 
nungen täufchende, Parifer Friede, vielfache Berläumbungen von Reivern mis der 
Bervächtigung, er babe jein früher gegebenes Wort nicht erfüllen Tonnen — es 


wogen ihn, feine fänsmtlicdyen Etellen am 19. Seytember 1844: niederzulegen und, 
unter Verzichtleiſtung der wohlverdienten B.nfion von 6000.fl., aus dem Staats⸗ 
dienfte zu treten. Bon nun an lebte U. ausfchließlich ven induſtriellen Beſtreb⸗ 
ungen. Gr faufte die Grundſtücke des aufgelösten Kloſtersd Benediktbeuren und 
machte Berfuche mit Etärfeguder aus Kartoffelmehl; fpäter ließ er Runkelrüben⸗ 
auderfabritation an deſſen Etelle treim. die Staatsregierung dort einen 
Militärfoblenhof errichten wollte, trat er den werthvollen Brflg gern ab und bes 
tänfte fich patriotiſch nur auf Die Räume für. Olaefabrifation. und optifches 
ſtitut, 1815 errichtete er. ein. großes :Bräuhauß, Yann eine Tuchmanufaftur 
mit englifchen Spinnmafchinen von Cockeril, weldye aber: feinen. Hortgang nahm, 
und. als unglüdliche Spekulation aufgegeben werden mußte In Giefing bei 
Mündyen kaufte er einen-großen Bauernhof, ‚ließ großartige Wirtbfchaftsgebäude 
aufführen, den Grundbeſi mit grofien Opfern durch Ankauf von dungen 
arronditen und eine Mitchwirtbichaft betreiben, welche wegen Der Nähe der Haupt» 
ſtadt febr einträglid) war, Gin eigenes Fabrikgebäude ward zur Branntwein- 
und Zuderfabrifation aufgeführt; zeigte dem Beſucher mit freundlichem Selbfige- 
fühle feinen .Syrup, Robzuder, geden und raffinirten Melis und fchön Eriftal- 
lifirten Kandiszucder. Bei der Einführung ver Derfaffungeurtunde 1818 berief 
ihn das Vertrauen zum I. Bürgermeifter der Haupiſtadt. Das für Ihn beftimmte 
Gehalt veriheilte er an die niedern magiſtratiſchen Bedienſteten, bob das Bolfe- 
chulweſen und die. Berfchönerung der Stadt. Nach diei Zabren ‚legte er das 
mt nieder und warb 1827 zum Vorſtande der polytechniſchen Schule gewählt 
Zum Übgeorbneten gewählt, traf ihn ein verläumderiſcher Vorwurf, 1837, gegen 
den .er fich in öffenslicher Schrift zu vertheidigen bewogen fand. Selne Unträge 
bezogen ſich — auf den. materiellen Wohlſtaud der Nation, ; V. Be 
freiung und Thelibarkeit ded Grundeigenthums, Gulturs und Gewerbögefege u. f. w. 
Drei Stunden von Münden erwarb er 1829 für fi den Ankauf von Erching, 
um landwirsbichaftlicdhe Verfuche in ganz großem Maßſtabe auszuführen: da ers 
eilte ihn in Mitte eines ıhärigen und noch rüftigen Greiſenalters, während ber 
Landtagsperiode 1840, ein plöglidyer Tod. Am 29. Januar fuhr er, *0 Jahre 
alt, mit rem Landtagedeputirien, Pfarıer Eilberhorn von Büfing, nad München: 
als die Pferde fcheu wurden, den Wigen an eine Hausecke ſchleuderten, ihn zer⸗ 
trümmerten, und U. bewußtlo® und ſtark beichäpigt in der Nacht, den 31. Jan., 
fein Leben endete. Seine Edhrliten: Menzotti's Abbandlang über den Colber⸗ 
tismus oder Freiheit ded Commerzes, München 1794. Uaterth. Antrag über 
einen Landtag in Bayern, 1800”. Nachtrag zu meinem Beto: Lundtug betr. 
über eine Landesdefenſtons-⸗Armee in B.iyern, 1800. Beiträge zur Landes» und 
Staatewirihſchaft, 1 Heft, München 1804. Can. 
Uwarow, Sergſus, Graf von, kaiſerlich ruſſiſcher Miniſter der Volks⸗ 
aufflärung und wirklicher geheimer Rath, war ſeit 1818 Praͤſident der Peters⸗ 
burger Alademie der Wiffenfchaften und bis 1821 audy Curator der Univerfttät 
und des Lehrbezirkes von St. Petersburg, in welcher Stellung er viel für das 
Studium der morgenländiichen Sprachen that, 1822 wurde er Direltor der 
Reichs⸗, Leihs und Commerz-Bank, 1824 wirfticher geheimer Rath, 1832 erbielt er 
feinen obengenanntın Poſten und 1846 wurde er in den Grufenftand erhoben. 
Man bat von ibm auch nachftehende wifienichaftlicdye Arbeiten: „Etudes sur les 
mysieres d’Bleusis“, „Ueber das vorbomerifche Zeitalter”, „Examen anlique de 
la fable d’Her:ule“, „Etudes de philologie et de critique“ (Peterob. 18543). 
Uz, Johann Peter, bekannter lyriſcher Dichter, geboren 1720 zu Ans 
bach, ftupirte zu Halle Philoſophie und die Rechte und trieb mit Götz u. Glieim 
die Dichtkunſt. Horatius und Anafreon waren feine Lieblinge. 1748 ward er 
Sekreiar in feiner Vaterſtadt, 1763 Affeffor beim Landgerichte in Nürnberg und 
1790 Direktor und geheimer Raıh dafeıbfl. Hier flarb er als preußiicher wirk⸗ 
licher geheimer Juftigrach, Landrichter u. |. w. 1796, ein edler, tbätiger, 
menſchenfreundlicher Mann. Aus feinen Liedern fpricht ein heiteres Gemuͤih und 


8 — Bäterlihe Gewalt. 449 


feine Oden find ein Lehrbuch der liebenswuͤrdigſten Moral; ebenfo feine didaktiſchen 
Gerichte („Kunft, ftets fröhlich zu feyn“) und feine Epifteln. Er fchrieb: Ly⸗ 
riſche Gedichte” (1749), überfegte den Anakreon, Horatius u. a. „Sämmtliche 
poetiſche Werke (n. U. 1804). Im Schloßgarten zu Ansbach iſt „Dem Wel- 
jen, dem Dichter, dem Menfchenfreunde” ein Denkmal errichtet. 


8, 


8, 1) al6 Laut» u. Schriftzeichen, ein in den alten Sprachen nur felten 
vorkommender Konfonant, den 3. B. die griechiiche Sprache gar nicht kannte, 
jondern an feiner Stelle das Digamma hatte, fpäter aber das 6 oder ov ſub⸗ 
ſtituirte. Im Lateinifchen war V und U (f. d.) nur ein Zeichen. Im Ger 
iſchen vertritt das) diefen Laut, fcheint jedoch mehr dem W entiprochen zu haben. 
In den germanifchen Sprachen iſt dad ® der 22. Buchftabe im Alphabet und 
entfpricht in der Ausſprache theil dem F, thelld einem weichen W. — 2) Als 
Abkürzung: a) auf römifchen Infchriften: vale, vivus, vixit, victoria; b) bet Eis 
tationen: vide, verte, versus; c) auf dem Revers neuerer franzöfifcher Münzen 
die Münzftätte Troyes. — 3) Als Zahlzeich en im Latelnifchen V m 5. 

Bacanz überhaupt Erledigung, namentlidy 1) die Erledigung einer Stelle, 
eines Amtes, fowie das erledigte Amt felbft, auch Vacatur genannt. 2) Bel Kir; 
henftellen wurde das Wort B. früher nur von erlebigten bifhöflichen Stellen 
gebraucht (vgl. den Art. Sedes), während die Erledigung einer untern Kirchen» 
ſtelle nur eine einfache Erledigung war (vacantia loci). Da die B.en oft unges 
bührlich ausgedehnt wurden, befonderd durch die Zögerung der Kirchenpatrone, 
jo beftimmte die Kircye, binnen welcher Zeit ein neuer Selhlicher angeftellt feyn 
mußte; befegte ein neiftlicher Patron die Stelle, fo mußte ed binnen ſechs, befegte 
fie ein Laie, fo mußte es fchon nach vier Monaten geſchehen. Die V.en finden 
auch jegt noch in der proteftantifchen Kirche Statt u. dauern regelmäßig ein 
halbes Jahr, während deffen die Amtögefchäfte von benachbarten Geiftlichen, oder 
von befonder6 dazu eingefegten Vikaren beforgt , die Kinfünfte aber von den Er⸗ 
ben des verflorbenen Mfarrers, oder von dem Fiscus bezogen werben. — 3) So⸗ 
Es ale von Gefchäften freie Zeit, Erholung, Serien, 3. B. bei Gerichten, in 

ulen ıc. 

Baecciniren, ſ. Rubpodenimpfung. 

Bacuna (von vacuus, frei, ledig) hieß bei den alten Römern eine von den 
alten Sabinern überlommene, weibliche Gottheit, die Göttin der Erholung und 
Muſe, der die Landleute nady vollbrachter Feldarbeit Opfer darbrachten u. ihr 
zu Ehren audy ein Feft, Bacunalia genannt, feierten. 

acuum, f. Leere. 

Vademecum, woͤrtlich „Oeh mit mir“, nennt man Etwas, was man 
immer bei fich irägt, z. B. ein Taſchenbuch u. dgl.; dann eine Sammlung aller⸗ 
hand luſtiger Schwänke und Einfälle, welche daher auch B.8-Gefchichten heißen, 

Bäterliche Gewalt, die, umfaßt nad) den Geſetzgebungen der meiften Läns 
der diejenigen Redyte, welche vorzüglich dem Vater, ald Haupt der Familie, über 
feine Kinder zuſtehen und fi) auf die Erziehung mit Rückſicht auf die fünftıge 
Standeswahl, auf die Verwaltung des Vermögens und auf die Verpflichtung der 
Kinder beziehen, ohne ausdrückliche oder ftillichweigende Einwilligung des Vaters 
feine gültigen Berpflichtungen einzugehen. Die v. G. erlifcht mit der Großjährig- 
keit des Kindes, mit der Rachficht des Alters, oder, wenn der Bater einem zwans 
zigjährigen Sohne die Führung einer eigenen Haushaltung geftattetz dann, wenn 
eine minderjährige Tochter ſich verehelidyet; jedoch Tommi & wieder unter V V. 

Reaismcyclopädie X, W 


«50 Mei - 


G., wenn der Mann während ihrer Minderjährigtelt Richt. Wenn ein Water 
den Gebrauch der Vernunft verliert, wenn er als Verſchwender erflärt, ober we⸗ 
en eined Berbrechens auf längere Zeit, als ein Jahr, zur —— verur⸗ 
—* wird; wenn er eigenmächtig auswandert oder wenn er über ein Jahr abs 
wefend iR, ohne von feinem Aufenihalte Nachricht zu geben, fo kommt vie v. ©. 
außer Wirkfamfelt und es wird ein Bormund beftellt; mit dem Wufhören biefer 
indernifle tritt jedoch der Vater wieder in feine Rechte. Dagegen verliert ein 
ater feine v. ©. auf immer, wenn er die Verpflegung und Erziehung feiner 
Kinder gänzlich vernachläßigt. Gegen den Mißbrauch der v. ©. kann nicht nur 
das Kind felbft, fondern Jedermann, der davon Kenntniß hat und beſonders bie 
näcdhften Anverwandten, den Belftand des Gerichte anrufen. — dem roͤm⸗ 
iſchen Rechte hatte der Bater das Recht über Leben und Tod der Kinder, dann 
das Recht des dreimaligen Verkaufes, naͤmlich, ‚wenn fie das a Mal es 
geben waren, fie wieder um zu verkaufen u. endlich das Recht allen 
er Kinder. 

Vahl, Martin, ein berühmter däniſcher Raturforfcher, geboren. zu Bergen 
in Normen 1749, befuchte die Schule feiner Baterftabt, ging 1766 auf die 
Univerfltät nach Kopenhagen, bielt ih dann 1767 — 69 bei dem Raturforfcher 
Ström in Roriegen und darauf fünf abte zu Upfala bei Linns auf, deſſen des 
fonderes Wohlwollen er genoß. Bet feiner Rückkehr nady Kopenhagen: 1779 
wurde er Leftor am botanfihen Garten, bereiste 1783—85 auf koͤnig Be 

fent Holland, Frankreich, Spanien, die Berberei, Stalien, die weis unb 
- land, erbielt 1785 eine Profeffur zu Kopenhagen und durchreidte von Neuem vð 
Küften und Gebirge Rorwegens, bis Warbde, zum Behufe der ihm enen 
Fortſetzung der Flora danica, wovon er das 16. bis 21. Heft (Kopen 
1787—1803) herausgab. In den Jahren 1799 und 1800 machte er auf Ko 
der Regierung abermals eine Reife nach Holland und Paris, wo er eine, feinen 
Berbienften entfprechende, Aufnahme genoß. Als er von dieſer wi zurädlam, 
ward er als Profefior der Botanik in Kopenhagen angeftellt und erhielt die Aufs 
ficht über den botaniſchen Garten der Univerfität, farb aber fchon am 24. Des 
zember 1804. V. genoß unter den Botanifern in ganz Europa einer ausgezeich⸗ 
neten Achtung und feine Werfe enthalten ruhmvolle Bewelje einer ungemeinen 
Forſchbegterde, außerorbentlicher Belefenheit und eines ausdauernden Fleißes. 
Symbolae botanicae, sive plantae, tam earum, quas in ilinere, imprim. orient. 
collegit Pt. Forskael, quam aliarum recentius detect. exactiones descriplt., 
3 Boe., Kopenhagen 1791—94, mit 30 Kupfern; Eclogae Americanae, s. de- 
scriptt. plantar. Americae merid. nondum cogn., 3 Bde. ebd. 1796—1807, Fol., 
mit 30 Kupfern; Enumeratio plantarum vel ab aliis, vel ab ipso observat., 2 
Thle., ebd. 1805. Obgleich die Botanik fein Hauptfach war, fo verabfäumte er 
doch auch die übrigen Theile der Naturgefchichte nicht. Er hat an der Zoologia 
danica und an ber Bortiepung der Icones des Berghauptmanns Ascaniuß gearbeis 
tet; Euvier in Paris erhielt von ihm Beiträge zur Gefchichte der Blutthiere und 
Fabricius zur Gefchichte der Inſekten. In der Bücherkunde und Literaturges 
[Bichte war er fehr ſtark und hinterließ auch ein ungemein reichhaltiges Her 
artum. 


Baillaut, Jean Koi, berühmter Numismatifer, geboren zu Beauvais den 
24. Rai 1632, war für das Studium der Rechtewiffenfchaft beftimmt, wendete 
ſich aber der Hellfunde zu, wurde 1656 zum Med. Dr. promovirt und ließ fid 
in Beauvais ale graftifcher Arzt nieder. Noch war er ganz fremd in der Numis⸗ 
matik: ein in der Rachbarfchaft von Beauvais gefundener Scha von alten Münzen, 
ber ihm gebracht wurde, veranlaßte ihn zuerft, ſich mit dieſer Wiffenfchaft abzugeben 
und bald gewann er folche Vorliebe zu derfelben, daß er die Heilkunde aufgab 
und fich gänzlich der Numismatif widmete. V. begab ſich na sis, fand bier 
bald Anerkennung feiner großen numismatifchen Kenntnifle und wurde von bem 
Minifter Colbert beauftragt, eine Reife nach Italien, Sieilten und Griechenland 





Baillant — Baldenaer, 451 


m unternehmen, um für das koͤnigliche Eabinet Münzen zu fammeln. B. brachte 
von biefer, mehre Jahre dauernden, Reiſe ſolche Schätze an Münzen zurüd, daß 
dadurch das Föniglidhe Cabinet in Parts den Vorrang vor allen anderen in 
Europa erhielt. 1674 fchiffte fib V. in Marfeille zu einer neuen Reife ein, 
wurde aber von einem Corſar gefangen genommen und nad) Algier gebracht, wo 
er nahezu 5 Monate in der Sklaverei zubrachte. Losgelaffen, febrte er nad 
Vario zurüd, begab fidy aber alsbald auf eine neue Reife in das Innere von 
Aegypten und PBerfien, von wo er reiche Schätze heimbrachte. 1701, bei der 
Reorganifation der Pariſer Akademie, wurde V. Mitglied derſelben; er ftarb 
den 23. Oktober 1706. — V. hat mehre geichägte antiquarifche Schriften hinter⸗ 
laffen, fo: „Numismata imperatorum Romanorum praestantiora,“ Paris 1674, 
2. Aufl. 1694, eine 3., fpätere Aufl. ift weniger vollfommen. — „Seleucidarum 
imperium,* Paris 1681; „Historia Ptolemaeorum Aegypti regum,“ Amfterdam 
1701; „Arsacidarum imperium,* Parts 1725 ıc. E. Buchner. 
Baillant, Sebaftian, ein berühmter Botaniker, geboren zu Bigny bei 
Bontoife 26. Mai 1669, widmete ſich der Chirurgie, aber die große Liebe zum 
Pflanzenreiche machte, daß er vorzüglich dieſe Wiffenfchaft ſtudirte. Tournefort, defien 
Unterricht er beimohnte, trug Alles bei, feinen boffnungsvollen Schüler zu bilden. 
Er wurde Demonftrator der Botanif am Pflanzengarten zu Paris. Bon zu 
großem Eifer für die Kräuterfunde angetrieben, durchwanderte er die Gegenden 
um Paris und zog fi dadurch die Schwindſucht zu, weldye auch den 21. Mat 
1722 feinem thätigen Leben ein Ende machte. Die Eleinften Gewächſe waren 
ber tgegenftand feiner Unterfuchungen. Er erkannte den Blumenflaub ver 
Parietaria für männlichen Samen und nicht, wie Tournefort, für Ereremente der 
Blumen: Botanicon Parisiense ou denombrement par ordre alphabetique des 
plantes qui se trouvent dans les environs de Paris, Leyden 1727, %ol., mit 300 
ſchönen Kupfern, von Boerhave nach feinem Tode berauegegeben, Biele Kleinere 
Abhandlungen von ihm finden fidy in den Sariften der Afademie zu Paris. 
Valckenaer, 1) Ludwig Kaspar, ein berühmter holländiſcher Philolog, 
geboren zu Leuwarden den 7. Juni 1715, fludirte auf der Univerfität Franeker 
alte Literatur, Philofophie und Theolsgie, wurde 1740 Eonreftor zu Gampern, 
1741 Brofefior der griechifchen Sprache in Franefer und in der Kolge in Leyden, 
wo er den 14. März 1785 ftarb. V. war ein gründlicdher und dabei befcheldener 
Kritiker, deſſen Verdienſte um die claffifche Literatur allgemein anerkannt find. 
Das erfte Werk, welches er herausgab, war eine neue Wuflage des Buches von F. 
Urfinus, worin die Radyahmungen Virgil’8 aus dem Griechifchen gefammelt find 
(1747). Bon zwei Tragoödien des Euripides : den Phöniffen u. dem Hippolytos, veran⸗ 
ftaltete er befondere Ausgaben: von erfterer Franeker 1755, zuletzt &pz. 1824, 2 Bde.; 
von legterer, nebft der „‚Diatribe in deperditas Euripidis Iragoedias‘‘, Leyden 1768, 
zulegt Leipzig 1824. Den Herodot feined Freundes Wefleling gab er mit treff- 
lihen Roten bereichert heraus. Ferner die Briefe des Phalaris, Gröningen 
1777, neue Ausgabe von Schäfer, Leipzig 1823; Ausgabe des Theofrit, Leyden 
1779 und 1781, neue Pracdhtausgabe von Schäfer, Leipzig 1810; die Fragmente 
des Kallimachos, Leyden 1799; des Ammonius Werf „De differentia affinium vo- 
cabulorum, Leyden 1759. Berner ſchrieb er: De ritibus in jurejurando a veteri- 
bus observatis, Zranefer 1755. Nach feinem Tode erfchtenen: Observationes 
academicae, Utrecht 17905 De Aristobulo Judaeo, $ranefer 18065 Opuscula 
philologica, seipilg 1809, 2 Bde. — 2) V., Johann, Sohn des Borigen, flus 
dirte zu Leiden die Rechtöwifienfchaft und wurde 1787 Profefior diefes Faches 
zu Utrecht. Als Anhänger der anti- orantfchen Bartei in Holland mußte er fi 
nad) der Ruͤckkehr des Erbſtatthalters nach Frankreich zurüdziehen, wurde jedo 
ſchon 1795 wieder Profeffor zu Leyven. Hierauf machte er Gefandtfchaftsretfen 
an den preußifchen und fpantfchen Hof. Als er 1801 zurüdfehrte, trat er in den 
Senat und wurde Mitglied der Adminfftration des Rheinlandes, wo er großen 
Antheil an dem Bau der Schleußen von Katwid hatte. In der front —XX 
W 


Zeit zog .er fidh von den Gtaatögefchäften zurück und lebte in der Nähe von 
lem den Wiffenfchaften; dort farb er 1820. R 
Balke, Syl vain Charles, Graf von, geboren zu Brienne — im 
Departement Aube 1773, trat 1792 als Souslieutenant in die Artilie Oule pe 
Chalons ein, ward 1793 Lleutenant der Artillerie, machte dann den Feldzug 
den Niederlanden mit, warb 1795 Kapitän, zeichnete fich in dem Feldzuge 1796 
in: Deutſchland aus, wurde 1804 Oberftlieutenant, diente 1807 als Souschef der 
Artillerie gegen Preußen, wurde 1807 Chef des erften Artillerieregiment® , zeich⸗ 
nete fih bei Eilau und Friedland aus und warb Chef der Artillerie beim drit⸗ 
ten Corps der fpanifchen Armee, 1810 Brigades und bald Divifionsgeneral, that 
in Spanten befonder8 bei Gaftella 1813 hervor, Tehrte nach Napoleons hr 
danfung 1814 nad) Frankreich zurüd und ward unter Ludwig XVII. Generalin⸗ 
fpefteur der Artillerie. Obgleich er 1815 das Generalcommando der Artillerie des 
5 Armeecorps übernahm, behielt er dennoch nach der zweiten Reflauration das 
Beneralinfpeftorat der Artillerie. Später lebte er in Zurüdgezogenheit, begleitete 
aber 1837 den General Damremont nad, Afrika und SKonftantine, übernahm 
nach deſſen Tode da® Gommando und ward Marfchall und Generalgouverne 
in Algier. Da er aber 1838 bis 1840 fein Heil mehr in Erhaltung des Bes 
ſtehenden, als tm Angriffe gegen Abdel⸗Kader fuchte, wurde er, obfchon Im Ver⸗ 
theivigungefuflem glüdiidy, abberufen und fehrte 1841 nad Frankreich zuräd, 
nachdem ihn General Bugeaud (f. d.) erfeht hatte. Bon nun an war feine 
Thaͤtiakeit nur noch der Pairslammer gewidmet und er farb zu Paris 1848, 

Balencay, Stadt im franzöfffchen Departement Inpre, am Fluſſe Rahon, mit 
3000 Einwohnern, die Weinbau und Baummollenfabrifation ‘treiben, bat. ein 
ſchoͤnes Schloß des Fürfken Talleyrand, auf welchem von 1808—13 Ferbinand VIL 
von Epanten im Exil lebte und den Bertrag vom 11. Dez. 1813 ſchloß, was 
durch Ferdinand VII. Friede und Bertreibung der Engländer vom fpanlfchen Be 
ben verfprach und dagegen ganz Spanien wieder erhielt. Obgleich die interimiſt⸗ 
iſche Regierung von Epanien diefen Vertrag nicht beftätigte, gab Napoleon doch 
Ferdinand VII. 108 und verließ am 13. März V. — 1829 ward B. zum Herzog: 
thume für Talleyrand erhoben. 

Balence, Haupiftadt des franzöftfchen Departements Drome, in einer ſchoͤ⸗ 
nen Ebene am linfen Ufer der Rhone, über die eine eiferne Hängebrüde führt, 
bat einige Befeftigungen, eilf Kirchen, ein Collegium (früher Univeiſität), öffent 
lihe Bibliothek, Artilleriefchule, Gefellfchaft der SKünfte, des Aderbaued und des 
Handeld und iſt Sig eines Bilchofs. Die 11,000 Einwohner unterhalten Fa⸗ 
brifen in Wolle und Seide, Handichuhen, Papier, Del ıc. und treiben Handel 
mit Wolle, Leder, Wein, Belzwerf und anderen Waaren. — V., fonft Valentia 
oder Civitas Valentinorum, lag im Gebiete der Segovellauni im narbonnenfticyen 
Gallien; unweit B. fchlug 407 nady Ehr. Sarus, an der Spike eined römifchen 
Heeres, den Juſtinus, Feldherrn des Konftantinus; nach der Schlacht belugerte 
er B. vergebens. Hier farb 1789 Papft Pius VI. 

Balencia, fpanifcyes Königreich zwiſchen Neu -Caflilten und dem mittels 
ländischen Meere, im Süden von Murcia, im Norden von Aragonien und Cata⸗ 
lonien begrängt. Yiächeninhalt 362 Meilen, Einwohnerzahl 1,260,000. Die 
nördlichen und weftlichen Gegenden des Landes find gebirgig und ziemlich ſteril, 
der übrige Theil aber, d. i. die ſchmale, Tanggeftredie Ebene am Meeresufer, 
zeichnet ſich durch große Fruchtbarkeit und den forgfältigften Anbau aus. Man 
nennt ihn mit Recht den Garten Spaniens. Wohin das Auge fidy bier wendet, 
erblidt e8 die üppigften Wiefen und Felder, von unzähligen Kandten durch⸗ 
fhnitten, taufende der freundlichften Wohnungen, umfränzt von Mandel⸗, os 
hanniebrod >», @itronens, Drangen s, Feigenbäumen und Dattelyalmen. Bon der 
Landſeite durch die Gebirge gegen die rauhen Winde gefhügt, nur im Südoſt 
genen das Meer geöffnet, erfreut fich diefer Küftenftricy des herrlichfien Klima's. 
Saft beftländig lacht ein heiteser Himmel über den blühenden Fluren und man 








es Jahres kaum 20 Regentage. Reif und Nebel finh In den. Jahrbüchern 
eitenheiten aufgepeichnet. » Die Hitze wird durch erfrifchende Seewinde & 
3 bisweilen 5 aber audy. der gefürdhtete Solano. Diefer, dem Si- 
Italiens ähnliche Eüdoftwind bläst von Afrika’ nahen Küften erſtickend 
erüber, und die Atmosphaͤre ſcheint dann im eigentlihftien Sinne zu 
, _ Menfchen und Thiere leiden unter den Ginwirfungen des Solano. 
talenclaner find ein arbeitfames Wölflein. Wit vieler Einficht betreiben fie 
ındbau und haben ihre Provinz zur gefegnetfien Epaniens gemacht. “Die 
eien find geiheilt in gewäflerte oder Huertaß (bei weitem vie meiften) 
. ungewäflerte oder Secanos. Bei jenen if die Kunfl ver Bewäflerung 
haar getrieben. Jever Fluß, jeder noth fo Heine Bad, jeder Brunnen, 
e wird zu diefem Zwecke benützt, große Kapitalien find zu Anlegung 
anälen, Schleußen, Echöpfrädern u. d. gl. verwendet. (Bine genaue gefehr 
Irbnung wird dabei eingehalten. Dafür lohnt auch eine —X Begeiation 
a vielfältiger Ertrag des Landwirthes Mühe In unaufbörlichem ſel 
er von Winem Felde in einem imd demſelben Jahre © Oemüfe, 
gewächſe x. Jever Monat bringt neue Gaaten und CErnten. Befondere 
h gebeihen Wein, Del, Süpfrüchte, Reis, Getreide, Gaftan, Hanf, Soda, 
m, Süßhol. Das Tierreich liefert go ‚, Kermed und Seide. Die 
a am Meere find rei an wildem Geflügel und Fiſchen. “Dort wird 
I viel Sesial gewonnen. Auch die techntichen Gewerbe fliehen in Ko) 
. Bei ngetheilt iſt das Land in die Provinzen oder Subdelegatiouen 
ıcia, Alicante und Eaftellon de la Plana. — Balencıa, vie 
Rabt und Gig eines Erzbifchofes, liegt in einer ber reizendſten Ebenen (der 
ı von B.), an den Ufern des Quadalaviar, eine halbe Stunde vom Meere, 
t mit Mauern und Thürmen nad) alter maurifcher Art und d eine 
Gitadelle befeſtigt. Schöne, zu beiven Seiten mit Landhaͤuſern befehte 
führen zu den 8 Thoren. Künf Brüden find über den Fluß geihlagen 3 
onſte unter ihnen, die koönigliche genannt, ruht auf 10 ſteinernen Bögen 
Innere der Stadt erinnert durch feine engen und winkligen Gaſſen, durch 
on Außen unanfehnlichen, aber tief gehenden mit großen Hofräumen 
nen Häufer an die ehemaligen Bewohner, He Mauren. In dem neuern. 
und in den 5 Vorflädten gibt ed auch breitere Straßen, noch find dieſe 
ı wenig gepflaftert wie in ber Altſtadt, werden aber reinlich gehalten und 
achte erleuchtet. Durch brillante Kaufläven, welche zum Theil von Böhmen 
irolern gehalten werben, zeichnen fidy die Saragoflas, Sees ımd St. Bins 
raße aus. Die alterthümlihe Kathedrale birgt einen außerordentlichen 
an edlem Metall und Juwelen. Der Hochaltar iſt ganz aus Eilber ges 
t, und feine Flügelthüren beveden die vortrefflichſten Schildereien berühmter 
» Der acdhtedige Thurm der Kathebrale, Micalet gehen, gewährt «ine 
ende Ausficye über die Huerta. Im Banzen zählt V. 14 Pfarr» und 59 
Kirchen. Der F. Palaſt — el Real — ıft febt von dem Generalkapitaͤn 
rovinz bewohnt. Der erzbifchöfliche Palaft bewahrt eine reiche Sammlung 
üchern, Alterthümern, Münzen und Naturalien. Die Börfe — Eonja — 
ſchoͤnes Denkmal gothiſcher Baukunſt. — V. bat eine Univerfisät, eine 
nie der bildenden Künfte u. viele andere wiffenfchaftliche und Lehranftalten, 
ahlreiche Buchdrudereien und ziemlich lebhaften Buchhandel, mehre Kıöfter 
835 41), viele Hofpttäler, Arbeits- Waiſen⸗, Armenhäufer, ein Theater. 
inmohner (66,000) find fehr gewerbthätig u. unterhalten Seidenwebereien, 
et⸗, Tuch⸗, Fayence⸗ und Papierfabriken, Seifenflevereien und Branntweins 
seien. Das Eſparto verarbeiten fie vielfady zu Möbeln und Flechtwerken. 
jeebandel wird durch den nahen Hafenort Gran vermittelt. Dabin führt 
bönfter Spaziergang, die Alameda. Hier verfammelt fi im Schatten 
preflen, Blatanen, Orangen, Granaten und prachtvollen füdamerifanifchen 
n alle Abende die jchöne Welt, und noch im November \ukamnelt an 


44 Balencia — Balenclennes. 


—— grünbelaubten Banden und blühenden Blumen. ine. Stunde von 
‚ liegt der See Albufera (1. d.). — 8. hieß bei den Römern Valentin Edi 
tanorum, und kam fpäter unter die Herrſchaft der Beſtgothen, dann der Mauren 
— hier nach dem Verfalle des Chalifats ein beſonderes Königreid ) gründeten 
Dieſes fiel 1238 auf dem Wege der Eroberung an die Krone Arag In 
15. Jahrhunderte erhielt B. eine Univerfität u. einen Erzbiſchof. Im fpantiche 
Befreiungsfampfe hielt es ſich muthig auf ber Seite ver Batrloten. Nach be 
Rückkehr Ferdinand's VII, wurde e6 der Schauplat der Grauſamkeiten des Ge 
neral Elio, weicher bier endlich vom Wolfe erbrofielt wurde (1822). — Eh. U 
Fiſcher: Gemälde von B., Leipzig 1803. m mD. 
‚, Don Ramon Narvaez, Herzog von, geboren 1795 gı 
Jaen in Andaluſien, nahm fehr jung im ſpaniſchen Befreiungötriege noch Thei 
am Kampfe, gegen Napoleon, ftieg ale ier fhnell von Stufe zu Stufe un! 
war 1833 beim Wusbruche des Bür, eges in ven basfifchen Prov 
Oberſt. Die Auszeichnung, mit meiden er in bemfelben gegen die Karliften 
ocht, verichaffee ihm bald den Grab eines Brigadiers; insbeſondere machte e 
durch die unermünliche Verfolgung des karliſtiſchen Generals Gomez au 
defien abenteuerlichem Zuge bush ganz Spanten im Jahre 1836 nen Ramen 
Nach der Beendigung des Krieges in den basliſchen ‚Provinzen fiel er 1840 
mit E6partero. trat ganı auf die Seite der KöniginsRegentin line un! 
ebörte mit zu denen, welche durch Aufſtaäͤnde im J. 1841 Eöpartero zu fürge 
Audıten. Allein der Anfchlag, den er im Dftober diefed Jahres von Gibralta 
aus zur Wegnahme und Sufargirung von Gadiz machte, mißlang und er mußt 
fi) nach Paris in’s Eyil begehen. Hier gehörte. er als eine& der Häupter de 
Moderadoßpartei zur Camarilla der ebenen Königin Ghriftine Gr war 
wenn auch nicht die Seele, doch der eifrigfte Beförberer ihrer "Blane, wozu ih 
fein entichloffener, energifcher Charakter, troß der ihm eigenen, wilden Tolikö 
feit und feiner eigenfinnigen Sonderbarfeiten, ganz geeignet machte. Im J. 184 
begab er fich zur beſſern Leitung ver chriftinifchen LUmtriebe nach Perpignan 
Bei der 1843 unternommenen Infurgirung Spaniens gegen Eöpartero war € 
ed vorzüglich, der das Gelingen derfelben und die Vertreibung Espartero's ber 
beiführte, was ihm ben Zitel eined Herzogs von Valencia u. die Granden 
würde erfter Claſſe verfchaffte, fowie er e8 nad) der Rüdtehr der Köntgin Chri 
fine war, weldyer an der Spitze der Camarilla derfelben ſtand und durch fein 
träftige Hand alle Regungen der SProgreffiften und Ayacuchos niederzuhalten 
wußte, bis fein Minifterium im Febr. 1846 geftürzt wurde (f. Spanien). Se 
diefer Zeit trat er in den Hintergrund u. es ſchien fogar, als ob die Spannung 
in die er, befonders, wie es hieß, wegen der Bermählung der Königin Iſabella 
mit der Königin Chriftina gerathen war, thn ihrer Sache entfremdet und de 
Gegenpartei genähert habe. Doch hielt es dad Minifterium Pacheco für gera 
then, den feiner Sache gefährlichen Mann, obfchon er ſich fcheinbar theilnahmlot 
verhielt, aus Madrid zu enıfernen und man gab ihm deshalb im Mai 1847 vi 
Stelle als fpanifcher Botſchafter in Parts. Hier blieb er, ausgeföhnt mit de 
Königin Ehriftine, bi6 zum Umfturze der Regierung Ludwig Philipp's. 
aleuciennes, Stadt und Feſtung im frangöfiichen “Departement des Nor. 
dens, an der Scheide, die bier für Schiffe von 120— 200 Tonnen fahrbar If 
und durdy die Eiſenbahn mit Paris und Brüffel verbunden, hat 21,000 Einw, 
ein Gymnaſium, öffentliche Bibliothek, Naturaltens@abinet, Gemälde-Balerie, ein: 
Akademie der Materei u. Bildhauerei, eine Geſellſchaft der Wiffenfchaften, Künſt 
und Induftrie. Die Stadt ift berühmt wegen der Battifls und Linnenfabrifen 
die bier u. im der ganzen Umgegend, wo die Bultur des Flachſes mit befonderen 
Gleiße betrieben wird, blühen und die feinften Waaren liefern. Die fonft eben 
falls fehr bedeutende Spigenfabrifation hat fidy bi auf einen, mur nody gan 
geringen » Betrieb vermindert. Außerdem beſitzt B. Branntweinbrennereien 
tauereien, Salzfiedereien, Steinfohlengruben, Bleichen, Leinwand» Trudereien 


Balengin Welse »_ — \  - 485 

Spoemereien, Sabrilation von ‚Leinwand ie ’ Wollen» 

zeugen ee Sikzte, Zuder, Zabel, &ı Leder, Epielvaaren * Kine, Topfer⸗ 
Taaren, 


wodurch ein lebhafter deloverlehr erzeugt wird. 
Salengin, ſ. Reuenburg. Den * 
Valens, Flavius, Miqer Katfer ‚ Bruder des aeiſers Valeutinian J. 
und Sohn Di —3— , geboren zu Cibale in Pannonien um 328; wurde von 
feinem B zum WMitregenten angenommen, ver ihm ven Drient 365 ab⸗ 
*. und ur Gegenkaiſer — mit vieler Mühe 366, ſowie den 
fo b er auch die Gothen und mute bie Donau ge 
Fan Da aber h die Gothen, von den fm un bebrängt, ‚am die 
. laubn 4— ſich in ec niederzulaſſen und Ihnen ee 
tete, aufoigten ba raus neue Unfälle für dab r ra lacht 
bet NAdrianopel beflegt, Kae vn dara er: Er in einem 
Haufe von den Gothen verbrannt. kngen eifriger Arianer verfolgte er alle die, 
weiche einer andern meinung 
Balentin, 1) Moſes, he ke —ã Maler, geboren 1600 zu Colomiers 
in der Landſcha * tn Frankreich 
nach Stalien, a ben zu — der Manier des M. A. Merigi und malte für die 
N 
en, eler, Soldaten 
und Son v o0r. Seine Brbeit IR leicht, fein Golarit fr eine & 
wohlgeorunet. Er folgte bisweilen der Manier Bo a — ſus Ay ziel 
SaRavı ein au erelähneter Phyſiolog, ER}, 1810 zu Bredlan von jühifchen 
* ei A A ——— d.), fi of feier In a" — — das 
egerte r Anatomie un Treffliche For en 
fein „Dandbucd) der Entw —— —3 Menſchen“ (Berl. 1835); 
— 1600), a  elogie des Mentenr (2 Bir, Br acer 
( )3 4 uch der Phyfiologie enſchen“ ( „Braunſchw 
105), 2 2. 1 1847 und „Grundriß Ber — bes Menſchen“ ebd. 1846, 


—— Georg Wilhelm, Freiherr von, ein berühmter sulltärifeher 
Schriftftaller, geboren zu Berlin 1775, machte den Feldzug am Rhein al6 
condlientenant mit, ward bei Landau verwundet, „Sam 1803 in ven preußifchen 
Generalſtab, ward Hauptmann und 1806 bei Saalfeld in ver Rähe des Prinzen 
Bi als diefer biteb; wußte fich der Capitulation von Lübel durch die Flucht 
entziehen u. erreichte die Armee u. nahm 1809 ven Abſchied, um in öfter 
—28 Dienſte zu treten, wo er Adjutant des Prinzen von Oranien ward. 
1810 trat er in ruffifche Dienſte, machte dort den Feldzug gegen die Türken a 
und: ward Oberfilieutenant, trat aber fpäter wieder 9 preußiſche Dienſte in 
leichem Range zurück. 1813, 1814 und 1815 war V. Chef des Generalſtabs 
—*8 und dann Bülow's. Er ward darauf General und 1828 Chef des ges 
fammten ARilärunterricptäwelene und Inſpekteur der Eapdettenanftalten und Mis 
Ittärfchulen. Er ftarb als Generallieutenant 1834. Werfe: das Gefecht bet 
Saalfeld den 10. Ditober, Kön nigeberg 1806; die Lehre vom Kriege 1810 —24, 
4 Bde., 1. Theil 6., 2. Theil J. und 2. Bd. 2, 3. Theil 3. Aufl, ebd. 1833; 
Abhandiung über den fleinen Krieg, ebd. 1810, 6. Aufl. ebd. 1833; Verſuch einer 
Saduhı des Feldzuges von 1809, Berlin 1812, 2. Aufl. ebd. 18 we 
Balentinianus, dir Name von drei römiichen Katjern. 1) V. I, folgte 
364 auf Fovianus und theilte bie Aegierung mit feinem. Bruder Valens, dem 
er den Drtent überließ. Er fchlug die in Gallien eingefallnen Germanen zuräd, 
* in Afrika die Ruhe wieder ber und baute am Rhein und an der Donau 
eine Menge — Orte wieder auf. Gegen Quaden und Sarmaten, die in Pa⸗ 
nonien eingefallen waren, zog er ſelbſt zu Felde und. ſtarb ploͤtzlich bei einer 
Audienz, die er den Geſandten der Duaden zu Bregetio an der din, bewilligte, 
ben 17. Rovember 375. Ihm folgten feine Eöhne Oratian und 2) B. IL, ges 








, lernte bei Simon Vouets, ging darauf 


n 


u Dalentinus. 


boren 371, unter der Bormundſchaft feiner Mutter Juſtina, wurbe 878 von bem 
Tyrannen Marimus feiner Staaten beraubt, flüchtete zu Theodoſins, den er zum 
Mitregenten angenommen hatte und ber ihm die Herrſchaft wieder verſchaffte n. 
wurde von dem fränfifchen Feldherrn Arbogaftes den 15. Mat 392 ermordet. — 
3) V. UL, Flavius Placivius, Kater des Abendlandes, Sohn bes. Kon- 
Rantins und der PBlacidia, der Tochter Theodoſitus des Großen, geb. den 3. Juli 
419 zu Rom; regierte von 425 — 455 ſepr unglücklich, weil Sueven, Alanen, 
eſtgothen, Sur der und Franken fi) in Gallien und Spanien ımb die Van⸗ 
daten in Afrika Tehfebten ‚ während die Hunnen einen Theil von Italien ver 
ten. Er wurde den 17. März 455 zu Rom von Petronius Marimus ges 


tet. | 
Balentinns, der Stifter der, nach ihm benannten gnoftifchen, Sekte der Ba- 
Ientinianer, um die Mitte des 2. Jahrhunderts, war ypten geboren, hatte 
fi zu Alexandrien den Wiffenfchaften, bejonnere der Philoſophie gewinmet umb 
sieileltige Kenntnifie erlangt. Er previgte in Aegypten und nachher in Rom mit 
vtelem re ward aber in Rom dreimal mit dem Kirchenbanne belegt, ging 
von da auf die Inſel Eypern, wo er zuerft Öffentlich gegen bie en der 
Kirche auftrat, aus Eiferſucht, wie une Tertußian berichtet, weil er zu. einem 
Bisthume, um das er fidy beworben hatte, nicht war erhoben worbeh. Dieſer 
Irrlehrer erwarb fich einen nicht unbebeutennen Anhang und bie WBäter der 
chriſtlichen Kirche haben fi mit ihm und feinen Irriehren viel zu fchaffen ge 
macht. Nach dem, was und von feinem sehegebäube übrig if, liegt das Cha; 
rakteriſtiſche feines Eyftemd einmal in der Anerkennung des Heidenthums als 
einer Vorſtufe der chriftlichen Offenbarung; dann aber darin, daß er die höhere 
Geiſterwelt in 15 Syzygien oder Heonenpaare theilt, von denen jedes ans einem 
männlichen, ober lebengebenven u. aus einem weiblichen, oder lebenempfangenden 
Aeon befteht. Die erſte Syzygie bildet nad) ihm der Bythos, d. i. Gott ın fich 
umd die Ennota, d. i. Gott als fich felbft denkend; aus-ihnen emantren gunächt 
der Rus und die Wletheia u. ſ. f. Indem der lebte Aeon, Siphoa, über die, 
durch den Aeon Horos beflimmte, Gränze hinaußftrebte und ein Theil ſeins We⸗ 
fens in das Chaos fich verlor, bitvere fich die Achamorh, ein unreifes Weſen, 
welche durch den, von ihr außgegangenen, Demiurgus die befeelte Körperwelt er» 
fhuf. Nun a zwar Horos den Menfchenferlen ein pneumatifihen Element 
mit, allein dieſes erlangte erft volle Wirkſamkeit, als Ehriftus eine Collectivema⸗ 
nation aus allen Ueonen, als Soter erfhien und mit dem Menfchen Jeſus fich 
vereinigte. Dereinft wird alles Pneumatiſche, ja felbft das urfprünglidy blos 
Pſychiſche, jomet es fich jenem aifimilirt bat, in das Pleroma zurüdichren. B. 
hatıe fehr viele Schüler, die bald ausarteten. Er felbft fcheint ein Mann von 
tadellofem Wandel geweſen zu feyn. ber feine Jünger ſchmeichelten dem Stolze 
und zugleich den Lüften. Der Meifter hatte zwar Unterdrüdung der Sinnlichkeit 
und Smporhebung der Bernunft geboten. Aber feine Jünger meinten, dieſes 
gehe nicht fowohl fie, die Geiſtiſchen, als die Katholiten, die Seeliſchen an. 
tefen,, fagten fie, ſeien Enthaltfamfeit und gute Werke wohl vienlich, weil bei 
ihnen, ihrer Natur nach, die Sinnlichkeit über die Vernunft die Oberhand hätte, 
fie aber als geiftige Leute, hätten, vermöge ihrer, aus dem Pleroma erhaltenen, 
überwiegenden Geiſtigkeit, fidyere Anfprüche an die Seligfeit, ohne nörhig zu has 
ben, auf äußere Werke noch Rüdficht zu nehmen; fie gebe die Sitteniehre nichts 
an, audy nicht der Martyrertov. Sie machten fidy Nichts daraus, an den Opfers 
mahlzeiten der Heiden, an ihren blutigen Schaufpielen, Theil zu nehmen. Die 
Katholiten, fagten fie, machen den Pöbel, den gemeinen Troß aus, denen nur 
Glauben gebühre, weil fle des vernünftigen Denkens nicht fähig wären; ihnen 
aber gehöre die Gnoſis, die Vernunfteinficht zu; fe hätten fchon eine Vorher⸗ 
beftimmung jur Seligkeit mit zur Welt gebracht. Wie das Gold auch im Kothe 
von feinem Innern Werihe Nichts verliere, fo könnten fie auch von äußeren Wers 
fen nicht befleckt werden. @eftübt auf die Grunpfäge übrließen fi mande Bas 


t 


Balerianus — Balerius Marius, 457 


lentintaner ben ſchändlichſten Wollüften. Gleichwohl erhielt fi} dieſe Sefte 
bis ins vierte, ja bis ins fünfte Jahrhundert. Die berübmteflen Schüler 8.8 
waren: Btolomäus, Secunduß, Herafleon, Markus, Colarbaſus, Bafs 
ſus, Florinus, Blaſtus, weiche diefe Irrlehre verbreiteten u. Stifter oft weit 
außgedehnter Sekten wurven. Sehr zahlreich waren fie in Gallien zur Zeit des 
heiligen Jrenäus, dem wir die meiſten Aufichlüffe über diefe Sefte zu verbans 
fen haben. Val. Stollberg „Sefchichte der Religion Jeſu“, 7. Thl., S. 40 — 
497, Wiener Ausgabe. 

Balerianus, Publius Licinius, römifcher Katfer, der Sohn eines Se⸗ 
nator®, geboren 190; ſtammte aus einer berühmten Yamilie und wurde von den 
Armen in Rhärten im Auguft 253, nady dem Tode Aemilianus, zum Kaiſer aus 
gerufen und nahm feinen Sohn Gallienus zum Mitregenten an. Franken und 

lemannen verheerten Gallien, die Gothen Macevonien und die Perfer Eapapos 
cien und Eilicin. Gegen die Germanen in Deutfchland und Macedonien waren 
feine Feldherrn nicht unglüdi. Defto weniger Glüd hatte er gegen die Berfer, 
denn in der Nähe von Edeſſa 260 vom Könige Sapones geichlagen, fiel er in 
perſiſche Gefangenſchaft und farb kurz darauf vor Bram, 

Balerius CCorvinus oder Eorvus), ein berühmter römifcher Feldherr u, 
Staatsmann, aus einem alten abeligen Geſchlechte, diente ſchon in feiner Jugend 
als Kriegstribun unter dem Camillus und erlegte einen gallifchen Feldherrn im 
Zwetlampfe; da ihm hiebei ein Rabe, der fi auf feınen Helm fehte, den Gie 
über den Yeind erleichterte, fo befim er den Beinamen Corvinus. Er leiftete darau 
— Vaterlande im Kriege und Frieden viele wichtige Dienſte, war fechömal 

ätor, vielmal Aedilis, einmal Genfor, ſechsmal Contal, zweimal Diktator und 
überhaupt unter allen Römern der Einzige, der 21mal curuliſche Aemter belleidete. 
Bar er von Öffentiichen Gefchäften frei, fo baute er ruhig feine väterlichen Aecker 
und bewies fidy immer, fowohl in feinem Privatleben, als an der Spike der 
Armee und Staarögefchäfte, als einen der edelſten und größten Männer, die Rom 
je hervorgebracht hatıe. Bet einem Alter von fuft 100 Jahren genoß er noch 
einer Gerundheit und die Römer priefen ihn als den glüf-igken Munn ihrer 
Zeit. ©. Ur. 7, 26. Flor. 1, 13. Val. Mur. 8, 15. Cic. d. Sen. 

Valerius Flaccus, Cajus, ein römticher Dichter, vermuthlich aus Padua 
gebürtig, lebte unter der Regierung Vespafian's oder Domitian's und ſtarb, noch 
jung, im Jahre 688 nady Chrifti Geburt. Er wählte, nach dem Muſter des Apol⸗ 
lontus von Rhodus, den Zug der Argonauten zum Stoff eined epiſchen Berichtes, 
wovon nody acht Bücher ubrig find. Bon dem Ichten Buche fehlt der Schluß; 
wahrſcheinlich hatte das Ganze noch mehre Bücher, oder follte fie haben. Dieſes 
Gedicht hut jedoch nur einzeine Schönheiten; der Erzählungston des Ganzen ift 
nıcyt lebhaft genug, die Schreibart aber tft oft dunfel und abgıbrodyen. Einige 
Seiehreibungen find jedody nicht ohne portifhen Werth. Ausgabın: von Burmann, 
Leyden 1724. Wach derjelben und mit einigen Anmerfungen von Harles, Alters 
burg 17815 auch von 3.4. Wagner, Göringen 1805, 2 Bde. Eine metrifche 
Ueberſezung mit Anmerkungen und beigefügtem Terte von Wunderlih, Erfurt 
1605. — Epistolae crit. de C. Valerii Flacci Argonaut. ad H. C. A, Eichstaedt, 
scr. ab J. A. Weichert, Lips. 1812. 

Baleriud Marimus, ein römifcher Gefchichtfchreiber, war von vornehmen 
Stande und ein jüngerer Genofle des Vellejus Pateiculus, der ſich unter Katfer 
Tiberius Iyrannei geiehrte Muße erwählte; er fchrieb nad) Sejan's Tode (alfo nad) 
3ı nad) Chriſtus) Libri 9 factorum dietorumque mirabilium, eine nach der Sach⸗ 
ordnung geflellte Reihe von Anckdoten, worın er Sitte, Gebräudye, Tugenden, 
Lafter u. |. w. durch Beifpiele aus der Gefdyichte zu erläutern fucht. Doch fcheint 
diefe Sammlung entweder ein Auszug eines größern Werkes (den ein gewiffer 
Januarius Nepotianus gemacht haben fol), over fehr interpolirt zu feyn. Der 
Ausdrud wechſelt auffallend, beſonders ift er oft niedrig, oft zu preciös, oft uns 
endlidy kurz, auch durch Sentenzen prangend. Ausgaben: von Lıpfius, Lyon 15808 


“ | Belreb-—Makedelit, ° 


ſtus, Leyden 16515 Torrenius, Leyden 1726; Hafe, Patis 1832 mb Salvin 
de Lennemas, 2 Bde. Paris 1838 fg.; ein „Novoe editionis —— — 
Galmberg, Hamburg 1844; eine —2 — Ueberfehung von Hoffmann, 5 , 
a 1) Beinrich, aigenlllch de Balote, geb Paris 1603 
+ ) e nt ' e a o ®, oren zu 4 
—* zu Bourges die Rechte, si te fich fieben Sabre zu Paris mit Rechts⸗ 
—5— dann vornämlich mit der g chf en und lateinifchen Literatur, wurbe 
1660 mit feinem Bruder königlicher Hiftorfograph und ftarb ven 7. Mai 1676. 
Er hat als Kritiker um die alte Literatur mannigfaches Verdienſt. Das erſte 
Werk, das er herausgab, waren die Auszüge, die Konſtantin Borphyrogeneted aus 
dem Polybius ıc. gemacht und von denen Peiresſcius eine Abſchrift aus Gries 
henland erhalten hatte: Exerpta Polybii etc. gr. et lat. o, nat. Paris 1634 
u. 1648. Berner verbeflerte er den Text des Ammianus Marcellinus umb zuleht 
befchäftigte er ſich faſt ganz mit der Kirdyengefchichte, Indem er aben des 
Eufebius, Sokrates ıc. veranftaltete. Schaͤtzbar find ſeint Emendatt. Lib. V. et 
de czitica lib. H. ex de P, Burmanni, Amfterbam 1740. — 2) ®., Habdrian, 
Bruder des Borigen, geboren zu Paris 1607, ſtudirte bei ben ten, ward 
bierauf koniglicher Hiftoriograph und farb 1692, Er war ein: tüdhtiger Kenner 
der alten Literatur und kritiſch fleißiger Hiflorifer: Notitia Galliarum, ordine 
alphabetico digesta, Paris 1675, Fol. Gesta veterum Francorum, seu rerum 
francicarum a primordiis gentis ad a. 752 lib. VIII, ebend. 1646, 3 Bye., fehr genau, 
kritiſch, zierlich u. ie Den Ammiannd Marcellinus gab er mit feinen Anmerk⸗ 
ungen "heraus, auch ließ er Etwas über ven gelehrten Streit pruden, „ob das In 
Belgrad gefundene Fragment des Petronius Acht ſei ober nicht?“ u. verwarf eb. 
Er hinterließ einen Sohn, der 1694 zu Paris Valesiana in 12. ebirte 

Balla, Lorenzo, ein berühmter Humanift des 15, Jahrhunderts; geboren 
za Rom 1407, bildete ſich in feiner Vaterſtadt aus und trat in mehren ttalieni- 
ſchen Städten, namentlich in Malland und Pavia als Lehrer der claffifchen Lites 
taturen und fchönen Wiffenfchaften uf Wegen feiner übermäßigen Ausfaͤlle 
gegen die Vertreter der ſcholaſtiſchen Philoſophie war er mehrfachen Verfolgungen 
ausgeſetzt, weßhalb er feine Zuflucht zu dem Könige Alphons von Neapel nahm, 
den er in der lateiniſchen Sprache unterrichtete und auf vielen Kriegszügen be⸗ 
gleitete. Fortgeſetzte Angriffe gegen die römtjche Kirche, namentlidy gegen die 
Schenfung Konſtantins, bedrohten ihn mit der Inquiſttion; indeſſen zog er es 
vor, felbft nady Rom zu geben und Widerruf zu leiften 1447. Nach geleiftetem 
MWiderrufe, erhielt er vom Papſt Rifolaus V. eine jährlidye Unterflübung, lehrte 
zu Rom Rhetorif, wurde Kanonifus am Lateran und päpftlicher Sekretär und 
ftarb 1457. Abgeſehen von feiner unfirchlichen Richtung, war V. ein geſchmack⸗ 
voller und geiftreicher Kenner der Alten und mit ihm beginnt eigentlich die Reihe 
der gelehrten Humaniften. Seinen Schriften wußte er durch Mannigfaltigkeit u. 
Eleganz einen befondern Reiz zu geben und von vielen griechifchen Autoren lieferte 
er meıfterhafte lateinifche Ueberfegungen, fo namentlich von Herodot und Thucy- 
dides. eine Elegantiae latini sermonis, Rom 1471 und öfter (nicht ohne po⸗ 
lemifche Tendenz) wurden lange als Rorm für den lateintfchen Styl angefehen. 
Seine Annotationes in novum Testamentum und feine Abhandlung „De dona- 
tione Constantini“, welche leßtere Ulrich von Hutten (f. d.) herausgab und 
aus Spott dem Papſte widmete, find entichteven Tegerifh. Seine Opera omnia, 
erfchienen in der Holge zu Bafel 1543. Bgl. auch die Schrift von Helbing De 
Laurentio Valla, Lemgo 1740. 

Balladolid, die Hauptftadt der fpanifchen Provinz oder Delegation gleichen 
Namens, im ehemaligen Königreiche Xeon, zeigt ſich mit feinen vielen Thürmen 
in auögedehnter Länge auf einer weiten und gut angebauten Ebene hingeftrert, 
welche von den Flüffen Pifuerga und Esgueva durchfirömt wird, Die Straßen 
find breit und gerade, aber verodet, cin großer Theil der Häufer liegt in Ruinen, 
denn ſeitdem V. aufgehört hat die Refivenz der kaſtiliſchen und fpanifchen Könige 





[0 


| Valle — Balois. 459 


zu ſeyn — dies gefchah unter Philipp II, welcher Madrid bevorzugte — ſank 
e8 von feinem frühern Flore tief herab, und während e8 zu Karl V. Zeiten über 
100,000 Einwohner zählte, hat es jebt etwa noch den fünften Theil. 16 Thore, 
15 fleinerne Brüden und die Refte prächtiger Gebäude erinnern noch an bie 
ehemalige Bedeutſamkeit der Stadt. Inter den öffentlichen Plägen zeichnen fidh 
vorzüglich el Campo grande und Plaza mayor aus. Erſteren, vielleicht 
einer ver größten Europa’s, umgeben nicht weniger ale 15 Kirchen, den Plaza 
mayor eine Kolonade von 400 Säulen und Pilaſtern. Die unter Philipp IL 
nach einem fehr weitläufigen Blane begründete Kathedrale ift kaum zur Hälfte 
vollendet. Die Kirche der Dominikaner (St. Paul), ein erhabener gothifcher 
Bau, enthält eine Menge herrlicher Bilphauerarbeiten und Gemälde. Bon dem 
alten königlichen Schloſſe find nur noch traurige Ueberbleibfel vorhanden. Das 
roße und fchöne Gebäude der koͤniglichen Kanzlei bewahrt in 18 Sälen das 
ıchtv der Krone Kaftiliend. — V. ift der Sig eines Biſchofs und hat eine 1346 
gefliftete Univerfität, ein Collegio mayor, ein ſchottiſches und irländifches Kollegium, 
Aulen für Mathematik und Zeichenfunft, eine Alademie der Künfte und Wiſſen⸗ 
haften, mehre Hofpitäler, ein Theater. Der im Ganzen nicht fehr rege Kunſt⸗ 
fleiß beſchränkt fih auf die Yertigung von Tuch⸗, Bold, Silber⸗ und Seiden⸗ 
waaren, Fayance und Leder. An den Ufern der Pifuerga bilden Ulmenalleen ben 
beiuchten Spazierplatz Espolon. — V., angeblid) das Pintia oder Pintaea der 
Römer, fah in feinen Mauern Philipp I. und Anna von Defterreich geboren 
werden und den berühmten Columbus fterben (1506). mD. 

Balle, Pietro della, ein berühmter Reifebefchreiber, geboren zu Rom 
1586, reiste ald Pilger in dad Morgenland, bielt ſich von 1614— 1626 In der 
Türkel, Aegypten, PBaläftina, Perſten und Indien auf, erwarb fidy in morgen 
ländifchen Spracdyen große Kenntniffe und gab nach feiner Rüdkehr nad) Rom 
eine Reifebeichreibung in 54 Briefen an einen Arzt in Reapel heraus, unter dem 
Zitel: Viaggi in Turchia, Persia et India dall’ anno 1614 al 1626, 4 ®Bpe,, 
Rom 1650, 4.; deutſch, A Bde, Genf 1674, 4.; auch hollaͤndiſch und franzöfifch. 
Er ftarb den 20. April 1652. 

Balmy, Dorf im Arrondiffement St. Menehould des franzöflfchen Departes 
ments der Diarne, if in der Gefchichte berühmt durch Die, am 20. Sept. 1792 
zwifchen den Preußen unter dem Herzoge Karl Wilhelm Ferdinand von 
Braunfchweig (f. d.) und den Franzoſen unter dem Marfchall Kellermann 
(f. d.) bier gelieferte Schlacht, von weldyer der letztere den Titel eines Her; 
3098 von ®. erhielt. 

Balois ift ver Rame einer, fpäter zum Herzogthum erhobenen, Grafichaft in 
Franlreich, weldye gegenwärtig das Departement der Dife bildet. Schon feit dem 
10. Jahrhundert fommen die Grafen v. V. in der Geſchichte vor; indeſſen kam die 
Stafichaft durch Heirach an die Grafen von Vermandois. Durch die leute Erbtochter 
von Vermandois fam diefes und B. an Hugo, den Eohn Könige Heinrichs I. 
von Franfreih und, da defien Rachkommin, Eliſabeth, vermähtte Gräfin von 
Elſaß und Flandern, flarb, zog der König Philipp Auguft um 1310 beide Graf: 
fhaften ein. Erft Bhitipp IV. gab die Grafihaft V. feinem Ohelme, Bruder 
Philipps des Schönen, Karl und diefer wird ale Stifter der Linie B. bes 
trachtet. Deſſen Sohn folgte als Philipp V. dem Könige Karl VI. auf dem fran- 
zöflfchen Thron, machte das ſaliſche Geſetz gegen Ifabella, Schwefter Karls IV., 
an Eduard II. König von England vermählt, geltend und behauptete die Krone. 
Obgleich er nur ein Sprößling der Capetinger aus jüngerer Linie war, fo zählen 
die franzöſiſchen und mit ihnen die ausländifchen Geſchichtſchreiber doch von da 
an das Haus V. — Könige aus demfelben waren: Philipp V., Johann II, Karl V., 
Karl VI., Karl VII, Ludwig Xt. und Karl VIIL, mit dem das ältere Haus V. 
[bloß und das jüngere Haus B., das von Karl von Orleans, jüngeren Bruder 
Karl VI. abftammte, mit deflen Enfel Ludwig XI. auf den Thron kam. Ihm 
folgte aus demfelben Haufe Franz I., Heinrich IL, Ftanz U. KliX, um SQ 


ww | Belsınlaefe — Baupyr. 
‘sich DL, nach deſſen Ermordung das Haus Bourbon (ſ. d.) mit Heinrich IV. auf 
ven Thron kam. Giche die Ba ven Frankreich. | 
Balombrofa, berühmte Motel auf den Appenninnen, in dem Sprengel von 
Fiefole im Ylorentintfchen, wo der bi. Johannes Bualbertus.(f.v.) im Jahre 
1038 einen Moͤnchdorden nad) der Xegel des hl. Benedikts ſtiftete, welcher nach 
dieſem Stammorte der Orden von V. heißt und nach ſeiner ehemaligen Kleid⸗ 
ung auch unter dem Namen der „grauen Mönche“ bekannt iſt. Sein Zweck war 
Snlange nur Einſamkeit und befchauliche Andacht, doch ging er bald aus dem 
Einfievlerleben in die Kiofterverfaffung über und unterhielt nur einzelne Ein, 
fievelelen in Nähe feiner Klöfer. Das Stammilofter, das Bualbert, nach feiner 
e% im dichten Tannenwalde am Hochgebirge, V. genannt hatte, wurde durch 
) enfungen reich, daher fich die außerordentliche Groͤße und Bracht feiner, 1637 
neu aufgeführten, Gebäude erklären läßt. Gleichwohl hatte dieſer ſtets nur ans 
dachtige Orden, der erfle, der Laienbrüder aufnahm, ſich nur wenig verbreitet und 
nie bejondere Bedeutung erlangt. Bet feiner Bereinigung mit den Gilveftrinern 
1662 nahm er fchwarze Kleidung an. B. erhielt fidy mitten unter den Stürmen 
ber Revolution unverfehrt und war während der frangönkhen Herrſchaft ein 
SJuRndöort der Prieſter. Merkwürdig iſt es auch für die Kunftgeichichte, weil 
Mönch zu V., Pater Heinrich 8 fort, die unter dem Namen Scagliuola 
befaunte und nachgehends in Florenz fehr vervolllommnete, Steinmalerei: erfum- 
den und während feines Aufenthaltes in ver reizenden Einfiedelei il Paradisino 
bei V. ausgebildet bat. Noch jet blüht dieſes Klofter und wird oft von Ans 
dachtigen und Reiſenden befucht, die der herrlichen Ausficht: vom Barabifino nach 
dem 10 Meilen entfernten Florenz u. dem tuskiſchen Meere genießen wollen. 
Valuta (italtenifch), heißt im Allgemeinen der Werth, vie — für 
Etwas; dann aber bedeutet ed befonver® die in einem Lande oder Drte g hs 
liche Rechnungs» u. Münzs Währung. So iſt die in Preußen üblidde 8. — die 
preußtfche Curant⸗V. = 14 Thalers oder 21 Guldenfuß; die in Defterreich ges 
braäuchliche V. oder Währung der Eonventiond- oder 20 Quldenfußes ıc. Bei 
der NRotirung der Wechfelcurfe fommen zwei V. in Betracht: die die Dries, auf 
welchen man traffirt (Zielplag) und die desjenigen, von weldyem aus bie Ziehung 
geſchieht (Stantplap). Die eine diefer V. muß im Courszettel feftftehend und 
unveränderlidh als Einheit angenommen feyn, wogegen, nach den Umftänden, ber 
für diefe Einheit gegebene Werth in der andern V. fich ändert. Jene Ginheit 
wird die fefte oder beſtaͤndige V., diefer, bald höhere, bald gern ere Werth 
oder Preis, der eigentliche Cours, die veränderliche oder unbeftändige 2. 
genannt, 
Balvation (Müngvalvation), die Gegeneinanderhaltung und Schäßung 
einer Münze gegen die andere, nady dem innerlichen, feinen Gehalte, wie viel 
nämlih eine gegen die andere werıh fe. Daher die B.8:Tabellen, das Ber: 
geichniß verfchtedener Münzen nach ihrem Werthe gegen einander. Goldye Tas 
ellen werden in einigen Ländern von der Behörde von Zeit zu Zeit öffentlich 
befannt gemacht, in anderen Ländern haben fle ven Namen Rünztarif. 
Vampyr, (Vespertilio Spectrum), die größte Art der Fledermäufe, mißt mit 
audgebreiteren Flügeln zwei Fuß, tft Euftantenbraun, hat einen hundeartigen Kopf, 
wird in DOftindien, Afrifa und Südamerifa gefunden. Schlafenden Thieren und 
Menſchen fepen fie fi) an die Küße, leden ihnen die Haut wund u. faugen das 
Blut aus, Eine gemeine Vollséſage von blutfaugenden Gefpenftern, unter vielen 
Völkern, felbft fchon bei den Alten verbreitet, hat fi) namentlidy in Ungarn und 
Serbien bis auf den heutigen Tag erhalten; die im SKirchenbanne BVerftorbenen 
folten des Nachts folchen Serfonen, mit denen fie Umgang gehabt, das Blut aus⸗ 
faugen -u. fie fo tödten, die auf diefe Weife Umgefommenen aber felbft B.e wer⸗ 
den. Diefer Aberglaube hat in Serbien mehrmals zu gerichtlichen Unterſuch⸗ 
ungen Beranlaffung gegeben, wobei ſich dann allerdings die Leichname der, als 
V.e Bezeichneten, unverwest gefunden hatten, wahrfcheinlich in Folge der eigens 





Bandalen, | 481 


thümlichen chemifchen Beſchaffenheit des Bodens. Das Bolt aber konnte nur 
badurdy beruhigt werben, daß der Bann aufgehoben, die Leichname aber verbrannt 
wurden. Das Wort DB. felbft fol ferbiichen Urfprungs feyn. 

Bandalen, nady Einigen ein flavifcher Voüsſtamm, nady Anderen ein ger- 
maniſches Volk, eine von den Kationen, weldye durch die Völferwanderung den 
Untergang des römifchen Reiches beförverten. Ihr urfprünglicher Wohnfig war 
hoͤchſt wahrſcheinlich in Nordveutfchland, zwifchen der Eibe und der Weichfel; vie 
älteren römifchen Schrififteller reden immer fehr unbeftimmt von ihnen. Seit 
dem 3. Jahrhundert n. Chr. führten fie, gemeinfchaftlih mit den Burgunbern, 
Kriege gegen die Römer am Rheine. Unter dem Kaifer Aurellan (um 272) ließen 
fe ſich tm weftlichen Theile von Dacien oder Siebenbürgen und einem Theile 
des jegigen Ungarn niever. Als fie aus diefen Gegenden von den Gothen ver- 
drängt wurden, erlaubte ihnen Konftantin der Große, fi in Pannonien nieders 
ulafien, wofür fie ſich verpflidten mußten, den Römern im Kriege Hülfe zu 
leiten. Die innere Schwädye der Römer wurde dadurch bei den fremden Bölfs 
ern immer befannter und dieſe dadurch kühner gemacht, wiederholte Angriffe auf 
das römiſche Reich zu wagen. Daß es unter den B. Männer von Talenten gab, 
beweist das Betipiel von Stilico. 406 verließen die V. Pannonien und zogen, 
vereint mit den Alanen und Sueven, nach Gallien, wo fie große Verwüſtungen 
anrichteten, von da über die Pyrenäen (409) in Spanien einprangen, fidy mit 
den Sueven ins heutige Altcaftitien und Galicien theilten und bier ein Reich ers 
tichteten, dem fich die Alanen, die ſich in Lufitanten niedergelaffen hatten, aber 
ſich gegen die Angriffe der Weftgothen allein nicht behaupten konnten (420), uns 
—B Zwiſchen den V. und Sueven erregte die Eiferſucht öftere Kriege; die 
erfteren behielten zwar die Oberhand, mußten aber doch, von den Römern ges 
brängt, aus Galicien weichen und fidy nady Bätica, dem Küftenftriche des heut» 
igen Königreiches Granada, ziehen. Die Römer befriegten fie auch bier, erlitten 
aber (423) eine große Niederlage und die B. befamen Muth zu neuen Unters 
nebmungen, wozu ihnen bald Gelegenheit gegeben wurde. Ihr damaliger König 
war Genſerich (Geiſerich), ein tapferer, kluger, unternehmender Zürft und einer 
der größten Männer feiner Zeit, der aber, weil er viele Berwüflungen durch 
feine Kriege verurfachte und von der rechtgläubigen Kirche zu der arianiſchen 
Partei übergetreten war, bet den Gefchichtöfchreibeın einen fchlimmen Ruf erbals 
ten hatte. _ Das nördliche Afrifa war zu diefer Zeit noch den Römern unters 
worfen. Der Statthalter diefer Provinz, Bonifacius, der von Balentinian III. 
beleidigt zu feyn glaubte, wollte fih gegen den Kaiſer durch die Hülfe ver V. 
vertheidigen und rief diefe, unter dem Berfprechen, die Provinz mit ihnen zu 
tbeilen, nach Afrika. Genferih ſchiffte fi mit feinem ganıen Bolfe (427) in 
dem Hafen von Andaluften ein und ging nach Afrika über. Bonifacius war ins 
zwifchen mit dem Kaiſer wieder ausgeföhnt worden, wollte daher fein Berfprechen 
nicht erfüllen und fuchte zulegt durch Waffen die V. zum Rückzuge zu nöthigen, 
aber er wurde befiegt. Genſerich eroberte nach und nach den ganzen Theil von 
Afrika, der zu dem abendländifchen Kaiſerihume gehörte und ftiftete da ein mächt⸗ 
iges Reich, welches er bald mit den Infeln Sicilien, Sardinien, Eorflca, Mas 
jorca u. Minorca vergrößerte. Seine Raubflotte beherrſchte das mittelländifche 
Meer und verbreitete Schreden an den Küften Italiens. Die Kaiferin Eudoria, 
Witwe Balentinian’s II., welche Martmus, der Mörder ihres Gemahls und 
Ufurpator des Faiferlidyen Thrones, gezwungen batte, ſich mit ihm zu vermählen, 
glaubte man, habe aus Rache die B. nady Stalien gerufen, was aber der Erfolg 
nicht erwiefen hat, da Genferich die Kalferin und ihre Töchter ald Gefangene 
mit fortführte. Genſerich erfchien (455), aus Begierde nach Beute, mit einer 
mächtigen Flotte. In Rom war nicht die geringſte Anflalt zur Vertheidigung 
gemacht worden: Alles floh und der Kaifer Marimus wurde im erften Lärm ers 
mordet. Die B. plünderten nun 14 Tage lange Rom und raubten ale Koftbars 
feiten und Kunftwerfe, welche die Gothen vormals übrig gelafien holten, ne 


x 


„a. 


42 Darbdamme. 


"Menge Bildſaͤnlen und anderer Denkmaͤler wurden weggenommen, um, nebfl 
mehren Tauſenden vornehmer Gefangenen, nach Afrika gebracht zu werden. Bei 
diefer Ueberfahrt ging ein Schiff, das mit den Toftbarften Kunſtwerken Roms bes 
laden war, zu Grunde. Papft Leo, der dem Könige Genſerich feierlich entgegen- 
gegangen war, hatte Nichte weiter, als die Verfchonung mit Feuer und Schwert 
von ihm erbitten Fünnm. Gtreitigleiten unter Genſerichs Rachkommen wegen ber 
Tpronfolge veranlaßten den Untergang des vandalifchen Reiches. Gelimer, ein 
unrubiger, ehrfüchtiger Fuürſt, verbrängte den rechtmäßigen König Hilderich, einen 
guten genten, vom Throne und (ie ihn ermorden. Hilderich hatte in d⸗ 
chaftlicher Verbindung mit dem morgenländiſchen Kaiſer Juſtinian anden. 
Dieſer kündigte, um Jenes Tod zu rächen, eigentlich aber in ver Abſicht, ſich 
Afrita zu unterwerfen, Gelimern ven Krieg an. Juſtinan's großer Feldherr, Bells 
fartus, kam mit nur 15,000 Mann nad) Afrika (534), beflegte aber‘ Gelimer in 
zwei Schlachten und bradyte ihn dahin, daß er ſich gefangen geben mußte. 
limer wurde zu Konflantinopel im Triumphe aufgeführt umb mit ibm hörte das 
Königreich der V. in Afrika auf, nachdem es 106 Jahre befanden hatte. 
amme, Dominique Joſeph, General des franzöflfchen Kaiferreiches, 
‘wurde am 5. November 1771 zu Mont-Caffel im franzöflfchen Rorbpepartement 
geboren , wo fein Bater als Eirurg und pothefer lebte. Bereits vor 1789 
te er in einem —— — auf den Inſeln und kehrte beim — — 
der Revolution nach Frankreich zurüd. 1792 errichtete er, erſt 21 Jahre alt, 
eine reif te, die man auf der belgifchen Graͤnze ımter dem Namen Jäger 
von MontsGaflel kannte 8. ftieg fehr ſchnell empor; —** —5 war 
er Brigadegeneral. Als ſolcher nahm er 1793 Furnes und b e Nieuport. 
As Diviſionsgeneral diente er nach einander bei der Rhein⸗ der Rord⸗ und ber 
Sambres und Mansarmee. 1805 befehligte er die zweite Diviſion im Soult⸗ 
fehen Korps, eroberte am 9. Dft. Augsburg und zeichnete fich in der Schlacht 
Aufterlig aus. 1806 und 1807 fommandirte er die Württemberger in Schle⸗ 
fin und 1809 in Defterreth. Niemand war geeigneter ald er, eine Borbut zu 
befehligen, einen fchnellen Streich auszuführen, eine entfcheidende gefahrvolle Be⸗ 
wegung auf den Flanken vorzunehmen. Anderſeits aber war er fehr verrufen 
wegen feiner fchlechten Mannszudt. Man hat Napoleon oft das Wort in den 
Mund gelegt: „Hätt’ Ich zwei Vandamme's, fo müßt’ ich den einen erfchleßen 
laſſen.“ Schwerlich hat Napoleon dies je gefagt oder gedacht, aber der von den 
Soldaten erfundene Ausſpruch zeigt wenigftens, was fie für eine Meinung von 
B. hatten. Im der Art, wie er den Krieg ſowohl unter der Republik als unter 
dem Kaiſerthum führte, fah man flet6 noch den Hauptmann der Freifompagnte. 
Vae victis! lautete fein Wahlfpruh. Den Bewohnern feindlicher Länder war er 
ein Schreden, erbarmungslofe Strenge fein Mittel, zügellofe Habfucht fein erfte® 
Lafter. Bei Eröffnung des ruffifchen Feldzuges überwarf er fidy mit dem Könige 
Hieronymus und erhielt deshalb fein Kommando. Erſt zu Anfang des Jahres 
1813 finden wir ihn wieder auf der Kriegsſchaubühne in Weftphalen, dann in 
Nieder ſachſen. Ein unbedeutender Aufftand im Oldenburgiſchen, der bald gedämpft 
war, veranlaßte ihn, eine Militärfommiifton zu bilden, zu deren Borfiger er fich 
ernannte. In diefer Eigenfchaft Iteß er zwei edle deutfche Männer, den bamas 
ligen Tribunalrath v. Fink und den Departementsrath v. Berger (f. d.) ans 
geblicher Pflichtverfäumniß wegen erfchießen, obwohl ver öffentliche Anfläger nur 
auf Gefängnißſtrafe angetrogen hatte. Im Auguſt entfendete ihn der Kaiſer mit 
einem Korps von 30, ann nach Böhmen, allein die Unternehmung miß- 
lang und lähmte die Folgen des Sieges, weldhen Napoleon inzwifchen bei Dres» 
den errimgen hatte. V. wurde am 30. Auguft bei Kulm von den Verbündeten 
umysingelt; 5000 der Seinigen blieben auf dem Blag, 5000 enıfamen, die übrigen 
wurden gefangen. Unter diefen befand ſich der General felbft (f. Kulm). Er 
wurde im feindlichen ptquartier fehr fireng behandelt, eine Folge der unnötht- 
gen Grauſamkeit, welche er ſich bei dem oben erwähnten Kriegsgerichte hatte zu 





Bandiemensland, 463 


Schulden kommen laffen. Kaiſer Wierander nannte ihn einen Berbredyer (scele- 
rat) und ließ ihn in das Bouvernement Wiätfa, an der Gränze von Sibirien, 
ſchaffen. Nach der erfien Reftauration kehrte B. in fein Vaterland zurüd, blieb 
aber ohne Anſtellung. Während der 100 Tage gab ihm Napoleon ein Armees 
korps, und er Hatte Theil an dem Ruhme von Flerus. Aber in der Schlacht 
bei Waterloo kam feine Divifion, wie die Gerard’s, nicht auf den Walplatz, wos 
von er, wie Gerard, die Schuld dem General Grouchy zuſchrieb. Nach der 
zweiten Reftauration wurde er aller feiner Würden entfegt und verbannt. Erſt 
1824 durfte er wieder den franzöfiichen Boden betreten und brachte von da an 
die Hälfte des Jahres in Mont:Baflel, die andere in Gent zu. Seine Baterflabt 
verdanft ihm ein Spital für alte Männer und die Urbarmachung mehrer Moors 
In ihren Mauern farb er auch am 15. Juli 1830. mD. 

Bandiemensland oder Tasmanien, Infel an der einorfpine des auſtra⸗ 
liſchen Kontinente (Neuholland), von dieſem durch die Baßftraße getrennt. Im 
Slächenraume hält dieſes beträdytlidhe Eiland 1132 [J Meilen; die Bevölkerung 
erreicht aber nur die Zahl von 69,000 Geelen. Die Oberfläche V.s iſt von 
drei Bergfetten durchſchnitten, deren Gipfel, zu 4700’ abfoluter Höhe auffteigend, 
zum Theil mehre Monate lang im Jahre mit Schnee bevedt find. Diefe Behir e 
fließen zwei Hochebenen ein, von denen bie öftliche durch den Tamarflus, 
die weftliche durch den Derwent bewäflert wird. Vorherrſchend find auf ver 
Juſel die pyroxeniſchen Maflengefteine, namentlich der Bafalt, welcher nicht nur 
ringe um die Küfte die prachtvollfien Säulenufer bildet, fondern audy im Innern 
in bedeutenden Maſſen erfcheint. An der Weftfeite ift die Küfte theils Durch 
Halbinfeln, theild durch die vorliegende Inſel Bruny in mehre Buchten gefpals 
ten, die eben fo viele, jehr fichere Häfen geftalten. Außer dem nenannten Eilande 
gehören zu B. noch bie Gruppe der drei Surneaurinfeln, Maria, Sarah 
King und einige kleinere. — Das Klima iſt mild u. gefund, nur gibt es häufig 
Stürme. Die Gebirge liefern Marmor, Jaspis, Aöben, Kupfer. Die Pflanzen 
find im Allgemeinen diefelben, wie in Neuholland. So findet man das ſchwarze 
Holz (blak wood) und bie zum Sciffbaue fo taugliche Huonfichte, Eichen, 
Bummibolz . In dem fruchtbaren Boden gedeihen faft alle Erd» und Baum⸗ 
früchte, Gemüfe und Gerealien unſers Planeten. Es gibt in B. Heerden von 
prächtigem Rindvieh und feinwolligen Schafen, wilde Stiere und Eſel, Kaͤn⸗ 
guru's, wilde Enten, Hühner, Papageien u. f. w. Schaͤdliche Raubthiere find 
der große u. der Heine Dafyure. Das Meer beherbergt Fiſche, Mollusken, Pho- 
fen und Wallfiſche in großer Denge. — Die Eingeboinen B.8 find Papua's 
von Urfprung, fehwärzer al8 die Keuholländer und krauſen Haared, an Sitten 
roher als jene, an Säbigfeiten fie übertreffend. Ste ziehen in Truppen umber, 
feinen aber keine Häuptlinge und überhaupt Feine Idee von einer Regierung zu 
haben. Beide Gefchlechter gehen gewöhnlich nadt;z nur im Winter werfen .. 
kleine Mäntel von Rängurubaut um die Schultern, wie ihre Nachbarn in Neus 
holland. Jagd und Fifhfang find faft ihre einzigen Rahrungszweige. Die weiße 
Bevölternng befteht aus freien Koloniften und Deportirten. Gewiß würden fleißige 
Europäer, welchem Lande fie auch angehören, in V. gerne aufgenommen werben 
und bier audy ihre Nahrung finden, denn es iſt ein Land der Verheißung für 
Aderbauer und gute Handwerker, und Jedem, der arbeiten will, wird es dort an 
Nahrung nicht Fehlen. — ®. ift eine britifche Kolonie, unter der Feitung eines 
Lieutenant⸗Gouverneurs ſtehend, welchem ein geſetßgebender und ein vollziehender 
Rath zur Seite Flen ſind. Die Inſel iſt in zwei Grafſchaften eingerheilt 
Sornwall und Buckingham. HobartsTomwn, die Hauptfladt, liegt an 
der Süpweftfüfte V.s, tm Hintergrunde einer Kleinen Bai, hat breite und gerade 
Straßen, und 12,000 Einwohner. Unter den Gebäuden zeichnen fich aus die 
Kirche, der Zuftizpalaft, dad Gefängniß, vie fatholifche Kapelle und der Palaſt 
des Bouverneurd. Launceflon am ur Tamar befigt ein blühende Kolles 
gium. — 8. wurde am 24. November 1642 von dem Holländer Wel Topamn 


464 Ban Oyk — Vanloo. 


entdeckt, welcher der Inſel den Namen V. gab. Im Jahre 1803 anferte eine 

feine, von Port⸗ Jagſon ausgegangene Kolonie von Englänvern , beftchend 

aus Beämten, Militär und Deportirten, in der Bai von Hobart-Town und 

legte den Grund zu diefer Stadt. — Domeny de Rienzi: Deeanten, Stutt ⸗ 

gart \ 2 f mD. 
an |. 

Zanille (Vanilla, Vaniglis,'Siliquae vanillae) find die Früchte von Vanilla 
aromatica und vor mehren anderen Arten diefer Gattung. Es if ein Schmas 
roger-Schlingftrauc, der fi) auf Bäumen in feuchten Gebirgämäldern Südame- 
rifa's, vorzüglich Merifo’s, findet. Die im Handel vorkommenden B.n-Schoten 
(Kapfeln) find 6—12 Zoll lang und 2—6 Linien did, rund, wenig gebogen, ber 
"Ränge nach Re gerungelt; befjere Sorten dunfelbraum, geringere bräunlichegelb- 
lich. Das Innere der Schoten iſt ein dicker, braunfchwarzer Brei, wi bie 
Heinen, ſchwarzen, glänzenden Samen liegen. Gefchmad ſußlich, eigenthümlich 

ewürzhaft; Geruch aromatifh, dem Perubalfam ähnlich, doch tiesticer. als 
Hrgneimittel wird die B. weniger benügtz die vorzüglichfte Verwendung iſt ald 
Gewürz zu Ehofolade, Liqueur, Gefrorenem, Thee u. |. w. Im Handel finden 
ch auch einige Beiforten, alt: Laguayra-®., auch Vanilſon genannt; die, 
ſes find über einen Zoll breite, an beiden Enden etwas zugeſpitzte, ſchwarze, fets 
tig glängende, ſchwach riechende Schoten; ferner braf! eier dies find nur 
a Be = — dtellantige, ſchwarzbraune, glanzlofe Schoten von fehr 
wachem Geruche, 

Vanini Lucilius, ober, wie er fich ſelbſt lieber nanftle, Julius Gäfar, 

eboren 1586 zu Taurofano im Reapolitaniichen, ftudirte zu Nom, Ne und 
Ban die Philofophie und Theologie, Phyfit, Medizin und Aftrologie, hielt ſich 
aber mehr an den Schein, ald das Weſen und warb fchon frühe von dem Sigel ' 
jeplagt, an Allem meiftern zu wollen. Gr reiste in mehren Ländern umher, legte 
jeine verworrene Gelehrfamfeit überall zur Schau und warb 1619 zu Tonloufe 
als Acheiſt lebendig verbrannt, Er war eigentlich blos Freivenfer, der in feiner 
Jugend Scholaftit für Philoſephle nahm und in der Folge verfchledenen Arten 
ded Aberglaubens anhing , die ſich nicht gerade aus der Gottesläugnung, wohl 
aber aus dem Pantheismus erflären laflen. In feinen vbifofopfffehen Aeußer« 
ungen — zwar eine abſichtliche Zweldeutigkeit zur Verwahrung gegen kirch⸗ 
lich / politiſche Verfolgung, doch iſt die Ueberzeügung von der Foentität der Natur 
und Gottheit verftändlid genug audgedrüdt und durdy unüberlegten Spott und 
ſchneidende Urtheile beftättgt. Amphilheatrum aeternae providentiae ete., Lyon 
16155 De admirandis naturae arcanis, lib. IV, Parid 1616. S. Durand: La 
vie et les sentiments de C. V., Rotterdam 1717; vgl. „Leben und Schidfale, 
Geiſt, Charakter und Meinungen des Luc. -B.*, Leipzig 1800 und eine andere, 
gut efchelebene Biographie in Muͤnch's „Biographlih-hiftorifchen Notizen“ (Wh. 
„Etuttg. ). 

Banloo, ein berühmtes adeliges Kuͤnſtlergeſchlecht, deſſen erfler Stammvater 
Johann war. Sein Sohn, Jakob, ein vortrefjlicher Porträtmaler zu Amſter⸗ 
dam, folgte feinem Sohne Ludwig nach Paris u. hatte dad Vergnügen, viefen 
den erfien Preis in der Akademie ‚Heinen zu fehen. Ludwig, welcher nachher 
wegen eined Duells nach Nizza flüchten mußte und ale ein geſchickter Zeichner 
und Frescomaler Ruf hatte, ward der Vater zweier Söhne, welche den Ramen 
ihres Geſchlechtes eben zu bem großen Rufe erhoben, den es unter den Künſtlern 
erlangt hat. Der ältefte befonders, Johann Baptifta, ghorm au Air 1684, 
zeigte ſchon im 8. Jahre die glüdlichfte Anlage und ein te, das für Ges 
chichts⸗ und Porträtmalerei gleich geichidt war. Der Prinz von Garignan ließ 

m unter den fchmeichelhafteften Bedingungen (1714) nady Rom reifen; hier bes 
ſuchte er die Schule des Benebetto Lurtt. Mehre feiner Arbeiten wurben aus⸗ 
wärt® gelucht und feinen hiſtoriſchen Gemälden mußte man den Ruhm zugeftehen, 
daß fie in Anſehung der Fräftigen Manier den beflen- neueren Gemälven gleich 


Bannucht — Varianten. 465 


varen. Dem Befehle des Prinzen von Carignan, weldyer ſich 1718 Parts zu 
‚inem Aufenthalte wählte, zu folgen, kam er, nachdem er unterwegs zu Turin 
utch mehre Gemälde fidy verewigt hatte, 4719 nach Paris, wo ihm der Prinz 
n feinem Palaſte eine Wohnung einräumte, um ihn bei feinen Arbeiten feisig 
eſuchen zu fönnen. Portraitmalerei ward jebt, obgleich er die Geſchichtsmalerei nicht 
med den Augen ließ, fein Hauptgegenftand, bis er 1731 als wükliches Mitglied 
ver Akademie aufgenommen und durch einige große Stüde, namentlich die Bes 
reiung des Apofteld Petrus aus dem Gefängniffe, in der Kirche von St. Ger⸗ 
nain de Près, noch mehr erhoben, 1735 wirklicher Profeſſor bei der Akademie 
vard. Auch in London arbeitete er von 1738—42 unter außerordentlichem Zur 
aufe, ging aber dann nach Air zurüd und ftarb dafelbft 1745. Diefer berühmte 
Rünftler erfand und zeichnete mit großer Leichtigkeit; an feinen Gemälden rühmt 
nan eine fede und verftändige Behandelung des Pinſels, gute Auswahl und edle, 
thabene Zufammenfigung. Sein jüngerer Bruder, Karl Andreas, geboren 
u Nizza 1705, geftorben zu Paris 1765, welcher auch eine Zeit lange zu Rom 
ren Anterricht feines Bruderd und auch des Benedetto Lutti genoß, 1735 eben- 
alls an die Malerafademie zu Paris aufgenommen, 1762 erfter Föntglicher Maler 
nd Direftor der Aludemie wurde, zeichnete fich als gefchidter Hiftorien- und 
kandſchaftemaler aus. Richtige Zeichnung, forgfülttge Ausführung, ein liebliches, 
ingenehmes @olorit, waren Eigenichaften, die auch ihn den Ramen feines Ge⸗ 
chlechtes in dem erworbenen Ruhme erhalten ließen. Folgende vier Eöhne des Johann 
Baptifta zeichneten fi) aus: 1) Charles Andre Philippe, wurde als Hof- 
naler nady Berlin berufen, malte dafelbft Dedenftüde und Portraits, kehrte aber 
1770 nah Paris zurüd und ftarb 1776; 2) Louis Michel, Geſchichts- und 
Portraitmaler, war erfter Maler des Königs von Spanten, ftarb aber 1771 zu 
Baria; 3) Claude und 4) Frangois zeigten viele Anlagen, ftarben aber jung. 

Bannuckhi, f. Sarto. 

Banfittart, f. Berley. 

Vanucci, Pietro, genannt PBerugino, einer der beveutendften Maler der 
ımbrtichen Schule, geboren 1416 zu Caſtello della Pieve, verfolgte anfänglidy 
ie Richtung des Niccolo Alunne, eignete fidy darauf zu Klorenz unter Andreas 
Berocchio die freie, mehr naturaliftifche Formbildung der Florentiner an, kehrte 
aber dann zu Perugia in freierer Entwickelung zu feiner frühern Auffaffung@weife 
zurück und verbany, bei manchen Härten, mit hoher Anmuth und Zartheit der 
Formen den Ausdruck eined innigen, tief und ſchwärmeriſch bewegten Gefühles. 
Bon 1500 an ift an ihm eine gewiffe Flüchtigkeit bemerkbar, die päter zu einer 
ganz handwerfsmägigen Manier wurde. Dieſe Entwidelungsftufen laſſen ſich in 
feinen zahlreichen, meift mit der Jahreszahl verfehenen, Fresco⸗- u. Delgemälven (zu 
Perugia, Rom, Zlorenz ıc.) genau nachweiſen. Er farb 1524 zu Perugia und 
bildete eine große Anzahl Schüler, unter denen Rafael (f. d.) weitaus der be- 
rühmtefte war. | 

Varel, eine, dem Reichögrafen von Bentind gehörige, im Großherzogthum 
Dldenburg gelegene und unter oldenburgifdyer Oberhoheit ftehende, Herrfchaft von 
24 [IM. mir 6000 Einwohnern, deren Hauptort, der Marfıfleden gleiches Na- 
mens mit 3500 Einwohnern, eine proteftantifche Kirche, ein Waiſenhaus, einen 
Hafen, ein Fort (Chriftianeburg) und ein ziemlich befuchtes Seebad hat. Acker⸗ 
bau, Viehzucht, Kifcherei, Handel mit Getreide u. Vieh u. Schifffahrt unter eige- 
ner Flagge bilden die Hauptnahrungsquellen der Einwohner. 

Burianten (variae oder variantes lectiones) nennt man diejenigen Abweich⸗ 
ungen der Lesarten in den Schriften der Alten, weldye durdy die Abfchreiber ent⸗ 
Randen find. Da bekanntermaßen ehedem die Schriften nicht durch den Drud, 
tondern bloß durch Abfchreiber vervielfältigt werden Fonnten, fo war es ganz na= 
türlich, daß theild durch Unwiſſenheit oder Unachtſamkeit, theils auch durch Eigen- 
dünkel folcher Abichreiber oft nicht blos Buchftaben und Wörter, fondern auch 
ganze Zeilen verändert und verfälfcht wurden. Die B. zu Sammeln ut zu ie 

Kealncyclopödle X. 30 


466 Barlation — Varnhagen von Enſe. 


ten, iſt das Geſchäft der ſogenannten niedern oder Wortkritik, deren Zweck bie 
Wiederherſtellung des Textes in ſeiner urſprünglichen Geſtalt iſt. 

Variation heißt in der Muſik überhaupt eine, auf mannigfaltige Art vers 
änderte, Wiederholung eines (der Regel nach kurzen, einfachen und leichtfaßlichen) 
muſtkaliſchen Eapes: Figuren und Gänge mit ihren ®egenfägen, wobei das 
Tbema (der zu varlirende Hauptfap) in feiner Grundmelodie überall durchklingen 
muß. Je nachdem die veränderte Wienerholung des Hauptfapes wieder einen 
für ſich beftehenden Sag von gleichem Umfange, wie das Thema, bildet, ober 
von der Grundmelodie und dem Umfange des Thema abgewidyen wird und bie 
mehr oder weniger ausgeführten Beränderungen durch eingefchaltete Zwiſchenſatze 
zu einem Ganzen vereinigt werden, erhalten audy die B.en eine verfchievene Bes 
nennung und zwar heißen dann die erften Areng vartirt over B.en im eigent⸗ 
lichen Sinne und letztere freie ®.en. Bon diefer Art find die meiſten Andante's 
in den Eymphonten, auch kommen fie in Gonceriftüden, Quartetten, Sonaten vu. 
Trio's vor. Jene aber, bie das gene vorzutragende Tonftüd bilden, werden für 
eine Hauptftimme allein, ober mit Begleitung, dann auch für mehre Stimmen 
abwechſelnd (concertirend), für alle Inftrumente, mit einer vorangeſchickten Intro⸗ 
duktion oder Phantafle, geſetzt. Das Schwierige iſt allerdings die — 
eines Thema, das einfach und angenehm ſeyn ſoll, ohne dieſen Charakter dur 
mannigfaltige Veränderung zu verlieren. Kann indeß jede V. einen eigenthüws 
lien Gbarafter behaupten und wirb durch eine folche Mech lelung das Inter⸗ 
efie erhöht, fo fleigert fich auch das Bervienft des Gomponiften. ozart, Beet 
hoven (indbefondere) und Rhode haben treffliche VB.en für Klavier und Violine; 
Rhigini, Winter und Andere aber auch Geſang⸗V.en geichrieben, die jedoch mehr 
zur Uebung befiimmt und nur aim und wieder, um eine entſchiedene WBirtuofliät 
fund au geben, öffentlich zum ortrage benügt find. 

Variationsrechnung, ſ. Comblnation. 

Varicellen, Schafblattern, f. Blattern. 

Barietät, f. Spielart. 

Varioloiden, modificirte Blattern, f. Blattern. 

Burius, Lucius, ein epifcher und tragiicher Dichter Roms, Freund und 
Zeitgenoſſe des Horatius und Virgilius, iſt der Verfaſſer eines Epos, worin er 
die Thaten des Auguftus u. Agrippa pries; ferner eines Gedichtes: „De morte,“ 
da8 wahrfcheinlidy den Tod Fuliue Caͤſars zum Gegenftande hatte und endlich 
eincd von den Alten allgemein gerühmten Traueripield „Thyestes“. Nur noch fehr 
wenige Brudftüde find von ibm vorhanden, welche Weicyert in „De L. Varü et 
Cassii Parnensis vita et carminibus‘ (Grimma 1836) einer forgfältigen Prüfung 
unterworfen but. 

Varna, befefligte Stadt und Sig eines griechifchen Metropoliten im Sand⸗ 
ſchak Eitiftria Des Ejalets Rumili, ift der Stapelplag für das öſtliche Bulgarien 
und der befte Hufen, den die europälfche Türkei am jhmargen Meere bat, mit 
20,000 Einwohnern. In der Ebene Bis verlor König Wladislaw von Ungarn 
durdy feine unvorfichtige Hite den, bereit® von Hunyad errungenen, Xorbeer des 
Sieges über die Türken fammt feinem Lehen (1444). 1610 nahmen die Koſaken 
vom Dniepr ber die Stadt u. befreiten 3000 Ehriftenfflaven. 1828 ergab fie ſich 
nad) tapferer Vertheidigung durch Eapitulation an die Ruffen. mD. 

Varnhagen von Enje. 1) Karl Auguft, geboren 1785 zu Düffeldorf, 
ftudirte zu Halle, Berlin und Tübingen Medizin u. trat in öfterreichifche Kriege« 
dienfte, welche er verließ, um als Hauptmann und Adjutant Tettenborn’6 den 
ruſſiſchen Fahnen während des Befreiungsfrieges zu folgen; 1814 trat er in bie 
Kanzlei des FZürften Hardenberg ein, befuchte in diefer Stellung den Eongreß zu 
Wien und reiste nach Paris. Bon hier wurde er al8 Charge d’Affaires und 
kurze Zeit nachher als Minifterrefiven: nach Karlsruhe gefendet. Gegenwärtig 
lebt er als geheimer Legations-Rath mit Penſton in Berlin und widmet feine 
Maſe einer fruchtbringenoen, fchriftieleriichen Thaͤtigkeit. V. v. E. if einer der 


Barro, | 467 


inften Kritifer und Biographen Deutfchlande. Jenes hat er namentlich in feinen 
tichen Beiträgen für die Berliner Jahrbücher der Kritif bewährt, die 1833 un- 
r dem Titel: „Zur Gefcyichtfchreibung und Literatur” gefammelt erfchtenen 
nd, diefes in feinen „Biographifchen Denkmalen,“ Berlin 1824—1830, 5 Thle. 
Bol. H. Laube, „Moderne Charakteriſtiken,“ Thl. I. S. 239 und Dr. O. 8.8. 
Wolff, Encyklopädie der deutſchen Nationalliteratur, Leipzig 1846, S. 430. — 
) V. v. E, Rahel Antonte Friderike, urfprünglid Rahel Levin, die 
Fochter eines angefehenen jüdiſchen Kaufmanns, wurde in Berlin 1771 geboren, 
rhielt eine treffliche Erziehung und fand für ihren Geiſt häufige und belebenve 
Inregung im Verkehre mit Männern wie Fr. u. A. W. Schlegel, den beiden 
Zumboldt, Tied u. A. Nachdem fie zur chriftlichen Religion übergetreten war, 
ermäblte fie fih am 27. September 1814 mit V. v. &., begleitete denfelben 
ach Wien, wo fie bis Juli 1815 blieb und mit den ausgezeichnetften Männern 
md rauen in fortwährender geiftiger und gefelliger Verbindung ſtand. Im 
fuguft 1815 traf fie mit ihrem Gatten in Frankfurt a. M. wieder zufammen, 
og mit demfelben nach Karlsruhe und kehrte, als V. v. E. von feinem Gefandt- 
haftspoften am badifchen Hofe abberufen wurde, mit diefem nad) Berlin zurüd, 
vo die geiftceiche Frau, welche in den Beziehungen des irdifchen zum höhern 
deben meift die Gegenftände ihrer Betrachtung fuchte, am 7. März 1833 flarb. 
Rady ihrem Tode veröffentlichte der Gatte ihren Briefwechfel unter dem Titel: 
Rahel, ein Buch des Andenkens für ihre Freunde,“ Berl. 1834, 3 Bde. C. Pfaff. 
Barro, Marcus Terentius, ein fehr gelehrter Römer und ein ungemein 
ruchtbarer Schrififteller,, geboren 117, geftorben 27 vor Ehrifti Geburt, that in 
einer Jugend Kriegsdienſte und war auf der Seite des Pompejus, hernach aber 
ing er zur Partei Cäſar's über, der ibm die Aufficht über feine Bücherfamm- 
ungen aufirug. Bon Antonius ward er in die Acht erklärt; unter Auguftus 
ber kehrte er mit den übrigen Berbannten wieder zurüd und befchleß fein Leben, 
0 Zahre alt, in gelehrter Ruhe. Er hat ein grammatifches Werk über die 
ateinifche Sprache und in feinen fpäteren Jahren ein anderes von der Land» 
pirthifchaft gefchrieben. Erfteres beftand urfprünglidh aus 24 Büchern, wovon 
ıber nur noch Buch 4, 5 und 6, die von der Wortableltung u. Buch 7, 8 u. 
), die von der Sprachähnlichfeit handeln, übrig find. Bon den anderen Büchern 
ſibt es nur noch einzelne Bruchſtücke. Ihres Alters u. ihrer Genauigkeit wegen 
erbienen diefe Ueberrefte unter den grammatiſchen Schriften der Römer unftreitig 
en erften Rang. Nur ging B. oft in feiner Wortforfhung zu weit und war 
uw fehr für den einheimifchen Urfprung lateinifher Wörter. — Ausgaben feiner 
ämmtlichen Werke: Dorbrecht 1619 und Amfterdam 1623; einzeln erfchienen bie 
ch übrigen Bücher und Bruchftüde der erfigenannten Schrift zu Zweibrücken 
1788, 2 Bde, mit dem Commentare ded Gafaubonus; von 2. Spengel, Berlin 
826 und von D. Müller, Leipzig 1833. Sein landwirtbfchaftliches Werk in 3 
Büchern verdient unter den Ähnlichen Schriften des Alterthums den erflen Rang. 
Richt bios in Abficht auf feinen eigentlichen Zwed, fondern für die Literatur 
iberbaupt ift viel Nübliches darin enthalten. Man findet es fowohl in den oben 
ſenannten Ausgaben feiner Werke, als in den verfchicdenen Sammlungen land: 
pirchfchaftlicher Schriftfteller. Auch einzeln, Halle 1730, überfegt von ©. Groffe, 
alle 1788. Bon den übrigen Echriften V.s befigen wir nur noch Bruchſtücke. 
amentlich ift dieß der Fall bei der eigenthümlichen Gattung von Satire, welche 
B. bald in profaifcher, bald in poetifcher Form behandelte und die nach ihm den 
Ramen Satira Varroniana, oder nach dem befannten Eynifer Menippus (ſ. d.) 
zatira Menippea, erhielt (f. Satire). Vgl. Oehler, „Varronis satirarum Menip- 
warum reliquiae,“ Quedlinburg und Leipzig 1844. Auſſerdem gibt e8 von ihm 
och viele Fragmente in den Schriften des Auguftinus und eine Reihe foge- 
ıannter Sentenzen, die bis in die neuefle Zeit aus Handfchriften vermehrt worden 
ind. Erſtere wurden am Bilten von Branden in „Fragmenta Yarronis, UAR 
nveniuntur in libris Augustini,“ Leyden 1836; lehtere von Das Sir: 


Ba 


468 sSarus — Bafe. 


„Sententiae M. L. Varronis majori ex parte ineditae,“ Padud 1843, zuſam⸗ 
mengefein, und erläutert, Wergl. Pape, „Dissertatio historico-literaria de V.,“ 
enden . 

Varus, Publius Quinctilius, war 740 9. St. Rom Eonful, kam dann 
als Proconſul nah Syrien und unterbrüdte dafelbft einige Empörungen der 
Juden, mobei er auch Feine Gelegenheit unbenügt ließ, fich zu bezeichern und ers 
hielt unter Auguft, nachdem Tiberius den Oberbefehl niedergelegt hatte, die 
Stelle eines römischen Statthalter in Germanien. Die Deutfchen, denen er bie 
tömifchen Geſetze aufpringen wollte, wurden dadurch, fowie durch viele Abgaben 
und Bedrückungen aufs höchſte empört und fuchten durch Lift und heimliche Ber; 
bindungen, befonder8 durdy den Helden Arminius (f.d.) zu erfeßen, was ihnen 
an Macht abging. Gehorfam heuchelnd, fchläferten fe den ®., ungeachtet biefer 
felbft durch einen deutfchen Fürften, Gegeft, gewarnt wurde, fo ein, daß, ale 
beim Abfalle einiger entfernten Böller ihn die Häupter der Berfchworenen zur 
Dämpfung’ des Auftuhres aufforderten, er auch, ganz ficher gemacht, mit feinen 
Legionen bis in den Teutoburger Wald zog. Hier, in einfamen, fumpfigen s 
enden, wurbe er erft truppenweife angefallen; bald aber nahm die Uebermacht Jo 
fehr zu, daß das ganze römifche Heer nach drei Tagen bis auf wenige Haufen 
vernichtet war, B. aber und die vornehmften Heerführer aus Berzweiflung fi 
ſelbſt umbrachten. Auguſt war bei der Nadyricht von diefer Niederlage —*8 
Monate lange widerholte er feinen Ausruf: „O V., V. gib mir meine Legionen 
wieder!" Diefe Niederlage geſchah im 9. Jahre nach Ehr. Geburt. 

—2 ſ. Lehen. 

Bafari, Giorgio, ein berühmter Künftler und Kunſtſchriftſteller, geboren 
zu Arezzo 1512, genoß den Unterricht ded. Andrea del Sarto und des chel 
Angelo und lieferte fowohl in der Malerei, als in der Baukunſt, Werke von 

roßer Vortrefflichfeit. Vieles von feinen Arbeiten fieht man zu Florenz, in ver- 
hiedenen Städten von Toskana, zu Bologna, Venedig und Rom. Da er aber 
zu viel malte und große Arbeiten bei felerlichen Gelegenheiten auf fi nahm, fo 
zeigte er nicht nur zu große Flüchtigkeit des Pinſels, fondern er gewohnte fidy aud), 
Alles aus dem Kopfe zu malen, wobei er fich einer großen Anzahl Schüler be- 
diente, die nach feinen Zeichnungen und Cartons die Gemälde ausführen mußten. 
Es ging daher aus feiner Schule ein Gefchleht von Malern hervor, an dem 
man die Vorliebe für Michel Angelo und fonft Nichts wahrnimmt. Das aber, 
wodurch fih V. allgemeines und unfterblicye® Verdienſt um die Kunft erworben 
bat, find feine, mit den vortrefflichften Demerfungen über die Kunft bereicherten, 
Lebenebefchreibungen der Maler, Bildhauer und Architekten, von Eimabue bis auf 
feine Zeiten: „Vite de piü excellenti archtetti, pitt’ori e scultori italieni da 
Cimabue infno al 1550, Florenz 1550, 2 Bve., vermehrt bis zum Jahre 1567, 
ebend. 1563, 3 Bde., 4., mit Kupfern. Mit Bemerkungen von ©. Bottari, 
Rom 1760, 3 Bvde., 4.; von Tom. Gentili, Livorno u. Florenz 1767 — 1772, 
7 Bode. MUeberfegung von Schorn u. Hörfter, 5 Bde., Stuttgart 1832 bis 1847. 
V. ftarb 1774. Das Museum Florentinum hat im 1. Bande von den Malern 
Nachrichten von ihm und fein Bildniß. Bergl. Fiorillo, Gefchichte der zeichnen: 
den Künfte, 1. Bde., 392. ' 

Vasco de Gama, f. Gama. 

Vaſe (vom latein. vas), Im Allgemeinen jedes Gefäß; dann aber, in Be: 
ziehung auf die bildende Kunft, beſonders ein Pracht⸗, Schmud- und Ziergefäß 
und in einer noch engern Bedeutung gewiffe irvene Gefäße der Alten von einer 
feinen röthlichen Maffe oder (terra cotta) gebrannter Erde, mit rothen und gelben 
Siguren auf ſchwarzem Grunde, mit ſchönen Zeichnungen und Gruppen, fogar 
in Hautrelief, deren größter Theil in Sicilien, Griechenland und in Athen ge- 
funden {ft und die nur deshalb etrusfifhe genannt wurden, weil fie zuerſt von 
Gelehrten aus Toskana bekannt gemadt find. Cie dienten zur Verzierung 
bauptſaͤchlich der, zum Empfange der Gifte befimmten Zimmer, audy mögen 


Bater, 468 


nbere wohl einen kosmetiſchen Zwed gehabt haben. Die in den Gräbern ges 
umdenen V.n aber werben für, den Abgeſchiedenen mitgegebene, Geſchenke gehals 
ten. Ueber die Bebeutung der darauf befindlichen Gemälde fehlt noch eine ge⸗ 
nügende Gıflärung — Bei uns bebient man fidy der V.n als einer Verzierung 
u Auffägen auf Gebäude, Geländer, Monumente u. f. w., verfertigt fie aus 
labaſter, Murmor, Sanpflein u. vergl. und ftrebt, indem die griechifchn zum 
Borbilde genommen werden, bauptfächlich nach Schönheit der Form. Eines der 
aropartigfen Erzeugniffe der modernen Skulptur ift die Waterloo⸗V in der 
Rationalgalerie auf dem Trafalaarplage in London, an der einen Eeite Georg IV. 
auf dem Throne figend, vom Ruhme die Siegespalme empfangend, an der ans 
dern Seite Rapoleon darftellend, vom Pferde fleigend, Aus tosfanifchem Mar: 
mor vom Bildhauer Weſtmacott gearbeitet, hat fie eine Höhe von 16 Fuß und 
Im obern Durchmefier 9 — 10 Fuß. Das Bedeutendſte in Größe, Form und 
Trefflichkeit aus dem Altertbum aber ift Die fogenannte Warwick-V. im Beſitz 
bed Grafen Warwick in England, gefunden in der Villa Hadrian's zu Tivoli, tn 
ae weißem Marmor ausgeführt, fehr finnreich mit bacchifchen Masten ges 
Ihmüdt, von 6 Buß, 11 Zoll im Durchmefler und nad Dr. Wagner's Ber; 
muthung (Kunft und Künfller in England ll. 373), eine antife Eopie nach einem, 
wahrfcheinlicy fchon im Alterthum fehr berühmten, Krater in Bronze. 

Bater, Johann Severin, Orlentalift und Ereget des Alten Teftaments 
an der Univerfität Halle, geb. am 27. Mat 1771 zu Altenburg, wo fein Vater 
Hofabvofat und Eynvdifus war. Nach tüchtiger Vorbildung in den claffiichen, 
die in der hebräifchen Sprache, bezog er 1790 die Univerfität Iena und wid- 
mete fih unter Gnesbach, Döperlein und Paulus der Theologie. 1792 ging er 
rach Halle, um bei Auguft Wolf in der Philologie ſich mehr noch auszubilden, 
bei Niemayer hörte er Päpagogif u. ertheilte an der unteren Claſſe des Waifens 
yaufes den Religtonsunterricht ; Noffelt ließ ihn Theil nehmen an den Difputatorien 
ıu6 Dogmatik und Kirchengeichichte und leitete ihn an in der Kenntniß für 
'heologifche Bücherfunde. 1795 trat er als PBrivatdocent auf, nachdem er über 
Ariftoteled Rhetorik eine Abhandlung gefchrieben u. fich die philoſophiſche Doftor- 
würde erworben hatte. In Jena zum außerordentlichen Profeſſor ernannt, lehrte 
er hebräiſche Sprache, folgte aber bald 1800 nach Schulze’ Tode dem Rufe 
nach Halle als PBrofeffor der Theologie und morgenländifchen Sprachen, wo _er 
yucch Unterfuchungen über die mofaifchen Schriften und Kirchengefchichte fich 
rübmlichft befannt machte. Die Aufhebung der Univerfität Halle und das uns 
zlückliche Schidjal der Stadt 1806, bewog ihn 1809 als PBrofeffor der Theolo⸗ 
jie nach Königöberg fidy zu wenden. Da das Klima feiner Gefundheit nicht 
jufagte, ergriff er 1820 mit Freude die Gelegenheit, wieder nach Halle zurückzu⸗ 
ehren. Allein die angegriffene Geſundheit ließ fh, ungeachtet mehrmaliger Bades 
:eifen, nicht mehr dauernd herftellen, nad) langjährigem Siechthume ftarb er 
16. März 1826, 55 Jahre alt. Als gründlichen Forſcher in den morgenländifchen 
Sprachen bewährten ihn feine „hebrätfche Sprachlehre”, 1797; das „Handbuch 
yer hebräiſchen, fyrifchen, chalväifchen und arabifchen Grammatik”, 1801. Seine 
Sprachforſchungen führten ihn auf das Studium der allgemeinen Grammatik, 
6 deſſen Refultat erfchienen 1801 „Verſuch einer allgemeinen Spradhlehre” ; 
chon früher 1795 die Schrift über die Erfindung der allgemeinen Schriftfprache 
inter dem Titel „Paſitgraphie und Antipaſtgraphie“; bearbeitete fodann „Sylvest. 
le Sacy, ©rundfäge der allgemeinen Epradylehre”" 1804 und wurde Kortjeger 
on „Adelungs Mithridates“, 1809. Auch die neueren Sprachen zog er In das 
Bereich feiner Unterfuchungen, 1807 veröffentlichte er „Tabellen der deutſchen 
Spradye”, fchrieb 1807 feine Grammatik für yolnifche, 1808 für ruffifche 
Spradye und erhielt al8 Anerkennung hiefür 1813 den Wladimir Orden. Mit 
Bertuch verband. er ſich 1808 zur Herausgabe „Archiv für Erhnographie und 
Linguiſtik“. Im Sache der Theologie fichern ihm einen ehrenvollen Kamen: der 
‚Gommentar über den Pentateuch*, 1802 —5; die „Ueberfegung und Eitihrung, 


470 Baterlandsliebe — Baterfchaft, 


des Proph. Amos“ 1810 und die Schulausgabe ded Neuen Teflaments 1824. 
Für die Kirchengefchichte gab er 1810 und 1818 die Kortfegung von Henke's 
größerem und fleinerem Lehrbuche, bearbeitete fehr inſtruktiv angelegte „Innchros 
niftifche Tafeln der Kirchengefchichte” 1805 und verfuchte fich felbfiftändig in 
der neuern Kirchengefchichte unter dem Titel: „Allgemeine Gefchichte der chrift- 
lichen Kirche nach der Zeitfolge, felt dem Anfange der Reformation bis auf die 
neuefte Zeit." In Berbindung mit Tiedge, Schuderof, Veillodter gab er felt 
1819 jährli dad „Jahrbuch der häuslichen Andacht und Erhebung des Her: 
zens“ heraus u. machte behufs des Schulgebrauchs einen leichtfaßli Auszug 
aus den hiftorifchen Büchern des Alten Teſtamentes 1821. In Mitte der das 
maligen Parteien der Rationaliften und Eupranaturaliften fuchte er eine vers 
mittelnde Stellung einzunehmen, fand aber gerade hier wenig Anerkennung , fo, 
daß das Sendfchreiben an Planf, über den hiftortfchen Beweis für die „Goͤttlich⸗ 
feit des Chriſtenihumes“ 1822, den beabfihtigten Zmed_nicht erreichte. Außer 
den bereit namhaft gemachten Schriften verdient noch Erwähnung: „Literatur 
der Grammatifen, Lerifa u. Wörterfammlungen aller Sprachen“ 1815. „Proben 
deutfcher Vollsmundarten“ 1816. „Analekte der Eprachfunde”“ 1820 — 21. 
„Anbau der neueften SKirchengefchichte", 1820 — 22. „Bergleichungstafeln ver 
europäiſchen Stammfpradyen und Süd: Weft-Aftat. Sprachen“. Mehre Auffäpe: 
in Staudlin's Archiv der Kirchengefchichte, Journal für Prediger, Fundgruben 
ded Drients u. f. w. Cm. 

Vaterlandsliebe, ſ. Patriotiomus. 

Vatermord (parricidium in der engſten Bedeutung), iſt die ſtrafbarſte Art 
des Verwandtenmordes und wird auch nach den Grundſätzen des letztern, 
unter Berüdfichtigung des Unterſchiedes von Mord und Todtſchlag und der bes 
fonderd großen Unmoralität des Kindes, das feinen Vater abſichtlich tödten 
fann, beftraft. -Im Mittelalter wurden Batermörder gelädt, audy ihnen die 
Hand abgebauen und in Frankreich noch jegt mit einem ſchwarzen Schleier ver: 
hüllt zum Richtplatz geführt. 

Baterfchaft heist das Berhältniß des Baterd zu feinem SKinde. Die 2. 
fann eine eheliche oder außereheliche ſeyn. Im erftern Falle hat die rechiliche 
Bermuthuna: Pater est, quem justae demonstrant nuptiae, ein ſolches Gewicht, daß 
die V. rüdjichtlich eines ın der Ehe erzeugten Kindes felbft dann noch als un: 
bezweifelt angenommen wird, wenn die, als eine ausfchmweifende Perfon befannte, 
Mutter auch unter den Geburtsfchmerzen behaupten follte, das Kind ſei nicht 
von ihrem Ehemanne, fondern tm Chebruche erzeugt u. wenn nicht durdy andere 
Beweismittel erwirfen tft, daß der Ehemann in der Zeit, wo das Kind erzeugt 
wurde, mit feiner Frau den Beifchlaf nicht gepflogen hat. Durch dargethane 
penfiiche Unmöglichkeit wird jene Vermuthung aufgehoben, auf welche übrigens 
ber Vater ſich nicht blos für fich berufen Fan, fondern welche er audy gegen 
fi) gelien laffen muß. Um bei der Ungewißheit, die häufig rüdfichtlidy der phy⸗ 
ſiſchen Möglichkeit oder Immöglichkeit der V. flattfinder, wenigftend in den 
meiften Fällen, einen fichern Anhalt zu geben, verordnen die Gefehe, daß ge: 
date Vermuthung eintritt, fo oft ein Kind nicht vor dem 182. Tage nad) ein» 
gegangener u. nicht nady dem 10. Monate nach aufgehobener Ehe geboren wird. 
‘Dec wird felbft in dieſen Fällen das Kind zum ehelichen, wenn der Vater e6 
freimillig anerfennt. Nur dann tritt die Vermuthung nicht ein, wenn durch 
Kunftverftändige (Aerzte, Hebammen ıc.) nachgewiefen wird, daß das Kind nad) 
feiner förperlichen Beichaffenheit entweder länger als 181 Tage, oder kürzer als dieſe 
Friſt, oder 10 Monate im Mutterleibe getragen worden ift. Wird gegen den Vater 
die B. erwiefen, fo wird das Kind nicht blos als legitimirt, fondeın als ehelich ange- 
feben. Die unehelihe V. wird vermutbet, wenn der Beiſchlaf bewiefen ift 
und zur Führung dieſes Beweiſes wird der Mutter der Erfüllungseid leicht nad): 
gelaflen, wenn Bermuthungen zu ihren Gunften vorhanden find, wie z. ®. ein 
ſonſt ſittlicher Lebenswandel ihrerfeits und ein unſitilicher des Vaters ıc Die 


Batican — Bauckufe, 41 


außerceheliche B. zieht die Verbindlichkeit zur Alimentation des Kindes nach fidh. 
Davon wird der Bater nicht frei, wenn audy der Beiſchlaf mit mehren Anderen 
zu gleicher. Zeit flattgefunden hat, wenn nicht, daß er nicht Vater ſcyn könne, 
na geroiclen wird. Rad) mehren Landesgefepen bleibt ihm nur der Regreß gegen 
die Mitfchwängerer auf Beitrag. Nady Narılkular-, befonder® aber nady aus 
Berdeutfchen, 3. B. nach franzöfifchen Rechten findet der Erweis ver V. 
gegen den unehelichen Bater und die Klage gegen ihn nicht ftatt. 

Batican, f. Rom. | 

Bauban, Sebaftian le Prötre de, franzöftfcher Marfchall und bes 
rühmter Sagenleut, geboren zu St. Leger de Foucheret den 12. Mai 1633, nahm 
in feinem 17. Jahre Kriegspienfte unter dem Prinzen Bonds bei der fpanifiben 
Armee gegen Frankreich, fam aber, da er gefongen wurde, in frangöftiche Dienfte 
und führte den Oberbefehl 1658 bei den Belagerungen von Grävelingen, Ypern 
und Dudenarde. Nach dem pyrendifchen Frieden war fein Hauptitubium auf 
Schleifung oder Eroberuug von Fiſtungowerken gerichtet und fo wurde er audy - 
in der Folge zur eetung der wichtigften Belagerungen zugezogen: bei Muftricht, 
bei Balenctennes, bei Cambrai ıc. Nach dem Nimmweger Frieden legte er den 
berühmten Hafen zu Dünlirhen an, nahm, da der Krieg 1683 wieder audges 
brodyen war, Luremburg ein und befeftigte durch vielfache Eroberungen feinen 
Ruhm immer noch mehr. 1703 erhielt er ven Marfchallftab von Frankreich, 
farb aber den 30. März 1707 au Paris, nachdem er felbft von der Akademie 
der Wiſſenſchaften 1699 als Mitglied war aufgenommen worden. 53 Belagers 
ungen batte er feibft geleitet, 33 neue Feſtungen angelegt und gegen 300 alte 
fehr gut wieder hergeftellt. — In feinem Aeußern zwar fein — war er 
doch ſehr menſchenfreundlich und für das Wohl des Vaterlandes und feiner 
Bürger eifrig bedacht. Nach ihm nennt fi) die Bauban’fhe Manier zu 
fortificren. In der Invalidenkirche zu Paris ift je ein ſchͤnes Monument 
von Napoleon errichtet worden. V. felbf hinterließ nur Hundfchrifien ferner 
Weike, die indeffen veröffentlicht wurben in den „Oeuvres militaires‘“ von Foiflac 
(Paris 1793), dann in dem „Traitö de, l’attaque des places“ von Augoyat 
(Paris 1829) u. in dem „Traitö de la defense‘, nach einer von dem Maryal 
ſelbſt durdhgefehenen Handfchrift, mit einer Worrede des Generald Balazs (Paris 
1829), fowie in mehren anderen Werken niedergelegt. Die unter feiner Leitung 
verfertigten Modelle der franzöflichen Feſtungen wurden von den Verbündeten 
1815 mit fortgenommen und befinden fi) zum Theil in Berlin. 

Baucanfon, Jacques de, berühmter Mechaniker, geboren den 24. Februar 
1709 zu ®renoble aus einer adeligen Familie, zeigte von Kindheit auf große 
Regung und Geichidlichkeit für die Mechanik. Er brachte einen Theil —* 
Jugend in Lyon zu u. kam fpäter nach Paris, wo er ſich mit großem Eifer dem 
wiffenfchaf hen Studium der Mechanik widmete. Vorzugsweiſe zeichnete er fich 
aus durch die Eıfindung und Ausführung von Automaten: fo ftellte er einen 
Prieſter her, der die Meſſe zu lefen ſchien; — Enten, die Nahrung zu fih nah» 
men und verdauten; — einen Sıötenfpteler, der das Spiel eined damals berühm- 
ten Künftlerd nachahmte 20. Wichtiger waren feine Leiftungen für die Förderung 
der tnduftriellen Künfte, die er namentlich bethätigte, als er der Inſpektion ver 
Seidenmanufafturen in Lyon beigegeben ward. Auch hier fertigte er Automaten: 
fo einen Eſel, der eine Art geblümten Zeuges fertigte, dad damals in der Diode 
war und von den Arbeitern nur zu übertriebenen Preifen gefertigt werben 
wollte. — Er ftarb den 21. November 1782. — Ein Theil der von ihm 
erfundenen Mafchinen befindet fid) im Conservatoire des arts et metiers zu 

is. E. Buchner. 

Vaucluſe (lat. Vallis clausa), ein Departement im ſüdöſtlichen Frankreich, 
mit 642 [J Meilen und 254,000 Einwohnern, tft im Oſten durdy Zweige der 
Alpen gebirgig und in den Thälern außerordentlich fruchtbar. Getreide, Wein, 
DR und Gemüfe, Seide, Del, Safran, Krapp, Honig werden usgelüitt Tr 


472 Vaudeville — Vauquelin. 


Induſtrie arbeitet leinene, wollene, ſeidene Gewebe. Auch Eiſengießereien beſtehen. 
Es zerfällt in die Bezirke Avignon, Apt, Carpentras, Orange. Hauptſtadt iſt 
Avignon. Den Namen bat ed von der Quelle V., die den Fluß Sorgues bildet. 
Sie entipringt in der Tiefe einer Höhle und drängt fid) durch eine überaus ro⸗ 
in Belfenpartie Petrarca (f. d.), der hier verweilte, hat fie hoch 
gejetert. 

Vaudeville, früher Vau de Vire genannt, vom Thale Tire in der Ror- 
mandie, wo heitere und boshafte Gefänge vor einigen Jahıhumderten häufig ver: 
fertigt wurden und in Umlauf waren, bieß früher ein heiterer epigrammatifcyer 
Gejang nach einer befannten Melodie, defien Gegenftand gewöhnlidy eine komiſche 
oder lächerlicdye Tagesbegebenheit if. Es befteht aus mehren Stropben und der 
Hauptgevanfe muß am Ende einer jeden derſelben mit paflender Veränderung 
wiederholt werden. Seht bedeutet jedoch, dem Dictionnaire de l’academie zufolge, 
V. ein Lied, welches durch die Stabt geht (qui court par la ville), ein Volls⸗ 
lied, dann auch ein Lieverjpiel für dad Theater, worin eine Tageobegebenheit fo: 
mifch oder urifeh, bebande! wird, und deflen Erfinder le Sage in Paris um 
1790 feyn fol. Vgl. den Art. Liederfpiel. 

Vaudoncourt, Guillaume de, geboren zu Wien 1772 und in Berlin ers 
zogen, bildete ſich fett 1786 militärtfch in Brankreih aus, wo er 1791 in das 
Heer trat, befonderd ruhmvoll in Italien tämpfte und 180f an die Spige der 
Artılferte der italienifchen Republif geftellt wurde. Im 3. 1807 organıfirte er 
die Truppen Ali Paſcha's in Epirus, befehligte 1809 in Tirol, wurde in Wilna 
1812 gefangen und war mährend der 100 Jahre Infpektor der NRationalgarde 
zu Me. Verbannt, lebte er einige Zeit in München, fland 1801 an der Spige 
der conflitutionellen Armee in Piemont, flüchtete nad) Spanien und fah Frank⸗ 
reich erft 1825 wieder. Seine Werke über die Feldzüge Hannibald in Stalten, 
(3 Bde. 1812), tn Rußland 1812 (1815), in Stalien von 1803-4 (1817), in 
Deutichland 1813 (1819), in Franfreih 1814— 1815 (5 Bände 1826), find 
fenntnißreih, wenn auch unkritiſch. Intereſſint find feine „Quinze ans d'un 
proserit“ (5 Bände, Paris 1835). 

Bauquelin, Louis Nicolas, Chemiker, geboren ven 16. Mat 1763 au 
Saint Andıe ded Berteaur in der Nähe von Pont UEreque im Departement 
Calvados, befuchte die Schule feiner Heimarh und fam dann nad Rouen zu 
einem Apotheker ald Ausläufer. Hier trieb er heimlicdyer Weife nebenbei das 
Studium der Chemie, ward aber von feinem Dienftherrn überraicht und verlor 
feinen Bla; er wendete fi) nun nady Paris, aubeitete bier nacheinander bei 
zwei Apothefern, wurde aber franf und fand, ald er ganz entfräftet aus dem 
Epital entlafjen ward, lange keine Befchäftigung, bis ſich der Apotheker Ehera- 
dame feiner erbarmte und ihn aufnahm. Bald entdedte diefer den Eıfer V.s für 
pie Ehemie und empfahl ıhn an feinen Verwandten Kourcroy (f. d.). Bon 
diefem erhielt nun V. Anleitung zum wiſſenſchaftlichen Studium der &hemie und 
Pharmacie; er wurde 1783 deſſen Gehülfe und erwarb fich in vollem Waage die 
Freundſchaft deffelben. 1791 wurde er Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaf⸗ 
ten; 1793, bei Aufhebung derfelben, ging er ald Oberapotheker an das Militär— 
hoipital nach Melun, wurde aber fchon ım folgenden Jahre nach Paris zurüdges 
rufen als Infpeltor des Bergbaues, ın welcher Eigenfchaft er an der Bergafademie 
Borlefungen über Probierfunft gab. Er wurde nun ſchnell nady einander Adjunkt 
der Akademie an der polytechniichen Schule, Mitglied des neu geftifieten Ration— 
alinftıruts, :Brofeffor der Chemie am College de France, Direktor der neu er= 
richteten Edyule der Pharmacie, Profeſſor der Chemie am botantfchen Garten 
und 1811, nad) Fourcroy's Tode, Profeſſor der Chemie an der mediziniſchen Fa—⸗ 
cultät. Aber ſchon 1822 verlor er diefe Profeſſur wieder und zog ſich nun ins 
Brivatleben in feine Heimath zurüd. Er nahm die Etelle eincd Deputirten feines 
heimathlicdyen Departements an, ftarb aber am 14. Nov. 1830. — V. bat ſich 
zunächſt durch die Entdeckung des Chroms (f.d.) 1797 berühmt gemadt. Er 


Vauxhall — Vega. 413 


t zahlreiche Abhandlungen, zum Theil mit Koureroy gemeinfchaftlich verfaßt, 
tterlafien; als ein felbfiftändiges Werk fchrieb er: „Manuel de l’essayeur“, 
wis 1812. E. Buchner. 

Baurhall, Name eines fchönen Dorfes an der Themfe bei London, einer 
r berühmteften Bergnügungeötter der Bewohner dieſer Weliſtadt. In einem aͤußerſt 
izenden Garten, der aber in der neueſten Zeit eingegangen iſt, verfammelten ſich 
aft bier vide taufend Menſchen; die Bogens und Spaziergänge, die flarf und 
achtvoll erleuchtet waren ; die Boncertd, tie in einem prächtig dazu eingerichteten 
:mpel gegeben wurden; Pyramiden, Rotunden, optifche Schaufpiele und Feuers 
rfe, die mit einander abwechfelten; dann die Erfrifchungen. u. Mahlzeiten, die 
c zu haben find, haben für jeden Kintretenden das Leberrafchenpfte, wad man 
dieſer Act nur finden kann. Jetzt ift das Dorf B. völlig mit London zufam- 
„ahnen und felbft fein früherer Name in dem des Stadttheils Lambeth 
gegangen. 

Deda, heißen im Allgemeinen die älteften und heiligften Schriften der indi⸗ 
ven oder Sandkritliteratur, die den Indiern ald Duelle nicht nur ihrer religtöfen 
nntnifle,- jondern überhaupt alles höhern Willen gelten. Es gibt ihrer im 
anzen vier; ihr Inhalt ſoll ven Menfchen unmittelbar von der Gottheit geoffenbart 
orden feyn. Derfelbe befteht aus Gebeten, Hymmen und Anrufungen der Götter 
ıd trägt noch ganz den Eharalter der einfachen, vom Bößendienft freien, Religion 
8 indiſchen Volkes an fi. Vgl. die Artikel: Indiſche Literatur, Snditche 
eligion und Sanskrit. 

Bedette, heißt beim Militär eine Schilvwache, die in Lagern und überhaupt 
| Beide an die entfernten Orte ausgeſtellt wird, um die Annäherung des Feindes ıc. 
zleich anzuzeigen. 

Beduta (Gefichtepunft), Inder zeichnenden Kunft (f.d.) f.v. a. Au 
bt, Proſpekt; in der Landfchaftsmalerei Die Darftellung wirklicher Gegenden, 
| Gegenfage der Phantaſie⸗Landſchaften. In dieſer Gattung ſcheint dad Nützlichkeits⸗ 
inzıp vorzuberrichen. B.en finden nämlich immer Ltebhaber, weniger die Lands 
yapıen. Jene find angenehme Erinnerungen für die, welche die bargeftellten 
egenden Tennen und für Andere eine YAufmunterung, folcye kennen zu lernen. 
er Kunftwerth kommt dabei nicht überall in Beiracht. Die Alteren Maler bes 
ten ſich felten damit. 

Bega. 1) Garcias Lafo oder Garcilaſo de, ein berühmter fpantfcher 
ichter, 1500 oder 1503 zu Toledo aus adelichem Gefcdylechte geboren, wurde 
it Kaifer Karl V. erzogen, begleitete denfelben in Deutfchland, Afıila und der 
tovence, commandirte auf dem letztern Zuge ein Bataillon und ftarb 1536 an 
inen Wunden. Im Geifte der Alten und nach italieniſchen Muftern gebilvet, 
ng er Lieder, die fid) durch Zartheit, Innigkeit und Sanftheit des Gefühle 
ıözeichnen. Sein Ausprud hat Zierlichkeit, Reinigkeit, Leichtigkeit und Har⸗ 
onie. Am fdhönften find feine Tercetas oder Strophen von drei Verfen. eine 
:onette find ganz Petrarchiſch, in der Efloge firebt er dem Sannazar nad) und 
yertrifft irn fegar. Die beite Ausgabe jeiner „Obras“ beforgte Azara, Madrid 
‘65, 1738 und 1817; eine niebliche Ausgabe erichien zu Paris 1828. — 
V. Carpio Lopez Belir de, einer der ausgezeichnetften Dichter Spanien®, 
:boren zu Madrid 1562, ftammte aus einem alien ſpaniſchen Adelögeichlechte. 
es Lernen war dem talentvollen Knaben ein Epiel und als er, zum Juͤnglinge 
rangereift, in Aicala de Henares Philoſophie fludirte, zeichnete er fidy vor allen 
inen Mitſchülern au. Er wurde nachher Eefretär bei dem Biſchofe von Avila, 
ınn bei dem Grafen von Lemos und ging in derfelben Eigenfchaft in die Dienfte 
es Herzogs Alba. Epäter diente er auf der Flotte Philipps IL, wurde wieder 
sefrutär und trat nad) dem Tode feiner zweiten Gemahlin, zwifchen feinem 40. 
nd 50. Letensjahre, in den geiftiichen Stand ein und zwar in den Orden des 
I. Dominifus (Franc’scus?), erhielt reiche Pfründen und genoß als dramatifcher 
Dichter eines fo großen Ruhmes, daß man ihn zu Madrid allen Aremüen wir, 


474 Vega. 


ein Wunder zeigte u. das Sprüchwort entſtand, Es de Lope“ (es iſt von Lopez), womit 
man vorzugliche ſchriftſtelleriſche Arbeiten bezeichnete. Im Genuſſe einer fo großen 
Berehrung ftarb V. den 25. Auguſt 1635. Er war ein Dichter, der der Kunfl 
wenig, der Ratur Alles verbanfte und durch Fruchtbarkeit feines Talentes faft 
alle Dichter früherer oder fpäterer Zeiten übertraf, fo daß feine übergroße Produk⸗ 
tivität fprüdmwörtlich geworden if. Kaum fünf Jahre alt, machte er ſchon Berfe, 
pie ihm andere Knaben auffchrieben und im 11. Jahre verfaßte er Komodien. 
Die beften Verfe fchrieb er fchneller, als Profa; nie fah er noch einmal Etwas 
durch, ftridh nie Etwas aus und feine dramatifchen Werke wurden ihm von den 
Schaufptelern noch naß aus den Händen geriffen. Diefe Leichtigkeit im Schreiben 
ift Urfache, daß die Werfe B.8 zuweilen dad Gepräge der Rachläffigfeit und Un⸗ 
vollendheit an fidy tragen, übrigens zeugen fie von der reihen Erfindungsgabe und 
Menſchenkenntniß ihres Verfaſſers, von beffen tiefer und inniger Religiofität und feiner 
feltenen Kunft, Charaftere und Sitten feiner Zeit zu zeichnen. Außer dem Drama 
verfuchte ſich V. audy in allen anderen Gattungen der Dichifunft, am glüdlichften 
im Schäfergedichte. Er hat 1800 Luft» und Trauerfpiele und 400 Autos sacre- 
mentales gejchrieben, die alle auf die Bühne gebracht worden find. Nach feiner 
eigenen Angabe, deren Wahrheit man nicht zu besweifeln braucht, kommen auf 
jeden Tag feines Lebens fünf Bogen und nach diefem Verhältnig muß er 133,225 
Bogen und, nady Abzug feiner wenigen profaljchen Werke, 21,316,000 Berfe ges 
fhrieben haben. C. Pf. — 3) B., Georg Freiherr von, geboren 1754 zu 
Sagoriga in Krain von unbemtttelten Eltern, ftudirte mit fremder Unterftüßung 
an dem Lyceum zu Laibach, wo er bald die ausgezeichnetften Talente entwidelte. 
Nach vollndeten philofophifchen Studien erhielt er Die Stelle eines k. k. Navis 
gatiens⸗Ingenieurs, trat aber bald zur Artillerie über, wo er feine großen mathes 
matijchen Kenntniffe vollends ausbildete. 1783 trat er zuerft ald Schriftſteller 
auf und erregte durch ‚feine gediegenen „Mathematiſchen Borlefungen”, worin er 
zuerft die Lehre von der Analyfe entwidelte, großes Auffchen. 1784 wurde er 
zum Unterlteutenant und Lehrer der Marhematif im zweiten Feldartilleries Regis 
mente ernannt. Er machte hierauf den Türfenfrieg und die erften franzöſiſchen 
Feldzüge mit Auszeichnung mit, erhielt den Maria -Thereften»Orden und mar 
bereitd 1800 zu dem Range eines Oberftlieutenantd geftiegen. Schon bei ber 
Errichtung des Bembardiercorps hatte er die, damals geftiftete, Stelle eines Pro⸗ 
feſſors der Diathematif bei demfelben erhalten, welche er mehre Jahre mit großem 
Erfolge bekleidete. In Anerkennung feiner ausgezeichneten Kınntnifle und feiner 
Verdienſte um die mathematifchen Wiffenfchaften, wurde er von den gelchrten 
Geſellſchaften zu Prag, Berlin, Erfurt, Göttingen, auch von den Landſtänden in 
Steyermark zum Mitgliede aufgenommen. Gr verunglüdte den 26. Sept. 1802 
in der Donau; fpäteren Erhebungen zufolge fol er von einem Müller ermordet 
u. dann in jenen Fiuß geworfen worden feyn. — Seine gediegenen Echriften, noch 
größtentheild als Lehrbücher in Anwendung, find: Vorlefungen über Mathematik, 
4 Bde., Wien 1782 — 1790, (von jedem Bande erfchtenen mehre Auflagen und 
zwar vom 1. Band 1837 die 6., vom 2. 1847 die 8., vom 3. 1839 die 5. u. von 
dem 4. 1819 die 2.; dieſes Merk gilt noch faft allgemein als Lehrbuch, zu wel: 
chem es fich durch die verftändliche Echreibart und ſyſtematiſche Ordnung voll: 
fommen eignet. „Rogarithmifch=trigonometrifche Tafeln und Formeln“, Wien 
1783; 2. Aufl, 2 Bve., Leipzig 1797; 3. Aufl., ebd. 1814; Neue, völlig umge⸗ 
arbeitete Aufl, von Hülße, ebend. 1840. Es iſt dieß eines feiner berühmteften 
Werke, welches an Korrektheit alle gleichzeitigen derartigen Tabellenwerfe über: 
trifft. Um für gemöhnlichere Rechnungen die kleinen Vlacq'ſchen und Wolf ſchen 
Tafeln entbehrlicdy zu machen, deren Bebler vicle Srrungen veranlaßten, gab V. fein 
„Logartıhmifch = trigongmeitifches Handbuch“, Leipzig 17945 30. Aufl., von Hülfe, 
1848 heraus. Das größte Verdient um die Mathematik erwarb er fidy durch 
die Herauögabe deö „Thesaurus logariihmorum completus“, Leipzig 1794, Fol. 
Die Ehronologie verdankt ıhm die Herausgabe der faßlich u, gründlich gejchtich- 


Begetabilien— Behmgericht. 475 


| 
enen „Anleitung zur Zeitkunde“, Wien 1801, die er mit vielen Anmerkungen be 
reicherte. Auch bat er ſich um die Bergleichung der Maße und Gewichte in den 
verſchiedenen Ländern Curopa's verdient gemacht durch fein „Natürliches Maß, 
Münz⸗ und Gewichtſyſtem“, herausgegeben von Kreil, Wien 1803. 

Begetabilien beißen die Bflanzen cf. d.), denen befanntlidh die willfürs 
liche Bewegung der Thiere fehlt, die ihre Nahrung durdy Wurzeln aus der Erde 
und durch Blätter in der Aimofphäre einfaugen und ein eigened Raturreich, da6 
vegetabilifche, Bflanzen» oder Gemwächsreich, ausmachen. Das Vermögen zu 
empfinden und die Neizbarfeit mit Bewußtſeyn kann, ohne eine Hyvotheſe anzu⸗ 
nehmen, ihnen wohl nicht beigelegt werben; aber daß fie eine beſondere Reigbars 
feit mit Bewußtſeyn beftgen, iſt ihnen nicht abzufprechen. — Begetabtlifch, 
Alles, was aus “Pflanzen bereitet wird, 3. B. vegetabilifche Koft, wenn man 
blos von Brod und Zugemüfen lebt; vegetabilifche Säuren, die aus Materien 
gezogen werden, welche aus dem Pflanzenreiche abftammen. 

Begetius, 1) Flavius Renatus, ein römiicher Schriftfieller, der im 4. 
Sabrhunderte zu Rom oder Konftantinopel lebte und vielleicht ein Chriſt war, 
ſchrieb acht Bücher vom Kriegemeien, aus früheren militärifchen E chriftftellern 
gefammelt. Auch benügte er dabei die Verorpnungen verfchiedener Kaifer. Aus⸗ 
naben: von ©. Stewechlus u. P. Ecriver, Antwerpen 1607; von N. Schwebel, 
Nürnberg 1767; Zmeibiüden 1806; deutſch von R. Meinefe, Halle 1799 und 
Lipowölt, Sulzbach 1827. Comment. sur les institut. militaires de V&gece par 
le Comte Turpin de Criss6, 2. edit., Barts 1783, 2 Be. B. iſt au, nebfl 
Frontinus und anderen Schrififtellern über die Kriegskunſt, unter der Auffchrift: 
Veteres de re militari scriptores, Wefel 1670, abgedruckt. — 2) V. Bubltug, 
der angebliche Berfafler eines, wahricheiniih im 12. oder 13. Jahrhundert uns 
ter dem Titel: „Ars veterinaria sive Mulomedica“ zu Stande gefommenen, Mach⸗ 
werfes über die Thierarzneitunde in 6 Büchern, wovon die brauchburite Bears 
beitung von Schneider in Band IV. der Scriptores rei rusticae, Leipzig 1799, 


en. 

Behmgericht oder Kehmgericht, (abgeleitet von dem Altbeutfchen Vahm, 
das Dberfte), alfo foriel als: oberfted Gericht, Biutgericht, hieß im Arfang jedes 
hohe Eriminalgericht ohne Unterſchied; dann aber beſonders die, im Mittelalter 
üblichen, heiml ichen over Stillgericdhte (judicia secreta) auch weftphälifche 
Gerichte genannt, eine der auffallenpften und eigenthümlichſten Erſcheinungen des 
Mittelalter. Diefelben leiteten ibren Urfprung von Karl dem Großen ber, ver fie 
begründet haben follte, um den Rüdfall der gewaltfam zum Chriſtenthum befehrten 
Sachſen zu überwachen. Wahrfcheinlicyer aber find fie ein Ueberreft der freien ger: 
maniſchen Gerichte, die fidy unter günftigen Umftänden in Weftphaten erhielten, als 
bei der Auflöfung der Gauverfaſſung Deutſchland in eine Menge felbfiftändig 
regterier Linder zerfiel. Größere Bereutung erlangten diefeiben zunächſt nady der 
Aechtung Heinrich des Löwen (ſ. d) im Jahre 1179, von deflen Ländern 
der Erzbifhof von Köln Engeın und Weftphalen erhielt, daher auch die Sage 
den Erzbiſchof Engelbert von Köln (f. d.), 1215— 1225, zum erften Frei⸗ 
grafen macht. Leicht wurde es ihnen in der allgemeinen Berwirrung, welche 
nachmals in Deutfchland heirfchte, fi) ein furchibares Anfeben zu verfchaffen, 
zumal, da die deutschen Kaiſer felbft ficy ihrer gegen mächtige Große bevienten. Joren 
Gulminationspunft erreichten fie im 14. und 15. Jahrhunderte, wo fie ſich über 

anz Deutfchland audzubreiten anfingen. So wohlıhätig fle indeß audy in viclen 
Fällen wirfen mochten, fo fonnte es doch nicht fehlen, daß ſie fehr bald aus- 
arteten und häufig dem Eigennute und der Bosheit zum Dedmantel dienten. Es 
war daher fein Wunder, daß viele Stimmen fidy gegen fie erhoben und daß 1461 
mehre deutfche Yürften und Städte, denen auch die ſchweizeriſche Eidgenoffenfchaft 
beitrat, unter fich Vereine errichteten, um Jeden bei ſich Recht finden zu laffen 
und zu verhindern, daß foldye8 bei dem heimlichen Gerichte gejudyt werde. Auch 
wurden von mehren Ständen des Reich befondere Falferlihe Schugbriefe gegen 


r Behmgericht. 


die Anmaſſungen der Freigerichte verlangt, Die Kaiſer ließen es indeß bei frucht⸗ 
loſen Verſuchen bewenden, Verbeſſerungen in der Verfaſſung der heimlichen Ge⸗ 
richte einzuführen, da dieſe kuͤhn genug waren, ſich den Kaiſern zu widerſehen 
und Kaifer Friedrich IL fogar vorzuladen. Ihre Wirkfamteit börte erfi auf, als 
in Deurfchland der allgemeine Lanpfriede errichtet, eine verbefierte Gerichtsform 
und die peinliche Buiegeriähtöorbnung eingeführt worden waren. Das legte V. 
wurbe 1568 bei gehalten. Doch, noch bis zu Ende des 18. Jahrhunderts 
follen in milderer Form in Weftphalen Freigerichte gehalten worden feyn. Außer⸗ 
path Weitphalen vermochten fie, aller Berfuche nase feinen Beftland und 
ein Anfehen zu gewinnen; auf die „Rothe Erbe“, d. h. Weftphalen, wie dieſes 
vielleicht des rorhen Ziegelbodens wegen genannt wurde, waren fie auch durch 
die Eaiferlichen Privilegien, auf die fle ihre Wirkfamfeit ftübten, befchräntt. Die 
Glieder der Behm hießen Wiſſende, d. 5. Gingeweihte; fie mußten ehelich erzeugt 
feyn, Ehriften feyn, ein untadelhaftes ‚Leben führen und durdy einen Eid geloben: 
„Die heilige Behm halten zu helfen und verfechten vor Weib und Kınd, vor 
Vater und Mutter, vor Echwefer und Bruder, vor Feuer und Wind, vor Allem, 
was die Sonne befcheint, der Regen benept, vor Allem, was zwiſchen Himmel 
und Erde if.” Urfprünglich ſollten Sbiffende nur auf der rothen e aufge 
nommen werben u. bafelbfi milt unbeweglichen Gütern angefeflen en; fpäter 
wurden auch Fremde aufgenommen, Aus den Wiflenden wurden die Freifchöffen, 
die Beifiger des Preigerichts und die Urtelvoliftreder gewählt; ven Borfik in 
dem Freigerichte führte der Freigraf; die Aufficht über ſämmtliche Gerichte hatte 
als Stuhiberr der Landeöherr, alfo in Weſtphalen der Etzbiſchof von Köln; die 
oberfte Aufficht aber, als oberftem Stuhlherrn ftand dem Kaifer zu, der gewöhnlich 
bei feiner Krönung in Aachen zum Wiflenden aufgenommen wurde. Das Gericht 
eines Freigrafen hieß Freiding und der Drt, wo das Gericht feine Siyumgm 
bielt, Freiſtuhl. Einer der berühmteflen Freiftühle war zu Dortmund. Später, 
al8 die B.e über gen Deutichland ihre Wirkſamkeit zu erſtrecken anfingen u. bie 
Kreigrafen Fretfchöffen aller Orten ernannten, entftand der Unterſchied zwiſchen 
Wiffenden, wie fi) nun die Schöffen nannten, und Richtwiffenden. Die Frei⸗ 
gerichte waren entweder öffentliche, oder heimliche; jene, die bei rechter Tageszeit 
und fcheinender Sonne und unter freiem Himmel gehalten oder gehe t wurden, 
urtheilten in bürgerlichen Streitigkeiten; vor letzteres oder das he liche Bericht 
wurden diejenigen geladen, bie fidy in dem öffentlichen Gerichte nicht genügend 
hatten vertheidigen können, ſowie alle, wegen Ketzerei, Zauberei, Nothzucht, Dieb- 
ftahl, Raub und Mord Angeklagte. Die Anklage geſchah durch einen Freifchöffen, 
ber durch einen Eid erhärtete, daß der Angeklagte wirklich bad Verbrechen be- 
gangen habe, defien er angeichuldigt werde. Nichtwiffende wurden binnen ſechs 
Wochen und drei Tagen, Wiſſende binnen einer dreifachen Frift vorgeladen. Die 
Ladung beforgte ein Wiſſender, der fie unter fombolifchen Zeichen an der Thüre 
des Vorgeladenen anheftete, welchen num an beflimmten Nächten und an bes 
ſtimmten Drten Wiffende erwarteten, um ihn zum Gerichte zu führen. Hier 
konnte fich der Angeklagte durch einen Eid reinigen, der Anfläger dieſem einen 
Eid mit Eideshelfern entgegenftellen. Leiſtete hierauf der Angeklagte den Eid mit 
ſechs Eideshelfern, fo konnte der Ankläger denjelben durch einen Eid mit vierzehn 
Eideshelfern enıkräften; erft auf den eidlichen Eid mit 21 Eideshelfern mußte 
nothwendig die Kreifprechung erfolgen. Der Ueberwiefene, fowie die, welche der 
Ladung nicht folgten, wurden vervehmt, d. h. allen Wiſſenden preiögegeben, bie 
nun verpflichtet waren, den VBervehmten, wo fie ihn trafen, an einen Baum aufs 
zuhängen, oder, wenn er fidy zur Wehre ſtellte, fonft zu töbten. Zum Zeichen, 
daß an dem Gerödteten dad Uriheil der Vehme vollzogen worden ſei, wurde ein 
Dolch neben feinen Leichnam gelegt. ©eiftlihe, Reichsunmittelbare, Juden und 
Weiber wurden nicht vor die Vehne geladen. Vgl. Wigand „Das Behmgericht 
Weftphalens”, Hannover 1825 und Ujener, „Die Frei- und heimlichen Berichte 
Weſtphalens“, Frankfurt 1832. 





Veilchen — Bell, arı 


Veilchen (viola), ein befannt-8 Pflanzengefchlecht, deſſen Blumen fünf, an 
ftalt und Größe verfchiedene Bıätter, einen fünfblattigen Kelch, fünf kurze 
taubfäben und einen, über die Staubbeutel hervorragenden, Griffel mit einem 
tefen Staubwege haben. Borzugsweife dad V. von blauer Farbe, Maͤrz⸗V. 
iola odorata), im erften Fruͤhjahre blühend, mit dem lieblichften Gerudye, be⸗ 
nderd vor der warmen Morgenfonne, wird in Blüthen und Biättern als Apo⸗ 
kerpflange geſchätzt u. gedeiht auch in fehr Falten Klimaten. Auch die gefüllten 
. haben viele Liebhaber, erfcheinen jedoch etwas fpäter. Auch das weiße V. iſt 
te beltebte Blume. 

Beit, Philipp, ein berühmter Maler, Sohn eines israelitiſchen Banquiere 
Berlin, wo er 1793 geb. warb, ftubirte bis 1811 in Dreöven, fpäter in Wien 
machte 1815 den deuiſchen Freiheitskrieg als Sreiwilliger mit. Hierauf begab 
fih nach Rom, wo er mit Cornelius, Overbeck u. Schadow eine neue Kunſtepoche 
dete u. nebk feinem Bruder Jobann, ebenfalld einem verdienten Hiftorienmuler, 
die katholiſche Kirche trat. 1831 wurde er Direktor der Kunftfchule des Erä- 
’fchen Snftituts in Frankfurt am Main, gab aber 1844 diefe Stelle wieder auf, 
it die Verwaltung des Inſtituts ihn durch den Ankauf von Leſfing's „Huß“ 
rſönlich beleidigt hatte. Seine berühmteften Werke find: Dante's Himmel in 
r Billa Maffimi zu Rom; die Einführung der Künfte durch die Religion, al 
asco im Städel'ſchen Inſtitut zu Frankfurt; die „Fetten Jahre”, viele Daiſtell⸗ 
gen aus der chriftlichen Geſchichte u. a. 

Beitötanz (Chorea Sancti Viti) nennt man eine Krankheit, welche der Er- 
yeinung nad in unwillkürlichen Bımegungen mehrer ober aller Glieder bei 
rtdauerndem Bewußtfwyn befteht. — Der B. war ſchon den Alten befunnt und 
arde Hieronosos (die heilige Kranfkeit) genannt; den Namen V. erhielt die 
ranfheit im Mittelalter, als fie 1374 epivemifch in Deutfchland herrfchte und 
an dagegen ben heiligen Veit, den Schugpatron des Kloſters Corvey, anrief. 
on der Epilepfie, mit welcher der B. nahe verwandt iſt, unterfcheivet er fidh 
ch das vorhandene Bewußtſeyn und die minder heftigen Gontraftionen der 
tusfeln. Selten gehen dem B. Vorläufer, wie Eteifheit des Haljes, Schmerzen 

den Glledern ıc., voraus, gewöhnlidy tritt er plöglich ein. In leichteren Bäl- 
n ift blos ein Zittern oder folche unmwillfürliche Bewegungen der Glieder vor: 
ınden, bie den Gebraudy der leidenden Glieder erfchweren, aber nicht unmöglich 
achen. In den heftigeren Graden dagegen Tönnen die Kranken kaum geben, 
er irgend eine Verrichtung mit den Händen vornehmen, ja, oft nicht einmal 
rechen, während raftlofes Hüpfen und Springen, tolles Gefticuliren, fonderbare 
erprehungen der Gieder und des Körpers ıc.. flattfinden. In der Regel tritt 
r 2. in NBarorpsmen auf, Die nur bei Tage fidy einftellen und eine Viertel⸗ bis 
ilbe Stunde andauern. Der B. fann Wochen, Monate, Jahre lange, ja durch 
is ganze Leben dauern; er endet meift in volle Genefung, oder geht in andere 
ranfheiten, namentlich Nervenkrankheiten, über. Der B. ift bedingt durch die 
eizung gewiſſer Organe des Gehirns; er entftcht nach Verlegungen des Schä- 
18, bei Anomalien der Entwidelung, namentlich zur Zeit der Pubertät, durch 
n rheumatifchen und durch den Wechfeifieber- Brozeß, durdy Störung anderer 
ranfheitöprozeffe, namentlich chronifcher Hautausichlüge, durch Störung gewohn- 
er Ausfcheidungen, durch Gifte, durch pſychiſche Einflüſſe und fomparbifch bei 
ranfheiten des Unterleib, z. B. Würmern ıc. Der B. kommt weit häufiger bei 
:auen, ald bei Männern vor, am häufigften um die Zeit der Pubertät, aber 
ıch früher und fpäter; er ift weit häufiger im Norden, als im Süden. — Bel 
t Behandelung des V.es muß vor Allem die Urfache aufgefuht und entfernt 
erden. Zur radikalen Hebung des Uebels find fehr verfchievene Mittel empfoh⸗ 
n worden, zur Abfürgung der einzelnen Anfälle aber das Berühren des Kranken 
it Eifen, indem man ihm 3.8. einen Schlüffel in die Hand gibt. E. Buchner. 

Veji, eine ver zwölf etrurifchen Eımtoneftädte, befannt aus Rom's frühen 
siegen mit biefer Stadt. Wahrſcheinlich lag fie auf der Spige ded Breraed Tür 


⸗ 


478 Velasquez — Velded. 


poli, laͤngs der caſſiſchen Straße, im Walde Baccano, da dieſe hohe Lage u. die 
von Livius angegebene Entfernung damit übereinſtimmen. 

Velasquez de Silva, Don Diego, ein ausgezeichneter Maler der Schule 
von Sevilla, Schüler Herrera’8 des Altern und Pacheco's, wurde 1623 Hof 
maler Philipps IV. zu Madrid, bildete fih in Italien von 1629—31 In der Zeich⸗ 
nung und im Colorit weiter aus und erhob ſich von feiner naturaliftifchen Kid: 
ung zu hoher Anmuth und Würde der Darftellung, fo daß er in ihnen die Mitte 
hält zwifchen Rubens und Tizian. Bei einem zweiten Aufenthalte in Italien, 
1643— 51, machte er für die, in Madrid neu zu errichtenvde, Akademie bedeutende 
Kunfterwerbungen, wurde wegen eines, die Eönigliche Familie darftellenden, Gemaͤl⸗ 
ded in den Ritterftand erhoben und ftarb 1660. Neben feinen biftorifchen und 
Genrebildern eıwarb er fi den größten Ruhm durdy Portraits. 

Velde, 1) Adrian van der, ein berühmter niederländifcher Maler, geboren 
zu Amftervdam 1639, lernte bei Johann Wynant, fing fchon in feiner Kindheit 
an, allerhand Figuren, befonderd Thiere, mit gutem Gefchmade zu zeichnen, malte 
nad Beendigung feiner Lehrzeit das Altarblatt in der Fatbolifchen Kirche zu Am; 
fterdam, das die Abnahme vom Kreuze vorftellte und viele andere Stücke aus 
der Leidensgeſchichte Ehrifi. Er farb zu Amfterdam 1673. Man fehägt an 
ihm ein ſchönes Colorit, lebhaften Ausdruck u. fchönen Baumſchlag. Man har 
von ihm auch 26 Kupferftide. — 2) V. Efatad van der, Maler, lernte bei 
Peter Deneyn und machte fich durch einige Feldſchlachten berühmt, die er mit 
vielem Feuer und Berftande malte. Er wohnte 1627 zu Harlem und 1630 zu 
Leyden. Man hat von ikm einige keine Randfchaften, die er nach feinen Zeich— 
nungen radiıte. — 3) B., Wilhelm van der, Maler, geboren zu Amfterdam 1633, 
machte fehr jung einige Seereifen, malte vorzüglich Seeſtücke und zeichnete 1666 
das berühmte Seegefecht zwifchen den Engländern und Holländern unter dem 
Commando der Admirale Monk und Ruyter. Karl II, König von England, be- 
rief ihn an feinen Hof und er trat nach dem Tode dieſes Königs in die Dienfte 
Jakobs I. Er ſtarb 1693 au London im 83. Jahre und wurde in der Et. Ju- 
toböfırdye begraben. — 4) V. Wilhelm van der, Sohn des Borigen, war ein 
trefflicher Seemaler, lernte bet Stmon de Vlieger, war ebenfalls Hofmaler Köniz 
Jakots I. und ftarb 1707. Wan bewundert an feinen Gemälden das Durch: 
fichtige der Barben, feine Schiffe und das Anſchlagen der Wellen. Sein Hort: 
zont ift hell und feine Wolfen verfchievden. — 5) V., Karl Franz van der, 
ein befannter Romandichter, geboren 1779 zu Breslau, fludirte hier u. in Frank— 
furt a. d. D. die Rechte, verwaltete mehre Aemter in feiner Vaterftadt, in Win 
jig und Zobten und ftarb als Zuftiz- Commiffurius in Breolau 1824. Seine 
zahlreichen biftorifchen Romane wurden viel und gerne gelefen, ob fte gleich nicht 
tief eingehen in die Zeit der geſchilderten Thatſachen und in den Charakter der 
handelnden Perſonen. Das Driginelle und Großartige fehlt ihnen, aber fie ſind 
voll Poeſte, Leben und glüdlicher Geftultung, haben eine reihe, anmuthige Ma: 
lerei und Alles bewegt fich leicht u. natürlich. Seine beften Arbeiten find: „Ar: 
wed Onllenftierna”, „Asſsmund Thyrsklingurſon“, „Die Lichtenſteiner“, „Der Mal- 
teier”, „Die Barrizier”, „Die Wiedertäufer“ u. f. w. „Geſammtausgabe“ (25 
Bde.) — Seine Tochter Bertka, geboren um 1810, Gattin des Bürgermei- 
ſters Richter in Neuſtadt (Schleſien), gefterben 1835, fchrieb „Novellen“ (2 
Bünde, 1831 und 1832), gewandt und gemürhiih und „Prinz Wilhelm von 
Hefien“ (1833). 

Veldeck, Heinrich von, der frühelte Minnefünger, von weldyem Gedichte 
auf unfere Zeit gefommen, war ein ſchwäbiſcher, nach Anderen ein weftpbälticher 
Ritter, der von Burg zu Burg wanterte, Ritter u. Damen mit feinem Geſange 
ergögte und im lebten Viertel des 12. Jahrhunderts am Hofe Ted Lanrgrafen 
permann von Thüringen Icbte. Auch nahm er Theil an dem Wartburg- 

riege (f. d.). Seine „Schwäbiſche Eneit“, vollendet 1189, ſchildert die Aben- 
sheuer des Aeneas nah einem franzöftichen Original, das er aber weit übertraf, 


nn 


Veleda — Belletri. 479 


fonderd durch die naive Einflechtung der Minne. Zart und lieblidy find auch 
ine „Minnelieder“. Wahrfcheinlich von ihm ift auch „Herzog Ernſt“. 

Belcda (minder gut Veleda), eine der weifen Yrauen aus der 
eutſchen Vorzeit, wohnte im Lande der Bructerer auf einem Thurme und erwarb 
ch durch Weiffagung großes Anfehen. ingegangene Berträge wurden in ihrer 
jegenwart gehelligt; fie weifingte nicht blos, Fe hatte unter dem Volke Gefchäfte 
ı schlichten u. auszuführen. Ben römifchen Legionen weifiagte fie Untergang u. 
re Worte gingen im Jahre 71 in Erfüllung. Die Gefandten der Tencterer erhielten 
e gewünfchte Antwort, durften die hehre Frau aber nicht felbft fehen; einer ihrer 
verwandten überbracdhte Anfragen und Antworten, wohl, um das Anfehen der 
geifjagerin und ihre Heiligkeit zu erhöhen. Späterhin ward fie als Gefangene 
n Triumphe zu Rom aufgeführt. Ihren Namen leiten Anton und Fulda 
rwachwidrig von Wald ab; Fr. Wachter nicht minder ſprachwidrig Wala-Eda 
Beiffigerin Eda), zufammengezogen Wal⸗Eda, umgelautet Wäl⸗Eda, Weleda ; 
inn Magnuſen leitet ihn aus Valaheid ab, was fidy aber nicht findet. Nach 
zrimm fcheint Veleda faft Appellativ und verwandt dem nordiichen Vala, Völva, 
elcher Rame allgemein eine zauberhafte Wahrfagerin bezeichnet und dann auf 
ne beflimmte myıhologifche Völva geht, von welcher eines der älteſten lertifchen 
ieder (Völuspä) handelt. Wielleicht ift der Name audy dem altmordifchen Helden 
'Ölundr (Wictart), vielleicht auch der Benennung der Vallyrier verwandt. WBgl. 
m gerbiigen Srauennamen Valadamarca und den thüringifchen Drtönamen 

alada. . x. 

Veliten (velites), 1) bei den Roͤmern eine Gattung leichter Reiterei, die von 
wer Geſchwindigkeit den Namen führten, volites, d. h. volantes, fliegend. Sie 
raren nicht in beftimmten Cohorten, fondern fochten in aerftreuten Haufen, 
edien den Feind von allen Seiten ıc.; ihre Waflgn waren Bogen, Schleudern 
nd Wurfſpieße, auch ein leichtes Schwert. — 2) Im franzöftfchen Heere 
ne Art Fußvolk, welches fich, feinem Zwecke nach, durch den höchſten Gran von 
Jewandtheit dergeftalt aufgeichnet, daß fle gegen die Linteninfunterie das feyn 
ten, was bei der Reiterei die Hufaren oder Kofafen gegen die Kürafftere find. 

Vellejus Paterculus, Cajus, ein römifcher Ritter und WPrätor unter 
ibertus, verfißte eine ganz fummarifcye römtfche Gefchichte in 2 Büchern, von 
eren erfiem der Anfang fehlt. Sie geht vom Uiſprunge Roms bis auf feine 
‚eiten und verdient mehr von Seite der Echreibart, als der hiftorifhen Glaub: 
ürdigfeit empfohlen zu werden, weil fih V. offenbare Parteilichkeiten u. niedere 
schmeichelei gegen den Tiberius und Eejan (bei deſſen Sturze auch er hinge: 
tet wurde, 31 n. Chr.) erlanbtee Bei dem Allem leuchtet aus feiner Dar» ' 
ellungsart des Ganzen Echarffinn, fowie reife Beurtbeilung hervor. Won 
iner Gefchichte gab es nur eine einzige, jegt verlorene Handfchrift. — Ausg. 
sn Burmann, Leyden 1744, 2 Bde.; von Ruhnken, Leyden 1799, 2 Thle.; die 
eſte Eritifche und erflärende Ausg. von H. H. Eludius, Hannover 1815, 2 Dove. ; 
itiſche Ausg. des Textes nebſt Ueberfegung von N. Walther, Regeneburg 1830. 
ine neue Recenfion nad) einer Bafeler Abihrift des verlorenen Coder, die cor⸗ 
fter, als die von den erften Heraudgebern, gebrauchte, ift, haben Drellt, Leip⸗ 

1835, Kreyßig, Meißen 1836; Bothe, Zürich 1837 und Krig, Leipzig 1840 
eſorgt. — eberfehungen: von Br. Jacobs, Leipz. 17935 von W. Götte, Stutt⸗ 
art 1833, 2 Bochen. 

Belletri (Velitrae), ſchön gelegene Stadt im Kirdyenflaate und Hauptort 
ner Legation, 25 Miglien von Rom, an der Straße nach Neapel (via appia), 
tt 12.000 Einwohnern, hat nur wenig Merkwürdiges aufzumeifen, mit Aus: 
ahme ded Domes Et. Elemente, der Kırdye St. Maria del Drto, des Palazzo 
ublico u. des Palazzo Lancelotti in herrlicher Lage mit einem reizenden Gurten. 
yier und in der Umgegen wird ein fehr guter Wem erzeugt, auch ift die Stadt 
erühmt wegen der Schönheit ihrer Frauen. Eigenthümlich iſt die Etellung des 
:gaten, welche Würde der Dekan des Gardinalcollegiums und Biiähet von Din 


a 


480 Beltheim. 


befleivet, als eines faft fouveränen NReichefürften mit eigener Miliz, eigenem 
Nerar und oberſtem Gerichtshofe ohne Appellation an den Papſt. — Ebedem 
eine voldfifhe Stadt, wurde V. 260 nach der Erbauung Roms römiiche Kole: 
nie. Auauſtus Familie ftammte von da. Epätere Sailer, Tiberius, Nerva, Ex: 
ligula, Otho ıc. batten prächtige Villen daſelbſt. Jetzt flieht man ven dieſer 
Herrlichleit Nichte mehr, außer etwa dad alte Theater bei den PBuiltoniiten. 
In den lebten Zeiten des Römerreiched hatte die Stadt in den Gothen- um 
Longobardenfriegen viel zu leiden; dann kam fie unter die Herrichaft der tuecu- 
laniichen Grafen und endlidy unmittelbar unter die der Päpſte. Im 3. 1714 
fiel bier da® nicht unwichtige Gefecht ver, in welchem König Karl III. die Kai— 
ferlichen fchlug und meldyes Reapels Schickſal zu Gunften des Hauſes Bourben 
entichled. In der Nähe, nach dem Eabınergebirge zu, dad Städichen Cona mit 
Reften eines Herkules- und eines Dioafurentempels; von erfterem fehen 
noch 8 dorifche Säulen. Südlid davon ſtebt Sezza (Setin), im Alterthume 
wegen vorzüglihen Weines berühmt und dafelbft eine ungeheuere Ruine, die man 
gewöhnlich Tempel des Saturn nennt. , 

Veltbeim, Auguft Ferdinand, Graf von, der Abkümmling einer, 
fhon im Mittelalter befannten Adeldfamilie, geboren 1741 auf dem Rittergut: 
Harbke bei Helmftädt, erhielt feine Bildung theils von Hauslehrern, tbeils auf 
der Schule zu Klofterbergen und wurde, da er Neigung zur Berawiſſenſchaft 
verrierh, von feinem Bater, der früher berirglich braunfchweigifcher Hofrichter ge‘ 
wefen war, dem damaligen Viceberghauptmann Heinik in Zellerfeld übergeben, 
der ihn ganz für die Metallurgie gewann. Tiefe und die verwandten Mifien- 
ſchaften ftudirte er auch faſt ausjchließlih zu Helmftärt unter Beireis. Er trat 
darauf 1763 ald Ktmmeraif. for in braunfchweig:fche Dienfte, machte mit feinem 
Pater eine kameraliſtiſche Reife durch Deurichland und die Niederlande, murde 
1766 hannöveriſcher Kammerrach und 1768 Viceberghaurtmann auf dem Harze. 
Hier fand er einen Wirkungsfreis, wie er ihn wünfchte, widmete fi) mit raſtloſem 
Fleiße den Bergwiſſenſchaften, machte ſich durch gute Einrichtungen verdient und 
fchrieb feinen „Grundiiß der Mineralogie,” ver aber eıft 1731 an Braun chm is 
gedrudt wurde. Indeſſen virleideren ibm doch zuletzt gewiſſe Amtaverkälen ii: 
jeine Stelle; er legte fie nieder, zog ſich in die Stille des Privatlebens zuruck 
und tbeilte feinen Aufenibalt zwiſhen Hurbfe und Braunfchweig. indem er Term 
Zeit den Wiffenichaften, dem Umgange mit Gelehrten und der Bewirchichifen.i 
feiner Güter widmete. Er war nicht nur der Herr, fontern auch der Narr 
feiner Ulnterthanen auf feinen anſehnlichen Gütern, ſchrieb felbft eine mußerbaft: 
Feuerordnung für die von Veltheimiſchen Gerichtsorte Harbfe und Welff⸗edori 
(Helmſtädt 1794 und adminiftrirte aufs Gewiffenbafichte die Anftalten feine 
Vorfahren zu Bunften der Armuth. Sehr thätigen Antbeil nakın er ald magde 
burgiicher Lanpftand an dem Unternehmen eines Provinzialgeſetzbuches für Tue 
Herzogihum Magdeburg. Da er ald Teputirter dieſes Herzegthums 1793 nad 
Berlin geichidt wurde, um Friedrich Wilbelm I. au huldigen, wurde er vom 
Könige in den Grafenftand erhoben; die philoſophiſche Fakultät in Helmſtädt er 
nannte ihn in eben Dem Jahre aum Doftoi der Nhilofophie und AOL farb er 
zu Braunfbweig. Es war fait feine Wiſſenſchaft oder Kunſt, die ihn nicht in 
terefürte und beichäftigte, doch war Ocognofte ſein Hauptfach. Leiſing baite 
ihm Luft und Liebe zum Studium der Antıken eingeflößt, Die er mit feinem mi— 
neralogticden Studium in Verbindung ſetzte und Welcher das Puhlikum anitech 
ende mineralogiich - antiquarijcte Aufſätze verdankt: über Vasa Murrina, über 
Memnon's Bildjäul>, Nero's Smaragd, die Kunſt der Aiten in Stein und Gias 
zu ſchneiden ꝛc. Alle feine Aufſätze (zuerit einzein und in Journalen, Dann au 
fammengedrudt unter dem Titel: „Sammlung einiger Aufſätze biltoriichen, art 
quariſchen, mineralogiichen und ähnlichen Inbalts, Helmitide, 2 Thle., ISO, 
tragen das Gepräse von Scharflinn und einer alüdlichen Eombinati maqabe. 
Bon jeinen Unterjuchungen über Gegenſtände der neuern Geſchichte zeugt ſeine 


4 


Beltbem — Vendée. 481 


wnterbaltende Schrift: „Anekdoten vom franzöflfchen Hofe aus den Zeiten Lud⸗ 
wig’6 XIV.*, Braunfchw. 1789, 1795. Literariſchen Ruhm bielt er des eifrigften 
Strebens werth und zog ihn jedem andern Genuſſe weit vor. Alles, was er 
ihat, that er mit Feuereifer und mit einer Lebhaftigkeit, die ihn oft weit über bie 
Granze führte; er pries die franzöfiiche Revolution Anfangs eben fo fehr im Su⸗ 
perlativ, als er fie nachher über alled Maß veifluchte. “Dennoch fühlte er felbft, 
dag Maß und Ziel der Ken aller Tugenven fet, fuchte fein ganz-8 Reben dar⸗ 
nach einzurichten, pries die Tugend laut und, um fie ſich ſtets gegenwärtig au 
erhalten, fchnitt er ven Epruch der griechtichen Weisheit: „„Mpdsv dyav““ in einem 
Genfter feines Dufeums ein. ©. Elogium ejus dictum von 9. P. &. Hente, 
Helmſt. 1802 (mit V.s fchönem Bilpnifie). 

Beltpem, Johann, ein um die deutſche Bühne verdienter Mann, von 
defien Lebensumftänden wir aber nur fehr dürfiige Nachrichten haben, brachte 
1688 eine Echaufpielergefelichaft aus Studenten zu Leipzig, wo er felbft ftubirt 
hatte, zufammen und fuchte feine Darftellungen zuerft nach den Regeln der Kunft, 
die den bisherigen Akteurs, meift zufammengelaufenem Gefindel, vollig unbekannt 
waren, zu ordnen. Zu Berlin, Hamburg, Rürnberg, Breslau, Frankfurt a. M., 
Leipzig und an anderen Orten, wo er Vorftellungen gab, ward ihm der allge 
meinfte Beifall. Mit ihm begann die feither verachtete Schaufpielerfunft Achtung 
zu „gerlanen. Er felbft war aus reiner Liebe zur Kunft Schaufpieler geworben. 
Seine Kenntnifie ſcheinen nicht gering gewefen zu ſeyn; er überfegte Vieles (fo 
wird ihm die Ueberfegung der Luftfpiele Moliore's, Nürnberg 1694, 4 Bde., iu 
peichrieben) ahmte noch Mehres nach und hatte befonders eine große Geſchick⸗ 

chkeit, in jedes Stuͤck, mochte es nun angelegt feyn wie es wollte, den Hans» 
wur heneinzubringen, welchen ſich das deutfche Publikum um feinen Preis neh⸗ 
men ließ. 

Beltlin (zufammengezogen aus Val Tellina), begreift im weiteften Ginne 
die ganze Landfchaft Oberitaliens, welche das Thal der Adda von ihrem Ur- 
fprunge bis zu ihrem Einfluffe in den Gommerfee bildet; im engern Sinne nur 
den mittlern Theil derfelben, fo, daß man die Landſchaft Bormio im Nordoſten 
und Chiavenna (Kläven) im Welten als befondere Thetle annimmt. Es iſt ein 
Außerft fruchtbares, von hohen Bergen begränztes Thal, welches feit dem Mittel« 
alter Häufig der Zankapfel der oberitaltenifchen Staaten und Schweizerkantone 
geweien ift, bis e8 in der neuern Zeit zu dem lombarbifch-venetianfchen König. 
teiche neichlagen worden ift und deſſen Delegation Sondrio (f. d.) bildet. 

Delum heißt das feidene Tuch, welches bei der heiligen Meffe ald Dede 
des Kelches dient und dieſelbe Farbe, wie dad Meßgewand, hat; dann nennt 
man auch fo das lange, oft mit reichen Stidereien verfehene, Tuch von feidenem 
Stoffe, welches dem Prieſter, fo oft er das Sanctıssimum ausſetzt, den Segen 
Damit ertheilt, oder mit demfelben feierliche Umgänge hätt, um die Schulter ger 
hängt wird. Gin ſolches V. haben auch jene geiftlicyen Miniftranten, welche 
bei den Pontifitale Berrichtungen des Biſchoſs die Inful oder den Hirtenftab 
tragen. Außerdem gibt es noch verſchiedene Arten von Belen: a) der Eubdiafon 
hat ein B. wenn er vom Offertorium bis zum Pater noster die Paten eingehüllt 
vor fi bält; b) das Pacifikale wird mittelft eines DB. vargereicht und ebenfo 
c) die Reliquien mittelft eines folchen erfaßt; d) vom Bafflond» Sonntage bis 
zum Gharfreitage find die Grucifire in Ben von blauer Farbe eingehüllt; am 

rünen Donerftage wird e) zum Berhüllen des Kelches, worin die conſekrirten 
Beil, Hoftien fidy befinden, ein weißes V. gebraudht. 

Bendee, ein, nach dem gleichnamigen Heinen Fluße benannted, Departement 
im Weiten von Frankreich, umfaßt das ehemalige Niever: Bolton und gränzt 
nördlich an die Departements Nieder -Loire und Maine» Loire, öftlid an Deus» 
Soͤvres, ſüdöſtlich an daffelbe und Nicder + Eharente, ſüt weſtlich und weſtlich an 
den atlantifhen Ocean und zählt auf 1233 [J Meilm 356,500 Einwohner. 
Haupiſtadt If Bourbon⸗WVendée, zur Zeit der napoleonlicyen gran An 


Hesiencyclopddile. X. 


— — 


| Aka ri _ 
22 Benbemletee — Benblnt, · 
poleon⸗Vendðe genannt und seht unter der Republik wahrſcheinlich chenfels 
wieder umgetauft, eine neu angelegte Stadt, mit 5500 ern. Un der 
Kifte if die Bat van Bourgeneuf u. die Fhebe von Aiguillon. Das Land I zum 
atlantiſchen Ocean geneigt, bat aber nur Heine Flüße und Häfen, die höchſtens 
7a‘ hoch find, beſonders im Weſten. Eeine Beichaffenheit if fehr verfchienen, tbeils 
fumpfig, theils fandig und unftuchtbar, theils eben und fruchtbar. Die Vrodukie 
find: Getreide, Welzen, Hafer, Gerſte, Hirfe, beſonders Hanf, Flache, und 
Kaftanten. Die ‚geringe Induſtrie befhäftigt nur ‚einige Vapiermuhlen, Zucker⸗ 
* fabrifen, Gerberefin und- Weberei von Hausleinwand. Der Handel führt nur 
Salz, einiges Bich, Getreide und Mauleſel ats. — Die Bewohner dieſes De- 
partements haben fich Durch einen Aufſtand, ver drei Jahre lange umter dem 
Kamen des B.⸗Krieges dauerte, ihren Landsleuten ungemein furdhtbar ge 
macht. Er brach am 10. März 3793 zu Gunſten der königlichen Familie aus 
und endete erſt im März 1796. Die Bewohner ver ®., an alte Eitten gewohnt, 
erhoben ſich gegen die Revolution und fle würden unftreitig, je immer 
fort vereint gewirkt, der neuen Republik den Untergang bereitet haben. Huch 
hatten fie bi6 in die Mitte des Jahres 1793 fehr viele® Gluͤck und ihre Armee 
zählte bei 200,000 fireltbare Männer; allein der Neid ihrer Anführer, 
ded Charette gegen d' Elbse, trennte ihre Operationen und warb quleht 
bie einzige Urfache ihrer Niederlagen. Die abſcheulichſten Schandthaten und 
muthwill giten Srevel, Royaden, Füflladen, republifanifcdhe Hetraihen zc. wurden 
von den Republifanern und ihren @eneralen, die man gegen wie ®. fchidte, aus⸗ 
geüöt, bis endlich der Gonvent 1704 Unterbandlungen anfing, dann.1795 zu 
antes einen Frieden mit Eharette eingehen ließ, der aber bald wieder g 

fodann aufs Neue zu den Waffen gegriffen, zuleht aber Gharette, bei ver 
jenen Wutblofigfeit der Bendeer, gefangen und 1796 erfchoflen wurde. e 
Doffnungen der übrigen —— ſanken ganz dahin; ſie lieferten ihre 

ffen ab u. der ſchrecklichſte Buͤrgerkrieg, der Frankreich wenigſtens eine halbe 
Million Menſchen gekoſtet hatte, war beendigt. Ruhe und Drbnung fehrten 
nun wieder zurück und, obfchon in den Jahren 1799 — 1800, dann 1814 und 
1815 abermals einige Bewegungen in diefem Lande flattfanden, fo waren bie: 
felben doch von feiner Bedeutenheit und es kehrte bald wieder Ruhe zurüd. 
Ebenfo ohne allen weſenilichen Erfolg waren die Bewegungen nach der Juli⸗ 
Revolution 1830 und in den nächſtfolgenden Jahren. | 

Bendemiaire war der erfte Monat in dem, nur 13 Sabre beftandenen, 
Kalender der ehemaligen franzöftichen Republif und dauerte vom 22. September 
bi8 21. Oftober, daher fein Name, der auf deutſch Weinlefemonat bedeutet. 

Dendöme, eine, nady der gleichnamigen Stadt benannte, Graffchaft in Frank⸗ 
reich, weldye Heinrich IV. bei feiner Thronbefteigung mit der franzöflichen Krone ver- 
einigte, diefelbe aber dem ältern feiner beiden natürlichen Söhne, welche er mit 
der ichönen Gabriele d'Eſtroͤes gezeugt hatte, Käfar, verlieh, welcher der Stifter 
des berühmten Haufe V. wurde. Demfelben gehören an: 1) Louis Jofeph, 
Herzog von, geboren 1654, der Enkel Käfar’s, ein berühmter General unter 
Ludwig XIV., trat ſchon im 18. Jahre in Kriegsdienſte und entmidelte feine 
milttärtfchen Talente unter dem großen Turenne (f. d.). In der Schlacht bei Alten⸗ 
heim, wo diefir das Leben verlor, befam .B. eine Wunde. Auch während des 
übrigen Berlaufcd dieſes und des nächflfolgenden Krieges fuhr er fort, feinen 
Beruf zu einem einft berühmten Feldherrn zu rechtfertigen. Bald erftieg er die 
Etufe des militäriichen Ranges, weldye Ludwig XiV. für Prinzen vom Geblüt 
als die höchſte b.ftimmt hatte: die eines Generallieutenants der königlichen Armeen. 
Um eben diefe Zeit (1689) erhielt er daS Gouvernement der Provence. Bon 
1694 führte er den Oberbefehl über die Armeen in Stalien und Epanien und 
führıe es befonders in Gatalonien 2 Jahre lange mir faR umunterbrochenem 
Blüde und Erönte feinen längft erworbenen Ruhm durch die Eroberung von Bar- 
eelona den 5. Auguſt 1694. Neue Lorbeeren errang er im ſpaniſchen Guccefs 















» — 3 og 


Benebey, 483 


ſtonokriege, wo ihm Ludwig XIV. den Oberbefehl in Italien übertrug, nachdem 
VBillerot gefangen und der Rame Eugen der Schreden des ganzen ranzöftichen 
Deeree geworden war. ®. hob den Muth der Solvaten aufd Reue, ſchlug 1702 
bie kaiſerlichen bei St. Vittoria und Luzzara, entwaffnete die Völfer des Herzogs 
von Savoyen und erhielt ven 6. Auguf 1705 bei Eaſſano einen Steg über ven 
Bringen von Savoyen. V. ſchlug die Kaiferlihen den 17. Auguft 1706 bei 
Calcinato und führte hierauf den Oberbefehl in Flandern. Er gewann den 10. 
Dezember 1710 das berühmte Treffen bei Villavicioſa und flarb zu Vinaros 
ohne Nachkommen den 11. Juni 1712. DB. befaß einen vorzüglichen Berftand, 
viel Klugheit und Gefchmeivigfeit. Er war freigebig, offenhersig, ohne Berftef- 
fung und Heuchelel. WBornehmen begegnete er mit @eringichägung, Geringeren 
hingegen mit 2eutfeligfeit. Er war im höchſten Grade und auf die gröbfte Art 
finnlich, weichlidy und bequem, brachte den größten Theil feines Leben® im Beite, 
bet Tafel und auf dem Leibſtuhle zu und bewies fich im feiner ganzen Lebens» 
weite köchft cyniſch. Dabei war er thätig u. unermübet, fobald es nöthig war, 
erhielt die Armee in fleter Regſamkeit, unternahm Dinge, die Niemand wagte 
und erwartete, wußte Alles, was vorging, betrieb Alles und war felbft von 
feinem Ltbfuhle aus die Seele der ganzen Armee. Am. bewundernswuͤrdigſten 
zeigte fich feine Geiſteskraft in der Etunde der Schlacht. — 2) Philipp, Her 
309g von, Broßprior des Maltbeferordend In Sranfreih u. Bruder des Vortgen, 
geboren 1655, wohnte von 1672 an den Keldzügen der Franzofen In den Rieder; 
landen, am Räeine und in Spanien bei. Im fpantichen Succeffionsfriege erhielt 
er nad der Schladht bei Caſſano (1705) feine Entlaffung und lebte darauf 
einige Jahre zu Rom. Auf einer Reife durch die Schweiz näch Franfreich (1710) 
wurde er von dem Rathöherın Thomas Maßner zu Chur, weil diffen Sohn in 
Sranfreich gefangen gehalten wurde, verhaftet und nur erft wieder freigelaffen, 
als jener auf freien Buß gefeht worden war. Er ftarb zu Paris den 24. Januar 
1727, nachdem er 1715 von den Malteferrittern, die einen Angriff der Türken 
befürchteten, zum Oberbefehlshaber ernannt worden war. 
Benedey, Jakob, geboren zu Köln am Rhein den 13. Mat 1805, wurde 
im zarten Snabenalter von einer ſchweren Krankheit befallen und verlebte, feiner 
ſchwachen Geſundheit wegen, zwei Jahre auf dem Lande, meift in freier Natur, 
was aroßen Einfluß auf feine Förperliche und geiftige Entwidelung hatte Er 
befuchte dann das Gymnaflum feiner Baterftadt, trat in Folge eined Zwiftes mit 
einem Lehrer jener gelehtten Anftalt aus derfelben, bildete fi) durch Privatunter⸗ 
richt weiter und beftand die Maturitätöprüfung in Bonn. Nun fludirte V. bie 
Rechte dafelbft und zu Heidelberg u. war auf beiden Hochfchulen Mitglied der 
Burſchenſchaft. Bon der Univerfität zurüdgefehrt, aıbeitete er einige Zeit bei 
feinem Bater, einem Advofaten In Köln. Damals mußten die jungen rkeinifchen 
Juriften ihre Eramina im Altpreußiſchen machen, was mit großen Koften vers 
bunden war, die V.'s Vater, welcher in feinen ®efchäften fehr zurüdgefommen 
war, nicht beftreiten fonnte, weßhatb der junge V. glei an’d Brodrerdienen 
geben mußte. Er fchrieb nun für ein in Köln erfcheinended Blatt „Der Bers 
ündiger“ Berichte über die Verhandlungen ver Aſſiſen, vie mit Interefie gelefen 
und, von ihrem Verfaffer gefammelt, nebft einer einleitenden Darftellung des franz- 
öfifchen Etrafverfahrens und einem Schlußworte, das eine Vertheidigung ber 
Deffentlichkeit, Münplichfeit und Gefchworenengerichte enthielt, heraufgegeben wur⸗ 
den. Diefes Buch fand In den kritiſchen Blättern der „Börfenhalle” eine fehr 
günftige Beurtheilung und Mitiermater in Heivelberg ſprach in feinen ‚Boriefr 
ungen über Prozeß mit Achtung von demfelben. Kurze Zeit nachher brach die Juli⸗ 
revolution aus und regte auch V.'s Inneres fehr auf. Er gab den Prozeß der 
Wachener Aufrührer heraus und feine eriminaliftifche Abhandlung über vielen Fall 
lenkte die Aufmerkiamkeit des berühmten Hitzig in Berlin auf ihn, der V. aufs 
forderte, für die „Annalen der Eriminaljuftiz“ zu arbeiten; fpäter wurde ex ou 
itarbeiter an Mittermaier’6 „Archiv, Mit diefen Urbeiten * RS U 


C 


N 3*4 
484 _ Benedey. 


te Richtung eine neue Bahn beireten: das Wonotatenfaubwert betofbe tm 
nicht, auch hatte fein Vater auf diefem Felde fein Glück gehabt 
der Sohn den Entfchluß, Lehrer und Schriftkeßer auf bem Gebiete des Grimi- 
nalrechte® zu werben, flubirte fehr viel und fuchte das Material zu einer “Doktor 
Differtation aus verichievenen ypfychologifch » zweifelhaften Griminalfällen zus 
[gmmen. Während dieſer Zeit wude der Eindruck, den die Julirevolution in 
eutfchland gemacht hatte, in der genen deutfchen Jugend und zu Köln bildete 
fi) ein Lefeverein, defien thätiges Mitglied B. war. Pidtzlich wurbe.er vet cite 
Milittärnachunterfuchunge »Gommifflon geladen und von vieler als —I 
Militaͤrdienſte erklaͤrt; es iſt aber mehr ale wahrfcheinlich, daß die e 
preußiſche Polizei in ihm einen Führer der Kölner Oppofition ſah und ihn auf 
diefe Weife unfchäplich zu machen fuchte, ogleich das ganze Freiben ber paar 
trioten in Köln Nichts wehiger, ald gefäbr cher Natur war.» V. verfuchte alle 
e, um die dreijährige militaͤriſche Dienſtzeit von fi abzuwenden umb, als 
Ride fen wollte, entichloß er fih, Preußen zu verlaflen. — A Bat 





1832 reidte er von Köln ab, befuchte feine beften Univerfitätöfreunde in rt 
und Dürkheim a. d. Hardi, fand dieſe ganz von ben er 
u. wurde bald felb von ihnen fortgerifien. Bei dem Weite zu war ®. 


als Zufchauer zugegen; am Tage nach dem Feſte aber wurde er, well er faR ber 
einzige anwefenbe Fheinpreuße war, in einen der politifchen Ausſchüſſe gewählt, 
lernte auch Wirth und Siebenpfelfer kennen und fchloß na dieſen an. Nachher 
war er in Mannheim Mitredalteur des von Stromeyer rebigirten „Wächter am 
Rhein“. Hier wurde er verhaftet, Ehtlam aber viefer Haft und flüchtete nach 
Gtraßburg, wo er er unangenehm enttäufcht wurde, ald er die dort 
melten deutfchen Klüchtlinge Tennen lernte, worunter nur wenige Männer ernftern 
Sinnes fidy befanden und deren Treiben V. fo mißfiel, daß er ſich mit Stromeyer 
von den Uebrigen abfonderte, weßhalb beine die „Ariftofraten” genannt wurden. 
AS das Aprilattentat zu Frankfurt (1833) ausgebrochen war, wurben bie deut⸗ 
fchen Blüchttinge in Straßburg von der franzöflichen Regierung geräibiet, ihren 
Aufenthalt in Rancy zu nehmen, wo V., der franzöflfchen Sprache unfundig, ge- 
zwungen war, zwei Monate lange fich mit dem Gehalte der politifchen Flüchtlinge 
zu begnügen, beim dritten Monate verweigerte aber die Regierung die fernere 
Auszahlung dieſes Gehaltes und nur nach vielen Qnftrengungen konnte V. die 
Erlaubniß erhalten, nad) Parid zu gehen. Im Spätherbite 1833 langte er in 
der frangöfifchen Hauptſtadt an und lebte hier eine Zeit lang auf das Kümmer⸗ 
lichſte, bis er Gelegenheit zu fchrififtelleriichen Arbeiten fand. Um dieſe Zeit 
ſchrieb er fein berühmt gewordened Werk „Preußen und das Preußenthum“, wel- 
ches die damalige Stimmung V.'s nur zu deutlich verräth und mit grellen Far⸗ 
ben, ja, oft einteitig pie dunfelen Seiten der preußifchen Zuſtände fchlibert jedoch 
find alle darin enthaltenen Behauptungen auf Gelege, Berordnungen und That: 
fachen geftügt. Im Frühlinge 1834 begann V. die Herausgabe einer Zeitfehrift 
unter dem Titel „ver Geächtete”, die in Monatsheften erfchien und vie offenen 
Spuren des damals herifchenden revolutionären Zeitgeifte® trug. Diefe Zeits 
ſchrift befland nur mit großen Opfern Seitens des Herausgebers, wie feiner 
Freunde und war die Beranlafjung, daß auf Verlangen der preußifchen Geſandt⸗ 
ſchaft die Ausweifung des Schrififteller® aus Frankreich verfügt wurde und ders 
jelbe nur mit Mühe auf Heine's Berwendung bei Thierd die Erlaubniß, in Havre 
leiden zu dürfen, erhielt. Nach ſechs Monaten der Verbannung wurde B. ges 
fattet, auf acht Tage nady Paris zu kommen, um eines Augenübeld wegen & 
nen Arzt zu confultiren. Aus diefen acht Tagen wurden aber Jahr und Tage, 
weil bie fransöfifee Regierung gern ein Auge zubrüdte. Indeſſen war ver Zwed, 
den „Geächteten“ zu unterbrüden, erreicht worden, denn während der Abweſen⸗ 
heit DB. erichien die Zeitichrift unregelmäßig und die Führung der Redaktion 
wurbe fchlecht betrieben, fo daß das Unternehmen mit dem 12, Hefte einging. 
Mabrend feines zweiten Aufenthaltes in Paris Ichte B. ſehr Kills und brachte 





A Bm... 


J 


Pr. Benedey. 485 


den größten Thell des Jahres auf dem Lande in Courbesbye bei Reuiliy zu. 
Unterdefien war er Mitglied einer gelehrten Geſellſchaft (Einstitut historiqus de 
Paris) geworden und der Zufall leitete feine Aufmerkſamkeit auf die Breißftnge 
der Acadımie de France „über die Umgeftaltung der alten Sklaverei in Schols 
Ienfnechufnaft Diefe Breisfrage bearbeitete unſer Schriftfieller, reichte fie ein u. 
überließ die Arbeit ruhig ihrem Geſchicke. Kaum aber war diefe Arbeit vollendet, 
o wurde B. von Neuem aus Paris verwiefen. Die Urfache diefer abermaligen 
weifung war folgende. - Nach der Gteinhölzligefchichte wurden alle politifchen 
Flüchtlinge aus der Schweiz verwiefen und nach England gebracht; nur zwei 
berjelben erhielten ausnahmsweiſe die Erlaubnis, in Paris bleiben zu bürfen. 
Diefe Beiden ſetzten fidy mit den serfplitterten Reiten früherer deutfcher Verbind⸗ 
ungen in’6 Ginvernehmen, fuchten die deutfchen Arbeiter wieder zu fammeln und 
veranftalteten eine Art deutfcher Bollöverfammlung, die in einer Borftadt von 
Paris gehalten werden ſollte. Die Folgen einer folchen Berfammlung würden 
diefelden, wie in der Schweiz geweſen feyn, die deutſchen Flüchtlinge wären per 
Schub von Paris nady England gebracht worden. V. hörte von diefem Unter⸗ 
nehmen erf, als Wlled halbwegs in Ordnung war; er fuchte nun bie Gründer 
de6 Unt ee auf, ſetzte ihnen dad Berwerfliche ihrer Abſicht u. die ſchlim⸗ 
men Folgen Melche die Ausführung haben würde, auseinander und erflärte, daß, 
wenn fie nicht von dem beabfichtigten Unternehmen abflänven, er es hintertreiben 
würde. Am andern Tage erhielt er von der Polizei die Ordre, binnen 24 Stun⸗ 
ven Paris zu vrrlafien und felbft die thätigfe Vermittelung ded Hrn. von Cour⸗ 
celleß, eined Schwager des damaligen Staatefelretäre Remufat, Tonnte nur einen 
Auffchub von 8 Tagen bewirken. Diefer Aufſchub genügte B., um die beabficht- 
igte Demonftration unmöglich zu madyen, worauf er dann mit brutaler Gewalt 
verhaftet und unter Aufficht von Polizeiagenten nady Havre gebracht, hier aber 
der befondern Aufficht des Präfekten empfohlen wurde. Smdefen befreite die Ver⸗ 
mittelung ſehr angefehener Kaufleute in Havre bald unfern V. von ver fehr läft« 
igen Auffiht der Polizei. Faſt 18 Monate verweilte er nun in jener Seeſtadt u. 
ſchrieb während diefer Zeit fein Werk „Reifes und Rafttage in der Normandie”, 
das unter dem Titel: „Excursions in Normandy edited from the Journal of a 
recent traveller by Fr. Schobert Esq “ in’8 Englifche überfcgt wurde, ohne daß 
g- Scyobert es für nöthig erachtet hätte, den „recent traveller“ zu nennen. 
egen Ende der 11monatlichen Doppelverbannung veröffentlichte die Akademie 
ihren Bericht über die Memoires, weldye zur Löfung der obenerwähnten Preis⸗ 
frage eingelaufen waren. Das „Memoire“ V.'s wurde ald das befte erkannt 
und ihm der Preis zugefagt, wenn der Berfaffer viefed und jenes ändern wolle, 
B. veröffentlichte unmittelbar darauf, daß er der Berfaffer jener f belobten Preio⸗ 
fchrift fe. Damit hatte er erreicht, was er wollte: der moralifche Erfolg feiner 
Schrift war ihm die Hauptfache gewefen. Dirfer Erfolg war aber auch fo 
groß, daß Arago auf der Tribune der Kammer den Minifter ded Innern inter 
pelitte, warum er Hrn. ®., einen Mann, der fidy mit fireng wiſſenſchaftlichen 
Arbeiten befchäftige, von Paris verbannt habe. Aber trog der Verwendung mehrer 
einflußreicher Männer konnte V. dennoch nicht die Erlaubniß, unmittelbar 
nad) Parts zurüdzufehren, erlangen, er mußte erft noch in Pontoiſe, einem ſechs 
Stunden von Paris entfernten Lanpfläntchen eine fechömonatlidhe Quarantäne 
halten und dieß nur unter dem, auf Ehrenwort gegebenen Berfprechen, nicht ohne 
Erlaubniß nah Paris geben zu wollen. Endlich erhielt er dieſe Erlaub⸗ 
niß und bat von da an fih nicht wieder über die Parifer Polizei zu bes 
Hagen gehabt, bi8 in den legten Tagen der Juliregierung, wo ihn der Praͤfekt 
wegen eined Zeitungsartikels zur Rede fielen wollte, aber von V. auf die rechte 
Weiſe zurüdgewiefen wurde. — In Paris wurde V. mit Arago, David, Martin 
von Straßburg u. vielen anderen republifanifchen Autoritäten befannt und bes 
freundet. Im freundfchaftlichen Gefpräche ſtieß B. fehr oft auf die Vorurtheile, wo⸗ 
mit fie, Deutfchland ‚gegenüber, erfüllt waren. Diefe Borurtgeile fuchte er yu rs 









486 Beheben. 


feitigen und befämpfte daher beſonders das heingelüfle, wo ex: venfelden nur 
immer begegnete. Die Ruplofigkeit des mündlichen Widerſpruches .häfchend, Tam 
er endlich auf den Gedanken, einmal öffentlich gegen fene nufinnigen Anſichten 
aufzutreten. ine, in diefer Sache mit Arago geführte, Unterhaltung gab ven 
Ausfchlag und fo ſchrieb B. im Anfange des Jahres 1840 eine franzöffche- Flug⸗ 
ſchrift: „La France, l’Allemagne et les Provinces rhenanes“, die er .Arago 
widmete. Die Brofhüre war noch in den Händen eines Buchhändlers, der &6 abs 
gelehnt hatte, fie zu verlegen, ald die Verwickelung der orientalifchen Frage und 
der Vertrag der vier Mächte in London (Juli 1840) ihr eine fehr zeitgemäße 
Bedeutung gaben, was den Buchhändler veranlaßte, die Flugſchrift Hals über 
Kopf, ohne den Berfafler davon zu benachrichtigen, herauszugeben. Dieſe Echrift 
fiel wie eine Bombe in das Lager der Franzöffejsrepublifanttchen und Taiferlichen 
Wartet und rief eine Menge Kleiner Etreitigfeiten von Edgar Duinet, Michelet, 
Charles Didier ıc. hervor. V. antwortete mit einer zweiten Fiugſchrift; La 
France, l’Allemagne et la sainte alliance des peuples*, worin er nody fchärfer 
die umfinnigen und -umheilvollen Anſprüche Sranfreidye an Deutſchland beleuchtete 


und nachwies, wie fie die einzigen Urfachen ſeien, daß die =: Franz⸗ 











oſen nicht gemeinſame Sache im Intereſſe der Freiheit und ſchrittes 
machen koͤnnten. Der Eindruck, den dieſe Streitſchriften hervo war groß 
und vor Allen fühlten die franzöftichen Publiziſten die Bedeutung, ed haben 
mußte, werm ein Flüchtling, der einen offenen Kampf gegen die Demfchen Rum 
ungen führte, fidh in der Ratlonalfrage über den Rhein unberingt auf die Seite 
feiner poliuiſchen Gegner in Deutſchland ſtellte. Im erfien Yugenblide ſchrie 
man über „Berrath* und flüfterte ſich in's Ohr: V. wolle fid) in Deutfchland 
beitebt machen, aber am Ende blieb der Eindruck zurüd und er ik nicht wenig 
Urfacdye, wenn heute die denfenden Franzoſen wenigftens wiflen, daß fie den Rhein 
nicht berühren können, ohne ſich ganz Deurfchland auf den Hals zu laden; ins 
defien bat die franzöftich = republifanifche "Bartıt niemals V. jenen vermeintlichen 
„Verrath“ verziehen. Während jene beiden Schriftchen die Rheinfrage in Frank⸗ 
rei und für die Srangofen bifprachen, fchrieb B. auch eine deutſche Flugſchrift, 
„Der Rhein“, die zuerft in zeipaig bei Brockhaus herausfam, aber, trog der vor⸗ 
bergangenen Genfur, confiscirt, fpäter aber in der Schmeiz wieder aufgelegt wurde. 
— Das Dombaufeft zu Köln gab V. von Neuem Gelegenheit, fidh über die Ent» 
widelung, die in Deutfchland ſeit der Thronbefteigung Friedrich Wilhelm’s IV. 
angefangen hatte, auszuſprechen. Er ſchrieb zu Anfung des Jahres 1842 eine 
Flugſchrift: „Der Dom zu Köln”, worin er den Domenthuſiasmus benügte, um 
die ſchwarz⸗roth⸗goldene Fahne auf dem Dome aufzufteden. — Nah und nad 
atte die politifche Anſchauung V.'s eine fefte Richtung genommen; er hatte aus 
Erfahrung die innere Leere und Bodenlofigfeit des rein revolutionären Treibend 
kennen gelernt und fam zu dem immer Earer werdenden Bemwußtfeyn, daß die 
Völker und indbefondere die Deutſchen nur durch den geſetzlichen Kampf ger 
en Unrecht und Anmaßung der Zürften, wie der Bureaufratie, zur wahren 
—Q6 und zu dauernden, beſſeren Verhältniffen fommen könnten. Dieſes Er⸗ 
gebniß langjähriger Erfahrung und vieler Studien legte er in dem Werlkchen: 
„John Hampden,“ Bellevue bei Konftanz 1843, nieder, welche Echrift bald eine 
zweite Auflage erlebte. Diefer Arbeit fügte er eine Korreipondenz bei, aus ber 
hervorgeht, daß er Ende 1842 bei der preußifchen Gefandtichaft in Paris anges 
fragt hatte, ob die Amneftie von 1840 auch auf ihn Anwendung finden Fönne ? 
worauf Graf von Arnim mit fehr bündigen Worten: „Nein!" antwortete. Die 
Studien der englifhen Geſchichte, aus denen „John Hampden“ hervorgegangen 
war und die überhaupt eine befondere Wirfung auf®. gehabt hatten, ließen ihn 
Ende 1843 den Entſchluß faffen, England und die Engiänder ſelbſt zu flupiren. 
Ein mehr als einjähriger Aufenthalt in England und eine Reife nach Irland 
führten zu den Werken „England von I. V.“, 3 Bände, und „Irland von J. 
V.“, 2 Bände, beide Leipzig bei Brodhaus 1843. Diefe Arbeiten, das Klima 


“ Benedig. 487 
und das umnfäte Beben hatten des Publiziften Geſundheit fo angegriffen, daß er 
bet feiner Nädtehr nach Paris gefährlich frank wurde, Profeflor Dr. Lallemand 
veroronete ihm einen Aufenthalt in den Pyrenden zu Bernet led Bains. Die 
Ruhe dieſes Aufenthaltes chat noch beffere Wirkung, als die dortigen Schwefels 
bäver, am beften aber wirkte, als B. nach ſechsmonailichem Aufenthalte in Ders 
net, wo er fein „England“ vollendete, den Entfchluß faßte, zu Buß über Stod 
und Stein die Pyrenden von einem Ende bis zum andern zu durchlaufen. Dies 
fe Mittel fchlug fehr gut an und V. kam erftarkt und hergehelt zu Bayonne 
an. Nach diefer Reife erhielt er die Erlaubnis, feinen Vater In Köln, ver ſicht⸗ 
bar am Rande des Grabes ftand, auf 14 Tage zu befuchen. Diefer Umſtand 

ab die Beranlaffung zu der Schrift: „Vierzehn Tage Heimathluft“, Leipzig bei 
urany 1847. Die halbgermanifche Luft in Brüffel veranlaßte B, ſich hier eine 
% lange nieverzulafien, wo er fein Werk: „Das füdliche Frankreich“, 2 Bände, 
anif. 1847, fchrieb. Nach Paris zurüdgefehrt, veröffentlichte er kurz vor der Fe⸗ 
bruarrevolution 1848 die Echrift: „Vorwärts und Rüdwärts in Preußen”, Leips 
zig bei Jurany, die ſich beſonders mit den Zufländen, weldye das Februarpatent 
von 1847 berworrief, befaßte. Die Februarrevolution fand B. noch in Paris, 
bad er am. Upril verlich und in dem Borparlamente zu Frankfurt a. M. ers 
ſchien; nachher wurde er in ben Banfslger- Mu chuß gewählt und iſt jest für 
effens Homburg Mitglied der deutſchen Rationalverfammiung, in der er als 
edner, wie al® Arbeiter in den Ausfchüffen, fid, bemerkbar gemacht hat. — 
B., deſſen politifche und religidje Anfichten wir nicht theilen können, tft fels 
zer Außern Perſoͤnlichkeit nach eine fanfte Ratur, zum Vermittler zwifchen den 
Anfiyten der Linten, zu deren gemäßigterer Partei er gehört und jenen der Rechs 
ten geeignet, wenn gleidy nicht immer leidenſchaftolos auftretenn. Außer den 
ſchon angeführten Schriften verfaßte er: 1) Römertbum, Chriſtenthum und Ger⸗ 

manenıhum, Yrankfurt a. M. bei Meidinger, 1840 (eine veutihe Bearbeitun 
‚feiner erwähnten frangöfifchen Preisichrift). 2) Die fpanifche Tänzerin und vie 
deuiſche Freiheit, Paris 1847; ferner zahlreiche Auffäge und Korrejpondenzen in 
den Zeitichriften: Gränzboten, Curopa, Worgenblatt, Blätter für literarifche Unts 
erbaltung, Democratie pacifique (1839—41), Augsburger Allgemeinen, Könıfchen 
und Leipziger, Deutſchen Zeitung; auch war er Diitarbeiter an dem Staatslerifon 

von Weiter und Rotted. C. Pfaff. 
Denedig (Venezia). Bon den Lagunen (f. d.), jenen befannten eigens 
thuͤmlichen Buchten des adriatiichen Meeres, tft die berühmtefte die Lagune von 
V. Ihre Oberfliche wird auf 47 Meilen berechnet. Eine fchmale Dünenreihe 
(Lidi) fihelder fie vom Meere, bat aber fünf Deffnungen, weldye zugleich Häfen 
(Port) find, nämlıh di Malamocco, di Ehioggia, di Lido, di Tre 
portt und di ©. Erasmo. Die Lıpi find fehr bevälfert (etwa 30,000 E.), 
und es befinden fi auf ihnen ganze Ortfchaften, viele Bergnügungepläße und 
Landhäufer der Venetianer und die Begräbnißftätten der Juden und Muhamme⸗ 
daner. Man unterjcheidet die Laguna viva und Laguna morte. Jene tft 
zur Fluthzeit fletd unter Wafler und enthält insbefondere die Infeln und bie 
Stadt B. Die Infeln find bebaut, mit Flecken und Dörfern befegt und von der 
üpptgften Begetation bevedt. Die Laguna morte, näher dem Feſtlande, ftellt fich 
zur Seit der Ebbe vollfommen al8 Sumpf dar. Die eigenthümliche Lage B.6 
machte eine Reihe von Schutzwerken nöthtg, wie fie in diefem Maßſtabe an Feis 
nem andern Orte der Welt vorfommen. Um die Lagune vor Verſchlammung zu 
bewahren, welche einerfeit8 V. feiner Eigenfchaft als Infelftadt beraubt, anders 
feit® die Luft bis zur Unwohnbarkeit verpeftet haben würde, unternahm man die 
ungeheure Arbeit, alle in die Lagune mündenden Flüffe zwifchen hohen Dämmen 
in die offene See abauleiten, und die Lagune gegen das Feſtland bin durdy eine 
weit hinlaufende ‚Reihe von Pfählen abzugränzen. War auf diefe Art von ber 
Lagune das Kindringen des ſuͤßen Waſſers abgewehrt, fo galt es hinwieder, die 
en gegen die Wuth der Meereswogen zu Fügen und dadurch au werküten, 





433 Venedig. — 
daß die Lagune den Stürmen und fomit V. ſelbſt dem Um! pri jeben 
werde, Man verrammelte alfo bie rag Stellen — mit akt 
werf, und 1744 begann die Republik jenen großartigen Dammbau, der mit 
Recht den Namen Murayzt (Riefenmauern) erhielt. Diefe Mauern find von 
Marmorquadern aufgeführt, „ Al—44 Fuß did und ragen 14 Zuß über den ger 
wöhnlichen Meereöftand hervor, Die öfterreichiiche Regierung ſehte in neuerer 
Zeit diefen Folofalen Bau fort, wo ihn die Republif unvollendet gelaffen hatte, 
und zu gleicher Zeit ließ fie einen ganz aus Marmor beftehenden Damm (Molo) 
errichten, um die Verfchlammung des Hafens von Malamocco zu hindern, an 
deſſen innerer Mündung ſich eine gefährliche Bank gebildet hatte. In ſtrategiſchet 
8 befchügen die Lagune flarfe Werfe, an den Einfabrten und auf den 
men angebracht, die jedem feindlichen Schiffe den Zugang verbieten, und eine 
Linie von Forts (darunter das renomirte Malaghera), welde auf der weſt⸗ 
lichen Uferftrede der Terra firma ſich hinzieht und einen Angriff von der Land» 
feite her abwehrt. Weberbies befteht eine eigene Lagunenflotte von 100 Penifchen 
oder Kleinen ——— jedes mit 15 Marineſoldaten bemannt und zum 
Kreuzen auf dem feichten Gemwäfler eingerichtet, Im Mittelpunl fer bewun« 
dernswerthen Wafferbauten und Befeftigungsanftalten nun li einftige 
Königin des Meeres, umfpült von den Gerwäffern der Lagune, 6 Inſeln, 
von 135 Kanälen durchſchnitten, über welche 450 Brüden und ge führen. 
Die Stadt bevedt einen Klächenraum von 24 [I M., ift in 6 Bezirke (Seftieri) 
eingetheilt und zählt 420,000 Einwohner, worunter viele Armenier, Griechen, 
Deurfche und Juden, 23,000 Häufer, won welchen indeß viele leer ftehen und 
verfall'n,-51 Bläge, 2108 Gaſſen, 99 Fatholifche Kirchen, eine griechriche, eine 
jriechifch »orientaliiche, eine armenifche, eine proteftantifche, 7 Eynagogen, 19 
Hfenttiche und 45 Privarpaläfte, Die Luft ift ungeachtet der nahen Sümpfe 
geſund, aber als großer Uebelftand zeigt fich der Mangel an Trinkwaffer, welchem 
die 160 Öffentlichen Zifternen und mehre artefiche Brunnen nur ungenügend abs 
helfen. Die Kanäle ftellen allerdings die Straßen B.8 vor, und Hauputraße iſt 
der Canal grande (Canalazzo), welcher in Geſtalt eines S das Ganze in 
zwei Theile ſcheidet; indeß iſt es eine gan terige Borftellung, wenn man meint, 
die Häufer fänden daſelbſt alle fo im Waſſer, daß man außer dem Marfusplage 
feinen Schritt gehen lönne, fondern überall gonveln müfle. Viele kleinere Ka⸗ 
näle find neuerlich zugeichättet oder überwölbt worden; ferner gibt es auch zahl 
reiche fchmale Kai's (Talli) und wirkliche Straßen, freilich meiſtens fo fchmal, 
daß man mit audgebreiteten Armen die gegenüberfichenden Häufer erreichen Tann. 
Diefe Gäschen find mit Duadern gepflaftert, werden fehr reinlidy gehalten und 
zeigen ein reges Menfchengewimmel. There fihlen im Straßenverkehr V.s und 
es gibt viele Eingeborene, welche in ihrem ganzen Leben Feine anderen Pferde, 
ald die ehernen Roffe an der Markusficche gefehen haben. Die Stelle der 
Equipagen u. Miethkutfchen vertreten in V. die Gonveln, Die Führer derſelben 
Gondoiieri, Barcaroli) zeichnen ſich durch ihre große Gewandtheit im Rudern 
und Steuern aus. Der nordweſtliche Theil der Stadt bildet einen merftichen 
Gegenſatz zum fünöftlichen, denn Dort gibt es mehr feften Boden, freie Pläpe, 
Hofräume, Gärten, dagegen herrſcht weit weniger Verkehr und Leben, als hier. 
Die Juden haben ein eigenes Quartier in der Seftiera di Ganalreggio, ben 
Ghetto, wo 7—8 Stodwerke hohe Häufer enge, düftere Gaffen bilden; di 
ſeitdem die Sranzofen zu Anfang diefes Jahrhunderts den Judenzwang gänzli 
aufhoben, wohnt von den reichen Jiraeliten faum Einer mehr im Ghetto, und 
auch von den Wermeren haben mandye ver Gefchäfte wegen andere Staptiheile 
bezogen. Ale Gebäude Vlo ftehen auf Pfahlwerk, mehre auf Röfen von Geder- 
fämmen, und einer der großen Paläfte iſt fogar auf lauter Mahagoniblöden 
erbaut. — Der intereffantefte Theil. der Stadt if Rialto mit der. fchönen 
Straße Riva dei Schiavont, dem berühmten Markusplage. und der Pia⸗ 
seta, Der Martusplag, 553 Buß lang und über 200 Buß breit, iR par⸗ 


Venedig. 489 


fettartig mit viereckigen ſchwarzen Trachytplatten und weißem Marmor ges 
pflaftert. Er wird gebildet durch die Markusfirche, den königlichen Palaft und 
die beiden Profuratien. Huf ihm ftehen, von ehernen Yußgeftellen getragen, drei 
foloffale Gedermaften, die Eymbole der ehemaligen Herrichaft der Republif V. 
über die Königreiche Candia, Eypern und Morea. Die umlaufenden Arkaden 
find iu Handelegewölben und Kaffeehäufern benügt. Bon legteren haben hier 
für die bedeutendflen fremden Nationen, mit welchen V. zu thun bat, ſich eigene 
etablirt. Der Markusplatz wird mit Recht das Herz von V. genannt, Bon 
allem Großen, was geicheben, if er Zeuge geweſen, und noch immer ift er der 
Sammelplag der fchönen Welt, der Fremden und aller Gefchäftsleute. Die im 
rechten Winfel an ihn floßende Piazetta iſt von dem Marfuspalafle, der Bis 
bliothef und der Münze (Zecca, daber Zechinen) umgeben. An der offenen Seite 
gegen ven Kanal Giudecca bin erheben fidy zwei hohe Granitſäulen, 1125 von 
dem Dogen Domenico Michieli aus dem Archipel hieher gebracht. Die eine 
davon trägt die Statue des hl. Theodor, ded Echußpatrond von Dalmatien, die 
andere den bronzenen Löwen des heil, Markus, Die Markus kirche befteht 
aus drei verfchiedenen, räumlich von einander getrennten Bauten, der eigentlichen 
Kirche San Marco, dem Glodenthurme und dem Uhrgebäude Die Baſilika 
des heil. Markus ift berühmt wie Sanfı Peter in Rom, wie der Dom zu Köln, 
aber als Kunftwerf der Architefiur kann fie fidy nicht mit dieſen beiden. Tem, 
peln meſſen, ja fie wird in diefer Hinficht felbft von mehren Kirchen B.6 übers 
troffen. Sie ift ein fonderbares Gemiſch byzantiniichen, deutſchen u. italieniſchen 
Styles, im 10. Jahrhunderte begonnen, im 12. vollendet. Die Facade hat fünf 
Portale; über dem mittleren u. größten fieben die vier herrlichen Pferde Lyſipp's, 
von Erz und vergoldet, welche der Doge Danvolo im J. 1204 vom Hippodrom 
zu Sonftantinopel wegführte. Fünf Kuppeln, von Goldwoſaik bevedt, überwölben 
die Kirche, deren Umfung 950° beträgt. Die Pracht im Innern überfteigt alle 
Vorftellungen, und es foll der Realwerth der Kirche auf 80 Millionen venetians 
ifhe Dukaten (nicht ganz fo viel Thaler) fi) belaufen. ine ftrogende Zülle 
von Gold und &pelgeftein, von Murmor und Mofaik, von Eulen, Statuen und 
®emälven iſt da dicht zufammengedrängt. Die Schapfammer enıhält ausgezeich⸗ 
nete Kunftwerfe aller Zeiten. Der Gtodenthurm, Ifotirt neben der Kirche ftehend, 
ift im Viereck erbaut, 322° hoch und endet in eine Pyramide, welche einen 16° 
hoben Engel aus Bronze trägt. Er hat doppelte Mauern von außerordentlicher 
Stärke, zwiſchen weichen ein Gang ohne Stufen hinauffübrt, fo breit und bes 
quem, daß man bie in die Olodenhube ohne die geringfte Befchwerlichfeit reiten 
fann. Die Ausfidht von der Höhe über B., das Meer und das Feflland bis zu 
den Zirofer Gleiſchern iſt bezuubernd. Der Marfusthurm diente Galilei als 
Dbfervutorium. Das Uhrgebäude fteht auf der Seite der alten !Brofuratorien. 
Das Zifferblatt ik von gewaltigem Umfange, fo daß felbft dad auf dem Münfter 
zu Sırapburg unbedeutend Dagegen erjcheint. Zwei eherne riefenhafte Statuen 
(lagen die vollen Stunden an, während die Viertel durch den Thürmer auf 
dem Marfusthurme an eine der Gloden deffelben gefchlagen werden. Die übrigen 
Kirchen der Stadt find faft alle im italieniſchen Kupp-ifiyle gehalten, und man 
fann nicht läugnen, daß dieſer etwas Impoſantes bat. Die herrlide Santa 
Marta della Salute wurde 1630 nad) Longhena's Plane zum Danfe für 
die Befreiung von der Peſt erbaut u. hat die großartigfte Rotunde in V. In der 
Sranziökanerkirdye Dei Frari iſt das Grab Tizians aufgefunden worden. Die Kirche 
S. Giovanniſe Paolo umfdließt Die Monumente von 70 Dogen. Ueberaus reich 
verziert ift die Kirche Degli Scalzt. Sehenswerth find ferner S. Luzio, Pallas 
dio’8 letztes Werk, St. Giorgio Maggiore, Palladio's fchöne Kapuzinerfirche il Res 
dentore u. a. — Der weltderühmt Dogens oder Markuspalaſt (Palazzo Duz 
cale), im 14. Jahrhunderte von Balendario erbaut, macht eine Fronte von 216 Fuß 
gegen die PBiazetta. Der Styl iſt förmli bizarr zu nennen, aber grandioß, 
mächtig, gebieterifch. Die Säle, die gewaltigen Räume, In denen de Birart er 


490 Venedig, — 


Repubtif, wie einſt die Bürger Noms auf dem Kapitol, tiber das Gefchid von 
Königen und Königreichen entſchieden, mo die großarti Pläne entworfen und 
Befchlüffe gefaßt, mo aber auch die furchtbarſten Graufamfeiten in beimtüdiicher 
Staaiskugheit erfonnen und mit empörender Kalıblütigfeit —— wurden, 
dienen jeht zur Aufbewahrung von Sammlungen, zu Bürean’d und andern nichts 
weniger als welthiftorifchen Zweden. Der Äudienzſaal, von goldenen Zierathen 
flrogend und an den Wänden mit Gemälden errungener Siege überdeckt, ift en 
forechendes Denkmal des ehemaligen Reichthumed und der Macht der Republik, 
Im großen Rathe ſaale find die Bildniſſe fämmtlicher Dogen B.8 aufgehängt und 
über der Eingangsibüre fieht man Tintoretto’s Paradies, ein Gemälde im folof- 
falften Mafftabe. Unter ven Antifen des Saales finden ſich Werke der höchſten 
Vollendung. Die übrigen Merkwürdigkeiten des Palaſtes find die Riefenftiege, 
die goldene Stiege, die Kapelle, der Saal der Zehnmänner, dad Gemach ver 
Staatsinquifitoren, das Kabinet des Dogen, die Löwen: umd Leoparbenföpfe mit 
offenen Rachen, in welche früher die fchriftlichen Denunziationen geworfen wurden. 
Die übel berüchtigte Seufzerbrüde verbindet den Palaft mit den Gefängnifien 
Grigioni), einem majfiven Bau, welcher gegen die Riva det Schlavoni Fronte 
macht. Die Kerfer — u den geſundeſten und deſten in Europa, denn 
die verrufenen Bileivächer Hiombi) und bie unterirbifchen — je (Rozii) 
werben nicht mehr benüßt, Jene find 8 Fuß Hohe, geräumige Gemächer und von 
dem Dleivache durch eine horizontale Mauerdede getrennt, demnach bei weitem 
nicht fo fürchterlich, als man von ihnen gefabelt bat, anders fieht es freilich mit 
den Port. Das finde unterirdifche, ſeht ſeſie Gewölbe, Falt, finfter und ſchauer ⸗ 
lich. Einige lagen fo tief, daß die Fluch in fle eindringen konnte; diefe find aber 
jegt verfchüttet. Der föntgliche Palaft, gegenüber von der Markugficche, 
wurde 1810 von Napoleon auf der Etelle der Kirche St, Geminiaro erbaut. 
Die Zahl der Paläfte, welche fich der reiche Adel von B. in den Zeiten der Res 
ublif erbaute, ift außerordentlich groß; doch find jeht mur noch die wenigſten 
im Befige der Familien, deren Namen fie führen. urch ihren Bauſtyl oder 
dur Kunftfammiungen und hiftorijche Erinnerungen zeichnen fih aus die Palazzi 
Grimani, Eorner, Yalieri, Manfrin mit berühmter Gemälvegallerie, Barbarigo, 
ifani, Mocenigo, Peſaro, Manin, Manfrevi, Moretto, Nanini, Siveri, 
oro, Rizzo. Unter den Theatern ift das fchönfte und größte die herrliche Benice, 
4791 um 14 Mil. Gulden von Selva erbaut. Sie hat 160 Logen und faßt 
3000 Zufchauer. — Zu dem Gemaltigften, was an V.s chemalige Größe mahnt, 
gehört fein Arfenal. Es iſt diefes nicht etwa ein großes Haus, fondern ein 
ganzer Staduheil, von Mauern und Thürmen umgeben und aus verſchiedenen 
mächtigen Gebaͤuden, Plägen u. Kanälen beftehend, in einem Umfange von mehr 
als zwii italienifben Meilen. Gleich am Eingange zeigen fih die vier antifen 
Lowen, welche 1687 aus dem Piräus von Aıhen bieher als Beute gebracht wurden, 
und auch das Innere enthält zahlreicher Trophäen und anderweitige Dokumente 
der chemaligen Sceberrlichkett B.6, fo I die Büften der venetianifchen See⸗ 
helden, die große Sahne, welche in der Schlacht von Lepanto den Türken abger 
nommen wurde, dad Modellsamd ein Feines Ftagment des Bucintoro. Im Mor 
dellſaale fieht man das meifterhafte Relief der adriatifchen Küften. Der Riefenfaal, 
in weldyem die Taue gedreht werden, die fogenannte Tana, ift 910 Fuß lang, 
56 Fuß breit, 70 Fuß hoch und ruht auf 92 Eäulen. 86 Schiffe können zu 
gleißer Zeit im Arfenal gebaut werden. — Die Rialtobrüde zeichnet fih 
urch ihre Kühnheit und Befigfeit aus. Gin einziger Bogen, 89 Fuß weit, ift 
aus ifrifchem Marmor über ven Kanal gefprengt. Aber ein noch viel größeres 
Wunderwerk der Wafferbaufunft iR die vier Miglten lange Niefenbrüde für bie 
Eiſenbahn von V. quer durch die Lagune nach dem Feftlande. — Gewiſſermaſſen 
die Vorfiaͤdte von ®. bilden die — von Künftlern, Fabrilanten, Handwerlern, 
Fiſchern und Gärtnern bewohnten Inſeln San Laz ars, mit einem armenifchen 
Wecitariftenkiofter, berühmt durch feine orientaltihe Druderei, feine Bibliothek 


Benedig. 491 


und fein Mufeum, Bindecca, San Giorgio, Santa Elena, San 
Erasmo, il Lido di Malamocco, tl Lido di Paleftrina, Ohloggie, 
mit einer Stadt von 25,000 Einwohnern, in welcher ein Bifchof reflvirt, San 
Michele, Murano, Hauptfig der venetianifchen Glas⸗ und Spiegelfabrifation, 
Mazarbo, Torcello, Burano u. aam. — V. if ver SEitz eines Patriarchen 
und war bis zur Revolution im Jahre 1848 die Hauptftadt des öfterreichifchen 
Goupernement® V. und der Aufenihaltsort der bei diejer hohen Behörde anges 
fielten Beamten, fowte des F. E. Marine-Oberfemmando. Das ungeheure Staais⸗ 
archiv der ehemaligen Republif, die Urkunden und Echriften von ten älteften 
Zeiten ber enthaltend, wird im Klofter der Krari aufbewahrt. Won Unterrichtd- 
anftalten beftehen bier ein Lyceum mit Konvift, reicher Bibliothek, einem phyſika⸗ 
liſchen Mufeum und einem botanifdyen Garten, drei Gymnaſien, ein PBatriarchals 
feminar, weldyes jegt auch die berühmte Pinoteca Manfredint befigt, ein Marines 
fodctiensInftitut, Mädchen-Erziehungsanftalten der Saleftanerinen. Weniger gut 
beſtellt zeigt fih das Volks ſchulweſen, und namentlih {ft von einer allgemeinen 
Schulrflichtigfeit, wie in den deuſch⸗ oͤſterreichiſchen Etaaten, nicht die Rede. 
Die Warkuspibliothet im Dogenpalafte zählt 70,000 Bände und 5000 Hand» 
ſchriften. Wihenäum. Es bedarf faum der Erwähnung, wie reich V. an Kunfts 
ſchätzen iſt. Es gibt fchwerlich eine Kirche, die nicht ein bedeutendes Werk der 
Malerei oder der Skulptur aufzuweiſen hätte, dann die großen Paläfte und außers 
dem noch befordere Sammlungen, wie die Akademie der fhönen Künfte, - 
ter befindet fi V.s fchönftes Bild, die Himmelfahrt Marik von Tizian, deſſen 
ferung der Jungfrau im Tempel, Trutoretto’8 Hauptwerk, die Befreiung eines 
Stlaven durdy den bi. Markus, das Abenpmahl von Paul Beronefe, ferner eine 
fehr reiche Sammlung von Gypsabyrüden. Auch Cmova's rechte Hand mit 
jeinem Griffel wird in der Afademie aufbewahrt. Der durch die neuefte Ummwälzung 
veranlaßte Rothftand der öffentlichen Kaffen ließ in der Nationalverfammiung 
einen Vorſchlag zur Veräußerung eines Treiled der Kunftfchäge der Stadt laut 
werden; derfeldbe wurde jedoch mit Etimmenmehrheit verworfen, ein Befchiuß, 
weldyer eben fowohl dem Kunftfinne als dem Patriotismus der Benetlanr Ehre 
macht. Außer La Benice hat B. noch ſechs Theater. Für die Pflege der Muflf 
forgt ein Muftf-Eonjeivatorium mit einem Penfionate, das fchon viele treffliche 
Künftter zog. Von Wohlthätigkeits- und Cefundheitdanftalten beſitzt V. viele 
Hofpiräler, ein Findelhaus, drei Waifenhäufer, drei VBerforgungshäufer, ein Milts 
tärtpital, zwei Duarantänes Lazuretbe u. a. m. Im großen Baſſin find eine 
Schwimmanſtalt und mehre Bäder errichtet. — Der Handel B.8 war in den 
legten Jahren bis zur jegigen Kataftrophe ber, ungeachtet der drüdenden Fr 
barfchaft Trieſts, durchaus nicht jo unbedeutend, als er und von mehren Schrifts 
ſtelletn gefchiltert werden iftz einzelne Zweige, wie 3. B. der Delbandel, wurden 
fogar fehr fchwungbaft betrieben und die Kommiſfions- und Wechſelgeſchäfte der 
Benetianer dehnten fi) über den größtn Theil Europa's aus. Die Regierung ers 
Härte im 3. 1530 die Stadt zu eincm Freihafen und that alles Mögliche, um die 
äußern Hinderniſſe der Schifffahrt zu bejeitigen, wofür ſte eine Summe von vielen 
Millionen Gulden verwendete, (vgl. die Cingangs erwähnten Wafferbauten), 
Nach dem Innern der Lombardei führt eine Eifehbakn. und zur Crleichterun 
der Kommunikatton mit Trieft und der Levante befteht eine regelmäßige Dampfs 
ſchifffahrt. — Bon der Induftrie B.8 find Dur) den Mangel an ſüßem Waſſer 
mehre Gewerbe ganz ausgeſchloſſen, doch iſt fie im Ganzen kleineswegs unerheblich, 
Es beſtehen eine Ararialiiye Tabakfabrik, 15 Fabriken für gemeine Glaswaaren, 
Perlen, Paſten und Glaeblumen, vier für Spiegel- und Tafelglas, eine Dampf⸗ 
mahlmühle, eingerichtet von einer Aktiengeſellſchaft in der chemaligen Kirche 
Et. Gerolamo, deren Thurm jegt ald Kamin dient, eine Zuderraffinerie. Bes 
merkenowerihe ‘Produkte des hiefigen Oewerbfleißes find ferner Wachs, Wachks 
blumen, Masten, Seife, Theriak, Weingeift, türfifche Käppchen, Handichuke, 
fünfliche Blumen, Eteingut, Tuch, Seiden⸗ und Sellerwanen. Die venlanl 


492 Venedig. “= 


je, Goldketten haben noch ihren alten Ruf. — Als ‚dienen 
ie Arkaden des Markusplages, die von Napoleon angelegten öffentlichen Gärten 
und die Theater. Bon den BVoltefeften ift das interefantefte verloren gegangen, 
dem fein Doge mehr am Himmelfahrtetage im golbftrogenden-Bucintoro 
ifft in's adriatiiche Meer, den Eoftbaren Brautring in Hadria’s Fluthen vers 
jenft und fo. die Vermählung felert zwifchen der Infelrepublif und dem m 
Elemente, Unter ven noch beftebenden Feierlichleiten find die größten die 
leuchtung der Markusfirche am Charfreitage, das Martbafeft und die Feſte del 
Reventore und St. Agata. Den Olanzpunft des gefelligen Lebens bildet der 
Karneval, — — Berfaffung der ehemaligen Republif V. und Ge 
ſch ich te. Zur Zeit der Auflöfung dieſes Staates (1797) hatte fein Gebiet, fo 
weit es nämlich zu Italien gehörte (Terra firma genannt) und mit Inbegriff des 
venetianifchen Iſitlens einen Flächenraum von ungefähr 625 m] M. Bien 
famen noch die venetianifchen Befigungen in Dalmatien und im nörblichen Alba 
nien, dann die Jonlſchen Iufeln. “Die ——— ſich auf drei Millionen, 
das Einkommen auf 54 Millionen venetianiſcher Bukaten. Die Staats 
war völlig ariftofratiih, und die Gewalt lag in den Händen von enwa 1. 
Adeligen over Nobili. Sobald einem Nobilt ein Sohn geboren wurde, ließ er 
deffen Namen in das fogenannte goldene Buch eintragen, außerdem fein Adel 
nicht anerfannt worden wäre, Kein venetianticher Edelmann durfte in 
auswärtigen Fürften Dienfte treten. Jeder Nobile ward ſowohl von feines Gleis 
en als von Andern Greellenza titulirt. Er hatte von feinem 25. Jahre an das 
t, ‚den großen Rath zu befuchen. Das übrige Volk war Null; es durfte an 
Teiner —— — nehmen, feine Stellen befleiven, ed mußte nur er 
horchen. Das in feiner Machtvolllommenheit fehr beichränfte Oberhaupt 
Republif war der Doge oder Herzog, welcher für Lebensdauer gewählt wurde. 
Die oberften Etaatöbehörben waren der große Rath, oder die Berfammlung aller 
Nobili, ver Senat (300 Mitglieder) und das Kolleglum, aus dem Dogen und 
ſechs Näthen (der Signoria), den Miniftern u. ſ. w. beftehend. Der Stgnoria, 
dem Rathe ded Fürften, lag die Ausführung aller Rey — — ob. Die 
Rechtsvflege wurde von vier Tribunalen verwaltet. Nebft diefen beftand der Rath 
der Zehn. Diefes Gericht befhäft'gte ſich vornehmlich mit den Kriminalanı- 
Hagen, in welche Nobili, Geiftliche und andere Standeöperfonen verflochten 
waren, und mit den politifchen Vergehen. Es war wegen feiner Strenge fehr 
gefürchtet. Ihm zur Eeite ftanden die drei Staatsinquifitoren, welche fo 
unumfchränfte Gewalt hatten, daß fie felbft den Dogen aus dem Wege räumen 
Eonnten. Sie waren im eigentlihen Sinne BVehmrichter, bei ihren Sentenzen 
feiner Regel unterworfen und. vom — — Geheimniſſe umſchleiert. 
Zahlloſe Ehione, djterd® aus den höchften Ständen, dienten ihnen, umd 
überdied erhielten fie viele Denunziationen durch die oben erwähnten Löwen- 
föpfe, hinter welchen Käftchen angebracht waren, zu denen die Inquifitoren 
die Schlüffel hatten. Die. Schlachtopfer dieſes tyranniichen Gerichtshofes 
füllten die befahriebenen furchtbaren Staatsgefängnifie, und zahlreiche, von den 
Inqufitoren verhängte Todeöftrafen wurden heimlich vollzogen. Im Uebrigen, 
fo lange es fich nicht um Politif handelte, verfuhr die Regierung mild, die Ab» 
gaben waren gering, Handel und Gewerbfleiß blühten. Nirgends find bie guten 
tie die fchlimmen Seiten des ariftofratifchen Regiments fo offenbar geworben, 
als in B. Die Landmacht der Republif war in dem lehten Zeiten unbedeutend, 
beträchtlicher die Seemacht, welche aus 85 Kriegsfahrzeugen beftand, worunter 
24 Linienfchiffe. Won Ritterorden vergab B. den des heil. Markus und dem der 
Konftantinerritter. — Als zur Zeit der Völkerwanderung Oberitalten mehr und 
mehr von milden Horden durchzogen und verwüftet ward, da faßten die, Anwoh- 
ner der Piave und Brenta, die Veneter, den nicht allein für fie felbft,. fondern 
gu auch für die Wiffenichaft und Eivtlifatton im Allgemeinen fehr glüdlichen 
jedanfen, fich und ihre ganze materielle und geiftige Errungenſchaft vor. den 


3 


Benedig. 493 
Eingriffen ver Barbaren in's Meer zu flüchten, d. 5. auf die Inſeln, bie 
fig vor den Mündımgen ver vielen Bergftröme im norbweftlichen Winkel des 
adzlatifchen Meeres gebildet hatten. Im Jahre 421 ward in Rialto bie 
erſte Kirche von thnen erbaut. Dad Gemeinweien der Nuswanderer war ein 
völlig demokratiſches. Der Einfall der rohen Longobarden in Stalien führte 
wieder eine Menge von Flüchtlingen nad) den Lagunen, und bald wuchs die Bes 
völferung dort fo an, daß für jede Inſel ein Tribun erwählt wurde, der über 
die Rechtspflege wachte. Die Streitigkeiten, welche diefe Tribunen wegen des 
Borranges mit einander anfingen, fo wie die Gefahren, die von Seite der Lon- 
obarden und Slaven drohbten, veranlaßten, daß im J. 697 auf einer Volksver⸗ 
—— zu Heraklea ein gemeinſames Oberhaupt gewählt wurde. Der erſte 
Dur oder Doge war Paoluccio Anafeſto. Bon dem zweiten, Marcello Tegag⸗ 
liano (+ 726), eriftiren noch jegt direfte Nachkommen, und manche veneilaniſchen 
amilien rühmen fich eines taufenpjährigen Alters. Gegen die Mitte des achten 
ahrhunderts wurde Malamocco die Hauptfladt des Staateß, und hier reflvirten 
auch die Dogen. Aber diefe reiche Stadt warb in Yolge innerer Zwifle 830 
durch Feuer, und hierauf durch ein Erdbeben mit heftigen Sturmfluthen gänzlich 
zerftört und {fl gegenwärtig nur ein ärmliches Neft, während das jehige Venedig 
feinen entfchiedenen Vorrang vor allen übrigen Drtfchaften der Republif beſonderö 
dem Umftanvde zu danfen hat, daß im J. 827 die trdifchen Reſte des heil. Mars 
kus von Wlerandria dahin gebracht wurden. Was San Marco von jeher und 
bis in unfere Zeit für die Venetianer beveutet, ift weltbefannt. Echnell erhob 
fih auf der⸗Rialtoinſel eine volfreiche und blühende Stadt, und allmählich wur- 
den bie vielen andern Infeln, welche jene umgaben, durch Brüden und Stege 
mit einander verbunden, fo daß fie zufammen nur Eine große Seeſtadt ausmach⸗ 
ten. Die Kämpfe mit den Arabern, von denen ſelbſt das adriatifche Meer uns 
fider gemacht wurde, und mit den flavifchen Seeräubern, deren Stammeögenof- 
fen an der Oſtküſte jened Meeres die Königreiche Dalmatien und Kroatien ges 
gründet hatten, gaben den Benettanern Gelegenheit, ſich zu treffiichen Seeleuten 
auszubilden und fo nad) und- nady die Herrichaft über das adrlatifche Meer an 
fidh zu reißen. Schon 997 begaben fidy mehre Städte Dalmatiend unter ihren 
Schuß und wurden fortan durch venetianifhe Prioren oder Podeſta's regiert. 
Fortwährend benügte V. feine Lage auf den Gränzen des oſt⸗ und weltrömiichen 
Kaiſerthums mit vieler Klugheit, und frühzeitig eigneten ſich feine Diplomaten 
eine Gewandtheit an, weldye den Staatdmännern anderer Länder zum Vorbilde 
diente. Immer blühender erhob fi audh B.8 Handel, und am Schluffe des 
10. Jahrhunderts genoß es bereitö großer Handeldvorzüge im Morgenlande ſo⸗ 
wohl, al8 im Abendlande. Befonderd gewann V. durdy Die Kreuzzüge, welche 
es zur reichften und mächtigften Stadt Oberitaliens erhoben, in weldyer bie 
Schaͤtze des ganzen Orients zufammenfloffen. Mehr und mehr wuch® aber auch 
mit der Zunahme des Reichthums der Einfluß der Ariftofratie auf die Leitung 
ded Staates; nicht nur die Volksverſammlungen verloren ihr bisheriges Anfehen, 
fondern audy die Macht der Dogen wurde Immer befchränfter. Nach der Ers 
mordung ded Dogen Bitale Michieli II. im 3. 1173 wurde die Verfaffung das 
bin abgeändert, daß man die höchfte Gewalt einer zahlreichen Wahlverfammlung 
von Edlen übertrug, die durch fefte Geſetze in Schranken gehalten werden follte. 
Die Bertreibung des griedyifchen Prinzen Wlerius, welcher in ®. Hülfe fuchte, 
veranlaßte die mächtige Republif, unter der Führung ded Dogen Enrico Dans 
dolo (f.d.) u. mit dem Beiſtande des Dee der Kreusfahrer Konftantinopel zu 
erobern (1204). Diefe Kriegsthat verfchaffte den Lateinern die Herrfchaft über einen 
gosen Theil des griechifchen Katferthums, ihren Verbündeten, den Benetianern, den 
efig von Eubda, Lemnos, Greta (Bandia), Gorfu u. f. w., und B.8 Handel 
erhielt Dadurch einen noch größern Auffhwung. Alle Küften des fchwarzen Mee⸗ 
zed wurden nun von feinen Echiffen beſucht, und fein Verkehr reichte bis noch 
Armenien und Perſien, während er ſich im Rorden did yur Dir veretir, 


— 


0 
BD Benebig. 
Selbſt bei der Wiederherſtellung des griechifchen Kaiſerthums (1261) 
die Benetianer einen groden Theil ber ehemals gemachten Beute. Mit W 
mieſern, welche zum: Sturze der Lateiner in Konftantinopel weſentlich beigel: 

tten und ben venetianifchen Handelsbeziehungen großen Abbruch thaten, gerteih 
die Republik in heftige Kriege, welche, bie ung da von Waffenftiüfländen umd 
Friedensſchlüſſen unterbrochen, 130 Jahre lang mit großer Exbitterung geführt 
wurden, ohne daß die eine der beiden mächtigen Städte ein dauerndes Uebergewidht 
über die andere erlangen konnte. Die Berfaffung V.s verwandelte Ad) 1297 
nad) heftigen Streitigkeiten in eine ariftoftatifch « oligarchiſche, indem man durch 
das neue Geſetz, weldyes nur deu Familien der damaligen Mitglieder des großen 

Rathes den Zutritt zu den Staatswürden offen ließ, an die Stelle des bisher 
jährlich durch Wabl fidy erneuernden Kollegiums eine geſchloſſene Geſellſchaft won 
Eibariſtokraten, nämlich die im goldenen Buche eingexeihineten Nobili, fegte. Die 
Einführung ded Rathes der Zehn Im J. 1310 bildete den Schlußſtein dieſes ari- 
ftotratiſchen Staatsbaues. 1381 beendigte B. glorrei für ſich den langen 
Kampf mit Genua und vergrößerte in biefer und den darauf folgenden Zeiten fein 
Gebiet, indem es fih in der Lombarbei, in Dalmatien und Friaul Immer mehr 
ausbreitete und zuleht fogar das fchöne Cypern erwarb (1486), Der Handel u. 
die Seemacht des Freiſtaates hatten in der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts 
‚den höchkten Gipfel erreicht, aber jet gefchahen Dinge, deren Folgen keine Staats- 
klugheit abwınden konnte. Der Weltbanzel nahm durch die Wuffindung eines 
Seeweges nad Oſtindien und durch die Entvedung —— völlig neue 





Wendung, während die Fortfchritte ver oomaniſchen Macht Die auf ihrem 
eigenen Boden bedrohten und ihnen nach und nady ihre Beflgu 
auf Morea und auf dem griecdhifchen Feſtlande entriffen. Der hohe Glanz des 
venetianiſchen Verkehrs ſchwand für immer dahin. Gleichwohl behielt die Res 
ublif fo viel Kraft, daß fie den grfahrvollen Sturm, weldyen ber Bund von 
mbray (1508—1516) über fie bradyte, mir Glück beſtand. Doch wiederholten 
die Angriffe fi immer wieder. 1571 entriffen- ihr die Türfen Eypern, u. 1669 
nach einem 24jährigen verderblichen Serlege auch Candia. Zwar eroberte Fran⸗ 
ceeco Morofini 1684 Morea mit Arhen für B. wieder, aber tim Paflaroviger 
Frieden von 1718 mußte dieſes Land wieder aufgegeben werden. Je tiefer der 
Handel der Republif fanf, defto mehr nabm audy ihr Anſehen ab, und au Ende 
des vorigen Jahrhunderts ftand nach einem mehr ald 1300jährigen Daſeyn ber 
venetiantiche Staat nur noch als ein morfches Gebäude aufrecht. Schwankendes, 
unentfchloffenes Benehmen beim Vorbringen Bonaparte'® im erften italieniſchen 
Feldzuge beichleunigte den Untergang. Ein Aufftand der Bevölkerung der Terra 
firma im Rüden der Franzoſen relzte diefe, nachdem fie der Defterreicher durch 
die Präliminarien von Leoben los geworden waren, fi mit aller Macht 
gegen DB. zu wenden, das nicht lange widerfiehen Fonnte Am 12. Mat 
1797 dankte der legte Doge, Luigt Manin, ab. Das venetianifhe Gebiet 
fam durch den Frieden von Campo Formio fall ganı an Defterreih, a‘& 
Entſchaͤdigung für die Abtretung der öſterreichiſchen Niederlande an Frank⸗ 
reih und der öfterreichiichen Herzogtbümer Matland und Mantua an die das 
malige cisalpinifche Republik, dad nachherige Königreich Italien. Oeſterreich 
mußte zwar im Preßburger Ftieden 1805 V. wieder herausgeben, erhielt e8 aber 
durch den Pariſer Frieden von 1814 und die Befchlüffe des Wiener Kongreſſes 
von 1815 wieder. Die Eaiferliche Regierung lich ed, wie bereitd im geographi⸗ 
hen Theile dieſes Artifeld angedeutet worden ift, nicht an den geeigneten Maß⸗ 
regeln fehlen, um V.s Handel und Echifffahrt wieder in Flor zu bringen, aber 
alle Bemühungen und Opfer waren nicht im Stande, ihr die Eympyatbien ber 
Bevölkerung dauernd zu erwerben. Im September 1847 hielten die italieniſchen 
Gelehrten zu V. einen Kongreß. Damals ſchon herrfchte allenthalben in Italten, 
son Stzilien bis zum Fuße der Alpen, eine unrublge Bewegung und eine poli⸗ 
tiſche Stimmung, welche vorzüglich gegen. Die Deutſchen gerichtet war. Der 


Benzdig. 435 


Bring von Ganino, Karl Lucian Bonaparte, welcher gegenwärtig in Rom bie 
Rolle eines eingeflsifchten Republikaners fpielt, vergaß den wifienfchaftlichen Zwed 
der Berfammlung fo weit, daß er in feine Antrittörede Deflerreich verletzende po⸗ 
litiſche Demonftrationen einflocht, und wurde dedhalb vom Gouvernement aus der 
Stadt gewiefen. Die Kebruarrevolution von 1848 fand den polttifchen Boden in ®. 
bereits fartfam gelodert, denn längft fchon hatte ſich die Bevölkerung in ihrem nas 
tionalitalientfchen Stolze dem Hafle gegen die Deutfchen angefchloffen, u. die Pro- 
paganda war unablä.fig bemüht, die junge Flamme zum hellen Brande zu ſchü⸗ 
ren. Dem Ausbruche gingen mandyerle ungneibeutige Anzeichen voran. Die 
Gerito tanzte im Theater Benice unter unermeßlichem Beifalle in den italienifdyen 
Barden. Der Pöbel durchzog die Straßen mit dem Geſchrei: „Tod den Deuts 
ſchen! Tod den Defterreihern! Der Bicefönig wurde mit maßlofen Petitionen 
beftürmt. Die Regierung trat diefen Bewegungen nicht entfchieden genug ent» 
gegen. Inzwiſchen langte die Nachricht von der vom Kaiſer ertheilten Verfaſſ⸗ 
ung nebft der Bewilligung zur Errichtung einer Rationalgarde an und ploͤtlich 
fam eine unglaublidye Menge von Waffen und Bewaffneten zu Tage. Um bie 
Regierung zu täufcyen, fptelte man Komödie und freute ſich fcheinbar über die 
Konftitutton. Es gelang den Epiegelfechtereien der Verſchwornen, alle wichtigen 
Punkte in die Hände der Bürgergarde zu bringen, das deutfche Regiment Kindfy 
zu entfernen und die Italienifchen Truppen wie die Marine für fi) zu gewinnen. 
Am 20. März Vormittags wurde ein Auffland der Arfenalarbeiter mit Mühe ges 
file. Nachmittags 5 Uhr verbreitete ſich plöglich das Gerücht, einige Soldaten 
des Regiments Kinsky ſeien bewaffnet gefeben worden. Man fchrie über Ver⸗ 
rath; in einem Augenblide war die ganze Etadt in Aufruhr, Alles ariff zu ben 
Waffen. Doch wurde die Ruhe noch einmal wieverhergeftelt. Die Regierungs⸗ 
behörde freute fih, wie Alles vortrefflidh gehe und jede Befürchtung mehr und 
mehr verfchwinde Es fehlte. ihr die flare Einſicht in die Lage der Dinge. Tags 
darauf erfchien plöglih, wie aus Land und Meer hervorgewadien, ein Volks⸗ 
haufe vor dem Gouvernementd-PBalais. Die Mitglieder des Dunicipalratbes u. 
einige Abgeordnete des Volkes begaben ſich zum Grafen Palffy. Der beftürzte 
Gouverneur ftammelte einige unbeftimmte Konzeifionen. Das war genug; dieſe 
BVerfprechungen wurden der draußen harrenden Menge als eine förmliche Gewähr⸗ 
leiftung ihres Verlangen dargeftelt. Man rief: „Es lebe die Konftitution! es 
lebe die Bürgerwehr!" vor Allem aber: „Es lebe Manin! es lebe Tomafeo!* 
Diefe waren die thätigften Agitatoren. Das Geſchrei ertönte nody immer, als 
plöglich eine furchtbare Stimme den unerwarteten Ruf: „Abasso il governo!“ 
(Rieder mit der Regierung!) ausſtieß. Er wurde ſogleich aus taufend Kehlen 
wiederholt. Die forglofe, fait ſcherzhafte Haltung der Menge wich von nun an 
einer finftern Aufregung, Das Wort, welches man ausgeiprodyen hatte, rief 
alte Rachgefühl des Volkes in's Leben. Die drohende Bewegung theilte ſich 
bald der ganzen Stadt mit; die Emeute verwandelte ſich in eine Revolution. 
Der Gouverneur fand ed an der Zeit, fieh zum Widerflande zu rüſten. Kroaten 
ftellten fi) vor dem Palaſte auf, eine legte Warnung wurde gegeben — dann 
feuerten die Soldaten unter die vor ihnen fichende Menge. Ein augenblidliches 
Schweigen folgte der Salve; es dauerte nicht lange, und dann erhob ſich ein 
Freudengeſchrei. Nur ein Mann und drei Kinder waren gefallen, obgleidy 300 
Kugeln durch geübte Schügen unter eine eng zuſammengekeilte Maſſe Volkes ab- 
gefeuert worden. Kin fo merfwürdiger Umſtand fonnte nicht verfeblen, die Eins 
ildungskraft der Venetianer mächtig aufzuregen, man ſchrie Mirakel! und die 
Meinung, Gott ſelbſt habe ſich für Venedig eiklärt, ſteigerte die Begeiſterung des 
Volkes zum Heroismus. Jung und Alt, Männer und Weiber riffen Pflafterfteine 
aus und fchleuderten fie auf die Kroaten. Eine zweite Musfetenfalve vermehrte 
nur die Erbitterung der Menge, welche über die Soldaten herfiel und fie zwang, 
fi in den Palaft zurüdzuziehen. Inzwiſchen war die Nacht hereingebracdgen x. 
bie Bolksführer benüpten Diefelbe zu einer geheimen Zulammentunit, Dox Star 


U 


gramm des morgenden Tages wurde in diefer Berathung- u. ber 
2353 daß Alles vom Beſitze des Arſenals abhänge. war 
ten, wenn man ſich feiner bemächtigt hätte — UAlles, wenn der Feind 
rin verſtaͤrkte. Schon bei Tagesanbrüch erfchienen ungeheuere Volksmaſſen vor 
biefem Gebäude. Sie fanden die Thore gefchloffen, bie dc . : 
Abasso il. governo! öffneten. Die Arbeiter waren in's Komploit gezogen werben. 
Sie verfchafften dem Boife den Eingang, und das Yrfenal war olme Schwert 
ſtreich genommen. Leider begnügte man fidy nicht mit diefem leichten e Im 
Arſenal befand ſich der Oberfi Marinovich, der Nachfolger des am 5. Dftober 
1847" geftorbenen Erzherzogs Friedrich im Oberkefehle des üferreichiichen See⸗ 
weſens. Gegen ihn, der wenig belebt war, kehrte die Wuth des Bolkes 
und er wurde auf eine graͤßliche Weiſe ermordet. Ruf, den man noch 
nicht vernommen, bezeichnete eine neue Phaſe in ver Revolution V.s;3 man 
ſchtie: Es lebe Die Republik! Die ganze Stadt Hallte von biefer Loſung wies 
der — die Würfel waren gefallen. Der Volkshaufe wälzte fidh vor ven 934 
des Gouverneurs. ine utation erklaͤrte dieſem, daß Alles zur 
der Deutſchen vorbereitet ſei, und foderte ihn auf, die Stadt zu verlaſſen. 
langer Unſchlüſfigkeit entgegnete der Gouverneur, er wolle feine Macht in bie 
des Milttärfommandanten niederlegen, man möge fi) an biefen wenden. 
ie Menge flürzte fich num vor den PBalaf des Grafen Zichy⸗Ferraris, welcher 
einige Augenblicke fpäter den Vertrag unterzeichnete, der die Entfernung ber öfter- 
reichtſchen Truppen aus B. mit Zurüdlaffung fämmtlicher Kaſſen und Kriegs⸗ 
ne feſtſehte. An demfelben Tage ward bie Republif proflamirts Manin war 
Maſident, Tomafeo einer von den Mintftern. Go hatte durch einen 
eich eine feiner wichtigften Provinzen verloren, denn Papua, Bicenza, 
Freviſo, Rovigo, Belluno und Udine [Htoffen fih al&bald den Benetianern an. 
Auch ein großer Theil der Flotte war in den des Feindes geblieben, zu 
welchem fi) die Mannichaft aller in Venedig dlichen Schiffe, lauter Stalies 
ner, gefchlagen hatte Am 31. März erfolgte. die Berufung einer Rattonalver: 
fammlung (Gonftituente »Eonfulta). Die wiedergeborne Republik fah fich aber 
gleich im erſten Augenblide ihres Dafeyns mit Gefahren umgeben. Eine öfter: 
reichtfche Armee erfchlen in den venetianifchen Provinzen; Bicenza, Padua, Ro: 
vigo, Trevifo fielen. Da riet Manin, indem er von der Regierung zurücktrat, 
der Rationalverfammlung, fi nad dem Beifpiele der Lombardei mit Piemont 
au vereinigen. Der Antrag wurde mit 127 gegen 6 Stimmen angenommen. 
Die erften Folgen diefes Entſchluſſes waren die Ernennung einer neuen Regierung 
unter dem Vorſitze des Herrn Gaftelli, ver Einmarſch eines piemonteftichen Korps 
von 2000 Mann und die Auszahlung einer Anleihe von 800,000 Franken, wos 
durch Karl Albert den erfchöpften Kaflen Venedigs zu Hülfe kam. Kurz darauf 
trugen ſich die bekannten Kriegsereigniſſe in der Lombardei zu. Die Wirkun 
des Rückzuges der Piemontefer über den Ticin machte fih bald auch in ®. fühl- 
bar. General Welvden fehte die Regierung von dem zwifchen dem Feldmarſchall 
Radetzky und dem Könige Karl Albert geichlofienen Waffenftiüftande in Kennmiß 
und gab dabei zu verftchen, daß die Uebergabe B.8 zu den Bedingungen des 
Vertrages gehöre. Die Stadt wies jedody alle Unterwerfungsvorjchläge u. alle 
weiteren Unterbandlungen zurüd. Die Natlonalverfammlung, die erſt vor einem 
Monate den Anfchluß an Piemont defretirt hatte, wurde wieder einberufen, und 
fchritt zur Ernennung einer aus drei Mitglievern beftehenden proviforifchen Res 
terung. Das Triumvirat bildeten Manin, ale Präfivent, Graziani und Cave⸗ 
Uis. Unmittelbar darauf reiste Tomafeo nady Paris ab, um den Schuß der 
anzöflfchen Republik in Anfpruch zu nehmen. Ein halbes Jahr ift jetzt vers 
offen, feltdem 8. feinen eigenen Huͤlfomitteln überlaffen wurde. Während die⸗ 
r Zelt iſt die Hoffnung au eine baldige Intervention Frankteichs verfchwunden, 
die ſardiniſche Befugung bat fidh in Folge der Bedingungen des Waffenſtillſtan⸗ 
des zurüdgezogen, und die Öfterreichiiche Blofade hat die Stadt in einen engen 














Denen — Venezuela. 497 


Kreid eingehemmt. Die völlige Stodung alle Handels, aller Induſtrie und 
aller Arbeit bat die Regierung zu erttemen Maßregeln gezwungen, um bie Armes 
ten Klaffen au unterflügen. Man hat Obligationen ausgegeben, deren Bürg⸗ 
ſchaft die reichften Eigenthümer V.s übernahmen. Nach einer neulichen Berech⸗ 
nung bätten die Bürger der Republik bisher Die Summe von 30 Mill, entweder baar 
vorgeichoflen, oder ſich dafür verantwortlich gemacht. Dieſes Geld wird zur See aus⸗ 
geführt, welche die Blokade bisher noch nicht zu fperren vermochte, und es werden das 
mit die Lebensmittel band die die Stadt von außen beglehen muß. — In der lebten 
Zeit (März 1849) iſt e8 in V. zu flürmifchen Auftritten gefommen. Die obers 
ften Gewalthaber wollen, wie es fcheint, ſich nicht von he ihrer natürlichen 
Schugmadt, trennen, indeß die Elub8 auf Anfchluß an das republifanifirte 
Jialien, zur Befchidung der Gonftituante in Rom drängen. Tomafeo ımd Ma- 
nin find in Zwielpalt unter fidy, während Cavedallis gegen die Elub6 eifert. In 
biefer Verlegenheit hat die Nationalverfammlung am 7, März beſchloſſen, Mas 
nin zum unumfchränften Diktator zu ernennen. Jedoch bleibt er verantwortlich. 
— Gachi: Die Murazzi bei Venedig und die neuen, von der öflerreichiichen 
Regierung in die Lagunen gebauten Dämme, Echo 18345 Gicognara und 
Diedo; Fabriche piü cospicue di V., Benedig 1815; Fr. v. Raumer: Die 
Herbſtreiſe nach V. Berl. 1816; Fr. v. Freiberg: Tagebud aus V., Mün⸗ 
hen 1823; ®. v. Lüdemann: V., wie es war und wie es iſt, Dredven 1828; 
Haslauer: Deutſcher Führer in B., Wien 1834; Moſchini: Nuova guida 
er Venezia, Ben. 1834; Duapri: Otto giorni a V., 8. Aufl. Venedig 18425 
u v. Binzer: V. im J. 1844, Befth- 1845; Veghi: Atlas von; Darm 
Histoire de la Republique de Venise, Parts 1819, 7 Vol.; R. F. Philippi: 
Geſchichte des Freiftaates V., Dresden 1828; Oettinger's hiſtor. Archiv, Aus⸗ 
land, Allgem. Zig., Magazin für die Literatur des Auslande u, a m. mD. 

Venen, f. Blut- und Gefäßſyſtem. | 

Venerabile, f. Allerheiligftes 2). 

Beneter, ein altes Volk im lugdunenſiſchen Gallten, im jetzigen Vannes, 
welches durch Reichthum an Schiffen und Kenntnig im Seeweſen das meifte 
Anfeben unter den gallifchen PVölferfchaften behauptete. Ste trieben ftarfen 
Handel und erhoben einen Zoll von allen, das dortige Meer befahrenden Schiffen. 
Ihre Städte lagen meift auf den dafelbft häufigen Landzungen. An der Küfte 
der V. Tag eine Inſelgruppe (pie Insulae veneticae) audgebreitet, deren größte 
Infel Bindilis (jegt Belle-Jsle) u. Siata (jegt Houat) waren. — V. hieß auch 
ein Volk in Stalien, am adrtatifchen Meere. 

Benezuela, eine Republik in Südamerika und zwar im Norden deſſelben, 
zwifchen dem faralbifchen und atlantiichen Meere, dem britifchen und brafilians 
ifben Guiana, Braftlien u. Neugranada, zählt auf 35,951 M. 1,300,000 €. 
Laͤngs den Küften giebt ih von Weften nach Oſten ein Ausläufer der Anden 5 
an fie fchließt fidy ein großartiges, dicht bewaldetes Hochland (Baraccad), dann 
unermeßliche Ebenen und Triften. Die Haupiverbindung bildet bier der Ori⸗ 
noco (f. d.), welcher den’ Apurn, Araucos; Meta ıc. aufnimmt. Der Bodenbau 
iſt im raſchen Kortfchreiten beariffen. Tabak, Kuffee, Kakao, Indigo, Baumwolle, 
Färbeholz werden von gefchäster. Güte gewonnen. Auch die Viehzucht ift fo 
bedeutend, daß Häute audg. führt werden. Der Nderbau beſchäftigt 440,000 
Menſchen, die Viehzucht 244,000, die bürgerlichen Gewerbe 235,000: Alles 
obne die unabhängigen Indianer. Der Geſammtwerth des angebauten Grund» 
eigenthums wird zu 53 Millionen, des Viehſtandes zu 20 Millionen Piaſter an⸗ 
neichlagen. Die Ausfuhr betrug (1841) 6,570,000, die Einfuhr 8,096,000 Thlr. 
Die Berfaffung des Staates, welcher früher zu Colombia gehörte und feit 1821, 
namentliih durch Bolivar (f. d.), Ean Jago Marino und Paez befreit wurde, 
ift republifanifch, mit einem PBräftventen an der Epite der Verwaltung und Abs 
eorbneten des Volkes für die Geſetzgebung. Die römtfcy.karhotiiche Religlan 1 
Berrichend, aber alle übrigen Glaubendgenoflen haben reiheit ded Kulum®. 

Kealenytloyddleo X. 32 


498 Bentil— Ventura. 


Staatdeinkünfte werben zu 2,550,000 Thlr, ——— Die Schulden jen 
geoen do Millionen Thir, das Heer 6000 Mann ohne die Milh. B, t 
in die Provinzen: Caracas, Zulia, Maturin und Orinoco. Die 

Städte find: Caraccas (f. d.), Puerto -Gabello; 3000 Einwohner; Mara 
eaibo, 20,000 Einw,; Barcelona’s 16,000 E.; Angoftura 6000 &; Barinas, 
Eoro 12,000 Einw., Meriva 13,000 Einw. ıc. Vol. Eodazzt „Resumen de la 
geografia de V.“ (Paris 1841); Baralt „Resumen de la hist, de V.“ (ebens 
dafelbft 1841). 

Ventil heißt jeder Verfchluß, durch den zwei an einander liegende Räume von 
einander getrennt werben Fönnen, jedoch dergeftalt, daß von dem einen weder Luft, 
noch Waſſer zu den andern gelangen fan. Es gibt verfchledene Vie; Klappen, 
Mufcel-, Kegel» und Scheiben: Be, Das Klappen-®. iſt eine Wat, 
die fi um eine Kante dreht u. die Deffnung verfchließt; bei hölzernen Brunnen 
zöhren befteht die Platte aus ſtarkem Leder; auf ihr iſt ein Stüd Holy mit einer 
Schraube, um demfelben größere Stelfigkeit u. Gericht zu geben. An einer Seite ift 
das Reber feft Se wodurch die Drehare gebilvet wird, Auch die obere Deffnung 
des Ruftpumpenfol einer Dampfmaschine erhält zwei neben einander liegende Klap⸗ 
pen-B.e von Metall. Das Mufchel-®. beftebt darin, daß die Deffnung, welche ver- 
ſchloſſen werden foll, horizontal liegt, krelorund iſt u. einen — aber 
Ichmalen Rand hat, auf welchen ein Dedtel mit gleichgeformten Rande paßt, Die 
Drffnung hat einen mitten burchreichenden Steg, der Dedel aber einen cylindrifchen 
ar welcher in der cylindrifchen Deffnung des Steges auf⸗ u. mieder; ** daß 

V. fiher geöffnet und gefchloffen werden lann. Das Kegel-⸗Vin ganz eben 
0 conftruirt, nur daß pie Form eines abgefürzten Kegeld gewählt, der Verſchluß 

jer, ftatt eines Dedels, mehr die Geftalt eines verjüngten Pfropfens hat und 
maflio if. Man gebraucht dies B. befonders zit Sicherheits- Bien bei Dampf- 
Keſſeln und der hypraulifchen Preſſe. Das V. befindet fi dann auf der Aufern 
Oberfläche des Keſſels oder der communleirenden Röhte bei der Preſſe. Das 
Kugel-⸗V., eine maffive Kugel, welche in den obern Fugelförmigen Anfag der zu 
verfchließenden Deffnung paßt und vermöge ihres Gewichts verbleibt. Ein grö- 
erer Drud von unten hebt die Kugel umd das Waffer tritt durch Geiten- 
Öffnungen, die um die Kugel legen, in die Höhe und die Kugel fällt wieder 
herab, nachdem der Drud aufgehört hat. Das Scheiben-®. beſteht in einer 
lebernen, beſchwerten, oder in einer metallenen Scheibe, welche mehre Fleinere, 
neben einander befindliche Oeffnungen verichließt; der größere Waflerbrud 
von unten hebt die Scheibe, das Wafler fließt um fie herum in das obere 
Gefäß und fie fällt herab, nachdem ver Waſſerdruch aufgehört hat. — Das 
Sciebladen=B. endiich beftcht im einer langen Hlatte, welche über 
1” „Drfnungen reicht, Pd daß, wenn die eine verfihloffen wird, die andere 

et. * 


„ {m Allgemeinen jede Vorrichtung, durch welche aus ver⸗ 
ſchloſſenen Räumen die verborbene Luft abgeführt und friſche Luft denſelben 
zugeführt wird. In Wohnungen ſieht man In einer der oberſten Scheiben des 
denſters ein eingefeptes Raͤdchen, welches umherläuft: dies if ein B., der bie 
obere warme Luft abführt, indem, biefelbe bei ihrer Ausftrömung gegen bie 
fchräge Blechkugel triffe und fie herumtreibt. Künfliche B.en find mit Bump 
werfen verfehen, wie foldye von Hales Bentura, de Lyle de St. Martin und 
Parrot conftruirt find. 

Bentura, Gioacchimo, geboren 1792, iſt unſtreitig der größte Prediger 
unferer · Zeit in Italien. Derfelbe wurde zuerft im Jahre 1841, ale er in 
der Faften feine ergreifenden Homilien über das Leiden Ehrifi in ber 

öfirche zu Rom vortrug, allgemein bewundert. Diefe ausgezeichneten Ho⸗ 
mitten übergab er 1847 unter der Aufſchrift: „Il tesoro nascosto, ovvero omilie 
sopra i mästeri della Passione del Signore N. Gesu Christo“ (Rom 1847), der 
Deffentlichleit. Im 3. 1843 tiß er in ver Karen alle Zuhörer durch feine and 


Beuns. 499 
terhaften Homilien „über die Wunder Ehrifti“ hin („La scuola de’ miraoo 
Rom u Im J. 1846 erbaute und rährte er durch feine Homilien ü er 
te Barabeln im Evangelium und in ver Faſten 1847 erntete er rauſchenden 
Beifall durch feine Homilien über dle Bergrede und die anderer Reden 
Ehriftt. (Beide lehteren Schriften find ud ni im Drude erſchienen) Geine 
Erauerreden („Blogi funebri“, Rom 1843) find claſſtſche Mufter. — Ein Wert 
‚ed Tieffinns und ver Betrachtung ft feine Schrift über die Schönheiten bes 
Biauben® („Le bellegge della fede“, Rom 1841), Seine Schrift: „Die 
Mutter Gottes am Yuße des Kreuze” („La Madre di Dio al Pi dell 
rooe", Rom 1841) athmet fünliche Frühlingemilde ımb Heilige Salbung. Gin 
ıngemein zarted Gemälde iſt fein „Leben der Birginia Bruni“ („I mo- 
jello delle Vedove ovvero biografia christiana di Virginia Bruni“, Rom 1845). 

chſt lehrreich iſt fein Lebensabriß des hl. Hieronymus „Vita di S. Girolamg“, 
om 1837). — Bon einem tiefen, pottofop iſchen Scharfblide zeugt feine Ab⸗ 
yandlung (bie er in der Arademie in Rom vorlas) „über das Srumbpringtp der 
vahren Philoſophie“ („Sul Principio fondamentale della vera Riosofia*,. Rom 
1845). — Wir finden bei B. ald Kanzelrenner große, natärlithe Berebfamtelt, 
deichtigkeit und ruhige, Klare Erhabenheit; etwas Römifched, Antikes — tn der 
rgreifenden Sicherheit. Er vertieft ſich in allen feinen Homilien in den Gegen⸗ 
tand ımb feine anfcheinend leichte und nachläßige Darftellung iſt in der 
menblich ſchon und durchſichtig. Er übt eine große Gewalt über die Zuhörer 
us, die ihm wit unvermeidlicher Aufmerkſamkeit folgen u. fid) den Stimmun 
singeben müflen, die er im ihnen anregt. Sept bege net und Scharffinn, jeht 
Bitterfeit, jebt ernfles Mahnen, jebt eingehende Se achtung, jebt bie 
yronie des gefftreichen Italieners; jetzt wirkt er durch Erzählungen, die durch 
maloge Uebertragung fortreißen und dieſes Alles hält dad Rep eines einzigen, 
jeherrfchenden Stils zufammen. — Einen großen Theil der Homilien über bie 
Wunder Ehrifti überfebte Dr. Er. Joſ. Schermer („Neue Predigtbibliothek des 
Huslandes, 2., 3. und 4. Jahrgang, Würzburg, Stahel). — Yerner erfchienen 
och im Weberfeßung: Die Schule der Wunder, 3 Bde., Regensburg 1847 bis 
1848 u. m. a. . Schermer. 
Benusb, bei den Griechen Aphrodite, die Schaumgeborene (dvadvousvn), 
vie Göttin der Liebe, entweder die Tochter des Zeus u. ber Dione, oder durch die 
vem Uranos geraubten Theile, die Saturn ind Meer warf, erzeugt und aus dem 
Deere geboren. Die Dichter fchmüdten mit allen ernenklichen Reizen bie Kolbe, 
ewig blühende, ewig jungfräuliche Göttin: die Anmuth, das Verlangen, vie Sehn- 
fucht, der Liebreiz, die Zärtlichkeit, pie Liebe waren ihre fleten Begleiter; wohin 
fe kam, bezauberte fie Alles, was ihr nahete; felbft die erhabenen Götter, ewig 
wandelnd im Licht, alles Schönen Schönftes immer um ſich ſehend, hufpigten ihr 
und geftanden ihr den Preis zu und Bullen war ber Glüdliche, der fe zur 
Battin erhielt. Ihm wollte Zeus und Juno damit das Unheil Yerfüßen, was 
jetn Vater ibm angethan, als der mächtige Herrfcher Im Donnergemwälle ihn vom 
immel herabftürzte, wodurch er hinkend wurde. Allein der Lohn ward ihm zur 
trafe, denn die fchöne Aphrodite fand, daß Mars begehrenswerther ſei, al& ihr 
hinfender Gatte und erga fidy feinen Bewerbungen. Ihre Ehe mit Bulfan war 
kinderlos gewefen, allein fie hatte während. der Zeit von Mars den Eros, den 
Antero®, die Harmonta und die Formido empfangen; von Bakchos warb fie 
Mutter der Eharitinnen, ded Hymenaios und des Priap; dem Hermes gebar fie 
ben Germapbrobltod ; dem Neptun den Rhodos; dem Helios den Elektrion und 
noch fünf Söhne; unter den Eterblichen fchenfte fie ihre Gunſt dem Anchiſes, 
defien Sohn Aenead warz dem Butes, von dem fle den Eryr gebar und dem 
Adonis, dem fle den —— auch Paris und viele andere erfreuten ſich 
rer Liebe und fie blich er acid ſchoͤn, gleich begehrenswerth und war ben 
enſchen fo beglüdend, daß ihr Dienſt fi) auf das Schnee Wet Tab Anna 
Wien, Mrifa und @uropa verbreitete. Bon den Arten Beine Tue W- 
° 





500 Vera · Cruz — Verantwortlichkeit. 


den Eigenſchaften, welche man ihr beilegte, waren ihre Beinamen unzählig und 
ante ihre Abbildungen, fo — von Ihr die meiſten Antifen vorhanden 
find, indem die — Meifter ſich an dieſem Gegenſtande —5 baben und 
bie rı ften Mädchen Griechenlands es für eine Ehre hielten, ein Modell für 
das Ideal vollendeter Schönheit zu werden. Unter den Abbildungen alter Künftler 
von diefer Göttin iſt die fogenannte medtceifche Venus von Kleomenes Appollonios 
und die berühmte Venus Fridia von Prariteled .befonders zu erwähnen. 
a⸗Cruz, ein merikaniicher Bundesftant von 1005, nach anderen Angaben 
493 M. aränzt öftlih an. den Meerbufen von Mexiko, ſüdöſtlich an Tabasıo, 
idlich und weftlich an Dajaca, Puebla, Merifo, Queretaro und San-Luts-Potofi, 
nörblih an FTamaulipas, Der ſſchmale Küftenftrich ift eine im Tropenflima 
brennend heiße Sangfteppe; aber einige —— iandwaͤrts ſteht ſchon der ſteile 
Abfall der Gebirge, deren Kuppen die Schneeregion erreichen imd ſelbſt mit 
ewigem Schnee bedeckt find, wie der Pic von Orizaba. Die Berge find Bulfane, 
erlöjchene oder noch brennende, wie der Bulfan Tuxtla. Zwiſchen den Bergen 
find tiefe Echt eingerifien. Die Häfen von V., Boca-del-Rio, Antigua, 
Suanz Angel, 3 Chuchalacas, ampico, Guaſacualco find meift durch 
Sandbarren gefperrt und gefährlich. In den Meerbufen firömen bie Flüffe: Tam- 
pico, Garze6, Tufpan, Gazoned, iftepec, Jajalpam oder Tecolutla, Rautla, 
Balmar, Mifantla, Maguilmancapa, Deguascalco, Actopan, Ehuchalaca, Antigua, 
Jamapa oder Medellin, Rio-Blanco, San-Juan oder Alvarado, co, 
Ouafacualto, An der Küfte find die Haffs: Tamlahua, Tampico, Mandingo, 
Aldarado, Eatemaco, Alijohuca, Tenango. Mineralquellen ſind warme bei Atotos 
nilco und Motengo. Cingerheilt ift der Staat in die vier Departements: Jalapa, 
Drizaba, Beracruz und Acayıcam. — Die pleihanmige befeftigte Hauptftadt liegt 
am Meere, in einer theils ſumpfigen, theils dürren Sandebene, iſt deshalb fe 
ungejund und erhält ihr Trinfwafler durch eine — Sie hat einen 
guten Hafen und 15,000 Einwohner, welche beträchtlichen Handel treiben. 
Veranfern, 1) ein Schiff mittelft der Anker an einer Stelle fefthalten; 
2) Theile eines Gebäudes mittelft eiferner oder hölzerner Anfer fefter unter ein 
ander verbinden; 3) bei Wafferbauten: die Einbaue durch hölzerne Anfer am Ufer 
befeftigen; 4) bei Starlwerlen: das Buſchwerk und die Fafchinen durch einge 
ſchlagene Pfähle verbinden und befeftigen ; 5) mehre fenfrechte eingefchlagene oder 
eingerammte Pfähle durch ein Querholz verbinden; 6) Fafchinen, janzförbe, 
Hurden ıc., durch Anferwenden, ftarfe Weiven- oder Fichtenäfte, über gelindem 
Feuer gebrübt, gedreht und an der Spige zu einer Schleife umgefchlungen, an 
den Anferpfählen befeftigen. . . . 
Verantwortlichfeit der Fürften und Minifter. Alles Recht ift gegenfeitig; 
wo ein Beredytigter tft," da ebenfo auch ein redytlich Verpflichteter, der möthigen 
Falls zur Erfüllung feiner Pflicht gegwungen werden muß; wo nicht, fo iſt nur 
von Gnade, Belieben und Willfür, nicht aber von Recht die Rede. Diefe Eäpe 
find fo alt als die menjchliche Vernunft felbft und als die Gefchichte freier Bölter 
und wenn fie, woran wohl nicht gezweifelt werden wird, wahr find, dann bedarf 
es ebenfo gewiß zum Schutze der Throne, wie der Völker, einer Anftalt, welche 
die Rechte des Volkes, den Regierungen gegenüber, ſchützt. Wie fehr aber dieſe 
Anftalt zugleich auch im Interefie des Thrones ſei, darüber gibt die Gefchichte 
ein lautes Zeugnif. Wo Gefühl für Recht und Freiheit in den Völkern herrichte; 
mo eine Idee von wahrer Verfaſſung, wie namentlich in den germanifchen Staas 
ten, von der Älteften bis zur neueften Zeit war, da hatte das Volk Mittel und 
ſuf ſich Mittel, fein Recht durchzufegen. Darum haben ſchon die allerälteften 
Verfafjungsurfunden, die Magna Charta der Engländer, die fpanifchen und por 
tugiefifchen, fowie ähnliche alte Gefege in Deutfchland diefe wilde Gewalt zu 
ordnen gefucht, aber fie haben dennoch dieſe Gewalt zum Schuge des Rechts im 
Intereſſe ded Thrones, wie des Volkes, nicht fo geordnet, wie wir es heut zu 
Sage durch ein Fräftiged Verantworlichteiisgeieg ordnen wollen, Jene Geſehe 


. Berantwortlichtett. » 501 


und bie allermeiften deutſchen Befehe geben nämlich ein vollkommenes Revolu⸗ 
tionds und zum Theil ausſchließliches Abſetzungs⸗ und Etrafrecht gegen ven 
en. Man ordnete nur — dieſes Revolutionsrecht. In Deniſchland 
dete ſich durch die Reichsverfaffung ein geordneter Schutz der Rechte des Volles 
gegen die Fürften aus. Rudolf von Habeburg ordnete aufd Reue den alten Ges 
richtohof, vor welchem felbft der Kalfer, damals die einzige Majeftät der Chriſten⸗ 
heit, Recht ftehen mußte und geftraft werden fonnte bis zur Acht, zur —A— 
und Pegen . Alle deutfchen Hürfen waren ebenſo, bis zur Auflöfung des Reiche, 
vor den —* ten perſonlich verantwortlich. Dieſe Hatten gegen fie voll⸗ 
kommene Strafgewalt, ſelbſt gegen ihre Perſon. Heut zu Tage wollen wir biefe dere 
föntiche Berantwortlichkett der Fürßen nicht mehr, weber die ungeoronete Revo 
noch eine durch die Berfaffung gemilvderte und felbft nicht einmal ein Tribunal, um 
den Fürften vor Bericht zu fielen. Wir erkennen als eine herrliche Frucht der eng» 
liſchen Staatöweishelt u. unferer, der englifchen nachgebildeten, Berfafjungen bie Un- 
verantwortlichkeit unferer Fürftenz allein dieſe befteht nur dadurch, daß vie Res 
—— ſaͤmmilich verantwortet werden durch die Miniſter, 
alle Reg maßregeln unterzeichnen müflen. Nur, wenn diefe Berantwortiid 
keit eine Balrheit if, nur dann wird die Krone wirklich gefichert, daß jenes 
koſtbarſte Gut des Fürflen, jene juriftifche Unverantwortlichkeit, nidyt angegriffen 
wird; daß nicht wilde Stürme hervorbrechen, welche die Throne mit Fi fort⸗ 
reißen. Daß es aber in Deutſchland an einer ſolchen genügenden Verantwort⸗ 
lichkeit bis auf die allerneuefte Zeit noch fehlte, iſt nur allzubelannt. Die bloß 
lamentariſche Berantwortlichteit der Öffentlichen fländifchen Verhandlungen und 
elbſt Steuernerweigerungen und Unwärbigteitderfi gen können nicht ausreichen, 
haben zum Theil einen zu parteitfchen Kriegscharakter und erlangen erſt wirkli 
achdruck und richtige Würdigung. und Geſtaltung, wenn eine ſtrafgerichtl 
Berantwortlichkeit im Hintergrunde ſteht. Schiedsgerichte werben in fchlimmen 
Häfen nie ausreichen und widerfprechen, wenn Auswärtige fte bilden, der Selbſt⸗ 
Kändigfeit und Freiheit de® Staatsorganismus. Noch mehr thut dies die Ans 
rufung auswärtiger Hülfe, Garantie u, Bermittelung, welche Polen rninirte. — 
Somtt bleibt zulegt nur die ſtrafgerichtliche Minitterverantwortlichkelt als ber 
unentbehrliche Schlufftein ver freien Berfaffung übrig. Selbſt der unver, 
antwortliche atbenifche Volksſouverain ftrafte Die, welche ihm als Volksredner 
“ Pie Fr hatten. Diefe Berantwortlichfeit der Ratbgeber kann nur 
potiſchen, n 









t aber rechtlich gefinnten Fürſten verhaßt ſeyn und fe fchüßt ihre 
rechtliche Würde, ſtatt fie zu gefährden. Ste nur verrotrflicht den rechtlichen Sat, 
die juriftifche Fiction: „der König kann nicht Unrecht thun“, d. h. juriftifch und 
In Beziehung auf die Berantwortliisfeit wird e& fo angefehen und gehalten, 
daß die Berantwortlichkeit für das Unrecht einer Regierungshandlung nur dem 
fe unterzeichnenden Minifter beigelegt wird. Zur rechtlichen Durchführung dieſer 
Berantwortlichfeit bedarf es der rechten firafgefehlichen Beftimmungen, einer ges 
nügenden Befimmung über das Anklagerecht, über ein gutes Gericht und ein 
zweckmäßiges öffentliches Prozeßverfahren. Einer weitern Ausführung darüber 
wird es oh! nicht bedürfen, dag nur eine wirklich durdhgeführte —— 
Verantwortlichkeit der hoͤchſten Staatsdiener auf eine wahrhaft bewundernswerthe 
Weiſe das Raͤthſel löfe: wie eines Theils der Fuͤrſt ſelbſt unverantwortlich und 
möglichft gefichert bleiben kann, oder, wie rechtliche Souveränität möglich if und 
vie doch zugleich alle Regierungspflichten durch Strafe unter Zwang geftellt 
a. jedes Unrecht der Regierungehandlungen geftraft werden koͤnne, oder, wie mit 
der Souveränttät des Fürften die rechtliche Freiheit des Volkes vereinbar 
iſt. — Nur iſt dazu die Beflimmung unentbehrlidh, daß Feine Regierungshauik 
lung, als folche, Gültigkeit oder die nöthige rechtögültige Form Bat, wenn fie 
nicht ein verantwortlicher Minifler oder Höcfer Staatsbeamter unterzeichnete. — 
Richt minder klar iſt ed, daß dem Minifter durch die Verantwortlichkelt fein Uns 
zefehieht. Denn er It nicht blos im Zweifel durch feinen Einiu$ re Ras, Tuer 


502 Berband— Verblutung · 


durch Unterlaſſungsſünden Schuld an dem Boͤſen. Er macht es ſich jedenfalls 
X en durch das Unterfehreiben. Und er kann ja, ftatt ſich zu unterzeichnen, 
jeberzeit abtreten. Der Fürft wird, wenn fein Wille gut war, einen andern Mis 
nifter finden, der unterfchreibt und, wo nicht, belehrt werben und das Böfe nicht 
mehr wollen. — Eben fo Har iſt e8, daß für einen guten Minifter und vollends 
5 Fürft und Volf eine ſtreng durchfühtbare Minifterverantwortlihfeit heilfam 
ft. Der Minifter wird dadurch geichügt gegen Intriguen und bloße 

und erhält die nöthige Kraft für das Gute, ft und Volk aber werben vor 
dem Verderben bewahrt. — Eine öftere Ausübung der Verantwortlichkeit wird, 
wenn nur die Bi und bie ——— vollſtãändig vorhanden find, ebenſowenig 
nöthig ſeyn, als jegt in England. Aber freilich — es viel befferer Ginricht- 
ungen, ald bei und. Minifteranflagen, die abhängig find von der Zuftimmung 
der erften nnd vollends umferer beutfchen erften Kammern, die wohl gar. ent- 
ſchieden werben follen von benfelben oberften Gerichten, deren Mitglieder iediglich 
die Minifter nach Belieben auswählen, verfegen, befördern oder penfioniren, dieſe 
verwirklichen nicht die wahre Derantwortlichkeit der Minifter. _ Selbft fi 
Staatögerichtöhöfe, wie die von Württemberg und Sachſen, laffen Bieles zu 
wünfchen übrig. Soll die minifterielle Verantwortlichkeit eine wahre, Ihrem Zwede 
vollfommen entfprechende feyn, jo dürften nachftebende Punfte dabei befonders ins 
Auge gefaßt werden: 1) daß jeder der beiven Kammern einzeln das Recht der 
Klage zuftehe; 2) daß, aufer den Miniftern und Mitgliedern der oberften Etaate- 
bihörde, auch einer höchften Dienfibehörde unterworfene Beamte, im Falle fie ohne 
Anweifung der Minifter für fich, oder Fraft Kabinetöbefehles, ſich der Verlegung 
der Berfafung oder — Bar Rechte — emacht haben, der An 
Hage unterliegen; 3) seh jede That, woburd die Berifung oder anerfannt ver: 
fafjungsmäfige Rechte im Ganzen oder einzeln wirfisch verlegt wurden, eben 
fowohl, ald der Verſuch, der Anklage und Strafe unterliegen; 4) daß ein Schmwur- 
gericht, in ähnlicher Welfe wie die Abgeordneten ver zweiten Kammer ermählt, 
unter den Formen des öffentlichen und mündlichen Anklageprozefies über That 
und Rechtoſtage entſcheide; 5) daß die Minifterverbrechen neben der Dienftent- 
fegung mit entfprechenver Freiheitoſtrafe gebüßt werben; 6) daß bei ihmen weder 
Abolıtion der Anklage, noch Begnadigung vor der richterlich anerkannten Etrafe 
Statt finde und emvlich die erhobene Anklage im Yale der Auflöfung einer Staͤn⸗ 
— auf die naͤchſte Verſammlung übergehen ſolle. Ueber die Lıteratur 
vgl. Kiüber „Deffentliches Recht des deutfhen Bundes“ und R. von Mohl „Die 
DVerantwortiichkeit der Minifter in Einberrfchaften mir Volfsvertretung, rechtlich, 
politiſch und geſchichtlich entwidelt“, Tübingen 1837. 

Verband nennt man die Anwendung mechanifcher Mittel auf die äußere 
Dberfläche des Körpers, welche beftimme find, Druck oder Zug auf gewiſſe Theile 
des Körpers auszuüben, oder fie auch nur zu beden, zu unterftügen oder zu ers 
ſehen. ge Mittel zum B. werden Berbandftüde (Bandagen) over Berband- 
geräthe und, wenn. fie aus feften Subftangen beftchen, oder einen zuſammen⸗ 

efepten Bau haben, Mafchinen genannt. Ale zu einem V. nöthigen Gegen: 
Hände bilden den Berbandapparat. Die Verbände find verfchieden u. werden 
verichieden bezeichnet, je nach dem Stoffe, aus welchem fie beſtehen (Leinwand, 
Wolle, Fiſchbein, Holz 2.); dann je nad) ihrer Geftalt Keinfacher V., Steigbügel, 
Kornähre xc.); ferner nad) dem Theile, auf welchen fie angewendet werden (KRopfs 
binden, Bruftbinden, Bruchbänder 2c.); endlich nach dem Ruten, den fie gewaͤh⸗ 
en (vereinigende Binde, zertheilende xc.). te Lehre vom V., die B.s Lehre, 
if ein fehr wichtiger Theil der Chirurgie auch heut zu Aug noch, eng die 
Richtung der neuern Chirurgie dahin geht, den V. fo einfach % m ost u 
machen. . er. 


Zerbannung, | Exit, . 
Verbindlichkeit, |. Obligation. 
Berbintung IR der Tod in dolge von übermäßigen Blutverlufte, Aufſer 


⸗ 


Berbrechen — Berbrennung. 508 
ben gehen der zunehmenden Gchräche bemerkt man, zumal, wenn ein Innerer 
pers 


vorhanden iſt, auffallende Blaͤſſe, verminderte Wärme des ganzen Koͤr⸗ 

, öftere Ohnmachten und endlich zunehmende Gonvulflonen. An den Leichen 

an B. Seftorbener findet man bleiche, wachsfarbige Haut, wenig ober Feine Tob« 
tenfleden, die Gingeweine blaß, das Herz und bie großen Adern blutleer. 

Berbr (delictum, orimen), tft im weiteſten Sinne jede, aus Borfag 
oder Bahrläf gieit begangene, Uebertretung eineb Strafgeſetzes. Man theilt wis 
B. in dieſem Sinne ein in eigentliche ®. (delicta sensu angusto) und Bers 

(delicta sonsu lato). . Unter erfieren verfichen bewährte Rechtslehrer Die 
Handlungen, welche die Verlegung angeborner Rechte, d. h. ſolcher, welche 
jeder Menſch ale Menfch beftgt, bezwecken, unter Bergehen dagegen Berleh« 
ungen erworbener Rechte, wie des Rechts auf Eigenthum, der äußern Ehre und 
der, auf Erhaltung der, durch die bürgerlige Oefeniieft getroffenen, Einrichtungen. 
Andere Rechisichrer haben andere Merkmale des Unterſchiedes zwifchen dieſen 
beiden Begriffen aufgeftellt, je nachdem lre Unfichten über das Grundprinzip des 
Strafrechts verſchieden find. — Die V. im engern Sinne thellt man nun wieher. 
n Begehungs- und Unterlaffungs-®B. (crimina commissionis ei omis- 
sionis), in ſonder liche, d. h. einem wiger Stande eigene (delicta propria), 
und gemeine V. (deliota communia), in geiſtliche, weltliche u. vermiſchte 
(deliota ecolesisstica, saecularia, mixta). Diefe eilung findet jetzt jedoch in 
ben prot iſchen Ländern faR gar Feine Anwendung. (Eine weitere Cintheil⸗ 
ung tft die in V., die mit der Ueberzeugung u. dem Willen, eine firafbare Hands 


[ung zu begehen, begangen werden, ®. aus Bos heit (vera deliota) und WB. 
aus abe fftgfeit (quasi delicta). — Ohne Ginffuß tft jegt Die Sintheilung 
der B. in delicta privata und delicta publioa; biefe beruht auf den Srundſaͤgen 


bes römifchen Rechts, nach welchen einzelne V. nur auf Auftrag des Beeinträch- 
tigten (Inesi) unterfucht u. beftraft werden konnten. Alle V. können übrigens ent⸗ 
weder blo8 begonnene ®. (delicta inohoata) , oder wirklih vollendete GGe- 
licta consummata) feyn. Die Rechtögründe, welche ein B. tilgen, find: die ers 
littene Strafe, die Begnadigung durch die hödyfe alt im Staate 
(abolitio) und die Verjährung Ri d.). Die Verjährung fordert den Ablauf 
einer gefeglich beflimmten Zeit und zwar in der Regel des Zeitraums von 20 
Jahren. Einige V. verjähren erft nady 30 Jahren, andere dagegen fchon nad) 
kurzer Zeit, doch wird, damit ein V. verjähren könne, vorausgefebt, daß nicht, 
während der zur Serjähring feftgefegten Zeit, etwas von Seiten des Staates ges 
ſchehen iſt, das begangene V. zu unterfucdyen umd zu beftrafen. 

Verbrennen der Todten, |. Befattung. 

Verbrennung ift ein chemifcher Naturprozeß, wodurch gewifle Körper in 
Ihre Grundbeſtandiheile zerfegt werden, um mannigfaltige Zwede dadurch zu ers 
reichen. Die Geſetze, nach welchen die V. gefchieht, find ſehr verfledt, weshalb 
man Grllärungen angenommen bat, welche bald mehr bald weniger mit ven fidh 
darbietenden Erfcheinungen übereinftimmen. Bor Stahl cf. d.) kennt man Nies 
mand, der die Operation der V. zu erflären verfucht hätte. Diefer nahm eine 
gene Materie: det Brennftoff over das Phlogiſton an, um die V. zu ers 

en. Diefen Brennftoff betrachtete er als die Ouehe bed Feuerd in jedem 
rennbaren Körper und meinte, daß verfelbe entbunden werde, wenn man einen 
Körper anzünde. Zu verwundern iſt hiebei, daß er nicht durch den Augenfchein 
uf die einleuchytende Mitwirkung der aumofphärtiihen Luft beim V. geleitet wurde; 
venigſtens Außerte er nicht im Geringften die Meinung, daß die Luft eine Rolle 
sei dieſer chemiſchen Operation fptele. Gleichwohl fieht Jever, daß keine V. 
ohne Zutritt der atmofphärifchen Luft möglich il. Dies erfannten denn auch nach 
Stahl mehre Ghemiften, obgleidy dadurch der Glaube an die Eriftenz des Brenn⸗ 
Roffs nicht geſchwaͤcht wurde. Diefer blieb felbft dann noch unerfchüttert fleben, 
al8 man bei mehren Studium der Ehemie auf grobe Schwierigfeiten bei ber 
Stahlifchen Erklärung der B. ſtieß. Um dieſelbe zu befettigen, Ieake won ven Yue 


504 Verbrennung. 


druck Brennftoff bald diefen, bald jenen Begriff unter und verſuchte jet bief«, 
dann jene Hypothefe; allein die Wegräumung einer Schwierigkeit hatte gemöhn- 
lich mehre andere zur Folge. Endlich erkannte man, durch Prieftley’6 Unter 
ſuchungen über die Gasarten aufmerkſam gemacht, daß die atmofphärifche Luft 
etwas mehr fei, ald ein bloßes Mittel, tn welchem die B. gefchähe; denn man 
ſahe deutlich, daß fie bei dem Afte der B. eine merkliche Veränderung erleide, 
Es wurde ein zur V. wefentlich gehöriges Zwifchenmittel in der Luft emidedt, 
welches bei vieler Operation zerfegt wird und eine ganz andere Verbindung ein: 
geht. Diefed Zwiſchenmittel iſt der Sauerftoff, welcher ald Gas einen Beſtand⸗ 
theil der atmofphärtfchen Luft ausmacht. Man fah ihn beim Verbrennen aus 
der Luft verſchwinden, vermißte ihn befonders dann, wenn Metalle in einet Luft: 
maſſe in Kalle verwandelt wurden, und fah ihn wieder entſtehen beim bloben 
Glühen des Ducdfilberfaifs, Diefe bisher ımerfannten —— brachten 
nun Lavoiſter (f. d) auf ven Gedanken, daß ſich die V. ohne Brennftoff er 
Hären lafjen möchte, wenn man dafür der Luft oder dem Sauerftoff eine andere, 
als die bisherige Rolle bei diefem Akte ertheile. Verſuche entwidelten und grüns 
deten diefe Idee immer mehr in ihm und er verwarf endlich ganz ein Wefen, für 
defien Dafeyn die Erfahrung nicht im Mindeften ſprach. Da nun aber mit der 
BVorftellung von der B. viele andere chemtiche Operationen zufammenhängen, k 
mußten auch dieſe aus einem andern Gefichtspunfte betrachtet werden und jo 
legte Lavoifter den Grumd zu einem ganz neuen Eyftem der Chemie, welches 
wegen ber Verwerfung des Brennfiofe das antiphlogtftifcye genannt und, 
L e8 überhaupt alle Erfcheinungen weit ungeswungener, als das alte erflärt, 
von den — Chemikern in allen Ländern Europa’s mit Beifall aufgenommen 
wurde. Rah der antiphlogiſtiſchen Vorftellungsart wird nun der Prozeß der V. 
fo erklärt: Wenn ein brennbarer Körper verbrennen foll, fo muß er auf irgend 
eine Art angezündet, d. h. ed muß ihm eine hinreichende Menge freien Wärme 
ſtoffs mitgetheilt werden, es gefchähe dies entweder durch Daranhaltung eines 
wirklich brennenden Körpers, oder durch GSelbftentzündung, wie z. B. in Gähr- 
ungen, oder durch Reibung ı. Dies ift die erfte Veranlaffung zur V.; fft fie 
einmal gegeben und hat die freie Luft hinlänglichen Zutritt, fo dauert, wenn nicht 
befondere Umftände eintreten, die. B. fo lange fort, ald noch brennbare Theile in 
dem angezündeten Körper vorhanden, d. 5. biß alle Beftandtheile deſſelben völlig 
zerfegt find. Während der V. entwidelt oder emtbindet fih eine Dienge bisher 
gebunbener latente) Wärme (Wärmeftoff), die Alles in ver Nähe erhigt us die 
rennbaren Körper, welche fle in Hinfärglicher Ouantität durchdringen Tann, 
ebenfalls entzündet und: zerfegt. Hietaus Aklaͤrt ſich, wie der Heinfte Bunfe un 
ter günftigen Umftänden zur fürchierlichſten Feueröbrunft werten fann. Bel dem 
Verbrennen der Körper bemerft man eine beträchtliche Verſchiedenheitz manche 
tühen bloß, andere dampfen faft nur, noch andere verbrennen mit reiner heller 
lamme, viele endlich zeigen zwar Flamme, die aber in Ruuch oder Dampf ein 
gehuͤllt iſt. Diefe Verſchiedenheit beruht auf ven mannıgfaltigen Beſtandtheilen 
der Körper, ober auch anf der Miſchung und dem Verhältniffe derfelben. Je 
färker der Zufluß der Luft und je reiner diefe if, deſto ſchneller geht die V. vor 
fich, deſto heller lodert die Fiamme und defto mehr Wärmefoff wird entwidelt. 
Im luftleeren Raume erliſcht das euer fogleih und in einem virfchloffenen, 
luftbichten, wo die Luft nicht befländig erneuert werden lann, fobald, als ber 
Sauerfoff der eingefchloffenen Lufimaſſe zerfegt iR. Nach den Grunpfägen der 
antiphlogiftifchen Chemie gefchieht die Zerfegung des Sauerftoffs in der Kuft das 
duch, daß ſich derfelbe mit den Beftandtheilen des brennbaren Körper® verbindet, 
weit er mit ihnen näher, als mit dem Wärmeftoff verwandt iR. Durch diefe 
Verbindung wird der brennbare Körper während der V. gefäuert. Der Wärmes 
off, welcher vorher in der Luft mit dem Sauerfloff fo verbunden war, daß er 
jar nicht auf die Empfindung wirkte, wird frei, weil der Sauerftoff ihn verlaffen- 
Ba und eine nähere Verbindung eingegangen if, Durch das dreiwerden oder 
x 


Verbum. J 505 


ch die Entbindung wird er fühlbar und wirkſam. Durch die nene Verbind⸗ 
des Gauerfloffs mit dem brennbaren Körper entbindet ſich zugleich auch der 
nftoff, der als frei mit dem Wärmeftoff zufammentritt und dem Auge fichtbar 
d. Daher Licht und Wärme bei der Entzündung eines brennbaren Körpers, 
von man vorher Nichts wußte. — Nach diefer Erklärung, welche Nichts zu 
nfchen mehr übrig läßt, tft alfo diefer merkwürdige Prozeß der Natur eine 
hre Säuerung und ein brennbarer Körper heißt —8 e, deſſen Beſtandtheile 
wandtſchaft zum Sauerſtoffe haben. Iſt ein brennbarer Körper mit dem 
uerftoffe überfättigt, fo hört er auf zu brennen, brennt aber wieder, wenn man 
durch einen andern Körper von noch größerer Berwandtfchaft zum Sauer⸗ 
re den Ueberfluß entzieht. Die Luft, wortn ein Körper verbrannt -i, nimmt 
Umfange (volumen) und fpestfifchem Gewichte ab, weil ihr ein gemichtiger 
tandtheil, der Sauerftoff, entzogen if. Dagegen nimmt der Rüdftand des 
brannten Körpers, wenn nicht, wie beim Holge und den übrigen vegetabilifchen 
thieriſchen Eubflanzen, Beftandtheile im Rauch auffteigen, eben foviel am 
wichte zu, als die Luft abgenommen hat und dieſe Zunahme befteht im Sauer⸗ 
fe. Sie kann bei folgen Körpern,: weldye viele Beſtandiheile durch die V. 
yüffen, gar nicht bemerkt werden; wohl aber bei Metallen, welche durch's Feuer 
ſogenannte Kalfe verwandelt werden, Ä 

Berbum bezeichnet in der Grammatik den Gattungsbegriff für eine Claſſe 
ı Wörtern, welche, im Gegenſatze zu den Subftantiven, den bloßen Ramen von 
genftänden, die an denfelben vorgehenden Erfcheinungen, in fidy fchließen, indem 
ın Berbindung mit ihnen den feve6maligen Zuftand ausdrüden,, in dem man 
ade diefelben auffaſſen will. Gin bezeichnenver deutfcher Rame fehlt und ganz 
ür. Man hat zwar das V. im Deutfchen Durch Meldes oder Yusfage 
rt wiederzugeben geſucht; doch paßt diefe Benennung nur in Bezug auf die 
ellung deſſelben als Prädikat, ohne fein Wefen zu bezeichnen, nicht aber auf 
. abfoluten Begriff und eben fo wenig genügt die Bezeichnung Zeitwort, da 
w das V. ſich ftetd mit dem Begriffe der Zeit verbindet, dieſe Verbindung 
er nur eine Kolge aus dem Grundweſen des V.s und folglich etwas bloß 
identielled if. Man fcheint aber diefen Grunpbegriff des B.6 bisher immer 
h verfannt zu haben, indem man benjelben unter dem Namen „Copula“ von 
ı zu unterfcheiden gefucht, fo jedes V. in den eigentlichen Verbalbegriff u. die 
pula getrennt und letztere in dem Begriffe des Seyns gefunden bat. Aber 
n erft die fogenannte Copula iſt der eigentliche Berbalbegriff, ohne welchen 
) 3. ein bloßed Adjektiv over Wi efchaffenheitewort feyn würde; doch 
t fie nicht überall deutlich hervor,  fondern läßt fidy nur bei einer beftimmten 
iffe der Berba, den fogenannten neutra, davon ablöfen und im B. „fein“ dars 
len. Man hat aber ehr unrecht daran gethan, diefen Begriff des Seyns 
n übrigen Berben zu Grunde legen zu wollen; denn man hat den, erft fpäter 
widelten, Begriff der Eriftenz mit dem reinen Berbalbegriffe verwechfelt, wels 
e in allen Urſprachen Nichts weiter, als die, mit einer Berbalform verbundene, 
tte Perſon des pronomen personale ift und die demfelben angehängten %ors 
n, weldye natürlich audy anderen Verben zu Theil wurden, wegen ihrer engen 
rfhmelzung mit dem, nur durch einen Vokal bezeichneten, Bronomen für ein 
yerbum gehalten, während es felbf in allen Urfprachen feinen fpätern Gebraudy 
Begriff der Eriftenz und felbft als Huͤlfszeitwort deutlich erfennen läßt. 
Imehr ift der Grund des V.s das Leben in der Natur überhaupt, das Age 
ne, welcdyes dad Dafeyn der Dinge den Sinnen beurfundet, das eigentlich 
rmittelnde zwiſchen der Eriftenz und der Erkenntniß und jedes einzelne Ver⸗ 
n ift daher nur eine Verbindung dieſes Allgemeinbegriffes mit einer befondern 
: de Sichzuerkennengebens. ie aber alle Erfcheinungen in der Ratur ſich 
zwei allgemeine Begriffe zurädführen lafien, Ruhe und Bewegung, fo gibt 
auch zwei Arten von Verben: a) ſolche, weldye die Lebenserfcheinungen nur 
den Gegenftänden inhärlsend angeben (Zuftand) und db) \olkge, werte rs 


u —_' 


506 Verbum. 


ſelbe als von jenen ausgehend darſtellen ( Thätigleit). Die erſteren hat man un⸗ 
paſſend verba neutra genannt (indem man damit bezeichnen wollte, daß fie wer 
der activa, noch passiva felen); bie lehte ren find bie verba activa in der weite⸗ 
ften Bedeutung j beide gänzlich von einander verſchieden, aber durch die verſchie⸗ 
denften Nüancen in einander übergehend. Die verba neutra nämlid find reine 
Aojektivbegriffe, mit dem allgemeinen Verbalbegriffe verbunden, weßhalb fidh bei 
ihnen auch Die merfwürdige Grfeeinun, findet, daß, während in jeder Spradye 
ihrer nur wenige find, einestheils die übrigen burch Anjectiva, mit beigefügtem all; 
gemeinen Berbalbegriffe 5 werden, anderntheils beſonderen Verben in 
denen Sprachen adjeftivi ie Umfchreibungen entfpredhen. Allein auch fie find 
wieder in fich felbft verfchieden, indem br allgemeiner Verbalbegriff in drei ber 
fondere Begriffe, des vollendeten Zuftandes (feyn) mit feinen incen (ſchei⸗ 
nen, bleiben 16), des unvollendeten Zuſtandes (werden) und des verſchwin⸗ 
denden Beine Aufbören) zerfällt. Die verba activa dagegen zeigen den 
Gegenſtand in Thättgleit und Bewegung und zwar entweder, Indem fie nur einen 
ufand der Bewegung befchreiben, oder indem fie den Gegenftand ganz aus dem 
individuellen Zuftande herausnehmen und feine Beztehung zu einem andern bar 
ftellen. Erftere nennt man intransitiva, legtere transitiva, zwiſchen denen biejent- 
gen liegen, welche beides ‚zugleich feyn fönnen; beiven liegt der Grundbegriff, das 
hun oder Machen, zu Örunde, weßhalb nicht nur die Bulgärfprache biefen 
Begriff häufig pleonaftifch beifügt, fondern auch in allen Sprachen derſelbe in 
TE and fehr oft vorfommt (zumachen, aufmachen, afficere, deficere, 
conficere ete.). Hier tritt aber auch ein Unterſchied der Form ein, indem man 
die Ihätigfett entweder ald von einem ——— ausgehend (activum), ober 
als auf ihn einwirfend (passivum) anfehen Fan, weßhalb jedes verbum transiti- 
vum beide Formen aufzuweifen hat. — Aus dem Gefagten folgt die Unrichtige 
feıt der gewöhnlichen Eintheilung der Verba in activa, passiva und neutra; aber 
mit dem Angegebenen ift die Verfchievenheit der Verba felbft noch nicht erfchöpft. 
Denn, wie ka ſchon wegen der unendlichen Vielfachheit ver Verbalbegriffe feine 
beftimmte Gränzlinie zwiſchen den einzelnen Arten ziehen läßt, indem die Claſſe 
der Reutta Begriffe vom einfachen Zuſtande bis zur eigentlichen Thätigfeit ents 
hält und fo almällg ein Uehergang du den Activen fi) bilvet, unter denen wie 
der die verfchtedenen Arten der Thärigfeit und ihr Verhältniß zu anderen Begen- 
fänden mannigfache Unterſchiede bewirken: fo bat die Art und Weife des Zus 
ſtandes und der Handlung felbft wieder beiondere Arten von Werben erzeugt, 
weldye als iterativa, meditativa, frequentativa eto. die Grundverhältnifie nicht 
ändern, aber durch ein beſonders hinzuͤgettetenes Merkmal ſich von anderen Ber- 
ben wefentlich unserfcheiden. Aber auch die Form der Verba verdient manche 
Berüdfichtigung, zumal, da fie häufig von dem Inhalte felbft abhängt. Denn, da 
die erften Eprachbitpner fidy nicht nach erfannten alien Grundfägen richteten, 
ſondern einem innern Gefühle folgten, weldyes das Allgemeine durch eine gemein: 
haftliche Form auffaßte, ‚aber einzelne Verba ihrer Bedeutung nach oft mehren 
fien zugieich angehören können, oder wenigſtens die eine leicht in die andere 
übergeht, jo find in verſchiedenen Sprachen oft einzelne Verba in ganz verfchies 
dene Giaffen gefeßt worden, fo daß fie einer andern Sprache faft als Unregels 
mäßigfeiten vorlommen, Go flreifen die Neutra des unvollendeten Zuftandes, 
welche man auch inchoaliva nennt, nahe an die Paffiva an; die Verba, in denen 
die Handlung des Subjekts auf dieſes felbft zurädgeht, reflexiva, find activa u. 
passiva. zugleich; die intranfitiven activa ftehen wieder den neutris fehr nahe x. 
und daher kommt es, daß, während in den einzelnen Spracdyen häufig nur bie 
aktive und 7 — dForm zum Bewußtſeyn gelommen if, die neutra aber ſelten 
durch eigene dorm ſich unterfcheiden, dieſes Schwanfen der Bedeutung die Wahl 
der Äußern Form beffimmt bat und fo die reflexiva im Griechiſchen zum Theil 
passiva, eben fo im Lateinifchen reine verba acliva ober auch neutra pafftve Form 
erhalten haben und dann deponentia heißen (weil fie gewiffermaßen die paffive 


Berdacht — Verden. 507 
Bedeutung ablegen [deponere]), verba neuira halb aftive, halb paffive Form 
thalten Faden (neutra passive) und wirkliche paffive Verbalbegriffe nur in der 
Sorm einfacher neutra auftreten (neutralia passiva). Was andere Glaflen von 
Berben betrifft, wie die irregularia ober anomalia, weldye in ihrer „grammartichen 
zlexion von der gewöhnlichen Regel abgehen, die defectiva, denen einzelne Formen 
änzlich fehlen, die impersonalia, welche. nur ein allgemeines Subjelt geſtat⸗ 
en, fo find dieß nur grammatifche Auswüchſe, welche fidy in jeder Sprache ans 
ers geftalten und, was die grammatifche Behandlung der Berben betrifft, fo iR 
iber diefelbe unter den Artt. Bonjugation, Modus, Tempus, Bronomen 
“ Be fr nid, tnreichenden Gründen beruhendes Urtheil, daß 
‚ ein, auf nidt n en en , 
Jemand der Urheber von etwas Böfem ſei und zwar, wenn bie Gründe in dem 
Degenflanbe felbft Liegen, zum Unterfchled von Argwohn, wo das Urtheil in der 
Stimmung und Gemürhsart des Urtheilenden feinen bh 
Berdauung heißt der erfle Theil des Ernaͤhrungsprozeſſes, nämlich die Um⸗ 
vandelung der Nahrungsmittel in den Speifer oder Milchfaft, Chylus cf. d.). 
Die 2. Anbei flatt im Darmfanal, durch deſſen verfchievene Abtheilungen bie 
Rabhrungsmittel hindurch bewegt werden. Der Vorgang ver V. iR folgender: 
Die tungsmittel werben, fobald fie in ven Mund als "den oberfien Anfang 
ed B.6-Ranald aufgenommen find, durch das Kauen in ihrem Zufammenhange 
jetrennt, zerſtückt und verkleinert und gelangen dann durch die Speiferöhbre 
f. d.) in den Magen und von da in den Durmfanal, Auf diefem e werben 
verfchledene, qus dem Btute abgefonderte, Flüſſigkeiten: der Speichel, ver Magen 
1. Darmfaft, der Saft der Buuchipeichelniüje und die Galle, beigemiſcht, welche 
ie Nahrungsmittel auflöfen und verflürfigen und fie dem Blute ähnlicher machen. 
Der auf Elche Weife bereitete Speifefaft wird von Gefäßen eigener Urt, den 
Saugadern, aus dem Nahrungsſchlauche aufgenommen und dem Blute zugeführt. 
Die in ven zugefegten Säften nicht löslichen Beflandtheile der Nahrungsmittel 
> egen werden von Zeit zu Zeit ald Darmkoth durch den After entleert. — 
D . der aufgenommenen Speiſen dauert beim Menſchen gewoöhnlich 3 — 4 
Stunden; doch ıft Died fehr verfchleven nach Alter und Geſundheitszuſtand, nach 
Bewegung oder Ruhe, anftrengender körperlicher Thärigkeit oder Muͤßiggang der 
Berpauenden; ferner nach der Befchaffenheit der Speiſen, fowie nad gahretzen 
klimatiſchen Verhältnifſen ꝛc. — Störungen im Vorgange der VB., V.6⸗ 
Störungen, treten ſehr häufig auf bei der großen Zahl der Organe, welche 
bei ver V. betheiligt find, forte bei dene bedeutenden Cufluſſe, den Außere Um⸗ 
Rände auf die B. ausüben. Die aub den B.8-Störungen hervorgehenden B.6- 
Krankheiten gehören zu den wichtigſten und gefährlicäfien, da durch die 
mung der V. einer der wichtigften Lebensprogefle, die Ernährung, geftört iſt. 
ur Hebung aller B.8-Störungen und B.8-Krankheiten iſt, neben geeigneter aͤrzt⸗ 
licher Behandlung, firenge Regelung der Diät in Beziehung auf Eſſen u. Trinken 
nothwendig. Bet geringer B.8- Kraft, fogenanntr BEE chwäche tft in gleicher 
Weiſe Befolgung einer zwedmäßigen Diät und Vermeidung aller Erzeffe zur Er⸗ 
haltung der Geſundheit unbedingt nöthig. E. Buchner. 
erded, |. Ded. 

Berdedte Batterien heißen ſowohl Feſtungs⸗, als Angriffebatierien dann, 
wenn vor ihnen ng ein zweiter Ervaufwurf, Walls oder Bruftwehr, liegt, In 
ben dann, mit den hinteren Scharten correfpondirend, fogenannte Borfcharten ein: 
geſchnitien find. So wenig anwendbar ihr befchränftes Geſichtsfeld diefe Schar⸗ 
ten in Feſtungen macht, um fo brauchbarer werben fie durch die treffliche Dedung 
ber binter ihnen ſtehenden Gefchüge beim Angrifföftiege, namentlidy, wo es gilt, 
zahlreiche und wohlgededte feindliche Batterien mit namhafter Minderzahl nieders 
zuwerfen, wie 3. B. Montalembert' hohen cafemattirten Batterien gegenüber. 

Verden, 1) früher ein Bisthum, jeht ein aut, Bannineı Ihen Landdroßei 
Stade gehoͤriges Herzogthum mit 20] Meilen und 23,500 Gnaskaere, warır 





ui [_ 


? 
— 
FD 
’ 


* 
13 
f 
h 
i 


— 
I 
: 
i 
i 


EE 
5 


Br 
Il 
he ! 
sh: 
I 
Ei 
Eu 


en cn Drama 


, welcher dem von Pyrmont fehr ähnlich iſt. 
f. Eondenfation, 


Kt 
| 
! 
H 


8 


Berdict, f. Jury. 
Berdum, Hauptftabt eines Arrondiffements im jöflfchen Departement d 
Er A 
)0| al d 3 
man bier eine Bilioihef und eine Aderbau-Befelfcaft. Die 15,000 Ginwohner 
betreiben beträchtliche Bierbrauerei, Gerberei, Dehlichlägerei, Yiqueurs und Rägel- 
brifatton. @efcichtlich berühmt wurde B. durch den Bertrag, den Kaifer &o- 


Berbunois, früher den Herzogen von Lothringen gehörig, bie es durch eigene 
Grafen — ließen, wurde von Balduin, dem Bruder Gottftied's von 
Ion, den Biſchöfen von V. läuflich überlaſſen, die es als Vicomteſchaft dem Gra⸗ 
fen Dietrich von Monçon und Bar zu Lehn gaben, fpäter aber wieder zutücknah⸗ 
men. Dabei hatten fie mit der Stadt B., welche frühzeitig die deutſche Reiche: 
freiheit erlangte und ihre Selbftftändigfeit fortvauernd hartnädig vertheidigte, un- 
abläffige Fehden zu führen, bei denen die Bürger zulegt Frankreich gegen ven 
Biſchof zu Hülfe riefen. Hiedurch geſchah es, daß die Stadt im Jahre 1552 
von Frankreich in Befig genommen wurde, worauf fie, nebft ihrem Gebiete, im 
meftphältichen- Frieden, zugleich mit den beiden anderen beutfchen Bisthümern, Met 
und Toui, förmlidy an Sranfreich abgetreten wurde. 

Bereine und Vereinsrecht. Es iſt ein matürliches Bedürfniß des Men- 
Ken fid) mit feinen Mitmenjcyen zu vereinigen umd es gehört deßhalb die Ber 
eledtgung diefes Bedürfnifjes zu den natürlichen oder Urrehten (f. d.). Im 
Grumde läßt ſich der Menſch einzeln, außerhalb des Vereines, gar nicht denken; 
die Familie, die Gemeinde, die Kirche find B, Wenn man daher von einem 
befondern Bereinsrechte fpricht, fo kann man diefe V. der Familie, Gemeinde, 
Kirche, des Staates, nicht meinen. Das Vereinsrecht iſt die Befugniß des Men- 
ge, ſich mit Anderen zu der Erreichung folder Zwecke zu vergeſellſchaften, die 
in jenen Vereinen des Staates u. ſ. w. nicht realifirt werben können. Da es nun 
viele Zwecke gibt, bie ſich in den genannten Vin nicht verwirklichen laffen, die 
aber doch zur Beförderung des Menfchenwohles viel beitragen, fo nennt man 
das Recht, zu befonderen Zweden befondere Vereine zu fliften, ein natürliches. 
Sene vier allgemeine Vereine find nothwendige, denn ohne fie kann das Mens 
fengefihtedht nicht beftehen und fie bilden fa deshalb überall von felbft; die 

efonderen Vereine zur Erreichung beftimmter Zwede find nüpliche; dad Menfchen- 
geſchlecht fann ohne fie beftehen, aber feine Aufgabe nicht fo pi erfüllen. Bers 
eine diefer legtern Art haben von je beftanden: das ganze Mittelalter, das gers 
manifche wie das romantfche, war von ihnen voll; das Ritterwefen, die geiftlichen 
Drben, die Zänfte, die Räptifchen Bünde find die großartigken Aeuferungen des 


nittelafterlichen Bereinögeifte®, der unfere Wälder licdhtete, ımfere Stroͤme in 
regelmäßige Beete faßte, unfere Münfter erbaute; dem wir überall begegnen, von 
ven ronkaliichen Feldern bis zu den Moräften Lieflands, wo deutfi en u. 
beutfche Art fi heimiſch machten. Viele B. jener Zeit Haben ſich unter uns 
erhalten: die Stiftungen, bie Zünfte, letztere freilich bedeutend modiſicirt. Die 
soßen politifchen ®. des Mittelalter find Dagegen verfchwunden. Das Berges 
Küfchaften zu politifchen Zweden iſt eine lange: Zeit, die nahe an drei Jahrhun⸗ 
berte umfaßt, ganz aus der Uebung gekommen. Die politifchen V. find es aber, 
die unfere Zeit wieder verlangt. Man kann das t, ſolche V. zu bilden, den 
Staatöbürgern nicht fireitig machen, ſobald man fi Schranken dieſes Rechtes 
richtig denkt. “Die ehren Gelege And dieſe Schranken. Ich kann mich 
mit einer beliebigen Anzahl von Mitbürgern verbinden, um geſetzlich erlaubte 
Zwecke zu verfolgen. Ich darf mich mit Niemand vergefellihoht 
Abſichten zu realificen, wie das Geſet mir ale Inem ſchon verbietet. Ein an 
fi) löblicher Zweck wird dadurch nicht unmoraliſch, Daß nicht Einer es if, fon- 
bern Biele, die für ihn wirkten; umgefehrt verwandelt fich unerlaubte Hands 
(ung nicht in eine erlaubte, weil fidy eine Menge von Menfchen bei ihr beiheiligt. 
Unter der Borausfehung der Geſetzlichkeit können V. fich mit Aufrechthaltung 
oder Abänderung der beftehenden Zuflände befchäftigen. So ſteht die Sache un» 
weifelgaft nach dem philoſophiſchen Rechte, die pofitive Geſetzgebung beuriheift 
e aber anders. Diefer fchwebt vorzüglich die Wichtigkeit des Vereinsweſens 
vor, feine Gefährlichkeit, wenn es ſich auf die Gegenſtände politifcher Ratur wirft. 
Die Wichtigkeit ift vorhanden, fie beruht auf denfelben Gründen, wie die Wicht⸗ 
keit des Bereinöweiens überhaupt: Durch Bereinzelung gem die fchönften 
äfte verloren, die in der Bergefellfchaftung zum Wohle des Ganzen fruchibring⸗ 
end arbeiten würden. Der Menſch, der als Ginzelner verzagt, finder ſich durch 
das Mitwirken Anverer ermuthigt, der Wetteifer beflügelt feine Thätigkeit und 
auf der andern Seite fällt vor den organifirten Bemühungen Bieler mandyes 
inderniß, welches der ungeregelten, wenn auch Eräftigften, Anftrengung Einzelner 
für immer Wiederftand leiten würde. Der Berein iſt ein Sammelpunft, in dem 
fi) nach jedem Berfalle, jever Niederlage die Zerfprengten wieber vereinigen föns 
nen; er iſt in den Stunden der Gefahr ein Schirm, in den Tagen des Kampfes 
ein Sporn. Dieß gilt von allen, fo auch von politifhen ®.n. Diefe wirken 
nach einem gemeinfdaftlich berathenen und entworfenen Plane übereinktimmend 
und auf die mannichfaltigfte Weiſe, re Rede und Schrift, durch Unterſtütz⸗ 
ungen mit Rath und Gelid; Ihr gl zu fürdhten, denn er trifft auf den 
Gegner mit der vollen Wucht der e, ihre Bertherbigung wird ihnen fehr ers 
leichtert, da es eine Menge ifl, gegen die vorangefchritten werden muß, der Ein⸗ 
zelne durch den Einzelnen, Gruppe durd) Gruppe fi) dedt. Nicht weniger iſt die 
Gefährlichkeit poluifcher B. vorhanden. Was man gewöhnlich von mangelhafter 
politifcher Bildung des Volkes fpricht, um Gonceffionen als ſchädlich darzuftelen, 
bat, -auf das politiſche Vereinsweſen angewendet, eine gewiffe Wahrheit. Yür 
rohe Völfer märe das politifche Vereinsrecht ein ſchlimmes chenk; ſelbſt vie 
gebildetſten Nationen haben die Nachtheile dieſes Rechtes kennen lernen müflen. 
In Rordamerika haben die Gegen» Sklavereis®. das Fortbeſtehen der Union ges 
fährdet; Frankreich mußte nach der Jultrevolution das Bereinsrecht aufheben, 
wenn die Regierung fortbeftehen ſollte. Auch England fchritt gegen vie politifchen 
B. ein, als es feinen Riefenlampf mit der frangöfifchen Republif ausfocht. Verbote 
helfen indeffen Nichts, wenn fie nicht von dem Volksgeiſte Eräftigft unterſtuͤtzt 
werden. Derbotene DB. ziehen fidy in das Dunkel zurüd, wenn wirkliche Volks⸗ 
beichwerden da find und wirken insgeheim viel gefährlicher, al wenn man fle 
entlich geduldet hätte. Allerdings haben Geheimbünde nie unmittelbar zu einer 
evolution geführt, der Feind hat fie noch ſtets entdedt und zerfiört. Mittelbar 
haben fie aber zu den modernen Kataftrophen viel beigetragen und es ‚bärfte nicht 
eine Revolution ver Neuzeit geben, Die nicht von Gcheirantkenen, ik. ar 





510 Vereine, 


worden wäre. Die Geheimbünbe find die verlorenen Poften, der Bortrab ber 
Ummwälzung; fie fördert diefelbe, mögen fie nun fiegen oder unterliegen, tm legs 
tern Falle durch die Erbitterung, welche ihre Niederlage hervorruft. UWeberbies 
demoralifiren fie die Reglerumg, die gegen ſie eine geheime Polizei zu errichten 
gezwungen if. — Die Befugniß zu Volfsverfammlungen folgt aus dem Vereins 
echte von felbft. Wenn einer beſtimmten @efelfchaft. das Recht, ſich zu ver 
einigen, nicht genommen werben kann, fo läßt es fich noch weniger dem gefammten 
Bolfe abfprechen. Auch find die Bolfsverfammlungen fo alt, wie die menfch- 
liche Geſellſchaft und es ift Fein Voll, im deſſen Gefchichte fie nicht Epoche 
machten. Bureaufraten ftellen die VBolfsverfammlungen gewöhnlich als eine robe 
Aeuferung der Volköfraft dar, die in gefitteten Staaten nicht vorfommen dürfe. 
Diefe Behauptung verdient jedoch Feine Widerlegung. — Die Kehrfeite, man 
möchte fagen, die Garrifatur des Vereinsweſens ift as Elubwefen. Es waren 
hauptfächlich die Elubs, welche der erften frangöfiichen Revolution ihren fürdhter- 
lichen Charakter gaben. Durch fie wurden die Maffen im die öffentliche Debatte 
eingeführt; die Leivenfchaften, die in diefen gährten, der Fanatismus, der polittiche 
* , der perfönliche Neid erhielten die Oberhand über die edlen Motive der Ge⸗ 
jehgeber. Die Befchränftheit der Ungebilveten entſchied, fie erflärte fich im dem 
Mae als allein berechtigt, daß fie die geiftige — als „der Contrerevolu⸗ 
tion verdächtig” proſeribirte Der Sieg der Elubs über dle Volfövertretung 
Tündigte fich fon in den erflen Tagen der Revolution an. Die Eonftitutionellen 
der conftitwirenden, die Giromdiften der geſetzgebenden Verfammlung ſtützten ſich 
auf Clubs und bereiteten ſelbſt deren endliche Dberherrfchaft vor. Seinen Höhe 
punkt erreichte diefes Unmefen, ald der Gemeinderath von Paris aus feiner Ber- 
achtung gegen den Convent Fein Hehl mehr machte, Gorbeliers und Jakobinet in 
ihren Verhandlungen die Gefepe entwarfen, weldye die zitternden Gefehgeber an 
zunehmen hatten, correfpondirende Vereine der Zakobiner eine Reglerung von 
Sranfreich bildeten, weiche in der Muttergefellfchaft eine ftärfere Gontralffation 
befaßen, als die offizielle Regierung felbft war, jede Stadt, jedes Dorf des Lan- 
des Clubs hatte, die einander an Wildheit und Blutdurft zu übertreffen fuchten. 
Die rohe Leivenfchaft wuchs fogar den Führern über den Kopf. Robespierre (.d.) 
wurde als gemäßigt angeflagt, Marat (f. d.) erhielt Aufforderungen, in feiner 
zevolutionären Thätigkett nicht nachzulaſſen. Wir mußten auf dieſe Ausartung des 
Vereinsweſens aufmerffam machen, wenn wir auch keineswegs Denen zuftimmen, bie 
in den Vereinen und Bolföverfammlungen den Anfang der Elubherrfchaft er- 
biiden. Diefe Furcht, die vielleicht aufeichtig iſt, übertreibt. Cine Revolution, 
wie die franzöfliche war, iſt in Deutichland nicht möglich und eben fo wenig ein 
Elubwefen, wie das von 1793. Webelftände werden die polttifchen V. hervor: 
rufen, das if das Schidfal von Allem, was der Menſch erfinnt; aber wegen 
diefer unvermeivlichen Unvollfommenheiten dürfen wir nicht das ganze Inſtitut 
verwerfen. Diefe Uebelftände laſſen ſich mildern, die damit verbundenen Gefahren 
befeitigen. Politiſche V. find ein wirffames Mittel, Bildung in weiten Kreifen 
zu verbreiten, fie führen und am ſchnellſten in das frifche Volksleben ein, dem 
wir biöher nicht angehören durften. Das Verhalten der Geſetzgebung gegen dae 
BVereinewefen dürfte etwa folgendes feyn. Die Präventivgefeggebung muß bei 
den Vereins⸗, wie bei den Prefangelegenheiten künftig wegfallen und durch Rer 

fivmaßregeln exfest werden. Der Grundfah des Rechtes: „Zeber gilt fo lange 
für gut, bis das Gegentheil bewiefen wird“, hat zur volleften Geltung zu ger 
langen. Die bisherige Geſetzgebung, die dem Bolizeigrundfage hulbigte: „Jever gilt 
fo lange für fchlecht, bis er das Gegentheil beweist“, knüpfte die Stiftung von 
Vn an obrigkeitliche Grlaubnißfcheine, ſtellte endlofe Erörterungen über Zuläfftg- 
teit an, nahm bei dem Heinften Anlaſſe „Recyerchen“ vor, verlangte Borlage von 
Arototoflen, Statuten, forderte Garantien über Garantien, übte eine fortwährende 

berwachung aus und erreichte durch endlofe Pladereien durch Auflegung von 
Grafen und Geldkoſten ihren Zwed ver „Näuterung des Wollsgeited“ hoch fo 


Verfehren. Sn 
mig, daß fie im Gegentheil die beſtehende Mißſtimmung vermehrte Will bie 
ne Gefebgebung wit den alten Polizeigrundſätzen brechen, fo muß fie dad Ver⸗ 
ı6recht völlig rel laſſen, keine Einholung von Erlaubnißfcheinen verlangen, 
ine befondere Nufficht führen. Die Staatögewalt fchreite erfi dann ein, wenn 
ı beflimmter Berein gegen die Geſetze handelt, Die, gewöhnlich als ſolche an⸗ 
nommenen Garantien, ‚die Biele im nterefle der Ordnung beibehalten wollen, 
iß jeder Berein feine Statuten veröffentliche und der Behörde zur Kennmiß⸗ 

me vorlege, daß verantwortliche Vorſteher genennt werben u. ! w. find, beim 
te betrachtet, illuſoriſch. Heben den gedrudten Scheinflatuten Tann es geheime 
ben; die genannten Borfteher werden in vielen Fällen blos Gliederp ſeyn, 
nter denen ſich die wirklichen Leiter verſtecken: gegen ſolche Mißbraͤuche ſchuͤtt 
6 Bräventivfoflem nicht; läßt man fich im emeinen auf GErörterungen und 
nterfuchungen foldyer Art ein, fo man fogleidy wieder in das alte Ber 
ifſtchtigungsweſen. Man warte wirkliche Gefepesüpertretungen ab, um dann 
e Stantsauctorität mit dem größten Nachdrucke geltend zu madyen. Bann müſſen 
türlich auch etwaige Balingen der Statuten und Namen als gravicende Um⸗ 
inde in Betracht kommen. Jedes @efchworenengericht wird das Echulbig“ MR 
gen einen Verein ausfprechen, ver durch Unmwahrheiten. dieſer rt fein boöſes 
ewiffen befundet, als gegen einen ſolchen, ver in allen Dingen ftet und offen 
mbelte. Es ift indefien auch der Fall denkbar, daß ein Berein, der fich fireng 
ı Die gefegliche Orbnung hält, aus Gründen des Staatswohles aufgelöst werwen 
uß. Sehe Auflöfung eined Vereines muß aber als die Gufpenfion eines ver, 
fungsmäßigen Rechtes betrachtet werden. Gine Gufpenfion verfaffungsmäßiger 
echte darf nur ausnahmsweiſe, in wichtigen Fällen eintreten; fie darf nur von 
m verantwortlichen Minikerium verfügt werden, wo möglich unter Mitwirks 
ıg der Stände, denen, wenn Gefahr im Verzuge war, die Motive der Verfuͤg⸗ 
ig vorzulegen und der Entſcheidung derfelben zu unterftellen find. Wir würden 
e Unterbrüdung immer gerechtfertigt halten, fo oft das Bereinsweien in ein 
lubsweſen umfchlüge, die B. nicht mehr fpezielle Zwecke verfolgten, fondern all» 
mein eine Einwirfung auf die Politik des Landes üben wollten, zu diefem 
nde hierarchifch in Haupt- und Zweig-B. fidy organifirten, Andersdenkende eins 
hüchterten, in die öffentlichen Gefchäfte ſich miſchten und eine Regierung’ neben 
7 Regierung fich bildete. Weiſe Regierungen werden aber nicht fofort eins 
breiten, wenn eines der eben angeveuteten Merkmale ein Umfchlagen des Ver⸗ 
nöwefens in Glubswefen anzudeuten fcheint, am wenigſten in diefer Zeit, deren 
eugeflaltungen des gegenfeitigen Vertrauens bedürfen. Die junge Freiheit wird 
h etwas ungebervig anftellen; in Dingen, die bisher verboten waren, mag hin 
nd wieder zu viel gefchehen: ber Achte deutfche Volksfinn wird darum unveränds 
t derſelbe bleiben, er wird uns ficherer gegen Revolution und Schredensherr- 
haft fchügen, als Polizeimaßregeln. | 
3 en heißt in der Rechto ſprache fo viel als im Prozeſſe fortfahren. 
50 verfährt der Richter mit der Unterfuchung, oder mit Vollſtreckung der Erecution 
ider die Perfon, oder mit Taration und Verſteigerung der Sache ıc. 
'rozeffen zwiſchen Parteien verfahren, fo viel als vor Bericht mit einander 
reiten. Im befondern Sinne verfteht man in manchen Ländern unter dem B. 
ver dem rechtlichen V. die Einreichung der Säge oder Schriften in ven ver 
hiedenek Inſtanzen des bürgerlichen Brozefles; daher Beweis-®B., Läuter⸗ 
ng6s oder Apellations-®B. Solcher abmechfelnder Säge find 6 hergebracht, 
ie jeden Theil 3, nämlich: 1) der Provocationsſatz; 2) Erceptionsfag; 3) Replik; 
) Duplik; 5) die Triplit u. 6) die Quadruplik. Die Säge 1, 2 und 3 gehören 
um Angriffe, die 2, 4 und 6 aber zur Vertheidigung. Anfang bat ders 
nige mit dem ‘Provocationdfage (1) zu machen, welcher in der vorliegenden 
mftanz den Bortrag hat. Beim V. über die Kiage IR —5 ſonach der 
lager, bei dem über den Beweis der Beweis fuͤhrer B, Aber vn 
weis der Gegenbeiweißführer,. beim Appellationsveriaigeen der F 






2 Verfaſſung. 


eim V. über die Hauptſache (Gaupt-V.) vor dem Endurtheile widerum ber 
tlager. Es muß der Natur der Sache nach einem jeden Theile der Gebrauch 
»on 3 ſolchen Sägen oder Schriften freiftehen; felten werben jedoch mehr als 2 
jebraucht, — Bei der franzöfiichen —— werben in bürgerlichen Rechts⸗ 
achen die Borverfahren mehrentheild in Schriften abgehandelt und nur nad) 
iefjem die Haupt ſa ch (das — müũndlich und — bi 

In Griminalfachen werden nur die eigentlichen Aiftfen mündlich und öffentlich 
verhandelt, nicht aber das vorhergehende V. vor dem Inftructionsrichter, welches 
iber auch In Anfehung derjenigen Bunkte, die vor der Aſſiſe nicht fpeziell wieder 
jolt worden find, keinen Bewels abgibt. 

Verfaſſung oder Eonftitution hießen im frühern Sinne des Wortes bie, 
heils im Mittelalter ausgebildeten und zumächft auf dem ommen beruhenden, 
Berfammlungen der Reichs⸗ und Landftände in einer großen Mehrzahl der euros 
yärfchen Reiche germantfcher —— theils geile Schriftliche Reichsgrund⸗ 
jefepe, welche zwar gewifle allgemeine, aber nicht ımter fich —— zuſammen ⸗ 
jangende, Gtundbeſummungen des innern Rechtszuſtandes der betreffenden Reiche 
ınd Staaten enthielten. Es find dies folgende Reichegrundgeſetze: die goldene 
Bulle (f. d.) vom 25. Dezember 13565 der ewige Landfrieve vom 7. Auguft 
4495; die jevesmalige Fatferliche Wahltapitulation (feit Karls V. Wahl sale 
lich); der zu Augsburg abgefchloffene Religionsfriede vom 25. Sept. 1555 und 
der weftphälifche Friede vom 24. Dftober 1648; der lünenilfer Friede vom 9. 
Bebruar. 1801 und der, auf die Bafis deſſelben zu Regensburg abgefchloffene, 
Reihödeputationshauptfchluß vom 25. Febr. 1803. So wichtig alle diefe Reiche- 
grunbgefehe waren, fo bildeten fie doch fein zufammenhängendes Ganze der in 
nern Geftaltung des politiſchen Lebens im deutfchen Reiche, Auf ähnliche Weife 
bildete ſich die britifche V. (f. DI. Auch fie beruht durchaus ‚auf feinem einz- 
igen) alles Wefentliche des innern Staatslebens in fich enthaltenden, ſchriftlichen 

rundgeſetze: es find vielmehr einige einzelne, in verfchiedenen Zeitaltern und für 
augenblickliche Bedürfniffe gegebene, orgamifche Gefege, die man als die Unter 
lage der noch jegt beftehenden V. Großbritanniens anſehen muß. Auch in einigen 
anderen Ländern des europälfchen Feftlandes waren ſchon vorlängft glüdliche Vor⸗ 
ſchritte zur Freiheit gefchehen, veranlaft allernächft dur) Mißbrauch der Gewalt. 
So in der Schweiz, in den Niederlanden, Spanien, Frankteich, Ungarn u. m.a. 
Diefes Ringen, haupiſaͤchlich nach Gewiffendfreiheit, legte audy den Grund zu 
einer bürgerlichen, ja, es führte felbft zu überfpannten Lehren und Beftrebungen. 
Nach ver jegigen Bedeutung verfteht man unter V. eine fariftige Urkunde, 
welche alle die rechilichen Bedingungen enthält, auf welchen das innere Beftreben 
eines Staates, nad) dem nothwendigen Zulammenhange der einzelnen Theile dies 
ſes Lebens, beruht. Unter diefen modernen Verfaffungsurfunden tritt und zunächſt die 
nordamerifanifche vom 17. Sept. 1787, von dem Eongrefie von Philadelphia 
entworfene und im März 1789, in Berbindung mit mehren Zufagartifein von 
den 13 Provinzen dieſes Bundesſtaates angenommene, fchriftliche Verfaffungss 
und Staarsvertragsurkunde entgegen. Sie tft ihrem Charakter und Inhalte nad) 
ein Rachbild der britifhen B. In Frankreich wagte es bald darauf Die Ras 
tionalverfammlung am 3. Sept. 1791, eine neue V. zu geben, die vom Könige 
am 14. ohne Einſchraͤnkung beſchworen ward; aber fle trat ind Leben, obne daß 
zuvor eine zwedmäßige Gemeinde» und Stäbteorbnung (eine Muntztpal+®.) ges 
jeben wurde, beichränkte die Macht des Königs und erklärte fich gegen das 

weikammerſyſtem. Sie erlofch aber bald wieder, da fle in vielen organifchen 
Oehlern den Grund ihrer eigenen balvigen Auflöfung in ſich trug u. eine zweite 

., die man dem Volke verheißen hatte, nachdem eraulı de Sechelles im Namen 
des Wohlfahrts ausſchußes über denfelben Entwurf berichtet hatte, ward nady 
güsı er Beratbung vom Convente angenommen (24. Juni 1793) und am 10. 

uft in Paris feierlich verfündet, Diefe V., ein Denkmal der Belehrtheit u. 
Zolbreifigiei ihrer Urheber, trat gas nicht Ind Staatsleben ein; denn es ward 


vegen der gefahrsollen Umſtände des Staats die Republik in Revolntionszufend 
flirt an) und eine revolutionäre Regierumg angeorbnet, weldye die Dil⸗ 
atur der Schreckensmaͤnner befeftigte. — Dagegen dauerte die dritte ®B. ber 
Republit Frankreich vom 22. ft 1795, mit einem Direktorium von 5 Indie - 
Aduen für die vollztehende Gewalt und zwei Rätben, dem Rathe der Funfhund⸗ 
rte und dem Rathe der ten, für die geiehgeben : Gewalt, vier Jahre, bis fie 
Beneral Bonaparte (ſ. d.) auflöste u, an deren Stelle die vierte V. vom 13. 
Dezember 1799 febter die ihn als den erften Conſul an die Spike des Staates 
tellte und in ‚welcher durchgehendé bie Amäherung an das monarchiſche Prinzip 
jervortrat. Diefe B. wurde in der Folge in vielen wefentlichen id ken vers 
Indert und ergänzt durch die fogenannten orgenifhen Senatöconfulate: vom 2, 
Fugu 1802, welches Bonaparte zum lebendlänglichen Gonful ernannte; vom 
1. Wugufl, woburd die B. von 1799 in mehren weientlichen Bunkten verändert 
ward u. vom 18. Mai 1804, in Folge deſſen auf Bonaparte u. feine Nachkom⸗ 
nenfchaft die erbliche Kaiſerwuͤrde Frankreichs übertragen warb 5 ug befanden 
th Darin mehre durchgreifende Der Änderungen ver®. Smbelen blieb diefe doch bie 
Baſis der Drganifation des franzöfifchen Reiches bis zu Napoleon's Thronver⸗ 
ichtung im Jahre 1814. Allein einige vor Dieter Shronentfogung etlleß 
der franzöſiſche Senat 8. April 1814 unter Talleyrand's Vorſitze eine B., welche, 
glich die Intereſſen der Senatoren wahrend, Ludwig XVIII. auf den ron 
J ya erfannte Ludwig XVII. nach feiner Ankunft in Frankreich dieſe 
ränfte ®. nicht anz er machte vielmehr am 4. Zuli 1814 bie Togenannte con⸗ 
Hintionelle Charte, die ſechste V. Frankreichs, aus koͤniglicher Machtvollkom⸗ 
nenheit bekannt, ohne fie vorher ven Repraͤſentanten der Nation zur Beguta 
mg, ng und Annahme vorzulegen, (eras in derfelben die E nipliche 
ive der Geſetge aus und verordnete bie beilung der Bollörepräfentanten in 
wei Kammern. Diefe V. beftand, mit Ausnahme der 100 Tage, bis In ven 
Juli 1830, obgleich viele ihrer Grundbeſtimmungen durch die Wilfär der Mint 
terien Ludwig's XVII. und Karl’ X. bald raͤnkt, bald verändert, bald in ber 
Wirktichkelt nicht vollzogen wurden, bis nady der mächtigen Bewegung Ftank⸗ 
ceichs vom 27. bis 29. Full 1830, zugleich mit der Thronbeſteigung des Herzog6 
von Orleans (Ludwig Philipp’s), am 8. Auguſt 1830 die fiebente 2. erfchien, 
welche zwar die Hauptgrundlage ver Eharte Ludbwig's XVIIL beibehielt, doch mehre 
wefentliche Bekiinmungen derjelben veränderte u. baburcdh neue Gewährleiftungen 
für die bürgerliche Freiheit erweiterte. Seine achte V. endlich erhielt Srantreih 
wieder als Republik, nach dem Sturze des Hauſes Orleans, im Februar 1848. — 
Huch der vormalige Freiftaat der Niederlande erhielt nach dem Borbringen 
ver Zranzofen und nach dreifähriger Berathung der erfien (1796) und zweiten 
(Sept. 1797) Nationalverfammlung am 23. April 1798, unter dem Einfufe des 
franzöftfchen Geſandten Lacroix, eine B. auf die Unterlage der Volfsfouveränität. 
Diefe B. ward aber am 16. Oktober 1801 mit einer zweiten vertaufcht, 
ver vierten B. Frankreichs nachgebildet war. Doch auch diefe V. mußte einer 
pritten vom 15. März 1805 weichen, in welcher an die Stelle des Staats⸗ 
hewind ein Rathspenſionär mit beinahe monarchiſchen Rechten trat und der ges 
Ieögebenne Körper (nun „hochmögende Repräfentanten“ genannt) auf 19 Individuen 
h dgebradt ward. Schon am 4. Auguft 1806 wurde fie jedoch von der vier, 
ten V. verdrängt, deren politifcher Charakter monarchiſch⸗ repraͤſentativ war, nach⸗ 
ven (24. Mat 1806) Rapoleon’8 jüngerer Bruder ,- Ludwig, zum Könige von 
Holland ernannt und von dieſem die neue B. unterzeichnet worber war. Als 
aber Napoleon am 9. Juli 1810 das Königreich and Frankreich einverleibte, 
erlofch dieſe vierte hollaͤndiſche B. und die vierte franzöſtſche von 1799 trat mit 


i 
dem Modifikationen an ihre Stelle, bis nach der Bölkerfchladyt bei Leipzig die 
H ns 















ung und Trennung Hollands von Frankreich wieder erfolgte, 
von Dranien, von den Riederländern am 1. Dez. 1813 als fonveräner | 


(gie. Der 
erfannt, bereits 2, Dez. das Berforechen eier een 
Fe x, er > 8 


+44 Bergantung — Vergennes. 


Den Entwurf derfelben ließ er am 28. März 1814 dem zufammenberufenen Aus⸗ 
[pufi ber räfentanten (ben Notabeln) ber ie eiÄnlifegen Brovingen 
erathung vorlegen, damit en Wege des BVertrage dad neue: & eh 
in's öffentliche $ träte, aber kurz darauf (30. Mat 1814) die verbünde- 
ten Mächte Belgien mit Holland zu einem gemeinfamen Königreiche vereinigten, 
verfammelte der nunmehrige König der. Niederlande, Wilhelm Cfeit dem 8. Auguſt 
m die belgiſchen und hollaͤndiſchen Notabeln zur nochmaligen Beratung des 
vorjährigen, nun aber auf ‚beide vereinigte Laͤnder ausgebehnten Berfafjungsent: 
wurfes. Ob nun gleich Die Stimmenmehrheit sgen die Annahme der neuen V. 
ſich ausfprach, fo erklärte doch der König d am 24. Auguſt 1815 zum 
Grundgeſetze des Königreihen,. Als die fünlichen Provinzen fi von dem Haufe 
Dranten im Jahre 1 rießen und von den Mächten ald eigener Staat an 
erkannt wurden, wurde für das neue Königreih Belgien am 7. Februar 1831 
eine 8. vom Nationalcongreffe angenommen u. am: 21. Juli vom Könige be 
(dessen. Diefe 2 Tal wo bie — —* neuen Belt indem 7 dem 
N) en, geg der Regierung, größere un abhäng es 

rt, als irgend eine andere. (Ueber die Ben in den übrigen Ländern * 

en wir auf die einzelnen Artikel.) — Allen modernen V.en if, bei aller Ver⸗ 
ſchiedenheit ihres Inhaltes, gemein aftlicy die Ordnung des Berhältniffes zwiſchen 
der Regierung und der parlamentarifchen Gewalt, mag nım lebtere unter dem 
Ramen von Häufern, Kammern, ‚ Gurten, Ständen, oder wie fie fonfl 
vorkommen ; dann bie Seftelung bee Weges, auf welchem Geſetze, mit Einfchluß 
der die Gteuern betreffenden, beicploffen werben follen. an unterfcheivet 
octroyirte, von der Regierun n überlafiene u. pactirte, mit den Staͤnden 
vertragsmaͤßig —A ‚en. Erſtere haben zuweilen formelle, letztere in 
der Regel materielle Vorzüge. Der früheren Zeit gehor nur pactirte aß⸗ 
ungsgeſetze an und ſtellen ſich auch zumeiſt in der Form von wirklichen Vor⸗ 
trägen, oder von, an eine beſtimmte Partei ertheilten, Privilegien und Conceſ⸗ 
fionen dar; denn fle waren zumeift die Vergleiche und Zriedendfchlüffe, welche 
awifchen bereits beftehenven, aus dem gefchichtlichen Leben des Volkes erwachfenen, 
Mächten im Staatöwefen gefchloffen wurden. Selbſt das einzige Verfaſſungs⸗ 

eſetz, das den Abfolutismus zum Prinzipe der Regierung erhebt, die bäntiche 
Lex regia vom 14. November 1660, ift in feinen Grundzügen ein pactirtes. Die 
oetroyirten B.en gehören der Zeit u. den Ländern an, wo nur bie Regierung eine 
Geſtalt und Gewalt im Staate hatte und die alten Stände erlofchen waren. 
So ift die erfte conftitutionele V. In Deutſchland, die naffautfche, eine octroyirte, 
die aber auch ganz befonder® die Mängel einer folchen zeigt. Die badiſche DB. 
ebenfalls octroyirt, dürfte unter allen dieſer Claſſe wohl noch vie meiften Vor⸗ 
züge befigen, wenn wir nicht den ganz neuen öfterreichifchen u. preußiſchen B.en, 
über die fidy jedoch, da fie Faum erft in's Leben getreten find, noch Fein ficheres 
Urtheil fällen läßt, noch den Vorzug vor ihr einräumen wollen. — Die V.en 
find mehrfach gefammelt worden, namentlich von Martens, Dufau, Lüders und 
Anderen. Die volftändigfte Sammlung der europälfchen Conftitutionen ift die non 
Poͤlitz (2. Aufl, 3 Bde. Leipz. 1833; 4 Bd., herausgeg. von Bülau, 1847—48.). 

Bergantung, f. Sant u. Concurs. 

Bergenned, Charles Gravier, Graf von, ein verbienter kranzöffer 
Minifter, geboren zu Dijon 1720, widmete fidy dem Staatsdienſte, kam in feinem 
21. Jahre zu der Gefandfchaft in Liffabon, wurde 1749 franzöftfher Geſandter 
in Trier und 1755 in Konftantinopel, wo er nicht allein große Schwierigkeiten 

lüdlich beſeitigte, ſondern ſich auch die Achtung und das Wohlwollen des tüͤrk⸗ 
* Kaiſers und der Kaiſerinnen Maria Thereſta und Katharina IT. erwarb, 
rz nach feiner Rückkehr nach Paris C1771) ging er als frangöftfcher Bot⸗ 
fchafter nady Schweden und nahm großen Anthefl an der Revolution, die dem 
Könige Guſtav IL unumfchränfte Gewalt verfchaffte. Unmittelbar darauf, als 
£ubwig XVI. den franzöfifchen Thron beflieg, wurde er aus Schweden zurüd- 







Dergilius — Vergulaud 5 


an a Pe en ne = au ver 


haften Fr Ri den Ausbruch eines au verhindern. 
eutfchland ben Teſchener — die u ver St zwiſ 
um land u er an den: von. Werr 
— — a —X ale nn —8 eſchloſſen m war, wilde us 
— en 
(2 
Be ins, Bolyporus, —3— "aus Urbino, ſtudirte u — warb 


—*5 nee m 
41555 zu Urbino. D 
— — 0. —— Ka 


Ya jeine Bert 
a: “ „Historia 5 Baſel 
34 und & ben nr, ® {ehr nguentäffig und partelifch; mehr Beifall fan 
ı andere Werk vı ihm: inventoribus“, adyt Bücher, 14 
eh fehr oft —— In per Leydener Butgche a we > 
‚De prodigüs* —E m — 
——E changi. Han 
ae ai viel galfhes m — in die Kaiser = 


nennt man Die, duch Hülfe des deuers bewirkte, Umwandelung 


ies oder — Körper zu einer Maffe,. wozu die mı mit fehe 
Au göepern, Togenannten —— — wie Holzafche, 
—X ebranntem Kalk ac. verfept werben, um fe fe um Schinel⸗ 
örper, bie für ſih allein unfchmei ſch ‚ wenn 
bee mit ei jen anderen Körpern vermengt. ie — ſchmelzt 
im heftigſten adenſg nicht, eben fo wenig ſchmelzen auch Sand 
uarz für fi allein, weßhalb man zu diefem Zwede nen Zuflucht zu obigen 


hmelzmittel nnehmen muß. 
Vergleich if derjenige enige Mertrag, durch welchen zwei ober mehre fonen 

% umtet ihnen ſtreitiges ober se — Recht durch vegenfetigen Ra 

Rimmı Um * etion m. bringen, it nun —8 

af ee ars als Fr Kınna efe —ã — „ia vor Br 6 

2 u a * in egin 

3 — en, Rechtoſtreites, — nach deſſen jehen, zu deſſen Beendigung 

treten und fann KHaup tpunfte ober blos Rebenpunkte eines Rechts betreffen; 

—— Kr er A tn Ind — * 
e A 

je, den — einer Faraitign In ei kann 


emp tig ji" — in d Be Dr un de 
Jun; 
—** DB U gliha machen, Ska Shell ir Warten Arht e8 fer 


ur. 
'gebr« liche Erklaͤ temals im Mi t werben, 
* an, ar, —— ij hm h ann ur ge gr ge 


Fe Be ion. das Haupt der Bironbiften in ber erſten 
mgöfifchen Revolution und einer der größten Redner des Rationi Feng 
boren 1758 zu Limoges, wurbe Wovofat in Vordeaur. Ye war Präfivent Hu 
Helatioen —— — — XV. in ihr mit feiner Sam tie — 
ter FA er für doch mi 
der Gironde (f. nie *5 die Kenn om = Kae iR 


516 -  Bergolbung—Berhäftni, 


biutete biefer_Törperfchöne, hochgebildete, hinrelßend berebte, aber für feine Zeit zu 
wenig Teivenfchaftliche —S— der Guillotine. Bf 
Der, — man dad Auftragen eines feinen Golduͤberzugs auf Kör- 
et. Diejes geſchleht entweder auf mechantfchem over chemiſchem oder galvanifchem 
jege, Bet dem erftern Verfahren wird das Gold in feinen Blättchen oder als Puls 
ver auf der ne des Körpers, gewöhnlich durch klebende Mittel (Del, Leim, 
Eiweiß 2.) befeftigt, Die chemifche V. findet blos bet Metallen flatt und ger 
ſchleht fin Feuer, indem das Metall (Meffing, Tombak, Kupfer), welches vers 
goldet werben fol, mit Goldamalgam überzogen u. das Quedſiber durch Hihe 
verflüchtigt wird, wobel das Gold in mehr oder weniger dünner Schicht auf 
dem Metalle zurüdbleibt, oder, und zwar nur. für pollttes Eifen und Stahl, 
mittelſt Atherifcher Golofolutlon, oder endlich auf fogenanntem naffem Wege, mi 
telft einer durch Tohlenfaures Kali neutralifirten Gofpfolution, Die galvaniſche, 
erft in neuerer Zeit befannt gewordene und vielfach befprochene, V. beiteht darin, 
daß man eine möglichft neutrale en in das eine und Außerft flarf 
verdännte Schwefelfäure in ein zweites Glasgefäß bringt u, beide Flüſſigleiten dı 
einen poröfen Körper, am beften Blafe, in leitende Verbindung fept. Legt man 
dann in die Schwefelfäure ein Stüd Jinkblech, während man das. Metaliftüd, 
welches vergoldet werben fol, in die Golbfolution hängt u, ftellt die — 
durch einen Metalldraht her, fo findet eine eleltriſche regung ftatt, das Zin! 
wir pofitiv, das andere Metall negativ eleftrifch und dieſes ſchlägt nun das 
Gold aus der umgebenden Löfung metallifch auf ſich nieder. parate hiezu 
haben Eifington, Ruolg, Elöner, Ftankenſtein ac. angegeben. 
DVergrö erungegtab, f. Mitroftop. + 
Berhältniß, ) in der Mathematik bie gegenfeitige Beziehung, im welcher 
wei gleichartige Größen im Mbficht ihrer Größe zu einander fteben, d. h. die 
Ber leihung zweier gleichartigen Größen mit einander. Die vollflommenfle Ber 
gleichung zweier Größen mit einander ftellt man aber an, wenn man unterfucht, 
wie die eine aus der andern entftehen Fan. Die beiden, mit einander zu vers 
gleichenden, Größen heißen Glieder de& Vees und zwar die eine das erfte ober 
VBorderglied, die andere das zweite ober — Die Vergileichung 
zweier Größen kann auf eine doppelte Art ge chehen, nämlich: 1) indem man 
unterfucht, um wie viel die eine größer fei, als die andere; 2) indem man unter 
fucht, wie viekmal die eine Größe in der andern enthalten fel. Die erfle Art des 
B.e8 nennt man ein arithmetiſches, die andere ein geometrifches ober 
auch bloß ein V. Die erſtere Art bezeichnet man mit (—), bie legtere mit (). 
Daher bezeichnet 7 — 21 das arithmetifhe und 7:21 das geometrifche B. ber 
beiden @rößen 7 und 21. Die Größe 14, welche zu 7 abdirt werden muß, um 
21 zu erhalten, heißt die Differenz des Ves 7—21. Die Zahl 3, mit der man 
7. multicipliren muß, um 21 zu erhalten, heißt der Erponent des V.es 7:21. 
Arithmetifche Ve find einander glei, wenn ihre Differenzen einander gleich 
find und geometrifche B.e find einander glei, wenn ihre Erponenten einander 
leich find. If das Hinterglied größer, ald das Vordeiglied, fo heißt das B. 
kei end, tm entgenengefigten Balle fallend. Ueber die Lehre von den V.en 
überhaupt fehe man Kannegteßer, „Verſuch einer allgemeinen Theorie der B.e“ 
Berlin 1811). — 2) V. in der Logik, die Beziehung des Einen auf ein Ans 
deres. Gine B.+Beftimmung ift daher eine ſoiche, welche einem Dinge oder 
einem Begriffe nicht an fich felbft, fondern nur in feiner Beziehung auf ein Ans 
deres, in einer Bergleihung mit dem legtern zufommt. Bei der umabjehbaren 
Wannigfaltigkeit dieſer Beziehungen kann es unbeftimmbar viele Clafjen von 
Ben geben. Alles, was die Ratur, die Geſellſchaft, das leibliche und geiftige 
2eben u. f. w. einfchließen, tft dem Begriffe des V. es zugänglich, B-Begriffe 
oder relative Begriffe heißen vorzugsweiſe folche, deren ganze Bedeutung auf einer 
Bergleihung mit einem andern beruht, die alfo in nothwendiger Beziehung zu 
einander ft So find z. V. groß und Hein, reche und Line, eltern und 


Berhärtung — Verjährung. 317 


Kind relative Begriffe. Jeder ſolche Begriff verlangt daher ein Cotrrelatum, 
d. h. ein Mitbezogenes. 

Verhaͤrtung (Induratio) beißt in der Medizin jede Verdichtung eines Ge⸗ 
webes im menſchlichen Körper. Dieſelbe iſt entweder gut» ober bösartig. Erſt⸗ 
ere entſteht, zuweilen auch ohne Vermehrung des Umfanges, in drüſigen, fleiſch⸗ 
igen und anderen Theilen, als Folge eines Drucks und zu Ende einer Entzünd⸗ 
ung und Verſchwaͤrung; fie bildet fi gewöhnlich bald und verjchwindet entiweber 
von felb oder nad) Außeren Mitteln und gibt zu neuer Entzündung Anlaß, oder 
bleibt unverändert. Sie fühlt ſich als eine beftimmte Härte an; zuweilen geht 
fie, befonders bei Alten, in Berfnörpelung, felbft in wirkliche VBerfnöcherung über. 
Sie wird durch Befeltigung der, vielleicht noch fatıfindenden, chtontfchen Ent⸗ 
zündung und Anwendung von erweichenden, zertheilenden Mitteln gehoben. V. 
des Zellengewebes, ’ u. Zellengewebs⸗V. — Weber die bösartige V. 
fiebe den Art. Krebs. 

Verhau nennt man eine Berfchanzung, die man dadurch anlegt, daß man 
Bäume umfchlägt und fie über und neben einander legt. Die B.e werden meiſt 
zum Hinderniß vor einer Schanze gebraucht, um dem Feinde die Annäherung zu 
derfelben zu erfchweren, auch um ein Deftls zu fperren, Werke mit einander zu 
verbinden ıc. Meift werden die B.e fo gelegt, daß die Spiten der Bäume gegen 
den Feind gerichtet find; nur, wenn Defilo's gefperrt werben follen, legt man bie 
Bäume quer in den Weg. Sie müflen ſtets durch eingefchlagene Pfähle an dem 
Boden befefligt, oder ihre Aefte etwas eingegraben feyn, damit ihre Wegräums 
ung Mühe macht. Sonſt bradyte man eine dünne Bruftwehr von Erbe mit einem 
Au fritte hinter ihnen an, um ihnen direkte Vertheidigung zu geben; jest gibt 
man langlinigen B.en, 3. B. zur Verbindung befimmten, durch je 300 Schritte an- 
gelegte Redouten Seitenveriheidigung. IR der V. fo angelegt, daß die Bäume 
nidyt an Ort und Stelle gefält, fondern von entfernten Orten erft dahin gebracht 
werben, fo heißt er ein gefchleppter ®. 

Verhoͤr heißt jede gerichtliche Vernehmung, welche ven Zwed bat, Auskunft 
über Thatumftände zu erhalten. Die B.e find befonderd wichtig im Eriminalpros 
zeffe (ſ. d.) u. ſetzen von Seiten des Richters große Umficht u. Scharffinn, gefchicte 
Entwerfung und eonfequente Durchführung eines Befragungsplanes voraus. Bol. 

riminalprozeß. 

Berhuel, Charles Henrt, Graf von Savenaer, geb. 1770 zu Deus 
tich in Geldern, trat frühe in die nieverländifche Flotte und ward 1795 Schiffs⸗ 
lteutenant. Bis 1804 blieb er ohne Anftellung, nun aber wurde er Viceadmiral 
der holländifchen Flotte, die fi im Boulogner Hafen mit der frangöftfchen vers 
einen follte. Er führte die Flotte glücklich nach Boulogne, nachdem er beim Cap 
Guinez ein hartnädiges Gefecht mit ven Briten gehabt hatte. Unter dem Kö⸗ 
nige Kubi, von Holland ward er WMarineminifter, Marfchall des Könige 
reichs und Graf von Savenaer und trat, bei der Bereinigung Hollands mit 
Frankreich, auch in franzöfifche Dienfte uͤber. Er erhielt das Commando des 
Helders, weldyen er auch 1813 und 1814 gegen die Holländer vertheidigte und 
erft nach Rapoleon’8 Abdankung an den General Jonge übergab. Hierauf kehrte 
er nah Frankreich zurüd, wurde Marine-nfpecteur und 1819 Pair von Frank⸗ 
—8— a6 wurde er Befandter in Berlin, doch bald wieder zurüdberufen und 

ar . 

Verjährung iſt die Veränderung, welche mit ven wirklichen oder vermeints 
lichen Rechten, wegen unterlaffener oder ermächtigter Ausübung berfelben, nady 
Ablauf einer beftimmten Zeit eintritt. Bei wirklichen Rechten befteht alfo die V. 
in dem Aufhören, bei vermeintlichen in dem Entflehen des Rechts nach Ablauf 
der V.s⸗Friſt. Sol die V. flatifinden, fo muß innerhalb der V.s⸗Friſt bet 
wirklichen Rechten die Wusübung derfelben unterblieben, bei vermeintlichen Rechten 
müſſen gewiffe Handlungen vorgelommen feyn. Ob aber Etwas verjährbar fet 
und binnen weldyer Zeit, beflimmen die pofltiven Belege und And vie BAien 


518 Berkiärung — Berfohlung. * 


in den einzefnen Fällen durch bie neueren Geſetzgebungen fehr verſchieden feſtge⸗ 
fegt. Die B. kann nun feyn entweder eine ertinctive (erlöfchende), wo Rechte 
verloren gehen, oder eine acquiſitive (erwerbende, ſog. Erfigung), wo Rechte ers 
worben werden. Da aber ein Recht, 1 lange defien Ausübung möglich if, an 
fid) nur durch den Willen des Berechtigten, keineswegs aber durdy bloße Nichts 
auöhbung verloren geht, fo gehören zur Extinctiv⸗V., wo ihr nicht Acquiſitiv⸗B. 
eines Dritten correspondirt, pofitive Gefege, welche ausprüdiih beftimmen, daß 
ein Recht binnen einer gewiffen Friſt durch Richtausübung erlöfche, z. B. bei 
Privilegien einzelner Perfonen und Corporationen. — Die B. wird verhindert, 
wenn Urfachen vorhanden find, welche den Anfang over die Yortfegung der V. 
verhindern. Died tft befonderd dann der Yall, wenn der Gegner ded Erfigenden 
fein Recht nicht geltend machen fann, 3. B. während feiner Minderjährtgkeit. 
Die Zeit, während weldyer diefe Unmöglichkeit dauert, wird von der V. s⸗Friſt 
zurüdgerechnet. Die Hinderniffe der B. find entweder natürliche (interruptio 
praescriptionis naturalis), wenn der Erfigende den Beſitz der zu erfigenyen Sache 
verliert‘, oder bürgerliche (interruptio praescriptionis civilis), wenn das pofitive 
Geſetz irgend eine Sache von der V. ausfchlicht. Die Unterbrechung der 2. 
beginnt durch Klage, wo in den neueren Gefehgebungen bald die Einreichung 
der Klage bei den Gerichten, bald Ausfertigung derfelben, bald SInfinuation des 
Klaglibells an den Bellagten erfordert wird. Auch gefepliche Pfändung unters 
bricht in einigen Partikulargefebgebungen die B. Bei der Acquiſitiv⸗V. geht 
entweder dad Recht, dad der Eine gehabt, auf ben Andern unverändert über, 
oder es wird ein neue®, zuvor wenigftend in anderer Art beftandened, Recht bes 
ründet, welches Ießtere namentlich bei Ermwerbung von Servituten der Fall iſt. 

Extinctiv⸗V. corre@pondirt entweder eine Acquiſitiv⸗-V., oder fie iſt eine 
foiche, welche vom Richtgebrauche abhängt, nämlich) da, wo die poſitiven Geſetze 
die B. ausdrücklich als geſetzliche Folge des Nichtgebrauchs beftimmen (welches 
meiftentbeild bei den rebus merae facultatis, d. h. bei foldyen Rechten vorkommt, 
wodurch Andere in ihrer natürlichen Freihelt befchränft werben), oder endlich iſt 
fie eine folche, welche blos als exceptio einer, binnen der gefeglichen Friſt nicht 
angeftellten, Klage entgegengefegt werden kann (praescriptio actionum). Manche 
Juriſten nennen als dritte V.s⸗Art praescriptio immemoralis, d. h. den unvor⸗ 
denflichen Beſitz. Diefer ift aber Feine eigentliche B., weil er nody fein Recht, 
fondern nur die Bermuthung für den rechtmäßigen Erwerb einer Sache begründet 
und den Gegenbeweis nicht ausfchließt. Das befte über V. bat Profeffor Unter⸗ 
bolzner zu Breslau gefchrieben. — Das Inflitut der V. iſt eines der heilfamften 
im Staate. Denn durch daſſelbe werben theild eine Menge der weitläufigften, 
ärgerlichften Prozeſſe abgefchnitten und wird Betrügereien mannigfacher Art 
(3. B. nochmaliges Bezahlen einer längft gefauften und bezahlten Sache) vorge: 
beugt, theils wird in vielen Faͤllen durdy die B. allein ein ficherer Rechtszuftand 
begründet. Seht, wo man einen allgemeinen Krieg gegen das Eigenthum be- 
gonnen, wird auch die Redhtmäßigkelt der B. unter den nichtigften Vorwaͤnden 

eftritten und wird den Befigern zugemuihet, den rechtmäßigen Erwerb von 
Sachen und Rechten zu beweiſen, die fie lange über die gefeglichen V.s⸗Friſten 
hinaus ui und ungeftört befeflen, während doch viefer Beweis den „Gegnern 
obläge. Wie aber fo Vieles fchon verjährt ift, fo werden audy diefe Orundfäge, 
hoffentlich binnen der brevissimi temporis praescriptio, verjähren. v. Berlepsch. 

Berklärung, f. Transfiguration. 

Verkohlung des Holzes ift das Berwandeln des Holzes in Kohlen, wie 
man fie nicht blos zu Brenn⸗, Glüh⸗, Bad- und Schmelzprozeſſen, fondern audy 
noch zu vielen anderen technifchen Prozeſſen, 3. B. bei der Stahlfabrifation, zum 
Reduciren der Metalle, zur PBulverfabrifatton, zum Reinigen von Del, Branntwein, 
Zagerſat, zur Sicherung mancher Körper vor dem Verderben ıc. anwendet. — 

a8 gewöhnliche Kohlenbrennen gefchieht in Wäldern an freien Plägen, wo von 
diefem Brennen kein Waldbrand eniſtehen Tann und zwar mit möglichft trodenem 


fe | . 
* Were —2 


olze, an r Verwandelung in Kohlen ohne Flannne — 
pt, e Zutritt der Luft muß dabei bis zu den — beſchrankt 
* — — des —— nothwendig iſt. en wird 
rim folches Kohlen rennen Gruben, mebr aber in Mellern, n 
teten —* en, — beſtehend aus vielen was — {m im Rd 
an er gefellten, feltener über einander 
und Spänen verfehenen, m 2 engem. * 
Ende ker Defimanen für ben nötbloen Euftgng IR, De® Berondbeingen 
me hin und w ngen nötbigen Su u 
ed Rauchs. BE Pen euren 











ein Di , töhrenartige dem R und den 

Brand —— Wege na neh zu ER lem 34 a der Di 
ver UArt des berauspringenben neh), ; u män manche g in ve 
zuwirft, ne fche an anderen S 8 die Gahre 





Bebedung 
veB Brandes eingetreten tft der Meiler zu 
Kröden und Befen wird dann bie Dede Bine mmen umd bie 
nit dem fogenannten Langhacken —* md Dim Abkühlen auf dem 
*8 —— — er uch gend find Mile —S Fu von 
mefler der runden Grum die beſten. 
TE annte Kohlen färben nicht an den 0 Sr ab, baden ein Sen 


ammen ik) ber Rand hört * 





roͤde, im Bine rein "und F 4 wird biöweilen 
It und wenn bie B. in Gruben — B. in — — 
das hineingelegte Holz ı — und Kafendede, in bie u 
ın6 —— — Grunde und anf Ahnliche e, wie bort, 
In eiſernen Retorten oder in ähnlichen ei enen Räumen verfo 


die erfabrifation, ſchon län er: 
Be eee —— —** eile ıc. a einem ha inf - 
ortzufchaffen und vor mehren Jahren A man eine foldhe Pen * 


m Bropen am. Man legte da, 3. B. zu Blansko in Mähren und A 
m Babifchen, riefenhafte gemauerte vch ter an, in bie wohl 80 f 
ſtneingingen und aus ihnen z0g dann bie Holgfäure, der Theer nebft —E 
olchen Stoffen, durch ei ene a ren und K die bi8 zu den Sammelbehältern 
iefer Flüffigfeiten ad. befondere Art großer B.8:Defen ließ Schwarz in 
Schweden bauen. Alle pereinfommenbe Luft nflıßte da durch den Ber tehen u. durch 
wei andere, im Boden des Dfen® befindliche Kanäle, “ in md ohen Schorn⸗ 
tein führen, entweichen. Steinkohlen werden auf ähnliche Belle von foldhen 
Stoffen befreit, wie man FA an den Gasentwidelungsapparaten bei ver Gas⸗ 
eleudhtung fe fieht. In verichloffenen eifernen Eylindern ober Tiegeln t man 
Knochen zu Kohle. Solche Knochenkohle wird jet häufig, namentlich auch 
n Bechirsun abrifen, em te den Kunſt bielenige Darfellimn 
er zeichnenten Kun enige e 
aß ſie dem Kur uge jr der nämlichen Lage erfdyeint, in Beide fie e alten wie K 
venn fie wirklich in der Luft, oder über dem Auge bin 
eht hiernach durch einen Gegenfland, welcher dem ri fi) en face Kari Ger 
änge nach darftellt, in fer Beziehung alfo ein Fürgeres Bild gibt, als wenn 
erfelbe der Breite nad) erfchtene. V.en find daher foldye Darftellungen ver Körs 
er, weldye nicht nady dem wirklichen Berhältniß der Glieber, fondern von einem 
eſtimmten Standpunkte aus nach der perfpeftivifchen Anſicht entw werben. 
Ste find für den Künftler der fchwerfte Theil der den Die dog deren richti e Da 
ellung größtentbeitd nur dabur Fr t, daß MM in die Lage, weiche 
eichnen will, geftellt werben, ber ſtler end ft in jene —**— it 
porin der Bei auer fih in "Berichun ” die —— Scene befinden 
Da guren in ihrer eng, wie ſchon en e richtig bemerkt bat, f + 
d, als in ihren V.en, fo darf der Maler bei ——— 
pn darftellen will, mır gemäßigte und nicht au wermeiener Bun 





Erst — — — ⏑ — 


Berlag, 1) die baaren Auslagen bei ir enb einem Gehäfte, 1 B. bei Ge⸗ 
richte, une Abvofaten-Liquidationen, wo biefetben und fonfige 
—X chzuweiſen ſind und dann, den übrigen bike geg che der 

Girende f für feine see zu fordern hat, feiner Grm g unterliegen en Tin, 
u 2) B., die Beſtrei tung der Koften, ‚welche ver Drud und die Verbt 
einer Schrift, ingleichen das dem Berfafler zu zahlende Honorar veranlaßen. Hie⸗ 
durch erlangt der Buchhändler (Verleger) das Recht, das Buch zu feinem 
Nupen zu berfaufen (Berla eh. 5 Der auf biefe Weile von einem 
erworbene Gompler von en wird ebenfalls defien B. genannt. Der, zwi 
— u und —ã —— eg (Berlagecontract) iR ge 
Eins auf das durch Gefeggebung efchühte Recht des erſtern, feine geifligen 

seugniffe iiterariihes "gentgum) 3 befannt —F machen oder 
u lafin. Durch den erhält ber Buchhändler. das 
ein oder: mehre Auflagen in einer eliebigen , Der aud näher 
fin Anzahl von Eremplaren zu drucken, bie g des 
den bedungenen Friften vom Berfafler au —ã u die ungen 
Herhinbern, wodurch der Verleger im a ber Au achtigt werben 
Huch ſteht dem Berleget ber Ber — frei. Rad 
bem m Tode eines Sch Srifthelee geht en heute —— ba an feine Erben 
über, denen daſſelbe auf die nächken 
) Jah ahre nach dem * des fee — 
Elf weitern Sinne Er (. 5 und male Fin 
Be wobei der Injuriant durch Erdichtung unwahrer Thatfachen ein 
nderer gegen ben Sehen fe ſtimmen fucht und zwar er bloß zur 
achricht für särioatperfonen (Br var. Diffamation), oder zur Notiz 
* Obrigkeit (öffentlihe V.), deren Unterart, die eigentlihde Calumnmie 
(crimen calumnise), von Dem (Galumntant, Calumninator) begangen wird, ber 
einen Andern (Calumniat) wiflend fäufchlich eined Verbrechens anflagt. Strafe 
der B. im weitern Sinne (f. u. Injurie); der Balumnie: die Talton, früher 
auch theils Einbrennen des Buchftaben C. (Calumniator) ; theild willfürlich, jetzt 
blos letzteres und eben fowohl für den Ankläger, ald für den, der dieſen angeftellt; 
fie fann 2 iß mehrjähriger chihausftrafe ſteigen. 

Berlöbniß, f. Ehever! öbniß. 

Vermaͤchtniß, ſ. Legat. 

Vermeyen, Iobann Cornelius von, auch Hans mit dem Bartege 
nannt, ein berühmter Hiftortenmaler, geb. zu Beverwid bei Harlem 1500, begleitete 
den Kaifer Karl V. auf feinen Reifen u. audy 1535 nah Tunis u. ftarb zu Brüffel 
1559, Die Kriegsihaten Karl’ V. wurden nach feiner Zeichnung in Tapeten 

ewirlt, die fich, To * ſeine 10 großen Cartons, welche den Zus Karl's nad) 
is darftellen, zu Wien befinden. 

Bermindert, eine muſikaliſche Benennung der Heinen und reinen Intervalle, 
wenn fie nämlich durch Berfehungszeichen um einen Heinen halben Ton vermind- 
ert werden. — Berminderter Dreiflang befleht aus dem Grundtone, der 
Heinen Terz und der Kleinen oder verminderten Duintee — Berminderter 
Septimenaccord, die erfte Verwechfelung des Eleinen Ronenaccordes mit Weg» 
tafjung des Grundtones. 

zn miihundrehnung, ſ. Obligationdrehnung. 
Dermögen, 1) in der Piychologie die geifigen Kräfte des Menſchen. 
Man unterſcheidet nach tung der nt (chen Ph 
Befüßlß- und —— elegt aber die, dieſen allgemeinen Begriffen uns 
eordneten, einzelnen geiftigen a nätigteiten, wie Berfland, Vernunft, Gedaͤcht⸗ 
nie Einbildungskraft ıc. mit demfelben Musdrude, Alle diefe Kräfte aber, fo fehr 





ofophie das Grfenniniße, 









t I —— — 
wede und ma in ber et ein 55* 
ver und m Di Amar Bi —— * — da Fr ken de 
ee W des Self A beiträgt, viemeh f Kite, über daſſelbe 
der — — ne a s ande fallen, 
n ihrer B net ae zu be — 2) In der ante 
fonomie heißt ® die fr des materiellen — ſich in von 


erſonen (Privat⸗V.) befindet, ober * augen Staate 3 ationals 
taats⸗B.) angehört, beflehe verfelbe. nun in, der in Pro- 
wiiten und Waaren , oder in Grundbefig, ober in gerinhee Border: 
der Privaten ober des Staates an andere Staaten, 2 
—* — Haan, iſchen Ganaba, Ir 
nordamerikan zw ⸗ 
—33 —I New⸗NYork u. ainſre Fer a 
‚000 Einwohnern, bat feinen: ae von den 35, 
Mountains (Grünes .Gebir 90 weiches ſich von Foren * en u * 
Mitte des Landes zieht. & 8 Ren e Sewäfler:s Connecticut, Michiscont, Las 
moille, Onion, Dtier, W ouliney, Blad, "da El ſtuͤrzen von dieſen 





& 









rare Bergen; dazu 2* zahlreich. Der Winter iſt ſtreng, der 
5 brüdend bet , u 
ommer end heiß. —X en —— und ar DDR Er in 


dem fruchtbaren boden; zu "gie er Bichz 
in. - Das: 50 et Immer a einen Theil des Reichthumes der Be 
uch jene Iren mb Geflugel Hi ed. 1; Menge. Die Induſtrie I 
dich Pottofche, Eifen, Branntwein Ahornuder ‚ Del, Papier u. » 
Br Fu abe N —— ‚geforat. Vle Legislatur verſammelt ſich late 
Montpellier. wurde feit 1749 colonifirt, zeichnete. fich flet6 
durch hang Sinn aus und trat am 4. März 1791 in die Union, 
ernageln nennt man im Artilleriewefen das Unbrauchbarmachen 
eines Geſchuͤgrohres durch Einſchlagen eines Ragels in das Zuündloch. Meiftens 
theild kann aber der Feind diefe momentan unbrauhbare Röhre wieder in Stand 
egen, wodurch ihm ein großer Nutzen erwächst. Es gehört zu den artillerikifchen 
toblemen, in wenigen Minuten ein Gefchügrohr Ohr e große Borbereitungen, mit 
Sicherheit volllommen zu dren. Das V. g eichieht dann, wenn man im VFelde, 
ki es beim Rüdzuge, bei Aufhebung einer FR ober fonft, geswungen wird, 
einde 2 te zu überlafien. 
et, eine berühmte ice Malerfamilie, aus. welcher wir anführen: 
4) Elaude Joſeph, geboren 1714 zu Avignon, Yr den erfien Unterricht 
in der gr von feinem Buter, Antonio V., begab fi 1733 nady Italien * 
auf der Fahrt ſich feine Neigung zur Marinemalere ied und erlangte 
fo wie in den Darflellungen des Sitanb und —** großen Ruhm. 
Reapel, wo er mit Pergoleſe u. A. innig ſich eunbet hatte, folgte ei 72 
einem ehrenven. ‚Rufe nach Franfreich, wo er die im Louvre befinnlichen Anfichten 
der franzöfiichen Häfen (in Kupfer geflohen von Lebas) malte und eine große 
malerifche Thatigkeit entfaltet. Er wurde 1766 Rath der Akademie und flarb 
1789, als einer der geiftteichen Künftler geſchaͤzt. — 2) ®., Anton Charles 
Dr race, geboren 1958 zu Borbeaur, Schüler: feine® Baters, erlangte im 23. 
ahre den erften Preis und vom Könige eine Benflon zu einer Reife nach Rom 
und wurde 1786 Mitglied der — an bi eniöch, audgezeichnete 
Schlachten emälde bie Glanzpunkte ver "napoleonifch a unter denen 
28, auf Napoleons Belbaug in Stalien ia, Bi ätter al6 bie vor 
—*— gelten. B. ſtarb 1836 zu Paris, ) B., Horace, Scan v. 


m | Dee — 


yes; 1789 erwarb 
a a ee rm ne Srle mh tene 
—— hafter An 

— — * —— rn 
der Malerei und wu yatriotifcher Gen 

unter denen —— —— 8* a de — le chien der 

ment oto.“ in fehr zahlreichen Sithographien — worden find, der 
des franzoͤſiſchen — ſo Fe au ſeine Dedengemälde al Frekto in dem 
Mufenm Karls X, viel Beifall Gr wurde Ei lied der Akademle Wi 
©. Luca und Direktor der ans * —* hre 1836 folgte er 
einer Einladung des Kaiſers n —— „und —8 1844 a und 


den ded Krieges m flo, w en großes Bild, We 
—— ae gab. sivem {bt rd Bariscm Shen 


arellen ber Seitdem lebt er zu Paris in 
| Bern Woͤhnlichen Gebrauche ee hen mit ® erRamb, hi 
De gie z zu, —— una un fen vn ———. Lnterfhe 
—* —— and enſch — Daher exiſtirt für dieſe 34 

der Sprache * meiſten Bölfer nur ein ueornd. or die ER 
ſophie 5* idet zwiſchen B. und Serpand ſehr ſcharf, wo ant Hase 
Beiſpiel gegeben hat, indem er ben Verſtand das Vermögen der Br 
die B. dagegen dad Bermögen der Ideen nannte, wonad man dann ih rw er 


















wiffermaßen zum Organe ber Erkenntnis, die über das in ber Grfebrmg 
Gegebene hinausliegt, erhob um den Verſtand als eine andere Geiſtes⸗ 
fra umterorbneke, deren Beihet € ed allein ſei, Bearie zu bilden und "biefe zu 
Schläfien Urtbeilen zu verfnüpfen. Diefe U 1gebun „und 


als deren Lite Jakobi angefehen werden muß, bat 
it in der Geſchichte der neuern Philoſophie febr wichtig m nf — * 
worden; denn, anftatt jene an im Kantfchen Einne nur für ein 
fification der Begrif zu nehmen, fucht man nun in der V. die Duelle der ein 
richtigen fpekulativen Erkenntniß und die verfchiedenften Syfteme beriefen fi auf 
diefelde, als die lebte Inſtanz, obſchon die V. unterbefien immer die nämliche 
fubjeftive Geiftespotenz geblieben war und daher mit mehr Recht das entwide ke 
Denken hätte genannt werben Fönnen, gleichviel, von welchem Standpunkte die 
Entwidelung und das Denten begonnen hatte. So wurde jener ea aud) 
von Scelling und Dege! eftgehalten, von denen der erftere die V. zum Träger 
des abfoluten Erkenntnis aktes macht, während der letztere au® der Operation der 
Fi die Einheit der lichen Beſtimmungen in ihrer Entgegenfegung als ven 
— der Idee, die Spitze und das —* des Denkens gewinnt, wozu man über 
die Stufe des verſtaͤndigen, einſeitigen, die Gegenſätze unermittelt und unaufgelöst 
laſſenden Denkens, des Verſtandes, gelange. 
Berona, Hauptftadt der gleichnamigen Delegation im lombardiſch venektantihen 
san teiche, am Fuße der Alpen, in einer fruchtbaren Ebene an der Etſch, über we % 
rüden führen, bat 4 Haupt⸗ u. 27 Fleinere Pläge, 266 Straßen u. Gäßchen, 1 
ar u. eben fo viele Rebenkirchen u. 28 Oratorien, [pe eine juͤdiſche na 
poor, 11 Kafernen für 5650 Mann Infanterie u. 10 für 1340 Pferde u, 1206 
ann Cavalerie, A Milttärfpital, 3 Montirungshäufern ꝛc. r den Eivils 
dienſt zählt B. 31 öffentliche Gebäude. Die Stadt iſt Sig eines Biſchofs, eines 
oberften ©erichtähofes, eines Tribunals erfter Inſtanz, eines Rechnunge hofes, 
des Generalcommando’s und anderer Behörden. Auch findet man hier ein Lyceum, 
ein Briefterfeminar, eine Akademie der Künfte, zwei Waifenhäufer, ein Sinbelhaue, 
mehre Bibliotheken, unter diefen: die Bibliotheca capitulare, in dem 9. Jahr⸗ 
hundert gegründet und wegen der hier gefundenen Palimpſeſten wichtig. Hier 
entdeckte Riebuhr 1817 die Smftitutionen des Gajus in einem Codex rescr. 
Eon noch merfwürdige Manuffripte find: einige Blätter des Livius, Scholien 


> Zu “ | u. 













F een: Rz x a 
Birgil, einige Wiätter pbllofepkifchen uud | YipaRs, — "Die 
nme ibistohet, mit 20.000 Dkhm. aber ober Mlasaifiyie Des 






— 5* Grob mn, Bi, * fen, kfreichen Brerfwrroig 
en 11.2.3 en 
ten der Stabt führes: wir A: vie e, deren u 





Giovanni in Valle, eine lie Kirche mit antilen 
itigen Frag —— 8. —— in 
ıle ded Epm 


ſpina von 1352. Zeno aber 41. 
isrhumderte, DE Wlodentkum von 1045: bis 1148, aus welcher zeit ud) die 
uipturen an der Borberfelte von Riccolo da Ficaͤrola une dem Meiſter 
m und die bronzenen Thüren find. Im Innern WBanbmalereim aus dem 14. 

hunderte, unter denen ältere au dem 12. zum —* kommen; nebenan 
EEE — 

3 abſteine, ⸗ 
— — — —— 
en), en am 3 

nbmaleden und einige —* aus dem 14. Sahräunderke, vorzüglich in 
: Kapelle Pellegrini u. a., auch ſchoͤne Bolfnigwe B8. B imo, 1452 
mut. 8. Eufemia, aus dem 13. Jahrhunderte; der 
R da Zevio. 8. Fermo Maggiore, aus dem 13. Zahrhunderte, 
t bedeutenden aurationen aus dem 14. Jahrhunderte. Unter den Denk⸗ 
ern: das des Pietro und Lodovico Nlighieri, als ver legten männli 
ıchlommen des Dante Alighieri; ferner des Giov. Seatiggr von 1359, 
senzoni mit Sculpturen von 1400, des Torriani. 8. N e Celso, von 
46. Im alten Presbyterium intereffante,. fehr alte Wandgemälbe: Chriſtud, 
ichael, die Mpoftel, die Taufe, ıc. Unter den Baläften zeichnen ſich aus: Pa- 
ızo Buri, mit Gemaͤlden von Carotto, Giov. Ballini ıc.5 P. Bevilagua, von 
anmicheli; P, Muselli, mit einer Sammlung antifer Münzen, Medatlien und 
deren Ueberteſten antifer Kunft; P. Canossa, von Sanmicheli, mit Sreöfen von 
ıdia und Tiepola und einer Foſſilien⸗ und Mineralienfammlung ; ti vecchio, 
m Jahre 1355, nebft der großen Brüde über die 3 Casa i, mit der 
rtrefflichen antiten Statue eines Redners. Palazzo del Casiglio, mit efner 
ammlung von aus aufgehobenen Kirchen und Kiöftern gereiteten Gemalden 
terer und fpäterer veronefifcher Meifter. — Denkmäler aus dem Alterthume 
d: das Ampfitheater auf Piazza Bra; die Zeit der Erbauung 8 ungewiß, 
Mit aber mit Wahrſcheinlichkeit in die des Antonin: Länge 464°, Breite 367°, 
öbe 30,176’, Umfang 1333’; es zählt auflen 72 Arkaden von toskaniſther 
ednung. Im Imern erheben fih 45 Stufenreiben übereinander, darauf 25,000 
tenfchen figen, aber 75,000 ftehen können. - Arco de Leoni, Reft eines von 
tus Flavius Noricus erbauten Thores. Porta de Borsari, Reſt eines unter 
n Anioninen, oder, wenn die vorhandene Infchrift am Thore gilt, unter Gal⸗ 
nus um 265 nad Chr. erbauten Thores. Ponte della pietra, dret Bogen 
d antit, Das alte Gapitolium, jeßt Castel 8. Pietro, {fl ganz überfchüttet m. 
erbaut, ebenfo, wie das am Fuße deffelben gelegene Teatro antico; doch kann 
an an einigen Stellen in die begrabenen Gänge eintreten. “Die Einwohner, 
,000 an der Zahl, fabrisiren Metall», Bronces, — Geller baums 
ollene und halbſeidene Waaren, Seidenſtoffe, Leder, Seidenhüte, Eonfelt, 
lade, Seife, Spobium, Zucker, baumwollenes Garn u. unterhalten —— Can, 
oße Zahl Seivenmühlen ober Filntorien. Der Handel, ver Yorlliikte, 









N u 


anfehulih. — B. fchreibt feine Gruͤndun aneifchen, u. r 
ner zu und —— —* ber —* Gallier, Die mit den 
5 um feinen Beſitz gelämpft, won den. Mömern genommen, jedoch zur 
nicigalflabt ernannt, Im Jahre 113 v. Ghr. Sefegte bier in: der raudi⸗ 
I Ebene Caj. Marius die Cimbern. B. verlor feine Gechhtfame, a: 
Denfssalen jener Seit fett, Don Umfong u. Debrutung Boäheend der Wille 

en ener e 7] von u 0 . 

wanderung wurbe V. von Aitila  verwäßst. poafer, Konig der Zuger und 
ler, ſchlug nad) der Eroberung. Italiens imd der Vertreibung de& -Komulus 
gufiulus ber re aufs; nach ibm ver Oſtgot 
re 


Theoportid, 
ber tihn Im Jah ch IE Ra Tas 


GOläßriger Gerrihaft warden be Gnihen von Karfes, 

Tiger w e Gothen von Rarfes, dem | 

aus: Stalten hen 5535 ®. wurde griechifche Provinzialkadt, bis 

Longobarben in Italien ihre Macht ausdreiteten, die durch Karl den Großen 

Ende erreichte. B. blieb Hauptſtadt des Königreichs Italien unter. Pipin 

Sohne Karls und veſſen Reafolgen „bis, nad vielen Käm ital 
um feinen :Beflg, «6 1201 zur Republil erklärte. ein 

Deiner hr —ẽ ee Ice Beh un et. 369 
um ‚über bie ‚ e e behaupt 
B. unter die Gewalt der Bisconti von Mailand, 1405. unter bie bes Carrara 
von Padova und. ergab ng nach deſſen sn der Republif Venedig, deren Schid⸗ 

es bis auf die neueſte Zeit geheilt. Es warb im Jahre 1797 der. 
en E unter franzöflicher, dann 1815 dem lombardiſch⸗ venetian 
Königreiche unter Öfterreichiicher Oberherrfchaft einverleibt. 1822 war bier ber 
berühmte europätfche Gongreß ‚ auf welchem die Intervention Frankreichs in 
Spanien zu Gunſten Ferdinands VII, dagegen die Richteinmifhung zu Gunſten 
der Griechen, ferner die Räumung Piemontd von den Defterreichern und die 
Unterdrüdung der geheimen Gefellfchaften in Italien befchloffen wurde. — Be 
rühmte Beronefer waren: Catull, Cornelius Nepos, Aemillus Macer, der Freund 
Virgils, Pomponius II., ver größte tragifche Dichter der Römer, Vitruvius 
und die beiden Plinius, Später Julius Eculiger, Lod. Nogari, Onofrio, Ban: 
vinio der Bersihtiäreiber und Se. Maffet, der fein Leben dem Ruhme 8.6 
eweiht. — In 3. fand Dante nach feiner Vertreibung aus Ylorınz gaffreund- 
haftlide Aufnahme und bier hat fein Geſchlecht bis Ins fechete Glied gebläht. 

Beronefe, f. Cagliari. 

Veronika, die Seilige, von Mailand, warb in dem Dorfe Binosco, 
zwifchen Mailand und Pavta, von armen, durch Handarbeit fidy naͤhrenden El⸗ 
tern geboren, die, wenn auch irdifcher Güter beraubt, doch reidy vor Bott waren; 
zwar lernte V. nicht lefen, weil die Armuth ihrer Eltern den Schulbefucdh un- 
möglidy machte; wohl aber unterwies man ihr göttliche Lehren, fo, daß fle ſchon 
in ıhrem zarten Alter verfland, Gott zu lieben und ihm zu dienen, denn das 
heilfjame Beifpiel der Eitern erleuchtete ihren Verfland und bildete ihr Her. 
Mit bewunderungswürdiger Aufmerkſamkeit und Harer Ginficht horchte fie auf 
bie vertraulichen Mitiheilungen, die Eltern gewöhnlich an Kinder richten, bildete 
fie andächtig in ihrem Innern aus, dachte darüber nach und ftärfte a diefe 
Weiſe ihre Seele. Der heil. Geiſt firömte über fie aus und erleuchtete fle über 
die wichtigften Wahrheiten unfer® hohen Glaubens fo, daß fie, genährt vom 
himmliſchen Manna, geheiligt durch die Geſchenke der Gnade, ein inneres Leben 
des Gebetes und der Betrachtung lebte. Ihre anderen Pflichten wurden aber 
durch die Inbrünftige Frömmigkeit nicht im Geringften vernachlaͤßigt; denn fie war 
unermübdet bei der Arbeit, gehorchte den Eltern und Herrfchaften mit ängftlicher 
Sorgfalt und that es den Gefährtinen, denen ſie ſtets liebend gefällig war, in 


f 















Sersg 


— 


ER 


u 


— 


ẽ E 


. 
Bi 
ie 

E 
S 
9 
et 
j 
u 
f 


A 
LEN 
1 
Bess 
; Ä 
fr 
nr 


ai 
Hr 
ji 
h 
8 32 
pe 
Hp 
a 
hr 


bi; 
€ 
£ 
* 
— 


Fi 
E 
N 

3 

eek 

Ba 

sl 

— 

in 

ik 


if 
ii 


— En a 1, Garden 
lichen A ging fle an das — 
zu Hin — un 5* u: 
SE Tr ne 
je di ie, Gott über 2 Badpin fe gu 4 nr Se 
zu murgen u. Unbli⸗ 


—— fle zu fi fir ih Mh be en; 
— — * ine — Zeit haben, Fake 


tie 
önnen.* —1 ed ten wurde ding ekleidet und 3 
a FA = =: ER 
aller erregein aus; Nichts erſchien ihr oꝛ 
ee Le ae — Einfe Ha — FR 
ei enn jung ir inſamkeit ni je 
Betrachtungen u. Wachen in ver Kirche abgefärit wurden, gehordhte fie demi 
benn Re mr {m Snnerhen der Seele Überengt, dap an a mt 
s er iſt, als Gehorfam und Feine Tugend und dem göttlichen Meifter m 
t, der felbft gehorfam dis zum Tode war. Gott erlaubte, daß bie Heilige 
af eine ee entpet jepräft war, die aber In Fichte die Giuth — 
Eifeis verminderte. Denen, dj dieffe em iÖnten, ſich zu — en, fagte fies „Laflet 
as, zur wenige Kraft u. — Zeit leiden mtr noch, net mir, daß ich fie 
Gott widme.* An diefer fchönen Seele hatte Alles Song Fe diefen. bimmlijchen 
Glauben, ihr ae, Ankeren zu dienen und ee au den niebrigflen Leiftungen zu 
Ha 


ee 
2 Nee 
— 
— 

ul 


ur 


ph 


Inh 


berieben: ihre fachheit und une Be die nur fer und Brod Ba 
die herrliche Unfe pH glängende geben, dies ee 
nur, EZ I en, diefer Tugenden 


efaͤlii, 
ungeachtet, Sn IR re Velner m naher noch ımwerib, fpra kr Yon —— nur mit einem 
Shyie von Meue und Buße, Me von der gättlden Barmbek, ui 
von ihren eigenen Berbienften erwartend. Am Abende gefegneten_ Lei 


te faſt fortwährend ie je Worte, fo 
ah diee yit ühtane Sit, Beide nie ee ee ee at 
Eni m nachdem ihr" Bott die Stunde ihres Todes geoflenbaret A 
ſich ihre ſchon fo reine md freie Seele aus vn Banden nifäpen ben 
pinauf in das Rei —* himmliſchen Vaters. sera Kar 1097 Im :52. Jahre, 
der vom ihr ſchneten Stunde. Wunder IX — Leo x 
erlaubte durch eine ale vn Offen m &i Wr Seien a 


* ET ie _ 


wo Berrentung — Beträdtfeit. 


mit einem oder mehren anderen, wit # Ba 
liche Art —— iſt. Man unterſe wei —5 
nämlich jene, — Kayser bedingt iſt, und bie, 
deren Bedingung in ben nen Gel t. immei 
ſecundaͤt lang geführt durch eine mehr. oder weniger Ent: 


2 — enger 
- wird, entfteht, indem eine mechanifche alt auf einen, mit: einem andern ber 
verbuni in der Weiſe einwirtt, daß er aus feintt natür- 


jochen it 
B heraustriti. Aı e 
Er — —* zwar pe * 
der Muslel und in Folge vorausgegangenen Leidens vorhan! 


r 
ober fi [= ei in 
a er im ven Gelenke, over Diefes Tehtere ine eigen 
—— jonderd geeignet zu V. if. Man umt die ®, 
in friſche und veraltete, volltommene und unvolliommene, primäre umb ferundäre, 
bei welch letzterer der, aus der öhle ausgetretene, Knochenlopf durch die 
Wirkung der Musfeln noch weiter feiner, unmittelbar nad ver V. — 
nommenen, Stellung weggezogen wird; man unterſcheidet die V. ferner in B 
nach vorn, hinten, auffen, innen, oben ober unten ıc, Bei jeder ®. tritt 12 
tionsftörung und Schmerz im verrenften Theile, veränderte Geftalt des 8, 
veränderte tung und veränderte Länge des verrenften Thelles ein, Die Er, 
fennung der ®. tft nicht immer leicht, tvenn fie ſchon Länger beftehen und bereits 
bedeutende entzündliche Gefchwulft eingetreten iſt. Die Sesandfung ver ®. er 
rbert die Zurüdführung des verrenkten-Knocyens in feine normale Lage (Repo- 
tion, Einrichtung), die Erhaltung des zurüdgeführten Knochens in dieſer Lage 
und die Verhütung und Befeitigung der vorhandenen Zufälle, Eomplicationen u. 
Bolgefrankheiten. E. Buchner. 
Verres Eajus, ein berüchtigter römifcher Staatsmann, war tm Jahre 
Roms 679 Praetor urbanus und dann 680—82 Proprätor in Sieilien, wo er 
Schandlichkeiten und Laſter jeder Art ausübte. Daher verflagte Ihn Elcero als 
geron der Provinz, in der er felbft 678 Quäaſtor gewefen war, art ihn in 2 
jeden fo heftig an, en er nicht nötbig Hatte, die anderen gegen Ihn zu halten, 
die wir jegt auch von ihm übrig haben, weil Hortenfius, der jenen vertheidigte, 
ebenfo wie ®. felbft an dem guten Ausgange der Sache verzweifelte und biejer 
deswegen noch vor dem Ausfpruche der Michter ftelwiliig in's Eril ging, in dem 
er lange Iebte,. bis ihn 711 die Triumvire in die Acht erklärten. ” 
Verrius Flaceus, ein römifcher Grammatifer, war ein reigelaffener und 
Erzieher der Enkel Augufts, weshalb ihm zu Pränefte auf dem Märkte eine 
Bildfäule aufgeſtellt wurde. Er flarb fehr alt 14 nah Chriſto. Bon feinen 
Schriften befigen wir noch Bruchftüde eines römischen Kalenders, die im Jahre 
1770 zu Pränefte el einer verfchütteten Marmortafel entdedt und nachher mit 
anderen äbnlichen Ueberreſten unter dem Titel: „Fasti praenestini* von Boggtni 
(Rom 1779, 801.) befannt gemacht wurden. Neuere Abdrüde beforgten F. A. 
Wolf in feiner Ausgabe des Suetontus (Bd. 4, Leipz. 1802) u. Drelli in den 
„Inseriptionum lat. collectio* Bd. 2, Zürich 1828). Dagegen hat fi von 
jelner bedeutendſten Leiftung, dem umfangreichen Werfe „De verborum signifi- 
catione,“ von dem glüdlicher Weiſe Feftus (. d.) einen Auszug gab, mur 
Weniges erhalten, was ihm als Eigenihum unbeftritten zugefchrieben werden 
Tann. Das Vorhandene hat Egger in der „Seriptorum lat. nova collectio“ 
(2b. 2, Paris 1839). zufammengeftellt, 
Berrüdtpeit, die pſychiſche Krankheit, worin fich durch Verlehrtheit der Bes 


en gen oer 


gie 557 — vn deſen wo 


Umdreben, Umwenden, be — = 
u ee © ab gr —* —358 ee der 
Die Br zettjarfe y a Aka ee 






win 















‚ Tann 





dis, na —5 — und paͤoni 
EN ET 
ataleftifche und enblich, nach der Zul rn ße, in 
e ımb vermiſchte (ſ. d einzelnen Art.). Sn neueren Sprachen iR noch 
gung bed B.es der Reim entweder mit maͤnnlichen ober weiblichen 
Ende, je nachdem mit einer — Länge, oder wit einer tonlofen Sylbe nach 





lo ir: bi Unter ereimte u. reimloft DB. 
—— one Safe "denkbar m umb En in einen ger Taben 
pr ungerade Rah fheihet, w wire gegenwärtig nicht mehr nach Sen dern 
Beer —— und das Metrum (bp. i. Maß und 


en Takte ge efien hienach 

der hr e) auf eine dreifache Art beftimmt, nämlich das fyonpätiche, 
\ a $ er das morofilche der ſapg 1Takt und das 7 iſche Meirum, 
ver Ieichte $ oder $ Salt, worüber das Ausfüßrlihe in und über 
He mannigfaltigen 2.» gattungen und Arten in Gr. M netes B.⸗Kunſt der 
Deutfchen, DE inburg 181, 2 Bde., enthalten iſt. Unsichtig werben zumellen 
uch ——3 anzen) Vverſe genann 

—ã des franzd — Fit Departements ementd Seine ımb Die 
ine der en und fehönften Städte —* und Europa’s überhaupt, iſt 
Sig eines Biichsf6, der Präfektur, eines Civil und a: eines 


jroßen und eines Kleinen geifllichen Seminars, einer Centralgeſellſ Acker⸗ 
au, Bien aft und Fünfte und einer philharmonifchen &: ak, en Stadt 
ie 4 Meilen fünweftlih von Paris, mit welchem fie durch zwei Eiſenbahnen 


den tft und zyn 36,000 Einwohner, welche Kaſchemir⸗ Shawls⸗, Blech⸗ 
—*8* s, Buntpapier⸗ und orzellanfabriken unterhalten. Das eige weiber 
ühmte Schloß, welches Ludwig XIV. durch Leveau u. Manfarb vergr durch 
e Notre mit Bartenanlagen ſchmücken ließ, enthält eine bübfche 83 re und in 
en ee helle und 5* eine eh aa o alte Die und 
emälde, die zum e Gegenſtaͤnde au ar 
Begentwart herab behandeln. Diefe Sammlung, fowie die Gärten mit ihren 
Bafferfünften, führen täglich eine ntenge Fremde herbei. Nach Ludwig XIV. res 
idirten Ludwig XV. und XVL in ®. Auch fand bier die Berfammlun 
Rotabein und der Reichöftände 1789 u. bie Beni: Alb Sitzung bes alerts 


l. —— „V. ancien eo. ber Mar buchfaben (de 
nennt man die großen o nfan we 
inen Gap, oder in mandyen Spra , pie z. B. in der aan jedes € Sub 
tantiv beg innen (Bergl. den Art. hriften). In alten Druden und in Ma 
—8 des Mittelalters find die V., welche Abſchnitte gm, D yiel über, 
e übrigen, elle 5 mit Siguren verziert und, da Manyf 
u ur puven gi „ie Anfange auch in Druden. 
chnei ung, J a 
Verſehen der ——** nennt man. eb, wenn yfochifche Ginprüde ar 
ie Sawangere,. beſonders wi die. durch das Geſicht Aartgaken, Wh Ä 


— *— 


ap 









ver Mung oder 
* en ie 55 das. ®. te — Bi le 

— unerflärtiche Thatſachen ru —ãA 
ung pſychiſcher Cindrücke der Mutter auf bie ſich im * 
nen durchaus nicht laͤugnen; wiſſen wir ja doch, daß De heftiger Sa 
der der Ehwang ern ylöglidy den Tod ver Beibeöfrucht nach fch „Naen fa. a 
ober fig 4 große Wirkung KT: Fr einem Gemuůthseindrucke, fo dürfte 

ſcher Eindruck eu geringe, im Einwirkung 

naf Die Gribesfindt & a di e fi kundgebe in & erkmalen, der, 
wenn nicht gänzlich boch Yhelweife gebinderten, oder in — Rich s 
famen Bifnungsthätigleit. Yu weiche Weife das gefchieht, wiſſen wir ch fo 
wenig, als wie nach en reden der Schwangern ber Tod ber Leidesfrucht 

it. ſucht gewöhnlich beim V. eine Außerliche —— Uebereinſtim⸗ 
zwiſchen der vorfindlichen Abnormitaͤt der Leibesfrucht u. dem Rattgehabten 
e Eindrucke der geren aufzufinden. So nahe dies mım mandy 
mal — f Aeg erſcheint es in anderen Faͤllen und zwar um. fo mehr, 
wenn erſt an Borhandenfeyn von Abnormitäten an dem-Reugeborenen räd- 
ig Mr —— — Schwangeren g Stoffen ae dieſe al 

en Haaren zogen. em 
auch das B. Im — en wicht eeläugme en 
gl an Aug eroldt, —* —X — Bengn vn * Wr 
a u eg, , vorfinvliche ungen Ai 
* en qugefcht eben werben, die zu einer Zeit der Schwan een bat, 
Im, N, * ee ** fraglichen —II in keiner ——— 
Buchner. 

ie chollen nennt man einen Landesabweſenden, weldyer, na 
Aufforderung ded Gerichts, nicht erfchtenen und unter EX: I tobt 
tft, feiner Gerechtſame verlurftig geworben if. Gewöhnlich 8 zurädge 
legte fiebenzigfte Lebensjahr ald Termin der B.heitderflärung angendmmen. 

zerihwägerung, f. — gerſchaft. 

chwender, ſ. Prodi 

chwoͤrung iR ein Berbrecen, beftehend in Bereinigung Mehrer zur 
gemeinichaftlicyen Berwendung der ihnen zu ®ebote een ittel und Kräfte 
zur Erre erhung eined unerlaubten Zweckes. Der Ausorud V. iſt hergenommen 
von der, vorzüglich im Alterthume vorlommenden Sitte, daß die Mitglieder wegen 
des Sefahrbringenden einer folchen Berbindung einander die größte Treue und 
Verfchwiegenheit eidlich anzugeloben pflegten. Das Bertragemäßige, welches in 
einer folchen Verbindung liegt, ſetzt allemal einen überdachten böfen Vorſatz and 
wenigftend einige Kenntniß von den Kolgen des Unternehmens voraus. Deßhal 
findet in der Regel gleiche Zurechnung für Alle ſtatt. Doch unterfcheivet an 
dabei noch die Anflifter (Rävdelöführer, und Oberhäupter, für melde eine erhöhte 
Strafbarkeit angenammen wird. Es kann zwar die V. fowohl ein Privatver⸗ 
brechen als ein öffentliches bezwecken; doch pflegt man fidy bei erfterm mehr des 
Ausdrucks „Bandcomplott” oder „Zufammentottirung” zu bedienen. B. mehr auf 
Vereine wider die Staatöregierung oder dad Staatsoberhaupt zu beziehen. 
Die Alten nahmen die Bedeutun Y gewöhnlich in lehterm Sinne. Yür geringere 
Bergehungen unterfchted man: Sorietät, für die Verbindung Mehrer” zur ger 
meinfchaftiichen Erreichung des guten Zwedes und Faktion, für die Verbind⸗ 
ung der Böfen zum Ungefeplichen. 

Berfegung, |. Inverfion. 

Verſetzungszeichen, hromatifhe Berwandelungszeichen, ober chros 
matifche Zeichen, find muftfalifche Zeichen, mit welchen jeder der fteben 
Haupttöne (c de f g a h) erhöhet oder erniedrigt werden kann und als folche 
entweder he os e oder doppelte, wefentlidye oder zufällige Zu den 
erſt genannten gehören demnach das einfache Kreuz, welches die Rote, vor der 


eugebern 












Eis 



















3 
1: 





Fe, 


a 
* 


Berfheräig — Berhoit con Soclen. | 529 
ficht, um nen Heinen Ton, der auf dem Bianoforte die nächke aufs 


irts liegende Tafe if, erhöht, wogegen das Doppelkreuz die Note nm einen 

nzen Ton, d. i. um zwei Rufen: fe auf» u. abfleigende Taſten erhöht. Das 

fache Be — feiner Seito erniedrigt bie Rom um um einen halben Ton und das 

oppel⸗Be viefelbe um einen ganzen Ton. Den buch da® Kreuz erhö 

sten wird die Sylbe is, den durch b ernlebrigten & vr Eylbe es an 

ummel ſchlagt vor, Ratt defien ihnen nur den Ramen Er Fi en m 
legen, als õ Kreuz, d Kreuz, a Be,g Be u. f..w. 

n der erwähnten Erhöhung u. Erniedrigung heit das —— 
Iederherhelumgsjelden, auch Be⸗Quadrat genannt, welches das Fe and 
das einfache, wie das 6 boppeite, ganz aufhebt u. ver Rote ihr ihren vorigen Namen, 
m und Standort auf dem Inſtrumente zurüdgibt. Soll jedoch das Doppel 
3* ‚ber gu Doppels Be (bb, auch D,-1b) in ein einfaches verwandelt werben, 

Au ur —** erde noch das ei Kreuz, oder daB eins 


8:0 aid gen. — Wel —ãA gleich zu Aufange des 
ea nach dem Eh fiel —— en, * ar! des Stüdes bes 
* und im ganzen Verlaufe berfelben | d oten verfeßen, deren Stelle 


auf dem Rotenplane einnehmen. wi. jedoch die ptoenieiguung 
8 Stuüͤckes durch eine neue —E a aufgehoben. Zul 
Laufe des e an Roten felbft beigeſetzt. 

Belebung pn ſſecuran 

ng ei in der ‚Srkigen € —— die Widervereinigung nung 

Gott und Chriſtus geihan und ge 
{ ra Ä gefallene —A nur —* och wohlgefällig zu Tr 

ıdern ihr auch den Himmel zu eröffnen; denn, obwohl Gott fletö bereit i 
‚geben, fo fonnten * doch nur durch Chriſti unendliche Verdienſte zur — ** 

Ob elangen. Röm. 5, 10, Kol. 1, 19— 22. 
6feft, das, "wurde bei den alten Juden alljaͤhrlich am zehnten 
ige en benten Monats (Tisri), fünf e vor dem Laubhüttenfeft, gehalten 
d war zugleich ein Sabbath» oder Ruhetag, durch welchen den Iſraeliten bie 
eiligkeit und tigkeit Gottes und ihre eigene m und Strafwuͤrdigkeit, 
bſt der Pflicht, Buße zu thun, veranfchaulichet wurde — der einzige Faſttag im 
ihre, an welchem man vom Abende bis zum ande Abende Nichts genießen 
fie. Die befondere Feier und der Zweck biefes ed beftand der Ent⸗ 
digung des Hohenprieflers, feines Hauſes und: der — in der Ent⸗ 
a des eiigibumg mit feinen Geräthen und der Eutfündigung des 
olfes. — Der Berföhnungstag wurde im ganzen Lande gehalten 
a * ale Männer nach Jeruſalem reifen mußten), d. h. mit Faſten, Oußan⸗ 
chten, Sündenbeienntniß u. dgl. zugebracht. Uebertretungen wurben mit Ders 
fung befiraft. Niemand te fi wafchen ober falben; fromme Iſraeliten 
ienen in ihren Tobtenhemben. are ae Entfündigung war ein Bor, 
Id der Entfündigung durch Chri 

Berforgungsanfalten, ſ. —B u. Armenweſen. 

Berſtaud, |. Bernunft. 

Berfteigerung, |. Sub —F 

Verſteinerungen, |. Petrefalten. 

Verſtolk van Soelen, Jan Giijsbert, Baron van B., geboren 1777 
Rotterdam, wurde 1809 Landdroſt von Geldern, 1814 Bräfekt von Friesland, 
15 mit der Berwaltung ded Großherzogthums Euremburg beauftragt, 1816 
3 1822 Gefandter Hollands am Hofe zu eier ung, 1225 Chef des Depar⸗ 
nents des Auswärtigen, 1833 vertrat er Hollands Anfprüche g net Belgien auf‘ 
e Londoner onferen Seit 1841 war er Staatäminifter u. Rache in diefem Jahre 
ı Haag. Er fchrieb mehre Staatöfcpriften In den Becueil de pidces dip ! 
ues reiatives aux 3* de la Hollande ot de ia Belgique De 1ER veet 
33, Hang 1833 3 Bye. 1, >“ 5 uw 


Seralencpclopäbie. x W 









530 Berftopfung — Vertrag, 

Berftopfung, f. Obftruetion. 

— 4) Inder Raturwiſſen ſchaft, auch Erperiment genannt, ift 
eine feloftveranftaltete Naturerfcheinung, um diefelbe zu beobachten und näher zu 
unterfuchen. Durch folche B.e bilden ſich namentlich die Phyfit, Chemie, 
Technologie und Defonomte (j. dd.) aus. — 2) In jurtftifcher Bedeut 
ung eine, auf Hervorbringung eines Verbrechens abfichtlic) gerichtete, äußere 
Handlung, ohne daß dadurch das Verbrechen vollendet, namentlich der daburd 
beabfichtigte Erfolg erreicht wird. Der B. macht entweder für ſich ohne Nüds 
ficht auf Das beabfichtigte Verbrechen, ſchon ein Verbrechen oder Vergehen aus, 
weil die Handlungen, aus denen er befteht, ſchon an ſich firafbar find, ober er 
iſt mir als V. zw beurtheilen. Man umterfcheivet daher ppiſchen entferntem 
2, wo bloße Vorbereitungshandlungen vorliegen; nahem B., wo der echet 
bereits in der Ausführung der verbrecheriſchen Handlung begriffen war u. voll 
endetem B., wo derfelbe alle, von ihm zur erbeiführung des rechtswidrigen 
Erfolges für nöthig erachtete, Handlungen vollbracht hat. — Iſt der B. an 35 
ftrafbar (dieß nur, wenn ein Gefeg cd ausprüdtich beſtimmt), fo vermehrt die 
‚Höhe des Grades feine Strafbarleit. Leptere findet da ftatt, wenn wider Wil: 
len des Thäterd das Verbrechen nicht vollendet wurde; ftrafbarer wird der quall⸗ 
figiete V.; frafloß gemeinrechtlich, wenn der Thäter aus Reue freiwillig die 
That — wenn das beabſichtigte Verbrechen blos als fahrläffiges zu beftrafen, 
oder der V. blos culpos, oder de vollbradyten Äußeren — leine zut 
Vollbringung irgend eines Vergehens dienliche waren, Vloße Vorbereitungs⸗ 
handlungen ehe die äußere Handlung einen Anfang der Ausführung enthält, 
find nicht ftrafbar. Nach der jegt ziemlich allgemeinen Meinung ift ein ®., der 
mit, ihrer Natur nach zur Ausführung des Verbrechens untauglichen, "Mitteln be- 
gangen wird, ftraflos, nicht aber der mit In concteto untauglichen begangene, 

Vertagen, einen Tag beftimmen, an welchem Etwas geſchehen fol; dann: 
die Beforgumg einer Sache auf einen beflimmten Tag weiter hinaus ver: 
legen, welcher Ausdrud namentlich im füplichen Deutfchland gebräuchlich if; 
Me one Sache vertagen foviel als: diefelbe auf einen fpätern Termin 
verfchieben, 

Vertebralfpftem nennt man in der Anatomie den, zunächſt von dem 
Rüdenmarke ausgehenden, oder mit ihm nd vereinigenden Theil des Nerven: 
ſyſtems, fo daß demnach dad V. aus dem, im Kanale ver Wirbelfäule Hinanfs 
laufenden, Marke und allen den aus ihm entfpringenden Rerven befleht. (©. 
Nerven, Rervenfpftem, Rüdenmark und Rüdgrath.) 

Vertheidigung, |. Defenfion. 

Zertikal, |. ſenkrecht. 

Vertitalkreis, |. Hoöhenkrels. 

Vertrag iR eine Willenseinigung zweler oder mehrer Perſonen über eine 
2eiftung oder Unterlaffung, zu welcher aufferdem feine, oder wenlgſtens Feine 
Außerlich anerfannte, Verpflichtung vorhanden gewefen war. Zu einer foldhen 
Willenscinigung iſt jeder rechtsfaͤhige Menſch vermöge feiner natürlichen Freiheit 
befugt und e8 muß biefelbe nach dem Grundfage der wechfelfeitig gleichen Gelt⸗ 
ung Aler — wofern fie fein umveräußerliched Redyt zum Gegenftande hat und 
deshalb unverbindlich ift (f. Unrecht) — fo lange unverüdt und unauflöslic 
bleiben, oder erfüllt oder eingehalten werden, bis fle durch beiderfeitiges Einver- 

ändniß der Vertragſchließenden, oder durch entgegengeiegte Willenseinigung aufge 
ben wird. Denn, um feinen einmal erklärten u. durch die Annahme des Anvern 
gebundenen Willen einfeitig Andern und die Willenserklärung des lehtern eigen 
mächtig entfräften zu dürfen, müßte-der Wille deſſen, der die Aenderung will, 
mehr gelten, als der Wille des Andern, der fie nicht will, da überall, um Bes 
hendes zu ändern, verjenige, der die Aenderung begehrt, mehr gelten und vers 
dgen muß, als derjenige, der einer Wenderung. entgegen iſt. — Die Willens⸗ 
einigung muß aber entweder auf Tree Wien, der au tehtwäglgen Zwang 


vDertumuns — Bernd. - st 


eruhen, indem Gewalt und Zwang, foweit fie nicht im Rechtsgeſetze begründet 
nd, wohl ein Zwangsrecht auf a nn für den, der oe 
ein Recht und namentlid, fein Zwangerecht * Erfüllung für denjenigen, ber 
e ‚angewendet Bat, erzeugen können. Acht IR daher jeder auf unbefugtem 
zwang beruhende V. und ebenfo derjenige V., ein um, ſei es nun blos 
es einen, oder beider Kertragfehl! enden, zu Grunde liegt, weil in dieſen Falle 
ur eine vermeintliche, feine wirkitdhe Willenseinigung vorhanden iR. — ever 
meihum, der auf die Willensbeftimmung des einen ober beider Vertragſchließ⸗ 
nden von irgend einem Einuß war, vernichtet das betreffende echtögef: ft u. 
avon macht auch der Irrthum in den Beweggründen (falsa causa, error impel- 
ns), fowie der Durch Betrug erzeugte Seine Ausnahme (wenn gleich das yofl- 
ve Recht aus gutem Gründen die rechtlichen Folgen des Irrtöume theilwetfe 
nder6 beftimmt, auch zwifchen weienllichem und außerwefentlichem, entfchuld- 
arem und unentichuldbarem Irrthum unterfcheidet u. f. w.). — Aus der Unzu⸗ 
iffigfeit einfeitiger Vertragsaufhebung folgt indeſſen nicht, daß auch berienige 
Hell an den V. gebunden bleibe, dem der Gegentheil nicht Wort hält. Daraus, 
aß ein V. nichts Anderes if, als eine iendeinlgun des Inhalte: „Well du 
’ wink, weil du mir Dies verfprochen haft, will ich H und verfpreche bir das 
egen Jenes“ folgt vielmehr unmittelbar, daß, wenn der Eine das 

icht leiftet, der Andere auch nicht zu erfüllen nöthig hat; denn mit dem nde 
ört auch die Folge, mit der Bedingung das Beringte auf. — Weil poſitive 
dechtspflichten oder Leiftungepflichten einzig durch V. en Tonnen, fo können 
uch alle diejenigen Rechtöverhältnifie, welche pofitive Verbindlichkeiten ober Leiſt⸗ 
ngepflichten auferlegen, wie namentlich der Staat, die Ehe, die Gemeinde u. f. 
. nur auf ®. beruhen. Ein —— Merkmal der Rechtspflicht, im 
denenfahe von der Gewiſſenspflicht, iſt nämlich ihre Erkennbarkeit oder Beweis⸗ 
arkeit durch den Bear der wechfelfeltigen Gleichheit u. gerade dieſem Begriffe 
jiperfpricht die angeborene oder natürliche, auf Feiner Willenseinigung beruhende 
eiſtungspflicht. Denn in der Uebernahme einer Leiftung legt es, daß ih den 
Billen eined Andern zu dem meinigen mache und feinen Willen fo ausführe, 
‚ie wenn ed mein eigener wäre. Nun iſt es zwar eine Unterlaffungspflicht, welche 
nmittelbar aus der gleichen Freiheit oder Geltung jedes Menfchenwillene folgt, 
aß ich an der unverleßenden Ausführung ihn llens Andere nicht verhindern 
arf; auch kann ich unbefchadet meiner Gl dee und vermöge meiner Freiheit 
Wege des V.es durch Willenseinigung mich zu Leiftungen verpflichten, durch 
fe ich einen fremden Willen p erfülle, wie wenn e3 urfprünglich mein eigener 
Bille gewefen wäre. Um aber ohne vorausgegangene Willmselnigung einem 
Indern in der Art verpflichtet zu feyn, daß mein Wille nicht nur dem feinigen 
yeichen muß, fondern daß ich feinen Willen zu dem meinigen machen u. anftatt 
ed meinigen zu befolgen fchuldig bin, müßte mein Wille nicht blos weniger, 
ndern gar Nichte gelten, er müßte gar Fein rechtlich freier, fondern ein von 
em Andern urfprünglich abhängiger Wille feyn. Das einzige Mittel zur Erfchaffung 
ofitiver Leiftumgöpflichten if demnach die freie Willenseinigung im V.e u. in letzter 
intwidelung auf einem V., nämlich dem Staats⸗V., beruhend u. deshalb nach 
zertragsgrundſähen zu beurtheilen iſt folgeweiß auch jedes Staatögefeh, welches 
em einzelnen Staatsbürger pofitive, in keiner natürlichen Verbindlichkeit begrüns 
ete, aehtapflchten auferlegt u. Dienfle, Leiftungen, Gehorſam und Treue von 
m fordert. 

Bertummus, eine urfpränglicy volskiſche Gottheit, deren Tempel umd Bild⸗ 
iule auf dem tuskiſchen Wege fand. V. war der Fruchtſpender, der Segen 
ringende Herbfigott, welchem die Erftlinge der Früchte und Blumen geopfert u. 
m Oktober zu Rom ein Feſt, die Bertumnalta, gefeiert wurde. 

Dernutrenung, f. Beculat. | 

Berus, Lucius Aelius, römkfcher Kaiſer, fonk auch Lucine Er\auiud 
lelins Gommobus B, Antoninus, ba Sohn sb .. RB, 





532 Verviers — Verwaudtſchaft. 


andern Lucius V. Sohn's, der von Kaiſer Hadrian im Jahre Ehrifti 136 an 
Sohnes Statt — worden war. Marcus Aurelius Antoninus machte 
ihn zu feinem Collegen in der Faiferlichen Regierung und a ihm feine Tochter 
Lucilla zue Gemahlin. Er überließ allen Arten von Ausfchweifungen, aber 
Antoninus beugte den Uebeln, die er hätte ftiften fönnen, dadurch wor, daß er 
ihn mit den beften Truppen und den größten Feldherren biejer Zeit gegen die 
jarther fhidte. Diefe litten große Niederlagen und, während B. ſich in Anti 
— den Wollüſten überließ, eroberten feine Feldhetren alle Länder bis am den 
Tigris. Beide — txiumphirten und nahmen den Titel Particus an. Rach⸗ 
her unternahmen beide einen Krieg gegen die Marlomannen und, als ſie ſich in 
einer Sänfte über die Alpen tragen ließen, wurde Lucius V. von einem Schlag: 
Rufe —8 woran er 169 fterben —— 
ervierd, Stadt in ber belgifchen Bein FR, an der Vefe und dem 
aus derfelben abgeleiteten Kanale, der zum Betriebe der Dampfmafchinen und zu 
den Tuch» und MWollenwäfchen benägt wird, ift gut und freundlich gebaut, Sig 
eines Dber-Tribunald und Handelögerichtes und zählt 21,000 1o., welche 
viele Tuch⸗ und Woleugs, ſowie Bandfabrifen, Woll- und Baummwollipinnerei, 
Kupfer- und Gifengießereien, Mafchinenbaus Werkftätten, Faͤrberei, Seifen» und 
Vitrtolfiederei und anfehnlichen Handel betreiben, 

Verwaltung des Staates wird von der Verfaffung unterſchieden und ift 
die wirkliche Ausübung der Staatögewalt, oder die Regierung, befonder& in fo: 
fern fie gewiſſen Aemtern übertragen ift. Man umterfcheidet die collegialifche und 
bureaufratifche B.; bei der leptern werben die, zu einem VBerwaltungszweige ge 
hörenden, Gejchäfte einem einzigen Vorfigenden (Präfiventen, Direktor) übertragen, 
welchem andere Gejchäftökundige (Räthe) nur mit berathender Stimme zur fe 
ftehen und bearbeiten, was ihnen jener überträgt; bei, jener werden die Gefchäfte 
gewiffen Gollegten übertragen, in denen die Stimmenmehrheit entſcheidet. Die 
colfegialifche B. ift volfsth; imlicher, ald die bureaufratifche, welche man befonders 
da antrifft, wo die Minifterialgewalt ftattfindet. Bei Verwaltungsgegenftänden, die 
einen fehnellen Entſchluß und pünftliche Vollziehung erfordern, wie bei Steuer: 
domainen» und Staatöfafien-®., ift Die bureaufratiihe V. fehr heilfam und 
zwedmäßig; es müßen aber die Direktoren wirklich und fortdauernd verantwort- 
lich gemacht worben feyn. Bei Gegenftänden der Gefepgebung, Regierung und 
Rechtspflege muß die collenialifche Behandlung eintreten und die Beichlüffe nad) 
vorgängiger gemeinfchaftlicher Beratbung durch Stimmenmehrheit gebildet werben. 
In neueren Zeiten viegt man die Juſtij von ver V. zu trennen, wenigitens für 
die höheren Stellen, ergl. Malchus, „Politik der innern Staats-®., oder 
Darftellung des Organismus der Behörden für diefelben,“ (Heidelberg 1823). 

Derwandtichaft, ſ. Blutöverwandtfhaft u. Affinität. . 

Der: jaft, geiftliche (cognatio spiritualis), iſt eine Verbindung 
geiler Perfonen, welche aus der Aominiftrirung u. dem Gimpfange der heiligen 

aufe und der Firmung enificht. Nach dem Yönifpen jechte iſt die Che 
nur wegen Gevatterfchaften verboten. Juftinian verbot nämlich, jene Per- 
fonen zu ehelichen, welche man aus der Taufe gehoben hat. Die trullanifche 
ESynode (692) Can. 53 dehnte diefes Verbot auch auf die Eltern des Täuflinge 
auß; in der Folgezeit ward «8 jedoch noch mehr erweitert und auf die Firm- 
linge erfiredt. — Rach dem Fanonifchen Rechte und insbeſondere nach dem 
Eoncil von Trient befteht das Hinderniß der geiftlichen V. blos a) zwifchen 
dem Taufenden, dem Täuflinge und deffen Eltern, dann zwiſchen dem Zauf- 
vathen, dem Täuflinge und deſſen Eitern; b) zwijchen dem Yirmenden, dem Ges 
firmten und vefen tern und zwifchen dem Firmpathen, dem Firmlinge und def- 
fen Eltern. je Stellvertreter der Pathen trifft diefes Hinderniß nicht, wohl 
aber ihre Eommittenten. Wer bei der Nachholung der Tauf-Eeremonien ein Kind 
zur Taufe hält, kommt nicht mit demſelben in eine geiftliche V. Derjenige Geifts 
Udpe, welder aus Huftzag des Pfarrers hie. heil, Taufe ipendet; ‚ defgleichen, 


Berwandtfchaft der Körper. 533 


wer im Rotbfalle ein Kind tauft, zieht fich ebenfalls die geiſtliche V. zu. za ein 
Bater im Nothfalle fein eigenes Kind, fo enifteht zwiſchen ihm u. feinem Weibe 
das Hinderniß der geifllichen B. nicht; tauft hingegen ein Vater auffer einem 
Nothfalle fein eigenes Kind, oder hebt er es aus der Taufe, oder führt er folches 
zur Firmung, fo entfteht zwifchen ihm und feiner Ehefrau, rıfp. der Mutter des 
Kindes, eine geiftliche B. und er verliert in einem folchen Falle bis zur erlangten 
Dispenfation das Recht, die Leiftung der ehelichen Pflicht von feinem Weibe zu 
begehren. Wer, auch im äußerfien Rothfalle, das Kind feiner aufferehelichen 
fer tauft, der kann mit derfelben ohne Dispenfation Feine gültige Ehe 
eingehen. Bei den Broteftanten findet weder die geiſtliche V. noch das hieraus 
entjpringende Ehehinderniß ftatt. 

DBerwandtfchaft der Körper, Wahlverwandtfchft, oder Wablanzieh- 
ung nennt man die, allgemein durch Beobachtung und Erfahrung erfannte, Er- 
ſcheinung in der Natur, nach weldyer fi) die Materien mit anderen gleich oder 
ungleichartigen innig zu verbinden beftreben, ſobald fie fidy einander gehörig bes 
rühren. Der Augenjchein überzeugt uns, daß ein Stoff fidy mit dem einen lieber, 
als mit dem andern, verbindet; ja, daß er unter Begünftigung der Umftände die 
Berbindung mit dem einen Stoffe aufgibt ober verläßt, um fich mit einem ihm 
näher verwandten zu vereinigen. So iſt 3. B. der Effig fehr geneigt, ſich mit 
Kreide zu verbinden und fie aufzulöfen; fegt man aber reines Raugenfalz zu ber 
Auflöfung, fo geht fogleih der Effi} oder ein Theil deffelben eine Verbindung 
mit demjelben ein und verläßt die Kreide, welche dadurch als ein trodener Körs 
per abgefondert wird. Dieje V. zeigt fi) auf fehr verfchlevene Art modifizirt 
bei ann Erfcheinungen und Operationen in der Natur. Wir fehen fie in der 
gegenfeitigen Anziehung von zwei glatt gefchliffenen und politten Glas⸗, Metalls 
u. Marmorplatten, in der Fugelähnlichen Form der Tropfen, in dem Zuſammen⸗ 
fließen der Tropfen, wenn fie einander zu nahe kommen, in d:n mannigfaltigen 
Riederſchlaͤgen, Auflöfungen, Zerlegungen, Zufammenfegungen und überhaupt in 
allen den Operationen, welche die Ratur Im Großen und die Fünftliche Chemie 
im Kleinen bewirkt. — Durdy die Wahlanziehung oder das ge enjetige Beftreben 
verwandter Materien, fi) zu verbinden, entftehen Körper In der Natur und 
Kunft und werden unter anderen Umſtänden auch wieder zerflört. Die Verſchied⸗ 
enheit, welche man in der Art der Wahlanziehung oder In den Wirfungen der 
gegenfeltigen B. wahrnimmmt, hat zur Unterſcheldung mehrer Arten derſelben 
Anlaß gegeben, obgleich alle auf einem gemeinfchaftlichen Prinzip beruhen und 
nur eine einzige Kraft vorausfeen. Die Abtbeilungsweife ift gewiflermaflen will⸗ 
kürlich; indeß fcheint diejenige die ungeswungenfte, nach weldyer man die vers 
fchiedenen Modififationen auf folgende drei Hauptarten zurüdführt. Die erfte iſt die 
zufammenfegende B., weldye auch die mifchende heißt. Ihre Wirfung befteht 
darin, daß fich zwei oder mehre Stoffe von ungleicher Befchaffenheit zu einem 
neuen, völlig gleichartigen (homogenen), Ganzen verbinden. Hieher rechnen viele 
Chemiſten auch die Anneigung, oder anneigende V. nach welcher zwei un⸗ 

leichartige Stoffe, welche eigentlich Feine verbindende Verwandtſchaft unter fi 
ben, durch die Sagrolihenfunft eines dritten nicht nur unter einander, fondern au 
mit diefem in Verbindung treten und zufammen ein gleichartiged Ganzes bilden, 
— Die zweite Art der V. ift die einfache weldye darauf beruht, daß zwei un⸗ 
leidyartige, mit einander zu einem gleichartigen Ganzen verbundene, Stoffe durch 
utritt eines dritten auf die Weife getrennt werden, weil diefer zu einem von 
den beiden erfteren eine nähere B. Hat, als zu dem andern. Dur diefe nähere 
B. entfteht eine neue Verbindung umd der. entfernter verwandte Stoff wird ge: 
trennt. — Die dritte Art der B., die mehrfache, ft die, bei welcher mehr als 
eine neue Verbindung ungleichartiger Stoffe ftatifindet, oder wobet zwei, mit 
einander verbundene, Stoffe durch den Zutritt zweier anderen, welche gleichfalls 
verbunden, aber auch einzeln feyn Fönnen, vermöge der —A nziehung 
zu denſelben getrennt werben, worauf aldbann zwei neue Verbindungen einigen. 


[ 


534 Verwandtſchaft — Verwitterung. 


Daß diefes allgemeine u. merkwürdige ade ter chemiſchen Wahlverwandt: 
ſchaft duch eine aepHiae Kraft in der Natur hervorgebracht werde, iſt nun zwar 
unbezweifelt, aber die Frage, worin dieſe Kraft beftche, läßt fich blos dahin ber 
antworten, daß man fie ald eine Art von Attraction bei der Berührung betrachtet 
(dj. Attraction). So wenig man aber dieſe Naturfraft u erklären welß, ebenfo 
umerflärbar bleibt und auch die Wahlyerwandtichaft. Die Namen, welche wir 
dem Phänomen beilegen, erklären Nichts; fie find blos Bezeichnung einer unbe- 
zweifelt wahren Erſcheinung. — Die großen. Fortfchritte unferer Zeit in der 
Ghemie haben über die Wirkungen der vorzüglichften Wablverwandtfchaften und 
Zerfegungen Tabellen gefchaffen, welche bei wiederholten Verſuchen zwar zu im⸗ 
mer größerer Vollkommenheit geviehen, aber gleichivohl noch weit von dem 
wiünfchenswerthen Ziele entfernt find. Die meiſſen Atomiſten erklären vie 
** V. aus der Form, Lage u. Dichtigkeit der kleinſten Theile der Matetie. 
Man begreift hiebei aber nicht, wie bei diejer Erfcheinung die Materie in ihrer 
Qualität (Beichaffenheit) gene werden fönne, da doc) blos eine Zufammen; 
häufung der Heiniten Thetle ftattfindet. — Andere leiten die Wahlverwandtſchaft 
aus der. Gleichartigfeit der Grundftoffe ber, wogegen aber die Erfahrung ftreitet. 
Nac der dynamiſchen Lehrart, die am Ende alle Mb änomene auf anziehende und 
zurüdftoßende Kräfte zurüdführt, liegt die Urfache der Wahlverwandtichaft eben 
in den ganannten Kräften der Stoffe, wilde mit einander in Berührung fom- 
wen. Nach der Idee neuerer Chemifer gibt e& nur eine Art von B, und ber 
Unterfchted zwifchen näherer und entfernterer findet nicht Statt. 

Verwandtfhaft der Töne u. Tonarten if das nähere ober entferntere 
Verhaͤltniß, in welchem die Töne und Tonarten unſers volftändigen Tonjyftems 
zu einander ſtehen. Dieſes Verhältniß gründet ſich auf die größere ober gering: 
ere Achnlichkeit der Tonleitern unter einander, welche hiernady getheilt werden in 
nächfiverwanbte oder im erflem Grade verwandte und in entfernter verwandte 
Tonarten. Diefe B. entſpringt aber aus der größern und Heinern Anzahl ver 
ihnen gemeinfchaftlichen Töne umd betrifft die Ausweichungen und Berfegungen. 
Der Ton, in weldem ausgewichen wird, darf demnach das Gefühl des vorher: 
gegangenen nicht vernichten und bei Verfegungen müffen bei zwei Tönen die vers 
ſchledenen Intervalle der Tonika nicht ſeht verfchieden feyn, weil ſonſt Feine 2. 
fattfindet, Hauptſächlich aber bezieht man die B. auf die Modulation, wo 
dann mit C dur die Töne g dur, a moll, f moll, dmoll u. e dur verwandt find, 
Indem feiner diefer Töne eine wefentliche Saite hat, welche nicht in der Tonleiter 
c dur enthalten il. Wo bei der Modulation beide Tonarten nicht ein gemein⸗ 
— Intervall haben, iR ſolche unnatürlich und dem Ohre gewiß un— 
angenehm. 

Zerwefung, |. Fäul niß. 

Verwidelung nennt man bei Wirken der Dichtkunft und der Mufif das, 
wern eine Begebenheit in der epifchen Poefie, oder eine Handlung in der dras 
matifchen von verſchiedenen, ſich entgegenftchenben (collibirenden), Intereffen und 
Strebungen berührt und durchkreuzt und dadurch Theilnahme und Spannung für 
den Ausgang angeregt und erhöht wird. Dem Dichter ſteht bier boppelter 
Weg offen: er Tann nämlich Wirkungen befchreiben und veranfchaulichen, bevor 
deren Urfache erfannt wird, oder, im umgekehrten Berhältniffe, die Urfache als 
wichtig und groß darftellen, bevor die Wirkung: vor Augen tritt. Mangel an 
B. hat wentgftens Gleichgüftigfeit gegen vie Begebenheit oder Kandlun zur 
Folge. Aus dee V. in der eı den und dramatifchen Poefie aber bildet ſich der 
fogenannte Knoten, deffen Auflofung durch enpliche Befriedigung jener gefpanns 
ten Grmartung Wohlgefallen erregt. — In der Mufit findet die V. befonders in 
größeren Werken eine angemefjene Stelle, beftchend In dem Merflechten und Ents 
gegenftreben verfchledener Stimmen und “Bartien zum Behufe einer funftvollen u. 


mohigefäligen Auflöfung. 
erwitterung iſt ein eigenthümlicher Zerſtörungsprozeß der Natur in Folge 


Berzicht. 535 


von atmofphärtfchen Einwirkungen jeder Art auf die Körper, befonders auf Mis 
neralien. Sie erfolgt theils durch Zerfegung körniger Gemenge, fo daß fie in 
die einzelnen Körner, aus denen fie zufammengefebt find, bei dem leifeften Schlage 
darauf zerfallen; heile durch Umänderungen der Gubflanz, durch Ausſcheidung 
einzelner Deftandihelle in Gaëgeſtalt. Sonuenbite, Kälte und Wärme, Troden- 
beit u. Feuchtigkeit in fchnell abwecfeinben Folgen, Regenftürze, Veränderungen 
des Siektricitätd » Zufandes, find die Naturverhältnifle, durch die der DB.» Bros 


zeß auftritt. Ä 

Berzicht oder Entfagung (renunciatio) if die einfeltige Erklärung einer 
Berfon, ein ihr zuſtehendes Recht nicht gebrauchen oder aufgeben zu wollen. Die 
Entſagung enthält fomit die Entäußerung eine Rechtes, ohne gleichzeitige Ueber⸗ 
tragung auf einen Andern, wie eine foldye bei der Veräußerung (alienatio) im 
engern Sinne vorhanden if. Jede Entfagung erfordert zu ihrer ReptebeRänbig- 
keit: 1) vollkändige Dispofitionsbefugniß defien, der Teinen Rechten entfagen will; 
2) ein dem Entſagenden zufändiges Recht, deſſen Erhaltung weder durch das 
Öffentliche Recht, noch durch WBerpflichtungen gegen dritte Perfonen geboien iR; 
3) genane Kenntniß des Rechtes, welches aufgegeben werben foll, in &rs 
mangelung derſelben die Abſicht, ein Recht aufaugeben, nicht angenommen werben 
faun; 4) eine ganz genaue, das aufzugebende Recht vollſtändig umfaſſende Er- 
klaͤrung, daß man einem Rechte entfage, mag nun dieſe Erflärung in Worten aus⸗ 
drüdlich, oder durch unzweideutige Sandlungen ſtillſchweigend, z. B. Rüdgabe 
eines caſſitten Schuldſcheins, beſiehen. Eine beſondere Form iſt bei der Entſag⸗ 
ung nach gemeinem Rechte nicht vorgeſchrieben, obgleich einige ——J 
ſchriftliche und unter beſonderen Umſtaͤnden gerichtliche Form u. gerichtliche 8 
lehrung der entſagenden Perſon über das aufzugebende Recht vorgeſchrieben 
haben. Die Wirkung einer rechtögültigen Entſagung beſteht darin, daß das auf⸗ 
gegebene Recht für immer erlifcht, fo daß eine Hätte Zurüdnahme des V.s und 
eine Wiederaufnahme des Rechtes in der Regel nicht Statt findet (ad jura renun- 
ciata non datur regressus). Diefe Regel erleidet aber zwei, fich von felbft vers 
fiehbende, Wusnahmen und zwar: 1) wenn die Zurüdnahme für einen beftimnten 
Hall vorbehalten ift und diefer eintritt und 2) wenn das Gefeh in fpeziellen Fäl⸗ 
len den Widerruf der Untfegung eftattet, 3. B. wenn eine Frau bei der Webers 
nahme der Bürgichaft auf ihre *2— aus dem Vellejaniſchen Senatsbe⸗ 
ſchluſſe Verzicht leiſtet. Im Zweifel über den größern oder geringern Umfang 
des Rechts, dem entfagt worden if, muß die Entfagung nach dem firengfien 
1ortverhande, alfo fo ausgelegt werden, wie fie dem Entiagenden am Wenigften 
nachtheilig if. mnach bat ein allgemeiner ne feine Wirkung und müfs 
fen insbejondere die Entfagungen von Privilegien diefe letzteren fpeziell umfaflen. 
Die Entfagung geftaltet ſich nach Verſchiedenheit der Rechte, denen u t wird, 
in ihren fpeztelleren Wirkungen verfchieven. Nur die, auf abjolute Bere aungen, 
wozu indbefondere Privilegien zu rechnen find, und auf dinglicye Rechte gerichtete 
Entfagung, welche nicht ausprüdich Im Interefle einer beftimmten Perſon ers 
foigt, hebt das Recht auf. Hierher gehören: vie Entfagun beftimmter Borrechte, 
z. B. Adelsentſagung, die Dereliktion von Sadyen und ntfagung ciner Erbſchaft. 
Sind mit dem aufgegebenen Rechte gewifle Verbindlichkeiten verbunden, fo gehen 
diefe natürlich nicht mit unter. Die Entfagung der obligatorifcdhen Rechte kann 
nicht einfeitig den -Berluf des Rechtes herbeiführen ‚, €8 muß zu der Entſagung 
des Berechtigten die Annahme derfelben durch den Berpflichteten treten; denn, 
wie letzterer nicht gezwungen werben kann, fich befchenfen zu lafien, fo kann ihm 
auch durch die Entfagung eines obligatorifchen Rechtes des Berechtigten Feine 
Liberalität aufgeprungen werden. Die Entſagung der Obligationsrechte geftaltet 
fi) fomit zu einem felbfitändigen Bertrage (pactum remissorium), welcher durch 
die Occupation verbindende Kraft erhält. So lange diefe nicht erfolgt iſt, kann 
ber Entſagende feine Erklärung zurüdnehmen und dadurch fein obligatorifches 
Recht erhalten. Eine gleiche Bewanviniß bat es mit den Amtscutlaguuare, An 


536 Berzierungen Veſalius. 


fie find erſt dann wirffam, wenn bie vorgeſetzte Behörde fie angenommen hat. 
Daß bei der Entfagung, ſowohl der obligatorifchen Rechte, als auch des Autes, 
gewiſſe Entfagungsclaufeln mit Erfolg benügt werden fönnen, folgt im Alige- 
meinen aus der Natur vemifferifchen Vertrags. Das Fononifche Recht fchreibt 
indeß in Betreff der Kirchenämter vor, daß der V. der Geiftlihen nur als ein 
freier B. von den Kirchenobeten angenommen werden darf, weshalb der, zu 
Gunften eined dritten, ober unter Vorbehalt eines Jahrgehaltes, ober ſelbſt 
des Pam Wiedereintrittd in das Amt, ohne Weiteres — 
den muß. 100 
— nennt man überhaupt lleinere, den weſentlichen Theilen eines 
Kunſtwerles angefügte, zur Vermehrung der Annehmlichfeit oder des Reichthums 
dienende Beigaben, mihe mithin zur bloßen zufälligen Schönheit gehören, den 
noch aber, ohne tm Weberfluffe angebracht zu feyn, Neuheit, Abwechſelung und 
Gcfhmad erfordern. Im der Baufumft find es bie atchiteltoniſchen Glieder, 
woraus die verzterenden Kränge, Gefimfe u. Einfaffungen Bufanmengefent werben, 
Bilafter und Säulen, Bogen und Säulenftellungen. 2 der Bildhauerfunf 
find V. Statuen, Trophäen, Vaſen an den Fagaden m. f. w.; In der Mufit: 
die Manieren, Ausſchmückungen der Melodie, die Fiori (f. dD.). 

Verzug (mora) ift die Nichterfüllung einer, zur beflimmten Zeit zu leiſten⸗ 
den, Verbindlichkeit u. tn juriftifcher Hinficht von Bedeutung, vorzüglich in Schuld» 
angelegenheiten. Man unterfcheivet aber den V. des Verpflichteten (mora sol- 
vendi) u, deffen, gegen die Pflicht zu leiften iſt (mora aceipiendi), wobei jeder⸗ 
zeit vorausgefetzt wird, daß der beftimmte Termin bekannt iſt. Der aus dem 
B. hersorgehtnbe Schaden trifft allemal ven, welcher fich venfelben hat zu Schulden 
kommen laflen. Daber hat ver-Verpflichtete von dem Augenblide an, wo er 
feine Pflicht zu Teiften hatte, für alle Folgen der Nichterfüllung zu ftehen umd fo- 
wohl den etwa entftehenden Schaben, ald auch den möglichen. Gewinn zu ver- 
güten u. in Bezug auf das letziere Verzugezinfen zu bezahlen; der Gläubiger da- 
gegen hat von dem Augenblide des Termind an, an dem er mit feiner Forder⸗ 
ung hätte hervortreten follen, Feine Zinfen mehr zu fordern und Fann felbft bei 
zu langer Verfchlebung mancher Rechte werluftig werden. Dies Alles bezeichnet 
das Sprichwort: „Periculum in mora“ (Gefahr im Berzuge). 

Befalius, Andreas, berühmter Anatom, geboren den 30. April 1513 
(oder den 31. Dezember 1514) zu Brüffel, Sohn cines Apothefers, aus einer 
Familie von Aerzten, welche urſprünglich von Wefel am Rheine herftammte und 
daher auch den Namen führte. V. erhielt feine erfte wiffenichaftliche Bildung, in 
Löwen; in feinem 18. Lebensjahre begab er fih nach Montpellier, fpäter 
nad Paris, wo er fi beſonders mit Anatomie befchäftigte; beim Ausbruche 
des Krieges zwiſchen Karl V. und Franz I. kehrte er nach Löwen zuräd und 
hielt dafelbft Vorlefungen über Anatomie, trat dann als Wundarzt in das Heer 
Karls V. und kam mit diefem 1535 wieder nach Frankreich, wo er die erfte 
Zerglieverung einer menfchlichen Leiche vornahm, die damals Außerft felten waren. 
Mehre Keichendffnungen nahm er auf dem Heeieszuge in Stalien vor, bie ihn in 
feinem Borfape beftärkten, die Anatomie, welche biöher nur nach den Lehren des 
Galenus gelehrt ward, vollſtaͤndig umzuarbeiten. Schon war V.s Ruf fo groß, 
daß der Senat von Venedig ihm 1537 die Profeflur der Ehirurgie und Anas 
tomie zu Padua übertrug. Hier trug er noch dreimal die Anatomie nach Galen 
vor, machte ſich dann aber von den überlieferten Lehren los und fußte fortan 
auf feine eigenen Forſchungen an menfchlichen Leihen. Sieben Jahre lange 
lehrte er abwechfelnd in Padua, Bologna und Pifa in wöchentlichen Kurfen bie 
Anatomie unter großem Zulaufe. 15: foigte V. dem Rufe des Kalfers zur 
Armee nach Geldern, während fein Werk: „De humani corporis fabrica libri VII“ 
in Bafel gedrudt wurde, nachdem 1542 in Bafel „Librorum de corporis humani 
epitome“ erfhlenen war, deſſen Abbildungen von Johann von Kalder, einem 

chüler Titian's, gezeichnet toaren. Beide Schriften. riefen wegen der Neuer⸗ 


— 


Befeatsrin Meer. — - 587 


ungen, die fie enthielten, die hefti Kämpfe hervor. Als die wichtigſten Geg⸗ 
ner erfihienen: Jakob u. Bartholomans Erſtachi 3. 
Zu des lehtern Widerlegung reiste B. eigens nach Stalten, nachdem er vorerft 
no in Regensburg den, an der Gicht erkrankten, Katfer behandelt hatte und 
Fl t mit dem glaͤnzendſten Erfolge Borlefungen und Leichenöffnungen In Padua, 
ologna und alfa, Der Streit war fo L dag Karl V. ſelbſt das ange, 
ſchuldigte Buch der tbeologifchen Fakultät in Salamanca vorlegen ließ, mit der 
Trage, ob «6 katholiſchen Chriſten "erlaubt fel, Leichen zu zergliedern? Die Ants 
wort lautete zu B.s Bunften dahin, daß dieß allerdings nüglich und deswegen 
erlaubt fei. Bon Stallen wandte fi) V. nad - Brüffel, gina aber 1546 
Bafel, um die neue Herausgabe feiner Anatomie (Bafel 1555) zn beforgen 
bielt daſelbſt auch einige Borlefungen. 1556, nach der Abdankung Karl’s V., 
ing B. als Leibarzt Philipp's II nach Spanien. Das Hofleben und die Eifer- 
[et der fpanifchen Aerzte verfehten Ihn aber bald in trübe Stimmung: unter dem 
orwande eines frommen @elübbes verließ er Madrid und 7* nach Serus 
falem. Auf der Ruͤckkehr erlitt er an der Küfte von Zante fibruch, in deſſen 
— er erkrankte und am 15. Oktober 1564 ſtarb. — V. iſt vermöge feiner 
Leitungen in der Anatomie mit Recht der Bater der neuen Anatomie genannt 
worden, aber auch auf das Gedeihen der Heiltunde im Allgemeinen war er von 
dem größten Einfluße, indem fein Beifpiel den, bis dorthin allein geltenben, Aus 
toritäre- Glauben an die Lehren Galen's erfchütterte und an deſſen Stelle die Er- 
gebniffe der fortgefehten Korfchung ſetzte. — Auſſer obengenannten Werfen, vie 
vielfache Ausgaben, erlebten u. einigen polemifchen Schriften fchrieb B.: „Epistola 
rationem modumque propinandi radicis Chinao decocti pertractans,* Bafel 
1546 und mehrere folgende Ausgaben. — ©. Burggräve, „Etudes sus A. V.,“ 
Gent 1841. E. Buchner. 

Befteatorien (von Vesioa, Blafe) nennt man im Allgemeinen Blafen zich- 
ende Mittel, namentlih Pflafter (|. d.), welche ven Zwed haben, Tranfhafte 
Stoffe aus dem Körper auf die Haut zu ziehen. Hauptſaͤchlich werben hie- 
zu Tpanifce Fliegen (f. d.), Senf, Meerrettig, beftig reizende Salben x. 
verwendet. 

—— Titus Flavius, römifcher Kaiſer, geboren im Jahre 9 
na rifius in einem Heinen Landhauſe bei Rieti, aus einer geringen Familie, 
Seine Tapferkeit und Klugheit verfchafften ihm das Eonfulat. dr begleitete den 
Kalfer Rero auf feiner Reife nady Griechenland, fiel furz darauf in Ungnabe u. 
wurde, da die Juden in PBaläftina einen Aufſtand erregt hatten, mit einer Armee 
dahin geſchickt. Er war gegen dieſelben glüdlih, fchlug fie in mehren Treffen 
und nahm Ascalon, Jotapa, Joppe, Gamola und verſchiedene andere Pläge ein. 
Er belagerte hierauf Ierufalem, beendigte aber diefe Eroberung nicht, denn, als 
Bitellius geftorben war, wurde er Im Jahre 69 nach Chriſtus zu Alexandria von 
feiner Armee zum Kaifer auögerufen und übertrug die Fortſetzung des Krieges 
feinem Sohne Titus (ſ. d.). 3. kam 70 wieder nach Rom zurüd, verfchönerte es, 
machte den Senat vollzählig, ftellte die Kriegszucht wieder ber und forgte für bie 
Sicherheit und den Wohlftand des Staated. Er farb 79 n. Ehr., 70 Jahre 
alt, nachdem er 10 Jahre regiert hatte. 

Beiper (Abendzeit, Abendpgebet), wird in der Eatholifchen Kirche vor⸗ 
zug6welfe der Rachmittagsgottesdienft genannt. Rad) der älteſten Ginrichtung 
wurde dad Abendgebet nach dem Sonnenuntergange verrichtet. Im 7. Jahr⸗ 
punberte aber fing man an, die B. vor dem Untergange der Sonne zu halten u. 
m 9. Jahrhunderte war Died fchon allgemein im Gebrauche. Für die V.⸗An⸗ 
dacht (Officium vespertinum) wurden in ber römifchen Kirche fünf Pfalmen, ein 
Kapitel mit den dazu gehörigen Verfen, ein Hymnus, das Magnififat, dann eine 
oder mehre Colleften angeordnet und folche auf eine Rachmittagsftunde, gewöhns 
lid) zwiſchen 3 und 4 Uhr, verlegt. Nur in ver Faftengelt wird die V., mit Aus⸗ 
nahme der Sonntage, am Bormittage ſchon abgebetet. Die Kirdge Tünak Ühtiaee 


. 
. 4 


538 Bespucei — Beftris, 


ihre Feſte vom Borabende an, weswegen am Borabende eines. jeten Feſttages 
an vielen Orten eine mehr oder minder feierliche V. (Bor: B., vesperae prima) 
abgehalten wird. Bei den feierlichen B.n wird in den Pfarrfirchen das Sanctis- 
simum ausgefegt, mehre Kerzen find angezündet und beim Magnififat wird der 
Altar vom Priefter beräuchert; 

Veöpucci, |. —— Vespucel. 

Veſta, der lateiniſche Name der Heftia, ver Tochter des Saturn, einer ber 
vornehmften Göttinnen des griechiſchen und römifchen — welche fchen 
von den Ttojanern hoch verehrt und durch Aenead nach Itallen verpflanzi wurde, 
wofelbft ihr Dienft, duich Numa Pompilluͤs vorzüglich ausgebildet, feinen höchſten 
Glanz erreichte, wiewohl fehon vor Roms Erbauung in Albalonga ein B.-Tempel 
Rand und Veftalinnen derfelben ihr Leben weihten, wie denn Rhea Silvia, Nu: 
mitor’d Tochter, eine Priefterin der B. war, welche, durch Mars Mutter des 
Romulus und Remus, des Gottes Liebe in den Fluthen der Tiber büßen mußte, 
V. hatte zu Rom in der achten Region einen prächtigen Tempel, eine große 
Rotunda — man weiß nicht, ob diefe jegt die Kirche Mariae liberatrieis, St. Ste- 
phani ober Maria della gratia iſt, auch ſcheint es zweifelhaft, ob nicht zwei Tempel 
der B. heilig waren. Sie enthielten feine Bildfäulen; nur eine Erdlugel hing 
aus der Mitte des Domes herab und auf ihrem Altare brannte ein ewiges Feuer, 
von ihren PBriefterinnen, den Beftalinnen (f. d.), immerfort unterhalten. 

eſtalinnen biegen die Priefterinnen der Befta (f. d.). Diefe, Anfangs 
vier, dann fechs, genoffen der hoͤchſten Ehren, der größten Vorrechte; fie waren 
verpflichtet, rein umd —* zu ſeyn, denn nur Jungfrauen durfien ſich dem 
Altare der Feufchen Göttin nahen, welche ſich von Zeus als Grade erbeten, ewig 
Jungfrau bleiben zu bürfen, wie fpäterhin Diana und Minerva. Darum wurden 
zu ihrem Dienfte auch feine Mädchen gelaffen, die älter als 10 Jahre war. Diele 
hatten nun zwar Feine Glaufur, feine körperliche Zucht zu beftehen, allein bei dem 
unbegrängten Vertrauen verlangte man auch, daß fie deſſelben vollfommen würdig 
feten und beftrafte Behltritte auf dad Graufamfte. Jeden Tag hatte eine V. die 
Wache im Tempel und mußte das heilige Feuer unterhalten; erlofch es, fo ward 
fie von dem Pontifex Maximus aufs Härtefte mit Ruihen geftrichen (das Feuer 
ward von der Sonne wiener entzündet); verging fie fich jedod noch gröber, 
ward fie der Unkeuſchheit überwiefen, fo wurde zuerft ihr Verführer todtgepeiticht, 
fie aber und, wenn ihr Vergehen Folgen gehabt hatte, auch ihr Kind in cin 
tiefes untertrdifches Gewölbe verſchloſſen, tn graufamem Mitleid ein Duantum 
Nahrungsmittel ihr gegeben und fie dann eingemauert;z ganz Rom aber hüllte 
fih in tiefe Trauer, denn ſolch ein dall gält nicht für menſchllche Schwäche, 
fondern für ein Zeichen des Zornes der Götter. Die Erſte, weiche fo begraben 
wurde —— Ninuda, 

Veſtris, eine berühmte Tänzerfamilte, die lange Zeit hindurch das Publi⸗ 
tum von Paris entzüdte. — 1) B, Gaetano Apollina Baldafare, geboren 
au Blorenz.1729, kam fchon in frühen Jahren nach Paris und nahm bei Duprs 
Unterricht im Tanze. Die feltenen Talente, die er hiebei etwidelte, waren Ur 
ſache, daß ihm Ludwig XV., auf Dupre'8 Empfehlung, zur Fortſehung des Unter: 
richts aus feiner Privatcaffe 1500 Liores zuficherte. Der Enthuflasmus war aufs 
ferordentlich, als der junge V. zuerſt in der Oper auftrat und er hatte viel An- 
iheil an der Revolution, welche damals Noverre bewirkte, der die Ghoregraphie 
zum Range der fchönen Künfte erhob und den Tanz Acht dramatifh und zur 
rührenden Darftelung jeder Leivenfchaft machte. V. war nicht nur der Abgott 
der Gramfen, fondern der Ruf feiner Talente verbreitete fich durch ganz Europa. 
Die verfchiedenften Höfe wettelferten, ihn zu befigen u. er vollendete in einem 
Grade, daß er der Tinzige in feiner Art ward. Anmuth, Eleganz, Zartgefühl 
und Gefchmad zeichneten ihn vor Allen aus. Die Oper in Patis genop 40 
Pa lange dieſes feltenen Mannes und fein Rüdzug von der Bühne war ber 
Anfang zur Epoche vom Verfalle feiner Kunſt. 1780, nach feiner Rüdkehr von 


Veſub — Veteraniſche Belfenähle. 530 


London, zog er fi von der Bühne zurüd und farb 1808 in feinem 80. Jahre. 
— 2) Sein Sohn, Marie Auguſte V.⸗Allard, geboren zu Paris 1760, 
entzüdte die Schauluf des. Publiftums von 1772 — 1818. Bon da an betrat er 
nur noch einige Male die Bühne: das letzte Mal 1835 bei dem Benefiz der 
Zaglioni u, flarb zu Barls 1842. — 3) Madame® (Marie Rofe Gour—⸗ 
ault), Schwefter des Seufpielere Dugazon, geboren 1776 zu Rochelle, mit 
ngelo ®. verheiratbet, debutirte 1769 auf dem Theätre francais und theilte 
die großen tragiſchen Rollen mit Mademoiſelle Sainval, mit welcher fie ftetd im 
gireile lag. Sie flarb 1804. Noch jetzt iſt eine V. die Ziede der Pariſer und 
ondoner Oper. “ 

Veſnv, ein berühmter, 3680 Fuß hoher, feuerfpelender Berg bei Renpel. 
Derfelbe fleigt von der Ebene aus in Geſtalt einer Fear empor; fein Süß 
iR vortrefflicy angebaut, denn die verwitterte Lava begünftiget die Begetation im 
höchfien Grade und die Weinberge (Lacrimae Christi) und Obſtgaͤrten beveden 
noch eine Strede der zuerft fanft auffteigenden Seitenwände. Die höhere Renfon 
iſt Tabl, ſteil, ſchwarz, mit Geroͤll und aa überzogen, woburdy das Bes 

en ziemlich erſchwert wird. Der Gipfel bildet eine kleine Ebene und bier, 
zwichen Aſchenhaufen und umbergefchleuderten Steinen, öffnen fidy die beiden 
Krater von ungleicher Größe, aus denen faſt ununterbrochen ein dicker, ſchwefeliger 
Rauch hervorbricht. Die furchtbarften Ausbrüche des V.s waren in ven Jahren 
79 (Untergang von Pompeji u. Herfulanum), 203, 472, 512, 685, 993, 10:6, 
1306, 1631, 1730, 1766, 1779 u. 1794. Heftig, jedoch weniger verheerend, waren 
die Gruptionen der Jahre 1822, 1833 und 1834. Bol. Monticelll und Lovelli, 
„Der V. in feiner Wirkſamkeit während der Jahre 1821, -1822. und 1823” 
(deutfch 1824); Which, „Vues illustr. de quelques phönomönes g£eol. prises sur 
le V. et !’Etna, pendant les années 1833 et 1834,“ Puris 1836. 

Beteranen hießen bei den Römern die alten erprobten Soldaten, welche 
lange Zeit gedient, die gehörige Anzahl von Yeldzügen mitgemacht, oder doch 
wenigftens ihr 50. Jahr erreicht hatten, von weldyer Bet an fie nicht mehr zu 
Kriegedienften verpflichtet waren. Entfchloflen fie fih nun freiwillig, noch länger 
zu dienen, fo wurden fie dafür durch eine ganz befondere Achtung von den übs 
tigen Soldaten ausgezeichnet. Daher heißt auch jetzt noch ein V. ein alter, ers 
fübrener Soldat und man trägt diefen Ausdruck auch auf Wiffenfchaften und 
Künfte über, wo Einer durch Alter und Erfahrung gleichſam berechtigt ift, feine 
Meinung vor allen Anderen zu fagen. | 

Beterani, Friedrich, Graf vom, k. k. öfterreichiicher Feldmarſchall, von 
Geburt ein Italiener, diente von Jugend auf Defterreihh im Kriege und erwarb 
ſich vornämlich in Ungarn gegen vie Türfen großen Ruhm. Er trug in dem 
Gefechte bei der Brüdenfchanze Vieles dazu bei (den 15. Juli 1683), daß bie 
Stadt Wien nicht im erften Anlaufe weagenommen wurbe; er ſchlug 1684 den 
Grafen Töleli bei Eperies u. eroberte Stratfo ; 1684 fließ er bei Szegedin auf die Türken 
und Tataren und (Tue den Großvezier in die Kluft, nöthigte 1683 Kronſtadt 
zur Uebergabe, eroberte 1689 Widdin und führte 1690, in Abweſenheit des Marks 
grafen Ludwig von Baden ; das Commando über die ganze kaiſerliche Armee, wor⸗ 
auf er na tebenbürgen marfchirte und dort bie * bejehte. Er verlor fein 
Leben in-einem Treffen gegen die Türken bei sugeie den 11. September 1695. 
Wegen feiner großen Talente und feines biedern Charakters war er fehr geachtet. 

Be enilae Belfenhöple, im walachiſch⸗ illyriſchen Regimentsbezirfe der 
banatifchen Diilitärgränge, 54 Stunden von Alt» Drfowa, 50 Klafter von 
der Donau entfernt, im Berge Tamantijches, ift 16 Klafter 3 Fuß lang, 12 
Klafter breit und 10 Klafter hoch. Der Eingang iſt mit Gefträuchen bededt und 
bat 2—3 Fuß in der Weite. Zu oberfi am Berge iſt eine ungefähr 8 Fuß 
weite Deffnung, durch welche einiges Licht in bie fonft dunkele Höhle hineinfaͤlli. 
Die Höhle kann 700 Menfchen faſſen. Sie Bat Ihren Namen von dem Grafen 
Beterant cf. d.), ver fie 1693 mit 300 Mann beſehen Ted, wie Ad way dont 


540 Beterinärfunde — Vevay. 


verzweifelten Gegenwehr den Türken ergeben mußten, Gleiche Tapferkeit bewies 
bier, mit gleichem Erfolge, 1788 der öfterreichifche Major von Stein, ber am 
31. ugut durch Eapitulation I Abzug mit I Mannfchaft erhielt. — 
Der Eingang der Höhle kann mit einer eifernen Thüre gefverrt werben u. wird 
durch mi te Werhhanjanget vertheidigt. Eine Heine Nebenhöhle, welche durı 
eine Scheivewand — iſt, dient zum Pulvermagazin. Es beſtehen no 
einige andere Unterabiheilungen für Offiztere und für den Provlant; auch iſt eine 
Gifterne, ein Badofen und cin Feuerherd vorhanden. Die Wichtigkeit der 
‚Höhle beruht auf dem Umſtande, daß das line Ufer der Donau in biefer Gegend, 
wo der Strom zwifchen ftellen Ufern fließt und bis auf 80 after eingeengt if, 
- nachbem er —5 eine Breite von 600 Klaftern erreicht hatte, das ehe [0 be⸗ 
berrfcht, daß Niemand die Durchfahrt wagen darf, der nicht Meifter diefer Höhle 
iſt. — Hochſt wahrſcheinlich ift es, daß dieſe Höhle fchon von iur und 
deutſchen Soldaten benügt worden; mehre Spuren römifchen Aufenthaltes findet 
man noch heut zu Tage. 
Veterinärkunde, f. Thierheilkunde, 
Veto (ich verbiete), war der Ausſpruch eines römiſchen Volfstribunen 
im Senate, wenn er einen Beſchluß nicht anerfannte. Davon {ft der Begriff u. 
Name in das neue Staatöleken übergegangen, fo, daß man jeht unter 8. das 
Berweigerungs + oder Berbietungsrecht überhaupt verfteht, wozu verfaffungsmäßig 
Jemand berechtigt If, Man unterfcheivet ein abfolutes und jufpendiren- 
des V.; mit dem erflern zeigt man an, > Jemand die Gewalt gen fen werde, 
eine Sache unbedingt zu verwerfen; da er hingegen blos Aufſchub ten fann, 
wenn ihm ein fufpenbirendes V. zugeftanden wird. Als ſich Cromwell zum Pro- 
teftor in England emporgefhwungen hatte, behielt er fich gleichfalls in Rüdficht 
der Parlamentsbefchlüffe cin dreimonailiches B. vor. Die franzöfifche National: 
verfammlung lleß 1789 dem Könige Ludwig XV. zwar das B., aber nur mit 
Sufpenfiveffeft, d. b., wenn drei Berathungen der Verfammlung den gefaßten 
Beſchluß rang hätten, fo ſollte der König den Beſchluß auf jeden Fall be- 
flätigen, oder fein V. follte aldann feine Kraft verlieren. Aber der erfte Verfuch 
des Monarchen, ſolches auszuüben, brachte ihn ind Verderben. Aehnliche Ideen 
über das B. enthielt die fpanifche Gonftitution und enthält no feht die nor 
wenlfche. In Polen konnte feit 1652 jeder einzelne Landbote die Befchlüffe des 
Reichstages hemmen. 
Devay, deutſch Vivid, eine fehr alte u. nach der Haupiſtadt Lauſanne 
. d.) die größte Stadt im Schweizer» Kanton Waadt, dicht am Genferfce, an 
der Süpfelte des Jura und am öftlichen Ufer der wilden Bevatfe, über welche 
eine Brüde führt, if vom ihrer herrlichen Lage ein Siebtingsanfenthalt der 
Fremden, beſonders der glaͤnder. ter befindet man ſich in einem milden 
Klima, umgeben von dem prachtvollen Wechſel fchöner und wilder Natur. Auf 
dem Jura liegen milde Alpenweiden, am Abhange deſſelben Weinberge, hübfche 
Dörfer, gandhäufer und Schloͤſſer. Dem einlavenden Eee gegenüber erheben 
fi die grauen Felfen von Meilierie, in der Herne die hohen Berge Savohens, 
in deren Mitte der Montblanc (bier aber nicht fihtbar) Iegt, — Die Stadt 
bildet ein Dreieck, ver Länge nach vom See befpült. Ele hat einen großen 
& tplag, viele artige Wohnhäufer u. ziemlich breite, reinlich gehaltene Straßen. 
erl würdig find: die Saupttirche St. Martin, vor der Stadt, mit einer fchönen 
Terraffe und fehr alter Vorderfeite. In derfelben befinden ſich die Grabmäler 
der, wegen Karl's I. Hinrichtung verbannten, Engländer Eomund Ludlow und 
Andreas Broughtonz die Kirche St. Klara; das Rathhaus, Spital, Kornhaus; 
das Schloß, in welchem ehemals der Berniſche Landvogt wohnte. B. bat 5000 
Einwohner, ein Collegium, wo Rhetorik, alte Sprachen, Mathematik, Geographie 
und Geſchichte gelehrt werden; eine Seftion der Nacheiferungs— —* von 
Lauſanne; eine Mrmenfchule, ein Hoſpital, eine Erfparn! of, — Privatinſti⸗ 
tute und Sammlungen. — Die Einwohner treiben vorzüglich mit Landeserzeug ⸗ 


Vezier — Bicasind, PM 


niffen, Wein, Käfe und Leber einen nicht unwichtigen Ganbe 5 zudem beleben den 
Drt die Büterfendung und mehre Jahrmärkte. — Die Umgegend bietet Spazier- 
änge und Ausſichten in der mannigfaltigfien Abwechfelung bar. ee 
ER it in der Nähe die Ausficht vom Thurme der Hauptlicche, bein Schloſſe 
und beim Lanphaufe le Chemin. Der befuchtefle Spaziergang iſt der am Sees 
ein derriöre !’Aile genannt. Weitere ui e macht man zu den Schloͤſſern: 
5 elard, Hauteville, Blonay, nad den D efern Montreur, Cherbres, auf den 
ta u. ſ. w. 

Bezier oder Weſir iR ein: Ehrentitel für alle vornehmen türkifchen Staats⸗ 
beamten mit 3 Roßſchweifen, alfo der erfien Baflen. Auſſer diefen fiten im 
Divan (GStaaterath) zu Konftantinopel noch 6 B.e: rechtölundige und durch 
frühere Prooinzialverwaltung mit der Wominifiration befannte Männer, deren Abs 
—— inbeffen nicht entſcheidend If, denn fie geben dieſe nur, wenn file ber 
Groß⸗V. bifrägt. Ihr Gehalt iR mäßig, aber ihr Tur gleicht jenem des 
Groß-B.8 und fie unterfchreiben den Namen des Großſultans umter die in Pros 
— abgehende Fermane. Der Groß⸗V. dagegen iſt der Vorſtand des Staats⸗ 
rat „ leitet die Berathung des Divan und entfcheldet als Stellvertreter des 


8 allein, | | 

Biatienm bieß bei den Römern theils dasjenige, was man abreifenden 
Freunden mit auf den Weg gab CBrod, Wein u. f. w.), [6 das, was ben 
in die Provinzen abgehenden Stattbaltern aus dem öffentlichen sur Bes 
fireltung ihrer Reife gereicht wurde, theils auch das Geld, das der Soldat im 
Kriege verdient oder erfpart hatte. — In der Fatholifchen Kirche bezelchnet B. 
oder Wegzehrung das, einem Sterbenden vor feinem Abſcheiden gereichte, hei⸗ 
lige Saframent des Altare. — Im gemeinen Leben iR es überhaupt ſoviel als 
Keifes oder See 

Bibration, ſ. Huingung 

Vibrationsſyſtem heißt die Theorie ober Lehrart, nad welder gewiſſe 
Erſcheinungen in der Natur durch Vibrationen oder Schwingungen erklaͤrt werden. 
Das V. — — dem Emanationsſyſtem entgegen. Bon mehren Bhänomenen, z. P. 
dem Schale, ift es ausgemacht, daß er fidh durch Schwingungen in der Luft 
fortp anat ; vom Lichte aber fehr unwahrfcheinlih. Vergl. den Artikel Schall 
un t. 


Vicarins, überhaupt fo viel als Stellvertretter eines Beamteten, ſowohl 
eines weltlichen, al® geiſtlichen; daher 1) Reichs⸗V. (ſ. d.); 2) Vicarii an den 
Doms und Stiftsfirdhen, wurden angeflelt, ald man nach der Auflöfun 
des gemeinfchaftlichen Lebens Feine Regular » Ehorherren mehr in bie Stifte aufs 
nehmen wollte. Eine Beranlaffung hiezu war gegeben, als der Beflg mehrer 
Präbenden an verfchienenen Kirchen zugelafien wurde. Da die doppelt Präben- 
dirten ihre Döllegen eiten an den verſchiedenen Kirchen nicht erfüllen konnten, fo 
ftellte man Subflituten für den Ehor und andere kirchliche Funktionen auf, denen 
(dr Unterhalt aus den betreffenden Präbenpals Einkünften angewieſen wurde. 

dlich entflanden auch die ehemaligen Stifte ,B.e mittelft befonderer Stiftungen, 
oder ed wurde ihnen ihr Suftentation aus den Stiftseinkünften angewiefen. — 
Diefeiben hatten ehemals nach den befonveren Stiftungszweden die Obliegenheit, 
im Chore und bei gewifien Eirchlichen Berrichtungen, wiewohl der Beflimmung 
des Kirchenratho von Trient entgegen, die Kanoniker zu vertreten. Die Vikare ver 
neuen Stift in Preußen, Bayern, Hannover, in der oberrheinifdhen Kirchenpros 
vinz, wie in den neuorganifirten Bisıhüämern in der Schweiz ıc., find aus ber 
nämlichen Stipulation, wie bie übrigen Mitglieder, hervorgegangen, ohne ba 
leßteren befondere Anfprüche guf die Dienflleiftungen ver erfteren gugeflanden, no 
daß die Vikare im Chor⸗ oder Kirchenvienfte ald Stellvertreter von jenen bes 
ſtimmt find; vielmehr find nach den neueflen Concordaten und päpftlichen Bullen 
alle ee Mitglieder gleichmäßig zur Pflege des Cultus in den Kathedbral⸗ 
Kir verpflichtet, mit Ausnahme deſſen, was in eininen len fir ums 








544 Bictor, 


Rechte, warb Lehrer des Neffen des Bifchofs von Iſchia, dann Profeffor ber 
te zu Neapel, zuletzt Hiftoriograph Karls III, verfiel in Blödfinn und 
1744, Gr fchrieb: „De anliquissima Italorum sapientia,‘“ Neapel 17105 italis 
enifch von Monti, Mailand 1826; „De uno universi juris prineipio et fine 
uno,“ Neapel 1720; „De constanlia jurisprudentis,* ebendafelbft 17215: „Prin- 
eipi_ della scienza nuova d’intorno alle eommune nature delle nazioni,*“ ebend. 

1725 —44, 7. Aufl, von Galotti, 1817, deutſch von Weber, Leipzig 1822. 
Bieter, vrei rin kihe Bänke Dlefed -Ramens. DR. Heil, 
or, drei römische Bäpfte dieſe amens, . hr ger 
. und Martyrer, von Geburt ein Afrikaner, wurde den 1. Juni 193 ** 
Eleutherlus auf den heiligen Stuhl erhoben. Diefer Bapft hatte viele Streitig⸗ 
keiten mit den aflatifchen Gemeinden wegen der Dfterfeler, indem er verlangte, 
daß fie dieſes Feſt mit der abenpländifchen Kirche gleich feiern follten, ohne dars 
um den Streit zu beendigen, welches erft auf der Kirchenverfammlung zu Nicha 
geſchah. Befonders Fräftig widerſehte fich Papft B. den Irrlehrern u. namentlich 
dem Gerbert Theodot (f. d.), der bei der Kirchenverfammlung vom Glauben 
abgefallen war und, um dieſen feinen Abfall In beſchoͤnigen, die gottlofe Lehre 
verbreitete: „Jefus Chriſtus ſei nicht mehr, als ein bloßer Mena jet zwar 
durch den heiligen Geift von der Jungfrau. geboren, aber nur durd feine voll- 
endete Gerechtigkeit von der übrigen Menfchheit unterfcieden. Zu Rom, wohin 
er gefommen war, fand er Anhänger. Der Papft ſprach daher über ihn und 
über mehte Keper den Bannfiuch aus; allein feine Anhänger, bie Theodo— 
tianer, kn fi nicht daran, fondern fuhren fort, den einmal angenommenen 
Irrthum feſtzuhaiten und behaupteten: fl’ wären die ächten Ehriften und ftamm- 
ten von ben Apofteln; die Anderen aber wären vom Papfte Sephprin der 
Jeſus Kg um Gott erhoben, in Itrthum geführt worden, ®. ftarb, nach⸗ 
dem er die Kirche 9 Jahre verwaltet, unter Raller Severus, den 28. Juli 203 
den Mariyrertod, an welchen sag auch die Kirche fein Andenken begeht. — 
2%) ®. Il, von Geburt ein Schwabe, Sohn des Grafen Harbuln von Kalw, 
war Biſchof von Eichftädt, als der Cardinalſubdialon Hildebrand nach dem Tode 
Leo's IX. von den Römern erfucht wurde, den Kaiſer um einen, für den päpfts 
lichen Stuhl tauglichen, Mann zu bitten, da man In der römifchen Kirche Feinen 
‚zu finden wüßte. In einer Berfammlung zu Mainz, im Jahre 1055 fiel die 
Wahl auf Gebhard oder Gerhard, Biichof von Eichſtädt, einen Berwands 
ten des Kalfers. Der Kaiſer entließ ungern einen ihm fo werthen u. nüßlichen 
Rath; aber auch Gebehard folgte feinem Vorgänger ungern in der Würde nach, 
wurde aber zu Rom mit ungemeiner Freude Empfangen. V. IL. wollte feinem 
heiligen Vorgänger im heiligen Eifer nicht nachſtehen und machte es fidy zur 
größten Angelegenheit, unermüdet gegen die heriſchenden Lufter, ſowie gegen bie 
neuen Jrrthümer zu fämpfen. — Sa Gardinal Hildebrand fchidte er befon- 
ders deöwegen nad) Frankreich, um ſowohl gegen die damals überhand genom« 
mene Simonie und das eingerifiene Eittenverderbniß der Geiftlichfeit, als auch 
egen die Ketzerel Berengar's mit Kraft zu handeln. Dem Papfte B. V. 30 
Ei Eifer für die Kirchenzucht Feinde zu, die ihn bei ver —8 Meſſe mi 
Gift im Kelche vergeben wollten. Wenn ihm zu Rom etwas Unangenehmes 
begegnete, pflegte er zu fagen: „Was Saulus gethan, muß Paulus ſich gefallen 
lafien.“ („Quod fecit Saulus, Paulum pali necesse est.“) Den Kaifer Hein 
rich, der ihm nach Deutfchland hatte berufen lafien, traf er micht mehr beim 
Leben an. Er gab ſich nun Mühe, die Mißhelligleiten zwilchen der Kaiſerin u. 
einigen Großen des Reiches beigulegen u. dem jungen, exft fiebenjährigen Bringen 
feine Rechte zu fihern. Auf feiner Rüdreife nah Nom ftarb er in Toskana, 
den 28, Juli 1057 nad 24jähriger Regierung und hinterließ den Ruhm der 
Frömmigkeit und Gottfeligfeit. — 3) V. Ill., aus Benevent gebürtig und_ein 
Abfimmling des Stammes der Herzöge von Eapua, hieß wor feiner Wahl De 
fperius und war Abt zu Monte Gaffino, als er den 24, Mai 1086 als Rach⸗ 


Bictor. . 545 


folger Gregor's VII. auf den päpftlichen Stuhl erwählt wurde. DB. war der 
Erſte von den drei Männern, welche Gregor VIL. vor feinem Tode der päpftlichen 
Würde für würdig erklärt hatte Gr war der yäpftlichen Würde um fo wuͤrd⸗ 
iger, jemehr er fidy weigerte, biefelbe anzunehmen; denn, obſchon man mit allem 
rnſte in ihn gebrungen hatte, die Regierung der katholiſchen Kirche zu über: 
nehmen, fo blieb er doch unbeweglich. Es verging ein ganzes Jahr, bis man 
zur Wahl eines neuen Papſtes ſchriit. Man berief den Abt Defiverius neuer; 
dings nach Rom, um der durch den Afterpapfi Guibert, der fih Clemens IH. 
nannte, bebrängten Kirche wenigftend mit feinem Rathe beizufichen. Er kam 
zwar; als man ihn abes wieder erfuchte, die päpflliche Würde anzunehmen, konnte 
dad Bemühen bis in die Nacht hinein ihn nicht zu der Bewilligung bewegen ; 
am folgenden Tage, dem ‘Pfingffefle, wiederholte man die nämliche Bitte; aber 
eben fo fruchtlos; endlich ergriff man ihn und brachte ihn in die Kirche der heil: 
igen Lucia und erwählte ihn förmlich zum Papſte u. er u nun V. III.;z aber 
nach wenigen Tagen mußte er Rom verlafien, da die Anhänger des Kaiſers 
Heinrich IV. die Oberhand hatten und den Gegenpapſt Guibert unterftügten. 
B. II. legte nun zu Terracina das Kreuz, den Talar und alle päpftliche Ehren⸗ 
zeichen nieder und begab fidy wieder in fein Klofter, wo er ein Jahr verweilte, 
ohne Jemanden vor ſich zu laflen. Er willigte nun doch endlich darein, daß er zu 
Rom tn der PBetersfirche, woraus man den Afterpapſt Buibert vertrieben hatte, 
feierlich eingeweiht wurde. Ob er ſchon fi nur wenige Tage in Rom aufs 
bieft uud wieder nach Caſſino zurüdfehrte, fo waren ihm doch die vingeltgen- 
beiten der Kirche feine Hauptforge. Gegen die Sarazenen, welche das päpftliche 
Gebiet bebroheten, fammelte er eine Armee beinahe aus allen Völkern Italiens, 
ab ihnen die Fahne des heiligen Petrus, nebſt ver mericherung, die Radhlaf- 
ung ihrer Sünden zu erhalten und ließ fie unerfchroden gegen Afrifa aufbrecdyen. 
Die Sarazenen wurden gefchlagen u. erlitten einen ftarfen Verluſt. Da B. II. 
zu Rom feinen ruhigen Befig nehmen konnte, fo berief er ein Concilium nach 
Benevent, auf welchem er den Afterpapft Guibert in den Kirchenbann that un 
ihn feines Erzbisthumes entfeute; auch den Erzbifhof Hugo von Lyon, welcher 
Unruhen geftiftet hatte, um Papſt zu werden, fchloß er aus der Gemeinſchaft 
der Kirche aus und erneuerte die Dekrete Gregor VIL gegen die Laien » Invefti- 
tur. Noch ehe das Concilium beendigt werden Eonnte, erfranfte der Bapft; er 
ließ fih daher wieder nach Eaffino bringen, fein Grab zubereiten und 3 Tage 
Krater — 16. Sept. 1087 — ftarb er, nachdem er die Kirche 14 Jahr re- 
giert Hatte. 

Bictor, der Heilige, von Arcis fur Aube, in der Champagne, hatte 
an dem heil. Bernhard einen großen Lobredner und auf Bitten des Abtes Guy, 
von Montier-Ramey, verfaßte jener zwei Reden und eine dreireimige Hymne zu 
Ehren des heiligen B., deffen Leib 837 nach genannter Abtei gebracht wurde. 
Aus diefen Lobreden erfehen wir, daß Gott fchon vor der Geburt durch ein merk⸗ 
würdiges Wunder die künftige Größe feined Dieners verkündet hatte und die 
Gnade ſchon in feiner Jugend fih wirkfam zeigte. Als Knabe zeichnete er fidy 
ſchon durch Liebe zum Gebete, Wachſamkeit und »Uebung chriftlicher Tugenden 
aus, unter welchen Wohlthätigkeit den erfien Rang einnahm und zog das Stu- 
dium der heiligen Schrift allen anderen Bei eftigungen vor. e allgemeine 
Zuftimmung und Verehrung trug dazu bei, daß der B of ihn vor dem kanon⸗ 
iſchen Alter durch Auflegung der Hände weihte, zum Diafon und dann zum 
Priefter ordinirte. Weil er — aber mehr von der Lieblichkeit ſtiller Betracht⸗ 
ungen, als von der äußern Thätigkeit des Prieſteramtes angezogen fühlte, baute 
er fih eine Einflevelei, wo er ſich ungeflört mit Gott unterhalten und deſſen 
Barmherzigkeit für fi) und feine Mitmenfchen anfleben konnte, verfagte übrigens 
feinem der zu ihm Kommenden Rath u. mildreiche That. Der Herr begnadigte 
ihn mit wunderwirfender Kraft des Gebetes, wodurdy er oft bei feinen Werfen 
liebender Barmherzigkeit unterſtuͤzt ward, Er farb zu ed 5, irrt. 

Realmepclopädie. X. W 


546 Bietor. 


Sahrhunderts in Saturniacum, das jehzt nach ihm St. Victot benannt iſt. Man 
baute über —— Grabe eine. Kirche, in der er bis zur Verſehung feiner Ge— 
— — die erwähnte Benediktiner-Abtel Montier-Ramey ruht. Jahrestag 
26. Februar. 

Victor, Claude Berrin, Herzog von Belluno, geboren 1766 zu la 
Marche in Lothringen, trat fchon im 15. Jahre in die franzöfifche Artillerie u, 
zeichnete fich 1793 vor Zoulon fo aus, daß er Bridgadegeneral wurde, Bis 
1795. diente er gegen Spanien und wurde dann zur Armee von Jtalten verfegt. 
Zum Divifionsgeneral ernannt, fiegte er 1797 über die päpftlichen Truppen am 
Sento, eroberte Ancona und zwang dadurch den Papſt zum Frieden von Tolen- 
tino. Bon 1797 — 1799 befehligte B. in der Bender, aber nach Wiederaue⸗ 
bruch der Beindfeligfeiten Eehrte er nach, Italien zurüd, focht mit feiner Diviſion 
bei St, Lucie, Billafranca, Alerandrien, an der Trebia und bei Novi und be 
fehligte bet Marengo das erfte Corps. Kach dem Frieden von Amiens wurde 
B. Panzöfither Gefandter in Kopenhagen und blieb dort bis zum Anfange des 
Krieges mit Preußen, follte Ende 1806 ven Oberbefehl über das —2 
polntfche und deuiſche Armeecorps übernehmen, wurde aber am 12. Januar 1807 
von Child Freicorps bei Stargard gruen bald darauf aber wieder gegen den 
General Bücher ausgewechfelt, jet Friedland. befehligte B. ein Armeecorps 
auf dem rechten franzoͤſiſchen Flügel, mit dem er die ruffiiche Garde warf, Fried⸗ 
Iand eroberte und fo entichieden zum Stege beitrug, daß Ihn der Kaiſer Napoleon 
auf dem Schlachtſelde zum Marſchall ernannte und ihm nad dem Waffenftill- 
ſtande das Gouvernement von. Berlin übertrug, das er 15 Monate verwaltete. 
Gegen Ende 1808 übernahm er dad Commando des I. Corps in Spanien, ſiegte 
4808 bei Eöpinofa und in der Somoflerra, erftürmte am 3. Dezember d. 3. das 
Schloß Buen Reliro bei Madrid und fchlug am 19. März 1809 den fpanifchen 
General Euefta bei Medellin. Epäter verlor er die Schlacht bei Talavera u. leitete 
hierauf die Belagerung von Cadix, bis er 4812 nad Rufland berufen wurde. 
Beim Beginne des Feldjuges war er wieder Gouverneur von Berlin, dann folgte 
er dem Heere bi8 Smolenok und vereinigte ſich fpäter mit dem 2. und 6. Corps 
(Dudinot und Et. Eyr) gegen Wittgenftein und deckte an der Berefina den Lieber 

ang mit 2 Divifionen und 1 Reiterbrigade. 1813 commandirte er das 2. 

orps und focht bei Dresden, eig und Hanau. 1814 verfäumte er die Ber 
fegung von Montereau, weshalb ihm Napoleon das Commando feines Corps 
nahm und dem General Gerard übertrug, aber, gerührt durch V.s Verlangen, 
als Grenadier unter die Garde treten zu wollen, übertrug er ihm bald darauf 
den Oberbefehl über 2 Divifionen der jungen Garde. Nach der erſten Reſtau⸗ 
ration wurde B. Gouverneur der 2, Militärdivifon und folgte im April 1815 
Ludwig XVII. nach Gent, worauf ur der König nad) feiner NRüdkehr zum 
Majorgeneral der Garde, Pair des Reiches und Chef der Commiffion ernannte, 
welche über das Betragın der Offiziere während der 100 Tage zu richten hatte. 
Im Dezember 1821 wurde er Kriegäminifter und im März 1823 Majorgeneral 
der Pyrenäenarmee, bei weldyer er aber blos wenige Tage blieb, dann im April 
nad Paris zurüdkehrte und das Kriegäminifterium wieder übernahm. B. wurde 
nad) der franzöfifchen Intervention in Spanien mit in die Ouvrard'ſchen Händel 
verwidelt, am 28. Dftober 1823 zum Staatöminifter und Mitglied des geheimen 
Raths ernannt und fo von den Gefchäften entfernt. Kurz darauf wurde er Ger 
fenbier in Wien, was er bis zum Tode Ludwigs XVIU. blieb. Bon Wien 
iehrte er nach Paris zurüd, Er war durchaus Royalift und flarb 1841. 

Bieter Emmanuel I, König von Sardinien, zweiter Sohn des 
Könige V. Amadeus UL, geboren 1759, vor feiner Thronbefteigung Semeg von 
Aoſta, war ein großer Gegner der franzöfifchen Revolution, befeigte die 2 
pen gegen Frankreich und, da er ven Friedensſchluß mit Frankreich (1796) nicht 
verhindern fonnte, z0g er ſich in das fühliche Ztalien zurüd. Als König Karl 
Emanuel IV., erfigeborener Sohn des Könige V. Amadeus IL, 1802 die Kr 


— 


Bictoria— Vietorins. 547 


gierung niederlegte, übernahm folche deflen Bruder, der Herzog von Kofta, ale 
önig ®. Emanuel I Seine Beſthungen waren damald nur auf Sardinien 
beſchraͤnkt und blieben e& auch bis zum Pariſer Frieden 1814, in weldyem er 
Nizza und einen Theil von Savoyen erhielt; der zweite Parljer Friebe 1815 gab 
ihm den noch übrigen Theil von Savoyen und durch den Wiener Eongreß erhielt 
er Genua. König V. fuchte nım die alten Berhältniffe in feinen Staaten wieder 
berzuftellen ; da jedoch hieraus Mißvergnuͤgen und Unruhen entflanven, legte er 
den 13. März 1821 zu Bunften feines Bruders, Karl Felix, die Regierumg nieber. 
Er lebte in der Folge zu Turin und farb den 10. Januar 1824 zu Montcaliert. 

Bickoria, bei den Griechen Nike, Tochter des Ballas und der Styr, 
fommt zumeift ald Atribut des Zeus, des Mars und der Minerva vor u. wird 
als geflügelte Jungfrau, mit einem Palmzweige oder einem Lorbeerkranze vorges 
ſtellt, ſteht haufig, wie Fortuna, auf einer Kugel und trägt eine Lanze, oder hat 
zu ihren Füßen einen Helm oder fonft eine Trophäe. DB. ift eine feie Genoſſin 
der Bölter und Begleiterin des Zeus, weil fie, obgleich eine Titanide, doch dem 
letztern im Kriege gegen die Titanen beiftand, 

Bictoria L, Alerandrine, Königin von Gnglanb, Tochter des Her⸗ 
inge von Kent u. der verwittweten Fürkin Louiſe Bictoria von Leiningen, 
geborenen PBrinzeffin von Sachſen⸗Koburg, wurbe geboren den 24. Mat 1819 u. 
erhielt von ihrer Mutter eine, ihrem Fünftigen hoben Berufe in allen Theilen 
entfprechende Erziehung; namentlich erwarb fie ſich gediegene Kenntniſſe in ber 
Muſik und Botanik. Kin Uebel am Fuße, das fie in ihren Kinderjahren befiel, 
wurde fpäter glüdlich geheilt. Am 20. Januar 1837 folgte fie ihrem kinder⸗ 
lofen Oheime, dem Könige Wilhelm IV., auf dem Throne u. am 28. Juni 1838 
wurde ihre Krönung mit ungeheuerer Pracht gefelert. Im Januar 1840 vermählte 
fie fih mit dem Prinzen Albert von Sachten» Koburg Gotha ‚, aus welcher glüd- 
lichen Ehe 6 Kinder enifprofien find, unter diefen der Kronpinz Albert Eduard, 
Heinz von Wales, geboren den 9. November 1841. Im September 1843 flattete 
bie Königin dem Konige der Franzoſen, Ludwig Philipp, einen Beſuch auf dem 
Schioffe Eu ab, der von dem franzöflfchen Monarchen erwiebert wurde. Ebenſo 
traf fie im Auguft 1845 mit dem Könige von Preußen auf dem Schloffe Stolzen⸗ 
feld am Rheine zufammen und begab ſich hierauf abermals nach Frankreich. 
Ueber ihre Regierung f. d. Art. Großbritannien; als Privatperfon gebührt 
ihr der Ruhm einer edlen Frau, Gattin und Mutter. 

Vietorinus, Fabius Marius, ein römifcher Rhetor, aus Afrika gebürtig, 
lehrte in der Mitte des A. Jahrhunderts unter Katfer Konftantius, mit großem 
Anfehen zu Rom, erklärte fi) nach langem Befinnen und Widerſtande frei und 
feterlich für die chriftliche Religion und farb nad 362. Es find von ihm 
einipe tbetorifche Abhandlungen, geiftliche Befänge u. theologifche Streitfchriften 
übrig und in der Dunkelheit der letzteren find mandye feltiame Gedanken ver⸗ 
ſteckt. Auſſer einigen kleineren grammatifchen und metrifchen Abhandlungen, bie 
Andere jedoch einem von ihm verſchiedenen Grammatiker, Maximus Victorinus, 
zufchreiben, verfaßte er einen „Commentarius sive expositio in Ciceronis libros 
de inventione,“ der theils beſonders (Matland 1474 u. Paris 1527, 4.), theile 
in ven Sammlungen der „Antiqui rhetores lat.“ von Pithöus (Paris 1599, 4.) 
und Gapperonner (Straßb. 1756, A.) erfchlen und einige Schriften tbeologifchen 
Inhalts, die zum Theile Mai in der „Soriptorum veierum nova collectio“ 
(Bd. 3) befannt gemacht hat. 

Bictorind, Peter, eigentlih Bettori, war geboren zu Florenz 1499, 
fiubirte zu Pile Philoſophie und alte Literatur, au Rom die Alterthuͤmer, machte 
einige Reifen in fremden Länder, lehrte die griechiiche und lateiniſche Sprache zu 
Slorenz, wurde vom Großherzog in verfchtedenen Gefandtfchaften gebraudyt und 
ftarb in großem Anfehen 1585. Er war ein Humanif von ausgebreiteter Bes 
lef —5 Scharffinne u. reichem Geſchmacke, vielfach um die alte Literatur 
verd uch Anmerkungen zum Gicero, Cato, Varro, Golueelia, Artraiuh, 


u 


548 BSiemma — Bidoee. 


Iateinifche Weberfehungen des Euripides, Sophokles ıc. Beſonders find feine ver⸗ 
mifchten Anmerkungen zu den Claſſikern eines ver fhähbarften philologiſchen 
Obfervationdbücher, vornämlidy wegen der Erläuterungsmethobe durch Parallel: 
ftellen u. wegen Auffuchens der Quellen, woraus die Borftellungen gefloffen And; 
„Variarum lectionum“ lib. 25., $lorenz 1553 (2yon 1554); lib. 26—38., ebend 
1569, 4.; lib. 38., ebenv. 1582; (Straßb. 1609, 8.); fehr Intereflante Briefe: 
„Epistolar. lib.,“ Florenz 1586; „Orationes,* Roftod 1586; „Opera,“ Blorenz 
1573. Ein bandfchriftlicher Nachlaß von ihm befindet fi) auf der Bibliothef 
zu München. Nach feinem Tode machte Bandini von ihm die „Clarorum Ital- 
orum et Germanorum ad V. epistolae,“ Florenz 1758, 4., befannt. Sein Leben 
befchrieben Benivtent in „Vita di Petr. V.,“ Florenz 1583, 4. und Bandini in 

feinem „Victorius,“ $lorenz 1759, 4. 

Vicunna (camelus pacos L.), da8 Schaaffameel, ein vierfüßiges Thier 
mit gefpaltenen Klauen, welche® Aehnlichkeit mit dem Kameele, nody mehr aber 
mit der Kameelztege (Rama, ſ. d.) bat, jedoch weit Heiner u., wie dieſes letztere, 
blos dem fünlichen Amerika eigenthuͤmlich if. Diefe Thiere halten ſich in den 
dortigen Gebirgen auf, find Gebr fhüchtern, laſſen fi) aber doch leicht fangen. 
Ste find hauptfächlich wegen ihrer feinen, feivenartigen Wolle geſchätzt, welche 
4—3 Zoll lang, rahtraun, blaßroth oder auch gelblich iſt und zu ſehr feinen 
Tüchern verwendet wird. 

Vida, Marcus Hieronymus, ein berühmter lateiniſcher Dichter, ges 
boren zu Cremona 1470, aus einer armen abeligen Familie, fubirte zu Mantua, 
Padua und Bologna Humantora und Theologie. Leo X. legte den Grund zu 
feinem Glüde im geiftlichen Etande und Clemens VII. beförderte ihn zum Bis⸗ 
thume von Alba im Montferratifchen, wo er den 27. September 1566 in feinem 
96. Jahre ſtarb. Unter den neueren Tateinifchen Dichtern, vornämlidy aber unter 
den neueren Rachahmern Virgils, zeichnete er fidy am voriheilhafteften aus. Bor: 
züglichen Werth haben feine 3 Lehrgedichte über die Dichtkunft, den Seidenbau 
und vom Schadjipiele. In dem erften („De arte poötica,* 3 Bde., herausge⸗ 
geben von Ch. U. Klotz, Altend. 1766) hat er fich über alle Arten der Poeſte 
ausgebreitet, verweilt aber am längften bei der Epopde. Mehr Verdienſt no 
hat das zweite („De bombyce lib.,“ mit dem vorigen Rom 1527. Engliſch von 
Sam. Pullien 1753) wegen der vielen glüdfichen Wendungen und der völlig 
BVirgilifchen Darftelungsart. Auch das Lehrgevicht vom Schachipiel („De ludo 
scacchorum lib.,“ mit dem vorigen Rom 1527, vorher mit einem Commentar 
von 2. Wiel, Straßb. 1504, deutſch Dagbeburg 1772, 8. in Reimen) bat um 
deſto größern Werth, je mannigfaltiner die Schwierigkeiten waren, einen den 
Römern fremden Gegenftand In ibter Sprache zu behandeln. In allen herrſcht 
fehr viel Gefchmad, ein überaus feines Gefühl, eine fehr überdachte Anordnun 
der Theile, eine reiche Fuͤlle u. einnehmende Anmuth des Vortrags. Eben dieſe 
Vorzüge find auch feinen Eklogen: Daphnis, Coredan, Nice eigen abgedrudt mit 
den vorigen und in der Sammlung feiner fämmtlichen Gedichte, Eremona 1550, 
8., 2ondon 1732, 2 Bde., 8.; „Carmina cum notis G. Vulpii,“ Padua 1731, 

Bde, A. In dem epifchen Gedichte „Christiados lib. VI.“ Cremona 1535, 
4., Lyon 1636, engl überfeht von Ed. Oranan 1772, deutfh von Müller, 
Hamburg 1814, if, bei der lebhaften, reichen und harmonifchen Dichterfprache, 
die Bermifchung der heidnifchen und chriftlichen Mythologie anftößig. In Proſa 
jhrieb er: „Dialogi de reip. dignitate, Orationes, Epist. etc.“ 

Bidimirung (vom lat. vidimus, wir haben gefehen) heißt eine, durch Unter 
port bewirkte, gerichtliche Beftätigung, daß eine Abſchrift gleichlautend mit dem 
etre euben Vagina y 1,6 g 

oceq, Eugene Srangois, Hauptagent der franzöfifchen geheimen Po 
Iizel und einer der größten Abenteueter unferer Zeit, war der ne eines wohl- 
habenden Bädermeitiers zu Arras, wo er 1775 geboren war. Der junge B. be 
gann fen Gaunerleben damit, daß er feinen Eltern 2000 Franken ſtahl, fich and 


feiner Vaterſtadt entfernte und nach Dfende ab, um fich nad) Amerika einzu⸗ 
ſchiffen; er fiel indeſſen vor feiner Abreiſe in die Hände verſchiedener Bauner, 
umter denen er fich eine Zeit lange herumtrieb, bald aber, von Neue und wibs 
rigen Schidfalen getrieben, wieder zu feinen Eltern zuruͤckkehrte. Beim Aus⸗ 
bruche der Revolution nahm er Kriegsdienſte, defertirte jedoch nach allerlei Aben- 
teuern zu den Defterreichern, deren Armee damals in Belgien fland. Hier wegen 
Ungeborfam mit Stodprägenn regalirt, verließ er das int he Lager wieder, 
ging zu einem andern franzöflichen Regimente und von da In feine Vaterſtadt, 
wo ihn der berüditigte Lebon als vernächtig verhaften und in das Gefängnif 
werfen ließ. Aus biefer Gefahr durdy einen Freund gerettet, trat er in ein Re 
giment Bolontairs u. fpielte den Offizier. Eine Baronin in Belgien verliebte ſich 
in ihn, der er nun durch falfche Dofumente vorfpiegelte, er jet ein emigrirter 
Adeliger und babe ein .große® Vermögen zu hoffen; jedoch geftand er ihr fpäter 
etwas von der Wahrheit; fie erfchrad, reiste ab und hinierließ ihm noch 15,000 
Francs. V. reidte nun in Holland umher und gerieth in eine Spielergeſellſchaft, 
die ihn Antheil an ihrem Gewinne nehmen ließ, damit er ihre Gaunerſtreiche 
Niemand entvede. Nach mehren anderen Abenteuern kam er nach Paris, gerieth 
unter Diebe und Lanhftreicher, beging felbft Diebereten, wurde ergriffen und zu 
ten Galeeren verurtheilt; als er aber ſchon dahin abgeführt ward, entwifchte er, 
beging aber neue Streiche, wurde abermald verurtbeilt und entkam auf's Neue. 
Bon nun an trieb er fidy in ganz Frankreich umher und erfchten unter allerlei 
®eftalten und Charakteren, bo am ihm endlich die Polizei zu Paris auf. vie 
Spur und fuchte ihn auf; er aber entfprang, flüchtete fih in ein obere® Stods 
werk, verfroch fih in einem eben offenftehenden Zimmer unter ein Belt und biieb 
unentbedt. Da er mit den meiften Dieben und Beträgern in Verbindung fland, 
alfo. auch der Polizei manche Auskunft ertheilen Eonnte, ließ er fidy von derfelben 
zum Spion oder Mouchard annehmen, was fogleih eine Menge von Berbaft- 
ungen zur Bolge hatte Zur Zeit der Reftauration wurde er ein gewichtiger 
Mann für die Pariſer Polizel; gewandt und fchlau wurde er Chef der ſoge⸗ 
nannten Brigade de surets (einer aus Spionen und heimlichen Agenten zuſam⸗ 
mengefehten Truppe), worein V. manchen feiner ehemaligen Spießgefellen aufs 
nahm, Diefe Agenten fanden mit Dieben und verrufenen Weibern in enger 
Berbindung und kamen fo manchem Diebftahle auf die Spur. B. rühmt fidy, 
im Jahre 1817 über 700 Berhaftungen bewirkt zu haben. Nach feiner Behaupt- 
ung bat er blos mit Gaunern zu thun gehabt und in politiſchen Angelegenheiten 
den Bourbons nidyt gedient. Die Fr erkannte feine wichtigen Dienfte; ihm 
allein Hatte fle die Aufdedung mandyer Frevelthat zu verdanken; in allerlei Ders 
kleidung wußte er die abgefeimteften Schelme zu täufchen. Stark und uner- 
fchroden, bat er mehrmals ganz allein Diebe und Gauner aufgeſucht und ver- 
haftet; fonft ließ er fi von Spionen begleiten und fpielte der Polizei ganze 
ebeöbanven in die Hände. Die reichliche Belohnung feiner Mühen machte 
de zum wohlhabenden Manne. 1818 erhielt er auch Be nabipung wegen feiner 
ehemaligen ®nleerenftrafe u., obſchon eine Menge von Be uldigungen gegen ihn 
einliefen, audy ihm manche Schlinge des Verberbend gelegt wurde, fo behielt er 
doch fein Anſehen bei der Polizei. Zur Verwunderung Aller verlangte er aber 
feine Entlaffung, oder erhielt fie. an vermuthete, er fei der Polizei wegen 
feiner beftändigen Verbindungen mit Baunern endlich doch läftig gefallen u. fie habe 
aber lieber feine Hülfe entbehren wollen. V. fchrieb nun feine „Mömoires“ (Par. 
1828, 4 Bde.), die man mit denjenigen des Gauners Baur in England vers 
leihen Kann. Auch in dieſen Memoiren kommt nichts Politifches vor; dagegen 
d fle voll von Abenteuern. Als ein Beitrag zur Geſchichte des Abſchaums 
der Menfchheit. find dieſelben von Wichtigkeit; auch find ſie gar nicht ohne Talent 
gelärteben. Sein Ra folger im Amte wurde fein dgling u. auch ein ehemaliger 
Sträfling, Coco⸗Lacoar. V. legte dann zu Saint Maure, bei Paris, eine Papier: 
fabrif an, in welcher er auch) dergleichen Sträflinge gebraucdyte. RI eriiiue 


550 Viehzucht — Vieirn, 


er in Paris ein Bureau, in weldyem die Kaufleute Ausfunft über den moraliſchen 
Werth oder Unwerth derer erhalten follten, mit welchen fie in Gefchäftöwerbindung 
treten wollten. Es fcheint jedoch dieſes Bureau Feinen Fortgang gehabt u haben. 
1834 legte er der Regierung eine Art von A vor, auf welchem die Tinte 
FT begab er fih mac Gnglant, 
von wo aus man längere Zeit Nichts mehr von ihm hörte, dis er 1845 einem 
ausgeftreuten Gerüchte von feinem Tode in Öffentlichen Blättern widerſprach 
Bon England begab er ſich nad) Belgien, wo er wahrfcheinlich gegenwärtt; = Icht. 
Sein Büch „Les Voleurs“, das zu Paris in neuerer Zeit erſchienen 9. machte 
gerechtes Auffehen z es enthüllt dem: größern Publikum die Liſt der Beutelſchneider. 

Viehzucht, |. die Art. Pferd, Rindoleh, Schaf. 

Bieira, Antonio, einer der größten Männer Portugals, aus einem alt 
abeligen Geſchlechte entfproffen, wurde den 6. Februar 1608 in Liffabon geboren. 
Im feinem achten Jahre z0g der Knabe mit den Eltern über den atlantijchen 
Desan nach Bahla. Dort floh er aus dem elterlichen Haus in der Nacht, eilte 
in das dortige Collegium der Geſellſchaft Jeſu und weihte, — Jahre alt, 
ſich dieſem Hl. Orden. Kaum hatte er das achtzehnte Jahr erreicht, als er von 
feinen Oberen nach Pernambuco gefchidt warb, dort die Redelunſt zu Iehren; er 
begeifterte durch feine finnvollen Erflärungen der Vertvandelungen des Doldlus 
und der Trauerfpiele Seneca's. Schon in feinem zwanzigften Sabre verfaßte er 
einen trefflichen Gommentar zu dem Buche Jofua und dem hohen Liebe, Im 
Jahre 164, ald Johann VI. den Thron beftiegen hatte, fegelte er unter fürchte 
baren Stürmen nach Liſſabon. Der König, der das edle Herz und bem hoben 
Geiſt V.s bewunderte, ernannte ihn [m Melle Prediger und bot ihm ein 
Bisthum an; doch er verzichtete auf diefe hohe Würde. — Hierauf wurde er von 
dem Könige in höchft wichtigen Angelegenheiten nach England, Sranfreich, nad 
Ban und Rom geſchickt. Bon Rom nach Liffabon zurücgefcht, zog F die 

lammendſte Sehnſucht nach den Miſſionen in Braſillen. Er war feſt entichloffen, 
die volfbelebte Stadt und den Glanz des Hofes mit undurchdringlichen Wäldern 
und Wüften und Eindden zu vertaufchen und zu den geliebten Indianern zurüd: 
zueifen, treu feinem Gelübde, welches er als zarter Züngling gemacht, fich bis zu 
feinem Lebensende der Belehrung der Heiden zu weihen, zu welchem Zwecke er 
die brafiltanifche und die angolifche Sprache erlernt hatte. Er wollte der Apoftel 
von Maranhäo werden, — Nachdem V. mannigfache Hinderniffe überwunden, 
ging er mit drei Gefährten den 22. November 1652 unter Segel. Bald wurde 
rt von Stürmen, bald von Seeräubern u, anderen Mühfalen bedrängt. Er um: 
kin Gomeira und die Infel Palma und landete am Gabor Werde; am 
416. Februar 1653 gelangte er Im Hafen von Maranhäo an; die Freude feiner 
Drdensbrüder war unbeſchreiblich. Er durchzog Wälver und Einöven, trodnete 
die Zoränen von dem Auge der Armuth und träufelte Balfam in die Wunden 
der Wittiwen und Waiſen. Die beweinenswürbige Lage der brafiiianifchen Ein⸗ 
geborenen zwang ihn, nach Liffabon zurüdzufehren; er verließ im Juni 1654 Ma- 
ranhäo, landete an ber Infel Graziofa und fegelte alsdann nad San Miguel 
und gelangte im November nach Liffabon. Da entfaltete er vor dem Könige 
das _Jammerbild ver unglüdlichen Indianer und bot alle Kraft auf, Ihre Bedrü— 
zu flürgen. Er kehrte mit wichtigen Anoronungen nah Maranhao zurüd. 
verwendete fich in Para für die Befreiung der Gefangenen und drang in den 
Eindden bi zu den Moquigaren vor. Jedt befchäftigten feinen unermüdeten Eifer 
die Einwohner in der Serra de Ihlapaba und die Seen von Geara. Nachdem 
er auf feinen Wanderungen 4000 Meilen Wegs — mei in Einöven und Wäl⸗ 
dern, zu Buß zurüdgelegt und gelunbatoanlgmal unter furchtbaren Stürmen ben 
Dean durchzogen hatte, kam er nach Garuzi. — V. fegelte nach einem Aufftand 
in Maranh&o nad) Liſſabon und verwendete fich für die Schuldigen; er begeifterte 
in ver Föniglichen Kapelle durch feine erfhütternden Predigten; doch er 
verließ den Hof und ging nach Dporto und fpäter nach Coimbra. Gr wurde 


gar nicht follte ansgelöfcpt werden lönnen. 


Bleira. | SSt 


von Feinden bei dem Glaubensgericht angeflagt u., wie der gefelerte Luis de Leon, 
m Gefängniß verurtheflt. ſchrieb er in den letzten Monaten, wo ihm Tinte, 
Keder und Papier geftattet wurden, ohne irgend ein Buch zur Hand zu haben, 
eine weit uusfaflenbe Derteibigimaefehrift die Staunen erregte. Gr wurde, 
nachdem er zwei Jahre und drei Monate im Kerler geichmachtet, freigefprocdhen ; 
er verließ (1668) Coimbra und begab fih nach Liffabon. Er wurde zum zwei⸗ 
tenmal in einer wichtigen Angelegenheit nah Rom gefchidt, wo er durch feine 
- Bredigten Staunen erregte, und von der Königin Chriſtina von Schweden zum 
Brediger gewählt ward. — V. verließ (1675) Rom und kehrte nach Liffabon 
zurück Jahr 1681 ſchiffte er fi nach dem erfehnten Braſtlien ein. Zum 
legtenmal rubte fein Auge auf den dunfelgrünen Höhen Liffabon’s, auf feinen 
tragenden Kirchen und Dale und auf den Wogen des geliebten Tajo, an 
en Ufern er fo oft ale frohe Knabe ſich ergangen. V. zog ſich in die Ein- 
ſamkeit zurüd und brachte in der Dutnta de Tanque die Zeit mit Gebet und 
wiffenfchaftlichen Befchäftigungen hin. Die Würbe eines Generalviſttators ber 
ellſchaft Jeſu rief ihn aus der theuern, ländlichen Einſamkeit tin die bewegte 
Stadt; nach drei Jahren aber kehrte er in die ländliche Einſamkeit zurüd, Ein Fi 
ergriff ihn und er flarb ven 18. Juli 1697 — ih — dem groben, ftommen Fre 
Bartolme Las Caſas — als neunzigjähriger Greis fanft un rubig, — 2) 2. ik 
ein Flaffifcher Kanzelredner im vollen Sinne des Wortes. Bewunderungs⸗ 
iſt bie ungemeine a dr feines Vortrags und die zermalmende 
Edywere feiner Gedanken; jeder Begriff ift bei ihm im feinem Kern erfaßt; wie 
von einem natürlichen Gefühl geleitet, findet er immer das innere Weſen einer 
Wahrheit auf und kehrt fie heraus. Seine Kraft Itegt vorzüglidy in dem Ge⸗ 
danken; er verbreitet nady allen Seiten bin Licht und gießt über bie gewöhns 
lichſten Dinge neue Helle aus. DB. liebt es, eine Wahrheit in ihrer ganzen 
innern Beſchaffenheit vorzulegen, alle ihre feinften Aederchen und Yäferchen jchauen 
zu lafien, jede hemmende trrihümliche Meinung hinwegzuräumen, Enttäufchung 
um Gnttäufchung bervorzurufen, — bis der Berftand fidy gefangen gibt und das 
Gemuͤth, von dem Gewicht der Wahrheit bewältigt, von Feiner folgen Starrheit 
läßt. — In Auffindung der Themate, in Eintheilung und Anordnung und in dem 
allmäligen Fortichreiten iſt B. höchft eigentbümlih. In der Darftellung zeigt 
fi) ®B. immer neu, überrafchend und anziehend. Oft faßt er die wichtigften 
Wahrheiten in fententlöfe Kürze; oft vrüdt er fich räthfelhaft aus; oft fpringt er 
von ber zunächft liegenden Folgerung auf eine umerwartete über; häufig bringt er 
anfcheinend paroboe Behauptungen vor, um fie ind Geleiſe zurüdzuführen und 
nicht felten bedient ex fi auch der Waffen feiner und finnvoller Ironie. Uns 
übertrefflih iſt B. in Erklärung und denũgung und redneriſcher Gruppir⸗ 
ung der Bibelſtellen; und ſeine ungemeine Kenntniß der bibliſchen Geſchichte 
fegt und in Verwunderung. — In der ſchoͤnſten, vollendetſten Proſa, einfach und 
natürlich, vol Wohllaut und Melodie, wie fle weder vor ihm noch nach ihm je 
Portugal vernommen, trug ®. feine Kanzelreden vor und fchrieb fie nieder. Seine 
fiaffifchen Bredigten umfaflen fünfzehn Quartbände (Sermöes, Liffab. 1677 — 1699). 
Den ausgezeichneten Platz nehmen darunter feine Advents⸗ und Kaften- 
predigten ein. — Die erfte, höchſt gelungene, deutſche Veberfegung der Advento⸗ 
und Faftenprebiaten von Dr. Franz Sofenb Schermer, dem gründlichen 
Kenner und Berbreiter der portugiefifchen Literatur in Deutfchland, tft bis zum 
fünften Band erfchlenen (Regensburg bei Manz 1840— 1849), — ®. verfaßte 
außerdem noch folgende Werke: 1) „De regno Christi in terris consummato“, eine 
Schrift, die fi) durch die site und den Scharffinn der Entwidelung, durch die 
ade und ſiegreiche Bolemif und durch die hohe Klarheit der Darftellun 
auszeichnet. 2) „Selchichte der Zukunft“ (Historia de futuro). Diefe Schri 
ſchlleßt fich der vorhergehenden als ergänzend an. Was B. durch göttliche Er⸗ 
leuchtung in die heiligen Weiſſagungen eingehend, vorbergefehen, das enifaltete 
er vor unfern Augen als Seidichte. 3) „Kun zu fehlen! (Arte Ar kurs), 


552 Bieled — Biere, 


eine treffliche Schrift, welche die feinften und fchlauften Anfchläge von Räubern 
jeder Art enthüllt, die Darftellung ift oft bitter und — doch V. ſuchte, wie 
er ſich ſelbſt ausdrückt, dieſes Wintergemälve mit dem heitern Kleid des lächeln. 
den Frühlings zu — und den unerquidlichen Stoff alſo zu geſtalten, daß 
die Darftelung feine Bitterfeit verſüße. 4) „Briefe“ (Cartas). Die Foftbare 
Sammlung dieſer Briefe, die drei Duartbände faflen, wurde von Ericeira und 
von Antonio dos Reis fortgefegt und vollendet. Sie find außer den wenigen 
Briefen des Luis de Lamöcs das Ausgezeichneifte und Bollendeifte, was die 
portugieſiſche Literatur in dieſem 8Wi beſitzt. Es durchwaltei dieſelben ein 
erhabener Geiſt und tiefer Ernſt; «8 ſpricht ſich darin ein Außerft ſcharfes Urtheil 
aus, Iebendvolle Charakterzeihnung und Hohe, alfeltige Bildung. R. 

Viele, ſ. Polygon. 

Vielfraß (mustela gulo), ein Stinfthier, etwas größer, als der Dachs, 
mit einem runden Kopfe, langer Schnauze und ſtarkem Gebiffe, ſtark behaartem 
Schwanze und fhwarzem, auch wohl bunfelbraunem elle, das wie Seidenmoor 

längend iſt. Er hält fih in Sibirien auf, klettert auf Bäume, wovon er auf 
Beh Raub herabftürzt. 

Vielgötterei, f. Bolytheismus. 

ieltheilige Größe, f. Polynom. 

Dielweiberei, ſ. Bolygamie. 

Bien, Joſeph Marte, Graf von, ein berühmter franzöflficher Maler, 
der Vater der neuen franzöfiichen Schule, geboren zu Montpellier 1716, erlernte 
die Anfangögründe der Kunft in feiner Vaterftabt, ging 1741 nach Paris und in 
der Folge nach Rom, wo er ſich unter den Meifterwerfen des Alterthums zur 
Vollendung ausbildete und unter anderen auch fein föfliches Bild, den Ete⸗ 
miten, verfertigte. Bei der Rüdfehr nach Paris errichtete er eine Malerſchule, 
die von 4750— 75 dauerte u. die franzöftfchen Künftler zum beffern Gefchmade, 
zu dem wernachläffigten Studium der Natur und der Antifen zurüdführte. Die 
Menge feiner Schüler, unter welchen Maler vom erften Range glänzen, iſt un: 
zahlbar. Die Regierung ernannte ihn 1771 zum Direktor der Eleven, die auf 
Koften des Staates nach Rom gingen und 1775 zum Direktor der frangöflfchen 
Alademie zu Rom und beehrte ihn mit dem St. Michaelsorden. Als er im 60. 
Jahre von Rom nach Paris zurüdfam, machte ihn Ludwig XVI. zu feinem erften 
Maler. Durch die Revolution verlor er feine Stelle und beträchtlich am feinem 
Vermögen; nach Wieverherflelung der Ruhe fam er in den Grhaltungsfenat. 
Roc im fpäteften Alter blieb er der Kunft treu u. fein Genius fchlen fich gleich: 
falls zu verjüngen. Den Abſchied Hektor’s und Andromache's malte er im 75.; 
Helena von Aeneas verfolgt, in feinem 77. Jahre. Im 90. Jahre malte er 

lumen und 6 Monate vor feinem Tode noch ländliche Scenen vol idylliſchert 
Schönheit und Ruhe. Er farb in feinem 93. Jahre, den 3. März 1809, ohne 
Krankheit oder Schmerzen. Die Zahl feiner Arbeiten iſt unüberfehbar und er 
hat fie oft um fehr geringe Preife weggegeben. 

Viereck (lat. quadrangulum; franz. quadrangle, carrö; engliſch quadrangle, 
square) heißt jede, von vier geraden Linien in einer Ebene, oder von vier Bogen 
auf der Oberfläche einer Kugel, die unter eben fo vielen Winkeln zufammen- 
treten, eingefchlofiene Figur. Ueber die unter befonberen Ramen bekannien V.e, 
Barallelogramm u. Trapezium (f. db.). Ein in und um einen Kreis ber 
ſchrlebens V. heißt ein eins oder umgefchriebenes V. Jedes B., um oder 
in welches ſich ein Kreis befchreiben läßt heißt centrifch nad den Eden ober 
nah den Seiten. Die bieher gehörenden Lehrjäge find felgende: 1) die 
Summe aller Winkel eines V.s beträgt 4 rechte; 2) congruente B.e können 
in congruente Dreiede zerlegt und aus folchen Ynfammengefipt werben, wenn bie 
Dreiede mit einer Seite zufammenfallen; 3) V.e find congruent, wenn zwei 
Seiten nebft dem eingefchloffenen Winkel in ihnen gleih und die anliegenden 
Winkel rechte find; 4) die Summe der Quadrate der vier Seiten iſt immer ber 


Bierlande-— Bieswalbfiätter-Ber, 353 
Summe der Duabrate der beiden Diagonalen, nebft dem vierfacdken Quadrate 
ver, die Mittelpunfte der Diagonalen verbindenden, Linie gleich; 5) die Summe 
der Gegenwintel jedes eingefchriebenen ebenen V.s beträgt zwei rechte. 
Bierlande, ein 15 [_J] Meilen großes u. von etwa 15,000 Menfchen, welche 
eigenthümlicye Sprache, Sitten und Kleidertracht haben, bewohntes, hoͤchſt frucht⸗ 
bares Marfchland an der Eibe und Bille, reich an Getreide aller Art, Obſt und 
®emüfe. efelben bilden das, den freien eftäbten Hamburg und Lübed 
gemeinfchaftlich engehörige Amt Bergedorf, waren urfpränglich eine Colonie ber 
Holländer und geh en bis ind 15. Jahrhundert zum Herzogtfume Lauenburg. 
Bierfiimmiger Gag, in der Muſik, befteht aus vier Sing» oder Inftrus 
menten » Stimmen, deren jede in ihren eigentbümlichen Tonreihen fortfchreitet, fo 
daß die Harmonte des Satzes oder des Zonftüds fich zu einem Ganzen verbindet 
und einen entichiedenen Woblklang behauptet. In foferne bier eine Verdoppel⸗ 
ung des Dreillangs flatifindet, iſt ein ſoicher Satz im Grunde auch ſchon viels 
ſtimmig, weil man vielſtimmig einen Sat zu nennen pflegt, der die Verdoppelung 
eine® oder meheen, um Accorde gehöriger, Intervalle erheiſcht. 

- Bierthaler, Michael, verbienftvoller Paͤdagog und Direktor des Waiſen⸗ 
hauſes zu Wien, geboren am 25. September 1758 zu Mauerfirchen im Innviertel, 
ſtudirte unter den Jefulten zu Berghaufen und fpäter an der Univerfisät Salzburg. 
1783 erhielt er eine Lehrerfielle an der Pagerie, wie am Birgilianum, beides 
Erziehungsanftalten für abelige Jünglinge. 1790 errichtete der Fürft- Erzbifchof 

ieronymus,. Graf von Gollorevo, ein Seminar zur Bildung von Lehrern für 

tadts und Landfchulen und ernannte V. zum Direltor. Jugleich bielt er an 
der Univerfität Vorlefungen über Paͤdagogik. Nachdem ihm 1796 provtforifch 
die Schlüſſel der Hofbibliothek übergeben waren, erhielt er bald darauf unter der 
Segierung bed Erzherzogs⸗Kurfurſten Ferdinand die Etelle eines wirklichen Hof⸗ 
bibliothefare. Bielfache Verdienſte erwarb er fich in feiner einflußreichen Stellung, 
die Auffiht und Leitung fämmtlicher Stadt» und Landfchulen zu führen. r 
bie Literatur wirkte er durch die Herausgabe der „Dberveutfchen Literaturzeitung“ 
höchſt bedeutend und ald Berfafler ver „philofophifchen Geſchichte der Menſchen 
u. Voͤlker“ ward ſein Name auch in weitere Kreife verbreitet. Salzburg verdankt 
ihm die wichtigften Befchreibungen feiner geologiichen, antiquarifchen und ſtatiſti⸗ 
Shen Merkwürdigkeiten; auch während der feindlichen Invafton fchühte und rettete 
er Vieles durdy feine Fugen Maßregeln und unerfchütterliche Feſtigkeit, wa® ohne 
feine umfichtigen Verfügungen unwiderbringlich verloren gewefen wäre. Seit 1806 
zum Direktor des Walfenhaufes nach Wien berufen, zeigte er ſich auch in dieſem 
fegensreichen Wirfungsfreife als zartfühlender Menfchenfreund und einfichtsvoller 
Erzieher. Der Kaiſer ehrte feine Bemühungen mit dem Eharafter eines nieder⸗ 
öfterreichifchen Erziehungsrathes. Nach zwanzigjähriger Wirkfamfeit entriß den 
ftebenzigiähtigen Greis ein Schlagfluß plöplich dieſem ehrenvollen Berufe, am 
3. Dftober 1827. Auſſer der oben genannten philofophifcyen Gefchichte der 
Menſchen und Bölfer, 7 Bode. 1787 — 1817: „der englifhe Epion,“ ein Trauer- 
fpiel 17815 „Elemente der Paͤdagogik und Methodik,“ 5. Aufl. 1810; „Gold⸗ 
ener Spiegel, 17915 „Kinderbuch,“ 3. Aufl, 17995 „Geiſt der Sokratik,“ 
‚4 Aufl; „Entwurf der 5 ulerziehungökunde, 1794; „Anleitung zur 
Rechenkunſt,“ 5. Aufl, 1806; „Beiträge zur Geographie und Gefchichte Salz⸗ 
burgs,* 17985 „Reifen durch Salzburg,” 17995 „Geſchichte des Schulweſens 
und der Kultur von Salzburg,” 18045 „Meine Wanderung durch Salzburg, 
Berchteögaden und Oeſterreich,“ 1817. Cm. 
Bierwaldftätter-See, der, audy Luzerner⸗See genannt, welche letztere Bes 
nennung aber nur den Bufen bei Luzern angeht, liegt im Mittelpunfte der Schweiz, 
1368 Fuß über dem mittellänpifchen Meere, in den Cantonen Luzern, Unterwalven, 
Urt und Schwyz und hat feine Benennung von diefen vier angränzenden Ländern, 
Er bat eine je unregelmäßige Geſtalt und gleicht eher mehreren zuſammen⸗ 
hängenden Heinen Eeen, als einem See. Der nördliche Tel IR din Kup 


8 Eee 


ahnlich, deſſen Mittelftüct in ver Richtung von Süd-Df nach Nord Wert ſich 
von dem Felsvorfprung unter Gerfau gegen Luzern zieht und deffen Arme von 
Küfnacht bis Alpnach fünf Stunden lang find. Der zweite, mittlere Theil, von 
Brunnen bis Buochs, ebenfalls von Sud-Oſt nach Nord-Weft gehend und drei 
bis vierthalb Stunden lang, hängt mit dem erflern von ber re zuſammen; 
der dritte (auch Urner⸗See genannt) nimmt gen die Richtung von Süden nad) 
Norden und iſt von Flüelen bis Brunnen drei Stumden lang. Das Ganze von 
Luzern bis Flüclen beträgt ungefähr neun Stunden. Mit Ausnahme jenes, den 
Be durchfreigenden Armes, beträgt die Breite des See's nirgends eine 
tunde und feine größte Tiefe bis 900 Fuß. Alle Gewäfler der Berge, vom 
Nigt bis auf die Höhen des Gotthard und der Furca und dem Pilatus bis an 
den Brünig und ven Titlis, fließen dem See zu. Am beträchtlichften iſt die Reuf, 
die in Urt fich mit ihm vereinigt u, in der Stadt Luzern denfelbigen wieder verläft. 
Wenn in den Sommertagen bie Hige unge anhält, ſchwillt er fünf und mehr 
Fuß über den gewöhnlichen Wafferftand; im Winter friert er felten weiter, als 
einige Schritte vom Ufer. © einzige, fehr Heine Infel, Altftad (Altes 
Geftade) genannt, liegt an der Stelle, wo man, von Luzern kommend, in den 
Küpnachter Arm einlenft und fol früherhin zu einer Waarennteverlage gedient 
haben. Hier errichtete Abts Raynal den Stiftern der Eivsgenoffenthatt ein 
Denkmal; aber es hatte nur wenige Jahre geftanden, als es 1796 vom Blig zerftört 
ward. — Die Umgebungen diefes See'3 gehören zu den anziehendften der Schwelh, 
tragen aber alle das Gepräge bes Alpenchataltets. In der Gegend von Luzern, 
welche Stadt mit ihren vielen Thürmen wie aus den Fluthen emporfteigt, find 
die Ufer niedrig, mit hübſchen Landhäufern und Dörfern, in Waldungen von 
DOpftbäumen, befegt. Dann folgen Täler mit fchönen, an die Berghöhen ſich 
lehnenden Fleden, wie Stanz um wyz, Gerfau und Küßnacht; dann ſchautig 
einfame Stellen, wo Felſen ſenkrecht in den See hinab gehen, wie gegen Altdorf 
und Alpnadh. — Merkwürdiger aber noch, als durch Naturfchönhetten, iſt der 
Eee durch geſchichtliche Erinnerungen. An feinen Ufern brachten die öfterreichi- 
ſchen Vögte durch ihren Trotz freiheitslicbende Männer zu dem Entfchluffe, un- 
abhängig zu leben und zu ſterben. Defter trug fpäter der See die cidogenöſſi⸗ 
fchen Helden zur Vertheid ug des Vaterlandes, zu glänzenden, blutreichen 
Feldzügen; aber Feine fremden Waffen erflirrten, biß der Donner des franzöflfchen 
Gefchüges in den Thälern wiederhallte und, zu fpät! an die längft Dergehlenen 
Tugenden der Väter erinnerte. Nachdem im rühmlichen Kampfe die Männer 
von ©: oo erlegen und bie Unterwalvener pergebtich — daß noch altes 
Heldenbiut in ihren Adern walle, erſchienen die öfterreichifchen Adler und Krieger 
aus dem fernen Norden und aus Aflens Steppen und ſchiugen fich hier mit den 
Brangofen um bie Herrfchaft der Welt. Ste durchzogen mit Feuerſchlünden 
jegenden, die der Schnee nie verläßt und gingen Wege, auf welchen fonft nur 
Jäger u. Hirten wandeln. — Die Schifffahrt auf diefem Sce {ft im Allgemeinen 
nicht gefährlich; bevenklich aber wird fie bei flürmifcher Witterung, wegen ber 
Heftigfelt des Föhne und ber vielen, zum Landen untauglichen Stellen. ine 
andere Gefahr drohen, nach anhaltendem Regenwetter, herabfallende Steine. Man 
darf daher alddann nicht zu nahe am Geftade und befonders nicht am Fuße des 
roßen und Fleinen Achſenberges vorüberfahren. Seit mehren Jahren iſt die 
ampffchifffahrt auf dem V. fehr lebhaft. — Unter den zahlreichen Fiſchen des 
Sees werden fehr gefchägt: die Lachfe, Forellen, Welfe und die, mehreren 
Schweizer-Sceen eigenthümlichen Bollen (Salmo lavaretus) und Nöten (Salmo 
salvelinus). Im Januar und Februar 1830 war, was ohme Beifpiel iR, der 
Eee bis an wenige Stellen zugeftoren. 

BVierzehnheiligen ober Grantenthal, Serähmter Wallfahrtsort mit einem 
Branzisfaner-Hospitium in Oberfranken, Königreich Bayern. Die fchöne mit 
zwei Thürmen — 5 — Kirche erhebt fi an ber linken Seite des Mainthales auf 
einer Anhöhe, zwiſchen Lichtenfeld und Staffelſtein, Banz gerade gegenüber. Die 


Bienrtemps Bigilie. | 555 


Wallfahrt nahm ihren Anfang im Jahre 1447, nachdem der Abt des Kloſters 
Langheim, welchem der Grund gehörte, hier zu Ehren Martä und der HI. vierzehn 
Nothhelfer eine 5* hatte erbauen laſſen. Die Zahl der Pilger mehrte ſich 
bald fo, daß Langheim ſich veranlaßt fand, bei der Kapelle eine Probſtei zu er⸗ 
richten und einen feiner Konventualen als Probft und ſtets anweſenden Seeljorger 
dahin zu Tegen. 1525, im Bauernkriege, wurbe das Heiligthum von den auf 
ftändifchen Bewohnern Staffelſteins & ört, doch Abt Johann V. flellte es 1 
wieder ber. Zu der ebigen großen Kirche logie man im Jahre 1743 den Grund» 
fein. Der Bau dauerte bdis 1772. Zur Zeit ver Klofteraufbebimg in Bayern 
wurde V. feines aupen Glanzes und namentlich feines herrlichen Gelaͤutes bes 
raubt und am 3. März 1835 zerflörte ein zündender Blitzſtrahl die — und 
die Dächer der Kirche. Erſt im Jahre 1838 ward der Schaden wieder aus⸗ 
gebefiert — 3.9. Jäd: Beſchreibung des Wallfahrtsorted der Bierzehn Hei⸗ 
igen zu Frankenthal, Nürnberg 1826. | mD. 
Zierrtenpo Henri, ein ausgezeichneter Virtuos auf der Violine, geboren 
zu Verviers 1820 und in feinen früheften Jahren von Beriot gebilvet, in deſſen 
Spiel fich großartige Bravour mit binreißender Grazie und ide des Gefühle 
im ſchoͤnen Tontrafie verbanden, erregte ſchon als zmölfjähriger Knabe in Paris 
und fpäter in Wien und allen Hauptfläbten Europa's allgemeine Bewunderung, 
war Immer mehr von feinem Meifter fich entfernend und an Lipinski und Moltque 
ch anfcyließend, aber auch nicht minder an Dfkginalität und untverfeller Aus⸗ 
bildung gemwinnend, geiſtvoll zugleich umd gediegen in feinen Gompofitionen. In 
Rußland hielt er fidh längere Zeit auf, Eehrte, nach einer Reife in bie vereinigten 
Staaten, ebenfalls wieder dorthin zuräd und erhielt eine feſte Anftelung daſelbſt. 
. Bigernd, Franciscus (eigentlih Bigter), Tin berühmter, namentli um 
die gründliche Bearbeitung der griech. Grammatik höchft verbienter Pueies 1591 
zu Rouen geboren, trat tn den Jeſuitenorden, warb dann Profeſſor der Beredſamkeit 
zu Paris und flarb daſelbſt 1647. — Er ifl vorzüglich burd fein grammatifche® 
Werf: „De praecipuis graecae linguae idiotismis“ (zuerft in Parts 1627, 12. 
und öfter), befannt worden, das durch die fpäteren Umarbeitungen von Hoogeveen, 
Zeune und Hermann (4. Aufl. 1833), noch jetzt ein Außerft brauchbares Werk zur 
Erlernung der griechifchen Sprache if. Außerdem beflgen wir von ihm noch 
er Aus — zEraeparatio evangelica des Euſebius mit Tateinifcher Webers 
egung, Par . \ 
Bigilie, (vom lateinifchen vigiliae, Nachtwache), heißt in der Liturgif ber 
tatpolichen Kirche der einem Feſte vorangehenve San: wobet jeboch, nad) der 
jeßigen Bedeutung des Worts, nicht mehr an die zwiſchen beiden liegende Racht 
edvacht wird. Die erften Ehriften verfammelten fidy in der Nacht, vie den 
Beupifeen beramging, in ihren Kirchen und brachten diefelbe mit Gebeten und 
Lohgelängen zu. Einen Beweis davon liefern noch jegt die Meßformulare von 
der Weihnachte-, Oſter⸗ und Pfingſt⸗V. Allein diefe herrliche Einrichtung artete 
nad) ımd nach in Mißbrauch aus, indem fich in dieſe chriſtliche Verſammlun 
Sänger und Tänzer eindrängten, die unpaffende Lieder fangen, unanfländige Tänze 
aufführten und allerlei flrafbaren Unfug trieben. eöwegen verfehwand bie 
urfprängliche Feier der V. und ftatt ihrer faftete man des Tages, wie dieſes noch 
jegt zu gefchehen pflegt. Man hat den Ehriften von einer Seite her den Borwurf 
gemacht, daß fie durch die Feier der ®. die Gebräuche der Heiden nachahmteri, 
die zur Ehre ihrer falfchen Gottheiten ebenfalls B. feterten. Liegt denn aber 
darin etwas Anftößiges, wenn jene auf eben bie nee die Geheimniſſe ihrer 
Religion verehrten, in welcher die Helden ihren Gottheiten huldigten. So viel 
aber ſteht feſt, daß die Ehriften in den erſten a ahren fih in den B. durch⸗ 
aus nicht den fchändlichen Orgien des Heiventhums überließen, da ihr Eifer fo 
glühend und ihr Lebenswandel fo lauter war. Uebrigens waren tn ven vier 
erſten Jahrhunderten die V. nicht blos Vorbereitungen für hohe Kette, \nuhern 
man brachte auch ganze Rächte an den Gräbern ver Märtyrer u. Rumuih 


[17 ö nldiguiat. Be; 


unterzog fich das weibliche Gefchledht dieſen Anvachtsübungen; fie wurden aber 
von den Goncilien unterfagt, da fh in der Folgezeit Mobraͤuche in diefelben 
— hatten. Die Hauptfeſte in dem kirchlichen Cyclus, ald: Weihnachten, 
Epiphanie, Oftern und Pfingften, haben eine ®,, bie ein. befonderes Offielum 

t. Zu biefen Haupffeften fügte die Kirche im Laufe der Zeit einige Feſte 

'ariens und anderer Heiligen, als: Mariä Himmelfahrt, Allerheiligen, das Seit 
Johannes des Täufers, das Fer der Apoftel und des HI. Laurentius. Die zuleht 
genannten gehören nach der römifchen Kiturgie in Bezug auf den genannten Bunft 
zu ben Feſten zweiter Glaffe, Können demnach verlegt, müflen aber an dem bes 
treffenden Tage commemorirt werden. Was das Falten an den Bun diefer Feſte 
anlangt, fo herrfcht nicht überall eine völlige Gleichförmigkeit. Faſt durchgehende 
find die Vn vor Weihnachten, Oſtern, Pfingften, vor Petrus und Paulus, vor 
Mariä Himmelfahrt und vor, Allerheiligen Kaft- und —B An allen 
anderen V.n darf man weder faſten, noch ſich der Bleifchipeife enthalten, nur muß 
das befondere, für fte beftimmte, Dffictum verrichtet werben. — V. heißt aud) 
umellen der Theil des Offiiums, der aus dem Matutinum und den Laudes 

fteht. So tft öfters von den Vin für die Verftorbenen die Rede, da früher in 
der That das Oficium defunctorum in der Nacht gebetet wurde, Dieſes beweifen, 
nebft einem Statute der Pariſer Univerfität vom Jahre 1215, mehre alte Docu- 
mente, worin die Erequien beichrieben find, Die Bücher der Bifchöfe und anderer 
vornehmen Perſonen trug mam zu diefem Zwede des Nachts in die Kirche. 
Obwohl diefe Art B.n f on feit mehren Jahrhunderten aufgehört haben, fo 
werden wir doch an fie dadurch einigermaffen erinnert, daß noch heutige Tages 
in manchen Ländern am Abende, der am Allerheiligen-Fefte vorangeht, das Ofi- 
cium defunciorum gebetet wird, welches — bis um Mitternacht dauert. 
Ein treued Bild von den ehemaligen B.n liefert die hl. —— Das 
Officium beginnt des Abends gegen zehn Uhr und fchließt mit der erſten Meſſe; 
während derſelben werben die Laudes gebetet. 

Vigilius, römifcher Papft, von Geburt ein Römer und Abkömmling einer 
confularifchen Familie, war von Bonifazius IL zum Botfchafter In Konftanti- 
nopel ernannt worden und hatte ohme Zweifel großes Verlangen nach ver Tiare 
getragen, weil er, nachdem er auf Furze Zeit zum Nachfolger im Papſtihum erklärt 
worden war, ohne vorhergegangene Wahl und offenbar mit feiner Zuftimmung 
unter dem bl. Sylverius als Papft Agurirt Hatte. Nach dem Tode des legtern 
wurde er indefien 538 in gefestiaher eife zum Papfte erwählt. Belifar, fein 
Beſchützer, war Befehlshaber In Rom und übte bedeutenden Einfluß auf_feine 
Wahl und auch der Klerus wollte um jeden Preis den Frieden in der Kirche 
erhalten. Uebrigens war der Gewählte ein Mann, ver fich eben fo fehr durch 
Talente, wie durch) genaue Gefchäftöfenntnig auszeichnete; auch trat in feiner 
©efinnung alsbald nady feiner rechtmäßigen Wahl eine unerwartete Aenderun, 
ein. Während feiner 164jährigen Regterung machte ihm der fogenannte Drei- 
Kapitelftreit, d. h. die Schriften des Theodorus von Mopfuela, des Theodoret 
von Eyrhus und des Ibas von Edeſſa, über die gefritten wurde: „ob fie fammt 
ihren Berfaflern verwerflich ſeien“, viel zu ſchaffen und fegten ihn vielen Miß— 
bandlungen, ja felbft der Verbannung aus, bis er endlich dem, im Jahre 535 
abgehaltenen, allgemeinen Concil von Konftantinopel, welches die 3 Kapitel ver- 
dammte, beitrat. Er farb den 8. Januar 555 auf der Rüdrelfe von Konftanti- 
nopel, wo er acht Jahre als Gefangener zugebracht, an heftigen Steinfchmergen 
auf der Infel Sicillen, eben da, wo er zur Verbannung und zum Tode feines 
u Borfahrers Syiverlus Vieles beigetragen hatte. Seine Leiche wurde nad 

om grad und in dee Kirche des hl. Marzellus am ſalariſchen Thore beige 
gr ach feinem Tode blieb der Stuhl des hi. Petrus drei Monate unbefept. 
. hatte während feiner Regierung Zeit und Gelegenheit genug, in den mancherlei 
Verfolgungen, die er zu ertragen hatte, für feine früheren Fehltritie zu büßen. 
Durdaus unwahr iſt es übrigens, was ihm von einigen feiner Feinde vorge⸗ 


Bignetten — Willen, Br 


worfen wird, daß er. der Kalferin Theodora das Verſprechen gegeben babe, mit 
den Kebern in Gemeinſchaft zu treten. 

Bignetten, find Keine, in Holz gefcdhnittene, over in Kupfer geſtochene Ber- 
derungen, theils auf dem Titelblatte, 8 bei einzelnen Abtheilungen, ober am 
Ende der Bücher, die da, wo fe beigefügt find, in angemeflener esiehung zu 
dem Inhalte ſtehen müflen. Der Name ſelbſt kommt von dem franzöflfchen vigne 
(Weinrebe) her, well fie urfprünglid meiſt aus Traubenblättern befanden. 
Der 58 — V. koͤnnen eine ſehr ſinnreiche äſthetiſche Bedeutung haben und 
ri en ch ihrer Ausführung wirklich eine Stelle in dem Gebkte der Kunſt 
einnehmen. - 

Bignola, Biacopo Barozzi, ein berühmter Baumelfter, geboren 1507 
zu V. im Herzogthume Modena, lernte die Malerei bei Bartolomeo Paſſerotti, 
delgte aber mehr Neigung für die Baufunft, welche er von fich ſelbſt lernte. Franz 
Primaticcio nahm iin mit nach Sranfreidy, wo er zwei Jahre blieb. Nach feiner 
NRüdfehr gab er den Riß zu dem Kanal von Ferrara. 1550 wurde er päpftlicher 
Baumeifter und baute die Wafferleitung Aqua vergine genannt. Für fein Meiker- 
wer! wird der Palaft Eaprarola, den er für den Cardinal Farneſe baute, gehal⸗ 
ten. Er farb zu Rom 1573, Auch fchrieb er: ‚„Regole de’ cinque ordini 
d’architectura®; „Regole della prospettiva prattica,“ Bologna 1682, Fol. 

Bignoleb, |. Lahire 1). 


Bi Alfred, Graf von, ein bebeutenver Inrifcher, epticher und dra- 
matider — geboren 1798 zu Loches, von —X —— erntete ſchon 
26 dur 


leinete, zum Theil tief poetiſche Gedichte groömes antiques et 
modernes‘ 4. Aufl. 1835, bei den Romantitern großen Beifall; noch größern, 
als er den, aus ge Studien gefchöpften, a auch zu Fi — 2 — 
Roman „Cinq Mars“, 2 Bde., 1826, herausgab. Gleiche Kunſt und meifierhafte 
Sprage ziehen in „Stello* (1832), „‚Servitute et Grandeur militaires“ (1835), 
an. Nachdem er Shaffpeare's Othello und Kaufmann von Venedig in vor⸗ 
trefflichen Berfen und treu überfeht Hatte, dichtete er die fchönen Dramen „La 
maröchale d’Ancre“ (1831) und „Chatterton“ (1835). Seine fämmtfichen 
Werte erfchienen 1833 in 2 Bänden, 

Bille, bie bei den alten Römern eine Wohnung auf dem Lande, fowie der 
dazu gehörige Kändercompler ager. Die Reichen bewohnten ein Haus für fich 
(v. urbana); die Wohnung ihres Felnbebauers hieß v. rustica und das Gebaͤude 
zur Wufbewahrung der Borräthe v. fructuaria. Diefe B.en waren ein Gegenſtand 
des größten Luxus, der nach und nach auf den höchften Grad ſleg ß daß fie 
den beträchtlichften Städten gleichlamen. Nicht blos großartige Wohngebäude 
mit einer Menge von Spetfelälen, Säulengängen, Babezimmern ıc., fondern auch 
die herrlichſten Gärten, Berge, Waͤlder, Fluͤſſe und alles dieſes in den reizendſten, 
anmutbioften Lagen, meift am Meere, gehörten dazu. Der durch feine Berfchwends 
ung berüchti te Lucullus cf. d.) zeichnete ſich auch hierin außerordentlich aus 
und in der Folge waren die V. des Tiberius, Caligula, Nero, Hadrian ıc. nicht 
bloße Palaͤſte, fondern felbft die anfehnlichften, fehönften Städte. Wuch jetzt gibt 
es noch in allen Gegenden Italiens ®., unter denen fidydie der Albini, Vorgheſe, 
Aldobrandini, Eſthe 20. durch ihre Pracht auszeichnen und wo ſich die Beſitzer 
derfelben während der fhönen Jahreszeit aufhalten. Ä 

Billaflor, ſ. Terceira. 

Billanela (ital,, franz. villanelle), ein nicht mehr üblicher, laͤndlicher, 
ttalientfcher und frangöfifcher Tanz, der mit Gefang begleitet wurde (daher 
Conzoni villanesche). Squefort verfteht unter villanelle audy eine Art der 
alten franzöfifchen Poeſie in Couplets, die einen gleichen Refrain hatten, eine 
Art Hirtenlieder, wie die erwähnten canzoni villen., von welchen fie wohl eine 
Nachahmung find. 


Billani, Name mehrer gelehrien Florentiner, bie ale Difkoriter 


und Dichter ruͤhmlichſt ausgeichneten. 1) Btonannt, get, 1IAR, 





„a 


158 Billarica— Villars. 


tinifche Chronik in zwölf Büchern, von ben Alteften Zeiten bis 1348, in elafflicher 
Sprache. Die erften fleben Bücher find oft wörtlid von Malefpini entlehnt und 
von geringem hiſtoriſchen Werthe; mit dem 105. Eapitel des fiebenten Buches 
dagegen beginnt die ginalanbeit, die zuverläßig iſt und auch. die Gefchichte der 
benachbarten Staaten „begreift. Ausgabe: Flotenz 1597. — 2) Sein" Bruder 
Matteo, geft, 1363, führte das Wert bis 4363 in elf Büchern fort. Sein 
Styl ift mweltfchweifiger, als der feines Bruders. Ausgaben; Florenz; 1567 und 
1581 und bei Muratori Bo. 14. — 3) Filippo, — Sohn, geſt. nach 
1404, hatte an dem eilften Buche der von feinem Vater abgefaßlen Beibichte 
Antheil und ſchrieb, zuerſt in Iateinifcher Sprache, ein Werk über berühmte 
Florentiner, wovon ſich jedoch nur eine italieniſche Neberfegung von Mazzuchelli, 
Venedig 1747, erhalten hat. — 4) Nicolo, gebürtig aus Piſtoja im Tosfanis 
63 war ein vortrefflicher lateinſſcher und italieniſcher Dichter, Mitglied der 

fabemie der Humoriften und Kämmerer des ade zu Biterbo, geft. um das 
Jaht 1632. legte ſich beſonders auf die Kritik und vertheidigte den Marino 
gegen. die Angriffe ded Etigliani mit großer Heftigfeit, wobei er zugleich. über 
den Dante, PBetrarca, Arifto und Taſſo fpottets, Unter feinen Iateinifchen Ge⸗ 
dichten werben feine Hendefafyllaben wegen der reinen Schreibart- am meiſten 


hägt. 

Billarica, 1) die Hanptftadt der brafilianifchen Provinz Minas Gerass, 
auch Cidade do Duro preto genannt, liegt am Abhange eines Berges in 
der Nähe des Jtacolumi, des höchſten und beveutendften Sirkis in Brafilten, u. 
wird. von dem fehr golohaltigen Ribelrgo de armo und anderen Bergftrömen 
durchfloflen, über welche vier fteinerne Brüden führen. Die abfchüffigen, nicht 
zum beften gepflafterten Straßen find mit vielen Springbrunnen bejegt, aus denen 
jedes Haus mit Waſſer verforgt wird, Die über eine Viertelſtunde lange Haupt 
firaße nimmt fich fehr gut aus. Die Stadt zählt im Ganzen 10 Kirchen und 
2000 gu in welchen 10,000 Menſchen wohnen, von denen etwa ber zehnte 
Theil Weiße, die Uebrigen Mulatten, Cabras (Abkömmlinge von Mulatten und 
Negerinen) und Schwarze find. Als die vorzüglichften Gebäude machen fich be 
merklich: der Palaft ded Gouverneurs, das Stadthaus, die Schapfammer, das 
Gefängniß und das Theater, das Ältefte in Brafilien, Die Kirchen find nicht 
oh, aber gut gebaut und fehr reich verziert. Cine derfelben macht auf ben 

efuchenden Fremden einen überraſchenden Eindrud; fie hat nämlich feine Fenfter 
und wird durch Lampen erhellt, welche beftändig vor den goldſtrotzenden Altären 
brennen. Die Stadt treibt. lebhaften Handel nad Goyaz, Euyaba und Rio 
de Janeiro. Veranlafjung zu ihrer Gründung, in einem der fahlfien und un 
freundlichften Landſtriche Braflliens, konnte unftreitig nur der golbreiche Boden 
geben. IS diefer Ort zuerft von portugififchen Golbfucyern entdeckt wurde, follen 
diefe Nichts weiter gethan haben, ald daß fie die Grasbüfchel aus dem Abhange 
des Berges riffen und ben Fofibaren Bund von den Wurzeln abfchüttelten. Man 
findet auffer dem gewöhnlichen glängend gelbem Golve, in viefer Gegend auch 
ſchwarzes Gold, in der Geftalt dunfelfarbigen Sandes. Der Ertrag ter Gold 
jruben {ft aber gegen früher beveutend ſchwächer. Auch Eifenerz und kalcinirtes 
ifen fommt in den Bergen um V. vor. — J. Ruccof: Narrative of a voy. 
to Brasil. — 2) V., Stadt mit 4000 Einwohnern, in der ſüdamerilaniſchen 
Republit Paraguay, ſüdöſtlich von Aſſumpcion, in einer Gegend, wo ber melfte 
Paraguaythee gefammet wird, mD. 

Billard, Louis Hektor, Herzog von, Pair und Marfchall von Frank⸗ 
reich, geboren zu Monlins im Bourbonnais 1653, ergriff frühe die Waffen und 
zeichnete fich bald dutch perfönlichen Muth, durch Thätigkeit und Brauchbarkeit 
in den Feldzügen aus, weldye er zuerft In dem Kriege gegen die Niederländer 
und nachher in den folgenden machte. Er flieg ſchnell von einer Stufe der mill- 
tärlfchen Ehrenftellen zu der andern. Während des Friedens wurde er zu vers 
ſchiedenen ehrenvollen Mifftonen gebraucht, auf welchen er ſich die Aufmerkjamtelt 


Binde 5 


und den Beifall Ludwigs XIV. noch mehr erwarb. Nach dem Ryswicker Frieden 
wurde er ald Gefandter an ben Wiener Hof gefchidt und beim Ausbruche des 
fpanifchen Succeffiondfrieges kam er zuerſt als Generallieutenant zu der franzöf- 
[hen Armee in Stalin. Den Marſchallſtab erwarb er ſich durch die Schlacht 
bet Sriedlingen, die er den 13. Dftober 1702 gegen den Bringen Ludwig von 
Baden gewann. Ebenſo glühlih war er gegen den Grafen von Styrum bei 
HöHRabt den 20. September 1703, Sehr viele Ehre macht es ihm, daß er 
die proteftantifchen Sevenner 1704 und 1708 mehr durdy Guͤte, als Schärfe zum 
Gehorſam zu dringen fuchte. Er durchdr 1707 die Linien bei Stollhofen 
und den Ruhm eines Retters frine® Vaterlandes erwarb er den 24. Juli 
4712 durch Eroberung der Berfchanzungen bei Denain. Mit Eugen fchloß er 
den Frieden bei Raſtadt und nach Lubwigs XIV. Tod wurde er zu einem Mit- 
gene des Regentfchafterathe® und zum Praͤſidenten bes Sriegerathee ernannt, 
(8 diefer jedoch nachher wieber aufgehoben wurde, biieb ihm Tein Antheil weiter 
an ben öffentlichen Angelegenheiten. Da ber Krieg wegen der polnifchen Könige- 
wahl 1733 ausbrach, ruhie er nicht, bis man ihn mit der Armee, bie mit 
den Sarbiniern gegen die Katferlichen vereinigen follte, nach Italien ſchidte. 
Allein die Zeit feiner Kraft und feined Ruhms war vorüber. on im Anfange 
des zweiten Feldzuges war feine Lebensfraft van erfchöpft; er ſuchte feine Zu⸗ 
rüdberufung und erhielt fie, farb aber zu Zurin den 17. Juni 1734. V. befaß 
einen raſchen, wenn gleich nicht tief eindringenden Geiſt, eine gute Beurtheilungs⸗ 
fraft und Kenntniffe mandyerlei Art. ed gleich feine hohe Meinung von 
Berdienfle bei weitem und hatte Er das Gluͤck an feinen glänzenden 
Thaten oft mehr Antbell, als fein Bei, ſo bleibt er doch Immer in der Reihe 
ber Helden und der Wohlihäter Srankreich® und ein fehr merkwürdiger Mann. 
Eeine lebhafte Phantafle, fein Muth, a Beharrlichteit, fein offenes, gerades 
Weſen, feine Anhänglichfeit an das wahre Intereffe des Etaated, die mit Milde 
gepaarte Strenge, womit er auf Kriegszucht hielt und andere Tugenden mehr 
zeichneten ihn vor vielen feined Standes und Ranges aus. Aber ein hoher 
Grad von Eitelfeit und Anmaflung, fein Ehrgeiz, der ihm eine fubalterne Rolle 
unerträglih machte und der nie vom Glüde genug b Anfint A fand; feine 

ärte, womit er die Geißel eroberter Länder wurde, u. jein Neid find Flecken in 
einem Charakter. 

Bildle, Joſeph, Graf von, königlich franzöftfcher Finanzminiſter und 
Minifterpräftdent, geb. 1773 zu Touloufe, trat ſchon in früher Jugend in franzöfl- 
fhe Seedienfle, nahm an einem Feldzuge in St. Domingo l, Tehrte 1791 
I Frankreich zurüd, begleitete alddann .ven nachmaligen Biceadmiral St. Felir 
nad) Indien u. folgte ihn, als diefer wegen feiner Anhänglichkelt an die monarch⸗ 
iſche Conſtitution 1793 von feinem Poften flüchten mußte, auf die Infel Bourbon, 
wo V. Mitglied der Colonialverſammlung wurde und ſich bis zum Jahre 1807 
aufhielt. Alsdann kehrte er nach Frankreich zurüd, lebte aber bis 1814 In Zurück⸗ 
gezogenheit zu Touloufe und machte fi) während diefer Zeit durch die Heraue⸗ 
gabe einer Gelegenheitöfchrift befannt, worin er felne abfolutiftifchen Grundſatze 
und feinen Wiverwillen gegen jede Verfaſſunggurkunde auf dad Grellſte aus⸗ 
ſprach. Im Jahre 1815 von dem Departement der Obergaronne zum Deputirten 
erwählt, flimmte er ſtets auf der Seite der Anhänger der abfoluten Monarchie, 
wiewohl er feine Anfichten mit vieler Borficht und Icheinbarer Mäßigung vortrug. 
Als jedoch die Kammer zu Yolge der Ordonnanz vom 5. tember 1816 auf- 
gelöst wurde, Eehrte V. nach Touloufe zurüd, trat aber fchon tm Teigenben Sahre 
aufs Neue in die Deputirtenfammer ein. Der * an großen Rednertalenien 





in derſelben machte es ihm möglich, feine Gewandtheit im Eprechen geltend zu 
machen; noch von größerem Einfluſſe für feine Fünftige Laufbahn war ſedoch fein 
genaueres Stublum der finanziellen Berwaltungszweige. Als nach der Ermordung 
des Herzogs von Berry die Partei des Abſolutismus von Neuem ihr Haupt 
erhob, wurde B. zum Bitepraͤſtdenten der Sammer ernannt und balı Yorank in, 





560 Billemain — Billeneuve. 


ihm nebſt Corblate der Sturz des Miniſteriums, deſſen Stütze beide bisher ger 
weſen waren. DB, trat nun nebſt Eorbiere und Peyronnet als Finanzminiſter im 
das Kabinet, unterftügte als foldher vorzüglich den Feldzug des Herzogs von 
Augoulöme nad) Spanien, — die Sepiennalität der Kammern und brachte 
das Gacrilegiengefeg-In Bor —Dæ Er führte mehrmals die Cenſur wieder ein, 
war jedoch durch die öffentliche Meinung gezwungen, dieſelbe immer wieder ab- 
zufchaffen. Die Stimme der Nation widerfegte ſich aber allen feinen Maßregeln, 
die Mehrheit der Pairsfammer war entfchieven gegen ihm und da 1827 neue 
Wahlen der Deputirten eintraten, zeigte fich durch biefe auch die Fünftige Depus 
tirtenfammer ihm feindlich, indem die neuen Mitglieder faft durchaus gegen den 
Willen ded Minifteriums waren und der König fah ſich daher genöthigt, ihn, 
nachdem er ihn zum Pair ernannt hatte, am 4. Jan. 1828 zu entlaffen, I" 
end fodann Martignac (f. d.) das Staatsruder übernahm, trat B. im die 
Pairöfammer, wo er jedoch nur einmal feine Stimme erhob, um ſich gegen feinen 

" Nachfolger Roy zu rechtfertigen. Nach der Zufirevolution zog er ſich nach Tou- 
louſe zurüd, wo er feltdem als Privatmann lebt. 

Billemain, Abel Frangois, Pair von Franfreidh, ein geift- und ge 
f tadvoller Schrififteller, an der Literatur der Griechen u. Römer, der Briten u. 

teren Franzoſen ae vielleicht der vollendetſte der neueren franzöfiichen Red⸗ 
ner, zu Paris 1731 geboren, übernahm er kn im 19. Jahre die Profefiur der 
Rhetorik im College Charlemagne, bahnte ſich durch die Bee: meifterhaften 
Lobreden auf Montaigne u, Montesquien, fo wie durch die Rede über die Kritif 
den Weg zu der PBrofeffur franzöfifcher Literatur an der Univerfität (1816) und 
ward Im Minifterium des Innern ald Mequetenmeifter und nach Villels's Stun 
als Staatsrath angeftellt. 1824 traf ihm zugleich mit feinem Gollegen Guizot 
Eouffin u. A. das Verbot Villelo's, in Folge deſſen er feine Vorlefungen umter- 
brechen mußte, die er aber 1827 wieder fortjegte. Die Julirevofution beförderte 
den freifinuigen Mann in die Pairsfammer. Die Afademie erwählte ihn 1834 
zu ihrem beftändigen Sefretär. Das Minifterium des Cultus, welches er unter 
Guizot begleitete, mußte er 1845 wegen Geiftesfrankheit niederlegen. Seine Bor- 
Iefungen erfchienen gefammelt als: „Cours de litterat fr.“, 7. Bde., die Hleinern 
Schriften ald: „Melanges hist. et litter.“, 3 Bve. Schon früher hatte er das 
uiearlice, und pſychoͤlogiſche Kunftwerf „Hist. de Cromwell“, 2 Bde. 1819 

ausgegeben. 

Bilene, Enrique de Arragon, Marquis von, ein Abldmmling der 
arragonifchen und ahittaniichen Könige, geboren zwifchen 1370 und 1389, und 
farb 1434 zu Madrid. Seine Kenntniffe brachten ihn in den Ruf der Zauberei. 
Durch die von Ihm unter dem Namen eines Eonfiftorio de la gaya ciencia ein- 

jeführte Dichterfhule, für welche er eine eigene Poetif (Arte de troban) ver- 
faßte, übte er Einfluß auf die Poeſie feiner Zeit aus. Bel einer Vermaͤhlungs⸗ 
feler am Hofe zu Zaragoza wurde von B. ein allegorifches Schaufpiel aufge 
führt, welches als der erfle befannte Anfang der dramatiſchen Literatur der 
Spanier zu betrachten if. Der Dominikaner Franz Lore de Barrientos, welcher 
nach V.s Tode deſſen Bibliothek unterfuchte, ließ mehre hundert Bände derfelben 
als Zauberbücher verbrennen. Außer Inrifhen Gedichten und dieſer Poetll 
ſchrieb V. den verfifichten Roman: „Los trabsjos de Hercules“, Burgos 1499. 

Bilenenve, Pierre Charles Jean, —A Gontreadmiral, war 
beim Ausbruche der franzöflfchen Revolution Schiffölleutenant, nahm an ven 
wichtigften Auftritten des Revoluttonöfrieged Theil, und war in dem Treffen von 
Abulir fo glüdlich, feine Divifion zu retten, worauf er mit drei Schiffen in Malta 
einlief. Im Jahre 1802 führte er das Oberfommando. ver Seemacht, die bei 
den Windinfeln ftattonirte; im Juni 1804 ward er zum Viceadmital und im 
September zum Kommandanten des Geſchwaders von Toulon ernannt. Er ver 
einigte derauf mit dem Geſchwader von Cadir, ging nach den —A 
Behrte pa zurüd, begegnete ber englifchen diotie bed Admiral 2 


Se Rt 541 


eferte ihr. ehr: Treffen und erreichte nady einem Werlufle von 2 Sqhiffen Ferral. 
m En 1805 wagte er mit der bereinigten frangöfifchen u. ſpaniſchen 
m Engländern b —** Vorgebitge Trafal Fe ein Treffen zu liefern, 
ungludtich endigte: — feiner Schiffe wurden Ice vor 
tet, {hell :geentert und er ſelbſt —* in In Befangenfchaft des Fehfoes, 
us Jurcht vor dem, nach feiner Räckkehr aus England or erwartenden, Kriege: 
richte endigte er zu Rennes fein Leben durch 
Billeret, Grangois de ———— Heraog, von, Pair u. Marſchall 
n Frankreich; Ritter der töntglichen Otden 10 eboren und flammte 
r einem alten, fehr yo en Haufe. Sim ldzug that er ale 
rehiniget in Ungarn ge e Türken, wo er wit v em Brubnte cht. In 


m Aal bis zum Frieden von R wid nach audy n 
heine, in der Gun Rider * hm an” var Ken Ueberfal 
702, wo ihn Brin —* — nahm .und‘ Durch den —— — bei 
amilies vorgefollenen —— abet feinen: Kriegstuhm ein... Jadeſſen 
urde er Staatöminifter, Präfvent des er li dinanʒcatheo und Oberſthof⸗ 
eiſter —— XV. Gr ſtarb ben 18. Zul 1790. rn 
Dikiers; f. Budingham 1 
Billoiſon, Jean Bahtife@afparh VAuffe be, Prefeſor ve alt und 
:ugriechifchen ‚Sprache am Collöge de France, glied des framzöflfchen 
ituis der Wiſſenſchaften und Kanſte und zuvor der Akademie der Juſchrifien, 
te auch * ed vieler auswärtigen Akademien, einer der beſten Kenner der alt⸗ 
nd nen Ifhen Sprache u. eheratır, geboren den 5. März 1750 zu Corbeil 
n 1 Nur a, ; kam Jung an bat — — 3 em um delchnete 
u ewunderungs w edaͤchtniß nem Jahre 
re er ſchon alle —S aelefen mb re ſchon im 23, Jahre in die Akabe⸗ 
te der Imfchriften aufgenommen. Sein erſtes Werk war eine Ausgabe von 
Apollonii So ophistae lexicon grasc. Iliadis et Odysseae,“ 2 Dde., Paris 1778, 
„das er mit Prolegomenen uns Anmerkungen verſah. Seine guogabe von 
Longi Pastoralium de Daphnide et Chloe .lib. IV. ex resens. et cum animadv.“ 
ſchien 1778. Um diefe Zeit wurde er auf Koften der Regierung nad) Benedig 
eſchickt, um dort. bie ie Banpfäriften der St. Narcusbibliothek zu unterfudhen. 
vier fehrich er: ota graeca ei © regia a parisiensi et 6 veneta St. Marci 
ibl. depromta,“ 2 Bpe., Venedig 1781, 4. In der St. Narcusbibliothek ent⸗ 
te er einen (oder der lade home, mit einer Menge von Scholien, vie 
: heraußgab unter dem Titel: „Ilias Homeri ad veteris cod. Veneti fidem recen- 
ta. Scholia in eum antiquiss. ex eodem cod. aliisgue nuno primem - edit.“ 
ienedig 1788, Bol. . Aufietdem copirte er in Venedig eine. among a 
eberiegung be der Sprichwörter u. des Predigers mn, des ud 5 
‚Ringelieber des Dantel und des. Pentateuch, vie er 1784 in 
udn teß. Nach feiner Ruͤckkehr befuchte er Deutfchland und benügte ers 
4 die Bibliothek zu Weimar, wovon feine „Epistolae Vimarienses“, Zürt 
783, 4., zeugen. : 1785 befuchte er mit dem @elehrten «md Kım eunde, ben 
anzöf. Gefandten bei der forte Grafen &potfeul,buf er, st hopel, bereiste 
Jahre länge das fefle Land und die Inſeln des A schtyelß, De fh die bie Klofer- 
bliotbefen Ind ſprach das Neugriechiiche mit —* usarbeitung 
iner Beichreibung von Griechenland warb er bir —5 Se Pac 
’ eftört, — aber durch die Stürme der Revolution, bie 
tirieben. . na Orleans rüd, mo er den’ größten — 
ie Bisitarkk a und bi ngen won Heinrich: Baleſtus one ‚ ie 
- am Rande vieler dort m "Dice befinden. * legie er nun Hand an ſeine 
bij afncıe Cu Dfater 1 die Stärme gelegt Hatten, Lehrte er nach Bari6 
eröffnete 2 Dichte 1799 Borlefungen über alte u iechl(ähe” 
r, 3. — wenig beſucht warden Zuleht wowe ee —* 
Roslioncpelopidle X. 





di * in Flandern g 
e commandirte A vie franzöffche Armee in & ı rear eich 


XX 


562 Vilshofen — Vineentius. r 
Ulonalinſtiuts umd Profeſſor der griech, Sprache an der Untverfität, Rarb_aber 


. bald. darauf, den 26. April 1805. Diele gelehrte Abhandlungen von ihm ſtehen 


in den „Möm. de lacad. des Inser. und im Magas. clop.“ 

Bilspofen, fhöned und gewerbfames Etivihen In Niederbayern Und Sit 
elnes Landgerichte® und Mentamtes, an der Donau, welche hier Die u 
Vils aufnimmt. Die a) Pfarrfirche war früher der Sig eines Eollegiat- 
fliftes, welches der In dem niederbayerifchen — berühmte Ritter Heinrich 
Tuſchi von Sölvenau 1376. gegründet hatte.. Zwei: BVorflädte, Kranfı 8 u. 
andere Wohlthätigkettsanftalten, Handel, Bierbrauerei, Leinwand» und Gänfe- 
märfte, lebhafte @etreidefchrane, 2' Einwohner. Inder Nähe Brauendorf 
mit den febenswerthen SPflangungen des um ben. Gartenbau und. die Landwirth⸗ 
ſchaft in Bayern hochverbienten I. E. Fürft u. das befuchte Schwefelbad.H öb- 
enſtadt. — V. wurde zu Anfang des 13. Jahrhundertd von den ibern 
Helnrih 1: Ropoto, Grafen von Ortenburg, mit Mauern ‚ben u. zur Stadt er- 
hoben, Herzog Heinrich von Bayern-Sand&hut brachte es durch Kauf an fein Haus. 
In der Siaatsgeſchichte iſt der Ort merfwürdig geworden durch ıden (4) 
Kaifer Ludwig dem Bayer und dem Könige Philipp von Frankreich abſchloſſenen 
Bundeövertrag, den Erfterer am 24 Januar 1341 zu DB. unterzeichnete. mD. 

Binalia hieß bei den alten Römern ein Feſt welches zweimal im Jahre 
gefetert wurde und zwat das erſte Mal am 22. April und: das zweite Mal am 
21. Auguft Cehteres das Feſt der Weinleſe, v. rustica), um den Weinwachs 
Staltend dem Jupiter, zu weihen. ! , 

Bincentius. Der Namervon vier Heiligen der katholiſchen 
Kirche. 1 V., ver Heilige und: Martyrer, wurde zu Satagoſſa in 
Spanien geboren und Inder Folge von Valertus, dem Biſchofe dieſer Stadt, 
unter deſſen Augen er in ver. Kenntniß ver heiligen: Schriften. herangebildet wor 
den, zum: Diafon ‚geweiht, mit der Beftimmung, den: Gläubigen das görttiche 
Wort zu: verfündigen. Der damalige Statthalter. Spaniens war Daclan, einer 
der graufamften Chriftenverfolger, . auf. deſſen Befehl Valerlus und B. im 
Sabre 304 verhaftet wurden. Die erſtenn Leiven hatten fie in Saragoffa' zu er- 
dulden, von wo man fie fpäter nach Valencia ſchleppte und in einen jammer: 
vollen Kerker warf, wo fie lange Zeit: in Banden, und peinigendem Hunger 
ſchmachten mußten. Endlich ließ fie Dacian vor feinem Richterſtuhle erfcheinen, 
wo der heil. Diakon im Namen beiner das Wort nahm und erklärte, daß fie 
Ghriften felen; Daß fie nur den einen wahren Bott, mit Jeſus Chriſtus unſerm 

n, feinem einigen Sohne, der nur eim Gott mit dem Bater und dem heil. 

eeiſte AR, anbeten nnd. daß fle bereit feier, „Pix. feinen Ramen Altes zu. leiden 
Balerius ward. hierauf zur Landesverweifung verurtheilt,, V. aber mußte alle 
Peinigungen beftehen, welde die boshaftefte Graufamfeit erfinnen fonnte. Seine 
Martern waren, wie der heilige Auguftin berichtet, fo qualvoll, daß die menſch⸗ 
liche Natur fie ohne übernatürliche Kraft nicht zu ertragen im Stande geweſen 
wäre. Der Heilige bewahrte dennoch dabei einen fo fanften Frieden, und cine fo 
unveränderliche Ruhe, die, auf feinem Angefichte, in ſeinen Reden und Gebärden 
ſich zeigte, daß felbft die Verfolger, erftaunend, darin etwas Ueberirdiſches erkannten. 
Der Richter ſtand wie erftarrt, ald er das. Blut von allen: Theilen des Leibes 
berabrinnen, den grästichen Zuftand des Mariyrers erblickte und zugleich deſſen 
unwandelbare Feſtigleit in dem Glauben an Jeſus Er befahl daher, von den 
Beinigungen abzulaffen, in der, Hoffnung, auf dem Wege der Güte vielleicht den 
gwůnſchten Zweck zu ‚erreichen. Die, Mitwvort des Martyrers: war aber: er 

irchte viel weniger Qualen und Peinigung, als falſches Mitleid. Dacian, der 
gt mehr als je ergrimmie, befahl, ven ‚breiligen Diakon auf einen glühenden 
Roft zu legen. V. der in dem Leiden die hödhfte Freude: fand, beftieg muthvoll 
das fchanerliche Werkzeug: unausfprechlicher Thual, an dem auf allen Seiten fpig- 
ige Eifen bervorragten, werlor nicht ‚einen Augenblic‘ feine heitere Geelenrube, 
ſondern unterhielt ich, die Augen gegen Himmel: erhoben, innerlich durch ununter- 


Bincentins, 583 
brochenes Gebet mit Gott. — Der Statthalter, der endlich an dem erwünfchten 
Erfolge verzweifelte, lich den Bekenner in einen finftern Kerker fchlepyen, mit - 
dem Befehle, deflen zerriffenen Körper auf Scherben zu legen und feine Füße in 
den Sted zu fpannen, wodurch dielelben gewaltfam auseinander gezogen wurden. 
Riemanden wurde erlaubt, den Gefangenen zu befuchen, over mit ihm zu fprechen. 
Allein Bott verließ feinen Diener nicht. Engel fliegen vom Himmel zu ihm her⸗ 
ab, ihn zu tröften und das Lob des Ewigen mit ihm zu fingen. Der Kerkers 
meißter ſah durch einen Rig der Thüre das Gefaͤngniß von einem hellen Glanze 
erleuchtet und den Heiligen aufs und abwandeln und in freudigen Lobgefängen 
feine Befreiung feiern. Durch diefed Wunder ward er fo gerührt, daß er fich 
unverzüglich befehrte und die heilige Taufe empfing. Diefe Nachricht war ein 
Donnerichlag, der den Staatthalter niederfchmetterte; den Heiligen ließ er jedoch 
in Ruhe. Auch wurde den Gläubigen die Erlaubniß ertheilt, ihn zu befuchen. 
Eie küßten unter Thränen feine Wunden und fammelten von frinem Blute in 
Tüchern auf, um ed den Ihrigen ald einen Foftbaren Schap zu hinterlaſſen. Die 
Ehriften legten dann den ‚Heiligen auf ein weiches Bett, von dem er aber bald 
in die Ruhe feined Herrn überging. Dacian ließ vie Leiche zuerft auf einen 
fumpfigen Anger werfen; als fle aber wunderbar dafelbft erhalten wurde, befahl 
er, fie, mit einem Mühlfteine beſchwert, in das Meer zu werfen. Allein die Leiche 
erhob ſich aus der Tife und warb an das Ufer getrieben, wo zwei Ehriften fie 
fanden und aufferbalb Valencia's Mauern in einer Kleinen Kapelle beervigten, 
wo diefe heiligen Ueberreſte durch mehre Wunder verherrlicyet wurvden. “Die 
Kirche feiert fein Andenken ven 22. Januar. — 2). V. von Lerin flammte 
aus Gallien und wurde wahrfcheinlich zu Ende des A. oder am Anfange des 5. 
Jahrhunderts geboren. Er war nad) Gennadius Wriefter in dem damals bes 
rühmten. Mönchsklofter auf der Infel Lerin, jest St. Honorat. Auo feinem 
„Commonitorium“ geht hervor, daß er von feiner zarten Jugend an bis in fein 
ſpätes Alter ſich ſteis im Kreife gebildeter u. edler, heiliger u. gelehrter Mäns 
ner bewegt haben muß. Welt und Religion fah er für das an, was fie wirf- 
lich find; beides hatte er empfunden u. gefühlt u. da er ven Hafen der Relis 

ion für den ficherften hielt, fo zog er fidy mit innigfter Heberzeugung, mit ganzer 

eele, im Bertrauen auf den allwaltenden Schöpfer und Herrn in denfelben zus 
rüd und lebte in Beſchauung und Betrachtung, unbefümmert um das weltliche 
Treiben und Gemwühl, bis zu feinem feligen Hinfcheiden in das Land der Yroms 
men und Gerechten, nach der gewöhnlichen Annahme um das Jahr 450. Die 
Kirche feiert feinen Sterbetag am 24, Mai, B. war ein waderer Kämpfer für 
die alte katholiſche Lehre, für dad wahre Wohl der Menfchheit und deswegen 
ein erflärter Feind aller Gegner der Fatholifchen Kirche. Aber er, in feinem 
Kampfe gegen die Neuerer, hirlt ſich felbft nicht ganz rein von der Lehre ber 
Semipelagianer und Maſſilienſer. Sonft gilt von feinem Commonitorium, das 
in einfacher, angenehmer und fließender Sprache gefchrieben ift, das Urtheil Ma⸗ 
billond, „dieſes Buch iſt die größte Probe ver Belchfamteit und Beredtſamkeit 
und ein ewiges Bertheivigungsmittel gegen alle Kebereien, alte, neue u. Lünflige 
Die erfte Ausgabe erfchien zu Bafel 1528; andere erfchienen: zu Paris 1544, 
1547, 1560, 1586; von Eofter zu Köln 1569; von Galirtus zu Helmſtaͤdt 1629, 
1655; von St. Baluze zu Paris 1663, 1669, 1684, Cambridge 1687, Bremen 
1688, Venedig 1723; von Salinas zu Rom 1731, 1765; von Klüpfel zu Wien 
1809. Die neueften Ausgaben erfchienen zu Avignon 1824, zu Oxford 1836, zu 
Augsb. 1843. Deutfche Ueberfegungen haben wir von Feder, Bamb. 1795 ; Geiger, 
Buzern 1822; Epalt, Breslau 1840. . Weitere Nachweiſungen |. in „Beredtfam- 
keit der Kirchenväter von M. U. Nickel und Kehreln,“ Regensburg 1846, 4 Boe,, 
©. 523 fi. x. — 3) B. Ferrerius, Apoſtel aus dem Orden des heiligen 
Dominicus, wurde den 23. Januar 1357 zu Valencia in Spanien, im Schooße 
einer, durch Frömmigkeit und werkthätige Rächfienliebe außneke neten, Familie 
geboren und erbaute ſchon in.feinem 10. Jahre durch feine ' 2 Tee 


- ent 


564 Bincentius. 


und ber heiligen Jungfrau, durch fein Faſten und durch feine Liebeswerke gegen 
die Armen, feine ‚Eitern und alle Bekannte. Mit vorzüglichen Geiftesgaben ge 
fchmüct, hatte B. fchon als Züngling feine wiflenfchaftlihe Laufbahn zurüdge 
legt, worauf er ſich 1374 zu Valencla mit Zuftimmung feiner Eltern in den 
Dominifanerorden ———— ließ. Den heiligen Stifter nachahmend, ward er 
bald ein vollendeter Geiftesmann. Und, um feine Beftimmung volllommen zu er- 
reichen, verband er mit dem Gebete umd den Abtödtungen ein unermühdetes 
Forſchen in den — Schriften und ein aufmerlſames Leſen der Kirchen⸗ 
väter, Auf Befehl feiner Oberen lehrte er in Barcelona und dann auf der be 
rühmten Univerfltät Lerida in Gatalonien: Philofophie, erniete großen Beifall ein 
und empfing 1338 den Doftorhut aus den Händen des Eardinals Peter de Luna, 
des Legaten Clemens VIL. Der Biſchof und das Volk von Valencia riefen ihn 
zurück und er erklärte daſelbſt die heilige Schrift und predlgte mit auſſerordent⸗ 
lichem Erfolge, denn feine Reben athmeten den Geiſt eines ganz von Gott er 
füllten Herzens u. feine Studien, Arbeiten und —— alten einem fort: 
geſehten Gebete. In feinem Traktate über das geiftige Leben gibt er den Stu⸗ 
direnden die für ihren Beruf heilfamften Nathichläge. V. blieb 8 Jahre in 
Valencia und predigte mit immer ftetgendem Einflufe; aber felbft der tugendhaft⸗ 
efte iſt nicht ohne Verfuchung u. Feinde und Verlaͤumdung, von diefen geſchickt 
benügt, erfüllte auch das De unſers Heiligen mit: bitterer Kränfung. Eine 
junge Frau war BE den fhönen und begeifternden Kanzelredner in fündiger Liebe 
rannt, ftellte fich Frank u, ließ ihn, unter dem Vorwande beichten zu wollen, 
zu ſich kommen, alfo frevelhafter Weife heilige Sachen zu verbrecherifchen Hande 
lungen mißbrauchend. Als ver Geiftliche mit ihr allein war, 'entblödete fe ſich 
nicht, Ähm mit allen glühenden Farben eines aufgeregten ae die Gefühle zu 
fchildern, welche er’ in ihr erwedt hatte, V. ſtieß einen Entjegensjchrei aus und 
Bon wie Joſeph. Die Elende, die zu wiel auf Jugend: und die Gewalt ihrer 
Reize gebaut hatte, nahm in der Wurh über die VBereitelung ihres Beginnend 
zur BVerläumdung ihre Zuflucht und zeihte den Heiligen eines Verbrechens,’ das 
fie allein begangen. Später aber ging fie, in Folge der Mahnungen ihres Ge 
wiſſens, in fidy, befannte ihre Schuld und gab dem Gefränften öffentliche Genug- 
thuung, der demüthig u, ohne ſich zu wertheidigen, die auf ihn gehäufte Schmach 
ertragen und durch diefen Beweis feiner Tugenphaftigfeit in einem für Sünden 
fo empfänglichen Alter neuen Ruhm geerntet hatte. Der erwähnte Cardinal⸗ 
Legat nahm ihn 1390 mit nach Frankreich, um der neuen Legation bei Karl VI. 
durch ihm mehr Glanz zu geben. Der Heilige lebte aber in ganz anderer Weife, 
als der fehr weltlich gefinnte Legat und, während diefer fich nur um Politik ber 
kümmerte, arbeitete B. zur Ehre Gottes und erntete eben fo reichen Segen, wie 
früher in Spanien. Nach vier Jahren ging er nach Valencia zuräd, ward aber 
von Benebift XIM., dem von drantreid und Spanien als Papft anerfannten 
Peter de Luna, als Beichtvater verlangt. Den Heiligen ſchmerzte das Schisma 
der Kirche, deren übrige Länder Gregor XII. anerkannten u. er nahm dieſe kriti⸗ 
ſche Stellung nur aus dem Grunde an, um zum Helle und Frieden der Kir 
auf den neuen und zweifelhaften Papſt wirken zu Tonnen, ſah aber feine Bemüb- 
ungen an dem Ehrgeize deſſelben ſcheitern, verließ ihm wieder und trug durch 
Enthebung Ferdinande von Caftilien vom Gehorfam viel dazu bei, ihm ben 
Schein der Macht zu rauben, wen er fo verbrecherifch beuũhen wollte. Als 
Gregor XU. entfagt hatte, iwurde Benedilt XI. durch die Eoncilien von Bile u 
Conſianz abgefegt und Martin V. am 1417 auf ven: päpftlichen Stuhl und heilte 
durch feine Tugenden die Wunden der. Kirche. — Noch) ‘vor dem Ende des Jahres 
1398 hatte V. —& verlaſſen, um in ſein Vaterland zurückzulehren. Mit 
hohet Begeiſterung durchwanderte er alle ‚Brooinen Spaniens, Galicien ausge 
nommen und. predigte die Lehren des Heils. verhärteteken Sunder ver⸗ 
mochten dem Strom feiner Rede nicht zu widerſtehen; ihre Verirrungen bewein⸗ 
end, thaten fe auftichtig Vuße. Unter den Belehrten zaͤhlte man eine Menge 
Br 


Bincentind. 565 


Zuden, Muhamebaner, Irrgläubige und von der Kirche Getrennte. Der Heilige 
ging hierauf nady Sranfreid und verweilte eine Zeit Tange in den Provinzen 
anguedoc, Provence und Dauphins; von da feste er über die Alpen u. durch⸗ 
wanderte die Lombardei, Piemont und Eavoyen; er predigte auch in Deutichland 
in den Gegenden des Oberrheins u. in Flandern. Englands König, Heinrich IV., 
Iud ihn durch ein ehrfurchtsvolles Schreiben in fein Königreich ein und ließ ihn 
buch fein eigenes Schiff an der Küfte Frankreichs abholen. V. ertheilte dem 
Könige verfchledene Mahnungen für fein und feines Volkes Heil und predigte in 
den vorzüglichfien Städten der drei Snfelreiche. Nach dieſer Arbeit kehrte er 
wieder nad) Frankreich zurüd, wo 3 feinem Eifer ein neuer ausgebreiteter 
Srtungettreie öffnete. Unwiſſenheit u. Sittenverderbniß, die gewöhnlichen Folgen 
des Krieges und der Spaltung, machten damals die Predigten und apoflolifchen 
Wanderungen eines Mannes, wie ®., nothwendig. Mit flammender Beredtſam⸗ 
feit verband er die Gabe, fich ſtets zur Faſſungskraft feiner Zuhörer herabzulafien 
oder hinaufzuſteigen und unterſtützte feine Rede jenes Mal mit Tichtvollen Ber: 
nunftfchlüffen, vorzüglich aber mit dem Anfehen der Schrift und der Bäter, in 
deren Lehre er vollfommen bewandert war. Dazu kam noch die Heiligkeit feines 
Wandels, verbunden mit der Wundergabe, wodurd feine Worte neue Kraft er- 
hielten. Einen großen Theil des Tages brachte er im Beichifiuhle zu, wo er 
das auf der Kanzel Begonnene vollendete. Fünf feiner Ordensbrüder und einige 
andere eifrige Prieſter hatte er zu Dehitfen in feinen heiligen Amtsverrichtungen. 
Sein wohlthätiges Wirfen war fo allgemein anerkannt, daß er, der bie Kirche ver- 
wirrenden Spaltung ungeachtet, in allen Ländern ehrenvoll aufgenommen wurbe. 
Als er fi) in Dauphind befand, erfuhr er, daß die Bewohner eincd Thales, mit 
Namen Baupute oder Berderbensthal, ven abfcheulichkten Laftern fröhnten. 
Dabei waren fie noch fo roh und verwildert, daß Fein Religtonslehrer bis zu 
ihnen vorzudringen e8 wagte. V., bereit, Alles für die Ehre Gottes zu leiden, 
unternahm ed, diefelben felbft für den Preis feines eigenen Lebens dem Untergange 
zu entreißen. Seine Arbeiten waren nicht ohne glüdlichen Erfolg; denn jene 
Thalbewohner wurden durch feine Mahnungen erfchüttert, verabfcheueten thre 
Oreuelthaten und unterwarfen fich einer aufrichtigen Buße. Die Ummandelung 
zeigte ſich fo erfreuld, daß diefe vorbin fo perrufene Gegend den Namen Thal 
der Reinigfeit fortan trug. Der hohe Ruhm des heiligen Bußpredigerd ge- 
langte bis an den Hof des Maurenkönigs von Granada in Spanien und diefer, 
obgleid ein Muhnmedaner, wünfchte den aufferordentlichen Mann zu ſehen. “Der 
Heilige folgte auch unverzüglich der an ihn ergangenen Einladung und erſchien 
vor dem ungläubigen Könige. Auf feine Predigten befehrten fi mehre Muha⸗ 
mebaner. Die Großen ded Reiches baten aber den König, den Berfall ihrer 
Religion befürchtend, den V. bald wieder zurüdzufchiden. Der Heilige wanderte 
wieder in andere Gegenden und Länder, um Gott aus Sündern u. Ungläubigen 
neue Derehrer zu bereiten. Brach Unruhe oder Zwiefpalt Itgenbioo aus, fo er- 
ſchien er fogleidy ald ein Engel des Friedens und Ienfte die Herzen zur gott⸗ 
gefälligen Eintracht. — Durch die anhaltenden Arbeiten ward aber feine Ge⸗ 
fundheit fo gefchwächt, daß man, für fein Leben beforgt, ihm rieth, in fein Vater⸗ 
land zurüdzufehren, um ſich wieder neue Kräfte zu fammeln. Doch, er follte 
Sranfreich, wo er fo fegensreich gewirkt hatte, nicht mehr verlafien. In Bannes 
war für ihn die Rubeftätte beftimmt. Als er fih dem Tode nahe fühlte, ver- 
doppelte er feinen Andachtseifer u. empfing die heiligen Sterbfaframente. Waͤhr⸗ 
end der ganzen Zeit feiner Krankheit redete er nie von feinen Schmerzen; wenn 
er den Mund öffnete, geſchah ed nur, um Gott zu danfen, daß er ibn an dem 
Kelche feines Sohnes habe Theil nehmen laſſen. Seine Geduld und Ergeben⸗ 
heit in dem fchweren Todeskampfe, den er zu beftehen hatte, waren aufferorbent- 
ih. Am 10. Tage feiner Krankheit ließ er fich die Leidensgeſchichte unſers 
Erlöfers vorlefen, betete die 7 Bußpfalmen und wanderte, fo mit Bott in heiliger 
Liebe vereint, in die Wohnung der Seligen hinüber, ven SD. Und LAD, m 


566 Bincentius. 


Mittwoche vor dem Palmfonntage, in einem Alter von 62 Jahren. Sein Leich⸗ 
nahm wurde in der Domkirche von Vannes beigefegt, Die Kirche ehrt fein An- 
denfen am 5. April. — 4) B derHeilge, von Paula, Stifter ver Laza- 
tiften (f. d.), war der dritte Sohn Wilhelms von Paula und der Bertranda 
von Morad und war den 24. April 1576 in dem Meinen Dorfe Poy im der 
Gascogne geboren. Seine Eltern, welche ein Feines Erbgut befapen, von defien 
Ertrage fe ihre Familie fromm u. revlic) ermährten, hatten im Ganzen 6 Kinder, 
nämlich 4 Söhne und 2 Töchter. D., der fchon frühe befondere Beweiſe feiner 
Geiftesfähigkeit an den Tag legte, hütete in den erften Jahren die Hcerven feines 
Vaters. Sſt beraubte fich da der Knabe eines Thelles feines nöthigen LUnters 
haltes, um damit die Armen, in welchen er Jeſus felber verehrte, zu unterflügen. 
Sein Bater, diefe feltenen Eigenſchaften an feinem Sohne bemerkend, bielt ihn 
eines edleren Berufes werth u, beftimmte ihn zum geiftlichen Stande. Er führte 
daher den 12jährigen Knaben nach ah zu den Fianziokanern, welche fich mit 
Erziehung der Jugend — Als V. vier Jahre im Klofter zugebracht hatte, 
wählte ihn ein Anwalt zu Acqs auf des Guardians vortbeilhafte Empfehlung zum 
auslehier. Dadurch war der Junge B, in Stand gefegt, feine Studien fortzu⸗ 
ren, ohne feinen Eltern zur Laft zu fallen. In feitiem 20. Jahre begab er 

ch nach Toulouſe, vollendete da feine theologtichye Laufbahn und ward Bac- 
calaureus der Theologie. Im Jahre 1598 Ki er das Subblafonat und das 
Diafonat und zwei Jahre fpäter die Priefterweihe. Schon bewunderte man an 
ihm die Tugenden, welche den würdigen Diener Jeſu bilden, wiewohl er voll⸗ 
fommene Kreuzigung, auf welcher das ganze Gebäude der Heiligkeit ruht, noch 
nicht kannte. Durch Innere n. äußere räflng mußte cr ſich noch jene Geduld, 
Sanftmurh und Liebe erwerben, wodurd bie ausermählten Seelen ‘der wunder: 
baren Einwirkung der göttlichen Grade würdig werden. Nach feines Vaters 
Tode entfagte er dem, ihm durch deffen Veftament zugefallenen, Theil zu Gunſten 
feiner Mutter und feiner Geſchwiſter und erwarb ſich durch Unterrichtgeben den 
nöthigen Unterhalt. Als er 1605 eine Reife nach Marſeille machte, um dafelbfi 
den, von einem Freunde ihm gewordenen, Erblaß von 700 fl. zu erheben, ward er 
auf der Rückleht zu Waffer von 3 Raubſchiffen angefallen. Da die Ehriften mit 
ihrem Fahrzeuge fih nicht ergeben wollten, ſchoſſen die Ungläubigen mit Wuth 
auf fie- 108, tödteten 3 Mann und verwändeten alle Uebrigen. ®. ward von 
einem Pfeile verlegt, deſſen Folgen er noch Tange nachher fühlte. Das Eiſte, 
was die Muhamedaner nach erfochtenem Siege thaten, war, daß fie den Gteuer- 
mann in Stüde bieben, um fich dafür zu rächen, daß er ihnen fo Eräftige Segen⸗ 
vwehr geleiftet und einen ihrer Hauptleute, fammt 4 oder 5 Sklaven, » getödtet 
hatte. Die übrigen Gefangenen legten fie in Ketten und burchfreiften noch 7 
bis 8 Tage das Meer. NIS fie dann mit Beute beladen waren landeten fle in 
Tunis, Heideten die Ehriften als Sklaven, führten fie an Ketten 5 bis 6 Mal 
zur Schau durch die Stadt hin und her und boten fie dann auf der Galeere den 
Kauflufligen an. — Rach genauer Unterfuchung ward V. von einem Bifcher ge: 
kaufi, der ihn aber wieder, weil er die Meeresluft nicht ertragen fonnte, an einen 
Arzt_ verkaufte, der ein großer Chemiler war und feit 50 Jahren dem Steine der 
Weiſen nachſpurte. Diefer behandelte B. mit vieler Milde, verſprach fogar, wenn 
er feine Religton ändern wollte, ihm alle feine Reichthümer zu geben und ihn in 
die Geheimniffe jener angeblichen Kunſt einzuweihen. Der Heilige, weldyer mehr 
die Gefahren für feine Seele, als vie Schmach feiner Sklaverei fürdhtete, erflehte 
den Beiftand des Himmeld durch die Fürbitte der allerſeligſten Jungfrau und 
lets glaubte er, das Glüd, der Berfuchung entfommen zu fern, diefer gütigen 
Mutter verdanken zu müflen. Nach dem Tode des Arztes fiel der Heilige deflen 
Neffen zu, welcher ihn einem Renegaten aus Nizza in Savoyen verfaufte, auf 
deſſen gepachtetem Grundftüde, in einem fehr heißen und öben Landſtriche, ®. 
arbeiten mußte. Der Renegat hatte 3 Frauen, deren eine, von Geburt und Re- 
Igton eine Tuͤrlin, oft aus Neugier zu V. auf das Feld ging, Ihm mehre Fragen 


Bineentins. 567 


über das Geſetz, die Gebräuche und kirchlichen Ceremonien der Chriſten ſtellte 
u. ihn zuweilen aufforberie, dem Gott, den er anbetete, Zoblieder zu fingen. Der 
Hellige ſtimmte innig gerührt u. allezeit mit weinenden Augen den fchönen Pfalm: 
„An den Flüßen von Babylon faflen wir,” das „Segrüßt feift du Königin“ und 
andere ähnliche Kirchengefänge, an; dann unterhielt er ſich mit der Türkin über 
Die Lehre unfers Glaubens. Die Mubamedanerin hörte mit vieler Theilnahme 
die Wahrheiten des Chriſtenihums, ſah mit WBerwunderung ben tugenphaften 
Wandel ihres Sklaven u. machte ihrem Manne Borwärfe, daß er eine fo fchöne 
Religion verlafien habe. Der befhämte Renegat konnte feinem Weibe Nichts ers 
widern. Bon Abfcheu ergriffen peaen fein Verbrechen, befprah er ſich mit 2. 
und fie Famen überein, bei günftiger @elegenbeit fidy aus dem Gräuel der Sklav⸗ 
erei und dem Schatten des Todes zu retten. Sie beftiegen einen Eleinen Rachen, 
durchfchifften das mittelländifche Meer, furchtlos vor einbrechendem Ungewitter 
und landeten am. 28. Juni 1607 an Frankreichs Küften, worauf fie fi) nach 
Avignon begaben, wo der Renegat feine Abſchwoͤrung in die Hände des Vice⸗ 
Lenaten des heiligen Stuhles ablegte. Des folgenden Jahres begleitete er ben 
Dei en nady Rom, wo er, um feinen Fehler in Bußthränen abzumwafchen, tn 
eine Kloftergenoffenfchaft trat, die fi der Krankenpflege in den Epitälern wid- 
mete. 8. ward von unausfprechlicdher Tröftung überfirömt beim Anblicke ver 
ewigen Stadt, in welcher das Oberhaupt der fireltenden Kirche wohnt, das Blut 
fo vieler Martyrer geflofien und in deren Schooße die Gebeine des Apoftelfürften 
Petrus und des ‚Heidenlehrer Paulus, fammt einer unzähligen Menge ande⸗ 
rer Heiligen ruhen. Als er feine Andacht befriedigt hatte, reiste er wieder nach 
Frantreich zurüd. Bei feiner Ankunft in Paris bezog er eine Wohnung in ver 
Vorſtadt Saint Germain, unfern des Spitald der barmheszigen Brüder, wo er 
häufig die Kranken befuchte und tröftete. In demfelben Haufe wohnte auch ein 
Richter des Dorfes Sore, aus dem Bezirfe von Vordeaux. Diefer ging eines 
Tages aus, ohne vorher feinen Echreibtifch zu verfchließen und, da er bei feiner 
Nüdfehr einen Beutel von 400 Kleinen Thalern vermißte, befchuldigte er V. des 
Diebſtahls und verfchrie ihn bei allen feinen Bekannten u. Freunden. Der Heil- 
ige begnügte fi mit der Verwahrung gegen die ihm angefchuldigte böfe That 
und fagte in ruhigem Tone: „Gott weiß die Wahrheit." 6 Jahre dauerte diefer 
Verdacht, bis der, wegen eine® neuen Verbrechens eingeferferte Dieb, von Ge⸗ 
wiffensbiffen gefoltert, feine Schuld bekannte. Der Eardinal von Berulle lernte 
damals den heiligen B. fennen und bewog ihn, die Seelforge des, unfern Paris 
elegenen, Dorfes Clichy anzunehmen. V. oblag mit allen pre der Erfüllung 
—* Amtspflichten. Er unterwies nicht nur ſeine Gemeinde, ſondern ſuchte alle 
Mißbrauche zu heben, oder —F vorzubeugen. Mit zaͤrtlicher Sorgfalt befuchte 
er die Kranken, unterflühte die Armen, tröftete die Betrübten, fühnte die feindlich 
Sefinnten unter fih aus und unterhielt den Frieden in den Familien. Indeß 
mußte er bald diefe Pfarrei verlaffen und die Erziehung der Kinder des Philipp 
Emanuel von Gondi, Grafen von Joigni, General der Galeeren Frankreichs, 
übernehmen. Francisca Margaretha von Silly, Gondi's Gemahlin, ein 
Mufter der chriftlichen Froͤmmigkeil, ward durch die hehren Tugenden des heil. 
B. fo gerührt, daß fie ihm ihr ganzes Vertrauen fchenkte und ihn zu ihrem Ge⸗ 
wiſſenstathe erwähltee 1616 begleitete V. die Gräfin in das Schloß Folleville 
in dem Bisthume Amiens. Eines Tages begehrte man ihn in ein etwa zwei 
Stunden von Amiene gelegene? Dorf, um da einen gefährlich Tranfen Landmann 
Beicht zu hören, der fein ganzes Vertrauen auf den heiligen Prieſter ſetzte. V. 
machte fich ungefäumt auf ven Weg. Als er den Seelenzuftand des Kranken 
ernftlich unterfucht hatte, rieth er ihm eine allgemeine Beicht an, weldyer fidy 
diefer audy wire unterzog. Bald gewwahrte der Heilige, daß fein Kranker noch 
nie mit der gehörigen Vorbereitung das Bußfaframent empfangen und mithin 
feine Verzeihung feiner Sünden erhalten habe. Der in Thränen zerfließende 
Landmann Hagte ſich über alle feine Bergehungen an und werigärte oronk «Km. 


568 Vincentius. 


Freude, die ſich kaum mit Worten ausdrücen läßt: Dieſes öffentliche: 
egte er in Gegenwart vieler herſonen ab, namentlich der Gräfin 5 — Diele 
tugendhafte rau ward von Angftergriffen, da fie bebachte, welchen sen fo viele 
Seelen entweder aus Mangel an Hilfe, oder an Unterricht ann ht find, Sie erfuchte 
demnach den Erzieher ihrer Kinder, in der Kirche von Holleville-an dem Hefte Pauli 
Belehrung zu predigen, um das Voll zu: beichren über die Kennzeichen der wahren 
Buße u; uͤher die Stimmung des Herzend, mit der in der Beicht die Vergebung der 
Sünden erlangt werben Tnnte. Der Heilige that, was. die Gräfin verlangte 
und feine Predigt brachte die herrlichften Früchte hervor. , Er fonnte aber der 
Menge derjenigen nicht genügen, welche durch eine allgemeine Beicht ihr Gewiſ⸗ 
fen zu beruhigen wünfchten. und berief deshalb zur Aushilfe zwei eifrige Priefter 
aus Amiend, Im demfelben Jahre verließ er dann das. Gondiſche Haus, well 
feine Zöglinge zu einer hoͤhern wiffenfchaftlichen Bildung. herangereift waren u. 
er. ſich ungehinderter dem Dienfte der Kirche zu widmen wünfchte. Der Eardinal 
von Berulle ſchidte ihn nun nach Brefle, wo eine gränzeniofe Unwiffenheit- in 
Betreff der erften Wahrheiten des Chriſtenthums herrſchte. V. — bier, 
in Verbindung mit einem andern tugendhaften Priefter, die Heildlchren mit einem 
fo fichtbaren Segen des Himmels, daß mehre Irrgläubige in den Schoos ‚der 
Kirche zutüdkehrien und eine Menge Ber mit Eifer den Abiddtungen 
der Buße weihte: Mit einem Worte, die ganze Umgegend wurde in fehr. kurzer 
Zelt — Die Gräfin von Joigni vernahm mit überaus großer Freude 

. den Erfolg der chriftlichen Arbeiten unfers Heiligen. Sie ſandte ihm: nachher 
eine beträchtliche Gelofumme, damit eine ewige Miffton zum Unterrichte, der nied⸗ 
eren Boltsclaffe zu fiften, indem fie den’ Ort diefer Stiftung und ‚die Aus führ- 
ung, eines fo heilfamen Werkes feiner beſſern Einfiht anheimftellter Zugleich 
erwirkte fie auch, daß er. während ihres Rebens ihr -Gewiffensführer bleiben und 
in der. Sterbeftunde Ihr, beiftehen wolle, Kurz: nachher. beſchloß ſie, im Einver⸗ 
fändniffe ihres Gemahls, eine Gefellfchaft, von Miffonären zu ſtiften, welcher 
der Unterricht ihrer Lehensträger und Gutsangehörigen übertragen werden follte, 
Diefen Plan genehmigte der Erzbifchof von Paris, Johann Franz von 
Gondt, Bruder des Grafen und wies der neuen Genoſſenſchaft das Collöge 
der guten Kinder zur Wohnung an. Im April 1625 nahm V. dieſes Haus 
in Befig. Um eben diefe Zeit machte B, einen Befuch beiven den Galeerenfflaven in 
den verfchiedenen Gefängniffen zu Patls. Tief betrübt über ihre Vernachläffig- 
ung, fiel er auf den Gedanken, fie in einem Haufe zu vereinigen umd durch die 
milden Zuflüffe frommer Berfonen brachte er wirtlich dieſes fchöne Werk zu Stande. 
Durch die ni der leiblichen Bevürfniffe diefer Unglüdlichen flimmte er. ihre 
Gemüther zur willigern Aufnahme der von ihm und feinen Prieſtern ertheilten 
Unterweifung. Herr von Gondi, hoch erfreut und erbaut durch die unter den 
Galeerenfflaven nun herrfchende Ordnung, erwirkte bei dem Könige Ludwig XIII. 
einen Beichluß, wodurch der heilige V. am 8. Febr, 1619 zum Oberauffeher der 
gefammten Galeeren Frankreich8 ernannt wurde. 3 Jahre fpäter unternahm der 
Heilige eine Reife nach Marſeille, um die Züchtlinge diefer Stadt zu befuchen 
und dfefelbe Ordnung, wie in Paris, einzuführen. Ihr Elend erleichternd u. fie 
zur Geduld ermahnend, gewann er fie endlich für die Lehren und Tröftungen ver 
heiligen Religion. —535 — rührte ihn der Anblid der Kranken, die in gänz—— 
licher Berlaffnheit dahin fehmachteten, allen Schrednifien des Elendes hingegeben 
und. beinahe aller. förperlihen und. geiſtigen Hülfe beraubt. Damals reifte in 
ihm der Plan zur Anlegung eines Spitald für die Galeeren von Marfeille , der, 
einige Jahre fpäter in’d Werk gefept, ven Kranken eine erquidliche Aufnahme 
währt, Nach dem, am 23. Juli 1625 erfolgten, Tode der Frau von Gondi 
eg V. die Seohmung bei feinen Prieſtern. Ludwig XII. beftätigte 1627 die 
neue Genoffenfchaft und Urban VII. erhob fie zu einer Gongregation durch eine 
Bulle vom 11. Januar 1633. Allein erft 1658 gab ver Bi ige Stifter feinen 
Jüngern Sapungen und nannte ſie Briefter der Miffion. Sie find. jedoch 


Bineentins, 569 


auch unter dem Namen Lazariften befamt, von dem Priorate Gt. Lazarus, 
welches die regulirten Chorherren von Et. Victor ihnen im Jahre 1633 einge: 
räumt hatten. Kaum war diefe neue Anftalt gegründet, als ber oponoliiihe 
Mann, um immer mehr den geifligen und leiblichen Nöthen dis Rächften zu 
Hilfe zu fommen, die Schwefter rl der Mädchen der chriftlichen Liebe oder der 
barmberzigen Schweftern (ſ. d.) fliftete. Die Schwefterfchaft der Frauen 
des Kreuzes übernahm die Erziehung der Kinder; jene, die man fchlechtweg bie 
Schwefterfchaft der Frauen nannte, widmete fidy dem Dienſte der Kranken 
in den größten Spitälern von Paris. Nebſt diefen Wohlthätigfeitsvereinen gründete 
u. erweiterte er noch mehre Spitäler. Beſonders hat ihm das der Findelkinder 
feine Errichtung zu verdanken. Für 40 arme Greife errichtete er das Spital 
zum Namen Jeſu; ebenfo bat ihm auch das zur heil. Regina in Burgund, 
worin viele arme Pilger und Kranke ihre Verpflegung finden, feine Gründuug 
zu verdanken. Um den, zur Verpflegung armer Stranfen geftifteten, Verein für 
immer zu begründen, wählte B. mit der gottfeligen Frau Legras eine gewifie 
Anzahl Mädchen, die zur Kranfenbevienung u. zu den Uebungen des gekign 
Lebens eigens angeleitet wurden. Die Erften, die fich zu dieſem heil. Geſchaͤfte 
erboten, traten in daB Haus der Kran Legras, welche ihnen Wohnung und 
Rahrung ge und fie zum beabfichtigten Werke mit unermüdetem Eifer beran- 
bildete. V. supfal diefed wichtige Unternehmen dem Herrn und er fab befien 
herrlichſtes Gedeihen. Diefe gottfellge Geſellſchaft, Mädchen der hriftlichen 
Liebe, und au graue Schweftern genannt, vermehrte fi nach und nad 
jo fehr, daß fie feine kühnſte Erwartung überſtieg. Die frommen Töchter leifteten 
nidyt nur den Pfarreien die widhtigften Dienfte, fonvern beforgten auch die Er; 
ziehung der Sinblinge, den Unterricht der jungen Mäpchen, die fonft defielben be- 
raubt blieben, der Kranken in vielen Spitälern u. fogar der Galeerenfllaven. Da 
aber diefe verſchiedenen Gefchäfte gleichſam mehre Genoſſenſchaften einer einzigen 
Geſellſchaft bilden, fehrieb ihnen der gottfelige Stifter allgemeine u. befondere 
Regeln vor, um die Befammtkörperfehaft, wie auch die verfählebenen Verzweig⸗ 
ungen, zu leiten und aufrecht zu erhalten. — Waͤhrend der Kriege, die ganz 
Lothringen verheerten, gewährte er den Unglücklichen dieſes Landes, die in das 
äußerſte Elend gerathen waren, feine Unterſtützungen: er ließ die Almoſen hin fließen, 
welche er zu Parts gefammelt hatte u. die die Summe von 2 Mill. erftiegen. Bei vielen 
anderen Gelegenheiten wußte der Diener Gottes durdy die Kraft feines Sufprupes \ 
die Mitpihätigfeit der Gläubigen gegen die im Elende Schmachtenden aufs wirk: 
famfte anzuregen. Man wird fich übrigens diefe Werke der Liebe nur aus der 
großen Berehtung, die der Heilige in ganz Frankreich genoß, einigermaflen ers 
lären können. an fah ihn ſelbſt am Hofe als einen Himmelsboten an. Er 
ſtand Ludwig XIII. am Sterbebette bei und bereitete ihn durch feine Ermahnungen 
zu einem gottfeligen Ende vor. Die regierende Königin Anna von Defterreich 
ſchätzte und ehrte ihn überaus; fie ernannte ihn zum geiftlichen Staatsrath und 
machte es ſich zur Pflicht, ihn bei allen Firchlichen Angelegenheiten, befonders bei 
Vergebung der Pfründen, auf welche jegt nur Tugend und Verdienſte Anfpruch 
machen fonnten, zu Rathe zu ziehen. Obgleich im Drange fo vieler Dekaäfte 
war des Heiligen Seele dennoch ſtets aufs Innigſte mit Gott vereinigt. Bel 
Arbeiten, die am meiften zerfireuen, erhob er am öfteften fein Herz zum Himmel. 
Begegneten ihm Widerfprüche, fo verlor er Nichts von feiner gewohnten Heiterkeit. 
Er betrachtete alle Begebenheiten ded Lebend als weiſe Anordnungen der gött⸗ 
lichen Borfehung, fügte fidy geduldig und freudig dem Willen des Himmels und 
verlangte in Allem Nichts, als die Ehre Gottes zu befördern. Bol Zartgefühl 
und Wärme für Religion und Rächftenliebe, vergoß er häufige Thränen der Zer- 
knirſchung über feine und feines Nächften geiftige Armfeligleiten. Die Hoffnung 
war der Anfer, der ihn an Gott fefthielt. Nie vermochte ein Sturm Ihn zu ers 
füttern oder unedle Leidenfchaften ihn „aufzuregen. Durch die Abtödtung und 
Demuth, verbunden mit Uebung des Gebetes, erihwang der Helge dar er 


4 


570 Binei. 


Stufe chriſtlicher Volllommenheit. V. ſtand mit den ausgezeichnetften Gottes- 
männern in engſter Verbindung. Der hi. Ftanz von Sales ernannte ihm zum 
Vorficher der Frauen von der Heimfuchung, wovon er zu Paris eine Ge 
noffenfchaft gefiftet hatte, Nebft mehren anderen Vereinen leitete cr auch jenen 
der Töchter der Vorfehung, wo junge Perfonen des weiblichen Geſchlechts, 
welche die Armuth, die Berlaftenbeit over harte Behandlung von ihren Eltern 
nur zu oft der Gefahr auoſe ihre Ehre zu verlieren und ihre Seele zu Grunde 
u richten, einen Echugort fanden. Bei fo gehäuften Arbeiten, verbunden mit 
'rengen Bußübungen, mußte die Geſundheit unfers Heiligen, wiewohl er von 
temlich ftarker Leibeebefchaffenheit war, allmälig abnehmen und es lann nicht 
genug bewundert werben, daß er fein 80. Lebensjahr erreichte, Des ihn immer 
mehr abmattenden Firber6 ungeachtet, fehte er doch feine: heilige Lebensweiſe noch 
immer fort, bis er endlich den 27. September 1660, mit den heiligen Sterb- 
fatramenten verfehen, im Herrn verfchted, Man fegte feinen Leichnam im ber 
Kirche zum hi. Lazarus bei, unter einem ungemeinen Volközulaufe. Durch die 
Fürbitte des hl. ®. von P. geſchahen verfchlevene Wunder, nach deren gericht: 
Iiher Unterfuchung er 1729 von Papft Benedikt XUL. Heilig gefprodyen wurde. 
Die Kirche iert It Andenken am 19. Jull 
Zinci, Ceonardo da, einer der größten und genialften Maler Ztaliens, 
are 1452 zu Binci bei Florenz und dafelbft in der Schule des Wndrend 
erocchio gebildet, dem er, wie alle Meifter des 15. Jahrhunderts, bald fe, 
eignete ſich mit der frebfamen Kraft eines reichen Geiſtes faſt alle Wiffenfchaften 
und Künfte an und erforfchte mit tiefem Scharfblid das Körper- wie das Ser 
lenleben, das er in feiner ganzen Fülle zart, — tief zur Darſtellung brachte. 
Bon dem Herzog Lodovico Sforza 1482 nach Mailand berufen, übte der fanfıe 
u. anmuthige Charakter u. der der Antife verwandte Styl der matländifchen Schule 
Einfluß auf ihn, fowie er, von zahlreichen Schülern umgeben, fie zur höchſten 
Blürhe führte, Hier malte er auf eine Wand des Nefeftoriums von S. Marla 
della Grazta mit Delfarben das berühmte Abendmahl, das, fpäter übermalt und 
werborben, jeht laum noch in feinen Umriffen fenntlih, doch in mehren alten 
Eopien und in des Meifters eigenhändigen Entwürfen der Köpfe erhalten und 
durch den herrlichen ei R. Morghen’s vervielfältigt if. Hier fertigte cr 
auch das Modell für die Reiterftatue Franc. Eforza’s, das, wie alle feine 
Eculpturwerfe, verloren gegangen ift und baute für Mailand und die Lombardei 
großartige Wafferleltungen und Kanäle, Nach feiner Rücklehr (1499) entwarf 
er zu Florenz im Auftrage der Regierung, weitelfernd mit Michel Angelo, einen 
Earton für ein vaterländifches Schlachtenftüd, der als eine Künftlerfchule betrachtet 
wurde, aber nur noch in einem srupferfiche Edellnl's ſich erhalten hat. Ein 
zweites Meiſterwerk diefer Periode ift der, die h. Jungfrau mit ihrer Mutter u. 
dem Ehriftusfinde darftellende, Garton in der Afademie zu London. 1513 be 
leitete er den Herzog Julian von Medici nad Rom an den Hof Leo’s X. und 
Polgte 1516 dem Rufe Franz I. nad) Branfreich, wo er 1519 in den Armen des 
ans farb. Sein raftlos fortjcpreitender, das Höchfle erfirebender Geiſt Ya 
ſich fein Genüge ; zaghaft begann meift der große Meifter feine Gemälde und ließ 
oft, von ihnen unbefrtedigt, fie unvollendet. Weberhaupt ſcheint bie Zahl er 
Arbeiten, von denen viele verloren gegangen, nicht groß gewefen zu feyn die 
Aechtheii der vorhandenen iſt nicht immer erroiefen. Wir nennen noch: die Bor 
trait8 Lod. Sforza's und feiner Gemahlin; zwei Madonnen mit dem Kinde umd 
eine Mater Dolorofa, in Matland; die Anbetung der heiligen drei Könige, in 
Blorenz; die bi. Familie, genannt Vierge aux rochers, zu Patie. Als ſicher von 
feiner Hand begonnen und vollendet 1 au betrachten: Johannes der — 
ein weidliches Bortratt, Ki La belle ferronniöre genannt u. das der Monna 
fa, im Mufeum von Paris. Auch von feinen ſt werthvollen Schriften iſt 
Manches verloren aan, Anderes nur Handſchrifilich vorhanden; erſchienen 
allein find: „Trattato della pitlura“, 2 Vbe., Rom 1817 und ein „Fragment 


ur Tr m 


Pan traitö6 sur les mowrements du‘ 6orps humain“. (ine Sowlung von 
Danbaeldinungen und Studien des Meiſters gab Cagr⸗ 1730 zu Paris herans, 
—XX gi einem deutfchen Rachiche erſchien. Sein Leben befchried Braun, 

e . 

Binde, 1y Ludwig, Freiherr von, wurde am 23. Dezember 1774 auf 
vem Gute Oſtenwalde im Fürſtenthum Dönabrüd geboren und war der Sohn 
des Oberſtallmeiſters und Landdroſten v.B? eine afte Bilbung erbielt der junge 
B. durch Privatunterricht im elterlichen Haufe, befuchte dann von Oftern 17 
bis Oſtern 1792 das Pädagoglum zu Halle und machte feine akademiſchen 
Studien in Marburg, Erlangen und, @öttingen. Ka Beendigung fener Stu⸗ 
dien trat er In preußiſche Staaisdienſte, wurde Auscultator un erendar bei 
der Turmärkifchen Kriegs» und Domäncnfammer zu Berlin und befuchte von bier 
aus zum erfien Male England. Bald nad feiner Rückkehr wurde er zum Lands 
rathe des Kreiſes Minden ernannt. Raum 30 Jahre alt, wırrde er 1803 Prä- 
fivent der Kammer zu Aurich in dem damals preußiſchen Fürſtenthum Oftfries⸗ 
land ; 1804 wurbe er auf Empfehlung des Freiherrn von Etein Oberpräfipent 
fänımtlicher, wehtlich der Weſer gelegenen, preußifchen Beflhungen. Als nach der 
Schlacht bei Jena ein franzöfifches Heer in Weſtphalen cinrüdte, ging ®. zum 
zweiten Male nach England, um fidy mit den Jufländen und Berhätnniien dieſes 
Landes bekannt gu machen. Die Früchte feiner Forſchungen legte er in dem 1815 
von Niebuhr herausgegebenen. Werke: „Darfellung der Staatsverfaffung und 
Staatsverwaltung von Großbritannien" nieder. Nach dem Tilfiter Frieden wurde 
er Präfident ver Regierung zu Potsdam, welche Stellung er bis zum Jahre 
1810 (12) behielt, wo er feine Elan nahm und f% auf feine Güter in 

balen „‚urüd 09. Den franzöfifchen Behörden verdächtig, wurde er plöylich 
verhaftet, feinet Sapiere beraubt und auf das linke —* — verwieſen; nach 
der Beſetzung Weſtphalens durch die Preußen kehrte er dahin zmück, wurde zum 
Civilgouverneur der weſtphaͤliſchen Provinzen ernannt und zeigte ſich für die 
Befreiung Deutfchlands durdy MAusrüflung der Freiwilligen, Zufammenberufung 
der Landwehr und Bildung des Landſturmes fehr ihätig, weßhalb er mit dem 
Orden des elfernen Kreuzes belohnt wurde. 1815 wurde B. Oberpräftsent von 
Weſtphalen, organifirte nun die Regierungen zu Arnsberg, Münfter und Minden 
und machte ſich durdy Hebung der materiellen und geiftigen Intereſſen um bie, 
unter feiner Leitung ſtehende, Provinz vielfach verdient. 1817 wurde er zum 
Staatsrat, 1825 zum wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel „Ercellenz* er 
nannt und, nachdem er zwei Elafien des rothen Adlerordens erhalten hatte, 1841 
mit dem (dmwarzen Adlerorden ‚gefchmüdt, Sein Top erfolgte den 2. Dezember 
1844. Außer der Schrift über England verfafte er noch die: „Lieber die Ge⸗ 
meinheltsthellung”, Berlin 1825. — 2) B. Heinrich von, Sohn des Vorigen, 
ftubirte Rechtös und Staatswiſſenſchaft, war Referendar in Berlin, wurde näch⸗ 
ber Landrath des Kreifed Hagen in Weftphalen, zu deſſen Ritterfchaft B. gehört. 
Durch fein Auftreten auf dem vereinigten Landtage in Berlin (1847), wo er in 
den Reihen der entiſchiedenen Oppoftion fand, wurde V.s Name zuerfi in 
weiteren Kreifen befannt. Als die Märzereignifie des Jahres 1848 auch in ber 
preußifchen Haupiftadt ihren Widerhall fanden, eilte V. nach Berlin, ging im 
Reifeanzuge zum Könige, flellte diefem die beprohliche Lage, In welcher io die 
Krone befand, vor und übte fo nicht geringen Einflug auf die nachgiehigen 
Entfchliegungen des Monarchen. In die Deutfehe Rationalverfammlung ewählt, 
nahm V. auf der Außerfien Rechten feinen Sig und —— bie Pfeile feiner, an 
Sarkasmen fo reichen, Rede gegen die Männer der Linfen, wodurch er aber au 
den ganzen Haß diefer Leute auf fi 308, der fich noch fleigerte, als 
Felix Lichnowäly, ver gemanbtefte und g i bedentendſte Gegner der dt 
Jakobiner, mittelft des —— * Meuchelmordes aus dem Leben 
worden war und V. nun deſſen Stelle einnahm. Sein chevalereskles 
ſcher Großthnerei nicht ganz freie®, Weſen Hat ihn In mehrer —8X 







572 Vindelielen — Binificator. 


führt, die zu ——— Anlaß gaben; fo mit dem badiſchen Abgeord⸗ 
an Brerione see der befannten Aenberung des lehtern über, dem Prinzen 
von Preußen und in neuefter Zeit (Dezember 1848) mit dem Affeffor Jung aus 
Berlin, Mitglied der preußiſchen Nationalverfammlung. Lusterwähnter Ehren 
handel führte 1" einem Stelldichein V. o und Jung's in Eifenady, wo es zwar 
nicht zum Zweifampfe, aber doch zu ‚mehrfachen, fie den „Ritter“ B. eben nicht 
gänfigen Erörterungen in Zeitungen fam,. Eine Folge diefer,, ſehr verſchieden 

heiten, Gefchichte war auch der Brief d. d. Franffurt 13. Januar 1849, 
den V. von einem gewiflen S. Deutih aus Wien erhielt und worin ſehr ber 
letdigende Aeußerungen gegen den Landrat} von Hagen enthalten waren. V. if 
ein Mann von — geiſtigen Faͤhigleiten, dabei auogerüſtet mit ‚einem feltenen, 
leicht — Rednertalente und einem reichen, leſcht beißend werdenden 
Humor. Seine Anhänglichkeit an Preußen und das fpezifiihe Preußenihum bat 
er häufig genug bewährt und es war vielfach die Rede davon, daß er ein Mi- 
AiRerportefeulße in Berlin erhalten werde. €. Pfafl. 

Bindelicien, (fo — von Vinda, Wertach und Lious, Lech) hieß 
das Sand auf dem nörblichen Abhang ber Alpen, vom Bodenſee durch 
und Zirol bis zum — fpäter bis zur. Donau. In die Ebene hrelteten ſich die 
Vindelicler nach Bel gung der Boiler aus. Nachdem Tiberius fle k, 
legte er. in ihrem Lande die Golonie Augusta Vindelicorum indelica, 
Augsburg, f. d.) an, theils führte er viele Bindelicier fort. jer wurde 
B. mit Rhaͤtien zu einer Provinz verbunden. 

. Bindication, in der Juriöprubenz fo viel als: Zurüdforderung des Eigen 

—— daher B.8- Klage, (rei vindicalio), wo Jemand wegen feines, am einer 
sache ihm zuſtehenden, Eigenthumes und der Reftitution derfelben ac. wider den 

jenfgen, ver ihm die Sache vorenthält, oder das Eigenthum läugnet, Hagt. 

Biudieta hieß bei den alten Römern der Stab, womit der PBrätor bei ber 
feierlichen Srepeegun eines Sklaven das Haupt bes lehtern berühren lieh, 
was ald Symbol der Breifprechung galt. — Dann iſt B. überhaupt fo viel ale: 
Badır, —— Beftrafung; auch zuweilen gleichbedeutend mit Vindi 
sation ([. d.). 

Bineta, (Winneta oder Windenftadt), die Ältefte Stadt auf der Infel 
Ufedom, angeblich eine voänkifge Eolorie, war im 5. Jahrhunderte die größte 
des noͤrdlichen Europa; ihre Einwohner beftanden aus Wenden, Bandalen, 
Sachſen, Griechen und anderen fremden Kaufleuten. Die Stadt blühte befonders 
durch den Handel und war Wegen der Gaftfreundfchaft und Sittlichfeit ihrer 
Bewohner berühmt, obgleich das Chriſtenthum daſelbſt nicht Eingang fand. Won der 
Höhe ihres Wohlftandes fam DB. durch einen Streit der verſchledenen Bewohn- 
erftämme über den Vorrang im bürgerlichen Leben herab; die Vandalen follen 
deßhalb den Schwedenlönig Harald und ven Dänenfürften Hemming zu Hülfe 
gerufen Ey damit fie ihrer Partei beiftünden. Jene kamen und zerflörten 796 

.; nach Anderen if V. erft 830 durdy die Schweden unter Harung zerfört, 
dann wieder aufgebaut worden und im Anfange des 11. Jahrhunderts vurch eine 
MWafferrevolution untergegangen. Später wollte man noch bei heiterem Wetter, 
eine Stunde vom öftlichen Ufer Uſedoms (öftlich von Stradelberg), in der See 
die Ruinen von ®. fehen, welche einen größern Umfang als Lüber haben ſollten. 
Herzog Philipp I. von Pommern foll FH im 16. Jahrhunderte haben ausmeffen 
laffen und ihre Ausdehnung 4 Meile lang und $ Meile breit gefunden haben. 
Neuerdings wird jedoch behauptet, B. habe nie exiſtirt; wenigftend haben neuere 
Unterfuchungen ergeben, daß die angeblichen Rutnen ein Riff find, welches, 4 Melle 
von dem Lande in der Oſtſee bald 44 Fuß, bald 18—24 Fuß unter dem Waſſer 
legend, aus Lagern von großen Granitfteinen befteht, die theild auf einander 
Be * A J Fr in Kreide und Sand liegen, daß aber eine Spur von Bauten 
m vorhanden 

Binificator nennt man, eine Vorrichtung, welche verhütet, daß während 


Biel m 


ver © Wäinäetes * von den se —— 
heilen des dem Moftbehälter ausbünfen olceb bem 
—— Mofte Er suführe, fept — ei ee Def 
Fr gr der dem einer —— si 

Sn je8. &afes if ber Helm mit einem: zweiten, etw — 

en weichem und dem eatliihen ben Bei “ oe laltes Wa 

—— da Wehe Bafe abgeleitet, welche 

Biole — hergeleitet von Zaſſe af Ei, jen der u 


Ichkelt Ihres Körpers mit biefer, richtiger ai ion, Sal 
as Siedel kommen der 
Se ecke 


eraltet und denen ——́—ſ 
gen un geg Ang Karin ie ne Drgikimme ve von —— 
Violine ober Beige iR bie I der jept Abt 
ente, ohne weil ah ee  alenn, ang 
dom al e Kg en nicht ne 2. — 
Mälter will eine Art der B. 3 Sale, eine von Meffing und zwei von 


Fi 


Seide, weldye mit dem B: ichen werben, bei den 
dann er, etwa et Sehnen, ——— —ã en 
der Visia, oh En Er —8 und ohne 
RLandbe — —* en —** —— —æã 
deren et e. 
18 bagegı — quert in, — *è& 
er Mr mi ei alle Mae ei Berti ——— oe ala een 


lerdings einigermaffen jun Bi Bene dient. Anderfeitd erfannte 
Fein Ber das Vorbild ver V. nitfchen Chroita vom celtifchen 
, einem mit ſechs Saiten bejo genen Snftrumente, von denen vier auf dem 
Zu ei ne em in 8 — iin — auf der Dede en 
ene mit einem Pi in orvegung gefegt, Die anderen, um den Baß zu 
Hilden, mit dem am rückt werden und, da, dieſes Inſtrument von Pe 
Barben auf ki Minfrels Se jegangen fet, ſo ſchein ihm u deſſen Bers 
»flanzum; ii nachweisbar. Zn dem Berichte, welchen Dr. Mauro ne 
m 10. 1842 dem Ioagbarbifchen Iuflitut 8 übe win Bat 
ibzuſtaiten hatte, wird der von biefem gegebenen Abſtammung ver B. 
ilẽ monumental befät! K buch 1 ein — au in Sanl — an en re yon 


San Miele zu Bavia toh, 
vangen Gebaͤude, einen an rel kt, vn eine 8 ji ann. 43 
Mannes, der die Harfe ſpielt. Run Rammnt Su Ri FA —*— dem 


ae na Paary1, aprhunbert und. de meh Tine anlaflun; 
yat, u —— Das Basıdif für en Alter abe gelten, | fo meint Ruscon 


3 geſichert 
* audy burdy dieſen Fern der 53 * Kr —F 43 Einen 
rmitteit; deun Hin begannen die Kreuzzüge ſchon gegen Ende des 11. a 
nınbert6 , F welchem San Michele, ohne nähere Angabe der —* enſſtand, 
Dell Era mar da& genaue Alter. der, britifchen Chrolta, ‚oder das aanlier 
—E Cruth, nicht. und ebenfowenig {ft nachzuweiſen, wie fl 
— in einen Bogen verwandelt hat, als daß —8 und itiſche —* 
ie anf das ar gebracht, haben. Rur ſo viel, möchte aus dem erwähnten 
Babrellet bera orgel het daß die B., größtenteils in der heutigen ‚Beftalt, ſchon 
Sahrbmbert 9 gebräuch!! aewejen Mi: Ob detis darunter die Vi 
verhekt, welcher die Minftrels ihren Gefan, in leitet haben, iſt 
echt. Mar, ebenfopenig, daß. Die, Vielle wirfiich eine ®, ‚geveien I 


= = 


d74 Sbien · Ripern 


Br deren —— Ma wird ‚ankt. vier, Darmſaiten bezogen: und 
qut Töne — — * weigeftrichene 

—ãæe— feat de a 5 an * & 

Aueh 5 Paint & — A — ver — * 

A ——— 

———— — an —— wird bis 


eng bi 
i lelt und bi ) el; 
HERREN — im 
orgebi⸗ eh behauptet der I enſttich u. der ‚wolle Bortrag 
immer entfi Corel, 1583 au logna und 


noch immer ſeinen eniſchiedenen ij; geboren 1: 
der Florentiner Veraziii lehrten *— — funftmägig fpielen ah Granz Benda 
war der erfle Geiger, der in Deutfchland eine Schule gründete. Ungebeuern 
Ruf und übergroßes Vermögen’ erwarb it neuefter Zeit mit feinem’ Spiele,auf 
der B. der Ztaliener Paganini ([. d.), der feinedwegs nach, wie en 
—* A — hatten, ben, 1836 in London ——— 
fen Violiniften Dfe- Bull, befonder® im Adagio sentim — 4 
een: Gefang des Inftruments, verbunkelt if, Aus — 
Ruf erwarb ſich der Violinvirtuoſe Ern ſt und Unglaubi Mel ber Ball 
Bazzint. Für die befte Violinfchule wird noch die kennen, au — — 
Wien 1832 und von ® Baillot, die — 
2 u N 

iolon, (Bafigeige, ital, Violono, Contrabasso),baß te auftechfeheme 
Geigeninſtrument, welches den Grundbaß führt. Es hat heut: gi u Tage 
lie) vier Saiten und die Simmung, "von unten herauf ea d g, | get som — 
⸗bis iud A und € und führt den bekannten Baß- oder P’Schlüffel. 

Violoneell, ——— kleln e Baßgeige, eines der vorgit icgfen 
unentbehrlichften Drchefter - Inf frumente, in & ße, Tiefe und Stärfe des —22 
zwiſchen der Bratſche und dem Contrabaß ſtehend, wird mit vier Darmfatten, 
die ala tiefften derfelden mit Draht überfponnen, bezogen, welche in C Gi und a 

filmmt find und beim Epielen fenfrecht zwiſchen den Knieen — — 

ein Ton hat viel Aehnliches mit der menfhlichen Stimme und die ſchönften 
Töne find in der Mittellage enthalten. Bei voller Orcyeftermufit el es ge⸗ 
wöhnlich den Baß und hebt deſſen Töne beſtimmter hervor, auch eignet es ſich 
fehr gut zum Concert + und Duartettvortrag. Francillo in Florenz ſpielte 1725 
das erfle Solo auf dieſem Inftrumente; auch ſoll in dem nämlicyen Jahre von 
ven fünf Saiten, mit denn «8 bezogen gewejen ift, die fünfte Satte'd als über 
karte abgefchafft feyn. Das Zeichen Vefeiten ift der Bapjchlüffel;: doch wird 
bei hohen Tönen der eingeftrichenen Dftave und bei hohen Solofäpen der Tenor: 
und der Violinſchlüſſel verwendet. Als Erfinder des V. wird ein Geiftticher 
von Tarascon, Tardten (f. d.) gm enannt. — In Deutfchland’ wurde "es" felt 
1750 gebräuchlich. Ausgezeichnete Violoncelliſten In neuefter Zeit find: Bernhard 
Romberg, Morig Gans, Kammervirtwofe in Berlin; der Belgier Battaz'Yofeph 
Menter aus München ; Merk in Wien; Mar Bohrer und ins beſondere "Francois 
Gervaio, Solofpieler des —54 von Belgien, die beide als große Virtuofen 
glätien. Unter diefen Tonfünftlern und, wie verfichert wurde, in der Welt foll 
jatta der Belgier das befte W. befigen, —— in ‚einen klelnen Fleden 
Spatitens für 300 Franks gelauft, längere Zeit Beige einer ftanzo ſiſchen 
Famille, ſpaͤter von Batta mit 8000 Frants bezahlt uad von einem geſchidten 
vn arg ausgebeffert. Ein Engländer hat dafür 25,000 France, fogar unter 
gung Bote, ER den "oh deſſelben erft nady dem Tode des Künftlers 
0 ine DB.» Schule beſteht von J. F.Dohauer, Mainz, 1825; 
nm Romberg aber gab · die feinige in zwei Abthellungen 1840 auf eigene 
we heraus, 
Bipern, eine Gamilie der Schlangen’d. 5:4 ausgezelchnet durch einen 








1 
25 
B. 






a an Go 34 
er — —— En 
— Yan, Heinen up uabunchöchtern Bühnen, wi [7% 
ledieren, ſondern gewBhnlich ein —* ‚er md feine 4 
— ande, vr m mit 

—8 Teer ee u ie je und AR in Een —55— 
verborgen; wenn aber das ce & den Zahn mit e 
300 Böseglhen Siertuochens art tr Ben Giftahne fab nad einge Fahre 
leime, von Mn — nur der Ausbii - 2 


* 
ıt Kopf i 
———— 


— ler 
des Alima’6 u. f. w. Das: 9! Bi: Ohr weniger 
area, — Se Augemeinen pt Rd aunchmeee — 


—52 — iR, als Pi Junger; oe daß bei 
35 olgen ſchlimmer, als bei urn in und daß eine, nad) 
Wirkung: dann erfolgt, wenn das Gift, in das Blut von warmblüt Iren 
jelangt.. Merlwürdig iſi es, daß die Bi nicht allein won den Bi erh, = 
— fogar von ihrem eigenen fterben, Gewöhnlich, wirkt das Gift nicht ſchneli 
, obwohl: unter ungünftigen Umfländen der Tod fchon ‚nach 
Sinuten en erfolgen 1 Tann; eu 2 giftigen Wirkung. erftredt ſich oft von 
über worauf. der Tod eintritt. In anderen 
Bike ig PER cbei — das Gift zu überwältigen, obwohl 
jeutende Zerrüttung dm Droantomub hervorgerufen wird, in deren 
rn suwellen der Verwundete nach. jahrelangem Siechthum endlich einer allges 
weinen Wafferfucht erlicgt. — Zu dieſer Thierfamilie gehören mehre Gattungen . 
und Arten, unter benen beſonders die Klapperfchlange df. D); ‚die Diteen 
— die Schil doiper (Naja) und Seeſchlangen — befannt 


ind. 
Birgilins, Publius Maro, der ,größte Epiker, Bufoliter —8* —E 
der Römer, geboren zu Andes einem Flecken bei Mantua, 70 v. Chr. wo fein 
Vater ein ide Landgut beſaß, welches cr felbft Bent machte feine Stubien 
zu Gremona, Mailand u. Neapel und begab ſich, 30 Jahre aln, nach Rom; um 
feine Ländereien, die eine Beute, der Soldaten des, Oktavları und ‚Untonire ge⸗ 
worden waren, wieder zu erhalten. Dieſes machte ihn mit Oclabianus m 
Mäcenas belannt, die ihn fortan mit Ihrer Gunft beehrten. Er lebte, ohne ein 
Staatsamt zu beileiden, ſich felbit und den Muſen und. hielt ſich abwechſeind in 
Rom umd. auf feinem Landgute und in Neapel auf. Um feinen Gedichten bie 
größte Vollendung zu geben, unternahm er eine Reiſe nach Griechenland ,. ‚ftarh 
unterw A Brunduflum, nach Anderen zu Barent, im 52. Lebensjahre, 19 
te vor 16. Sein Körper wurde, ‚feinem Verlangen gemäß, nach Neapel, 
einem re ufenthatht, ‚geradt und nicht weit; von, der. Stadt, am Berge 
us begraben, wo “ noch heut * ge fein Grabmal zeigt (die Gr. 
joll von ihm felhR angegeben ſeyn) und zu welchem nachher, auch die Ger 
reiten, feinen urtötag feierlich begingen und ſo die. Verehrung forts 
die mar mit Recht dem Genie dieſes großen Dichters erwicd, der auch 
ickſicht feiner Sitten ſich ſo ganz auszeichnete, daß er ſich die Liebe ‚aller 
Freunde, des H: operz, Salluft 36. und. die Achtung „und Gewogen- 
feiner Gönner. „ ‚ob eds gleich ‚nicht, an ern und, Feinden * 
28 din fehr: 98. verkleinern futen, V. zeichnete ſich unter allen, D) 
on „feine ‚Kenntniffe, 34 Beinheit des Geſchmades 
aus und. für Sprache und, Veröbau war er daß, exfte 
ine Par Gliogen find, Rachahmungen Theolthi aher nk. Aminen 


576 Birgilins— Birginien. 


eigenthuͤmlich er Schönheiten; fein Gedicht vom Landbau, in vier Büchern, iſt 
ebenfo lehrreich, ald anmuthig; feine Neneis, In zwölf Büchern, if zwar Nach⸗ 
bildung der Homcriſchen Heldengevichte, aber zugleich die reichfle Frucht des 
Genie's und des Geſchmacks, in der Schreibart vollendeter und einem verfeinerten 
Geſchmack angemeffener, als die an fich volfommenere u. mehr originale Manier 
Homer’s. Dazu kommt B.8 ausnehmende Kunft, ſich Alles, was er entlehnte, 
vollig eigen zu machen und mit dem Uebrigen in ein Ganzes zu verweben. Es 
ibt außerdem noch mandye andere, ihm beigelegte Gedichte, die man unter der 
Benennung Catalecta Virgilii zu begreifen pflegt, deren fämmtliche Aechtheit aber 
fehr zweifelhaft if. Bon feinen älteren S nölenern find der Spradhlehrer Servius 
Honoratus Maurus und Tiberius Claudius Donatus die merkwürdigſten. Die 
ältefte Ausgabe von V.s Werken ift die römifche, ohne Anzeige des Jahres, ver: 
muthlich 1467 oder 1469. Unter den größeren Ausgaben haben die von J. L. 
de la Gerda, Madrid 1608 ff. (auch Lyon 1619 ff. und Frankfurt 1647), 3 Bde. 
und die Burmann’icye, Amſterdam 1746, A Bde., die meifte Vollſtäändigkeit. Der 
berichtigte Tert von Brund, Straßburg 1785, auch 1789. Bon keinem Dichter 
aber hat man eine fo empfehlungswürbige und gelhmnduolle Handaudgabe, ale 
von B., nämlich die Heyne'ſche, 3. Aufl:, Leipzig 1800, 6 Bde, gr. 8. mit Kupfern, 
auch 1804 in 4 Bon. ohne Kupfer, als Schulaudgabe ebd. 1800, 2 Bde. und 
neu von ©. P. E. Wagner beforgt, Berlin 1830—1833, 4 Bde. Mit neuer 
Mecenfion des Tertes von Gilbert MWakefield, London 1796, 2 Bde. Weiter: 
Ausgaben find: von Wunderlich und Ruhkopf (2 Bde., Leipzig 1822); J. Chriſtian 
Jahn, Leipzig 1825, 2. Aufl. 18335 Forbiger, 3 Bde,, "Leipzig 1836 — 1839, 
2. Aufl. 1846 und Phil. Wagner, Leipzig 1845; ebenfo-vorzügliche Bearbeitungen 
einzelner Gedichte, namentlidy der „Geergica“ mit deutſcher Ueberſetzung und Er: 
Härung von 3. H. Boß, 2 Bde, Altona 1800, der „Eclogae“ von demfelben, 
(2. vom Abr. Voß beforgte Auflage, 2 Bde, Altona 1830) und ver „Aeneis“ 
von Thiel, 2 Bde, Berlin 1831 — 1838; Peerlkamp, 2 Bde, Leyden 1843 un) 
Goßrau, Quedlinburg und Leipzig 1846 und die beften deutfchen Ueberſetzungen 
fämmtlicher Gedichte von I. H. Voß, 12. Aufl., 3 Bde, Braunfchmweig 1821), 
der „Aeneis“ von Neuffer (2. Aufl, 2 Bdchen, Stuttgart 1830), der „Idyllen 
und Georgifa” von Dflander (2 Bdchen, Stuttgart 1834 — 1835). 

Virgilius, |. Vergilius. 

Pirginia, |. Aypius. 

Birginien, der ältefte und wichtigfte unter den fünlichen Staaten der nord— 
amerifantichen Union, liegt am Atlantiſchen Me⸗re, zwifchen Pennſylvanien im 
Norden und Rorv-Barolina im Süden, Im Welten von Kentufy und Ohio br: 
grenzt. Der Flächenraum beträgt 3014[_J Meilen; darauf leben 1,350,000 Gin: 
wohner, worunter 200,000 Deutfche und gegen 500,000 Sklaven. Die Natur 
des Landes zeigt Die reichten Züge des Schönen und Lieblichen, wie des Groß; 
artigen und Erhabenen. Harpers-Ferry, Wierd-Höhle und die berühmte natürliche 
Felfenbrüde bei Lerington würden felbft in der Schweiz mit Bewunderung an— 
gefhaut werden. An den Küften niedrig wird DB. nad) innen gu fehr gebirgig, 
und Zweige der Apalachen (1. d.) oder Alleghany's, in parallelen Ketten mit 
der Küfte laufend, fleigen terraifenförmig hintereinander auf. Zwifchen ihnen lie⸗ 
gen reizende, zum Theil fehr fruchtbare Thäler. Eeen gibt ed nur wenige, da: 

egen burchflechten herrliche Ströme jeden Theil des Staates, und die Natur⸗ 
ahnheiten des Potomac übertreffen ſelbſt die gepriefenen Ufer des Rhein. 
Diefer Fluß, dann der Yorl und James ergießen fidy in die fchöne Ehefapeaf- 
bat, während der Roanofe in den Aibemarlfund füllt und der Kenawha und 
Monongahela dem Ohio zuftrömen. Die Wälder find von einer Art, wie 
man fie nur in Amerifa trifft. Sie find Urwälder, die noch jeht da flehen, wie 
fie damals daftanden, als die Menfchen in Paradtefesunfchuld am Euphrat lebten, 
ebe eine Ceder geld, ehe ein Tempel zum Himmel aufgethürmt ward. Shr 
Schweigen unterbricht nichts, als Wogelfang und das Haufen der Waflerfälle. 


. — 
Ip Fe ww 


Das li tg, Winter, aud wngelchet; 
die Luft 9 ae enden am droßen Dismal Epwamy 
Sumpf) zwiſchen V. und ne Ko a a und Fan Kil * 

Die Einwohner find, Re hen den Deutfchen * von 


Ba gilt bei ihtien wehrt und © findet 
Birginier Teine —— a ai ce unter allen Berhält« 
= a —8 Bea Vürfte ihren Grund zum’ 
—— — 
e 

mc über * he kn kn sed, üben fie einen ber 
N Gr emem 
lehenden Klaſſen 12 fen. . 
geifte einen en — * die Leute daß von Ber Brahtung: 

U 


eines ſolchen Männervereined getroffen zu werden eine Yu Strafe 
irgend bie, Gefege auferlegen Mönnten. — Biele von den jungen 
falten 5000 Morgen Flächeninhalt, und De —3— — fo bier einen gen 
Mapftab, Bot. er. hinfichtlich des rationel —— die Kultur 
defielben if ber Tabat, 


— 
= 
8 


zurüdhaltenden Sklavenwirthſchaft, nicht ae der Bohn 6 wie 
Al Ost, * Union. Das un Tengnip ef es er 
bfldem Getreide, Gartı te, wird viel gewonnen, 
ee une 
er Zuderal J fl e 
verwenden auf * I, ae ie Can Die chen 
und Iangwolligen 


* Jagd und —— ae En wich! Bergprobufte find 
‚Salz und Steinfohlen; Ip e onen in X den — vor. Auch 

na Birelscken ba — en — u Be fenbahnen 
und Kanäle fördern. — In Hrchlicher Beyiehung m die Birginer Mnglitaner, 


Preöbpterlaner, Lutheraner, Baptiften, Methodiſten u. ſ. w. Die het — 


einen Bifchof zu Richmond. Kirchen gibt eb wenige und nur in 


f räumen von einander gelegene; ja v ei von denen, wäge m zur Zeit der eng- 
en Herrfchaft gebaut Burn Br on Ruinen, fo daß die Brämmige 
ne it m Dan er m gehören 
Pr Lehranftalten find reichlich ausgefattet, insobeſonders Die mit vielem 
ufanbe gegränbete ned Some, Se befriedigend iſt der 
—— iandſchulen. Biete N er halten Battı And — und „manchmal 
teten ſte zufammen, um 2 often ule zu bereiten. 
Schulhaus if die Blodhütte,, Die Kinder kommen wegen der großen Entfer⸗ 


ge _ i 830 elı 
Beth eg —55*8* * ek —— ber u — Gene, 
mi 


4 ‚und —5 — aus 16 dem Senat und dem Sf dt 
äfentanten. Jeder 6 Wahlrecht, ausbrädlich find aber- 
jen fr — Ser aber Sep die 6 ee — ber Kin 
* > Bulacın) IR Duni de San kiee ve 
den, und ü de daher ——— unter 7 kon 1a Bor ——— *. 


isũbende Gewalt 
—8 — e Se MdL Be 4 —E —88 Ri. Dot ‚ie 
Schulden etwas äber 7 Mil. Zum — Repräfentanten. — 


etheilt wird das Land in d Weil, in 120 © 
Bea a Rihmon am —— a nf — 


ſNeelenecveloctia X. 


578. Biriathus — Viſcher. 


Uiſche Niederlaſſung auf tem Küſtenſtriche ſüdllch vom 40° N, Br, und nannte 
das Land feiner jungfräulichen Königim zu Ehren V. Später unterfuchte der 
ES chifisfapitäin Smith die Küfte nördlich von ®., weldyer er dem Namen Reueng- 
land beilegte. Auf feiner Erpedition von den Indianern gefangen genommen 
und bereitö dem Tode geweiht, wurde er von der, evelfiinigen Pocahontas, der 
Tochter des Häuptlings, gerettet, Sie war bie Indianerin aus diefen Län: 
dern, welche die Taufe empfing, und wurde die Gemahlin eines angefehenen Eng: 
länders, John Rolfe: 2. kam bald in einen gebeihlichen Zufland, und im Iatr 
1610 wurden gegen 100 Mävchen ald Handeldwanre nach der neuen Anſiedlung 
geihidt. Sie gingen reifend ab, und bald folgten noch weitere ähnliche La— 
dungen. Eine Frau (wife, Ehefrau) te man durchſchnitilich mit hundert 
Pfund Tabak, wiewohl diefer Preis bald um 50 Prozent fich erhöhte. 1624 
hatte ®. ſchon eine geregelte Kolontalverwaltung und erhielt feltdem durch zahl⸗ 
reiche Einwanderungen aus dem Mutterlande eine ftarfe Bevölkerung. 1776 er⸗ 
Härte es mit.andern 42 Provinzen fi) ımabhängig von England. mD. 

Viriathus, oder Virtathes, ein aus Lufit gebürtiger Hirte, Fämpfte 
mit Glüd lange Zeit gegen die Römer, als fich feine Landsleute, beprüdt 
Durch den römiichen Prater Sulpieius Galba, gegen diefelben erhoben hatten. 
Mehre römtfche Feloherren wurden von ihm beſiegt, dis endlich Metellus, thells 

durch die Kraft feiner Waffen, theild durch billige Bedingungen einen Frieden 
zu Stande bradste, den jedoch iurz darauf Servilius Cäpio treulos brady, Indem 
er den B. durch Gift aus dem Wege räumte. (642% der Stadt Rom.) 

Virilſtimme . h. Stimmen Mann für Mann) nennt man die Be 
fugniß jedes Einzelnen, als folcher feine Meinung in einer Verfammlung abzu- 

eben und bei der Zufammenzählung der Stimmen fr ſich gerechnet zu werden, 

uf den ehemaligen deutſchen Reichstagen nannte man im Fürftencolegtum V.n 
die jedem einzelnen Stande zuftehenden Stimmen, im Gegenfage zu den Euriat- 
oder Gefammtftimmen der unmittelbaren geiftlichen umd weltlichen Reichsfürſten 
und der Reichögrafen. Derfelbe Unter ſchied fand auch im engern Rathe ver 
deuten Bundesverſammlung ftatt, wo die 33 Bundesmitglieder zufammen mur 
17 Stimmen hatten, unter denen 11 B.- u. 6 Guriatftimmen waren (ſ. d. Artifel 
2,Deutfdher Bund“). 

Virtuos (vom lat. Virtus, Vorzug, Tüchtigkeit), bezeichnet ein zur 
hohen Bolltommenheit auögebilvetes Talent in der fchönften Kunft, namentlidy 
aber Einen Mufifer, weldyer ein Infrument vollendet zu behandeln weiß, oder der 
eine audgezeichnete Fertigkeit im Gefange befigt. Diefe, durch ausdauernde Hebung 
erlangte, Gewandtheit in der Behandlung des materiellen Theile der Kunft ers 
hätt allerdings erft den eigentlichen Kunftwerih , in fofern mit der mechanifchen 
Bertigfeit auch ein feelenvoller Ausdruck in Verbindung tritt, Die Italiener 
nennen jeboch jeden Mufifer Virtuose. . 

Vifcher, Beter, Bildhauer und Erzgieger, umter den Meiftern, welche das 
funfipflegende Nürnberg hervorgebracht, einer der ausgezeichnetfien. Seine 
der jegigen Zeit noch aufbewahrten Arbeiten find genügende Belege biefür, 
insbeſonders das eherne Grabmal des hi. Sebaldus in der Gehatstirce zu Rürn- 
berg, welches er mit Beihülfe feiner fünf Söhne, Peter, Hermann, Hans, 
Paul und Jakob, in den Jahren 1506—1519 zu Stande brachte. Seine 
Gußwerke famen in viele Länder und Städte des deutfchen Reiches, wie unter 
andern nach Magveburg, wo im. Dome B.6 meifterhafter Sarkophag des Er 
biſchofes Ernft von 1495 Aufgeftellt ift, nach Wittenberg, deſſen Stiftölirye das 
herrliche Grabvenfmal En des Weifen von 1527 bewahrt, nach Breslau, 
Bamberg, Erfurt, Afchaffendurg. Ein fchöner Erzguß V.s aus dem Jahre 1521, 
das Monument der Margaretha Tuecherin von Rürnberg, if bei der Reftauration 
des Regensburger Doms aus der alten Pfarrkirche St. Ulrich in den Dom 
verfegt worden, Peter B. wurde 1489 Meifter und machte ſich durch ng Kunſt 
balı fa berühmt, daß Fein angeſehener Mann nach Nürnberg kam, ohne ihn in 


Biſchl — Biseonti. 579 


feiner Gießhuͤtte aufzufuchen. 1520 wurde er von fehlen Mitbürgern aus Achtung 
in den großen-Rath gewählt. In Gemeinſchaft mit feinen Söhnen, die alle mit 
ihren Weibern und Kindern in feinem Haufe am Katharinengraben wohnten, 
arbeitete er bis zu feines Lebens Ende, das am 7. Januar 1529 erfolgte, 
Man rühmt feinen plaßtfchen Werten korrekte Zeichnung, edle und freie 
ae geiftvollen Ausoruf® in den Köpfen, treffliche Gewandung ‚und reinen 

uß nad). mD. 

Viſchl, P. Gotthard, Benediktiner zu Kremsmänfter, neboren 1672 zu 
Biechtady in Bayern, get. 1745. Er wirkte als Brofefor und Präfekt im Stifte, 
jpäter al® Lehrer der Philoſophie am der Univerfität Salzburg. Bon feinen 
Werten erlebten die „Disputationes in universam philosophiam“ eine zweite Auf⸗ 
lage. — Bol. Siege'Dauer Historie lt. ord. S. Benedicti IM. p. 325. Hist. 
Univers. Salisb. p. 353. 

Bisconti, eine alte u. berähmte italienifähe Familie zu Mailand, die nad 
Ginigen ihren Urfprung den Königen der Lombardei verdankt und bie fchon im 
11. bunberte nicht unräßelidh in der @efchichte genannt wird. Bel ver 
Zerſtd Maillands durch Kaiſer Friedrich I. verſchwindet fie auf einige Zeit 
aus ber efchichte, doch wird fie bernach unter denjenigen Geſchlechtern genamı, 
die durch die Torriani vertrieben wurden. Otto V., Erzbiſchof von Mailand 
(geft. 1258), beftegte feine Feinde und hinterließ die gewonnene Oberherrfchaft 
feinem Neffen Matteo E (geft. 1312), der zwar eine Zeit lange den Torriani’s . 
weichen mußte, aber durch Kaiſer Heinrichs VII Hülfe wieder eingejegt wurde 
und dem Titel eines kaiſerlichen Stattbalters erlangte, den er jedoch bald mit 
dem eines Herrn über Mailand vertaufchte. Auf ihn folgte Galeazzo, der von 
feinen eigenen Brüdern bedrängt und durch Kaifer Ludwig IV. 1327 zu Monza 
eingeferfert wurde und Fur; darauf zu Brescia ſtarb, ohne Kinder zu  binters 
laffen. Es folgte darauf fein Oheim Lucchino, ein Sohn Matteo’, der nicht nur 
bie Befiyungen feiner Familie vermehrte, fondern fi auch als Pfleger der 
Wiſſenſchaften und Künfte erwies. Als er 1349 farb, erbte die Herrichaft 
fein Bruder Gtovannt, der zugleich Erzbifchof von Mailand war und ſich auch 
Genua unterwarf. Ihm folgten 1354 feine 3 Neffen: Matteo, Bernabou. 
Galeazzo IL, von weldyem jedoch Matteo nach zwei Jahren flarb, während die 
beiden übrigen durdy Grauſamkeiten und andere Laſter ihren Unterthanen vers 
haßt wurden. Galeazzo ftiftete indeſſen auf Petrarca's Rath die Univerfttät Pavia. 
Nach feinem Tode, 1378, gelangte fen .Schn Gian Galeazzo zur Regier- 
ung, der bald feinen Oheim Bernabo in das feſte Schloß Trezzo warf u. die Res 
gierung allein führte. Kaiſer Wenzel verlieh ihm 1395 die Herzogowürde und 
er unterwarf ſich ſogar Piſa, Siena, Perugia, Padua und Bologna und nur fein 
Tod durch Bift, 1402, vernidhtete den Plan, den Titel eined Königs von Stalien 
anzunehmen. Nach feinem Tode theilten fich feine zwei rechtmäßigen Söhne, 
Giammaria u. Filippo Maria u. fein natürlicher Sohn Gabriel in feine 
Länder. Doc) ihre große Jugend u. andere Unbefonnenheiten zerftörten bald das 
große Gebäude ihrer Macht und befchränften ihre Herrfchaft auf das Gebiet von 

alland. Giammaria verlor fein Leben 1412 an einer Berichwörung. Sein 
Bruder Filippo Maria führte viele unglüdliche Kriege mit den Benetichern und 
ftarb ohne männliche Nachkommen 1447. Seine natürliche Tochter, Bianca, 
brachte Mailand an ihren Gemahl, Francesco Sforza, der 1450 von den Mai⸗ 
(ändern zum Herzog ausgerufen wurde. Die jetzt noch lebenden B. ſtammen von 
diefem alten Geſchlechte ab. 

« Bisconti, Ennto Quirino, einer der größten Archäologen, geboren 1751 
zu Rom, Sohn des rühmlichft befannten Präfeften der Witerthümer, Giov. Batt. 
Ant. V. Er war ein fo frühreifes Talent, daß er, 34 Jahre alt, griechiich und 
lateiniſch las u. 1765 eine poetifche Inebertehung der Hekuba be8 Guripfoee bruden 
laſſen konnte. Seinen Bater unterügte er bei Herausgabe des Museum Pis-- 
Clementinum (7 Bhe. 1782, 1807), ward Gonfersater nn 

1 


580 Biſion — Bifir 


und durch die Frangofen Minifter des Innern, dann Eonful. In das Schiejal 
der Republikaner verflochten, verließ er Rom 1799 und begab fich nach Franf- 
reich, wo er als SProfefior der Archäologie, Mitglied des Juſtituts und Confer- 
vator ded Mufeums im Louvre 1818 flach. Die Wiffenfchaft ward durch ihn 
wefentlich gefördert und einzig im ihrer Art find: /Iconographie grec @ Br, 
1818) und romaine (3 Bde. 1818—1820). Eine Gefammtausgabe feiner Werke 
ward von Labus, Mailand 1818, unternommen. 

Vifion, Geficht, Erfheinung, nennt man das, wenn ein Indivlduum 
durch Äußere Sinneseindrüde in fein Berußtfeyn aufnimmt, was font auf ſolchem 
Wege nicht erfaßt wird u. auch anderen Anwefenden verborgen bleibt, Die V.en 
begiehen fich entweder auf. die Vergangenheit, da dem Vifionär oder Seher 
vergangene, unbelannte Dinge offenbar werben, — ober fie beziehen ſich auf die 
Gegenwart, indem der V. in Beziehung auf den Ort welt entfernte Dinge ſieht, 
Fernſehen, — oder endlich die Ben beziehen ſich auf die zutun, indem dem 
B. zufünfiige Dinge offenbar werden, prophetifcher Geift (f. Propheten). 
Bei allen B.en fpielt das Sehen von Geiftern eine große Rolle (ſ. Geifterwelt). 
Daf Ben in Wahrheit ſtatt haben Fönnen, ift Feinem Zweifel unterworfen; fehr 
häufig lauft aber Selbftbetrug oder abfichtlicher Betrug mit unter, baber denn 
bei Annahme von V.en immer große Vorficht beobachtet werben muß. Won den 
B.en unterfcheiden fich die Phantasmen dadurch, daß den Iepteren nie Wahrheit, 


fondern: immer nur Irrthum zu Grunde liegt, — Zu dem beveutenditen 
Vifionären gehörte Swedenborg (ſ. d) und in meuerer Zeit die Seherin von 
PBrevorft (fi. d.). E. Buchner. 


Bifie, 1) bei Gefhügen, Büchfen, Blinten, der Einfchnitt, welcher am hintern 
Ende des Nohres angebracht ift, genau auf der Mittellinie der Seele beffelben 
ſteht und dazu dient, das Gefhüg genau zu richten, indem V., Korn und Ziel 
in eine gerade Linie gebracht werden. Bel den Mepinftrumenten nennt man die 
Einschnitte, Löcher oder Kreuzfaden in den Deculardioptern ebenfald V. Jeder 
gerhofiene oder geworfene Körper bewegt fich in einem Bogen, welcher, wenn 
ein Widerftand der Luft ftattfände, die Borm einer Parabel haben würde. Um 
daher mit dem Geſchoſſe das Ziel zu treffen, it es notwendig, hab die Are der 
Seele des Rohres fo geftellt werde, daß auf diefen Bogen KRüdficht genommen 
wird. Dennoch liegt da6 B. jederzeit höher, ald das Korn über der Seelenare, 
wodurch, wenn man die Linie über V. und Korn (Bifirlinie) serlängert denkt, 
diefelbe die verlängert grade Seelenare ſchneidet, alfo ein Winkel entſteht, 
welcher ver natürliche Wrhöhungswinfel oder auch V.⸗Winkel genannt wird. 
@efchügröhre, bei denen V.-Linie und Geelenare gleichlaufend ind, welche mithin 
feinen B. + Winkel haben, nennt man verglichen. Diefe werden gebraucht, wenn 
man auf ganz kurze Entfernungen (bis 400 Schritte) fchlegen will; zu größeren 
Diftanzen bedient man fih alddann des Aufſatzes (. Kanonen), deſſen Höhe 
für die jedesmalige u dh Erfahrung ausgemittelt if. Die fenkrechte 
Ebene, welche durch den V.-Einſchniit und die Spige des Korns gedacht werden 
Tann, muß mit der fenfrechten Ebene auf der Are der Seele zufammenfallen, oder 
darf doch nur um ein Geringe davon abweichen, muß dann aber jedenfalls 
parallel mit verfelben laufen. Würde das B. 3. B. zur Seite abweichen, fo 
würde das Gefchoß auch nach dieſer Seite von der Richtungslinte abgehen; fände 
das Korn nicht in der gedachten Ebene, fo würde aus demfelben mathemati- 
für Grunde das Geſchoß nach der entgegengefeßten Seite aus ber Richtungs- 
inte gehen. Bel den Büchfen find, um auch auf weitere Entfernung ſchießen zu 
Innen, als Aufſatz die fogenannten Klapp:B.e angebracht. Anders verhält e6 
fich jedoch bei den Bogengewehren, wo das Korn fid) auf dem Pfeile oder Bolzen 
befindet. Indem gan bier mit dem Korn das vordere Ende des Pfeils ıc. zur 
Seite fchlebt, rüdt Ran die Are deſſelben und die Richtung des Schuffes felbi 
mit dem Korne zugleich und verändert gegen bie B.-Linie nur ein wenig bie 
RNichtung des Schaftes, welches keinen Einfluß auf bie Richtung bes uſſes 


Miu er . sei 
äußert. — B.Schuß nennt man beim GBefchäge den Schuß, weicher über V. u. 
Korn nach dem Ziele gerichtet if. — 2) Un dem Helme der alten Ritter das 
Otter, „neichee das Geſicht dedie und das herabgelafien und zurüdgefchlagen 
werben konnte. 
Bi lehrt unterfuchen, wie viel Einheiten eines befannten Hohlmaßes 
(für Flüffigkeiten) irgend ein Gefäß, 3. B. ein Faß oder eine Tonne, enthält. 
Das Ausmeflen der Dimenfionen diefed Gefäße, um mittelft verfelben, beflen 
Inhalt geometrifch zu berechnen, geichieht mit Hülfe eines hiezu beſonders con» 
firuirten, V.⸗“Stab (f.d.) genannten, Maßſtabes. Die B. ftellt hiezu zwei, dur 
Verfuche gefundene und durch die Erfahrung beftätigte, Säge auf: 1) der Inhalt 
eined gleichförmig gefrümmten Faſſes tft ohne beträchtlichen Fehler gleich dem 
eines geraden linders von gleicher Länge, deſſen Grundflaͤche $ der Spund⸗ 
freisfläche > 4 der Bopenkreisfläche iſt; 2) der Inhalt eines, am Halfe weniger 
gewölbten (ausgeftoflenen), Faſſes ift ohne bedeutenden Fehler glei dem eines 
geraden Eylinderd von gleicher Länge, deſſen Durchmeſſer 5 des Spunddurch⸗ 
mefierd p4 Bodendurchmeſſer if. — Ferner lehrt die ®. den richtigen Gebrauch 
der Stäbe. Auch lehrt die V. das Profil eined Faſſes nach gegebenen Verhält⸗ 
niffen zu geichnen, ſowie mittelft VStabes und Rechnung den Inhalt eines nicht 
vollen, liegenden Faſſes zu finden. 
8 —2* iſt —2 e Schuß, bei dem das Viſir nicht erhöht, ſondern 
über Metall, d. 5. die Böchfen Bunfte der Kopfs und Bodenfriefen, vifirt wird. 
Da bierbei Bifirlinie und Seelenare einen Winkel, Spike nach vorn, bilden, fo 
gehört der V. ji den Bogenfchäflen; wenn nicht gerollt wird, muß die Kugel« 
n die Bifitlinte am Ziele zum zweiten Male —2 — V.⸗Weite rech⸗ 
net man meiſtens noch etwas weiter, nämlich vom erſten Aufſchlage der Kugel. 
Sifebab, nennt man das Werkzeug, mit dem man den Inhalt eines Faſſes 
oder einer Tonne, mit oder ohne Rechnung, bequem beftimmen kann, (f. Biftrfunft) 
fobald die Länge des Faſſes nebft defien Spund⸗ und Bodendurchmefler gegeben 
find. Es gibt zwei Arten von V.: den quadratiſchen und den cubifchen 
B. Huf dem erften ift auf einer Seite (Rängenfeite) die Höhe einer Kanne 3.2. 
fo oft als möglidy aufgetragen, auf der andern Seite (Blädyenfeite) die Durch⸗ 
mefler von Eylindern, die bei einer Kanonenhöhe 1, 2, 3 Kannen u. f. w. In⸗ 
halt haben. Der cubifche V. gründet fi) darauf, daß ähnlich geftaltete Käfier 
fi wie die Würfel ihrer gleichliegenden Linien verhalten. Er gibt die —— 
von Eimern u. ſ. w. an, die ein Cylinder enthält, deſſen Höhe und Dutchmeffer 
gleich find u. der die gemefiene Diagonale hat; dieſer V. gewährt aber weniger 
enaue Refultate, als der quadratiſche. Will man endlich einen gewöhnlichen 
aßſtab brauchen, fo muß das Refultat durch Rechnung allein beftimmt werden; 
dies iſt zwar mühſam, jenoch gewährt es vie ficherften Refultate. Die Ans 
wendung aller dieſer verfchiedenen Arten von V. und des Viſirens überhaupt 
wird in jedem guten Lehrbuche der praftifchen Geometrie (Stereometrie), oder in 
befonderen Werfen über die Viſirkunſt (f. dv.) ausführlich dargeſtellt. 
Diffegrad (deutſch Plintenburg), einft eine berühmte Könt eburg, jet 
ein gern er Markıfleden im Peſther Komitate Ungarne. Die foloflalen m 
mer des alten Koͤnigsbaues deinen einen originellen, von den deutfchen Surgveien 
abweichenden, mehr aflatifchen Eharafter. Das Haupifchloß, 781’ über dem Spiegel 
der vorüberfließenden Donau Iiegend, bildet ein Dreied, Die Ringtbürme find 


dur) Mauern verbunden und oben mit Zinnen und Schießfcharterr beſetzt. Am 
Fuße des Schloßberges fleht der 4 Stodwerke hohe Salomonsthurm, und 
unfern, dicht am Strome, eine Baftton, von welcher eine A Klafter hohe Mauer 
zur Burg hinanzieht. Durdy das noch ziemlich wohl erhaltene Hauptihor der 
Befte gelangt man in das untere Schloß und von dieſem fobann in dad Hoch⸗ 
ſchioß. Noch zeigt man dort das Gewölbe mit der Ueberfchrift 1493, in welchem 
uxe 


die ungarifche Krone aufbewahrt wurde. Bon der Geräumigfelt der RE 
kann man fich einen Begriff machen, wenn mm Yirt, KR IN 





| 


582 Visum repertum— Bitalianer. 


enthlelt. Was Prachiliebe und Lurxus erfinnen konnen, wereinigee fie tn ihren 
Mauern u, wurde deswegen von den Zeitgenoffen den fo hoch gareimen Welt 
wundern des Alterthums beigesählt. Vorzüglich hatte Matthias Corvinus Palat 
und Gärten überherrlich ausgeziert. — Der Name B. ift ſlaviſchen Urfprunges 
und bedeutet eine „hohe Burg“. Mahrfcheinlich ift die Veſte fchon vor Ankunfı 
der Magyaren durch die Slaven erbaut worden. Einige Geſchichts fotſchet vin- 
vigtren ihr ein noch höheres Alter, indem fie hier das Carpis der Römer fuchen. 
Ladislaus 1. hielt 1081 feinen Wetter, den Gegenfönig Salomon, in dem Thurme 
eingeferkert, welcher noch heute nach dem Gefangenen benannt wird. Im Fahre 
1310 wählte König Karl Robert V. zu feiner Refivenz und ließ e8 durch nen- 
politanifche Baumetfter erweitern, seietigen und verfebönern. Auch Ludwig ver 
Große, Sigismund und Matthias Corvimus hatten hier an Fiehlingsfig. Bon 
1526 an, wo die Türken zum erften Male Ungarn überjchiwemmten, ward die 
Veſte, aus der man ſchon früher die Krone geflüchtet hatte, mehrmal belagert 
u. bald von den Osmanen erobert, bald von den Ehriften wieder zurüderfämpft. 
Die alte Pracht ging unter ven zerftörenden Yußtritten des Krieges verloren. 
1686, als die Türken zum lehten Male und für immer auszogen, hinterließen 
fie die Rn fo ruindſem Zuftande, daß Kaiſer Leopold, um die großen Sum- 
men {hrer Wieverherftellung zu erfparen, den Befehl ertheilte, fie gänzlich zu 
räumen und dem Verfalle zu überlaffen. 1702 wurden die noch ftehenden Felt 
ungswerfe gefprengt, damit fie den Rakoczi’fchen Kuruzzen feinen Haltpunft ge: 
währen möchten. Gin altes Diſtichon beklagt den Untergang B.8: 
Inspice natales Vicegradi et funera, dices: 
Destruxisse honines, sed posuisse Deos. 

Vergl. 3. B. Häufler: Album von V., Peſth 1845. aD. 

Visum repertum, ſ. Obduction. 

Vitalianer oder Bietualienbrüder, hieß eine, gegen das Ende des 14. 
Jahrhunderts entftandene Seeräubergefelfchaft, die vorzüglich in der Oſtſee itt 
Wefen trieb und deren Urfprung in Folgendem zu fuchen if. Als im Jahre 
1389 König Albert von Schweden mit feinem Sohne Erich von Margareıha von 
Dänemark gefangen worden war, fuchte ihn fein Bruder Johann von Stargard 
mit Hülfe der Haufe, namentlich der Städte Wismar und Roftod, feines Ge: 
fängniffes zu entledigen. Um den Krieg mit mehr Nachdrud führen zu fönnen, 
hatten die erwähnten Städte eine Bekanntmachung ergehen laſſen, nach der allen 
denen, die auf eigene Koften Caper gegen Dännemark, Schweden und Norwegen 
ausrüftlen würden, ihre Häfen offen Reben follten. Eine Menge von Abenteuerern 
fand fih zu diefem Unternehmen bereit, welche, durch glüdliche Erfolge einmal 
ühn, gemacht, bald weder Freund, noch deind verfchenten. Sie nannten fih 
B., da fie, obgleich gerifiermafien im Dienfte jener Städte, für Unterhalt und 
Lebensmittel (Bictuallen) felbft forgen mußtin. Der Hanfebund, über dieſes Un— 
wefen aufgebracht, ſchloß die Urheber defielben, Wiswar u. Roſiock, die indeſſen 
durch eingebrachtes Sapergut anfehnlich gewonnen hatten, von feiner Geſellſchaft 
aus. Im Jahre 1395 kehrte Albert, der Krone Schwedens entfagend, nah 
Medienburg zurüd und die B. mußten bei Abfchluß des Friedens die Dftfee 
räumen; von ber Infel Göthland, die fie bis jegt noch inne gehabt hatten, ver: 
trieb fie der deutfche Orden. Ein Theil von ihnen wendete ſich nach Bergen in 
Norwegen, ein anderer nach Friesland, wo Aurifenhave, Wiwunde u. Marien: 
ave, die einem friefifchen Häuptlinge, Kentom Broede, gehörten, ihre vorzüg- 
lichſten Schlupfwinkel wurden. Don bier aus trieben die V. ihr Wefen ärger, 
als jemals, fo daß der Hanfebund ernflich auf ihre Ausrottung dachte. Vor 
Allen gelang es den Hamburgern, zwei der fühnften Häupter der V., den Klaus 
Stortebefer und Wigmann, als fie mit ihren Schiffen vor Helgoland lagen, nad) 
tapferer Gegenwehr zu überwältigen; 40 Seeräuber blieben und 70 wurden ges 
fangen nad) Hamburg geführt und bier auf dem Grasbroofe (1402) enthauptet. 
Ein altes Lied (adgedrudt im „Wunderhorn“ I. S. 167 u, anderwärts) befingt 


Bitollemit, ” — 


dieſe Begebenheit. Nicht lange nachher wurden von denſelben Hamburgern zwei 
andere befannte Seeräuber von den B.n, Godeke oder Gottfried Michael nd 
Wigbold, legterer, wie man fagt, ein Magifler der freien Künfte, mit 80 @efähr- 
ten eingebracht und 1403 gleicherweife beftraf. Man fand bei ihnen die, an ber 
fpanifchen Küfe erbeuteien, Gebeine des heiligen Vincentius, durch deren Beſitz 
die Seeräuber ſich für unbeflegbar gehalten hatten. Selivem ift der Name der 
V. gänzlich verſchwunden. 

taliauns, der Heilige, römiſcher Papft, Sohn des Anaſtaſtus Pon⸗ 
tracius von Segni, einer Stadt in der roͤmiſchen Campagna, oder, nach Anderen, 
von Svernia, einem Schloſſe in den Abruzzen, beſtieg am 11. Auguſt 657 den 
päpftlidden Stuhl. Er hielt mit unermüdetem Fleiße auf die Feſihaltung ber 
Kirchenzucht und verdiente durch feine aufferordentliche Krömmigkeit als Heiliger 
verehrt zu werben, daher die Kirche fein Andenken am 27. Januar ehrt. Als er 
fi) gendthigt ſah, den Erzbifchof Maurus von Ravenna zu ercommuntziren, that 
biefer gegen den Papſt dad Nämliche, was allgemeinen Unwillen erregte. Gleich 
nach feiner Thronbeſteigung fandte V. feine Doubaftet mit einem Synodal⸗ 
fchreiben an den Katfer Konftans, um ihm feine Wahl anzuzeigen und ihn zu 
bitten, daß er dem Monotheletismus entfagen und wieder zur Fatholifchen Kirdye 
zurüdfehren möchte. Die Botfchafter wurden gut aufgenommen und überbradhten 
der Kirche des heil. Petrus von dem Katfer ein mit Gold gefchriebenes u. reich 
mit Edelſteinen verziertes Evangelienbuch. V. nahm dieſes Geſchenk mit großer 
Sreudenbezeugung an und, als Kenſtans im Jahre 663 einen Zug nah Rom 
machte, ging Ihm der Papſt 6 italienfche Meilen entgegen, empfing ihn mit 
größter —8 und begleitete ihn nach Rom, wo der Kalſer 12 Tage verweilte, 
die Kirchen befuchte und denſelben während ver Zeit feines Wufenthaltes 
reiche Geſchenke machte, überhaupt nur Zeichen der Andacht und frommer Frei⸗ 
gebigfeit äußerte, Als jedoch die Longobarben, welche der Kalfer vernichten zu 
önnen geglaubt hatte, feine Nachhut dei Neapel fchlugen, verlor er alle Hoff: 
nung, fi länger in Rom halten zu fönnen. he er aber hinweg ging, plünderte 
er die Kirchen, nahm die Geſchenke zurüd, die er geopfert hatte und raubte, was 
die Stadt an den größten Koftbarfeiten befaß. Man hatte ihm den Vorſchlag 
gemacht, er folle das Pantheon fchmüden, welches felt dem Jahre 603 unter 
Bonifacius IV. mit Genehmigung des Phokas in eine Kirche verwandelt worden 
war; aber Konftans II. zog es vor, dafielbe aller Metallplatten zu berauben, mit 
denen es bededt war. Unaufhaltfam ließ er alle dieſe Reichthümer nach Syrafus 
bringen. in ſolches Benehmen konnte Die Macht der Päpfte in Italien nur 
ſtaͤrken. Konftans felbft trug das Loos der Tyrannen davon, welche die Kirche 
verfolgt und die Ehriften gemartert hatten; er wurde felbR ermordet. — Der 
Erzbtichof Wighand von Canterbury, welchen König Oswy nach Rom ge- 
fendet hatte, um ſich dort weihen zu lafien, farb an der Peſt, die damals in 
Stalten berrfchte. An des Verftorbenen Stelle fchidte B. den Theodor einen 
griechifchen Mönch, der fowohl durch Wiſſenſchaft, ale Geiſtedüberlegenheit aub⸗ 
gezeichnet war, nady England. — Nach Einigen fol V. den Gebrauch der Degen 
beim Gottesdienſte in den Kirchen eingeführt haben, wogegen Andere diefen Ge⸗ 
braudy dem heiligen Damafus zufchreiben. Indeſſen bein feine von beiden 
Behauptungen die richtige zu feyn und wirklich fagt Ladvokat, dieſe Erfindung 
fet fchon vier Jahrhunderte Alter, well ſchon Claudian eine Orgel beichreibe. 
Gewiß ift, daß fchon vor dem heiligen V. Benantius Zortunatus, der im Sabre 
606 farb, von dem heiligen Bifchof Germanus von Paris fagt, daß es fchon 
zu deflen Zelt eine Orgel in einer Kirche diefer Stadt gegeben habe, Wie daher 
Bingham in feinen „Origines ecclesiastici“ die Behauptung aufftellen konnte, man 
habe vor dem heil. Thomas von Aquin die Orgeln nicht gekannt, iſt wirfli 
unbegreiflih. DB. ernannte in vier Orpinationen 97 8358 22 Prieſter un 
10 Piakone. Er regierte die Kirche 14 Jahre und 10 Monate und flarb am 
27. Zänner 672. — An Wiffenfchaft Tann der h. B. wit ven al 





| Bitellius — Bitriol. | 


verglichen erben und an Eifer zur Verbreitung der Reltgton, an Muth für 
die — derſelben ſtand er Keinem nach. 

Bitellius, Aulus, römischer Kaifer, ward im Jahre 15 nach Chriſto ge: 
boren und zu Gapren, dem damaligen Site aller Ausfchweifungen, erzogen. 
Allen Laftern und Ausfchweifungen ergeben, wußte er fich am Hofe des Galigula 
deſſen Gunft durch fein Kutfchertalent, des Claudius Wohlwollen durch feine Liebe 
zum Spiel und des Nero befonbere Gewogenheit durch friechende Schmeichelei 
gom deſſen Talente für den Gefang zu erwerben, fpielte fo bet allen die wichtigſte 

Me und erhielt die wichtigften Staatdämter und Priefterftellen. So warb er 
auch, da er die Armeen in Deutfchland, deren Regionen er befehligte, durch 

chenfe fich geneigt gemacht hatte, nach des Kaiſers Galba Tode von jener 
zum Kaifer in feinem 57. Jahre ausgerufen, während die prätorianifchen pr 
pen zu Rom den Otho dazu erklärten. Wider viefen feinen Nebenbuhler ver: 
loren feine Armeen dret wichtige Schlachten und nur erft die wierte, zwiſchen 
Gremona und Verona, hatte ihn den erwünfchteften Ausgang. - Dtho. töbtete 
ſich felbft und nun huldigte die ganze Armee, fowie der Senat, dem neuen Kaiſer 
®. Die unbefchreiblichften Berichwendungen waren nun an der es ordnung: 
binnen wenigen Tagen waren vier Millionen und in Zeit von vier Monaten 
900 Millionen Seftertien verſchwendet. Aber auch an Graufamkeit fuchte er ſich 
feinen Vorgänger Nero zum Mufter zu nehmen, dem er fogar Altäre u. feierliche 
Todtenopfer errichtete. Die empörenpften Graufamfeiten wurden: verübt und 
nicht nur feine Breunde ließ er hinrichten, felbft feine Mutter ließ er Hungers 
fterben. Doch, feine Reglerung dauerte nicht e. Die Armeen, im Dris 
ente fowohl, als an der Donau, — ſich und riefen den Veopaſtan zum 
Kaifer aus; Alles Fam in Aufruhr. Gr felbft fuchte noch auf dem Capitol Ret- 
tung: der Tempel ging in Flammen Da ‚ Rom: wurde mit Sturm eingenommen 
und B. nach einer acytmonatlichen Regierung ermordet; feinen Körper fchleppte 
man mit Hafen fort und warf ihn in die Tiber. 

Viterbo, Stadt im Kirchenftaate, an der Straße von Siena nad Rom, 
am Fuße des Monte Cimino, leitet feinen Urfprung aus der Zeit der Longo- 
barden= Herrfchaft ab, ift Sig eines Biſchofs fowie der Behörden der gleich⸗ 
namigen Delegation (784 [J Meilen, mit 145,000 &inw.) und zählt 16,000 
Einwohner. Im Mittelalter war die Stadt dfter Nefivenz der Päpfte. Unter 
den merkwürdigen Gebäuden heben wir heraus: die Kathedrale 8. Lorenzo, im 
mittelalterlichen Bauftiele, auf dem Grunde eines Herkules: Tempels; die Kirche 
S. Angelo in Spada, an der Bagade ein antiker Sarkophag, in welchem die 
fhöne Galiana beigefegt worben, um deren willen Rom und V. in einen Krieg 
geriethen ; der Palazzo communale, angefangen 1264, beendigt unter Sirtuß IV., 
mit einem fchönen Brunnen im Hofe und großen etrusciſchen Grabmälern; Pa- 
lazzo vescovile, neben der Kathedrale, and dem 13. Jahrhunderte, mit dem 
großen Saal, in welchem nad) 33 Monaten das Eonclave Martin IV. auf Bes 
trieb Karl's von Anjou zum Papſte wählte; Palaſt S. Martino, der Familie Doria 
gehörig, mit einer fahrbaren Treppe, dem Bildniſſe der berühmten Donna Diyms 
pia ale ihrem Bette und fonfigem Ameublement. Die Stadt hat auch 
viele ſchͤne Brunnen und treffliches Waffer, mehre Ueberrefte etrusfifcher Bau— 
tunft und in der Umgebung viele herrliche Lanphäufer. 

Bitriol IR die allgemeine Benennung für ‚jedes, aus einem Metalle und 
Schwefelfäure (B.+ Del) beflchende Salz, welches durch die Beifegung des 
Namens feined Metalle noch näher bezeichnet wird. Wür ven techniichen Ge⸗ 
brauch find am wicht, der Eifens, Kupfer- und Zink⸗V. Der Eifen- 
B., auch Kupferwaffer over grüner V. genannt, kommt in der Natur als 
ein, fich fortwährend erzeugenbes, Produkt vor, wird aber für ben Handel im 
Großen fabritmäßtg auf verfchledene Weife bereitet. Gewöhnlich ſtellt man ihn 
aus V.⸗Erz (Bitrlolkies), Schwefelkies, Magnetlies, oder auch aus Eifen- 
und Gchwefelfänre dar. Läßt man diefe Mineralien, welche hauptfächli aus 


Be vos 
Eifen und Schwefel beſtehen, an ber verwittern, fo Tümmt Gauerfioff in 
ihre Verbindung, wodurch der Samefel In Schwefelſaͤure (f. Bitriold h, das 
Eiſen in ——— umgewandelt wird, die ſich wieder mit einander verbinden 
den Eiſen⸗V. (ſchwefelſaueres Eiſenoxryd) darſtellen. Man verwendet ihn 
zur Darſtellung mehrer Farben, B. des Berlinerblaus (f. d.), zur Be 
reitung des V.⸗Oels x.; ferner in der Medizin, Faͤrberei ıc. In Deutſchland 
wird an ſehr vielen Orten EifensB. fabricirt. Der Kupfer⸗WV., auch cypri⸗ 
ſcher over blauer V. blauer Galitzenſtein genannt, findet ſich in der Ras 
tur in den Brubenwaflern det Kupferbergwerke, wird aber größtenipeite kuͤnſtlich 
dagetzut aus Kupferverbindungen ober als Nebenprodukt bei chemiſchen Arbeiten, 
z. B. in den Mänkätten, gewonnen. Er befteht aus Kupferoxyd, Schwefelfäure 
und Waſſer und bildet ein Hauptingrebienz vieler grüner und blauer Farben; 
dient zum Berkupfern und Bruniren von Eifen, zum Yärben des Geldes und In 
der Medizin. Er iſt giftig, wie alle Kupferſaize. Der Zink⸗V., weiße 8. 
wird durch NRöften und Wuslaugen der Blende, einem, aus Zink und Schwefel 
den, Erze gewonnen, t aus Schwefelfäure und Zinkoryd und wird 
zur ißbereitung (um das Del mehr trodnend zu machen) gebraucht, ferner 
zur Yenerverfllberung, in der Kattundruderei u. in der Medizin. Große Quan⸗ 
titäten werden von bemfelben zu Goolar am Harze erhalten. C. Arendis. 
Bitrioldl oder Schwefelfäure (Acidam sulphuri Oleum vitrioli), 
nennt man eine Verbindung des Schwefels mit Sauerkof, (Bgl Schwefel) 
Die —— — Gewinnung Schwefelſaͤure iſt entweder eine Abſcheidung ſchon 
ebildeter Säure aus dem Eiſenvitriol (eine natürliche Verbindung von 
Eehwefeifäure und Eifen), oder eine wirkliche Bildung derfelden aus Schwefel. 
DE auf erfiere Welle gewonnene Säure wird rauchende Schwefelfäure 
— iſches oder Nordhäuſer⸗V.) genannt, die auf die andere Art erhalt⸗ 
ene⸗ heißt emöhnTice Schwefelfäure engitigee B.). Um die rauchende 
Schwefelfäure darzuftellen, jest man Schwefelbrände (f. Schwefel) längere Zeit 
der Luft und dem Regen aus und begießt fle bei trodener Witterung von Zeit 
zu Zeit mit Waſſer. Es bildet fich hiebet Eiſenvitriol, der ſich im Waſſer löst 
und in Laugenfümpfen zum Verſteden gefammelt wird. Der unverändert geblieb- 
ene Theil der Schwefelbrände bleibt der weiteren, freiwilligen Orydatlon (f. Oxy d) 
und NAblaugung durdy Regenwaſſer überlafien. Nach längerer Zuftberührung 
wird fchwefelfaures Eifenoryd gebilvet, das eine braune Auflöfung liefert, die in 
Bletpfannen ſtark eingedampft wird. Das dadurch erhaltene fefle, waflerhaltige, 
wefelfaure Eifenoryd wird bei mäßiger Hite geröftet und hierauf aus thönenen 
etorten deſtillirt, wobei vie Schwefelläure mit geringem Waflergehalte übergeht, 
in dem Retort aber Eifenoryd zurückbleibt. Die fabrifmäßige Bereitung der ges 
wöhnlichen Schwefelfäure geichieht in großen Bleifammern, die, unten offen, in 
einer flachen Bleipfanne ftehen, ringsum von Balfen geſtützt find. Unten ober 
vor den Kammern befindet fich der Berbrennungsofen, auf defien Heerd man 
Schwefel, dem 85 Salpeter beigemengt wird, verbrennt; man leitet beftänbig 
Waflerdämpfe und atmofphärtfche Luft zu und läßt diefe Dämpfe in den Kams 
mern niederfchlagen. Die fo erzeugte Säure wird von dem überfhüffigen 
Waſſer durch Abdampfen in bleiernen oder en befreit. Die Auss 
übung der Schwefelfäurebilbung im Großen iſt ſchon alt, ver fabritmäßige Be 
trieb Datirt aber doch erſt von der Erfindung der Schwefelfäures Kammern (Blei⸗ 
fammern), von benen die erfte im Jahre 1774 von Roebuck in Birmingham aufs 
geftellt wurve. Zur Spelfung verfelben ift neben Luft und Waſſerdampf auch 
ſchwefelige Säure (die beim Verbrennen des Schwefels entſteht) und Stidoryd 
(bush den Zuſatz von Salpeter erhalten) erforderlich. Sonſt hatte man die 
ſchwefelige Säure fat immer durch Verbrennen von Schwefel in bejonbern Defen 
direft dargeftellt und dazu fichliantichen Rohfchwefel benüht: Als aber im Jahre 
1841 zwiſchen der englifchen Regierung u. Neapel die Schwefelfrage aufgemworfen 
wurde, gelangte der Preis des natürlichen Schwefels, ungeachtet dex ÊXo 


586 Bitendins— Viviani. 


Schlichtung durch Frankreichs Bermittelung, zu einer ſolchen Höhe, daß bie 
Sabrifanten geswungen .. auf neue — zu denken. De englifche In: 
duſttie eröffnete auch ſolche durdy Ausbentung der ungeheueren Borräthe von 
Schwefellies, welche in Irland und den Kohlenpiftriften vorfommen. Die rauch⸗ 
ende Schwefelfäure, eine mehr oder minder Flare, gewöhnlich braune Blüffigkeit, 
iſt eine Berbindung von waflerfreier, mit wafferhaltiger Säure, bie am der Luft 
dichte weiße Nebel ausftößt; ſie erftarrt ſchon bei über 0° R. zu waſſerhellen 
Kryftallen. Die gewöhnliche Schwefelfäure iſt eine Verbindung von ungefähr 
en Theilen wafferfreier Schwefelfäure u. Wafjer. Sie iſt waſſerhell, dicht 
füffig wie Del, geruchlos, aber fehr ägend u. ftarf fauerz fe verfohlt, wie auch 
die andere, die meiften organifchen Stoffe, gefriert erft bei 28° R. umb ſiedet 
bei 260° R. Aus ver Luft zieht fie Waffer mit großer Begierde an, fie erhigt 
fich, genengt mit Waffer, wie auch mit NBeingeifh fehr ftarf, ‘Mit den Bafen 
bildet die Schwefelfäure die fehmefelfaueren Ealze und ihre Verbindungen mit 
Erde ımd Metallen werden im Allgemeinen Vitriole genannt. C. Arendis. 

Bitruvius, Marcus Pollto, ein berühmter römifcher Baumeifter und 
Schrififteller in diefem Fache, aus Verona, gleichzeitig mit Kane) that anfäng- 
lich unter Cäfar Kriegsdienſte und erhielt von Auguftus die Aufficht über vie 
Kriegemafchinen und öffentlichen Gebäude. Rom wurde durch die won ihm ent: 
worfenen Bauten fer verfchönert, Eein Werk von der Baufunft befteht aus 
chn Büchern und ift, wiewohl ohne die dazu gehörigen Riffe, — 

ten worden, Eigentlich betreffen nur die ſieben erften Bücher die Baufunft, 
das achte handelt von — — das neunte von Sonnenuhren umd das 
zehnte von der Mechanif. An feiner Schreibart hat man oft den Mangel an 
Eleganz getadelt, ohne auf die Einzelnheit und Popularität der von ihm behan- 
delten Gegenftände Rüdficht zu nehmen. Doch bedarf der Text noch mander 
Berichtigungen. — Die beften Ausgaben haben wir: von Aug. Rode, Berlin 1800, 
2 Bde. mit Kupfern, ver auch vorher, Lpz. 1776, 2 Bde, eine ſchähbare Ueber: 
fegung dieſes Schriftftellers lieferte; von J. Gottl, Schneider, Leipzig 1807, 
4 Thle. und mit den Anmerfungen von Laet, Galiani, Polenus, Etratico u, A. 
in vier Bänden (8 Thln.), Ubine 1825—30 mit Kupfern und Holsfchnitten. 
Bon Martini, 4 Bde. Rom 1836. Bol. Ch. Geneli’s cregetifche Briefe über B., 
"Braunfhiweig und Berlin 1801 ff, 2 Hefte mit Kupfern und 3. F. v. Röfd, 
Erläuterungen über V.s Baufunft, Stuttgart 18025 C. 2. Etieglig, Archäoleg. 
Unterhaltungen, erfte Abtheilung über B., 2. 1820. J 
ittoria, Hauptftabt der baskiſchen Provinz Alava in Spanlen, tm einer 
fruchtbaren Ebene an der Zaborra, hat alterthümliche Befefigungen, einen fchönen 
Marktplag, 5 Kirchen, mehre Hofpitäler und 12,000 Einwohner, welche Stahl: 
und Eifenwaaren, insbeſonders gute Degenklingen, Wachetaffet, Wollenzeuge, 
Leder ıc. verfertigen und eimen beträchtlichen Handel mit Wein und Getreide 
treiben. — Der Ent bieß früher Bizancto und iſt erft im 3. 1431 eine Stadt 
geworden. 1367 erfocht hier der ſchwarze Prinz einen Sieg zu Gunften Peters 
des Graufamen von Kaftilien, und am 21. Zunt 1813 fchlug Wellington bei V. 
die Srangofen unter Jourdan. mD. 

Zittoria, Herzog von, f. Espartero. 

Biviani, Vincenzo, einer der berühmteften Mathematifer des 17. Jahr⸗ 
hunderts und würbiger Schüler von Galtlei.* Bon adeligen Eltern zu Fiorenz 
den 15. April 1622 geboren, fing er im 16. Jahre an, die Geometrie zu flubieren 
und bald nahm ihn Galilei als feinen Schüler an, bei welchem er 3 Jahre blieb. 
Einige Jahre widmete er fich ununterbrochen der Geometrie und“ fuchte in der 
Zeit die 5 Bücher, welche Ariftäus 300 Jahre vor Ehriftus über die Kegelfchnitte 

eſchtieben hatte und welche gänzlich verloren gegangen waren, zu erfegen. 15 
Fahre lange wurbe er nun theils durch Privatangelegenheiten, theils durch öffent 
liche u. Staatöverhandlungen, welche ihm fein duͤrſt der Großherzeg derdinand I. 
von Toslana, anvertraute, beſchaͤftiget; aber dennoch unternahm er noch während 


‚Mlänifipe .Sprabewegung %, Bilesaien. 


ter Zeit ein ähnliches Borhaben, nämlich auch 5 ver des Apollonius Pers 
näus_von den Kegelfchnitten zu erfegen, welche Vet —— ungefähr 250 
vor Chriſtus gefchrieben hatte, die aber ſchon ſchon faſt vor — — Jahren verloren 
gegangen waren. V. war mit diefer Arbeit eben fehr eifrig beichäftigt, auch ſchon 
fehr weit damit vorgerädt, als auf einmal Borelii in der großberzoglichen Bib- 
iiothel zu gloem ein arabifches Manufeript fand; welches bie fir verloren 
chaltenen Bücher des Pergäus enthielt. Ehe dieſer aber noch mit der Ueber⸗ 
jegung, welche er zu Rom Frtigen lich, hervortrat, eilte V., feine eigene Arbeit 
zu —E tefe erſchien 1659 und nach einigen Jahren erſt jene Ueber⸗ 
feßung und aus der angeftellten Vergleichung ging num hervor, daß B. in feinen 
Muthmaßungen über re Materie jenes Werkes weit tiefer eingebrungen war, 
als Apollontus ſelbſt. Kurz darauf bediente fi der Herzog 8.8 zur Aus⸗ 
gleichung gewiſſer Etreitigfeiten mit den paͤpſtlichen Gommiffarien. 8.6 Ruhm 
breitete ſich immer mehr in ganz Europa aus, fo daß auch der Ring, von 
Ftankreich, Ludwig XIV., ihm freiwillig eine Penfton ausfegte und 1 der 
Großherzog ihm den Titel feines eiſten und vornehmſten Mathematifers ertheilte. 
Er farb zu Florenz den 22. Gept. 1703. 
Blämifhe Spracbewegung und Literatur, Die flandrifchen Provinzen 
Belgiens, diefe früheren Beitandtheile des burgundifchen Kreiſes, welche von 
ranfreich g lange freitig gemacht wurden, zur Zeit der Revolution vom Reiche 
ch gänzlich loeriffen, durdy den Wiener Kongreß mit Holland zu einem König. 
reiche gebildet wurden, durch die belgiſche Revolution von 1830 zum Königreiche 
Belgien kamen — haben in der füngften Zeit tm ihrem Schooße eine Bewegun; 
epflsgt, welche dad Band, das fle an das deutſche Stammland nüpft, n 
Immer als lebenokräftig erweißt, jedenfalls beweift, daß Zufammengehöriges fl 
nicht willfürlich auseinander reifen läßt. Es if dies die wlämifche Sprachbewe⸗ 
gung. Co lange Belgien und Holland vereinigt waren, hatte die niederdeutſche 
Eprache über das Wallonifche das entfchiedenfte Uebergewicht, als Eprache des 
übertiegenten Landesthelles und der Regierung; natürlich war auch die Literatur 
eine niederbeutfche. Als das Haus Burgund zur Heriſchaft gelangte, wurde 
Granzöflih zwar die Sprache des Hofes, des Volles Sprache blicb aber vor, 
wie nach das Niederdeutiche. Eıft der Aufftand der Niederlande, welcher zwiſchen 
olland und Belgien eine weite Kluft xiß, brachte in biefer Beziehung eine große 
jeränderung zuwege. Das Rieverdeutfche oder Blämifche ſtarb als Echriftfprache 
ab, wezu auch der Umftand mitwirkte, daß in Holland der Protefantismus feften 
Buß fapte und den Fatholifch gebliebenen beiglichen Provinzen darum bald Kete⸗ 
riſch und Riederdeutſch gewiffermaßen als gleichbedeutend erfchienen. Jedoch ers 
hieli im Volloleben, felbit in der Geſchäftsſprache, ſich das Blämiſche. Als der 
erzog_von Alba i. J. 1568 den Ständen von Brabant Aktenſtücke in franzö⸗ 
fcher Sprache abgefaßt vorlegen ließ, fandten jene die Dokumente zurüd, well 
fie vlaͤmiſch geichrieben ſeyn mußten. Die Geſehe für die vlämifchen Geblets⸗ 
teile wurden niederdeutich abgefaft, in einigen Bezirlen war vor Gericht das 
Vlamlſche allein gültig; felbft im Lüttich Senfenten ſich die Provinzlaltände nicht 
ausſchließlich der franzöfifchen Sprache. Die große Kaiferin Maria Therefia 
machte die vlämifche Sprache zu einem witzweig des von ihr neuorganifirten 
Unterrichts und begünftigte überhaupt diefelbe fo fehr, daß ein belgiſcher Schrift⸗ 
ſteller von ihr fagt, ihr Name fei bei Allem zu finden, was cam nationalen 
Stempel trage. Die von ihr gelegten neuen ®rundlagen zu einer vlämifchen 
Literatur wurden indeſſen durch die Unruhen unter ihren beiven Racfelgern raſch 
zerflört. Nachdem Joſeph I. durch willkürliche rüdfichtölofe Reformen bie 
deutfche Herrſchaft auf das Aeußerſte verhaßt gemacht hatte, fand bie franzöflfche 
Revolution in den Nieverlanden einen um fo günfigeren Boden. Die Sprache 
der Sklaven, wie man das vlämifche nannte, wurde num grundgefegmäßig durch 
die Sprache der Freiheit, das Franzoͤſiſche, verbrängt. Wie in ale, dance wen 
den Branzofen orcupirten, Ländern wurde der gejammte Vewiläge Bertder Tu 


6 Reli Eyaccewegang . Neriama. 

Öff. Erſt mit dem Jahre 1815 bekam das Vlämiſche eine günſtigere 2 
Ro ehe der Wiener Kongreß über Belgien beftimmt hatte, rief derfelbe Ban 
der Nort, der zwanzig Jahre früher einer ber hervorragendften Führer des 
Aufftandes gegen Defterreich geweſen, die Nieverlänver auf, fich wieder einen 
Fürften aus dem Haufe Haböburg zu geben. Zugleich erklärten ſich 145 Aelieſte 
und Syndilen der Brüffeler Gemeinde tn einem begeifterten Aufrufe für die vl 
mifche Sprache. Die Bereinigung Belgien's mit Holland fam dem Aufſchwung 
des Vlämifchen fehr zu Statten. In dem neuen Staate lebten fehs Millionen 
Niederdeutſche neben anderthalb Millionen Wallonen und ſchon aus dieſem 
Grunde mußte die Sprache der großen Mehrheit zur berrfchenden werben. Blä- 
mifche Schriftfteller behaupten jedoh, Wilhelm I. habe den Fehler begangen, 
volle vier Jahre lang mit der Einführung der Vollsſprache in der Verwaltung 
und den Gerichtöhöfen zu zögern, Als aber dies gefchah, entfremdete ſich der 
Staat in nachhaltigerer weit feinen vlämifchen Unterthanen, indem er Fein Hehl 
aus feinen proteftantifch-abfolutiftifchen Tendenzen machte, Und als num wieder 
die vlaͤmiſche Sprache be elom men, zeigte fih, daß fie gegen die fo 
nahe verwandte holändifche im dntten ftand, da fie feit dem 16. Yahrgunberte 
nicht weiter gebildet worden. Der — der holländifchen Beamten und Offiziere 
über die rohe vlämifche Sprache reizte die Bläminger und rief bet Bielen den 
Entſchluß hervor, fich des micderbeutfchen Idiom's zu enthalten. Daher ift « 
ertlärlich, daß bet der Revolution von 1830 das Blämifche gänzlich verſchwand, 
um fo mehr, da das Ferment des Aufftandes ein wefentlich franzöfifches war, 
Auch wurden faft ale Stellen mit Wallonen oder Frangofen befegt und man be 
ging die Ungerechtigkeit — welche fich freilich die holändifche Regierung früher 
gen die wallonifehen Provinzen hatte zu Schulden kommen lafjen — ben 
vlämtfchen Provinzen das Pranzöfiiche aufzudringen. Die neue Berfaffung 
berechtigte dazu, denm fie beftimmt in rt. 23: Der Gebrauch ver, in 
Belgien herfömmlichen, Sprachen ift einem Jeden beliebig freigeftellt; nur für bie 
Aftenftüde der öffentlichen Behörden und für gerichtliche Angelegenheiten kann er 
einer Regel unterworfen werben. Die Umftände waren den Flamändern fo un 
günftig, daß fe kaum einen Gegentampf zu unternehmen wagten, Jedem ſchüch⸗ 
ternen Verfuche ftellte die öffentliche Meinung unüberwindliche Hinderniffe ent- 

gen. Wer vlamifch redete, wurde als Drangift angefeindet, während aus dem 
& talen Verkehr die niederdeutſche Sprache als gemeln verbannt war. Da nun 

illes, was von der gefeßgebenden, wie von der ausübenden Macht im Staate 
herfam, franzöflfch war, man nur diefes hörte, ſprach und ſchrieb und ohne 
Franzdſiſch nicht an bie Erlangung des geringften Poftens bis zum Korporal abs 
wärtd gedacht werben konnte, fo kann mar fich darftellen, wie fehr die Wemters 
füchtigen und Alle, die etwas gewinnen wollten, fich beeilten, auf der Höhe des 
Jahrhunderts ſtehend zu erfcheinen. in ſolcher Zuftand war indeß zu unnatär- 
lich, zu entwürdigend für einen ganzen Volkoſtamm, um Beftand haben zu Fönnen. 
Den erften nos zum Beffern gab der, nunmehr verftorbene, berühmte Phtlologe 
3. F. Willems in Genf durch feine Vorrede zu der Ucherfegung des Reinert 
de 08, die im Jahre 1834 erſchien. Er forderte darin Fühn zum Kampfe für 
die angeborne Sprache auf, ahme fih dadurch irren zu laſſen, daß der Parteigeiſt 
fenem Kampfe für das Blämifche orangiſtiſche Zwede und Tendenzen unterfopab 

änner gleicher Gefinnung und gleichen Muthes, wie Ledegank, Blommärt, 
Serrure, Ban Duyfe, Schlayes u. A. fchloffen ſich ihm an und vers 
einigten fi mit ihm zur Herausgabe einiger periodiſchen Saiten, Zugleich 
bildeten fich Sefeichaften zur Hebung ber Mutterfprache, in Gent der Verein: 
De Tael es gansch hät Volk (Die Sprache ift_ das ganze Volk), in Antwerpen 
der Ciystok (Dlivenzweig) und ähnliche Genoſſenſchaften In andern flandrifchen 
und brabansiicen Städten und fo gewann die vlämifche Bewegung einen feſtern 
Boden. Als im Jahre 1840 der driede mit Holland gefchlofien war und die 
politiſche Berbächtigung mehr und mehr verftummte, that Willem einen ent⸗ 


Blamiſche Spracbewegung u. Literatur. 589 


ſcheidenden Schritt. Bon ihm angeregt, forderte die literariſche Geſellſchaft von 
Gent des ganze Land auf, bei den Kammern um Wievereinfegung der vlämifchen 
Sprache in ihr altes Recht zu petittoniren. Taufende von Unterichriften, in Ante 
werpen allein 20,000, bevedten biefe Bittfchrift, die von de Deder in der Kam⸗ 
mer überreicht und von ihm und Cors waaren vertheidigt wurde. Manche ber, 
in biefer Dentfirift enthaltenen, Behauptungen mögen übertrieben feyn, der Haupt⸗ 
ſache nach hat aber ihr Inhalt nicht widerlegt werden Können. Die große Mehr: 
heit der Belgier, heißt es in der Petition, fpricht fortmäßrene vlaͤmiſch und bie 
Seringfchägung von Ginigen gegen unfre Sprache hat feine andere Arfadhs, ale 
dag man feit der framzöfifchen Herrichaft is leider der frangöflichen GErzichs 
ung, anflatt einer nationalen, zugeneigt zeigte, indem man freilih das nicht 
geb! würdigen Tonnte, was man nicht gehörig kannte. Worin beſtehen 
aber bie Free diefer_ Erziehung? Daß wenig Eintracht mehr befleht zwi⸗ 
ſchen den höheren Klaflen, die franzöflicy fprechen, und dem Bürgerftande, 
der noch auf alte Kanne Weife lebt; daß man dem Franzöfifchen zu 
Xiebe Taufende von Fremden in das Land gezogen hat, um uns durch ihre Ans 
ſtellung in den beveutendften Metern, durch ben öffentlichen Unterricht oder durch 
die Tagesprefle franzöfiren zu helfen; daß bie seit Jugend durdy den Eins 
flug fremder Denkweiſe und franzditicher Schriften leichtſinnig, frivol und unkirch⸗ 
ch zu werben beginnt; daß durch, die franzöftich ſprechenden Klaffen, bie al 
Herrichaft ausüben, glich ſtets mehr Staatöbeamie in die fäntifchen Gebiete 
fommen, bie gar kein Vlämiſch verftehen, unfere Sitten und Gebräuche nicht ken⸗ 
nen und dennoch von mtomegen berufen find, darüber zu urthellen; daß unfere 
einfachen Bürger fehr Häufig in Strafe u. Unkoſten fallen, blos weil fie die Schrift nicht 
verftehen, die man ihnen mittheilt u. fie untergeichnenmüflen ; daß in vielen Orten keine 
Bürgermelfter, Gemeindefchreiber und andere Amtöhalter gefunden und gewählt 
werden Fönnen, die im Stande find, mit ver Landesobrigfeit zu verkehren; daß 
ein überwiegenber Theil der Bevölkerung eines Dolmetfcherd bevarf, um mit feinen 
Beamten und Richtern ſprechen zu fönnen; daß viele Angeklagte verurtheilt werben, 
die fein Wort der BVertheldigungsrede in der Verhandlung verfiehen und deshalb 
nicht einmal ihre eigenen Advofaten zurecht zumelfen vermögen, wenn biefe in 
den Mitteln der Zertpeibigung ſich vergreifen. Kurz, die franzoͤſiſch Sprechenden 
haben in unferm ande alle Vottheile allein, während die flamändifchen Bürger, 
die große Beehrbelt der Bevölferung, gegmungen find, fi blindlings der Leitung 
jener zu überliefern, was bie größte tedrigung iſt, welche ein Volk nur 
heimfuchen lann. Der Antrag der Bittfteller gina auf folgende Punkte: 1) Ale 
provinzielen und örtlichen Geſchaͤfte des flamandtfchen oprachgebietg in nieder 
deutfcher Sprache zu verhandeln. 2) Anwelfung für die dortigen Beamten, bei 
ihren Verhandlungen mit den Gemeinden, wie mit den Ginzelnen, der franzdſiſchen 
Sprache ſich zu enthalten. 3) Einführung des Blämifchen ald Gerichtsſprache. 4) 
Errichtung einer vlämifchen Alademie, oder doch einer vlaͤmiſchen Mötheitung bei 
der Brüffeler Alademie zur Ermunterung niederdeutſcher Literatur, 5) Gleiche 
Berechtigung des Vlaͤmiſchen mit dem Branzöfichen an der Hochſchule von Gent 
und an den anderen flamändifchen Lehranftalten. Die Petition ward inbeflen von 
der Kammer ungünftig aufgenommen u. hauptſächlich die Befürchtung auögefpro- 
hen, es möchte zu einer undellvollen Spaltung führen, würde die v. Sprache ald 
eine gleichberechtigte anerfannt werden. Die ungünftige Stimmung der Kammer 
veranlaßte das iniferum, mit den nöthigften Berbeflerungen, namentlich des 
GElementarunterrichts, Tange zu zögern. Eiſt Ende 1843 find zur Bildung von 
Volfslehrern zwei Rormalfcyulen errichtet worden, eine vlämifche zu Lier, eine 
wallontfche zu Nyoel; felbft aber bei diefer Einrichtung ward das Srangfhe 
auffallend begünftigt. In der vlaͤmiſchen Schule if die Erlernung der Tr 
ſchen Sprache als Hauptfache geboten, in dem wallonifchen Seminar ift jedoch 
das Vlämifche nicht unter den LUnterrichtögegenftänden. Diefe und ähnliche 
frangöfiiche Mapregeln gegen die vlämifche Sprachdewegung wurhen 


[1 ‚Reihe Benennung t, Aueram. 
oſiſch. Erſt mit dem Jahre 1815 befam das Wlämifche eine günftigere £ 
gi ehe der Wiener Kongreß über Belgten beftimmt hatte, ——— 3 
der Nort, ber zwanzig Jahre früher einer der hervorragendften Führet des 
Aufftandes gegen Defterreich geweſen, die Niederländer auf, fich wieder einen 
Fürften aus dem Haufe — zu — Zugleich eillaͤrten ſich 145 Aelieſte 
und Syndifen der Brüffeler Gemeinde in einem begeifterten Aufrufe für die vld— 
mifche Sprache. Die Vereinigung Belgien’s mit Holland fam dem Aufſchwung 
des Vlaͤmiſchen fehr zu Statten. In dem neuen Staate Iebten ſechs Millionen 
Nieverveutfche neben anderthalb Millionen Wallonen und ſchon aus diefem 
Grunde mußte die Sprache der großen Mehrheit zur herrfchenden werben. Blä- 
mifche Schriftfteller behaupten jedoh, Wilhelm I. habe den Fehler begangen, 
volle vier Jahre lang mit der Einführung der Volfsipradhe in der Verwaltung 
und den Gerichtshöfen zu zögern. Als aber dies gefchah, entfremdete fich der 
Staat in nachhaltigerer «ik feinen olämifchen Unterthanen, indem er Fein Hehl 
aus feinen proteftantifch-abfolntiftifchen Tendenzen machte, Und als nun wieder 
die vlaͤmiſche Sprache — jſelommen, zeigte ſich, daß fie gegen die jo 
nahe verwandte holändifche im —* ſtand, da fie feit dem 16. Sabrbundere 
nicht weiter gebilvet worden. Der — der holländifchen Beamten und Offizlere 
über die rohe vlämifche Sprache reizte die Bläminger und rief bei Vielen den 
Entſchluß hervor, fich des niederbeutfchen Idiom's zu enthalten. Daher if ee 
erftärlidh, daß bei der Revolution von 1830 das Vlämifche gänzlich verſchwand, 
um fo mehr, da das Ferment bes Aufftandes ein weſentllch franzöftfches war. 
Auch wurden faft alle Stellen mit Wallonen oder Franzofen befegt und man ber 
ging die Ungerechtigkeit — welche ſich freilich die holländiſche Regierung früher 
vegen die wallonifchen Provinzen hatte zu Schulden fommen laffen — ben 
vlämtfchen Provinzen das Pranzöfifche aufzubringen. Die neue VBerfaffung 
berechtigte dazu, denn fie beftimmt in Art, 23: Der Gebrauch der, in 
Belgien herfömmlichen, Sprachen ift einem Jeden beliebig freigeftellt; nur für bie 
Altenftüde der öffentlichen Behörden und für gerichtliche Angelegenheiten kann er 
einer Regel unterworfen werben. Die Umftände waren den Flamändern & un 
günftig, daß fie kaum einen Gegentampe zu unternehmen mapten. Jedem ſchüch⸗ 
ternen Verſuche ftellte die Öffentliche Meinung unüberwindliche Hindernifle ent- 
sgen. Wer vlamifch redete, wurde ald Drangift angefeindet, während aus dem 
& jalen Verkehr die mieberbeutfche Sprache als gemein verbannt war. Da nun 
le, was von ber gefeggebenden, wie von der ausübenden Macht im Staate 
berfam, frangöflfch war, man nur dieſes hörte, ſprach und ſchrieb und ohne 
Franzoſiſch nicht an die Erlangung des geringften Poftens bis zum Korporal abs 
waͤrts gedacht werben Konnte, fo kann man ſich darflellen, wie fehr die Aemter⸗ 
füchtigen und Alle, die etwas gewinnen wollten, fich beeilten, auf ber Höhe des 
Jahrhunderts ſtehend zu erfcheinen. Ein folder Zuftand war indeß zu unnatürs 
ũch, zu_entwürbigend für einen ganzen Volkoſtamm, um Beftand haben zu Fönnen. 
Den erften — zum Beſſern gab der, nunmehr verſtorbene, berühmte Philologe 
I. 8. Willems in Genf dur) feine Vorrede zu der Ueberſehung des Reinert 
de 608, die im Jahre 1834 erſchien. Er forderte darin fühn zum Kampfe für 
die angeborne Sprache auf, ohne fi) dadurch irren zu laffen, daß der Parteigeik 
feinem Kampfe für das Blämifche orangiſtiſche Zwede und Tendenzen unterfchoß 
änner gleicher Geſinnung und gleichen Muthes, wie Ledegank, Blommärt, 
Serrure, Ban Duyfe, Schlayes u. A. ſchloſſen ſich ihm an und ver 
einigten fi mit ihm zur Herausgabe einiger periodiſchen Schriften. Zugleich 
bilveten ſich Gefellfchaften zur Hebung der Mutterfpracye, in Gent der Verein: 
De Tael es gansch het Volk (Die Sprache iſt das ganze Volk), In Antwerpen 
der Clystok (Dlivenzweig) und ähnliche Senoffenfchaften in andern flandrifchen 
und Brabutiigen Städten und fo gewann die vlämifche Bewegung einen fehern 
Boden. AS Im Jahre 1840 der Feiene mit Holland gefchlofien war und bie 
politifche Verbächtigung mehr und mehr verfiummte, that Willem® einen ent- 


Dlamiſche Sprachbewegung u, Literatugr 589 
enden Schritt. Bon ihm angeregt, forverte die literarifche Geſellſ von 
des ganze Sand auf, den Kammern um Wiebereinfebung der vlämifchen 
ıche in ihr altes Recht zu petitioniren. Tauſende won Unterichriften, In Ant⸗ 
en allein 20,000, bevedten dieſe Bittfchrift, Die von de Deder in ver Kam⸗ 
überreicht und von ihm und Corswaaren veribeidigt wurde. Mandhe der, 
fer Denkſchrift enthaltenen, Behauptungen mögen übertrieben feyn, der Haupt⸗ 
nad hat aber ihr Inhalt nicht widerlegt werden können. Die große Mehr⸗ 
er Belgier, heißt es in der Petition, ri fortwährend vlaͤmiſch und bie 
igſchätzung von Einigen gegen unfre Sprache Kat feine andere Urſache, als 
nan ſeit der franzöfifhen Herrichaft in leider der frangöfifchen Erzieh⸗ 
anftatt einer nationalen, zugeneigt zeigte, inden man freilih das nicht 
ig würdigen fonnte, was man nicht gehörig kannte. Worin beftchen 
die Grücte diefer Erziehung? Daß wenig Eintracht mehr beſteht zwi⸗ 
den höheren Klaſſen, die franzöfifch fprehen, und dem Buͤrgerſtande, 
0 auf alte nie Weiſe lebt; daß man dem —* zu 
Tauſende von Fremden in das Land gezogen bat, um und durch ihre An- 
ıg in den bedeutendſten Aemtern, durch den öffentlichen Unterricht oder durch 
‚ageöprefle franzöfiren zu ker daß die beigiich: Jugend durch den Ein- 
fremder Denkweiſe und —* ſcher Schriften leichtſinnig, frivol und unkirch⸗ 
u werden beginnt; daß durch die franzöflich ſprechenden Klaſſen, die alle 
haft ausüben, täglich flet6 mehr Staatsbeamte in die ſtädtiſchen Gebiete 
‚en, bie gar Fein Vlämiſch verfiehen, unfere Sitten und Gebräuche nicht ken⸗ 
md dennoch von Amtöwegen berufen find, darüber zu urtheilen; daß unjere 
hen Bürger fehr häufig in Strafe u. Unfoftenfallen, blo& weil fie die Schrift nicht 
ben, die man ihnen mittgeilt u. fie unterzeichnen muͤſſen; daß in vielen Orten keine 
ermeifter, Gemeindefchreiber und andere Amtshalter gefunden und gewählt. 
en Fönnen, die im Stande find, mit der Landesobrigkeit zu verkehren; baß 
berwiegenber Theil der Benölferung eines Dolmeticherd bedarf, um mit feinen 
ıten und Richtern fprechen zu können; daß viele Angeklagte verurtheilt werben, 
in Wort der Bertheidigungsrede in der Verhandlung verfteben und deshalb 
einmal ihre eigenen Advokaten zurecht zuweljen vermögen, wenn biefe in 
Mitteln der Zeripeibigung fi vergreifen. Kurz, die franzöftfch Sprechenden 
ı in unferm Lande alle Vortheile allein, während die flamändifchen Bürger, 
toße Mehrheit der Beoälferung, gezwungen find, ſich blindlings der Leitung 
zu überliefern, was die größte Erniedrigung iſt, welche ein Boll nur 
uchen kann. Der Antrag der Bitifteller gina auf folgende Punkte: 1) Ale 
nziellen und örtlichen Geſchäfte des flamindtfchen Sprachgebiets in nieder- 
her Sprache zu verhandeln. 2) Anwelfung für die dortigen Beamten, bei 
Verhandlungen mit den Gemeinden, wie mit den Einzelnen, der franzöftfchen 
che fi zu enthalten. 3) Einführung des Vlämifchen ald Gerichtsſprache. 4) 
btung einer vlämifchen Akademie, oder doch einer vlämifchen Mbtbeilung bei 
Zrüffeler Akademie zur Ermunterung niederdeutfcher Literatur. 5) Gleiche 
htigung des Vlämiſchen mit dem Franzöſiſchen an der Hochſchule von Gent 
an den anderen flamändifchen Lehranftalten. Die Petition ward indefien von 
dammer ungünftig aufgenommen u. hauptfächlich die Befürchtung ausgeſpro⸗ 
ed möchte zu einer unheilvollen Spaltung führen, würde die v. Sprache als 
gleichberechtigte anerfannt werben. Die ungünftige Stimmung ber Kammer 
laßte das Minifterium, mit ven nöthigften Verbefierungen, namentlich des 
entarunterrichtö, lange zu zögern. Erſt Ende 1843 find zur Bildung von 
zlehrern zwei Rormalfchulen errichtet worden, eine vlämifche zu Lier, eine 
nifche zu Nyoel; ſelbſt aber bei dieſer Einrichtung ward das Franzöftfche 
llend begünftigt. In der vlämifchen Schule iſt die Erlernung der N 
Sprache als Hauptfache geboten, in dem wallonifchen Seminar iſt jedoch 
Blämifhe nicht unter den Unterrichtsgegenſtänden. Diefe und ähnliche. 
zſiſche Maßregeln gegen die vlämiiche Sprach ung wurden ONHIUAn . 





590 Blaͤmiſche Sprachbervegung u, Literatur. 


dem ehemaligen Minifter Nothomb, ver doch ein —— der deutſchen Pro⸗ 
vinz Luremburg war, zugeſchrieben. Nech unter feinem Mintfterium kam es übrigens 
zu einer wichtigen Konceffion, zu der Errichtung eines Lehrftuhls im Lürtich für 
vlämifche Literatur. Mehr that die Regierung für die Begünftigung eines andern 
Wunſches der Flamänder. Wir meinen hier jenen Streit über Rechtfchreibung, 
der in Deutſchland oft als gerin, fügt oder gar lächerlich betrachtet wurde, ch 
gleich er beides Teineswegs_ift. %o andiſch und Vlaͤmiſch find urfprünglich eine 
und dieſelbe niederdeutfche Sprache, von denen das erftere durch die Literatur ſich 
fortbilvete, dad andere flehen blieb. Was die Schriftfprache betrifft, fo äußert 
ſich der Unterſchied vorzüglich in der Rechtfchreibung. Die bisherige vlämiſche 
Rechtſchreibung gründete fich auf die Mutorität des Grammatiker Desroches, der 
unter Maria Therefia lebte und von der frühern Schreibart, aber nur in gering- 
Aiplgen Dingen, abwich; denn es handelt fi) blos darum, ob man in gewiſſen 
Fällen den Vokal verdoppeln, oder einfach fehreiben foll, gewifie Aecente beibehätt 
oder abſchafft Ein Hauptpunft tft der männliche Artikel, den die Flamänder zur 
— von dem weiblichen Artikel den, die Holländer aber mit Weg- 
werfung des lehten Buchftabens de ſchreiben. Diefe Rechtfchreibungsfrage, unter 
der holländifchen Herrfchaft ein Gegenftand refultatlofen Zankes und nach ber 
Septemberrevolution von 1830, wie alles Flamaͤndiſche, vernachläßigt, wurde von 
dem rührigen MWillems wieder aufgenommen und de Theur, der frühere 
Minifter des Innern, fah fich veranlapt, im Jahre 1836 eine Prelsbewerbung 
zur Löfung der Frage auszuſchreiben. Zur Beurtheilung ber eingegangenen 
Schriften wurde 1838 unter dem Vorfig von Willem eine Kommiffton gebildet, 
die im folgenden Jahre ein Gutachten gab, wodurch fie ein eigenes Syftem vor 
ſchlug, das ſich der holländifchen Chase fehr näherte. Es eniftand darüber 
eime große Bewegung, indem man Willems und feinen Fremden zum Vorwurfe 
machte, daß gerade fie, die Leiter der vlämifhen Agltation, die nationale Eigen 
thümlichkeit aufopfern wollten. Viele Erziehungsanftalten und die melften Schrift- 
ftelfer erklärten fich jedoch für jenes Syftem. Um dem fortdauernden Streite ein 
Ende zu machen, verfammelte fi im Dftober 1841 in Gent ein Sprachfongreß, 
deſſen Mitglieder, aus Echrififtellern und Abgeordneten der literarifchen Gefell- 
fchaften beftehend, fich ebenfalls für die Kommiſſion erflärten, Die Regierung 
hielt fi in Folge deffen für ermächtigt, durch eine Verordnung vom 1. Januar 
1844 das Willems’fhe Syfem für ale offiziellen Aftenftüde ald Norm aufs 
auftellen. Died gab Veranlaffung zu einer heftigen Ecene in der Kammer, wo 
fich der Abb& de Toers erhob und die Regierung anflagte, daß fie die Verfaſ— 
fung verlegt habe und dem Volke die holländiſche Sprache aufdringen wolle. 

18 Demonftration dagegen fehrieben die Klamänder auf den 11. Februar 1844 
ein großes vlämifches Verbindungsfeft nach Brüffel aus. Alle Städte der Pro- 
vinzen Antwerpen, Brabant, Flandern und Limburg, die Iiterarifchen Gefellfchaften 
von Antwerpen, Turnhout, Nieupoorte, Dftente, Brügge, Löwen, Gent, Brüflel, 
Truyen und Ninove waren dabei vertreten. Willems führte den Vorfig und 
500 Schrififteller, Gelehrte, Buchhändler und Buchdrucker unterzeichneten die 
mfeierlicye Erklärung“, daß fle der Kommiſſion beiträten. Das Vorurtheil des 
Bolfes if indeſſen Dadurch nicht befiegt worden; denn es fommt nicht felten vor, 
daß Leute aus den untern Ständen Bücher der neuen Sechfhreibung als pro⸗ 
teftantifch zurückweiſen, ſelbſt wenn fie bei tem Buchdruder des Erzbiichofs von 
Mecheln erfchienen find. Die hauptfächlichften Träger der vlämifchen ‚Bewegung 
find die Iterarifchen Gefellfchaften in allen größern Städten, in Antwerpen zwel, 
in Löwen drei, von denen bie bebeutendfte „Tael en letterlievend ‚genoote ſchap“. 
Faſt eine jede dieſer Geſellſchaften hat zugleich ihr eigenes journaliſtiſches Organ, 
fo daß es über 40 vlämifche Zeitfchriften gibt. Unter den politiſchen Zeitungen 
iR „Van Gend“ die beveutendfle. „De Vlämifche Belgen“ erlag der Anfeindung, 
welche fich namentlich gern wider Fatholifche Zeirfchriften erhebt. Gent hat allein 
drei vlaͤmiſche Zeitungen und Lofalblätter, deren wohl jegt Feine vlämifche Stadt 


Blänifche Sprachbewegung u, Literatur. 59. 


mehr entbehrt. Bon den nicht polttifchen Zeitfchriften ift vie Altefte und be⸗ 
rühmtefte das „Delgiiche Muſeum“, das von Willems im Jahre 1837 gegründet 
wurde. Er befchäftigt ſich mit alter und neuer niederveutfchen Sprachenkunde, 
mit Alterthumswiſſenſchaft u. Gefchichte. Willem 8 gab darin vieles Schägbare 
an wenig oder gar nicht befannten älteren Schriften, deren er eine ger Samms 
lung befaß. Die wichtigften Mittheilungen aus der einheimifchen Geſchichte, die 
es enthält, waren Briefe von Jan van der Marh, Wilhelm von Oranien, 
Wernir u. A. aus den Jahren 1578 und 1579 und zur Beurtheilung der das 
maligen Berhältniffe von großem Werth. Die Eritifchen Wuffähe des Mufeums 
über altolämifche Dichtung haben auch in Deutichland Anerkennung gefunden, 
für das größere Publikum bilden nordifche, in das Niederdeutfche übertragene, 
Sagen eine a Abwechſelung. Dem Alter nach flieht dem Mufeum am 
nädhften das „Kunfts und Literaturblatt”, deſſen Herausgabe F. 9. Snellaert, 
ein junger Arzt, im Jahre 1839 zu Gent begann. Seine gelehrten Auffäge find 
ausgeſchloſſen, doch leiftet dad Journal Tüchtiges durch gediegene Mittheilungen 
über die gegenwärtigen Zufände von Kunft und Bineihaft und zählte ſtets 
die befferen der jüngeren vlaͤmiſchen Echrififieller zu Mitarbeitern. Ungefähr 
gleiche Tendenz, wie das belgiſche Mufeum, Hat der „Middelaer“, von dem Löwener 
Brofeffior David im Jahre 1840 gegründet. Er gab vorzügliche Aufſätze über 
Sprachkunde, Gedichte und Unterrichtsweien. Bogärtd berichtete darin über 
nieberdeutfche Kanzelredner, David gab treffliche Arbeiten über die Landesgeſchichte. 
Bon den rein belletriftifchen Zeitfchriften tft nennenswerth der „Nordſtern“, der 
romantifche Erzählungen neben humoriftifchen Auffägen bringt. ine von tem, 
in Brüffel ſchon feit längerer Zeit lebenden, deutfcdyen Gelehrten Wolf gegründete 
Zeirfchrift „Broederhand“ febte fich den Zwed, Niederland mit Deutfchland durch 
Sprache und Literatur zu vermitteln. Im Ganzen iſt die vlämtfche Journaliſtik, 
welche doch auf eigenen Füßen fteht, bei weitem befier, als die franzöfifche Jour⸗ 
naliftif Belgiens, weldye, auch meiftens von Franzoſen geleitet, nur ein Nachhall 
der franzöfiichen ff. In ver fchönen Literatur begegnen wir zunächſt Henrif 
Gonfetenca, er wurde in Antwerpen im Jahre 1815 geboren, diente zur Zeit 
der beigifchen Revolution als Yreiwiliger im Heere und erhielt fpäter eine Ans 
ſtellung als Sekretär der Antwerpener Akademie der bildenden Künfte Er fchrieb 
bie erfien Romane in vlämifcher Sprache. Seine erfte Arbeit „Ein Wunderjahr“ 
(da8 Jahr 1566 ifl gemeint) lenkte die Aufmerkfamteit der Flamänder auf ihn; 
fein großer Roman „Der Löwe von Ylandern“ machte ihn zum Lieblingsfchrifts 
fteller feines Volkes. Seine nächſte Arbeit „Vlämiſches Stillleben”, drei Er- 
zählungen, von welcher zuerft der gegenwärtige Fürftbifchof von Breslau eine ges 
lungene deutfche Ueberfegung herausgegeben, ift trefflich als Genrebild, in welcher 
Gattung Conſcience feitvem viel Interefiantes gefchrieben. Einem andern Gebiete 
gehört —* „Pilgrim in dem Oſten“ an, deflen auptcharakterzug jene Melancholie 
bildet, die dem Dichter eigenthümlih. Seine iluftrirte „Geſchichte von Belgien“ 
bat ihren Zwed, vie Liche ded Volkes für feine eigene Gefchichte zu erweden, 
vollfommen erreicht. Kampf gegen das Fremde, das entartete Branzöflfch, das 
die Duellen des Volkslebens zu verfopfen droht, iſt Conſcienca's Hauptziel. Er 
will diefed Ziel aber nicht durch leidenſchaftliche Angriffe erreichen, ſondern dadurch, 
daß er dad Beſſere an die Stelle des Schlechten ehr der gentalen Zerfahrenbeit, 
der oberflächlichen Bildung, der fittliyen Gleichgültigkeit des Afterfranzofenthums, 
das gefunde, gemüthliche Volksleben gegenüberftelt. In der Ausführung feiner, 
bald hiftorifchen, bald dem Stillleben angehörenden Gemälde entfaltet er eine eigent- 
lich niederländifche Kunſt. Ziererei wie Nachläffigfeit bleiben ihm gleich fern 
und, wie er die rundzüge mit fefter Hand aa fo führt er auch das kleinſte 
Detail mit großer Sorgſamkeit auͤs. Klarheit im Denken verfchwiftert fich in 
feinen Werfen mit einer wohlthuenden Reinheit der Beſtimmung, mit einem Innern 
idealen Werthe, und bie kindliche, oft altmährchenhaft Elingende Sprache bilvet 
noch einen Reiz mehr. De Laet, der Sründer von „Blämlich Bean! Taiake 


592 Bließ — Blieffingen, 


Conſclenca auf dem von ihm betretenen Wege und. fehrieb „Das Haus von 
Weſembele“, eine Epifode aus dem jcitöfttege gegen Spanien, von Duller 
In das Deutfche überfegt, Als Romandichter traten noch auf: Baron de St. 
Genois, Rouffe u. Ecrevifia, Felix Bogaerts früher, gleih St. Genois, 
bedeutender franzöftiger Schriftfteller, fchrieb: „Die alte Zeit in Belgien“, ein 
Cyclus von Novellen. Notel de Braumere aus Seeland ſchrieb: „Relfe 
durh Skandinavien nad) Peterdburg und Moskau‘, einen epiſchen Kerfuh 
Ambiartr” und ®edichte, die zu den beften Diener gehören. Als Dichter 
gebührt übrigens dem Voilsdichter v. Rys wick, ver leiver jüngft dem Wahnftın 
verfiel, die Palme, namentlich im humoriftifchen Genre. Anerkannte Dichter find 
auch Ledegank, van Duyfe, Archivar der Stadt Gent, de Laetz die 
Dichterinnen: Maria Doolaeghe, Frau Gourtmannd und Fräulein 
v’Huygebelaere, von welchen die erftgenannte ſich des größten und mohlver- 
dienten Rufes erfreut. Im dramatlichen Gebiete fteht aus natürli Gründen 
die vlämifche Literatur noch fehr nen die Ftanzoͤſiſche zurüd. on Beene 
und Onderet, biefer einer der beltebteften Schaufpieler, von denen die Flamaͤnder 
ſelbſt zugeflehen, daß fie den Vergleich mit den ältern Schaufpielen ihrer Literatur 
nicht aushalten Können. Beide find Vorfleher einer She —— 
ſchaft in Gent. Auch Brüffel hat ein vlämiſches Schauſpiel. Won rein wiſſen⸗ 
ſchaftlichen vlämifchen Werfen ift, außer praftiichen, iheologifchen, wie Predigten 
u, dgl, noch wenig zu nennen. Canaert, Altrathöherr bei dem Brüffeler 
richtöhofe, ſchrieb Beiträge zur Kenntniß des alten Strafrechts in Flandern, 
ein fehr verbienftliches Werk, von deſſen großer Verbreitung die bereits erfchienene 
dritte mei zeigt. Die Bemühungen der deutfchen Gelehrten um niederdeutſche 
Literatur, eines Grimm, Mone, Kaußler u. 9. haben in der vlämiſchen 
Literatur ftetd Anerkennung gefunden, Dieſe Literatur befteht, wie man aus 
Vorftehendem erfehen kann, lediglich aus Anfängen, die aber der erfreulichklen 
Entwidelung fähig find. Den vlämiſchen Beftrebungen tft es weniger hinderlic, 
daß das Franzöftiche die offizielle Spräche geblieben, als daß es noch immer die 
Umgangsfprache der gebilpeten Stände iſt. Darum heißt ed auch mit Recht in 
de Deder's Betition für die vlämifche Sprache: „Ach, warum find wir nicht 
vierhundert Meilen von Paris, warum gibt ed Feine chinefifche Mauer zwiſchen 
Belgien und Franfreih? Inner der Söhe dieſer unerfchütterlichen Mauer bat 
das alte Flandern die gewaltigen Anftürmungen Sranfreihs immer zurüdge 
fhlagen. Und diefe Mauer, diefer Wal unjerer Nationalität, den die Sorg- 
lofigtett in Trümmer zerfallen ließ, möchte Heut zu Tage ein unpolitifcher Ban: 
dallsmus niederreigen, indem er die flamänbifche Sprache unterbrüdt! Rod 
mehr, nach der Meinung Aller iſt es Zeit, daß wir und nach Deutfchland ins 
wenden, das wir bisher zu fehr vernachläffigt haben!“ Diefer Wink ward auch 
befolgt und zwar durch dad Medium der Männergefangvereine, die mit Luft und 
Liebe zu deutfchem Geſange in den vlämifchen Orten f#3 zuſammenthaten. ine 
innige Verbindung mit nieberrheinifchen Befangvereinen ward eingeleitet. Deutſche 
Sänger kamen zu einem Concurs von Liedertafeln in Gent und bald bildete ſich 
der „deutfchswlämifche Gefangverband“, welcher im Juni 1846 in Köln und im 
September deffelben Jahres in Brüffel Mitgliever far aller deutfchen und vlämi⸗ 
ſchen Lievertafeln vereinigte. Und fomit treten Literatur und Kunſt zufammen, 
um politifch getrennte Stammgenoffen ein dauerndes Band zu fchlingen. 
Bließ, |. Soldenes Blieh. 
Blieffingen, ftark befeftigte Seeftadt auf der Infel Walcheren, in der nieder 
landiſchen Provinz Zeeland, an der Mündung der Wefter- Schelve, if Sig eines 
andelögerichts, einer Handelöfammer u. einer Börfe, Geburtdort des berühmten 
dmirals Ruyter (f. d.) und zählt 8500 Einwohner. Die Stadt hat einen 
vortrefflichen Hafen zwiſchen Dämmen, welche die Meereswellen brechen; er geht 
mitten durch die Stadt und iR 4700 rheinl. Ruthen lang und 200 Ruthen breit; 
eine Blotte von 80 großen Kriegsfchiffen kann darin vor Anker liegen. In der 


. | Bocal-Bögel, “ ws 
Mitte des ae iR eine e Dede, worin die Schiffe kalfatert werben. Beim 
hoben Wafler. werden die Schiffe hereingsbracht und dann. durch Ablaſſen des 
Waſſers auf Trockene — An der Seite des neuen Hafens, durch welche 
man in des Landes Dode fährt, iſt ein großes Schiffszim und met 
weſilich der Eingang zum alten Hafen, weldyer fich im zwei Bufen theilt und für 
die Kauffahrieiſchiffe dient. Durch einen Kanal IRB. mit Middelburg verbunden. 
Da die Stadt auf der Waflerfeite von den: Wellen der Nordſee beſpuͤhlt wird, 
fo machen Erurmfluchen oft großen Schaden. An der Landſeite hat fie vice 
Bärten und fruchtbare Ländereien. Starke Batterien fchügen fie an der See⸗ 
und hohe Bollwerfe an der Landfeite. 
Bocalmufit ober Gefangmufit; deren Urfprung ſchen uraft iR, Acht 
oe oder Geſangmuſik, ! on ur ‚ 
der reinen Inftrumentalmuflf entgegen und wirb mit der menfchlichen Stimme 
allein, oder, von Inſtrumenten begleitet, vorgetragen: Im letztern Falle muß vie 
Mufit, als Ton, dem beflimmten, der Vorſtellung dargebrachten Inhalte, dem 
Worte, entiprechen. Demnächhft verfieht man unter B. alle Tonftüde, die mit und 
ohne Muſtkbegleitung für den Geſang gefeht And. Die in ihrer Bolllommenheit 
erft als vierkimmiger Geſang aufgetretine B. hat, wie die Inſtrumentalmuſik, ver» 
fhiedene Beſtimmungen, aus welchen ihre Form entfpringt und biernach vier 
Haupteintheitungen: 1) die Kirchen muſik u. in derfelben die Meſſen, Befpern 
Motetten, das Magnificat und Te Deum, die Litaneien und zum Theile au 
Dratorien; 2) die pramatifche oder Theatermufif, die Oper und deren Theiler 
die Arie, nebf den. Nebenarten. Ariette, Gavatine, Gouplet, Romanze, das Res 
citativ, Duett, Terzett, die anderen vieltimmigen Muſilſtücke und Chöre; 3) vie 
Kammermufil, Canzone, Canzonette, das Lieb der Deutichen, die Rotturno's 
in Frankreich; 4) die Vollomelodien. Endlich rechnet man zur B. auch die Sol⸗ 
feägien (. d.). Die Bedingung ifl bier: vie im Terte angeregten) Empfind- 
ungen: burch entfprechende. Töne auszubrüden und in ſofern wird die höchfte 
Wirkung der Tonkunſt nur durch Bereinigung der ®. und Inflrumentalmufif 
zu erreichen feyn. Hiermit ift zugleich die Yorderung begründet, daß die Kunfl 
des Geſanges demjenigen eigen —* müße, der eine gute V. componiren will; 
Vergl. Reicha, „Die Kunſt der dramatifchen Compoſition oder vollſtaͤndiges Lehr, 
bu) Der a vonfenfunk, aus dem Kranzöftfchen von C. Czerny, deutſch 
u anzoͤſtſch. 
Bögel (Aves) unterſcheiden fidy, obgleich ſte mit den Saͤugethieren auf der⸗ 
elben Stufe des Lebens Reben und, wie diefe, ein aus zwei Kammern und zwei 
orfammern beftehende® Herz und einen doppelten Blut-Kreielauf haben, von 
diefen, fowie allen übrigen Thierklaſſen, dadurch, daß fle zwei Füße, zwei Flügel, 
einen hornigen Schnabel und einen mit Federn bevedten Körper beſizen. Das 
Blut der B. iſt rörher, ald das der Säugerhiere, bewegt fich ſchneller und hat - 
eine größere Wärme, die 34—38 Grade Reaumur beträgt. An dem Kopfe der 
Bögel, der im Vergleidy mit ihrem übrigen Körper ungleich Klein if, unterfchels 
det man den Dberkopf oder die Haube, das iſt, der obere Theil, woran Die 
Stirn liegt, den Scheitel in der Mitte und den Hinterkopf. Der Schnabel 
iR für die Charakteriſtik der wichtigfte Theil am Vogel, indem anf feiner Bes 
ſchaffenheit und Geftalt die geſchlechtliche Beftimmung beruht; auch braucht ihn 
der Bogel zum Unterfuchen, Auffaſſen und Zerkteinern der Nahrungsmittel, zur 
Reinigung ded Gefieders, zum Baue der Nefter, zum Yüttern der Jungen, zur 
Vertheidigung u. bel. Mehr. Cr fipt als hornige Echeive über dem Inöchernen 
Fortſatze des Stirninodyens, hat zwei Kinnladen oder Kiefer, wovon gewoͤhnlich, 
wie bei den Säugeihieren, nur die untere beweglich iR und bat verfchtevene Ges 
falten nady der Lebensart der V. Gigentliche Zähne finden fi) in demſelben 
nicht, aber biöwellen find feine Ränder mit Keinen Gornzähndhen verfeben, wie 
bei den Schwänen, ®änfen, Enten x. Biele Arten .befigen Ratt der Yignen am 
ber Wurzel des Echnabels eine weiche, gleichſtan Meitigiar So, Se Bıar- 


Hesssacyclopäbien X. 






ss Boͤgel. 


haut, welche bet den Adlern, Fallen ıc, in der Gegend der Nafenlöcher, a 
vom übrigen Schnabel und von anderer Farbe, blau, gelb oder weiß erfcheint, 
Eine äußere Nafe fehlt, aber Nafenlöcyer find vorhanden, welche gewöhnlich eine 
innere Scheivemand haben; ihre Lage und Geftalt iſt fehr werfchieden. Die 
due ift meiftentheild fnorpelig und dient mehr zum Hinabfchluden, als zum 
chmeden; jene B., welche, wie 3. B. die Papageien, eine mehr fleifchige Zunge 
befigen, fönmen ſelten fingen, dagegen lernen fie das Sprechen. Das Auge jeich⸗ 
net‘ fich aus durch feine Größe, die geringere Beweglichkeit und dann uch, 
daß, außer dem oͤbern und untern Augenlide, noch drittes, die Nick⸗ ober 
Blinzhaut, vorhanden if, welche der Vogel willfürlic von dem vordern 
Augenmwinfel aus quer über das Auge ziehen Fann. Der Geſichtsſinn iſt bei 
vielen so fehr ausgebildet und fcharf. Dem äußern Ohre fehlt die Ohr: 
mufchel, aber im Ganzen ift doch der Gehörſinn meift ebenfalls fehr ausgezeichnet. 
Der faſt fchlangenähntihe Hals der V. befteht bei allen aus 9 bie 23,. bei 
den meiften aus 11 bis 12 oder mehren Wirbeln, die zuſammen ben beweglichfim 
Theil der ganzen Wirbelfäule bilden. An dem Rumpfe unterſcheidet man eine 
obere und untere Seite, oder ben Dbers und Unterletb. ener befteht aus 
dem Rüden oder der auf dem Nüdgrat liegenden Gegend; unter dem Borber- 
rüden verfteht man die Stelle vom Halsende an zwifhen den Schulterblättern, 
unter dem Unterrüden die Gegend, von da bi zum Bürzel und imter dem 
Bürzel die hinterfte Stelle des Rüdens über den Schwanzwirbel. Die Bru 
iſt die vordere Gegend der untern Seite; man unterfcheivet von lepterer 
den Vorderbauch, welcher unmittelbar auf die Bruft folgt, ven Himterbaud, 
der von da bio gegen den Stel reicht. Der Steiß emblich begreift die After 
gegend unter dem Schwanze, dem Bürzel gegenüber. Die zu Flügeln umgeflal: 
teten Vorderglieder beftehen aus dem Dberarm, Vorderarm und der Handz; die 
Hinterglieder beftehen aus dem Dberfcyenfel, Unterfchenkel und dem Fuß; der 
Sberſchentel iſt kutz und liegt am Leibe an, das Knie kommt nie zum Borfchein; 
der Unterfchenfel wird gebildet von dem langen, ftarfen Schienbein und dem 
kurzen Wadenbein. Statt der Fußwurzel und des Mittelfußes iſt nur ein eins 
ötger langer Knochen vorhanden, der Lauf, welcher, als vorzüglich fichtbarer 
Theil des ganzen Fußes, auch gewöhnlich das Bein, fo wie fein obere® (Ende, 
welches der Ferſe entipricht, fälichlich das Knie genannt wird. An dem umtern 
Ende des Laufes find die Zehen eingelenkt, deren Zahl nie mehr als 4 beträgt. 
Das Knochengerüfte der B. hat wenig Knorpeln, fondern harte, fpröde, mei 
hohle, marklofe Knochen; die Schävelfnochen verwachfen fehr früh untereinander 
und hinterlafien feine Nähte, wie man fie bei den Säugethieren findet. Das 
mit einem Kiele verfehene Brufibein iſt beſonders groß und fteigt mit den Rippen, 
welche aus zwei, unter einem Winfel zufammenfogenden, beweglichen Stüden bes 
ftehen, weit hinab. Die Borberglieer find nicht nur durch die Schlüffelbeine, 
fondern auch noch durch einen Vförmigen Knochen, den Gabellnochen, auf 
das Brufbein geflügt. In dem innen Bau des Vogels iſt der Mangel des 
Zwerchfelles bemerkbar; bei den Tauben und anderen fehlt auch die Gallenblaſe. 
Die Speiferöhre bilvet bald nach ihrem Anfang eine Erweiterung, den Kropf, 
in welchem die hinabgefchludten Speifen erweicht werben ; von hier, aber bei ®.n 
ohne Kropf unmittelbar, gelangt die Nahrung in eine zweite, drüfenreiche Er⸗ 
weiterung, den Bormagen, wo die Speifen weiter zur Verdauung vorbereitet 
werden. Diefe geht in dem eigentlichen oder Sleifhmagen, von ziemlich muss 
Aulöfer und träftiger Befchaffenheit, vor ſich. Das für den Körper Unbrauchbare 
langt, zugleich mit dem Urin, in einen vor dem After befindlichen Sad, bie 
Kock, um von da aus dem Körper entfernt zu werben. Die ziemlich lange 
Luftröhre befteht aus gefchloffenen Knorpeltingen, und hat nicht nur - an ihrem 
obern, fondern auch am untern Ende einen Kehlkopf; an dem obern Kehllopfe iR 
fein Kehidedel vorhanden; an dem untern, welcher vorzüglich die Stimme hervor 
Bringt, Befaden il) bei den Gingvögeln C. 9.) fünf Heine MAusleipaan, 


Bögel. 305 


veldhe der Singmustelapparat heißen. Die eingeatbmete Luft tritt durch 
nehre Löcher aud den Lungen heraus in dünnhäutige Luftſäcke, verbreitet ſich in 
yiefen und der ganzen Rumpfhöhle und gebt dann jetbt in die leeren Knochen. 
Befanntlih find faſt alle Körpertheile der Bögel mit Federn befleivet, vie in 
regelmäßigen Reiben in der Haut figen und ſich unterfcheiden laſſen in folche, 
weiche zur Befleidung des Körpers und in foldye, weldye zum Fluge dienen. Zu 
erſtern Zwecke find die Flaum⸗ und die Dedfedern vorhanden; jene kommen 
zuerſt und unmittelbar auf der Haut zum Borfchein und entfprechen der Wolle 
der Säugethiere. Den Flug vermitteln die in den Flügeln flehenden Schwung» 
federn und die im weife befindlichen Steuerfedern. Eins oder auch 
weimal des Jahres verlieren die B. ihre Federn, was man dad Maufern 
nennt, worauf fie neue erhalten, welche oft eine von den alten verfchievene Farbe 
zeigen. Zwei Drüfen in ver Rähe des Schweifes fondern eine ölige Feuchtig⸗ 
feit ab, die der Vogel von Zeit zu Zeit mittelft des Schnabeld ausprüädt und 
yamit dann die Federn einölt. Die öftere Ausleerung der Bettprüfe dient zugleich 
ur Erhaltung der Geſundheit des Vogels, der erkrankt, wenn fidh die feinen 
Mündungen der Drüfen durch Unseinigtei verftopfen, was gerne gefdhieht bei 
B.en in der Sefangenfchaft, wodurch die Darre oder Dörrfucht entfieht. In 
yer Lebensweiſe der V. ift beionvers bie Sähigfeit zu fliegen, der Bau der Neſter 
and bei Vielen der eigenthümliche Wanderungdtrieb bewundernswerth. Das ölfegen, 
welches gleichfam ein Schwimmen in der Luft iR, beginnt der Vogel damit, daß 
rt Hald und Rumpf wagredht auöftredt, den Schweif entfaltet, mit den Ylügeln 
uf und nieder fchlägt und den Schweif als Gteuerruder gebraudt. Die metiten 
B. fönnen fchnell und lange fliegen; fie fliegen felbft bedeutend länger, als die 
Säugethiere laufen können; die Schwalbe legt in einer Stunde 10 Meilen, alfo 
in einem Tage 210 Meilen zurüd. Ein Falke, der dem König Heinrich II. von 
Frankreich auf der Jagd in der Nähe von Paris enifloh, wurde ſchon am fols 
genden Tage auf der Infel Malta in einer Entfernung von 200 Meilen wieder 
efangen und an einem Ringe an feinem Fuße erkannt. Auch der Flug der 
Tauben ift fehr Schnell; fie Durchfliegen einen Raum von 100 Fuß Länge in 
einer Zeit von 5 Sekunden, alfo 5 Meilen in einer Stunde, weßhalb man biefe 
B. in Älterer und auch wieder In neuerer Zeit gebraucht hat, um Briefe auf's 
[chnelifte zu befördern. Die Neſter werden von den ®.n gebaut, um beim Brüten 
der Eier die Wärme zufammenzuhbalten und den garten Jungen ein weiches Lager 
su bereiten; gewöhnlich trägt das Männchen die Materialien herbei und das 
Weibchen baut das Neſt; bei den Schwalben bauen aber beide zugleih. Die 
Stoffe oder Materialien, deren fie ſich zum Nefterbau bedienen, find in der Regel 
ſchlechte Wärmelelter, 3. B. Zedern, Haare, Grasftengel, Moo8 ıc., welche fie 
ſehr gefchict in einander zu verflechten wiſſen. Einige V. zeigen bei dem Bau 
der Refter eine größere, andere eine geringere KRunftfertigteit; die Form der Nefter 
fetbft iſt bei verſchiedenen Arten verfchteden, in der Regel aber um fo Eünft- 
liyer, je Kleiner der Vogel if. Sobald der Bau des Neſtes vollendet ift, legt 
das Weibchen gewöhnlidy noch an demfelben Tage ein Ei in daſſelbe und fährt 
damit alle 24 Stunden fort, bi8 die, jeder Vogelart eigenthümliche, Anzahl von 
Eiern gelegt if; die Dauer des Brütens richtet fi) nach der Größe des Vo⸗ 
els. Geſtalt, Farbe, Größe und Anzahl der Eier find fehr verfchieden ; manche 
Ögelarten legen fugelrunde, andere länglich «runde; bei den einen iſt die Farbe 
ber Schale weiß, bei anderen ift fie grünlich, röthlich, bräunlich, punktirt, geftrei 
u. ſ. w.; am größten iſt das Ei des Strauß, am kleinſten das des Kolibri. 
B., welche mehrmal im Jahre brüten, legen das zweitemal eine geringere Ans 
zahl; große Adler, Balken, Geier ıc. legen jährlich nur ein oder zwei Eier. Das 
Haudgeflügel legt viele, zumal wenn fte ihnen genommen werden; nimmt man 
3. B. dem Haushuhn feine Eier nicht weg, fo begnügt es fidh mit 10 bis 15 
Eiern, werden diefe aber weggenommen, " legt es in einem Jahre 50 bie 60 
Stüde. Unter Wanverungstrieb verſteht man den Iufintt — a nr 


— 


596 Völkerrecht. 


ihre Heimath, wo ihnen Nahrungsftoffe mangeln würden, mit ettfernteren, milderen 
—— zu vertaufdhen; man unterſcheidet in dieſer Beziehung Standr 
., Strich-®, und Zug-®. Gtand-B. find jene, welche die Gegend ihres 
Geburtsortes niemals verlaffen, wie die Eperlinge, der Zaunfönig ıc.; Stridy-®, 
folche, welche beſonders zur Winterszeit ihren Aufenthaltsort ändern, ohne jedod) 
mehre Breitengrade zu überfchreiten, 3. B. Hänflinge, Seinge, Stieglige 2c. und 
Zuge B. —5* welche zu beflimmten Zeiten nach entfernten Rändern 
ziehen u. von dort in beflimmten Friften wieder zurüdtehren. Die"Mehrzahl uns 
ferer B. geht nach Griechenland und Nordafrika; von einigen, z. B. den Stör: 
hen und Schwalben, Fennt man den Winteraufenthalt mod) gar nicht, vermuthet 
aber das innere Afrika. Die meiften V. erreichen, nach Verhältniß ihrer Größe 
und fm Vergleich mit den Säugethieren, ein 54 hohes Alter, am längften leben 
die Bafırk., die Sumpf-®. und die Raub-B.; man erzählt von wãnen, 
die 300, von Gänfen, Adlern, Falken und Raben, die 80 bis 100 Jahre alt ges 
worben find. Die Zahl der Arten von B.n wird auf mehr als 4000 — 
von denen etwas über 400 auf Europa und von dieſen wieder etwas über 300 
Arten auf Deutfchland kommen. Bel der Eintheilung der B. wird beſonders au 
den Bau des Schnabeld und der Füße Rüdficht genommen, weil biefe zum 
ihre Lebensart und Nahrung bezeichnen; fie zerfallen bienady in: 1) Raub-®, 
(Raptatores), 3. B. Geier, Balken, Eulen; 2) Sperlingsartige ®. (Passe- 
res), 3. B. Schwalben, Drofieln, rs Roihlehlchen, Grasmüden, Zaums 
Lönig, Meifen, Lerchen 20.5 3) Kletter-®. (Scansores), 5. B. Eis-®., Spechte, 
Kudud, Papageien; 4) Hühner-®B. (Gallinacei), Tauben, Belvhühner, wahre 
ühner; 5) Straußartige®. (Struthiones), Strauß und Rafuar; 6) Sumpf- 
. (Grallae), Hühnerfteljen, Kraniche, Er Schnepfen; 7) Shwimm-. 
B. (Natatores), Möven, Pelekane, Gänfe, wäne, Enten ıc. aM, 
Völkerrecht, (jus gentium), iſt mach der jegigen Bedeutung der Gefammt- 
begriff der, zwiſchen unabhängigen Völkern in ihren gegenfeitigen Berhältniffen 
jeltenden Rechisgrundfäge. Hievon aber war das, was die Alten und lange 
eilt auch die germanlſchen Völker unter B. verftanden, ein zum Theile verſchie⸗ 
dener Begriff: Die Alten hatten noch fein außgebilvetes Recht unter Völkern, 
jondern mehr nur- einzelne, bruchftüdweife, durch religiöfe Gebräuche, befondere 
Sitten und Verträge, namentlich Gaftverträge, oder durch Bündniffe zwiſchen ver- 
wandten Böltern begründete Rechte. Im Ganzen herrfchte das Recht der Stärke, 
zumal im Kriege und gegen die als rechtlos behandelten Ueberwundenen. Das 
gegen verflanden bie % mer unter dem Rechte der Völfer (jus gentium) das 
allgemeine, natürliche ober vernünftige Recht, weldyes fe darin zu erkennen 
fuchten, daß fie es gleichermafien von allen freien gefitteten Rationen (qui le- 
gibus et moribus reguntur) anerfannt fahen. Unter den neueren Völkern bes 
gründete theils die germanifche Stammeegenofienfehaft und eine, dunkler oder Flarer 
mit ihr verbundene, Anerkennung einer Bundespflicht gegen gemeinfchaftliche über- 
mächtige Feinde, theils der Gaftvertrag, theils endlich das Chriſtenthum und das 
anerkannt chriftliche Bruderband, welches jedoch nur auf Ehriften angewendet 
wurde, etwas ausgedehntere Anerfennungen völferrechtlicher Verhältniffe. Das 
tömifchsbeutfche Kalſerihum und das Papftıhum beförderten die Ausbildung. Zum 
allgemeinen rechtlichen Bewußtfein und zur wifienfchaftlichen Ausbildung aber 
wurde das Völkerrecht zuerft im 16. Jahrhunderte erhoben durch Gentilts (de 
jure belli libr. Orf. 1588), vorzüglic” aber durch das berühmte Werk des 
Goländere Bugs ®rotiu® (cf. d.) De jure belli ac pacis, Paris 1635. 
erlwuͤrdiger fe aber wurde Hugo Groiius durch Mißverſtändniß des Tör 
mifchen jus gentium verleitet, dad allgemeine natürliche Recht und das Bölfers 
recht und das natürliche und pofitive Wölferrecht nicht abzufondern, fondern beide 
als eine einzige Wiflenfchaft zu behandeln. Rur hob er die, in ber rechtlichen 
Anerkennung der europäifchen Rattonen jet ausgebehnteren, völferrechtlichen Ber⸗ 
balmiſſe vorzugöweife hersor und verfnäpfte mit ihnen die Entwickelungen ber 


Bölferwanderung. 597 


natürlichen Rechtögrundfäße auch für die privatrechtlichen u. Rantsrechtlichen Vers 
haͤltniſſe. Allerdings eignete fi auch, zumal bei noch mangelhafter Erkenntniß 
und Ausbildung des natürlichen Rechts, dad Verhältniß freier Völker unter eins 
ander darum zur Auffaflung der natürlichen Rechtöwahrheiten, weil die, bier aufs 
tretenden, rechtlichen ‘Berfönlichkeiten keiner pofltiven Geſetzgebung und Gewalt 
untergeordnet waren, fondern ſelbſt aus dem natürlichen Rechte fchöpften. Nach 
dem Borgange des Grotius nannten viele noch lange das natürliche Recht übers 
haupt natürliches Volkerrecht. — Jetzt iſt es anerkannt, daß man einerfeits 
das Volkerrecht von den beiven anderen en des Rechts, dem Pri⸗ 
vatreht und Staatsrecdht, trennen muß; andererfeits aber muß man 
auch wieder dad natürliche von dem pofitiven Völkerrechte fondern. 
Denn aufler der rein phil oſophiſchen oder moraliichen Lehre, was, nady der 
inpivipuellen religiöfen. oder philofophifchen Anficht des Lehrenden, die Völker ges 
genenander beobachten follten, gibt es audy ein juriftifhes, natürliches 
ölkerrecht. Diefes ift dasjenige Recht für die Verhältniffe der Völker unter 
einander, welches mit logifcher Kolgerichtigfelt aus der Natur des rechtlich an⸗ 
erfannten Friedens⸗ und Redhtsvertragd in feiner Anwendung auf jene Berhälts 
niſſe ſich ableitet. Edenſo gibt es aber auch ein pofitives Völkerrecht. 
Diefed enthält diejenigen befonderen Anwendungen oder Mobificationen, weldye 
ein beflimmter Kreis von Bölfern oder Staaten durch befondere Verträge und 
Gewohnheiten in Beziehung auf die einzelnen Verhaͤlmiſſe den allgemeinen, na⸗ 
türlidysrechtlichen, vöiferredhtlichen Grundfägen gegeben bat. — Zuerft haben 
die chriſtlich germantfchen, dann alle europäifchen Völker allmälig durch befond- 
ere Anertennungen, Gewohnheiten und Berträge eine ganze Reihe pofltiver, voͤlker⸗ 
rechtlicher Beftimmungen anerfannt. Diefe bilden dad pofitive europäiſche 
B., welches bei der, in der ganzen civilifirten Welt fiegenven, europätfchen @ultur 
{immer allgemeiner und ausdrüdlich, namentlich von allen nord» und fühamerifa- 
nifchen Völkern, anerkannt if. — Dem pofltiven europäifchen V. dient das na⸗ 
türliche jurififche V. zur Brundlage, zur Auslegung u. Ergänzung. Es ift 
alfo ebenſo wenig zu rechtfertigen, wenn Manche das nur bruchftüdweife po» 
fitive B. allein das praftifche B. nennen, ald wenn Andere, wie z. B. Hugo, 
fowohl die Eriftenz eines natürlichen, als einen juriftifchen V.s leugnen wollen. 
— An fi ift dad natürliche B. u. auch das, meift mit ihm übereinftimmende, 
pofitive europälfche B. eine fehr einfache, folgerichtige Wiſſenſchaft Demfelben 
liegen, abgefehen von dem fchwierigen Bundesverhältniffe, die allgemeinen, natürs 
lichen Grundſaͤtze des Privatrechts zu Grunde. Es liegen ihm zu Grunde das 
PBerfonenreht oder die bleibennen Rechte der rechtlichen SBerfönlichkeit, 
vorzüglich der Freiheit und Gleichheit; 2) daB Sachenrecht oder das Recht der 
Erwerbung von Eigenthbum und dinglichen Rechten an Saden und 3) dus 
Dbligationens oder Verkehrsrecht, die Rechte auf vorübergehende, recht 
liche Verpflichtungen durch Verträge und andere Verfehrshandlungen. Die Abs 
weichungen vom Brivatrecht entftehen dann natürlich durch die Eigenthümlichfeiten 
der Gegenftände, worauf fich diefe, im V. dreifachen, Rechtögrundfäge anwenden. 
So if die Berfon des Volks eine moralifche, deren einzelne Glieder ſelbſt 
wieder die Achtung rechtlicher Perfönlichkeiten in Anfpruch nehmen. Ste hat in 
ihrer Regierung eine befondere Repräfentation u. bedarf befonderer Mandatare, 
Geſandten (f. d. Art.). So iſt der Hauptgegenftand des völferrechtlichen Eigen 
thums das Staatsgebiet und bei Berlegungen vorzüglich Tommen eigene 
Schugmittel vor und begründen das V. in Kriegdzetien (f. Krieg). — Die eins 
zelnen völferrechtlihen Materien, wie 3. B. Allianz, Krieg, Bund, Geſandt⸗ 
haft u. f. w. find bereits in befonderen Artikeln abgehandelt. 
Völkerwanderung heißt derjenige merkwürdige Zeitpunkt der Weltgefchichte, 
in welchem vie Bölfer des weftlichen Europa, befonderd die deutfchen Völker, 
ihre biöherigen Wohnſitze verließen, in das abendlaͤndiſche roͤmiſche Reich eins 
drangen und dadurch ſowohl allmälig deſſen gänzliche Auflöfung bewirkten | IE 


598 Bolkerwanderung · 


auch zu den meiften tn. (den europälfchen Staaten ben erften Grund Legten. 
Die Deutfchen —5*— ba ji —S we Stämmen, die fid) nad) und 
nach zu Vdilerſchaften bildeten. Sie waren — und ftarf, abgehärtet und 4 
eriſch und ar jetben daher fc zeitig und länger ald hundert Jahre vor 
Geburt mit den Römern in ſchwere Kriege. Zu br Zeiten Julius Cãſar's Fame 
befonders die am Rheine wohnenden Nationen unter Ihrem Feldherrn oder Könige 
Atioviſtus über den Rhein, um ſich in Gallien oder dem henigen Erantreich aus: 
zubreiten, allein Eäfar trieb fie wieder über den Rhein zurüd; Kaiſer Auguft 
machte fogar noch Eroberungen über den Nhein und bededte den Rhein und die 
Donau mit feinen Legionen, lůt aber eine ey Niederlage durch den Armi- 
nis. Bon jept an fuchten die Nömer an der Donau mehr veriheidigumgämwelie 
zu verfahren; nahmen, wie fie ſchon längft gethan, doch jegt in größerer Anzahl, 
Deutfche In Sold, fo wie auch fie immerfort die deutſchen Völker gegen einander 
u reizen fuchten, um von ihnen nicht angegriffen zu werden. Die Deutfchen waren 
dazu, ald Freunde des Krieges, ohnehin geneigt, Sie verfuchten awar noch im- 
mer von Zeit zu Zeit über den Rhein zu gehen und wagten Ginfälle in Frant- 
reich und Italien, wurben aber immer von ven Römern und ihren, gegen fie felbft 
gemietheten, Landoleuten zurüdgefchlagen, Allein feit 375 fingen die Humnen an, 
en Europa vorzudringen u, drängten die Gothen u. anvere Völker aus ihren 
ohnfigen. Jeht war das in feinem Innern fo fehr verfallene römiiche Reich 
nicht mehr im Stande, ven Einfällen der Deutſchen zu wierftehen, — da 
die Theilung des Reiches, die Theodoftus der Grofe vornahm, dem Reiche ſeht 
verberblich wurde. Zwar hielt feines Sohnes Honorius Miniſter, Stiltdyo, der 
por ein deutſcher und tapferer Soldat war, feine Landsleute noch einige Zeit 
m Zaume; allein, da ihn Honorius 408 ermorven ließ, waren fie nicht länger 
aufzuhalten und von jegt an fing, bie fogenannte V. an. Mat fann die deutſchen 
Nationen, die jegt ihre Sige veränderten, am beften eintheilen: 1) im folche, die 
in die eigentlichen römifchen Länder eimdrangen und zum Theile neue Reiche 
ftifteten und 2) im folcye, die ſich in dem eigentlichen Deutfchland ausbreiteten 
und längere oder fürzere Zeit hindurch fich als befondere Völker: erhielten. Zu 
den erfteren gehören: die Bandalen, die Alanen, die Sueven (f. d). Die 
Bandalen ımd Sueven drangen 406 mit großen Verheerungen in Gallien ein, 
paffirten 409 die Pyrenäen und theilten fich Alf im eroberten Spanien. Nun 
erft ermannten fi die alten Bewohner zu lebhaftem Widerſtande, der bis 
dahin nicht flattfand. Das Reich der Alanen in Lufitanien wurde 418 wieder 
aufgelöst u. was von biefem Bolfe nicht vertilgt wurbe, ſchloß ſich an die Ban 
daten an. Bis 429 kriegten mit einander lebhaft die Römer und die Bandalın, 
welche endlich unter ihrem önige Genſerich die Eroberung Nordaftikao Leichter 
Inden, als die Behauptung in Spanien; doch zerftörte Beliſar 534 diefes neue 
jandalenreich in Nordafrika ic Ku dab Reich der Sueven in Spanien 
wurde aufgelöst durch die Weftgoihen im Jahre 584. Die eigentlichen Hunnen 
4 d.) baten in Ungarn fich behauptet. Bon hier aus verheerte ihr König 
ttita den Weften, wurde 451 in Gallien gefchlagen, fiel aber dann in Jiallen 
ein. Als er 454 flarb, verſchwand das Reich der Hunnen ſchnell und 489 lösten 
die Gothen und Gepiden diefe Nation völlig auf. Die Gothen (f. d.) hatten 
früher an der Oftfee, im heutigen Wefpreußen, gehaufet, waren durch Polen nach 
dem fchwarzen Meere vorgedrungen und eroberten 274 Dafien, nahmen die chriſt- 
liche Aetiglon an und theilten ſich in Oftgothen (am Don und ſchwarzen Meere) 
und in Weftgothen zwifchen der Weichſel, dem Dniefter und der Donau. Leptere 
wurden zum Theil von den Hunnen verdrängt und verlegten unter römifcher Bot⸗ 
jgfeit ihre Wohnfige u. entzweiten fich dann mit den Römern. Ihr — 
Atdridy drängte 408 Italien und plünderte Rom 410. Sein Rachfoiger Ataul 
führte die Krieger 411 nach Gallien und. von dort nady Spanien, wo er das 
Reich der jothen gründete, das, auſſer der prenälfhen Kalbinfel, ein Stüd 
von Franfreih und des jehigen Marocco von 624 an umfaßte, welches jedoch 


Bogel. 599 


nach der Schladyt bei Xeres 711 die Araber wieder auflöstn. Oſtgothen hatten 
mit Rom's Erlaubniß Möften beſetzt, fielen aber 489 in Stalien ein, nachdem 
476 das römifche Kaiſerthum durch Odoaker's Heruler und Regier aufgelöst worden 
war, aber 493 befiegte Theodorich, König der Oſtgothen, die Partei Odoakers u. 
nahm letztern gefangen, doch zertrümmerte der glüdliche Feldherr Beltfarius und 
nachher Rarfed das unter ſich uneinige Reich der Oſtgothen; die übrigen Of: 
goıhen wanderten aus, oder verfchmolzen ſich mit des Katferd anderen Untertbanen. 

ie Burgunder (f. d.) kamen 412 in die pfälzifchen Lande und ließen no am 
Rhein nieder, gingen aber endlich über denfelben nach Franfreich, wo fie, mit Be⸗ 
willigung der übrigen deutfchen Völker, die fich dort ſchon feftgefegt hatten, an 
ter Rhone ſich nieverließen. Hier flifteten fie ein Königreich, welcdyed® Dauphbing, 
Provence, das Herzogtfum Burgund, die Franche⸗Comtoͤ, Savoyen und den 
rößten Theil der Schweiz entbielt und von der Hauptfladt Arles (Arelate) das 

önigreich Arelat (regnum arelatense) hieß, aber erft 430 recht zu Stande kam. 
Ihm machte der König der Franken, Chlodewig I., 500 ein Ende und verband 
es mit dem fräntifchen Reihe. Die Heruler und Rugter cf. d.) vernichteten 
476 unter ihrem Anführer Odoaker das abenblänpdifche römtfche Kaiſerthum Die 
Longobarden (f. d.) fielen 568 unter König Alboin in Nord» und Mittel- 
italien ein und behaupteten fidy dort. Sie famen von der Mittelelbe über Ungarn 
nach Italien. Nach Bavin’s Eroberung, 572, nahm dort die neue Dynaſtie ihren 
Eis. Die Päpfte riefen die Franken zu Hülfe, deren König Karl 774 dem longo- 
barpifchen Reiche ein Ende machte. Die Völker, die fich im eigentlichen Deutſch⸗ 
land ausbreiteten und wenigftend eine Zeit lange als befondere Völferfchaften bes 
haupteien, find: die Alemannen, die Sriefen, die Thüringer, die Bos 
jaren, die Sachfen und die Franken (ſ. dd. alle). In diejenigen Sibe 
der deutichen Bölfer, die von dieſen V.n nach und nady verlaffen wurden, rüdıen 
in der Folge flavifhe Völker ein (ſ. Staven), und fo enıftand in einem großen 
Theile von Europa eine Revolution, die in der Weltgefchichte einzig iſt, indem 
bei derjelben ganze Kationen einander drängten und gleichfum eine die andere 
vor ſich hertrieb. 

Bogel, 1) Wilhelm, ein beliebter Schaufpieler und dramatifcher Dichter, 
geb. 1772 zu Mannheim, vertaufchte das Studium der Medizin mit der Bühne, 
war in Hamburg, Düfleldorf, Mannheim engagirt, Theaterdireftor in Prag, 
Sekretär u. Direktor in Wien, wo er, von der Bühne abgetreten, 1844 in höchſt 
bürftigen Umſtänden ftarb. Seine Luftipiele habın überall Beifall erlangt, be- 
fonters „Gleiches mit Gleichem“, „Ein Handbillet Friedrichs IL”, (Preisluſtſpiel 
1842) u.f.w.— 2) V. Chriſtian Leberecht, ein ausgezeichneter Hiftorienmaler, 

eboren zu Dreoden 1759, machte ſich fchon ald Knabe durdy feine Malereien u. 

eichnungen befannt (unter anderen durch fein eigenes Portrait in Paſtell als 
12jäbhriger Knabe), fo daß ihn der Hofmaler Schenau als Echüler annahm. Run 
fludirte er auf der Kunftafademie zu Dresden, deren Penſionair er ward und ging 
1780 nach Wildenfeld ind Erzgebirge, um die gräflich Solms'ſche Familie zu 
malen, wo er nun feinen bleibenden Aufenthalt nahm; doch fehrte er 1804 als 
Mitglied der Kunftafademie nady Dresven zurüd, warb 1814 Profefior an ders 
felben und farb den 6. April 1816. Am meiften gelan en ihm Portraits; Mr 
malte er auch größere hiftorifche Stüde. Auch als Schritifteller hat er fi dur 
die nicht mißlungene Echrift: „Die Schönheltslehre über die Berhältniffe ver 
Formen“ (1. Thl. Leipz. 1812) bekannt gemacht. — 3) V. von Vogelftein, 
Karl Chriftian, Sohn des Borigen, geboren 1788 zu Wildenfeld, erlernte bie 
Malerkunft bet feinem Vater und fpäter auf der Kunflafademie zu Dresven, lebte 
von 1808—1812 in Peteröburg, wo er faft Nichts ald Portraitd malte, kehrte 
dann nady Dresden zurüd und reiste 1813 nach Italien, wo er zur fatholifchen 
Kirche übertrat und abwechſelnd in Rom, Neapel und Florenz lebte. Auch bier 
malte er größtentheild Portraits merfwürdiger Männer und fehrte endlich 1820 
als Profeflor an die Akademie nad) Dresden zurüd, wo er 1824 Hofwaler waxe 


500 Bogelftei— Bogl, 


und fi vorzüglich mit ber Ausfhmüdung des Töniglichen Schloſſes n 
befonvers —— Kapelle daſelbſt, al reden, ae Der Kin : 
Sachſen erhob ihn für frine Leiftungen in den Adelftand, mit dem Betfage von 
Bogelflein und die Afabemie der Künfte zu Berlin nokm ibn zu ihrem Mit 
gliede auf. 1842 machte ‚er abermal eine Reife nah Rom, namentlich wegen 
einer Compoſition aus Dante s goͤtilicher Komödie, welche nadıber in ven Be 
fig des Großherzogs von Toskana Fam, Seine Werke zeugen von tiefem Studium 
der ftalientfchen großen Meifter, ohne Daß er fllaviſcher Nadahmer wäre und 
gegkren jederzeit zu den herrlichften Stüden bei ven- jährlichen Kunftausftellungen 
u Dieöden. 
| Bogelfrei (wörtlich: frei wie der Vogel in ber Quft, der Niemandes Eigen 
thum ıft, aber von einem Jeden eingefangen und willfürlich behandelt werden 
Tann), ds im Mittelalter Einer, der außer dem Geige ftand, d. h. feinem geich- 
lichen Schuß genoß. Mit dem Vogelfreien Fonnte Jedermann vornehmen, ibm 
anıhun, was er wollte. Die Erllärung für vogelfrei ertbielt in früberen Zeiten 
die bärtefie Etrafe für des Landes wertviefene, ſchwere Verbrecher, nm ihnen die 
Nüdtcht zu rerleiden, oder für ſolche Eutjefte, deren: man nicht habhaft werben 
Tonnte, um fie zur freiwilligen Enifernung zu mötbigen (f. Acht). 
* ee u eK eine ne —— Datr⸗ 
jeller uno Beichauer höher ſtehend gedacht en, ald der dar; te Gegenftand, 
der und — leich ſam wie ei — der Luft fütsebengen Dogel barfell, 
mo aljo das Auge über jedem Ru ſenkrecht ſchwebend angenommen wird. 
Zeichnungen diefer Art eignen fidy vorzüglich für Grundriffe einer Gegend. 
Dogefen, 1) eine ehirgefete im Nordoften Frankreichs und Im Welten 
von Deurjcyland. Diefelbe beginnt zwifchen den Quellen der Mofel, Savourenfe 
und Doller, auf ver Gränze der Departements Haute: Saöne, Haut-Rhin und 
ER und bildet Anfangs die Gränze zwiſchen dem Departement Haut-Rbin 
und Vesges, ſteht weiter im Nordoften des Departements Bosges, im Dflen 
ded Departements Meurthe u. im Wehen des Departements Bas- Rhin, welier 
in der bayerifhen Pfalz und Im Weften der beffifchen Rheinprovinz, bis zum 
Rhein am Eimfluffe der Nabe, Die Länge der Gebirgefette beträgt an 60 Stunden. 
Ein Knotenpunkt iſt der Ballonsd’Alface, 4401 Fuß hoch, an den fich genen 
Eüpoften ein Jurazweig anfchließt und im Weften die Faucillesberge. So bildet 
der Ballon einen großen Knoten in dem europäifchen Gebirge. Sm Norbnords 
weften find die ®. durch einen Zweig, um die Duelle der Glane mit dem Hundsrüd 
"verbunden. Die Berge find mit Tannen, ‚Fichten, Eichen und Kuftanien bes 
walvet, — 2) Das darnach benannte Departement in Frankreich (Departement 
des Bosges), gebildet aus dem ehemaligen fünlichen Theile von Lothringen, gränzt 
an die Departements Menfe und Mofel norblih, Oberrhein und Niederrhein 
Öflich, Ober⸗Saone fünlid u. Ober: Marne weftiich, iR in fünf Arrondiffements 
gi tt und zählt auf 116 Meilen 419,000 Einwohner. Der Welten und 
ordweſten wird Ebene und der übrige Thell Gebirge genannt, obgleich das 
Rand überhaupt durdy die B. gebirgig if. Die Flüſſe find: Mougon, Vraine, 
Madon, Mofelle, Meurihe, Sgone, Coney. Produfte find: etwas Geiraide, 
Mais, Hanf, befonders vi achs, Nüſſe, Zweiſchen, Kirſchen, Fichtenbolz 
Eilen, Stahl, Biech, Nägel, XStahl⸗- und Eifenwaaren, Glas Fayence, Käfe, 
muſikaliſche Inſtrumente, Marmor, Potaſche x. Haupiſtadi iR Epinal. 

Vogi, Berthold, Abt zu Kremsmünfter 1759 — 1771, als ſolcher in 
weit geringerem Grade auögezeichnet, als in feinem literariſchen Wirken. Seit 
1735 an der Univerfität Salzburg thätig, trug er viel bei zur Hmgelaltung der 
philoſophiſchen Fakultät, zu fleißtgerem Studinin der Mathemati und Erperimen- 
talphyflt. 1744 zum Rector Magnificus gewählt, wiverfegte er ſich mit aller Macht 
feines Anſehens der von den Achten beantragten Zurüdführung der ſcholaſtiſchen 

octtin und ehe und forgte in jeder Rüdfiht für das Beſte der Hoch⸗ 
ſchule. — Vgl. Ziegelbaur Hist. rei lit. ord. S. Benedictz ll. p. 555, IV. p. 407. 


Bogler — Voigt. 60 


Berzeichniß der academ. Profefforen zu Salzburg, S. 21. — Seine Schriften 
pbilefephiichen und theologiſchen Inhaltes enthält aufgezählt: Series Abbat, et 
Religios. monast. Cremifan. von P. Marian Bachmayr, p. 806. 

Bigler, Beorg Joſeph, Abte, 1749 zu Würzburg geboren, war kurfürſt⸗ 
lich pfalzbayeriicher Konfiftorialrath, erfter Kapellmeiſter und öffentlicher Tonlehrer. 
1801 bielt er fich zu Prag auf, wo er fein Eunftreiches Orcheftrion, welches er 
felbft verfersigte, an dem Elementinum aufftellte und als außerordentlicher Lehrer 
Öffentliche Borlefungen über die mathematifchen, afuftifchen und äfthetiichen Grund⸗ 
fäge für die Tonkunſt und über fein Simplificationsfvftem für den Orgelbau im 
Herbfte deſſelben Jahres zu geben anfing. Aber bald traten einige Umftände ein, 
die diefen großen Zonkünftler feine, durdy fech8 Monate gehaltene, Borlefungen 
aufgeben hießen. Während des Aufenihaltes in Prag aber überbaute er doch die 
grope Drgel in der Pfarrkirche zu Et. Niclas nach feinem Simplificationsſyſteme, 
worauf er einige gedrudie PBrüfungepunfte der, nach dem Eimplificutiongfyfleme 
vorgenommenen, Umſchaffung der Orgel bei St. Niclas bekannt machte Die 
Prüfung feiner umgeichaffenen Orgel wurde den 5. Juli 1802 im Beiſeyn einer 
greß.n Zahl Muflfrerftändiger vorgenommen und der Künftler trug greßen Belfall 
davon. Hierauf und zwar den 26. Juli deffelben Jahres noch, machte er eine 
Reife nad) Breslau und dann begab er fidy nach Wien, wo er 1803 als Opern, 
fompofiteur an dem Echifaneber’ichen Theater angefıllt wurde. Gr flarb den 
12. Juny 1814 zu Darmfladt als großherzoglich heſſiſcher neiftlicher Rath, Seine 
vortreffliche Oper: „Caſtor und Pollux“ wurde zu Prag 1798 mit allgemeinem 
Beifalle aufgeführt. | 

Bogt oder Boigt, vom Lateinifchen advocatus abgeleitet, hieß früher ein 
deutfcher Reichebeamter, welcher in den Provinzen die Rechte des Kaifers und 
Reichs wahrte, Kıöfter und Bisthümer in weltlichen Sachen vertrat und die 
Gerichte in ihrem Namen handhabte; Schirmherr, Beſchützer. Sein Bezirk bieß 
Voigtei, womit In Stätten auch die Wohnung des Kerfer- und Stodmeiftere 
bezeichnet wird, 

Vogt, Moritz Johann, Lifterzienfer aus dem böhmifchen Stifte laß, 
1669 zu Koͤnigehof im Grabfeld geboren. Mit feinem Bater, einem gefchidten 
Landmefier, Fam cr ald Knabe nad) Plaß, wo er nad) der in Prag zurüdgelegten 
Philoſophie 1692 in den Drden aufgenommen wurde und ben 5. Dftober 1698 
bie erfte Mefle Ind. Hier befchäftigte er fh mit der Muſik, mit der Geographie 
und der Geſchichte fo eifrig, Daß er, von dem Markgrafen von BadensBaden bes 
rufen, auf deffen Gütern in Böhmen mehre Monate mit ihm zubringen mußte. 
Seine Landcharten wurden zu Nürnberg geftochen und hochgefchägt, ſowie auch 
feine Mufifalien, deren er eine Menge, befonvers für die Kirchen, geliefert bat, 
B. farb in feinem Stifte den 17. Auguft 1730. Er gab folgendes Werk über 
bie Mufif heraus: „Conclave thesauri magnae artis musicae”, Prag 1719, 
Nebſidem Hinterlich er ein fchönes Werk in der Handfchrift, welches er „Vertumnus 
vanitatis musicae in 31 fugis delusus“ betitelte. 

Boigt. 1) Adauctus a ©. Germano, Piariſt, einer der ruhmmürbigften 
Geſchichtoſorſcher und Literaturfenner, eine der größten Zierden der böhmiſchen 
Geſellſchaft der Wiſſenſchaften, war 1733 zu Oberskentendorf in Böhmen geboren. 

eine erſten Studien legte er zu Schlan, Komotau und Leitomiſchl zurüd und 
trat 1747 in den Drden der frommen Schüler. 1758 empfing er die Prieſter⸗ 
weihe und war dann, nachdem er fich Furze Zeit ausfchließenn mit der Seeiforge 
kefhäftigt hatte, an verfchiedenen Diten Lehrer der Dichikunft, der Rhetorik, 
Philoſephie und Mathematik. 1771 erbielt er die Stelle eined Vicerektors im 
Piariſten⸗Collegium zu Brag; 1777, nebft der erften Cuſtosſtelle bei der Biblio⸗ 
the, Die PBrofifiur der Gejchichte an der Univerfität in Wien, die er jedoch bald 
twieder niederlegte und fi in dad Ordensohaus zu Nikolsbur aurädaon, wo er 
audy den 18. DOftober 1787 ſtarb. eine vorzüglichfien Werke find: Befchreibs 
ung der bicher bifannten böhmiſchen Münzen nady chronslanliiger D 


‚602 Voigtland — Volhynien. * 
4 Bde, Prag 1771—1787. Eifigies —— — — 
Bohemiae et Moravine- una cum brevi vitae ‚enarralione, 
mit an don Böt, 2 Thle,, (bb. 1773 Bi —— fortgeſehi 
— —— literaria_ Bohemise et Moraviae, 2 Bpe., ebd. 
fl 2 und ingen unter Maria Thereſia Deutic) 
* — le, Wien 1 Yes. „Ueber ben Geift sohm Geſede 
Denen. Rreisf Prag und Dresden 4788. Reben 
1 —*— ofen, Leipz — dem Tode des 
— Sie Echwab). — 2) ohannes, geboren 
fens Meiningen 1786, ſtudirte zu Jena * 
und — wurde aber durch Lu den (f. d. "dem Etubium der Gelchi 
jeivendet, die er mit großer Vorliebe, rändfichem Duellenftubium und Be 
metem Echarffinn — 1809 itirte er fich als Privatdecent auf 
—* Untverfität Halle, ward 1817 Pro ur der — ‚Särferifen ften 
an der Univerfität Kin eher, a feffor der Gef x 
er amd fpäter Ge su, PH * ihm 3* 
Gregor VI) 2 Bde, Weimar 1813, 2, 5 3 
in wahres Blanc Geſch * des Lombardenbundes“, Koͤnt 


—* Sefichte der Ei 1821; Marl 
ie — er in — ——— 


Abe Dane, Dr berg 1827—1839, 9 Be; dk 
—— „ebd. 18365 „Brieftwechfel 
= — lebi ger — der Reformation mit 


—5 eb. — — der Geſchichte Preußens zur 
842—1843, 3 Bde; „Namen »Eoder der deutſchen 
— 1.0, 41843; er gb auch mit F. W. Schubert: die 
Zahrbücher nn von Lindenblate’s, Dffyials au Aa, ; allein den 
„Codex ‚diplomaticus Prussicus‘‘, ‘ebd. 1836 — 1842, 2 Bde. 

Voigtland, (terra advocatorum), beißt im weitern Sinne das‘ ee, welches 
von den Bolgten des Reiches verwaltet wurde, Es umfaßte den jeptgen voigt ⸗ 
ländifchen Kreis Sacyiens, das Amt Weida in Weimar, das altenburgifche Amt 
Ronneburg, den preußiichen Kreis Ziegenrüd, die Landeshauptmannichaft Hof 
in Bayern und die jepigen reußtfchen Rande, Die Boigte ſelbſt gehörten. dem 
‚Haufe Reuß (f. d.) an. Der fächfifche voigtländifche Kris, welcher die Gegend 
um Blauen u. Adorf an der Mulde umfapte, bildet feit 1835 einen Theil der 
Kreiödireftion Zwickan. Viehzucht, Getreivebau und Jupuftrie, befonderd in Ge: 
weben, werden in ihm im bedeutender Ausdehnung, Part: Val. Limmer, 
„Urfundtiche Gefchichte des V.s“, 4 Bde, Ronneburg 1825 — 1828, 

Volger, Wilhelm Briedrich, ein befannter und werbienter deutſchet 
Geograph, geboren zu Neche bei Lüneburg 1794, ſtudirte auf dem Johanneum in 
deßterer Stadt umd ſeit 1812 auf der Univerfität Göttingen und widmete 
fi, neben der Theologie, hauptfächlich der Geographie, Geſchichte u. den Natur: 
wiſſenſchaften. 1815 wurde er Gollaborator, 1830 Rektor des Johanneums zu 
Lüneburg und feit 1844 iſt ihm auch das Reftorat der mit genannter Anftalt 
verbundenen Realſchule übertragen. Man hat von ihm: „Länder- und Völfer- 
lunde“, Hannover 1819, 2 Bde, 3. Aufl. 1833; „Anleitung zum Ueberfepen 
aus dem jeutfchen in das Griechiſche“, ebd. 1823; „Handbuch der Geographie”, 
ebd. 1828, 5. Aufl, 1846; „Lehrbuch der Geographie I. Eurfus*, ebd. 1821, 
12. Aufl. 18455 II. Eurfus 1830, 7. Aufl. 1845; I. Eurfus, ebd. 1832, 2 Auf, 
1837 ; „ehrbud) der Geſchichte“, I. Curſus ebd. 1832, 6. Aufl, 1844; IL. Eurfus 
1834, 3. Aufl. 1845; „Handbuch der allgemeinen Weltgefchichte”, ebd. 18351839, 
2 Boe.’in vier Abtheilungen; — — das hiſtoriſche Element in der geograph⸗ 
iſchen Wiffenfchaft“, Berlin 1: 

20 jen, ehemalige mehr Kleinpolens, jegt ein ruſſiſches Gouver- 
nement, liegt zwifchen Bolen, Galizien und ven Gouvernements Podolien, Kiew, 


Bolt u. Bolkothum. 608 


Minsk und Grodno, einen Flächenraum von 1297 Meilen mit 1,400,000 
Einwohnern umfaffend. Das Land hat in feinen r-örblichen Theilen den Charakter 
Litthauend — Sandboden, Wald und Sumpf; die mittleren Striche find aber 
ehr fruchtbar und man trifft hier die fchönften Getreidfelder, Obſtbaumpflanzungen, 
tiefen und Weiden, untermifcht mit Eichen⸗ und Lindenwäldern. Wetzen, Hanf 
und Lein gedeihen in vorzüglicher Güte. Die ſüdlichen Diftrikte werden von 
einzelnen Yusläufern der Starpathen burchgogen und die Ebene verwandelt fich 
dort in Hügelland. Die Bevölterung — ein Gemiſch von Rufniafen, Ruffen, 
Bolen, Tararen, Molduanerın, Deutſchen, Juden und Zigeunern — treibt Aderbau, 
Bichzucht, Bienenzucht, Handel und Gewerbe. Unter allen ehevem polnifchen 
Provinzen bat V. die meifle Induſtrie und man findet bier Fabriken für Glas, 
Steingut, Porzellan, Leder, Hüte, Tuch, Papier ꝛc. Die Haupiſtadt it Schi« 
tomir (Zytomierz) am Teterow mit 26,500 Einwohnern. Berdyczew, eine 
dem Zürften Razivil gehörige Stadt mit 34,000 Einwohnern, if der Rittelpunkt 
des fünruffifchen Handels mit Deutſchland über Brody und zeichnet fi durch 
Ian berühmte de aus. Krzemieniec oder Kremenep iſt der Eih der Wiſſen⸗ 
chaften für diefe Gegenden, indem es ein wohleingerichtetes Seminar (früher 
das befannte „volhyniiche Lyceum“) und eine gelehrte Geſellſchaft hat. — V. war 
lange" Zeit der Zankapfel zwifchen den Ruffen, Tataren, Polen und Littbauern, 
bis es 1569 auf dem Reichstage zu Lublin mit Polen vertnäpft wurde. Das 
jepige Gouvernement wurde 1796 gebildet. mD. 
Volk und Volksthum. Während wir eine große Anzahl Menſchen von 
gemeinfch.aftlicher Abflammung, deren verwandtiſchafiliches Verhaͤltniß ſich durch 
bereinftimmung oder Wehnlichteit in Sitten, Sprache und pEyfifcher Bildun 
henlänglih nachweifen läßt, mit vem Ramen „Nation“ bezeichnen, nennen wir Bol 
ebenfallß eine folche größere Anzahl von Menfchen, wenn wir fie und, anderen 
Menfchen gegenüber, als Einheit und abgefchloffened Ganze ſich fühlend und er- 
fennend vorftellen. Der Inbegriff deſſen, worauf dieſes Gefühl und Bewußtſeyn 
der ausfchließlichen Einkeit beruht, heißt Boltsthum und dieſer iſt von dem 
Begriffe eines Volkes eben fo unzertrennlich, wie die Eigenthümlichkeit jedes 
einzelnen Denfchen von diefem felbft. Hiernach beantwortet ſich denn Die Frage, 
bie wir in unferen Tagen fo oft aufgeworfen und fo verfchtedenartig beantwortet 
ſehen: „wer das V. ſei?“ fehr leicht u. einfach. Das V. find nämlich diejenigen, 
in denen ſich die, in der Geſchichte geoffenbarte, Volkseigenthümlichkeit abipiegelt 
und in denen dad Bewußtfenn und Gefühl der Volkseinheit lebendig geworden 
iR. Somit fünnen wir zum B.e die höheren Stände nur dann rechnen, wenn 
e ihre Volkseigenthümlichkeit noch nicht in europäifcher Weltbildung — 
Bad; den großen Haufen aber nur dann, wenn er nicht blos dem thieriſchen 
tiebe der Selbftjucht folgt. Hiemit hängt audy eng zufammen die Frage: „was 
Bolfswille fei? welche Bedeutung er habe und in wie weit es recht und zweck⸗ 
mäßig, fei, auf denfelben Nüdficht zu nehmen und ihm Folge zu leiften.“ Daß 
das Berlangen eince wilden aufgeregten Haufens nie Voltswille fel, verfteht ſich 
nad) dem bisher Sefagten von ſeibſt und es bedurfte dieſes Geſpenſtes nicht, um, 
wie es bisher nur zu oft gelhehen ift, Yeußerungen der öffentlichen Meinung 
vornehm zurüdzumweifen. Volkowille iſt nur der Wille der Geſammtheit. Auf 
diefem muß aber auch Alles beruhen, was im öffentlichen Leben gelingen und 
von Dauer feyn fol. Died tft eine fo unbeftrittene Wahrheit, daß wir fle 
felbft in den abfoluteften Staaten nie ganz vernachläffigt fehen, wenn auch nicht 
aus Achtung der Regierenden vor demielben, fo doch darum, weil die Geſammi⸗ 
heit es ift, durdy deren Kraft allein regiert werden fann und regiert wird. (Eben 
deshalb dürfen aber auch in feinem Etaate die Mittel fehlen, den Willen ver 
Geſammtheit fennen zu lernen, wie: dad Recht der freien Vereinigung, der freien 
Prefle 1c. deren Befchränfung Nichts mehr und Nichts weniger ift, ald dad Bes 
fenntniß der Staatögewalt, daß fie die Bılllgung des Volkes für fid) Haben müffe, 
um beftehen und wirken zu fönnen. — Wie der eingeine Meuikh, \n irank ana, 


— 


604 Volksbewaffnung 

das V. der Erziehung die Seele. des Einzelnen, fo muß auch bas ®, 
pen und ft nahen Dies muß erftlid um feiner felbft willen | f 
enn das B. ift, wie der einzelne Menſch, fich ſelbſt Zwed und kann nie Mittel 
für die Zwede Anderer werben. Dieſes erfordert dad Recht; fobann die 
Erziehung u, Ausbildung. des Volfsthums, wie die des — nicht er 

fondern Pre werben dies erfordert ‚bie Vernunft, (im der m en 
Natur und fo innig Ba man. kein Lafter ausrotten 
fanrı, ohne zugleich eine Tugend damit zu en, Wie wenig ftch auf bie Eigen, 
——— eines Volles mit — einwirken laͤßt, eben wir Kae 

(hland aus der Gedichte der € führung frembartigen Olfche und Ir 
anfalten. Nur ganz langfam und. nicht ohne wielfaches HWiverfireben wich hier 
das urbeutiche t dem römifchen,, das öffentliche —— dem 

chelmen und laum erwachte nach Jahrhunderte langem Schlummer das Selbſt- 
unſers Volles wieder, fo rief es auch laut und 8 “der 
————— jener uralten Einrichtungen. Man denke nur an die Bewohner 
des beutf —5 allein mit der, ihnen im innerſten 
aßten, napoleoniſchen ſchaft einigermafien ausföhnte, das war 
je, wenn ‚ziemlich fümmerliche, Wiederherftellung jenes uralten, ächt deut ⸗ 
öffentl Berichtöverfahrend; wie went, bagegen ift die franzöftfche er 
;gebung über die in das deutfche Volloleben gegangen, fie, die fo 
ınbenifc) als nur d war! — e unſers BVollsthumes find Wahr 
und Gerechtigkeitöliebe. Cie aber auch die Wurzeln von Fehlern, 

> bie befonders im öffentlichen Leben wirffam und nachtheilig werden. Sder, 

eso übertriebene Liebe zur Wahrheit, was den Deutſchen verführt, fie 
um ihrer ſelbſt willen zu fuchen und darüber ihre Anwendung aufs Leben zu 
vernachläffigen? Iſt ed nicht übertriebene Gerechtigkeit, was ihn blind macht gegen 
eigene Vorzüge, ſchüchtern in Behauptumg eigenen Rechtes, Beforgnif, 
fremdes zu verlegen ? Soll man deswegen Wahrheit und Ger it verfolgen 
und gehäffig machen? Gewiß nicht, Man fol aber, um jener img der 
Wahrheitsliche entgegenzuwirfen,, thätigen Gemeinfinn weden, der die Denter 
und Horfcher aus übertrdifchen Ephären Herabzieht in's wirkliche Leben u. anlodt, 
Ähren Mirbürgern nüglich zu werden; mamfoll Sinn für Forfhung und Achtung 
vor der Wiffenfchaft im Volke verbreiten, damit es den Forfcher verftchen und 
würdigen lernt, Der übertriebenen Rechtsachtung gegenüber muß ein edles Selbſt⸗ 
gefühl erzogen werden, das freilich nie ein ganzes Bar, anderen Völfern gegen: 
ber, befeelem wird, fo lange der einzelne Mann es nicht, feinen Mübürgern und 
der Gefammtheit gegenüber, fin Buſen trägt. Uebertriebene Wahrheitö+ und 
Rechtöltebe find es zumeift, was in Deutſchland da umd dort Mißbräuche der 
Redefreiheit veranlaßt hat, aber durch Unterdrüdung der Rede und Preffreiheit 
hat man das Rechts⸗ und Währheitägefühl Aller beleidigt und den Beiftand 
derer verfcherzt, welchen Recht und Wahrheit zu ehrwürdig find, um ihnen anders, 
als im Herzen zu huldigen, fo lange dad Wort nicht frei, alfo nicht würdig if, 
dem Höchften zu dienen. — Wir befigen ein Werk über deutſches Vollothum won 
Jahn ci. d.), wie wohl fein anderes Volk ein ähnliches aufzumeifen hat. Gr 
hat den erften Morgenftrahl der Wiedergeburt unfers deutichen Baterlandes damit 
begrüßt; er hat damit bewiefen, daß feine Begeifterung nicht blos gefühlt, fondern 
auch verftanden und begriffen war und damit Hunderte mit ſich felbft Har gemacht, 
im Guten geftärft und für Volk und Baterland begeiftert. 

Volksbewaffnung wird als Gegenfag der ftehenden Heere angefehen, weil 
man ſich gewöhnt hat, in ver erften eine improvifirte Heeresmacht, hervorgegangen 
aus dem ganzen Volke, zu erblicken, während man legtere als ein, vom Wolfe ges 
trenntes, Inſtitut betrachtete. Wenn nun auch diefe Annahme bis vor ganz fur 
zer Zeit ziemlich richtig war, fo ift fie doch jegt eine durchaus faliche, Indem die 
Verpflichtung der Heere auf die Verfaſſung das ganze bisherige Verhäliniß. durch⸗ 
ans geändert hat, Wir wollen die Militaͤrmacht, die wir bisher hatten, que 


Bolksbewaffunng. 605 


nähern Berfländigung des Yolgenden Armee nennen und dieſer das Volksheer 
gegenüberkelen. Die Möglichkeit der Aufftellung eined Volksheeres liegt in dem 

illen des Volkeo. Abſolute Staaten können Armeen aufftellen, aber Feine 
Volloheere; nur, wenn der einzelne Mann fo viel flaatöbürgerlichen Einn bat, 
daß er die Nothwendigkeit einer —— feiner vaterlaͤndiſchen Intereſſen 
und Inſtitutionen einfieht und dieſe Einſicht ſtarker if, als ver Trieb nach Bes 
quemlichkeit: nur dann iſt die Bildung eines Vollsheeres möglich. Diefe Grund» 
lagen befigen wir hinlänglich in Deutichland; fie waren vorbereitet durch bie 
bisherigen Formen der Re NEE, welche eine Uebergangsperiode zu der vollfonnmenen, 
vernünftigen ftaatlichen Freiheit bilven, fowie durch die Wiſſenſchaft. Die Armee 
befigt hinreichende Kräfte, um die nach und nad) aufgebotenen, wehrfähigen Theile 
des Volkes zu üben und die höheren Führerftellen tauglich zu beſezen. Es fehlt 
fomit nur noch an der Nutzbarmachung diefer Kräfte. Der einzig mögliche Weg 
hiezu iſt die Verfchmelzung der Armee mit dem Heere. Die Armee gilt fortan 
nur als Stamm des Auszuges, ald Waffenichulee Ein eigenihümliches 
Zeichen des Heeres ift, daß es die ſich darbietenden Erfcheinungen im Volksleben 
benugt, anftatt fi) auf eine unmandelbare Baſts zu flellen und biefer die Vers 
hältniffe anzupafien. Es beftrebt ſich nicht, da Reiterei zu bilden, wo die Pferdezucht 
und Pferdebenützung in untergeorpneter Wichtigkeit beftcht, während es bie, an 
die Pferde gewöhnten, Männer Rorpdeutichlands nicht zu Grenadieren umformen 
will, fondern bei ihren Pferden läßt. Daraus folgt, daß die Zufammenfeßung 
des Heercd eine verfchiedene, je nach den provinziellen Eigenthümlichfeiten, ſeyn 
muß. Treten die Heere auf, fo werden diejenigen Ausgleichungen und Zutheil⸗ 
ungen flattfinden, die nothwendig find. Die Grundeinheit der Heerverfaffung 
iR der Wehrbezirk, ein Landestheil, groß genug, um nachhaltig ein Wehrfußs 
volf (Eompagnte) Ind Feld zu flellen. 6 würden dazu etwa 800 waffenfaͤhige 
Männer (von 20—50 Jahren) gehören. In ihrer Gefammtheit bilden diefe 800 
Mann die Bürgerbewaffnung, aus der die Wehr (Sompagnie) des Heeres nach Bes 
darf gezogen wird, um den Auszug au bilden. Se 4 oder 5 ſolcher Wehrbe⸗ 
zirke bilden den Bezirk des Banners (Bataillons), dad man zu 5 oder 6 Wehren 
(Eompagnten) organifirt. Die Retterei kann ſich auf ähnliche Weife bilden, ihre 
Bichrbezirke beftchen unabhängig von denen des Fußvolkes und umfaſſen wahrs 
fcheinlich je einen Bannerbeztrf in den pferdereichen und mehre in den pferbearmen 
Gegenden. Die Mannſchaft ſtellt fih mit den Pferden, jedoch gegen eine 
Eniſchädigung bei Berlufte u. f. w. Unabhängig bievon befindet fi) bei den 
Stämmen eine Anzahl Pferde, die entweder dem Staate gehören, oder zu den 
Uebungen ermiethet werden, wie bei ver preußifchen Landwehr, deren Beftims 
mung IR diejenigen Leute beritten gu machen, die zwar Fertigkeit im Reiten bes 
figen, aber feine eigenen Pferde flellen können. Die dazu nöthigen Pferdewärter 
find ein Kern der Schwadron, wohl geeignet, die erworbene Dienftfenntniß 
bald auf die neuen Leute überzutragen. Die ſchwere Reiterei wird Dagegen eine, 
der jegigen Verfaſſung ähnliche, Einrichtung beibehalten müflen, da die Küraffiere 
eine befondere Auswahl der ‘Pferde und Leute erfordern. Die Gefhügtruppen 
haben keine Wehrbezirke, ihre Stämme müflen vollſtändig feyn, eben fo ein Theil 
der Mannfchaften immer im Dienfte, weil der Taufenden Gefchäfte zu viele find 
und die Führer eine weit größere Ausbildung bedurger als beim Fußvolle. Auch 
an Zugpferden bei den Fußbatterien und an den Reitpferden bei den reitenden 
muß ein Stamm gegenwärtig fiyn. Aufdie technifchen oder Arbeitötruppen 
findet daffelbe Anwendung. Der Stamm des Auszuges fleht im Dienfte 
der Reichögewalt u. unter dem Reichskriegsminiſterium; er wird nach Verhältniß 
aus den verſchiedenen Theilen oder Provinzen ergänzt, die einzelnen Glieder find 
aber nicht an das Stammland gebunden. Seine Formirung kann etwa folgende 
feun: Die großen Einheiten theilen ſich nach den Provinzen ded Staated in 
Heerthelle (Divifionen), welche unter Generalen des Reiche ftehen; ihre Unter 
abıbeilung bilden die Treffen (Brigaden), unter den Dberiten ved Reed, “DU 


"son Vollobewaffnung · 


serfallen wieder in je zwel Banner (Bataillone), deren Befehls der Banuermeiſter 
(Major, Oberftlieutenant) iſt. Hfer beginnt nun das provinzielle Element; wäh. 
rend die Generale u, Oberſien im Solveu. in der Verpflichtung der Reichsgewalt 
kim und von ihr ernannt werden, gehören bie Bannermeifter der 
fffenſchule der Provinz an u. gehen wefentlich aus ihr hervor. Jedes Banner 

at wieder 5 Wehre (Eompagnien) und A Wehtbezirke, indem nämlich die fünfte 
ir, welche die Jäger bilden, feinen Bezirk hat, fondern fi aus ven ſchieß⸗ 
ferti Männern der anderen Bezirke ergänzt, Neben dem Bannermeifter fteht der 
Stabehauptmann(Adjutant). Jede derd Wehrehat zwei Hauptleute (Eapitän, Bremier: 
Keutenant) u. 4—6 Zugführer (Lieutenants) fo wie 4 Feldwebel u. 10 Rottmelfter 
Unteroffiziere verfehledenen Ranges, Feldwebel, Sergeant, Eorporal, Gefreiter xc.) 
Das Aufrüden (Mvancement) geichieht nach — Grundzügen: im ſedemn 
Banner der Waffenfhule findet aufferhalb der Uebungszeit ein Lehrfurfus mit den 
——— ſtatt. Nach sehen Leenvigumg werben bei der Prüfung durch eine 
Eommijfon — Roitmeiſter ermittelt, die ſich * Aufrüden — Sie 
treten in die 4. Claſſe und mut fie Fönnen von der Geſammtheit der Rotlmeiſtet 
zum Aufrüden in den Grad) des Feldwebels — werden. Es gibt 
feine andere Art des Aufrüdens, als vie Wabl der Glethgeftell- 
ten oder Untergebenenz fie erfolgt bei jeder Wiederbefegung einer icer ge 
worbenen Stelle, fann von: den Beiheiligten abgelehnt, muß aber von den Bor 
geſehten beftätigt oder einem Kriegsrechte (Gejchworenen- Gericht) zur Caſſttung 
vorgelegt werden, Da die Aufrüdung nothwendig im ganıen ertheile esfolgt, 
fo wird dem General die Pflicht obliegen, auf irgend eine Weife die Reihenfolge 
der fo geräbien Eanpivaten feftzuftellen ; man Tönnte da recht gut das Alterd- 
recht (Anciennetät) als Maßſtab annehmen, fo daß jeder neugewählte Eandidat 
den legten Plap erhält. Namentlich ift die Ausbildung der Unteroffijiere von 
hohem Werthe und diefelbe hat ſich zu erftreden: 1) auf praftifche Dienft- 
Tenntniß, wozu wir rechnen, daß jeder Feldwebel einen Zug (Peloton) vollftändig 
ererzieren Fannız daß ein Zugführer im Stande if, eine Wehr von Anfang an 
durchzuererzieren und zu gebrauchen, daß fie die Grundfäge des zerftreuten Ger 
fechtes anzuwenden willen, daß fie mit dem Felddienſte vertraut find; 2) auf die 
theoretifihen Zweige oder die Militärmiffenfchaften. Die Feldwebel erhalten 
Vorträge über niedere Taktif aller Waffen, über Feldbefeftigung und Aufnahmen. 
Als Grundlage dient Mathematif. Die Taktik wird ſich weſentlich auf die Er- 
Örterung einzelner Thelle der Kriegsgefchichte fügen, 3) Auf die allgemeine Bild- 
ung. Sie erftredt fi auf die deuiſche Sprache, Geſchichte und Geographie; 
man fann auch etwas Franzoſiſch beifügen. — Die weitere Zugführerprüfung 
eht in diefen Zweigen welter; die Vorbereitung darauf lann recht gut der 
Etigfeit des Einzelnen überlafjen bleiben. Die eigentlichen Vertreter des wil- 
fenfchaftlichen Elementes im Heere bleiben die Offiziere, deren Bildung demgemäß 
eine hervorragende feyn muß. Sprachkenntniffe, Staatsrecht und Philoſophie 
find die Theile ihrer allgemeinen Bildung, vermöge deren fie ſich ebenbürtig neben 
die angefehenen Köpfe der ganzen Bevölferung fiellen können und die ihnen den, 
jenigen Einfluß ficyern, den fie als die Führer des Volles in den ernfteften Zeiten 
brauchen. Die Kriegswiſſenſchaften in ihrem ganzen Umfange müffen ihnen ver» 
traut feyn; der Begriff des Subalternoffizlers eriftirt nicht mehr, weil jeder von 
ihnen berufen if, an die Spige größerer Abteilungen zu treten; er muß ſich alfo 
dazu fählg machen. Die Lehre von der Leitung u. dem Gebrauche der Truppen, 
von den Operationen, von der Vertheidigung und dem Angriffe der Feſtungen 
ſind · jedem Einzelnen unentbehrlich. Neben diefen beſtehen noch die technifden 
3 für die Gefhüg- und Arbeitötruppen. Die Kriegsſchulen find die Sam 
melpunkte der Kriegẽ wiſſenſchaften. Ste beftehen neben den Univerfitäten, gehören 
ihnen an. Ihre vorbereitenden Anftalten finden ſich in den Real; —ã* oder 
lytechniſchen Schulen, denen die einzelnen militärtichen Zweige, die einer andern 
— — ft, als des Vortrago, bebürfen, einverleibt werden, wie z. B. dad Situa⸗ 


Volksbubnug. 607 


tionszeichnen und Aufnehmen. Dagegen kann das militäriſche Aufnehmen, das 
Rekognosziren u. Krofiren auf die Univerfltäten übertragen werden. Die Schüler 
nehmen während ihrer Studienzeit an den Waffenübungen ihrer Altersclaſſe Ans 
theil. Die Brüfungen erfolgen vor befonderen Commiſſionen, die übrigens ges 
wählt find und nicht ernannt. Die Wufrüdung der Offiziere erfolgt gleicher 
Weile durch Wahl. — Die Bürgerwehr ift mit dem Heere vollftändig vers 
ſchmolzen. Jever Wehrbezirf bildet ein Banner der Bürgermwehr, das feine ſaͤmmt⸗ 
lichen Chargen felbfiftändi bejeht, Ein Veto fleht nur den DOrtöbehörden zu u. 
ed muß dann die Wahl einem Kriegsrathe zur Entſcheidung unterbreitet werben, 
Das Banner der Bügerwehr hat die Verpflichtung, fich während ver beflern 
Jahreszeit monatlich zweimal zu verfammeln u. in den Waffen zu üben. Raus 
entlich bilvet das Zielſchießen, das man zu andermeitigen Feſtlichkeiten benügt, 
einen Hauptzweig; an ihm hat auch die heranwadyfende Jugend ſich zu betheiligen, 
damit die Schießfertigfeit mehr und mehr gehoben werde. Wan wird fidy bes 
gnügen müflen, den Auszug und die Ergänzung von Staatöwegen mit Waffen 
zu verfehen, während das zweite Wufgebot nur theilweife mit Gewehren ausges 
rüftet werden Fann. Bel Störungen der öffentlichen Ruhe u. Sicherheit fchreitet 
die Bürgerwehr ein, mit Güte oder mit den Waffen, wie die Umſtände es ers 
fordern. Sie if flarf genug, um es mit ihrer Rufe zu zwingen, geübt genug 
und gut geführt, fo daß fie die Anmenbund der Waffen verfteht und rechtzeitig 
entwideln kann. In der Bereinigung aller Claſſen liegt eine Garantie. gegen die 
zerflörenden Tendenzen ded Communismus, ſowie gegen Arbeiterexceſſe. Große 
Arbeiteraufflände werden durch die Bürgerwehr wenigftend im Zaume gehalten, bis 
die Banner der nächften Bezirke eintreffen. Die Behörden werden dann auch zur 
Stelle ſeyn und die Difriftöcommanbanten der Waffenfchule den Oberbefehl übers 
nehmen, damit Einheit in dad Handeln fomme, Tritt der Aufftand in den Eharafter 
eines innern Krieges, zerfleifcht Parteiwuth das Vaterland, dann iſt es ein Bürgers 
frieg, wie jeder andere: Fein Heer bleibt von den Einflüſſen des Bügerfrieges 
frei; e8 werben Spaltungen entjtehen u. man wird fid um feine Fahne fchaaren. 
Es {ft faft allgemein in den bisherigen Armeen ein Syftem großer, mitunter über- 
großer Sparfamfeit geltend geweſen; man hat aber trogbem nicht genug erreicht. 
Man will jeßt den Boden ded Vaterlandes um jeden ‘Brei fügen, man will 
dieß nicht nur einer einzelnen Claſſe von Gtaatöbürgern, der Armee, anvertrauen, 
fo tüchtig fie fonft feyn fann, fondern man will fletö Antheil nehmen; volks⸗ 
thümliche Inflitutionen werden durch das Volk vertheidigt, abfolutifiifche Regiers 
ungsformen brauchen flehende Heere. Eſ fragt ſich jet nit: „if ein Volksheer 
billiger ?* fondern: „erfüllt es feinen Zwed, macht es wirklich das ganze Volt wehrs 
haft in einer Weife, die auf erfolgreichen Widerſtand hoffen läßt?“ 
Volksbildung. Erſt in neuerer Zeit Hat fich die Wichtigkeit und Roths 
wendigfeit der B. geltend gemacht, obſchon fowohl über das Wefen vderfelben, 
wie über die zweckmäßigſten Mittel, den untern Ständen die angemeflene Belehr⸗ 
ung und Aufklärung zuzuführen, fehr verfchiedene Stimmen laut geworben find. 
Früher war das Volk ſich größtentheils felbft überlaffen, Schulunterricht fehlte 
— oder war doch höchſt mangelhaft; der Kreis materieller Kenntniſſe war 
berhaupt eng und umſchloß hauptſächlich die Gelehrten. Wenn nun auch das 
mals von ®. feine Rede feyn konnte, fo eriflirte doch eine Bolfsintelligenz, ein 
Bolföverftand, der feine Rabrun aus eigenem Grund und Boden, aus dem Volks, 
leben, zog und, in feiner eigenthümlichen Weiſe das originelle Wefen der Ration 
darftellend, eine bedeutende Kraft und Spannung befaß, aus welcher freilich nicht 
wiffenfchaftliche Entvedungen, oder, von der Wiſſenſchaft getragene, praflf e Ver⸗ 
befierungen, aber energiiche charafteriftifhe Handlungen ſich entwidelten. Das 
natürliche Element war der Kern jened Bolfsverftandes und die wilden Edyöß- 
linge: Aberglaube, Rohheit, Fanatismus, welche neben ihnen hervorfproßten, was 
ten, wenn man tiefer bliden will, eben fo natürliche, mit der Hauptwurzel zus 
fammenhängende, Produkte, die den gewohnten harten Tadel veranady UL Were 


608 Bolksbüger. En 


dienen. So ift die Befchaffenheit des Volles in allen eisilifirten Staaten, wo 
der Bolfsunterricht noch nicht um fich gegriffen hat und tiefer eingedrungen ift, 
Die neuere Zeit, eine Uebergangspertode, in melcher daB Alte zufammen! 
und überall neue Formen mit Geräufch fich zu geftatten werfuchen, hat in Deuti 
land bereits auch für den Zuftand des BVolfed eine Intereffante Wendung hervor 
gebracht. Die Dämme, innerhalb deren das Wiffen eingejchränft war, find nie 
dergeriffen worden; der Strom der Gelchrfamfert hat ſich auch über Die tiefer 
gelegenen Stände ergoffen und hat fi fon zu einem weiten, Harın, nur flachs 
eren & erweitert, in welchem die allgemeine Bildung ihre ruhigen, langen 
Wellen fchlägt. Man hat Sorge getragen, durch zwedmäßtg eingerichtete Bolls- 
— die Unwiſſenheit des Voifed über die Gegenſtände der Natur, die bürgers 
Einrichtingen, die geſchichtlichen Ereigniſſe des Vaterlands u. ber Menid- 
heit überhaupt aufzuklären; man hat Den Religionsunterricht ernfter und gründ ⸗ 
licher genommen und auf bie natürlichen Volföbegriffe von Recht und Unrecht 
die veredelnden Grumdfäge der chriftlichen Moral -gepfropft; man bat "endlich 
auch für nöthig gefunden, den Blick des Volkes auf die politiſche Berfaffung des 
Barerlandes zu richten, daſſelbe am feine Wichtigkeit in dem en 
erinnert und zu gemeinfamer Thärigfeit an dem Werfe patriotifcher Reformen 
aufgefordert. Das Werkzeug aber, womit man dergeftalt auf das Bolf einger 
wirft und allein einwirken fann, ift die Alles verfuchende Prefie. Weil aber die 
Freunde des Volks wohl einfehen, daß für das Volk im befonderer Weife ger 
‚ben werben müſſe, fo ließ man eime neue Gattung der Biteratur, die Bolfe 
riften, .entftehen, deren Form und Inhalt auf die Bepürfniffe und Fähigkeiten 
8 Volkes berechnet war. Diefe Schriften dem Wolfe zugänglich zu machen 
und zu verbreiten, besweden Bolfsfchriftenvereine, wie der zu Gola Dorf 
bibllorhefen, von Preußler in Großenhain angeregt und zuerft eingerichtets Wan: 
berbibliothefen, Lehrvereime ıc. Selbft eine Zeirferift wurde 1845 von Ruppius 
und J. Gersoorf, dem ruhelofen, wadern Bolföfimpen, gegründet, deren Zwed 
auf dte Richtung der, ihrem Werthe mad) allerdings fehr verfchlevenen, Volls⸗ 
ſchriften und auf die Feſtſtellung der, für das Volfsjchriftenwefen leitenden, PBrins 
spien gerichtet Äft. Denn nur Wenigen, wie König, Ruppius, dem Schweiger 
Jeremias Gotthelf ift die glüdliche Gabe verliehen, das Volk allfeitig und rich⸗ 
tig aufzufaſſen, treu zu ſchildern und von dem Wolfe felbft verſtanden und ger 
fhäpt zu werden. Wie es nun nicht zu läugnen iſt, daß allgemeine Volksſchrifien 
nicht gefchaffen werden koͤnnen und dürfen, weil jeder Volloſtamm, ja jede 
einzelne Gegend, eigentbümliche Vorftellungen, Epradye, Sitten und Bebürfniffe, 
Borsige und fehler befigt, fo mag man denjenigen, welche mit der B. den ur 
fprünglichen Voiksgeiſt feſthalten zu können meinen, entgegnen, dag mit der V. 
zugleih die Rivellirung jenes Standes begonnen hat, daß die Natur allmälig, 
aber ohne Widerrede, der Eultur Raum geben muß, daß das Volk, jemehr es an 
Wiffen und Aufklärung gewinnt, deſto mehr an origineller Haltung, an Charakter 
einbüßt, und daß das, was man jegt noch zum Theil unter Volk verſteht, d. h. 
die niederen, ungebilveten Stände, endlich mit zunehmender Bildung in die, nun 
noch über ihm flehenden, Claſſen mit feinen Anftchten, Gebräuchen, Genüſſen übers 
geben muß. l. König, „Die Erziehung des Landvoifs“ (1840), I. Ger&dorf, 
Das Bolköfchriftenwefen der Gegenwart” (1842); Ruppius und Gerddorf, „Dr 
gan für das gefammte Volfafchriftenwefen“ (1. 2. H. 1845). 

Bolksbücher werben ſolche Bücher genannt, deren Inhalt größtentheils ber 
Sagengeſchichte angehört und welche entweder im Volke ſelbſt entfianden, ober 
aus ven höheren Dichtungen im diefen Kreis übergegangen find, wobei Stoff 
und Form natürlich mannigfache Aenderungen erlitten, um den Borftelungen des 
Bolt angepaßt zu werden. Reichen die Traditionen, die den B. zu Sram 
Itegen, audy weit höher hinauf, fo Fonnten diefe felbR doch erſt nach Erfindung 
der Buchdruderfunf entftehen und fich verbreiten. Mn folhen Büchern waren 
Branfreicy und Deutſchland vorzugsweiſe fruchtbar und nicht wenige der frans 


Bolkofeſte — Bollögefeng: | 609 


zöffchen Produkte find fogar ind Deutiche übergetranen und germanifirt worben. 
In dad Ende des 15. Jahrhunderts fallen die V. Wigaloie, Triſtan, Pontus u. 
Sivonta, Fterabras, die ſchoͤne Melufine, die Schilvbürger, Hand Tucher; in 
das 16. Jahrhundert —X „Till Eulenſpiegel, Ealomon und Merkolf, 
die wänfe des ‘Bfaffen Amys, die vier Haymonskinder, Kaiſer Octavianus, 
die fhöne Magelone, Veter Leu, die Hiftoria von.Dr. Fauſtus, der hörnerne 
Eiegfried, Sriteidis, Geſchichte der fieben Echwabın, ®enovefa, die drei Rolands⸗ 
Inappen, Herzog Ernſt, Heinrich ver Löwe, Rıefengefchicdyte, Helena, Hırlanda, 
die fieben weilen Meiſter, das Schloß in der Höhle Rıza, Joachim und Anna 
u. a — Sammlungen derfelben wurden veranftaltet:, von eyerabend, in bem 
Buch der Liebe, 1587; von Reinhard, 1779; van d. Hagen und Vüſching, 1809 
und 1811; Börres, 1807; &. Schwab, 1836; Marbach 1838. Die neuerdings 
auögelprochene und anempfoblene Idee, die V. in ihrer reinen, uriprünglichen 
le in das Wolf zurüdzuführen und dadurch den finfenden Volksgeiſt zu bes 
leben, diefelben fogar zu einem Mittel der Boifsbildung zu machın, dürfte befler 
gemeint, ald erwogen ſeyn; dad Wolf, wie es jept if, dürfte weder Geſchmack 
an jenen alterthümlichen Grgäblungen finden, noch das rechte Verftändniß der 
ältern Zeit ſich anzueignen im Stunde fiyn. Für literarifche und Gulturgefchichte 
befigen fie inveflen unfchägbaren Werth. 

Volksfeſte find Hefte, bei welchen Belufigung und Unterhaltung der unteren 
Bolksktaffen der Haupızwed if, die gewöhnlid aber nur an einzelnen Orten oder 
in einzelnen Gegenden flaufinden und ihren Urfprung meiſt in Begebenheiten von 
lofalem Interefie haben. Hieher gebören befonders: öffentliche Vogel⸗ u. Scheiben» 
fhießen, Handwerkdaufzüge, mit denen auch wohl Öffentliche Spiele und gemein- 
Thafılihe Mahlzeiten verbunven find; ländliche Fee, Weittennen zu Pferde und 
zu Buße, Klettern u. dgl. mehr. 

Volksgeſang, der durch VolfSunterricht begründete und ausgeführte Geſang. 
Es unterliege feinem Zweifel, daß der Belang fräftiger Lieder auf die Bildung 
überhaupt u., unter gehöriger Leitung, auf Beredelung der G.finnung insbeſon⸗ 
dere einzumirfen geeignet if. Eine Werbreitung defiriben durch Volksunterricht 
muß daher ſtets als höchſt wünfchenswerih ericheinen u. es ift höchſt erfreulich, 
dag zu ſolchem Behuf das Meifte zunaͤchſt auf deutſche Anregung in Ausſührun 
fommt. In Paris bat nämlıh, wie bereitd an einem andern Orte bemerkt 
wurde, Muinzer einen Gejangverein von Handmwerfern u. dgl., unterflügt von 
einem andern deutfchen Landsmann, eingerichtet und feine Bemühung durch den 
glänzenpften Erfolg belohnt gefchen und in London nimmt ebenfalls der Volkes 
unterricht im Gelange unter Leitung eined Deurfchen den enıfchiedenften Yuf- 
ſchwung. Hier iR Herr Wilhelm der VBorfteher einer Befangsanftalt, welche 
in der Ereter-Hal am 13. April 1842 ihr erſtes Bolkdconcert gegeb.n Bat. Der - 
Chor beſteht aus 1500 Perfonen und die Anzahl der Zöglinge diefer Geſangs⸗ 
ſchule, meiſt Schullehrer, Arbeiter oder unbemittelte Kaufmannolehrlinge, beläuft 
fi weit über 2000. Aber audy Deutfchland iſt in dem Streben, den V. zu 
befördern, nicht äurädgeblicben. Ein tüchtiger Generalbaſſiſt, Groß, fliftete au 
Anfang des Jahres 1842 einen V.⸗Verein unter den jungen Handwerfern in 
Hamburg, der, wenigftend bid zu der Zeit des furchtbaren Brandes, mit dem 
glänzendften Erfolge fortgeführt wurde. Denn am ‘PBalmfonntage, 20. April 
1842, leiteten ſchon 300 junge Handwerker, welche vor drei Monaten noch Nichts 
von Roten u. f. w. wußten, zum erfien Mal den Kirchengefang in St. Jakobi 
durch dreiflimmigen Choralgefang. Ohne Zweifel wird dieſe treffliche Anftalt 
durch das eingeiretene Brandunglüd nicht untergegangen feyn. Wie in Frank⸗ 
reich der Verſuch gemacht ift, ven Gefang beim Militär einzuführen, fo iſt auch 
daſſelbe bei mehren deutichen Armeen beieite peichehen, bei anderen die Einleitung 
getroffen und neben Kirchenlievern werden hlezu namentlich auch folche gewählt, 
die dem Geſchmacke der Jugend an Lieder des Krieges, der Waffen, der 
Ehrenhaftigkeit, des Baterlandes. l. auch den Art. Voltslien. Ä 

Realencpciopäbie. X. —X 


610 * Volkskalender — Volkblieh * 


Volkskalender nennt man alle, zum Gebrauche as Volk eing h 
emeinverfländtiche Kalender ,: in” weldhen wort * — ifdp-chro Kanon 
Sheite nur das, was im gemeinen —— wiſſen erforverlich men, 
dagegen Manches beigegeben wird für das Geihä und fonftige 
Verbältniffe häufig in Anwendung Fommt. Haft in allen bedeutenderen Etanten 
Deutſchlands — ſeit mehren Jahren ſolche, mehr oder minder zwedmaͤßig 
eingerichtete und ſchon ausgeftartete B. — 
Bolkslied, ein zum Voilsgefange beſtimmtes Lieb, überhaupt’ aber ein welt: 
liches Lied, zum Unterfchiede von dem geiftlichen, endlich ein ſoiches, welches im 
— ‚oder häuslichen Kreiſe jur Erheiterung gelungen wird. Eme nes 


jentliche B des Bes iſt die Ginfa des Ausdiucks bei bem e⸗ 
pe Intereſſe eines, aus de Orle ee und den —* 
Bolls entnommenen Ct 


8, wodurch es für alle El des Volks ve id 
und anzichend wird. Daher verlangt man nit Rent anf B.er auch 

mäß en müffen und, was das Volk fingt, auch im Wolfe gedichtet ä 
Sowie jedoch Veraniaſſung und Inhalt der Ver verſchleden find, erbalten fie 
alsdann verfhledene Namen, als Fiſcher⸗ BA Jäger:, Kinders, 
Kriegsr, Tanz-, Zunftlieder und $, ‚ ‚gefungen beim 

Mahle, bei Volfsfeften , Beier alter — u. w. Nun beruht 
die Voͤllsdichtung ddar al A auf Liebe und Haß, auf Echmerz umd Luft, 
Staunen und Verachtung, auf ach Gefühl und Peivenfchaftz allein nicht 
darin llegt die Eigenthümlichkeit ded Ves, daß es von Individuen nach Ährer 
Stimmung in Freude und Leid gefungen wird, fondern es muß ins Volk drin- 
gen und würdig ſeyn, von allem Bolfe gefungen zu werden. — Die Zeit des 
deutichen DB. Sn - mit der — der Poeſie ver — Minne- 
fänger in die förmliche Lievertafel des Meiftergefanges, zum Theil wohl früher. 
Denn in der Mitte des 14. Jahrkunderts war fchon ein Barfüßermönc am 
-Main ein berühmter Volfsdichter. Das Eigene des B.es tft An feinem Weſen 
begründet, daß Jeder, der e8 fingt, ed mach feiner Empfindungsweife modeln 
fann, ohne daß es im MWefentlichen feinen Gehalt verliert. Daher das Hinzuthun 
oder MWeglafien eines Reimes u. dgl. — Docen (Miscellen zur Geſchichte der 
deutfchen Literatur 1, 257) erwähnt einer Sammlung der älteſten B.er von 
Augsburg 15125 eine andere Sammlung gab Rofthius, Kapellmeifter in Augs-⸗ 
burg, 1593. in zwei Bänden heraus; mehr ‚oder minder gehaltvolle Samm- 
lungen erfchtenen dann: von Percy, Eiwert, Eſchenburg, Goͤrres, Hagen, Bü 
fing, DO. 8. B. Wolff, Grübel, Hebel, M. Schottly, Gabr. Seidl u. a. In 
Aal Zeit die von Fr. €, von Erfah, Manıheim 1834; die deutichen B.er 
mit ihren Singweiſen von 2. Erf und MW. Irmer, Berlin 1838 ; die Volksharfe, 
oder Santmlung der fchönften B.er aller Nationen, Stuttg., 6 Bochen, 1838; B.er, 
biftorifche, aus dem 16. und 17, Jahrhundert nach den in der k. Hof- u. Staais ⸗ 
bibliothek zu München vorhandenen, fliegenden Blättern, gefammelt von Pb. Marim, 
Körner, Stuttgart 1840, welchen ſich die von Schott angefündigte Sammlung 
aus den in diefer Beziehung bedeutenden Schägen der Ulmer Stadtbibliothek anfchlieht, 
Ganz halte aber dürfte das Werk Uhlands über dad B., welches neben einer 
ausführlichen, die ganze Geſchichte deſſelben nnd feinen Zuſammenhang mit der 
Kunftpoefte betreffenden, Abhandlung au eine Auswahl der fchönften älteren 
deutfhen B.er nach den Urterten werfpricht, die Aufmerffamfeit in Anſpruch 
nehmen. Das Nähere über die V.er der einzelnen Nationen fiehe in ven betreff ⸗ 
enden Artifeln tn deren Riteraturen. Eine Sammlung der beltebteften deutſchen 
Lieder unter dem Titel: „Popular airs of Germany,“ B.er der Deutfchen, haben 
die Gebrüder Worch und Thomas zu Philadelphia in guter Ueberfegung veran⸗ 
flaltet. Man findet unter dieſen (184%): My joys from me are fleing, "Mich 
fliehen alle Freuden; Where is the German’s Fatherland, Was iſt des Deutſchen 
Vaterland? u. ſ. mw. Bedeutende Erweiterung wird das Gebiet des Bies durch 
ben hoffentlidy mehr erweiterten Woltsgefang (. d.) erhalten. ⸗ 


Bolkomaͤhrchen — Vollkonnmenheit. 611 


Bolkömäßrden, |. Mährchen. 

Bolköfchriften, |. Volkobildung. 

VSolks ſchulen, f. Schulen. 

Bolkswirthfchaftslehre, Staatswirthfhaftslchre oder Nattonals 
dkonomie begreift die wiſſenſchaftliche Darftellung der Berwaltung, Duellen, 
Bedingungen, Befandiheile, Wirkungen, Erhaltungo⸗ und Bermehrungsmittel 
des Rationalvermögene (f. d.). tebei haben die Deutfchen forgfältiger, 
als dieß von anderen Nationen geſchehen iſt, drei Wiflenfchafen unterfchieden: 1) 
die reine Rattonatöfonomie oder V., nämlidy die Lehre von dem Berhältniffe des 
Menfchen zu den Gütern im Allgemeinen, während die Kameralwiffenichaf- 
ten (f. d.) das Verhältniß des Menfchen zu gewiflen concreten Gütern betrach⸗ 
ten, wobei der Staat und das Gigenthbum vorausgeſetzt, fonft aber feine Rüds 
fiht auf den fördernden oder hindernden Einfluß des Staated genommen, fondern 
nur dad Berhättniß an fidh betrachtet wird. 2) Die angewandte V. oder eigent⸗ 
liche politiiche Defonomie, auch Staatöwirtbfchaftsichre genannt, oder die Lehre 
von dem Berhältniffe ded Staates zu dem wirthlichen Leben des Volkes. 3) 
Die Finanzwiſſenſchaft (. v.). — Die namhafteſten Volkswirthſchaftslehrer 
in Deutfchland find: Jakob, Sartorlus, Kraus, Lob, Graf von Soden, Storch, 
Rau, Zachariä, Bülau, Hagen, Hermann, Kudler, Eifelen, Schüs, &if u. A. 
In England: Adam Swith, Ricardo, WIE, Mac⸗Culloch, Malthus; in Frankreich: 
Say, Ganilh, Droz, Blanqui, Dunoyerz in Italien Cuſtodi. 

Bollblütigkeit nennt man die zu große Menge guten Blutes, die Teichtlich 
Beranlaffung zu mancherlei Befmbpeiteftrungen geben kann. Die V. iſt ent⸗ 
weder allgemeine ,-da denn im Allgemeinen zu viel Blut im Körper vor⸗ 
handen iſt und dieß findet fich leicht bet Traftigen, flark genährten, wenig thätigen 
Individuen; — oder fie ift nur eine Iheilweite, da einzelne Organe mehr Blut 
enthalten, als dieß fenn fol. Solche partielle oder lofale V. iſt die Folge 
anhaltender Eongeftionen (f. d.). — An ®. leivende Berfonen find fehr geneigt 
zu Biutflüffen, durch welche die B. von felbft gehoben wird ; außerdem muß fie 
ärztlich behandelt werden; — in biätifcher —— aber empfehlen ſich: Ver⸗ 
minderung der Rahrung, befonderd Entziehung aller ftarf nährenden Speifen, 
— Aufenthalt und mäßige Bewegung in freier Luft und firenge Regelung der 
Stuhlausleerungen. E. Buchner. 

Vollgraff, Karl, Profefior der Staatöwiffenfchaften an ver LUniverfität 
zu Marburg, 1794 zu Schmalkalden geboren, fludirte 1816 bis 1819 die Rechto⸗ 
wiſſenſchaft zu Marburg, wurde hierauf Regierungsprofurator dafelbft, habilitirte 
fit) 1820 als Privatdocent und rüdte 1824 zum außerordentlidhen und 1827 zum 
ordentlichen Profeffor der Staatswiffenfchaften an der genannten Univerflrät vor. 
Seit 1840 ift er auch Beiſitzer der juriftifchen Yucultät. Seine publiciftifchen 
Schriften, welche das politiihe Eyſtem Ludwig Haller’ (f. dv.) in nur ges 
singer Mopification repräfentiren und deshalb von der modern liberalen Partei 
heftig angefeindet wurden, find: Die deutfchen Standee herren, Gießen 1824; 
Revifion verfchievener deutich » rechtl, Theorien, Heivelb. 18265 Eyfteme der prafs 
tiſchen Politik im Auslande, Gießen 1828—29, 4 Bde; Die biflortich ſtaats⸗ 
rechtlichen Gränzen moderner Geſetzgebung, Marburg 1830; die Täufchungen des 
Repraͤſentativ⸗Eyſtems, ebend. 1832 u. m. a. Lebtere Schrift wurbe von ber 
marburger Studentenfchaft öffentlich verbrannt. 

Vollkommenheit ift derjenige Zuftand einer Perfon oder Sache, in welchem 
diefelbe der höchften Idee, die wir und von ihr machen, in jeder Beziehung ent» 
pricht. Während die Begriffe Vollen ung, Gwelches auch gleichbedeutend mit 

. gebraucht wird) und Voilſtändigkeit dh mehr auf das Aeußere der Dinge, 
auf das Dafein aller zu einem Gegenſtand agrerigen Theile beziehen, ftellt die V. 
den Außerfien Grad der Wusbildung des Weſens ded Begenftandes dar und & 
wiffermagen die Summe aller feiner möglichen ausgezeichneten Eigenichafen. 
voliſtaͤndiger Gegenßand Tann deshalb Nichts weniger, a\® man a 


oie — Be = 


zur B. gehört als Grundbedingung die Boll it. SBwüftäinbdgfeist wird 
daher ſchoͤn durch bie Sinne erfand; ®. — 5 allein ‚ein: Bogenfitib ver 
Bernunfterfenntniß, genifieimaßen dad zum Körper gewordene Idcal 
mel Riger Ratur. Sie iRaber entweber eine moralifche, wenn fie das Ideal 
Ghnikeun Yen Denfhearpu Bild: mad, inet mie ma Pu Pic, 
um zur t macht, immer m . 
oder eine phyſiſche und zwar thelld eine Logifche oder intellektuelle, in Bes 
ug auf den reinen Begriff, theils eine techu I ober Afthottiche 
des Ideals, wel die Kunſt aufftelt. In Weiſe bieibt Re aber ein res 
lativer riff, fi daſelbe nur nad dem Jepesmaligen Gtandpunkte der 
geikigen Bildung ded Menſchen richtet und eine abfolute 8." aufer dem. Kreife 
dee menfchlichen Erfenntniß liegt, weshalb man auch verſchledene Grade ver 
8. enpenmanen Kr tufen der —— Merle —— 
Amacht, auch Mandat genannt, hei ine ie IenserHärung, 
wodurch Jemand (der Bacigebet, Manbanı) einem Andern, (dem Deuolmächsigtn, 
Nandaiar) den Aufı und dad Recht eriheilt, im feinem, des em et 
wen irgend ein — vollzichen. Die Vollmacht bildet zwi en 
Theilen einen förmiidyen Vertrag und vird in dieſer Beyiehung audy ver Bolt 
machtövertrag genannt. Vermdge dieſes Vertrages darf ber Bevollmächtiger 
von feinem Bevollmärptigten die forgfame-umd pünftliche Bolziehung des in Rede 
SE as Weigerung ber Bolaigt eudshene, Beige foren, währene an 
H in; en , Folgen fo an⸗ 
der ſeits der —æc die, aus der genannten Beſorgung des Seſchaͤfts 
erwach ſenden, Unkoſten vom Bevollm er hinlängiichen Eriap verlangen fann. 
Me Echritte, weiche der Machihaber im Namen ſeines Mandanten thut, wachen 
dieſen legtern verbindlich und beziehen ſich in ihren Bolgen aein auf ihn. Das 
Verhältnis iſt ein und dafielbe, der Machthaber mag feine Werrichtungen unents 
geltlich thum, oder ſich Gebühren dafür vergüten laſſen. — Die ®. iR entweder 
ganz unbefchränft und verbreitet fich über alle Geſchäfte des Machthabers, in 
weichem alle fie allgemeine oder General-®. heißt, ober aber fie bezieht 
fi nur auf einen einzigen und beflimmten Gall, wo fie dann befondere 
oder Spezial⸗B. genannt wird. Obgleich nur die General» ®. zur Beforgung 
aller Angelegenheiten des Mandanten beauftragt, fo berechtigt und verpflichtet fie 
doch den Bevollmächtigten zu verfchledenen einzelnen Geidäften, namentlih 
zut Grhebung von Geld oder Geideswerth, der Leifung, Annahıne ober Gr- 
laffung von Given und der Schließung von Vergleichen, wozu eigentlich Spezial-®.n 
erforderlich wären, nur in fofern, als fie ausdrüdlich darauf lautet. . In dieſem 
Galle fteht fie übrigens im rechtlicher Beziehung der Spezial-B. gleich. Diejeni- 
gen Bälle, in denen nothwendig gerichtliche Spezial-B.en erforderlich find, find durch 
die pofitiven Geſetze der einzelnen Staaten befonders feſigeſtellt — Prozeß⸗V. 
heißt insbeſondere diejenige Art der V., welche zur Einleitung und Yührung von 
Progeffen ausdrüdlich berechtigt. 

Volney, Conſtantin Grangois Ehaffeboeuf de, ein fenfwaliftifcher 
Philoſoph⸗ harffkunt er Ehronolog und_tgeffiicher Stylift, geboren 1757 zu Craon 
(Anjou), bereiste und beobachtete genau Eyrien und Aegypten, verfuchte den Anbau 
von Golonialpflanzen auf Gorfifa und trat 1789 in die „Rtionalverfammlung. 
Dem Tode durch Robespierre'6 Sturz entgangen, lehrte er einige Zt an ber 
Rormalſchule, bereiste Rorvamerifa u. ward nach dem 18. Brumaire durch Ra- 
polgon jator, durch Ludwig XVIII. Pair. Er ftaıb 1820. B. verdankt den 
been Theil feines Ruhmes feinen „Voyages en Syrie et en Egypte“ (2 Bde. 
4787) und feinem „Tableau des Etats- Unis“ (2 Bde. 1803), in weldyen er ein 
feltenes Talent der Beobachtung, großen Scharffinn, richtiges Urtheil und aus 

jebreitete Kenntniſſe darlegt. Zugleich ift fein Styl Far, bündig, oft elegant. In 
nen „Ruines“ (1791) erfchättert er die Baſis aller Religionen. Mit Recht wird 
der Fernige Sipl und die logiſche Gedantenentwistelung im „Catöchisme de la 


H 


Bolpato — Bolta. 613 


loi naturelle (1793) gelobt, worin V. das Unglüd bat, das perfönliche Intereſſe 
als einzige Grundlage der Tugend aufiuftellen. Dem allgemeinen Sprachſtudium, 
der Chronologie und alten Geſchichte hat er wichtige Dienfte geleiftet. Oeuvres 
completes (8 Bde., Parts 1836). g 

Volpato, Biovannt, ein berühmter Kupferftecher, geboren 1733 zu Baffano, 
bildete ſich theils durch ſich felbft, theild unter Bartolozzi zu Venedig und trat 
zuerft unter dem Namen Renard auf, hierauf ging er nad) Rom, wo er Rafael's 
Werke treu in Kupfer nachſtach und auch 1803 daſelbſt ftarb. Rafael Menge war 
fein Schüler und Schwiegerfohn. 

Bolsfer „ ein uraltes und anfehnliches Volt aufonifchen Stammes in Latium, 
welches den »fünlicgen Theil dieſes Landes bewohnte umd feine eigene Sprache (die 
alte aufonifcdye oder oBcifche), Religion, Sitte und Verfaſſung Hatte. Ihre Be: 
figungen brachten fie mit den Latinern in Verbindung, die nach der Zerflörung 
Ada Longa's durch die Römer feinen Mittelpunkt mehr hatten und fich daher 
zumeiſt an die B. anfchloffen, um fich gegen das aufftrebende Rom zu halten. 
Jene Berbindung aber veranlaßte die blutigen Kriege mit ven Römern, denen fie 
endlich. unterlagen. Der Bund, den die B. mit den Latinern machten, bat zu 
mancherlet Irrthümern Beranlaffung gegeben, befonders hinfichtlich der zum Vols⸗ 
ferlande gerechneten Etüde. Antium u, andere, ſuͤdlich herab bis Terracina ge: 
fegene, Seeſtaͤdte waren nicht volskiſch, wenn die Alten fie auch fo nannten, fons 
dern vielmehr latinifch) und nur im Bunde der V. begriffen; denn die V. trieben 
weder Handel, nody waren fie mit dem Seewefen befannt, fondern in dem Flach⸗ 
lande baueten fie Getreide und Wein. Auſſer ihrem Muthe und ihrer Tapferkeit 
rühmte man nod an ihnen Treue, Einfachheit und Baterlandsliche. Auch in 
den Künften, beſonders in den plaftiichen, waren die B. nicht ohne Ruhm; denn 
aus einer ihrer Städte, Kregelä, wurde Turianus nad) Rom berufen, um bie 
Statue des capitolinifchen Jupiterd zu verfertign. Man fund auch noch zu 
Beliträ, einer andern volskiſchen Etadt, fehr alterıhümlich gemalte Reliefs, welche, 
nach der Form und den dargeflellten Yiguren zu urtheilen, auf Berwandtichaft 
mit hetruriſcher Kunft fchließen lafien. 

Volta, Alerander Graf, berühmter Phyſiker, geboren ven 18. Februar 
1745 zu Como, aus einer alten adelichen Yamilie, jeigte von Sugenb auf große 
Neigung für die Wiffenfchaften, fland 1763 bereit mit Nollet, einem berühmten 
Phyſiker Frankreichs, in Briefwechfel über phufifalifche Gegenſtände, veröffent- 
lichte 1769 eine Abhandlung: „De vi altracliva ignis electrici‘“ und hatte fidy 
durch diefe, ſowie durch einige andere Forſchungen im Gebiete der Elektrichtät, einen 
fo geadhteten Namen in feinem Vaterlande erworben, daß er zum Rector u. Pro- 
feffor der Phyſik am Gymnafium feiner Vaterſtadt ernannt, 1774 aber al8 Pro⸗ 
fefjor der Phyfik an die Univafität nach Pavia berufen wurde. 1775 erfand er 
den Elektrophor (f. d.), worurd fein Name in ganz Europa befannt wurde, 
Run folgten feine Unterfuchungen über die Sumpfluft, feine Erfindung der ilek⸗ 
trifchen Piſtole, des elektrifchen Feuerzeugs, des Eudiometers (ij. d.), des 
Condenfator’s (f. d.) x. Unfterblichen Ruhm erwarb er ſich durch feine Be- 
obachtungen und Entdedungen im Gebiete des Galvanismus (f. d.) und ins⸗ 
befondere durch die Erfindung der nad) ihm benannten Bolta’fhen Säule 
(f. Salvanismus). 1601 begab fi) B. nach Paris, um der Akademie feine 
Erfindung vorzulegen; er erndtete den größten Beifall und wurde 1802 Mitglied 
des Inſtituts. 1804 legte er feine Mrofeffur nieder und unter Napoleon’e 
Herrihaft wurde er zum Grafen und Senator des Königreichs Italien 
ernannt; 1815 ernannte ihn die öfterreichifche Regierung zum Direktor 
der philofophifchen Facultaͤt In Pavia; 1820 legte V. viefed Amt nieder 
und zog fi in feine Vaterſtadt zurück, wofelbi er am 5. März 1827 
farb. — Seine Schriften erfchienen gefammelt von Antinort, Florenz 1826, 
5 Bde. — Bergleihe: U. Seebeck, Gedächtnißrede auf A. B., Dreöden und 
Leipzig 1846. R. Varna. 


614 Voltaire, 


Voltaire, Fran cois Marie, jetter allbelannte, geiſtreiche, aber barım 

um fo Bus Aheift ded 49. Jahrhunderts, war Kar der Sohn nee Retert 
am Ghatelet u Paris und daſelbſt den 20. Sehr "1894 8 & 

gr eigentlichen Familiennamen —— t, allein theils aus Eitelfeit, 
der Name Arouet in der Ansfprache eine Zweideutigleit enthaͤlt €: (sronen); 

er diefen lehtern Namen ab, machte ſich ſelbſt sum Evelinanne = 

Monſieur de Voltaſre. = befaß. einen — den Verſtand, aufſer ⸗ 

— Urtheilolraft, ein glüdliches Geb: Kr nd eine 
Leichtigfeit in der Darftellung, bie A — 


Et 









ic) unterftüßte. Hiemit verband cr fehr vi fe 
zur. Satyre, hatte die —— ge iin — Kr war um 

Uch an infanen: ein gebörener Dichter. Seite feines ‚Her; und 
Sitten Dagegen war B. einer der ——— n feiner Zeit: ehtgeizig 
und eitel Er — Grade, geizig und habfür Ecymuge und zu den 
— ie —* ohren ie * 

je feine Stellung uchhändlern, ie © ‚eine: 
Belege liefern, Ho’ cs darauf anfam, Etwas zu eroinn Inn —— ich 


der feberträchtigften uchelei nicht, wie er \ N 
—— und — {eis "ac erg ruder, — 
janfenift war, zu war ——— 
wiederum eben fo — wegwerfend, Ihe boshaft, und unbanfbar, 
helmtüdiſch umd ni ichtig und befaß einen entfchienenen Hang, Andere 
gun demoralifiren, als er e8 fi ei wat. &8 fotinte rs fehlen, vo ſolche 
des Geiſtes, verbunden mit He au 
vol * Dämon bilden mußten, der —— Bee Folge aus ward. 
—— aa fagt Mercier: „Man hat unendlich viele Portraits von ®.; 
alle gl ach et meinem Gefühle aber ift fein einziges -unter ihnen, das 
* A Er ähnlich gewefen wäre, fondern er glich in feinen Zügen 
auffallend der großen Affenart, hatte aber ein funkendes Auge, welches dem 
übrigen Theile feines Angefichtes feine Häptichfeit benahm.” WB. genoß in feiner 
Jugend den Unterricht der Jefutten in dem Collegium Ludwige KW. Schon 
damals ftellte ihm eimer feiner Lehrer, der’ Zefuite fi Jay folgendes Prognoftiton, 
das fpäter auch aufs pünftlichfte eingetroffen ift: „Malheureux! tu seras le Porte- 
Etendart de ’Impiete!* Als er das Collegium verlaſſen hatte, war der Dichter 
Chaulieu, ein ganz fittenlofer Menfch, den man den franzöfifchen Anafreon 
nannte und der ®.6 Berbefden vollenden half, fein betänd! er Genoſſe, fo daß 
ſich Boſſuet's Ausſpruch volfommen an ihm bewähr: ie war ein Um 
gläubiger, der nicht zuvor eim A enr yewefen wäre" — 88 
erfte iterarifche BVerfuche waren: fein „Debip“, den er sie in feinem 18. Jahre 
ſchtieb, dann Eatyren. Diefe legteren aber Jogen ihm das anal zu, daß der 
Herzog von Drleand, damals Regent von — fo nachfichtii iR md . 
lafjen er übrigens war, ihm doch einen Plag in ver Baftille anmelfen lleß. 
lam indefien bald wieder lo8 und, da ed nicht an Reuten fehlte, die ihn ale einen 
Jungen Marin von Genie befchügen zu müſſen glaubten, erhielt er fogar eine 
Benfion. Allein, weil er feinen Hang zur Satyre nicht bändigen konnte, verlor 
er fie bald wieder. — Diefer Hang zur Satyre jog ihm, neben den genannten 
amd noch anderen Gefängnißftcafen, felbft dreimal Törperliche Züchtigung, als 
Ausflug der Privatrache der Beleidigten zu; ähnliche unangenehme Folgen für 
ihn hatten feine übrigen Ausfchweifungen und Lafter, unter denen gemeiner Geij 
und Habfucht nicht die legte Stelle —5 So ehrenvoll begann Die Sauf⸗ 
bahn diefes Menſchen, den nachmals die Welt fo fehr vergöttert hat, den Könige 
und Fürften und andere Große, ald Beweis des Abfalles vom lebendigen 
Glauben an Jeſus Chriftus, ihres Briefwechſels und ihrer Vertraulichkeit ger 
würdigt und als ihren Lehrmeifter verherrlicht haben; ven bie neueren Soll 
fophen al® ihren Patriarchen und Dalai» Lama verehren, den endlich das regene 


Boltaire, 615 


rirte Frankreich apotheoflrt und im Pantheon beigeſetzt bat!!! — Als ®. fchon 
damals anfing, in feinen Schriften Religion und Geiſtlichkeit zu verfpotten, was 
in jenen Zeiten noch als Berbrechen in Frankreich galt und der Regent felbft, fo 
verderbt er übrigens war, in Hinſicht auf das öffentliche Wohl dieß nicht unges 
abndet hingehen ließ, hatte er wieder nichts Anderes, ale einen Platz in der 
Baftille gu erwarten. Er Fam aber diefer Gefahr durch die Flucht zuvor, ging 
zuerſt im Jahre 1723 nady Holland und von da 1727 nad) England. Dim 
wurde er mit den Schriften der englifchen Freidenker, eines Hobbes, Collins, 
Blount, Toland, Shaftebury und Anderer befannt u. hier — wie der berüchtigte 
Gondorcet, fein Bertrauter und Mitgebilfe und nachmals fein Lobredner, ver 
ſichert — „bier ſchwor er, fein Leben zum Sturze des. Ehriftenthums und aller 

ofitiven Religionen anzuwenden” und er hat Wort gehalten. Seine Be 

üger brachten es indeſſen bei dem frangöfifchen Hofe dahin, daß er vie Er- 
laubniß erhielt, im Jahre 1728 wieder nad Paris zurüdkchren zu dürfen. Sn 
die Zeit feines damaligen Aufenthaltes zu Parts fält fein vertraute Berhältnig 
mit der Marquiſe von Ghafelet, einer geboremen Breteuil, die zu den gelehrten 
‚Weibern gehörte und, wie wenigflend geglaubt wird, in den Sprachen, in der 
Philoſophie und Mathematik ziemliche Hortfchritte für ihr Geſchlecht gemacht 
hatte. Was er in England ſich vorgenommen hatte, fuchte er nun in Franfreidy 
durch mehre Schriften wider die Religion Ind Werk zu fegen und zwar mit 
foldem Bertrauen auf feine Abfichten, daß er dem Pollzeilieutenant von Paris, 
Herault, Der ihm feine SBottlofigfeit mit dem Beifügen: „Was ihr auch fchreiben 
möget, ihr werdet es doch nicht dahin bringen, dad Chriſtenthum zu zerſtören!“ 
zu Semüthe führte, erwiederte: „So? das werben wie fehen.” Da die Heraus- 
gabe feiner „Leitres philosophiques“, die voll Ausfälle gegen die Religion waren 
und auch auf Befehl des Parlaments verbrannt wurden, ihm indeſſen einen Ber- 
baftöbefehl dugegogen batte, verkroch er fidy und lebte bei ver Marquiſe von Chaftelet 
mehre Jahre zu Cirei, ihrem Landgute, wo beide, wie fle wenigflens fagten, die 
Leibnig’fche und Newton'ſche Philoſophie eifrig fludirten. Die Pompadour 
(f. d.) erwirkte ihm endlich die Erlaubniß, fich wieder zeigen zu dürfen und er 
ward wegen feiner Tragödien fogar vom Hofe belohnt, wie er es denn auch den 
Intriguen diefer berüchtigten Bublerin und dem Herzoge von Richelieu zu danken 
hatte, daß Ludwig XV. ihn zum Gentil-bomme ordinaire machte. Er machte «6 
aber bald fo arg und zog fich durch feine Satyren fo viele Feinde zu, daß er, 
um der Baflille zu entgehen, Frankreich abermals verlaffen mußte. Verkleidet 
ning er im Jahre 1738 nach Brüffel und von da 1741 nad) Berlin, da er mit 
Friedrich II, (der das Jahr vorher den preußifchen Thron beftiegen hatte), als 
diefer noch Kronprinz war, ſchon einen Briefwechſel unterhalten hatte, worin beide 
ſich ihre Religionsanfichten mittheilten und über das Chriſtenthum fpotteten. 
Indeſſen war fein Aufenthalt in Berlin diesmal von feiner feiten Dauer, fondern 
bald war er in den Niederlanden, bald wieder in Deutfchland, bald zu Luneville 
bei der Chaftelet und bald, da feine Befchüger in Frankreich ihm fogar eine Stelle 
in der Parifer Akademie verfchafft hatten, wieder in Barie. Im Jahre 1750 
rief ihn Friedrich I. wieder nach Berlin. Er wurde Mitglied der dortigen 
Akademie, erhielt die Stelle eined Kammerherrn und eine fehr anfehnliche Be- 
foldung, neben vielen anderen Wohlthaten, womit ihn diefer Monarch, deſſen 
Geſellſchafter, Tifchgenofle und Lehrmeifter im Philoſophismus er war, übers 
häufte. — Diefe Herrlichkeit war indeffen von nicht langer Dauer. V. ward 
feine® königlichen Schülers, dem auch er ebenfalls gleichgültig geworden war, 
bald überdrüßig und beide zerfielen mit einander. Ein Streit, den er mit dem 
befannten Maupertuis hatte und einige vom Könige fehr übel aufgenommene 
Spöttereien, die er fi) gegen den General Manftein über einige, ihm zur Durch⸗ 
ſicht zugefchidte, Gerichte des Königs erlaubt hatte, bewogen ihn, Berlin nach 
einem Aufenthalte von ungefähr drei Jahren wieder zu verlaſſen. Bet feiner 
Abreiſe von Berlin hatte B. feinem gekrönten Freunde (cin Dα 


616 Voltaite. 


auf ächt philoſophiſche Weiſe noch dadurch bewieſen, daß er ihm eine Sammlun— 
A poetiichen Werke, die nur wenigen Schöngeiftern des Hofes belaunt — 
geſtohlen hatie, unſtreitig in der t, le hernach durch den Drud belannt zu 
machen. Ueber dieſe Jnfamie äͤußerſt entrüſtet, ſchickte ihm ber Monarch einen 
Major nach, der ihm auch zu Frankfurt ar et ihm den preußifchen 
Kammerberrnfcplüffel abnahm, nach dem le Königs eine derbe Tracht 
Stodprügel 4 en Duittung aufzählen lleß und ihn dang unter der Aufficht des 
ſchen — Freitag fo lange In Gewahrſam hielt, dis die geſtohlenen 
e von Leipzig, wo er ſie gelaſfen, angefommen waren, on Fran! 
reißte er nun nad) Colmar und bewarb fi von da aus um bie Erlaubniß, 
aiäete ihm en Wer, 9 In Ayon niennulaen weht er bimgen mi 
te Ähm fein Berfuch, in yon niederzulaſſen, wohin er deswegen w 
—— Ende ded Jahres 1755 gereist war Der dortige Erzbischof Hindi ibm 
nämlich an, daß ihn der König gar nicht im Relche haben wolle und jo nahm 
er denn feine Zuflucht in die Schweiz und Faufte fi wor ven Thoren von Genf 
ein kleines Landgut, welches er Delices nannte, — biefe Herrlichfeit bauerte 
Andeffen nur Furge Zeit, Da er nämlich in "den ————— 
geriet, den Samen der Uneintgfelt in der kleinen Republit ausgeftreut zu haben, 
ward er genörhiget, Delices zu verlaffen, worauf er ſich in dem Ländchen Ger 
nieberließ. Hier lebte er auf feinem Landgute Ferney, das er ſich won dem, 
auf mandperlei Wegen zufammengelcharrten, Geide gefauft hatte, noch ‘bei 26 
Jahre, die er umter den raftlofeften Bemühungen, das Chriftenthum zu untergraben 
und zu gerflören, zubrachte. — V. hatte Hange getvünfcht, wieder nach arts 
surüdfehren zu dürfen, allein ein wider ihn ergangenes Arröt des Parifer Barla- 
ments fand der Erfüllung dieſes Wunfches immer entgegen. Die große Menge 
Anhänger, die er fich durch feine vielen Schriften am Hofe gemacht hatte, Ber 
es endlich bei dem allzu’nachgiebigen und gutmütbigen Ludivig XVI. doch dahtn, 
daß die Gefege in Anfehung diefes gefchworenen Feindes alter Reltgiom, dieſes 
allgemeinen Sittenverderbers, ſchwiegen und ihm die Zurüdfehr nach Paris im 
Sabre 1778 geftattet wurde. Dies war fchon gewifiermaffen ein Triumph des 
Vhiloſophismus über die Religion. Wo V. hinfam, wo er fich bliden Tief, 
römte die Menge von Adepten, die er durch feine eignen für den Philo: 
fophiemus gemacht hatte, in Maffe herzuz die Akademien feierten ſeine Rüdfehr; 
ebenfo die Komödianten, weldye ihn noch bei Iebendigem Leibe zu apotheofren 
vorhatten und als er, um diefer Feier beizumwohnen, in dad Theater fuhr, ging 
der thörichte Fanatismus fo®weit, daß mar die Pferde Füßte, welche ihn dahin 
zogen: fogar Hoͤderweiber und Savoyarden, denen der Raufch ded Tages ebens 
falle die Köpfe verfengt hatte, eilten Yeran, um ihre Ehrfurcht zu beweiſen. Bei 
feinem Eintrttte in das Theater hatte er, ungeachtet des Beiftandes des Marquis 
de Billerte, der ihn unterftügte, Mühe, durchjufommen. Man hielt ihn auf, um 
feinen Rod zu berühren, ſtrich Tücher daran, zupfte Haare aus feinem Pelzrode, 
um Reliquien von ihm zu befigen; auf, bem Theater warb feine Statue gekrönt 
„ und der frangöftihe Unfinn ging fo weit, vor ihm auf die Kniee zu fallen und 
fie zu füffen. Auch die Freimaurerloge des neuf soeurs, an deren Spige ber 
befannter Lalande ftand, fandte eine Depuration von 40 Mitgliedern an ihn ab 
‚und rechnete es ſich als eine Ehre an, daß er ihre Starten unterfchrieb und ſich 
als ihr Mitglied einfchreiben Heß. Hier aber war feiner Laufbahn das Ziel ges 
fledt; er fiel bald darauf in eine Krankheit, welche fein Leben endigte. War e6 
Orimaſſe und Heuchelet, um ein ehrliche® Begraͤbniß zu erlangen, ober war es 
wirkiich Ernf: genug, es fchlen Anfangs, ais ob er wieder zu der Religion, 
die er fen En hindurch geiäfent hatte, zurädtehren wollte. Ex ließ 
den Abts Gauthier zu fich rufen, legte vor ihm eine Generalbeiht ab u. ſtellte 
{m Beifegn diffelben, des A666 Mignet und des Marquis de Bieillevile eine, dei 
dem Notarius Manet nievergelegte Erklärung aus, „Daß er in dem Gchooße der 
Tatholifchen Kirche ſterbe.“ diefe Apoſtaſie· war feinen Ritverſchwotenen 


Boltaire. 617 


jegen die Religion zu ernteprigend für ihre Partei. Ste vermehrten nicht nur 
ven Abbs Bauthier, welcher jene Erklärung dem Pfarrer von St. Eulpice und 
em Erzbiſchofe überbradyt hatte und mit der Antwort derfelben zu dem Kranken 
mrüdtehren wollte, fondern auch allen Geiftlichen jeden weitern Zutritt zu ihm 
nd ®B. gab am 30. Mat 1778, im 84. Jahre feines Alters, in einer foldhen 
Berzweifelmg und Raferet feinen Geiſt auf, daß fein Arzt Tronchin und der 
Marfchall von Richelieu verficherten, nie etwas Aehnliches je gefehen zu haben. — 
Kach Tronchin ſtarb er unter Zudungen der Berzweifelung mit dem Schrei: „Ich 
in von Gott und den Menfchen verlaffen!” 8. konnte nicht fehlen, 
aß ein Menſch wie B., mit feinem Witze, mit feinem Darftellungsvermögen, 
einer Thätigkeit, feiner Kunft zu gefallen, fehr bald viele PBrofelyten machte, 
umal unter einem Bolfe, das im höchftien Grade leichtfinnig und eitel iſt, auf 
velched ein Bon: Mot, ein wigiger Einfall, ein fatyriicher Zug mehr wirft, ale 
illes gründliche Raifonnement und welches das Oberflädhliche, wenn es nur 
Hängt, indgemein dem Wahren und Grünplichen vorzieht, wenn biefes nicht eine 
ehr gefäige Auſſenſeite hat und das noch überbied während der Regentichaft 
‚ed, in allen Liederlichkeiten vwerfunfenen, Herzogs von Drleand zu einem hohen 
Srade von Sittenlofigkelt emporgefliegen war. Mercier, der bekannilich ſelbſt dem 
atheiſtiſchen Philofophismus jener Zeit buldigte, kann doch nicht umhin, B. den 
großen Verderber zu nennen, der ben Königen, den Großen und allen Laftern 
eines Jahrhunderts und allen frechen, die Sitten verberbenden Irrthuͤmern, bie 
yet den Höfen angefchrieben find, gehuldigt und den Wberglanben nicht habe 
ſchlagen können, ohne zugleich die Moral tief zu vermunden; der in dem vors 
'wefflichen Buche, in Leibnitzens „Theodicse*, nichtd Anderes gefehen, als ven 
Stoff zu feinem elenden Romane „Candide“, in welchem vie tröftende Wahrheit 
von der Borfebung angegriffen worden; ver endlich mit feinem ewigen fardont- 
ichen Lachen der Nachwelt einen fchimpflichen Pyrrhonismus Hinterlaffen und, 
mit demfelben, den graufamen Leichtfinn, mit weldyem man über Tugend und die 
zrößten Verbrechen gleichgültig hinwegſchlüpft. Alles fehr richtig. Die unger 
heuere Schuld aber, welche hiedurdy auf dad Haupt dieſes Unglüdiichen gehäuft 
worden, wird noch größer, wenn man bebvenft, daß alles dieſes wohldurchdachter 
Blan war, der über ein halbes Jahrhundert hindurch mit größter Anſtrengung 
ausgeführt worden; wenn man bebenft, daß feine Schriften nody immer, auch in 
vielen deutfchen Leberfegungen, um die geringften Preiſe, feleft in vie ni brigfien 
Hütten, in einer Unzahl von Eremplaren verbreitet werden. — Nach feinem Tode 
teß feine Familie ven Leichnam einbalfamiren und unbemerkt nady Sellieres, 30 
Meilen von Paris, bringen. 12 Jahre fpäter wurbe derfelbe indeß wieder aus⸗ 
jegraben und unter großem Pompe im Pantheon zu Paris beigefept. Allein nach 
3er zweiten Reflauration, im Jahre 1817, wo dad Pantheon feinem urſpruͤng⸗ 
ichen kirchlichen Zwede wieder zurüdgegeben wurde, mußte er audy diefe Ruhe⸗ 
tätte wieder verlaffen und wurde auf einen Kirchhof gebracht. — Werke: Novellen, 
Srzählungen u. Romane (Zadig, Gengischan, Bandıde, La princesse de Babylon, 
L’ Ingene) ; ein fomifcher Epo&: la Pucelle d’Orleans; ein &po®, die Henriabe ; 
vie Trauerfpiele: Dedipe, Brutus, Zaıre, Alzire, Mahomed, Tancred (beide übers 
jest von Göthe, Tübingen 1799 und 1800), Semtramis, Oreſtes, Rome sauvde, 
Diympia, die Scythen, das Triumvirat. Hiftorifche Arbeiten B.8 find: Siecle 
ie Louis XIV. et Louis XV., Histoire de Charles Xll., Histoire de la guerre 
ie 1741, Essai sur l’histoire generale, Sur le moeurs et l’esprit des nations. 
Als Geſchichisforſcher iR B. unbedeutend. Gefammtausgaben feiner Werke er- 
ihienen: 1756, 40 Bde.; Baf. und Gotha 1785, 71 Bde; Parts 1795, 45 Bde,, 
41.5 ebd. 1817, 50 Bde., 12.5 ebd. 1820, 16 Bde. und öfters, von Dupont, 
Paris 1827, 70 Bde. Gleichzeitig erfchienen: Pisces inddites de Mr. d. V. 
und 1823 fand man in ver Eremitage zu Gt. Pıreröburg mehre ungedrudte 
Werke B.8, unter anderen einen literariichen Gommentar über Rouſſean's Contract 
social. Deutſche Ueberfegungen: von W. E. S.Myliud, Bredlan AIRI— IN, 


er 
618 Volte — Volumen. 


29 Doe.; Auserleſene Werle von Fr. Gleich, Th: Hell und W, —— 
30 Bochen, 12.; Sämmtliche Werke neu überfept von 8. ©. md F. H. 
Ungeroitter (unvollendet, Quedlinburg 1827 1830, 3 Boe;; nen überfi 
1844 und f.z Lebenebefchreibungen: von Mercier, Genf 1788 und Condoreet, 

deutſch Berlin 1791; Vie de V. suivie d’anecdotes qi composent sa,vie priwöe, 

. Paris 17975 Wagnieres und ge (feine Sefretäre), Memoires sur V. 
et sur ses ouvrages, ebd. 1826, 2 Bde; Leitres inddites de Madame ha 
er de Chatalet et supplement & la correspondence de V. avec: le roi 
de’ Prusse etc. ebd. 1818. un 

Bolte, Wendung, nennt man in ber Reitkunft die völlig runde Wend⸗ 
ung auf ver Reithahn, % daß das Pferd einen Kreis um ſich ſeibſt macht und 
bie Hinterfüfle deſſelben ald das Eentrum anzufehen find. — Im Kartenfpiele 
Yon A ſch la g en den Karten unvermerft eine andere Wendung, eine andere 

je geben. ‚ F 

Bolterra, eine, hoch auf dem Gipfel eines Berges- einfam een Stadt, 
in der Provinz Pifa des Großherzogthums Toskana, Sitz eines ſchofes und 
im Alterthume von 100,000, jet nur noch von etwa 4000 Menfcyen bewohnt, 
mit vielen Alterthüntern und Sehenswürbigfeiten, unter denen wir ‚ausheben: 
der Dom, 1254 von Pifano erbaut und 1574 reflaurirt; das Baptifterium , der 
Sage nad) auf dem Grunde eines — —— in Form eines Achteds 
errichtet. Die Kirchen 'S. Francesco und Antonioz das Frauenklofter St. Lino 
und das, eine Miglie entfernte, Camaldulenfers Kofler a Badia. Der) Palazzo 
—— dem zu Blorenz ähnlich, mit hohem Thurme über den Zinnen. “Die bier 

efindliche Bibliorhek it ein Bermächtniß des. Abbate Guarnacci u. enthält mehre 
—— alte Drude und Manuferipte. Hier it auch das Mufeum ber etrus- 

iſchen Alterthümer, aufferorbentlidy reich an Sarkophagen u: Kunft» u. 16, 
denfmalen aller Art der alten Etrudfer. B. iſt die Vaterſtadt des AulusPerfius, 
der Maler Francesco und Daniel da B., Baldaffare Franceschini, ‚genannt Bol: 
terrano, bedRaf. Maffei, — des Homer 1. — B. war im Altertfume 
eine der 12 mächtigen etrurifchen Städte, hatte 6 Migitien im Umfange, ftark 
—— eytiopifehe Mauern und fete Th ore, wovon noch wohl erhalten: 

efte zu fehen find. (Thor des Herkules mit zwei Bogen und Porta all arco, 
aus Ältefter Etruskerzeit). — Der etrurifche Begräbntäplag ift eine Miglie von 
der heutigen Stadt entfernt; die alten ®: räbntofammern find. noch zugänglic. 
Etrurifche Thermen hat Guarnacci in der Nähe der Citadelle aufgefunden; das große 
Mofaik daraus befindet fich im Mufeum. Unter den römifchen Aiterthümern zeich- 
net ſich die Piscina und das Bad des Otho aus. — Die Mauern der Jetzchadt 
rühren von Kalfer Diho her, haben 2 Miglien im Umkreiſe und find noch wohl 
abhalten. Im Mittelalter, im 12. und 13. Jahrhundert, war B. eine der nicht 
unbeträchtlichen Republifen und Fam erſt im 14. an Florenz. — Die Eitadelle 
AR von den Mebiceern erbaut und enthält- den berüchtigten, vom Herzoge von 
hen 1347 aufgeführten, Thurm Mastio di Volterra, ein Stantegefänguib, deſſen 
Mauern 11 die. verfchmachtete der ımplüdliche Lorenzini, nachdem er 
fein Werk über die Kegelfchnitte daſelbſt gefchrieben, das als MB. in ver Mag- 
eigen FE geihiigtet auf cin Pferd frl vaſſeide ruhig 
: oftigiren, mit auf el jerb foringen, mag baffehkg. 
(fliehen, oder galoppiren und zwar mit oder ohne Sreigbinel; dann Fb wit 
‚einer gewiſſen Gewandtheit fpringen. Wer diefe Kunſt verftcht, heißt Boltigeur. — 
Dann führt diefen Ramen auch eine Gattung leichter Infanterie, namentlich bei 
‚den Srangofen. Bel dieſen befinden fich in einem Bataillon von 6 Gompagaien 
A Sufiliers Gompagnien; bie rechte Flügelcompagnie bilden die Grenadiere, bie 
linte Slügelcompagnie aber die Voltigeurs, die in ber Regel das Tiraillicen und 
den üprigen leichten Dienſt verſehen. 

Bol oder Rauminhalt wird ber, von einem phuffchen Körper ein 
‚genommene, beftimmte geometrlihe Raum genannt, Bei zweien Körpern von 


47. Rore 
Eltern 


A 
3 


3 
Ro 


ER 






ie 


ETF 
f * 
2 
Han 





für hyſtſche 
rennitäaͤch George 
ſachen zu vertreten. 
beißt Boörmund, Tutor, Gurator; 
ınbefohlener; das Geige {R die Ober 
urkunde, welche dem Bormunde über bi 
Belonger, Berforger (cura- 


digen zur gungd ‚mit als 
leiten ſollten. Neuerdings iR ver Unterſchied weggefallen. Die Bormünder find 
entweder zur Uebernahme gefegltch berufen ( ), als die nächien Anverwandten, 
oder im Teftamente (testamentarü), oder fie werben enblidh, in Ermangelung 
der erfieren beiden Glafien, vom Richter felbR gegeben (det); beun jeder Bärger 
zum 60. 3 zur liebernahme dieſer t verbindlih. Der B. MR 
verpflichtet für feine Pflegebefohlenen zu forgen, ale ob es feine eigenen Kinder 
sp .aber auch ihnen und ber O , We ibn beftellte, von Zelt zu 
abzulegen und bei Riederlegung Amtes das Bermögen aus 
en haften, 
) bisher I Meg 
en ofür jene vielfältig 
die Beflellung des ausprädlichen Pfandrechts eingeführt iR. — Den Unmünvigen 
leih werden mit Guratoren verfehen alle die, welche des vollen Gebrauches 
sed Berflanded nicht mächtig. find, wie z. B. Wahnfinnige, Gemäthsbefangene 
(mente capti), Rafende und Verſchwender, deren Berforger curstor status a : 
nannt wird, . Den Frauensperſonen wird zum Schuye gramm Tod Wax 











620 „Borpoften — Dorfchlag. 


ſchlecht entweder für immer ein Curator (allgemeiner Geſchlech ) ge 
geben, welcher ihnen bet allen ihren Redhtsangelegenheiten Be I oder a 
wird: thnen bei einer. jeden einzelnen Verhandlung vor Gericht ein 
fundiger Beiftand zugeordnet. In mehren —X iſt indeſſen das — 
Geſchiecht auch in dieſer Beyiehung volfommen emancipirt und bedarf fomit 
eines — nicht mehr. 
Zorpoften, f, —— 
Ed Nachtgleichen. Genaue aftronomifche Beobachtungen hakın 
an den Firfternen * KH ‚geringe ſcheinbate —— zeigt, nach —* fe 
fich in Kreifen mit der Eftiptif parallel um die Pole erfe en zu drehen ſcheinen u, 
wodurch die Länge eines jeden jährlich etwa 504 Selunden oder in ir 
um einen Grad vergrößert wird, Bei diefer ſcheinbaren —— 
alfo dios die Länge ter &, während ihre Breite oder ih en von 4 
Eiliptit unverändert bleibt, - Die Firfterne ſcheinen folglich in Kreifen fortzugeben, 
.. je mit der Efiptif parallel laufen; I daß. e8 das Anfchen hat, als vreeien 
ch um die Pole der Efliptif. Diefe Erfcheinung kann entweder von einer 
3 Bewegung ber Firſterne felbft, oder von einer bloßen Borrüdum; 
erften Bunktes der Ckliptik, von welchem man die Längen, zu zählen — 
herrühren. Die erſtere Annahme widerſtreitet allen Erſcheinungen am Himmel, 
dagegen: fpricht Alles für die Icptere. Wenn man vie älteren ————— mit 
den neueren — ſo * daß die Längen der Sterne in einem Zeit: 
raume von chren um mehr als 30 Grade zugenommen haben.  Diefes 
wird ac sau, daß die Sternbilver des Thierkreiſes, welche jept 
nicht mehr in den Zeichen oder Theilen der EHtiptif ftehen, wo fie —— fanden, 
fondern im die nächftfolgendem übergegangen find, wie 3.8. —— terne des —— 
ders jetzt in dem Zeichen des Stiers ſtehen; daher man — witklichen oder 
ungebildeten Zeichen des Thierkreiſes von den gebildeten, d. i. von den Gtem 
bildern, deren Namen fie führen, zu —ER den hat. Aus ver Bergleichung 
ber Älteren mit den neueren Beobachtimgen beftimmt man die Größe diefer Be 
wegung fm Durchfchnitte jährlich auf 505 Sekunden oder 504 Sekunden, mas 
ir ein Jahrhundert 19 23° 54" ausmacht. Hienach läßt fidy beredhnen, daß die 
irſterne ihren fcheinbaren Umlauf um die Pole der Gftiptit in 25,700 Jahren 
vollenden, welche Umlaufszeit man das große platontfche Jahr nennt. Newton 
erflärte zuerſt das V. der N. und zeigte, daß die Gravitation der nicht volllom⸗ 
men fphärifchen, fondern um die Pole ee Erde gegen Sonne u. Mopd 
die Knotenlinte der täglichen Umwälzung atreiben wmüffe. Wenn man fh 
naͤmlich um den Aequator der (Erde Pr ing vorſtellt, welcher aus angehuf⸗ 
ten materiellen Theilen zuſammengeſetzt iR und ſich binnen 24 Stunden um bie 
völlig kugelrunde Erde vreht, fo wird zwar diefer Ring eine weit größere 
Schwere gegen die Erbfugel, als gegen die Sonne und gegen den Mond haben; 
allein beide mmelttörpet werben doch gegen ben Ring eine ſtärlere Aniehung, als 
yon die übrigen Theile der Erde, beweiſen. Well nun diefer Ring in ber 
bene des Aequators liegt und Sonne und Mond jederzeit aus der bene ber 
Ekliptik daran) wirlen, fo wirb daraus die nämliche zötrfung, wie bei den Planes 
tembahnen, enifteheng die Punkte des Erdringes werden nämlich die Ebene der 
Ekliptit bei jeder Umdrehung: etwas früher durdhfchneiden, al6 fonf chen 
würde; daher die —E oder Knoten der Umdrehung, näth ber 
Salt weldye den Bewegungen der Erde und des Mondes. emtgegengefept find, 
d. i. gegen die Ordnung Be Je an rtrüden müſſen. 
Borfchlag heißt ir der Musik die, irgend einem Hauptton in einer Melodie 
beigefügte Rote, um denfelben vorzubereiten oder zu heben. Geſchmacvoll ange 
bracht, macht dieſe Rote einen angenehmen Effelt. Die Borfchläge werben mit 
Heinen Roten gefchrieben, Tönnen ober und unter der Hauptnote genommen werden 
und unterfcheiden ſich in lange und Turze. Der lange V. auch der accentuirte 
genannt, weil der Rachdrud mehr auf ihn, ale Fl die "Hauptnote faͤllt, beſteht 


nur angefehnelt 
uhr. Accent auf die Hasptnote ‚fällt, he Br 
wud erhält, fo heißt er ver ameftuitende. deß werben ſchon diter 
B.e durch gewöhnliche Roten tn regelmäßige gebracht. &e IR 
brigeno eine riguige daß Be ef ı Können, indem fie ges 
viſſermaſſen den Begenfap des Bunktes „ während dieſer den 
— uni 1 1a Selma gan » benfelden, Indem 

muthwilig bringen, 

Borfe (providentia) ft —— Eintirkun; Golles auf bie. ‚Beh; 
wach der er be ferien Meran verbä it ige in ihr, feinem 
Bndgwede gemäß, 1 der. heil, Ei wir Glaube an die Vor⸗ 
thung bargefrlt als — X — geſchieht, das 
* wie das Klelnſte Gottes, v * cher Leitung ſtehe und. daher 
Jefdrderung en Sen ehe Denen müfle. Mit diefer Lehre verſchwindet An 
me der blinde Zufall, der unter. der. Leitung. des: blinden Ungefähr regle⸗ 

&3 fonben au ———— alle Welterſcheinungen mit une 

licher Semh sei ein ſoll. wird * 
Bi F Be a Ba alf 707 Ye de —— 
belche er die We [, en ſe 
aß fe mm Unbiwede ber 


555 aa —— Ad⸗o für die 

ag, aus radggung. er] aur 

‚weller Zwedle eingerichtet If, fondera daß Burdh ale Grfolge un Er: 

ıiffe de reiht werben A dem Gange der u. den 

alen der Böhler u einzelner den, I Weiden bi ren einer, Ach 

— Iwecke vorbereilenden und —E ttlichen Wirkfamfeit offe 
verden; eine ganze Reihe von —eS it Die Gewißheit der gönlichen 
bt il a aus der moralifchen xdnung hervor, in der wir leben und 

de nothwendig auf einen ten Belohner der Tugend u. auf einen ſtrengen 

Richter ver Lafterhaften hi ——28 dieſer wichtigen Grunde hat es 


et an Golden gı 


ertt 
terung der Welt eine gem: ‚Merlettung ber Raturereiguiffe und 
fchlichen Ka morausfebe, die mit, ver Breibet anf Ag 
eberdi ihen Einige darzuthun —5 — daß die nothwendi; 
Be der Welt —E au einem Unabändertihteh 
es überflüfüg und entbefelich mar End hr haben Biele befondert 
aran ein Wergerniß genommen, daß: fe die Tugend oft ihres Lohnes beraubt =, 
EV} sum zu a Due ah ee * — und Im i je des 
m @lüde6 ſchwelgen wendungen aber er⸗ 
Fra daß einmal Uebel, deſſen @röße bei Bel ala ſo 
I zuen ae glaubt u, das Böfe von der Ratur emdlicher, — 
Itrihume unterworfener Weſen nicht zu trennen feiz daß es 
Te felbR, die ihre Frelheit —— zur. La le und. daß — 
Berirungen und Leiden 4 & aiept un unter Goties weiſer Bährung Beſien deb 
Jungen auflöfen. des menfchlichen Bits an „ve 
sabre Freiheit der emunft und des fen mit dem Fi licyen m Genre "sol 
wenn wir uns nur bei dem Uxtheile — 


men beſichen, 
lud Aus 6 Bewul 
jenen = in —ã— der 55* Bee: Bu 
7 —8 en er um an, ich 





i re 
Mumie > 
ter gm te ®., als das 
ulm Genie 
®. ging np nad) Jena, wo er bis zum ——— 1805, in heiterer Ab; eichteden: 
beit und Üterartfchen Arbeiten befhäftigt lebte. -1805 erhielt: er einen 


ftets mit Mit 

der; damals yrei D li Win D 
me ee 
wi. aufehnl 


Dagegen ung‘ des Großherzogs Karl Friedrich von el 
—— — Sergei, ohne Amtöverrichtungen, nach Heidelberg zun 
v3 —E vorigen — Univerſität durch den Ruhm 
beizutragen, an lebte er im .unmterbrochener Thaͤtigkeit va Die 
fen, verbitterte 4 ‚eine und — Namen durch die 
mit haft gefüh; weiche er, ber LER er nords 
deutſcher —S— und eifgige Borkämpfer des 


Grafen Fr. Leopold zum führte, als ef ur ‚tarholifchen. Kirche 

en und nach a Anſich Unfreler“ orden * 
—ã dieſes re eber höher , dem 
BEE Sb BEN BI IE 
8, Krifopbaned; — Helm yo, Bl Rn 
tiefe, 7 

ans Hncase, 0 Ehe Ale ward Brig Erelberp ein Unfrdert 
PS en „Baulas Serra 1010; Soul, in alt 06 in 5 


3 — H B. —— — 
des Ben eb. zu Otterndorf 1779, war Ben. am Gym: 
fpäter Brote: au Heideiberg, wo er 1822 Rarb. Gr nahm an den chertepungn: 
feined Vaters von Aeſchylus u. Sbakſpeare's Antheil; außerdem fchrieb er — 
Anmerkungen zu der von feinem Barer 1821 heranönegebenen Ueberſehung des Kris 
ſtophanes u. a. m.; Briefe, Heidelb. 1833—34, 2 Bpe.; 5) V., Abraham, Bruder 
des Borigen, geb. 1785 zu Eutin, Pcofeſſor an dem Symnafum zu Rudolftadt, 
fpäter Dierlebrer an dem Gymnaflum zu Kreugnach, überſetzte mit den beiden 
vorigen Shalfveare'd Scaufpiele und gab Briefe feines Baters, Halberftadt 
1829—32, 3 Boe., heraus. — 6) B. Julius von, ein talentvoller, Dramen: 
und Romandichter, "geboren 1768 zu Brandenburg, tat in das, preußifche Militär, 
ward Adjutani des Ober von Hundt und zeichnete ſich mehrfach aus, nahm 
jedoch, durch Zurüdfegung verlegt, feinen Abſchied, teiote nach Frankreich, 
Schweden und Italien und lebte dann meiſt in Berlin, wo er 1832 an ber 
Cholera Rarb. Sein Geift hatte viel Elafticirät und Scharfblid, fein Humor y. 
feine Satyre find oft trefflich und feine Phantafie fehr reich; zugleich ſchildert er 
die Menfchen in ihren Verirrungen und die Mängel in politticher und fpciafer 
Hinficht mit_tiefer »ingologifcer Wahrheit. Seine beften Luftfpiele find: „Eli 
terwochen, Herr von Schievelbein, Kuͤnſtlero Ervenwallen, Liebe im Zuchthaufe, 
die Emporfömmlinge, Beförderung nach Berbienk, John Horfe und Jad Dog 
u, f. w.; übrigens ıft ihre Zahl groß. „Eine Auswahl neuer Luftfpiele* befor, 
er ſelbſt für —8 beriiniſche Hofiheater in 7 Bden (1824—27). Auch Tr 
„Kleinen Romane“ (11 Thle. 1811—16) find durch originelle Charaltere und 
Gituationen, fo wie durch Wig und Satyre trefflich Außerdem: „Traveftien u. 
Burlesfen“ (1811), Satyren und Launen (1814), Theaterpoflen nady dem Leben 
(2 Bde, 1809-20), Gemälde üppigen gefrönter Frauen (1824, mit 9. v. Schar 
den), Beiträ, ige zur Mhilofophie der Kriegetunk (1804), Fragmente über Deutfchr 
lands Bolitit und Kriegsfunk ;(1807) u. a. m. 

Votum, 1) fo viel ald Gelübde cf. d.); 2) fo viel als Abſtimmung; in 
dieſer Bedeutung-ift das B. entweder ein begutachtendes (V. consultativum), ober 
en entſcheidendes (V. decisivum). 

«Brieb, Hjeronymus von, ein in hohem Grabe verbienter, hollaͤndiſcher Ber 


den Symbolſter Greuzer & und feinen —eS Far *5* 
zen 


as « . ER . 





reiber u. Biteraber 2776 zu 9 geboren, winmete-fich ver ſophie 
be Elbrjertär yu Bubeman, eie 












sgsaphlichsitierarifchen Beruche, das „Leben des Anaragorad“ und die „Lobs 
ve auf Hieronymus von Deder” find fehr gelungen zu nennen unb bewirkten 
ne Wufnahme in das niederländifche. Inſtitut. Eine numismatifche — 
ollands (von 1723 an), weiche er in. Gemeinſchaft mit andgen Mitg 
8 Inſtituts begann, wurde nicht heendigt. piwerl, das .einen 
ahlverdienten clafiichen Ramen erlangt bat, iſt Die gefrönte Preisſchrift: 
‚roens „eener Geschiedenis der Nederduitsche Dichtikunde“ (Amflerdam 

D e., 8.). \, 

Bulcan, bei den Griechen Hephaiſtos, war nad) Ginigen ein Sohn bed Ju, 
ter und der Juno, nad) Anderen der legtern allein, obne Zuthun eined Mannes 
(8 ihr geboren, wie Zeus die Minerva ohne Zuthun eined Weibes gebar. Die 
Sttin ſtieß ihn feiner Mißgeſtalt wegen von ſich und warf ibn zum Himmel 
nunter, oder Zeus that dies, wie er ſelbdſt in der Ilias erzählt. B. war ein ge 
Hdter, von allen Göttern Hochgeichägter ‚ welcher nicht blos in Erz 
eiſterhaft zu arbeiten wußte, fondern auch fogar die Pandora verfertigte (fie 
ar nicht feine Tochter, fondern war von Ihm aus Erde gebilnet); die Gemahlin 
8 B. war nach Zliad eine Eharis, nach der Odyſſee aber Aphrodite ſelbſt, feine 
inder find : Periphetes, die Kureten, Aglalia, ae honios und Brotend. NIS 
ott ded Feuers wird er gewöhnlich mit dem Schmiebehammer , ober ſelbſt mit 
nen. Gehülfen, den Eykiopen, arbeitend dargeſtellt. Orte feiner Berehrung waren 
rzüglich die .fenerfpeienden Berge Weina nu. Befun, mehre Infeln: Bolcn 
tromboli, Lemnos, dann viele Stänte Aegyptens, Griechenlands und Sta 
denen er, als Erfinder der Künfte u. beſonders des Feuers, Tempel, !Briefter, 
sen eigenen. Cultus und oft große Feſte (Bulcanalla in Rom und Lampabophoria 
Griechenland) hatte. — Ein anderer B. iR der Sohn des Talos von Kreta 
5obn des Kres, des Alteften Könige diefer Inſel); er erzeugte mit einer Nymphe 
8 Ida den Rhadamantos. 

Bulcane oder feuerfpeiende Berge (von dem alten Botte Bulcan (f.d.), 
e nach der Mythe im Aetna auf Sicilien [eine Schmiedewerfftätte hatte), find 
Allgemeinen von kegelfoͤrmiger Geftalt, die fie fich felbft geben. Denn, fowie 
b eine Deffnung in der Erdrinde bildet, aus welcher Lava ausftrömt, Aſche 
id Steine audgeworfen werden, fo wird fich um fie herum von felbR ein kegel⸗ 
rmiger Hügel anfegen, der nit der Zeit zu einem Berge Deranwächet, 
etfptel dafür Liefert die beobachtete Entftehung ded Monte Ruovo (neuen Berges) 
I Puzzuoli in Neapel. In der Nacht vom 29. auf den 30. September 1538 
tfland Dort, nachdem man längere Zeit vorher mehrmalige Erbbeben verfpärt 
tte, auf einer Ebene eine Deffnung in der Erdrinde, woraus unter donneraͤhn⸗ 
hem ®etöfe mehre Tage hindurch eine große enge vulkaniſcher Erzeugnifie. 
ichleubdert wurde, die durch ihre Anhäufung einen Tegelförmigen Berg bildete, 
e nody jebt eine Höhe von faſt 1000 Fuß hat. Auf dem Gipfel der B. bes 
ıdet fich eine keſſel⸗ oder trichterförmige Bertiefung (Krater, von dem gries 
iſchen Kparyp, Becher), aus welchem die vulfanifchen Erzeugniffe ausgeworfen 
den nnd die fi vach unten in eine fchlotähnliche Röhre verläuft, oberhalb: 
er von einem, mehr oder weniger durchbrochenen, Ereisförmigen Walle (Kras 
rrand) umgeben iftz zuwellen, wie beim Gotopart in Süpamerifa, beſteht 
fer aus einer beinabe ſenkrechten Felfenwand, welche den Zugang zum Krater 
öl macht. Pr flürzt der Rand ded Kraters hinab In denfelben, ober 
ird beim Herausfchleudern der glähenden Mafie mit fortgerifien, fo daß Hi die 
eftalt ded Kraterd mit der Zeit ändert; aber nicht immer ergießen fidy bie 
serigen Maflen blos aus dem Krater auf den Gipfel. ded Berges, fondern 
ufig öffnen fidy neue Krater an der Seite des Berged, welche neue Kegel bil 
n, wodurch dann ſogar bie ganze Geſtalt des Berges derungen erleidet. 
fan unterſcheidet (nach Leopold v. Buch) Au drucheoxx an are, 


Realencyclopäble. X. 





626° Bulcanı, 
bungsfrater; durch erſtere haben wirfliche Aus! glühender Maſſen fatt- 
gefunden; lehtere dagegen find fraterähnliche Bodenformen umd fo entftanden, 
daß eime große Fläche durch vullaniſche Gewalt Fegelförmig emporgehoben wurde 
und dadurch in der Mitte eine ftarf Haffende Deffnung, fo wie von Diefer auds 
gehende, radienförmige -Riffe erhielt. Diefe Erhebungsfrater finden fidy häufig 
auf ben canarifchen !nfein und in den vullantſchen Landftreden Südfrankreichs 
Cantal, Montv’or). Dft kefünbet ſich auch in dem Ethebungskrater noch ein Aus⸗ 
bruchöfrater, wie beim Pic auf Teneriffa, Während manche ®. fortdauernd thä ⸗ 
tig find, wie 3. 8. der Etromboli, („ver Leuchtijurm des Mittelmeereg“,) ver- 
harten wieder die meiften lange Zeit, jeibft Jahrhunderte bindurch, im Zuftande der 
vollfommenften Ruhe. Dann fliegen ſich die Ausbruchöffnungen in kun er 
Einfturzes der Wände, es verwittern die obere Schladendede und fogar die Wände 
des Kraters und Ändern ſich in einen, für die Vegetation günftigen Boden um, 
wodurch die fonft raube' Außenfeite des Berges fich reunptich geftaltet. So war 
der Vefuv zwifchen dem 12. und 14. Jahrhundert auf feiner ganzen Oberfläde 
angebaut und feibft der Boden des Kraters mit Kaftanienbäumen beſetzt. Viele 
B. find auch ganz erlofhen md als foldhe nur dem Geologen kennilich; in 
der Auvergne, in der Eifel, im nordöftlicyen Spanien xx. finden ſich foldye, — 
Der Ausbtuch (Eruptfon) eines B.s dürfte die ſchönſte, zugleich aber auch die 
furchtbaifte aller Naturerfcheinungen ſeyn. Unterirdijches Getöfe, als deſſen Ur 
fache plögliche gewaltfame Auspehnungen wäfleriger Dämpfe gelten, die, früher 
—— nun, um ſich Bahn zu brechen, ihre Felſendecke fprengten ıc. — 
d das Erſcheinen oder Zunehmen des aus dem Krater aufſtetgenden u 
Am die erften Vorboten eines Ausbruches. Die Erde erbebt. Diefes Erpbeb 
plant ſich oft in bedeutende Entfernungen fort; Quellen, oft in weiter Berne, 
verfiegen; das in der Nähe befinvliche Deeer tritt zurüd, indeß es fi am anderen 
Stellen über feine Ufer ergießt. Mit gewaltigem Toben und mit ungeheuerer 
Srigfet fteigen aus den Hauptöffnungen und den eben erft entftandenen Riſſen 
der Wände Iuftförmige Flüſſigkeiten, belonoer Wafferdämpfe, hervor, die, unter 
mifcht mit ftaubartigen Stoffen, Trümmer von fiften Gefteinen, welche ihnen im 
Wege ftehen, losreigen und weit umberfchleudern. Bald erfiheinen diefe Dämpfe 
in Horm von Haufenwolfen, bald als eine mächtige, dem Sturmwind trogende 
Säule, die ſich oberhalb weiter ausbreitet und die Geftalt eines Pinien » Baumes 
annimmt. Unzählige Blige zuden aus den Wolfen. Die Erpflöge folgen rafcher 
und heftiger aufeinander; die Maffen von Rauch, Keuerfiumpen, Dampf, Sand 
und Ajche nehmen immer mebr zu und verwandeln nicht felten’den heilen Tag in 
finflere Nacht. Nun ergieft fich die Lava aus den Epalten an den Bergabhängen, 
odır auch bei niedrigen V.n über den Kraterrand und erflarrt bald auf ihrer 
Dbarfläye zu einer dichten, fdhladenartigen Rinde. Zulegt fleigen nur noch Eands 
und Aſchenwollen in die Höhe, die dann in foldyer Unmaſſe berabfallen, daß fie 
ganze Gegenden zu begraben vermögen. (S. d. Artıfel Herculanum, Boms 
peji.) Das Ende der ganıen Erhption wird gewöhnlich von welfenbruchähnlichen 
Regengüffen begleitet, die ſich mit der trodenen Aiche verbinden und einen zäben 
Teig diden, der nach der Zlt zu einer fteinigen Waffe umgewandelt wird. Häus 
fig zeigen ſich nach dem Aurhören des Auebruchs ſchädliche Gasacten. namentlich 
Kohlen ur Gas (die fogenannten Mofetien), die aus Kellern, Gewölben, Feldern 
hervorbrechen. Die Menge der ausgeworfinen Maſſe iſt ungemein groß. Man 
berechnete, daß die L.va des Aeina vom Jahre 1769 einen Berg aufmachen 
würde, der viermal_fo groß, als der Brjuv, wäre und daß die: Lava des 
Stapıär Zötul auf Island 1783 die Waffe des Moniblanc fechmal 
und die des (Ehimborafjo 23 mal übertreffen würde. Die Hide der Lura 
iR fo unendlich groß, daß das Ingere derfelben, namenılid bei_tiefen 
Errömen, oft noch viele Wochen, feltft Monate flüifig bleibt, und erſt nad 
Jahren gänzlich erfaltet. Die Größe der Laraftröme dh ziemlich ver ſchleden ; 
fo war der Strom des Veſuv von 1005 wiſchen 30 u, 40 hoch, 16,730' lang 


50' breit der Strom in Island von 1783 befland aus 2 Armen, die 11 
deutſche Meilen lang, 2-3 Meilen breit und 100-600‘ mächtig waren. 
efchindtgkeit der Lava, im Banzen nicht bedeutend, wird bedingt durch 
enge und Fähigfeit der Mufle, fowie durch vie Bodenbefchaffenheit. — 
. laſſen Ah (nah Leop. v. Buch) in 2 Glaſſen theilen, näulich in Gen» 
und Reihen »+®. Jene bilden ſtets den Mittelpunkt mehrer, um fie ber 
en Seiten wirkenden Ausbrüche; biefe liegen hintereinander, wie Eſſen 
er großen Spalte und erheben fidy entweder als einzelne Kegel aus dem 
e des Meeres, oder fie Rehm auf ver Gebirgsreihe ſelbſt und bilden deren 
Zu den befannteftien B.n Europa’6 gehören: der Veſuv im Königreich 
(f. d.), der Werna auf Sicilien (ſ. d.), der Hella Staptar Zökulıec, 
land, die B. der liparlichen Inſeln u. f. w. Sehr groß ift die Anzahl ver 
Aften und es if ſehr wahrſcheinlich, dab noch nicht alle befannt find; 
78 zablreid find vie Feuerberge in Kamtſchatka, ferner auf Java, unter 
der Bapandayang der größte, auf den Banda, Infeln der —— 
n Aleuten, den japaniſchen Inſeln sc. Auch Afrika's feuerfpeiende Berge 
ei weiten nicht alle bekannt, beſonders jene des Feſtlandes und des 
1, man erzählt von 8 B.n, die in Monomotapa, Angola, Kongo, Guinea, 
und Atyıfinien liegen follen, deren neuere Reifende j:voch nicht ermähnen; 
den Feuerbergen der afritaniichen Infeln - iR der Pie von Teneriffa oder 
i Tayda am befannteften. Die grösten aller ®. finden fich in Amerika, 
Nühe des Aequators; der mächtigfte, -fowohl an Groͤße, als Wurh, iR der 
xt; bekannt find nody: der Puchuocha, der Tungurahua, der Peteros im 
ec. Auf Reubolland fleigen aus vielen Gpaltın ded Berges Duingen 
Schwefeldä.npfe bervor, Lava wurbe aber noch nicht gefunden; do häus 
nd DB. auf den Infeln. Man berechnet die Zahl der gegenwärtig thaͤtigen 


erge: 
auf dem Feſtlande, auf Inſeln, tm Bangen, 

Furopa . ® 1 ® 0 . ° “ 11 “ ® ° 12 
lien . . .. BB... 22.4... 32 
Afrika . . . 0 — 0 0 ⸗ o 0 6 © . . 6 
laadifı . ...58.. . 3... 6 
lufralien . — ... 52... 99% 

Zufammen 67 . 6... 163 


heiligen Schrift kommen nur wenige Stellen vor, aus denen mit Zwer⸗ 
it zu Ichließen if, daß ihre Verfafler von B.n und deren Wufung Etwas 
13 Dagegen berichten Rhiloſophen, Geſchichtsforſcher und D.chter alter Zeit 
seuerberge. In der Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt die allgem:ine 
ung und Theilnahme der B.n⸗Erſcheinungen. — Biele Wuebruchsfegel 
nur Gaſe, Waſſer, Schlamm, Raphta ıc, bieweilen auch Blöde aus und 
mLuft- over Shwammov. genannt: da fie meiftend ſalziges Waſſer ents 
jo nennt man fie auch Salſen. Hicher gehört der Macaluba zwiſchen 
iti und Arragona auf Eizil:en, 150' boch, der von mehr al6 100 Heinen, 
hoben. Erhöhungen umgeben ift, aus denen Blafen von ſalzigem Schlawm 
' zu 160° Höhe emporfteigen und mit einem feinen Knalle zerplagen; bids 
Fab:n aber auch bedeutende Auswürfe von Erde, Schlamm und ermeichrem 
u :ter fürchterlichem unterirdiſchem @eröfe ſtatt. Die beveutendften Salfen 
mın in der Krim, auf Java, Trindad 1 Bit Bılu am kaſpiſchen 
find ebenfalls Schlammv., welche die wachfenden Berge grnannt werden; 
nden id auch B., welchen brennbare Gasarien (Kohlenwaſſerſt ffgas) ent 
1. Auch dem Meere entfteigen V., fie werden aber mei nur da in wahrs 
men, wenn ihre Gipfel fo hoch werden, daß fle die Waſſerfläche überreichen, 
ſchließt aus den, im Berhäumiß zum Lande fo bedrurenden, mit Waſſer bes 
Flächen, daß die Zohl der untermeeriiden (fubmarinen) & —X 
ſeyn muͤſſe. Gar oft tauchen ſolche Eliande auf, —9 N 


638 Bulgata, 
felten {m griechiſchen Archipelagus der Ball. Eines der neueften Beifptele gewährt 
das Entſtehen der IInfel Ferdinanden, welche 1831 dem Kanale a 
Arita und Sicilien vom 28. Zunt bis 11. Jull mit Erdbeben entftieg, 
gegen Ende des Dezember aber bereits vom Meere wieder verſchlungen 
wurde, weil fie nur aus einer Auffchütterung lockerer Maffen befand, tie 
die Unterfuchungen der Geologen dargethan hatten. Das Zufammentreffen 
der Ausbrüche verfchievener B. in weit von einander gelegenen Orten und die 
faft immer gleichzeitig vr idenden Erdbeben im entfernten Gegenden beftätigen 
die Bermuthung, daß alle B. mit einander in unterirdifcher Verbindung flehen, 
welche ſich fogar unter dem Meere fortfegt, So brachen gleichzeitig aus: im 
3: 1730 3. auf Island, der Veſuv, der Weft-River-Mountain in Norvamerifa 
und zugleich fand die vulfantfche Zerftörung der Infel Lancerote ftatt5; — 1737 
der Ben und der Amwatichiasfata auf Kamtſchatla, — 1755 der Aetna, der 
Kötlugia auf Island, der Schwefelberg auf Guadeloupe; in demfelben Jahre das 
fürdterliche und mweitausgebreitete Erdbeben, welches Lifjabon zerſtörte; — 1766 
die V. auf Island, Jtalien, Siellien, Isle de France; auf Trintvad fanken mehre 
Berge beveutend herunter und in Andalufien wurde ein furchtbares Erdbeben ver: 
fpürt. (Brot. Aler. v. Humbolot, über den Bau und die Wirfungsart ver B.; 
— Deffelben Reife in die Aequinoctialgegenden des neuen Eontinents, 5 Bde. — 
Leop. v. Buch, phyſikal. Befchreibung der canarifchen Infeln.) - aM. 
Qulgata heißt die, in der Fatholifchen Kirche approbtrte und Allgemein ge 
brauchte, Iateinifche Bibelüberfegung. — Anfänglich, wo das Ehriftenthum in den- 
jenigen Ländern auftrat, in benen die Kenntnig der griechifchen Sprache allgemein 
verbreitet war, war eine lateinifche Bibelüberfegung weniger nothwendig. Daher 
finden wir auch erft zu Anfang des 3. Jahrhunderts bei afrikanischen Vätern 
eine Iateinifche Meberfegung im Gebrauche, die wahrſcheinlich am Ende des 2, 
Jahrhunderts im nördlichen Afrika, den heutigen Barbarestenftaaten, durch wen, 
weiß man nicht, entftand und von da fich allmälig nach Stalien und weiter 
verbreitete. Andere glauben, diefe Ueberfegung, die im alten Teftamente aus ber 
Septuaginta gefloffen war, fei in Italien entftanden; noch Andere geben fpegiell 
Rom als ihren Entfiehungsort an. Diefe Eontroverfe kann zwar mit Sicherheit 
nicht entfchleden werden; da jedoch die fehr reichhaltigen Ueberbleibſel diefer Ucber- 
fegung, welche der gelehrte Mauriner Peter Sabatier aus den Eitaten der Väter 
zufammengeftellt und 1743 zu Rheims herauegegeben hat, offenbar ein afrifani- 
ſches Eolorit an ſich tragen, fo ift die Meinung, jene Ueberfegung fei im nörds 
lichen Afrika entftanden, die wahrfcheinlichere. Diefe Ueberfegung wird bei ven 
Alten bald Itala (bie Italiſche), bald Vulgata (die Verbreitete), bald Usitata (bie 
Gemwöhnliche), bald Vetus (die Alte) genannt. Manche Gelehrte, auf das Zeugniß 
des hi. Auguftin bauend, nehmen mehre borhierongm ſſche lateiniſche Ueberfegungen 
an, unter denen die ſogenannte Itala die vorzüglichſte ggwefen ſei. Dies fagt 
Auguftin offenbar und die Verfuche, dieß aus feinen Worten wegzubiöputiren, 
find vergeblich und beruhen auf willkürlichen Derbrehungen und Wortcorrecturen. 
CE. Hug, Einleitung I. pag. 407. sq. 4. Ausg. Auguflin fagt nämlich, De doct. 
Christ. II, 11: „Diejenigen, welche die hl. Schriften aus der hebräifchen Sprache 
in die griechifche überfept haben, können gezählt werben, die lateinifchen Weber 
feger aber find unzählbar. Denn Jeder, dem in den früheften Zeiten ein griechi⸗ 
fcher Coder in die Hände fam und der fi nur einige Kenntniß beider Sprachen 
utraute, unterfing fich, zu überfegen.” Und ebenbafeldft, cap. 15: „Unter... . den 
berfegungen hat die Itala den Vorzug; denn fie verbindet mit Deutlichfeit der 
Gedanken größere Worttreue” (ald die übrigen Ueberfegungen). Ob aber Auguftin 
fich nicht geirtt, das iſt eine andere Frage, die wir darum bejahen möchten, weil 
fonft nirgends mehre lateinifche Ueberfegungen erwähnt werden. Der Irrthum 
Auguftin’6 entſtand wahrfcheinlich daraus, daß durch Die unzähligen Beränderungen 
der Abfchreiber die urfprüngliche Ueberfegung fo verändert ward, daß fie kaum: 
mehr zu erkennen war, Auguſtin nun, detſen geringe Kenntniß der bi 


Sulgata. 29 
‚Urfprachen befannt IR, konnte, indem er mehre lateiniſche, unter. einander fehr 
‚abweichende, Codices verglich, leicht glauben, «8 feien dies verſchiedene Webers 
Keunaen da er ja nicht Stande war, die Urfprachen gehörig zu vergleichen. 
efe Bermuthung erhält aus einer Weußerung des —* elehrten und kritiſch 
hoͤchſt gepanbten Hieronymus viele Wahrſcheinlichkeit. Diefer Hagt nämlich in 
einem Briefe an den Bapft Damafus über Die entiehliche Verwirrung der Lefearten 
der lateiniſchen Bibel und fagt „daß faſt jedes Manufcript eine eigene Ueber⸗ 
febung zu feyn fcheine.” Um enblich dieſem Schwanken des VBibeltertes ein Ziel 
zu feßen, forderte Papſt Damafus den heiligen Hieronymus auf, das alte 
ment nach der Septuaginta und das neue nad) dem Urtexrte & revidiren und zu 
berichtigen. Hieronymus begann auch alsbald zu Rom die Arbeit mit Revifion 
des Psalterii, welches zuerft in Rom, dann bald allgemein unter dem Ramen 
‚Psalterium romenum“ in der Kirche angenommen wurde. Als Hieronymus fich 
—* nach Palaͤſtina begeben hatte, revidirte er das alte Teſtament nach der 
eptuaginia, das neue nach dem Urterte und nahm dabei fo viele verbeſſernde 
Zenberungen vor, daß feine Bearbeitung eine.neue Ueberfehung genannt werben 
fonnte. e Kirche nahm jedoch von dieſer Ueberfegung, von der ein großer 
Theil Schon dem Hl. Hieronymus abhanden kam, Nichte ald das Psalterium und 
auch dieſes nur allmälig an; in das — kam es jedoch nie. Dieſe Arbeit 
iſt nicht auf uns gelommen. Bald nachher uͤberſetzte Hieronymus die ganze 
Bibel aus der hebraͤiſchen und griechiſchen Urſprache, mit Ausnahme des due 
der Weisheit, des Sirach, Baruch und der pe Bücher der Maffabäer. Obwohl 
diefe Arbeit für den fprachlicden Standpunkt ver amaligen Zeit böchft ausge⸗ 
eichnet war, ſo fand ſie doch nur ſehr wenig Anklang. [bft der hl. I in 
* ſich (wenigſtens anfaͤnglich) mißbilligend aus, erklaͤrte das ganze 
für eine devenkliche Neuerung und bob namentlich hervor, daß durch diefe Ueber⸗ 
fesung die Harmonie mit der morgenlänvifchen Kirche, welche die Septunginta 
gebraudhe, geflört werde. Rach und nad) jedoch fand fie Eingang. Es gehörten 
zwei Jahrhunderte dazu, um fie völlig über die alte V. obflegen zu laflen. Denn 
erft nad) dem Jahre 600 warb diefe durch Hieronymus Ardeit verbrängt, jedoch 
mit Ausnahme des alten Psalterii, welches flet6 beibchalien wurde. — Zur Zeit 
Karls des Großen waren bie Banbiäriiien wieder dernlaßen verunftaltet, daß 
diefer dem gelehrten Alkuin, Abt zu Tours, befahl, einen gereinigten Text ber 
hieronymiſchen B. nach Iateintfchen codices erzußenen. Diefe Tertesrecenfion 
wurbe fpäter im fräntifchen Reiche allgemein eingeführte. Im 11. Jahrhunderte 
machte ſich um den Iateinifchen Tert beſonders verdient Lanfrank, Biſchof von 
Canterbury, dem fich die geiftlichen Orden, namentlidy die Dominikaner, anfchlofien. 
As aber nach Eıfindung der Buchdruderfunft die 8. vielfach gedruckt wurde, 
zeigte fich wieder eine ungemeine Textesverſchiedenheit. Die nun und naments 
ih die vielen, damals anftauchenben, theils arg häretifchen, Iateintfchen Webers 
feßungen veranlaßten die Väter des Trienter Concils, fi) der Sache anzunehmen, 
Nachdem zuvor der Antrag Einiger, nach dem Ulrterte eine neue Ueberſetzung 
fertigen und publiciren zu laffen, gefallen war, wurbe in der Sitzung vom 
8. April 1546 (Concil. Trid. sess. IV.) folgendes befchlofien: „Die Hl. Synode, 
in Erwägung, daß der Kirche Gottes Kein geringer Rugen erwachien fönne, wenn 
erhelle, weldye von all den lateinifchen Ausgaben der bi. Schrift, die im Umlaufe 
find, für authentiſch (pro authentica) zu halten fei, beftimmt und erflärt, 
daß eben Se alte und verbreitete (V.) Ausgabe, die durch den langen Gebrauch 
fo vieler Jahrhunderte in der Kirche erprobt worden ift, bei Öffentlichen Bote 
lefungen, Diöputationen, “Predigten und Wuslegungen für authentiſch gehalten 
werben foll u. daß Niemand, unter was immer für e Borwande, fie zu vers 
werfen fich Fühn vermeſſe.“ Im demfelben Decret heißt es dann welter unten, 
daß die V. „fortan möglichſt verbeſſert“ gedrudt werden folle. Wer aber 
faßte die Verbeſſerungen vornehmen? Das ſagt die Synode nicht. “Doch at 
man aus der Faſſung des Decrets felbk, auch wenn man rd ab X 





‚62 Bulpius. 

teinere Geſtalt hätte bringen Fönten. Dieſes wichtige und merkwürdlge Ergebniß 
der Kritik verdanken wir vorzüglich einem ausgezeichneten proteftantifi Vhilo⸗ 
logen, Karl Lachmann, vgl. deſſen Ausgabe des N. T von 1842, In der überaus 
Tebrreichen Vorrede zu dl Do nabe ehr derfelbe den Fritifchen Werth der V. 
auf das treffendfte und evidentefte hervor. Aber auch ſchon vor Lachmann haben 
proteftantifche Koryphäen den großen Werth der V. offen befannt, wie 3. B. 
Beza, Iſaal Eafaubonus, Hugo Grstins, Richard Bentley, Leibnig, beide Buztorf, 
Balton, MN, Michaelis. Nur muß man fich hüten, der B. auch in formeller 
gift oßen Werth zuzuftehen. Ste entftand in einer Zeit, wo bie claſſiſchen 
stubien ſeht tief gefunfen waren, iſt in einem höchſt barbarifchen Latein verfaßt 
und überhaupt in Pillologifcher und Aftethifcher Hinficht, den Maapftab von 
Da angelegt, ohne Bedeutung. Aber. der Buchftabe tödlet, der Geift macht 
benbig und man muß die Zeit, in der fie entftand, berüdfichtigen, Für das alte 
Teftament freilich ift die ®. Eu weit weniger wichtig. Denn, man fage was 
man wolle, hier wird man ſchwerlich weit über den maforethiichen Tert hinaus 
tommen, mit dem ohnehin die DB. meiſtentheils harmonirt. — Schließlich iſt noch 
furz eine Frage, welche in neuerer Zeit aufgeworfen wurde, gm beantworten, mäms 
lich: weßhalb die Kirche noch feinen hebri und gtiechiſchen Urtert fanetionirt 
babe, Antwort: weil die Kirche nicht hebtälſch und griechiich, ſondern lateiniſch 
Bas weil ihre Lehre nicht vom Buchftaben abhängt und weil fie auch ohne 
bel Kirche wäre und eine Zeit lange war. * iſt die Kirche Durch die Bibel 
beglaubigt, fondern die Bibel durch die Kirche, Die wiffenfchaftliche Kritik des 
biblifchen: Urteres aber überläßt die Kirche ihren Theologen. Deßhalb muß man 
“ lächeln, wenn ſelbſt katholiſche Theologen glauben, der heilige Stuhl: werde che 
ſtens einen hebräifchen und griechifchen Tert fanctiontren, weil dieß der gegemmärs 
tige, ſo weit vorgerüdte, Stand der Wiſſenſchaft — erheiſche. Der heilige 
Stuhl hat wichtigere Dinge, zumal jetzt, wo er nach Gaöta verrüdt iſt, zu ber 
denfen, hat audy eine viel zu erhabene Anficht von’ der Freiheit der Wiſſenſchaft, 

als um mit Kolben drein fchlagen zu wollen. Frhr. v. Berlepsch. 
Vulpius, Chriftian Auguft, eim fehr fruchtbarer Romanfchrififteller, ge- 
boren 1763 zu Weimar, ſtudirte zu Jena und Erlangen die Rechte, trieb aber mit 
jtoßer Vorliebe Literatlr. Er war Sekretär des Grafen von Soden, lebte in 
ang und Grlangen, wurde Theaterbichter , Leihbibliothefar und Inſpeltor des 
Münzkabinets in Weimar und farb als Rath 1827. Er war nicht ohne Talent 
und Phantafte, ſtieg jedoch zu fehr zu dem gewöhnlichen Lefepublifum herab und 
leitete durch feinen „Rinaldo Rinaldini“ (4 Thle. 5. Aufl. 1824) leiver die 
Wafferfluth der Räuberromanen ind Land. Seiner verſchiedenen, zum großen Theil 
mehrbändigen Werke find über 60, meift Ritter-, Abenteurerz, Zigeuner, Zauberer: 
und ähnliche Gefellfchaft ; auch einige Dramen, eine Zeitfchrift (die Vorzeit, 
1817—20), ein „Handwörterbucy der Mythologie und der nordifchen Völker“ 
(1826) ; „Eurtofitäten der phyflfal. - literar. » artift. » biftorifchen Vor⸗ u. Mumelt“, 
“0 le., 1811—26). Am beften find: „Auswahl romanıifcher Gemälde”, 
@Thle. 1793) ; „Romantifche Geſchichten der Vorzeit“, (10 Thle. 1792—98); 

mThhring. Sagen und Voltsmährchen“, (2 Bde. 1822) u. dgl. 


B—Bästt, 8688 


RB, 


W, 1) als Laut- und Schriftzeichen der 23. BVuchſtabe im veutfchen 
Iphabet, gehört zu den wehenden Spiranten (Blafelauten), unter denen er ber 
veichefte u. fanftefte if. Die meiften Sprachen gebrauchen indeſſen flatt ded W 
ad V. — 2) Ws Abkürzung: a) in der Geographie: Weiten oder weſt⸗ 
ih; daher W. 8. — tefliche Länge; b) in Rußland bei Ber g von Orts⸗ 
curge == Werſte; c) in Cours⸗Berechnungen = 3qh) W. W. m 
— — 3 ß. die in Deßerreich noch übliche Währung. des Papiers 
—7 (der Einlöfungsfcheine) gegenüber der Siiber⸗Währung, 100 W. W. = 

Gonventiond- Münze. 2 

Waadt (Pays de Vaud), der neunzehnte Kanton der Schweiz, grenzt gegen Oſten 
m Freiburg und Bern, gegen Süden an Wallis, den Leman und Genf, gegen Beten 
m Frankreich, gegen Rorden an den-Reuenburgerfee und Reufchatel. Der Umfang bes 
rägt 555 [J Meilen. Auf einer Seite zieht der Jura durch's Land, auf der andern bie 
lipen, gegen die Mitte erhebt fi) der Jorat. Doch fieht man im Innern des 
dantons feine hohen Berge, weßhalb er auch den Namen de Vaud (Thal) ers 
alten hat. Aber im Oſten des Genferſees erseichen die den Alpen angehörenden 
nd mit ewigem Schnee bedeckten Diablerets eine Höhe von 10,000. Außer 
er Rhone, welde auf einer Strede die Grenze gegen Wallis bildet, hat der 
tanton feinen namhaften Yluß. Neben dem Bene: und Reufchatelerfee 
Ind noch die von Four und von Bret zu bemerfen. Das Klima if in den 
Riederungen mild und angenehm, rauber in den Alpenregionen. Die freundlichen 
Hegenren um den Genferfee wählen Eränkliche ‘Berfonen häufig zu Ihrer Erhols 
ng. Meberbaupt ift W. eines der fchönften und frudhibarften Länder ber 
Schweiz. Die Begetatton ift üppig und mannichfaltig; der Botaniker findet hier 
ine reiche Ausbeute. Das türfiiche Korn gebeiht vorirefflich, eben fo der Wein- 
to. Pfirfiche, Diandeln, Yeigen und SKaftanien Tommen gut fort. Bon den 
Baldbäumen find die verbreitetiten die Tanne und der Ahorn. Das Minerals 
eich liefert Gyp8, Marmor, Bergharz, Salz. Schwefelbäder. Auf den Höhen 
er Alpen find Gemfen, weiße Hafen, ermeline, Murmeltbiere, auch Luchſe und 
Zartgeter anzutreffen. Seevögel find ſehr zahlreich. An einfamen Stellen des 
'eman findet man Fifchotter von außerordentlicher Größe; derſelbe See hat Lachs⸗ 
orellen bis 50 Pfund ſchwer. — Die 200,000 Einwohner des Kantons find, 
is auf 6000 Deutfche, tomantfcher Abkunft. Man bedient fich jebt allgemein 
er franzöflichen Sprache, und dad romaniſche Patois, welches das Volk Früher 
edete, lebt nur noch in einigen abgelegenen Thälern. Mit gutem Erfolge wer⸗ 
en Getreide- und Gemüfebau, Obſtzucht und Weinbau betrieben. Der Wein if 
ines der Hauptprobufte des Landes und man unterfcheidet davon zwei Sorten, 
en Ryf⸗ und den Racotewein. Auch vie Bienucht, zum Theil ven lat, 
t erheblid. Die Salinen von Ber, das einzige ältere Salzwerk in der Schweiz, 
tefern jährlich gegen 40,000 Itr. Salz. Der Gewerbefleiß beihäftiget fi vors 
ehmlich mit der Berfertigung von Leinwand, Leder, Porzellan, Töpferwaaren, 
Ihren, Btjouterien. — Sm religiöfer Dealehung ehören die Waabtländer der res 
ormirten Kirche an, mit Ausnahme von 3 oliten, welche vier Pfarreien 
ilden und unter dem Biſchofe von Freiburg ftehen. Bel den: Reformirten fel 
ſt übrigens in lester Zeit eine Spaltung eingetreten. Die Diffidenten haben fi 
on der alten Landeskirche abgetrennt und eine freie waabtländifche Kirche —* 





et. Für den Volksunterricht if gut geſorgt. Es gibt im Kanton mehre Gym⸗ 
aſten und Schullehrerfeminam, dann viele Bolksichulen und Arknetintikehe. 


| "WG 


634 s Waadt. 
Peftalogiſche Anſtalt in Yoerdun iſt in neuerer Zeit von ber Lehtmethode ihres 
Gründers abgegangen. Die Kantonsbiblioihek zählt 45,000 Bände. Much bu 
ficht zu Lauſanne ein Kantonemufeum, Sammlungen von Naturalien und Alters 
thümern umſchließend. Im Ganzen haben indeß die wiflenfchaftlichen Beſtreb⸗ 
ungen im Vergleiche mit ihrem früheren Stande Rüdichrirte gemacht, und ind 
befonders mußte die weiland berühmte Akademie zu Lauſanne die deſtrultiven 
Tendenzen des auch im Waadtlande zur Herrichaft gekommenen Ravifaliemus 
fchmerzlich empfinden. — Die Staatsverfaffung, wie fie durch die Revolution von 
1845 umgeftaltet wurde, iſt repräfentaıiv-demofratifdh. Die Eomveränt: 
tät wird von den in allgemeinen Kreis« oder Gcmeindeverfammlungen zuſammen ⸗ 
getreienen Afivbürgern, und in ihrem Ramen von der verfafjunsmäßigen Re 
gierung ausgeübt. Die geichgebende Gewalt bildet der Grope Rath, die vol, 
Fehende und verwalende der Staatsrarh, beftehend aus 9 Mitgliedern, die aus 
der Mitte des Großen Rathes gewählt find, Tie Eivilredhtepflege liegt im den 
jänden des Kantonsgerichtes, der Bezirkagerichte, die je nach der Weife ihrer 
ufammenfegung in höherer oder niederer Inſtanz fprechen, und in demen der 
fedensgerichte. Die peintiche Gerichtebarkeit wird von dem Kaffationsbofe, 
dem Sriminalgerichte, den Korrefitonals und Polizeigerichten autgeübt. Auer 
dem hat das Gefep ein Geſchwornengericht für Rriminal» und ımes für Kor: 
refrionalfälle einge ſett. Die Verhandlungen fin» öffentlich. Die Staats einmabmen 
belaufen ſich auf ungefähr 1,650,000 Frfe., die Ausgaben auf 1,550,000 186. Zum 
Rationalratbe ſendet W. 9 Abgeordnete, zum Bundeökontingent ſtellt es 5359 Mann. 
Gingeiheitt ift der Kanton in’19 Bezirke, die zufammen 60 Kreiſe aua machen. Die 
Gefammtzahl der Gemeinden beläuft fi auf 338. Die Hauptkudt it Saufannı 
(fe d.). Andere bemerfenswerihe Drtichaften find Bevay, Nyon, Dperbun, 


Avbenches, Orandjon, Ber, das alte Schloß Ehillon im Genferfee xc. — 


MW. gehörte in alter Zeit zu Helvetien und umſchloß die damalige Haupıftadt der 
Helverter, Aventicum, fpäter Avenches oder Wifliöburg gebeißen. Hier faß ſchen 
frühzeitig ein Biſchof, dir aber im 4. Jahrhunderte nach Lauſanne überſiedelte. 
Spärer geboten im Lande die Burgunder und Franfen, dann die deutichen Kal 
fer, welde dad Haus Zähringen damit beiehnten. Um 1370 finden wir W. füR 
anz in der Gewalt der Sralm von Eavoyen, welchen es zu Anfang des 16. 
Gaketanderıs die Berner abnahmen. Diefe führten in dem eroberten Lande ger 
mwaltfam die Reformation ein und vertrieben 1536 den Biſchof von Laufanne, 
der nun feinen Sit in Freiburg aufſchlug. Ueberhaupt beiradhtete Bern die 
Baadıländer als bloffe Unterthanen, fo zwar, daß die Bebrüdungen, welche «6 
gegen fie ausübte, eben nicht das befte Zeugnig für die ſchweiſeriſche Freiheit 
gaben. Im Jahre 1798 endlich riß fi W. auf Frankreichs Betrieb von Bern 
108 und wurde ein felbiifländiger Kanton unter dem Namen „Lman*, Seiiden 
hat es ſich viermal eine Verfaſſung gegeben — 1803, 1814, 1831 u. 1845. Die 
Umwälzung im leptgenannten Jahre gi ng von den Radikalen aus. Die Gaͤhr⸗ 
ung, welche der Aufenthalt der Jeſuiten in Luzern veranlaßte, benügend, hatten 
fie den Großen Rath, während er im Schloſſe von Laufanne diskutirte, zu zwin⸗ 
gen gefucht, in Ihrem Sinne zu handeln. Da die Majorität defielben nur von 
einer freundfehaftlicjen Mahnung der Tagfagung, Luzern möge die Jıfulten ent: 
fernen, eiwas hören wollte, hetzie die Demagogie das Volk der Landpifirifte auf, 
und diefeß, tn dem Wahne, Regierung und Rath feyen den Jefuiten verkauft, 
umwogie bald von allen Selten den Palaft. Tumultarifhe Verfammlungen, die 
am 14. und 15. Februar ftatt fanden, beftimmten endlich die legalen Bebörben, 
ihre Entlaffung zu geben, und eine Fonftituirende, von den Häuptern der fiegen⸗ 
den Faltion beherrſchte Verſammlung trat an ihre Stelle. Gine allgemeine Pro 
ffeiption traf nun Miles, was, in der Verwaltung, in der Kirche, In ber Literas 
tur fih ausgtichnend, einer fofematiich von ihren Demagogen gegen bie Tradi⸗ 
tionen des Landes aufgeftachelten Mafle einen Damm ent; — m loͤn⸗ 
nen ſchien. Auch die Akademie zu Lauſanne erfuhr eine Saͤ 8 im radilalen 


Bang — Maage. 85 


Sinne. Die größere Zahl der Pfarrer und Geiklichen (185), In ihrem Gewiſſen 
verlegt durch die Machtgebote des neuen Staatsrathes, der fie zur Theilnahme 
an feinem Berfahren ndihigen wollte, ſchied aus der Kirche. Die Diſſtdenten 
vereinigten fi) zu einer Eynode und nahmen am 12. März 1847 einmüthig bie 
Berfaflung der freien waadtländifchen Kirche an. Aber der Staatsrath unters 
fagte alle rellgiöfen Berfammlungen außerkalb der Landeslirche und verorbnete 
bie Gingränzung der Geiſtlichen, welcke denfelben vorftänren, in ihren Gemein⸗ 
den, — eine Eirafe, die biöher nur über liederlidhe Menſchen und Landſtreicher 
verhängt worden war. Der radikale Nöbel feinerfeits hatte fchon früher feine 
— Anfihten über Freiheit und Toleranz dadurch manifeſtirt, daß er den 
osteödienft der Dirfventen flörte und ihre Bethäufer verwüßcte, wobei die Rıßs 
liebigen ſelbſt grobe förperlihe Miöhandlungen zu erleiden hatten. — 2. Bulr 
liemin: Der Kanton Waadt — aus ver franzöfifchen Handichrift- überfegt von 
®. H. BehrlisBoijor, Et. Gallen und Bern 1849. | mD. 
Bang, die, — ungariiy Vagh — entſteht im Liptauer Komitate des Kds 
nigt ichs Ungarn aus der fhwarıen und weißen Wang, die ih bei Kiraly⸗Lebota 
vereinigen, nımmt viele Kleinere Fläffe auf, worunter die Arva, Thurocz, Ki 
sucza, und durchfirömt das berriihe Waagthal, weiches nicht weniger reich an 
malerifchen Schönheiten, als an hiſtoriſchen Erinnerungen if. Sie ändert häu 
ihr Beu und verbeert Das umliegende Land durch Ueberichwemmungen, wes 
ber Ungar von ihr fagt: „Zu fpät gelommen fei Die Waug, als Gott ber Der 
die Gewaͤſſer vıpnete ; darum tet fie verurtbeilt worten, zu irren ohne beſtimmtes Lifer, 
woher aud) ıhr Rume Vaga, die Herumirrende.* Der Verkehr auf viefem Fluſſe 
iR außerorventlid, lebhaft, obmohl die %.hrt, wozu man fid) der Floßgebinde und 
Plaͤnen bed'ent, durch den teißenden Lauf und das felſige Bert fchwierig, mitun⸗ 
ter jogar gefahrvoll gemacht wird. Dies iR befonders in den Gırompäflen So⸗ 
tole und Margitta der Fall. Bei Nöfenyg bricht fi) die W. zum letten 
Dia’e an Fetewaͤnden und ſchleicht nun zwifchen kahilen Hügeln, endlich durch 
Eümpfe und Auen näg dem Neubfäusler Donauarme zu. Ihre und dieſes Ars 
mis bet Gutta ſich vereinigenden Gemwäfler nehmen den Namen Waag⸗Donau 
(Vagh⸗Duna) an und fullen bei Komorn, noch durch die Reutra verfärkt, in 
den Hauptitrom. Bon Lehota bis zur Mündung bei Gutta berrägt die Fänge 
der %. 395 Meilen. Den Fall nimmt man zu 300 Kluften an. — Ja der 
W. leben große Barben von BU bis 10) Pfund. — v. Mednyanoky: Maler 
ifche Reije auf dem Waagfluſſe in Ungarn, 1826. mD. 
WBaage, die, ift ein fteifer, unbiegiamer, gleidharmiger Hebel, welcher jenen 
Drebpuntı genau in der Mitte hat, während an den beidın Enden die in's Gleich» 
gewicht zu dringenden (zu wägenden) Laſten hängen. Der Haupitheil diejer, der 
gewönmligen Kramers oder Kaufmanns⸗W., IR der elferne oder ftählerne W.⸗ 
alfen. Er enthält über feinem Umprehungepunfte sechwinlelig die Zunge; 
der Umprehungspunft ſelbſt aber enthält zwei glatte Zäpfchen, die in den 
ber Scheere ſpielen, zwiſchen welchen die Zunge den gehörigen EC pielraum bat. 
An der Scheere, die chen einın Rıng hat, hänge man die W. auf, oder man 
hält fie da auch zwiſchen den Fingern. Die =. iſt im Gleichzewicht, wenn ver 
W.⸗Ballen genau horizontal u; die Zunge mitten in der Gcheere Recht; alsdann 
muß die gleihurmige W. auch auf beiden völlig gleichen Schaalen gleiche Ge⸗ 
wichte angeben; fdyon bei einem Heinen Webergewichte muß fie nad) der Geite 
des größern Gewichtes ausfchlagen und nach gehobener Ungleichheit wer Ges 
wichte muß fie wieder in den Zuftand des Gleicgewichts zurüdtehren. D 
Gigenichaft muß eine empfindliche W. haben. Die Eigenichaft der Empfindii 
keit ıR noch größer, wenn die W.⸗Balken länger find, der Schwerpunkt näher 
an den Umprehungepuntt des W.⸗Balkens gebracht und die Reibung der Zapfen 
in der Scheere vermindert worden iſt, hauptſächlich dadurch, daß fie aus gut ges 
härtetem Stahl, an der die Scheere berührennen Stelle recht Yünn und \ 
gemacht worden waren. Iſt vie Zunge unter gleidyen Atrigen alikınhen \eage 





636 Wange 


und bünner, fo bemerkt man an ihr den Ausfchlag genauer, und wenn berfelbe 
auch Hein iſt. Bei einer richtigen gleicharmigen ® muß der W.+ Balken fowohl 
für ih, ohne Schaalen, ald auch mit den Schaalen und mit ven ver elten 
Schaalen, leer, oder in beiden auch mit gleichen Gewichtern verſehen, das Gleich⸗ 
gewicht: haben, — Die Mechaniker conftruiren die Win auf fo verſchiedene Arten, 
daß es unmöglich ift, fie hier fämmtlich zu nennen und zu befchreiden. Nur dich 
verdient bemerft zu werden, daß die Beinbeit der 9 en W.n aüſſerotdentlich groß 
iſt. Man —* es dahin gebracht, daß fie ein liontet der Laft ſchon durd 
einen merflichen Ausſchlag angeben; diefe W.n haben eine feine Spinvel, d. b. 
bei ihnen ragt der Zapfen nicht zu beiden Seiten des Balfens hervor, fondern 
er liegt mit — anzen Schärfe auf einer Achatplatte auf. Solche W.en find 
die, nach ihrer-Befiimmung verſchieden genannten, Brobir- oder JZuftir-, Ju 
welen-, GoldeW. u. ſaw. Doch iſt das Wägen mit fehr feinen W.n höchkt 
seftraubend und Sorgfalt erforbernd. Denn, wenn auch zur Abhaltung des Luft- 
zuges die W. in einem Glaskaſten fich befindet, fo dauert es doch wegen der, 
nad) den Pendelgefegen — — Schwingungen fehr lange, ehe der hori⸗ 
zontale Stand des Balfens eintritt, zu deſſen vollfommener Herftellung meiftens 
die hinreichend feinen Gewichtsthelichen fehlen. Eine andere Art von W. ift die 
Schnell⸗W., aud römische WW; genanns, die aus einem MW.-Balfen mit un 
gleichen Armen befieht. Der kürzere Arm hat, mit feinem Haden‘ zufammenge 
nommen, ein fo großes Gewicht, daß er mit dem Milan Arme im Gleichgewichte 
iR. An den Haden des fürzern Arms wird die zu wiegende Sache angehängt, an 
dem längern Arme aber Tann ein Gewicht hin u. her gefhoben werden. Jemehr 
nun die zu iwiegende Sache Gewicht hat, deſto weiter muß das verſchiebbare un 
veränderliche Gewicht am längern Arme vom Ruhepunft entfernt werden und 
umgefehrt, ſobald endlich Gleichgewicht ftattfinden fol, ine Theilung am ®. 
Ballen felbft dient zur Angabe der Größe des Gewichts des abgewogenen Sache, 
Mit einer Schnellwage fann man alfo mit einem einzigen Gewichte verſchieden⸗ 
Laften abwägen. Zu großen W.n jedoch, an denen 3. B. gelavenes Fuhrwerl 
gem werben fol, find zufammengefegte Schnell -W.n, d. h. die fogenannten 

rüſken-W.n (Straßenwaagen) erforderlich. Vortreffliche Kunſtweike dieler 
Art find namentlich die ältere und neuere in Leipzig; biefelben find feſt ange 
bracht, fowie die aus Gifenbein verfertigten hinefifhen Schnell-®.n. 
Noch verdienen die in neuerer Zeit fehr in Gebrauch gefommenen, ebenfalls zum 
Abwägen größerer Laften beftimmten, tragbaren Brüden-W.n oder Bascülen 
«on Aulnteng, Role und Schwiigue) Erwähnung, da fie einen wefentlichen 
Bortheil der Bequemlichkeit dadurch gewähren, daß ein gehe: Theil des get 
werles unter den Wägebrüden liegt, % alfo verhältnigmäßig blos geringen Raum 
einnehmen und aufferdem, fobald fie in eine Vertiefung des Fußbodens eingefenft 
werden, eine Zbälgung ber zu wiegenden Laften auf die Brüde geftatten. Eine 
Abap, der Schnell W. at die fogenannte ſchwediſche Schiffe-W. und 
ſchwediſche Schnell-W., weil bei diefer letztern der Unterſtuͤzungspunkt uns 
veränderlich if. Hier muß man zuerft den Schwerpunft des, an dem einen Ende 
mit einem unveränderlich bleibenden @ewichte, an dem andern Ende mit einer 
W.⸗Schaale befchwerten W.-Balkens, mit Einſchluß des in Rede ſtehenden Ges 
wichts u. der W. s Schaale, ſuchen. Große Genauigkeit gewährt jedoch diefe W. 
nicht. Dagegen Kat Weber in feiner Commentatio de tribus“novis librarum 
construendarum methodis drei neue vortreffliche Arten von W.n angegeben, über 
die man I. A. Grunert's Lehrb. d. Math. u. Phyf., IM. Thl., 1. —D Leipz. 
4845, wo auch eine allgemeine Theorie ver W. überhaupt anzutreffen tft, nach⸗ 
lefen kann. Endlich haben wir noch einige Worte der hydrauliſchen Schnell: 
W. und der Univerfals®. zu widmen. Letztere beftcht aus einem hölzernen, 
janz regulären, in eine gewiſſe Anzahl gleicher Theile getheilten Barallelepipedum; 
k ruht mit gewöhnlichen, unten zugefchärften Zapfen in Pfannen auf einem 
Stative. Diefe Univerſal-W. dient gewöhnlich, die Theorie der W. ans 


Wach — Wachholder. cer 


aulich zu machen Die hypdrauliſche Schnell⸗ W. dagegen dient nicht als 
ägender, ſondern als ein, die Geſchwindigkeii eines Stromes meſſender Apparat, 
t, auf dad Prinzip des Waſſerſtoſſes gegen eine Flaͤche von gegebenen Inhalte 
gründet, aus einer Tafel beſteht, die an einer vorn kantigen Stange fo tn das 
Jaffer berabgefentt wird, daß dieſes lothrecht bagegen Rost. Die junge kann 
rch ein Hebelſtück geſchoben werden, um bie —*— tiefer herabzulaſſen, ſie ſelbſt 
er bewegt einen doppelten Hebelarm, an deſſen einem Arme ein Regulirungs⸗ 
wicht angebracht if, um den horizontalen Stand des W.⸗Ballens hervorzus 
ingen, während. ein Laufgewicht den Drud des Waſſers abwägt. Diefe Schnell⸗ 
z., fowie die Alkoholometer, Aörometer, Dreh⸗ Win, Waſſer⸗ und Setz⸗W.n u. 
w. find nicht eigentliche W.n und gehören folglich nicht hierher. 

Mad, Wilhelm Karl, Brofefjor der Geſchichtsmalerei und Mitglien bes 
enate® der Kunftafademte zu Berlin, fowie einer der Mitbegründer der neuen 
erliner Malerfchule, geboren daſelbſt 1787, bildete fich in feiner Vaterſtadt un⸗ 
: Kretichmer, folgte Pierauf dem Rufe der Freiwilligen zur Bertherbigung des 
aterlanded und kam mit diefen 1815 nad Paris. Er verlieh nun, dem 
ernen Kreuze gefchmüdt, den Militärſtand und ſtudirte in der Hauptſtadt Frank⸗ 
ichs die dortigen Kunftwerle, fowie nachher jene in Stalten und kehrte erf 
319 nach Berlin zurüd. Hier richtete er nun, im Bereine mit Schadow und 
egas, feine künftlerifche Thätigkeit auf die Begründung der neuern Berliner 
älerſchule und farb 1845 ale Vicedirektor der Alademie, an der er von 1819 
3 1841, wo er die erfigenannte Beförberung erhielt, ald Profeſſor gewirkt hatte. 
‚eifterwerfe von ihm find: die nem Mufen am Plafond des neuen koniglichen 
haufpielhaufes, die Altarbilder für die Garniſons⸗ und Werder'ſche Kirche in 
lin, für die proteflantifche Peter-‘Baulsfirche in Moskau (eine Auferftehung 
riftt), die Belehrung der Pommern dur Bifchof Otto von Bamberg für den 
ınftverein von Pommern. 

Wachau, ein, im Leipziger Kreife des Koͤnigreichs Sachſen gelegenes, etwa eine 
eile von erfigenannter Stadt entfernted Dorf und Rittergut, tft berühmt in ver 
uern Kriegsgeſchichte als Mittelpunkt der Völkerſchlacht bei Leipzig (ſ. d.). 

Wache bezeichnet 1) in der Militärfprache einen Boften von einem oder 
hren Soldaten, die zum Schuge u. zur Sicherheit irgend eines Gegenſtandes 
fgeftellt werden. Nach der verſchiedenen Abflcht, aus welcher ein Poften aufs 
teilt if, if auch deſſen Benennung verfchleden und fo haben wir Haupt-W.n, 
(che die Rebenpoften ausfegen, in Garnifonsorten 20.5 Feld⸗W.n, welche bie 
orpoften auöftelen und Schild⸗W.n, der einzelne Mann, welcher gerabe 
a Poften befett bat. Im ausgedehntern Sinne verfteht man in milttärtfcher 
deutung unter Poften auch eine größere militäriſche Aufftelung an einem, 
ibrend eines Krienee wichtigen Punkte, Die Wichtigkeit ver W.n, von denen 
: im Felde dad Wohl und Wehe einer ganzen Armee abhängen kann, macht 

nothwendig, daß auf Bernadhläfftgung der Pflichten eine fehr firenge Strafe 
fest iſt; bagegen haben dieſelben auch wieder große Gewalt in den Pinden u. 
Widerſetzlichkeit gegen eine W. oder Schild⸗W. wird in den Milllaͤrgeſetzen 
Widerſetzlichkeit gegen einen Vorgeſetzten gleich geachtet und eben PL bart ger 
ndet. In den Krlegözeiten werden die Vergehungen einer W. noch erhöht u. 
erhaupt wird jedes Verbrechen, welches von einer Schild⸗W. begangen worben 
‚ doppelt fo hart beftraft, als es fonft gefchehen feyn würde. — 2) Auf den 
hiffen nennt man W. einen Zeitraum von 4 Stunden; der Tag wird in ſechs 
her W.n eingetheilt, während welcher die eine Hälfte der Beſatzung arbeitet 
d die andere Hälfte ruhet. | 

achholder (Juniperus), eine Gewaͤchsgattung aus der Familie der Zapfen- 
ume (Coniferae), deren Fruͤchte dad Anjehen einer Beere haben, aber eigentlich 
ıpfen find. Die männlichen Blüthenkägchen find elliptiſch und gefonvert von 
n weiblichen, fo daß fie fidy entweber auf einem andern Stamime, oder auf 
ver andern Stelle des gemeinfchaftlichen Baumes befinkenz Wr nciililen 








J— 


NER 


hen find fugelig und beftchen aus 3 bis 8 Schuppen, berem jede einen Frucht 
Inoten umfchließt. Zur Zeit der Reife werden dieſe Schuppen fleiſchig und vers 
—* miteinander zu einer Scheinbeere; die Blätter find nadelförmig und an- 
gedrüdt. Die Früchte reifen bei allen Arten erft im zweiten Jahre. Der ges 
meine ®. (Juniperus communis) if in ganz Deuiſchland, won der Seeküfte dis 
auf die Hodalpei, häufig und wird in dürren ſchiechten Lagen ftraubartig,_in 
feuchten, etwas fchattigen Orten dagegen ein Baum vonı20—30* Höhe. Die 
jeifen, ftechenden Nädeln fteben zu 3 in Duirlenz die Blüthen erſcheinen im Mat 
und die erbfengroßen, blaufchwarzen, gewürzhaften Früchte reifen im Herbfte det 
weiten Jahres. Sein Holz ift wohlriechend, hart, rothbraun und wird von Tiſch⸗ 
lern und Drechslern zu feinen Arbeiten geſucht. Belannt iſt die allgemeine Ans 
wendung. ber Früchte oder fogenannten W.+Beeren (Bacci Juniperi) als Arzneis 
mittel (W.-Ratwerge, W.-Del), als Räuchermittel, ald Gewürze an Speifen und 

ir Bereitung des W.-Branntiweind (Genever). Die harzige Eubftang,- melde 
ich zwifchen Holz umd Rinde anfammelt_ und fi dann auch ofı in der Eite 
vorfindet, war früher ald deutfher Sandaraf oder W.- Harz (Sandaraca 
germanica vel Resina Juniperi) gebräuchlich. Der ſtinken de W. oder Seren 
(Sade-) Baum (Juniperus Sabina) wird bie und da in Gärten gezogen, wächst 
übrigens in den Alpenthälern als ein 4—5' hoher Straud wild, Seine N 
dein find fehr Klein, zu 2—3' gegenüber, oder im Dütrl ftehend, fchuppenförmig 
und dicht an dem Zweig angedrüdt, felten etwas abftehend. Die Beeren find den 
vorigen faft glei. Die ganze Bflanze hat einen wiverlicyen, wanzerartigen Ge⸗ 
ru und ift gifiig., Man gewinnt aus ihr ein ärhertfches Del (Oleum Sabinne), 
welches in der Wrjneiunde angewendet wird. Ginige aueländifhe MW.rArten 
—— Ahurifera und phoenicea) ſollen eine Art des Wethrauchs (f. d) 

Mt, aM. 

Wachholz, Eriedrih Ludwig von, herzoglich braunfehweiatfcher @eneral- 
major, geboren zu Bredlau 1783, beſuchte das Gymnaſium zu Brieg, meldyem 
damals der berühmte Rıftor Scheller vorftand und trat 1797 als Fahndrich in 
die Armee ein, rüdıe 1803 zum Lieutenant. vor und beim Auebruche res Krieaes 
von 1806 gie fein Regiment zu denjenigen, die zuerft in das Feld rüdeın 
mußten. Bel der aligemeinn Flucht der Preußen nad) ver Schlacht von Auer 
ſtaädt wurde W. ebenfalls bis Magdeburg mit fortgerifien, wo ein ernfllicer 
Wiverftand hätte geleiftet werden können, allein in folge der Capitulation des 
alten Generals von Kieift wurden die Soldaten kriegsgefangen nach Frankreich 
geführt und die Offiziere gegen das Verſprechen, in diefem deldzuge nicht mehr 
dienen zu wollen, entlaffen. W. begab fi nun nady Brieg, wo er aber nad 
der Uebergabe diefer Siadt in die traurigften Umſtände fam umd, da die rang 
ofen ihrerfite die Kapitulation von Magdeburg nicht bielten und den DOffixieren 
feinen Solo zahlten, fo hielt auch er feine Wortes ſich emtbunden und beſchleß, 
nad Dfipreugen zur Armee zu gehen. Hier war jedoch menig mehr zu ihun, 
hauptfächlicy durch die Echuld der Ruffen, die in träger Unhätigk.it bebarrten 
und dem Feinde volle Zeit ließen, nach der Schlacht bei Enlau fi) zu neum 
Angriffen wieder zu fammeln. Einige preußifhe Truppen, welche aus Rotb die 
rufijche Graͤnze überjchritien hatten und Quarnere occ piren wollten, fanden feine 
Aufnahme und wurden mit Hohn zurüdgemwiefen. Die Echlaht bei Friedland 
machte dem Kriege ein Ende. W. haıte gebofft, tm Dienfie bleiben zu Tonnen, 
aber die große Reduktion der preußiſchen Armıe vereitelte diefe Erwartung. Da 
tam da6 Gerücht nach Schlefien, daß der Heraog von Braunihmweig an der 
Giänze ein Truppencorps fümmele, Der Zudrang von Dffineren wur auſſer⸗ 
ordentlich groß und W. gehörte zu den Erſten, tie eintraten. eher Den ber 
rühmten Feldzug vieles Coips bier nur das weniger Bekannte. Der Herzog 
fah bald ein, daß an eine allgemeine Bolfserhebung. wie er fie beabfichtigt_ haut, 
nicht zu denien fel. So viele Dffisiere kamen, fo langfam ſtellten fi die Mans 
ſchaficn ein. Die Bevölferung Schlefens war im Ganzen gleichgültig; fn 


Badler: GR 
Sadyfen, das man zuerft betrat, zeigte ich die entichiedenfte Feindſeligkeit. Man 
handelte ganz im Einne Rapoleone, indem man die Schwarzen wie eine Räuber- 
ſchaar betrachtete. Auch der Ton der Bulleiins wurde getreulich nachgeabmt. — 
Der Waffenftilftand von Znaim beraubte das Corps der Mitwirkung der Oeſter⸗ 
reicher. Dennoch befdhloß der Herzog, nach Norddeutſchland vorzubsingen, weil 
er glaubte, daß die Engländer an Eibe und Weſer gelandet ferien, in weichem. 
Falle allerdings ein allgemeiner Bolldaufftand erwartet werden konnte. Ehe er 
biefen Eniſchluß ausführte, flellte er es feinen DOffisieren frei, ob fie ihm folgen 
wollten, worauf wirklich die meiften Reiteroffiziere austraten. Die Stärke des 
Corps beftand jegt noch in 2100 Mann. Die fchönfte Waffenthat diefer Heinen 
Schaar if der Sturm auf Halberſtadt, wo ein ganzes wehphäliiches Regiment, 
3000 Mann ſtark und von Mauern gededt, vernichtet wurde. Dagegen war es 
bei dem Gefechte von Delper nur die Unentfchlofienheit und Untüchtigkeit des 
feindlichen Generale Reubell, welche den Derio rertete. Da Reubell aus weſt⸗ 
phälifchen Dienften entlafien wurde, nady England ging und dort geltend machen 
wollte, daß er den Herzog geflifientlich habe entkommen laflen, fo bat fidy dieſe 
falfche Behauptung in viele ‚namentlich franzöflfcher Autoren, eingefdhlidyen. 
Nach dem Gefechte, von Delper lag der Wen nach der Weſer frei und es er- 
olgte jegt die befannte Cinſchiffung. Die Dfflitere mußten fi nun von ihren 
ferden trennen und fie zu Spotipreifen veräußern. Ganz vorüber waren bie 
efahren noch nicht; denn Die Dänen befchoffen die Echiffe, während dieſe vie 
Weſer hinabſegelten. W. verbrachte die nächke Zeit mit dem Corps auf den 
Inſeln Wight und Buernfey und in Irland, bis das Corps nad Spanien über 
ging, wo daſſelbe wie beften Dienfte leitete. W. diente dort bis zur Geenbigun 
des Krieges u. traf er am 10. Rovember 1814 in Braunfchweig ein. * 
der Rüdtehr des herzoglich braunſchweigiſchen Infanterieregiments aus Spanien 
ward er zum Major im Generalſtabe befördert. Wahrend des Feldzugs des 
Jahres 1815 war er Generalquartiermeifter des braunſchweig'ſchen Truppencorps. 
Der einzige von allen jenen Vffisteren aus dem Jahre 1809, follte er Zeuge 
feyn der legten Augenblide feines gelichten Herzogs in der Schlacht von Quatre⸗ 
bras, welcher, mit ſchwacher Stimme ihn noch einmal nennend, bald darauf vers 
ſchied. 1821 wurde er Obriftlieutenant und erbielt zugleidd dad Commando der 
beiven SInfanteries-Brigaden. Nachdem er 1824 zum Obriſt ernannt worden 
war, trat er 1827, mit Beibehaltung feiner Stellung ald Kommandeur des erfien 
Linien » Infanterie» Regiments, in das herzogliche Staatsminiſterium, in welchem 
er bis zum September 1830 fungirte. Bet der, im Öftober jened Jahres erfolg 
ten, Reorganijation der braunfchweigifchen Truppen wurde er Gommandeur des 
Feldcorps u. 1835 Generalmajor. Er war Eommandeur erfter Claſſe des herzog⸗ 
lich braunfchweigi chen Drdend Heinrichs des Loͤwen und des koͤniglich han⸗ 
növeriſchen Guelphenordens, Inhaber der braunſchweigiſchen Feldzeichen für 1409, 
für den ſpaniſchen Feldzug und der des Jahres 1815, wie auch des 28iährigen 
Dienſtaue zeichnungekreuzes. Seiner zahlreichen Familie raubte ihn der Tod nach 
einem kurzen Kranfenlager am 16. Cept. 1841. 

Wachler, Johann Friedrich Ludwig, Profeſſor der Geſchichte und 
Literatur, Oberbibliethefar in Breslau, geboren am 15. April 1767 zu Gotha, 
wo fein Vater geheimer Regierungsramh und Aflefior des Steuerkollegiums war. 
Sein frühzeltiger Hang zur Bücherlenntniß fand ım väterlichen Haufe, wo vors 
zugeweife nur jurwifche Werfe Cingang fanden, eine geringe Befriedigung: 
Gotha diplomatica, die aflatifche Bainfe, Kleine Werle und Aehnl wurden ihm 
in die Hände gegeben. 1783 fum er auf dad Gyanafium feiner Vaterſtadt, wo 
Kalıwafler, Stroih und Manſo treffliche Lehrer ihm wurden, in der berzoglichen 
Bibltorhef fid) Collekianen machte und den erften Grund zu ſpäterer außerordenilichen 
Literaturkenntniß legte. 1784 bezog er die Unirerfität Jena, um Theolegie zu 
fludirenz auch hier waren die treffiichften Lehrer: ECichhorn, Grasbach. Die 
derlein und Witerögenofien, wie Schlichtegroll, Leny, Gicgeadvarg, usage, Syeier 


Pe 


640) Wachler. 


land, Tennemann ſpornten feinen Eifer, In Folge eines Duells war W. auo Jena 
relegirt, begab ſich nach Göttingen, um durch das Etubium der Philologie ſich 
zum Schulamte vorzubereiten. Heyne, Spittfer und Gatterer nahmen ihm mohl- 
wollend auf, aber der Hang zur Renomifterei verwidelten ihm auch bier in Un 
annehmlichfeiten und Schulden, Auf — Feders Empfehlung warb er 
Hauslehrer bei Regierungsrath Heufer in Rinteln u. fegte fein Studium der 
alten Literatur eiftig fort. Durch feine Differtation „de pseudo Thocylide*“ ward 
er 1788 Doctor der Pbilofophie u. hielt bald darauf als außerordentlicher Profeſſot 
Vorlefungen über Haffifche Philologie, Kirchengeſchichte und allgemeine Literatur 
geihichte. Nur Furze Zeit war er Rector des Feieriche Gymnafium in Herford, 
denn fhon 1794 erhielt er auf Haſſenkamps Fürſprache die dritte — 
Profeſſut in Rinteln und bald darauf die Univerſttäts Bibliothefarftelle. Rach 
Haflenfamps Tode eye er die, von ihm redigirten, theologiſchen Annalen: fort, 
wodurch er mit den berühmteften Gelehrten in Verbindung Fam. 1804 erbielt 
er den Ruf als Profefior ver Gefchichte nach Marburg und, weil er die Berufun 
nach Heidelberg abgelehnt hat, Titel und Amt eines Eonfiftorialrathes. 181 
verwaltete W. das Proteftorat, empfing am 5. Jan. den König Hieronynius auf 
Is Durchreife und folgte ihm bald mit Profeſſor Robert als Reichſtändiſcher 
eputirter nach Kaffel, um vie Gerechtfame der Univerfität zu wahren. Seine 
Freimüthigkeit bewährte er, daß er dem über Napoleon verhängten Bannfludy als 
der Erfte in Deutfchland in den theologifchen Nachrichten veröffentlichte 1810, 
biß er endlich 1813 die lang erfehnte Befreiung von der Fremdherrfchaft herbei: 
führte, Während einer, zwiſchen dem ſächſiſchen Gardegrenadierregiment und den 
Studenten ausgebrochenen, Streitigfeit wurde auch er — und vom Militär 
ſchwer mißhandelt und verwundet; ed ward ihm der Aufenthalt in Marburg 
mehr und mehr verleivet und, ald ihm auch noch der Tod feinen beften Freund, 
den Dogmen Hiftorifer Münfcher 28. Juni 1814 entriß, nahm er mit Freuden 
die SBrofeffur in der Geſchichte in Breslau an mit dem Range eines Eonfiftorial- 
Rates. Er gründete hier die gelehtte Geſellſchaft „Philomachte* und gab ihre 
intereffanteften Arbeiten in 3 Bon. heraus. Paſſow ward ihm Schwiegerfohn 
und feter Freund gemeinfamer Studien, mit Freimuth ihre politiichen Grundfäge 
verfechtend, obgleidy in Folge der Turnftreitigkeiten vielfach verfannt und gefräntt. 
1824 erfolgte W.s Ernennung als Oberbibliothefar u. er forgte, unterflügt vom 
Brofeffor Unterholzner als Unterbibliothefar, für beflere Anordnung der Bücher. 
Befonders auögezeichnet war fein Vortrag über literarifche Geſchichte, er wußte 
den Stoff, den er mit feinem enormen, bi auf Jahreszahlen, Büchertitel und an- 
deres Beigerathe ſich erftrebenden, Gedaͤchtniſſe umfaßte, volllommen zu beherrfchen 
und unter das Joch des Geiſtes, der ſtets das Ziel vor Mugen hatte, zu beugen, 
Nie gewahrte man ihn eine Maſſe todten und gelehrten Krames, gleich eines 
Automaten vor fi hinfhütten und bie fehreibelufigen und denffaulen Seelen in 
flumme Bewunderung und verblüfftes Staunen verfegen. Wie er ſprach, lebendig, 
turz, gedrängt, voll Mark und Kraft, fo wollte er von feinen Hörern aufgefaßt 
und verftanden werben. Bel feinem geiftvollen Gefchichtövorttage war e& ihm 
darum zu thun, tu den großartigen Verkettungen, in den Wirren, Kämpfen und 
Leiden der Menfchheit, in ihren Stegen und Triumphen ſtets den Plan und bie 
Rettung eines höheren, überall in den vergänglichen Erſcheinungen in ruhiger 
Klarheit und ungetrübten Frieden thronendes, Weſen zu erkennen, deſſen Dffen- 
barungen zu belaufchen, deffen fichtbgren Spuren feften und ficheren Trittes nach⸗ 
zugehen, deſſen Mahnungen und Warnungen und Tröftungen an dem Menfchen- 
Re zum hellen Bewußtfein fi und Anderen zu bringen, er für die edelſte und 
fing: Aufgabe eines Hiftoriferd erkannte. Er farb ald Senior der Breslauer 
iverfität am 4. April 1838. Bon feiner Außerft fruchtbaren fchriftftellerifchen 
Thaͤtigleit, die ihm In der gelehrten Republif eine ehrenvolle Stelle gefichert, kann 
nur das Wichtigere hervorgehoben werben: „Weber Heftods Wor| ungen von 
den Göttern, Welt, Menfchen. und menfchlichen Pflichten. Programm 1799. Rebe 


—— 


x 


Bade, 641 


über Gefchichte, Zwei u. Vortrag 1789; Gefchichte der Lit. u. Kunft für Schulen, 
1. Heft 1790 und Betrachtungen über den Reichthum nad) Rouffeau’fchen Grund⸗ 
fäben 1792; ver Aa allgem. Geſchichte der Lit. 3 Bde. (unvollendet bur 
Schuld der Berl ndlung) 1793—1801; Grundriß einer Encyklop. ver theol. 
Wiſſenſchaften 17955 Diodori Siculi lib, hist. qui supersunt et fragm. graec. ex 
rec. Wesselingii. 1795, 2 Tom.; Prolegomena zu einer chriftlidhen Religions⸗ 
lehre nach den Bebürfnifien des Zeitalter 1801; Aphorismen über Univerfitäten u. 
ihr Berhälmiß zum Staate, 1802; Panbend der allgemeinen Geſchichte der lit. 
Kultur, 2 Bde. 1800-5, 3 Aufl. in 4 Bon, Lpz. 1833; Grundriß der Ge⸗ 
ſchichte, als Handſchrift für feine Zuhörer 1806; Soban v. Müller, Gedaͤchtnißrede 
18095 Ernſte Worte der Baterlandeliebe an Alle, die Deutfche bleiben wollen, 1813 ; 
Geſchichte der hiſtoriſchen Korfchung und Kunſt ſeit Wede hetelunt der liter. 
Kultur in Europa, 2 Bde. 1812—20; Lehrbuch der Geſchichte 1816, 5. Aufl. 
1828 ; Boriefungen über Gefchichte der deutfchen Rationalliteratur, 1818, 2 Bde. 
2. Aufl. 1828; Lehrbuch der Lit. » @efchichte, 1827, 2. Aufl. 1830; Biographifche 
Aufſätze, 18355 Redakteur der „Neuen theologiſchen Annalen” 1798 -1823; 
erausgeber v. Münfcher'8 Dogmengefchicdhte und nachgelafienen Schriften 
"1817 wm. a. Cm. 
Wachs (Cora, Cire), iſt ein eigenthümlicher Körper, woraus die Bienen 
die zur Wufbewahrung des von ihnen gefammelten Honigs dienenden Zellen bauen. 
rüber glaubte man, daß das W. von den Bienen blos ausgearbeitet würde; daß 
fie den Blüthenftaub (Pollen) der Pflanzen verzehrten und als W. wieder von 
fi gäben; aufmerkfame Beobachter fanden jedoch, daß, wenn man bie Bienen 
blos mit Zuder und Honig füttert, fie dennoch eine beträchtliche Menge von W. 
erzeugen; deshalb laͤßt fi annehmen, daß das W. nicht von den Pflanzen, 
theilen aufgefammelt wird, fondern daß es ein wirklich fecernixter Stoff, ein 
Produkt eines eigenthümlichen Organs ift, welches fi an den Selten des Hin, 
terleibes befindet. Wenn man die unteren Abfchnitte des Hinterleibes der Arbeits⸗ 
bienen in die Höhe hebt, fo findet man Heine Tafchen (8 an der Zahl) und 
dünne Schuppen W., paarweife georbnet, unter jedem Abfchnitt, bei der Königin 
und den männlidyen Bienen aber nicht. Im Herbſt oder im Frühjahr befchneivdet 
man die Bienenftöde, d. h. man nimmt bie ‚ponigwaben heraus, läßt den Honig 
durdy natürliche oder Fünftliche Wärme ausfließen, preßt die Waben aus, Focht 
fie mit Waffer, um den noch anhängenden Honig zu entfernen, ſchmilzt dann den 
Rückſtand in gelinder Wärme und giebt die fchmelzende Maffe, zur Entfernung 
von Unreinigfeiten, durch Leinwand; nady dem Erkalten ftellt fie das gewöhnliche 
W. dar. Das W., wie es von den Bienen gebildet wird, tft fo weiß, wie gut 
ebleichtes W. und unterfcheidet "2 auch in der Farbe in den gefüllten und 
beeren Waben; die Waben junger ienen find fehr blaßgelb, faft weiß (Junges 
fern-W.), das rohe W. ift übrigens auch fchwefelgelb, röthlichgelb, ſchmutzig 
rünlichgelb ꝛc., zerfpringt leicht In größere fi arftantige Stüde, tft von 0,960 
pezififhem Gewicht, hat einen eigenthümlichen, nicht unangenehmen Geruch, der 
befonder8 beim gelinden Erwärmen deutlich bervortritt, entwidelt beim Kauen 
einen unbebeutenden Gefhmad, wird weich durch die Wärme der Hand und 
— über Feuer zu einer ölartigen bräunlichen Stäffigtelt Es lost ſich nicht 
Waſſer und kaltem Alkohol und auch nur zu „u In ſiedendem Alkohol; feine 
Hauptbeftandtheile bilden zwei eigenthümliche Stoffe, dad Eerin und Myriein: 
erfteres löst ſich in kochendem Alkohol, Teßtered nicht: Das W. Fanıı gebleidyt 
werben, was im Großen auf die Weiſe geichicht, daß das ſchmelzende gelbe W. 
in Streifen gegofien und dann der vereinigten Wirkung von Waſſer und Licht 
ausgelegt wird; dadurch wird es fpröder, hat ben eigenthümlichen Geruch in 
einem mindern Brave und nimmt nach längerem Liegen wieder eine blaßgelbliche 
Farbe an. Die wichtigften Anwendungen des W.es find: die in der Arzneikunde, 
die zu Lichtern, Figuren, W. Perlen, Stiefelwichfe, W.⸗Seife ıc. Häufig hat warn 
gefunden, daß das W. mitMehl und Talg verfälicht werve, wolle DAEHMAFN 
MAcealencyclopabiſe. X. AN 


64 Wachsbildnere ⸗Wachsthum. 


aber. erklannt werben theils durch ben Sun beim Schmelen, den Bobenfag, 
durch das men weil das W. durch Salt leichter wird, theils durch die 
Behandlung mit Weingelfl. Seit einiger Zeit fommt ein Pflangen-W, unter dem 
Namen japanifhes W. in den Handel, Bag ſich — anfühlt, eine 
blafßgeiblichweiße Farbe und einen ſchwachen Geruch befigt umd fpröver, als 
Bienen-®. tft; e8 fommt von einem in Japan und China einheimiſchen Baume 
umd wird zu Pflaftern, Salben, jelbft auch zu Kerzen verwendet. aM. 
Wachsbildnerei, ift die Kunft, durch Bofftren oder Guß verſchledene Ge 
— üchte u, dgl.) und Figuren (Wahsfiguren), aus Wachs zu ver⸗ 


rt gen je Formen zum Guffe find von Holz oder Gyps und die Bärbung 
ES a Koma vermittehft der Wafierfarben und des Pinſels. Wergl. 
eropla . 


Wachsmalerei, f. Enfauftit. 

Bahsmuth, Ernft Wilhelm Gottlieb, geboren 1784 zu Hildeöheim, 
warb Lehrer an der Klofterfchule zu Magdeburg, lebte fpäter in Zerbft, 1815 
Lehrer ge" den ae — mmafter zu Halle und Lector der italtentichen Sprache 
an der Univerſtiät, 1819 shrofeffor der alten Literatur in Kiel und 1825 Pros 
feffor der Geſchichte in Leipzig, Werke von ihm find: „Orammatif der en 
Sprache“, Halle 18155 „Weltere Gefchichte der Römer”, ebd. 18195 „ tie 
der hiſtoriſchen Forfchungen“, ebd. 18205 „Grundtiß ver allgemeinen Geſchichte 
der Voͤller und Staaten“, — 2. Aufl., ebd. 1829; „Leitfaden zu 
Vorlefungen über die — eltgeſchichte“ ebd. 1833; Helleniſche Alters 
— Halle 1825— 1830, 2 Boe., 2. Aufl. ebd. 1843—1846;5 „Hit 
zifehe Darftellungen aus der Gefchichte der neuern Zeit“, Leipzig 1831 — 1833, 
3 Bde umd Reg.; „Darftellungen aus der Gefchichte des Reformationdgeitalters*, 
di. Thl. der deutſche Bauernkrieg) ebd. 1834; „Gefchichte Frankreichs tm Re 
volutionszeitalter“, Hamburg 1840— 1844, 3 Bve.; „Welmard Mufenhof in 
den Jahren 1772—1807*, Berlin 1844; auch gab er mit Fr, Günther das 
„Athenäum“, Zeitfhrift zur Beförderung humaniftiiher Studien, Halle 1817 
—1818, 3 Bde, u, allein „geographifche und hiftorifche Tabellen“, Magdeburg 
1810, heraus, 

Wahsthum, die allmälige und nothwendige Zunahme lebender organifcher 
Körper an Maffe, Größe und Umfang, die fie von dem Augenblide ihrer Em- 

fängnig an bis zu einem gewiffen gumaume ihres Lebens darbieten. Von der 
Dune unorganifcher Köryer an Mafle und Größe, die man im gemeinen 
eben —I ebenfalls W. nennt, die aber nur durch die einfache Aggrega- 
tion einer homogenen Materie bewirkt wird, wo dann bie tntegrirenden che 
diefer lepteren, ohne durch etwas Anderes, als durch Anziehung miteinander vers 
bunden zu feyn, in Form von concentrifchen Lagen, oder mehr oder weniger regel- 
mäßigen Kryftallen übereinander llegen, unterfcheivet ſich das W. der lebenden 
Körper dadurch, daß fie die umgebenden Körper, die fie fich aneignen, in 
ihrer tnnern Zufammenfegung verändern und nur erft, nachdem fie diefelben afs 
finilirt haben, in die Zwijchenräume ihrer Gewebe aufnehmen, um ihre eigene 
Maffe zu vermehren. Diefe neuen Elemente, bie übrigens durch Gefäße oder 
auch vermittelt einer Art unmittelbarer Einfaugung ſtuſenweiſe zu jenen gebradit 
“ werden, gelangen beftändig in den beiden Fällen durch diefe, Intusfusception ger 
nannte, Bewegung dorthin. Der Zufall allein befchränft dad W. der umorgans 
iſchen Körper, fo daß hier das Wi, wodurd ihre Ausdehnung von dem Sand- 
forn bis zu der ungehenern Größe eines Berges vartirt, Feine beftimmten Gräns 
zen hat." Dagegen find ‘diefe bei dem 8. ver srgamtfchen Körper mehr ober 
weniger genatı beftimmt, denn der Menfch, dad Infekt und die Ceder des Libanon 
erlangen überall faft den nämlichen Grad von gegenfeitiger Eni lung u. bei 
jever Art bilden die gwerge und Die Riefen bie gehktem Exireme, en welchen 
der Unterſchied im Vergleiche zu dem, welcher 3. 8. einen Marmorblo von dem 
Steinbruche trennt, verſchwindei. Dem W. der organtichen bebenden Körper iR 


Wachstuch — Wachtel, 643 


eine beftimmte Richtung in der Länge und Dide vorgezeichnet, jedoch fo, daß die 
Ausdehnung In die pobe die in die Dicke übertrifft, fo daß fich die Mehrzahl der; 
felben beftändig in einer vertifalen Richtung verlängert, wie dieß 3. B. bei allen 

flanzen ver Full iſt; dagegen bietet dad W. der unorganifchen Körper gar 
eine beftimmte Richtung; daher auch die außerordentliche Mannigfaltiakeit von 
Figuren oder Formen, die file annehmen Tönnen und unter denen fie fidh auch 
wirklich zeigen. Zwiſchen dem W.e der Thiere und der Pflanzen befteht ver 
Unterfchied, daß fidy bei erfteren die Ausdehnung, weldye der Körper erlangt, fefter 
beftimmt und Größe und Umfang der Individuen einer jeden Art mehr Stetig⸗ 
feit zeigt, was bei den Pflanzen (f. d.) nicht der Fall iſt, indem bei dieſen 
die fle umgebenden äußeren Wärmes, Keuchtigfeitös, Luftmaſſe- u. Erneuerungs» 
zuftände, fo wie die Pflege der Cultur auf ihre Entwidelung einen, im Vergleiche 
weit audgevehntern, Einfluß haben, der fo groß tft, daß er 3.8. einen ſchwachen 
Straub in einen Fräftigen Baum umzumandeln vermag. Dagegen bringt bei 
dem Thiere das beendete W. eine, während des übrigen Theiles unveränderliche, 
Form und Ausdehnung, während die Form und die Anzahl der Theile der 
Pflanze pertodifch durch neue Triebe faft bis zu ihrem Tode verändert werben. 
Was das MW. des Menfchen insbefondere betrifft, fo beftimmt daſſelbe Die vers 
ſchiedenen Alteröpertoden, f. Alter. 

Wachstuch oder Wach Sleinwand nennt man leinene oder andere Ges 
webe, die mit einem Delfirniß überzogen, dann gefärbt, over auch gedrudt und 
endlich noch mit einem Lackfitniß beftrthen find. Zu dem geringften W., wel⸗ 
ches meift nur zum Einpaden gebraucht wird, nimmt man grobes, lockeres Leis 
nenzeug, zu dem feinern entiveder beffere Leinwand, oder noch häufiger rohen 
Katıun (Wachskatt un), over auch Barchent Wahsbardyent), Ichtern bes 
fonder® zu Deden über Tifche und dgl. von feinem Holz, auf denen durch die 
weiche, wollige Oberfläche des Barchentd das Reiben vermieden wird. Die 
Zeuge werden zuerft auf einer großen Mang flark gerollt, dann in Stüde von 
10—12 Ellen Länge gefchnitten und auf hölzerne Rahmen gefpannt, auf beiten 
man fie mit einem dünnen Sleifter aus Roggenmehl überftreiht. Wenn dieſer 
troden ift, wird ein Grund von Delfirniß und Kienup oder Kohlenfchwarz auf- 
getragen und dieſer nady dem Trodnen mit Bimsſtein geglättet, worauf man 
noch ein, oder auch wohl mehre Male, einen dünnern Delfirniß aufträgt u. dem 
legten die Farbe zuſetzt. — Sol das W. marmorirt werden, fo wirb die 
Grundfarbe mit Effig angemacht und, ehe dieſe trocken wird, eine mit Rindsgalle 
zubereitete Farbe aufgetragen und vertrieben. Häufig wird das W. mit Holzs 
formen, ebenfo, wie der Kattun, entweder mit einer oder mehren Yarben bebrudt, 
zumellen auch bemalt, zulegt wird ed immer mit einem Bernftein- oder Kopal⸗ 
firntß überzogen. Auf diefe Weiſe verfertigt man ſowohl einfarbige Wacholein⸗ 
wand von verfchiedener Yeinhett, deögleichen Wachskattun und Wachsmuſſelin, 
als auch mit allerhand ſchönen Muftern bedrucktes zu Tijchdeden, Bußteppichen, 
Tapeten u. dgl. — In den W.- Fabriken wird auch der Wachstaffet verfertigt, d. h. 
ein mit Firniß auf beiden Seiten überzogener Taffet, welcher dadurch waſſerdicht 
emacht iſt und den man zu Futteralen, Ueberzügen, Regenmänteln u. dal. 
raucht. Der Firniß befteht entweder aus Leinöl, Bleiglätte, Terpentin und Kos 

firmiß, oder aus Leindl, Kolophonium, Mennige, Stiberglätte und Terpentin. 

enn der Wachstaffet durchfcheinend feyn fol, wird er erft einige Male mit 
Mohnöl beftrichen und nach dem legten Abtrodnen mit Kopalfirniß überzogen. 
Der undurchſichtige ift entweder grün, oder auf einer Seite ſchwarz, auf der an⸗ 
dern grün, oder auch anderöfarbig; der durchfichtige meift gelb oder braun. — 
Im neuerer Zeit verfertigt man auch Wach spapier oder wachstuchartiges 
Papier, das mit einem Firniß, wie dad W., überzogen und ebenfalld zum Ein⸗ 
paden gebraucht wirb. 

—**— (perdix coturnix), ein Vogel aus der Gattung ver Telnkiiieet, 
wird gegen fünf 300 I 


ang, hat gelblich braunes, ſchworz re XRX 


su Basteln — Baderbartf. * 

Kehle des Männchens iſt ſchwatzbraun, die des Weibchens weißlich. Lehteres 
legt Ende Juli 8-14 grünlich weiße, mit braunen Flecken „ sehr 
—* Eier in eine aufgeſcharrte, nur mit Grashalmen belegte und 
ebrütet fie drei Wochen, Der ganz eigenthümliche Schlag des Männchens ing 
angenehm und wird befonders N: Erntegeit im Weizen und Rübfen rt. Die 
W. hält ſich überall auf den Feldern auf; Ende bers treten fie ihre Wans 
derungen nach Süden an umd ehren er| zurüd, Die W. iſt ſeht 
munter, behenbe, ftreitfüchtig, daber fie von jen zu W.eRä 

richtet wirb, befipt aber wenig, Schlaubeit. Das Bleifch, (hmedi vorttchiid. 

Wachteln nennt man in der Artilerie- Wiſſenſchaft eine Art. dreipfündiger 
Granaten, die zu 40 bis 50 Etüd aus ER Mörfern geworfen werden und 
beim Zerfprengen ein großes Geriiche verurſachen. Loudon (f.d.) bebiente fih 
ihrer 1 gegen Belgrad mit gutem Erfolge. 

Wachtmeifter bezeichnet bei der Eavalerie die höchfte a 
umd enpel t dem Feldwebel der Infanterie, ſowle Unter-W, dem Sergeanten, 
Nur allein in dem achten deutfchen Armeecorps bezeichnet W. den dem Range 
nad jen Unteroffizier, — der erfte Dber-W. heißt, 

nennt man denne Schiff vor oder. neben einer. vor Anfer 
Tiegenden Wlotte, welches in der See freust, auf Alles, was vorgeht, genau Act 
und, wenn fih irgendwo Segel erbliden laffen, fogleih Meldung macht 
Dam Ye Bien —— au * auf nen —* Male e AH, — — 
beſonders ein leichtes, vor einem Hafen Liegen egoſchiff, 
Sl, 3 und vn ehe ındel zu verhüten, 

Wade, Thonftein und Bafalt inneftehendes, grünlich = graue, 
auch vörhlich-braunes umd fhwärzlich-graues, meift durchſichtiges Mineral, mit 
ebenem oder — Bruce, das In geognoftilcher Hinficht-einen & des 
Slögtrappgebirges ausmacht, wo man es auch mit glafigem Selbfpathe, Augit, 

ornblende, Dlivin und Glimmer porphyrartig, mit Blafenräumen, mit Kalt 
path, Analcim und anderen Zeolitben, mandelfteinartig und in ihrer natürlichen 
derben Befchaffenheit in großen Maflen, Lagern, in Conglomeraten, zuweilen aud) 
in Gängen findet, Die W. ift gefchichtet und Fugeligz die Kugeln find zumeilen 
concentriſch ſchalig. Im Großen ift fie maſſig und plattenförmig abgefonbert. 
Zuwellen eat fie Verfteinerungen und Pflanzenabvrüde, Sie conftituirt auf 
diefe Weife einen Theil der Umgegend von" Zittau, einen großen Theil der ba 
ſaliiſchen Region im nördlichen Böhmen; fte tritt ferner in der Röhn, in Tirol, 
in ra Seiten, auf den Farderinfeln,. auf Island und in anderen  Länd- 
ern auf. 

Wackerbarth, 1) Auguft Ehriftoph Graf von, koniglich polnischer und 
Eurfürftlich fächflicher Feldmarſchall und-- geheimer Kabinetöminifter, geboren 
auf dem Schloſſe Kogel im Herzogthume Lauenburg, kam als Page am den 
furfächfiichen Hof und ftubirte a roßem Eifer Mathematik und dann Bau: 
und Ingenieurfunft, Nach ber Küdter von Reifen diente er bet der Artillerie, 
wurde 1702 Generalmajor von der Infanterie und nach einigen Jahren General 
Intendant der Eivil- und Militärgebäude. Die Stelle eines geheimen Kabinetd- 
minifter6 und General von der Infanterie erhielt er 1710 und feit 1718 war 
er. Gouverneur von Dresden, wo er den 14. Auguft 1734 ftarb. Er wohnte den 
wichtigften SKriegsereigniffen. feiner Zeit, in. den Niederlanden, Pommern und 

jolen mit Auszeichnung bei, führte 1715 bei der Belagerung von Stralfund das 
eneralcommando, zwang die Feſtung zur Uebergabe und bewies ſich hier, wie 
bei vielen.anderen Gelegenheiten, als einen großen Meifter in der Ingenieurfunft 
und viele Gebäude und Brüden, die, unter feiner Leitung, beſonders in Drespen, 
gr wurden, zeugen von feinen tiefen Einſichten in die Baufunfl, Auch als 
jefandter wurde er am Wiener u. anderen Höfen mit Vortheil verwendet. — 2) 
W. Auguft Joſeph Graf von, Enkel des Vorigen, von deſſen Adoptivſohn 
Sofeph Anton Gabaleon, der, nachdem er verichienene hohe Stantsämter, am 


NH 


Baderiiigel — Wächter, 645 


fächfifhen Hofe befleidet Hatte, 1761 zu München farb, war 1770 zu Kutfchen- 
dorf in der Nieverlaufig geboren, Audirte Jurisprudenz und hielt fi), von einer 
Reife durch England, Amerika, DOftindien, Stalien und die Türkei zurüdgefehrt, 
in Wien und Dresden und feit 1801 abwechſelnd in Hamburg und Rabeburg 
auf, ging auch nady Paris, wo er wegen einer Borberung an Sachſen, Lauen⸗ 
burg und Hannover, die er ſchon vergeblich bei dem Reichskammergericht zu 
Weplar angebracht hatte, auch von Napoleon mit leeren Berfprechungen hinge- 
halten ward. Auch neuerdings fuchte er dieſe Horberung ‚ wie wohl vergebens, 
geltend zu machen. Seit 1812 lebte W. meift in und um Hamburg, mit Kunft 
und Witfenfchaften beſchäftigt. Schriften von ihm find: Reclamationen, Ham⸗ 
burg 18155 Zuruf an den zu Wien fich bildenden Congreß, ebd. 1815; Fruͤheſte 

ei ichte der Türken bis zur ‚Bernihtung des byzantintichen Kaiſerthums, 1821; 
Geſchichte der großen Teutonen, ebd. 18215 Gefchichte der legten großen Revo⸗ 
Iution von China im Jahre 1644, ebd. 1821 u. a. m. 

Wackernagel, i) K. E. Philip P geboren um 1803 zu Berlin, ſtudirte 
dafelbft u. wurde Gymnaſtallehrer u, lebt jetzt als Lehrer an der Erziehungsanftaft 
zu Stetten (Württemberg). Die von ihm veranftaltete Sammlung: „Das beutfche 
Kirchenlied“ (2 Thle. 1841) iſt gründlidy und mit großer Kenntniß bearbeitet u. 
befonder8 für die Alteren Lieder und deren kritiſche Leurtheilung fehr wichtig. 
„Deutfches Lefebuch” (4 Thle., 3. Ausg., Stuttgart 1843). — 2) W., Karl 
Heinrich Wilhelm, ein trefflicher Kenner der altveutfchen Literatur und Dich⸗ 
ter, geboren 1806 zu Berlin, fludirte dafelbft und ging, gefränft durch vergeb- 
liches Hoffen auf eine Anftelung, 1833 nady Bafel als Profeffor der Philologie 
und ward bier, da die preußifche Re ierumg, Ibm Ddas Bürgerrecht nahm, Ehren- 
bürger. Seine naiven lieblichen Gedichte (Weinlieder) erinnern an die Zeit des 
Minnefanges und feine Werke über altveutfche Poefie find fehr gediegen. Leider 
{ft er im neuerer Zeit dem Pietismus in nicht geringem Grade zugethan. Auſſer 
der Mitredaftion der „Weihnachtögabe”, der „Alpenrofen” u. des „Schweizerifchen 
Muſeums für Hiftorifche Wiffenfchaften” fchrieb er „Spiritalia theotisca“ (1827), 
„Das Wetlobrunner Gebet und die Weffobrunner Gloffen“ (1827), „Geſchichte 
eines fahrenden Schüler” (1828), „Geſchichte des deutſchen Herameterd und 
PBentameters bis Klopftod” (1831), „Gedichte Walthers v. d. Vogelweide“ (1833, 
mit Simrod), „Deutfches Leſebuch“ (3 Thle., 2. Aufl. 1839—44), „Das Land» 
recht des Schwabenfptegels in ältefter Geftalt“ (1840), „Neuere Gedichte” (1842), 
„Zeitgedichte“ (1843). 

Wade (sura) heißt am menfchlichen Körper der gerundete, fleifchige, na 
unten zu abnehmende Theil zwiſchen der Kniekehle und Ferſe, vor welchem fi 
das Schienbein befindet. 

Wadzeck, Franz Daniel Friedrich, der Begründer der Kleinkinderbe⸗ 
wahranftalten, 1762 zu Berlin geboren, wo fein Bater Küfter der böhmtfchen 
Colonie war, erhielt feine erfte Erziehung im Watfenhaufe zu Halle, ſtudirte als⸗ 
dann dafelbft Theologte, wurde im Jahre 1783 als Lehrer am Föniglichen Ea- 
dettenkorps in Berlin u. nachher aber als Profeſſor der Literatur, Phyfif u. Natur⸗ 
geichichte bajelöft angeſtellt. Im Jahre 1819 begann er die Herausgabe des 
eben fo nützlichen, als unterhaltennen „Berliner Wochenblatted für den gebildeten 
Bürger und denfenden Landmann”, wurde aber um diefe Zelt, wegen jeiner bes 
fländigen Angriffe auf das damals in Preußen erlaubte Turnweſen in den Ruhe⸗ 
ftand verfegt. Die ihm dadurch gewordene freie Zeit benützte er zur Errichtung 
einer Anftalt zum Aufbewahren von 12 unmündigen Kindern, eine Stiftung, 
welche noch jetzt unter feinem Namen in Berlin fortbefeht. Allein die darauf 
verwandten Koften nahmen faft fein ganzes Vermögen und feine Penſton in An⸗ 
fpruch, fo daß er im Jahre 1823 zu Berlin, zwar arm, aber allgemein geachtet 
flard. Seine riften find von feiner oeheutung, 

Wäaͤchter, 1) Georg Philipp Ludwig Leonhard, in der Itterariiken 
Welt bekannt unter dem Kamen Beit Weber, geboren zu Urlyen im Finslverais 


ſchen, flubirte Theologie, Iebte hierauf ald Candidat in Hamburg. und machte 
1792 unter den Hannöverifchen Truppen einige deldzüge mit, bier. bei Mainz 
verwundet wurde, Er war dann Lehrer und feit 1814. Direftor am Boigt’ichen 
Snftitute zu Hamburg, wo er 1822 ftarb. In feinen „Sagen ber Borzelt* (7 Bde, 
Berlin 1787—98), „Holzichnitte" (1793), „Hitorien“ (1794) trug er den Ton, 


646 Rifewolf— Birne | . 


, melden Goethes Gotz anfchlug, auf vie. Romanenlitsratur über und bewährte, 


bei allem Rohen und Grellen, Originalität und Kenntniß des Mittelalters. — 
2) ®., Karl Georg von, Kanzler der Unlverſtiat Tübingen und einer der 
—— en Crimnaltechlslehrer den neueſten Zeit, 1797 in dem württem- 
bergifchen Städtchen Marbach geboren, machte feine afademifchen Studien zu 
Tübingen und Heidelberg , wurde 4819 Aſſeſſor bei dem löniglichen Gerichtöhofe 
in Eflingen, folgte aber ſchen 1820 dem, feinen Wünfchen ganz entfprechenden, 
Rufe ald außerorbentlicher ‘Profefjor der Rechte nah Tübingen, warb ordent- 
licher Profeffor, verwaltete feit 1925, im den kritiſchen Zeiten. ber, Undverfträt, 
mehre- Jahre dad Rektorat derfelben und ward 1829 Wicefanzler auf drei Jahre, 
legte diefe Stelle aber ſchon im Herbfte 1830 wieder nieder. Nun wirkte er 
einige Jahre fegensreich und mit dem größten Belfalle Lediglich. als afademifcher 
Xehrer und folgte zu Dftern 1833 dem Rufe als ordentlicher Profeſſot der Rechte 
nach Leipzig, dem er.aber 1836. durch feinen Ruf ald Kanzler der: Univerftät 
Tübingen wieder entzogen. ward, nachdem er Furz vorher den Orden der würt- 
tembergiichen Krone und dadurch den perfünlichen Adel erhalten hatte. — Seit 
— Jahren Präfident der württembergiichen Kammer der Abgeordneten, deren 
Mi —9 — er durch feine amtliche Stellung if, war er ſtets bemüht, zwiſchen den 
polisifchen Ertremen zu vermitteln, hat fich aber in neuefter Zeit entichieden ber 
liberalen Partel zugewendet. — Selne, durch große Gelehrfamfeit und. ungemeis 
nen Scharffinn ausgezeichneten Schriften find: „Lehrbuch des römifchedeutichen 
Strafrechts” (2 Bde., Stuttg. 1825—26) 5 „Die Strafarten u. Strafanftalten des 
Königreichs Württemberg, nady der Altern und neuern Praris und Geſetzgebung 
dargeelte? (Zübingen 1832); „Abhandlungen aus dem Strafrechte” (Bo. 1, 
Leipz. 1835); „Oemeines Recht Deutfchlands, insbefondere gemeines deutſches 
Strafrecht" (Leipz. 1844); „Beiträge ur deutfchen Gefchichte, ins beſondere zur 
Geſchichie des deutſchen Strafrechts“ (Tübingen 1845); „Handbuch des in Würt: 
temberg geltenden Privatrechts“ (2 Bde, Stuttg. 1845—46) und „Erörterungen 
aus dem römifchen, deutſchen und württembergifchen Privatrechte" (Heft 1-3, 
Stuttg. 1845—46). Auch lieferte er ſchätzbare Beiträge in das, vom 14. Bande 
an von ihm, in Verbindung mit Linde, von Lühr, Mittermaier, Muͤhlenbruch u. 
Thibaut herausgegebene „Archiv für eisitiifche Praris“ und in das, von ihm 
som 11. Bande an, früher mit Mittermaier und Roßhirt, jegt mit Abegg, Bims 
baum, Hefter und Mittermater herausgegebene „Reue Archiv des Eriminatrechts*. 
Endlich gründete er mit Mohl, Rogge, Schraver, Scheurlen und R. Wächter die 
„Süittiche Zeitfchrift für Rechtewienfchaft” (Tübing. 1826 f.). 

Wäprwolf, W — oder Wehrmwolfheißtin der Voiksſage ein Menſch, 
der ſich durch Zauberfünfte in einen Wolf verwandeln kann und als foldyer ums 
Berfchweift, den Schlafenden bei Nacht das Blut ausfaugt und fie durch feinen 

iß tödtet. — Diefer Glaube war und iſt zum Theil noch jegt, befonder® unter 
den Bauern von Saintonge, der Bretagne, Limouſin und Auvergne verbreitet. 
Roc 1574 verdammte das Parlament von Dolle den Gilles Garnier zum Feuer 
tod, weil er von. Gott abgefallen und dem Teufel als W. zu Dienften geworden 
fel. — Daß der Glaube an W.e fogar ſchon im Alterthume beftanden habe, be 
weist eine Stelle bei Plinius, wo biefer beftreitet, daß Menſchen ſich in Wölfe 
verwandeln und dann wieder ihre natürliche Beftalt annehmen fönnen, 

Wärme, nennen wir im Allgemeinen die Empfindung, welche der Wärme 
ftoff hervorbringt, wenn er auf das Gefühl wirkt; dann auch den Zufland ver 
Körper, worin fie im Stande find, jene Empfindung zu erregen. In der Phyff 
nennt man W. die in den Körpern befindliche Urfache, weldye jenen Zuftand “oder 


Wärme, 647 


jene Empfindung erzeugt. Ueber dad Weſen der W. find die Anflchten fehr Bir 
theilt; nach Erfahrungen und Beobachtungen nimmt man gewöhnlich eine wir 
liche Materie, ven W.-Stoff, an, die man als eine hoͤchſt feine, elaftifche Fluͤſſig⸗ 
keit betrachtet, welche alle Körper durchdringt, ihre Beſiandtheile zerftreut und 
ihnen erlaubt fidy zu nähern, fo wie die Menge diefer Flüffigkett in dem Körper 
vermehrt u. vermindert wird. Dieſe Subflanz läßt ſich weder wägen, noch ein, 
—— und iſt für alle Sinne, auſſer dem Gefühle, unbemerkbar. Ste bildet 
eine bleibende Atmofphäre um die Erbe, wie die Luft, fondern Fönnte fich, ihrer 
Ratur nad, ſchrankenlos bis ins Unendliche ausdehnen, wenn nicht alle Körper 
durch ihre Anziehungskraft den [telgeworbenen W.⸗Stoff aufnähmen. Der W.⸗Stoff 
verbreitet ſich nicht, wie das Licht, frahlenweife, fondern füllt den Raum, indem 
er fich ausbreitet, gänzlidy und mit unmeßbarer Geſchwindigkeit aus. Die Stärke 
der Wirkung, welche die W.⸗Theilchen hervorbringen, berubt auf der Dichtigkeit, 
womit fie ven Raum erfüllen. Man nennt fie Die Temperatur der Körper. Es 
i6t aber feinen Körper, der ohne fortvauernden Zufluß der IB. diefelbe Temperatur 
mmer beibebielte. Der Anhäufung der WB. find die einzelnen Körper in fehr vers 
[hlevenem Grade fählg (W.⸗Capacität). Die Urfache diefer Berfchievenheit liegt 
n der Berwanbtfchaft der Körper zum W.⸗Stoff und in der Form der Poren. 
Hat fi) in dem einen Körper mehr freier W.-Stoff angehäuft, fo wird feine Ans 
ziehbung oder Berwandtichaft zu demfelben vermindert; das Gegentheil findet In 
dem Körper von geringerer Temperatur flat, Die Dauer des Uebergangs bes 
W.⸗Stoffes in den Zuſtand des Gleichgewichts beruht auf der wärmeleltenden 
Eigenfchaft der Körper. Alle Körper, weldye die W. ftarf und fchnell leiten, 
nehmen diefelbe audy in höherem Grade an. Solche heißen gute, die übrigen 
fchlechte W.sLeiter. Zu jenen gehören die Metalle und meiften Mineralien, zu 
diefen die Produkte des Thier⸗ und PBflanzenreiches, namentlich Federn, Haare, 
Wolle. Bon dem W.-Stoff, defien Mittheilung zwifchen verfchienenen Körpern 
auf Ihrer Berwandtfchaft zu vemfelben beruht, unterfcheidet man den ſtrahlenden 
WW. Stoff, der durch feine eigene Ausdehnungskraft in Strahlen entweicht, bie 
durch die Oberfläche der Körper zurüdgeworfen werden. Diefer durchftreicht bie 
Luft, wie ein Strom, ohne fich mit ihr zu verbinden und felbft ohne fie zu wärs 
men. Bon glatten Flächen wird derſelbe nach eben denfelben Geſetzen reflektirt, 
wie das Licht. So tft auch durch Herſchel die Entdedung gemacht worden, daß 
die leuchtenden Strahlen der Sonne von den wäÄrmeerregenden gänzlich verfchieden 
find und hieher gehört ebenfalls die merlwürbige, von Jakobi In Königsberg be- 
obadhtete Erfcheinung, daß die W.-Ausftrahlung zweier nahe gerüdten Körper 
diefelbe Wirkung auf der Oberfläcdye hervorbringt, wie das Licht im Daguerteoihp. 
Körper von ungleichartiger Subftanz, aber gleich großen Maffen, nehmen bei gleicher 
Temperatur eine verſchledene Menge freier W. an und. zwar die fdhledhten Leiter 
weniger, al® die guten; dieſes Berhältniß der Quantität des freien IB. - Stoffes 
nennt man die fpezifiiche oder comparative W. u. beſtimmt daſſelbe durch den Ca⸗ 
lorimeter over W.⸗Meſſer. Zrei oder entbunden beißt die W., wenn fte für das 
Gefühl bemerkbar ift; im Öege falle gebunden oder latent. Aus der mwechfelweifen 
Bindung u. Entbindung der WB. lafien fich viele Erſcheinungen erflären, 3. B. die 
Erhigung des Kalks durch Waffer, die Abkühlung der Luft nady Regen ıc. Bet der 
Schmelzun jeher Materien, 3. B. der Metalle, wird der W.-Stoff zwar gebunden, 
aber nicht io nnig, als bei vem Uebergange eines Körpers in Gasform. In jenem 
Gall adhärirt er nur u. läßt fich durch einen falten Körper wieder trennen, in vielem 
aber tft er chemiſch und mit ver luftförmigen Subftang verbunden und läßt fidh 
allein durdy chemifche Dperationen abfondern. Die Wirkungen der W. auf die 
Körper beftehen in der Ausdehnung derfelben, zu deren Meflung das Pyrometer 
(f. d.) dient, indem Schmelzen, der Auflöfung In Dämpfe und in der Gasbildung. 
W.⸗Stoff liegt in jedem Körper verborgen, felbft in Schnee und Eis; die Ent⸗ 
bindung defielben aber erfolgt auf vertchlebene Weiſe. Die hauptfählichftie Er⸗ 
tegung der W. gefchieht durch die Sonnenftrahlen, es mögen vice W. ahen, 


Fr | 


J 
648 Waffen — Waffenrecht, 
' Er Le * * ar re nn — in — — Be 
sen brennbarer Stoffe, eibun; rper aneinander, Die ge; tige 
Einwirkung verfchiedener Körper 2 die Beränderung ihrer Bifhuen. De 
W. im thieriſchen Kö ift von der gemeinen W. nicht verſchieden. Boerhaave 
Teitete biefelbe aus der Bewegung des Bluts und der dadurch entflandenen Reibun; 
ab. Wahrfcheinlicher iſt die chemische Erflärung, daß der eingeathmete Sauerfto 
mit dem Blut ſich verbindet u. vermittelt Der Adern durch den ganzen Körper ſich 
Ba us ws er zerſeht wird und der mit ihm zum Gas verbundene W. + Stoff 
ent! t 
Waffen heißen im Allgemeinen alle, zum Angriff oder zur Vertheidigung gegen 
Menfchen und Thiere Geflamten, Werfjeuge und Ei serfallen daher indaoh in 
Angriffs, Offenfiv- oder Trup-W, und — The 8, Du 
Tentivn oder Schutz⸗ W. Die erften, zu denen auch die Jagd-W. gehören, 
theilt man, nach ihrer Wirkung, in Shuß-W. over S — re, ode 
auch bloo Gewehre genannt, mit denen ein Geſchoß mi er ſolchen Kraft 
fortgefchleudert wird, daß es noch in bedeutender —— und Thleie 
verwundet oder töbtet und Hieb⸗, Stich ⸗ oder Stoß-M., gewöhnlich blanke 
®. genannt, mit denen man einem Gegner nur in ver Nähe * lkann. Unter 
Gewehren verfteht man zwar zuweilen auch die blanlen ale tm engern Sinn 
aber nur die Heinen Feuer⸗W., mit denen eine Feine Bleikugel vermittelſt der 
Kraft: des entzündeten Schießpuivers fortgefchleudert wird, zum Unterſchiede von 
va ——— oder dem groben Geſchühz, deſſen ſich nur dad Militär 
jege bedient. 

Woffenlehre, die, lehrt die Eonftruftion, die Wirkfamfeit und den Gebraud 
ber fämmtlichen Waffen; fie bildet fonach einen Zweig der Milttärwiffenfchaften 
und zwar denjenigen, in welchen bie meiften Hilfswiſſenſchaften gineing fen. 
Zur vollftändigen W. bedarf man Kenntniße der Metalle und ihrer Behandlungs 
weiſe, praftifche Chemte, Mafchinenbanlehre, höhere Mathematik u. f. w. 5 ja, die 
Gewerbe des Schmiedes, Wagners, Tafchners u. f. w. greifen fo weſenilich mit 
ein, daß ihre Kenntniß wenigftens theilweife erforderlich if. Die Lehre von der 
Wirkfamfeit der Waffen erfordert Anwendung der Grundfäge der Balliftif, da erft 
nad) den angeftellten Berechnungen eine zuverläffige Wirkung zu erzielen tft. Der 
Gebrauch der Waffen, in ihrer Vereinigung zu taftifchen Körpern, geht ins Gebiet 
er oe im Allgemeinen einen befeftigten Platz, ber fih 

ag nennt man jemeinen einen befeftigten Platz, ber 
zum —— für Truppen, fonie zur Bela von Krisgebenürfnffen 
eignet. — Dann heißen auch In Feftungen W.e die größeren freien Räume in den 
aus» und eingehenden Winkeln des Glacis, die namentlich zum Verſammeln der 
Truppen dienen und meift mit Reduits verfehen find. Ste erleichtern die Ausfäle 
und den KRüdzug der audgefallenen Truppen; doch müflen fie geräumig feyn. 

Waffenrecht, Waften- over Wehrhoheit (jus armorum, jus belli et 
pacis) iſt das Recht des Staates, Schirm» und Wehranftalten, beſonders eine bes 
twaffnete Macht zu errichten, zu unterhalten und anzuwenden. Sie Segrel 
a) das Recht ver Anwerbung, Aufftelung und interbaltung von regulärer Krieges 
mannsfhaft aller Waffengattungen, mit den nöthigen Befehlshabern; b)- das 
Recht der Auſbietung der, dem Eivilftande gewidmeten Staatsbürger zum Kriege 
dienſte, alfo das Recht der Refrutirung und Eonfeription, der Aufbietun; 
Landwehr, des Landflurmes, vermöge des Rechts der Heerfolge; ferner der Leben 
miliz, d. h. der Bafallen nach den Lehensgefepen und ver allgemeinen Vollsbe⸗ 
8— je) das Recht, Feſtungen zu bauen und zu unterhalten; d) das Recht, 

— Waffen u. Pulverfabrilen, dann Waffenpläge, militaͤriſche Bild⸗ 
ungsaufialten ic. zu haben; e) das Recht, Einquartierung — en, den ſoge⸗ 
nannten Service, auch Militärfleuern zu erheben, den Gintritt — Krieger 
dienfte zu_unterfagen, Heerſchau u. Waffenübung zu halten. — Schon zur Zeit bes 
deutſchen Reichs hatten nur Reichöunmittelbare bieſes Recht und fo haben es noch 


Baffenklikand — Wagenbaner. C 
Deutfehfanb nur bie Bürken, welche bie dolle Sonveratnetat haben, mit: die 


ien enfiNfienb ft die en lung der Feindfet deindſeilgleiten * 
jenſeitigen Vertr ‚auf ei Stunden, Tag har en, Monate: oder Jahre. Cr 
8 entweder aufg t werden und e6 mt, wi. Zeit zuvor viee 
heben muß, —2 — mim Seit ab. Mei wird eine 3 
arcationslinte gezogen, welche end der Dauer: defielben beide 
eidet. Oft if no neutrale® Gebiet — * beiden Demarcationslinien. 
Bun, I m San fah ſchen zu Moſes Zeiten, der fie in 
‚um zu fahren, waren zu , ber 
gyptenofennen lernte, befannt und entſtanden aus ber Schleife, unter welche 
m Walzen legte. — und Ceres ſollen Ochſen zum Zi derſelben ans 
— ——— Bin 
en un zum Zichen" w en en 
— fie in Ongianp eingeführt. 8 er Wagen inc Ribr (Rare, 
t fie in an nfartg 
ber das * —* Char für W.), — vier Chlefe follen die Eng 
unden baben) und bei den Scythen, denen Ihre W. auch ohnung -bienten, 
be. Anfangs fan frannte man nur ein Dferb vor, Äter , drei, vier- nebenehi> 
ber. Theſens bet den chen ein. ter und Is⸗ 
eliten hatten fie ober don früher; Salomo viele W er feine 700 
auen und 300 Beifchläferinnnen ga * * su * en. Hr die 
ch Mechanismus in B a 8 
Br Rürnberg (1649 mittel —* Bed), Ereoin un und en A 
gel getriebene), Farſtler in Altorf (geb. 1633, + 1689); er fuhr ſich, da 
—* war, damit ſelbſt a Dampfwagen.) 

Wagenaar, Jan, H —* Kr Start Amferdam , der Sohn eines 
chuſters von da und daſelbſt 1709 geboren, Aufleste ſchon in früher Jugend 
ıen untpiberfichlichen Hang zum Leſen, Tam als Lehrling in das Comptoir 
ıe8 reichen Kaufmannes und benügte bier alle Nebenftunden zur Lektüre bis in 
n 17. Jahr, wo diefer Eifer erkaltete. Nun befuchte er in feinen 47 
nden die Kirchen der Remonftranten und Wiebertäufer, beſonders bie 
mmlungen der Bollegianten; babet egie er ſich auf bie —X en 
techifche und hebräiiche Sprache, auf Mathematik, nbilofophte und be 
ach feiner Verheirathung 1740 trieb er einen Holzhandel, fehte aber da 
fonderd dad Studium der Theologie und enge te fort und —8 den 
März 1773 als Rathöfchreiber zu Amſterdam. W. if der vornehmſte Ge⸗ 
ichtſchreiber der vereinten Niederlande u. bet vielen Fehlern in Korm u. Ma- 
ie iR fein Werk über dieſelbe nocdy immer das befle: De vaderlandsche His- 
rie vervattende de Geschiedenissen der vereenigten Nederlanden, inzonder- 
it die van Holland, van den vro Tyden af (bi6 1751), 21 Thle. 
nfterdam 174960, deutfch von E. Loge, Lpz. 1756, 8 Bde. 4. Da gehört: 
rvolg. van W. vaterl. Hist., 8 Ihle. Amſterd. 1787—91 geht von 1776 bis 
84. Um dieſe Sortjegung mit am twerfe zu einem gu machen, 
» 1789 ff. ein 22. 23. und 24 des twerks erfchienen, worin bie 
eſchichte von 1751—1774 enthalten if. W. ſchreibt nicht —— federn 
erzählt blos und liefert viele Anekdoten; er thut dies aber Wit ziem 
t, wo ee Intereſſe mit im Spiele ifl, darf man keine reine ——e—— — 
varten. Welt mehr bedauert man bei dem Gebrauche des Werks zum äftern, 
ß die feineren Geſchichtmaterialien, deren Aufſammlung einen geübtern hiken⸗ 
en Sinn fordert, gar zu ſehr vernachlaſſigt find. W. ſchrieb auch ſeit 1756 
ee Staatscourant u. Description de la ville d’Amsterdam, Amſterdam 
de. 

Wagenbauer, Marimilian Joſeph, Infpektor ver E. Gemaldegalerie ya 
ündhen, wurde 1774 zu Graͤſing in Oberbayeın geboren une or Kia wer wor 








650 Wagenburg — Wagner. 


beuifchen Landſchaftomalern einen vortheilhaften Ruf erwotben. Seine Gemälde 
zeichnen ſich durch fleißige Behandlung aus, die Beleuchtung an denſelben iſt na⸗ 
türlich, der Farbenton harmonifch. Er ſtatb den 12. Mai 1829. Man hat auch 
von ihm: „Anleitungen zur Sandfchaftezeichnung lithographiſcher Manier,“ 1809 
und 1815; Baumftudien in 12 Blättern, 1817. 

Bagenburg nennt man eine Verſchangung von Wagen, wenn nämlich die 
ledigen Wagen zufammen eingefchoben und hinter foldhe ſodann die Soldaten aufs 
geftellt werden, damit der. Feind nicht gleich einbrechen: Fönne. Sie find faft nicht 
mehr im heutigen Heere gebräuchlich, weil die Armeen bei ihren Lagerungen als⸗ 
bald einige Linien, Graben und Schanzen aufzuwerfen pflegen. — Jeht legt man 
En : gen auch der ganzen Maſſe der Proviant- und Padwagen eines 

ers 

Wagenwinde, auch Fuhrmannswinde, iſt eine Mafchine, welche zum 
Emporheben, beladener Frachtwagen gebraucht wird, wenn man. bie Räder von 
den Aren abziehen will, um legtere zu. ſchmieren. Sie hat in einem, am einem 
Ken Klotze befefigten, Gehäufe von Blech ein Räderwerk, dad aus einer 
" farfen gezahnten Stange von Eifen, aus Getrieben und Stirnrädern, ebenfalls 
von a, befteht. Ein Getriebe greift in die gezahnte Stange ein und ere 
tann mittelft einer, von der Welle des erſten Nades oder Gettiebes angebrachten, 
Kurbel auf und niederbewegt werden, wodurch alfo die, auf den obern Anſah der 
gesahnten Stange gebrachte und ſich ftügende-Laft (ein —— „. By ebenfalls 
auf und nieder bewegt werden fann. Die Berechnung der Kraft u. Laſt iſt bei 
der W. im Allgemeinen diefelbe, wie bei dem Krahn Ci. d.). 

Bagreht, f. Horizontal. 

Wagler, Johann Georg, Zoolog, geboren den 28. März 1800 zu 
Nürnberg, Sohn eines Föniglichen ng Rem Ar befuchte das. Gym⸗ 
nafium feiner. Baterftadt, Fam dann auf die Untverfität Erlangen, wo er fich dem 
Studium der Heilfunde und der Naturwifienfchaften. widmete und zum Med. Dr. 
promopirt ward, 1819 wurde er Aififtent am zoologifchen Gonfervatorium zu 
Münden, 1823 Adjunkt deffelben; 4825 unternahm er auf Staatsloſten eine 
wiſſenſchaftliche Reife durch Frankreich, England und die Niederlande; nad) der 
Verlegung der Univerfität nach München wurde er 1827 aufferorbentlicher Bros 
feffor der Zoologie und im felben Jahre Mitglied der Akademie der Wiflenfchaften. 
&r ftarb 1832, in Folge einer brandig gewordenen Schußwunde am Arm, bie er fih 
ſelbſt zufälliger Weife beigebracht hatte. — W. hat Treffliches geleitet als Lehrer 
und Forſchet im Gebiete der Zoologie und ber vergleichenden Anatomie; vor⸗ 
güglich aber befchäftigte er ſich mit den Amphibien. bearbeitete, gemeinſchaft⸗ 
lid mit Spir dj. d.), bie „Serpentum Brasiliensium species novao“, Münden 
1824. — Außerdem fchrieb er: „Systema avium“, Stuttgart 18275 , Ratürliches 
Syſtem der Amphibien“, Stuttgart 1830; „Icones et descriptiones amphibiorum“, 
3 Hefte, Stuttgart 1831, ꝛc. E. Buchner. 

Wagner, 1) Jobann Jakob, ein geftreicher philoſophiſcher Schriftfteller 
und ehemaliger Profeſſor der Philoſophie an der Untverfität Würzburg, geboren 
am 21. Januar 1775 in der vamald freien Reichsſtadt Ulm als däs einzige 
Kind des dortigen hofpitalifchen Zinseinnehmers. Das Gymnaſtum zu Ulm hatte 
nicht blos die Borbereitung zur Univerfität durch Sprachen und Erklärung ber 
altlaffiihen Schriftfeller, Prem auch ſchon philofophifch-juridifche u. theologiſche 
Collegien zu geben, und die bis zu dieſen Golegien vorgerüdten Schüler bieken 
Studenten. Reben Mufif war die Poeſie fein Lieblingsgedanke und in jugends 
licher Feuerkraft dachte er ſich ſchon als Dichter einer Moſaide ein Klopfod an 
die Seite zu treten. Um Oftern 1795 bezog W. die Hochſchule zu Jena, nachdem 
er fich bereits vor feiner Abreife am 30. Januar 1795 förmlich mit Juftine 
Philippine Vetter verlobt hatte, welche er auch nach mehren Jahren wirklich als 
feine Battin heimführte. Yichte ward ihm Lehrer und freundlicher Rathgeber. 
17% ging W. nady Göttingen und mußte zu feiner Guflentation zur nift⸗ 


Saguer. 0% 
üerei feine Zuflucht nehmen. Gr bearbeitete Die Lehre von den Realcontralten, 
ner zwei Preiöfragen, von denen eine mit dem Acceſſit belohnt wurde. und ver⸗ 
hte fi) fogar an einem Roman und an einem Lexikon der Platonifchen 
phie, das in Göttingen bei Dietrich erfchien. ne ‚nahm: ihn in fein philo⸗ 
giſches Seminar. auf und warnte ihn freundfchaftlich wegen feines zu - viel 
Itigen Wiſſensdranges, ihm drohen dem Eprudye: in omnibus ali 
‚ toto nihilL Wegen feiner Fünftigen Lebensftellung e an Fichte fl 
ıd die fümmerlidye Eriftenz ſchildernd, ließ er fich zu ber eilten Einla 
leiten, au biefem zu Sommen u. feinen J jährigen Knaben (den jegigen- fcharfs 
wigen Philoſopher Imanuel Herman in’ Tübingen) ® ‚erziehen. : Durch einen 
eukauf von 32 Laubthalern wurde der Bertrag im Hugenblide — 
acht, wo W. die Reiſe nach Jena ſchon antreten wollte; Letzterer ging N 
geachtet nah Jena, weil er bereits in Göttingen feine Gtellung karte eben 
ute und blieb mit Sichte Im gutem Bernehmen, bis er‘ auf deſſen Eup eblung 
ei dem Kaufmanne Leuchs in Rürnber für die Uebernahme der Redaktion einer 
Jandlungszeitung mit 250 Gulden Gehalt gewonnen wurde. Zwei Manuſtripte 
nden glüdiich in Nürnberg einen Berleger:. „Lorenz Chiramonti oder 
ereien eines Jünglings“, ein Roman, der von ihm ſchon in Göttingen 
hrieben war und, über Fichte „Nikola“ oder Grundſaͤße des Sch Ahr, 
techted." So fehr er. fi) in Nürnberg gefiel, konnte hier fein Berhälmiß doch 
icht von längerem Beſtande bleiben, einmal, weil die überbäufte Redaktionsuers 
indlichkeit ihm an der fruchtbaren Produftion der Ideen hinderl egentrat 
nd bie prefäre Stellung ihm die Schließung des Chebundes mit feiner Verlobten 
icht geftattete. Dennoch enifchied er fi) zu dem Wagniß, auf eigene Kraft vers 
auend, als Privatgelehrter zu verehelichen 21. September 1801. Bon 
ner damals erjchienenen Reifebeichreibung durchs Salzburg’iche von Bierthaler 
ir Saljburg eingenommen und nad) ‚brieflicher Ruͤckſprache mit dieſem in. feinem 
torhaben beftärkt, entſchloß er fich, Salzburg zu dem Orte feined Aufenthaltes 
ir fi) und feine Gattin zu erwählen. Die großartige philoſophiſche Anficht 
schellingd erfüllte W. mit den größten Erwartungen, er faßte feinerfeitö ben 
— 5* , die Naturphiloſophie in einem untverfellen Plane, dieſelbe in ſtufen⸗ 
eiſer Entwidelung von der mineralifchen bis zur menichlichen Natur durchzu⸗ 
ihren und fo entftand fein Werk: „Bon der Ratur der Dinge”, 1801. Während 
er Abfaffung diefer Schrift führte er zur Erholung von der angefitengten Spe⸗ 
ılation feine Anficht über Licht und Wärme In einer befonderen Schrift, betitelt: 
Theorie der Wärme u. des Lichtes“, aus. Hierauf bearbeitete er einen, in ein 
anz anderes Gebiet einfchlagenven, Gegenſtand, auf den ihn die Befpräche mit 
nem Freunde geleitet hatten: „Die Philoſophie und Grziehungskunft“, worin 
an zugleich die allgemeine Entwidelungeform alles geifigen und phyſiſchen 
ebend dargeftellt findet. Diefe Form, welche mit dem Weltgeſege zuſammen⸗ 
den mußte, fuchte er in dem engen Gefehe der Mathematik und glaubte, in den 
ahlen und Figuren den Ausprud der zeitlichen und räumlichen GEntwidelung 
funden zu haben. Die freundſchaftliche Verbindung mit dem Gchuldirektor 
zierthaler veranlaßte feine Theilnahme an der Salzburger literarifchen Zeitung 
nd deren Fortfegung durch Dr. Schallfammer unter dem neuen Titel „Brags 
atiſche Annalen der Literatur und Kultur“. Die Heine Schrift „Ueber - 
ebensprinzip” bewirkte die Korrefpondenz mit Schelling. Die Schnfucht, an 
ner Hochfchule phtlofepblicher Profeſſor zu werden, warb Immer unmwiberftchlicher 
nd er begab fidy zu biefem Zwede nach München und bearbeitete, um fidy zu 
npfeblen, den Begenfland der damaligen Tagesdiskufſton: „Aber die —— 
er legislativen und exekutiven Staatsgewalt.“ Gegen Ende des Jahres 1 
hielt er den Ruf als außerordentlicher Profeſſot der Bhitofophie big, 
en er kurz zuvor eine finanziell » vorthellhaftere Berufung ald Studienreltor 
ach Koburg abgelehnt hatte. Hier wetteiferte W. mit feinem Kollegen Sche 
ber des lehteren Schrift: „Religion und Philoſoyhie“, wordte Teen EN | 










6 Wagner. 


amd mit der Entfchiedenheit feiner Natur entwidelte er die Polemit gegen bie 
Ioentitäts+ Philofophte und das Programm: „über das Weſen der loſophie· 
und für das größere Publifum in der Einfeitung zum DS] jem der Idealphilo⸗ 
ſophie.“ elſtreiche te Anregung und lebendigem Ideen ſpiele 
unterhielt W. mit dem Minifter v. Kretfchmann in Roburg; während dev Ferien 
Die er längere'Zeit bet diefem aufgeflärten Staatsmanne zum Beſuche auf feinem 
Gute Theres zwifchen Bamberg und Schweinfurt und der höchft intereffante 
Briefwwechfel 1808— 1809, gewährt anſchauliche Einficht in die damaligen philo⸗ 
ſophiſch⸗ wiſſenſchaftlichen Beftrebungen. W. entwwidelte im Würzburg, neben fetnem 
afabemifchen Berufe eine rege fchriftftellerifche Thätigkeit: es erfchien 1805: 
Grundriß der Staatswiſſenſchaft und Politit zum Gebrauch afabemifcher Vor⸗ 
lefungen“ ; „Journal für Wiffenihaft und Kunft”, 1. ‚Se „von der Bhilofopbie 
und Medizin“, ein Prodromus für beide Studien. Er las an der Univerfität 
auch über Weltgefchichte, die W. ſchon lange ald Parallele der Naturgeſchichte 
erkannt hatte, und ald Früchte ſolcher Duellenforfchungen erfchienen: een zur 
allgemeinen Mythologie der alten Welt“ und „Homer und Hefiod“, ein Berfuh 
über das griechifche Alterthum. Der großartige Verlauf der Weltgefchichte be 
terte ihm zum „Theodicee“. Diefe Schrift entzweite ihm mit feinem alten lang: 
ährigen Freunde Kanne (f. 9). Um dieſe Zeit fiel das Würzburger Land dem 
Großherzog von Toskana als Gurkaänigumg au, mehre Lehrer der Hochfchule wur« 
den penftonirt unter ihnen auch W. sog nach Heivelberg als PBrivatbocent, 
las „über mathematifhe Philofopbte und über den it der vier, Fakultäten“, 
welches lehtere Kollegium Graf Leopold von Ho Bern der nachmalige Grofr 
herzog von Baden, bejuchte und für ihn ein väterlicher Mentor ward. Die 
„mathematifche Philoſophie“ konnie nur höchft ſchwierig und mit einem Ir 
dürftigen Honorar bei Palm in Erlangen zum Berlag fommen; fand inde auch 
mit Ausnahme des fcharffinnigen Matbematitere Langsdorf, Feine ſonderliche Auf 
nahme bei dem Publikum. Noch vor feinem Abgange von Heldeiberg hatte W 
das Manufeript feines Werkes „der Staat“ drudfertig; es erfchten 1815 in 
Würzburg, wohin er zurüdberufen wurde, ungeachtet der Widerſetzlichkeit von 
vielen feiner ehemaltgen Kollegen. Durch die Zeitfragen hervorgerufen, veröffent- 
lichte W. 1819 ‚Religton, Wiſſenſchaft, Kunft und Staat in ihren gegenfeitigen 
Berhältnifien.“ Nach einem Zeitraum von zwei Jahren, „Eyftem des Unterrichts, 
oder Encyflopädie und Methodologie des gefammten Schulſtudiums“, 1821. Für 
die höchfte, aber auch ſchwierigſte Aufgabe feines Lebens hielt er, das Drganon 
der’ menfchlichen Erfenntntg zu entwideln, woran er neun Jahre unaudgefept 
thätig war, welches 1830 erſchien und anfänglich die Aufichrift führen follte: 
„Grundgeſehe des Weltalls“, oder „Eyflem der Form“, denn der beabflchtigte 
rn des Werkes ſollte feyn, bie dritter der Welt als Geſetz feiner eigenen 
tenntnig heraufzuholen. Nach der Arbeit des Organon mußte ſich die Pro⸗ 
duftionsfraft W.S einen Ruhepunft ‚gönnen ; er wandte ſich der Poefte zu und 
entwarf den Plan „der Dichterfchule”, ſowie „Syftem der Privatöfonomie“ 1836, 
worin er das Ganze des damilienhaushaltes für das gebildete Publikum ents 
widelte. Che dieſes Werk noch erfchien, erhielt er ohne vorgängt es Anfuchen 
1834 den 11. Dftober da6 Dekret feiner Qulescenz und, von lieben zeit⸗ 
weiſe —e verlegte er feinen Wohnort nach Neu-Ulm, kaufte ſich daſelbſt 
ein ſchoͤnes Wohnhaus mit Garten und darin befindlicher Eremitage und ver 
brachte hier feine alten Lebenstage im heiterer philoſophiſcher Ruhe, bis ihm ber 
Sonetengel in Folge einer unvorfichtigen Berfältung welche eine Lähmung des 
Unterfi Berbeifühnte, fanft hinüberführte in ein befferes Jenſeitd am 22. Bot. 
1842, Bon feinen meiften Schriften erfchienen durch feine beiven de 
Philipp Ludwig Adam ımd Auguft Kölle neue vermehrte Auflagen, ſowle zum 
erftienmale W.8 „Kleine Schriften“, 3 Thle. und zum Schluffe auch noch feine 
mLebensnachrichten u. Briefe“, Ulm 1849. Cm. — 2) ®,, Johann Ernfl, ein 
vorzüglicher Romanfchriftfteter, geb. 1768 yu Rogbart. bet Meiningen, erhielt den 


Ber Bayer... en “ j 1 


yxbereitenden wiſſenſchaftlichen Unterricht. von feinem Water, einemn 

idirte hierauf zur Jena Rechtowiſſenſchaft, wurde Gerichtsaktuar. zu 

ub ald Kabinetöfekretär zu Meiningen 1812. Seine Schreibweife ift —* 

el, anmuthig und wißig, —— und warm. 

Yenden Maler“ (2 Thle, n. bald's Anſichten des ebene“, 

! Thle, n..Q, 1822); en aus = remde in die Heimath“, (2 

308— 1810); „A. B.-E. eines. vierzigiährigen. Fibelfchügen“, (1810, 

a Humor); „Ofidora” (1812) u. f. w, — Schriften“, hera 

ben von Mofengeil, (12 Bde, 1824— 1823). —5 W. Johann Wartim, 

!doren zu Würzburg 1777, fubirte bereit auf ber — feiner Vater ſtadt, 

8 er ſich aus beſonderer Aelgung ber Malers und Geaulptur ‚uwanbte und zu 

efem Zwede Wien und Paris ging. Seine weitere Wußhllpung geivann 

in Rom, wo er zugleich für dem ne de Ktonprinzen von : antile 
ſtgegenſtande auftaufte und reRauritte. jet Gemälden find die on 

1 et le in München, der — I bie Walfalla x a Werle. 


in ven. 
k ai Vemogat. = 4) 5 Kub —— Eee 


leichenden Anatomie und "Zoologie an ber ae Gdiit ‚baren 

em Eraser De 

jem Rektor proi . Lor 
earth W., befuchte das Gymnaflum. feiner —X in At — 
m 10 ae —* Elang —A — Dem Siudlum der 
aturwiſſen jen um! er Hekunbe 12 er na ürzbur; 
vfelop 182 % Pin med. Dr. promi —— er eine —E 
eiſe nach dis be an bie Alm Ger era une des Mi 
eicher er fich befonbers mit Sergleichenber Anatomie und engen der —ã 
hier formen — den Sommer 1828 brachte er in 1829 
urde er Profektor und Privatbocent an der Univerfität Erlangen, — auſſer⸗ 
dentlicher und 1833 ordentlicher Profeſſor der Zoologie; 18 wurde er an 
Humenbadye Stelle als orbentlicher Profeſſor an die Univerfisät Göttingen bes 
ıfen. — W. gehört zu den ausgezeichnetſten Phyſiologen der neuern Zeitz 
amenilich aber trugen feine Bemühungen und Leiſtungen bei — eine 
anz neuen Wiſſenſchaft, ber aittepliäen Anatom hireichen 
icrften W.8 find zu erwähnen: „Zur vergleichenden Be fogie ve Ve , 

pıtg 1833; Pr der Encpklopädie und chen 

fenfchaften ———— ei Gelangen 1m Berfept ine Sänkiaen 
icones physiologi« tehedud . der. ‚vergleichenden. 
natömie“, 2. um; —— Aufl, am a —S— der Zoolomie⸗ 


eiprig 1843 1847, 1. Bo. (Anatomie Ye „Biel Fr von. Wr 2,8 
ee ee lern), von B von $ en — * 
ei 7 u e un tan; 
Ayotogn Berner m er heraus: „ Bann Brannihiueg 
* x. — 5) W. Morig, Bruder t ald Relfefchriftfteller, 
:boren 1807 in Bayreuth, befuchte das in Augsburg, wendete fich 
un dem Handlungsfache Ir u. Fam ‚in ei — in Warſellle, von 
o er einen Abſtecher nach Mg! Pe 
e Reigung zu naturhiſtoriſcheũ —* King, Be — demn ae 17 
ande und bei 6 ſich — Erlangen P feinem Bruder, um natur) iſchen 
itublen zu widmen. a a = be Bari wenn 1a und burde 
‚anderie Algerien in allen Richtungen, war ei ber n nach 


antine al lied der enden onen. nad fine Bi 45 
h in bi ' eine Dom 
— * — Een u, En) — — en 


ae wo er 
ac 
Ba e ee, 


5 Regentii 


en. ie 


654 Wagram — Wapabiten, 

1841 mit einem naturhiſtoriſchen Anhange und einem Atlas; Der Kaufafus un 

ae 
em Aratat un entien 

Be kun gi Rx 3 E. —— 


J 
Wagram, ein Dorf mit 600 Einwohnern, in Nieveröfterreich, Viertel unter 
dem Wiener Walde, auf dem Marchfelve, geſchichtlich berühmt durch die am 5. 
und 6. Zufi 1809 hier gelieferte große Schlacht, welche das Ende des Bed 
9.8 von 1809 herbeiführte. — Schon am 4. Zult waren von Napoleon die mi 
Ga —— — au Uebergange über die Donau getroffen und in ber 
auf den 5. wun jefer mit der ganzen, 50,000 Mann ftarfen, Armee bewerk: 
Reli: Am Morgen wurden bie unbedeutenden ————— wiſchen Eßling 
und Enzerödorf genommen und das letztere Sti re Nun entfalts 
etem fich die Heeresfäulen in möglichfter Eile. 600 Gefchüge deckten die große 
Schlachtlinie. 100,000 Defterreicher mit 400 Kanonen erwarten —— 
Des Feindes raſcher Anfall des Centrums wurde, ungeachtet ihm das Ein! 
wiſchen das erfte und zweite Öfterreichifche Armescorps gelang, durch die An- 
Rrengung des Giegers von Afpern, Srberion Karl, der bei diefer 
verwundet wurde, abgefchlagen, wobei ſich das Infanterieregiment 
(Grbad) beſonders aus eichnete. Die Franzofen mußten mit Verfuft über den 
Rußbach zurüdweichen. Auch wurde am Abende ein Angriff der Sachfen auf 
W. unter Bernapdotte blutig zurüdgemiefen. Am eigenen za wo mit 
neuem, unermüpfichen Eifer um die Entfcheivung des Steges gekimpft wur, 
drang der rechte Flügel der Defterreicher glüclich vor, auch ihr Centrum tropte 
feindlichen Angriffe. Allein, da ein 12,000 Mann ftarfes Corps von Brei 
burg, weldyes den linfen Flügel bei Markgraf-Neufient verflärfen folte, 
erft am Abende: des wicht 1968 eintreffen konnte, fo entfchied die Umgehung 
dieſes Flügels, welcher ſich Tange mit der herotfcheften — gegen die un 
verhältnigmäßige Uebermacht des Feindes vertheidigte, die Schlacht zum Bortbeil 
der Franzoſen, im welcher die ausharrende Tapferkeit der Befiegten den Muh 
der jo fehr überlegenen Sieger vielleicht überbot. Bellegarde, Kolowrat, Liechten: 
ftein,. Hohenzollern, Klenau, Rofenberg und Wimpffen (Generalquartiermeifter des 
Graherzogd-Generaliffimus) haben im diefer zweiten Rieſenſchlacht des merkwürd⸗ 
igen Jahres 1809 auf dem Marchfelde als Eommandirende ded Armeecorps ihre 
Han in der Kriegsgefchichte verewigt. 5000 Todte, unter welchen ausgejeich⸗ 
nete Generale: Becſey, Vukaſſovich, d'Aſpre, Rorpmann; 18,000 Ber 
wundete (Darunter neo dem Erzberzoge 10 Generale), 7500 Gefangene, 9 Ku 
nonen, 1 Fahne waren der Verluſt der Defterreicher; 11 feindliche Gefchiige, 12 
Adler und 7000 Gefangene ihre Trophäen. Von den Feinden, unter deren Kel- 
hetren fi Bernadotte, Maffena, Dudinot, Macdonald und Davoıf 
am meiften ausgezeichnet hatten, waren die Generale Rafolle und Duprat, 
mit beinahe 10,000 Mann, gefallen; 2 Marfhälle, 9 der bedeutenderen Generale 
und über 30,000 Mann waren verwundet. 

Wagrien hieß fonft der nordöftliche Theil von Holſtein, öftlich und mörd- 
lich von ver Trave, welcher ein eigenes ſlaviſches Fürftenthum bildete, aber feit 
1140: Holftein unterworfen if. Ein Theil davon. iſt das, jeht oldenburgiſche, 
Fürfenthum Lũbeck oder Eutin. 

Wahabiten, eine muhamevantfche Sekte, geftiftet 1745 in der arabifden 
Provinz Nedſchd von Ion Abdul Wahab. Ste teformirten den Islam. nadı 
eigenthümlichen Grundfägen, indem fie, mit Berwerfung der Tradition, dem Koran 
als die alleinige Duelle der religlöfen Erfenntniß anerkannten, alle Ceremonien 
und bisherigen suche aus dem Cultus entfernten, vornämlich aber auf 
Strenge und Mäpipkeit im Leben drangen. Dagepen ließen fie fi durch unge 
zügelten Banatismus Für Bekriegung Anbersgt ubtger hinreißen. Nachdem fit 
längere Zeit im Stilfen fidy ausgebreitet, dann aber plöglich einige Fühne Raub 
zäge unternommen hatten, wurden auf Befehl der Pforte Truppen gegen die In 


Wahlberg — Wahleapitulation. 655 


pendenten gefendet. Diefe aber, mehr als 50,000 fireitbare, Tampfgeühte Maͤn⸗ 
r, welde mit Helbenmütß er Tapferkeit und Begeifterung fochten, vereitelten 
re Anftrengung der feindl den Führer. Um dad Jahr 1800 bis auf 120,000 
ann angewachſen, fchlugen fie mehrmals den Paſcha von Bagdad, eroberten 
d plünderten Mekka und andere Städte und überließen ſich in der Trunkenheit 
3 Sieges den ausfchweifendften Braufamfeiten. 1811 wurde Mehmen Ali von 
gypten gegen fle aufgeboten u. nad) einem vierjährigen, verzweifelten, blutigen 
ımpfe, worin fle ſchreckliche Niederlagen erlitten und ihre thätigften Häuptlinge 
ıbüßten, unterlagen fie der Uebermacht. Ihr letztes Oberhaupt, Abdallah ben 
ahud, wurde 1818 in Konftantinopel hingerichtet, Seitdem if ihre Kraft ger 
schen und einzelne wiederholte Empörungen find fchnell gedämpft worden. 
jL Gorancy, „Hist. des W.“ (1810); Burdhardt, „Notes on the Bedouins and 
ahahys“, 1830. 
Wahlberg, Peter Friedrich, Profeffor der Raturgefchichte in Stodholm, 
). den 9. Zunt 1800 zu Bothenburg, Sohn eines Großhändlerd, befuchte das 
mnaflum zu Linköping, zeigte von Jugend auf große Neigung zum Studium 
* Raturgefchichte überhaupt und insbeſondere der Botanif und erwarb ſich 
ıfaffende Kenntniß der nordiſchen Flora auf feinen Reifen durch Schweden und 
yrmwegen, die er 1816—1822 unternahm. 1818 Fam er auf die Univerfirät nach 
ala, wurde 1824 zum Philos. Magister und 1827 zum Med. Dr. promovirt. 
bon 1825 war W. in Upſala als Docent der praftifchen Oekonomie aufges 
ten; 1827 wurde er Adjunkt der Raturgefchichte am karoliniſchen mediziniſch⸗ 
rurgiſchen Inſtitut in Stodholm ; 1828 zum Profeſſor ernannt, unternahm er 
we wifienfchaftliche Reife dur Dänemark, Deutfchland, Italien, die Schweiz, 
anfreih und Holland; 1830 wurde er Mitglied der Akademie der —— 
ı in Stockholm. — W. iſt als Schriftſteller beſonders im Gebiete der Botanik 
Atig, unter anderen ſchrieb er eine „Flora Gothenburgensis“; ſeit 1832 iſt er 
itredafteur der „Tidsſkrift for Läfare och Pharmaceuier“. E. Buchner. 
Wahlcapitulation hieß zur Zeit der deutſchen Reichsverfaſſung der, zwiſchen 
m Kaiſer und den Kurfürften im Nımen des Reiches abgeichloffene Vertrag, 
rch welchen die Rechte und Gränzen der Eatferlichen Gewalt beflimmt wurden. 
: war eines der fünf Reichsgrundgeſetze. Schon in den Älteren Zeiten pflegte 
ın den deutfchen Katfer auf die Gefege und die Verfaffung zu verpflichten und 
n gewiffe Punkte fchriftlich vorzulegen; allen erft unter Karl V. fam die W. 
Nig zu Stande. Kaiſer Marimiltan I wünſchte nämlidy feinen Enkel, 
arl L, König von Spanten (der als Kaiſer Karl V. hieß), zum Nachfolger 
f dem Kaiferthrone; allein die Reichöftände wollten Maximilians Wunſch nur 
ter der Bedingung erfüllen, wenn Karl bei feiner Wahl gewiſſe Bunfte unters 
riebe. Eie Ft ten auf des Kurfürflen von Sachſen, —3286 II, des 
teifen, Anrathen diefem eine Capitulation zu, zu deren Erfüllung ſich Karl audy 
rbindlich machte. Seit diefer Zeit wurbe die W. gebräuchlich und jedem neu 
vählten römiſchen Könige oder Kaiſer glei bei der Wahl vorgelegt und er 
ıte fie nady der Wahl unterfchreiben und befchwären. Bis auf Rudolph II. 
ırde die W. von den Kurfürften, ohne Widerſpruch der übrigen Reichsſtände, 
ein verfertigt, da hingegen bei der Wapl des Kaifers Matthias 1612 die 
rigen deutfchen Fürften an ihr, als einem Reichögrundgefehe, ebenfalls Antheil 
hmen wollten; auch jest verfertigten die Kurfürften folche allein. Bel den 
fphältichen Friedensunterhandlungen machten darauf die deutfchen Fürften den 
ıtrag, daß eine beftändige WB. entworfen, foldye in das Friedensinſtrument aufges 
mmen und der jeveomatige Kaifer auf dieſelbe von den Kurfürften vereidet 
fben follte, allein viefer Borfchlag Fam nicht zu Stande. 1664 brachten die 
ırfürflen einen Entwurf zu einer Phfchen beftändigen W. zuß den Reichstag; 
ſte ihn aber blos in ihrem Namen abgefaßt und ſich das Recht vorbehalten 
tten, nach Zeit und Umſtänden Zuſätze zur W. zu machen, ſo wollten die 
rigen Fuͤrſten ſolches nicht zugeben. ben dieſes gechoh ug LRA\, a Wear 


120... 


— — en F — 


* 
oss Wahlen Wahilſtatt x 


—8 Reihtige tu Dicatun gebradit wurbe, Die Bunfhrhen I: 


tem aber do arl’8,V]. und. ber aa! jenben Kaifer zur 
Dictatur get ef zum Orunde un) Bm nur bei. jeder Wabl 
Eimas. je -Bürften den Plan ‚ daß eine beftändige W. 


entworfen werben follte, pflegten fie allegeit allen denjenigen Stellen der W,, die 
nicht in den. Älteren Ben Karls VL ‚eten und in dem Projekt von 1711 


den, zu widerſpre und Diefell te Id. di Stell 
aid, ht nn nahen ee a 


Fürften nicht verbi aber für be Rulfr une Aurrfen, da in 
ri , 100) a N 
un die W. in allen een Bunkten, ein — —S Reihe: 


war. 

Ba ſ. d. Art Biſchof, Papſtwahl, Landftände, 

Wahlen! e Georg, berühmter Botanifer und Geolog, geb. den 1. Dh. 
1780 ac hitan {n SROlIphad Bergstag in Werneland, Bohn 168 
Brufspatrons, Fam 1792 nach Upfala, wo er ſich vorzugsweife den-Nai ne 

ten wibmete und. bereits 1804 Amanuensis am Naturalienfabinete wurk. 

ward er. zum Med. Dr. promovirt und 1809 zum Adjunft der k. Socletät 
der Wiffenfchaften in ‚Upfala ernannt; 4811 unternahm. er eine wiffenfchaftlice 
Relſe durch Dentfchland und die Schweiz, nachdem er ſchon früher auf mehr 

m Reifen Schweden und Norwegen bis in den höchften Norden dur: 

1814, bei feiner Rüdfehr, wurde er Demonftrator der Botanik an ber 
verfität zu Upfalaz; 1826 erhielt er die Profefjur der Botanikz 4829 wurde ar 
augleid, Arofelor der Medizin; 1831 war er Rektor „der Univerfttät.. In den 
dem Jahren feines Lebens neigte ſich W. der Homdopathie" zu und mar ber 

„ welcher dieſelbe in Schweden praftiich ausgeübt hat; er ftarb zu Upfala 
1847. — Bon feinen Schriften find zu erwähnen: feine Flora —— Dane 
thorum, Upsaliensis. und als bedeutendſte „Flora suecica“, 2 Bde, Upfala I! 
—1826, 2. Aufl. 1832.. Auch war er Mitarbeiter ver „Svensk Botanik“, 11 
Bde. Stodholm 1802—1830. — Nah W. benannt find die fryptogamen Ge 
wächfe: Lecidia Wahlenbergii und Gyalecta Wahlenbergian. E. Buchner. 

Wahlreich heißt derjenige Staat, in welchem der Oberherr, oder diejenigen, 
welchen die höchfte Gewalt im Staate übertragen ift, durch eine jevesmaltge muz 
Willenserflärung der Nation oder ihrer Stellvertreter beftimmt werden. Solche 
W.e waren bis in’ 19. Jahrhundert herab: das deutſche Reich, Polen, Vene 
dig in gewiffer Art und die geifllichen Staaten, jegt nur noch der Kirchenftant. 
Dem; W.e fteht das Erdreich entgegen, wo eine beftimmte Erbfolge der regieren 
den Familien beſteht ¶ · Momarcdie), Aber auch in den Erbreichen Tann der 
Gall eintreten, daß nach Abgang des regierenden Geſchlechts die höchfte Gewalt 
auf dad Volk zurüdfält, das dann-einen Regenten nach Willkür zu wählen hat, 
Ein Fall diefer Art fand 1809 in Schweden Statt, — Zwifchen einem W.e und 
einem Erbreiche ift übrigens noch der wichtige Unterfchten, daß in dem: leptern 
der Thron durch den Tod des Regenten gar nicht als erledigt betrachtet wird, 
indem bie Regierung fofort immittelbar ‚an, den beftimmten Nachfolger übergeht. 
Im den W.en wurde der Thron bei dem Tode des Monarchen für ‚erledigt. ans 
geichen; es entftand ein Zwoifchenreih Cinterregnum) und die, Regierung wurde, 
weni nicht ſchon vorher ein Nachfolger erwählt wat, bis zur Wahl des. neuen 
Regenten von einem Reichöverweler geführt. 

Wahlſtatt, Dorf im preußiichen Regierungsbezirke Liegnitz (Schlefien), eine 
Meile von der Stadt Liegnig. Es befindet ſich bier ein aufgehobenes Benedil 
tinerklofter, in. deſſen Gebäuden feit 1838 eine Kadettenanftalt errichtet if, Die 
Seirhürmige Kirche, im beſten Geſchmacke erbaut, enthält vortreffliche Freskoge⸗ 
mälde.. — Namen und Dafeyır hat ®. von einer weltgeſchichtlichen Begebenheit, 
nämlidy von. der großen Mongolenfhladht am 9. April 1241, in welcher Herz 

eintich U. von Nieverfchleften mit,,ver Blüthe feiner Ritterfchaft fiel (ver; 
Liegntp),) Seine Mutter, die heil. Hedwig, ließ an dem Orte, wo ber 


3 * 


Dehloerwandtſchaft ⸗ Hehefeit.. 637. 


ım ihres unglüdlichen Sohnes gefunden wurbe, eine Kapelle erbauen, um welche 
Imählih ein Dorf fih erhob. Das fpäter % ftete Kloſter war eine Probflei 
T Benediltinerabtei Braunau in Böhmen. Ein zwiſchen W. und dem Dorfe 
ichholz aufgerichteter Obeliok erinnert an die Schlacht an der Katzbach (I. d.) 
Mae Augufl 1813, welche Blücher den Titel eines Fürſten von Bahifatt 
rfchaffte. | , 
Wahlverwandtſchaft, f. Verwandtſchafe, chemiſche, und Chemie. 
Zahn an, nennt man jene Seelmflörung, bei welcher Abweichung ber Ger 
hlsthaͤtigkeit, zugleich aber, in weit übermiegenbem, Mape, Störung der Denk, 
ätigfeit vorhanden iR, Je gemäßigter ‚die Weufferungen der © töthätigteit 
id, deſto weriger Einfluß zeigen fie auf die Wenderung des Willens und fe 
eufferungen ; diefe find daher in der Regel nicht ſtuͤrmiſch und gewaltfam, 
ndern mehr verehrt, oder neckend und launiſch. Hieburch unterf ch der 
3. von der Mante (f. d.), bei welcher die Befüblsthätiglelt und die Denk⸗ 
ärtglei in gleichem Maße gekört, der Wille Außerft A 
e Weuflerungen der Thatkraft wild, gewalfam und zerfireuend find. t8 
ıterfcheidet fich der W. von der Gemüthöflörung dadurch, daß bei Iehterer vie 
sörung der Gefühlsthätigkeit vorwiegt und die Denkhätigfeit nur in zweiter 
eihe und in geringerem Maße getrübt wird. Der W. bildet demnach das 
Eittelglien zwiſchen den genannten beiden Seelenförungen und es läßt ale 
egel annehmen, daß die Geiſtesverwirrtheit ihrem natürlichen und voll 
Indigen Berlaufe von der Gemüthöftörung beginnt, zum W. und dann ge 
danie übergeht und in der Abnahme wieder benfelben eg arüdnimmt. — 
3. iR allgemein, wenn die Denkthätigkeit gleichmäßig in Beziehung auf alle 
indrücke getrübt und überellt IR; oder er if partiell, Wahnwis, Mono 
ante (f. d.), wenn die Denkthätigkeit nur In einzelnen Beziehungen von der 
egel abweicht, während alles Andere, womit fie fi) in normaler Kraftanſtreng⸗ 
19 — richtig erkannt wird (ſ. Seelenheilkunde). E. Buchner. 
Wahrheit iſt, im Allgemeinen betrachtet, entweder eine innere formale Ueber⸗ 
aſtimmung der Erkenntniß mit denjenigen Geſetzen des Denkens, welche die Art 
id Welfe des Denkens überhaupt betreffen, oder die Äußere, materielle Ueber⸗ 
nftimmung mit den Gegenfländen der Erkenntniß. Formale W. beſthen bie 
‚äße der hematif und Logik, da fie entweber auf Anfchauung a priori, ober 
ıf logifcher Beweisführung berufen. Materielle W. wird dem, aus ver Er⸗ 
brung geichöpften oder durch Nachdenken gewonnenen Willen, infofern es mit 
n Gegenfänden übereinftimmt, beigemefien werden. Der Begriff der W. im 
stern Sinne, der fogenannten empirifchen W., iR im gewöhnlichen Leben ein» 
ch unb wedion, da man die Aufienwelt fo auffaßt, wie fie fich darſtellt. Um 
ſchwieriger zeigt fich bei der Trage nach W. die Philoſophie. Der Scepticis⸗ 
us verneint geradezu die Eriſtenz der W., da der Bew ür biefelbe nicht zu 
ihren fei, entweder, weil er wieder aus ber trügenden Grfahrung entiehnt, ober 
der fubjefsiven Ueberzgeugung gefunden werde. ehrlich damit verwirft der 
riticismus der Fantifchen Mb lolopbie die objektive W., da nicht das anefen der 
Yinge an ſich erkannt, fondern nur nach der menfchlichen Sigenthümlichkeit auf⸗ 
faßt werde. Diefe fubjeftive Yuflafung aber fei. allgemein und es fei daher 
lerdings eine fubjektive allgemeine W. anzunehmen. Anders urtbeilt der Dog⸗ 
attömus, der die W. der begrifflichen Auffaffung vorausfegt und der Abfolutis- 
us der Schelling’fchen und Hegel'ſchen Philoſophie, welcher die Erlenntniß der 
zjektiven W., we einer ähnlichen Borausfegung, aus der Annahme ableitet, 
rd Denken und Sein daſſelbe fe. Ohne einer ausfchließenden philofophifchen 
Hchtung anzugebören, wird man nicht umbin können, eine fubjeftlo - individuelle 
B. gelten zu laflen, ſei es nun, daß man bie individuelle Selbſtſtaͤndigkeit einer 
gern Beichränfung, ald gewöhnlich, untervoiz oder daß man das Natur⸗ u. 
Renfchenleben als einen allge f wer geglieverten Organismus ber 
achtet, von deſſen Thellen jeder feine IB, im fich tiäatz Dann wehtn wnn In ur 
Meaisarpclopäble. X. AR . 











658 Wahrſagung — Wahrſcheinlichtelt. 


Wiſſenſchaſt, wie In der Moral und Kunft, von einer allgemeinen objeftiven W. 
— nur das für W. halten, was ſich in Bezug auf das Verhältniß des 
Denkens zum Seyn ald noihwendige und natürliche Foige der individuellen 
Drgantfation ergibt, — Während die Moralpflicht ver W. feiner Ausführung 
bedarf, da fie die Grundlage der ganzen fittlichen Weltorbnung iR und ihr 
Gegentheil, die Lüge, ſchon in vi hl. Schrift ald ein Werk des Teufels —— 
wird, {ft doch eine andere Frage die: ob es ein jur iſt iſch es Recht auf WB. gebe, 
oder nicht ?' Viele behaupten diefelbe, Diele verneinen fie. Beides iſt im_ feiner 
Unbedingtbeit falfch. Es verhält fich mit diefer Moralpflicht, wie mit faft allen 
Moralpflichten des Menfchen gegen einander. Ste werben juriftifch, fo weit fie 
nad) der Natur des Nechtöverhältniffes ein Beſtandtheil deſſelben werden. Sie 
bleiben frei (servandum arbitrio nady romiſch juriftiichem Ausdrud), oder reine 
Moralpflichten, fo weit fie nicht unmittelbar oder mittelbar durch rechtlichen 
Friedensvertrag objeltiv gemacht oder zu anerkannten Nechtspflichten erhoben 
wurden, Nun ift die W. des Frievend- oder Rechtövertrages felbft ober ver 
gegenfeltigen Anerfennung, Achtung und Heilighaltung als gleich freier, gleich 
unverleglicher, rechtlicher Perfönlichfeiten, die Treue in Diefer und der Glaube 
am fte die Grundlage des ganzen Rechtöverhältniffes, oder des rechtli— Brier 
dens, wie diefes der gefunde und tiefe furiftifche Sinn der Römer fo richtig 
anerfannte umd Cicero mit den Worten „Fundamentum justitiae fides“ ansfprict 
und as ver Tempel der Fides neben dem des Jupiter auf dem Kapitol bejeich⸗ 
nete. 0 alfo Jemand über meine Rechte juriftifdy mit mir verhandelt, darf er 
nicht durch Unmahrheit verlegen, nicht die Treue des Vertrags brechen, nicht 
juriftifch betrügen und fälfhen. Er darf mir auch nicht durch pofltive IUnmahrheit 
da Schaden, wo ich ihn in Besichung auf meine Rechte frage, ſelbſt wenn er nicht 
verpflichtet war zu pofitiver Leiftung, zu pofitiver Ausfage der W. Wollte 58. 
Jemand fo moraliſch ſchlecht handeln, mir eine Grube nicht zu entdecken, im bie 
ſch hineinguftürzen im Begriffe bin, fo würde das noch feine Rechtsverlehung 
fepn. Dazu wird es aber, wenn er auf meine Frage in Beziehung auf den 
Shut meiner Rechte nicht eiwa blos fchweigt, fondern mich durch pofttive Lüge 
täufcht. Dagegen fält eine Unwahrhett über feine angeblichen Heldenthaten und 
in feinen bloßen Freundfehafts- und moralischen Berhäftniffen der moralifchen 
Beurthellung anheim. ine befonders. ſchwierige Frage in biefer Bertehung ſt 
Iſt ein Angellagter Ah verpflichtet, feine Schuld einzugeflehen? Der Richter 
hat offenbar das Recht, ihn nach der W. zu fragen und dem fcheint eine Rechts: 
pflicht, bier die W. zu fagen, gegenüber zu ftehen. Doch haben die Römer, die 
Engländer und andere freie Völfer aus dem Grunde diefe Pflicht nicht als Rechts: 
pflicht anerfannt, well fie fagten: Niemand if rechtlich verpflichtet fich ſelbſt 
anzuffagen, ober felbft feinem Ankläger die Berwcismittel herbelgufchaffen. Die 
fpätere deutfche Jurisprudenz wollte zwifchen dem angeblich jurififch nicht rechts⸗ 
derg bloßen Läugnen und dem angeblich auch bier juniſtiſch ftrafbaren poſi⸗ 
tiven Lügen unterfcheiven. Doch laufen hier die Gränzen in einander und in 
jedem unwahren Säugnen iſt ebenfo mittelbar eine pofitive Lüge enthalten, wie in 
diefer, wenn fie die Schuld verbergen will, ein Laͤugnen. de Gefahr der vers 
werflichen Inquifitionetortur unterfügt die römifche und englifche Theorie. 

Wahrfagung, f. Deitfanung 

Wahrfcheinlichkeit if nieverer Grad der Gewißhelt, der darin beflcht, 
daß wir eine Behauptung mit ihren Gründen zergleiggen und, ohne biefe voll- 
Kändig erhalten zu _Fönnen, doc übertolegende Gründe dafür. haben. Ale ®. 
beruht fomit auf Echlüffen, an denen jedoch immer entweder ber Dber- oder 
Unterfag umvolipänbig iſt, weßhalb fie, ſtatt der vollftändigen, nur eine gethellte 
Regel haben. ne ch, daß die getheilte Regel nicht volftändig gilt und ordne 
nur den göften Theil ver Sphäre unter, fo erhalte ih die mathematiſche 
(reale) W.z ſuche ich von der Vielheit der Fälle auf die Einheit der Regel zu 
föltegen, fo gibt dies die philofonhtiche Cogiſche) W. Die mathematifce 


Baiblinger — Waifenhäufer. 6” 
„ die 3. B. bei Hazarbiptelen, Leibrenten, Wittwencaflen ıc. in Anwendung 
nmt; behandelt ein Theil der praftifchen Arithmetik (Bol. Laplace, „Theorie 
8 probabilites ). Die logiſche W. leitet unfer Urtheil Borherbeftiimmung 
5 Wetters, vieler Bebendgefäfte, im Gefpräche über Politik ıc. 
Waiblinger, Friedrich Wilhelm, geboren den 21. Rovember 1804 zu 
ꝛilbronn, fiudirte in Tübingen Philoſophie und Theologie, reiöte als Privatge⸗ 
rter 1827 nad) Stalien und farb zu Rom den 17. Januar 1830. Er Biete 
y, von Lehrern gehätfchelt, ſchon in feinem 16. Lebensjahre für einen großen 
ichter und fuchte, wie ed im berger Korrefpopenten (1830 Rr. 54) heißt, 
ne vermeintliche Originalität durch Verachtung aller Moral an den Tag zu 
en. W., dem übrigens poetifcher Geiſt nicht abzufprechen If, machte Pr, ale 
rifer, Gpifer und Dramatiker bekannt. Seine ſämmilichen Werte gab H. 
Canitz in 9 Bänden heraus, Hamburg 1839 f. - N. 

Waid (Isatis tinctoria Lin.), franzoͤſiſch Pastel, Voudde; engliſch Wood; 
lieniſch Guado, Giasto, iR eine im mittlern Europa einheimifche Farbepflanze, 
ten man ſich fchon feit den Altehen Zeiten zum Blaufärben bepient und meld 
iher, vor der allgemeinen Belanntwerbung des Indigo (f. d.), befonders 
yärihgen bei Erfurt, Langenſalza, Gotha, Arnſtadt und Tennſtädt fo häufig 
gebaut wurde, daß man biefe Stäbte die fünf W. Städte nannte. aͤhren 
Continentalſperre, zu welcher Zeit der Preis des Indigo bedeutend in die 
zhe Fam, verfuchte man einen Indigo aus W. darzuftellen, was auch ges 
je Ergiebigkeit war jedoch zu gertng man erhielt aus 1 Centner W. nur 
va + Pfund Indigo — fo daß die Fabrikation dieſes Indigo's nur bei enorm 
hen ‘Breifen des Achten Indigo's vortheilhaft betrieben werden konnte Die 
‚Blätter werden entweber getrodnet., oder präparirt In Geſtalt Heiner, faufts 
oßen Ballen (en pains, coques, balis) im gegoßrenen Zuftande in den Handel 
bracht. Die guten W.⸗Ballen follen mehr grün oder grängelblich, als blau, 
öfehen, Leicht feyn und, ſchwa genätt, einen hellgrünen Strich auf Papter 
ben. Da bei der Präparation der W.⸗Ballen leicht die Farbe verborben, flatt 
rbeffert wird, fo hat man in neuerer Zeit den getrodneten WB.» Blättern ben 
orzug gegeben. Im Handel unterfcheidet man noch thüringer uud franz⸗ 
iſchen W. Letzterer wird höher gefchägt; man baut ihn im fühlichen Frank⸗ 
ch, vorzüglich bei Tonloufe und Mirepeir dann in der Provence, Rormanbie 
d im Elſaß. In England wird tin 2incolnfhire W. produzirt. Außer den 
reit8 oben genannten Gegenden Deutfchlands, weldye noch immer den größten 
yeil Deutichlands mit W. verfehen, wird dieſe Pflanze auch in Böhmen (um 
rag) angebaut. - C. Arendts, 

Waidwerk, ſ. Jagd. 

Saiſenganſer ſind öffentliche Anſtalten, worin elternloſe Kinder (verwaiste 
inder, Waiſen), welche unbemittelt find, unentgeldlich aufgenommen werben und 
8 zu dem Zeiwunkte, wo fie ſich felbft fortzuhelfen im Stande find, Unterhalt, 
flege und Erziehung befommen. Da der Staat gleichmäßig zur Erhal aller 
ner Mitglieder verpflichtet if, fo iſt es deſſen vorzüglichfte Sorge, das Heran- 
ben ſolcher jungen Staatöbürger zu vollenden, denen die natürliche Stütze in den 
tern entzogen ia Die Ausübung dieſer Pflicht eat war zunächft der Com⸗ 
une ob, welcher die Waiſen angehören, aber die uffcht und die Vertretung 
„wo die Kräfte einzelner Communen nicht zureichen, kommt dem Gtaate ald 
‚Ntommene Pflicht zu. Wir finden daher in den cultivirteften Staaten auch 
e umfafienbften Anftalten der Art. — Schon in Athen wurden die Kinder, deren 
äter in der Bertheivigung des Baterlandes fielen, auf öffentliche Koften erzogem. 
dftungen zur Erziehung der Waiſen machten fpäter Kaifer Trajan (für Knaben), 
atfer Antonin (für Mädchen), Kaiſer Sever Cfür Knaben und Mädchen). 
igentlicher Watfenhäufer findet man unter dem Kaiſer Juſtinian umter dem 
amen Orphanotropheum gedacht. 1572 entftand ein Wailenkaus a Innke . 
rg, 1695 das gu Halle dur Auguſt Herman rer Le > 


er 
‚e wbeei- Weladheh, *= ü 


häufer beftanden früher (f. d.). — hat man erfannt, daß es wohlfeiler 
und dem Wohle ver Kinder angemeffener ift, die Erziehung Privatperfonen zu 
überlaffen, ftatt fie in Watfenhäufern zu vereinigen, 

Wafefield, Gilbert, ein gelehrter engliſchet —— und Philolog, geboten 
1756 zu Rottinaham, wurde 1778 Diafonus, trat aber im folgenden Safe aus 
der engliichen Hochkirche aus und warb nun Lehrer zu Warrington, zu Bram, 
cote, Richmond und Nottingham und 1790 zu Hadney. Im Bolge feines Tadels 
des franzöfiichen Krieges 1799 zu zweijähriger Haft veruriheilt, ftarb er 1801 
u Hadney. W. hatte ein fo vortreffliches Gedächtniß, daß er die Bibel, den 

irgil und Horaz ganz, Homer und Pindar meift auswendig wußte. (Er gab 
heraus: eine neue Ueberfegung des Neuen Teftamentd, London 1782, 2. Aufl. 1795; 
den Lucretius, Virgilius, Horatius u. a.; Silvae criticae, Cambr. 1785 — 1795; 
Noctes carcerariae, London 18015 Selbfibiographie, 2. Aufl. ebd. 1804, 2 Bor. 

Walachei, die, ein Bafallen-Fürftentyum des türkifchen Reiches, jedoch zu- 

grid unter ruſſiſchem Proteltorate Rehend, grängt gegen Aufgang, Mittag und 
Ibend an die fie in einem Halbzirkel umkreifende Donau, jenfeits welcher Bulgarien 
und Serbien liegen; im Norden folgt die Gränze gegen Siebenbürgen meift dem 
Kamme der Karpathen, im Nordoft gegen die Moldau dem Fluße Milkow bis 
zu feinem Einfalle in den Sereth und endlich diefem bis Gala, wo er in bie 
Donan fich ergießt. Im Weften berührt die W. auf eine kurze Strede auch das 
Banat von Temesvar, Der Hlächenraum wird zu 1350 [I M., die Bevölferung 
du 2% Mil. angegeben. Das großartige Amphitheater der Karpathen im 
Norden des weiten Beckens der W. erhebt fich bis dahin, wo die Aluta biele 
Bergfette durchbricht, zu 6000°, von da an weiter & en Morgen über 7000. 
Der Butfchetfch erreicht die Höhe: von 8160*. ie fogenannte Kleine W., 
weftlich der Aluta, wird bis ziemlich nahe an die Donau hin von den Ausläufern 
der Karpathen durchzogen, welche fich zu einem fehöuen Borgebirgs- und Hügel 
lande geftalten; die große W, öſtiich des genannten Fluſſes, ift meift ganz eben 
und fteht durch die untere Moldau mit den Steppen Befjarabiend und des ſüd— 
lichen Ruplands in Verbindung. Das Gränzgebirge ift mit dichten Wäldern be: 
wachſen. Emwigen Schnee findet man auf feinen Höhen nicht. Die beveutendern 
Gebirgspäffe, welche aus der W. nach Siebenbürgen führen, find der Vulkan⸗ 
paß, der rotheThurmpaß an der Aluta, ver Törgburgerpaß,der Töme: 
er u. der Boßaerpaß bei Kronftadt, alle ſeht befchwerlich zu überfegen. Haupt: 
om iſt die Donau, mit welcher fich alle Gewäfler des Landes vereinigen, — der 
Schyl, die Aluta, die Wedea, die Ardſchiſch mit ver Dumboviga, bie 
Jalomiga, der Grenzflug Seret h mit dem Bugeo. Die Donau bildet mehre fer- 
artige Buchten; Teiche und Sümpfe finden fich zahlreich. Auch an Heilquellen iſt das 
Land nicht arm; die von Sfitt-Pietrofa übertrifft an Jodgehalt alle bekannten 
Mineralwäfler. Das Klima if weniger mild, ald man nad) den Breitengraden 
erwarten follte, weil die Oftwinde freien Zutritt haben. Die Winter find freng, 
die Schlittenbahn dauert manchmal 4 Monate. Die Sonnenhige fteigt nicht ſei⸗ 
ten auf 23°, der Uebergang von Wärme zur Kälte ift fehr fchnell. Regen und 
Gewitter find Häufig, Erverfepätterungen kommen ziemlich oft vor. Der Boden 
der walachifchen Ebene, diefes großen Donaubedens , ift höchft fruchtbar; er be 
ſteht aus Humus von einer — bis 4 Fuß, auf Lehm gelagert. Die Ve⸗ 
getation iſt im Ganzen üppig und deſonders ba, wo einige Sorgfalt darauf ver⸗ 
wendet wird, fehr dankbar; die Gemüfe zeichnen ſich durch vorzügliche Zartheit 
aus, und viele wild wachfende Pflanzen werben ald ſehr fhmadhafte Gemüfe ber 
nögt. Die gewöhnlichen Waldbäume find, aufer den Tannen und Fichten, der 
Lärchenbaum, die Zwergkiefer, die Birke, Eiche, Buche, Linde, der Ahorn, die 
Pappel. Die Obftbäume gedeihen trefflich. Der Weinftod, fo wie Zuders und 
Waffermelonen.von außerordentliche Größe und dem ſüßeſten Geſchmacke, werden 
_ auf freiem Felde häufig zwifchen dem tärkifchen Korn gepflanzt, der Span el aber 
ſchſt wild neben dem Graſe der Wieſen. Der Welgen bringt g 20 


Walachei. 661 


er Roggen 30 und die Hirfe 300 Kor. Der unterirbifche Reichthum iſt bes 
onders an Gteinfalz, Steindl, Erdpech, Schwefel, Kalt und Braunfohlen fehr 
edeutend. Mehre Flüffe führen Goldſand. Bon den im Lande heimifchen Thieren 
Ind, außer den gewöhnlichen Haudtbieren, am wichtigften bie einen bedeutenden 
Yegenftand der Ausfuhr bildenden Blutegel, die Kanthariden, Bienen und Geis 
enwürmer,, der Haufen und der Stör der Donau, und die jagpbaren Thiere 
Wilvbſchweine, Semfen, zahllofe Hafen 26). Unter den Raubthieren befinden fich 
Bölfe, Luchfe und Bären. Bon den Vögeln find beſonders die Raubvögel fehr 
äufig, weil Hier nody viel unbebauter Boden iR und todte Thiere gewöhnlidy 
icht begraben werben; doch gibt es audy vielerlei Arten von Sumpf⸗ und Waſſer⸗ 
ögeln und Singo? ein. Alle Gebüuͤſche find mit Nachtigallen belebt, vie in ber 
B. ihr eigenthümliches Vaterland zu haben fcheinen. Die Heufchreden richten 
ft bedeutende Berheerungen an. — Die Hauptmafle der Bevölferung bilden vie 
Baladyen oder, wie fie fich feld nennen, die Romunen; neben ihnen leben 
n Sande 90,000 Zigeuner, 20,000° Juden, 5000 Armenier und Serben, 4—5000 
Jeutfche (dieſe zumeiſt dem Handwerkftande in Bukareſt angehörend) und 3000 
riechen. Türken dürfen feit 1829 nicht mehr in der W. wohnen. Die Landes⸗ 
orache iſt die walacdhiiche, weldye, aus der lateinifchen entflanden, ur die flas 
ifche bedeutend modifizirt worden iſt, und in der man auch alte illyriſche oder 
acifche, fo wie ungariſche und türkifche Worte finden wil. Die Bornehmen bes 
ienen fi ale mgangeipraibe des Sronzöffhen. Der gemeine Walache iſt ge⸗ 
tungenen, kraͤftigen Körperbaues, meiſt mitiler Größe; unter dem weiblichen 
defchlechte findet man nicht felten Scahüönbeiten. Es fehlt nicht an geiftigen Ans 
igen, und der Volföcharakter if gutmüthig, aber wohl zumeiſt nur aus Mans 
el an Energie. Einen erfreulichen Gegenſatz zu der Inbolenz der Männer bilvet 
ie Reinlichkeit und Arbeitſamkeit der Weiber, welche bei der größten Armuth ihr 
Jaus fehr fauber halten und felbfl wenn fie ausgehen emflgft fpinnen, Treu 
ängt das Volk an feinen nationalen Gewohnheiten, während die Bojaren von 
en Türken türkifche Trachten und Sitten, jest aber von den Ruſſen die franzds 
den angenommen haben. Die Rationaltracht der Männer auf dem Lande if 
ne ungegerbte Sohle um die Füfle gebunden, eine leinene Hofe, das Hemd über 
erfelben, durch einen Gürtel zufammen gehalten 5 ferner tragen fie eine Wefle, 
ewöhnlich ohne Aermel, und einen braunen Mantel, oft mit rotben und blauen 
jerzierungen befebt. Den Kopf bedeckt eine der altphrygiſchen ähnliche Müte von 
schaffell, jo wie häufig auch der Mantel oder die Weſte von Schaffell ift, mit 
er Wolle nach außen. Die Bornehmen ahmten fonft fo viel wie möglich den 
‚ürfen nach, bis auf die Bojarenmübe; dieſe iſt bei den Altern Bojaren von 
alonähnlicher Form und von foldyer Größe, daß fie ein Drittheil eines preußt- 
ben Scheffeld faflen kann. Dabei trägt die ältere Generation der Bojaren noch 
gt türkifche Kleidung, während bie jüngern und die Damen fich fireng nach dem 
Jarifer Modejournal Fleiden. Die Bäuerinen tragen ein Iangee Hemd mit lan⸗ 
en Aermeln, bisweilen mit Glasperlen und Goldflittern geftidt; um bie Lenden 
blingen fie ein großed Tuch von geftreiftem Wollenzeuge, fo daß die eine Seite 
fen bleibt; die unverheiratheten gehen mit geflochtenen Haaren, die verheiratheten 
inden ein Tuch um den Kopf. Dazu gehört im Winter ein Mantel mit 
ermeln, meiſt mit Pelz gefüttert. Lieblingapug find Schnüre von Korallen oder 
jeldmünzen. Alle männlichen und weiblidyen Kleidungsflüde werben von ben 
Beibern felbft gemacht. Die Wohnungen der Mehrzahl des Volkes find bie 
blechteften in Europa. Die meiflen Bauernhäufer find von Weideruthen ges 
ochten, mit Erde überflebt und mit Stroh oder Rohr gebedt; oft aber müflen 
bh die Armen mit in den Boden gegrabenen Höhlen begnügen, über weldye 
tangen, mit Rafen bevedt, ald Dach gelegt find. Solche unterirdiſche Hütten 
adet man fogar in den Städten. Daneben prangen die Häufer der Bojaren mit- 
nter al8 wahre Paläfle. Bon den Wohnplägen in der W. find 22 Städte, 
I Flecken, 124 Klöfter und 3627 Dörfer. Die Hauptnabrung des gemeinen 


662 Walachti. 


Mannes iſt die Mumaliga, eine Polenta von grobem Matomehl; Brod wird 
verhaͤltnißmaͤßig wenig verzehrt, noch weniger Karioffeln, die man zum Brannt⸗ 
weinbrennen gebraucht, Hinfichtlich des Getränfes iſt der Walache beſſer verfergt; 
er hat Ueberfluß an Wein und läßt ſich auch den Brauntwein inunden. Bei den 
Bornehmen If der Lupus der franzöftfchen Küche gewöhnlich. — In Betracht ver 
Fruchtbarleit des Bodens follte der Aderbau in der W. eine hobe Stufe erreicht 
haben, aber dem entgegen fteht er. vielmehr noch in der Kindheit. Die Land: 
giter find fo groß, daß fie nur zum Heinen Theile bebaut werden, da die Gute, 
efiger gewöhnlich nur die Arbeit ihrer Bauern dazu verwenden, Diefe haben 
fein Eigenthum, fondern es wird ihnen nur für ihre Arbeit ein Stüd Meder zur 
Benugung angewiefen, welches fie aber kaum nothdürftig Fultiviren Fönmen, ba fie 
faft das ganze Jahr über von ihren Den im Frohndienſte —— find, 
Viele der großen Landgüter werden auch verpachtet, doch tft die Wirthfchaft der 
Pächter nicht minder ſchlecht. Vom Düngen if Feine Rebe, das Etroh wird ge: 
wöhnlich weggeworfen, die Aderwerkzeuge find armfelig, die Wagen ohne Gifen, 
Wirthfchaftsgebäude Fennt man eigentlich gar nicht. Rach ver Ernte wird das 
Getreide eines: Lanbgutes in großen Haufen aufgelagert und dann durch Pferde 
auf freiem Felde audgetreten, Trog dieſes mangelhaften Betriebes erzeugt-bie 
W. doc; weit mehr Getreide, als fie bedarf. Der Gartenbau ift wo möglich noch 
mehr vernachläffiget, der Wein aber wird etwas forgfältiger gepflegt, und ber von 
Dragofchan verdient feinen guten Ruf. Dem rorhen Weine wird, wenn er in 
Gährung if, ein Zufag von re der ihm feine Bitterfeit mittheilt. 
Man bereitet auch gefrornen Wein. Bon einer geregelten Borfinugung u. Holy 
—— hat man gar feine Ahnung, fo daß das Holz, ungeachtet der großen 
aldungen, welche die Duellen der walachiſchen Slüfe umgeben, von Jahr zu 
Jahr im Preife ſtelgt. Lichlingsbefhäftigung des Walachen iſt die Viehjucht, 
und bei den trefflichen Weiden auch fehr ergiebig. Das Schwein ift eben fo 
äufig als fruchtbar; die Schafe find fehr groß; die Düffelfühe geben weit fettere 
ilch als die gewöhnlichen Kühe; die Pferde find zwar felten groß / aber gut 
jebaut und dauerhaft. Federvieh gibt ed im Menge, Die Seidenzucht wurde 
rüber viel ausgedehnter betrieben als jept, die Bienenzucht if eine Liebhaber 
der Bofaren, deren mancher viele taufend Etöde hält. Die Jagd fteht jedem 
el, aber dieſes Vergnügen ift hier weniger Sitte als in Deuiſchland. Die 
ären fängt man biöweilen mit Branntwein, ber fie fo berauſcht, daß fie fih 
müde tanzen. Die techniſchen Gewerbe find noch weiter zurüd, als die Lands 
wirthfchaft, wofür der Umftand zeigt, daß alle Manufakturwaaren aus dem Aus⸗ 
lande bezogen werben müffen. je meiften Handwerke werden von Fremden ober 
von den Juden betrieben, wozu noch die Zigeuner als Schmieve fommen. In 
und um Bufareft befinden ſich drei Fabriken für gedrudte baumwollene Kopftücher, 
zwei Hutfabrifen , eine Tuchfabrik, eine Fabrik muſikaliſcher Inftrumente, und zu 
Zingugian eine Steingutfabrtl. Damit if die Liſte der walachiſchen Fabrilen 
auch ſchon gefchloffen. Der Handel, in manchen Beziehungen ſehr wichtig, if 
yumeiß in den Händen der Griechen, Armenier, Juden und einiger Fremben, Die 
infuhr aus Defterreich wird theild zu Lande über die Gränzfationen Sieben: 
bürgens und der Bufowina, theils auf der Donau mittelft der Dampfboote be: 
werfftelliget. Die Kaufleute, welche die Einfuhr aus und über Deferreich ver: 
mitteln, find theils fogenannte Leipziger, d. i. folhe, welche die Leipziger 
Meſſe beſuchen, theils ſogenannte Kronſtädter, d. i. ſolche, die ihre Waaren 
BR aus Siebenbürgen beziehen. Die „Leipziger“ bereifen gewöhnlich vie 
ers und Michaelimeſſe, in neuefter Zeit häufig aud die Reujahrsmeffe und 
beziehen dort für die beiden Fürftenthümer W. umd Moldau im Durchfchnitte 
jährlih um 2 Mil. Thlr. Waaren. Bon der Leipziger Meſſe zurückkehrend, ver- 
fehen fie fi während ihres Aufenthaltes in Wien audy mit öfterreichifchen Ins 
Aufiiergrugnifien die in der Moldau u. W. gewöhnlich mit dem Namen „Wiener 
Waaren? bezeichnet werden und baupifächlic Tuch, Schuhmacherarbeiten, Hands 


' Balachei. 668 
ſhut⸗ Seidenwaaren, Quincaillerie und kurze Waaren, Wiener Wagen, Forte⸗ 
pianos und Möbeln, böhmifche Glaͤſer, Spiegel, Ciſen⸗ und Stahlwaaren, Mode⸗ 
waaren ⁊c. umfaſſen, im Gefammibetrage von eiwa 1,700,000 fl. C. M. Unter 
„Kronflädter Waaren“ verſteht man alle ordinären Fabrikate und Hanbwerkser⸗ 
ageſe zum häuolichen Gebrauche, und es werden von ihnen des Jahres um 
1 Mil. fl. C. M. umgefegt. Die mit ruſſiſchen Waaren (Eifen, Deffing, Shen) 
handelnden Kaufleute werden Mos kitons genannt. Die Bulgariihen Waaren 
(Rauchapparate, Rofenöle, Sumach ꝛc) bringen vorzüglich die Armenier ins Land. 
Auf dem Seewege gehen Kolonialwaaren, Südfrüchte, englifche und türkifche 
Manufalturwaaren, Baumwolle, Del ıc. ein. Die vorzuͤglichſten Ausfuhrartifel 
find Wellen, Mais, Gerfte, Leinfamen, , Kuoppern, Horns und —— 
Talg, Haͤute, Hafenbälge, getrocknetes Fleiſch, Sped, Schweinoborſten, aſt e, 
Wolle, eingeſaizene Donaus und Teichfiſche, Honig, gelbes Wachs, Blutiegel, 
Steinſalz. Der Werth der Ausfuhr überſteigt den der Einfuhr um Namhaftes, 
k reich iſt die W. jet fchon an NRaturprobutten, und um wie viel reicher Fünnte 

e bei gehöriger Benutzung des Bodens noch werden? Der innere Berkehe iR 
ſehr — 52 — durch den mangelhaften Zuſtand der Straßen, die in der ſchlechten 
Jahreszeit volllommen grundlos find. Die bedeutendſten Pete find Bu⸗ 
Tareft, Giurgevo, Kolfchan, vornehmlich aber der Donaubafen Braila, in welchem 
jährlich gegen 900 Seeſchiffe einlaufen. — Ihrem Slaubensbefenntniffe 
nach find die meiften Einwohner der W. orientalifche Ehriften, deren geiftliches 
Dberhaupt der Metropolit von Bulare If, unter welchem die Bilhöfe von Rim⸗ 
nit, Buzeo und Wealich ſtehen. In Bukareſt und an den übrigen Bifchoföfigen 
befinden fi Seminarien mit Zreiftelen. Die Gefammtzahl der Manns⸗ und 
Srauenklöfler wird auf 202 angegeben. Bon barmberzigen Schweftern zur Kranlen- 
piege oder von kloſterlichen —— iſt keine Rede. Von der niedern 

eltgeiſtlichkeit wird Fein höherer Grad von Bildung erfordert, als daß ſie noth⸗ 
dürftig ſchreiben und die Kirchengebete in der. Landesſprache leſen kann; Kirchen 
finden ſich im Ganzen 4474, worunter die Mehrzahl von Holz erbaut iſt; die 
Seelenzahl der dem geiftlichen Stande angehörigen ‘Berfonen beträgt außer 9500 
Mönchen und Nonnen, bei 50,000, die Weiber und Kinder der Pricfter mit ein- 
gerechnet. Alle andern Religionen genießen in der W. volllommene Freiheit der 
Ausübung: Die Katholiken, deren es über 40,000 gibt, haben eine Miſſion in 
Bukareſt, welche unter einem bulgarifchen Bifchofe ſteht. Die Eleine proteftantifche 
Gemeinde zu Bufareft erfreut ſich des preup ichen Schutzes. Der öffentliche 
Unterricht hat in der W. größere Kortfchritte gemacht als in der Moldau. 
Auf dem Lande beftehen 22413 ©emeindefchulen und 145 PBrivatfchulen, in den 
Staͤdten 1819 Rormalfchulen, außerdem noch viele Deutfche und franzöftiche dr 
vaterziehungsanftalten. Im Ganzen erhält aber doch nur der 37ſte Menſch Ele⸗ 
mentarunterricht. Zur Heranbildung der Schullehrer find eigene Seminarien er- 
richtet. Gymnaſien find zu Bulareſt und Krajova. Die drei Klafien des höheren 
Unterrichts im Kollegium S. Sava zu Bufareft flellen gewiflermaßen eine Uni- 
verfltät vor, und es wird daſelbſt Iateinifche, griechtiche und franzöfliche Literatur, 
Bhilofophle, Mathematif und Rechtswiſſenſchaft gelehrt. Die Mediziner ſtudieren 
meift zu Peſth und Wien. In Bufareſt beſteht auch eine Gewerbſchule. Wiſſen⸗ 
{haft und Kunf flehen im Bergleidhe mit den wefteuropätfcgen Ländern in 
der W. noch fehr zuräd, doch müſſen die literarfichen Beftrebungen der neueften 
Zeit rühmlich anerkannt werben. ehre heile Köpfe liefern recht gute Original⸗ 
arbeiten und Ueberfegungen aus fremden Sprachen. Das Kollegium S. Sava 
bat eine Bibliothek von 13,000 Bänden, ein Raturaltenlabinet und eine Alter- 
tbumsfammlung. Der Buchhandel nimmt von Jahr zu Jahr höhern Aufſchwung. 
Zeitfchriften ericheinen in der W. 8-9. Muflf und Theater werben in der 
Haupiſtadt mit Vorliebe gepflegt. — Die foztalen Berbältniffe befinden ſich in 
der W. noch in einem (ehr traurigen Zuſtande. Es gibt hier ren noanen 
nur Herren und Knechte. Gigenthum haben ausfchließlich ber te Bo: 





664 Walachei. 


jaren) und die Geiſtlichkeit. Die Mehrzahl ver Bevölferung, bie Bauern, if 
mit Ausnahme einiger weniger Frelbauern (Reſeſchen) ohne Grundbefig und feht, 
5 Ban Robothen an die Grundherren verpflichtet, in tiefer Arımuth. Dem 

ojaren, und wenn nicht biefem, dem Juden oder Armenier, welcher das Geld zur 
teuer vorgefboffen hat, gehört das Korn auf dem Felde, das Obſt auf den 
Bäumen, der Ertrag der Reben, dad Wachs der Bienen, die Wolle des Schafes, 
das Kalb, das Füllen. Der Bauer thut deshalb auch nichts, um feine Lage zu 
verbefjern, denn er weiß es doch ſchon, daß jede Bemühung umfonft ſeyn würde. 
Einen eigentlidyen Bürgerftand gibt es nicht, oder er ift wenigflens noch zu ger 
ting, um in Betracht zu Fommen, Es machen daher nur ein paar taufend Bo: 
jaren die Nation aus. Sie allein befinden ſich im Befitze ber polltifchen Rechte, 
Die Zigeuner find ganz rechtlos, Sklaven der Bojaren, von welchen fie gefauft 
umd verfauft werden, wie jede andere Waare. Nur auf den Gütern des 
Staates und der Geiftlichfeit find fie im Jahre 18414 freigelaffen worden. — 
Die politifche Verfaffung ver W. ift durd) das 1829 unter ruffifcher Auto: 
rität zu Stande gefommene Organiſche Statut (Reglöment organique) geordnet. 
Das Land beſiht jet diefelben politiichen Vorrechte und Freißeiten, wie Ser 
bien (f. d,), und an feine Abhängigleit von der Pforte erinnert nur noch ein 
jährlich an diefelbe zu entrichtender Tribut von 2 Mil. fürk. Piaſtern (etwas 
über 400,000 fl.), die Verpflichtung zur Stellung eines Truppenkontingentes im 
Falle eines Krieges und das dem Geofheren vorbehalterre Recht, den won ber 
walachiſchen Generalverfammlung erwählten Fürften, bier Ho&podar genannt, 
u beftätigen und zu inveftiren. Die fürftliche Würde iſt nicht erblich, fondern 
er Hospodar wird auf Lebenszeit ernannt, Tann aber auch noch vor dem Ab: 
Taufe derfelben feiner Würde wieder enthoben werden, wenn cr der Generalver- 
fammlung Anlap zu Beſchwerden gibt. Ihm ſteht ein aus ven vornehmften 
Bojaren zufammengefegter Divan (Cenat) zur Eelte, welcher zugleich der oberfte 
Gerichtshof iſt und die Beftenerung ordnet. Die Generalverfammlung befteht 
aus den 4 Landee biſchöfen der griechiichen Kirche, 123 Großbojaren, 36 Abge⸗ 
ordneten des niedern Adels und 27 Abgeordneten der Städte. Die Rechtöpflege 
geichteht nach dem Gefepbuche des gürkın Karadja, nach dem franzöfifchen Han- 
delegefegbuche und in gewiffen Fällen aud nach dem römifchen Rechte. Die 
Verwaltung, obwohl äußerlich nach europäifchem Mufter geordnet, trägt duich 
ihre Willfür und Beftechlichfelt, durch den Mangel aller Gerechtigkeit für den 
Schwachen und andere @ebrechen noch fehr den Charakter des früher im 
Lande herrfchenden türkifchen Despotismus an fi. Die jährlichen Ein- 
Fünfte des Fürſtenthums werden auf 175 Millionen Piaſter berechnet. Der 
Adel und die Geiftlichfeit find fteuerfrei; alle Laſten trägt das gemeine Volt 
(misera contribuens plebs). Dazu kommt noch, daß der größte Theil der 
Stantdeinkünfte den Bojaren in die Tafche faͤllt, indem fie zu allen Wem: 
tern im Staate beftimmt find. Ueberhaupt flammt das Unglüd ber W. 
und Moldau weniger von den Groberungen her, denen fie untertvorfen wurden, 
als von der ariftofratifchen Anarchie diefer Bojaren, welche gleich dem polnifchen 
Adel fi beftändig in Parteien fpalteten, gegen die Zürften Verfhwörungen an 
zettelten und nad) oben nie Ruhe halten fonnten, während fie nach unten hin 
das Bolf in hartem Drude hielten. Die Eivillifte des Hoopodars beträgt jährlid 
60,000 BDufaten in Gold. Das Heer befteht aus 5000 Mann Infanterie u. Ars 
tillerie, und einem Kavallerieregimente; doch kann die Zahl leicht verdoppelt werben. 
Geftungen hat die W. feine. — Die große W. if in 14 und die Meine in 5 
Kreiſe (Inspramnizien) eingetheilt, Landeshauptftabt Bukareſt Cl. d.). Die 
alte ptſtadt Tergovift im Krelſe Dumboviga liegt fept in Ruinen. — 
Geſchich ie. Die alte Gefchichte der W. fängt mit den erfien hiſtoriſchen Zeiten 
Dachkens (f. d.) an und geht bis zur Begründung des waladhiichen (1290) u. 
moldauiſchen (1350) Staates. In dieſem Zeitraume fehen wir den al der 
Dacier, die Bevölkerung ‚des Landes durch römifche Kolonien, die Bluthe der 


'egteren bis unter Kalfer Aurelian und ihre Zerſtöͤrung durch das Ginbredhen 
er Barbaren, welche vom 3. 270 bis 570 abwechfelnd vielen Babe verwůͤſte⸗ 
en. Unter der haft der Bulgaren zu Anfang des 10. —— — brei⸗ 
ete ſich das Chriſtenihum in der WB. aus. Zu den mancherlei Völkerſch 

‚te ſeit der Voͤllerwanderung dieſes Land heimſuchten, kamen im 14. Jahrhun⸗ 
erte auch Tataren (Petſchenegen und Kumanen), deren Reſte laͤngſt miegege 
en find, Mongolen und Magharen. Die Romunen hatten ſich damals in die Ge⸗ 
irge zurüdgezogen und bildeten dort Kleine ptmannfchaften oder Kneſate uns 
er Kneſen ihres Geſchlechtes. Endlich im 13. und 14. Sahrpunberte verbreiten 
ie fi) auf der Ebene und gränven die zwei unabhäng!i taaten der Moldau 
nd W. Erſter Woiwode der ganzen W. war Radul der Schwarze - Die 
Zer faſſung war ſlawiſch. Die alten Stammeshäuptlinge oder An die Kriegs⸗ 
berften und andere Machthaber vertbeilten den rund unter ih u. fanden 
em Wowoden unter dem Namen Bojaren als mächtige Wriftofraten zur Seite. 
damit fängt die mittlere Befchichte diefer Fürſtenthümer an und endigt mit dem 
ölligen Verfalle derfelben unter den Zanarlotifchen Fürſten (1716). Gleich nad 
rer Bildung ſehen wir fie mit den benachbarten Bälfern für bie 

jrer Rationalität Ehmpfen, faft immer ſiegreich. Aber num erfcheint ein 

arer Koloß am europätfchen Horlzont, der Islamismus. Serbien, Bulgarien, 
Iibanten, Macedonien, Illyrien und bie ‘werden zu türkifchen Provinzen 
emacht; die Gonftantinifche Stadt Reu⸗Rom, wird bie Bauptkabt der Sultane 
nd der Halbmond an die Stelle des Kreupeb auf dem Dome der heiligen So⸗ 
hia erhoben, Auch die Rommmen haben einen harten umb langwierigen Kampf 
it den Mufelmännern zu befleben, von 1366 bis 1688, oft beflegt, oft unters 
yorfen, aber nie ganz unterdrückt. Mirtſchea der Weltere, Wlad Tſchezech, 
Stephan der Öroe, Michael der Tapfere mp Scherban Kantaku⸗ 
en waren hauptfächlich die unverföhnlichen Feinde der Blaubensgenofien Moha⸗ 
cds, indem fle mit ihrem Blute das heilige Kreuz vertheidigten. Obwohl fort 
yährend in Kriege verwidelt, machen die Romunen dennoch große Kortichritte im 
er Bildung. Here Schulen find im 16. und 17. Jahrhunderte durch, den gan⸗ 
m Orient berühmt; die Moldau iſt eines der Länder, wo die B bruder hu 
m erfien eingeführt wird. Romunifche Lehrer, Kalltgrapben und Juriſten wer- 
en an den Hof des ruffifchen Garen berufen. Baftlius Lupus und Mat⸗ 
heus Beffaraba erwerben fih In der vaterländifchen Geſchichte einen unſterb⸗ 
hen Ramen. Allein unaufbaltfam naht die Zeit des DBerfalles den Rommen. 
Inter ſich felbft umeinip. bef n fie fi) gegenfeitig ald Moldauer unb 
Baladyen. Die osſsmaniſche Tyrannei beginnt auf ihnen gi often, mit ihr wie 
Inwifienheit, der Akerglaube und die Senkernif. Die Romunen verlieren daB 
dte Recht, weiches ihnen geblieben war, nämlich das Recht von einh 
Bahlfürften regte zu werden. Fanarioten G d.) werden die Beherrfcher der 
Roldan und W., von der Pforte als zinspflichtige Lehensfuͤrſten eingefegt. Ihre 
tegierung {ft rein despotifch und blutfaugerifch; denn fle trachten, ſich fo ſchnell 
[6 möglich zu bereichern, weil fie keinen Augenblick ficher find, von dem Gro 
errn wieder abgefegt zu werben. Ihnen sit eine unwiffende und e 
riftofratie das Boll in Ketten fchlagen So fängt bie neuere te der 
8. mit dem unhellvollfien Jahrhunderte an, weldye® jemals auf dieſem Lande 
elaftet. Die franzöflfcye Revolution, nachdem fle Europa bis in bie tiefften 
Irundlagen erfchüttert, wird auch den Romunen fühlbar. Der tapfere Rigas, 
urch Berfprechungen Bonaparte’8 angereist, erhebt dad Banner der Freiheit; 
ber, in feiner Unternehmung verhindert, wird er Henlern von Belgrad über» 
eben und flirbt für das Vaterland. Sein Tod, die unerträglichen Bedrückungen 
er Sanarioten, die Ideen des Jahrhunderts, die zwar langſam, aber d 

nter den Romunen —— anfingen, die Kriege Rußlands mit der 





forte und das daraus hervorgehende Zuſammenkommen mit ben zuf j 
weren, weldye von 1806 bis 1812 die Fürſtenthümer befekt Yakten, . — 


666 Walachei. 


dies bereitet die Begebenheiten von 1821 vor. Wahrend in. der Moldau, die 
Häterte zum Borfcpeine fommt und zur Freiheit nicht nur tie Griechen, fon- 
derri alle unter dem türkifchen Joche feufzenden chriftlichen Völker aufruft, Fün- 
diget Theodor Wiadimiredfo in der W. den Romunen an, es wäre die 
Zeit gefommen, daß das Land die fremde Herrfchaft abſchüͤttele, die Mißbtäuche, 
von denen es überloden jet, entferne und eine rationelle, auf einer freien Ber: 
faffung begründete Regierung erwerbe. Diefe Bewegung wird zwar ſchnell wie- 
der unterdrückt, aber fie veranlagt mit der dazugefommenen Erhebung Griedyen- 
lands einen neuen Krieg zwiſchen Rußland und der Türkei, der den geld 
herrn Diebitfch über den Balfan führt. Dort: viktirt dieſer am 44. Septemter 
4829 den Frieden von Adrianopel, welcher der Moldau und W. den Selbftherr- 
fcher aller Reußen förmlich zum Protektor gibt. — Bon da an ſetzte ſich der 
Einflug Rußlands, welches ſchon 1774 in dem Frieden von Kondfeuf-Katnadrj: 
das Schuhzrecht in Betreff ver freien Uebung der griedhifchen Religion erlangt 
hatte, in den Fürftenthümern vollends fe. Ste Handen bis. 1834 unter der 
Verwaltung des tuffifchen Generals Kiffelew, und erft-in dem geitannten Jahre 
wurde nach Wahl der Pforte und des ruffifchen Hofes der W. eim neuer H06 
pobar in der Perfon Nleranders Ghika vorgefet: Bald aber zeigte fih 
nur zu deutlich, wie die Politil Rußlands vor Allem darauf binarbeitet, es in 
ben Fürftenthlimerm zu feinem ruhigen Zuftande kommen zu laffen, um im Gr- 
wirre der Intriguen und Wühlereien ftets feine Uebermacht fühlen laffen zu fün- 
nen, So folgten ſich denn, neben den won der Oppofitton in den Sihungen der 
Generalverfammlung erregten heftigen Scenen, beftändige Gährungen und Auf- 
ftände, welche die Etellung Ghita's immer — er machten und: ihm am Ende 
nöthigten, 1842 abzudanfen. Daß er fich in polittiche Verbindungen mit Franf- 
reich eingelaffen, hatte ihn bei dem Kabinete von St. Peteröburg unbeliebt ge 
macht und bauptjächlich feinen Sturz herbeigeführt Ghita's Entlafjung. hatte 
die erfle Ausübung des Wahlrechtes der Nation, wie es ihr Durch das bereits 
im Jahre 1829 von den Bojaren feftgefegte und fräter von der Pforte anerkannte 
Drganifche Statut zufam, zur Folge. Die walachiſche Partei entfchied fich zwar 
für Georg Philippesco, welcher Bit der Erledigung des Fürftenftuhles in Ge⸗ 
meinfchaft mit Wafaresco und Kornesco bis 1843 die Regentfchaft geführt hatte, 
allein deffenungcachtet fiel die Wahl nach der geheimen Leitung Rußlande auf 
ten Groplogotheten Georg Bibes co. Echon im erften Jahre feiner Berwalt- 
ung war bie % en ihn erhobene Oppofition der Bojaren IR bedeutend, daß der 
Fürft ſich gen: — ſah, die Generalverſammlung zu ſchließen. Die Folge da 
von war die einſiweilige Suspendirung der Konfuͤtution durch die Pforte. Zu 
Ende des Jahres 1846 glaubte Bibekco den Zeitpunkt gefonmen, wo bie &r 
müther beruhtgt wären, und berief die Generalverfammlung wieder ein. Aber 
die Unzuftiedenheit gegen das ruffifche Protiktorat war in ver W. wie im ber 
Moldau bereits zu allgemein verbreitet, und die beiven Hospodare mußten ſchon 
deshalb bei dem beften Willen verhaßt feyn, weil es täglich augenfälliger wurbe, 
daß fie nur willenloſe Puppen des Czarem, die eigentlichen Gewalthaber aber 
die ruffifchen Konfuln zu Bulareſt und Jaffy waren. In der W. machte fih 
diefer Haß am 22. Juni 1848 durch einen Aufftand der Bojaren gegen ten 
Fürften Bibesco Luft, in Folge deffen felber, nachdem er ein von ben Häuptern 
der Bewegung ihm vorgeſchriebenes Miniſterium beflätigt hatte, am 25. der Re 
gierung entfagte. Tags darauf wurde eine proviſoriſche Regierung eingefett, 
den Metropoliten an der Epipez die übrigen Mitglieder waren Johann Gliade, 
Etephan Boledco, Major Tel, Maghiero, Skurto. Die neue, felbftgegebene Kon 
fitution emancipirte die Bauern und ſprach ihnen Eigentbum zu, denn bie Partei 
des doriſchrittes fah ein, daß fie die Maffe für ſich gewinnen müffe, um ihre 
Sache fowohl gegen die am ben alten Votrechten fehbattende Bartet der Groß 
bojaren, als auch gegen den ruffifchen Echugs ober vielmehr Zwingherrn be 
baupten zu können. Die Pforte, ihren eigenen Bortheil in der größern Eelbfs 


Walafried — Walde. 667 


tändigfeit der Fürſtenthümer wahrnehmend, beeilte ſich, die neue — der 
. ſchon im Monat Juli anzuerkennen und ver türliſche Kommiſſär Soleiman 
Bafcha beftätigte die proviforifche Regierung in Bukareſt unter dem Namen einer 
ürftlichen Staithalterſchaft. Am 20. September wurden das Organiſche Statut 
nd die Archontologie (dad Adelsregiſter) in Bularefi feierlich verbrannt. ber 
Rußlande mit Geld unterflügten Intriguen wußten die Pforte von dem einges 
chlagenen Wege abzubringen. Soleiman Paſcha wurde der Beftechlichkeit vers 
rächtiget und abgerufen, und ein neuer Kommiffär, Amedzi Fuad Effendi, Ees 
retär des Divans , mit Bollmachten und geheimen Inſtruktionen nad der W. 
jſeſandt. Diefer rüdte (25. September) an der Spitze einer türkifchen Armee im 
tande ein, ſetzte die fürftliche Statthalterfchaft ab und ernannte den Eonftantin 
ratafuzen zum einzigen Kaimakan. Gleichzeitig überſchritt der rufftfche General 
2üders den Pruth. Vergebens that die Pforte gegen diefe von den Umftänden 
—— gebotene Schutzbefliſſenheit Einſprache. Jetzt ſtehen nahezu 25,000 
Mann Ruſſen und 15,000 Mann Türfen in den Fürſtenthümern. Die Häupter 
yer liberalen Partei find eniflohen oder fchmachten, ungeachtet der vom Sultan 
tlafjenen, aber von den Ruflen nicht refpektirten Amneftie, im Kerker. Die lleine 
valadhifche Armee hat ſich in Die Bebirge zurüdgezogen. Defterreich wäre berufen, 
te Pforte dem für fie fo verderblichen Einfluffe der ruffifchen Diplomatie zu ent⸗ 
tehen, allein es fcheint, den neueften Vorgängen nach zu urtheilen, jetzt ſelbſt in 
ven Feſſeln derfelben zu liegen. DOeſterreich kätte fchon früber, als feine Macht 
noch nicht durch innere Zerwärfniffe gelähmt war, feine und des gefammten 
Deutichlands Interefien in ven Donaufürftenihümern beffer wahren, und die 
Mündungen der Donau, dieſer Lebendader des fünöftlichen Handels, nicht in 
uffifhe Hände fallen lafien follen. Bon welcher Bedeutung der beutiche Hantel 
in diefen Gegenden fhon unter den früheren ungänftigen Berbältniffen gewefen 
ft, Davon geben die Berichte der Leipziger Meſſen den deutlichſten Beleg. Wie 
ſehr derfilbe durch Errichtung deutfcher Agenturen gefördert und gehoben werben 
fönnte, wie fehr cr aber unter dem jetzt herrſchenden rufflfchen Snftufle und der 
Vernichtung der deutſchen Konfulate darnieder liegen müffe, bedarf Feiner Aus⸗ 
führung, — Dr. Joh. Ferd. Neigebaur: Beichreibung der Moldau und W., 
deipz. 1848. mD. 
Walafried, Strabo oder Strabus, aus Allemanien over Schwaben ges 
bürtig (wahrfcheinlich 807), trat in dem Klefter Reichenau in den Benchiftiner- 
yiden und ftarb als Abt daſelbſt 849. Er war ein fleißiger Schriftſteller und 
yeliebter Dichter feiner Zeit. Man bat von ihm Furze Anmerkungen über den 
zanzen biblifchen Tert, Auslegungen über die Pfalmen, Lebensbeſchreibungen bed 
yeil. Gallus und Othmar, Abtes zu St. Gallen, und Gerichte. Sein Gedicht 
iber die Kräuter, „Hortulus“, gab Reuß, Würzburg 1834, heraus. Ä 

Walcheren, vie beveutendfte Infel in der Provinz Zeeland im SKönigreiche 
yer Rtederlande, 24 Meilen lang, mit 36,000 Einwohnern, zwifchen ven beiden 
Mündungen der Schelde und dem deutfchen Meere, hat nach jeder der vier Hims 
nelögegenven eine gauptentwäflerung und jede derſelben iſt zugleich cine Aue 
tfche Äbtheilung. Rur eine Seite hat Sanddünen zu ihrem natürlichen Schutze 
ınd die anderen find durch fehr Eoftfpielige niederländifche Deiche gefchübt. ‘Der, 
nit Sand natürlich und Fünftlich gemifchte, Sandboden trägt üppig den fchönften 
Weizen, Kartoffeln und Zärberröthe. Die Hauptftabt iſt SRidvelburg (f. d.), 
ıber wegen der, während der Ebbe fich entblößenden, Watten (Gegend, welche 
Ye Fluth mit Waſſer bevedt) iſt die Luft dort mit Stidfloff faulender Körper 
iberladen und zugleich wegen häufiger Nebel feucht. 

Waldai, Kreisftadt in dem rufflfchen Gouvernement Großnowgorod, in dem 
ad) ihr benannten W.⸗Gebir ge (dem Mons alaunus der Alten) und an dem 
ihönen, über eine Meile langen und eine halbe Meile breiten W.- See, hat drei 
Kirchen und 5000 Einwohner, welche Gerberei, Seifenfleverei, Wagenfabrikation, 


668 Baldbay — Waldburg. 


feret und Landwirthſe betreiben. Die Stadt liegt faſt im Mittelyuntte 
—* Hauptftraße, aaa ee und Mosfau * einander verbindet. 
Waldbau, ſ. Fot ſt und Borftpoltzet. 

Waldbrand, das Brennen eines Waldes, welches gemeiniglich damit be- 
giant, daß das trodene Moot, das — u, dgl, Feuer fangen, worauf fo; 

m die Bäume angeben und der Brand allgemein wird. Am meiften wird ber 
W. durch Nachläffigkeit der Koblendrenner, Holzhader und der im Walde Tabat 
Rauchenden, durch abfichtliches Anlegen, bisweilen auch durch ben Blig, aber nie 
durch die Sonnenhige veranlaßt, wohl aber befördert, Nur durch Nieverhauen 
der Bäume umd Entblößen eines 6—12 Fuß breiten Streifen von Moor, Laub, 
‚Helbe und fonft Brennbarem und tiefe Graben kann dem Brande Einhalt gethan 
werben, Hilft fein Mittel, fo legt man 50—100 Schritte vom W.r, da, wohin 
der Wind weht, Gegenfeuer an, d. h. brennt eine Reihe Heiner euer, bie 
man durch Menichen im Zaume halten kann, an, die fich zu einem 10 bis % 
Schritt breiten Gürtel verbinden, dort die Bäume nieberbrennen und dem M, 
Grängen fegen. Im holzreichen Ländern, 3. B. Schweden, werben: bieweilen 
Waldiheile angebrannt, um Aderland oder Wiefen zu gewinnen. Am häufig 
vn und verheerendften find die Waldbrände in Nordamerika, doch fommen 
jäufig ſolche bei und, befonders im heißen Sommer, wo Alles ausdorrt, vor. 
Es fanden dergleichen im Sommer 1842 in Schlefien und ber fächfifchen Schweiz 
am Prebiichthore ftatt. In NRordamerifa hat man die Bemerkung gemacht, daf 
bei Walbbränden nie wieder aus der Aſche die vorigen Bäume, fondern bie einer 
niederern Stufe, ß 4. B. flatt der Fichten Pappeln wachen, obſchon dieſe früher 
nicht dafelbft vorfamen. 

— ein uraltes, ſchwäbiſches Geſchlecht, deſſen Beſihungen, das 
Fürftenthum gleiches Namens mit 134 [JM. und 28,500 Einwohnern, zwiſchen 
der Donau und Iller, größtentheils unter württembergifcher und nur zum Heinen 
Theile unter bayerifcher Dberhoheit ſtehen. Diefelben befichen aus der Graf 
gen Zeil und der Herrfchaft Wurzach, beide im Allgäu, den Grafichaften 

olfegg, Friedberg und Trauchburg, den Herrfchaften Waldburg, Kißlegg, Wald: 
fee, Scheer, Marftetten u. a. m. — Die Grafen von W. führten ſchon feit dem 
11. Jahrhunderte den Titel Truchfeß-W., weil fe bei verſchiedenen Kaiſern 
aus dem Haufe Hohenftaufen, jedoch nicht erblich, das Truchſeßamt verwalteten, 
Im Jahre 1525 erlaubte ihnen Kaiſer Karl V., ſich Reichserbtruchfeffe zu nen- 
nen, in welches Amt fie 1594 eingeführt wurben, fett welcher Zeit fie auch den 
Ramen Truch ſeß ald Gefchlehtönamen führten. Der gemeinfchaftliche Stamm: 
vater des ganzen Haufes war Johann, Graf von Trudfep-W., geraden 
1423. Seine Söhne, Jakob u. Georg, flifteten die Jakobinifche u. Georg⸗ 
iſche Linie. Die Jakobinifche verzweigte fich durch deſſen Enkel, Wilhelm und 
Friedrich. Die Wilhelmifche Linie, welche Trauchburg befaß, erloſch 1772. 

iedrich trat in die Dienſte des Großmeiſters des deutſchen Ordens und ließ 

ich in Preußen nieder, wo fein Haus unter dem Namen Truch ſe ß von W. 
noch blüht, ohne an den unmittelbaren Beflgungen des Haufes in Schwaben 
einen Antheil zu haben, da die Beflgungen der erlofchenen Wilhemifchen Linie 
an die jüngere Georgiſche Linie gefallen Am Die Georgifche Linie war mit 
dem Erbtrudfepamt belichen, das der jedesmalige Senior verwaltete. Sie 
theilte fi) 1589 im zwei Linien. Jakobs, eines Urenteld des Stifters Georg L 
älterer Sohn, Heinrich, fliftete die Linie Wolfegg, melde ſich in bie Fön 
Wolfega-Wolfegg und otfeng-Bathiee elte, von denen jener 1789 
erlofh. Jalob's jüngerer Sohn, Frobenius, fliftete die Linie Zeil und feine En- 
tel, Bari Jakob und Sebaflian Wunibald, die beiden Mefte derſelben, Zeil- 
Zeil, auch ZeilsTrauchburg genannt, u. W.⸗Zeil-Wurzach. Im Jahre 
1628 wurden alle Zweige der Georgiichen Linie in den Reichegrafenfand u. 1803 
die Häupter der einzelnen Aeſte nach dem Rechte der Erfigeburt in den Reiches 
fürkenftand erhoben. Rach der Auflöfung des deutſchen Reiche legten fie, mit 


Balve.“ | 069 


it 1808 ie —— ——— Ka — 
ielt r rho e w 
Die gegenwärtigen Fuͤrſten ber ptlinie des Haufe W. find: 1) 
Fürk Eriedrie von W. au Bei Aa And ne eng" Batbiee atofee, biſterreich⸗ 
—* Kämmerer, geboren 1808, ver Bater olgte; 2) Fürk Kon⸗ 
tantin von — Fr Fr I 1845 an- der 3, und 3) Fürk 
deopold von Br nn georen 1795, der 1809 feinem Großvater 
nter mütterlidyer — fo 
Walde, ein len — aus der alten Grafſchaft W. und der 
Braffcyaft Pyrmont h ‚ Furſtenthum bed deutſchen Reiches, das früher 
ine zum oberrpeintichen Kreife 7 Srofigaf war. Die Graͤnzen bed 
Landes find: u. Dften Kurhefien und Heflens Darmfadt, im 
und Norden — Brain —— die Brafigent Ayrmant ı yr * 
Preußen, Dannober u und Lippe» Detmold unalofien. De 
legenen Landes iſt meiſt einig und mit Waid bededi; —* St e eo 
ortfegung der fauerlänbifchen und „rö!lehen ſich nero an den 
ald an; die hoͤchſten Berge find: ber Gifenberg und die hohe Born; bie 
dentendſten Fluͤße find: 1) de Diemel, auf der hohen Poen bei dem „vorfe Uffeln 
entſpringend, mit den Nebenflüßen Itter, Orpe, Twiſte, Watter, 2) die Eoper, 
mit den Nebenflüßen Werbe, u. Lampe. ws vorzüglich: Produkte find: 
olz, Wild, Getreide, —* Eifen, Blei und Surfer, etwas SGoldſand im ver 
dder, Marmor, WI iefer, eralmäfler in Pyrmont u. Wilbungen. 
Die 56,000 Einwohner 8 — ſind arbeitſam, aber nicht ne woran 
die Laſt der Sieuem, welche bie Walbeder fa erdrückt, Schuld haben 
mag. äftigungen find Aderbau und Viehzucht, een in den Berg- 
und teniperfen, Der enfertig grober Tücher, wollener Zeuge und. Garnſpin⸗ 
nen; ; a gingen au piele ldecker in olländifche —— Die über 
ende Mehrzahl der Bewohner bekennt ſich zur proteflantiichen K ine, 800 
Ra oliten wohnen in ven katholiſchen Aare Baar und Eppe bei Gorbadh; 
In Pyrmont befindet ſich eine, von b an ein Or en gabfeib gegründete, kathol. 
Kapelle; die Zaßt der Sfraeliten betr Diet evölferung wohnt in 14 
Städten, 105 Dörfern, 46 Wellern Me Schiffe, nebft vielen einzelnen ofen. 
Die Verfaſſung des Landes ift eine ſtaͤndiſ ie —88* beſtehen na 
m Arolſen den 19. April 1816 mittelſt aueverna es beſtimmten, —* 
aus den Wbgeorbneten be der il aft, der Städte u. des Deuernfnbed, far) 
















eine Kammer und t der Steuerbewilligung, Befebgebung 

In früherer Zeit — — die landſtaͤndiſche ng nicht fehr Seh 
Dorben Er feyn, weshalb Häufige en laut w die Finanzverwaltung des 

an 


U fehr im ar di; liegen. Pyrmont bi 3 Hinſicht A! —5 — 
und Finanzverwaltung fletd vom Haupilande getrennt. Die Ei 
beträgt 450,000 Gulden, wozu die Heilquellen von Pyrmont über 
Tagen; ; Stantsfchuld 1,800,000 f. W. hatte bei dem ern Bunbebtare * 
beiden Hohenzollern, Lippe ‚Reuß und Liechtenflein eine ——— bie 
Ispaednte; im Plenum der Bundesverfammlung eine Stimme. ent „Ienbet 
6 1 Deputirten in die deutſche Kationalverfammlung und hat 1 un —* ie 
ten bei der NReichöcentralgewalt. Zu dem —— Reichscontingente te 
®. 2 Compagnien, zum Contingente des een Bundes 400 Mann, zum 
veutfchen Bundesheere ftellte e8 in bie ifton des 10. Heerhaufend 518 
Mann; dem Befchluffe der Ratlonalverfammlung aufelge Bin dad — 
künftig 2 Pect. der Bevölkerung betragen und etwas über len ; 
Barntjondpläge find Krolfen und Mengringhaufen. Das Färkenhum Penn in bie 
> Bezirke: der el, Twiſte, Edder, Werbe und des Eiſenbergs eingethellt, 
Daupıfabt: Corbach — Einw.), Reſidenzſtadt: Atolſen. Die she Ber 
—5 behorde des Landes iſt die Regierung zu Arolſen, erſter 
t zu Corbach, In legterer Stadt befindet ſich uch 







—* 
vr Yringuuseliten- 





ero elek. 

Gefhichte Das num fürftlihe, früher altgräfliche Haus W: leitet feinen 
Urfprung ir den Grafen von ——— ab, Me von eh von Jtter 
abftammen follen. Seit dem 13. Jahrhunderte blühte das Haus W. in 4 Linten, 
welche ſich nach und nad) vereinigten; mit den 2 Söhnen des Grafen Joſias 
«+ 1580) trennte fiih das Haus abermals in 2 Linien, indem, der Ältere Sohn, 
Ehriftian, die noch blühende — — der jüngere, Vollrath IV., die Wilden⸗ 
burger Hauptlinie ſtiſtele. Letzlerer brachte die Graffchaft Cuylenburg, die Herr 
ſchaften PBalland u. Wittem in den Niederlanden am feine Linti welde mit, dem, 
1682 in den Reichsfürftenftand erhobenen, Grafen Georg & edt ich Ef. Ge 
neralfeldmarfchall, Domprobft zu Hulberftadt, Eomthur u, Senior des Maltefer- 
ordend, bereitö 1692 erloſch. Die Graffhaft Euylenburg kam durch Vermählung 
feiner Tochter Lonife Anna an Erbady- Erbach, von weldyem Haufe fie im gleicher 
Weiſe an Sachfen- Hildburghauſen überging, wie auch die übrigen allodialen 
Güter ©. Friedrich’s durch Heirath an Baden, Ansbach u. fi w. famen. Es 
blieb alfo die eifenbergijche Hauptlinte allein übrig, auf. die fämmtliche Befig- 
ungen und die Fürftenwmärde-der Wildurger Linte übergingen. Ju lepterer hatte 
et Ludwig das Primogeniturrecht eingeführt; fein ältefter Sohn, Fr. Anton 
Ulrich, fuccedirte daher feinem Vater, erhielt 1711 für fi und feine Rachfoms 
men die Veftätigung der reichsfürfttichen Würde und wurde 1719 bei dem ober- 
rheinifchen Kreije mit Sig und Stimme auf der weltlichen: Fürftenbank aufge 
nommen, er iſt daher der eigentliche Stifter ver fürftlichen Linie des Haufes 
Bon feinen Geſchwiſtern pflanzte der Graf Joſias die gie Nebenlinie fort, 
die unter ae Rundeshoheit die Güter Bergheim, Melbe und Königshagen 
befigt, aber in“ Hinficht ihres Antheils an wer Giaſſchaft Limburg in Württem ⸗ 
berg zu den Gtandeöherren dicſes ae: es gezählt wird. je Glieder diefer 
Familie führen den Titel: Grafen zu W., Pyrmont und Limburg, erhalten von 
W. eine Gelvapanage und refidiren gewöhnlich zu Bergheim. Die durch Heirath 
von W. getrennte Grafichaft Pyrmont “fiel 1625, nach Ausſterben der Grafen 
von Gleichen, an W. zurüd. Seit 1438 war W. ein Lehen des Gefammthaufes 
Heſſen, die Streitigfeiten über diefe Lehenshoheit wurden 1635 durch einen Ber 

letch beendigt, der im weftphältfchen Ftieden 1648 beftätigt wiürbe. Durch ben 
Keichepeputattenrecceg vom 25. Februar 1803 erhielt der Für von W. eine 
Virilfimme im Reichöfürftenrathe; der Beitritt zum Rheinbunde durch einen 
Vertrag, gefchlofien zu Warſchau 18. April 1807, verfchaffte ihm die völlige 
Souveratnetät. Am 9. September 1813 jelste Fürſt Heinrich Friedrich 
Georg (geboren 20. September 1789) feinem Vater Frledrich in der Re 
terung u. trat vom een Bunde ab. Nach dem, im Jahre 1844 erfolgten, 
Ione diefes Fürften übernahm die Wittwe deſſelben, die Fürfin Emma, eine 
geborene Pringeffin von Lippe-Büdeburg, ald Bormünderin ihres Sohnes, des 
minderjährigen Erbpringen, die Regierung. Pie Unruhen des Jahres 1848 
machten [6 aud in dem kleinen W. bemerkbar und bittere Klagen des Voilles 
über die feitherige Verwaltung des Landes wurbes laut, ja, eine zu Wildungen 
im Herbfie 1 ſtattgehabte Vollsverſammlung ſprach ſich für die Bereinigung 
W.s mit Kurheſſen aus, was wohl auch über kurz oder lange ſich veroirttihe 
wird, zumal W. Furheffliches Mannlehen if, mit Ausnahme der Grafſchalt Pyrs 
mont, die preußifches Cfrüher Paderborn’iches) Manndlehen if. C. Pfaff. 

Waldenfer, eine Fegerifche Sekte, die im 12. Jahrhunderte entftand und 
unter mancherlei Abweichungen noch befteht, fo genannt von ihrem Stifter, Petrus 
Waldus (Walvo, Baud), einem reichen Kaufmanne zu Lyon. Der plögliche 
Tod eines feiner Handelöfteunde, der Im Jahre 1160 entfeelt zu feinen Füßen 
ntederfanf, machte auf Waldo einen fo tiefen Eindruck, daß er, in Betrachtung 
der ‚Dinfänigteit des menfchlichen Lebens u. der Nichtigkeit aller irdiſchen Güter, 
befchloß, allen zeitlichen Geſchaͤften zu entfagen und ſich blos mit der Eorge für 
fein Seelenheil zu befhäftigen. Cr theilte daher fein nicht unbedeutendes Ber 
mögen unter die Armen aus und forderte auch Andere auf, der Welt und dem 


Waldenſer. 678 
Reichthümern zu entfagen; er ermahnte, ptevigte und dad viele Prebigen v 
Verzichtung auf alle zeitlichen Vortheile ae bei ibm die Üstereugun * 
ver: daß die evangeliſche und apoſtoliſche Armuth, ohne weiche man kein orte. 
yn könne, keinen Befig irdiſcher Güter geftatte. Verſchiedene Perfonen folgten 
dem Beifpiele des Peter Waldo ımb es bildete fich eine, meiftens aus ds. 
werkern beftehende Sekte, die fich wegen der Armuth, von der fie Brofefflon 
machten, die Armen von Lyon nannten; auch hießen fie vom Drte ihrer Ent⸗ 
Rehung (Leona) Leoniften und wegen ihrershölzgernen Schuhe oder Sandalen 
(Sabots) weldye oben ‘offen waren und bie bloßen’ Füße ſehen ließen, Sabas 
tatt oder Inſabatäti. Waldo erflärte ihnen dad Evangelium in der Landes⸗ 
[prache und wurde der Wääter diefer Heinen Heerde. Der Gifer feiner Schüler 
wurde bald feustiger für, weil die Apoſtel nicht allein arm, fondern auch Prediger 
des Evangeliums waren, fo verlegten fie fi auf das Prebigen und warfen 
zu Apoftein auf, ohngeachtet fie, als Laien, ohne geifliche Weihe und Sendung 
waren. Die Kirche von Lyon, ohne ihren Eifer und ihre Beweggründe zu ver« 
werfen, wollte fie in die gehörigen Schranken zurüdwelfen; allein Waldo mb 
feine Jünger hatten ſchon eine zu hohe Meinung von ſich gefaßt, als daß fie ben 
Befehlen ihrer geiftlichen Oberen gehorchten. Zu gleicher Zeit "verbot ibnen ver 
Vapft das Brebiamn aber auch ihm verfagten fie aus Stolz den Gehorfam und 
entgegneten dem Befehle der Kirche mit der Antwort, welche die Apoftel dem 
hohen Rathe zu Jeruſalem, als er ihnen die Auferſtehung Jeſu Chriſti zu 
predigen unterfagte, <riheilten: „Sagt uns, muß man Bott, oder den 
Menfchen gehorchen?“ Bel dem Volle gaben fie vor: vie Geiſtlichkeit ver⸗ 
wehre ihnen nur aus Giferfucdht, wegen ver Seilgeit ihred Lebens und ber 
Reinheit ihrer Sittenlehre, das Predigen. — Die W. hatten einige Kenntniße 
der heiligen Schrift; ihr Weußeres verrieih Abtödtang, ihre Gitten waren Rrenge 
und jeder PBrofelyt wurde ein Prediger. Der größte Theil der Geiſtlichkeit, 
anderer Seite, unmwffiend und fittenlo®, ftellte ihnen gewöhnlich Nichte entgegen, 
als ihre Anfehen. Ste machten aufferordentliche Foriſchritte und nach fruchtlos 
entfchöpfter Nachficht belegte fte enplich der Papft Lucius Il. zwifchen 1181 1. 
1185 mit dem Kirchenbanne und verdammte fie, nebſt allen anderen Kebern, bie 
damals Frankreich überfchwenmten. Der Blipfrahl der Kirche empörte die W. 
und file flellten fich der Macht geindfelig entgegen, welche fie verbammte. Geſtüͤtzt 
auf Die Nothwendigkeit, allem Befite zu * en, um in der That Chriſt zu ſeyn, 
behaupteten Waldo u. feine Schüler: „daß die romiſche Kirche von der Zelt an, 
wo fle Beflgungen zeitlicher Güter an ſtch gebracht hätte, aufgehört habe, bie 
mahre Kirche M ſeyn. Weber der Papft, noch die Bifchöfe und Webte, noch bie 
anderen Geiftlichen dürften Grundſtücke, weltliche Würven, Lehen, Sehnte, ober 
Regalien beiden; vie Päpfte, welche den Krieg gutgeheißen, over die Kürften 
dazu aufgefordert hätten, feten wahre Menfchenmörver und folglich ohne Gewalt 
m der Kirche, Hieraus zogen fle dann den Schluß: daß fie allein die evangel⸗ 
ifche Armuth übten und ren, Nah Rainerus Sacho, einem Prediger 
der W., der in die Fatholifche Kirche zuräd und 1250 in den Dominikaner» 
Orden trat, befand ihr Lehrbegriff hauptfächlich in folgenden Bunften: „Seit dem 
Papſte Syl veſter gibt es Feine Kirche mehr, welcher Abfall von dem Beſitze 
zeitlicher Güter kommt; die Geiſtlichen dürfen nichts Eigenthümliches befigen, 
ſondern follen fich, wie die Apoftel, von ihrer Hände Arbeit ernähren; der K 
Schenkungen zu machen if fündhaft und Schwören, auch vor der Obrigkelt, 
ein Verbrechen; alle Bifchöfe And Mörder, well fie die Kriege dulden; alle 
Strafurtheile der FZürften, Obrigkeiten und Geiſtlichen find unerlaubt und es iR 
ein Berbrechen, die Uebelthäter zu -beftrafen und Jemand zum Tode zu verurs 
bein. Ste verwarfen das Zegfeuer und das Gebet für die Verſtorbenen, bie 
(äffe, das Yaftengebot, die Feier der Feſttage, — die der Oftern, bie Uns 
rufung der Heiligen, vie Verehrung der Kreuze, Bilder und. —— bie eb 
ſprechung und Sakramente —* fie für nichtig, ir wur Nu 





672 Baldenfer, 


ſchlechten Priefter extheilt würben; ein guter Late aber habe die Gewalt, Sünden 
nachzulaffen und durch Händeauflegung den hl. Geift zu geben. Die Bortfegung 
des ehelichen Umganges if fündhaft, wenn bie Frau pe ehört hat, Kinder zu 
jebären; die Geremonien und Erorcismen bei der Taufe verwerflich ; ein in 
Fopfänden befangener Priefter kann die Euchariftie nicht wandeln und die Bıod- 
verwanbelung gebt nicht in den Händen des unwürdig Meffelefenden, ſondern im 
Munde des würdig. Empfangenden vor ſich. Sie verm den Kanon der 
Mefle und fagten die Gonfefrationsworte in der Landesiprache her; alle Laien 
ga fie für Priefter aus, mit dem Zufage: man“ mühe eher einem. frommen 

en, als einem ſchlechten Vriefter beichten; mit einem Worte, fie vermwarfen 
Yale — = — * u. on en fe hen endlich 
afjelbe in Unwiſſenheit zu erhalten, fprachen fie jerachtung gegen 
a und Afademien, als eben fo viele Schulen der Eitelkeit, aus, 
Pylicdorf, der 100 Jahre nady Rainerus gegen. die W. fchrieb, legt ihnen die 
felben Lehrartilel bei. Ihre game fogenannte Reformation war jomit Nichts, 
als eine Erneuerung alter Jirthümer? des Vigilantius über die Kirchencere⸗ 
monien, die Verehrung der Heiligen und Reliquien und die Firchliche Hierarchie; 
der Donatiften über die Nichtigkeit der von ſchlechten Prieftern gefpendeten 
Saframente und über die Natur ber Kirche, fowie der Bilderflürmer. igen 
zen von ihnen war, daß die Kirche keine zeitliche Güter beſitzen könne. — 

ie W. fchöpften ihre Irrtbümer aus einigen zu bucpftäblich genommenen Stellen 
der hl. Schrift. Bor ihnen hatten ſchon mehre Häretifer dieſelbe Methode be 
feigt, aber in den erften Jahrhunderten der Kirche geringe Fortfchritte gemacht, 
weil damals die Gläubigen, wie die Diener, wohl unterrichtet waren; im 12. 
Jahrhunderte aber waren Volt und Geiftlichfelt unwiſſend und das gröbfte 
Sophisma war für diefe ein unauflösliches NRäthfel, für jenes ein han reicher 
Beweis. Indeß fehlte es nicht an durch Kenntniffe und Sittenreinheit höchſt 
achtbaren Männern; aber fie waren felten und Fonnten nichverhindern, daß bie 
W. einen großen Anhang befamen. Waldo zog ſich mit einigen Jüngern in die 
Niederlande, von wo fie den Samen ihrer Irrlehre in der Picardie md 
andere Provinzen Frankreichs ausftreuten, — Seinrich VILSfchidte zu ihrer 
Befehrung Miffionäre aus; allein ihre Predigten blieben bei den W.n ohne Frucht. 
Philipp Auguf, fen Sohn, brauchte Gewalt: er ließ über 300 Wohnungen 
der Edelleute, wo fie fich verfammelten, nieverreißen und zog dann in das Gebiet 
von Berry, wo dieſe Keper unerhörte Oraufamkeit verübten. Ueber 7000 fielen 
durch die Schärfe des Schwertes; viele fanden in den Flammen ihren Untergang 
und von denen, welche durch die Flucht entfamen, gingen Einige, die in ver dolge 
den Ramen Turlupin’s befamen in dad Wallonifche, Andere nad) Böhmen u. 
Waldo's Anbänger breiteten fi) nun in Languedoc und Dauphins aus. Die 
W., weldye ſich nach Languedoc und bie Provence geworfen hatten, gingen durch 
die ſurchtbaren Kreunzüge, welche man 1209— 1230 gegen die Albigenfer umd 
andere Steger, die fih im mittägigen Frankreich fo unglaublich vermehrt hatten, 
anftellte, zu Grunde; die in der Sauphins, beunruhigt durch den Etzbiſchof von 
Gambrap, zogen ſich in das Ludwigsthal und in andere Thäler, wohin ihnen 
jedoch die Inquifitoren nadfolgten. Diele fen Mafregeln hatten indeß feinen 
andern Erfolg, als daß die W. fich mehr verftellen lernten. Endlich der Ber 
folgungen der Inquifitton müde, fchlugen fie fich zu den Trümmern der Albis 
enfer und entflohen in das cisalpiniſche Gallien und zwifchen die Alpen, wo 
k unter den Bölfern, die von den Kegereien des 9. und 12. Jahrhunderts angefledt 
waren, eine Zufluchtöflätte fanden. Nachdem Alphons, König von Aragonien, 
Sohn Berengar’s IV., Grafen von Barcelona und Marfgraf der Provence, um 
das Jahr 14194 alle Sectirer, die fich nicht befehren wollten, aus feinen Staaten 
vertrieben hatte, zogen fid) auch bie Sectirer der Provence in die Thäler zurdd. 
Um die Witte des 14. Jahrhunderts waren einzelne Haufen dieſer Secte nad 
Apulien und Calabtien, wo fie bald unterdzädt wurden, andere nach Böhmen 


Baldenfer. 673 


, wo fie aud) Berfolgungen litten und Orubenheiner, weit fie fidh 
a und Bergen zu verbergen pflegten, genannt wurden; endlich verloren 
unter die Bufflten, Nur in den, von ber Natur befeftigten, Thälern des 
Piemontsd fanden fie eine bleibende Heimath und die verfchienenen Bers 
ründeten da eine befondere Kirche, die, mit auswärtigen Win verbunden, 
fig Ihrer Secte geworben il. Aber auch Bier blieben fie nicht in Ruhe. 
ft forderte den König von Frankreich, den Herzog von Savoyen und 
rung von Dauphins auf, die W. zur Abfchwörung ihrer Irrthuͤmer zu 
und im Bermweigerungsfalle Gewalt zu brauchen. Die paͤpſtliche Er⸗ 
blieb nicht ohne Erfolg; man ſchickte Truppen in die Thäler. Als 
ihre darauf Ludwig XI. auf feinem Zuge nach Italien in der Räbe 
jer Thäler, Valpute genannt, befand, befahl er einen Angr f gegen deſſen 
r und richtete ein ſchreckliches Blutbad unter ihnen an. In der Mein- 
ı die Keberei audgerottet zu haben, verwandelte der König den Ramen 
ttes in Ludwigéthal. Allein die W. zogen fſich tiefer in ihre Tchäler 
ten hinter den Schluchten derfelben der Politik der Legaten, dem Bes 
ifer der Mifftonäre, der Strenge der Inquifition und der Macht ver 
en Fürften. Ganze Kriegäheere wurben in diefen furchtbaren Schlupfs 
aufgerieben und man fah ſich endlich, gegen dad Ende des 15. Jahr⸗ 
‚ 1498, unter Philipp VII, Herzog von Savoyen, genöthiget, ven W.n 
Thälern freie Religionsübung zuzugeſtehen. Diefe aber, fidy nun unüber- 
erachtend und mit errungener Religiondfreihett nicht zufrieden, ſendeten 
aus in die Fatholifchen Gebietôtheile. Um dieſe Kühnheit zu züchtigen, 
er Herzog von Savoyen einen Offizier mit 500 Mann in die Thäler, 
dplich die Bewohner anftelen und Alles mit Feuer und Schwert vers 
die W. fetten fich zur Gegenwehr, überrumpelten die Piemontefer und 
fie faſt alle darniever. Bon nun an blieben fie in Ruhe. In dieſem 
blieb die Secte bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts, wo die 
te Reformation in Deutichland und der Schweiz bereitö große Kortichritte 
hatte. Im Jahre 1530 wurben fie von Defolampad zu Bafel und 
. Straßburg zu einer nähern Verbindung mit den Schweizer Refor- 
ngeladen; die deshalb angelnüpften Unterhandlungen zerfchlugen ſich 
3 c8 ſechs Jahre fpäter Farel und anderen Genfer Predigern durdy bie 
ng an die Lehrer der W., daß ſie nie in Sicherheit feyn würden, wenn 
icht mit Ihnen vereinigten, gelang, eine Verbindung zu Stande zu bringen, 
fie zum Theil Ihren alten Irrthuͤmern entfagten und dem calviniichen 
ffe ſich anfchloffen. Diefe Vereinigung hatte inzwifchen gleich Anfangs 
ung, daß die W. in Piemont und der Dauphine, ermuthigt durch die 
mg mit den deutfchen und fchwetzerifchen Proteftanten und den franzöfl- 
formirten, die katholiſchen Pfarrer und ‘Briefter aus den Thälern, wo fie 
varen, verjagten, ſich ihrer Kirchen bemädhtigten und ihre Predigtſtühle 
fihlugen. Der Krieg Franz L mit dem Herzoge von Savoyen begünftigte 
ernehmungen, aber nach abgefchlofienem Frieden ließ Papft Paul III. dem 
von Savoyen und dem Parlamente von Turin wiflen, daß fle in ihren 
furchtbarere Feinde hätten, ald die Sranzofen, auf deren Auörottung fie, 
Wohl der Kirche und des Staates, Bedacht nehmen müßten. Als einige 
auf eine päpftliche Bulle den Richtern des Turiner Parlaments die Pflicht 
gegen jene, welche ihnen von den Inquifitoren würden überantwortet 
mit aller Strenge zu verfahren, fo wurde diefer Befehl, nach dem Vor⸗ 
7 frangöftfhen Parlamente, pünktlich vollzogen; man fah in der Stabt 
viele W. verbrennen, daß es — als wollte dieſes Parlament ſich 
n anderen im Ketzerhaſſe auszeichnen. Indeſſen hielten ſich die W. in 
aͤlern und der Herzog von Savoyen, zu ſchwach, ſie auszutreiben, wendete 
Stanfreich um Beihülfe, welches Truppen abſendete, die eine große vr 
ngen und dem Feuertode überlieferten. Nach dem Tome Tromıi, uR 
cyclopadie. X. AR | 


Brent 


674 Waldhorn. 


Nachfolger Heinrich IL. die W. in Ruhe, deren fie bis nach dem Frieden, der ben 
Krieg Wwiſchen Franfreich und Spanten endigte und den Herzog von Savoyen in 
feine Länder wieder einfepte, genoffen. Auf erneuerte p liche Aufforderumgen 
ſchiate Savoyen abermals Truppen gegen fle, welche aber fo hartnädigen Wider 
fand fanden, daß der Hergog den Win Frieden Sugefehen mußte, en fte bis 
1570 fid) erfreueten, to der Herzog Emmanuel der Ligue der. Fatholifchen Fürften 
gegen die Proteftanten beitrat. Sich u — dieſes Beitrittes 
wurde den Win blos in Gegenwart eines Regierungskommiſſärs ſich zu ver⸗ 
fammeln erlaubt. Durch diefe — und durch die auswärtigen Kriege 
ward Eavoyen fo feht entwölfert, daß die Regierung, ihr Unvermögen, die Barben 
oder W. zu umterjodhen, fühlend, den Entſchluß faßte, fie zu dulden, jedoch unter 
der Bedingung, daß fie feine Kirchen haben und ihre iger nicht aus ber 
Fremde fommen lafjen folten. — Cromwell wünfchte ihnen eine größere Toleranz 
und mit Hülfe der von ihm erhaltenen Geldſummen ergriffen bie Sectirer aber- 
mals die Waffen umd abermals wurden die Thäler mit dem Blüte der Kathor 
Iifen und der W. gefärbt und nochmals erhielten diefe durch Vermittelung der 
Schwelzerfantone bürgerliche Duldung; aber, mit diefer nicht — verjagten 
fie die Miffionäre und der Hof wurde zu gleicher Zeit benacht , baf fie 
mit den Yelnven des Staͤates ftrafbare Cinverftändniffe unter ı 
Herzog Amadäus befchloß daher, fie gänzlich aus feinen Staaten zu wertreiben, 
Xudwig XIV. von Branfreich ſagte ihm Unterflügung an Truppen zu; es erſchien 
ein Evict, worin allen nicht fatholifchen Unterthanen der Thäler die Uebung Ihrer 
Religion verboten wurde. Die W, verfagten, wie natürlich, den Gehorfan; ber 
neue entfponnene Krieg wurde mit großer Erbitterung ge ni , 618 endlich, nach 
vielem —— und gänzlicher Erſchöpfung, die ch unterwarfen und 
die Franzofen ihre Thäler verließen. Taufende diefer Sectirer wanderten bei 
diefer Derfolgung in proteftantifche Länder aus. Im England traten fie mit den 
franzöftichen Reformirten in Verbindung; tn den Niederlanden mit den Wallonen; 
in Berlin mit der, zum Theile durch die W.- Flüchtlinge entftandenen, reformirten 
Gemeinde. Gegen zweitaufend gingen in die Schwein, von weldyen 1689 einzelne 
guten wieder in Piemont einbradyen, fih mit den Zurüdgebliebenen unter vielen 
eorüchungen behaupteten und endlich, vorzüglich durch preußiſche Fürſprache, 
von dem Turiner Hofe im Jahre 1725 Religlonsuͤbung und bürgerliche Rechte 
erhielten. Von jenen Flüchtlingen fievelten ſich auch, nach vielem Wiberftreite, 
einige Hunderte, im Jahre 1699, im Württembergifchen an, deren Nachkommen 
ſich zur Zeit, in zekn Gemeinden, auf 1800 Rip erfireden. Die W. in Pie 
mont, welche ehedem über Sufa, Saluzzo und den ganzen Bezitk von Pignerols 
verbreitet waren, find jet auf die Thäler des weftlichen Piemont’s, Peruja, St. 
Martino und Luzerna befchränkt, wo fie in dreizehn Kirchfplelen mit 18,900 
Seelen wohnen. Napoleon hatte jedem ihrer Prediger einen Gehalt von 1200 
Branken ausgeworfen, welcher ihnen nad) der Reftauration entzogen, jedoch durch 
dringende BVorftellungen auswärtiger Mächte wieder auf 500 Franken gefelt 
wurde — Die W. in Frankreich fanden ihren gänzlichen Untergang in’ dem 
Gevenren- Kriege. 

Waldhorn, ein befanntes Blasinftrument, mei von Meffing, gekrümmt, 
oben mit einem Mundſtück verfehen u. im Tonumfange von vier Ociaven. Große 
Verbefierungen erhielt es durch die Auffagflüde u. Krummbogen und für aus 
geyeichnet galten namentlich die von Jofeph Anton Hampel zu Dresven 1753 

16 1755 erfundenen Inventtonshörner, bei welchen durch einen Mechanis- 
mus im Horne felbft die Tonart leicht und ſchnell gewechfelt werden kant. Ge⸗ 
Irdmmt wurden die Hörner zuerft in Paris 1680 und im nämlichen Jahre lernte 
fie dort Franz Anton Graf von Spörten aus Böhmen Fennen und verbreitete 
fie weiter. Anfprünglich var nur zur Fu verwendet, fanden fie bald in der 
Mut, zuerſt im Orchefter, fpäter audy Im Solo Anwendung. Jedht verfertigt 
man W.er im hohen C ſtehend und gewinnt durch neue Krummbogen verſchedena 


Bari — Waldfafen. "" 673 


Bröße alle Tonarten bie auf tief B herab. Das ehemalige Stopfen, d. 
Dervorbringen gewiſſer Töne durch die Singer der rechten Hand, weldhe in die 
Schallöffnung gelegt werben, Bat Heinrih Stölzel aus Breslau 1814 befeltigt 
ınd-Jwar durch "die Erfindung zweler Iuftdichter Ventile (Klappen) am Horne, 
velche mit den Yingern der rechten Hand niedergeprüdt werden und mittelft 
Kedern ſich wieder ſchließen. Das Horn iſt ſchwer zu blafen, weil die Intonationen 
yon den Lippenbewegungen abhängen und deßhalb if man nenöthigt gewefen, bie 
Tonleiter zu tbeilen, fo vaß der Hornifl, welcher die tiefen Töne bläst, die hohen 
dem Andern überlaflen Mann. Gin doppeltes W. iR von Glagget erfunden. — 
Sin berühmter Waldhorniſt, für den Beethoven eine Glavierfonate mit Horn 
Ichrieb, war Johann Wenzel Stich, pleudongm Biovanni Bunto, geftorben 
16. Dezember 1803 in Prag. — Auch ein Orgelrohrwerk von 2, 4, 8 Fußton 
heißt Horn oder W. Ä 

Waldis,“ſ.Burkard Waldis. 

Waldmenſch, ſ. Orang⸗Utang. 
Waldſaſſen, wohlgebauter Markiflecken und Stk eines Landgerichtes, Rent⸗ 
amtes und Fotſtamtes, an der Wondreb, im bayeriſchen Regierungsbezirke Ober⸗ 
—J und burg. Es beſtand hier ehedem eine der reichſten Giferzienferabtelen 

Dentſchland, welche ein Gebiet von 12 [J Meilen mit 19,000 Einwohnern 
und 200,000 Gulden Einkünften beſaß. Man fagt, fe babe fo viele Fiſchteiche 
gehabt, ale zuge im Jahre find. Die prächtige Klofterkirche enthält noch jet, 
nachdem die Säfularifatton ihre Schäge fehr gelichtet hat, einen wunderbaren 
Reichthum an Gemälden, Bildbauerarbeiten und Schnitzwerken; auch umſchließen 
ihre Hallen die Grabmäler mehrer Landgrafen von Leuchtenberg und anderer 
adeligen Perſonen. Die Marktbewohner, 1650 an der Zahl, find fehr betriebfam 
und nähren ſich von Feldbau, Viehzucht, Teichfifcheret, Tuch» und Zeugweberet, 
Papier⸗ und Steingurfabrifation. In der Nähe von W. die ſtark befuchte Walls 
fahrtsticche zur bi. Dreifaltigkeit, wo auch jährlich ein großer Markt ge 
balten wird, dann die Rönigshütte, Sig eines Berg und Hüttenamtes, mit 
berühmten Hochofen. — Der Begründer des Kloſters W. war Markgraf Diepold 
von Cham: der Bau begann im g 1128, aber noch in einer Urkunde von 1133 
wird die Gegend „locus desertus invius et solis cognitus bestiis‘ genannt. 
Der’ Fleiß u. die Einficht der Mönche verwandelte die Wildniß nach und nach 
in wohnliches Land. Die erften Religiofen erhielt W. aus dem Klofter Volkenrode 
in Thüringen. 1147 wurde die Abtel von Kaiſer Konrad II. in den unmittels 
baren Schuß des Reiches aufgenommen. Zu Anfang des 45. Jahrhunderts fand 
fie bereits in ſolchem Flore, daß Abt Konrad I. im Gefolge von 300 Apeltgen 
lauter Miniſterialen des Klofters, zum Konzil nach Konftanz reifen fonnte. Do 
bald traten fchlimme wage ein. Zweimal nacheinander wurde W. von den Hufs 
fiten, 1504 von dem Marfgrafen Friedrich von Brandenburg » Baireuth euöge: 
plündert und niedergebrannt. Hiezu kamen nody die Prachtliebe einiger Aebte, 
weldye das Klofter in Schulden flürzte, und die Zerwürfnifie wegen der Reiches 
unmittelbarfeit, die W. fortwährend in Anfpruch nahm, während Die Landesherren 
fi das Schuprecht.nicht nehmen laſſen wollten. Diefe Streitigkeiten gediehen 
im Sabre 1522 fo weit, daß Pfalzgraf Friedrich das Stift durch Soldaten bes 
fegen und deſſen Beamten- in Eid und Pflicht nehmen ließ. Abt Georg UL, 
welcher den legten Verſuch wagte, ſich dem ypfälzifchen ange zu entziehen, 
büßte fein Unternehmen mit langem Gefängniß im Fuchsſtein zu Amberg (1537). 
Die Reformation gab den Pfalzgrafen Gelegenheit, das Stift völlig unter bie 
weltliche Herrichaft zu bringen; es wurde fortan durch einen Oberhauptmann 
verwaltet. 1619 verweilte Kurfürft Friedrich V., der unglüdliche a nterfönig, 
vom 10. bis 13. Oktober in W. und empfing daſelbſt die ihm von einer prunk⸗ 
vollen Geſandiſchaft überbrachte Krone Böhmens. Am 1. Auguft 1669 wurbe, 
das Klofter durch den Kurfürften Ferdinand Marla von Bayern — 
orden wieder eingehaͤndigt, weldyem cd bis zu ver Aufehunn, — F 





676 Baldftein — Waldftein-Wartenberg. 


verblieb. — I. B. Brenner: Gefchichte des Mlofterd und Stiftes W., Nürn- 
berg 1837. Die Königliche Hof- und Staatebibliothet zu München befipt eine 
Pergamenthandfehrift des 14. Jahrhunderts, welche die Eniſtehung des Klofters 
in deutſchen Reimen befchreibt. E mD. 
Waidſtein u. Wartenberg, die Grafen, ein feit dem 11, Jahrhunderte be- 

lanntes, böhmifches Adelsgeſchlecht, das urfprünglich von den Herten von War ten- 
berg, bie vor Alters in Böhmen blühten, abftammt, aus welchem bereits im 
13. Jahrhundert Zdenko von Ralsty das Schloß Waloftein im Bunzlauer Kreife 
erbaute, davon den Namen annahm und benfelben auf feine Nachkommen vererbte, 
Um 1600 erhielt das Geſchlecht die reichsgräfliche Würde und theilte fich tn der 
Folge in die waldſtein'ſche Linie zu Müncyengräg und in die Armau’fche. Aus 
erfterer ſtammte der berühmte Kriegsheld Albrecht v. W. (Wallenftein f. d) 
Es hatte unter den fhwäbifchen Neichegrafen Sig und Stimme und befigt das 
Stammfchloß W., das Fiveicommiß Dur und das Oberft-Erblandborfchneideramt, 
welches bei Krönungen und folennen Belehnungen ſtets der Sentor dieler 
‚Hauptlinie vertritt; ferner das Senlorat Trebi in Maͤhren und feit 1636 
die Magnatenwürde in Ungarn. An allen diefen Prärogativen het die Linie von 
Arnan feinen Theil. Erftere Linie theilte ſich wieder zwei ' der 

zweite jedoch mit dem Tode des legten Stammhalters, Tram Adam, te ®. 
und Wartenburg auf Dur, 1823, erlofchen ift u. die Güter — an den Re⸗ 

präfentanten der Hauptlinie, Grafen Ernft Philipp, f. #. wirklichen Geheimrath, 
fielen, Gegenwärtiger Standeöherr der erften Hauptlinie zu Münchengräg 
Graf Ehriftian Vincenz Ernft, Oberft-Erblandvorfchneider in Böhmen, 
Allodialherrſchaften Münchengräg, Weiß- und Hühnerwalfer, Hirfd- 
berg, Neuperftein, Stiahlau und Nebilau, dann noch mehrer Heineren 
Güter in Böhmen (geb. 1794). — Haupt der zweiten Linte zu Armau ift Graf 
Sofeph, ir 1767, nach deſſen Tode diejelbe erlifcht. 

Baldftein- Wartenberg, Franz Adam, Graf von, geboren zu Wien 

1757, erhielt von frühefter Kindheit an eine ausgezeichnete Erziehung und flubirte 


vorzüglich Naturwifienfchaft, befonders aber Botanif, widmete fi dem Soldaten . 


ande, ward Maltheferritter und machte als folcher einige See-Garavanen gegen 
die Türfen und die afrifanifhen Raubftaaten mit. Er trat dann im bie öfter 
zeicifche Armee gegen die Türken u. Preußen u. nahm 1789 feinen Wofchied als 
8. £. Rittmeifter. Hierauf kehrte er wieder in das Gebiet der Mufen zurüd; das 
Studium der Botanif war nun faft feine einzige Befchäftigung. Durch volle 7 
Jahre bereiste er, in Gefellichaft des Botaniter6 und Brefefre Kitalbel, die 
Gebirge Ungarns, bis er 1797 bei dem in Wien errichteten abeligen Cavalerie⸗ 
Corps eintrat. Rach dem Frieden zog fih W. auf eines feiner Landgüter in 
Ungarn zurüd, um ſich der Defonomie, Temaingie und anderen freien Wi 
fchaften zu widmen. Dort verblieb er, bis ihn 1808 die Errichtung der Lanbiwehr 
au neuen kriegeriſchen Unternehmungen aufforberte und er mit dem Range eine 
Dberſtwachtmeiſters dad Commando über das dritte Bataillon der Wiener Land» 
wehr erhielt, mit dem er den Feldzug von 1809 mitmadhte. Wegen feiner bes 
wieſenen vorzüglichen milttärifchen Kenntniffe erhielt er nicht nur das Gommanbeuts 
freu des teopolbarbene, fondern auch das Recht, fernerhin den Oberſtlieutenants⸗ 
Charalter bei behalten zu bürfen. 1814 übernahm er, nach dem Tode feines Bru- 
der, die Biedelcommißherrfchaften Dur, Oberleutensdorf u. Maltheuern in Böhs 
men und die Mlobialherrfchaften Gtoßſtal, Zwihan, Laukowig, Sicherhof u. ſ. w, 
auf welche er nun feine gang Sorgfalt verwendete. Davon zeugen die gefchmad- 
vollen Umftaltungen mehrer Schlöffer, wo bie neuen Einrichtungen des Raturalien- 
Tabinet6 , der Porzelanfammlung , der Kunftgalerie und des, mit den feltenfen 
älteren und. neueren Waffen gefhmüdten, Waffenfaales felbft den Kenner befriedigen. 
Et erhob auch aufs Neue die ſchon lange beftandene Tuchfabrit in Oberleutens⸗ 
dorf und eben fo nahm er auch Berbefferungen in allen übrigen Zweigen ber 
momie dor. Wildenom nannte in feinem * „Species plantarum Lianaed,“ 


Vales. 677 


m Andenken an W. eine von bemfelben entbedte Pflanzen esta Waldsteinia. 
t farb am 24. Mat 1823 zu Oberleutensborf. und vermachte feine botaniſchen 
chaͤtze dem vaterländifchen Mufeum zu Drag. Wir haben von ihm: Descriptiones 
; icones planterum rariorum Hungariae, 3 Be, Wien 1802—12. 

Wales, ein Bürpentyum in England, an den St. Georgenkanal, das trlän, 
fhe Meer und wie englifchen Grafſchaften ade, Shrop, Hereford und Mon⸗ 
outh gränzend, mit 350 (346, 314) [JM. if durch das, in drei Reiben fidh 
urch dad Land hinziehende, Walefer Gebirge Ve bergig, bat felfige und zackige 
üften mit vielen Vorgebirgen, Bufen umd Inſeln und wird bewäflert vom Dee, 
luyd, Conway, Tany, Tave, Eevern, Wye, Uske und anderen Ylüffen,, fowie 
m vielen Heinen romantifchen Seen und mehren Kanälen (Swanfen). Auch gibt 
einige Mineralwafler. Das Klima iſt Gebirgsklima, rauh, doch geſund. Pro⸗ 
ikte find: Kupfer, Eiſen, Blei, Steinkohlen, Marmor, Schiefer ıc. Eile (Lachfe, 
äringe), Auftern, einige Perlen, Wild (befonder6 Kaninchen) und Geflügel. W. 
hit über 925,000 Einwohner, ihrer Abſtammung nach Kymren, Träftiger, doch 
ber Natur, etwas träg, d ‚gehfee tmůthig offen, gefellig, bei mancherlei 
berglauben,, eigener - GWaliſche Sprache); unser ihnen leben audh 
nige Flamander.“ treibt Aderbau, doch nicht ergiebig gemug, ba bie 
ebirge zu viele —15 in den Weg legen; mehr Viehzucht (ehr id 
feherel, (ebenfan ehr Maibig); ver ußermfang um Slamorgan ſoll jährli 
ee 5 . Stüde liefen; Bergbau (Eiſen, wobei gegen 50 Hochöfen thätig 
id, Kupfer in noch reicheren Sruben ‚ Steinfohlen); wenig andere Induſtrie 
ich nicht unbebeutenden Handel. — W. wird eingetheilt In Nord- u. Sin, 
des mit 6 Graffchaften. Bon W. führt ber Kronprinz von Großbritans 
ten feinen Titel. Die Haupiflabt IR Pembroke. — Die erften Einwohner von 
3. waren wahrfcheinlich Eimbern. AS im 5. Jahrhundert vie Angelfachfen in 
ritannien einflelen, mußte ein Theil der Bewohner Britanniens ſich nach W. flüch⸗ 
n, das damals in mehre Staaten getheilt war. Der erfte König fol Cadwalla⸗ 
r geheißen haben. Nach feiner Entfernung bemädhtigte ſich Ivor der Herrfchaft 
urde aber 690 von Idwallo, dem Sohne Eabwalladers, wieder verbrängt. Fa 
YO Jahre lange regierten nun Könige von W., bis gegen das Ende des 9. Jahr⸗ 
inderts Koberich II. fein Land unter feine 3 Söhne theilte und dem älteften, 
maramd, Nord⸗W., dem zweiten, Gabel, Süd⸗W. und dem dritten, Mervin, 
ovislgnd gab. Die Nachfolger Koderichs II. theilten ebenfalls u. bald war das 
md in fo viele Fleine Theile zerſtückeli, daß die Büren defielben alle Macht 
tloren. Schon dem fächfifchen Könige Adelſtan von England (924—941) mußte 
3. einen jährlichen Tribut. zahlen, der Anfangs in Gelb, fpäter aber in 
zolfsfellen beftand, indem die jagofundigen Walefer ganz England von Wölfen 
ubern mußten. 400 Jahre widerſtanden die Walefer zwar nd den englifhen 
Öönigen, aber 1282 mußten fle fich unterwerfen und, da der König dad Land 
m in Frieden bei feiner Krone erhalten wollte, die W. aber bloß einem 
tatthalter gehorchen wollten, der in W. geboren I; ‚ fein Wort engliih 










rfände und an veflen Leben Nichte zu tabeln fel, fo ließ ver König 
85 feine hochſchwangre Gemahlin nah W. bringen, wo fie auf dem 
chloſſe Caernarvon von einem Prinzen, nachmals Eduard IL, entbunden wurde. 
iefed Kind zeigte er den Waleſern und ernannte es zu ihrem Statthalter, ins 
m er fagte, daß diefer alle Bedingungen erfülle: indem er in W. geboren ſei, 
m Wort engliſch verftände u. Riemand gegen feinen Wandel Etwas einwenden 
nne. Daher der Titel des älteften Sehmed des ng und deſtgnirten Thron⸗ 
ben: „Prinz von W.“ Stirbt derſelbe, hinterlaͤßt aber Söhne, fo ninupt der aͤlteſte 
n Titel „Prinz von W.“ an. Brüder und Betten des Königs Tönnen nie 
ringen von W. heißen, felbft wenn alle Bräfumtion für fie ift, daß fie einft vie 
heonerben werden, da immer doch die Möglichkeit vorhanden if, daß der. König 


ch Söhne erhalte, oder, iſt er unbeweibt, heirathe und dann Söhne on 


m gehört W. immerfort zu England und theilte Teine SAykinie 


“ 
. 


' — 


678 Walhalla. 


Walhalla, hie in der_feandinavifchen Mythologie dir goldene Palaſt im 
Reihe Dpdin’s, in welchem fih alle Helven verfammeln, die an einer Wunde, 
ober überhaupt im Kampfe geblieben find, Alles, was die nordiſchen Helden 
als Glück und als Eeligfeit Rn der Erde gefannt, das fanden ſie in W. Her: 
mode und Braga Empfingen fie in tem goloblätterigen Haine Glafor, welcher an 
den großen, bis in die Wolfen reichenden Palaft ftieß, in dieſem felbft warteten 
ihrer die reigendften, blühendften Zungfrauen, Walfüren; warteten ihrer eine reich 
befegte Tafel und Meth in fchmwelgerifcher Fülle, aber auch Kampf und Sieg 
und Tod und wieder Kampf; denn Odin braucht die Helden, um an dem Tage 
des MWeltunterganges fich gegen Surtur’s Heerihaaren und die Bewohner von 
Muspelheim zu wehren, - 

Walhalla, die — der Tempel deutfcher Ehren — liegt nahe beim Markt 
fleden Donauftauf im bayriſchen Regterungsbezirke — und Negeneburg, 
am nördlichen Ufer der Donau, 304 ° über dem Etromfptegel auf mälig fteiler 
Anhöhe, ſchon aus weiter Ferne den Blicken der Wanderer fihtbar. Das Gr 
bäude ruht auf einem faft 100° tief grundenden Unterbaue, welcher mehrfach ab 

jeftuft iſt. Den Aufgang bildet eine zweimal fich Aheilenbe-und wieder vereinende 
Kenne von mehr ald drinhalbhundert Marmorftufen, welche dem zum Pronaes 
Emporfleigenden eine Fülle der mannigfaltigfien" Ausfich über das herrliche 
Donauthal u. der wechſelndſten Anfichten ded Gebäudes felbft bietet. Die unterfe 
und größte Abtheilung des Terrafienbaues ift nach Art ter fogenannten Cyllopen⸗ 
oder Polygonmauern, aus vieledig behauenen Dolomitblöden aufgeführt. Gin 
am Fuße der zweiten Terraffe ſich öffnender Eingang führt in das Innere des 
Unterbaues, in welchem die Vorrichtungen zur Beheijung angebracht find, Die 
Breite ded ganzen Unterbaued beträgt ander Polygonmaner 288 ', die Länge 
von Süpen gegen Norden 438°, die Höhe vom Fuße der erſten Terrafie bis zu 
. ben Godelftufen des Tempels 128°. Der ganze Walhallabau mit Einfchluß des 
Tempels ift 197° hoch. Lehterer felbft mißt mit den dem Baue einzurcchmenten 
drei Sodelftufen in der Fänge 230’, in der Breite 108 und in der Höbe 64‘. 
Gr frönt, als der BRAUN des Gebäudes, die Platte des Berges und den Un 
terbau, und feine Wände beftchen aus ganz regelmäßigen Horizontallagen von 
Marmorquadern. Der Bau iſt doriſcher Ordnung, ein Onzaorulos rrepintepos, 
d. i. mit acht Säulen von den ſchmalen Eeiten und mit Säulenflelungen an 
den beiden Langfelten, welche jede, die Edfäule eingerchnet, 17 Eulen enthalten. 
inter den 8 Säulen der Hauptfronte flehen in zweiter Reihe 6 gleiche, Dem 
jaumeifter der W., Leo v. Klenze, fcheint das Parthenon zu Aıhen, das herr 
lichſte der griechifchen Baudenkmale, zum Vorbilde gedient zu haben. Die Echafte 
der Säulen des Perifiyls find 31° hoch und halten am Sodel 5‘ 10 im 
Durchmeſſer. Das Gebälfe darüber hat ein Drititheil der Höhe derfelben und 
AR mit Triglyphen verziert; die Hirffpigen, die Eden und die Ablängen des 
Daches find es mit Afroterien und Antiophiren. Alle diefe Ornamente find auf's 
forgfältigfte in Marmor ausgeführt und zeigen eine bis jeht vieleicht nie ge 
jehene Schärfe und Reinheit der Arbeit. In den Tympanen der beiden ronten 
find Schwanthalers herrliche Giebelbilder aufgefellt. Jede ver beiden Gruppen 
befteht aus 15 Figuren. Die des füdlichen, gegen die Donau ausfchauenden 
Giebelfeldes erneuern ſymboliſch das Andenken an Deutſchlands Wieverherftelung 
nad) dem legten franzöfifchen Kriege, und die nördliche Gruppe ſtellt die Her 
mannsſchlacht dat. Der Dachſtuhl if ganz aus Metall, nämlich aus Eifen das 
Sparrwerk, aus Bronze die Kafetirungen u. dgl., aus Kupfer die Dachplatten. 
— In das Innere der W. führt eine großartige Gingangepforte, deren gigan- 
tiſche Thorflügel von außen mit Erz befchlagen, Inwendig mit Betäfel von Ahorns 
holz bekleidet find. Jeder der beiden Klügel wiegt 42 Ztr. Die Länge des in- 
nern Sau beträgt mit dem Opisthodomos 168°, die Breite 48°, die höchſte 
Höhe 53° 5". eine Ausfchmüdung if Im joniſchen Style gehalten, und ent 
iwidelt eine Staunen erregende Fülle von Pracht und Kunfl, Schon der aus 


- 


Balballe, Ka 679 J 


bunten, fi aplaten Marmorküden mofallartig zufammengefügte Fußboden if 
ein tige eiſterwerk. Gleich bewundernswerth iſt ee bed Saales, 
welche nicht auf gewöhnliche Weiſe horizontal liegt, fondern der Dachſchraͤge 
folgt. Ihre ſichtbare Konftrultur beficht aus geichliffenen und vergolbeten Erj⸗ 
platten; die Kafletten find bimmelblau mit Sternen von Weißgold. Sehr 

reich find in den durch Die Dachbinder gebildeten breiedigen Senfgiebeln Figuren 
der norbifchen Bötter- und —— te, aus Metall gegofien, als mud 
angebracht, Zwiſchen dieſen Senfgiebeln, deren drei find, öffnen fidy in der Dede . 
drei mit dickem franzoͤſiſchen Spiegelglafe belegte Kenfler, jedes 112 [_J’ groß. — 
Um die Spannung der Dadybinber zu vermindern, ließ ver Baumeifter an den Rängen» 
wänden des Saale Pfeilermaſſen vorfpringen, deren vier einander gegenüber Rechen. 
Selbe bilden auf jeder Seite drei, alfo im Banzen ſechs —5 — , 
wie die Pilaſter ſelbſt, mit prachtvollem rothen, dem antiken Afrikano ähnlichen 
Marmor befleivet find. In dieſen Wandfeldern nun find die Büflen, die Vruſt⸗ 
bilder der großen Deutfchen, gegenwärtig 97 an der Zahl, theild auf einzelnen 
Tragfteinen, theils auf fortlaufenden HlieveRalen aufgeftelt. Den Mittelpunkt 


jeder Büftengrußge bildet immer eine weibliche Figur, — eine Walfyre, ald Ges 
nis 6 Rahme ausgeführt, Diefe Biftorten find von Rau in Berlin aus 
em reinften 


ararra-Marmor gemeißelt, plaſtiſche Werke, bie ‚gerodeau an bie 
ſchoͤnſten des Alterihumes fi anreihen. Dem Gingange gegenüber macht ber 
isthodomos — eine Halle, getragen von ſechs 24° hoben ji en Säulen 
erhellt durch ein 63 —88* an der Rordſeite — den paßlichen Sch! 

des architeftonifchen Bildes. — Died der untere Raum des Saales oder b 
eigentliche Halle. Weber ihr erhebt fich ein weiter Stod, weldyer dem Ganzen 
erh die ihm gebührende Höhe und Mannigfaltigfeit ver Hauptformen geben 
konnte. Der Fries und die von Brüflungen aus graulichem Marmor gefchirm- 
ten Umgänge, welche von dem ober dem Opiethobomos angebrachten Hauptbals 
fone nach den zwei Langfeiten auslaufen und über den Pfellermafien als Logen- 
vortreten, find es, durch die fidh der Saal der Höhe nad) in feine beiden Etagen 
theilt. Die Reliefe des erwähnten Friefes, von Profeſſor Wagner in Rom mei⸗ 
flerhaft in Carrara⸗Marmor ausgeführt, umziehen den Saal in einer Geſammt⸗ 
länge von 292°, und flelen in acht Abihellungen die Urgefchichte der Deutſchen 
von ihrer Einwanderung in das jebige Vaterland bis zu ihrer Belchrung zum 
Chriſtenthum durch den heil. Bonifazius dar. Um den weltin Räumen mehr 
plaftifche Belebung zu —5 hat der Architekt die Pfeilermaſſen im obern Stocke 
nicht, wie unten, mit Wandfäulen verziert, ſondern bier gigantiſche, 109“ hohe 
weibliche Figuren aufgeftellt, die ald Karyativen oder Kanephoren das obere Ge⸗ 
bälk tragen. Diefe edlen Frauenbilder, welche, german gekleidet, Walfyren, 
d. i. jene kriegeriſchen Jungfrauen der deutſchen Bötterlehre vorftellen, denen ob⸗ 
lag, die gefallenen Helden von der Walftatt in die Walhalla einzuführen, machen 
auf den Eintretenden eine befonderd großartige Wirkung. Zwiſchen ihnen, bie 
paarweife auf den Bogenbrüftungen fi:hen, bilden ſich, ganz fo wie zwifchen den 
Pfellern des Unterfanles, ſechs Wandfelver, welche hier abwechfelnd mit Platten 
von rothhraunen Marmor und den weißen Marmortafeln bekleidet find, auf denen 
in vergolveter Erzfchrift die Namen jener 64 Walballagenofien prangen, die man, 
da Feine Biloniffe von ihnen vorgefunden wurven, nicht Durch Büften verherrlichen 
fonnte. Die prachtvolle Ausflattung ded Saales vervoliftändigen ſege Stühle 
von Marmor und acht Kandelaber von demſelben Material. — Die W. if un- 
freitig eine der großartigfien und vollendetſten Schöpfungen der neuern Baus 
funft. Ihr Begründer, der König Ludwig. L von Bayern, hatte ſchon als Kron- 
prinz, im Jahre 1807, unmittelbar nad dem Untergange des taufenvjährigen 
deutichen Reiches, den Entfchluß gefaßt, dem —— Ruhme der ganzen 
germaniſchen Vorzeit ein gſes unvergängliched Denkmal zu errichten. Rach⸗ 
dem die Vorarbeiten vollendet, legte er am 18. Oktober 1830, am Jahrestage 
der Bölferfchlacht bei Leipzig, den Grundſtein zur W., und 1942, au amsup. 

* 


630 Balken — Walküren, 


je, beging er die Gröffnungsfeler. Die Kritik findet übrigens auch am biefem 
fchönen Bette —— ſeten, und denjenigen, he es für einen Miß 
if erflären, daß man, ftatt altdeutfchen Styl, das Ehrendenfmal des deut 
hen Bolfes in dem unferer Nationalität durchaus fremden griechifchen Etyle 
aufgeführt hat, pflichten wir felber bei. Ein anderer oft und bitter aus geſproche 
ner Tadel hat jeht feinen Anlaß mehr, denn Luthers Büfte " feit 1848 in der 
BW. aufgeftellt, — Bon den deutfchen Männern und Frauen, die in der WB. cin: 
gereiht find, hat ber zaitdr Begründer unter dem Titel „Walhalla's Gr 
noffen“ eine —— mit beigefügten Abbildungen der Büften herausgegeben, 
welche bereits im zweiter Auflage erfchienen tft, und von dem, Baumelfter Yake 
wir eine architeftonifche Eee eur der W. mit Anfichten. — Ratisbona und 
Walhalla, Regensb. 1831, mit Lithogr. Abbildungen; Adalbert Müller: 
Donauftauf und W., Regensburg 1838 (7. Aufl. 1847) mit Stahlft.; Dr. 3.4. 
angfofer: Walhalla, Regensburg 1842 (2. Auflage 1843) mit Stahlfticen; 
"2, —— Abbildung und kurze Befchreibung der W. u. Donauſtauft 
jegensb. 1842, » mD. 
Walken, ein gewaltfames Stoßen oder Schlagen, gefchteht am meiften mit 
Züchern u. ähnlichen Wollengeiveben , wenn fie vom Webeftuhle gekommen find, 
theilo, um fie mit Beihülfe von ae Urin, Seife und Walfererde von Fett u. 
Leim zu befreien, theild auch, um fie zu verdichten und auf ihrer — "1 
filgen. Das Stoßen oder Schlagen wird gewöhnlich durdy eigene Walfmühle 
verrichtet. Die nämliche Arbeit gefchieht auch mit wollenen Strümpfen un 
mit gewiffen Lederſorten 
Waikererde, Walkerde over Walfthon, ein dem Thon ähnliches, abır 
in mehrfacher Beziehung von Ihm unterfchiedenes Mineral, derb, matt, an dm 
Kanten ſchwach durchſcheinend, durch ven Strich fett glänzend werbend, von 
jrünlicher, ins Graue fallender, felten von röthlicher oder weißlicher Ward. 
te * It ſich ſeht fett an, hängt nur wenig an ber Zunge, faugt fette u öltge 
Stoffe ein umd-zerfällt im Waſſer zu einer breiartigen, nicht plaftifchen Rt), 
wodurch fie fich hauptfächlic vom Thone unterfcheidet. Ihre Beftandtheile find: 
Hefelfaure Thonerbe, Talferde, Eifenoryd, etwas Kalk und Kolchfalz und ihr pe 
Afisches So ift 2,198. — Da fie Bett und Del abforbirt, wird fie haupt 
fählih zum Walfen des Tuchs anftatt der Seife verwendet, wozu ſie aber, be 
ſonders bei feinen Tüchern, durch Schlämmen von allem beigemengten Sande u. 
Steinchen gereinigt werden muß. Ste findet ſich in Lagern im Grünfteinfchiefr 
‚und im aufgefenemmten Lande geifhen Sand» und Thonlagern, in England, 
anfreih, Bortugal und in utehlan in Steyermarf_auf_ der Herrichaft 
eifenftein bei Cillh und bei @räg, in Böhmen, Mähren, Schleften, im König 
reich Sachſen bei Roßwein, Eoldig, Grimma, Johanngeorgenftadt, Waldenburg x. 
Die derühmte engliſche Walferde, auf deren Ausfuhr eine Strafe von einem 
halben Thaler für das Pfund gefegt if, wird eine Stunde von Wobum be 
Wavendon in ebforbfhire gegraben. Außerdem befigt England noch an mehren 
anderen Orten fehr gute WW. und Frankreich befonders bei dem Dorfe Salinelk 
in der Nähe von Sommieres, welche daher Terre de Salinelle heißt. 
Walkuren find in der ſtandinaviſchen Mythologie liebliche Sungfeanen von 
unvergänglicher Schönheit und Jugend, in Walhala wohnend und den Helden, 
welche Odin um fi verfammelt, die Freuden der Erde erfegend und dennoch 
ewig ihre Reinheit unverlegt behaltend, gleich den Houris im Paradieſe der Mod: 
lems. Im Stune des nordifchen Ritterthumes Tag es jedoch, im Weibe nicht 
blos die Haus⸗, fondern auch die Rampfgenoffin des Mannes zu fehen, daher 
find die W. Schlacht- und Schilv-Jungfrauen und Krieg ihr Clement; ſtets 
reiten fie in das Getümmel des Kampfes voran; Odin fendet fie zu jeder Feld⸗ 
hlacht, fe beftimmen, wer fallen fol (daher auch ihr Name, von Wal: Schlacht: 
feld oder Todtenfeld, umb Füren, wählen, Todtenwählerinnen) und geleiten die 
fallenen zu Odin's Mahl, 


- Ball Wallenſtein. u 
jemeinen jede, von Erbe zum —x Fur 


R a, Kira a jenige, — eine Be u 
hre Walle, fo heißt ver die Feſtung a * 

je ‚obere e Bläge des 3 — — —2 der ae Em 6 Se 
r Hufnahme der Soldaten und bed 
all enden end wird —5 — De * ai.“ au De 
m e und den Hlufen ber ale Bei % ren 
dumgaffe, Die mit —— © Kaſten, ih 
PA den Wi —S — ehr x 

He und Die au au — Stäben 5* ehten Rinde, in 
Adın man Sienbotg amalinbet anzändet und fie an langen über ven W. Hin- 
1ı8hängt, um in bunlelen Nächten bie trodenen em zu erleuchten, um 


eberfälle zu verhindern, nennt man ®.-Lampen, —— Benet? 

Irbe. Die Auffahrten zu den W.en heißen Rampen Fa a, arellen. 
Ballace (William), ein — ee jeld aus einer 

ten, arınen Adelöfamilte; zelchnete ſich dur 

muielte 1298 Flüchtlinge aus ee hr: Aral um — von der 

4 Eduarb's 1 zu Se nglänber unter dem Grafen 

n Sreffingha — töbtete — he Da fih der Siem 

aliol noch in Gefangenſchaft ber Engl —5 befand, wurde er 

schottland, ſetzt den Krieg glücklich in verheerte England bis in bie ei vn 

Due gie —— — ee en are I € — 

nell aus Flandern herbei und bri mi gro eere of 

ae Bunt 

n Zeit verla| tten, legte ei .g 6 ” 

L ind rd Berrätherei fin ne 
eß ibn 1305 34 


Ballbüchfe iſt ein — von größerem Kal als die 
Öhnlichen et f —* Gebraucht namentl! I in Feſtun⸗ ie um — eh 
ben eppamhiter u. ſ. w. fhon von Ferne at Gewehrfeuer er zu 
nnen und fie dadurch zu einem zeitraubenden zu zwingen. 
Ve latte Gewehre großen Kalibers, wurben durch fle meift verbrängt. 

Wallenſtein, Albrecht, Graf von, "genauer Albrecht Wenzel Eus 
un Graf von stem Grün Win Pd medien 
ng, flammte aus ‚einem Gel te en! und wur! 
—E 1583 auf dem väter! ute Hermanic in Böhmen geboren. Sein 
ater war Bildelm von Rein feine Mutter eine geborene Freiin 


Geſt an 
a er feinen Vater im zwölften — verlor, brachte ihm ein Shelm, ber 
s Tatholifchen Kirche bekannte, etwa in feinem ſechszehnten Je " das 
e Eonvictorium ber Jefulten zu Olmüg. Darauf trat er ald in die 
te des Markgrafen von Burgan zu Sunferud, deſſen Wohlwollen er ſich im 
'hen 8 duich fein freies und iuhnes Weſen zu erwerben wußte. Lange 
eifen, die er in Geſellſchaft eines reichen Edel » „icet von fee, 
ıternahm, führten ihn durch den größten Theil Curopa's, namentl 
Öfen und Haupiſtädten Hollands, Englands, Spaniens, Frankteichs und Aline, 
o er Gelegenheit fand, trefliche Benumife und hrungen im Finanz⸗ 
id Kriegsweſen, ſo wie nähere Setamfhaft mit mit Ser men men Blontemännen 
id Feldherrn zu verfchaffen. Die erworbenen Kenntniffe erweiterte er Shen ben 
niverfitäten au Bologna und Padua, wo er ange EM * —8 
Ine der gewöhnlichen Wiſſenſchaften ihn anzog gab er Ay im — 


632 Wallenſtein. 


ber Leitung des Profeſſors der dortigen Hochſchule, Argoli, der Aftrologie, nicht 
allein wegen des gewaltigen Eindrudes, welchen die Geh eimniſſe jener, Wiſſen- 
ſchaft er feinen obenteuertichen Charakter machten, mit großem Eifer * fondern 
auch, weil fein brennender Ehrgeiz die erfte feiedigung in der Bo: 
inzenden Glüdes fand, welde ihm von gell zu Shell geworben zu ſeyn 
elnt. Wie hätte er endlich fich von alchymiſilſchen und afirologifchen Träum: 
ereien in einer Zeit 'entfernt halten Fönnen, worin es Könige und Kalfer zum 
— Tone rechneten, ſich ihnen mit Leidenſchaft hinzugeben? Nach feiner Rüd: 
ehr erhielt er auf die Empfehlung feines vielvermögenden Vetters, Adam von 
Waldftein, Dberftallmeifters des Kaiſers Rudolph, eine Stelle in dem ge 
welches in Ungarn gegen die Türfen fland, Fämpfte unter dem General ng 
Bafta mit großer perfönlicher Auszeichnung u. wurde während der Belagerung von 
Gran ie auptmann einer Compagnie Fußvolks ernannt: Der Friede von 1606 
führte ihn nach Böhmen zurüd, wo er die ſich ihm darbietenden Gelegenheiten 
zur Erwerbung eines: bedeutenden Vermögens forgfältig benüpte, Er iheirathete 
eine reiche mährifhe Wittwe, Lucretia von Landed, die ihm, fie M ſtait 
ihre bedeutenden Beſitzungen vermachte. Und da er auſſerdem 14 von 
feinem Oheim erbte, fo konnte er fehon jetzt zu den reichſten Edelleuten —— 
und Böhmen gezählt werden. Dadurch wurde er in den Stand. geſeht, in 
— der 1616 zwifchen dem Erzherzoge Ferdinand von Steietmark (Salfer 
Berbinand IL.) und dem Freiftante Venedig in Friaul ausbrach, 200 Dragon 
auf eigene Koften ind Feld zu ftellen u. 6 Monate lange zu —— Hier im 
= —* Klugheit, fein leutſeliges Benehmen, fo wie feine Fürſorge hr feine 
oldaten eben fo Ir das allgemeine Vertrauen, wie feine Tapferkeit, welche a 
befonder8 beim Entjape von Gradiska unter Dampierre's Augen, der ben Ober: 
befehl führte, bewies. Die Offiziere, deren er täglich viele zu feiner prächtigen 
Tafel zog, kettete er durch glänzende Freigebigfeit an fi. Zum Some erhob 
ihn Kaifer Matthias in den Grafenftand, ernannte ihn 1617 zum Rammerberrn 
und zum Oberften über ein Regiment zu Pferde und verfchaffte ihm durch fein 
Smpfehtung den Befehl über die mährifche Landmiliz. Daher nahm W, feine 
Wohnung in Olmüg und heirathete die Iſabella Katharina, Tochter des Faller: 
lichen Kammerherrn und Gehelmerath8 Grafen Harrady, der bei Ferdinand in 
hoher Gunft fland. Das Serhätmis war auf gegenfeitige Neigung gegründet u. 
blieb durchaus ungetrübt. In den böhmichen Unruhen 1619, woraus dem Kaifr 
fo viele Gefahren erwuchſen, flellte fih W., der entſchieden bie PBarti 
feines Gebieters nahm, entfchloffen dem nach Mähren vördringenben Grafa 
Matthias Thurn entgegen, mußte aber nach Wien flüchten, weil die maͤhriſchen 
Stände fih mit den Böhmen vereinigten. Dann warb er ein Süralfier 
tegiment von 1000 Mann, vereinigte fi mit dem Grafen Boucauoi und 
eniſchied durch feine Tapferkeit deſſen Steg über Ernft von Mansfeld. Ebenſo 
betheiligte fich fein Regiment an der Schlacht am weißen Berge 1620, deren un 
glüdlicher Ausgang die Hoffnungen der Böhmen mit einem Salage vernichtete; 
er felbft eroberte mit Boucquot mehre feſte Pläge in Mähren, zu deſſen Mil: 
tairgouverneur er ernannt wurde, erhielt feine, von den Böhmen eingezogenen, 
Güter zurüd u. Sefehtigte dann als Generalmajor, nicht ohne glüdlichen Erfolg 
gegen den Fürfken Bethlen Gabor von Siebenbürgen. Gleiche Goa keit bewies 
er gegen den Markgrafen Johann Georg in Schlefien. Seine Bemühungen fan: 
den reichen Lohn; nicht allein Taufte er für 7,240,228 Gulden 60 größere und 
Kleinere Herrfchaften” von den eingezogenen Gütern der böhmtfchen Edeln, ſondern 
der Kaiſer verlich ihm auch 1622 die Hertſchaft Friedland in Böhmen nebf dem 
NReichögrafentitel, worauf 1623 feine Erhebung zum Fürſten von Friedland ers 
folgte. Auch diefe Würde wurde fpäter durch den Hetzogstitel erweitert. Zu 
Dieler Herrſchaft gehörten 9 Stäpte und 57 Dörfer und Schlöfler ; fein Vermögen, 
welches an liegenden Gründen den Werth von 30 Mil. Gulden erreichte, vers 
mehrte er durch treffliche Bewirthfchaftung feiner Güter. Als Chriſtian IV. von 





Dänemark 1625 an bie Spige ber Proteſtanten in Nieverfachien trat, befand ſich 
ber Kaifer, bei dem Mangel an Bel» und Truppen, wegen ber Aufelumg eines 
Heeres in großer Serlegeneit; denn, obwohl Tilly (fd) an der Spitze li⸗ 
iſtiſchen Heeres dem Koͤnige gewachſen ſchien, erheiſchten doch triftige te 
de, dem Kurfürften Maximilian von Bayern und deſſen Feldherrn nicht 
die Entſcheidung der Sache zu überlaffen. In dieſer Roth erbot fi W., ein 
Heer von 40.000 Mann auf eigene Koften Ins Feld zu Reden, wenn man ihm 
den unbefchränkten Oberbefehl ertheilen u. ihn fpäter entfchäbigen wolle. Der Katfer 
ging nach langem Bedenken auf feinen Borfchlag ein und ernannte Ihn 25. Juli 
1625 zum — mit einem monatlichen Gehalte von GPOO fl. 
Da flug W. die Werbepläge auf und fein Rame verfammelte bald 30,000 Mens 
ſchen unter die Bahnen; denn Deutfchland war reich an kriegesluſtigen, unbefchäfs 
tigten Männern. Biele, namentlich Landleute, trieb freilich die Noth ded Lebens, 
der Hunger, zu den Waffen; aber auch Männer von hohem Range, beſonders 
Srempe, welche der ſchon lange dauernde Krieg in das Reich gelodt hatte, beten 
dem. detühmten, freigebigen Gührer ihre Dienfte an. Diefer entwidelte jegt ein bes 
wararungswũrdigeõ Organifationstalent; mit ficherem Blide wählte er die Tüchts 
zu den Offiziersſtelen. Sein ‚Heer bildete er zu ‚einem in ſich gefchloffenen 
irſtaate aus, worin Alles genau gegliedert, er felbfi die Seele war., Er 
Dt für die Beduͤrfniſſe Aller; Lob und Tadel vertheilte er mis Berechtigtett 
am und Muth verlangte et von Jedem auf das Entſchiedenſte, fo d anf 
u. Ungehorſam der Seh Rand. Er fprach wenig, aber mit Ernſie; 
blaſſes —2* erſchreckte dukch einen geheinmißvollen, argwoͤhniſchen Blick. Das 
warze Haar trug er kurz abgeſchnitten; Hoſen u. Mantel waren von Scharlach, ſein 
errog von Elenn'sleder, ver. Halöfragen nach ſpaniſcher Sitte gekraͤuſelt. Bon ſeinem 
Bing eine rothe Feder herab. Im Herbſte 1625 zog W. mit feiner neuen 
von Böhmen aus zu dem —— und bezog im Anhaltiniſchen, 
Halberſtädtiſchen und Magdeburgiſchen die Winterquartiere. Anfangs führte er 
mit Tilly gemeinſchaftlich den Krieg; ein, da keiner ſich dem andern unterord⸗ 
nen wollte, wambte ſich W. gegen sent von Mandfeld und ficherte fi den 
Uebergang über die Elbe durch eine, effau geihlngene, mit einem Brüden- 
kopfe —* te Brücke. Hier wurde Manbfeld, diefen wichtigen Poſten ver» 
geben® am 1. und 11. April 1626 angıiff, am 25. Aprib mit einem Verluſte von 
2000 Bann und aller Geſchütze geichlagen. Daher eilte er durch Brandenburg, 
er 5000 Daͤnen an zog, nach Schieflen, von W. auf dem Fuße gefolgt 
und vereinigte fi), nachdem er in höchft befchwerlichen Maͤrſchen pen Jablunka⸗ 
Paß erreicht hatte, mit Bethlen Gabor von Gtebenbürgen. Wber auch nad) 
Ungarn folgte ihm der Herzog von Friedland und, obgleich er aus Mangel au 
ben nothwendigſten Lebensbenürfnifien 25,000 Mann verlor, gelang c® ihm den⸗ 
noch, den Fürften von Siebenbürgen zu einem Frieden, ohne Berädfchtigung feines 
Berbündeten, zu bewegen. Dadurch erhielt er freie Hand gegen die Türken, denen 
er Walzen entriß, nachdem er das von ihnen belagerte Novigard entjegt hatte. 
Den folgenden Winter verlebte er zur Herſtellung feiner Geſundheit in Wien, 
erfepte die in Ungarn erlittenen Berlufte durch neue Werbungen und erhielt darauf 
ben Auftrag, Schlefien von den Feinden zu fäubern und Brandenburg, Pommern 
und Medlenburg zu befeen, damit diefe Länder dem Könige Ehrikian keinen Borfchub 
leiten könnten. Schnell vertrieb er mit. 25,000 Mann die Weimaraner aus Ober; 
chleſien und Faufte bei diefer Gelegenheit vom Kalfer das Herzogthum Sagan 
125,708 ®ulden, wobei er feine aufgewandten Kriegötoßen in Rehm 
brachte. Nachdem er die Feſtungen in feine Gewalt gebracht and A000 Dänen 
niedergchauen hatte, drang er, immerfort fein Heer vermehrend, weldhed er, nach 
dem Beiſpiele Ernfts von Mansfeld, auf Koften der burchzogenen Provinzen unters 
Del durdy Brandenburg gegen Medienburg vor, beſprach ſich wit Tilly, der den 
König von Dänemark bei Lutter am Barenberge beflegt hatte, wegen des Feld⸗ 
zugoplanes und drang, mit ihm vereinigt, in Holſteln ein. ig woue Ve 


2 

















684 Baltenfein, 


darauf gegen bie Holländer; ber Herzog aber befepte in wenigen Tagen gan 
—A und Zütland und lich, & e heißt, u daß er die Dänen wegen 
Mangels an Schiffen nicht auf die Infeln verfolgen Fonnte, glühende Kugeln 
ind Meer feuern. Alle diefe Provinzen wurden von W. hart sehanbelt und mit 
umermepli Gontributionen beläfligt; denn ber Grundfag Mangfelds, der Krieg 
den » das Heer fich felber ernähren, — wurde von feiner Arme 
nungslos re tt. Am fchlimmflen erging es den beiben ee 
ten, Herzog Adolph Friedrich zu Echwerin und Johann Albrecht zu Güftrom, 
welche die Dänen unterftügt hatten. Der Kaifer entfeßte fie als ungehorfame 
Reichöfürften und übertrug feinem Feldherrn ihre Befigungen ald Unterpfand für 
vie aufgewandten Kriegöfoften. Im folgenden Jahre erfolgte die wirkliche Be 
Tchmung, nachdem die beiden Herzoge zuerft gegen das Tatferliche Verfahren pro 
teftirt und fi dann zu ihrem Verwandten, Guftav Adolph von Schweden, be 
ben hatten. Seit dem 27, Juni 1629 unterzeichnete ia W. ald Herzog zu 
land und Medlenburg, defien Bewohner in dem kaiſerlichen Patente zum 
Gehorfam gegen ihren neuen Herrn ermahnt wurden. Darauf, befeßte bie 
gene Dftfeefüfte. Schon vorher und zwar feit 1627 war der ‚Herzog ICH 
[an XIV. von Pommern genöthigt worden, zehn Faiferliche Regimenter als Ber 
fagung in feine Stäpte aufzunehmen, weil man fi vor einer Landung der Dänen 
fiyern mußte und. da mittlerweile die Unterhandlungen; welche W. mit dem 
Könige von Schweden wegen eines Bündniffed gegen Dänemark eröffnete, ers 
olgloß blieben, weil diefer andere Entwürfe hegte, tradhtete em um fo mehr nad 
Befige aller Oftfeehäfen, nachdem er Yon Kaiſer den 24. April 1628 zum 
Admiral ded oceaniſch⸗ baitiſchen Meeres ernannt war und belagerte vom Mai 
bis Juli 1628 das fefte Stralfund, weil die Bürger fomohl bie Aıfn einer 
Faiferlichen Befagung, als auch die Zahlung von 150,000 Thalern vı 
Aber, glei . felbft einem f. Abgeordneten, der ihm die Aufhebung der 
begonnenen elagerung befahl, die ftolge Antwort gab: „Und wenn-Stralfund mit 
Ketten an den Himmel gebunden wäre, ſo müßte e8 doch herunter” — ; erreichte 
er dennoch feinen Zweck nicht, weil die Bürger, unterlügt von wier Kompagnien 
Dänen und 600 Schweden, deiten fpäter noch 2000 folgten, den Belagerern einen 
Auferft hartnädigen Widerffand entgegenfegten, fo daß diejelben in derſchiedenen 
Stürmen über 12,000 Mann verloren. Da auch die Dänen mit 200 Segeln 
an der Küfte erfchtenen, hob W. am 3. Auguft die Belagerumg auf, verjagte die 
Dänen aud Pommern und von der Infel Wolgaft, wo n ri feftgefegt hatten, 
eilte nach Holftein umd eroberte am 12. November Glüdftadt, das fich biäher 
noch nicht ergeben hatte. Durch die tapfere Bertbeibfgung Stralſunds war die 
Rage die Oftfee a beherrfchen und gelegentlich die Daͤnen und Schweden 
zu Zu fe anzugreifen, einftwetlen weit Binauege [hoben und, da man den leßteren 
mit t nicht traute, wurde am 12, Mai 1629 mit Chriftian IV. zu Lübed ein 
driede gefchloffen, worin er alles verlorene Land zurüd erhielt: eine Milde, bie 
ebenfowohl durch die Rüdficht auf Medienburg, als durch die allgemeinen Ber- 
hättmife jervorgerufen wurde. Der Verfuch, die Stadt Magdeburg zur Füaung 
das Reftitutionseniet (vom 6. März 1629) zu zwingen, mißlang gänzli; 
dagegen wurde daffelbe im Bisthum Halberſtadt mit großer Härte vollſtteckt und 
zu gleicher Zeit Feldmarſchall Arnim beauftragt, mit 10,000 Mann dem Könige 
Sigismund von Polen gegen Guſtav Adoiph, ven einzigen Fürften des Rordens, 
der zu fürdpten war, zu Hülfe zu ziehen. Auch hegte man den geheimen Wunſch, 
Preußen dem Reiche wieder zu gewinnen. Um viele geit tefidirte W. zu Guſtrow 
mit großer Pracht. Sein Hofaftrolog war damals ber berühmte Kepler; denn 
auf die Sterne fepte er ein fo große® Vertrauen, daß er felbft dem Könige von 
Schweden das Horoffop flellte, ein Zeichen, daß er es mit feiner Wiſſenſchaft 
enft meinte und nicht dieſelbe, wie manche glauben, als Dedmantel geheimer 
Plane benügte. Wie der Feldherr, fo lebten auch die Dffiziere in großer Pracht, 
während die Provinzen des Reiches jämmerlich ausgelogen wurden, Daher er⸗ 


B 


Wallenſtein. 685 


joben fi) von allen Seiten die lauteſten Klagen über die Bedrückung der Wal⸗ 
‚enfteiner und felbft des Kaiſers Bruder, Erzherzog Leopold, ſprach in einem 
Briefe an Ferdinand unummunden darüber aus. Als nun auf dem Reicheiage 
yu Regensburg Maximilian von Bayern, im Bunde mit den Fürſten, auf d 
Entfegung Wes drang, war der Kalfer gezwungen, dem allgemeinen Begehren 
nachzufommen, obgleich er fühlte, wie viel er aufgad. Demüthig fügte fh ®. 
der Taiferlichen Botſchaft, die ihm durch feine Greunde Wartenberg und Due 
Renberg überbracyt wurde und begab fich gelaffenen Muthes, — benn er urtheilte 
richtig, daß die Zukunft ihn wieder emporheben werde, von Memmingen zuerſt 
nach :Rrag, wo er einen Königlichen Palaſt Beaohate und dann nach feiner Reft- 
denz Gitſchin. Hier befchäftigte er fich eifrig mit der Landeöfultur auf feinen 
zroßen Befigungen, mit Bauten, prachtvollen Bartenantagen und mit Hebung 
des Handeld und der Gewerbe. Königliche Pracht umgab ihn; 60 Evelfnaben 
aus den vornehmften Häufern bedienten ihn. Hundert Shäfein belafteten täglich 
jeine Tafel. Doch war er felbft mäßig. Cr ſprach wenig und forderte auch von 
feiner Umgebung lautlofe Stile. Mit dem Itallener Seni, der ſtets um ihn 
mar, vertiefte er ſich in aftrologifche Studien; mit dem Kaiſer lebte er in unges 
Rörtem Vertrauen. ER mit der Entfegung W.s war auch fein Heer im 
ungünfligften Zeitpunfte bis auf 39,000 Mann entlaffen worden; denn bald darauf 
landete Guſtav Wdolpä cf. d.) in Pommern, vereinigte fi mit dem Herzoge 
Bogislav und dem Kurfürften von Brandenburg, die ihm perwungen, ihre 
Beftungen übergaben und vernichtete am 7. September 1631 in ver Schlacht 
vet Leipzig oder Breitenfelde das Ligiftifche Heer unter Tilly (f. d.). Be 
diefem Umfchrounge der Dinge had man in Wien wieder an W. Über 
ft nach langem Drängen entfchloß er fih zu dem NAnerbieten, dem Kaiſer 
8 zum Srühlahre 40, Mann zu ſtellen und die Koflen der Werbung und 
Ausrüftung größtentheild auf eigene Rechnung zn übernehmen, Den Oberbefehl 
elbſt Ichnte er ab. Kaum wirbelte jept feine Werbettommel, als von allen 
Seiten Taufende zu ven Bahnen des freigebigen, mächtigen, fieggefrönten Feld⸗ 
jerrn herbefeilten, um Ehre und Beute und — old zu gewinnen. Im 
März 1632 war ſchon das Heer vollſtaͤndig srganifirt. Nachdem Braltenfein uns 
er den ausſchweifendſten Bedingungen die Sübeun defielben übernommen hatte, 
vandte er ſich zunächft B en di achſen, welche In Böhmen eingefallen waren 
ınd verjagte fie um P eichter, je weniger es ihnen und ihrem Kurfürften mit 
der Fuͤhrung des Krieges Ernft war. Doch blieb der kaiſetliche Auftrag, mit 
Arnim, ihrem Führer, der früher unter W. gedient hatte, Unterhandlungen eins 
yuleiten, und, wo möglich, den Kurfürften vom ſchwebiſchen Bündniffe abzuziehen, 
einftweilen ohne Erfolg. Mittlerweile rüdte Guſtav Adolph durch Sranfen gegen 
die bayerifche Gränge vor, überfchritt dieſelbe nach Tily’s Tode und befegte 
Augsburg und Münden. Daher fah fih Marimiltan genöfhigt, bei feinem 
Feinde Hülfe zu ſuchen und bei Eger feine Truppen mit den Wallenfteinern zu 
vereinigen, fo daß das gefammte Beer jegt 50,000 M. zählte. Damit zog W. 
en Nürnberg, wo ſich Guſtav Adolph mit 18,000 M. verfchanzt hatte und 
(agerte fich ihm gegenüber, mit dem Entfcpluffe, feinem Gegner feine Schlacht Ir 
liefern, fendern in wo möglich, auszuhungern. So lagen ſich beide Heere ellf 
Wochen einander gegenüber; nur unbedeutende Gefechte fielen vor; allein bie Ge⸗ 
genb litt gewaltig, da fie fo viele Menſchen ernägren mußte. Als aber ver Kös 
nig von Schweden mit 34,000 M. unter Bernhard von Weimar und anderen 
Schr verärkt war, beſchloß er, da der Herzog noch immer bie angebotene 
Schlacht verweigerte, fein Lager zu flürmen um 4. September 1632. Allein der 
Berfuch mißlang gänzlich und koſtete ven Schweden 2000 Tote und noch mehr 
Berwundete. Rod wartete der König 14 Tage bei Nürnberg, ob der Feind ſich 
zur Schlacht bequemen werde und e, da Krankheiten viele Leute wegrafften, 
wieder geom Bayern vor. Aber W. folgte ihm t dahin, fondern wandte 
fich, mit richtiger Berechnung der Umftände, plöptich gegen Eoryien, \ytkedn Wa 


686 Ballenftein. 


er dadurch den Kurfürften dem ſchwediſchen Bündniffe entfremden und den Köni, 
Guſtav zul vom bayerifchen Gebiere ablenfen werde. Vergebens gab er vie 
jermeffenften Befehle zur Verhütung jeder Plünderung. Die Armeen, die Taiferliche 
Pohl, als die ſchwediſche, waren fchon zu verwildert, als daß folche Befchte viel 
hätten nügen können. Der König von Schweden folgte den Fatferlichen Sruppen, 
um feinen Verbündeten beizufteben und beſchloß, in Erwartung einzelner Trup 
pentheile, bet Naumburg ein fefte® Lager zu bezichen. W. hatte unterdeß Leipzig 
erobert. und fich bei Merfeburg mit Pappenheim vereinigt; auf die —— aber, 
daß der König ein Lager bezogen Habe, werlegte er feine Truppen in Die et; 
quartiere u. entfanbte Baypankeim mit 40 Regimentern, zum Entfage Kölns, an 
den Rhein. Als Guſtav Adolph dieſes erfuhr, brach er am 5. November 1632 
nn Weißenfels auf, um feinen Gegner zu überfallen. Am Tage darauf erfolgte 
di lacht bei Lügen (f. d.), welche ihm und dem tapfern Pappenheim das 
Leben Toftete, Die Schweden ſchrieben ſich den Steg zu, weil der verwundet 
W., mit ariatofung feines Gefchüges, dad Schlachtfeld verließ. Er wandie 
ſich nad) Böhmen und hielt in rag über diejenigen ein ſtrenges Krlegsgericht 
welche feige geflohen waren. Elif Offiziere wurden hingerichtet, die Degen von 
fieben anderen vom Henker zerbrochen, die Namen von mehr als 50 abweienden 
an den Galgen gefchlagen (14. Februar 1633). Dann begannen neue Werh ⸗ 
ungen; aus molzenen Glocken wurden neue Kanonen gegoffen; im Mai fan 
den wieder 25,000 Mann fchlagfertig da. Zunächk wandte er fich nun nad 
Schleſien, wo fich ein ſchwediſches, mit Sachfen und Brandenburgern untermiſch 
te, Heer befand; aber, obgleich er feinen Gegnern überlegen war, zeigte er ſich 
doch auffallend unthätig umd es bildete fich allmälig der Verdacht aus, daß er 
in geheimen Unterhandlungen mit ven Feinden ſtehe und ſich mit Hülfe Frant⸗ 
reihe und der Proteftanten die böhmifche Krone erwerben wolle. 
fanden Unterhandlungen ftatt; allein diefe bezwedten Iediglich, Sachfen, jem 
Kurfürft die Anmafung des ſchwediſchen Kanzlers, Arel Orenftierna, unerträglich 
fand, zum Kaffer herüberzugiehen; wirklich wurde auch mit Arnim, (7. Januar 
1633) ein, fpäter bi8 Ende Septembere verlängerter, Waffenftiliftand gefchloffen. 
Meberhaupt ſchien W. nach dem Tore des Königs von Schweden und bei ber 
Uneintgfeit der Proteftanten im Reiche entbehrliher geworden zu feym und feine 
zahfreichen Feinde am £aiferlichen Hofe hatten gegen ihn einen um fo offenern 
Spielraum, je mehr er e8 liebte, feine diplomatiichen UnterBändlungen in Dunfels 
heit zu hüllen. Wber der wahre Grund ver folgenden Verwickelungen zwiſchen 
ihn und dem Hofe liegt im den maßlofen Bedingungen, unter venen er ven 
SOberbefehl über das Heer feit feiner Wiedererhebung übernomnen hatte. Sie 
lauteten im Wefentlichen: „W. erhält als Generaliifimus den Oberbefehl über 
alle Truppen Oefterreich8 und Spaniens in absolutissima forma. Gin Fatferliches 
Erbland wird ihm zur Bürgichaft ordentlicher Belohnung gu efagt und ver 
ſchrieben. Cr erhält die Oberlehnöherrfchaft über die Länder, Ye er Rünftig er 
obern wird. Im fünftigen Frieden wird ihm Medienburg zugefihert. Begnabig- 
ungen und Gonfiscationen im Reiche bangen allein von ihm ab. Im Rorhfal 
jen ihm alle fatferlichen Erbländer zum Rüdzuge offen Reben.“ — Der Her 
y0 handelte offenbar unpolitiſch, daß er die Roth des Salferhaufes nf em 
jebingungen ausbeutete, die man unmöglich als nothwendig für das Anfehen 
des Feldherrn anfehen fann. Daher benügten Wes Feinde den Bertrag zu aller: 
let Intriguen und Radyreven, die endlich feinen Sturz herbeiführten. &infmweilen 
jedoch machte er die Anttagen fener Gegner dadurch ſtumm, daß er plöglich den 
Waffenſtillſiand Fündigte, Schweden bei Steinau überfiel und fie amang, 
mit ihren Anführern, dem Oberſten Duval und dem Grafen Thurn, die Waffen 
zu fireden. Den Bedin, ungen gemäß wurden beide entlaflen; allein es wurde 
m Do in Wien fer bel genommen, daß er nicht den Grafen Thurn, den 
arte gten Feind des — ſeit den böhmifchen Unruhen, gefangen einge⸗ 
t habe. Darauf rädte flegteich in Sachen und Brandenburg ein; benn 


Ballenftein, 687 


er wollte die Kürften befver Länder um jeden Preis den Schweden abwendi 
machen. Schon bebrohete er Berlin und Dresden, als die Nachricht eintiet 
daß Regensburg von Bernhard von Welmar genommen fe. Zu gleicher Zeit 
wurde er vom SKaffer aufgefordert, dem Kurfürften von Bayern u ülfe zu 
fommen. Es geſchah unverzäglidh, trotz der vorgerüdten Jahreszeit. Aber der 
Feldzug hatte Teinen Erfolg; der Herzog führte feine Truppen bald in die Wins 
terquartiere nach Böhmen. Dadurch wurde in Wien große Unzufriedenheit er- 
Tegt und der Softriegerath Queſtenberg mit der Forderung nad Pilfen in das 
Dauptqualtier geihidt, daß das Heer Böhmen verlafien und ſich von der Wefer 
& zur Oder, alfo vorzüglich in Sachfen und Brandenburg, einquartieren folle. 
Allein ein verfammelter Kriegsrath erklärte es für unmöglich ‚ Im Dezember das 
Heer gegen den Feind zu führen. Dagegen verfprady der Herzog, A000 Mann 
nad) Bayern zu fchiden. Diefe Vorgänge erhöheten nicht wenig die obwaltende 
Spannung, fo daß die fpanifche Partei am Wiener Hofe mit ihrem Plane, den 
Feldherrn zu flürzen, offener hervortrat. Da erflärte W. am 11. Januar 1634 
den Regimentsoberften, daß er um feine Enttaffung eiufommen werde. Ob ihm 
died Ernft war, ob Mißmuth und anhaltende Gichtleiven ihn zu dieſem Ents 
ſchluſſe beftimmten, oder ob er die Stimmung ber Generale erforfchen wollte, 
bleibt dahingeſtellt. Aber die Dberfien waren keineswegs damit einverflanden, 
daß W. das H:er verlaffe; denn fie alle waren, auffer der natürlichen Anhängs 
lichkeit an ihn, durch den fie geftiegen waren, befonderd wegen der namhaften 
Schuldforderungen an den falterti en Fisfus bei einem ſolchen Schritte lebhaft 
betheiligt. Der Feldmarſchall Illo legte daher am 12. Januar den verfammelten 
Offizieren einen Reverd zur Unterfchrift vor, Eraft deſſen fie dem Herzoge ewige 
Treue gelobten, p lange er fie zum Dienfte des Kaiſers gebraudyen werde. Das 
gegen wurbe verlangt, daß er beim Heere bleibe. Dieſe Bereinbarung fand In 
Wien nicht diejenige Deutung, die man vielleicht erwartet hatte; im Gegentheile 
beirachteten fie Wis Finde als eine Verfchwörung, gegen die man nachdrücklich 
verfahren müfle. Als daher Piccolomini, ver felbfk jenen Revers unterzeichnet 
hatte, dem Hofe von jenen Vorfällen Nachricht gab, wurde der Kalfer von den 
Gegnern des Herzogs zum rafchen Handeln lebhaft aufgefordert und unterzeich- 
nete (24, Januar) ein, an die Armee gerichtete® Patent, worin die Entfeßung 
W.s und die Uebertragung des Oberbefehls an den Generallieutenant Gallas ans 
ezeigt war. Dazu befam diefer den befondern Befehl, Illo und den Grafen 
erziy gefangen zu nehmen u. fidy des Herzogs, lebendig oder tobt, zu bemächts 
gen. Als W. eine, wenn auch dunfele Kunde von dieſen Vorgängen erhielt; als 
alas und Altringer am 13., 14. und 15. Februar an die Oberſten, auf deren 
Treue man ſich glaubte verlaffen zu können, geheime Weiſungen ertheilten, feinem 
Befehle des Herzogs, Illo's und Terzky's Kolge zu geben; ald am 18. Februar 
auch der Kaiſer, der bis dahin im alten Tone mit einem Feldberrn Bitefe ges 
wechfelt hatte, ein Wusfchreiben an alle Oberſten erließ, dem W., von deſſen 
„boshaftem Beginnen und Anſchlage“ bier zum erfien Male öffentlich geredet 
wird, nicht mehr zu gehorchen: da erkannte W. feine Lage und gab, während die 
Oberften in einer zweiten Berfammlung zu Bilfen am 20. Februar erklärten, daß 
der Reverd vom 12. Januar nur beabfichtigt Habe, den Herzog dem kaiſerlichen 
Dienfte zu erhalten, allen Regimentern Befehl, fih „zu feiner Verficherung und 
damit ihm Fein Schimpf widerfahre“ — am 24. Februar zu einem Generals 
Rendezvous auf dem weißen Berge bei Prag einzufinden und fchidte am 21. u. 
22. Bebruar zwei Oberſten mit der Erklärung nady Wien, daß er bereit fe, den 
Oberbefehl nieverzulegen und fich zur Berantwortung zu flellen. Diefe wurden 
von PBiccolomint feftgehalten, fo daß fle nicht zum Katfer gelangten. Andererſeits 
fchidte der Herzog, troß der ürgebenbertänerfücherungen, Eilboten an den franzds 
ſiſchen Botſchafter Beuquisres, um denfelben zur Abfchließung eines Bündnified 
8 beſtimmen, während der Herzog Franz Albrecht von Lauenburg zum De 
ernhard von Weimar eilte, damit er ihn im Wuftrage W.6 heiter, IE 


_ A J r., 
0 Ballen, ı — 


688 
> — 
feinem. He böhmifchen Gränge, zum Zwecke einer) Verein; „mit den 
Kernen Gruppen bel Eger, zu. nähern, "Diefer aber zögerte — 
Arnim führte ſeine Truppen auf Böhmen zu. Der Kaifer hatte unterbef 
40, Bebruar Befehl gegeben, die Güter W.s einzugtehen; dieſer felbft aber 
, da ſchon der größte Theil feiner Armee für feinen Gebteter gewonnen 
und Piccolomini, Galias und Maradas gegen Pilfen vorrüdten, aicht nah 
tag, fonbern na Eger zu gehen, wo der Schotte Gordon befehligte, Der 
ihm Dberften en war und fein Bertrauen befaß, Am 24. Februar 
er, feiner lin, von Illo, Terzly, Kinsly und zehn Reiterco 
begleitet, daſelbſ ein und nahm feine Wohnung in dem Haufe des Bür, 

Bas l.“ iner Umgebung war der Irländer Oberft Buttler, Diefer ver 
nd mit Gordon und dem DOberftwachtmeifter Leßlie, einem Schotten, denn 
‚die, von is empfangenen, Befehle des Kaiſers mittheilte, zuerft zur Ger 

ennchmung des Herzogs und feiner Anhänger, dann aber, als die nicht 
ausführl ten „zu Ährer Ermordung. Man machte den Anfang mit Io, 

Terji und dem Rittmeifter Neumann, welche auf einem, am. 25. Bebruar 

deßhalb veranftalteten, Gaftmahle von Buttler’s Dragonern, unter Anführung des 

Majors Giraldin, überfallen und nach heftigem Widerſtand getödtet wurden. W. 

Bun ſich an diefem Abende früh zu Bett gelegt, nachdem er feinen Aftrologen 
ent ent te. Da drang. gegen fi Uhr Abends der Irländer ir 

mit ſechs gonern im fein Wohnzimmer und mit den Worten an den je 

simmer vortretenden Herzog: „Bift du der Schelm, der dem Kaifer die Kron 
vom Haupte reißen will?" — gab er ihm den Todesſtoß, den W. lautlos 

Er war er 51 Jahre alt. Seine trdijchen Ueberteſte wurden zwei Jahre fpäter von 

ner Gattin in einer von ihm geftifteten Karth Gitſchin beigefegt. Seine Baar: 

ſchaft theilten die Mörder; eine Beinde erhielten, auffer anderen-Belohnungen, den 
‚rößten Theil feiner eingezogenen Befigui nr ‚Bon. feinen Papieren, deren man 
fe bemächtigte, ift Nichts zur öffentlichen € gefommen, was feinen Verrat 
bewiefen hätte, Dennoch fteht er keineswegs rein da. Zwat verdient die Haupt: 
urkunde zu feiner Anklage, ein Bericht des begnadigten böhmifchen Yuswanderers 

Sefyna Raſchin von Riefenburg, 1635 an den Knifer gerichtet (uerſt im Latein 

iſchem Driginale mitgetheilt von Herrn von Murr, Halle 1806; Hauptquelle für 

Khevenhüller und Bsenbahn in ihrem Leben WE), wornah W. Ahon feit 

1630 mit Guftav Adolph in geheimen Unterhandlungen geftanden habe, durchaus 

feinen Glauben; zwar überzeugt auch der Rechtfertigungsbericht der Mörder Me, 

zehn Tage nach der That In Eger gedrudt (wieverabgedrudt im Morgenblate 

1816, Nr. 175—178) nicht von des Herzogs Schuld; allein ebenfo gewiß iR ee, 

daß derfelbe in der legten Zeit feines Lebens geneigt war, des Kalferd Sad 

fahren zu laſſen und fich mit deſſen Gegnern zu vereinigen. Der Zug nad) Eger 
beweist dieſes zur Genüge; er machte auch die lebte Entgutbigung unmöglich, 
daß feine Bertrauten, vor allen der Graf Kinsly, ohne fein Vorwiffen mit 

Frankreich und Schweden unterhandelt hätten, Uebrigens trägt auch der Wiener 

Hof ſchwere Schuld am dem traurigen, Ausgange des berühmten Feldherru und 

nur der Kaifer Ferdinand fteht rein da vor dem Urtheile ver Gefchichte. — Die 

Schriften Fr. Förfter'd: „Briefe W.64, 3 Bde., Berlin 18%8—29 und „Bio 

geapiie W.3", Botsdam 1834, ‚ermangeln. des legten Beweiſes für feine Unſchuld 
ie Meifterwerfe Schiller’ 8: „W.S Lager”, „Die Piccolomini“, „W.s Ton“ — 

ſchliehen ſich ziemlich genau der Geſchichte an. — Ein gutes Urtheil über B. 

gibt Wirth im 3. Bd. feiner deutfchen Geſchichte. Vgl. auch Dr. Zober: Un 

jedrudte Briefe Aldr. v. MW.s und Guftav Adolphs, nebft Beiträgen zur Geld. 
es 3Ojährigen Krieges, Stralf. 1830, — Atetin's Beiträge über W., Regensb, 

Man; 1846. — sur den Grund_der Schriften Förfter'8 haben die Erben Ws 

Ahr Recht auf die eingezogenen Güter bei dem fatferlichen Flolus geltend zu 


—— Edmund, ein engliſcher Dichter, geboren 1605 zu Coleshll 





- - 398 B 
Du Wallfahrten — Walfift, > 
(Barwidfhiee), gelangte ſchon im 17. Jahre ins lament, in welches er noch, 
80 Jahre Mn — on nachdem: pi faft PR der jedesmall; 1 Gewalt E 
Huldigt und in Folge eines Wufftandes, den er mit Tomfins und Thatoner, 
er dann verrieth, erregt hatte, 10 ‚Jahre in Srankreich gelebt Hatte. Er war ein 
anmutbiger, ſteis bereiter Redner, am gr durch feinen Wig und gefellige Ta⸗ 
Iemte gern geleben unb fteht noch durch Leichtigkeit, Beuer und germmniiöen Br 
bau in der erften Reihe ber englifchen ergtiichen Dichter. WB.” farb. 4687 zu 
Beaconsfield. — 2 ®., PB. Benno, 8 zu Kremsmünfter, geb. 1757 zu 
"Galzburg, geftorben 1833, erwarb fig, als der feffor politiſchen Wiſſen⸗ 
haften am der adeligen Akademie, fpäter der Raturgefch! and Phyfit, als 
ſrchivar und Kämmerer bur inbliche Belehrfamtelt u. liebenstfbärbigen 
Charakter einen bedeutenden umd um bie naturwiflenschaftli mnlun, 
Br SE 
joldenen ⸗Ehrenmel le mi ette. — . 
von ı% 1836 I. 273. . 'e wies Er, 
Fahrten find religlöfe Wanderungen einer Kirchengemeinde, oder einzel« 


ner Slieder einer folchen, in eine entfernte, namentlidy thaumaturgifche Kirche,“ - 


welche unternommen werben, theils überhaupt, um bort Eräftiger, als zu Haufe, der 
Andacht zu pflegen, theils a Berehrung ces gewiſſen gen, #7 in ge 
wiſſen beſonderen Anliegen. — Die W. find tief im Alierthume gegrinet, In der‘ 
Apoßelgeichichte 20, 1 east uns der heilige Evangelift Lukas eine Retje vb 
eiligen Apofteld Paulus ber Ende fue nad Jerutalem, vie wir aus guten 
für eine W. halten Tönnen. Deögleichen befuchten die erſten Chüiſten 
die Gräber der Mariyrer und Blützeiigen ft und ſtaͤrkten fi durch den 
Anblick derfelben im Glauben. Bald kam auch das W. unter den B: 
vor. — Die Einrichtung und religiöfe —D der W. ſteht der Kirchengemalt 
5 weiche auch dafür w forgen bat, daß Gott dabei mehr im Geifte und in ber 
jahrheit, ald nur allein mit einer bloßen Lippenandacht, angebetet; daß aller 
Aberglaube, fo wie jeder falfche Wunderglaube, der oft ganze Gemeinden von dem 
pfarrlichen Gottesdienſte abzieht, fern gehalten und daß die W. als wahre Tu- 
d+ und Erbauungsmittel von dem gläubigen Wolfe gebraucht und die babe 
reiflicher Weiſe leicht möglichen Mißbrauche abgehalten oder befeitigt werben. 
em ihres Einfluſſes auf Ha Bantehürgerliihe und Familienwohl, indem, wenn 
ſonders an Werktagen vorgenommen werben, der Betrieb der Gewerbe, In⸗ 
duſtrie und Landwirthſchaft darunter aderbings leidet, wie auch zur Wbhaltun; 
etwaiger äußerer Unorbrnungen, die dabei vorfallen Fönnen, Amterliegen fle der polig 
lichen Aufficht, die I) jedoch nie weiter, als durchaus nötig, in diefe frommen 
Nebungen einmifchen ſolite. Vergl. audy den Art. Brogeffion. 
allfiſch u. Wallfiſchfanz. Der W. (Balaena Mysticetus Lin.) if der 
rößte diſch und überhaupt eines der größten Beichöpfe der Erbe; er gehört zur 
Kiafe der Säugethiere und zur Ordnung ber Walltbiere. Rüden und Blofjen 
deſſeiben ſind ſchwarz; der Vorbertheil des Unterkiefers und ein -Thell des Baus 
ches IR weiß. Er erreicht eine Länge von 60, felten von 65 Fuß und ein Ge⸗ 
wicht von 200,000 Pfund. Der Kopf macht ungefähr den dritten Theil des Thieres 
amd; der Rachen Tann 12 Fuß weit gedffnet werden; der Schlund In inog po 
Hein, daß der W. ſich nur von Heinen Kita, hoͤchſtens bis zur Groͤße eines 
ärings, nähren Tann. Der Umfang eines erwachſenen Thieres beträgt 30—40 
z der Schweif Hat eine Breite von 18—24 Fuß; das Auge iſt nicht viel 
rößer, als ein Ochfenauge. Wuf dem Borbertheile des Kopfes befinden ſich 
Eyripiöcher, von denen jedes 8 Zoll weit if und durch eine Klappe gefchlofien 
werben Kann ; jede Floße erreicht eine Ränge von 79’ und eine je von 4 
bis 5°. Der Körper des W.s- enthält unmittelbar unter der Außerften Haut eine 
Lage Bett oder Thran, bie bei einem großen Fiſche u die if. Diefes Fett 
iſt bei jüngeren Thieren dem Schweinefett ähnlich, bei en hat e8 eine röthliche 
darbe. bildet den werthvoliſten Theil des diſches way ven vum WM, was 
Realencyclopaia X LT N 


x 


Ä 


690 r Wallis. 


menden Fiſchbein. — Im 11. Jahrhunderte kamen die W.e zur Winters zeit noch au 
die nördlichen u. weftlichen Küften von Frantteich; jegt find fie durch bie unaui- 
börlichen Jagen, die auf fie gemacht wurden,‘ bis in das Eismeer zurüdverfcheudt, 
So plump der Körper des ds ft und fo umbehülflich er zu ſeyn ſcheint, ſo fin 
doch feine Bewegungen nicht tet und langfam, Ein W. der, ohne ſich zu 
rühren, auf ver Oberfläche des. Wafjers ruht, Fann in 5—6 Gefunden auffer dem 
Bereich feiner Verfolger feyn; aber diefe Schnelligkeit hält nicht lange au. Das 
Waffer, welches die Thiere dutch die Spiglöcher ausftoßen, fteigt einige Elm 
hoch und gleicht von ferne einem hervorfchießenden Rauche. „Am ftärfften blafen 
fie, wenn fe aufgefcheucht u. in Unruhe verfegt werden. Die mütterliche Liebe der 
W.6, der in anderer Hinfiht ein ftumpffinniges Thier zu feyn Scheint, iſt auf 
fallend und merfwürdig. Aus Angft für die Erhaltung ihres Jungen feht die 
Mutter alle Rüdfichter für ihre eigene ‚Sicherheit bei Seite, fährt mitten durd 
Die Weinde hindurch und bleibt bei ihrem Zungen, felbft, wenn fon mehre Har 
punen baffelbe gettoffen haben. — Der W.r Fang wurde vom 14.bi6 14. Jahr: 
bundert+befonders von den Basen betrieben; hierauf Fam er in die Hände dr 
— dieAhn im 17. Jahrhundert au einer ſolchen Höhe brachten, daß fie in 
em Jahre 300 Schiffe mit 18,000 Matrofen ausfchieten und auf Spihzbetgen 
eine eigene Niederlafjung zur Betreibung diefes Imduflriegweiges gründeten. — 
⸗ ——— wird der Wang dieſes Thieres haupifächlich von den Engländen 
im hoben Notden: betrieben, auch jährlich einige Schiffe von Frankreich, Hamburg, 
Bremen, Altona, Glüdftadt, Holftein und Stang, ‚Hannover, Roftod un 
Stertin auf den W.-Fang äusgeſchickt. Die hiezu beftimmten Schiffe geben gr 
wöhnlich im März, jedes mit ungefähr 50 Mann befegt, unter Segel und kommen 
im Auguſt oder September — So lange der Fang noch erglebiger war, m 
legte Schiff auf einer ſolchen Fahrt nach Spitzbergen, oder auf der noch ge 
fährlichern nady der Davisftraße, ungefähr 8 We; jept wird das Jahr ſchon ju 
den glüdlichen gerechnet, wenn ein Grönlandefahrer 3 W,e erhält. Der Fang bi 
There wird mit Harpunen auf Heinen Vöten unter großen Gefahren vorgenom- 
men; die Tödtung geſchieht auch mit langen vierfchneidigen Ranzen, welche, wenn 
man dem W. nahe genug fommt, in die Lunge geftoßen werden. Den pet 
ſchneidet man in großen Streifen ab und verpadt ihn entweder ſogleich in Tonne, 
oder zerläßt ihn am euer und behält nur den Thran. Im Duichſchnitte germinm 
man von einem W. 120 Tonnen Del; an diſchbein liefert ein großes Thie 
2—3000 Pfund. Del und Fiſchbein zufammen haben ungefähr einen Wer 
von 5000 Thalern. Die übrigen Theile des W.s überläßt man den Wellen, m 
fie dann die Beute der längft lauernden Raubvögel und Haififche werben. aM. 
Wallis (fr. le Valais ital. Vallese), der zwanzigfte Kanton der Schmelz, ik 
ein tiefes Gebirgsthal, das’von den Gletſchern der Furka in einer Länge von 
36 Stunden bis zum Genferfee herab zwiſchen himmelhohen, meift mit ewigen 
Schnee bebedten Felsfetten dahinzicht. Rechts und links öffnen ſich 16 nıdt 
iminder wilde Seltenthäler, von eben fo vielen teißenden Gießbaͤchen ausgewaſchen 
Das Ganze gränzt gegen O. an die Lombardei, an Teffin und Uri, im ©. an 
Piemont, gegen W. an Savoyen, im R. an den Genferfee, Waadt und Bern; 
der Flächeninhalt beträgt 784 M. W. if der größte Alpenkeffel in der Schweij 
von der Rhone in feiner ganzen Ausdehnung bewäflert und umlagert von ven 
Bergriefen der Penninifchen, Lepontiſchen und Berner Alpen, unter welchen ver 
große Bernhard (f. d.),’ver Combin (13,200) der Weißborn (13,800), 
der Eervin (12,500), der Monte Rofa (14,580), der Simplon (f. d.), de 
St. Sotthard, das Finfteraarhorn, dad Schredhorn, bie Jungfrau, 
der Mönch u. a. ihre Königlichen Häupter erheben. Ungeheuere Gletſchetmaſſen 
und Giöfetver zichen fich in diefen Gebirgen hin und überfchütten mit verheerenden 
Lawinen Häufig Die zu ihren Füßen liegenden Thäler. Ueber diefe Bergfolofe, 
die mit den Wolken zufammenfloßen, haben Menfchenhände einige Wege und 
Strafen gebahnt. Der höchſte Paß an der Burka erreicht 7705, der Col⸗ 


Ballis, | 691 


errot 7170', der Simplon 6174’; der Cervin führt aus dem Vleſcher Thale 
ıch Piemont über eine Höhe von 10,284°, wo felbft die Saumthiere beſchwerlich 
hmen. Das Hofpitium an der Straße des Gt. Bernhard flieht 7680” über 
m Meere; es kennt beinahe feine andere edzeit, als den Winter. Einen 
segang in der Ebene bat W. nur bei ©. ig, u. dieſer ift fo eng, daß er — 
n Thor gefchloffen werden kann. Die Rhone (walliſiſch Rodde), welche d 

re Ueberſchwemmungen oft fehr gefähriie wird, nimmt, mit Ausnahme des 
r Tofa übergebenden Bedro, alle fli Gewaſſer des Landes anf. Die 
alenche bildet in der Nähe von St, Moritz den berühmten Waſſerfall 
iſſevache. Vom Genferfee gehört nur ein Kleiner Theil zu W., die übrigen 
een find dem Umfange nach unbedeutend, verdienen aber theild um ihrer maler⸗ 
hen Rage, theils mancher interefianter Raturerfchelnungen wegen a mtl 
ufmerkſamkeit der Reiſenden. — Das Klima iſt im Due ziemlich" mit, 
fo rauher aber in den Bebtzgßgegenben. Der Berfafler ded Handbuches über 
e Schweiz, Ebel, fagt, daß W. in Betreff der Berichiebenaetigleit der Begeta- 
m vielleicht das merhwürbigfie Land Europas ſei. Die Wallifer Flora zählt 
ihe an dritthalbtaufend Arten. “Die Produkte von Island und die des warmen 
üdens finden fidy hier beifammen. Während an der Bränge der Schneeregion 
delen {m den Slterungen Manpelm eigen, Grenntäpfe, burehgtähe Tpantfehes‘ 
| en Riederungen nm Zeigen, Granatäpfel; g » 
uer den Saft der ehe, Der Muskatwein von Siders IR allbefannt und all 
jur. In einigen Gegenden erntet man im Mat, in andern erſt im Oktober. 
er ift die Ratur raub, drohend, ſchrecklich, dort mild und lieblih. Die Berge 
tbalten Bold, Silber, Kupfer, Eifen, Blei, Kobalt, Steinkohlen, Sramaten, 
ryſtalle ıc. Marmor ift ziemlich allgemein. Zu Leuf, Brieg u. an mehren ändern 
rten find trefflicde Drineralquellen. Bon wilden Thieren finden fich Wölfe, Bären, 
ıchfe, Gemſen, Hirfcye, Alpenhaſen, das große Wiefel (Hermelin), Murmelthiere, 
immergeier, Adler, Fallen, Wuffergeflügel. Die Rhone bat große Lacdhöforellen, 
e gemeine Forelle hält fich in den Bächen und Gebirgsfeen auf. Bon Amphi⸗ 
en trifft man Schilnfröten, die große graue Ginechfe, mehre Arten Schlangen 
ſ. w. Sebr zahlreich zeigt ſich auch das bunte Volf der Schmetterlinge — 
te Bervohner des Walliſerlandes, theils Franzoſen, theild -Deutiche, untermifcht 
it 5200 Stalienern , ezreichen im Ganzen die Zahl von 80,000. Sie haben, 
iufigen und furdhibaren Kataftrophen der Natur ausgefeht, ſich eine fromme Er⸗ 
bung angeeignet, die nicht felten bi8 zur Indolenz und zum berglauben geht. 
ngeachtet der Gefahren, mit welchen Lawinen, Bergftürze, Seedurchbrüche und 
miiche Greigniffe fie ftündlich bedrohen, lieben fle dennoch ihre Inunenhafte Hels 
ath, wie fie dem Freiheitoſinne ihrer Väter treu geblieben And. Im Vebrigen 
igt der Bolfscharafter je nach den Landsmannfchaften einige weſentliche Ver⸗ 
biedenheiten. Die Oberwalliſer, deutfcher Abſtammung, find gutmüthig, einfach, 
dlich, indeß die wälfchen Unterwallifer mehr Berfchlagenheit, Unzuverläffigfett 
ın Neigung zum Müffiggange zeigen. Kretind oder Feren trifft man häufig im 
eftlicyen Rhonethale; in andern Gegenden find fie zum Theil gänzlich unbefannt. 
m Ober-W. redet man ein verberbted Deutfch, in Unter⸗W. wird ein dem Ro⸗ 
anifchen ähnliches Batois, von den Gebildeten aber auch gut frangöflfch ge⸗ 
rochen. Der Anbau ift ziemlich vernachläffiget, und für dad Austrodnen der 
e Thalfohle bedeckenden HRoräe geichieht fehr wenig. Uebrigens muß auch an- 
fannt werden, daß die Beſchaffenheit des Bodens bier der Kultur beiondere 
Gerigfeiten in den Weg legt. Der Biehzucht wird mehr Eifer zugewendet; 
Ober⸗W. liefert die Bienenzucht reichlich Honig und Wachs. Um den Berg- 
m in's Große zu betreiben, find die Bewohner zu arm und zu fenntnißloe. 
w et harnieber und Bi Bande ig hr nur Sean auf den 
open Stra es plon und St. Bernhard end. — 

fennen fich zur katholiſchen Kirche; der —e—— B Ehısr, De 
nterridhtSandaften laſſen mandyes zu wünfchen — ed 8 vn auge 








692 Ballis. 


t . 
Kanton nur ein Gymnaſtum. Die Geifllichen werden im bifchöfltcdyen Seminar 
berangehtibet. Die Serfaffung it dem okrat iſch. Zum Rationalrathe ſendet 
W. A Abgeordnete, zum Bundesfontingente ſtellt es 2241 Mann. Eingetheilt 
wird das Land in 13 Zehnten, von welchen 6 den Ober⸗W., die andern den 
Unter-W. bilden. Der ptort des Kantons IR Sitten (ſ. d.) — In A 
tefter Zeit gehirte W. zu Helvetien und wurde von den Sedunern und Bes 
ragrern bewohnt. Später dran von Norden ber Deutfche in’d Land md 
festen fich im Hoch W. bis Siver® feſt; den übrigen Theil bevölferten mit den 
Ureinwohnern gemifchte Römer, wozu nach der Hand auch Burgunder kamen. 
Zwiſchen beiden Nationalitäten brach der Krieg aus, und wie damals gewöhns 
lich fiegten audy hier die Deutfchen. Die Gebietseintheilung in Zehnten iR 
d » Rad dem Zerfalle der Karolingifchen Herrfchaft wurde W. ein Theil 
des transfurantfchen Burgunds und fam mit diefem 1032 zum deutſchen Reiche. 
Kaiſer Köonrad A. übergab 1035 dab untere W. dem Grafen Humbert von 
Savoyen, weil diefer ihm treue Kriegsdienſte geleiftet hatte 4475 unterwarfen 
die Deutfchwallifer ſich die Wälfchen im Unterlande und übten bier volllommene 
entechte aus. Im nämlicdhen Jahre trat W. zuerſt, dann 1529 bleibend in 
n Bundesverbältniß zur ſchweizeriſchen Eiogenofienfhaft, welcher es fortan als 
« „augewandter Ort“ angehörte. Streng fatholifch ließ es die Reformation nicht in 
- feiner Mitte auffommen. Nieder⸗W. blieb durch Jahrhunderte dem Ober⸗W. 
unterthänig, und erft 1798, unter dem Einfluſſe der Franzöftichen Revolution, ent- 
zog es fidy diefem Joche, freilich aber nur um unter ein anderes, das Joch der 
allifchen Republik, fidy zu beugen. Fünf Jahre lang von ben Truppen biefer 
cht befeht und ausgefaugt, ward endlidy 1803 ganz W. von dem Schweijer⸗ 
Berbande Loögerifien und als eigene Republik Eonftituirt, im Jahre 1810 aber 
ald Departement des Simplon dem franzöfifchen Kaiſerreiche einverleibt. 1815 
kehrte es als felbfiftänniger Kanton wieder in die Eingenofienfchaft zurüd. Um 
1821 errichteten die Jeſuiten zu Brieg ein großes Erziehungshaus. Bon 1839 
an begannen die Kämpfe des Unterlandes mit dem Oberlande. Jenes drang auf 
Abänderung der Berfaffung, dieſes wollte die alte Regierungsform beibehalten 
haben. Im Jahre 1840 beftanden im Kanton zwei getrennte Regierungen; bie 
eine, an der durch den Bund garantirten Verfaſſung von 1815 feſthaltend, hatte 
ihren Sig in Siders, die andere, der Berfaflung vom 3. Auguft 1839 ergeben, 
reftpirte in Sitten. Beiden Verwaltungen war vom Vororte der Landfriede ge 
boten. Diefer wurde aber von Sitten ber mehrfach verlegt, und es erfolgte * 
gar durch Waffengewalt ein momentaner Sieg des Unterlandes über das Ober⸗ 
land. Die fogenannte „junge Schweiz," unierftützt von einer leidenſchaftlichen 
refje, erlaubte ſich alle Redereten gegen Andersdenkende; ihr gegenüber bildete 
ch eine „alte Schweiz“, mit dem Eniſchluſſe, fich ſelbſt Schub zu gewähren. 
Mit dem 18. Mai 1844 brach der Bürgerkrieg zwifchen beiden Parteien aus. 
Die Jungfchweizer unterlagen am 21. Rai in dem Treffen bei St. Moriz md 
wurden endlich durch die au Tchenkunft des damaligen Borortd Luzern entwaff 
net. Die unmittelbare Folge dieſer Ereigniffe war die Berfafiung vom 14. S 
tember 1844, ferner, daß die Regierung von W. durch den Impuld des Ober⸗W. 
eine entfchieden Tonfervative Richtung annahm und fich deshalb an Luzern, Wie 
Urkantone und Freiburg enger anfchloß, mit welchen fie audy fpäter in den Son⸗ 
derbund eintrat. Nach dem für diefen unglüdlichen Ausgange des Bürgerfrieges 
von 1847 wurde eine neue provfforifche Regierung beftellt, an deren Spige Mo⸗ 
riz Barmann fland, einer der Anführer der Sungf eier {m Kampfe von 1844 
Zu dem Angriffe gegen W. war Oberft Riliiet Confant beftimmt; Indep Leifee | 
dieſes keinen Widerftand, fondern unterwarf ſich am 29. Rovember durch Kapim⸗ | 
lation. Dem Kantone wurden von den Siegern 787,200 Fr. Okkupationskoſten 
auferlegt, und Die neue Regierung des W. füumte nicht, zur Beibringung biefe 
Summe die Weltgeiftlichkeit mit 50,000 Fr. zu befteuern, während fie ne | 
bie Säfularifatton fämmtlicher Klofergüter ausſprach. Die Jeſuiten hatten gl 





\ 


Ballis — Wallonen. 693 


im erſten Augenblide das Feld räumen müflen. Gegen die Hofplze auf dem St. 
Bernhard ımd dem Simplon ließ man in fo weit eine Milverung eintreten, daß 
man fie in ihrem Beſtande zu lafien und nur die Verwaltung verfelben zu Häns 
den des Staated zu nehmen beſchloß. Es wäre aber audy eine Gewaltthat ges 
gen die Menfchheit geweſen, hätte man das St. Bernhardsſtift völlig aufheben 
wollen, vor deſſen Derohnern man die größte Hochadhtung hegen muß; denn es 
find lauter Männer, die in den Jahren, wo der Menſch am empfänglichften für 
die Freuden der Welt if, fi) mit Demuth dem befchwerlichen Dienfte ihrer Mit- 
menjchen widmen, ohne andern Lohn, als den fie in der eigenen Bruft tragen, 
und welchen ihnen die Religion, deren Belenner fie find, gewährt. mD, 
Wallis, John, berühmter Mathematiker, geboren ven 23. November 1616 
zu Albford in der Grafſchaft Kent in England, Sohn des dortigen Predigers, 
befuchte nach dem frühzettigen Tode feined Baterd die Schule in Aſhford, dann 
in Tenterden, zulegt in Felſted u. Fam 1632 auf die Univerfität nach Cambridge; 
er widmete ſich der Theologie und verließ erft 1641 die Usiverfiiät, um als 
Kaplan nach Buſtercramb in Yorkſhire zu gehen. Im folgenden Jahre hielt er 
fid) in London auf und machte fidy im nun ausbrechenden Bürgerfriege befannt 
durch feine Fertigkeit im Entziffern der Geheimfchriften. 1644 war er einer der 
Sefretäre der Derfommiung der Gottesgelehrten zu Weflminfter; 1645 warb er 
DMitgründer der gelehrten Wochenverfammlungen in London, welche der Urfprung _ 
der & Gefellfchaft der Wiffenfchaften waren; 1647 erfand er eine neue Methode, 
die Eubifchen Gleichungen aufzulöfen; 1648 trat er in ein Paar Schriften öffent- 
lich gegen Karl's I. Verurtheilung zum Tode auf. Deffenungeachtet wurde er 
noch 1648 zum Profefior der Marhematif an der Univerſttät Oxford ernannt; 
er wendete feine fchrififtelerifche Thätigkeit nun vorzugsweiſe der Mathematik zu, 
nahm aber auch an den theologiſchen Streitigkeiten feiner Zeit tbärigen Antheil 
und wurde 1654 zum Theol. Dr. promovirt. 1658 erhielt er die Stelle eines 
Custos Archivorum an ber Univerfität Orford und 1660 von dem rüdgıehrten 
Karl IL. die Würde eines E. Kapland; bei Gründung der k. Gefellfchaft der 
Wiſſenſchaften in London wurde er eined der erften Mitgliever. In den folgenden 
Fahren machte fi W. berühmt durch die Unterrichtung mehrer (nicht völlig ges 
börtofer) Taubftummen, die er ſprechen lehrte, was zu jener Zeit unerhört war; 
eben fo beichäftigte er fidy mit der Heilung Stotternder und Stammelnder. Er 
ftarb zu Orford den 28. Oktober 1703. — Auſſer feinen zahlreichen theologifchen 
und mathematifchen Schriften, welche leptere gefammelt: „Opera mathematica“, 
3 Bde., Drford 1699, erfchienen, veröffentlichte W. noch Verſchiedenes, fo 
„Grammatica linguae anglicanae cum tractatu de loquela seu sonorum forma- 
tione,* Orford 1653, wodurch er zuerft auf feinen Saubftummen:Unterricht ges 
führt wurde, E. Buchner. 
Wallnußbaum (Juglans regia Lin.), ein au dem Schalenobft gehöriger Frucht⸗ 
baum, ſtammt urtprünglich aus Perſten und ift bei und einheimifch, obgleich er 
firenger Winterfälte nicht gut widerſtehen Fann, fondern nur in geſchützten Lagen 
gedeiht. Er wird fehr groß und über 200 Jahre alt; feine befannten Nüffe 
reifen im September und alle feine grünen Theile haben einen eigenen, flarfen, 
nicht unangenehmen Geruch. Der Rupbaum gehört zu den nützlichſten Holzarten ; 
daß feinfaferige, fchön braungeflammte Holz wird zu Meubeln, Flintenfchäften 
und anderen Holzgegenftänven fehr gefchägt; die Wurgelftöde geben ausgezeichnet 
fhöne Mafer. Rinde, Blätter und die unreifen Fruchtſchalen können zum Schwarz» 
und Braunfärben verwendet werden; aus den lebteren bereitet man audy den 
——n und gebraucht ſie in der Arzneikunde. Die wohlſchmeckenden Samen 
alten bis 50 Proc. eines fetten, füßen Oeles, welches als Salatöl aͤußerſt 
beliebt fl und auch in der Delmalerei Anwendung findet, weil es leicht trodket. 
In Bezug auf Härte und Größe der Frucht unterfcheidet man mehre Spiels 
arten des W.es. aM. 
Wallonen, heißen die Bewohner des Landes zwiſchen der Sie nt A, 


594 Wallraf. 


im weitern Sinne aber werben alle Diejenigen Bervohner von Hennegau, Namur, 
Luremburg, Limburg und theilweife des Stifto Lürtich darunter verftanden, welche 
die walloniſche, da i. altfranzöfifche Sprache reden. Auch ein wallonifches 
Brabant Fannte man früher, deſſen Name wohl vom altveutichen wahl - fremd, 
berfommen dürfte. — Auch ift W. ver Name für die franzöftichen Neformirten 
in den Niederlanden, ba dieſe bier Schuß gegen die Verfolgungen in ihrem Bater- 
lande fuchten. 

Wallraf, Ferdinand Franz, ein durch Gelehrfamfeit, Kunftfinn umd die 
rößte Baterlandliche ausgezeichneter Mann, geboren den 20. Zult 1748 m 
ln am Rhein, befuchte, großen Fleiß und reiches Talent zeigend, die höheren 

und ‚niederen Schulen feiner Vaterftadt, widmete ſich dann auf der Kölner Uni- 
verfität dem Studium der Philofophie, alten Sprachen und Geſchichte, erhielt 
nach Beendigung feiner afademijchen Studien die Würde eines Magister philo- 
soph. et liberal. artium und übernahm eine Stelle am montaner Gymnaftum. 1772 
würde W., der auch Theologie ftubirt hatte, zum Priefter geweiht, in — 27. Lebens⸗ 
jahre gab er Proben feines originellen Dichtertalentes, von denen beſonders der „Hym: 
ns an die Natur“ bemerlenswerth iſt. Gefang und Saitenfpiel erheiterten befonders 
das Gemüth des Funftfinnigen Mannes und mit Karl von Dalberg trat er im einen 
eifivollen Briefwechſel über Ideen von mufifalifher Poefie und muſilaliſchet 
etaphyfif. 1783 bereiste er, ald Begleiter eines Kölner Domfapitularen, des 
Reichsgrafen von Deitingen- Baldern, Schwaben, wo fein Gemürh vielfache be 
lebende und fruchtbringende Eindrücke empfing. ALS der Kurfürft Marimilien 
Ftiedrich von Köln 1784 ftarb, fertigte W. die Infchriften zur Leichenfeier im 
Kölner Dom an: fie waren im vollendetften römſſchen Lapivarfiyle — 
und erregten ſelbſt die Bewunderung Heyne's in Gottingen. Um jene Zeit trat 
B. im die philoſophiſche Falultät der Univerſität feiner Vaterſtadt ein umb trug 
Aefthetif vor; 1786 wurbe ihm die Aufficht über den flädtifchen botanifchen Garten 
und eine orventliche Profeffur der Naturgefchichte übertragen, auch erhielt er die 
Stelle eines Kanonifus bet dem hochadeligen freimeltlichen Stifte zu St. Maria 
in Capitolio. 1788 ertheilte ihm die Fölnifche Univerfität den Grad eines Dr. med. 
et philosoph. 1794 wurde er zum Rektor der Hochichule ermählt, Isgie aber dieſes 
Amt nad) vier Jahren nieder, weil er, den durch die franzöflfhe Regierung von 
den Priefern geforderten Eid, „Haß dem Königthume“ nicht ſchwoͤren wolle. 
Nach Aufhebung der Kölner Univerfität wurde W. Kanonilus bei St. Apofteln 
und Profeſſor der Geſchichte und fchönen Wiflenfchaften an ver meuerrichteten 
Centralſchule. Die in jene Zeit fallenden ſchriftſtelleriſchen Arbeiten W.'s aus 
dem Gebiete der Rumtsmatif, Geſchichte und Kunftgefchichte machten feinen Ramen 
im Auslande berühmt. Zu diefen Arbeiten gehört Die claffifche Befchreibung der 
Münzfammlung des Domberrn von Merlo und die „Sammlung von Beiträgen 
zur Geſchichte der Stadt Köln und ihrer Umgebungen”, fowie auch das „Taſchen⸗ 
buch der Ubiner“, 1797—1804. Auch ais geiftlicher Liederdichter im alten 
Kirchenſtyle und als Eomponift zeichnete fich & dur) den Hymnus an die hl. 
Drei Könige: „Salvete sacra pignora“ aus, wie überhaupt der, als Priefter und 
Gelehrter gleich hochachtbate, Mann Feine Detegenpeit vorbeigehen ließ, um das 
großartige des katholiſchen Kultus und die äußere Verherrlihung der Kirche 
mittelft der bildenden Künfte darzuftellen. 1803 ernannte die mineralogifche Ge 
— zu Jena unſern W. zu ihrem korreſpondirenden Mitgliede; 1808 wurde 
er Mitglied des Athenäums der franzöſiſchen Literatur, 1809 des Frankfurter 
Mufeums der Alterthümer. Im Dezember 1812 machte W. eine kunſtwiſſen⸗ 
fchaftliche Reife nach Paris, trat bald nachher in nähere Verbindung mit Goͤthe, 
erner, Fiorillo und A., leiſtete 1815 mit den Landesdeputirten in Aachen vem 
presßifchen Königehaufe den Eid der Treue und empfing bier, wie bei anderen 
Gelegenheiten, von den höchften Perfonen Beweiſe befonderer Hochachtung. 1816 
reiste W. nach Göttingen und machte hier die Bekanntſchaft Blumenbadys; 
1818 ernannte ihn die Berliner Geſellſchaft für deutſche Sprache zu ihrem Mit: 


Dallrath — Walmoden· Giern. 695 


glieve, die Marburger naturwifienfchaftliche Geſellſchaft zu ihrem Ehrenmitgliebe. 
— Bon einer fhweren Krankheit genefen, feste er (1818) feine Vaterſtadt zur 
Erbin feines an Kunſtſchähen fo reichen Mufeums ein, worauf ver Kölner 
Stadtrath dem patriotifchen Geber eine PBenfion von 1500 Thalern bewilligte. 
Diefe wendete der nneigenmüblge Mann an, um eine Sammlung römtfcher | 
tifen, welche nach England verlauft wernen follte, zu erwerben. Damals ertheilte 
Fi König Friedrich Wilhelm MI. den rothen Wolerorben II. Elaffe und eine 
enfton von 630 Thalern. W. fein nahed Ende fühlend, führte nun noch ein 

längft gebegtes Borhaben aus, indem er am Geburtähaufe des Malers Rubens, 
das zugleich das Sterbehaus der Marta von Mebicis if, zwei große Denkſteine 
mit von ihm verfaßten Inſchriften einmauern lie. Am 20. Zult 1823 feierte 
der edle Greis fein Priefterjubiläum, das ein allgemeines Feſt für die Bewohner 
Kölns war; an diefem feftlichen Tage erhielt er auch von der Töniglichen Ge⸗ 
ſellſchaft der Alterthumsforſcher in Frankreich das Diplom eines korreſpondirenden 
Mitgliedes. Am 18, März 1824 ſchied der trefflihe Mann aus dem Leben; in 
ihm verlor die Kirche einen würdigen Priefter, die Wiffenfchaft einen gründlichen 
Forſcher, die Kunft einen hohen Verehrer, die alte Rheinſtadt Köln aber ihren 
erfien Bürger, ver fo lange ihre Zierde und ihr Stolz gewefen war. Sein 
Andenken lebt unter feinen Mitbürgern, wie unter den Freunden und Verehrern 
der Kunft, durch W.'s herrliche Stiftung, das W.ſche Mufeum, fort. Diefe feltene 
Kunffammlung beſteht and einer 13,428 Bände zählenden Bücherfammlung, 
worunter über 1050 Incunabeln, 5241 Handfchriften und 488 Urkunden, einer 
Sammlung von 10,000 Städ Petrefalten und Erzſtufen, einer großen, in neuefler 
Zeit durch Ankauf treffliher Gemälde, wie Leſſing's Kloſterhof im Schnee, Ben» 
demann’8 trauernde Juden vermehrte, Bildergalerie und einer Sammlung von 
Kupferftichen, Handzeichnungen, Holsfchnitten, Antiken, römifchen Alterthümern, 
Gemmen und 5958 Münzen. Dr. Wilhelm Smet’s, der nun auch beimgegangene 
Dichter und Priefter, hat W.s Leben gefchilvert in der Schrift, „I. Fr. W., ein 
biographiſch⸗panegyriſcher Verſuch“, Köln 1825. C. Pfaff. 

Wallrath, (Sperma ceti, franz. Blanc de baleine), iſt daß, in einer Höhlung 
in dem ln des Bottfifches (ſ. d.) befindliche, wachsartige Fett. In dem 
lebenden Zuftande des Thieres iſt es eine ölige, weiße Stüffpfeit, die aber 
ſogleich nach dem Tode defielben ftarr wird. Guter W. ftellt eine weiße, bläts 
terige, weich anzufühlende Maſſe von mildem Gefchmad, ſchwachem Geruch und 
einem fpezififchen Gewicht = 0,93 dar, 1d8t fi) in 28 Theilen Fochendem Wein- 
geift, fehr leicht im Yether und Delen auf. Er befteht aus einem eigenthümlichen 
(W.⸗)Fett und etwas (W.⸗Oel. Am meiften wird er zu Lichtern verwendet, 
die ein ſchönes Anfehen haben und fehr hell und langfam brennen; übrigens 
dient er auch in der Medizin, zu. Seifen und PBomaden ıc.. Die Vereinigten 
Staaten follen im Jahre 1820 gegen 280,000 Pfund WB. - Lichter ausgeführt 
haben. Ein großer Potrfifch Liefert über 5000 Pfund, nad Ecoresby fogar bis 
10,000 Pfund W. C. Arendts. 

Wallroß (Trichecus Rosmarus), aus der Ordnung der Robben, hat flofien- 
artige Fuͤße; die hinteren liegen am Ende des Schwanzes, der Leib if fpinvel- 
förmig, 12 — 18 Fuß lang und ebenfoviel Eentner fchwer, der Kopf, im Ber- 
haͤltniß zu dem ſtarken Rumpfe fehr Hein, mit großen, abwärts herausſtehenden 
Edzähnen bewaffnet, welche 5 — 10 Pfund fdywer und gegen 2 Fuß lang find. 
Die Zunge if gefpalten, ver Leib mit kurzen gelblichen Haaren bebedt. Das 
W. nährt ſich von Seegras und Schalthieren und fie leben zu Hunderten auf 
dem & PN von — Nowaja⸗Semlja und Grönland. Gefährliche Feinde 

ben fie an den Eidbären und Walen. Man erlegt fie mit Harpunen und 

enützt das Fett, die gegen vier Zentner ſchwere, außerordentlidy dide Haut und 
die Zähne, welche treffliches Elfenbein Kiefern. 

Walmoden -Gimborn, ein altes niederfächftiches Adels N dad die 
Herrfchaften Simborn u. Neuſtadt in Weftphafen und 1783 vor LS IITITN 


6396 Walpole — Walpurga, 


die aelhegräfine Würde erhielt und ſich in bie beiden Linien Walmoden- Wal: 
moben und Walmoden- Cimborn theilte, von denen nur noch bie leßtere befteht, 
deren Haupt Graf Ludwig Georg Thedel, 1769 zu Wien geboren, iſt. Erft in 
hanndverifchen, dann bis zum Baſeler Frieden in Feen Dienften, zeichnete 
er fich im Öfterreichifchen Heere feit 1795 als glüdlicher Barteigänger aus, ſchlohß 
1809 den a] awifchen Defterreich und England, erhielt bei Wagram 
den Therefienorden, befehligte bis 1813. als Feldmarfchalllieutenant eine Divifion 
in Böhmen, dann. in Huffikhen Dienften. die deutſche Feglon gegen Davouft in 
Medienburg und trat nach dem zweiten PBarifer Frieden im fterreichiiche Dienfte 
zurüd. Don 1817— 1823 befehligte er in Neapel; zulegt war er General da 
Cavalerie, geheimer Rath, Inhaber de& festen Küraffierreniments, comman- 
— General des erften Armeecotps in Oberitalten und Militärcommandani 
in Mailand, 

Walpole, 1) Robert, Graf von Orford, geboren 4674 zu Hougbten, 
dem alten Wohnfige feiner Familie, bereitete fih zu Cambridge zum Staatödienft 
vor und wurbe ſchon in jungen Jahren Mitglied des Umnterhaufes, in welchem 
er, wie immer, zur Partei des Hofes hielt u, fie mit der größten Berebtfamkit 
vertheldigte. Schon 1707 ward er Mitglied des Admiralitätecollegtums und im 
en Jahre Kriegöfekretär, verlor aber bei Matlborough's Sturze feine Stell. 

ein König Georg I. üdertrug ihm bald ‚neue Aemter und machte ihn fogar 
zum geheimen Rathe und Striegszahlmeifter, von welcher Zeit. an feine Macht 
im Parlamente und fein Anfehen bei Hof wuchs. Er bewirkte eine Unterfub- 
ung gegen das Miniſterium der Torh's unter Anna's Regierung, um zu bes 
welſen, daß dieſes Minifterum es mit Frankreich gehalten und den Prätendenten 
unterftügt und den Utrechter Frieden nicht genau beobachtet habe. Seitden 
er 1721 Kanzler geworden war, fuchte er den Staat in feinem Innern zu vers 
beffern und die Nationalichuld zu vermindern. Ungeachtet er an den Freunden 
der vorigen Renterung große Feinde befam, fonnte ihm doch Niemand fhaden, 
da er auf alle Art die Wartet des Hofes verftärkte. Unter feinem Minifterium, 
das auch unter Georg's IL. Regterung fortdauerte, flieg Englands Macht immer 
höher ; beſonders that er ſehr viel für die engliſchen Colonien und die Induſttic. 
So fland er 20 Jahre lange am Ruder des Staats und leitete während dieſer 
Zeit viele große Staatöbegebenheiten. Da aber 1741 ein neues Parlament ge 
wählt wurde und die Gegenpartei des Hofes die Oberhand befam, faßte er den 
Eniſchluß, alle feine Wemter niederzulegen und der König gewährte ihm feine 
Bitte, erhob ihn aber dabei mit dem Titel eines Grafen von Drford zum Pair 
und gab ihm eine Penfion von 4000 Pfund Sterling. Seine Feinde verlangten 
eine Unterfudung über feine Staatöverwaltung, die zwar angefangen wurde, 
aber bald ind Stoden gerieth und W. farb, geliebt von feinem Könige und mit 
dem Ruhme eines Staatömannes und Batrioten, im März 1745. — 2) ®, 
Horace, Sohn des Vorigen, geboren 1717, erhielt eine forgfältige Erziehung, 
die er auf Reifen in's Ausland vollendete und wurde 1741 Mitglied des Unter: 
haufes, 1 fpäter von den öffentlichen Geſchäften zurüd und widmete fih 
ganz den Wiffenfchaften. In feinem Landhaufe bei London legte er eine Druderd 
an, diudte feine eigenen und andere Echriften, die er aber nie verkaufte, ſondern 
verfchenkte. Er ſtaib zu London den 2. März 1797. Man hat von ihm: „Ca- 
talogue of the royal and noble authors of England with lists of their works‘ 
2 Bde., London 1759; „Postscript de Ihe royal and noble authors,“ eben). 
1786; „Anecdotes of painting in England with history of modern taste in gar- 
dening,* A Bde., ebend. 1762— 71, 4.; „The castle of Olranga a gothic 
history,“ ebend. 17655 Parma 1791, 4.5 Sämmtliche Werke, 5 Bve., London 
1798, 4.; deutſch, unter dem Titel: „Hiftorifche, literarifche und unterhaltend 
Schriften von H. W.," von A. W. Schlegel, Leipzig 1800. 

Balpurga, oder Walpurgis, die Heilige, Aebtiffin zu Heidenheim im 
8. Jahrhunderte, war in England geboren u. eine Nichte des dei gen Bonifa— 


| Walfingiam-— Walter. 697 
zius cf. d.) u. Schwefter des heiligen Wilibald, Biſchofs zu Eichſtädt. Sie bes 
gab ſich in Has Kiofler nn wo die heilige Tetta «estiffin war -und nach 
einigen Jahren, ungefähr in der Mitte des 8. Jahrhunderts, dem Wunfche des 
Bonifaztus gemäß, nach Deutfchland, wo fie in dem Kiofler Bifchofsheim fo 
lange ald Klofterfrau fidy befand, bis das Klofter Heidenheim in Franken von 
Wılibald erbaut u. fie von diefem als Webtiffin des, zugleich hier mit errichteten, 
Frauenkloſters eingelegt wurde. Ihr frommes eremplarliches Leben bewog Biele 
zur Annahme des Chriſtenthums und ihre Tugenden und das viele Gute, was 
fie Riftete, gab bald nad) ihrem Tode (ber ungefähr 776 bis 78 erfolgte) Ver⸗ 
anlaffung, fie als Heilige u. Wunverthäterin zu verehrten. — In einigen Degen: 
den werden in der Nacht vor dem Walpur istehe (1. Mal) noch manche ⸗ 
gläublihe Senblumgen begangen: fo das W.⸗Feuer, wo das gemeine Volk am 

‚s Abend Strohmwifche, an lange Stangen gebunden, anzündet und damit hers 
umläuft, um, ihrem Wahne nad, für Menfchen und Vieh die böfen Einflüſſe u 
verhindern, welche die Heren (ſ. .d.) bei ihrer, für diefe Nacht vorjuneh menden 
Spazierfahrt etwa Binterlaffen möchten. Beſonders gehört dahin auch bie : 
berüchtigte W.⸗Nacht vor dem 1. Mat, wo, nad dem befannten Boll» 
aberglauben, die Hexen auf dem Blodöberge große Aſſembloͤe halten und 
un nem te und anderen böfen Geiſtern jehr vertraute Gonverfationen vers 
anftalten follen. 

Walfingham, Sir Francis, ein britifcher Staatdmann, wurde 1536 gu 
Ghifelhurft in der Grafſchaft Kent geboren und war der Abkoͤmmling einer alten 
Adelsfamilie. Seine Studien machte er zu Cambridge, hielt fidy während ber 

terung der Königin Marta, der Religion wegen, im Yuslande auf und wurde 
«O0 als Geſandter nady Frankreich geichidt, wo er der Königin Eliſabeth mit 
toßer Treue und Gefchidlichkeit diente. Nach feiner Rüdkunft wurde er 1573 

taatöfefretär und nım lenkte er die wichtigften Staatöhändel mit feltener King: 
beit und der feinften Verſchlagenheit. Er befaß eine ganz ungemeine Geſchid⸗ 
lidyfeit, die geheimen Gedanken der Menſchen zu entdeden und zu benüßenz zu 
dieſem Zwecke hatte er an den meiften Höfen der Ehriftenheit feine Spione, denen 
er jehr große Gehalte gab; denn feine große aatöregel war, „daß die Erforfch- 
ung der Gabinetögebeimniffe nie zu heuer wäre.” Durch geheime Operationen 
hielt er das Auslaufen der unüberwindlichen Klotte um ein Jahr auf und bes 
[häftigte die Feinde Englands durch innerliche Unruhen, die er Öronfreidh und 
Spanten bereitete. Er iegte in England den Grund zur proteftantifchen Kirche 
in Anfehung ihrer politifchen Derfaftung und machte den Hauptanſchlag zur 
Ausrottung der römifchsFatholifchen. Gigennügig war er übrigens nicht im 
mindeften Grade und fo flarb er denn nu den 5. April 1590 fo arm, daß ihn 
feine Freunde zur Nachtzeit in der St. Pauluskirche begraben mußten, damit 
man nidyt Schulden halber Arreft auf feinen Körper legte. S. „The compleat 
Ambassador etc. comprised. in letters of negociation of Fr. Walsingh. collec- 
ted by Digges,“ London 1655, Fol.; franı. Amft. 1727, 4 Vde. 

Walter, Gerdinand, geboren zu Wetzlar 1794, machte feine Vorſtudien 
an der, damals auf franzöfifchem Fuße eingerichteten, Lehranftalt zu Köln, nahm 
hierauf 1813 in einem bontfchen Kofafen» Regimente an dem deutſchen Befrei⸗ 
ungskriege Antheil und bezog 1814 die Untverfität Heidelberg, um daſelbſt bie 
Rechtswiſſenſchaft zu ſtudieren. 1818 erhielt er eine ordentliche Brofefiur an ver 
damald neuerricyteten Univerfität Bonn, wo er hauptfächlich die Fächer des 
fanonifchen Rechtes, des deutſchen Privatredhte und der römifchen und deutſchen 
Rechtögefchichte vorträgt. Sein Lehrbudy des Rirhenzehtd, deſſen erfte Auflage 
1822, die zehnte 1846 erfchlen, hat ihm nicht nur in Deutfchland, fondern ad 









In Sranfreih den Ruhm eines der gründlichfien Kanoniften erworben und au 
Papft Gregor XVI bat den Werth dieſes Werkes anerkannt, indem er 1 
defien Berfafier mit dem Orden des heiligen Gregorius des Großen uegel nete. 
Weitere Werke von W. find: „Corpus juris germanici oni) Ui y 


6 - Walther 
3 Bbe.; „Juris Maliei capita,“ ebend. 1836; „Gefchichte des römiſchen Rechte 
bio auf Juſtinian,“ 2 En, 2. Aufl, Bonn 1845— 46. 

Balther von der Bogelmweide ftammte wahrſcheinlich aus einer adeligen 
Familie im obern Thurgan, lebte, als Achter Hofpichter, abwechfelnd am den 
Höfen von Deflerreich, Thüringen, der Hohenftaufen Philipps und Friedrichs IL, 
wie auch Dito’3 IV.; ferner zu Mödling, Aquilefa und bei den Fürſten von 
Kärnthen und farb bald nach 1230 und joll zu Würzburg begraben ſeyn. bel 
geboren, dabei arm und zum fremden Dienfte gerät t, bat W. frühe, aus 
tiefem Berufe, die Dichtkunft zur eigentlichen Herrin erwählt, wie dad gefammte 
Baterland zur Heimath. Unbedenklich nimmt er für feine Dienfte Unterhalt und 

ſchenlke. W. ıft-einer der berühmteften Dichter, ſowohl nad der Zahl, ale 
auch nach der Bedeutung feiner Lieder: Minneliever, Botenlieder, Gefpräche, 
——— Kreuzlieder (er machte höchft wahrſcheinlich ſelbſt einen Kreuzzug mit), 
2ob- und Preislieder, Straf und Rügeliever, Eprüche und gute Lehren. In 
im vereinen ſich alle die —— Stimmen des Minnegeſanges in vollem 
fange und Tiefe und find zur höchſten Ausbildung BecHE Er fang die 
Minne in allen ihren Abftufungen, von dem lichlichften Abenteuer auf der bfum- 
igen Halde, bis zur höchiten und Heiligften Srauenverehrung. ‚Aus ihm ſpricht 
vor allen auch die innigſie Baterlandsliebe, das ſchönſte Selbſtgefühl des Preiſes 
deutfher Männer und Frauen an Zucht und Schönheit vor allen durchwanderien 
Ländern; an allen öffentlichen Greignifien der damaligen mächtig erregten Zeit 
der Kreugüge und des Kampfes der Hohenftaufen mit den Päpften, am allen 
wichtigen Angelegenheiten des deutjch-römifcyen Reiches nimmt der edle, freie 
Dichter an den Höfen der Kaifer, Könige und mächtigften deutfchen Für 
und bei ihren Reichöverfammfungen den herzlichftn Theil durch feine gemiß ni 
unmirkfame Rede, Ermahnung, ob und Rüge, ſtets für die Würde und Melt: 
hertlichfeit des deutſchen Reiches, meift gegen die, nach feiner Anficht angemaßte, 
weltliche Gewalt des Papftes (nicht gegen den Papft als Dberhaupt der Kirche, 
denn biefen verehrt der Dichter), bis das Alter feinen Blick auf das unvergäng 
liche Himmelreich richtet. Seine Verbindung des fahrenden Sängers mit dem 
Nitter und Reichslehnsmann, fein Aufenthalt immer an den Höfen, immer bi 
ten Beflen und vor Allem fein überlegener Geift, der hohe Ernft und die fcharfe 
Ironie bei dem herzlichften, Daterländfieen Sinne machte feine, mit dem ächten 
Gepräge des Dichters erklingenden, Worte zur wahrhaften Volköftimme; zugleih 
war er in feinen Gedichten ver Rath des Kaiſers und der Fürften. Wie ver 
Dichter in feinen Kreuzliedern die Hülfe Gottes, feines Sohnes, Maria’s un 
der Engel anruft, Chriſti Leiden vor Augen ſtellt und überall in feinen ernften 
Gedichten den Glauben und die Gotteliebe als das Höchfle verfünbigt: fo ver 
gi er auch fonft nicht des @ebetes, obwohl er bereut, daß es zu felten geſchieht 
‚eine Gedichte find beſonders herausgegeben von K. Lachmann, Berlin 1827, 
neue Ausg. 1843, ſtehen auch (mit einer umfaflenden Biograpfie und Eharafter; 
MH in H. v. d. Hagens Sammlung der Minnefänger. Bergl. noch UÜhland's 
Schilderung des Dichters, Stuttg. 1822. 

Walther, Philipp Sranz von, F. bayerifcher Geheimerrath, Univerfitätes 
Profeſſor und Leibarzt des Königs, geboren den 3. Januar 1782 zu Burweilet 
in Rheinbayern, Sohn eines Juſizamimanns, befuchte das Gymnaflum zu Speyer 
und in Heibelberg, widmete fi dann dem Studium der Heilfunde an der Uni⸗ 
verfität in Heidelberg und in Wien und wurde 1802 an der Univerfität Lande 
but zum Med. Dr. promovirt. Gr unternahm nun eine wiflenfchaftliche Reife 
nach Paris, wurde nach feiner Rüdkehr 1803 Furbayerifcher Medtzinalrath und 
Oberwunbarzt des Bpitale in Bamberg, 1804 aber ordentlicher —T— der 
Chirurgie an der Univerfität Bier 1808 erhielt er mit dem Verdienſtorden 
der bayerffchen Krone den perfönlichen Adel; 1819 wurde er als ordentlicher 
Profeſſor der Ehirurgie an die neuerrichtete Univerfität nach Bonn berufen; 1824 
wurde er k. preußtfcher Geheimer-RMedizinalrath; 1830 folgte er einem Rufe an 


Wallthiere — Wanderndes Vtt. 699 


: Univerfität Munchen als ordentlicher Profeſſor der Chirurgie, Direktor ver 
irurgiſchen und augenaͤrzilichen Klinik, Geheimerrath und Leibchirurg des Koͤ⸗ 
38; 1837 trat er von der Leitung der Klinik zuräd; 1844 wurde er Leib⸗ 
zt des Könige. — W. gehört zu den ausgezeichneteſten Aerzten feiner Zeit; 
Deutfhland dürfte er unbedingt als ver erſte Ehirurg und Augenarzt 
zuerfennen ſeyn. Gr hat mächtig beigetragen zur GEntwidelung der deutſchen 
irurgie, deren Gefammtgebiet er nad) allen Richtungen zu erweitern bes 
fen war; vorzugöweife aber hat er das Gebiet der Augenbeilfunde er 
itert und erleuchtet. Richt nur durch feine Schriften hat 19 W. uns 
rgängliche Verdienſte erworben, fondern auch durch die Heranziehung tüdhts 


ꝛx Schüler, die im Geiſte des Meifters wirken. Er war vermöge der Bors 


flichfeit feiner Borträge ſtets einer der gefchästeften Lehrer und iſt es nodh 
it. — Bon WB Schriften find die wichtigeren: „Phyſtologie des Menfchen“, 
Bde, Landöhut 1807. — „Abhandlungen aus dem Gebiete der praftifchen 
dedizin, befonders der Chirurgie und Augenheilkunde“, Landoh. 1810. — „Sys 
m der Chirurgie”, bisher 4 Bde. (3. u. 4. Augenheilkunde), Karlörube und 
eiburg 1833—1848, 1 Bd. in 2, Aufl. 1843. — Außerdem finden fidy zahl 
he werthuolle Abhandlungen von W. in . verfchiedenen Zeitfchriften, naments 
b im „Journal der Chirurgie und Augenheilkunde“, deſſen Mitredakteur er feit 
ſſen Mh 1820 if. E. Buchner. 

Walltpiere, fe Cetaceen. | 

Walze ift im Allgemeinen gleichbebeutenn mit Eylind er (f. d.). Je nah 
E verfchiedenen Anwendung unterfcheidet man: 1) W.n zur Kortfchaffung großer 
fen; 2) Wn zum Zerdrücken der Erdklumpen, fogenannte Ackerwalzen; 3) W.n 
m Zerquetfchen des Getreides, der Samenförner, Früchte ıc.; 4) W.n zum 
treden und Plattdrücken gewiſſer Metalle; 5) W.en zum Druden und Glätten 5 

W.en zum Ausprüden der Getreidekörner und zum Brechen des Flachſes; 7) 
‚en zur Leitung der Seile und zur Verminderung der Frictton, flatt der Rollen; 

W.n in Spieluhrn. — An Rädern angebracht, heißt vie W. gewöhnlidy 
elle oder Wellbaum. 

Balzende Grundflüde heißen foldye Theile eined Grundſtückes, die nicht 
m geiählofienen Eomplere eines Gutes gehören und no Belieben wieder davon 
räußert werben lönnen; walzende Güter, die unter die Erben ohne Unter fepich 
rtheilt werden; walzende Berichte, wo die Richter und Schöppenämter 
re Reihe nach berumgehen. 

alzer, ein deuticher Rationaltanz von fehr munterer Bewegung, im £, au 
Takt, aus zwel oder mehren Reprifen, jede aus 8 oder mehren, felten über 16, 
akten beftehenn. Er führt durch die, in feiner Eompofltion ausgezeichneten, Künft- 
: Strauß, Lanner und Andere unpabtige, of feltfame und felbft Lächerliche, 
einamen und bat faft jede andere ſolide zmuflf verbrängt. Diefes Uebers 


- s PL 


18 muß nothwendig wieder feine Befchränfung zur Folge haben und feit mehren | 


ihren ſcheint auch wirklich bereits die Cinleitung dazu getroffen zu feyn. 

Walzwerk, f. Stredmafdine. 

Wan, bef ipte Hauptftadt des gleichnamigen Ejaletd in der aftatifchen 
irfei, fehr vortheiihaft am See gleiches Namens peie en, der 11 Meilen lang 
d gegen 7 Meilen breit, fehr fiichreich und falzig it, weßhalb auch vie Bes 
ohner der Stadt und Umgegend beträchtliche Salzfieverei treiben. Die Stabt 
Sig eines Pafcha, rei an Reften alter Denkmäler, die fchon im 5. Jahr⸗ 
ndert nad) Chriſto von Mofes von Ehorene befchrieben und 1827 von “Bros 
for Schulz aus Gießen aufs Neue unterfucht wurden. Die Zahl der Ein, 
ohner beträgt bei 20,000. — Die Stadt fol im früheften Alterthume I bedeutend 
id häufig die Reſtdenz der aſſyriſchen und perfifchen Könige geweſen feyn. 

Wandernded Blatt (Phyllium), ein ver Heufchrede ähnliches Inſekt, das 
n Ramen von feinen Ylügelveden trägt, weldye auffallend bürren Bfättern 


200 Wandlung — Wangenheim, 


geiden, ‚Cine Art derfelben heißt, wegen ber aufgerichtetn Borberfüße, Gottes, 
anbeterin. 

En f Meife. 

Wandsbek, ein Fleden im Herzogtbum Holftein, eine Stunde norvöftlih 
von Hamburg, mit einem Schloſſe des Grafen von Schimmelmann und 3200 
Einwohnern, befannt ald Aufenthaltsort des Dichters Matthias Elaudtus 
(G.d.), der ſich nad) diefem Drte den Wandsbeder Boten nannte u. dem hier 

im Denkmal errichtet wurde, 

Wanen heißt in der ſtandinaviſchen Mythologie eine Völlerſchaft, deren 
Mohnfig, Wanaheim, aäntich unbeftimmt ift u. welche man bald an den Don 
(Zanai6), bald an das Nordcap (Finnen, Banen, Wanen) verfeht, welche nur 
dadurch merkwürdig wird, daß fie mit den Aſen in eine lange dauernde, entfep 
liche dehde verwidelt war, die zu beider Vernichtung führen zu wollen ſchien, 
biß man endlich Frieden ſchloß und zur Beftätigung defielben Geißeln gegen ein 
ander austaufchte, fo daß die Afen Niord, Freya und Freyr, die W. aber Hänet 
und Mimer erhielten; auch fpieen beide Parteien in ein Gefäß, aus deſſen Ju 
halt die Afen den weifen Duafer erſchufen. Die W. feheinen ein im Bötterdienfie 
wohl erfahrenes Volk geweſen zu feyn; denn ihre Geißeln führten die Verehrung 
der Göiter bei den Afen ein, dagegen ſchienen fie der Staatd- und Regierunge⸗ 
Tunft — denn die Aſen fegten ihnen Häner zum Könige und gaben dem 
felben den welſen Mimer ald Rath zur Seite, woraus auch eine Art von Unter- 
IHRER der W. unter das Joch der erobernden Ajen hervorgeht. A 

angenheim, Karl Auguft, Freiherr von, löniglich württembergifcher 
Staatdminifter und verdienter Staatsmann, aus einem altabeligen Geſchlechte 
4773 zu Gotha geboren, ſtudirte auf dem dortigen Gymnafium und hierauf auf 
den Univerfitäten zu Jena und Erlangen, Anfangs Theologie und hierauf Rechte 
wiffenfhaft. 4795 wurde er Afieffor bei der Landesregierung in Koburg, bald 
darauf Rath in derfelben und fpäter geheimer Aſſiſtenzräth im Miniftertum, von 
wo er 1803 wieder ald Vicepraͤſident an die Landesregierung verfegt ward. Da 
er aber als folcher über die Verwaltung des Minifterd von Kretihmann amtlih 
ein ungünftiges Urtheil füllte, zog er fich deſſen Feinpfchaft zu und ward den 29. 
März 1804 plöglich feiner Dienfte entlaffen. Cine, debhalb bei dem Reichshof: 
rathe in Wien erhobene, Klage ward zwar dahin entfchieden, daß W. wieder in 
feine Stelle eingefegt, ihm rechtliche Genugthuung gewährt und der rüdftändige 
Gehalt ausgezahlt werben follte;s doch verhinderte die Auflöfung des beutfchen 
Reichs die Ausführung dieſes Urtheild und W. lebte nun als Privatmann in 
Hildburghaufen, mit ftaatswiflenfchaftlichen Studien befchäftigt, bis ihn ein Auf 
trag ded Herzogs von Hilpburghaufen nach Stuttgart führte, wo ihm der Gin 
tritt in württembergifche Staatödienfte angetragen wurde und er am 11. Novem: 
ber 1806 Präfdent des Oberfinangdepartementd ward. Mit großem Eifer wid- 
mete er fidy feinem neuen Berufe und brach die Bahn zu einer beffern Einricht⸗ 
ung des Finanzweſens; aber fchon im November 1809 ward er von hier wieder 
entfernt und zum Praͤſidenten der Oberregierung ernannt, von weldyem Poften er, 
nad) Aufhebung diefer Behörde und nachdem er eine Landvogtſtelle ausgefchlagen 
hatte, zum Präftventen des Obertribunald und zum Curator der Univerfität Tü- 
Dingen ernannt ward (im Sept. 1811). Segensreich wirkte er hier, befonberd 
im legtern Amte, mehre Jahre, erregte aber plöglich 1815 durch feine Kritif der 
neuen Berfaffung Württembergs vom 15. März 1815 in der Schrift: „Ideen der 
Staatsverfaffung in ihrer Anwendung auf Württembergs alte Landeöverfaflung 
und den Entwurf zu deren Erneuerung“ (1815) bei Hofe ein großes Mißfallen 
und ward daher durch feine Berufung zum Mitglieve der Verfaſſungscommiſſton 
(im Oftober 1815) fehr überrafht. Im derfelben war er die Hauptperfon und 
füchte dem gemachten Entwurfe auch in der Stänbeverfammlung Anerkennung zu 
verfchaffen; doch trat der Tod des Königs Friedrich (den 30. Dftober 1816) 
bindernd dagegen und furz darauf (den 8, November 1816) ward W. zum Eul- 


Bargeroge. u." 


tusminifter ernannt. Sn diefer Stellung vertheidigte er felt dem März 1817 den 
Berfafiungsentwurf von Neuem und ſuchte denfelben, als der König die Ber- 
fammlung, mit der er fi wegen Annahme veflelben nicht vereinigen Tonnte, aufs 
löste, ins praftifche Leben einzuführen. In feiner Verwaltung hut te W. ents 
ſchieden dem ſtaatskirchlichen Syſteme, unter welchem namentlich die katholiſche 
Kirche Württembergs Bieled zu leiden hatte (vgl. die Artikl Oberrbeintfche 
Kirchenprovinz und Keller). — Meinungspifferenzen, welche ſich zwiſchen 
dem neuen Finanzminifter Malchus und W. erhoben, veranlaßten lehtern, um feine 
Entlaffung nadyzufuchen, worauf er im November 1817 als Bundestagsgeſandter 
nah Frankfurt ging. Auch bier nahm er an allen wichtigen Angelegenheiten den 
thätigften Antheil; hatte er aber bei der, durch feine Anfichten und Maßregeln 
bei anderen Bundesmitgliebern erregten, Unzufriedenheit ſtets des Fräftigften 
Schutzes genofien, fo wurde er zulegt wegen einiger „Rotamina” in Militäran« 
gelegenheiten des Bundes von einer Bundesregierung bundesverfafſungswidriger 
Entwürfe beſchuldigt und, ungeachtet feiner öffentlichen Bertheidigungsfchrift an 
den Fürften Metternich, da endlich auch Unzufriedenheit gegen die württemberg- 
iſche Regierung laut ward, im Juli 1823 abberufen und penfiontrt. Seit vieler 
Zeit lebte er, theils in Dresden, theils in Koburg, wiffenfchaftlichen Beftrebungen 
und wurde im Dezember 1831 zum Abgeordneten des Dberamted Ehingen in Die 
zweite Kammer gewählt. Er reiöte deßhalb im Frühjahre 1832 nad) Württem- 
berg und traf vor der Eröffnung der Kammern (im Januar 1833) in Stuttgart 
ein. Aber troß dem, daß die ausgezeichnetfien Männer, felbf feine früheren dor 
titifchen Gegner, wie Uhland, zu feinen Gunſten fprachen, fo ward doch feine 
Wahl von der Kammer für nichtig erklärt „pa diefelbe nur auf einen im König- 
reiche wohnenden Staatsbürger fallen koͤnne,“ worauf er fidy wieder nach Koburg 
zurüdgog. — Ueber den lebten Vorfall vergleiche feine Schrift: „Die Wahl des 
Freiherrn von W. zum Abgeordneten der württembergifchen Stänveverfammlung 
im April und Mai 1832; nebfl einem Anhange über den beutfchen Bund und 
die Unmöglichkeit moderner Freiftaaten” (Tübingen 1832). 

Zöangeroge, berzoglich oldenburgiſche Infel in der Nordſee, unfern der 
Mündung der Wefer, durch den eine Meile breiten Kanal Wad vom Feſtlande 
getrennt. Sie ift ungefähr 8 Minuten breit und eine Stunde lang, war aber 
vormals, ehe die Sturmfluthen bier fo fchlimm hausten, wohl zehnfach rüber. 
Der Boden befteht aus lauter wellenförmig fich hebenden und fenfenden Sands 
hügeln und Niederungen mit fpärlicher Vegetation. Die Einwohner, gegen 400 
an der Zahl, nähren ſich hauptfächlich von der Schifffahrt und Fiſcherel u. der 
in neuerer Zeit bier eingerichteten Seebaveanftalt, welche ſtark befucht wird. Der 
auf allen Seiten fich ſanft in's Meer fenfende und mit einer feften Sandkruſte 
überbedte Strand bietet die bequemften Gelegenheiten zum Baden. Außer den 
berrfchaftlichen Gebäuden des Konverfationd» und Logirhaufes gibt es mehre 
moderne, von Spekulanten erbaute Wohnhäufer, und ein Theil der Babegäfte 
ſucht audy in den befcheidenen, aber fehr reinlichen Hütten der Inſulaner Unters 
funft. Weiter findet man auf WB. eine Seefalzfieverei und einen Leuchtthurm mit 
Drebfeuer, nämlich einem Lampenlichte, welches, um ed von den benachbarten 
Leuchtthürmen auf Helgoland und Borkum zu unterſcheiden, abwechfelnd nad) ges 
wiffen kurzen Zwifchenräumen fichtbar iſt und verfchwinde. — W. bedeutet 
Auge von Wangerland, wie der nörblichfte Küſtenſtrich der oldenburgiichen 
Derrichaft Jever heißt, mit welchem die Injel ehedem verbunden war, bis die 

Imbrifchen Fluthen zwei Jahrhunderte vor unſerer Seitrehnung fie vom %eft- 
lande abrifien. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts finden wir ihre Rhede bes 
det mit Raubfchiffen des kühnen frieſiſchen Häuptlingd Edo Wiemfen, und die 
Thürme ihrer beiden Kirchen zur Aufbewahrung der Beute und der Gefangenen 
dienend, welche der wilde Seefönig den Holländern abgenommen. Diefe rächten 
fih nad der Hand durch die gänzliche — der Inſel, und was aus 
dieſem Ruine wieder erſtand, verfiel allmählich dei Gewolt des Merıek | wörter 


t02 Banken — Wanfer, 


die fruchtbarften und Fultivirteften Thetle-überfluthete und theils verſchlang, theils 
tm Slugfande begrub, Das Seebad entftand im 3.1819. — Dr. Ehemntg: 
W. und das Eeebad, Bremen 1833. mD. 
Wanken der Erdachfe, [. Nutation. 
Wanten des Mondes, |. Mond. 
Wanfer, Ferdinand Geminian, Profeffor der Theologie zu Breiburg 
im, Breiögau und. defignirter Etzbiſchof ‘der dortigen Didzefe, geb. den 1. Dftober 
1758 zu Sreiburg, war der Eohn eines Wachszichere. Schwächlich und klein 
und-bei der Geburt faft für tobt bei Seite: gelegt, entfaltete doch nach einigen 
Jahren der Binfällige Knabe Luft zum Lernen und vielverfprechende Fähigkeiten. 
Der zarte, Ihwächliche Körperbau ließ ihn an den frohen Spielen feiner Mit- 
ſchület wenig Antheil nehmen, dagegen faß er größtentheild zu Haufe, trug von 
allen Seiten Bücher zufammen und wurde fo auf feine eigene Weife des Lebens 
froh. Bon feinen Mitſchülern war er wie ein Kleiner Lehrer geachtet umd erhielt 
jährlich regelmäßig die ausgefegten Preife. Als der Vermögensftand feiner 
Eltern durch widrige Ereignifle der Zerrüttung nahe kam, erhielt der edle Jüng- 
ling 1773 einen. Sreiplag: in der wohlihätigen Etiftung des Collegii Sapientiae. 
En floffen ihm eben fo ſtill, wie früher im elterlichen Haufe, die afademiichen 
jahre dahin, einzig feiner wiſſenſchaftlichen und firtlichen Ausbildung beflifien. 
Um einft die theologifche Doctorwürde anzufprechen, unterwarf er fich vor dem 
Abgange von der Freiburger Hochichule der firengen Prüfung und trat bierauf 
in das ‚bifchöfliche Prieſterhaus. Am 25. Mat 1782 vom Fürftbiihof Morimilian 
Chriftoph zum SBriefter geweiht, beganm er die Seelforge als Vikar im Dorfe 
Ka wurde bald ‚als Erzieher zu einem jungen Adeligen in die Stadt ge 
rufen, kerauf zur Pfarrei Wendeldheim von ver hohen Schule in Vorſchiag 
— Allein er bezog dieſe Pfarrei nicht, weil er gleich darauf zum erfn 
ubrektor in das kaiſerlich jofephinifche Seminar zu Freiburg, am 3. Dftober 
1783, ernannt wurde. In dieſem Berufe verfaßte er ein Lehrbuch für die Paftoral, 
welches zur völligen Ausarbeitung zu bringen er fpäter die Zeit nicht mehr 
fand; er legte die Grundzüge zu einem Lehrgebäude der chriftlichen Sittlichleit 
nieder. Mit rührender Kindesliebe unterftügte er feine Mutter, welche Witiwe 
genorden war und durch ihn find ihr gerade ihre letzten e die fchönften ihres 
'ebend geworden. Am 30. Auguft 1788 erhielt er den Lehrftuhl der chriftlichen 
Moral an der Univerfität. Nach feiner Methode pflegte er zuerſt jenen Begrifi 
auf des Genauefte zu beftimmen, beleuchtete ihn von allen Seiten, begründete ihn 
durch firenge Beweiſe und nun erft leitete er in logifcher Ordnung alle daraus 
refultirenden Folgerungen mit Bevächtigfeit und Umſicht ab, Nie hielt er Etwas 
im Halbdunfel, oder nebelte um ſich her, um die Einbildungsfraft aufzuregen 
und unfichtbare @eftalten hinter dem myſtiſchen Flore ahnen zu laffen, die man 
dann mit heüflingenden Worten befhwört, bis fie auch don Anderen geſehen 
werden. Nein, am lichten, heitern Pfade des Erlennens führte er die Zoglinge 
Schritt für Schritt in dad Gebiet der Wiſſenſchaft ein und bewirkte durch die 
Klarheit und den fchulgerechten Gang feiner Vorträge bei ihnen volle Neberzeugung. 
Die ungenügende Bearbeitung der früheren Lehrbücher der Sittenlehre bewog ven 
dſterreichiſchen Staat, eine desfallſige Aufforderung an feine Lehrer ergehen 
laffen und W.s Lehrbuch erhielt den Vorzug und behauptete ihn fortwährend 
den verfchiedenen, ſtets reicher ausgefatteten Kufla, en, (1794 erſchien die 1., 1803 
die 2,, 1810 die 3., 1830 die 4). Mit — vaterlicher Sorgfalt wartete 
und pflegte er die beiden fchönen Stiftungen von Sautier und Reibett für Erziehung 
weiblicher Dienftboten und Unterflügung armer Lehrlinge zu Handwerlern. i 
Jahre lange überwachte fein Wohlwollen den jungen Aufwuchs, Fümmerte ſich um ihr 
Süd und Fortlommen und verlor fie nie aus den Augen, bis fie feiner Sorge 
nicht weiter bedurften. "Das gleiche fhöne menfchenfreundliche Gefühl trieb ihn auch 
ind Waiſenhaus zur Heinern Jugend, ihre Nahrung, Pflege und Gefundheitsans 
Ralten in Augenſchein zu nehmen, ihren fittlichen Zuftand zu beobachten und, wo 


Bappen, | 703 
es nöthig fchten, Verbefierungen einzuleiten, ober vie wohl entworfene Einrichtung 
zu handhaben. Alles Aeußere nahm er ald Sittenlehrer auf, fuchte jede auffallende 
Erfcheinung im Gebiete der Sitten aus vorhergehenden Zuftänden zu erflären und 
ruhte nicht, bis fie ihm aus pſychologiſchen Urſachen verſtändlich geworden war. 
So wurde er ein gelehrter Beobachter der Menichen und ihrer Handlungen, ohne 
eigene Berfchlimmerung oder bößslihe Neugierde. Es war ihm nur darum zu 
thun, den Menſchen als fittliches Wefen zu kennen. Durch wifienfchaftlidye Be- 
ſchäftigung gewöhnt, Alles auf Grundfäge zurüdzuführen, hatte er in venfelben 
eine feite Grundlage, worauf er ſich flüßte, daß er nicht von fremder Bewegung 
abhängig, viel weniger ein Spielzeug äußerer Einwirkung, faum der wohlerfon- 
nenen Lift, auch nur auf Augenblide, wurde. Sein Wollen und Wünfchen fland 
unter Grundfägen, die ihm heilig waren, weswegen weder eine Störung, noch 
Unentſchiedenheit abwechſelnde Zuftände herbeifühtte. Mochte ed in feinem, nad) 
Außen hin flillen und einförmigen, Leben auch Anläfje geben, Leidenfchaften aufs 
zureizen: er blieb rubig, nicht weil er flumpf oder wehrlos, fondern weil er 
fchonend war. Ein Mann von der ihm eigenen regen Thätigkeit Eonnte nicht 
ohne Leidenſchaft feyn, aber er ließ fie nie zum Ausbruche Fommen. Daher in 
feinem Blide, wie in feinem ®emüthe, jene ungetrübte TE gleich weit entfernt 
von lebhafter Freude, wie von Graͤmlichkeit, worin jelbft das organifche Mißbe⸗ 
finden feine fehr merfbare Menberung machte. Hatte er: mit gutem Gewiffen das 
Seinige gethan, das Uebrige überließ er dem höchſten Wefen, in deſſen Hand bie 
Erfolge find und die Gelege einer eiwigen Weltorpnung. Die Gefinnungen wahrer 
Religion und frommer Oottergebenheit belebten fein geräufchlofes, rein chriftliches 
Wirken, wodurch er aufs Bollflommenfte würdig geworben ift, zum oberften Kir⸗ 
chenfürften in den verbündeten Staaten des ſüdlichen Deutfchlands gewählt und 
beflimmt zu werden. Allein der göttliche Rathfchluß hatte es anders befdhlofien; 
der Edle wurde, nahe der höchften Kirchenwürde, plögli aus der Mitte ver 
Seinigen geriffen, indem eine Ueblichkeit, die er aus (Eifer für feinen Beruf zu 
wenig adhtete, die evelften Lebensorgane ergriff und nach den beftigften Schmerzen, 
unter denen er einem feiner geiftlihen Yreunde befannte: „ohne Religion wäre 
es unmöglich, die mich marternden Schmerzen mit Geduld zu ertragen”, an ber 
Schmelle des 66. Lebensjahres, am 19. Januar 1824, fein Acht chriftliches Dafeyn 
beendete. Seine Schriften wurden gefammelt von Dr. Wilderid) Weit und er- 
fdienen in vier Bänden, Sulzbach bei Seidel 1830— 1833. Die beiden erften 
Bände enthalten: „Chriſtliche Sittenlehre” in der 4. Auflage. Der dritte Band 
dfe vortrefflichen „Borlefungen über Religion nach Vernunft und Offenbarung für 
Afademifer und gebildete Chriften.” Der vierte Band die FKleineren Aufläbe: 
„Weber Vernunft und Offenbarung mit Hinfidyt auf die moralifchen Bedürfniſſe 
der Menfchheit”, eine afademifche Rede zur theologifchen Doctorpromotion des 
damaligen Stadtpfarrers Banotti in Rottenburg 1804. „Ueber die Berbindung 
der wiſſenſchaftlichen mit der fittlichen Kultur der Geiſtlichen“, zuerft im Archiv 
des Bisthums Konſtanz erfchienen 1806. Ebendaſelbſt 1810: „Ueber das Band 
der Ehe nad) ihrer naturredhtlichen und moraliſchen Anſicht.“ Diefer Aufſatz, 
umgearbeitet unter dem Titel: „Beiträge zur Geichidhte der Polygamie und Che⸗ 
trennungen.” IV. Band gefammelte Schriften Seite 47— 76, Seite 79 — 82. 
„W. theologifches Fragment.” S. 83 „Nachricht von der Sauter’fhen Stiftung 
zu Freiburg“, afademifhe Rede 1819. — Belondere Hervorhebung verdient bie 
meifterhafte Trauerrede des gelehrten Hug auf feinen Hintritt, Freiburg 1824. 
Auch Ernft Münch, der ehemalige Schüler und nachherige College, ehrte fein 
Andenken: „W. nady feinem Leben und feinen Schriften” geſchildert. In den 
gefammelten Echriften wieder abgedrudt, IV. Bd. S. 93— 119. Cm. 

Wappen, find gewiſſe befonvere Zeichen, deren fich ſowohl einzelne Perſonen, 
als Geſchlechter, Gilden, Städte und Länder zur Auszeichnung und Belräftigung 
ihrer Ausfagen und Rechte, die fie zum Theil mit dem W. felbft überfommen 
haben, bedienen. Die Entſtehung der W. ruht im Dunkeln; indeſſen dub 


04 Bappenperotd— Wappentunde, 


fie jedenfalls fehr alt und laſſen ſich ind frübefte deutſche Alterthum zurüd- 
3— infofern mindeftens, als umftreitig die Landes. aus teliglöſen Symbolen 
in ihrer urjprünglichen Einfachheit entftanden und fich fehr früh ſchon bei Ein- 
zelnen die Auszeiomung des Schildes durch glänzende, mannigfache Farben nadı- 
weifen läßt. Später wurden die W. fünftlicher, jufammengefegter, aber auch nach 
feftgeftellten Regen der Heraldik geordnei und nah und nad durch Rittertkum 
und Turnier erblich, biß fie dann zu dem getvorven find, was fte jept find. Die 
älteften WB. fcheinen die religiöfen Heerfymbole gewefen zu feyn, aus denen, theil- 
weife mindeftens, die älteften Landes- WW, entftanden, da es bemerfenswerth iſt 
daß diefe häufig Thiere darftellen, welche die Mythologie und der Göttervienft 
beiligte, 3. B. Pferd, Drache, Adler x. Nächftvem möchten wohl bie Ge— 
ſch lechto⸗ W. folgen, welche den fpäteren Landes-W, zum Theil zu Grunde 
Hegen und erft fpäter dann die Diese Perfonen-W. hervortreten. Eine be 
fondere se rbienen auch die Stadt-W. und in den Älteren Städten 
auch die Gilde-W. Frühethin war für die Einzelnen die I, - Annahme etwas 
Wiltürliches; fpäter aber wurde dies, wie alles Uebrige, zur Ritterlichkeit Ge 
‚hörige, geeplid) geordnet und die Ertheilung derfelben ward ein Recht des an- 
deöherrn, ber es auch geeigneten Falls wieder nehmen kann. Ale W. haben 
unftreitig eine Bedeutung und deshalb find Achte Sagen über die Entftehung der- 
felben von großem MWerthe; allein man muß wohl unterfcheiden die ſymboliſch 
beveutungsvollen alten und die abfichtlich fymbolifirenden neuen W. und überhaupt 
mit der —— vorſichtig ſeyn. Eingetheilt werben die W. im Per— 
ſonen⸗ und Länder-W. Die erſteren zerfallen wieder, nach dem Subjefte, in ®. 
von Individuen, von mehren Perfonen, in Familien» und Gefelfhafts-MW.; in 
Rüdficht auf den Grund in Amts-, Gnaden- und Shup-W.; in Hinficht auf 
die Dauer in perfönliche und erbliche. Die Länder-W, werben eingetheilt: in 
Herrfchafts-, Gedächtniß-, Anfpruchs- und Erbſchafts ⸗W. Eine befondere Er 
wähnung verdienen noch die Allianz W., d. 5. jolche, welche die rauen führen, 
An denen das W. der Frau neben dem des Mannes _geftellt ift, welches lehlere 
jedoch, als das Vorzüglichere, rechts ſteht. Ebenſo find die falfchen oder Räthiel- 
W. und die Schimpf- W. zu nennen. Erftere find foldye, bei denen, gegen die 
heraldifchen Regeln, befonders der franzöftfchen, Metall auf Metall und Farbe 
auf darbe gefegt iſt; lehtere folche, weiche von der Obrigkeit eines Verbrechens 
halber ertheilt wurden. Dergleichen Fälle find ſelten, aber fie kommen im Älterer 
Zeit doch vor. Jedes W. beſteht nun feinen Theilen nad) aus dem Schilde, 
den Unierſcheidungs- und Prachtſtücken. Die dorm des Schilbes if 
verfchieden, rund, vieredig, oval, herzförmig. Die Zläche des Schildes nemt 
man das Feld, defien Grund eine Farbe oder auch Gold oder Silber if. 
Oft iſt auch das Feld _getheilt. Auf demfelben befindet fih nun das einfache 
oder zufammengefepte W.-Zeichen. Dafür find fieben Farben angenommen, bie 
man im Kupferftiche der Zeichnung eines W.-8 durch gewifle Zeichen anbeute. 
So wird Gold durch feine Punkte, Silber durch weigen Grund, Roth durch 
fenfrechte, Blau durch horizontale, Grün u. Burpur durch fchräge, Sch war; 
durch gegitterte Striche bezeichnet. Zu den Anterfcheibungeftüden, welche ſich 
auf dem Schilde befinden, gehören: Helm, Krone, Hut, Muͤtze ıc. Krone und 
Hut führen königliche, fürftliche und gräfliche (nady den Kugeln unterfehieben) ®, 
den Heim adelige. Aber auch bei diefen herrfcht ein Unterſchied. Ginmal_waren 
fie entweder offen oder gefchloffen, mit oder ohne Bifir, mit Roſten oder Bügeln. 
FH Wang beftimmte die Reifenzahl am Helme; Kaiſer und Könige hatten 11, 
rafen 7, Freiherren 5, Adelige 3. Prachtſtücke find: die Schilohalter, Mäntel, 
Zelte und Deviſen. 
Wappenherold oder Wappenkönig, f. Herold. 
Wappenkunde, die, ein Zweig der Heroldsmwiffenfhaft oder Her al dik 
1. d.), tft die Wiffenfchaft von den Regeln u. Rechten der Wappen, die Kunft, deren 
eſchichte und Aechtheit zu erkennen und zu beurtheilen. Unrichtig nehmen Ginige 


ind 


—W ® " _R Gurt 3 2105 


te W. und Heraldik geradezu für gleichbedeutend, während letztere (vgl. ben 
Art. Heraldik) umfaflnder if. 

WBuräger wurden birjeninen normännifchen Stämme genannt, welche fi 
m Laufe des 7., 8. und 9. Zahrhund.rts in den Weichſelgegenden, einem Theile 
Oftpreußens und in Liefs und Kurland niedergelaffen hattın, welches fie 12 
interwarfen und auch die, weiter in Ruffand wohnhaften, Bollaftämme fl 
Anspflichtig machten. Ihr Name ſtaumt wohl von „War“, Krieg, ber und 
yeißt vi.Meicht nur Krieger. Ais fpäter die Elawen fi von der Herrfchaft ber 
Sremblinge befreiten, ſchwankten fie lange zwiſchen den übrigen Stämmen herren, 
08 bin und ber, bis endlich Rurif, ein Für aus dem W »Stamme, die Herr, 
daft überkam. Nach und noch traten nun die W. in das Berhältniß einer Art 
teibwache zum Fürſten und leifteten unter biefem noch b.deutende Dienfte, bis 
ndlid Wladimir, der apoſtelgleiche, nach der Erbauung Kiews, als er durch 
hre Forderungen und die Macht, mit der fie diefelben zu unterflügen vermochten, 
vohl einfah, wie gefährlich fie ihm werden konnten, dieſe Feemdlinge Anfunge 
jeſchickt trennte, dann aber verabfdyiedete. Ste gingen nun nad Konftantinopel, 
taten dort in dafielbe Verhältniß und fpielten- bald eine ſehr bevreutende Rolle. 
Huch in Rußland erfcheinen fie 1015 und 1024 wieder, verfchwinden dann aber 
ort für immer. In Griehenland dagegen flieg ihre Macht und Bedeutung, 
oorzüglich feit 1030, beftändig und fle bildeten lange Zeit den Kern des griech⸗ 
fchen Heeres. Vorzüglich berühmt ift Harald Sigurdfon, genannt Hardrade, 
er ald Kriegsmann ſich Rorbricht zugelegt hatte, in Afrifa und Sicilien 18 
Schlachten gewann, die Eerbier befiegte, die Hand der griechifchen Kalferin vers 
ichmähte, —* fühn aus einem entieglichen Kerker befreite, über Rußland nach 
Norwegen zurüdging und dort fi einen Thron erfiritt. Der Ruhm der W. 
dauerte bis ins 13. Jahrhundert, im 14. aber verfchwand und erlofch er. 

Warbeck, |. Perkin Warbed., 

Warburg, Stadt an der Dicmel, im Regierungsbezirke Minden der preuß- 
hen Provinz Weſtphalen, theilt fi in die Alt» und Neuftadt, welche durch 
igene Mauern abgeiheilt find, bat zwei Pfarricchen, ein Kiofter, eine Kapelle 
des heiligen Erasmus, zu welcher ſtark gewallfahrtet wird und 320) Einwohner. 
Die Stadt ſerbſt iſt finfter und öde, aber Die Umgegend, Wer Börde genannt, 
ft eine der fchönften, reichften u. fruchtbarften Gegenden Weftphalend und liefert 
ſchönen Flachs und Hanf, ſowie Eifens und Bleietz. — W., früher eine Reichs⸗ 
tadt, dann zum Bisıhum Paderborn gehörig und Mitglien der Hanfa, iſt ges 
[chichtlicy venfwürdig durch das, im fießenjährigen Kriege 31. Zuli 1760 zwifchen 
dem Herzoge Ferdinand von Braunfdweig und den Franzofen unter General 
Muy bier gelixferte Gefecht, in welchem letztere 5000 Todte, Berwundete und 
Gefangene, 12 Kanonen und 10 Fohnen verloren. 

arburton, William, Biſchof zu Glouceſter, geboren 1698 zu Rewark 

an der Trente, wo fein Vater Procurator war, dem er hernady in diefem Amte 
folgte, widmete fih dem geifllicden Stande, wurde 1728 Rektor zu Burn» 
Broughton in Lincolnfhire, 1754 königlicher Kaplan und flufenwerfe Kanonikus 
von Durham, Doktor der Theologie, Dechant von Briftol, endlich Biſchof von 
Glouceſter und ſtatb den 7. Zunt 1779. Er war ein fehr gelehrter und fcharfs 
finniger und länger als 50 Jahre einer der fleißigften engliſchen Echrififtelier, 
am befannteften durch feine, großes Aufſehm und viel Streit erregende, göttliche 
Sendung Mofid: Tho divine legation of Moses demonstrated., 3. Auegabe 
1742 bis zu 6 Büchern erwetiert, aber nicht vollendet, Indem es 9 werden follien. 
Nach feinem Tode iſt nody das 9. Buch unvolftändig herausgefommen: A sup- 
plemental. Volume of Warb. Works, 2ondon 1788, deutfch mit Anmerk. von 
hr. Echmidt, 1751 — 53, 3 Bpe. . fuchte in diefem Werke mit dem größten 
Aufwande von Wifjenfchaft und Kunft N zeigen, von den weiſeſten Geſehgebern 
im Alterthum fet, bei des Unzulänglichkeit bloßer bürgerlichen Gebote u. Anftalten, 

Realencpclopädie. X. 45 


‚ 706 Wardehuus — Warmbrum. 


zur Erhaltung guter Ordnung im gemeinen Weſen der Glaube an Gott und die 
Lehre von einem Kinftigen Vergeltungdzuftande für durchaus unentbehrlich ge⸗ 
halten worden. Nur Mofes habe hier eine Ausnahme gemacht, Feine Erwart- 
ungen bes göttlichen Gerichts nach dem Tode angeregt, fondern den Gehotſam 
feiner Nation gegen die, in Gottes Vollmacht Ihr überlieferten, Gefepe blos durch 
zeitliche Belohnungen und Strafen kräftig genug zu erwirken gewußt. Hieraus 
aber werde eben auf das Gewiſſeſte eıfannt, daß der ifraelitiiche Staat unter 
einer wahrhaftigen Theofratie geftanden und verwaltet worden ſel. WW. beichäft- 
igte fich aber nicht nur mit der Theologie, fondern auch mit den fhönen Wiſſen⸗ 
al und gab die Werke Shafefpeare'& und Pope's mit Anmerkungen heraus, 
leberhaupt war er ein Mann, der Alles umfafjen wollte und daher nicht immer 
genau u. beftimmt fehrieb; er erwarb ſich durch Denfen u. Forſchen einen bewun- 
dernswürdigen Umfang von’ Kenntnifien, der aber feine Einbildungsfraft nicht 
unterbrüdte, noch feine Deutlichfeit verdunfelte. Zu jedem feiner Werte brachte 
er ein fchwer heladenes Gedäcttniß mit, nebſt einer Einbildungsfraft, die an 
originalen Verbindungen fruchtbar war und ftrengte zugleich die Kräfte der Ge 

lehrſamleit, der Beurthetlung und des Witzes an. Adein feine Geſchicklichkeiten 
gaben ihm ein ftolzes Zutrauen, das er gu verbergen oder zu mäßigen verachtete, 
Works, London 1789, 8 Bde., dabet fein Leben. 

Wardehuus, die nörvlichfte Feſtung der Erde, Ilegt im öftlichen Theile von 
Finnmarken oder norwegifch Lappland, auf der Infel Ward de. Ein vier 
een macht hier von allen SKriegsdienften für die — 
un] . md, 

Warbein, die im Mittelalter üblich gewordene Form des Wortes Guardian 
(.d.). Die Benennung W. ift noch üblich im Münz- und Bergweſen und « 
heißt hier fo derjenige verpflichtete Beamte, welcher den Gehalt der Metalle und 
Mineralien unterfuhen muß; in Münzftätten heißt er Müng- W.; beim 
Bergwefen Berg «W, 

Warmbrunn, Stadt bei Hirfchberg, im Regterungsbezirfe Liegnig der preuß⸗ 
iſchen Provinz Schlefien, am Zaden, mit einem Schlofle des Grafen Saafanıid, 
2 fchönen Kirchen, einer katholiſchen und Iutherifchen, ehemaliger Propftet, jet 
ein Logierhaus für Bavegäfte, Galerie, odef dem, 1800 im edlen Style erbauten, 
Geſellſchafishauſe und mit einem, von dem Grafen Schafgotfdy 1820 erbauten, 
prachtvollen Hofpitium für 12 männliche und 42 weiblidye Kranfe und einer 
Apothefe. Die Einwohner, 2200 an der Zahl, bejeräftigen ra mit Glas » und 
Steinfchleiferel, Schleier⸗ und Peineweberei und Bleichen. Berühmt ift W. durch 
feine, im 12. Jahrhunderte entvedten u. feit 1275 befannten, warmen Schwefel: 
quellen, welche früher die Bäder von Hirfchberg, auch das tefchberger Warn: 
bad genannt wurden. Sie zerfallen 1) in das große gräflihe Bad, 1627 neu 
eingerichtet und überbaut und 1802 mit einem neuen Baffin verfehen, welches 
60 Berfonen faßt und eilf Ankleivezimmer enthält; 2) in das frühere Propfe-, 
jest neue over Leopoldsbad, mit der älteften Duelle im Kurorte; 3) tm das 
Badegebäude zu den Douche⸗, Tropf:, Regen, Dampf und Schwigbädern, mit 
Elektrifirmafchinen u. Galvanifirapparaten; 4) in die Trinfquelle im Leopolpebade; 
5) in die 1830 errichteten rujfifden Dampfbäder und 6) in das Grüttner’fde 
Bad im Anker. Sie werden, bei einer Temperatur von 28 — 30° R., vorzüge 
lich bei Lähmung, Wunden, Gicht, Drüfenkrankheiten, Rheumatismus, Blechten, 
Ausfchlägen, Steinfchmerzen, Leber: und Unterleiböfrantheiten, ſchwerem Gehört, 
Augenentzündungen ıc. angewendet. Hier genichen alle Jahre gegen 400 be 
dürftige Kranfe freied Bad; gegen 200 Arme erhalten eine anfehnliche Geld 
unterflügung und gegen 130 — 150 Perfonen werben im gräflichen Be 
ganz frei unterhalten und ärztlich verpflegt. Die Lage der Stadt if & ind und 
die Epaziergänge, als: der Park, die neuen ſchönen Gartenanlagen, die Pappel⸗ 
allee mit der Ausſicht auf das Hochgebirge, der Gang um den Teich und_ber 
nahe Schügenberg find ausgezeichnet. Vergleiche: Wendt, „Die Thermen zu W.“ 


SDarnkonig — Warſchau. 7107 


(Breslau 1840) und Preiß, „Beobachtung Aber die Heilkraft der Bäder zu W.“ 
(Breslau 1840, mit Nacht von 1841, 42 und 43). 

Warnkoͤnig, Leopold Auguf, ein namhafter deutfcher Kirchenrechtslehrer, 
eboren zu Bruchfal 1794, flupirte von 1813 bis 1815 zu ‚Heidelberg u. hierauf 
n Göttingen, wo er 1816 die furiftifche Doktorwürde erhielt, Privatnocent und 
außerordentlicher Beiſther des Spruchcollegtums wurde. 1817 erhielt er einen 
Ruf als Profeffor der Rechte nach Lüttich; 1827 — 30 war er Profeffor tn 
Löwen; 1831 kam er in gleicher. —— nach Gent; 1836 wurde er Profeſſor 
zu Freiburg im Breisgau und erhielt den Titel eines großherzuglich badiſchen 
neheimen Hofratbes und 1844 folgte er einem Rufe an. die Univerfität Tübingen, 

Verdient bat er fich namentlich dadurch gemacht, daß er die deutſche Rechtöfchule 
nad) Frankreich hinüber vermittelte, zu welchem Zwede er, in Verbindung mit 
mehren franzöftfchen Gelehrten, die Zeitfchrift „Themis ou biblioihdque du ju- 
risconsulte“ begründete, Werke: „Institutionum sive 'elementorum juris rom. 
privati libri IV.* (Lüttih 1811, 3. Auflage, Bonn 1834); „Verſuch einer Bes 
gründung des Rechtes durch eine Vernunftivee", Bonn 1819; „Commentarii 
juris romani privati“ (3 Bde., Lũttich 1825—29); „Doctrina juris philosophica 
aphorismis distincta® (2öwen: 1839); „Recherches sur la lögislation beige au 
moyen äge“ (Gent 1834); „Flandriſche Staats⸗ und Rechtsgeſchichie bis 1405 
(3 Bde., Tüb, 1834 — 39); „Histoire externe du droit rom.“ (Brüflel 1836) ; 
„Grundriß zu PBandektenvorlefungen“ (Freiburg 1837); „Histoire du droit bel- 

ique pendant la periode franke* (Brüfjel 1837); „Beiträge zur Geſchichte und 

uellenfunde des Lütticher Gewohnheitsrechts“ (Hreiburg 1838); „Rechtsphilo⸗ 
ſophie als Naturlehre des Rechto“ (Hreiburg 1839)5 „Vorſchule der In⸗ 
ftitutionen und Pandeften* (Freiburg 1839) und mit 2. Stein „Kranz. Staates 
und Recdhtegefchichte” (3 Bde., Bafel 1845 — 48). 

Warſchau (Warszawa), die Hauptſtadt des ruffifhen Königreichs Polen 
und des gleichnamigen Gouvernemenis (673 Meilen mit 1,650,000 &inw.), 
auf mehren Anböhen am linfen Ufer der Weichfel, hat über 10,000 Häufer, 
wovon jedoch nur der dritte Theil maffiv gebaut if, 165,000 Einw., darunter 
an 40,000 Juden, und iſt mit der, auf dem rechten Weichfelufer liegenden, Bor- 
ftadt Braga durch eine Brüde verbunden. Die Stadt if Sig des Reichsſtatt⸗ 
halter und eines Erzbifchofs, im Ganzen nicht fchön, aber doch nichts weniger, 
als arm an ausgezeichneten Straßen, Plätzen und Paläſten. Zu den merk 
würbigfien Gebäuden gihören: das königliche Schloß (Zamek Krolewski) mit 
dem Senatorenfaale, der Landbotenftube und einer Bibliothef von 6000 Bänden; 
Lazienkt in der neuen Welt, ein Luſtſchloß des lebten Königs Stantslaus 
Auguſtus, merkwürdig wegen der Schönheit der Architektur, feines Gartens und 
feiner Waſſerkuͤnſte, wo man die fteinerne Reiterflatue des Johann Sobieski 
fiebt ; der vormals gräflich Krafinski’fche, jetzt Gouvernementspalaft; der fächftfche 
Palaft mit feinem ſchönen Garten, der zu einem öffentlichen Epaziergange dient; 
der Fonftantinifche Palaſt (vormald Brühl); der Pulaft des Ramieftnif (vormals 
Radziwill); der Staathalterpalaft ; das Rathhaus von bemerlenswerther Größe 
das Hotel der Münze; dad Gebäude der königlichen Gefelichaft der Freunde der 
Wiſſenſchaften; das königliche Luftfchloß Belvedere, der einflige Sommeraufents 
halt des Großfürſten Konftantin, mit einem anmuthigen englifchen Garten; das 
Poftgebäude und der Palaſt Marieville mit der Birk, Zolfammer und 3000 
Buden, Sälen und Kaufmanns gewölben. Unter den Privarpaläften find die bes 
merfendwertheflen : die der Zamoysli, Chodkiewitz, Pac, Oſtrowski, Potockt, 
Bielinski, Czartoryoki. Unter den Kirchen verpienen Erwähnung: die dem heil, 
Johann geweihte Kathenrale, die durch bevedte Gänge mit dem koͤnigl. Schlofie 
verbunden ift u. zum Andenken mehrer berühmten Männer errichtete Monumente 
enthält, in welcher die Könige gekrönt wurden; die Dominikanerkirche, merk⸗ 
würdig wegen ihrer Größe; die Heilig -Kreugfirche, bie in die obere und 
untere theilt u. eine herrliche Facade hat; die Augufliners, Bi — 


«03 Wartburg — Wartburgkrieg. 


tirche; die Kirche der Lutbetaner, welche zu den fchönften Gebäuden der Stadt 
hört ; die Kirche der 20 Müftonen mit einer Bibliothek; die Karmeliterkirche; die 
&. Andreas umd Kapuzinerkirche, welche Iehtere das marmorne Monument 
Zohann’s DI. enihält. Cine große Anzahl wifj.nfhaftlicher Anftalten erhöht die 
Wichtigkeit diefer Hauptftadt; zwar wurde die, 1818 eröffnete, Univerfität aus 
—326 Gründen wieder aufgehoben und nur eine Rechtsſchule vertritt noch 
Ihre Stelle, allein außerdem findet man hier: zwei Gymnaflen, ein Central 
feminar over Schule der hohen geiftlichen Studien, mit einer reichen Bibliorhef; 
das Biariftengymnafium mit einer Sternwarte und einer fchönen Bibliothek; cin 
Adele colleglum, eine Kunftfchule, eine Forſtſchule, eine Hebammenfchule, eine Berg 
werfefchule, ein Blinden⸗ u, ein Taubftummeninftitut, ein Eonfervatortum für Mufit, 
“eine Fönigliche Gefellichaft der Freunde der Wiſſenſchaften mit einer reichen Bibliothel 
einer prächtigen Sammlung von etwa 90 000 Kupferftichen und Zeichnungen, einem 
Naturalien« und Münzfabinete; eine Fönigliche öfonomifche Aderbaugefellichaft, 
eine phyſikaliſche Geſellſchaft, eine mediziniiche Geſellſchaft. Berner befinden fih 
in W. ein Zeughaus, eine Münze, zwei Jrrenhäufer, ein ftänıifhes und en 
ſroßes Militärhorpital, ein Findelhaus, drei von den barmberzigen Schmeflen 
eforgte Armenhäufer, ein deutiches, polnifches und franzöfliches Theater. Die 
in den Jahren 1832 — 35 erbaute Aleranver:Citadelle beherrſcht und wertheidigt 
die Stadt. — Bor dem Krakauer Thore ſteht die folofjale, 26 Fuß bobe, mal 
eberne Bildfäule des Könige Eigismund Ul., der hier zuerft feine Refüvenz auf 
ſchlug und das Föniglihe Schloß in ver Krafauer Vorftadt erbaute, in Lebens: 
größe auf einem 10 Fuß hohen Fußgeftele. W. hat, außer diefer Säule, no 
die Etandbilder des Aftronomen GBopernicus u. des Fürften Joſeph PBontatomelt, 
1830 errichtet. — W. ift der Mittelpumft der Induftrie und des —— und 
man findet darin Gold⸗ und Silberdraht⸗, Leder⸗ Tabak⸗, Wagen⸗, Woll- Hut, 
Etrumpfr, Handfhuhr, Seifer, Tapeten-, Dedin-, Baumwoilen zeug⸗, fl: 
inftrument-, Meubled-, Bijouterie, chemische Farben:, Bronze⸗, Liqueur-, 
Marequms, Leinwand, Darmfaiten- u. Epielfartenfabrifen,, ein lithographiſces 
Inſtirut, Bierbrauereien, TOLO Handwerker, 5 Banken, worunter die von Kailer 
Nıfolauß 1828 errichtere Nattonalbanf, 2 Mefien im Mat u. November, Haupt: 
wollmarkt, wöchentliche Vıehmärfte und Schifffahrt. 

Wartburg, ein alics feſtes Bergſchloß, ungefähr eine halbe Stunde von 
Eiſenach, in einer [hönen Gegend, dem Großherzoge von Sachſen-Weimat und 
Eifenach gehörig. Es iſt wegen der im 13. Jahrhunderte dafelbft gehaltenen 
Turn» und Ritterfpiele iehe den Artifel Wartburgfrieg), dann wegen des 
viermonatlichen Aufenihalted von Martin Luther berühmt, der hier währen 
diefer Zeit am feiner Bibelüberfegung arbeitete. Im Dftober 1817 feierten 
Etudirende von foft allen deutichen proteftantifchen Univerfitäten hier die Befrd- 
ung Deutſchlands u. das Säfularfeft der f. g. Reformation, (vergleiche den Art, 
Burfhenfchaft); weil aber hierbei einige umüberlegte Vorgänge fich ergaben, 
fo wurde ein derlei Feſt für die Folge verboten, 

Wartburgkrieg heißt ein mittelhochdeutfcher Wettgefang, der mitunter einem 
fabelhaftın Dichter, Klingsor, Klingesor, Klindor von Ungarnland oder 
Siebenbürgen, augefirisben wird. Der Inhalt des uns nicht voNftändig erhaltenen 
Gedichtes, das Im zwei Thelle zerfällt (Lob und Räthfellöfung) iſt, wie Rinne 
fagt, der Ausdruck kämpfenden Geiſtes über das Verhäliniß des Wiffens zum 
Slauben, was Göthe fpäter in feinem Fauſt weiter ausführte. Der Menſch 
muß dad Natürliche in ſich als das Sündhafte erkennen, durdy Reue und Buße 
fi) dem Himmliſchen zuwenden und fo zur höchſten Seligkeit und Gemeinſchaft 
mit Bott zu fommen fuchen: das war der Inhalt der Zeit und iſt der Inhalt 
des vorliegenden Gedichtes. Um feinem Gedichte einen Anhaltspunkt zu geben, 
iſt die Ecıne nad Wartburg, an den Hof Hermanns von Thüringen, verlegt, 
deffen und der öfterreichifchen Fürften Lod den erften Theil des Gedichies füllen. 
Nicht der Befchichte, wie Manche gemeint, fondern der Sage fällt dieſe Begeben⸗ 





2 


Bartenburg — Warwid. — 709 


beit anheim. In den uns erhaltenen Bruchſtücken laſſen ſich zwei: Bearbeitungen 
erkennen, von denen die eine, Ältere, ven W. in der Maneflefhen Sammlung u. 
eine, an Sprache, Geiſt u. Charakter jüngere, die im Ganzen der Jenaer —*8 
entſpricht. Jene fällt böchſt wahrſcheinlich um 1240, dieſe zwiſchen 1240 — 70. 
Der unbekannte Verfaſſer ſcheint aus Thüringen geweſen zu ſeyn. Aueégaben 
haben wir: von Zeune, Berlin 1808; von L. Ettmüller, IImenau 1830 und in 
H. v. d. Hagens Minnefängern, Bo. 3, ©. 170 f. Bgl., aufler den Bemerk⸗ 
ungen 9. v. d. Hagens und dem unbe beien und ungerechten Urtheil von 
Gervinus (Geſchichte d. pröt. Rat. der tichen Bd. 2, ©. 50 f.), befonders: 
Roſenkranz (Geſch. d. deutſchen Poeſie im Mittelalter, gale 1830, ©. 471 f.); 
Koberftein (über das woahrfcheiniiche Alter und die Bedeutung des Berichtes 
vom W.e, Naumburg 1823) und 3. &. 5. Rinne (Zeiger Gymnaflalprogramm 
1842: Es hat feinen Sengerfiieg gegeben). x. 

Bartenburg, Dorf im Wittenberger Kreife des Regierungsbezirkes Merſe⸗ 
burg in der preugifchen Provinz Sachſen, am linken Ufer der Eibe, dem Einflufie 
der fchwarzen Eifer gegenüber, iſt geſchichtlich —R durch den Sieg, 
welchen die Preußen unter York (ſeitdem Graf York von W.) am 3. Oktober 
1813 über die Franzoſen unter Bertrand eıfochten. Durch ibn warb der Kiieg 
auf das linke Eibeufer verfegt und die Bereinigung der fchleflfchen mit der Nord⸗ 
armee bewerffielligt. — 

Warte, der bedeutendſte Nebenfluß der Oder (ſ. d.), entſpringt bei Kromo⸗ 
lov, nordweſtlich vor Krakau, fließt in die preußiſche Provinz Poſen und mündet 
bei Küſtrin in die Oder rechts. Nebenflüffe find: die Broena, Ner, Obra, 
Widarka und Netze. Durch die Rebe und den Bromberger Kanal ift er mıt der 
Weichſel verbunden. . 

arton, Thomas, der Begründer der englifchen Literaturgefchichte, 1728 
zu Orford aus einer alten Familie geboren, fam ſchon vor feinem 16. Jahre in 
das Trinity⸗College zu Oxford u. erregte ſchon jetzt durch feine poetifchen Talente 
Aufmeikſamkeit. 1750 wurde er Magister arlium, 1756 Profeffor der Dichtfunfl, 
legte aber 1781 diefe Stelle nieder und Ichte von einigen Pfründen 1787 
wurde er Poela laureatus und Profeſſor zu Drford, wo er, nach einem 
4öfährigen Aufenthalte, 1790 ftarb. Wahrheitsliebe, Ehrgefähl und hochherzige 
Denkart waren bie Kauntzüge feines moraliſchen Charaktets. CEinfache Sitten, 
geſellige Tugenden, Beſcheidenheit und ein außerordentlich ruhiges Temperament 
machten ihn fehr liebenswürdig. Große Talente und dabei unermübdeter Fleiß, ein 
richtiger und feiner Geſchmack, ſtarke Urtheilskraft, reiche Phantafte und ausge⸗ 
breitete Kenntniſſe waren die Beſtandtheile feines literariſchen Charakters. In 
der englifchen Poeſte war er mehr ein Schüler von Spencer und Milton, al 
von Pope; feine Iateinifchen Gedichte haben claffiiche Reinheit, Eleganz und 
Simplicitaͤt. Als Proſaiſt gehört er unter die, welche die englifche Epradye am 
reinften fchrieben. Er wußte feinen Bortrag immer dem Gegenftande anzupaſſen, 
durch Beweiſe zu überzeugen, durch Bilder zu feſſeln. Bon feinen Gedichten hat 
man mehre Sammlungen, am beften London 1777, 1791. Sein Eommentar 
über Milton’d Gedichte: Poems upon several occasions, english, italian and latin, 
with translations, by J. Milton; with notes critical and explanatory and other 
illustr. by T. Warton, 2. Ausgabe, 2ondon 1791, 8., zeugt von ausgebreiteter 
Belefenheit, Fleiß und Scharffinn. Sein wicdhtigfte® Werk in Proſa iſt: History 
of ihe english poeiry from the close of ihe eleventh to the commenement of 
the eignteenih century, London 1775, 3 Bde; es geht bis auf die Zeiten der 
Königin Eliſabeth und iſt für die Literatur von hohem Werthe wegen der vors 
trefflichen kritiſchen und biftorifchen Nachrichten, die das Rıfultat eines feinen u. 
richtigen Geſchmackes find. 

Warwick, eine Grafſchaft im Innern Englands, zwiſchen den Grafſchaflen 
Leicefter nordöſtlich, Stafford_ nordw ſtlich, Orford ſuͤdoͤſtlich, Glouceſter fünweRt- 
lich, Rorthampton öſtlich, Worceſter weſtlich, dazu eine Enclave im er Erik 


io Barje— Waſhington. 


fchaft Stafford und eine in der Graffchaft Worcefter, hat 424 [J Meilen mit 
415,000 Einwohnern. Induftrie, Aderbau und Bichrucht befchäftigen gleich viele 
Kräfte. Die Induftrie fchafft Leinwand, Bänder, Nähnadeln ımd ——— 
Birminghamer Waaren. Den Verkehr befördern Kanäle und Eiſenbahnen. — 
Die gle — Hauptftabt, füröftlih bei Birmingham am Avon und der Ber: 
einigung der W. -Birmingham und W. -Napton Kanäle, bat 9000 Einwohner. 
— Aud) eine Grafihaft in dem nordamerifantfchen Freiſtaate Virginien führt 
denfelben Namen. 

Warze, ein Heiner, mehr oder — runder, fchmerzlofer Auswuchs mit 
gewdhnlich förniger, oder, wenn er alt iſt, gefurchter Obetfläche, ver ſich auf 
gewiffen Gegenden der Haut oder Echleimmembranen, j. B. an den Händen, im 
Geſichte, tim Naden und an den Geſchlechtotheilen entwidelt. Die W. hat eine 
Art von Wurzel, die bisweilen fogar bis in das, unter ver Haut oder unter der 
Schleimmembran befindliche, Zellgewebe einbringt. Es kommen deren bei einem 
und demfelben Individuum gewöhnlich mehre vor. Die Utſachen der W.n find 
meift unbekannt; doch feinen fie in manchen Fällen durch Drud, Stoß, Reiben 
und dgl. veranlaßt zu werden; härfiger liegt aber wohl ihr Grund im allge; 
meinen conftituttonellen Urſachen, da ſie bei einzelnen Perfonen in großer Anzahl 
und an verfchiedenen Etellen zugleich entftehen, ohne daß irgend eine örtlich: 
Einwirkung flattgefunden hat und wiederlommen, wenn fie durch Örtliche Mittel 
entfernt worden find, Das aus einer MW, ausfliefende Blut fol im Stand 
fon, da, wo ed mit der * in Berührung kommt, Wen zu erzeugen. Was 
Ihre Behandelung betrifft, jo müffen zuerſt die inneren Urfachen, wenn folde 
vorhanden und erfannt worden find, durch die geeigneten Mittel, wie J B. ge 
zegelte Diät, Duedfibermittel, Eeife, auflöfende Ertrafte u. Harze, zu befeitigen 
ehucht werden. Die äußere Behandelung befteht in Zerftörung durch Megmitte, 
—— Hoͤllenſtein, oder durch die Umterbindung, oder durch das chitürgiſche 


ffer. 

Waſa, f, Guſtav Wafa. 

Wasgau, |. Bogefen. 

Waſßhington, die Bundeshauptftabt der vereinigten Staaten von Norbamerifa, 

liegt tm Diftrifte Columbia (ſ. d.), am Potomad und iſt in einem länglichen 
und rechtwinfeligen Vierede gebaut, welches durch das Kapitol und die Kapitel: 
ſtraße in der Mitte in eine nördliche u. in eine füdliche Hälfte geſchieden wir. 
Die Straßen find gerade und breit, die Gebäude groß. Das größte Gebäude 
iſt das Kapitol, auf einem Hügel ftehend, mit den beiden großen Sälen für die 
Senatoren und für die Repräfentanten und dem Bibliothekſaai; ſchön und groß 
find audy die Paläfte des Üräfbenten und die darum flehenden Wohnungen der 
vier Minifter, die Kaferne mit der Wohnung des Commandanten, dad Marine: 
arfenal, das Artilleriedepot, das Peftgebäude, das Grapigebäube, das Theater 
u. GCorreftionehaus, das College, die medizinifche Echule, Waifenhaus, National: 
inſtitut für Literatur und Wiffenſchaft ıc. Die Zahl der Einwohner beläuft fih 
auf ungefähr 30,000. 

Wafhington, George, Oberfeldherr und erfler Präfivent ber vereinigten 
Staaten Noidamerika's, war zu Wafbington in ver Sratichaft Weftmoreland 
Girginien) am 11. Februar 1732 geboren, verlor feinen Vater im 10. Jahre u. 
erhielt feine Erzichung theils durch Seine Mutter, theils auf der Schule zu Wil 
liamsburgh, wo er fi) namentlidy marhematifche Kenntniffe erwarb. Seinen 
Wunſch, ald Seccadet in die englifche Marine zu treten, gab er auf Bitten feiner 
Mutter auf. Im 19. Jahre muß fein Anfehen ſchon feſt gegründet geweſen feyn, 
da er zum Major in der Miliz Birginiens ernannt wurde. In aktiven Dienft 
riefen ihn zuerft die Beindfeligleiten gegen die Ftanzoſen, weldye von dem canc- 
difchen Hügeln bis zum Ohio eine Reihe Foris zu gründen fuchten. Ws 1755 
der offene Krieg ausbrady, diente er ald Oberft tapfer unter General Bradbod 
und erhielt den Oberbefehl über die ganze Miliz von Virginien. Geſchwäͤchte Ge⸗ 


BWaſhington. 711 


fundheit machte 1758 feinen Rüdtritt noͤthig. Mit einer reichen Wittwe ver- 
mählt, verlebte er zu Mount Bernon, einem ſchönen ae am PBotomad, den er 
von feinem Bruder geerbt hatte, 15 Jahre der Landwirthſchaft und den Pflichten 
eines Magiftratd und Mitglieds der geſetzgebenden DVerfammlung. Beim Zwifle 
mit England vertrat er entichieden die Rechte der Golonien, warb 1774 in den 
erften Eongreß pewäht und endlich mit dem Öberbefehl betraut.- Das amerifa- 
nifche, fchlecht disciplinirte Heer ſtand damals, 14,500 Mann flarf, dem englifchen 
Generale Gage entgegen, welcher ſich bei Bunker's HIN verfchanzt hatte W.s 
Tapferkeit, Kiugbelt, Feſtigkeit, feine milltärifchen Talente überwanden die verwid- 
elteften Oinben le und Schwierigkeiten, fo daß e8 fchien, als wäre er für bie 
Krifis feines Baterlanded geboren. Die Eapitulation der britifchen Truppen un- 
ter dem Barl Cornwallis 1781 endete feine Laufbahn als Feldherr, aber ſelbſt 
bie verbeißungsvolle Zeit eines flegreichen Friedens umbdüfterten Umftände, zu 
deren glüdlicher Befeitigung feine ganze Umficht und Klugheit nöthig war. Go 
vermochte er die Auflöfung der Truppen, welche auf Belohnung drangen, nur da⸗ 
durch zu bewirken, daß die Entfcheidung dem Congreſſe überlafien bleiben follte. 
Ergreifend war fein Abſchied von dem Heere, als er nach Anapolis eilte, um 
dem Gongrefie Rechenſchaft abzulegen. Innerhalb acht Jahren hatte er für den 
Krieg nur weniger ald 16,000 Pfd. aus den öffentlichen Mitteln entlehnt. Kür 
ſich —* er keine Beſoldung beanſprucht und ſelbſt, als ihm, dem größten und 
beſten Buͤrger Amerika's, der Congreß dankte und die Dankbarkeit der Nation 
ihm Alles gewährt hatte, begnügte er ſich, einige unbemittelte Offiziere, die ibm 
als Adjutanten gedient hatten, dem. Gongrefie zu empfehlen. Abermals lebte er 
in Mount Bernon dem Landbau, zugleich die Binnenfhifffahrt Virginiens nach 
einem großen Plane fürdernd. Als man ibm dafür 150 werthvolle Aktien ein- 
händigen wollte, nahm er fie nur unter der Bedingung an, daß der Gewinn zur 
rkhtung von höheren Schulen an den Klüffen James und Potomack verwendet 
würde. Die Zufunft des Landes war ihm indeß nicht entgangen u. die Verſamm⸗ 
lung zu Philadelphia (Mai 1787), welche unter feinem Borfige die Berfaffung 
feftftellte, war fein Werk. Als fle angenommen war, kannte das Bolf feinen 
MWürdigern und wählte W. einflimmig zum erflen Präſidenten (14. April 1789). 
Die Lage Amerika's war fohwierig. Ein leerer Schatz, Spaltung über die neue 
Berfaffung, welche zwei Staaten nicht angenommen hatten, Zwifte mit England, 
Anſprüche Spaniens an den Mifftffippi, Stodung des Handels, Feindſeligkeiten 
mit den Indianern. — Alles bevrängte den jungen Staat. Aber, mit den fäbigften 
Männern zur Seite, verzagte W. nicht. Im Jahre 1790 ward * mit den 
Creek⸗Indianern geſchloſſen; die Spanier verſtanden ſich zur freien Schifffahrt 
auf dem Miſſiſſippi, die Differenzen mit England wurden 1794 beigelegt, wobei 
W. es ſelbſt nicht (heute, der allgemeinen Vorliebe für Frankreich entgegen, ſich 
dem Strome der Erbitterung gegen England entgegenzuftemmen. Nachdem er 8 
Sahre an der Spite des Siaates geftanden, lehnte er die Wievererwählung ab 
und nahm in einem langen Schreiben Abſchied vom politifchen Leben (1797). 
Biele Staatöfchriften mögen berebter, geifteeicher abgefaßt worden feyn: feine war 
es je mit mehr Weisheit, Aufrichtigkeit, Neblichkeit und glühender Liebe für das 
eigene Bolf und die Menfchheit. Aus ver ländlichen Rufe noch einmal gerifien, 
ale Frankreich mit Krieg drohte, ſtarb W. am 14. Dezember 1799, vieleicht der 
einzige Eharafter der Geſchichte, bei welchem die Nachwelt mit ungetheilter Bes 
wunderung verweilt. Der ener hen Mapregeln fähig, wenn fie die Umflände 
erheifchten, vergaß er nie die Mäpigung und die Milde, die bei ihm aus unge- 
fünftelter eat und liebendem Herzen flo. Nie ſich erheben, auch bei 
den Einflüfterungen der Schmeichelei nicht, aber auch nie verzagend, ging er uns 
ter allen Wechfeln des Glüdes feſt feinen fegensreichen Gang. In feinem Geiſte 
herrichte gefunder Menfchenverfland und richtiges Urtheil vor; auf Phantafle u. 

eweglichkeit machte er feine Anſprüche. Trotz der mangelhaften Erziehung, er⸗ 
reichte er durch Reinheit, Eleganz und Kraft Meiſterſchaft im Style u, (en 


712 Baffer, 


lich laſſen fich beffere Staatäfchriften aufweifen, als die feintgen. Bergl. Eyrus 
R. Eomunds, „The life and times of General W.* (3. Aufl., 2 Bre., Londen 
1839); Jared Eparfd, „The writings of G. W, with a life of Ihe author“ 
(n. Ausg. 12 Bode, Bofton 1841 fj.). 

Waffer. Lange galt das W. als ein einfacher Etoff, als eim Element, 
Man glaubte einige Zeit, deſſelbe Fönne durch wiererholte Deſtillation in eine 
Etde verwandelt werden, bid Favorfier 1773 zeigte, daß die, ſich hiebel in den 
gllfernen Deflillirapparaten abfegende, Erde vom Glafe herrühre, Cavendiſh und 

jatt zeigten 1781 zuerft, aus welchen Beftandtbeilen das W. zuſammengeſcht 
ſetz Lavoifier beſtätigte die Angaben derſelben. Man erfuhr durdy die Unter 
fusung bisfer Gelehrten, daß teines W. aus W.-Stoff (f. d.) und Sauer, 

off Ci. d.) beftehe, die darin dem Raume nah im Berhältnig von 2 : 1 ent 
halten find, wie Aler. v. Humboldt und Gay-Luffac nachzuweiſen mußten. Das 
W. findet ſich auf der Erde in allen rei Aapre atözuftänden und zwar: fefl 
als Eis (f. d.), Schnee, Hagel und Reif; flüfftg Ah den Meeren, Eeen, Blüffen, 
Bächen, Duellen, Brunnen und Wolfen; luftförmig in der Atmofphäre. Bel 
diefem virihiedenen Vorkommen hat e8 «einen verichiedenen Grad von Reinheit. 
Am meiften vermifcht mit anderen Eubftangen, demnach verunreinigt, iſt das Meer 
2, und das der fogenannten Mineralquelln; das erftere enthält Chlornatrium, 
Ehlormagnefium (f. Chlor x), fhwefelfaures Natron (f. Ratrum), Eblor 
calctum , foblenfaure Kalferde, Koblenfäure ; legteres enthält tbeils diefe, 
theils ncch andere Stoffe, wie Toblenfaures Natron, Fohlenfaures Eifenorypul, 
fhwefelfaure Kalferde, jchwefelfaure Bittererde und Schwefelwafferftoffgas. Solde 
Wäffer haben einen falzigen, bitterlicyen oder zufammenziehenden Geſchmack und 
lafien fi weder in der Küche, noch zum Wafchen gebrauchen. Gewöhnliches 
Brunnen-W. enthält etwas fohlenfaure Kalferde, durch Koblenfäure aufgelöst u. 
von den übrigen, eben angegebenen, Ealjen nur fehr wenig, Man nennt ed 
weich, wenn fidy in demfelben Eeife leicht und ſchäumend auflöst und wenn es 
nad dem Kochen und Wiedererkatten feinen mertlichen Bodenſaß binterläft; 
hart wird es genanrt, wenn es, wegen eines beträchtlichen Gehalies an Kalt: 
erde, Gyps ıc, die Seife nicht fchäumen läßt und Hülfenfrüchte nicht weich kocht. 
Reiner ald Brunnen: WB. iſt das Echncer und Regen-W., das, wenn es im Freien 
aufg.fangen wurde, feine anderen Etoffe enıhält, ald etwas aus der Luft nieder: 
gefauenen Etaub, kohlenſaures Amoniaf und Epuren von Ealpeterjäure, wenn 
der Regen beim Gewitter gefallen war, oder etwas Ealzfäure, wenn das W. in 
der Nähe eines Meered gefammelt wurde. Vollkommen reines W. erhält man 
nur durch Deſtillation, am beften des Regen oder Flußwaſſers, webri die Bor 
fit zu gebrauchen iſt, daß man nur ungefähr 3 des verwendeten W.s überbeftils 
lirt und das legte $ im Rüdflande läßt, weil fonft das Deflillat durch Veränder: 
ung der im W. enthaltenen organiſchen Stoffe brenzlic wird. Im vollfommen 
seinen Zuftande iſt das W. ganz farb, geruch- und geſchmacklos, hintertäßt, in 
einer bianken Platinſchale abgıdampft, keinen feften Facfand und wird weder 
von Echwefelwafjeftoff, nod von Baryt:W., noch von falpeterfaurem Silberoryd 
—— ein Kubifzoll deſſelben wiegt bei + 124° R. 289,34 Gran und ein 

ubıffuß 86,8 Pfund mebizinifches Gewicht oder 65,1 Civilgewicht, ein Kubifs 
centimeter franz. Maß wiegt bei 4 4° G. eine Gramme. Es hat ein ſpezifiſches 
Gewicht = 1, und if 770mal ſchwerer, als die atmofphärifche Luft. Reines ®. 
iſt für fi ganz ungerfegbar und geht nicht in Fäulniß über, wohl aber die im 
unreinen W. enthaltenen organifchen Eubftanzgen, weßhalb Meer-, Fluß» und 
Regen-®. nach längerem Aufbewahren übelriechend und gelblich werben. Es läßt 
fi) aber dad W. von folden organiſchen Stoffen, die hauptfählid von den 
darin lebenden Thieren und Pflanzen herſtammen, dadurch befreien, daß man es 
vor dem Aufbewahren über friſch auegeglühte, etwas gerbrödelte, Holztohlen gieft 
(fittrirt), durch welche diefe organiſchen Körperchen aufgefaugt werden. (ine 
Gigenthümlichteit des W.s If, daß das Marimum feiner Dicptigkeit mit feinem 


Waſſerblei — Mafferburg | 713 


Sefrierpunfte (f. E16) nicht zufammenfällt, fonbern hei -p 4°, 1 ©. liegt. Das 
ber tritt bei ihm der mertwürdige Fall ein, daß ein und derfelbe Körper ein gleiches 
Volumen bei zwei verfchiedenen Temperaturaraden, nämlich unter und über dem Dich» 
tigfeitömasimum, haben kann; 4.8. hat W. von 2,330 C. u. W. von 6° 
gleiche Dichtigkeit. Salziges W., 3. B. Meer-W., dagegen hat ein, mit dem 
Sefrierpuntte zufammenfallendes Dichtigfeitemarimum. Durch Trud läßt ſich 
das W. nur wenig verdichten, rämlidy durch den einer Atmofphäre nur um 
0,0 00048 feine® Volumens u. f, f., propertional dem wachſenden Drude Es 
dehnt fi von feinem Dichtigkeitsmöximum an ungleichförmig bis zu feinem 
Eierepunlte aus, welcher unter 28 Bar. Zoll Barcmeterftand bei -» 100° G, 
(> 80°.) Heat. (Ueber W.- Dampf und Dunft fiehe die Artitel Dampf, 
Dunf.) Das W. läßt fih mit vielen F.üffigkeiten vermifchen; «8 1d6t fehr 
viele fefte und Iuftartige Körper auf; die auflöfende Kraft fteigert ſich bei den 
meiften Subflanzen mit der Temperatur. Viele Stoffe, welche bei höberer Tem⸗ 
peratur vom W. in beveutend größerer Menge gelöst werben, ‚fehen ſich beim 
Erfalten von in der Hide gefättigten Auflöfungen in Kryftallen ab und hinter 
laſſen eine, bei der Suftienlberann gefättigte Auflöfung , welhe Mutterlauge 
genannt wird. Bon atmofphärtfder Luft nimmt das W. etwa ſeines Raus 
mes aufs fie entweicht aber durdy Berührung des W.s mit rauhen Körpern, dug 
Aufkochen und Gefrieren, durch werchen letztern Umſtand das Eis blafig wird 
daher gewoͤhnlich nur ein geringes ſpezifiſches Gewicht beſitzt. Der W.⸗Gehalt 
der Luft iſt abhängig von ihrer Temperatur und von dem Vorhandenſ yn hin⸗ 
reichender W.- Mengen für die dadurch mögliche Verdunſtung. Ueber ven Meeren 
der heißen Gegenden enthält ein Maß Luft mehr W.+ Dampf, als ein gleiches 
Maß Luft der Falten Steppen des nörblichen Aſtens, oder ver beißen, aber wafs 
ferarmen Sandwüſten Afrika's. Wird die mit W., Dampf gefättigte Luft abges 
fühlt, 3. B. durch Winde, fo Tann fle natürlich nur eine geringe Menge W.s 
aufgelöst erhalten, Ein Theil defielben verdichtet fi) daher und wird dem Auge 
als Rebel cf. dv.) ſichtbar, wenn diefe Riederfchlagung des Dampfes nahe genug 
an der Erve vor fid) geht, oder ald Wolfe (f. d.), wenn dieß in der Höhe ges 
ſchieht. Diefe Nebelbildung fehen wir im Kleinen bei jenem Athemzuge entftehen, 
wenn die warme, mit W.⸗Dampf gefättigte, Luft unferer Lungen in einem kaͤltern 
Raume ausgearhmet wird. aM. 
Waſſerblei, Molybdän, ein unedles, ſchweres Metall, wurde zuerft ale 
Molyboänıäure von Scheele 1778 entvedt und von Hielm 1782 als Metall dars 
geſtellt. Es kommt in der Natur mir Schwefel verbunren, als Molyboänglanz 
und als molybdaͤnſaures Bleicryd, vor. Das reine Metall iſt fiiberweiß, ſtark 
glänzend, oder ein afchgraucs Pulver von 8,6 ſpezifiſches Gewicht; es ift härter 
al8 Silber und ſchwer fchmelzbar. Seit einiger Zeit wendet man einige feiner 
Verbindungen als Porzellanfarben, einige auch (3. B. ven Molybdänglanz) zur 
Bereitung des fogenannten blauen Carmins, forwie um Blaufärben wollener Zeuge, 
an. (S. Boppe, technologiiches Lexikon, I. Bp., S. 763 und Hermbflädt, Mas 
gazin f. Fürber, II. Thl., S. 14.) aM. 
Wafferburg, alte, gewerbfame Etabt in Oberbayern und Sit eined Land» 
gerichtes, Rıntamted und einer Salzfaktorei, auf einer fchmalen, vom Inn ums 
ſtroͤmten Erdzunge, zwifchen hoben, aber fruchtbaren Berghängen, welche die Ge⸗ 
end zu einem anmuchigen Naturgemälvde geftalten. Die Häufer mit ihren Hal 
engängen und den die Dächer verhüllenden Faqaden erinnern an bie fünlce 
Bauweiſe. Den geräumigen Markiplatz ziert das alıdeutfche Rathhaus, in wel 
chem bis 1793 die Kreistage der buyrifchen Reicheftände in Kriege» u. Münzs 
angelegenheiten gehalten wurden. Ein im &rdgefchoffe eingerichtete Zeughaus 
bewahrt nebft mehren alterthämlichen Waffen auch einen aufgeſchichteten Haufen 
großer, fleinerner Kugeln, welche 1427 während der Belagerung durdy Herzog 
Denrih den Reichen von Landéhut in die Stadt geworfen wurven. Die Pfarr⸗ 
she St, Jakob erbauten die Bürger im 3. 1255 und mod, Iren \Aeııı Ür 


AR .” Bf. 


lich Taffen fich beſſere Staatsfchriften aufweifen, als die feinigen. Bergl. Cyrus 
R. Evmunds, „The life and times of General W.“ (3. Aufl., 2 Bve., London 
1839); Jared Eparfs, „The wrilings of G. W., wilh a life of Ihe author“ 
(m. Ausg. 12 Bde, Boſton 1841 fi.). 

Waffer. Lange galt das W. als ein einfacher Etoff, als ein Element. 
Man glaubte einige Zeit, daſſelbe Fönne durch wiererholte Deftillarion in eine 
Erde verwandelt werden, bis Favorfier 1773 zeigte, daß die, fi hiebel in den 

läfernen Deftillirapparaten abfegende, Erde vom Glafe herrühre. Gavendifh und 
Saar zeigten 1781 zuerft, aus welchen Beftandtbeilen das W. zuſammengeſeht 
fet; Lavoifier beftätigte- die Angaben derſelben. Man erfuhr durdy vie Unter 
fusung difer Gelehrten, daß reines MW. aus W.-Stoff (f. d.) ımd Sauer: 

off (X. d.) beftebe, die darin dem Raume nah im Verhältniß von 2 : 1 ent 
halten find, wie Aler. v. Humbolvt und Gay-Luffac nachzuweiſen wußten. Das 
W. findet fi auf der Erve in allen drei Aggregatöjuftänden und zwar: feft 
als Eis (f. d.), Schnee, Hagel und Reif; Flüfftg in den Meeren, Eeen, Blüflen, 
Bächen, Quellen, Brunnen und Wolfen; luftförmig in der Atmofphäre. Bei 
diefem verſchiedenen Vorkommen hat es einen verichierenen Grad von Reinheit. 
Anı meiften vermijcht mit anderen Eubftanzen, demnach verunreinigt, if das Meer: 
W. und das der fogenannten Mineralquelın; das erftere enthält Chlotnatrium, 
Ehlormagnefium (f. Chlor ıc), fähwefelfaures Natron (f. Natrum), Eblor: 
ealctum , lohlenſaure Kalferde, Koblenfäure ; lepieres enthält tbeild dieſe, 
theils noch andere Stoffe, mie Foblenfaures Natron, Eohlenfaures Eifenorydul, 
ſchwefelſaure Kalferde, ſchwefelſaure Bittererde und Schwefelwaſſerſtoffgas. Solde 
Waſſer haben einen falyigen, bitterlichen oder zufammenziehenden Gefchmad und 
loffen ſich weder in der Küche, noch zum Wafchen gebrauchen. Gewöhnliches 
Brunnen-®, enthält erwas Fohlenfaure Kalferde, durch Koblenfäure aufgelöst u. 
von den übrigen, eben angegebenen, Ealjen nur fehr wenig, Man nennt es 
weich, wenn ſich in demfeiben Eeife leicht und ſchäumend auflöst und wenn es 
nah dem Kochen und Wiedererfatten feinen mertlichen Bodenſat hinterläft; 
hart wird es genanrt, wenn es, wegen eines beträchtlichen Gehalies an Kall⸗ 
erde, Gyps ıc, die Srife nicht fhäumen läßt und Hülfenfrüchte nicht weich kodt. 
Reiner ald Brunnen: W. {ft das Echnce- und Regen-W., das, wenn es tm freien 
aufg.fangen wurde, feine anderen Etoffe enthält, als etwas aus der Luft nıcder: 
gefauenen Etaub, kohlenſaures Amoniak und Epuren von Ealpeterjäure, wenn 
der Regen beim Gewitter gefallen war, oder etwas Ealzfäure, wenn das W. in 
der Nähe eines Meeres gefammelt wurde. Vollkommen reines W. erhält mın 
nur durch Deſtillation, am beften des Regen» oder Flußwaſſers, webei die Bor: 
ficht zu gebrauchen if, daß man nur ungefähr 3 des verwendeten W.s überbefil: 
Hirt und das legte 4 im Rüdftande läßt, weil fonft das Deflillat durch Veränder: 
ung der im W. enthaltenen organiſchen Stoffe brenzlich wird. Im vollfommen 
reinen Zuftande ift das W. ganz farb», geruch- und geſchmacklos, hinterläßt, In 
einer bianken Platinſchale abgıdampft, feinen feſten Rüdftand und wird weder 
von Echwefelwafferftoff, not von Baryt-W., noch von falpeterfaurem Silberosyd 
girib: ; ein Kubifzoll deſſelben wiegt bet m 123° R. 289,34 Gran und ein 

ubıffuß 86,8 Pfund medizinifched Gewicht oder 65,1 Civilgewicht, ein Kubils 
centimeter franz. Maß wiegt bei 4° C. eine Gramme. Es hat ein fpeziftiches 
Gewicht — 1, und iR 770mal ſchwerer, als die atmofphärifche Luft. Reines W. 
iſt für ſich ganz ungerfegbar und geht nicht in Fäulniß über, wohl aber die im 
unreinen W. enthaltenen organiſchen Eubftangen, wıßhalb Meer⸗, Fluß- und 
Regen ®. nach längerem Aulbemahten übelriechend und gelblich werden. Es läßt 
fich aber dad W. von foldyen organiſchen Stoffen, die hauptſaͤchlich von den 
darin lebenden Thieren und Pflanzen herſtammen, dadurch befreien, dag man es 
vor dem Aufbiwahren über friſch auegeglühte, etwas zerbrödelte, Holztohlen gießt 
(füteirt), durch welche diefe organiſchen Korperchen aufgefaugt werden. (ine 
Gigenthümlichkeit des W.s IR, daß das Marimum feiner Dichtigkeit mit feinem 


Baſſerblei — Waſſerburg. | 113 


efrierpunfte (f. E16) nicht zufammenfällt, fondern bei 4. 4°, 1 €. liegt. Das 
r ritt bei ihm der mertmürbige Fall ein, daß ein und derfelbe Körper ein gleiches 
olumen bei zwei verfchiedenen Temperaturaraden, nämlich unter und über dem Dichs 
zkeitsmaximum, haben Fannz 4.3. hat ®. von 2,330 C. u. W. von 6° 
eiche Dichtigkeit. Salziges W., 3. B. MeersW., dagegen hat ein, mit dem 
efrierpunfte zufammenfallendes Dichtigkeitsmaxrimum. Dur’) Druck läßt ſich 
8 MW. nur wenig verdichten, nämlich durch den einer Atmofphäre nur um 
(00048 ſeines Bolumens u. f. f., propertional dem wachſenden Drude Es 
bne fich von feinem Dichtigkeitsmaximum an ungleichförmig bis zu feinem 
terepunfte aus, welcher unter 28 Par. Zoll Barcmeterfiand bei =» 100° GE, 
pP 80°.) eat. (Ueber W.Dampf und Dunſt fiehe die Artikel Dampf, 
unf.) Das W. läßt ſich mit vielen Küffigfeiten vermifchen; «8 1581 fehr 
ele fefte und Iuftartige Kö:per aufs die auflöfende Kraft fleigert ſich bei den 
eiften Subflangen mıt der Temperatur. Viele Etoffe, welche bei höberer Tem⸗ 
ratur vom WB. in bedeutend größerer Menge gelöst werben, ‚feben fich beim 
rfalten von in der Hibe gefättigten Auflöfungen in Kryftallen .ab und hinter, 
ſſen eine, bei der — geſättigte Auflöſung, welche Mutterlauge 
nannt wird. Bon atmoſphaͤriſcher Luft nimmt das W. etwa ſeines Raus 
es aufs fie entweicht aber durdy Berührung des W.6 mit rauhen Körpern, bur 
ufkochen und Gefrieren, durch we:chen letztern Umftand das Eis blafig wird 
her gewöhnlich nur ein geringes fpezififches Gewicht befigt. Der W.-Gehalt 
7 Luft iſt abhängig von ihrer Temperatur und von dem Vorhandenſ yn hin⸗ 
Ichender W.⸗Mengen für die dadurdy mögliche Verpunftung. Ueber den Meeren 
r heißen Gegenden enthält ein Maß Suft mehr W.+ Dampf, als ein gleiches 
taß Luft der Falten Steppen des nördlichen Aftens, oder der heißen, aber wafs 
‘armen Sandwüften Afrıla’d. Wird die mit —— gefättigte Luft abge⸗ 
bit, 3. B. dur Winde, fo kann fie natürlid nur eine geringe Menge W.s 
fzelöst erhalten. Ein Theil deſſelben verdichtet fidy daher und wird dem Auge 
3 Rebel (cf. d.) ſichtbar, wenn diefe Niederſchlagung des Dampfes nahe genug 
der Erde vor fid) gebt, oder ald Wolfe (f. d.), wenn dieß in der Höhe ges 
ieht. Diefe Nebelbildung feben wir im Kleinen bei jenem Athemzuge entfteben, 
nn bie warme, mit W.⸗Dampf gefättigte, Luft unferer Lungen in einem Tälern 
sume ausgeaihmet wird. aM. 
Waſſerblei, Molybdän, ein unebles, ſchweres Metall, wurde zuerft ale 
olybdaͤnſaͤure von Echeele 1778 entvedt und von Hielm 1782 als Metall dar⸗ 
tellt. Es kommt in der Natur mit Schwefel verbunren, als Molybpänglanz 
d ald molybränfaures Bleicryd, vor. Das reine Metall iſt füberweiß, ſtark 
inzend, oder ein aſchgraues Pulver von 8,6 fpezifiihes Gewicht; es ift härter 
3 Silber und ſchwer fchmelzbar. Seit einiger Zeit wendet man einige feiner 
rbindungen als Porzellanfarben, einige auch (3. DB. den Molybdänglanz) zur 
ereitung des fogenannten blauen Carmins, fowie aum Blaufärben wollener Zeuge, 
. (©. Boppe, technologliches Lexikon, I. Bd., S. 763 und Hermbftädt, Mas 
zin f. Kärber, II. Thl., ©. 14.) aM. 
Wafferburg, alte, gewerbfame Etabt in Oberbayern und Sig eines Land⸗ 
richte, Rıntamtes und einer Salzfaktorei, auf einer fehmalen, vom Inn ums 
Ömten Erdzunge, zwifchen hoben, aber fruchtbaren Berghbängen, welche die Ges 
nd zu einem anmuthigen Raturgemälde geftalten. Die Häufer mit ihren Hal⸗ 
Igängen und den die Dächer verhüllenden Faqaden erinnern an bie ſuüdliche 
sumelfe. Den geräumigen Marfıplag ziert das alıdeutfche Rathhaus, in wel« 
:m bis 1793 die Kreistage der buyrifchen Reicheſtände in Krieges u. Münz⸗ 
gelegenheiten gehalten wurden. Ein im Erdgeſchoſſe eingerichteted Zeughaus 
wahrt nebft mehren alterthümlichen Waffen auch einen aufgefchichteten Haufen 
oßer, fleinerner Kugeln, welche 1427 während der Belagerung durch Herzog 
einrich den Reichen von Landéhut In die Stadt geworfen wurden. Die Pfarr⸗ 
che St, Jakob erbauten die Bürger im J. 1255 und ned, rer Ten Ür 


u 5 


Qs  Beisefell-MBefferheitunfintten. 


Fillallirche zu U. 2. Frau zu ſeyn. Außerdem befinden fich in ber Stadt noch 
drei Kirchen, ein Schloß, ein Spital, ein Bruder» und Armenhaus, ein Kranken 
und 2eprofenhaus, ein Korreftionshaus, Die Einwohner, 2400 an der Zahl, be 
fchäftigen fich mit Getreide», Hopfen-,. Hanf und Obftbau, Bier» und Met; 
brauen, Zeinwand- und Barchentweben, fo wie mit Handel und Schifffahrt nad 
Defterreich und Ungarn. Ein fehr beliebtes Produkt des hiefigen Gewerbfleifes 
find indbefonders die befannten W.er Dofen. — Auf dem rechten Ufer des Jun, 
über welchen eine hölzerne, 440° lange Brüde führt, quillt der Ahyatiusbrun 
nen, ein heilſames Mineralwafler, hervor. — Oberhalb W. erfcheinen auf den 
Uferhöhen Spuren von römiſchen Verſchanzungen, doch läßt fi) über eine etwaige 
Kolonie in diefer Gegend nichts Sicheres ermitteln und Reithofer fängt demnach 
feine Chronik von W. mit der Gefchichte der Stadt in der Karolingifchen Zeit 
an. In der legten Hälfte des 9. Jahrhunderts blühte das Gefchlecht der Grafen 
von Limburg und Hal, die ſich fpäterhin ausfchlichend von Waflerburg ſchrieben 
und in dem Schlofje dafelbft ihren Sig nahmen. Graf Konrad wurde in den 
Streit des Herzogd von Bayern mit dem päpftlichen Legaten Albert Beheim ver: 
widelt, indem legterer, aus Landshut fich flüchtend, NW. Schuß fuchte. Dito der 
Erlauchte Heß Burg und Stadt 119 Tage lang dur) feinen Sohn Ludwig belagen 
und brachte fie endlich in feine Gewalt. Konrad entwich nad) Ungarn und ®. 
wurde Bayern einverleibt (1248). Um biefe Zeit war die Bürgerjchaft bereits 
in hohem Wohlftande, indem damald eim anfehnlicher Zweig des Welthandels 
fih auf den Innftrom geworfen hatte. Noch 1470 ftanden 43 Wein- und 20 
Meihſchenken für die vielen durchreifenden Kaufleute, Frachtführer und Schiffer 
offen. Nachdem aber der Handel den Zug über Venedig verlaffen hatte, ver 
ſchwand er, wie in andern Städten Süobayerns, auch bier. In den Jahren 
1633 und 1634 drohte der Stadt die größte Gefahr, al die Bauern der Land 
gerichte Haag und Wafferburg, durch die Räubereien und Erprefjungen der öfter: 
reichifchen Marodeurs und anderer Truppen in Wuth gebracht, aufftanden und 
nahe an 15,000 Mann ftart außerhalb der Innbrüde fich lagerten. Im diefer 
Noth übernahm der menfchenfreundliche Pater Roman, Duardian des Kapuzine: 
kloſters zu W., die Role des Vermittlers und brachte es durch feine Fugen Un: 
terhandlungen einerfeitS mit den Infurgenten, anderſeits mit den Räthen des Kur: 
fürften Marimilian dahin, daß die Ruhe ohne gewaltſames Einfchreiten wiehe 
hergeftellt wurde. mD. 

Waſſerfall oder Katarakt, bezeichnet diejenige Stelle eines fließenden 
Waflers, wo daffelbe durch ein plögliches Abfallen feines Bettes in feftem Geftein 
geswungen wird, eben falls herabzufallen. Dergleichen finden ſich gewöhnlich va, 
wo bie Flüſſe und Bäche in ihrem Laufe durch die ochpebirge MM} ftufenförmige 
Abfäge treffen, oder wo Schlünde und Thäler durch Auseinanderreißen, oder durd 
Ausfpühlung von weniger feftem Gefteine, neben härterem eniftanden find. In 
den Strömen aber ficht man fie häufig in ihren Durchbrüchen mehr oder wenige 
bedeutend, oft nur ald Stufens oder Stromfchnellen, wodurch die Schif⸗ 
fahrt mehr oder weniger gehlnbert, jebod in den meiften Fällen unterbrochen 
wird. So hat man die berühmten W.e des Niagara (f. d. Art.) in Nor: 
amerika, die durch die Wafler des Erieſees gebildet werben, den von Tecquendama 
des Rio Bogota in Südamerika, des Nils bei Afjuan in Oberägypten, den Rhein: 
fall bei Schaffhaufen u. m. a. 

Waſſerheilanſtalten, nennt man jene Anftalten, in weldyen fs die nötbigen 
Borrichtungen befinden zu ben verfchledenen Gebtauchsweiſen des Falten Waſſers, 
welche die Wafferheilunde (f. Hydriatif und Wafferkuren) Borfereit 
Das Haupterforderniß einer W. tft gutes Waffer; wo dieſes vorhanden if, läft 
fi eine W. errichten, daher wir auch fehen, daß, feit das Wafferheilverfahren 
in Aufſchwung gefommen if, eine immer größere Anzahl von W. entfteht, vie 
alle mehr oder minder nad) dem Mufter der, von —A (. d.) in Graͤfen⸗ 
berg (f. d.) errichteten, eingerichtet find. Namentlich find bei einer großen Anzahl 


3 


Waſſerhoſe — Waffertie,. 713 


minder wichtiger Mineralquellen W. errichtet worben, um fo die Wirkung bes 
Mineralwaflers und den Zulauf der Babelufigen zu vermehren. E. Buchner. 

Waſſerhoſe oder Werterfäule, ein oft überaus verheerendes Meteor, das 
im Weſentlichen aus einer fchlauchartinen Verlängerung einer Wolfe bis auf die 
Oberflaͤche der Erbe oder des Meeres befikht, eine flar e Rreiöbenegung bat und 
fidy mit dem aufbraufenden Fuße ungleichförmig fchnell fortbewegt. Die W.n erſcheinen 
häufiger auf dem Meere, ald auf dem Lande, find meiſt mit Getöfe, fchwefeligem 
Geruch, Blitz, Donner begleitet und haben Hagel oder Regen in großen Tropfen 
im Geleite. Ihre Entſtehung findet man in den oberen Regionen und zwar in 
einem Luftwirbel, weicher Luftverpünnerung, das gewaltfame Zuflrömen der ums 

ebenden Luft verurfacht, wobei Gegenflänte aller Art mit unwiderftehlicher Kraft 
Prrtgerifien werden. Beobachtungen von der zerftörenden Gewalt der W.n find 
häufig. Die, zulegt 1845 bei Rouen beobachtete, zertrtümmerte ganze Fabrikgebaͤude 
und ward von Pouillet unterfucht. | 

Waſſerjungfern, f. Libellen. 

Wa nennt man die methodiſche Anwendung des kalten Waſſers, gleich⸗ 
zeitig in mehrfacher Weiſe zu Heilzwecken, wie ſie heutzutage vorzugsweiſe durch 
Dertel (ſ.d.) und Prießnitz (ſ. d.) ins Leben gerufen wurde (ſ. Hydriatih). 
Der Gebrauch des Waſſers und zwar des kalten Waſſers zu Heilzwecken if 
übrigens weit älter, ja, er iſt uralt. Schon in den älteſten Zeiten finden 
wir den Gebrauch des Talten und warmen Bades als viätetiidhes Mittel; 
Bılz ofrates verbreitet fich auefübrtich über Ruben u: Nachtheil der Baͤder; 

lintus erzählt, daß die Römer in ven - erfien ſechs Jahrhunderten 
nad) Erbauung der Stadt ſich der Bäder allein, ftatt der Arzneien, bevient hätten 
und bemerft, daß die Sterblichkeit nicht größer geweſen, als nad Ankunft der 
griechifchen Aerzte. Unter den Arabern empfehlen Rhazes (ſ. d.) und Avicenna 
(f. d.) das kalte Wafler gegen verfchichene Leiden und in verſchiedener Anwend⸗ 
ungsweife: al8 ®etränt, Wafchung, Begießung, Fallbad ıc. Im 14. Sahräunbert 
famen in Stalten die Douchen in Gebrauch. Dann geriethb das kalte Wafler 
wieder in Bergefienbeit, bis PBrofper Alpinus (f. d.) neuerdings auf dasfelbe 
aufmerkfam machte. errmann von der Heyden (1643) ſetzte daß Kalte 
Waſſer geradezu über die Arzneien; am meiſten aber förberte die 28. der Eng⸗ 
länder Floy er (1649—1714) durch feine „Psychrolusia“, bie ſchnell nacheinander 
ſechs Auflagen erlebte und worin er das Falte Wafler in einer außerordentli 
großen Anzahl von Krankheiten als ein vortreffliches Heilmittel empfiehlt; no 
weiter ging Lucas (1750), der auch zuerfi der Einhüllung in ein Faltbewäflerte® 
Betttuch erwähnt. In Italien gab es zu diefer Zeit ſchon Wafferdoctoren, 
die diefen Beinamen führten: fo Todano, genannt medicus per aquam und 
Sangez, genannt medicus per glaciem, die der guten Sache aber durch ihre 
Vebertreibung fchadeten. Großen Augen fchaffte Ziffot (ſ. d.) durch feine 
Empfehlung der Falten Bäder; auch in Deutichland wurde der Gebrauch des falten 
Waſſers zu diefer Zeit vielfach von Aerzten empfohlen, namentlich aber machte 
fi um daſſelbe verdient der fchlefiiche Arzt Stgmund Hahn (1662 — 1742) 
mit feinen beiden Söhnen. In der Ehirurgie empfahlen 8 Schmuder (1712 
bis 1786) und Theden Cf. d.). Einen neuen Aufihwung erhielt der Gebrauch 
des Falten Waſſers durch James Eurrie (1756—1805), der Falte Wafchungen 
im Typhus, Scharlachfieber ıc. empfahl und mit güdtichen Erfolge anwendete. 
War auf foldye Weife der Bebraudy des Falten Waſſers bei den Aerzten bald 
mehr, bald minder befannt und üblich, fo gebührt in neuefter Zeit einem Laien, 
Dertel (f. d.), das große Berbienft, — eigenes Beiſpiel u. Bekanntmachung 
ſeiner Erfahrungen auf populäre Weiſe, die große Menge des Volkes auf die 
Wichtigkeit des Gebrauchs des kalten Waſſers aufmerkſam gemacht zu haben; 
nur ging er leider, verleitet durch ſeinen Enthuſiasmus für das, was er für gut 
erkannt hatte, zu weit und empfahl das Waſſer als Univerſalmittel, was das 
Waſſer nicht ift und nicht feyn Fan. — Als Ergebnis der bhaerigen Eriuinunaen 


716 Boffermalerei — Waſſerſcheu. 


über die W. ftcht feft, daß gefunden Leuten das Trinken des Falten Waſſers und 
der Gebrauch Falter Bäder recht dringend zu empfehlen find, wobel jedoch ein 
ewiſſes Maag nicht überfchritten werden darf; — daß ferner der Gebrauch des 
alten Waſſers in vielen Krankheiten ald Hauptmittel, oder a! Beihülfsmitte 
der Behandlung, den größten Nugen gemährt, daß aber eine ſolche Anwendung 
des Kalten Waffers gegen Krankheiten nur auf Anordnung und unter Leitun 
eined umfichtigen Arztes fätfinden fol. — Schließlich ift noch zu erwähnen, dah 
auch das warme Waffer von jeher in verſchiedener Weiſe für ärztliche Zwede 
angewendet wurde, namentlich ald warmes Bad, daß es aber auch in meihodiſchet 
Anwendung ald W. von Cadet de Baur (f. d.) gegen Gicht und Rheumaris 
mus empfoblen wurde, : E. Buchner. 
Baffermalerei (Aquarell), beit im —— zur Delmalerei die Malerei 
mit Waflerfarben, d. h. mit folcben, die nicht mit Del, fondern mit Gummi over 
Leimmwafler zubereitet werden. Die W. ift fehr paſſend für Landfchaften nach der 
Natur, fir Skizzen zu großen Gompofitionen, für Theaterbeforationen u. dgl, 
wobei jedoch die Farben nicht zu ſchneli während der Arbeit felbft trodnen müflen, 
weil die Nüancen alddann ſich nicht verſchmelzen laffen. Man unterſcheidet bier 
auch die Aquarell» und Gouadhemalerei, indem jene der durchſichtigen, 
diefe der Dedfarben (. d.) ſich bedient. Werden beide, wie Öfrer gefchieht, 
mit einander verbunden und die untermalten Dedfarben mit durchfichtigen lafirt, 
fo gewinnt man zwar eine größere Klarheit und Kraft, die aber wegen Beſchaf⸗ 
fenheit der durchfichtigen Farben von feiner Dauer ift. Vgl. Aquarell. 
hen (Hydrophobia), nennt man die Wuthtranlheit beim Menfchen, 
indem nur bet dtefem, wenn Anftefung von wuthfranfen Thteren fattgefunden hat, 
als eine der beftändigften Erfcheinungen Abicheu vor Flüffigkeiten, verbunden mit 
der Unmöglichkeit diefelben zu verfchluden, ftattfindet. Bei den Thieren tritt W. 
nur höchft felten auf (f. Hundswuth). W. fommt aber beim Menfchen aud) 
vor ohne vorausgängige Anſteckung von wuthltanken Thieren in Folge Heftiger 
Leidenſchaften oder in Folge des Einfluſſes heftiger Kälte und Hitze oder auch in 
Folge von aufgeregter Ginbildung und Furcht. So felten diefe Fälle auch find, 
ſo laffen fie ſich doch nicht völlig läugnen. Werner kommt die W. vor als be 
gleitende Erſcheinung anderer Krankheiten, namentlich von Nervenfiebern, man: 
derlei Entzündungen, vorzüglich des Gehirns, Schlundes, Zwerchfells und Herzens, 
dann bei hohem Grade hufterifcher Zuftände oder ftarrframpfiger Zufälle bei 
ppochondrie ıc. In diefen Fällen hängt die W. in ihrem Verlaufe von der 
auptfrankheit ab und verfchwindet mit diefer. Bei der wahren W., welde 
durch Anftefung, namentlich dur Biß von wuthkranken Thieren, entftanden ift, 
betommt die Bißwunde früher oder fpäter ein übles Ausfehen und fondert 
flat des Eiters Jauche ab; gewöhnlich entficht zugleich heftige Juden 
und Brennen in der Wunde; war dieſe ſchon geheilt und mit einer fehlen 
Narbe bevedt, fo bricht fie von neuem auf oder in anderen Fällen verändert fie 
nur thre Farbe, wird bläulichroih und ſchmerzhaft. Mit dieſen örtlichen Er: 
(being verbinden fih nun allgemeine: krankhaft erhöhte Reizbarkeit des 
tervenfyitens, fich fundgebend durch ungemeine Angft und Unruhe, große Abs 
fpannung, ober umgekehrt durch heftiges Auffahren, ungewöhnliche Lebhaftigkeit; 
dozu gefellen fi unruhiger Schlaf und eine erhöhte Empfindlichkeit der Sınnes: 
organe. Der Kranke iſt in der Regel abgefpannt, klagi über große Mattigfeit 
und ein eigenthümliches Schwergefühl in den Gliedmaßen, fieht blaß und ängſilich 
aus; zeitweiſe fommen Froſtſchauder, die Aıhmung ift beflommen, der Puls Hein, 
häufig oder auch pam normal; der Appetit fehlt, zumellen if galliges Erbreden 
vorhanden. Ale diefe Erfcheinungen find in feiner Weife befänv 8, fie fehlen 
oft bei W., kommen aber auch bei anderen Krankheiten vor u. haben daher bes 
güstich der Srtennung der Krankheit nur dann Werih, wenn fie bei, von wuth⸗ 
anfen Thieren Gebiffenen, vortommen. Nach 24—36 Etunden, oder erſt nah 
acht und mehr Tagen fteigert fih die Srankheit: die Aengftlichfelt nimmt zu, «6 


| Waſſerſhen. Be 117 


entfeht Betäubung, Schwindel und Schmerz in verſchiedenen Theilen; ber 
Krante hau nirgends Ruhe, gebt von einem Orte zum andern und murmelt 
genen feine Gewohnheit einzelne unzufammenhängende Worte; er fucht die 
infamfeit, {ft ungemein fchredhaft, klagt über Kättegefühl, ſieht finkter und 
wild aus; es entfiehen krampfhafte Erfcheinungen, namentlich im Schlunde, fo 
daß bei vorwaltennem Durfte das Trinken fehr erſchwert tft, während das Hinab⸗ 
fhlingen fefterer Nahrungsmittel ohne große Schwierigkeit von ftatten geht. Nach 
wenigen Tagen nehmen alle diefe Erſcheinungen zu, das Trinken iſt ganz uns 
möglıch und jeglicher Verſuch dazu erregt die hefligſten Zufälle, Krampf im 
Schlunde, Erfidungszufälle und allgemeine Fraiſen. Die W. ift nun in vollem 
Maße vorhanden: der Kranfe Bat den größten Widerwillen gegen alles Ftüffige, 
beſonders gegen das Waſſer, defien Anblid fowohl, als Alles, was in dem Kranken 
eine Erinnerung davon erwecken Tann 3. B. das Ausgießen einer Flüſſigkeit, das 
Rauſchen eines Baches, ſelbſt der Anblick glänzender Gegenftände, oder nur vie 
bloße Kennung des Waflers in dem Kranken eine unbefchreibliche Angſt und 
Unruhe, Sraifen, ja fogar Wahnfinn und Wurhanfälle erregt. Selb ven eigenen 
Speichel vermögen die Kranken nicht binabzufchluden, fondern fpuden ihn bes 
ftändig aus, oder er fammelt fi als &eifer vor dem Munde und fließt nach 
auffen ab; dabei leiven die Kranfen an gewaltiger Trodenheit der Mundhoöhle 
md an dem heftigſten Durfte. Die Erfcheinungen dauern nicht immer in gleicher 
tgfelt an, fondern nehmen ab und zu. Tritt ein Anfall ein, fo erfolgen die 
tigften Krämpfe, der Kopf wird nad) einer Seite gezogen, die Geſichtsmuskeln 
verzerren fich, es entfteht ſelbſt Starrkrampf; dabei tritt dem Kranken oft Schaum 
vor den Mund, das bisher blaffe eingefallene Geſicht wird roth, fchwillt aufı der 
Bil nimmt einen furchtbaren Ausdrud an, e& tritt würhendes Delirium ein, tn 
welchem der Waſſerſcheue aufipringt, bräft, um fidy beißt, oft Alles überwältiget 
und zertrümmert, was ihm entgegen fteht, bis feine Kräfte erfchöpft find und er 
ermattet zufammenfinkt. Diefe wuͤthenden Delirien bemerkt man übrigens nidyt 
bei allen Kranfen, mandje behalten ihre Vernunft bis zu ihrem Ende und. es 
fcheint, daß manchmal die Anfälle von Wuth durch robe rüdfichtelofe Behand⸗ 
lung hervorgerufen werden. Die Anfälle dauern 20—30 Minuten, dann fommt 
ruhlye Zwifchenzelt und das Bewußtſeyn Fehrt wieder, die Kranfen werden ruhiger 
aber.trauriger und fehen ihrem Tode entgegen, der plöglic unter Zeichen von 
Erftidung erfolgt, oder bei mehr und mehr finfenden Kräften und fich einftellender 
Bemwußtlofigfeit endlich ruhig und fanft unter leidyten Zuckungen dem Leiden ein 
Ende macht. Töptlich wird die W, wenn fle wirklich ausgebrochen iſt, gewöhnlich 
zwifchen dem britten und fünften Tage, einzeln tödtet fie fchon in den erften 24 
Etunden, zuweilen erft am fechöten, oder fiebenten Tag, felten fpäter. — Die W. 
entfteht zunächft in Folge des Biffed eines wüthenden Hundes oder andern Thiers, 
indem der Speichel den Anftedungsftoff enthält; aber nicht alle von wüthenden 
unden Gebiffenen, fondern durchſchnittlich nur der achte bis zehnte Theil ders 
eiben befömmt die W. Ob die W. durch den Biß eines waſſerſcheuen Menfchen 
weiter gepflanzt werden könne, fteht im Feiner Weife fe. — Die Behandlung 
der audgebrochenen W. iſt eine ziemlich troftlofe Sache, da, ungeachtet der vers 
ſchiedenen vorgefchlagenen und durchgeführten Heilmethoden, kaum in einem Fall 
ein günftiged Ergebniß erzielt wurde. Bon größter Wichtigfeit ift daher die Bors 
bauungsfur, die bei Allen in Anwendung zu bringen iſt, die von wüthenden 
unden gebiffen worden. &8 find in dieſer Beziehung von j:her die verſchieden⸗ 
en Mittel angepriefen worden; nur leider, daß von den Fällen, in welchen fie 
halfen, auf feine Weife feftfieht, daß der Ausbruch der W. wirklich gedroht hat, 
da, wie oben bemerft wurde, das Gebifienwerden von einem tollen Bunde nicht 
immer den Ausbruch der W. nach fich zieht. Am wichtigften bleibt immer uns 
mittelbar nach dem Biffe die Entfernung des, das Wuthgift enthaltenden, Speichels 
aus der Wunde, daher Ausfaugen der Bißwunde durch den Berlegien felbft, oder 
durch andere Perfonen, denen dieſes, wenn anders ihre Lippen un ir Mutlıe 


718 Waſſerſchnecke — Waſſerſucht. 


ſchleimhaut unverſehrt find, keinen Schaden bringt, oder Auswaſchen, Ausbrennen, 
Ausägen der Wunde ıc. die übrige Behandlung muß dem Arzte überlaſſen 
bletben. E. Buchner. 
Bafferfhnede, Wafferfhraube over Archimediſche Schraube, 
die, befteht aus einem fchräg liegenden Cylinder, um den fich fchraubenförmig 
eine Röhre hinaufwindet, deren unteres Ente im Wafler ſteht. Bei Umdrehung 
der Kurbel, die durdy irgend eine Kraft bewegt werben fann, fchöpft das untere 
Ende der Röhre le das bei fortgefehter Drehung der Kurbel ſtets höher 
gehoben wird, indem ſich die Röhre unter ihr fortichiebt, fo daß nach einigen 
mbrehungen alle tiefen Bogen in jeder Schraubenwindung mit Wafler — — 
füllt find und der oberſte daſſelbe ausgießt. Anſtatt einer umgewundenen Röhre 
legt man gewoͤhnlich blos eine wendeltreppartig gewundene Wand um die Welle, 
die Ft liegt aber dann in einem hohlen Halbeylinder, in welchem fogu⸗ 
das Waſſer in die Höhe geſchraubt wird, wodurch man zugleich auch mehr Wafs 
fer in die Höhe fchaffen kann. Wan wendet die W. zu verfchlevenen Zweden, 
fo wie bei den bolländiichen Tonnenmühlen an; in neuefter Zeit conflıuiıt man 
Dampfboote, ftatt mit Schaufelrädern, mit W.n, wodurch mehr Dampf u. Kraft 
erfpart und zugleidy eine größere Fahrgeſchwindigkeit erzielt werden foll. 
Waſſerſtoff (Hydrogen, brennbare oder Inflammable, entzündbare Luft), 
ein chemiſch einfacher Stoff, der ſich in der Ratur nie rein, fondern immer vers 
bunden mit anderen Subflangen und zwar mit Sauerftoff im Waffer, mit Sauer- 
ftoff und Kohlenftoff als Beſtandtheil faft fämmtlicher Pflanzen, mit Saucrfoff 
und Stidftoff als Beſtandtheil faft aller thierifchen Körper u. f. w. vorfindet. 
Er wurde zuerft als eigenthümliches chemifches Element erfannt, als Cavendi 
1781 die Zufammenfegung und fpäter Lavoiſter die Zerfegung des Waflers in 
Sauerſtoff u. W. zeigte. Man wußte zwar fchon lange, daß fich beim Auflöfen 
einiger Metalle in verdünnten Säuren eine brennbare Luft entwidele, Fannte jes 
doch die weiteren Eigenfchaften derfelben nidt. Der W. wird immer durch Zers 
fegung des Waflers dargeſtellt. Man leitet entweder Waſſerdämpfe über Eiſen, 
welches in einer Röhre bis zum ftarfen Glühen erhigt wird; oder man bringt 
Eifen (ftatt deſſen auch Zink), Wafler und Schwefelfäure zufammen. Der, dabei 
im gaöförmigen Zuftand ſich entwidelnde, W. ift aber Immer mehr oder weniger 
unrein und kann dadurd) gereinigt werden, daß man Ihn durch Kuliauflöfun 
(fe Kali u. Kalium) ftreidhen läßt, oder daß man ihn 24 Stunden lange mit 
feuchtem Kohlenpulver in Berührung ſetzt. Am reinften wird er dargeftellt durch 
Zerſetzung ded Waſſers mittelft der galvaniichen Säule, wobel er am negativen 
Mole ausgefchieden wird. (S. d. Art. Galvanismus und Elektrochemis— 
mu) Der W. if ein farb», gerudy= u. gefchmadlofes, permanentes Gas, 144 
mal leichter, als atmofphärifche Luft (== 0,069), ift fehr brennbar, unterhält aber 
das Brennen anderer Körper nicht; das Produkt feiner Verbrennung iſt Waſſer⸗ 
dampf. Zum Athmen ift das Gas nicht tauglich; Fleine Thiere flerben in dem⸗ 
felben faft augenblicklich, im Menſchen erregt ed unangenehme Empfindung auf 
‚ver Bruſt und Berluft der Musfelfraft; mit Luft gemengt, läßt es ſich länger 
einatbmen. Don 22 Raumtheilen Wafler wird nur ein Raumtheil des —* 
Gaſes geſchluckt. Bon den Verbindungen, welche der W. mit anderen Stoffen 
eingeht, find bemerfenswerth: die mit Sauerfloff zu Waffer (f. d.) und zu 
Knallgas (ſ. d.), mit Chlor (f. d.) zu Salzſäure, mit Schwefel (f. d.) u 
Schwefel-W., mit Phosphor (f.d.) zu Phosphor-W. u. f. w. Der Gebraudy 
des W.es iſt mannigfach; es dient zum Hüllen der Luftballone (megen feiner 
Leichtigkeit) u. der WB.- Feuerzeuge oder Zündmafchinen (f. Feuerzeuge); beim 
Löthen einiger Metalle, befonders des Blei's; zum Hervorbringen Intenfiver Wärme 
trade ıc. Auch in der Medizin wurde feine Anwendung verfucht. Nach Einigen 
—* es, in Verbindung mit atmofpärifcher Luft eingeathmet, die Stimme heller 
und reiner machen. C. Arendts. 
Waſſerſucht nennt man jede Anfammlung von wäfleriger Fluͤſſigkeit in irgend 


| Bafferweiße, —* 719 


einem Theile des — die durch ein Mißverhaͤltniß zwiſchen Abſonderung 
und Aunſſauguns entſteht. Die Flüſſigkeit, welche bei der W. ſich angeſammelt 
findet, iſt nicht reines Waſſer, ſondern enthält immer mehr oder weniger thieriſche 
Stoffe und Salze, fo daß ſie Häufig nicht durchſichtig und hell, ſondern trüb und 
felbR manchmal dicklich if. Eben fo tft die Färbung diefer Fluͤſſigkeit verſchieden 
nach den beigemifchten Stoffen; fie iR waſſerhell, blaßgelb, grün, roth oder braun. 
Die Beftandtdeile der Flüffigleit find in der Regel diefelben, wie die des Blutferumß, 
nämlich Waſſer, Eiſtoff, eine gallertartige Subſtanz und bie Salze des Blutwaflere. 
Auffer diefen Beſtandtheilen findet ſich zuweilen Ballenpigment und häufig Harns 
ſtoff vor; überdieß zufällig beigemengte Stoffe: fo Eiterkügelchen, Blut ıc. Die 
verſchiedenſten Organe des Körpers fünnen von W. ergriffen werben unb zwar 
findet ſich Waſſeranſammlung 1) in feröfen Säden, welche fich nicht nach außen 
öffnen; bieher gehören : die W. des Augapfels, der Hirnhöhlen u. der Hirnhaͤute 
(Bajferfopf), die Herzbeutel-W., die Bruſt⸗W., Bauch⸗W., die W. der 
Scheidehaut des Hodend (der Wafferbruch) x.; 2) in einigen von Schleim«- 
häuten ausgekleideten Höhlen, fo in den Echleimbeuteln der Sehnen und in der 
Höhle der Bebärmutierz 3) in dem Barembome einiger Organe, fo der Cierſtoͤcke, 
der Lungen und verfchledener Drüfen; 4) in dem Zellgewebe unter der Haut und 
zwar nicht blo® der Außern Haut (Haut W.), fondern auch der Schleimhäute, 
Das Waſſer tft entweder unmittelbar in den ergriffenen- Organen abgelagert, oder 
es if in eigenen, krankhaft entftandenen, Säden eingefchlofien. Die nächte Urfache 
jeder W. fi übermäßig ftarfe Abfonderung von Serum, deren Beranlafjung fehr 
" verfchiedene Krankheitözuftäude feyn Tönnen, z. B. Entzündungen, Bergiftungen, 
Säfteverluft, Eirculationshindernifje 2c.; immer wird bei fjoldyen Urfachen das 
Eniſtehen der W. durch feuchte, nebelige, kühle Luft befördert und zwar um fo 
mehr, wenn gleichzeitig Sprünge in der Temperatur flattfinden, oder die Menfchen 
ſich Berfältungen außfegen; daher fommt die W. häufiger vor an tiefgelegenen 
Drten in der Nähe träger Flüſſe, ald auf den Bergen und Hochebenen, ferner 
häufiger im Herbft und Frühling, ald im Gommer und Winter und, da in 
manchen Jahren eine feuchte Witterung durchaus vorberridht, fo treten dann 
audy die W.en epivemifch auf. — Die Folgen der W. find Funktionsflörungen u. 
anatomifche Veränderungen in dem ergriffenen Organe. Gntwidelt ſich die W. 
fehr Iangfam, dann fcheinen fidy die Organe allmälig an den Drud der anger 
fammelten Slüffigfeit zu gewöhnen und es fammeln ſich auf ſolche Weife oft . 
roße Mengen von Wafler an, ohne die Verrichtung der betroffenen Organe zu 
dren, während bei rafcher Ergiegung eine weit geringere Menge Flüſſigkeit bins 
reicht, die heftigften Funktionsſtoͤrungen hervorzurufen. Auch im Gefammtorganids 
mus zeigen fi) bedeutende Veränderungen in Folge der W.: das Blut verliert 
bet länger dauernder W. immer feine normale Beichaffenheit und wird bünn- 
flüfftg und wäflerig; ferner find alle Sefretionen ver etionsftoffe fehr vers 
mindert: zuerſt leivet ‚die Transfpiration, dann wird bie —A beſchraͤnkt 
und zuletzt tritt Stuhlverſtopfung ein, — ungeachtet deſſen iſt aber der Durſt 
dennoch geſteigert. Die W. endet entweder durch Geneſung, indem von freien 
Stüden, over in Folge geeigneter ärztlicher Behandlung, Entleerung der Flüſſigkeit 
eintritt, oder geht in eine andere Krankheit über, over endlich vie W. endet mit 
dem Tode, indem fo wichtige Funktionsſtörungen eintreten in Folge der Waſſer⸗ 
anfammlung, daß eine Kortdauer des Lebens nicht möglich ik. — Die Behand 
lung der W. if auf Entfernung des Waſſers gerichtet und dieſe wird erzielt durch 
mechanifche Entleerung, vorzugsweife die Baracentefe (ſ. d.), oder durch arz⸗ 
neiliche Mittel, welche die Hauptausfcheldungswege: den Darm, die Nieren oder 
die Haut zu verftärkter Thätigfeit erregen und dadurch die Yuffaugung und Ents 
leerung der Flüfftgfeit bewirken follen. Diefe Mittel find die abführenden, Urin⸗ 
und Ehweis treibenden. Doch muß die Behandlung der W., je nah Art und 
Sig derfelben, genau bemeflen werben. E. Buchner. 
Waſſerweihe, 1) inderrömifch Fatholtfchen Kirche die, am Eharfamktage 


7% Waſſerziehen der Sonne — Wateau. 


ſtatifindende Weihe des Taufwwaffers. Der Prieſter fängt dieſe W. mit dem Gebete an, 
dag Alle, die ein Verlangen haben, ſich mit diefem Waffer taufen zu laffen, an 
Leib und Seele geheiligt werden mögen. Hierauf tbeilt er das Waſſer mit der 
Hand in der Form eines Kreuzes, um anzuzeigen: Gott wolle durch Jefus, der 
für und am Kreuze ftarb, diefem Waſſer die Kraft’ mitiheilen, die in der Sünde 
Geborenen in meue Menfchen umzufchaffen. Hierauf berührt er das Waller 
mit der flachen Hand, zum Zeichen, daß der Geiſt Gottes, wie bei der Scörf: 
ung, darüber ſchweben und den Täuflingen feine Gnade. ertheilen wolle. — &ı 
fegnet das Waffer durch den lebendigen, wahren und breieinigen Gott u. ſchüttet 
etwas davon gegen die vier Weltgegenden, um anzuzeigen, daß in der ganyen 
Welt die Begierde nach der heiligen Taufe gefilit werden möge. — Er haudt 
das Waffer dreimal in Kreuzesform an. Wie nämlich ver Schöpfer den erftm 
Menſchen anhauchte und ihm das Leben gab und, wie Jefus feine Mpoftel an- 
hauchte und ihnen den heil Geiſt ertheilte: fo wolle audy der göttliche Geiñ 
die Täuflinge zum neuen Leben erweden. — Er taucht die Diterferze dreimal, 
das zweite Mal tiefer und qulegt bis auf den Boden des Tauffteines in das 
Wafler. Der Täufling foll nämlich, unter dem Beiftande des bi. Geiftes, immer 
mehr durch das Licht der Lehre Jeſu erleuchtet und von derfelben durchdrungen 
werden, um fie von ganzem Herzen hodyzufhägen und mit Freude zu befolgen. 
Mit diefem Waffer befprengt er die Gläubigen, um fie zu erinnern, daß fie che 
mals Alle durch die beil. Taufe gehelligt wurden. Zulegt gieft er einzeln etwas 
Katechumenenðl und Ehrifam, hierauf von beiven zugletch in das Waſſer, um 
anzuzeigen, daß die, welche mit diefem Waffer getauft werden, Chriſtas dem Ge— 
falbıen ganz geweiht und, von dem heiligen Seife geftärkt, ihrem Erlöfer bis zum 
Zode ergeben bleiben mögen. — 2) W., in ver griechifchen Kirche, ein Fat, 
welches biefelbe am 6. Jänner zum Andenken der Taufe Jeſu im Jordan feiert. 
Vorher wird eine Wafe (Loch) im Eife des nähen Waflerd gehauen und mit 
Zweigen grünen Navelholzes umgeben. Um folches ftellt man Hütten mit Bildern 
von Heiligen, befonders des h. Johannes des Täufers. Nach dem Gortespienfk 
in der Kirche zieht die Geitlichkeit und Gemeinde in Projeſſion dahin u. erſtett 
fpricht über das offene Wafler den Segen, macht dreimal das Zeichen dit 
Kreuzes über das Wıffer, auch taucht der erfte Geiftliche erft das Kreuz un 
hernach eine Duafte ins Waſſer, womit er die Umfchenden in Form des Kreugs 
beftreicht oder befprengt. In Rutland gehört die W. zu den feierlichſten Sehen. 
De & it immer in der Refivenz zugegen, das Militär, in Parade aufgefelt, 
gibt Salven. 

Bafferziehen der Sonne nennt_man eine, zumal im Sommer nicht gar 
feltene Eiſcheinung, daß, wenn die Sonne zwiſchen zwei dichte Woltenmafn 
durchſcheint und dadurch in gewiſſen Luftſtrichen die in derſeiben ſchwebenden 
Dünfte erleuchtet, waͤhrend die angrängenden dunkel bleiben, mehre heile Streiſen 
in Saulengeſtalt von der Sonne aus auf dem dunkeln G-unde der Wolfenm.ft 
nah der Erde herabgehen. Es iſt diefes meiter Nichts, ald ein opuiſchet 
Meteor und fleht mit der Witterung weiter nicht in der geringften Verbindung, 
auffer, daß die Wolfen, zwiſchen weldyen die Strahlen fallen, allerdings Rem 
herabfchütten fönnen, was aber eben fo gut ohne Vorhergehung diefes Phi 
nomend gefchehen lann. Dft erfolgt Regen nach demfelben, oft aber auch nidt. 

Wateau, Antoine, ein berühmter franzöflfher Genremaler, warb um 
1684 zu Balenciennes geboren, konnte Anfangs, wegen Mangel an gehörige 
Leitung in feiner Vaterftadt, ‘nur wenige Fortſchritte in der von ibm mit Eiſer 
ergriffenen Kunft magen u. mußte auch in Paris, wohin er fid) 1702 begab, fd 
mit Abfopiren der Stüde eines unbedeutenden Malers ernähren, bis er, dem 
jüngern Audran empfohlen, von dieſem beffere Anleitung erhielt. Zwar fehrt 
er Per in feine Vaterftadt zurüd, war aber bald wieder in Paris und com 
eurzirte mit einigen luftigen Genreftüden bei der Akademie der Künfte als dern 
Benfionär zu Rom, die aber fo beifälig aufgenommen wurden, daß er fogled 


aterlander — Watt. | ꝛ 


Mitglied derſelben und peintre des fêtes galantes du roi ward und fo in bie 
Mode kam, daß die Damen fidy nady feinen Gemälden kleideten. 1718 ging er 
nah England, kehrte aber bald nach Frankteich zurüd, mo: er beftändig Eräntelte 
und den 18. Juli 1721 zu Rogent bei Barts kart. Man rühmt an ihm for 
wohl die Leichtigkeit des Pinſels, als die naturgetreue Darftelung und fehr viele 
feiner Gemälde find in Kupfer geflohen. Die Galerien zu Dresden, Münden 
und Wien befigen mehre Stüde von ihm. 

Waterländer, |. Wiedertäufer. " 

Waterford, Srafichaft in der irifchen Provinz Muͤnſter; 31 Meilen, 
150,000 Einwohner. Die Stadt, weldye felber den Namen gibt, iſt einer ver 
erfien Seepläge des Landes und der Sig eines anglikaniſchen und eines Fathols 
ifchen Biſchofs. Sie liegt am Zufammenfluffe ded Barrow und Guire und am 
St. Georgskanale, und hut einen tiefen und geräumigen Hafen mit einem ver 
ſchoͤnſten Kar’s in Europa. Die anglikaniſche Domtirche fol fidy aus den Zeiten 
der Dämans oder nördlichen Seeräuber herſchreiben. Sehenswerth iſt audy die 
katbouſche Kirdye zur heiligen Dieieinigfeit. Weiter findet man bier eine ſchoͤne 
Börfe, mehre Schulen, ein Krankenhaus und andere Wohltbärigketisanfalten, 
ſehr beträchtliche Niederlagen von Rinder- und Schweineroͤckelfleiſch, Butter, Ges 
treive, Mehl und Leinwand, Zuders und Flintglasfabriken, Wisfybrennereten. 
Das Dorf Baffage if der Ort der Abfahrt für die in's Ausland beflimmten 
Schiffe Eine beträchtliche Zahl derfelben befdyäftiget fih mir dem Häringe- u. 
Kabeif ufang. — 60,000 Guw. . - mD, 

- Waterloo, Dorf im Bezirke Nivelled der beigifchen Provinz Gübbrabant, 
2 Meilen von Brüffel, am Eingange des Waldes von Golane, mit 2300 Kin 
wohnern, geſchichtlich merfwürdig durch die, am 18. Juni 1815 eine Stunne von 

ier geichlagene, große Echladht, in welcher Napoleon durch bie Briten und 
en die voliſtaͤndigſte Rıeverlage erlitt, in Folge der er für Immer von dem 
politifhen Schauplage abırat Die Briten nennen diefe Schlacht nad dem 
Dorfe W., wo Wellington fein Hauptquartier hatte und daher auch den Titel 
„Hürfk von W.“ führt, Schlacht von W; die Preußen nach dem Entſcheidungs⸗ 
punfte des Sieges und dem Zukammenkunftsorte der ſtegreichen Feldherren Schlacht 
von Belle⸗Alliance; die Franzoſen endlich, wegen des —* und Ortes ihrer 
Angriffe, Schlacht von Mont Saint⸗Jean. Auf dem Schlachtfelde befindet ſich 
ein kunſtlicher Hügel in Form eines 200 Fuß hohen Hünengrabes, mit dem, von 
dem Prinzen von Dranien und der bolländifdyen Armee errichteten, Tolofialen 
Löwen. Bei dem Einfalle der Franzoſen in Belgien, 1832, wurde derfelbe von 
der franzgöfifchen Atmee bedeutend beichädigt und nur mit Mühe durch die Für⸗ 
forge des Marfchalle Gorard gefhügt. Auch befinden ſich unfern davon, an der 
Straße von Brüffel nach Eharleroi, noch zwei kleinere Denkmaͤler für den Ober 
Gordon und die gebliebenen Offiziere der englifch-dentfehen Legion. Zu Plans 
chenoit, 14 Stunde davon, fteht noch ein eifernes, vom Könige von Preußen 
errichteteß, von den Franzoſen gleichfalls ſehr befchänigte® Denkmal. | 
Waterloo, Anton, 1618 zu Utrecht oder, nady Anderen, zu Amſterdam ges 
boren, eın berühmter Landſchaftsmaler, deſſen Gemälde mit großem Beifalle aufs 
enommen und jederzeit außerordentlich gefucht wurden. Ungeachtet er fehr vieles 
eld verdiente, auch felbft ererbied Vermögen befaß, gerieih er doch in fehr Dar 
tige Umftände, fo daß er fein Leben 1660 im Gt. Jakobs sHofpital, unw 
Utrecht, endete. Er bat 153 Landfchaften radirt und darin vor allen anderen 
Meiſtern den Vorzug erhalten. Stine ländlichen Begenftände und beſonders ſein 
Baumfchlag athmen ganz den GEharafter der Natur. Indeſſen find gute Abdrücke 
von feinen Arbeiten, da die Platten fehr gelitten baben, felten. 

Watt, James, berühmter Mecyaniter, geb. 1736 zu Greenock in Schott- 
land, Sohn eines K.ufmanns, aus einer Familie von Mathematikern und In⸗ 
genieuren, befuchte die Schule feiner Vaterſtadt und kam 1754 nach London in 
die Lehre zu einem Fabrilanten mathematiſcher Jußrumentie, vein aher Ta © 

Renienpelepärin X, IR 


722 Watte — Ban, 


ſich durch Kränklichkelt gezwungen, London und die Lehre zu verlaffen umd war 
fortan bezüglich feiner weitern Ausbildung auf ſich ſelbſt angewieſen. 1757 lam 
W. am die Univerfität Glasgow als Verfertiger mathematifcher Inftrumente; 
1764 gab er dieſe Stelle auf und ließ fid als Ingenieur in Glasgow nieder; 
in diefer Eigenfchaft entwarf er ten Plan zum caledonifhen Kanal (f. d.) 
und prejeftirte auch die Verbindung des Forih und der Cyde; buld aber wurde 
er. biefen Beſtrebungen entrüdt und auf jene Laufbahn gewiefen, die ihm Ruhm 
und Glüd,- der Menfchheit aber die folgen» und fegensreichften Erfindungen 
brachte. Er war nämlich ſchon 1763 beauftragt worden, das Modell einer 
Dampfmarhine auszubeflern, das zum Untertichte an der Univerfität dienen follte, 
jiedurch wurde W. mit der Dampfmafchine näher befannt, die feit faft einem 
‚ahrhundert entdeckt, aber noch immer von fehr befchränfter Kraft und weit um 
beveutender war, als die meiften anderen mechaniſchen Erfindungen, vie als de 
wegende Kräfte benügt wurden, W. bewirkte durch feine Erfindungen eine völ 
lige Umg:ftaltung der Dampfmaschine cf. d.), mwodurd fie auf einen Grad 
der Volkommenheit-gebracht wurde, der die fühnften Erwartungen übertraf und 
recht eigentlich zu. dem eıft wurde, was man heutzutage eine Dampfmafchin 
nennt; daher auch mit vollem Rechte W. als der zweite Erfinder, ja, als der 
eigentliche Schöpfer der Dampfmaſchine betrachtet wird, — 28. befand ſich in 
fehr befchränften Verhältniſſen; um daher feine Erfindungen in's Werk feh.n zu 
Tönnen, verband er fi mit Dr. Roebuc, dem Gründer der großen Eijenwerl 
zu Carson in Echotiland; aber auch Roebuch's Mittel waren erfchöpft, bevor 
noch Ws Erfindung vollendet war und fchon ſchien der Fortgang des Wertes 
jehemmt, als ſich der reiche Fabrifbefiger Boulton (f. d.) von Birmingham 
Kan, der Ro bucks bisherige Zubufjen zurüderftattete und mit W. in Berbind 
ung trat. W. nahm mum 1769 mir Boulton ein Patent und zog zu leßterem 
nad) Soho bei Birmingham, wo er die weltberühmte Dampfmafchinenbauerei an: 
legte, die noch von feinem und feines Gefellichafterd Sohne beirteben win. 
Auſſer den fteren Verbeſſ rungen, die W. an der Dampfmaſchine anbradhte, erfand 
er 1779 auch eine Brief⸗Copit⸗Maſchine, die große Verbreitung erlangte. 1800 
zog ſich W. von feinen Geſchäften zurüd und lebte den Reft feines Lebens in 
Ruhe auf feinem Landgute Hearhfield bei Birmingham; er ftarb dafelbft den 25, 
Augur 1819. Zur Errichtung eines Nationaldenkmais für W., der Mitglied 
der Königlichen Wejelljchaften zu London und Soinburad, fowie des Inſtituts 
von Frankreich war, bemilligte das Parlament 1824 mehre taufend Pfund 
Sterling. E. Buchner. 

Watte ft urfprünglich eine Gattung feine oſtindiſche Baumwolle, die einm 
fo kurzen Faden hat, daß fie zum Spinnen unbrauchbar {fl und nur zur Füttern: 
ung von Deden, Kleivungsflüden u. f. w. verwendet wird, um ſolche wärme, 
aber auch nicht ſchwer zu machen. In neuer Zeit bat man den Ramen W. den 
befannten, in ganz Deutfchland von Baumwolle, Floretſeide oder f iner Wolke 
verfertigeen und theilweife mit Gummi, beftrichenen Tafeln, zum Unterlegen und 
Ausfürtern der Deden und Kleider, beigelent. - 

Watten oder Wadden heißen Eandfleden an den Küften der Norbfee, die 
von der Fluih angefpült find umd von derſelben überfpült, von der Ebbe abet 
bloßgelegt werden. Mit platten Fahrzeugen (W.⸗Fahrer, Schmafen) fanı 
man Über diefelben frei fahren. 

Bau, Gelb- oder Streidhfraut (Reseda luteola) , eine, durch ganı 
Europa wilnwachfende, in mehren Gegenden (Frankreichs, Deutichlands, Hol 
lands und Eıglande) auch angebaute, frautartige Pflınze, mit einem 2 bie 3 
Buß fangen Siengel, der fi in einer langen, mit geruchlofen, der gewöhnlichen 
Reiede (Reseda odorata) ähnlichen, Blühen beiegten Mehre endigt Die Blättır 
find Längtıch lanzeitförmig und von gelblicy:grüner Zarbe. Der W. wird in der 
Blüthenzeit gefchnitten oder auögerauft, getrodnet und dann, in Bündel zufammen 
gebunden, in den Handel gebracht. Wan gebraucht ihn vorzüglich in der Seiden⸗ 


BWavre — Beben. 23 


färberet, um gelb, grün und fdhwarz zu färben; audh in der Leinen und Baum⸗ 
well enfärberei wird er verwendet, feltener in der WoBenfärberei; überdirß wird 
and demjeiben Bas Echüttgelb verfertigt. Das mir W. hergeftellte Selb wird 
nicht fo ſchnell ſchuutzigcelb, wie das von anderen Vegetabilten. Guter W. fol 
eine fcböne geibe oder gruͤnlichgelbe Farbe haben, njeht zu dickſtielig, defto bluͤthen⸗ 
und b’ätterreicher feyn. Am melften wird der von Eünfranfreidy gefchäpt. aM. 
Bavre, Etat mit 5000 Einwohnern, an ver Dyle, in der beiglichen P. o⸗ 
vinz Südbrabant, war am Tage der Schlacht bei Waterloo (f. d.) ver Schaus 
platz eines Treffens zwifchen den: Sranzofen unter Grouchy (f. d.) und den 
Preußen unter Thielemann (ſ. d.). Letzterer ſollte nämlich mit 15,000 Mann 
die Referve der Hiuptarmee bilden und genen Belle-Alliance anmarfdyiren, ale 
ihn Grouchh bei W. den 18. Juni 1815_mir 35.000 Mann angrifl. “Die 
Preußen ſtellten fi an den fleiten Ufern des. Dyieflufied auf und behaupteten 
fidy den ganzen Tag, fo daß die Franzoſen erfi am 19. den Uebergang erzwingen 
fonnten, Unterdefi n. war aber die Schlacht bei Belle-Alliance geichlagen worden, 
bei weidyer R.:poleon vergeblich auf Grouchy's Ankunft gewartet hatte u. Grouchy 
zog ſich nach Ramur zurüd, wohin ihm die Preußen folgten und Ramur mtt 
Emm nahmen. Huf jeder Seite waren über 5000 Todte und Verwundete 
8 en 
Wehen, Weberet, nennt man das Verfahren, Fäden rechtwinfelig fo zu 
durchtreuzen, daß ein zufammienbängende® Gewebe daraus entfieht. Die Fäden, 
welche dabei der Länge nach laufen, werden Kette, die der Breite gehen» 
den Ginfchuß genannt. Nach Maßgabe der Fävenverfchlingung unterfcheidet 
man glatte (fchltdyte) Stoffe, bei welchen die Verfchlingung diefelbe bleibt u. 
gemufterte (facgonirte) Eroffe, bei denen auf verſchiedenen Theilen der Fläche zwei 
oder mehre Arten von Berichlingung vortommen. Die einfachfte Art der glatten 
Stoffe find: Leinwand, Battiſt, Kaium, Muflelin, Tuch, Taffet ıc. Sollen fe 
befonders did werden, fo kann man entweder zwei auf einander liegende lein⸗ 
wandartige Gewebe verbinden (Dorpelgewebe), oder nad) Art des Köperd wer 
ben, d. b. fo, daß der Einfchuß die Kette in Abtheilungen, 3. B. von je abwech⸗ 
kon drei Fäden und einem Baden, abıheilt. Dem Köper iſt da6 Atlasgewebe 
nlich, nur liegen dann mehr als je drei Fäden dazwifchen. In beiden ent» 
ſtehen Muft.r dadurch, daß man die Schußfäden bald unter, bald über den Fa⸗ 
denabihellungen der Kette hingehen läßt. _Ginenthümliche Gewebe find: die Gaze, 
bei weldyer die Kettenfäven paarwetfe zwifchen je zwei Einſchußfäden um ein⸗ 
ander herumgeſchlungen oder gefreuzt find, während die Schußfäven felbR einzeln 
und gerade Iegen und die fammtartigen Stoffe, die darin übereintommen, 
daß auf ihrer Oberfläche burd das Weukleinere odeg größere Fadenſchieifen ent⸗ 
ſtehen, weiche dann, aufgefchntiten, eine kürzere oder Jüngere haarartige Bedeckung 
erzeugen, mag nun das Haar (Bohle) durch Eintragfiden (Mundhefter), oder Die 
Keite (Sammt) gebildet feyı. Das W. ſelbſt geſchieht mittelſt des Webeſtuhls, 
auf welchem die Kettenfäden in regelmäßiger paralleler Anordnung neben einander 
aufgefpannt find und der Sinfchuß quer zwiſchen denſelben hindurch gelegt wi d, 
nachdem ‚für jeden Einſchußfaden vorläufig eine, dem Zwecke entſprechende, Abtheil⸗ 
ung der Kette in Ober⸗ und Unterfach vorgenommen worden iR. “Der ättefle u. 
einfache Webrfiuhl iſt noch in Hindoſtan üblid. Er befteht aus zwei gen 
von Bambusrohr, wovon eine zum Aufwickeln der umverarbeiteten Kette, die ans 
dere zum Auftollen des gewebten Zeuges dient, und einem “Paare fogenannter 
Schaͤfte zur Epaltung der Kette in Ober⸗ und Unte fach. Das G.ſtell if gleich⸗ 
falls höchſt einfach aus Bambusrohr gemacht. Der europätiche einfache Webe⸗ 
Auhl zu einfachen Stoffen iR bekannt; um größere und kuͤnſtieriſche Muſter her⸗ 
vorzubringen, bedient man ſich der Verbindung des Webeſtuhls mit der Jacquard⸗ 
maſchine, deren Eigenthuͤmlichkeit darin beſteht, daß auch alle die Kertenfünen 
gleihzriiig gehoben werden, w-Idhe oben auf dem Gewibe liegen unn ven Gar 
itag bensden mäflen, us Das Mufer zu erzeugen. Dek Rain un 






m en 


in befondere Ligen eingezogen, die zufammen Harnifch heifen, Zum W. lein- 
wandartiger u. netönerter Etofe bevient man ſich jehi der Webeftüple, die durch 
Waffers oder Dampffraft getrieben, wobei der Arbeiter blos die abreißenden Kıt 
tenfäven anzufnüpfen, oder Garnfpulen in die Schüpen einzufegen hat, — Die 
Kunft zu weben konnte, 26 em einmal die Kunft Fäden zu fpinnen erfunden 
war, nicht lange unbefannt bi . Man durfte nur eine Anzahl Fäden neben 
einander und wieder eine Anzahl quer durchlegen. Am erften mochte dieß mit 
Binfen, Weidenruthen und Strohhalmen verfucht worben feyn und daher ging die 
Kunft zu flechten der zu weben voran, Isracliten, Aegyptet u. Griechen ſchrelben 
die Grfndung des Wis einem Frauenzimmer zu: eritere der Naema, Tochtet 
Lamechs, Sqchweſter Thuballains und Jubals; die Aegypter der Iſis; die Grie 

en der Pallas (Minerva), mit welcher aber die lydiſche Jungfrau Arachne in 

bewerbung trat und jur Strafe in eine Spinne verwandelt wurde. Moriftie 
verftand die Kunft, ganze Kleider zu weben, unterrichtete darin den Areas, einen 
Sohn Jupiters und König von Arkadien. Pamphila führte die Webefunft auf 
der Infel Kos und an dem ägelfchen Meere ein. Htob gevdenkt des Weberſchiffs 
Penelope hielt ihre Freier viele Jahre him, indem. fie ſelbe erfuchte, zu warten, bis 
fie den Mantel fertig gewirlt, aber, was fir des Tages über gewirkt hatte, in 
der Nacht ſteis wieder auftrennte. Anfangs webte man ftehend, mit ſentrech 
jefpanntem Zettel, Die Aegypter führten das figende W. und den wagrecht ge 
|pannten Zettel ein. Regnier erfand den Webftuhl mit Walze, wofür er eine E% 
Belohnung erbielt, Braun in Nimmegen erfand 1676 einen Webſtuhl für Röd 
ohne Nath. Becher fhlug um diefelbe Zeit einen Webftuhl vor, womit zwi 
BPerfonen täglich. 100 Ellen Tuch weben follten. 1799 erfand Zofepb Maria 
Jacquard den nach ihm benannten Webſtuhl, eine der wichtigften Verbefferungen 
im der Weberei, für welche er von der franzöſiſchen Regierung 6000 Beanfen 
Jahresgehalt erhielt, deren Werth die Jury bei der Ausftellung von 1801 aber 
fo wenig anerfannte, daß fie dem Erfinver nur eine Bronzemedaille zuerfamte. 
Das Boif in Lyon zerfchlug feinen Webeftuhl und brachte den Erfinder dreimal 
in Lebensgefahr, aber doch verbreitete er ſich und die Zahl der Webftüble für 
fagonnirte Zeuge, die 1782 in Lyon 240 und zur Zeit der Erfindung Jacquard’s 
2800 betrugen hatte, ftieg 1812 auf 10,720, 1825 auf 20,101 und jept auf 
36,000. Gngland nahm fie erft 20. Jahre fpäter an. Sie ſchuf den Fabrifanten 
ungeheuere Reichthümer, während Jacquard ſich mit feinem Gehalte begnügte und 
weiter feine Vortheile aus feiner Erfindung zog. 

Weber, 1) Zofeph von, Domdedyant und Generalvifar des Bistbums 
Augsburg, geboren den 23. September 1753 in dem bayerifchen Städtchen Rain, 
wo fein Vater Buchbinder war. Der Oheim, Pfarrer zu Bingen, unterrigiet 
den talentvollen Knaben in den Anfangs grünben der lateiniſchen Sprache, 1764-10 
befuchte er das Gymnaſium in dem Beneviftinerfiifte zum Hl. Kreuz in Donaw 
woͤrth, wo der berühmte Beda Mayer Rhetorik lehrte. Die philoſophiſchen 
Studien machte er 1170 — 72 in Augsburg unter der Leitung der Jefuiten und 
zeichnete ſich in den Fächern der Phyſik, Mathematik und verwandten Wiflen: 
ſchaften fo hervorrageno aus, daß er den Fünftigen großen Phyſiker ahnen lieh. 
Schon wollte er ald Miffionär nah Ehina, da trat die erfolgte Aufhebung des 
Jefuttenordend und das Widerſtreben feiner Eltern hindernd entgegen. As 
Alumnus des Pri.fterhaufes weilte er 1773— 77 in Dillingen, war zwei Jıhre 
lange dort Repetitor der Philofophie und erwarb fich die Doftorwürde. Der 
neugeweihte Priefter trat als Hofmeifter in dad Haus des Parrigier6 u. fürk 
bifhöflich augeburgifchen Regierungsoischtors von Pflumern u. erfand jegt fchon 
den neuen eleltriſchen Apparat: „Lufteleftrophor", wofür ihm die Alademie der 
Wiſſenſchaften in Mündyen nicht alein die Preis « Medaille zuerkannte, fondern 
den noch ganz jungen Mann zu ihrem @hrenmitglieve ernannte. Um fich mit 
den feelforglidyen Funktionen vertraut zu machen, begab er fi in das Kierikak 
Geminar nach Pfuffenhaufen , war ein altes Johr lange Kaplan in Züctiiſſen 


yer 1779 vom Bürfibiichof Clemens Wenzelaus als Repetitor des Kirchenrechtes 
der Katechetif in Bfaffenhaufen aufgeſtellt. 1781- erhielt W. die Befbrberung 
ıf die Univerfität Dillingen ale Brofeffor der Philofophte und. trug Anfangs 
gif und Metaphyſik vor, bis ihm der Lehrkuhl der Mathematif und Phyſit 
ı8fchließtich zugeibeilt wurde. 14 Sabre lange behaupteten feine Borlefungen 
ne wahre Gelebrität, fo, daß das nachbarli olſtadt Alles aufbot, vielen 
elehrten für fih zu gewinnen. Mar Joſeph m die PBrofefiur der Raturs 
Ziffenfchaften an, Gerfehte ihn in die Reihe der wirkli geiftlidyen Räthe und 

e Univerfisät fertigte ibm das Doktordiplom ver fügte aus, Mit ver 
eberfiedelung der Univerfität von Sngolftodt kam W. nach Landshut begleitete 
303 das Rıftorat und unterrichtete den Kronprinzen, nachberigen König Lud⸗ 
ig, in den Raturwifienfchaften. Huf geftellte Bitte wurde feinem Wunſche ent⸗ 
rochen und er zum Profeſſor der Phyſik in Dillingen, mit Beibehaltung (eine 
harakters fammt ungefchmälerter Befoldung, ernannt. Bel der Drganifation 
& neuen Lyceums ward W. mit biefem Dekhäfte betraut und durch feine Ber; 
ittelung erhielt die Anflalt ein prächtige® Lokal, ein reich beſtelltes phyſikaliſches 
abiner, eine Menge neue Infirumente und vwollfändigen Apparai. Die drei 
rien «Monate verwendete er auf Paftorirung der Pfarre Demingen und war 
frig als Prediger, Katechet, Beichtvater und Tröfer, verfchönerte Kirche und 
farrhaus feined Sprengels, gab dem Kirchthurm eine Viertelſtundenuhr, bes 
thfte einen Aufſchwung im Oöhbene und half einem der empfindlichſten Beduͤrf⸗ 
fie ver Gemeinde ab, dem Mangel eines genen fließenden Waſſers, durch 
raben eines Brunnens, was nur mittelſt Durchbohren eines Felſens geſchehen 
mwute. So wirkte der fromme Seelſorger in einem Zeitraume von 24 Jahren 
8 1811. Die erledigte Pfarrei Dillingen ward ihm angeboten: er aber 
ünfchte aus mehren Gründen eine Landpfarrei und wählte die, eine Etunde 
m Dillingen entlegene, Pfarrei Witrisiingen, welche er am 3. Auguf 1811 
ich erhielt. Ungeachtet feiner feelforglichen Abgeſchiedenheit wetteiferten. die 
lehrten Gefellfchaften, ihn zum Mitglieve zu wählen: 1780 die fitttich-öfonoms 
he Sefelfchaft zu Burgbauien, 1781 der hefiensbomburgifche landwirthſchaͤftliche 
erein, 1783 Geſellſchaft der naturforfchenden Freunde in Berlin, 1802 vater; 
ndifche Geſellſchaft dar Aerzte und Rarurforfcher in Schwaben und die E. k. 
fademie ernannte das bisherige Ehrenmitglied zu ihrem ordentlichen correſpon⸗ 
renden Mitgliede. In Folge des bayertichen Concordats ward W. am 1. Nov. 
21 zum Domkapitular ernannt und am 15. Auguft 1826 an des verflorbenen 
ımpert’8 Stelle Domdechant und Generalvikar. In demfelben Jahre, den 
.. Eeptember, feierte er fein 50jähriges Amtsjubiläum und König Subwig ebrie 
ne Berdienfte durch SerleiEung des Ritterkreuzes des Civilverdienſtordens ber 
yeriſchen Krone. 1823 befiel ihn ein inflammatorifch » gaftrifche® Fieber, wos 
sch Gehör und Sprache ſehr gefhwädt wurden und die Heiferfeit heran⸗ 
ckende Luftroͤhrenſchwindſucht befürchten lief. Er entichlummerte am 14. Febr. 
31. Geine legte Arbeit war die Umarbeitung feiner erften Schrift, - die ihm 
rade vor 50 Jahren die Aufnahme ald Ehrenmitglied der Akademie verfchafft 
tte und ſich betitelte: „Der Lufteleftrophor in feiner Vervolftändigung und 
srüdführung feiner Erſcheinungen auf beftimmmte Geſetze“, in einem Send 
reiben un Geheimen: Rath v. MU, mit lithogr. Zeichnung, München 1831. 
ie Zueignung fchließt mit den Worten: „am 23. September 1830, meinem 
. Geburtötage". Der tödtlich Tranfe Verfaſſer fah wohl die erfien Correktur⸗ 
gen, nicht aber den vollſtaͤndigen Drud feined Schwanengefanges. Eeine E chriften 
eilen fich in drei Claſſen: religiöfe, philoſophiſche und phufltalifche, welche letzt⸗ 
m ihn am berühmteſten gemacht und namentlid „die Dynamik der gefımmten 
atur“ beabfichtigte, alle Naturerfcheinungen aus einer, nach verſchiedenen bes 
mmten Geſetzen wirkenden Grundkraft herzuleiten, u. fo bie Phytt aus dem Be⸗ 
Ihe der Cmpirik zur Wiſſenſchaft zu erbeben. Aufſer vielen einzelnen Abband⸗ 
ngen, deren Aufzählung zu weltläufig: Theorie der Elektriektät, VNA. Aeuiiie 










726 Weber. 


der theoret/fchen Philoſophie, 1785. Ueber ven Werth der Luftmafchine, 1786. 
Bernunftichre für Menſchen, wie fie find, 1786. Die Nichtigkeit der Zauberet, 
1787. Vorlefungen aus der Naturlehre, 1789. Phyſiſche Evemie, 1791. ML 
gemeine Nıturwiffenfdaft, 1792. SPlaneomeirie, 1797. Metaphyfil des Sinn: 
lichen und Ueberfinnlichen, 1801. Galvantemus, 1802. Die einzige wahr 
Philoſophie, nachgemiefen aus, den Werken des Seneca, 1807. Medanit un) 
ihre gefammten Theile, Landehut 1810. Freie Darftellung der Bhilofopbie, 
Münden 1814. Mehre Katechismen, Predigten, Gebeibücher und wre 
bücherz Rec. in der Oberteutſchen Allgemeinen it. Zeitung, Würzburg. gel. An. 
zeigen, Kapler's Predigtſammlung und Magazin, Gtber’d Annalen der SPtyüt. 
— Theorie vom Galvaniemus, 1815. Thieriſcher Magneriömus, 1817. Elel 
trieität, 4817. Dynamiſche Licht-, Karben: u. Wärme-Theorie, 1818. Meteor 
feine, 4-20. Wiflenfbaft der materiellen Natur oder Dogmarif der Miäterir, 
4821 u. f. w. Vgl. Domdelan Joſeph von W;, von Ehriftoph Schmir, Auge, 
burg 1831. Cm. — 2) W, Bernbard Anielm, eın berühmter Muflter, 
geboren zu Mannheim 1766, erhielt ſchon frühe Unterricht im Clavier ſpielen von 
dem Adte Bogler (f. d.), fowie von Holjbauer-und Einberger und bezog fehen 
im 15. Jahre die Univerfität Heidelberg, wo er Philoſophie und Yurispruden 
Audirte, bald jedoch auch diefed Studium ganz verließ, um fi) dafür ganz den 
Sıudium der Tonfunft zu widmen. einer ſah er fi) bald darauf im feine 
Hoffnung, zu Vogler nach Mündyen gehen zu fönnen, um fi unter defjen Kit 
ung vollends auszubilden, getäufcht, da derjelbe gerade In jener Zeit feinen Ruf 
nad Echweden erhielt. Mit tüchtigem Talente und unermüdetem Fleiße über: 
wand jedoch W. alle Unannebmlichlerten, die ihm damals in ven Weg trat, 
übernahm 1787 das Direftortum über das Großmann' ſche Orchefter in Hannever, 
ward bier mit dem ausgezeichnetfien Beifalle aufgenommen, reiste hierauf 1790 
mit Vogler durdy Holland, Deutichland, Dänemark, Echweden und Norwegen, 
ging dann 1792 nach Berlin, wo er Mufitircktor wurde und 1793 im Wufırage 
des preußtfchen Safe nad Wien, wo die intime Bekanntſchaft mit Ealieri 
nicht wenig au feiner vollenderen Ausbildung beiirug. Den Ruf als Karel: 
meiſter nach Rheinsberg, den er 1796 erhielt, Ichnte W. ab und ging hierauf 
mt der berühmten Künftlerfamtlie Schick nach Breslau, 1803 aber mit Kopebur 
nad) Paris, von wo er jedoch bald wieder nach Berlin zurüdfehrte, wo ihn der 
König zum Kapellmeiſter ernannte. Allen Erwartungen, die man ſich von ihm 
jemacht hatte, entfprach er auf eine Welfe, die Nichts zu wünfchen übrig lief. 
icht dlos war er hochgefiiert als Glavır:pieler, wobei er mit der größten deriig⸗ 
Iett einen tiefen Reichthum an Gedanfen und harmonifchen Wendungen verband, 
fondern man hatte auch nie dad Orchefter des Nationaltheaters thätiger, ein: 
ftimmiger und feuriger wirfen hören, als unter W.s Leitung. Und fo blieb a, 
wegen ſeiner Anfpruchölofigkeit und Beicheivenheit von allen feinen Umgebungen 
geiene und von Allen ald Künftler geachtet, in Berlin bis an das Ende feines 
iebens, das leider fchon 1822 erfolgte. Bon feinen zahlreichen Schriften nennen 
wir nur die vorzüglichften u. zwar mehre Opern z. B. „Mudarra”, „Deovata“, 
„die Werte“ ıc ; ferner feine Durerture u. Geſangmuſik zu Schillers „Wiüheln 
Tel" u. der „Braut von Meffina“ ; „Leſſing's Todesfeier“ ; viele Elavterfonaten 
u. Elaviırconcertd und feine Hymnen, Duverturen und Marſch zum Scyaufpiele 
„Jolantha*, Hamburg 1797 u. vieles Andere. — 3) W., Karl Marta von, 
Lonigl. fächfiicher Kapellmeifter und Mufitvireftor der deurfchen Oper in Dredven, 
geboren 1786 zu Eutin im Holfteinifchen, genoß einer forgfälttgen @rztehun 
und zeigte ſchon in früher Jugend eine große Neigung für die Muff, die Yard 
den Unterricht eines Heufchlel in Hildburghauſen fett 1796 und Michael Haydn'd 
in Calzburg noch vermehrt wurde. Schon 1798 ließ fein Vater ſechs Yugbettm 
von ıhm druden. Noch in demfelben Jahre begab er ſich mit feinem Vaier, vr 
fi hald bier, bald da aufhielt, nah Mürchen, wo ihm Valeſt im Gefange un 
ber Hoforganift Kalcher in der Compoſition Unterricht ertheilten. Unter dm 


Bugen des ledtern fchrieb er damalsd die Dyer: „bie Markt ber Lite und bes 
Weines,“ eine Mefle und mehre andere _Mufitfüde, die jedoch fpäier durch eine 
Beuersbrunft ihm entriffen wurden. Kurz darauf vermochte der, Damals von 
Sennefelder erfundene, Steindrud ihn zu-einer Reife nach Freiberg, um daſeibſt, 
wo alle Materialien zur Hand waren, eine noch vollſtändigere Maſchine zu ers 
finden, die feıner Meinung nad im Etande wäre, noch mehr zu elften; allein 
die Ihm entgegentreienren Schwierigkeiten führten. ihn bald ber Tonkunſt wieder 
u. Als Aajähriger Knabe cemponirte er die vom Ritter Steinsberg gedichtete 

per: „das Walbmädchen,“ die 1800 an mehren Orten. mis Beifall gegeben 
wurde, obgleich He dem Künftier in fpäreren Jabren nicht mehr zuſagte. Um 
einige ältere vergfiene Inftrumente wieder in Anwendung - zn bringen ‚ feßte er 
1801 die Oper: „Peter Schmoll und feine Nachbarn,“ die jedech in Augsburg 
ehne Eıfolg gegeben wurde. Er machte hierauf im folgenden Jahre mit feinem 
Barer eine mufilslifcdhe Reife nady Leipzig, Hamburg u. Holſtein, welche für fein 
Künflerlchen nicht ohne Erfolg blieb, Der darauf erfolgte Aufenthalt in Wien 
verfchaffte ihm die Bikanniſchaſt mit Haydn u. Abt Bogler und auf des legten 
Rath flubirte er zwei, ganze Jahre. bindurdy die verſchiedenartigſten Werte unb 
lieferte ſelbſt einige Variationen und einen Clavier » Auszug der Oper „Samori“ 
von Abt Vogler. Darauf als Muftkoischor nach Brediau berufen, bildete. er 
bafelba ein neues Chor Und Orcheſter und componirte zum größ.en Theile vie 
von Roder gedichtete Oper „Rubezahl“. Da ibn indefien Dienfigefhäfte von 
eigenen Arbeiten abbjelten, nahm er 1806 einen Ruf dis Herzogs von 

ürttemberg nach Karlsruhe in Schleflen an, — bier zwei Eympho und 
mehre Conceris. Durch Die Unruhen des iene® aus Schl vertrieben, 
folgte er dem Herzoge Eugen nady Stuttgart, ſchrieb daſelbſt die Oper „Eylvana“, 
bie Gantate: der erſte Ton, einige Duvertüren und Eymphonien und mehre 
Sachen für's Elavier. 1810 unternahm er abermals eine Kunftreife und genoß 
zu Frankfurt, München u. Berlin eine glänzende Aufnahme. Auch fchrieb er in 
biefem Fahre die Dper Abu Haflan (Daımftadt 4810). Bon 1813— 16 war 
er Direltor der Oper in Drag und compenirte daſelbſt die große Cantate: 
Kampf und Sieg. Gr folgte hierauf einem Rufe nach Dresven, bildete daſeibſt 
die deutsche Oper; fchrieb die Opern: Freiſchüz, Euryanıhe und Oberon, fo wie 
viele andere Sachen und reißte zu Anfang 1826 nad) London, um bei der Auf⸗ 
führung feiner Oper Oberon zu dirigiren, farb aber dafelbft den 5. Juni 1826, 
W. bat in der muſikaliſch⸗dramatiſchen Compofition Epoche gemacht, vieled Reue 
efhaffen und den Bollögefang veredelt; er war ein origineller Tonſetzer, ein 
—* geſchickter ausübender Künſtler, ein beſonnener, einſichtsvoller Direktor und 
auch ein ſehr gebildeter Theoretiler — 4) W., Karl Julius, ein beliebter 
beutfcher Schriftſteller, 1767 zu Langenburg im Höhenlohe’fchen geboren, zeigte 
in der Schule feiner Vaterſtadt und auf: dem Gymnaflum zu Dehringen große 
Borliebe für Geſchichte, Geographie und Reifen und febte fein eifrigeg Smupium 
in diefen Lieblingöfächern, auch als er fih auf der Univerfirät Erlangen der 
Jurisprudenz widmete, fort. 1789 ging er nach Göttingen, um ſich bier zu 
einem alademifcyen Lehramte vorzubereiten; da er aber feine Hoffnung auf eine 
Profeffur hatte, nahm er bald darauf ‚eine Hofmeifterfiille bei dem Lyoner 
Bantıer Delefiert zu Bougy in der Schweiz an u. machte von hier aus mehre 
Reiſen in die Umgegend, ſowie nach Lyon und Paris. Im Umgange mit franz 
oͤſtſchen Familien bildete er feine natürliche Anlage zu der witzigen Satyre aus 
und eignete fich jene, nicht immer zu billigende, Frivolität an, die in allen feinen 
Schriften grell hervortritt. Zum Privatjefretär bei dem regierenden Grafen von 
Erbach⸗Schoͤnberg berufen, folgte .er, nachdem er noch eine Reife durch Süds 
Frankreich gemacht hatte, dieſem aufgeflärten Freunde der Wiſſenſchaften nach 
Mergentheim, wo dverfeibe als Statthalter des Deutſchmeiſterthums refivirte. Später 
begleitete W. feinen Gönner auf den Gongreß nad) Raßadt (1797), wo er durch 
feine genaue Belanntfchaft mit franzöfticher Art und. Weiſe die Ausicik exlikslt, 


”23 Weber. 


in franzoſiſchen Staatsdienſt — u ] ‚die aber bald durch die 
‚Ermordung des franzöfiichen ſandien Bonnier ſchwand. Nah dem Tod 
feines Gönners erhielt er von deſſen Nachfolger die Stelle eines Regierungs, 
Rathes zu König im Odenwalde (1799), die aber feinen Neigungen u. Anfichten 
fo wenig entſprach, daß er fie ſchon 1802 wieder aufgab, um den jungen Erb; 
‚rafen von Jenburg»Büpingen auf Reifen zu begleiten. Diefe Verbindung löste 

ich aber, da beider Charakter ein völlig verfchiedener war, ſchnell und W. i0 
fi ins Privatleben zurüd, aus welchem er nur noch ein. einziges Mal als Ap- 
geordneter des Dberamtes Kümeldau bei der württembergiichen Ständeverfamm- 
lung in den Jahren 1820—24 hervorrat. Abwechſelnd fidy mit feinen Studien 
und mit Beobachtungen auf Heinen Reijen befaffend, fühlte er ſich in der tegten 
Periode feines Lebens am glüdiichften. Er farb ven 19. Juli 1832 zu Kupfer 
gell. Der individuelle Geift und. Charafıer Wis, der ſich hauptfächlich nach den 
franzöftichen Encyclopädiſten gebilvet hatte, fpricht fich in allen feinen Schriften 
ganz offen und beftimmt aus; in allen gi fich die Perfönlichfeit des Berfafiers 
- nad ihrer ſchwachen und ftarfen Seite ohne Rüdbalt zu erfennen. Geime 
Schriften zeichnen fih vornämlich durch einen die Welt belachenden und ver: 
achtenden Humor, ungemeine Belefenheit, Scharfblid, Fülle und Klarheit der 
Beobachtungen, geiftreiche Einfälle und Anefvoten, aber auch beißenden Wig und 
tief verlegende Satyre aus. eine beiden Hauptwerfe find: „Briefe eines in 
Deutſchland reifenden Deutſchen“ und „Demofritus, oder hinterlaffene Papiere 
eined lachenden Philoſophen“ ; wenig hiſtoriſchen Werth hat fein „Rittermejen“ 
und fein „Bapftthum und die Päpfte“, fowie feine „Moͤncherel“ gehören im die 
Glaffe der gemeinen Schmähfchriften. Sämmtliche Werke erfchienen in 30 Bän 
den, Stuttgart 1834— 45, ſowie verfchiedene Ausgaben der einzelnen Werke. — 
5) W., Friedrich Benedikt, Geheimer Hoftath und Profefjor der Kameral 
Wiſſenſchaften an der Univerfität Breslau, geboren den 11. November 1774 zu 
Reipzig, fam 1792 auf die Univerfität Leipzig, wurde 1796 zum jur. Dr. pro 
movirt, wendete fi nun aber ganz den Kameralwiffenfhaften zu und trieb in 
Rochsburg praftifdhe Öfonomifhe Studien; 1799 hadilliirte er fi als ‘Privat 
docent an der Univerfiät Leipzig, wurde 1800 außerordentlicher Profeflor, folgte 
1802 einem Rufe ald ordentiiher Profeffor an die Univerfität Frankfurt an der 
Dover und wurde bei deren Aufhebung, 1811, ordentlicher Profeſſor an der Uni: 
verfität Breslau. — Bon W.E zahlreichen Schriften find die wichtigerm: „Ey: 
ſtematiſches Handbuch der Staatswirhichaft”, Berlin 1803. — „Enleitung in 
das Studium der Kameralwiffenfchaften”, Berlin 1803, 2. Aufluge 1819. — 
mLehrbudy ver polttifchen Defonomie”, 2 Bode, Breslau 1813. — „Handbuh 
der dlonomiſchen Literanur“, 3 Bde. und 5 Supplemenibände, Berlin, Leipzig, 
Breslau, Grimma 1803 —42. — „Handbuch der ſtaatswirihſchaftlichen Stanftl 
u. Berwaltungsfunde der preußifchen Monarchle”, Breslau 1840 und erfle Kort 
fegung 1843. — Auch gab er heraus das „Jahrbuch der Landwirthfchaft*, 
7 Bde., Berlin, Bredlau und Leipzig 1818—24 und „Hiſtoriſch- ſtatiſtiſches 
Jahrbuch in Bezug auf Nationalinduftrie u. Staatewirthſchaft“, 3 Bde., Bresl 
41834— 37. — 6) ®., Ernft Heinrich, Profeffor der Anatomie und Phyto 
logie an der Univerfität Leipzig, geboren zu Wittenberg den 24. Juni 1795, 
Sobn des Profeflors der Theologie, Michael W., befuchte die Fürftenfchule zu 
Meiffen, widmete ſich dann dem Studium der Heilfunde an den Univei ſitaͤten Witien⸗ 
terg u. Leipzig u. wurde 1817 an leßterer zum Med. Dr. promovirt. Noch Im 
ſelden Jahre habilitirte er fi), wurde 1818 außerordentliher und 1821 ordent 
licher Profiffor; 1833 war er ald Abgeordneter der Univerfirät in der eiſten 
Kammer dır Ständeverfammlung. — W. fhrieb, außer mehren Programmen: 
„De aure et auditu hominis et animalium“, Leipzig 1820. — „Zufäge zur Lehte 
vom Baue und den Verrichtungen der Geſchlechisorgane“, Leipzig 1846. — 
Feiner gab er Rofenmüller’& (f. d.) Handbuch der Anatomie in 4., 5. und 
6. Auflage heraus, ebenfo Hildebrandt's cf. d.) Handbuch der Anatomie in 


web ſter Michll, 729 

Auflage. — ) ®., Wil belm Eduard, Prefeffor der Phyſtk an der Uni⸗ 
rfität Keine, geboren zu —8 den 24. Okt. 1804, Bruder des Ernſt 
einrih W. (ſ. d.), befuchte feit 1815 die Unterrichisanftalten und das Päda⸗ 
gium in Halle, winmete fi) an der dortigen Untverfliät von 1825 an dem 
tudium der Narurwifienfchaften, wurbe Phil. Dr., babilitirte ſich als Privat 
cent, wurde außerordentlicher Profeſſor daſelbſt, folgte 1831 einem Rufe ale 
bentlicher ‘Profeffor an die Univerfität Göttingen, verlor diefe Stelle aber 1837 
Folge der Aufhebung der Gonflitution von 1833 und feiner Thellnahme an 
m Storefte gegen Diele Aufhebung (|. Böttingen). Er verweilte bierauf 
ngere Zeit als Privatmann in Göttingen, bereiste land und Deutſchland 
d wurde 1843 als ordentlicher Brofeflor an die Univerflät Leipzig berufen. — 
. hat ſich namentiicy um die Lehre nom Erdmagnetismus (|. Magnetismus) 
ch) feine, gemeinfchaftli mit Gauß (f. dv.) unternommenen, Forſchungen vers 
mt gemacht. Ferner fchrieb er mit feinem Bruder Ernft Henri: „Wellens. 
re”, Leipzig 1825. — Mit felnem Bruder Eduard, der Proſektor und feit 
40 außerorventlicher PBrofefior an der Univerfität Zzug iſt, ſchrieb er: 
Rechanik der menſchlichen Gehwerkzeuge“, Göttingen 1836, überſetzt ind Franz⸗ 
ihe, — in deren Anerkennung er 1837 von der Univerfität zu Königsberg 
6 Ehrendiplom eine® Med. Dr. erhielt. — Außerdem fchrieb er zahlreiche Abs 
ndlungen in verfchiedenen Journalen. “E. Buchner. — 8) W., Beda, geb, 
Lienz in Tirol den 26. Dt. 1798, trieb bis zu feinem 16. Jahre Handwerk 
d Kunft des Hans Sachs, widmete ſich dann mit glängendem Erfolge Den 
tubien und trat in das Benediktinerſtift Marienberg. Im Jahre 1826 ver- 
mdete ibn daſſelbe zum Gymnafials Brofeffior in Meran, weldye Stelle er, mit 
tinger Unterbrechung bis zum Jahre 1848, behauptete. Bon der Stapt Meran 
d Umgebung zum Deputirten nach Frankfurt gewählt, rechtfertigte er auf eine 
—* Weiſe das in ihn geſette Vertrauen. In neueſter Zeit bat ihn 
o Domkapitel zu Limburg an die Stelle des verlebten Stadtpfarrers u. "Doms 
püularen Bohn in Frankfurt a. M. erwäblt. Ausgerüſtet mit einer glühenden, 
ſt orientalifcyen Phantaſie, hat W. viele fehr gelungene Proben feine Dichter, 
lentes, beſonders im Bereiche der lyriſchen Poeſte, abgelegt. Seine „Lieber 
9 Tirol*, Stuttgart 1843, geben dafür ein ſchönes Zeugniß. Unter feinen 
tigen Schriften verdienen folgende eine Erwäbnung: „das Land Ttrol” mit 
em Anhange: „Vorarlberg ein Handduch für Reifende, in 3 Bänden, Innsbruck, 
jugner 1838. Daſſelbe erichien ſpäter audy in einem Auszuge deutſch und in 
nzöfifcher Ueberſetzung. „Denkbuch der Sulbiaung im Jahre 1838. „Inns⸗ 
ud, Tirol und die Reformation”, 1841. „Meran und feine Umgebung, oder 
$ Burggrafenamt von Tirol”, Innsbruck 1835. Im Jahre 1847 gab er die 
edichte des Minnefängerd Oswald von Bolfenftein heraus und zog ſich dur 
ne Zuthat eine fbarıe Kritik des Menzel'ſchen Literrurblattes zu. Die E. 
labemie der Wifienfchaften in Wien u. die In München ernannten Bu hrem 
itgliede. . 

Webſter, Daniel, geboren 1782 zu Merrimad in Rewbampfhire (Rorb- 
nerifa), wurde 1812 in die Repräfentantenfammer von Rewhampfhire gewählt, 
ag 1817 nach Boſton, gebörte zur Berfafiungsresifionscommiffion von Maſſa⸗ 
ufſſets, kam 1818 für Suffolf und Mafladhufets in den Gongreß, vertheibigte 
21 die Unabhängtigfeitserftärung der fürnamerikuntfchen Staaten, gelangte 
23 durch die Tarifbill zu großem Anſehen im Gongrefle, genoß eines großen 
ifes als Advokat beim Bundesgerichte in Wufbington u. kam 1840 unter den 
higs (in Nordamerika Ariftofraten) als Etautöfefrerär des Praͤſidenten Harri⸗ 
ı ind Miniſterium. Man bat von ihm: Reden, Boſton 1840, 2 Bde. 

Wechabiten, ſ. Wahabiten. 

Wechſel, oder Wechſelbrief, bezeichnet in der kaufmänniſchen Sprache 
te, nach einer beſtimmten geſetzlichen Form abgefaßte Verſchreibung, durch welche 
r Ausſteller entweder ſich ſelbſt, oder einen Andern verglidyier, dur aeahe. 


730 Wechſel. 


Geldfumme zu einer beſtimmien Zeit an den genannten Inhaber der Berfchreib; 
ung, bei Vermeidung des ſogleich erfolgenden perfönlichen Arreſtes, zu bezahlen 
und welche diefe Kraft dabındh- erhält, daß fie in ihrem Texte jeibk W. genannt, 
ober die Verpflichtung nach Wechfelreht darin ausgeſprochen iſt Ramı 
rührt wahrſche alich daher, weil es urfprünglich die Geidwechsler waren, welche 
dergleichen — aus ſtellten, um de in den Meſſen gegen baares Geh 
wieder einzuldien ; doch iſt man über die Zeit und das Land ihres Enaftehens 
verſchiedenet Meinung. Wahrfcheinlid war es Italien, wofür auch die, vielen, 
beim Wechfelwefen üblichen, ttaltenifchen Benennungen fprechen und das 12. und 
13. Jahrhundert, wo durch die Kreuzzüge die Meſſen in ven ttaltenifchen Städien 
zu hoher Blürhe gelangten, Die Wechéler, welche befondere Privilegien hatten 
amd auch zum Theile das Münzregal aueübten, weshalb fie auch Münzer, 
Müngbürger, Hausgenoffen und Gampforen genannt wurden, über 
nahmen auch das Uebermachen von Geldern an andere Orte durch Anweiſungen 
und vereinigten fich audy wohl zu Geſellſchaften, welche auf mehren Handels: 
plägen Eomptoire hatten. Da in der damaligen Zeit überhaupt bie meifien 
Hanveiencföräte auf. den Meffen gemacht wurden, fo wurde es auch gebräuchlic, 
die Zahlung für gewöhnliche Schuldverfehreibungen auf eine Meffe feftzufegen und 
die Kaufleute, welche in der Zwiſchenzeit Geld übrig hatten, übergaben es den 
Wecholern, die ihnen dafür eine, in der Meffe zahlbare; Anweiſung gaben, mit 
Welcher dann die Kaufleute ihre Gläubiger bezahlen u. dadurch dad Mitnehmen 
und Hin» ımd Herfenden des baaren Geldes eriparten, wofür fie, bei der damaligen 
Unvollfommenheit und Unficherheit des Transporıs, den. Wechelern gern eine an- 
ſehnliche Vergütung zahlten. _Diefe Anmeifungen hatten Anfangs ganz die Form 
eines Briefed, auf deffen Auflenfcite der Name des Bezogenen ald Adrefie fand 
und der dem Käufer oder Wechfeinchmer offen übergeben wurde. Nach und nad 
wurde der Text diefer Briefe immer mıhr abgekürzt und ‚alle-überflüffigen Reden 
daraus weggelaffn, auch verfhwand mit dem häufigern Gebrauche der Indoſſa⸗ 
mente, welche die Rüdfeite des Blattes im Anfpruch nahmen, die Äuffere Auffhrft 
und der Name des Bezogenen fand unter dem Terte Plag, Die Zeit der Gin- 
führung der Indeffamente ift ungewiß, doch gehen ſichere Epuren derfelben nicht 
ber das 16. Jahıhundert hinaus; früher ſchienen die Uchertragungen- auf ge 
richtlichem Wege geſchehen zu feyn. Die Acceptation wurde Anfangs auf bie 
Ruckſeite gefegt und häufiz nur durch ein Zeichen, 3. B. ein Kreuz, angebeutet; 
eb nfo der »Broteft eines nicht bezahlten 3.6, den der Inhaber feibft durch ein 
auf die Rüdfeite gefegted bloß.6 P., oder S. P. (sous proteste) angab und er 
fpäter wurde ein Rotariatöinftrument darüber aufgenommen, durch welches ver 
Inhaber bewies, daß er die rechtzeitige Vorzeigung des W.6 nicht verfäums hatte. 
Die in Briefform ausgefertigten Anweifungen wurben leitere di cambio, deutſch 
Wechfelbriefe, genannt und, da man die große Wichtigkeit bald einſah, weiche 
fie durch Erleichterung der Zahlung für den ganzen Handel hatten, fo wurde 
ihnen, um dem Darleiher des Geldes die möglichfte Sicherheit zu gewähren, bie 
Kraft beigelegt, daß der Inhaber, wenn der Bezogene die Zahlung nicht leiſtete, 
dieie fofort und ohne die geringfte Friſt von dem Ausſteller fordern und ihn 
nörhigenfalle durch perfönliche Verhaftung dazu zwingen konnte. Die Zeit, wenn 
man durch dieſes Vorrecht die W. von den, ſchon feit langer Zeit üblichen, An: 
weifungen unterfchled, indem man die erſteren im Texte W. nannte, iſt jedod 
nicht befunnt. Cbenfo weiß man nicht, wann Schuldverfchreibungen, durch welche 
man fich felbft zur Zahlung einer Geldſumme verpflichtete, die firenge Wechſel⸗ 
Traft durch die Benennung W. beigelegt wurde und fo die eigenen W. entftanden, 
während die zuerſt erwähnten, bei denen ein Dritter die Zahlung leiften ſollte, 
traffirte W. oder Tratten waren. Zu Anfang des 14. Jahrhunderts be 
fanden unter den Städten Oberitaliens ſchon Uebereinfünfte für die gewöhnliche 
Zeit der Einlöfung der W., der Ufo. — Man untericheivet der Form nach zunächt 
eigene W., auch trodene genannt, d. h. folche, die ein Schuldner felbft zu ber 


Bedsfelfäptgtelt — Bichfelfieher, sat 


zahlen verfpricht, oder traffirte W. (gezogene, Tratten), in Folge deren 
der Auöfteller (Zieher, Traffant) den Betcag durdy einen Dritten (Bezoge 
nen, Traffatren) oft an einem andern Drie vergüten läßt, oder dDomicilirte 
W. Wenn nämlich der Wohnort eined Berogenen fein W.⸗Platz, oder mit dem 
des Ausſtellers in feinem direlten Verhältniſſe ſteht, fo daß ver letztere eine Tratte 
auf der erkern nicht leicht verkaufen fönnte, fo pflegt der Schuldner feinem 
Giäubiger den Auftrag zu geben, auf einen Geſchäftefreund des erfiern in einem 
geeigneten dritten Orte zu tlaffiren. Der Name des Echuldner® wird dann zwar 
als VBezogener auf den W. geicht, aber die Adreſſe desjenigen, der die Zahlung 
leiten, oder wenigftend der Drt, wo dies gefchehen foll, dabei bemerit. Die 
bomicilirten W. können wicder do micilirte eigene W., oder do micilirte 
Tratten ſeyn. In Beziehung auf die Zeit, wo die Zahlung geleiſtet werden 
fen (Berfallgeir, Berfalitag), bat man W. nah Sicht, wildye fofort bei 

Präfentation (Borzeigung), kurz⸗ oder langfichtige, die in kürzerer 
oder längerer Friſt zahldar find; "ferner indoffirte (girirte, f. Giro) und 
nichtindoffirtez acceptirte (f. Accept.) und nichtacceptirte, protef- 
irse (f. Broreft), verbürgte W. Ritratten, (Rüd W.), d. h. der neue 
W., durch welchen der Inhaber eines yproteftirten nicht begablien, oder WB. von 
dem Ausſteller oder einem der Giranten ſich bezahlt macht ıc. In Betreff der 
Zahl der Eremplare, welche von einem W. ausgeſtellt werden, gibt ed Sola⸗W. 
von denen nur ein Exempiar, Primas, Secundas, Tertias, x. W., von 
denen mehre Ssemplare (W.-Duplicate oder W.⸗Copten) ausgegeben worben; 
legteres geichieht, um eın Eremplar des W.s zur Acaptarion zu finden und es 
zur Verfügung des folgenten, das in Circulation gefegt wird, am Zahlungsorte 
liegen zu lafien, oder um ein verlorene® Exemplar zu erfehen. Die in den W.⸗ 
Didnungen vorgefchriebenen weientlichen Erforderniſſe eines W.s find: a) die W.⸗ 
Fähtgkteit des Ausflellers; b) das Wort W. in der Urkunde felbfl; c) Drt 
und Zeit der Ausftelung; d) Name des Gmpfängerd, bei traffiiien W.n des 
Bezogenen und Unterfchrift des Aueſtellers; e) Betrag der zu zahlenden Summe 
und f) Angabe des Werthes oder der Baluta. 

Wechreifähigkeit heißt die gefegtiche Befugniß, Wechfelverbinvlichfeiten gültig 
übernegmen zu können, weldye im Allgemeinen Jeder hat, der üb-rhaupt befugt 
it, über fin Befigchum und feine Perſon zu verfügen, oder der dispoſitioné⸗ 

äbıg if. Nach den meıften Geſetzgebungen find jedoch mehre Perſonen, wenn 
auch dispoſitionsfähig find, von der W. ausgeſchleſſen, nämlich, wenn 
fie foldyen Ständen angekören, denen feine vollſtändige Kennmiß des Wechſel⸗ 
rechtes zugemuther werden kann, 3. B. Dienftboten, Zandleute, Handweiker ıc. 
oder wit deren Würde fih die Strenge des Wechfelverfahrens nicht vertragen 
würde, 3. B. Ohfisiere, Geiftiicdhe, Lehrer, Staausdiener x. Wan muß fich des⸗ 
halb mit den, in jerem einzelnen Lande geltenden, Vorſchriften befannt machen. 
In der Regel find nicht wechfelfäbig, d. Re Wechſel find entweder ganz mm 
ültig, oder fie gelten nur als gewöhnlidye Schuldfcheine: 1) Minderjährige, wenn 
e nicht fchon ſelbſt Handel trabınz 2) ſolche Boujährige, welche noch in ver 
©ewalt der Eltern, Vormünder oder Euratoren ſtehen; 3) alle diejenizen, welche 
fi) im Concurs zuſtande befinden; 4) Frauensperfenen, welche nicht Handel treiben, 
— dann noch gewöhnlich die Unfähigkeit der oben erwähnten ganzen Staͤnde 

ommt. 

Wechſelfieber, Faltes Fieber, (F. intermittens), nennt man jene Fieber, 
bei weichen in regelmäßiger Wiederkehr völlig fieberfreie Zeiten (Apyrexia) mit 
Fieberanfällen (Paroxismus) wechfeln. Edyon den Alten waren die W. befannt, 
ja, wir finden in ıhren Schriften Arten derfelben erwähnt, die heutzutage unbe⸗ 
fannt find, fo das neumägige W. des Hippofrates, das fünfzehntägige des Galen. 
Die W. kommen nicht blos bei Menſchen vor, fondern find auch bei Thieren 
beobachtet worden. Jedem W.⸗Paroxysmus gehen Vorboten voraus ala: Gähnen, 


Kopfihmerz, Drud in der Herzgrube, Schwere in den Bern, er Kronen 


732 Wechſelſieber. 


werben immer laͤlter und endllch, nach laängſtens einet halben Stunde, tritt der 
wirkliche Fieberanſall ein mit Froſt, der sh nur als leichte Empfindung verfpürt 
wird, aber audy fo heftig werden kann, daß Zähnellappern und Zittern. aller 
Glieder entftcht, der Kranke im Bette hoch geworfen, oder auch fo fteif wirt, 
daß die Gliedmaafien kaum zu biegen find. Der Froft dauert eine Biertelftunde 
bi zu mehren Etunden, dann läßt das häufig vorhanden geweſene Uebelfeyn 
und das Erbrechen nah, der Puls wird freier und voller, die Beängftigungen 
Im Aıhmen hören auf und eine allgemeine Wärme verbreitet ſich über dem ganzen 
Körper, die Anfangs noch von einzelnen Froftfchauern unterbrochen wirb, dann 
aber in eine faft umerträgliche Hite übergeht, deren Grad meiftend mit der 
‚Heftigleit des vorausgegangenen Froſtes in geradem Berhältnifie ſteht. Das 
eh if heiß und roth, der Durft Äufferft heftig, die Kranken werfen fi un 
ruhig von einer Eelte zur andern und Hagen über Schwere im Kopf, bei einigen 
treten ſelbſt Delirien ein. Die Hige dauert gewöhnlich viel Kane als der Frof 
und endet mit Schweiß, der warm, reichlich und eigenthümlidh riechend über 
den ganzen Körper fich verbreitet und alle »orauögegangenen läftigen Erſcheinungen 
aufhebt; zugleidy wird ver Urin trübe und zeigt nach einiger Zeit ziegelmehlartigen 
Bodenfag. 35 tritt nun erquidender Eat ein, aus weldyem der Krank 
mit dem fühle der Geſundheit, wenn auch noch matt, erwacht. — Rach dem 
Fieberanfalle tritt die fieberfreie Zeit, die Intermtffton, ein, bie länger oder 
fürger dauert und während welcher die Kranken ſich verhältnifmäßig wohl, wenn 
auch ſchwach, befinden und nicht felten an eingenommenem. Kopfe und geflörter 
Verdauung leiden. — Aus wiederholten foldhen Fieberanfällen mit nachfolgenven 
Intermiffionen. befteht nun das W., deffen Ausbruche gewöhnlich ſchon längere 
zu fehr_verfhiedene Vorboten vorausgehen; dann beginnen die Patorysmen, 
nfangs fehr ſchwach und erft — ihre volle Stärke erreichend und idnnen 
dann ohne geeignete Behandlung Jahre lange andauern, oder heilen auch von ſelbſi 
unter fortgefegten Krifen durch die Haut und den Urin. Größer, ald bei ven 
meiften übrigen Krankheiten, ift beim W. die Neigung zu Reciviven, wie auch die 
Neigung, diefelben Individuen zu wiederholten Malen zu befollen. Das W. fann 
in andere Krankheiten übergehen und namentlidy enıftehen häufig chroniſche Krant: 
heiten, naͤmlich Anfhoppinaen einzelner Unterleibsorgane, der Leber und der 
Milz, fogenannte Fieberkuchen, welche, fo lange fie beſtehen, ſtets Recidive 
des Wis befürchten laſſen; ferner iſt ein fehr häufiger Ausgang Wafferfucht. Auch 
Tann das W. mit dem Tode enden und zwar während des Anfalls, durch Schlag: 
uß, oder in Folge der Nachkrankheiten. — Man unterfcheidet die W., nad) der 
tederkehr ihrer Anfälle, in das eintägige (f. i. quolidiana), welches fich im 
Verlaufe von 24 Etunten wieberholt, dad dreitägige (f. i. tertiana), das 
häufisfte von allen, welches nach 48 Etunden feinen Anfall wiederholt und in 
der Regel in den Bormittage Ruben auftritt; — das viertägige (f. i. quar- 
tana), wieberholt feine Anfälle nady 72 Etunden und beginnt meiſt Abende. — 
Die einzeinen Pertoden der W. treten aber nicht immer in beflimmtem Typus auf, 
daher man die W. auch unterfcheidet in gegetmäßig und in unregelmäßig 
verlaufende. Berner unterfcheivet man die W. in einfache (f. i. simplex), wie 
die oben bezeichneten, in doppelte (£. i. duplex); fo wird ein Duoutvianficber 
ein doppeltes, wenn in 24 Stunden zwei Anfälle fommen; das Tertianfieber wir 
ein doppeltes, wenn täglich ein Anfall erfcheint, von denen der erſte und dritte, 
zweite und vierte ıc. nach Erſcheinungen und Zeit des Eintritts übercinſtim⸗ 
men ac; verdoppelt E. i. duplicata) dagegen nennt man ein W., z. B. ein 
Tertianfieber, wenn es am erften und dritten Tage je zwei Anfälle macht, den 
dazwifchen Uegenden Tag aber frei läßt. — Noch unterfcheidet man die vor 
fegenden ®. (anlicipans, anleponens), wenn der Fieberanfall früher eintritt, 
als bieher und die nachfegenden W. (postponens, retardans), wenn ber 
Paroryemus fpäter eintritt, ald zu erwarten hant. — Berläuft das W. ohne be 
fondere Heftigleit, fo nennt manyed ein gutartiges; im gegentheiligen Ball 


Weqhſelorduungen — Weqchſelrecht 738 


wird es gefährlich genannt; bö8artig aber, wenn es unter anfdheinend milden 
PBaroryemen dem Leben große Gefahr droht. Solche W. verlieren oft den inter, 
mittirenden Typus mit den meiften feiner charakteriſtiſchen Zeichen und es bleibt 
nur eines oder das andere, das mit verflärkter Macht hervortritt und fremdartige 
Erfcheinungen hervorruft. Diefe verlarvten W. werden leicht verkannt und 
geben Beranlaffung zu gefährlichen Irrthümern und Vermechfelungen und können 
bei dem zweiten oder fpätern Anfalle durch Shlagflu — werden. — Noch 
unterſcheidet man die W. in Srüblinge- und in Herbftfieber, — in fpors 
adiſche, epidemifche und endemifche, endlih in cheumatifche, ent⸗ 
zündliche, gakıiihe, nervöfec. — Urſachen des W.6 find Frühling und 
Herbſt, mit ihren eigenthümlidhen Witterungsverhältniffen; feuchte Gegenden, 
namentlich fumpfige, tief liegende, an Mündungen großer Ylüffe gelegene. Im 
füdlichen Europa find die W. fchr häufig, fehr felten vagegen auf höheren Bergen 
und nach den Polargegenden zu, während fie in den Tropenländern häufig b 
artig find. Mehr unterworfen find dem W. das jugendliche und reife Niter, 
während Heine Kinder und Greiſe verhältnißmäßig weniger häufig davon ergriffen 
werden. Der Ausbruch des W.s wird bewirkt durch Berfätnngen, Verdau⸗ 
ungsflörungen, Heftige Bemüthöbewegungen ıc. — Die Behbandelung des 
W.8 erfordert vor Allem Regelung der Diät, Abwartung der Parorysmen und 
Hebung der Grundfranfheit und der etwa vorhandenen Gomplicationen; in 
der Regel erfi dann darf zur Anwendung der eigentlichen Fiebermittel 
(fobrifuga) gefchritten werden, unter denen Die Ehinarinde (f. d.) weit aus 
das befte if. E. Buchner. 

Wechfelordnungen nennt man die, in einzelnen Staaten, oder auch blos 
von einzelnen Studtodrigfeiten in Beziehung auf die Wechiel erlaflenen, gefeßlichen 
Beflimmungen. Das ältefte Wechfelgefeb if da6 von Verona vom Jahre 1319 
und die Alteften W. find die von Bologna von 1454, von Neapel von 1561, 
von ®enua von 1589, von Bergamo von 1591 und in Deutfchland die Hums 
burger Wechſelordnung von 1603. Seit viefer, bis zum Jahre 1844, find in 
Deurfchland 94, mehr oder weniger umfaflende, Wechſelgeſetze erlafien worden, 
von denen im lettgenannten Jahre noch 59 Geſegeskraft hatten. In den öfter 
teichifchen deutfchen Staaten gelten 9, in Preußen 8, in den dänifch » deutſchen 
Herzogthümern 2, in den deutfh=holländifhen Provinzen 2, in Bayern 7, 
in Hannover 2 verfchiebene ech feigefehgebungen ıc. Zur Verbeſſerung und 
Bereinfachung diefed wichtigen Zweiges der Befeßgebung hutten fi) In den legten 
Jahren mehre deutſche Staaten mit der Ausarbeitung neuer W. beichäftigt ; 
namentlih war in Sachfen 1841 eine ſolche mit den Ständen berathen und 
verabfchiedet worden, welche zur Publikation bereit lan; In Bremen war 1843 
eine neue Wechſelordnung publizirt; in Frankfurt 1844 Novellen zur Wechiels 
ordnung von 1739 erlaflen worden; in Württemberg lag der Entwurf eines 
volffändigen Handelögefegbuches und in Braunichweig der einer Wechſelordnung 
vor und dazu famen die vollendeten Entwürfe für Preußen, Holflein und Mechk⸗ 
lenburg. Allein die Publikation aller diefer neuen u. verbeflerten W. würde die fo 
wünfchenswerthe Gemeinfamleit des Wechfelrechted durdy ganz Deutfchland jeden⸗ 
falls wieder in weite Berne hinausgefchoben haben und deshalb wurde auf der 
Zollconferenz 1846 der Verſuch der Wofaflung eines gemeinfamen Wechjelges 
feßc6, mit Benützung der bisherigen legislaiiven Arbeiten und mit Zugrundelegs 
ung des preußiſchen Entwurfes, befchloffen. In Folge deflen trat am 20. Dftober 
1847 in Leipzig eine Eonferenz aud Abgeordneten ſaͤmmilicher deutfchen Bundes» 
ſtaaten zufammen, welche bis zum 10. Dezember den Entwurf eines neuen ges 
meinfamen Wechſelgeſetzes ausgearbeitet hat und es iſt zu hoffen, daß vieler 
Entwurf in allen deutfchen Staaten zum Geſetze erhoben werde u. audy bereit® 
thetiweife erhoben wurde. (Siehe: &. Kiginger, Wechfellunde f. Kaufl. u. Juriſten 
mit Berüdi. der allgem. deutſchen Wechielordnung, Leipzig 1849.) 

Wechſelrecht bezeichnet im Allgemeinen den Iubegrit er, ike rail, en 


rd Wechſelſeitiger Unterricht — Wedperlin, 


Wechfelgeichäfte beſtehenden Geſetze, Gerohnheiten und Rechtögrunvfäge. Im 
einem engern Sinne verftcht man darunter jedoch die befonvere Kraft, welde 
die Gefeg: den Wechſeln gewähren u. daher namentlidy die gefegliche Beſtimmung, 
über einen Wechſelverpflichteten die perföntiche Haft verhängen zu fönnen, 
diefem legten Sinne ift auch der Ausorud: „Ach nach Wechfelrecht verbindlich 
machen,“ zu verftehen, Das W. gründet ſich nicht allein auf wirktich erlaffene 
Landes geſetze, oder Wechielordnungen, fondern häufig auch auf vie, in Wechſel⸗ 
fachen eingeführten Gewohnheiten u, auf den von den Handelsgerichten angenoms 
menen Gerichtöbraud). 

Wechfelfeitiger Unterricht, f. Bellsfancafterfhes Unterrichts 


foftem. 

Wechſelwirthſchaft ift diejenige landwirthſchaftliche Behandlung des Ader- 
bobens, daß man fters tief und flach wurzelnde Gewächfe, ferner, daß man von 
einander in Beftandtbeilen abweichende Saaten auf einander folgen läßt, damit 
ter Boden an Beftandiheilen, welche Pflanzen ernähren, nicht zu ehr erfchöpft 
werde, Die W. liefert mehr Früchte und vem Dünger beftiimmte Produfte als 
3 2. die Dreifelder-Wirbfdaft. Eie verlangt aber einen dem Wirtbichafter 
naben- Boden, erlaubt die Etzeugniſſe zu erzielen, welche in gegebener Zeit auf 
dem Marfte am meiften geſucht werden, erforbert jedoch einen fervituifreien 
Boden und eine geregelte Schlagabtbeilung, ftarfe Düngung, weniger Thier⸗ u. 
mehr Menfchenhülfe. Wo fie herricht, ift mehr Mannigfaltigkeit in der Benüp- 
ungsatt ded Bodens u, ebendaker eine Ausfiht, das Getreide einigermaffen im 
Preife zu erhalten; auch leitet fie zur Epatenfuitur, ift folglich ang mefjener auf 
jedem Boden mit ftarfer Bevölkerung; mag auf ſolchem der Boden nicht fehr 
humuereich ſeyn, fo ſchafft ihn dazu die W. und deren Veredelung. 

Weckherlin, ) Georg Rudolph, geboren 15. Sept. 1594 zu Stuttgart, 
wo fern Barer Nentfammerrath war, erhielt eine forgfältige Erziehung u. ging 1601 
auf die Univerſität Tübingen, um Jurtsprudenz zu ſtudiren. Er machte während 
u. nad) feiner Studienzeit Reifen durch Deutichland, nady Kranfreih u. England, 
ward 1610 Eefretär ded Herzogs Johann Friedrih in Stuttgart und, wie ed 
ſcheint, zugleich Hefoichter. Im Jahre 1620 wurde er Eefterär bei der deuiſchen 
Kan let in Engl.nd, wo er auch zwiſchen 1650— 51 ſtarb. W. hatte ſich auf 
ſeinen Reifen mit der ausländiſchen Literatur vertraut gemacht umd fuchte num 
manches Fremdartige in die deutfche Literatur einzuführen, wie das Sonett, die 
Gfioge, die Ode und das Epigramm. Gr benügte dabei fehr die Mythologie der 
Alten und fang zuerſt weldige Lieder, was fein Dichter des 16. Jahrbunders 
geihan hatte. Setn Ton iR meift vollsmaͤßig, feine Sprache ftarr und unge 
lemf. Zw.i Büdlein Oden und Gefänge, Stuttg. 16185 Geiftliche u. weltliche 
Gedichte, Amſterdam 1641, 2. Aufl., ebend. 1643. x. — 2) W., Wilhelm 
Supmig, ein zu feiner Zeit beliebter Journaliſt und Satirifer, g boren 1739 in 
dem württembergifchen Dorfe Borhnang bei Stuttgart, widmete ſich auf der 
Untverfität Tübingen dem Stadium der Jurisprud.ny, wurde aber deffelben bald 
überprüffig und ging als Hofmeifter nah Etrafburg und Paris, wo er na 
franzöftfchen Muftern fein eniſchiedenes Talent zur Satire ausbildete, dur 
welches er ſich fein ganzes &ben hindurch unglüdli machte. Bon Paris ging er 
nad Wien, wo er ſich durch Unterrichtgeben teichtiche® Auefommen erwarb, bis 
er ſich durch feine derbroigigen „Denfwürvigfeiren von Wien" (Nördlingen 1777) 
Gefaͤngnißſtrafe und Verbannung zuzog. Zu Regensburg und Augsburg erging 
es pr nicht befier, a:s er die Reichsſiädter durch die Satire „Anfılmus Rahis 
ofud Reife durch Oberdeurfchland“ (Rörplingen 1778) läceriich machte. Gr 
wandte fi nun nach Nördlingen, wo er'das „Beleifen“ 1778, eine politiiche 

eitfchrift, begann, die er aber bald, da er ſich mit den Ginwohnern dieſet 
chsſtadt verfeindete, wieder eingehen laſſen mußte. Gr lebte jet einige Zeit 
rubig in dem Dorfe Baldingen, von wo aus er zuerſt durch fein fatırifdes 
Sonnal: „Ehronologen“ (Brauffurt 1779— 1783, 12 Thle.) in Deutſchland als 


Wedekind — Webel-Ferläderg. 135 


witziger Schriftfteller befannt wurde. Der Beifall, den dieſes Alles verfpottende 
und Alles nedende Journal erhielt, bewog ihn, es unter dem Titel: „Das graue 
Ungeheuer” (Nürnbırg 1784 — 1787, 12 Boe.); „Hyrerboreliche Briefe" (Nürns 
berg 1788— 1790, 6 Bde.) und „Paragraphen? (Rürnd. 1791 — 1796, 3 Bde.) 
forızufegen; daſſelbe verlor aber allmälig an Intereſſe und wurde bald über 
beſſeren periodiſchen Blättern vergefien. Der Wagiftrat von Nördlingen, den er 
fortwährend höhnte, brachte ed endlich dahin, daß er Baldingen verlaffen mußte. 
Er fand eine günftige Aufnahme zu Hochhaus, einem Schloffe des Fürften von 
Wallerftein. Als diefe Gegend unter preußiſche Oberherrichaft fam, verichaffte 
er fi) durch die Gunſt des preußifchen Miniſters von tdenberg die Grlaubs 
niß, zu Ansbach eine politiſche Zeitung herausgeben zu dürfen, die er 1792 unter 
dem Titel: „ainfpadhifehe Blätter" begann. Da man ihn aber bald als einen 
franzöſiſchen Spion betrachtete, fo wurden feine ‘Baptere in Beichlag genommen 
und felbft feine perfönliche Sicherheit war durch den Pöbel beproht, worüber fidh 
W. fo entrüftete, daß er in eine gefährliche Krankheit verfiel, an meldyer er den 
24. Nov. 1792 ftard. Sein moralifcher Charakter, in welchem Unbeſonnenheit 
und Liederlichkeit die hervorftechenpften Fehler bildeten, war durchaus verweiflich. 
Wedekind, Georg Ehriftian Bottlieb, Freiherr von, geboren den 
8. Januar 1761 zu Göttingen, wo fein Bater Profefior der Botiolophie war, 
befuchte daſelbſt das Gymnaflum und die Univerfität und wurde 1780 zum Dr. 
Med. promovirt. Noch im felben Jahre wurde W. Vicephyſikus in Uslar, 1781 
Phyfikus der Grafſchaft Diepholz in Weſtphalen, 1785 Hofpltalarzt in Mühlheim 
am Rhein und zugleich Phyfitus mehrer Aemter; 1787 kam er nad Mainz ale 
Hofrath ud Leibarzt des Kurfürften und zugleich Profefior der Medizin der 
dortigen Hochfchule 1792 bei der Annäherung der franzöftichen Truppen blieb 
er allein vom ganzen Hofe zurüd und trat in franzöfliche Dienfle als Feldſpital⸗ 
arzt; 1794 wurde er Arzt des ſtehenden Lazareihs in Straßburg; 1797, als 
Mainz wieder franzöflfdy wurde, Arzt am dortigen Militärfpital un» Profeſſor 
an der Univerfitätz wurde aber in beiden Stellungen 1803, bei Aufhebung ver 
Univerfität penftonirt. Bald darauf wurde er Gantondarzt in Kreuznach, 1805 
abermals Militärarzt in Mainz, Profeffor an der neuerrichteten medtzinifchen 
Schule und Mevizinalrath des Departement vom Donneröb:rg. Diefer Etellung 
wurde er entzogen durdy feine Ernennung zum Oberſtabsarzt der franzöfifchen 
Refervearmee, in welcher Eigenſchaft er faft ein Ichr lange im Hauptquartier in 
Darmftadt zubrachte. Nach der Auflöfung ber Rejervearmee kehrte er nach Mainz 
zurüd, wurde aber 1808 wieder nach Darmfladt berufen, um ven erfranften 
Großherzog ärztlich zu behandeln; er trat nun in defien Dienfte als Leibarzt u. 
Geheimer Hofrath und wurde 1809 in den Freiberrnftand erhoben. Er ftarh 
den 28. Dftober 1831. — Bon den zahlreichen Schriften W.s, die fich nicht 
blos auf mediziniſche fondern auch auf politifche, philofophifche, freimaureriſche, 
ja ſelbſt theologiſche Gegenſtände erftreden, find die wichtigeren: „De morborum 
primarum viarum vera notilia et curatione,“ Rürnberg 1792, 2. Aufl., 1797, 
audy beide Aufligen deutsch; „Nachrichten über das franzoftiche Kriegsſpitalweſen,“ 
2 Bde., Leipz. 1796 — 17985 „Ueber den Werth des Adels und über die Ans 
fprüche des Zeitgeifted auf Berbeflerung des Adelsinſtituts,“ 2 Thle., Darmfadt 
1816, 2. Aufl., 1818; „Weber die —— des Menſchen und die Erziehung 
der Menſchheit,“ Gießen 1828; „Ueber die Cholera,“ Frankfurt a. M., 1831, 
2. Aufl. 1832. E. Buchner. 
Wedel-Tarlöberg, Johann Kafpar Hermann, Graf von, Etatthalter 
von Norwegen, geboren 1779 zu Montpellier, erhielt, da fein Vater däntfcher Ge⸗ 
fandter in London war, in England feine erfle Erziehung und fludirte in Kopen⸗ 
hagen und Börtingen die Rechtsowiſſenſchaft. Als Ammann von Busk.rud, ale 
Führer eines Freicorps pegen Schweden 1808—9 ward er fo beliebt, daß ihn mehre 
Stimmen auf dem Reichörage zu Derebro 1810 zum Thronfolger wählten. Die 
Meinung, die er 1814 ausiprach, Norwegen müfle fi an-Schwehes anickliiun, 


2738 , Wedgewood — Weichſel. 


Bam ibm zwar im der Achtung des Volks, dafür ernannte ihn der König zum 
taatsrath und Chef des dinanz⸗, Handels und Zollvepartements, 1822 legte 
er noch unter einer Anklage vor dem Reichögerichte die Stelle nieber, erſch 
aber bald auf dem Storthing, dem er öfter als Präſident vorftand. Die Wuͤrde 
eined Statihalters (ſeit 1836) verwaltete er im Intereffe des Königs. Er flach 
4840 zu Wiesbaden, . 

Wedgewood, Jofiah, geboren 1730 in Stafforbfhire in England, wo cr 
aud 1795 ftarb, der Sohn eines Töpfers und felbft Töpfer, machte fich hoch⸗ 
verdient um die englifche Steingurfabrifution, die er auf den Stand der gegen 
mwärtigen Vollendung brachte und in dem früher. öden Bezirk in Staffordibin 
«Potteries) fo einbürgerte, daß jet gegen 150 Brennöfen im Gange find und 
60,000 Menfchen Beichäftigung finden. Auffer Anlegung von Straßen förderte 
er au) den Grand-Trunk-Kanal, die allgemeine Induftiiefammer von England 
in London und bereicyerte die Wiffenfchaft mit einem Pyrometer. Für Arme und 
wohltbätige Anftalten war feine. Hand_ftets geöffnet. 

Wehrgeld (von Wehre, d, h. Schug, Sicyerftellung ; nach Anderen von 
Baar, fo vıel als a Fehde), war nach uralter deutfcher Rechtsgewohnheit 
eine Gelpftrafe, die der Todtfchläger an die Erben umd Veiwandien des Ermor: 
deten, damit fie ihm nicht befehden möchten, bezahlen mußte (manchmal auch eine 
Geldbuße für andere ſchwere Verbrechen). Schon in den Älteften Zeiten wurde 
nach Tacitus der Todtſchlag mit einer Anzahl Vieh, die man den Verwandten 
des Umgebrachten zur Unterlaffung der Befehdung und Blutrache gab, u. nad 
ber in. den falifchen, fächfifchen und anderen alıen Gefegbüchern vor den Zeiten 
der Karolinger mit einer fegefegten Geldſumme beftraft, die für jene Zeiten fehr 
beträchtlich und höher oder niedriger war, je nachdem ein Vornehmer, Freigebor- 
ner, Freigelaffener, ein Brauenzimmer, Kind, Sremdling u. f. w. getödtet worden 
war und, da die freibeitliebenden Deurfchen ſich den Förperlichen Strafen ſeht 
barınädig widerfegten und als eine Friegliebende Nation den Tod eines Menſchen 
gering achteten, jo blieb in den meiften alten Gefegbüchern dieſes die einzige 
Strafe des Mordes. Als man aber bei einigen Älteren deutfchen Völkern, be 
fonders im Mittelalter, den Todtſchlag am Leben over am Leibe firafte, fo be: 
hielt man das W. deſſenungeachtet bei unvorfäglichem Morde, auffer der gemöhns 
lichen Etrafe, noch bei. Es beftand, auffer dem gewöhnlichen Schadenerfage, in 
20 Thlen., wenn eine Mannoperſon und in 10 Thalern, wenn ein Frauenzim: 
wer oder ein Kind ohme Vorſah gerödtet worden if. 

Weib, [. Frau. 

eichbild (von Wit = Vicus, Stadt, Ort), eigentlich ein in Städten aufs 
gericheus Zeichen zum Merfmal, daß fie eigene Gerichte und Statuten unter 
latſerlichem Schuge ausüben durften, dann überhaupt das zu einer Stadt ge 
hoͤrige Gebiet, das ihr eigene Recht ıc. 

Weichert, Jonathan Auguf, tüchtiger Schulmann und namhafter Philo⸗ 
log, geboren 1783 zu Ziegra bei Waldheim (Sacyfen), durch Lobec der Philo⸗ 
logie zugeführt, 1809 Gonrektor zu Wittenberg, 1810 Lobecks Nachfolger in 
Rektorat, 1814—19 Profeffor zu Meißen, feit 1819 Rektor in Grimma, defim 
Landesſchule er neu organifttte. 1843 wurde er feines Amtes entbunden, fur 
aber fon am 23. Juli des folgenden Jahres. W. beforgte eine neue Ausgabe 
der Ziiade Homer’s von Müller (M.ißen 1818—19), des Pomp. Mela (1815), 
der Fragmente lateinifcyer Dichter, wie des Hoftius, Lävius ıc. (1830), des Bar 
lerius Fiaccus Argonautifon (1818), fchrieb über Leben und Gedicht des Apol 
lonios von Rhodos (1821), über die Schriſten des Kaiſers Auguft (1836), ded 
Lucius Varius und Caſſius Parmenfid (1836) und „Leciionum Venusinarun 
lib.“ (1843). Rad) feinem Tode erfchienen die „Imperatoris Augusti scriptorum 
reliquine“, Grimma 1846. 

Weichfel (poln. Wisla), ein Strom, der durch den Zufammenfluß dreier 
Helen beim Dorfe Weichſel in Mähren eniſteht; die drei Onehflüffe: ſchwarze, 


Beichſelzopf — Veide. 737 


weiße und Fleine W., kommen von der Nordweſtſeite der Bieskiden (ſ. Kars 
athen) aus engen Thälern. Die W. fliegt Aafangs in öſt rreichiſch Schleften 
n einem fih allmältg erweiternden Thale, tritt bei Schwarzwaſſer auf die Graͤnze 
gegen preußiſch Schlefien und bilder öftlih von Krakau die Bränze Galiziens 
egen das Königreich Polen, welches fie in Nord- und Nordweſtrichtung durch⸗ 
h mt. Oberhalb Thorn tritt fie in Preußen ein, fließt hier Anfangs weht, dann 
nordoftwärts, thbeilt fich unterhalb Marienwerver in zwei Arme, von denen der 
öftliche, Fürzere, unter d:m Namen Rogat nad einem 7 Meilen langen Laufe 
mit 20 Mündungen in das friſche Haff ſich ergießt. Der weſtliche Arm gebt 
ale W. 6 Meilen nordwärts und fpaltet fidy beim Danziger Haupte wieder in 
zwei Arme, nämlich in die Elbinger W. (der öftlidye) und in die Danziger W. 
(der weſtliche Arm). Beide Arme ergießen fidy in die Oſtſee, der öftliche mit 14 
Mündungen in's friſche Haff; der weftliche, welcher im Jahre 1840 zwiſchen 
Reufähr und Bohnfad einen jet verfandeten Durchbruch erlitt, mündet bei der 
Feſtung Weichfelmünde, Der Oberlauf der W. ift innerhalb der Bieskiden u. 
fehr kurz. Ihr Mittellauf geht bis zur San Ründung auf dem Rüden der 
jüdlichen Landhöhe, welche hier den Karpathen vorliegt (uralifch-Farpathifcher Land- 
rüden), von bier bis zur Pilica-Mündung in einem engern Thale von der Lands 
öbe herab, dann bis zur Dremenz- Mündung in einer wellenförmigen, meifl 
andigen, hie und da fumpfigen Ebene. Im Unterlauf durchbricht fie Die noͤrd⸗ 
iche Zundhöhe (uralifchbaltiicher Landrüden) in einem weiten, häufig tiefs und 
ſteil eingefchnittenen Thale und bei Mewe beginnt dann ihr fruchtbared Delta⸗ 
land. Die Breite der W. nimmt von 100 Fuß (bei Schwarzwafler) bis auf 
3000 Fuß (bei Mewe) zu; ihre mittlere Tiefe beträgt 10 bis 12 Fuß; fchiffbar 
wird fie bei Dwory für kleine, bei Krakau für mittlere, bei Sandomirz für 
tößere Kahrzeuge. Brüden gehen über fie bei: Skotſchau, Schwarzwafler, Kra⸗ 
in Oeſterreich; Rachow, Pulawy (Schiffbrüde), Warſchau (Schiffbrücke), 
loczk in ruſſiſch Polen; Thorn in Preußen. Das Stromgebiet beträgt 3540 
Meilen, der Quellenabſtand 70 Meilen, die Länge 130 Meilen. Die Reben⸗ 
üffe beißen rechts: Dunajec mit dem Poprad, Wislofa, San in Gallien; 
ug mit der Narew und Soldawka, Drewenz im Koͤnigreiche Polen; links: 
Brabn in Preußen. C. Arendts, 

Meichfelzopf, |. Wichtelzopf. 

Weide (salix), ein Pflingengeichlecht, deſſen Arten theils als Straudy, theils 
als Baum wachſen und die ſich fat in allen Ländern der Erde, meift an Flüſſen, 
Bächen, Gräben u. vergl. finden. Das weiche, weiße, leichte Holz iſt als Bau⸗ 

ol; nicht brauchbar, wird aber zu verſchiedenen Geräthfchaften und die bünneren 
weige einiger Arten befonderd zu Korbarbeiten verwendet, Am nubbarften if 
die gemeine weiße W. oder Baum⸗W. (salix alba), ein Baum, der eine 
Höhe von 40-80 Fuß und einen Turchmefler von 3—4 Fuß erreicht. Man 
läßt fie jedoch felten bi8 zu diefer Höhe emporwachfen, indem man den Baum 
gewähn ic alle drei bis fünf Jahre koͤpft, d. h. ihm die Zweige nimmt, weldye 
efonder® zu Faßreifen verwendet werden. Die Rinde (cortex saiicis albae), von 
bitter zufammenziehendem, etwas gewürzbaftem und fchleimigem Geichmad und 
eigenthümlichem, etwas balfamifchem Geruch, wird Jumelien anftatt der China⸗ 
tinde in der Medizin gebraucht. Auſſer der gemeinen W. find die bemerf.nss 
wertheften einheimifchen Arten nody: die Lorbeer⸗W., die Bruch-W., Buſch⸗W., 
len a, Korb: W., Sohls oder Palm⸗W., Aſchen⸗W., Ohren⸗ 
7] riech⸗ 

Weide, ein mit Gras und Kräutern bewachſener Ort, wohin das Vieh ge⸗ 
trieben wird, um dort fein Futter zu fuchen. Man unterfcheidet natürliche 
oder wilde und Fünftlidhe oder cultivirte W.n. Die erfleren nehmen 
der Regel einen unverhältnigmäßig großen Raum ein und find, die Fett- und. 
Marfh:Wn an den Strömen audgenommen, felten gut bewachſen. Leptere find 
folche, wo der Boden, zweckmaͤßig vorbereitet, entweder von ſelbſt bemädst, aux, 

Nealencyclopadie. X. NM... 


- 


"8 Meiren — Weiger; 

®. b Raume in. 
—AA ee ermääe daher auf her Meier 
Verde Kia, an —E 


e ®. — entweder mit 
(finpiiche ®.), oder man überläßt das Bewachſen 
leder es 2. der Ratur nella, oder 5, Dreher und en der 
&rfere find den lehteren vorzujlchen. Künftliche W. werben —X wenn man 
in den wohl vorbereiteten und in gutem Dün; erflande befinb! en 
im Prühjahr oder Sommer mit einer Gommer| ruht beftelt wird, mit . = 
gleich W.- Pflanzen fit. m jer diefen W.n fommen noch vor: a) die Stop⸗ 
elsW@., welche auf dem Meldern nach der Ernte vor einem neuen Um 
Ben a nbe m b). bie Brad. . oder die Bel tung ber brachliegenben Felder; c) 
ors md Ra WB. auf den Wiefen im Frühjahr und erbRe und 9 vie 
FA Ale efe [2 find entweder dem Grundbefiger allein zufichenbe, 
ober communliche, d. h. folche, PR außer dem Grumbbefiger, noch von Anderen 
gemetnfeaftich, 9 ai Sucic) luß des erflern, vermöge einer auf dem bes 
Servitut, benüpt werden. — Koppel⸗W. nennt 
Fe — u an onen gemein jaftlich benüßt werden. 
Weiden, Stabt und Sig eines Landgerichts, ARentantes und Borfamteh, 
ng ni ze A einer der Ei gemehmfin in ion Sam Ha 
— multaniſche Haupt» und Stadipfartkir 
Vom. Arge geweiht, it — —— 
gi — dem — Religtonstheile an, und die e zum hl. 
Kr auf jader iſt ‚oieber multaniſch. In der vormallgen Suig 
oder ed —X das Rentamt — Lateiniſche 
Nicht nnbedeutender Handel, eine Flanelldruckerei, Farben⸗ und 3 
Fe Salpeterfieberet, Bterbraneret, srgleblger Feldbau. — W. entfland im 1 
detn junderte unter den Kaiſern und oftfränkifchen — aus dem Geſchlechte 
ohenftaufen. Als Stadt kommt es zum erſten Male im J. 1375 vor. Die 
—E Brände von 1536 und 1538, dann die Belagerungen, "Pi ‚Plänberumgen 
und Brandfchagungen, mehr der ee Krieg im Gefolge gi Sracten bie 
Stadt ſel fan yon ihrem frühern Umfange und lore herab. — I. Singel, Chro⸗ 
Sul bach 181 mD. 


ne 5 im Gegenfage zur Gtaltfü Beige 
t, jegenfage zut Gtallfütterung, diejenige 
100" kr Gmäßrung des Yin ws u Sommertict mu auf den 
Weiden ieht. Bgl. auch ha aut. Rindvichzudt. 

L:} het, Balentin, der Stifter einer myſtiſchen Sekte, der fogenannten 
Beigelianer, gederm zu Großenhain in Kur! aan 1533, wurde 1567 Pfars 
ter zu Zſchopau Erzgebirge und farb dafeldi Erſt nach feinem Tode 
wurden feine myRtfehethesfopeifgen Schriften von 1558. Kantor Weichert (Halle 
und Magdeburg 1611—21) herausgegeben, unter denen die bemerfenswertheften 
folgende Im; Kirchen⸗ und Hauspoſtille über die Evangelien® (1611); „Dis- 

hristianismo“, d. t. @efpräch, wie der Menfch von Gott gelehrt, aus 
Sort wine eboren, mit Chriſto teishafilg, innerlich und äußerlich vereinigt 
werde" (1614), „Der güldene Griff, d nleitung, ‚alle Dinge ohne Irrtum 
u erfennen* (1616); „Zwei ſchoͤne Büchlein vom Leben Eprifii, eine Furze, aus⸗ 
führliche Erweifung, daß u u fen Zeiten in ganz Europa beinahe Fein Kinlger 
Stuhl fei in allen Kirchen ten, darauf nicht ein hen 
Pfeubochriftus, ein Seht re | bes jolfs, ein falſcher Ausleger der Schrift che“ 
(1624). In diefen S jefte ſtellte W. dem fo vieldeutigen, nur Streit erregens 
den Buchftaben der heili⸗ Igen Schrift, noch mehr aber den Öffentlichen Glaubens⸗ 
men, der Schultheo ogle umd allem bloß äußerliche Ritus das im Leben 
tige und im Goit ftch beruhigende Bewußtſeyn des Innern entgegen und nahm 
Helieen Dogmen als bloße Alegorien für Innere Welt» und Gottesver⸗ 

Bi Die im Jahre 1624 auf Iandesherrlichen Befehl angeordnete Berbrenns 

ung feiner Schriften in Chemnit kam zu fpät, um beren Wirfiamfelt zu hindern ; 


denn ſchon Hatten fie fich in verſchiedenen Provinzen verbreitet und ihm viele’ 
Anhänger gewonnen, bie unter verfchiedenen Namen auftraten und mandhe 
Streitigfetten erregten. Bgl. Hilliger, „De vita, fatis et scriptis Val. Weigelii“, 
und Fortſch, „De Weigelio“ in „Miscellan. Lips.“, Tom. X., pag. 171. 

Weigl, 1) Joſeph, einer der berühmteſten neueren deutichen Operncompo⸗ 
niften, der Repräfentant der Iyrifchen Dpernmuflf, 1766 au Eiſenſtadt in Ungarn 
geboren, erhteit feine erfte muſikaliſche Bildung durch Albrechtberger de v.) 
und componirte in rm 15. Jahre eine Heine Oper: „N Pazzo per forze“, 
die Gluck's und Salieri's Beifall erhielt und auf deren Beranlaffung vor 
Kaifer Joſeph aufgeführt wurde, welcher fortan dem jungen SKünftler feine Auf 
munterung und Unterflügung gewährte. Nun gab fich W. ausfchließlidh ven 
muflfalifdyen Studien hin und verließ jenes der Medizin, für welches ihn fein 
Vater beflimmen wollte. Salieri nahm ihn nun ‚Hans in feinen Unterricht u. 
bildete defien giüdlidee Talent fo vollfommen praktiſch und theoretifch aus, daß 
W.s Eompofitionen bald allgemeinen Beifall erhielten. " Nachdem er einen fe 
vortheilhaften Ruf nady Stuttgart abgelehnt hatte, wurde er 1806 ale Kap 
meifter * des k. k. Hofoperntheaters mit Tebenslänglicher Berforgung, angeftellt. 
1807 erhielt er einen Ruf nah Mailand, um daſelbſt zwei Opern zu ſchreiben, 
weldyes Auftrages er ſich mit fo glüdlichem Erfolge entlebigte, daß Um der Aus 
trag gemacht wurde, Direktor des Conſervatoriums daſelbſt zu werben, den er 
jedoch abermals ablehnte und wieder nach Wien zurüdfehrte, wo er, einen zwei⸗ 
ten Ruf nach Matland abgerechnet, ununterbrochen die Direktion des Theater 
nächſt dem Stärnthnerthor leitete und, nachdem er fich in vorgerhdteren Jahren 
von det Gefchäften zurüdgezogen hatte, den 3. Februar 1846 flarb. Die meiſten 
einer Eompofitionen zeichnen ſich durch eine ungemelne Fülle eindringender mus 

kaliſcher Ideen, durch Reinhelt und Gediegenheit ver muſikaliſchen Schreibart, 
durch Empfindung, lyriſchen Ausdrud und richtige Deflamation aus, doch ke 
ihm der erhabene und romantifche Styl weniger zu. Gigentlidhe Kammermufif 
ſchrieb er wenig, großes Geſchick jedoch hatte er, zu Opern anderer Meiſter pafiende 
Einlegeftüde zu componiren, wie er dieß namentlich bei Mozart's Titus, Das 
layrac's Buliftan, Gretry’s Löwenherz und mehren Opern berühmter Ton- 
feger mit großer Meifterhaftigkett beivtefen hat. Die wichtigften feiner Tompofi⸗ 
tionen find folgende. Opern: La principessa d’Amalfi; Giulietta & Pisrotto; I 
Solitarj; L’Amor marino, audy deutſch unter dem Titel: Der SKorfar aus Liebes 
Das Dorf im Gebirge; L’Uniforme, auch deutſch; El Principe invisibile ; Katfer 
Hadılan, eine große ernſthafte Dper, die jedoch weniger Glück machte; Adrian 
von Oſtade; Kleopatra; N Rivale di sestesso; Das Waiſenhaus; Die Same 
zerfamilte, beide Opern, beſonders leptere, feine Hauptwerfe von unvergänglichem 
Werbe, die, 1808—9 compontrt, noch ſtets mit gleichem Zauber wirken; Der 
Einftedler auf den Alpen; Krancisca von Foix; Der Bergflurz; Die Jugend Per 
ters des Großen; L’Imboscata, für Mailand componirtz Nachtigall und Rabe, 
eine niedliche idylliſche Operette, doch wohl mit etwas zu viel tändelnder muflfa- 
Itfcher Malerei; Margaretha von Anjou; Baal’ Sturz und endlich fein letztes 
Produkt in dieſem Fache: Die eiferne Pforte, eine romantifche Oper, welche ſich 
indeſſen wenigen Beifalls zu erfreuen hatte. — Oratorien: La passione di Gesu 
Christo, von ausgezeichneter Schönhelt, wuͤrdevoll und meifterhaft geſchrieben; 
La Resurrezione di Gesu Christo; il Ritorno d'Astroa. Auch fhrieb W. viele 
fehr reizende Balletmuflfen, unter welchen ſich befonders jene zur „Alcine“ des 
rößten Beifalles erfreute. — 2) ®., Johann Baptifl, —78 u ae 
n der Oberpfalz den 26. März 1783, Prieſter den 31. Mat 1806, —* eſſor der 
Theologie an dem Lyceum zu Amberg, nachhin Profeſſor der Kirchengeſchichte u. 
des Kirchenrechtes und Rektor des Lyceumd zu Regensburg, und feit 1837 Doms 
fapitular, Scholaſticus, bifchöflicher geiftlicher Rath und Offtzial ebendaſelbſt, 
erwarb fich tn der literarifchen Welt einen bleibenden Namen durch (divx 
genen Schriften, Diefelben führen die Titel: Karholiiägen Bea —8 





740: Weihbiſchof — Weihnachten, 


buch für nachdenlende und innige Ehriften sc, Sulzbach 1817 Chiezu die treff- 
lichen, größtentheil8 von W. felbft lomponirten Choräle) ; Lehrbuch der Arithmenf 
u. Algebra, 2te Aufl. Sulzb. 1823; Abt Prechtl, eine biographifhe Skizze, Sutzb. 
1833; mehre Ausgaben, Erläuterungen u. Ueberfegungen des Thomas a Kempis; 
Populäre Erdglobuslehre zum Privat- u. Schulgebraucdye, Sulzb. 1843; J. N. Kroust 
meditationes de praecipuis fidei mysteriis adusum Clericorum accomodatae, V Tomi. 
Vitam auctoris adumbravit et praefatus est J. B. Weigl, Solisb. 1844—47 5. Theolog 
chtonolog. Abhandl. über das wahre Geburis⸗ u, Sterbejahr Jeſu Ehrifti, 1. Thl, 
Sulb. 1849. Vgl. den Kalender für katholiſche Ehriften auf das Jahr 1848. mD. 

Weihbifchof, |. Bifchof. 

Weihe, f. Ordination, 

Weihfeffel, 1) ein Gefäß, worin ehemals ber geopferte Wein ſich befand. 
Dieſe W. waren theils größer, theils Heiner; in die größeren kam derjenige Wein, 
welcher für den Unterhalt der Priefter beftimmt war, in die Heineren hingegen 
jener, welcher von den Gläubigen für dad Opfer und bie Communion hingegeben 
wurde. — 2) W. wird auch das Gefäß genannt, in welchem das gemweihte Waf- 
fer fich befindet; dieſes Gefäß iſt von Ein und an. den Kirchenthür-Mauern 
angebracht; 3) heißen fo jene meffingene, Fupferne oder filherne Gxfäße, im wel- 
hen das Weihwaſſer dem Priefter bei Vornahme — dunttlonen, dem 
Asperges, bei Beerdigungen, beim Ritus ad tumbam, bei verſchiedenen Weib: 
ungen m. f. w. vom Kirchen» oder Altarbiener dargereicht wird (j. den Artifel 
Weihwaſſen. 

Weihnachten oder das Feſt der Geburt Jeſu Ehrifti wird am 25 
Dezember als eines der drei Hauptfefte der Chriſtenheit gefeiert. Die abendlaͤnd⸗ 
iſche Kirche beging nach einer alten Tradition dieſes Fer ſtets an dem genann- 
ten Tage, während die morgenländifche es bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts 
am 6. Januar feierte. Der Nume felbft mag feine Entftehung daher haben, daß 
ſchon die erften Ehriften zur Feter der Geburt des Erldierd die Nacht, im welcher 
derfelbe von Maria der Jungfrau geboren wurde, der befondern Andacht weihe- 
ten. Der ganze Weihnachtöcyelus umfaßt die Zeit vom erſten Aoventfonntage 
bis zum hl. Dreitönigsfefte. — Dis Geburtöfeft Chriſti Hat eine Vigil und Bor: 
faften. Diefe al dauerte die ganze Nacht hindurch u., obſchon man fpäter die 
gottesbienftlichen Berfammiungen der Chriften zur Nachtszeit aufhob, fo wurbe doch 
diefe beibehalten. Es werden in diefer Nacht, welche auc die heilige Nacht, oder der 
Chriſtabend heißt, um 12 Uhr die fanonifchen Tagzeiten, Ehrifimette genannt, ab: 
gelungen, ein felerliches Amt gehalten und in Kirchen, die mehre Beiftliche haben, 
mehre Mefien gelefen; das zweite Amt if dann früh um fünf oder ſechs, das 
dritte um neun Uhr. Am Chrifttage ſelbſt iR der Genuß ber Fielfchfpeifen er- 
laubt; auch hatte derfelbe ſchon in früheren Zeiten das Eigene, daß, wenn er 
auf einen Haft» oder Abflinenztag fiel, das Waftengebot aufgehoben blieb. Zur 
Erhöhung der Feier diefes Feſtes iſt es jedem WBrieher geftattet, an dem Chriſt 
tage drei heilige Meffen zu lefen. Die Zeit, wann diefer Brauch feinen Anfang 

jenommen, iſt unbeftimmbar. Soviel ift indeß geriß, daß die Paͤpſte zuerft drei 

eſſen am Weihnachtsfeſte zu Rom lafen. Die erfte wurde in der Kirche des 
heiligen Liberius zu Maria major, die zweite in der St. Anafafien-Kirche und 
die dritte in der Kirche des Baticans abgehalten. In den gallıfanifchen, ambro- 
fantfchen und mozarabifchen Saframentarien kommt job Nichts hievon vor. 
Martene fucht aus mehren Ritualbüchern zu beweilen, daß dieſe drei Mefien 
in früheren Zeiten nicht von einem Priefter, fondern von dreien zu verfchiedenen 
Stunden gelejen worden ſeten. Indeß nach und nach wurde der Gebrauch allge 
mein, daß am erften Ehrifttage jeder Priefter drei Meſſen lefen durfte, ohne daß 
ein allgemeines Gebot hiefüt vorliegt. Unter Karl dem Großen ward derſelbe 
in Frankreich eingeführt, da vorher daſelbſt nur zwei Mefien von einem Priefter 
jelefen werden durften. — Der Priefter nimmt in der erſten und zweiten heiligen 

effe weber die Mblution, noch PBurification (f. dd.), fondern wäfcht die 


VDeihrauch — Beluugen. q41 


Finger in einem, mit etwas Be auf dem Altar in Bereitfchaft ſtehenden, Ge⸗ 
fäße ab, welches dann in vie Piscin gefchüttet wird; bei der dritten Meſſe 
nimmt er die Ablution und purificirt auch ben Keldy auf die gewöhnliche Weite. 
— In den communicantes derjenigen Meſſe, weldye zur Nachtszeit gehalten wer⸗ 
den, heißt e8: Communicantes et noctem sacratissimam venerantes elc., in den 
beiden anderen aber: Communicanies et diem sacratissimam venerantes etc. 
Uebrigens find die ganze Oktave hindurch die für das Geburisfeh des Herrn an, 
geordneten Communicantes. Bel der zweiten Meſſe bat auch die Commemoratio 
pro sancto Anastasio flatt. In den Kathebrals, Rebenſtifts⸗ und fonftigen 
auptkirchen werden die drei Aemter, wenn es möglich iſt, muflfaltich gehalten. 
den Pfarr» und jenen Filialkirchen aber, weldye mit einem fländigen ſonn⸗ 
und feiertägigen Gottesdienſte verfehen find, wird gewöhnlich die zweite Mefle 
IN gelefen. Bemerfenswerth iR auch, daß der heilige Bater am Weihnachtstage 
jedesmal einen Degen und einen Hut zu weihen pflegt, weldye beide er dann vor⸗ 
nehmen und felbft fuͤrſtlichen Perſonen verehrt. 
eihrauch (olibanum, thus), ein Harz, defien Abſtammung noch nicht mit 
Gewißheit bekannt if; das oftindifche joll von Boswellia serrata Colebr., das 
arabiiche von verfchledenen Wachbolverarten fommen; doch iſt ed möglich, wi 
beide Sorten einen Urfprung baben und theild nad Oſtindien, theild n 
Aegypten durch die Karamanen gelangen. Die befte Sorte beflcht aus Fleineren 
oder größeren, rundlichen, durchſcheinenden, trodenen, ſproͤden Stüden, Thränen 
genannt, von Farbe weiß, grünlich ober gelblich; die geringeren Sorten find un⸗ 
rein, braun over röthlidy von Farbe, mit Holzſtückchen vermengt und la 
in großen Klumpen. Der Geſchmack iſt fcharf bitterlih, der Geruch, vorz 
angezündet, angenehm und gewängbaft Es iſt ein Gummiharz und befieht in 
100 Theilen aus 56 Harz, 30,8 Gummi, 5,2 in Weingeiſt unlöslichem 4 
8 ätheriſchem Del und Verluſt. Die Hauptanwendung iſt als Raͤuchermittel. — 
Der W. wurde ſchon im alten Teſtamente bei den gottesdienſtlichen Verrichtungen 
gebraudht und verbrannt, um die Majeftät Gottes dadurch zu verehren u. ihm, 
dem Allerhöchften, auf dieſe Welfe Anbetung zu erweifn. So war im Geſetze 
Moſis befohlen, einen goldenen Rauchaltar zu errichten, worauf Gott täglich 
das Rauchopfer dargebradyt werden ſollte. Auch wurde zu allen Zeiten u. von 
allen Bölfern der W. ale ein befonderes Opfer, dad nur Bott a gebührt, 
angefehen, deßwegen bevienten fidy deffen nicht nur die erfien Ehriften bei ihren 
gotteödienflichen Berfammiungen, fondern bie Ko Kirche hat auch verordnet, 
daß bei feierlichen Meſſen, Belpen und anderen folennen Andachten zur Anräuch- 
erung des Altares, des Evangelienbuches, des Celebranten ſelbſt, dann bei vers 
ſchiedenen Benedictionen Raudwert gebraudyt werden folle. Da dieſes bei derlei 
Handlungen von dem Prieſter zuvor mit dem Gebete: „Ab illo benedicaris, in 
cujus honorem cremaberis, Amen“; ober mittelft jenes: „Per intercessionem beati 
Michaelis Archangeli“ etc., gefegnet oder geweiht wird, [e beißt es W. Bei der Mefle 
foU nur reines Rauchwerk gebraudyt werden; doch iſt, beſonders bei aͤrmeren 
Stiftungen, geftattet, audy anderes Rauchpulver beizumifchen. 
eihungen (consecrationes) werben in ber Liturgifchen Sprache von ben 
Segnungen (benedictiones) unterichteden, obgleich nady dem gemeinen Sprachge⸗ 
brauche die Segnungen mit den W. verwechfelt zu werden pflegen. W. find jene 
facramentalifchen, mit einer Salbung verbundenen, Handlungen oder Ritus, durch 
welche entweder eine Sache vom gemeinen zum geiftlichen, Clirchlichen) Gebrauche 
abgefondert, oder eine Perfon dem geiflichen Stande oder Kirchendienfle gewid⸗ 
met, oder in beftimmte geiftliche Pflichten genommen wird. — Die W. dem 
Biſchofe vorbehalten. Die — wie Ertheilung des Diakonats u. Sub⸗ 
diakonats, dann die Ausſpendung der heil. Firmung und bie Delweihe am grünen 
Donnerstag ftehen ihm ausfchließlich zu und nur er oder fein Weihbiſchof dürfen 
ſolche vornehmen, ohne hiezu jemals einen Priefter belegiren zu können. Andere, 
wie die Einweihungen der Kirchen, Glocken, Wtäre u, Dal, Lane wer wis a 


—— 


142 Weihwaſſer — Weimar, 


ausprücklichen Erfaubniß von den ihm — —— Vrieſtern rilualmaͤßig vorge: 
nommen werden, bie man dann Benebietiomen nennt, 

Weihwaſſer ift Waſſer, weiches gewöhnlich wor dem Amte der heil. Mefie 
an den Sonntagen, mit Auetnabme des Dfter- und Pfingffonntages, weil Tags 
zuvor das. Tauftwafler. geweiht wird, mittelft befonderer Segnungsformeln, bei: 
nahe jenen gleich, die; über. das Taufwaffer gefprodyen werden, eine eigene Weihe 
durch den Priefter erhält (ngl. Wafferweibe). 

Weiler, Cajetan von, pbiloſophiſcher Echriftfieller und ®enerälfekretär 
der £. bayefifchen Afademie der Wiſſenſchaften, geboren am 2. Anguft 1762 zu 
München, wo fein Water als unbemittelter Täfchnermeifter lebte, flubirte am 
Oymnafium feiner -Baterftadt, befuchte 1773 das dortige: Lyceum, behamptete bier 
ſteis den erften Platz mit ver Note „eminent“ und erhielt in der ‚geiftlichen Be⸗ 
zebfamfelt die fiberne Preismedaille, Dur Unterricht in Sprachen erwarb er 
ſich fo viel, auch feine Dünfüge Mutter unterftügen zu fönnen, denn lindliche Liebe 
und Dankbarfeit waren bleibende Hauptzüge feines edlen Charaktere. 1783 fan 
er als Hofmeifter im: das Haus des Regierunge-Vicefanzlers von Pettenlofen 
und in dieſer angenehmen Lage entwidelte. ſich zuerft ‘feine Lieblingsneigung zur 
Pädagogik. 1785 in Srelfing zum Priefter geweiht, gab er diefe Haus lehrerſtelle 
auf umd eriheilte Unterricht der Mathematit an ber Erziehungs-Anftalt des 

errn von Riedl, fo. wie in der. Theologie und Philofophie bei den Theatinern. 
792 lehrte er auch an der Realſchule Geſchichte und Religion, aber «ohne fe: 
beftimmte Befoldung, fondern erhielt 1794 nur vom Magiftrate 100 fl. Wartegeld 
und erft 4795 eine Zulage. 1799 ward er Profeſſor ver Philofophie und Paͤda⸗ 
gogik, dann Rektor des Lyceums. 1802 wählte ihn die Akademie der Wiſſen- 
ſchaften zu ihrem Mitglieve in der philologtich-philofophifchen Claſſe. König Ma 
ximilian Joſeph beehrte ihm 1808 mit dem Ritterfreuze des Eivilverdienft-Drdens 
der bayerifhen ‚Krone: und bei den Veränderungen, die 1809 im Studienweſen 
vorgingen, wurbe er Direktor aller Lehranftalten in. München.“ 1812 erhielt W. 
den ehrenvollen Auftrag, ven Prinzen Karl in die Philofophte einzuführen und 
wurde in die Adeldmatrifel eingetragen. 1823 feiner Studiendtreftion enthoben, 
trat er mit dem Titel eines Geheimen Rathes als Generalfefretär der Akademie 
der Wiffenfchaften an die Stelle feines verewigten Freundes Schlichtegroll, dem 
er ein würdiged Denkmal in einer Vorlefung geftiftet. Wegen geihwächter Ge: 
fundheit, welche feit 1806—9 einen fehr leivenden Charakter annahm, bat er um 
feine Entlaffung, zog ſich in das Privatleben ganz zurüd und ſtarb plötzlich in 
Golge eines Schlaganfallcd den 24. Juni 1826. Al Grumdfag feines Lebens 
und Wirkens galt ihm die Martme: „ven Sinn für alles Wahre, Gute und 
Schöne und das aus ihm fich hervorbrängende Pflichtgefühl, diefen Sinn und 
ein ihm entfprechendes Verhalten audy in Anderen zu erweden und zu beleben, 
und zwar durch die Kraft des mündlichen und fchriftlichen Vortrages und des 
ſtreng fittlichen Beiſpiels.“ Seine religtöfen Anfichten fanden in dem @erude 
einer allzugroßen Sreifinnigfeit, wie wohl feine Schrift: „Der Geift des älteſten 
Katholicis mus als Grundlage für jeden fpätern“ (1824), hinlänglich beurkundele. 
Sonftige Schriften von Erheblichfeit: Weber den nächften Zwed der Erziehung 
nach Kant'ſchen Grundfägen, 1793; Verſuch eines Lehrgebäudes der Erziehung 
Yunde, 1802—5; Erbauungsreden für Studirende, 3 Bochen., 1802—4; Anleit: 
ung zur freien Anficht der Philofophie, 1804; Verſtand und Bernunft, 1806; 
Itdeen zur Entwidelung der Gefchichte des religiöfen Glaubens, 3 Bde. 1808-13; 
Grundriß der Gefchichte der Philoſophie, 1813; Grundlagen der Pſychologie, 
1818; Heinrich Jacobi nach Leben, Lehren und Wirken (in Berbindüng mit 
Schlichtegroll und Thierſch), 1819; Kleine Schriften, 2 Bochen. Viele Pro: 
gramme, Schulreden, Vorträge für die bayerifche Alademie und Genächtnißreden 
auf Mutſchelle, Fluri, Schlichtegrol, Stengel u. a. m. Cm. 

Weimar, Hauptftadt des Großherzogthums Sach ſen⸗Weimar⸗Eiſenach 
(. d.) und Reſidenz des Großherzogs, in lieblicher Gegend an ver Ilm, ift, auſſer 


Bein, 143 


den neuen Berfchönerungen, im Ganzen unregelmäßig und nicht bedeutend, bietet 
aber gleichwohl mehre Sehenswürdigkeiten dar, unter denen wir anführen: Das 
Refidenzſchloß, in feiner jetzigen Schalt unter Karl Auguft erbaut, eben fo groß- 
artig, als gelhmadvol; befonders bemerfenswertb find in demfelben die neuen 
Zimmer mit Srescomalereien nady Gedichten von Gothe, Schiller, Wieland und 
De gemalt von Neher, Simon, Preller und Jäger. Die Stadtkirche zu St. 
eter und Paul, ein alte® Gebäude im „gebisen Styl aus dem Jahre 1429, 
mit einem Altargemälde von Lucas Cranach, der Fürftengruft und dem Grabe 
Herder. Die Jakobskirche, das Altefle Gebäude der Stadt, aus dem Jahre 
1168, dabei der Kirchhof mit den Grabmälern von Cranach und Mufäus, Das 
neue Ratbhaus auf dem Markte, erſt vor wenigen Jahren im gothifchen Style 
erbaut. Auf der Esplanade, der fchönften Straße der Stadt, befindet ſich die 
ehemalige Wohnung Schiller’6; das Haus Gdthed am Frauenplan, mit reichen 
Sammlungen und Kunflfhägen, wollte der Bundestag anfaufen und e& zu einem 
deutfhen Nationaldenkmal machen, die Enkel des Dichters find aber nicht darauf 
eingegangen, fondern haben fi) dad Ganze refervirt. Der neue Friedhof, wo 
Großherzog Karl Auguft, sa Der, Göthe, Fall, Stephan Schübe, Hummel, 
Wolf zc. ruhen. Der Park mit fchönen Anlagen, Goͤthe's Sommerhaus, Her- 
dersruhe, das Belvedere mit dem botanifchen Garten ꝛc.; die großberzogliche 
Bibliotbet in einem eigenen ſehr Schönen Gebäude am Parke, mit 140,000 Bän- 
den, vielen feltenen Manuferipten und den Bilpniffen früherer Regenten, den 
Büften Schillers, Goͤthe's, Herder's, Wieland's ıc., ferner mehren hiſtor⸗ 
tischen Merkwürdigkeiten, wie 3. ®. dem Mönchögewande Luther's, einem Ans 
zuge Guſtav Adolph's ꝛc. In dem Thurme neben der Bibliothek befindet ſich 
die Kupferflichfammlung, eine der: reichften und auserlefenften in Deutfchland, 
die Münzfammlung und die Militärbibliothel, Von Anſtalten aller Art befitt 
W. ein Gymnaſtum, eine Kunftfchule, ein Landesinduſtrie⸗Comptoir, eine Blinden⸗ 
Anftalt, eine Berforgungsanftalt für verwahrloste Kinder, ein Muſeum, land» 
wirthfchaftliche Gefellfchaft, Zrauenverein u. m. a. — Die Stadt, deren Einwoh⸗ 
nerzahl ſich gegenwärtig auf 13,000 beläuft, wurde angeblich 880 von dem fo> 
rawiſchen Marigrafen Moppo erbaut und war im 10. Jahrhunderte Refidenz der 
Grafen von W.; 1299 brannten Schloß und Stadt ab; 1376 gelangte letztere an 
die Landgrafen von Thüringen und 1440 mit diefem Lande an Sadjien, 
an die Erneftinifche Linie und ward 1572 Reſtdenz. Seine Glanzzeit fällt in Die 
Regierungsperlode Karl Augufts, der feine Stadt zum Bereinigungsort der größ- 
ten Männer unferer Literatur machte. Unter Pi und der Herzogin Amalia leb- 
ten bier: Wieland ſeit 1772, Herder und Göthe feit 1776, Schiller feit 1801. 
Hier lebten auch: Mufäus von 1763, + 1787; Böttiger 1791—1804 5 Riemer von 
1803, + 1844; Johann Falk feit 1798, + 18265 Kopebue, geb. 1761 zu W., 
+ 1819: Heinrich Meyer von 1792, + 1832; 2. Schorn von 1833, + 1842. 
Wein ift das befannte Getränfe, welches aus dem Safte der Trauben des 
W.⸗Stockes durch Gährung gewonnen wird. Auch aus anderen Beeren und 
Trüchten, 3. B. Johannis⸗ und Stachelbeeren, Aepfeln, Birnen ıc. Tann W. er- 
zeugt werben, demfelben wird aber noch der Beiname der dazu verwendeten Fruͤchte 
geachen (Aepfel⸗W., Johannisbeeren⸗W. ıc.). Im Handel, wegen der allgemeinen 
Verbreitung, ift der aus den W.⸗Trauben bereitete W. der bei weitem wichtigfte. 
Alle die verfchievenen Sorten des W.s flammen von Abarten des W.⸗Stockes 
(Vitis vinifera) ab, als deſſen Vaterland fehr wahrfcheinlich Aften zu betrachten 
it, wo er befonderd an den Ufern des Fafpifchen Meeres, am Kaufafus, in 
Armenien und Karamanien berrlicdy gedeiht u. von dort aus über Griechenland, 
Italien, Spanien und die übrigen jehigen W.-Länder von Europa verbreitet 
wurde. Die vorzüglichften W.-Ränder liegen innerhalb des 32. und 50. Breiten- 
Grades (vgl. Berghaus phyſikaliſcher Atlas). Auch In Amerika und Afrika 
wird die Eultur des W.-Stodes betrieben. Er erfordert nicht.nur einen guten 
Boden und ein gutes Klima, fondern auch große Sorgfalt ta ur > 


v | Bann. 


744 Wein. 


Der vulkaniſche Boben if dem M.-Baır beſonders günftig, auf Ihm machen der 
Zofayer und Laerymae Christi ıc.; auch der Kaltboden ift hieju vortrefflich, auf 
dieſem wächst u. a. der Champagner. Die rispenartige Blüthe des W.-Stodes 
entwidelt ſich in unferen Gegenden gemöhnli im Zunt und im Dftober (im 
Eüden früher) gelangen die Beeren zur volftändigen Reife. Bel der Bereitung 
des W.es verfährt man auf folgende Weife: Die W.-Zrauben werben in einem 
Faſſe mit einer hölzernen Gabel abgefämmt, wobei die reifen Beeren abfallen, 
die unreifen dagegen figen bleiben u. zur Darftellung einer ſchlechtern W.-Sorte 
dienen. Hierauf folgt das Keltern, d. 5. das Auspreffen oder Austreten des 
Eaftes; diefer iſt im frifchen Zuftande noch füß, wird Moft genannt und der 
Gährung unterworfen. Der Saft der reifen Trauben enthält Waſſer, Zuder 
(Krümmelzuder und ———— ſiehe den Art. Zuder), Gummi, eine ehweiß⸗ 
ähnliche Materie (Pflanzeneiweis, Pflanzenleim), Aepfelfäure und verſchiedene 
ale. So lange der Saft in den Hülfen eingefchloffen if, erleidet er feine 
andere Veränderung, ald daß das Waſſer verdunftet und die Beeren — 
ſchrumpfen. So wie aber der ausgepreßte Saft mit der Luft in Berührun; 
t, übt dieſe auf den darin enthaltinen Pflanzenleim eine eigentbümliche Wirl 
ung aus, in Folge deren er num die Eigenfchaft erlangt hat, ähnlich der Hefe 
(f. d.), Gährung (f. d.) bervorzurufen. Man hat nım ftatt einer füßen, eine 
eiftige Flüſſigkeit, welche eben das iſt, was man W. nennt. Wenn die Gährung 
Mhne eintreten umd volftändtg erfolgen fol, fo muß der Moft fehr flüffig um 
die Beeren gehörig zerqueifcht ſeyn, morauf meift nicht genug geachtet wird. In 
den Fäffern fährt die Gährung fort und wird auch da vollendet; nach den Er 
fahrungen der W.-Bauer wird der W. auf größeren Gebinden befier, ala af 
einen. Während des Liegens auf ven Faͤſſern fegt ſich eine Hefe zu Boden, 
wo fie durch weinfaures Kalt (f. Kalium) befeftigt wird, welches ſich zugleich 
in dem Grave abfegt, als ſich mehr Alkohol im W. erzeugt, wodurch ſich das 
Vermögen der Flüffigfeit, das faure Salz aufgelöst zu erhalten, vermindert. 
Diefe abgefegte Maffe wird W.-Stein (f.d.) genannt. Die befieren W.-Sorten 
zieht man zulegt auf Flaſchen, worin fie fich lange aufbewahren lafjen und mit 
dem Alter verbeffern. Beim Liegen auf Flaſchen befommt der W. einen eigenen, 
für W⸗Kenner jehr angenehmen Geruch, "den man die Blume (das Bouguen) 
des W.es nennt und der oft, ohne Rüdſicht auf den höhern ober mindern Ger 
lt an Alkohol, ven Werth des W.es beim Verkaufe beſtimmt. Die verfchievene 
jarbe der W.e hängt von verfchtedenen Umftänden ab. Die rothen W.e haben 
ihre Farbe von den Schalen der rothen oder blauen Trauben, mit denen man 
den Moſt gähren läßt. Sehr häufig erhöhen die W.-Händler die Farbe rother 
W.e dadurch, daß fie dieſelben mit Heidelbeeren, Hollunderbeeren, Blauholz und 
vergl. färben. Die weißen W,e, welche eigentlich alle gelb, gelbbraun oder 
dunfelgelb find, haben ihre Farbe von dem aufgelösten Ertraftioftoff. Die dem 
tfchen Beftandiheile der W.e find: Waſſer, Weingeift (Alkohol), unzerfepter 
- Zuder, Gummi, falzige Beftandtheile, freie Kohlenfäure (f. d.), Aepfel⸗ und 
Eiffigfäure, flüctiged Aroma und etwas aus den Hülfen abftammenver Ertrakttvs, 
darbe⸗ und Gerbeftoff. Der Unterfchied in den relativen Mengen diefer allge: 
meinen Beftandtheile des W.es, fo wie die fpezififchen Verfchievenheiten im & 
traftioftoff, Farbeſtoff und Aroma machen die fo mannigfachen W.-Sorten aus. 
Das fpezifilhe Gewicht ſchwankt zwiſchen 1,02 (Tokayer) und 0,983 (Ehams 
Kann), Defter kommt der W. verunreinigt oder verfälfcht in den Handel. 
te Zahl der ſchadlichen Subftangen aber, welche dem W.e theils mit Ab- 
fiht, theils durch Zufall, der Natur der Sache gemäß, bei; fmengt feyn fönnen, 
iſt nicht groß und fie fönnen auch nur in unbedeutender Menge darin enthalten 
ſeyn, wenn fie ſich nicht durch den Geſchmack verrathen follen. Dahin gehören 
einige Metalle (ald Blei, Kupfer, Wismuth, fogar Arfenid, Alaun und 
tohlenfaures Alkali (f. Alfalten). Zur Unterfuhung auf Blei dient die 
B.-Brobe (f. d.) von Hahnemann. Älaun foll ein fehr häufiges, wenn nicht 


Belnbrenner.: Y45 


allgemeines Zufapmittel zu dem Roth⸗W.e ſeyn, theils In der Abſicht, um bie 
rothe Farbe zu erhöhen, theild um ibm mehr Tauerhaftigkeit u. einen zuſammen⸗ 
ziehenden Geſchmack A geben. Läßt man in, mit Alaun verfälichten, IB. nad 
und nach reinen Fauftifchen Salmiakgeiſt tröpfeln, fo entſteht in demſelben eine 
weißliche Trübung. SKohlenfaure Alfalien werden den W.en beigemengt, wenn 
fie jauer geworden find, um damit die freie Säure zu entziehen. Derlei Ver⸗ 
fälfchungen find jedoch minder nachtheilig, ald die vorher benannten. Man 
unterfcheidet im Allgemeinen: 1) Süße oder zuckerreiche W.e, weldye meiftens 
auch die alfoholreichften find, daher fie fehr belebend, aufregend u. magenftärkend 
wirken. Hieher gehören befonders die ſpaniſchen und ttalteniichen W.e: Malaga, 
Muskat⸗, Cypern⸗W., Xeres, Madetra, Lacrymae Christi, die Caps W.e ıc. 2) 
FARB W.e, in denen der herbe, durch vorherrfchende Säure verurfachte, Ge⸗ 
chmack über den fügen vorherrſcht und die befonderd der Verdauung zuträglich 
find, wie die Franz⸗,, Mofels und Rhein: W.e. 3) Die rothen oder auch 
gerbeftoffreichen W.e, die einen großen Gehalt von Gerbeſtoff befiten, wo⸗ 
durdy fie bei einem Zuſtande der Erfchlaffung in den Reſpirations⸗, Harn⸗ und 
Geſchlechtsorganen c. oft günft e Wirkung äußern. 4) Mouffirende W.e, 
ausgezeichnet durch ihren Reichthum an Kohlenfäure, find bekannt unter dem 
Kamen Champagner, fie wirken raſch belebend und erregend, ohne zu erhißen, 
Zunge W.e überhaupt werden audy grüne, dagegen Ältere abgelegene oder 
Hirn W.e genannt, Die wichtigften W.- Sorten find in eigenen Artifeln dieſes 
Werkes beichrieben. — Seit Ende des 18. Jahrhunderts baden fi) mehre W.- 
Baugeſellſchaften gebildet, welche die Beförderung und Berbefferung des W.- 
Baues und der W,- Pflege als ihre Hauptaufgabe betrachten; die erfte viefer 
Geſellſchaften wurde 1799 zu Meißen achſen gegründet, ihr folgten dann 
mit Bildung folder Vereine die Städte: Liffabon 1805, Beaune in Burgund 
1807, Stuttgart 1825, Neapel 1833 und Würzburg 1836. Ueberdieß gefchieht 
für derlei Zwede des W.⸗Baues audy fehr viel durch die zahlreichen landwirth- 
fhaftlichen Vereine, von denen die meiften befondere W.⸗Bau⸗Sectionen enthalten. 
Bal. Henderfon, „History of ancient and modern wines“; @atterer, „Literatur 
des W.⸗Baues aller Nationen“ (Heidelb. 1832); Thienemann, die W.⸗Wiſſen⸗ 
ſchaft; Kölges, „Denochemie nach rationellen Grundſätzen“ (Berl. 1841); Rubens, 
„der W.⸗Bauer“ (Mainz 1845); Babo, „der W.⸗Bau (Frankf. 1846). aM. 
Weinbrenner, Friedrich, geboren zu Karlsruhe 1766, hatte von ſeinem 
Bater, der Hofzimmermeifter war, große Neigung zu feinem Fache eingeflößt ers 
halten, fo, daß er in feinem 15. Jahre den größten Theil des Zimmerhandwerks 
verftand. Sein raſtlos nady höherer Wiſſenſchaft ftrebender Geift fand indeß 
batd hierin nicht volle Befrtedigung; er fudiıte daher auf dem Gymnaflum feiner 
Baterftadt Phyſik, reine und angernanbie Mathematık, übte fih In der perfpeftiv: 
schen Zeichnungslehre, In der Muſik und erhielt 1787, als er ohnehin auf Reifen 
gehen wollte, einen Ruf nad Zürich. Nach dreijährigem Aufenthalte in der 
chweiz begab er fid) wiener nach Karlsruhe, um fein värerliches Vermögen 
anzutreten, ging dann nah Wien, um fein architeftonifches Studium auf der 
dortigen kaiſerlichen Akademie fortzufeßen, machte wihrend eines Ziährigen Auf⸗ 
enthalted daſelbſt eine wiſſenſchaftliche Reife nach Ungarn, begab fidy über 
Dresden nad) Berlin, hörte über Baumaterlalten und Aeſthetik Eollegien, übte 
fi im Zeidynen ardpiteftonifcher Entwürfe und trat 1791 die längft beabflchtigte 
Reiſe nach Italien an, wo er 6 Jahre lange Rom zu feinem Aufentbalte wählte 
und befuchte in diefer Zeit auf feinen Excurfionen Neapel, Bajä, Hereulanum, 
Pompeji, Päftum u. a. DO. Hier zogen ihn die Ueberrefte der alten Kunft uns 
widerſtehlich an und, während er die alten griechifchen und römifchen Geſchichts⸗ 
ſchreiber ftudirte, entwarf er in Planen die dort befchriebenen Gebäude, wie: das 
Bad des Hippias (nach Lucian), die Landhäufer des Plintus, dad Theater des 
Curius, das Vogelhaus des Varus, die Grabmäler der Könige Maufolus und 
Porfenna ꝛc. Im Sommer 1797 kehrte er über Zürich way Karies WR. 


E | nn. 


746 Weinen — Weinsberg, 


Kaum bier angefommen, ernannte ihm fein Fürft, Karl Friedrich, zum Bau 
Infpektor und bald darauf zum Baubireftor ‚in ben marggräflichen Landen. 
Sein Ruf drang bald in andere Länder, was mehre Reifen, 4. B. nady Hannove, 
Sachſen und den Nieverlanden zur Folge hatte, auch machte er eine wihenfcaft: 
liche Reife nach Paris. Er wirkte vorzüglich durch fein ardhiteftonifches Privat; 
Inſtitut. Unter den von ihm aufgeführten, öffentlichen Gebäuden find bie vor 
züglichften: die proteftantifche umd die katholiſche Kirche, die Synagoge, dat 
Ständehaus, die Fatholifche und die proteflantifche Schule zu Karlsruhe un 
mehre Kirchen auf dem Lande, Borzüglich wendete er auch feine Aufmerkjamkeit 
auf bie Theorie des Thenterbaues. Er hatte die alten Theater geſehen und fih 
überzeugt, daß ihre Form auch jegt noch die befte fei, ſowohl in optifcher, al 
aluſtiſcher Hinficht. Nach diefen Grundſätzen erbaute er, dad Theater zu Karl 
ruhe und das Innere des neuen Stadttheaters 5 Reipgig. Bei Gelegenheit tes 
legten Baued hat er fich über den Bau und die Form unferer Theater in der 
uAbendzeitung“ (1817, Nr, 144) ausgefprochen, Sein letzier Bau war: ber des 
jtoßen Stadrhaufes in Karleruhe, 1821. Er ftarb zu Karlsruhe den 1. Min 
826. Bon feinen Schriften nennen wir: „Ueber Theater in architeltoniſchet 
Hinſicht“ (Vübingen 1809) ; „Architektonifches Lehrbuch“ (3 Bde, Stuttgart 
1810— 35); „Entwürfe und Ergänzungen antiker Gebäude", Karlsruhe 18% 
und „ausgeführte und projektirte Gebäude" (3: Hefte, Karlaruhe 1823 — 30). — 
Seine Darftellungsgabe als Schriftfteller ift Hlar u. lichtvoll, Aus feiner Schule 
ift eine große Anzahl tüchtiger Architekten Servorgegangen. Als Menſch war cr 
biever und offen; nie hat er fein Urtheil nach Umftänden geändert; jedem aufs 
frebenden Talente trat er ermunternd entgegen. Vergl. Denfwürdigfeiten aus 
— a von ihm felbft gefchrieben“ herausgegeben von Schreiber (Heidel⸗ 
erg ; 

Weinen, f. Thränen: 

Weingarten, ehemals berühmte Benediltiner-Reichsabtei, mit eimem Gebiet: 
von 6 Meilen u. 11,000 Einwohnern, nahe bei dem Marktfleden Altdorf, mit 
; prächtiger Kirche, darin eine Orgel von 76 Kegiftern und 6666 Pfeifen. Be 
rühmte Wallfahrt zum Blute Chrlſti (der fogenannte Blutritt). 1802 wurde die 
Abtei fäkularifirt und dem Fürften von Raffau-Diez zugethellt; 1806 kam fie an 
Württemberg und gehört nun am SDberamtöbezirke Ravensburg im Donaukrelie. 
Jetzt befindet fich daſelbſt ein Fontgliches Waiſenhaus, das, wie verlautet, aus: 
ſchließlich für die Katholifen Württemberg Sepimm werden fol, wogegen die 
protetantifchen Zöglinge nah Stuttgart, in die dort beftehende h 
'ommen follen. 

Wehrheim, Stadt mit 5800 Einwohnern, Im Unterrheinfreife des Grof- 
berzonthum® Baden, an der Wefchnig und im wärmften und fchönften Theile der 

ergſtraße, mit vielen gefchmadvollen Landhäuſern der Mannheimer und Heidel 
berger, dem ſchoͤnen Palafte des Grafen von Lehrbach, mit einem Parke und ber 
Burgruine Winded über der Stadt. In der Fatholifchen Kirche befindet Ad 
das Monument des Fürften von Schwarzenberg. Bebeutend iſt bier und in de 
Umgegens der Gewinn an welfchen Nüffen und die Weinculturz der Huberger 
Wein wird beſonders gefthäpt. 

Weinprobe, f. Habnemann’fche Weinprobe. 

Weinsberg, alted Stävihen und Sig eines Dberamte, Im Redarkreife vet 
Königreichs Württemberg, In einem reigenden u. weinreichen Thale an der Gulm 
u. am Fuße des durch die Ruinen des Schloſſes Weibertreue fo berühmt ges 
wordenen Burgbergs, war in früheren Zeiten freie Reichsſtadt und hat 2000 
Einwohner, welche vielen und trefflichen Wein bauen. — Der Sage nad) fol 
Kaiſer Konrad IM. im Jahre 1140 den Grafen Welf in der hiefigen Burg de 
lagert, nach hartnädigem Wiverftande diefelbe endlich erobert, ale Männer zum 
Tode verurtheilt, den Weibern aber freien Abzug, nebſt dem Berfprecyen, Ihr 
Liebſtes mit ſich nehmen zu dürfen, bewilligt haben. Diefe Erlaubniß b die 


Deinftein — Veithaupt. 747 


zeiber dazu, ihre Männer auf dem Rüden aus der Burg zu tragen, worüber 
freut, der Kaifer den Schulvigen Serselhung gewährte. Ein alte® Gemälve In 
r Stadikirche, fowte die befannte Ballade rger's (ſ. d.), haben dieſe Bes 
'benheit verewigt. Im 3. 1823 bildete fidy bier unter der Leitung Juſtinus 
erner's (f. d.) einen Frauenverein zur Erhaltung und Berfchönerung der Burg. 
ıimen u. zur Unterftügung unbemittelter Srauen. 1524 im Bauernfriege wurde 
rt Graf ven Helfenftein nebft vielen anderen Edlen bier durch die Spieße der 
auern gejagt und die Stadt dafür das Jahr darauf niedergebrannt. Bergl. 
äger, Beichreibung und Gefchichte der Burg W., Hellbronn 1828. 

Weinftein (Tartarus), ift (feiner chemifdyen Zufammenfeßung nach) zweifach 
einfteinfaures Kalt (ſ. Kali), welches fih im Traubenfaft und Moft findet 
id bei der Weingährung, in Folge feiner Lnlöslichkeit in Alkohol, ausfcheibet. 
er W. fest fi) In den Gährungsfäflern als Krufte an, welche ausgebrochen 
ird, wenn ſie eine gewiffe Stärke erhalten bat. Ye nachtem er von rothem 
er weißem Moft herrührt, unterfcheidet man rothen und weißen W., außer- 
m audy roben u. gereinigten WB. Durch wiederholtes Auflöfen in kochen⸗ 
m Waſſer, Durchfeihen und Abpampfen wird der rohe W. gereinigt und dann 

Kryftallen, oder ald Pulver (W.s Rahm, Cremor Tartari f. d.) in den 

andel gebracht. Wan gebraudyt den W. in der Kärberei als ein fehr wicht⸗ 

es Belzmittel, zur Darftelung ber W.- Eure, des ſchwarzen und wei 

uffes, weldye in ber MRetalfepmelung nötbig find, ferner in der Mel 
a. 


i . 
Weinſteinrahm, ſ. Weinſtein. 
Weiſe, Chriſtian, einer der erſten befferen deutſchen Luſtſpieldichter, geboren 

‚42 zu Zittau, ſtudirte zu Leipzig, ward Profeſſor zu Weißenfels u. ſtarb 1708 ale 

ektor des Gymnaſtums zu Zittau. Seine Dramen find dem Volksleben abge- 

uſcht, der Dialog mit Geſchick bekandelt, obgleich etwas breit; übrigens geißelt 

z. mit Ernft die Pedanterie u. das undentfche Welen feiner Zeit. Die Trauers 

iele find werthlofer. „Die drei Haupiverderben“, 16715 „Die drei Erznarren“, 

76; „Zittauifches Theatrum“, 1683 u. f. w. Außerdem „Reue Jugendluſt“, 

845 „Politiſcher, geläuterter, gelehrter u. f. w. Redner“, 4. Auflage, 1694; 

turiofe Gedanken in Verſen“, 1691 u. dgl. . 

Weishaupt, Adam, der Stifter des Illuminatenordens, geboren zu Ingols 
dt 1748, ftudirte daſelbſt, erhielt 1768 die juriſtiſche Doftorwürde und eine 
epetentenftelle an ber jurififchen Kafultät, 1772 wurde er außerorbentlicher 
rofefjor der Rechte und 41775 Turbayerifcher Hofrat) und ordentlicher Profeflor 
8 Raturs und Kirchenrechts. Obgleich ſelbſt ein Zögling ver Sefuiten, war 
. doch einer der erbitterteften Feinde dieſes Ordens nach feiner Aufhebung und, 
; er vorher als Gelehrter, Schriftfieler und Mann von Talent wenig over viels 
ehr gar nicht befannt war, er fidy auch felbft darüber wunderte „Daß er nod) 
ımal der Stifter einer neuen Religion werden follte*, fo ſcheint ed auch anfäng- 
h nicht ſowohl feine Abficht geweſen zu feyn, eine Werfflätte für den Philo⸗ 
phismus anzulegen, als vielmehr nur, durdy Anziehung von Studenten feinen 
äheren Ordensbrüdern, die auf der Ingolſtädter Univerfität mehre Lehrftühle 
ne hatten und auch am furfürftlichen Hofe in München im Anſehen fanden, 
it denen er wegen feiner freigeiftigen Tendenzen zerfallen war, eine Art leichtes 
xps entgegenzuftellen.. So entfland 1776 unter feinen Auſpicien die geheime 
efelfchaft der Illuminaten (f.d.), deren großes Gehelmniß in den für Staat 
d Religion gleidy gefährlichen Orundfägen und Planen befand, welche W. aus 
n Schriften frangöfifcher und deutſcher Sophiften gefchöpft hatte Er ſelbſt 
hrte in der von ihm gegründeten Gefelfchaft ven Ramen Spartacus. In Folge 
eſes Treibend mußte er 1785 feine Stelle niederlegen und begab ſich nady Gotha, 
> er vom Herzoge zum Legationsrath und fpäter zum Hofrath ernannt wurde 
d 1830 farb. Schriften: „Bolftändige Geſchichte der Berfolgung der Illu⸗ 
naten*, Gotha 1786; E. Bd., Frankfurt und Leine VSN ehe 


- y 
L ? Weinen Weintberg. 
Kaum hier angekommen, ernannte ihn fein Für, Karl ch, zum 
Inſpelkt or und. "bald darauf zum —E in den marggraͤflichen 
Sein Ruf drang bald in andere Länder, was mehre Reifen, F nach 
Sachſen und den Niederlanden zur Folge hatte, auch machte er eine w 
liche Reife nach Paris. Er wirkte vorzüglich durch fein architeftonifchee 
Inſtitut. Unter den von ibm aufgeführten, öffentlichen Gebäuden ſind 
zůglichſten: die proteftantifche und die Tatholiiche Kirche, die Synagoge 
Ständehaus, die katholiſche und bie proteftantifche Schule zu 
mehre Kirchen auf dem Lande, Borg wenbete er auch feine Aufmerfia 
auf die Theorie des Theaterbaues hatte die alten Theater gefehen und 
überzeugt, daß ihre gm auch. jet noch die befte fei, fowohl in optiſcher, 
akuftlfdher Hinficht. Nach vielen een erbaute er das Theater zu Karls 
rube und das Innere He neuen Stadttheaters zu Leipzig. Bei Oelrgenbeit des 
legten Baues bat er fl 38 den Bau und die Som unferer Theater in 
„Abenszeltun iz, Kr . 149 ausgeſprochen. lebter Bau war ber 
zopen Samba in Rarlerube, 1821. Gr farb zu Rarlörube den 1. Min; 
6. Bon feinen Schriften — wir: „Ueber Theater in architektoniſcher 
Sinfipte CHübingen, 1809) 5 tteftonifches Lehrbuch“ (3 Bde., Stuttgart 
1810-25); „Entwürfe und —— antiter Gebäude”, Karlörube 1823 
und „ausgeführte und projektirte Gebäude” (3 Hefte, Karlörube 1823 — 30). — 
Seine Darftellungsgabe als Schrifikeller iſt klar u. lichtvoll. Aus feiner 
iR eine große Kia tüchtiger Architekten —X gen. Als Menſch war er 
bieder und offen; n ea et fein 1 Hriheii —* ur ben — jedem * 


ih n 


— 8 







8 


ix 


firebenden Bergl. Denkw 
feinem —FX von ihm seihp rin —— von Schreiber 


———— Thranen. 
Abeingarten, ehemals berühmte Benehittiner-Reicheabtel, mit einem Gebiete 
von 6 Meilen u. 11,000 Einwohnern, nahe bei dem Marktflecken nsarf, mit 
ı prächtiger Kirche, darin eine Drgel von 76 Regiftern und 6666 Pfeifen. Be 
rühmte Wallfahrt zum Blute fi (der fogenannte Blutritt). 1802 wurbe- bie 
Abtei fAkularifirt und dem Fürften von RaffausDieg zugetbeilt; 1806 kam fie an 
— und gehört nun zum Oberamtöbezirte Ravensburg im Donaufretie. 
Sept b no daſelbſt ein koͤnigliches Waiſenhaus, das, wie verlautet, aus⸗ 
ti Mr die Katholifen Württemberg beflmumt werden fol, wogegen bie 
proteftantt Kran Zöglinge nach Gtuttgart, in die dort beftehende Ralt, 
fommen follen. 
heim, Stadt mit 5800 Einwohnern, im Unterrheinkreife des Groß; 
heraogibum® Baden, an der Weichnik und im waͤrmſten und fchönften Schelle ver 
ergftraße, mit vielen gefchmadvollen Lanphäufern der Mannheimer und Heibel⸗ 
berger, dem ſchoͤnen Balafle des Grafen von Lehrbach, mit einem Parke und ber 
Burgruine Windel über der Stadt. In der Tatholifchen Kirche befindet ſich 
das Monument des Fürften von warzenberg. Bedeutend ift bier und im ber 
Umgegend der Gewinn an Fre fien und die Weinculturz der Huberger 
Wein wird befonbere eſchaͤtt. 
Weinprobe, ſ. Hahnemann'ſche Weinprobe, 
eegee altes Städtchen und Sig eines Oberamts, im Neckarkreiſe des 
Königreichs W temberg, in einem reizenden u. weinreichen Thale an der Sulm 
u. am Fuße des durch Die Ruinen des 6. Weibertreue fo berühmt ges 
wordenen Burgbergs, war in früheren Jpiten freie Reichsſtadt umd bat 2000 
Einwohner, welche vielen und trefflidhen Wein baum. — Der Sage nad foll 
Kaifer Konrad IL. im Jahre 1140 den Som Welf in der hiefigen Burg bes 
lagert, nad) hartnädigem Widerſtande dieſelbe endlich erobert, alle Männer zum 
Tode verurtheilt, den Weibern aber freien Abzug, nebft dem Berfpre IR: 
Liebes mit ſich nehmen zu bürfen, bewilligt baden, Diefe Erlaubniß b 


7 Wellfogung. | 1uR 


in Fünftiges Schickſal Bel zu befommen. Auch Weiffager, befonderd aus dem 
aben Morgenlande, ſchlichen fidy ein und befonderd waren die Traumbeuter 
efucht; auch Todtenbeſchwoͤrer und Gterndeuter befragte man, auch aus den 
tingeweiden der Opferthiere, aus Loofen, aus der Beobachtung gewiſſer Thiere 
befonder® der Schlangen), weiffagte man. Ueber die W.en der Berfer (f. die 
Irt. Magie und Magier), Se Griechen, bei denen Apollo ald Gott ber 
B. galt, theilten viefelde in eine natürliche, die ohne Unterricht, Regeln und 
ngeftellte Berfuche dem Weiffagenden durdy göttliche Eingebung gegeben war und 
a der die Drafel und Theomantie gehörten, weldye legtere von dem Orakel 
a fofern verſchieden war, als die Theomanten nicht an einen gewiflen Ort und 
ine befimmte Zeit mit Wen gebunden waren, fondern, wenn bie gewöhnlichen 
seremonien (Opfer, religiöfe Reinigung) vollbracht hatten, ſtets und überall weils 
agen Eonnten (f. Kaſſandra) und in eine Fünfliche, die durch Erfahrung, 
3eobachtung und menſchliche Kunſt erfunden war; dazu gehörten: die Traum 
eutung, die W.en aus Dpfern mit verfchledenen Unterarten, aus dem Ge⸗ 
ang und Klug der Bögel (vgl. Augurium), aus Loofen, wozu die tichomantie 
md Kleromantie. Dazu kamen noch einige Arten von W. wobei man aus 
ufälligen oder von ungefähr ſich ereignenden Umftänden die Zufunft verfündigte; 
on an Menfchen felbft .befinplichen und auf fie wirkenden Dingen, gebrauchte 
an Ey W.en Merkzeichen oder Male am Körper, ploͤtzliche innere Unruhe 
der Beſtuͤrzung, Herzklopfen, altern der Augen, Klingen der Ohren, Niefen 
ann Außere Eric) nungen ‚ 3 B. belle Scheine, Wißgeburten, Begegniffe auf 
Reifen 20.5; auch aus Wörtern, vie eine qute oder fchlimme Bereutung hatten, 
veiffagte man denen, zu welchen fie unwillfürlich gefagt waren, aus Stellen von 
Jüchern, die dem Blide des Aufſchlagenden zuerſt begegneten. Bei den Römern 
eſchahen die hauptfächlichftien W.en aus bimmlifchen Zeichen (Bils) und dem 
‚uge der Bögel, Freſſen der hl. Hühner, Schau der Eingeweide von O:pfertbleren 
ſ. — und Auſpicium) und man legte während der ganzen Zeit der 
Republik ſowohl für oͤff ntliche Sachen, als für private, hierauf großen Werth. 
Iuch einzelne Bottbegabte hatte man, wie die Sibylien (f. d.). Auſſer jenen 
B.⸗Arten gefchahen noch W.en befonder® für Magiftratöperfonen, die aus ber 
3rovinz gingen, aus entgegenfommenden Stieren und Pferden, für ale Bälle 
uch aus den Dirae, aus den Looſen, in der fpätern Zeit aus den Geſtirnen, aus 
‚räumen, aus Gemuͤthskrankheiten, Verflandeöverrüdung. Wenn man die roͤmi⸗ 
be eeifiogefunf aus der etrusfifchen abgeleitet hat, fo darf dies nicht für 
m ganzen Umfang derfelben gefchehen, denn viel Spezielles der römiichen Weiß 
igefunft war der etrusfifchen fremd und jene etruöfifche, die der römifchen zum 
Irunde lag, fcheint auch eine nicht ganz ächte geweien, fondern erft durch ein 
Rittel nach Rom übergegangen zu feyn. Den nermantfchen Bölfern war 
3 vornämlicdy eigen, die Kraft der W.en den Weibern beizulegen und vor allen 
nd Beleda, die Alrunen und andere weibliche Seller befannt ; beſonders 
aben die Deutfchen viel auf Vorzeichen u. Loofe. Bei W.en aus Loofen, deren 
bon Tacitus erwähnt, fchnitt man eineRuthe von einem fruchttragenden Baum, 
yeilte fie in mehre Reifer, machte darin Einfchnitte und warf fie auf ein Gewand; 
ınn bob der Priefter oder Kamilienvater, je nachdem in Staats⸗ oder Privat 
ngelegenberien die Zufumft befragt wurde, drei ſolcher Reifer auf und deutete 
sch Berrichtung eines Gebete daraus. Gleiche Zwede en auch bie 
)edalien (f. d.), wohin die Sroeilämpfe gehören, die man bei Ausbruch eines 
ciege mit einem Stammgenofien und einem a der feindlichen Partel 
nftellte und nad) dem Ausgange diefed Kampfes den Ausgang des Haupt- 
ımpfes weiſſagte. Dazu kamen auch noch die Pferdeorafel. Die Bes 
yacytung des Geſchreies und Fluges der Wögel, befonders bei Krankheiten, 
18 Weiſſagen aus Blut und Gingeweiden der Schlachtopfer, mochten bieſe 
Renfchen oder Thiere feyn, waren beſonders bei den Gimbern —*2*5 2*8 
Zaſſer und zwar aus dem Wirbein u. Rauſchen ver Flüſſe; die Tea 





750 Weiſſagungen — Weiße. 


ung, welche dem Ganzen germanlſchen Stamme eigenthuümlich war und die noch 
jept fi) findenden- Trammbücher, ſowie alle Traumdeutung, find Reſte aus den 
Alterthum. In Standinanien waren die Priefterinnen befonderd die 
fagerinnen; die Kunſt war von Anfang bei ven Banen, Fam aber durch die 
reya zu den Afen. Da die Prophezelungen entweder gut ober böfe fen 
fonnten, fo waren fie nach ihrem Urfprunge vetfchieden: jene famen won ven 
Göttern, diefe von den Rieſen, bei welchen letzteren die Wahrfageweiber Bölur 
hießen, bei jenen Nornen und Walfyren: Die Skfandinavier fingen fin 
wichtiges Gefchäft, ohne eine W. erhalten zu haben, an und diefe Sitte biic 
auch, als fich das Chriſtenthum unter ihnen verbreitet hatte, obgleich die Geſche 
ſich vielfach dagegen ausfprachen und fogar Strafen darüber verhängten. Das 
Ehriftenthum machte vergebens Verſuche, jene W.en zu verdrängen ; ja, man 
fogar aus chriftlichen Schriften felbſt Gelegenheit, W.en zu ziehen. In 
eben hwung fam die Wahrfageret wieder feit den Befuchen, welche die 
igeuner in Europa machten und unter den gemeinen Leuten hat fich der 
Glaãube daran noch im ziemlicher Blüthe erhalten: Hieher gehören auch mod: die 
Vorzeichen von Todesfällen dur Ahnungen, das zweite Geficht, das 
fi Doppeltfehen, das Kartenfhlagen, das Wahrfagen aus dem 
Kaffeſah, durch Punktiren. Nirgende Sail, man mehr auf diefe Kunf, 
als bei den noch heidnifchen Völkern aller Länder und Zonen; Die Wahr: 
fager find die Priefter zugleich, 

Weiffagungen oder Prophezeiungen, wie ſolche in der HL. Schrift 
vorkommen, find beftimmte, deutliche, mit fefter Ueberzeugung vorgetragen, 
Vorberfagungen folcyer Fünftiger Begebenheiten, welche Menſchen nicht vorber zu 
erfennen, oder deren —— zu veranſtalten vermögen und weldye Doch wirllich 
Er eintreffen; alfo unmittelbare Wirkungen Gottes, mit Recht Wunder des 

orhermwiffens genannt. Dergleichen find die W. Zakobs, Genef. 49, 1— 7%. 
Bol. Matıh. 1, 1—17), Die von ver babyloniſchen Gefangenfchaft Jerem, 
13, 19. 24. 20, 4. 29, 10. (Bgl. 2.Chron. 36, 22. 23; 1. Eõdras 1, 1-3; 
Daniel 1,2 u. f.). Vom Untergange Babylons, (Iſaias 13, 1u.f.; 19-2); 
des perſiſchen und römifchen Reiche, (Dan. 2, 31—44; 8, 3—26; Vgl. Apoftcdz. 
1, 8; 11, 1; Röm. 10, 18). Wichtig find befonders für das Ehriftentbum: 
a) W. des alten Teftamentes vom Meffias, deſſen Ankunft, Geburt, Lebens 
umftänden u. f. w. (Genef. 12, 3; 22, 18; 2. König. 7, 165 Ifat. 2, 2-4; 
9, 1—7; 11, 1—10; 52, 13—15; 53, 1—12; Dan. 7, 13. 14; 9, 4-27; 
Mid. 5, 2—4). b) Die Stellen des neuen Teſtaments wo, nach“ dem Aue⸗ 
fpruche Jefu und der Apoftel, W. auf den Mefſias nievergelegt find, (Job 
5, 46; uf. 24, 25—27, 44—47; Apoftelg. 3, 18 u. f.5 1. Kor. 15, 3. 4); 
auf die W.: Sat 52, 13—15; K. 53 {ft hingedeutet in den Stellen: (£ul. 
22, 27; Joh. i2, 38—41; Apoftelg. 8, 32— 35; 1. Petr. 2, 22— 25; oh. 
1, 29— 30; 1. Joh. 3, 5 u. a. D). c) Die W., welche Jefus ſelbſt au 
Drogen hat, ald: von feinen eigenen Schidfalen (Matth. 16, 21; 20, 18. 19; 
Mark. 10, 33. 34; Luk. 18, 3L—33. ©. Maith. 12, 39. 40 u. a. D.): von 
den Schiefalen feiner Jünger (Matth. 10, 17—25; Joh. 21, 18), feiner heil. 
Religion (Matthäus 8, 11. 12; 13, 31 —33; 22, 2—10; Joh. 10, 16), und 
denen des jüpifchen Staats (Matth. 24, 1 u. f.; Mark. 13, 1 u. f.; Luf. 19, 
41—44; 21, 5 u. f.). — W. ift in der heil. Schrift auch gleichbedeutend mit der 
Dffenbarung überhaupt und bedeutet endlich auch die Gabe der neuteſtamentlichen 
Propheten, unter unmittelbarem gerlsem Cinfluffe Lehren mitzutheilen und die 
heil. Schrift zu erklären: fo 3. (Röm. 12, 6; 1. Kor. 12, 10; 14, 6.2; 
1. The. 5, 20; 1. Tim. 1, 185 4, 14; 2. Betr. 1, 20. 21). 

Weiße, 1) Chiſttan Felix, ein fehr verbienter JZugendfchrififteller u. Dichter, 
jeboren 1726 zu Annaberg, ftudirte in Leipzig, wo er fich innig an Leffin 
lert, Klopfiock, Rabener und Andere anſchloß und in poetifchen Arbeiten 
verfuchte. Als Hofmelfter eines Grafen Geyersberg befuchte er Parts, lebte dana 


Weißenburg. nn 754 


: Haufe des Grafen Schulenderg u. zu Gotha, bis er 1761 Oberſteuerſekretär 

Leipzig wurde und, ald edler Menſch von Allen hochverehrt, 1804 als Kreis⸗ 
uereinnehmer farb. Driginalttät und euer der Phantafle gehen feinen 
chriften ab, er huldigte noch zu fehr dem franzöfifchen Geſchmack; aber er wußte 
ne Stoffe mit Talent zu wählen und zu bearbeiten. Im leichten Liede, im 
ftfpiel, der Operette (Compoſitionen von Hiller) iſt er correft und gefällig. 
eine Jugendſchriften, beſonders der „Kinderfreunn“ (24 Bpe. 1776—82) wurden 
ir gerne gelefen; „Beitrag zum deutſchen Theater“ (2. Auf, 5 Thle., 1767 ff.) 5 
Lomifche Opern” (2. Aufl., 3 Thle., 1777); „Zrauerfpiele" (4 Thle, 1776 
3 1780); „Luſtſpiele“ (3 Thle., 1783) 5 „Surliche Gerichte (3 Thle., 1772); 
Zriefwechfel der Familie des Kinderfreundes“ (12 Thle,, 1783— 92); „YWutos 
Igraphie” (1807). — 2) W., Chr. Hermann, Enkel des Vorigen, geboren 
01 zu Leipzig, ſtudirte daſelbſt die Rechte und hielt fett 1822 hiſtoriſch⸗philo⸗ 
phifche Borlehin en, lebte dann privatifirenn auf feinem Gute Stötterig, bis er 

neuerer Zeit wieder den Kathever betrat. Früher dem Hegel'ſchen Syſteme 
gewendet, fucht er jegt mehr die praftifche Seite der Philoſophie anzubauen. 
leber den Begriff u. f. w. der Mythologie" (1828); „Studium des Homer“ 
826); „Syftem der Aeſthetik“ (1830); „Die Idee Gottes“ (1833); „Grund⸗ 
ge der Metaphyſik“ (1835); „Die evangelifhe Geſchichte, kritiſch und philo⸗ 
phifch bearbeitet” (1838); „Kritik und Erl uterung des Goethe'ſchen Kauft“ 
839) ; „Das philofophifche Problem der Gegenwart” (1842). 

Weißenburg, |. Belgrad. 

MWeipenburg, auch Kronweißenburg genannt, ehemals freie Reichsſtadt 
ıd jest Bezirksſtadt im franzöftfchen Departement Niederrhein, tn fchöner Geg⸗ 
d, am Fuße der Vogefen, mit einer ehemaligen Johanniter» und einer Deutfchs 
rdenecomtburei, einer von Dagobert HI. geftifteten berühmten Gollegiatfirche, 
elche bis 1524 eine gefürfiete Abtei war und gegen 7000 Einwohnern, if in 
rt neuern Kriegsgeſchichte befannt durch die Erſtürmung der fogenannten w.er 
‚nten, den 13. DOftober 1793. Diefe, von dem franzöfffchen Marfchall Billars 
ı fpanifchen Sröfolgefriege 1705 angelegten, zufammenhängenden Berfchangungen 
iſchen Lauterburgu. W. ftellten den Kortfchritten der Öfterreichtfch » preußifchen 
:mee, unter dem Oberbefehl des Herzogs von Braunfchweig, ein Bollwerk ent- 
gen, welches dichte Berbaue, ein angeſchwollener Fluß, breite, mit Sturmpfählen 
rficherte ®räben, durch hohe MWälle und beinahe 200 Geſchuͤtze vertheidigt und 
ſtark befeftigte Stadt Rauterburg u. W. unüberwindlich zu machen fchienen. 
olche Schwierigkeiten fchredten die —2 Anführer, welche auf die Tapfer⸗ 
t ihrer Truppen zählen konnten, nicht ab. Der Herzog von Braunſchwei 
ıging ihre linfe Seite bei St. Imbert im Gebirge. Der ring von Walde 
ste rechts im Rüden der Linien über den Rhein und Wurmſer ag fie mit 
igesanbruch, den 13. Oftober, in 6 Eolonnen von Vorne an, t gefälltem 
zjonnete flürzten die Defterreicher in vie Berfchanzungen, ungeachtet ein mörbers 
bes Feuer Tod und Verheerung in ihre Reihen fpie. Rad einem Kampfe ver 
rzweifelung, der nur wenige Stunden dauerte, geriethen die Franzoſen in Bers 
rung und fuchten Rettung in unordentlicher Flucht. 50,000 Mann vertheidig- 
ı diefe furchtbaren Berfchanzungen; 6000 Todte und Verwundete, 7000 Ge⸗ 
ıgene, 28 Kanonen, 7 ahnen, der größte Theil des Lagers und Gepäds 
eben ihnen zurüd. Die Gefchlagenen flohen bis unter die Kanonen von Straßs 
rg und die Sieger waren Meifter der unüberwindlichen Linie und der Städte 
uterburg und W. — 2) W., Stadt im Lande der Ungarn, im Öropfürflen, 
ame Siebenbürgen, im Unteralbenfer Gomitate, an der Marofch erwähnt ch nad 
e dabei liegende Bergfeftung Karlob u genannt, war einft ie Reſidenz der 
irften von Siebenbürgen und iſt jest Sitz eines Domkapitels. Werner * 
ın bier ein katholiſches Seminar, ein Gymnafium, eine reichhaltige Bibliothef 
d eine Sternwarte. In der fchönen Domkirche befindet fly das Brgräbniß 
e Hunyaden; die 5000 Seelen flarke Bewölferung befteht aus Ioapwe, ı 


- 
72 Weißenburger Linien — Weißer Berg. 


Armentern, Walachen und Zuden, welche hier zwei Synagogen befipen, von 
denen die eine den beutfchen, die ei den türtifepen Er gehört, welden 
Iegteren nur cllein dieſe Etabt in Siebenbürgen ald Wohnfig angewieſen if. 
Weißenburger Linien, f. Weißenburg 1). 5 
Weipenfelö, Start an der Saale, im Regierungsbezitle BE N 
preuifchen Provinz Sachen, mit einem Schullehrerfeminar, einem Taubfum 
meninftitute und 7800 Einwohnern, welche Fabrikation in, Porzellan, Wolle und 
Leber betreiben, Auch befinden ſich bei der Stadt bedeutende Sandſteinbrüche 
Das hieſige Schloß, Auguftendurg, jetzt Kaſerne, war bis 1746 Reſidenz der 
derioge von Sachſen⸗W., einer Nebenlinie des fächflichen Kurhaufes. 
eißenthurn, Johanna $ranul Beronifa von, berühmte Schaufpielerin 
und dramatifhe Schrififtellerin, 1773 zu Koblenz geboren, Tochter des Schau 
fpielerd Grünberg, führte zuerft auf Veranftalten ihres Stiefvaterd Teichmann 
mit ihren Gefhwiftern Stüde aus Weiße's SKinderfreund auf und wurde, al 
Telchmann die Verbindlichkeit übernahm, auf dem Gute des Grafen von Seeſeld 
bei München Opern und Schaufpiele aufzuführen, dem damaligen Intendanten 
des Münchener Hofiheaters, Grafen von Seeau, bekannt, -der ihr 1787 ein 
Engagement bei der bayerifchen Hofbühne verſchaffie. Allein ſchon 1789 entſchleß fie 
ſich einer Einladung ihres Etiefbruberd nah Baden bei Wien zu folgen, von 
wo fie aber noch in demfelben Jahre auf das E. k. Hoftheater nah Wien kam, 
defien Zierde fie ald Schaufpielerin eine lange Reihe von Jahren war. W. übernahm 
alle erſie Rollen in Luft, Echau- u. Trauerfpielen und der beſte Beweis ihrer 
Meifterfchaft dürfte wohl dieſer feyn, daß fie durch mehr ald 10 Jahre diefen 
Bla einnahm und benfelben erft dann, als fie in ein älteres Rolienfach über: 
gie, der Madame Schröder überließ. Im zweiten Jahre ihres Aufenthaltes zu 
ten: heirathete fie den Patrizier von W. aus Fiume. Erſt in einem Wlter von 
25 Jahren fing ſich ihr Talent zur —— zu entwickeln an und wurde 
durch den Beifall, mit dem ihre dramatiſchen Arbeiten aufgenommen wurben, ju 
immer neuen Fortfcritten entflammt. Nach dem, am 29. —— 1817 erfolge 
ten, Tode ihres Gatten wurde fie durch Krankheit und ihr Gemüh amgreifenden 
Kummer genöthigt, ihrer figenden Befchäftigung fo viel als möglich zu entjagen; 
dennoch behauptete ihr Hang zur Schriftftellerei immer feine Rechte u. fie hat unter 
fehr großen Förperlichen Leiden Erzählungen, Luſt- und Trauerfpiele gefchrieben. 
Ihre erfte Graählung, „Die arme Life,“ die im erflen Jahrgange der „Aglaja‘ 
erfchien, fprady in ihrer Gemürhlicpkeit alle fühlenden Herzen an. Bon ihren 
dramatifchen Arbeiten haben fidy am längften auf dem Repertoir erhalten: Der 
Wald bei Hermannftadt, Schaufpiel; Weicher ift der Bräutigam, Luftfpiel; Die 
Erben, Schaufpiel; Das Gut Sternberg, Luftfpiel; Das legte Mittel, Lufipiel 
Einige davon And auch in's Franzöfifche und Englifche überfept worden. 181 
jog fie fich von der Bühne zurüd und farb 1847 zu Hieging bei Wien. Ihr 
nn mmeiten „Schaufpicle” erfchtenen in 14 Bon. (Wien 1830 — 36). 
Weißer Berg, der, eine Stunde weftlih von Prag, berühmt durch bie, 
im dreißigiährigen Kriege (f. d.) den 8. Nov. 1620 Her gelieferte Schlacht 
Um dem Kurfürften SriedrihV. von der Pfalz die Krone Böhmens, welche 
ihm zu feinem Verdeiben der Aufruhr in diefem Lande aufiegte, zu entreißen, 
rüdten öfterreichifche und Saperifche Bölfer unter Bucquoy und Tilly 16% 
jegen Prag. Herzog Marimiltan von Bayern befand fi als oberfter Feld 
kr beim vereinigten Heere und eilte, durdy einen Nachtmarſch am 7. Rov. die 
Söfoner Friedrich s, welche ſich zurüczogen, zu erreichen. Bucquoy folgte erſt bei 
Sageeanbrud, Das Borfpiel der Schlacht war die Niederlage eines Haufens 
ungarifcher Reiter, welche als Hülfstruppen für Ferdinand fechten follten. 
Vieleicht hätten Fciedrich's Feloheren, Anhalt und Hohenlohe, den Kur 
fürten von Bayern, als er, gitrennt von Bucquoy, mit ermüdeten Truppen an 
, durch einen raſchen Angriff ſchlagen können; allein fie zogen vor, ſelbſt den 
Angriff Hinter ihren Berfchanzungen zu erwarten, Diefer geſchah um 4 Uhr 


“ Weißes Meer — Weißrußland. vs3 


Rachmittage am 8. Rovemberz obwohl die Böhmen an diefem Tage auf ihn nicht 
gefaßt waren. Mit dem Feldgefchrei „Sancta Marin“ rüdte Marximilians Schlacht⸗ 
zrdnung an. Sie wurde mit der ganzen Ladung des Gefchüge der Feinde 
empfangen, weldyes aber wegen zu hoher Richtung feine große Wirkung machte, 
Run geriethen beide Theile art ‘an einander. Eine halbe Stunde lange wanlte 
die Entſcheidung. Da hieb des oberflen Feldherrn des ftändifchen Heeres Sohn, 
Ehriftian von Anhalt, der jüngere, fo Fräftig auf den kaiſerlichen rechten 
Flügel ein, daß mehre Regimenter Reiter und Kußvolf in Unordnung kamen. 
Oberſt Kratz, der diefem Flügel mit bayerifcher Reiterei zu Hülfe Fam, ſtellte 
dort das Gefecht wiener ber. Anhalt's Berwundung und Gefangennebmung 
entfchied e6 zum Nachtheile ver Seinen. Während dieſes auf dem rechten Flügel 
vorging, fill Martmiltan von Liechtenftein auf einer andern Seite mit 
Kofafen und Kroaten über die ungariſchen Hülfsvölfer, welhe Bornemisza 
anführte, fo gewaltig ber, daß fe gleich beim erflen Anfall wichen und flohen. 
Diefer Vorfall entmuthigte die Truppen Friedrichs. Ste wankten und, als nım 
ein allgemeiner Angriff ausgeführt wurde, wich beinahe Alles vom Schlachtfelve, 
Nur 2 mährifche Regimenter unter dem jüngeren Grafen Thurn u. dem Brafen 
Heinrich Schlid hielten mit kaltblütiger Tapferkeit aus. Oberſt Schlid 
wurde gefangen. So war der Sieg nach einem fünfviertelftündigen Kampfe für 
Ferdinand's II. Rechte gewonnen. 250 Mann des Eaiferlich «bayerifchen 
Heeres waren gefallen, von Friedrichs Anhängern aber 6000, Gefangen wurden 
von den lesteren 500. Sie ließen audy 10 Gefchüge und über 100 Yahnen auf 
dem Wahlplatze. — Der Name: „Weißer Berg“ rührt von den weißen Bau⸗ 
Reinen, die bier in Menge gebrochen werben, ber. 1706 ward hier die gegens 
märtige Kirche unter dem bezicehungsvollen Ramen: „Maria vom Siege" 
(Maria de victoria) erbaut. Das, zur öffentlichen Verehrung ausgeſetzte, Kleine 
Marienbild iſt nad demfelben Bilde verfertigt, weldyes in der Weißenbenger 
Schlacht gegenwärtig war und 1622 von dem General des GarmelitersDrdens, 
Dominif a Sefu, zu Rom in der armeliters Kirche aufzefellt worden if. 
Diefe Kirche, auf Befehl Katfer Joſephs II. gefchloffen, wurde 1812 hergefellt 
und am 1. Öftober veflelben Jahres eröffnet und if feit diefer Zeit wieder ein 
Wallfahrtsort für die frommen Verehrer Martens. 

Weißes Meer, ein Meerbufen des nörplichen Eismeeres, zwifchen den 
Küften von Kanin und Lappland, der fich ſüdlich 64° erfiredt u. nur vom Mai 
bis September beichifft werden kann. Die ruffiichen Flüße Diving, Onega und 
Mefen fallen in diefen Bufen. An foldyem liegt die wichtige nörbliche Handels⸗ 
ſtadt Archangel. Die größte Infel dieſes Meerbuſens, Salowozf, liegt ın der Münds 
ung der Onega. Zwei Kanäle verbinden die Divina, die Wolga u. den Dnieper 
und auf foldyen fchiffet man vom w. M. ins Fafpifche und ſchwarze Meer. 

Weißkunig heist eine profatfche Erzählung, das Leben und die Ihaten der 
Kaiſer Friedrich IL und Martmillan I., „des alten und jungen weiſen Königs“, 
deffen Erziehung genau angegeben ift, bis zum Jahre 1515. Das Werk, hiſtori⸗ 
hen Stoff In allegorifhem Gewand enthaltend, ein proſaiſches Gegenftüd zum 

heuerdanf, tft höchft wahrfcheinlih von dem Katier Maximilian ſelbſt entworfen 
und von feinem Gcheimfchreiber Marz Trelzfauerwein von Ehrentreiz ausge⸗ 
führt, oder wenigftens angeoronet. ‘Proben finden fih in den Sammlungen 
von Piſchor und Künzel, eine vollfländige Ausgabe erfchien in zwei Folio⸗ 
bänden zu Wien 1775. " x. 

Weißrußland wurde in älterer Zeit der ganze mittlere Landſtrich Groß⸗ 
rußlande genannt, wo die alten Großfürftenfige Roſtow, Wladimir, Eusdal 
und Moskau liegen, weßhalb auch viele Wir Bölkerfchaftn, namentlidy vie 
Tataren, den ruffiichen Monarchen gemeimgl den weißen Zaren nannten, 
Später bezeichnete man mit dem Ramen W. denjenigen Theil Rußlands, der 
fange Zeit umter Ihthauftfcher Herrſchaft fland, insbeſondere die alten Furſten⸗ 
thümer Smolenok und Polozk, nebſt Mohilew und Witeyol. Geamnkcin —X 


Nealencyclopaãdie. X. 


4 
1 Weißenburger Linien — Weißer Berg, 


Armenien, Walachen und Juden, welche hier zwei Synagogen beflgen, von 
denen die eine den deutſchen, die andere den hifepen Juden gehört, welden 
lebteren nur. allein diefe Etadt in Siebenbürgen ald Wohnfig angemiefen iſt. 
Weißenburger Linien, f. Weißenburg 1). n 
Weißenfels, Stadt an der Saale, im Regierungsbezitle Merfeburg der 
preugiichen Provinz Sachfen, mit einem Schullehrerfeminar, einem Taub| 
mentnftitute und 7800 Einwohnern, welche Fabrikation in, Porzellan, Wolle und 
Leder betreiben. Auch befinden fich bei der Stadt bedeutende Sandſteinbrüche 
Das hiefige Schloß, Auguftenburg, jeht Kaferne, war bis 1746 Refidenz der 
Serione von Sahfen-W., einer Nebenlinte des fächfiichen Kurhaufes. 
eißenthurn, Johanna Franul Beronifa von, berühmte Schaufpielerin 
und dramatifhe Schrififtellerin, 1773 zu Koblenz geboren, Tochter des 2 
fpielerd Grünberg, führte zuerft auf Veranftalten ihres Stiefoaters Teichmann 
mit ihren Gefchwiftern Stüde aus Weife's Kinderfreund auf und wurde, als 
Teichmann die Verbindlichkeit übernahm, auf dem Gute des Grafen von Seeſeld 
bei München Opern und Schaufpiele aufzuführen, dem damaligen Intendanten 
des Münchener Hofiheaterd, Grafen von Serau, befannt, -der ibr 1787 ein 
Engagement bei der bayerifchen Hofbühne verfchaftte. Allein ſchon 1789 entſchloß fe 
fi, einer Einladung Ihres Stiefpruders nah Baden bei Wien zu felgen, von 
wo fie aber nody in demfelben Jahre auf das f. f. Hofiheater nach Wien Fam, 
deſſen Zierde fie ald Schaufpielerin eine lange Reihe von Jahren war. W. übernahm 
alle erfte Rollen in Luft-, Echau- u. Trauerfpielen und der befle Beweis ihrer 
Meifterfchaft dürfte wohl diefer feyn, daß fie durch mehr ald 10 Jahre dieſen 
Blag einnahm und denfelben erft dann, als fie in ein älteres Rollenfach über: 
ing, der Madame Schröver überließ. Im zweiten Jahre ihres Aufenthaltes zu 
ten, heirathete fie den PBatrizier von W. aus Fiume. Erſt in einem Alter von 
25 Jahren fing ſich ihr Talent zur Schrififtellerei zu entwideln an und wurde 
durch den Beifall, mit dem ihre dramatifchen Arbeiten —— wurden, ju 
immer neuen Fortfchritten entflammt. Nach dem, am 29. November 1817 erfolge 
ten, Tode ihres Gatten wurde fie durch Krankheit und ihr Gemüh angreifenden 
Kummer genötbigt, ihrer figenden Befchäftigung fo viel ald möglich zu entfagen; 
dennoch behaupiete ihr Hang zur Schriftftellerei immer feine Rechte u. fie hat unter 
fehr großen Förperlichen Leiden Erzählungen, Luft und Trauerfpiele gefchrichen. 
Ihre erfte Grrähtung, „Die arme Life,“ die im erflen Jahrgange der „Aglaja‘ 
erfchien, fprady in ihrer Gemuͤthlichieit alle fühlenden gen an. Bon ihm 
dramatifchen Arbeiten haben ſich am längften auf dem Repertoit erhalten: Der 
Wald bei Hermannfadt, Schaufpiel; Weicher ift der Bräutigam, Luftfpiel; Die 
Erben, Schaufpiel; Das Gut Sternberg, Luſtſpiel; Das legte Mittel, Luftipiel 
Einige davon nd au in's Franzöfifche und Englifche überfegt worden. 1841 
zog fle fidh von der Bühne zurüd und ftarb 1847 zu Hieging bei Wien. Ihit 
gefammelten „Schaufpicle” erfchienen in 14 Bon. (Wien 1830 — 36). 
Weißer Berg, der, eine Stunde weftlih von Prag, berühmt durch die, 
im dreißigiährigen Kriege (f. d.) den 8. Nov. 1620 bier gelieferte Schlacht. 
Um dem Kurfürften — von der Pfalz die Krone Böhmens, welche 
ihm zu feinem Verdeiben der Aufruhr in dieſem Lande aufſetzte, zu entreißen, 
rüdten öfterreichifche und bayerifche Bölfer unter Bucquoy und Tilly 1620 
jegen Prag. Herzog Marimilian von Bayern befand ſich als oberfler deld⸗ 
jerr beim vereinigten Heere und eilte, durch einen Nachtmarſch am 7. Rov. die 
öloner Sriedrich'6, welche ſich zurüczogen, zu erreichen. Bucquoy folgte erſt bei 
Tagedandrucdh. Das Borfpiel der Schlacht war die Niederlage eined Haufens 
ungarifcher Reiter, welche als Hülfstruppen für Ferdinand fechten follten. 
Vielleicht hätten Fciedrich's Feldhertn, Anhalt und Hohenlohe, den Kur 
rften.von Bayern, als er, gitrennt von Bucquoy, mit ermüdeten Truppen an 
durch einen rafchen Angriff ſchlagen können; allein fie zogen vor, felb den 
Angriff Hinter ihren Berfchanzungen gu erwarten, Diefer geihah um 4 Uht 


. Weißes Meer — Weißrußland. 153 


Nachmittags am 8. Rovember; obwohl die Böhmen an diefem Tage auf ihn nidht 
gefaßt waren. Mit dem Feldgefchrei „Sancta Marin“ rüdte Marimilians Schlacht⸗ 
ordnung an. Gie wurde mit der ganzen Ladung des Gefchüges der Feinde 
empfangen, welches aber wegen zu hoher Richtung feine große Wirfung machte, 
Run geriethen beide Theile art ‘an einander. (Eine halbe Stunde lange wanfte 
die Entſcheidung. Da hieb des obeiflen $.Ioheren des ftänvifchen Heeres Sohn, 
Ehriftian von Anhalt, der jüngere, fo Eräftig auf den kaiſerlichen rechten 
Flügel ein, daß mehre Regimenter Reiter und Fußvolk in Unordnung kamen. 
Oberſt Kratz, der diefem Flügel mit bayerifcher Reiterei zu Hülfe Fam, ſtillte 
dort dad Gefecht wieder ber. Anhalt's Verwundung und Gefangennebhmung 
entfchied e8 zum Rachtheile der Seinen. Während dieſes auf dem rechten Flügel 
vorging, fill Marimilian von Liechtenſtein auf einer andern Seite mit 
Kofaken und Kroaten über die ungariichen Hülfsvölfer, welhe Bornemisza 
anführte, fo gewaltig ber, daß fle gleich beim erften Anfall wichen und flohen. 
Diefer Vorfall entmuthigte die Truppen Friedrichs. Ste wankten und, als nım 
ein allgemeiner Angriff ausgeführt wurde, wich beinahe Alle vom Schlachtfelve. 
Nur 2 mährifche Regimenter unter dem jüngeren Grafen Thurn u. dem Grafen 
Heinrich Schlid hielten mit kaltblütiger Tapferkeit aus. Oberſt Schlid 
wurde gefangen. So war der Sieg nady einem fünfviertelftündigen Kampfe für 
Ferdinand's U. Rechte gewonnen. 250 Wann des Eatferlich «bayerifchen 
Heeres waren gefallen, von Friedrichs Anhängern aber 6000. Gefangen wurden 
von den lesteren 500. Sie ließen audy 10 Gefchüge und über 100 ahnen auf 
dem Wahlplape. — Der Name: „Weißer Berg“ rührt von den weißen Baus 
feinen, die bier in Menge gebrochen werden, ber. 1706 warb hier die gegen: 
wärtige Kirche unter dem beziehungevollen Ramen: „Maria vom Siege" 
(Maria de victoria) erbaut. Das, zur öffentlichen Verehrung ausgeſetzte, Heine 
Marienbild iſt nach demſelben Bilde verfertigt, welches in der Weißenberger 
Schlacht gegenwärtig war und 1622 von dem General des BarmelitersDrveng, 
Dominif a Jeſu, zu Rom in der Carmeliters Kirche aufgeftellt worden if. 
Diefe Kirche, auf Befehl Katfer Joſephs IL. gefchloffen, wurde 1812 hergeftellt 
und am 1. Oftober defielben Jahres eröffnet und if feit diefer Zeit wieder ein 
Walfahrtsort für die frommen Verehrer Mariens. 

Weißes Meer, ein Meerbufen des nörplichen Eismeeres, zwifchen ben 
Küften von Kanin und Lappland, der fich fünlid 64° erfiredt u. nur vom Mai 
bis September beichifft werden fann. Die ruffiichen Flüße Divina, Onega und 
Mefen fallen in diefen Bufen. An ſolchem liegt die wichtige nörblidye Handels⸗ 
ſtadt Archangel. Die größte Inſel dieſes Meerbuſens, Salowozk, liegt ın ver Münds 
ung der Onega. Zwei Kanäle verbinden die Dwina, die Wolga u. den Dnieper 
und auf foldyen fchiffet mar vom w. M. ins Fafpifche und ſchwarze Meer. 

Weißkunig beipt eine profatfche Erzählung, das Leben und die Thaten der 
Kaifer Friedrich IL. und Martmilian I, „des alten und jungen weiſen Könige“, 
deſſen Erziehung genau angegeben ft, bis zum Jahre 1515. Das Werk, biftorls 
hen Stoff in allegoriihem Gewand enthaltend, ein proſaiſches Gegenftüd zum 

bheuerdanf, tft höchſt wahrfcheinlich von dem Kaiſer Maximilian felbft entworfen 
und von feinem Geheimfchreiber Marx Treizfauerwein von Ehrentreiz audges 
führt, oder wenigftens angeorbnet. Proben finden fih in den Sammlungen 
von Piſchor und Künzel, eine vollftäindige Ausgabe erfchten in zwei Folio⸗ 
bänden zu Wien 1775: " x. 

Weißrußland wurde in älterer Zelt der ganze mittlere Landſtrich Groß⸗ 
rußlande genannt, wo die alten Großfürftenfige Roftow, Wladimir, Eusdal 
und Moskau liegen, weßhalb auch viele öftiiche Völkerfchaften, namentlich die 
Tataren, den ruffiichen Monarchen gemeiniglich den weißen Zaren nannten. 
Später bezeichnete man mit dem Namen W. denjenigen Theil Rußlands, der 
lange Zeit unter Itthautfcher Herrichaft ſtand, in&befondere die alten Zürftens 
thümer Smolenst und Polozl, nebſt Mohllew umd Witeyst. Begrunärig, uanitt 

Neolenpilopidie. X. AR 


na 00 Weiner — Meier.” 
ir üter lee Ram Bieetgen Sonate Rublanbs, welche inter — 
— die Woſewodſchaflen Boloit, Wirepet, Meiftam, Licand und Emolenet 

fpeten und welche, nachdem fie 1752, bei der eriten E3 ilung Wolene, wieder 
ruffiich geworden waren, die zwei fetgen Gouverhemenss Witcpef und Mobtlem, 
aufan men mit 1695 [IM. u. 1,555,060 Einwohnern, autmacen, — In Hınfht 
auf dus Schulwe en Fußlands bilden tie vorher gerannten Gsupernemente nod 
bis auf den Feutigen Tag einen eigenen, den tweißruffiichen Pchrb-zirk, zu welchen 
1844 11 Epmnafien, 36 Sreisichulen, 162 Pfariſchuſen, 52 Privatprhflonen mit 
833 ®ehrern umd Beamten und 13,542 Edjülern gehörten. 

Weißwurzel, Shminfwurzel. Salomongftegel, — Salo- 
monis) fammt von Polygonatum of inzle und mulfillorum All, weiche ibele 
in ıodenen, tes im feuchen büneligen Wäldern Guropa’s vorfommen, Die 
Würzel fit big fingerstid, mehre Zoll lang, fmorrg geglienert, innen und außen 
bmugig gelblihweig. Cie ift getuchlos und von ſchleimig⸗ füßlichem, etwas 
harfem Geſchmacke Ckemals als zertbeilmdes Mittel im Gebrauche, iſt Diele 
eht emiich in WBergeffenbeit gefommen, 

BWeitfichtigkeit, Kern fichtigfeit, (Presbyopia) nennt man es, wenn der 
Gegenttand, tm deutlich erkannt au werden, vom Auge über 20 Zell entfernt 
werd n muß. Die Grade dr W. find fehr verfchieden: auwellen kann der Weit 
ſichtige die Schrift noch bei 20 Zoll Enıfernung lefin, aber beim köchiten Grave 
wird eine Eufernung von 2—3 Zu nöihig, um Fleinere Gegenhänvde zu er 
Tennem. Dabei ſucht das Auge das Lcht, h daß der Weitfihtige den zu Untere 
ſcheldenden Gegenftand der Sonne zufehrt und Nackts cin Licht zwiichen dene 
ſelben und das Auge bringt. Der Meitfichrige lebt beim Leſen große Buchftaben, 
weil ihm die Meinen uner einander laufn; entfeinie Oegenflände fiebt er mit 
einer auferoidentlichen Klarheit, die dem Kurzfichtigen unbenreiflich bleibt. — 
Der Grund aller W. liegt in einer zu geringen Brechung der Kichiſtrahlen; daher 
find Urſachen der W. verminderte Wö.dung der Hormbaut, die gewöhnlich nah 
dem 40. Lebensjahre eintritt, aber auch angeboren feyn kann, — verminderte 
Wölbung der Linſe, welche ebenfalls im höbern Alter einmitt, ober oud aus 
anderen Uriachen entſtehen kenn, — zu große Entfernung der Hornhaut von der 
Rephaut, — zu geringe Dichiisfeit der, Die Lichtitrahlen brechenden, Theile ded 
Auges (f. d.). — Häufig iſi die W. auch Folge der Gemöhnung, dahır fie bei 
allın Menſchen vortommt, deren Beichäftigung rn auf Fernjeben anweiat, fo ki 
Zögern, Landleuten ꝛc. In Alter werden in ver Regel nur die Leute fernfihtig, 
weiche früher ein gutes Auge hatten, feiten die, welche an Kurzfichtigteit 
(. d.) litten. — Eine Befetigung der W. iſt ſelien zu erwarten; ım Gegeniheil 
nimmt fie mit tem Alter — zu. Bel angeborener W. müſſen die Letdenden, 
bei Vermeidung des Brilleng brauche, fi in der Beirachiung naher Gegenftände 
bei hintänglicher Beleuchtung üben, fo lange noch eine Beſſerung des Sehver 
mögen® wahrgenommen wird. Bel W. in Folge des Auers nügen die vers 
ſchiedenilich angerathenen, diätetiſchen Mittel yemöhnlic Nichts und es muß zur 
Anwendung ent gemölbt (conver) gefcliffenen Brille geſch. inten weden, fobald 
der Kranfe miıtlern Drud nicht ohne große Beichwerde in der fonft gewohnten 
Entfernung mehr leſen kann, fobald Feine Beyenflänre auch in der jugt ver 
handenen Gefichreweire zufammenfliefen und fobaıd dad Auge auch bei geringer 
Anftrenaung ſeht ermüdıt. . E. Buchner. 

Weigel, Johannes, ein berükmter deutſcher Nublixift, geboren zu Johan 
nisberg im Herzogebum Naffau, erhielt nach dem frühen Tore ſeines Vatae, bei 
der tedrängten Fuge feiner Deuter, nur die alleinethdürftigſte geiftige Pflege und 
wurde für das Echneiverhanpmwerf beftimmt. Alcin, bei feinem angeborenen 
Drange zum Etudiren ging er wider den Willen feiner Mutter nah Mainz, wo 
er fig in dus Oymnaftium aufnehmen lich und, tioh den bärıeften Kämpfen mit 
allem Ungemach der Türftigfeit, doch das Gefühl edlet Unbbängigkat wahıte; 
denn; teit enifernt fich in das Wergeichnig der armen Studenten aufnehmen zu 


Reizen, 755 


en, bezahlte er die Collegiengelder mit dem ſauer erworbenen Erträgnifle ver 
twarftunden, die er felbit gab: Als 1792 die Franıofen Mainz befegtn, n hm 
in don Rheingau zurückgekubrt, eine Hauslehreiſtille an und fegte ſpäter zu 
ins, Jena und Göttingen feine Studien fort, machte dann einige Reifen und 
ed 1793 von der franzönichen Behörne, die das linke Rheinufer nrganifirte, 
Commiffär ter Regierung in den Canton Orterberg birufen. Kurze Zeit 
auf mard er auf ein Verlangen in derfelben Egenſchaft nad Germersh im 
jegt, während er zuglerch die Ichmierige Er-Mle eines Keiegscommiſſaͤrs verfah, 
er, begeifte:t für Wahrbeit, Recht und Tugend, vie größte Rechilichkeit und 
renge auoübte, zugleidy aber auch feine wenige Menſchenk nnıniß verricth, Von ' 
n Parteien gebaßt, angeklagt und verfolgt, ward er bei der Reoraantfarton 
frunzöruchen Bermalrung 1800 übergangen uny fehrte nach einer Dienftfuhr« 
j, die Mundyen bereickert haben wüıde, fo arm, als er fie ang trıten hatte, 
de ded Haders der Parteien, des tollen Treibens des Unverſtandes und ber 
chleriihen Schlechtigfite, zu feiner Mutter in feinen ©. burtsort zurüf. Aber 
4 tier fand er feine Ruhe, indem die kurmainziſche Regierung, die jegt au 
Hufferburg ihren Sitz hatte, ihn aus dem Lunde weifen ließ. Ja dieſer ſchreck⸗ 
sen Page blieb ibm Nichts übrig, als nady Mainz zu gehen, ohne Ausflcht, 
VB rmögen, während doch eine Familie mit ihren Unterbalte an ihn gewieſen 
ir. In Manz verfuchte er fein Glück mit der Ecdhrififtelleret, wiewotl er 
fen Beruf bieber nidt fo recht als den feinigen erkannt hatte. Erſt gab er 
e Zeiuſchrift für Geſchichte, Eeſetzgebung und Politik unter dem Titel: „Egeria“ 
aus, dann übernahm er die Redafıion der „Mainzer Z itung“ und ward 
lich, gegen feinen Willen, zum Profeſſor an dem kaiſerlichen Lyceum ernannt. 
is Vertrauen feiner Mibürger berief ihn in das Bezirföwahlcollegium und ale 
ändent der Jury des öffentlichen Unterrichts leiftere er die wefentlichften Dienfte. 
re öffentlicde Stellung biieb jedody immer ſchwankend und, dı er ed noch mit 
* fra zöflichen geheimen Poriſei red Kaiſers durch Ablehnung eines Aufır .gı® 
»dorben hatte, entzog ihm der Belizeiminifter fogar die Redaktion der „Mat zır 
uuny“, die ihm ten bedeutnpften Theil feiner Einkünſte brachte. Das %.hr 
5 arer gab auch finem Ecy dinle eine andere Wendung, indem er als Hof: 
d Rofinsratb in das Herzogibum Naſſau, zu dem nun fein Geburteland, 
: Rheingau, gel,örte, gerufen w.rd. In Wiesbaden gab er die „Rheiniſ ven 
äüner“ heraug, entiagte diejen abır, da er nach der Haltung ter Kurlöbader 
nferenzen unter einer Cenſur nicht fchreiben wollte. 1820 wurd er zum hers 
tlichen Biblirtbekar bei der üffentliken Bıb iochef in Wiesbaden ernannt und 
tb vafeıtft 1837. Bon feinen Edriften führen wir an: „Augsft und Withels 
ne“, 2Bde., Fraulfurt 1814— 18155 „Bermiichte Schriften“, 3 Bde, Frank⸗ 
t 182 1f3.;5 „Enopa in jeinem gegenwärtigen Zuſtande“, Brınffurt 1824; 
die N einreife*, Kranffurt 1825; „Scherz und Ernft, zur Eharufieriftif unferer 
t*, Brarffurt 1830; „Geſchichte dr Staatewiſſenſchafi“, 2 Bde., Stuttgart 
3?— 33 und „Briefe vom Rtein*, Erutigart 1831. 
Weizen (Triticum), die befunnte Getreideart, welche ein ausgezeichnet weißes 
b b onders nahrhaftes Mehl liefert, ſtammt aus Aflen, wo er noch jegt in 
rzügiicher Güte gedeiht. Es gibt fehr vrele Sorten davon, die ſich in zwei 
rupiclaſſen eintheiten laffen, näalıd Winters und Sommers W., zu 
in man jidech noch eine dritte zählen farn, die theild als Winter-, theild als 
smmerjrucht angetfaut wird. Der Winter-W. wird am meift n angebaut; er 
tauret ih am ſtärkſten, verlargt ei e längere Zelt zur Vallendung f iner 
getarion und gibt auch meift einen höhern Ertrag an mehlreicyeren und werth⸗ 
Ueren Körnern, welche theuerer bezahlt werden, al® die des Sommer: WB. Er 
fällt befonder® in den gemeinen ®., weldyer der gemöhnlichite ıft und von 
n ed, in Bezug auf die Fatbe der Körner, braunen orer rotben und weißen 
wu. in engliſchen W., von dem man mehre Sorien bat. Der Sommer ®, 
llendet feine Vegetation in einer lürzern Zeit und wird \m ee RT 


—X 


256° Welcker. 


in den fünlichen, als in den nörblichen Ländern angebaut. Die ded⸗ 
ſelben find; gemeiner Sommer-W;,, wovon man. gelben braunen hat; 
polnifher W., Bart-W,, weißer und rother.glatter Wunder-®. ı, 
Der weiße, fammetartige eng! The ®;, auch Wech ſel⸗ oder Manvdel:W, 
ggpaunt, fann abwechjelnd ald Sommer» und. Winterfrudht gefäet werden. Der 

, enthält unter allen Getreidearten die meiften nährenden Beſtandtheile, doch 
iſt das Verhältnig derſelben nach Boden, Klima und Art ſeht verjchieden. Cine 
ganz vorzügliche Sorte iſt der in Polen erbaute weiße W., welcher über. Danzig 
ausgeführt wird, wo biefe Getreideart überhaupt.einen. bedeutenden Hanvelsartitel 
bildet, wir audy in Eiding, Königsberg, Stettin, Hamburg x. Man unters 
Br in den. Oftfeehäfen weißen, bunten, hochbunten u, rothen W. Der bunte 

jeht aus. einem Gemifh von mehr weißem, als rothem, hochbuntet aus mehr 
rothem,„ald weißem. In Holland, England, Frankreich, Stalien, der Levante und 
Rußland, fowohl für die nördlichen als üblichen Häfen, iſt der W, ein wichtiger 
Hanvelsartikel; auch das nörbliche Afrika liefert eine bräunliche, aber ſeht mehl- 
reiche Sorte. Befonderd aber führt in der neuern Zeit Nordamerika bedeutende 
Duantitäten W. nad) England, Frankreich und Holland aus, wenn die europäl 
ſchen Getreidepreife das Gefchäft nupbar machen. 

Weider, 1) Briedricd Oottlicb, ein ausgezeichneter Philolog, geboren 1784 
zu Grünberg im Orofherzogthume Hefien-Darmitadt, ward 1803 Kehrer am Pr 
dagogium zu Gießen, ging 1806 nad Rom und, nachdem er 1809 zurüdgefon: 
men war, ward Er Profefior, ver Archäologie und griechifchen Literatur zu Giefen, 
1816 zu — u. 1819 zu Bonn. In Folge der Unterfuchungen, welche die 
Mainzer Eentralunterfuchung leitete, wurde auch MW. verdächtigt, aber 1826 frei, 
geiprochen. — wurde er 1832, als man ihn wegen Wiederabdruckes zweier 
politifchen Abhandlungen zur Verantwortung zog, durch Wievereinfegung ſeht bald 

erechtfertigt. Bon feinen allgemein IrEh ten Schriften nennen wir: „Zosga's 

ben, Sammlung feiner Brick x.“, (Göttingen 1819, 2 Bde); „Romöpten de 
Ariftophanes“ (Gießen u. Darmftadt, 1810—1812, 2 Bde); „Ueber die Herm- 
aphroditen der alten Kunft“ (in Daub's und Kreuzer „Studien“, 1808, 
2». 4); „Fragmenta Alemanis lyrici“ (Gießen 1825); „Hipponactis et Ananii 
fragmenta“ (Oöttingen 1826); „De Erinna et Corinna poötriis“ (in Kreuzes 
„Meletem.“ Vol. IL); „Theognidis fragmenta“, (Bonn 1826) ; „Philostrati ima- 
gines et Callistrati statuae* (Xeipz. 1823); „Ueber eine kretiſche Kolonie in The 
ben, die Görtin Europa und Cadmos“ (Bonn 1824), „Ueber das afademilhe 
Kunftmufeum in Bonn“ (1827); „Die Aeſchyleiſche Trilogie Prometheus“ (1824), 
durch welche er aber in einen, nicht ohne Biiterfeit geführten, Streit mit Hermann 
gerleth; dazu ein „Rachtrage nebft einer „Abhandlung über das Saͤryrſpiel“ 
(Srankfurt 1826); „Der epifche Eyclus oder die Homerifchen Dichter“ (Bonn 
1835); „Die griechtfche Tragödie mit Rückſicht auf den epiſchen Cyclus“ (3 
Bde. Bonn 1839) und die „Kleinen Schriften zur griechifchen Literaturgeſchichte“ 
(2 Bve., Bonn 1844—45). Auch beforgte er die Sammlung von Diſſens 
Kleinen lateiniſchen und deutſchen Schriften“ (Göttingen 1839), zugleich mit 
Thierſch und Oitft. Müller, fo wie von Näfe's „Opuscula“ (2 Be., Bonn 1842). 
Ein befonvered Verdienſt erwarb er fidy endlich theild durch Uebernahme ver 
Redaktion des „Rheinifhen Mufeum für Philologie”, das er feit 1834 mit 
Näte (. d.), fit 1842 abır mit Ritſchl beforgt und mit den_gediegenfen 
Beiträgen bereichert hat, theils durch feine Bemühungen für dad Kunfmufem 
in Bonn, deffen Schäge er durch feine wiederholten Relen nad) Italien bedeutend 
vermehrt und in der Schrift: „Reuefler Zuwachs des akademiſchen Kunftmufeumd 
in Bonn“ (Bonn 1845) befchrieben hat. — 2) W., Karl Theodor, Bruder 
des Borigen , geboren 1790 zu Wilden in Oberheffen,, fludirte 1807 — 11 in 
Gießen und Heidelberg die Rechte, trat 1813 in Gießen als Privarbocent auf, 
ward 1814 Profeffor daſelbſt, berauf In Kiel, dann in Heidelberg und 1819 in 
Bonn, wo er mit Mittermeier und Madelvey die juriftiiche Bafultät begründe, 


Belfen. 757 


Auch er wurde mit in die demagogiſchen Unterſuchungen verwickelt, deren Reſul⸗ 
tat er ſpaͤter in ſeiner „Aktenmäßigen Vertheidigung gegen die Verdächtigung ber 
Theilnahme an demagogiſchen Umtrieben“ (Stuttgart 1823— 1824) veröfen! chte. 
Um dieſe Zeit ging er als Profeſſor der Rechte nach Freiburg. 1830 uͤberſandte 
W. dem Bundestage ſeine merkwuͤrdige Petition: „Die vollkommene und ganze 
Prepfreihett” (Freiburg 1830) und trat 1831 auf dem badiſchen Landtage als 
Deputirter des Bezirfsamts Ettenheim als einer der erſten Wortführer auf, drang 
auf beffere Sinrichtung des Sportelweſens, vereinfachte Wominiftration, Einführ- 
ung von Landräthen und Frievendgerichten, eine Dienfipragmatif für das Milt- 
tär und trug hauptfächlicdy dazu bei, daß die Preßfreiheit für Baden ausgefprochen 
wurde. Er gründete hierauf das liberale Journal „Der Freifinnige” im Ver⸗ 
eine mit Rotteck u. A. und in diefem Zeltblatte — als in ſeinen Reden, be⸗ 
ſonders in der von dem 13. Oktober 1831, beurkundete er ein entſchiedenes Hin⸗ 
neigen zum franzöftfchen Syſtem. In Folge feiner Aeußerungen über die Bun⸗ 
desbefchlüffe vom 23. Juni 1832 wurde der „Kreifinnige” verboten und W. nebſt 
Rotteck penfionirt. In dem darauf folgenden Prozefle wegen verbächtiger Ver⸗ 
bindungen wurde W. freigefprochen. erauf unternahm er mit Roiteck die Her⸗ 
ausgabe des „Staatslertfon” (Altona 1834; 2. Wufl. 1846 ff). Später wurbe 
er als Profefior wieder in fein Amt eingefegt, jedoch nad) einer Reife in's nörd- 
liche Deutfchland, auf der er vielfach mit öffentlichen Zeichen ver Liebe u. Ber: 
ehrung begrüßt wurde, abermals fuspendirt. Er zog nun nach Heidelberg, wo 
er ganz den Wiffenfchaften lebt und fletd den regften Antheil an den Kammer; 
verhandlungen nımmt. Eein Werk: „Wichtige Urkunden über den Rechtözuftand 
deuticher Nationen“, in welchen er namentlidh die Verhandlungen der Karle- 
bader Konferenz von 1819 und der Wiener Konferenz von 1834 mittheilte und 
die Schrift: „Die geheime Inquiſttion, die Eenfur und Gabinetsjuftiz im unheil⸗ 
vollen Bunde“, wilde beſonders das Verfahren gegen den Pfarrer Weidig 
und die politifchen Gefangenen in Rheinhefien zum Inhalte hatte, zogen ihm neue 
Prozeffe zu; auch ein Injurienprozeß eigenthümlicher Art traf ihn deßhalb, weil 
er in der Kammer geäußert hatte: „Unter gewifien Umſtänden felen die Volks⸗ 
vertreter privilegirte Randesverrärher”, was ein Mitglied der badifchen Kammer 
von 1834 auf fich bezog und W. verklagte. Er ging jedoch aus allen diefen u. 
anderen Prozeſſen flegreidy hervor und errang fogar die Sreigebung des erfige- 
nannten Buchs. Als politifcher Eharafter kann W. das Zeugniß hoher Recht» 
lichkeit nicht abgefprochen wırden, fo wie, daß, wenn er manchmal auch allzu 
leidenichaftlich wird, wenigftens die tieffle Ueberzeugung die Duelle diefer Leiden⸗ 


haft if. 

Relfen und Baiblinger, oder Guelphen und Ghibellinen waren zuerſt 
Geſchlechts⸗, hernach Parteinamen. Das Gejchlecht ver W. zerfällt in 2 Lmien, 
die ältere und jüngere, aus welcher letztern das jeßige Haus Braunfchweig 
ffammt. Als Stammpater der Altern weiftichen Linie erfcheint Welf I., wie ge⸗ 
fagt wird, ein Sohn Iſenbard's, des angeblichen Grafen von Altorf in Schwaben 
und Sohnes Warin's, des Major domus von Karlmann, und der Irmentrud, 
einer Schweſter Karla des Großen. Welf, ein Zeitgenoffe des großen Karl, hatte 
großen Befig in Schwaben u. Bayern, vorzüglich am Bodenfee. Er war mit einer Dame 
aus fächflichem Haufe vermählt, welche ihm Iwel Kinder, Ethiko I. u. Judith, die Ge⸗ 
mahlin Ludwig's des Frommen, gebar. Ethiko folgte feinem Vater u, fein Sohn war 
Heinrich mit dem goldenen Pfluge, welcher am Kaiſerhofe Tebte und ſich vom Katfer 
mit einem Stücke Rand belehnen ließ, von der Größe, wie er es mit einem »ruge 
in einem Tage umfurchen konnte. Hierauf umzog er, einen goldenen Pflug in 
der gan, auf einem Wagen fahrend, entiveder ven fogenannten Maröberg oder 
da8 Land zwifchen Le, Amber und Glan. Heinrich ftiftete das, fpäterhin 
Weingarten genannte, Klofter zu Altorf u. ihm folgte fein Sohn Welf IL, welcher 
zuerfi den Familienhaß zwifhen den W. und Waiblingen oder Ghibellinen 
dadurch hervorrief, daß er, während ber Kalfer Konrad IL Im Arallen weilte, ie. 


Ei [ 


pr 
Äbre ‚Lin! ” 
Kan Pen ana a 
tet ibm. eine Zeit. I ‚ Eein R B „De 
RE auflehnie @ En a m ei 
er a ‚ c unperm⸗ und J 
Alte mitte inte Er _hatte, zwar alle fine Get den Kor Ban 





arten- vermacht, allein der Mann feiner Schwefter Kantqunde, Markgraf 
1 Ehe, ſandte feinen Sohn auf Betrieb feiner Schwiegermutier nah 
and. und. erreichte die Umftopung, des Teftamenis, worauf IV, € tifter) 
Ängern, ‚noch, blühenren, wmeifiihen Linie. wurde, ſich Duo 
RR robeim,,, der. mit Bayern beichnt worden war, ten, Zorn des Kai 
1071) auzog, belehnte diefer„2Welf mit Bavern, wogegen (cpt:rer 
Dıro’6 Tochter , ‚verftieß. Spaͤter aber föhnten Ahr tto. und det 
a. da nun Meif wieder einen Theil Bıyırna be heben sie, 
h mit, Rupolph —— ‚und dem Bapfte Gregor VII und 
Ruifer bet feiner Rüdtebr aus Itallen 1034 den Pag am Lech fo I 
is ibm der größte Theil fine, Großen verlieh... . 1086. nabm „er, 
Ealpung und Wärzburg, wo er den Kufer ſchlug und, nur- ein, Str; 
Arban IL bewog ıbn 1097 zum Frieden mit dem Kıifer, mit dem, num. 
Franfen und Schwaben fich ausjöhnte. Er farb. 11OL auf einem 
Syp.im. Sein Sohn, Welf V;, der die, berübmee Markgräfin , 
Toolana geheiraihet, aber 1097 ſich bel der Cübne, mit dem Kaifer, wegen 
Srgebenbett gegen ‚den römuichen Etubl, getrennt hate, ırat.auf die Eetie Hin 
che, V., ‚als, fh biefer A105 gegen feinen Vater g flehnte und, farb 1120, 
in, Gefandifchafisyeichärten für den Kaiſer von Rom in die » ie 
An wolte. Das, Heriogtbum Bayern ging nach feinem. 0 e. auf, feinen 
rud°r, Henrich den Echm.irzen, über, welcher ed 1126 finem Sohn⸗, 
dem Stolgen, überließ, mad deſſen Falle er- fi, Bayerns, dem Borgıben. 
für Heinrich den Loͤwen, feines Bruders Sohn, bemäctigte, obfchon Konrad Hl, 
das Bund dem Herzoge Leopold von Defterreich zugefprochen hatte, «Ex, erreichte 
auch feinen Zwed, allen 1440 in die Acht erflärt, verlor er. gegen den Kaiſet 
bie Schlacht hei Weinsberg (f. d.), in der zum erften Male das Schlachtgeſchtei 
„Welf u, Ghib in“ aebraucht wurde u. ward erſt lange nachher, wieder mit dem⸗ 
Kon aufgıföbnt. Dara.f wohnte er zwei Kreuzzügen bei undsgriff bei ‚feiner 
üdfebr B.hern von R-uem an, bis Kaiſer Kriedrich Burbarofja Heinrich dem 
Xöwen daffelbe zurüdgab und fo die Fehde endete, Sein Sohn, Weif. VL, bare 
in Abmwerenbiit des Vaters im Kampfe gegen den Grafen Hugo von Zübingen 
(1164) dos Unglüd, ‚bet, Tübingen gänzlich geſchlagen zu werden. Hierauf kam 
er feltit (1165) nad Deutſchland u. beftrafte den ®.afen, fıinen Bujallen, Da 
aber 1167 fein Cohn ftarb, gab er, gegen Zublung_einer, befimmten Summe, 
jeine gerammten. Pänver dem Löwen und veriwenlte fie, „da dieſer michı Wort 
bielt, an Kaiſer Fiedrich 1, feiner Schwefler Sohn, u, difien Sohn Heinrich IV. 
Er ftarb 1191 zu Memmingen und mit ihm erlefch ‚ter Name, aber nicht das 
Geſchlecht ver W. Dieſes vermehrte, vielmehr feine Macht, ganz beſonders in 
Norpveutichland u, Braunfhmweig wurde der Haupıfig, deſſe beñ. — Als Pattei- 
name erfchien der Name in Deufhland ‚in, der Schiacht bei Weinäberg 
G..d.), mähtend die Kaiſerlichen ſich nah dem „alten ſchwaͤbiſchen Stäpichen 
Waiblingen, einem. Erbbefige des Haufes „Hohenftaufen, Waıblinger, nanatın, 
Zunge nah dem Grlöfchen des Namens in dem merfiihen Geſchlechte felbit. lebte 
aber der Rame W. und Waidlinger (nun- aber itatienifirt in Öuelphen und 
Shibellinen) in, Italien fort, Inden man. mit eifleren die Anhänger der 
päpfilichen, ‚mit. lehteren die der Fatferlichen Partei bererchnte, - Cie bekämpfen 
einander vorzüglich. in, Oberitalien, we die meiften Siadie guelphiſch waren, mit 
al der Fülle der Leidenſchaft, meihe Volfscharafter und Parterliebe, nur ‚bevor: 
zufın, Können; Dreihundert Jahre hindurch, Aritien die Gegner. miteinander; 


3 
fe ® 


5 
7 
— 


S 


J 





Welle — Wellington. (no) 


bald war ber Eine, bald der Untere Sieger und mit gleicher Glut, weil es 

einer weithiftoriichen Idee, Tem Siege der giiftiichen oder welilichen Macht galt, 

bis end:ich nad und nach dieſes furchibare euer erloſch und der Kampf in 

gegenieitiger Ermattung endete. Die Buelpken führten ſtets ihr altes Wappen, 

den Adler, der einen blauen Dradyen mit einer rorhen Lille auf dem Haupte 
erreißt, während das Zeichen der Shibellinen eine weiße Roſe, oder rothe 
ilie war. 

RB :lle nennt mar befanntlih einen cy:inderförmigen Körper, an weldhem 
Trgend eın Rad befcftigt IR und der alſo mit diefem Rade durch irgend eine 
Kraft zugleich in Bewegung gefeht werden kann. SIR die W. did urd ſtark, fo 
beißt fie Wellbaum. Zum Drehen ift die W. mit entweder mit einem Rabe, 
oder mit einer Kurbel verbunden, woran die bewegende K:aft mittelbar over 
unmittelbar wirkt. Bel allen Hafpeln, Göfeln, Winden; bei allen Mühlen, 
Uhren und überhaupt allen Räpdermaichinen g hören die W.n zu den Haupt 
theilen. Die Stärke ver W.n muß mit deren Yänge im Verbältniffe ſeyn. Zu 
lange ®.n find nicht vortheuhaft. — Ueber das Rad an der W. vergl, den 
Arufkel Rad. 

Welle (unda), das alimäflige Etelgen und Sinfen einer Flüffigkeit über 
oder unter ihr Niveau, fobatd fie an irgend einem Drte ihrer Dseiflidne bewegt 
wird. Tiefe abwechſelnde Bemegung würde bis in's Unendliche fortgehen, wenn 
nicht Hinternifle einträten, die fie endlich bemmten. Dieſe H'ndernifie find nicht 
eigentltdy die Reibung ded Waſſers, fordern ver Drud d.ff Iben. Bei einem in’6 
Waſſer neworfenen Steine verbreiten fid die W.n concentriſch um die bewegte 
Stelle. Dies geſchieht aber nicht, wenn der Wind das WB. ffer bewegt, denn 
die er trifft nicht einen Punkt, fordern die ganze Fläche und wirft ſtoßwe ſe und 
unordenilich; daher fönren aud die W.n nicht vegelmäßlg erfilger. Tie Bes 
wegung der W.n ift übrinens felbft nad) den Arbeiten von Newton, Laplace, Las 
grange, Flauguergues, Gerfiner, Poiſſon, Cauchy, noch nicht völlig aufgeflärt; 
wg ge Ummeriucpungen ſtellien die Gebsüder Weber an In: „Die Wellenlehre“ ꝛc. 
(Leipzta 1825). 

MWellesiey, Titel einer, unter Heinrich VIIL ous England nady Irland eins 

ewanderten, proteſtantiſchen Familie, deren eigentlicher Name Cowley ıft u. die 
m 18. Jıhrbundeite durch Eibſchaft Titel und Güter der Familte W. erbielt. 
Derſelden gehört an, aufler dem Herzog von Wellington (f. d.), defien Bruver 
Richard Cowley, Marquis von ®., ältefter Sohn des Lord Garret Cowley, 
Grafen von Worringıon, ein verdienter britiſcher Staatsmann, geboren zu 
Dublin 1760. Er eıwarb fidy tüchtige Kennmiffe zu Eton und Orforo u. trat 
1754 in die Güter und Titel des Vaters, fowıe in den irländifhen Geheimraih 
ein. Bald Darauf wurde er auch von der Etadt Winpdfer in das britifche 
Unterhaus gewählt. Seine glüdliche Vertheidigung dir Politik des Miniſiers 
Pit, befonders fein Eifer gegen das revolutionäre Frankreich, verichaffıen ihm 
die Gunſt Georg's IH., der ihn zum Lord des Schag 8, dann zum Gummifldr 
für die oftindiichen Angelegenbeiten, endlich 1797. zum Generalgouverneur von 
Ditindien ernannte, Als foldyer vergrößerte er bier die engliſche Macht durch 
das Gebiet Bon Myiore, nahm den Mahratien das Lund zweſchen Ganges und 
Dihumma und zwung den Radfcha von Berar zum Frieden. Im Jahre 1803 
abberufen, ward er 1809 Geſandter bei der Centraljunta in Epanten, leitete das 
Auswärtige bis 1812 und nahm fih dann der Karbolifin, ſowie des Yorts 
beftandes der Habeuscorpusafte an. Als Lordlieutenant von Irland (1820— 29 
und 1833 — 35) verfuchte er ohne entipresbenden Erfolg die Yusfühnung Per 
Parteien. Er ftarb 1842. Bergleidhe „The Dispatches etc. of the Marg. W.“ 
(Lonron 1836). . | 

Wellington, Artbur Cowley Welledley, Herzog von W., Hürft 
yon Wurerloo, geboren dın 1. Mat 1769 au Dungan-Gaflte in Irland, er» 
hielt fine erfte militäriiche Bildung auf der franzöſtſchen Kreasiksie 


des BR 8 von —— u. bi 
er als General en ar Er $ nah 
Er bet ee in — worauf den Titel 
vun age Sp ur er gegen 35 * 
al er. mit: der vereinigten eng! 55 
* ie ein, er! 7* wichtigen — 
manca, ass ai dadurch — ——— 
ohetie HH von Spanien 4 der San N a — 
bis Burgos vor. Auch dieſe Stadt nahm er ein, al —— 
ſich fo 6 und fo lange,‘ vap er, we die — ie Ran Sm ha 5 
rücdte, die Belagerung ER mußte. 
amd Weſtarmee zwang ihn auch einen he von den er vn Dani 
vingen, nebft der Hauptftabt, wieber zu räumen, An der 
bereitete er, als General en Chef ver —— und — 
liſſimus der ſpaniſchen Landmacht in Portugal und Spanien, die 
benhelten vor, die 1813 Europa in Eiſtaunen fegten Sein M. um 
, an den Ebro, feine ee mob: er Sin Kette der ame 
Verſchanzungen unnüh machte, fpannten Enplich ward bei 
Bittoria den 21. Jull 1813 d Saat ga In Biefer Send 
wo er den großen Sieg'über 8 Joſeph Bonaparte Befehl 
flehende Armee, die eigenulich —S —— hal Joutdan — die 
Divifionärs Elanzel umd Reille anführten, errang,’ nahm er den 
Kanonen, 400 Munitionswagen, faſt alle Mundvorräthe, Kaflen, 83 
f. w. und gegen 13,000 Gefangene. Ganz; Spanlen war für die Franzofen 
verloren; fie verließen alle Pofttionen, fprerigten in ver Eile Burgos und zogen 
fi über die Bivaffon. Der König Fofeph floh nach Paris; Die gli 
Ereigniffe bewogen den Pritiz-Regenten von England, W. zum’ Feldmarfihall zu 
ernennen, und die danfbaren Spanier trugen ibm ein Territortals Eigenthum von 
National-Domänen anz W. wählte das im Ertrage geringfte (30,000 PBiafter 
jährlich), aber in feiner Lage’ das fhönfte aus ven ihm gebotenen Gütern: Solo 
di Roma (am Fluße Zomil in Granada). Er drang num weiter und belagerte 
mit aller Kraft das Meine, aber äußerſt wichtige St. Gebaftian. Vergebens 
wollten die Franzoſen biefen Plag entfegen, vergebens gingen fie über bie Bir 
daſſoa, unternahmen die verzweifeltften Angriffe: ftets wurden fte zurüdgeworfen, 
die Stade St. Sebafttan den 31. Auguft mit Sturm, das Schloß mit Eapitula- 
ton (9. Sept.) genommen; auch Pamplona, der zweite, & feſte und wichtige 
Haltpumft der Ftanzoſen, fiel den 31. Dftöber 1813. Schon am 7. Dftober 
ging W. über die Bidafjoa, fchlug in der Richtung von Bayonne die- Franzofen 
hten Stellungen an der Nivelle imd nahm feine Pofttion auf framöſtſchem 
Boden zu St. Jean Pied de Port, Nach mehren Bewegungen gegen den 
famihern aber fehr talentvolfen,' würdigen Gegner, Marſchall Soult, wurde nad 
a errungenen VBortheilen befonders bei Duihez (27. Februar 1814) die Adout 
yaffırt, Bordenus am 12.’ März durch ven General Berasfort beſeht, fo auch 
am 23: Bayonne Unter beftändigen Gefechten erfolgte endlich am 10. April die 
Schlacht bei Toulouſe, nach welcher, durch die Thronentfagung Napoleon's, der 
Krieg beendiget umd W.s Vapferfeit eine Gränze gefegt wurve. Am 4. Mat 
lam er nah Paris und wurde mit Auszeichnung von allen Monarchen empfans 
gan Die britiſche Nation beehrte ihm zum fünften Male mit einer Dantadreffe. 
er Prinz⸗Regent krönte feine ruhmvollen Thaten mit dem blauen Hofenbande, 
erhob ihn, fammt allen gefegmäßigen Erben, gm ‚Herzog der vereinigten König: 
reiche Großbritannien und Irland und ertheilte ihm die Würde eines Marquis 
= Duero und Herzogs von W. Nach einem Furzen Aufenthalte in Paris kam 
W. nach Madrid (25: Mat) und wurde hier vom Könige mit dem Drden des 


F En Bine Sa ne N Br BE 
— 


Belt. J vol 


ofbenen Bließes becorirt. Im Inni erhielt er eine neue Beſtimmung ale Bot 
—** am pre zu Paris uud befuchte während der Congreßzeit Wien. Mit 
dem Jahre 1815 erwarb fi W. einen neuen Ruhm. Als Rapoleon wieder nach 
Frankreich zmückkehrte, warb Herzog WB. zum Generaliifimus aller Armeen in 
den Niederlanden ernannt. Unter ihm fland der englifche General Hill und ber 
Erbprinz von Dranien. Im Mal ernannte ihn der König der Niederlande fos 
gar zum Feldmarſchall, eine Würde, die er ſchon In drei Armeen, in der portu⸗ 
gieftfchen, ſpaniſchen und englifchen hatte. Am 18. Juni 1815 erfolgte die dent 
wärdige Schlacht bei Waterloo, in weldyer W. Napoleon's wüthende Angriffe 
durdy die größte Tapferfeit zurüdwies u., in Bereinigung mit Blücher, die ganze 
franzöftiche Armee vernichtete und Napoleon's Echidjal ſchnell entfaltet... Ra 
dieſem glänzenden Stege fendete ihm das Parlament eine Dankadreſſe und It 
ihm für 200,000 Pfo. Sterling ein Hotel zu "London erbauen; faſt von allen 
übrigen Monardyen wurde er mit Orden befchenft. Nachdem er auf dem Wiener 
Congreß ıhätig geweſen war, nahm er feinen Pla im Oberhaufe ein und er: 
dffn.te damit feine ſtaatsmänniſche Laufbahn, während welcher er ununterbrochen 
für die Vortheile der Ariftofratie, doc, nicht immer mit großem Geſchick u. Glück, 
gefämpft bat. 1828 winde er an die Spitze des Minifteriums geftellt, welche, 
ganz von toryflifchen Grundfägen gelettet, die Politit nady Auffen und die ins 
nere Berwaltung vernachläffigtee Doch feste W., freilich von der Rothwendig⸗ 
feit gevrungen, aber wohl gegen frine Ueberzeugung, die Emancipation der Kas 
tholifen durch (1829); aber ſchon im folgenden Jahre mußte er den Whigs weis 
hen und fogar den Haß des Bolfes gegen ſich ſelbſt in Ercfle ausbrechen 
fehen. Dagegen fand die Reformbill in ihm einen hartnädigen, erbitterten Wis 
derfacher. 1834 wurde ihm das Amt eines SKanzlerd ber Univerfltät zu Orford 
übertragen und noch tn vdemfelben Jahre übernahm er zum zweiten Male die 
Bildung und Leitung eines Minifteriums, ohne jedoch glädlicher zu feyn, als 
früher ; die Whigs verprängten ihn nach faum ſechs Monaten. Als Peel nach 
dem Eturze der Whigs im September 1841 fein Miniſterium bildete, betheiligte 
W. fi auf's Reue an der Regierung, ohne ein beftimmtes Departement zu übers 
nehmen. Zum Werger der Hochtory's ließ er ſich von feinen geifiövermandten 
Genoſſen für die Freihandelspolitik beſtimmen. Mit der Auflöfung des Gabinets 
im Junt 1846 308 fih auch W. zurüd, obichon ihn die Whigs zu halten ver- 
ſuchten. — Als Staatomann hat W. jedenfalls ungleidy geringere Talente ents 
widelt, denn als Feldherr. Stolz, Hartmädıgkeit, Geldliebe, Standesvorurtheile 
befähigen ihn am wenigften in den kritiſchen Zeitläufen der Gegenwart zu einer 
Etellung, welche Berfühnlichkelt, Milde, Unparteitichkelt, ein immer waches Mupe 
und allzeit lebendiges Wohlwollen erheifcht. Vgl. Arıhur, Herzog von W., 
Leben als Feldherr und Staatsmann, nach Elltot und Clarke (Lpz. 1817), „W.s 
Dispatches and Correspondence during his campaigns from 1808 to 1814* 
(12 Bde., London 1837—33). 

Wels, Scheide (Silurus glanis), ein großer Stromfiſch mit einem breiten, 
platten Sopfe, weitem Maul, Kınndaden voll Zähnen, 2 fehr langen Bartfafern 
am obern und vier kurzen am untern Kiefer, Heinen, weißen Mugen mit zwei 
Gewaͤchſen über ſolchen, als Hörner geftaltet, ſchwaͤrzlich⸗grünem oder blauem 
Rüden, weißem Unterleibe, IR am ganzen Körper gefledt, hat die Vauchfloſſen 
hinter den Brufifloſſen; er verzehrt alle Fiſche, auffer Karpfen, hält ſich in trü⸗ 

em, fchlammigem Waſſer auf, ſowohl in den Gebirgsſeen, als Flüſſen, vorzüglich 

in der Donau, Elbe und Weichfel und auch im Mittels und ſchwarzen Meere; 
er laicht im Junt, wird zuweilen bei acht Ellen lang und bei drei Gentner ſchwer. 
Die jungen W.e find wohlfchmedend, die alten werden biöwellen geangelt und 
haben ein faft unverdauliches Kleifch; der Ober⸗ und Vordertheil fol gekocht und 
das Liebrige gebraten am beſten fchmeden. 

Wels, eine der fchönften, freundlichften Landſtädte —— RR 
des Hausrudvierteld und Stk des Kreisamtes, Üegt am RHEIN RR 


7. Belfhtorn—Relfer, 


Welſer Heide“ und am linken Ufer, hen, fo. wie an der Eal 
er der. Ping, Omunberer im Be MR Ton alien Wälen 
Zhürmen, umgeben und ‚hat zwei Borflänte, einen geräu: fiplag, 
Paufuce mit Glatmalereien, zwei Sa löffer — Burg Wels und Rolibein 
— ein Ratbbaus, ein Regimenıs:Crzicehüngebaug,; eine, ta.und, eine Mid 
Genfchule, drei Eiechenkäufer, Ihentr, Ehiefälte,;Cafıno,, 5000. Ginwohner 
‚nel mit Getreite, Buubolgurd Obftbäumen, E pevirton, Kattunf brif, Par 
piermühle, Rutvermühle, eine Mafbinnfobrif. Sehr geſucht if das, Welierkror, 
eine Art Zudegebäd. Im der Rabe Lihtened, Dorfurd Echloß, — 
hammer, fingfabrif und Blechwalzweri. — Aahtrdche Aıegratungen u. Mo 
numente, erweifen,. dab W. das römıjde Ovilabis. Im Mittelalter geboten bier 
bie mädtigen Grafen ron Wels, Yamtab,.Pürten 1. Cüber dieſe ſ. Ne un 
» Die Stadt. ift ferner Fer Eterbeort des Kaiſets Marimiliank und 
ueah Karl ko Bar gen, wor mD. 
’ ö 


”- 
E ats. n y " 
Welfer, eine ehemals berühmte, jegt aufgeftorbene mitte in Auge⸗ 

burg, deren Muglieder ſtets — Sıellen im — en befleiveien. u, 

von. denen wir anführenz 1) W. Bartholomäu, cine ———— 

feiner Zeit, wurde fürıfeine, dem a — Tonne 

Goldes zum Geyeimerurbe erhoben und erbielt De Provinz Venezuela in Süpamerilı 

als Pfand dafür, Mit drei. in Eyparien anegeräfteteen Echiffen mabın er das 

Land »1528 in.Befig, verlor es Aber nach Kaıl'a V. Tore Ay 

mer und ſchickte nun, ein Echiff auf eine Enidedungsreiſe nah Dftindien, moren 

das. Tagebub noch vorhanden if, — 2) W., Bhilippine, Fl ‚des Pani⸗ 
8 dianz W. und Nichte des Borigen, geboren zu Muaeburg 15 , genoß von 

er. treffüchen Mutter eine ſoraſame Erziehung und entwidelte in 
Yuzend feltene Grifteagab,n. 1049 km Erzherzog Berbinand,. zweiter Sohn 
» Kaifer Ferdinand’s I;, auf den Reichstag nach Augsburg. und mwurbe von 
{hrer a verordemlichen Schönheit fo entzüdt, daß er fie, da fie ihm ihre Gegen⸗ 
liebe nur auf g-fipnäßtge Weife gewähren ‚w:llte, 4550 okne Vorwiſſen feines 
Baer und Dheims (Kaljer Karl V.) beirathete. Grflerer war Anfangs über 
dieſe Verbindung entrühet und lange Zeit erlaubte er feinem Eohne nicht, vor 
Ähm zu erfchernen. Dieſe Mißhetrath machte auch im Auslunde großes Auffiben, 
während dem Ferdinand und Philippine in Zurüdgepogenheit auf dem Schloſſe 
Ambras in Tyrol lebten, ſich einer Außerft glüdischen Ehe erfreuten u. Philid⸗ 
ine durch ihre Echönheit und Herzenegüte Ale bezaubırıe, die fie näber fennen 
lernten. Nach einem. Zeiıraume von acht Jahren wagte es Philippine werfen, 
dem erzürnten Kaiſer eine Bittfchrift zur Ausjöhnung mit feinem Sohne ‚zu über 
reichen. Ihre Lıedenswürdigfeit und Demurh rührın das Herz des Monarchen 
auf das Aruferfte, er mabın ‚fie liebevoll auf, eıflärte die Ehe und die, Daraus 
entfproffenen Kinder für legitim, doch Purfien fie nicht den eraberzoglichen- Tiul 
führen, fondern fidy nur von Defterreich und Markgrafen von Burgan.m. Nels 
benburg nennen, welch' lehtern Titel er auch Philippinen felbft zulegte. Ihren 
Bater ‚aber ‚erhob er netft, feinen Nachkommen in ven Freiberrnftand. mit den 
BPrävrfate „von Zinnenberg”. Rach einer fehr glüdlichn dreipigjäbrigen Ehre 
ei fie zu Innebrud den24.,Aoril 1590 und wurde dajelbftsin, der Kreuzkirche 
eigefegt, WO ihr Erzherzog Ferdinand: ein foftbares Denkmal errihien ließ. Auch 
ehrte er, unter anderen {br Andenfen durch eine Münze mit. ihrem Bilpniffe und 
der. Umichrift: Divae Philppinae. Ihrem Gemahle batte Philippine zwei Söhne 
geboren: Andreas ven Deiterreih, Gardinal x. und Karl, von  Defter 
eich (Markgraf zu Burgau), geboren 1560, vermäblt mit Sitylla ,„ Prinseifin 
von Jülich, geftorben ohne Erben 1648. — 3) W., Markus, geboren zu Augsı 
burg 1558, fiudirte zu Rom unter Muret, wurde 1592 Rathshert in feiner Bu 
terftudt, 1600 Etadifimmerer umd laiſetl. Rath und ftarb 1614 im fehr mittel: 
mäßigen: Umftänden, weil ex den grögıen Theil ſeines Vermögens zur Beförder: 


E883 


ge Welt — Weltgeifiige — 2 


ung ber Gelehrſamkeit aufgeopfert hatte, deren Anſnahme ihm, einem aufgellärten 
Kenner derſelben, ſehr am Heraen lag. Er felbit g:b Heraus: Rerum- Augusta- 
naram lib VIII, Augeburg 1594, deutidy von Enzelb Werlih, Frankf 15455 
Rerum Boicarum lib. V. a gentis orig. ad Car. M., Auaebura 1602; lib. 
VI, ed. J. G. Lippert, Augeburq; Epistolae ete., gefammelt: Opp. hist, et 
hilvl. sncra et profana, ex edit. Chris. Arnoldi, Nürnberg 16%2; dabei fein 
even. Er beförderte auh die Eammlung von altın Snicripiionen, die J. 
8 ghanttalueie, zum Diucke u. machte die beiühmte Beutingerfhe Tafel 
(ſ. d.) befannt. 

Welt, ein Wort von mannigfacher Bedeutung; man verſteht darunter: 1) 
den Inbegriff aller vorbandenen Dirge und deren Grfcheinungen ; (vgl. den Art. 
MWeltali); 2) gebraudt man es im gemeinen Leben gleichbedeutend mit unferer 
Eide, daher die Auedrüde: alte und neue W., anflaıt alter und neuer Conti⸗ 
nen; W.Umſegler ſtatt Ernumfegler; W.⸗Kieis ſtatt Erdkreis ac; 3) fo viel als 
Kenntn 5 der Sitten und Gebräuche der köbern und feinern Geſclliſchaft und ein, 
dieſer Kenntniß angemeffened Benehmen; in diefem Sinne ſagt man 3. B.: ein 
Hann von W. | 

Weltall oder Univerfum nennt man den Inbeariff aller Weltförper, 
mit Einjoluß ter Erde und unſers Sonnenſyſtems, dad blos einen klemen Theil 
der Sıftirniyfleme ausmacht, auß denen das W. keſteht. Man nimmt biebei mit 
hoher Wahrſcheinlichkeit an, Daß jeder Fixftern eine Senne, äfn:ich der unfrigen, 
et, um welche ſich mebre dunfele Körper, unſeren Plancten, Monden und Kometen 

hnlich, bewegen. Tie allgemeinen und befonderen Berrachtungen üb r das W. 
gebören der Kosmologie un Kosmogonie (f. dd) an. Darch Arfchauun 
willen wir weder von dem Wefen, noch von der uncrmeßlicdhen Bröße des W 
E.wao; ale VBorftelungen darüber beruben auf Analogie und Bernunfifchlüflen, 
wobet wır ven ter Betrachtung des Erdballs und dir miswerbunderen Planeten 
ausgeben und die Geſammtheit Terfelben in ıhrem Verbärtriffe zu der Eonne ale 
Eonneniyftem zur erſten Guufe machen, auf welcher das Wil gebiude mıt feinen 
immer und immer neu bervorquellenden F'riternen, bunten Sonnen, und jeye ein 
Sonnenſyſt m, zu unendlicher Höbe fidy empormölbt, vor welcher da, wo fie noch 
zu begreiſen tft, der menſchliche Verſtand zuſammenſchauert. Auch unt:r dieſen, 
nicht zu zählendin, nicht zu meſſenden Sonneniyſtemen findet, — jo ſchließen wir 
nad) der E.fahrung — eine g.wiffe Ordnung, eine gegenieitige B-ztebung u. Eins 
wirfung ſtatt, fo daß fie zufummen ein woblgeordnetes Ganzes, das Weliſyſt em, 
ausmachen. (Diejenige unter allen bieber gehörigen Hypotheien, welde den 
grußen Brad von Wahrſcheinlichkeit für fi hat, iſt das, nah Eopernifus 
(1. ».) fo. gerannıe, Eopernifantiche Welrfyftem.) In diefem unermeblichen 
Raume aber beirfiht ewige Bermeaung. eine Ruhe, eın Stilſtand in den miüllionens 
fachen Umtreifungen aller Himmelslörper und dennody ewige, unverrückte Ord⸗ 
nung und dad mächtige Bund, das dieſe ewige Unveränveruchkeit erbä.t, ift die 
allgemeine Schwere; fie umzicht rad W. wie eine Keite und verbinket es zu 
einem Ganzen. Alle Epekulationen über die Entſtehung und die möglichen 
Schickſue des W.s in der Zukunft find müßig; denn mit ihnen überfchreiset der 
menjhliche Lein die angewieſenen Bahnen und ergibt ſich dem trüglichen Epkile 

hantafte, 

Weltare, nennt man eine Linie, welche man ſich durch den Mittelpunkt ber 
Erdkugel und von da durch daß ganze Weltgebäude denkt, um welde ſich das⸗ 
feibe berumzudrehen ſcheint. Die beiden Aufeifien, unbıweglichen Punlte ‚nennt 
man die Weltpole, oder auch die Weltangeln. 

Weltbürgerfinn, f. Kosmopolitismus, 2 

Weltgeiftlihe oder Weltprieher (clerici sarcnlares), and Laiens 
priefter, £eutpriefter, beißen, im Begenfuge zu den Drreneg-ifllichen (clerlci 
regulares), diejenigen Geiſtlichen in der katholiſchen Kirche, weiche keinem geiſt⸗ 
ken Diden angel,dsen. Ä re 5 


. ——n 


Zn ic pe 


andef, Ai d en ui 
welchen die ee * na nen — 
ft 





an we felbft Bd aeg ® * e it und dm —— 
ae ‚er men! ER ed om der Bor 
Hide pr Prod wi “ an a ber a den Kan m, während ihm 


Wünft a wieder abgeht und d find fhon in ben 
Sr — Seife ac a — Bea 
te Bei e 0 war rt 
el und der — Abſad —— die Beſtt 
die ettwaige Gonchrrenz zu imm 

Ei antreiben, "Jedes Land muß nämli — 
haben und, indem fo das eine dem andern fog! — 
— dies wieder durch Verarbeitung derfelben pehnten Beh. 
un; gleeis u verſchaffen, fo daß eben in dem beſtaͤ 
5 ' ver Betriebfamfeit erregt umd genährt af er Beliate 

wird, während der Binnenhandel den —— Ka nur ver. 


— here aber nicht geeignet ie u 8* — 
eſem — verleiht. 
nit de — ——— * 
Fe — auf Attitel verweiſen an 
das Nötbige bereits ee 
- Weltmeer, f. Meer. 


J ptem, f. Weltall. 
‚ Weltunfege fang d. b. Erbumfegelüittg. Die erſte W. fand din Anfang 
des 16. — — fatt, indem Magelhaens (f.'d.), um einen weſtlichen 
Weg nach den Moluffen zu ſuchen, am 20. September 1519 von Spanien auf 
fm die See ging und am 27. November 1520 die nach ihm benannte Meer 
paffirte und in den ftillen Dcean einlief. Magelhaens wurde zwar auf der — 
Matan am 26. April 1521 erſchlagen, eines feiner Schiffe aber, Bittorka, ge 
führt von Sebafttän del ano, langte am 6. September 1522 in Epanim 
glüdiich an und hatte fo bie fängfte Nele jemacht, dieyje flattgefunden. Die 
Weite W. trat 1577 der Engländer Francis Drake (f. d.) an. — Die dritte 
M. unternahm 1586 der Engländer Thomas Cavenpifh (f. d.) und vollendete 
fie in zwei Jahren zwei Monaten, alfo in Fürzerer Bell als feine Vergänger. 
1593 — 1596 umfchiffte ver Engländer Richar d ind die Eme. 1598 
unternahm der erfte Niederländer, Dltvter van Noort, eine Reife um vie 
Erde. — Die, auf diefen Reifen gemachten, Entdefungen waren verhältni all 
dem Aufwande an Kräften nicht enefprechend, was davon herrührt, daß di 
umſegler meift elnerlei Strich über den Auftraloccan hielten und in den = 
den, welche Muth‘ und‘ Beharrlichkeit erforderten, gemetniglich in elenden 
Mönden ankamen. — Wichtiger waren die Entdedungen, welche im 17. Yahr: 
hunderte durch zwölf W. Bezbeineführt wurden; am tfchrigften find davon die drei 
Reifen von William Dampier (f.d.), nach deſſen Angaben ſich die fpäteren 
Netjenden richteten. — Im 48." Jahrhunderte wurden mehr als 20 W. gemadı 
und zwar die erfte, auf welcher nicht blos Faufmännifches ——— auch 
wiſſenſchaftliche Zwecle verfolgt wurden, von dem Engländer John’ Byron 
d. d.) 1764— 1766. — Den 15. Dezember 1766 unternahm ber — 
eine W, Louis Antoine de Bougainville (f.d.) und kehrte den 
1769 zurüc, Sehr wichtig waren in diefem Jahrhundert die W. von Anfon 
(fd), Lapeyroufe (j.d.), die dret von Eoof (f. d.) unternommenen und die 
von Vancouver (fd). — Im 19. Jahrhundert —5 — die re 
nicht mehr zu den großen Weltereignifien, da far fein Jahr mehr vergeht, daß 


Meltweispeit — Wenden. 185 


nicht die Schiffe aller Nationen im großen Dcean fich kreuzen, was jebt, nach der 
Entdeckung des Goldreichthums von Galifornten, nur noch mehr zunehmen wird, 
Die erfte W. mit einem öfterreichifchen Schiffe unternahm Nicolas Baudin 
(f. d.). Der erfte ruſſiſche Erdumſegler war Krufenftern cf. d.), 1803—1806. 
3 den wichtigeren W.en im gegenwärtigen Jahrhundert gehören noch die zwei von 
oßebue (f. d.), eine von Freycinet (ſ. d.) und drei von Dumont d'Ur⸗ 
ville (f. d.). An diefe wiſſenſchaftlichen und von Staatsichiffen vollführten. 
Erdumfegelungen reihen fich die von Schiffen, welche Brivatperfonen gehören, 
meift wegen Handelöiweden unternommenen, Reifen um bie Welt an, unter denen 
fih vier preußtfche W.en auszeichnen: die Reife de8 Mentor unter Harmien 
1822 — 1824 ; Retfe der Prinzeß Loulfe unter demſelben 1825— 1829; Reife 
defielben Schiffes unter dt 1830 — 1832 und nochmald unter demfelben 
Zührer 1832 — 1834. E. Buchner. 

Weltweisheit (Sapientia saecularis) nannten die Theologen im Mittelalter, 
namentlich feit Papft Gregor dem Großen, im Gegenfage zu der auf bie Offen⸗ 
barung, gegründeten, pofltiven Theologie, die Philojophie. 

eudefreife (Tropici) find die beiden Tagelreife, welche die Sonne am 
längften und fürzeften Tage (im Jahr) um die Erde beichreibt, alfo die beiden 
Kreife um die Himmelöfugel, welche von den So lRitialpunften (f. d.) bes 
fchrieben werden. Auf der Erdkugel denkt man fih W. in einer Diſtanz von 
23° 27° von dem Yequator nord⸗ und ſüdwärts gezogen und fle fchließen folglich 
die heiße Zone ein. . 

Wendeltreppe, 1) eine foldye Treppe, deren Wangen entweder um eine 
Säule, oder nach einer Schraubenlinie, bisweilen auch in einem Bier» ober 
Sechsecke fortgehen. Spindeltreppe heißt eine W., welche in der Mitte eine 
Spindel, d. b. eine runde, viers oder ſechseckige Säule hat; Aa ER das 
gegen die W., bei der die Spindel eine gewundene Wange formirt. Es gibt 
auh Dvals und Schnedentreppen. Die W. haben nur den einzigen Bors 
theil, unter allen Treppenarten den geringftien Raum einzunehmen, fo daß fie alfo 
nur da, wo nicht viel Raum vorhanden, angelegt werden. Dagegen lafien fie 
fih nur unbequem befteigen, nicht gut erleuchten, bringen vie auf ihnen herab» 
ſteigenden Perſonen leicht in Gefahr, zu fallen und gewähren einen nur fehr 
ſchwierigen Trandport von Meubeln u. f. w. Allen diefen Fehlern ſucht Palla⸗ 
dius dadurd) abyubeifen, daß er der W. einen Durchmeſſer gibt, von weldyem 
ein Drittel der Spindelraum, zwei Drittel beide Stufen an den Seiten erhalten; 
die W. ſelbſt aber ohne Spindel, d. h. alfo mit hohler Rundung conſtruirt. In 
neuefter Zeit macht man befanntlich eiferne W.n von großer Gegen. — 2) W., 
Gattung der Kammliemenfchneden, gebilvet aus Arten der Gattung Monds 
fchnede, Fenntlih an dem ſpitz auslaufenden Gewinde und an einer, durch die 
legte Windung volftändig gebildeten, runden Mündung, die mit einem (bei alten 
Thieren ftufenförmigen) Wulfte umgeben if. Arten: ädhte IB. (S. pretiose, 
S. vera, Turbo scalaris); die Windungen berühren fich nicht und find nur durch 
die Wulfte verbunden, fo, daß man zwifchen ihnen durchſehen kann; weiß (oder 
blaß braungelb), geſucht und zumal bei der Größe von 2 3. theuer, von den 
oftindifchen und den Küften der Berberei; unächte W. (S. communis, Turbo 
clathrus) mit fich berührenden Windungen gemein, u. a. m. Bon einigen W.n 
fommen Berfleinerungen vor. " | 

Menden, der Rame derjenigen flawifchen Stämme, welche fidy in Deutſch⸗ 
land niedergelafien haten, von Tacitus Venedi genannt. Ein Theil davon 
trennte fi), nahm Polen, Schleſien, Böhmen, die Lauſitz ein, breitete ſich theil® 
nad Pommern, Preußen, Litthauen ıc. hinaus, theils auch nach dem füplichen 
Deutfchland bis an die Gränzen Staltend. Jedoch beftanden fie damals aus 
fehr vielen, theils größeren, theils kleineren Völkerichaften. Bon den W. im 
nördlichen Deutſchland gab es beſonders zwei Hauptſtämme, nämlich die Wilgen 
und Obotriten. Rad 


vielen Unruhen, bie fie auch den hin Sauer 


io ET n 


vtrut fachten, ſtiſtete Gotiſchalt 1047 das wendiſche Reich, aus 18 Tre 
virzen beftehend, nun unter ben fächfiichen ae und ven Röntgen 
ftand. Er vertiigee das Heldenthum, zog fi aber bi ) Umzufrieden! 
und meuchelmörderifchen Top (106 Hr Ein allgemeiner Aufftand aller 
yendijchen Nitlonen drobıe zwar eine — Wiedereinführung des Heiden 
thun ne allein Gouſchall's Sohn, Hinrich, ſtellte 1105 jenes chriſtliche Reich 
wieder her und auch die dalichen WB. unterwarfen ſich mum bald. Nach mehren 
Empdrungen ber wend ſchen Erimme gab der deutfche Kuifer Lothar IE das 
wend ſche Königreich 1126 dem Herzoge von Schleowig, rn Lehen, der 
aber (A131) von dem däntihen Prinzen Magnus, auch biefer 1134 m 
mordet wurde. Das wentifche Reich ser t im e Staaten und af 
den Trümmern des wendifdhebenillifchen, oder welsifhen Miches errichtete mehre 
deutſche Reiche fürſten neue Etratınz fo legte aud der nordjä e Markgraf 
Arbrecht der Bär durch feine Eroberungen in den wendiſchen Landen den eriten 
Grund zur Mast des brandenburgifchen Hıufes. Der nördlide, oder obotrinſche 
Theil unter wendlichen Beberrfhern, von Deutſchland und ſachſiſchen Hurjogen 
abhängig, wurde von Heinrich dem Loͤwen, der e8 befiegte, unter feine Rrugt 
männer vertheilt, durch Deurfhe und Flandeter bevölfert, auch von ihm di 
Geafſchaft Schwerin errichtet; jedoch wurde nach Heintich's Fall ein Theil de 
w ndiſchen Bundes nachher von der fächftihen Hobelt befreit, In ver Bo 
fam ver größte Theil an Dänemark, Die heutigen W., welche bauprfädylic 
der Laufig wohnen und dann auch den nördlichen Theil von Pommern, zwildhen 
der Dfttee umd Weftpreußen, inne babım, haben noch Vieles won ihr-T Horigen 
Lebensart, Sprache, Trast ıc. übrig behalten, woduſch fie fi Yan Ahren 
deurfchen Nad baren gar [hr unterfchriten. Die aften W. waren ein großes, 
neiviptis Volk, führen kin Nomavdentchen, fondern fie bauten ſich Häufer, nad 
umd nad Döifer und Flecken, Katten nidt bloße Thterfelle, ſondern leinene und 
mollene Zeuge zu Kleidern; fie tricten Aderbau u. Vichzucht und maren aud in 
ihrem Charalter nicht wild. Gaftfreundfarafı übten fie in hohem Grade aus. Sie 
verehrten viele Götter, den Bilbog, Woran, Emanterit c. Ihre Priefter hießen 
Pupen, Pepın uf. w. — Ein anderer Eramım der W., richtiger aber Winden 
genannt, wohnte in Etiyermark, Kärnihen u. Krain u. ſcheint ein Gemiſch aus 
mehren ſlaviſchen VÖ kerſchaften zu feyn. 

Wendt, Jobann Amadeus, !Profiffor der Aeſthetik und Geſchichte der 
Philoſephie im Göttingen, geboren den 2%. Siptember. 3783 zu Leipzig von 
dürftigen Eltern, befuchte die dortige Thomae ſchule und empfing von Roft und 
Reid inbach philologiiche Budung, ſewie⸗ vun dem Mififpneltor des Sewand⸗ 
— unentgelvlicgen Unter icht in der praltiichen und theoreuſchen 

uff, 1601 wählte er zu feinem Fufu'täreftusium die Theolog’e; allein die 
erften Verfiche auf der Karzel fielen dicht gut aus. Die Vorlefungen dis 
P ychologen Carus Außerten größere Anziehungetrafi, fo daß er der Whirofephie 
und befonder8 der Kunftwifi.nichait fi) vıraugemeiie zu widmen enıfchloß, wozn 
der Aufenthalt in Dresren im Winter 1606 Bieleb beinug. Als Hauelebret 
in einer ade igen damilie begleuere er feinen Zogling auf die Uatverfirät und 
tepetirte met dieſem fogar Faͤcher der Rıchismifumdaft. 1807 verlieh er dire 
abzängige Etellung, betrat 1808 die akademiſ de Laufdibn u, ward 1811 außer 
ordeniliã er Brofeflor der Philofephie. 1816 zum ordentlichen Mrofeflor erhoben, 
wurde W. zugleich Redakteur des Leipziger Kunſtblattes 1817—18, ves Taſchen ⸗ 
huches zum gefelligen Vergnügen und ließ mehre Auffige in das Morgenbian, 
Zeitung für elegante Welt, in die Leipziger und Berliner mufifatiichen Zerrungen 
inrüden. Mit dem Tore Boutermid’s übertam er 1829 das fpezi Me‘ Lehrfach 
der Aefihetit und Geſchichte der Philoſophie. Die Zubl feiner Zuhörr tat 
jedoch unbercusnd, ınrem fein Eprachergan ſchwach wur und die allzu fichtbate 
Unftrngung bei fithem Bortrage eiwas Peinliches an fi trug. In ren Irgıen 

ern ‚feine® Lebens befhäftigte er ch mit Ausarbıtung einer allgemeinen 


Senrich — Wenzel. 767 


Aeſthetik, die aber unnollendet geblichen if u. deren Herausgabe kaum zu hoffen 
ficht. Er farb an Neivenläbmung den 15. Dfiober 1836. Rächſt feinen afas 
demiſchen Programmen erfchieren von ihm: „Giundzüge der philoſophiſchen Rechts⸗ 
lehre,“ 1811. Gegen feine Anſichten über die Pyıhazorärfhe Philoſophie trat 
Reinhold in Jena auf unter dım Titel: Beiträge zur Grläuterung der Pythago⸗ 
räften Metaphyfik, 1827. Rofiini’d Lıben und Arbeiten, Leipzig 1824. Ueber 
Zwed, Miıtel, Gegenwart und Zufunft der Maureret, Leinzig 1583. Das bes 
liebte Lehrbuch der Geſchichte der Bhilofopbie, gab er neu heraus u. es wurden 
davon mehre Auflag n nothwendig. Ueber die Hauptperiiden der fdyönen Kunfk, 
oder die Kunft, ım Baufe der Weligeſchichte Dargeftellı, Leipzig 1831, wovon audy 
eine ſchwediſche Leberfegung gemadyt wurde. Neuer deutſcher Muſen⸗Almanach, 
von ihm fo tgeſetzt. Die Religion an ſich und ın ibrem Verhältniſſe zur Wiff.ns 
IN 1*13. Endlich „über den gegenwärtigen Zuſtand der Muſik, beſonders 
n Deutfchland, Börtingen 1836. Co. 
Wenrih, Johann Beorg, Profeſſor der biblifchen Literatur an ver k. k. 
proteftundisch stheolog'fchen Lehranftalt zu Wien und wukliches Mitzlied der k. k. 
Akademie der Wifienfchaften daſeibſt, wurde den 13. Dit. 1757 zu Echäßburg 
in Eicbentürg.n geboren, wo fein Barer, Georg W., Etrucreinnebmer war. Daß 
Gymnaſium chfolvirte er in feiner Vaterſtadt und bezog 1805 das protecftantifche 
Lyceum zu Hermannſtadt, wo er ſich auf die philoiophifchen und ıheologifchen 
Wiſſenſchaften verlegte. 1807 tefam er die Lehrerftelle der lateinifchen E prache 
an demfelben Lyceum, begab ſich aber ſchen 1189 zur Foriſetzung feiner Studien 
nah Wien, wo er fi) unter Aryda's Leitung b.fonnerd dem Studium der ſem⸗ 
itiſchen Sptachen wirmete. 1812 erbtelt er ven Ruf gur Profeſſur der griech⸗ 
iſchen, hebräiſchen und römiſchen Liregatur an das Lyceum zu Hermannſtadt, 
wurde 1815 zum Conrektor ernannt und vertauſchte die philologiſche Lehrkanzel 
egen die der phirofophifchen und mathemailiſchen Weſſenſchaften. 1813 zum 
eftor des Lyceums ernannt, bielt er auch Vorlefunyen über die verſchiedenen 
Zweige der Theologie und politiiden Geſchichte. As 1821 die protiftantifche 
theologifche Bildungeanftals zu Wien gegründet wurde, erhielt W. die Profeffur 
der biblifchen Literatur und war der Eiſte, der in Wien Borlefungen über die 
Sanekritprache und ibre Piteratur hieit. Er ftarb plöglih am 15. Mar 1847. 
Seine Schriften zeichnen ſich beſonders durdy © ündlichfeit und philologiſche 
Zufe aus. De auctorum Graecorum versionibus et commentarıis Syriacis, 
Arabicis. Armeniacis Persicisque comment.stio, gr. 8, Leipy’g 1842 (mu te von 
der f. Societät der Wiſſenſchaften in Göningen mit dem Vreiſe gekrönt). — 
De poöseos Hebrricae atque Arabicne origin«, indule mutuoquo consensu alque 
discrimine commentalio, ar. 8., Lepjtg 1843 (erhtelt von ver F. Socretät der 
Inſchrifien und fitönen WB ffenfbatten ın Bari den Preis). — Rerum ab 
Arabibus in Italia insulisque adjacentibus, Sicilia maxime, Sard.nia atque 
Corsica gesiarum commenterii, gr. 8., Leipzig 1845 — Johann Wider, aı6 
Menſch, als Diener des Eta.ted und der Kirche, Wien 1831, 8. — Yatob 
Glatz, eine biographiſche Efigge, Wien 1834, 8. u. m. a., worunter beſonders 
feine, 1846 zu Wien ım Auftrage der Londoner Bibelgefellichaft gedruckte, behräs 
iſche Bibelausgabe noch zu nennen iſt. W. 
Wenzel, 1) W., Herzoa von Böhmen, Heiliger und Martyrer, 
war der Eofn des Herzoge Wraridlam, eined tapfern und tugenphaften 
Fürften und der Drahomira, einer noch Dem Heidenihume ergebenen, ſtolzen u, 
raufamen rau. Seine Großmutter väterlicher Seits, Ludmilla, wünfchte 
bn bei fidh zu haben, um ihn frünzeitig zu einem chriftlichen Lebenswandel zu 
büiven, was Wrandlam auch gerne geftuitete. Der junge W. entſprach den 
Bemübungen Ludmill.’6 un) feines Lehrers Paulus volkontmen u. bemhs ſchon 
von Ki.dheit an aufferortentliche Liebe zur Tugend. Seine wiſſenichafiliche Bildung 


erbielt er auf der Echule zu Burweid und war dabei immer funftmürhig, der 


Sinnlichkeit abgetödter und ſtets biiwaffnet gegen Ales, was Wir Reue 


43 





Bere boden gn nis — 
a 


— — 
—— Allem Zwiſte in ke re den 













unter die zwei Söhne — fo daß Boleslaw ar 
Si —— er ns aa — urde — 
fich auf di Ar Sohnes Aue ee 7 en in 
en m mit ‚Haffe gegen das Ehriftenihum auch 
im jrgelj und ihre Or. eingeflößt SE — von se 
igefepter Gefinn en, in genen Lehren, 
ie er ‚in J ii vd fü Kr er chriftlichen 
—35 ten it und 
:ligton tn in u grün Al er Ku ig m eine 
Pr Stüge in allen a Tori der € J. 
5 Wien fuchte unabläjftg, unterftüpt von ir ‚ Ran, 
me auszuführen, bie Me — tt uerft. wollte fe 
Ludmilfa aus. dem m räumen, beren Ruth I, J folgte, . Da biefe 
een — erhielt, bereitete R fich ruhig zum To Ste te ihre 
unter di und empfing, nachdem ‚fie ihre fel_ zur mu a 


— glon vermahnt hatte, die heil. Saktamente der 
des Fake a Yu, Drahomira abgefe)leften Au fanden fie im 
vor dem Altare in —— je inleend, wo fie er fte berfielen = 
K mit ihtem eigenen Sch! jürgten,., Mar Dun: Ar in el am 
16. September al& eine 2 dernahm nit. größter — dieſe 
a That und, wag feinen Schuen noch vermehrte, war ber Gi Fe Se 
rechen, das er beweinte, von feiner Mutter begangen, worben. &r | 
ine blos vor Gott fein mit Wehmuth erfülltes A. aus und flehte, deen 
Fügungen ven anbetend, beſtaͤndig um die Bekehrung verjenigen, der er, nebft ihm, 
das Leben zu verbänfen hatte. Radislaus, dürſt von Baurzim, einem Rads 
barlande von Böhmen fiel in die Staaten des ‚Prien mit einem mächtigen 
Kriegsheere. W., der den Frieden wünfchte, ließ ihm durch einen Abgeordneien 
fragen, was &n zu dieſem Schritte verleite und erbot fih, ihm, wenn er ihn 
beleidigt habe, Genugthuung zu leiften und ihn zu befrtedigen, wofern er Richie 
begehre, was feiner Religion oder dem — feiner Unterthanen zuwider ſei 
Radislaus gab dem Geſandten die übermüthige Antwort: da einzige Mittel, dm 
Km zu erhalten, fel, wenn er ihm Böhmen abtrete. MW. rüdte nun, zu den 
ffen geamungen, dem Feinde eni igoen. Als fih die zwei Heere gegemübers 
Randen, lie der Heilige, um das Blur einer Dienge Unſchuldiger zu verjchonen, 
dem feindlichen ginn anbieten, die Sache durch einen Zweikampf zu entfcheiden. 
Radislaus willigte in dad Anerbieten; die zwei Fürſten ſchritten im Angefichte 
Ährer Heere gnander entgegen, um unter ſich durch eigene Waffen den Streit & 
beendigen. Der Herz zeß von Böhmen, deſſen Waffenrüftung ſeht leicht war, bes 
gelpndte fi mit dem hl. Kreuze und ging muthvoli auf feinen Gegner 106. 
aber Radislaus ihn mit einem Wurffpt I zu durchbohren ee gewahrte et, 
nach der Gryähtung ber böhmifchen Seihictfäreiber zwei thn fchügende Gngel; 
worauf er feine Wuffen niederlegte, fih zu ven Füßen des hi. warf, um 
Verzeihung flehend und ihm überließ, die Ftieden bedingungen —— 
WS Kaifer Dito J. zu Worms einen Reichetag hielt, erſchien W. ul m weil 
er fi) unterwegs, um feine Andacht zu. befriedigen, aufgehalten hatte. 
Fürften Aufferten hierüber ihr Mißvergrügen; ver Katfer empfing ihn ek ir 
— hieß ihn neben ſich ſihen und verſprach, ihm Alles zu gewähren, mas 
—* jehren würde. Der Heilige verlangte indeſſen nichts Anderes, als einen Theil 
eltquien des Hl. Bitus und Hl. Sigismund, Königs von Burg 
Sinige Geſchichtſchreibet jagen, Di habe ihm die Königewürde ertheilt, mir 


— * — 


Ben, 365 


Borrecht, den Reichsadler auf feiner Fahne zu führen und habe fein Reichslehen 
von allen Abgaben befreit. Der fromme Herzog lehnte aber den Königstitel ab, 
der ibm jedoch von jener Zeit an in Dito’8 und der Reichefürften Schreiben 
immer beigelegt wurde. W. ließ ehrfurchtsvoll die Reliquien des bi. Bitus und 
des hl, Sigiömund in die Kirche zu Prag übertragen, die er daſelbſt erbaut 
hatte. Gr wollte auch, daß der Leib der hi. Ludmilla in eine Kirche derfelben 
Stadt yerfegt würde, die fein Vater hatte erbauen laffen u. die Namen des 
bi. Georg trug. Sein Eifer, den Unoronungen des Adels inhalt zu thun 
und die Unterdrüdten zu beichügen, hatte ihm manche Feinde zugerogen, die fich 
mit Drahomira umd Boledlaus gegen ihn verbanden. Man faßte fogar den 
abfcheulichen Plan, ihn aus dem Wege zu räumen und wußte das fchwarze Bors 
haben unter dem Scheine der Freundſchaft zu verhüllen. Als dem Boleslaus 
ein Sohn geboren worden, lud er und feine Mutter den Herzog ein, die Freude 
diefer glüdiichen Begebenbeit durch feine Gegenwart zu vermehren. W. begab 
ſich ohne das mindeſte Mibtrauen zu feiner Mutter und feinem Bruber, bie Ihn 
auch mit täufchenden Beweifen der Zuneigung empfingen. Das Fe war pracht« 
voll. In der folgenden Nacht ging W., nach feiner Gewohnheit, in die Kirche. 
Boleslaus folgte ihm auf-Mnfiften feiner Mutter dahin und als die von ihm 
beſtellten Meuchler über feinen Bruder berficlen, durchbohrte er venfelben mit 
feiner Lanze. Diefe fchredliche Freveltbat wurde den 28. September 936 verübt. 
Kaiſer Dito ließ ein Kıiegsheer nach Böhmen rüden, um den Tod des hi. W. 
zu rächen; der Krieg dauerte mehre Jahre. . Als Otto den Boledlaus überwunden 
hatte, begnügte er —* mit deſſen Unterwerfung und mit dem Verſprechen, die 
verbannten —* zurückzurufen, die chriſtliche Religion wieder aufbiühen zu 
laſſen und einen jährlichen Schoß zu zahlen. Drahomira endete, kurz nach der 
Ermordung ihres Sohnes, ihr Leben auf elende Weile. Die am Grabe des 
Heiligen gefchehenen Wunder festen Boleslaus in Schreden und er ließ deßhalb 
den Kid 2 Bruders in die St. Veitskirche zu Prag verſetzen, wo er noch 
in einem prachtvollen Sarge aufbewahrt wird. Jahrestag: 28. September. — 
2) W. IV., König von Böhmen und römifher König (als Kaiſer iR er nie 
gekrönt worden), Sohn u. Nachfolger Kaiferd Kart IV., geb. zu Nürnberg 1361, 
eftieg den deutichen Thron 1378 und ermwedte Aıfangd die größten Hoffnungen. 
Er ſchien in demielben Geiſte, wie fein Vater, fortregieren zu wollen; als ihn 
aber eine Peſt aus Böhmen nach Aachen vertrieb, ermachten fr ihm Stolz, 
Prachtliebe und Berfhwendungsiucht, die ihn bald allen Deutfchen verächtlich 
machten. Da.er die Juden gegen feine böhmifchen Unterthanen begünftigte, brady 
ein Aufruhr aus: man bemächtigte fich feiner und fchloß ihn 1394 in ein enges 
Gefaäͤngniß ein. In einem Anfalle von Wahnfinn ließ er den Beichwater feiner 
Gemahlin, Johann von Nepomuk (f. d.), in die Moldau werfen. Seine 
Grauſamkeit führte zu einem neuen Aufruhr und zur abermaligen Ginferferung 
in Prag. Nachdem er fid) durch Lift glüdlih aus dem Gefängniffe gerettet hatte 
und wieder zur Regierung pefommen war, fuhr er fort, aufedie alte Weife zu 
leben, bis endlid König Sigmund von Ungarn, fein Bruder, Boͤhmens fidy be 
mächtigte und ihn in einen Thurm zu Wien fegen ließ, aud dem er abermals 
entwiichte. Die deutſchen Reichafürften entieuten ihn 1400 feiner Würde, der 
er: jedoch. exft 1410 entſagte. Er regierte fofort noch in Böhmen auf die alte 
Weile und farb den 16. Auguſt 1419, ohne Kinder zn hinterlaflen. .. 
Wenzel, Karl, Arzt, geboren im April 1769 zu Mainz, wo fein Bater, 
Joſeph Franz B., Eufürftlicher Hofgerichtsraih und Profeffor der Medizin 
war, erhielt Privatunterricht, befuchte dann die Univerfität in Mainz, begann das 
Studium der. Menizsim 1786 und wurde dafelbR 1791 zum med. Dr. promovirt. 
Gemeinſchaftlich mit feinem ein Jahr Altern Bruder, Jofeph W., der den 
44. April 1808 ald Profefior an der mediziniſchen Edyule in Mainz flarb, ‚unters 
nahm W. nun eine wiflenichaftliche Reife durch Deutſchland, Oeſterreich, Obers 
falten und die Schweiz, von wo em erft 1703 .gurütteher, Ynkanga \n Mn 
Roolnepciopädin X, W 


Pi 


70 Berbng— Werdenfeld. & 
watt, 1798, aber ae Ant Se 
und Ebirurgie am die ac 
—— — —— — 
zum Stadt Tr 


1812 um rofefjor 
—— 


—E ai % 
* 
— ———— Na TE — mes im, Men 102 











bung, diejenige A 1 meld, 
——— ni I 3. Be Man —— 
ft eintriit — W. fand a rien St Ben, 
m um Ynfange rhunderte.. all 17, 
— ‚im. 18, Sahrkunderte Ki Ta ame onen ie ichen 
—2 — — Fe I —— m, —— han — 
ere e St dere. al tt 2 
die oft von den Regimeniern, oft von den Inſcektionen 
— Jedes. derſelben ſendete einen (Werbe 
— der. wieder Dffislere (We * tziere) und handfeſte 
erey und Cold zu ſeinen hatte. 


teroffigiere (Werbeunter 
Diefe Verfonen insgefammt. Berber.u. * Sratlonen Werbe —— 
84 edepot) genannt, erfelben hatte eine eigene -Werbecaffe, ans 

der die, bei der vorf den, geheimen "Ausgaben; die-Werbegelder w. 
beftritten wurden. Jedem ———— mar. eine heſondere Stadt 
Gerbeplah), der die werbungsfreien Orte, 'd, he bie mit der Wirrei- 
vn privilegirten Etädte, entgegengefegt waren, angemiefen, von wo aus fie 
'bre Manipulationen begannen. Ging es redlich zu, ſo erfolgte eine förmliche 
Eapitularion, d. h. ein eigener Vertrag, in welchem Handgeld und Dienftzeit 
ftreng beftimmt wurde und der dann von dem Capitulanten richtig ‚gebalten 
werden mußte; fehr oft wurde aber fen folder geſchloſſen, oder nicht gehalten. 
Diefe Werb pläge lagen meift im eigenen Gebiete; fehr oft hatten ater auch die 
größeren Staaten ſich bei Fleineren die Geftattung der W. in Ihrem Gebiete aus- 
gewirft und zahlten dafür eine Summe an den Yandesherri, oder 'masfitten dies 
durch Ernennung defjeiben zum General, Ertheilung * Regiments und. ſahr⸗ 
liche Zahlung der dem Inhaber beflimnte Gage. Auf folgen Werbeplägen 
wandten nım ‚die Werbeoffiziere, die (unerlaubteften Mittel und gröbften Täuſch⸗ 
ungen, ja, oft den, verbrecherifcheften Betrug An, um Unerfahrene in ihre Nege zu 
loden. — ‚Jehtvergängt fi nur noch dag —2 — ‚Heer auf dem Wege der Wa 
andere ‚Heere haben nur noch einzelne geworbene Regimenter (mie die Schweiger 
tegimenter in neapolitanifchen und päpftltchen, fonft auch in franzöftfchen, nieder⸗ 
ländifchen, ſpaniſchen und anderen Dienften, die franzöftiche Fremdenlegion u. a) 

m Dienft,» ergänzen auch ihre Reihen zum Theil durch wirktiche freiwillige ®, 
indem jegt_die Nenangeworbenen nicht mehr durch Li und Zwang zumDienfe 
vermocht Merben, 

Werbdenfeld, Ruine eines Echlofjes In Oberbayern, welches ders ehemaligen 
Grafjcyaft und dem jegigen Landgerichte W. den Namen gab, Liegt: im Loiſach⸗ 
thale, auf einem Vorberge Ndes ı ingjeftätifchen Kramer (6067 Fuß), eine, halbe 
Stunde vom; Markıfleden Gatmifch. Die Zeit der Eibauungtftind 5* 3 
der Name des erſten Beſihers. Im 13. Jahrhunderte haiten bie —— 
Grafen von Efchenlohinne- Berthold, dieſes EA 34 verkaufte. 1294 feine 
Graffchaften Mittenwaln, — Partentirchen 'nebt dem Schloſſe W. amı das Hoch⸗ 
Rift Ereifing, welches die angeführten + Vefigungen“ unter“ dem neuen. Namen 


Werder — Werkmeiſter. 771° 


„Grafſchaft W.* vereinigte. Nachdem felbe 500 Jahre unter dem Krummſtabe 
geflanden, ging fie durch den befannten Reichſsdeputations⸗Hauptabſchluß von 1803 
an die Krone Bayern über. Noch erwähnen wir, daß in den Kerfern des 
Schloſſe.s W. um das Jahr 1590 eine ganıe Schaar von Weibeperfonen ges 
fangen faß, beſchuldiget des Bundes mit dem Teufel und verdammlicher Zauberel, 
Ueber 50 diefer Unglücklichen licferte der von einer barbarifchen Geſetzgebung 
unterftügte Aberglaube jener Zeit an den Balgen oder auf den Scheiterbaufen. 
Diefen jchauderhaft großartigen Herenprogeß führte der Werdenfelſiſche Pfleger 
Kafpar Poißl von Agenzel, — Bol. „Tab Königreich Bayern in feinen aiters 
thümlichen, geſchichtlichen ıc. Schönteiten”, 45._u. 46. Heft. mD, 

Werder, eine niedrige, ducch Alluvion gebildete Inſel in einem See oder in 
einem F'uſſe. W. entfliehen oft durch ploͤtzliches Schmelzen des Eiſes in ven 
hochgelegenen Duellen. der Hlüffe und im Eommer, wenn fchwerer Regen piöhlich 
viele Erde in höheren Gegenden losreißt, indem ſich diefe Maſſe an die Stellen 
feßt, wo der Strom weniger reißend if. ine andere Entftchungsurfuche tft, 
wenn fich ein Fluß an einer Stelle in mehre Arme zu theilen anfängt, denn W. 
nennt man in ſolchem Falle das, zwifchen den Zlußarmen gelegene, von den vers 
fhiedenen Etrombeiten in der Regel nicht unter Wafler gefegte Land. Eie find 
in den Niederftiömen häufiger, als in den Oberftiömen und werden cft, wenn 
ein Flußbett allmälig durdy langfamen Fluß fich erhöbet, wiederum lanpfefl. 

Werff, Adrian van der, ein berühmter nieverländiicher Maler, geboren 
zu Kralingerambucht bei Rotierdam 1659, wurde, wegen frühzeitig fidy in ihm 
zeigenden Talentes zum Zeichnen, von feinem Buter zu Bornelius Picolet, einem 
Portraitmaler, von diefem aber in die Schule des berühmten Eglon van der Neer 

eihidt, bet welchem letztern er fo fchnelle Kortichritte machte, daß er ſchon in 

Finem 17. Jahre felbfiKändig aufırat und mit vielem Beifulle malıe. In Folge 
feiner Berheiratbung 1637 in Rotterdam erhielt er den Zutritt zu der fehr 
anfehnlichen Gemäldefammiung des VBürgermeifterd Eir, wo er durd Studien 
nach guten Muftern feinen Siyl auszubilden und zu veredeln Gelegenheit fund, 
Der damalige Kurfürft von rer Pfalz befuchte ven Maler in feiner Werkſtätte zu 
Rotterdam auf feiner Reife dur Holland und lud ihn ein, unter fehr günftigen 
Beringungen in feine Dirnfte zu treten; W. fchlug jedoch dieſes Anerbieten aus 
und madyte ſich nur verbindlich, mit einem Gehalte von A000 Gulden, des Jahres 
ſechs Monate für ihn zu arbeiten, die er fpäter auf neun Monate ausdehnte und 
dadurch feinen Gehalt bis auf 6000 Bulden erhöhte. Unterdeß kaufle ihm ver 
Kurfürft die meiftın der Gemälde, die er in den übrigen dıei Monuten fertiate, 
zu hohen Preiſen ab, machte ihm häufig fofbare Geſchenke und ırbob endlich 
feine und feiner Frau Familie in ven Adelſtand. Mehre Fürften befuchten ihn in 
feiner Werfflätte; der Regent von Franfreidy zahlte ihm für ein Urtheil des Paris 
5000 ®ulren un» ein Engländer für zehn Gemälde 33.009 Guiden. Er malte 
Bildniffe, Feine H'ſtorien, Geſellſchafioſtuͤcke, einzelne Figuren ıc. Man bemeikt 
in feinen Kemälden einen hoben Echmung, eine richtige Seichnung, viel Berftand 
in den Gewändern, ſowohl was die Fıltenordnung, ald den Ausdrud der Stoffe 
betrifft und eine fchöne Verbindung des Ganzen; allein das Fleiſch, weldyes er: 
malte, iſt nicht lebhaft genug, fällt etwas ind Gelbe und hut einen Schein, wie 
Elfenbein. — Auch mit der Baufunft befußte er fi) und entwarf den Riß ur 
Börfe in Rotterdam. Man ging von demfelben in einigen. Stüden ab und jeder 
Punkt, wo man feinen Riß verließ, fol ein Fehler fryn. 

Werkmeiſter, Benedikt Maria -Bernhard von, wärttembergifcher 
katholiſcher Oberkirchen- u. Echulrath, geboren den 22. Dftober 1745 zu Fuͤßen 
in Allgäu, erbielt den Elementar » Unterricht- in der lateiniſchen Sprache von 
dem Kantor in Schongau, fum 1764 als. Novi; In die Reichsabtei Neresheim 
u. bald darauf in das Klofter Benedikibeuern, wo er das philofophifche Studium 
begann. 1769 zum Prieſter geweiht, war er bis 4772 au Rod emeider und 


fi des deu: * his umd it te ef Heatien Def 
im 1 formen 
en — We: ud 
jaltenen, Predigten erfd J 
—— * von in N] ſchwerden S | aid Congeſtionen 


ent ben Kopf ein, fo 3 mr —— Kräftanftrengung fein 
Wbenigeramt Toreführen Eonnte, Eine Erholungsrelfe 1790 über r 
Gramhurt, Mainz, Karlsruhe und der Befuch tranter Freunde flärfte ein 
die —— Gefimdheit: und er ſchrieb damals den ünerricht über die Car 
kramenie feine Schüler in ver Karlsalademie (in der Ulmer Jahresſchrift 
mit Zufägen abgedrudt), allein es follte dieß feine legte“ ſeyn. Die Blut 
— n. Herflapfm 1 Daß er FOR In Beeren af gehkber wicht 

merzen u. 0 er oft gr wuide 
Der Tor —— Karl wirkte auch nachtheili, “feine amtliche her 
der Bruder und fölger des Verlebten, Lupo 9 "Heß ihn gar 
feine Abneigung w —— er erhielt 1334 feine Entlaffang mit 
der ae lon v 8 Eine beabſi htigte Audtenz wurde ae 
ſchlagen — nahm ſich Freih. Chriſtian H 38 m’ des Gekrän 
an und ließ ihm durch den Profeſſor Drüd eine jährliche enſton von 300 fl. 
anbietet, auf fo lange, bi er eine andere Berforgung erhalten Haben würde. 
Bon diefer großmürhigen Einladung "machte indeß MW. Teinen Gebrauch, indem 
er des Prälaten von Neresheim Erlaubniß, in feiner Abtei frei und unentgeldfich 
ftets einen Zufluchtsort zu haben, mit Dankbarkeit anmahm, Im Mat 1794 
langte er in diefem Aſhle an; die Mlofterbibliothek gab ihm reiche Geiſtesnahrung 
und die forgenfreie Muße wirkte auch Höchft wohlchätia auf Befferung feiner 
Gefundheit ein, Herzog Ludwig ließ es indeß bei dem Prälaten nicht an Bors 
würfen fehlen, daß er einen fo heterodoren Menfchen, wie W., fo begünftige; 
allein 1795 farb der Herzog Ludwig u. nad) einjährigem Aufenthalte in Neres- 
heim zog MW. wieder nach Stuttgart und erhielt von dem neuem Herzoge 
Friedtich fogar die frühere Hofpredigerftelle; jedoch zog er die, 1796 erleigte, 
Pfarrei Steinbach vor, worüber fein warmer Gönner von Palm das Patronat- 
Recht übte. 1807 ward er, mit Beibehaftung feiner Pfarrei, als geiftlicher Rath 
nad Stuttgart berufen, erhielt = das Ritterkreuz des Eivilverdienftorbeng, 
trat ald Mitglied‘ in das neue Cenfür- Collegium, 1816 in den Schul= und 
Kirchenrath für Fatholifche Angelegenheiten, 1817 in den Oberftudientath, mit 
dem Diden der württembergifchen Krone gefhmüdt. Seine Oppofltion gegen 
Moftif und ftarren Autoritätäglauben Lich ihm jedoch auch oft Die heilſamen 
Schranken überfchreiten und feine Angriffe auf das Gölibat, Unauflöstichfeit des 
Ehebandes, Titurgifche Anordnungen u. a,“ m. waren nicht" immer gerecht: 
fertigt. Et erreichte das hohe Greiſenalter von 78 Jahren u. ſtarb am 16. Juli 
1823. NAuffer vielen Programmen und Gelegenheit s Predigten: Gefangbud 
1784, 4. Auflage - 1797. yes zut Verbefferung ' der —— Liturgte, 
1789: Breimüthige Unterſuchun er die Unfehlbarfelt der Fatholifchen Kirche, 
1792. An die unbeſcheldenen Verehret der’ Heiligen; beſonders Mariä, 1801, 
Neues Gebethuch für ——— Ehriften, 1802. Vorſchlag wie in der deutfchen 
FatholifchenKtirche die Priefterebe altınälig einzuführen Hft,'4803. "Bemerkung, 
ob die Cheſcheldung nach Schrift und Geſchichte der älteſten Kirche erlaubt Hi 


Bermeland — Berner. 773 


oder nicht? 1806. Geſangbuch, 1807. Prebigten, 1815. Deutfches Ritual, 
1811. Viele Auffäge im Conſtanzer Archiv und in der Ulmer Jahresfchrift für 
Theologie und Kirchenrecht. Cm. 
Wermeland, eine Provinz Schwedens, an der Norbfeite des Wenerſees, 
im Dften von Rerife, im NRorboften von Dalekarlien und im Weſten von Ror- 
wegen begränzt. Das Klima ift, wie in ganı Mittelſchweden, kalt, raub, aber 
rein und gefund, der Aderbau nicht fehr lohnend. In den füblidhen Gegenden 
am Wenern gibt e8 zwar recht fruchtbare Striche, die hinreichend Korn erzielen, 
aber der ganze nördliche Theil der Provinz bat nichts als Waldung. Die 
auptfornfrüchte find Roggen und Hafer; der Wermelänver iſt in der Regel 
aferbrovefier. Im ber Umgegend von Carlſtad wird auch Tabak gebaut. 
ie Forſte find vorzüglidd mit Fichten, Kiefern und Birken, ſübwärts 
egen den Wenern auch mit Buchen befanden und ziemlidy reich an Wald. 
den Seen und Flüffen gibt es Fiſche in Menge. Die Viehzucht bes 
ſchäftiget ſich Hauptfächlih mit Rindvieh und Scharen. — Der Bergbau 
geht auf Eiſen, wovon jährli etwa 80,000 Schiffspfund gewonnen werden; 
außer dem Huͤttenbetriebe zeigt fich aber wenig Kunfifleiß. Die Ausfuhr befteht 
in Eifen, Schiefer, Maftbäumen, Balken, Breiten. — Die Wermeländer 
(150,000) find genügfame, gutmüthige und frohfinnige Leute; unter ihnen leben 
in einigen Kirchſpielen Finnen als Koloniften. —* der Provinz iſt 
Carlſtad am Wenerſee. Zu Chriſtinehamn findet im März einer der 
rößten Märkte Schwedens fatt; bier werden in Eifen hoͤchſt bedeutende Ge⸗ 
Ühäfte gemacht. Der berühmtefte Marktplat in W. aber it Ombergsheden, 
wo im September eine vielbeſuchte Mefle gehalten wird, — E. PB. Haliftröm: 
Svea Rikes Staatskunskap. mD. 
Wermuth (Art hemisia abeynthium L.), eine Pflanze aus der Ordnung der Syn⸗ 
genefiften, die im größten Theile Europa's einheimiſch tft u. auch angebaut wird. Das 
mit einem Rlbergrauen Filz übergogene Kraut, fowie die zahlreichen, in Traubens 
form geordneten Blumenkoͤpfchen, mit eingefchlofienen gelben Blümchen, riedyen widrig, 
ewürzhaft und ſchmecken höchſt bitter. Die Bitterfeit hängt weniger von einem 
berifchen Dele, als von einem eigentbümlichen Bitterfoffe ab, deflen Ratur 
barzartig zu fen fheint. Ein Theil des abgefonderten Bitterſtoffes theilt 
60,000 'Geilen affers eine noch bemerkbare Bitterfeit mit. Thiere, die das 
Kraut freffen, geben fehr bittere Mitch und befommen ein bittered Fleiſch. Man 
wendet den mit IB. verfegten Branntwein bei Magenfrämpfen ald Hausarznet 
an, die aber zumellen nody Kopfweh dazu madt. Kindern reibt man mit Del, 
das damit gekocht worben, den Bauch ein, um die Würmer zu vertreiben, was im 
gemeinen Leben öftere Anwendung, als es wirklich gefchieht, finden fünnte. Man 
muß nur nicht mit foldyen Mitteln warten, bis eine andere binzugefommene 
Krankheit den Gebrauch verfeiben unnü macht, oder gar verbietet. — W.⸗Li⸗ 
queur wird bereitet, indem man 2 Loih getrodnetes, oder eine Hand vol frifches 
W. Kraut, ein Lorch Zimmt und 4 Loth Musfatenblüche mit 5 Quart Franz⸗ 
branntwein und 3 Quart Wafler übergießt, das Gemiſche einige Wochen lange 
bigeriten läßt, daſſelbe ſodann abgießt, ven Rückſtand ausdrückt und den Liqucur 
mit Zuder verfüßt und filtrirt. NN. 
Werner, 1) Abraham Gottlob, berühmter Mineralog, geb. den 25. Sept. 
1750 zu Wehrau in der Dberlaufig, Sohn des Inſpektors der dortigen gräflidy 
Solmo'ſchen Eifenhüttenwerke, aus’ einer, ſeit faft drei Jahrhunderten mit dem 
praftifchen Eifenbüttenwefen befhäftigten Familie, fam 1759 in die Watjenhaus- 
Schule zu Bunzlau und wurde 1764, als er diefe verließ, zum Hüttenfchreiber 
ernannt und feinem Bater in Wehrau als Gehilfe beigegeben, mit der Beſtimm⸗ 
ung, defielben Nachfolger zu werden. 1768 mußte W., feiner (amägtihen Ge⸗ 
fundheit wegen, nach Karlsbad, auf welcher Reiſe er durch Freiberg kam u. hier 
aufs —28 — für dao Bergbauweſen eingenommen wurde. 1769 tum & si 


“n 


En. 


77a Weruner · 


die Bergalademie in Freiberg; 1771 begab er fich auf die Univerſfität Leivtig, 
um fich dem Stuüdlum der Naturmi und ber Rechtöfunde zu —— 
Roch vor feinem Abgange von der Liniverfttät, 1774, verdffenilichte er feine „Ab: 
handlung über pie Äußeren Kennzeichen ver Koffllien“, weiche fi Studien die 
weltete beftim un 1775 wurde er als Inſpeltor und Lehrer der 
- Mineralogie und. Bergbaufunft an die Bergakademie in Freiberg berufen ; 1792 
zum N und Mitglied des Dberbergamts in Wreiberg ernannt, 
1799 aber zum Bergrath. Gr farb den 30. Junt 1817° gu Dresden, wohin er 
ſich feiner Krankheit wegen begeben hatte: — MW. ift wegen feiner Berbienfte um 
die Glaffifitatton der Mineralien als ver Ecjöpfer der wiffenfchaftlichen Miner: 
alogie zu erachten z. durch feine Bemühungen md Forſchungen wurde aber auch 
die Geognofte zur felbftftändigen Wiſſenſchaſt. Er hat mehr durch das lebendige 
Wort, als durch Echriften für'die Ausbildung der Mineralogtegemirft, Sein 
zahlreichen Schüler, die eine eigene Schule bilden, find in der genen Welt jr, 

eut und haben allenthalben W.s Lehre verbreitet. ‘Große Verpienfte erward 

ich W. auch um die Bergakademie in Freiberg, die zunächſt durch ihm ihren 
mwohlverbtenten Ruf erlangre und die Hochſchule für vie wiſſenſchaftlich gebildeien 
Bergbauer aller Länder wurde. — Wi fchrieb, auffer eintgen Abhandlungen in 
verſchiedenen Zeitſchruten? ¶ Kurze Elaffififution und Beichreibung ber Gebirge; 
arıen”, Dresden 1787. —. „Neue Theorie über die Eutſtehung der Gänge”, 
Freiberg 1791. — „Verzeihniß, des Meineraliencibinets des Berghauptmanns 
Pabſt von Ohain“, 2 Bde, Freib. 1791—92.— WE ausgezeichnete Samm⸗ 
lungen verbiteben der Bergafademte in Wreiberg. Ihm zu Ehren nennt ſich die 
in Edindurgh geftiftete Gefellfhaft „Werneriun natural history society“ ee 
Ws Bruftbild tm Siegel. — ©. Brifh: „Pebenebefpreibung A. ©. Ws“, 
Leipiig 185. — gar 3. €, „Dentichrift) zur Erinnerung an die Verbienfe 
W.H“, Dresveneu, Lelpzig 1848, BE. Büchner. — 9) W., Zacharias Fried 
ri Ludwig, eine merkwürdige Erfhernung neuerer Zeit, geboren den 18. Nor. 
1768 zu Königsberg, wo fein Water Univerfitätsprofeffor war, aber leiver fchon 
ftarb, als ver junge MW. erft 13 Jahre alt war, 1784 begann er feine jurif- 
tfchen und Fameralifttichen Studien in Königsberg, hörte auch die Vorlefungen 
Kanrs umd huldigte allen Genüffen, welche ein wildbewegtes Studentenleben ju 
bieten pflegt. 1793 wurde er Sekretär bei der Domatnenfammer zu PBetrifan, 
bald darauf erhielt er ein gleiches Amt zu Warfchau, welch legterer Drt für den 
Iebensfrohen W. ein fehr angenehmer Aufenchalt war. Hier ſchloß er, nachdem 
zwei vorausgegangene Ehebündniffe ‚aufgelößt worden waren, eine britte Ber: 
bindung mit einer jungen Polin, die ebenſowenig deutſch verftand, als er pol: 
niſch. — 1801 —4 lebte er in feinet Baterftadt Königsberg, wohin ihn die an 
dauernde Kränklichkeit feiner Mutter rief, deren Todestag (24. Februar 1804) 
durd eine gleichnamige dramatiſche Dichiung Wes berühmt geworden if. Ju 
Srühlinge 1804 Fehrte er mit feiner Gattin auf feinen Poften nad Warſchau 
zurüd und lebte nun in näherem Umgänge mit dem genialen E. T. Hoffmann, 
bis er 1805 eine Anftellung in Berlin ais geheimer erpeditenver Sekretär erhielt. 
— Hier erfolgte die Trennung von feiner dritten Ftau, woran W.s wilde Gr 
nußſucht meift Schuld gewefen feyn mag. Nun lebte er meift auf Reifen, ging 
von Berlin über Prag nad) Wien und München, wo er Jacobi und Echelling 
fennen lernte, reiste dann Uüer Frantfurt nah Köln und von hier nady Gotha 
in die Nähe eines bodgebiibsten Fürften. 1807 fah er in Jena Böthe u. kehrte 
nach dreimonatlichem Aufenthalte in Weimar 1808 nach Berlin zurüd. Die 
damalige Branzofenberrfchaft mißfiel unferem Dichter und er begann ſein Reife 
leben wieder, zunächft nach der Schweiz ſich wendend. . Hier machte er bei einem 
Volksfeſte zu Interiacken die Bekanntſchaft der geiftreichen rau von Stasl, hielt 
fi) rannein Paris und Weimar auf, erlangte von dem hochheriigen Gönner 
der W fienfchaften u. Künfte, Karl von Dalberg, Großberzog von Frankfurt, die 
Zufigerung einer Penſion u. von dem Grofhernge Tuvwig von Sehen Darmfubt 


Wernigerode. 75 


den Hofrathetitel. — Auf einer Reiſe nach Italien verweilte er 14 Monate in 
Eoppet, dem reizend gelegenen Landgute der Frau von Stasl, das zu jener ‚Zeit 
auh A. W. von Schlegel's Aufenthalt war. Im November 1809 ging er über 
Zurin u. Florenz nah Rom und trat bier den 19. April 1811 zur katholifchen 
Kirche über, deren Priefterfiande anzugehören nun W.s Wunſch war. Mit 
Vebereinfimmung des Fürften Primas, K. von Dalberg, trat er 1814 in daß 
Seminarium zu Wichaffenburg ein, wurde bald nachher zum ‘Priefter geweiht u. 
legte im Auguft dieſes Jahres, während der Congreß zu Wien verfammelt war, 
in der Haıuptfiadt der üöflerreichifchen Monarchie Proben feines eminenten get 
lichen Rednertalentes ab. 1816 — 17 lebte er bei dem: Grafen Eholonievatti in 
Podolien, wurde auf deflen Verwendung Ehren Domberr von Kamintec und ers 
bielt durch die Freigebigkeit des Großherzogs Earl Auguſt von Weimar die 
Penſton, weldye er früher von Dalberg genofien hatte. 1821 trat W. zu Wien 
in den neu auflebenden Revemptoriftmorden, verließ aber auch bald wieder dieſe 
religtöfe Senofjenfchaft u. war nun einer der beliebteften u. eifrigften Kanzelredner 
Wiens. Er flarb dort, an den Kolgen feines Eeeleneifers, den 18. Januar 1823 
und wurde zu Enzersdorf am Gebirge beerdigt. Selten hatte wohl die Ratur 
o viel Talent in einem Manne vereinigt, wie bei W.; eine überfchwenglidhe 
bantafte, die nur zu leicht die übrigen Geelenträfte beherrichte, reiches, 
dichteriſches Gemüth, das fich bis zur hoͤchſten Begeifterung erheben konnte, aber 
audy häufig genug nad) dem Dunkeln und Myſtiſchen haſchte und ein Redner; 
Talent, weidyes, an die begeifterten Glaubensboten der Vorzeit mahnend, mehr 
zum Gemüthe, ald zum Verſtande fprach, zeichneten jenen Mann in feltenfter 
Weife aus, Mit den größten der Zeitgenofien verkehrte er, fland in den Reihen 
der Jünger der romantifhen Schule und eröffnete die Schidfaldtragädien, worin 
Houwald und Müllner ibm nadhfolgten. Diefer vielfeitige geiſtige Verkehr hat 
den größten Einfluß auf W. gehabt und wir möchten ihn nicht ganz von dem 
Vorwurfe freifprehen, den man den Romantifern gemacht hat, „daß fie ben 
Katholizismus wohl bekannten, aber nicht erfannten.” Das Schwankende in 
feinem Gharafter, das Suchen nady nicht auffinnbarem Idealen, iſt bei W. aud) 
nach feinem Webertritte zum Katholicismus geblieben, darum vermiflen wir an 
ihm jene gänzlihe Demuͤthigung und Selbfiverläugnung, wie fie an den berebten 
Sendboten des chriftlichen Mittelalter fo herrlich bervortritt. Immerhin aber 
bleibt W. eine großartige (Ericheinung auf dem Gebiete deutſcher Poefie und 
deutfher Kanzelberedtſamieit und einer jener wenigen Männer, weldye aus einer 
Zett des glatteften und wüchternften Rationalismus fich gerettet und einer chrift- 
lichen Welts und Lebendanfchauung zugewendet hatten. W.s Schriften find: 
Gedichte, Koͤnigsb. 1789; Die Söhne des Thals; dramatifches Gedicht, Berlin 
1803; Das Kreuz an der Oftfee, Trauerfpiel, Berlin 1806; Martin Luther, 
oder die Weihe der Kraft, Tragödie, Berlin 1807; Attila, König der Hunnen, 
Tragödie, Berlin 18085 Wanda, Königin der Earmaten, Tragödie, Tübingen 
18105 Klagen um Loulfe von Preußen, Rom 18105 Kunigunde die Heilige, 
Schauſpiel, Lpzg. 1815; Der 24. Februar, Trauerfpiel, Leipzig 1815, 2. Ausg. 
1819; Die Mutter der Maklabäer, Tragöpdte, Wien 1820. (S. W.6 lehte Le⸗ 
benstage, Wien 1523). C. Pfaff. 
ernigerode, Grafſchaft (5 [J Meilm mit 18,000 Einwohnern) in der 
preußiichen Provinz Sachſen, welche al8 GStandeöherrfhaft den Grafen hpn 
Stolberg- Wernigerode gehört und jetzt einen Kreis des Regierungsbezirfed Mogte- 
burg bildet. Die gleichnamige Hauptftadt liegt an ber Solgemme und am Zülls 
chenbache, in einer fdhönen Bucht des Harzed, weldye an den nördlichen Fuß des 
Broden (f. d.) ſich fehmiegt, und beftebt aus der Altfiadt, der Neuſtadt u. 
der Borfladt Röfchenrode. Man findet bier ein Gymnaſtum und ein Walfen- 
haus, auch fehlt es nicht an Gewerbſamkeit und Verkehr. Es werden satin: 
Getraͤnke gebrannt, Gifig, gebraut , Tücher, Tabak und Eichorien bereitet. 5 
Einwohner. Ueber der Stadt, auf einem 827° hohen, wu Tel audi 


776 Wernike — Wetth. 


Berge erhebt fi das Schloß. Merkwuͤrdig find dort ber Speiſeſaal mit einer 
vollftändigen Bildergalerie des gräflih Stolberg’ichen Geſchlechtes, die Waſſer⸗ 
lettung, die Bibliothek, welche 2000 Bibelausgaben enthält, das reichhaltige Ra 
turaltenfabinet, der große Thiergarten. Die nächſten Umgebungen WB 6 bieten 
mannichfache Raturfchönhetten var. — Das Gefchledht der Grafen von WB. ge 
hörte zu den älteſten von Norddeutſchland. Die Ehronikfchreiber gedenfen feiner 
fchon unter den Bierherren ımd den zwölf Butmännern oder Baugrafen des vier 
geipaltenen Sachfenvolfes, und Eginhart erwähnt feinen Ramen unter den Harz 
grafen, weiche ald Kampfgefährten des tapfern Wittefind mit Karl des Großen 
Hülfe die forbifhen Wenden an der Saale und Elbe in einer grimmen Schlacht 
beflegten. Als der lebte Graf von W., Heinrich, 1429 ohne Erben ftarb, fiel 
fein Beſitzthum laut früherer Verträge an das Haus Stolberg (ſ. d.) Bea 
den deutfchen Reichstagen hatten die Grafen von Stolberg, Wernigerode, Sig und 
Stimme auf der Werterautfchen Reichegrafenbank. Durch den Tilfiter Frieden 
von 1807 kam W. unter das Königreich Weftphalen, die Wiener Kongreßafie 
ftellte e8 aber wieder unter Preußen. mD. 

Wernike, Ehriftian, ein wisiger Epigrammatiſt, 1660 in Preußen (der 
Drt ıft unbefannt) geboren, ſtudirte zu Kiel die Rechte, reiste in Holland, Franl⸗ 
reich und England, lebte längere Zeit in Hamburg und flarb als däniſcher 
Staatsrath und Refldent zu Paris 1720. Seine Eprache iſt oft rauh und hart, 
aber feine Sinngedichte züchtigen mit Rachdruck und ſcharfer Geißel die Thor 
heiten der Welt. Auswahl von Rammler (1780)5 Verſuch in einem Heldenge⸗ 
Kon „und etlichen Schäfergedichten (1704); Hand Sachs (eine Saiyre auf 

oftel) u. m. a, 


Werra, |. Wefer. 

Werſt, die ruffifche Meile, enthält 500 Safchen, oder 1500 Arfchinen, ober 
24,000 Werſchock, oder 3285 25 Parifer Fuß. 649 W.e bilden eine geographiſche 
Meile und 1043 W.e gehen auf einen Grad des Erbäquatorß. 

Werth bezeichnet den innern Gehalt einer Sache und zwar bald im Ber 
hältnıffe zu der Menge anderer Gegenftände, melde man dafür befommen kam 
(Tauſch⸗W.), bald in Bezichung zu der Menge des Geldes, welches dafür zu 
haben ift (Geld-W. oder Preis). Wie im Berlaufe der Zeiten das Geld zur 
Handelswaare geworden war, erhielt auch daffeibe noch einen beiondern W. ge 
gen Geld von anderem Schlage und Gehalte (EoursW.). — Wan bat unter 
denn W.e im allgemeinen Sinne den eingebildeten (affectionis pretium) und 
den wahren W. (verum pretium) zu unterfcheiden gefucht und bei letzterem wie 
derum den allgemeinen oder Marktprets (commune pretium) vom befondern 
W.e unterfcheiden wollen. Streng genommen befteht aber jerer Werth in etwas 
Eingebudetem. Wan rechnet daher im eigentlichen Einne zum eingebildeten W,e 
den, weldyın nur Einer oder Wenige dafür annchmen, wie den eined Kunftwerfes, 
oder eines, durch einzelne Seltenheit oder Schönheit ausgezeichneten Gegenſtandes; 
für den wahren W. aber den, weldyen Alle, oder doch die Meiften dafür aner: 
Iennen. Der W. der Arbeit heißt Kohn (merx, praemium) und, ald Bermögen®- 
zufchuß angefehen, Gewinn. Berechnet man den W. einer Sache nach dem 
jährliden Gewinne, der daraus zu ziehen tft, fo hat man den Kapitals. 
In Beziehung auf Immobilien, bei denen noch ein auf Grund und Boden baflr 
tes Gewerbe betrieben wird, fondert man den Grund⸗W. (weldyen das Grund» 
füf alleın hat) vom W.e ded Geſchäftes, als einer rentirenden Unternehmung 
und bei diefer wieder das Anlage» oder Betriebecapital vom W.e der producirten 
Gegenftände und Vorräthe. Man legt heut zu Tage zur W.-Beflimmung jeder⸗ 
zeit das Geld zu Grunde und, um audy eine Vergleichung des Geldes gegen 
Geld möglich zu machen, fo wird im Handel eine Normalmünge zum Grunde 
gelegt, welche daher weder fleigend, noch fallend kon fann, indem vielmehr die 
anderen Müngforten darnach verglichen und für höher oder niedriger gefunden 
werden. 


Birmn 781 


ıSzeichneten, daß fie den Ramen , Methodiſten“, „Sakramentirer* und „frommer 
lub“ erhielten. Cie zogen ſich aber durch firenges Faſten und genaue Beob⸗ 
btung der Religionspflichten auch Spott und Tadel zu. W. ging 1735 nach 
merifa, um die Indianer u befehren, Fam 1737 nad) England zurüd umd breis 
te feine Lehre von der ſeligmachenden GOnade aus, die er von den Herrnhutern 
tlehnt hatte. In mehren Methodiſten⸗Gemeinden, über die W. die Aufflcht 
hrte, wurden heftige Bekehrungen gewöhnlich, die von Berzudungen und epi⸗ 
ifchen Zufällen begleitet waren. Auf feinen Reifen im Lande, wo er öfters 
8 Tages drei bis viermal predigte, erhielt er eine Menge von Anhängern, 
ftete Gefellichaften in verſchiedenen Thellen ded Reichs und fah fidy und feine 
Htarbeiter ald außerordentliche Werkzeuge Gottes an. Seine Gehülfen wurden 
6 Laien genommen und er fland nun an der Spite einer neuen Sekte, bie fi 
verfchiedenen Socletäten, denen Prediger mit feiner Bewilligung vorgeſetzt 
ren, gebildet hatte. Unter freiem Himmel predigte er zuerft in der Vorſtadt 
n Briftol 1739, nachdem Whitefielo, ebenfalls ein berühmter Methopiftenprebiger, 
It feinem Betipiele vorangegangen war. W. ging auch nach Schottland und 
fand und gewann überall viele Anhänger, — — aber auch viele Verfolg⸗ 
igen über ſich ergehen laſſen, ohne darum in ſeinem Eifer zu erkalten u. ſeiner 
artei immer mehr Conflftunz zu geben. Jedes Jahr reiſte er auf 8000 Mei⸗ 
ı in den drei Königreichen umher und feine grängenlofe Thaͤtigkeit endigte 
ſt mit feinem eben, den 28. Februar 1791. Eifer für das allgemeine 
efte und Herrfchfucht waren Hauptzüge in W.'s Charakter. Alle feine Hand- 
ngen follten zur Ehre Gottes und die größte Offenbelt in feinem Reben und 
zun ſichtbar ſeyn. Alle Derter zum Bergnügen wırden von ibm vermieden. 
le chriftliche Vollfommenheit, feine Hauptiehre, ſcheint darauf abzuzielen, daß 
ın zu jeder Lebenszeit einen Zuſtand erreichen Tann, worin man nicht blos von 
ndlichen Handlungen, fondern von der wahren Natur und dem Wefen der 
ünde, von allen unregelmäßigen Begierden, Leidenichaften und Neigungen be- 
ft iſt und dieſer Zuſtand kann in einem Augenblide durch Glauben erhalten 
den. Die Reifen der Previger find der von ihm geftifteten Sekte faft allein 
vn. W. bat außerordentlich viel gefchrieben; Roten über das alte und neue 
flament, Abhandlung über die Erbfünde, Arminianifches Magazin, Gedanken 
er den Sflavenhandel u. viele andere Werke mehr. Er gehört nicht zu den eng- 
chen Autoren vom erften Range allein feine Werke haben unendlich viel Gutes 
Riftet und werden auf die Rachwelt fommen. Sein äußeres Betranen war 
r gefällig und angenehm. Seine natürliche Heftigkeit war durch die Religion 
mildert. —*— war ihm leichter, als angethanes Unrecht zu vergeben. Die Ent⸗ 
Itfamfeit und Mäßigkeit wurde von ihm übertrieben. Seine Freigebigfeit war 
Anzenlos. Ungläubige und Freidenkende verachtete er; In feinen Eontroversfchriften 
ır er übrigend mäßig. Vgl. Southey, „Life of W. and the rise and pro- 
ess of methodism", London 1820, deutidy von Krummadyer, 2 Bde, Ham⸗ 
rg 1828. — Sein Bruder, Charles W., geboren 1708, Tehrte 1736 chen 
d England zurüd, wirkte ebenfalls mit größtem Eifer für die Ausbreitung des 
ethodiämus und flarb 1788. | 

Wespen (Vespariae), Famille aus der Ordnung der Haupiflügler; wie 
berflügel find doppelt gefaltet, der Körper ift glatt, mit ſchwarzen und gelben 
uerftreifen, die Augen ausgefchweift, vie Yühlhörner gefniet, am Erfve verpidt, 
: Kinnbaden ſtark und ausgezähnt, die Weibchen und Geſchlechtloſen haben 
ıen ſtarken Giftſtachel. Arten: Mauer-W. (Vespa muraria); die Zunge i 
drei Lappen getheilt, an der Spige mit Drüfenpunften beſetzt, der Bauchth 
fehr entwidelt, auf der Bruft find zwei roftrorhe Ziele, auf dem ſchwarzen 
Interfeibe vier gelbe Streifen, fommt an Größe der Biene faft gleich. Im Juni 
brt fie ein 2—4 Zoll tiefes Loch in die Erde oder eine Mauer und Fügt mit 
oßer Geſchicklichkeit eine etwas geb ene Erds oder Ganpröhre daran. 
sein legt fie ein Ei nud zwölf Iebendige Ratıpen , von denen ie Enkr 


u « 





ir Dig ig der von‘ 
Denen 
er gegen 10 Jähre vo 


hai 
8 hi *8 
—— 
revo ſen 





mit aller Hingabe eines ächten Patrioten, de Alter 
Marin fühlte if Strome der Ereignife nich mehr gewwachfen und trat nach 
kurzer Zeit von dem ſchwierigen Poften, der er weder 'gefucht, noch gewünſcht 
hatte, wieder zurück 

Weſſobrunn, Pfarrvorf im Landgerichte Weilheim des Kreifes Oberbayem 
mit 510 Einwohnern, von denen mehre als geſchidte Stufaturer, Maurer un 
Zimmerleute jährlich) auf Arbeit auswandern. Hier ward der große Rechtsge⸗ 
lehrte und biftorifhe Sammler Benedikt Finfterwalder, Geheimfhreiber und Kon: 
fulent des Öfterreichtichen Prälatenftandes geboren. — Stifter der aufgelötten 
Benediltinerabtei W. war Herzog Thaſſilo I. um 753. Anfangs war mir felber 
auch ein Frawenklofter verbunden und eine Nonne deffelben, Diemove, machte ſich 
durch ihre aus; —— ſchöne Hanbfehrif und durch ihre Freundfchaft mit der 
ron Herlafa in Bernried berühmt. Die Manuferipte der Kiofterbibtiotket 
finden fich jegt in München, darunter das befannte altdeutfche „Wefjobrunner 
Geber "aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ſtammend. W. Wadernagel 
hat es 1827 tn Berlin herausgegeben. mD. 

Welt, Benjamin, geboren 1738 zu Springfield in Pennſhlvanien, fam 
4760 zu feiner Ausbildung nady Italien und 1763 nad England, "wo feine 
Bier großen Beifall fanden u. ihm die Gunft des Königs verſchafften m. erwarb 
ſich tir feier "einflugreichen Stellung große Verdien ſte um die Förderung der 
Künft durch Gründimg der Föniglichen Kunftufademie 1763 und feine tige 
Virwitlung ander Errichtung der British Institution. - Er flarb 1820 zu Londen 
W: war ein wiſſenſchaftllich durchgebildeter Künftier, ‘von’ anregendem "md bil 
denden Ein fluſſe, doch ohne geniale’ Fünftlerifche Begasung. Seine gefchägteften 
Arbeiten find: „Nelfon’d Tod", „Ehriftus im Tempel heilend“, „Der Ted mf 
ven fählen Pferde“ 1c/; weniger Beifall fand fein! „Lear“ "für die Chats 


ei. 
a ie, Sotenpoon vente ee, Bretten he 
eiſtiicher Raih in n, ven am- 1Augu zu Münt von eine 
— engdehenan Bürgesfoniler. Sn den Gulden Shen rpi ser fs 


Weſtenrieder. 785 


wiffenfchaftlihe Vorbildung. Nach Aufhebung des Jeſuitenordens warb ihm die 
Lebrftelle der Poeſte in Landshut und ein Jeahr fpäter die gleiche in feiner Bater- 
ftadt verliehen. 1758 trat die bay riche Akademie ind Leben, und mit Wie und 
Theilnahme befchreibt W., wie die Jeſuiten fidy ihrer Aufnahme wiperfeßten und 
entgegen zu wirfen ſuchten. Ueber jeinen 1775 geichriebenen „Inbegriff der Res 
ligton* wurde er nach Freifing zur Verantwortung gezogen und mußte feinen 
unwiflenden Richtern wegen feiner Berufung auf Jerufalem auseinanderfegen, daß 
er nicht die bl. Etadt, fondern den berühmten Abt Serufalem gemeint babe. 
Kaum angehört, wurde er verhaftet und nur durch des Kurfürften ernften Befehl 
erhielt er die Kreiheit wieder. Durch feine Popularität gewann W. in den eıflen 
Jahren feines öffentlichen Aufıretend allgemeine Aufmerkfamfeit, deren Feiner feiner 
[üpbeutfehen Zeitgenofien fidy rühmen fonnte. Die deuſche Spraihe that durch 
n in Bayern einen Riefinfchritt vorwärts und die „Leiden des guten Jünglings 
Engelhof“ machten nit viel geringeren Gindrud, als Göthe's empfindfamer 
Werther. W. kannte die Würde des höchſten Styls und feine „Srinnerungen 
über die Urſachen des allzugeringen Nugens, den man in Schulen aus der Lektüre 
der alten klaſſiſchen Autoren erhält“, madhien viel Aufiehen. Nicht weniger wurden 
feine trıffenden Oelegenheitsichrifien, mir ächt praktiſchem Scharffinne abgefaßt, 
mit Begierde und Interefie geleien, 3. B. „Unterfuhung über den Werth, ven 
die Briechen und Römer auf öffentlide Denfmale, auf religiöfe und bürgerliche 
Feſte ſetzten und wozu fie ſelbe benützten“, 1777; „Die Einleitung in die ſchönen 
Wiſſenſchaften“; „Die Gewifiensfragen: warum in den Schulen mehr Wiſſen⸗ 
Di als Weisheit gelernt wird?“; „Warum die Zrüchte der Schulverbeflerung 
9 langſam reifen?"; „Warum gute Köpfe fo feltfame Köpfe ſind?“, „Warum 
der Einfluß der ſchönen Künfte auf die Denkungsart und Sitten des Bolfed fo 
ering iſt?“;, „Warum es fo wenig Schriften für das Herz gibt?“; „Die Sitt⸗ 
chfeit iſt im Verfall, nicht die Religion?“ — W. betrieb die ſchönen Wiſſen⸗ 
fhaften und bildenden Künfte als Vorſchule der Gefchidhifchreibung und eiferte 
für das deutſche Echaufpiel, als für eine Schule der Eprache und Eitten. Er 
verſuchte fich ſelbſt im Luſtſpiel 1774 dur „Die zwei Kandidaten“ und 1776 
im Drama dur „Mark Aurel*. Bevor 1735 „Geſchichte von Bayern für die 
Jugend und das Volk“ erſchien, ſchickte er gleihfam als Einleitung voraus 
„Ervbeichreibung ter bayeriich-pfälzifchen Staaten 1784" und feit 1779 wirkte er 
durch feine „Baieriſchen Beiträge” u. deren Fortſetzung „Sabıbuch der Menſch⸗ 
engeichichte in Bayern” für Hebung vaterländifcher Geſchichtekunde. Aehnliche 
Zwede verfolgten fein: „Hiftorifcher Kalender” und „Beiträge zur vaterländiſchen 
Hiftorie, Stauftil und Lunswirthfchaft* fammt „Ueberblid der ſchönen Literatur“, 
5 Bde. 1788— 1794. Erſtaunen muß man billig über feine fruchibare Geichichtes 
forſchungen, wenn man zugleidy erfährt, in welch unfeligem Krantheitözuft.nde er 
viele Jahre lang am Trismus (Backenſchmerz) litt und zwar mit foldyem furcht⸗ 
baren Schmerzgefühle, daß felbft die Wunpärzte den Anblid des Leivenden kaum 
ertragen fonntn. Bon 1787— 1733 an feinen Tod währıe dieſe furdhibare 
Dual. Er feierte das Jubelfeſt feines Prieſterihums und wurde bei diefer Ges 
legenheit zum geiftlidhen Geheimrathe erhoben, da er bereits früher 1803 den 
Givilverdienftorden der bayerifhen Krone und 1813 den Adelſtand erhalten. Yür 
fein füufztgiähriged Werfen an der Akademie wurde ihm der Ludwigsorden verr 
lieben. Gr ſtarb am 15. März 1829 und erfi im heurigen Jahre wurde in 
München das Andenfen feines hunderijihrigen Geburtstages feierlich begangen. 
Großes Verdienſt erwarb er fidy durdy feine Mitwirkung an der bändercichen 
Sammlung „Monumenta hoica“, fewie durdy feine „Glosserium germanico - lat, 
vocum obsoletum prımi et medii aevi, inprimis bavaricarum“, Wünchen 1810, 
Die vinzelnen Abhandlungen und Reden, deren er eine Menge verfaßt hat, Fönnen 
bier nicht aufgeführt werden. Die Gedächtnißreden auf Defele, Lipowsky, Kohle 
brenner, Kınedy, Vacchiery find hinreichend bikannt, fowie die dades E 
erregenden Picgen: „Ueber die Wiederheiſtellung der Ieinirent, Dim AR won 
Realeacpdlopädle X, N 


786 Wefterbottn —Weftermann, 
Dringende Vorftellung an Menfchlichkeit und Vernunft um Aufhebung des che- 
lofen Standes der Toten Beiftlichfeit" 1782, Ri) befonders unter feiner 
Mitwirkung und Beihülfe aögefapt feyn follen. ine Sammlung hiſtoriſcher 
Schriften von ihm erfchlen 1825. Cm. 
Weiterbottn, den ndrdlichſten Küftenfirich Schwedens am Bottniſchen 
Meerbufen begreifend, im Süden von Angermanland begrängt umd W. zum 
Unterſchiede von Defterbottn in Finnland genannt, ift durchaus Aesirataı Die 
höchften Gipfel finden ſich auf der Seite gegen Norwegen; fie find von ale 
Vegetation entblößt und meiftens mit ‚em Schnee bededt, deſſen Gränzlinie 
bier ſchon mit 3600 beginnt. Nach der Oftfeite laufen die Gebirge, Fe! 
fi) herabfentend, gegen das Sergeftade hin in Heine Anhöhen aus. Allein 
diefer ebnere Theil des. Landes nt den Stempel der wilden Natur des Nordens 
in — unabſehbaren Heiden, grundloſen Moräften und unbur glichen 
Wäldern. Die Flüffe, der Umeo, Piteo, Luteo, der Torne gelf (Clehtetet 
der Grängfluß gegen Rufland), kommen alle aus dem Schooße des weftlichen 
und norbweftlichen Hochgebirges und drängen fich ungeftümen Laufes nach den 
Bottnifchen Meerbufen, Es gibt zahlreiche, aber nicht jeher große Seen, um 
manche derfelben find von — Eindven umgeben. Das Klima von ®. 
iſt völliges Polarktima, 9 Monate lang Winter, fatt 6 Monate lang Nacht, in 
Winter eine Kälte, had der Branntivein in den Fiaſchen gefriert, im Sommer 
ammäßige Hige und eine raſche Vegetation. Der Aderbau iſt äußerſt prefär; 
nur an gefhügten Orten fommen Roggen, Gerfte, Hafer, Rüben, Kartoffeln, 
e” und Hanf fort, Die Ernte ift fo dürftig, daß fie nie den Bedarf ver 
wohner vet, welche deshalb aud das Brod mit Fichtenrinde umb andem 
wildwachſenden Begetabilien vermifcgen. Obſt hat man gar nicht, wohl aber 
mancherlei Walbbeeren. Im Norden Wis iſt auch der Baumwüchs fehr Fürg- 
ich; die Birke trogt noch am beften der Kälte. Die Wälder und Moräfte find 
angefüllt mit Behigel, beſonders mit Hühnern aller Art und Wafjerndgeln. Auch 
findet man Füchie, Yuchfe, Marver, Hermeline, wilde Rennthiere, Bären, Wölfe, 
unzählige Lemminge, aber fein Elenn, feinen Hirfh mehr. Die Flüſſe twimmeln 
von Fiſchen, namentlid von Lachſen; an der Küfte fängt man den Gtrömling. 
Bon Metallen hat man Eifen, filberhaltiges Bleierz, Kupfererze. Die Gifenwerle 
find die einalgen Babrifen des Landes. Ulle Nothwendigkeiten ded Lebens ver: 
fertigen fich die Einwohner zu Haufe. Die Lappen find beſonders gefchidt in 
Solzarbeiten. — Die Volksmenge von W. beläuft ſich auf 86,000 Seelen. Ran 
zählt über 1000 Höfe, aber nur 4 ganz kleine Städte (Umen, Pitea, Lulea und 
rparanda oder Karl» Johannsftadt). Der Mann aus W. iſt in der Regel 
hlanf, von edfer Bildung, mutbig, dabei wohlmollend und gaftfret. Unter ven 
Frauen finden fich ausgezeichnete Schönheiten. Die Lappen, welche die foge 
nannten-Sappmarfen bewohnen, bekennen fich zur lutherifchen Kirche u. theilen 
in Rennthier- und Fiſchiappen; jene durchwandern ald Romaben die hohen 
Gegenden des Landes und nähren ſich von ihren Rennshierheerven, diefe wohnen 
am Strande und treiben Siihfang und Jagd. — Die zur Krone Schweren ge 
bhörenden Lappen find fämmtlich in gewiſſe Dorfichaften und Difrifte (Byalag) 
vertheilt, die, fo weit die einzelnen Familien auch von einander entfernt haufen, 
doch ihre gemeinfchaftlichen Vorfteher aus ihrer Mitte haben. Der Lappland 
man mit feinen zwei Beiftgern fchlichtet alle Streitigkeiten u. macht den Poll 
richter. Von feinen Auetpräden fönnen ſich die Parteien an das Härabeh 
berufen, zu deflen Hegung fidy die Richter mit ihren Beifigern an beftimmten 
Plaͤtzen verfammeln. Die Abgaben der Lappen an die Krone betragen kaun 
600 Reichethaler. — Erif Tuneld: Beskrifning om Svea Rike; S. Holm: 
quift: Geographie öfver Konungariket Sverige, Stodholm 1843. mD. 
WB aun, Kranz — — General, ren 1763 gu 
Molsheim im Elfaß, war der Sohn eines Prokurators ließ fa, da er wegen 
einiger Gewaltthaͤtigkeiten entflohen wat, won wen Mreugen anmechen, yon Denn 


Befterwald — Weſtfalen. 787 


er jeboch bald entlief und begab ſich nad Paris. Beim Ausbruche der franz. 
öftihen Revolution war er erklärter Anhänger revolutionärer Meinungen, war 
eine der Hauptperfonen am 10. Auguft 1792, erhielt 1793 den Oberbefehl über 
eine Legion der Rordarmee, vertheidigte ſich bei Antwerpen gegen die viel flärf- 
eren Defterreicher mit ebenfo vieler Dfonmenbeit als Muth, wurde aber dennoch 
vor ein Kriegögericht geftellt, welches ihn des Einverſtaͤndniſſes mit den Feinden 
anklagte. Durdy eine gefchidte Bertheivigung entging er indeflen jeder Gefahr, 
wurde darauf in die Bendee gefchidt, um vafelbft das Feuer des Aufruhres zu 
dämpfen und gewann, da ver Aufruhr immer flärfer wurde, mehre Siege. Da 
er jedoch bei Mortagne von 60,000 Bendeern angegriffen und gefchlagen wurde, 
flelte man ihn wieder vor ein Kriegsgericht; abermald unfchuldig befunden, 
ſchlug er bet Chatillon die Feinde, wurde kurz darauf wieder angeklagt und den 
5. April 1794 guillotinttt. 

Weiterwald, ein Gebirge, oder vielmehr eine wellenförmige Hochebene in 
Deutfdyland, aus der einzelne Bergfuppen hervorragen, unter denen der 2000 %. 
hohe Salzburger:Kopf in Raffau bei dem Dorfe Neukirch der höchſte if. Die 
Ausdehnung des eigentlichen und fogenannten hohen Wefterlandes iſt nur 5 
Stunden lang und 3 Stunden breit, in Raffau. Davon fenkt fidy eine Gebirgs⸗ 
mafle nad) der Lahn, dem Rhein u. der Sieg in der preußifchen Rheinprovinz u. 
Weftphalen zu ab u. ift befonders gegen den Rhein ſchroff. Diefe wird ebenfalls 
W. genannt. Eine Fortfegung im Nordweſten ift das Siebengebirge. 

eftfalen, eine preußiſche Provinz, welche im Norden an Holland und 
annover, im Den an die Lippe’ichen Fuͤrftenthuͤmer, Braunfchweig, Hannover, 
befien, Walde und Darmftadt, im Süpen an Raffau und die preußifche 
Rheinprovinz, im Welten an die Rheinprovinz und an Holland gränzt. Der 
Flächeninhalt beträgt 363 deutſche N Meilen, mit 1,405,000 Seelen abfoluter 
und 3818 Seelen relativer Bevölferung. Die Provinz wurde im Sahre 1815 
aus dem Herzogthbume W., den Fürftenthümeın Minden, Paderborn, Müntter, 
Salm, Siegen, Korvei, den Graffchaften Ravensberg, Mark, Tedienburg, 
Bingen, Steinfurt, Witgenflein u.a. Keinen Gebieten gebildet. Der Norven und 
Nordweſttheil im Norden ver Lippe gehört zur norbbeutfchen Ebene, hat Sand» 
boden, Haide und Moräfle und wird von Dügelfetten durchzogen, welche das 
Gebiet der Lippe und Ems trennen. Im Süden und Oſten ift dad Wejerberg- 
land (f. Wefer), welches mitunter recht fruchtbare Ebenen einfchließt; am bes 
deutendflen if der Weſterwald (f. d.), der den fünmeftlichen Theil der Provinz 
einnimmt und aus Graumwade, Bafalt, Lava, Kalkftein und Thonfchiefer befteht. 
Nördlich vom Wefterwalde, bis in die Mitte zwiſchen Ruhr und Lippe, iſt das 
Sauerland (Süvderland), mit Bergzügen von verfchievenen Kamen, ald: Roths 
haar (NRothlager), Armeen ge ad, Haarftrang u. f. w. Im Oſten fchließt ſich 
dad Egg e⸗Gebirge an den Weſterwald, wodurch diefer mit dem Lippe’fchen Wald 
verbunden wird. Die Zlüffe gehören meift dem Rhein» und Wefergebiete an; 
die wichtigften find: die Wefer, Sieg, Kenne, Ruhr, Wipper, Lahn und 
die Ems, weldye hier am Teutoburgerwalve entfpringt. Die Erzeugniffe beftchen 
in Getreide, fehr vielem Flachs und Hanf, dann Tabak u. etwas Obſt. Die 
Waldungen find In den Gebirgen bedeutend, fehlen aber im Norden faſt gänzlich), 
Sehr blühenn iſt die Schweinezucht (werfällice Schinken), nicht gering 
auch die Rindviehzucht, weniger wird die Pferdes und Schafzucht betriebta. 
Aus den Gebirgen erhält man: Silber, Eifen, Steins und Braunfohlen, Torf. 
Die Induſtrie zeichnet ſich in einzelnen Provinzen ganz befonders aus; die Lein- 
webereien haben allgemeinen Ruf, auch die Tuch» und Baummwollenfabrifen find 
vortheilhaft bekannt. Im der Brafichaft Rietberg (Negierungsbezirf Minden) 
wird das feinfte weftfälifche Bladegern gefponnen: aus einem ‘Pfunde Sach 
fpinnt man da einen Faden von Meilen Länge. Im fünmellichen Theile 
werden Eifen«, Stahl⸗ und Meffingwaaren fabriett, auseruern in verkigutueamn 
Gegenden ®las, Papier, Pulver, Pottaſche und Del bereitet. ar num 


vas eſtfalen— 


find theils Katholiken, circa 798,000, theils Proteſtanten, 610,000, Mennoniten, 
700 und. Juden 14,000. W. hat in feinen Wohnungen, Gebräuchen und Sitten 
das alte Deutfche ziemlich treu. bewahrt, befonders findet man bie alte Einfach⸗ 
beit noch in den einzeln liegenden Höfen und Bauernſchaften des Münfterlandes, 
für die geiftige Kultur forgen vortreffliche Anſtalten, darunter eine Afademie 
Münfter, eilf Gymnaften, einige Schullehrerfeminare, eine chirurgiſche und 
eine Thierarzneiſchule u. f. w.; dann beftehen auch wiffenfchaftliche und gemein 
nügige Vereine, wie die weſtfaͤliſche Gefellichaft zur Beförderung vaterländifcer 
Eultur, der Berein für. die Geichichte und Alterthumsfunde zu Minden und 
Paderborn und die öfonomifche Gefelfchaft in Hamm. Die Provinz zerfällt in 
drei Regterumgsbrgirfe und dieſe in 35 Kreife. Die Regierungsbezirfe find nah 
ihren Hauptftädten benannt u. heißen: Münfter = 132,2 deurfche [I Meilen, 
414,400 Seelen abfolute und 3135 Seelen relative Bevölkerung, befteht aus 
eilf Kreiſen; Minden — 95,7 d. [J Meilen, 451,500 Seelen abfolute und 
ATLL Seelen relat. Bevölkerung, hat 40 Kreife; Arnsberg = 140,1 d. 
Meilen, 539,300 Seelen abfol. umd 3849 Seelen relat. Bevölkerung , enthält 
14 Kreife. Das Heine Münfterland kann fich mehrer ausgezeichneter Männer 
rühmen; aus ihm ftammen; ver beliebte Jugenvichriftfteller und Schulmann 
Dverberg, die Theologen Kiſtemaker, Katerfamp, Brofmann und Kellermann, der 
BPhiloſeph Ueberwaſſer, die Mufifer und Tonfeger Romberg ı. C. Arendis. — 
W. hieß im frühern Mittelalter die ganze Landfrede in Deutfchland, melde 
weftlich von der Wefer bis an den Rheln und noͤrdlich von ver Ems bis an 
die Norbfee fich erftredt und einen Theil des Landes der Sachſen di. d. Art.) 
bildete. Später ward jedoch durch die Begründung eigenet Dynaſtien und Bis- 
thümer in diefen Gegenden der Name eingeichränfter und begriff endlich, ala Herzog 
thum W., ungefähr die öſtliche Hälfte des 63 preußlſchen Regierungsbezitks Arenẽ⸗ 
berg u. gehörte ſeit 1179 bis 1802 dem Erzbifchofe von Köln, ward hierauf an Heſſen⸗ 
Darmftadt abgetreten u, fam 1815 an Preußen, welches e8 zu einem Theile feiner 
neugebildeten Provinz W. machte. Neben diefem Herzogtbume W. blieb aber der Name 
faft in feiner Ausdehnung im weſtfäliſchen Kreife, welcher das jegige ®. 
nebft Zülich - Cleve- Berg u. dem Bisthume Lüttich, die Lippe’ichen Länder u. dad 
ganze übrige Land zwiſchen Wefer, Norpfee und den Niederlanden umfaßte. 
Weſtfalen hieß jenes ephemere deutſche Königreich, welches Napoleon nad 
dem Frieden zu Tilſit aus den preußifhen Staaten dieſſelis der Elbe, den Länd- 
ern der Kurfürften von Heflen und Hannover und des Hetzogs von Braun 
ſchweig durch Defret vom 18. Auguft 1807 zufammenjegte. Dafjeibe umfaßte nah 
feinen einzelnen Beftandiheiten: die braunfchweigifch - wolfenbüttel’fchen und kur 
heiftfchen Ränder, mit Ausnahme von Hanau und Kapenelnbogen, die preubiſchen 
Provinzen dieſſelts der Elbe, Halberſtadt nebft Hohenftein, Hildeabelm mit Gos⸗ 
lar, Mansfeld, Quedlinburg, Eichsfeld mit Treffurt, Muhlbaufen und Nord⸗ 
jan, Stolberg, Wernigerede, Paderborn, Minden und Ravensberg, den 
jannöver’fchen Provinzen, Göttingen, Grubenhagen mit Hohenſtein und Elbing⸗ 
erode, Osnabrück, das naflau-oranifche Fürſtenthum Korvey und die Grafſchaft 
Rietberg, 692 75 [J Meilen mit 1,946,343 Bervohnern. Zum Könige dieſes 
neuen Etaates ernannte ſodann Napoleon feinen 24jährigen Bruder Hieronymus; 
auch gab er dem Lande eine, mit Befeitigung aller alten Formen der franzoͤſ 
Hcpen nachgebildete Verfaffung. Hieronymus, der faum mehr als ein bloßet 
Präfeft des großen franzöftichen Reiches war, traf den 7. Dezember in feiner 
neuen Refivenz Kaflel ein, fand aber das Land durch die Plünderung der Yan 
ofen faft gurhaängig erfhönft und das Uebel wurde noch dadurch vermehrt, 
daß der Kaifer zur Belohnung feiner Feldherren ſich die Hälfte aller Domänen 
vorbehtelt u. ſich die Aufftelung von 12,500 Mann in Magdeburg ausbedung, 
welche von W. beföftiget, befoldet und bekleidet werben follten. Die Finanzen 
befanden fi daher in der größten Verwirrung. Alle Eaffen waren leer u. doch 
follte der Staat neu gebildet und eine Wrmer ghgfien wetten, weiche auf 


durch die kluge Leitung ber erfahrenfien Männer des Landes, die dem Konige 
zur Seite gefegt wurden, bis auf 16,000 Mann anwuchs. Das Bolt überwand 
nad) und nad) feinen Wiverwillen gegen die neue Ordnung der Dinge, trotz der 
drüdenden Abgaben, die aber mit mehr Gleichheit verıheilt wurden, als fıüher, 
und befreundete ſich felbf mit den neuen Kormen des Gerichtoweſens. Auch wie 
Ainnlofe Berfchwendung des Könige fchadete dem Lande nicht in Dem Grabe, 
wie fonft vielfady behauptet worden tft, indem er einmal auf eine feſte Civilliſte 
befchränft war, dann als franzöfticher Prinz 1,000,000 Franken Apanage aus 
Sranfreidy bezog und durch die Schranken der Berfaflung an der Ausübung von 
Gewaliſtreichen verhindert war. Bis zum Jahre 1809 genoß das Land einer 
vollſtaͤndigen Innern Ruhe; als aber in diefem Sabre der Fransöflfchsöfterreichliche 
Krieg audgebrochen war, regten fidy innere Unruhen. Bon Oftn brach Schill 
(f. d.) mit einem feindlichen Streifcorps in die Eibeprowinzen herein, im Suͤden 
bet Marburg tobte ein Bauernauffland und im der tſtadt felb war eine 
efährliche Verſchwoͤrung bereits ihrem Ausbruche nahe, als fle durch ein Unge⸗ 
jr entdedt wurde. Dies veranlaßte härtern Drud und eine Berfärkung der 
öbern Polizei, wozu fi nody bie gen Frankreichs geſellten, das 
Heer bis auf 30,000 Mann d vermehren. geben® forfchten die Finanz⸗ 
miniſter und die einberufenen Landſtände nach Mitteln, die dadurch erhöhten 
Ausgaben zu beftreiten, bis man endlich zu der Berfchleuberung einiger Domatnen 
und zur Herabfegung der Staatsſchuld feine Zuflucht nabm, einem Mittel, 
welches wohl der Roth des Augenblicks abhalf, allein die künftigen Schwierig« 
feiten nur deſto größer machte. Zwar gewann 1810 das Land durch Einver- 
leibung von ganz Hannover einen neuen Zuwachs, allein bald darauf riß Ras 
boleon den größten Theil W.s an fi und vereinigte es mit feinem Reiche, 
ergeblicy fuchte der König perfönlich diefe Maßregel in Parts zu hintertreiben; 
er mußte fidy nicht nur darein fügen, fondern aud die firengen Goloninlgefepe 
in dem Umfange feined ganzen Landes in Ausführung bringen. Unter dieſen 
Umfländen brach tm Jahre 1812 der Krieg gegen Rußland aus; der König 
ſtellte ſich felbft an die Epitze der Armee u. führte fie nach Polen, wo er fie aber 
verlaffen und. in fein Reid) zurückkehren mußte, während fein Heer größtentheils 
in den Schneefeldern von Rußland zu Grunde ging. Wein ſchon im folgenden 
Sabre (1813) begleitete ein neugebilvetes Heer von 12,000 Weſtfalen den Kaifer 
nad) Sachſen, aber bereit nach den erften unglüdlihen Vorfaͤllen in Schlefien 
ingen zwei Regimenter Reiterei zum Feinde über. Noch vor der Schlacht bei 
eipzig vertrieb Czernitſcheff den König aus feiner NRefivenz, löste 2 Infanterie⸗ 
und zwei Gavalerieregimenter vor den Thoren von Kaffel auf u. blieb drei Tage 
im Befige der Stadt. Nach feinem Abzuge kehrte der König mit franzäftichen 
Truppen in feine Hauptftadt zurüd, verließ aber bald darauf, bei der Nachricht 
von der Schlacht bei Leipzig, fein Land für immer, nachdem er noch vorher 
die Koftbarfeiten feiner Schiöffer und einen Theil des Mufeums vorausgeſendet 
tte. Schon zwei Tage nach feiner Abreiſe erfchlenen die Ruffen wieder in 
affel; in Zeit von wenigen Tagen war das ganze bisherige Königreich W. 
aufgelöst u. überall die früheren Regierungen wieder eingefeht, fo daß am 20. Dt. 
1813 von dem Reiche feine Spur mehr vorhanden war. 

Beitfälifche Friede, der, bildete von 1648 bis zur Wuflöfung des deutfchen 
Reiches 1806 die Hauptverfaffungebafis in Deutfchland. Die Präliminarien zu 
demjelben begannen 1641 in Hamburg und, während noch der dreißigiährige 
Krieg (f. d.) fein Elend über Deutichland verbreitete, fanden 1645 —48 in den 
beiden, zum weflfältichen Kreife gehörigen, Städten Münfler und D6nabrüd 
Eriedensunterhandlungen flatt, bei denen der kaiſerl. Gefandte, Graf Marimilian 
von Trautmannsdorf, dad Beuptergan war und deren Endrefultat unter franz» 
öfifhem und ſchwediſchem Ginfluffe zu Stande kam. Als Besollmächtigte waren 
erfchienen: von kaiſerlicher Sette, aufler dem fchon genannten Trautmanndborf, 
der Graf Johann Ludwig von Raffau, der Graf von Lamberg unt He Jeen 


790 eſtfaliſcher Friede. 


Bolmar und Crane, von Spanien Saavedra, Brun u. a, von den holländiſchen 
Generalflaaten acht Vertreter, vonder Ei moflenfft der. Bürgermeifter Wet- 
fein von Bafel, von. Seiten des Papftes, Fabio Ehigt, nachmaliger Papft ler: 
ander VII, von der Republif Venedig Gontarino; unter den Geſandten der pro: 
teftantifchen Neichöfürften waren die beveutendften: Warnbühler von Würtiem⸗ 
berg und Lampadius von Braunfchmeig; Adam Adami, der Gefandte des 
Bürftabtes von Corvey, wurde ber Geliehrfhreiber vieles berühmten Eon» 
reſſes. Nach langiwierigen, mitten unter den kriegeriſchen Ereigniſſen ftatt- 

idenden und nicht felten durch Eleinliche Rang und Titelftreitigfeiten noch 
welter — Unterhandlungen wurde endlich den 24. Oktober 1645 
der definitive Fetede zu Münſter äbgeſchloſſen. Frankteich und Schweden 
befamen zum Lohne, daß fie Deutſchland hatten vernichten helfen, bedeutende 
Länvdergebiete: Frankreich das Elſaß, Echweden Vorpommern, Widmar Bremen 
und Berden umd noch * 5 Millionen Thaler für die Kriegokoſten. Im An 
fehung der fo ſchwierigen Religionobeſchwerden, wobei die Proteftanten die auf- 
falendften Prätenfionen geltend machten, wurde feftgeftellt, der Paſſauer Vertrag 
und Religtonefrieve von Augsburg follten unverlegt befolgt und zwiſchen beiden 
Religiondverwanbten eine, der Reichöverfaffung gemäße, Gleichheit beobachtet 
werden, —— bei allen Reichsgerichten und Br utationen die Anzahl der Bei⸗ 
figer von beiden Religionen gleich ſeyn follte. Sind aber beide Religionstheile 
ungleicher Meinung, jo fol nicht Stimmenmehrheit, fondern gütlicher Vergleich 
—— Die Calviniſten find unter dem Namen Reformir ie“ ven Lu— 
iheranern gleichgeftellt. Aber diefer Vertrag, der die Reicheftände beider Religi: 
onen zu einem gegenfeitigen Frieveneftande mit einander vertrug, ‚beftätigte zu 
eich auch ein Recht, weldyes für die Nation felbft die größte —— in 
trchlichen Dingen herbeiführte und im dem einen Lande den Anhängern dis 
latholiſchen, in dem andern den Anhängern des proteftantiichen Befenninifes das 
Bürgerrecht, ja fogar die Duldung entzog, welche felbft den Juden nicht verjagt 
wurde. Dieſes „Reformationsrecht” wurde allen unmittelbaren Ständen des 
Reiche, fowohl den geiftlichen, als weltlichen, in Beziehung auf die ihnen unter: 
gebenen Grafen und alle Unterthanen ald ein Beftandtheil der Landeshoheit be- 
ftätigt, So bildete nun die landesherrliche Kirchengewalt, das Epifkopat ver 
Zürften, nicht nur fortwährend die game Grundlage des Aufern Kirchenthums, 
fondern gewann zugleich durch ihre Verſchmelzung mit dem Reformationsrechie 
eine weit größere Ausdehnung, al die Kirchengewalt des Papſtes und der 
Bifcyöfe bei den Katholiken hatte! Auffallend mußte es aber erjheinen, daß, mit 
befremdender Inconfequenz, jenes, den Landesfürften zugeſtandene, Reformation: 
recht den Reicheftädten entzogen und ihnen bedeutet murde, in der herrfchend ge 
wordenen Religionsform zu beharren, daher Magiftrat und Bürger fich ver jet 
der Reformation ausgeübten Befugniß, den Religionezuftant de6 Gemeindewent 
zu beftimmen, begeben müßten. Doch wurde Dieb, tm Allgemeinen zugeftanden, 
Reformationsrecht der Furſten durch anderweitige Beftimmungen theilweife be 
ſchränkt. Wie nämlich in Anfehung des kirchlichen Befipftandes der 4. Januat 
1624 entſcheiden follte, fo follte dies zugleich aud für die freie Religionsaus 
übung der Proteftanten unter einem Katholtfchen, oder der Katholiken unter einem 
proteftantifchen Landesherrn als Rormaljahr gelten. War hiedurch die Graͤnze 
des Reformationgrechtes nach einer Seite Hin feftgeftelt, fo war aber keineswegs der 
ganze Inhalt u. Umfang deffelben beftimmt, namentlich nicht angegeben, wie weit 
die Landesherren aufferhalb jenes Gegenſatzes, bei der Uebereinftimmung ihre 
Religion mit der ihrer Unterthanen, alfo innerhalb ihrer eigenen Kirche, zu te 
formiren befugt fen ſollten. Yür die Katholiken bevurfte e8 einer ſoichen Be 
fimmung nicht, well nach ihren Grundfägen die Kitchengewalt nicht dem Landes; 
herrn, fondern dem Papfle und den Bifchöfen zufommt und das eigentliche Re 
formationdrecht überhaupt nur von einem General» und Provinzial » Eonciltum 
ausgeübt werben Fonnte, Der Rechtszuſtand zwiſchen den beiden proteftantifchen 


Weffcancien — Wefiphal. - 7A 


Theilen folle, wie er vertragemäßig ober thatfächlich, jetzt iſt, erhalten werben. 
Ein Zürft, der von der einen Partei zur andern übergeht, möge der neuen 
Glaubendgemeinfchaft Religiondfreibeit geben, fol aber die beftehende Kirche un⸗ 
verlegt laſſen. Die geiftliche Gerichtöbarkeit der Biichöfe über Proteftanten 
wurde für ſuspendirt erklärt, da man Immer noch eine Vereinigung der Religion 
als möglich vorausſetzte. Gemäß dem aufgeftelltien Grundſaße der Religi- 
ons⸗Gleichheit follte auch das Reichskammergericht eine gleiche Anzahl von 
Katholiten und Proteftanten repräfentiren, wobei nur dem Kaifer für die zwei 
Stellen, die er, auffer der Ernennung der vier Präfidenten, unter den Beifipern 
zu befeßen hatte, die Wufftelung von zwei Katholifen geftattet wurde. Dagegen 
aber proteftirten die Lurherifchen und drangen darauf, da das Gericht in Genate 
etheiit fei, daß jederzeit, wenn NRechtöfachen zwiſchen Parteien verſchiedener Re 
figionen zu erfennen wären, Beifiger beider Religionen in gleicher Anzahl zuge 
laffen werden follten. Diefem ward auch entfprochen, wie wenig aber in der 
Folge gegen Katholiken beobachtet! Da in diefem Traktate mehre, der katholiſchen 
Kirche nachtheilige, Beftimmungen enthalten waren, fo proteflirte der päpftliche 
Runtius Fabio Ehigt, der in Münfter den Vermittler zwiſchen dem Kaifer 
und Frankteich gemacht, gegen alles dasjenige, was der Bertrag Rachtheiliges 
für die katholiſche Kirche enthielt und nahm die Gefandten der tatholiichen 
Mächte, namentlich den venetianifhen, Eontarino, zu Seugen, daß er, um den 
Berhandlungen durch feine Gegenwart feine Gültigkeit zu verleihen, fich denſelben 
mehrfach entzogen u. Feine Unterer geleiftet habe. Der Papſt Innocenz X. 
befräftigte, indem er durch die Bulle „Zelus domus Dei“ die der katholiſchen 
Kirche zuwiderlaufenden Artikel und der, Borficht halber beigefügten Klaufel, daß 
feine PBroteftation gegen den Vertrag gelten folle, alle Gültigkeit abſprach. Er 
wollte wenigflend, fo weit er auch immer davon entfernt war, ſich der Auffern 
Nothwendigkeit nicht fügen zu wollen, das unabänderlidye Princip der päpftlichen 
Handlungsweife nicht aufgeben. — Nach diefem Frieden, der den legten Schatten 
der Faijerlichen Macht vollend& vernidhtete, dad Band, welches die Stände ſeit⸗ 
ber zufammengehalten, auflöste, den Einfluß auswärtiger Mächte auf Deutich- 
lands Angelegenheiten verfaffungsmäßig begründete und die feinnfelige Sefinnung 
der verfchievenen Religionsparteien auch noch für immer auf alle Reichsange⸗ 
legenheiten ausdehnte, trat der eigentliche Gegenſatz in das Gebiet des Geiſtes 
zurüd, wohin er urfprünglich gehörte. 

Weſtfraneien, ſ. Reuſtrien. 

Weſtgothen, f Gothen. 

Weſtindien, |. Antillen. 

Weſtmacott, Richard, ein berühmter englifcher Bildhauer, geboren 1775, 
entſchied ſich früh für die Kunft und trat ſchon 1792 eine Reife nady Frankreich 
und Stalien an, wo er fi) weiter ausbildete. Nach feiner Rüdkehr fchlug er 
feine Werflätte in London auf und machte fidy bald fo berühmt, daß er 1809 
zum Mitgliede der Akademie erwählt wurde und von nun an die vorzüglichften 
Werke auszuführen erhielt. Unter diefen find vie bemerfenswertheften: “Die 
Statue Addiſon's in Weftminfter, das Monument Abercrombie's und Gollings 
wood's in der Pauldfirche, die Statuen des Herzogs von Bedford in Ruffe 
Square, Feiſon in Birmingham, Fox's in Bloomsburyſquare, die Bronzeftatuen 
Georg's DIL, in Liverpool, Canning's vor den ‘Barlamentöhäufern u. des Herzoge 
von York in St. James» Park; die coloffale Statue des Achilles im Hydepark, 
das Monument W. Pitt's in Weftminfter u. v. a., in welchen fich feiner Ge⸗ 
ſchmack mit hoher Kunft vereint und weldye fänmtlidye zu den vortrefflichften 
Denkmaͤlern englifcher Kunft gehören. 

Weſtphal, Johann Heinrich, ein guter Mathematifer und NReifebe- 
ichreiber, geboren 1794 zu Schwerin, fludirte zu Berlin Mathematik und Aftro- 
nomie, trat in das Lühow’fche Freikorpo und warb fpäter Lehrer am Gymnaſtum 
zu Danzig, gab jedoch diefe Stelle auf und bereiöte Italien, Sicilien —— — 


292 Weſtphalen — MWeftpreufen, 


Er farb unweit Palermo 1831. Seine treuen Schllderungen (um Theil pfeu⸗ 
donym Serauene eben von I. Thommaflni) find fhägbar. „Peben, Etubten und 
Schriften des Mhreniomen 3. Hevelius“ (1820); „Naturwiffenfaftliche Abhand · 
lungen“ (1821); „Nil Eopernifus“ (1822); „Aftrognofie“ (1822); „Briefe aus 
Eicilten" (1835); „Spaziergang durch Ealabrien und Apulten“ (1828); „Die 
tömifche Campagna” (1829). 


Weftphalen, f. —— 

Weſtpreußen heißt die weſtlich gelegene Hälfte der Provinz Preußen, oder 
des etgentiich jogenannten Königreiche Preußen, welches von der Oſtſee, Dit: 
preußen, Polen, Poſen, Brandenburg und Pommern umgrängt wırd und auf 
471 [) Meilen 970,000 Einwohner zählt, vie aus Deutfchen und worberrichen, 
aus Dolen gemifcht, zu faft gleichen Thetlen der katholiſchen umd proteftantifchen 
Kirche angehören, mit, Ausnahme von 13,000 Mennoniten und 22,000 Juden 
Die Landſchaft bildet eine, mur hie und da von geringen Anhöhen unterbrochene, 
weite Ebene, welche von der Weichfel, dem Haupıfluffe, ver Dreweng, Sorge, 
5 Mottlau und einigen kleineren Flüſſen bemäffert wird. Der Boden ift in 
den höher gelegenen Landftrichen entweder fandig, oder von Haiden und Moräften 
bededt und daher größtentheild minder ergiebig, in den fetten Niederungen aber, 
die vor Zeiten der Weichfel abgewonnen worden find, defto frucyibarer. Getreide, 
Sale Delgewächfe und Flachs werden in folcher Menge erzeugt, daß man 

ven großen Theil davon ausführen kann; auch baut man vieles Dbft umd die 
Waldungen liefern viel Bau- und Brennholz zur Ausfuhr. Die Pferde-, Rind- 
vieh⸗ — und Bienenzucht wird ftarf getrieben, beſonders zieht man in 
der Weichielniederung große, jhöne Pferde und treffliches Rindvieh. An mine 
raliſchen Produften it W. arm und beichränft auf eiwas Sumpferr, Töpferthon, 
Kalt, Bernftein und hauptſaͤchlich Torf. Anſehnliche Fabrifen und Manufafturen 
bt ed, Danzig dl. d.), Eibing (f. d.) und Thorn (f. d.) auegenömmen, 
faft gar nicht; dagegen find die Garnfpinneret und Leinwandfabrifatton im Lande 
allgemein verbreitit. Der Handel, obgleich durch die Ditjee und die Weichiel 
begunftigt, ift nur in den Städten Danzig umd Elbing lebhaft, hat aber in neuer 
Zeit auch bier an Bedeutung verloren. In Bezug auf die Civilverwaltung gr: 
ſallt die Landſchaft in die zwei Regierumgsbezirte: Danzig, mit 152 Meilen 
und 350,000 Einwohnern in acht landräiplichen Kreiien und Marienmervder 
(. d.) mit 319 I) Metten und 580,000 Einwohnern in dreizehn landrächliden 
Kreiſen; Stävie gebt es nur wenige. Für die katholiſche Kirche beftcht das 
Bisıhum zu Culm (f.d.), deſſen Bifhof feinen Sig zu Velplin hat, doch erfrcdi 
fid) auch der Sprengel des Bisthums Ermeland über einen Heinen Theil Be. 
Die Brovinziaiftände, bie, Im Vereine mit den Ständen Oftpreußens, abwechſelnd 
zu Königsberg und Danzig ſich verfammeln, beftchen aus 15 Deputirten der 
Ruterfchaft, 13 Deputitten der Städte und 7 Abgeordneten der Landgemeinden. 
An wiſſenſchaftlichen Anftalten beſitzt W. 6 Gymnafien, nämlich zu Danzig, 
Eibing, Konitz (kaiholiſch), ulm (katholiſch), Marienwerder und Thorn; 4 Schul 
lehrergeminarien: zu Danzig, Jenkau, Marıenturg u. Martenwerder; ein bucöf 
liches Prieſterſeminar und ein Eadettinpaus zu Culm, eine Hebammenanftalt zu 
Danzig, eine Blindenanftalt u. Zeichnungsſchule zu Marienwerder u. eine Han 
deleafademte u. Sch fffahrtsſchule zu Danzig. — Die Landſchaft führte bis 1772 
den Namen Bolnifh- Preußen, weil fie, mit Inbegriff von Ermeland, zu 
denjenigen Theilen Preußens gehörte, welche die Krone Poien 1525, als fie dım 
Ordensmeiſter Albredht von Brandenburg das Herzogihum Preußen, au Lehn gab, 
fich vorbehalten hatte. Danzig, Thorn und Eibing warın darin die bedeusendfen 
Staͤdte. As 1772 König Faedrich I. Pelnifh- Preußen, mit Ausnahme von 
Danzig und Thorn, in Belig nahm, fchlug er Ermeland zu Dftpreußen, vereinigte 
mit jenem den ganzen Negebiftrift und gab dem Lande, im Gegenfage von OR 
teußen (f.d.), den Namen W. Hierauf kamen 1793 aud) Danzig und Thom 
in preußifchen Beſi Aber im Frieden zu Tilſit 1807 mußten mehre Theile 


VDeſtynukt Betterteuſtec SB: 
diefer Provinz (etwa 253 M.) an Frankreich abgetreten werben, die Napoleon 
theils zum Herzogtbum rk hau (f. d.) ſchlug, theild zur Bildung des Frei⸗ 
ſtaates Danzig verwendete. Erſt 1815 gab der Wiener Congreß dieſe Landes 
theile an Preußen zurück, weiche® hierauf die füplichen Bezirke an der Nepe zu 
der Provinz Poſen fchlug, aus dem eigentlichen W. aber eine befondere Provinz 
bildete, die jedoch im Jahre 1824 mit Ofpreußen in eine einzige Provinz, unter 
dem Namen Preußen, vereinigt wurde. . Ä 

Weſtpunkt, |. Abend. | : 

Werftein, Johann Jakob, ein um die Kritik des Neuen Teftamentes bo 
verbienter Gelehrter, geboren au Bafel 1693, eine Zeit lange Feldprediger in bols 
ländifchen Dienſten, fett 1717 Diafonus in Bafel, wurde auf bie unerwielene 
Anklage, in feinen Predigten vom reformirten Bekenntniſſe abweichende Lehrfäge 
vorgetragen zu haben, feined Amtes entiegt und ging nad) Holland, wo er als 
Profiffor zu Amſterdam 1754 farb. Berühmt iſt er durch feine kritiſche Ausgabe 
des Neuem Teftamentcs, (2 Bde. Bol, &Uuyden 17511752), „Ueberfegung 
ey 6 Bde. ebd. 1763). Seine „Prolegomena“ gab J. S. Semler heraus, 
(Halle 1764). 

Wette (Sponsio), It ein Blüdövertrag, welcher dann entfleht, wenn über ein, 
beiden Theilen noch unbefanntes, Ereigniß ein beftimmter Preis für Denjenigen, 
defien Behauptung der Eıfolg entfpridht, verabredet wird. Die W. iſt j 
ungültig, wenn der gewinnende Theil von dem Ausgange Gewißheit hatte und 
dem andern Theile verheimlichte, well er ſich biedurdy einer Argliſt ſchuldig ges 
macht hat; der verlierenne Theil aber, dem der Ausgang vorher befannt war, {fl 
als ein Gefchenfgeber anzufehen. Wenn ber Gegen and der W. etwas Unfltt« 
liches (causa inhoneste) ift, bat diefelbe nach roͤmiſchem Rechte ebenfalls Feine 
Galtigkeit. Dagegen find redliche und fonft erlaubte Wen in fo weit verbindlich, 
als der bedungene Pteis nicht blos verſprochen, fondern wirk.idy entrichtet, oder 
binterlegt worden ifl. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden. 

Wette de, f. de Wette. 

Wetter. 1) W. (tempestas), derjenige Zuſtand der Atmoſphaͤre in Snfät 
der Trodenheit, Wärme und Feuchtigteit (f. d.), welcher gemöhntidy 
durch die berrfchenden Winde beftimme wird und auf dad fogenannte W.⸗Glas 
wirkt. — 2) W. inder Bergwertöfpradye, Luft u. Dimfte in der Grube, ohne 
weiche kein Licht brennen, noch auch die Bergleute dauern können. Die W. 
werden dur Schächte und Stollen in die Grube gebracht; man theilt fie im 
frifche, wenn fie fich wechfeln können (d. b. wenn fie entweder zum Stollen ein- 
fallen und zum Schacht wieder hinaus ziehen oder umgelehrt) und ſtarken Zug 
haben u. in faule, wenn fie, wegen Mangel an Wechſel, did, dumpfig und matt 
find, fo daß man kaum ein Licht brennend in der ®rube erhalten kann. Defters 
find diefe Icgteren von ſchädlichen, arfentaltichen Dünften angeficdt, fo daß bie 
in die Grube Fahrenden erftiden; man nennt dergleichen: böfe W., Schwaben. 
Die, in den Gruben freien Zug habenden, W. find bisweilen fo ftark, daß man 
zu einiger Hemmung berfelben Wetterthür en einhängen muß. 

Metterableiter, f. Blitzableiter. 

Wetterglas, f. Barometer. | | 

Wetterlenchten, die befannte, im Sommer oft wahrgenommene Erfcheinung, 
Daß Abends nad, warmen Tagen fehr oft ein ſchnell hervorbrechendes und eben 
fo ſchnell verſchwindendes Licht am bemwörkten Himmel wahrgenommen wird, 
welches ganz dem Blige gleicht, außgenommen, daß es nicht, wie diefer, im Zidzad 
verbichter ıft und weder einen Donner mit fi führt, noch Schaden antichtet. 
Rad) der gewöhnlichen Anficht fol durch dieſe Erfcheinung das Wetter ſich abs 
fühlen, was jedoch nicht immer der Fall iR. Sehr oft rührt das fogenannte W. 
von einem enıfernten Gewitter her, deſſen Donner nidyt mehr zu unferen Obren 
gelangt ; aber gewiß ift auch, daB es nicht felten. mit Teinem Gewitter in Ber- 

indung flieht. Es fcheint dieſes Phänomen große Aehnlichkeit zu haben wit tem. 





d ı 


173 Betterfheide — Wettrennen, 


Lichtſtrahlen, welche aus ven Hervotragungen flarf eleftrifirter Körper ftrömen 
und es — wohl feinen Urfprun, — überladenen Gewitterwoiken nehmen, 
aus deren en dergleichen Strahlen Miefen, welche blos zerftreut und ohne 
bredende Gewalt in die Luft fahren. — Innerhalb der ‚heißen Zome ift dieſes 
W. ungemein häufig und fo ftarf, wie das Nordlicht innerhalb der falten. An 
den niedrigen Küften der Infel Sumatra wird es faft jede Nacht von der Abend- 
dämmerung an bis zum Morgen gefehen, wo es der Tag verbumfelt. Es hat 
dafelb fo große Aehnlichteit mit dem Nordlichte, daß man hiedurch noch mehr 
in der Meinung ıbeftärkt worden iſt, daß letzteres eine elelttiſche Erſcheinung fei. 

Wetterfeheide, nennt man bie Stelle des Dunftfreifes einer, Gegend, wohin 
fi die Gewuter und Strichregenwolfen ziehen, oder ſich vertheilen. Die tiefen 
Thäler der Berge, Bäume und Wafferflächen haben eine ftarte Ausdünftung, aber 
we bat eine Wahlverwandifchaft zu den über ihr ſchwebenden Dünften, 
welche fich nach jenen hinziehen. Gewitter und-Regen zeigen ſich daher felten 
an Anhöben, welche burch ihre Lage eine W. bilden. 

jee, ein See in Schweden, zwifchen Oſt⸗ und Weftgöthaland. Der- 
felbe tft fehr tief Can manchen Stellen bei 360 Fuß), 15 Meilen lang, 23 Meile 
breit, hat einen $lächenraum von 34,85 [J Meilen und legt 46 Eflen über ver 
Dftfee, Er nimmt ungefähr 40 Flüffe auf und ergießt 1 durch den Motala, 
firom, der jeboch nicht fchiffbar iſt, in die Oſtſee. Das Waſſer dieſes fchiffbaren 
Sees ift fehr heil, wird aber oft durch ſchrecliche Stürme getrübt, Die fich in 
feinem Innern erheben, wenn 2 vie —— und harzigen Theile tm feinem 
Grunde entwideln und durch ihre Ausbrüche ein donnerndes Getöſe verurfadhen. 
Bei ſolchen Stürmen tft die Schifffahrt auf dem See auch hoͤchſt gefaͤhrlich 
Seine Tiefe nimmt ab und zu: 

Bettin, ein altes Dynaftengefchlecht, das feinen Namen von der Stammburg 
W. an der untern Saale führt, Bon ihm ſtammen fämmtliche, jegt regterende, 
ſachſiſche Haͤuſer, weshalb man auch, aber ohne geſchichtlichen Halt, das Ge 
ſchiecht mit dem Sachfenherzoge Wittefind in Berkindung bringt. Beglaubigt if 
Graf Dietrich oder Theodorus, der 982 zu Bafentello in Galabrien farb. Sein 
ältefter Sohn, Dedo, erhielt W., der jüngere, Friedrich, die Grafichaft Eilenburg, 
die nach feinem Tode Dietrich I., Dedo's Sohn, erbte. Giner feiner Söhne, 
Dedo II, war bei feinem Tode 1075 Markgraf von der Laufig und von Meißen. 
Ein Neffe von ihm, Konrad, warb aufferdem mit der Nieberlaufig belehnt. Gr 
theilte unter feine fünf Söhne, von denen Dito ver Reiche die Markgraficaft 

eißen empfing, Diefem folgte fein ältefter Sohn, Albrecht der Stolge, dann 
defien Bruder Dietrich ver Bedrängte (1195). Dieirich's Enkel war Friedrich 
der@ebiffene (f. d.), defien Enkel, Friedrich der Streitbare, von Katfer Sigie 
mund 1423 das Herzogthum Sachſen und die Kurwürde erhielt, 

Wettrenmen, waren ſchon im Alterthume befannt und beltebt und bilden 
einen wefentlichen Theil der Kampffptele (f. d.); im unferer Zeit bilden fic 
vorzüglich eine Rationalunterhaltung der Engländer; far in allen Grafſchaften 
werden aljährlich feftliche W. veranftaltet, wobei namhafte Gewinnſte ausgeſett 
erden und denen ungeheuere Privatwetten nebenbei noch ein beſonderes Interefie 
geben. Die Rennbahn ift ein dazu beftimmter, länglichrunder Blap, von gewöhns 
lich vier englifchen Meilen Länge und fo eingerichtet, daß die “Pferde an ben 
Dit zurüdfommen, von wo ſie ausliefen. Hier fleht ein @ebäube, wo die Direktoren 
des Rennens die Pferde einfchreiben und bie Wetten in Empfang nehmen. Die 
Jokey's (die Perfonen, die wettrennen), die ſich zu dieſem Behufe ſchon lange 
vorher durch daſten, Frottiren, Schwigen fo leicht als möglich in machen fuchen, 
werben gewogen und der leichtere muß fich mit fo vielem @ewichte belaften, daß 
er eben ß ſchwer, als der Andere, wird. Der ganze Menſch ift fammt Sattel, 
Zeug und Kleidung nur 126 Pfund ſchwer und im Rennen berührt er das Pferd 
blos mit den Knieen, übrigens fteht er. Sein Gewicht liegt gleichſam im Maule 
des Pferdes, da biejes mit dem Kopf fat die Erde berührt, der Reiter aber am 

’ 


Wetzel — Weyer. 785 


Zaume mit befden Händen aufwärte zieht, wodurch feine Schwere ſich vorwärts 
wiegt. Eind Wetten und Ziel eingerichtet, dann geben die Schiedsrichter das 
Zeichen, die Pferde werden losgelafien und, welches das Ziel zuerſt überfpringt, 
{ft Sieger des erften Laufes. Jetzt werden die Pferde abgefattelt, gereiniget und 
nad) einer Stunde beginnt ein neuer Lauf. Gewinnt daß erfte —5 — auch jetzt 
wieder, fo erhält ed den Preis und das W. iſt geendet, wo nicht, fo muß noch 
ein dritter Lauf entſcheiden. Man hat Beifptele, daß die Rennpferve 40, 60 bi 
82 Fuß in einer Sekunde urüdegten. — Auch auf dem Gontinente find die W. 

feit längerer Zeit gebräuchlich geworben. Namentlich finden foldye Statt in Wien, 
Berlin, München, Württemberg, Sachten, Medlenburg, Paris u. anderen Orten 
und man betrachtet fie als vorzügliche® Mittel zur Beredelung der Pferdezucht, 
indem in ihnen ein befonderer Antrieb zur Sorgfalt dabei liegt und in der That 
pflegt audy der Engländer alled nur Mögliche zur Zucht und Behandlung ber 
MWettrenner aufjuwenden. 

Wetzel, Karl Friedrich Gottlob, ein beliebter ae und humor⸗ 
iſtiſcher Schrififteller, geboren 1780 zu Bauten, ſtudirte Medizin zu Jena und 
Leipzig, wendete ſich aber zu den fchönen Wiffenfchaften, hielt Borlefungen, redi⸗ 

irte den fränkifchen Merkur und flarb ſchon 1819. Nicht ohne Werth find feine 
ragödien: „Jeanne d'Arc“ und „Hermanfried* ; ebenfo viele Gedichte in feinen 
„Sthriftproben”, 2 Bde. 1814— 1818. Sehr witig fein „Rhinoceros“, 1818. 
„Geſammelte Gedichte”, Leipzig 1838. 

Wetzlar, Kreisftant im Regierungsbezirke Koblenz ver preußtfchen Rhein⸗ 
provinz, in der Wetterau, in unebener Lage an der Lahn u. DIN, mit den Ruinen 
der alten Reichsburg, einem Gymnaſtum und 5000 Einwohnern, die fidy von 
den gewöhnlichen ſtaͤdtiſchen Bewerben, fowie vom Feld⸗, Garten⸗ und Obftbau 
und einigem Handel nähren. — Schon unter Kaiſer Friedrich dem Rothbart 
freie Reichsftapt, war W. von 1693 — 1806 Sitz des Reihslammergerichte 
(f. d.); nach der Auflöfung des deutſchen Reiches wurde die Stadt mit ihrem 
Gebiete dem Großherzog von Frankfurt zugetheilt und kam 1814 an PVreußen. 
m Juni 1796 wurde hier das Sonrban’tihe Heer von dem Erzherzoge Karl ges 

agen. 

Wepfteinfchiefer oder Wetzſchiefer, ein dichter, hauptfächlich aus Quarz, 
nebft nn geringen Menge thoniger Theile beftehender, Schiefer von meift grüns 
lich⸗ oder gelblidygrauer Farbe. Se nachdem die Quarz⸗ oder Shontheie vor⸗ 
walten, kommt er in ſehr verſchiedenen Häͤrtegraden vor. Er eignet ſich vor⸗ 
züglich zu feinen Wetz⸗ und Schleiffteinen, wozu jedoch nicht jeder gleich brauch⸗ 
bar iſt. Auch wird er zum Schleifen der Kupferplatien, fowie zum Schleifen 
und Poltren der Metalle gebraucht und deöhalb auch gepulvert in den Handel 
gebradyt. Der beſte ift der Tevantifche oder orientalifche Delftein, der 
aus Konftantinopel und Smyrna nady Europa kommt; ferner findet er ſich bes 
jonbere bei Sonnenberg im WMeiningen’fchen, an mehren Drten in Böhmen, Salz⸗ 

urg, Steyermark, der Lombardei, In Bayern, Belgien, England, Schottland, 
Rordamerika ıc. und neuerdings bat man auch ein reichhaltige® Lager am Colm⸗ 
berge bei Oſchatz in Sachſen gefunden. 

Werford, Grafichaft in der irifchen Brovinz Leinfter; 37 [JMeilen, 185,000 
Einwohner. Die Haupiſtadt gleichen Namens liegt an der Mündung des Sla⸗ 
ney in den St. Georgskanal u. hat eine Citadelle nebft einem geräumigen, aber 
feichten Hafen. Befuchte Mineralquelle, wichtige Wollenweberei, 12,000 Einw. — 
W. iſt das Manapia der Alten. mD. 

Weyer (Syivain van der), belgiſcher Gefanbter In London, geboren 17 
zu Amſterdam, war zuerft Advokat, dann Bibliothekar, Eonfervator u. Profeſſor 
am Muſeum zu Brüffel, verlor als Förderer der Oppofition feine Stelle, ver; 
theidigte de Potter (f. d.), fpielte dann eine mächtige Rolle in der belgiſchen Re- 
volution, führte im Auftrage der proviforifchen Regierung, deren Mitglien er war, 
die Verhandlungen in London u. ward, nachdem er Furze Zeit das Minittertun 


MM 


296 Beʒel Whiſton. 


des Auswaͤrtigen geleitet: hatte (1831) Geſandter in London. 1839 vermahlte 
er ſich mit einer der reichten Erbinnen Englands, ver Tochter des Banquiers 
Baios. Nach dem Sturze des Miniftertums Nothomb im Jahre 1845 wurde 
er an die Spige des neuen Cabinets berufen und mit dem Minifterium des In 
nern beauftragt; allein, da er ſich zwifchen den einander entgegengefegten An 
fprüchen der den, fidy gegenfeitig belämpfenden Parteien, der liberalen und 
der Fatholifchen, nicht zu halıen vermodyte, fo war er fchon im nmächften Jahıe 
wieder gezwungen, dem de Theur’jchen Minifterium Play zu machen. 

Wezel (Johann Karl), ein Iauniger Reimichter, geboren. 1747 zu 
Sonderspaufen, ſtudirte in Leipzig die Rechte, ward Hofmelfter bei einem Grafen 
von Echönturg, bereiste Deutſchiand, England u. Frankreich, lebte als Theater: 
dichter in Wien, ging nach Leipzig und verfiel hier in Wahnfinn. Man brachte 
ihn daher nach feiner Baterftadt 1786, wo er 1819 ftarb. Er war ein wigiger, 
finnreicher Kopf, der die Lächerlichfeiten des Lebens tief aufgriff umd lebendig 
abmalte, bisweilen nur etwas zu breit, Seine „Luſtſpiele“ (4 Boe., 1778-86) 
find fein angelegt und ausgeführt, eignen ſich aber mehr zum Leſen. Am meiften 
fanden feine Romane Beifall: „Satyrliche —— Thle. 1777 u. 78); 
„Hermann und Wirife* (4 Thle, 17795 „Wilhelmine Arend“ (2 Thle., 1782); 
Werke des Wahnfinns“ (2 Thle, 1804) u. f. w. 

Wheaton (Henry), Gefandter ver nordamerifanifchen Bereinftaaten in 
Berlin, geboren 1785 zu Provivdence (Rhode Island), machte ſich im Ftanlteich, 
— und England mit der Rechispraris bekannt, pralticirte in Rhode Joeland, 
812 — 15, in Nem-Vork,' dann in Wafhington, indem er zugleich juriſtiſche 
Werke erſcheinen ließ, auch am der Regidlarton News Yorks einen wefentlicen 
Theil nahm. Eine diplomatische Sendung führte ihn 1827 nach Kopenhagen, 
wo feine „History of the Norihmen“ (1831) entftand. Yür feine Erfahrungen 
Maren die Revolutionen in Frankreich und Belgien, forte die Debatten über die 
Reformbill, denen er ald Augenzeuge beiwohnte, nicht verloren. Im Jahre 1834 
zurüdgerufen, erhielt er 1835 ferne gegenwärtige Stellung, in der er ſich noch 
bifinvet, Man hat von ihm: „Entihäpigungen dis oberften Gerichtshofes der 
vereinten Etaaten von 1816— 27," Wafhington 1816—27, 12 Bde; „Ueber: 
fibt der Eatſcheidungen des oberften Gerichtshofes der vereinigten Staaten feit 
1789,“ ebend. 18215 „Life of W. Pikney,“ ebend. 18265 „History of Norih- 
men,“ London 1831; „Scandınavia,“ ebend. 1835; „Elements of intennalional 
law,“ (in franzgöfijhyer Bearbeitung: „Elements du droit international“) 2 Bde, 
2pz. 1840, ein geiftreiches Handbudy, dem 1842 die ermwetterte „History of the 
law of nations“ folgte. In Gemeinfchaft mit Dr. Crichton gab er ein Bat 
über die Raturgefchichte und die polttifche Wntwidelung der norbifchen Reiche 
unter dem Tüel „Scandinavia“ (&pinburgh 1838) heraus. Seine neuefte Schrift 
iſt die Preisſchrifi: „Histoire des progres du droit des gens en Europe depuis 
la Fo wet halie“ (2pz. 1841, 2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1846). 

ſ. Tory. 

Biken Billtam), Profeffor der Mathematik in Cambridge, geboren zu 
NRorthon in der Orafichaft Leicefter 1667, Audirte zu Cambiidge Mathematil, 
Phtlofophie und Theologie und fchrieb ſchon 1690 eine neue Theorie der Erde 
(A new Theoroy of th Earth, Lond. 1696), die, obſchon vol Puradoren, große 
Auffeben unter den Gelehrten machte. Er wurde 1698 Prediger zu Koweftoft in 
Suffolt, fihrte 1703 nach Cambridge zurüd, wo ihm Newton dad Lehramt der 
Mathematik abtrat und erwarb fich zugleich durch feine Previgten großen Ruhm. 
Nach längerem Studium fam er endiich fo weit, die Lehre von der Dreieinigkeit 
als unbiblefh darzuſtellen und einen vollftändigen Arianismus zu vertheidigen. 
Dies veranlaßte ihm eine Menge Streitigkeiten und 1710 die Gntlaffung von 
feinem Lehramte; body ging der gegen ihn eingeleitete Prozeß nicht fort und ®. 

gab fich nun nach London, wo er Unterricht in der Mathematit ertheilte und, 
n mehren geologiſchen und aftronomifchen Schriften, befonders eine Menge 


Bhite — White, 797 


theologifcher Abhandlungen über urchriſtliche Zuflände und Schriften zur Bers 
theidigung feiner Anfidyt von der Dreieinigken fchrieb und in einen lebhaften 
theolegifchen Streit verwidelt ward. Endlich trat er zu den Baptiften über und 
farb 1752 in London. Auch die Ewigkeit der Höllenftrafen läugnete er in einer 
1740 erfchienenen Schrift. In feinen „Memoirs“ (London 1749— 1750, 3 Bdoe.) 
erzählt er fein Leben felbft. 

White, 1) Blanco, geboren zu Sevilla 1775, ſtammte aus einer irifchen 
Familie, ftudirte Theologte, wurde Pricfter und wegen feiner Gelehrſamkeit bald 
Eynodaleraminator der Didzeſe von Cadix, aber über dem vielen Willen wurde 
der Glaube in ihm wankend und fortgefegtes fpipfindiged Forſchen führte Ihn 
zuerft zum Zweifel und bald darauf zum Widerfprudye gegen die katholiſche Lehre. 
So mit der Kirche, der er angebörte, und mit fidy ſelbſt zerfallen, verließ er 
1810, nachdem er feine Stelle aufgegeben, Spanien und flüchtete nach England. 
Seine hülflofe Lage zwang ihn zu literarifchen Arbeiten und er gab die wichtige 
Zeitſchrift „El Espanol“ bis 1814 heraus. In Drford, wo er 1814 Theologie 
ftudirte, trat er zur anglitantfchen Kirche über und wurde Erzieber, fchrifts 
ftellerte uber fdyon wieder jet 1817. So entftanden die „Lettres from Spain“ 
(deutfh Hamburg, 1824), die Zeitfchrift „Variedades“ (1823—25), die „Prao- 
tical and internal Evidence against Catholicism“‘ (1825) und „A letter to Ch. 
Butler“ (1826) als ®ertheidigung jener. Aber audy die anglikaniſche Hochkirche 
genügte feinem, immer zügellofer werdenden, Drange nad) geiftiger Freiheit nicht 
und er ſchloß fich jebt den Unitartern an. Diefer Periode feines Lebens gehört 
die Schrift: „Heresy and Orthodoxy‘‘ (1836) an. Endlich löste der Tod, den 
er 1841 zu Liverpool fand, die Widerfprüdhe, in weldye biefer unglüd Ihe Geiſt 
mit ſich ſelbſt geraihen war. — 2) W., Charles, geboren 1794 in Shropfſhire, 
ſtieg im ſpaniſchen Kriege zum Stabecapitain, ward Adjutant des Herzogs von 
Cambridge, verließ 1825 fein Regiment und nahm, fidy der Literatur widmend, 
feinen Aufenthalt in Aachen, dann in Brüflel, wo er fein Haus der gebilverften 
Gefelichaft geöffnet hat. Als geiftreicher Schrififteller bewährte er ſich in: „Her⸗ 
bert Milton” (deutfh 3 Bde., Aachen 1823), „Arthur Beverley“ (3 Bde., 1830), 
„Die heimliche Ehe“ (3 Bde. 1837), „Kaſchemirſhawl“ (3 Bde., 1841), „Haͤus⸗ 
liches Leben und Sitten der Türken” (2 Bpe., 1344). Seine neueftle Schiirt iſt: 
„Three years in Constantinople“ (3 Bde., 2. Aufl., London 1846). 

Wpitefield, George, nebft Wesley der Stifter der Methopdiften (ſ. d.), 
1714 zu Geouceſter geboren, beſuchte ald Knabe eine gelehrte Schule und zeich- 
nete fidy durdy feine außerordentliche Gedächtnißkraft aus, führte aber daneben 
ein wentg erbauliche® Leben. Nach dem Tode feines Vaters nahm ihn jedoch 
feine Mutter, die eine Gaſtwirthſchaft hatte, wieder vom Studiren weg und er 
mußte im elterlichen Haufe Kılinerdienfte verfeben. Im 18. Fahre erhielt er eine 
Freiſtelle auf der Univerfität gu Orford, wodurch es ihm möglidy gemacht wurde, 
Theologie zu fludiren. Hier war ed, wo er fi an Wesley anfchloß und im 
religtöfen Enthufisemus oft ganze Tage im Gebete auf der Erde lag. Er ward 
im 21. Jahre Diafonus, dann Subftut zu Dummer (Humpfhire) und folgte 
1737 der Einlanung Wesley's, nad Amerika zu fommen. Um ein Waiſenhaus 
zu ftiften, fammelte er 1739 in England, überall fo gewaltig predigend, daß die 
Kirchen die Zuhörer nicht faffen fonnten und er unter freiem Himmel zu ſprechen 
gendthigt war. Einen gleicdyen Zauber übten feine Predigten in Amerika aus, fo 
daß unter Anderen Franklin erzählt, er habe erſt Nichts geben wollen, dann das 
Kupfer und endlich fein Gold beigefteuert. Den Grundftein zum Waiſenhauſe in 
Savannah konnte er im Januar 1740 legen. Mir Westen über die Gnadenwahl 
in Zwieſpalt, war er abwechfelnd in England und in Amerika thätig, ward Ka⸗ 
plan der Gräfin Huntingdon und farb auf der fiebenten Reife nady Amerika zu 
Rewburg-PBort in ReusEngland 1770. Seine Werke erfchienen in 6 Baͤnden. 

Whitehall iſt der Name des uralten, 1697 abgebrannten Schloffed in Lon⸗ 
don, das neben Woeſtminſter an der Themſe, wicyt wer won Are raniiuen 


08 Bbitehurſt — Wibmperger. 


Schloffe St. James liegt, wo mur noch das fogenatinte Banquetingshouſe, (ter: 
Pe ern. fen Oasen Bei ihrem inzuge) mit einem feirlige 


Gaftmahl beehrt wurden und aud die Ceremonie bed Fußwaſchens art aram 
Leuten jeden em Donnerftag vor fich ging) und das Fenſter, daraus König 
. Karl I. 1649 auf das Blutgeräft zu feiner Enthauptung- hat fteigen müflen, zu 


fehen find. 

 Wpitehurft, ein berühmter englifcher Mechaniker, geboren zu Eongleton 1713, 
war der Sohn eines Glodengieferd und Uhrmachers, erlernte biefelbe 
verließ fie aber fpäter wieder und widmete fid dem Studium der Natur. Et en 
fand mehre nügliche Mafchinen, gab verſchiedene Schriften über diefelben heraus 
u. farb, als Mitglied der königlichen Gefellichaft zu London, den 18. Febtuat 
1788. Seine Werke erfchienen gefammelt unter dem Titel: Works of John W. 
with memoirs 'oß his life and written, London 1792. 

Whyddah, ein dem Könige von Dafomey (f.d.) gindbarer Negerftaat auf 
der ‚Skiavenküfte Oberguinea’s. (Afrika). Es ift ein prächtiges Land für den 
Aderbau, denn der Boden ift ee flach, ein fruchtbarer rotber Lehm, in 
welchen auf 20 Fuß Tiefe kein Stein zu finden ift ‚und würde Alles hervor: 
bringen, was man anpflanzt —— das Volk if träge, ſelbſt die Hauofllaven 
thun kaum fo viel, um ſich in lörperlicher Bewegung zu erhalten. Die Haupt 
ſtadt Heißt gleichfalls W. Man verehrt hier eine Art Boa Eonftrictor. 
etwa acht Fuß tm Durchmefjer — Schlangenhäufer mit einem kegelförm⸗ 
igen Dache find diefem Abgotte in mehren Theilen der Stadt errichtet. Geſede 
und Sitten find willlürlich und abgeſchmackt. mD: 

Wiarda, Tilemann Dothias, ein trefflicher Gefchichtäforfcher , geboren 
1746 zu Empen, ftubirte zu Halle die Rechte, ward Aovofat, Landichaftsfekretär 
und farb als Hoftath und Lanpfyndifus zu Aurich 1826, hodhverdient um die 
Geichichtfchreibung feines Vaterlandes Werke: „Aliftieſiſches Wörterbuch“ (1786), 
„Bolftändige oftfrieftche Geſchichte“ (10 Thle, 1791—1817), „Ueber beutfche Bor- 
namen und Geichlechtönamen“ (1800), „Aſega- buch“ (1805), „Geichichte u. Aus: 
legung des falifchen Geſetzes“ (1809) ꝛc. 

Wiatka oder Wiätfa, ein zum Ezarentbum Kafan gehörige® Gouvernement 
im europäifchen Rußland, das nördlich an Wologda, Öflih an Berm, ſüdlich an 
Drenburg und Kafan und wefllih an Koftroma grängt und auf 2500 [IR. 
etwa 14 Million Einwohner bat, von denen die größte Zahl Ruffen, vice 
aber auch Tataren, namentlich Worjäten, Tſchuwaſchen und Ticheremiffen find, 
leßtere nody Helden. Der Boden ift meift bergig, indem mehre Nebenzweige bed 
mittlern oder erzreichen Uralgebirges fih bis In das Gouvernement erfireden, 
moraflig und thonartig, auffer an den Ufern der Kama, wo er ſchwarzerdig und 
ſehr fruchtbar iſt. Die großen Moräfle find mit Wald bevedt und bie Yorke, 
welche größtentheils im Beftge der Krone find, liefern derfelben einen anfehnlichen 
Ertrag. Der Aderbau liefert, vornämlich an der Kama, einen reichen @etoim, 
auch wirb die, fchon durch Peter den Großen begünfligte, Vieh- und namentlid 
Schafzucht in dieſem Gouvernement jr fleißig betrieben. Fiſchfang u. Bienen⸗ 
zit And ergiebig; auch das fehr reichlich, vorhandene Kupfer und Eifen, welches 

vielen Hüttenwerken verarbeitet wird, bringt dem Gouvernement großen Ge 
winn. Schon im Jahre 1782 wurden in diefer Provinz allein 300,000 Pıb 
Eifen erzeugt; gegenwärtig hat fich die Jahresausbeute reichlich verdreifacht. 
Unter den dabriken zeichnen ſich beſonders die Juchten⸗, Seifen» und Leinwands 
Ken aus. Hauptausfuhrartikel find: Getreide, Talg, Honig u. Wachs, melde 
obufte meift naı Arcangel verführt werben. — Die gleichnamige Hauptftadt, 
früher Chlynow genannt, {ft ftarf befefigt: Sig der Gouvernementöbehörden u, 
eines Biſchofs, hat 15 Kirchen, mehre Klöfter, ein Seminar und Gymnaflum u. 
12,000 Einwohner, welche Seife, Leder, Silber⸗ und Kupferwaaren fabriziren u. 
Handel mit Getreide, Flache, , Leder ıc. treiben. 
WBibmperger, P. Gregor, hiktiner von Kremsmünker, Profeflor der 


Wiborg — Wichtelzopf. 790 


Theologie und durch 24 Jahre Rector Magnific. der Univerfität Salzburg, um 
weldye er fidh große Verdienſte erwarb, geb. 1658, geft. 1705. Seine zahlreichen 
Schriften find philofophtichen und theologifchen Inhaltes. — gl, Histor. Uni- 
vers. Salisb., p. 143 und 359; 3iegelbaur, Histor. rei lit. ord. S. -Benedicti, 


Ill, p. 535. 

Wiborg, 1) Hauptftadt des ruffifchen Gouvernements Finnland (7IO[IJM. 
mit 140,000 Einwohnern) und ſtarke Feſtung auf einer Landzunge und an der. 
Bucht Trangd Surve des finniſchen Meerbujens, hat 4 Kirchen, ein Zeughaus, 
mebre Kafernen und Magazine, einen Hafen, ein proteftantifched Eonfiftorium, 
ein Gymnafium und mehte andere Schulen und 5000 Einwohner, weldye Seilerei, 
Zifcherel und Handel mit Eifen, Holzmaaren, Talg, Segetug x. treiben. Der 
Hafen für gr? ere Schiffe Itegt einige Meilen entfernt. An ihm haben die Kauf- 
leute ihre Niederlagen. In der Nähe der Garten Monrepos. — Das Schloß 
von W. ward nad) Einigen von Torkel Knudſon 1293, nad) Anderen von dem 
Bater von Birger-Magnufen, von dem jener Bormund war, von Birger Jarl 

egründet. 1495 belagerte ed Czar Waſilij Schuiskoi, doc) warb der Haupts 
Aurm durch Sprengung eines Pulverthurms abgefchlagen und die Stadt gehalten. 
Später faß Herzog Erich von Finnland dort gefangen. W. ward den 10. Juni 
1710 von Peter dem Großen eingenommen. — 2) W., Hauptftadt des fütländ- 
ifchen Amtes W. (54 ] M.), die Ältefte Stadt Jütlands, mit 3600 Einwohnern, 
{ft Sig der jürlfchen Stände und eined Biſchofs; Dom, Gymnaflum, Fabriken; 
der Hafen der Stadt iſt Hjarbek am Lymfjord. 
ichtelzopf, Weichfelzopf (Plica polonica, P. judaica), nennt man eine 
Krankheit, in deren Kolge die Haare durch eine krankhafte Abfonverung der 
autdrüfen fo zuſammenkleben und verfilzt find, daß fle nicht entwirrt werben 
Tonnen. Sept Fömmt der W. faft nur mehr in Polen u. Lithauen, fowie in den 
zunächſt angränzenden Ländern vor, während er ehemals audy in Deutfchland, 
befonder8 in den Niederungen der Elbe und Wefer, beobachtet wurde, nody 1564 
ziemlich häufig, Dorfam, dann aber durch die fortfchreitende Cultur verbrängt ward. 
Die älteften Benennungen der Krankheit in Polen, wie in Deutfchland deuten 
auf Zauberei; der deutichen Sage nady läßt Frau Sale das Gefpinnft, wie die 
Haare verwirren, daher Hollen zopf Cunrichtig Hößlenzopfj,. Auch der Racht- 
mar und der Wichtel befiten nach der Sage die Macht des Haarverwirrens bei 
Menfchen und Pferden, daher Marenlode, oder Wichtelzopf, woraus das 
verborbene Weichſelzopf entftand, wenn letzteres nicht Beziehung bat auf Die 
Weichſel, an deren Ufer der W. fehr häufig if. — Noch iſt die Ratur des W.s 
nicht volftändig erkannt; er kann durch Anſteckung übertragen werben, ent- 
ſteht aber auch von felbft und wird jedenfalls durch Unreinlichkeit fehr beförbert. 
Gewöhnlich gehen längere Zeit, oft Jahre lange Erfcheinungen eines noch nicht 
entwidelten Allgemeinleivens voraus. Dann hellen die Hautbrüfen an ben 
behaarten Thetlen des. Körpers, befonderd am Kopfe ımd ergießen eine eigen- 
thümlicye Schmiere, weldye vertroduet und fo die Haare verfiebt. Die Haare 
wachfen fehr lange (bis zu 14 Fuß); tritt num zeitweife Stodung in der Ab⸗ 
fonderung der Hautprüfen ein und fehrt fie dann wieder, fo befümmt der W. 
ein gegliedertes Anfehen, d. h. ed wechfeln gefunde Gtellen der Haare mit ver- 
filtten. Man unterfcheidet zwei Arten ded W.8: den männlichen, wo ein, ober 
mehre Zöpfe gebildet werden und den weiblichen, wo Wülfte von verfchiedener 
Form entftehen. Mit der Ausbildung des W.s verlieren fich gewöhnlich die vor⸗ 
ausgegangenen Krankheitserfcheinungen. Hört die Abfonderung endlich auf, fo 
wird der W. troden, reif und beweglich, indem gefunde Haare nadhwachfen, ſo 
daß er jept ohne Gefahr entfernt werden kann; es tritt volllommene Geſundheit 
ein. Nicht felten aber Echrt der ZB. wieder und das Tann fi) 6—8 mal wieder- 
holen. Der W. kann aber auch durch Entartung der Knochen oder ber Einge⸗ 
weide, durch Waflerfucht oder Abzehrung den Tod herbeiführen, wenn feine Vor⸗ 


800 Wicke — Wielif. 


boten zu lange anhielten, bis er ausbrach, oder werner gar nicht zum Ausbruche 
tam, ober aud), wenn er zu früh enifernt wurde. « E. Buchner, 

— Wicke, Feldplatterbfe oder Buttermwide (Vicia saliva), eine Hülfer 

feucht mit ſchwarzen Schoten, runden, etwas platten Samenförnern von-nus 

ſchiedenet Farbe, welche ald Viebfutter benügt wird, u. deshalb auch einen: nicht 

unbedeutenden Handeldartifel bildet. 

Wielif richtiger Wycliffe), Iobn, einer der. Vorläufer der ſoge 
nannten Rıformation, geb. um 1324 zu Wycliffe (Yorkihire), Audirte zu Oxford 
nebſt Theologte bürgerliches und £unonifches Recht und. erwarb. fi bald durch 
feine Kenntniß der ſcholaſtiſchen Bhilofophie u. des Ariftoteles einen Namen u. trat 

er ald Lehter auf. Fa der Peſt von 1347 fahrer eingöitliches Strafgerict u, 
Hagte das —— Verderben der Kirche in ber Schrift: „The Last Age of the 
Church“ (1356) an, Nachdem er verfcjiedene Aemter verwaltet hatte, griff er, zw 
naͤchſt na a Veranlafjungen bewogen, 1360— 1370 den: Klerus und 

amentlich die Bertelmönche, welche die afademifchen Lehrämter aueſchließlich für 
fi in Anfpruch nahmen, in mehren Flugſchriften anz als er daher 1365 zum 
täfes des. Gollegiums von Canterbury zu Drford ernannt wurde, wider ſehten 
die Möndje und’ er wurde feiner Stelle entſetzt. W. appellirte egen an 

den päpftlichen Stuhl; Urban V. beſtätigte dieſelbe, jedoch — . gl 
nah Orford zurüd und hielt daſelbſt mit vielem Beifalle ıbeologiiche Sc 
ungen, welchen er häufig Ausfälle gegen die Mönche einftreute und ihnen fogat 
Summenimt vorwarf. Eduard Ill. war mit dem römifcen Stuhle auch wegen 
— der geiſtlichen Pfründen, der Entrichtung des Peterpfennigs u. a. in 
Str higfeten verwidelt und fehicte 4374 W, nunmehrigen Profeffor der Then 
logie zu Dsford, mebft einigen Anderen als Gefandte zur Beilegung biefer Zwiſt⸗ 
igfeiten an den Papſt. W. vertheidigte die angeblichen Rechte feines Her 
und lehrte mit gefteigertem Haſſe gegen die römifche Eurie nach Gngland 
urüd. ‚Nach feiner Zurüdfunft erhielt er vom Könige, mit Beibehaltung der 
Brofeftur, 1375 ein Kanonitat an der Gollegiatfirche zu Weitbury und bie 
Pfarre zu Rutterworth im Bisthume Lincolm. Bon jegr am machte ſiche 
W. zum Hauptgefhäft, auf dem Katheder, auf der Kanzel und im Schriften 
gegen den römilchen Stuhl loszuziehen. Was immer in einzelnen Schriften, 3. 8. 
eines Marfitius von Padua, eines Johann von Dliva u. A. gegen die Madt 
u die Reichihümer Rom’ zu finden war, wurden von ihm giemmelt; er griff 
endlich das Anfehen des heil. Stuhls ſelbſt in rein geiftlichen Dingen an und be 
hauptete, in ferner Lehre fogar Zundamental-Jrithümer zu entdeden. Die Gef 
lichkeit Englands war bisher immer auf die Seite der Päpfte gegen die Krone 
und das Parlament getreten und batte dadurch dad Bolt‘ in ber Treue gegen 
den hl. Stuhl erhalten. W. befchloß, den Erevit des Klerus zu untergraben und 
machte ihm alle weltliche Gerichtebarfeit fammt Allem, was ihm Anfehen und 
Zutrauen bei der Narton verfchaffen Fo-nte, ftreitig. Die, felt der Zeit Könige 
Johann ohne Land vorgefullenen, häufigen 3 rmürfnifle des tömiſchen Hofes 
mit England hatten die Gemüther in üble Laune gegen: erflern verfeht; mit 

Fem Widerwillen erinnerte man fih an bie Ercommunlcation und Mbregung 
ſenes Fürften, an die zu den Füßen dis päpftlichen Legaten miebergelegte und von 
demfelben dem Könige wieder aufgelegte Ktone, an die Abtretung Englands an 
den Bapft, endlid) an den von dufem aufgelegten Tribut; übsrdte fah man mit 
Verdtuß die Pfründen des Landes von dem Papſte an Auswärtige verliehen. 
Bei au diefen Uneinigfeiten hatte es die Geifllichfeit gewöhnlich mit dem Pape 
gebalten und fi) daduͤrch bei einem Theile des -BolfiS verhaßt gemacht, welches 
Obmedem auf die reihen Beflgungen der Kirche mit neidiihem Auge ſchlelie — 
W. fand duher die Köpfe zu feinem Wunfche, Unplanı gegen die roͤmiſche Kirche 
aufzumiegeln, gefimmt. Unterftügt wurde er in feinem Vorhaben durch die 
2ollarden, welde in England Veriheidiger gefunden hattınz er befam Ans 
hänger und fegte die Geiſtlichkeit in Sorgen. Diele überichicte deshalb an Papſ 


Wiclif. 801 


Gregor X., 1377, 18 Säge oder Artikel, worin W. der Erneuerung der Irr⸗ 
thümer des Marſilius von Padua, des Johann von Gent u. f. w. befchuldigt 
wurde. Der Erzbifchof von Canterbury und der Bifchof von London erhielten 
den Auftrag, WB. wegen diefer ärgerlichen Sätze zur Verantwortung zu ziehen 
u., wenn er fchuldig befunden würde, in’d Gefängniß zu werfen. Der Erzbifchof 
berief eine Verſammlung von Geiſtlichen nach London, vor welcher W. fidy vers 
antworten follte. Er erſchien, aber in Begleitung ded Herzogs Johann von 
Lancafter und des Lord Piercy. Dieſe verlangten: W. folle fid) ſitzend verants 
worten, wogegen die Geiſtlichkeit darauf befand, daß er vor ihnen, als Richtern, 
ſtehend erfcheinen müßte Wan fagte fidy von beiden Seiten viele Bitterleiten 
und ſchied unter Wortwechfel von einander, ohne In der Sache Eimas vorge- 
nommen zu haben. Geſtützt auf diefen mächtigen Schug, fuhr W. fort, feine 
Lehre zu verbreiten und ‘Brofelgten zu machen. Nach inzwifchen erfolgtem 
Tode Eduards II. mußte W. fi) nochmals auf Gregors XI. Beranftaltung 
vor einer Berfammlung der Geiflichfeit ſtellen, welche ed aber nicht wagte 
ihn zu verurtheilen, fondern ihm blos Stillſchweigen auferlegt. Died Alles 
vermehrte nur W.s Haß gegen den Papft und die Geiſtlichkeit. Er verfaßte 
verfchiedene Werfe, worin er feine früheren Grundſätze wieberholte und fie in 
ganz England auszuftreuen bemüht war. — Zu dieſer Zeit, unter Richards IL 
Regterung, machten Urban VI. und Clemens VII, einander den päpftliden Stuhl 
ſtreitig. Europa war awifchen beiden Bewerbern getheilt. Urban ward von 
England, Elemend von Frankreich anerkannt. Urban VI. ließ in Großbritannien 
einen Kreuzzug gegen Ftankreich previgen, in welchem den Kreuzfahrern die 
nämlichen Abläffe, wie bei den Kriegen gegen die Ungläubigen, bewilliget wurden. 
Allein der Schatz war von Geld entblößt. Um diefer Noth ebyubelfen und bie 
ndthigen Eubflvien für den Kreuzzug zu erlangen, berief der König im J. 1382 
das Parlament nady London. Hier machte W. folgende Borfchläge: „Man fol 
weder nad) Rom, noch nad Avignon Geld fchiden, wenn die Verbindlichkeit 
hiezu nicht aus der Schrift erwielen IR; dann fol das Volk nicht eher mit 
neuen Taxen belegt werden, als bis die Kirchengüter, die ohnedies das Erbtbeil 
der Armen find, zur Abhülfe ihres Elendes verwendet worden. Wenn Biichöfe 
oder Pfarrer über Sergehen betroffen werben, fo darf die Krone ihre Güter con- 
fisciren. Auch kann Riemand in England die Früchte einer Pfründe genießen, 
wenn er nicht dafelbft reftnirt, oder dem Staate, nach dem Urtheile des Parla⸗ 
ments, in anderer Weiſe erfprießtiche Dienfte leiftet.” Um die Köpfe gegen bie 
päpftliche Gewalt nody mehr zu erhigen, ergriff W. diefe Gelegenheit, eine Ss 

voll Erbitterung u. Heftigfelt gegen diefen Kreuzzug abzufaffen. „Es if ſchänd⸗ 
lid“, fagt er in derſelben, „daß das Kreuz Jeſu Chriſti, dieſes Denkmal des 
Friedens, der Erbarmung und der Liebe, zwei falichen Prieftern zu gefallen, 
welche offenbare Antichriften find, den Ehriften zum Panier und Signal dienen 
fol, auf daß jene in ihrer weltlichen Größe erhalten werden, fie, die die Chriſt⸗ 
enheit mehr untervrüden, als die Juden Jeſum Chriftum felbt und bie 
Apoftel unterbrüdt haben... . . Warum will der flolzge Priefter Roms an 
lieber allen Menſchen, unter der Bedingniß, daß fie in Friede und Eintracht 
leben, vollfommenen Ablaß bewilligen, ftatt ihnen foldyen, wenn fie einander bes 
kriegen und zu Grunde richten, zu verheißen. Urban VI. ließ endlich W. nad) 
Rom zur Verantwortung vorladen; allein viefer farb bald darauf am Schlag: 
fluffe auf feiner Pfarre zu Lutterwortb am 8. Dez. 1334, oder no Anderen 
am 31. Dezember 1387, nody vor Beendigung feines Prozeſſes. — W. lebte in 
— Schriften u. Büchern fort. Um die Ausbreitung feiner Lehre zu hemmen, 
prach die Gerftlichkelt das Verdammungsurtheil gegen dieſelbe aus. Die Unis 
verfisät Oxford zog nach vorgenommener Prüfung aller feiner Werke 278 Säge 
aus, die eine Cenſur verdienen u. ſchickte fie dem Erzbifchofe von Eanterbury gi 
Diefe Säge enthalten die ganze Lehre W.8 und den von ihm entworfenen Res 
formationsplan, wenn man anders fagen kann, daß er einen Plan gebakt Tahe. 

Nealeacyclopadie. X. Sy 


| 


“r J 


802 Widdin — Widerftand, 
Rad sa vr ag, Yoniig. Ainge vn Oeiklihfet vndahı u moon, 
das Publikum gegen fie zum Unwillen zu reizen u. ihr Anfehen gu pernithten; aber ° 
man ſieht fein — gereihtes Lehrgebäͤude, feine Regierungeform, 
er jener Kirche habe entgegenftellen wollen, A 
Triologus. von 1358 (Granffar 1723) und feine 


fegung der Bibel, von der aber H1o8 da8. neue Telament: gebruet iſt 
9. von Babede, 1810). —— Waugban: „Life and opinions of 3. m 
Bhe,, London 1831. 


kin hl. Kilapena)> Elbe und Feſtung in Bulgarien, am reihten 
n Il ‚am 
Ufer der Donau, in einer weiten, zum Theil fump| x Wiefenntederung 


f 
; 
| 
Eu 
® 
3 
8 
H 


g 

E 
© 
se 
— 
Es 
37 
i 
2. 
H 


Sanpfı 3 

Yo ‚Ehriften, welche hier auch eine wielbefuchte Echule 
lebhaften Hant fehrö; feine L d 
aeg El al € I Gemein _ 


Fe 
9 
se 


affian. 25,000 ; 

wird von für das alte VYiminacium — deſſen vorm. 
Procopius de aediſieiis IV. 5. rühmte, chon unter Bajazet- 
En (1394 und 1396) von den Türfen ‚ und ver; 

eld Ludwig von Baden am 6. Dftober 1689 dem Halbmonde, denn jcen 
im folgenden Jahre feufzte fie wieder unter der Botmäßigfeit defielben. Zu En 
des vorigen Jahrhunderts wurde W. durch Paswan Oglu fihr befannt. Diefer 
fette fi) an die Spige eines 1797 ausgebrochenen Aufftandes und troßte 15 
Jahre lang der Macht der Pforte, welche ihn endlich mit der Statthalterwütde 
befleiden mußte, m), 

Widerhall, ſ. Ech o. 

Widerklage, |. Reconvention, 

Widerruf, |. Abbitte, 

Widerſpruch, f. Eontradiction. 

Widerſtand nennt man in der Dynamif alled das, was die, auf Veränd⸗ 
erung des Zuftandes irgend eines Körpers verwendete, Kraft mindert. Die At 
miften feben diefed Etwas nicht für eine nach entgegengefegter Richtung, wirl: 
ende. Kraft an, fondern glauben, daß fehon die bloße Materie, als abi un 
durchoringlich, Durch ihre Trägbeit die einmwirkende Kraft verminvere; allein dieie 
Vorftellung iſt trrig und es kann fein W. gedacht werden, wenn nicht der an 
fommenden Bewegung eine andere entgegengefegt wird. — Wenn fich fefte Körper 
in flürfigen Mitteln, 3. B. im Wafler oder in der Luft, bewegen, fo müfjen fie noty 
wendig in jedem Mugenblid ihrer Bewegung einen Theil ihrer Gejchwinvigfet 
verlieren, weil fie die, ihnen tm Wege liegende, flüffige Materie aus der Sek 
treiben müffen, wozu Aufwand der bewegenden Rrafı gehört. Nun läft ſich 
aber feine Verminderung biefer beivegenden Kraft anders denfen, als wenn man 
dem flüffigen W. letftenden Mittel eine Kraft betlegt, welcher jener gerade ent 
gen jefegt iſt. Diele nennt man in der Sprache der Phyſit W. der Mittel 

jeorie dieſes W.S ift mit großen Schwierigfeiten verbunden, Lange mußte 
man, daß Körper, die fich durch die Luft bewegen, 3. B. der Pendel, ein ge 
worfener Stein, eine abgeſchoſſene Kanonenkugel ıc, durch den W. verfelben nad 
und nad ihre Bewegung gänzlich verlieren; allein, nach welchen Gefegen biet 
geſchehe, Hatte, vor Newton Niemand zu zeigen verfucht, Diefer ftelite auerft 


Ri 
in 


Siderwille — Wied, 803 


ne Theorie über den W. der Mittel auf, an deren Richtigkeit man Anfang 
ht zweifelte, die aber jpäter, nady vielen darüber angeftellien Unterfudhungen, 
br mangelhaft befunden wurde. Mebre Phyſiker und Mathematiker gaben ſich 
ın Müte, die Lehre vom W.e der Mitiel aufs Reine zu bringen; man tft 
ich darin weiter gefommen, aber doch find bis jegt noch nicht alle Schwierig- 
iten aeboben. 

Widerwille, f. Idioſynkraſie. 

Widukind oder Witikind, ein Riederfachfe und Benediktinermoͤnch in dem 
rühmten Kloſter Corvey, lebte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts und 
ırb 1004 als Rektor der dortigen Klofterfchule. Er ift der Vater der nieders 
chſiſchen Geſchichte und einer der beften Befchichtfchreiber feiner Zeit. Seine 
Annales de rebus Saxonum gestis Henrici Aucupis et Ottonis* eto., 3 Bücher, 
ı reich an Gharafteren u. paffenden Reden u. in einem reinen, gefälligen Styl 
fchrieben. Er hat oft ſichtbar den Salluſtius vor Augen gehabt. Ausgaben: 
ın Meibom, Krankfurt 1621, ol. in Labritii script. rer. Brunsv. T. I. und 
uerdings bei ‘Berg in den „Scriptores rerum germ.“ (Bb. 3). Cine veutfche 
eberfegung lieferte Pollmächer (Dresden 1790). 

Wiebeling, Kari Friedrich von, ein berühmter Topograph und Wafler- 
eifter, 1762 au Wollin in Pommern geboren, widmete ſich der praktifchen Geo⸗ 
ietrie mit ſolchem Erfolge, daß er ſchon 1780 die Aufnahme des Herzogthums 
Redienburg-Strelig und bald darauf eined Theild von Pommern und des Netze⸗ 
iſtriktes übernehmen Eonnte. Dielen Arbeiten folgte feit 1784 zunächft die Auf- 
ahme der Herzogthümer Gorha und Weimar, der Herrſchaft Schmalkalden und 
3 Herzogihums Medienburg- Schwerin, worauf er 1788 ald Waflerbaumeifter 
iv das Herzogthum Berg in pfalzbayerifche Dienfte trat und auf eigene Koſten 
ie Aufnahme des Herzogihums beforgte. Um 1797 ward er in glaher Gig :n- 
baft in Darmſtadt angeftellt u. erbielt 1801 in Folge feines clafftichen Werkes: 
Theoretifch = praftifche Waſſerbaukunde“ (Mannheim 1798 — 1805. 5 Bänve, 
eue Auflage 1811), einen Ruf ald Wafferbaumeifter, mit dem Hofrathstitel, nad) 
Bien, wo er nun fehr thätig wirkte, aber wegen mancher ihm gemachten Hinders 
iffe 1805 den Ruf als gehrimer Rath, Kinanzreferendar und Chef des Waſſer⸗, 
zrücken- und Straßenbauwelend nah München annahm, fett welcher Zeit eine 
Rınge derartiger Bauwerke, unter anderen der Hafen zu Lindau, unter feiner 
eitung vollındet wurden. Doch legte er feine fimnmtlichen Aemter bereiis 1818 
teder, um fich allen literarifchen Beichäftigungen zu widmen. Er ſtarb zu 
Ründen den 28. Mat 1842. Bon feinen Schriften, wozu auch fein Sohn, 
tarl Guſtav, geboren zu Düffelvorf 1792, geftorben zu Speier 1827 ale 
Önigl. bayer. Baurash des Rheinfreifes, Beiträge lieferte, führen wir an, arfier 
er ſchon genannten: „Beiträae zur Wafferbrüdın: u. Straßenbaufunde” (Manns 
jeim 1809); „Beiträge zur Brüdenbeufunde” (Tübingen 1809, 2. Aufl. 1812); 
Zbeoretifchpraftifche bürgerlibe Baufunde* (4 Bde. mit 109 Kupfern, Mündy. 
824); „Architecture civile theoretique et practique* (7 Bde. mit 260 Kupfer- 
afeln, Münden 1822 — 30); „Bon dem Einfluffe, den die Unterfuchungen der 
Baudenkmale des Alterthums, des Mittelalterd und der neuern Zeit auf die 
jorfchungen im Gebiete der Geſchichte haben” (München 1834, 4.) und „Don 
er Natur oder den Kigenichaften der Flüſſe“ (Stuttg. 1834). 

Wied, ein altes Synaftengefchlecht, deffen Beflgungen am Nieverrhein und 
m der Kahn durch die Erbtochter des legten Grafen von Yſenburg, die ſich nun 
Brafen von W. nannten (1243) und von diefen abermals durch eine Erbtochter 
ın die Dynaften von Runfel (1462) gelanaten. Ein Rachlomme derfelben, Fried⸗ 
ich, neftorben 1698, fliftete die Linien: W.-Runfel und W.Neuwied. Bei 
em Tode (im 3. 1824) des leuten W.⸗Runkel, ded Fürften Friedrich Ludwig, 
velcher in holländifchen, fett 1799 in Öfterreichifchen Dienften ruhmvo gefocten 
yatte und zulegt eine Divifion in Prag befehligte, fiel da® ganze Land an 
Keuwied. Es umfaßt in Rheinpreußen die Aemter: Mlımwied, —8X ehe⸗a⸗ 


ea Wiebehopf ⸗Wiedertãufer. 


dorf, Neuenburg und Neuwied, 4,59 [J Meilen und 36,900 Einw.; in Raſſau 
die Aemter Runfel und Selters, 4,02 Meilen und 14,000 Einw. Gegen 
wärtiger Fürft it Wilhelm Hermann Karl, geb. 1814, Neffe des berühmten 
eben Au — 632 — 
ei jupa epops), ner Zugvogel, ir 
y Sommer Antrft ae fhon im Auguft Denfelanı verläßt. Er bauet 
eſt aus Ainfendem Koth und nährt fich, wie die Schnepfe, von Gerürmn, 
Amceifen, Raupen und Ungeziefer. Im Sun Tegt er feine but Krone am 
— Kind nieder, weiche er int Sipen oder Laufen in der Größe eines 
ers au 
« , Wiedemam, Ehrifkian Rudolph Wilhelm, Arzt und Naturfotſchen 
eboren den 7. November 1770 zu Vraunfepmeig, Sohn eines Tubakhändiers, 
das Oymnafium feiner Vaterſtadt, widmeie ſich dann dem Stubium der 
ge der Untverfität Jena und wurde bafelbft 1792 zum Med. Dr. 
promovirt. 1794 wurde er Profeſſor ver Anatomie am anatomife r 
tum in —— 1795 Selretãt und 1800 ordentlicher er 
Dberfaniräts-Eollegiums; 1802 erhielt er zugleich die Brofeffur ver Geburtshülfe 
und — ofrath ernannt; 1805 folgte er dem Rufe als danlſcher Juſti 
Rath und jor ber Geburtöhülfe an die Untverfttät Ktel; 1825 war er Pro- 
veftor, 1829 wurde er Etatsrath. Er farb den 31. ber 1840. — W. hat 
fich durch feine Lelftungen um die Anatomie, Geburtshülfe und die 
ſehr verdient gemacht. Seine wichtigeren Schriften find: „Handbuch der Anı- 
tomie“, Braunfchweig 1796, 3. — an, 1812; „Ueber Pariſet Ge 
bäranftalten Geburtöhelfer“, Braunfchweig 1804; „Lefebucd für Hebammen“, 
Kiel 1814, 2. Auflage 1926; „Die auffereuropäifchen. zmweiflügeligen „Infekten‘, 
2 Bde, Hımm 1828 — 30. — Auch gab er heraus das Archiv für Zoologie 
und — 4 Bde,, Berlin u. Biaunſchweig 1800—04 ix... E. Bu. h 
tederbringung aller Dinge, f. Apofataftafis. 

Wievereinfehung in den vorigen Stand, f. Restitutio in, integrum. 

gBieberergengu ‚ f Reproduktion. 

Wiedergeburt, |. —— 

Wiederholungszeichen, Repetittons zeichen, Repriſe, zeigt am, von 
wo eine Stelle wiederholt werden ſolle und in welcher Weiſe. Es ſteht entweder 
zu Anfange, over am Ende eines Theiles des Muſikſtückes. Früher gab es dreis 
erlei W., das große, Meine und das rüdmelfende; jegt gebraucht man nur das 
eigentliche große W., wornach entweder beide Theile eines Thema's oder Gräds, 
oder nur ber erſte ober zweite Theil. wieverholt wird. Soll der legte Takt, oder 
mehre Takte eines wiederlehrenden Satzes das zweite Mal anders, als das 
erfte Mal, gefpielt und fomit überfprungen werden, dann wird ſolches bi den 
Ausdruck prima volta (zum erften Mal) und secunda volla (zum zweiten Mal) 
angezeiat, die beim zweiten Male zu überfpringenven Takte mit einem Bogen ein 
geſchioſſen und fogleich zur secunda volta übergegangen. 

ieberfehlag (repercussio) heißt in ver Aude (f. d.) die Orbrung, in 
un. € Bührer u. Gefährte wechfelöwelfe fich in den verſchiedenen Stan 
ren lafien. . 

Wiedertäufer, Anabaptiften, auh Taufgefinnte, ift der Name einer 
befannten religiöfen Sefte, welche die Taufe der Kinder, verwirft und verlangt, 
daß die als Kinder bereit8 Getauften fich, zur wahren Thellnahme am Chriftens 
thum, noch einmal taufen laſſen. Echon lange vor der fogenannten Reformation 
beftritten Mehre die Gültigkeit und Wirkfamfeit der Kindertaufe (daher Antis 
pädobaptiften), weil den Kindern der noch nothwendige Glaube fehle: fo 
einige Gemeinden der Waldenfer, die böhmtfchen Brüder ı. Nach der Reformas 
tion zeigten fich deren befonders in der Schweiz, Deutfchland und Holland; fle 
waren meift Schwärmer, welche von der Umgeftaltung Nuhen ziehen nn dm 
zeligiöfen Träumereien Geltung und Anhang verfchaften wollten; fie 


Wiebertäufer, 805 


mit der Forderung der Wievertaufe audy die Aufrichtung eines Reiche Chriſti auf 
Erden, Einführung der Bütergemeinfchaft, Glauben an Ihre DOffenbarungen u. dgl. 
und widerſetzten ſi mit Macht der bürgerlichen Ordnung. In Deutſchland 
traten feit 1521 Nikolaus Storch, Markus Stübner, beſonders Thomas 
Münzer, der in Verbindung mit dem entſprungenen Ciſterzienſermönche Pfeif⸗ 
fer den Bauernkrieg (ſ. d.) anſtiftete, auf. In der Schweiz, wo fle Anfangs 
glimpflich behandelt wurden, trieben fte hr Weſen beſonders in Züri, St. Gal⸗ 
en und Appenzell, bis die Obrigkeit wegen ihrer aufrühreriſchen Predigten und 
Lehren Leibesſtrafen, Verbannung u. wohl auch die Todesſtrafe über fie verhängte. 
Die vorzüglichften Anführer der W. waren dort: Keller Manz, Konrad ®re- 
bel, Ludwig Beer u.a. In Bayern traten gegen 1527 als W. auf: Johann 
Hutter, Jalob Kürsner, Sigismund Sallin in Augoburg; fie fanden unge- 
achtet der a Dar viele Anhänger. In den Niederlanden wurde audy frit 1527 
fiteng gegen fie verfahren. Hier wirkte befonder6 David JS oris, der die vier das 
maligen NBartrien der W. zu vereinigen fuchte und nach dem fie ſich die Davids 
Seorgiften, Davidiſten, Joriften nannten. In Weftphalen, Holftein und 
Dftfriedland breitete befonderd Melchior Hoffmann (ein Kürjchner aus Schwaben, 
flarb 1532 in Straßburg im Gefängniß) u. feine Schüler, Ubbo Philtppis, 
(ein fehr verfländiger Mann, der die Schwärmerei der damaligen W. mißbilligte 
und die befondere Partei ver Ubboniten bildete, farb 1568) die Lehre der W. 
aus. Kalfer Karl V. gab zwar 1528 den Befehl, daß alle W. mit Gewalt 
unterdrüdt werben follten und auf dem Reichötage 1530 wurde jene Beftimmung 
erneuert; allein es half Fein Verbot. Damals kamen für die W. die Spotts 
namen Stäbler (Baculares, Stablarii), weil, wie fie meinten, ein Ghrift dürfe 
feine Waffen, nur einen Stab tragen, fidy nie mit Gewalt vertheibigen und ans 
dere Ehriften nicht verklagen, und Heftler, indem fie zum Theil felbft die Knöpfe 
als Lurusartifel verwarfen und nur Heftel an ihren Kleidern trugen, auf. Auch 
hießen fie Clancularii, welche ihr Glaubensbekenntniß verheimlichten, oder Hortu- 
larii, weil fie in Gärten zufammenzufommen pflegten. Am toliften trieben ihr 
Weſen die aus Holland vertriebenen W. fett 1533 in Münfter. Sie prebigten 
hauptſaͤchlich die Vielweiberei und Gütergemeinfchaft und verbreiteten ihre Lehre 
mit dem Schwerte. Dem Schidjal ver Münfter’fchen W. war das der Leydener, 
Amftervamer, weftfälifchen u. a. gleih. Auch in Schweden, wohin 1524 W. 
efommen waren und wo ihre Predigten von dem wahren Chriſtenthum mit der 

erftörung von Bildern, Orgeln und anderen Kirchengeräthen begleitet waren, mußten 
fie nach kurzem Aufenthalte'das Land verluffen. Die Hauptlehren diefer älteren W. 
waren: der Glaube muß der Taufe vorangehen, Barum tft die Kindertaufe verwerflich ; 
im Abendmahl wird Brod und Wein nicht in den Leib und das Blut Chriſti ver- 
wandelt. Ehriftus brachte einen von Gottes unvergänglichen Samen gefchaffenen 
Leib mit auf die Erde; In der Trinität ift der Ausdruck Perſon verwerflich; zur 
Rechtfertigung tft der Glaube nicht hinlän ih ; der Ehrift darf nicht [hmiren, 
fein obrigkettliches Amt befleiven, nicht Waffen führen und in den Krieg ziehen 
u. f. w.; Gott offenbart fi) noch fortwährend Einzelnen. - Als Menno (f. d.) 
1537 als Lehrer in die Gemeinde eintrat, pm er noch ganz den rohen Anas 
baptismus; feine vornehmfle Sorge für die Reformation der Sekte beftand darin, 
daß er den Gehorfam gegen die Obrigkeit heiftellte, die Bielweiberet verbot und 
die Ehefcheldungen abſchaffte. Ueberhaupt unterfchten er fich zulegt, die den W. 
eigenthümliche Anficht von der Wiedertaufe ausgenommen, nur noch darin von 
der berrfchenden Kirche, daß er allen Anıheil am Kriege und das Echwören um- 
terfagte, Gelehrſamkeit und Philoſophie verachtete, die Obrigkeit nur als für bie 
Weltmenſchen nöthig achtete, obrigkeitliche Aemter anzunehmen verbot, ftrenge 
Kirchenzucht hielt und das Füßewaſchen beim Abendmahl beibehielt; von Chriſtus 
glaubte er, der heilige Geift habe feinen Leib in der Maria gefchaffen, eine Mein- 
ung, weldye die W. 1555 auf einer Synode zu Straßburg mit der vertaufchten, 
—* Chriſtus fein Fleiſch von der Maria empfangen habe. Duck Messe wahr. 


806 Wieland, 
alfo die Partei der W. gänzlich umegeftaltet und von aller einfeitigen ESchwärm- 
en befreit und, da \ ihm durch viele Reifen gelang, Alle für feine Anfichten 
zu gewinnen, fo nannten ſich die W. von jest an nad ihm Mennoniten ober 
Taufgefinnte Diefe mildere Partei harte mit der erften faft gar Nichts mehr 
gemein und erhielt von der holländifchen Regierung, mit Freiheit von Eivesleiftung 
und Soldatendienft, Anerkennung. Edyon vor, befonders aber nach Menno's Tode 
(ſtarb 1561) entflanden unter Finen Anhängern, deren Mittelpunkt und Haupt⸗ 
theil immer die bolländifhen Mennoniten blieben, Epalrungen. Diefe 
theilten fidy wieder in mehre Unterfeften, deren bauptfädhlichfte die fogenannten 
roben u. feinen waren (vgl. den Art. Mennoniten). — Bon den holländ⸗ 
chen Mennoniten trennten fidy bie bocb eutſchen W. (in der Pfalz, Holfteln, 
Oſtfriesland, Preußen), die, mit Mißbill gung der Slaming’fchen Strenge, doch feſt 
an den Einführungen der Stifter ihrer Sekte hielten. Seit der Mitte des 16. 
Sabıhunderts wendeten fi) auch viele W. nah Holftein; in Preußen, be 
fonders in Weſtpreußen, wo fidy deren über 18,000 fanden und wo fie fehr 
wohlhabend geworben find, auch gerne geduldet werden, find fie ſeit 1827 von 
dem Zeugens und Amtdeid, gegen Einreichung eines Atteſtates, daß fie wenigſtens 
ein Jahr der Partei angehören, enıbunden. Auch in Bayern, Rußland (in deſ⸗ 
fen ſüdlichen Ländern feıt dem Anfange des 19. Jahrhunderis ſich mehre Colo⸗ 
nien niederlaffen durften), Ungarn, Siebenbürgen, in der Schweiz, in Oftfranf; 
reich find fie geduldet; ihre VBerficherungn auf Mannen Wort oder Ran 
nen Treue gelten als Eidſchwur; fle find faft allenthalben von der Konfeription 
fret und ſelbſt Rapoleon nahm auf fle in diefer Hinficht Rüdfiht, indem er mehr 
durch Lieferungen und Borfpann Kriegsleiftungen von ihnen forderte, Uebrigens 
gelten die W. überall für die beften Unterthanen. Die erften, nach Amerika zich- 
enden, W. gingen aus Holland in die Gegend von Germantown in Pennſylvanien, 
ihnen folgten 1705 mehre aus der Pfalz, audy 1717, 1719. Rad) Kanada famen 
fie ſeit 1800 aus PBennfplvanten. Kirchengeſchichte und Glaubenslehre der Men⸗ 
noniten von Benjamin Eby, Berlin (und Canada) 1841. Ihre Kircheneinricht⸗ 
ung iſt nach dem Mufter der älieſten Kirche: fie haben Biſchöfe, Aelteſte und 
Lehrer, welche feine Befoldung befommen. Ihre Kleidung if einfach, altväteriſch 
und meift ſchwarz. Die deuiſchen W. taufen in den Berbäufern, die englifchen 
in den Fuüffen; die Namen geben fie den Kindern bei der Geburt. Die Glaubens⸗ 
lehre der W. kann man aus Jac. Cats Katechiomus, Amftervam 1736, kennen 
lernen, fowıe aus Konrad Ris Glaubenslehre der wahren Mennoniten (aus dem 
Holändifchen überfegt, Hamburg 1764, 4.). 

Wieland, Ehriftoph Martin, wurde geb. 5. Sept. 1733 zu Oberholzheim, 
einem zum Gebiete der chemalıgen Reicheſtadt Biberach gehörigen Dorfe, wo fein 
Burer, Matthäus W., Prediger war, nady der gewöhnlichen Annahme in Bibe 
rach felbft, wohin fein Vater bald nad des Dichter Geburt verſetzt wurde. 
Bon dem, in der edlen Rıchtung des Epener’jchen Pietiomus gebiideren, Vater 
erbie der Sohn den Cinſt, der jelbft bei Kinderjprelen hervortrat; von der Mut 
ter einen gewiffen Grad von Reizbarkeit und die frühe Reigung zur Reinlicykiit. 
Roc, hatte der Knabe nicht fein drittes Jahr zurüdgelegt, als fein Vater ihm 
ſchon Unterricht zu ertheilen anfing. Durch den Unterricht bei feinem Bater u. 
jpäter in der oͤffentlichen Schule feiner Baterftadt hatte der talentvolle und lern⸗ 
begierige Knabe ſchon in feinem 14. Jahre nicht nur einen guten Grund im La⸗ 
teiniſchen, Griechiſchen und Hebraͤiſchen, in der Mathematik, Logik u. Geſchichte 

elegt, fondern auch im Zeichnen und in der Muflf gute — ** gemacht. 
* ſeinem achten Jahre las er den Cornelius Nepos und gluͤhete vor Verlangen, 
ein Cpaminondas oder Phocion zu werden; im 13. las er den Horaz und Bir 
gil und drang mit dichteriicher @eiftesanlage tief in das Weſen diefer Dichter 
ein. Bon feinem 11. Jahre an zeigte fich bei ihm eine faſt Ieenjhaftliche, im⸗ 
mer wachſende, Liebe zur Poefie. Im 12. Jahre übte er ſich in lateiniſchen 
Verſen und fchrieb unter anderen ein große® Gedicht in Diftichen von den „Dyg- 


Dieland. 807 
mäen”, eine Satire auf feined langen Rektors Tleine Bran. Auch in deuiſchen 
Verſen verſuchte er ſich; ſein Borbild war hier VB. H. Brockes (|. d.), welcher 
auf den Knaben Eindruͤcke machte, die dauernd durch des Mannes ganzes Leben 

eblieben ſind. In feinem 13. Jahre machte fidy W. an ein Heldengedicht, „die Zer⸗ 
— * Jeruſalems“. In der poetiſchen Kunſt las er die äſthetiſchen Werke von J. 

übner und Gotſched (ſ. d.). Aber ſeine dichteriſchen Erzeugniſſe beftiedigten 
ihn nicht und er wart fe ind Feuer. Im Jahre 1747 kam W. in die Schule 
zu Klofterbergen bei Magveburg, wo er diefelbe ftille Natur, dieſelbe Cinſamkeit, 
diefelbe Einfachheit in der Lebensart fand, wie im väterlichen Haufe. Auch die 
Frömmigkeit des väterlichen Haufe® warb bier nicht vermißt, nur war fie nicht 
anz fo einfach und anſpruchlos: der Pietismus der Halle'ſchen Schule hatte 
N bier vielfach geltend gemadyt und W. geriet bald in pietifüiche Schwärmerel. 
Dieß und feine Liebe zu Livtus, Terenz, Birgil, Horag, Cicero und zu den neueren 
undhriftlichen Philoſophen Wolf und Bayle brachten ihn in gehe Seelenangſt. 
Durch das Leſen von Fontanelle, d'Argens und ne oltaire gerieih er 
immer mebr in die Freidenkerei hinein und entfernte in gleihem Maße vom 
pofitiven Ehriftenthum, fo daß er fchon im 15. Jahre in Zweifel über die Wirk 
lichkeit Gottes verfiel. Auf einen neuen Weg wurbe ber Sengling durch die 
fofratifche Weisheit in Zenophone Werfen und durch die englifcyen enlhrtt, 
ten „Spectator“, „‚Tatler“ und „Guardian“ geführt. Seinen poetifchen Geſchmack 
fuchte er durch die Werke der Schweizer Breitinger und Vodmer zu bilden; dabei 
zogen ihn die philofophifchen Berichte Haller's und ganz beſonders bie, in ben 
„Keuen Beiträgen zum Bergnügen des Berftandes und Witzes“ erfchienenen, drei 
erſten Geſaͤnge von Klopſtockſs Meffiad an. Um Oftern 1749 verließ W. Klof- 
erbergen und begab fidy nach Erfurt, wo er ein Jahr ange bei einem Anver- 
wandten, dem Mediziner, Mineralogen und Philofopben Dr. 3. M. Baumer 
blich, um ſich in der Philoſophie zu vervolllommnen. Aber er ward weder von 
dem zur Satire neigenden Manne, nody von deſſen Wolfiſcher Philofophie ſon⸗ 
berlich erbaut. Das dankte ihm jedoch W. zeitlebens, daß er ihm ein Privatiſ⸗ 
fimum über Don Quixote la6, woraus W. zuerſt Menfchen» und Weltfenntniß 
fi fammelte. Uebrigene lebte er in Erfurt fo einfam, wie in ——u ver⸗ 
gaß über der Philoſophie die Poeſte nicht und fing ein epiſches Gedicht in Hexa⸗ 
metern an, ließ es aber, nachdem er ſchon einen ziemlichen Theil ausgearbeitet, 
liegen, weil, wie er fagt, das Sujet eine „Goͤtterfabel“ war. Nun kehrie er in's 
väterliche Haus zurüd, um den Sommer des Jahres 1750 in Biberady zu ver- 
leben. In ihm gohren wunderlich durch einander die widerftreitenden Elemente 
von muftifcher Froͤmmigkeit und Freidenkerei, heidniſcher Philoſophie und chriftlichs 
proteftantifher Dogmatif, Wolfifhem Dogmatismus und Bayle’fcher Stepfls, 
nebſt Sofratifcher und Cervantes'ſcher Ironie und Laune. In diefed Chaos trat 
‚die Liebe harmoniſch geſtaltend ein, die Liebe zu der vielfach gebildeten Maria 
Sophia Butermann. Im Herbſt des Jahres 1750 bezog W. die Univerfirät 
Tübingen, um Jurie prudenz zu flubiren, welcher er aber keinen Geſchmack abgewin⸗ 
nen fonnte. Er befuchte Feine Borlefungen, lebte mehr in fliller Einſamkeit feiner 
Liebe und der ‘Poefle und trat mit dem, feiner Beliebten zu Liebe und Ehre gear- 
beiteten, unreifen pbilofophifchen Lehrgedichte „Die Natur der Dinge“ im. Fibre 
1751 in den Kreis der vaterländifchen Dichter ein, ohne die Zänkereien der Leip- 
iger und Schweizer unkritiſchen Kritifer und unpoetifchen Poeten genauer zu 
ennen. Run entwarf er den Plan zu einem Heldengedichte in Herametern, 
„Hermann“, arbeitete fünf Geſänge aus und ſchickte fie an Bodmer; die günftige 
Aufnahme diefer in der Jugendhitze gearbeiteten Probe veranlaßte zwifchen beiden 
einen Briefwechſel, der ihr Berhältniß immer inniger machte. Die inzwiſchen er- 
ſchienene Fortfegung von Klopftod’d Meſſias, der vierte und fünfte Geſang, 
machte mit dem darin gefchilderten Liebesverhältniffe zwifchen Semida und Cidli 
tiefen Eindriud auf W., der darin fein eigenes Liebesverhältniß wieder fand. W. 
war ein glühenver Verehrer Klopftods, wurde aber kein Nackakuser hekelkun, 


feine Natur war eine anbere. In diefer feiner philoſt et Ginfamteit, 
feiner idylliſchen Unfchuldemwelt, ee ne Feder ya phlloſophiſchen 
moralifchen und ſatiriſchen Gedichien (moraliſche Briefe, moraliſche Erzählungen, 
Anit⸗Ovid, alle im Jahre 1752) und ſuchte belehrend das wahre Ideal des Le— 
bens darzuftellen und. * ‚zu ae ‚Aber er lebte in platonifcyen und fol: 
Tags Ipealen und für ein Ideal (Sophte, gefetert unter dem Namen ) 
8 vorzüglichen Jünglingen eigen tft, ohne die Welt umd die Menfchen zu 
Hai ver üfefen Sehnfih 
n pol inftent jungen. um) ! j 
aber feine biöherige Lebensweife wurde dort kamtaftere genannt; er follte für 
ein irdiſches Unteikommen forgen, einer Brodwiſſenſchaft fi winmen und hatte 
eine Zeit mit Berfemachen verfepmwendet! — Bon Bodmer eingelaben, traf ®. 
Zahre 1752 bei demfelben in Zürich ein, wo er —— es zwetjãhrigen 
Aufenthaltes an manchen Erfahrungen reicher wurde. Verbältnig zwifaen 
beiden war eim herzliches und darum glüdliches, Es war W. B 1277 
Herzens, Etwas zu thun, wodurch er feine Verehrung, Liehe und Dankbarkeit be: 
wileſe und: diefes beftimmte ihn. zu’ mehren Iiterarifchen — unter 
anderen auch zu dem Kleinen patrlarchaltfchen Epos, „die Prüfung Abrahams“, 
Er hatte ein Thema gewünfcht, „das ‚mit Feiner heidniſchen Mythologie a 
delt fer“; aber er nahm doch die Mufen umd die Olympier mit auf den 
ria, wo fie ſich allerdings etwas fremdartig ausnehmen. Inzwiſchen war det 
« ‚Dichters — u feiner, Geliebten a —— geblieben; aber e8 traten nun 
verschiedene or/älle ‚und Mifv bnifje ein und Sophie ward zu Anfang des 
3. 1754 rau von La Roche (f. d.). Die herzliche Theilnahme feiner Breunde 
verhtuderte, daß der harte Schlag den Dichter nicht darnicder warf. Am 24 
Zunt 1754 verlieg W Bodmer's Haus umd-übernahm im Haufe des v. 
Grebel in Zürich die Leitung von deſſen Söhnen. Er fand hier alle die Wünſche 
erfüllt, die et für eine folche Lage gehabt hatte. Um ſich in feinem Unglück über 
den Verluft der Geliebten zu tröften, warf fih W. nun der Religion, die er als 
Kind fo innig geliebt, in die Arme: er las die Kirchenväter, die Schriften vieler 
Myftifer, die Lebensbefchreibungen von Heiligen, daneben Plate, Klopftod und 
Young und ward allmälig ein myftifchsreligiöfer Schwärmer, wozu ed ihm ohne 
hin nit an Anlagen fehlte. Der frühere % war ein ganz anderer geworben 
und zwar vielfach durch die Einwirkung Bodmer's. Die von ihm in den Jahren 
41754—56 erſchienenen Schriften find teile poetifche, theils philofophifche, Zu 
jenen gehören die in Profa abgefasten „Empfindungen eines Chrifien“ mehr 
„gomnen und die „Erinnerungen an eine Sreundin“ ; zu diefen „Timoflea“, die 
„Sympatbten“ (In-denen er dad Verwerfungsurtheil über feine früheren Lieblinge 
Doid, Anakreon, Tibul, Gay u. 9. ausfpriht) und die „Platoniſchen Berradts 
ungen über den Menfchen“. Alle diefe Schriften find halb chriftlih, halb pla- 
toniſch; die chriſtlichen myſtiſch⸗ascetiſch, voll frommen Eifers für den Glauben, 
die platonifchen ruhiger betrachtend, voll Wärme für Tugend, Schönheit u. Liebe. 
DW. gab den biöher treu befolgten Vorfag, in ber Schwei, nur Bodmern und 
deſſen Sreunden zu leben, allmältg auf, erfchten häufiger in Geſellſchaft, auch im 
Kreife von drei oder vier „lieben Freundinnen", die jedoch alle über 40 Jahre 
alt waren (da er „jungen Mädchen“ nicht fehr gewogen war, wie denn aud 
feine Sophie ihn an Alter übertraf) *), verlebte manche Tage mit feinen Freunden 
Meyer, Schinz, Geßner, Füßli, J. ©. Zimmermann u. 9. und Fam jo nad) u. nad 
auf einen andern Lebendweg, in eine andere Geiſtesrichtung, wozu auch feine Neigs 
ung zu einer Witwe (ald Arete u. Eulalia pepriefen) u. dann zu einem jungen, 
zeigenden und geiftreichen Mädchen (als Melifia gepriefen), das Ihrige beitrug. 


*) &o wenig die jungen Mädchen ſeluem Ideal entſprachen, fo wenig entſprach er bem Ideal 
der jüngen Mädchen; denn er nennt fich einen „WBedanten“ und fagt: „Ic Famm kein rech⸗ 
te6 Gompliment machen und bin ein ziemlic toͤlpiſchet Kerl.“ - 


Wieland, 608 


Der ſtoiſche Tugendhelb, der platonifche Liebhaber, der religiöfe Schwärmer bes 
freundete fidy Immer mehr mit der Welt und ihren Freuden: Auguſtinus (ben er 
jest einen der größten Antipoden der gefunden Bernunft und der Philofophie 
nennt!); Hieronymus, das Leben der Heiligen, Young u. 9. weichen jegt den 
Werfen d'Alemberts, Boltaire'd, Shaftesbury's u. A. Er wählte fi nun (zu 
Anfang des Jahres 1758) den Zenopbontelfchen Eyrus zum Helden eines &yos, 
das er in 18 Gefängen ausführen wollte. Der Held follte ein ächt menfchliches 
Weſen und als Fuͤrſt, Feldherr, Gefeßgeber und König ein wahres Ideal fenn. 
Zur Unterftügung diefer poetifchen Arbeit flubirte er Geſchichte und Politik, de 
fonders die Werfe von Macdhlavelli, A. Sidney, Montedquieu und Plato. 
lernte nun die Wirklichkeit immer mehr kennen, dieſe aber war von feiner früker 
eträumten Unſchuldswelt fo verfchieden, daß der Dichter ſich num der ſatiriſchen 
aune hingab, wozu die Werke Lucian's, mit denen er fidy jetzt fehr beichäftigte, 
viel beitrugen. Um diefe Zeit fand ihm aber auch eine Veränderung ſeines äußern 
Lebens bevor. Seine bisherigen Zöglinge erhielten andere Beftimmungen u. er 
mußte wieder an feine eigene denken. Am 13. Juni 1759 traf.er in Bern ein, 
um die Erziehung des einzigen Sohnes des Rathéherrn von Sinner zu übers 
nehmen, wozu ihm fein Freund Zimmermann angelegentlidy geratben hatte, Aber 
fhon im September gab er diefe Stelle wieder auf, weil er es nicht über ſich 
gewinnen Eonnte, „alle Tage vier Stunden in den Elementen der Grammatik zu 
unterweifen“. Er entwarf jebt, den Bernern zu Liebe, ven Plan zu einem philos 
fophifchen Gedicht über den Landbau; aber im Sommer ließen ihn die Befuche, 
E pastergänge und Luftreifen nicht an die Arbeit kommen und im nächflen Winter 
jolte er die Liebe von einer neuen Seite kennen lernen. Marianne Fels war 
m Befige ſeines Herzen®, ald die Neugierde ihn trieb, die nähere Dekanntfchaft 
von Rouffeaus Freundin, der Julie Bonvdeli, u machen, der Tochter eines feiner 
Bekannten, des Diaconus Bondeli, die im Rufe einer Philofophin fland, der» 
gletchen er kennen zu lernen immer gewünfcht hatte. Anfangs mochte er Julien 
nicht leiden (weil fie häßlich war), fein Herz war ganz auf Mariannens Seite, 
dann war fein Herz zwifchen Marianne u. Julte getheilt, endlich behauptete dic 
philofophifche Julie den Steg über die reizende Martane u. der Dichter ſchwärmte 
wieder in platonifcher Liebe und in Richarbfon’fchen Gefühlen, dachte aber dabei 
recht ernfllich an's Heirathen. In dieſer Zeit Ichrieb er dad Trauerfpiel „les 
mentine von PBorretta”. Um fi) eine, den innigften Wünfchen feines Herzens 
entfprechenve, Lage zu verfchaffen, wollte er eine Buchdruckerei und eine Budys 
handlung anlegen, um dadurch einerſeits fich einen Unterhalt zu verfchaffen, ans 
dererſeits zugleich auf die Bildung der Nation zu wirken. Während er mit 
biefem Plane umging, wurde er (1760) in Biberady zum Rathe erwählt u. nach 
einigen Wochen zum Kanzleidirektor, wodurch er in den Beſitz eines der bequem 
flen Häufer der Stadt und einer Befoldung von taufend Gulden kam. Die 
Stelle, die nicht definitiv war, Batte gar viel Unangenehmed. Dazu kam nody 
Juliens Eiferfucdht und endlich (1761) ein Bruch dieſes neuen Liebesverhältnifies. 
Aber an die Stelle der Liebe trat eine trauliche Freundſchaft, die im beiden (W. 
und Julte) während ihres ganzen Lebend ungeſchwächt blieb. ine fahr völlig 
neue Geftaltung erhielt W.s Leben durch feine Theilnahme an den Gefellichaften, 
welche in Warthaufen (bet Biberach) bei dem höchft gebildeten Grafen Friedrich 
von Stadion ftattfanden, wo W. auch feine frühere Geliebte, Sophie von la 
Roche, antraf, die er ald Braut verloren hatte. Ste Hatte ihm die inntafte, 
herzlichſte Freundſchaft bewahrt, wie er ihr. In Warthaufen lernte W. den Son 
der großen Welt von feiner gefälligften (franzöfifehen) Seite kennen u. erweiterte 
und berichtigte feine Welt» und Menſchenkenntniß. Was noch von der frühern 
Schwärmerei übrig geblieben war, wid nun ganz dem praftifchen Leben: Miß- 
geſchick, Roth und Plagen hatten, nady feinem eigenen Geſtaͤndniß, dad Meifte zu 
biefer Ummwandelung beigetragen. Auch die Phtlofophie hatte das Ihrige gechan 
und gerade zur Zeit (1761), wo feine VBerfiimmung aufs Hüter GBeget, Cu 


810 Wieland, 
—* 
* 


Ironie des Cervantes im Don Quixote anfieht und dem Aberglauben und ver 
Schwärmeret einen toͤdtlichen Stoß zu verſetzen ſucht: die Natur follte den S 
gewinnen. Gin anderes literartfche® Unternehmen war bie Ueberfeßung ber 
Shakeſpeare's (1762 — 66), wodurch dieſer Genius zuerft in. Deutfchland befannt 
wurde. Durch Shafefpeare wurde W. allmälig zur romantifchen Poefie 
bingeführt, obgleich man nicht behaupten Tann, daß er den Dichter ded Romeo 


warf er den Plan zum 
ers iR, wie der fpäter 
den gereiften Mann W. 
Roman „Don Silvio von 


atbon*, der vielfach ein Seelenbild des jungen Dicht⸗ 

gekommene Dialog zwiichen Archytas und Agathon 
gt. Sn den Jahren 1763— 64 arbeitete er ven 
ofalva*, In welchem er den Weltlauf mit der 






in feinem Innern Wefen erfaßt habe. Den Einprud, welchen Shafefpeare auf 
W. gemacht hatte, verflärkten und gehalteten weiter andere Pebtingechrifeftellen, 
Arioſt, Sterne und ganz befonders Triftram Shandy und fo finden wir einiger 
maßen den Weg, den feine Mufe von der firengen Froͤmmigkeit bis zur finnii 
Lüſternheit, zur frangöftichen Brivolität, ging. Seine literariſche Thatigkeit 
zwiſchen 1760— 70 war aufferorventlicdh, aber die meift fchlüpferigen Erzeugniſſe 
riefen harte Verdammungsurtheile hervor; die früheren Freunde bed Dichters zo⸗ 
ge fih zurüd, der unmoralifche Dichter wurde audy für einen unmoralifchen 
enſchen gehalten; letzteres, nach allen Forſchungen über fein Leben, nidyt mit 
Recht. Im Jahre 1765 den 24. Dftober verheirathete ſich IB. mit der Tochter 
eined Kaufmanns in Augsburg, aber feine Liebe war nicht mehr ſchwarmeriſch, 
wie früher, fondern wahrhaft hausbaden. Im 3. 1769 wurde er PBrofeflor der 
Philoſophie auf der Univerfität Erfurt. Diefe Stelle wurde ihm jedoch bald 
entleidet: einerſeits waren die Profefioren der Theologte nicht gut auf ihn zu 
—5 wegen ſeiner Schriften, andererſeits erregte Fine Anftelung ale erfter 
tofeffor der Botiofophie den Reid manches Eollegen. Da ihm die plumps ehr⸗ 
liche Deutfchheit der einen Gefelfchaft eben fo wenig behagte, als die genial ſeyn 
cn Unrverfchämtheit der andern, fo zog er fi) von allen größeren Geſe 
haften zurüd und lebte in fliller Zurüdgezogenheit den Mufen und feiner $a; 
milte. Auch mit dem rohen Geiſte u. Tone, den er unter den Stubirenden fand, 
war er Anfangs fehr unzufrieden. Durch dieß Alles entfland das Gerücht, er 
[one fi) von Erfurt weg, was er jedoch ſelbſt in Abrede ftellte.e Seine Bor 
efungen, fein literariſcher Ruf, sogen viele Studirende nach Erfurt. Seine 
Philoſophie aus diefer Zeit if entwidelt in den „Dialogen des Diogened*; fi 
gebt auf die „möglichfte Benügung des Erdbodens und die möglichtte Vervoll⸗ 
ommnung und Verſchönerung des menſchlichen Lebens” hinaus. Neben dieſen 
Dialogen iſt beſonders der, die moderne Staatötheorte entwickelnde, „goldene 
Spiegel“ zu beachten, tin welchem Jeder die Welt (befonders den Staat) ſieht, 
wie er nicht ſeyn fol, um daraus zu erkennen, wie fie feyn fol: das Ideal eines 
Regenten ift ihm Joſeph IL von Defterreidh. — Bei feinen Eleinen Ausflügen nad 
Weimar hatte er das Glück gehabt, der verwittweten Herzogin Amalia und dem 
damaligen Erbprinzen Karl Auguſt vorgeftellt zu werden und der vortheilhafte 
Eindruck, weldyen feine Perfönlichkeit und feine interefiante Unterhaltung machten, 
hatten die wichtigfte Veränderung feiner Auffern Lage zur Folge: er fam, als 
der rechte Mann der Zeit, im Jahre 1772 als Prinzenerzieher nah Weimar, 
erhielt aber vorher von feinem alten Landesherrn, dem Kurfürſten von Mainz, 
der ihn ungern entließ, den Titel eines kurfürſtlichen mainzifchen Regierung: 
Rathes. — W. nenob die Liebe feines Zöglings und der Mutter deſſelben; das 
Hofleben machte Ihm aber feine fonderliche Zreude. Er vergaß bier die Mufe 
nicht; Durch Seller, Hiller, Schweizer angeregt, wendete er fidy für einige Zelt 
der Iyrifchsdramatifchen Poeſte (Oper) zu: „Aurora“, „Alceſte“ erſchienen. Vom 
J. 1173 an ließ er in Verbindung mit Fr. H. Jacobi den „teutfchen Merkur“ 
erfcheinen, der ihm Freunde und Gegner erwarb. Am meiften ſchmerzte ihn der 
Bruch mit feinem frühern Freunde Gleim, wozu mandherlei literariſche Erzeug⸗ 
niffe beitsugen, beſonders aber die Dichter Michaelid und Heinfe. Andere Geg⸗ 


Wieland, 811 


ner fand er’ an den Barbenfängern und — an den Müglievern bes 
Goͤttinger Dichterbundes, die, in tiefem Unwillen feine frivolen Erzeugnifie, 
fein Bild feterlich verbrannten. Auch Goͤthe trat in jugendlichen Muthwillen 
und mit genialer Kedheit in „@ötter, De und Wieland“ gegen den allzu 
modernen Bearbiiter der alten Helven auf. Bei allen diefen Angriffen blieb W. 
ziemlich ruhig und behauptete feinen Gegnern gegenüber eine würdige Stellung. 
— Mit Ende des Jahres 1774 hörte W.s Amt, ald PBrinzenerzieber, auf, do 

blieb er bis 1798 in Weimar wohnen. Und hier war Goͤthe's Eintreffen (7. Nov. 
4775) für ®., wie fpäter für Echilfer u. A. ein hochwichtiges Ereianif, Am 
2. Dft. 1776 traf audy Herder in Weimar ein, und nun bildete fi) allmälig ver 
„Weimariſche Muſenhof“, dem unfere deutfche Literatur fo viel zu verdanken hat. 
An ven Wirren und Kämpfen der Zeit in Religion und Staat nahm W. fort 
während Theil, obne ſich jedoch Dadurch von der Poeſie ganz abziehen zu lafien 
und zwar war ed befonderd die märchenhafte, romantijche Epif, die er während 
diefer Zeit (177552) mit mandyerlei Ergeugniffen bereichert. Bon 1782—89 
war W. beſonders als Ueberſetzer thätig: * und Lucian beſchaͤftigten ihn 
und durch fie ſuchte er ſeine eigene Lebensphiloſophie unter den Deutſchen zu 
verbreiten, was er ſchon früher auf anziehende Weiſe in der politiſch⸗lehrreichen 
„Geſchichte der Abderiten“ gethan. W. nahm an den ſchönen, geſelligen Freuden 
auf Citersburg und in Tieffurt zwar Antheil, lebte aber doch die meiſte Zeit in 
Ailler Zurüdgezogenheit; denn ed bedurfte feined Fleißes immer mehr, da feine 
Familie bedeutend angewachſen war. Bon 14 Kindern, die ihm geboren worden, 
lebten ihm damals noch 11, für welche, auffer der Mutter und Gattin, ihm die 
Sorge oblag. Der Ertrag von dem „Meriur“ war feln Hauptgewinn. — W., 
ebınjo wenig ein Freund des Prunkes, als der Kargheit, fehnte fidy fehr darnach, 
den Abend ſeines Lebens in ländiicher Zurüdgezogenhett fich felbft und den Seins 
igen zu leben. Seine Sehnſucht darnach wurde noch geftärkt durch eine Reife 
nach der Schweiz (1796), wo er überall mit Liebe und Berehrung aufgenommen 
wurde. Im Jahre 1797 kaufte er das bei Welmar gelegene Schloßgebaͤude Oß⸗ 
mannsſtädt mit den dazu gehörigen Brundflüäden für 22,000 Thir. u. lebte dann 
dafelbft bi8 1803, in weichem Jahre er ed wieder verkaufte. ine Reihe von 
Jahren (1794—1802) beichäftigte ihn die neue Ausgabe feiner Werke. Im J. 
1799 gab er die Redaktion des „teutfchen Merkur“ auf, wozu, auffer Geldver⸗ 
hältnifien und Z.ttraubung, ganz beſonders der neue, vorzüglich durch Kant be⸗ 
wirkte, Zuftand unferer 2ireratur beitrug und zwar vor anderen in Bezug auf die 
Aeſthetik. Fichte's Weſſenſchaftslehre, Schiller’8 Horen, Schiller's und Goethe's 
Xenien bezeichnen deulich den Standpunkt der neuen Aeſthetik und W. ward darin 
nicht geſchont, d. h. W. der Dichter, denn W. der Men ſch ſtand mit Goethe und 
Schiller als Menſchen in edlem Freundſchafisverhältniß. Härtere Anariffe rich⸗ 
teten auf den Dichter W. die Gebrüder Schlegel in ihrem „Athenäum“. Und 
nun bielt jeder Dichterling und Veiſemacher fich höher, als der Sänger des 
Dberon! Berftimmt von dem Treiben der neuen literarifchen Welt, zog * W. 
doch nicht ganz von der Literatur zurück; er gab jetzt das „attiſche Muſeum“ 
heraus, worin hauptfächlidy Ueberſetzungen von Werten alter griechiſcher Redner 
und Dichter erfchrenen. Die thätigfien Mitarbeiter waren Jacobs und Hotiins 
ger. Bon Originalarbeiten aus diefer Zeit find befonders „Agarhopämon“ und 
„Ariſtipp“ zu nennen. Seit 1803 lebte er wieder in Weimar, wo er am 20. 
Jun. 1813 farb. — Wenige Schrififteller haben Gunft und Ungunft des Publi⸗ 
kums in fo hohem Grade empfunden, als W., der in feinem langen Leben das 
Treiben der Menfchen von verſchiedenen Standpunkten aus beurtheilte: als Menich 
immer gutmüchig und achtungewerth, als Schrififteller Weizen und Unfraut 
fäend. Unter den neueren Kritilern fällt Bilmar, ein Feind der irreligidjen 
Auffläreret und des verberblicyen Indifferentiomus, ein firenges, aber nicht uns 
wahres Urtheil über W.'s aus der Lefemelt ziemlich entfchwundene Schriften. 
Einige Saͤtze aus feiner Beurtheilung mögen diefen Artikel liegen. BAU. 


Wilden, 
deutſche und chriſtliche Giement (eines Kiopftod) 
Kor .fogar —— 


beiden En Wire im vollen Ge; Kiopfiod n. Selling 

fen » [3 

die raudfiße Geller, und war De mebennfe fanhide Gulınr, die Ge 

bes um ——* imbelũmmerten heitern Lehensgenu ſſes bie Gultur ber Ci 
of Bin 


lichkeit, der. tät; daß es eben feine Ideale, daf.es nichts Großes, 
und gebe: das zu beweifen, ift ber überall beflimmmt ertenmbare, st 
mt ausg e et be Boche 
terialis mus, wie er aus Frankreich Voltaire, La Metherie, 
die fogenännten Enchclopädiften zu und: herüber, am, W. bei und 2* 
und geltend macht, die Popularphlloſophie der iſchen, 
Weisheit in der möglichit ftugen und möglichft volftändigen Auebeutung des 
mügens, alle Sittlicheit in dem Leben und Lebenlaffen, in dem 
verfeinerten Egoismus findet ;.diefe it e6, von welcher W. erfült if: er 
räfentant des Zeitalters Ludwig's XV, in Deutichland, Für das 
er darum auch wenig: Sinn; ihn fpricht zumächkt nur die Zeit 
des antiken Lebens und der antiken Poeſie an: die epifurifchen Plke 
jopheme und Rucian, das find feine Vorbilder, doch aber auch dieſe mur im me 
firten Gewande; denn die Geftalten, welche er ben Griechen, 3. B. in 
Mgathon, leiht, find nicht griehihe, fondern ganz und gar-moderne franzdRfe 
SeRalten: das Grlechenthum iR ihm nicht eine Welt der evelften, reinften Se 
wen, ſondern des raffinirteften Sinnengenuffes, . Und eben fo, wie er mır aa de 
en und ſich in ſich felbft Gundfenden echiſchen Welt Gefallen few, 
8 er auch entſchledene gung für die verfallende romantifche Welt I 
ide Sinnlichkeit des Boccacclo u. Arioft, die, allem Idealen geradezu 
ſprechende Lüfternheit des Amadis umd ähnlicher Produkte, das Gormiok h 
man möchte jagen, Betvußtlofe der romanifchen Märchen» und Allegorienpeck, 
die er denn De tieder nur ironiſch behandelte, zog ihn vor allen. anderen Steffen 
Seine Darftellung if leicht, gefällig, zwangloß; aber dieſe heitere ige 
leit wird oft zur Weichheit und Zerflofienbeit, feine Zwanglofigfeit zur 
läffigfeit, feine Ungebundenbeit ‚u Regellofigkeit, feine Fülle zur Seth 
weiche fih in der Brofa nicht einmal an die gewöhnlichkten äußeren Exfordernift 
eines gutem Style hält, fondern in gevehnten, zuweilen monftröfen Perioden a 
geht, in der Poeſie in allerlei bunten, willkürlich gemachten Versarten herumim, 
die in ihren loderen Reimgebäuden und ihrer nod weit loderern Meffung de 
unangenehmen Gindrud der Haltlofigkeit und Unficherheit machen und de 
Dauer ungemein ermüden. — Bon Ausgaben feiner Werke find zu erwähnen: 
Brofaifche Säriten, Züri 1758, 3 Bve.; n. A. daf. 1779, 2 Bde; Poeliſche 
Schriften, 3. A. daf. 1770, 3 Boe.; Neuefte Gedichte, neue verb. A, Wem 
1777—79, 3 Thle.; YAuserlefene Gedichte, neue verb. A., Leipzig 1784—87, 7 
Bve.; Kleinere profaifche Sören, neue verb. A., daf. 1785—86, 2 Bände; 
Sämmtlihe Werke (in 3 verfchiedenen Ausg.), daf. 1794—1802, 36 Boe. mit 
6 Supplementbänden; n. A. von Gruber, dal. 1818 f., 53 Bve.; Tafchenautg, 
1825 f., 53 Bve., 1839 f., 36 Bve.; Auswahl denfwürdiger Briefe, Wien 181 
2 Dre; Ausgew. Di Zürich 1815, 4 Bve.; Wee Briefe an Sopbie & 
Roche, Berlin 1820. 6 Ueberfegungen find: Shakeſpeare's theatral. Werke, 
En (dh 1762-66, 8 Bre.; Horazens Briefe, Defjau 1782, Leipzig 1790, dal. 
801; Horazens Satiren, Leipzig 1786, dal. 1794, 1805; Lucan’® ſämmitlich 
Bere, — — 1788—89, 6 Thle. (Racer. Wien 1797); M. T. Ciceros 
fänmtliche Briefe, Zürich 1808-9, 3 Bve. Sonft gab er heraus: Teutfcher 
ekur, Weimar 1773—89; Neuer teutfcher Merkur, daf. 1790 —1805; Werifches 
Muüfeum, Züri und Beipsig, 1796—1803 ; Neues attiſches Mufeum, dafelbk 
1805—9; Dſgimiſtan, oder auserlefene Feen» und Geiflermährchen, Winterthur 
1786—89, 3 Bbe.; Hiflor. Kalender für Damen, Leipzig 1789; Journal 
teutſche Grauen, von teutichen Srauen geichtieben, Leiyatg 18056. — Ueber 


SER 
8,3 


ß 


Wieliezka. 813 


vergl. Jordens, Gruber, Schmid, Conz, Vetterlein, Fülleborn, Gradmann, Kütt- 
ner, Horn, Wachler, Bouterwek, Eichhorn, Heinflus, Koberſtein, Menzel, 
Fa Sa Kehrein, Bochz, Bilmar, Schäfer, Gervinus, Hillebrand, 
uppe u. m. 9. ' x. 
Wieliczka, eine Stadt nahe bei Bochnia im Köntgreiche Galizien, mit 6600 
Einwohnern, berühmt durch ihr großes Steinſalzbergwerk, welches das größte 
und bedeutendfle in ganz Defterreich u. wahrfcheinlih audy auf der ganzen Erde 
iſt. Unter W. liegt gleichfam eine zweite, eine unterirbifcye Stadt, die mit ihren 
Straflen, freien Pläben, Wohnungen und Tetchen einen viel größern Raum ein« 
nimmt, als das eigentliche W. Die größte Ausdehnung von Norden nad Süden 
beträgt 3600, von Welten nady Oſten, wo biefer ungebeuere Salzſtock an jenen 
von Bochnia anftoßt, 9500 und die größte Tiefe 1220 Buß. Schichten von 
fandigem Thonmergel, Anhydrit und Sandflein wechſeln ab mit Galzfchichten. 
Es find ſchon fünf Lagen Gewölbe durch dad Aushauen des Steinſalzes ent- 
landen, die eine immer unter der andern; Gänge, oft von fehr bedeutender Höhe, 
durch Brüden verbunden, verzweigen fich (abyrinehähntich durch die verfchiedenen 
Stodwerke. Während in den alten Kammern die Deden durch Holzwerf, 
welches fidy wegen der auflerordentlichen Trodenheit der Grube vortreffiich hält, 
gerügt werden, läßt man in ben neuen Gewölben zu gleihem Zwede Eolofiale 
teinfalgpfetler flehen. Täglich arbeiten an 1000 Menſchen in diefem Bergiwverf, 
bie aber nicht darin, wohnen; über 100 Pferde werben darin verwendet und 
diefe haben ihre Stallungen in ſolchen Salzfammern und leben nicht felten bie 
zu zehn Jahren bier unter der Erde. Das Hins und Herfchmweben der vielen 
Lichter, wovon jeder Bergmann eines auf dem Kopfe trägt; das dadurch ent- 
ſtehende Glaͤnzen der Salzwände in allerlei Karben; das Pochen der Hämmer, 
dad Getoͤſe der Wagen, die da bin und her fahren, um Salz unter die Eingänge 
zu bringen, daß ed an Striden hinaufgewunden werben fünne: das alles macht 
auf den Fremden einen feltfamen, ganz eigenen Einvrud, Da die @änge fo ver⸗ 
wirrt ineinander laufen, fo gefchteht es felbft erfahrenen Arbeitern nicht felten, 
daß fie Tage lange umberirren, falls ihnen das Licht auslöfchte.e Das ganze 
Salzberawerf bat 11 Tagfchachten als Eingänge, von denen zwei fih in W. 
felbft befinden; Reiſende und Pferde werden an diden Seilen binabgelaffen, die 
Arbeiter haben ihre befonderen Eingänge durch Leitern, audy führt eine Wendel⸗ 
treppe hinab. Bon den im Bergmwerfe vorfommenden Stammern wird als vors 
zünlich fchön der Anblid ver St. Antonsfapelle gerühmt: am Gingange ver- 
felben findet fidh ein ungeheueres Kreuz mit dem Bilde des Erlöſers, im Innern 
ein Altar, eine Kanzel, lebendgroße Statuen der Apoftel, große Säulen, alles 
fehr kunſtvoll aus klarem kryſtallhellem Steinfalz gehauen. inen impofanten 
Anblick gewähren auch der. große Saal und der Tanzfaal, legterer mit einem 
herrlichen Echo. In einer andern Abtheilung ift ein See, der, umfchloffen von 
Salzthonlagen, falziged Waffer führt u. weldyen man mit einem Kahn befahren 
kann. — Das Salzbergwerf wurde im Jahre 1250 von einem Hirten, Namene 
Wielicz, entdeckt; Kaſimir der Große ordnete den erften regelmäßigen Betrieb 
und Auguft II. führte eine, auf bergmännifche Wetfe geleitete, Bebauung ein. Bon 
Polen kam W. an Oeſterreich im Jahre 1772, wurde fpäter durch den Wiener» 
frieven (1809) zwifchen dem Kaiſer von Oefterreidh und dem Herzoge von War⸗ 
hau getheilt, zu welcher Zeit die Salzgewinnung in den höchſten Aufſchwun 
gelangte, wurde aber nach dem Pariſer Frieden (1814) dem Staate Defterrei 
wieder ganz zugetheilt. Im Jahre 1836 eröffnete, nachdem bereits fchon früher 
die Soole in mandherlei Fällen medizinifche Anwendung gefunden hatte, eine 
Aftiengefellfchaft ein neues Salzfoolenbad, mit Schwefels und Malzbävern. 
Man gewinnt durch Hauen, Brechen oder Sprengen jährlich über 700,000 Eentner 
Salz, welches in den Handel fommt ald: Kruftallfalz, biereiige, 14 Centner 
fhwere Stüde; als faßähnliche Walzen oder Bolwanenfi von 9—10 Geniner 
befonderd für Rußland beſtimmt; Minntienfalz, welches in Faͤſſern —RE 


814 Bin . 
bie, — 
— Sa ana wich unb ale Rath ober, Bietefi, vaches wur fs 


Öferreichtichen Kalferftnates alte, berühmte Hauptftabt, Deud: 
lando volkreichfte umd merkmürbigfte Stadt, * are 33° nör: 
licher, Breite, 34°.2' 22 Öftlicher Fänge, 527 Fuß über dem at 
an einem Arme der Donau (Wiener - oder Donaufanal), am Wienfluße und dm 
Alferbache, die fich in die Donau münden, — in einem weiten Bedten, meldet 
einft Seeboden —— il,” geg Mittag an den Fuß des Wiener Borges fh 
lehnend. Jar Norden hat bie Stadt den Hauptflrom der Donau, mit feine 

. — dicht bewachſenen Inſeln und Auen, gegen Welten das fein 
iſche —— weiches -mit dem Leopoldoberge an ber Donau feine Grän 
finder ; gon ften ift flaches Sand, in der Ferne des Südens ragt eine malen 
F enkette, uͤber welche der Schneeberg fein chrivürdiges we erhebt. 
phyſiſche Lage der Stadt ift fehr gefund, die Umgegend fehr fruchtbar un 
reich an Naturfchönheiten jeder Art. — W. if fo gebaut, daß die Altere eigen 
lie Stadt im Centrum der fpäteren Anbauten liegt. Jene umgibt der erhöht 
Wal mit dem Graben als erfter Ring, das breite Glacis als zweiter, den drit 
ten — haben ad bilden die in ausgedehnter Rundung um die Alten 
fig Vorkädte. Im Plane beichaut gleicht einem Spinnen 
gewebe, beffen a en a 
Pe enden, aber babei doch Immer wiener nach ‚niefem Dh: 
vorzüglich Sao! ie, um WW. ganz zu überichen, And die Spinnerin 
Kreuze (eine mertwi hroge alınentfhe Dentfäule vor ee rung Linke, 
dem @ipfel des Wiener Bergee), die Höhen der Türkenfchanze bei 
Borhägel des , der fogenannte „Himmel“ bei Gievering unb 
Gobenziberg. Huch vom hansthurme herab u. vom der Terraffe vor dem oben 
Belvedere hat man einen fchönen Ueberblid. Die innere Stadt befeni« 
ers impofamt von der Marlabilfer Anhöhe dar. — W. beſteht aus der innern 
ober alten Stadt (in ber Umgangeſptache blos „vie Stadt” genannt) mb 
aus 34 Vorſtädten. Bon biefen find nur zwei, nämlich die Leopoldſtabt m 
die Jägerzeile, jenſeits des Wienerfanald gelegen, die übrigen flehen mit da 
Stadt am rechten Ufer veffelben. Eine Copianade, genannt das Glacis, wei 
zwiſchen der Stadt und den Borftävten binläuft, trennt diefe beiden Hauptibak 
von einander. Es iſt ein 160 bis 250 Klafter breiter Rufenplan, der feit 1781 
mit Kaſtanien⸗, Pappel-, Platanen-, Linden, Mlazien- und zum Theil and 
mit Nußbäumen bepflanzt und nad) allen Richtungen von Fahrs und Subaya 
durchſchnitten if, ausgenommen der große Raum vor dem Sranzensthore, wel 
m Ererciers und Baraveplage vorbehalten wurde und 20,000 Dam 
bie mititärifchen Bewegungen zu machen gefattet. In der fchönen Jahreszeit 
bildet das Glacis befonderd Morgens und Abends, einen Außerf angenchma 
Spaziergang. — Die 32 Vorflädte recht vom Wienerfanal find auf der Land 
feite von einem 12 Fuß hohen Walle mit Graben eingefrievet. Es find dies die 
fogenannten Linien, durch welche 13 Thore (Barrieren) in die Hauptftraßen 
der Vorftädte führen. Außer den Linien foll nad) den Berichten öffentlicher Blät 
ter demnaͤchſt der Bau von 6 detafchirten Foris begonnen werben. Eines daven 
wird die Militärdepotd auf dem Laaer Berge beherrfchen, das zweite auf de 
Anhöhe von Metvling hinter Schönbrunn zu fliehen fommen, das dritte auf die 
Schmelz, Nr. 4 auf die Türkenfchanze, Nr. 6 bildet das ohnedies ſchon fehe 
Neugebäude auf der Simmetinger Heide, Nr. 5 wirb zwiſchen 4 u. 6 auf der 
Donauinfel errichtet. Der Plan iſt bereitö genehmigt, der Koflenbetrag auf 4 
Milionen berechnet. — Der engere Umfang Re mit den Vorftädten, dem Aus 
garten und dem zur Gtabt gehörenden Theile des Praters beträgt 15,538 Klafter, 
das ganze —ã aber hat einen Umkreis von 23,270 Klaftern oder 


ER 


EM 
gesgt. Meilen. Die Cefammtzahl der Wohngebäude beläuft ih auf 8800. Die 


Bien, 815 


Häufer in der Stadt find fehl und dauerhaft gebaut; fie haben 4 bis 5, einige 
jogar 6 Stodwerfe, durchaus fleinerne Treppen, Ziegels oder Metalldaͤcher. 
Auch bei j nen der Borftädte, wo man nicht felien weldye mit drei und vier Siock⸗ 
werfen antrifft, verfchwinden ſchon faſt gänzlich die Schindeldäͤcher. Bon ven 
röß.rn Hausflöden W.s erreichen einige den Umfang und die Bevölkerung Keiner 
andſtädte. So hat 3.8. das ieittäun e Zinshaus des Bürgerfpitald 10 Höfe, 
212 Wohnungen und gegen 1200 Einwohner, und nahezu eben fo viel beherbergt 
das Starhemberg’fche Freihaus. Das jährliche Erträgniß der Hausmiethe in ver 
Stadt und den Borflädten wird zu 12 Mill. Gulden E.:M. angefchlagen, was 
nady Abzug der Lahen einen Kapitalswerih von 200 Mil. Gulden repräjentirt — 
Die Bevölkerung W.s war in den letzten Jahren fortwährend im Steigen und 
erreichte 1847 bereitd die Zahl von 400,000 Seelen, worunter gegen 11,000 
Luth. raner und Reformirte, 600 nicht unirte Griechen, 1600 Juden, ungefähr 
20,000 Solvaten und Tag für Tag 5000 Fremde. Die WEreigniffe von 1848 
aber haben den Zuwachs gehemmt, ja wahricheinlidy fogar eine Abnahme herbei⸗ 
geführt. In einer ardern Stadt Deutſchlands treren dem Beobachter fo vieler- 
lei Rationalitäten unter die Augen, wie zu W. Die ftäte Anweſenheit vieler 
Ungam, Polen, Kroaten, Waladyen, Griechen und Türken, alle in ihrer Landes⸗ 
tradht prumfend, gewährt unter den —F deutſch⸗franzoͤſiſchem Geſchmacke ſich 
kleidenden Eingebornen die abſtechendſte Verſchiedenheit. Eben fo verhält es ſich 
mit der Sprache, und neben den verſchiedenen deutſchen Idiomen hört man wie 
in einem neuen Babel. franzöflich, italieniſch, engliſch, tüyrifch, neugriechifdy, pol 
niſch, böhmifhh, ungariſch, ſlowakiſch und felbit die Sprachen des Drients. — 
Ueber den zwifchen der Stadt und der Leopoldſtadt fließenden Wienerfanal führen 
die hölzerne Augartenbrüde, der Franz-Karls⸗Kettenſteg, die Ferdi⸗ 
nandebrüde mit einem Steinpfeller, die neue Franzenskettenbrücke, die 
ſchoͤnſte aus allen, und die Sophienfettenbräde. Diefer Donauarm iſt in 
der neueften Zeit regulirt worben, wird Durch einen Dampfbagger zeitweife ges 
täumt, behält aber bei allem dem wohl für immer feine zu geringe Tiefe, daher 
nur die fleinen Dampfboote, welche zwiſchen W. und Preßburg fahren, einlaufen 
fonnen: Die gewöhnlichen Frachtſchiffe legen zumeiſt ober der Ferdinandébruͤcke, 
an dem vielgenannten „Schanzel” an. Bet der Franzensbrüde iſt der Stand⸗ 
ort der ungarifchen und türliſchen Schiffe. „Ueber die äußeren Arme der Donau, 
das Fahnflangenwafler, dad Katferwafler und die große Donau, führen drei 

olzbrüden. Eine Strede unterhalb diefen find die beiden Brüden ver Kaiſer⸗ 

erdinands⸗Nordbahn gefchlagen, von welchen die über die große Donau gehende 
500 Klafter lang if. Den erfigenannten Holzbrüden fleht übrigens in dieſem 
Augenblice eine wefentliche Veränderung bevor. Man geht nämlid damit um, 
bier eine Brüde mit Steinpfellern über die Donau zu führen, beiderſeits mit bes 
feftigten Brüdenköpfen. Der Bau wird auf der Infel zwifchen der großen Donau 
und dem Tabor ganz im Trodenen geführt, mit Ausnahme des einen Pfellers 
der in das Katferwafler zu fiehen kommt. Die große Donau wird dann nach 
Bollendung des Baues ein neued Bett unter der Brüde erhalten, wozu eben das 
Kaiferwafler mit benügt wird. Dadurch fommt der fchiffbare Strom um beinahe 
eine halbe Stunde näher an die Barriere, was von großer Wichtigkeit iſt. (Vgl. 
Allgem. Ztg. vom 6. Febr. 1849.) Die Wien, welche als Mühlbady für viele 
Gewerbe von nroßer Wichtigkeit if, hat eine Kettenbrüde, einen Kettenfteg, zwei 
fteinerne Brüden, eine hölzerne und drei Stege. Der ſeit 1795 angelegte Wie⸗ 
nersNeuftädterfanal, welder durch die Vorſtadt Landſtraße zieht und 
umeiſt zum Transporte für Brennmaterial benügt wird, hat ebenfalls die nöthigen 
Debergangepunfte — An Trinkwaſſer hatte W. bis in die legten Zeiten felbft 
in der Innern Stadt keinen Ueberfluß, tn allen höher gelegenen Vorſtädten aber 
Mangel. Diefem abzuhelfen gründete die Eczherzogin Maria Ehriftine 1803 bis 
1805 eine Wafferleitung, aber erft die neue aroPartige Kaiſer⸗Ferdinands⸗ 
Wafferleitung befriedigte volllommen den Bedarf. Dieſes Rieſenwerk ſchafft 


. * . 
” aſchinen täglich 100,000 Eimer filtrirted Douauwaſſer im 93 
a Eee 
« er no; m n 
als IE Fuß Liefe. — Band ift das — 
—— aus ne von ſchwarzgrauem Granit t. 
—2 — — * En Bu al das Ken 
wi nreinigun; a 
en er ‚190: Gulden) Bemertfeite Wobermwölßu ' 
ya en Auspünfungen verrufenen Alſerbaches 
fie Auben Sularen zu der Eimblboren und age Heupikrasen 
auf ern Zufahrten zu ren uml ipi 
Vorflädte. Eingeführt ward Ge 1845 durch eine ——— 
joe rung Den DaB Zäpoktop auf den Clephandihue - Züir gehen 
" Jrrun, 0öfop auf dem — 
har Ginger l le Vrertotenigteken RB.6 über Balzer 
EL Der innern Stadt, Diefe lehnt ſich beinahe in runder Form ar 
—— 
—60 uf en en Wale umgeben, regelmäßigen 
Bafionen Kal und. die fogenannte Bafei bildet. Diefe — 
urch nur als Spaſierplah bemügt, ſeit den Oftobertagen von 1848 aber 
einigermaffen wieder ihre frühere Beftimmung als Befeftigungswerk an, 
man auf dem Wa ge Kanonen aufführte, mit welchen man alle mi 
Stabttheile na ‚und innen beftreichen kann. Bei der Dominifai 
wird gegenwärtig die Stadtmauer hinansgerüdt, und dadurch vor dem neum 
Voftgebäude ein beventender Raum gewonnen. Auch eröffnet man dort ein neun 
Siadithot. Die zur Zeit beſtehenden meun Haupithore der Stadt find: 
Burgthor, Schottenthor (1840 ganz neu erbaut), Nenerhor, Bilder 
thor, Rotbenthurmthor, Mauththor, Stubenthor, Kärnthertbor 
und Neue Kärntherthor, dann drei bloß für Fußgänger beftimmte Mleinere 
Shore, das Franzensthor, Schamelthot und Karolinenthor. Das ſchönſte unter 
dleſen allen iſt das ſeit 1824 eröffnete Burgthot. Es iſt eine Nachahmung der 
Propylaͤen Athens. Die Ausdehnung des Ganzen beträgt 228 Fuß; 12 mädtie 
Vorlide Säulen bilden fünf Durchgänge; auf der gegen die Stadt gemandtn 
Seite liest man den Wahlipruch des Kaifers Franz I.: JUSTITIA REGNORUN 
FUNDAMENTUM. Den äußern Umfang der Stadt begeht mar bequem in ein 
Stunde. Ste zäplt 1217 Wohngebäude, 127 Gaffen, 20 zun. on ber Se 
fammtbevölferung W.s treffen auf diefen feinen Altern Theil etwas über 55,000 
eelen. Eingetheilt if die Stadt in vier Quartiere, weldhe das Widmer⸗ 
Kärnthners, Stuben» und Schottenviertel heißen. Das Innere trägt 
natũrlich noch dad @epräge einer mittelalterlichen Stadt. Die- Straßen fin 
geöftentheiie eng und nicht regelmäßig; doch if in Jegter Zeit bei allen Reu 
jauten auf mögliche Erweiterung der Straßen geachtet worden. Uebrigens if 
die Stadt reich an ſchoͤnen Baläfen, Kirchen und öffentlichen Gebäuden. Unter 
den Plägen ift nur der Hof von bedeutender Größe, 426 Fuß lang mb 
bis 312 Buß breit. Der äußere Burgplag, gelgen der Burg umd ben 
Willen, hat zwar 984 Buß Länge und 600 Fuß Breite, iſt aber nur auf einer 
Selte von Gebäuden begeängt.. Größere Pıäge find noch: Der innere Burg 
plag, der Hohe Markt, ver Joſephsplat, der Reue Markt (Mel 
warkt), der Graben, der Stephansplap, der. St. Michaelsplag, die 
Sreiung, der Judenplag. ine Hauptfiraße, welche ununterbrocdyen die 
lufermafte von einem Ende zum andern durchichnitte, findet ſich nicht; doch 
ft von der Auguſtinerlirche bis zum Schottenthore (von Oſten nach Weiten) 
ein demtih gerader Straßenzug, und ein zweiter ähnlicher vom Kärnthnerthore 
bis gu Rotkenthurme (von Süden nach Norden). Die lebhafteſte Bewegung 
zeigt Rh auf der Linie von ber Burg Über den Kohlmarkt, Graben, Etephands 


= 


3 
Er 


in 


2 


Bien, 817 


platz, durch die Biſchofgaſſe und Rothenthurmftraße, und hier trifft man Reihen 
der prächtigften Kaufläven und Auslagen, die eine biendende Schau der raffinirt⸗ 
eſten Luxusariikel darbieten. Ueberhaupt iſt die Stadt der Sammelplag der eles 
ganten und vornehmen Welt. Eine Eigenthümlichkeit Altwien's find vie vielen 
Durchhäuſer, d. 1. Häufer zwifchen zwei Gaſſen, durch deren Hofräume man 
aus einer in die andere gelangen und fo den Gehweg bedeutend abfürzen kann. 
— Unter den Paläften der Stadt behauptet als Refidenz des Kaiſers den erfien 
Rang die f, E. Hofburg. Diefes durch fein Alter ehrwürdige Kürftenichloß, tn 
weldyem ſchon ſeit dem Anfange des 13. Jahrhunderts die öfterreichifchen Reg⸗ 
enten ihren Sit haben, liegt am füpweftlichen Ende der Stabi. Bon außen er« 
ſcheint es als ein großer, maflenhafter, aber unregelmäßiger, aller Gleichfoͤrmig⸗ 
feit des Styles entbehrender Bau; denn da es in fo verſchiedenen Perioden, 
jedesmal nach dem eben herrſchenden Geſchmacke, Erneuerungen und Zufäge bes 
am, tonnte kein harmoniſches Sanze entfliehen. Die Fronte gegen das Burgthor 
mißt 204 Klafter. Reich und prachtvoll iſt das Iunere ausgeſtattet. Die 
Hauptiheile des Palaſtes find der Schweizerhof, ſchon um 1210 von dem Babens 
berger Leopold VIl. erbaut, der fogenannte Leopoldiniſche Traft (das Mittelges 
bäude gegen Süpen), der Amaltenhof, die ehemalige Reichskanzlei, die Reitfchule, 
das Hofburgtheater, die Redoutenfäle, das Bibliothekgebäude. Letzteres, ein 
Werk des berühmten Fiicher von Erlady, enthält einen großen, 240° langen, 54° 
breiten, mit Marmor, Gold und Malereien verſchwenderiſch ausgeftatteten Saal, 
defien hohe Kuppel acht mächtige Marmorfäulen tragen. Die Winterreitfchule, 
ebenfall® nach dem Plane Fiſchers aufgeführt, gilt für das fchönfle Gebäude 
biefer Art in Europa; fie iſt Wien’ größte Halle, mit einer Gallerie von 46 
Säulen. Der Leopoldinifche Trakt umfchließt die Prachtzimmer und den herrs 
lichen Ritterfaal. Er bildet gemeinfam mit dem älteſten Flügel der Burg und 
der Reichskanzlei den (Innern) Burgplatz, das Bibliothefgebäude dagegen mit 
den Redoutenfälen und ber Reitfchule den Joſephsplatz. Zum Bereiche ver 
Burg gehören auch dad Ballhaus und der Hofs oder Kalfergarten mit feinen 
großartigen eine Fronte von 568° einnehmenden Gewachshäuſern. In Mitte 
berfelben iſt ein prachtvoller, von Eorintbifhen Säulen geftügter Blumenfaal ans 
gebracht, der kaum feines Gleichen in Europa hat. — Unter den übrigen zahl 
reichen Wohnpaläften der Innern Stadt (man gibt deren 123 an) haben wenige 
vorragenden architektonifchen Werth. Don Fiſcher wurden erbaut der ‘Palaft 
bes Fürflen von Liechtenftein, Wien's ſchoͤnſtes Privatbaus, und. der des Grafen 
Schönborn. Bemerfenswerth find noch der Palaſt des 1847 verflorbenen Erzs 
herzogs Karl zunächft der Burg, die Paläfte des Erzherzogs Marimilian, des 
Herzogs von Sachſen⸗Koburg⸗Kohary. Bon den öffentlichen und Dikafterials 
Gebäuden zeichnen fh aus: Der. f. Soffammerpalaft, die Hoflaniet? das 
Hoffriegerathögebäube, das Bunfogebäude, das nieveröfterreichiiche Landhaus, 
ein neuer Prachtbau von Pichl (1839), die Rattonalbanf, das Univerfitätöger 
bäude, das Magiftratögetäude; das bürgerliche Zeughaus, das Gebäude der 
Sparkaſſe u. a. Wahrhafte Zierden der Stadt bilden auch einige neu erbaute 
Privathäufer, wie 3. B. der .gräflidy Bellegardes Hof, der ausnehmend ſchöne 
Bazar, der Domberrenhof, Daum’d Haus am Peter, dad Haus des Freiberrn 
von Eskeles 2c. Die größten Häufer in der Stadt find das fchon erwähnte 
Zindhaus des Bürgerfpitald, ver Trattnerbof, der ſchöne, 1831 umgebaute 
Schottenhof. Das Haus zur „großen Weintraube” ift wegen feiner Höhe 
(7 Stodwerte) merkwürdig. Auch eine Anzahl hiſtoriſch interefianter Häufer 
enthält die Alıftadt, fo das „Hafenhaus”, In welchem Matthias Gorvinus flarb, 
dad Palais Gelmüller, wo der franzöflihe Gefandte die Revolutiondfahne aus⸗ 
fledte und einen Aufſtand dadurch veranlaßıe, der „Heidenſchuß u. Türfenteller“, 
bi8 wohin die Türken ihre Minen führten u. few. — Der gereebinflihen 
Gebäude hervorragenpfled if die Metropolitanfirde zu St Stephan, 
um deren gewaltig hoben, überall bin fichibaren Thurn der Wort ir apmip 
Rralencpclopäbie. X. ANY 3 


818 Bien, 


Welt ald eine große Gruppe gelagert denkt. Den erften Grund zur Kirche legte 
Beineich Safomirgott im J. 11445 unter Rudolf IV. um 1360 wurben 
eiden Thürme angefangen, von welchen jedoch nur der eine nach 74 Jahren 
ununterbrochenen Bauen® zur Vollendung Fam. Der Dom hat die Kreuzform, 
{ft 333° lang, 222° breit, im Schiffe 86' hoch. Er hat fünf Eingänge; das 
reich verzierte Haupt oder „Rieſenthor“ öffnet fi) an der Stirnſeite der Kirche, 
zwifchen den beiden fogenannten „SHeidenthürmen“, welde dem Style des 
12. Jahrhunderts angehören. Im Innnern tragen 18 hoch emporfirebenve 
Pfeiler das Gewölbe und fondern das Schiff von den Abſeiten. Die zahlreichen 
Altäre, meiftend nicht im beften Style erneuert, haben wenig Kunftwerth; deſto merk: 
würbiger find die alten, ſehr zierlich geſchnitzten Ehorftühle, die herrliche Kanzel 
von 1506 und des Kaiſers Friedrich IH. Grabmal, welches Niklas Lerdy 1513 
meifterhaft aus rothgefledtem Marmor gehauen. In der Kreuzlapelle ruht Di 
Eugen von Savoyen. Unter der Kirche find 30 große Gewölbe, ein wa 
Reich ded Todes, durch die Taufende von Leichen, welche fie enihalten. Im Kreuze 
der Kirche, an der Mittagsfelte, ragt der berühmte Stepbansthurm empor 
(Baumeiſter: Wenzla von Klofterneuburg und Hans Puchsbaum). Er iR fett 
der Reftauration der Spige 4354 Fuß hoch, um 40 Z00 höher als ehedem. 
Der obere Theil des Thurmes hatte fidy nämlich fo ſtark übergefentt, daß man 
ihn 1839 auf 63 Fuß herab abtragen mußte, und er befteht jeht aus einem Ges 
tippe von gefchmiedetem Eiſen, in welches die die Thurmpyramide bildenven 
Werkftüde eingelafien find. Der neue Knopf wurde am 20. Oktober 1842 auf- 
geist. Die Koften des Baues betrugen 130,000 fl. Unbefchreiblich herrlich iſt 
das Berhältniß der einzelnen Theile des Thurmes zum Ganzen, das fi in uns 
merflichen Abjägen allmaͤhlich zur fchön durchbrochenen Spige verjüngt., 553 
fleinerne und 200 hölzerne Stufen führen im Innern binan. Bon den 5 im 
Thurme bängenden Sloden ift jene, welche Kaifer Sofepb I. im 3. 1711 von 
erbeuteren türfifchen Kanonen gießen ließ, ihrer ungeheuren Größe wegen merk; 
würdig. Sie wiegt mit Helm und Echwengel 402 Zentner. Der gegenüber: 
lebende unausgebaute Thurm trägt die fogenannte „Pummerin“, eine &lode von 
2083 Zentner im Gewichte, und die beiden Heidenthürme enthalten ebenfalls 
6 Glocken. Die in den evelften Verhältniffen erbaute Auguftiners ober 2 of⸗ 
pfarrfirdye (nächſt der Burg), 1330 von Friedrich dem Schönen gegründet, 
umfchließt eines der bemwundertfien Meifterwerfe Canona's, das Grabmal der 
Erzherzogin Maria Ehriftina, und eine Merfwürbigfeit anderer Art, nämlich bie 
Kanzel, auf welcher Abraham a Santa Elara und Zacharias Werner prebigten. 
Diefes Gotteshaus hat bei dem Bombarvement Wien's im Oltobeg 1848 fehr 
dur Brand gelitten. Die Pfarrlirche St. Michael if var, nen boben 
altveutfhen Spigtburm von eigenthümlicher Bauart ausgezeichnet. Altbyzan⸗ 
tinifches Marienbild, Metaſtaſio's Grab, ſehenswerthe Metallgüfie. Die Pfarr: 
firhe zu den neun Chören der Engel hat einen großen Balfon über dem 
Eingange, von dem herab Papft Pius VI. 1782 dem Volke feinen apoftolifchen 
Segen ertheilte. In der Schottenfirde, 1158 von Heinrich) Jafomirgott 
erbaut, liegt der Held der Wiener, Ernſt Rübiger Graf von Starhemberg, be; 
raben. Die Kirche Maria Schnee hat an Ihrer großen Eingangshalle eine 
ntereflante Bauantife aufzuwelfen. 1847 wurde bier das fchöne —2B8— Bon 
Raffaeli, das lebte Abendmahl nady Leonardo da Vinci, aufgeftellt. Die Marr⸗ 
firhe St. Peter, von Karl dem Großen gegründet, wurde von Fiſcher 
von Erlady nach dem Mufter der Peterskirche in Rom umgebaut, aber freilid 
in jehr verjüngtem Maßſtabe. Das St. Ruprechtskirchlein am Katzenſteig 
iR wegen feines hohen Alters merfwürbig, denn es fol fchon im 3. 740 von 
Jüngern des heiltgen Rupredht in Salzburg angelegt worden ſeyn. Maria 
Stiegen ift eine der fchönften Baudenkmale des 14. Jahrhunderts und nams 
entlich erregt Bewunderung der 180' hohe, in einem zierlidden Blumenkelche 
enbende Thurm. Das Innere ſchmücken farbenpräcdhtige Fenſter und ein großer 


Bin. j 819 


Schnipaltar im Geſchmacke der altveutfchen Kunfl. Den Gottesdienſt verfahen 
bier die Liguorianer bis zu ihrer Vertreibung während des legten Aufſtandes. 
Die Kirhe Maria Königin der Engel bei den Kapuzinern iſt auf ber 
Stelle eines römiichen Begräbnißplatzes errichtet und birgt in ihrem Unterbaue 
die kaiſerliche Gruft. Die Univerfttätsftrche hat ein kühnes Gewölbe, auf 
16 Marmorfäulen ruhend, und fdyöne Fresken von Pozzo. Die Gorteshäufer 
der Proteftanten und Griechen find in ardyiteftonifcher Beziehung unerheblich; 
hingegen tft die Synagoge der deutſchen Juden ein audgezeichnet ſchöner Bau. — 
Die meiften der größern Piäbe W.s find mit Öffentlichen Denkmälern geziert, 
von welchen einige wahren Kunftwerili haben. Zu dieſen gebören insbeſonders 
Zauner’8 berühmte Reiterftatue Kaiſer Joſeph's IL. (Bronze) auf dem Joſephs⸗ 
platze, Donner’d Statuen auf dem Brunnen ded Neuen Marktes (Blei) und 
Schwanthaler's herrliche Brunnengruppe auf der Freiung (Bronze, die 4 Haupt⸗ 
flüffe der Monarchie darſtellend). Das eherne Gtanpbild Kaifers Franz I. auf 
dem Burgplape, von Marchefi, 1846 errichtet, hat den Erwartungen nicht ent 
ſprochen. Auf dem Graben fteht eine prächtige Dreifaltigkeitöfäule, von Katfer 
Xeopold I. zum Gedädhinifie der Peſt von 1679 gefeht. WE Wahrzeichen ver 
Stadt gilt der Stod im Eifen. Auf dem gleichnamigen lade, einer Forts 
fegung bes Stephansplapes, fteht an dem Haufe 1080 ein ſtamm, nody 
aus jener Zeit, ald der Wiener Wald bis hieber reichte. Jeder nad) W. komms 
ende Schloflergeielte fhlug einen Nagel in den alten Stamm, fo daß jet nicht 
das Heinfte Pläschen mehr frei il. — Die Wälle der Stadt umfchließen audy 
einen fchönen öffentlichen Garten, den Volksgarten. Er liegt am Auffern 
Burgplage, dem Hofgarten gerade gegenüber, und man findet da angenehme Luſt⸗ 
gänge, einen Springbrunnen und ein Kaffeehaus. In der Mitte des Gartens 
erhebt fidy ein Tempel, dem des Thefeus in Athen glüdlich nachgebildet, welcher 
ein unfchäpbares Kunſtwerk von Canova enthält, Theſeus' Sieg über den Eentaur, 
in carrariihem Murmor ausgeführt. Die Katakomben diefed Tempels bewahren 
interefiante römifche Alterthümer. Der Volksgarten fleht in Verbindung mit dem 
Paradiesgärtchen auf der Baflel, einem reigenden Plätzchen mit fchöner 
Ausficht auf das Gebirge. An der entgegengefehten Seite der Etadt iſt bie 
Parkanlage der Trinkfur » Anflalt, vom Volke deshalb dad Waſſerglacis ges 
nannt, mit einem Kaffeehaufe. Hier herrfcht den ganzen Tag über reges Treiben. 
— I. Die Vorſtädte. An der Stelle der Borftädte, die gegenwärtig bie 
innere Stadt an Umfang, Häuferzahl und Bevölkerung weit übertreffin, waren 
in alter Zeit theild armfelige Dörfer, theild gar nur zerſtreut liegende Höfe und 
Wirihſchafisgebäude. Erſt nach der legten türfifchen Belagerung (1633) befamen 
die Wiener Vorftädte bleibended Dafeyn und wuchien allmählich zu folcher Bes 
deutung heran, daß manche unter ihnen für fidy als beträchtliche Stadt gelten 
fönntee So zählt 3. B. die Wieden 38,000 Einw., die Leopoldſtadt 26,000 ©. 
u. ſ. w. Faſt jede diefer Voiſtädte har eine eigenthümliche Phyfiognomie, nach 
der Lebensweife der Bewohner. Kaufmänniſches Treiben iſt auf der Landſtraße 
und in der Leopolpfladt; dort befinden ſich die reichften Magazine am Kanale, 
ter konzentrirt fih der Verkehr für die Donaufcachten. Der Alſergrund tft das 
radies der Aerzte, Indem hier die großen Sanitätsanftalten W.s aufammens 
edrängt find; in Gumpendorf herrſcht lebhafte Gefchäftigfeit der Weber und 
Eyinner; Scyottenfeld, Neubau, Breitenfeld ıc. find die Hauptfige der Seiden⸗ 
zeug⸗, Bands und Shawlfabrifution. Die Roffau ift der Pla für den Holz⸗ 
waarenmarft. Die Borftäpte flellten mit den unmittelbar vor den Linien Tiegegp 
den Kabrif- Dörfern der letzten Revolution zumeiſt jene furchibaren Arbeitges 
folonnen zu Gebote. Der eigentlidye Wiener Bürger ſchaut mit Achfelzuden auf 
den „Borftädter” herab und zieht eine Heine Wohnung im fünften Stodwerfe in 
einer dumpfigen engen Straße der Altſtadt dem Inftigiten, fchönften Quartiere in 
einem Glacishauſe vor. Im dem Maße ald der Raum der Sun. 
füt wird, muß dieſes lächerliche Borurtbeil abnehmen, — DE Dar W 









820 | Wien, 
fett 1791 tn acht Polizelbezirke eingeteilt. Wir beginnen ihre Aufzählung mit 
der größten von allen: 1) mit der Wieden, vor dem Kärtbneribore, welche 958 
Aufer und 3 Pfarrkirchen enrhält, Unter lebteren befindet ſich die prächtige 
arlskirche, von Karl VI. 1736 nad) dem Plane Fiſcher's von Erlach erbaut, 
die fyönfte der neuern Kirchen W.6, mit dem Grabdenkmale bed vaterländifchen 
Dichters Colin. Auch trifft man hier die Gebäude des PVolytechnicum und des 
Therefianum (als „alte Yavorite”, Lieblingspalaft Katfers Leopold L), das 
Artilleriegußhaus, das Taubftummeninfiitut und das große Starbemberg’fche 
Freihbaus, 2) Schaumburgergrund, Fein und erfi vor einigen Jahrzehnden 
angelegt, mit 94 Häufern. 3) Hungelbrunn mit 11 Häufern 4) Loren⸗ 
jergrund mit 16 Häufern. 5) Mapleinsporf mit 131 Käufern und der 
Pfarrfirche St. Flortan. 6) Nikoledorf mit 48 Häufern. 7) Margarethen 
mit 188 Häufern und der Pfarrkirche St. Joſehh. 8) Hundsthurm mit 
160 Häufern. 9) Reinprechtsporf mit 24 Häufern. 10) Magdalenen 
grund mit 39 Häufern. 11) Gumpendorf mit 543 Häufern, der Pfarr 
the St. Aegid und einer neuen, am 7. Ian. 1849 eingeteihten proteftanttichen 
Kirche, der eıften in W. mit offenem Eingange, indem bis daher den proteftants 
ifchen Konfefflonen nur Bethäufer mit Cingängen vom Hofraume aus verflattet 
waren. Berner enthält diefe Vorſtadt den Windifchgräg’fchen Palaft, welcher jetzi 
den barmherzigen Schweflern eingeräumt iſt, und anſehnliche Fabrikgebäude. 
12) Windmühle mit 110 Hänfern. 13) Laimgrube mit 203 Häufern, ver 
farrkirche St. Joſeph, der Ingenteurafademie, deren Kirche (zum Hi. Krem) 
ein ſchöner Thurm ziert, und dem Theater an der Wien. 14) Mariahilf mit 
158 Häufern, der ſchoͤnen Pfarr- und Wulfahrtöfirche Mariahilf u. dem fürftlich 
Efterbazy’fchen Sommerpalafte 15) Spitelberg mit 146 Häufern und den 
großen kaiſerlichen Marftalle, 600 Fuß lang und Raum für Pferde haltend. 
16) St. Ulrich mit 161 Häufern, der Pfarrlirdye Marias Troft, dem Palaſte 
der ungariſchen adeligen Leibgarde und dem neu erbauten Ordenshauſe vet 
armenifhen Mechitariften- Kongregation, welche bier auch eine Buchpruderd 
bat, die 15 Prefien befchäftiget. Im Refektorium des Kloſters fieht man ein 
großes Wandgımälde von Schnorr, die Epeifung der 5000 Mann darftellend, 
ein Kunftwerf, das ven Ausgezeichnetſten an die Seite geftellt werden darf, 
17) Neubau mit 331 Häufern. 18) Schottenfeld, eine der fchönften Bor 
ſtädte W.s, mit regelmäßigen Straßen, 511 Häufern, der Pfarrfirche St. Koren,, 
welche die befte Orgel W.s (von Ehridmann) befibt, u. dem ehemals renomirten Apols 
loſaal, jegt eine Kerzenfabrif. 19) Altlerchenfeld mit239 Häufern. 20) Jofepk 
ſtadt mit 229 Häufern u. der Pfarrkirche Maria:Treu, deren Zierden die trefflichen 
Freeken von Maulpertfch, eine große neue Drgel und eine anfehnlidye Gtode, der 
Schwere nach die dritte in W. find. Fürftlich Auerſperg'ſcher Palaſt, ſchoͤne Kavallerie 
Eaferne, das niedliche Sofephftäpter Theater. 21) Strozziſcher Grund miı 57 
Häufern. 22) Alfergrund am Alferbache mit 350 Häufern u. der Pfarrkirche zur 
heil. Dreifaltigkeit. Als fehenswerthe Gebäude find zu erwähnen: dad neue, groß 
artige Kriminalgebäude am Glacis, das allgemeine Krankenhaus mit adyt Höfen u. 
mehren Seitengebäuden, das prachtvolle Gebäude der Joſephiniſchen Akademie, 
das fürftlich Dietrichftein’fche Palais, der Sommerpalaft des Grafen Forgach 
das fogınannte „rothe Haus”, gehn des Fürften Efterbay. 23) Brei 
tenfeld mit 94 Häufern. 24) Mihelbeuernfher Grund mit 47 Häufern. 
25) Himmelpfortgrund mit 87 Häufern. 26) Thury mit 125 Häufern, an 
der Stelle des Pulverthurms, welcher den 26. Zunt 1779 unter furchibaren Vers 
beerungen in die Luft flog. 27) Liechtenthal mit 211 Häufern u. der Pfarr 
fire zu den vierzehn Rothhelfern. 28) Althbanngrund mit 39 Häufern. 
29), Roffau mir 177 Häufern, der Pfarrkirche Marta Verfündigung, den welts 
läufigen Gebäuden der kaiſerlichen Porzelanfabiif, dem fchönen Sommerpalafte 
und Parle d.8 Fürften Liechtenftein und dem großen Gozometer zur Gasbeieucht⸗ 
ung. Bon bier den Wienertanal Überiegend aelangt man in die am linken Ufer 


Wien. 821 


deffelben Itegende 30) LeopoLdfladt, eine der bedeutendſten u. Ichhafteften Vorſtädte 
3.8, mit 70 Häufern, der Pfarrlirdye St. Leopold u. mehrern Klöftern. Bemerk⸗ 
enswerthe Gebäude: das Dianenbad, mit einer großartigen, von zterlicdyen Eiiens 
konſtruktionen überbauten Schwimmhalle, die Kavalleriıfaferne, das Provinzial⸗ 
firafhaus, das 1847 von Grund aus neu erbaute Karliheater. Zur Lerpolvftadt 
gehören auch die beliebten Promenaven der Wiener, der Prater, der Augarten u. 
die Brigittenau. Der Prater, dieſer in feiner Art einzige Luſtwald, bietet an 
fhönen Sonntagen, von glänzenden Equipagen und vielen taufend Epaziergängern 
wimmelnd, einen wahrhaft überrafchenden Anblid. Bei befondern Anläfien vers 
ammeln fich hier wohl 60,000 Menſchen. Man findet im Brater den fchönen 
kus für Kunftreiter, ein Gebäude für Panoramen, drei Kaffeehäufer, hinter 
ihnen den fogenannten „Wurftelprater”, eine Keine Stadt von Wein» und Bier 
fchenfen, Kuruffelen, Schaubuden, Marionettentheatern, Mufilorcheftern u. dgl, 
den F:uerwerföplag, wo der berühmte Pyrotechnifer Stuwer einige Male währenp 
der Sommermonate feine Kunft zum Belten gibt, die Schwimmfchule, ein Luſthaus 
(Pavillon), den Kalfergarten (eine dem Hofe vorbehaltene plihe Anlage), auch 
den Auslauföpunkt der Kaiſer Ferdinands⸗Rordbahn mit feinen fattlihen Ges 
bäubden. Urfprünglich war der ‘Prater, in einer Länge von 14 Stunden zwifcyen 
bem Wienerfanale und der großen Donau ſich erfiredend, eine verwilderte, wenig 
betretene Au, und erſt Kaiſer Joſeph geftaltete ihn zu dem herrlichen Luftplage 
um. Die Hauptallern der Anluge laufen als Strahlen von einem großen Rund⸗ 
plage (Praterſtern) am Cingange des Praters aus und durchfchneiden viefen in 
verfchiedenen Richtungen. Zu dem oben erwähnten Luſthauſe führt eine prächtige, 
echefache Kaftanienallee, nicht weniger ald 2500 SKlafter lang. Auf halbem 
ege {ft die „Umkehr“, ein großer Kreis von Bäumen. Der entlegenere Theil 
des ‘Braters, der fogenaunte „wilde Prater”, ift eine echte Wuldgegend, reich an 
fhönen Baumpartieen, zum Theil Urwald und von Hirfchen, Hafen, Faſanen, 
Repphühnern, Sumpf» und Waflergeflügel bevölfert. Vom Prater weftmärts 
liegt auf derfelben Donauinfel, an die Nordſeite der Leopoldſtadt floffend, der 
Augarten, ebenfalls von Kaiſer Joſeph II. dem Publikum eröffnet, Die Anlage 
hält 164,000 Klafter Flächenraum und bildet ein regelmäßiges Viereck. Ihre 
Hauptparticen find die große Allee, dad Rafenparterre und die Terraſſe. In der 
verfchloffenen Abtheilung befinden fid, eine Rofenflur und eine Obſttreiberei. Das 
einfache Heine Haus, welches Joſeph Il. bier in der fhönen Jahreszeit bewohnte, 
flieht noch unverändert, felbft in der Möblirung. Die Brigittenau, gleichfalls 
auf der Lecpoldftädter Infel, unmittelbar am Augarten liegend, iſt eine von an- 
muthigem Gehölz umgebene Waldwieſe, auf welcher die Brigittenfapelle, ein 
Jägerhaus und mehre Wirthöhäufer erbaut find, Ste wirb eigentlih nur am 
Brigittenkirchtage befucht, aber dann von einer bedeutenden Volksmenge. Ziems 
licher Eintrag geſchieht dieſer fonft fo echt ländlichen Partie in neuerer Zeit dur 
den Umfland, daß hier mehr und mehr eine neue Vorſtadt, zumeiſt von Fabrik⸗ 
gebäuden, ſich erhebt. Die öftliche Nachbarin der Leopolpftadt IR IL) die Jäger- 
zetle, welche die Praterſtraße, die ſchönſte W.s, 57 Häufer und die neu erbaute 
Pfarrkirche St. Johann von Nepomuk enthält. Ueber den Wienerlanal wieder 
zurüdgehend, kommen wir in die Vorſtadt 32) Unter den Weißgärbern mit 
124 Häufern, der Pfarrkirche St. Margaretha und dem großen Zollamte, einem 
der bedeutendſten Bauten der neueften Zeit in W., zwifchen dem Neuftäpterfanal 
und dem Donaulanale. Das Hafenbaifin des erftern in dieſer Gegend iſt kürz⸗ 
lich zugefchüttet worden und an feiner Stelle erhebt fidy ein großartiger Central 
bahnhof, von dem aus Reifende und Waaren durdy Lokomotive nady den Bahn⸗ 
höfen der Nord» u. Sübbahn befördert werden. 33) Erdberg mit 415 Häufern 
und der Pfarrkirche St. Beter und Paul. 34) Landſtraße, vom Wiener-Reus 
ſtädterkanal durchzogen, eine der Alteften, aber auch IhönRen Vorſtaͤdte W.s, mit 
733 Häufern, den Bfarrtirchen St. Rochus u. Marla Geburt, mehren. Ktäßern 
und baupt fehr reich an fchönen öffentlichen und PBrivatgehäuken, RUN 


822 Bien, 


welchen fich beſonders auszeichnen: das 1833 erbaute Münzamt, vornehmlich 
wegen feiner Innern Ginrichtung und trefflichen Mafchinenwerke fehenswerih, 
das weliberühmte kaiſerliche Luſtſchloß Belvedere, das fogenannte „Kaiſer⸗ 
haus” (Palais der italtenifchen Garde), der fürftlich Metternich’fche Palaſt 
und englifche Garten, die Paläfle des Herzogd von Modena, der Yürften 
Schwarzenberg und Lobkowitz, die große Artilleriefaferne, die Etüdbohrerei, das 
Gebäude des Thierarzneiinftitutes, das große Invalidenhaus mit Kraft's Schlach⸗ 
tenbildern, das Bürgerfpital zu St. Marx, endlidy das Sophienbad, beffen Schwimm⸗ 
halle, ein trefflicher, der Neftvenz würdiger Bau, das Eigenthümliche hat, daß 
fie im Winter zu einem Tanzfaale umgeflaltet wird. — Die Landfiraße ſtoßt 
gegen Abend an die Wieden, und wir find ſomit auf der Rundreife durch bie 
iener Borftädte wieder bei unferm Ausgangspunkte angelangt. — Il. Die 
Behörden. Als Hauptfladt der gefammten öſterreichiſchen Monarchie iſt W. 
der Centralpunkt des Fatjerlichen Hofftaates, der Sefandtfchaften, ver oberſten 
por und Staatöftelien, ald Haupiftadt von Nieberöfterreich der Sig der nieder⸗ 
fterreichifchen 2andesregierung, des Kreisamtes im Viertel unterm Wiener Walde 
u. anderır Provinzialſtellen. Die ſtaͤdtiſchen Angelegenheiten verwaltet ver Magiftrat, 
mit einem felbfigewählten Bürgermeifter an ver woipe. Die Polizei iſt Feine ſtaͤdti⸗ 
fche, ſondern eine Staatsbehörde. Die Polizeioberdirektion zählt ein Berfonal von 
nabe 70 Beamten. Unter ihr fteht das Militärs PBoltgelmachforpe, welches 10 
Dffiztere, 120 Unteroffiziere, über 1000 ®emeine und eine berittene Abtheilim 
von 47 Mann bat. Die Wiener Polizei fteht feit langem tin befonderem Rufe 
und war in der vormärzlichen Zeit allerdings das brauchbarfte Werkjeug der 
Willkürherrſchaft. Vornehmlich war das Inflitut der fogenannten „VBertrauten‘ 
oder „Naderer“ (Eivlipolizeidiener ohne Uniform) gefürchtet, welche in den meiften 
Reijebefhreibungen ald Organe einer geheimen ‘Polizei eine große Rolle fpielen. 
Ya dieſes verhaßte Inftitut fcheint fogar, den Zeitungsberichten zufolge, fett ber 
Unterwerfung W.s in verdoppelter Regſamkeit vom Grabe erflanden zu ſeyn. 
Indeß wırd bei VBefprechung foldyer Anftalten manchmal fehr übertrieben, wie 
denn unfere heutigen Schrififteller und Journaliften dem Kitzel, etwas Pikantes 
oder ihrer Partet Wohlgefäliges von ſich zu geben, nicht felten die Wahrheit 
aufopfern. Die Gamifon Wis ift zur Zeit etwa 20,000 Mann flarl. Die 
Bürgerwehr belief ſich ehedem auf ungefähr 15,000 Mann, wovon aber nur 
4290 volftändig ausgerüftet waren. Während ver legten Sturmperiope, wo 
Alles zu den Woffen griff, erreichte fie eine ungleich größere Zahl und fleht jeht 
in Folge jener Ereigniffe einer gaͤnzlichen Reugeflaltung entgegen. — IV. Die 
Geiſtlichkeit. as das Kirchenregiment betrifft, jo iſt W. der Sitz eine 
Erzbiſchofes, welcher den Fuͤrſtentitel fuͤhrt, eines Domkapitels und erzbiſchoͤflichen 
Konſiſtoriums, ferner eines lutheriſchen und eines reformirten Konfiftoriumd. 
Katholiſche Pfarreien hat die Stadt 30 (Altſtadt 10, Vorſtädte 20), weiter eine 
Pfaxtei der unirten Griechen, zwei Pfarteien der nicht unirten Griechen, zwei 
proteſtantiſche Paſtorate, drei Synagogen. Von geiſtlichen Stiftern beſtehen ein 
herzoglich Savoy'ſches Damenſtift, ein Stift der Benediktiner bei den Schotten, 
zwei Kollegien der Barnabiten, ſechs Kollegien der Piariſten, die Kongregation 
der armeniſchen Mechitariſten, zwet Klöſter der barmherzigen Brüder, dann die 
Kloͤſter ver Dommikaner, Franziskaner, Kapuziner, Minoriten, Serviten, Urſu⸗ 
linerinen, der barmherzigen Schweſtern, der Eliſabethinerinen, der Redemptoriſtinen 
und Saleflanerinen. Nationalkirchen mit ‘Predigten in ihrer Landesſprache haben 
die Staliener, die Franzoſen, die Böhmen, die Polen und die Ungarn — 
V. Unterricht und Wiffenfhaft. Volksſchulen befteben ın W. außer ber 
Rormalichule bei St. Anna, welche ald Mufter für die ganze Monarchie gilt 
und zugleich Schullehrerfeminar ift, 75 mit etwa 30,000 Schülern, dazu 25 
Unterrichts⸗ und 52 Arbeitsfchulen für Mäpdyen, eine öffentliche Handlungsichule, 
48 Privarfchulen für fremde Spradyen, 14 Privatzeichnungsfchulen u. f.w. Die 
drei Oymnaften (dad akademiſche am Univerfitätöplage, jened der Benediktinet 





Bien, 823 


bei den Schotten ımd das der Piariften in der Joſephſtadt) zählen an 1600 Schüler. 
Erziehbungsanftalten gibt es zwei öffentliche für Knaben (das Stabtfonvilt und 
das Lömenburgifche Konvikt), vier für Mädchen (das Fatferliche Civil- und das 
Dffistersröchter Penftonat, die PBenfion der Saleflanerinen, das Soldatentöchter 
inftitut), Privatinfitute fieben für Knaben, vierzehn für Mädchen und eine gym- 
naftifche Anſtalt (Turnſchule). Die Untverfität, 1365 von dem Herzoge 
Rudolf IV. gegründet, zählte im Jahre 1847 51 Profefforen, 56 Lehrer, Adjunkten, 
Affiftenten, Dozenten und über 4000 Studenten. Daß die Wiener „Aula“ in der 
jüngften Zeit der Mittelpunkt der Greigniffe gewefen, welche den ganzen Kalfer- 
ftaat bi zu feinen Grundveften erfchütterten, iſt albefannt. In Verbindung mit 
der Univerfität find: drei theologifche Seminaren (erzbiſchoͤfliches, ungarıfches 
Pazmaneum] und die höhere Bildungsanſtalt für WBeltpriefter), der botanifche 
Barten, die Mufeen für Raturkunde, Landwirtbfchaftslehre, Anatomie, Paıhologte, 
das Thierarzneiinftitut, die Sternwarte und feit Iurzem auch das Jofephinum, 
egründet von Kalfer Joſeph IL zur Bildung tauglicher Nerzte und Wundaͤrzte 

r die Armee. Die herrlichen Präparatenfammlungen vieler Anftalt follte kein 
Arıt, der nah W. kommt, unbefchen lofien. Beſondere wiffenfchaftliche und 
Unterrichtöinftitute find: die proteftantifchetheologifche Lehranftalt, das Thereflanum 
(eine Erziehungs und Bildungsanftalt für junge Edelleute), die ortentalifche 
Akademie, die Sngenteuratabemie die KForftlehranftalt (in Mariabrunn), das 
polptechnifche Snitut (die Gentralbifpungsanfalt für Handel, Gewerbe mb 
Bauwefen), das montaniftifche Inflitut der Hoflammer und das k. f. phyſikaliſche 
Kabinet, wofeldft auch Borlefungen gehalten werden, das militärgeographifche 
Inſtitut. Vereine und Sefellfchaften zu wiffenfchaftlichen und belehrenden Zweden 
finds die & E. Akademie der Wiffenfchaften, am 2. Februar 1848 unter 
der Leitung ihres Curators, des Erzherzogs Johann, feterlich eröffnet, die mit 
dem Sofephinum verbundene gelehrte medizinifche Geſellſchaft, die Geſellſchaft 
der Werzte, der Apothelerverein, der juridiſch⸗politiſche Lefeverein, die Landwirth⸗ 
ſchafisgeſellſchaft, die Bartenbaugefellichaft, der nieveröfterreichifche Gewerbeverein, 
der Berein zur Berbreitung guter Fatholifcher Bücher, die Berfammlung der nas 
turforfchenden Freunde und der Literaten (Konfordia). — Bibltorhefen zählt W. 
dret Öffentliche mit 428,000 Bänden, nämlich die Hofbibltothet mit 300,000 
Bänden (Mufllarchiv von 8000 Bänden, 16, Manufcripte, eben fo viel 
Inkunabein, 300,000 Kupferftiche und Holzfchnitte), die Bibliothek der Univerfität 
mit 104,000, die des Hoffriegsrathes (allen Offizieren zugängli) mit 24,000 
Bänden. Ueberdies befigt jede Lehranftalt und faft jede: Hofftelle ihre eigene 
Bibliothek, fo Daß man die Büchermaffe der Öffentlichen Snflitute auf 600,000 Bände 
anfcylagen kann. Mindeſtens die Hälfte dieſer Zahl erreichen die großen Privat⸗ 
biblliotheken des Kaiſers, ver Bringen, des Adels und der Klöfler. Ueberaus 
reich find auch die Sammlungen W.s für befondere wifienfchaftliche Zwecke 
namentlich für Naturkunde und Geſchichte. Das kaiſerliche Hof-Naturalien- 
fabinet enthält an Säugetbieren 800 Arten, an Vögeln 5000, an Reptilien 900, 
an Kifchen 2400, an Werdythteren 5000, an Krußageen 600, an Inſekten 40,000, 
an Entozoen 800, an Strahlthieren 500, dazu ein Herbarium von 60,000 Arten 
und 76,000 Gremplare von Mineralien. Die verfchievenen Lehranftalten haben 
ihre eigenen Raturaltenmufeen. Botanifche Gärten zählt W. nicht weniger als 
acht; die Faiferlichen Gewaͤchshäuſer umd die des Freiherrn K. v. Hügel haben 
europätfchen Ruhm. Bon den biflorifchen Sammlungen find die ausgezeichnetſten 
die kaiſerliche Schagfammer im Wertbe von mehren Millionen (Diamant Karl 
des Kühnen, 1333 Karat fchwer), die Jagdkammer, das Taiferliche und das bür- 
gerlie Zeughaus, die katferlichen ethnographifchen Sammlungen, das Taiferliche 

rchiv, die Fatferlich diplomatifch=heraldiiche Privatfammlung. Das Münzs 
und Antifenfabinet zählt 2000 Bronzen, 1300 griechiſche Bafen, 110,000 
Münzen, 2392 Kameen, Baften u. dgl. (worunter die ſchoͤnſte aller bekannten 
Kameen, die Apotheoſe Auguſt's), 200 Marmore ımd eine bebetende enge 


824 Bien, 


ägyptifcher Alierthümer. Die berühmte Ambraferfammlung enthält‘ unter 
andern werthvollen Reliquien des Mittelalter die Rüftungen und Waffen von 
143 biftorifchen PBerfonen. — VI. Kunfl. Hinſichilich der bildenden Kunſt 
erreicht W. das ungleich Heinere München nicht, aber doch ſteht auch die Wiener 
Schule, befonders in der Landfchaft und im Genrebild, auf achtbarer Etufe Die 
Namen Amerling, Gauermann, Walpmüller, Ender, Höner, Barbarint, Krafft, 
Vetter, Fendi, Steindle, Ranfl, die beiven At u. A., Haben auch im Yuslande 
einen guten Klang. "Die Ef. Akademie der vereinigten bildenden 
Künfte fommt ald Kunftfchule und Kunftgefelfchaft für alle Zweige ihres Faches 
zu betrachten. Als Lehrkörper befteht fie aus vier Hauptabtheilungen, der Edyule 
für Maler, Bildhauer, Kupferftecher und Mofailer, der Schule für Baufunft, der 
Graveurſchule und der Schule für Anwendung der Zeichnung und Malerei auf 
Manufafturen. Als Huͤlfomittel befigt die Alademie eine eigene Bibliothek und 
Kupferſtichſammlung, eine werthvolle Gemaldegallerie und eine Sammlung von 
Gypsabgüfien nady Antiken. Tie Semäldefammlungen W.s find fehr reich; bie 
fatf erlice Gallerte zählt über 2500 Bilder, vortrefflich aufgeftellt, die Gallerie 
der Akademie 800, die Liechtenftein’sche 1200, die Efterhazy’fche 800. Eine aus 
ezeichnete Sammlung neuer Meifter befigt H. R. v. Arthaber. Die Kupferkich, 
fammlung des Kaiferd umfaßt 98,000 Blätter, wovon 85,000 Porträts, die des 

raberzoge Karl 150,000 Blätter und 14,009 Handzeichnungen. Seit 1830 
befteht zu W. auch ein Privatverein zur Beförderung der bildenden Künfte (Kunſt⸗ 
verein). In der Muſik ift W. noch immer eine der erfien Städte Europas und 
feine Stimme hat bier volled Gewicht. Aueégezeichnet in ihrer Art ift die kaiſer⸗ 
liche Hoffapelle. Die Gefellichaft der Muſikfreunde veranftaltet große Konzerte, 
läßt an die 200 Zöglinge ihres Konfervatoriums unenigeltlichen Unterricht ers 
theilen und befigt eine reichhaltige Mufifalienfammlung. Rebſtdem beftehen eine 
Drganiftenfchule, 11 Kirchenmufilvereine, ein Männergefangeverein, 29 :Brivats 
Mufikihulen. W. hat 5 Theater und das Hofburgtbeater (für das gefprochene 
Schaufpiel) nimmt ohne Widerſpruch den erften Play in Deutfchland ein. Das 
Leopolpftänter Theater, einft das einzige wahre deurfche Volkstheater, beſonders 
durh Raimund auf eine hohe Stufe erhoben, befigt noch immer die zwei größten 
Komiler Deutfchlande, Neftroy und Scholz. Im Kärntherthortheater werben nur 
Opern und Ballete gegeben. — Vi. Geſundheits- und Armenpflege, 
Strafs und Befferungsanftalten. In hohem Grade ausgezeichnet ift die 
Sorgfalt, mit weldyer Kranke und Dürftige in W. gepflegt und unterflügt werben. 
Das allgemeine Krankenhaus vereiniget in feinem ungeheuren Umfange 
vier Inſtitute, nämlich das eigentliche Kranfenhaus, das Irrenhaus, die Gebaͤr⸗ 
anftalt, dann die Kliniken der Univerſttät, und nimmt jährlidy in dieſen Anfalten 
zufummen dam 30,000 Kranfe auf. Die barmherzigen Brüder und Schweſtern 
und die Elifabethinerinen unterhalten eigene Spitäler; auch gibt es zwet Kinder 
fpitäler, und befondere Spitäler für Priefter, Kaufleute, die Garnifon und die 
Juden. Ueberdies entftand in neuefter Zeit ein Privatfpital (maison de sant6). 
‘Brivatirrenanftulten beftehen zwei, Impfungeinftitute fünf. Alle SPoltzeibezirke 
haben ein volftändiges Arztliches Amtsperſonal, welches die Armen unentgeltlich 
u behandeln verpflichtet ift, und zur Rettung von Berunglüdten und Scheintodten 
End in jedem diefer Bezirke, und am Donauufer insbefondere an 10 Orten, eigene 
„Rothläften” mit dem nöthigen Sanitätsapparate bereit gehalten. Auf dem Glacis 
vor dem Karolinenthore ift eine Mineralwaffer- Trinkkuranftalt eingerichtet. Für 
Babdeanftalten iſt in W. Hinlänglich geforgt, und die vorzüglichflen derfelben find 
das Sophieen» und das Dianenbad. Ein ruſſiſches Schwitzbad befindet ſich in 
Bumpendorf, Falte Bäder für beide Gefchlechter find im Kaiferwafler errichtet; 
für die ärmeren Klaffen befteht im offenen Strome das fogenannte „Freibad.“ 
Zu Ehwimmübungen gibt e8 eine Mitttärfchwimmfchule und fogar zwei Damen 
— wimmſchulen. Kirchhoͤfe zählt W. ſechs, fämmtlich außerhalb der Linien; aber 
einer derſelben ift einer großen Refivenz würdig. — Zur Armenpflege übergehend 


Bien, 825 


floffen wir zuerſt auf das große Fatierlihe Armeninfitut, weldyes Ki 
700,000 fl. an Dürftige vertheilt. Das Findelhaus verpflegt des Jahres 13, 
Kinder, an der Univerfität werben jährlicdy über 40.000 fl. an arme Studenten 
als Stipendien gegeben. Zahlreih find die Ausfattungsftiftungen für arme 
Mädchen. Bon den Privatanflalten der Wohlthätigfeit nennen wir die Geſell⸗ 
ſchaft adeliger rauen, welche über 2000 Perfenen verpflegt, den Berein zur 
Unterftügung verfchämter Armen, den Hülfverein am Echottenfelde, den Verein 
zur Untertügung würdiger und bürftiger Stubirender, den durch das Rorhjahr 
1847 in's Leben gerufenen Verein zur Untaftägung arbeitelofer und hülfäbes 
bürftiger Handwerker, Fabrikarbeiter, Taglöhner ı. Als Erziehungsanftalıen für 
me beſtehen: Das Wailſenhaus, die acht Kinderbewahranfalten, das Taubs 
flummeninftitut, das Blindeninfitut. Berforgungsanfalten für Erwerbsunfähige 
find: Das reiche Bürgerfpltal zu St. Mars, die fieben Grumbipltäler in ben 
Vorſtaͤdten, die k. k. Werforgungähäufer (ſechs), zwel Privatverforgungehäufer 
für arme Dienſtboten, zwei Invalidenhäufer., Bon Wohlthätigkeitöfaflen findet 
man in W. mehre Penftonsinftitute und Wittwenfaffen für einzelne Stände, die 
erſte Öfterreichifche Sparkaffe, die allgemeine wechfelfeitige Kaplıaliıns und Ren 
temverficherungeanftalt, zwi Lebenäherfi gen, mehre Brandver| Jans 
Ratten, drei Öiterverficierungen, ein Leihhaus. Strafs und Beflerungsanftelten 
find das F. k. Polizeihaus, das Provinzialſtrafbaus, die Arbeits⸗ und Beflerungss 
anfalt, die Kriminalhausftrafanfalt, dad Militärkaböfodhaus. — VIIL Indus 
ſtrie und Handel W. if die erſte Fabrikſtadt ver öfterreichiichen Monarchie 
und für die weiten Gebiete derſelben, wenigfens in Hinficht der Luxuswaaren, 
daB, was Paris für Frankreich Die Stadt zählt 200 Fabrilen, 6425 Poliges 
ewerbe mit Berzehrungögegenfländen und 8549 andere, 9736 Rommerzialgewerbe. 
chon ver Verkehr mit den gewöhnlichen Lebenobedürfniſſen geht Ind Ungeheure 
und erfordert die Ihätigkeit fehr vieler Menfchenhände und großer Kapiralien. 
Rady ten Konfumtionsirften verbraucht W. jährlid: 97,000 Stüd Rindvich, 
118,000 Kätber, Lämmer und Ferkel 77,000, 42,000 Echafe, 90,000 Schweine, 
jegen 2 Mil. Stüd Geflügel, 14.000 Ger. Fiſche und alıhiere, 200,000 
Stüde Wilrpret, 12 Mill. Waaß Mich, 42,000 Etr. Butter, Schmalz, Talg 
u. dal., 12,000 Eır. Kaͤſe, 57 Mit. Gier, 966,000 Er. Mehl und Bäderwaaren, 
600,000 Etr. Kraut, Rüben, Erdäpfel, Gemüfe, 240,000 Etr. friihes und ges 
dörrıes Obſt, 892,000 Gimer Bier, 262,000 Eimer Wein, 140,800 Riafıer 
Brennholz, 368.000 Etr. Etein« und Holzkohlen. Was W. vor Berlin, Paris, 
London und andern großen Stävten fehr vortheilhaft auszeichnet, iſt der im Vers 
haͤltniſſe der Bevölkerung geringe Verbrauch von Branntwein und andern ges 
bramnıen Wäflern. Die dabrilen und Kommerzialgewerbe W.s beſchäftigen wentg« 
ſtens 80,000 Menſchen. Ihre wichtigſten Erzeugnife find: Baummollenwaaren, 
Seivenzeuge (8000 Stühle), " Shawid und Umbängtüche, Kautſchularbeiten, 
Teppiche, Nadterarbeiten, Schleſſerwaaren, Metalltnöpfe, Galanieriewaaren 
namentlich Eiıberarbeiten, filberplattirte Waaren, Bronzewaaren, Eijengußwaaren, 
Perlenmutterarbeiten (von unübertrefilichyer Schönheit), SPielfenföpfe, befonders 
aus Meerihaum, Bleififte, der Wienerlad und viele andere chemiſche Fabrikate, 
Porzellan (f. F Porzelanfabrif in ver Roflau), Tiſchlerwaaren, Schuhmacher⸗ 
arbeiten, Sattlerarbeiten und Kutfchen aller Act, Papiere, Bapiertapeten, „Spiel 
karten, Buchbinderarbeiten, muſikaliſche Inſtrumente, vornehmlich, Klaviere und 
Slötenwerfe, Großuhren ober Pendulen, mathematifche, phyfifaliihe, sptlfhe 
Inſtrumente, Großmaſchinen. Nebkvem befteben in MW. mehre Zudertafinerien, 
eine Dampfmablmühle u. |. w. Die nahen Orte Nußdotf, Reindotf, Braunz 
birfchengrund, Fünfs und Sechshaus, Neulercyenfeld u. A. machen mit der Stadt 
Einen dabrikort aus. ‚Eine tieffliche Ueberſicht der Wiener und überhaupt. der 
ÖRerreichifchen Induſtrie gewinnt man vurdy einen Bang nach dem technolo⸗ 
tfhen Mufeum im Gebäude des voiichulägen Safe, Diefe m⸗ 
ung, welche kaum ihres Gleichen hat, wurde von Kaller. Ferdinanb L anaehi 


828 Wiener: Eongrefl, 


haus (jet der Eſerhazy ſche Palafl). Unter Heinrich Jaſomirgott, welcher 1141 
zur Regierung kam, ift W. bereitö die Reſidenz der Herzoge von Defterreidh und 
wird unter Leopold dem Blorreichen der Mittelpunkt des öfterreichiichen Handels, 
ein Hauptftapels und Niederlageplag. Leepold's Zeit war zugleich die poeifche 
Blürhe des Mittelalters, fowie dad goldene Zeitalter der deurfchen Epradhe 
ihren ſüdlichen Mundarten; fein Hof wurde gefelert wie kaum ein anderer 
von den Minnefängern, die bier in W. ihre Weifen fangen, unter ihnen zwei 
der größten deutichen Dichter, Walter von der Vogelweide und Heinrich von 
Dfterdingen. Drei Kreuzzüge wurden die Donauftraße über W. geführt und 
biefes kam bald in die nächfte Verbindung mit Byzanz, mit der Kunſt und 
Wiffenichaft, den Bewerben und dem Lurus des Orients. Unter ven Habs⸗ 
burgifchen Fürften ſehen wir den Flor der Stadt fi) immer glängender ent- 
wideln. 1365 if fie der Sig einer Univerftät, und zu Anfang des 15. Jahr⸗ 
hunderts zählt fie bereitd 50000 Einwohner. Ste ift befeſtiget, bat ein fein 
ernes Eirafenpflafler und Häufer mit hohen Gichelmauern, durchaus von Stein 
aufgebaut, mitunter prächtig verziert. Es fehlt indeß in den Zeiten des Fauft⸗ 
rechies und der wilden Bewegung roher Kräfte u nicht an trüben Tagen In 
der Geſchichte W.s. Schon gegen Albrecht, Katfer Rudolph's Sohn, hauen fidh 
die Bürger erhoben, mußten fid) aber bald mit harten Bedingungen unterwerfen. 
Wilder noch loderte die Flamme innerer Unruhen zur Zeit des unfellgen Zwiſtes 
zwiſchen Ernft und Leopold (1408). Sn fefter Treue für den angeflammtn 
ern beftieg der greife Bürgermeifler Konrad Borlauf das Schaffot. Sechs 
athöherren endeten mit ihm unter dem Henkerbeile. Wieder zudte der Aufruhr 
in ver Stadt unter Feiedrich's ML. eben fo langer, als unbeilvoller Regierung. 
Gereizt von dem Unfuge, welchen des Kaifers Sälpner in der Umgegenb vers 
übten, empörten ſich die Wiener und belagerten bie Sofeutg, Dar Böhmenkön 
Georg Podiebrad brachte Entfah (1462). Ueberraſchend iſt es zu hören, 
bie Bürger von 1424— 1500 nicht weniger ald 75 Fehden auf eigene Faufl 
führten. Um diefe Zeit errichteten fie auch ihre Stadtmiliz, die Grundlage des 
ſpaͤtern „Bürgermilitärs*. — 1469 Erhebung W.s zu einem Bifchofsflge, nach⸗ 
dem ed bis da mit gang Deflerreih dem Paflauer Eprengel untergeben geweſen. 
1485 Eroberung der Stadt durch den Ungarfönig Matthias Eorvinus nad 
langwieriger Begenwehr. Eiſte Belagerung W.s durch die Türkın vom 
22. September bis 15. Oktober 1529. Die innere Stadt hatte damals bereits 
ihren ginn Umfang. Der 3ojahrige Krieg erfiredt feinen Schauplag aud 
nah W. Im Juni 1619 ftehen die Böhmen unter Thurn vor der Stadt, md 
1645 find die Schweden unter Torftenfon im Anzuge gegen W.; zur Erinnerung 
jener Tage wird das Vollofeſt in der Brigittenau gefelert. Furchibares Wüthen 
der Bet im %. 1679; nicht weniger ale 122,849 Menſchen werden von ik 
binweggerofft. Zweite Belagerung durch die Osmanen, vom 14. Juli bie 
12. September 1683. Unter Karl VI. wird das Bischum W. zu einem Gr 
bisthume erhoben und die Stadt erhält große Zierven durch die Kunftbauten 
Fifcher’8 von Erlach. Napoleons Armeen befepen W. in den Jahren 1805 und 
1809. Wiener Friede vom 14. Dftober 1809 (f. u.), Wiener Kongreß vom 
Oktober 1814 bis Juni 1815 (f. u.). Mit dem Eintritte einer langen Friedens⸗ 
periode beginnen umfaflende Verſchönerungen der innern Stadt und der Bors 
fädte, Bewegung und mächtiger Fortſchritt im inpuftriellen Leben. Momentan 
unterbrechen viefe gedeihlichen Zuftände die verheerende Ueberfchwenmung durch 
die Donau im 3. 1830 und das Wuftreten der Cholera im Herbfle 1831. Er 
Öffnung der erftın von W. auslaufenden Eifenbahn (der Nordbahn) im April 
1833. Den Greigniffen des für W. fo verbängnißvollen Jahres 1848 1 
eigener Artikel gewidmet (f. d. Suppl). — AU. Literatur (folgt in den Sup 
plementen). mD, 
Wiener-Congreß, zur Ausführung des letzten Artikels des erſten Pariſer 
Friedens vom 30. Mat 1814, weldyer Tefgeiebt hatte, daß fämmtliche, am Bes 


Biener⸗Congreß. 829 


freiungsfampfe gegen Napoleon betheiligte, Staaten Bevollmächtigte nach Wien 
jenben ſollten, um daſelbſt auf einem allgemeinen Congreſſe alle, zur Vervollſtaͤnd⸗ 

ung dieſes Friedensſchluſſes noch ndıhtgen, Einrichtungen anzuordnen, warb 
biefer Congreß am erfien Rovember 1814 tn der genannten Haupıftadt wirklich 
eröffnet. Anweſend waren bei demfelben: die Monarchen von Defterreih, Ruß⸗ 
land und Preußen; die Könige von Bayern, Dänemarf und Württemberg, der 
Großherzog von Baden und der Kurfürft von Heflen, nebft einer großen Anzahl 
von Prinzen aus regierenden Häufern, mebiatifirten Fürften und ausgezeichneten 
Staatsmännern aus allen Theilen Europa’d. Deftrreich war vertreten ‚durch 
den Fürften Metternich und den Freiherrn von Weflenbera; Rußland durch bie 
Grafen Neffelrode, Razoumoffski, Capo d'Iſtria und Stadelberg; Frankreich durdy 
den Fürſten Talleyrand, den Herzog von Dalberg und die Grafen von Latour 
und Noailles; ald englifhe Bevollmächtigte erfchienen Lord Gaftlerenah und bie 
Lords Cathcart, Slancarıy und Stewart und Preußen repräfentirten Fürſt Hars 
denberg und Baron von Humboldt. Die Kührung der Protokolle bei den Con⸗ 
greßverbandlungen endlich wurde dem k. k. Hofratbe, Ritter von Gentz, anver- 
traut. Spanien wurde vertreten durch den Ritter Labrador, Portugal durch den 
Grafen Balmella, Schweden durch Graf Löwenhielm, Dänemark durch die Grafen 
Bernflorff, der König von Eicilien durch Ruffo, Eardinien durd den Marquis 
St. Marfan, der Kirchenſtaat durch den Cardinal Gonfalot, die Niederlande durch 
die Barone Spaen und Gagern, Hannover dur den Grafen Münfler, Würt« 
temberg durch den Grafen Winzingerove und Bayern durch den Fürften Wrede. 
Auch die übrigen deutichen Höfe, die vormals fouveränen Städte, die Schweiz, 
viele meblatifirte Häufer, furz Alle, weldye Eiwas verlieren oder gewinnen konn⸗ 
fen, hatten ihre Abgeſandte. Selbſt Murat und der König von Sachfen waren 
durch Agenten vertreten, die jedoch der Sachlage nach nicht allgemeine Aner⸗ 
tennung erhielten. Die Zahl der anweſenden Fürften, Bevollmächtigten, Sekre⸗ 
täre u. ſ. w. belief ſich auf 454 Perſonen; aufſerdem zählte man 100,000 Fremde. 
Der Wiener Hof, obgleich er fonft nie verfannte, daß weife Sparfamfeit, zumal 
in der gegenwärtigen Epoche, für ihn eine Etaatopflicht ſei, lieferte hier den 
Beweis, daß er, wo ed der Blanz feines Tchroned erfordere, durch großartigen 
Aufwand gleichwohl von dieſer Regel abzuweichen wiſſe und handhabte die pracht⸗ 
volle, koſtſpielige Rolle, wozu er berufen war, mit einer alle Erwartung überftels 
genden Munificen,. Der Aufwand des Katferhaufes belief ſich währen ber 
ganzen Dauer des Congreſſes auf mehr ald 30 Millionen. Die Eatferliche Tafel 
erforderte einen täylichen Aufwand von gegen 100,000 fl. &.M. — Die Eröff- 
nung des Gongrefied war Anfangs auf den 8. Dftober fefgeiet geweien; um 
—* für freie und vertrauliche Erorterungen Zeit zu gewinnen und den zu ent⸗ 
ſcheidenden ragen jenen Grad ber Reife zu geben, von welchem allein ein, ber 
allgemeinen Erwartung und den anerfannten Grundlagen ded Staats, und Völ⸗ 
kerrechts entiprechendes, Refultat zu hoffen war, wurde dieſelbe bis zum erften 
Rovember verichoben; dagegen waren fchon felt dem 16. September zwiſchen 
dem Fürſten Metternidy und dem Grafen Refielrode, Lord Gaftlereagh und Frei⸗ 
bern von Humboldt vorbereitende Konferenzen gehalten worden, welche fidy mit 
Entwerfung der Grundlinien für die Arbeiten des Eongrefies befchäftigten. Man 
fam überein, fämmtliche Gegenftände der Berathung in zwei große Hälften zu 
fheiden und durch zwei abgefonderte Berfammlungen behandeln zu lafien. In 
der erften Abtheilung follten blos die allgemeinen Angelegenheiten Europa’s bes 
riffen, die Berbälmiffe der Mächte unter fich, die ertheltung der eroberten 
Bänder und die Grängbeftimmungen erörtert werden. Man befchäftigte fich bies 
mit in einem Ausfchuffe, welcher aus den Bevollmächtigten der europälfchen 
Sroßmächte Defterreih, Rußland, England, Frankreich, Preußen und, auffer 
diefen, noch aus denen von Spanien, Portugal und Schweden befland. Die 
zweite Abtheilung dagegen follte ſich ausfchließlih mit ven Wingelegenbeiten 
Deutfchlands und mis deſſen Innerer Befaltung beichäftigen we er Ynatrch 


0 Biener · Congreß. 


hiefüt aus ben Bevollmächtigten Deſterreiche, Preußens, Bayerns, Hannovert 
nd Wuͤrttembergs beſtehen. — zog man jedoch auch die ſämmtüchen for: 
yeränen Fürften und freien Städte Deutſchlands bei den Berathungen zu, fowie 
nehre Angelegenheiten vor ber Beſchlußnahme der ‘Prüfung befonderer fachrer. 
tänbiger Commifftonen unterſtellt wurden. Nachdem beide Ausfchüffe, ber eur 
sätfche ſowohl, als der deutfche, fich conflituirt hatten, wurde Fürft Metternich 
son ihnen zum gemeinfchaftlichen Präfiventen gewählt. — Die Wiederherftelun 
ver preußifchen Monarchie und das mit dieſer u auf's -Innigfte verknüpfte 
Schickſal von Sachfen und Polen, deſſen König Friedrich Auguft bis auf dm 
ehien Augenblid der entfchiedenfte Anhänger Napoleons gewefen war, nahm dir 
Ehärigfeit des Congreſſes zuerſt in Anſpruch. Rußland. und Preußen fanden 
ner auf ber einen, Defterreich und England auf der andern Seite. Nady en: 
icher Ausgleichung der. verſchledenen — wurde das ehemalige 
Broßherzogihum Warſchau, mit Ausnabme.eintger Gebietstheile, unter dem Nam 

reich Polen mit dem rufftichen Reiche vereinigt, wobei Kalſer Mlerander 
as Berfprechen gab, dem neuen Staate eine, die Whnfce und Bebürfnifte feiner 
Bewohner möglichft berüdfichtigende, Verfaſſung zu verleihen, Die fächfice 
Frage wurde in Berbindung mit der Wiederherſtellung der preußifchen Mo- 
tarchie gelöst: Friedtich Auguft behielt von feinen früheren Befigungen 270 [IN 
nit 1,200,000 Einwohnern, während das Uebrige an Preußen abgetreten wurde. 
Nach dieſem fehritt der Gongreß zur Grün) des Königreich® der Niederlande. 
Berſchiedene gewichtige Beweggründe hatten die Groß - Mächte veranlaft, ” 
land, Belgien, Luremburg und das ehemalige „Host Lüttich zu einem einzigen 
Staate unter der erblihen Dberhohelt des Pringen won Dranien, der am 3. 
März 1815 die Köntgersürde annahm, zu vereinigen. Ungleih weniger Ancr: 
tennung. fanden die, Anfprüche, womit "Dänemark bei dem Gongrefie aufttat 
Diefer Staat, der im Kieler Frieden durch die Abtretung von Helgoland. und 
Norwegen ein Drittel von feinem Flächeninhalt und nahe an 2 Millionen Ein- 
wohner verloren hatte, erhielt als Entſchädigung nichts weiter, ala ſchwediſch 
Pommern, das aber gegen Lauenburg und eine baare Summe von 2 Millionen 
Thaler an Preußen abgetreten wurde und 600,000 Banfo-Thaler, deren Ber 
zahlung dem Hofe von Etodholm oblag. Mitten unter dieſen politifchen Ftagen 
kam auch die Abfchaffung des Sklavenhandels zur Sprache, der awar von dem 
Eongrefle als Grundfag ausgeſprochen, jedoch die Ausführung jedem einzelnen 
Staate anheimgegeben wurde (vergl. unfere Artifel Sklaverei und Sflaven 
handel). Weitere Verfügungen des Congrefies betrafen Spanien, PBortugal, 
Schweden, die Schweiz und Jtalten, in welch legterem Lande Defterreich haupt 
fächlich feine Entfhädigungen fuchte und erhielt. Diefe beftanden in dem ganjen 
Känderfiriche zwifchen dem Po, dem Ticino und Lago Maggiore, dem ganım 
Littorale, vom abrlatifchen Meere angefangen mit Einfchluß der ehemaligen Re 
ubiik Ragufa und der Republif Venedig. Auch das Beltlin und bie durch 
Ihre Paͤſſe wichtigen Graffchaften Ehiavenna und Bormio wurden mit Mailand 
vereinigt, Tyrol, Salzburg und das Jnnviertel gegen anderieirige Entfchäpigung 
von Bayern und ber, im Srieden von 4809 verloren gegangene, Theil Galiziend 
von Rußland zurüdgegeben. Endlich erhielt Defterreihh audy moch Durch bie 
Wiedereinfegung zweier Regenten aus feinem Haufe in dem Großherzogtbume 
Toskana u. in dem Herzogthum Modena ein ferneres, nicht unbeveutendes Gewicht 
in Italien. Da, wie die Erfahrung gelehrt hatte, die frühere Macht des Königs 
von Sardinien unzureichend gewefen war, die franzöflichen Armeen aufzukalten 
und die Vertheidigung der Frangofen in Genua 1800 die Wichtigkeit diefes, von 
dem Meere und den Gebirgen im Norden befchügten, Plages deutlich hatte erfennen 
laffen, fo wurde befchlofien, Genua mit Piemont zu vereinigen, fo unzwels 
beutig au) die Bervohner dieſes Freiſtaates ihren Wunſch nad) MWiederherftelung 
auegevrüdt hatten. Nicht wenig zu thun machten dem Gongrefie audy die An 
foräcpe, welche ver ehemalige König von Etrurten, — nunmehr wieder Infant 


Wiener -Eongeehl, 831 


von Parma — auf diefes Land und Toskana erhob, um fo mehr, da Frankreich 
und Spanien fein Begehren auf das Lebhoftefte unterflüsten. Der König Bios 
ahimo Rapoleon (Murat) hatte nämlich, zufolge feines Vertrages mit Defers 
reich vom 11. Januar 1814, die Franzoſen aus Toskana vertrieben und Bas 
Land von feinen eigenen Truppen befegen lafien. Jedoch machten bald darauf 
die Operationen des Lord Bentink, ſowie fpätere Uebereinkünfte über Italiens 
fünftige Berhältniffe und der Vertrag zwiſchen Bellegarde und Eugen 
Beauharnais die Räumung defielben durchaus nothwendig. Auch haite Erz⸗ 
herzog Ferdinand feine bisherige Reſtidenz Würzburg bereits verlaſſen und ſich 
wieder nach feinem alten Stammlande zuruͤckbegeben. Dies Alles erregte, wie⸗ 
wohl ohne rechtlichen Grund, das Mißfallen des Madrider Hofes, ver, auf 
frühere Pacificationen ſich berufend, Toskana ohne Weiteres für feinen Ber 
wandten, den Infanten Karl Ludwig, anſprach. Wein aufs Stanphafieke be 
ſtritt Gorfini, der Bevollmädhtigte des rechtmäßigen Herrſchers, die Gründe und 
Folgerungen des Ritters von Labrabor, welcher die ſpaniſchen Aunfprüe vertrat, 
indem er gegen letztern die weit gältigeren Rechte des Erzhauſes Defterreich auf 
das wieverhergeftellte Großherzogthum bewies. — Gleichzeitig erhob ſich auch 
ein neuer Streit über Parma, welches der Bertrag von Sontainebleau der Kai⸗ 
fertn Marie Louiſe mit der Erblichkeit für ibren Sohn, den jungen Napoleon, 
zugefichert hatte Hierauf wurde von dem Gongreß dabin entichieden, daß 
Barma, nebft Biacenza und Guaftalla, der Kaiferin Marie Louife übergeben, dem 
Infanten Karl Ludwig dagegen Lucca nebft einer jährlichen Rente von 500,000 
Franken zugefprochen wurde. Indeſſen aber leiftete Deflerreich, aus zarter Ruͤck⸗ 
ficht gegen die bourbonifche Familie und die italieniſchen Regentenhäufer, auf 
Franz Napoleon’ Thronfolge in Parma Berzicht und beforgte für ihn die Bild⸗ 
ung des mediaten Herzogihums Reichftadt aus verfchiedenen Gebietoötheilen, von 
welchen der junge Prinz hinfort Titel u. Namen trug. Während fo der Congreß 
für die Wiedergeftaltung Curopa's thätig war, war auch Napoleon auf Elba 
nicht unthätig geblieben. Er zweifelte, von feinem Agenten in diefem Glauben 
beftärft, nicht länger mehr, daß die entſchiedene Mehrzahl der franzöftichen 
Nation mit Sehnfucht feiner Rückkehr entgegenfehe, ia, daß im Falle des Wieder⸗ 
auftretend auf dem politifchen Schauplage, ſelbſt Kabinete und Bölfer, wie ches 
mals, fih ohne Säumen an ibn anichließen - würden. Nachdem er fi am 
26. Februar mit nicht mehr als 900 Mann Truppen auf 7 Fahrzeugen plöhlich 
hatte einfchiffen Iaffen, landete er nach kurzer Fahrt, feinem alten Güde keck vers 
trauend, bet Cannes auf franzöftihem Boden. Abenteuerliche Proklamationen, 
Ueberläuferet und Berfchwörungen bahnten ihm von da, ohne viele Schwierig, 
felten, den Weg nach Parts. Am 7. März kam die Radhricht von Napoleons 
Entweihung in Wien an. Die unmittelbare Bolge davon war eine Erklärung 
der 8 Mächte vom 13. deflelben Monats: „daß Napoleon, da er durch biefes 
Unternehmen die Convention, welche ihm den Bells der Infel Elba zugefichert, 
verlegt hätte, fo betrachtet werden müfle, als hätte er den einzigen rechtlichen 
Anfpruch feiner politifchen Exiſtenz von felb vernichtet, fi von allen gelel- 
ſchaftlichen Berbältniiien losgebunden und, als Feind und Störer ded Welt 
friedens, den öffentlichen Strafgerichten preißgegeben. Darum verweigerten auch 
die Babinete die Annahme der Nottfifationsichreiben, wodurch Napoleon feine 
abermalige Thronbeſteigaung anzeigen ließ, auf das Entſchiedenſte und die vier 
Gabinete, weldye ven Duadrupel-Allianwertrag von Chaumont gefchloften hatten, 
fchloffen am 25. März einen abermaligen Traktat durch erneuete Berträge — 
namentlich den vom 25. März — worin fie alle ihre Kräfte zur Aufrechthaltung 
des Parifer Friedens vom 30. Mai 1814 aufmbieten und jebe berfelben eim 
Heer mit 180,000 Mann ins Feld zu ftellen verfpradhen. eine Zuſatzcon⸗ 
vention machte ſich England anheifchig, den übrigen drei Mächten jährlich fänf 
MN. Pfund Eerling an Hülfsgelvern zu zahlen. Alle eu an 
einziger Ausnahme Spaniens und Schwedenso, non: Lama ru: keien 





882 . Bine El 
äntergeorbnete Ofnile: einnehmen wohte; legteres aber wit der 
—* am ſeht befchäftigt war, traten ber Allianz wider Rapo 
noch dritter Wonach, der König Murat: von Neapel, : ei Pe 
Beltrirt zu dem neuen Bündniffe Schon im vorigen Sn er u obgleich 












damals wit O Napoleon alltirt, bei. ver Nachri | 
Siege des en, ‚Gruppen Salt —— laſſen und’ —— Tre ——— 
andere zweideutige — den gegränberßen Berdacht erweckt, als * 3 
Epke| mit doppelten Karten, Seht Fam noch die Unbefonuenbeit hinzu 


dem Co , erf bei Zub 
a: — um ſeine — ig KL, wie 





verbarg 
eh ** —æc&* ta halten hatte. ke —— 
e Aa t von u yon er er an 
Spitze ein 823 23 und rief in einer Proklauftlion alle 
Bölfer alla zum Be auf Murats Bordringen Tonnte in Wien nicht 
anderd, denn als Kriegeerliärung gegen Dehterreich: betrachtet werben; es wurde 
daher ſogleich eine — ** ——8*— in Italien gegen ihn in Drehung ge⸗ 
ſetzt und Murat nach einem — von wenigen bei Tol aufs 
Gent eſchlagen, worauf er ſich nad Neapel zurückzog un» bald darauf nad 
frei ——— Die Regierung Ferdinands IV. wurde wieder 5 hergeßeht u. 
Defterreih, Rußland und Preußen Verträge mit dem legitimen ige ab» 
—* — die Wiedergeſtaltung ee ae —— derjenige 
Begenfan d des Congreſſes, der das X der a en Welt am meiſten 
rege machte, warb unter dem Vorſi ernich ein ei Yub» 
keuß aus nachſtehenden entire at: t für Dekerreich Buron von 
eſſenberg; für Preußen Fürft Hardenberg u. Baron von Humbolbt; 
für’ Bayan FÜR Wrede; für Hannover Graf Münſter; und en" 
iich für Württemberg Graf Winzingerode und Freiherr von Linden, 
Der fechete Artikel des Pariſer Friedens⸗Vertrages hatte im Aligemeinen feRge: 
t: „daß fämmtlidhe Staaten Deutfchlands unabhängig und buch einen 
unbeöverein mit einander verbunden jeyn follten.“ In welcher Form dieſes 
Ratıfinden follte, biieb der wechſelſeitigen Webereinfunft anheimgeſtellt; ce wu 
fomit die erfle Aufgabe des deuiſchen Wusfchufies, eine genauere Prüfung we 
dahin ergwedenben Vorfchläge zu veranflalten. Unter der nicht geringen Anzahl 
De Borfhläge nun, deren ed keinem an eifrigen Wnhängern und 
rtheidigern fehlte, waren befonders vier, weldye fih gleich von Anf 9— 
vor allen übrigen bemerkbar machten. Der erſte unter dent Iben verlangte 
Deutichlande u. Wievderberftellung der kaiſerlichen Würde, fcheiterk 
aber hauptfächlich an der Wetgerung des Kaiſers von Oeſterreich, dem die durchaus 
veränderten Fe feines Grhreiches die Wiederannahme der Kaiferwürke 
unmöglich ten. ch Preußen, obgleidy es ihm weder an Verdienſt, no 
an at * —F — wohl ein, daß es weder auf dem Kaiſerthrone, n 
aͤſtdium e Bundes, Deutfchland allein regieren Tönne und fo führte 
ie Umfand von ſelbſt zu einer neuen Idee, nämlıdy derjenigen: einer Z weis 
Herrſchaft. Diefe wurde auf verſchiedene Weile aufgefaßt, en die Einen 
darunter eine, zwiſchen Defterreihh und Preußen gemeinichaftlicye, Leitung ver 
beutfchen Angelegenheiten, Andere eine gänzliche polisiicye Trennung Deuticylands 
in Süden u. Norden unter der Hegemonle beider genannten Staaten verſtanden. 
Hein es war narürlidy und leidyt vorauszufeben, daß die deuiſchen „oöfe zweiten 
Ranges bdiefen Borfchlag aufs Aeußerſte bekämpfen und in den mit ihnen abge 
" CHlodenen Verträgen, ihren Allianzen mit europälfchen Großmächten und eigen 
aa en Berhälmiffen manni fadper Act, allen biesfälligen Abſichten umäber 
Reigliche Omen m in * en men —* Hiezu kam noch, Ki 
Srennung Deu auch in militaͤriſch⸗politi 









Wienbarg. 833 


Hinficht nicht räthlich ſchien: ein Hauptgrund, warum das öſterreichiſche Cabinet 
es fich zur Pflicht machte, dieſem Anfinnen feine Zuflimmung zu verfagen. 
Dur das Gewicht dieſer Bedenklichkeiten wurden neue Borfchläge veranlaßt 
zur Leitung des Ganzen durch die beiden Großmächte und zur Bildung eines 
aus Dcferreih, Preußen, Bayern, Hannover und Württemberg beftchenven 
Ausſchuſſes, welcher Idee von fünf deutichen Mächten diefenige der fünf europäs .. 
iſchen zu Grunde lag. Allein, auch viefes Planes Aueführung zeigte fich mit 
bedeutenden Anftänden verknüpft, unter denen die eigenthümlichen Verhältniſſe 
Bayerns und Hannovers, welche beide dem allgemeinen Intereſſe Nichis von 
ihrer eigenen Eelbfiftändigfeit opfern wollten, ferner der innere Gchalt und Ums 
fang der Kreife obınan fanden. Auch erhob ſich aus der Mitte der übrigen 
deuiſchen Staaten, welche ſich biedurch auf eine, ihrer unmürdige, Weile unter 
ihre Miiſtaaten hinabgeſetzt glaubten, eine nicht unbedeutende Oppofition dagegen. 
Am allerwenigften ausführbar aber mußte endlich ein vierte Projekt erfchenen, 
weiches eine Berbindung fämmtlicher deutfchen Staaten, mit Ausfchluß Defters 
reichs und Preußens, verlangte. Wiewohl es vemfeiben unter Leuten, in denen 
der Geift des Rheinbundes noch nicht ganz erftorben war, nicht an Vers 
theidigern fehlte: fo mußten fi doch Alle, welche von der Macht und Politik 
der beiden, mit Ausfchluß bedrohten, Staaten einen Haren Begriff batten, zu 
mitleidigem Läcyeln veranlaßt fühlen. Ja, gerechter Unwille und Entrüftung bes 
mächtigten fich jedes wahren Patrioten über die Leicdhıfertigkeit, wemit man fo 
viele ber ebdeiften ‘Provinzen Des deutfchen Stammes vom gemeinfamen Baterlande 
losreißen wollte, ohne die Gefahren zu erwägen, denen ein Deutfchland ohne 
Defterreichs und Preußens Schug ſtündlich ausgefept feyn würde. Ueber alle 
diefe Borfchläge behielt envlid das Zöderativſyſtem die Oberhand, weil man 
bald zur Ueberzeugung gelangte, daß nur auf dieſem Wege die widerftreitenden 
Anſprüche und vielfach ſich durchkreuzenden Sntereffen in Uebereinſtimmung würs 
den gebracht werden fönnen. — Rachdem ein von Preußen vorgelegter, dahin 
zielender, Entwurf befeitigt worden war, wurde endlich am 5. Juni 1815 die 
Bundedafte, welche die Verfaſſung ded deutfchen Bundes (f. d.) bis zum 
Jahre 1843 bildete, von den meiften Bevollmächtigten ohne Einfchränfung anges 
nommen und am 8. unterzeichnet. — Weitere Entfcheivungen des Gongreficd: wie 
3. B. die freie Rheinfchiffiahrt, das Poſtweſen, die Bekimmungen über den 
RNachdruck ıc. blieben dem Gutachten partieller Ausichüffe überwiefen und die 
Geſuche und die Yorderungen der mebiatifirten vormaligen Reichöfürften und des 
reicheritterfchaftlichen Adele fanden ihre Eiledigung mehr im Interefle der nunmehr⸗ 
en Landesherren, als in Dem der erfteren. a mit dem Abſchluſſe der deuiſchen 
undesurfunde zugleich ſämmtliche Verhandlungen des Gongrefied beendigt 
waren, fo unterzeichneten die Bevollmächtigten der acht Mächte am 9. Juni die 
allgemeine Bongreßafte, welche den fummartfchen Anhalt und Auszug ſämmtlicher 
in den Gonferenzen gepflogenen Verhandlungen bildet und hiemit war der W.⸗GC., 
der wichtigfte und glaͤnzendſte unter allen, welche vie Beltgeichichte bis jegt 
aufzuweiſen bat, beendigt. Bol. Klüber Akten des W.-& 8, 9 Bde., Frankfurt 
1815— 35. Flafſſan, „Histoire du congres de Vienne“, 3 Bde., Paris 1829; 
deutih, 2 Bde., Leipzig 1830. A. de Lugarde, „Fötes et souvenirs du 
gongres de Vienne eto,* 2 Bve., Paris 1843; deutich von Cichler, 3 Bde., 
pol 
Pienbarg, Ludolf, ein Krititer aus der Schule des jungen Deutfchlande, 
1803 zu Altona geboren, fudirte zu Kiel u. Bonn, warb Dr. philos. u. las in 
Kiel über deutfche Literatur. Dann rebigirte er in Frankfurt a. M. mit Gutz⸗ 
fow (f.d.) die „Deutfche Revue”, die jedoch verboten ward u. num lebte er am 
Rheine und dann in Hamburg als Mitredafteur der „Börfenhalle” ; fpäter ging 
er nad Altona, wo er fi) noch gegenwärtig aufhält. Schriften: „Holland in 
den Jahren 1831 —32” (1833); „Wefthetifche Feldzüge“ (1834); „Zur neueſten 
Literatur” (2. Yuflıge 1838); „Wanderungen durch den Täterkreie‘ ARUSY, 
Nealencyclopadie. X. INS 


834 Wieneriſch Neuſtadt — Wiesbaden. 


Geſchichtliche Vorträge über altdeutſche Sprache und Literatur“ (1839); „Tage 
buch von Helgoland” 1833); „Die Dramatiker der Jehtzeit“ (1839); „Duad: 
riga® (1840) u. fe w. Im nenefter Zeit hat er blos zwei Heine Schrifiche 
über die ſchleswig⸗ holſteiniſche Frage: „Der däntfche Fehdehandſchuh“ umd „die 
Volfsverfammlung zu Nortorf“ (Hamb. 1846) herausgegeben. 
Wieneriſch Neuftadt, |. Neuftadt 1). 
Wiesbaden (früher aud) Neo Weißbaden), Haupt u. Refidenzftadt det 
—— Naſſau, mit 13000 Einwohnern , liegt am ſüdlichen Abhange des 
mus, 346 Fuß über dem Meere, von Mainz eine Stunde, vom PBranffurt 
vier Meilen entfernt, in einer reigenden Gegend und iſt befonders berühmt wegen 
feiner zahlreichen Mineralquellen. Die Stadt ift reich an fhönen und gefehmad- 
vollen Gebäuden, theils zu Wohnungen und Bädern für Kurgäfte, theils zu 
Öffentlichen WBergnügungen beftimmt. Zu ven Iepteren gehört namentlich der, 
"wegen feiner Schönheit und Größe berühmte Kurfaal, der, von freundlichen 
Parkanlagen umgeben und in der neuern Zeit auch durch zwei präch: Colon⸗ 
naden —— den Mittel⸗ und Vereinigungspuntt für die Kurgäſte bilde. 
Man zaͤhlt 33 Badehäuſer, welche zuſammen über 800 Babefabinete enthalten. 
Zu den bedeutendſten Badehäuſern gehoͤren: die vier Jahreszeiten, die Roſe, die 
Blume, der Hof von England, der Engel, der Adler, der Schwan, das Rof, 
das Römerbad ıc., wo ſich Vorrichtungen zu Dampf, Douche⸗, Tropf- und Re 
jenbädern finden. Die Quellen zu W. find weniger an Gehalt, als in ihre 
emperatur, welche zwifchen =» 33 bis 55° R. ftcht, verfchieden; fie gehören zu 
den alfaltfchen Kochjalz-Thermen und: werden fowohl zum Baden, als Zrinfen, 
vorzüglich. bei Gicht, Rheumatismen, Hämorrhoiden, Skrofeln, chroniſchen 
ausichlägen, Krankheiten der Geſchlechigorgane, Nervenübeln und einigen Br 
leiden bemügt. —— *—* Unterſuchungen zeigten, daß der Kern des 
an deſſen Abhang W. Liegt, aus einem groben, Quarz und Glimmer 
Thonfchiefer beftebt. In den Rhein- und Matnbeden lagern ſich an 
ein Kiefelglomerat und verfchtedene Duarz, Sand und Hornftein führende 
lager, in der Tiefe jüngerer Flötzkalk mit vielen Süßwafjerverfteinerungen. 
merfenswerih in der Nähe von W. ift Bafalt u. ein Braunfohlenlager. — I 
Norden wird die Stadt malerifch von einem Halbfreife waldiger Höhen um 
fchloffen, im Süden und Weften von einer fchönen Ebene begrängt, durch wi 
der Main und Rhein ſich ſchlängeln und über welche das altehrwürbige 
fih erhebt. Gefchügt im Norden und Dften durch die Gebirge vor rı 
Winden, erfreut ſich diefer Kurort eines fehr angenehmen Klima’; die Veg 
ift üppig umd der Boden ungemein ergiebig. Die Begünftigungen der N 
fowie die ausgezeichneten Einrichtungen fichern W. für immer einen fehr bo 
Rang in der Reihe der deutſchen Badeanftalten. Die Gegend ift dort ü ' 
claſſiſch. Früher wurde fie bewohnt von den Matttafen, weßhalb auch die 
Thermalquellen den Namen „Fontes Mattiaci“ führen. Auſſer Ueberreften von ri 
mifchen Eaftellen, römifchen Bädern und Injchriften, fand man viele Aricpenfrüge 
uno römifche Münzen. Man zeigt dort noch fchrift, in welcher für die 
bier wieder erhaltende Gefunbheit den Göttern IE auegefprodyen wird. Zu 
— hat man im Jahr 1828 unter anderen einen ſchönen Altar des 
ythras ausgegraben. Auch in der Alteften Gefchichte der Deutfchen iſt jene 
Gegend bemerfenswerth; W. war der Haupifig der falifchen Franken und lange 
der Aufenthaltsort von Karl und Dito dem Großen. Lepterer erhob 965 ®. 
zur Stadt. — „die Heilquellen des Herzogthums Naffau im Jahr 1836, 
1837, 1838, 1839," von Yranque, in: von Gräfe und Kalifch, Jahrbücher für 
deutfche Hellquellen und Seebäder, II. Sabrgang 1837. IL, IV. und V. Jahr⸗ 
gang bis 1840. Edwin Lec, the Principal Batlıs of Germany, Vol. 1, Naſſau; 
Baden and Ihe adjacent disiricis Francfort and Wisbaden. 1840. Wegweiſer 
durch die Taunusbäder Wiesbaden, Ems, Schwalbach und Schlangenbad. Gtutts 
gart (ohne Jahr ahl). aM. 


J 


Sieſe — Wigand von Theben. 835 


Wiefe nennt man ein mit mannigfaltigen Gräfern und Kräutern überwad)- 
ſenes Grundſtück, das, je nach der mehr oder minder üppigen Begetation, ein 
bis dreimal des Jahres abgemäht werben fann. Das Erzeugniß der erften Mahd 
wird Heu, das der zweiten Grummet over Ohmd, bad ber dritten Nachhen 

enannt. Wo es nur immer möglich ift, muß man die Wiefen fleißig duͤngen u. 
—* verbeſſern, wenn fie nicht etwa durch Natur oder Kunſt überrieſelt werden. 
An ſich ſchon ſehr fette Wieſen gewinnen indeſſen Nichts durch Bewäſſerung mit 
reinem Waſſer. Sehr tief gelegene Wieſen müſſen abgewäſſert und das Terrain 
durch Auffahren anderer Erde, oder durch viele ausgeworfene Gräben erhöht 
werden; indeſſen braucht die Erde nicht tiefer ald A Zoll zu gehen, um paflende® 
Wiesland abzugeben, da die Graswurzeln in der Regel nicht tiefer dringen. Die 
wichtigfte Schrift über W. iſt von Lengerke's „Anleitung zum praftifchen W.⸗ 
Bau“ (Prag, 1836). 

Wiefel (Mustela), ein zur Familie der Zehengänger gehöriges, gewandtes 

Raubthier, von 6 bis 8 Zoll Länge, 1% Zoll Höhe, rothbraun, im Sommer 

elblih, am Bauche weiß, wohnt unter Steinhaufen und in boblen Bäumen, 
m Winter in Gebäuden. Sein Raub find Bögel, Federvieh, auch Ratten und 
Mäufe. Die W. lafien fidh leicht durch die ihnen widrige Raute vertreiben. Der 
Balg diefed gemeinen W.s wird wenig geſchätzt, wohl aber der einer andern 
Wieſelart, des Hermelin (f. d.). 

Wigalois, der Ritter mit dem Rabe (weil er ein Rad in feinem Wappen 
führte), ein altdeutfches Epos aus dem Cyrkus der Tafelrunde Artus, von Wirnt 
von Gravenberg um 1212 verfußt. Inhalt: Am Hofe des Könige Artus er- 
fcheint ein fremder Ritter mit einem Gürtel, mit Hülfe beiten er die Ritter des 
Artus, zulegt Gawein, Schwefterfohn des Artus, beſtegt. Dieſen führt der unbe⸗ 
fannte Sieger in fein Land und vermählt ihn mit feiner eigenen Nichte, Florie von 
Syrien. Gawein fehrte an den Hof des Artus zurüd, von wo aus er aber daß 
Land feiner Gemahlin vergebens wieder zu finden ſucht. Sie hat ihm indeß 
einen Sohn, W., geboren, der, zum Sünglinge gereift, feinen Vater auffuchen 
will, an Artus Hofe gaftfreundlicy aufgenommen und zum Ritter gefchlagen 
wird, doch feinen Bater nicht erfennt. Bald darauf bittet eine junge Fürkin 
von Korentin, Larie, die von Roaft, einem benachbarten Heidenfürften, ihres 
Baterd und ihres Landes beraubt worden iſt, den König Artus um Hilfe W. 
wird zu ihr gefendet und er erfchlägt den Roaft und einen Drachen und befreit 
einen büßenden Geift aus Feuerflammen, ver ihn feinen Vater Gawein Fennen 
fehrte. Darauf heirachet er Larte und erwirbt mit ihr die Burg und das Land 
ihres Vaters. Gawein kommt zu W., aber Slorie war aus Gram über Mann 
und Sohn geftorben. Herausgegeben von Benede, Berlin 1819. 

Wigand von Theben, der fogenannte „Pfaff vom Kahlenberg“, auch „ver 
fuflige Bruder” genannt, ein, durch verfchlebene Iuftige Streihe und Schwänfe 
im 14. Jahrhundert weit und breit befannter Mann, der auch von vielen älteren 
Schriftftellern angeführt und namentlich in Sebafttan Münfters „Eosmographey” 
(Bafel 1564) „der feldfam Pfaff und Pfarrherr von Oatenberg, von dem man 
durch das gang Deutfcdyland weiß zu fagen”, genannt wird. Ueber den eigents 
lichen Stand und Charakter diefed wunderlichen Individuums ſchwebt noch ziem⸗ 
liches Dunkel; am gegründetften fcheint die Bermuthung, daß er, unbefchabet 
feines geiftlichen Standes, des lebensluſtigen Herzoge Otto des Fröhlichen 
(+ 1339) Iuftiger Rath gewefen und als folcher befen befondere Gunſt genofien 
habe. Ehe W. diefe Stelle erhielt, befand er fich bei einem Bürger u. Rathsherrn 
als Student u. war ſchon damals wegen feiner originellen u. luſtigen Streidye wohl⸗ 

elttten. Unter den vielen ergoͤtzlichen Schmwänfen, weldye in zahlreidhen Samm- 
ungen enthalten find, möge nur das fonderbare Mittel hier Platz finden, womit er 
als Pfarrherr von Kahlenderg feinen großen Vorrath verborbenen Weined an Mann 
gebracht haben fol. Er li nämlich) an einem heißen Sommertage dad Gerückt 
verbreiten, daß er vom Kirchthurm über die Donau Wegen wolke RS 


838 Wigand — Wilberforce, 


auf diefe Art eine ungehenere Menge von Lanbleuten, die von fern unb nah 
famen, dad unerhörte * mit anzuſehen. Das verfammelte Bolf ſah neu⸗ 
gierin den mancherlei geheimnißvollen Anftalten und Vorbereitungen bes 
maßlichen Tauſendkuͤnſtlers aufmerffam zu und trank, durch die große Hipe 
geworden, begierig feinen fchlechten Wein. Als dieſer zu Ende war, fragte 
die Bauern ganz ernfibaft: ob fle fchon je einen Menfchen hätten fliegen —5 
Auf ihre verneinende Antwort ſtieg er ganz gelaſſen vom Thurme herab und 
ſprach: „Wenn ihr alſo noch keinen —** fliegen geſehen habt, ſo werdet ihr 
auch mich nicht egr ſehen“, worauf die Bauern murrend von bannen age. 
Einf foll er audy einen Sad voll Todtenföpfe ausgeſchuͤttet und über den Berg 
tnabgeworfen haben, wobei er ſich Aufferte, da jeder derfelben nach einer andern 
te binabfollerte: „Biel Köpfe, viel Sinn, das thun diefe Im Tod, was werben 
fie erft im Leben gethan haben“. Ueber Geburt und Tod W.s tft to Zuvers 
läßige® aufzufinden, jedoch iſt wahrfcheinlich, daß er zu Reuberg in Steiermark, 
dem legten Wufenthalte Dito des Fröhlichen, geftorben ſei. Zur Literatur deſſelben 
gehören folgende, jetzt fchon fehr feltene Drudwerke: Geſchichte des Pfarcherrn 
von Balenberg”, Augsburg bei Schönig, ohne Drudjahr ; ala Kalenberg”, 
1582; „Geſchichte des Piaffen von Calenberg“ und „Hiftory Peter Lewen“, in 
Berfen, 1613 und 1620. | 
Wigand, Paul, geboren zu Kaflel 1786, flubirte zu Marburg die Rechte, 
wendete ih aber beſonders den forifhen Studien zu und übernahm die 
abe der politifchen Zeitung zu Kaflel, auf welche fein Bater ein Privilegium 
—* urch dieſe Zeitung kam er 1806 mit den franzöfiichen Behörben in 
Gonflifte, gab fle auf und arbeitete als Profurator an den Gerichten zu Kaſſel, 
bis er Friedensrichter in Hörter wurde. Wis Hörter preußifh ward, wurde W. 
Aſſeſſor beim dortigen Stadt» und Landgerichte; 1821 übertrug ihm der Fürſt 
Staatdfanzler von Hardenberg die Sammlung von Urkunden in den Archiven zu 
aderborn und Corvey. Seit 1834 iR W. Stadtgerichtspireltor zu Wehlar. 
chriften: Verſuch einer fuftematifchen Darftellung der Amtögefchäfte und des 
Wirkungsfreifes der Friedensrichter, Marburg 18105 Gefchichte der gefärfeten 
Abtei Borvey, Pyrmont 1819; Archiv für Geſchichte und Alterthumskunde 
Weſtfalens, Hamm 1826 — 1827, Lemgo 1823 1c.; die Fehmgerichte Werfalens, 
Hamm 18255 die Dienfte, ihre Entſtehung ıc., ebd. 1828; der Corvey'ſche Güter 
befig, Lemgo 1831; die Fürſtenthümer Paderborn und Corvey, nebft ihrer rechte, 
gehläriihen Entwidelung und Begründung aus den Duellen dargeſtellt, Lpz. 
832; die Provinzialrechte des Sürdentbumd Minden, der Graffchaften Ravens⸗ 
berg und Rietberg ıc., ebd. 1834, 2 Bde; Gefchicdhte des Doms zu 
1839; Bertheidigung des Jordand, als Nachtrag zu deſſen Selbftvertheidigung, 
Mannheim 1844; auch gab er Traditiones Corbejenses, &p;. 1843 u. a. heraus, 
- ight, eine englifhe Infel im Kanal, an der Süpfüfte Englands, in der 
Srafihant Southampton, mit 9 [_J Meilen und 40,000 Einwohnern. Hauptfluß 
iR die Medina; der Boden ift fehr fruchtbar und ergiebig an @etreide, das 
iR angenehm u. fehr gefund; auf der Süd» u. Wet if fie mit Klippen u. 
Ba umgeben. Aderbau, Viehzucht, Fifcherei und Handel mit den Erzeugnifien 
nd die Erwerbzweige. Die Hauptfiadt iſt Newport, mit ſtatken Feſtungswerken 
und 5000 Einwohnern. In dem unfern der Stadt gelegenen Schloſſe ſaß Karl I. 
(f. d.), der ſich 1646 auf die Infel geflüchtet hatte. Andere bedeutende Drte find: 
—* ae Newtown und auf der Oftfüfte St. Helene mit einer Rhede 
eg e. 

Wilberforce (William), der unermuͤdliche Verfechter der Sache ver Sklaven, 
geboren 1759 zu Hull, Freund Willem Pitt's auf der Univerfität Cambridge 
und das ganze Leben hindurdy, gelangte 1781 ins Parlament, deſſen Zierde ex 
bi6 1825 war. Die Aufhebung der Sklaverei reate er 1787 an, als ibn fein 
religiöfer Enthufiasmus den Galviniften zugeführt hatte, aber erft 1792 loß 
das Parlament deren allmaͤlige, endlich 1801 die gaͤnzliche Aufhebung. 









Dilbrand — Wil. | 837 


Sache der Nation geworden, warb fle dann vom englifchen Minifterium nach⸗ 
druͤcklich mit Frankreich, Spanien u. Portugal auf dem Wiener Gongreß betrieben. 
Was die Sache der Humanität, der Sitelichkelt zu fördern fchien, fand in W. 
ſtets einen warmen, energifchen Freund. So lieh er der Emancipation der Katho⸗ 
lifen u. der PBarlamentöreform fein beredtes Wort, ftellte Die Lotterie an ven Schaud⸗ 
pfahl und drang auf Geſehe gegen das Duell. Seine Beredſamkeit empfahl fidh 
durch bie ihltefte und ausdruckvollſte Sprache, fanften und gewaltigen Vortrag, 
Wärme und Innigkeit; feine Tage waren mit Handlungen des Wohlwollens und 
der Frömmigkeit bezeichnet, fein ganze® Leben den höchflen Interefien der Religion 
und der chriftlichen Liebe gewibuet. Denfelben Stempel tragen feine Schriften. 
W. farb zu Chelſea 1833. Gr warb neben Pitt und Ganning in der Weſt⸗ 
minfterabtei beigefebt. 
Wübrand, 1) Johann Bernard, Phyflolog, geb. den 8. März 1779 
Klarbolz in Wefalen, Sohn eine® Lanpmannes, Tam 1792 nad) Münfter 
n die Trivialfchule und ein Jahr fpäter auf das Gymnaflum, trat 1800 auf 
die dortige Untverfität über und widmete fi) Anfangs dem Studium der Theos 
Iogte, wendete fidy aber 1801 der Heilfunde zu; 1805 begab er ſich zum Befuche 
der Klinik, die in Münfter fehlte, nach Würzburg und wurbe daſelbſt den 
27. Zanuar 1806 zum Med. Dr. promovirt. Nach Furzem Aufenthalte in Bam⸗ 
berg begab er id nah Paris und kehrte von ba im Herbfie nach Münfter 
d, wo er ſich als Privatdocent nteverließ. 1809 wurde W. als Profeffor 
der Anatomie, Phyſtologie und Ruturgefchichte nach Gießen berufen, 1817 wurbe 
er zum Direktor des botantfchen Garten und 1835 zum Geheimen Mebizinals 
Rathe ernannt. Er farb den 9. Mai 1846. — W.s wichtigere Schriften find: 
„Darfellung der gefammten Organtfation”, 2 Bde. Gießen 1509— 10. „Das 
Hauptſyſtem in allen feinen Berzweigungen, anatomifch, phyfiologiſch und patho⸗ 
ſch dargeſtellt, Gießen 1813, nadgedrudt in Wien. — — des 
enfchen“, ®teßen 1815, 2. Auflage, Leipzig 1840. „Handbuch der Botanik“, 
Gießen 1819. „ anbbuch ber Katurgefchichte des Thierreichs“ Gießen 1829. 
„Aligemeine Phyſiologie, insbefondere vergleichende Phyflologie der Pflanzen und 
Thiere“, Heidelberg und Leipzig 1838 ı. — 2) Sein Sohn, Franz Joſeph 
Sulius W., geboren zu Gießen den 5. November 1811, fludirte und wurde 
um Med. Dr. promovirt in Gießen, befuchte auf einer wiffenichaftlichden Reife 
ien, wurde Aſſiſtenzarzt am akademiſchen dhirurgifchen Hofpital in Gießen, 
dann Brivatdocent und Proſektor, 1840 aufferordentlicher und 1844 ordentlicher 
Profefior. — Er ſchrieb unter anderen „Anatomie und Phyſiologie der Bentrals 
gebilbe des Nervenſyſtems“, Gießen 1840;. „Leitfapen bei gerichtlichen Leichen- 
nterfuchungen”, Gießen 1841. E. Buchner. 
Wild, Johann (als Schriftfieller auch unter dem Namen Forus betannt), 
ein geborener Italiener, fcheint um das Jahr 1520 in den Orben des heiligen 
Franciscus getreten zu ſeyn, dem er auch bis an das Ende feined Lebens mit 
ftandhafter Liebe zugerhan blieb. Im 3. 1525 war er ſchon Prediger. Der 
Kurfürft von Mainz, Albert von Brandenburg, übergab ihm 1528 die Domkanzel 
und diefe blieb ihm, mit wenigen Furzen Unterbrechungen, bis an fein Ende Er 
ftarb als Guardian ſeines Otdens am 8. September 1554. W. hatte nicht nur 
die Inteinifche und deutfche Sprache vollfommen in feiner Gewalt, fondern war 
auch in der bebrätfchen, fyrifchen und griechifchen Sprache, wie in der Phyſik 
und Gefchichte fehr bewandert. Seine zahlreichen Predigten enthalten einen 
reichen Schab von populärer Schrifterflärung. Er weiß die Zeitverhältniffe 
überall zu benügen, um den Ernft der firafenden Gerechtigkeit und die güchtigende 
d der göttlichen Erbarmung und die Alles weife leitende göttliche Borfehung 
einen Zuhörern zu zeigen und gleichſam handgreiflich zu machen. Seine ‘Pre 
digten find daneben ganz vorzüglich geeignet zur Einführung der Chriſten in das 
firchliche Leben, in die Feier der kirchlichen Feſte, indem fie immer die Gründe 
angeben, warum bie treffenden ehe und warum fie in dieſer Dräuuy 


E} Wildbad — Wildfangrecht. 


Beife gefetert werben; warum bie Kirche. dieſe Abfchnitte aus den Evangelim 
nd Gill zu lefen verordnet hat und in weldher Verbindung bie Weite fh 
zu einander fliehen. Das Berzeichniß feiner zahlreichen Predigten, fo wie cin, 
mehr ind Einzelne gehende, Befprehung und weitere Nachweiſungen finden fih 
in der „Geſchichte der Fatbolifchen Kangelberedfamfeit der Deutjchen von ber äl 
teſten bis zur neueften Zeit” von I. Kehrein (Regensb. 1843), 1 Band, &.41 
Deutſch erſchien von M. Zocham ein Jahrgang Predigten, Regensb. 1841, Manz a 

Wildbad ift der Namen von mehren Heilquellen, 4 B. von Gaftein (fd), 
von Kreuth (f, d.); vorzugsweiſe und ohne weiten Beiſah wird ſo genam! 
das W. in Württemberg, das in wildromantifcher Gegend im Schwarzwal, 
im Enjthale, 1330 Fuß über dem Meere liegt. Das W, gehört zu den chemiſch 
indifferenten heißen Quellen; die Wärme ded Waffers beträgt 25 — 30° Reaum, 

Seit alten Zeiten iſt das W. berühmt und. häufig beſuchtz feine Wirkung 
Äußert fich hauptfächlich in Hebung und Bekämpfung von gichtifchen Leiden. Dir 
Wirkung des Bades wird unterftügt durch die fille Ruhe des, rings von wald; 

en Hohen umfchloffenen, Thales und durch die ziwedmäßigen Einrichtungen des 

jaded. — ©. 3. Kerner „Das W. im Königreiche Württemberg“ , 4. Auflage, 
Tübingen 1839. Helnr. 8. „W..et ses eaux thermales“, Stuttgart 1839, 
Drugulin, W. A complete account of the Iherms of W.*, Stuttgart u. Wild ⸗ 
bad 1847, E. Buchner. 

Wildbahn, ein mit richtigen Gränzen umſchloſſenes Forſtrevier, worin Wit 
gebegt wird, ohne Hinderung des Wechſels und der Stege, worunter man nich 
an eg jondern auch den ganzen Diſtrilt, in welchem das Wild ſich 
ernährt, verfteht. 

BWildbann, 1) das lanbesherrliche Recht, gapboefebe au geben und auf 
heben H 2) das Recht, Wild in einen geoifin Bezirk. einzufchließen,, dieſen alie 
mit einem befondern Gehege zu umgeben. Es würde fomit das Jagdrecht allein, 
ſelbſt in feiner weiteften — nichts weniger, als den W. in — begreifen. 

Wildenfels, eine gräflih Solms- Laubach ſche Standesherrichaft im Zwid- 
auer Kreife des Königreih8 Sadfen, von 4 [JM. mit 7500 Einwohnern und 
dem gleichnamigen Städtchen an der Mulde, mit einem gräflihen Echlofle, hatt 
früher feine eigenen Dynaſten, welche den Namen Anarg (Anark, Onarp) 
führten, von denen Nachrichten bis in's 12. Jahrhundert reichen. Sie gingen bi 
den Burggrafen zu Meißen und feit 1427 bei Sachſen zu Lehn. Rurfadfen über: 
nahm auch 1549, nachdem die Dynaften von W. bis dahin die Beiträge zu den 
Reichslaſten unmittelbar an das Reich entrichtet hatten, diefe Beiträge zu eigene 
Vertretung. Nach dem Ansfterben der Dynaftın, 1602, mit Sriedricy Anarg 
von W., fam W. an die Grafen von Solms: Laubach, die fie noch befigen. 
Nach einem Receß von 1706 war die Herrfhaft nur der Gränzaccis- und Ealy 
regte, ber Sruppenverpflegung und Einquartirung unterworfen, für andere Ab⸗ 
gaben wurden 500 Thir. bezahlt, aber durdy Uebereinkunft von 1846 wurde fie 
rüdfichtlic der Abgaben und Steuern den anderen Föniglichen Landestheilen gleih- 
geftellt, wofür eine Entſchaͤdigung von 112,270 Thlr. gezahlt wurde. j 

Wildfang heißt in der —S ein alter, wilder Habicht, den man mit 
Habichtöförben oder mit Riemen und Satteln fängt. an befefligt nämlid 
einer Taube Haarſchlingen mit einem Leber auf dem Rüden, worin er fich fängt, 
indem er die Taube Roden will. Ein folder Habicht iſt ſchon auf den Raub 
gewohnt und zum Abtrager befier und wuͤrgiſcher, als ein anderer Habicht, der 
als Reftling oder Böftling abgerichtet worden. 

Wildfangrecht war ein eigenthümliches Recht der ehemaligen Kurfürften 
von der Pfalz, wonach biefelben in den meiften Provinzen am Rheine die Un 
ehelihgeborenen und die Fremden, welche freiwillig an einen ſolchen Ort Famen, 
wo man die Antömmlinge nach Verfluß einer gewiſſen Zeit, der eingeführten 
Gewohnheit nach, für Letbeigene hielt, in die Zahl der Keibeigenen aufnehmen 
Tonnte. Der meifte Genuß von diefem Rechte beftand in den Zwang; u. Frohn⸗ 


Bildgraf--- Wiuildungen. 839 


dienften, wie auch in bem Heuptfalk ‚ weldyer beim Abſterben des Mannes in 
dem beften Städe Bich und bei der Frau Tode in dem beſten Kleide befand. 
Wenn Einer aber gar keine Erben hinterließ, fo fiel die ganze Berlaffenichaft dem 
Kurfürften anheim. Wenn jenocdy ein folcher Wildfang oder Leibeigener eine Frei⸗ 
geborene zur Ehe nahm, fo wurden die Kinder nicht leibeigen u. joldhe „Unge> 
noffene” genannt, weil der Kurfürf den Genuß von denfelben nicht hatte. Auch 
das ehemalige Bisthum Speyer und andere Länder am Rheine hatten ein Aähn- 
liches Recht der Leibei enfhaft bergebracht und bielten ihre Beamten (Ausfauthen 
und Häßnerfauthen) fe eßen von den tnländifchen Leibeigenen und. von denen, 
die unter anderer Herrfchaft angefeflen waren, ben Leibzins bezahlen (ver 2 bie 
4 Kr. jährlich betrug) und fuchten das Wegziehen foldyer, in fremden Gebieten 
feßhafter, Leibeigenen von einem Wohnfite zum andern zu verhindern, wofern fie 
nicht vorher Entlaffung erhalten hatten. Uebrigens war biefe rheinifche Leib- 
eigenfchaft feine Sklaverei und der Leibeigene Fonnte fein Eigenthum fo frei, wie 
jeder Bürger, benügen. 

Wildgraf, auch Raus und Rheingraf, war im Mittelalter ein Titel, 
den mehre deutiche Dynaftengefchlechter führten, welche vom Katfer über waldige 
und unbebaute Gegenden geſetzt waren und eine große Zahl zerftreuter Burgen u. 
&üter im wehlichen Deutthland befaßen. Seht —* dieſen Titel nur noch die 
Grumbach'ſche Linie des Hauſes Solms (f. d.). 

Wildhaus, das hoͤchſt gelegene, oͤſtliche Dorf in der Landfchaft Toggen- 
burg des Cantons St. Ballen, am Fuße des Eänti6 und nahe den Quellen der 
Thur, 3430 Fuß über dem Meere. Die Einwohner, 1500 an der Zahl, find 
parltätifch. Noch fleht dad Haus, in welchem ven 1. Januar 1484 Uri 
Zwingli geboren worden. Auf dem naben Sommerilopf bat man eine fchöne 
Runen auf das Rheinthal und in's Borarlbergifche, 

idpret, alle wilde und jagbbare Thlerarten. Man theilt das W. ein in 
rothes, ald: Hirfche, Dane, Rebe und ſchwarzes W., ale: wilde 
Schweine und Frifhlinge und in Federvieh, namentlich alles wilde Geflügel. 
Gränzs oder Raſch⸗W. nennt man das W. an den Gränzen einer Jagd, das, 
weil e8 leicht übertritt, eher gepürfcht zu werden pflegt, als das, welches mitten im 
Gehege iſt. W. iſt niemals fo nahrhaft, als das Fleiich der zahmen Thiere, aber 
es ift Leichter verdaulich. 

Wildſchaden, der durch das Wildpret auf Grundflüden verurfachte Schabe. 
Derfelbe ift oft fehr beveutend, indem beſonders die wilden Schweine, auffer 
den Kartoffeln und anderen Selvfrücdhten, welche fle frefien, befonders durch Um⸗ 
wühlen viel vernichten. Naͤchſt den wilden Schweinen ift der Hirſch am fchäd- 
lichten, weil er in der jungen Eaat durch Außfcharren viel ſchadet. Die früh- 
eren Grundſatze, nad) weldyen von den Jagbberechtigten faft angenommen wurbe, 
jeder Grundftüdsbefiger müfle fih den W., ale Folge des den Sagbberechtigten 
auftchenden Jagdrechts, ohne Weiteres gefallen lafien, find jegt allgemein verworfen 
und der Gigenthümer der Jagd ift verpflichtet, dem Beichädigten nady einer bil- 
ligen Taxation Entihäbigun zu zahlen. | 

Wildungen, Stadt im Hürftentbume Waldeck, befteht aus zwei Thellen, Rie⸗ 
der- und Alt⸗W., erfteres mit 1800, letzteres mit 450 Einwohnern, einem Schloß 
und ift berühmt wegen feiner Sauerbrunnen, welche fchon 1378 bekannt waren 
und um die Stadt herumliegen. Bei derfelben werden angewandt: der Thalbrun- 
nen, der ftärffte, ver Stabts und Salzbrunnen.. Ale drei Brunnen baben Gifen 
bei fidy, reinigen das Blut, eröffnen und trennen den Schleim. Geit 1666 fleht 
vor der Stadt ein need große Brunnenkans, neben welchem das Ballhaus 
zum Spazierengehen der @äfte bei ſchlechter Witterung ſich befindet. — In ber 
hiefigen Kirche befindet fi) das Grabmal des Grafen Joſias von Walded, 
Auf ze der Venetianer, welcher auf Candia in einem Gefechte mit den Türs 
en blieb. | 
Wildungen, Karl Ludwig Eberhard Heinrich Friedrich ven 


840 Wilfrid. 


berũhmter Forſt / und Jagdſchriftſteller, auch er Dichter, joren den U 
April 1754 zu Kaffel, gehorben den 14. Yult 1822, ftubirte ‚Halle ne 
der Rechtefunde Mathematit und Naturwiffenſchaſten, fowie in Marburg un 
zeichnete ſich ſchon auf Schulen durch feltene Talente aus, wurde 1776 in Mus 
burg Regierungsbeifiger, dann 1778 Gelelfchafter des Fürften von Raflau-Ufingn 
und zugleich in vefien Forfigefchäften benügt; 1787 fam er als Regierungerat 
nah Marburg und war in diefem Dienfte 18 Jahre lange thätig, obgleich viele 
Dienft im Ganzen feiner Neigung mwiveriprach; ordnete auch das fürftlich braun⸗ 
fels’iche Debiwefen, bis er 1799 Oberforftmeifter in Marburg wurde. ich die 
weſtphaͤliſche Regterung ernannte ihn 4806 zum Conservateur des eaux et des 
for&isz er erhielt dadurch die Haupiforften in gutem Stande und Fonnte die 
Euituren fogar verbeſſern. Nach der Wievereinichung des Kurfürften wurde cr 
wieder Oberforftmeifter und legte auch 1815 ein Korftinftitut an. Bekannt find 
feine „Pteder für Forftmänner u, Jäger“ (Leipzig 1783, ‚mehrmals aufgelegt, zu 
legt 1817) und fen Taſchenbuch Bo und Fagdfreunde (vom 1794—1B12); 
auch am „Eylvan“ nabm er Theil. eidmann's Feierabende (6 Bände, Marburz 
1815—33) und feine häufigen. zerftreuten. unterhaltenden Auffäge werden feinem 
Namen im Andenken der Horftmänner und Jagdliebhaber erhalten. 

Wilfeid, der Heilige, Biſchof von York in England, ward 634 in Nor: 
thumberland geboren und verrieth ſchon im Kofler Linpiefanne, wo er feine wil: 
ſenſchafiliche — begann, einen gediegenen und ſcharffinnigen Geiſt. Rad 
dem er mit dem heiligen Benedikt Biscop eine Reife nad) Rom gemadı, 
erhielt er die Priefterweihe, fand dem Kiofter Nippon vor und wurde nadıher 
zum Bifcyofe von Norıhumberland confektirt. Da ihm aber mißliche Umftände 
von feinem Stuhle Befig zu nehmen hinderten, begab er ſich wieder nach Rippen 
bis 669, wo er zum Bıfdyofe von Vorf ernannt wurde. — Da W. mit ſeltenen 
Tugenden die Gabe der Ueberzeugung und Rührung verband, verbreitete er über 
all das Reich der Gottesfurdt. Aus dem Königreihe Kent ließ er ven Sänger 
Edot Stephant kommen und führte mit deffen Hülfe in allın Kirchen Nor: 
großbritannıens den Choral ein. Die Klöfter nabmen vorzugsweife feine Hirten: 
forge in Anfprudy und er fliftete folche in der Mitte und im Norden von Eng 
land, wie ver heilige Auguftin fie früher im Kenterlande in Aufnahme gebradt 
hatte. Durdy feinen Eifer erwarb er ſich die Gnade des Könige Egfried um 
alle Umftände geboten ihm nun, nady Rom zu reifen. Ungünftige Winde aber 
ſchleuderten ihn an die Geſtade von Friesland. Da wollte er indeſſen auch nit 
müjftg bleiben; den Bewohnern jenes Landes, die noch ın den Finfterniffen des 

erdenthums verfunfen lagen, predigte er den Glauben und wußte fo feine Trüb⸗ 
jale in Wonne umzuwandeln, indem er feıne Berfolgungen zur Ausfaat des Evan: 
geliums machte. Er blieb den ganzen Winter und das Yrükjahr hindurch bei 
diejen Völfern und befehrte eine unzählbare Menge Sriefen, unter denen fehr an 
geiehene Perſonen ſich befanden. Ebroin, fei ed auf Anfifien der Feinde Wa 
in England, fei e8 wegen der Freundſchaft, die der Heilige auf feiner erften Reiſe 
nad) Kom mit dem Bifhof Delphinus von Lyon gelnüpft, oder wahrfcein: 
licher, wegen der Dienfte, welche er dem Könige Dagobert geleiftet hatte, ſchrieb 
dem Frieſentönige Adalgis und verfprady ihm ein großes Geſchenk, wenn er 
ihm das Haupt des heiligen Oberhirten ausliefern würde. Der Fürſt verlas den 
Brief öffentiich, in Gegenwart des heiligen W., der Gefandten Ebrion’s und 
feiner eigenen Hofleute, zerriö ihm bierauf vor ıhren Augen und warf ihn fodann 
in's Feuer, zum Beweiſe feines Abfcheues gegen das fchändliche Anfinnen. — Im 
folgenden Sommer verließ W. das Lund der Friefen, nachdem er zuerſt dielen 
neuen Eprößlingen Kim gegeben hatte und fam nad) Auftrafien, wo ihn der 
König Dagobert II. fehr jhmeichelbaft empfing und ihm das Bisthum Straßs 
burg anbot. Da er ihn aber zur Annahme nicht vermögen fonnte, gab er ihm 
reiche Geſchenle und ließ ihn bis nady Rom begleiten, wo W. 679 anlangte. Auf 
dem apoftolsfihen Stuble faß damals Agatho, der im Oltober defielben Jahres 


Bilhelia. em. 

eine Eynode zufammenberief, welche über vie kirchlichen Streitigkeiten in 
einen Entſcheid fällte. Hierauf ließ man den heiligen W. in die Synode 
daß er feine Angelegenheit felbft voriegte. Man belobte feine Mäfigung u. Die 
Väter des Concils, durch die Tüchtigfeit der Gründe von der Gerechtigkeit feiner 
Sadye überzeugt, befchloffen mag, bee Biebereinfegung in feine Gerecht⸗ 
ſame. — W. blieb vier Monate zu Rom und wohnte jener berühmten Kirchen⸗ 
verfammlung im Lateran bei, auf weldyer die Keberei der Monotbeleten verbammt 
wurde. — Nach feiner Rüdfehr na Gngland waren feine Feinde noch fo mädh- 
tg, daß fie eine neue Verfolgung wider ihn erregten und er abermal nach Rom 
retten mußte. Johannes VI., weicher indefien den päpftlichen Stuhl beftiegen, 
erflärte ſich laut für den Helligen, empfahl denfelben in einem Schreiben den 
Königen von Mercien und Northumberland und beauftragte Brithwald von 
Ganterbury, eine Eynobe zu berufen, dem verfolgten Dberhirten Gerechtigkeit wis 
derfahren zu lafien und, im Falle der Unmöglichkeit einer foldyen Zufammenbes 
rufung, die Berheiligten vor ihm yerfönlich erfcheinen zu laſſen. Der Grabifchof, 
treu befolgend den Auftrag des Statihalters Chriſti, veranftaltete an ben Ufern 
der Nidd in Yorkſhire ein Concilium, das aus Bifchöfen, Aebten und Fürften bes 
ftand. Es erbob fidy in diefer Berfammlung eine allgemeine Stimme zu Gunften 
des verfolgten Biſchofs und es wurden ihm einbellig alle feine Rechte zuges 
fprochen. Ullein er Eonnte diefer Ruhe nicht mehr lange genießen, denn er farb 
den 24. April 709 in einem Klofter der Grafichaft Kortbampton. Bor feinem 
Tode vertbeilte er Alles, was er befaß, an die Kirchen, Klöfter u. ımter die Ge⸗ 
fährten feiner Verbannung. Sein Feſt wird den 12. Ditober begangen. 

Wilhelm, drei Heilige dieſes Namens. 1) ®., Abt von Röskilge 
in Dänemark, flammte aus einer vornehmen Familie in Paris ab und wurde 
feinem Oheim, dem Abte von St. Germain des Pros, zur Erziehung übergeben. 
Nachdem er fid in allen Wiſſenſchaften wohl ausgebildet und das Subdiakonat 
erlangt hatte, wurde er weltiiher Domherr an der Kirche St. Peter, Baul und 
©enovefa, wo die Gollegen ihn bald wegen feines Heiligen, beſchaulichen u. flets 
ßigen Wandel haften und feiner los zu werden tradhteten, weshalb einer 
fih fehr fromm flelte umd ihn überreden wollte, in ein Klofter zu geben. Diefe 
LiR (hing aber fehl, W. wald Diakonus und erwarb ſich die Achtung des bes 
rühmten Lehrers Magiſter Albericus. Als Papſt Eugenius IL 1147 nad) Paris 
kam, entſtand eine blutige Schlägerei zwifchen einem Theile feines Gefolges 
und der Dienerfchaft der Ehorherrn. Der Papft beſchwerte ſich bei Lud⸗ 
wig VII. und die Folge davon war, daß ein neuer Prior, Abt Odo, ein from«- 
mer Wann, und 12 unbefcyoltene regulirte Auguftiner s Domberren an die Stelle 
der früberen eingefegt wurden, welche Einrichtung noch heute beſteht. W. war 
vor jener ärgerlichen Begebenheit mit einer Praͤfelur beebrt worden, kam 
aber nun zu Odo und bat ihn um Aufnahme in tein Gollegtarftift, was ihm ges 
währt ward und wo er fi) durch frommen Wandel allgemeine Achtung erwarb. 
Abfolon, Biſchof von Rösfilde in Seeland zur Zeit Waldemar's, des Sohnes 
Ganut des Martyrers, batte mit W. ſtudirt; er erinnerte ſich des frommen 
Freundes und erbat fid, venfelben nebft drei anderen Ghorherren, um fie in das 
Klofter regulirter Eherherren in Eſchil zu fenden, wo ebenfall® zu viel Weltfinn 
herrſchte und es ſolcher würdigen Männer bevurfte, um die Wuguftinifche Regel 
zu erhalten. Sie wurden von dem Könige u. Bifchofe freudig aufgenommen und 
W. zum Abte beftellt. Leider fand er das Klofter fo arm, daß nur ſechs Käfe 
und ein halber Schinken und gar fein Geld vorhanden war. Cie hätten vor 
Hunger umfommen müflen und wollten nicht bleiben; der Bifchof aber redete 
ihnen zu und gab ihnen einige Pfund Heller zur Anfchaffung von Kühen und 
Gedervich. In dieſem Klofter —* W. viel zu dulden und es gehörte ein fo 
heiliger Mann dazu, um Mangel und ihm bereitete Widerwaͤriigkeiten fo ſtark⸗ 
mürhig zu ertragen. Mit Feſtigkeit aber hielt er die Regel aufrecht, wirkte 
durch feine Tugenden und Wımder viel Gutes, zeigte fich Uchenek,‘ 


= 


8% Bühelm, 


‚bu Pan ete das Kiof St. mas. im Städt Ebbelholdi | 
hrclnp oem und ftarb am ie Sheriane ‚den 6. 1208. 


Biele 
Wunder verherrlichten ſein Grab und Honorius ſprach ihn 1224 .Das 
Kloſter Eſchil gehörte wahrſcheinlich zu Roolilde, weshalb er in der 
Abt von Röskilde genannt wird. — 2) W., Erzbiſchof von Bourges, hieß wit 


feinem Familiennamen Berruyer und flammt aus der berühmten Familie ber 
Grafen von Nevers ab. Die Sorge für feine Erziehung warb feinem 
lichen Dheim, Peter dem Einfiedler, Archidiakon von Soiffons, 
unter defien Leitung er auch bald die Reichihümer, Bergnügungen u. Ehren ber 
Welt verachten u. lieben lernte. Mit gi endem Gifer widmete ſich der Jüng- 
Ang den Wiffenfchaften und heiligen Andachtsübungen, wedurch er fidh 
4 lichen Stande würdig vorbereitete. Er erhielt zuerft ein Kanonifat an 
che von Soiſſons, dann an der zu Baus, welches er jedoch wieder 
gab, um ſich nad. Grandmont in ſtille Einſamkeit zurädzu . Da aber 
‚zwifchen den Ghorherren und Latenbrüdern entſtandener, Zwik feinen. gel 
Frieden flörte, trat er in den Ciſterzienſerorden, der damals all 
vorzůgli keit feiner Mitglieder ſich auszeichnete. Wegen feiner allg 
um 


1; 


— 


Ki 


‚anerfannten lat und Weisheit wurde er in mehren Kl zum Abie 
erwählt. Weit entfernt aber, durch diefe Würde fidy zur Eitelkeit oder zu herr 
iſchem Gebieten verleiten zu lafien, fah er ſich vielmehr als den Lehten ver 
Brüder an. Durdy feine bewunderungswürdige Herzensreinigkeit erlangte er in . 
hohem Grade die Babe des Gebeted und mit dieſer vie höchſten Einfidhten in 


eildanliegen. Geine innere Seelenrube leuchtete aus der Heiterkeit feines 
Hieb hervor und, feiner frengen Lebensweiſe ungeachtet, verlor er 
jene heilige Freudigkeit, welche bie & gend mit unnachahmlichen Reizen fchmüdt. 
— Während unfer hc die Süßigfeiten der Einſamkeit —* ſtarb Heinrich 
von Sully, Erzb 190 von Bourges, u. man brachte brei @ifterzienferäbte, worunter 
auch W. war, in Borfchlag, um den erledigten Stuhl mit einem würbigen Ober⸗ 
birten zu befegen. Da aber alle drei durch heiligen Wandel men net waren 
u. man ſich wegen der Wahl nicht vereinigen Tonnte, legte man ihre , auf 
3 Blättchen geichrieben, auf den Altar und flehte zu Bott, daß er ben von ihm 
Auserfehenen zu erkennen gebe. Auf dem erften Blättchen, das ihm in die Hand 
fiel, ſtand W.s Rame, der audy die meiften Stimmen hatte. Diefe Wahl ges 
{hab am 23. November 1200. Im Aligemeinen heißt ed Gott verfuchen, wenn 
man durch's 2006 von ihm eine Entſcheidung begehrt. Das Benehmen ver 
Geiflichkeit von Bourges mag jedoch nicht tadelnswerth erfcheinen, da ihr Zued 
war, wo menfchliche Kiugbeit nicht auszuwählen vermochte, den Würd 
durch Gottes Enticheidung Tennen zu lernen. — Als W. die Nachricht von feiner 
Wahl erhielt, wurde er ſehr beflürzt u. nie würde er feine Einwilligung gegeben 
ben, wenn ihm das Gelübde ded Gehorfamd erlaubt hätte, wider den gering 
Willen ded Papſtes und feined Drdensobern zu handeln. Gr verließ daher 
feine geliebte a unter häufigen Thränen. Zu Bourges wurde er wie 





den 
Ang 


Engel vom Himmel nen. r verdoppelte nun feine firenge Bußübung, 
weil er, wie er tagte, nicht feine, fondern auch feines Volkes Sünden zu fühnen 
ätte. Unter feinem Kloftergewande, das er nie ablegte, trug er ein Kärenes 
ußfleid. Er verfagte fidy für immer ben Genuß des Fleiſches, an er ſolches 
den Freunden, die bei ihm ſpeioten, vorſetzen ließ. — Mit gleich zärtl Sorg 
falt umfaßte er feine ganze Herde, ohne jedoch denjenigen, deren leibliche und 
eiftige Bepürfniffe er genau kannte, feine befondere Theilnahme zu entgichen. 
euige Sünder fanden an ihm einen fanften und liebevollen Bater; den 
Rodten und Boshaften aber fegte er eine unerfchütterliche Feſtigkeit entgegen, 
ohne jedoch den weltlichen Arm gegen fie zu Hülfe zu rufen, wie ed zu jene 
Zeit üblich war. Ginige der Mächtigeren wagten ed, indem fie von dem fanft 
mürhipen Bifchofe feinen Widerſtand erwarteten, die Rechte feiner Kirche zu 
Achmaͤlern; allein er wußte fie ſtandhaft zu vertheidigen, felbR gegen ben König, 


N MW „3538 


nu il_Uuw. wen u. Nm LT Lin m 


Bilden, 83 
dem er übrigens in Allem, was das Zeitliche beiraf , die tteffle Unterwär 
bewies. Einige Widerſpruche von Etlichen feiner Geiſtlichkeit befiegte er ebenfalls 
durch feine Feſtigkeit, noch viel mehr aber durch feine tiefe Demuth. Bei dem 
Anblide der Berheerungen, weldye die Keberei der Albigenſer verurfachte, ent⸗ 
brannte fein heiliger Eifer; es gelang ihm auch, Mehre au befehren und, hätte 
ihn der Tod nicht dieſer Erbe entrifien, fo würde er eine Miffton unter venfelben 
veranftaltet haben. Als er aber mit diefem Plane befchäftigt war, überfiel ihn 
eine Krankheit, die Anfangs zwar unbedeutend ſchien, ſich aber allmälig ver- 
fhlimmerte, fo daß er fich zu Bette legen mußte. Der Abſchied, den er, fdhon 
kraͤnklich, bei der bevorſtehenden Miffionsreife auf der Kanzel genommen hatte, 
folte nun ein Abſchied für immer ſeyn. Er empfing die heil. Sterbfaframente 
und entfchlief, nachdem er ſich vorher noch auf Alche und fein bärened Bußkleid 
hatte legen lafien, fanft im Herm, den 10. Januar 1209, an welddem Tage aud) 
die Kirche fein Gedaͤchtniß feiert. Gott verherrlichte durch verſchiedene Wunder 
das Grab feined Diener. — 3) W., von Nor wich, Martyrer. Diefer zwölfs 
jährige Knabe, ein ®erberlehrling, wurde zur Ofterzeit von den Juden angelodi, 
gefnebeit, auf mancherlei Art gepeinigt, dann an's Kreuz gefchlagen, an ber. 

eite mit einer Lanze burchfioden , em fie fo das Leiden Chriſti an ihm 
ſchmachvoll nachfpotteten. Dann fledten fie den Leichnam in einen Sad, trugen 
denfelben vor die Stadt, um ihn zu Verbrennen, wurden aber verfcheudht und 
mußten ihn an einem Baume hängen lafien. An dem Orte, wo man den Leib 
alfo hängend fand, ward eine Kapelle gebaut, zu Ehren des, eligen W. in den 
Wäldern“, fo genannt wegen der Nuffindung im Walde Im 3. 1144 wurden 
die wunderthätigen Reliquien beim Dome der heiligen Dreifaltigfeit u. fpäter im 
Ghore derjelben Kirche begraben. Bollandus erwähnt feiner unter dem 25, März, 
andere Martyrologien aber unter dem 24. 

Wilhelm. I EnglifheRegentendiefes Namens. I)W.L, der Er⸗ 
oberer, ein natürlicher Sohn des Herzog Robert von der Normandie und 
eines fchönen Landmädchens, Arlotte aus Falaiſe, wurde daſelbſt im 3. 1016 
geboren. Obgleich Robert zwei rechtmäßige Söhne hatte, fo beflimmte er doch 
den, wegen feiner früh entwidelten Zähiglelten von ihm begünftigten, W. zu feinem 
Rachfolger, fo dag diefer, nady dem Tode feined Baterd auf einer Wallfahrt nach 
Serufalem, 1035, den Thron deſſelben beftieg. Allein er würde ſich fchwerlich auf 
demfelben zu behaupten vermocht haben, wenn ibn nicht König Heinrich I. von 
Sranfreich Eräftig gegen feine aufrührerifchen Brüder unb ven Adel ihrer Partet 
unterftügt hätte 8. flug mit Heinrihs Hülfe den Grafen Arques, eroberte 
Maine und beherrfchte ſeitdem unangefochten die Normandie. Da er Merauf den 
König Eduard IL von England, ven Belenner, gegen die Einfälle der Dänen 
vertheidigen half, ernannte. ihn dieſer in feinem Teftamente, mit Bernachläffigu 
feines en, den er zur kraftvollen Bertheipigung des Reiches für zu ſchwa 
bielt, zu feinem Nachfolger; allein, bevor W. noch nady dem Tode Eduard's im 
3. 1065 von dem Throne Beflg nehmen konnte, bem Sigte fib Harald, ein 
Sohn des Könige Kanut, des feines Herrfchere beraubten Reiched u. W. mußte 
fi fein Recht erfi mit den Waffen erfämpfen. Er fchiffte mit einem „feopen 
Heere nad) England über, fchlug den König Harald am 14. Oktober 1 in 
der entſcheidenden Schlacht bei Haftinge, worin lepterer das Leben verlor u. ließ 
fi) nody auf dem Schlachtfelde zum She von England ausrufen. Hierauf 
audy von den Großen des Reiches als Herricher anertannt, behauptete er 
durch Klugheit und Strenge auf dem Throne, belehnte den normännifchen Adel 
mit den großen Gütern in England und führte da die Lehenöherrichaft in 
Biefem “one ein. Pt erbaute, er Fa ‚ ba Bram ne * 

ondon beſſer im Zaume en zu koͤnnen, e als Hof⸗ 
ſprache ein, ſtand aber auch wegen des Beſthes der Normandie — einen Bir 
fallenverhätiniffe zu der Krone von Frankreich, worau6 in Per Par viele blutige 
Kriege entkanden. Schon im Jahre 1076 emepdrte ſich (ein . Sie 





8 Wilhelm. 
bert, dem W. unterdeß bie Herrfchaft der Normandie anvertraut Hatte, wurk 
aber von feinem Vater bald zum Gehorfam umd zur ie Km; vo 
Noch im 3. 1087 unternahm W. einen Krieg gegen Frankreich, br. 1 
die Thore von Paris vor, ftarb jedoch noch während der Unruhen zu Rouen m 
den Folgen eined Sturjes vom Pferde. — 2) W. IN, 1650, nach dem Tode feint 
Vaters, W. II. von Naffau, Fürften von Dranien, geboren, von de Mit erjogm, 
erwarb ſich fchon früh die Liebe des Volkes in fo hohem Grade, daß ihm vafieik 
bereits im 3.1672 bei dem drohenden Einfalle Ludwig's XIV. in Die Niederlande 
zum Generalcapttain der Unton ernannte und ihm die Statthalterfchaft —— 
Bei dem Andrange der Franzoſen ließ W. die Dämme durch ‚ täufchte 
framsönicen Feldherten durch Fünftliche Märfche, vereinigte ſich unterveß dem 
aiſerlichen Heere und nöthigte num die Franzofen zum Rüdzuge, wurde aber im 
Jahre 1674 in den Schlachten bei Senef und St. Omar (1677) von ihnen ge 
fhlagen, worauf 1678 der Friede zu Nynwegen abgefchloffen wurde, in melden 
DW. das deutfche Reich, Spanien und Brandenburg gang in fein Intereſſe u 
tehen wußte. Schon früher (am 2. Bebruar 1674) war er und feine Nad- 
‚fommen von ber Partei des Dranien und von den Staaten von Holland, nebt 
noch vier anderen Provinzen, zu erblichen Staathaltern von den Niederlanden 
ernannt worden umd feit dem wandte er feine ganze Kraft gegen Ludwig XIV, 
der ihm auch perfönlich zuwider war. Er fchloß gegen deſſen, fich immer meh 
verbreitende, Macht (am 29. Jull 1686) bie ne 7 von Augsburg, am wel 
der deutſche Kaiſer, Spanien, Schweden, Dänemark, Polar und R 
deutſche Fürften Theil nahmen; zugleich aber richtete er dabet feine Aufmerkfan- 
keit auch auf England, wo ſich Am die nähere Ausficht der Thronfolge eröf- 
nete, Seine Gemahlin, Marta, war nämlich die Tochter Jakobs IE. von Eng 
land und die muthmaßliche Thronerbin. Da aber Jakobs zweite Gemahl 
(am 10. Zunt 1688) gana unerwartet von einem Prinzen entbunden wurde, den 
Viele für untergefchoben betrachteten, fo fürdhtete der größte Theil des Parka 
ments und das Volk die Wiedereinführung der Fatholiichen Religion und de: 
halb fuchten die Epiffopalen und die Preöbytertaner der Prinzeffin Maria die 
Shronfolge zu verfchaffen. IB. felbft aber, der Jakobs noch engeres Anfchließen 
an Franireich fürchtete, theilte die Reigung der Mehrzahl des englifchen Boltes 
und der Rathöpenftonair Fagel wußte die Generalftaaten zu bewegen, daß fir 
W. mit Schiffen u. Truppen „zur Aufrechthaltung der proteſtantiſchen Religion 
und der englüichen Verfafjung“ unterftügten. Mit einer, angeblich gegen Frank: 
reich ausgerüfteten, Flotte von 500 Segeln und 14,000 Mann Truppen landet 
nun W. am 5. November 1688 plöglidy zu Torbay und bei feinem Erſcheinen 
erklärte ſich nicht nur gleich Anfangs ein großer Theil des Adels und des Ha 
für ihn, fondern bald darauf trat auch Marlborough und Jakobs eigene Tochter, 
Anna, mit ihrem Gemable, dem Prinzen Georg von Dänemark, zu ihm übe. 
Jakob floh nun mit feiner Familie nach Franfreih und W. hielt feinen Ginzug 
in London, wo bald darauf beide Parlamente Jafob II. wegen Verlegung ber 
Berfaffung für abgefegt erklärten u. deſſen Tochter Maria, nebft ihrem Gemahle 
W., der unterdeß zur englifchen Kirche übergetreten war, auf den Thron von 
England erhoben (am 12. Zebruar 1639). Lepterem wurde jedoch, nachdem er 
die Declatailon oder Bill of rights, worin die Gränzen der Föniglichen Gewalt, 
die Thronfolge und alten unbiftrittenen Volksrechte genauer befimmt waren, 
enauer beflimmt waren, unterzeichnet hatte, Die Regierung ausfchlieflich übertragen. 
war erfannte auch Schottland bald darauf W. als König an, allein die far 
tholifhen Jrländer erklärten ſich für ihren legitimen König, den Ludwig XIV. 
mit einem Heere in jenes Land fandte, wo er aber Anfangs von W. fear am 
4. Juli 1690 am Boynefluffe und darauf (am 13. Juli 1691) von General 
Ginfel bei Aghrim gelogen wurde. Sowohl diefe Siege, als auch die Schon 
ung, mit welcher W. die beſtegte Partei behandelte, befeftigten nun auch die 
Krone von Irland auf feinem Haupte. Nicht fo glüdlich für W. geftaltete fich 


Wilpelm; 345 


der unterbeß mit den Brangofen auf dem Feſtlande ebrochene Krieg 5 denn 
der Marfı von Luremburg ſchlug ihn 1692 bei Stenkerken und im fols 
genden Jahre bei Neerwinden; allein W. wußte durch gefchidte Märfche und 
üdzüge den Franzoſen die Früchte dee Sieqee größtentheild wieder zu entreißen, 
nahm tm Jahre 1693 Ramur, troß der Nähe eines weit flärfern feindlichen 
Heeres, ein und nöthigte endlich Ludwig XIV., ihn im Frieden zu Ryßwijk (1697) 
als König von England anzuerkennen. Als Ludwigs Enkel darauf von Karl IL 
von Spanien zum Erben der Monarchie eingefebt wurde, fchloß er zur Erhalt, 
ung des politifcyen —— in Europa am 7. September 1701 mit den 
bedeutendſten europaͤiſchen Mächten die Allianz zu und, als Ludwig nun 
auch Jakob MI., den Sohn des verſtorbenen Jakob I., als König von England 
anerkannte, fo bewog W. audy England zum Beltritte zur Allianz mit Holland, 
dem deutfchen Kalfer, Dänemark und Schweden. Bevor aber die Ausrüftun 

von 40,000 Mann und 4000 Watrofen nach beenvigt war, flarb W. ylöpli 
in einem Alter von 52 Jahren, an den Folgen eined Sturzed vom Pferde, wobel 
er das Schlüfſelbein gebrochen hatte, am 10. März 1702. Da feine Gemahlin 
(don 41695 kinderlos geftorben war, fo erlofh mit W. die Erbſtatthalterſchaft 

die 5 Provinzen und bie Gröglier der Familie Oranien wurden zwif 

Preußen und dem Fürften W. von NaffausDieh, dem Erbſtatthalter von Fries⸗ 
(land und dem Statthalter von Gröningen, von weldyem die koͤnigliche Familie 
der Niederlande abſtammt, geiheilt. Um England hat — W. durch Errichtung 
der Nationalbank (1694), durch Ertheilung der Pr (1694) und die Bes 
gründung der neuen oſtindiſchen Gompagnie (1698) verdient gemacht, allein 
dennoch war er den Briten wegen feines folgen, harten und phlegmatifchen 
Weſens, worunter er feine chſucht verbarg, perſoͤnlich verhaßt und, als er 
fi) genötht t fab, feine bolländifche Garde und die aus franzöfifchen Flüchtlingen 
gebildeten Kegimenter wieder aufzulöfen und zu entlaflen, konnte er im erften 
Unmuthe darüber von den Miniſtern kaum abgehalten werden, die Regierung 
nööberzulegen. Er begründete zuerft das Syſtem der engliſchen Politik in Bezug 
auf das Feſtland, veranlaßte aber audy zugleidy, aus Ciferſucht gegen Sranfreich, 
bie Anwendung von Hülfsgelvern und Anleihen, wodurch die englifche Rationals 
ſchuld anfehnlidy vergrößert wurde; je regierte er im wahren Interefie ded 
Volks, wählte meiftend die Whigs zu feinen Miniftern, begründete die politifche 
Wichtigkeit des Unterhaufes und Ihübte die rel aöfe und politifche Freiheit 
Englands. Die Geichäfte des Staates uud die Unruhen des Krieg wandten 
feine Aufmerkſamkeit von Kunft und Literatur gänzlich ab; aber die Niederlande 
verdanken ihm die Bildung großer Staatsmänner, wie Bagel und Heinſius. 
feinen Unternehmungen zeigte er einen fcharfen Verſtand, der fein Ziel mit 
Thätigkeit und Kraft verfolgte, in Gefahren blieb er Taltblüdig, bei Hinderniſſen 
ſtandhaft, war tapfer im Kriege und unterzog ſich, ungeachtet feines ſchwaͤch⸗ 
lichen Körperbaues, jeder Beichwerde. Ehrgelz, Stolz, Ruhm und Herrfchaft 
befeelten ihn, der Schmeichelel und Pradhtliebe hingegen war er feind; tadeiné⸗ 
werth erfcheint übrigens fein Mangel an Humanität. — 3) W. IV. (Heinrid), 
der dritte Sohn George ILL, wurde am 21. Auguſt 1765 geboren, trat fchon im Jahre 
1778 als Seecadet auf dad Schiff Prinz von Dranien und wurde, dem Willen 

feines Vaters gemäß, nicht nur in der Dischplin den übrigen Seecadeten vll 

gleich geſtellt, Tondern follte auch, gleich jedem andern Salem en, nur n 

und nach im Dienſte vorrüden. Er nabm darauf an dem el wifchen 
Sangara 








dem Admirale Rodney und dem fpanifchen Admirale Don Juan 

Theil und verlebte als Cadet mehre Jahre in Weſtindien, Reubolland und 

Canada, rüdte dann in gewöhnlicher Weife vor und befebligte hierauf längere 
eit eine Fregatte. Im Jahre 1789 wurde er zum Herzoge von Glarence und 
t. Andrews, fowie zum Grafen von Münfter ernannt, nahm feinen Gig im _ 

Oberhauſe ein und wurde 1790 Gontreapmiral, ohne jedoch an Dem Ge 

gegen Frankreich Antheil nehmen zu dürfen, Bald nach feiner Rödtche ar. 





846 Wilhelm. 


‚See verllebte er ſich in die ebenſo ſchone, als talentvolle Schauſplelerin, Dora Jordan, 
eine geborene Irländerin, verband ſich mit ihr und lebte größtentheils in glic— 
licher Zurücgezogenheit in ber Nähe von London, wo ihm Dara nad) m 
nach 10 Kinder gebar. Allein nach einer 20jährigen Verbindung trennte er fid, 
aus nicht genugfam befannten Gründen, von derfeiben (1811), worauf fie en 
Jahrgehalt bekam und zur Bühne zurüdkehrte. Im Jahre 1818 vermählte fh 
W. mit Adelaide, einer Tochter des Herzogs von Meiningen, lebte bis 1819 
in Hannover, wurbe nach dem Tode des hl von York (1827) der nädl 
Thronerbe u. durch Cannings Einfluß Großadmiral, verlangte aber bald daraf 
(1828) wegen einer —— mit dem Herzoge von —— ſeine nd 
und zeigte feitbem eine — jedene Abneigung gegen die Torppartei. Des 
wurde er auch mit bem freud ofen Jubel des Bolfes bei feiner Thronbefteigun 
am 26. Zult 1830 begrüßt. ſehte bald darauf eine neue Verwaltung ein, 
machte die Parlamentöreform zu einer Regierungsmaßregel, huldigte der Spa 
chen Meinung durch Unterüigung der Mintfter und blieb felbft bei den krit- 
ſchen Erfcheinungen, die den glüdlichen Erfolg der Reform fehr zweifelhah 
machten, feinen Anfichten und der gegebenen Zufage treu, Dieſe Beharrlichtat 
des Königs war aber um fo mehr fein Verdienſt, je thätiger die Torypartei am 
‚Hofe fich zeigte, um thn für ſich zu gewinnen, Nach der fiegreihen Durchfüht 
ung der Parlamentsreform ſchloß fidy jedoch W. mehr der Partei der Gonfer- 
vativen an u, fomohl dies, ald ver größere Einfluß der Tory’s am Hofe, fchader 
ihm fm der Gunft des Volkes. Er mußte jedoch fchon im April 1835 im Folge 
der Parlamentsverhandlungen die ausge unter Melbourne wieder zurüdrufen. 
Die Durchführung des englifhen St! —A die heftigen Kämpfe um die 
trifchen. Kirchen», Zehnten- und Städtebill, die Vermwidelungen in Canada end⸗ 
lich machten auch diefe legten Jahre WS zu einer ebenfo beveutungsvollen, als 
beivegten Negierungsepoche. Die auswärtige Politik concentrirte fich währen 
feiner Regierung in ven Angelegenheiten der pyrenätfchen Halbinfel. Zu dieim 
Zwecke fand eine innigere Verbindung mit dem Nebenbuhler der britifchen Madt, 
mit Sranfreih, und 1834 der Abichluß der Duadrupleallianz flatt. Der 
Wunfh WS, in der orientalifchen Frage entfchiedener den Groberungsgelüftn 
Rußlands entgegenzutreten, fcheiterte an den politiichen Anflchten , welche das 
Eabinet und das Parlament verfolgten. W. flarb an der Bruftwafferfucht in 
der Nacht vom 19. zum 20. Juni 1837. Ihm voraus flieg feine älteſte un 
llebſte Tochter, die Lady Delisle Dudley, ind Grab. Für die übrigen, mit 
Dora Jordan's erzeugten Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, hatte a 
nad) feiner Thronbefteigung_ beftens Bun tt. Der älteſte Sohn erhtelt 1831 den 
Titel eines Grafen von Münfter. . bejaß zwar feinen glänzenden Geiſt, abe 
einen einfachen, redlichen und menfchenfreundlichen Eharafter, der immer an tm 
biedern Seemann erinnerte. Den Thron von Großbritannten erbte feine Richie 
Bictoria (f. d.). In Hannover folgte ihm fein Bruder Ernft Auguf (f.d) 
in der Regierung. 

Wilhelm. 1. Könige der Niederlande. 1) W. J., geboren den 
24. Auguft 1772 im Haag, wo fein Vater, der Erbftatthalter W. V., Prim 
von Oranien⸗Naſſau und feine Mutter, eine preußifche Pringeffin, reflpirten. & 
vermählte ſich 1794 mit der Tochter Hriedrid Wilhelms II. von Preußen. As 
die franzöflfche Revolution ihre Wogen über die Niederlande ergoß, flüchtete er 
1795 mit feiner Kamille nad) England und trat 1805 die Regierung der naflau- 
iſchen Erblande an. Auf feine Weigerung, dem Rheinbunde beizutreten, wurde 
er von Rapoleon feiner Rechte für verluftig erklärt. Nach der Schlacht von 
Jena gerieth er bei Erfurt in franzöflfche ‚Rriegegefangenfchaft. Der Sriede von 
Tilſit gab ihm die Freiheit wieder und er wohnte hierauf ald Freiwilliger der 
Schlaht von Wagram bei, in der er am Beine verwundet wurde. Am 29. Rov. 
4813 landete er in Scheveningen und wurde von dem Vollke freudig begrüßt 
In Folge der Befchlüffe des Wiener Congreſſes hielt W. am 5. April 1815 als 


— 


Bilselm. 54 
Rönig der Niederlande feinen Einzug in Brüflelz doch follte Diefe winernatärlidse 
Bereinigung von Holland und Bel Sem bittere Früchte tragen. Die — 
yon 1830 führen die Trennung au „geraltfamem Wege herbei. Gleichwohl bes 
harrte W. bis zum Jahre 1838 dabei, die verlorenen Provinzen wieder erobern 
u wollen und erfchöpfte dadurch die hollaͤndiſchen Finanzen auf eine unerhörte 
Weiſe. Endlich trat er der Londoner Gonferenz bei. Als aber die Generalſtaaten 
yen zerrätteten Zufland der Finanzen kennen lernten und die Berlehungen des 
Btaatögrundgefehe® nicht länger verborgen bleiben fonnten, auch dad Bol über 
eine Bermä kung mi der Bräfin d'Oultremont fehr aufgebracht war, legte ver 
König 1840 die Regierung in die Pände feines Sohnes nieber u. v8 fi) unter 
vem Ramen Graf von NRaffau auf das Luſtſchloß Loo, fpäter nach Berlin zurüd, 
wo er am 12. Dezember 1843 am Scylagfluß ſtarb. Er Binterließ ein unges 
zeueres Prvatoermön . — YW. 1, Srievrih Georg bir Sohn des 
Borigen, geboren 1792, erhielt feine Bildung auf der Militärafademie zu Berlin 
md auf der Untverfität Oxford, trat in das englifche Heer u. verricdhtete tapfere 
Thaten in Spanien (Sturm von Ciudad Rodrigo, Badajoz, Schlaht von Sa⸗ 
amanca ıc.). Denfelben Fühnen Muth erprobte er bei Dnatrebras und Waterloo, 
vo er verwundet wurde. “Die bei! Revolution hätte durch ihn in eine, für 
Holland weniger verhängnifuonie n geleitet werden Fönnen; aber man erkannte 
eine Aneetennumng der belgiſchen Freiheit nicht an. Verſtimmt sing er ein Jahr 
3 land, übernahm jedoch 183t den Oberbefehl wieder. Am 7. Oktober 
| beftieg er, in Folge der Abdankung feines Vaters, den Thron. Ueber feine 
Re jerung hehe den Artikel Niederlande Im Ganzen war W. bei feinem 
Bolfe beliebt; indeſſen fand feine Hinneigung zur engliſchen Politit, die er in 
ver Ichten Zeit feine® Lebens noch mehr, als in der frühern, verrieth, keine gün- 
tige Beurtheilung. England ift bei den Riederlaͤndern ale geflbrlicher Handel» 
'onfurrent durchaus nicht beliebt; feine Operationen im indiſchen Archipel, den 
ar als fein unbeftreitbares Eigenthum betrachtet, erfüllen den niederlaͤndiſchen 
atristen mit Unwilln. Go mußte der König vielfachen Tadel begegnen, daß 
T, wie er ſelbſt feine Jugend in England, oder unter englifchen Snbnen zuge⸗ 
racht hatte, feinen Thronfolger ebenfalls in Großbritannien erziehen ließ und 
ür feine eigene Perſon ben Poften eines englifchen Beldmarfchals annahm. Die 
Sorgfamfeit, die er in der Berwaltung feines Privatvermögens, hierin ganz 
einem Bater ähnlich, vorwalten ließ; die umfangreichen Büterankäufe, die er in 
en Zeiten der böchften Finanznoth namentlich in leften machte, entgingen 
ven Tadel ebenfowenig, Ein gefährliches Unmwohlfeyn, das ihn im Srähla te 
847 beflel, erregte nicht die Sympathien, die jede Gefahr eines geliebten 
tönigd umgeben. Sein letztes Erkrankten nahm plöglich die gefährlichfte Wend⸗ 
ng. Am 15. März 1849 fühlte er fi unwohl, am 16. verſprach die Krank⸗ 
eit eine günftige Kriſis, am 17. war er eine Leiche W. IL. war jet 1816 
nit der fin Anna Paulowna von Rußland vermählt, aus weldyer Ehe 
olgende Kinder entfprofien: Pr. W. III., geb. 1817, iehiger König der Nieber- 
ande, vermählt ſeit 1839 mit der Prinzefiin Sophie von Württemberg, Tochter 
ed Könige W.; Kinder: W., Erbprinz von Dranten, geboren 1840 u. Morip, 
eb. 1843. 2). Alerander, geb. 1818, Generallieutenant und Generalinfpeltor 
er Cavallerie. 3) Heinrich, ge 1820. A) Sophie, geb. 1824; ſeit 1842 
nit dem Erbgroßherzog Karl Alerander von Sachſen⸗Weimar vermählt. 
Wilhelm L, Friedrich Karl, König vom —— „geboren 27. Sept. 
781 zu 2üben In Schlefen, wo fein Bater, der nacdhmalige König Friedrich L, 
amals ale preußtfcper Generalmajor und Inhaber eines gener-die iments in 
darnifon lag, w fhon tn früher: Kindheit durch Familienverhältniffe nach 
tußland, in die Schweiz, an den Rhein und feit 1790 nad berg de 
ihrt, wo der Water die Bildung feines Sohnes zwar mit großer Sorgfalt, 
uch oft mit Härte und nadpfichtölofer Strenge fortfegen lieh. —— der 
uhige Bang feiner Erziehung In den Jahren 1796 und 1708 Woltarda uni 


848 Bilpelm, 


brochen, daß er vor dem Einbringen der Franzofen in Württemberg mit feinem 
Bater das Fand verlaffen mußte, ‚worauf er im Jahre: 1800 ald Breimiliger 
kurze Zeit in die Armee des Erzherzogs Johann von Defterreich eintrat: Ju in 
Schlacht von Hohenlinden, an der er damals Antheil nahm, äeigte er folde 
Kühnbeit, daß er mitten unter die Feinde fprengte und von feinem Begleiter zur 
mit Mühe der dringendften Gefahr entzogen werden Fonnte, Als Hierauf, nad 
Sn NRüdkehr an den Hof feines Waters, ihn derſelbe in der frühern gänzlide 

bhängigkit zu erhalten firebte, beſchloß der Prinz im Jahre 1803, duich 
eine Reife nach Wien, Frankreich und Italien, wobel feine weitere Ausbilung 
fein vorzüglichfter Ziwed war, biefen brüdenden Verhäliniſſen zu entziehen. Ja 
Jahre 1806 Fehrte er in feine Heimath zurüd und flellte fih 1812, dem Wille 
Er Baterd gemäß, an die Spitze der 15,000 Württemberger, welche am dem 

eldzuge in Rußland Theil nahmen, nachdem er die nächſtverfleſſenen Jahre m 
Stuttgart in gänzlicher Zurüdgezogenbeit vom Hofe, nur im Umgange wenige 
Greunde und in einem angerehmen. Wechfel von Lektüre, Naturgenuß und Jap 
verlebt: hatte, ohne fi auch nur entfernt in die Staategefchäfte zu milden 
Kaum war er jedoch mit feinem Heere in Polen eingerüdt, fo befiel ihn ein 
heftige Kranfheit, welche ihn in Wilna zurüdzubleiben nöthigte, worauf er, nad 
Wieverherftelung feiner Gefundheit, nach. feinem Baterlande abreiste. Hier vo 
nahm er mit Freuden den — Ausgang des Feldzugs und im folgenden 
Jahre erfüllte ihn befonders Rapoleon's Niederlage bei Leipzig mit der Hoffnung, 
fein eigenes Land bald von dem Drude des fremden Herrichers befreit zw feben. 
Daher folgte er der Einladung der verbündeten Mächte, zu denen fein Bater 
nad der Schlacht bei Leipzig übergetreten war, fehr bereitwillig und übernahe 
den Oberbefehl über eine, aus Württembergern, fo wie aus einigen ruffijchen und 
öfterreichiichen Regimentern beftehende Heeredabtheilung und entwicelte fein Fer 
berrntalent, feinen Muth und feine Tapferleit befonders in den Schlachten bi 
Epinal, Brienne, Sens und Montereau, wo er den Rüdzug der Verbündeten da 
durch dedte, daß er den fünfmal ftärkern Feind einen ganzen Tag Lange aufhict, 
wobel ihn die unbebingte Ergebenheit feiner Soldaten Eräftig unterflügte. (&benio 
wichtige Dienfte leiftete er der Sache der Verbündeten in dem zweiten Feldzuge 1815 
und, obgleich ihm derfelbe wegen der Kürze feiner Dauer nicht erlaubte, fein Tu 
lent auf fo vielfache Weife zu erproben, fo zeichnete er fidy dennoch bei jeder ihm 
dargebotenen Gelcgenheit rũhmlichſt aus und machte ſich beſonders durch das Zur 
rüddrängen des Generals Rapp nach Straßburg, trog der bedeutenden Hinder⸗ 
niſſe, die ſich ihm bei Schuffelmeihersheim entgegenſtellten, verdient. Durch den 
Tod ſeines Vaters am 30. Dftober 1816 zum Könige erhoben, nahm W. ſogleich 
wefentliche Berbefferungen in der Regierung und Verwaltung des Landes vor, 
entfernte alle diejenigen Staatsdiener, die ſich früher Unterfchleife erlaubt hatten, 
ſtelite verjährte Mißbräuche ab, nahm harte und läfige Verordnungen der vor 
igen Regierung zurüd, verminderte die Abgaben, befchränfte den Aufwand des 
Sofpatıes, fleuerte während der Jahre des Mangeld und des Mißwachſes der 
dringendften Noth durch Einkauf von Getreide, begünftigte die von feiner Ge 
mahlin geftifteten Armenvereine und bewies fich allerfeits tätig und fürforgend. 
Den wichiigſten Schritt that er jedoch für das Land durd die Ertheilung eine 
Berfaffungsurfunde 1817, deren unbedingte Annahme er zwar Anfangs verlangte, 
welche er jedoch fpäter mannigfachen Berbefferungen und der Zuftimmung der 
Stände unterwarf. So viele Schwierigkeiten biefer Derfaflungsentmurf bei den 
letzteren auch fand, fo daß er in der vorliegenden Geftalt von Ihnen geradezu zu 
rüdgewiefen wurde, fo wurbe feine Härte doch in mehren wefentlihen Punkien 
durch des Könige eigenes Entgegenlommen gemilvert, die Rechte des Bolfes ge 
gen Willkür und Anmafjung gefhügt und in diefer Form endlich am 25. Sept. 
1819 dem Könige zur Unterichrift vorgelegt, nachdem derfelbe ſchon vorher in der 
Ständeverfammlung unterzeichnet worden war. Ueber die Gefchichte feiner Res 
gierung f. d. U. Württemberg. — König W. war dreimal vermähltz querk 


zer 32V 4% 


IB m ı 7 


‚ muy} 


N EA NARBE TER. Bu 


Fl ' 


Wilhelm, 849 
mit der Föniglichen Brinzeffin Karoline Auguſt e von Bayern, von der er fich 1814 
fcheiven ließ und die nachher die vierte Gemahlin des Kaifers Franz von Oeſter⸗ 
reich wurde; das zweite Mal 1816 mit der Großfürſtin Katharina Baulowna 
von Rußland, Wittwe des Prinzen Peter von Olbenburg, die ihm zwei Töchter 
ebar: Marie, feit 1840 vermählt mit dem württembergifchen Generalmajor, 
afen Alfred von Neipperg und Sophie, feit 1839 vermählt mit dem iehigen 
König W. III. ver Niederlande. Nachdem Königin Katharina 1819 geftorben 
war, vermählte W. ſich zum dritten Male mit Bauline, ver Tochter feines Oheims, 
des Herzog6 Ludwig von Württemberg. Aus dieſer Ehe entfproffen drei Kinder: 
Katharina, feit 1845 mit dem Prinzen Friedrich von Württemberg vermählt; der 
Kronprinz Karl Friedrich Alerander, geb. 1823, feit 1846 vermählt mit der 
Großfuͤrſtin Olga von Rußland und die Prinzeffin Augufte — König W.s 
25jähriged Regterungs-Fubtläum wurbe den 30. Dftober 1845, unter der herzlich- 
fien Theilnahme aller Claſſen des Volkes, mit einer in der neuern Gefchichte 
wirklich feltenen Pracht begangen. 

Wilhelm. NRegenten und fürftliche Berfonen aus verfhlebenen 
Häufern 1) W. I, Graf von Naffau, Prinz von Oranien, geb. 15. April 
1533, Sohn Wilhelms des Aeltern von Raffau und der Bräfln Juliane von 
Stolberg, wurde von der Königin Marla von Ungarn, einer Schwefter Karls V., 
in der Tatholifchen Religion erzogen und hielt ſich längere Zeit am Hofe des 
Kaiſers auf, der ihm das * Vertrauen ſchenkte und die Statthalterf@baft 
von Poland, Seeland und Utrecht übertrug. ber bei defien Nachfolger, Phi⸗ 
(ipp I., wurde W. verläumdet und in allen Functionen dem Cardinal Granvella 
in der Regierung der Niederlande untergeordnet. Der Verſuch, die Snqufition 

„be 


" in den Niederlanden einzuführen, errgie alfenthalben Unzufriedenheit und 


mehren Gelegenheiten von Cardinal Oranvella beleidigt, ſchlug ſich auf die Seite 
der Mißvergnügten, zu welchen auch die Brafen Egmont und Horn gehörten. 
W. bat die Statthalterin Margaretha, feine Entlaffung als Statthalter in 
Holland, Seeland und Utrecht anzunehmen. Diefe wollte diefed nicht, verlangte 
aber von ihm einen neuen Eid der Treue und die Entfernung feines Bruders 
Ludwig, als eines Störerd des Friedens. Beides flug W. ab. Zugleich bat 
er mit dem Grafen Egmont den König, den Nieverlänvern die Religionsduldung 
zu bewilligen. Die Vorftelung von 1566 unterflügten 300 Edelleute und ber 
Graf udwig von Naſſau, welche Feine Inquiſition oder neue Bifchöfe einzuführen 
baten; allein die Bittenden fanden Fein Gehör. In Dendermonde berieth man, 
ob man ſich mit ven Waffen dem Einrüden der Spanter wivderfegen wolle und 
bi® auf den Grafen Egmont fanden die Meiften dieß nöthig. Lebterer vertraute 
der Gnade des Könige, W. aber begab fidh nun, bis auf einen in Löwen ſtudir⸗ 
enden Sohn, mit feiner Familie nach Dillenburg. Den 5. Januar 1568 wurden 
die Grafen Egmont und Horn und andere Edle hingerichtet. W. flellte fid auf 
ergangene Einladung nicht, worauf feine Güter confischtt und er in die Acht 
erklärt wurde; feinen Sohn fandte Alba als Geißel von Löwen nad) Spanien. 
Run erfl J W. die Waffen und ging zum Proteſtantismus über. Durch 
mehre beutfihe rſten unterflügt, drang er mit 24,000 Deutfdyen und 4000 
Franzoſen in Brabant ein, ſchlug einen Theil des fpanifchen Heeres u. nöthigte 
den Herzog von Alba, fi in die Feſtungen zurüdzuziehen. Eben biefe® aber, P 
wie, daß er bei den Rieverländern Feine Unterflügung fand, zwang ihn, fein 
De zu entlafien, worauf er mit 1200 Reitern zum Herzog von Zweibrüden 

ch begab und Theil an defien Zuge gegen die Guiſen in Srankreih nahm. — 
Nach dem unglüdlichen Ende dieſes Krieges kehrte W. nach Deutſchland zurüd, 
rüftete uf den Rath des Aomirald Eoligny einige Caper gegen die Spanter 
aus, bemächtigte fi 1572 der Stadt u. des Gafend Briel auf der Infel Boorn 
und eroberte auch Blieffingen. 1573 war bie h otte ſchon 150 Segel ſtark und 
blieb flet6 den Spaniern Überlegen, führte audy zu Golontaleroberungen. 1575 
übertrugen ihm die Staaten von Holland für die Dauer des Krieg ur Sur 

Reolencprlopäbie X. SE 


850 Wilhelm. 
veraͤnitaͤt und es folgten Seeland, Utrecht, Geldern und Oberyſſel dieſem Bei⸗ 
ſpiele. Die Uebertragung wurde 1581 erneuert; 1582 kam die Uebertragung der 
Macht der Grafen von Holland und ver Beſttz der gräflichen Domainen Binzu. 
Zu Lande waren die Spanter oft Sieger, wie am 14. April 1574 auf ber 
Mooker Heide wegen Infuborbination der fchlecht bezahlten Soͤldner. Dagegen 
vereinigten fi) 1576, wegen Alba’ Graufamleit, alle Stände der niederländ- 
ifchen Nrovingen, bie uf Zuremburg, die fpantfchen Soldaten zu vertreiben, und 
als Juan d'Auſtria, Philipps natürlicher Bruder, 1577 das bewilligte Friedens⸗ 
edikt verlegte, riefen die Stände der fühlichen Nieverlande den Bringen von 
Dranien zu Hülfe; aber nach der Schlacht von Gemblours, den 15. Jan. 1578, 
gewannen die Epanier in den eifrig Fatholifchen füblichen Niederlanden abermals 
die Oberhand. Nun fchloffen die fieben nördlichen Provinzen den 23. Jan. 1579 
die Union zu Utrecht und gründeten Die Republif der vereinigten Niederlande. 
ALS die Unterbandlungen zum Brieden in Köln fehlfchlugen, trugen die Stände 
1580, auf den Borfchlag des Prinzen, dem Herzog Franz von Anjou, Bruder Ran 
penriche Ill. von Frankreich, bie Denen an und am 26. Januar 158 
ündigten fie dem Könige von Spanien den Gehorfam völlig auf. Der Herzog 
von Anjou wurde 1582 zum Herzog von Brabant außgerufen und der Brin; 
von Oranien feste ihm den Derzogöhut auf und nahm ihm den Eid ab, capitus 
lationsmäßtg regieren zu wollen. “Doch eilte der Herzog, zur vollen Souveränität 
zu gelangen u. al8 dieſes mißlang, kehrte er nach Frankreich zurüd. Philipp I. 
von Spanien fette 250,000 Thlr. auf den Kopf W.s und diefe Summe fowohl, 
al8 der Fanatismus, führten mehre Mordverfuche gegen den Bringen herbei, die 
um Theil entdeckt wurden, theild mißlangen, wie der Mordverſuch eined Span: 
er6, Namens Jaureguy, der eine Piſtole nach ihm abſchoß, fo daß die Kugel 
unter dem rechten Ohr hinein und zum linken Baden wieder herausfuhr. Zu 
Delft aber fiel er unter ver Hand eines Burgunders, Namens Balthafar Ger: 
hard, der ihn am 10. Juli 1584 erſchoß. — 2) W. IL, Kurfürft von Hefien, 
geb. zu Kaflel 1743, lebte während des fiebenjährigen Srieged am dänifchen Hofe, 
wo er ſich 1764 mit der Prinzefiin Wilhelmine vermählte u. im gleichen Jahre die 
Regierung der Grafihaft Hanau, nady dem Tode feines Vaters, 1785, die der 
fümmtlidyen Länder antrat. Den Berfuh, Schaumburg-Lippe dem unmündigen 
Grafen, weil feine Großmutter nicht ebenbürtig gewefen Bi, zu entreißen, mußte er 
mit Erfag aller Koften büßen; dafür erhielt er, der feit 1792 mit den Preußen gegen 
Frankreich geftritten, 1803 die Kurwürde und für einen Keinen Beſitz auf dem 
linfen Rheinufer die Reichsſtadt Gelnhaufen und andere Gebiete Nach ber 
Schlacht bei Jena vor den Franzofen, denen feine Rüftungen bedenklich erfchtenen, 
—* kehrte er erſt 1813 zurück, ſtellte die alten Verhältniſſe wieder her und 
arb 1821. Dan kennt feine ungemeine Thätigkeit, ſtrenge Rechtspflege und 
Sorge für Kirche und Schule an, aber man rügt ſeine Härte, ſeinen Geiz, die 
Gewiſſenloſigkeit, womit er feine Unterthanen des feilen Geldes willen an Eng⸗ 
land verfaufte, die Verfchleuderung großer Summen durch Bauten, ſeine Vorliebe 
für das Soldatenwefen, welches Schwer auf feinem Volke laſtete — 3) W. IL, 
Kurfürft von Heflen, Sohn des Vorigen, geb. den 25. Juli 1777, vermählte fih 
1797 mit der preußifchen Prinzefiin Wugufte, führte 1814 den Oberbefehl über 
die Hefien und folgte feinem Vater 1821. Sein ärgerliches Verhältniß zur 
Gräfin v. Reichenbach, der nachherigen Gräfin v. Leffonig, verfcheuchte Die Kur 
fürflin 1826 von feinem Hofe, ven Kurprinzen Friedrich Wilhelm nach Berlin. Mit 
dem letztern fühnte er ſich 1830 aus und übertrug ihm, als er fich bei den Un 
suben, die in Kolge der Rüdfehr der Gräfin een entflanden, in's Ausland 
zog, die Regentſchaft. Nach dem Tode der Kurfürſtin (1841) erhob er bie 
Gräfin Leffonig zu feiner Gemahlin und vermählte fih, als dieſe 1843 farb, 
mit Karoline, Baronin von Bergen, geborene von Berlepſch, geb. 1820. Er 
ftarb den 20. November 1847. — 4) W., Auguf Ludwig Martmilian 
Friedrich, vegierender Herzog zu Braunfdhweig- Lüneburg, geb. 1806, zweiter 


Bilgelmöbad, 851 


Sohn des bei Quatrebas gefallenen Herzogs Friedrich W., diente feit 1823 im 
preußifchen Heere, ward 1826 durch fürftbrüderlichen Vergleich Bellber des 
Herzogthums Dels In Schleften; übernahm die, Anfangs mit Vollmacht ſeines 
durch den Auffland vertriebenen Bruders, nachher mit Zuftimmung ſeines 
Oheims, des Könige W. II. von England und auf Erfuchen des deuiſchen 
Bundes proviſoriſch geführte Landesregierung definitiv am 25. April 1831, in 
Folge der von den Agnaten des Herzogs Karl getroffenen Uebereinfunft. Ueber 
feine Regierung fiehe den Artifel Braunfchweig. — 5) W., königlicher Prinz 
von Preußen, Oheim ded gegenwärtig regierenden Königs, geboren zu Berlin 
1783, trat 1799 In daß erfte Garpdebataillon ein, 1801 in die Garde du Corps, 
4806 commanbirte er in der Schlacht bei Auerſtädt als Ohriftlteutenant eine 
Gavaleriebrigade und war nach dem Tilfiter Frieden für die Reorganifirung des 
Staats lebhaft thätlg. In dem Befreiungskriege commandirte er in der Schlacht 
bei Rüben die Refervecavalerie und zeichnete —9 in der Schlacht bei Leipziq, ſo⸗ 
wie in verſchiedenen Affairen auf frappfchen Boden, vortheilhaft aus. In der 
Schlacht bei Waterloo befehligte er die Cavalerie des 4. Armeecorps, betrieb die 
naͤchtliche Verfolgung und rückte mit der Avantgarde in Paris ein. Später 
lebte er abwechfelnn in Paris und auf feinem Schloffe Fiſchbach in Schlefien; 
41830 wurde er Rn Seneralgouverneur der Rheinprovinzgen und 1834 zum 
Gouverneur von Mainz ernannt. Seit dem, 1846 erfolgten, Tode feiner Ge⸗ 
mahlin, der Prinzefiin Maria Anna von Heflen«Homburg, mit der er fih 1804 
vermählt hatte, lebt er meift zurüdgezgogen. — 6) W., Prinz von Preußen, 
zweiter Sohn des verftorbenen Könige Friedrich W. IH. und, da der gegen» 
wärtige König Friedrich W. kinderlos ift, präfumtiver Thronerbe, geb. 1797, 
erhielt eine ausgezeichnete Erziehung umd Bildung, trat früh in Milttärdienfte, 
wohnte den Feldzuͤgen von 1813 und 14 bei und iſt jept General der Infanterie 
und Bommandeur des Gardecorps, fowie in feiner Cigenſchaft als Tchronfolger 
Statthalter von Pommern; auch befleivet er die Stelle eines Großmeiſters 
fämmtlicher Sreimaurgrlogen in Preußen. Er bat eine befonvere Vorliebe für 
das Militär; wie (ehr edoch auch die Angelegenheiten der Verwaltung, Juſtiz 
und Bolitik feine Theilnahme in Anfprucdy nehmen, hat er namentlidy bei dem 
erſten preußifchen „anbioge durch mehre, die klarſte Einficht und wohlwollendſte 
Geſinnimg bewährende, Reden bewiefen. Gegenwärtig if er Befehl6haber der in 
der Pfalz und Baden flebenden preußifchen Truppenmacht. 1829 vermählte er 
fih mit der Prinzeffin Marie Loutfe Auguſte von Sahfen- Weimar, vie ihm 
awei Kinder, den Bringen Friedrich W. und die Prinzeſſin Augufte, gebar. — 
7) W., Ludwig gqß großherzoglicher Prinz und Marfaraf von Baden, 
zweiter Sohn ded Markgrafen Karl Frledrich, aus deſſen zweiter Ehe mit der 
Gräfin von Hochberg, geboren 1792, trat früh in Milttärdienfte und begleitete 
4809 den Marfhall Maffena als Offizier ſeines Generalftabes auf dem Feldzuge 
in Oefterreih. Nach dem Frieden von Wien wurde er Omeralmajor und bes 
febligte 1812 mit Anegerchnung die badiſche Brigave beim 9. Armeecorps 
(Marſchall Victor) und wurde bei feiner Ruͤckkehr Generaltieutenant. Während 
des Feldzugs von 1813 befehligte er wieder das badifche Kontingent und coms 
mandirte während der Leipziger Schlacht in Leipzig felbft, wo er am 19. Dttober 
fih den Alllirten ergab. 1814 leitete W. die Blokaden von Straßburg, Landau, 
Pfalzburg, Bitſch ze. und auf dem Wiener Gongreß die Angelegenheiten Badens. 
1815 befehligte er vor Schlettftant und Neu⸗Breiſach, dann vor Hüningen und, 
ala 1818 die Interefien des bapdifchen Be gefährbet wurden, reiste er zwei⸗ 
mal nad) Peiereburg u. wußte den Katjer Alexander fo [ie Baden zu gewinnen. 
Dann lebte er als General der Infanterie u. Präfivent des landwirthſchaftlichen 
Vereins, von den Gefchäften aurdchaeaogen. Seit 1830 iſt er mit Eliſabeth, einer 
Tochter des Herzogs Ludwig von Württemberg, vermählt. 

Wilhelmsbad, eine halbe Stunde von Hanau, mit ſchoͤnen Parkanlagen, tft 
mehr durch diefe und als Unterhaltungsplag ber Frankfurter NS“ 5 


852 Wilpelmspöge — Wilken. 


kannt, als durch feine ziemlich indifferente Hellquelle. Letztere wurde 1769 entdeckt 
und erhielt 1779 von dem &rbprinzen, fpätern Kurfürften Wilhelm 1. von Heflen, 
der den Park anlegte und die Gebäude aufführen ließ, den Namen. E. Buchner. 

Wilpelmshöhe, Eurfürftlich heſſiſches Luftfchloß, eine Stunde weſtlich von 
Kaflel, von wo aus eine Lindenallee hinführt, ift an der Stelle des Schloſſes 
Weißenftein (früher Klofter) zuerfi vom Landgrafen Karl ale Karlsfein, 
1788—98 vom Landgrafen Wilhelm IX. ale W. erbaut. Der Park dabei begreift 
den größten Theil des Karlöberged u. hat einen Umfang von mehr als zwei Stun⸗ 
den. Merkwürdig find: das große Bafftn (1330 F. im Umfang) mit Haupt 
fontaine (faft 200 F. hoch, 12 3. ſtark), gefpelst von dem Aquäbuft, über 
welchen die oberen Kaskaden 100 F. herab gegen den Zelfen flürgen. Am Fuße 
derfelben ift die Grotte Neptun’s; dabei dad Riefenbaffin, genannt von 
dem Riefen Enkelados, der dort unter der Erde liegend vorgeftellt iſt und aus 
defien Munde eine Fontaine 55 Fuß hoch fleigt, mit vielen Kasladen. Das 

auptgebäude auf dem Gipfel des Berges iſt das Oktogon; auf ihm erhebt 

‚ auf einer von Säulen getragenen Blateform, eine 96 Bus hohe Pyramide 
von Duaderfteinen, mit 5 über einander ſtehenden Kreuggeiwölben, auf welcher end» 
lich die dar Statue des gertulee (der BroBe briftoph genannt) auf 
geftellt ift; fie ift, ohne ein 11 Fuß hohes Piedeſtal, 31 Buß hoch aus Kupfer 
(von Küper 1717) verfertigt; man kann durch das Diebe! auf 2eitern bis in 
die 9 Fuß im Durchmeffer habende Keule des Herkules ſteigen. Diefes Dftogon 
baute der italienifche Baumelfter Guernieri. Sonft find im Parke noch merk 
würdig: die elyfätfchen Felder, mehre Tempel, dad Grab des tat 
lius, nad) dem neapolitantfchen Monumente gefertigt; die, auch von Wilhelm 
erbaute Zöwenburg, eine nachgeahmte Ritier burg. mit Rüflfammer u. Kapelle, 
in weldyer der Erbauer beigefeht fl; die Teufelsbrüde, ver Steinhofer’fde 
Wafferfalt, dabei auch das im chineſiſchen Styl gebaute Dörfchen Mu-lan 
mit einer Pagode; das Luſthaus Montchert, mit Schweizerei. Seht find die 
großen Kaskaden nicht mehr im Gange, das ganze Werk iſt in's Stoden gerathen 
und das Oktogon fehr bau fälle, doch ift eine Reparatur befchlofien. 

Wilhering, anfehnlicdye Eifterstenferabtei in Dberöfterreih, am rechten Ufer 
der Donau, eine Stunde oberhalb Linz, Die Stiftögebäude und der Garten find 
neuerlidy bedeutend verfchönert worden. In der Kirche einige Altarblätter und 
Fresken von den beiden Altomonte, die Grabmonumente der Stifter, herrliches 
Geläute. — Das Klofter wurde um dad J. 1140 von einem edelfreien Beraten 
des Namens von Wilhering auf feiner Stammburg geftiftet und erhielt die 
erfien Mönche aus der Abtei Kain in Steyermark, während es feinerfeits fpäter 
die Gifterzienferfiöfter Hohenfurt in Böhmen, Yürftenzel in Bayern, En einge 
und Säufenftein in Defterreich mit Konventualen bevölkert. — Jodok Stül;: 
Geſchichte des Eifterzienferfloftere W., Linz 1840. mD. 

ilfen, Sriedrich, Profeffor der Gefchichte und Oberbibliothelar in Ber 

lin, geboten den 23. Mat 1777 zu Rabeburg im —— — von mittelloſen 
Eltern. Sein Vater war Kanzelliſt bei der Regierung und hatte viele Kinder zu 
ernähren. Auf der Domſchule ſeiner Vaterſtadt gut vorbereitet, bezog der talent⸗ 
volle Jüůngling 1795 die Univerſitaͤt Göttingen, durch gräflich Stiehmanneeag ide 
Stipendien unterftügt. Neben feinen theologifchen Fachſtudien zog ihn entfchiebene 
Reigung zu hiſtoriſchen Forſchungen und orientaliichen Sprachen. Henne, Eid: 
born, Schlözer, Spittler waren feine Lehrer; Luden, Schlofier, von Meuſebach 
feine wetteifernden Mitfchüler. Zwei Jahre Mitglied des philofophifchen Semt- 
nars, löste er 1799 eine von der Göttinger Univerfität geftellte Preisaufgabe, 

welche gekrönt wurde und unter dem Titel: Commentatio de bellorum crucia- 

torum ex Abulfeda historia auch im Drude erfchien. Auf einer unternommenen 

gelehrten Reife fand er, in Folge diefer aus wenig durdhforfchten Quellen vor 

trefflichen Abhandlung, die ehrenooltte Whaohwe in Sutta bei Schlichtegroll, in 
Erfurt bei Bellermann, in Welmar bei Bürtiger und heintuerd in Aenn el Se 


Bilpelmöbat, 851 


Sohn des bei Quatrebas gefallenen Herzogs Friedrich W., diente fett 1823 im 
preußifdyen Heere, ward 1826 durdy fürftbrüderlichen Vergleich Beſitzer des 
Herzogthbums Dels in Schleflen; übernahm die, Anfangs mit Vollmacht feines 
durch den Aufſtand vertriebenen Bruders, nachher mit Zuftimmung feines 
Dheimb, des Könige W. I. von England und auf Erfuchen des deutfchen 
Bundes proviſoriſch geführte Randesregierung definitiv am 25. April 1831, in 
Folge der von den Agnaten des Herzogs Karl getroffenen Uebereinkunft. Weber 
feine Regierung fiehe den Artifel Braunſchweig. — 5) W., föniglicdyer Prinz 
von Preußen, Oheim des gegenwärtig regierenden Königs, geboren zu Berlin 
1783, trat 1799 in das erfie Gardebataillon ein, 1801 in die Garde du Corps, 
1806 commandirte er in der Schladyt bei Auerſtädt als Obriftlieutenant eine 
Gavaleriebrigave und war nach dem ZTilfiter Frieden für die Reorganifirung des 
Staats lebhaft thätig. In dem Befreiungskriege commandirte er in der Schlacht 
bei Lügen die Refervecavalerie und zeichnete Fri in der Schladht bei Leipzig, ſo⸗ 
wie in verfchiedenen Affatren auf ranöfihen Boden, vortheilhaft aus. Im der 
Schlacht bei Waterloo befehligte er die Eavalerie des A, Armeecorps, betrieb die 
nächtliche Derfolgung und rüdte mit der Avantgarde in Paris ein. Später 
lebte er abwechſelnd in Paris und auf feinem Schloffe Fiſchbach in Schleflen; 
1830 wurde er a Seneralgouverneur der Rheinprovinzgen und 1834 zum 
Gouverneur von Mainz ernannt. Seit dem, 1846 erfolgten, Tode feiner Ge⸗ 
mahlin, der Prinzefiin Maria Anna von Heſſen⸗Homburg, mit der er ſich 1804 
vermählt hatte, lebt er meift zurüdgezogen. — 6) W., Prinz von Preußen, 
zweiter Sohn des verftorbenen Königs Friedrich W. IH. und, da der gegen» 
wärtige König Friedrich W. kinderlos iſt, präfumtiver Thronerbe, geb. 1797, 
erhielt eine ausgezeichnete Erziehung und Bildung, trat früh in Militärdienfte, 
wohnte den Yeldzügen von 1813 und 14 bei und iſt jetzt &eneral der Infanterie 
und Gommandeur ded Gardecorps, fowie in feiner Figeniipaft als Thronfolger 
Statthalter von Pommern; audy bekleidet er die Stelle eines Großneiſters 
fämmtlicher Freimaurgrlogen in Preußen. Er bat eine befonvere Vorliebe für 
das Militär; wie febr edoch auch die Angelegenheiten der Verwaltung, Juſtiz 
und Politik feine Theilnahme in Anfprudy nehmen, bat er namentlidy bei dem 
erften preußifchen zanbiage durch mehre, die klarſte Einficht und wohlwollenpfte 
GSeftnnung bewährende, Reben bewiefen. Gegenwärtig ift er Befehlshaber der in 
der Pfalz und Baden ſtehenden preußlichen Truppenmadt. 1829 vermählte er 
fi mit der Pringeffin Marie Loutfe Augufle von Sadhfens Weimar, die ihm 
zwei Kinder, den Bringen Friedrich W. und die Prinzgeffin Augufle, gebar. — 
7) W., Ludwig Auguft, großheraoglicher Prinz und Marfgraf von Baden, 
zweiter Sohn ded Markgrafen Karl Erledric, aus deſſen zweiter Ehe mit der 
Sräfin von Hochberg, geboren 1792, trat früh in Milttärdienfte und begleitete 
4809 den Marſchall Maſſena als Offizier fe ed Generalſtabes auf dem Feldzuge 
in DOefterreih. Nach dem Frieden von Wien wurde er Generalmajor und bes 
febligte 1812 mit uögetchmung die badiſche Brigade beim 9. Armeecorps 
(Maͤrſchall Victor) und wurde bei feiner Rüdfehr Generallteutenant. Während 
des Feldzug von 1813 befehligte er wieder das badiſche Kontingent und coms 
mandirte während der Leipziger Schlacht in Leipzig felbft, wo er am 19. Dttober 
fi) den Alliirten ergab. 1814 leitete W. die Blokaden von Straßburg, Landau, 
Pfalzburg, Bitſch 2c. und auf dem Wiener Gongreß die Angelegenheiten Badens. 
1815 befehligte er vor Schlettfant und NeusBreifach, dann vor Hüningen und, 
als 1818 die Intereſſen des bapifchen Haufes gefährdet wurden, reiöte er zwei⸗ 
mal nach Peteröburg u. wußte den Kaiſer Alexander fo für Baden zu gewinnen. 
Dann lebte er als General der Infanterte u. Praͤſident des landwirthſchaftlichen 
Vereins, von den Befchäften zurüdgezogen. Seit 1830 iR er mit Eliſabeth, einer 
Tochter ded Herzogs Ludwig von Württemberg, vermäßlt. 

Wilpelmsbad, eine halbe Stunde von Hanau, mit fchönen Parkanlagen, iſt 
mehr durch diefe und als Unterhaltungeplag der Frankfurter u Sr ns 


854 Silkie — Wille. 


die Gerichte ausſprachen und er die Regierung durch gerichtliche Verfolgungen 
büßen ließ. Beim Wiederabdrucke der anftlößigen Rummer ging die Regierung 
gefegmäßiger zu Werke und W. flüchtete nady Frankreich. Er ward deßhalb aus 
dem Parlamente geftoßen, bald darauf wegen eines obfcönen Gedichts geächtet, 
Unter einem neuen Mintfterium erlangte er zwar den Widerruf der Aechtung, 
ward aber zu Gefängniß auf 21 Monate verurtheilt und, als er in Folge der 
dadurdy entftandenen Unruhen ein Pamphlet fchrieb, abermald aus dem las 
ment geftoßen. Dafür ward er Aldermann und, noch populärer geworben durch 
feinen Widerſtand gegen eine Illegale Mafregel des Parlamente, 1772 Sheriff, 
1774 Mayor. In demfelben Jahre faß er wieder im Parlament, fprady gegen 
die Maßregeln, weldye zum Kriege mit Amerika führten und erhielt 1779 die ein 
trägliche Stelle eined Kämmerers in London, 17#2 die Tilgung der Parlamente; 
befplüffe gegen ibn. Er farb 1797, faſt vergeſſen, dennody hat er der conftitu 
ttonellen Sache Englands gute Dienfte aeleiftet. Briefe an feine Tochter erſchie⸗ 
nen, 4 Bde. 1804; andere, 5 Bde., 1805. 

Wiltie, David, geboren 1785 zu Cults in Schottland, englifcher Genre 
maler, kam 1805 nach Zondon, wo er bald die Gunft des Publikums und Klarkeit 
über feinen Beruf gemann. Geit 1811 war er Mitglied der Akademie u. fchottifcher 
Hofmaler, ſeit 1830 an Lawrence's Stelle erfier Hofmaler des Könige. 1825 
reidte er nach Rom und lernte bier die Meifterwerfe der ſpaniſchen Echule tens 
nen, die ihn zu einer Reife nach Epanten bewogen. Dort malte er mehre Sce⸗ 
nen aus dem Kriege 1808—14. Seine Bilder zeichnen ſich durch Lebendigkeit der 
Darftellung, Geift u. Witz aus. Die erſten, durdy die er Ruf gewann, find „bie 
Kannegießer” u. „der Dorfmufifant“, 1806 u. 1807; „das Dorffeft*, 1811 u.a. m. 
Ein ganz ausgezeichnetes Gemälde von ihm, die Teftsmentseröffnung, befindet 
fe in der Galerie zu München. In der Galerie des Herzogs von Wellington 
ft von ihm vie Nachricht des Sieges von Waterloo. Zulegt machte er eine Reiſe 
nad) dem Orient, um dort Anfichten zu zeichnen und flarb auf der Rückkehr auf 
einem Schiffe 1841; zu London iſt Ihm beim Eintritte in die Rationalgalerte eine 
Marmorftatue errichtet. 

Wilkins, Sir Charles, geboren 1750 in Somerfetfhtre, trat 1770 in 
Bengalen in Eivildienfte der oftindiichen Sompagnie. Er fludirte, unter ven Euros 
päern zueift, Sanskrit und eignete fidy diefe Sprache vorzüglih an. Er übers 
ſetzte das Bhagavan Gita in's Engliſche, welches die Compagnie 1785 auf Ei 
Koften drucken und vertheilen ließ; es machte ungeheueres Auffehen in der gelehr⸗ 
ten Welt. Er fchnitt und goß eigenhändig bengalifche und perftiche Schriften, 
womit nun Brammatifen, Briefe u. dgl. gedrudt wurden. Warren Hafinge war 
ſein Freund u. Beſchützer. 1786 kehrte er nach Europa zurück, wohnte in Bath 
und gab bier feine Ueberſetzung der Hitopateſas heraus; 1800 wurde er Biblios 
thefar der Manuferiptenfammlung, die durdy die Eroberung von Seringapatam in 
brittiche Hände gelommen war; 1808 gab er eine Sanskritgrammank für das 
oſtindiſche Collegium in Haileyburg heraus, dann Richardſon's perfifches u. aras 
biſches Wörterbudy in einer neuen vermehrten Auflage, trat auch feine bereits bes 
gonnene Ueberfegung der Geſetze des Menes an W. Jones ab, weldye diefer voll 
endete. Er flarb 1835. 

Wille ift die Fähigkeit des Menſchen, fich für oder gegen Etwas zu beſtim⸗ 
men. Kant defintt ven W.n al& das Bermögen, fich Zwecke zu fegen u. für bie 
Streichung derfelben hauß zu ſeyn. Hieraus erhellt, daß der W. im engeſten 
Zuſammenhange mit der Ueberlegung ſteht und daß der höhere oder geringere 
Grad der Ausbildung des Grfenntnigvermögend, bauptfäcdhlicy in fittlicher Hins 
fit, auf ven W.n von entfchiedenem Einfluß iſt. Der W. ift eine durchaus in- 
nere, geiftige Thärigfeit, demnach an und für ſich ſchrankenlos. Weil aber eben 
ein vernünftiged Wollen nicht ohne Urbertegung gedacht werben Tann, fo wird 
der W. nur auf ſolche Gegenftände fidh richten, deren Erlangung nicht abfolut 
unmdglidp, nicht aufjerhalb des Gebietes der menfchlichen Kräfte Iegt. Je 


Sille — Willibrord. 855 


Mair aber die Erkenntniß wird, je deutlicher und überzeugender bie fittlichen 
deen ſich ausprägen, deſto weniger läuft der W. Gefahr, auch in relative Uns 
möglichkeiten fich zu verirren; befto reiner, vollfommener geflalte fih derſelbe u. 
um fo leichter beherrfcht er die oft zum Begentbeile stehenden natürlichen Triebe. 
Wille, Joh. Georg, In technifcher Hinficht einer der vollendetften u. größ- 
ten Kupferftedyer, geboren 1717 auf einer Mühle bei Gießen, lernte als Büchfen- 
macher und dann ald Uhrmacher, ing 1736 mit G. F. Schmidt nach Paris u. 
widmete fi} nun ganz ber Kupferficcher nft. Seine Arbeiten wurden bald gefchägt 
und er unternahm, von Rigaud aufgemuntert, den Stich größerer Blätter, na⸗ 
mentlich nach nieberländifchen Genrebildern von Mieris, Dow, Netfcher, Terburg, 
bie er in bewunderungswürbiger Schönheit wiederzugeben wußte und erwarb hie 
durch, fowie durch Porträts, fi hohen Ruhm und anfehnliches Vermögen, das 
er jedoch in der Revolution wieder verlor. Er flarb als Ritter der Ehrentegion 
und Mitglied des Inſtituts der Wiffenfchaften und Künfte 1806 zu Paris. Seine 
vorzüglichften Schüler waren Joh. Botth. von Müller und Schmuzer. 

Nemd, Johann Kranz, der Bater der neuern Mämichen Literatur, 
ward am 11. Maͤrz 1793 zu Bouchoute bei Antwerpen geboren. Nachdem er in 
Lier feine Vorbereitungoſtudien vollendet, ging er nach Antwerpen, wo er lange 
als Rotarfchreiber arbeitete, nebſtbei aber in der Dichtkunſt ſich auszubilden 
ſtrebte. Sein Eifer blieb nicht unbelohnt, denn als im Jahre 1812 die uralte 
Geſellſchaft der „Fonteiniſten“ in Gent cinen Preisfampf in der Dichtfunft aus⸗ 
ſchrieb, war es der neunzehnjährige W., welcher durch ein Gedicht in flämifcher 
Sprache den Lorbeer davontrug. Sechs Jahre darauf finden wir thn bereits an 
der Spitze der Itterarifchen Befirebungen feiner Landsleute und als Verfafler einer 
gründlichen Abhandlung über die niederländifche Sprache und Literatur. Bald 
verbeflerte fih auch die Außere Lage W.s, denn feine Berbienfte anerfennend hatte 
man ibn zum Archivar der Stadt Antwerpen ernannt und fpäter wurde er auch 
siner der Direktoren der Akademie der bildenden Künſte. Er ließ nun bis 1828 
:ine Reihe von Schriften erfcheinen, welche die vaterländifche Sprache, Kunft u. 
Geſchichte zum Gegenftande hatten und zeigte fi in allen dieſen Abhandlungen 
118 Achten treuen Niederdeutſchen. Tief und ſchmerzlich empfand er die hars 
en Worte, welche die damalige Oppoßtion gegen das Flämiſche Außerte; die Un⸗ 
zerechtigkeit derfelben drüdte ibn fchwer, er erhob ſich und ließ is Sendfchreiben 
ın den Baron v. Staffart und an van de Weyer ergeben. Die Argumente, vie 
ie enthichen, waren zu fchlagend, der Styl zu fdharf und beißend, als daß man 
:8 ihm fo bald hätte verzeihen können, diefe Briefe gefchrieben zu haben. Kaum 
war daher im Jahre 1830. die Oppofition an’d Ruder gefommen, fo ſah ſich W. 
ijeiner Stellung in Antwerpen entfebt und nach der Fleinen Stadt Eccloo verbannt. 
Der Muth unferd Mannes war dadurch nicht gebrochen und er benüßte feine 
ebige Muße, um fi) ganz und gar der alten flämiichen Literatur zu widmen. 
Sr überfegte den Reineke Fuchs in das heutige Zlämifche und begleitete das Buch 
mit einem begeifterten Aufrufe an feine Landsleute, welcher das Signal der fläms 
iſchen Bewegung war, die nun begann und feltdem mit mächtigen Schritten ihren 
Weg verfolgt. Auf Verwenden feiner Freunde wurde W. 1835 als Steuerein- 
nehmer nad) Gent verſetzt und faft gleichzeitig erfolgte feine Ernennung zum Mits 
liede der Brüffeler Akademie. Das nächte Lahr egrändete er fein „Belgifches 

ufeum“ und gab die Reimchronif des Ian van Heelu über die Schlacht von 
Möringen heraus. Drei Jahre fpäter ließ er die „„Brabandsche Yeesten‘“ ober 
die Reimchronif Brabant von Ian de Klerk erfcheinen. Seine letzte Arbeit war 
ine Sammlung alter flämifcher Lieder. 1846, mitten in feinem Kampfe für Er⸗ 
—F des flamländiſchen Geiſtes dem franzöftichen gegenüber, raffte ihn ploͤtzlich 
:in Schlagfluß dahin. mD. 
Willibrord, der Heilige, erſter Biſchof von Utrecht, wurde 658 in dem 
Königreiche Northumberland geboren u. hatte noch nicht ſiebentes Jahr er⸗ 
reicht, als er In dem Kloſter Rippon dem Heiligen Wiltrirtn, Shher uiitiuen, 


856 Willibrord. 


übergeben wurde, um unter deſſen Leitung in allem Guten heranzuwachſen. Erin 
Bater Wilgis führte in der Welt einen gottfeligen Wandel, den er fpäter in 
einem Klofter und dann {m gänzlicher Abgefchievenheit noch vervollfommnet, 
W., frühzeitig gersöhnt, das — des Herrn zu tragen, fand es in der Folge 
immer füß und leicht und, um bie Früchte feiner Erziehung deſto befier au te 
wahren, ließ er fi als Züngling unter die fromme Gemeinde im Kloftn 
Nippon aufnehmen. Seine Fortfehritte In der Tugend u. In den — haften 
waren gleich ausgezeichnet. In feinem zwanzigften Jahre erhielt er die Grlaub: 
niß, nad) Irland zu gehen, wo er fich noch mehr auf dem Wege der Gotifelig 
feit zu vervollfommnen hoffte. In Innigfter Verbindung mit dem heiligen Gy 
bert und dem gottfeligen Wigbert, verlebte er zwölf Jahre In biefem Lane. 
Seiner ſchwaͤchlichen Belbesefche ienheit. ungeachtet, übertraf er dennoch fein 
Gefährten an glühendem Eifer treuer Acht ung. Der heilige Eohert 
hegte fchon feit Minaprer Zeit den Wunſch, den Heiden und befonders ben ab 
gerten Briefen das Evangelium zu predigen; allein man bewog ihn, Dielen 
orhaben zu entfagen und die zwifchen Irland und Schottland liegenden Inich 
zu feinem Wirfungsfreife zu wählen. && gelang ihm, bafelbft vie Ofterfeler u 
berichtigen und die Gottjeligfeit neu zu beleben, — Während Egbert fo zur Br: 
Berelihung Gottes —J den Inſeln arbeitete, verlündigte Wigberi das Evangellus 

Frleoland. Doch kehrte er nach zweijährigen, beinahe erfolglofen, An 
ungen wieder zurüd. Egbert und denen fonft diefes große Befehrungsmwerf au 
erzen Sag, verloren indeffen den Muth nicht; fie cm vielmehr mit nen 
mbachtögluth zu Gott, um die Belehrung fo vieler in der Finſterniß dem Ler- 
derben preißgegebenen Seelen. W., joeben zum Priefter geweiht und 30 Zah: 
alt, äufferte ein großes Verlangen, nach Friedland zu ſchiffen und begehrte bien 
die Erlaubniß von feinen Oberen. Ggbert, feines Freundes Gottfeligfeit, Cie 
und Fähigfeit kennend, willigte freudevoll in deſſen Begehren. Der bl. Swid⸗ 
bert und zehn andere englifche Ordensmänner fchloffen fi dem heiligen ®. 
an. — Der heilige Eligius, Biſchof von Noyon und der heilige Wilfrier 
hatten einige Zeit vorher im einem Theile Srieslands den Namen Jefu gepredigt; 
allein dieſe erften Berfuche brachten wenige Früchte hervor, fo, daß der wahre 
Gott beinahe noch gänzlich unbekannt unter den Friefen war, als der heil. ©. 
690 und 691 unter ihnen als Lehrer auftrat. Unfere Glaubensboten, zwölf an 
der Zahl, begaben ſich nach ihrer Landung nach Utrecht, wo fie von Pipin 
dem Diden, Hausmajor des fränfifchen Reiches, huldvoll aufgenommen wur: 
den. W. glaubte aber, zuerft eine Reife nad) Rom machen zu müffen, um, mit dem 
apoftolifchen Segen und einer geeigneten Vollmacht ausgerüftet, den heidniſchen 
Völkern das Evangelium prebigen zu Fönnen. Der Statthalter Chrifti, defen 
Eifer und Heiligkeit fennend, ertheilte ihm umfafiende Vollmachten und gab ihm 
Reliquien mit gu Ginweihung allenfalls zu erbauender Kirchen. — Nach feiner 
Rüdfehr von Rom verfündigten W. und die anderen Glaubensboten mit dem 
lüdlichften Erfolge das Evangelium in dem von den Franken eroberten Theile 

teslande, In einem Zeitraume von ſechs Jahren war die Zahl der Chriften 
10 beträchtlich, daß Piptn, mit zuftonmung der anderen Bifchöfe, den heil. ®. 
mit Gmpfehtimgsfchreiben nad Rom fandte und den Papft dringend bat, ihn 
zur bifchöflichen Würde zu erheben. Umſonſt ſuchte der Heilige, einem andern 
diefes Amt zuzumenden; man nahm auf feine Berfeflung feine Rüdficht. Der 
Papft empfing ihn fehr ehrenvol, änderte feinen Namen in Elemens um und 
weihte ihn in der St. Peterslkirche zum Ergbifchofe der Frieſen. Er ertheilte 
{hm auch das Pallium, mit der Vollmacht, feinen bifnöflichen Sitz an dem ihm 
tauglich) jHeinenden Otte des Landes zu errichten. Der Heilige Fam, nach 40: 
Fi igem Aufenthalte in Rom, wieder nach Friesland zurüd, wählte Utrecht zu 
feinem bifchöflihen Sige, erbaute dafelbft die Kirche des Erlöfers und beflimmte 
fie zu feiner Kathebrale. Eben fo ſtellte er die zum Heiligen Martin wieder 
her, welche beinahe gänzlidy von den Heiden — worden war u, dieſe Kirche 


. u Bu Fe Ge . . 


Billibrord. 857 


wurde in der Folge zur erzbifchöflicden erhoben. — Die bifchöfliche Salbun 
fchien dem Eifer .8 höhere Kraft und Zangten verliehen haben. Zwe 
Jahre nach ſeiner Weihe ward er durch die Freigebigkeit Pipin's und der gott⸗ 
feligen Aebtiſſin Irmina in den Stand geſetzt, die Abtei Echternach (ſ. d.) in 
dem Bisthume Trier zu fliften, weldher er bie zu feinem Tode vorſtand. Pipin 
von Heriftal hegte gegen Frieslands Apoftel eine große Verehrung. Bor feinem 
Tode entließ er feine Betfchläferin Alpais, mit der er Karl Martel erzeugt hatte 
und verfühnte fi mit feiner Gemahlin Plektrudid. In feinem Teftamente, das 
er mit diefer unterzeichnete, empfahl er dem Heiligen W. feine Reffen, ohne von 
feinem natürlichen We Karl Martel, Erwähnung zu thun. Zu gleicher Zeit 
beftimmte er eine anfehnliche Schenkung zur Ehre Gottes. Karl Martel, nach⸗ 
heriger Haudmeier, machte ebenfalls mehre Schenkungen an verfchievene, von 
dem heil gen Erzbifchofe gefliftete Kirchen. Bel allen Einrichtungen und An- 
ftalten, die W., durch diefe Freigebigkeiten unterflüßt, treffen Eonnte, bezweckte er 
nichts Anderes, als, dad Werk des Herın ‚zu befeftigen und für die Zukunft zu 
fichern. — Nicht zufrieden, daß er den Glauben In dem durdy die Franken er: 
oberten Theile Frieslands verbreitet hatte, drang er auch in die dem Könige 
Radbot unterworfenen Länder. Diefer blieb zwar immer hartnädig dem Hei: 
denthume zugetban, doch wehrte er dem Heiligen nicht, feine Unterthanen zu 
unterrichten; zuwellen fam er fogar felbft, ihn zu hören. Der heilige Olaubens- 
bote zog auf feiner apoftolifchen Reife auch nady Dänemarf; allein Ongent, 
der Fürft diefed Landes, war ein böfer und graufamer Wann und fein einfluß- 
reiches Beiſpiel feute der Belehrung feiner Untergebenen ein beinahe unbefieg⸗ 
bares Hinderniß entgegen. Der Heilige begnügte fi) daher, 30 Kinder des 
Landes zu kaufen, die er nach ertheiltem Unterrichte taufte und mit I nahm. 
— Auf feiner Rückkehr ward er von einem Sturme auf die Infel Hoflteland, 
jett Ameland, an der norbifchen Küfte von Friesland, verfchlagen. Bei den Dänen 
und Frieſen ſtand diefe Inſel in befonderer Verehrung, denn fie war ihrem %oflt 
eweiht. Sie würden Jeden für einen Böfewicdht und Gottesfchänder gehalten 
aben, der ed gewagt hätte, eined der da lebenden Thiere zu tödten, von den 
Erzeugnifien ded Bodens zu effen, oder zu reden beim Waflerfchöpfen aus einer 
dort befindlichen Duelle. Der Heilige, über dieſe Verbiendung tief betrübt, wollte 
die Abgötterer von einem fo rohen Aberglaube zur beffern Erkenntniß führen. 
Er ließ demnady einige Thiere tödten, die er mit feinen Gefährten fpeidte und 
taufte drei Kinder in der Quelle, unter lautem Herfagen der von der Kirche 
vorgefchriebenen Worte. Die Heiden erwarteten, er werde dieß mit dem Tode 
büffen müflen; allein, da fle fahen, daß ihm nichts Leides gefchah, wußten fle 
nicht, ob fie es der Geduld, oder der Unmacht ihrer Götter zufchreiben follten. 
Rad bot gerieth in Wuth, als er den Vorfall vernahm. Er befahl, drei Tage 
nach einander und jeden Tag dreimal zu lofen, in der Abſicht, den von dem 
Loofe Bezetchneten tödten zu laffen. Gott aber hu e8 fo, daß niemald das 
2008 auf W. flel; doch wurde einer feiner Gefährten dem Aberglauben geopfert 
und flarb ald Martyrer Chriſti. Bon Koflteland aus begab fidy der Heilige auf 
eine der vorzüglichften, von Seeland abhängigen Infeln, Walcheren genannt, wo 
er viele Einwohner befehrte und mehre Then errichtete. Als im J. 719 ver 
Sriefenköntg Radbot mit Tod abging, wurde dem Evangelium der Eingang u. 
die Aufnahme in deffen Lande zur großen Freude des heiligen Erzbifchofs ge⸗ 
währt. Im folgenden Jahre | oß fih Bonifaztius dem Heiligen rzbiſchofe 
an und drachte drei Jahre bet ihm zu, bevor er feine Reife nach Deutſchland 
antrat. W.s Aeuſſeres war, nach Alcuin, angenehm und würbevoll, wobel 
er fanft und allzeit aufgeheitert im Umgange, weite in Ertheilung feines Rathes, 
unermüdlich in den apoftolifchen — 5 — ſich erwies und zugleich bes 
dacht war, feine Seele zu nähren und zu flärfen durdy dad Gebet, den Pſalm⸗ 
ms und durch Wachen und Faſten. Der heilige Erzbiſchof und feine Ge⸗ 
ßF rten zerſtörten durch ihre Predigten, Thränen und Gebete den Etui In 


858° 4 Willis — Wilmfen, 


dem größten Theile von Seeland und Holland und in allen Drten ber Nic: 
lande, wohin ver heilige Amand und ver heilige Livin nit gefommen warn. 
Die Frieſen, bis dahin ein rohes Volk, nahmen nach u. nach mildere Sitten an 
u. wurben fowohl durch ihre Tugenden, als die unter ihnen aufbfühenden Künfe 
und Wiffenfchaften berühmt, Der heilige Wulfran, Erzbifchof von Sense und 
andere evangelifche Arbeiter, erflaunt über bie fo aufierorbentliche Berbreitng 
des heiligen Glaubens, baten ben Heil, W., fie ald en feiner apoftolifchen 
Arbeiten aufzunehmen. Ic m iger wählte mit vieler Sorgfalt diejenigen 
aus, welche er zu den Weihen ließ; denn er befürchtete, unmürdige Diener det 
Altars möchten alles Gute wieder jeiflören, das die — Barmberzigfeit jum 
‚Helle der Seelen gewirkt hatte. Eben fo forgfältig prüfte er auch die Geſinnungen 
der Täuflinge, damit die hochheiligen Geheimnifje feiner eng an er 
würden. Und, um bie Unmwiffenheit gänzlich zu verbannen und die Ausbreitung 
des Evangeliums durch Aufhellung der Geifter und Milverung ver Sitten zu 
erleichtern, errichtete er zu Utrecht Schulen, die fehr berühmt wurden. Da ®. 
ein fehr Hohes Alter erreichte, nahm er fich einen Gehülfen, den er zum Bifchofe 
weihte, um ihm die Leitung des Bisthums In übertragen und ſich dann in ber 
Einfamkeit ungeftört zur Reife in die Ewigkeit vorbereiten zu Fönnen, Sein To 
faͤllt, nach der wahrfcheinlichften Meinung, in das Jahr 738. Seinem Verlangen 
gemäß, wurde er in dem Klofter Echternach begraben, tvo man feine Gebeine in 
einem Sarge aufbewahrt, Jahrestag: 7. November. 

Bilis (Thomas), ein berühmter englifcher Arzt, zu Great + Bedwin In 
Wiltihire 1622 geboren, fiudirte zu Oxford, wo er 1660 zum Profeſſor der 
Re ernannt wurde, Nachdem er auch Mitglied der Dee Afademie 
der Wiffenfchaften geworden war, ließ er fi) in London als praftifcher Arzt nie 
der, wo er bald in go ien Ruf Fam und ftarb im 54, ahre, am 11. Nov. 
1675, wie man fagt, iölge des Kummers und der Aergerniffe, die ihm feine 
Neiver und Feinde zugezogen Hatten, MW. war ein eifriger Anhänger des chemia⸗ 
trifchen Eyftems, als welcher er ſchwerlich verdienen möchte, im Andenken der 
Nachwelt fortzuleben, wenn er ſich nicht durch eine vortreffliche Schrift: „Cere- 
bri anatome et nervorum descriptio,“ Lond. 1664 und öfter, ausgezeichnet hätte, 
in der er dem vernachläffigfien Theile der Anatomie, dem Hirn⸗ und Rerven⸗ 
feme eine vorzügliche, durch mehre neue Entdedungen belohnte, Sorgfalt ge: 
widmet hat. Bon ine übrigen Schriften erwähnen wir : „De anima brutorum“, 
Orford 1672; „Pathologia cerebri* ebenvaf. 1677; „De fermentatione, de fe- 
ae ei & urinis“, London 1660; feine „Opera“ erfyienen zu London 1679 

ol. und öfter. 

Willkur (gufammengefept aus Wille und Füren, foviel als wählen) bezeichnet 

eigentlich) die Handlungsweiſe, weldye, anftatt der Gründe, mur den durch irgend 
einen Trieb erregten Willen zum Motive hat. In_pfychologifcher Hinficht vers 
ſteht man darunter die Spontaneität (f. d.). In urifficher Beztehung fleht 
W. dem an ſich NRothivendigen entgegen und beveutet daher fo viel als das Pos 
fitive, durch menſchliche Sahungen Beftimmte. Demnach iſt W. entweder fontel 
als Statut (f. d.), oder in der Rechtöpraris die, nach eigenem Ermeſſen des 
Richters bei unbeftimmten Fällen gegebene Entſcheidung. 
: Billmauſtrand, Stadt im ruffifchen Gouvernement iburg, am Se 
Lapweſey und am Fluſſe Wora, welcher in einer Entfernung von 27 Werften, 
bei Intatra, einen ſchoͤnen, zwar nicht hohen, aber 12 Klafter breiten Waſſer⸗ 
fall in einer Felfenenge bildet, Die Einwohner, 2000 an der Zahl, treiben beträcht- 
lichen Landhandel. 

Wilmfen (Friedrich Wilhelm), ein verbienter Volls⸗ und Jugend» 
fhrififteller, geboren 1770 zu Magdeburg, flubirte zu Frankfurt am ber Dder 
und zu Halle Theologle und Pädagogik, wurde Prediger zu Berlin, Inſpeltot 
mehrere Schulanftalten, Director des Louifenftift u. |. w. und flarb 1831. 
W. wußte feinen Stoff für die Tugend wicht nur qut au wählen, fondern auch 


I .IId. HM 


Bilna — Wilſon. 859 


Har und anfprechend zu verarbeiten. Seiner Echriften find fehr viele, barunter 
die wichtigften: „der deutfche Kinderfreund“ (4 Thle.) fett 1802 fehr oft aufge: 
legt; „Lebrbuch der Geographie" (2 Thle. 1794 u. 95); „die Erde und ihre 
Bewohner“ (3 Thle. 1812 — 15); „Herſtliens Lebensmorgen“ (1816); „Hand⸗ 
buch rer Naturgefchichte” (3 Thle. 1821); „Euphroſyne“ (1819); „Eugenia“ 
(1819); „Theodore* (1824); „Benigna“ (1827); „Miranda“ (1828); „Cuſebia“ 
(1828) u. m. a. vgl. Fr. Hefefiel „Erinnerungen an W.“ (1833). 

Wilna, 1) ein Gouvernement im weſtlichen Rußland von 770 [IM., gränzt 
an die Gouvernsmentd Kurland, Minsk und Grodno, dann an die Oſtſee und 
pie preußifche Provinz Oſtpreußen, von der es durch den Riemen getrennt wird, 
Die Bewohner, 865,000 an der Zahl, beftehen aus Letten, Polen, Griechen, 
Juden, Deutfchen, Ziaeunern und anderen Fremdlingen. Diefed Gouvernement, 
welches früher einen Theil des Großherzogthums Lirthauen, der 1794 an Rußs 
land fam, bildete, {ft meift flaches, im Ganzen fehr fruchtbares Land, mit ans 
fehnlicher Viehzucht und Jagd, fowie Fiſchfang. Aus Mangel an Fabriken blüht 
nur der Handel mit Landesderzeugntiien. Im politifcher Beziehung iſt dad Gou⸗ 
vernement in 11 Kreife getheilt. — 2) W., die Sauptfabt des Gouvernements und 
ehemalige Haupiſtadt des Großherzogthums Lirchauen, an der Mündung ber 
Belita in die ſchiffbare Welta, Legt auf mehren Hügeln, ift alterıhünlidy und 
anfehnlich gen und hat mit den zwei großen Vorſtädten, Antofolla und Rus 
daifchfa, 54000 Einwohner, 30 Tatholifche, 3 gricchliche, 1 Iutherifche u. 1 refor⸗ 
mirte Kirche, mehre Kiöfler, 1 Mofchee für die Tataren und 1 Synagoge, 
Reben dem Schloſſe befindet fich die prächtige Schloßfiche mit der Kapelle unb 
dem Begräbnifie des heiligen Caſimir, deſſen fliberner Earg 30 Zentner wiegen 
fol. Die Stadt iſt Sie eines griedhifchen Metropoliten und eines fatholtichen 
Biſchofes, eines katholiſchen u. proteftantifcdyen Eonfiftortums, einer römifch : fa- 
tholtichen theologiſchen Akademie, einer Sternwarte, eines griechtfchen theologis 
fen Seminariumd, einer Ritterafademie, eines Biariften @ollegiums, einer 
philanthropiſchen beuſchoſt— einer Lehranſtalt für Schiffer, einer mediziniſch⸗ 
chirurgiſchen Akademie. Die im Jahre 1576 bier geftiftete Univerfität wurde 
1832 aufgehoben. Ginzug der Franzofen 1812 und Organiſation des litthaui⸗ 
fchen Aufkandee von bieraud. In der polniſchen Inſurrektion von 1830 u. 31 
war W. der Schauplag bedeutender Verichwörungen, die aber von der rufftfchen 
Regierung unterbrüdt wurden. Die Infurgenten unter Gielgud drangen bi6 in 
die Gegend von W. vor, wurden aber dort gefchlagen. 

Wilſon, 1) Str Robert Thomas, ein ausgezeichneter britifcher Offizier, 
geboren zu London 1777, war der Sohn eined Malers, trat früh in britiſche 
Kriegsdienſte und zeichnete ſich im Feldzuge von 1794 in Flandern aus, indem 
er am 28. April bei Billerd en Couché viel zur Rettung des Kaiſers Franz II. 
beitrug, der in Gefahr Fam, gefangen zu werden. 1799 diente er unter York 
in Holland und folgte dann, ald Major, dem General Abercrombie nad) Ae⸗ 
gypten, ging na roftlien, nahm an der Eroberung des Caps Theil und bes 

leitete 1806 den General Hutchinfon zu dem Kaiſer Aleranver. 1808 bildete er 
n Portugal die lufitanifche Legion und während des Feldzuges von 1812 war 
er in Kutuſow's Generalſtab. Hierauf war er ald bevollmächtigter General im 
Hauptquartier der Verbündeten (1813) und wyrde dann nad) Snnlien geſchickt. 
Als W. 1815 zu Paris den zum Tode verdammten Lavalette mit Brnce und 
dem Capitän Hutchinfon rettete, wurde er in das Gefaͤngniß La Force gebracht 
und zu 3monatlidyem Gefängniß verurtheilt. Der Prinz Regent war mit W. uns 
zufrieden und dieſer wurde dadurch fehr gereizt. In diefer Stimmung fchrieb 
er „Asketch of the military and political power of Russia“ London 1817. W. 
trat nun zu den Reformern über, ging 1818 als Freiwilliger nach DBenezuela, 
fehrte aber bald von dort zurüd, weil er fich mit Bolivar nicht vertragen Eonnte. 
1819 trat er als Parlamentömitglied für Southwark ind Unterhaus, fprady für 
die Königin Karoline und die Reform und wurde and Den Aen er Base 


80 - Wilzen, 


gan. weil er fh um Blutvergießen zu verhindern, in den Tumı 
egräbniß ber Königin gemifcht hatte. Ms 1828 der Krieg awifchen ben 
ofen und Spaniern auebradh, aing er nach Spanien und diente den Corte, 
ach feiner Rüdfchr aus Spamen lebte er in England, bis ihn der 
Wilhelm IV. 1830 wieder in feine Stelle im Heere enfe te, zum General 
nant ernannte u. fein Patent bi8 1825 zurüdbadtrte. Er ftarb 1844. W. 
no): An inquiry into Ihe present state ‚of the mili force of the british 
empire, 2ondon 1804; Account of the campaigns in Poland 1806 and 1807, 
ebd. 1811. — 2) W. Horace Hayman, einer der größten Kenner des Sant 
frit in Europa, ftubirte urſprünglich Medizin, ing 108 als Arzt. der_oftindi, 
(oe Compagnie nach. Ealcutta und widmete FE ort fo eifrig dem Stubin, 
ed Sandkrit, daß er fich bald an die Ausarbeitung feines, für das indiſche 
Sprachſtudium unentbehrlichen, „Sanskrit dictionary“ (Galcutta 1819, 2, Ausg. 
1832) wagen konnte. Darauf warb er 1820 nad Benared gefandt, um die 
bortige indifhe hohe Schule neu zu organifiten und übte hier, fo wie fpätr 
als Sekretär der afiatifchen Gefellihhaft in Galcutta, einen fo großen Einfluß auf 
die Wiederbelebung der geifligen Beftrebungen in Indien, daß nicht nur, von ihm 
angeregt, in Galcutta eine Gefelichaft von Braminen zur Förderung der Kennt: 
niß der inbifchen Sprache und Riteratur zufammentrat, fondern auch Neigung 
der Indier zum Studium des Englifchen erwedt warb. ig wendete aber 
DW, feine Aufmerkfamfeit auf die noch unbekannten Schäge der Indifchen Literatur 
und feinem Gifer verdankt das Abendland die Herausgabe bed „lege ‚duta“, 
von Kalidafa (Ealcutta 1813) und des „Hindu theatre“ (Ealcutta 1826 — 1827, 
3 Bde., 2. Ausg. London 1835); Ueberfehung von 6. indiſchen Dramen, Analsie 
von 23 anderen und gründliche Unterjuchung über das Drama der — 
wie eine Anzahl ausgezeichneier I über indiſche Berhältnifje 
den Acten ber afiatifchen Geſellſchaft In Ealcutta. Seit 1833 iſt er zofefjer det 
Sanskrit in Oxford und Aufſeher des indiſchen Muſeums daſelbſt. jeitere 
Werke von W. aus neuerer Zeit find: Ueberfegung des „Vishnu-Puräna® (2onden 
1840, 4.) und des „Sankhya-Kärika“ (London 1838); die Grammatik der 
Sanslritſprache (2. Aufl., London 1847) und die Sammlung indifcher Novellen 
(„Dasa Kumara carita“ London 1846); befonders wichtig für die Gefchichte des 
Orients find feine Zortfegungen über das indiſch-baktriſche Reich, den äußerſten 
Zweig griechiſcher Kultur nad Often Hin, in dem Werfe „Ariana‘“ (London 
1842, 4. und feine „History of British-India from 1805 to 1835* (2 Bve, 
London 1846). — 3) W., John, geboren 1786 zu Paisley, ein trefflicher Dichter 
und Kritiker. Nachdem er, in manchen jugendlichen Abenteuern bewährt, in 
Glasgow und Orford einen reichen Schap der Gelchrfamfeit, auch poetifchen 
Ruhm erworben, lebte er auf väterlichem Gute wie ein ächter Gentleman, bis 
er eine Profeffur der Moralphilofophie zu Edinburgh erhielt. Won köftlichem 
Humor fprubeln feine geift- und ante jenollen Auffäge in „Blackwood’s Ma- 
gazine“; vernichtende Bitterkeit ergießt er über die Whigs und Radifalen. Eigene 
poetifche Arbeiten von Ihm find unter anderen: „Isle of Palms“, „City of the 
Plague“, „Tales of the Borders.* 

Bil en, ein mächtiger flavifcher Vollsſtamm, zwifchen der Elbe, Ober und 
Dfee, ve Nachbarn der Obotriten, mit denen fle aber in Feindſchaft Iebten. 
Bon letzteren herbeigerufen, beftiegte fie 789 Karl der Große und unterwarf 
fie, mußte aber 810 — 812 aufs Neue heftig mit ihnen kämpfen. Eine Zeit 
lange blieben fie jegt zublg: zu Anfang des 10. Jahrhunderts unterftügten fie 
aber die Magyaren gegen die Deutfchen u. Heinrich I. befam daher einen harten 
Kampf gegen fie; doch brachte er fie um das Jahr 928 zur Anterierfung und 
zur Annahme ded Chriſtenthums. Nichtsdeſtoweniger mußte Dtto II. einen 
neuen Zug gegen fie unternehmen (991) und auch ‚Heinrich II. fämpfte gegen fie; 
doch gewannen jeht das Chriftenthum und bie beutfche Herrſchafi immer mehr 
Eingang und der Rame der W. verſchwindet allınlig. 


& 
z 
F 


Bimpfen — Bindelmann, 861 
Zimpfen, großberanglich ⸗ hefftfche Stadt, am linken Redarufer, zur Pros 


on Starfenburg gehörig, iſt vom Hauptlande völlig getrennt und a 
Mürttemberg und Baden enclavirt. e Stadt, welche 2300 Einwohner zählt, 
war früher Treie Reichoſtadt und kam 1803 durdy Taufch an Heffen. Die früher 


bier befindliche Saline iſt eingegangen, dagegen wurde 1818 durch Bohrverfuche 
ein neues Salzwerk, Lupwigshall, aufgefunden, das jährlidh 150,000 Etr. Salz 
liefert. @efchichtlich merkwürdig iſt W. durch die Schladht vom 6. Mai 1622, 
in welcher fih 400 Pforzheimer Bürger gegen Tilly aufopferten. Auch 1796 
fand ein Treffen zwiſchen den Defterreichern und Franzoſen bier ftatt. ’ 
Windelmann, Johann Joachim, einer der größten Kunflfenner und 
vrchäolngen der neuern Zelt, gro zu Stendal in der Altmark Brandenburg 
den 9. Dez. 1717, war der Sohn eines armen Schuhmachers und zeigte fchon 
frühe große Talente, die Unterſtützung fanden und ihn in den Stand jeöten zu 
ftudieren. Den erften Grund feiner Bildung legte er auf der Schule feiner 
Baterftabt, wo ihn der dortige Rektor bald lieb gewann und zu fich ins Haus 
nahm. Da der Rektor fpäterhin blind ward, fo mußte W. ihn führen, ihm vor- 
lefen und immer um ihn feyn, wodurch, fo wie durch die Aufſicht über die 
Schulbibliothek, fein Geiſt an Bildung und Kenntnifien gewann. Im 18. Jahre 
ing er nach Berlin auf das Coͤllniſche Symnafium und machte von hier eine 
etie nach Hamburg, um Bücher aus der Bibliothef des gelehrten Kabrichus, 
die dort v eigert wurde, zu faufen. Das Geld dazu erbat er fich unterwege 
bet Adeligen, 
fität nach Halle, wo er aber die B 
alte Literatur mehr, ald die Theologie, fludirte. Die Begierde zu reifen, die er 
fhon längft genährt, erwachte jebt aufs Reue; er trat den Weg nach Paris an, 
mußte aber fchon im Elfaß wegen Kriegdumzuhen umfehren, war eine Zeit lange 
Hofmeifter und ging fodann nach Jena, um Medizin zu ſtudieren; allein feine 
drüdende Armuth verhinderte ihn daran und er lernte Bann nur Engliſch und 
Italieniſch. Er ward wieder Hofmelfter und ſtudirte Geſchichte für fi, bis er 
1743 dad Eonreftorat zu Seehaufen in der Altmark erhielt, aber unter fo karger 
Befoldung, daß er ſich in der Stabt Freitifche ausmitteln mußte. Ungeachtet 
fetner tümmerlichen Lage ſetzte er indeſſen mit unverändertem @ifer feine Studien 
fort, bis ihn auf feine Bitte 1748 der Minifter Graf von Bünau zu feinem 
Bibliotheks Sekretär nach Röthentg bei Dresven berief, wo die Nähe Dresdens 
mit feinen reichen Kunſtſchätzen in ihm eine Liebe zur Kunft anregte, die feinen 
Kamen fpäter fo berühmt machte. Durch den päpftlichen Runtius Archinto und 
den Pater Rauch wurde er in den Stand gefebt, feinen lange gehegten Wunfch, 
Stalten zu ne en, auszuführen. Er trat 1754 zur katholiſchen Kirche über, ver⸗ 
ließ die Dienfte ded Grafen Bünau u. reidte 1755 mit einer Töniglichen Penſton 
von 200 Thalern nah Rom ab. Im Brühjahre 1758 befuchte er Neapel und 
Portici und kehrte mit einer reichen Ausbeute von Bemerfungen und Kenntuiffen 
nah Rom zurüd, von wo er, von dem Grafen Stoſch eingelaben um befien 
reihe Gemmenfammlung zu orpnen, fi nach Florenz begab. Der Garbinal 
Albani ernannte ihn 1759 zu feinem Bibliothekar u. 1763 erbhelt er eine Anftellung 
als Oberauffeher aller Aterthbümer in und um Rom, Den 10. April 1768 trat 
er mit dem Bildhauer Cavaceppi eine Reiſe nach Deutfchland an, um feine vielen 
Freunde zu befuchen. Aber, Faum hatte er Deutichlands Gränze betreten, als ihn 
feine Heiterfeit verließ und er fi, in büftere Schwermuth verfunten, nad) Rom 
zurüdjehnte. Sein Begleiter that Alles, ihn aufzuheltern, aber vergebens; in 
Regensburg kehrte er um, ging von da nach Wien, wo er die audgezeichnetefte 
Aufnahıne fand und verließ es, mit Gefchenken und Ehrenbegengumgen überhäuft, 
zu Anfang des Juni 1768, um zurüd nach Italien zu wandern. Unterwegd ges 
jet ch zu ihm ein gewifier Arcangeli, defien Schlauhelt und Heuchelei e8 ges 
ang, das unbefangene und arglofe Gemüth W.s fo einzunehmen, a er ibm 
alle Geheimniſſe entdeckte und feine glänzenden Geſchenke und Koftkartetten winter. 


eamten und @eiRlihen. Er ging im 20. Jahre auf die Univers _ 
bliothefen mehr, als die Hörfale, befuchte, die “ 


- 


862 Bindbüchfen — Winde, 


Diefe reisten bie ‚Habfucht des verrudhten Menfchen und brachten ihn zu dem 
entfeglichen Entfchluß, W. zu ermorden, den er auch am 8. Juni zu Trieſt in 
einem Wirthshauſe ausführte.e W. flarb nach den erhaltenen Dolchſtichen in 
7 Stunden, nadydem er fein Teflament gemacht und den Gardinal Albani zum 
alleinigen Erben eingefeht hatte Ein Hauptzug in W.s Charakter war ſein 
tiefed Gefühl der Freundſchaft und die unauslöſchliche Sehnfucht ihres Genuſſes, 
und diefe Tiefe des Gefühles machte ihn auch tüchtig, mitten in feiner berzlofen 
Zeit die wahre Schönheit zu fchauen, {u erkennen und zu verkünden. Auf bie 
Bildung feiner ſowie der künftigen Zeit bat er entſcheidend gewirkt, die jetige 
Blüthe der Kunft und Wiffenfchaft vorbereitet und Grundſäaͤtze aufgeftellt, die 
neuerding® durch die Tiefe philolophlicher Spekulation wieder gefunden wurden. 
Vorzüglichfte Schrifien: „Gedanken über die Nachahmung der griechtfchen Kunft- 
werfe,” Dresden 1755; „Description des pierres gravees du feu Baron de 
Stosch,“ Florenz 17595 „Geſchichte der Kunſt,“ Drespen 1764, Wien 1776; 
„Monumenti antichi inediti,‘‘ 3 Bde., Rom 1767 u. a.m. Seine meiften Schriften 
gaben Fernow, Mayer und Schulze, 7 Bde, Dresden 1808 — 17 heraus; auch 
ft empfehlenswerth zu W.s Kenntniß Goethe's vortreffliche Schrift: „W. und 
fein Jahrhundert” und Morgenſtern's „Benächtnißrede auf WB.“ 
Bindbüchfen find Schießgewehre, deren treibende Kraft comprimirte Luft if. 
Zu dieſem Zwede befindet fi) am Ende des Laufes ein angefchraubter Fupferner 
Luftbehälter, die Zlafche, mitunter auch im Kolben, in den die nörhige Luftmenge 
mittelft angefchraubter Compreſſionspumpe eingepumpt wird. Je nad) der Stärfe 
der Ladung geht die Kugel weit, doch hat man eine größere Welte, ald mit halb- 
kugelſchwerer Pulverladung, noch nicht erlangen können. Ihr Gebrauch {fl ge: 
Fährtic, namentlih, wenn man große Kraft verlangt, deßhalb find die W. nie 
mals allgemeine Krie ih geworden und nur in Defterreich in Feflungen an- 
gewendet. Auch aus dem ‘Privatgebraudhe find fie durch die Zündhütchengemwehre 
verdrängt worden. 
Winde heißen alle, mehr oder minder gewaltfame, Bewegungen der atmo- 
bärifipen Luft, die nad ihrer verfchledenen Stärke (vom leichten Wehen 
18 zum gewaltigen Sturme und Drfane), nach der Gegend, aus welcher 
fie wehen und nach den befonderen Umfländen, unter denen fie auftreten, ver: 
hiedene Namen erhalten. Die Haupturfache, weldye die W. erzeugt, ift die 
ärme. Würde die Erde ftille flehen und die Atmoſphäre überall gleiche Tem; 
peratun haben, fo müßte jene in einer beftimmten, allein durdy die Schwere und 
ad Verhaͤltniß der Erde gegen die Körper des Sonnenfuftemd bedingten, Welle 
um die Erde ſich lagern und nachher vollig bewegungslos bleiben. Die theil⸗ 
weife Erwärmung ih es, welche die angegebene leihgemichtefellung der At⸗ 
mofphäre flört und hiedurch, fo wie zugleich durch das Streben der Atmofphäre, 
jene Gleichgewichtsſtellung wieder einzunehmen, entftehen W. Wenn nämlich an 
einem Orte über der Erde die Atmofphäre ftärfer erwärmt wird, als an einem an 
dern daneben liegenden, fo dehnt fie fih aus und zwar geht die Richtung dieſet 
Ausdehnung zunächſt nach oben, weil hier der nerinafie Gegendrud vorhanden 
ift und weil die Luft durch das Erwärmen fpezifiich leichter wird. Die benach⸗ 
barte Luft tritt zur Wiederherfielung des Gleichgewichts ſogleich an die Stelle 
der nach oben gegangenen und fo wird eine, aus der Fältern nady der wärmern 
Gegend zuellende, Strömung verurfadt. Man kann fi von der Richtigkeit 
dieſes Vorganges dadurch überzeugen, daß man bet Falter Witterung die oberen 
und unteren Flügel des Fenſters eines geheisten Zimmers öffnet und das Ein⸗ 
und Ausftrömen der Luft beobachtet. Schon das Gefühl zeigt oben einen aus⸗ 
frömenden, warmen, unten einen einftrömenden, Falten Zuftzug an; beutlicher 
wird diefed bemerkbar, wenn man eine Kerzenflamme in die Fenfteröffnung bringt. 
An dem untern Fenfterflügel wird die Lichtflamme hereingetrieben, an dem obern 
wird fie nach auffen geblafen. Die oben angegebenen Erſcheinungen müſſen fid) 
aber auch einftellen, wenn ein Theil der Ntmofphäre flärfer abgekühlt wird, 


"Binde. 3 


als der harte, beun bie U ver Bewegung tft nicht eine beſtimmte 
Temperatur, fondern im Allgemeinen nur eine Temperaturdifferenz. Durch bie 
Störungen ber atmofohärthen Et euft, au an dem einen Orte eine bein rung, 
an dem andern eine derung der Zuftmen ana und hierdurch wir 
bei W.n eine Veraͤnderlichkeit des *5 —— erufen, welche uns das 
Barometer (f d.) anzeigt. e Ihe m aturveränderungen, 
theils in der —— ber Erde au ' Het ie in der Umdrehung 

ve de um ihre Are ih N nat n eine große Menge von 
Temperaturver brmgn — el durch (lektrickt j nd ofale Berhältnifie 
rt die Entſte ber 


bedfn t werden und Beſchaff 

ehr verſchieden. Lola itäten ben überbieß au —* — 
e eine entſcheidenden Einfluß; es if eine bekannte atfadıe, bap Aufl me ge 
fowohl, ald Waſſerſtrome, bar ent Ge — e, ſie nicht zu be⸗ 






jeitigen vermögen, von elenft werden. Bon 
fländigen, ober peri hen oder ** —*— ebung des Glei 
wichts in der Atmoſphaͤre iſt die Dauer der ig und er unterfcheibet 


hiernach: beRändige, periodiſche und verän erliehe w eh e 
—— * zwiſchen den beiden See w ei 8* ben Dehän iu 
en Sn; eine Ente fommt der 
un er welche v ne fi — 
— abın die her atw. (. d.), tele *— d ogen nur auf kan 
—— e in bedeutender ernung vom Lande mit Beſtand wehen. Ihre 
u ir au , nachRehenbe eife el. Die Luft wird —* hei 
in anderen Zonen und über dem Meete am 
| — nm — tn die Höhe und ſtroͤmt * den oberen —2 nen * 
im} end unterhalb von den Polen die Fältere Luft zur Herſtellum 
vs [et han ‚gegen — Aequator Binateht Dadurch Ten, wenn er 
Erde ruhe e, reine Rords und Sudwinde entfichen. Well aber die Polar⸗ 
firöme aus minder rotirenden Bararellen tin immer fchneller rotirende gelangen, 
io bleiben fie etwas zurück und erhalten eine weſiliche Rice tun So Eier 
anf ber nördlichen gr ED fugel eine ſudwefſtliche —5 —* oder 
O.⸗Wind (Nordoftpaffat) und nr —8 — eine nord⸗ 
—* Richtung oder ein S.⸗O.⸗Wind € übo alt at). Zwiſchen beiden 
Baffaten befindet ſich ein Gürtel, in weichem Ben erwärmt wirb 
und mit foldher Lebha —*— 3* "die ai lat — die ol me ihre Macht 
nicht mehr ausüben Fönnen. naone wird die Region der Calmen 
(0. dem franzöfifchen Calmes Hen) genannt. Bon Bontinenten und 
ß en Inſeln werben vie RN auf, halten und verändert, Ihre Gefchwin- 
tgfeit beträgt circa 12 Fuß in einer nde. Das nachſtehende Schema gibt 
einen MWeberbiid über die Ausbehnung der Pafl um und ber Zwifchenzone uf 
dem atlantifchen und großen Devan Inner 2 bet veilengrabe en 


Rorbofipaflat zwiſchen 2 und Be F Br. .23° und —* Br. 
Calm nd 40 N. VBr. 20 R. u. 20 ©, Br. 
Sävokya at IR Per S. Vr. 2° und 21° ©. Br. 
Diefe Graͤnzen rüden etwas weiter nach Rorben, wenn die Sonne norbivärts 
vom Hequator, und weiter gegen Süden, wenn fie fübwärts vom Aequator 





ft uf dem indi den Dean weht nur Per Gübo fat und —— —A 

em 28° und 10° r. gz den in, Sehr gehören 

jon® (von dem malaife (hen Worte Mussin, d ee) * hat g 
der Art wechfeln, daB fie während einer Hälfte des es Immer der näms 

lien Richtung, in der andern Hälfte Dagegen einer, Ka entgegengefebten, Rich⸗ 
ri folgen. Ste wehen von den Oſtküſten Afrika's bis Indien, China, den 

philtppin 


Icen en Inſeln. Bon April bie Oktober weht nördlich vom Wequator der 
ou 


uͤdweſt⸗Mouſſon und von October bis April der Nordweſt⸗Mouſſon, dieſer 





— 


864 Binde, 
minber flark, als jener. Wenn nämlich im Sommerhalbjahre die füblichen Theile 
Altens_ftarf erwärmt werden, ß Fam die fühlere Luft des indiſchen Dans 
nah N, D., d. h,, e8 entfteht ein Süpmwefw,; wenn dagegen fm eg 
das Sand fühler toirb, fo, beginnt ee ©.W.-Etrömung ober, ein Nordofn, 
Südlich vom Aequator bi6"zum 10° ſüdl. Breite herrihen gleichfalls die Mei, 
17 namentlich in den Gewäffern der oftindifchen Imfeln, jedoch vom Mi 
18 October ald ©.-D.- und vom Oktober bis April ale R,-IB.- 2 
find fte großen Unregelmäßtgfelten unterworfen, Auf dem Feftlande bemerkt man 
die regelmäßigen W. nur darum nicht in eben der Art, wie auf Dem Meere, mei 
hier zu viele Umftände die Regelmäßigkeit hindern und den urfprünglichen Cha 
tafter der Luftſtrömungen vertilchen. Die meiften Störungen werben burd die 
Gebirge veranlaßt. Zu den perlobiichen Win gehören auch die Land⸗ m 
Seew.; fie find den Küften der gl Zone elgenthümlich und wegen nicht 
balbjährig, fondern mit dem Eintritte der verfchiedenen Tageszeiten, 7 Seen, 
weht am Taze von der fühlern See augen das erwärmte Land, der Land, in 
der Nacht von dem ” Schneller abfühlenven Lande gegen die See. Bon der 
Seefahrern werden fte ſch w ache W. oder Brifen genannt. Much fm einigem 
De der ‚gemäigten Zone, 3. B. im Mittelmeer, an den franzöfifchen un 
llalleniſchen Küften, a man Spuren biefer W, enfvedt, Die veränderlicen 
oder unregelmäß gen W. gehören in das Gebiet der gemäßigten Zonen; 
fie entftehen größtentheils aus dem Streite des Polarftromes mit dem Weguate 
rialftrome. jefer erlangt jedoch die Oberhand, fo daß auf unferer Cmördlichen) 
aldkugel der Sudweſt das Uebergewicht hat und am meiften und fkärfften weht 
shalb Fann die Herfahrt von Amerifa nah Europa fchneller zurücgelegt wa- 
den, als die Hinfahrt, In der Drehung der W. hat man folgendes Grin 
wahrgenommen ; Hat det W. bei uns längere Zeit aus Norden gemeht, fo gt 
e nat nach Nordweft, fondern nach Nordoſt und durch Oſt, Süd und da 
nach Nord zurüd; auf der füplichen a dagegen Fehrt der Morbwind über 
Wer, Sid und Oft nach feiner erften Richtung zurüd. — Die Befchaffenkeit 
der W. in Bezug auf Beuchtigfeit, Trockenheit, Kälte oder Wärme hängt davon 
ab, von wo die Luftmaffen, welche ſich im W. ergießen, ihren Urfprung ber: 
leiten. Am intereffanteften find die heißen W., die von fandigen Ebenen, 5.8 
von der Wüfte Sahara in Afrifa, fommen, auf denen feine Pflanzen wachien 
und die theilweife feinen, glühend heißen Sand mit fich führen. Treffen fie den 
Körper des Menfchen, fo wird die feuchte Haut deffelben Durch die heiße, troden: 
Luft ſchnell getrodnet, was nicht felten das Berſten der Haut veranlaßt. Die 
Neger reiben, wenn der heiße W. weht, ben Körper mit Bett ein, um das Zur: 
foringen der Haut zu verhüten und die arabiſchen Hirten befchmieren fidh aus 
leihem Grunde mit Schlamm. Zu diefen ſch ädlichen W.n gehören: der 
Samum (fd) oder Samtel, d.h. Giftw., in Arabien; ver Ebamfin (f.d. 
in Aegypten; der Harmattan in Senegambien und Guinea; der So: 
lermo in Spanien und der Sirocco in Stalien. Roc fchänlicher, als die 
heißen W.; iſt die Luft, welche über heiß-feuchten Niederungen entfteht, 3. B. die 
Aria cattiva in Stalien, die ungefunde Luft in Neu-Drleand, Vera - Erus, 
Guyana, Batavla. Es gibt auch W., welche eine fehneivende Kälte mit fich 
bringen, wie 3. B. der Bora (ſ. d.) in Dalmatien, der Miftral an der untern 
Rhone und der Gallejo in Spanien. — Man benennt die W. nach der Ge 
ſchwindigkeit, welche fie in 1 Sekunde ige und nach der Kraft in Pfunden, 
mit welcher a Dmabratfuß v m Bo 0. Bund 
sanfter Wind... . . I . 
Starker Wind . . 9 


Pi 
Sum . .. 5 
Sehr flarker Sturm . 70 ⸗ Mn 
Difan 2.0000. 0 - 
Verwütender Orkan . . . 150 + 





wunun 


Bindfapne — Windham. 865 


Nach Anderen wird die Windſtärke durch folgende Grade ausgebrüdt: O0, fehr 
ſchwacher W., der noch keine Bewegung der Baumblätter hervorbringt; 1, ges 
wöhnlicher W., der eine Bewegung der Blätter hervorbringt; 2, ſtarker W., 
der eine Bewegung der Hefte hervorbringt; 3, fehr ſtarker W., der eine Bes 
wegung der ftärleren Aeſte, Schwanken der W.fahne, Aufwirbeln des Staubes ıc. 
bervorbsingt; 4, Sturm, Saufen und Braufen im Kamine. Drfane, (Tor- 
nados) treten oft ganz unerwartet ein, verändern ploglich ihre Richtung, kom⸗ 
men oft aus mehren Richtungen zugleich und find von heftigen Gewittern begleitet. 
Ste finden fidy nur in den Yequatorialgegenven und find hier auf beſtimmte Näume 
befchränft ; fo uuf den Eleinen Antillen vom Auguſt bis zum Oftober ; auf der Ditfüfte 
von der Infel Madagascar, auf der Infel Mauritius, Bourbon und Rodriguez vom 
Februar bid April; in Senegambien, Stam, im chineſiſchen Meere, wo fie Tei⸗ 
fun genannt werden. Stürme berrfchen häufig auf dem Goifſtrome, der Zwis 
ſchenzone der Buflate u. in ven Gegenden um das ap Horn (Eüdamerifa). Sturm 
frei finp die Pafjar-Regionen auf hoher See im atlantifdyen und großen Dcean. 
Die gewöhnlichen Beobachtungen des Windes befchränfen fich in der Meteoros 
logie (f. d) auf eine Schäßung der Rihtung und Stärke in dem Augen 
bilde der Beobadhtung. Die Stärke des Windes, weldye durch das Anemo⸗ 
fEop cf. d.) eforfcht wird, ift wenig zu theoretiichen Unterfuchungen benügt 
worden; mit großem Erfolge aber bat man die Berhältniffe, die fih auf die 
Richtung beziehen, entwidelt. Die Häuftgfeit der einzainen WB. » Richtungen 
iR eine Unterſuchung von befonderem Intereſſe. — Daß die W. manchen Rutzen ger 
währen, leuchtet wohl auf den erften Augenblid ein, wenn man bebdenft, wie durch 
diefelben die Kälte der nördlichen Gegenden und die Hige der Tropenländer gemil⸗ 
dert werden; wie fie ferner die wäflerigen Dünfte aus den Meereögegenden in's 
innere der Eontinente tragen und fie bier in Geſtalt des Regens oder Rebels 
füllen lafien, wodurch die Vegetation der Pflanzenwelt erhöht wird und Quel⸗ 
len und Ylüffe wieder Speife erhalten. Gar viele Pflanzen werden befiuchtet 
dadurch, daß die WB. den Blüthenftaub entfernter männlicher Pflanzen auf den 
Piftill der weiblichen Pflanzen tragen. Auſſerdem wurde der W. ſchon in den 
älteften Zeiten als bewegende Kraft zu Mufchinen, wie Windmühlen u. dergl. 
benügt. Vergl. Dove, „WReteorologifche Unterſuchungen“ (Berlin 1837). Ueber die 

eographifhen Darftellungen der W.-Berhältniffe, Berghaus phyſikaliſchen Atlas, 

. Ko, Nr. 7 u. 8, 2. Abth., Nr. 5. aM, 

Windfahne, Wetterfahne oder Windzeiger if ein, die Richtung des 
Windes, von dem er in Bewegung geſetzt wird, angebender Apparat. Am ein⸗ 
fachften und am gebräuchlichfien befteht er aus einer, um eine etferne Epindel 
leicht drehbaren, Sahne von Bledy, wie man fie auf hohen Häufern findet. Bis⸗ 
weilen ift am Fuße der Spindel ein eiferned Kreuz, von zwei Eräben gebildet, 
angebracht, auf defien vier Erden, die nady den vier Haupthimmelsgegenden ges 
richtet, die Buchſtaben N, O, S, und W. befefligt find. Diefe W.n find nur bet 
Tage und aufferhalb der Gebäude, auf denen fie fliehen, wahrzunehmm. Wil 
man aber bet Nacht, oder, ohne das Haus zu verlaffen, die Richtungen der W. 
erfahren, fo muß jene Spindel verlängert bis in das Wohnzimmer herabgeführt 
und an ihrem untern Ende ein Zeiger befefligt werden, der faft die Oberflicye 
eines Tiſches berührt, auf welchem eine Winprofe (f. d) fo conftruirt if, daß 
deren Mittelpunkt vertifal unter der verlängerten Spindel der W. liegt. Daß 
der Zeiger eine parallele Richtung mit der Fahne haben muß, verfteht fi wohl 
von ſelbſt; übrigens wird hauptſaͤchlich erfordert, daß der ganze Mechanismus 
eine fanfte, leichte Bewegung habe und folglich nicht fo bald roſte. 

Windham, William, ein ausgezeichneter engltfcher Staatdmann, der Abs 
föümmling einer Familie aus der Grafichaft Norfolk, geboren zu London 1750, 
ftudirte zu Orford, bildete ſich auf Reifen weiter aus, trat 1782 in das Parla⸗ 
ment und leute während des amerifanifchen Krieges die lebhafieſte Erbitterung 
gegen diefen Krieg an ven Tag. Gr fand mit Kor auf der Sehe dk Dyyatiss 

Realencpciopädie. X. AN 


866 Binsifh- Graͤt. 


und befämpfte Pitt's Maßregeln. Allein nach dem Wusbruche der franzoͤſiſchen 
Revolution verließ er mit Burke die Oppofition und war nun eben fo fehr gegen, 
als vorher für diefelbe. Im Juli 1794 trat er als geheimer Staatsrath In’ 
Dein!Rerkum und erhielt das Kriegsdepartement. Man fchrieb ihm 1795 Pie uns 
glüdlicdye Unternehmung von Duiberon zu, weil er das Kommando dieſer Erpe⸗ 
dition, zum Nachtheile des tapfern und unglütlichen Sombreutl, dem unwiſſenden 
Puifaye übertragen hatte. Unter allen Miniftern ſprach W. im Parlamente am 
offenften für die Wiedereinführung des Köntgthums in Sranfreich, verwarf ben 
Frieden und verfolgte beſonders 1799 diefes Syſtem mit der größten Hartmädig- 
fett. Nachdem er 1801 in das Haus der Pairs getreten war, fchien ihn bie 
Annäherung ver Friedensausgleichungen in feiner Oppofttion nur noch zu bes 
ftärfen; er hörte nicht auf, über die ehrfüchtigen Plane der franzöftfchen Regier⸗ 
ung zu fprechen, erhob ſich gegen die Frievenspräliminarien und flellte das, was 
jegt für den Augenblick Freude erwedte, als Urfache künftiger Traner dar. Der 
Abſchluß des Friedens änderte feine Beflnnungen nicht und er fuhr fort, mit der 
ganzen Heftigfeit feines Charakters für den Krieg zu fprechen. Nach Pitt’s Tode 
trat er im Februar 1806 als Chef des Kriegsdepartements in's Minifterium und 
den 4. Junt 1810 farb er, Seine Parlamentöreden wurden von Amyot in 3 
Boen., London 1812, herausgegeben. 

Bindifh-Gräg, ein öRerreichtiches Koelogefäleät, das an Alter u. Glan 
feines Namens feinem in ver ganzen Monarchie nachſteht. Es leitet feinen Ur⸗ 
fprung urkundlich von Wertand, dem zweiten Sohne des Herzogs Ulrich von 

ärnten, ab, der von 1090 bis 1120 ald Herr von Graͤtz im Windifchen oder 
WindifhsGräg erwähnt wird. Im Jahre 1551 wurden Erasmus und Pankta⸗ 
tius von W. von Katfer Ferdinand L in ven Freibermfland, mit dem Praͤ⸗ 
dikate: „ii Walpftein und im Thal,“ erhoben. Im 17. Jahrhunderte erhielten 
die W. die reichögräfliche Würde und Sig und Stimme auf der fchwäbtichen 
Grafenbank, wegen ihrer reichsunmittelbaren Herrfchaften Ealofie und lagen in 
Dberfchwaben (1$ [JM. mit 5000 Einwohnern), weldye 1804 zum Reichsfürften- 
thume erhoben wurden. Auffer den genannten beiiht das Haus mehre Herrfchafs 
ten in Niederöſterreich, Steiermark und Böhmen, mit einem jährlichen reinen Gin- 
fommen von 100,000 fl. &.-M. 

Windifhgräg, Alfred, Fürſt von, k. k. öfterreichifcher Feldmarſchall, 

eboren 1787, trat frühzeitig in die Armee und focht in den deutſchen Be 
Frelungsfriegen mit. Den 16. Juni 1817 vermählte er fi) mit Eleonora Marta, 
eborenen Prinzeſſin von Schwarzenberg, einer Tochter der unglüdlidden Fürſtin 
Pauline von Schwarzenberg, die ihr Leben verlor, al& fie diefe ihre Tochter aus dem 

tennenden Geſandtſchaftshotel in Paris retten wollte (1. Juli 1810). Am 
18. März 1819 wurde der erfle Sohn aus diefer Ehe, Alfred, geboren. In den 
Friedensjahren rüdte der reiche Fürft nach und nach zum Feldmarfchalliieutenant 
und commandirenden General in Böhmen auf. Damals galt er für einen eben 
fo tüchtigen, als firengen Soldaten und man rühmte ihm Tapferkeit u. Energie, 
wie aufopfernde Liebe für den Kriegerſtand nach. Bel den Uebungen und Feld⸗ 
lagern war er befonderd thätig. Bei einer diefer Uebungen kam die bekannte 
Scene mit dem Großfürften Konftantin von Rußland vor. Der Großfürſt, deſſen 
Grauſamkeit u. Nichtachtung ded Menfchenlebene bei Solpdatenfpielen aus feiner 
polniſchen Amtsführung fattfam befannt ift, verlangte, daß ein, von Fürſt W. im 
Galopp bis an einen Donauarm geführtes, Reiterregtment ſchwimmend durch das 
Waſſer ſetzen follte und beleidigte den Fürften auf deſſen Weigerung thätlich. 
Diefer war fchon im Begriffe, ven Schimpf mit gezüdten Degen zu rächen, doch 
bielt ihn feine Begleitung zurüd und er mußte fidy mit ver Genugthuung begnü- 
gen, die ihm ver Kaiſer durch eine neue Beförderung und duch Beranlafjun 
der fchnellen Abreiſe des Broßfürften gab. Seiner politifchen Gefinnung na 
iſt Fürft W. Hochtory, aber eine Lügnerifche Erfindung feiner Feinde iſt «8, 
er einft gefagt haben folle: „ver Menfdy fange erſt beim Baron an." Währ 


„1.1 UHR. Tee nam. 


q 
X 


ra 7 u, BER 


mr; 


r. 


Windiſchmann. 867 
der Märztage zufällig in Wien anweſend (er war damals Feldmarſchalllieutenant 
und commanbirender General von Böhmen), übernahm er dad Commando der 
Stadt und ergriff energifche Maßregeln, um der Wiederkehr ähnlicher Unruhen 
zu fleuern. Rach Böhmen zurüdgefehrt, mißbrauchte die ultratfchechifche Partei 
feinen Ramen, um das Volk durch Gerüchte von reaktionären Umtrieben aufzus 
tegen. Der Stawencongreß führte zu dem Ausbruche, der längft vorbereitet 
worden war. Bel diefem Aufftande war fein Benehmen ein tadelloſes. Gr bes 
wies die größte Schonung, fnüpfte wiederholt Unterbandlungen an und verließ 
den Weg der Mäpigung Po dann nicht, als feine Gattin meuchlingd ermordet, 
fein Altefter Sohn tödtlich verwundet wurde. Als die Aufrührer noch am dritten 
Tage beharrten, ließ er zwei Bomben mit furzen Schlagröhren werfen, die in 
der Luft, ohne Schaden zu thun, platzten u, bewirkte durch dieſe fchonende Maßs 
regel die Unterwerfung der Stadt. Indeſſen war W. auch nicht unthätig ge 
wefen, gegen die demolratiſchen Ausbrüche, vie ſtch in Wien vorbereiteten, 
Stillen Segenanftalten zu treffen und bie Armee in Böhmen war vollkommen 
vorbereitet, als die Kunde_von der Dftoberrevolution nah Prag kam. Er 
ward von dem Kalfer zum Commandirenden aller Armeen, die ttalienifche unter 
Radetzky allein ausgenommen, ernannt und mit den ausgedehnteften Vollmachten 
nach Wien geichidt, das er auch dem Kalfer vollfommen wieder unterwarf (vgl. 
hierüber den Artifel Wien). Minder glüdli war er als Obergeneral der 
fatferlichen Armee in Ungarn. Die leicht bewirkte Einnahme von Peſth verleitete 
ihn, den Feind bier als gu gering anzufchlaren und dies namentlich war es, 
was den Ruthfchlägen der Infurgenten allgutrefflich zu Statten kam. Er glaubte 
[einer Sache fo gewiß zu feyn, daß aus feinem Bureau bereits Steckbriefe gegen 

em, ZTaufenau, Kofuth u. U. nad Galizien und Mähren gefchidt wurden, 
weil es gar nicht anders feyn könne, als daß vie Rädeleführer, von ihren vers 
zweifelten Anhängern verlafien, einen Ausweg nach dem Auslande fuchen würden. 
In dem unthätigen Harren verftrichen ſechs Wochen und es bevurfte des yperfön- 
lichen Erfcheinend des Miniſters v. Brud, um die Wiederaufnahme der Operationen 
zu veranlafen. Jetzt entwidelte ſich der firatenifche Plan des Fürften. Er 
fuchte die Magyaren in den Kreisausichnitt des Theißthales zufammenzubrängen 
und fie von allen Seiten zu umftellen, daß fle nirgends entfchläpfen fönnten. — 
Sein Hauptzwed, die Anführer gefangen zu befommen und zur NRechenfchaft zu 
zteben, verbienvete ihn ganz gegen die ungeheueren Nachtheile feines Kriegsplans. 
Er räumte nämlich fernen Gegnern freiwillig bie vortheilhaftele Stellung ein, 
die fich erdenten läßt: die Stellung inmitten eines Kreifes, auf deſſen Aufferfte 
Linten die Feinde fich vertheiln. Ein Feldherr, ver eine ſolche Stelle inne hat, 
kann fih nady Belieben mit ganzer Macht auf einen einzelnen Gegner werfen u. 
ihm fhlagen, ehe die anderen Armeekorps Zeit haben zur Unterflügung herbeizu⸗ 
len. Die Lage Dembinski's wurde dadurch noch vorihellhafter, daß MW. nur 
wenige fählge Untergenerale hatte. Einer nach dem Andern wurde überfallen 
und gefchlagen, die wichtigften Poftiionen gingen verloren, die Donaulinie von 
Komorn bis Walzen mußte aufgegeben werden und auch Peſth blieb nicht mehr 
altbarz; deßhalb wurde feine Wbberufung vom Oberbefehle befchlofien und im 
prit 1849 in Vollzug gefeht. Er begab fi nun nad Dlmüb, allein ſchon 
am 24. April von hier nad) Prag und von da auf feine Güter — das Bilo 
einer gefallenen Größe. 
indifhmann, Friedrich, Sohn des verftorbenen k. bayer. Medizinal⸗ 
Rathes und Profeſſors zu Aibafienbur ,‚ dam k. preußifchen fee der Mes 
dizin und Philofophie an der Univerfität zu Bonn, Dr. Karl Joſ. Hieronys 
mus W., ward geb. zu Afchaffenburg am 13. Dezember 1811. Derfelbe trat zu 
Oftern 1823 in die Tertia des Gymnaflums zu Bonn, vollendete feine Oymnaflals 
ſtudien im Herbfte 1827 mit der erfien Rote und begann im Jahre 1827—28 
an der Univerfttät „u Bonn das Stubinm der Philofophie und Pöllologl vor 
Allen unter der Leitung feines ausgezeichneten und verneklgen Ba W 


868 Bindiſchmann. 


ward er Schuͤler von A. W. v. Schlegel, B. ©. Niebuhr, F. G. Welcker, 
Chr. Brandis, Chr. Laſſen, K. Fr. Heinnich, Ferd. U. Nake und promovirte am 
21. Febr. 1832 als Dr. philos. Zu ſeinem bieherigen Hauptſtudium (elaflifche 
Philologie und das Sanskrit nebſt den verwandten Sprachen) fügte er nummehr 
die Theologie hinzu, nachdem der Wunfch, Priefter zu werden, den er als Knabe 
gehabt hatte, wieder erwacht war. Er ftubirte daher im Jahre 1832 — 33 

beologie in Bonn, ſodann von Oſtern 1833 bi Dftern 1834 an der Univerfttät 
zu München, von Öftern 1834 bis Oſtern 1835 wiederum zu Bonn uns es 
war feine Abficht, in Rom die heil. Weihen zu erlangen, da ihm bie bermeflan- 
tfchen Streitigkeiten dad Bleiben in ver Erzdiözeſe Köln beinahe unmöglich 
machten. Unerwartet aber erhielt er im Spätherbfte 1834 im Namen des da 
maligen Erzbifchofs von München « Freyfina , Lothar Anfelm Freih. v. Gebſattl, 
dem cr buch den Herrn Domdechant v. Dettl als zum theologifchen Lebrfache 
befonders Bi gnet empfohlen worden, die Einladung, tn die Erzdidzeſe München⸗ 
Kreyfing einzutreten und nach empfangenen heil. Weihen ein Lehramt an dem 
neuerrichteten Lyceum zu Freyſtng zu übernehmen. Er folgte dem ebrenvollen 
Rufe und ward am 13. März 1836 zum PBriefter geweiht, nachdem er kurz vors 
ber auch noch den Doftorgrad der Theologie erworben. Da die in Ausſicht ge 
ſtillte Lehrftelle in Freyſing ſich nicht eröffnete, wurde er an der theologifchen 
Fakultaͤt der Univerfträt Münden zum Privatdozenten der Exegeſe ernannt, jedoch 
von dem Antritte des Lehramtes durch die plöglich erfolgte Beförderung zu ber 
Etelle eines erzbifchöflichen Sekretär und Domvikars abgehalten. Erf im April 
1838, als die theologifche Yukultät durch Möhler’6 Top einen fchwer zu erfeßen- 
den Berluft erlitten, warb WB. dem Lehramte wieder gegeben, indem er zum 
professor extraordinarius des Kirchenrecht6 und der neuteftamentlichen Gegeſe 
an genannter Univerfltät ernannt wurde. Schon bei feinem erften Wuftreten ges 
wann er feine Zuhörer durch die Tiefe der Auffaſſung, Gründlichkeit des Willens 
und Innigkeit der Ueberzeugung, fo, daß Manche nicht anftanden und noch nicht 
anftehen, ihm als Eregeten (er lad übır die Briefe Pauli) gleih Anfangs fdyon 
den Vorrang vor Moͤhler zu geben. Das Kırdhenrecht, einen an fidy trodenen 
Gegenſtand, wußte er durch die Lleberzeugung von dem eigentlichen Leben ver 
Kirche und ihrer Wufgabe in der Menfchheit der Art zu durchdringen und in 
elbed Geiſt und Leben zu bringen, daß er felbft bei den, an ſich trodenpften, 

aterien zu pegeiftern im Stande war. Im Jänner 1839 wurde er bei Er- 
richtung des ollegtatfliftes St. Cajetan zum Canonikus ernannt, fo, daß ihm 
in diefer doppelten Stellung, als Canonikus und :Brofeffor, fowohl für wiſſen⸗ 
ſchaftliche, als auch feelforglicdye Thätigkeit ein weites Feld geöffnet war. Allein 
ſchon nady drei Semeftern ward er feiner Wirkſamkeit als öffentlicher Lehrer ver 
Theologie, in welcher Sphäre er vermöge feiner umfaflenden und tiefen Kennt 
niffe, feines hervorragenden Talentes und feiner großen Sprachenkunde fo Vieles 
hätte leiften und Möhler mit der Zelt hätte erſetzen Tönnen, entzogen durch bie 
im Juli 1839 erfolgte Ernennung zum Domfapitular am Metropolitankapitel 
a ünchen +Grenfing, Im Wuguft 1842 wurde er durch Wahl zum ordentlichen 
Mitglieve der k. Akademie der Wiflenfchaften auserfehen. Im Yuauf 1843 
ward ihm vom Hochfeligen Hrn. Erzbifchof Lothar Anfelm das Amt eines 
Pönitentiard anvertraut und im Dftober 1846 ernannte ihn Lothar Anfelms 
Nachfolger, Karl Auguft, zu feinem Generalvikar, in weldyer Eigenfchaft er 
dermalen feine Thatigkeit entfaltet. Bon ihm find bisher nachfolgende Schriften 
erichienen: Didascaliae Plautinae, Abhandlung über die chronologiſche Ordnung 
der plautinifchen Stücke, abged. im rheinifhen Mufeum für Philologie 1831; 
Sancara sive de Theologumenis Vidanticorum, Bonn, Berlag von F. Habicht, 
1833. (Ein Theil davon war feine philoſophiſche Differtation); NRecenfionen von 
Doͤllinger's Kirchengefbichte und Hurter's Innocenz HL in den bayerifcyen 
Annalen, 1833 — 34; Recenfionen von Burnonf's Yacna u. Pott's ethnologifchen 
Forſchungen, abged. in der Jenalfchen Lıteraturs Zeitung, 1834; Anzeige von 


4 


Bindmühlen — Winer, u 869 


Sadımanda’d Bidantofara in den Jahrbüchern für wifienfchaftliche Kritit, 1835; 
Miıtheilungen über die armenifche Literatur in der Tübinger theolog. DQuartalf. 
1835; Vindiciae Petrinae, Regendb. bei Fr. Puftet, 1836; Ueber die Acta Ro- 
mana in ven biftorifch s polttiichen Blättern, 2. Bd. 1838; ebendafelbft über die 
Allocution vom 13. Dezember, 4. Bd., 18395 ebendaf.: Aus dem Leben eines 
Katholiten, 5. Bd., 1840; ebenvafelbfl: Rage der kirchlichen Angelegenheiten in 
Preußen, 7. Bd., 18415 irn eines chriftlihen Epigrammes, im Archiv 
für tbeologifche Literatur, 1842; Erklärung des Briefes an die Galater, Mainz 
ei Kirchheim ıc., 18435 Die Grundlage des Armenifchen im ariſchen Sprach⸗ 
ftamme, in den Abhandlungen der E. Akademie der Wiffenichaften, 4. Bd., 
2 Abıhl., 1843; der Fortfchritt der Spracdhenfunde und ihre gegenwärtige Auf⸗ 

abe. Akad. Feftrede auf den 25. Auguſt 1844; Ueber den Somacultus der 
Öirier, Abhandlung d. Akadem. d. Wiflenfchaften, 1845; Recenfionen von Holzs 
mann’d Beiträgen zur Entzifferung der Keilfchrift, Gelehrte Anz., 1845; Oratio 
funebris in solemn. exequiis Gregorii XVI., 1846; Bortrag über ein inbifches 
phil. Geſpraͤch, Gelehrt. Anz., 1847. 

Windmühlen, ſ. Mühlen. 

Windpeden, ſ. Varicellen. 

Windroſe oder Schiffsroſe heißt bekanntlich diejenige Fiaur, welche ſtern⸗ 
artig gezeichnet iſt und durch die Richtung ihrer Spitzen die 32 Winde oder Him⸗ 
melögegenden vorzuftellen den Zwed bat. Man findet die W. fehr häufig in 
dem Zußboden der Steuerfafüte eines Schiffe eingefchnitten, fowie auf Land» u. 
Seecharten angegeben. S. darüber den Art. Compaß. 

Windſor, Markifleden in der englifchen Grafſchaft Berk, an der Themfe, 
ift durch eine Eifenbahn mit London verbunden und zählt 7500 Einwohner, — 
Sehenswerth iſt daß, bier auf einem fanft fidy erhebenden Berge gelegene, mit 
©raben und Wällen umgebene, prachtvolle koͤnigliche Luffchloß, von Wilhelm dem 
Groberer erbaut und von den folgenden Koͤnigen, namentlih von Kart IL, 
Georg II. und Wilhelm IV., ehr verſchoͤnert. Daffelbe befleht aus zwei 
Höfen oder Abthellungen, von denen der obere ein großes regelmäßiges Viered, 
mit einer metallenen Bildfäule Wilhelm’s des Groberers in der Mitte, if, ver 
bier zuerft ein Jagdſchloß erbaute, hat einen groben runden Thurm zwiſchen beis 
den Höfen und flarfe, vieredige, gotbifche Thürme bilden die Eden deſſelben. 
In dem Innern des Schloffed befinden fidy herrliche Zimmer mit Gemälden von 
Rubens und Tintoretto und einem Teppiche, den Marta Stuart während ihrer 
langen Befangenfckaft zu Fotheringay verfertigt bat; ein mit antifen Zierrathen u. 
Sredfomalereien aus der brittfchen Geſchichte von Berrio gefhmüdter Saal des 
heiligen Georg, welcher urfprünglicdy zu den, bei der Inftallation der Ritter vom 
Hofenbande gegebenen, Feſten beftimmt war und eine fchöne Kapelle mit dem Bes 

räbniffe der Eöniglichen Familie. Das Schloß wird von drei Seiten von der 
— önen, 1870 a: langen und eben fo viel Fuß breiten Terrafie umgeben, welche 
mit Wafferleitungen verfehen iſt und von der man eine reizende Ausfidht hat. 
König Wilhelm IV. ließ eine neue Terrafie, die einen Halbzirkel bildet, zwei Morgen 
Landes umfchlteßt und einen Blumengarten in fidy faßt, anlegen, an deren Buße 
fi ein 200 Fuß langes Gewächshaus befindet. Von derfelben gelangt man 
den großen, 3 Meilen im Umfange haltenden Park. Alles vereinigt ſich hier, W. 
zu einem Lieblingsaufenthalte der britifchen Herrfcher zu machen. 

Winer, Georg Benedikt, geboren 1789 in Leipzig, 1817 Privatdocent, 
1819 Profeffor der Theologie dafelbft, 1823 in Erlangen, feit 1832 wieder in 
Leipzig, ift eben fo audgezeichnet als atademifcher Lehrer, ale hochverbient ale 
ſcharffinniger Ereget und Sprachforfcher. Man bat von ihm: „Somparative Dars 
ftelung des Lehrbegriffö ver verfchievenen Kirchenparteien” (1824 und öfter); 
„Grammatik des biblifchen und targumiſchen Chaldaͤlsmus“, „Griechiſche Otam⸗ 
matif des neuteflamentlichen Sprachidoms“ (5. Ausg. 1844), „Handbudy ber 


theologiſchen Literatur“, „Bibi Realwörterbuh", „Gommentar zum Brice 
Pauli an die Galater" u, a, 2. kn 
d, |. Bonifaziue, 
Winkel, der, wird gebildet von zwei, von verſchiedenen Richtungen aut: 
jehenden, Linien oder Flächen, welche fich durchſchneiden. Diefe Linien str 
Mlächen heißen Schenkel und ver W. if, wenn biefelben gerade find, ein gt 
radliniger. over geradflädiger, fonft aber ein frummliniger oe 
frummflädiger, Iſt ein Schenkel des W.s. auf dem andern fenkrecht, fı 
nennt man ben W. einen rechten und ein fiber bat 90 Grade; hat aber da 
W. weniger als 90 Grabe, fo ift er ein fpigiger; hat er jedoch mehr als © 
Grade, f ift er ein ftumpfer. Zwei W., welche den Scheitel u. einen Sch 
lel gemein haben und deren beide andere Schenfel.von der Spihe aus entgegen 
urn In gerader Linie liegen, heißen Neben winkel. Alle folche W., dem 
pigen im Gentrum eines Kreifes liegen, heißen Gentris®. oder W. am 
Mittelpunfte; II ‚aber die Spipen in der Beripherie, fo heißen fie Beris 
herie-W. oder W. an der Peripherie. Bon den vier W.n, melde ent- 
Reben, wenn ziel gerade Linien einander in irgend. Einer Spinne! känche, 
werben bie beiven, mit ihren Spigen einander entgegen (den, ‚die Scheitel: 
DW. genannt, Stoßen zwei krumme Linien. in je oder im Raume in 
einem Punkte zufammen, fo erhält man den von ihnen eingejhloffenen MW. durch 
den ebenen W., welchen bie, durch den gemeinfchaftlichen Durchichnittspunlt 
an die Eurven gezogenen, Tangenten bilden. Die Größe der Abweichung 
‚zweier, in einer geraden Line zufammenftoßenden, Ebenen von einander nennt 
man den Flächen: W., Neigungs-W. Stofen mehre Ebenen in einem 
Punkte zufammen, fo heißt der zwiſchen ihnen enthaltene, auf der einen Seite 
unbegrängte, Raum ein Förperlicher W. Die fi auf W. beziehende Lehrfäge 
find folgende: 1) Alle rechte W. find einander gleich; 2) zwei Nebenwintel find au 
jammen zwei rechten gib; 3) die Summe aller W. über, einer ‚geraden i, 
nie mit gemeinfamem Scheitel ift mel rechten gleich; 4) die Summe aller ®. 
um —— iſt vier rechten Winkeln gleich; 5) die Scheitel-W. find ein: 
ander gleich. 
Binfelgefehwindigkeit heißt das Verhältniß eines gewiſſen Zeitraumes zu 
dem, während deffelben von einem Körper durchlaufenen, Theile (Bogen) feiner 
Bahn, die er um einen andern Körper befchreibt, d. h. das Verhältniß der zu 
Grunde gelegten Zeiteinheit zu demjenigen Winkel, den der Radius vector 
des gedachten Körpers während diefer Zeiteinheit in der Bahnebene befchries 
ben bat. Bon diefer W. hängt 3. B. die Gefchwindigfeit des fcheinbaren 
Umlaufes eines Sterns ab; denn, je näher der Stern dem Pole fieht, ve 
Kleiner {ft feine W. und deſto geringer feine Umlaufsgeſchwindigkeit und, je nähe 
ein Stern dem Aequator fleht, deſto größer if def W. und deſto bedeutender 
feine Umlaufsgefchwindigkeit. Je entfernter ein Planet von der Sonne iſt, defo 
geringer if feine W., defto langfamer feine Umlaufsgeſchwindigkeit. Die durch⸗ 
laufenen Bogen find mithin bei der täglichen fcheinbaren Rotation der Himmels 
Tugel defto Feiner, je unbeträchtlicher die MW. und die Umlaufsgeſchwindigkeit iR, 
im entgegengefeten Falle aber defto größer. Zwei Planeten in ungleichen Ent 
fernungen von der Sonne durchlaufen in gleihyen Zeiten ungleich große Bogen, 
nämlid der nähere einen größern, ald der entferntere, d. h. er hat eine größere 
W. und Umlaufsgefchwindigfeit. 
Winkelmeffer, |. Afrolabtum. 
Winkelried, |. Sempadı. 
Winkler, Karl Gottfried Theodor, pfeudonym Theodor Heil, ein 
juter dramatifcher und Igrifcher Dichter, geboren 1775 zu Waldenburg im Echön- 
Eurgifeen, ſtudirte zu Wittenberg die Rechte und wurde in Dresden angeftellt, 
wo er 1810 geheimer Sekretär ward. Zugleich zeigte er fich vielfach literariſch 
thätig, bereiöte 1812—13 Italien und Frankreich und wurde dann ruffifcher Hof- 


Winter, 871 


rath und Theaterintendant, 1815 Sekretär beim Theater und 1816 bei der Ala⸗ 
demie der Künfte in Dredven. 1825 wurde ibm audy die Regie der italtenifchen 
Dper übertragen und 1841 warb er zum Bicebireftor bes Föniglichen Hoftheaters 
und der muſikaliſchen Kapelle ernannt. — Yortwährend winmet W. feine Zeit 
und Kraft mit Liebe diefen Anftalten. Tief vertraut mit den neueren Sprachen, 
hat er viele gute Meberfegungen geliefert aus dem Franzöfifchen, Gnglifchen und 
Staltenifchen u. f. w.; befondere Bearbeitungen von Bühnenflüden und feine 
eigenen Produlte zeigen Gewandtheit, Lebendigkeit, Formſchoͤnheit, Wi u. Laune. 
Redakteur der „Abendzeitung* (1817—1843) und der Tafchenbücdher „Agrionien“, 
„Penelope“ und „Komus”, verfaßte viele Dramen, zum Theil nach aus —6 
Vorbildern, zum Theil Originale („Luſtſpiele“, 2 Thle. 1805; „Reue Luſtſpiele“, 
5 Thle. 18175 „Dramatiſches Vergißmeinnicht“, 5 Thle. 1823—27), ſchrieb 
„Erzählungen für häusliche Cirkel“ (1811 -1817); dichtete „Lyratöne“ (2 Thle. 
1821) und „Neuefle Gedichte“ (1829) u. f. w. 
Winter, die raubefte und kaͤlteſte unter den vier Jahreszeiten. Sie fängt 
mit dem fürzeften Tage, (den 22. Dezember) an und enbint mit der Frühl 6 
nachtgleiche, nämli um den 241. März. Auf der ſüdlichen galbtugel fallt der W. 
in die entgegengelehte Jahreszeit, nämlich, wenn wir Sommer haben. Dort 
nimmt er daher feinen Anfang, wenn die Sonne bei uns ben höchfien Stand 
erreicht hat und den längfien Tag verurfacht, alfo um den 21. Junius und fein 
Ende trifft in die Herbfinacdhtgleiche (um den 23. September). Auf der nördlichen 
Halbfuge währt der W. nur etwas über 89, auf der fühlichen hingegen über 93 
ge. Die Urfache hievon if, daß der nördliche W. in die Sonnennähe, der 
fünliche aber in die Sonnenferne fällt, wo die Erde (fcheinbar die Sonne) langs 
famer geht und daher um fo viele Tage länger verweilt. — Im gewöhnlichen 
Sinne aber verfieben wir unter W. nicht jenen, durch den fcheinbaren Sonnen» 
lauf genau begrängten Zeitraum, fondern die rauhe und Talte Jahreszeit übers 
haupt. Diefe ift nun in den verfchiebenen Ländern unfers Erdbodens nicht nur 
in Rüdficht ihrer Dauer, fondern auch ihrer übrigen Befchaffenheit ſehr vers 
fchieven. Innerhalb der heißen Zone findet unfer W. gar nicht ftatt; dort nennt 
man böchftene, aber mit Unrecht, die Regengeit W., obgleich es nichts weniger, 
als kalt iſt. Eine ziemliche Strecke über vie Wendekreiſe hinaus in die beiden 
gemäß! ten Zonen findet unfer hieſtger W. gieihfahe nicht flat. Im ganzen 
nördlichen und fünlichen Afrika (jedocdy die Gebirgsgegenden ausgenommen) weiß 
man vom Eife und unferer W.⸗Kälte Nichts; ja, felbft im fünlichen Europa, 
3. B. in Neapel, Sicilien, dem füblichen Spanten und Portugal, Eennt man uns 
fern W. durchaus nicht. Fällt ja einmal ein wenig Schnee, fo if ed, wie bei 
und im Mat; er zerrinnt fehr bald und die W.- Monate find dort in vieler Rüds 
ficht die angenehmften. Im Januar pflegen bereitö die Mandelbäume zu blühen 
und GBartengewächfe, 3. B. Bohnen, Gurken ıc., die bei und noch im Mai, ja 
bisweilen im Junius erfrieren, find dort am haufigren im W., weil im Sommer 
die große Hige ohne Öftered Begießen nicht viel von dieſen zarten Gewächfen ges 
veihen läßt. Weiter herauf, ſchon im Kirchenftaate, gefriert es etwas, noch mehr 
in Oberitalien. ee der Alpen finden wir ſchon einen ziemlich trotzigen W., 
ſelbſt in den niebrigften Ebenen des fühlichften Deutfchlands und je weiter man 
ſich den mittleren heilen Deutfchlande nähert, deſto anhaltender und firenger 
find in der Regel die W. Doch, unfere W. find Nichts gegen die innerhalb des 
PBolarkreifes, wo die Kälte allen Glauben überfleigt. Ungleich firenger, als in 
Europa unter gleichen Breitegraben, find die W. in Nordamerika, in Rordaften 
und zum Theile felbft im mittleın Aſien und felbR in einigen hohen Gegenden 
des heißen Afrifa, in welchem Erdiheile man font Schnee und Eis vergeblich 
fucht, findet fich ein wahrer W. In unferem Deutfchland find die W. im Ganzen 
Be jedoch mit nicht feltenen Ausnahmen fehr firenger und auch wieder 
elinder W. 
g Winter, 1) Peter von, geboren zu Mannheim 1754, widmeie fih Ans 


872 Winterfeldt, 


fangs den wiffenfchaftlichen Studien, überließ fich aber in ber Folge —* der 
Tonkunſt und wurde als vorzüglicher Violiniſt beim kurplfälziſchen Hoforcheſter 

angeftellt. Er ſtudirte nun beſonders bei Vogler u. ward 1775 Orcheſter⸗Direktot 
am Theater zu Mannheim, was er auch biieb, als das Turfürftliche Hrflager 
nady München verlegt wurde. Da er fchon fehr beliebte und geſchätzte Compo⸗ 
fliionen geliefert hatte, nody mehr aber durch mehre Reifen nach Stalten ıc. und 
hauptſaͤchlich bei Salieri ausgebildet, erlangte er nun bald unter den erften Ton- 
Fünftiern eınen ausgezeichneten Rang; fein Ruf zog ihm mehre vortheilhafte Ans 
erbietungen zu, die er jedoch nicht annahm. Als einer der fruchtbarften Compo⸗ 
fiteurd bat er ſich beim größern Publifum befonderd durdy feine Opern berühmt 
emacht. 1 frutelli rivali (die Brüder ald Rebenbubler) für Venedig, Tamerlan 
ür Paris, Calypſo für London gefchrieben, dann Marie von Montalban, Helma 
und Paris, die Pyramiden, dad Labyrinth, Colmal ıc., ganz ausgezeichnet aber 
das unterbrochene O:pferfeft, gewiß fein Meiſterwerk, ſtellen W. unter die vor: 
züglichften und beliebteſten Opern⸗Compoſiteurs, die durch das Angenchme, Aus; 
drudsvolle, durch heitere, muntere Laune, dann aber audy wieder durch das Edle, 
Große, Erhabene ihre Werke fo ganz hervorzuheben verftehen. In jeder andern 
Gattung bat W. ebenfalls Vieles geleiftet und unter den Cantaten zeichnet fidh 
hauptſaͤchlich „die Macht ver Tonkunſt“ aus. Gr flarb zu München den 17. Dftos 
ber 1825. — 2) W., Beit Anton, geboren zu Hobeneggelfofen 17514, warb 
1778 Prieſter, hierauf Hauslehrer und zwei Jahre Katechet des deutſchen Gols 
legium& zu Rom, wurde Pfarrer zu Laichling bei Eggmühl, dann zu Köfching 
bei Ingoiftadt, 1795 Pfarrer an der obern Stadikirche und anfänglich Profeſſor 
der Kirchengeichichte, nachher aber der Katechetik, Liturgie und Moral zu Ingolſtadt 
und wurde 1800 in derfelben ECigenſchaft nach Landshut übe:fegt. Zugleich ward 
er geiftliyer Rath, Stadtpfarrer zu St. Jakob dafelbft und bald darauf Domberr 
des Hochftifis Eichſtaͤdt. Er flarb den 27. Febtnar 1814. Seine vorzüglichken 
Echiiften find: Vorarbeiten zur Beleuchtung der öſterreichiſchen und bayertfchen 
Kirchenaeichichte überhaupt und der vor⸗agilolfingiſchen Periode insbeſondere, 2 
Bde., Münden 1805—1809; Ueber die älteftin Geſetze Bojuvariend, Landshut 
1812; Deutfches Tatholifches ausübendes Ritual, 2 Bde., Krantfurt a. M. 1813; 
Aelieſte Kirchengeſchichte Bojoarıens, von Ehriftus bi8 auf Karl den Großen, 
Landshut 1813; Aelteſte Kirchengeichtipte von Altbayern, Defterreidy und Tyrol, 
ebd. 1814 u. m. a. — 3) W., Georg Ludwig, ein verbienter Staatemann, 
geboren 1778 zu Prachthal im Greßherzogihum Baden, erhielt feine wiſſenſchaft⸗ 
liche Vorbildung an dem Lyceum zu Karlsruhe, ftudirte hierauf auf der Univer⸗ 
firät Göttingen die Rechte, wurde 1803 geheimer Exkretär, 1805 Aflefior des 
proteftanıtfchen Kirchenrathefollegiums, 1807 Regierungsrath, 1809 Kreisrath 
in Durlach, 1810 Regierungsrat und Oberamtmann dafelbft, 1814 Stadidirektot 
in Heiveiberg, 1815 Minifterialrath, ſpaͤter Staatsrath und feit 1833 Minifter 
des Innern. Allgemeines Intereſſe erregte W. zuerft als Abgeordneter von Karld 
ruhe in der Etändeverfammlung von 1819 durdy den, gegen das Adelsedikt vom 
16. April 1819 freimüthig und mit großer Klarheit abgefaßten „Commiſſionsbe⸗ 
sicht“. Ueberhaupt diente W. feinem Baterlande mit eben fo großer flaat8mäns 
niſcher Klugheit, als Redlichkeit der Gefinnung bis zu feinem 1838 erfolgten Tode, 
als aufrichtiger Freund politiſcher Entwidelung und vernünftiger Reformen zur 
Begründung der bürgeriichen Freiheit, dad allgemeinfte Bertrauen des ganzen 
Landes genießend. Durch Kammerbeſchluß vom Jahre 1839 wurde ſeiner Winwe 
eine höbere, als die normalmäßige, Venflon zuerkannt und ihm ſelbſt durch Sub» 
feription zu Karlöriie ein Denkmal gefegt. 

Winterfeldt, Hans Karl von, Königlich preußifcher General, geboren In 
der Udermark 1709, nahm [von im 14. Jahre preußifche Kriegsdienfte, kam wer 
gen feiner Größe unter Könige Friedrich Wilhelm I Leibregiment u. wurde 
dann Adjutant, als weldyer er öfters um den Könta war. König Friedrich Il 
machte ihn bei feiner Thronbefteigung 1740 zum Major und gab ihm im erften 


Winterſchlaf — Winterthure 873 


ſchleſiſchen Kriege das Commando über ein Grenadierbataillon, womit er ſich bei 
mehren Gelegenheiten auszeichnete. Bald varauf ernannte ihn der König zum 
Sberften und fandte ihn nad) Petereburg, um Rußland von einer Berbindung 
mit Defterreidy abzukalten, was ihm auch gelang. Auch im zweiten fchlefiichen 
Kriege zeichnete er ſich bei jeder Gelegenheit durch befonvere Tapferkeit aus, 
Wegen diefer erprobten Treue und Talente durfte er dem Könige bei feinen Rei⸗ 
fen und WMufterungen faft nie von der Seite und wurde zu wichtigen Geſchäf⸗ 
ten gibraucht. Befonders thätig zeigte er ſich für dad Beſte des Königs, ale 
dieſer die Anfchyläge des Öfterreichiichen, ruffifchen und fächfiichen Hofed vor dem 
Ausbruche des Tjährigen Krieges erfuhr, wofür er 1756 zum @enerallieutenant 
des Yußvolfs erhoben wurde. In den beiden erſten Feldzügen des 7Tjährigen 
Krieges fpielte W. noch eine wichtige Rolle. Gleich Anfangs Half er bei der 
Ginfdyliegung der ſächfiſchen Armee in dem feften Lager bei Pirna, worauf er an 
den König Auguft IL von Polen gefchidt wurde, um ihn zum Beltritte gegen 
Oeſterreich zu bewegen, was ihm jedoch nicht gelang. Im Feldzuge von 1757 fiel 
er mit dem Feldmarſchall Schwerin in Böhmen ein u. zeichnete fidy auch fonft bei 
mancherlei @elegenbeiten aus. Endlich wurde feine rühmliche Laufbahn beendigt, 
indem er in einem Gefechte mit dem Nadasdi'ſchen Corps am 7. September 1757 
ericheffen wurde. Wie fehr ihn Friedrich IL. achtete, erhellt aus den merfwürd- 
igen Morten: „Wider die Menge meiner Kreunde werde ich wohl Mittel finden 
Tonnen, aber ich werde wenige W.e antreffen“ und die Errichtung feiner Statue 
von weiffen Marmor auf dem Wilhelmeplage zu Berlin. W. beſaß vortreffliche 
Geiſtesgaben und eine fehr einnehmenve Bildung, aber oft bevauerte er, Nichts 
gelernt zu haben, daher ihm Friedrich IL ſtets gelehrte Leute zugab, um ihn in 
Sachen, die nicht in fein Haupifach einfchlugen, zu unterflügen, denn W. war 
fowohl fein Minifter, als fein General. ein größter Fehler war ein über, 
irtebener Ehrgeiz. Vergl. Barnhagen van Ent: „Leben des General W.“ 
(Berlin 1836). “ 

Winterfchlaf nennt man jenen Zufland der Erflarrung, in welchen gewifie 
Thiere beim Herannahen ver kalten Jahreszeit verfallen und worin fie, obne 
Rahrung zu fi) zu nehmen, bis zum Frübjahre verbleiben. Die gewöhnlichen 
Lebenerhätigfeiten, Blutumlauf und Reſpiration, geben fort, jedoch bei Weiten 
langfamer. Die Verdauung tft fehr geſchwächt und das Gewicht der Thiere 
nimmt während diefer Zeit bedeutend ab. Die meiften zeigen ſich fehr unempfind- 
lich grgen den Schmerz. Die Haupturfadye dieſer Sıftarrung tft die Kälte. Auf⸗ 
gewedt und erwärmt, ftellen fidy alle ihre Gewohnheiten fogleich wieder her. Zu 
den Winterfchläfern gehören: Igel, Fledermaus, Hamſter, Murmelthiere, Fiſche, 
E chlangen, Eidechſen, Schneden, die Infelten, audy die Schwalben; uneigents 
lid) nur der Bär und der Dachs. 

Winterthur, fehr wohlhabende Etadt im Canton Zuͤrich und eine der fhönfl- 
gebauten in der ganzen Schweiz, in einem lieblichen Thale an dem Klüßchen 
ulach, liegt 5 Etunden norvöftlidh von Zürich u. befteht aus zwei, von Oſten na 
Welten parallel laufenden, breiten Etraßen und 6 Kreusgaflen. Eehenswer 
find: die geräumige Bfarrkirche mit zwei Thürmen und einer ſchönen Ocgel, das 
Rathhaus, das Hoſpital und das neuerbaute Schulhaus, die Staptbibltothek 
mit einer zahlreichen Sammlung tömifcher, größtenıheild in der Gegend aufges 
fundener, Münzen und mehre Privatfummlungen. Durdy Ausfüllung der früheren 
Stadigräben und Abbrechen der Thore wurde die Stadt in neuerer. Zeit noch bes 
deutend verfkönert. Die Umgegend zieren gefchmadvolle Lanphäufer, üppige 
Wiefen und Weinberge, deren Erzeugniß unter die beften des Cantons gehört. 
Wenige Heinere Städte der Schweiz entwideln eine fo bedeutende Gewerbe» und 
Huandelsthätigfelt, wie W. Die 4600 Einw. betreiben große Kattuns Drudes 
reiten, eine Bitriols,, Dels, Alaun⸗ und Glauberſalzfabrik, eine Fabrik -Fünfllicher 
Mineralwäfler und englifche Mafchinenfptnnereten; der Handel hat vorzüglid, 
rohe und verarbeitete Baumwolle, fowie Landespropufte zum Gerenkanker was 


M 


874 Sinhingerode — Wirbelfäule, 


großer Bedeutung find auch die hieſigen wöchentlichen Fruchtmaͤrkte. — Der 
, urfpränglic durch Anſtedelung der Edelfnechte der Srafen von W. und 
Kyburg entflanden, durch den Sram , nachherigen Kaiſer Rudolph Re 
burg mit Stadtrechten audgeflattet, ward bei der Aechtung Herzogs Friedrich 
von Defterreich zur Reichsſtadt erhoben. Dann genoß fie bi zum Jahre 1437 
faft volle Unabhängigkeit, Tehrte aber freiwillig unter Defterreiche Schutz und 

irm zurüd, bielt im Jahre 1460 eine zweimonatliche Belagerung (durch 
Züricher) mit heftiger und verzweifelter Gegenwehr rühmlich aus und fam 7 Jahre 
fpäter, mit anfehnlichen Freiheiten und Vorbehalt der niedern und hohen Gerichts⸗ 
barkeit, ald Municipal» Stadt unter Zürich. 

Bingingerode, 1) Georg Ernft Kevin, Freiherr von, geboren 1752, 
fand zuerft als Offizier in beffifchen Dienften, trat hierauf in württembergifche 
Givildienfte über, wurde 1794 in den Reichögrafenftand erhoben, 1801 Minifter 
ded Auswärtigen und 1806 erſter Minifter und Ordenskanzler. Später warb er 
Gefandter in Berlin, Dresven, Hannover, Kaſſel, lebte von 1825 an abwed)s 
felnd in Gotha und auf feinem Schloffe Bodenftein im Eichöfelde und flarb 
1834. — 2) W., Heinrih Karl Friedrich Levin, Reichograf von ®,, 
Sohn des Borigen, geboren 1778, wöürttembergifcher Geſandter In Karlsruhe, 
Mündyen, Barid, Petersburg und Wien, fowie 1814 und 1815 im Hauptquars 
tier der Wliirten, dann Minifter, war als folcher im 3. 1820 auf dem Gongrefie 
zu Wien, wo er fi als Schüger der liberalen Grundfäge zeigte. Später zog 
er fich von den Gefchäften auf dad Schloß Bopenflein zurück. — 3) W., Fer⸗ 
dinand, Freiherr von, ruffifher General der Bavalerie und Generalabjudant 
des Kaiſers, geboren 1770 im Eichöfeld im Hannoveranifchen, diente frühgeltig 
im Militair in den Dienften feines Baterlandes, in ruffifchen, ſodann in öfters 
reichiſchen Dienften, immer da, wo ed Krieg gegen Frankreich gel Im Juni 
1805 ſandte ihn der Kaiſer von Rußland als außerordentlichen Botſchafter nach 
Berlin, um den Koͤnig von Preußen zur Coalition gegen Frankreich zu bewegen. 
Er ging von da an den Wiener Hof, um an den, mit dieſem Hofe geſchloſſenen, 
Allianztraktat die letzte Hand zu legen, begleitete bei Wiederausbruch der Feind⸗ 
eligkeiten im Jahre 1805 den Kaiſer Alexander auf ſeiner Reiſe nach Deutſch⸗ 
and und ſollte hier die militairiſchen Operationen der Ruſſen leiten. Allenthalben 
begleitete er den Kaiſer Alexander und befand ſich auch bei der Schlacht von 
Auſterlitz, wo er durch Glück der Gefangenſchaft entging. Im Feldzuge Oeſter⸗ 
reichs gegen Frankreich von 1809 diente er unter den Fahnen des öſterreichiſchen 
Kaiſerhauſes, warb zum Feldmarſchalllieutenant befördert und, als der Krie 
Rußlands mit Frankreich 1812 begann, verließ er Wien und trat gegen die 
Franzoſen ins Feld. Er zeichnete ſich aus und drang bis nach Moskau (im 
Oktober), welches die Öranpofen noch befegt hielten, vor; ja, er felbft erfchien in 
diefer Stadt, gab fich für einen Parlamentär aus, aber er wurde als Gefan⸗ 
gener betrachtet und Rapoleon gab ihm deutlich zu verftehen, weldyes Loos ihm 
al8 geborenem Hannoveraner bevorfiche. Er wurde nad Weftphalen abgeführt, 
wo man ibm den Prozeß machen wollte, wurde aber auf dem Wege dabin bei 
Minsk durch die Truppen des Generals Czernitſcheff befreit und gerettet u. coms 
mandirte felt dem ein Armeecorps, mit dem er fid) 1813 bei Lüben und Baupen 
und vorzüglich) bei Leipzig (18. Detober) auszeichnet. Sodann wurde er ber 
Armee des Kronprinzen von Schweden zugetheilt. Im Feldzuge von 1814 Hatte 
er ein Commando von 30,000 Wann, that fidy bet Brienne, Laon und befon 
ders in der Schlacht am Wontmartre (30. März) hervor, erbieli dafür ben 
Andreadorden, vom Könige von Frankreich (Mai 1814) das Großkreuz des Lud⸗ 
wigsordens. Auch andere Mächte ertheilten ihm ihre Ehrenzeichen. 1816 fchidte 
ibm der König von Preußen das eiferne Kreuz zweiter Clafie zu. Er Rarb zu 
Wiesbaden den 17. Juni 1818. 

Bipper, ſ. Kipper und Wiyver. 

Wirbelfänle oder Rüdgrart (spinn dorsiy, dont Ver, tem Menfchen 


Rirfung— Wirth, 875 


fenfrecht gelagerte, fdhlangenförmig gebogene Knochenſaͤule, welche ben Schädel 
(f. d.) mit dem Beden (f. d.) verbindet und aus den 24 Rüdenwirbein (ver- 
tebrae) befteht. Dieſe Wirbel find durch Zwifchenlagen von Banbmafle und 
andere Bänder fehr innig mit einander verbunden, fo baß jeder einzelne von 
ihnen fehr wenig, die ganze Säule aber ziemlich beveutende, wenn auch nicht 
an allen Stellen gleiche, Bewfglichkeit beſigt. Man nennt die fieben oberften 
Wirbel, deren erfter unmittelbar mit dem Hinterhauptbeine des Schaͤdelo vers 
bunden iſt, Halewirbel; die zwölf folgenden, an deren Seiten fi die Rip⸗ 
pen (f. d.) anſchließen, Bruftwirbet und die fünf unterften, deren lehter auf 
dem Kreuzbeine zubt, Lendenwirbel. Erſtere find die Kleinften, letztere bie 
größten; an Geftalt find fie, auffer dem erſten und zweiten Halswirbel (Atlas 
und Epistropheus), welche eine, die Beweglichkeit des Kopfes vermittelnde Form 
haben, unter einander dem Weſen na gleich, namentlich find fie alle durchbohrt 
u. bilden fo den Kanal, welcher das Rüdenmarf (f. d.) enthält. Die W. if 
in ihrer Inorpeligen Grundlage im Embryo früher, als andere Knochen, vorhan⸗ 
den, verfnöchert jedoch fpäter, als viele andere, Angeborene Bildungsfehler, zu viel 
oder zu wenig Wirbel, Epaltung bes Rüdenmarktanals, ‚Berfrümmungen u. ſ. w. 
find nicht ſelten; letztere werden oft auch fpäter erworben und find enſtand 
der Orthopädie (f. d.). Dieſelben Krankheiten, welche andere Knochen bes 
fallen, fünnen auch bei der W. vorkommen und find bier, wegen ber zeahe des 
Rüdenmarks, mit mehr Gefahr verbunden. Weldye Wichtigkeit vie W. in ver 
Oekonomie des thierifchen Körpers befigt, zeigt die wohlbegründete Eintheilung 
des gefammten Thierreichs tm zwei große Claſſen: die Wirbels und die wir» 
bellofen Thiere. Während letztere den Wirbel gänzlich entbehren und von 
euheren in der ganzen Körperorganifation bedeutend abweichen, hält in dieſen bie 

. obgleidy an Anzahl und Beftaltung der Wirbel ſelbſt mannigfach verfchieden, 
ihre allgemeine Beftimmung, einen weientlidhen Theil des Knochenſyſtems, fomit 
ein Hauptorgan der Seftaltung und Bewegung des ganzen Körpers und einen 
feften Schuß für dad Rückenmark abzugeben, durdygängig feft. 

Wirkung nennen wir Alles das, was durch etwas Anderes hervorgebracht 
wird. So ji 3: B. Wärme die W. des Feuers, die Sonnenfinfterniß die W. 
des Mondes, der zwifchen die Erde und die Sonne tritt ıc. Wan unterfcheidet 
unmittelbare W.en, wenn eine Kraft fie durch fich felbft hervorbringt; mit» 
telbare W.en, wenn die W. einer andern Kraft dazwifchentritt. Der Umfang 
einer W. heißt der Wirkungskreis. Alle diejenigen W.en, weldye die Körper 
durdy Stoß und Drud auf einander auszuüben im Stande find, nennt man medyas 
niſche W.en u. diejenigen, die in der befondern Befchaffenheit der Körper gegründet 
find, hemifhe W.n, weil leßtere auf eine gegenfeitige Anziehung ober Zurüds 
— zuruͤckgeführt werden können. Bezieht man 3. die W. auf Geſchuͤtz u. 

ulverminen, fo heißt die Richtung, nach welcher eine Mine wirkt, die W.s⸗Linie 
und die Ausdehnung, bis wohn He wirkt, der WE, Kreis, die Wei: Sphäre, 
Ebenſo if eleftrifcher W.s⸗Kreis der Raum, in weldyem andere Körper durch 
einen elektrifirten offgiet werden. 

h, Joh. Georg Auguft, geboren zu Hof in Oberfranken 1800, trat 
ſchon früh in bayerifche Staatödienfte au Bayreuth und begab ſich 1831 von da 
nach München, wo er feine, fchon in Bayreuth herausgegebene, Zeitfchrift „ber 
Kosmopolit“ fortſetzte, dieſe aber noch in demfelden Jahre aufgab und mit Gotta 
einen Contrakt fchloß, wodurch ihm die Redaktion der Zeitfchrift „Bas Inland“, 
die zunächft auf die Belebung des politifcyen Lebens in Bayern berechnet war, 
übertragen wurde. Die Regierung machte das Blatt zu ihrem Organe, ohne 
jedoch, wie erklärt wurde, dem auegeber den Spielraum zur Darlegung feiner 
Meinungen befchränfen zu wollen. Seine anfänglich) pemäpigte Haltung ging 
aber bald in leidenfchaftliche Oppoſition über, die Ibn mit der Genfur in — 
keiten verwickelte; „dad Inland“ wurde endlich unter die Cenſur ber Kreisreg 
rung geftelt, hörte auf, ein Halboffizieles Blatt zu feyn ‚und, da W. in eine 


86 a 


im ſttion fo erſchien es 

* en g kuͤn 7 * —— Aidane⸗ an, ae an: 
—— ——— a —— 
aufs. daher wurbe I. in der Genfur von Neuem befchränft, was ih — 
















De „ —* 3 1832 nad Hambach in Rheinbayern zu verlegen, wo er 

fih, ven beftehenven gef ide Gormen der Gerichteverfaffung zu es fie 

wegen zu können ver Da aber feine Sprache gegen 

wärtige Regierungen ae tühner wurde, der monarchifchen m. Hs 

— * nur das Heil in einem Bunde deutſcher Freiſtaaten Bu 
e 


im Ri 832 Bundestag 
scheiden (hy) ve F —* den —5 des 


Baterlamer eunde in Sa ende un — Yon im m se dem hate & 
(27. Mai) ACH — ber Deutfehlands wurde er mit * 
deren Theilnehmern an dem elle abermals —— und nach —* 
I peu wo die gerichtlichen Unterfuungen gegen ihm begannen. 
geiprochen, enıwidelte er d feiner —— — 
chrift: „Die elite Reform Deutfchlande“ ( (Straßburg 1832). Im 
gm is 108 ——* ſich die Aſſiſen zu Landau, um über ihn und vie —* 
den Aus zu thun. In der Unklageacte warb er beſchul⸗ 
BE 83 ine € nen theils durch a zu bad) gehaltene, Rebe 
unmittelbar zum Gturge der beutfchen 
worenen aber ihn, wie bie an en mr 
Fra nicht fr laſſen, well ji vor dem Zuctpoll, 
in Ron un riften gegen in» und — Ins — 55*— 
* und die " heinbaper! che — lbehoͤrde verurtheilte ihn ovemnber 
zweijaͤhriger Haft, worauf er, ohne mit Siebenpfeifer aiflden zu wollen, in 
das er 9 zu Ralferslautern gebradht wurde (April 1834) 
überflelen Bewaffnete den Wagen, um ihn zu befreien —æ— Verfuch mißl 
aber und W. —* in Kaiſerslautern an, von wo er 1835 noo 
nem] ffau in geringere Haft gebracht wurde. Endlich erlaubte mon m, er po⸗ 
ilicher Aufficht in feiner Vaterſtadt Hof zu leben, von wo er aber am 3%. 
Dora 1836 flüchtete, fi) zuerſt nach Straßburg u. Rancy u. kierauf in ben 
Schweizer- Canton Turgau begab, wo er eine Zeit lange die beutiche Volkshalle 
redigitte, die aber 6 bald durch zolhe ewalt unterbrüdt wurde. 1843 begann er 
feine „Geſchichte der Deutfi e viele neue uf Läfle enthält ſich 
ein ‚forgenfreiee Alter zu v an Tanfie er für feine arniſſe ein Landgut, 
allein Kauffumme überſtieg feine Kräfte; nach vielen Anftzengungen fonnte 
er, hop ge gi Ife treuer Freunde, das But nidyt behaupten, den 
der von dem Bläubiger mit harter Gtrenge eingeforvert wurbe, nicht gu redhter 
Zeit auftreiben; er rieb fich in einem mehrjährigen Kamp mit Bier | materiellen 
Roth furchtbar auf: eine —— Verſteigerun der andern traf ihn; 
die Freunde, welche feinen Ökonomifchen Echritt m sit t, Berlßen ihn; guleht 
wurde das But verkauft ımd er gezwungen, nach Deutichland zurüd zu kehren. 
Während er zu Karlörube die Bergung feiner Geſchichte —* wollte er ſich 
wieder in die Politik werfen; allein das Unternehmen „gelang g nich. Es war 
im im Anfange des Jahres 1847, als er ns der Einleitung feiner neueften Geſchichte 
den Fürften noch einen I Berglei vorfälug, Dasienige nämlich —* wovon 
jegt. bie ganze Nation erfakt 1 iR, was Andere in totionen a feprieben. Damals 
dachte man noch an Feine Revolution und, wenn die Fürften darauf eing 
wären, fo wären fie gerettet geweien und auch das Wolf hätte feine Freiheit 
ohne Revolution errungen. Allein man hörte nicht auf Ihn und ein Jahr darauf 
fam, was er voraus gefagt und die Revolution machte nun jenen Bergleich un 


möglich, obgleich man ihn jept endlich ausführen wi und dadurch die täglichen 











Diseby — Witwer. ar 
Kämpfe verurfacht. W. fchrieb jetzt ſein denkwürdiges „Wort an die beutfche 
Nation“, wovon jede Eylbe eine Prophette ift, die 8 täglich durch Thatſachen 
beſtaͤtigt. Und mit ihm ſollte er feine Laufbahn vollenden. Obgleich früher ver 
Abgott des Rheinlandes, fand er doch 1843 hier feinen Wahlbezirk, der ihm fein 
Vertrauen für die deutfche Ratisnalverfammlung ſchenken mochte; er vertrat in 
derfelben Neuß und Gera. Im lehten Auffladern feiner Lebenskraft träumte er 
von einer zweiten, fchönern Periode feiner Thätigkeit. Die „deutſche Tribüne“ 
trat aus ihrem Grabe hervor; in ihr u. in der Rationalverfammlung that ſich für 
ihn ein unermeßlicyes Feld auf. Es war zu fpät. WS ver Reichöverwefer in 
EA Mauern einzog, lag W. auf dem Sterbebetie; am 26. Juli 1848 

oß er die Augen. 

Wisby, eis an der wehlichen Küfte von Gothland in Schweden, mit 
etwa 5000 Einw., ift Sitz eines proteftantifchen Biſchofs und bat ein Gymna⸗ 
fium, ſtarke Induſtrie und anfehnlichen Handel. Früher war W. ale Santehabt 
fehr berühmt und das biefige Geerecht galt im ganzen NRorben von @uropa. 

Wiſchnu, f. indiſche Religion. 

Wisconfin, Gebiet im Nordweſten der Vereinigten Staaten, auf der Oftfelte 
des obern Miſſiſſippi, zwiichen dem weſtlichen Binnenlande des brittifchen Nord⸗ 
amerika und dem Staate Illinois, im Dften vom Michiganfee begränst und mit 
dem nörvlichen Theile das ganze Süd» und Weſtgeſtade des Oberſees bildend. 
Der Flaͤcheninhalt beträgt 5400 [J Meilen, wie Einwohnerzahl 50,000, worunter 
20,000 Deutfhe. Die Menoment’s, die Ditawa’s, Siouxr, Sawk's, Foke's und 
einige andere inplanifche Voͤlkerſchaften find noch in den nördlichen u. weftlichen 
Theilen des Gebietes verbreitet, aber man kann mit Sicherheit darauf rechnen, 
daß fie ſich entfernen werben, in dem Maße, als die weiße Bevoͤlkerung Fort⸗ 
fehritte macht. Diefe nimmt mit jedem Tage zu, und die Anſiedlungen folgen 
fih ſchnell aufeinander. Die Negerfklaverei ift in dieſem Gebiete nicht geftattet. 
Der in den Miffiffippt ſich ergießenne Fluß Wisconfin, weldyer dem Land⸗ 
firidye den Ramen gibt, wurde im 3. 1674 von zwei Sranzofen entbedt, wem 
Miffionär Pater Marquette und dem Kaufmanne Joltet. Boden und Produkte 
find wie in den benadybarten Staaten und im weftlichen Binnenlande des brits 
tifchen Nordamerika. In neuerer Zeit bat man reiche Bleis und Kupfergruben 
entdedt, vie jet zahlreiche Arbeiter befepäftigen. Bereits find auch Städte ges 
gründet worden, darunter Mapdifon, der Sitz des Gouverneurs, und Mils 
waufie am Midyiganfee, das ſchon acht Kirchen und 8000 Einwohner hat. 
Außerdem beftehen im Lande mehre Forte. — W. wurde früher der Huron⸗ 
Diſtrikt geheißen und bildete mit dem Jowa⸗Diſttikt das f. g. Nor dweſt⸗ 
Gebiet. Durch eine Alte vom 29. April 1836 erklärte der amerifantidhe Kon⸗ 
greß es zum Gebiete (territory) u. ſetzte daſelbſt eine Regierung ein. Es gehört 
zur Zelt unter diejenigen Länderbezirte der Bereinigten Staaten, welche noch 
feine ſelbſtſtaͤndige polittiche Verfaffung haben, fondern im Ramen des Präfventen 
und des Kongrefies durch einen Gouverneur verwaltet werben. mD _ 

Wiſelius, Samuel Spernegoon, ein hollaͤndiſcher Dichter, geb. 1769 
zu Amfterdam, praftizirte felt 1792 als Advokat zu Amſterdam, wendete fidy 
jedoch von feinem Fache bald ab und trieb Handelögefchäfte. 1795 wurde er, 
wegen Beförderung der Revolution, Mitglied der Brovinzials Berwaltung von 
Holland, zog ſich aber fpäter in den Ausſchuß für die Angelegenheiten der Colo⸗ 
nien zurüd. Bet der Bereinigung der ſtreitenden eien 1802 verlor W. feine 
Stelle und wurde er 1814 wieder als Borkand der Polizei in Amſterdam an⸗ 
geſtellt; er farb 1845. Seine Trauerfpiele u. ein Theil feiner Gedichte erfchienen: 
Mengelen Tonneel Poezy, Amflervam 1818, 5 Bände, dazu ein fechöter Band, 
Niuws —e ef km Großherzogtum Medienburg-Ech mit 3 

mar, Herricha roßherzogthum enburg⸗ Schwerin, wit 
Meilen und 15,000 Einwohn.; darin ve Hauptſtadt —* Namens an 4 
Bufen der Oſtſee, ber einen geräumigen und ſichern 44 bildet, iR. Sta du 






—— Conſiſtorlums Hat ‚ein Gymnaſtum, ein Wale 
Baus, drei Hofpitäler, ein: Seebad u 11,500 Einw., die hauptfächlich 
tuch, Karten, Tabak, Wollen: und Leinenwaaren fabriziren, Schiffbau, Bien 
und fehr lebhaften Handel treiben. — W. foll das alte Taci nad An, 
Lirimiris° fen, aber den Namen W. von einem alten Bandalenföntge Wisnar 
340 erhalten haben. "675 war es nur eim Bleden;_ fein Hafen wird 1170 m 
lundlich „blieb aber. Hein, bis es Graf Gumelin vom Schwerin 12% 
aus den Ruinen von Medlenbur, ——— um Luůbeck zu —— 1901 
brachte Heinrich der Htrofolymitaner: W. an Medienburg. - wurde bie | 
Stadt eine der bebeutendften, weigerte den Ben von Te 
mehrmals den Gehorfam, gerieth aber 1586, wo viele Niederländer nad | 
burg. flüchteten und: von dm aus Handel trieben, in Verfall. Es war bamalt | 
eine bedeutende Feſtung, durch einen baftfonirten Wall; der Hafen durch ein ge: 
mauertes, vierediges, baftionirtes, bombenfeftes ort, der Wallfifch, am — | 
gende deſſelben auf einer Sandbank gelegen, geihügt. 1628 eroberte es Wall, 
ein für den Kaifer, 1631 aber Guftav Molpb. Es ward im chen 
Ftieden 1648 an Schweden abgetreten und Medienburg durch das Bisihun 
gi entſchaͤdigt. Schwehen verftärkte: die Feſtungowerle und verwendete fı 
viel darauf, dap Karl XI. die Wälle Wis die fülbernen Wällenanmte. 1675 man 
W. durch die Dänen unter Sandberg belagert und durch Eapitulation erobert; 
doch gaben 28 die Dänen 1679 im Frieden von Schonen wieder heraus. 169% 
Er der Blih in einen Pulverthurm und fprengte diefen und mit ihm einen 
il he eh 1712 — es —— Dänen, FA * de 
Dänen, Preußen u noveranern belagert; die fat al jet aus 
Hunger und nun wurde’ auch die Fetung gefeleft, ——— Schweden 
im. Srieden won 1721 anheiſchig machen, W. mie wieder zu befeftigem. 1803 
wurde es von Schweden an Medlenburg um 1,200,000 Thlr. Banco verkauft. 
Wismuth, aud) Bismuth, ift ein Metall von weißer, ind Röthliche ſpielen 
der Farbe; glänzend, fpröde, hat einen blätterigen Bruch und ein fpegififchet 
Gewicht = 9,83. Es verwandelt ſich in fehr ftarfer Hipe in Dampf und lift 
fi dann fublimiren. (S. Sublimation.) Der Mineraloge ©. Agricola 
unterfhied dad W. im 3. 1546 zuerft ald ein Metall und 1753 wurde es von 
Pott und Geofftoy näher ermittelt. Es findet fi, im Allgemeinen nicht fehr 
häufig , gediegen; ferner auch oxydirt, als W.⸗Odcer; in Verbindung mit 
Schwefel als W.-Glanz; in Verbindung mit Schwefel und Kupfer als 
Kupfer-W.-Erz und in Berbindung mit Schwefel, Kupfer und Blei als 
Nadelerz. Die hauptfächlichften Fundfätten find auf Gängen im Urs um 
Blöpgebirge, im fächfischen Erzgebirge bei Echneeberg, Johann» Georgenftabt, in 
— Württemberg, Baden, Heflen, Schweden und Norwegen, England un 
Sranfreih. Es dient zu leicht ſchmelzbaten Aeglrungen, 3.3. zum E ehnetiot 
der Klempner, zu weißen Farben, wie W.sweiß, zu Schminke, in der Arzneikunde 
und in der Chemie, aM. 
Wiſſenſchaft, der Inbegriff der Erfenntniffe, die auf irgend einem Gebiet 
des Wiflens möglich find, oder erworben werden, in ein Spftem geordnet. Da 
jede wahrhafte Erfenntniß aus zwei Elementen einem allgemeinen oder rationelen 
und einem befondern oder empirifchen befteht, fo muß auch die W. ebenfo empis 
rifch, wie rational feyn, indem fie das Allgemeine aus dem Befondern entwideln, 
diefes auf jenes, als feinen Grund aus feiner höhern Wahrkeit, zurüdzuführen 
hat, wobei fe alfo weder mit einem bloßen vagen Allgemeinen zu thun hat, noch 
audy bei dem Empirifchen, Wirklichen ftehen bleiben darf. Wie nun das Age 
meine felbft im Veſondern auf verſchiedene Weiſe in verſchiedenen Stufen er 
ſcheint Cugl. den Artikel Vermögen), fo wird es auch für jede diefer Stufen 
einen befondern Anfnüpfungspunft des Erkennens geben, auf welden alle Er⸗ 
ſcheinungen dieſer Stufe zurüdbezogen werben: eine befonbere W., die für fih 
ft, — aber doch aud, weil ihr Ausgangspunkt zugleich Endpunkt einer 


? 


Biffenfaftslchre — Wit, 870 


frübern Reihe if, fi an eine andere W. enfehließt, fo, daß alle dieſe W.en 
eine fortlaufende Reihe bilden, deren Einheit pie Methode ift, nämlich die ratio⸗ 
nale Behandlung der empirifchen Stoffe, die Betrachtung der einzelnen Erſchein⸗ 
ungen nad ihrem Weſen oder Vermögen, deren Graͤnzen aber jene Stufen des 

gemeinen find, von denen aus die Betrachtung vor fi geht wie man 3. B. 
die W. der Natur und die WB. des Geiſtes geichieden hat. Die Philofopbie, 
welche dieſe Methode der W., ihre Unterſchiede und Belehungen entvedt umd 
darnach die W. felbft ordnet und beanffichtigt, mag nicht mit Unrecht Grund 
W., W. der W.en, oder aud) wohl W.⸗Lehre heißen (welch' legtern Ausdruck Fichte 
wählte, der eine theoretifche und praftifche Wiſſenſchaftolehre unterfcylen). — Er⸗ 
fichtlich it, daß, da der W. allemal ein Stoff, d. h. ein Wirkliches emptrifch 
gegeben feyn muß, fie ſtets theoretiſch, fpelulativ, iR, nicht praktiſch, 
d. h. felbft ein Wirkliches hervorbringenn over dazu Anleitung gebend, was viels 
mehr Sache der Kunft iſt; daß daher auch jener Unterſchied ſelbſt unftatthaft 
und nur daher fommen mag, daß die W. der höheren Stufen des @eifteslebens, 
unferem Handeln näher Reh, ald die Betradytung der Natur und daher den 
Schein hat, dies felbft zu fördern. Gewöhnlich freilich bat man jedes, nach irg⸗ 
end einer Art von Prinzip zufammengeftellte, Eonglomerat von Borftellimgen, 
Begriffen, Meinungen über einen Begenhand MW. genannt u. nun bald nach dem 
verichledenen Eharakter diefer Borftellungen von rationalen, empirifchen u. 
rationalempiriſchen; bald nad der Natur der Gegenftände von Rominals 
und RealsW.en (Spradys und Sach⸗W.en), auch von hiſtoriſchen, mathemats 
if u. anderen W.en; bald nach der Wirt, wie der Stoff geboten wirb, von 
freien u. pofttiven; endlich von halbfreien, halb pofltiven W.en gefprochen. Nach 
diefer unmifienfchaftlichen Weife find denn auch zumeift die Elaffififationen 
der W.en gemadyt worden. 

Wiſſenſchaftslehre, ſ. Wiſſenſchaft. 

Wit, 1) Johann de, Großpenſionär von Holland, geboren 1625 aus einer 
alten und edlen Bamilie, der Sohn des Bürgermeiſters zu Dordrecht, Jakob 
de W. flubirte die Recke, Mathematif, Theologie, machte ausländiiche Reifen 
und ſchwang fi dann feinem Baterlande durch Kopf und Talente zum Groß⸗ 
penfionär. Der Krieg mit England 1652, wobei die Holländer in 7 großen 
Seeſchlachten unter ihren großen Admiralen, Tromp u. Ruyter, mit abwechfelns 
dem Süd fochten, befcyäftigte ihn auf's Aeußerſte, ge 2 mehr aber die Gähr⸗ 
ungen im Innern der Republif, wo eine Partei mit Rachdruck darauf drang, 
dem Prinzen Wilhelm von Dranien die Würve feiner Vorfahren zu verfchaffen, 
1668. De W. widerfegte fich diefem Plane aufs Aeußerſte und bewegte bie 
Provinz Holland, durch ein immerwaͤhrendes Edikt die Statthalterfchaft bei ſich 
auf ewig zu vertilgen und bie Stelle eines Generalcapttäns der Union aufzuheben. 
Er Hatte fein anti⸗ oraniſches Eyſtem fehr gut berechnet und er felbft würde bie 
völlige Ausſchließung des Prinzen gewiß behauptet haben, wenn nicht Lud⸗ 
wig XIV., wiver fein eigenes perſoͤnliches Interefie und wider das Intereſſe 
feines Reiche, ohne irgend eine Beranlaffung zu haben, 1672 Krieg angefangen 
hätte. Sobald aber der Krieg ausbrach, war die anttsorantiche Partei g zengt 
und die Republik ſelbſt ſchien faft ohne Rettung verloren. Das Bol, belebt 
durch das Andenken an die glüdfeligen Zeiten unter ben Statthaltern, erregte bei 
diefen Bebrängnifien des Staates einen allgemeinen Aufruhr gegen feine Obrig⸗ 
feiten, mit der Wirkung, daß der 22jährige Prinz Wilhelm von Oranien, ver 
fhon beim Anfange der Gefahr zum Generalcapitän der Union ernannt worben 
war, nicht nur von Seeland, fondern auch von Holland, mit völliger Aufpebmg 
des immerwährenden Edikts, zum Statthalter angenommen werben mußte. 

Bolt, das ehemals in de W. feinen Retter gefehen hatte, warf nun den wüthend- 
ften Haß auf ihn. Er hatte ſchon vorher feine Staatsbedienung niebergelegt, 
wurde aber deffen ungeachtet mit feinem Bruder Gornelius, Bürgermeifler von 
Dordrecht, am 20, Aug. 1672 von dem Poͤbel zu Haag auf unmenichlicdfte > 


880 Witebek — Withof. 

mordet und gemihhandelt. Dieſer große Staatsmann zeichnete ſich eben fo ſchi 
durch feine hen als feine Talente aus, Et lebie höchft einfach und ging 
gewöhnlich zu Buß, während fein Name bei den europäiſchen Regotiarionen ncher 
den mächtigften Königen — wurde. Im Arbeiten. war er uner mũolich, beirich 
Alles in der, Ordnung mir. Weisheit, belebt vom wärmften PBatriotismus. Nie 
mand Fannte den Etaat von Holland, deſſen Kräfte u, Die zwed mäßigſte Anwend- 
ung derfelben biffer, als er. Won feinem großen poſitiſchen Gente: zeugen unta 
anderen die Brieven van de W., die in Amfterdam 1725 in 6 Duarıbänden a: 
fhienen find und fein, von ihm ſelbſt 1662 gefchriebenes,: politiſches Tehamaı 
unter dem Titel: „Memoires de Jean de W., trad; de I’ holland.“ Regensbur 
4709, — 2) ®W., genannt von Dörring, Ferdinand, - geboren zu Altona 
1800, war der Sohn eines Roßhännlers, lebte aber bei feiner gejchiedenen Mut 
ter, einer Schweiter des befannien Baron Gditein, weiche hierauf den daniſchen 
Dffizier von Dörring heiratbete, ı befuchte dad Gymnafium- zu Altona und jet 
1813 das Johanneum in Hamburg. und bezog 1817 die Univerfirät Kiel und 
1818 Jena, von wo aus er Gießen befuchte, daſelbſt mit Karl Follenius Freund 
ſchaft ſchloß u. im Auguft eine Fußreife nach Paris unternahm. itte er ſchen 
früher durch überfparnted Weſen mandyen Anftoß, felbft unter fe glei vae⸗ 
finnten Freunden, erregt, fo ward er jegt unter der Aegide Folien's, der 1818 
in Jena als Privatdocent auftrat, um jo ungebunbener und mußte bereits im 
Dezember 1818 Jena verlaffin. Er z0g ſich nad Altona zurüd, begab fich abe 
im Folge der, wegen Kehebie's Ermordung ‚eingeleiteten, Unterfuchung 1819 nad 
England, von wo aus er fich höchft inpiscret über feine Freunde in Zena aut 
fprach und folgte bald darauf einem Rufe feines Oheims, des Baron Edikein, 
nady Paris, von wo ihn aber diefer nach Nizza zu Deferre endete. Won nun 
an lebte er unter dem Namen Dörring an verſchiedenen Orten Eranfreict, 
Italiens und der, Schweiz, biß er endlich. am 20, Eeptember 1821 in Savoy 
verhaftet: wurde und nad) Turin und von da in die Gitadelle nach Mailand ge 
bracht wurde. Hier entfam er zwar im Dezember 1822 u. irrte nun unftät umber, 
ward aber am 24. Februar 1824 in Bayreuth verhaftet, nach Köpenik gebracht 
und 1826 auf die daͤniſche Feftung Frederileort gefcht, von wo entlaffen er 
fi) zur Herausgabe einiger feiner Schriften nady Braunfchweig begab, aber, auf 
Antrag deö preußifchen Staatsminiftere von Schudmann von dort weggewieſen 
in Deutfcpland nirgend& geduldet, umberirtte, bis er endlich in Weimar einen 
kurzen Aufenihalt — und zugleich die Hand einer reichen Dame von Stande 
erwarb, mit der ihm aber Schleswig als fortwährender Aufenthaltsort angewieſen 
ward. In newerer Zeit kaufie er ſich in Oberſchleſien an; auch ſcheint er feinen 
frühern fehr unftäten Eharakter, namentlich feit er 1845 zur katholiſchen Kirche 
zurücklehrte, mehr confolivirt zu haben. Beſonders wirkte er loͤblich für das zu 
Stande Kommen der Mäßtgkeitövereine. Seine früheren Echriften tragen gan 
: den Stempel feines ercentrifchen, unftäten Charakters: „Lucubrationen eines 
. Gtaatsgefangenen,“ Braunſchweig 1827; „I. W., genannt von Dörring, Brage 
mente aus meinem Leben und meiner Zeit,“ Braunichweig 1827—1830, 4 Bo. 
und „W. von Dörring, mein Jugendleben und meine Reiſen,“ Leipzig 1832. 

Witebst, ein. Turfiches Gouvernement, yolfcen Liefl and, Pſtow, Emolendt, 
Minst, Kurland, Mohilem, mit 715 [J Meilen u. 756,000 Einwohnern, iſt eben, 
theils fandig und morafttg, waldreich und hat namhaften Aderbau und Viehzucht. 
— Die gleichnamige Hauptfladt, in fumpfiger Gegend an der Düna g.legen, bat 
41 griechiſche und 3 römıfchs latholiſche Küchen, ein Gymnafum und 18,000 
Einwohner, weldye bedeutende Induſtrie in Leder, Tuch ac. treiben. Stadt und 
Gouvernement famen 1772 von Polen an Rußland. 

Withof, Johann Philipp Lorenz, Arzt und trefflicher didaktiſcher 
Dichter, geboren 1725 zu Duisburg, durch feinen Vater, Profefjor der Geſchichte 
und gtiechiſchen Sprache, tüchtig nebiidet, ftubirte Mepizin, wurde Arzt zu 
Bingen, Docent zu Duisburg, Profeffor der Geſchichte u. Philofophie zu Hamm, 


Eitfchel Auicualr a 
trofeffor der Medizin zu Frand an ber Oder zus Au u als Ati u zu 
Yutsburg, 1789. Im hard niert ohne Gärten, je ®.durh 
er Gedanken und Fühne Phantafle aus. he ? FE 
782 A PR „Unterhaltungen mit feinen innen e 3: 

—ãA en a ithelm, ein re Bi — Bye 1769 
1 Pi |, wurde nach WBerwaltung mehrer —RA 1819 
Yefan, —e— —— Kattenhochſtaͤdt, wo er am 24. April 1847 
#78. Jahre ftarb. Geine religtöfen 41 Sa u. von edler Form, aber 


icht tief. A en verbrel den en» u. Abendopfer“ ¶ 
39 ——— Sea Sarnen (m (neue Ans 9% — 
i796, Pantheon für Damen* — —— 1828) x. 


Wittekind, gewöhnlich mit dem Beinamen: —* — der vorzüge 
chſten Heerführer der Sachfen fm {een Dritheile Dre 8. Sahrundecb Rammie 
us einem wertete, a0 Fr — feine Tapferkeit bei Ratlon viel 

tuhm erworben hatte. Die Sachſen waren ſchon unter Karl des Großen aan 
zipin dem Kuren, 35 worden, den Franken einen jährlichen Tribut iM 
eben; allein Karl PM nit bios Tribut von en ante A & ſich von 


N} te 
—F en See gu —— WeRphalen F 3 N in am 
oberımg der erſtern ſchien Karin vor⸗ 
India Dig A Fr e Ye 772 den NKrieg gegen bie —E befchloflen 


die ‚griff er fogleich jene Feſtung an, bee fie und gerflörte die Irmenfäule. 


8 beivog zwat die an ber Weiler wohnenben fen, mit Karl Frieden zu 


iachen und ſhm zur Sicherheit Geißeln zu geben; allein kaum hatte Karl 774 
inen Marſch nach Italien angetreten, um bie — obarden zu en, fo 
atriß ihm W., den YA fen zu Ihrem Anführer gem he hatten, diefe 
vieber umb gerörte fü je. Karl eilte aus Itallen zurüd, verwüftete einen 
er rain 2 — ſchlug die rebeiltfchen Eachſen in einigen Treffen, em 
jnen eine jeſtung umd führte wesburg jeber auf, doch nur, um fie 
76 von Mr ſerſtort zu finden. Rat mmang die Empörer von Reuem 
ur Untermer ß und zur Taufe, allein vergebens erwartete er Wes Unterwer⸗ 
ang, der indeflen zu feinem Schwiegervater, Siegfried, König von Dänes 
varf, begeben hatte und nur Karls Kr. erwartete, um abermals die 
iranfen anzugreifen. Kaum war Mer nad Spanien gegangen, um 
uch dort @roberungen zu machen, fo u . von en bis an den Rhein 
or und verwüftete, da ihm ein Uebergen — Fluß unmdglich mat, die 
ange Gegend vom Rhein bis an bie de. Allein er wurde jegt und im fols 
enden Jahre von den Franken geſchlagen und Karl, der immer weiter vorbrang, 
tachte jegt einen beträchtlichen Ara der Sachſen jur Unterwerfung. W. wars 
te nur auf Karls Entfernung von der Wrmee, flellte ſich wieder an ie * 
iner Armee und ſchlug 782 die Semifen bei Suntal (mie man glaubt dem j 
Rünber im —A hen auf t. Karl — wieder vor und ans 
aa! W. auch di Re Bde ent, war, n er an ben 
fen bie — Fade Mac er ie Kaufende nieberhauen Wei 
5 ae Erfahrungen hatten th; tn endlich Zi I Ka ah, 
ber n —S jegt werden Tönne: FA 
nd Freiheit, flellte Im geibetn für feine Siöperheit * 


em 
fi J El \} t, na atte tı ſe 
Befsung en en fen 8 u el den —5 ii elf, 
She Diem ai Mi 3 vo fe + u en ale 
m ſelben 

(ie eben dieſes if der beſte veweis dafür, daß er i t wieder al6 
tarls Feind aufgetreten fel. — blleb gehalt in Sue jegen den 

g Geroald von Schwaben 807. er Gtammater' der Ren⸗ 


vr Tel, iſt aus der Geſchichte nicht zu beweiſen. 


Reolenepiiopäble. X. W 


I 


882 Wittelsbach — Wittenberg. 


Wittelsbach, Stammhaus der bayriſchen Königefamilie, welches zu Anfang 
de6 12. Jahrhunderts von dem Grafen Dito IM, zu Scheyern auf einem hohe 
Berge bei Aichach in Oberbayern erbaut worden If. Man nennt es auch Ober: 
wintels dach, im Gegenfage zu dem im Thale liegenden Dorfe und Shhlofr 
Unterwittelsbach. Dermalen ift von ber alten Gele faft nichts mehr zu 
fehen, indem fie nad) der Ermordung des Kaifers Philipp von Schwaben durd 
Dito VIL, von Wittelöbad) auf Befehl Kalſers Dito IV. 1209 geisreif wart, 
Bon den beim Abbruche gewonnenen Steinen erbaute man die Ringmauer des 
Siãdichens Aichach und auf der Etelle der Burg felbft eine Kirche. Seit 1812 
bezeichnet den biftorifch merkwürdigen Platz ein nah .Ohlmüllers Zi im 
gothlichen Style ausgeführte, 50 Fuß hoher Obelisk, errichtet von dem zu 
Zwede im Lande gefammelten Beiträgen und bie Infchrift tragend: „Seinen 
taufendjährigen Regentenftamme das treue Bayern.“ — Ueber die 
Grafen von Scheyern und Wittelobach f. das Nähere unter Scheyern, bi 
welcher Gelegenheit wir audy den in jenem Artikel ©. 117 3.19 eingefchlichenn 
Drudfehler „Agenten“ in „Agnaten“ verbefiern, mD. 

ittenberg, Stadt und we im Regterungsbesirfe Merfeburg, am rechten 
Ufer der Elbe, über welche eine Ellen lange Brüde führt, hat 9000 Einm,, 
5 Kirchen, darunter die Schlofficche mit den Grabmälern Luthers, Meland 
thons, Friedrichs des Weifen und den Bildniſſen der beiden erfleren von 
2%. Granadh. Die Stadtkirche, mit einem Altarbild von 2, Eranach. Sehenswert 
iſt auch das Rathhaus, mit mehren Bildern von demfelben. Das ehemalige 
Auguftinerflofter, jept zum Seminar gehörig; darin die Lutherftube mit 
feinem Stuhl, Schreibtifch, feiner Trinkkanne. Hier hat Peter der Große am 
händig feinen Namen eingefehrieben. Das Denkmal Luthers von Schadow, 1821 
auf dem Marktplage errichtet; des Melanchthoms Haus. Man findet in 
Wittenberg ein Gymnaſium, ein proteftantifches Predigerfeminar, eim Waiſen 
haus, eine Hebammenfchule ıc. Das hieſtge fefte Schloß war ein Zeit langı, 
bis zur Schlacht bei Mühlberg 1547, Refivenz der Kurfürften von Sadjien. 
Die 1502 hier geftiftete Univerfität wurde 1815 mit der zu Halle vereinigt. Die 
Beftung obgleich nur eine dritten Ranges, iſt theils wegen ihrer Lage an da 
Eibe, theild als Deitung Berlins von großer Wichtigkeit. — Geſchichtlich mat 
würdig iR W. namentlich geworben ais Centralpunkt der fogenannten Refor 
mation; bier war es, wo Luther ald Auguftinermöndy gelebt, als Profefior ver 
Theologie gelehrt, am 31. October 1517 Fine 95 Thefed gegen Ablaß ıc. an die 
Kirchenthüre angefchlagen, am 10. Dezember 1522 vor dem Eifterthore die päpk 
che Bulle verbrannt hat, Im 30jährigen Kriege ward W. als Feftung nidı 
angegriffen, die Brüde aber von den Defterreihern 1633 abgebrochen. Im 18. 
Jahrhunderte litt die hieſige Univerfität durch das Emporkommen der Leipziger 
bebeutend. Im 7jährigen Kriege wurde W. von den Preußen befeßt, aber im 
Dctober 1760 von den Defterreichern und der Reichsarmee belagert und befchofien, 
wobei dad Schloß, die Vorftädte und ein Theil der Stadt in Flammen auf 
gingen u. W. erobert wurde. Es wurde von den Preußen fpäter wieder befett 
und nach dem Frieden nicht mehr ald Feſtung betrachtet, fondern die Wäle ja 
Gärten ic. benügt. 1806 befegten die Branzofen W. gleich bei der erſten Auf 
forderung. Napoleon ließ aber die Werke in einigen Vertheidi, ungeuftanb fepen, 
1812 und 1813 aber eine völlige Feſtung daraus machen. Far [06 und Schlos 
Hirche ſollten als Reduit dienen. Lapoype ward Kommandant der franzöfliche 
Befagung. Im April 1813 ward W. von der preuifchen Brigade Bülow dr 
rannt und am 18., obſchon erfolglos, befchofien. Die eigentliche Belagerung br 
ann aber erſt nach der Eroberung von Torgau am 28. Dezember, worauf die 
Grfkürmung am 31. Januar erfolgte. Dabei wurden 285 Häufer völlig zerfört 
Der General Tauenzien, der diefe Belagerung, fo wie die von Torgau geleitet 
hatte, erhielt den Ehrennamen Tauenzien von W. Berg. Meyner, „Gr 
fchichte der Stadt W.“ Def, 1845.) 





Witterung — Wittmann. 833 

Witterung, |. Wetter. 

Bitterungslunde, f. Meteorologie. 

Wittgenſtein, f. Sayn u. Wittgenftein. 

Witthum (dotalitium, vidualitium), 1) alled dasjenige, was ein Mann feiner 
Frau zu ıhrem Unterhalte nach feinem Tode ausfept. In den Alıeften Zeiten 
pflegte der Mann dieſes fchon ald Bräutigam feiner Braut dum Brautſchatz zu 
verordnen; in der Folge wurde aber dad W. von dem Leibgedinge, welches alle 
mal einen Brautfchag vorausfegte und in einem, demfelben angemefienen, Unters 
halte beftand, unterſchieden. — 2) Das einer Kirche oder kirchlichen Anſtalt bei 
der Stiftung derfelben vermachte Grundſtück und in weiterer Bedeutung jedes 
einer foldyen Anſtalt gehörende Grundſtück. 

Rittmann, Georg Michael, VBiſchof von Regeneburg, Die äußere Les 
bendgefchichte dieſes frommen und gottfellgen Mannes ift höchft einfach, doch 
zeigt fi in allen Momenten und Ereignifien derſelben das unvertennbare Ge⸗ 
präge innerer geiftiger Tiefe und erhabener Seelengroͤße. W. wurde auf dem 
feinen Eitern angehörenden Hammergute Finkenhammer (bei Pleiſtein in der Obers 
pfalz) am 23. Jünner 1760 geboren, zeigte fchon in frühefter Jugend vorzügliche 
Anlagen fo wie Neigung zum geiftlihen Stande und legte in den Schulen ber 
Sefuiten in Amberg den erften Grund zu feinem fpätern vielfelligen Wiflen. Nach 
vollendeten Gymnaftalftudien bezog er die Untverfität Heidelberg, wo er Philos 
fophie und wheologie hörte, und machte, nachdem er die Dofktorwürde erlangt, 
einige erfolgreiche Reifen im Ins und Auslande. Heimgelehrt begab er ſich in 
das Klerikalfeminar zu Regendburg und wurde am 21. Dezember 1782 zum 
Priefter geweiht. Nachdem er fünf Jahre in der Seelforge auf dem Lande zur 
gebracht, berief ihn 1788 fein Bifchof als Subregend in das Klerikalfeminar 
nady Regendburg, wo er jene unermüdete und fegenreiche Wirkfamtelt begann, 
die er faſt ein halbes Jahrhundert lang bis zu feinem Tode ununterbrochen forts 

efegt hat. Mehr ald taufend Sünglinge bat er in diefem Zeitraume zu dem er⸗ 

abenen Berufe des Prieftertfums vorbereitet, und er belehrte feine Döglinge 
nicht bloß durch feine Vorträge, fondern auch durch fein Beifpiel, ja fehon fein 
Anblid war eine lebendige Predigt für fie. Seine leitenden Anfichten u. Grund⸗ 
fäge bat er in einer Heinen intereffanten Schrift: „Nachrichten vom geiftlichen 
Seminar zu Regensburg, 1803,* dargelegt. Seine Borträge über Moral, Kas 
ſuiſtik, Liturgte und Schrifterflärung zeugten von feltener Wiffenfchaft und Bes 
lefenheit, von feinem hellen Blide, und merkwürdig bewies feine überrafchenve 
Originalität, in wie hohem Grade fich freied felbftftändiges Denken mit ftrenger 
Rechtgläubigfeit vereinigen laſſe. Sein Lieblingoſtudium war und blieb aber im⸗ 
mer de heilige Schrift, wozu ihm feine eminenten Kenntniffe in den alten und 
ortentalifhen Sprachen treffiih zu Statten Tamen. Dem Drude bat W. nicht 
viel übergeben, indem ihn theild Beſcheidenheit, theils der außerorventlidye Drang 
feiner Berufögefhäfte von der fchrififtelleriihen Thärigkeit abhielt. Doch ers 
fchienen neben der obenerwähnten Schrift in der Periode von 1803 bis 1832 
mehre andere Heine, aber gehaltreiche Biegen, fo 3. B. eine „Einleitung u. bs 
handlung über den Pentateuch des Moſes“, die „Principia catholica de sacra 
scriptura“, eine „Anmahnung zum Coͤlibate“, die „Katholifchen Grundfäge bei 
Ehen, welche zwifchen Katholiken und Proteftanten gefdhleflen worden”. Seine 
Veberfegung der an Bücher des nıuen Teftaments, nach der Batikanifchen 
Ausgabe” erkbte Ichon im Jahre 1829 die 25. Auflage. Diefe Verdeutſchung 
der Bibel zog ihm einige Differenzen mit Rom zu, bei weldyen W., fo ein treuer 
Anhänger des päpftlichen Stuhles er war, die Freiheiten und Rechte der germa- 
nifchen Kirche nachdrücklich gegen die Eingriffe der römifchen Kanzleien vertheis 
digte. Um wieder zu feiner Lebensgefchichte zurüdzufehren, fo flieg W. im Jahre 
1803 vom Subregend zum Regens des Seminartums auf, und bald darnach 
übergab ibm der Erzbiſchof Fürſt Brimas von Dalberg auch die Seelſorge in 
der Doms» und Hauptpfarrei St. Ulrih. Welche fogendncle u RN 


884 Wittmann, 

diefem fo befchwerlichen Amte gezeigt, mie er im Beldhiftuhle, auf ber Kanıd, 
am Kranfenbette, in den Schulen, in ver Mrmenpflege gewirft, das lebt heute 
noch Im dankbaten Andenken der Bewohner ——— Wie allen erleuchtein 
Menſchenfreunden lag ihm vor Allem das Wohl der Kinder am Herzen, babe 
feine umermübete- Sorgfalt für die Schulen, in welchen er mehre Jahre feht 
den Religiongunterricht ertheilte. Arme, elternlofe Kinder fpeiste und kleideie a 
und brachte fie in reiferm Mlter bei chriftlichen Leuten in Dienfte, oder bei rech 
ſchaffenen Meiftern in Lehre. Genau kannte er alle Familien feiner Pfarre, 
vorzüglich die armen, Fannte ihre Mittel und Berürfniffe, und wichtige Dienfe 
Teiftete er hiedurch dem Armenpflegfehaftsraihe, Ueberhaupt war er wahre 
Vater der Armen, verfah fie, wo die üffentliche Unterftügung nicht ausreicht, 
aus feinen eigenen Mitteln mit Kleidungsftüden und ſchentte ihnen reichlich Bei. 
In die entlegenften, verachtetften Hütten brachte er perfönlich leibliche u. geifige 
Hülfe — zu jeder Etunde ded Tages wie mitten in der Nacht. ielſach warn 
die Güte des edlen a mißbraucht, nicht felten mit dem — 
Undanfe belohnt, ja einige Male erlitt er fogar von ruchloſen Händen Mißhand⸗ 
lungen und Beraubungen, aber nie klagte er über folche Gemwaltihaten bei Ge 
richt. Vorzüglich in den Tagen allgemeiner Noth war es, two feine Entfchlofien: 
heit, fein Muth, feine rücfichtölofe Hingebung, feine Liebe und Hirtentreue ſih 
zeigten. An dem Schredenstage der Erftürmung Regensburgs, den 23. April 
1809, fah man ihn mitten im heftigſten Gefechte, in den von Kugeln durd 
fausten, von den Flammen ber brennenden Saum gefährdeten Straßen den Un, 
glüdlichen Troft, den Verwundeten und Sterbenden Hülfe bringen. Gr felst 
verlor bei dem Brande feine ganze Habe, feine zahlreiche Bibliothek, feine werth ⸗ 
vollen Handfchriften; er rettete nichts als die Bfarrbücher und fein Brevier, 
Man hat über diefe furchtbaren Scenen eine Befchreibung von Wes eigener Fr 
der, unter dem Titel: „Nachricht vom Brande des ersbifehöflihen Seminariums 
in Regensburg, ven 23. April 1809“. Ganz als jener Rettungsengel erichten 
er aud), ald im 3. 1813 die rüdztehenden franzöftfchen Truppen das Nervenieber 
in die Stadt brachten. Damald war das Spital faft feine beftändige Wohnung 
und er fpendete im Kreife ver furchtbarften Anſteckung hunderten von Kranfea 
die heiligen Saframente, bis er felbft von der Seuche ergriffen und dem Tor 
nahe gebracht wurde. Bei der anftrengenden Ausübung der Seelforge u. feiner 
andern Beruföpflichten, bei aller Mühe und Beſchwerde, der er fi) Tag um 
Nacht unterzog, geftattete er feinem Körper nicht mehr als die allernöthigfte Er 
quidung, er erlaubte ihm nicht einmal ein Bett, indem er auf einem harten Brett 
fol, Seine Heine Wohnung war höchſt befcheiven, faſt ärmlich eingerichte, 
feine Kleidung beftand in dem einfachen priefterlichen Talar, weldyen er ſelbi 
fpäter als Biſchof nicht ablegte. Im 3. 1821 trat W. bei dem neu errichten 
Domtapitel ald Kanontfus ein und nahm nun auch an ben Arbeiten des biſchöſ 
lichen geiftlichen Rathes thätigen Antheil. Die Stelle des Regens befleivete m 
bis zum Tode, und der fchöne Name Pater Regens“ bleibt ihm noch übern 
Grabe im Munde feiner Ehemaligen Pfarrlinder. 1829 erbat Biſchof Sailer ihn 
fih zum Weihbifchof und im Dftober deſſelben Jahres erhielt er die hohe Würk 
eined Domprobfted, und fein Bifchof übertrug ihm das wichtige Amt eines Se⸗ 
neralvifats. Trotz feines hohen Alters und feines gebrechlichen Körpers nahm 
er ſich mit größtem Gifer aller Tiözefangefhäfte an und befuchte auf höchſt be 
ſchwerlichen Vifitationd- und Firmungsreifen die abgelegenften Theile des Bis: 
thumsd. Nach Sailer’8 Tode wurde er zum Bifchofe von Regensburg ernannt. | 
Diefen Akt nahm der König Ludwig von Bayern, welcher fi) am 1. Juli 1832 
auf feiner Reife nach Brüdenau zu Regensburg befand, perfönlich in der Doms 
lirche vor, indem er an W. die Worte richtete: „Sie, Herr Weihbifchof, find 
Saller's Freund geweſen, Sie follen fein Nachfolger Er ich weiß feinen Rür- 
digeren; auf feinem Grabe ernenne ich Ste zum Biſchofe von Regensburg.“ 
Des Könige Wahl yriefen und fegneten die Bisthums - Angehörigen allge \ 


Sittwenkaſſen — Witzka. 885 


‚ein, aber leider war dem verehrten Manne nicht befchieden, den bifiböfiihen 
Stuhl zu beſteigen. Nachdem er den 21. Dezember 1832 fein fünf; kalthrigee 
riefterjubiläum gefeiert, beflel ihn zwei Donate fpäter eine fchwere Krankheit, 
elcher feine erfchöpften Kräfte den 8. März 1833 erlagen. Als er fein Ende 
ahe fühlte, verlangte er fein Kruzifix, fagend: „Sch bin ein Ehrift, ich will uns 
r dem Kreuze ſterben.“ Die Leiche wurde in der hohen Domfirche zur Ruhe 
ngefegnet, wo feine Grabflätte ein fchönes, finniges Monument ziert, gefegt aus 
em Beiträgen des Didzeſanklerus und vieler Bisthumegläubigen. Die Stimme 
es Volkes nennt W. einen Delligen, und alle, die Ihm fannten, fagen: „Er war 
n Mann aus den erften apoftoliichen Zeiten der Kirche, ein Priefter nach dem 
jerzen Gottes," — Nach den „Erinnerungen an das Leben u. Wirken der hoch⸗ 
ürdigſten Bifchöfe von Regensburg Johann Michael v. Sailer u. Georg Mi⸗ 
yael Wittmann, München 1833” (von E. v. Schenk). mD. 

Wittwenkaffen find Anftalten, deren Zwed es tft, für den Unterhalt der 
Bittwen und deren unverforgter Kinder zu forgen. Dergleichen Anftalten können 
venfowohl öffentliche, als von Privatgefellfchaften unter fich verabredete feyn. 
m häufigften kommen foldye zur BVerforgung der Staatspienerwittwen 
or, denen mit dem Ableben des Mannes auch die Verforgung völlig abge⸗ 
Snitten ft, währenndem die Hinterlaffenen der Privaten das Gewerbe bes 
Rannes fortfegen. In manchen Staaten wird ein geroifer Theil der Staats, 
nnahmen dazu als Beitrag feſtgeſetzt, dem Staatsdiener aber, deſſen Pflicht 
3 N Ran ge nad) Kräften zu forgen, ein PBenflonsabzug gemadht, der 
ı Die Kaffe fließt. 

Witz ift nach der gewöhnlichen Erklärung bie Sähiget, das Verhaͤltniß ver 
lehnlichkeit zwifchen fcheinbar oder wirklich ungleichen Gegenftänden aufzufinvden 
nd zu verfinnlichen. Es R aber bereits andererfeits richtig bemerkt worben, 
aß der W. auch die Unähnlichkeit des Aehnlichſten mit Schnelligkeit trifft, mit- 
in ein Su fammenbenfen zweier Vorftellungen gleichfam erzwinge durch eine, fie 
ets auf eine überraſchende Weife verbindende, oder trennende dritte Vor⸗ 
elung. Der W. hat ed demnach mit dem Aehnlichen des Ungleichen und mit 
er Unähnlichfeit des Aehnlichften zu thun und nur in biefer Beziehung, nicht 
ı jeder beliebigen erflanbeebemegung, fönnen, in auffallender Zufammenftellung, 
3erhältniffe und Gegenftände unter Bine Regel gebracht werden. Der fo vers 
nfchaulidyte Gedanke kann nun ein Ergebniß des Echarffinns, oder audy eine 
‚gereimtheit feyn u. daher ſpricht man von einem ernfibaften u. komiſchen W. 
nd theilt aufferdem den W. in bilplichen und unbildlichen (Verſtandes⸗W.), in 
sahs und Form⸗W., je nachdem derfelbe auf Gegenftänve der Wahrnehmung, 
der auf Begriffe, oder auf Beziehungen der Gegenſtände gerichtet iſtz in den 
gentlidhen und unelgentlicdhen, indem jener fi an die Wahrnehmung ſelbſt und 
n den eigentlichen Ausdruck hält, diefer aber auf eine Vergleichung des Sinn» 
hen mit dem Licherfinnlichen und umgefehrt eingeht (eine Abtheilung, die mit 
em unbilvlichen und bilvlichen W. zufammenfält) u. f. w. Dad Hauptmerkmal 
es W.es überhaupt ift jedoch der Eontraft, die überrafchende Verbindungsweiſe 
er Borftellungen, die durch ihre treffende Schnelligkeit auch eine fchnele Wirk: 
ng bervorbringt und eben darum Kürze des Ausdrucks verlangt. In fofern hat 
le Sprache allerdings Theil an dem W., allein derfelbe ift höchſt untergeorbneter 
tt, wenn er fi) blos in gleichlautenden Wörtern bewegt und gleihiam 
ie Sprache ſelbſt W. machen foll. Der W. ift Sache des Talents, ers 
rdert Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit der Anfchauungen, Fertigkeit im Ders 
leihe und kann ſich überall geltend machen im Leben, wie in wer Erfenntniß 
nd in der Kunſt. Uebrigens beruht das Sinnreiche und Tiefe des W.es allers 
ings in dem Sinnreichen und Tiefen des Vergleichungspunltes und baher iſt er 
udy treffend eine fpielende Urtheilskraft und ein angeſchauter Verſtand genannt. 

fa, Karl Bonaventura, Domfapellmeifter in Augsburg, geboren 
m 2. Rovember 1768 zu Jettingen im Mindelthale tu Scywahen , KIIy RR 


886 Wigleben, :° °* 
erfte wifienfchaftliche und mufllalifche Borbilbung im Kofler Wettenhauſen und 
ſehte dann feine Studien in Augsburg und Dillingen fort, erhielt am 16. März 
1793 die Priefterweihe und wurde zuerft im J. 1792. als fog. Marianer (Cho⸗ 
rail) auf dem Chor der Domfiftöfirdhe in Augsburg angeftellt, wo er ſich in 
mufitalifcher Hinficht unter Leitung des damaligen Domkapellmeiſters Drerel 
weiter ausbildet. Im J. 1800 erfolgte feine Ernennung zum Mufitotreftor und 
Chorvikar an die Collegiatſtifts⸗ und Stadtpfarrkirche St. Mori; in — 
wo er theils durch feine eigenen Compoſitionen, theils durch gelungene Aufführ- 
ung der gebiegenften Kirchencompofitionen älterer und neuefter Zeit, der in 
Augsburg den Geſchmack für beffere Kirchenmuſik wedte und beförkerte. eine 
erlangte muſikaliſche Gelebrität veranlaßte im J. 1822, nach Bühler’s Rücktritt, 
eine Beförderung zum Kapellmeifter an der Domlicche zu Augeturg, wo mit 
einem Eintritte eine neue Wera für die Muſik in der Kathebrale begann. Eine 
eintretende re veranlaßte ihn im 3.1839 zur frehwifligen Reftguation 
der Domkapellmeiſters Stelle, allein er blieb bis zu Einem, am 31. Dft. 1848 
erfolgten, Lebensende unermübet thätig in Lieferung von Kirchencompofliionen. — 
MW. gehört zu ven beliebteften und fleißigfien Gompofiteuren für Kirchenmuflf; 
alle "eine muſikaliſchen Schöpfungen zeichnen fid, durch Reinheit des Gases 
melodiöfen Belang, Zeuer, Kraft und Fülle in der Inftrumentirung und dabei 
durdy Achten Kirchenfiyl au. Die merften derſelben erfchtenen bei Böhm in 
Augsburg. Unter ven vielen Kirchenftüden ragt feine Feſtmeſſe und F 
befonderd hervor. Unter feinen Gelegenheits⸗Cantaten zeichnen ſich feine Cantate 
ki Regierungs »Jubelfelr S. M. des Könige Maximilian Zofeph und zur Er⸗ 
ffnung ver Tatholifchen Studienanſtalt in Augsburg vorzüglid, aus, WS Dirt 
gen! behauptet W. einen vorzüglichen Rang und unter feiner trefflichen Leitung 
lüheten auch während zwei Becennien die Muſikvereins⸗Concerte in Au bung 
As Klaviers und Orgelfpieler, fo wie als Geſang⸗ und Klavierlehrer leifiete 
Ausgezeichnete. | 
igleben, 1) 3. Wilhelm Karl Ernſt von, geboren 1785 zu Halbers 
dt, Sohn des Generalmajord von W., kam 1786 ald Leibyage zu dem König 
riedrich Wilhelm H., ward 1799 Offizier bei dem erften Bataillon Garde, 
machte mit demfelben den Feldzug von 1806 mit, warb 1807 Premierlieutenant, 
1808 Gapitän bei den Barbejägern, 1812 Major, führte dieſes Bataillon in dem 
Feldzuge von 1813 genen Brankreih, ward 1814 Oberſtlieutenant im zweiten 
BardısKegiment und kämpfte mit diefem auf dem Montmartre. 1815 ward er 
dem Generatftabe des Fuͤrſten Blücher beigegeben und dieſer Feldherr entfendete 
ihm zum Generalſtabe des norddeutſchen Bundesheeres, das unter General Haake 
die franzoͤſtſchen Feſtungen an der franzoſiſchen Rordgränge belagerte. Hierauf ward 
er Oberſt der Infanterie, Inſpelteur der Jäger u. Schützen u. Direktor des dritten 
Departements vom Kriegeminifterium, 1816 aber an des Generals von Thiel 
Stelle vortragender Adjutant bei Friedrich Wilhelm UI. 1818 ward er General 
major und Generaladfjutant, 1831 @enerallieutenant und 1834 Kriegsminiſter; 
er ſtatb 1837 zu Berlin. — 2) W., Karl Auguſt Friedrich von, pfeudonym 
4. von Tromlig, ein beliebter Rovelift, geboren 1772 zu Tromlig bei Weimar, 
trat in das preußifche Militär und machte 1792—95 die Feldzüge am Rheine 
mit. Später war er im Hauptauartier des Herzogs von Braunjchweig und des 
Fürften von Hohenlohe, bei Prenzlau gefangen, danı Hauptmann und Escadron⸗ 
Chef in großbergoglich bergifchen Dienſten; focht 1811 in Spanien, ward 1813 
Obriſt in ruffifhen Dienften und lebte nach dem Frieden in ländlicher Zurüdges 
pogenhent bei Halle. Bon da zog er nach Berlin und fpäter nady Dresden und 
die Nähe dieſer Stadt. Er harb 1839. Sein Vorbild war W. Scott und 
er behandelte feine Stoffe mit lebendiger Phantafle und großer Gewandtheit; 
doch fehlt es ihm an tieferem Eindringen in ven Geiſt der Gefchichte und an 
Kraft der Darftellung, fo daß feine Arbeiten, nicht felten zu fentimental, großen 






Bladimir — Sladitlaw. 887 


theils nur unterhalten. Geit 1828 gab er da6 nbuch „Bielliebchen“ her⸗ 
26. Chmmitiäe Eihrifin (27 Bilbchen 1637. 40)" Wi 
Wladimir, ein rufftfches Gouvernement in dem mittlern Landſtriche, zwiſchen 
den Starthalterfchaften Jaroslaw, Koſtroma, Niſchegorod, Riaͤſan, Tambow, 
Twer und Motfwa, hat 862 [J Meilen und 1,136,000 Einwohner, weiche 
gröftentheild Ruffen find. Reben dieſen findet man auch getaufte Morbwinen 
und Tataren, wenige Mubamedaner und noch wenigere Fremblinge aus dem 
Hriflichen Europa. Das Land if im Ganzen etwas flach umd fumpfig. Die 
vorzůglichſten Ylüffe find: Dfa, Kljäsma, Unia, Neil, Kolokſcha 2c., weldhe 
ie Piel, Ind. Unter den Seen iR der Plefiſchejewo durch die erſten Schiff- 
fahrtsübungen Peters des Großen berühmt geworden. Der Boden if zum Aders 
au taugt 1, bad gi es einige Halden, mehre Moräfte u. große Wälder. Ein⸗ 
träglich {ft der Aderbau, er macht den ‚Hauptmabrungegueig aus, fo auch der Obfibau. 
Die Viehzucht iſt mur mittelmäßig. Bon Mineralien gibt es vorzüglidy Elfen 
und Alabaſtet. Die Fabriken find zahlreich und Genie wichtig; ver Handel 
iſt etwas —E Die gleichnamige Haupiſtadt / an der Kljäsma, zwar groß, 
aber fchlecht gebaut, von 1157—1328 Refidenz der zuflfhen Sropfürften, bat 
28 Kirchen, zwei Klöfer, mehre Schulanſtalten und iſt Sig eine griechiſchen 
Bifhofe. Bon dem altın Blanze der Etadt zeugt noch der uralte Kreml, deſſen 
Mauern aber jegt far ganz zerfallen find, u. die Dmitriew'ſche Kathedrale. 
Einwohner, etwas über 20,000, befchäftigen fidy mit Gartenbau, Seidenfabrifen, 
Gerberei, Seifenfleverei umd einigen anderen Induſtriezweigen. Seit 1840 iſt 
®. dur eine trefiliche Heerftraße mit Moskau und Nifchnei-Rowgorod vers 
unden. 
Wladimir oder Wolodimer, der Große, Großfürſt von Rußland, beſtieg 
tm 3. 981, nachdem er feine beiden Brüder aus ihren Staaten verbrängt 7 
den ruffifhen Thron und machte ſich durch feine großen Eroberungen ihmt 
und furdtbar. Sein Reich erftredte ſich den ganzen Dnept — bis zum 
Ladogafee bin und bis an die Ufer ver Düna. Auſſer feinen Eroberungen vers 
tichtete er Thaten, die fein Andenken hewärbiger machen. Gr gab feinem Reicye 
eine fehr veränderte Geſtalt und führte zuerft die Rufſen zu fanfteren Gefinnungen 
und Sitten an. Wirklich befferte er ſich ſelbſt von dieſer Geite merflih, nach⸗ 
dem er 987 in der Krim das Ehriftenthum angenommen hatte, Seine hriftliche 
Gemahlin, Anna, Schweſter eines griechifchen Kaiſers, trug dazu fehr Vieles bei. 
Eine je große Menge Ruſſen liegen fich in Kurzem gleichfalls taufen und, da 
W. die von ihm felbft erbauten Gögentempel nieberzureifien befahl, dagegen aber 
chriflliche Kirchen errichtete, nahm das Heidenthum unter den Ruffen nad) und 
nad) ein Ende. W. forgte auch fonft mit großem Eifer für die Bildung feiner 
Unterthanen, beging aber den großen otitihen Fehler, das Reich unter feine 
zwölf Söhne zu thellm. Er flarb 1015. Unter diefem Großfürften wurbe der 
Gebrauch des ſlavoniſchen Buchflaben durchgehende in Rußland eingeführt. 
Wladislaw, Name mehrer polnifchen Gerjoge und Könige, von denen wir 
anführen: 1) W. IL, nad A. V., König von Polen, mit dem Beinamen gugelb, 
f. Jagelto; 2) ®. IH., König von Polen und Ungarn, Sohn des Borigen, 
war bei feines Vaters Tode 1434, erft gehn Jahre alt und fland unter der Vor⸗ 
mundfchaft der Stände. Kaum war er 18 Jahre alt, fo wählten ihn auch die 
Unger zu ihrem Könige. Gr führte Anfangs mit dem tärkifchen Kaiſer Amurat 
Krieg und erhielt durch feinen Feldherrn Shan von Hunyad große Vortheile 
über ihn. Aber bei einem neuen Ausbruche der Weinhfeligkeiten verlor er ben 
10. Rovember 1444 in ver Schlacht bei Barna fein Leben. — 2) W. IV., geb. 
1595, folgte 1632 feinem Bater Siegmund HL und regierte rühmlich und gli 
lich. Gleich Anfangs zwang er Die Ruflen sum Frieden, der die Graͤnzen bes 
Rei erweiterte. Darauf machten audy die Türken dem Angriffe auf Bolkynien 
ein Ende Mit Schweden ſchloß er einen Stillſtand auf 26 Jahre, d den 
er zwar Liefland abtrat, Preußen wieder erhielt, 185 u 8 ae 


_ 


883 . Malte Wohan. 


nannte Colloquium charitationum zu Thorn in Preußen, woburdh bie chriſtlichen 
Religionsyarteien vereinigt werben follten, aber es nidyt wurden. Veſſer dar es 
ihm mit der Einführung der Poften in Polen, die auf deutſchen Bu gefeht 
Kat Er farb 1 und hatte feinen Bruder, Johann L , um 
achfolger. 
Blake war ber e nach eine böhmtiche Rebellin im 8, Jahrhundert ımdb 
eine Freundin der Libuſſa (f.d.). Sie fol, um nidyt mehr mit Männern um- 
eben zu müflen, ia Berbindung mit mehren Weibern und Jungfrauen eine Ber- 
——* gemacht haben, in Folge deren ſie in einer Racht alle ihre Männer, 
Söhne und Freunde umbradhten. Auch gegen den König Przemislaw 66 
und erbaueten dem Wifcherad gegenüber eine Burg, von der aus ſie viel 
anrichteten. Die Böhmen belagerten die Weiber daſelbſt, wurden aber 3 
fhlagen. Nachdem ſich einen großen Theil des Landes unterworfen, gab 
das Belek, daß nur Mädchen aufgezogen werden follten, ven Knaben aber follte 
das rechte Auge ausgeflochen und beide Daumen abgehadt werben, t fe 
keine Waffen führen Tönnten. Darüber wurde das Volt aber fo empört, daß man 
mit allem Ernf an die Vernichtung der znelbermadht dachte; Liſt fchwächte das 
Heer der W. und in einem Treffen verlor fie auch das Leben. 
Bode beipt der befannte Zeitraum von fieben auf einander folgenden Tas 
deſſen aführung ihren Urfprung ohne allen Zweifel aus der moſaiſchen 
öpfungögefchichte herleitet, nach weldyer Gott Die Welt in ſechs Tagen ſchuf 
und am fiebenten ruhete. Während der Monat (f. d.) in tedenen Zeiten 
und bei verfchievenen Völkern eine verſchiedene Anzahl von Tagen enibielt, beat 
die Woche, mit Ausnahme des Kalenders der ehemaligen franzöflichen Republit 
Sr den Artifel Dekade), ſtets Heben Tage gehabt. Zur Befimmung, mit 
chem Wochentage irgend Sahr der chriftlichen Zeitrechnung anfange, dient 
der Sonntagsbudftabe (f. d.). Bel der Benennung der einzelnen Wochen⸗ 
tage ging man von dem aftrologifchen Aberglauben aus, daß jeder der. fieben 
:laneten der Ptolomäiſchen Weltordnung, nämlid Gatum, Jupiter, Mars, 
onne, Venus, Merkur und Mond, jeder eine Stunde regiere und gab fo, nach⸗ 
dem man einmal einem Tage den Ramen des Saturn (Sonnabend) beigelegt, 
dem folgenden Sage den Namen desjenigen Planeten, welcher In der erſten Tages; 
unse regierte und fuhr fo durch die ganze W. fort. 
Wodan oder Wuodan, der oberfie Bott der alten Germanen, war 
wahrfcheinlich inentifch mit Odin, Gatte der Freia, die Borftelungen von 
und Merkur in ſich vereinigend, welcher nicht nur In Skandinavien, fondern auch 
bei den Bandalen, Kranken, Sachfen, Thüringern, Heffen, Schwaben u. Bofoaren 
(Bayern) als Erie eiloe Sott verehrt wurde, Die Kämpfer weibeten fidy ihm, 
bevor fie in die Schlacht gingen und ließen von feinen ‘PBrieftern ihre Waffen 
Iegnen und gelobten ihm, nady der Schlacht alle Gefangenen zu opfern, welches 
nicht felten auf die graufamfte Art durch Berflümmelung, langfames 
morden, oft aber auch durch wiederholte, bis zur Unmacht gehende Blutentzieh⸗ 
ungen gefchah, in welchem Falle die Priefter und die we von dem frifchen 
Cu umenden Blute tranfen. Die fonft gewöhnlichen Dpfer waren Roſſe und 
ber. Seine Berehrung ragt in das Chriſtenthum hinein und hat durdy Karl 
den Großen kaum auögerottet werben können, woran tndeß wahrſcheinlich feine 
wilde, ftürmifche Bekehrungsart, welche der des Pizarro nicht viel nachgab, 
Schuld gewefen sen mag, indem fpäter die unbeiwaffneten Apoſtel, welche bie 
Religion der Liebe zu predigen kamen, leicht Eingang fanden. Holt fol 
noch im vorigen Jahrhunderte der Gebrauch befanden haben, daß die Bauern 
bei Ernten des Getreides etwas davon auf dem Felde flehen ließen und dann, 
nachdem fie den legten Wagen fortgefchafft, gerufen: „Wode! Wode! hol dine Peerde 
ehr Fode!“ (d. 5. Wodan! Wodan! Kol deinen Pferden ihr Zutter). Auch in dem 











en, 


MWodanstag (jeht Mittwoch, engiiiky Wednesdei) unh In ven Nawen vieler Orte 


| 


[% 


wolfft Wörlig. 889: 


und Gegenden find noch Anflänge des Dpin oder W. zu finden: Odenheim, 
Odenberg, Odenwald ıc. | 

Woͤlffl, Joſeph, ein fehr gefchidter Gomponift und Künftler auf dem Fortes 
piano, geboren 1772 zu Salzburg, bildete fidy unter Mozart und Haydn, wurbe 
1790 Kapellmeifter des polniſchen Grafen Orgindfy zu Warfhau, ging 1795 
nah Wien, wo er feine Jauberopern: „der Hollenberg“, Wien 1795 und „der 
Mann ohne Kopf”, 1798, componirte, begab fi 1799 auf Reifen, fchrieb In 
Paris 1801 die Oper „L’amour romanesque“, ging 1807 nach England und 
farb dafelbft den 21. Mai 1812. Auflervem haben wir von ihm: Sonate, 
Duartetten, Trio's, Phantaflen, Befänge, drei große Eoncerte u. f. w. 

öllner, Johann Chriſtoph von, Föniglich preußifcher @ultusminifter, 
ein durch feinen Hang zur Schwärmerel und zum Myſticismus feiner Zelt bes 
fannt gewordener Mann, geboren 1727 zu Dövriz im Havelland, war ber Sohn 
eined brandenburgifchen Predigers und wurbe 1795 Prediger zu Großbehnitz, 
hernach Kammerrath des gem Heinrih, weil er vorzügliche dkonomiſche 
Kenntnifle dargelegt Hatte. König Friedrich Wilhelm 1. adelte ihn 1786, 
dann wurde er Oberfinanzrath und Intendant der Föniglichen Bauten und 1788 
Staatsminiſter, Chef des geiftlichen Departements und der Iutherifchen Kirchen» 
und Schulſachen. Er war in manchen geheimen Ordensverbindungen, naments 
lid) unter den Rofenkreuzern, wo er den Kamen Chryſopyron führte, beförberte 
durch fein unzeitiges Religionsepift Glaubenszwang, — 28 und Myſticis⸗ 
mus, wurde 1797 entlaſſen und ſtarb den 11. September 1800 zu Groß⸗Riez, 
einem feiner Güter, bei Besfow. Man hat von ihm: Home's Grundfäbe des Acker⸗ 
baued und des Wachsthumes der Pflanzen, überfegt und mit Anmerkungen bes 
gend, Berlin 1763; Unterricht zu einer anserlefenen ökonomiſchen Bibliothek, 
r —— 1764; Ueber die eigenthümlichen Beſitzungen der Bauern, eben⸗ 
af. um. a. 

Wörl, ein namhafter Statiftiker, geboren 1803 zu Pfaffenhofen in Bayern, 
bildete fih auf den Univerfitäten zu Landshut und München, bier auch praftifch 
im Kartenzeichnen und, nachdem er 1825—27 für Einrichtung einer lithograph⸗ 
iſchen Anflalt für Staatszwede in Befangon thätig gewefen war, in Paris. 
Seit 1829 leitete er bie tomograpiih-geographiiihe nftalt Herder’8 in Freiburg, 
begann 1834 Borlefungen über Geographie und Geſchichte und erhielt 1840 eine 
Profeffur an der dortigen Univerfität. eine Karten und Atlanten haben zug 
meinen Beifall gefunden. Mit Kausler bearbeitete er die „Kriege von 1792 bis 
1815 in Europa und Aegypten“ (1841—42). Yerner bearbeitete er in 60 Blät- 
tern den Atlas von Gentraleuropa nebft ftatiftifchen Tabellen, lieferte einen Hand» 
atlas über alle Theile ver Erde in 27 Blättern, einen von der Schweiz in 20, 
einen von Tyrol in 12 Blättern, fowie mehre Spezialkarten u. a. 

Woͤrlitz, Feine Stadt im Herzogthum Anhalt» Deffau, drei Stunden von 
der Stadt Deſſau entfernt, mit einem berzoglichen Schlofie, einer im gothifchen 
Geſchmacke erbauten Kirdye und 2100 Einwohnern, if vorzüglich berühmt durch 
den, vom Herzoge rang angelegten, herrlichen englifchen Hart der in Hinfidht 
feiner Größe und mannigfaltigen gefchmadvollen Anlagen einer der vorzüglichften 
Deutfchlande if. Er beſteht aus fimf Thellen: dem Garten am Schlofle, dem 
Neumark'ſchen Garten, dem Schody’ichen Barten, dem Garten auf dem Weiden 
heget und den neuen Anlagen und erftredt fidy zu beiden Seiten des anmuth- 
gen W.er-Seed und [einer Buchten und Kanäle von der Stadt W. bis zum 
großen Elbwalle, der die Gegend vor Ueberfchwemmungen fichert. Et ift weber 
durch Mauern, noch durch Berzäunung eingefchloflen, Dat, aufler dem Elbwalle 
auf der Rorbfeite, feine Gränze und die ganze Gegend fcheint im Ganzen in 
einen Plan zu gehören. Die Hauptzierden des @artens find: der fpiegelbelle 

‚ere&ee, auf dem man durch Kanäle den ganıen Garten um- und doxe 
ann, das fchöne herzogliche Schloß, das Rymyhäum, Dad Laura IL Ton 
Gifen gebauelen Irigängen, die Louifentlippe, vie Einfineitt, da iii IS 


880 Borterbuch — Wehlgeiuntt. 


mit einer Menge Gemälde, beſonders aus ber dentſchen und nieberlänbiichen 
Schule, von Lukas Cranach, vorzüglichen Glasmalereien und einer Keinen Samm- 
fung von Waffen und Rüftungen, die Bernhard von Weimar trug; die Ketten 
brüde,, der Tempel der Flora mit einer fchönen antiten Statue aus Herculanum 
und ge ſchoͤnen Granitfäulen ; der Bang durch die Elemente mit den GSrotten 
des Neptun und Bulfan, vie Drahibrücke, der Dianerhain, der Tempel ver Be 
nus, die Sonnenbrüde, dad Pantheon mit mehren antıfen Statuen und Büfen, 
worunter Apollo und die. neun Muſen, die Grotte der Egeria, vie Seeſpitze ober 
der Bulfan, wo der See ſpitzig zuläuft und eine 300 Edhritte im Umfange ent 
haltende Inſel bilpet, wo man die Ruinen eines antiken Gymnaſtums, die. 
der Nacht und den eingeſtürzten Krater eines erlofchenen Bulfans ficht u. a. m. 
— — der Donau, tm bahtiſchen Regierungebete 
‚Ma unfern onau, yriſchen erun 

Oberpfalz und Regensburg, mit 1140 Einwohnern. In der Umngegenb Gehen 
Das Schloß, auf einer Anhöhe oberhalb des Ortes erbaut, prangt mit Rattlichen 
| ürmen und Zinnen und gewährt das Bild einer Rolzen Ritterveſte. Es gehörte 
mit der ganzen Herrfchaft dem Hochſtifte Regeneburg. Sn einem feiner Ge⸗ 
mächer unterzeichnete der Fürft Primas, Karl Daiberg, die verhaͤngnißvolle Alte 
des Rheinbundes. Nachdem W. mit dem Bisthume Regeneburg an die Krone 
Bayern gefallen, wurde es von biefer 1812 dem Fürften Thurn und Taris als 
Thronlehen verlichen. Das fürftliche er t daſelbſt iſt ar der in 
erlich in eine 





Bayern eingetretenen Aufhebung der Patrimonialgerichtöbarfeit neu 
k. Gerichts⸗ und Bollzeibehörde verwandelt worben. . 
Wogulen, auch Marſchi over Mardſchkum, find Vollsſtämme in ven 
ruffiſchen Gouvernements Tomok, Berm u. Tobolsk, am ichen und ug 
Theile des nördlichen Uralgebirges, an den Ylüffen Kama, Irtiſch, Kotwa, Wis 
fhura und Tawda, um und über Solikamsk imd Werdhoturien, der Sprache 
nach zu den Finnen, der Geſichtsbildung nach zu den Kalmüden gehö . De 
meiften find Ehriften, einige find Heiden geblieben. Im Sommer ziehen fie um- 
ber, im Winter begeben fie fid, in ihre Dörfer. Die Männer beichäftigen fi 
mit der Jagd und die Weiber, welche für 5, 10—15 Rubel gekauft werben, 
beforgen dad Hausweſen. An die Krone entrichten fie einen jäbrlichen Tribut, 
der.in Elennshaͤuten und Pelzwerk befteht. 
aöeblfaprtsanafhuf (Comit6 de salut public), wurde in ber franzöfkgghen 

Revolution, zufolge der Befchlüffe der Nattonalverfammlung vom 18. März und 
6. April 1793, niedergeſetzt. Er befland aus 10 Gliedern: Barröre, Billaud- 
Varennes, Collot d' Herbois, Garnot, Couthon, Rob. Linder, Robeöpierre, G. 1. 
Prieur, Saint⸗Juſt und J.⸗Bon Saint⸗Androͤ. Seine Gewalt war unbefchränft, 
alle Staatskörper ſtanden unter feiner unmittelbaren Aufficht, wovon er wenat- 
li dem Convente Rechenichaft ablegte, während er ſich ſelbſt alle Tage 
von dem Vollziehungeräthe über die Bollziehung ver Geſetze und m Marian 
Maßregeln Rechenfchaft ablegen ließ. Mit dem Sturze Robespierre’s, der 
des We, endigte diefe furchtbare diktatoriſche Behoͤrde. 
.Wohlgemuth, Michael, der Stifter der Nürnberger Nalerſchule und 
Lehrer Albrecht Dürer's, wurde im J. 1434 zu Rümberg geboren, wo ſich, fe 
wie In Mündyen, Zwidau, Schwabach u. Wien, die Hauptwerke dieſes Meikters 
finden. Als fein ausgezeichnetftes Gemälde betrachtet man vie Darfiellung eine 
Derehrung de8 heil. Hieronymus durch die Donatoten in der Galerie des Teie 
dere zu Wien, herrührend vom 3. 1511 und in Ausdruck, Kolorit und Zeich⸗ 
nung faum noch eine Spur von der harten Behandlung zei end, weide frühen 
Werke W.s an fich tragen, in denen die firenge, feharfgefähnittene M vn 
alten Nürnberger Maler auffallend heroortritt. Die Kompofltionen W.s find im 
Allgemeinen von grober Einfachheit, die Zeichnung der Figuren iſt ſicher und 

eng, der Ausdruck in den Köpfen mannigfalt und nicht felten ergreifend, bie 

handlung der Gewaͤnder ausgezeichnet, pr th und von leuchtender Tiefe das 





x 


Wohllaut — Wolf. 891 


Kolortt. W. war auch bedeutend ald Holzſchneider und er fertigte mit Wilhelm 
Biepdenwurf die Bilder, womit die 1493 erfchienene Schedel'ſche Chronik ven 
türnterg auögeftattet if. Sein Tod erfolgte am 19. Nov. 1519. mD. 

Wohllaut, f. Eu phonde. 

Woimode beveutet im Slawiſchen eigentlich: Seerführer, Herzog, welchem 
letztern Worte e8 auch infofern enıfpricht, ale die W.n des ehemaligen König, 
reih8 Polen zugleih Statthalter der einzelnen Provinzen (Woiwodſchaften, 
Herzogthümer) des Reichs waren, in diefen allen Regterungsgefchäften vorſtan⸗ 
den und im Kriege die Oberanführer der, aus ber Boiwobiahaft aufgebotenen, 
Heereötheile waren. Ebenſo hießen die Fürften der Moldau u. Walachei W.n, 
die fpäter Defpoten u. jeßt Hospodare genannt werden u. in Serbien die Vor⸗ 
ſteher der einzelnen Diſtrikte. 

Woechonski⸗Wald, ein platenuartiged Gebirge im nördlichen (uralbaltifchen) 
Zandrüden ded großen norböftlichen (farmatifchen) Tieflandes von Europa. Er 
erhebt fich mit vem Waldais@®ebirge (f. d.) an den Quellen der Wolga u. 
Düna (im curopäiſchen Rußland), als ein fanft anſteigendes, ſtark bewaldetes 
Plateau und erſtreckt fi) von der Dueligegend der Wolga um den Seligeeofee 
bis zum Kanal von Wiſchni⸗Wolotſchock. eine höchfte Stelle, nämlich 1000 
Fuß über der Oſtſee bei Peteröburg, erreicht er in einem, ebenfalld bewaldeten 
und auch mit Eaatfeldern gefchmüdten Hügel, der in der Nähe der Stäpte 
Waldai und Dftafchlow liegt. Schiefer-, Kalk⸗ und Sanpfleinflöge, die häufig 
Eiſen, Salz u. Eteinkohlen enthalten und nicht felten zu Tag ausgehen, machen 
bie geognoftifchen Bildungen des W.⸗W.es aus. Aufſer den oben genannten 
Strömen enifpringen nody der Don, der Dniepr, der Walchow, die Dfa und 
andere nicht unbedeutende Waſſeradern und, wie der ganze nördliche Lundhöhen- 
zug, mit Ausnahme feiner weftlichen Fortfegung (auf Zütlınd) bis zum 
Kattegat, ausgezeichnet iſt durch eine Menge von Seen, welche auf feinem 
Rüden liegen, fo if dieß beſonders auch bier, im Wehen der Waldaihöhe, 
der Zul. In der Mitte des Waldes zieht die große Straße von Petersburg 
nah Motkau, C. Arendts. 

Wolcot, John, ein berühmter englifcher Sumorif und fatirifcher Dichter, 
befannı unter vem Namen Beter Pindar, geboren 1733 zu Dodbrod in Des 
ronſhire, befuchte in jungen Jahren Frankreich, widmete ſich dann der Chirurgie 
und Apotbefertunft zu Fowey, befchäftigte fidy aber daneben mit der Dichtfunft 
und dem Zeichnen. Hierauf fludirte er zu London Medizin und begleitete 1768 
den Gouverneur, Sir William Trelamney, nad) Jamaica. Ta ihm fein Amt 
viele Muße lich, fludirte er Theologie und erhielt von feinem Gönner eine Pfarr: 
fiele. Nach dem Tode Srelanneye kehrte er nach England zurdd und übte, 
wohlhabend geworden durch den Tod feines Oheims, die Arzneitunde zu Truro, 
dann zu Helftone. Hier entvedte er die Talente des Malerd Opie, mit dem er 
1780 nady London ging, wo feine ſatiriſchen Schriften, Anfange egen die Aka⸗ 
demie, dann gegen die Fönigliche Familie gerichtet, ihm n Hr geringen Ruf ers 
warben. Er flarb 1819, erblinvet, zu Someis⸗Town. Werke, 5 Bpe., 1812. 

Wolf (canis lupus), ein Raubthier aus der Gattung Hund, Familie der 
Zehengänger, wird gegen 4 Fuß lang, 3 Zuß hoch, der Körper iſt nadh vorn 
höher geftelt, Die Schnauze tft dider, als beim Hunde, die Ohren find kurz, auf⸗ 
recht, |pig, der Schwanz niedergebogen, langbehaart, die Haare gelblich » braun, 
etwas wellenförmig.e In Europa iſt er noch in den Wäldern von Polen und 
Rubland, in den Karpathen und Pyrenäen häufig; vereinzelt kommt er auch in 
anderen Waldungen und Gebirgen vor. Geine Lieblingsnahrung find Schafe 
und Wild, aufferdem frißt er Maulwürfe, Mäufe und Fröſche, \ arrt auch die 
Leihen aus. Menſchen fällt er nur im grimmigften Hunger an. Gewöhnlic, jagt 
er in der Morgens und Abenddämmerung, im Sommer auch bei Racht. Das 
Weibchen wirft 3—9 Junge, die fidh Teiche zähmen lafien. Man fchießt den W. 
auf dem Anftande und bei Treibjagden, oder fängt Ian in Sren, Bern win 


2 Rolf. 


ft eifernen Fallen. Das Fell wird zu Wilbfchuren, Bußfäden, Deden x 
Kein Borzüglich Foftbar ift der Pelz des im nörblichen Europa heimiſche 
hwarzen W.s (canis Iycaon). 
Wolf, EhHriftian, Freihert von, einer der größten beutfchen Philoſophen 
»ed 18. Jahrhunderts, der Sohn eines Gerbers zu Bredlau, wo er den 24, Jan 
1679 ‚geboren wurde, erhielt eine orgfätige Erziehung, fubirte in Jena um 
Beipgig vornämlich Philofophie und Mathematit und machte fi) ſchon bus 
eine erften Schriften jo_vortheilhaft befannt, daß er 1707 zu gleicher Zeit ein 
Ruf nach Gießen und Halle erhielt, von denen er den Ieptern annahm. Go miı 
‚r feinen Ruhm vermehrte und durch neue Unterfuchungen die Philofophie fyfe. 
matifch zu begründen fuchte, ſehte er fich auch dem Neide und den Werfolgunge 
der Theologen aus, die es fo weit — a ihm Friedrich Wilhelm I. 173 
am 15. November befahl, die Univerfität binnen 24 Stunden: zu verlaffen. Cr 
ng nach Marburg, wohin er ſchon vorher einen Ruf erhalten hatte, ünd fein 
Im efepten Bemühungen um Philoſophie und Mathematit vermehrten fein 
ubhm fo, daß er Mitglied mehrer Afademien und Socletäten warb und mehr 
ehrenvolle Anträge zu wichtigen Aemtern erhielt, die er aber nicht annahm, iv 
wie er auch. den wiederholten Verfuchen des Königs von Preußen, ihn der Un 
verfität Halle wieder zu geben, nicht folgte, fondern erft nach deſſen Tode, au 
den Ruf Friedrichs U 1740 als geheimer Rath und Wicefanzler, auch Lehre 
des Naturrechts und der Mathematif nach Halle zurüdfehrte. Nach er 
Tode 1743 trat er in die Sielle eines wirklichen Kanzler ein und 17, 
wurde er von dem Kurfürften von Bayern, als damaligen Reichevifar, in 
den Breiherrnftand erhoben, Sein Tod erfolgte den 19, April 1754. WM. but 
auf die philofophifche Bildung der Deutfchen nachdrüdlich gewirkt, ohne che 
um die Philofophie als ſolche bleibende Verbienfte zu haben. Der Unterſuch 
ungsgeift der Deutfchen war vorher durch Reibnig gewedt, aber nicht zu eine 
fireng ſyſtematiſchen Gonfequenz und Einheit gebracht worden. W. fuchte mır 
die einzelnen Bruchftüde und Ideen Leibnitz's zu einem confequenten Lehtgebaude 
ter Philofophie zu erheben und auszubilden, ohne einerfeits die Tiefe der Leit 
nitziſchen Spefulation zu fafen, noch andererfeit8 das Fehlende mit gleicher Eon 
fequenz und Tiefe zu einem vollendeten Syſteme ergänzen u. aufftellen au Eönnen. 
Er hat daher mehr Berdienfte um das Bhilofophiren der Deutichen, als um tie 
Philoſophie u. iſt gewiffermafien eine Mittelftufe in der philoſophiſchen Bildung 
erworben, von da aus ſie Durch den Kriticiömus Kant's fi zur wahren Wiſſen 
Perftlichteit erheben Konnte. Das Eigenthümlichfte von ihm war die firenge 
mathematifche Methode, welche er in die ganze Philoſophie einführte, wodurch a 
Ordnung, Licht und Gründlichkeit über ale Theile derfelben verbreitete, und a 
mar nicht feine Schuld, daß diefe, am fich wohlthätige Lehrart, gemißbraudt 
wurde, Ste lehrte die vorher nicht fo befannte Kunft, die Begriffe Durch Folg⸗ 
erungen u. Anwendungen fruchtbar zu machen und Vieles unter einen weit reid- 
enden Gefichtöpunft zu bringen; wenn fle gleich nicht eben fo gefchidt war, durch 
Mannigfaltigkeit der Beobachtungen die Begriffe einzufchränken oder zu erweitern 
und neue Realbegriffe zu ergründen. Sie Pur audy nebenher den Nugen, daß 
die phitofophifche Sprache der Deutfchen reiner, beflimmter und reicher wurde 
Die Menge feiner Schriften, die er größtentheils in deutſcher Sprache abfapte 
und die ungewöhnlich —8 Anzahl feiner Zuhörer verbreiteten Ordnung, Forſch⸗ 
begierde und Vernunft über alle Fakultäten und Stände und, da fein Leben in 
eine Zeit fiel, wo Pietismus und Myſtik weit um fich griffen und oft in die 
abenteuerlichften Schwärmereien auearteten, fo ward diejed fein Verdienſt deſto 
wohlthätiger, weil feine Philoſophie der färkfle Damm een alle Schwärmered 
warb, ber ihr je entgegengefegt worden; aber unter den 8 inden feiner Anhänger 
artete feine Phllofophie bald in einen blinden und rohen Dogmatiömus aus. — 
Um die Mathematit hat fih W. durch mündlichen Unterricht und Schriften 
eigenthümliche und bleibenbe Werbienfte erworben. Er hatte überdies den Ruhm 


Boll, | ‚893 


eine® moralifchen und edlen Charakters. W.s deutſche Schriften erfchtenen ein⸗ 
geln zu Halle, 1712—33, 7 Bde., feine ausführlicheren lateiniſch, auch einzeln 
n Frankfurt und Leipzig 1728—40 und Halle, 1750, 22 Bde. Ginen Entwurf 
der Geſchichte der Bolficen Philoſophie fehrieb Ludovici, verpaig 1737 und 
Gotſched eine hiſtoriſche Lobfchrift auf W., Halle 1755; Gelbfibiographie, 
herausgegeben von H. Wuttke, Lpz. 1841. Unter W.s Anhängern (Wolftans 
ern) find bemerfenswerth: Baumeifter, Baumgarten, Belfinger, Cramer, Ernefti, 
Gottſched, Reinbek, Riebov, Reufh u. W.; zu feinen Gegnern gehörten, auffer 
Zange, Budde, Groufaz, Cruſtus, Daries, Rüdiger, Walch ıc. — 2) W. Johann 
Nepomuk von, Biſchof von Regensburg, vormaliger Reichtaggefandter und 
wirklicher Reichsrath der bayer. Ständeverfammlung in Bayern, geb. am 29. März 
1743 zu Dettingen im Rieß. Sein Bater, ein E. E. Beamter, wurde von ber Kai⸗ 
ferin Marta Thereſta nah Schlefien verfegt u. dies veranlaßte die Bildungsſchule 
ded Knaben zu Troppau und Olmüg. 1759 Fam er in das Collegium Germa- 
nicum in Rom und erhielt nad) Vollendung eines jährigen Curſes die theolog⸗ 
tfche Doktorwürde, indem er aus dem Fanonifchen Rechte In Rom eine öffentliche 
Difputation gehalten und die Thefen dem damaligen Papfte Clemens XIII. ges 
widmet hatte. 1763 kehrte er nach Deutfchland zurück und erhielt als Belohn⸗ 
ung für die Dedikation der Ihefen ein Kanonikat an der Domkirche zu Regens⸗ 
burg. Da indeß fein wirklicher Eintritt in die Stelle nach der Kapitular «Ber: 
faffung erft fpäter gefchehen fonnte, übte er als Pfarrer in Görzen bei Landshut 
und dann zu Wörth an der Donau eifrig die Seelforge. Rafch folgte feine Bes 
förderung: 1776 zum geiftlichen Rathe, 1783 zum Hof» und Kammer» Rathe, 
1788 zum Gcheimenratbe und Bizepräfiventen des Gonfiftortums in Regendburg. 
Kurfürft Karl Theodor von Pfalzbayern, der ihn nach dem Tode des Fürft- 
bifchof6 von Fugger bei der damaligen Biſchofswahl kennen lernte, ernannte 
ihn zu feinem wirklichen geheimen Rathe, verfchaffte ihm bei der Domkirche zu 
Freyſing eine Domicellar⸗Praͤbende, von welcher er bald darauf zum dortigen 
Weihbifchofe befördert wurde, nachdem ihn der Kürftbifchof Mar Proikop, Graf 
von Törring, 1789 in der Hofkirche zu Regensburg zum Bifchofe von Dolyla 
art. infidel. geweiht hatte. Als Stellvertreter dieſes Fürftbifchofes ging er nach 
Bien ab mit der wichtigen Sendung, die kaiſerlichen Lehen des Bisthumes 
Freyfing und Regensburg vor dem Throne Sr. Maj:ftät des Katfers Joſeph IL 
zu empfangen. Da er biefen wichtigen Auftrag als Borfchafter mit Würde und 
Erfolg ausgeführt hatte, wurde er bei dem damals noch beſtandenen Reichötage 
mit mehren Stimmen verfehen, indem er Gefandter des Fürftbifchofs zu Chur, dann 
von Salm-Syrburg und von den Fatholifchen weſtphäliſchen Grafen wurde, wozu 
noch 1797 die Stimme des Fürftbifchofed zu Trient, dann auch von Briren 
fam. 1799 ward ihm die hohe Würde als wirklicher Eonfiftorial- Bräftvent, 
1802 als Domdechant u. am 30. Dezember deffelben Jahres als Weihbiſchof von 
Regensburg. — Das Ehebündniß des Katferd Franz von Defterreih und ber 
Bringeffin ugufte von Bayern einzufegnen 1816 — dazu erhielt er die Einlad⸗ 
ung. Nach dem abgefchlofienen Concordate mit Bayern 1817, ward W. 1822 
auf den Bisihumsftuhl Regensburg gehoben. Er ftarb am 23. Auguſt 1829 u. 
verewigte fein gefegnete® Andenken durch eine herrliche Stiftung für arme Kranke 
und Walfen, die er zu Erben ſeines Bermögens eingefeht hatte, da er IE 
1804 noch bei Lebzeiten durdy die Kauffumme von 800 fl. den Krankenhaus⸗ 
garten erweitern ließ und nebſt dem Fathol. Krankenhaufe auch eine eigene Heil- 
ungsanftalt für proteftantifche Kranke aus einer Sammlung neu erbauen ließ. — 
3) W., Friedrich Auguft, der berühmte Philolog Deutfchlande, war geboren 
den 14. Febr. 1757 zu Hainrode in der Graffchaft N wo fein Vater 
Gantor war. Der jüngere Sohn Friedr. Auguſt befuchte das Gymnaftum zu 
Nordhauſen und beendete feine dortigen Studien mit dem frühreifen 15. Jahre. 
Schon damals durchwachte der wißbenterige Knabe ganze Rädhte, die von allen 
Seiten zufammengetragenen Autoren 66 ſtudirend, und lernte ganıe Raten 


4 Belt. 


des Cicero fo neläufig,. daß er fie fpäterhin zu Böttingen ſelbſt im hitzigen Fieber 
beflamirte. 1774 er er. Göttingen und verlebte dritihalb Jahre unter den 
den der Bibliot Hier pflegte er mehr den Privatſtunden ale dem Be 
I e der Kollegien obzuliegen; felbft bei Heyne hörte er nur die neue Vorleſung 
er Literaturgefchichte. 1777 ward W. ale Gollaborator nach Ilfeld berufen 
und überreichte bei feinem Abgange von der Hochichule dem PBrofeflor ge 
die Abhandlung über die homeriſchen Befänge, worin ſchon der Keim des Wertes 
enthalten war, das feinen -Ramen fo berühmt machte. Im nächften Jahre ver 
taufchte er die Lehrftelle zu Ilfeld mit dem Rectorate zu Diterode, ſtellte bier 
bie vermochte Schulzucht wieder her und gab das platoniſche Eympoflum 
mit einem beutichen Gomentar heraus 1782, wodurch er einen Ruf nad Halle 
als Profeſſor der Beredſamkeit fi erwarb. Bald darauf warb er Director des 
philologiſchen Seminars uud zweiter Univerfitässbibliothefar. Auf Bildung feines 
lateiniſchen Styls verwandte er vielen Fleiß, und die Klaſſiker des fogenannten 
flbernen Zeitalter® oft dem Wortüberfluffe der früheren Zeit vorzichend, gewannen 
des großen Erasmus Ciceronianismus mehr Geſchmack ab, als dem bewunderten 
Style Ernefil’s; den Muret aber, deſſen Werke er herauszugeben begann, erklärte 
er für das böchke Mufter der neueren Latinität, Den Leipziger Böllologen Rei; 
9 te er über Alles und ihm dedicirte er vie berente Cpiſtel von feiner treff⸗ 
ichen Ausgabe der Rebe des Demoſthenes gegen den Leptines, der geblegenbRm 
und abgefchloffenften aller feiner Wusgaben. Wit Energie trat er gegen die, von 
Trapp, Campe und Baſedow's Anhängern fo lebhaft anempfohlene, Vielwiſſerei 
auf, jo daß man von Ueberſchätzung des unmittelbar Praktiſchen ausgehend, ven 
alademifchen Unterricht in die niederen Schulen zu verlegen’ bemüht war und 
@. madte fi um die Grundverbeſſerung gelehrter Sch durch eine beflere 
Methode hochverdient. Er fammelte um 9 eine Anzahl junger vortrefflicher 
Männer, welche zuerſt ihr Licht an feinen anregenden, begeiſterten Vorträgen ans 
zjündeten: wir nennen nur: Füleborn, Koch, Morgenftern, Bater, Deibrüd, Bres 
dow, Ideler, Bremi, Beder, Bödh, Heindorf, Kraft, Solger, Ochöner, Ries 
mer u. A., lauter berühmte Ramen in ver beutfdhen Ball te. Sn feinen 
Borlefungen beſchraͤnkte er ſich nicht auf die Erftärung einiger hrifsfehler des Alter: 
thums, jondern er umfaßte die ganze Alterthumskunde nebft allgemeiner Ueber: 
fiht der gefammten phllologifchen Wiſſenſchaſtskunde. Das hoͤchſte Ziel ver 
Alterthumskunde ſei Kenntniß des Menfchen auf allen Stufen feiner Entwidelung 
in feinen mannigfaltigen Lebeneverhälmiffen. Die Geſchichte der griechiſchen 
und römifchen Literatur ſei Geſchichte der edleren Menfchheit, ihr Emporftreben, 
ihre Blüche und Reife, ihr Wellen und Hinkerben im Zufammenhange mit ver 
politifchen Geſchichte zu erforfchen, fei ein hoͤchſt wüurdiges Geſchäft des Gebil⸗ 
deten und ein unmittelbar ‚nügliches durch die Belehrungen und Warnungen, 
welche wir aus diefer Betrachtung fchöpfen müflen. Nur ald Mittel, die zur 
Erreichung jened höchften Zweckes führen, betrachtete W. das Studium der 
tiechifchen und römifchen Sprache; aber fchon als ſolche find fie Aufterft wicht 
ndem ihre Erlernung alle Seelenfräfte in eine harmonifche Thätigkeit feßt. & 
bildend, wie das Reiſen unter fremden, in der Gultur höher flehenvden und ihre 
Eigenshümlichkeiten behauptenden, Völkern, wie der Umgang mit originehen 
Menfchen u. unferen Anfichten durchaus entgegenflehenden Denkern if, alfo das Ein- 
dringen in den Geiſt einer von ver uufrigen fo fehr abweichenden Sprache und 
in einen von dem unſtigen fo fehr verfchievenen Ideenkreis. Hiedurch gelangen 
wir zu leichterem Berftänpniß der von der roͤmiſchen abgeleiteten neueren Sprachen, 
ja zur Fortbildung unferer Mutterfprache. Das philologiſche Seminar war für 
die preußifchen Lehranftalten eine treffliche Schule krafwollen Nachwuchſes von 
tüchtigen Profeſſoren und Riemayer hat in einem Mbriffe der Geſchichte und 
Pädagogik die wohlthätige Wirkſamkeit dieſes Seminars laut und freudig ges 
riefen. Unter allen Claſſilern war Homer fein Wuserforner; ein halbes Jahr⸗ 
undert hindurch Bat er ihn nie aus der Hand gelegt und ben urfprünglichen 





Belf. 808 


Tert ſoweit möglich wieder herzuſtellen, wurde bie große Aufgabe feines Lebene. 
Den von Villoiſon aufgefundenen Coder von St. Marcus pflegte er feinen kriti⸗ 
ſchen Forſchungen zu Grund zu legen. Ueber. ven Urfprung der Somerlichen Ge⸗ 
fänge hatten Bentley und Wood bereits Streitfragen gewechſelt; allein feine 
Prolegomenen, 1795 zum erften Male erfchienen, obgleich nur als Torfo auftres 
tend, bildeten einen Wendepunkt: denn mit ebenfoviel Scharffinn ald Gelehrſam⸗ 
keit fuchte er zu beweifen, daß die Humeriſchen Selänge nicht das Werk eined 
einzigen Dichters, ſondern verfchlenener Rapſoden fe. Es folgte nun die Pos 
lemik mit Heyne, durch das fogenannte Digamma veranlaßt, u. die 4 Briefe 
1797 an Hofrath Heyne enthalten die bitterfle Ironie und Zureichtweifung. Nach 
feiner Prachtausgade mit kritiſch verbeffertem Teste, worin er in der Haffifchen 
Vorrede zur Odyſſee auch Humboldt's Einwurf wiverlegte, ließ 1802 Heyne auch 
einen Gommentar zu Homer folgen und die gegenfeltige Verfeinduug ward 
mmer heftiger. W.s fleigender Ruhm veranlaßte feine Berufung nad) Kopen⸗ 
Bean; er lehnte ab, ging aber nach erfolgter Auflöfung der Univerfität in Halle 
1806 nah Berlin. In jener Eriegeriichen Periode feined Umzuges follen ihm 
feine vieljährigen Gollectaneen, deren Herausgabe gu mehr als 30 Bändchen aus⸗ 
gereicht haben würde, nebſt werthvollen Büchern entwendet worben feyn. Wilh. 
v. Humboldt ward ihm ein anhänglicher Freund und durch ihn feßte er bei 
Auswahl der dort anzuftellenden Profeſſoren Vieles durch. Er felbft lehnte zwar 
jede ‚eigentliche Profefiorfielle ab und hielt nur in der Eigenfchaft eines Mit- 
gliedes der Akademie der Wiffenichaften encyklopäpifche Vorlefungen über Alter: 
thumskunde. Kränklichkeit und Beforgniß der ſitzenden Lebensweile auf feine 
Geſundheit hieß Ihn, in den literartfchen Arbeiten nicht mehr leid eifrig wie 
früher auszuharren. Er pflegte zu fagen: „ed wäre wir ein Leichtes, die Alter 
thumsfunde meiner Wieland'ſchen Sammlung für das ganse Volk zugurichten, 
hätte id nur Adelungs⸗Gefäß!“ In diefe Periode fällt das mit Buttmann 
herausgegebene Mufeum der Altertbumsfunde und die Analekten für gründliche 
Kunde des griechifhen und römifchen Alterthums, worin er feinem @eifteöver- 
wandten Bentley ein herrliches Denkmal fette. Platon's Phädon begleitete er 
mit einer meiſterhaften lateintfchen Ueberfegung ; die deutfche Ueberſetzung der erften 
Satyre Horaz's beurkundete feine Trefflichkeit in der Verslunſt und feine Gewandt⸗ 
heit im Ausdruck der deutfchen Sprache. Mit Boß und bald darauf mit Butt- 
mann und Schleiermacher gerieth er in Polemik, die zwar mit Heftigkeit geführt 
ward, aber von feiner Selte damit entfchuldigt wurde, daß er eine Mallce des 
Kopfes und eine Malice des Herzens wohl unterfcheide und ſich von der letztern 
völlig frei wiffe. In der Aufferft glüdiichen Lage eines jährlichen Ehrengehalts 
von E00 Tr. überftel ihn im Jahre 1824 ein unbezwinglicher Wandertrieb Fa 
den fünlichen Küften und Lüften Frankceichs, um in Nizza ſich friiche Lebenskra 
zu holen. In Weimar batte er auf feiner Reife dahin eine rührende Zufammenkunft 
mit Göthe und kam über Lyon im Anfange YAuguft’d nach Marſeille, das ihm 
im 68. Lebensjahre am 8. Auguft zum Begräbniß wurde. Die wichtigften Schriften 
von ihm, aufler den obigen: Plato's Saftmahl mit Eritifcyen und erklärenden Ans 
merlungen, 1782; Homeri Odyss. et llias ad exempl. Glasguense diligentiss. 
express., 1784 — 85; Antiquitäten von Griechenland, 1787; Geſchichte ver rös 
mifchen Literatur, 1787; Borlefungen über griechifche Literatur, 1787; Tetralo- 
ia dramatum Graec., 1787; Ueber Dr. Semlers lebte Lebenstage, 1791; Cic. 
uscul., 1792; Herodiani libri 8, 1792; Homeri et Homeridarum opera et re- 
lequiae, 2 Bde., 1795; Cicero-oratio pro Marcello, 1802; Bermifchte Schriften 
und Auffäge, 1802; Suelonii op., 4 Vol., 1802; Platonis dialogorum delectus, 
1812; Der Metrifer von Heine. Boß im 3. 1817. Anonym von ihm heraus⸗ 
egeben: Parentalia in memoriam Fred. Guilielmi II., 1792, Fol.; Ariſtoph. 
olfen griechifh und deutſch, 18115 Aus Ariſtophan. Acharnern, griechiſch 
und deutich, 1812; Schägbare Heinere Aufſätze in ver Berliner Monate- 
fhrift, in Becker's Comment. societ. philog. Lps. u. f. w. Cm. — 4) U 


8 0 Wolf. 


Ferdinand, geboren zu Wien‘ 1796, kam 1809 mit ſeinen Eltern nah 
Graͤtz, von wo er 1819, nad vollendeten j chen in 

Vaterſtadt zurückkehrte und noch. in demſelben Jahre an ver k. E. llothel 
angeelt wurde. Rad) jähriger Dienſtleiſtung als Gonceptöpraftitant erhielt er 
1827 eine Seriptorfielle. 1833 ernannte ihn die Fönigliche A ie der Geſchichte 
zu Madbdrid und 1834 vie königliche Akademie der enfchaften, wb 
Ihnen Literatur zu Gaen und die Tönigliche Geſellſchaft der Alterthumsforſcher 
von Frankreich zu ihrem eortefpenbirennen Mitglieve. Auſſer mehren : enen 
Aufſaͤtzen und Recenſionen im Wiener Gonverfationsblatte, in den Mlener um 
Berliner Jahrbüchern ıc., von denen auch beſonders, aber in wenigen Cremplaren, 
abgedruckt erfchlenen: veitage zur Geſchichte der caſtilianiſchen Nationalliterann 
(1. Heft, Wien 1832); Weber altfranzoͤſiſche Romanzen⸗ ımb Hofpoeſte (ebend. 
1834), über die Romanzenpoeſie der Spanier (Wien 1847), gab er folgenbe ſelbſt⸗ 
Rändige Werke heraus: Ueber die neueſten Leitungen der Franzoſen bie Her 
‚ausgabe ihrer Rational» Heldengebichte, insbeſondere aus dem fraͤnkiſch⸗ Tarolin- 
giſchen Sagenfreife, nebſt Auszügen aus ungedrudten oder feltenen Werken ver 
wandten Inhalte, Gin — zur der romantiſchen Poeſte, Wie 






1833. Dazu lieferte er Nachträge in die. Altdeutſchen Blätter" von Haupt n. 
Hoffmann, 1. „Leipzig 1835. Mit feinem Eollegen, Stephan Endlicher, 
b er die altveutihe Volkoͤſage: Bon Bruoder Rauchen ıc., Wien 1835, 
eraus. (Rur in 50 Exemplaren abgebrudt.) Foresta de rimas modernas castel- 
lanas ete., 2 Bände, Paris 1837, „Ueber vie Lats, Sequenzen mb Leiche‘ 
Seneiberg 1841 und „Rosa de romances“, Leipzig 18465 u ale dritter 
eil von Depping’® „Romancero*. Studium, Geſchmack und Golibität bes 
gleiteten Ws Arbeiten. — 5) W., Dr. Joſeph, der Sohn eines Landrabi⸗ 
ners zu Baireuth, ging mit feiner erblinneten Mutter nad München, ſtudirte 
dort auf dem Symnaflum und genoß der Unterflübung der dortigen Iſraeliten, 
lebte aber Ki oder und mußte deshalb München verlafien. Ohne Bermögen, 
verließ er ſich auf fein Glück, ging nad) Göttingen und trieb fidy dort unter 
Studenten herum, biß fein ſeltenes Sprachtalent erkannt wurde. Er warb um 
in Halle nach katholiſchem Ritus getauft und flubirte dort zu seipalgr Jena md 
Berlin Philologie. Graf Leopold von Stolberg, Friedrich von Schlegel und Bifchef 
Sailer hatten den Plan, ihn wegen feiner Bertigkeit in Erlernung det Sprachen zum 
Riffionär ausbilden zu laſſen und Thidten ihn deshalb nach Rom, wo Bapft Bius VE. 
und Barbinal Litta ſich feiner lebhaft annahmen. Hier trat W. querft in das Gallegiun 
romanum ein, aus welchem er fpäter in die Propaganda überging. Allein es 
flörte Ihn in den flillen Studien feine angeborene Lebendigkeit, die ihn ſchon vom 
Judenthume zum Ghriftenthume efühet aute und Ipäte, feinen eigenen Geſtaͤnd⸗ 
niffen nad, mit den meiften Sri en Selten in eine vorübergehende Glaubens⸗ 
genoſſenſchaft brachte. Er will om Manches bemerft haben, was fein Ge 
wiſſen empörte, gerieth darüber mit feinen Oberen in Streit und wurbe 
aus der ewigen Stadt verbannt. In dem Ligorianers Klofler Bals Saint in ver 
Schweiz, wo er neue Zufludt fand, entbedte er einen „unheilbaren Zwie⸗ 
alt wifchen feiner Ueberzeugung u. den Lehren des Katholizismus,” fkreifte bie 
Indefutte mit len Entfhluffe ab und pilgerte nad) dem ultraproteflant 
ifchen England. 1819 fehen wir ihn in Cambridge als proteftantifchen Caudi⸗ 
daten, zugleidy mit dem Studium des Arabifchen und Perſiſchen eifrig beſch 
immer noch zu dem Zwede, das Evangelium in undhriftlichen Gebieten zu pre 
digen. 1821 war er für diefen Beruf fertig und befuchte zunächſt nähere un 
lan Gegenden ded Morgenlanded, die Krim, Beougien, die europaͤiſche Türfel, 
aläftina, Aegypten, Mefopotamten und Perſien. ir wiflen aus der Selbſt⸗ 
biograpbie, die er feinem Retfebericht über Bochara voranftellt, daß er bereitd 
auf diefer erften Reife zwei befondere Zwecke verfolgte, einmal, die Juden zu über 
zeugen, daß der Triumph des Chriſtenthums und die zweite Ankunft Chriſti 
Erden nahe ſei, dann aber, die zehn verlorınen Stämme aufjufudyen, die 


Wolf. | 897 


der babyloniſchen Gefangenſchaft nicht mit nach Jeruſalem zurückkehrten ımb ſeit 
dem fpurlos verfhwanden. Bon 1826— 1830 ſcheint W. die zehn Stämme 
aus dem Sinne geihiagen zu haben, denn feine Belehrungsreifen in biefen Jahren 
befchränften fi) auf Gegenden, in denen diefelben unzweifelhaft nicht anzutreffen 
find: auf England, Schottland, Irland, Holland u. f. w., wo er aller Orten 
die Juden zu befebren fudhte. 41831 aber fiel ihm diefe Berfäumniß fo fchwer 
auf das Herz, daß er fofort nach dem Driente aufbradh, Armenien, Kleinaften, 
Perſien durchftreifte, mit Feuer⸗ und Teufeldanbetern verkehrte, er und erfolg« 
108 nad) den zehn Stämmen forfchend. Afghanen, die er in perfiſchen Städten 
einzeln antraf, rühmten fich der Abkunft von Iſrael und Died führte den Miſ⸗ 
fionär zu dem Scyluffe, daß der Gegenftand feiner Sehnfucht im fernften Ofen 
anzutreffen feyn dürfte, vieleicht in Bochara, Ball oder Afghaniftan. Eine Reife 
nad Ehorafan follte fernere Auffchlüffe geben. W. fchloß de daher der nächften 
Karawane an und theilte das Schidfal derfelben, von Räubern überfallen umb 
gänzlidy geplündert zu werden. Auf Befehl des Bicefünigs Abbas Mirza, erhielt 
er die Freiheit wieder und eine Art Entſchaͤdigung für diefe Leiden ward ihm das 
durch, daß ſich Spuren von den zehn Stämmen zelgten. Die Juden in Torbad 
hatten noch nie Ewas vom Chriftenihume, der Geſchichte Chriſti ıc. erfahren u. 
diefe Unfenntnig nahm W. für ein ficheres Zeichen, daß fie von den in Babylon 
gebliebenen Iſraeliten abftammten. Durch die turkomaniſche Wüfte glüdlidy hin⸗ 
dur und in Bochara angefommen, hörte W. zu feinem großen Verdruſſe, daß 
es bier feine zehn Stämme gebe, wohl aber in China. Die Reife durch die 
Wüſte Gobi war aber dem unermüdlichen Manne doch zu viel und er wanbte 
fidy daher fünlich nach Peſchawer am Indus, das er nach manchen Fährlichkeiten 
erreichte, von da aber in das Land der fünf Ströme, nach Kaſchmir, nad) dem 
engliſchen Bengalen, wo ihn die Cholera befiel, der er um ein Kleines unterlegen 
wäre 1834 reiste er nach Malta zurüd, wo er feine Reife im Drude erfcheinen 
ließ, ruhte in England Furze Zeit aus und rüftete fidh abermald zu neuer Fahrt, 
Die zehn Stämme ließen ihn nicht ruhen. Da fle in Aften nicht aufzufinden waren, 
fo vermutbete er fie im öftlicyen Afrika, wo ſich im Kalafchalande ein mofaifcher 
Staat erhalten bat. Diefe Reife fiel höchſt unglüdlih aus: Krankheiten und 
böfe Menfchen hatten fich in eine fürmliche Berihwörung gegen den Pilger einge- 
lafin. Bon feiner zehn Stämme-Manie noch immer nicht geheilt, wollte er nun 
diefelben auf der andern Seite des Oceans aufſuchen. Ein Ihmebiichee Schiff 
brachte ihn im Auguſt 1837 nach New⸗Nork und dieſes Mal ſchien das Ziel 
wirklich erreicht zu feyn. Mohikaner antworteten auf feine Fragen „daß fle Ab⸗ 
fömmlinge der Kinder Sfraeld ſeien“. Leider blieb der hinkende Bote nicht aus; 
denn auf die weitere Frage, woher fie das wüßten, erfolgte die niederſchmetternde 
Antwort: „Herr und Frau Simond aus Schottland haben es uns gefagt.“ 
Diefe Enttäufchung ſcheint W. geheilt zu haben, denn wir hören von nun an - 
Nichts mehr von den zehn Stämmen. Rad \ vielen Prüfungen und Wander⸗ 

ungen ftrebte er enplich nach einem feften Wohnftge und nach Ruhe. Nachdem 
er es mit allen chriſtlichen Sekten verfucht, hatte er erfannt, „pie englifche Kirche 
fei die Preisperle und das Erdjuwel und das gewaltigfte Meifterffüd der Bibel- 
erleuchtung, fo die Welt je geſehen hatte feit dem Sündenfalle.” Diefer Ueber, 
zeugung folgend, trat er als Geiftlicher in die anglikaniſche Kirche, prebigte bis 
zum Januar 1838 in Rordamerifa u. wurde bald darauf in Dublin zum Prieſter 
ordinirt. In den nächflen Jahren, bis 1843, verlebte er ein ſtilles Leben als 
Pfarrer einer Dorflirde in Yorkibtre an der Seite feiner neuen Battin. Da 
fam die Rachricht von dem Schidfale Stoddart's und Conolly's in Bochara und 
es bilvete ſich der befannte Berein, die Unglüdlichen zu befreien, oder ſich wenig⸗ 
fiend Rachricht über ihr 2008 zu verfchaffen. In W. erwachte wieder der aben- 
teuernde Sinn, daß er ſich anbot, nady Bochara zu gehen, bei die Erlebniffe 
feiner erfien Reife nicht geeignet waren, ihn zu einem zweiten uche zu er⸗ 
munten. Am 14. Oktober 1844 fchiffte er ſich nach Bibraltar ein, won is 

Realencpclopädie. X. NY! 


898 Bolfe — Wolfenbüttel, 


nach Malta, Athen und, Konftantinopel. Sein belannter, menfe eundlicher 
Zwed verfchaffte ihm «überall die beſie Aufnahme, felbft beim Sultan, der in 
Briefe nad) Bochata gab. Hier aber begannen für ihn abermals bie Gefahm. 
Der eigene Bruder des Veziers von Bochara, ht Ibrahim, rieth ihm, mict 
weiter zu gehen, wofern er nicht Briefe der igin von England an den Enit 
habe, was nicht der Fall war. Wolf erfuhr jebt, der-Groll des Emits geym 
die Engländer rühre urfprünglich davon her,. daß er auf eim Schreiben an de 
Königin nicht von diefer felbi, fonderu von dem Generalgouvernene von India 
Antwort erhalten habe. In der Daſe Merw hörte Wolf die Nachricht von den 
Tode der Engländer abermals. beftätigen. Man fagte m, dies ſei der legte 
Drt, wo er noch umkehren Fönne, aber er beftand. ‚mit feltenem Muthe auf feinen 
Vorhaben. So viel hatten die vielen Warnungen, dod gewirkt, Daß er mitm 
in der Wüfle an die Königin Viktorka fchrieb und dringend um ein — 
an ben Emir von. Bochata bat. Da ſich in der Haupiftadt des Emirs die 
Nachricht, daß ein Mollah der Engländer im Anzuge fei, voraus. verbreitet hatte, 
fo fand W. alle Straßen und bie Hauer bis oben auf bie Dä Dicht. beſen 
als er. im SPrieftergewande, die Bibel in der Hand, feinen feierlichen Einzug hielt. 
Bor den Emir geführt, unterwarf er fich ver ziemlich. demüthigen 
und erzielte dadurch einen leivlichen Empfang. Daß die beiden engli Die 
fislere hingerichtet jeien, beftätigte fich nunmehr auf das Beftimmt: und ®. 
hätte Immerhin, nach Erledigung. feines. Reiſezweckes, zurüdfehren können, men 
man nur geneigt gewefen wäre, ihn zu entlaflen. Oft te 
dazu, aber dann trat wieder das Bedenken ein, ob er nicht ein engli Spion 
fel, den.man im Intereffe des Reiche zurückhalten und binrichten. müße, Drei 
Monate lange ſchwanlte W. in der peinvollften Ungewißhelt, Der Bezier ſucht 
ihn unaufhörlich durch Ränfe zu verftriden; man fandte ihm einmal ſchon den 
‚Henker in das Haus, um ihn zur Hinrichtung vorzubereiten und, wäre micht zur 
gelegenen Zeit ein drohendes Schreiben Des h von Perfien eingetroffen, ſo 
würde fih auch an W. das Schidfal erfüllt haben, das in der meueften Zeit 
alle Engländer in Bochara getroffen hat. Als man ihm endlich entließ, fahidte 
man ihm noch in die Wüfte Mörder nach, denen er nur durch einen Zufall ent 
ging. Auffer dem Schidjale Conolly's und Stodvarr’s, hat Dr. W. auch die 
Motive der That aufgeflärt. Sie find allein in der Habſucht des Veziets Ab: 
dulsSamed zu fuchen, ver nach dem Golde der Engländer firebte und ihnen 
aufferdem noch bedeutende Vorſchüͤſſe aufgebrungen hatte, für die er Wechfel in 
Taufche erhielt, fo daß er durch das Wiederanfichnehmen feines Goldes und die 
Einkafftrung der Wechfel einen neuen Gewinn machte. W. hat nad di 
Nüdkehr eine Saptanfeile erhalten, die ihm indefien fo wenig zuzuſagen Je i 
PH ne vieleicht bald von neuen MWeltreifen des abenteuernden Mann 
ten werben, 

Wolfe, James, britiſcher General, Sohn des Generallieutenants Ed ward 
W., geboren 1726 zu Weferham (Kent), wählte früh die kriegeriſche Laufbahn, 
wozu ihn Tapferfeit und (Entchledenheit des Charakters befähigten. Schon im 
20. Jahre hatte er während des Krieges in Deutfchland die Aufmerffamfett auf 
fich gezogen. Pitt ſtellle ihn an die Gpige der Expedition gegen Duebed, m 
er den kuͤhnen, mit Erfolg gefrönten, Plan entwarf, welcher die Branzofen m 
ihrem Verderben aus Quebed lodte und die Eroberung Ganada’s ficherte. As 
alle Hinderniffe beflegt waren, begegnete er den Feinden auf den Höhen von 
Abraham, wo er im Augenblide des Sieges geil tödtliche Wunden erhielt (13. 
Sept. 1759. Ihn ehrt ein Denkmal in der Weftminfterabtet. 

Wolfenbüttel, ehemalige Hauptfladt des braunfchweigifchen Fürftenthumes 

feiches Namens und jept eines der ſechs Kreife dieſes Herzogthumes, ber auf 

904 DI Meilen 52,000 Einwohner zaͤhli, legt in einer niedrigen und fumpfigen 
Gegend, an beiden Seiten der Dier und f durch Abtragung der —* 
Feſtungswerle jetzt bedeutend verſchönert. Die Stadt hat ein Schloß, well 


1 nn 39 Er, u ab Bea 127 


Bolt — Wolfgang. 8% 


bis 1754 Refidenz der Herzoge von Bramfchweig war, mit einem hübfchen Thea⸗ 
ter; vier Kirchen, worunter die große Liebfrauenkirche mit dem fürftlichen Erbbe⸗ 
gräbnig, ift Sit des gemeinſchaftlichen Oberappellationsgerichted für Braun⸗ 
ſchweig, Lippe und Waldeck, eines Landesgerichts und eined Conſiſtoriums; auch 
findet man hier ein Prediger⸗ und Schullehrerfeminar, ein Gymnaſtum, Fraulein⸗ 
Bit, Smngbaus, Zwangsarbeitshaus. In einem fchönen, 1723 von Herzog 

uguft Wilhelm im Style des Bantheons zu Rom aufgeführten, Gebäude befindet 
fidy im Erdgeſchoße die bergogliche Reitbahn und über ihr die berühmte Biblios 
thek von mehr ald 270,000 Bänden, worunter viele Incunabeln u. 1400 Bibeln 
und gegen 10,000 Handfchriften. Hier iſt audy dem berühmten Leſſing (f. d.) 
ein Denkmal errichtet. Die Einwohner, etwa 10,000, befcdhäftigen ſich worzüg- 
lich mit Gartenbau, Fabrikation von Leinwand, Tabak und Leber. Die Stadt 
iſt durch eine Eiſenbahn mit der Hauptſtadt Braunfchweig verbunden. 

Wolff, 1) Pius Alexander, ein trefflicher Schaufpieler und Dramendich⸗ 
ter, geboren 1784 zu Hugeburg, wurde 1804 in Weimar engagirt und bildete 
fi) unter Schiller und Goöthe zu einem auagegeichneten Künfller, befonders im 
tragiichen Fache. Seit 1816 war er am koͤniglichen Theater in Berlin u. ftarb, 
auf einer Rüdrelfe aus Bad Ems, zu Weimar 1828. Auch feine Dramen (meifl 
Luſtſpiele) erwarben ſich durdy gute Erfindung, Charakterzeichnung u. Laune ven 
Beifall des Publikums, z. B. „Caͤſario“, „Der Hund des Aubri*, „Der Mann 
von 50 Jahren“, „Der Kammerdiener” u. ſ. w.; vorzüglich aber fein, durch We⸗ 
ber's Muſik noch gehobenes, Schaufpiel „Preciofa. — 2)8., Oskar Ludwig 
Bernhard, ein Eenntnißreicher Literärhiftorifer, Dichter und Improvifator, ges 
boren 1799 zu Wltona, lebte in Hamburg, fand auf feinen Kımftreifen als Im⸗ 
provifator vielen Beifall, ward Brofefior der neuern Literatur in Weimar und 
feit 1832 In Jena. Er ift fehr fleißig, beſonders für die fchöne Literatur, theils 
durch Weberfeßungen, theils durch Originalarbeiten, theils durch Sammlungen. 
„Die ſchoͤne Literatur Europa’8”, 18325 „Egeria, Sammlung italieniſcher Volks⸗ 
(teder”, 1829; „Sammlung hiſtoriſcher Volkslieder und Gedichte der Deutſchen“, 
1830; „Erzählungen eines deutſchen Improviſators“, 2 Bde. 1827—28; „Por⸗ 
träts⸗ und Genrebilder“, 3 Thle. 1839; „Mirabeau und Sophie”, 1841; „Ency⸗ 
Elopäbie der deutfchen Rationalliteratur”, 7 Bde. 1837—42; „Allgemeine Ge⸗ 
I hie Ayo no 18415 „Poetiſcher Hausfchag der Deutfchen“, 3. Auf- 
1 6, u. o w. 

’ Wolfgang, der Heilige, Biichof von Regensburg, aus Schwaben gebür- 
tig, nach Ginigen aud einer berühmten Familie, nach Anderen von Eltern aus 
dem Mittelftande abflammend , wurde in feinem 7. Jahre einem Geiſtli in 
der Naͤhe ſeiner Heimath übergeben und kam fpäter in das Kloſter Reichenau, 
welches damals eine berühmte Schule der Wifienfchaft und Tugend war und 
mehren Kirchen fromme Hirten gab. W. knüpfte da enge Freundſchaft mit einem 
jungen Evelmanne Namens Heinrich, einem Bruder Poppo’s, BViſchofs von Würz- 
burg, der eine große Schule in feiner biſchoͤflichen Stadt errichtete, an welche er 
einen berühmten Profeflor aus Italien, Namens Stephan, berief. — Unfer Heil 
iger hätte Nichte fehnlicher gewänfcht, als fich ganz allen dem Gebete und der 

etrachtung überlafien zu können. Allein gen, der ihn wegen feiner Tugend⸗ 
u. feiner feltenen Talenten zärtlich Tiebte, Tonnte ſich nicht von ihm trennen und 
bewog Ihn, daß er mit ihm nad) Würzburg ging. Dort befuchten fie beide ven 
Lehrfanl Stephan’d. Eines Tages erhob “% ein Streit über den Sinn einer 
fhweren Stelle. W. erklärte fie mit vieler Gewandtheit und “Deutlichkeit, fo 
daß man jedesmal, wenn eine Schwierigkeit auffiteß, ne mehr an ihn wandte, 
als an den Lehrer. Stephan empfand darüber ei ucht und verfolgte den 
Fee auf allen Wegen, die feine Leidenſchaft Ihm ete. W. dagegen war 

ille und fuchte diefe Prüfung zu feiner Helligung zu benügen. Alles, was er 
fah und duldete, entleidete Im je mehr und mehr die Welt. Gr fuchte daher 
ein Klofter, wo er fidy felber abflerben lernen koͤnnte. WIE u vn Sun 


wo woeinan e 


Cinfamtelt 
„Bleiben, um feinem Räcyfen mägen zu Tonnen uub alß er BG gm Grab 


von Trier erwählt mus, drang er 1 

tesmann willigte ein, aber nur imter der Bebingung, daß er dort fein anderes 
Amt verwalten wolle, als Unterricht in einer Kinderfchule geben. Im der Bolge 
übernahm er vie Leitung einer en Genoflenfe 


I 
3 
i 


N 
Sm 
k 


F 

a 

ä 

E) 

B= Hi 
83, 

H 


\ 


orzufommen, berief ihn der Kaiſer, unter dem 
jegenöbur; feiner Ankunft waren der Bifchof von Saburg 
ante —— Provinz anweſend, in deren Gegenwart er 
na — und das Volk gewählt wurde. Rad ver Wahl 
ibn ficheren Händen und ließ Ah nach Brantfurt bringen, wo ber Kaiſer 
Kat Diefer gab ihm die Inveſtitur im Beige. sine uf fein 
— ihn in fein Kloſter zurückkehren zu Jaſſen, Küch men. 
nah Reomaburg szurüdtommen und erhielt dort. bie de 
Orðenolleid behielt er demuthovoll im neuen Amte bei und befolgte, ia 
ihm mi fi war, die Sapungen des Mlöfterlichen Lebens, dem er 
hatte. eine erfle Eorge zen — Ordnu ron 3 feinem Haufe — 
— zu heben, die ſich erſtande und bei —**— 
mannern eingeſchlichen hatten, Er inte a gg N —— Ge 
er ein Mann des Gebeies war, verſtand er vorzüglich die Kunft, FH Sera m 
eben. Mit gleicher Sorgfalt u Treue lebte er em übrigen Pflichten. 
Armen fanden an ihm en Vater. Ginen Theil der Nacht, —9 
jeden —& den er von — ſchaäften erübrigte, widmete er dem Geber. 
anchmal zog er ne gan die Einſamkeit zurüd, um bi ‚eier der 
R 16 fi a in die Ginfamfel 


Bel 
in 


Detrachtun⸗ ju feiner DIS; jehörte ein großer Theil von 
a q ce Fr er u Fi die! in Se von 
Sprengel Ki —* tete, — heiligen 


anvertraut wurde. Der a an —X Einkünften, der * entfehen 
Beten ver de ER dog Gene yon Bayer 9 Kt 2m 
befondere Berehrung Kat de — ie die Erziehung feiner vier — 

iſer; — Fr Biſchof von 


entfagie ei —55 —ã— Dr 
Belt 10 n 

—— ——— — Be 

wo! al e um r e — 

AUF einer Hifi bie 20. di eine ebronlen Onlemnonmanı hei 


Bolfskirſche — Wolge, 901 


erkrankte er und flarb zu Puppingen in Defterreich den 31. Dftober 994, Sein 
Leichnam wurde nach Regendburg gebradyt und in der St. Emmeramöfirche beis 
eſetzt. Da auf feine Fürbitte mehre Wunder gefchahen, feste ihn Papft Leo IX. 
052 unter die Zahl der Peiligen, auch ließ er feine Gebeine in einem Schreine 
verfchließen. Sein Feſt wird am 31. Oktober begangen. 
Wolfskirſche, ! Belladonna. 
BVolfsraden, |. Haſenſcharte. 
Wolga (Rha), der größte europätfche Strom, entfpringt in den Oſtaſchkoff⸗ 
ſchen Sümpfen, am ſüdöſtlichen Abbange des Wolhonsfi-Waldes (f. d.), 
unter 50° öfl. Länge und 57° nörbl. Breite, im ruffifchen Bouvernement Twer, 
auf einer Höhe von 840 Fuß: über dem Meere und 916 Fuß über dem Riveau 
des Tafpifchen Sees. Sie geht durch mehre Eeine Seen, wird fchon bei ae 
Wladimirow für mittlere, bei Twer für fehr große Kabraeuge ſchiffbar, fließt 
langfam durdy die Gouvernementd Twer, Jaroslam, Koftroma, Rifchnei-Romgos 
rod, Kaſan, Simbirsk, Saratow und Aſtrachan und mündet unter 46° nörbl. 
Breite und 65° öfllicher <änge in den kaſpiſchen Eee bei der Stadt Aſtrachan, 
nachdem fie fich im fiebenzig Arme gefpalten, wovon der eine, die Achtuba, ſchon 
bei Zartzyn, etwa 50 Meilen ober Aſtrachan, am Iinfen Ufer abgeht und mehr» 
ady mit dem Haupiftrome in Verbindung fteht. Im obern Laufe durchſchneidet 
e den fanften Südabhang des nörblichen Landhöhenzuges im norböftlichen (fars 
matifchen) Tieflande Europa’8; der Mittellauf liegt ganz im ebenen Zieflande 
und theilmeife weniger ald 50 Fuß über dem Meere; im untern Laufe fenkt fie 
ſich zwifchen den fleilen, zerrifienen Ufern, die der Obtſchei⸗Syrt (f. Uralges 
Arge) bildet, zum Riveau des Dceans hinab und durchfirömt dann die falzige, 
fafpifche Steppe. Die Ufer find mei flady und Ueberſchwemmungen audgefebt; 
bei Niſchnei⸗Rowgorod treten fteile Berge ganz nahe an das Iinfe Ufer, fpäter 
(von der Mündung der Wetluga an) wird das rechte Ufer das dominirende. 
Der Bezirk der W. ift ver erfle in Rußland's hydrographiſchem Rebe; er bildet die 
Kernmitte des ruſſiſchen Reiches u. die, an ven beiden Ufern des Stromes gelegenen, 
Länder machen dad Eentrum der Kultur aus, wo Landwirthfchaft, Imduftrie, 
Fabriken und Handel ſeit lange In einem gewiſſen Grade der Blüthe prangen. 
Durdy mehre Kanäle, welche theild mittels, theild unmittelbar mit der W. In 
Verbindung flehen, wird der Verkehr für das Inland, fowie mit dem Auslande 
auflerordentlich begünftigt. Bon diefen Kanalſyſtemen find zu nennen: a) zwiſchen 
der Oſtſee und dem Tafpifchen Meere das von Wulfchneis Walotfchof, das 
Marien⸗Kanalſyſtem und das tichwin’fche Syſtem; b) zwifchen dem Fafpifchen 
und dem weißen Meere der nördliche Katharinen⸗anal; c) zwiſchen Archangel 
und St. Peteröburg der Kanal des Herzogs Nlerander von Württemberg. Um 
die Bodens und Manufaktur-Erzeugnifle von den Produftiondorten nach den 
andelöplägen zu ſchaffen, find durchſchnittlich des Jahres auf der W. und 
ihren Nebenflüffen 16,150 Schiffe und 300 Flöße in Bewegung; die Zahl der 
bei der Schifffahrt befchäftigten SPerfonen beträgt 284,500 Dann u. der Werth 
der Ladungen wird auf 200,014,000 Rthlr. geichägt. Das Stromgebiet der 
W. enthält 24,840 deutidhe [J Meilen; der direkte Abſtand der Duelle von ber 
Mündung beträgt 150 deutſche Meilen und die Größe der Stromentwidelung 
510 deutiche Meilen. Die beveutenderen Rebenflüffe find rechts: die Ofa, welche 
unter 54° öſtl. Länge und 52° nörbl. Breite ſuͤdlich von Drel entipringt, bie 
Moslkwa aufnimmt und bei Niſchnei⸗Rowgorod mündet; links: die Twerza, 
Maloga, Wetluga u. die mächtige Kama, die im Weften von Perm (58° nörbl, 
Breite, 71° öfll. Länge) entfpringt u. fih nach einem 215 Meilen langen Laufe 
fanıieh von Kafan ergießt. An der Mündung der Kama if die W. 3000 Fuß 
reit, bet Saratow eine halbe Meile, weiter unterhalb über 3 Meilen und in 
der Nähe der Mündung eine Meile breit. Brüden führen über den Strom bei 
Kiew, Wladimirom, —** Stariza, Twer; Faͤhren gehen über denſelben bet 


Maloga, Zaroslaw, oma, nei⸗Rowgorod, Kafan, Simdiret "Gamara, 
—* u —— — mehren ehem wen Regler Arendis. 
olga tabt im e Greifsw t —* 
Suahelt in ber Nähe der Peenemünbung. Kufler den beiden Kirn der 
etris und der zwölfedigen Gertraudskirche, welche a arme Gehlite De 
- fieht man hier nichts von ardhitektonifcher — 
aus, bedeutende Schifffahrt und Kornausfuhr, Schi 
ee ehr 
lliegenden el Uſedom befin e un 
— berühmt gewordene Keine Inſel — en oder —* — 








—* 
alteſte Stadt Pommerns und war ſchon gu nr des 12. "Sobranberts em 








e Feſtu 1190 wurde es von den Dänen zerflört. Zur Zeit, als Pomm⸗ 
3 drei Sheile zerfiel, in das Land Stettin, das —* Isa und bat 
Bisthum Gammin, war W. die Reſidenz der Linie dieſes Landes. 
ſchreiber ſchildern das erzo Ihe 5 Sich von dem jebt nur noch bie — ud 
geringe Trummer zu fehen tend. 1675 verwäfteten die brans 

nburgijchen Sruppen bie — und en "wurde fe von den Ruffen in Aſche 
gelegt.— Ih. v. Kobbe u. W. Gorneliuß: ‚Die Oſt⸗ u. Nordſee x Seiten 
des een m Tomantifchen Deut 


Ehriftian Heinri erlicher Hofrath . — 
zu on Kr Dldenburg, or in * ein — war, ir 
Böttingen und Leipzig, arbeitete Ay — — jur noerbefierung, ber —** 
Schulen und legte mi 


t diefem das Deffauer B opin am. ach Aufloſung 
diefer Erziehungsanftalt widmete er fi 1801 Gm Erz ejunge wein zu ©t. Be 
teröburg, fammelte ſich dort ein Bermögen, verlor es aber durdy Schul 
Admini —2** und privatifirte ſeit 1844 meiftens tn Berlin mit einer 
Penſton, flarb auch daſelbſt den 8. Jänner 1825, ges er dort eine Geſell⸗ 
haft für die deutſche Sprache geftiftet hatte. Seine Berfuche, die deutſche 
prache grammatif audzu iven, fonnten feinen allgemeiner Beifall finden. 
Schriften von ihm find: „Welt: und Menſch — (1791); —— 
für Mütter und Kinderlehrer“ (1405); „Kurze aehlehre” (1805); „Anleitung 
zur bentfehen Volksſprache? (1816); „Schriften” (6 Vde., 1820). 
Wolken heißen die, in beträchtlich Icher Se | m der Atmofphäre fchwebenden, 
fihtbaren, waͤſſerigen Dünſte. Den Gtoff zu den W. liefern aus dem Meere, 
den Seen, Hlüffen, Bächen, Tiefen und der feuchten Erve aufſteigende “Dünfk, 
welche vermöge ihrer Elafticität und geringen Schwere fo hoch fid) er 
bis fie eine fehr dünne und Falte Luft atrefen ‚, in der fie nicht mehr pn 
Können, fondern verdichtet werben. Die Entfernungen ber ®. über der 
find fehr verfchieden; je dünner und leichter fie find, deſto höher fleigen fle; da 
ber gleen oft W. in einer höhern Gegend über dichtere, tiefer ſchwebende. Geht 
the ® fenfen fich bisweilen fo ef ‚ daß fie die Gipfel maͤßi Kr en 
die Thurmfpipen, felbft hohe Bäume berühren, Dagegen en —* t die H 
W. erreichen koͤnnen, mehr als eine Meile. Det Im Ne mi 
berfhleden; ; bei mandyen bat man ihre Länge und Be auf eine Meile, 
ide auf 100 — 1000 Fuß berechnet. Durch die Bewegung Inder Luft ver 
bet fi) übrigens die Größe und Geſtalt dieſer Körper unaufhörlich. Von 
oben efehen, erfcheinen fie mei perpenvifulär und ihre oberen, aufam ment äingen 
heile Tegelförmig geflaltet. WS Leichte Maſſen werden fie vom e on 
eitieben und halten ei mit dieſem gleichen Schritt; von feften en Are 
wie von Bergen und Waͤl werben fie angezogen. Die Art und Weiſe der 
®. - Bildung if nd) nicht —X —* aufgeflärt. Wahrfcheinlich find die w 
Anfammlungen von niedergeſchlagenen Bläs dem und unterfcheiden er durch ihre 
negative Elektricitaͤt von den Rebein, deren Elektrieität meiens pofitto if. Ver⸗ 
Iferen nun bie W. ihre Glektrichtät, fo enttieht Regen. Ba To. teten: beten 
fuchungen über die W.“ (deutſch 1819). 


Wollaſton — Volle, 903 


Wollaſton, William FAR e, einer der berühmteften Phyſiker u. Chemiker 
der neuen Zeit, 1766 zu Chtfelhurft in Suffolf geboren, fludirte feit 1789 In 
Cambridge Medizin, ließ ſich dann in Dur St. Edmunds in Suffolf nieder u. 
begab fi, da feine Praxis fehr gering blieb, nach London. Nachdem er fich 
aber daſelbſt vergebiig um eine erledigte Stelle am Georgséhoſpital beworben 
‚hatte, ſchwur er, der Medizin gänzlich zu entfagen und legte fi nun mit allem 
Eifer auf Phyſik und Chemie, worin er ſich durch feine wichtigen Entdedungen 
nicht mur ein bedeutendes Bermögen erwarb, fondern bereitö 1793 zum Mitglieve 
der Fönigliähen Societaͤt der Wiſſenſchaften zu London erwählt ward, die ihn 
1806 zu ihrem zweiten Gefretär ernannte. Er flarb zu London 1828. Zu 
feinen vorzüglichfien Berbienften gehören: bie (untbedung ber Hämmerbarfeit und 
Dehnbarkeit des Blatin; vie —A zweier neuen Metalle, Palladium und 
Iridium; die Vervolllommnung des Mirroſkops; die Einrichtung der fogenannten 
MWollafton’fchen galvanifchen Doppelplatte u. des galvaniioen $ ngerhutch arats; 
die Verbeſſerung von Hooke's Camera lucida (ſ. d. Artikel) und die Erfindung 
des Reflerionsgoniometerd (zur Unterfuchung der Kryftallifationen vermittelt der 
Zurückſtrahlung) u. a. Seine Entvedungen hat er ald Abhandlungen theil® in 
den „Philosophical transactions“, theils in den „Annals of philosophy“ mitges 
theilt, welche zum Theile in Gilbert’8 und ‘Boggendorf’8 „Annalen der Phyſik“ 
überfegt worden find. Kurz vor feinem Tode übergab er der Igl. Befelifhah zu 
London ein Legat von 1000 Pfd. Sterl., deren Zinfen jährlich zur Aufmunterung 
naturwiffenfehaftlicher Entdedungen verwendet werben follen. _ 
Wolle nennt man im Allgemeinen bie gefräufelten oder gelodten Thierhaare, 
vorzugsſsweiſe aber die des Schafes (Schaf-W.). Ste if von verfchiebener Dua- 
Ittät, je nach der Race, Nahrung und Pflege der Schafe und nach anderen Um⸗ 
fänden, felbft nach den einzelnen Körpertheilen eines und beflelben Schafe. Die 
W. wird durdy das Scheeren der Schafe gewonnen, welches gewöhnlich nur 
einmal des Jahres, in Deutichland Be ih Ende Mat oder Anfang Sunt, 
oder noch ein zweites Mal, im Herbfte, geichieht; im erften alle heißt die W. 
einfhurige oder Einfchur, im lebten zweiſchurige over Zweifchur. 
Die im Fruͤhjahre gefchorene wird aub Winter- ., die im September ges 
fhorene Sommers DW. genannt. Die W. der jungen Schafe nennt man Lamm⸗ 
W.; die von geflorbenen oder gefchlachteten heißt abgebrachte, Fell⸗W., 
Raufs oder Gerber⸗W. Kerner unterfheidet man gewafchene und unge: 
waſchene W., von denen jedoch in FZeunchland in der Regel nur die erftere 
vorfommt; nur in einigen Gegenden wird die W. der Lämmer ungewafchen uns 
ter dem Ramen Schweißkamm-W. in den Handel gebracht. In der Regel 
werben die Schafe vor der Schur gewafchen, nur bei kranken oder fchwächlichen 
Thieren macht man in Deutfchland eine Ausnahme davon und wäldht die W., 
nachdem fle abgefchoren if; in Spanien dagegen wird fie meift nach der Schur 
gewafchen. Die zunähft auf der Haut fihende W. ift In der Regel zufammens 
gefiut nnd wird Vließ oder Vließ⸗W. genannt; die ganze Bedeckung des 
chafs bildet daher auch, wenn fle abgefchoren iſt, noch einen zufammenhängens 
den Pelz, den man ebenfalls ein Bließ nennt. Nach der Länge des Haared uns 
terfcheinet man im Ganzen zwei Hauptforten, nämlih lange oder Kamm⸗W., 
welche zur Berfertigung des Rammgarnee dient und kurze ober Sud 4 
welche zu Streichgarn verarbeitet wird. Der Race nach theilt man bie Gate 
überhaupt in Merinos (f. d.), veredelte und unveredelte. Je nad dem 
Grade der, durch Die Kreugung eraengten, Berfeinerung der WB. unterfcheivet man: 
veredelte oder ordpinäre Mittel⸗W., hoch veredelte oder feine Mittels 
W. und hochfein veredelte over hochfeine Mittels W. Auſſerdem ent⸗ 
ftehen durch die Behandlung und das Sortiren noch mehre Sorten. Die W., 
welche zum Berkaufe gebracht wird, ift in der Regel unfortirt und erſt der Händs 
ler läßt das Sortiren Deforgen, wozu große Kenniniß und Uebung gehört. Diefe 
ift überhaupt beim ganzen W.⸗Handel mehr, als det den weiten ttarı Sr 


h is 


904 Volle. 


f&häften, notbwendig und ed würbe einer eigenen Abhandlung bebürfen und hier 
durchaus vom Zwede abführen, bier alles, beim Einkauf und der Behandlung 
der W. zu wiſſen Nöthige anzugeben. — Was die W.⸗Zucht in den einzelnen 
Ländern betrifft, fo ifl zuerh Spanien ald die Wiege der feinen W. zu erwähnen, 
doch if das Erzeugniß dieſes Landes jet von geringerer Wichtigkeit, da man 
faft überall eben fo gute und zum Theil felbft noch befiere W. zieht. Leber die 
pantfhen Merinofchafe f. d. Artifel Merinod. Man tbeilt in Spanien bie 
. in vier Kategorien; zur erften gehört die aus Leon, Segovia und Soria, zur 
zweiten die aus Aragonien, zur dritten die aus Navarra, gut vierten bie pr 
navarrefer und bie aus den Valldes basses. In Portugal kommt die Schafzudt 
in Bezug auf Racen und Betreibung der fpanifchen ziemlich glei; vie feinken 
Schafe werden in Beira gezogen. Sranfreich bat man um 1760 den erſten 
Berfuch mit ſpaniſchen Widdern gemacht und ſeitdem oft Schafe aus Spanien 
kommen lafien ; beſonders ließ Napoleon, während er Spanien befett hatte, fo viele 
Merinos, als möglich, nach Frankreich fchaffen u. errichtete auch 60 Guccurfals 
anftalten für die in Rambouillet eriftirende ältefte Stammfchäfere. Frankreich 
erzeugt daher jetzt alle Gattungen von Merinos, verebelter und unverebelter ®. 
Nach England wurden die Merinofchafe gegen das Ende des vorigen Jahrhun⸗ 
derts verpflanzt und die befferen englifchen Racen dadurch veredelt; allein die 
dortigen Landwirthe fehen bei der Schafzudyt häufig me r auf die Erhaltung 
eines guten Yleifched und vieler W., wodurd die Quglität fehr beeinträchtigt 
wird und England bezieht daher viel feine W. vom Auslande. Man macht da- 
ſelbſt übrigens einen noch fchärfern Unterfchien, als anderwärts, zwifchen lang» 
wolligen und kurzwolligen Schafracen und ed gibt unter den erfteren einige, deren 
W. 8—18 Zoll lang ik. In Rußland bat man drei inlandiſche Schafracen: 
das ruffifche, das Firgififche und das ticherfefftfche Schaf, von denen daß letztere 
die beſte W. liefert, fie ift aber von allen nur zu groben Geweben brauchbar. 
Peter der Große führte zuerft ausländifche Schafe ein und zu Anfang dieſes 
Jahrhunderts verfchrieb die Regierung felbft Merinos und fuchte die Schafzucht 
durch Geldunterftübung zu heben. 1826 wurden in den Oftfeeprovinzgen Stamm 
ſchäfereien angelegt, wozu die Schafe aus Sachſen bezonen wurden. Beſonders 
aber gedieh die Veredelung der Schafzucht im füdlichen Rußland und dieſes bes 
figt jegt fehr viele und große Schäfereien, weldye ein ausgezeichnetes Produft 
liefern. Auch in Polen gibt ed vorzügliche Schäfereien, deren W. zum Theil 
ausgeführt wird. In den meiften Ländern Deutfchlande if die Schafzucht 
auf einen hohen Grad der Vollfommenheit gebracht; ganz beſonders zeichnen ſich 
Sadfen, Preußen und Defterreih darin aus. Sachſen eihielt die erften fpan 
iſchen Schafe im Jahre 1765, wo der König Karl II. dem Kurfürften ein Ge 
fhenf mit einer Heerde ven 220 Stüd machte. Später wurden noch mehre 
Merinos aus Spanien bezogen und diefe find feitdem in den Stammfdyäfereien 
von Stolpen, Rennersborf und Lohmen ungemifcht fortgezüchtet worden. Es 
werden aus denfelben fortwährend Merinos an Landwirthe abgegeben u. Eachfen 
at fi dadurch ein großes Berdienft um die Veredelung der Schafzudyt in 
eutfchland und felbft in fremden Ländern erworben; auch bildet die Schafzucht 
den wichtigften Theil ver fächfifchen Landwirthſchaft. In uber zeichnen 
befonder® die Provinzen Weftpreußen, Bommern, Schleften und Sachſen dur 
ihre vortreffliche Schafzucht aus; das Ramlice gilt von Böhmen, Mähren u 
aufierdem von Ungarn, wo es aufferordentlih große Schäfereten gibt, die aus⸗ 
pecihnee W. liefern und viel davon ausführen. Unter den auffereuropäs 
fhen Ländern iſt in neuerer Zeit befonderd Wuftralien für die MW.» Pros 
duftion von Wichtigfeit geworden. Bon eingeführten Merinofchafen wird in 
Neuholland und Vandiemensland fo viel W. erzeugt, daß nicht nur der inländs 
iſche, ſchon bedeutende, Bedarf dadurch gebedt wird, fondern audy anfehnliche 
Duantitäten nach England geben. Indeſſen if die auſtraliſche W. wegen ihrer 
Fettigkeit und fonftigen Eigenfchaften meift nur ald Kammwolle zu brauchen, — 


Wologda — Wolfen, 905 


Für den deutfchen W.⸗Handel iſt die Errichtung von W Märkten von großer 
Wichtigkeit geweien. Man kann fie in große und Eleine theilen; von erfteren hat 

ewöhnlich jedes Land oder jede Provinz nur einen, von lehteren aber mehre. 

te Heinen haben zwar an Bedeutendheit fehr verloren, da in der Regel nur 
W. von geringer Qualität und in Heinen Poften auf dieſelben gebracht wird; 
um fo mehr aber haben die größeren. an Umfang gewonnen und es findet auf 
ihnen ein ſehr bedeutender Geidumſatz flatt. Der arößte deutfche W.⸗Markt ift 
ohne Zweifel in Breslau, fowohl in Bezug auf die Duantität, al8 auf die Qua⸗ 
lität der W. Es werden im Durchſchniit 50- 60,000 Eentner dahin gebracht, 
welche einen Werth von 3—4 Millionen Thlr. haben und aufferdem findet noch 
im Herbfte ein Markt dafelbft flatt, auf weldyem ungefähr der achte Theil umges 
fest wird. Nach Breslau folgt Berlin mit ungefähr 40,000 Gentnern , dann 
Stettin mit circa 18,000 Centnern, Dofen mit 14,000 Gentnern, Kirchheim unter 
Ted mit 12,000 Gentnern ꝛc. Am beveutendflen aber if der W.⸗Umſatz wohl 
auf den beiden großen WB. Märkten, welche jährlich in Peſth gehalten werben u. 
auf denen der Umfah gegen 200,000 Gentner betragen fol, 

Wologda, 1) ein, ganz im Falten Landſtriche gelegenes, Bouvernement des 
europäifchen Rußland, zwiſchen den Gouvernements Archangel, Tobolsk, Perm, 
Wiaätka, Koſtroma, Jaroslaw, Nowgorod und Olonez, hat einen Flaͤchenraum 
von 6867 ] M., aber nur etwa 800,000 Einwohner, lauter Ruſſen, von wel⸗ 
chen bemerkt wird, daß fie durch leichten Sinn und Förperliche Feftigfeit fich aus⸗ 

ihnen und auch meiftens ein hohes Alter erreichen. Auch wohnen hier Sir; 
* die von finniſchem Stamme find, durch Stumpfheit und Armſeligkeit aber 
fid) von den Ruffen unterfcheiden. In den nörblichften Gegenden ziehen Samo⸗ 
jeven herum. Dieſes raube, meiftend flache, waldreiche Land wird von ven 
Flüſſen Suchona, der hier entfpringt, Wologda, Dwina, Petſchora, Jug ıc. bes 
wäflert und iſt im fünweftlichen Theile fo fruchtbar und bebaut, daß man Ger 
treide ausführen Fann. An Wildpret, wilden Thieren, Federvieh und Fifchen ft 
Ueberfluß. Bon Mineralien finden fi) nusbare GSteinarten, aifen und vieles 
Kochſalz. Auſſer dem Aderbaue blühen Handwerle, Kunftgewerbe und Handel. 
Eintheilung in 10 Kreife. — 2) W., eupıfabt ded Gouvernements, am Fluſſe 
leiches Namens, Sit der politifchen Behörden und eines griechifchen Biſchofs, 
Bat 51 Kirchen, 2 Klöfter, ein griechifche® theologifche® Seminarium, ein Gym⸗ 
naflum, eine Haupt» und eine VBolköfchule und 17,000 Cinwohner. Die Stadt 
ift fehr nahrhaft und gewerbfam. Man findet bier viele Gerbereien, Lichtziehers 
eien, Malzdarren, Seifenſiedereien, eine Terpentinölfabrit, Bleiweiß⸗ und Farben 
fabrifen, Glas⸗ und Kıyflallfabtifen, Siegelladfabrifen, Spinnereien, Leinwand». 
drudereien, Seivenfabrifen, eine Lyoner⸗Treſſenfabrik, eine Kupfer-Bitriolfabrit u. 
mehre Ziegelhütten. Es gibt audy gefchidte Künftler und Hanbiwerfer, Gold⸗ u. 
Siiberarbeiter, Emailleure, Ladirer ıc. Der Großhandel if fehr anfehnlich mit 
ins und ausländifchen Erzeugnifien, Zabrils und Golonial-Waaren in die Inneren 
Gegenden des Reiches, nach Sibirien und felbft bis China. \ 

Wolſey, Thomas, Gardinal und Erzbifchof von Dorf und Minifter Kds 
nig Heinrichs VI. von Gngland, war der Eohn eines armen Fleifchhaders 
zu Ipswich in der Graffchaft Suffolf und wurde dafelb 1471 geboren. Sein 
&enie brachte ihn fo weit, daß er fchon im 15. Jahre von ver Univerfität Orx⸗ 
ford zum Baccalaureus creirt wurde, und dafelbfi Grammatik docirte. Hierauf 
als Lehrer der Kinder des Marquid Dorfet und Anderer angeftellt, wurbe er 
bald an König Heinrich VII. empfohlen, der ihn zu feinem Hofkaplan machte, 
ihn wegen feined Fleißed und feiner Befchidlichkeit zu wichtigen Staatsangeles 

enheiten brauchte und, nachdem er ihn an den Kaiſer Maximilian abgefendet 
atte, ihm bei feiner Zurüdkunft das Dekanat zu Lincoln gab, auch ihn in ber 

olge zum Großalmofenter machte. Heinrich VIIL befonders gewann fo vieles 
Zutrauen in feine Kenntniffe, daß er ihn endlich zu feinem erſten Staatsmi 
erhob. So erlangte W. Immer mehre Bisthümer, ward aRin en RE! 


906 Boltmann. 


von York und Großkanzler des Königreiches, wozu 1515 Leo X. noch die Wuͤrde 
eines Cardinals und päpfllichen Legaten von ganz England binzufügte. Als 
folcher handelte er in Kirchenſachen eben fo unabhängig, ald bei dem unbeſchraͤnkten 
Vertrauen des Königs In Etaatöfachen. Der Friede zwifchen ‚Heinrich VI. 
und Ludwig Xli. 1514 war ee fein Werk. Katfer Karl V. und Franz. 
von Frankreich bewarben fich wechfelmeife um die Gunſt des damals faſt all 
mächtigen Miniftere. Seine große Gewalt über den fonft unbänpigen und ſelbſt 
i berrfchfächtigen Geiſt Heinrichs VIN. erhielt W. theild durch die wirkliche Größe 

feiner Talente, theils durch Gefaͤlligkeit gegen den wollüftigen Charakter des 
Könige, dem felbf das Haus des Geiſtlichen zum geheimen Bergnägungßorie 
diente. Er überließ W. daher volle Gewalt, die diefer vortrefflich zur {ung 
ungeheuerer Echäge benügte. Zweimal katte er Hoffnung, auf den ypäpftlichen 
Stuhl zu gelangen u. wollte de&hald feinen, durch beren Behlfchlagen gekraͤnkten, 
Stolz dem Kalter Karl V. durch das Unglüd der nächften Verwandtin beffelben, 
Katharina von Aragonten, der Gemahlin Heinriche VL, zu fühlen geben. Er 
bewies fidy deshalb bei der Scheidung des Könige von Katharina ſehr thätg 
und gefchidt wußte er die Liebe Heinrichs zu der [@önen Anna Boleyn (f.b.) 
au beiöidern, um ihn ganz von den Staatögefchäften zu entfernen. Doch ven 
lor er durch eben diefelbe die Gunſt des Könige; er wurde feiner Aemter entieht, 
nad York verwiefen und farb in der Abtei zu Leicefter den 28. November 1530, 
als er eben in den Tower gefangen geſetzt werben follte. 

Woltmann, 1) Karl Ludwig von, ein berühmter deutfcher Hiſtoriker, 
eboren 1770 zu Oldenburg, ſtudirte in Böttingen die Rechte und zugleich Be 
hichte, alte und neue Sprachen, hielt Borlefungen in feiner Baterftabt umd, 

durdy Spittler’8 Einfluß, in Göttingen und wurde 1794 Profeſſor in Jena. 
Seit 1799 lebte er als preußifcher Hofrath in Berlin, auf Beranlaffung feiner 
Zeitfchrift über „Geſchichte und Poliũk“ und wurde von Heflen-Homburg, Hans 
burg, Bremen und Nürnberg zum Geihäftetreger am preußtfchen Hofe ernamt 
und 1805 geadelt. Mit dem Minifter von Stein verbunden, mußte er 1813 
nad) Prag fliehen, fchrieb mit feiner Gattin die „Memoiren des Herrn von 
S—a“, 3 Thle. 1815 und flard 1817. Seine Schriften, nidyt tief und gründ 
lich genug, find glänzend gefchrieben und voll Lehen und Anſchaulichkeit in ver 
Darftellung, in diefer Hinficht unübertroffen; „Grundriß der neuern Menfchen: 
Be 1796; „Geſchichte Frankreichs“ 2 Thle., 1797 ff.; 88 Eh 

roßbritanniens“, 2 Thle., 1798 ff.; „Geſchichte der Reformation“; „Geſchichte 
des weftphälifchen Friedens“, 2 Thle., 1808; „Geſchichte Böhmens“, 2 TUL, 
1815 u. ſ. w. Sämmtliche Werke, 12 Bde., 1818-21. — 2 W., Karoline von, 
Gattin des Vorigen, geb. 1782, Tochter eined ausgezeichneten Berliner Arztet, 
des Geheimrathes ei, einft zu Deutfchlands anmuthigften und genannten 
Schriftftellerinen gezählt, verheirathete fich bereits in ihrem 17. Jahre an den 
damals fchon eines Literarifchen Rufes fich erfreuenden Kriegsrath Müdler. 
Diefe Ehe wurde aber nach einigen Jahren wieder aufgelöft, und 1806 an 
Karolina eine zweite mit Karl Ludwig v. Woltmann, Heſſich⸗Homburgiſchen 
Refiventen und Gefchäftsträger der Städte Hamburg, Bremen und Rürnbern in 
Berlin, ein. Diefer verlor bald darauf durch die politifchen Ereignifie feine vis 
plomatifche Stellung, und nun fahen ſich die beiden Gatten us tihliepft auf 
die Schriftftelleret angerwiefen. Die Erzählungen und Gedichte Karolinens finden 
fi nebft denen ihres Mannes abgevrudt in „Karl und Karoline v. Woltmann's 
Schriften”, Berlin 1806— 1807. Im Sommer 1813 begleitete Karolina ihren 
Gatten nah Prag, wo file auch nady feinem im 3. 1817 erfolgten Tode blieb. 
Bon ihren Schriften werden ald die befte Arbeit angeſehen d nnltofagen be 
Böhmen”, Prag 1815; und „Reue Volksſagen“, * 1820. der 
erfolgreich waren ihre fpätern Romane oder geſchichtlichen Darſtellungen, mie 
3. B. die weißen Hüte, die re dad Erbe, der Ultra und der Liberak 
u. f. fe Ein ſchoͤnes Dentmal \erte Re Ürem verewigten Manne durch We 


WBolzogen. 907 


: Sammlung und Herausgabe feiner fämmtlichen Schriften in 18 Bänden, Prag 
: 41818 — 21. Ste farb am 18. November 1847. mD. 
Wolzogen, Karoline von, geboren zu Rudolſtadt 1793, Tochter des 
fürftlidy Ichwargburg ⸗ rudolſtaͤdtiſchen Dberfandjägermeifterd von Lengefeld und 
Echwägerin Schiller’8 (f. d.), erhielt im elterlichen Haufe eine trefflidhe Er⸗ 
: sehung und folgte fehon in ihrem 16. Jahre einem Helrathsantrage des fürft- 
- ch fchwarzburgiichen Geheimen⸗Rathes von Beulwis, mit dem fie aber in einer 
: nicht glüdlichen, kinderloſen Ehe lebte, die im 3. 1793 wieder geſchieden wurde, 
1786 vermählte fie fich zum zweiten Male mit dem herzoglich weimartfchen Ober: 
hofmeiſter v. wolgogen, dem ZJugendfreunde Schiller's, mit dem fie bis zu ihrem 
Tode in einer glüdlichen Ehe lebte. Als Dichterin trat fie zuerfi 1798 mit dem 
. Roman „Agned von Lillen“ (2 Bde., Berlin) auf, deſſen erfte Proben im zweiten 
. Sahrgange der „Horen“ erfählenen und ein ſolches Auffehen erregten, daß Bicle 
Goͤthe'n die Verfafferfchaft zufchrieben u. ſelbſt die beiden Schlegel, die fih do 
als Kritiker für unfehlbar hielten, theilten diefe Meinung, worüber Schiller fi 
in feinem Briefwechfel mit Göthe nicht wenig Tuftig madyt. Göthe ſeinerſeits 
ſchrieb Schiller'n großen Einfluß auf diefen Roman zu, was Schiller aber flets 
eläugnet u. behauptet bat, daß er nur den erſten Theil befelben, deſſen Eriftenz 
m erſt nadh der Vollendung bekannt geworben fei, von einer gewifien Manier 
in der Darftellung gereinigt habe. Enve 1799 108 Schiller nady Weimar, wo er 
der Echwägerin um fo willlommener war, da ihr Gemahl um dieſe Zelt wieder⸗ 
holt in diplomatifchen Sendungen nady Peteröburg verwendet wurde. Es hans 
delte ſich um die Verlobung des Erbprinzen von Weimar mit der Großfürftin 
Maria von Rußland und Herr von W. wußte biefe delitate Angelegenheit ſo⸗ 
wohl bei dem Kaifer Baul, als bei vefien Rachfolger fo glüdlich zu leiten, daß 
die Bermählung im Sommer 1804 vollzogen wurde. Karolinen’d Gemahl wurde 
zum Lohne zum Geheimen Rathe und Mitglieve des Miniftertums ernannt; fie 
felbR trat in nähere Beziehungen zu den Fürflinnen, die damald den Hof von 
Weimar verfchönerten. Dies war die glüdlichfte Zeit ihres Lebens, die aber 
kurz war. Mit Schiller’ Tode Töste ſich der ſchöne Kreiß, der fie umgab und 
fie felbft mußte bald darauf fdheiden, um ihren Gemahl nady Paris zu begleiten, 
wo dieſer die diplomatifchen Gerhähe zu beforgen hatte. 1807 begann auch er 
zu fränfeln und flarb 1810 in Wiesbaden. Karoline von W. mußte wohl bes 
deutend feyn, da auch in ihrer Einfamfelt die alten Freunde ihr treu blieben. 
Ramentlich gilt dies von Dalberg, der bis zu feinem Tode mit ihr in Verbindun 
ftand und Briefe an fle fchrieb, aus denen feine Hocdhachtung hervorgeht. Die 
Erhebung Deutfchlande im J. 1813 fand in Frau v. W. eine begeifterte Freundin. 
Sie geftattete, daß ihr einziger Sohn aus ziveiter Ehe mit in den Krieg gegen 
den Reichsfeind 308 und hatte die Freude, ihn unverlegt zurüdfehren zu ken. 
Später follte fie aber auch ihn verlieren und beinahe zu gleicher Zeit die Schwes 
fer, die 1826 in Bonn nach einer Augenoperation farb. e legte die Zeichen 
der Trauer um ihren Sohn bis an ihren Tod nicht mehr ab; Welmar war Ihr 
nun fo fehr entleivet, daß fle die Stadt für immer verließ und nach Jena übers 
fiedelte. Ste lebte von nun an ganz der Vergangenheit und feierte bie audy 
in den beiden Bänden Rovellen, die fie 1826 und 1827 herausgab. Schiller ein 
Denkmal zu feben, wurde bei ihr feſter Entichluß. Diefem Entſchluſſe verdanken 
wir ihre Biographie iller's, die in den Jahren 1830 und 31 erfchten und 
mit verbientem Beifalle aufgenommen wurde. Ehe Hofmeiſters berühmtes Wert 
erfchien, war diefe Bio rapbie die beſte von Schiffer eriftirende und auch Sf 
meifter hat Frau von W. manche Gabe zu verdanken. Hatte die Biographie 
Schillers die freundlichfte Aufnahme gefunden, fo ging dagegen der Roman ‚Cor⸗ 
della” 1840 faft unbemerkt vorüber; immerhin aber verdient ed Bewunderung, 
daß eine 77jährige Frau (denn in diefem Jahre fland Frau v. W. damals) no 
literariſch fo fruchtbar feyn konnte. Ihre wirkliche Thätioleix wor vom SD 
Ende; doch hatte die rüflige Frau noch Plane für vie Autunil. Ser W 


— — 


908 we · let· Bench. 


ihren ‚Sugenbfreunden itten ber —2 Serra Pr 
jale ihr 28 Die Freundin brängte es deshalb, 

den an menden gen tan in fein Recht einzufeyen und fe 
wollte Ende feine Biographie führeiben. Sewiß wurde ſie eine tefl- 
—— haben und im Stande geweſen ſeyn, aus ihrea 
Berkehr mi 'g manchen ſchonen in er aber ter 

Ina ih nut enthant gigeS kyn. Der — äbrigens as 
inaus. Sie — * > * Alles — 


aber anf Ss Aller brachte fie feine i Nach: 
au 7 
laſſe 3 . kenn fie — ag en En 1a esan, te, 
begann die den Zoll zu fordern, F nichts & 
wurde immer ‚ und bie Verehrer, die fich in —— ſchaftlichen 
ee um fie verfammelten, mußten — ker 1846 nahm bie 
Ichkeit E Ihre Gedanken weilten jept aub ip in der ee 
Sa ein Iren Hart ae wer. ur a a 1er entſchlief Re fanft m. wur 
—— er nen Anordnung gemäß, Be 
nebe 


Woolet, Billiam, ein Seräßiter m englifcher Kupferſtecher, 1735 
wu Matoftone, Schüler des Franzofen re wahl 
Künflern —— und er der Kunft, in Kupfer 
Den I. ai Km, —— vl, mike = 
mit dem —— ber it und dur wifchenräume an 
Ananber Du Sehr ſauber Rellte er ae. Kl na 
ben Bun Th al Mn 
olfton, ma et v 
Rorthampton 1669 „En und lel m Can —ã a A 
verlor durch das Etubt ter den En Berhand und N hen ve 
Geſchichten des alten ri nen met wären bloße Allegorien, worauf er 
(len — am ———— verlor ng Diefer ng und Das Fehl, 
en fein 


vr. die gi! e —S und er ra fie ee mit —— hr 
ſah, ihn vier Jahre lange dnzufperren. Da nad) wicher as 

Aal 38 for ihr, „feine a Mei mungen in Shen zu verbreis 
urde er rien 16 Gefaͤngniß der Kinge ich gebradt, wo er de 

m " gänner 1733 —X en bat von ihm: Disoourses on the miracles of 
oar Saviour, Sondon 1727, worin er die Wunder Jeſu für Alegorien erklärte, 
Defense of bie his disoourses of the miracles of our Saviour 1730 u old apo- 
nöd, de 'e Trath of the Christian Religion against the Jows and Gemtiks 
ed, hal 17345 de Pentii Pilati ad Tiberium epistola circa 


gestas u. I 
* wid, he Ein in ber Sre 
Kent, Gun der Siem! hemfe, na dieſe Kom En Su R 
Die FA tage ihn re 
Fre beforgt. —— ‚ für en ein Bu Im ib 100 Acres m 
Ma EEE 
e en vi 

han iſt auch in fat. —— u 

Shen f —— an un — Be en And Glouceſter 
Er 304 Meilen Ein: Das Land 


250,000 wohner. iſt rd 
Bl, Me, Garn, Sim, Si De Bad m en 


VWordsworth - Worud, 909 


durch Steinkohlen erfeht, die ſich theils in kleinen Vorräthen im Lande finden, 
theild aus reicher Nachbarſchaft kommen. Die Savern burchfchneidet das Land 
und nimmt bier die Teme, Ealwarp, Stour u. Woon auf. — Die gleichnamige 
Hauifant, an der Savern, gut gebaut und In vortheilbafter Hanbeldlage, 3 
ber 20,000 Einwohner. Mertwürdig unter den Gebäuden find: die Kathedral⸗ 
Tirche, die Nikolaikirche, das Stadthaus, ein Kranken» und ein Arbeitshaus, das 
Schaufpielhaus und die Brüde über die Savern. Es find hier gebeten für 
lederne Handſchuhe, die 10,000 Menſchen befchäftigen, für andere Lederwaaren, 
[ir Tapeten, Radeln u. Porzellan, auch große Branntweindrennereien u. Porter 
en 


Wordsworth, William, ein audgezeichneter englifcher Dichter der Reuzelt 
und Stifter einer Didhterfchule (Lake-school), geboren 1770 zu Godermouth tn 
Gumberland, bereißte von Cambridge aus den Gontinent und lebte im Genufle 
der Freundfchaft (Goleridge ıc.) felt 1803 zu Brafimere in Weftmoreland. Er I 
einfach, gefühtoon und bat fletö einen moralifchen Zweck; deshalb hat auch a 
mälig feine dichteriſche Bedeutung Würdigung gefunden. Nachdem er längere 
Zeit das Stempelfteuereinnehmeramt der Grafſchaften Eumberland u. Weſtwore⸗ 
land befleivet hatte, wurde er 1842 yenflonirt und im folgenden Jahre, nad 
Southey's Tode, zum Hofdichter ernannt. Werke: Descriptive sketsches in Verse, 
London 1793; An evening Walk, ebd. 17945 Berichte, ebd. 17985 Vermiſchte 
Gedichte, ebend. 1807; The recluse, ebend. 1814; The white Doc of Kylstone, 
ebd. 1815 (fein befted Werk); Peter Bell u. The Waggoner, ebb. 1819; The 
river Duddon, ebd. 1822; Memorial of a tour on the Continent, ebv. 1822; 
or rm u 16 Fe  Reich6fadt, fcht großhetzoglich heffifche Stad 

orms, ehemals freie großherzog e tadt am 

linken Rheinufer, im Wonnegau, mit 8000 Einwohnern, unter denen etwa 2800 
Katholiten, vorzüglichem Weinbau (Liebfrauenmildh, Katerlocher, Luginsland) und 
lebhaftem Handel auf dem Rheine. Sehenswerth find: der Dom St. Peter und 
Paul 996 — 1110, in den naßfolgenben Jahrhunderten erweitert; ver bintere 
Thurm von 1472; 470 Fuß lang, 110 Fuß breit. Kuppel des Thors 157 Fuß 
hoch; die Gewölbe im rip en, der Styl des Ganzen aber romanifh. Am 
Sübportal, aus dem 14. ab hunberte, höne Sculpturen. Im Innern flört 
keiver viel moderne Zuthat den erhabenen Eindrud der großen Architektur. Grab⸗ 
ftein der drei burgundiichen Koͤnigstöchter: der bh. Embede, Warbede und Willi⸗ 
bede; des Domherrn von Baflenheim, Eberhard's von Heppenheim, a 1559. 
Die St. Martinskirche, von 1265, von den Franzofen fehr zerfiört 1689, neuers 
dings wieder hergeſtellt. Die St. Andreaskirche von 1030, jetzt Mehlwage und 
Magazin. Die St. Pauluskirche von 1016 und 1270, nur noch in ſchoͤnen 
Trümmern vorhanden. Die Llebfrauenkirche vor der Stadt von 1467, reich an 
Sculpturen. Die Dreifaltigfettskicdhe 1725. Die Synagoge aus dem 11. Jahr⸗ 
hunderte. Der Bürgerhof mit einigen Alterthümern im Hofe. Das Stadtarchiv 
mit einer Abbildung von W. von 1630. — Bon Julius Gäfar den Trevirern 
abgenommen, war W. die Haupiftadt der Bangionen (Wonnegauer). Nach der 
BVerheerung durch Attila ward ed 1196 von Chlodwig neu erbaut. W. ift die 
eimath der Niebelungen und der Dalberge, welche letztere Kämmerer von W. 
ießen; dazu die ältehen der Juden in Deutfchland, die bier ſchon 588 Jahre 
vor Ghriftt Geburt fidy niebergelaffen haben follen u., weil fie unſchuldig waren 
an der Keuigung Chriſti, unter Kaiſer und Reich große Privilegien genofien, 
die freilich die fpätere Zeit nicht achtete, als man 1615 alle Juden aus W. 
vertrieb. W. war die Reſidenz Chlodwig's und anderer auftrafifdher Könige. — 
Brunhild errichtete bier ein Bisthum. 618 warb es der Sitz eines frän en 
Grafen. Dagobert baute ein Balatium bier. Wei ver Thellung unter Ludwigs des 
Frommen Söhnen fam W. an Ludwig den Deutfchen, fchon damals berühmt wegen 
ſeines Weines u. ward freie Reichöftant. 1122 war hier Friede so iofen lichen 
Heinrich V. und dem Papſte über ben ——— 1521 Reichotag, auf veua 


910 Bormferjoh — Woronzon. 

Luther ich einfand u. indie Reichs acht erklärt wurde. 1540—57 Reli eipräde. 
aa 30) le — litt W. viel; mehr noch 1088 und 89, wo die grania 
fe ganıe Stadt. bie den. Dom einäfcherten. 1743 wurde bier der Ba 
ra tat geſchloſſen yoite en la Savoyen ‚und Ungarn; 1802 kamen 

nie rei, 18 1815 an tee jabt, 

Fe a h Bi ga jod. 
Re Gouvernement in Gtoßrußland, won den Om 
u und. — Be dem * der De jafen, . Zekaterinoslan, 
und Chattow umgeben, 3 ‚520,000 Einwohnn, 
—— Klein⸗ und Groß-Ruffen, u, Tataren er — Anſiedien 


— if gemäbi und mild, Die Slü ua — —2* 
und öffnen Ser in März. Der, Ban —— von 
Don, Woroneſch, Donez, Döfol, Bitjug,. Daı en —— 


fehr ‚geeignet, beflht ‚gute Tıiften, bat nur — Socke ‚ Ihöne Waldunza, 
Son, teide u. Elfen. Aderbau, Viehzucht a —2 find bier ſcht is 
a das Wildpret aber nicht häufig. Es fehlt * an Gewerbfauk, 
iſt der Handel nicht unbedeutend. - Eintheilung in zwölf Kreife. — De 
kn befel —2 Hauptſtadt, nicht weit von der Mündun— —* Woronig 
den Don, in eitter — eſunden — iſt Sig 
36 hat — wel X Es ein © ein feminar, 
einen botanifchen Garten, berühmte Zahrmärkte 5 nv 44000 Ten el ee! 
Zuchfabrifen, Gerbereien, Selfen- und Bitriolfiedereien betreiben. —5 
auf dem Don nach dem o Meere iſt bedeutend. Hier war das ee 
tuſſiſche ET, 1697. 

Woronicz, ann Paul, einer der audgezeichneteften — Kanel⸗ 
rednet, 175 F ER ynlen geboten, trat in den Sefulienorben und wurbe Lehrer 
in Dftrog. ch der Aufhebung des Ordens trat er in bie. Eongregation da 
Mifionäe —* hau, ward nach der — Polens Pfarrer zu Kazimirien 
1808 Dekan und Stadtrath in eichau, 181 5 Bifhof von Krakau, 18% 
Erzbifchof von Warfchau und Primas Polens u, farb 1829 auf einer Reiie m 
Wien. Werke: Das Epos Sibylla, die Hauptepochen der polntfchen Gefdidt 
darftellend; Werke, Krakau 1822; feine Predigten, abgedrudt in feinem profaifhen 
Werke, ebb. 1832, 3 Bde.; feine Dichtungen len Klagen über Polens ver: 
gangene Größe und Prophezeiungen der 

Woronzom, Name einer berühmten sen Srafenf familie, aus ber wir 
anführen: 1) Mich ael Lar lo nowitſch, kaiſerl autor HUREN 1710, 
war einer von Elifabeth’8 Günfllingen, die ihn 1744 zum Rei 
1758 zum Großfanzler ernannte und mit Gütern überhäufte, qy⸗ Prag era 
Einfluß auf die damaligen Begebenheiten, behauptete ſich unter Peter HL in 
feiner Würde, wurde aber von Katharina H. von den Staat efchäften entferm 
und flarb zu Petersburg den 45. Bebr. 1767. — 2) W., Wlerander, Graf 
von, ruſſiſcher Staatsminifter, befleivete mehre —E Aemter, wurk 
1802 Großlkanzler, fpäter Minifter der auswärtigen An; elegenbeiten, nahm 184 
feinen Abfchied und flarb zu Mosfau 1806. — 3) 2,6 lifabeth Roma 
nomna, Schwefter des Borigen, war die Geliebte Bei UL und erhielt von 
diefem, noch al6 Großfürften, das DVerfprechen, daß er ſich von feiner — 
Katharina trennen und fie heitathen wolle, Die Gräfin war unklu⸗ 
dieſes Verſprechens öffentlich gu rühmen, woburd fie nur Peter's aen — 

nigte. Sie ſelbſt aber wurde in die Naͤhe von Moskau vertiefen, fpäter —— 

mit dem Admiral Polensli vermählt. — 4) W., Mich ael, Graf von, a 
— ‚geboren, aber in England erzogen, beleidete Anfangs einige diplomaiiſche 
Vofen, trat dann in ruſſiſche Kriegsdlenſte und befehligte 1812 eine Gremdin 
Diviſion im neunten Corps, 1813 ein Corps bei der Nordarmee, machte dr 

Schlachten bei Dennewig, Großbeeren und Leipzig mit, vereinte ſich mit ber 
Hauptarmee und wurde am 7. März 1814 bei Graone von Rapoleon gefchlagen. 


Wortſpiel — Wonwerman. 911 


Bon 1815—18 war er Ehef des ruffifchen Eontingents bei dem Befabungsheere 
in Sranfreih, wurde dann Militär⸗Gouverneur von Neu⸗Rußland u. Beffarabien, 
im Jahre 1826 Mitglied des Reichsraths und war ruffifcher Gefandter bei den 
Verhandlungen zu Afjerman. 1828 commanbirte er, nach Mentſchikoff's Tone, 
das Belagerungecorpe vor Barna und wurde dann Feldmarfhall, Generals 
©ouverneur in Beffarabien und ReusRußland, weldyen Poſten er mit ſegens⸗ 
reichem Wirken befleivete; er reſidirte bier meift an der Süpfüfte der Krim, am 
uße des Ai⸗Petri, wo er ein prachtvolles Schloß bat. 1 erhielt er den 
e ra F Kaukaſus und führt ſeitdem dort den Krieg gegen die Tſcher⸗ 
effen (f. d.). 

Wortfpiel, eine, durch ähnlich lautende Worte dargeſtellte, Verſchiedenheit in 
den Borftellungen , oder, einer andern Erklaͤrung zufolge, die Zufammenftellung 
aleich⸗ oder Ahnlichlautender Worte, die aber eine —* haben, 
um an ſich fremdartige Vorſtellungen und Degrifle zu einer finnreichen Antitheſe 
au verbinden, fo daß hienady das W. in witz ge Kürze einen Gegenſtand nach 
feinem Seyn oder Nichtſeyn, oder nad dem Seinwollen und Geinfollen zuſam⸗ 
menftelt. Das Boncretere des W.s liegt indefien nur in der unmittelbaren Bes 
ziehung auf das Ohr, nicht in dem Gedankengehalt, weshalb es auch beſonders 
von finnlichen Raturen und von Dichtern mit vorwiegendem bilplichen Witze, 
wie Fifchart und Abraham a St.Elara (f. dd.), geſucht und geliebt wird, 
In dem erft bemerkten Sinne wird das W. als Äfthetifche Figur zu den Aeuſſer⸗ 
ungsweiſen des fcherzhaften Witzes gezählt und geht im poettichen Gebrauch meift 
nur auf eine fomifche Wirkung aus, wobel dann freilich Zwanz und Mühe aus⸗ 
gelatejien bleiben und audy Gedankentiefe nicht zu erwarten iſt. “Die franzöftfche 

prache iſt reich an derlei Wen. Vgl. Calembourg. 

Wotjäfen, ein finnifcher Volkerſtamm in den ruffifchen Bouvernements Orenburg 
und Kafan. Sie malen etwa 60,000 männliche Köpfe aus, theilen fidh in 
Stämme, wohnen in Dörfern, leben vom Aderbau, den fie mit Fleiß u. Kennts 
niß betreiben, der Jagd und Bienenzucht und verfertigen nebſtbei manche Drechs⸗ 
lerarbeiten. Das Srauenzimmer fpinnt, webt Leinwand und grobes Tuch, macht 
Filze und die Kleider. Die W. find größtentheild noch Heiden u. diefe find eben 
fo aberglaubtich, ale eiferige Gotzendiener. Jever nimmt fo viele Frauen, ale er 
erhalten fann, doch haben die meiſten nur eine. Sie reden ihre eigene Sprache, 
haben aber weder Schrift, noch Buchflaben und rechnen auf Kerbftöden. 

Motton, Henry, engliicher Staatsmann und Dichter, geboren 1568 zu 
BoutonsHal in Kent, Rubirte zu Orford, durdhreiste Kranfreich, Deutfchland u. 
Stalien, wurde nach feiner Zurüdfunft Sekretär beim Grafen Robert von Eſſer 
und flüchtete bei der Hinrichtung vefielben nach Florenz, von wo ihn der Groß⸗ 
herzog heimlich nady Schottland fchidte, um Jakob VI. eine, Be en thn ange: 
fponnene, Berfchwörung zu entdeden. Als biefer König den englifgen Thron bes 
flieg, machte er ihn zum Ritter, verwendete ihn gu mehren ®efandtfchaften und 
ernannte ihn 1623 zum PBräfekten von Faton. Gr flarb daſelbſt 1639 und hinter⸗ 
ließ: Epistola de Casp. Scioppio; Epistola ad Marcum Velserum ; De statu 
Christianismi; Reliquiae Wottonianae u. a. m. 

Bouwerman, Philipp, ein auszeichneter Pferde» und Schlachtenmaler, 
geboren 1620 zu Haarlem, geftorben 1668, ein Schäler feines Baterd Baul W. u. 
des Johann Wynants (f.d.), arbeitete ebenfo fleißig als trefflidh, bereicherte 
aber damit mehr die Kunfthändler, als ſich u. feine zahlreiche Familie. Er malte, 
meifterhaft in Zeichnung, Compoſition und Golorit, Jagdzůge ımd Reiter treffend 
und fellte namentlich die edle Geftalt und Fühnen Bewegungen des Pferdes in 
hoher Vollendung dar. Auch die Baden Umgebungen und ber lichte Glanz 
der Lüfte find meiſterhaft. Gemälde von ihm finden Fr in faft allen Galerien, 
am zahlreichſten in der Dresdener. Gie erhielten in der Belge einen fehr hoben 

eis und fein berühmter großer erbemarkt wurbe mit 14,560 Livr. kt. 
eine Arbeiten, deren Berzeichniß in Smith’6 „Catalogue raisonnd“ (®b. 1, 


92 Wrack — Wraugel. 
ee A Bu Be pa Man wo einen 


Ba en 


u ie 8 Aus =.o t nennt- von einem 
a Gut, — 835 ein ar gemeldet Br 
, D Karl Buftav von ———— deldmar ſchall, 1645 5 
ya — Ye — te fer aus — u 
ſch te gel Sein Bater ‚ Dar 


nal — und ak und — als 
Karl ‚ feiner Neigung gemäß, in yr4 
— ben Feügen Cufas Moiphs, in Deutfhlanb bi 


te er hate Bauer’s Tode 1641 un die nee a I 


# 





iii 
Ei 


34 Boll he uf — 
(ger, in Schleſien und bei Leip— a ic im 1643 im Bändfchen 

feinem, 2 nad a und ha Be Armee des Kaifers unter 

i abe die ma iae ae un x hr er ou — 
e lotte im 

ee ERTL 
m folge ein u 0! 
übernahm, als die Beendigung des däntie 0 durch den Frieden von 
Brömfebro den 23. Auguft 1645 feine Rüdfehr nach Deutfchland erlaubte, 
Torftenfon’8 Abgange ald Generalfeldzeugmeifter den Dberbefehl über die Hält 


Eazs an 


= 


der ſchwediſchen Truppen in Deutjchland. Die Ermahnung und das * 


ſeines berühmten Vorgängers, ohne Noth Feine Schlacht zu wagen und dat 
Haupttheater ded Krieges wo möglich in die kaiſerlichen Erblande zu verlegen 
befolgte er mit genauer Pünktlichkeit, weil ohnehin bei der gräuelvollen Ber 
mwüftung des übrigen Deutfchlands die Erhaltung der Truppen_faft zung 
war und man nur durch Belegung öſterreichiſcher Eee hoffen durfte, der 
Kaifer zu einem endlichen Frieden zu bewegen. Zunächſt verließ er Sadı, 
weil er zu Bey ae Truppen verfehen war, als daß er dem Erzhergoge Leobeh 
allein hätte die Spige bieten Fönnen und vereinigte ſich, nachdem er das Goms 
des Generals Königsmark an fich gezogen hatte, bei Gießen mit dem frangöftihe | 
‚Heere unter Yurenne (f.d.), um durch einen Einfall in Bayern den Kaifer feind 
mächtigften Bundesgenoffen zu berauben und fo den Zug in die kaiſerlicha 
Erblande möglich zu machen; denn die Unternehmungen Torftenfon’s hatten be 
iwiefen, wie ſchwierig es fei, durch Böhmen und Mähren vorzudringen. Dahe 
marjchirten die Verbündeten längs dem Main und der Tauber den bayeriihen | 
Grängen entgegen und belagerten nach einem fiegreichen Gefechte bei Donaumörtt 
das fefte Augsburg, welches fie jedoch nicht erobern fonnten., Sie wurden im 
Gegentheile bis nach Page zurüdgebrängt, überfchritten aber zum zielt 
Male ven Lech, als die Kaiferlichen fih nah Schwaben gewandt hatten. Di 
nun Bayern dem Feinde offen lag und die Schweden durch die Eroberung von 
Bregenz felbft die Wege nach Italien ſich geöffnet hatten, bequemte He 
Kurrk Marimiltan zu Unterhandlungen, welche am 14. März 1647 ven iar 
Waffenſtillſtand herbeiführten. W. begab ſich darauf über Franken nach Böhmen, 
wo die andere sun des ſchwediſchen Heeres unter dem Grafen Königsmarl 
den Feldzug eröffnet hatte. Trotz der Nähe des Faiferlichen Heeres wurde Eye | 
erobert, Indeß kam es zu Feiner Schlacht, weil beide Theile wegen des —* | 





Wrangel, 913 


ftehenden Friedensſchluſſes den zweifelhaften Ausgang eines Treffens und die 
Einwirkung defelben auf den Frieden fürchteten. Als aber Martmiltan fich wieder 
mit dem Kaifer vereinigte und die Schweden aus Schwaben verjagte, eilte W. 
wieder zum Rheine, den er nach mannigfachen Gefechten erreichte und rüdte 
mit Turenne über den Lech wieder in Bayern ein. Das Land wurde jebt ſchreck⸗ 
Lich mitgenommen. Bon den Alpen bi8 an den Inn und dieſſeits und jenfeits 
der Ifar und ded Lech fah man nur eine fortlaufende Wüfte und Branpftätte, 
Dennoch mußte ſich W., nachdem er bei Dachau, unweit Münden, beinahe in 
die Sefangenfhaft Johann's v. Werth (f. d.) gefallen wäre, wieder nad 
Schwaben zurüdziehen. Die weiteren Unternehmungen und Gräuel beendigte 
der weftphälifche Friede, den 24. October 1648. W. genoß jebt in Schweden, 
wohin er fich zurüdzog, einige Jahre ver Ruhe. Als aber der Eriegeriiche Karl 
Guſtav von Zweibrüden, der Nachfolger der entfagenden Chriſtina auf ben 
ſchwediſchen Thron, Bolen befriegte, begleitete ihn W. und fämpfte in der drei⸗ 
tägigen Schlacht bei Warfchau vom 18. bis 20. Juli 1656 unter den Augen 
des großen Kurfürften Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dem er untergeorbnet 
war. Im Jahre 1657 folgte er dem age in den Bebaug ne en Dänemarl. 
Schnell wurden Holftein, Schleswig und Jütland befebt; W. —* erſtuͤrmte 
die Feſtung Friedrichsodde, beförderte den glüdlichen Erfolg des abenteuerlichen 
Zuges nad) Seeland über die gefrorenen Belte, zwang den 6. September 1658 Kro- 
nendburg zur Mebergabe und übernahm darauf als Admiral den Befehl über die 
ſchwediſche Flotte, welche Kopenhagen von der See angreifen follte, während 
ed ebenfalld durch das ſchwediſche Heer von der Landſeite eingefchloflen wurde. 
Da aber die Dänen Zeit gewonnen hatten, um ihre Hauptftadt in Vertheidig⸗ 
ungszuſtand zu feben, uk eine holländifche Flotte, troß aller Gegenbemühungen 
Karl Guſtav's, denfelben zu Hülfe fam, fcheiterte das Fühne Unternehmen, zumal, 
da W., in einer Seeſchlacht den 29. October 1658 befiegt, fih nad) Landskrona 
urüdziehen mußte, während die Regrei en Holländer in den galnı von Kopen- 
—* einliefen. W., der für den Seedienſt im Ganzen wenig Befählgung zeigte, 
vereitelte einen Verſuch der Dänen, auf der Infel Fünen zu landen, während 
ein Berfuch der Schweden, Kopenhagen im Fruͤhjahre 1659 au flürmen,, voll 
ſtaͤndig mißglüdte. Der Tod des Könige von Schweden end pie 1660 dieſen 
Krieg. Als Ludwig XIV. von Frankreich 1674 das deutſche Reich angef nach⸗ 
dem er ſich mit Schweden verbündet hatte, führte W. im Dezember 1674 ſechs⸗ 
zehntaufend Mann ſchwediſcher Truppen von Pommern aus in die Marf Bran- 
denburg, während der große Kurfürft mit feinen Streitkräften am Rheine ftand. 
Doch erkrankte er bald und gab den Oberbefehl feinem Bruder Waldemar, welcher 
den Soldaten die wildeften Rohhelten und Erprefiungen nachſah. Mittlerweile 
fam der Kurfürft feinem Lande zu Huͤlfe. Nachdem fein berühmter Feldmarſchall 
Derfflinger (. d.) den ſchwediſchen Oberfien Wangelin bei PBathenow am 
12. Zuli 1675 überfallen und mit feinem ganzen Regimente gefangen genommen 
hatte, griff er eben fo unerwartet mit Reiten am 18. Juni 1675 den 
gend, welcher 13,000 Wann zählte, an und gewann einen glänzenden Sieg. 

arauf jagte er die bis dahin unbeflegten Schweden aus den Marfen und ers 
oberte einen Theil von Borpommern. W. kehrte nach Schweden zurüd und 
ftarb nody in demfelben Jahre. Er war 1643 zum Admiral ernannt, 1645 in 
den Brafenfons erhoben und 1664 durdy den ſchwediſchen Reichsrath mit ver 
Würde eines Reichsmarfchalld beehrt worden. Man rühmt an ihm Entfchlofienheit 
u. Geiſtesgegenwart. Sein Reichthum erlaubte ihm höchſt verſchwenderiſch zu leben. 
Bol. Fryxell's Erzählungen aus der ſchwediſchen Geſchichte, Stodh. 1818—23; 
Lundplad's ſchwediſcher Plutarch, daſelbſt 1826. — 2) W., Friedrich von, 
ein Rachlomme des Vorigen, geb. 1784, trat 1806 als Lieutenant in das preußi⸗ 
ſchen Dragonerregiment von Auer, deſſen Oberſt er in ven Sreiheltöfriegen war, 
als weldyer er feinen Truppen in Thaͤtigkeit und ritterlicher Tapferkeit ſtets voran» 
leuchtete. Als Generalmajor und ſpaͤter ald Generallieutenant arbeitete er eifrig 

Realencpclopädie. X. RR 


—— 
m. Mei | = 
der Of m des fich, obgleich eft in 
5— 
— —— 6 IV. Kiel ” 


Seine ämlı bie al 
der Arllere Ski," ER 


abe Im, — en: 
ton, 


ii IR! um let über die: deut! —— 


YXG dafelbft hat“ 
a Re 
* 8 
ER er 
Und erben Wefens eb; die Breifchnaren Hgtm ihn =, a 


rüchen nicht t werde umd den Mi ingen ihrer Kranfen und 
ten Dir. y Garden fteuere. Bolfe überhörte 
diefe Ringe ———— ae © hl 


den dãniſchen Anmaßungen mit Wort und That fo entgeg 
wiß, wie Jeder glaubte, das Größte PH le wenn ihn 
Federn der Diplomatte gehindert hätten. Die Vollobeliebtheit Iemfte die Bid 
einer Partel auf ihn, die für verftedte Plane eines unverbächtigen Namens be 
durfte und feinen beffern fand, als ven feinigen. Kaum hatte W. den Com 
mandoftab in die Hände des Neichöminifteriums niedergelegt, fo wurbe er zu 
Oberbefehlshaber in den Marken ernannt, mit dem Auftrage, vie erfchlafite Die 
ciplin der Truppen und bie Ordnung wieder herzuftellen. Bon dem demofrati: 
ſchen Berlin fchlecht empfangen, fuchte er fih mit den Vürgerwehrmännern un 
dem Volke zu verftändigen und wählte dazu eine Parade, auf der er eine Re 
hielt, die aber den ungünftigften Eindrud machte. Der Berliner Wit gefiel fd 
in Karrifaturen auf den General; der ernftere Bürger aber fragte NR; „tie dem 
ein Soldat, ale ob es Feine Berfaflung, u, fein verantwortliches Miniftertum geh, 
im befehlenden Tone von feiner Aufgabe, von feinen Abfichten forehe 
dürfe?” So lange das Minifterium Pfuel fortbeftand, blieben die Drohunge 
WS ohne Folge. Er ſeibſt fuchte ih populär zu machen, hielt verſchieden 
Anfprachen an die Bürger und befuchte fogar ein demofratifches Eongert, das ıı 
Gunften der fchlestwig -Höffteinifchen Freiwilligen gegeben wurde. Pfuel trat iv | 
wiſchen zurüd und zwar hauptfächlich deshalb, weil ihm die Stellung Wr 
als eine unconftitutionelle erfdhien und die Reaktion warf num die Masfe ab. 
Der Befehl der Berlegung der Nationalverfammlung nad) Brandenbutg wurk 
erlaffen, die Berliner Bürgerwehr aufgeldft, die Hauptfladt des Reichs & 
Belagerungszuftand erklärt und W. befehlige noch die Truppen, welche zum 
Bollzuge dieſer Aufferften Mafregeln einrüdten. 

ranigey, Baul, geboren zu Neureufch in Mähren 1756, befuchte do 
ſelbſt die 4 erften {ateinifchen Elaffen bei den AR re um 
lernte zugleich Singen u. Orgelfptelen. Dann feste er feine Studien zu a | 
und Dlmüg fort, wo er ſich in der Muſik fmmer mehr vervollfommnete. | 
vorzüglichftes Inftrument und worauf er fidh mit Eifer verlegte, war die Biol. 





Brbna. 915 


Er kam 1776 nad) Wien, um im Semtnartum bie Theologie zu hören. Während 
diefer Zelt wurde er mit dem, in Wien ſich damals aufhaltenben ſchwediſchen 
Kapellmeiſter Joſeph Kraus bekannt und lernte von ihm die Compofition. ne 
vortreffliche Anlage hiezu und der dabei angewandte Fleiß festen ihn bald in den 
Stand, mehre wohlgerathene Muſikſtücke dem Publifum zu übergeben unb ver 
fchafften ihm allgemein den Ruf eines geſchickten Gompofiteurd. 1785 wurde er 
als DOrchefters Direktor bet den beiden E. k. Hoftheatern Wien's angeflellt, welche 
Stelle er bis zu feinem Tode, den 28. September 1808, mit ungetheiltem Beifalle 
bekleidete. Seine zahlreichen Werke beftehen theils in großen Symphonten, Quin⸗ 
tetten, Quartetten, aus Trio's und anderen Compoſitionen, thelld in mehren 
deutfchen Opern, Balleten und theatralifchen Zwifchenatten, nebft vielen anderen 
dem Publikum noch nicht mitgetheilten Arbeiten, die er, dem ihm gefchehenen 
Auftrage gemäß, für die Katferin Marta Therefia zu ihrem eigenen Gebrauche 
und Privatvergnügen verfaßt hatte. Er ftand auch, ehe er ale Ghenter» Muflf- 
direftor angeflelt wurde, in Dienften des Fürften Eſzterhazy, für welchen er 
viel gefchrieben hat. Folgende Opern gehören zur feinen Werken: Oberon, das 
Zeft der Lazzaront, die gute Mutter, das maroffantfche Reich ıc. Die Ballete: 
Zephir und Flora, Zemire und or, dad Waldmäbdchen, die Weinleſe. 

BWrbna, die Grafen, ein uralte® Geſchlecht, welches fchon zu Ende bes 9. 
Jahrhunderts in den Herren und Grafen von Würben im Herzogthume Gchleften 
bluͤhte. Nach Paproczky fol ed aus Polen, nad Bauhen aber aus leſten 
ſtammen. Das Stammhaus ſoll das, im Fürſtenthume Schweidnitz gelegene, 
Schloß Würben geweſen ſeyn. Balbin meldet, daß dieſes Geſchlecht in Polen 
den Grafentitel bis auf Johann von W. gerührt, fih fodann aber, nad) Art 
des bömifchen hohen Adels, mit dem Titel eines perm (Ban) von W. bis 1642 
begnügt, in diefem Jahre aber wieder den Grafentitel, zufolge kaiſerlichen Diplome 
vom 16. April 1642, angenommen haben. Kaiſer Ferdinand II. begabte es fchon 
früher 1628 mit vielen Borrechten. Aus Schleften verbreitete ſich das Gefchledyt 
nach Böhmen und Mähren und führte den Beinamen Bruntaldfy von dem 
fchlefifchen Stänthen Freuden thal (ſchleſiſch Bruntal), nahm jedoch fpäter 
den Ramen von W. u. Freudenthal an. t den 2 Sehnen Stephan’d (ges 
florden 1542), Johann und Albert, theilte ed fich in 2 Linten. Die jüngere, 
von Albert entfprofiene, welche beſonders in Schleften begütert war, en mit 
dem Strafen Karl Wenzel, geboren zu Ltegnitz den 13. Septbr. 1716, ges 
blieben in der Schlacht bei Breslau den 22. Novbr. 1757. Die von Johann 
entfproffene ältere, fogenannte boͤhmiſche, Linie blüht noch fort. Buögene nete 
Berbienfte erwarb fich in neuerer Zeit der 8. k. Oberflfämmerer, Rudolph per 
von W., geboren zu Wien den 23, Juli 1761. Einige Mineralien, die er no 
als Knabe zum Geſchenke erhielt, erregten in ihm den Wunſch, eine Sammlung 
anzulegen und dieſe nährte in ihm-die Neigung zur Bergfunde, ganz dem Wunſche 
feined Vater gemäß, da die Verwaltung der eigenen Güter einen erfahrenen 
Hüttenmann erheifchte. W. begab fich daher, nachdem er die Rechtswiſſenſchaften 
auf der hohen Schule zu Wien gehört hatte, auf die Bergakademie zu Schem⸗ 
nitz, wo er fi) den Bergwerkswiſſenſchaften mit Daher Begeifterung widmete. 
Was ihm noch mangelte, um feine bergmännifche Bildung zu vollenden, erwarb 
er ſich 1784, wo er die vorzüglichften Bergwerfe in Riederungarn ımb Suners 
öfterreich bereif’te und nach fo ernftlidyen Borbereitungen trat er 1785 als Hofr 
ſekretär bet der montaniftifchen Hofftelle feine flantöbürgerliche Laufbahn an. 
1737 wurde er zum vortragenden Bergrath, 1790 zum Do bei der Hoffammer 
in Münz⸗ und Bergweſen beförbert. Die Emporbringung feiner Eiſengußwerke 
= Komorau, auf der Derriihaft Horgowig, war der Daupte enftand feiner 

emühungen. 1801 wurde WB. zum Bicepräfldenten der montaniſtiſchen Hofftelle 
und im folgenden Jahre auch zum ‘Präfes ber — on ernannt. 
Es waͤre —8* gelungen, dem gefährlichen Brande in den Gruben von Idria 
su feuern und das Bergwerk vor gaͤnzlicher Zerflörung zu ven wernn nicht 


a. 


916 


Wrbua. 

W. hoͤchſt ſchnell und. einfl 10 — ſo die einer der reidhfn 
Staatsquellen in der öfterr en Moı herbeigeführt hätte. — In ber Br: 
fahr von 4805 beburfte der Katfer eines Mannes, der mit dem Eigenfchafn 
eines treuen und reblichen Unterthans auch die — des 

und einen hinlaͤnglich indeten Ruf v id, um ben Bürgern Zutrauen, da 
Belnden Ahtung ra und ihm die Zeitung der Gefchäfte während der fein: 
lichen Befignahme Wiens mit Beruhigung anvertrauen e fönnen. Die Wahl da 
Monarchen fiel auf W., den er zum Landes Hofcommiffär te. Die Bruh 
eined Jeden wurde mit Vertrauen. befeelt und mit gefaßterem 

man die Ankunft der Feinde. Schon am erften je des feindii 
bewies W. eine eg die neuen alihaber fehr 
9 


Al 


eriwartete 
® Gerne ferge 
jenn er mit folcher die Bedürfniſſe des , 
< auch. der Beind_feinen ‚Eifer — gezwungen war, fo wies er dagegen 
jede umbillige Forderung. mit Beftigeit gurüd. Ihm verdanlte man es, 
Mufeen und Bibliothelen damals unverfehrt blieben und mancher Teidenfchaftlide 
Ausfall in den, zu Paris im Montteut erfchtenenen, oberichten auf die Bar: 
fiellungen W.6 in der Wiener Zeitung weſentlich dert wurde. Im einem 
Handichreiben aus Holitſch vom 12. Januar 1806 äußerte der Mi feine 
volle Zufrievenheit gegen W. Er ernannte ihn zum Oberfilämmerer, 
außbrüdlichen Borbepalte, daß vefien Wirkungsfreis nicht bioß auf Die gewötn: 
en Verrichtungen eingefchräntt um fondern auch auf wichtigere 
te fich erftreden folle, welche der Monardy zu feiner Berubi, u. zum 
u Länder, W. zu übertragen nd ‚erachten würde, dem großen 
kungskteiſe, den feine neue de ihm barbot, — W. das adhtunge: 
volle Zutrauen feines Monarchen täglich mehr; er blieb auf allen fen 
ungertrennlicher Begleiter, in vielen —— des Staates treuer 
Rathgeber, bei. großen häuslichen rl len ein theilnehmender, tröſtender 
Freund, ohne jemals die Linie zu überfchreiten, welche Ehrfurcht zwiſchen dem 
Kandeöfürften und dem Unterthan gezogen hat. 1808 ernannte der Monarch ®. 
zum Nitter des goldenen Vließes. Auch während der Periode won 1809 blich 
W. fein ungertrennlicher Begleiter und theilte alle Gefahren mit ihm. Als der 
Briede dem Abfchluffe nahe war, wurde W. als landesfürftlicher Hofcommifär 
wieder nach Wien gefendet, wohin ihn die allgemeine Stimme ſchon Längft fehn- 
ſuchtsvoll gerufen hatte. Als 1811, in Folge des neuen Finanzpianes, en neues 
Paptergeld audgegeben wurde, bewog das, W. allgemein gewordene, Zutrauen 
den Kalfer, ihn zum Präfiventen der bei dieſem Anlaſſe aufgeftelten Gintöfung: 
und Tilgungs » Deputation zu ernennen, auf deren Arbeiten der Stantöfrebit zum 
gofen eil berubte. WB. blieb fortan an der Seite des Kaiſers und fo oft der 
onarch feine Meinung über Gefchäfte und Perfonen zu hören verlangte, fprad 
er, nur der Stimme feiner Innern Ueberzeugung folgend, diefe frei umb unbe 
fangen aus und glich flet6 einem Spiegel, in welchem die Wahrheit wieder 
her As Oberftlämmerer wurde er auch ber Sprecher vieler Unglüdlichen 
und Gelränkten; er hörte Jeden mit Sanftmuth an, entließ keinen ohne Troh 
und öffnete ihnen in dringenden Fällen ven Weg zum Throne des Kaffers ſelbi 
AS eifriger Freund der Kultur nahm W. den thätigften Antheil an_der Grün 
dung und Beförberung jener gemeinnügigen Anftalten, durdy deren Stiftung die 
Stände Böhmens ihren Eifer für die Wohlfahrt ihres Baterlandes erprobt. Die 
patriotifch-öfonomifche Geſellſchaft, das polptechnifche Inftitut, das erfe im 
öfter, Kalferftaate, die Malerſchule, die Gefellichaft patrlotifcher Kunſtfreunde, 
das Eonferyatorium der Muftf, die hydrotechniſche Serehaft zut Bereinigung 
und Shiffbarmahung der Ylüffe Böhmens und das National» Mufeum piefes 
Königreich® find bleibende Denfmale des reinen, waterländifchen Stnnes, burd 
den die Stände Böhmens fih den Dank künftiger Jahrhunderte gefichert. — 
AS Freund und Beförderer der Wiſſenſchaften war W. ein vieldermögender 
Goͤnner der Gelehrten in Defterreich und die Würdigften, bie, der Stolz ihres 


& 


g 


* 


Wrede. | 947 


Baterlandes, fidy die Achtung bee Sn» und Auslandes errungen hatten, wurben 
auf feine Vorträge von dem Monardyen mit Auszeichnungen beehrt. — Während 
des neuen Kampfes (1813 — 15), der das Schidfal von Europa entfchien, blieb 
W. als unzertrennlicher Begleiter feines Ka I wieder der erfle und treuefte 
Pr für defien Sicherheit. In dieſen verhängntßvollen Perioden nahm er, 
fo oft der Monardy wegen ver vielen feindlichen Streifparteten irgend einer 
Gefahr audgefegt zu ſeyn fchlen, fein Nachtlager vor defien Schlafgemady und 
unbefchreiblih war feine Freude, als er endlich vie gerechte Sade feines Kais 
fer fliegen fahb. Deswegen A ihn nicht nur der Kalfer mit ven höchſten 
feiner Orden aus, fondern auch die auswärtigen Kürften beeiferten ſich, ihm gleiche 
Ehre zu erweifen. Mit gefchwächter Gefundheit reiste. W. jum Gongreffe nach 
Berona, wo er ſich eine Bruſtbeſchwerde zuzog, deren Keim vieleicht früher 
fon in ihm lag. Er Fam erkranlt zu Wien an. Zwar ſchien e8 nur eine vors 
übergehende Unpäßlichkeit zu feyn, doch die längere Dauer der Krankheit ließ _ 
feinen guten Ausgang vermuthen. Der. Katfer ** der Stimme des Herzens 
und beſuchte den Kranken unmittelbar. Hierauf fiel W. in einen betäubenden 
Scylummer, aus dem er nicht mehr erwachte und den 30. San. 1825 verfchied. 
Wrede, 1) Karl Philipp, Kürft von, k. bayertfcher Feldmarſchall, Staatsmini⸗ 
fer, Präfivent der Kammer der Reicheräthe, war geboren am 29. April 1767 
u Heinelberg, wo fein Bater Regierungsratb war. Huf der Hochichule feiner 
aterſtadt bildete fi) der junge W. für die adminiſtrative und Diptomattfehe 
Laufbahn. Er wurde Hofgerichtsrath in Mannheim und Aſſeſſor beim Heidel- 
berger Dberamte, 1792 aber, fur; vor dem Ausbruche des Krieges, Korfimeifter 
und Furpfälztfcher Landestommifjär bei dem ÖRerreichlihen Armeecorpo, das fidh 
bei Schweßigen —— Er gewann ſich die Liebe und das Vertrauen 
des Fürſten von Hohenlohe⸗Kirchberg. WIE das öſterreichiſche Heer am Mittel⸗ 
rheine unter Wurmſer die Belagerung des fchmählich verlorenen Mainz dveckte 
und in's Elfaß drang, wurde W. auf Hohenlohe’ Empfehlung von Karl Theo- 
dor zum Oberlandes⸗Commiſſaͤr mit dem O:berftentitel ernannt. In diefer Eigen» 
[haft machte W. alle Feldzüge am Rhein mit, immer im Mittelpunfte der Spe⸗ 
rationen. Karl Theodor belohnte feine ausgezeichneten Verdienſte dadurch, daß er ihm 
erlaubte, die einträgliche und angefehene Stelle eines Dberforftmeiftere der ⸗ 
pfalz kaͤuflich an ſich zu bringen. Als nach dem Tode Karl Theodor's (Februar 
1799) Mar Joſeph den Thron beſtieg, berief er W. nad) Muͤnchen und ſandte 
ihn in das Hauptquartier von Kloten bei Zürich und nun, feiner Oberforſtmei⸗ 
fteröftelle enttagend., winmete er fich der, ihm fchon längf nicht mehr neuen, 
militärtfchen Laufbahn. Das glänzende Reitergefecht bei Redarhaufen war feine 
erfie gelungene That. Bet der Er ürmung Mannheims und der Redarau, beim 
Entfape Philippsburg's ward Ihm borzäg! ch Ehre. Daß er in der Beſchießung 
und tmung Langenzell® ſelbſt dad Baterhaus nicht ſchonte; daß der rafche 
Angriff ihm vergönnte, die darin befindliche Mutter zu befreien, war einer der 
vielen romantifchen Züge feine Lebens. Im blutigen Treffen bei Memmingen 
(10. Mat) leiftete W. einem zwölfmal überlegenen Beinde langen Widerſtand, 
bi8 Kray in die Berfchangungen von Ulm fihern Rüdzug gewann. In dem 
furdytbaren Gerwühle der, in den Hohenlindener Wald eingeengten, Wagen und 
Kanonen führte W. voll Geiſtesgegenwart feine geichwächte Brigade mitten durch 
die Feinde, machte fein Häuflein zum Kern vicler Berforengten und erfchien, 
während man ihn vernichtet und getöbtet wähnte, ploötzlich mit 6000 Mann tn 
Fer vor dem erflaunten Erzherzog Johann und Feldzeugmeiſter Lauer. 
Nach dem Abfchluffe des Waffenftillftanded zu Steyer ward W. nad) Wien ge» 
fandt, um die Epaltungen des Wiener und Münchener Hofes zu befeltigen. Mit 
gluͤcklichem Erfolge kehrte er zurüd und benüßte den friedlichen Zeitpunkt zur Or⸗ 
anifirung des aper ſchen eeres. Das Jahr 1805 brachte dem nach Thaten 
Ärebenden General W. vielfache Belegenheit; zum Befehlshaber der zweiten 
bayeriſchen Armeediviſion ernannt, rüdte er wit Deroy im Beapenr nd —* 


38 Wrede. 


egen Würzburg vor, in der Abſicht, fich mit bem Corps des franzöfifchen Mar 
Ks Bernadotte zu vereinen. Es wi am 23. Sept, 1805 umd W bilden 
mit-Bernadotte die Avantgatbe der franzöfifchen Armee und hielt es babei für 
feine erfie Sorge, den Defterreichern den der bayerifi — at 
reißen, Mit Bernadotte'd Armeecorps zog W. nad Dı und Witte 
Der Bayern Winterlager war. in. den eroberten Kreifen Böhmens. Der Rıd 
burger Friede Bayern Eichfädt und Paſſau zurüc, gab ihm Tirol und Ye 
öftlich-fchwäbifchen Vorlande Defterreichs mit Vorarlberg, ‚aber das 
blühende Würzburg. Im Jahre 1807 B. eine Div im Pole; 
1809 nahm er Shell an ben Schlachten bet Abensberg, Landshut und Neumarkt, ne 
x viel zut Entfcheivung beitrug, und drang hierauf in dem empörten Zirol bis Innt: 
brud vor, Er Bing nun mit feiner Divifion nach Wien, wurde bei MWagran 
leicht verwundet und ging nach dem Waffenſtillſtande wieder nach Zirel, wor 
mit defebre die Infurreftion bezwang. Er ward deßhalb zum franzöfifchen Reihe: 
grafen ernannt und mit ben ——— Mondſee und Engelhardszell im Jun 
piertel botirt, die fein in noch befist. Als General der Eavalerte —— a 
1812 eine Divifton nach Rußland, befehligte an der Düna und fiegte bi 
4813 Tommanbirte er dad bayriſche Heer am Jun und ſchloß mit im 
8. Dftober beffelben Jahres einen Vertrag von Ried, erhielt den Dberbefehl übe 
das vereinigte bayrifcheöfterreichifche Heer und zog gen Hanau, wo er amd. 
und 31. Ditober den Rüdzug Napoleon’ vergebend aufzuhalten ftrebte umd du 
bei ſchwer verwundet wide. Wievergenefen, übernahm er das Kommando te 
ten Armeeforps und fiegte bei Brienne, Rosuy, Bar fur Aube und Arcie 
be, Er wurde nun Feldinarſchall und Fürft und erhielt die Herrfchaft 
en. Auf dem Wiener-Eongreß vertrat W. Bayern und 1815 —— mit dm 
ayern in Lothringen ein. 4819 ward er Reicherath, 1822 Generalinfpektor da 
Armee und 1832 ging er ale — nach Rheinbayern; wo er durch fen 
jemäßtgtes , feftes und ftantskluges Benehmen die Unruhen ſchnell ſtillte & 
Kar 1838 zu Ellingen. Cm. — 2) ®., Karl Theodor, Fürft von, ber Alt 
Sohn des BVorigen, 1797 zu Heidelberg geboren, erhielt feine erfte Erziehung in 
einem Benftonate zu Straßburg und — zu Hofwyl. Zu Ende bes Jahres 
1813 ernannte König Mar den Jüngling zum ‚puren fler, welche Ernennung 
aber fo gegen den Bunt des Vaters war, daß fie wieder zurüdgezogen wurde 
4814 aber fonnte diefer den Bitten des Sohnes und dem Wunſche des Königs 
Dar nicht länger widerfiehen und es machte ver junge W. als Ehevaurlegerd: 
Dfgter die — von 1814 und 1815 in — mit. Die Jahre 1816, 
1817 und 1818 verbrachte derſelbe auf der Univerfität Landshut, wo er auf ans 
drüdlihes Verlangen feines Vaters Jurisprudenz flubiren mußte. Nach vol 
endeten Univerfitätsftubien ward MW. zuerft Acceſſiſt u. Aflefior bei der Regierung 
zu Regensburg und wurbe fpäter Regierungsrath in Mündyen, von wo er in 
gleicher Eigen Haft nad) Ansbach verfeßt wurde, ald 1828 zwifchen feinem Ba 
ter und dem Könige Ludwig ein geſpanntes BVerbältni eingetreten war. Zu 
Ende des Jahres 1832 wurde W. als Regierungspireftor nad Speyer verfegt, 
bald acdıher zum Regierungöpräftdenten daſelbſt beförbert, Sein gerader Sinn, 
feine Abneigung ge alle Vornehmthuerei und fein aufelat jes Bemühen, die Er: 
eigniffe der 1830er Jahre vergefien zu machen und ihre Folgen zu verwiſchen 
fanden In der Pfalz alle Anerkennung: Aber feine unzeitige und daher 
ruchtloſe Oppofitton gegen die Ginführung der Klöfter in der Pfalz entleidete 
Im den Staatsdienſt fo fehr, daß er 1 feine Entlaffung nahm, was er — 
ein großer Freund des Lebend auf dem Lande — um fo leichter thum Fommie, 
als er inzwifchen. die Befigungen feines, im Jahre 1838 verftorbenen, Vaters ges 
erbt hatte, Mit diefem Befige war er glei Mitglied der bayerifchen Reiche: 
ratho iammer und 1840 auch Stoatsra | Im außerordentlichen Dinpe jeworden. 
Rad) vergeblichen Verſuchen, den sn Ludivoig gegen das Miniſterlum Abel 
ungünftig an filmen, unternahm es W. hei tem Rondtage des Jakres 1847, 


Wren — Ruder. 919 


| diefes Syſtem und befien Träger heftig anzugreifen, was übrigens nur von theils 
Defem Erfolg A ®. n 


e war. Fürft ſcheint zu ſehr Feind aller Berechnung, fo wie 


auch zu jehr den Eindrüden des Wugenblids unterworfen zu feyn, um eine gluͤck⸗ 


liche Ro 





e gegenüber von talentvollen und geübten Staatsmännern fpielen zu 


koͤnnen, wie er denn auch für die parlamentarifche Tara nicht groß einges 


nommen iſt. In den Märztagen von 1848 hatte er einen 


alben Tag ein Porte⸗ 


| fewine inne und erwarb ſich währen feiner Verwaltung von wenigen Stunden 
| n 


meiſter, geboren zu Eeaſt⸗ 


— 2 - - 


en Beinamen „SartätfchenMinifter”. . N. 
Wren, Sir Chriſto FL ‚ ein berühmter englifcher Mathematifer und Baus 
oyle in Wiltfhire 1632, ſtudirte zu Oxford neben 
den mathematiſcen Wiſſenſchaften auch die Baukunſt und vollendete ſeine Bild⸗ 
ung auf einer Reife durch Frankreich. Er wurde 1658 Profeſſor der Aftronomie 
zu Gresham und 1660 zu Orford. ber Karl II. ließ ihn auch da nicht lange, 
jonbern machte ihn zu Finem Bauinfpeltor. Er erbaute von 1668— 1718 in 
ondon allein 64 Kirchen, Kapellen und Baläfte; unter anderen hat man feiner 
Kunft dad prächtige Theater zu Drford, die Pauls⸗ und Stephansfirche zu 
London, den Palaſt zu Hamptoncourt, dad Collegium von helfen, das Hofpital 
von Greenwich ıc. zu danken. Die höhere Mechanik hat ihm durdy feine Unter- 
fuchungen über die Sewegung, über den Widerftand der flüffigen Körper, über 
die Gonftruftion der Schiffe, über die Wirkung der Ruder und Segel ıc. viel 
zu danken. Die Optik fuchte er durch vie Berfertigung hyperboliſcher Glaͤſer zu 
vervolllommnen und in der Aſtronomie fol er ſowohi theoretiſch, als praktiſch 
viel geleiſtet haben. Die von Paskal verlangte Rektifikation der Cykloide erfand 
er zuerſt; die Beichäftigungen feines Amtes erlaubten Ihm aber.nicht, Bieles zu 
reiben. J. Simon, PB. Schenf u. 9. haben nach ihm in Kupfer geflochen. 
Gr farb den 25. Febr. 1723. Sein Sohn, ebenfalls Chriſtoph, Ritter und 
Parlamentsglied, gab Numismatum antiquorum sylloge“ heraus u, ftarb 1747, 

Wright, Sohn Wesien, geboren 1769 zu Corke in Irland; 1779 Faͤhn⸗ 
rich im 61. Regiment, trat 1780 in die Marine und zeichnete fi vor Gibraltar 
gegen die ſchwimmenden Batterien aus. Nach dem Frieden ward er Kaufmann 
und führte fünf Jahre lang ein Haus in Petersburg, trat dann ald Sekretär 
Sidney⸗Smiths in den Marinevienft, warb mit diefem 1796 gefen en u. mit ihm 
in den Tempel zu Paris gefeht, entwiſchte aber mit ihm 1798 t Smith 2). 
In London angelangt, ward er Lieutenant, folgte Smith nah Konftantinopel u. 
zeichnete fih in dem Kriege in Aegypten und Spanien, befonder® zu St. Jean 
d’Arre aus, ward Corvetten-Bapitän und unterhandelte dann im türkifchen Lager 
mit den Sranzofen. Er kehrte hierauf nach England zurüd und ward felbft 
während des Furzen Friedens von Amiens in Paris. Belm Bruche des Friedens 
erhielt er den Befehl über die eine Corvette, mit welcher er an ber er 
Küfte kreuzte und 1803 und 1804 mehre naͤchtliche Ausfchiffungen politischer 
Gegner Rapoleons vornahm. Er war bei Morbiban flationirt, ald er bei Ver⸗ 
folgung eines Schoonerſchiffes im März 1804 in eine enge Durchfahrt gerieih 
und bier während einer Windſtille gefangen wurde. Man fchaffte ihn nady 
Paris und da er durchaus nicht zum Betenntnifie in Bezug auf Georges Ca⸗ 
doudald und Mitverfchworenen Pläne zu bringen war, fo blieb er, va alle feine 
Schiffsoffiziere freigegeben wurden, allein gefangen. In der Nacht zum 25. Dft, 
1805 ſchnitt er, nachdem er den unglüdlidden Aus ang des Öfterreichiichen 
Kriegee hatte, fi) den Hals ab, was man er ne Ermordung durch 

apoleon hielt. 

Wucher, früher gleichbedeutend mit Zins (f. d.), hat jetzt außfchließlich die 
Bedeutung eines höhern, als durch die Landesgeſetze geftatteten, fomit unrecht⸗ 
mäßigen Binfenbegugee, Civilrechtlich find alle wuchertichen Berträge verboten 
und daber nichtig. Der Schulpner Tann, im Falle das Gapital noch nicht bes 

bit if, die unrechtmäßigen Zinfen darauf anrechnen, ift es aber bereits bezahlt, 
mittelft einer Condiction (f. d.) zurüdverlangen. & AR —— 


920 Balzburg — Würmer. 


W.:Gefche bier nicht in Betracht geisgen) trifft nach deutſchem Rechte den 
Wucherer der Berluft des vierten Theil bes geliehenen Capitals, halb für die 
Ohrigfeit des Wucherers, halb für die des Schuldner, bei Unmöglichkeit ber 
Ausübung diefer Strafe Geld over Gefängniß, fogar auffer obigem Capitalver⸗ 
luft, wenn der Wucherer ein Gewerbe damit, oder zugleich Betrügereien getrieben 
hat, auch bei Wiederholungen Zuchthausſtrafe. Die cioilreshtlichen Folgen 
gehen auf die Erben über, nicht die criminalrechtlichen. — Da übrigen® die feſte 

egulirung der Zinfen nicht unter allen Berhältnifien Sache des Staated if, 
fondern fehr oft von der Größe der Gewinnſte abhängt, die fi) aus der Mehr: 
zahl der, mit Beihülfe von Gapitalien betriebenen, Unternehmungen ergibt, fo kann 
ein höherer Zins gegeben werden, ohne daß er in die Kategorie des W.s gehört. 
Pol. Rau, „Volkswirthſchaftspolitik“, Heidelb. 1839. 

Wülzburg, Bergfeitung im bayriichen Regierungsbezirte Mittelfranken, auf 
einer fleilen Höhe bei Weißenburg, 1928 Buß über dem Meere. Diefelbe hat 
fünf Baftionen, tiefen Graben, mehre Außenwerfe, ein drei Stod hohes Schloß, 
weldyes jetzt als Kaferne dient, eine Pfarr und Garnifonekicche, ein Zeughaus, 
Behältniffe für Staatögefangene, einen 478 Fuß tiefen Ziehbrunnen und zehn in 
Felſen gehauene Eifternen. — Der fränfifcye König Pipin erbaute auf der Spitze 
des damals unmwirthbaren Berges im 3. 764 eine Kapelle, welcher Karl ver 
Große, als er fih mit dem Slane befchäftigte, die Rezat mit der Witmühl zu 
vereinigen, 793 ein Kloſter für Benediktiner beifügte. Diefes, in alten Urkunden 
Vilisburg genannt, wurde 954 von den wilden Horden der Hunnen nieder 
gebrannt, aber fpäter wieder hergeftelt und 1525 zu einer gefürfteten Probſtei 
erhoben. Markgraf Georg Friedrich der Neltere verwandelte es im J. 1588 In 
eine Feftung. mD. 

Wünſchelruthe nennt man eine, unter gewiffen abergläubifchen Umſtänden 
verfertigte, aweiäftige, in einem Stiele verbundene Ruthe, wie eine Babel geformt, 
von Holz, Meſſingdraht oder Metall, welche ehedem von abergläubifchen Men⸗ 
ſchen angewendet und an gewiſſe Derter auf die Erde hingelegt wurde, um be, 
wohin ſich diefe Ruthe vorzüglich hinneigte, Schäge unter der Erde verborgene 
zu entdeden. Gigentlich wurde fie zum Bergbaue gebraudht, um edle Metalle, 
Mineralien oder unterirdifche Waſſer, Erzgänge ıc. damit ausfindig zu madhen. Der 
Aberglaube aber gab häufig Veranlaffung, durch Hülfe jenes Zauberftabes Schäte 
aufzufuchen. Indeſſen würde diefe Anwendung der fogenannten W. vielleicht nur 
noch dad Denkmal ehemaligen Aberglaubend genannt werden, wenn nidyt ein 
Staliener, Namend Bampettt, durch die Verficherung, Metalle und Waſſer unter 
der Erde durch Förperlicde Senfationen wahrnehmen zu fönnen, großes Aufſehen 
erregt und auch wirklich die angeftelten Verſuche allerdings fehr für dieſe Be 
hauptung gezeugt hätten. 

wire oder Cubus heißt ein, von ſechs gleichen Duadratflicden begrängter, 
Körper mit zwölf Kanten und acht einander gleichen Eden. Sein körperlicher 
Inhalt iſt gleich einem Produkte aus der Zahl der Theile der einen Seite in 
die Zahl der rattäde e und diefe Fläche gleich einem Produkte aus einer 
Seite der Duadratfläde in die andere. Weil diefe Seiten einander gleidy find, 
fo wird der Inhalt des W.s durch dreimalige Multiplikation der Zahl der Thelle 
einer Seite mit ſich felbft erhalten. — W. nennt man auch einen Heinen Körper 
diefer Art von Knochen, Elfenbein und dgl., deſſen Flächen mit Zahlen ober 
Punften (Augen) verfehen find, zu mancdyerlei Spielen dienend, wobei die 
Mehrheit der geworfenen Augen enticheibet. 

Würmer, begreifen nad) Linne die lebte Elaffe des Thierreichs: alle wirbel- 
lofen Thiere, deren Glieder nicht mit Gelenken verfehen find. Hiernach werben 
au die Wei» und Urthiere mit in diefe Claſſe ago. Sie werden einge 
tbeilt in Intestina (Lang⸗W.), Mollusca (Weich⸗W.), Testacea (Conchylien), 
Lithophyta und Zoophyta (Thterpflanyen S.0). Die Wovxe Willenichaft 


Bürniger — Württemberg. 921 
bildet aus den drei Icpten Abthellungen eine befondere Claſſe und theilt die W. 
in Eingeweide-, Ringels und Strahlen⸗W. 
ger Sales, PBrämonftratenfer- Drbens » Briefter und Gelretär des 
Abtes vom Stifte Tepl, war den 9. Dftober 1746 zu Plan in Böhmen geboren, 
ftudirte zu F ‚ empfing die Prieſterweihe und erhielt obige Anftellung. Auſſer 
feinen Beru spfllchten beihäfge er ſich mit großer Vorliebe mit Mineralogie, 
Forſtkultur und den Ingenieur⸗Wiſſenſchaften, in welchen Fächern er auch Vieles 
und Ruͤtzliches leiftete. Er farb den 3. Juli 1802 zu Tepl. Im Drude waren 
von ihm erfchienen: Predigten zum Bortheile der Religion und des Staate, 
es u a Klattau 1790 — 94; VBerfuch über die Walbkultur, Pilſen 
‚2. Aufl., . 
Württemberg, ein zum deutſchen Bundesſtaate gehöriges Königreich, der 
[anfigrößte Staat Deutfchlande, ent awifchen 25° 52° 20” und 28° 9° öftl. 
änge und zwifchen 47° 35° und 49° 35° 30% nördl. Br., hat eine her 
von Süden nah Norden ſich ausdehnende Geftalt (größte Länge, vom Bodenee 
bis Simmringen bei Mergentheim 30: M., größte Breite, von Freubenflabt 
bis Reresheim 223 M.) und if beinahe gänzl 9 son Baden und B 
eingefchloflen, fo daß diefe Staaten fid, im Rorben berühren und nur im Güben 
durch den Bodenſee auf eine Eleine Strede getrennt find, wodurch W. ein Geäny 
nachbar der Schweiz wird. Im Norden flieht es mit einem abgefonderten Theile 
von Hefien-Darmftadt (Wimpfen) u. nach Süden mit den hohenzollern'ſchen Fürs 
fienthümern , die es größtentheild umfchließt, in Verbindung. Die Größe des 
Zandes beträgt 3544 [ JM. (6,191,355 wärtt. Morgen), wovon 104 Meilen 
auf Ortfchaften, Strapen, Gewäfler, die übrigen 343% auf nupbare Flächen 
kommen. Das SKönigreidy belebt aus dem alten Herzogthume und den umter 
König Friedrich I. erworbenen neuen Landestheilen, wovon das erftere nach 
Flaͤchenraum und Einwohnerzahl nicht ganz die Hälfte ausmacht. Man theilte 
das alte Herzogthum in dad Land „ob der Steig“ und „unter der Steig”; 
das jehige Königreich aber zerfällt in vier Kreife und dieſe In 64 Oberämter, 
Die Kreife find: 1) der Nedarfreis (62 [J Melen mit 480,000 Einwohnern) 
mit den Oberämtern: Stuttgart, Ludwigsburg, Vaihingen, Maulbronn, Braden- 
heim, Beligbeim, Heilbronn, Redarfulm, Weinsberg, Marbady, Badnang, Waib⸗ 
lingen, Kannftadt, Eßlingen, Böblingen, Leonberg; 2) der Shwarzmwaldfreis 
( M. mit 470,000 8.) mit den DOberämtern: Reutlingen, Urach, Nürtingen, 
Tübingen, Rottenburg, — Horb, Nagold, Calw, Reuenbür , Freuden⸗ 
ſtadt, Dberndorf, Sulz, Rottweil, Tuttlingen, Spaichingen, Balingen; 3) der 
Donaukreis (112 M. mit 460,000 E.) mit den Oberaͤmtern: Ulm, Laup⸗ 
heim, Biberach, Waldſee, Leutkirch, Wangen, Tettnang, Ravendburg, Saulgau, 
Riedlingen, & Ingen, Münftngen, Blaubeuern, Geißlingen, Kirchheim, Göppingen ; 
4) der Jarttreis (109 . mit 385,000 &.) mit den Oberämtern: Ellwan⸗ 
en, Aalen, Reresheim, Heidenheim, Gmünd, Schorndorf, Gaildorf, Welzbeim, 
ratl&heim, Dal, Dehringen, Künzeldau, Berabronn, Mergentheim. Dies die 
Biel he Eintheilung; die natürliche bilvet folgende fünf Gruppen: bie 
(5, vn Schwarzwald, das Mittelland, von der Quelle des Neckars bis 
zu feinem Austritt aus W. und bis zur Jaxt, das Rordland, jenfelt der art, 
und das Südland, jenſeits der Alb und der Donau. In der frübern Zeit bes 
ftand die Gintheilung der Gaue, weldye wieder in Zehnden ımd Hunderte 
zerfielen. Bon den erfleren haben ſich noch einige im Munde des Bolkes erhalten: 
ee das A ligän, von Kempten und Memmingen (Bayern) bis an ben 
odenfee; die Baar in der Gegend von Tuttlingen; der Heuberg, von Kolbins 
gen bis Thieringen; das Gaͤu bei Gertenberg und Leonberg; daB Zabergäu 
Bönnigheim, Bradenbeim u. few. — W. tft vorberrihend Berg- md 
ügelland. Die größten Gebirge find der Schwarzwald und die Alb (ſ. d.). 
er Schwarzwald betritt das w ritembergtiche Gebiet bei Rottweil umd vi 
fi) von da bis nah Pforzheim hinab. Seine Küdaken Ayontier in Wi. Ipin- 


m2 5 Württemberg · 


ver Kniebis (Ropbühh) mit 3000 Fuß und ber Kaher mit 3600 Fu, 
Die Alb zieht fi, 16—1B A lang und 2—4 en, n 
solchen Near und Donau, über Münfingen, Geißlingen und Heidenheim bis 
in bie. Nähe von Bopfingen. Sie hat höhere einelne Hocebenn, 
ald der württembergijche Schwarzwald: fo ven Schaafberg bei Balingen mt 
3121 Fuß, Dberhoben mit 3160 Fuß. Die Alb tft mehr eine i 
am. norbiveftlichen. Abfalle vielfach erriffen und ſteil abfallend, mit einzelnen, fra 
fiehenden Bergen, der Scharzwald mehr eigentliches Gebitg. Ledteret beficht 
aus Sanbftein und Granit, erftere aus Kaltftei Die Ab trägt Laubholz, ve 
Schwarzwald Nabelholz. Aufferdem verpienenbemerft zu werden; bie &liwan 
er und Limburger Berge und das, von biefen aegen ‚Heilbronn bin: 
Fee Köwenfteiner Gebirge als Ausläufer der Alb, ebenfo bie da 
Schwarswalds, der Stromberg und Heuchelberg. Im Süden fueich 
ein Heiner Theil der Allgäuer Alpen in's and, mit dem —— Grat, 
3456 Fuß und dem Hochfopf, 3204 Fuß hoch. Als größere Thäler find zu 
nennen: das Nedars, Jarte, Kocher-, Rems⸗, Murr⸗, Bild und Enge, fodann 
Donau ller-, Rothe, Rießr, Brenz, Blau-, Lauterr, Schuffen- und Argentbal 
Ebenen gibt e8 wenige-von Bedeutung: bei Kupferzell und Gtengen, ſa⸗ 
ner die Rede an der Donau, Iller und Brenz. Die, Hauptfläffe find Redar 
md Donau (j. d.). Erfterer gehört mit 39 Meilen zu Wi; nom Laufe da 
Donau gehören 14 Meilen zu W. Die Nebenflüffe des Nedars find, reits: 
riem, Spice, Eiad, Starzel, Steinlady, Ehap, Erms, Steinlach, Laurc, 
18, Rems, Mur, Schohach, Sulm, Kodyer, Jart; linkor Eſchach, Bat, 
Dferad, Schwan, Kant Dich, Brtenad, Rah, Nr: int: Gin, Bu 
n arzach, Kanzaı ernach, Roth, Zllerz Lints: 
Schmied, Lauchart, Lauter, Schmichen, Blau, Brenz. Auffer diefen find bie in 
dem Bodenfee fließenden: Argen, Schuffen und Aach zu erwähnen. "Bon Em 
gehören hieher ein Theil des Bodenſees und der Federſee. Minder bebeutend find 
te in Oberſchwaben bet Waldfee, Wolfegg, Blipenreute, Alts hauſen 
nf. w — In W. finden ſich fämmtliche Gebirgsarten, nämlih Urgebirge 
(ber geöfte Theil des Schwarzwaldes), Flözgebirge und aufgefhwenn: 
tes Land. — Das Klima iſt im Allgemeinen mild und ——— Man fann 
es in drei Regionen theilen: 1) in diejenige, wo Wein, DR u. eide gedeiht, 
400—1000 Fuß über dem Meere, mitileres und unteres Neckarthal mit den Sri; 
tenthälern und bie Gegend zwifchen Beingarten und Ravendburg; 2) in bie, me 
nur noch Obft und Getreide wächst, von 1 2000 Buß über dem Meere, obere 
Redarthal mit den Seitenthälern, dad obere Donauthal und mehre Gegenden am 
Fuße der a 3) in die Gegend, wo nur Getreide und Holz gedeiht, von 2000 Fuf 
aufwärtd; eher gehbeen die höheren Theile des Schwarzwalded und der Ab, 
die Höhen von Oberſchwaben, die Gebirgegegend bei Ellwangen u. ſ. w. Das 
Land iſt größtentheilß fehr fruchtbar und meifterhaft angebaut. Die Haupter 
zeugniffe Ans, aus dem Mineralreiche: Eifen und Schwefelkies, Spuren von 
Gold, etwas Silber, Kobalt, Kupfer, Blei, Steine und Erden aller Art, Col 
(nahe an 600,000 Eentner — — Bitrioi, Salpeter, Torf, Steinkohlen (mr 
neſterweiſe) fehr viele und verſchledene Mineralquellen. Das Pflanzenreid 
llefert: Holz, Getreide von allen Gattungen Gährlich eima 3 Millionen Scheel), 
Wein, Obft, Flachs - Im Jahre 1834 wuchfen 300,556 Eimer Wein, im 
von {0 Milionen Gulden. Beſonders gut gedeiht er in den nörblidyen Thälern 
des NRedars und der Tauber, ſowie auch am Bodenſee. Unter den 5,702,000 
Morgen nusbaren Landes find 2,440,000 Morgen Aderlanp, 738,000 Morgen 
Wieſen, 77,000 M. Weinberge, 150,000 M. Gärten und Baumpflanzungen, 
1,969,000 M. Wald, 335,000 M. Weiden und 575,000 M. find ded Anbauch 
unfähig, oder mit Gtraffen und Gebäuden befegt. — Die Bichzucht iſt wichtig u. 
woird immer mehr veredelt. Es gibt fehr fchönes Rindvieh, Pferde und 
auf deren Züchtung große Sergfalt werwenhet wird. Ar Jake 1840 belief fh 


t 
ı der gefammte Viehſtand auf 99,038 Pferde, 825,707 Städ Rindvieh, 692 Eſel, 


N 


676,659 Stüd Echafe (darunter 135,179 fpanifche, 366,066 Baſtard⸗ oder halbs 


veredelte und 175,414 Landſchafe), 167,219 Schweine, 27,997 Ziegen u. 83,236 


[Ar FO EEE A 0 - ir a GE u 7 SE zu 2 


- = 
— 


ij Bienenflöde. Kein Land in Deutfchland hat einen verhältnigmäßig fo großen 
( en 


Rindviehſtand aufpuwelfen, von dem auf 1 [JM. 2291 Stück kommen, 
zahlt 1950, Sachſen 1831, HefiensDarmftabt 1378, Bayern 1320, Preußen 953). 
Der Capitalwerth des gefammten Biehftandes beträgt zwiſchen 30 und 40 Mill. 
Gulden. Auſſerdem gibt es Wild in Ueberfluß, wildes Geflügel, vorzüglich Reb⸗ 
hühner, Enten, Hafelhühner, Lerchen und Wachteln; auf der Alb iſt vornämlich 
die Bienenzucht emiic , auch werden fpantfche Öllegen gefammelt. Flüffe und 
Eeen find fiſchreich, befonders der Boden» und Federſee. W. hat nicht viele 
große Sabrifanftalten, für welche jedoch in neuerer Zeit mehr Gapitalten, als früher, 
angelegt werben. Dagegen find mancherlet Gewerbe (im Ganzen etwa 160,000 
der verfchiedenften Arten) im Lande von Bedeutung. Weberei und Spinnweberet 
f fehr wichtig in Leinwand und Wolle, minder in Baumwolle, unbedeutend in 
eide; auch Spigen und Borten werden verfertigt, Strumpfwaaren und Töpferel, 
utmadherei und Papierfabrikation. Holzwaaren liefern die Gebirgsbewohner in 
enge, ebenfo Theer, Pech, Dar, Pottafche und Kolophontum. Die Eiſenhuͤt⸗ 
ten und Eifenfabrifen find zahlreich. Der Handel, durch Eifenbahnen, gute Land» 
firaßen und die Schifffahrt auf dem Nedar, der Donau und dem Bodenſee uns 
terftügt, if fehr leb of befonders als Tranfit und Spedition. NWusfuhrartifel 
find Hauptfächlich: Vleh und die Eraeugniffe davon, @etreive, Holz (ir jährlich 
400,000 fl.), Salz (Ausfuhr zwiſchen 2 und 300,000 Etr.) und Wein; von 
Kunferzeugnifien Tücher und Wollwaaren, Leinwand, Garn, Leber und Leber 
waaren, Bleiweiß und Bleizuder, Pech, Theer, Del, Obfiwein, Schwarzwälber- 
uhren, Holzwaaren, Senfen, Sicheln und Bapler. Ginfuhrartifet find: Handels 
ewaͤchſe, Häute und Kelle, Wach, Federn, Horm, Farb⸗ und Metallwaaren, 
eidenzeuge, PBorzelain, Steingut, Bayences, Spezerei⸗ und Oalanteriewaaren. 
Die widhtigfien Handelsplaͤtze And. Stuttgart mit beveutendem Tuch» und 
Pferdemarkt, Ulm, Heilbronn, Kannſtadt, Friedrichshafen u. Reutt⸗ 
lingen. — Einwohner bat W. 1,750,000, mit Yusnahme von etwa 6000 
Franzoſen und Wallonen, fowie 11,700 Juden, fämmtlicdye deutfchen Stammes. 
Unter ihnen find bet 600,000 Katholiten, 1,100,000 Lutheraner und 2400 
Reformirte. Den Hauptflamm ber Beoälferng bilden die Schwaben; in den 
nörblihen Gebietstheilen wohnen Franken. Drte, deren Ramen auf „ingen“ 
endigen, follen von Alemannen, die auf „heim“ von Franken gegründet Fon. 
pin chtlich der Anlagen und Bildung fleht das württembergifce Bolt wohl 
einem andern nach und es gibt Feines, wo die Maſſe fo gut und fo gründli 
unterrichtet wäre. Was vie höhere geiftige Anlage und Ausbildung anbelangt, 
fo darf man nur einen Kepler, Wieland, Schiller, Schelling, Degeh 
Mofer, Reinhardt und die vielen anderen Württemberger nennen, die als Ge⸗ 
lehrte und Staatdmänner geglänzt haben, fo wie in Betreff der Kunſtbildung an 
bie Leiflungen eines Danneder, Müller, Hetſch, Wächter, Zumfleeg 
erinnern. Richt mit Unrecht macht man jedoch dem Württemberger den Bors 
wurf, daß feine wifienfchaftliche Bildung zu fehr Gelehrtenbildung jet, jr wenig 
nugbringend in's Leben eingreife Aber auch hierin iſt es in neuerer Zeit and 
geworden. Bon den, in dieſes Gebiet gehörenden, öffentlichen Anſtalten find 
nennen: bie Lyceen zu Eßlingen, Lud wigsburg, Mergentheim und Tüs- 
bingen, fodann die höheren Gymnaſien in Stuttgart, apin en, Beils 
bronn, ottwetl, Ulm, eitmangen und Halls e Böheree pro⸗ 
teſtantiſch⸗theologiſches Seminar zu Tübingen und vier niedere Seminarien 
Schönthal, Maulbronn, Urady und Blaubeuren, das Tatholifche Prie⸗ 
ſterſeminar mu Rotenburg. die Tatholifchen Gonvikte zu Tübingen, Rottweil 
und Ehingen; ein katholiſches Echullehrerfeminar u Gmünd, und x votes 
ftantlfche zu Eplingen und Nürtingen, An ver Seine ver Ümentigaun 


4 Württemberg. 


it bie Univerfität Tübingen,‘ mit einer para art Bakulıtt 
en befindet fich zu — noch eine Kunft- und 
ein polytechniſches Inftitut u. f. w.; zu Gmünd ein Zaubftummen- u. 
Anftitut, zu Hohenheim eine Iandwirthfchaftlicheu. eine for ſtwiſſenſchaftliche As 
demie. Bibliothefen finden ſich größere in Stuttgart u. — — Gemäte: 
—— An den. beiden Refivenzftäbten. Die Angelegenheiten der kacholiſchen Kiıkı 
tet unter dem Erzbifchof zu Freiburg der Landesbifchof zu — 
dem ber latholiſche Kirchenrath in Stuttgart —— zur Seite 
und weldem 22 Decane untergeben find. — {ft eine, zum deutſchen Rede 
oder Bundeöftante gehörige Erbmonarchte, mit der Thronfolge im männlichen un 
weiblichen Stamme, Die alte Berfafiung des ‚Sensgiume hatte —— 
eich 1. Im Jahre 1806 aufgehoben, dagegen König Wilhelm I. am 25. Ent 
1849, eine neue ftändifche gegeben, welche jedoch in Folge der ie 
Februar und März-1848 durchgreifende Abänderungen im demokratiſchen Gein 
erfahren wird, Nach den feit en Beftimmungen beftehen die Stände us 
zwei Kammern:- einer der Standesherren und einer der Abgeordneten. Dr 
erfte Kammer: ift gufammengefegt aus den Töniglichen Pringen, den dm 
22 lichen und gräflichen Familien, welche vormals deutſche R: fandfcaft 
befaßen und den, vom Könige erblich oder auf Rebengzeit ernannten 
In der zweiten Kammer figen 13 Abgeordnete ber Ritterfchaft, die 6 proteftan 
ffchen Generalfuperintenbenten, der Fatholifche Bifchof, der Domvelan und it 
ältefte Mitglied des Domcapitels zu Rottenburg, der Kanzler der Umiverfität, 7 
Abgeordnete der Städte Stuttgart, Lupwigsburg, Eplingen, Ulm, 
Heilbronn, Ellwangen u. Reutlingen u. ein Abgeorbneter aus jebem Dber 
‚amte, Alle drei Jahre muß der Landtag zufammenberufen werden. feiner 
Vertagung verfieht ein aus Mitgliedern beider Kammern ne 
ſchuß die laufenden Gefchäfte. Der König bezieht eine Eivillifte vom 850,000R. u. 
bat überbies die freie Benügung des Hofbomänenfammerguts mit einer Reineinnahm 
von etwa 200,000 fl. Das Kammergut ift Staatsgut. ALS berathende Behörde firbi 
dem König der Geheimerath zur Seite, beftehend aus ven Miniftern und demjenigen 
höberen Staatöbeamten, die der König beruft. Das Miniftertum, die oberfte ver 
waltende Behörde, tft in fünf Departements: des Meußern, Innern, Jufij, 
Sinanzen, Krieg, getheilt. Dem Minifterium des Innern, des Kirchen, ım 
Schulweiene, dem eine Oberregierung zu Seite fleht, find untergeben: bie vie 
Kreiötegierungen, das proteflanf e Eorferkum, welches mit 6 proteflantifche 
Generaljuperintenben die Synode bildet, ber Fatholifche Kirchenrath, der Ober 
Aubienrath, die Eommifflen für das ifraelitifhe Kirchen und Schulweſen, das 
Medizinalcollegium, der Oberbaurath, die Gensv’armerie u. m. a. Unter dem 
Binanzminifterium fteht die Oberrechnungsfammer, das Steuercollegtum, ba 
dorſtrath, der Bergrath und die vier Finanzkammern der einzelnen Kreife. Den 
iminifterium find untergeben das Obertribumal, bie Kreiögerichtöhöfe u. die 
Dberamtögerichte. Zum gerichtlichen Schuge der Verfaſſung befteht ein Staats 
gigeren beſtehend aus einem Vorſihenden und zwölf Richtern, von denen da 
mig den Borfipenden und ſechs Richter, die andere Hälfte aber die Staͤnde⸗ 
verfammlung aufjerhalb ihrer Mitte wählt. Die Finanzen W.'s find in einen 
ſeht geordneien Zuſtande. Das Budget für die Sinanzperiode von 184548 
Mt eine jährlicdye Einnahme von 10.269.808 unb eine Ausgabe von 10,711,210 
Gulden in Ausfiht, wovon 2,299,556 Gulden für das Militär. Die Staats: 
ſchuld beträgt jet noch 21,755,382 Gulden. — W. macht den ttheil 
des Landes aus, wo der alte Vollsſtamm der Sueven oder Schwaben 
feinen Sig_hatte, deren Name den Römern ſchon vor Chriftt Geburt befannt 
war. Zuerft lernte fie Julius Caſar bet feinem Rheinübergange, 50 I. v. Ehr., 
Tennen. Indeſſen ift es fehr zweifelhaft, ob Sueven (welcher Rame das Schwe⸗ 
bende und Unfläte der Lebenswelfe des Volls bezeichnet) zu Caͤſar's Zeiten 
einen feften Gi hatten. Ste {cheiuen wieineht ut Mäter, ois Marlomannen, 


Bürttenberg. 925 


die Gallier oder Celten vertrieben zu haben, zogen fi) aber vor den Heeren bes 
Auguſtus, Drufus und Tibertus nah Böhmen zurüd, wodurch das Land 
jwifchen Donau und Rhein, um den Nedar herum, lange Zeit unbefegt und 
öde blieb, bis andere galliiche und germantfche Stämme einwanderten. Diefe 
hatten ſich unter den Su der Römer geflelt und entrichteten bafür Zinfen und 
Zehnten. Aus dem Zehntlande (decumatifche Weder) wie man es nannte, 
ward bald eine römifdye Provinz. Es entſtanden blühende Städte, wie Arae 
Flaviae (Rottweil), Samulocena (Rottenburg), Cana (Rannftabt) u. f. w. Ganz 
W., mit Ausnahme des norvöftlidyen Theils, blieb nahe an 400 Jahre in ver 
Gewalt der Römer. Allein ſchon nach anderthalb Jahrhunderten begannen bie 
Kämpfe mit den Alemannen, zum Schutze gegen deren Einfälle Kalter Probus 
eine Berfchanzung am nörblichen Rande der Alb Kin über Baldern bi Ho⸗ 
benzollern und von da über den Dreifaltigfeitöberg im Oberamt Spaichingen bis 
auf den Kupferberg im Oberamt Tuttlingen inanf errichtete; ferner den Grenz» 
wall (Limes, Vallum) au PBfablrain, Teufeldömauer genannt, eine be 
feftigte, zur Abſcheidung des freien nördlichen Deutſchlands beftimmte Linie, welche 
von der Donau unweit Regensburg an bi8 an den Rhein bei Köln hinzieht. 
Nachdem die Römer von den Alemannen vertrieben waren, fiebelten ſich biefe 
Im ſüdweſtlichen veutfchland an und lebten, mit den Sueven vermengt, als 
freie Männer. Vom Anfange des 6. Jahrhunderts an kam Schwaben unter 
die fränkiſche Herrfchaft, wurde aber 911 mit Deutfchland wieder frei und 
ſelbſiſtaͤndig, nachdem im 7. und 8. Jahrhundert das Chriſtenthum durch den 
yeil. Kiltan und den heil. Bonifaz beide Selänver) eingeführt worben 
mar. Dähtend der fränfifchen Herrfchaft behielt das Land, als Herzogthum 
Mlemannten, im fentlichen feine alte Berfafiung und erwählte bis 746, 
wo diefe Würde mit Theutbold aufhörte, feine Herzoge aus den eigenen fürf- 
ichen Geſchlechtern in erblicyer Etgenfchaft. Später zerfiel Alemannien in 3 Theile: 
In das gleichnamige Herzogthum, in Weſt⸗ und Oſtfranken. Im Jahr 1096 
wurde Graf Srieprih von Hohbenfaufen mit dem Herzogihum Aleman⸗ 
nien oder Schwaben belehnt, welch legtern Namen das Land, bi8 zur Auflöfung 
des Herzogthums im Jahre 1288, nun auch behielt, während ber erftere mehr 
and mehr verſchwand. Reben den Herzogen aus dem Stamme der Hobenftaufen, 
während des Kampfes der Ghibellinen und Welfen, hatten ſich mit der Zeit viele 
andere abelige — u einer verbä inißmäptgen Madıt emmorgelchtsungen, 
Zu diefen zählte audy das Haus Württemberg ; Conradus de Wirtineberg, 
wie er in einer Urkunde von 1090 heißt, beginnt die Reihe der württembergifchen 
Ahnherren. Derfelbe beißt in einer Urkunde von 1110 Comes. Er hatte Bes 
ſtzungen in Oberſchwaben und an der Donau und eine Burg auf dem Buffen, 
bem alten Sie des mit Karl dem Großen verfchiwiegerten Dericne Bertold, 
von dem die Württemberger auch ihre Herkunft ableiten. Sein Sohn Konrad 
hetrathete die Erbtochter des Grafen von Beuteldbady und baute eine Burg auf 
dem am Redar gelegenen Rothenberg. Die Burg nannte er, feiner Gemahlin 
zu Ehren, Wirthin⸗ oder Frauenburg. Die zu ihr gehörige Kapelle weibete Bis 
ſchof Adalbert v. Worms im Jahr 1083 ein. Bon 1123 bis 1139 findet 
man die Grafen Ludwig ınd Emich von W., dann von 1194 die Grafen 
Ludwig und Hartmann. WS der Stammvater des Haufes erfHehnt Graf 
Ulrich mit dem Daumen, auch der Stifter genannt; mit hm beginnt die ge 
ee Reihenfolge der Württemberger. Zuerſt kommt er in der Schlacht 
rankfurt 1246 vor, Seine Befigimgen waren: das Stammſchloß W., die 
Städte Cannſtadt, Stuttgart, Leonberg und Waiblingen, mit einzel» 
nen dazu gehörigen Dorffehatten, ferner Herrſchaft und Schloß Beutels bach, 
bie Stadt Schorndorf und verichiebene zerfireute Güter. Er erwarb das 
Marſchallamt in Schwaben, die Bogtel über Ulm und viele hohenſtaufiſche 
Guͤter, fo wie 1265 die Grafſchaft Ur ach. Ulrich hatte zwei Brüder, Hein. 
sich und Dortmann Erkerer war Biſchof su @ a dt, lebterer t 
bie Guͤter in Oberſchwaben, nämlich Die Herrihatt Eriningre un Aauhan 


” Württemberg. 


ſchrieb Graf von Grüningen. Sein verfiel: aber bald. 
= Mare Kat 1295 ur er Sri Grüningen an den römifchen 
re und fchrieben ſich mit von Landız, 
ließen zulegt aber auch den Grafentitel aus, —— erwarben 
—— Nachkommen neue Beſihungen und führten dort den —— 
Landau, Sreiherren von Haus und Nappetenftein, Herren in Neid! 
ding, Dürnfrut, Ebenthal und Rodaun. Sie Karben end in ve 
legten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. * Bater —* Brüder m 
—— und Heinrich —— der — gon ober Eb — 


as mit dem Daumen ftarb — 
berhard U im — e — 
und machte wenig von — ——— ——— der auchte 
erwarb einen: ' wars ‚reun, 


aller. wi Beind.“ Borzüg a ließ er ern 
jan orn fühlen: und * dadurch ven Grund zu dem fogenannten Staͤdle ⸗ 
tiege, I mit mehr.oder — Unterbredyung; zweihundert Jahre lange for: 
wüthete, Eberhard kam auch Streit mit Kalfer — dem Habt: 
er, w die Zurüdgabe aller Reichörechte und Rı ‚erlangte, A 
der Kan deffen ‚weigerte, zog der vor die Stuttgart, 
fieben Wochen lange u, nöthigte 1186 > ‚zur 
* —— 4 erßbre Ren, —— 
‚abermals vor art, 
mc © De en und. 3 * Grafen am 23, —— 1287 —— 
Ruvcloys ſtand auch — unter den Bewerbern um 
BE sa ferfrone und —* ——— ſondern auf art yon 
die Wahl fiel, defien abgelagter Beim Bon — u 
u al ihn der Kall fer in die Acht 1308, verheerte fein 
lange, brach felbft die Stammbur; te zu Beutelöbach 8 — 
aus dem Lande. Zum Glüd für Im Aa Kaifer Heinrich —35* denn nah 
deffen Tod hatte er mit Hülfe feines Schwagers, des Marfgrafen Rudoli 


von Baden, fein Land bald wieder erobert. Unter dem ra Rail, | 


Ludwig dem Bayern, wußte fih Eberhard fo politiſch Hug zu benehmen, dej 
er zum drittenmale bie — in Schwaben uad Gljaß erhielt. Wegm 
Zerftörung der Burg und des Erbbegräbntfies zu Beutelsbach Durch den bölm 
Konrad von’ Weinsberg, 1309, verlegte er feine Refivenz nach Stuttgati 
1321. Eberhard ftarb nad fpeyigiähriger mühevollen Regierung am 5. Juli 
1325, nachdem er noch Kurz vor feinem Tode mit feinem Gaymayer Rudoli 
von Baden in Krieg gerathen war. Auch er vergrößerte.fein anererbtes Lam 
fat um die Hälfte, nämlich dur Betlftein, Badnang, die Herricatt 
Neuffen, die Graffhaft Asberg mit Korwefthinn, einen Theil der Gral 
ſchafi Kalw und die Stadt Bradenheim. Ihm folgte von 1325— 14 
Ulrich IL, nicht fo Eriegerif, aber eben fo haushälteriſch und erwerbslufg 
wie fein Vater. Unter feine Regierung fallen Hungersnoth, Peſth und furch 
bares Erpbeben. Er hielt es treu mit Kaifer Ludwig dem nalen der ihm 
dafür die Landvogtei über Schwaben und Elfaß verlich, Während feine 
achtzehnjährigen Regierung kaufie er von den verſchwenderiſchen Grafen, Herma 
u. Edelleuten für ad als 81,000 Gulden Güter an ſich. Seine beveutendflen Er 
werbungen waren: die Hälfte von Kirchheim und Ted, Stadt und Bay 
Winnenden, bie Graffhaft Gröningen nebſt der Reihefturmfahne vn 
denen von Schlüffelburg, einen Theil von —AA die Stadi Gu 
lingen, Stadt und Burg züpingen uf. w. ri I. en 
beiden Söhne Eberhard IL und Ulrid W., bie hr zum date 1 
ſchaftlich rei * mo Ulrich der Regierung entfagte und vier 
farb, Graf Eberhard, der in den damaligen X Erg ge nicht 
weniger, als zu a u Srieden geneigt war, bekam den en Grein er oder 
yo PR BPEESPIERBEE LINE N Eure er Tas 


Bärttemberg. 927 


Zänker; auch Rauſchebart wurbe er genannt. Seine Hauptfelnde waren die 
Reichsſtaͤdte, die theild durch ihren Reichthum lockten, theils durch Aufnahme 
ber ‚Hörigen des benachbarten Adels diefen reisten. Im Jahre 1309 brach bie 
Fehde zwiſchen W. und Eßlingen aus, doch verglich man ſich bald wieber. 
Im Jahre 1360 aber brach der Streit von Reuem los. Eberhard wurde in 
bie Acht erklärt und mit deren Ausführung Ruprecht beauftragt. Bei Schorn» 
Dorf kam es am 30. Auguſt deffelben Jahres zu einer harten Shin t, in 
welcher die württembergifchen Grafen aufs Haupt gefchlagen wurden. Doch kam 
am andern Tage fchon ein Friede zu Stande, durch den fle die Landvogtei über 
Schwaben verloren, die fte aber bald wieder erhielten. Im Jahre 1367 wollten 
die „Schlegler“, ein ſchwäbiſcher Ritterbund, ver fich gegen die anwachſende 
Macht einiger Geſchlechier gebildet hatte, den Grafen im Wild bade überfallen. 
Allein er wurde durch einen Hirten gewarnt und entfam. Mit Hülfe der Reiche, 
ſtädte wollte er nun den Eleinen Model züchtigen. Allein dies gelang ihm nicht. 
Bielmehr gerieth er mit den Städten ſelbſt wiener in Streit. Am 14. Mat 
1377 wurde fein Sohn Ulrich bei Reutlingen von den Gtäbtern aufs Haupt 
zefhlagen. Diefelben zogen fogar bis vor Stuttgart und zwangen Eberhard 
jur Niederlegung der Reichsvoglei. Nun verbanden fich aber vie Adeligen, denen 
die Städte Ir mächtig zu werben drohten, im „Lömwenbund”; bie Derung 
Rieg gegenfeitig aufs Höchfle und am 23. Auguf 1388 erfocht Eberhard 
Döffingen einen blutigen (er verlor feinen einzigen Sohn Ulrich), aber ents 
heidenden Sieg. Run fam d die Bermittelung des Kalferd Wenzel ein 
ſchwacher Landfriede zu Stande, in den audh die Städte eingefchlofien wurben. 
Diefer hinderte aber nicht, daß der alte Eberhard nicht noch ein paar Fehden 
ührte, bi6 er am 15. März 1393 ſtarb. Er erwarb während feiner unrubigen 
terung die Städte: Laufen, Schönbuch, Böblingen, Nagold, Sins 
)e Ingen, den Ref von Kirchheim, Ted und Bathbingen, Waldens 
uch, Beilflein, Bottwar, Herrenberg, Schiltad. Sein ande 
var fein Enkel Eberhard II, von 1392— 1417, der Milde genannt. Dieler 
var friepltebend, aber nicht fo haushaͤlteriſch, wie fein Großvater und brachte durch 
einen Hang zur Pracht die feither wohlgeorbneten Finanzen in arge Zerrättung. 
Fr heirathete die reiche Prinzeffin Antonia v. Mailand, die ihm 100,000 
Zulden Helrathögut zubradhte und nach deren Ton die Tochter des Burggrafen 
son Nürnberg, Eliſabeth. Dur die Beendigung des Schleglerfriege 
ınd ald Mitglied des gefürchteten Marburger Bundes erwarb fih Eberhard 
o großes Anfehen im Reiche, daß er fogar bei der bevorftehenden Katferwahl in 
Borfchlag fam. Ungeachtet mehrer Veräußerungen, machte er doch auch einige 
Zrwerbungen, 3. B. die Stadt Balingen. Bon größerer Wichtigkeit aber war 
‚te Heirach feines Sohnes Eberhard mit der Erbgräfin Henriette v. Moͤm⸗ 
yelgard, wodurch diefe Grafſchaft nebft den Herrſchaften Bruntrut, Gran 
38, Elerval nnd Paffavant an W. fam. Eberhard ver Milde farb 
ım 16. Mat 1417, worauf fein Sohn Eberhard IV. zur Regierung gelangte, 
yer aber ſchon nach zwei Jahren flarb und das Land feinen beiven minderjährigen 
Söhnen, Ludwig I u. Ulrich IV., unter der Bormundfchaft ihrer Mutter bins 
erließ. Die beiven Grafen regierten bi8 zum Jahre 1441 gemeinfchaftlidy, wor⸗ 
mf fie, von ihrer Mutter aufgehetzt, dad Land theilten. Ludwig erhielt 
einn Ste zu Ur ach, weshalb fein Theil der Uracher hieß. Ulrich aber 
vählte Stuttgart zur Refivenz, weßhalb feine Linie die Stuttgarter ober 
Renfener genannt wurde. Der Uracher Theil hieß auch noch das „Land 
db der Steig"; der andere das „Land unter der Steig“. Diefe Theilung 
wachte Unordnung und Schaden über das Land. Bisher Hatte man nur wenig 
von Zwiſtigkeiten in der Familie gehört, aber num famen fie an die Tagesord⸗ 
ung. — Am melften machte den. beiven Grafen ihre Mutter Henriette zu 
haften. Die Söhne waren gezwungen, bie Mutter gefangen nehmen gu laſſen, 
ım fie zu bewegen, ihnen die Rachfolge in der Grafſchaft Mömpelgard, bie 


93 Bürttembergi 
fie ihrer Tochfer zuwenden wollte, au überlafen. Ludwig — die Kant 
fi fe —* alle feinem Bruder Ulrich u Gulden hinaus. 
ſe egierum; Biest, en SR Ein 
berge einen heil von Sulz und farb 
3, September 1450, mit En * nein dır 
wig U. und Eberhard 5 F Se ar Er 
Bormmbfehaft übernehmen. dem Grafen Briedrig 
von der Pfal, der gl De hm de er "eine ne Qudmige war, fielig 
— fo Berief ee Abgeordnete den Städten herbei, mm zu em 
den und — * für ihre Unt das nachgefuchte 
daß bet wichtigen — neben dem — fieben von den Städten 
jegogen werden follten. Dieß war ale B8, 
‚eine, fg el Bi — 2 Babe: die. 
— b aber. ſchon — November 1457 , ‚wor 
— — u die Graffchaft übernahm. Ulrich ‚felbft 
—— — ‚Krieg und wurde 1460 auch noch in 
—— Brig von der Pfalz“ verwidelt, den er amd. 
bei Setenheim und damit auch: d ‚verlor, bis 
unter harten Bedingungen (100,000 Gulden 2 u. ſ 
fan; ft it. 2 erwarb die Gral he € 
1. Gentember Güte, und. Freund 
"liebte. ine Mi een © ne, —— und Hein 
Kummer. Den lettern Hatte er zum geif 4 
im er fand feinen Gefchmad daran, jonbern wollte regier: 
Ende zu machen, wurde er durch einen Vertrag vom 12, Sutt 1473 
— Mömpelgard abgefunden. Durch feine belden Söhne, Ufri 
eorg, pflanzte er den württembergifchen Stamm fort. Der andere 
folgte ais Eberhard VI. im Stuttgarter Theil; aber, feiner Unfähtgteit Ex 
gieren bewußt, übergab er feinem Better Eberhard V. am 13. Dezember 142 
durch den Vertrag von Münfingen fein Land und begmügte ſich mit einem 
Seibgebing, In diefem Vertrage wurde auch das Grfigeburtörecht und die Im 
theilbarfeit ded Landes für alle fünftigen Zeiten fefgefent, Graf Eberhard V. 
oder im Bart, welcher fomit wieder das ganze Land befaß, war in feiner Jugen 
ein wilder und toller Gefelle, faßte fich aber bald und wurde einer der trefflih- 
ſten Regenten Wis. Im J. 1468 machte er eine Wallfahrt nach dem heiligen 
Grabe und fliftete im 3. 1477 die Untverfität Tübingen. Mit feinem Bette, 
Eberhard d. Jüngern, den ed gereute, daß er fein Land abgetreten, mußte 
ſich zu verfehiedenen Malen aufs Neue "auseinanderfegen und am 2, tembar 
1492 in dem, zu Eflingen abgefchloffenen Vertrage ihm die Anwartfchaft auf 
die Erbfolge zufagen, jedoch mit der ausdrüdlichen Baingung * er Land un 
ante mie t ganz ohne bie Leitung eines Tanbfehaftlichen — — 
Die Pe BVerfaffung erhielt überhaupt unter Eberhard in 
vn ihre fefte Begrün! Diefelbe beftand namentlih In ver Gtaum 
bewilligung und ber nk ing und Annahme neuer Geſetze. Im 3. 1457 
wurde in Keonberg der erfte Landtag gehalten und vom J. 1459 an ge 
ſchah nichts Wichtiges mehr. ohme die Zugiehung ber —— — * 


se 


& 
a? 


8 
— 
SBTEfärEeE 


53 I 
Art 
i 


neten. Der erſte gemeinſame Landtag  beiver Landesthelle wurde 1463 gehalten 
und betraf namentlidy die Steuern. Abgeorbnete der Städte, der Geiftlichleit 
und der Ritterfhaft waren zum erften Male 14982 zu Münfingen vereinigt 
und. der Regimentsrath, der, laut dem Vertrage von GEflingen, dem jüngem 
Eberhard zur Seite ſtehen follte, war aus je 4 Mitgliedern jedes Standes zu 
fammengefept, die jeder Stand auch felbft wählte. Im 16. Jahrhundert mad 
indeß der Mel aus diefer Verbindung los und num. bildeten. die aan 
nebR den Mbgeorbneten der Städte und, der, Aemter, allein die-Landflände, bie 
daher den amtlichen Titel „gemeine Prälaten und Landſchaft“ führten, Satjer 





Württemberg. 929 


Martmilian I erhob den Brafen Eberhard V., den er perſoͤnlich hoch⸗ 
ſchaͤtzte, aus freien Stüden am 21. Zult 1495 zum Herzog und belehnte ihn 
auf dem Reichstage zu Worms mit diefer Wuͤrde, nachdem Ulrich dem Vielge⸗ 
ltebten von Ralfer Briebric die eines Fürften abgefchlagen worden war. Eber⸗ 
hard willigte indeß in feine Gr hebung nicht ohne Bedenken, denn er mußte da» 
für feine Lande, die feither meiſt freied Kigenthum geweſen waren, dem Kaiſer 
als Reichslehen übertragen, an dem noch dazu die Weiber feinen Theil haben 
jolften, fondern das nad dem Ausſterben des Mannsſtammes, — ein Fall, ver 
damals in Ausfiht fand, — dem Reiche ale Kammergut a Den foltte, 
Herzog Eberhard I. war ein trefflicher Regent. Gr forgte für Verbeſſerung 
der Rechtöpflege und Polizei, erließ 1439 ein Finanzgeſetz, führte einen gleichen 
Münzfuß ein und ließ ſich die Hebung von Handel und Gewerbe fehr angeregen 
jeyn. Er farb am 24. Wehr. 1496 ohne rechtmäßige Erben. Während feiner 
Regierung erwarb er den Reſt von Sulz, Thelle von Pfullingen und bie 
Bogtel über Zwiefalten. Sein Nachfolger war fein Ieichtfinniger Better 
Eberhard, als Herzog der Zweite. Allein er gerieth in Folge Pr wüften 
kebenswandels und feiner Willfürlichkeiten mit den Landſtänden in Zwiſt, welche 
im 1498 den Gehorfam auffündigten, welchen Berfahren der Katfer feine Zus 
ſtimmung gab. Nach vielen unnüben PBroteftationen leiſtete der ſchwache Eber⸗ 
hard U. am 2. Mat 1493 zu Horb felbft Verzicht auf bie Regierung und 
war mit 6000 fl. Benflon zufrieven. Bald empfand er aber Reue u, floh zu dem 
Kurfürften von der Pfalz, den er um Hülfe anging. Allein diefer ließ den be- 
ſchwerlichen Gaſt auf Schloß Lindenfele im Odenwald gefangen feben, wo er 
am 17. Gebr. 1507 fein Leben befchloß. An feine Stelle ald Herzog von W. 
war fein eilfjähriger Neffe Ulrich getreten, der Sohn des in fpäteren Jahren 
blöpfinnig gewordenen Grafen Heinrich, der Mömpelgard befommen hatte. 
Der Kaller Marimiltan fegte ihm während feiner Minderjährigkeit Bormund- 
ſchaftsräthe, theild, um die Anwartichaft des Reichs auf W. zu fichern, theils, 
um Hülfe gegen die Eidgenoffen zu erlangen, mit denen er in Fehde 108: Schon 
In feinem 16. Jahre (1503) erklärte aber der Katfer den jungen Ulrich I. für 
roßjährig: ein Unglüd für den Herzog und für das Land. Sein Open Eber⸗ 
—* hatte ihm eine wiſſenſchaftliche Erziehung geben lafſſen, aber nicht daran 
edacht, die wildbraufenden Leidenfchaften bed leicht erregbaren Geiſtes zu 
— *8— Glaͤnzend, aber bewegt war auch Ulrichs erfte Regierungszeit. Schon 
Im 53. 1504 nahm er in dem bayerifchen Erbfolgekrien gegen bie Balz Antheil 
u. erwarb dadurch die Dberämter Maulbronn, Beſigheim, Weinsberg, 
Neuenftadt und Mödmühl, fo wie die Grafſchaft Löwenſtein und bie 
errihaft Heidenheim. Auch an ven Kriegezügen des Kaiſers gegen die 
weiz und gegen Frankreich nahm er Theil umd führte dabei ein Auferft 
längendes und verfchwenderifches Leben, fo, daß er binnen zehn Jahren die für 
ene Zeit ungeheuere Schuldenlaft von zwei Millionen Gulden anhäufte “Die 
Reglerun überließ er feinen Räthen, namentlich dem Kanzler Lamparter u. dem 
Erbmarfhul Konrad von Schumb. Im J. 1511 heirathete er die Prin⸗ 
zeſſin Sabina von Bayern, mit der er jedoch fehr unglüdlich lebte. Um feiner 
Finanznoth abzubelfen, griff er zu allerlei ungerechten Mitteln, verringerte nas 
mentlid Maaß und Gewicht. Alle Produkte folten im gleichen Preiſe bleiben; 
was aber der Verkäufer zu gewinnen ſchien, das ließ er eär fi eingi en. Dieb 
berurfachte eine allgemeine Bihrung m Lande, die 1514 zu einem offenen 
Bauernaufflande wuchs, der In einigen Dörfern an der Remb, im Oberamte 
Schorndorf, fein Entftehen hatte und unter dem Namen des „armen Konrad”, 
(eigentlich Kein⸗Rath) bekannt geworben ifl. Der Herzog, welcher gerade auſſer 
Landes war, eilte herbei u. verfprach nun die Berufung eines Landtags, welchen 
er ſchon lange eweigert hatte. Unter Bermittelung des Taiferlichen, des badiſchen 
und bes ypfä ifen efandten kam mit diefem am 8. Zuli 1514 zu Tübingen 
ein Vertrag zu Stande, durch welchen die Gtände 910,000 X. Siyutuen Tu 
Nealencyclopaãdie. X. IN, 


930 Bärttemberg. 


nahmen, dagegen aber das Berfprechen erhielten, daß ber Herzog ohne den 
Nen der Landſchaft Feinen Krieg anfangen, Fein Stüd des Landes verpfänden, 
feine Steuer ausfchreiben und Jedem freien Zug aus dem Lande gefatten wolle. 
Auch ſollte Niemand in peinlichen Sachen ohne Urtheil u. Recht pefraft werben. 
Den Befchwerben des dritten Standes verfprach man auf einem beſondern Land» 
tage abzubelfen. Da die Bauern fi) aber nicht zufrieden gaben, ſondern fi 
Aulammentotteten ‚, fo wurde mit Gewalt gegen fie vorgefchritten und an Biden 
die Hinrichtung vollzogen. Durch feine Seibenfchaftlkchte ftürgte ſich jedoch ber 
Geriog fortwährend in neue Berlegenheiten. Am 7. Mai 1515 ermordete er mit 
eigener Hand den Jungen Hans von Hutten, wegen angeblich verbrecheriſchen 
Umgangs mit feiner Gemahlin Sabina, und mißhandelte dieſe felbft fo fehr, 
daß fie zu ihrem Brüdern nach Bayern entflob. Dadurch brachte er diefe und den 
efammten Heinern ſchwaͤbiſchen Adel gegen “ auf. Der Kaifer erflärte ihn 
ogar in die Acht, der er nur durch den, am 21. Oftober 1516 zu Blaubeuren 
abgefchloffenen, Vertrag entging, worin er verfprach, ſechs Jahre lange der Re 
gierung zu entfagen, das geroathum durch ein angeorbneted Regiment verwalten 
zu laffen und dem Kaifer 27, fl. zur Entſchädigung für die Familie Hutten 
zu zahlen. Bon diefen Bedingungen hielt der Herzog nidyt nur feine, fonbern 
eroberte am 28. Januar 1519 auch noch die zum —— Bunde gehöune 
Reichsſtadt Reutlingen, In deren Mauern fein Burgvogt von der Achalm 
erfylagen worden war. Er verleibte die Stabt feinem Lande ein und ließ fid 
von thr ulbigen. ierüber gerieth er mit dem fchwäbifchen Bunde in Krieg. 
Diefer rüdte im Srühlinge 1519 in das Land ein, eroberte es innerhalb zehn 
Wochen und trat es gegen Erfag der Kriegskoſten (22,000 fi.) am 6. Februar 
1520 an Kaifer Karl V. ab, der ed feinem Bruder Kerdinand überlich, 
weldyem auch am 25. Mat 1522 in Stuttgart gehuldigt werben mußte. 
Ulrich, der fidy indeß abwedhfelnd in Mömpelgard, der Schweiz, auf Hohen 
twiel u. ſ. w. aufbielt, machte mehre vergebliche Verfuche zur Wiedereroberung 
feines Landes: h im Jahre 1519, wo er bis vor die Hauptflabt rückte und 
1525, wo er gleichfalls bis unter die Mauern Stuttgart drang, aber von den 
Schweizern, denen er den Sold nicht zahlen konnte, verlaffen wurde. Run fuhr 
Ulridy fowohl, als fein Sohn Ehriftophb, der im Öftober 1532 aus dem 
kaiſerlichen Gefolge auf der Reife nach Spanien mit Hülfe feines Lehrers Tif: 
fernus en war, die verfchiedenen Höfe ſowohl, ald Karl V. und ger: 
dinand zur Herausgabe des Landes zu vermögen, jedoch vergeblih. Da grif 
Ulrich, die Verlegenheiten des Kaiferd u. die fung des ſchwaͤbiſchen Bundes 
benügend, 1534 zu den Waffen, drang mit Hülfe des Landgrafen Philipp von 
Al in fein Land ein und fchlug am 13. Mat die Kaiſerlichen bei Laufen. 
erbinand leiftete darauf durch den, am 29. Juli veflelben Jahres zu Cadan 
abgefchlofienen, Bertrag auf das Herzogthum Verzicht und behielt da nur die 
Afterlehnichaft vor. Während jeiner Verbannung hatte Ulrich die neue Lehre 
fennen gelernt und er führte die Reformation im Jahre 1535 in feinem Lan 
ein. Eine Lockſpeiſe mochten wohl audy die Kirchen» und Kioftergüter abgegeben 
haben, welche faft ein Dritttheil des ganzen Landes ausmachten und nicht aus— 
ſchließlich zu Kirchen» und Schulzweden verwendet wurden. Ulrich blieb ſich in 
feinem eten übrigens gleich; er war heftig, berrifch und rachſuͤchtig, wie zuvor, 
lebte audy Jahre lange mit feinem trefflichen Sohne Ehrikoph in Feindſchaft. — 
Am Abende feines Lebens, 1546, mußte er nochmals aus dem Lande flüchten, 
ald die Rache des über den fchmalfalpifchen Bund flegreichen Kaifers auf 
ihm, einem eifrigen Mitglieve vefielben, drohte. Durch die Vermittelung von 
Kurpfalz wurde er zwar 1547 wieder in fein Land eingefeht, allein ſchwe 
waren bie ihm durdy den Vertrag von Heilbronn (9. Januar) auferlegten 
Bedingungen. Gr mußte ſpaniſche Befagungen in feine feRen Pläge nehmen, 
drei Tonnen Goldes als Strafe zahlen und fi durch einen Fußfall mit dem 
Kalfer ausföhnen. — Auflerdem wurde dad „Interim⸗, d. h. die Ber 


Bürttemberg. 931 


ordnung, binfichtlich der Religion Alles auf den frühern Stand zu 33 in W. 
eingeführt und daburdy den vertriebenen Tatholtfchen Geiſtlichen und Mönchen vie 
—— möglich gemacht. Ulrich konnte während feiner ſturmvollen Aeglerung 
natürlich Feine erheblichen Erwerbungen machen; doch vergrößerte audy er da 
Land durch einige Herrichaften, darınter Hartned. Als er am 6. November 
1550 flarb, folgte ihm al® vierter Herzog fein Sohn Chriſtoph, einer der vor 
trefflichften Menfchen und Regenten. Durch das ee feines Vaters ward 
er genötbigt, das Land zu verlaffen und in franzöfliche Kriegsdienſte zu treten; 
bo hatte ihm fein Bater die Regierung der Grafſchaft Mömpelgard über- 
tragen. Als er das gefammte Erbe antrat, fand er das Land in der größten 
Berwirrung. Seine erſte Sorge ging dahin, ein gleichförmiged Landrecht, fowie 
eine Landeds und Hofgerichtsorpnung einzuführen und durdy den Bertrag von 
Paſſau, 6. Auguft 1552, beendigte er auch den Imajäheigen Streit mit dem 

aufe Habsburg-Defterreih. Chriſtoph erkannte die öfterreichiiche Afterlehenſchaft 
eines Herzogthums an und zahlte an Ferdinand 250,000 Gulden, womit alle 
ferneren Anfprüde an W. aufgehoben waren. Für das Kirchen⸗ und Schul⸗ 
wegen feined Landes that Herzog Chriſtoph fehr viel und Reuerte namentlich ver 
argen Berfchleuderung der eingezogenen Kloftergüter. Auch der Verfaffung bes 
Landtags ſchenkte er feine Aufmerkſamkeit. Bisher verfammelten fich alle Äbge⸗ 
ordneten der Städte mit den vierzehn Prälaten, welche auch den Borfig führten, 
auf demfelben. Seltvem nun die Herzoge gelehrte Leute als Räthe gebrauchten 
und diefe mit den Abgeordneten der Städte, meiſtens ungelehrten aber ehrlichen 
Handwerksleuten, zufammentamen, fahen ſich biefe in ein ieh zweideutiges Licht 
verfegt und das Immerwährende Landiagen war ihnen und ihrem Gewerbe ohne⸗ 
bin nachthellig. Man erfebte alfo den Landtag, welcher zulegt aus 69 Mitglies 
dern beftand, durch einen Ausſchuß, beftehend aus zwei Prälaten und ſechs Ab⸗ 
eorbneten der Städte, wovon immer drei den drei Hauptflänten angehörten. 
iefe hatten einen dirigirenden Landſchaftsſekretaͤr, der alle Gefchäfte beforgte u. 
zum Abftimmen über die zu verhandelnden Gegenflände aufrief.” Zu gewiffen 
Zelten vereinigte fi mit diefem engern Ausſchuſſe der größere, welcher aus an- 
dern zwei Prälaten und ſechs Abgeordneten der Städte befand. Die Ritterfchaft 
war dabei nicht vertreten; denn, Prltdem fie 1561 eine Faiferliche Berorpnung ale 
Reichsritterſchaft beftätigt hatte, erfchlenen fie nicht mehr auf dem Landtage, der 
audy meiftend nur deßhalb zufammenfam, um zu Ei u gen wie die Schulden 





des Landes am beften bezahlt werden Tönnten. So war Herzog Chriſtoph nach 
allen Seiten Hin thätig und genoß dabei im Reiche hohe Achtung. Er vermit- 
telte 1555 auf dem Reichſstage zu Augsburg den Religiondfrieden und wurbe 
überhaupt vielfach um Bellegung von Zwifligkelten angegangen. Im ade 
einer Familie war Ghriftoph nicht glücklich. Seine Gemahlin war ein ſchwache 
utter; feine beiden Söhne, Eberhard und Ludwig, zerrütteten Ihre Geſund⸗ 
heit durch Völlerei. Seine acht Töchter vermählte er alle an deutſche Fürften. 
urch große Liebe zu Bauten und feine vielfache Abweſenheit vom Lande ge 
er in bedeutende Schulden, welche durdy die Uebernahme von 1,200,000 Gulden 
Seitens der Landſchaft (1565) nicht völlig gevedt werden konnten. Seinen 
Oheim Georg, dem er Mömpelgard, Horburg und Reuenbürg abge- 
treten hatte, berebete er, ſich noch in feinem flebenundfünfzigften Jahre zu verhei⸗ 
rathen. Wäre dieſes nicht gefchehen, fo wäre binnen Kurzem der württemberg- 
ifhe Mannsfamm ausgeflorben und das Land an Defterreich gefallen. Herzog 
briftoph farb am 28. Dezember 1568. Ihm folgte fein Sohn Ludwig, nr 






gen feiner theologifchen Kenntniſſe „der Fromme“ genannt, dabei aber ein h 
tutrter Trunkenbold und fomit zum Regieren un . el und Prälaten 
ten während feiner Regterung die Oberhand. Er fliftete das Collegium illustre 
in Tübingen, das aber er unter feinem Nachfolger ganz vollendet wurde. 
Ludwig flarb am 8. Auguſt 1593. nachfolger war Friedrich L, ein 
Sohn des Brafen Beorg, der eine vortreffliche Erziehung genofien und fh auft 


092 Bürttemberg. 


weiten Reifen gebifdet hatte. Er war ein Fräftigen aber auch flolger und — 
ſüchtiger Mann, der beſonders durch feinen Kanzler Enslin ſehr gewaltthät 
tegierte, die alten Räͤthe ſeines Vorgängers alle durch andere, ihm unbedingt er⸗ 
ge ene, erfehte und vor Allem darauf ausging, die Macht der Landſchaft zu 
rechen. Den Tübinger Bertrag hätte er gar zu gerne umgefloßen. Ein erfer 
Verſuch hiezu (1607) fcheiterte an der Standhaftigkeit der Landſchaft; efn zwei⸗ 
ter, mehre Monate fpäter gemacht, elang dagegen, indem die Landflände die fo, 
genannte Erfiärung des Tübinger Vertrags gaben, durch weldye die Grundveſten 
der Berfaffung erfchüttert wurden. Er huldigte eifrig dem Vorurtheile feiner Zeit, 
der Goldmacherkunſt, verſchwendete dadurch, fo wie durch große Prachtſucht und 
Bauluft, viel Geld und gerieth tief in Schulden. Nichts deſto weniger machte er 
für 1,200,000 Gulden Gebietserwerbungen, darunter Befigheim, Ketd Lingen 
Steußlingen, Altenfteig, Liebenzell und fogar außerhalb Deutſch 
das Herzogthum Alengon in der Normandie, welches jedoch von feinem Nach⸗ 
folger 1612 wieder veräußert wurde. Das Saupibeftreben Friedrich's, Der ſich 
erne als Selbſtherrſcher gerirt hätte, ging auf Löſung des Unterthänigkeitsver⸗ 
banes zu Oeſterreich und er brachte es nach vieler Mühe am 24. Januar 
1599 durdy einen zu Prag angeehlofienen Berirag dahin, daß Kaifer Rudolf 
die Afterlehenfchaft gegen eine Tonne Gold fahren ließ, für dad Erzhaus aber 
doch die Anwartfchaft auf den Fall der Erlöfchung des Mannsflammes vorbe- 
hielt. Friedrich I. ftarb am 29. Januar 1608 und hinterließ drei Söhne. Der 
ältefte, Johann Friedrich, folgte ihm in der Regierung W.s; der zweite, 
Ludwig Friedrich, wurbe der Stifter der Mömpeleard’ hen, und der dritte, 
Zulius Sriedrich, der Weilt ingen'ſchen Linie, von weldher Weiltingen 
Oels abftammte. Johann Friedrich war ein gelehrter (er hatte feine Etzieh⸗ 
ung im fürftlihen Collegium zu Tübingen erhalten), aber ſchwacher Mann, 
phlegmatifch und unfchlüffig. Bald gewann die landſtändiſche Partei die Ober 
band, zwang ihn zur Verabſchiedung der Räthe feines Vaterd und zur Annahme 
der alten, ja vermochte ihn fogar, 1613 dem Kanzler Enslin den Prozeß machen 
und ihn enthaupten zu laffen. Gleich feinem Vater, befand er fich In fortwähs 
render Geldperlegenheit veranlaßt durch den koſtſpieligen Hofſtaat, durch große 
Feſte u. ſ. w.: ein Hauptgrund auch, weßhalb er ſich gegen die Landſtände fort⸗ 
während nachgiebig zeigen mußte. Bei der Schroffheit, mit ver ſich gerade da- 
mald die Katholiken und ‘Proteftanten gegenüberflanden, war des Herzogs 
Schwanken von um fo größerm Nachtheile. Bor dem Kaifer hatte er eine feltene 
Ehrerbietung und doch wollte er es auf der andern Seite auch nicht mit feinen 
Glaubensgenoſſen verderben. Er machte zwat Rüftungen, allein nicht hinlaͤng⸗ 
liche, um dem Feinde Achtung einzuflößen, fondern die nur dazu geeignet waren, 
deſſelben Aufmerkfamfelt zu erregen und in der That rüdten auch nach einander 
Tilly's und Wallenftein’sd Schaaren in das Land, es für längere Zeit be 
fegend und auf gräuliche Weiſe brandſchatzend. Johann Friedrich ſchickte awar 
Sefandtichaften über Gefandtfchaften nah Wien, allein dieſe Eofteten nur Gel, 
ohne dad Minvdefte auszurichten. Vergebens flehte der Herzog den folgen Wal: 
lenftein perſöͤnlich um Schonung feined armen, fchwer heimgefuchten Landes an. 
Diefer wies ihn ſtolz ab und demüthigte den Herzog fo fehr, daß diefer aus Grau 
darüber am 15. Juli 1628 ſtarb. Er Hatte 1617 ven fürſt-brüderlichen 
Bertrag geftiftet, durch welchen jedem der nachgeborenen Prinzen ein beftimmter 
Sig und Jahr ealt angewieſen wurde; auch erwarb er für 350,000 Gulden 
eue Güter. Sein ältefter Sohn, Eberhard II, zählte erft 14 Jahre, weßhalb 
einander Johann Friedrich's Brüder die Vormundfchaft übernahmen. Unter 
unfeligen religiöfen Wirren und den Gräueln des 30jährigen Kriegs litt das 
Land fo ſchwer, daß die Landſtände 2,600,000 Gulden Schulden übernahmen. 
Dagegen wurden im Hofhalt bedeutende Erfparniffe eingeführt und beflimmt, daß 
bie Aemter Fünftig nidyt mehr an ven Meitielenuen , Token a den s 
Ren ertheilt werben follten. Dur) dad Retiiunttiondsnitt AV) von 






Württemberg. | 933 


fiel dad Kirchengut wieder an die früheren Beſitzer, die Priefter und Klöſter, 
welche daffelbe audy unverweilt wieder gu Handen nahmen. Eberhard übernahm 
1633 die jelbftfländige Regierung des Landes und ſchloß noch im felben Jahre 
u gallbronn mit dem Schwedenkoͤnige ein Bündniß ab. Nach der Schlacht 
ei örblingen floh Eberhard, ohne die mindefle Anftalt zur Vertheidi ung zu 
treffen, nah Straßburg und überließ fein Land der Willkür des Failerlichen 
ges, da® unmenfchlidy wuͤthete. Ganze Dörfer wurden verwüftet u. verödet. 
e bürgerliche — lag darnieder und binnen kurzer Zeit war die frühere 
Bevoͤlkerung von 400, Seelen auf 48,000 geſchmolzen. Der Kaiſer vertheilte 
den groͤßten Theil des Landes unter ſeine Miniſter und Generale. Er ſelbſt 
ſprach Achalm, Urach, Staufen, Pfullingen, Aösberg und Hohentwiel 
an. Dem Herzog ſollten aus Gnaden noch ein paar Aemter verbleiben, zum Un⸗ 
terhalt für fi und die Seinigen. Dieſer lebte indeſſen unbekümmert und in 
vollen Freuden zu Straßburg, bankettirte, jagte und heirathete ſogar 1637 die 
ſchoͤne Wild» und Rheingräfin Anna Katharina von Salm, worüber ihm 
die Schweden in's Angefiht fagten: er thäte befier, ein eiferned Wams, als bie 
Bräutigamshofen anzuziehen. Die Franzoſen boten ihm zur Eroberung feine 
Landes 12,000 Mann an; er fchlug die Hülfe aus. Bel diefer Zaghaftigkeit u. 
Unbefümmertheit Eberhard's war ed das größte Glück für W., daß es gerade 
damals vier patrtotifche Männer in Staalsdienſten hatte: Wiederhold, Löffs 
ler, Burkhard und Barnbühler. Der Erflere wußte in jahrelanger Bes 
Lagerung feinem pe die Veſte Hohentwiel zu erhalten; Burkhard bes 
wirkte 1638 die Wiedereinfegung ded Herzogs und den Bemühungen des letz⸗ 
tern gelang e6, daß im weftphäliichen Frieden der Herzog nicht einen Theil feines 
Landes verlor, trotzdem, daß felbft Defterreich Alle aufbot, um dad Gewonnene 
fich zu en ach dem Friedensfchluffe war es das eifrigfte Bemühen des 
erzogs, feiner Räthe und der Landfchaft, das gräßlich verheerte und audgefogene 
d (von 1628-50 gingen durch Kriegöfteuern, Quartier und Plünderung 120 
Miltonen Gulden verloren) wieder etwas In ler zu bringen und die Finanzen 
zu regeln, was auch durch die raftlofe und unelgennügige Thätigfeit der genann« 
ten WRänner, fo wie der nad) ihnen an der Epike der Berwalung ftehenden, My⸗ 
ler v. Ehren bach und Dan. Imlin, fo wohl gelang, daß fünfzehn Jahre 
nach dem weftphäliichen Frieden die Epuren des 30lährigen Kriegs faſt en 
verwiſcht, Ordnung und Wohlftand neu begründet waren. Der Herzog felb 
that fein Moͤglichſtes. Er fchränkte den Hofhalt, fo weit thunlidy, ein und hielt 
feine flehenden Truppen. Im Jahr 1672 follten 300 Mann zu Yuß und 150 
zu Pferd als Kreiscontingent geftelt werben und man wußte weder, wie man fie 
erhalten, noch wie man fie bezahlen follte Unter Eberhard II. wurden die 
en offltten eingeführt. eine Töchter hießen nicht mehr Fräulein, 
ondern Prinzeſſinnen. Er hatte aus feinen beiden Ehen 25 Kinder. Sein zweiter 
Sohn, Friedrich Karl, wurde Stifter der Winnenthaler Linte, die 1733 auf 
den Thron gelangte; deflen Bruder Friedrich fliftete Die Neuſtädter Linie, 
welche mit defien Sohn Karl Rudolf 1742 ausflarb. Herzog Eberhard II. 
ftarb am 2. Juli 1674. Ihm folgte fein Altefter Sohn, Wilhelm Ludwig, 
der aber fdyon 1677 ftarb. Da deſſen ältefler Sohn, Eberhard Ludwig, faum 
ein Jahr alt war, fo übernahm fein Oheim Friedrich Karl die Bormundichaft. 
Diefer hatte in dem Kriege zwifchen Defterreih und Frankreich zwar Partei er⸗ 
griffen, wurde jedoch von der Sandjaaft daran verhindert. Trotzdem rüdten bie 
Franzoſen zu wiederholten Malen in's Land, verheerten daſſelbe und ſchlugen, 
nachdem Melac 1688 Stuttgart auf Furze Zeit befeht Hatte, den Herzog -Bors 
münder am 17. September 1692 bei Dedisheim, wobel letzterer auch in Ges 
fangenfcyaft gerieth. Seine Regierung IR beſonders durch die Gründung des 
Gymnasium illustre zu Stuttgart, 1686, merfwürbig. Herzog Eberhard Ludwi 
ward 1692 vom Kaiſer für volljährig erklärt und regierte in den erften fün 
Jahren auch fehr Löblich. Fuͤr feine thätige Bethelligung am eniikaen Sn 


934 Württemberg. 


folgefrieg entfchieb der Katfer 1699 den Streit um das Erzpanneramt mit dem 
neuen SKurfürften von Braunfhweig-Lüneburg zu Bunften Gberharb's, 
der wegen des Beſitzes der Grafichaft Marforöningen darauf Ans 
bruß machte 5; ebenfo ven fpätern Zwiſt mit der Neicher wor (1704). 
ach langem Unterhandeln geftattete die Landfchaft dem Herzoge, auch im Frieden 
2000 Mann ftebende Truppen zu halten, ob denen Eberhard Ludwig, ber 
überhaupt Pracht Iiebte, viele Kreude fand. Durch den, im Jahre 1714 u 
Baden und Raftatt abgeichlofienen, Frieden befam W. zwar Nichts, fonvern 
wurde für feine große, dem Haufe Defterreich geleiftete, Hülfe fo fehr mit Undank 
belohnt, daß die von ihm gehoffte Kurwürde an nover überging. Großes 
Unheil brachte das Verh a: des Serzoge zur Wilhelmine von Gräventh, 
oder Gräfin Würben, über das Land. erhob diefelbe zur Gräfin von Urach, 
überließ ihr und ihren Kreaturen bie unbehimgiefe Leitung der Staatdangelegen: 
heiten und erbaute ihr zu Ehren die Stadt Kudwigsburg, 1718. Durch die 
unfinnige Verſchwendung ber her onlichen Geliebten wurde dad Sand fürchterlich 
ausgefogen und es griff eine und volle Demoralifation Platz. Als ihre Relze 
verblüht waren, wurde die Gräfin 1731 vom Hofe entfernt und nad Urach ge 
bracht, aber bald wieder freigelaffen. Dagegen mußte fie 1736 vie —* 
erworbenen Güter wieder herausgeben. ter Eberhard Ludwig, der au 
den erſten württembergiſchen Orden, den St. Hubertus⸗ oder Jagdorden, ſtiftete, 
wurde die Grafſchaft Mömpelgard 1723 wieder mit W. vereinigt. Der 
Herzog ſtarb den 31. Oft. 1733 ohne Leibeserben und hinterließ das Land fo tief 
verfchuldet, daß der Erbe, Karl Alerander von der Winnenthaler Linte, der ſich 
unter Prinz Eugen großen Kriegeruhm erworben hatte u. 1712 zur katholiſchen 
Kirche übergetreten war, Bedenken trug, bie ER anzutreten. Wegen des 
neu ausgebrochenen Krieges fiellte er Ichnell 18,000 Mann auf und nöthigte die 
Landfchaft, ihm fernerhin die Mittel zur Erhaltung von 12,000 Mann zu geben. 
Der Herzog verfuhr überhaupt fehr foldatifihy und war beim Regieren mehr 
General, ald Landedfürft, zu welchem ihm die nöthigen Stenntnifie fehlten. Co 
fam es auch, daß er bei den jortbauernden Ginanzverlegenheiten völlig in die Hände 
des Juden Süß Dppenheimer (|. d.) gerieth, der zum Geheimenrathe erhoben 
wurde und durch bie ee Wirthſchaft eine große Erbitterung hervor: 
brachte, welche fih noch vermehrte, ald man dem Herzog Abfichten auf gemalt: 
famen Umſturz der Berfaffung und Wiedereinführung der katholiſchen KHeligion 
beimeſſen zu dürfen glaubte. Er ftarb dann auch fehr ſchnell und unter ganz 
eigen ümcpen mfländen, wie ed beißt am Slaafuder den 12, März 1737, 
mit Hinterlaffung dreier Söhne, die merfwürdiger Weile alle an die Regierung 
elangten. Der ältefle, Karl Eugen, war erft neun Sahre alt, als fein Bater 
Bach, weßhalb der nächfte Agnat, Dee Karl Rudolf von der Reuftäbter 
Linie, die Bormundfchaft in Gemein af mit feiner Mutter übernahm, jedoch 
ſchon 1738, Alters halber, an den 4 nädften Anverwandten, den Herzog Karl 
Friedrich von W. Del, abtrat. Die von Eberhard Ludwig binterlaffenen 
Schulden übernahmen die Stände, ald man die Abftellung ver vielfach eingeriſſe⸗ 
nen, großen Mißbräuche verfprochen, den Juden Süß, Oppenheimer hängie und 
feine Genoſſen mit harten Strafen belegte. Das Militär wurde vermindert und 
1770 ein großer Theil deſſelben in öfterreichiichen Sold gegeben. Der junge 
Herzog Karl Eugen, welcher ſchon in der Jugend aufferorbentlicdhe Geiſtes 
gaben verrieth, wurbe 1741 an den 9 des großen Friedrich nach Berlin 
geihict und blieb dort drei Jahre zu feiner Ausbildung. Sriebrich © Fuͤrſprache 
eſonders hatte es der junge Herzog zu danken, daß er ſchon in ſeinem ſechzehn⸗ 
ten Jahre, 1744, für volljährig erklärt ward. Der Anfang feiner Regierung war 
pi zu nennen. hörte auf die Stimme der erfahrenen Räthe und Bielt fi 
dem öfterreichiichen Exrbfolgettiene neutral. Auch fuchte er mit der Landſcha 
in gutem Einvernehmen zu bleiben u. verwöbee Ad, yır augen Krodie nt Louhes, 
1 748 mit ber Brinzeffin Eli\ab erh grledrite Soyite von Bayreuth, 


—* 


Mein Bald wußlen iedrige Schmelchler das Ohr des füngeı {u gewin 
nen und b 2 Le Kr — — ua cht F vie —— — 


aan & je — 
af Montmar fr [ 
Pr * eich —5 — machte; side vn ‚Ober! — er, 
der Eolbatenfpielerel et nn jete. Am ftebenjährigen 5 
der Herzog allen, aber na (hnifichet a und ein 
waltete er rein nach Willkür, du fih um ‚Herfommen un! 
das Mindefte zu efümnern. Sein 5 Er — der —A— J 
ie vielen Bauten, darunter das neue © J — Solis 
ide, Monrepos langen ungeheitere — ch Geld verfehn een, 
waßte man zu alleı — en m Ian ht sen, etablirte 
einen fehimpflichen Handel mit den A er zum 
irathödireftor emporgeftiegene, —A era —* ha ii ern ers 
j die verfaffungs: ——— 
Der Oberamtmann Huber in gem, 1el ——— ſich en — ini 
wollte, wurde auf bie IE Ben ebrach 
ob. Jatob. le ag —— die Alan ha ehe une und 
— A on Eng! en‘ nd Dänemark unterftügt, mit ihren 
Raifer, der diefelben find gerecht erkannte und den Togenamnten 
5 * 27. Gebr, 1770 berbeiführte, che ar jen ber Pa in feine 
ld m Sri Doch fcheute Karı — auch it mannig- 
BE San Pe NER at 
un ubar orheben, Na 
Tode feiner Semahtin ver! — nom Y —— — 


von Leutrum Sen senarbin; bie Rame 
m „dien Aufferk ——— Einfin 
on ihm zur Gräfin erh 
gar als 7 Br li" rel "en feinem 51, een im Jahre 
er Karl Eugen ganz unerwartet jenes venfwürbige Reſc worin er 
— "ch heit vermute und Beflerung gelobte, auch von Allee te an fein 
ſteis beſſer regierte, fo daß die fin 1 een Jahre feiner Rey ferut mit 
den en ſten Zeiten — I Arne * auch früher ſchon 
bene * ‚Herzog manches But geftiftet. & v t man ihm 9 a 
— —— iii eat et Landfraßen, der Zi Katton 
* — die, Erri — der Kuſte {m Sat 1761, 
ihre te kein — BORN, die im Jahre 1770 
der. Solitude u ai im jahre 1775 nach Stuttgart en H 1781 zur — 
* erhoben wurde; bie nn der großen Bibliothek in Stuttg 5 
if er durch bi 


Das De er vergr — Ai Een: Ju ur detast 


— R 
Ampurg u. * a — — hu "zur En 
Base dire en Anfang der frangöftichen an 
N Engen,» ns anfreich Cu den 
— bis u Ken, 55 ilfer ii — 
— hate. AS Regent Bade fehr Ar 
ie Ha elligte kein jede an dem 
ch dem * gr Koſten, hob 1794 bie Brei te. auf, 
Pe Ru Katholtt und Ba Be En — — 
PR beltebt. Sg I inch plöglichen Tode, den 
(der, Friebrlch Eu a: die Regierung —— i — J Meere 
ai vi * we —— als — Soldı ve ———— 
ex Feine 5 em gel Sr. u 
mt worbi —* Er heirı a u eine ERTERN SER, 
*. Heß auf Anbringen Im eher Gemahlin die as dleier The MÜUNAMONT 


936 Bürttemberg. 
roteftantifchen Religion erziehen, - Im 4786 übergab Ihm re) 
Ba bie ee Mi Rupie, ir rg 179 A — 
au jen vertrieben wurde, — die —— ee Ei \ 
nobach und a ‚bie er berwaliee bis er in feinem 2 
ald —— folgte. v 
Sranaef jen an und bebeutend Die t. us den, amd. Au 


zu Paris gefchloffenen, Frieden warb — don ben 
Sie befreit; er jegen ——— daſſelde 8 Mil, Fres. Ktriegoko — 
Mompelgard nebſt kur anderen fransefichen ‚haften, an: bie Re N 
treten, legen 3 Finanzverli eiten, Br ‚He m * 
Kb, wurde der a pe 17, 4797, zum erften feit 1 
ſo ale Ar man, wohl, —— 


we eine En! — den — Fi ei 
inter u. erzog, 5 
: 4 : a olgte, np eyter Deraog, | 


PR a ee 

uml el uch eine fo J 

Een J eo — und BUCH ' "an 
der Land 






a Ei » 
turde, daß der Herzog bie bebeu — u 
ine auflöste, Aa einem neuen, im —* 1800 ein atom if 
ala: —— cn auch eier: An dem, un ‚neu ausgebrochen, 
gegen. die Fandtige Republif nahm er, durch englifche Hill — 
fügt, —J— Theil, wodut⸗ ag 2 an in, welches. bie 
vordrangen, in unabfehbares Elend — Eu 
ald uneinnehmbar galt, wurde auf, btide si a * loren > 
abmals 6 Mill. Fres. — u og. floh BUS Tanga, 
4 * — en an Baur —— — —— bie, 
it nach um! en Schw erh ten gelang es dem. Herzo e ſtandig 
feit Wis zu —2 Am 27. Min 1802 re ein — Friede in Part 
ehren, durch welchen W. nicht nur feinen ganzen BerpRand, Baia ds 
eins erhielt, fondern auch durch den, am 25. Yebruar 1803 erfolgten, Reihe 
deputationsabfchluß für feine franzöfifchen Beligungen durch bie obftei Ell 
mwangen, die Abtei Zwiefalten, die Reichöftädte Eflingen, Reutlingen, 
Gtengen, Weil, Heilbronn, Hall, Aalen, Gmünd, Rottweil, die 
Stifter Komburg, Schönthal, Rothenmünfter, Heiligfreuptbal, 
Dberftenfeld und Margrethaufen entfhädigt wurde, Das alte Herzog 
thum war 134 Meilen go mit 660,000 Einwohnern. Die neuen Lank 
betrugen zufammen 393 [J Meilen mit 125,000 Einwohnern, wurden aber dem 
alten Herzogthume nicht einverleibt, fondern unter dem Namen Neu-®, mit 
dem Regierungsfige in Eitwangen, zu einem befonbern Landestheil vereinigt und 
in die drei Sandalen Ellwangen, Heilbronn und Rottweil —8 
Zu gleicher Zeit mit dieſen Etwerbungen wurde Friedtich zum Kurfüi 
Reiches ernannt und nahm den Titel eines Reich 6-Erzpannere an. Au u 
dem erhielt er das Privilegium „de non appellando,“ Die Scheidung..gwi 
den Landesthetlen —2 hauptfächlich, um den neu erworbenen Beflgungen 
die Verfaffung Alt-W.8 geben zu müßen, welche dem gewaltthätigen und Ten 
Widerfpruch duldenden Fürften, wegen der Oppofition m; — mit der er ia 
ge heftigen Zwieſpalte lebte, ein Dorn im Auge war. dem Ki 
ankreich8 gegen a] 1805 wollte der Kurfürft neutral bleiben, wurde je 
doch das Erfcheinen Ney's vor Stuttgart mit einem bedeutenden Armeecorpb 
und die Fategorifche Aufforderung Napoleons zur Theilnahme mit 8000 Mann 
eswungen. Durch den Frieden von Preßburg, den 16. Dezemb. 1805, ers 
di W. einen neuen Laͤnderzuwachs durch die Graſſcha ten Hohenberg, Kel⸗ 
enburg und Bonndorf, die Landvogtei Altorf, die fünf Donauſtädte 
Ehingen, Riedlingen, Munderkingen, Saulgau und Mengen, einen 


# 


Württemberg. 937 


Theil de8 Breisgau, die Etädte Villingen und Bräunlingen, die Bes 
figungen des deutichen und Johanniter⸗Ordens, endlich die Oberherrlichkeit über 
die von W. eingeſchloſſenen Beflgungen der Te Zugleich erfolgte 
am 10. Dezember defielben Jahres die Auflöfung der Landſtände, mit der aus; 
drüdlichen Erklärung, daß die alte Landesverfaffung aufgehoben fei und am 
1. Dezember 1806 nahm der Kurfürft, laut eined vom 12, Dezember 1805 abs 
efchlofienen Etantövertrage, die Königsmwärde mit voller Souveränität an. 
Its und Neu⸗W. wurden nun vereinigt und eine durchaus veränderte Ber- 
waltung eingeführt. Am 12. Zult 1806 trat der König dem Rheinbunde bei, 
zu dem er 12,000 Mann: zu fielen fich verpflichtete und löste demzufolge am 
1. Auguft feine Verbindung mit dem alten deutichen Reiche auf. Das Gebiet 
des Landes erlitt in diefer Zeit auch cinige Beränderung, indem einige Bezirke, 
darunter Bonndorf, an Baden abgetreten, dagegen von Bayern einige andere 
übernommen wurden. Rad dir Beendigung des preuptfchen riege® wurde W. 
abermals etwaß vergrößert, fo daß es 2 —* mit 1,230, Einw. ums 
faßte, fich alfo in einem Zeitraume von 7 Jahren von 650,000 Einw. um über 
die Hälfte vermehrt hatte; doch hatte das Land dabei fehr zu leiden. Der König 
verfuhr mit eiferner Strenge und Gewaltthätigfeit und demuͤthigte den Adel fyftes 
matifch, während er zugleich die Beamten drüdte und den Bürger und Baners 
ftand durch den übermäßigen Hofhalt und das —38 e Heer ausſaugte. Das 
gegen wußte er gegen Napo leon feine Eelbfifländigkeit zu wahren, verweigerte 
die Einführung des neuen franzöfifchen Geſetzbuches, den Marfch feiner Truppen 
nah Spanten und fehlug bei feiner Anmwefenheit in Parts, ſowie 1809 Hans 
nover, fo jetzt Portugal a8 Taufch gegen fein Stammland entfchieden aus. 
Den Krieg gegen Rußland machten 18,000 Württemberger mit, von denen aber 
nur wenige Hunderte zurüdfehrten. Durch den Bertrag von Zulda am 2. Rovbr. 
1813 trennte fi) der König von Napoleon und ließ feine Truppen unter An, 
führung des Kronpringen nach Frankreich einmarfchiren. Mit den Verhandlungen 
des Wiener Bongrefied war der König nicht einverflanden, nahm [er er 
am 1. September 1815 die deutfche Bundedafte an, Am 11. Januar deſſelben 
Jahres hatte er feinem Lande, flatt der alten Berfaffung, eine neue verfprochen 
und eine Berfammlung von Abgeordneten in einer Kammer zufammenberufen, 
die am 15. Febr. 1818 eröffnet wurde. Der vorgelegte, den Wirkungskreis der 
Stände fehr beengende, Berfaffungsentwunf „penägte den Mbgeorbneten, nament> 
lich des alten Landestheild und den Medintifirten, nicht. Sie legten Verwah⸗ 
rung gegen benfelben ein und drangen auf, Bbicherherelung der altwürttems 
beralfchen Berfaffung oder des „alten guten Rechts“, wie man ed nannte Am 
8. Auguſt 1816 wurde die Ständeverfammlung aufgelöst, aber ſchon im Oktober 
wieder berufen, um einen zweiten, freifinnigern Verfaſſungsentwurf zu berathen. 
Während ver Berhandlungen hierüber ftarb König Fried r ich I. am 30. Of 
tober i816. Trotz feiner vielfachen Behler, war Friedrich doch ein tüchtiger und 
thätiger Regent, der feine Zeit u. feine Bedürfniſſe richtig erfannte. Ihm folgte 
auf dem Throne fein ältefter Sohn, Wilhelm L, der feine Regierung mit der 
alsbaldigen Aufhebung vieler drückenden Verordnungen, Einfchräntung des übers 
mäßigen Aufwande für die Hofhaltung, des großen Wildſtandes u. f. w. auf 
eine jehr zweckmaͤßige Welfe begann, den am 3. März 1817 zuſammengekomme⸗ 
nen Ständen einen dritten Berfaffungdentwurf vorlegen ließ, fie aber, ale auch 
biefer am 2. Juni verworfen wurde, zwei Tage darauf auflöfte Dem britten 
Entwurfe zufolge follten zwei Kammern beftehen: vie erfte aus dem hohen Mel, 
der Geifllichkeit und den Gelehrten, die zweite aus den Abgeordneten des niedern 
Adels, der Städte und Bauern zufammengefeht ſeyn; die Stände follten alle 
Jahre zufammentreten und das Budget nur auf ein Jahr verwilligen. Der König 
verſprach bet der Auflöfung der Stände, im Sinne des von ihm gegekun Us 
faffungsentwurfs fort zu regieren und berief auf ven A3. Aull ARD Amer wur 
Berfammlung, mit ber enblidy am 25. September ABAI zu Wuuwigiurg Ür wen 


938 Bürttemberg. 


Berfaffung vereinbart wurde, weiche indeß in manchen Punkten weniger freifin- 
niger war, ald der Entwurf von 1817. Die am 30. Jan. 1817 verliekene Preß⸗ 
freiheit wurde in Folge des Bundesbeſchluſſes vom 20. September 1819 aufge⸗ 
hoben und dagegen die Cenſur eingeführt. Der am 15. Januar 1820 zuſammen⸗ 
etretene erfe Landtag währte bis zum 16. Juni 1821, trat entſchieden auf bie 
eite der Regierung, weldye mit wohlthätigen Berordnungen und zweckmäßigen 
Einrichtungen das Land zu heben fuchte und ſprach fidh für bie Ausſchließung 
Fr. Liſt's aus, welcher, ald Borkämpfer neuer Ideen, der Bureaufratie zu Leibe 
gegangen und dafür in Anflagefland ver lebt worden war. Der zweite Landtag, 
vom 1. Dezember 1823 bis zum 9. Zuli 1824, war von feiner befondern Bes 
deutung; ebenfowenig ver dritte, vom 1. Dezember 1826 bi6 5. Juli 1827. Gin 
außerorbentticher tagle vom 15. Januar bi8 2. April 1828, während welder 
Zelt die mit dem heil, Stuhle angelnüpften Unterhandlungen über die Organiſa⸗ 
tion der katholiſchen Kirche in W. beendigt wurden. (Vgl. den Art. Ober⸗ 
rhei niſche Kirchenprovinz.) — Während der nun eingetretenen, faft Ieblofen, 
politifchen Ruhe wurde der Ständefaal, mit wenigen Ausnahmen, nur noch als 
ein abgekürzter Weg zu höheren Staatsbedienſtungen gefucht, womit die Regie: 
ung bie ihr ergebenen Subjekte belohnte; nirgend® auch nur ein Schatten 
Oppofition. Als 1830 die Sturmglode der franzöffchen Julirevolution ertönte 
und die deutfchen Völker zur Bi ung ihrer verfafjungsmäßigen Rechte mahnte, 
befchränfkte W. bereitö im verfafjungsmäßigen Beftge derfelben, feine Bewegung 
auf das Streben, dem bisher nur einfeltig gehaltenen Bertrage die vollkändige 
Geltung zu verfchaffen. Denn, wiewohl auh W. ein Heerd revolutiondrer Ums 
triebe war; wiewohl befonders die Militärverfchwörung des Koſeritz aus feinem 
Schooße erfand: fo blieben doch das Bolt felbft und felne Vertreter von jedem 
Berfuche einer Verbindung mit fo abenteuerlichen Wagniffen weit entfernt. Im 
Gegentheil wendete ſich die Thellnahme fo ausfchlieglich den inneren Angelegen⸗ 
peitem zu, daß man mehr an „mwürttembergifche”, als bentiche Freiheit dachte und 
ei manchen ©elegenbeiten den A eined „lokalen Liberalismus“ auf fich Ind. 
Für die Preßfreiheit fanden fich tüdhtige Kämpfer ein. Ueberhaupt gewann die 
Preſſe eine feither ungefannte Bedeutung ; felbft die Regierung erſchien nothgebruns 
en auf dem Kampfplage und erkannte öffentliche einung al8 eine ebenbürtige 
acht. — Der Zeitpunkt neuer Wahlen rüdte heran und eine ungewohnte Thät- 
igfeit burchbrang das ganze Land. Bon der Preffe unterflübt, entfaltete 10 
die lange verfchloffene Blüthe der Berfaffung überall flanden Männer auf, bie 
durch lebendiges Wort den conflitutionellen Geiſt des Volkes wach riefen umb 
aufmunterten. In den meiften Städten bildeten fi) Wahlausfchläffe, die mit 
dem Gentralvereine in Stuttgart communicirten und das natirlichte Recht des 
Volkes, das Affociationsrecht, wurde unbefümmert ausgeübt. Indem man von 
oben herab Vertrauen bewies und Fein —— der den Entwidelung tn den 
Weg legte, zeigte fich recht, wie politifcy gereift der Stun des Volkes war, wie 
ſicher e8 die Herrfchaft über fich felbft führte und mit weldyer Befonnenheit und 
Maͤßigung es feine Rechte übte, ohne daß eine Uebung berfelben vorher en 
wäre. — AS Zolge diefer Schwingungen in der Politik wurde auch ve Sıahi 
litäͤt der Minifterpoften gebrochen und es wechfelte hauptſächlich das 
ded Innern mehre Male feine Sr bie endlih Schlayer (f. vd.) 1832 pas 
Portefeuille übernahm. Am 15. Januar 1833 wurde die Ständeverfammi 
durch einen koͤniglichen Commiſſaͤr eröffnet. Die Mipeften am Perltifhen Hand 
hatten ſich geändert: die polntiche Revolution war beflegt, die frangöftfche Pro: 
paganda halte durch den Friedensſinn Ludwig heine ren gejäbet en Stachel 
verloren, Belgien war durch ein conftitutionelles Königthum legitimirt worben 
und in Deutichland Hatte der Frankfurter Bundestaß eine Behläffe vom 28. 
Juni gelprden. Schlag auf Schlag folgten nun die Verbote gegen die kungen 
Schößlinge der bald beireiten Ile, 8 eeniitunmie Sestichlanh“, bie 
„beutfhe Tribüne", die „Zertiroingn! , Se reale aan altıaal 


\ 


* Württemberg. 939 


n die „Nedar Zeitung”, „Rottecks Annalen”, der „Rreifinnige“, wurden in Süddeutſch⸗ 
® [and dem Untergange geweiht und die badifche Breßfreiheit ftarb als neugeborenes 
"= Kind. Gbenfo wurden Bereine zur Befprechung landſtändiſcher Angelegenheiten 
* unterfagt. — Alles dies gefchah theild vor, theils zugleich mit Einberufung der 
Stande. Man kann id nun leicht die Stimmung eine® großen Theils der 
: Kammer daraus abnehmen, weldyer, gewählt, die ganze Wahrheit der perfafn 
Nherzuſtellen, ven Sieg von Neuem ale awehfelbaft und unſicher erkannte. o 
ſchreckte die Ungewißheit nicht: ein tüchtiger Kampf rieb die Kräfte aneinander 
- und wie kurz as die Sefflon dieſes Landtags war, in den SJahrbüchern ber 
conſtitutionellen Leidendgefchichte Deutſchlands wird fie ein denkwuͤrdiges Kapitel 
bleiben. Die erfte —* Debatte entſpann ſich bei Prüfung der Vollmachten. 
Das Minifterium beftritt den Oppofltionsmännern Rödinger, Tafel, Wags 
ner und Kübel die verfaffungsmäßige Fähigkeit zu Abgeordneten, weil biefelben 
vor längerer Zelt ald Studenten wegen demagogiicher Umtriebe in Unterfuchung 
gefommmen und zur Feſtungsſtrafe verurtbeilt worden waren. (Doch hatte der 
dnig diefelben fpäter reftitutrt, man hatte fie unter die öffentlichen Rechtsan⸗ 
wälte aufgenommen und, ohne daß von Seiten der Regierung Einfprache geſchah, 
zu Deputirten gewählt) Blieben fie, fo war die Oppoſttion one Zineife auch 
numeriſch im Uebergewichte; wurden fie entfernt, fo gewann bie Regierung für 
den ange und die Vertheidigung. Mit 47 Stimmen gegen 37 wurde die 
Ausichließung durchgefegt. Nun eigten die eigentlichen Schladhttage. Es galt 
die Entſcheidung „ob das conſtitutionelle Leben, rein ausgedruͤckt im Prinzipe der 
Berfaffung, au im iiglichen Gebraudye und in unangetafteter Geltung ferner- 
bin den württembergifchen Staat in allen Richtun en burdhbringen gu Bom 
allgemeinften deutſchen —A war Pfizer's Motion über die Bundes be⸗ 
ſchlüſſe vom 28, Juni 1832; fie wich ganz ab von ber gersöhntichen Kammer: 
routine und 108 einen Oegenfand der Äußern Politik, der bisher in unnahbarcr 
Einſamkeit mit ngflicher cheu von jeder Debatte fern gehalten worden war, in bie 
öffentliche allgemeine Prüfung. Ein Geheimrathörefeript vom 28. Februar vers 
fündete der Kammer die Erwartung, „ed werde biefelbe Pfizer's Antrag, weldher 
von unwürbigen Doraus[esun en gegen die Reglerung und den Bund aus— 
gehe, ja, um die Unverträglichfeit der neueften Bunbeögelebaebung 
mit der württenbergiſchen Verfaffung darzuthun, die Vermeſſenheit 
bis zu der Annahme treibe, als könne der —* Wuͤrttemberg's auf dem 
Wege vermeintlicher Fortfchritte und Verbeſſerung ver Sandeöverfafung in den 
Tal kommen, ſich der gefebgebenden Gewalt zu Gunften ver Stände zu entäußern, 
mit unverbientem Unwillen verwerfen.” In der Sitzung vom 1. März protes 
ftirte Pfizer gegen den Berfuch der Regierung, dieſen Gegenftand von der Tageds 
ordnung zu Breichen u. ſtellte das Weitere der Ehre u. dem Gewiſſen der Kam⸗ 
mer anheim. Das geheimrätälicyhe Refeript wurde nach der Ge —— 
der ſtaatsrechtlichen Commiſſion zugewicſen, welche Uhl and zum Verichterſtatter 
wahlte. Uhland entwarf eine energiſche Adreſſe im Sinne ver Pftizer'ſchen Mo; 
tion und brachte fie zur öffentlichen Berathung. Alle Anftrengungen der miniftes 
riellen Partei, die Adreſſe zu befeitigen, oder zu milvern, fcheiterten; fle ging mit 
einer Majorität von 53 Stimmen durdy. Auf biefelbe bin wurde die Stände- 
verfammlung am 22. März 1833 aufgelöft. Die Regierung bat diefen Sanhtag 
den „nergeblichen“ genannt, Allein er war ed nicht, wenn man fein Tanne 
Refultat in Acht nimmt. Zum erfien Male zeigte die Berfammlung eine con 
tionelle Selbſtſtaͤndigkeit, die auf Recht und nicht auf Gnade rubt und, was zu 
fordern iſt, als Goncefflon verfchmähte. Sie dauerte entfchloffen und energifch 
aus, ließ fi) weder durch Drohungen einfyüchtern, noch durch patriarchaliſches 
Wohlwollen beftehen und bat den Ber ug ewagt, zu zeigen, wie weit 
es in Deutſchland moͤglich ſei, der Karte —* und Recht zu verſchaffen. 
Das Volk ſelbſt ſpraq und die Wiederwahl der Oppofition fein Urtheil, ob- 
gleich die Regierung keine Anftrengung unterließ, die miniftertellen Eonttasteı 


— 


940 Württemberg. 


durchzuſetzen. Der heftigfte Wahlkampf fand in der Haupiſtadt felhft Statt, wo 
Uhland und der Präfldent des Obertribunals, Bolley, auf der Lifte landen. 
In das Gewiſſen der Wähler vrüdte hier das befonvere Gewicht des Hofes, ber 
bie Erwerböquelle eines großen Theil der Bürger war und deſſen Gntfernung 
in Ausfiht fand. Beide Candidaten befamen die gleiche Stimmenzahl und «& 
hätte Uhland, al® jüngerer, dem minifteriellen Deputirten weichen müflenz doch 
ergab fi, daß für diefen ein zweideutiges Stimmrecht ausgeübt worden war 
und fo trat Bolley zurüd. Die Re ierung verweigerte Uhland den Urlaub; er 
legte jeine ‚Brofeffur in Tübingen nieder, das Gleiche tbaten Pfitzer und Römer, 
die feither im Staatövienfte gewefen waren. Am 20. Mat 1833 trat die neue 
Etändeverfammlung zufammen. Der Oppofition ftellte ſich die minifterielle Partei 
ale compalte Muffe entgegen u. erfüllte durch Fluges Laviren an den Klippen den 
Wunſch der Regierung, die Debatten gumeiß auf Beratfung des Budgets zu 
beſchraͤnken und die Anſinnen der Miniſter für ihre Departements, ungeachtet 
des Widerfpruches der zu großen Ausgaben für die Minifterien des Kriege und 
des Auswärtigen, mit ſchwacher Mojorität durchzufegen. Die Wendung in ver 
Seitgefehichte reizte nimmer zum Liberalldmus und politifchen Märtyrerthum und 
wer bisher ſchwankend zwiſcheninne fland, neigte fih auf die Seite, wo die Ge⸗ 
jehr gar nicht, der Echug gewifler und ber Öeminn für fein Leben größer war. 
reu um ihre Fahne fland die Oppoſition. Blieb auch Römer’6 Antrag auf 
eine Habeadcorpusakte und Schott's Motion für bie —— faktiſch one 
Erfolg, fo waren fie doch bedeutfam ald Rechtsverwahrungen und Proteflation 
des conflitutionellen Geiſtes. Im folgenden Jahre verfammelte fih der vertagte 
Landtag und befchloß feine Sitzungen, deren Charakter ſich mebt und mehr vers 
flachte und zu jener trofllofen Reflgnation hinüberleiteie, die wenige Jahre 
darauf die Gemůther ergriff. Die zweite Seffion der fechsjährigen Wählperiode 
fand 1836 Statt und bef äftigte no zumeift mit den Geſetzen der Ablöfung 
von Frohnen und der Entſchädigung für die aufgehobenen Ieibeigen ha ftlichen 
Leitungen. Bet diefer Veranlafjung wurde gegen das bürgerlidhe Minifterium 
Schlayer (mit wie viel Grund, wollen wir nicht behaupten) von Seiten ber 
Adelspartei der Borwurf erhoben: es habe dadurch weniger die Belafleten er⸗ 
leichtern, als den Adel, der flets in Oppoſition gegen den berüchtigten Bureau⸗ 
fraten fand, feine Macht fühlen lafien wollen. — &in aufferordentlicher Landtag 
verfammelte die Stände im Jahre 1838, dem Schlußftein ihres parlamentarifchen 
Lebens. Nicht wie ein Held auf dem Echlachifelve farben fie, fte fiedhten hin 
am Krantenbett einer peinlichen Geſetzgebung. Der württembergifche Strafcoder 
hat durch den famofen Artikel 378 einen traurigen Ruf erlangt. Dafielbe Geſeh, 
welches im Zuftande der Nothwehr erlaubt, den Dieb zu töbten, der in mein 
Eigenthum einbricht: daſſelbe Geſetz garantirt dem unvernünftigen Thiere, das 
meine Saaten verwüftet, fein Leben. Es bedarf zur Charafteriftif feines andern 
Beweiſes; auch hat die öffentlihe Meinung nady mehrjährigem Beſtanddes Coder 
ein unantaftbares Urtheil gefprochen. Der Abfchredungstheorte ift entſchieden darin 
gehulbigt. Der damalige Chef des Zuftizminifteriums, Priefer, japrelen ed 
itglied der Bundedcommiffion für politiſche Unterfuchungen, ſaß im biefen 
wichtigen Discuffionen als Commiſſaͤr auf der Regierungsbanf und führte, wie 
die Protokolle der Kammer ermielen, die eindringlichfte Bertheidigung des (Ent 
wurfes. Mit dem aufferorbenti m Landtage endete die fechsjährige Wahl 
eriode und ed wurden neue Wahlen nöthig. Das Unglüd in Hannover war 
ndeß gefchehen und ver deutfche Bund hatte durdy feine Incompetenz den Bers 
faſſungsbruch fanctionirt. Glauben und Bertrauen lagen zerflört; Erſchlaffung 
und Indolenz beflelen die Gemüther und jene Trägheit, die immer ber vergeb⸗ 
lichen Arbeit nachfolgt, alles Intereſſe abftumpft und felbft vie Hoffnung verliert, 
griff mit erſtaunlicher Anftedungsfraft nach allen Eeiten um fi. Die Regiers 
ung, fchonend in den Kormen, für die marerike Wouiir heisrat, that Richte, 
den Schlummer zu unterbrechen. Da gab, wir Morten urn en gun 


Württemberg. 941 


hen Rechtszuftand, die Oppofition ihren Gommittenten eine Erklärung dahin 
aß fie, in Betradyt aller Bergeblichkeit, die verfaffungsmäßigen Rechte der 
temberger in ihrer Wahrheit herzuftellen, von der parlamentarifchen Bühne 
e und auf jeve Wiederwahl verzichte. Der geringe Eindrud, welchen dieſe 
rung hervorbrachte, offenbarte erfl die, durch Ertöbtung alles öffentlichen 
8 im Bolfe verbreitete Theilnahmloſigkeit. Die Friſt für die neuen Wahlen 
hıra gewefen, die Eröffnung des Landtags fand nahe bevor und bie befte 
gung im Volke war durch jenen Vorfall fo plöglich in Stillſtand gerathen, 
8 an Zeit und noch mehr an Gelegenheit und Whficht gebrach, der Re- 
2 eine andere Proteflation, als den ſcheuen Gedanken, entgegenzufegen. Die 
(the Meinung war verfiimmt. Unter folchen Berhältniffen, ohne jedes 
gewicht, bei dem Mangel einer beflimmten Lofung und Yahne, mußten bie 
vertreter gewählt werben. Nahe an zwei Dritttheile Staatöbiener gingen 
ven Wahlurnen hervor. Das Volk dachte damals viel zu wenig über fi 
und feine Beſtimmung nach, als daß der rechte Schwerpunft ded Staates 
Im klaren Bewußtfeyn vorfinden fonnte. — Die neue Kammer trat im 
ar 1839 zuſammen und, terefleloe, wie fie gewählt worben, blieben 
Berhandlungen. Ein neues Polizeiſtrafgeſetzbuch und die Verabſchiedung des 
et's mochten die wichtigften Arbeiten diefer Seflton feyn. Weniger * 
e hatte das Land noch niemals feiner Repräfentation geſchenkt; das öffentliche 
war in eine Berfumpfung übergegangen, ein leiviger Optimismus griff um 
‚er nach Auſſen gern vom Renommoͤe ber alten Sreifinnigfelt Rutzen zog u. nach 
1 reagirte. Der Schluß der Kammern fand am 9. Juli Statt, nachdem 
9, Juni, bei der Vermählung der Prinzefiin Sophie mit dem Erbpringen 
elm von Holland, eine allgemeine Amneſtie aller feit 1830 vorgefommenen 
ſchen Vergehen ertheilt worden war. Am 19. März 1840 vermählte der 
} feine ältere Tochter, Marla, dem Grafen Alfred von Neipperg. Am 
September 1841 feierte der König fein 25jähriges Regierungsjubiläum. Die 
f am 23. Oftober eröffnete Ständeverfammlung, wobei der König den voll⸗ 
| geworbenen Kronprinzen in die erſte Kammer einführte, nachdem berfelbe 
den Eid auf die Verfaffung abgelegt hatte, befchäftigte ſich hauptſächlich 
einer Reform des Progeßverfahrene, ohne aber dem, von ben früheren 
nern ſchon oftmald audgefprochenen, Berlangen nad Deffentlichkeit 
Münndlichkeit Folge zu geben. Vielmehr ward in den Kammerverhand- 
n bierüber von dem bei weitem größten Theile der Wolkövertreter das alte 
m in Schub genommen, Der Abgeordnete (Oberconſtſtorialrath) Knapp 
noch in diefem Landtage eine Motion, die Regierung zu erfuchen, beim 
edtage auf Wieverherftelung des Rechtszuſtandes in Hannover einzufchreiten, 
e durch Erhebung der fämmtlicyen Abgeorpneten von ihren Sigen ange: 
ven wurde. Am 20. Dezember 1841 wurde der Landtag bie zum 1. Febr. 
vertagt, begann wieder mit vergeblichen Reclamationen wegen der ſchwer ans 
fenen Rechte der Katholiken u. ſchloß mit erneuerten Verhandlungen über die Res 
der Strafprozeßorbnung, worüber man ebenfalls zu feinem Refultate am. Auf 
Landtage von 1843 waren die widhtigften Debatten über die Eifenbahns 
e, wobel der Antrag der Commiſſion auf den Bau einer württembergifchen 
bahn auf Staatskoſten durchging. Man befhloß nämlich, von Stuttgart 
Ludwigsburg gegen bie babif e Graͤnze und Bruchſal hin (welcher 
burch den Widerſtand der badifchen Stände, befonder6 auf dem Landtage 
noch nicht ganz zur Ausführung gefommen iſt) u. dann über Kannflabt u. 
gen nad Ulm, wo wiederum Bayern den Anfchluß verweigert und nad 
lingen zu gebaut zu haben wäünfcht, und von da nach Friedrichshafen am 
nfee zu bauen; von beiden Streden tft die nörbliche bi6 Heilbronn, bie [ib- 
bis Geislingen und ein Stück vom Bodenſee abwärts fertig. Aufl 

der Landtag bie erneuten Verhandlungen über bie Eiraforogeforbnung 
r auf, die aber auch dieſes Mal wieder gu keinem genügennen Rafultase 


En > 


942 Bürttemberg. 


[ehrten, In den Iegtverflofienen Jahren haben befonders die religiöfen Berhältnifie 
s die allgemeine Aufmerkfamfelt auf fi gezogen. Nicht nur, daß an ver- 
ſchiedenen Orten fidy religtöfe Sekten — machten, ſo hielten auch die ſoge⸗ 
nannten a a hir en (ſ. d.) im Herbfte 1845 eine großartige Komöbie zu 
Stuttgart, während die Katholifen abermald vergeblich durch ihren Biſchof ihre 
verletzten Rechte reclamirten. Webrigens bat ſich auch in der legten Kammer: 
fitung, die am 6. Auguft 1845 nefchlo en wurde, ein regered Leben geäuflert, ale 
früher. Hauptfächlicy beſchäftigte man ſich mit der Frage um freie Preffe u. die 
thatfächliche Demonftration, weldye die Abgeorbneten gegen die Cenſur durch Ver⸗ 
weigerung der Genfurfoften gaben, erregte eben fo großes Auffehen, wie ihre 
leichzeitige Dermerfung der geheimen Fonds, ihre Verhandlungen über bie 
iener Gonferenzbefchlüffe und über die ſchleswig⸗ helkeintfchen Angelegenheiten, 
wo die Stände fo der deutſchen Sache lebhaft annahmen. Das hervorragende 
Ereigniß des Jahres 1846, wegen feiner möglichen Zolgen, war für W. die, den 
13. Full Statt gehabte, Vermählung des SKronprinzen Karl Friedrich Alexander 
mit der Srosfürkin Dar Tochter des Kaiſers Nikolaus L von Rußland und 
der Einzug des neuen Ehepaares In Stutigart den 21. September. — Ein auſſer⸗ 
ordentlicher Landtag trat den 5. Januar 1847 zuſammen. Gleich Anfangs 
wurbe der Abgeordnetenkammer der Antrag einkimmig angenommen, die 
Staatsregierung zu bitten, eine beruhigende Erklärung über die Angelegenheiten 
der Preſſe noch auf gegenmärtigem Landtage Ir Fa zu wollen, indem bie 
Kammer die Verfaßungsmäßigkeit der Eenfur nicht anzuerfennen vermöge und 
indem fle fidy der Hoffnung hingeben zu dürfen glaube, daß endlich ihren wieder⸗ 
holten Geſuchen um Aufhebung jener Einrichtung entfprochen werde. Unmittelbar 
darauf erfolgte die Antwort des Minifterd in Betreff der in der Ständeverfammlung 
von 1845 im Budget geftrichenen Genfurkoften, in der es hieß: „Man könne der be 
jatofenen Verweigerung der Koſten für die Cenſur feine Folge geben. Schließlich geb 
ndeß doch der König auf die Betition um Preßfreiheit die Erklärung ab: „daß 
die Regierung nicht dermögen fei, eine Abänderung der Preögeiche ung vorzu⸗ 
nehmen; daß aber über die Schritte, eine folche durch die Bundesgefehgebung 
herbeizuführen, der nächften Ständeverfammlung die nöthigen Mittheilungen pr 
macht werben follten.“ “Drei andere, von der zweiten Kammer mit Einftimmigfeit 
angenommene Anträge gingen dahin, daß bie Regierung vor dem nädhften Land: 
tage erwägen möge: 41) wie die allgemeine Ab fung aller beſtehenden Grund: 
Iaften zu bewerfftelligen; 2) ob ber Verkauf von wenig einbringenden und ent- 
behrlichen Domainen vorzunehmen ſei und 3) ob der allgemeinen Klage über 
Wildſchaden durch Ablöſung der Jagdrechte, oder durch ein Wildfchadengefeh 
begegnet werben folle? Doc, die erfle Kammer verwarf, als unnöthig, den erfim 
der Anträge. annigfache Debatten veranlaßte auch die Yortführung der 
Staatselfendbahn. In der zweiten Kammer fprady ſich die Majorität für fofort: 
iges Ausgeben von Papiergeld, die Minorität aber dagegen aus; es Fam fogar 
ein Antrag auf jofertige Einftellung des Gijenbabnbaure, der jedoch durchfiel — 
Ebenſo wurde die Frage: ob auf dem gegenwärtigen Landtage die Ereirung von 
Papiergeld befchloffen werden folle, mit 48 gegen 40 Stimmen abgelehnt. Da 
egen bewilligte die zweite Kammer dem Minifterium 2,550,000 fl., wenn bie 
—**— des Landes fle erforderte. Auch ein Antrag über öffentliches und münd⸗ 
liches Gerichtöverfahren fand in der zweiten Kammer einftimmige Annahme. — 
Der Landtag ſchloß am 24. Februar. Die mehr und mehr fidy ſieigernden Preiſe 
der nothwendigften Nahrungsmittel veranlaßten im Laufe ded Jahres 1847 In 
Etutigart, Ulm und anderwärtd Unruhen, denen durch militäriiche Gewalt Ein: 
alt geiban werben mußte. — Die Sdaihte vom Jahre 1848 an müflen wir 
die Supplemente aufbehalten. — Als Duellen vergl. Sattler, „Allgemeine 
Geſchichte von W. unter der Reglerung der Grafen” (5 Bde., Ulm 1764—68, 
4.) und beffen „Neuere weh te BON WE, umer ver Meglerung der Herzöge" 
(13 Be, 1769 — 84, A.); Sptttler, „Ente ER unter ur Yngerusn 


Bürzburg. | 943 


der Grafen und Herzöge” (Böttingen 1783); Pfiſter, „PBrapmatiiche Geſchichte 
von Schwaben“ (5 ve gen 1803 — 27); ar , „Belchichte des en 
baufes und Landes W.“ (Leipzig 1819, 2. Aufl., de., Stuttg. 1835 — 39 
und Pahl, „Geſchichte W.s“ (Gtuttgart 1830) ; Stälin, „Geſchichte W.s“ (Bo. 
1— 3, Stuttgart 1841 und ſoz; Cleß, „Verſuch einer kirchlich = politifchen 
Zanded- u. Culturgeſchichte von DB." (3 Bor, Stuttg. 1806-8); Memminger, 
„Belchreibung von W.« (ebd. 1841). 

Würzburg, das ehemalige veichefee paar und Fuͤrſtbisthum, hatte zur 
Zeit feiner Auflöfung im Jahre 1803 ein Klächeninhalt von 90 [ J Meilen und 
260,000 Einwohner. Die Erträgniffe wurden auf 500,000 Gulden geſchätzt. — 
Den erfien Samen des Chriſtenthums in den Maingauen hatte Kilian der Hel- 
lige (f. d.) gegen Ende des 7. Jahrhunderts geftreut. Gine bleibende Stätte aber 
fand die neue Lehre erſt, als der heilige Bonifazlus im Jahre 741 feinen Ge⸗ 
bilfen Burkhard ale erſten Biſchof von W. einſetzte. Die fränkifchen Könige u. 
fpäter die Kaiſer Deutſchlands bedachten die W.er Kirche reichlich mit Schenk: 
allmählich das ſelbſtſtaͤndige und umfangreiche Fürften- 


ungen, und fo bildete 
enheiten fanden die Bifchöfe unter dem Erz⸗ 


thum 8. In gerRlichen Megeß 
biſchofe von Mainz. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts verlieh Kaiſer Lothar 
den Biſchoͤfen von W. den Titel eines Herzogs von Franken, welchen ſich, 
nachdem er eine Zeitlang auſſer Uebung gekommen, ver Biſchof Gottfried IV. 
von Limpurg 1445 neuerdings zulegte. Brühaeitig {don finden wir die Erb⸗ 
ämterr am W.er Hofe von den anfehnlichften Adelsgeſchlechtern Frankens be- 
kleidet. In der langen Reihe der Biſchöfe (82) ſtellen ſich natürlich höchſt ver- 
fchiedene Eharaftere dar, und waren einige derfelben firenge, ja mitunter harte 
Herren und Gebieter, fo zeichneten fidh andere wieder ale Achte Bäter des Bater- 
landes aus. Julius von Mespelbrunn, Johann Gottfried von Guttenberg, Adam 

iedrich von Seinsheim, die Schönborn, Franz Ludwig von Erthal find noch 
eute gefeierte Namen. Mehre der Fürſten W.s nahmen ein tragifches Ende, 
fo St. Arno, welcher von den feindlichen Slaven während der Meſſe getötet 
wurde, Bruno, den der einflürgende Saal des Schlofſes Derfenbeug an der Dos 
nau erſchlug (1045), Konrad von Rabensberg, weldyer 1202, aus ber Domkirche 
peimtchrend, ermordet wurde, weil er einen feiner Bettern wegen sügeliofen Le⸗ 

ns hatte enthaupten laſſen, Melchior Zobel von Guttenberg endlich, ven fein 
Bafall, der Ritter Wilhelm von Grumbach (' d.) burch gebungene Meuchel- 
mörber erfchießen ließ (1558). Während des 3Ojährigen Krieges empfing 1633 
der in Bernhard von Weimar die — W. und Bamberg als Her⸗ 





zogthum Franken von Schweden zu Lehen; aber ſchon 1635 kehrte das Regiment 
der Biſchoͤfe zurüd. Durdy den Reich& » Deputationd » Hauptfhluß von 1803 
wurde dad Hochftift W. mit Ausnahme von ungefähr 15 [J Meilen an Bayern 
zur Entſchädigung überlafin. Der legte Fürſtbiſchof aus dem freiherrlichen 
paufe Fechenbach erhielt für den Beruf von W. eine jährliche Benflon von 
‚000 fl. und übervied 30,000 fl. als Coadjutor des Fürfibifchofs von Bam⸗ 
berg. Der Frieden von Preßburg 1805 theilte W. dem ehemaligen Großherzoge 
von Toskana zu, und 1814 kam es durch — des Wiener Kongreſſes wie⸗ 
der an Bayern. — G. 30 : Hiſtor. ſtatiſt. Beſchreibung des —2 
W., Hildburgh. 18025 F. Clarmann: Geſchichte des Stiftes W., Rürnberg 
1803; €. ©. Scharold: Beiträge zur Altern und neuern Chronik von W., 
Bamb. 181819. mD. 
burg — ehemals die Hauptflabt des Fürſtbisthums gleigen Namens, 
jetzt die Haupiſtadt des bayriſchen Re gebe rkes Unterfranfen und der Sitz 
eines Biſchofs, der Kreisregierung, eines Kreis⸗ und Gtabigerichtes, der beiden 
Landgerichte Würzburg Ink und rechts dem Main, eines Pol», Hall⸗, Salz 
amted, zweier Rentämter und verfchiedener anderer Stellen und Behörben, einer 
Univerfität, des zweiten Airmeckorpöfommanbo’d und einer zahlreichen Barnifon 





944 Würzburg. 
— Tg! in einem angenehmen , fruchtbaren, von Weinbergen umkränzten Thale, 
am Ginfluffe der Pleichach in den Main, welcher die Stadt in zwei ungleiche 
Hälften heilt. Die Verbindung zwifchen beiden ftellt eine 603 Fuß lange fe 
nerne Bogenbrüde her, auf deren Balluftraden Folofiale Bilpfäulen von Gegen 
fiehen. Den günftigften Standpunkt zu einer Totalanfidht W.s gewährt ver ſei⸗ 
nes Töllichen Weines wegen berühmte Steinberg. Das hier vor das Auge tre 
tende Bild umfaßt die ganze herrliche Landfchaft, die Stadt mit ihren zahlreichen 
Thürmen und Gebäuden und die hochragende Veſte Marienberg. W. iſt eben 
nicht eine fhöne Stadt im modernen Sinne, wohl aber eine prächtige, durch 
ihren altehrwürbigen Dom, ihre reich geſchmückten Kirchen, vie palaftähnlichen 
Gebäude ihrer Klöfter und tete ftungen unverfennbar das Gepräge 
einer Reſidenzſtadt des Katholizismus tragend. Bon breiten, gefütterten Gräben 
und hohen Wällen umgeben und mit ſechs verfchließbaren Hauptthoren verſehen, 
zeigt es mit den baftiontrten Fronten des am linfen Uler liegenden Mainviertels 
und der flarfen, die ganze Umgegend beherrfchenden Gitabelle zugleich auch den 
Gharakfter einer Feſtung. Eingelheilt iſt es in fünf Diftrikte und vier Vorfiädte 
Die Deoölferung beläuft fih auf 27,500 Seelen, welche, aufſer 1000 Proteftan- 
ten unter einer luther. Pfarrei und 230 Juden unter einem Diſtriktsrabbinate, 
der Fatholifchen Kirche in 5 Pfarreien und einem Defanate angehören. Das 
Innere der Stadt beiretend, finden wir dort nur wenige breite und regelmäßige 
Straßen. Den Borzug vor allen behauptet die von Maindrüde aufwärts 
zur Kathedrale fih erftredende, jehr beliebte Domftraße. Bon den Plägen find 
zu erwähnen: der fehöne Hofs oder Refidenzplas, der Domplap, der Jau- 
fertömarft am Rathbaufe, endlich der fogenannte Grüne Markt, ein etwa 
00 Schritte großer vierediger Raum, ziemlich im Mittelpunfte der Stabt ges 
legen. Ihn ziert ein Springbrunnen mit einem hohen Obellöf und Steinbilvern 
nad) Zeichnungen des berühmten ‚Brofeffore Wagner in Rom, eines gebornen 
Würzburgers. — Unter den Kirchen nimmt den erften Rang ein ver Dom zu 
St. Kilian, ein großartiges Gebäude in Kreuzform, byzantinifchen Styles und 
von vier flattlichen Thürmen umftellt, Er enthält viele Alterthümer, Kunſtwerke, 
Epitaphien, Gemälde und Altäre, und früher war er audy die Vorrathsfammer 
ungemein reicher Kirchenſchaͤtze. Das bifchöfliche ——— befindet ſich darin, 
und im vorigen Jahrhunderte warb noch eine herrliche Begräbnißfapelle von 
ſchwarzem Marmor dur den Bifchof Grafen von Schönborn daran gebaut. 
Das grandiofe Mittelichiff des Tempels wird zu beiden Seiten von 11 ft eilern 
getragen und bat eine treffliche Erhellung. Unweit vom Dome erhebt fidh das 
eumünfter zu St. Salvator mit einer großen Kuppel und einem byzantin 
tfchen Thurme, ehrwürbig als die Wiege des erften chriftlichen Glaubens» und 
Biſchofsſitzes in Kranken. In feinen Mauern ruhen die Gebeine des Heidenbe⸗ 
kehrers St. Kilian (f. d.), weldyer auf diefer Stätte den Märtyrertod erlitt. 
Die ehemalige Stiftö-, jept Pfarrkirche zum heil. Johannes im Hang 
macht fich durch ihr Thurmpaar und ihre hohe Kuppel In neurömtifcher Bauart 
bemerkbar. Die Liebfrauenfapelle auf dem Grünen Markte gehört unter 
bie fehenswertheften Denkmale altveutfcher Baukunſt. Die Univerftitätstirde 
it wegen ihres hohen, prächtigen Thurmes, der als Sternwarte benügt wir, 
eine Zierde der Stadt. Die A farr the St. Burkhard gehört ihrer erſten, 
vom heiligen Burkhard herrührenden Entftehung nach dem 8. Jahrhunderte an 
und bat noch manches Alterthümliche. Noch iſt zu erwähnen die Wallfahrtskirche 
Käppele auf dem der Feftung be enüber liegenden Nifolausberge, wo eine rei- 
zende Ausſicht ſich darbietet. D (don W. feit der Säfularifation 7 Kirchen ver- 
loren bat, zählt e8 deren im Ganzen doch noch 20, darunter eine proteflantifche. 
— Als der prä! fie Juwel im Baufchmude der Stadt prangt die Reſidenz 
einer ber fchönften Baläfte Europa's, nach dem Mufter des Schloffes von Ber 
alles von dem Architekten Neumann unter ven TÜRKEN Johann Philipp 
anz und Friedrich Karl von Schönborn In ven Schrn KID-TIAA ua. 


Bürzburg. 945 

Die Façade bat eine Länge von 571 ’, während jede der zwei Nebenfeiten 316, 
mißt, Beſonders herrlich find die auf hohen Marmorfäulen ruhenden, mit Sta⸗ 
tuen, Dedens und WBandgemälden verzierten Treppenhallen, der Kaiferfaal u. bie 
Bis Das ganze Gebäude hat 254 Zimmer, fünf große und zwei Eleine 

öfe. Unter ihm befinden fi) die ehemaligen biichöflichen Keller, Labyri 
von Gewölben, weldye mehr als 2000 Fuder Wein aufnehmen können. An d 
Mefidenz ſchließt fidh der etwa 40 Morgen große Hofgarten an. Ein Awelter 
Prachtbau if das Zuliusfpital, ein proßee, palaflähnliches Viereck bildend, 
deſſen zwei paurifägel je 300 Schritte lang find. In der Mitte des Hofraumes 
prangen zwei Yontänen, nach der ganzen Länge des Gebäudes aber erftredt fidh 
ber botaniſche Barten mit berrlichen Treibhäufern, den fchönften und feltenften 
Gewäaͤchſen in reicher Anzahl. Das Rathhaus iſt wegen feines Alters und 
unveränderten Fortbeſtandes durch eine Reihe von Jahrhunderten interefiant, 
und bat einen hoben, vom Yeuerwächter bewohnten Thurm, der „Grafen⸗Eckard 
geheiben. Zu den fdhöneren Bauten gehört auch das Theater, wozu Gärtner in 

ünchen den Plan entworfen bat. — Bierhundert Zuß erhebt ſich die felfige 
Höhe über die Stadt, worauf der Marienberg ober Frauenberg ruht, bie ches 
malige Hofburg der Bifchöfe und jehige Citadelle, I — Baſtionen u. einen 
Mantel von ftarten Auſſenwerken um fi bat. Die Schlucht gegen den Hoch⸗ 
berg fchüßt der renomirte Maſſiculithurm. Die in runder Form erbaute Schloß» 
erde ol vordem ein Dianentempel geweſen ſeyn, ven der heil. Bonifaz in eine 
der Jungfrau Maria geweihte Kapelle umwandelte. Die Burg, welche von 
Sabrhundert zu Jahrhundert größere Ausdehnung und ſtaͤrkere Befefligungen er- 
bielt, diente einft den Bifchöfen zur Seohmung und war ihnen in den Bürgers 
und Bauernfriegen ein fichered Aſyl. Zu ihren Merkwürdigkeiten za man das 
große Zeughaus und die unter demfelben in Felfen gehauenen feller, die 
ebemaligen Fürftenzimmer,, die uralte Hochwarte, den 388 ' tiefen Ziehbrunnen 
und zwei Springwafler, die durdy ein Triebwerk aus dem Main herauf geleitet 
werden. Der fleile Abhang des Feſtungsberges heißt „die Leiſte“, ein wohlkling- 
ender Rame im Obre des Weintrinkers. — Zahlreih und großartig find die 
Anftalten für Wiffenfchaft und Unterricht zu W. An ihrer Spike fleht bie 
Zullus:Marimtilians-Untiverfität, gefiftet im 3. 1575 von dem Fürfl- 
bifchofe Jul ius Echter von Mespelbrunn (f. d.). Sie zählt 5—600 Stu⸗ 
denten und befitt eine von dem Bifchofe ana von Greifenklau gegründete u. 
ſeither bis auf 100,000 Bände vermehrte Bibliothek, ein Naturalienkabinet , eine 
phyſikaliſche und eine botantiche Sammlung, ein anatomifches Kabinet, bie itefl 
lichen Kliniken im Juliusſpitale, eine Thierarmeifchule ꝛc. Weiter findet man 
W. ein Klerikal⸗ und ein Schullehrerfeminar, ein Gymnafium, eine Iateinifche 
Schule, eine polytechnifche Schule, ein Taubſtummeninſtitut, eine chirurgifche 
Schule, eine Hebammenſchule, ein weibliches Erziehungsinſtitut. Gelehrte Ges 
ſellſchaften: Die philoſophiſch⸗mediziniſche Geſellſchaft zur Beförderung der Künfte 
und Gewerbe, der biflorifche Verein für Unterfranten. Die edle Tonfunf fürs 
dert das mufikaliſche Inftitut, und die bildende Kunſt hat einen Anhaltspunkt an 
der außgezeichneten Hutten’fchen Gemälpefammlung (von dem Kardinale v. Huts 
ten herſfammend). Intereſſant iR audy das fogenannte Moſaikkabinet, begründet 
von dem Minoriten und Profeſſor Bonaventura Blank; es it Eigenthum der 
Univerfität und enthält mehre Hundert aus Federn, Haaren, Flachs, Moos, 
Rinde, Samenkörnern und buntem Staube zufammengefepte Landfchaftsbilder und 
andere Stüde. — Wenige Städte des deutſchen Buterlandes mögen wohl fo 
viele und fo vortrefflihe Anſtalten zur Linderung der Leiden der Menichheit aufs 
zuweiſen haben, als W. Die Krone aller dieſer Inftitute iſt das bereits mehr, 
erwähnte Zultusfpital, gegründet den 12. März 1576 von dem hochherzigen Bis 
— Julius. Es bat ein Vermögen von nahe 6 Millionen Gulden, beſtehend 
n 205 Ortfchaften, Höfen und in Franken und Baden, und verwaltet 
von 24 äußeren und inneren Hemtern und Adminiſtrationen. Die Zahl ver 

Nealencyclopadie. X. INN) 


w- —R 
Auer {über 200, De ber sepogtn Sranten 

100 Röpfe DI "Tommer. Die we 
— m, ons De Ace eins Tolen Roh 





ind ein Haus für Epileptifche, Küche und 

Ki — die h des rn mit feinen 

der‘ jätzte und irurgen, der „ des A 

Kanzlei des Aominiflr: rathes / ein — eine Mühle, ein Kelterhaut, 
* und Viehflälle u. f. w. In der Nähe des Zullı eg 
rk diefer außge: — 

Standbild’ errichten. find zu ent erfpital, Aut 

das Hof-, das Militär das Walfenhaus, das ni 


Armenbefchäfti; ‚ das Siehenhaus, das haus, mehre Wii 
te, eine Blindenanftalt, das orihop m 
BETEN DS — 


rmeltterflofter, ein 
, ein Klofter der Urfulinerinen, gugleid) Mädeh ri 
bare Boden-und das milde Klima begünftigen in der 
Obſthau, namentlich; aber ven welchet ur 


und jer in bie 
umfchliefenden Weinbergen von 7000 Morgen Ui forafältig betrieben 
en 

mi angt (j. Sranfenweine). m D 
werden die gewöhnlichen ſtädtiſchen Gewerbe Tehhaft betrieben, und Tbem 
tiget man hier Spiegel, Olauberfalz, darben, Salpeter, Stärke, Si 
farten ıc.; auch beftehen eine Zuderraffinerie, eine große Tuchmanufaktur, sie 
Tabalfabrifen, mehre Leberfabriten, eine Fabrik chiturgiſcher Inftrumente, en 
Stüd- und Glodengießerei, ein großes Hammerwerk ıc. Lebhaft ift ver Hand 
mit Wein und andern Natur» und Kunftproduften; ihm fördern eine Schramm, 
Vichmärkte, Meſſen und die erhebliche Echiff- und Dampfbootfahrt auf de 
Main. Hiezu iſt im neuerer Zeit auch noch ein Freihafen gekommen. Bar 
eine zum Beften der Induftrie find: eine Gefellfchaft zur Emporbringung de 
fräntifchen Weinbaues und Weinhandels, und eine Frauengefeltfchaft zur Une 
ftügung und Beförderung weiblicher Kunftfertigfeit und Gefchteklichfeit. — S 
ſchoͤnes Lokal zu gefelfchaftlichen Zufammenfünften der höheren Stände befigt ® 
an der Harmonte. So wie die Stadt felbft Herrliche Promenaden umfchließt, worune 
der Hofgarten am flärfften befucht wird, u. am Schiefplage, der Vogelsburg, Sur 
Iensf, dem Platz ſchen Garten u. ſ. w. angenehme Vergnügungsorte hat, fo bietet and 
der große Weingarten ringsum auf eine — von mehren Stunden die ang 
nehmften Ausflüge dar, Wir nennen hier Oberzell am Main mit feinen malertin 
Perſpeltiven, das —— den Karmeliterinen eingeräumte Kloſter Himmelt 
pforten, die ehemalige Sommerrefivenz Veits hoͤch heim, Höchberg, de 
Staͤdichen Hatpingsfeld, Randesader, durch den Föftlichen Wein berühat, 
der auf feinen hohen Bergen wächst, das Dörfchen Gernbrunn, umgeben a 
einem Obft- und Rebenwalde. — — ®. beftand ald Castellum Virteburch um 
gefsge der oſtfraͤnliſchen Herzoge urkundlich ſchon im J. 650. Nach den 
‚ode des lepten thüringifch-fräntifchen Herzogs Hettan IL. (741) fchenkte 

der Kurze die Stadt dem dortigen Bifchofe und das Jahr darauf überließ di 
Hettan’s Erbtochter, Irmina, das ihr eigentbümliche Schloß Marienberg. h 
ũch verwaltete der Krummftab dieſe fchöne Befigung, bie 1224 die Fehden mit 
den Wer Bürgern begannen. Biſchof Hermann von Ladenburg wurde von 
den Aufſtaͤndiſchen ‚grengen geſetzt, und die inneren Kämpfe wütheten mehr ode 
minder auch im 14, Jahrhunderte, Noch 1398 belagerten den ritterlichen Ger 


377m" 


Id ui: 


ug 


IY N FI 3% 


va Tr, 2— 


Wüfte — Wuͤſtemann. 947 


hard von Schwarzburg die Unterthanen In feinem Reſidenzſchloſſe. 1526 wurde 
die Stadt von den fränfifchen und Kamäblihen Bauern erobert, 1563 unter Bis 
of Friedrich von Wirsberg durch den berüchtigten Grumbach, den Mörder 

elchior's von Zobel, überfallen und ausgeplündert, Gegen Ende des 16. Jahr⸗ 
Ambcie erhielt durch den großfinnigen Julius von Mespelbrunn W. feine fchöns 

en Zierben, die Univerfität und das Juliusſpital. Aber nun kamen die ſchlim⸗ 
men Tage des ahrigen Krieges; die Schweden benächtigten fi 1631 der 
Stadt und behielten fte bis nach der Aleberioge bei Rördlingen (1635) inne. 
Auch in den franzöflfchen Kriegen unter! . den wechfelnden Launen des 
Mars. Am 24. Juli 1796 ergab ſich die Feſtung dem General Jourdan ohne 
Widerſtand, aber am 1. September kamen die Oeſterreicher unter Erzherzog 
Karl vor W. an und fchlugen zwei Tage Tpäter die Franzoſen gänzlih. Im 
Dftober 1813 wurde die Stadt von dem franzöftfhen General Turreau mit 
2000 Mann befett. Der bayrifche Marfchall Wrede ſuchte nach der für Napo- 


: Seon verlornen Leipziger Schlacht dieſen wichtigen Punkt am Main um jeden 
Preis zu nehmen, und fchon wurde die Stabt le 
:: GSturme getroffen, als fidy die Franzoſen in die Bergvefte zurüdzogen, wo fie ſich 


haft befchoffen und Anftalt zum 


gegen eine ficbenmonatliche Belagerung bis zum 21. Mat 1814 hielten. Im 


n 
= Werlaufe der Jahrhunderte wurden zu =. zwei Eoncilien (1130 und 1288) und 


drei Reichstage gehalten (unter den Kalfern Friedrich I, Dtto IV. und Fried⸗ 
rich H.). Unvergänglicger aber al dies Alles glänzt in den Annalen der Stabt 
Die große Verfammlung der Erzbifchöfe und Bihöfe Deutſchlands im Dftober 
und November 1843. (Hierüber das Nähere in den Supplementen) mD. 
Wüfle nennt man eine große, fandige, gewöhnlich In den heißen Erdſtrich 
Der großen Gontinente liegende Ebene, welche, aus Mangel an atmofphärtidhe 
Feußtigfeit anziehenden Bergen, waflerarm iſt und deshalb faft aller Vegetation 
entbehrt und nur einzelne bewäflerte und bewachſene Punkte (Daſen f. d.) hat. 
Die W.e bilden ben Gegenſatz au den gebtrgigen oder hügeligen Gegenden. Auch 
Hochebenen nemäßigter Eroftriche nehmen, weil das Waller bald von ihnen abs 
ießt, den alter von W.n an, 3. B. die W. Kobi in Afien. Wirkliche 
.n finden fi) nur auf dem alten Eontinente, namentlich zwifchen dem 15. und 
31.° nörblicher Breite, welche Erdzone mit geringen Unterbredyungen, vom 
Cap Bojador bis zum Indus eine große W. darſtellt. — Bon den Steppen 
unterfcheiden fich Die W.n Dadurch, daß fie ald todte, den mächtigen Einflüfien 
der Begetation völlig unbeqieingbare Flächen erfcheinen, während die Steppen, 
zum Theile reichlich mit Gras bewachfen und antmallichem Leben bevedt, 
nur durch ihre Kinförmigfelt ermuͤden. 
üftemann, Ernft Friedrich, wohl der größte, jebt lebende, Inteinifche 
Styliſt, neboren zu Gotha den 31. März 1799. Sein Bater, ein claſſiſch ges 
bildeter Juriſt, wußte durch eine forgfältige häusliche Eraiejung früh in feinem 
Sohne Neigung für die Wiflenfchaften zu weden. Auf dem Gymnaflum feiner 
Vaterſtadt geb det, faßte er fchon damals, vorzüglich angeregt durch den um bie 
Iateintfche Literatur wohlverdienten Döring, eine beiondere Vorliebe für die lat⸗ 
einifche Sprache, fo, daß er, als er 1816 das Gymnaflum abfolvirte, dieſe 
Sprache mit großer Bewandtheit zu fchreiben und zu reden im Stande war. — 
In den Jahren 1816 — 19 befuchte er die Georgia Augusta, hörte anfänglich 
auch philofophifche und juriftifche Gollegien, lag aber bald ganz entfchieden und 
mit dem glüdlichfken Erfolge den claſſiſchen Studien unter Mitſcherlich, Diſſen 
und Welder od. Schon auf der Univerfität Göttingen wurde W. ald zwanzig⸗ 
jährigem Sünglinge die feltene Ehre zu Theil, daß ihm, nach feiner glängenven 
Promotion, fowoßl an der Univerfität Reu „ Gambribge, ald auch an der damals 
neu zu errichtenden Univerfltät Gorfu auf den joniichen Inſeln eine Profeflur 
der lateinifchen Epradye angeboten wurde, Aus befonderer Anhänglichkeit an 
feine Vaterſtadt aber und aus Dankbarkeit gegen die Anftalt, A ihm ſeine erſte 





Bild 
—— 
Gothaer Gymnaflum an, — — — — 
Eee Di ———— —— —— 
= g 16 Wohl feiner 


ſam ma Bea, * — ag für das — 


end gegen 
= hen Shaun, I fen vom irbem —— —— B. in 
Äh der Grbänmlig u — — en 


u 
5 m 
Bi Ana u 2 Be 
von Kraft ——— ae aa — gangen hatte, k 


Ati Gun, I ar fr Man 2 — 
Be acc are —— art a 
— BE Hung — Bo hen ſonders — Br Leict 

N) fe 
er N aber, be — — Bean 3 
gramme Fi 1 je wol 

—— na ee —— Er 

ori \ 
den ſchaͤh Bi 5. Ditings 

— Hain Mifae Sihten Skhrndera 1850) giefais nl wickn (hi 

J und einer noch ſchoͤnern — — Doeringi mem- 
riam habi erwähnen. wir no Reihe von augerit 
neten, heile profaifchen, ie ‚poetifchen Geleg, ſchi unter Be. 


ſonders hervorragen die Memoria des Herzogs Ernft I. un) bie Laudatio F. Jr 
cobsii. Hier zeigt W. feine eigentliche are a in der lateinifchen Spraie; 
bier tritt er, neben materieller Tüchtigkeit, in einer formellen Vollendung auf, ik 
nur fehr Wenige vor ihm erreicht haben und worauf wir unfer obiges Urtbell, 
W. wohl der derzeitige größte lateiniſche Styliſt, baſitten. Wenn der a 
Dantel Wyttenbah von Drußnten's elogium Hemsterhusii fagt: es ſcheine, alt 
hätten alle Mufen und Gratien vereint daran geacbejet, fo wäre er, wenne 
jept wieder aufleben follte, gewiß in Verlegenheit für W.s Memoria Ernesti um 
Laudatio Jacobsii ein Prävifat zu finden. Frhr. v. Berlepsch, 

Wüthendes Heer (bei den Alten wütis Heer), auh wilder Jäger 
genannt, ift mach der Mährchenmwelt ein Haufe Rrachtgefpener, welche, befondert 
tm Thürtngifchen und Mannofeldiſchen, zu gewiffen Zeiten im Felde und Wahr 
unter großem Geſchrei u. Hundegebell umberziehen follten, indem fie einen altın 
Mann mit weißem Stabe (den treuen Edard genannt) an ihrer Spige hätten 
Viele wollten Geftalten, auf feltfamen Pferden figend, mit feuerigen Augen, dahd 
gefehen haben. Dieſes Heer Gefpenfter, deſſen Benennung man von dem alım 
norbifchen Gotte Woran hergeleitet hat und das beſonders zwifchen Gotha und 
Eiſenach, dann auch im eragebirgifchen Kreife u. im Harzwalde feine mächtlichen 
Bromenaden vornehmen follte, iſt ohne Zweifel die Ausgeburt furchtfamer, jap 
hafter Menfchen gewefen, die, durch ganz natürliche Erfe erfehret, ion 
feltfamen Dinge zufammengefegt haben; indefien hat man kinit einer folden 
Gewißheit an diefe Epudereien geglaubt und dabei erzählt, "Daß en ehemaliger 
Edelmann, der ein aufferorventlicher Jagdliebhaber, aber dabet eg ‚Fer Tyramı 
feiner Unterthanen gewefen, nach feinem Tode nun als Poltergeiſt mit —* 
jeiner Cumpanen, die ein ähnliches Schidfal gehabt, umberziehe — daß das 

ährchen fehr lange als Berfefage unter dem gemeinen Manne und namentlid 

auch unter den Jägern gegolten hat. 

Buf, Stephanovich Karadſchiſch, 1787 zu Trſchitſch im Jadar⸗ 


ri 


Wulfran. 949 


gebiete an der ſerbiſch⸗bosſsniſchen Gräͤnze geboren, begann ſchon frühzeitig fi 
mit Sammeln vn ferbifhen und bosntfchen Bolfötieber zu einem 9 9 


»welchen vorher nur wenige VBruchſtücke in ſerbiſchen Wörterbüchern und dur 


eine frühere, jedoch fehr unvolllommene, Sammlung des Andreas Caci 
(Benedig 1759) bekannt waren. Das Berdienft W.o um die Sammlung diefer 
fehr nalven und gemüthlichen Lieder iſt, auffer dem Gewinn für die Poefie, noch 


: befonderd bedeutend, da deren Sprache in Eroatien, Dalmatien, Slavonien, 


T4uaE 32 13 13 .) , 


PP — 


ie 2E IT 


zw... 


4 X 


Serbien, Bosnien und der ſogenannten Herzegowina unter etwa fünf Millionen 
Menſchen die herrſchende und auch von den übrigen Slaven nicht ſchwer zu 
verſtehen iſt. Die ganze Sammlung der ſerbiſchen Gedichte und Lieder in ver 
Urſprache (Narodne Srpske Piesme) erſchien in vier Bändchen, mit Kupfern, 
Berlin 1823—33 und hatte fidy bald einer allgemeinen Beliebtheit, ja Berühmt: 
beit zu erfreuen, daher fidy auch bald vergriffen. W.s übrige Werke, größten» 
theild jur Grläuterung diefer Lieder, find: Serbifche Grammatik, Wien 1814, 
dem Fürften Miloſch von Serbien gewidmet, welcher W. zur münblichen Ruf 
nahme der Lieder ſehr thätige Hülfe leiftete. (Erſchien auch verbeutfcht und mit 
einer Borrebe berfehen von Jak. 2. C. Grimm, nebft Bemerkungen über bie 
neueſte Auffaffung langer Helvenliever aus dem Munde des ferbifchen Volkes 
und der Ueberficht der merkwürdigften jener Lieder von Joh. Severin Bater, 
Berlin 1824. — Serbifch s deutich » lateinifches Wörterbuch, Wien und Berlin 
1818. (Es enthält über 30,000 ferbifche Wörter, die alle deutſch und für nicht 
Deutfche Europäer auch lateiniſch erklärt find, mit Bhrafen über ihren ſyntaktiſchen 
Gebrauch und Beweisftellen aus Liedern, wo es nötbin if.) Auch gab er 1826 
zu Wien einen ſerbiſchen Tafchenkalender unter dem Titel: Danitza (Morgen- 
ern), heraus, der ſich ebenfalls einer beifälligen Aufnahme zu erfreuen hatte, 
. hält fidy zeitweilig in Wien auf; er erhielt 1835 vom Fürften Miloſch 
Fi SJahreögehalt von 400 Bulden; von Rußland genteft er feit 1826 eine 
enflon. . 
BWulfran, der Heilige, Grzbifchof von Send und Patron von Abbeville, 
ward zu Maurily im Gatinais im 7. Jahrhunderte geboren. Sein Vater 
Bulbert war Kriegsoberfler unter Dagobert und ließ dem, N ſchon die Gnade 
des Himmeld Außernden, frommen Sohne eine gute Erziehung durch Lehrer 
gebe, die dem wahren Glauben anbingen, fo daß der Knabe, wie der Juͤngling, 
Spiel und Lernen nie der heiligen eliglen vergaß, der ihn auch als Mann 
bie amtliche Thätigkeit unter Lothar und Theodorich nicht entfremven Fonnte. 
Der Herr belohnte feine Tugend durch die Wahl zum Bifchofe von Gens und 
er nahm in dieſem ehe nen Pflichtenkreiſe die Heiligen der erften Jahrhunderte 
der Kirche nicht nur zum Mufter, fondern erreichte audy ihre fittlidye moralifche 
öhe in jeder Beziehung. Nachdem er einige Jahre lange feine Heerde mit 
egen geleitet, gab ihm ver Himmel die fung, das Evangelium im Lande 
der Frieſen zu verfünden; er nahm ſich aus Fontenelle Gehülfen mit und fchiffte 
nad) Friesland, wo er mit der zur Bekehrung nöthigen Gluth die Wahrheit 
predigte. Die riefen hörten flaunend die Worte des begeifterten Mannes 
u. drängten ſich ſchaarenweiſe zur Taufe, weldye verfelbe in fo jchöner Sprache 
ihnen als das Mittel gegen die geiftigen Schwächen der Seele augerühmt hatte. 
Auch der Sohn ihres Könige, Radbot, ward Ehrift, farb aber fchon im weißen 
Gewande des Reubefehrten. Die Friefen hatten noch die gräßfiche Sitte, Kinder 
den ii en Göttern zu opfern und jedes Jahr wurden durch's Lood bie Opfer 
wichtigung des Zornd der heinnifchen Gottheiten beſtimmt. W. An 
ein unglüdlihed Kind zur Schlachtbank führen und fragte, was es verbrochen 
u warum es erkoärg! werben folle? u. erbielt zur Antwort, daß ed zum Sühn- 
opfer beftimmt ſei. befchwor den König, doch vergebens, denn es war durch's 
2008 beftimmt, zu ſterben. Da rief eine Stimme aus dem Volkshaufen: „Bete 
u deinem Gott, W.; wenn er fo mächtig iſt, möge er das Kind befreien, deſſen 
ben du erhalten win. Gr mag ihm daß Leben twichergeben, wem ir Wh 


—— 


952 Bunber, 


ufällen, dem Fieber, das ſich nicht felten in ein Faulfieber verwandelt, ver 
ähmung, dem Wundftarrframpfe ıc. ab. Bergiftete W.n fommen bei uns 
in Folge des Biſſes wüthiger Thiere (ſ. hat man und der Vipern, de 
indeſſen felten toͤdtlich if, vorz in neuerer Zeit hat man, namentlich in England, 
I gefährliche, tödtliche Verlezungen, bie burdy die ſchneidenden anatomiſchen 
firumente bei Leichenſectionen beigebracht wurden, beobadıtet, man Hat aber 
noch nicht mit Beſtimmtheit ausgemittelt, worin der Grund biefer Erfcheinung 
beſteht. Endlich gehören audy noch hieber, aufler den Stichen der Ecorpione 
und Taranteln, die Biſſe vieler Schlangen in Afrifa und Amerika, die denen der 
Bipern gleich, nur, daß nach ihnen der Tod Käufig ſchon nad 10—12 Minuten 
erfolgt, wenn nicht Gegenmittel fogleidh in Gebrauch nezogen werben, als deren 
befteö bie Micania gnaco, eine in Amerifa wachfende Pflanze, empfohlen wird. — 
Auſſer diefen allgemeinen Berhältnifien der W.n nehmen noch die Verwundungen 
der einzelnen Theile und Drgane des Körpers eine wichtige Stelle in der Chir⸗ 
urgie ein. Rad den Functionen der Organe, die verleht find, regelt fich ihr 
Berlauf und ihre Erfcheinungen, bie ort ſehr mannigfaltig und zufammenges 
feßt find; eben fo hängt von der Wichtigkeit diefer Organe die Gefahr ab, fo 
wie die wundärztliche Behandlung ſich meiftentheils nach der Art der Störung 
ihrer Thätigkeit richten muß. Im Allgemeinen kann man behaupten, daß Ber: 
legungen, felbft der edelſten Theile, leichter geheilt werden können, als vie foges 
nannten inneren Krankheiten der gleichen Theile, was fi) daher erklären läßt, 
daß jene meiftentheils gefunbe, fräftige Individuen betreffen, bei denen das Heil⸗ 
beftreben der Natur viel wirkfamer tft, ald da, wo vorgängige Krankfheitsanlagen 
daffelbe bereitö erfchöpft haben. — Unter allen Berwundungen diefer Art haben 
die Kopf⸗W., weil fie am Häufigfien vorlommen und das Him, das ebeifte 
Drgan, betheiligen, die meiſte Aufmerkſamkeit auf fi) gezogen. - 

Wunder (fo genannt von dem Gefühle der Verwunderung, welches dadurch 
in dem Menſchen erregt wird), nennt man im weiteften Sinne alle Ungewöhns 
lidye und Aufſerordentliche, was, weil man nicht einflebt, wie es zugeht, Er⸗ 
flaunen oder Furcht erzeugt. Diefen allgemeinen, unbeflimmten Begriff geben 
auch die griechifchen und lateinifchen Ausdrücke für W. (Savuara, miracula, 
stupenda) und ebenfo die Geſchichte der alten Bölfer, welche, je ungebilveter und 
weniger befannt mit den Naturgefepen fie waren, defto häufiger W. zu erbliden 
glaubten. — Es bedarf faum der Bemerkung, wie verkehrt und leichtfertig es 
iſt, dieſe vage Anſicht — wie gleichwohl vielfady gefchehen iſt — auf die ®. 
in der 5. Schrift anzumenben; denn bier liegen und Thatfachen vor Augen, 
welche als die finnlichen Beweiſe einer überfinnlichen, höhern Gotteskraft er 
ſcheinen; bier Handelt es fich nicht um ben Effekt, welchen die W. hervorbringen, 
De um die Quelle, aus der fie entfpringen. Mit Recht definirte daher der 

. Thomas von Aquino als W. Alles, was durch Bott geſchieht, auſſer der 
fonft bei den Drreigntiien gewöhnlich bewahrten Ordnung. Wir önnen, eben, 
weil die bibltfchen W. alle Kraft der Ratur überfleigen, fomit in ven @efeken 
derfelben Keinen rund haben, ihre Vorhandenſein — das fi nun einmal un 
möglich bezweifeln läßt — nicht erklären, wofern wir nicht annehmen, daß Gott 
ſolche in der Abficht bewirkt habe, um feine große Allmacht, Weisheit, Güte 
und Wahrhaftigkeit recht anfchaulidy und eindringlich zu machen, oder, um da⸗ 
durch eine wichtige Wahrheit zu beflätigen. Bott allein tft der Urheber ber 
wahren W. und hieraus folgt die Möglichkeit derfelben, die zwar über, doch 
nicht wider die Natur find; denn es iſt außer allem Zweifel, daß Bott, vermöge 
jemer Allmacht und ald die erſte Urfache aller Dinge, Wunder wirken Fönme. 

De Verſuche der modernen Rattonaliften und Nihiliſten, die W. natürlich zu 
erklären, haben fich flet® nicht nur als geweiäkerih, fordern auch als unge: 
seimt und thoͤricht erwieſen. Der Endzweck aller W. tft die Berherrlichung Gottes, 
bie Begründung und Beſtaͤti "2 der wahren Reltgton oder body andere, Gottes 
würbige Urfadyen. Die Borkg Km W. In alten Bunne heiter Go ent 


Me. 


Bunderber— Wunibald. 953 


weder unmittelbar durch fidh ſelbſt, oder Durch feine Diener, wie 3. B. durch 
Mofed, Aaron, die Propheten Elias, Elifäus 1. Die Wunder Jeſu im N. 
Teftamente dienten beſonders zur Beflätigung feiner göttlichen Sendung und 
Lehre, alfo zur Begründung bes Ghrifenthums, Auch die Apoſtel und Jünger 
Jefſu, fo wie die en feiner Kirche, verrichteten durch die von ihm erhaltene 
Kraft aehtreiche . 

underbar heißt Miles, was unfere Begriffe vom Wirklichen und Mögs 
lichen überfleigt, oder das aus Naturgefepen nicht Erklärliche, deſſen nächite 
Do kung Ueberraſchung, Staunen und Immer auch auf den erfien Anblid ein 
unheimliches Gefühl iſt. Es wird aber nicht bebingt durch thatfädhlidye Abs 
weichung von dem, was im Kreiſe der Erfahrung, oder in dem bekannten weh 
der Natur liegt, fondern durch den Echein dieſer Abweichung; denn es beftcht 
nur im Berhältnig der geifligen Bildung des Menfchen, beftimmt fidy daher nad) 
dem Grade feiner Kenniniß und Einficht in die Naturgeſetze; reicht aber audy, 
indem es den Raum zwifchen dem Endlichen u. Endloſen einnimmt, in das uners 
ſchoͤpſliche Gebiet der Phantafte, der Ahnung und des Glaubens und hat für bie 
Kunft eine um fo größere Bedeutung, als mit demfelben jene Schöpfungen ver 
Phantafle beginnen, welche über das Alltägliche und Gewöhnliche fidy erheben. 
Mit. Recht wird daher behauptet, daß felbft für den Menſchen auf der hödhften 
Bildungsftufe das W.e beftehe, daß es mit dem Bolföglauben verwandt und 
harakteriftifch verfchienen fei nach Verſchiedenheit der Zeiten und BVölfer. Damit 
e® aber feine Wirkung nicht verfehle und durch die Erkenntniß nicht in den Kreis 
des Gewoͤhnlichen verfalle, iſt durchaus nothwendig, das es in äfthetifcher 
Beziehung durch den Echein des Wunders gefalle und Bedeutung habe, wenn 
ed nicht als feichtes Spiel der Phantafle fi kund geben fol. “Den weiteften 
Spielraum findet das W.e in der Boefte, befonders, wenn fie, wie in ber Epos 
pde und im WMährchen, die Bergangenbeit zur Anfchauung bringt. Zunächft der 
Poefte verwendet die Malerei das W.e, wogegen die Architektur und Plaſtik 
mit dem Berfuche einer Darftellung deſſelben nur Mu leicht ind Abenteuerlicye 
übergeht. Die Muſik aber tft, in der Verbindung mit Poeſie und in Beziehung 
auf die romantifche Oper, vorzugsweiſe geeignet, die Wirfung des W.en hervorzu⸗ 
bringen, oder doch zu verſtaͤrken. 

Wundfieber, |. Wunde. 

Wunibald, der Heilige, Abt von Heidenheim, war ein Sohn des angelſäch⸗ 
ſiſchen Fürſten Richard und ein Bruder des heiligen Willibald und ver Beiligen 
Walpurga. Im Jahre 722 begleiteten W. und Willibald ihren Vater auf einer 

ilgerfahrt na Rom und als diefer zu Lucca flarb, fehten die beiden Brüder 
ihre Reife fort. Willibald unternahm, nach einigem Verweilen in der Haupiſtadt der 
Chriftenheit, eine Pilgerfahrt in das gelobte Land; W. aber, der von ſchwaͤch⸗ 
lichem Körperbaue war, biieb in Rom zurüd und flubirte daſelbſt fleben Jahre. 
Nach Berlauf diefer Zeit empfing er die Klerikaltonfur und widmete ſich ganz 
dem Dienfte des Herrn. Später fehrte er wieder nach England zurüd und bes 
wog mehre feiner Verwandten und Freunde, eine zweite Wallfahrt mit ihm nach 
Rom zu machen, wo fie dann fämmtliche ſich dem Kloſterleben widmeten. Der 
b. Bonifaztus, ein Verwandter des h. W., welcher 728 nad) Rom kam, bere⸗ 
dete lestern, ihm nad) Deutſchland zu folgen, um an feinen apoftolifchen Arbeiten 
Theil zu nehmen. Beide gingen nun Thüringen, wo fle ſich dem Predigt⸗ 
amte widmeten. W. erhielt die Briefterweibe und wurde über 7 Kirchen Dee 
Landes gefest, denen er auch mit fegensreichem Erfolge das Goangelium verfün, 
digte, die Lehren deſſelben durg feinen gottſeligen Wandel bekraͤftigend. NIE 
‘der Heil. Willibald auf den bifchöflichen Stuhl von Vichſtädt erhoben wor⸗ 
den war, zog er feinen Bruder in diefe Didzeſe. W. begab fi in bie 
Wälder von Heidenheim, für welche Gegend er eine mwohlthätige Gtumelatuıdıne 
ward, wählte fi in dieſer Wildniß einen Aufentkaltsort, Ne er Busse, 
machte ben Boben urbar und errichtete für fein Beiolge Antae Atem. D 


hi 
i 


| 
| 


Well) Varel weht de nu va Köhenlar Weihe I Kabul 6 
* er ein ‚ Klofter in ber und Bor 
Leitung feiner Schweſier ga. Mit: 
der un der.Heiden, die mehr als einmal Leben machftelin 
Sein apoftolifches Wirken te aber niemals — ge 
ſſenſchaft zu Keen verpflichtet hielt. . Er — — * 
’ am) Unterweifi 
Fungsvermögen eines jeden er Brüder weit ne nlac bie Ehwahe 
* die die et ———— wüßte ern el Dias 
ud sn * — ya — ohelfe nad pe 
u > Ä > er 
drei in di ‚Klofter trank, wieder.‘ 
= Siku — 8 — den Bilhofe 4 
au en qui te. Bon‘ $ gegen fein 
Kordeteähe een ' inengBelfapr em” ve Grabe verrichten m 
im Rloper Done Galkne eine Sage zu befhließen... Bererk.aber pas 
SE —— 
dert’ Heiligen die herzlichſte und ſchon wollle er 


‚auf die Ber 
begeben, als feine Orbensbrüber, welchen er dieſes ee e 
deſſen Ausführung widerfepend, ihn durch "Bitten: und Thränen — 
Bon dieſer Zeit an erlaubte ihm feine Schwäche nicht mehr, das Heilige Mei; 
opfer in der Kirche darzubringen; er fah fidy daher genöthigt, die Heilige Ga 
lung in einer, an fein Zimmer foßenden, Kapelle zu verrichten. WBor jeina 
Tode wünfchte er noch einmal feinen Bruder Willibald zu fehen, der ihn aus 
wirllich in feiner lehten Krankheit befuchte. — Als er fich feinem Hinſchede 
nahe fühlte, wollte er feinen Brüdern noch den lehten Beweis feiner forgene 
Liebe ge und hielt ihnen ihre heiligen Pilichten in einer ergreifenden Bir 
vor. üls diefe zu Ende war, erhob er feine Augen gen Himmel mit dem Ant 
zufe: „Im beine Hände, o Herr, empfehle ich meinen Geiſt“ und ei 
feltg in Gott den 18. Dezember 760 im 60. Jahre feines Aliers. Die 
felert fein Andenken den 20. Dezember. - 
jedel, freundliche und fehr gewerbfame Gtabt an ver Röblan, in 
bayr. Regierungsbezirke Oberfranken, und Sih eines Landgerichts, Rent, Bar 
und Borftamted, Sie iſt der Geburtsort: des genialen Sean Paul (Ridtr), 
welchem hier 1845 ein von Schwanthaler gefertigted Standbild errichtet wurk. 
Schloß, drei proteflant. Kirchen , eine lateinifche Schule, eine Gewerbfchule, dir 
‚Hofpital und andere Wohlthätigkeitsanftalten, eine Zuderraffinerte, ftarke Leinn, 
und Baummollenweberei, Wolenfpinneret, eine Tuchmanufaktur, eine Maunie 
derei ic., lebhafter Handel mit Eiſenwaaren, wie denn in der Nähe viele Ein 
ruben, Gifenhütten und Hammerwerle find. Auch die Marmorbrüche in de 
mgegend und das Ginfammeln von isländifchem Moofe geben vielen Leutm 
Beſchaͤſtigung. 4000 Einw. ine eine halbe Stunde lange Allee führt von de 
Stadt nady dem Dorfe Sichersreuth, wo das Alerandersbad (f. d.) m 
eine Waflerheilanftalt. — W. verdankt feine Entſtehung den Zinnfeifenwerfe, 
welche ehemals hier im Betriebe waren, und wurde 1326: von Kaiſer Bubiiz 
dem Bayer zur Stadt erhoben. 1431 wiberflanden die Bürger aufs Tapferfı 
den Huffiten und 1462, im Kriege zwiſchen dem Markgrafen Albrecht Adhilet 


Wupperthal — Burmbrand, 955 


und dem Serioge Ludwig von Bayern-Lanböhut, den Bundesgenoſſen des Letz⸗ 
tern, den Böhmen. 1731 legte eine große Feuerobrunſt 400 Häufer in Aſche, 
und Hr minder verberblic, war ber Brand von 1834, weldyer 350 Beohube 
verzehrte. mD, 

Wupperthal oder Wipperthal, ein zwei Stunden langes, unmittelbar an 
die Stadt Elberfeld (ſ. d.) fidy anfchließendes, Thal auf dem rechten Rhein: 
ufer, im Regierungsbezirfe Düffeldorf der preußifchen Rheinprovinz, befteht aus 
mehren Ortſchaften, weldhe der Sig einer überaus bedeutenden Yabrifthätigkeit 
find und jebt zufammen die Stadt Barmen (f. d.) bilven. 

Wurali, ein wahrhaft furchtbares Gift, deſſen ſich die rothen Indianer 
Guiana's (Amerika) bebienen, um die Spigen ihrer Pfeile damit zu tränfen. 
Am ſtaͤrkſten wiſſen es die Macufcht- Indianer zu bereiten, welche damit förm⸗ 
lichen Handel treiben. Die Ingredienzien find fehr gemiſcht und beftchen theils 
aus vegetabilifchen, theil aus amimalifchen Stoffen; den ‚Haupibeftanbtheit aber 
liefert die in den Urmwäldern wachſende Rebe W. Dazu kommen der Saft der 
Wurzeln und Knollen einiger anderen Pflanzen, dann zweier Arten giftiger Amel- 
en, der ſtaͤrkſte indianiſche Pfeffer, endlich die zerftoffenen Zähne der Labarti⸗ 
lange und der Bunacufchifchlange. Dies alles zufammen wird in einem Topfe 
an langſames Feuer geftellt, wenn es ſiedet weiterer W.⸗Saft dazu gethan, bis 
es fich zu einem biden Syrup von dunkelbrauner Karbe gebildet hat. Beſchwö⸗ 
tungen und Zaubereien werden während ber ganzen Prozedur für nothwenbig 
ehaltn. Die geringfte Wunde, von einer mit dem W. vergifteten Pfeife beiges 
racht, führt in wenigen Minuten den Tod herbei; doch leidet das Fleiſch in 
diefer Weiſe erlegter Shiere feinen Schaden und kann ohne nadytheilige Folgen 
genofien werden. — Warterton's Reiſen in Südamerila. mD. 

urfrad heißt ein Rab, welches das Waffer blos fortwirft und nicht 

chöpft und, namentlih in Holland, früher dazu gebraucht wurde, das Wafler 

ber die Fangdämme zu fördern. Gewöhnlich befteht ein ſolches W. aus einer 

Anzahl an einer Welle in fchiefer Richtung angebrachter Schaufeln. An ber 

untern Hälfte des Rades iſt an beiden Seiten eine hölzerne Verkleidung, die nur 
einen fehr Kleinen Raum zwifchen fich und dem Rabe läßt. 

Wurfſpieß war bei den Alten eine Angriffemafle, fleiner, al8 die zu Ver⸗ 
theidigung dienende Lanze. Die W.e waren namentlich bei den leichten Truppen 
der Griechen und Römer im Gebrauch; bei den letzteren führten Mr Livius bie 
Beliten 7 W.e, die vier Fuß lang und mit einer eifernen Spige verfehen waren. 

Wurm, Johann Friedrich, geboren zu Rürtingen im Württembergifchen 
1760, wurde 1788 Präceptor an der lateinifchen Schule dafelbft, 1800 Profefior 
am theologifhen Worbereitungsfeminar zu Blaubeuren, 1807 am Gymnasium 
illustre zu Stuttgart, wurde 1824 in den Ruheftand verfegt und flarb zu Stutts 
gart 1833. Als Mathematiker und namentlidy als Aftronom hat er ſich ausge⸗ 
zeichnete Verbienfte erworben. Man hat von ihm: Geſchichte des neuen Planeten 
Uranus, Gotha 1791; Praktiſche Anleitung zur Parallelen-Rehnung, Tübingen 
1804; De ponderum, nummorum, mensurarum ac de anni ordinandi rationibus 
apud Rom. et Graeo., Stuttgart 1820. 

Burmbrand, Johann Wilhelm, Graf von, der Ablömmling eines ur: 
alten, in Nieveröfterreih und Steiermark flarf begüterten Gefchlechte®, geboren 
zu Gräg 1670, ſtudirte zu Utrecht, trat frühzeitig in Tatferliche Etaatöbienfle u. 
wurde fchon in dem Jahre des Ryamider Friedensſchluſſes, 1697, zum Reichs⸗ 
hofrath ernannt. Die deutſchen Reichögefchäfte machten ihn mit den archivar: 
iſchen Etudien vertraut und es if faſt unglaublich, was er in dieſer Beziehung 
über Lehen und Geſetzgebung, über die Berhältniffe des Kurs und Fürftencolle- 
iums und aller Stände zu einander, über Erbfolgen und Hausobſervanzen, über 

niprüche an auswärtige Staaten und Titel beleuchtet, welches Unbekannte er 
an's Tageslicht befördert hat! Gr fchuf die neuere Drganifation des Reichshof⸗ 
rathes und feiner Kanzlei mb das Hauptwerk feines gelebetexx Vk una wa 


F | a 


958 Burnfer. 


glei dad Hauptwerk über die öfterreichifche Genealogie, „Collectanea genealo- 
gico-historica ex archivo inclytorum Austriae inferioris statuum, ut ex alü 
privatis scriniis documentisque originalibus excerpta“ (Wien 1705), enthält von 
mehr als A000 Urkunden Auszüge, die mit einem Geiſte georbnet find, ber fi 
durch feine Gründlichkeit und Schärfe weit von jenem unterfcheibet, mit welchem 
man fo gern die Genealogie zu behandeln pflegt. Mit Recht Hat ihm dieſes 
Wert den Ramen des Baters der öfterreichifchen Genealogie erworben, denn 70 
edle Geſchlechter, zu feiner Zeit blühend, find darin verzeichnet, ihre Geſchichte 
aus Urkunden erzählt und tn einem fpäter (Wien 1737) abgebrudten Anhange 
„De hereditariis provinciarum Austriae officialibus“, der nicht minder wicht 

als das Hauptwerk, find die Erbämter der öflerreichifchen Provinzen behandelt. 
Jener, wie dieſes, ift mit fo vieler Gelehrſamkeit abgefaßt, daß man ſchwer be 
greift, wie ihm Zeit zu feinen Staatögefchäften geblieben if. Schon 1722 kehrte 
W. mit feinem ganzen Haufe zur fatbolifchen irche zurüd; 1726 wurbe er u. 
die ganze üÖfterreichifcye Linie feine® Haufes in einem, zu Rothenburg an ber 
Tauber abgehaltenen, Grafen⸗Convent in das fränkifche Grafen⸗Collegium aufge 
nommen und mit Sig und Stimme wirklich eingeführt; 1728 erhielt er die Er⸗ 
nennung zum Reihöhofrath6-Bicepräftnenten. Durch feine außgebreiteten Studien 
vor allen Anderen hiezu berufen, war er es, der mit dem großen Leibnitz über eine 
Bereinigung der Katholifen und Proteflanten in Eorrefpondenz trat. Mit Lelbnig 
beſprach W. auch noch einen andern Plan. Nach dem Tode des erften Könige 
von Preußen ſchien die, von dieſem u. von Leibnitz geftiftete, Berliner Akademie der 
Wiſſenſchaften ganz einzugehen, well der neue König Friedrich Wilhelm 
wohl viel Sinn für die Sparſamkeit und das Militär, aber gar feinen für bie 
Mufen hatte. Nach Wien, an den Katferhof, follte fie nun verpflanzt werben 
und mo hätte es damals einen günftigern Drt gegeben, als Defterreidy, wo im 
tiefften Frieden ein milder Fürft berrichte, der die Wiflenfchaften für die Zierde 
feines Thrones hielt und ihnen an der Burg feiner Väter den prächtigen Palaß 
der Hofbibliothet baute; wo Prinz Eugen fie mit Föniglicher Großmuth förderte; 
wo in den Abtelen Mölk, Göttweih, St. Blafien auf dem Schwarzwalde 
(damals öfterreihifch), Lilienfeld, Kremsmänfter, hiſtoriſche Erörterungen 
vorgenommer wurden, weldye heut zu Tage nur von fehr Wenigen überboten 
werden? Als W. (1741) bei der Katferwahl die böhmiſche Kurfiimme führte u. 
die Kaiſerkrone an ein andered Haus, als das öfterreichifche, Tommen ſah, legte 
er vor Schmerz alle deutfchen Würden nieder, zog fid von den Gefchäften zu: 
rüd und verfocht in Staatöfchriften die Rechte der hart bevrängten Königin von 
Ungarn und Böhmen. Nach dem Tode Kalfer Karte VIL wirkte er als erfter 
böhmifcher Wahlbotfchafter zur Wahl Katferd Kranz und, als diefe im Frank⸗ 
furter Dome verfündigt wurde, bot bie große Marla Therefia ihrem Neftor die 
Fürftenwürde an. Einfach und befcheiden, wie er in Wort, Schrift und That 
Zeitlebens gemwefen, lehnte W. fie mit ehrfurchtsvollem Danke ab. Er flarb den 
27. Dezember 1750, ein SOjähriger Greis, zu Wien. Seine Ruheflätte iR bei 
den Auguftinern. 

Burmfer, Dagobert Sigmund, Graf von, ein verbienftvoller öſterreich⸗ 
ifcher General, der Mbfömmling einer begüterten elfäffiichen Familie, geboren 
1724, wollte fi Anfangs den Wifienfchaften widmen, trat aber bald in öfter 
reichiſche Kriegsdienſte und wohnte dem ganzen fiebenjährigen Kriege bei, inbem 
er ſich durch Dienfteifer, Tapferkeit und Menfchenliebe fo auszeichnete, daß er 
bei Beendigung bes Kriege bereits bis zum Generals Kelowachtmeifter geftiegen 
war. 1773 erhielt er von Maria Therefia ein eigenes Hufarenregiment u. 1776, 
vor Ausbruch des bayeriſchen Erbfolgefriege®, die Etelle eines Feldmarſchall⸗Lieu⸗ 
tenants, commanbirte auch in diefem Kriege ein eigened Corps in Böhmen, mit 
dem er ſich bei mehren Belegenheiten gegen die Preußen fehr tapfer bewice. 
Nachdem er mehre andere Stellen betleinet yokke, coumanbirender Ges 
neral in Galizien und 1787, bei dem Audbroige Web Särtesttiengb, Sereıl ur 






| 


Burfigift, 957 


R Gavalerte. Wichtig war der Antbeil, ven W. an dem franzöftfchen Revolutions⸗ 
2 kriege nahm. Er ging 1797 über den Rhein, drängte die Franzoſen aus Ger⸗ 
mersheim und, um Landau a erobern, griff er die berühmten Weiffenburger 
(Bauban’6) Linien an umb nöthigte, zugleich mit dem Herzoge von Braumfchweig, 
die Franzoſen, jene Berfchanzungen zu verlaffen. Leider aber wurden die Früchte 
: Diefe® Feldzuges am Ende des Jahres durch ode und Pichegru vernichtet und 
W. zum Rüdjug über den Rhein genöthigt. Erſt 1795 kam er wieder zur Ar⸗ 
: mee, griff im Oktober die Franzoſen in ihrem verfchangten Lager vor Mannheim 
an, eroberte ed und Mannheim mußte fi) im Rovember ergeben. Zu Ende des 
Juni 1796 erhielt W. das Commando in Italien, machte einen allgemeinen An» 
entf auf die ganze frangöfifche Armee bei Mantua, zwang Bonaparte, die Bes 
agerung von Mantua aufaubeben, der fi nun über den Po zurückzog. Diefem 
Alles daran, die Bereinigung des öfterreichifchen Korps unter Duoddanovich 
mit der W.'ſchen Armee ü verhindern. Schon am 2. Auguſt gerieth in biefer 
Abſticht das franzöftfhe Corps mit W. in Kampf und da Gemes zum Theil fich 
zurüdzog, fo war dieſe gefürchtete Vereinigung nicht mehr entfernt. Allein am 
3. griff Bonaparte mit Tagesanbruch Quosdanovich's Corps bei Gaftiglione 
an, während Augereau mit dem Bortrab von W.s Corpo kämpfte. Quosbano⸗ 
vich's Corps litt eine völlige Niederlage. Bonaparte wandte ſich nun gegen 
W. felbft: ein Angriff folgte dem andern, bie W., der ſich Anfangs auf Mantua 
zurückzog, endlich nach Tyrol zurüdmarfchiren mußte Mantua wurde von den 
Franzoſen von Neuem blodirt und Bonaparte brady ſchon am 2, September ges 
gen Tyrol vor. Nachdem er den Davidovich bei Roveredo geichlagen (6. Sept.) 
und durch eine unvermuthete Wendung audy den Quodanovich angegriffen und 
ebenfalls (8. Sept.) bei Baſſano gefchlagen hatte, fo blieb nun dem General W., 
der gleich Anfangs eine Golonne nach Bicenza in's venetianifche Gebiet abge 
fendet hatte, um Bonaparte, wenn er in Tyrol eindränge, in den Rüden zu 
allen und ihn entweder in's Mantuaniſche gurtidgubrängen, oder in Tyrol abzu⸗ 
chneiben, da er eben zu dieſem Corps In Bicenza vor der Schlacht bei Baffano 
eibſt geftoßen war, nunmehr von feinen beiden Flügeln abgefchnitten, Nichts übrig, 
als, in fchnellen Märfchen Mantua zu erreichen und ſich mit den Truppen dieſer 
Feſtung zu vereinigen. Bonaparte that zwar Alles, um ihm den Weg nad 
Mantua abzufchneiden, allein W. ſchlug die Ihm entgegenrüdende Avantgarde 
von Maſſena's Divifton, ehe fle fidy mit deſſen Divifion vereinigen konnte, ſetzte 
feinen Marfcy in der Nacht (von 11.—12. Sept.) mit großer Geſchwindigkeit 
fort, fchlug ein anderes franzöftfches Corps, das ihn aufhalten wollte, zurüd u. 
batte nun feine Bereinigung mit der Befagung von Mantua bewirkt. Die Fran⸗ 
zofen mußten jegt die Blofade von Mantua von Neuem aufheben, da das W.’fche 
Corps einen weitern Bezirk um diefe Feſtung in Beſitz hatte Mehre Berfuche, 
ihn zurüdzutreiben, von Seiten Maſſena's (13. Sept.) fowohl, als Bonaparte's 
ſelbſt, mißlangen und nur erſt am 29. Sept. war der legte entſcheidende Angriff, 
der W. nöthigte, fi) nad Mantua zu ziehen. Bon jett an begann Mantua’e 
Blodade von Neuem. Ale Bemühungen Defterreiche zum Entfahe diefer Feſtung 
waren vergebens und W. mußte endlich, durdy Hunger und Krankheiten feiner 
Truppen genöthigt, am 2. Februar 1797 an den franzoͤſiſchen General Serrurier 
die Feſtung, jedoch unter den ehrenvollſten Auszeichnungen, übergeben. Er 
elhf ging nach Wien zurüd, farb aber ſchon am 22. Wuguft defielben Jahres 
einem Alter von 73 Jahren. Richt bloß der Ruhm iriegerifcher Größe, fons 
dern auch jener des edelmüthigen, feetgebigen Mannes blieb ihm geficher. So 
gab er 3. B. einen fchönen Beweis feiner Toleranz dadurch, daß er in Prag zus 
erft einen Iutherifchen Bottespienft für das Militär einrichten ließ, ehe nody Die 
dafigen Lutheraner ihren eigenen Gottesdienſt hatten. Bonaparte erkannte feine 
Feldherrngroͤße in feinen Berichten an das Pariſer Direktorium und felbft durch 
die Gapitulation, die er Ihm zugeſtand, an. 
Wurfigift (Alantotoxicon), Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts 


a ıl ı 


54 


LITT IT II, II 3) 


— .:- IEc De Aue GE BE 07— 272 


[2 aey- 





auf — anie mus, j R : 
Die n Beratungen bırd verborbene 1824, 0 
. jen nennt man im Artilleriewefen befonder® dazu rings 
richteten Munistonswagen, auf denen einige Mann der Bedienung Plah 
fo daß, mit den auf der Proge placirten, die gefammte Mannfchaft fährt. 
falls ift eine folche Artillerie mandvrirfähiger, als Fußartillerie, reicht aber nd 
nicht an die reitende. h 
Wurz, Ignaz, geboren 28. Dezember 1731 zu Wien, Profeſſor der geil, 
lichen Beredfamfeit dajelbft, feit 1776 zu Pierawart in Nieveröfterreich, we n 
am 28. Auguft 1784 ſtarb. Deffentlicher Profefior der geiftlichen Berebfantei 
auf der Univerfität Wien, bethätigte MW. feinen Beruf IM diefer Stelle durch cin 
treffliche Anleitung zur geiftlichen Beredfamteit. In feinen zahlreichen Predigtn 
und verfchiedenen Lob⸗ und Gelegenheitäreden, worin er fih den beften deui 
Kanzelteonern anreiht, herrfcht eine edle, männliche —— verbunden mi 
einem würdigen, erhabenen Style und einer reinen harmoniſchen Sprache. Uehe 
all erkennt man den Kenner und Nachahmer ver beifern framöfifhen Kanzelra- 
ner. Geine —55 Predigten erſchienen zu Wien 1783—86, 8 Theil; 
Köln 1800—1, 16 Thle., 8. (IR wohl ein Nachdruch — die Vorrede m 
W. darin fteht. Im diefer Vorrede beklagt ſich auch der Verf, daß feine Bro 
digten einzeln und zufammen zu Augsburg erfchlenen feien, wobei man ie 
manche unächte zufchreibe.) Vgl. weiter: „Geſchichte der Fatholifchen SKanzelde 
rebfamfeit der Deutichen von der älteften v6 zur neueften Zeit,“ von 3. Kebv 
rin (Regensburg 1843, 1. Bd. ©. 130 fi). & 
Wurzel (Radix) nennt man jenen Theil der Gewächfe, welcher die Neigung 
at, nach unten zu wachſen, daher die Pflanze an ihren Standort befeftiget um 
ihr aus demfelben Rahrung zuführt. an unterfeheidet eine primäre om 
auptw., welche die urfprängliche Fottſehung ded Pflanzenftammes nach ımten 
und fecundbäre oder Moventivw.n, welche ſich fpäter an werfchiebenn 
ilen der Pflanze entwideln und fo lange fortwachfen, bis fie den Boden er 
reicht haben. Die W.fafern, d. i. die Spiten ber feinften Endigu: der®s 
dienen vorzüglich zur Einfaugung ver Nahrungsfäfte und find zu biefem Behuft 


Burzen — Wyſocki. 959 


auch Häufig an den Gelten wit zarten Härchen bekleidet. Der eigentliche Rab 
rungefaft, der aufgenommen wird, iſt Wafler, welches in gehörigem Maaße 
Koblenfäure u. verſchiedene Salze, beſonders Kalis, Kalt» und Ammoniakſalze 
gelöft enthält. Diefe Stoffe bilden fich theils durch die Zerfehung von thieriſchen 
und Pflanzenfloffen, theils fommen fie von verwitterten Geſteinen, aus weldyen 
der Boden befehl, Nach den verfchienenen Geftalten der W.n bezeichnet man fie 
auch mit verfchlevenen Namen, 3. B. bandförmig, Fnollig, faferig ꝛc. ꝛc. aM. 

en, Stadt an der Mulde, im Leipziger Kreife des Königreiches Sachſen, 
an der Gilenbahnverbindung zwifchen Dresden und Leipzig, hat 3 Kirchen, dar⸗ 
unter die Domkirche mit zwei Thürmen und den Grabmählern ver früheren 
Bifchöfe, ein Schloß, jegt Sig der Stiftö- und Amtsbehörden, ein Gapitelhaus, 
eine Iateinifche Schule u. 4000 Einwohner, weldye verſchiedene Yabrifen betreiben. 
— W., wahrfcheinlid ein wendiſcher Ort, kommt 916 zuerſt ald Stadt vor. 
926 wurde Kalfer Heinrich der Vogler bei W. von den Ungarn gefchlagen. 
Bon dem Grafen Eſtko kam es an das Bisthum Meißen, weiches bier 1114 
ein Collegiatſtift einſetzte u, nach Aufhebung beflelben, an Kurſachſen. Da die 
Wurzener 1542 die Türfenfleuer vermweigerten, wurbe dies a anlaffung zum 
Fladenkriege (ſ. Sachfen, Geſchichte). Bel einem Streite zwiſchen dem Bifchofe 
Johann von Meißen und Hans von Earlowig, wegen der Berlaffenfchaft des 
Siſchofs Nikolaus von Garlowig, 1559, wurden von Garlowig den Wurzenern 
700 Schweine weggetrieben und die Städtifdyen, beim Verſuche, fie wieder au 
erobern, qurdoeiehlagen, daber diefe Fehde der Saufrieg genannt wurde. W. 
litt fehr im 30jährigen Kriege, befonvers 1637. 

Wuth, f. Manie u. Sundswuth. 

Wyat, Thomas, ein engl er Dichter, geboren zu Attingtoncafle in ber 
Grafſchaft Kent, ein Guͤnſtling Könige Heinrich VIIE, der ihn zum Ritter machte 
und 1541 dem fpanifchen Geſandten Montmorantio entgegen fchidte, auf welcher 
Reife er an einer Erhigung zu Shirebourn im 38. Jahre flarb, iſt unter den 
befannten englifchen Dichtern der erſte, welcher Epiſteln fchrieb und er gehört im 
Ganzen zu den Verbeflerern der englifchen Berfififation, aber ven Heinrich Ho⸗ 
ward, Grafen Surrey, mit welchem ex wetteiferte, erreichte er nicht. Er ſcheint 
zum Lehrdichter und Satiriker, nicht zu einem Dichter der Empfindung, gefchaffen 
zu ſeyn. Warton (Hist. of engl. poetry, BP. III, 38.) nennt ihn „the first po- 
lished english satirist,“ aber in feinen „Songs and Sonnettes,“ 1557 finden fidy 
nicht eigentliche Satiren, fondern nur einzelne fatirifhe Züge in feinen Epiſteln 
und Sichern. Seine Sonnette tragen größtentheil® dad Gepräge der Künftelel. 
Poems of Wyat and Surrey, Lond. 1557, 1565, 1717. 

Wyck, Thomas, ein berühmter Maler aus Harlem, geb. um 1616, befaß 
eine aufferorventliche Geſchicklichleit, Seehäfen und Geſtade mit Schiffen und 
öffentliche Märkte mit Selltänzern, Taſchenſpielern und Marktfchreierbühnen. zu 
malen. Sein Colorit ffl gl hend und die Farben find flarf angelegt. Auch 
rabirte er einige Blätter, die eben fo ſtark gefucht werden, als feine Gemälde, 
Gr farb 1686 und binterließ einen Sohn, Johann, ebenfalls einen vortreffs 
lichen Maler, befonder® in Jagden, der zu London 1702 flarb. 

ynants, Johann, einer ber beften polänbiichen Landſchaftsmaler, ges 
boren zu Harlem um 1600, ftellte befonders die Sandberge ungemein gut vor u. 
hatte eine befondere Kunftfertigkeit in der Beleuchtung. Ueberhaupt findet man 
in feinen Landfchaften eine leichte und verſtaͤndige Behandlung des Pinſels, eine 
ute Austheilung des Lichte, welches den Zufchauer an ſich lodt, glüdliche 
agen und fchöne Lüfte. 

Wyſocki, Beter, polnifcher Obrift und einer der Hauptbeförberer des Auf⸗ 
flandes in Polen im Jahre 1830, ward 1799 zu Warfchau geboren, trat 1817 
al8 Freiwilliger in das Grenadierregiment der polnifchen Garde, wurde 181R 
Unteroffizier und fam 1824 in die Fähndriche-Exhule m Woariigon, wo «N 
einer frühern mangelhaften Erziehung, aufler den wilrieidgen Stun 





960 By — Byttenbach. 


dere Zweige des Wiſſens, beſonders das Studium der Geſchichte, betrieb und 
hier wieder bei den Abſchnitten gern verweilte, welche ihm Stoff zu Vergleich⸗ 
ungen mit der politiſchen Lage ſeines Vaterlandes darboten. Sein Vaterland zu 
befreien, dazu glaubte er Alles beitragen zu müſſen. Unter feinen Waffenbrüdem 
juhte er ſich zunächſt eine Partei zu bilden, die er für Polen's Angelegenheiten 
egeifterte. Zwar wurde durch das Mißlingen der Berfchwörung in Rußland 
nad dem Tode ded Kaiſers Alerander (26. Dezember 1825) der Bund aufge 
1ö6t, aber W. unternahm ed, ihn von Neuem zu fliften, durch die Zöglinge der 
Faͤhndrichsſchule zu verflärken, befondere, da er 1827 Unterlieutenant geworden 
war und zugleich als Inſpektionsoffizier Unterricht an der Anftalt geben mußte, 
und einflußreiche Regierungsbeamte zu gewinnen. Der urfprüngliche Plan war, 
den Kaiſer Nikolaus und jeine ganze Familie bei der Krönung in Warfchau 1829 
zu ermorden; aber dieſer ſcheiterte und nun fliftete W. eine neue Verſchwoͤrug 
am 29. Rovember 1830, wodurch der polnifche Wufftand veranlaßt ward (ſiehe 
polnifche Infurreftion). W. wurde nun an mehren Drten verwendet, 
wurde Hauptmann und Adjutant des Kürten Radziwill, ging mit Divernidi über 
die öfterreichifche Graͤnze, entfloh aber aus Oaligten und fam wieder nach Wars 
fhau, wo er Major und Commander des 10. Regiments wurde. Am 6. Sept. 
befehligte er in der Revoute bei Wola und fiel bier, am Fuße verwundet, in 
rufftifhe Gefangenſchaft und wurde von einem Kriegögericht am September 1834 
zum Tode verurtheilt, doch feine Strafe gemildert, daß er 20 Jahre zu Berg 
werföarbeiten in Sibirten verdammt wurde. Er ja: 1837. 

Woß, Johann Rudolph, ein trefflicher Erzähler, Idyllen⸗ und Sage 
dichter, geboren 1781 zu Bern, flubirte auf mehren deutfchen Univerfltäten und 
ward Brofe or und Oberbibltothefar in feiner Vaterſtadt, wo er 1830 flarh. 
Seine Schriften find Acht ſchweizeriſch, fchlicht und einfach und von lieblicher 
Anmuth. Er if der Herausgeber der „Berner Ehroniten” von K. Yuftinger 
(1818), B. Tſchachtlan (1819) und Anfelm Stud (1825—26), des Taſchenbu 
„Alpenrofen" C1I811—29 mit Kuhn und Meisner) und des „Schweizer Ger 
ſchichtsforſchers“. Auſſerdem fchrieb er noch „Borlefungen über das höchke 
But” (2 Thle. 1811); „Der fchweizerifche Robinfon“ (2 Thle. 1811); „Idyllen, 
Volfsfagen, Legenden und Erzählungen“ (2 Thle. 1815-22); „Sammlung von 
“ Schweizer Kuhreihen“ (3. Aufl. 18189); „Reife in das Berner Oberland“ (2 
Thle. 1816-17) u. m. a, 

Wottenbach, Daniel, einer der ausgezeichneteften hollaͤndiſchen Philologen, 
war der Sohn des, als theologiſcher Schriftfleler bekannten und zu Marburg 
1779 als Brofefior verftorbenen Daniel W., warb 1746 zu Bern geboren, er 
hielt feine erfte Bildung von feinem gelehrten Vater, fludite dann zu Marburg, 
Böttingen und Leyden Philologie und wurde 1771 Brofefior der griechifchen 
Sprache und Philofophie am Remonftranten-Bymnaflum zu Amflerdam. “Dur 
feine tiefe und gründliche @elehrfamfeit zog er bald die allgemeine Aufmerkſan⸗ 
fett auf fi, erhielt 1779 die Brofefiur der Philoſophie am Arhendum zu Amſter⸗ 
dam und bald darauf mehrmalige Yufforderungen, nad) Leyden al& afademifde 
Docent zu fommen. Ungern fcheint W. fi von Amfterdam getrennt zu haben, 
da er diefen ehrenvollen Ruf zweimal ausfcylug und erft 1799 vemfelben fol 
Er erhielt die dortige Profeffur der Beredſamkeit und war, fo lange er da 
wirkte, die Zierde der Univerfität. Gr biieb zu Leyden bis 1816, privatifirte fell 
dem eine Zeit lange in Heidelberg, Eehrte jedoch bald nach Leyden zurüd und 
ftarb daſelbſt, erblindet, 1820. Seine vorzüglichften Schriften find: feine zuletzt von 
Schäfer herausgegebene „Epistola critica ad D. Ruhnkenium* (Göttingen 1769); 
‚Praecepta philosophiae logicae“ (Amftervam 1782, zuletzt herausgegeben von 
Maaf 1821); feine in Acht claffifchem Latein geichriebene ‚Vita Ruhnkenii“; 
„Bibliotheca critica“; ferner feine Ausgabe von Plato's „Phaͤdon“ und mehre 
Schriften des Plutarch. Belammelt eridgienen (eine „Opuscula varii argument“ 
erft nady feinem Tode Eeyden AB, 2% Bir), er Untuckt verleiten aa 


& — Zanthippe, 961 


Friedemann unter dem Titel: „Opuscula selecta Wyttenbachii“ (Braunfchweig 
1825) heraus. Eine treue und gut gefchriebene Biographie von W. verfaßte 
Mohne unter dem Titel: „Vita D. Wyttenbaccii“ (Gent u. Leyden 1823). Auch 
eine Gemahlin, Johanna, geb. Gallien, war eine wiſſenſchaftlich hochgebildete 
1. fehr gelehrte Frau. Ste lebte feit dem Tode ihres Gemahls in Paris u. hatte 
1827 dae feltene Glück, von der philofophlichen Fakultät der Univerfität Mar- 
yurg mit der Doftorwürde beebrt zu werben. 


8 


XR, 1) als Rauts und Schriftzeichen, der 23. Buchftabe im deutſchen, 
der 21. im latelnifchen und der 14. im griechifchen Alphabet, ift ein aus einem 
Saumenlaute und dem s zufammengefeßter Laut, ald welcher er tim Griechiſchen 
tet8 betrachtet wurde; indeſſen mag er fidy urfprünglidy doch mehr dem s ge- 
nähert haben, wie auch feine, ganz dem hebräffchen D entfprechenvne, Stellung 
Im griechifchen Alphabete anzudeuten fcheint und erft fpäter verhärtet worden 
feyn. Im Branzöftfhen wird da x=s und im Spaniſchen wie ein rauhes ch 
ausgeſprochen; die neuere ſpaniſche Orthographie hat jedoch das x völlig ver- 
drängt und an feine Stelle überall das gleichlaute j geſetzt, daher jetzt 3.3. ſtatt 
Merico fletd Mejico gefchrieben wird. — 2) Als Abfürzung: a) In röm⸗ 
Ifchen Schriften Denarius, weil diefer aus 10 As beftand; b) in der Mathematil 
die Bezeichnung der unbelannten Größe; c) im kanoniſchen Rechte der 1. Theil 
der Derretalen ; d) auf dem Revers franzdfifcher Münzen die Münzflätte Amiens ; 
e) in älteren mebtzinifchen Schriften = 1 Unze. — 3) Als Zahl: im Latein- 
chen X— 10 (zuſammengeſetzt aus 2 V); im Griechiſchen =60;5 ‚260,000; 
in der Rubrichrung x=21. 

Kanten, Stadt im Regierungdbezirfe Düffelvorf der preußiſchen Rheinpro⸗ 
vinz, mit 3400 Einwohnern, iſt Sit eines biſchöflichen Delegats des Bisthums 
Münfter und Hat eine fehendwerthe ehemalige Collegiatſtiftö⸗, jetzt katholiſche 
SBfarrlicche zum hl. Victor, theild aus dem 12. Jahrhunderte, größtentheild aber 
vom J. 1333, ein Meifterftüd gothiſcher Baukunſt. — Hier hatte fon Julius 
Gäfar ein fefted Lager und unweit von da auch Barus, weßhalb die Umgegend 
eine reiche Bundgrube für Alterthümer bietet. Bel X. fol Katfer Mariminus 
den h. Gereon mit der thebalfchen Legion wegen ihres Bekenntniſſes des Ehriften- 
thums dem Martyrertode geweiht haben. Hier fand auch die Burg des Niebel- 
ungenfürften Siegfried, der hier geboren wurde. 

‚Xanthippe, die berüchtigte, durch das ganze Alterthum ald Ideal eines 
zänfifchen, unverträglicden Weibes, bekannte Gattin des Sokrates (f. d.), die 
derfelbe nach Fenophen nur deßhalb genommen haben fol, um fih in der Ge- 
duld zu üben und deſto leichter alle Andere, was ihm etwa begegnen Fönnte, 
zu ertragen. Ein freundlicheres Bild, als das gewöhnliche, entwirft indefien 
Wieland von ihr. „Aus einem vornehmen Haufe flammend, mochte X. ohne 
Vermögen u. von der Natur, flatt mit zarter Weiblichkeit, vielmehr nebit derber 
Leibeögeftalt mit aufbraufendem Temperamente und einem guten Theile Streitluſt 
und Rechthabeſucht ausgeftattet feyn. Denkt man fi nun Hinzu, daß die 
finanziellen Umftände des Sofrated nicht die nlängendften waren und daß der 
Haudfrau mit dem Wenigen zu wirthfchaften ſchwer werden u. fie felbft auf alle 
Genüfle des Lebens verzichten mußte, was fie bei einer Anversgeftaltuus, Au 
Individualität ihres Mannes vieleicht nicht zu braucdgen genadyie, In rt A 
die Bitterkeit, die ſich Im ihren Umgang mit Sotrate® mildgte , \vüt DIN 
Much ihre Söhne mochten ihr oft zur Unzufrieverhelt Selegeuhet gen WS I 

Healencpclopddie. X, Gi 


962 Ranthippos — Xenlen. 


Wunſch, fie zu tüchtigen Bürgern und Menſchen, würbig ihres Vaters, gu 
bilden, mußte fie wohl zu einem Benehmen gegen diefelben nöthigen, das biefen 
unerträglich ſchien. Auftritte, wie der, daß fle einen von Alcibiades feinem Lieb: 
haber Sokrates geſchickten Kuchen auf die Erde warf und mit Füßen trat, find 
ewig nur felten geweſen und fie zeigen von einer @iferfudht, Hinter welcher 
cher eine Liebe verborgen war, die fi auch, um fih an das Berichtete zu 
halten, nody in den letzten Lebensſtunden des Sofrates zeigte, wo fie ihren Ge⸗ 
mahl tm Gefängniffe beſuchte und in Thränen gebadet von ihm ging. 

Ranthippos, ein berühmter lacedämoniſcher Feldherr, der — Muth und 
Klugheit Karthago, dem die Lacedämonier Miethtruppen zuſchickten, im dritten 
puniſchen Kriege vom Untergange rettete. Ihm wurde, da er die Fehler der 
karthagiſchen Feldherren freimüthig tadelte, das Oberkommando übertragen. 
Rachdem er die Truppen hinang ich geübt, und fie mit dem Fühnften Muthe be 
gaftert hatte, rückte er mit feinen etwa 14,000 Mann ſtarken Truppen und mit 
00 Elephanten in's Feld, Iodte die Römer (unter Regulus), die fchon den Has 
milcar und die beiden Hasbrubal gelchlagen hatten, an 46,000 Mann farf, 
über einen Fluß, fo daß diefen der Rüdzug abgefchnitten war, ftellte feine Voͤller 
auf vortheiihafte Art in Schlachtorbnung und lieferte nun den Römern eine fo 
blutige Schlacht, daß diefe von ihrem Heere kaum 2000 Mann retteten, bie 
Uebrigen wurven gefangen, worunter felbft Regulus war, oder niedergemadht. 
X. wurde nun aufferordentlich von den Karthagern verehrt; deſſen ungeachtet, 
fagt man, gaben ſie nach ihrer ſchon befannten Treulofigfeit dem Kommandanten 
des Schiffes, auf welchem er nach Larevämon zurüdging, insgeheim Ordre, Ihn 
in's Meer zu flürzen, oder durch ein led gemachtes Yahrzeug verfinfen zu laſſen. 

Ranthus, In der griechiichen Mythologie der Rame verfchledener Perſonen 
Flüſſe, Pferde ꝛc. Beſonders berühmt war der Fluß &., in der Landſcha 
Troja, der audy den Namen Efamander führt, wovon jene Benennung für d 
ältere gehalten wird, nämlich von der Farbe dieſes Gewäflers, welches Hochgelb, 
feuerfurben (was eben jenes Wort im Griechifchen bedeutet), ausgefehen bat. — 
Berühmt waren auch die drei Rofie Ramend X., von denen eined dem Heftor, 
eincd dem Diomedes und eines dem Achilled gehörte. Lebtered war fogar mit 
menfchlider Stimme, mit Gefühl und mit der Kunft der Weiffagung begabt und 
weiffagte dem Achilles feinen baldigen Tod. 

Zaveriuß, der Beilige, f. Franciscus 6). 

Zeniades, ein alter griechifcher Bhilofoph aus einem ungewiſſen Zeitalter, 
aber ältır als Demokit, aus Korinth gebürig. Er lehrte, daß Alles falic, 
unfere Sinne und Meinungen trüglich ſelen. Yon ihm tft der reiche Korinther 
gleiche® Namens verfchlenen, der den Diogenes Faufte und ihm feinen Sohn zu 
unterrichten gab. 

Zenien (Eevia) hießen bei den Alten und vorzüglich bei den Griechen m 
Römern biejenigen Geſchenke, welche ein Gaflfreund dem andern zum Andenken 
mitgab und hinterließ. Hiernach nannte der römifche Satirifer Martialis 
({. d.) das XIII. Buch feiner Heinen ſatiriſchen Sinngedichte ebenfalls X., md 
jest verfteht man darunter in der Poeſte überhaupt Dyſtichen, weldye Ausſprüche 
eines geiftreichen Urtheils im lobenden oder tadelnden Sinne enthalten. Unter 
diefem Titel ließen in neuerer Zeit Schiller, Göthe und A. lobende oder tabelnve 
Bemerfungen über Welt: und Menfchenleben erfcheinen und diefe X. von Schiller 
und Göthe find, beiläufig bemerkt, wohl das bedeutendſte Merkmal ihrer gemein 
jemen Thätigkeit. Sie find Im eigentlichen Sinne gemeinfchaftlich gedichtet und 
n fo enger Verbindung, daß fie befchloffen, ihr Eigenthumsrecht nicht auseln- 
ander zu fegen. Ein Beweis ihrer großen Uebereinftimmung in äſthetiſchen, 
philofophifchen und fittlichen Anfichten. Während Andere die genannten X. ale 
Ausflüũſſe perjönlicher Gereiztheit, namentlidy wegen lauer Aufnahme ver Horen 
und eines rüdficdhtölofen und Werdlo\en Üebermmigd \ehuuem und verbammen, 

erblidt Bervinus darin eine Im Banyen wolbereiätiäe un werliikiign, der ' 


Zenokrateb— Xenophanes, 963 


Literatur förberliche That, eine nachdrüclliche Serämpfung und Kinfchüchterung 
der Gemeinheit und Mittelmäßigfeit u. f. w. Gervinus läugnet alfo felbft nicht 
jene Gerelztheit und der Erfolg hat hinreichend bewiefen, daß auch dieſe X. den 
ihnen unterfchobenen Zwed gänzlich verfehlten und überhaupt nicht als eine Art 
der Gerechtigkeit anzufehen find, welche der Ernſt und die Liebe zu einer Achten 
Bildung an den Objekten ausübt, die derfelben entgegenftehen. Sonft bezeichnet 
man in der Regel mit &. eine Art Epigramme, weldye fpottend gegen Jemand 
erichtet find. Sie verlieren Werth und Bedeutung, wenn fie an Verfönlichkeiten 
aftend, Keinen edlen Unwillen über wirkliche Anmaffung und Yarfellung des 
Schlechten ausiprechen. — In der Malerei führten den Ramen X. auch Kleine 
Gemälde an den Friefen, als Früchte, Landſchaften, Thiere und vergl. und als 
Berklleinerungswort kommt vor Xeniolen tn der Bedeutung von Beinen 
Gaſtgeſchenken u. f. w. 

Xenokrates, 1) berühmter Philofoph, aus Chalcevon gebürtig, war ein 
Schüler des Plato und Freund des Ariftoteled und wurbe nach Speufippus 
Vorſteher der Akademie. So ſehr der Ernſt feiner Sitten an mürrifche Unge⸗ 
felligfeit grängte fo fehr ftand er wegen feiner Tugend und unbeftedhlichen Recht⸗ 
ichaffenheit in Achtung. Als Abgefandter an den macedoniſchen König Philipp, 
widerftand er allen Verfuchen, ihn zu beftechen. Wieranver that eben bielen 
Verſuch mit nicht beilerem Erfolge. Er liebte die Einſamkeit und das Studiren 
fo fehr, daß er felten aus dem Haufe ging. Zu feinem Unterricht in der Phi⸗ 
loſophie Iteß er Steinen zu, der fich nicht durch die mathematifchen Wiflenfchaften vor« 
bereitet hatte. Seine Borlefungen über die Sitten» und Tugendlehre thaten ers 
Bamice Wirkungen und befehrien oft die athentenfifchen Sünglinge von jeder 

Schwelgerei und Ueppigkeit. Er ftarb im 82. Jahre feines Alters, nachdem 
er 25 Jahre in der Alademie gelehrt hatte. Er fchrieb eine Möpanblung über 
die Kunft zu Regieren, ſechs Bücher über die Natur, ſechs Bücher über die Phi⸗ 
loſophie und ein Buch über die Reichthümer; es ift jedoch hievon Nichts auf 
und gefommen. — 2) &., ein Arzt von Aphrodiſtas, lebte zur Zeit des Tiberius 
ober Nero und fchrieb verfchtevene Werke, von denen aber nur nody Fragmente 
einer Schrift über die von den Bifchen hergenommenen Nahrungsmittel übrig 
find. Herausgegeben wurden biefelben von K. Geßner, Züri 15595 ©. Franz, 
Sranffurt 1774, Neapel 1794, auch im dritten Bande von Corayd Panerga 
biblioth. hellenic. und einzelne von Korai, Paris 1814, fowte in C. F. Matthärs 
Medicorum veterum et clarorum Graecorum varia opuscula, Moskau 1808, 4. 

Xenophanes, ein berühmter griechifcher Philofoph, aus Kolophon in Klein⸗ 
aften gebürtig, ver Stifter der eleatifchen Schule, lebte, ein Zeitgenofle des Py⸗ 
thagoras, Sokrates ac. zwifchen der 37. und 50. Olympiade und erreichte ein 
Alter von 100 Jahren. Er verließ feine Vaterſtadt, entweder von feinen Mit 
bürgern wegen ver Freiheit feiner Meinungen vertrieben, oder weil er die perfl- 
ſche Herrichaft nicht ertragen konnte und begab fich nach Sieillen und Groß⸗ 
Griechenland, wo er fein Leben größtentheild zu Elea zubradhte, dort bei feinen 
Mitbürgern einen hoben Brad von Adytung und Anſehen genoß und in den 
wichtigften Angelegenheiten um Rath gefragt wurde; von ihm, oder vielmehr von 
feiner Schule zu Elea, hatte auch das neue philofophiiche Eyſtem, defien Lirheber 
er war, feinen Namen des eleatifhen. Die Meinungen der älteren jonifchen 
Bhilofophen, wahrfcheinlich auch die der Pytbagorder prüfend, blieb er dabei 
nicht ſtehen, fondern flellte neue Unterfuchungen über die Natur der Dinge an. 

Er beftritt die mythologifchen Fabeln der Bolföreligton und lehrte: das Seiende 

ift ewig und unveränderlih Eins und Alles, das Vollkommenſte und Befte und 
wird Gott genannt. Diefer iſt als folcher einzig, fich vollkommen glei und 
Daher Eugelartig, weder begrängt noch gränzenloo, weder beweglich noch vobe⸗ 
weglich, unter Feines Menichen Form vorzuftellen, Wed voKLWeho 
mögend. Die Bielheit der Dinge ift nicht wahrhaft. erner benanyienr * SR, 
Alles aus Erde, ober aus Erde und Wafler entfanden (di, St ar —X 


964 Eenophon. 


änderung der Oberfläche unſerer Erde durch Waſſer und hielt den Mond für 
einen angebauten und bewohnten Weltkörper. Er Täugnete die Möglichkelt, 
Fünftige Dinge vorbherfagen zu fönnen und behauptete, daß weit mehr Gutes als 
Boͤſes in der Welt anzutreffen fe. Da er die Ungeni heit des menſchlichen 
Wiſſens Tannte, befchränfte er Alles auf Wahrfcheinlichkeit und Meinung. Bon 
feinen Schriften finden fich noch Fragmente bei Arhenäus, Plutarch u. A, welche 
gefammelt find in H. Etephanus Poesis philosophica, Paris 1573; mit Ueber: 
fegung in Fülleborns Beiträgen zur Gefchichte der Philoſophie, Zülichau 1791 ff., 
St, 1., Rro. 3. und St. 7., Nro. 1., zulegt von Karften, Brüffel 1830, vergl. 
T. Roſchmann, De Xenophane, Altdorf 1729, 4.; Tievemann, Xenophanis de- 
creta im 1. Bande, 2 Et., oder Nova bibliotheca philosophica et critica. 
Xenophon. 1) &. von Athen, berühmter griechticher Gefchichtsfchreiber 
und Feldherr, geboren 450 vor Ehr., war ein Sch des Cyrillus und Schüler 
des Sokrates, deſſen Liebling er war. Mit ihm zugleich focht er im peloponneſt⸗ 
fhen Kriege und fpäter in Perſten unter einem Lakedämoniſchen Hülfsheere, das 
befimmt war, dem jüngeren Eyrus auf den perſiſchen Thron zu helfen. Da 
aber die Schlacht von Kunara unglüdlich ausfiel und Eyrus fein Leben verloren 
hatte, führte X. die noch übrigen 10,000 Mann aus Oberaften durch größten: 
iheils feindlich gefinnte Länder nach Griechenland glücklich zurüd. Auch begleitete 
er darauf den fpartanifchen König Agefllaus nach Perſien, wurde aber eben da⸗ 
durch feinen Mitbürgern verbächtig und aus dem Gebiete der Republif verbannt. 
Er lebte hierauf an verfchiedenen Orten und zulegt in Corinth, wo er 360 v. Chr. 
farb. Als philoſophiſcher Schrifiteller hat X. une die geiteueften Nachrichten 
von Sokrates und deſſen Lehren in mehren Schriften hinterlaſſen; als Geſchichts⸗ 
ſchreiber die Geſchichte Griechenlands (nur ſchreibt man ihm oft zu viele Partei⸗ 
lichkeit, beſonders für Sparta zu) und feinen berühmten Rückzug mit den 10,000 
Mann, überdies noch das Leben des Cyrus, was jevoch mehr ein hiftorifcher Ro- 
man, als treue Geſchichte ift; außerdem mehre Heine Abhandlungen politifchen und 
öfonomifchen Inhaltes. Seine Schreibart gehört zu den beften Muftern, fie ift rein 
und ſchön, ruhig und edel, wie die Seele ihres Urheberd und gefiel wegen bes 
ihr Inwohnenden Wohllautes, fo daß man ihn die attiſche Biene oder Mufe nannte. 
Die Titel feiner einzelnen Werke find: Denkwürdigkeiten des Eofrate® (Memors- 
bilia oder ’Arouvpuovsvuara), in welchen des Sofrates Denk: u. Handlungs: 
weife in Gefprächen mit Sophiften und mit feinen Schülern bargeftellt wird, ber 
ausgegeben von P. BVictorinus, Florenz 1538, Ernefti 1737, mit Balfenaers u. 
Ruhnkens Anmerkungen 1772, Hindenburg, Leipz. 1769, Zeune 1781, Schneider 179%, 
1801, 1816, Zange, Halle 1806, Herbft, ebend. 1827, Bornemann, Leipzig 18%, 
Saupye, ebd. 1834, R. Köhner, Gotha 1841, Seyffert, Brandenburg 1842, 1844; 
die Apologie des Sokrates, worin er den Sokrates von dem Verdacht de 
Srreligiofität zu retten fucht (won Mandyen für unädyt oder für einen Theil ver 
Memorabtilien gehalten Zvurocrov, Baftmahl, Gaftmahlgefpräch über mancher 
Gegenftände, befonderd über die Liebe, herausgegeben von Lange, Halle 18%, 
Herbft ebd. 1830, mit der Mpologte von Bornemann, Leipzig 1824, mit Him 
und Agefllaus von Hannow, Halle 1835, Sauppe, Helmftedt 1841; Hioro 
oder Tyrannikos, ein Geſpräch des Simonides mit dem furakufanifchen Tr- 
rannen Hiero, über die Lebensvortheile und Nachtheile eined Königs und übe 
die Mittel, wie ein Herrfcher ſich die Liebe feines Volles erwerben könne, ker: 
audgegeben von Fraticher, Leipzig 1822, mit Ageſilaus von Graff, ebd.; De 
konomikos, eine Philofophte des Hausweſens, herausgegeben von &. Herbk, 
Leipzig 1840, Breitenbach, Gotha 1842. Dazu kommen noch: Leber die 
Pferdebehandlung, ein Traftat über den Kriegsdienſt eines Reiters; Hip: 
parchikos, vom Berhalten und der Wirkſamkeit eined Reiteranführers; Kyre: 
petifo 8, eine Lobfchrift der Jagd; die Eyropädie, ein philofophifcher Roman, 
n welchem das deal eined guten Wegenten , ner er Merion des Curus, ger 
zeigt iſt (herausgegeben von Hutäginfon, Orioto ITZI, A, Mur, Reina TIL 


Xeres. 965 


und 1784, Zeume 1780, Schneider 1800, 1815, Boppo 1821, Bornemann, Gotha 
1828, — Karlsruhe, 1833, Bornemann, Leipzig 1840, Jacobitz, ebd. 
1843, Commentar von Fiſcher, herausgegeben von Kuindl, Leipzig 1803, deutſch 
von J. F. von Meyer, Frankfurt 1824, 2. Aufl); Hiſtorifche: die Ana⸗— 
baſis, der Zug der 10,000 Griechen unter Cyrus gegen Artarerres und haupt⸗ 
fählih der von ihm geleitete Rüdzug (Andere fchreiben dies Buch dem Syra- 
fufaner Zimafigened oder Themiſtogenes zu), herausgegeben von Hutchinſon, Orx⸗ 
ford 1735, 4., 1745 und mit Perfond Anmerkungen, Cambr. 1785, Morus, 
Leipzig 1778, Zeune, ebd. 1785, Schneider, ebd. 1791, Lange, 3. Aufl., Halle 
1823, Lion, Böttingen 1822, 2 Bde, Bornemann, Leipzig 1825, Krüger, Halle 
1826, Berlin 1830, Poppo, Leipzig 1827, Holtmann, Karleruhe, 1833, Graff, 
Leipzig 1842, Boike, 5. Aufl., ebd. 1844, Krüger, 2. Ausg., Berlin 1845); 
Hellenika, griechifche Geſchichte, Hortfehung des Thukydides, von der Schlacht 
bei den arginuftfchen Inſeln bi6 zur Schladt bei Mantinea (von Einigen für 
unädht gehalten, herausgegeben von Morus, Leipzig 1779, Schneider 1791); 
Age ar eine Lobſchrift des Könige Ageſilaos, Beraus egeben von Heiland, 
Bein 1841, mit Hiero, f. oben; von der Republif der Spartaner, 
herauögegeben von $r. Deal Berlin 1833, und: von der Staatöverfaffung 
der Athener, in welchen Schriften (gemeinfchaftlich auch Bolitika genannt, 
herauögegeben von Lerlufe, Paris 1820, von Sauppe, Leipzig 1838) er ſich ta- 
deind uber die athenienſiſche Demokratie auöfpricht und mit großem Wohlgefallen 
bei der Berjafun der Spartaner verweilt; über die Staatseinkünfte, be 
fonders, wie ſolche durch die Silberbergwerfe, Zölle und den Handel in Attika 
vermehrt werden können. Ausgaben ber ſämmtlichen Werke, Flor. 1516, 
fol.; die Aldina, 1525, fol.; von Stephanus, Paris 1561, fol.; von Leuns 
elavius, Baf. 1569, fol. u. d.; van der Wells, Oxford 1705, 5 Bde; von 
ahleme, depig 1763, fol, 4 Bde. (n. wieder 1801); B. Weiske, Leipzig 1798 
fol, 6 Bde.; Ball, Bars 1797, 1816, 2 Bde, 4.5 Schneider, Leipzig 1816, 
6 Bde., bei Didot in 1 Bd., Paris 1839, Ueberfegungen von den Brüdern Bors 
zet Lemgo 1778 — 94, 5 Bde.; Thieme und Sturz, Lexioon Xenophonteum, 
eipzig 1801— 1803, 4 Bde. Ueber X. vgl. Dodwell, Chronologia Xeno- 
hontea, Oxrford 1700; Gail, La vie de Xenophon, Paris 1795, 2 Bde.; 

teuzer, De Xenophonte historico, 2eipzig 1799; Krüger, De Xenophontis vita 
quaestiones criticae, Halle 18225 %. Delbrüd X., eine Rettung feiner durch 
Niebuhr gefährdeten Ehre, Bonn 1829. — 2) X. aus Ephefus, ein griechifcher 
erotifcher Dichter, der nach Einigen um 400 nady Ghrifti, nady Andern aber 
viel früber lebte. Man hat von ihm die Befchichte des Habrofomes und der 
Anthia, in einer durch Simpiizität und Leichtigkeit ausgezeichneten Sprache. 
Den Fleiß der angefehenften griehiichen Epracdhgelehrten hat der Tert dieſes Ros 
mans nüglicher beichäftigt, ale jeine Lefung Geſchmack und Sittengefühl befchäfs 
tigen kann. Griechiſch und lateinifch Derauögene en von dem Sreihern v. Lo⸗ 
cella, Wien 1796, 4., auch im 2, Bde, der qeruchſchen Sammlung. Eine 
neue Pk gute Ausgabe hat P. Hofm. Peerlkamp geliefert, Harlem 1818, und 
eine Handausgabe, Fr. Paſſow, Leipzig 1833; Deuffche Ueberfegung von Bürger, 
Keipalg 1775 und von 3. ©, Krabinger, Münden 1820, Fruͤher noch als 
das ginal, erſchien die italieniſche Ueberſetzung des Grafen Salvini, 
London 1723. 

Eeres de la Frontera, Stadt Im ſpaniſchen Königreiche Sevilla (Nie⸗ 
derandaluften), Tiegt fehr romantiſch auf der Spite der Puerta de buena vista, 
In einer von der Katur Außerft begünftigten Gegend. Wohin das Auge fidy nur 
wendet, fieht man üppige Watzenfelver, Weinberge und Dlivenpflanzungen, unters 
mifcht mit Bomeranzen- u. Eitronengärten. Schade, daß dieſes kleine Paradies 
wegen der zahlreichen Räubereien fo unficher zu bereifen if. Das Innere der 
Stadt verräth durch fein fchlechtes Pflafter und den angehäuften Unrath ben 





4 


966 Kerreb, 


mangelhaften Zuſtand der ſpaniſchen Straßenpolizei, hinwieder aber audy durch 
die Sielen anſehnlichen Häufer und den mit Säulengängen und zahlreichen 
Kaufögewölben umgebenen großen Marktplatz den Wohlftand der Bewohner, deren 
Zahl ſehr abweichend von 30,000 bis zu 60,000 angegeben wird. Es hält fi 
tnöbefondere viel Adel bier auf. Pfarrkirchen hat die Stadt 9, Spitäler 4 und 
ehedem beftanden hier auch 21 Klöfter. Dem Fremden fällt vornehmlich die 
Menge von Kaffeehäufern auf, vie beftändtg won Bäften wimmeln. Vereini⸗ 
gungsort der fchönen Welt und allgemeiner Spaziergang ift die Terraffe des Al 
cazares Reales. — Pferdezucht, Delbau, namentlidy aber der Weinbau find 
die Hauptnahrungszweige der Stadt und Umgegend. Der fo berühmte Wein 
von Zeres ift jung füßlich und blaß — Parjarete — älter iſt er gelblicher und 
erber , ein Magenwein — Vino secco. Die Weinberge bringen zweierlei Sorten 
ervor, den fonenannten Sekt (Moscatello) und den füßen Wein (Pedro: Kimeneb). 
Schenswerth find die „Bodega's“ oder Wein Borrathöhäufer. Diefelben beftchen 
nicht in unterirdiſchen Gewölben, fondern in großen, von zahlreichen Fenſtern 
durchbrochenen Säulenhallen, wo in ſymetriſcher Drbnung die Bäfler nach ven 
Taufenden aufgeftellt find, — verttable Bachuskathedralen. Der alte Wein wird 
in ungeheuren Zäflern, faft fo groß wie das Heidelberger Faß, aufbewahrt; 
man nennt ein foldye® Faß Madre (Mutterfaß), und einige dieſer ehrtwürbigen 
alten Damen enthalten Wein, der 120 Jahre erreicht hat. Man miſcht damit 
die jüngern Weine, um ihnen durch diefen Zuſatz eine Blume zu verfchaffen. Die 
Zahl der Etüdfäfier, welche jährlich in X. zuſammengebracht werden, beträgt 
30,000. Die Hälfte davon wird nady England auöneführt, wo dieſer W 
unter dem Namen „Sherry“ bekannt iſt, während man ihn in Deutſchland Kerefer 
Sekt nennt, — In der Nähe von &. befindet fi die Cartuja, ein ehemaliges 
Karthäuferflofter. Die Gebäude prangen in verfchwenderifcher Architektur und 
haben einen Umfang, daß man eine Kleine Stadt vor ſich zu fehen glaubt. Der 
Kirche Vorderſeite hmüden Statuen von des berükmten Alphonfo Cano Meiker 
hand, das Innere Gemälde von Zierbaran. Das Klofter unterhielt zwei Bers 
jorgungsanftalten, eine — zugleich Schule — für arme Kinder, die andere für 
bilflofe Greiſe. Ungeachtet diefer wohlthätigen Inftitute fand es Feine Gnade 
bet den Kirchenftürmern unferer Zeit; ed wurde aufgehoben, und feine prächtigen 
Gebäude find dem Berfalle preißgegeben. — In der Geſchichte iſt X. — das 
alte Asta regia — merkwürdig durch den entfcheidenden Sieg, weldyen vor feinen 
Mauern am 21. Zuli 711 die Araber über die Weſtgothen erfämpften. — Kapi⸗ 
tain Scott Excursions in the Mountains of Ronda and Grenada; Frank 
Standish: The Shores of the Mediterranean. mD. 
Xerred, König von Perflen, zweiter Sohn und Nachfolger des Darius; 
beftieg den Berfifchen Thron 486 vor Chr. und beswang glei zu Anfang feiner 
Regierung Aegypten. Dadurch übermüthig gemacht, rüftete er fih mehre Jahre 
lange zu einem Stiege gegen Griechenland und ſchloß, um die fänmtlichen 
Griechen in Europa zu unterbrüden, ein Bündniß deshalb mit den Barthaginen: 
fern, die von Sicilien aus Groß» Griechenland anfallen folten; 480 vor Ehr. 
Geburt begann der Feldzug; den Berg Athos ließ er durchgraben und einen 
Kanal dur denfelben führen; über ben peieöpont wurden Brüden gefchlagen 
und, ald das Meer fie zertrümmerte, fo ließ er es zu Strafe peitfchen und die 
Baumeifter hinrichten. Es wurden zwei neue Brüden erbaut; mit Aufgang ber 
Sonne, die man mit Opfern und Gebeten begrüßte, begann der Zug und bauerte 
7 Zage und 7 Nächte. X. fol von einer Anhöhe bei Abydus die Armee und 
die an der Küfte ftehende Flotte überfehen, anfangs in lautem Jubel ausgebrochen 
feyn, zulegt aber viele Thränen vergoffen haben, beunruhigt durch den Gedanken, 
wie bald vieleicht Keiner mehr von diefem Heere am Leben feyn koönnte! Seine 
Landmacht fol fich, die Sklaven und Weiber mitgerechnet, auf 520,000 Bann 
belaufen haben. Die Flotte befand amd ATI Krurade wu AAN LKaftichiffen. 
Bet feinem Einmarfche In Griegenland winentunden Tan ve Torraayilt ir 


unenes. 967 


kannten 300 Spartaner unter Leonidas fo heldenmüthig, daß er ſich nur durch Beſte⸗ 
Kung den Weg öffnen konnte. Er rüdte jeht nach Attifa vor, verbrannte das 
verlafjene Athen und Tieferte am 23. Eeptember 480 vor Ehr. Geburt bei Sa⸗ 
lanis mit 2000 Schiffen genen 380 griechiſche das zweite Seetreffen, nach⸗ 
dem das erfte bei Artemifium Nichts entſchieden hatte. X. ließ fi) am Ufer des 
Meeres, umgeben von feiner ungeheuern Landarmee, einen Thron errichten, um 
dem Treffen zuzuſehen, deſſen Verluſt ihn fo aller Befinnung beraubte, daß er 
mit dem größten Theile der Landarmee eilig zurüdfloh und auf einem elenden 
Bifcherfahne über den Hellespont nach Aſten überfchte. 300,000 Wann ver 
beften Truppen ließ er unter der Anführung des Mardonius zurüd, die aber 
bei Platäa am 25. September 479 vor Chr. gänzlidy geichlagen und aufgerieben 
wurden; an bemfelben Tage fchlugen die Griechen audy feine Flotte bei Mykale. 
Der Krieg dauerte noch 30 Jahre fort, wurde aber von den Perſern blos des 
fenfto geführt, die am Eyrimedon 496 von Cimon an demfelben Tage zu Wafler 
u. zu Lande gänzlich gefchlagen wurden. X. überließ ſich nun den niedrigſten Wol« 
lüften und der empörendſten Grauſamkeit; fo wie er überhaupt nur das Spiel 
feines Seratld war. Er wurde zuletzt von Artabanus, dem Befehlshaber der 
Leibwache, 461 ermordet und fein dritter Sohn NArtarerres J. (Longimanus) 
folgte ihm in der Regierung. 

Zimened de Cisneros, Francisco, Barbinal und Etaatömann, einer der 
großartigften Charaktere in der Weltgefchichte und eine Zierde des Katholicismus, 
geboren 1437 zu Torrelaguna in Wtfafttlien, ſtammte aus dem armen, adeligen 
Haufe de Ciôneros und war der Sohn von Alphons de Eißneros, einem Jufſtiiz⸗ 
profurator, Seine Studien machte der junge X. zu Salamanca und begab fich 
von da nad Rom; auf der Reife dahin wurde er zweimal ausgeplündert. Nach 
dem Tode feined Baters kehrte er von Rom zurüd, im Befſitze eines päpftlichen 
Defretes, wonach er das erfte Benefickum, welches erledigt würde, erhalten follte, 
Der Erzbifchof von Toledo verweigerte ihm dieſes, aber %. übernahm das Amt 
eined Predigers zu Uzoͤda, welches durch den Ton feines bisherigen Inhabers 
perabe erledigt war. Der Erzbifchof von Toledo ließ ihn wegen dieſer Handlung 
n das Gefängniß von Useya fehen, worin ihm ein geiftlicher Mitgefangener ges 
weiſſagt haben fol, daß er eined Tages Erzbiſchof von Toledo feyn werde. Nach⸗ 
dem X. in Freiheit geſetzt war, erhielt er eine SBfründe in der Diözefe von Si⸗ 
guenga, und der Biſchof dieſes Kirchfprengeld, Cardinal Gonzalez de Mendoza, 
die aufferordentlichen Talente des jungen Priefter6 bemerfend, machte ihn zu ſei⸗ 
nem Großvikar. X. zog die Einſamkeit dem bewegten Leben in der Welt vor u, 
wat bald nach Erlangung jener hohen Würde in das Klofter der Ftanziokaner 
ju Toledo, wo er die Drbensgelübde ablegte. Aber auch in der Einſamkeit des 
Kloſters erregte der außerorventlicdh Begabte Aufmerkſamkeit und viele famen, um 
ihn zu fehen und zu beſuchen. Deßhalb zog er fich in vie Einfamfelt von Ca⸗ 
Ranel zurüd und widmete fi) dem Studium der orientalifchen Sprachen. Seine 
Oberen zogen ihn indeſſen aus der Einſamkeit hervor, um ihn für die Kanzel zu 

ewinnen, für die er beftimmt ſchien, denn die Hoheit feiner Geftalt und das 
euer feiner Rede befähigten ihn wie Leinen Andern zum geiftlicden Volksredner. 
Die Königin Iſabella von Caſtilien wählte ihn zu ihrem Beichtvater w. bewirkte 
1495 feine Erhebung zum Grzbifchofe von Toledo, indeſſen war ein Befehl des 
Papſtes nöthig, um den demüthigen Ordensmann zur Annahme jener hohen 
Würde zu bewegen. Sein Leben war von diefer Zeit an eine Reihe glängender, 
yem Staate und der Kirche Segen und Heil bringender Thaten, Als Oberhirt 
yer Erzdidzefe von Toledo zeigte er den größten Eier, pifitirte die Kirchen, die 
Sollegien und Wohlthätigfeitsanftalten feines Kirchſprengels und verwendete feine 
Sinfünfte darauf, jene Anflalten zu verbeflern und zu verfchönern. Er reinigte 
ein Erzbiothum von Mißbräucdhen, die ſich hier und da eingefchlichen Hatten, u. 
yefegte die geiftlichen Aemter mit den würbigften Männern. Den Geiflichen 

x fehr weite Borfchriften und bewirkte eine Reform der Bettelorden in 3 


. 
a 


968 Rimenes. 


zu Erreichung dieſes Zweckes hielt er zwei Synoden zu Alcala und Talavera. 
Die Pforten ſeines Palaſtes waren den Bebrängten und Hilfsbedürftigen alle 
Art ſteis geöffnet, X. hörte ihre Bitten mit Geduld an, tröftete und unterftügt 
fie mit edler Großmuth. Nach dem Tode der Königin Sfabella (1504) vertraut 
ihm der König Ferdinand der Katholifche die Leitung der oberften Stantsgefchäft 
an und X. war es, der, feiner Lebensweife nach ein einfacher Möndy und an 
Demuth und Selbfiverläugnung dem geringften Ordensbruder gleich, ein Staats 
minifter wurbe, wie Spanten vorher und nachher keinen gefehen, deſſen Streba 
dahin ging, fein Vaterland Spanien zur höchſten Stufe des Ruhmes und mat 
rieller Große zu führen, wie Richelleu ein Gleiches mit Frankreich fpäter an 
firebte. Aber zwifchen dem Streben beider Männer if ein großer Unterfchie. 
X. bat nie die verwerflichen Mittel angewendet, deren ſich der franzöftfche Staate⸗ 
mann bebiente und if nte von Hoffart und Selbflfucht nur lelfe berührt worden, 


— — 


womit gerade Richelleu feinen Ruhm fo befleckte. Spanien im Innern zu einigen 


und zu fräftigen, nach Außen aber zu beſchützen und zu befeftigen, das waren 


die Zwede der erften Bemühungen unferes X. Dephalb wendete er den Mauren | 


die größte Aufmerkfamfelt zu. Alle feine Einkünfte, die jährlih 2 Milton Dus 
faten betrugen, widmete er einem Zuge gegen die lebten Befigungen jenes Volle 
ftammes in Spanien. Granada fiel und X., der Krieger und Staatsmann, wurde 
Miffionär, predigte den Unterworfenen das Evangelium und taufte beinahe 
3000 Belenner des Islam auf einem großen geräumigen Platze, wo er auch 
die Bücher des Korans feierlich verbrennen ließ. Papſt Julius II. zeichnete den 
glaubenseifrigen Mann durch Verleihung des Purpurs aus und ernannte ihn zum 
Kardinal von Spanien. Kun gedadyte X. nad Afrika überzufchiffen und bie 
Seftung Dran zu eroben; im Mat 1509 Iandete er mit einer Flotte von &0 
Schiffen an der Küfte von Afrika und flellte fich felbft zu Pferde, mit der ery 
bifchöflichen Kleidung und den Inſignien feiner Würde gefhmüdt an die Spige 
des chriftlichen Deetes, Es erfolgte vor Dran eine Schlacht, die Ungläubigen 
wurden befiegt, Dran erobert und der größte Theil ver Beſatzung niedergemadt. 
Als X. beim Einzuge in die eroberte Stadt die Menge der Erſchlagenen fah, 
weinte er und fagte: „E8 waren Ungläubige, aber Menfchen, die man zu 
Ehriften machen Eonnte, ihr Tod bat mir den größten Bortheil des Sieges ent 
riſſen.“ Dran ließ er nun befeftigen, weihte die Moſcheen zu chriftlicdyen Kirden 
ein und kehrte dann nach Spanien zurüd. König Ferdinand zog dem heimleh— 
renden Sieger bis in die Gegend von Sevilla entgegen und umarmte ihn. AI 
der umfichtige Staatsmann eine Hungerönoth herannahen fah, ließ er öffentliche 
Getreideſpeicher zu Toledo, Alfala und Torrelaguna errichten und biefelben auf 
feine Koften mit Borräthen anfüllen. Diefe wohlihätige Handlung machte einen 
folchen Eindrud auf die Gemüther, daß man, um das Andenken daran zu be 
wahren, Dentfchriften lobenden Snhaltes in dem Saale des Senated zu Toledo 
und auf dem öffentlichen Platze der Stadt aufftellen ließ. Auch feiner Baterftadt 
Zorrelaguna erwies er Wohlthaten, baute hier ein fchönes Klofter und legte eine 
foftbare Wafferleitung an. Gegen ven afrikanifchen Sklavenhandel eiferte X. und 
verwarf mit Unwillen den Bor fhlag des Biſchofes Las Caſas, Neger einzuführ 
ven, um die Eingeborenen Amerika's zu fchonen. König Yerdinand ernannte, un 
geachtet er eine gewifle Giferfucht gegen X. begte, vor feinem Tode den Kardinal 
zum Regenten von Spanien (1516), weil der Erzherzog Karl, Ferdinand's 
Enkel, noch minderjährig war. Während biefer zweijährigen Adminiſtration leiftete 
X. Außerordentliches, hob die Finanzen, indem er viele Domänen wieder in den 
Befig der Krone brachte und erübrigte durch weiſe Sparfamfeit dem Staate 
große Summen. Die fpanifchen Großen waren ſtets feinen Abfichten entgegen, 
aber feine Entfchloffenheit und die Fuge Mafregel den Bürgerftand zu beiwaffnen 
und militärifch einzuüben, fo daß er den Branden gegenüber auf die heranzie- 
benden Schaaren der Bürgerwehrmänner vrohend Kinwelten Eonnte, bielt den 
äübermüthtgen Adel im Zügel. Imdelen (uhren (ae noraegen Rate Sat, in 


* 
D 
% 


Æylharmonikon — Eyſtos. 960 
bei dem jungen Könige zu verläumben und leider gelang es ihnen, Nichts 


: abnend, erhielt X. eined Tages einen in würbiger Sprache abgefaßten Brief des 
Königs, worin ihm erlaubt wurde, nach fo vielen Verdienſten und bei fo vors 
. gerüdtem Alter in feinen Sprengel zurüdgufehren u. der Ruhe zu genießen. Das 


— 


rach des edlen Mannes Herz, wenige Stunden nach Empfang jenes Schreibens 


ſchied er aus dem Leben, am 8. November 1517, in dem hoben Alter von 81 
. Jahren. — X. hat gleiches 2008 mit den evelften und beften Männern Spaniens 
gerbeikt, er, ber wie Gonſalvo de Borbova und Ehrikoph Columbus nur das 


njehen und die Macht feines Vaterlandes erhöhen wollte, empfing gleichen Lohn 


‚ mit diefen Männern, einen Lohn, wie ihn nur der fdhnödefte Undank geben 
: fonnte, — Sehen wir jebt, welche Verdienſte diefer große Staatsmann fih um 
die Wiffenfchaften erworben hat und wie er, den äußerer Glanz umftrahlte, ver 
‚ im eigentlichen Sinne Spaniens Herrfcher war, im Privatleben erſchien. Die 


Geſchichte der Wiffenfchaften nennt X.s Namen mit Muegelähnung, er iftete 
ntv 


1499 die Univerfität Alcala de Henares (Complutum), in deren aͤts⸗ 


; firche auch fein Leib beigeſetzt wurde. Dieſe Hofſchule gab auf Geheiß und 
Koſten ihres Stifters die erſte Polyglottenbibel (Biblia Complutensis) in 6 Sprachen 


- ..r, 


heraus. Das ganze Werk erichten in 6 Holiobänvden, wurde von 1502 — 17 
vollendet und Eoftete 50,000 Dufaten. Zu Bollendung diefes Werfed berief X. 
die berühmteften Gelehrten Spaniens und des Auslandes, kaufte die Eofbarften 


Gandſchriften an, ja nahm felbft an der Bearbeitung des N. T. in der Urs 
ſprache Antheil. Im Privatleben war Spantens größter Saatömann ftetd der 


einfache Mönd, wie er es einft unter feinen Ordensbrüdern im Klofter von To⸗ 
ledo und in der Einſamkeit von Caſtonel geweſen war. Er bewahrte treu feine 
Ordensregel, faftete an der königl. Tafel, trug Kutte und Haarhemd und fchlief 
auf Brettern in der einfachen Zelle, welche die Prunfgemächer des Pallafted von 
Toledo einfchlofien und in der man feinen Staatsminifter fuchte, welcher die 
Geſchicke eines mächtigen Reiches lenkte, fondern einen demüthigen fireng leben» 
den Möndy nach der Regel des heil, Kranziscus. — Das war &., ein Mann, 
ftreng gegen ſich ſelbſt bis zum Aeußerſten, aber nadhfichtig und liebevoll gegen 
feine Untergebenen, der mit Ehren und Anfehen überhäuft ſich felbft zu verläug- 
nen und demüthig zu feyn wußte, ver die Pflichten des Staatsmannes mit den 
Ohliegenheiten des Prieſters zu verbinden und im Geräufche eines bewegten, 
glanzvollen Leben® die Ordensregel eines Mondes zu bewahren verftand; fo 
daß er dafteht, ein unerreichbares Mufter für alle Zeiten! ©. Alv, 
Gomecii de rebus gestis a Fr. Ximenio Cisnerio lib. VII. Compluti 1569 fol; 
Histoire du Cardinal Ximenes par Flechier evöque de Nismes, Amfterdam 1700, 
deutſch von Fritz, Würzburg 1828. Andere Biographien von X. find in S 
nien: Eugen de Noble und Antonius d'Uza, in Italien Cimarelli und Garims 
Berti, in Deutfchland vorzugsweife der treffliche Hefele in Tübingen. C. Plaſſ. 
Xylbarmoniton (Holzharmonikon), ein von Joh. Andr. Uthe, Orgel 
bauer in Hohlftädt bei Sangerhaufen, vorher in Dredven erfundenes Taſtenin⸗ 
ftrument mit hölzernen Stäben, welche durch eine Walze in Bewegung gefegt 
werden. Diefe Stäbe lagen in horizontaler Achtung, wurden mit fein gepuls 
vertem Harze befireut und vermöge Handfchuhen geftrichen, in welcher Form der 
Erfinder fein SInftrument Xylophon auch Xylofifiron (Holzſiſtron) nannte. 
Später verfah er e8 mit einer Elavlatur u. ließ ſich darauf 1810 in Deflau hören. 
Der Klang ift voll und ftarf und in den Mitteltönen der Harmonika ähnlich. 
Xyftos hieß in der Baukunſt der Alten ein langer bevedter Gang in großen 
Gebäuden, um Bewegung machen zu lönnen; ein bevedter Säulengang zu den 
Mebungen der Athleten; ein Bogengang, oder ein bloß mit Bäumen, Blumen 
und Pflanzen eingefaßter Gang tin den Gärten (auch bei den Römern). “Die 
zwifchen xystus und xystum im Latein. gemachte Unterfcheldung, nach weldyer 
dort ein freier, offener, bier ein bedeckter Gang zu verfiehen feyn fol, If nicht 
zu erweifen, dagegen nennt Tertullian Xyſtus den Play für die Zuſchauer bei 
Athletenfämpfen. " 


970 Y-— Varmounth. 


9. 


Y, 1) ald Laut⸗ und Schriftzeichen, der 20 Buchflabe des griechi⸗ 
Ve (v), der 25 (24) des beutfchen Alphabet, das ihn von jenem entlehnt 
at. Sein urfprünglicher Laut war u, fpäter ü, bis es in den neueren Spra⸗ 
hen den reinen i⸗Laut angenommen bat. Dabei iſt jedoch der Linterfchieb nicht 
u überfehen, ob der Vuchfiabe y in urfprünglich ariechifchen, oder in nationalen 
örtern vorfommt. Im erfleren Kalle haben nämlidy die neueren Sprachen, 
mit Ausnahme der ttalienifchen, denfelben gewöhnlidy beibehalten; im Iebtern das 
peoen fand er erft allmälig Cingang und vertritt entweder die Stelle des j (fo 
m Englifchen und Spaniſchen) oder des langen i, oder (mie im Sranzöftfchen) 
des fi. — Der Rame Yyfilon Gloßes M rührt daher, weil D früher zugleich 
die Stelle des Aolifhen Digamma (f. d.) vertrat und, um den Selbftlauter 
von jenem Hauche zu unterfcheiden, bezeichnete man ihn mit dieſem Zuſage. 
Erft zu Wuguftus Zeiten fcheint das Y) in das lateinifche Alphabet aufgenommen 
worden zu feyn und feine Stelle zwifchen dem X und 3 erhalten zu haben. — 
2) Als Zahl bedeutet a) im Briechifchen v = 400; v == 400,000; b) tn ber 
Rubricirung = 22, — 3) Als Abkürzung: a) in der Wathematif eine zweite 
unbekannte Größe, während bei der erſten X (f. d.) gebraucht wird; b) auf dem 
Revers neuerer franzöfifcher Münzen die Münzftätte Dourgeß; c) in der Chemie 
bezeichnet e& dad Ditrium (f. d.). — 4) In allegorifhem Sinne nannte 
man das D) auch den pythagoreiſchen Buchftaben, weil Pythagoras diefen Bud; 
ftaben nebraudyt hatte, um die Scheidung des menfchlichen Lebensweges entweder 
zum Böfen, oder zum Guten dadurch zu verfinnlichen. 

Y (Het:d), ein Arm des Zuyderſee's, bei Amſterdam, In der nieverländtfchen 
Provinz Nordholland, fteht mit dem Wykermeere nordweſtlich und mit den Dale 
marmeere ſüdlich in Verbindung, nimmt mehre Eleine Flüffe, wie die Amftel, 
Zaan, Spaaren ıc auf und fft durch einen Kanal mit Edam und durch den 
Bufen Pampus mit dem Zuyderfee verbunden. 

Yam (Dioscorea) {fl der Gattungsname mehrer Pflanzendrten, die ſich aus 
zeichnen durch eine fleifchigfnoflige, viel Satzmehl enthaltende Wurzel. Diefe 
enthält überdieß einen bittern und fcharfen Stoff, von welchen fie durch Aus⸗ 
wafchen, Kochen oder Braten leicht befreit werden Tann, in weldem Zuftante 
fie dann zu einer mehlreichen und nahrhaften Speife wird. Soldye ‘Pflanzenarten 
werden vorzüglich zu dieſem Behufe in den Tropengegenven, beſonders Auſtra⸗ 
liend und Aftens, etwas feltener in Afrika und Amerika, cultivirt, und find 
hauptfädhlich auf den Südſee⸗Inſeln nebft der Brodfrucht das allgemeinfte Nah 
rungsmittel. In Oftindien bedient man fich der Wurzel auch als Arzneimittel 
und zwar Außerlid mit gutem Erfolg bei bösartigen Geichwüren, fo wie bes 
Saftes der Blätter, namentlih von dem geflügelten Y. (Dioscorea alata) 
beim Biß der Skorpione. Außer dem eben genannten 9). gehören zu den am 
häufigften angebauten: der Enollige 9. (D. bulbifera), der gemeine 9. (D. 
sativa) und Dioscorea aculeata, die fidy theils durch die Korm der Wurzel, theils 
durch die Stellung und Geftalt der Blätter, fowie durch den Blüthenftand ıc. 
unterfcheiben, — Alle pflanzt man wie die Kartoffeln fort, fie reifen aber früher 
als diefe. Die Zeit des Anbaues füllt in den Auguſt, die der Ernte in ven Rovem 
oder Dezember. Vergleicht man die Y.swurzel mit den Kartoffeln, fo ftehen fie 
allerdings letztern an Wohlgefhmad und leichter Verdauung nad). C. Arendis. 

Yarmonth, regelmäßig gebaute und beirtkate Sertaht in der Grafſchaft 

Horfoit, an der Mündung der Dare In die Roroie auf Yen \orları Tostuumuag 


Yenbo-— Yaprafil. gi 


liegend, weldye die öfllichfte Spige von England bildet. Den trefflihen Hafen 
umfchließen zwei lange Dämme nebft einem großen Kat von einer Biertelftunde 
Länge. In der St. Nikolaikirche befindet fich eine der größten Orgeln des Landes. 
Sehenswerth find ferner Nelſons Denkmal, eine 78 Fuß hohe doriſche Säule, 
das Rathhaus, das Zollhaus, das Theater, das prachtvolle Irrenhaus. Es bes 
fiehen bier auch ein Hofpital für Eranfe Fifcher und zwei andere Spitäler, Armen» 
fhulen und mwohleingerichtete Seebäder. Die Stadt zählt 24,000 Einwohner und 
unterhält Getreives, Fiſch⸗ und Steinfohlenhandel und lebhaften Seeverkehr mit 
dem Auslande. Die Handelsflotte von Y. ift fehr alt und im Mittelalter lieſerte 
die Stadt den Königen mehr Fahrzeuge als felbft London. Jährlich gehen mehre 
Schiffe auf ven Wallfiſch⸗ u. Kabeljaufang; vorzüglich aber iſt es die Haͤrings⸗ 
fifcheret, welcher Y. feinen Wohlſtand verdankt, Diefer Nahrungszweig befchäfttgt 
10,000 Seeleute und liefert des Jahres gegen 70,000 Tonnen Särknge. Man 
weiß aus öffentlichen Akten, daß feit dem Anfange des 13. Jahrhunderts der 
Häringefang an der Küfle von Norfolk betrieben wird. — Eine Kettenbrüde, die 
ber den Bufen Breydon geht (fie riß 1845, wobei viele Menfchen umkamen) 
verbindet Y. mit Littlesr oder Klein⸗NY. in der Grafſchaft Suffol. mD. 
Yembo oder Dfyambo (Jambo el Bahar), anſehnliche Handelsſtadt im 
Beled el Haram oder Heiligen Lande Arabiens, wehtfünweftlid von Medina und 
an einer tiefen Bucht des rothen Meeres erbaut, weldye den Schiffen einen guten 
Ankerplatz gewährt. Ein Einſchnitt diefer Bucht theilt die Stadt in zwei Theile, 
von welchen der eine ausfchließlich Y., der andere, meift von Seeleuten bewohnt, 
Elkos heißt. Das Ganze ift auf der Landſeite, zum Schutze gegen die Wahas 
biten, von einer ftarfen Mauer mit Thürmen umgeben. Drei (let gebaute 
Moſcheen, einige Khans und das Haus des Statihalterd des Scherifs von Meffa 
ausgenommen, gibt es an biefem Drte Fein nennenswerthes Gebäude. “Die 
meiften Einwohner gehören zu dem Beduinenſtamme Dfchebeyer, und einige anges 
dar Scheriffamitfen haben fi mit ihnen vermiſcht. Die Hauptbeichäftigung 
ſt Schifffahrt und Handel. Die Stadt befigt etwa 50 Schiffe, die in allen 
Danbelögteigen des Rothen Meeres befchäftiget find. Mit Aegypten wird ſtarker 
erkehr getrieben und nach Medina gehen regelmäßige Karawanen. — Die nädyften 
Umgebungen Y.8 find ganz unfruchtbar, aber in einer Entfernung von etwa drei 
englifchen Metien trifft man das fchöne, von einem kryſtallhellen Bache bewäflerte 
und mit Weinreben, Feldfrüchten und Dattelbäumen bepflanzte Thal Dembo el 
Rakhel. Hier haben beinahe alle angefehenen Familien der Stadt Lanphäufer. — 
Im Herbfte des Jahres 1811 bewirkte die türkigchrägnptifche Armee unter Tuſun 
Paſcha ihre erfie Landung bei Y. und bemächtigte ſich deſſelben nach kurzem 
Widerſtande. In neuerer Zeit lagerte bei der Stadt die ägyptiſche Reiterei, 
welche Mehemed Alt unter den Befehlen feines Sohnes gegen die Wahabiten 
entfendet hatte. mD. 
Yezd oder Jeſd, beträchtliche Handelsſtadt in der perfifchen Provinz Karfiftan, 
an der Gränze der großen Salzwüfte, mit ftarfer Seiden- und Wollenweberet, 
außgebreiteter Kameelzucht und 60,000 Einwohnern, unter welchen fich viele 
Gebern oder Barfen befinden. Selbe befigen in dem Stadtviertel Puſt⸗ni⸗Phana 
Alt und in den benachbarten Dörfern ungefähr 1000 Häufer. Wenige nur find 
Kaufleute, die meiften bebauen den Boden oder treiben Handwerke. Ahr Feuer⸗ 
tempel zu 9. bietet nichts Ausgezeichnete. mD. 
Ygdrafil, heißt in der ſtandinaviſchen Mythologie ver Weltbaum, eine unges 
heuere Eſche, welche ihre Aeſte bis zum Himmel erhebt und fie über die ganze 
Erde ausftredt. ei Wurzeln nähren biefelbe, die eine geht nach dem Aufents 
halte der Götter Asgard, die andere in das Riefenland Sotunheim und die dritte 
nach Riffthel in der Unterwelt. An dem Duell Urbarborn wohnen die drei heiligen 
Schidfalsnornen, welche diefe Wurzeln täglich mit dem Wafler des Brunnen 
begießen; diefer Born iſt im Wfenlande, bei der amdern Burg In Aurssunin, N 
ber Mimfröbrunnen und in dem Reiche der Hein ver DAN Keartsun, SS 


972 Jonne — Jork. 


welchem die Hoͤllenfluͤſſe entſpringen. Der Baum if bewohnt von verſchiedenen 
Thieren, fo von den Hirfchen, Dain, Dwalin, Doneyr und Durahor, weldye feine 
Blätterfnofpen abfreflen; im Gipfel haust ein Adler, der zwifchen feinen Augen 
den Habicht Wedurfölner trägt; ganz unten an der Wurzel wohnt die Schlange 
Nidhoͤger, weldye an des Baumes Wurzeln napt; zwifchen beiden läuft ein Eich» 
hörnchen, Ratatösker, auf und ab, welches zwiſchen dem Adler und der Schlange 
Zwietracht zu ftiften ſucht. Die legtere benagt ewig die Wurzeln des Baumes, 
um ihn zu fällen, wie die Hirfche feine Zweige benagen. Doch wird er durch 
das Begießen erhalten und felbft beim Weltuntergange, bis zu welchem die Götter 
fid) täglich zu feinem Schatten verfammeln, um Rath zu halten, wird er nicht 
untergehen, fondern nur heftig erſchüttert werben. 
onne, ein nach dem gleichnamigen Fluſſe, einem Rebenflufie der Geine 

genannie® Departement in Frankreich, wo die fünf alten franzoͤſiſchen Provinzen 

ivernats, Ile⸗de⸗France, Drleanais, Champagne und Bourgogne zufammens 
fioßen. Es umfaßt von denfelben den Nordweſten der Bourgogne (Auxerrois), 
den Süpweften der Champagne (Seronais) und einen Eleinen Theil von Südoſten 
der Jle-des France (Gatinais) und gränzt an die Departements Seine» Marne, 
norbiweftlich, Aube nordoͤſtlich, Cote⸗dOr fünörtlich, Nioͤvre ſüdlich, Loires weſtlich. 
Die Zahl der Einwohner beträgt in fünf Arrondiſſements 375,000, wechſelt 
Hügeln, Thälern und Ebenen, ohne einen anfehnlidyen Berg zu haben. “Die bes 
deutendften Höhen bilden die Waflerfcheive zwiſchen der Xoire und Seine. Die 
Donne durchfließt das Departement von Süden zu Rorden und nimmt die Eune, 
Armancon, Bannes rechts, den Vrin links auf. Den Oſten durchſchneidet der 
Bourgognelanal zur Verbindung der Yonne und Saone. Der Boden ift ſehr 
fleinig, aber fruchtbar an Getreide, Hanf, Hülfenfrüchten, Wein. Die Induftrie 
ift unbedeutend und fchafft nur etwas Eifen, Glas, Bayance, Papier, Zuder x. 
Hauptftadt iſt Aurerre. 

York, die Hauptſtadt von Dorkfhire, der größten, 281 [JM. u. 1,600,000 
Einwohner enthaltenden Grafihaft Englands, mit dem Titel eines Herzogthums, 
und der Sig eines anglifanifcyen Erzbiſchofes, Liegt in einer großen Ebene, am 
Zufammenflufie der Ouſe und des Foß, deren Vereinigungswinfel ein mit einer 
verfallenen Warte, dem Iogenannten „Cliffordsthurme“, gekrönter Hügel bildet. 
Eine fchöne Brüde unterhält die Verbindung der Stadt mit der Vorſtädt Mid: 
legatesBar. Mittelalterlihe Mauern mit Thürmen und Thoren dienen ale 
Befeftigung. Das Innere zeigt ein Gemiſch von alten und neuen Häufern, und 
wenn 9. ſehr anziehende PBartieen entfaltet, fo hat es dafür auch viele düſtere 
und unfreundliche Straßen. Die Hauptzierde der Stadt if die Kathedrale, 
Der Bau diefer großartigen Kirche dauerte von 1171—1426. Während der 
Reformation unter Heinrich VIIL, wie unter Cromwell's Dictatur, zerflörte man 
die Figuren, Infchriften, Gräber und andern Schmuck; das Beichäpigte wurde 
aber durdy den Architekten Kent im Jahre 1736 wieder hergeftelt. Noch größere 
und foffpieligere Reftaurationen waren in unferm Sahrhunderte erforderlich, 
nachdem der Echwärmer Martin am 2, Februar 1829 die Kirche in Flammen 

efegt u. 1840 ein wiederholter Brand einen Theil derfelben verzehrt hatte. Mit 
cht wird die Kathedrale von Y. ald das regelmäßigfte, reichfte und elegantefle 
Denkmal gothifcher Baufunft in England betrachtet, indem die Symmetrie im Plane, 
die glüdliche Uebereinftimmung aller einzelnen Theile, der Reichthum an durch⸗ 
brochener Arbeit und die Schönheit der Berhältniffe in gleichem Grave das Auge 
auf fi ziehen. Die Dimenfionen des Gebäudes find: Länge, die Auffenwerfe 
mit eingeredynet, 518 englifche Zuß, Breite 110 Fuß im Schiffe, 222 Fuß in 
den Kreusflügeln, Höhe des Gewölbes 120 Buß, Höhe der beiden Thürme an 
der Vorderſcite 196 Buß, Höhe des über der Kreuzvierung fichenden Thurmes 
(ohne den Obelist) 198 Fuß. Das Innere iſt ein Meiſterſtuͤck von Leichtigkeit 
und Kühnheit, und durch große Tenfter mit Sladmalereien urüelt, Die Kirche 
hat das wohlfingenvfte Geläute in England und mar er Selener Ve aiiie 


Jork. 973 


Orgel in Europa; weiter gehören zu ihr ein Pracht er Kapitelſaal mit einer 
otbifchen MWölbung von 68 Fuß Höhe und eine Bibliothek. Außer dem Dome 
efigt Y. noch 22 mehr oder minder fehenswerthe Kirchen und mehre Bet⸗ und 

Berfammlungshäufer für die Diffidenten. Die Katholiten haben bier eine hübſche 

Kirche und ein altes Nonnenklofter, zugleich weibliches Erziehungsinftitut. Unter 

den weltlichen Gebäuden zeichnen ſich vorzüglih das Butlphall (Rathhaus) 

und Manfionhoufe oder der Palaft des Lordmayor aus. Y. ift nämlich hin⸗ 
fichtli der Verwaltung die zweite Stadt des Reiches, und der biefige Mayor 
führt, wie der in London, den Titel Lord. Das alte von Richard II. erbaute 

Schloß wird jet als Gefängniß benützt. Der Erzbifchof wohnt zu Bishopstown, 

eine halbe Stunde von der Stadt. Die große Muflfhalle kat Raum für 2000 

Zuhörer. Wohleingerichtete Schulen und wiffenfchaftliche Inftitute (Darunter eine 

theologifche Fakultät der Unitarter), Armen: und Sranfenanftalten können in einer 

Gemeinde von diefem Umfange nicht fehlen; befonders trefflich organifirt find die 

zwei Irrenanflalten. 36,000 Einwohner, Fabriken in Kattun u. andern gewebten 

Waaren, berühmte Pferderennen. — Unweit der Stadt liegt das von den Quaͤckern 

errichtete Irrenhaus Retreat und das Schloß Howard mit vielen Kunſt⸗ 

ſchätzen und Denkſäulen Nelſon's und Marlborough’s. — 2. ift eine der Alteften 

Städte Englands und war ſchon unter den Römern als Eboracum wichtig. 

Hier hatte die Legio VI. victrix ihr Standquartier und der Kalfer Severus einen 

Palaft, in welchem er 211 n. Ehr. farb. Gonftantin der Große wurde eben da 

zum Kaffer ausgerufen. Später nahmen bier angelfächfiiche Könige ihren Sig. 

Zu Anfang des 7. Jahrhunderts predigte Paulinus den Bewohnern M.s das 

Chriſtenthum und warb erfter Ensiide! Nach der Hand erhoben fich langwierige 

Streitigfeiten zwifchen den hiefigen Sirdyenfürften und denen von Canterbury. 

Der Erzbiſchof von Y. Iegte fi den Titel Primas von England bei, mußte aber 

endlich doch dem von Ganterbury den Vorrang einräumen, welcher fi) Primas 

von ganz England nennt. — The History and Antiquities of the Metropolitical 

church of York, by John Britton, London 1819. mD. 

York, Frederick, k. Prinz von Großbritannien und Irland, Deriog von 
DH. und Albanien, zweiter Sohn Könige Georg II. von Großbritannien, geboren 
zu London 1763, wurde fchon am 27. Zebr. 1764 zum Kürftbifchofe von Osna⸗ 
brüd ernannt, ging 1779 nach Berlin, um den preußifchen Kriegsdienſt zu er- 
lernen und trat 1782 die Regterung feines Bisthums an, lebte aber größtentheils 
in London. 1793 übernahm er den Oberbefehl über die britifche. Heeresabtheils 
ung in Slandern, welcdye zur Armee des Prinzen von Coburg gehörte, mußte 
aber nad) der unglüdlichen und durch die Schladht bei Hontscote (d. 8. Sept. 

1793) vereitelte Unternehmung gegen Dünftrcyen 1794 nad) England zurück⸗ 

Tehren und ward 1795 Oberfeloberr der britifchen Armee, um die er ſich durch 

mandhe getroffene gute Einrichtung fehr verdient machte. Zwar war er ale 

Anführer der neuen GErpedition (1799) nad Holland ebenfowenig glücklich, in⸗ 

dem er am 19. September bei Bergen und am 6. Oktober bei Alkmaar von 

dem franzöfifchen General Brune geichlagen, endlich am 18. Dftober die Capi⸗ 
tulation zu Alkmaar abfchliegen mußte, gu Folge welcher die Engländer Holland 
räumen und 8000 Kriegsgefangene zurüdgeben mußten; doch erhielt er von 

Neuem das Obercommando über die britifche Armee und fuchte fie nach feinem 

feäbern Plane zu organifiren, bis feine Verbindung mit Miſtreß Klarke Ihm felbft 

m Parlamente ven Vorwurf zuzog, daß er ſich zu ſehr dem Einfluffe derfelben hin⸗ 

gebe u. allerhand Mißbräudye in der Armeeverwaltung und Ungehörigteiten, Beftedhs 

ungen geduldet habe. Der Obrift Wardle trat * (am 27. Jan. 1809) als An⸗ 
klaͤger im Unterhauſe gegen ihn auf und verlangte, obgleich die Mehrheit zu Gunſten 
des Herzogs ſich erflärte, die Abſetzung deſſelben als Oberbefehlshaber, worauf er 

im März 1809 freiwillig refignirte. Doch fchon im Mat 1811 Kerrug Ihm fein 

Bruder, der Prinz Regent, vie Oberbefehlöhaberftelle der britifchen —* 

wieder, die er auch troß erneuerter Anllagen des Lord Milten unk 


974 York. 


Burdett's im Unterhaufe und trog dem, daß häufig Gpottgebichte gegen ihn ers 
fhienen, fortbehielt, und durch feine zwedmäßige Berwaltung mehrmals den 
Dank des Parlaments erhielt. Bon feiner Gemahlin, ver Alteften Tochter des 
Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen, mit der er feit 1791 vermählt war, 
und die 1820 farb, trennte er ſich ſchon wenige Jahre nad) der Bermählung 
wieder. Das Spiel brachte feine Finanzen in groffe Unordnung. Durch den 
am 6. Rovember 1817 erfolgten Tod der Prinzefin Charlotte, ward er Thron, 
erbe, ftarb aber ſchon 1827 kinderlos, nachdem er bis an das Ende feine® Leb- 
end, als Großmeiſter fämmtlicher Breimaurerlogen Großbritanniens, ſich der 
Emancipation der Katholiken auf das Hartnädigftle widerſegt hatte Nach 
feinem Tode wurde ihm in der Nähe von St. James Park von feinen Freunden 
eine Denktfäule errichtet. 

York, Hand Ludwig, Graf von Wartenburg, Fönigl preußifcher 
Generalfelomarfhall, geboren zu Königsberg 1759, trat 1772 in preußiſche 
Dienfte, wohnte als Lieutenant dem Feldzuge von 1778 bei u. trat 1782, na 
dem er wegen genommener Selbfigenugthuung eine Zeit lange auf der Feftung 

efefien hatte, als Bapitän in hollaͤndiſche Dienfte, fland 1783 und 84 in OR 
Fabien, ging aber dann nach Preußen zurüd, trat 1786 als Eapitän in das neu 
errichtete Fuͤſtlierbatainon Plusfow, wurde 1792 Major, und befehligte 1794 ein 
Füftlierbataillon gegen die Polen, 1797 errichtete D. zu Sohannisburg in Breußen 
ein eigenes Yüfllierbataillon, und wurde 1799 Kommandeur ded Feldjaͤger⸗ 
Regiments, 1800 Oberfilleutenant, 1803 Oberſt und 1805 Negimentöchef und 
Brigabier. 1806 fand er bei dem Corps des Herzogs von Welmar, dedte bei 
Sandau den Uebergang deſſelben über die Elbe und ward zu Lübeck ſchwer vers 
wundet, gefangen. Mit Blücher zugleich ausgewechfelt, kam er im Yrühfahre 
1807 zur Armee nad) Preußen, wurde zum Generalmajor befördert und nad 
dem Frieden erft Commandeur der Referve u. 1808 der weftpreußtfchen Brigabe. 
1810 erhielt er audy die Infpeltion über die leichte Infanterie und wurde 1811 
Oeneralgouverneur von Weftpreußen. 1812 erhielt er, nachdem General Grawert 
im Auguft 1812 wegen Kränflichkeit das preußifche Corps gegen Rußland ver- 
lafien hatte, dad Commando über daſſelbe. D. fand Anfangs in gutem Ver⸗ 
nehmen mit dem Marfchal Macdonald, feinem Commandeur, bald aber traten 
Mipverhäliniffe ein, aber dennoch focht Y. mit feinem Corps tapfer gegen die 
Ruffen, wie befonderd bei der Abwehr des Angriffs auf den zur Belagerung 
Rigas beftimmten franzöfifchen Artillerieparf. Als am 18. Dezember 1812 die 
frangöfiiche Armee auf dem Rüdzuge vernichtet war, und das zehnte Armeecorpo 
aud) den Rüdzug antrat, erhielt Y. die Führung der Nachhut, welche aus vier 
Bataillonen u. acht Escadronen beftand, u. auf diefem Zuge fchloß er am 30. De 
1812 in der Mühle von Bofcherau ohne Autoriſation des Hofs eine Eonvention m 
dem General Diebitſch ab, vermöge welcher feine Truppen zwifchen Tilftt u. Memel 
Gantonirungsquartiere bezogen. Der König von Preußen tabelte zwar zum Schein 
D.8 Benehmen, aber D. behielt den Befehl über fein Corps, u. nachdem es in Preußen 
complettirt worden war, führte er e8 an die Elbe, focht am 5. April 1813 fiegreich 
bei Daniglow gegen den Bicefönig von Italien u. nahm an den Schlachten bei 
Lügen und Baugen Antheil. Nach dem Waffenſtillſtand befehligte Y. das erfte 
preußifche Corps, das bei ver fchlefifchen Armee ſtand, entſchied mit ibm bie 
Schlacht an ver Katzbach (26. Auguft) u. erzwang am 3. Dftober bei Warten- 
burg den Uebergang über die Elbe, für welches Gefecht er nad dem Yrieden 
von Paris zum Grafen von Wartenburg ernannt wurde. Am 16. Of. 
flug Y. den Marſchall Marmont bei Mödern, lieferte am 20. Oktober das 
Gefecht bei Freiburg an der Unftrut, rettete am 11. Febr. 1814 bei Montmirall 
das Saden’iche Corps vom Untergange und entſchied am 9. März bei Laon. 
Nach dem Frieden von Parts wurde Y. General der Infanterie, Generalgouver- 
neur von Schleften und Poſen, erhielt aber wach der Rüdfchr Napoleons das 
neunte Armeecorpo. Nach dem zweiten Voriier Kriinen uam D. Kinn Ye 


Young. 975 


Koi FA 309 ſich auf fein Schloß in Klein Dels in Schlefien zurüd, wo er 
ar ® 
Young, Edward, ein berühmter englifcher Dichter, geboren 1681 zu 

Upham bei Windyefter in Hamfhire, der Sohn eines Predigers, ſtudirte zu Ox⸗ 
ord, mo er eben Feine Zierde der Religion und Moral geweſen feyn fol, bie 

echte, ward 1719 Doktor derfelben, allein fein Enthuſtasmus für die chriftliche 
Religion, beivog ihn, das theologiiche Stublum zu betreiben; er trat daher 
den geiftlichen Stand, warb 1728 Kaplan König George II, und erhielt zwei 
Jahre fpäter die beträchtliche Pfarrftelle zu Wetwyn in Herfordſhire, wo er fidh 
mit einem Frauenzimmer von dem edelſten Eharafter, ber Wittwe des Oberſten 
Lee, verhetrathete. Allein nur kurze Zeit dauerte dieſer gr der die gluͤck⸗ 
lichte Spoche feines Lebens ausmachte; denn 1741 ftarb feine Gattin nebſt dem 
Sohne und der Tochter, die fie ihm aus der erfien Ehe zugebracht hatte; er bes 
klagte diefen Berluft in feinen „Nachtgedanken“ (zu deren Verfertigung er dadurch 
veranlaßt worden war) fehr lebhaft und wurde nody mehr als vorher zur mes 
Iancholifchen Poefle bingerifien, in die er auch bis an feinen Ton, der 1765 zu 
Wetwyn erfolgte, wahre Meifterwerfe lieferte. Er war ein Mann von uner- 
fchütterlicher Rechtſchaffenheit und aufrichtiger Reltniofität und liebte vorzüglich 
die Einfamteit, welches eine Wirkung feines, zu tieffinnigen und traurigen Mans 
taften geftimmten Geiſtes war. Gr fchrieb jebr Vieles und lieferte ſchon in 
ſeinen juͤngeren Jahren einige allgemein beliebte Trauerfpiele (die jedoch viele 
Mängel haben), wie: die Rache, Bufiris und die Brüder (das lebtere von J. 
A. Schlegel ind Deutfche überfegt, Kopenhagen 1764), verfertigte dann einige 
Gedichte, die wegen ihrer Schönheit und Erhabenheit mit. allgemeinem Belfa 
gekrönt wurden, 3.8. drei Befänge auf den legten Tag, die Macht der Religion, 
die Ergebung (fein letztes im Greiſenalter gefchriebenes Gedicht) und fieben Sa⸗ 
tyren, die er unter dem Litel: bie Rubmbegierhe in ein Ganzes verband und in 
denen er den Ehrgeiz als die Duelle aller Thorheiten und Lafer in einer beißens 
den, natürlichen und ungeswungenen Schreibart ſchilderte. Allein fein vortreffs 
lichſtes Werk find unftreitig die oben erwähnten Nachtgedanken oder die Klage, 
in neun Gefängen, ein Gedicht voll von Driginalität und euer, wo er in dem 
höchften poetifchen Fluge da® Leben, den Tod, die Unfterblichkeit, die Würbe der 
chriſtlichen Religion und der Tugend und die Richtigkeit alles Irdiſchen mit uns 
nachahmlicher Erhabenheit und Größe der Gedanken befingt., Wir haben von 
mehren Gedichten befielben, befonderd aber von den Nachtgedanken und ben 
Satyren, eine Ueberfegung von Ebert unter dem Titel: Dr. & 9.6 Klagen ober 
Nachtgedanten über Leben, Tod und Unfterblichkeit in neun Buͤchern, die zwar 
in PBrofa, aber ganz im Geiſte des Originals und in der fhönflen Sprache ab- 
efaßt if. Auch die Satyren auf die Ruhmbegierde überfegte Ebert. — 2) Q., 

eter Thomas, k. k. öfterreichifcher Hofrath, Cabinetsſekretaͤr und Vorſteher 
der Privatbibliothek des Kaiſers Franz, war 1764 zu Livorno geboren, wo fein 
Vater, eim ſchottiſcher Evelmann, anfäßig war. Unter der väterlichen Leitung 
erhielt er die erſte Erziehung. Pal bezog er die großherzogliche abelige Aka⸗ 
demie zu Piftoja, wofelbfi er ſchon die ibm ſtets eigene @eläufigkeit und Ge 
wandtbeit in der lateinifchen Dichtkunſt zeigte. Nach Vollendung der Studien 
im achtzehnten Lebensjahre hatte Y. in feinem erſten literariſchen Produkte: De 
ignivomorum montium et terrae moluum natura eflectibusque exinde pro- 
fluentibus, Piftoja 1782, die Meinungen und Anfichten mehrer Gelchrten, welche 
das Erdbeben und die vulfanifchen Ausbruͤche von einem Centralfeuer und der 
eleftrifchen Wirkung deſſelben herleiten wollten, beftritten. Dann wurde Y. an 
den großherzoglich toskaniſchen gef berufen, wo er in das öffentliche Geſchaͤfto⸗ 
leben eintrat, Als Großherzog Leopold nad dem Tode Kaiſers Joſeph II. Die 
Regierung aller öfterreichifchen Erbſtaaten übernahm, war Y. unter jenen, meld. 
den Monarchen in die neue Reſidenz begleiteten, Rad em sur Arsyatud II 
ertannte Kalfer Franz D.6 Talmte und —88 on Im der Sie, Sir 


bis jetzt im geheimen Babinete bekleidete, ernannte ihn in der Folge zum geheimen 
Gabinetöiektetär dann zum Vorſteher der Fatferlichen Privatbibliothef, Hofrath 
und endlich zum Echapmelifter des Faiferlidhen Ordens der eifernen Krone. Als 
Vorfteher der Privatbibliothek des Kaiſers bewies er viele Kenntniffe in der ihm 
anvertrauten Leitung und Umſicht in der Anwendung der zur Emporbringung ber 
Bibliothek beftimmten Dotation. Die Ordnung, in weldyer D. die verſchiedenen 
Werke aufftellte und die Berzeichnifie, die er nach einem von ihm felbft entworf: 
enen a a Syſteme abfaßte, erhoben feine Verdienſte um 
jene Anftalt noch mehr. Ueber die unter ihm angefchafften Ineurabeln verfaßte 
Y. vier Kataloge. Er "hatte eine fehr gelungene italieniſche Ueberſetzung von 
Wieland's Oberon geliefert und mit bewunderungswürdiger Reinheit, Flüſſigkeit 
und Gewandtheit der Sprache des Balingentus: Zodiacus vilae, Im eilffilb- 
igen italieniſchen Versmaße überfest. Seine Emfigfeit kannte feine Gränzen; 
“ on Bihliograph erreichte das Alter von 64 Jahren und flarb den 
Febr. 

Ypern, Stadt und Feſtung in der belgiſchen Provinz Weſtflandern, und 
Haupiſtadt eines danach benannten Diſtriktes, an der Yperle, hat eine Kathe⸗ 
drale und A andere Kirchen, ein ſchoͤnes und großes Rathhaus, eine Börſe, 
zwei Friedensgerichte, eine Handelskammer, ein lkoͤnigliches Collegium, mehrere 
Hofpitäler und andere öffentliche Anftalten, und 22,000 Einwohner, weldye Fa⸗ 
brifen in Epiten und baummollenen Waaren, Xeder und Seife, ſowie Härbereien, 
Bleichen und lebhaften Handel unterhalten, der durch den Kanal von Döfingen 
und die fogenannte neue Fahrt nach Nieuport, Oſtende und Brügge fehr erleich- 
tert wird. Inter den hiefigen Yahrmärkten ift der in der Faften der größte. 

ier war Eornelius Janſenius (ſ. d.) — Y. war im Mittelalter nur ein 

chloß, das die Rormänner 800 n. Chr. zerflörten. Balduin II. von Flandern 
befeftigte e8 wieder und unter feinen Nachfolgern wurde es zur Stadt, die 1128 
und 1213 die Franzofen eroberten. 1325 wurden bei einer Empörung der Bürger 
gegen Ludwig von Nevers, die alten Wälle niedergerifien und die Vorſtädte zur 

tadt gezogen. Damals und in der nachfolgenden Zeit waren die Weber, welche 
damald A000 Meifter zählten, Anftifter unruhiger Bewegungen. Zuletzt ward 
Y. und der allgemeine Bund der Zlanderer durch die Schlacht von Rofaberg ge 
demüthigt. 1373 und 1383 ſchlug die Stadt ſchwere Angriffe der Genter und 
der mit ihnen verbündeten Engländer ab. Philipp von Burgund befeftigte 2. 
ſehr und bemühte ſich den Arbeitern in den Borftädten andere Aufenthaltsorte zu 
geben. Diefe waren großentheild Weber, befonders Tuchweber und hiedurch 
verlor D., das bis dahin die erſte Gewerbſtadt in Flandern geweien war, dieſen 
Gewerbszweig faft ganz. 1577 nahm Y. die proteftantifche Gonfeffion an, 1548 
wurde ed von Nlerander Farneſe für Philipp IL, 1648 von den Franzoſen unter 
dem Bringen von Eonde und 1649 von Erzherzog Leopold für die Spanter er 
obert. 1658 belagerte und nahm ed Turenne und 9. kam erſt durch den pyrenäi- 
fchen Frieden wieder an Spantn. Doc ſchon 1563 griff Ludwig XIV. 9. in 
Perſon an und nahm e8, behielt es auch bis zum Nimweger Frieden. Er ver: 
flärfte die Werke, fo daß der Platz einer der wichtigften in den Niederlanden 
ward. 1795 ward D. durch den Barrieretractat zu einem der Barrierepläge 
erklärt und hatte bi8 1744, wo es von Ludwig XV. erobert wurde, holländiſche 
Beſatzung. Mit den andern Barriereplägen ließ Joſeph I. 9. 1784 fchleifen 
und am 17. Juni 1794 fiel D. nach Furzer Belagerung durdy Pichegrü den 
Franzoſen in dte Hände. D. blieb nun offener Play, nad dem Frieden von 
1815 wurde aber die Befeftigung wieder aufgenommen und mit den franzöfifchen 
Contributionsgeldern wieder hergeftellt. 

Ypfilantis, eine angefehene griechifche Sanarlotenfamilie zu Konflantinopel, 
deren Angehörige mehrmals die Würde eined Hospodars in der Moldau und 
Walachei befleiveten. Von ihren zahteeidhen Miialievern zogen befonders hervor: 
1) Conſtantin Y., Hodpodar der Woloeh&, ven De Rirte (eb Autıne 


Spfilantis, gr 


entfegte, aber auf Berlangen Rußlands wieder einfeste 9. war in feiner Ju⸗ 
gend einer Ginladung Kaiſer Joſeph I. nach Wien gefolgt, hier mit großer Zu- 
vorkommenheit von dem Kalfer behandelt worden und lebterer hatte in geheimen 
Unterredungen bei dem patriotifcy gefinnten Manne die Hoffnung für eine beffere 
Zufunft feines griechifchen Vaterlandes gewedt. 1802, vor dem Ausbruche des 
Krieges zwifchen Rußland und der Türkei, flüchtete fi D., dem Lebensgefahr 
drohte, nach Safly, wo ihn der ruffifche General Michelfon in feinen Schuß 
nahm und ihm wie feiner Samilie Kiew zum Wohnftge anwies. Vergeblich war 
M.'s Verſuch, mit bewaffneter Hand und unter Rußlands Schu das walachiſche 
Fürſtenthum wieder zu erhalten, er mußte ſich über Siebenbuͤrgen nad) Rußland 
flüchten und flarb zu Kiew 1814. Conftantin. Y. befaß eine ausgebreitete Ges 
lehrſamkeit, überfegte den Anafreon ins Italientiche, den Hefiod und SPindar ins 
Franzoͤſtſche. Aufſerdem verfaßte er „Anekdoten über dad Serail,“ „Nähere 
Umftände des türkifch-öfterreichifchen Krieges” und fchrieb auch mehrere in türs 
fischer Sprache. — 2) Wlerander, Sohn des Borigen, geb. 12. Dezember 
1792 zu Conftantinopel, begleitete 1805 feinen Bater nad) Petersburg und wurde 
1809 Dffigier in der ruffliden Garde. 1812 Tämpfte er gegen die Franzofen, 
machte als Major im grodnofchen Hufarentegimente den Be Bang in Deutfchland 
unter Wittgenflein mit und verlor in der Shlacht bei Dresden 27. Auguft 1813, 
durch eine Kartätfchenkugel die rechte Hand, Nachher lebte er einige Zeit au 
Weimar, wurde zu Wien vom Kaifer Alerander zum Oberften und Tatierlichen 
Adjutanten ernannt und erhielt 1817 das Kommando einer Hufarendbrigade, mit 
dem Grade eines Generalmajord. Der geheime Bund der Griechen zur Be- 
freiung ihres Vaterlandes vom türfifchen Joche, die Hetairie, entfaltete das 
mals ihre größte Thätigfeit und traf eifrigft Vorbereitungen zu einer allgemeinen 
Schilderhebung gegen die Türken. D. erhielt durch Gabriel Kaſakaſis 1819 die 
erfte Kunde von jener Verbindung und nahm nad) einigem Zaubern das Aner⸗ 
bieten der Hetalriften, ſich an ihre Spitze zu flellen, an. 1821 brady der erfle 
Aufftand der Griechen in der Walachei aus, aber die Schlacht bei Draga⸗ 
fan (19. Juni 1821) vernichtete die Hoffnungen der griechiſchen Patrioten u, 
Y. wurde —8 auf öſterreichiſches Gebiet überzutreten, was ihm von der 
öfterreichifchen Regierung zwar geftattet, er aber gleich nach feinem Webertritte 
feftgenommen und als Gefangener zuerſt auf die Feſtung Munkais in Ungarn, 
dann aber nad) Ihereflenftadt in Böhmen gebracht wurde. Rußland bewirkte 
1827 feine Sreilaffung, indefien war die Geſundheit des tapferen Mannes zer⸗ 
Kört und er ftarb, auf der Reiſe nach Verona begri en, zu Wien am 31. San. 
4828. Seine Haft auf Munfais had Thurm“ durch eines der fchönften 
Griechenliever Wilhelm Müllers verberrlicht worden. — 3) Demetrius, fün- 
erer Bruder des Vorigen, geb. 25. Dez. 1793, erhielt feine Bildung in Ruß⸗ 
and, trat in das ruſſiſche Heer und zeichnete fich im Feldzuge von 1814 aus. 
Zur Zeit des griechiichen Befreiungsfampfes war er. Präfivent der griechifchen 
Regierung zu Argos, wurde zum Fürften von Morea ausgerufen, dann zum 
Oberfeloheren dafelbft und 1822 zum Präſidenten des gefeßgebenden Rathes ers 
nannt. 1823 feiner Stelle entfebt, zog er fich von öffentlichen Angelegenheiten 
zurüd, war aber nachher bei wichtigen Gelegenheiten für fein Vaterland wieber 
thätig und Fämpfte wieverholt fiegreich gegen deſſen Unterbrüder, Die gängliche 
Unabhängigkeit Griedyenlands wünfchend proteftirte er 1826 gegen den Befchluß 
der dritten griechifhen Nationalverfammlung zu Epidaurus und wurde deßhalb 
des griechifchen Bürgerrechtes für verluftig erflärt, worauf er ſich ins Privatleben 
zurüdzog. Unter Capodiſtrias (1828) erhielt er ven Oberbefehl über bie 
Truppen in Oftgriechenland, legte aber durdy die Maßnahmen der Regierung be- 
leidigt, am 1. Januar 1830 feine Stelle nieder, Nachdem Auguftin Capobittine 
vertrieben worden war, trat er in die Regierungsfommiffton ein, Korb er un 
im Sommer 1832. Außer den beiden erwähnten DS hatte Eoutumtin D. us 
3 Söhne: Georg, Nicolaus und Gregor Thesdorerz De SUN RS 
Healencpclopäbie. X. SR 


978 Aſſel — Yukatan. 


theilten das Schickſal ihres Bruders Alexander. Die Töchter Conſtantins waren: 
Katharina (geb. 1791) und Maria (geb. 1798), von denen die Ältere, Ka 
tharina, ihre Mitgift, 350,000 Franken, der Sache ihres Baterlandes opferte. C. Pfaff, 

Ylel, der Name mehrer Flüffe in den Niederlanden. 1) Die Dudesd. 
(alte 9.) kommt aus der preuß. Provinz MWeftfalen, nimmt die Na auf, geht 
nad) Geldern über und vereinigt I bei Doesburg mit der 2) Nieuven- (nem) 
Y., einem Arme des fi) vor Arnheim theilenden Rheines, nimmt die Berte, 
Schipbeek, Grift u. a. auf und fällt unterhalb Rampen in die Zuyderfee (f.d.). 
3) Dieholländifche Y., ebenfalls ein Arm des Rheines, kommt aus der Provin; 
Utrecht, nimmt die Gouve und Bließ auf u. fällt bei bei Y.-monde in der Bros 
yinz Süpholland in die Merwe. 

ttrium, die metallinifche Grundlage der Ditererde, läßt fi) durch Ein⸗ 
wirfung des Galvanismus aut die mit Kali geſchmolzene Erde darſtellen, wird 
aber bei Berührung der Luft ſchnell wieder, durch Aufnahme von Sauerftoff, in 
legtere umgewandelt. Das Y., deſſen Atomgewidyt — 402,51 ift, bildet bei 
Leonhard eine Gruppe der Mineralien und umfaßt die 2 Geſchlechter: Ditro- 
Tantalit und Gadolinit. In Berbinbung mit a) Sauerftoff bildet das I. 
bie Ditererde, gelblich oder ſchwach röthlich, pulverförmig und geſchmacklos, die 
fid) in der Natur im Gabolinit findet, aus dem fie auf eine ziemlich umſtändliche 
Weiſe abgefchieven werden kann. b) mit Chlor das EhlorsY.; dieſes erhält 
man wajferbaltig durch die Auflöfung der Erde in Ealzſäure; waſſerfrei, 
indem man Chlorgas über vorher durdy Glühen mit Kohlen waflerfrei 8 te, 
tn einer ‘Borzelanröhre glühende Yttererde leitet. c) mit Schwefel bildet das 
Y. beim Erhigen unter Feuererſcheinung Schwefel-Y., ein dunfelgraues, in 
Waſſer unlösliches Pulver, aus welchem Säuren ſchnell Hydrotblonfäure ent 
wideln. d) mit Phosphor vereinigt fi) das Y. unter Feuererſcheinung beim 
Erhigen zu ſchwarzgrauem Phosphorsd., weldyes, in Wafler geworfen, ſelbſt⸗ 
entzündliches Phosphorwaſſerſtoffgas entwidelt. 

UYukatan, Freiſtaat in Nordamerika, ehedem zur Union Mexiko gehoͤrend. 
Das Land bildet eine beträchtliche palbinfel von 2200 [JM. Flaͤchenraum und 
gränzt im Weften an die mertkantiche Provinz Tabasco und die Campechebai, 
nordwärtd an den Meerbufen von Merifo, oſtwärts an das Karaibiſche Meer 
und die Hondurasbat, gegen Süden endlich an den englifdyen Holzpiftrift u. bie 
Republif Guatemala. Zu feinem Gebiete gehören auch mehre Infeln, als Gar: 
men, Coſumel, einft mit berühmtem Tempel, jegt wüft, Alacran, ÜUreban.a. 
Der Boden Y.8 iſt meift niedrig und verläuft an den Küften in Sandbänfe; die 
Mitte des Landes durchzieht eine mäßige Hügelkette, welche im Norden mit dem 
Vorgebirge Catoche endiget. Die Bewäflerung iſt reichlich, doch find Die zuß 
nur klein. Das Klima ift geſuͤnder als in Mexiko; die Seewinde mildern 

roße Hitze; Regen fallen nur vom Oktober bis Ende Februar. Das Innere dei 
andes ıft mit großen Waldungen bededt, die reich an Mahagoni⸗ und Campeche⸗ 
holz find. Diefe Wälder beherbergen eine Menge von Bögeln, namentlich Papa⸗ 
geien, Pfefferfraffe, Kolibri's und mehre Arten von Zafanen. Das Meer tft fehr 
fiſchreich. Die Hauptpropufte des ſtark betriebenen ‘Blantagenbaues find Mais, 
Reid, Baumwolle, Tabak, Piment, Zuderrohr, Felgen. Die techniſche Inpufrie 
tft gering. Die Einwohner, 600,000 an der Zahl, find meiſt Indianer. Sie 
waren ſchon vor der Ankunft der Europäer ziemlich gebildet, haben wohlgebaute 
FR und umfchließen ihre geordneten Pflanzungen mit Heden. Ste befennn 
ch zur Fatholifchen Kirche; ihre Sprache ift die fogenannte Mayafpradhe, melde 
fehr guttural iſt und fünf eigenthümliche Konſonanten hat, die durch unfer Alpha⸗ 
bet nicht ausgedrückt werden Fönnen. In den Stäbten und den an den Haupt 
firaßen liegenden Orten hört man audy viel fpanifch reden. Die Berfaffung iR 
demokratiſch; an der Syite der Regierung fteht ein Pruͤſident. Der Siztz ber 
Eentralbehörden und des Landesuiignked® in Merits, Undere bemerken 
werthe Orte find Stfal, der Hafen Mernad, Tawyrigr AV), Wolisner ( 


Averdun — Yvo. 9% 


id mit 5000 E., das Fort Salamanca, der neuangelegte Hafen Nueva 
Ralaga. 16 oder 17 Lieus von Meriva, zwifchen Ifamal und Valladolid, 
indet man die berühmten Ruinen von Uchmal, welche eine fehr große Aus: 
ehnung haben. Ihr Arfprung verliert fidy in die Nacht der Zeiten u. felbft die 
Ruinen von Palenque bieten nichts Großartigeres. — Im Süden von Y., an der 
Hondurasbat, haben die Britten felt dem 17. Jahrhunderte eine Kolonie, den 
sogenannten Holzdiftrift, welche ungefähr 300[JM. groß if und 12,000 E., 
neift Neger, zählt. Ste liefert vorzüglidy werthvolle Hölzer, Die von den Kolos 
iiften gefällt und in den a gebracht werden. 1836 wurden allein von Mas 
agoniholz 9,763,293 Fuß ausgeführt. Der britiſche Regterungsbevollmächtigte 
yat feinen Sig in Balize, einer Stadt an der Hondurasbai, mit gutem Hafen, 
tner anglikaniſchen Kirche, Mifflonsfchulen und 3000 E. Daneben liegt das 
Sort Georg. — Im % 1517 machte Cordova von Cuba aus eine Entdedungs⸗ 
ahrt nad) der weftlich gegenüber liegenden und nur 27 M. enifernten Halbinjel, 
Er hieß dieſes Land „Yukatan“, welches Wort in der Spradye der Indianer 
Was fragt ihr?“ bedeuten fol und womit ihm auf feine Erkundigungen nach 
em Namen ded Landes geantwortet wurde. Unter ſpaniſcher Serra bildete 
N. eine Provinz des Vicekönigreichs Reufpanien oder Merifo, und nad) der Res 
yolution nahm es an dem mertfanifchen Staatenvereine als felbfiftändiges Glied 
heil. Indeß lag e8 mit der Bundesregierung in beftändigem Hader, woraus 
ndlich eine völlige Trennung erfolgt if. 1841 proflamirte Y. feine Unabhängi;,- 
eit und pflanzte eine eigene Rationalflagge auf. Bon der merikanifchen Regier- 
ng iſt jedoch die neue Republif noch nicht anerfannt und beide Staaten befinben 
id egenfeitig in fortwährendem Sriegegufanne. Gegenwärtig fcheint in 9. 
vi en den Snbianern und der weißen Bevölkerung eine erbitterte Feindſchaft 
u berrfchen, weldye leßterer bei der Weberzahl ihrer Gegner mit großen Ge⸗ 
abren droht. mD. 
verdun (deutfh Ifferten), wohlgebaute Stadt mit 3500 Einwohnern, 
n reizender Lage am Neuenburger Eee, im fchweizerifchen Kanton Waadt, auf 
iner durch zwei Arme der Orbe, über deren jeden eine fchöne Brüde führt, ger 
ildeten Inſel. Die Stadt, oogieih uralt und ſchon zu der Römer Zeiten bes 
vohnt, hat breite und gerade Straßen mit regelmäßigen Häufern, bie bei dem 
Schloßplage zufammenlaufen. Am See empfängt ein ficherer Hafen mit Ablag⸗ 
yäufern und Zollſtätten die wegen ftarfer Büterverfendung häufig abgehenven u. 
inkommenden Schiffe, welchen eine Schiffer-Compagnie vorfteht. Unter den Ge⸗ 
uden verdienen gefehen zu werden: dad Schloß mit vier Thürmen, ehemals 
Sig der Bernifchen Landvögte; die Kirche und dad Rathhaus. D. Hat gut 
ingerichtete Schulen und eine bedeutende Bücherfammlung mit römifchen, in der 
Segend gefundenen, Alterthümern und einem Raturalien-Kabinete. In der Nähe 
indet man anmuthige Spaziergänge nad Grandſon und Cheſeaux, Floraire (wo 
man den Montblanc erblickt) und Chamblon, in das (ſchwefelhaltige) Bad u. ſ. w. 
Eine herrliche Fernfiht genießt man auf dem Sudet und auf dem 3625 Fuß 
aber dem See erhabenen Chaſſeron. — Den Ramn BD. machte im 18. Jahr⸗ 
hunderte die große Buchdruderei berühmt, weldyer der gelehrte Römer Kelice 
oorſtand. Aus ihr sing eine vermehrte und verbefierte Ausgabe ber feangöfkfcpen 
Encyclopaͤdie hervor. Aber noch größern Ruhm erhielt die Stadt durch Heinrich 
Peſtalozzi (ſ. d.), defien Erziehungsanftalt von 1805 bis zu ihrem Untergange 
& hier befand. Neben den Anftalten Peſtalozzi's felbft find mit mehren anderen 
die Nieverer’fche für Töchter und die Näffdye für Taubſtumme die bedeutenvften. 
Yo, der Heilige, Biſchof von Ghartres, Sohn Hugo's von Auteuil, ers 
—— durch Lanfranc, den berühmten Sieger über den Keher Berengarius, in der 
tel Bec, wo der große Theolog lebte, eine ausgezeichnete Gyichung und war 
bald fo gelehrt, vor er eine Schule errichten konnte. ML age Eier RUM 
ee die Heiligen, die Canonen der Concilien, die Derreir ded EUES SD, 
zurfcaute bie Gebrechen feiner Zeit, deren grdßted Diebel ws 


90 Avo. 


Disciplin war. Er iehrte mit herrlichem Grfolge Theologie, bildete auegezeid- 
nete Priefter und ſchrieb die Panormia oder Sammlung aller Regeln. Damals 
faß auf dem Stuhle von Ehartres ein gewiffer Gaufridus, ein Mann von vor 
nehmer Geburt, der Aufwand aller Art liebte, ſich prachtvoll kleidete, mit lächer⸗ 
licher Bünftlichfeit die Moden feiner Zeit beachtete und, weil die Einkünfte nicht 
außreichten, fi) durch Simonie Geld verfchaffte, weßwegen er oo bei Gre⸗ 
or VO. verflagt worden war und fid) nur mit Mühe von der Ahndung beftelt 
atte. Erneute Klagen bewogen Urban I, den ſchmachvoll Iebenden Biſchof mit 
den Blitzen der höchften Gewalt nieverzufchmettern und abzufeben u. den froms 
men D). dagegen zum Nachfolger verzufchlagen. Philipp I. wußte die Abneigung 
des frommen Abtes zu befiegen, aber Richard, Erzbifchof von Sens, war ber 
Wahl abhold, weil man ihn bei der Abſetzung Gaufrieds, deſſen Metropolitan 
er war, übergangen hatte. D. eilte nach Rom, bat um Befreiung von der laͤſt⸗ 
igen Würde, aber der Papft weihte ihn 1092 in Bapua und fandte ihn nad 
Frankreich zurüd, wo er jubelnd empfangen ward. Richard verfammelte aber 
mehre Bifchöfe, eitirte D., damit er ſich redhtfertige und febte ihn ab, da er 
nicht erfchten, wogegen der Papſt dem fühnen Richard dad Paltum nahm. 9. 
Iettete num feinen Sprengel mit Umficht und Liebe, hatte aber viel Noth mit den 
ehrgeizigen Edeln, die ungerecht, grob u. halsſtarrig waren, die er aber doch mit fid 
ausföhnte. Philipp, der feine Gemahlin verftoffen hatte, um Bertrade von Montfort 
zu ehelichen, erließ ein Rundfchreiben an alle Bifchöfe, fie um ihre Zuftimmung er- 
use u. fand Schwache, die fie gaben, Andere, die ſchwiegen u. Wiele, die 
hre Sie verließen, um Nichts mit einem fo gettiofen Fürften zu thun zu haben. 
N. hatte das Schreiben nicht empfangen, wohl aber eine Einladung zur Hoch⸗ 
zeit, die er ausfchlug, an die Biichöfe einen Brief vol Eifer und Seraft fchrieb 
und endlich felbft dem Könige in ehrfurchtsvollen Ausprüden die Schmad vor: 
hielt, eine zweite Ehe eingehen zu wollen, bevor die erfle von einem allgemeinen 
Concil aufgelöst worden ſei. Philipp wußte, welchen Werth die Genehmigung des 
heiligen Mannes für ihn haben konnte und verfudhte, ehe er zur Gewalt fhritt, 
alles nur Erdenfliche, um den Bifchof zu gewinnen. Died gelang aber nicht u. 
der König ward durch Webelmollende fo gegen Ihn eingenommen, daß er Solda 
ten abfandte, welche den bifchöflichen Palaft plünderten; die Kinfünfte wurden 
eingezogen und Hugo von Puiſtt, Vicomte von Chartres, nahm den Hetligen in 
der Kirche gefangen und führte ihn auf ein altes Schloß, wo er fehr hart ge 
halten ward. Die Gemeinde ſchrie Rache, verlangte laut nach ihrem Hirten, der 
Vicomte fürdhtete Aufruhr und bat, well der Kon unerbittlich geworden mar, 
den Biſchof um Abhülfe, der auch in einem verfühnlichen Schreiben die Bewohner 
von Chartres zur Ruhe ermahnte. inige Tage nachher ward er freigelafien u. 
mit unglaublichem Jubel von feiner Heerde empfangen. — Die Fatholifche Welt er 
tönte von dem Weherufe des Fühnen Pilger, ‘Beter von Amtend, wieder u. Alles 
gr bei der allgemeinen Begeifterung unmwillfürlich zum Schwerdt; Philipp aber 
enügte die Zeit, wo Urban fo ganz mit der Idee des Kreuzzuges befcyäftigt 
war, ein Concil in Rheims zu verfammeln und den Bifchof von Chartres als 
gohserrätber vorzuladen. Weil aber Hugo, Erzbiſchof von Lyon, nachmal 

tegor VII, Legat in Frankreich, auf einem Concil zu Yutın ein Breve Ur 


ban's I. in Kraft treten lafien wollte, ließ der König aus gerechter Angſt vor 


dem fchredtichften Strahle fein Eonciltabulum ſchnell auseinander gehen und 
wollte fidy in Unterhandlungen einlaffen. Er ward aber im März 1095 vor das 
Concil von Piacenza geladen und man mußte ee jowohl über die ungeheuer 
Macht des Papſtes erftaunen, der einen großen König mitten In feinen —5*— 
ſtrafen konnte, als über die ungemeſſene Leidenſchaft dieſes Fürſten. Umgeben 
von verfuͤhreriſchen Vaſallen, verlaſſen von ſeinen Unterthanen, die der Fluch der 
Kirche von ihm ſcheuchte; Sbergeunt, um Brake feiner BVölfer diefe unztemliche 
Liebe opfern zu müflen, zauderte Pyühyh Aeilgucti un, W DAN weniaftens 
follte man ibm die Geliebte \afien. KC ward mlint, a aber die Boole Vom 


B-— Zabarella. 981 


noch nicht Fam, ſprach Urban felb die Ercommunication über den Frevler auf 
dem Concil zu Elermont aus. Der König war in einer fchredlichen Lage; fein 
Menſch, kaum einige treue Diener fahen ihn an oder verkehrten mit im. Er 
fuchte den Papſt zu gewinnen, verfpradh, die Kirche in Frankreich auf einen nie 
efehbenen Punkt des Glanzes zu erheben, wenn man ibm Bertravden ließe; der 

apft war aber unerbittlih. Da warf fidh der Haß des Könige auf den Biſchof 
von enartued, der doch allein immer zur Milde gerathen hatte und D. bat Urs 
ban, feine Abdankung anzunehmen. Diefer aber fagte: „Bleibe bei deiner Kirche; 
du bedarfft ver Biſchofowuͤrde nicht, das ift wohl wahr, das Bisthum bedarf aber 
deiner und ber Sau des apoftolifchen Stuhles foll dir nimmer fehlen.” 9. 
leitete nun feinen Sprengel fegensvoll und ohne bevrängt zu feyn und erlebte 
das Blüd, den König acht Kahre fpäter auf dem Eoncil von Beaugenci den 
Schwur der Trennung von Bertraben leiften zu hören, worauf 1105 der Bann 
von ihm genommen ward. Der Heilige ward noch in viele wichtige Angelegen- 
heiten verwidelt, die aber feiner Beſchaulichkeit, ven Gebeten, Kaften und Buß⸗ 
übungen feinen Eintrag thaten, noch feine ſchriftſtelleriſche Thätigkeit hemmten, 
die hoͤchſt intereffante Gegenſtaͤnde des Rechts, der Disciplin und Gefchichte der 
Kirche umfaßte. So bewies er audy in gelehrten re die angefochtene Le⸗ 
itimität Ludwigs des Diden. Er farb 1115 und Pius V. gab 1570 die Er⸗ 
aubnig, ihn öffentlich zu ehren. Jahrestag 20, Mat. 


3 


3: VD als Lauts und Sariftseinen der 26. und iepte Buchſtabe im 
deutfchen und en, der 6, Im griedhifchen und der 18, im hebrätfchen 
Alphabet, ift ein Conſonant und gehört zu den Saufelauten; feine Ausfprache 
wird mittelft Drude der Zunge an die Zähne bewirkt. 2) WE Abkürzung ges 
braucht, bezeichnet e8 in der Mathematik, ebenfo wie x und 9, eine noch zu 
juhenbe unbelannte Größe. 3) Als Beh: im Hebrätfchen == 90; im Griech⸗ 
fhen < — 7; © == 700; im Rateinifchen bisweilen = 2000; in der Rubricir⸗ 
ung = 23 oder = 25. 

aar, |. Czar. | 
ardam, |. Saardam. 

Zabarella, 1) Franz de, Cardinal und einer der berühmteften Kanoniften 
feines Jahrhunderts, geboren 1340 zu Padua, fludirte zuerft in Bologna die 
Rechte, lehrte dann mit großem Beifalle zu Padua und Florenz das kanoniſche 
Recht, wurde Erzbifchof von Florenz, 1411 vom Bapfle Johann XXHI zum 
Cardinal ernannt, der ihn auch ald Sefandten nach Konflanz zu Kaifer Sigismund 
fhidte, um mit ihm zu unterhandeln. 3. drang auf Abſetzung des genannten 
Bapftes und flarb den 26. Sept. 1417 zu Konſtanz. Man hat von ihm: Com- 
ment. in V titt, Decretalium et Clementinas, 6 ®de., Venedig 1602, Fol.; naͤm⸗ 
lid in Decret, 2 Bde, Lyon 1557, Fol.; in Clement. 4 Bde., Venedig 1481, 
%ol.; Consilia juris, ebendaſ. 1581, Fol.; De schismatibus tollendis, Bat. 1537, 
Straßburg 1609, 8. u. m. a. noch ungedrudt. — 2) 3., Jakob, Miloſoph, 
geboren zu Padua 1533, ſtudirte die clafftfche Literatur unter der Anleitung des 
erühmten Robortellus und hatte in ver Philoſophie den Bernardus Tomi⸗ 
tanus zum Lehrer, von welchem er audy 1564 der Nachfolger im Lehramte der 
Logik wurde. Er kam als Gefandter in wichtigen Angelegenheiten oft nach Ve⸗ 
nedig und flarb 1589. 3. war einer der tteflichfen Ausleger und Ares 
des Ariftoteles, über den er aehlreiche Commentoxe Äcyrieb,. Ms Auer u, S N 
Anhänger bes Peripatheticlomus hielt ex ſich Arenge an wie Kruunsun TAN 


X 


982 Barcaria — Zach. 


und gerieth dadurch in den Verdacht der Keberel. Der aifologie war er ſehr 
ergeben. Seine Opera omnia erfchienen zu Straßburg 1654 in 9 Quartbänben. 
Zacearia (auch zuweilen Zacharta genannt), Francesco Antonio, 

ein fehr gelehrter Alterthumsforſcher, war um 1720 zu Mailand geboren, trat 
dafelbft nad) vollendeten Stubten in den Jeſuitenorden, wurde dann Bibliothefar 
des Herzogs Herkules Rainald von Modena und begab ſich endlich nad) 
Rom, wo er der befondern Gunſt des Papftes Pius VI. genoß und dafelbft um 
1780 ſtarb. Bon ihm erfchienen unter anderen im Drude: Cremonensium epis- 
coporum series etc., Mailand 1749; Manuale legendi expeditius res rom, 
Benedig 1757; Excursus literarii per Italiam ab anno 1742 ad ann. 1752, eb». 
1754; dann deſſen 2. Theil unter dem Titel: Iter literarium per Italiam ab 
ann. 1753 ad ann, 1757, mit Kupf., ebd. 1762; Instituzione antiquario-lapidaria 
etc., Rom. 1770; Instituzione ‚antiquario-numismatica, ebd. 1772; Storia pole- 
mica del celibato sagro, ebd. 1774. Auſſerdem fchrieb er mehre archaͤologiſche 
und literarifche Abhandlungen ıc. 
Zah, 41) Anton, Freiherr von, k. k. öfterreichifcher Feldzeugmeiſter und 
Inhaber eined Infanterteregiments, geboren zu Peſth 1747, trat nach forgfältig 
vollendeten Vorſtudien 1760 in die IngenteursAfademte in Wien und 1769 in 
den aftiven Milttärftand, Nachdem er fidh in den Kriegen pe en Preußen mehr: 
fach ausgezeichnet hatte, wurde er 1783 Hauptmann und wirkte bei der Belager- 
ung von Belgrad 1789 rühmlidy mit. 1792 zum Major befördert, leiftete 3. in 
den Feldzügen gegen Frankreich die wichtigften Dienfte und flieg von often zu 
Boften, jo daß er 1798 als Oeneralquartiermeifter die Aufnahme der neu erwor⸗ 
benen venetiantfchen ‘Provinzen leitete und derfelben jene trigonometrifch-aftronoms 
iiche Methode zu Grunde legte, wozu er ſchon früher die erfte Anregung gegeben. 
In den folgenden Feldzügen jeichneie er fich abermals mehrfach aus und erhielt 
nach der Schladht von Novt 1799 das militärifche Therefienkreug und bald dar- 
auf lebenslängliche Aerfonalaulage, 1801 wurde er fammt feiner Familie und 
Nachkommenſchaft in den erbländifchen Zreiherruftand erhoben, 1805 zum Feld⸗ 
marfchall-Lieutenant befördert. 1806 zum Gouverneur von Triefl ernannt, erhielt 
er auch das Linien-Infanterie-Regiment Nr. 15 und das Gommandeurfreuz des 
Leopoldordend. Nach dem Wiener Frieden 1809 erhielt 3. den ehrenvollen und 
wichtigen Auftrag der Grämperihtigung des an Frankreich abgetretenen Illyriens 
mit den franzöflfchen Bevollmächtigten, wurde 1813 zum Gommandanten von 
Olmütz erhoben und erwarb ſich auf diefem Poſten durch eine Reihe von Jahren 
neuerdings große Verdienſte, namentli durch die Aufferft zwedmäffige Leitung 
des Unterrichts der militärtfchen Jugend. 1825 trat er in einen ehrenvollen 
Benftonsftand, wurde bei diefer Gelegenheit zum Feldzeugmeifter erhoben u. be 
ſchloß fein Leben den 22. November 1826 zu Grätz. Im Drude waren von ihm 
erfchienen: Borlefungen über Feldbefeſtigung, Derthelbigung und Angriff, mit ge 
ftochenen Plänen, Wien 1783, 2. Aufl. 1807, 3. Aufl. 1810; Elemente der Ma 
növrirfunft, 2 Thle,, mit Kupf., ebd. 1812—14, Auch lieferte er mehre gedie 
gene Aufſätze in feines Bruders Franz cf. d.) monatliche Gorrefpondenz der 
Erd- und Himmeldfunde, dann in Franz Joſeph Grafen von Kinsky's Beiträge 
zur Ingenteur-Wiffenfhaft. — 2) 3., Franz, Sreiherr von, Bruder des Bors 
igen, berühmter Mathematiker und Aſtronom, 1754 zu Preßburg geboren, wib- 
nmete fich nach vollenveter wiſſenſchaftlicher Borbereitung den Kriegspienften in 
der E. E. Armee. Gr begab ſich fpäter nach London und trat dann aus den 
Fatferlicden Dienflen, worauf er mit Oberſtlieutenants⸗Charakter Oberfthofmeifter 
der verwittweten Herzogin Karoline von Sadyfen-Gotha wurde, die er 1804—6 
auf einer Reife nady Frankreich begleitete und dabei Feine Gelegenheit unterlieh, 
feine gediegenen Kenninifie noch mehr auszubilden. 1806 legte er die Direktion 
der Sternwarte bei Seeberg, die er felt mehren Jahren mit Einſtcht u. rühm⸗ 
lichem Gifer geführt hatte, nieder und \ebre Karton In Serige ver Serogin, im⸗ 
mer thätig für die Wiſſenſchaften beidhyiitiat, So wite u 1 DB, el er Basen 


Zathari. | 088 


ung einer Steruinarte tn tn nmid dann bei der Erbauung einer andern bei 
Lucca eifrig mit. e er zum Generalmajor 3 fpäter machte er 
eine Reiſe in die Per bielt ich eine Zeit lange io Da) dann zu Eifenau 
bei Bern auf, veißte dann nad — und —* 3 832. Seine werth⸗ 
vollen Schriften, in welchen ſich Gruͤndlichkeit der —2 mit Faßlichkeit und 
Klarheit der Derfelung mb des Bortrages vereinigen, find: De vera latitudine 
et longitudine geographica Erfordiae, mit Kupf. 17945 Novae et cor- 
rectae tabulae moluum solis, ®otha 1792, Suppl. 1804; Explicatio et usus 
tabellarum solis; explicatio et usus oatel ogi stellarum fixarum, ebd. 1792; Ws 
gemeine geograpbiiche Ephemeriven , Weimar 17899; dann als Fortfegung 
derfelben: mare Eorrefpondenz jur Befrberung der Erd» und Himmels⸗ 
unbe Gotha 1800—13; Tabulae speciales etc, 18065 Nouvelles tables 
d’aberration, ebd. 18125 Suppl. ebd. 1814; Correspondence astronomique. 
L’attraction des m * ‚son ale sur les les As iplomb. 2 Bpe,, * non 
—— fo + 89 In de * halfen gelsöetm Zeitung, weflige We —**— 
eitfchriften, fo 3. ® otha elehrten Zeitung, * 
thandnge von ihm. In G enna gab g auch Fa wiſſenſch 
nach: Pre Auen heraus 
Juſtin Belehrig Wilhelm, warb 1726 —— 
—* 8 Das Br Beifpil feines Vaters (ſchwarzburgiſchen Kammer; 
* 2 * als Gelegenheitsdichter dekannt war, * ſo auf den Sohn, 
no auf der Ele I in feiner Vaterſtadt durch Gedichte Sefannt 
ee Er flubirte 1743 in Leipz bie Rechte, widmete aber die meifte Zeit 
ber erchttum und wurde von Got eb fer begänftigt, ſchloß no aber an die 
als aufwachfenden befferen Beiker, die fi) zur Herausgabe der Bremi’fchen 
Beilräge vereint Hatten, an und wirkte mit ihnen zur Berbreitung eines teinern 
und beffern Sefchmades in Deutfchland. Bei der Begründung bes Collegii Oe- 
rolini in Brammfchweig warb er 1748 von Serufalem ale — an d nfalt 
berufen, nachdem er eben feine akademiſchen Stubien in © hatte, 
3. behauptete fi) fowohl als Lehrer der Jugend und FR fr a fett 1 N als 
ordentlicher Proteſo der Dichtkunſt mit Ruhm und Beifall. Er farb den 30, 
Zänner 1777. In den meiften Dichtungsarten verfuchte ch 3. (auch als Com⸗ 
ponift zeigte er fehr viel Talent und gab ſelbſt 1768 zwei Sammlungen einiger 
muſikaliſchen Berfuche heraus), ohne eben Werke gell ert zu haben, die ale Fein 
vollendete Kunſtwerke der Nachwelt gelten Tönnten. Sein Berdienk beſteht darin 
teine Sprachbildung und reinen Geſchmack aufgewedt und vorbereitet zu haben. 
Gegen das Ende feiner poetifchen Laufbahn trat er als Fabeldichter ziemlich 
glücklich auf. Er A: 2 Laune und Humor, aber nicht die Fertigkeit, 
wenige Worte den @eift gu fefieln, daher ſind feine fee Heldengedichte, wie 
auch feine — — en u, überladen. ine Sammlung feiner Pbe⸗ 
fin gab er ſelbſt 1763 in 9 Bänden, 1772 aber eine wohlfellere Ausgabe in 2 
Bänden und Ejchenbur 2 die hinterlanfenen Werke 1781 heraus. — 2) 3. von 
Lingenthal, Karl Salomo, ein auögezeichneter Juriſt und Staater 8 
ter, geboren 1769 zu Meißen, bildete ai von 178794 zu Leipzig und 
berg, trat an letzter Univerfiät ne 6 Le fentlicher von auf und tr * 
1807 die Rechtswiſſenſchaften in vor ſtarb hier 1842, nachdem 
er auch einige Zeit in den PR an ee en und den Adel erhalten Hatte, als 
babifcher el eheimer Rath. Seine Jabtr eich hen Gchriften ver ser en mit gränplicyer 
Beiehrfan und —B— Fine eine 0 en Unng. Sa nen⸗ 
nen: (1797); * des en fächftfdyen 
ehren er * rn Y+ —* va tfchen Territo (1800) 5 
„Janus“ (1802); „Erziehung des Menfchengefchlechtes dur) den Staat" (1802); 
Wiſſenſchaft der oe ung “ (1806); eitung zur gertdsttiigen Aeuiifums 
Fire 6 0); eb (ran angbfifcjen Eioflzedgten CK Yaag,, Aber, SUN, 
„©trafgefegbu nu 3 „Betrachtungen über Uker® Wer vun Bine 









984 Zacharias. 


(1826); „Lucius Cornel. Sulla“ (1834) und fein Hauptwerk: „Vierzig Bücher 
vom Staate“ (2. Ausg. 1839-42), Vgl. 3.8 Biographie und juriſtiſcher Nach⸗ 
laß von defien Sohne Dr, K. E. 3. von Lingenthal (1843). 

Zacharias oder Sacharias, 1) der eilfte unter den kleinen Propheten des 
alten Teftaments, der Sohn des Barachias, Enkel Addo's, ein Zeitgenofie bee 
Bropheten Aggeus, war vielleicht. ein :Briefter, weldyer mit Zorobabel aus 
Babylon wiederkehrte. Bon feinen Lebensumftänden iſt weiter nichts Näheres 
befannt. Er trat im zweiten Jahre der Regierung des Darius Hyftaspis, 
um dad Jahr 520 vor Chriflus, auf, um den Tempelbau zu fördern und 
feine ermahnenden Welffagungen zu verkünden, welche bis tief in die Zeiten 
des Meſſias reichen. Diejelben find ferner theild im vierten Jahre des Da- 
rind, theild nach dem fechöten Jahre deſſelben verfaßt. — Die sseiflogungen des 
en 3., das 42. Buch des alten Teſtaments, find, nebft den Büchern der 

topheten Ifata® n. Dantel cf. dd.), die für das Chriftenthum widhtigften meſ⸗ 
ifchen Brophezelungen; auch wurde deren göttliches Anfehen nie bezweifelt, ſond⸗ 
ern ed wird vielmehr durch die Berufungen des neuen Teftamentes darauf beftätigt. 
Sie zerfallen in drei Haupttheile: der erfte enthält Ermahnungen an die Juden, 
mit propbetifchen @efichten durchwebt, welche zunächſt auf den Tempelbau, 
auf ein größeres Jeruſalem, auf Wiedereinführung des Prieſterthums, auf Bol: 
endung ded Kirchenweſens fidy beziehen (Bap. 1—4); nebft Berfünnigung götts 
licher Strafgerichte an die Unbußfertigen (Gap. 5. Gap. 6.). Der zwette faßt 
ermahnende Belehrungen und Borfchriften und fdhilvert ven Anwuchs der jübis 
fen Kirche durch den Beltritt der Heiden; Erklärung, Daß eine würdige Bor: 
bereitung für die meiftantfche Zeit nicht äußere Gerechtigkeit, ſondern Beſſerun 
der Geſinnung ſei. (Cap. 7. Cap. 8.). Im dritten werden bie künfti en Sid 
füle des Volkes Gottes geſhiwen naͤmlich: Sturz der Reiche der —* der 
Griechen, der Judaͤer ſelbſt, Indem fie dem neuen geiſtigen Reiche Gottes fich entgegen 
fegen; Berheerung ihres Landes, Verwerfung derfelben, ihre endliche Reue und 
Dekehrung, überall mit den deutlichften Beziehungen auf den Meſſtas und defien 
geiftiged Reich durchwebt (Gap. 9—14.). — 2) 3., der Vater des heiligen Jo: 
hannes des Täufers (f.d.), ein jüdiſcher Priefter, lebte zur Zeit des Könige 
Sernpes nebft feiner Ehefrau Elifabeth in der Priefterftant Juta im Gebirge 
Juda. Sie waren beide fromm und gerecht vor Gott, hatten aber feine Kinder. 
Als nun 3. einſt feinen Dienft im Tempel zu Jeruſalem verrichtete und das 
Rauchwerk auflegte, da erfchten ihm der Engel Gabriel und fündigte ihm die 
frohe Botſchaft von der wunderbaren Geburt des Johannes, von defien erhabenem 
Berufe, Heiligkeit und Predigtamte an. Als vorläufiges Zeichen dieſer Ber 
heißung und wegen feined Zweifeld wurde 3. flumm von dieſem Augenblide an. 
Als aber der Sohn geboren war, da beftimmte 3. ihm den Namen Johannes: 
alsbald erhielt er feine Sprache wieder, pried Gott und wurde zugleich mit dem 
heil. Geifte und der Gabe der Weiffagung beglüdt. 

Zacharias, der Heilige, römifcher Papſt, von Geburt ein Grieche, folgte 
741. ©regor III. auf dem Fpttlichen Stuhle und regierte die Kirche 10 Jahre 31 
Monate. 3. war ein Mann von unvergleichlicher Herzensgüte, ein wahrer 
Vater des Klerus und des ganzen römifchen Volfes, rührte fogar den gottlofen 
Kaiſer Conftantinus Eopronymus durch fein großmüthige® Deftreben, den 
König Luitprand von Eroberung des Faiferlichen Gebietes, Trarchat genannt, 
abzuhalten. Aus Dankbarkeit fchenkte der Kaifer der römifchen Kirche 2 Lands 
ihaften. Papſt 3. made den hi. Bonifactus zum erften Erzbifchof von Mainz. 
Diefer errichtete mehre Bisthümer in Deutfchland, worunter Würzburg, welchem 
er den hl. Burchardus als Bifchof vorfebte. Streng genommen kann es weber 
an 3., noch an Bonifacius gutgeheißen werben, daß fie zu Gunften Pipin’s zur 
Abſetzung Childerichs, des gleichwohl fchwachen Königs von Frankreich, mit- 
spirkten ; allein nidyt jede Handlung kann Immer na ter Arengen Regel beur⸗ 
theilt werben, fondern nad) ver Kenuinig, wide Semmo ot, Belte \nliar 


—— ws 


u; Pr jen . Di t übergangen werben 
= heilige Bater hatte erfahre = Be hi Ar 
flaven gefauft hätten, um fie in Wi verkaufen. Der liebes und gefühloe! 
Bapft flelite die Gefangenen in Freiheit, gab den Wenetianern ihr ausgelegtes 
Geld und verbot ihnen biefen un Handel, weil es un! fel, 
Menfchen, melche durch bie Heilige Saufe shinber | ſottes geiwon 
Pe er Ki gemacht werben. — ae, Ka 7 baren, 

von feinem Zuitprand offenen en um 

fing an Groberungen zu und re Peg fih 


8 
mit der gefammten  Geittichleit und dem Abel zu Rachis gı fa, iwele ö 
er belagerte. Rochts ließ ſich bewegen, nicht nur son 4 —8 
abzuftehen, das Croberte zuruckzugeben und Frieden zu machen, Peg “ ent⸗ 
ſchioß ſich fogar, der kon — u arten *8 9 ein Klofter gu gehen. 
Dem PBapfte Z., defien un 8* 1 die Rinde den ärz ar — — — 


elegt, daß er wegen des 
‚ie —2* verdammt hg — % —S des — 
Glauben an 


—ã 
(Orbis_terrarum) Fu Br en SET 


Gegmfüßler Back Den Aller 

ra Briedri in feiner Zeit hochgefchägter To: ‚geboren 
wi 19. Rov. —* —— von Da aan auf ben der —* 

aniſt an ver ee m ee dieſe Stelle 

Ey an fi feinen Tod, 1721, mit vielem Kaas ben er nit nur viele « Riden 
und Klavierftüde jet te, fondern auch treffliche Gchäler bildete, unter denen 
große Händel 18 d.) ber berühmtefte if 
. ru 


’ Def it awa 1000 Ginsohnern, im Dberrheinfrelfe bed Gtos⸗ 
Berogtgums Beben, ai t einem in Trümmern liegenden Schloffe, wovon Se alle alten 
Herzöge yon . den Kann geführt hatten. Der a oder von Baden führt 
—2 ——— Ges Bhkringlien Kine, welher 

oßherzog Karl ri h 
einen Swen al6 ale des erlofchenen er Fi die Ruinen ber Burg 
3 ange ne il ehaklan, Dr * — Belofne, Be 
e, Roman Sebaftian logie u. 

Bifchof au Sedan und Berwefer des Blsthum warb ben 20. Jänner 1771 

gu Oberkirchberg, unweit Ulm, ‚geboren. ne Pr ge 92 in den Benebiktinerorden 

im benachbarten Kloſter Wiblingen, erhielt 1795 Die aeeeruch 

4797 an ber damals Öfterreichifchen — u 'g der en 

aus dem Bibelſtudium des alten pn ——— 

dieſe Kanzel in der Hauslehtanſtalt — 

Begenfänbe, & en in das —— e ER. —* us — 

8 er zugl Prälaten, Franz Hun 
itularen, nebſt dem Gepramte De Ge dei es Novi 

Fi € 4801 wieber in fein Stift ais Profeffor der Bibelfächer et. K: 

mußte er übervieß noch bie —**— beſorgen. Im folgen! a kan 

er an ber Benebiktiner » Into: — zum Doktor Philoſophie un 

Theologie promovirt und 1803 aaa het der — und bielihen aueh. 

1804 ward ihm ber Oharakter —TR2 Werdiuen 

1806 warb er zum Delan ber Merlin Yatal aaa Rn 


986 dahl. 


Eloſter Wiblwaen aufgelöst wurde, wanderten mehre Capitularen nach Oeſter⸗ 
reich ein u. erhielten das Benediktinerſtift Tiniec nächſt Krakau, mit dem Auf⸗ 
trage, an der Krakauer Univerſttät die iheologiſchen Lehrkanzeln zu beſorgen. 3. 
verließ auch am 2. November 1807 Salzburg und übernahm die Kanzel der 
neuteftamentlichen Eregefe und der griechlfchen Sprache in Krafau. Am 3. De. 
1807 ernannte ihn der Biſchof von Krakau zum wirklichen Conſiſtorialrath und 
Beifiger und - 1809 wählte ihn die theologifche Fakultät zu ihrem Dekan. Als 
aber im nämlichen Jahre Krafau an Sahen fam und bie Glieder des Stiftes 
Wiblingen Tiniec verlaffen mußten, fo wurden fle in den öfterreichifchen Staaten 
einzeln angeftellt und 3. fam 1811 als Profeflor der Eregefe des neuen Teſta⸗ 
mentes und der griechlfchen Sprache an die Univerfität zu Drag, von wo er in 
gleicher Eigenſchaft 1812 an die Univerfität Wien überfebt und 1815 zum Dekan 
der theologifchen Fakultät gewählt und ſonach zum Fuͤrſtbiſchof von Sedau ers 
nannt wurde, Durch gevrudte Reden zeigte er Ei als einen vorzüglichen theologi- 
fhen Schriftfteller. Sie erfchienen gefammelt unter dem Titel: Feſt⸗ und Neu⸗ 
jahrprebigten, 2. Aufl., Grätz 1837. 

Zahl ift 1) die begriffsweiſe u. äußere Bezeichnung einer beftimmten Menge 

von Dingen; diefe iſt darfteldar durch Worte le eins, zwei, 
drei ıc. hunkert, taufend ıc., oder durch die jene Zahlworte repräfentirenden 
Zahlzeihen (au Ziffern penannd): 1,2, 3 x. Werden mit ber durch 
3.n ausgevrüdten Menge von Dingen die Dinge felbft genannt, fo bat man be⸗ 
nannte oder concrete 3., ald etwa: 10 Gulden, 6 Ellen, 12 Centner; eine 
3., als bloßer Inbegriff einer beftimmten Menge, 3. B. 10, 6, 12 ıc. beißt 
unbenannte over abftracte. ever 3.- Begriff geht aus von dem Zuſam⸗ 
mennehmen einer gewiffen Menge von Einheiten: Zwei find zwei Einheiten u. f. f. 
Diefe Slementar s Anfchauung der 3.:Berhältniffe lehrt das f. g. Ein mal Eine. 
Ye nachdem eine 3. durch 2 theilbar, oder in zwei ganz gleiche a zerlegbar 
tft, wie eben 2, 4, 6, 8, 10 20. heißt fie gerade, — hat fie diefe Eigenſchaft 
nicht, fo wie alle zwifchen den geraden 3.n liegenden, als 1, 3, 5, 7, 9 x, 
fo beißt fie ungerade. Ganze 3.n nennt man die auß einer oder mehreren 
volftändigen Einheiten beftehenpen, wie 1, 2, 3, 10, 1002 ıc., eine gebrochene 
3. dagegen (Bruch) ftellt nur einen oder mehrere Theile, — oder aud) ganze und 
etheilte Einheiten dar; die 3.n: ein Halb, ein Biertel, ein Achtel ıc. ober ihre 
Beichen 4, 4, 43 — jwel und ein halb, drei und ein viertel 2c. (14, 3% ıc.) find 
demnady oder repräfentiren gebrochene 3.n. — Gleichnamige, gleichartige, 
homogene 3.n find ſolche benannte 3., welche gleiche Dinge zu Einheiten haben, 
als 13 Gulden und 5 Gulden — 8 Rieß und 2 Rieß ıc., — ungleihnamige, 
ungleicyartige over heterogene 3.n flellen verfchledene Arten von Einheiten 
nebeneinander, al8 etwa 13 Gulden, 9 Franks und 7 Thaler ıc. — Belannte 3. 
find folche, welche zu einer Berechnung gegeben werben, — unbefannte, welde 
mit Hülfe der defannten durch die Berechnung gefunden werden follen. Wäre 
e8 3. B. Aufgabe, zu finden wie oft die 3. 13 in die 3. 39 enthalten ift, fo 
find 13 und 39 die befannten 3., die zu fuchende 3. 3 war die unbefannte. — 
Ratürliche 3.n nennt man die Reihe aller denkbaren, ganzen 3. von 1 an, 
alfo 1, 2, 3, 4... . bis in's Unendliche fort. — Prim-3.n find die nur durch 
ſich felbft und ihre ganzen Einheiten theilbare; pofitine folche, durch welche die 
Bermehrung einer andern 3., negative, durdy welde eine Berminderung 
bewirkt wird. — Die bier noch in Betracht kommenden Begriffe von einer ra- 
tionalen oder irrationalen 3., einem altquoten oder allquanten 
Theile find in ihren betreffenden Artifeln cf. d.) erläutert. — Zählen heißt 
das Geichäft: eine verfchiedene Menge von Einheiten mit Bewußtfein beflimmen ; 
es Tann dies in verfchiedener Welle, 3. 3. vom erften, nieprigften Gliede zu 
fpäteren, höheren fortichreitend, d. h. vorwärts zählend, geſchehen; es kann 
aber auch in entgegengefehter Welle, d. 5. vuKwirtd , er uk io qgeichehen, 
daß man die Z.nreihe in beitebiger Toige wurdltuit, won ren VAKaen Sie 


Zahlhaas — Zahn. 987 


der 3.nreihe ausgehend, die fernern Glieder verfolgt. — Siehe auch den hieher 
gehke! en Artikel Arithmetik, als Wiffenfchaft der 3.n» Bildung und Zin⸗ 
erhältnifie. — 2) 3. tft ferner beim Barnhandel ein Maaß von 10 oder 20 
Gebinden, 12 3.n find — 1 Stüd. — 3) 3., goldene, f. Epakten. — Zahlen; 
Syftem, die regelmäßige Eintheilungs⸗Art der 3.n, oder die Anordnung aller 
3.n ald Reihen nad den Potenzen einer beflimmten 3., welche Bafld oder 
Grund⸗3. heißt (deren Coefficienten alfo alle Heiner als dieſe Baſis find). 
Iſt demnady 2 die Grund⸗Z3. des Syſtems, fo nennt man «8 das dyadiſche, 
mit 3 als Grund⸗Z. triabifches, mit 4 tetrabifches, mit 5 pentabifches, mit 6 
hexadiſches, mit 7 heptadiſches, mit 8 oftabifched, mit 9 enneadiſches, mit 10 
dekadiſches, mit 12 dodekadiſches Syſtem ıc. ꝛxc. — Das in feiner Anwendun 
verbreitetfte 3..Syftem ift jebt das dekadiſche, zehntheilige, und die auf dieſe 
Weiſe ausgeprüdten 3.n beißen Dezimal-3.n (f. d. Artikel: Dezimal⸗Sy⸗ 
ftem, Dezimal-Brüde, Dezimal⸗Maaß.) 
ahlhaas, Joh. Bapt., Ritter von (unter dem Namen Reufeld als Schaus 
fpiels und openterbichter rähmlich bekannt), geboren zu Wien 1787, wo er auch 
nach forgfältig vwollendeter Bildung zuerſt die theatralifche Laufbahn betrat. 
1817 erhielt er ein Engagement beim Leipziger Stadttheater, 1821 an ver Man- 
heimer Bühne. 1822 übernahm er mit Mehren die Direktion des Rationalthens 
ters in Bremen. 1825 wurde er als Hoffchaufpieler in Dresden engagiıt und 
erhielt in der Folge ein fehr vortheilhaftes Engagement in Darmftadt. Allenthal⸗ 
ben gefiel er durch die, der Natur getreue, Darftelung u. pfuchologiiche Wahrheit 
I Spieles. 1832 gab er auch auf der Wiener Hofbühne mit vielem Bei⸗ 
alle imehte Gaſtrollen. Im Drude gab er heraus: Das Leben ein Traum, 
Schaufpiel, nad) Calderon, Leipzig 1818; Henri von Anjou, Trauerſpiel, 
ebd. 1819; Thaſſilo H., Herzog von Bayern, Trauerfpiel, ebd. 1820; Reue 
Edaufpiel ‚, Bremen 18245 auch überſetzte er Shakeſpeare's König Lear 
uam. 

Zahlheim, Karl von, Profeffor der Agrikultur an der Wiener Univerfität, 
geboren zu Wien 1746, vollendete daſelbſt auch feine Studien, widmete ſich darauf 
dem Lehramte und erhielt 1769 die PBrofefiur der politifchen Wiſſenſchaften an 
der FE. k. Therefiantfchen Ritterafademie in Wien, bie er jedoch bald wieder aufs 
gab. 1776 ernannte ihn die Wiener ökonomiſche Geſellſchaft zum permanenten 
Sekretär. 1777 erhielt er die Profeſſur der Agrikultur an der Wiener Univers 
fität, die er durch einige Jahre bekleidete, dann trat er in den Penſtonsſtand. 
Er flarb zu Wien den 1. Dftober 1787. Unter feinen zahlreichen, im Drucke 
erfchienenen, Schriften find am bemerfenswertheflen: Verſuch einer Geſchichte ber 
natürlichen Rechtsgelehrſamkeit, Wien 17655 Lehrbegriff der allgemeinen Rechte, 
on. dar ; Pyltiſch/ dlonomiſche Abhandlungen, ebd. 1774; Wieneriſche Drama⸗ 
turgie, ebd. 1776. 

Zahn iſt diejenige knochenartige Bildung im Munde, Schlunde oder an den 
Kiefern thieriſcher Körper, welche Bauptfächtich beftimmt iR, durch das Erfaſſen 
und Zerkleinern der Nahrungsmittel dem rnaprungo rodeie zu dienen; nächſt⸗ 
dem aber auch manchen Thieren ale Waffe, dem Dienfchen zur Bildung u. Mo- 
dulation der Stimme förderlich iſt. Die Z.⸗-Bildung kommt am vollfommenften 
bei den Säu eihleren vor, {ft aber auch bei Amphibien, Fiſchen und Inſekten 
vorhanden, Bel den Zähnen der Men ſchen findet fi ver über das Zahn: 
fleifch (Die, beibe ne zum untern Theile einfchließende, fleifchige Maffe) 
hervorragende obere Theil des 3.8 — die Z.Krone — von einem fehr feften, 
porzellanartigen, von Natur weißen Schmelz überzogen ; der unterfle, vom Z.⸗Fleiſch 
eingefchloffene Theil, die 3. Wurzel, fleht durch einen Nerven u. durch Adern 
mit dem übrigen Organidmus in Verbindung, welcher dadurch wiederum auf 
das Wachsthum und andere Veränderungen des 3.08 zurücwirlt. Die 32 Zähne 
des eiwachſenen Menſchen ftehen, in jeder Kinnlade 16, in zwei dichten, para⸗ 
boltfhen oder eHiptifchen Reiben einander ‚gegenüber, wen in et NEUER, 


988 Zap. - 


Reihe je vier Schneivezähne, neben biefen zu beiven Seiten, oben und unten, 
je zwei Spigs ober Augenzähne, dann jeberfeits bie übrigen, weiß bu 
breite, unebene Kronen und vierfadhe Wurzeln ausgezeichneten Badzähne fol 
end. — Die innere Zahnbildung beginnt ſchon um bie jehnte Woche des Fotus⸗ 
lebens mit dem Erſchelnen von zwei vorderen und zwei hinteren häutigen Kapſeln 
oder Sädchen in jeder Hälfte des Ober» und Unterfiefers; dieſe Sädchen find 
von einer, Anfangs röthlichen, fpäter weißgelblichen Fluͤſſigkeit ausgefült, in 
welcher ſchon vom vierten Monat an der als eine gallertartige, bald die Geſtalt 
des 3.08 annehmende Subftanz, ſich darſtellende 3..Keim wächſt. Die Anfänge 
der Verfnöcherung zeigen fich bereits um die Mitte der Schwangerfchaft, an der 
fi zuerſt bildenden Foftone, aus ber ſich erft fpäter die Wurzeln entwideln. 
Noch mehre Monate nad) der Geburt bleiben die Zähne innerhalb ber Z..Höhlen 
verborgen, doch iſt an ihrer Stelle eine Inorpelartige, mehrfach eingefchnittene, 
zugefchärfte Erhöhung des Z.⸗Fleiſches bemerklich. Unter einer der —8 
nahekoͤmmenden, Dich gefteigerten Thätigleit der Natur, wie fie aus den beglı 
tenden Erfcheinungen, der Hige des Mundes, dem Geifern, Anſchwellen des 3.⸗ 
Bletfches ıc. erfichtlich iſt, bewerkitelligt fi dann gewöhnlich im fechöten Lebens⸗ 
monat des Kindes ver Durchbruch der Zähne, u. zwar erfcheinen zuerft die beiden 
vordern Schneidezaͤhne des Unterkiefers, einige Wochen fpäter des Oberkiefers; dann 
in Zwifcenräumen bie übrigen Schneivezähne; hierauf die erften Badenzähne, 
um bie gie des zweiten Jahres die Spigzähne, und geom Ende des zweiten 
oder zu nfang bes dritten die zweiten Badenzähne, Diefe man Zähne find 
die Milch⸗ oder Wechfelzähne, welche jedoch vom 7. bis 13. oder 14. Les 
bensjahre wieder ausfallen und in gleicher Reihenfolge, wie ſie kamen, durch 
eſtere, bleibende erfegt werden. Um die Zeit der Pubertät find gewöhnlich 28 
me vorhanden; die legten Baden» oder fogenannten Weisheits zaͤhne kommen 
dagegen meift erſt zwiſchen dem 20. bis 25. Sabre; fie find_von einer Ioderen 
Maffe, deßhalb der leichteren Verderbniß ausgeſetzt, und daher gewöhnlich am 
erften wieder ausfallend. — Die Dauer der Zähne zeigt unendliche Verſchleden⸗ 
heiten; doch gehört das Behalten aller in mehr oder minder gefundem Zuftande 
bis zum höchften Lebensalter zu den feltenern Ausnahmen. de Berderbniß der 
Zähne durch Fäulniß hat meift eine krankhafte Beichaffenheit_der allgemeinen 
Säfte ober eine äußere Verlegung, welche mit der Zerflörung des Schmelzes zufams 
menhängt, zur Urſache. Bei dem Brand (Knocyenfraß, Caries) der Zähne, weldyer 
am häufigften die Badzähne befällt, gewöhnlich an der Krone, nicht felten aber auch 
an der Wurzel beginnt, wird zulegt der 3.:Rero, wenn ihn die abgefteflene Zahndede 
nicht mehr —9 dem Contacte der Luft u. der Nahrungsmittel ausgeſeht, was oft 
das empfindlichfte ah bervorbringt. (S. aud Zahnfhmerz.) — Die 
Zähne der Thiere ftellen ſich in den niederen Fhierklafien ale hinter den Taſt⸗ 
und Greif» Organen, den Lippen» und Fühlfäven in der Mundhöhle befindliche, 
harte, zahnartige Theile dar und find entweder sch sum Ergreifen und Beer 
ten, oder zugleich zum Zerlleinern der Nahrungsmittel beftimmt. Als eigentlich 
ausgebildet fommen die Zähne mehr mur den meiften Wirbelthieren zu. — Be 
den Fiſchen find Zähne nur einer fehr geringen Anzahl von Arten, namentlih 
dem Stör und dem Aodon, fehlend. Die Zähne der Fiſche beftehen immer aus 
Knochenſubſtanz und Schmelz, bei den zu den Knochenfiſchen gehörenden Karpfen 
befinden fich die Zähne im Schlunde. Bel anderen Fifchen, z. B. dem yo u 
Lachs, gibt es im Munde feinen Knochen, der nicht Zähne trüge. Vei den 
Knorpelfiſchen verwachfen fle oft mit dem Knochen; es erzeugt fich da im Knochen 
jewöhnlich unter dem alten 3. ein neuer, der, wenn der alte ausgefallen ift, an 
Peer Stelle oder neben ihm hervortritt. Bl den Knorpelfifchen Anden fi bins 
ter einander mehre Reihen. Am häufigen fommen mehr oder weniger Rark ges 
bogene $angzähne vor, deren Zahl mit ihrer Größe im entgegengefegten Berhält 
mie gu Rehen pflegt. Die Schueitegiine Nav \dtener urn Ve ten Kuochenflichen 
Heiner; Die Schollen Haben fe telktonig, mie Suhl wcka, vr an 


Zahnſchmerz. 989 


Kauflächen fägeförmig eingefchnitten. Die Badzähne find niedriger, breiter und 
beftehen oft bloß aus der Krone. Bel den Karpfen find fie einfach, bei mehren 
Kochen dagegen bildet die zufammengefehte 3..Maffe einen großen Backzahn. — 
Bon den Sabnen ber Amphibien tft hervorzuheben, daß fie bei den Schildkröten 
durch ſtarke, hornartige Platten erfeßt werden, welche die Kiefertheile bekleiden u. 
verſchieden in einander greifende Erhabenheiten und Feteſingen als Kauflaͤchen 
zeigen: bei den Froſchthleren finden ſich die meiſten Verſchiedenheiten der, immer 
aber Fleinen, Zähne; den ungeſchwänzten fehlen fie ganz, erfcheinen dagegen bei 
den Eidechſen deſto mehr entwidelt. Bet den Krofodilen ftehen die 3. ſehr weite 
läufig und find von ungleicher Größe, alle aber einfach zugefpist, die vorderen 
länglicher und etwas gebogen; fte bleiben immer hohl umd der neue 3. dringt 
durch die Höhle des alten hervor. — Die Zähne der Vögel find mehr weiche, 
Längliche, fpiße, zahnartige Berlängerungen im Schnabel, welche in eine größere 


oder geringere Anzahl von Vertiefungen treten, deren Zahl nach den Ordnungen u. 


Im 08 LLRNI Ei 


Sattungen bedeutend variirt. Bel den Papageien finden fidy aufſerordentlich 
viele, von vorn nach hinten in einer Reihe dicht auf einander folgende. Das 
Ganze bilvet eine, zu einem Ganzen verſchmolzene Zahnreihe. — Die Zähne der 
Säugethiere ſtehen in mehr oder weniger anfehnlichen, ihre Wurzeln meiſtens 
eng umjfchließenben, zertefungen, und es fommen bei denfelben mehre Ordnungen 
vor, namentlich Bads oder Mahlzähne, Schneidezähne und häufig bie 
awifchen beinen ftehenden Eck⸗ und Sangaäbne. Bei den fleifchfreffenden Thie⸗ 
ren befindet ſich noch ein befonderer Fleiſchzahn; er folgt nad) den vorderen, 
am meiften fchneidenden, Bad» oder Reiß zähnen und iſt größer und breiter 
als die übrigen Badzähne, welche auch wieder in dem Maße breiter, größer und 
mit rundlichen Erhabenheiten verfehen find, ald das Thier pflanzenfrefiend, mehr 
mit fcharfen Spitzen verfehen und feltlich zufammengebrüdt, als es fletfchfreffenv 
tl. Zu den beiden gewöhnlichen 3.-Subflangen, der Rnochenmafle und dem 
Schmelz, fommt bei den Säugethieren häufig noch eine weichere dritte, der Kitt 
oder die Steinrinde. — Auch bei den Säugethieren treten die den menfchlichen 
Zähnen eigenthümlichen Prozeſſe des Wechfeld u. der zerflörenden Abnutzung ein. 
Zahnſchmerz iſt ein Symtom fehr verfchtedenartiger, entweder durch krank⸗ 
haften Zuftand der Zähne ſelbſt erzeugter oder von anderen Störungen des Or⸗ 
— hervorgerufener und durch dieſe bedingter Leiden. Häufiger in ber 
indheit und Jugend bis zum mittleren Alter, felten im fpäteren Alter vorkom⸗ 
mend, hat er feinen Sit bald in einem oder mehren Zähnen, oder in den die 


- Wurzeln der Zähne a Jg Membranen, oder in den zu den Zähnen u. zu 


dem Zahnfletfche Hinge 


enden Nerven. Je nad der Art des GEintrittö, nad) 
Heftigfeit und Dauer, anhaltendem oder ausfehendem Verlaufe, periopifcher oder 
nicht pertopifcher Wiederkehr, nach der Veränderlichkeit des örtlichen Eided und 
—— mit anderen im Körper beſtehenden Uebeln, tritt der 3. in viel⸗ 
achfter Verſchiedenheit auf. Die Schwierigkeit des NWuffindens der ebenfo vers 
fchledenen Bernlaffungen von Zahnleiden, macht eine richtige Wahl unter den 
vorhandenen vielen Mitteln, zu einer nicht felten ungelöst bleibenden Aufgabe, 
die dann ſelbſt im glüdlichen Kalle fchneller Wirkung, durch häufige® Wieder, 
kehren des Liebeld am gleichen oder an anderen Drten, noch wefentlich erfchwert 
wird. Sf der 3. von einer örtlichen Krankheit des Zahnes, etwa vom Brande, 
caries, bedingt, fo iſt fein Verlauf chron iſch, der Schmerz fommt- felten zu 
Außerfler Heftigfeit, behindert aber mehr oder weniger dad Kauen und ift fchlafs 
flörend. Der acute 3. iſt dagegen bevenklicher; er bewirkt heftige Stiche in 
den Zähnen, dem Zahnfleiiche, den Baden, zuweilen felbft in Ohren, Yugen und 
dem Hirne, verurfadht faft immer Schlaflofigkeit, oft auch Kieber, Krämpfe, Er- 
brechen, felbR Ohnmachten ; beim Nachlaſſe des Schmerzes flelit fh Anſchwellung 
der Baden oder des Zahnfleifches ein. Der 3. tft feiner Urfache nach entweder 
theumatifch und fommt dann in gefunden, wie carlöfen Zähnen bei kaltem 
feuchten Wetter vor und bewirkt abwechſelnd Augenentzänkungen, 


9” Ban — Zaims. 


We Kopfaben Ocmenes 5 
abnfleifch, m, um ollen dez ei 
meift junge kraͤftige —— Unterbrüdung von Bi en, 3. 8. 
Nafenblutens oder der Hämorrhoidal-Blutungen; der fatarrhaliiche 
fich durch beträchtliche Anfchwellung des Zahnfleifhes und ber Baden, 
durch, Anfammlung großer Maſſen von Speichel; derigaftrifche 3., meift 
Unreintgfeit der. erften Wege, zuweilen auch durch Würmer h ’ 
gehn durch Abführungsmittel bald gehoben; der ſchlim— unter den 
— Ben us Zahn Reuraiale, * feinen © = 
erven um) er ). das, ‚immer nur na— auefter 
— — — An, — —* —J —— 
er ʒ er in reißenden mit Heftigfeit wieber 
= und kommt beſonders bet —— reizbaren, Bwägligen 
beiverlet Gefchlechtes vor; feine Bekämpfung iſt felten eine dau 2* 
Auszichen der Zähne iſt nur dann Hera wenn der ſoriſchreitende Brand 
mfleifch zu zerflören. droht; denn der. 3, wendet fich immer 
Zähnen zu. Plombiren und Feilen, rechtzeitig vorgenommen, leiſtet 
wirffame Dienfte. Das Uebel der Zahnleiven jcheint ſich in rin 


RT H 


46H] 


vu 


allgemeiner zu verbreiten; ihm au entgehen, iſt die von frühefter an fon 
ufdane, anfmerkiame Zahnpflege, tägliche Reinigung , Vermeiden 

echjelung im Genuffe Falter u. I Speiſen am; 

Zahn, Wilhelm, ein geichäster Maler und Kunftfenner, geboren iM 


zu Rodenburg (Heffen) , auf der Akademie In Kaſſel und unter Gros in Part 
—— befuchte 1824 Itallen, wo er, fo wie ſpaͤler 1840, — er 180 h 

aſſel für den Kurfürften mehre Gemälde ausgeführt hatte und 1828 Profeie 
in Berlin geworden war, den Ausgrabungen in Pompeji und, ſum dot: 
zügliche Aufmerkſamkeit⸗ widmete. nen Studien verdanken wir fm trefflihe 
buntem Steindrude; die ſchönſten Ornamente und Tg Gebäude us 
Pompeit, Herkulanım und Stabiä «10 Hefte, Berlin 1823 — 29, 2. Fuly 
10 Hefte 1841 — 45); Drnamente aller claffifchen Kunftepochen (AO Hefe | 
1832 — 43); Auserlefene Verzierungen (5 Hefte 1841 — 44). 

Zaims, die, gehörten in der Türfel, wie die Timartoten (f. d.), zu de 
Spahl's und bezogen ihren Unterhalt von gewifien, ihnen ald Lehen eingeräun: 
ten Ländereien, wofür fie dem Sultan eine entfprechende Anzahl Reiterei 
ftellen hatten, Diefe Einrichtung rührte aus dem 14. Jahrhundert von Sulin 
Murat I. her und wurde in der Folge, bei der Ausbreitung der türfifchen Grote 
rungen, auch auf mehre Provinzen ausgedehnt, Solde Lehengüter hießen Zin 
metd, daher auch die Benennung ihrer Befiger. Der Unterſchied zwifchen den 3 
und Timarioten beruhte nur auf der Summe ihrer Einkünfte. Die geringte 
Einkünfte eines 3. waren jährlich 20,000 Afper und die höchſten 100,000. Dr 
3. waren verbunden, nicht nur felbft im Felde zu erfcheinen, fondern auch fr 
jede 5000 Afper Einkünfte, die fie hatten, einen Mann zu ftellen, Ein 3. mußt 
font 4— 20 Mann zu Pferde und ein Timariote 1 —6 Wann ftellen. Roh 
diefen Verhältniffen kam aus den fämmtlichen Gouvernements des türfiige 
Reiche eine Zahl von 132,054 Reitern zufammen. Diefe Reiterei, die aber fi 
lich nicht immer marfchfertig war, ward in Regimenter eingetheilt, die m 
Oberſten commanbirt wurden. Diefe Oberften ftanden unter einen Sabfchiad u 
diefer unter einem Beglerbeg. Es gab audy Freiwillige, die unter einem 3. fr 
ihre eigenen Koften dienten, in der Hoffnung, fich hervorzuthun und nad Ab 
gehen eines Beſihers von einem Ziamet Damit belehnt zu werden. Ward ein 3 
undermögend, fo konnte er fein Ziamet einem Sohne ver Anverwandten abtreim. 
In Natolien gab es erbliche Ziamets, die privilegirt waren. Schon 1792 be 
ſchloß die Pforte, Künftig feine neuen Kriegslehen zu vergeben und aus den De 
mainen eine gleiche Zahl Truppen zu unterhalten. Noch gab es biß zur großen 
Umbildung des türkichen Militaͤrweſens 60 Ortas, angeblich von Er} 


Zaire — Zalunski. 991 


Mann, welche aber in der Wirklichkeit niemals über 18,000 Mann betrugen. 
Bol. den Art. Timarloten. 

Zaire, Ruenzo oder Kongo, ein Fluß In Afrika u. zwar in Rieverguinen, 
der nach älteren Nachrichten von den Eingeborenen Moterzi-Enzabdi, d.h. Fluß, 
welcher die anderen verfchlingt, genannt wird. Seine Duelle ift unbefannt; 
der Sage nach entipringt er aus dem ebenfalls unbekannten Achelunda-, Aquilundas 
oder Zavtlundafee; neueren Nachrichten, wenn man bdenfelben trauen darf, zufolge, 
die der franzöftfche Reifende Douville mittheilt, hätte er feinen Urfprung auf dem 
hoben Plateau von Afrika (ſ. d.) awiichen dem 25° und 26° D. und 9° bis 
10° ©. im Lande der Regas. Er fließt Anfangs weſtwärts durch die Humftanten, 
das Land Mufchingt, Kaflange, Kankobella und Hollo⸗ho. Hierauf macht der 
Zluß eine große Norbauebeugung nach Nordweſt und fodann nad Südweſt, 
worauf er ſich unter 6° ©. in das aͤthiopiſche Meer, in einer weiten Mündung, 
an weldyer das Säulen⸗ und das Haienvorgebirge liegen, ergießt. Er hat reiffende 
: Strömungen, bildet wegen feines felfigen Flußbettes mehre Waflerfälle, ift aber 
doc) auf einer Strede von 50 Meilen ſchiffbar. Seine größeren Nebenflüfle find 
rechts: der Hogi, links: der Kaſſenci. Im Süden find Pine Ufer hoch und fteil 
und das Tafelland fcheint dort einen Feilfürmigen Borfprung zu bilden; man 
: fleigt obngefähr zwölf deuiſche Meilen an der Mündung ded Stromes auf die 
. erfien Höhen, die Joon über 3000 Fuß betragen und erreicht, etwas über 
: fünfzehn deufche Meilen weit vom Meere, das Plateau, welches hier bereits 
4500 Fuß hoch ift, C. Arendtis. 

Zajotti, Par ide, geboren 1798 zu Trient, ſtudirte die Rechte zu Bologna, 
: wo er audy al —*2* Triumphe feierte und trat 1813 in die richterliche 
Laufbahn ein. In Trient, Lodi, Verona, Mailand, Venedig, zuletzt in Trieſt, 
wo er 1843 als Bräftvent des Civiltribunals ſtarb: überall wußte er die Liebe 
- der Beften zu erwerben. Ald Eriminalift von Bedeutung, ift er es noch mehr durch 
‚ feinen veredelnden Einfluß, den fein, an dem Tüchtigften der einheimifchen und 
ausländifchen, auch deutfchen, Literatur genährter Geiſt auf die höhere Bildung 
feines DBaterlandes ausübte. Obſchon er nur Eritifche Wrbeiten, befonders in bie 
Bibliotheca italiana lieferte, unter denen „Del Romanzo“ und „Della letteratura 
giovanile“, (deutfch nebft Biographie 3.8 von H. Stieglig, Trieft 1845) naments 
lich hervorzuheben find, fo ſtellen ihn dieſe doch durch herrliche Sprache, Ideen⸗ 
reichthum u. Seelenadel unter die erſten Schriftfteller Jtaliens. 

akynthos, war im Alterthume der Rame der jegtgen Infel Zante (f. d.). 

alenkos, ein berühmter Befeßgeber der Lokrier in Großgriechenland, ungefähr 
in der 29. Olympiade, 664 Jahre vor Ghrifti Geburt. Zwar iſt von feinen 
eigentlichen Lebensumftänden ebenfowenig Gewiſſes befannt, als von feinen Ge⸗ 
feßen, indefien läßt fi aus den noch vorhandenen Fragmenten der lebteren fo 
Vieles fchließen, daß fie Aufferft fireng gewefen ſeyn müflen. Nach einer Erzähl- 
ung des Ariftoteled fragten die Lofrier, wegen häufiger Zwiftigfeiten, das Orakel 
um Rath und erhielten die Antwort: fie follten fich Geſetzen unterwerfen, wenn 
ein Hirte im Stande wäre, ihnen gute Gefege zu geben. Man fand viefen in 
dem 3. und auf die Frage, wo er die Gefege hernähme, antwortete er: fie wären 
ihm von der Minerva gegeben worden. Die Lokrier befchentten ihn mit ver 
— und machten ihn zum Geſetzgeber. Er war auf feine Geſetze fo eifer⸗ 
üchtig, daß er, um fchänlichen Neuerungen in denfelben vorzubeugen, feſtſetzte: 
Jeder, der ein neued Geſetz vorfchlüge und ein altes abgefchafft wiffen wollte, 
ſollte mit einem Stride um den Hals erfcheinen, mit welibem er fofort erwürgt 
werben follte, wofern fein Geſetz nicht befier, ald das des 3., befunden würde. 

Zalnsti, Name eines alten polnifchyen Adelsgeſchlechtes, das fi) um Staat 
und Wiffenfchaft vielfache Verdienſte erworben hat und ans deſſen Angehörigen 
wir anführen: 1) 3., Anpread Chryſoſtomus, zu Anfang des 18. Jahrhunderts 
Bifchof von Wermeland und Kron⸗Großkanzler von Polen, hatte an allen age 
Gtaatsangelegenheiten feiner Zeit großen Antheil, verrieth call are 


und ftarb 1711 im 61. Jahre. Einen Schab von Nachrichten für die polniſche 
Geſchichte findet man in feinen, nicht für den Drud gefchriebenen Briefen: 
Epistolae historico-familiares, 5 Bde. 1709 — 1716, Fol. — 2) 3., Andreas 
Stanislaus, feit 1735 Kron-Großfanzler und 1746 Bifchof von Krakau, that 
fehr viel für die Aufnahme der Wiflenfchaften in feinem Vaterlande, belohnte die 
beften Schriften mit Pretfen, fammelte mit feinem Bruder (f. unten) einen großen 
und herrlichen Bücherſchatz und fchenkte ihn vor feinem Tode, weldher den 
16. Dezember 1758 erfolgte, der Univerfität. — 3) 3., Joſeph Andreas, 
Bruder ded Vorigen, Biſchof von Kiew, zeigte in öffentlichen Reden auf ven 
Reichsſstagen und In der Kirche eine männliche Berenfamkelt, legte auch eine große 
Bibliothek an, die bis zu 20,000 Bänden wuchs und die er den Jeſuiten fchenfte. 
Auch fliftete er zu Ehren der bi. Jungfrau Maria die Marianiſche Akademie. 
Die beiden leuten Umſtände find deutliche Beweiſe feines fromm⸗kirchlichen Stnnes, 
Diefen bewährte er auch dadurch, daß er in einem Hirtenbriefe öffentliche Gebete 
gegen die Diffiventen anordnete. Beleidigende Weufferungen, die er gegen ben 
uffifchen Gefandten, Grafen von Repnin, gethan, brachten ihn in uk che Ge⸗ 
fangenſchaft, aus der er erſt 1773 wieder frei wurde, worauf er den 7. Jannar 
des folgenden Jahres ſtarb. Man hat von ihm unter anderen „Specimen histori- 
cum polonicae criticae, constans animadversionibus in historiam Ludovici Polon 
et Hung. regis ab August. Koludzky descriptum, ®arfchau 1735. 

Zamboniten, heißen gewiſſe geiftliche Ordensbrüber, welche gegen Ende bed 
12. Jahrhunderts entftanden find. Der damald faft eingegangene Orden ber 
Eremiten erhielt durch einen gewiflen Johann Bonus von Mantua (von welchem 
der Name 3. oder Fratres Johannis boni herrührt), wegen feiner firengen Lebensart 
neued Anfehen; er wurde unter Papſt Alerander IV. mit jenem vereinigt und ihnen 
die Regel des hl. Auguftinus gegeben. 

Zamora, eine fpaniiche Provinz, mit der Hauptftadt gleiches Namens, im 
Königreiche Leon, an Portugal angränzend, 167 [JM. groß mit 160,000 Gin- 
wohnern. Das Klima ift mild und angenehm, der Boden aber ſchlecht angebaut. 
Im Norden und Often die Hochebene von Altcaflilien und Leon, im Süpen und 
Weften greift die Bergterrafie von Trez 08 Montes herein. Hauptfluß if der 
Duero. — Die Hauptftadt 3. zeichnet ſich befonders durch Ihre ſchöne Brüde über 
den Duero aus, an deſſen rechtem Ufer fe liegt, iſt der Sig des Generalcapitäns 
von Leon und eines Bifchofs, hat 23 Pfarrkirchen, worunter die gothtfehe Dom: 
firche mit dem Grabe des Hi. Ildefonſo, eine Ingenteurafademte, ein bifchöfliches 
Seminar, ein altes Schloß, iſt aber im Ganzen ſchlecht gebaut und zählt an 
10,000 Einwohner. C. Arendts. 

Zamodz, Stadt und flarfe Feftung in dem polnifchen Gouvernement Lublin, 
mit einem en Schloſſe, einem Zeughaufe, ſchöͤnem Rathhaufe, einer Eollegiar 
firche, Gymnaſtum und 5000 Einwohnern, welche verſchiedene Manufakturen be: 
treiben. Im 3. 1588 von dem polnifchen Kronfeldherrn Jan von Zomotöh 
(f. d.) angelegt, ward die Stadt ein Majorat diefer Familie, weldges der Er 
tor, rat Stanislaus Koſta von Zamoidfy, 1820 dem Staate gegen andere 
Güter vertaufchte. Die Mauern behielten das Bamilienwappen des Veräuffererd 
und die dortige Collegiatkirche die Familiengruft. Jan Zamoidfy gründete auch 
das hiefige Eymnaflum, die Bibliothef und eine polnifhe Buchdruckerei. 

Zamoysky, 1) Fan, polniſcher Krongroßfeldherr, geboren 1542 in Roth 
Rußland, vollendete feine Bildung in Parts, dann in Padua, wo er Rektor ver 
Univerfität wurde und „De senatu romano‘“ GVenedig 1563) und „Senator 

erfectus“ fchrieb. Im Vaterlande erhielt er ſchnell die höchflen Würden, begab 
ch als Gefandter nady Paris, um dem Herzoge von Anjou die polniſche Krone 
anzubieten (1573) und wirkte fpäter entfcheivenn bei der Wahl Stephan Batho: 
pe. Zum Lohne für den Erfolg, womit er das Land gegen Rußland u. gen 
bie Türken vertheidigte, vermähtte Yon ver Küng wit ner Nichte (1583). Nach 
dem Tode des Königs lenkte er Die Wahl von AU u. nl Siadmutn IL, ter 


Sampieri — Zanetti. 093 


dem großen u. weiſen Manne mit Undanf lohnte. Dennody lich er dem Vater⸗ 
lande gegen die andrängenden Feinde gleich efferig feinen Arm, feine Erfahrung 
u. feine gereifte Weishelt. Er farb 1605. — 2) 3., Andrzey, Graf von, 
Kronerzlanzler von Polen, zeichnete fi in feiner Jugend durch Kriegsthaten, 
fowie fpäter al6 Staatsmann aus und ward nad) und nad) Senator und Kron⸗ 
erzfanzler. Während der Unruhen, die den Anfang der Regierung Poniatowsky's 
auszeichneten, widgrfegte er ſich Allem, was das Wohl feines Baterlandes in 
Gefahr bringen konnie. Da indefien die allenthalben ſichtbare Auflöfung Polens 
ihm bie Sofnung taubte, die eingerifienen Staatsmängel zu heilen, legte er feine 
Stelle in voller Senatsverfammlung nieder und zog ſich auf ſeine Güter zurück. 
Dennoch ward ihm bier der Auftrag, ein Gefegbuch zu entwerfen, dem er fich 
mit Gluͤck und zur Zufriedenheit feiner Mitbürger unterzog. Dieſes Geſetzbuch 
wurde indeſſen nur erft 1791 eingeführt. Als bei der erften Theilung Polens 
- feine Güter Defterreich zufielen, trug ihm Joſeph II. den Fürftenftand an, den er 

jedoch nicht annahm. Er flarb den 10. Febr. 1792, im 75. Lebensjahre. Seine 
Sammlung gerichtlicher Belege erfchten unter dem Titel: Ibior Praw Sadowych. 
namocy konstitucyi, 3 Bände, Warfhau 1776, Fol., deutſch von ©. Kira 
Warfchau 1780. — Seine Gattin, Eonftantta, eine geborene Brinzeffin Czartorioky, 
zeigte fih als eine edle Menichenfreundin durch Aufhebung ber serbeigenfehaft 
auf ihren Gütern u. durdy Stiftung einer großen Menge wohlthätiger Einricht- 
ungen. Sie farb zu Wien ven 19. Febr. 1797. 

Zampieri, Dominico, Domentichino genannt, berühmter Hiftorten- 
maler der Schule zu Bologna und Schüler der Caracci, geboren 1581 zu Bos 
logna, lebte fpäter zu Rom, wo er fi auch ald Baumelfter auszeichnete‘, begab 
fih 1629 nach Neapel und farb daſelbſt 1641, wahrfcheinlich an durch Kuͤnſtler⸗ 
netd ihm. beigebradhten Gifte. Seine Zeichnung und Compoſttion if trefflich, 
doch etwas nüchtern; was ihm an Talent fehlte, wußte er durch Fleiß zu ers 
fegen und ein maiver Schönheitöfinn verlieh feinen Köpfen hohe Anmuth. Als 
die vorzüglichften unter feinen nicht zahlreichen Gemälden gelten: die Fresken aus 
der Geſchichie der b. Maria im Dom zu Fano, der h. Hieronymus im Vatican 
u. die h. Caͤcilia; fle find auch in zahlreichen Stichen vorbanden. 

Zangenwerke (Tenailles) find eigentlich gleichbedeutend mit tenaillirten 
Werken, doch macht der Sprachgebrauch einen Unterſchied. Man ſpricht von 
einem tenaillirten Umriß, oder von vorgelegten 3.n. Ste beftehen, wie die Te⸗ 
naille, aus zwei Linien im eingehenden Winkel, meift aber hat das 3. nur einen 
ſolchen, — einfache — oder nur zwei doppelte. Gehen die Klügel, weldye die 
Fronte mit den rückwärtigen Werfen verbinden und die Seitendedung bilven, 
convergirend nach hinten, fo nennt man das Ganze mitunter Schwalbenfchwanz, 
umgekehrt aber Pfaffenmüge. — Der Werth diefer Werke, ſobald fie als vorlieg« 
ende bei einer Feſtung auftreten, iſt ein fehr relativer und hängt von ihrer Rage 
und Bauart ab; man fucht durch fie Terraintheile zu erhalten, veren Berluft 
en wäre. Gine Feſtung fol aber in wirkfamer Nähe Teine Terraintheile 

aben, von deren Behauptung das Echidfal des Platzes abhängt; entweder, man 
muß den Wal bis dahin ausdehnen, ober ihn fo welt zurüdnehmen, daß fie 
nicht mehr ſchaden und ohne Nachtheil durch ein ſtarkes, ſelbſtſtaͤndiges Fort 
vertheinigt werden Fünnen: dann hält fid, die Bertheinigung an dieſen Punkt, er 
ehöre nun in den Bereich des Hauptwalles, oder In den eines Korts. Die 
isherigen 3., eben fo wie bie Horn» und Kronwerfe, bieten nicht die fortifi- 
eatorifen Anlagen, die eine wirklich wichtige Lofalität erfordert; dabei dienen 
ihre Gräben dem Feinde als herrliche Logements; die Anlage iſt meiſt verfehlt. 
Ze Grbauungefofen find nicht gering, faft nie im Verhaͤlmiſſe zu ihrem zweifs 
elbaften Nutzen. 

Zanetti, Antonto Maria, ehemals Eradıno genau, Biest A 
St. Markus» Bibliothek zu Benebig, großer Kenner und Aeohaber ver LS 
gelehtter Wcchäolog und Riterator, Iernte In Früher Jugend er DARNS 

Mealencpclopäbie, X. 8% 


994 Zanottl — Zangunebar. 

brachte ſchon in feinem 14. Jahre Köpfe und Figuren in Kupfer und ſammelte 
ein —X Cabinet von Büchern, Kupferſtichen, Zeichnungen, antiken geſchnitt⸗ 
enen Steinen ıc. Er brachte die für verloren geachtete Kunft, nach des Hugo ba 
Carpi Manier Holzfchnitte und SKupferftiche von dreis bi8 viererlei Stöden und 
Platten abzubruden, wieder in Aufnahme u. that diefen Künften allen möglichen 
Vorſchub. Seinen Briefwechjel über Kunft findet man in ben Lettere su la 
pittura, scultura et architettura, Rom 1754, 7 Bde. Seine Daktyliothek if 
unter dem Titel befchrieben: Gemmae antiquae A. M. Zanetti Hieronymi F. Ant. 
Gorius lat. illustravit. Italice eas notas reddidit H. F. Zenettius Alexandri 
F., Beni 175, Bol. (gegenüber ſteht dieſer Titel italieniſch, fo wie auch der 
Text in beiden Sprachen In gefpaltenen Columnen abgebrudt if). Als Literator 
und Archäolog hat fi 3. einen Ramen gemacht durch feine Ausgabe eines fehr 
alten Chronicon Venetum und feine Berzeichniffe der Manufertpte und der Sta⸗ 
tuen der St. Marfus-Bibliotbef: Graeca D. Marci Bibliotheca codicum manuser. 
per titulos digesta, Venedig 1740, ol. und Latina et italica Biblioth. cod. 
manuscr. eto., ebendafelbft 1741, Fol., beide unter der Aufficht des Senatore 
Lor. Theupoli gedrudt. Delle antiche Statue greche e romane, 2 Bde., ebend. 
1740. 3. ftarb in einem hohen Alter, 1767. | 

Zanotti, 1) Francesco Maria, geboren zu Bologna 1692, ſtudirte da 
felbft nebft der Philofophie die Rechtogelehrſamkeit, Ichrte dieſe hernach wit gro 
Sem Beifalle und ftarb in feiner Baterftadt 1777 als Präfident des Inflituts, 
deſſen Sekretaͤr er ſeit 1766 geweien war. 3. war Pattofoph, Mathematiter, 
Redner, Dichter, angenehmer Schrififteller in beiven Sprachen Italiens, ver 
alten und der neuen, und verband mit dem lebhafteften Eifer für die Ausbreitung 
nüglicher Kenntniſſe die ungeheuchelteſte Frömmigkeit. Er war der Erfte, ver in 
feinem Baterlande eine beffere Naturlehre, nämlidy die Newton’ ge „erbreitete. 
In allen feinen Schriften trägt er feine Belehrungen auf eine ſehr reigenbe Art 
vor; unter anderen wird feine Abhandlung über die Kraft der er ic. en 
ihres Styls faft Allem vorgezogen, was feit einigen Jahrhunderten in Stallen 
efchrieben wurde, Viel Lehrreiches enthält feine Schrift: Dell’ arte poetica, 
Bologna 1768. Bon feinen lateinifdyen und italieniſchen Gedichten bat man 
zwei Ausgaben; die erfte beforgte der berühmte Graf Wigarotti, die zweite der 
Marchefe Eafali: Poesie volgari, 2. Ausgabe, Bologna 1757; die Iateinifchen 
haben einen befonbern Titel: F. M. Zanotti Carmina, 2. Ausgabe, ebendaf. 1757. 

ne Ausgabe feiner fämmtlicdhen Werke erſchien zu Bologna 1779, 8., beim 
erften Theile auch fein Leben. — 2) 3., Euſtachio, ein berühmter Aftronom, 
Neffe des Vorigen, geboren zu Bologna 1709, bildete fich unter &uftadio 
Manfredi, Seine Jugend fällt in die det, wo das, durch Marfigli gegründet, 
Inſtitut zu Dolsgna im vollen Glanze war, weldyes großen Einfluß auf fein 
Bildung hatte. Auch ward ihm 1739 die durch Manfredi's Tod erledigte Stelle 
im Imfitut zu Theil, nachdem er ihm fchon zuvor als Lehrer der Aftronomi 
beigeftanden hatte. Er febte die von Manfredi bis 1750 berechneten Ephemeri⸗ 
den noch um zwölf Jahre weiter fort, befchrieb die vorzüglichiten Firfterne dei 
Thierkreiſes u. ſuchte bei diefer Beranlaffung verfchiedene, von ibm bemerkte, Er 
Igeinungen über das vermehrte oder verminderte Leuchten ver Geſtirne zu erklären. 
Seine Beobachtungen über Die Kometen, über die Geftalt der Erde, feine opti: 
fen und hydromeiriſchen Ih N haben ihn aufs Bortheilhaftefte befannt ge 
macht. Er flarb zu Bologna. Hauptwerke Bat er nicht hinterlaffen. S. Fabro- 
ni vit. Italor., T. XI., 241. Comment, de vita ej., iter. ed. a. G. Vannetis, 
Parma 1787. 

BZanguebar over Zangtbar, eine lange Küftenlanpfchaft im Often von 
—*8 (ſ. d.), die fich vom Aequator bis zum Cap Delgado unter 10° ©. 
erſtreckt und im Norden an das Küſtenland Ajan, im Süden an Mozambique 
(ſ. d.), im Oſten an den indiſchen Ocean u. im Weſten an unbekannte Gegenden 
graͤnzt. Die Kuͤſte IR eine Hacke, weiſt fumpfige Alluvial⸗Ebene, von 


Dante, 995 


den Mündungen zahlreicher Ylüffe serfäpmitten wird und mit undurchdring⸗ 
lichen Tropenwäldern befegt iſt. In einiger Entfernung von der Küfte liegen 
niedere Berglandfchaften; dann fleigt das, der Küfte parallel fireichenbe, Luperter- 
Gebirge auf; am Cap Delgado tritt das Gebirge näher an dad Meer und 
die Küfte wird da höher. Die Flüffe, die bier münden, find faft alle fehr bedeut⸗ 
end, aber größtentheild unbekannt; der größte tft der Quilimarer, deſſen Quelle 
man nody nicht kennt. Das Klima iſt aufferorbentlich heiß und höchſt ungefund, 
weil die Luft dur Miadmen, die dem feuchten Erdboden entfleigen, verpeflet 
wird; gegen das gebirgige. Innere wird das Klima verhältnißmäßig Fühler und 
gefünder, 3. hat, wie eben ganz Afrila, nur 2 Jahreszeiten, nämlich eine trodene 
und eine heiße, die unter dem Einfluffe der Mouflons (f. Wind) fliehen. Der 
Boden der ebenen Landſchaft iſt großentheilg fehr fruchtbar und liefert beſonders 
Zuderrohre, Indigo, Baumwolle, Myrrhen, Ebenholz und Ambra In den 
Wäldern leben Elephanten, Rashörner, Panther, Löwen, Flußpferde u. |. w. Im 
Imern wird auch Gold gefunden und viefes, fowie Elfenbein und Zuder 
machen von jeher die bedeutendften Handeldartifel von 3. aus. Die Einwohner 
find Neger u. werben theild von eigenen Häuptlingen, theild von arabtfchen Kürften 
beherrſcht. Der Regerhandel wird bier noch in großer Ausdehnung betrieben; 
die Infel 3. und der Fluß Lindy, der unterm 10° ©. mündet, find bie Haupt- 
märfte des Sklavenhandels. Bon arabifchen Kaufleuten werben jäbrlih an 
50,000 der unglüdlichen Schwarzen des afrikaniſchen Binnenlandes gekauft und 
nach den Märkten auf beiven Seiten des rothen Meeres, nach Aegypten, dem 
füdlichen Arabien, dem perfifchen Golf, felbft bis nach Java gebracht. Man 
fpricht von mehren Stönigreichen, in die 3. zerfällt; faft alle erfennem jedoch die 
Oberhoheit des Imams von Maskate (f. d.) an. Zu den größeren Stäbten 
von 3. gehören: Melinda, am Meere, mit einem großen, am Cingange aber 
mit gefährlichen Klippen befehten Hafen, guten Straßen, 17 Tatholtfchen Kirchen 
(die Portugiefen find Herren der Stadt), in der Nähe angenehme Palmen⸗ und 
Drangenwäldchen; Mamboca, auf einer Inſel, mit bedeutendem Handel, Didyt 
vor der Küfte von 3. liegt eine Reihe von flachen Koralleninfeln, unter denen 
kin größte ebenfalls 3. heißt, mit einem Boden, der die erglebigften. Suderernten 
er 


. Arendis. 

BZante, das fogenannte Paradies der Levante, welches etwa britthalb Meilen 
fünli von Gephalonien Iiegt und 74 M. Flächenraum einnimmt, fol die 
fruchtbarfte, gefündefte, anmuthigfte und gefelligfte unter den jonifchen Inſeln 
— Es hat ſteile Ufer und im Innern abwechſelnd Ebenen und Berge. Flüſſe 
ehlen. Die vorzuͤglichſten Produkte find Korinthen (80—100,000 Cir.), Del 
(55,000 Tonnen), treffliche Muskatweine in großen Duantitäten, Südfrüchte, 
Melonen, Baumwolle, Seide, Erdpech. Die Wälder befteben aus Oliven, Lor⸗ 
beer⸗ und Myrtenbäumen. Die Zahl der Einwohner beträgt 39,000; fie find, 
mit Ausnahme von 2000 Juden, meift Griechen, leben in einer Stabt und 80 
Dörfern ımd zeigen fehr viel Betriebfamfeit, indem ſie nicht nur ihren Boden 
fleißig bebauen, fondern auch mehre nicht unbeträchtliche Fabriken und Manufak⸗ 
turen, namentlich in feivenen und baummwollenen Zeugen, Veppichen, goldenen 
Ketten, Bijouterien, gebrannten Waflern, Leber ıc. unterhalten. Die fchöne und 
ganz nach italienifcher Art gebaute Hauptſtadt Zante, Sitz eines katholiſchen 
und eines griechifchen Big, liegt ſehr maleriſch auf einem Hügel und über 
derfelben, auf einem Berge, die fie beberrichende Feſtung, welche eine halbe Stunde 
im Umfange bat, aber durch bie häufigen Erdbeben in einen rutnöfen Zuſtand 
verſetzt if. Man trifft hier einen Fatholiichen Dom, die griechiichen Kirchen St. 
Dionyfius und Madonna Spiliotiſſa, mehre Kapellen und Kloͤſter, einen fchönen 
Balaft des Tatholifchen Bifchofes, ein Zeughaus, eine Eoloffale Statue des vor⸗ 
mallgen britifchen Lord⸗Oberkommifſaͤrs Maitland, einen gun und fichern See 
mit Leuchtthurm. Lyceum, Kontumazhaus, Lazareth, Spitäler, Lombard, mehre 
Fabrilen, lebhafte Schifffahrt, wichtiger Handel, 20,000 Sn IE 


996 Zara — Zarskoje ⸗Gelo. 


Nähe von 3. legen die zwei Keinen Infeln Strivoli (die Strophabden), von 
denen die eine ein großes, feftungsartig erbautes Klofter enthält. — 3. hieß 
bei den Alten Zafyntbos (Hyria bei Plintus), geftaltete filh nach Dem Tode 
des Odyſſeus in eine Republif um und war fpäter nach einander den Griechen, 
Nömern, Neapolitanern und feit Ende des 14. Jahrhunderts den Venetianern 
unterworfen. 1797 kam es mit den übrigen SInfeln in die Gewalt der Franzoſen, 
welchen es 1799 von den Rufen wieder entriffen wurde. Gegenwärtig bilvet 
ed einen Theil der jonifchen Republif (f. Sontfche Infeln). mD. 
Zara, Sauptfiabt des Königreich8 Dalmatien, auf einer fchmalen, von drei 
Seiten vom Meere umflutheten Erdzunge, die öſtlich auf der Landfelte von einem 
Waſſergraben durchſchnitten iſt und nur mittelft einer Zugbrüde mit dem feften 
Lande zufammenhängt, bat regelmäßige Seftungswerfe, zwei öffentliche Plaͤtze, 
ziemlich regelmäßige, aber enge und ſchlecht gepflaferte Gaſſen, zwei Thore und 
zwei Eleine Ausgänge, wovon die Porta terra ferma, von San⸗Michele erbaut, 
auf der Oftfeite liegt, das arinetbor aber, in welches ein Gtüd eines römifchen 
Triumphbogens eingefeßt if, nördlich zum geräumigen Hafen führt, neben wel 
chem auch eine Bucht (Valle di Maestro) fi jene Schiffe liegt, welche nicht in 
den Hafen einlaufen ober bei der Nacht abjegeln wollen. Die Zahl der Einwoh- 
ner beträgt, mit Einfchluß der beiden Vorſtädie Borgo interno und Borgo erizzo, 
8000, welche Seiden⸗ und Wollenweberei, Gerberei, Handel mit Wein und Sets 
en ıc. treiben. Unter 3.8 Kirchen find die Domkirche, welche der Doge von 
enedig, Heinrih Dandolo, erbauen ließ, und S. Simeone, wo die Gebeine bes 
beiligen Simon, des Schupheiligen der Stadt, In einem fllbernen Sarge aufbe- 
wahrt werben, bie vorzüglichften; beide haben, wie das Frauenkloſter S. Maria, 
gute Gemälve aufzuweiſen. 3. iſt Sig eines Erzbiſchofes (feit 1154), aller höheren 
politifchen Stellen, der Juſtiz⸗, Samerals und Mititärbehörden. Die Stadt befist 
auch ein Lyceum, Convict, Gymnaſium, ein — Seminar mit theologi⸗ 
ſcher Lehranſtalt, eine Normalhaupt⸗ und öffentliche Mädchenſchule, eine Hebam- 
menlehranſtalt, das Pellegriniſche Muſeum für Gegenſtände der Kunſt und 
des Alterthums, ein Civil- und Militärfpital, ein Gebär- und Findelhaus, ein 
Seearfenal ꝛc. Auffer einigen Rofogliobrennereien, die den berühmten Marafchino 
liefern, gibt e8 Feine Kabrifen in 3. und der hiefige Handel befchränkte fidy blos 
auf den Bedarf des Platzes felbfi. Ein Theater und ein Gaflno find die Ber: 
nügungsorte der Einwohner. Cine große ungemchlich et diefer Stadt iſt der 
uß Ki an Trinfwafler, der ungeachtet der meifterhaft erbauten Eifternen, welche 
40,000 Barilen Waſſer fafien, im hoben Sommer faft jedes Jahr eintritt. — 
3. gehörte unter den Römern zu dem Theile von Illyrien, welcher Liburnia hieß, 
und war ſchon damals eine anfehnliche und befeftigte Seeftant. Sie wird den 
älteften Städten beigezählt, was daher rührt, das fie mehren Zerflörungen glüd: 
lich entging, weldye die übrigen liburniſchen Städte zu verfchienenen Zeiten erlit- 
ten hatten. Sie erhob fi) nach Salona’8 Zerftörung zur Hauptfladt Dalmatiens. 
Die an der Stadt befindlichen Ruinen hält man für Ueberreſte des alten, röms 
ifchen Jadera, wie auch 3. zu den Zeiten der Römer hieß, S. übrigens Dal⸗ 
matien, Gefhichte 
Zarlino, Giuſeppe, berühmter Kapellmeifter 3. St. Markus in Venedig, geb. 
zu Chioggia unweit Venedig 1540, flubirte die Tonkunſt unter Adriano MWillaert, 
einem Niederländer, folgte dem Eyprian Rore nach und farb im Februar 1599, 
allgemein befannt als einer der vorzäglichften und fcharffinnigften muflfalifchen 
Schriftfieler Er fol zuerſt das wahre Verhäftniß der großen und Heinen Terz 
gefunden Haben. Schriften: Instituzioni harmoniche divise in quatro ponti, Bes 
nedig 1558, 1562, 1573, %ol.; Dimostrazioni harmoniche divise in cinque ra- 
gionamenti, ebend. 1571, Fol.; Soplimenti musicali, ebend. 1588, Fol. Diefe 
drei zufammen verbefiert und vermehrt: De tutte l’opere del R. M, Giov. Zar- 
lino, 4 Bde, Ben. 1589, Fol. Auch hinterließ er mehre Meffen. 
Zarskoje ˖ Selo, ein 34 Mellen von St, Vetexahurg entfernted, durch einen 


Sanberei— Sen. \ 997 


epflafterten rar; mit 11,000 Laternen und tm neuefler Zeit auch durch eine 
Eiſenbahn mit diefer Hauptfladt verbundenes, ungemein prädhtiged und mit herr⸗ 
lichen Bärten umgebened, fatferliches Luſtſchloß. Das Schloß ſelbſt bilbet ein 
. unregelmäßiges Biere, deſſen größte Fänge 700 und deſſen größte Breite 400 
Baden beträgt. Das Hauptgebäude iſt mit einem Halbzirkel von Hofgebäuben 
umgeben und iſt mit wahrhaft Eaiferlicher Pracht aufgeführt. Beſonders präch⸗ 
tig iſt die Schloßfapelle und ihr Dady tft mit fünf vergolbeten Kuppeln geziert. 
Das Innere vereint eine erftaunliche Pracht, mit dem feinften Gefchmade gepaart. 
Die Wände eines Zimmers find mit Bernftein, die eines andern mit Porzellan 
geient, in einem britten find fie ſchwarz ladirt und mit chineflfchen Figuren und 
erzierungen von Bold in erhabener Arbeit gefchmüdt. Am fünlichen Schloß- 
flägel dient ein marmorner Säulengang zum Spaziergange. Auch der Schloß» 
arten iſt reich an Schenswürdigfeiten. — 3. verdankt —* Gründung Peter dem 
sogen; in feiner gegenwärtigen Geſtalt wurde es von Glifabeth 1744 aufge 
führt und von ben joigenden Fürſten prachtvoll ausgefchmädt. 1820 brannte 
e8 ab, wurde aber wieber hergeftellt. Am Gingange des prächtigen Parks ſteht 
die von Katfer Alerander feinen theueren Waffenbrübern — Triumphypforte. 
Im Schloſſe war ein Lyceum für die Bildung von Civllbeamten. 
auberei, |. Magte. 
uberlaterne, ſ. Laterna magica. 
auner, Evler von Felpatan, Brand, Hofbildhauer, Profeffor und 
k. £. Rath, wie audy Direktor der Malers und Bilnhauerclaffe an der k. k. Aka⸗ 
demie der bildenden Künfte in Wien, war 1746 zu Zelpatan, einem Eleinen Drte 
auf dem Kaunerberg im Oberinnthale Tirol8 geboren. Er lernte die Anfanges 
de der Bildhauerkunſt bei feinem Better, Namens Horer, nähft Paflau, kam 
Bierauf nach Wien zu - Jakob Schletterer, Profefior der Bildhauerkunſt, wo 
er fih nidyt nur in dieſer, fondern auch In der Baufunft und im Metallgießen 
übte. Aus Anlaß eined gelungenen Models zu einem Baffin n Schönbrunn 
wurde er 1776 vom FE. k. Hofe nad Rom gefchidt, um die Antilen zu flubiren 
und als er nach Wien ‘zurüdfam, erhielt er die Profeffur, aud wurde er ald 
Hofſtatuar und Direktor der obengenannten Claſſe an der Akademie daſelbſt er- 
nannt. 1807 wurde er in ven Adeloſtand erhoben. 3. fchuf ftattliche Werke, als: 
die prächtige Statue Joſeph's H. zu Pferd über Mannsgröße in Metall, auf dem 
Joſephsplatze in Wien (gegoffen 1800, aufgeftellt 1807); das Grabmal des Kai- 
ferd Leopold IL in der Wuguftiner-Hoflirche und andere fchöne Werke. Er 
arbeitete auch an den Statuen zu Schönbrunn. 3. flarb den 3, März 1822 
n Wien. 
Zaungericht, |. Pfahlgericht. 
auntönig (Motacilla troglodytes), ein etiwa zwei Zoll langer, munterer, 
Teder Bogel, rothbraun, mit Querftrichen und gelblidden Füffen. Er brütet zwei⸗ 
mal 7—8 Gier in funftvollen, aus Erdmoos gefertigten u, mit Federn, Wolle ıc. 
gefütterten Neftern. Auch den Winter hindurch, doch dann nur des Morgens, läßt 
er feinen angenehmen “u erklingen. 


[7 


m. 7. 1 a ZI ıı mM !T J, 


- r..,. em 08 


Zaupfer, Andreas, Hoffriegeraihöfefretär und Profeflor am Cadettenhauſe 
zu München, geboren daſelbſt 1747, befuchte die Schule der Jeſuiten, zog ſich aber 
durch mebre Schriften den Unwillen derfelben zu und wurde von ihnen veranlaßt, 
vor der Oberlandesregierung fein katholiſches Glaubensbekenntniß abzulegen. 1781 
wurde er Sekretär und Expeditor beim Malteferorven, 1784 Lehrer der Philos 
fopbte am Cadettenhauſe und flarb den 1. Juli 1795. Rambaftefte Schriften: 
Oden auf die Inquiſition, München 17775 Gedanken über einige fte des 
Griminalrechtes, ebend. 1777, 4. Ausg. 17815 Ueber ven falfchen Rel gloneeifr, 
ebd. 1780; DVerfuche eines bayerifchen und oberpfälziichen Idiotikons, edv. 17895 
Nachleſe, ebd. 1789 u, a. m. 

Zen, 1) Don Francisco Antonio, einer der Gründer der Republif 
Golumbia, geboren 1770 zu Antioquia in Reugramada, zu Boasin unarr, Wir 


Pr 32 WR 


998 Zebra. 


ſchon e der ſpaniſchen Regierung vgragt und deßhalb 1792 nach Spanien 
. deportirt, von 1799—1802 aber nach Frankreich entfernt, wo er feine Studien 
fortfegte und hierauf einen Theil von Europa bereiste, bis er 1806 als Profeſ⸗ 
for der Botanif und Oberauffeber des botantfchen Gartens in Madrid angeftellt 
wurde, Unter Joſeph Napoleon war er einige Zeit Minifter des Innern, dann 
Gouverneur von Malaga und begab ſich bei der Reftauration nach Südamerika 
zurüd, wo er Bicepräfldent von Columbia warb und die Annahme feines Ber 
jeffum Sentwurfs durch den Kongreß bewirkte. Eine diplomatiſche Eendung führte 
hn 1820 nach England und er ftarb, eben mit einer Anleihe für den neuen Staat 
befchäftigt, zu Bath 1822, — 2) 3.» Bermudez, Don Francesco de, ge 
boren zu Malaga um 1772, verbankt einen großen Theil feiner Jugendbildung 
feinem Berwandten, dem gelehrten Jove⸗Llanos, hielt fidy während ver Unruhen 
des franzöftfch=fpantichen Krieges 1803 zu Malaga auf, trieb dort Handelöges 
fhäfte und trat dann in die Dienfte der Corte, die ihn als Befandten an den 
of von ‚heterburg, fchidkten, wo er am 20. Zult 1812 den Freundſchaftô⸗ und 
undeövertrag zu WelifisLufy abfchloß, in welchen ver Kaifer die Legitimität 
der Cortes und bie von ihnen verfaßte Conftitution anerkannte, die Handelsver⸗ 
bindungen Ruplands mit Spanien wieder eröffnete und der fpanifchen Regterung 
feine ei gegen Frankreich zuficherte. Als jedoch die einige Jahre darauf abs 
geichaffte Eonftitution durch den Milttäraufftand von 1820 wieder hergeſtellt wurde, 
gab Kaiſer Alexander 3. fein Mißfallen darüber zu erkennen; dieſer ging nım 
als .fpanticher Gefandter nach Bonftantinopel und begab ſich 1823 in gleicher 
Eigenfchaft nach London, übernahm 1824 zu Madrid das Minifierium des Aus 
wärtigen und trat nach dem Gturze des Grafen d'Ofalia als Praͤſident an bie 
Spite des fpanifchen Kabinet® (1825). Diefe Stellung war damals für ihn 
jedenfalls eine fehr ſchwierige, denn er hatte ein Defickt von 3 Millionen Kranken 
zu zahlen und den Crebit des Staates wieberherguftellen. Die Schwierigkeiten, 
welche ihm die Garliften, fowie der Juftizminifter Colomarde überall in den Weg 
legten, nöthigten ihn endlich, befonders feit ſich audy Ugarte, fein früherer Goͤn⸗ 
ner und Freund, den Abjolutifen näherte, den König um feine Entlaffung zu bit: 
ten, die derfelbe jevocdy nicht annahm, fondern ihm vielmehr größeres Vertrauen 
ſchenkte, als je zuvor, befonders feit e8 thm gelungen war, mit Hülfe des Bolt 
zelintendanten Recacho einen Aufſtand der Garliften im Auguft 1825 zu unter 
drüden. Obgleich nun 3. ſich der gegen die Sreimaurer von Seiten des Königs 
und Colomarde's geaeigten Strenge nicht widerſetzte, fo bewirkte doch endlich der 
Haß der Hofyartei gegen 3., daß der König am 25. Dftober 1825 feine Ent 
lafjung unterzeichnete. Einige behaupten, daß Frankreich und England auf feine 
Entfegung gedrungen hätten, weil er die Unabhängigfeit Mexiko's nicht Far ans 
erfennen wollen, Andere aber mit größerer Wahrfcheinlichkeit, daß er diefelbe dem 
Könige und dem Babinete empfohlen habe. Deſſenungeachtet erhielt fidy 3. in 
der Gunſt ded Erfteren, und fein Nachfolger, der Series von Infantado, behan⸗ 
delte ihn mit großer Achtung. Nun ging 3. mit Anfang des Jahres 1826 als 
Geſandter nad Dresden und von da 1828 nach London, von. wo er 1833 wie 
der an die Spitze des Minifteriums berufen wurde. Doc, führten die een! 
in Spanien 1834 feine Entlaffung herbei, worauf er ſich nach Frankreich begab, 
wo er feitvem ald Privatmann lebt. 

Zebra (equus Zebra), ein in dad Pferdegeſchlecht gehöriges vierfüßiges 
Thier, weldyes fo groß wie ein Maulthier iſt; der Kopf ähnelt jenem des Eſels, 
das Maul ift etwas did, die Ohren lang, der Schwanz nur am Ende mit einem 
Haarbüfchel verfehen; die Haut iſt blaßgelblichweiß, am Kopfe und Leibe regel 
mäßig berabwärtd braungeftreift, die Beine und Schenkel aber auf dieſelbe Art 

kreuzweiſe gezeichnet. Es iſt eines der fchönften Säugethiere. Es bewohnt viele 
Gegenden des Innern von Afrifa und zwar find die unbewohnten Wüſten fein 
liebfter Aufenthalt, denn es fheut den Menfchen und fliehet fogleich, als es den⸗ 
felben ſchon in der Ferne anfichtig wird, Kir VWeee ben in Heerden ober 


gehn — Zeblig, 999 


Geſellſchaften beifammen und weiben, wie bie Pferde, deren Nahrung auch bie 
ihrige if. Sie find fo wild und unbändig, daß man fie nur mit großer e 
zähmen Tann. Uebrigens laufen fle ungemein fchnell u. nehmen mit ſchlechterem 
Kutter, als die ‚pferde, vorlieb, Ihr Fleiſch wird in Afrika gegeffen und auch 
ihr Gel wird benüßt. 

Zebn heißt der en Budelochle, der einen Fetthoͤcker auf dem Rüden 
bat, welcyer bisweilen 507 nd fchwer iſt. Das ganze Thier iſt nicht höher 
* en en ja oft nur wie ein Schwein. Bon den Hindus wird der 3. als 

verehrt. 

Zeh, 1) Bernhard von, geboren u Weimar den 13. Auguſt 1649, wo 
fein Bater Tuchhändler war, ſtudirte zu Jena, kam 1676 als Regierun Seile 
nad) Gotha, 1684 als geheimer Sehens nach Weimar, wurde bafelbit 1686 
Hof- und Regierungsrath, ging 1691 in Furfaiöfiohe Dienfe, wo er erft Hofalb, 
dann geheimer Rath und endlich Staatöminifter wurde. b den 21. März 
1720, nachdem er vorher von Kaiſer Karl VI. in des Reiches Herrens und 
Ritterſtand erhoben worben war. Gr fchrieb: „Friedrich Leuth von Frankenberg, 
Schaubühne der jeht regierenden Welt“, 4 Bde., Leipzig 1688, 2. Audg., 2 Bde., 
ebd. 1705 %ol., unter dem Titel: „Europälfcher Herold". — 2) 3. Bernhard; 
Graf von, Sohn des Borigen, geboren 1680 zu Gotha, ward 1713 Legations⸗ 
fefretär bei dem Reichötage, welcher Karl VI. zum Kaiſer wählte, fpäter der 
rath und Referendartus im geheimen Eonfeil, 1725 geheimer Rath, dann Con⸗ 
ferenzminifter und währenn der Abweſenheit des Kurfürften in Polen Vicarius 
deffelben, ward 1745 von Karl VI. zum Grafen ernannt u. flarb 1748 zu Dresden. 
Er fchrieb „Begenwärtige Bejeftne der Fatferlichen Regierung in Deutfchland,* 
Leipzig 1713. — 3) 3. Eberhard von, herz. württembergifcher Staatsminifter, 
geboren zu Laichingen im Württembergifchen 1696, wo fein Bater Beamter 
war, ftubirte zu Tübingen Theologie, machte Reifen, ftudirte dann zu Straßburg 
und Halle die Rechte, wurde württembergifcher geheimer Legationsfefretär in 
Paris und Wien, 1732 ee ge 1737 wirklicher geheimer Etats» und 
Adminiſtrationsrath, 1750 Gonfiflorialpräfinent und flarb den 30, Wuguf 1755 
mit dem Titel ald Staatominiſter. Gr ſchrieb: Meditationes de origine, indole 
Fer sique historia juris reformandi circa religionem, frankfurt und 

d 

dece, ift beim Bergweſen überhaupt das gefammte Feld einer Gewer Soft, 
nebft Zubehör an Tagegebäuden, Immobilien und zur Zeit vorhandenen Mobilien. 
Fa er find die Baupt ebäude auf 3.n, in denen der Hüttmann, nad) Bes 

nden auch der Steiger, Wohnung befist, worin die Betftube, die Scheivepläße ıc. 
befinvlich find. Auf gangbaren —ã — wird das Recht des Bier» und 
Branntweinfchantes ausgeübt. Zechenhäufer dürfen nicht zerlört werden, wenn 
bie Gewerkſchaften der betreffenden Grubengebaͤude ſich auflöfen; auch bleiben 
diefelben fortbauernd unter Bergwerköjurtspiction. 

Zechine, eine urfprünglich venetianiſche Goldmuͤnze, welche, Anfangs als Nach⸗ 
ahmung der apuliſchen Dufaten, felt 1280 bis zum Ende der Republif geprägt 
und nad dem Münzgebäude, la Zecca, benannt wurde; fie find meift 24 Karat 
fein, 66,86 — 66,80 Stüd auf die Marl Gold, 1 Stüd = 2 Thlr, 28 Gar. 
54 Pfd. Baffirpiftolen, a 5 Thlr. erhielten bei dem auegebreitelen Handel Benebigs 
bald allgemeine Geltung, befonders in der Levante und in Indien und wurden 
daher zuerſt in den meiften ttalienifchen Staaten, dann von Deutichland, den 
Aicberlanben ıc, felb in Konftantinopel, in den Zermabubs nachgeprägt. 

gl. Dufaten. 

Zedlig, Joſeph Ehriftian, Freiherr von, wurde 1790 zu Johannes⸗ 
berg im öfterreichifchen Schleflen geboren, erhielt eine treffliche Bildung, diente 
in der E. E. Armee, Tebte hierauf ald Privatmann und wurde fpäter TE. k. Kam⸗ 
merherr und Gehelmfekretär des Fürften Metternich. 3. ift einer der beften, jetzt 
lebenden, öfterreichtfchen Dichter, reich an Bhantafke und Sch um Mar 


1000 Zeeland — Zehent. 


n Handhabung der Sprache, An feinen Tr fen; worin ſich im nicht g 
ingem Maafe große und — Schönheiten ‚ tabelt man, dap fen 
ehr nad) fpanffchen Muftern gebilvet fein; trefflich find- dagegen feine Eanymn 
‚bie Todtenkränge“, eines der glänzendften Erzeugnifie auf dem Gebiete deutiär 
Dichtfunft, Seine Schriften find: Zurturel, Trauerfpiel, Wien 1821; 
Nächte ame, Trauerfpiel, Wien 1825; Liebe findet Kt Luft, 
Bien 1827; Todtenkränge, Wien 1827 und. öfter Lord Byron’s Childe gun 
iberſ. — 1836; Gedichte, Stuttg. 1839; Solvatenbüdhleim, Wien 1849. C.Pid 
Zeeland, die wenllichfte Provinz des Königreich der Niederlande mit 305[J8 
and 158,000 Einwohnern, wird nördlich durdy den Maas-Arm- Kramme m 
Bräveltngen von ver Provinz — ‚geihlenen und flößt öſtlich an d 
ovinz Norbbrabant und an Belgien, fünlich und fühwertlich an Belgien, wi 
am die Nordſee. Nur ber füpliche Theil der Provinz ift Beftland, das 
rannte Staatöflandern, oder holländifche Flandern: das Uebrige find bie 
wiſchen dem Arme der Schelde, dem erwähnten Arm der Maas und ber 
Beveland, Walcheren, Tholen, Dutveland, Schouwen, Wolfersoyf, St. 
and. Gegen den — des Meeres im das ſehr niedrige Land 
Dünen nebjt Deichen von 14—16 Fuß Höhe. Der Boren_ift_ fett 
Kemer and grasreich. Produfte find Getreide, Krapp, — Flach, 
Rindvieh und vorzüglicher Käfe. Cingetheilt en Arrondiis 
ments: Midvelburg, Goes und Zierikzer, Hau tiſt — 
Zehent iſt eine Abgabe von dem rohen age des urbaren Landes ıd 
ed bezeichnete diefe Benennung früher nicht fowohl das beflimmte Maß, fonen 
die höchfte Gränze der Abgabe, das Marimum, über weiches nicht hinaus: 
gangen werben durfte. Das dorſchen nach dem Urfprunge des Z.em leitet m 
den urälteften, der Gottheit unmittelbar. Dargebrachten Opfergaben 5 Fre 
an bie Priefter über, welche ben Gottesbienft beſorgten und in den Anfänge 
ber Staatenbildung entweder felbft auch Häuptlinge waren, ober noch höher, dt 
diefe, fanden. Mit der Sonderung der Kırdye von dem Staate ſchieden ſich ad 
die Z.en in geiftliche (deeimae ecclesiasticae) und weltliche (decimae saeculares) 
Der weltliche 3. war eine an das Staatsoberhaupt, den König, entrichtete Lande 
fteuer (deeimae dominicae, indominicatae, regales, salicae). Im Laufe der Zeitn 
famen 3.en von beiderlet Art in ven Befig von Kriegen, Herren, Gemeine 
und Corporationen. Wie die urfprüngliche freiwillige Gabe fpäter als Stun 
aufgelegt worden war, fo verwandelte fich biefe in eine Grundlaft u. wermifchte ih 
mit den, aus dem Colonat abgeleiteten, dinglifchen u. perfönlichen Leiftungen, mit vn 
Gülten, Beeten, Grundzinfen, Frohnen (f. d.). In neuer Zeit if die 
Steuernatur wieder and Licht geftelt worden. — Co natürlich u. angemeflen u 
den einfachen und kunſtloſen volföwirthfdhaftlichen Zuftänden früherer Zeiten cu 
ſolche Abgabe von den Früchten des Feldes und der Heerden war, fo drüdch 
mußte fie mit der fleigenden Bevölkerung, dem größern Aufwande von Capiul 
und Arbeit zum Anbaue des Landes erfcheinen. Höher bemefien und firenge 
eingetrieben, nicht mehr einzige Steuer, fondern Zugabe zu vielen anderen Lafa, 
wurde der 3. nach und nach unerträglich. Daher überall in Europa die Gelck 
über Umwandelung deſſelben in eine fefte Gelvabgabe, über ablöfung auf Koſta 
der Pflichtigen, mit oder ohne Beihülfe der Gefammtheit; daher in den Stürma 
der Revolution die Abfchaffung des 3.8 mit. allen übrigen Feudallaſten, ohne Gns 
ſchaͤdigung der Bezieher. — Schon die alten Yegypter, Perſer, Karthager, Judenx. 
gaben 3.en an den Staat und an die Priefterz in China und Indien machte der 
felbe von jeher eine Haupteinnahmsquelle der Stantsoberhäupter aus. In de 
theofratifchen Berfaffung der Juden war der 3. befanntlid) zum Unterhalte der 
Leviten beftimmt, indem der Stamm Levt, anftatt des den übrigen Stämmen zw 
getheilten Grundeigenthums, den 3. als feinen Antheil erhielt. In Griechenland, 
namentlich in Athen, war der 3. (Defate) ebenfalld befannt; die Staaten, welche 
den Perfern geholfen hatten, mußten dem delphiſchen Apoll zehenten. Die Römer 


Zehent. 4001 
erhoben die Decima von den beflegten Bölfern; fie verpachteten die Staats⸗ 
ländereien um den zehnten Theil des Ertrages, was freilich kein Tribut, fondern 
ein Pachtzins war. Nach dem Koran foll der Gläubige ein Zehntel feines Ein⸗ 
fommens für wohlthätige Zwede verwenden. Die Deutfchen lernten den 3. von 
den Römern kennen. Im Gallien fanden ihn die Franken, in Stalien die Oſt⸗ 
gothen (Theodorich) u. erhoben ihn fortan für fi von den Beflegten. — Neben 
diefem Staats» oder Laien-3. bildete fih mit dem Emporfommen der chriftlichen 
Kirche der geiftlihe 3. aus. Die Priefter beriefen ſich af das alte Teſtament, 
wonach ihnen der 3. von Bott angewiefen fel, wie den Leviten; doch nahmen 
fie denfelben in den vier erſten Jahrhunderten unferer Zeitrechnung nur als frei- 
willige Gabe (oblationes) in Anſpruch; die Gläubigen überbradyten dem Bifchofe 
Lebensmittel, Wein, Weihrauch u. dgl. zur Beftreitung des Gottesdienſtes, des 
Abendmahls, zu Spenden an Arme, beſonders aber zur Verpflegung der chriftlichen 
Gefangenen. Die Kirchenväter des 4. und 9. Jahrhunderts ermahnten fchon bie 
Ehriften zur Sntrichtung der Z.en an die Geiſtlichen. Diefelben Aufforderungen 
erließen die Eoncilien. Zuerſt gefchah Died von dem Goncil zu Tours (567). 
Daß zweite Concil zu Macon (585) erklärte ſich hierüber in noch weit flärkerer 
Sprache und erhob die Entridytung der Z.en an die Geiftlichen, analog den alts 
teftamentlichen Beftimmungen, nn Gebote, unter Androhung des Ausfchlufies 
gegen die Renitenten. — Der König Guntheranus unterftübte den Befchluß dieſer 

ynode, während Kaiſer Juſtinian ven Bifchöfen befahl, daß fle die Entricht⸗ 
ung der 3.» Abgabe nicht mit Kirchenftrafen betreiben und auf ſolche nicht als 
entſchtedenes Gewohnheitsrecht dringen follten. In der abenvländifchen 
Kirche confolivirte ſich wa und nach das 3.-Recht als die ergiebigfte Quelle 
für die Beftreitung der Suttuebebärfaifie und für den Unterhalt der Kleriker, 
während im Driente größtentbeils biefür auf eine andere Art Yürforge getroffen 
wurde. — Schon in der vorkarslingifchen Zeit war es der Kirche gi ungen, das 
Z.⸗Recht für fi in Uebung zu bringen; bieß beweist ſchon ver Umftand, daß 
die Pächter von Kirchennütern verpflichtet waren, neben dem ufuellen Pacht⸗ 
zehentel auch noch die Verbindlichkeit des kanoniſchen Z.en anzuerkennen. Das 
Pachtzehntel hieß Nona, der Kirchen⸗3. Decima. Insbeſondere erhielt das 3.- 
Recht der Geiftlichen wegen ihrer Bervienfte um Staat, Kirche und Wiſſenſchaft 
durch die Einwirkung der fränfifchen Könige, befonders ‘Karla des Großen, bie 
größte Befeftigung, indem letzterer (779) die 3.: Pflicht als allgemein erflärte- 
und ſolche wiederholt mittelft energifcher Maßregeln, fowohl im fraͤnkiſchen Reiche, 
als in den neu eroberten fächfifchen Provinzen durchzuſetzen ſuchte. Auf dieſe 
Weife ward eine allgemeine Z.Ordnung von Seite des Staates erlafien. Karl 
der Große unterwart zur leichtern Durchführung der Z.⸗Pflicht nicht nur feine 
eigenen Domantalgüter, fondern audy Städte, welche der Ararlalifchen Verwal⸗ 
tung unterflelt waren und befahl ihnen die Wbführung des 3. an die Faden 
und zwar: a) zum Unterhalte der Kirchenbeamten, mit einem Theil für den Biſchof 
und mit einem für den Pfarrer, b) zur Erbauung und Herftellung der Kirchen 
und geiftlichen Gebäude und c) für die Armen oder überhaupt für die Zwecke 
der Wohlthätigkeit. Anfangs bezog die Kirche nur den Prädial⸗3. und felbft 
biefer wurde bisweilen unordentlidy entrichtet. Die Abgabe des Z.en geichah 
urfprünglid an die Bifchöfe, denen ohnehin im früheren Zeiten die Verwaltung des 
Kirchenguts zuftand und der beftchenden Beſtimmung gemäß follte nur der vierte 
Theil, nachdem die übrigen Theile zu den angegebenen Zweden verwendet wären, 
verbleiben. Nicht überall kamen jenoch diefe Gefehe in Hebung; vielmehr fanden 
gegen die Entrichtung der Z.en mannigfache Widerftrebungen ftatt, weßwegen os 
wohl geiſtliche, als weltliche Gelege die 3.:Pfliht wiederholt einfchärften. — 
Ludwig der Fromme und Lothar, ſowie die Synoben von Babilo, Matuı, 
Worms, Trebur und Trosley wiederholten die von Karl dem Braun \n Dre 
treff des 3.en erlaffenen Verordnungen und ſuchten Innen den W&XW SR, 
zu verfchaffen, audy erliegen fie über vie intrichtung vrd I. RT ükt 


1002 Zehent. 


ſtimmungen. Die Abgabe des neunten Theiles nebſt dem Z., welche ſchon vor 
Karl dem Großen von den Biſchoöfen verlangt wurde, warb durch Ludwigs des 
Frommen Geſetzgebung gleichfalls fanktionirt. — Der 3. zeugt auch heut zu Tage 
noch von der Farolingifchen @efehgebung: denn auf den Grund der Beflimmung 
über den dritten ober vierten Theil find heut zu Tage noch viele Pfarreien zehents 
berechtigt, ſowie viele Kirchen» und Armenfonds, in Folge des ihnen ſchon da, 
mals zugeflandenen Z.⸗Antheils. Ebenſo beziehen die Siaatskaſſen in Yolge ber 
Säfularifation die auf den Hochfliften und, deren mensis episcopalibus radizirten 
Z.en. — Der 3. wurde gegeben: a) von allen Feld» und Baumerträgniflen ; b) 
von der Nahrung, welche von den Thieren bezogen wird, Bilutzehent, Gier, 
Schmalz, Butter, Käfe, Honig u. dgl.; c) von allen Induſtrie⸗Erzeugniſſen; d) 
vom Holz. Die Benefiziaten waren damals unbedingt zur Entrich des 3.n 
verpflichtet; Weigerung oder zweimalige Nacdhläffigkeit hierin zog den Berluft des 
Benefiziums nach fi. Die Veräußerung eines Gutes, in der Abſficht, fidy der 
3.spflidht zu ‚entziehen, warb beſtraft. Die Erbauung einer neuen Kirche im 
Bezirke einer fchon beſtehenden zehent ereähtigten Pfarr⸗ oder „auftire te 
diefer ihr Z.⸗recht nicht ſchmaͤlern; eben fo blieb wie alte Kirche Im Beſitze des 
3., wenn Jemand feine zehentbaren Grundſtücke veräußert. Die Bifchöfe waren 
“ in Anfehung ihrer eigenen Güter zehentfreiz dieß warb auch auf die Aebte aus⸗ 
gebehnt. Der Biſchof und Pfarrer waren im 3. Diftrifte die Allein⸗ZJ.⸗berech⸗ 
tigten. Mit den Kirchens3.en (decimae ecolegiasticae) flanden fchon früher 
weltliche Grunppräftationen an die Gutöherren (decimae dominicales, indomini- 
catae, regales salicae) in Verbindung, fo daß nicht alle Z.en als urfprüngli 
rein Tirdyliche (decimae origine ecclesiasticae) betrachtet werben mögen; viel- 
mehr joreibt ch daher audy ſchon der Unterricht zwiſchen geiſtlichen und 
weltlichen Z.en. Sehr bald findet man auch, daß von einem und dem naͤm⸗ 
lichen Grundſtuͤcke eine doppelte 3 enteichtung, nämlich zum Theile an die Kirche, 
zum Theil an die Grundherren, geſchah. Bon den Eirdylichen Z.en kamen viele 
theils durch wirkliche Veräußerung, theils durch Schenkung an Laien und wurden 
entweber wahres, oder nugbared Eigenthum verfelben. Die Merovinger ſchenkten, 
befonderd nady der Eroberung Galliens, nit nur Bürger: und Maierhöfe, 
fondern auch Kirchengüter und Firchliche Z.en zur Belohnung ihren Waffenge- 
fährten. Ja, die Bifchöfe belohnten oft ausgezeichnete Krieger, welche tapfer und 
gegen die Ungläubigen gefochten, mit Kirchen⸗Z.en, oder fle gaben foldye an bie 
ächtigen ab, um deren Zreundfchaft dadurch zu erwerben. Biswellen veräußerte 
man firchliche Z.en, um mit dem Erlös Kirchen-Schulden zu tigen, Dann ges 
ſchah es u daß ſich adelige Butöbeflger, wenn fle an ihren Maierhöfen oder 
Schlöffern für ſich u. ihre Untergebenen Kirchen bauten u. ftifteten, fih die 3. 
abgabe von den angewiefenen Dotationsgütern vorbehtelten. Weberhaupt wurden 
Laien häufig mit Kirchen» 3.en (decimae infeudatae) belehnt, oder ed gelangten dies 
felben auf andere Weiſe zu den kirchlichen Z.en. Hiegegen proteftirten nicht nur die 
Bifchöfe, fondern auch Concilien fprachen fidy dagegen aus, 3. B. das Concil ven 
Meaur 1045, u. das dritte lateranifche Concil 1197. Diefen EonciliensBerordnnungen 
wurde von einigen weltlichen Inhabern der Kirchen⸗Z.en durch Zurüdgabe derſe 
an bie betreffenden Kirchen Genuͤge geletftet, von anderen diefelbe bis auf das Sterbe⸗ 
bett verfchoben u. da man oft Bricht wußte, wie derlei 3.en an Laien gefommen 
waren, fo wurben ſolche Häufig an Klöfter und fromme Stiftungen verm acht, 
was audy die Päpfte, fofern die Bifchöfe einmwilligten, zuließen. “Die weltlichen 
Inhaber der Kirchens.en verweigerten aber die Herausgabe derfelben, wie dieß 
aus der Gefchichte des unter Friedrich I. zu — en im Jahre 1186 ab⸗ 
gehaltenen Reichsſstages bekannt iſt. Das Aufſehen, welches dadurch erregt wurde, 
verurſachte, eine mildere —— des lateraniſchen Beſchluſſes dahin zu geben, 
daß bie bereits formlich infeudirten Zn ven Fbobrw voblbe Gen. für Die Zus 
Funft aber Feine weitere Veräußerung und Ürberitaguun een an Ball 
Plag greifen ſolle. Indeß wurde ac Lie KVeruiüuumg, lt Ahern Weiniar. 


Sehent. 1008 


Schon im Mittelalter war «6 nicht gelungen, unbedingt ein allgemein kirchliches 
3.stecht burdhaufepen. Die fränkifchen Könige dehnten ihr Obervogteirecht über 
die Kirche weit aus, welches das Eigenthumsrecht der Kirche fehr Mi raͤnkte; auch 
gab es viele Güter, die bereits fchon mit Z.en belaftet waren nnd felbft Kirchen-3.en 
waren, wie bemerkt, häufig an Laien übergegangen. Dieß veranlaßte die Kirche, 
Ausnahmen bei dem allgemeinen Tirchlichen 3.srechte zu ſtatuiren. Hiezu kam 
noch das in Anſpruch genommene lanbesherrliche 3.srecht, welches fidy durch die 
ftaatsrechtlichen Doktrinen befonders in Deutfchland immer mehr ausbildete, inds 
befondere durch die hin⸗ und wieder aufgeftellte Behauptung, daß der Landesherr 
allein, zufolge ver guhurgelehe, auf den Bezug des Rott» und Reubrucdhs3.en bes 
rechtigt fe. Das Beifptel der Bifchöfe, weldye in den reichBunmittelbaren Ländern 
den Neubruch⸗3. erhoben, die Reformation und die Lehre proteftantifcher Ka⸗ 
noniften, daß ein proteflantifcher Regent analeıch Summus episcopus ſei, verans 
Iapten gleichfalls eine Befchränfung des kirchlichen Z.stechtee. Am meiften aber 
wirften auf das kirchliche Z.stecht ein: die franzöſiſche Revolution, der Lünes 
viller Friede und die erfolgte Säkulartfation; dann endlich die neueflen Ge⸗ 
feße über Aufhebung, Ablöfung und Umwandelung des 3.en. — . wird 
verfchieden eingetheilt. Rüdfichtlicdh des Gegenſtandes unterfcheinet er fich in ven 
dinglichen, Real-, Raturals ober Prädlal-3. (Decimae reales, naturales, prae- 
diales) und in den perſoͤnlichen CPBerfonalz.). Erſterer wird von den Früchten 
des Bodens und der Thiere, Iehterer von dem Induftrials@rwerbe erhoben. Der 
perfönliche 3. ift jedoch jeht auffer Mebung gefommen. Im frengern Einne 
wird.der binglihe 3. jener genannt, weldyer von den durch Felnöfonomie ger 
wonnenen Eh ten, als Getreide, Wein ıc. zu entrichten iſt; Natural⸗3. Hin- 
gegen iſt derjenige, welcher fowohl von den Erzeugniſſen des rundes und Bo⸗ 
dens, als auch von den animalifchen Produkten erhoben wird und wo biefer dann 
Blut»3. (Decimae animalium, oder Sive decimae carnaticae) heißt, welcher wieder 
im ftrengern inne in den Thier⸗ und eigentlichen Bluts3. unterfchieden wird. 
Jener begreift dann nur den beflimmten —** vom jungen Viehe, dieſer 
aber den Antheil von Thieren gewonnener animaliſcher Produkte in Der 
Real:3. wird auch in den großen u. kleinen 3. eingebe, Zu dem großen 
ehört hauptfächlich der Getreide⸗ und Wein⸗3., zu dem Fleinen Kraut, Rüben, 
—* Hanf u. dgl.; was zu dem einen oder andern zu rechnen iſt, beſtimmen 
eigentlich die Landeögefege, wie auch Gewohnheit und drtliches Herkommen. 
geipeg heißt er, wenn er von den Früchten des Feldes; Dorf⸗ oder Haus⸗ 
.‚ wenn er von den häuslichen Produkten des Viehes erhoben wird. Wird ber 
Frucht⸗Z. auf dem Felde in Garden eingefammelt, fo heißt er gehobener Fel d⸗ 
3., iſt aber biefür die Abgabe eined verhältnißmäßigen Surrogats verfelben 
Fruchtgattung, 3. B. die Ablieferung eines beftimmten Maßes von Körnern bes 
fiimmt, fo wird er Sads3. (decimae saccariae) genannt. Diefed Surrogat fann 
übrigens, auſſer dem Getreide, audy in Geld oder fonftigen Präftationen beftehen. 
Noch eine andere Einteilung des Z.en rüdfichtlich des Gegenſtandes iſt in den 
alten und neuen — Neubruchs⸗ over Rott⸗3. (decimae veteres et novales), je 
nachdem derfelbe von Igon laͤngſt bebauten Gründen, oder von erft urbar gemachten 
und feit Menfchengeventen noch nicht bebauten Grundſtücken (agri no eu⸗ 
rotten, Neubruͤche, Neuriſſe) erhoben wird. Ruͤckſichtlich des Subjektes wird der 
3. Bauptfählih in den geiſtlichen und weltlichen eingetheilt, je nachdem 
das Z.⸗recht einer Kirchenftiftung oder einer Pfarrei oder einer geiftlicden Cor⸗ 
peration wegen bes geiftlichen Amtes, oder einem Laien aus einem weltlichen 
itel zufleht. Wichtig ift die, in der Ausdehnung des Z.⸗Diſtriktes begründete, 
Eintheilung des 3. in den allgemeinen (decimae universales) und in ven 
befondern (decimae particulares). Erſterer erſtreckt ſich auf le Sri in 
Fruchtgattungen eines ganzen Bezirkes, \ehterer aber wur anf geusiie Kuss. 
Orünbe und Parzellen, over nur auf beftimmte Trücytez ührlqend ST, 
allgemeinen 3.techte über einen gewifien 3..Berrt od Tem gear S: 


1004 Zelchnende Rünfie— Zeit, 


recht auf alle Fruchtgattungen gefolgert werden. Vollkomm en nennt man bas 
3.srecht, wenn es auf alle — 2 eined Z.⸗Diſtriktes, unvol lkommen 
hingegen, wenn es ſich nur auf gewiſſe Früchte erſtreckt. 
eichnende Künfte heißen eigentlich alle Künfte, welche Zeichnungen von 
fichtbaren Formen zur Orundlage haben, mithin nicht blos die Malerei, fondern auch 
bie bildende Kunft, Architektur und dgl. Insbeſondere aber verfteht man dar⸗ 
unter foldye Künfle, welche durch Licht und Schatten die Ratur in flacher Kör⸗ 
‚yergeftalt nachahmen, oder, dem Farbenreize entfagend, die reine, durch Licht und 
Schatten beflimmte, Form ausbilden und zum Gegenſtande der —— 
machen. Dahin gehört die ſelbſtſtaͤndige Zeichnung und bie, eine ſolche —*88 
vervielfältigende, Kunſt des Holzſchnitts, die Kupferſtecherkunſt und der 
Steindruck. In den letzten drei (wozu die Unterarten der Siderographie, Zinko⸗ 
grapbie u. a. kommen) if jedoch die Zeichnung und deren Schattirung nur das 
ermittelnde, wodurch die Geſtalt, im Abdrude, zur Anfchauung gebracht wir. 

Zeichnung, die Darftellung eined Gegenſtandes nach feinen Umriffen mit 
Licht und Schatten, ohne die ihm eigenthümliche Farbe, feine Nähe umd ferne 
beftimmend mit Hülfe der Perſpektive. Es iſt eine beachtenswerthe Bemerkung, 
daß feltfamer Weife in der Regel die, 3. B. auf weißem Grunde gezogenen, far- 
bigen Striche, Linien u. Bunfte für das Bild gehalten werden, da doch Niemand 
in der Wirklichkeit bei der Anficht eines Kopfes deſſen Gränzlinien für den Kopf 
ſelbſt zu ne eneigt if. Das Weſen des gezeichneten Bildes iſt daher bie in 
die Umrißlinie eingefchloffene Fläche. und defien Form eben diefe Umrißlinte, mit 
in {fl das gezeichnete Bild auch felbft die Form, welche man der unbeftimmten 

läche, 3. B. des Bapiers, durch die in fie geſetzten zuſammenhaͤndenden Graͤnz⸗ 
Linien Uinriötinien) gegeben hat. Das Hauptgefeh der 3. ift Richtigkeit in Form 
und Entfernung und, wenn diefe ſich zunaͤchſt audy nur auf die Außere Erſchei⸗ 
nung bezieht und darum auch nur die felbft Außerliche Grundlage bildet, fo gibt 
die 3. doch fchon einen hinreichenden Mapftab, fowohl das Erfindungsvermögen, als 
die Auffafſungsgabe des Künſtlers zu erkennen. Die Richtigkeit der 3. aber feht 
genaue anatomtiche und perfpeftivifche Kenntniſſe voraus. Die äſthetiſche Auf⸗ 
gabe bezieht ſich übrigens auf die Darftelung der Geftalten in fchöner Berbin- 
ung, auf Symmetrie und Einheit der äußern Form und auf einen Moment der 
ge biten Handlung, in welchem die Individualität ihrer eigenthümlichen Wir⸗ 
ung nad) zur Anfchauung gelangt. “Denn durdy ihre Einfachheit nähert ſich die 
3. dem Spealen, die Harmonie aber vereinigt die Glieder in angemeffener Welfe 
und verfinnlicht die Idee in der Einheit, während über Reinheit und Schönheit 
der Form der Gefchmad entfcheidet. Die Z.en werden in 5 Claſſen getheilt: in 
Gedanken oder erfle Entwürfe, genannt Croquis oder auch fingen und 
Handzeichnungen; in ausgeführte Z.en, in Studien, in Afademien oder 
Alte und in Cartons mit Inbegriff der Calquen. Die Seiihnungdarten jedoch 
laſſen ſich auf 3 Hauptgattungen zurückführen: auf Feder⸗Z.en, Kreide⸗Z.en 
und das Tuſchen. Obgleich Entfernung und Geſtalt erſt in der Malerei durch 
Farbenunterſchiede ihre eigentliche Darſtellung empfangen, ſo bringt dennoch die 
3. fletd den Geiſt in das Kunftwerk, weil fie das unmittelbare Abbild des inner⸗ 
lich angefchauten Bildes iſt, defien Körper und Ausdruck dann durch die Farben- 
gebung beftimmt wird. 
eifig, ein befannter Singvogel aus der Gattung der Finfen, lebt in Wal⸗ 
dern, wo er auf den Außerften Spigen ver Bäume niftet und fucht im Herbfe 
in Heinen Schaaren Hopfen, Kletten⸗ und Diftelfamen, im Winter aber (Erlen, 
famen auf, Er wird leicht zahm und deshalb gerne in Käfigen gehalten. 

Zeit bezeichnet die Borftelung, die man mit dem Begriffe vom Aufeinan- 
derfolgen der Zuftände und Beränderungen verbindet. Man bilvet ſich alfo in 
der Vorſtellung eine zufammenhängende Reihe von Begebenheiten, in welcher jeve 
der Ordnung nad) ihre beftimmte Stelle hat und, wad zufammen gefchieht, auf 
einerlet Stelle trifft. Jede einzelne Sreie Wirken Relte keit ein Zeitpunkt 


Zeitgleicgung — Zeitlofe, 4005 


oder YAugenblid (Moment); was auf einerlei Zeitpunkt trifft, wird geichzeit 
und was auf verfchienene Zeitpuntte fällt, fuccedirend genannt. Der Zwi⸗ 
fhenraum zweier Zeitpunfte heißt ein Zeitraum (Intervall) und die ganze 
Borftelung diefer Reihe die 3. Hieraus geht hervor, wie fich die Zeiträume 
mefien laften, oder wie es möglidy werde, einen Zeitraum mit einem andern be- 
fannten zu vergleichen. Bei dieſem Mefien der 3. aber legt man ſtets den Be⸗ 
griff von einem gleichförmigen Fortgange zu Grunde und daher kommt es, 
dag die 3. durch irgend eine gegebene, gleihförmige Bewegung ges 
meflen werden muß. Hierzu bietet ſich bie [einbare tägliche Bewegung des 
immel6 und die Erde dar, die befanntlidy mit der vollfommenften Slihfirms 
gkeit vor fi) geht. Der Aftronom wählt gewöhnlich dazu den Frühlingsnacht 
letchenpunft, der zwar felbft nur ein —* Punkt, doch durch irgend einen 
ern leicht gefunden wird (Sternzeit); allein für das bürgerliche Leben, deſſen 
Beichäfte ſich beinahe alle nach der Gegenwart und Abweſenheit der Sonne 
richten, hat man nur diefe zum Zeitmeffer gewählt. Sie kann jedoch feinen uns 
mittelbaren Zeltmefler abgeben, weil fte fi in der Ekliptik zwar beinahe 
leichförmig, doch in Beziehung auf den Aequator ungleichförmig bewegt und fie 
ann alfo, wie die Aftronomie noch deutlicher zeigt, durch ihre eigene Bewegung 
nicht das Maß einer gleihfürmigen, fondern nur die fogenannte wahre Sons 
nen=3. abgeben, welche 3. ®. jeder Gnomon, oder eine richtig geftellte Sons 
nenuhr weist. Man hat aber, um diefen Hinderniffen zu begegnen, eine andere, 
blo8 eingebilvete, Sonne angenommen, die fi, während die Bahn der wahren 
Sonne in der Efliptif it, im Aequator gleich fdrmia und zwar dergeftalt 
bewegt, daß fie mit jener immer in demfelben Augenblicke durch die beinen Nacht⸗ 
gleichenpunkte geht und folglich als ein unmittelbared Maß der Bewegung des 
Himmeld u. mithin der 3. felbft gebraudyt werben kann. Man nennt bie er⸗ 
dichtete Sonne die mittlere Sonne u. die 3. zwiſchen zwei nächſten Culmina⸗ 
tionen derfelben den mittlern Sonnentag. Diefe mittleren Sonnentage 
find e8 nun, auf die fich in der Aſtronomie fowohl, als im bürgerlichen Leben, 
die gewöhntichften Z.⸗Angaben und die größeren Z.⸗Perioden von Jahren, Jahr⸗ 
hunderten u. ſ. w. beziehen. Ä 

Zeitgleichung iſt der Unterfchten zwifchen der mittlern und wahren Sons 
nenzeit, welcher zweimal im Jahre über eine Viertelſtunde fleigen und viermal 
ganz verfhwinven kann. Man findet nämlich in guten Kalendern und aftronos 
mifchen Ephemeriden für jeden Tag im Jahre die genaue Angabe der mittlern 
Sonnenzeit im Augenblide des wahren Mittags damit man hieraus die 3. for 
glei beflimmen und durch fie dann erfahren kann, wie viel die Abweichun 
einer, übrigens gleihhförmig gehenven Uhr, deren Stand gegen wahre Sonnenzeit 
aus Beobachtungen gefunden worben iſt, von der mittlern Sonnenzeit beträgt, 
um nad) biejer rt, da fle als eine gleichlaufende Maſchine niemals mit ver 
ungleichförmig fortfchreitenden wirklichen Sonne genau uͤbereinſtimmen kann, ges 
nau zu reguliren. Uebrigens muß bemerkt werden, daß In jedem jahre die 3., 
wegen des Borrüdens der Nachtgleichen und anderer Urfachen, bis auf geringe 
Unterfchtede diefelbe bleibt. 

Zeitlofe (Colchicum, Wiefenfafran), ein PBflanzengefchlecht der dritten 
Dehnung der ſechsten Claſſe (Hexandria, Triginia) des Linne’fchen Syſtemes, 
defien Blumen eine Blumenſcheide, eine ſechsmal getheilte Krone mit einer ſtrahligen 
Röhre und defien Frucht in drei aufgeblafenen, zufammen verbundenen Samen» 
fapfeln beſteht. Art: die Herbſt⸗3. (c. autumnale), welche befonvers in 
bergigen Gegenden auf feuchten Wiefen wächst. Die mehrjährige Wurzel befteht 
in einem rundlichen Knollen, der fehr tief in die Erde geht, Außerlich braun, 
inwendig aber weiß if. Unmittelbar aus ihr entipringt im September pie Blüthe, 
welche, auffer der Scheine, worin gemeiniglich zwei bis drei beifammen find, Feine 
weitere Bededung hat und mit —* langen Röhre ziemlich hoch üher ter Km 
hervorragt. Die Krone IR blaßroth und bat vie &ehalı der Sohtexh⸗ Warı acı» 

* 


1006 Veltmaß — Zeitungen, 


blume, De rim unten Sn aan Can 2 
Frůhi⸗ v el. 
jahre — an af pn, marke» zwei ———— m 


® 
Su —e— Knolle 5 9 Ken Kon eines — ver 
Geruch und einen —— aͤtzenden Gefdas 


Die Burg an fich iſt ein ei. nn Euren, Brennen im a 
— und im Fruͤhjahre am Khntiften fen fo, 
heißt in der Boetik das Sylbenmaß, je nachdem —— 

rg verweilt wird; in der Mufif der Grad von — 
id erfolgen ſoll, — Alert v 
Tempo 8 d.) —— auch gleichbedeutend Er mit 
3, na Charakter des —— — 
der © —X dem Takte Man — — — 


iſt di⸗ t — , gleihmä 
BE nee 


* unter! en Salt Im das Zufammentreten jener 
I von fen — in ein Ganzes, oder die zwiſchen 
geſchloſſene * der Ni 

Berichte, ſchnell die geitereignie u erfahren, Run 

von neuen dem Gange des Handels u, au erhalten, nix 

hervor, die bis zum Ausbruche der franzöfiichen —— von lelna ik 
ondern —— u dem europäffchen Feftlande waren, aber feit jenem 
abſchnitte — ung von — Wichtigkeit im ee en Leben 

die Träger und Er ter ber hertſchenden Ideen, bie gel 

Waffe der Parteien — und des Guten viel, ne [7] 

mehr al Wir wollen daher fehen, was A vor der Same 

volution in den verſchiedenen Ländern waren, fie durch jene Katafını 
geworben find, und wie fm allerneuefter Belt Yos das 3.8= — der Haua 

nach ſich geſtaitet hat. — Im Italien war Venedig der erfte Staat, mid) , 

eine Zeitung befaß, wozu eines Theil der ausgebreitete Handel der "Rage | 

ſtadt Veranlaffung gegeben hatte, mehr aber noch der Umftand, daß man) | 

Öffentliche Neugierde gerne von einheimifchen Gegenftänden ablenfen wollt De) | 

halb wurde 1563 auf dem Rathhauſe ein Blatt vol auswärtiger Nacride 

geförieden und vertheilt. Diejes Blatt Faufte man für eine längft as 

urs gefommene Scheivemünze „Gazetta“ genannt, welcher Name dann zur b 
zeichnung der Neuigfeitöblätter "in Italien und Frankreich (Gazette) gebruh 
wurde. In Paris gab ein fehr gefuchter Arzt Theophrafte Renaudot (+ fü 
die erften wöchentlichen 3.n feit 1631 heraus, die ſich eines großen Beifalte 
freuten, unter dem Namen „Nouvelles ordinaires des divers endroits“ eridim | 
und ſchon nad dem fehsten Stüd ein königliches Privilegium erhielten. ® 
volltändige Sammlung diefer 3. in 54 Bänden befindet fich auf der Föniglke 

Bibtiothel zu Hannover. Die Revolution geftaltete in Frankreich und in de 

Ländern des Feſtlandes *) das 3.8-MWefen gänzlih um, Männer von Iıe 

und Kenntniffen ftellten fi an die Spige ver Tagesblätter, die ſich nad u 

politifchen Parteien fonderten und nicht mehr bloße Neuigkeiten mittheilten, e 

dern die Tagesfragen auf dem Gebiete der Politik, wie des focialen Leben € 

Geift und je nady dem Standpunkte ihrer Partei befprachen und fo einen fs 

zu berechnenden Einfluß auf die öffentliche Meinung ausübten. Bon den einflufat 

ften franzöftfchen 3.n führen wir an: 1) Gazette de France, die ältefte, von = 

bereitö erwähnte franzöftfche 3., gegründet durch Th. NRenaudot, erhielt fih, im 

Untergeehungen ausgenommen, während der ganzen Revolution und gehörte R 

der zweiten Reftauration, nebft der Quotidienne, dem Drapeau blanc u. a} 


Ber 


' — 





) Im Gugland waren vie R. Kah vonigräßten Bedentung, tole wie nachher ſehen wre 
* 


Zeitungen, 1007 


ben Blättern der Legitimiften und der Gongregation. 1825 wurde fie nebft dem 
Drapeau blanc (defien geifreichfter Mitarbeiter Iange Zeit Lamemais war) durch 
den Grafen Softhöne de la Rochefaucauld für die Interefien des Minifteriume 
angefauft. Unter der Julidynaftie vertrat die Gaz. mit Eifer die Intereſſen ber 
Bourbonen und Fämpfte für das Königthum Heinrichs V. Langjähriger Redak⸗ 
teur derfelben war der AbbE de Genoude. 2) Journal du soir (Mbenbblatt), ers 
hielt ſich ungeftört durch alle Revolutionen, denn fein Ton war einfach, geiſtreich 
und über alle Barteien ftehend, fo, daß das Sprüchwort entfland:- „Die Wahrs 
Heit fagen wie das Journal du soir“, d. 5. mit Vorſicht reden. 3) Journal des 
üebats, eine® der beveutenpften franzöffchen Blätter, wenn nicht das erfte. Es 
hieß währenn des Katjerreihee und der 100 Tage „Journal de l’empire“, war 
ımter Karl X. zeitweilig ein minifterielles Blatt, als aber Ehatenubriand aus 
dem Minifterium trat, wurde es durch ihn ein Blatt der Oppofition. Seit 1800 
wurde mit dem vielgelefenen Blatte ein Feuilleton verbunden, das fehr getfreiche 
"Mitarbeiter hatte, wie den Abbé Beoffroy, welcdyer ungemein viel zur Ar 
‚der Debats beigetragen hat u. durch feine Artikel faft eine europälfche Berühmt 
zeworden if. Selt Anfang dieſes Jahrhunderts nahmen die frangöiepen n 
haupt die Feuilletons an, worin fie beiletriftifche Arbeiten, Kunfls un Eh 
terkritifen gaben. Diele Romane der neueren romantifch » fortaliftifchen Schule 
And zuerſt in den Feuilletons erfchienen. 4) National , vertritt bereits feit 1830 
bie Ömmofäge des entfchiedenften Republikanismus und der vollen Volksſou⸗ 
veränttät, war daher unter der Regierung Louis Philipps eines ver ents 
chiedenſten Oppofttionsblätter und von größtem Einfluffe während der Februar⸗ 
Revolution des Jahres 1848. 5) Constitutionel, begründet 1815 von fünfzehn 
Netionären. Seine Tendenz entfpracdy dem Ramen, er war conflitutionell gefinnt, 
abet mild und vorfidhtig im Ausdrucke. Jahre lang blieb der Constitutionel 
te verbreitetfte Partfer 3., befonders feit 1819, wo den franzöflfchen Sournalen 
ine unbefchränfte SPreßfreihett eingeräumt wurbe. 6) L’Univers, da8 Organ ber 
tatholiten, welches mit Geift für die Unabhängigkeit und Selbſtſtaͤndigkeit der 
<irche kämpft. biefem Blatte findet man häufig Artikel aus der Feder des 
eiftreichen und edlen Grafen Montalembert. Bon den übrigen bebeutenderen 
ranzöftichen Sournalen führen wir noch an das „Journal du commerce“, worin 
Stnanzfragen mit großer Sachkenntiniß abgehandelt werden, den Temps, das 
3i6cle, Courier franzais, Sömaphore de Marseille etc. Bon großer Bebeutung 
Ind auch die Witz⸗ und Spottblätter. Bor der Julitevolution war le Figaro, 
ür den Juled Janin arbeitete, eines der bervorragendflen und einflußreichften 
Blätter diefer Art. Sein Wis führte Harte, tief einfchneidende Streicye gegen die 
Bourbonenherrſchaft. Ju neuefter Zeit tft der „Charivari“ das bedeutendſte Witzblatt. 
zier müflen auch erwähnt werben bie zahlreichen Blätter u. Blättchen der Com⸗ 
auniften und Socialiften, worin biefe ihre unfinnigen und unfeeligen Weltbeglüds 
ngeideen verkünden. Diefe Erzeugnifle der Preſſe find aber meift fehr vergäng- 
er Ratur u. verſchwinden fo ſchnell, als fie gekommen find. e franzöftfche 
Kournaliftit zeichnet ſich durch gemefiene Sprache und Haltung fehr vortheilhaft 
a6. Wie der Franzofe im Aufferen Umgange die Kormen des Anftandes wahrt, 
o thut ed auch feine Preſſe, die nie durch Ausfälle plumper, roher Leidenſ 
erletzt, „onbern lieber mit der Spike des Schwertes fticht. Die leitenden Artikel, 
velche einer 3. überhaupt nur Anfehen und Einfluß verichaffen Fünnen und bie 
nr Frankreich die öffentliche Meinung leiten und regieren, find faft immer mit 
Beift in würdiger und Ferniger Sprache gefchrieben, obgleich fie meift in draͤng⸗ 
nder Eile verfaßt werden müflen. In feinem Lande it aber auch das Anſehen 
mb die Geltung der SFournaliften und polttifchen bite ben fo groß wie in 
Branfeei. Sie fpielen, wenn fie Gef und Gewandtheit befigen, eine wichtige 
olle im öffentlichen Leben, werben Mitgliever der Kammer und —— —* 
a den hochſten Staatsaͤmtern empor; wir wollen bier nur an Guizot u. Thiers 
rinnern. Die Regierung weiß die Dienfle, welche itr tie Rdcuoxx x& 


1008 Zeitungen. 


arbeiter an den minifteriellen Blättern leiſten, zu [dien und zu belohnen. Da 
gibt es für den fleißigen Pubtiziften, ver Jahre lang für die Debats ober ein 
andered Journal gearbeitet bat, Stellen in der Verwaltung, bei den Geſandi⸗ 
ſchaften, ein Confulat im Driente oder font etwas, womit der Mann ge 
lohnt wird, welcher mit der Feder häufig genug wider feine eigene Ueberzeugung 
die Interefien der Regierung vertheipigt Pat Die Redakteure der bebeutenden 
3.n find gut befoldet und die Verfaſſer der leitenden Artikel wie die Mitarbeiter 
für das Feuilleton werden glänzend honorirt, fo bezieht Jules Janin als Theaters 
Iritifer 50,000 Franks jährlicd), wofür er am Montage jeder Woche feinen Be 
richt fchreibt. Leider haben aber auch Geld» und Aemterfucht in feinem Lande 
die Verkäuflichkeit und Charafterlofigkeit der Journaliſten und ihrer Organe in 
einem folchen Grade herbeigeführt, wie in Frankreich. Die meiften Journaliſten 
machen den Lafat des Publikums, u. verfaufen ſich der nun einmal berrfchenden 
Tagedmeinung. Nirgends find die 3.n von größerem Einfluſſe als in Frank; 
re ,‚ aber auch nirgends find fie leichter zu erfaufen, wie gerade dort. — In 
England Lam die erſte 3. zur Zeit der Königin Elifabeth heraus, es war 
„Ihe english Mercurio“, von dem fidy das Altefte vorhandene Blatt, Nro. 50 
vom 23. Juli 1553, im britifchen Mufeum befindet. Nach der englifchen Revo: 
Iutton gelangten dort die 3.n zu großer Bebeutung, wurden Organe der einzelnen 
Parteien und übten einen geroichtigen Einfluß auf die öffentlihe Meinung und 
da8 Staatöleben aus. 1782 gab es in England 61 3.n, jebt zählt man deren 

gen 500, neben zahlreihen Monats: und Bierteljahrsfchriften (Reviews). Die 
2 find in England ſchwer zu gründen, aber auch nicht leicht zu erfchüttern, 
und während in Frankreich die Regierung leicht 3.n erfaufen kann, oder zum 
Stillſchweigen bringen, fo ift dies in England, wo die 3.n auf den verfchienenen 
PBarteimeinungen beruben, kaum möglidy,. Die beiven erften politifchen Parteien 
die Torys uud Whigs haben ihre Organe In der Preffe und einige 3.n gehören 
feit einer langen Reihe von Jahren einer jener beiden Pasteien an, T das 
„Morning Chronicle“ den A Kun die „Morning Post* aber den Torys. Der 
Globe iR fett 1830 das minifterielle Organ. Gine radikale Färbung tragen die 
MWochenblätter, jedoch mit verjchledenen Abftufungen, das geleſenſte von ihnen if 
das „Weckly dispatch‘“, welches beinahe 60,000 Exemplare, hauptſächlich unter 
den niederen Glafen verfauft. — Die Tageszeiten, zu welchen die verfchtedenen 
Blätter erfcheinen, beftimmen ven Namen ber letzteren. Bon den Morgen »3.n 
find die bedeutenpften „Morning Chronicle* und vor allen die „Times“, das 
großartigfte journaliftifche Unternehmen der Welt. Diefed Journal bringt feinen 

efern die auswärtigen Nachrichten oft früher, als fle felbft den Miniftern be- 
fannt werben, hat in allen Theilen der Erde gut befolvete Eorrefpondenten und 
bringt feinen Unternehmern eine fehr beveutende Rente ein. Bon Abend»3.n 
führen wir an „Courier“, „Globe“, „Standard‘‘, „Sun“, „Star“. Bon Big: 
Blättern iſt das verbreitetfie der „Punch“, defien beißende Satyre feinen Stan), 
fein Alter und Fein Geſchlecht verichont, und deſſen Illuſtrationen von dem erflen 
englifchen Künftlern des Fomifchen Genres geferiiget werden. Auch in den eng 
liſchen Eolonien herrfcht für die Tagespreffe die regfte Theilnahme und letztere 
bat in Oſtindien, befonders in der Präfiventfchaft Galcutta zahlreiche Organe. 
In Auftralien iR die periodiſche Preſſe fehr reichhaltig und in Neuſuͤdwales ers 
feinen an 30 3.n, in Bandiemensdland 8, in Südauftralien 4, der Schwanen⸗ 
Kolonie 1 und in Neufeeland 2. Das britifche Rordamerifa iſt überaus reich 
an Tagesblaͤttern und wiflenfchaftlichen Zeitfchriften, die in franzöftfcher und 
engliicher Sprache erfcheinen. Auf der pyrenätfchen Halbinfel iſt die politifche 
Prefie ſchon feit einer Reihe von Jahren weit bedeutender, als in den übrigen 
romanifchen Ländern, aber fehr abhängig vom Wechfel der Regierungen und 
Regierungefpfeme. Diefe Preffe iſt im eigentlichen Sinne des Wortes ein Kind 
ber Revolution, daher vertritt fie auch die Ideen ihrer Mutter und bildet eine 
f&arfe, zum Theil erbitterte Oypoltlon; \n We ware Resten mehrer Tages 


Zeitungen, 4008 


blätter ift völlige en der monardhifchen Inftitutionen. In Portugal 
dienen die Blätter faft ausichließlich der O:ppofition, baben file Mangel an polis 
tifchem Stoff, jo geben fie auch wohl Variedades, die meiſt Auszüge aus fran⸗ 
zöfiichen Romanen find, oder populäre und mitunter witige Abhandlungen über 
orte Segenflände In Form von Gefpräcdhen bringen. Den Hauptftoff des 
lattes bilden die Berichte über die Kortesverhandlungen, ferner ein reichlicher 
Tadel über alle Maßregeln der Minifterien und eine plumpe, verläumdertfche 
Polemik gegen einzelne Behörden und Beamten. Stalien zählt weit über 100 
Sournale, von denen die allermeiften im Geiſte Gioberti's u. des jungen Italiens 
gefchrieben find und von einer wahrhaft ſchaudererregenden, politifchen Uns 
mündigfeit ihrer Lefer Zeugniß geben. In m findet man 3.n in bolländt- 
fcher und franzöfticher Sprache und lange Zeit wurde die „Gazette de Leyde“, 
als diplomatiſche 3. Europa’& angefehen. In Belgien befämpften vor der Res 
volution von 1830 die Liberalen und die Katholifchen in dem „Courier de la 
Meuse“ und dem „Courier des Pays bas“‘ (Redakteur de ‘Botter) die Maßregeln 
der Regierung. Eine gleiche Richtung Hatte der „Argus“ und das „Journal 
d’Anvers“, Die boländifche Regierung hatte als Vertheidiger jenen Angriffen 
gegenüber ben von Libry Bagnano rebigirten „National“ und den „Courier 
universel“ in Lütitich, womit die Katholifchen befämpft wurven. Nach der Befreiung 
Belgtens wuchs die Zahl der Tagesblätter in dieſem Lande mit aufferordentlicher 
Schnelligkeit und die Preſſe ſchied fich nach den beiden Hauptparteten in bie 
„katholiſche“ und „liberale“. Die Katbollichen werden hauptfäcdhlich ver- 
treten durch das „Journal de Liege“, deflen Artikel in der Kölner Angelegenheit 
großes Auffehen erregten, fo wie durch das 1841 gegründete „Journal de Bru- 
xelles* und der in Flandern beſonders verbreiteten „Viaemsche Belgen“. — 
Die Schweiz bietet in ihrer Preſſe ein Bild der Innern Uneinigkeit und Zerrifien- 
heit jened Berglanded dar. Hier hat die politifche Tagesliteratur überaus zahl- 
reiche, wenn audy nicht reichhaltige Organe, die meift in einer Sprache geichries 
ben find, welche ſich durdy eine and Barbarliche grängende Ungefchlachtheit aus⸗ 
zeichnet. Dort haben auch die deutſchen Heimatlofen und Iandesflüchtigen 
Hecker linge“ ihre Werkſtätten aufgeichlagen, in denen fie vergiftete Produkte 
Ihres tief gefunfenen Geiſtes fchmieden und nad) Deutfchyland verfenden. — Ueber 
die Preſſe in den norbifchen Reichen wollen wir nicht viel fagen. In Dänemark 
find die Tagesblätter von einfeitigem Haſſe gegen Deutfchland erfüllt, der fie oft 
in eine wahrhaft bacchantiſche Wuth verſetzt. Norwegen mit feiner freien Ver⸗ 
faffung hat mehre gute, in liberal confervativem Sinne rebigirte Blätter; 
Schweden ein fehr bedeutendes Oppofitionsblatt, das „Aftonbladet“ nnd zahls 
reiche dem gemäßigten Liberalismus huldigende PBrovinztatblätter. Rußland if 
das Mufterland unbarmherziger Cenſur und geifliger Umnacdhtung, daher kann 
von einer felbfiftändigen, tüchtigen Tageöprefle bier keine Rede feyn. Ueber das 
Z.s⸗Weſen in Nordamerika vgl. den Artifel: Nordamerika in Band VII. der 
Realencyklopädie. — In unferem Baterlande Deutſchland fcheinen die 
Kriegshaͤndel Beranlaffung zu den erften 3.n gegeben zu haben. Diele erften 
3.n waren indefien nichts als Flugblätter, wie fie befonderd in Nürnberg 
erfchtenen. Dergleihen Ylugblätter waren 5. B „Rewe Zeitun i vom 
Türten, fo ein guter Freund, der damit und be pewen 
if, von Wien berauf gehn“, oder die „Newe Z., wiedie 
Stadt Münfter erobert worden.” Monatlide und vierteljährige 3.n 
waren in Deutfchland die Alteften, von denen wir M. Aitzigers „Hiftorifche 
Relationen” (Köln 1594, 3 Bde. in 4.) anführen. 1628 fchon finden wir 
die ordentlichen, wöchentlichen Poſtzeitungen; das erfte laufende deutſche Neuig⸗ 
feitöblatt aber it die 1612 in numeristen Blättern erfchienene „Aviso, Relas 
tton“, oder 3., was ſich begeben, ober gugettagen bat, in Deutfchland, 
Welfchland, Spanien und Fraͤnkreich ıc. 1615 begann der Budtiniin sun 
zu Frankfurt a. M. das noch beftehende, übel genug beridgiae „ELAUUiUTiEt 
Mealencpclopädble X. GA 


1010 Zeitungen, 


Sournal.” 1617 kamen eben dafelbft die Poft-Avifen heraus, veranftaltet von 
dem Boftmeifter v. d. Oitahben ; 1618 folgte der „Fuldaer Boftreuter.” 
Eine große Ausbreitung erhielt Durch ihren Inhalt die „Leipziger 3.”, da fie 
die Nachrichten fchnell, aber mit Vorſicht mittheiltee Im vorigen Jahrhundert 
erfchtenen in folgenden Städten Deutfchlande bereits 3.n, in Bayreuth, Berlin, 
Braunfchweig, Coburg, Eöln, Dresden, Erlangen, Frankfurt, Göttingen, Halle, 
Hamburg, Sana, Jena, Leipzig, München, Nürnberg, Regensburg. Indeſſen 
war das ganze deutſche Z.sweſen bis zur franzöf. Revolution höchſt unbedeutend 
und bis dahin war der „Hamburger Correſpondent“ faft die einzige 3., 
welche Driginalcorrefpondenzen brachte. Schlözer's „Staatsanzeig er“ zeich⸗ 
nete ſich durch Aufſätze aus, die ebenſo gediegen als freimüthig Ihrem Inhalte nach 
waren. 1798 entſtand die „Allgemeine Z.“, welche bald alle anderen überflü⸗ 
pelte und fi) Eingang in alle Länder, wohin europäifche Civiliſation gedrungen 
‚ verfchaffte. Buchhändler Cotta in Tübingen faßte die erſte Idee zur Grün: 
dung dieſes Unternehmens, Huber der Gemahl von Therefe Zorfter wurde Haupt- 
herausgeber. Der erfte Titel diefer 3. war „Reuefte Weltkunde“, als aber 
ein Berbot dad Blatt traf, wurde diefer Titel in den jetzigen „Allgemeine 3.“ 
umgeändert, 1799 wurde das Blatt nady Stuttgart, 1803 nad Ulm (damals 
bayriſch) verlegt, nachher aber nady Augoburg überftevelt. Stegmann übernahm 
nach Huber's Tode (1804) die Redaktion, leitete diefelbe mit großer Umſicht u. 
trug biedurdy zur Hebung und Verbreitung des Blattes viel bei. Der Drud 
der franzöftichen Fremdherrfchaft laftete fehr fchwer auf der deutſchen Tagespreſſe 
und Deutfchlands Befreiung (1813) gab einer Menge politifcher Blätter ihr 
Dafein. Auguſt v. Kopebue grünbete in Berlin ein „Ruſſiſch-deutſches 
Volksblatt“, A. Brodhaus in Altenburg gab die anfangd mit größtem Beifall 
gelefenen „Deutfyen Blätter“ heraus. Aber das erfte unter allen beutfchen, 
politifchen Blättern jener Zeit war der „Rheinifhe Merkur" von 9. 3. 
9. Goͤrres redigirt, der mit dem 23. Januar 1814 begann und am 10. Januar 
1816 erlofh. Diefes Blatt hat einen Einfluß gehabt, wie keines vorher noch 
nachher in Deutfchland, es war die fünfte Macht geworden (la cinquieme 
uissance), welche nach Napoleons —5 Ausſpruche dieſem Mann gegenüber: 
Rand. Die leitenden Artifel des „Rheiniſchen Merkurs“, faft alle aus Görres 
Feder gefloffen, find in einer fo krafivollen, würdigen Sprache gefchrieben, wie 
fie die deutfche Prefie von beute nicht mehr kennt. Tas preußiſche Cabinet, 
welches die Wahrheit nicht hören wollte, unterbrüdte aus eigener Machtvollfom- 
menheit da® berühmte und einflußreiche Blatt. — Die Frankfurter Bundestags: 
befchlüffe vom 20. September 1819 bilden einen Abfchnitt in der Geſchichte des 
deutfchen Z.8weſens, das mittelft jener Beichlüffe in die engften Schranken zu: 
rüdgebrängt und eingevämmt wurde. ntfchieven war der Einfluß, welchen die 
Ereigniffe des Jahres 1830 auf Deutſchlands Preſſe ausübten. In Rheinbayern, 
Württemberg und Baden entflanden zahlreiche Zagedblätter, die faft alle dem 
Stifte des „wohlfeilen“, in feinen Prinzipien inconfequenten Liberalismus ber 
Periode von 1830, wie der Aufklärerel und Wühlerei auf kirchlichem Gebiete dienten. 
Wir erwähnen bier Siebenpfeiffre „Rheinbayern“ und deſſelben Verfaſſers 
„Weftboten”, die „Deutfche Tribüne" von Würth, dad „Heſſiſche 
Volksblatt" von E. E. Hoffmann in Darmftadt, den „Freiſinnigen“ von 
Rotteck und Welder, fo wie dad „Bayerifche Volksblatt“ von Dr. Eifen- 
mann in Würrzburg. Jenen Blättern gegenüber vertheidiate Dr. E. Jarke mit 
Geiſt und Gewandtheit in dem „Berliner politifhen Wochenblatt“ das 
Prinzip der abfoluten Monardyie. Der Bundestagsbefhluß vom 10. November 
1831 ftellte die 3. wieder unter die ftrenge Wufficht des Polizeiftantes und des 
gefährlichen Rotbftiftes. Die meiften eine freie Eprache führenden 3.n wurben 
nun unterdrüdt, daB badiſche Preßgeſetz vom Bundestage aufgehoben, fo daß die 
meiften Tagesblätter bald in Gehalt und Färbung matt und Traftlo6 wurden, u. 
nichts weiter waren ald geihwärige Errälerionen ter Meutgkeiten des Augen⸗ 


Zeitungen. Ä 1041 


blides. Das Ereigniß von Köln (November 1837) brachte auch in die 3.n 
neue® Leben. Es bildeten ſich die Anfänge einer katholiſchen Journaliſtik und 
die von Dr. Ernſt Zander in trefflichfter Weife redigirte „Neue —— 
Z.“ hatte den größten Einfluß auf die Anſichten der deutſchen Katholiken. Dieſe 
Zeit rief auch die „ Hiftorifchspolttifchen Blätter für das katholiſche 
Deutſchland“ hervor, eine periodiſche Zeitfchrift von umerfchütterlicher Eonjer 
quenz und überaus reihem Inhalte. Das Jahr 1848 brach endlich die Feſſeln, 
in weldye die deutfche Preſſe durch die Cenſur gefchlagen war. Die „Preß⸗ 
freihett* war eine der erften Märzerrungenfchaften und wurde dem deutfchen 
Volke durdy Artifel IV., 8. 13 der Grundrechte in ausgedehnteſtem Maaße ger 
währleiftet. Wie junger Wein leicht zu beraufchen pflegt, fo hatte die junge 
Preßfreiheit diefelben Folgen: die @eifter beraufchten fi an ihr und bie er 
Iingsfrüchte dieſes Rauſches waren wunderliches, Lachen und Mitleid erregendes 
Zeug. Wie die Pilze ſchoſſen die zahllofen, neuen Tageshlätter hervor, von denen 
die melften nicht der Freiheit, fondern der Zügellofigkeit in einer nicht weniger 
als geiftreichen, fondern wahrhaft cynifchen und undeutfchen Weiſe dad Wort re⸗ 
deten. Oeſterreich's Hauptftabt zeichnete ſich hierin vor Allen aus: die „Wiener 
Schandprefie" war fprüchwörtlid) geworben. Im mittleren Deutihian führte 
die „Reihstags- 3." von R. Blum und Günther den Reigen bei viefem uns 
faubern ©eiftertange. Diefer „Auswürfling* der deutichen Preſſe führt noch jept 
eine Spradhe, über die jeder Acht beutfehe Mann erröthen follte und im Geiſte 
dieſes Blattes werben bie meiften rheinshefftfchen und pfälzifchen Z.n rebigirt, 
die an Trivialttät fich faft zu überbieten ſcheinen. Indeſſen haben die allermeiften 
jener über Nacht aufgefchoflenen literariichen Schmarogerpflanzen bald ein gleiches 
2008 getheilt, jenes der Eintagsfliege, die am Morgen geboren wird und am 
Abende erfiirbt. Die Abonnenten ver „Schandprefie” nahmen mit dem erften 
Halbjahre ab, das Gediegene errang fi wieder Anerkennung und verbrängte 
die unzeitigen Kinder der „rothen Republik.“ Deutſchlands verbreitetfte und am 
längften beftehenden 3.n find die „Augsburger Allgemeine, Kölniſche, Frankfurter 
Oberpoftamtd-, Weſer (Bremen) und Norddeutſche (Hannover) 3.”, ferner die 
vom fchlechteften Geiſte befeelte „Leipziger Deutfche 3.”, das Löfchpapierne 
„Frankfurter Journal“ — diefer Urquel aller Weisheit für Commis voyageurs 
und Leute von gleicher geiftiger Tiefe, — die „Keffelring’fche Dorf⸗3.“ 
eine wahre Pythia für die Philiſter auf den Sandflächen Sachſens und den 
Haldeftreden Rorddeutſchlands. ine fehr achtbare Stellung auf dem Gebiete 
deutfcher Bubliziftit nehmen die „Monatsblätter zur I. 9. 3., Eotta’6 
Vierteliahrfchrift, der Wiener „Lloyd“, die „Karlsruher 3." ein. 
Der äußerſte Radikalismus auf Eirchlichem, politifchem und foctalem &ebtete wird 
vertreten durch Die von X. Ruge und Oppenheim in Berlin begründete „Reform“; 
Trägerin communiftifcher Ideen iſt die „Trierer Z.“; Witzblätter find die 
Münchener „liegenden Blätter” u. „Leuchtkugeln? Clegtere frivol), fo wie 
Dettinger’& „Oharto art." DieReipziger „Illuftrirte 3." macht die Weltgefchichte 
durch Illuſtrationen anfchaulich. — Unferer Aufmerkſamkeit befonders werth if 
die Fatholifhe Tagespreffe Deutichlande. Die Intereffen unferer Glau⸗ 
bendgenofien, dad Streben nad volftändiger Unabhängigkeit und Freiheit der 
Kirche, finden Ihre Vertretung in der „Augsburger Poſt⸗Z.“, einer der Älteften 
deutſchen 3., die unter dem Titel „Augsburger Ordinari Poſt⸗3.“ ſchon 1695 
beftand, die zur Zeit ihrer höchften Blüthe (in den Sriegsjahren 1813—15) 
13,500 Abonnenten zählte, nachher aber bis auf weniger als 1000 herabfanf, 
eit 1840 aber, wo fie in den Beflg der Schmiv’fchen Buchhandlung (Kremer) 
berging, fich wieder auf 3500 Abnehmer gehoben bat und mit anerfennungß» 
werthen Sträften, ſowohl von Seiten der Redaktion, als Beringehannlun ‚ihr 
pefediee Ziel verfolgt, überhaupt als eines der geachteteflen Blätter katholiſcher 
tung in Deutſchland daſteht. Kerner in dem „ Mündkyener Boitduaius, 
„Deutihen Volkösblatt“ (in Stuttgart), „Matnyer Sm pütr 


1012 geig. 


burger Journal”, „Rheiniſchen Volkshalle“ in Köln *), dem „Weſt⸗ 
fälifhen Merkur” (in Münfter), der „Rhein u. Mofels3." in Koblen. 
Diefe katholtiche Preffe durch eifrige Theilnahme zu unterflüben und zu fördern 
it heilige Pflicht der deütſchen Katholiken! Aber leider muß und die Scham 
roͤthe ind Geſicht treten, erwägen wir, wie feither diefe Pflicht von uns erfüllt 
worden if. Die Lügenprefie haben wir aus unferem Gädel unterflügt, nicht 
die Preſſe, welche für unfere Intereffen kämpft. Was hilft e8, wenn bie 
tüchtigften publiziſtiſchen Kräfte des katholiſchen Deutſchlands für ein Journal ge 
wonnen werden und Redaktion wie Verleger aus vollen Kräften ihr Unternehmen 
zu heben ſich bemühen? Das Tatholifche Bublıkum unterftüßt fie nicht, es Fauft 
und liedt lieber die Blätter, von denen feine Sache mit Koth beworfen wir! 
Wir koͤnnten bier furchtbare Anklagen erheben, doch wir wollen Iteber ſchwei⸗ 
gen und nichts fagen ald: Jener heillofe Zuftand muß ein Ende nehmen, wir 
müflen eine mächtige katholiſche Prefie fchaffen, damit wir unfere Gegner 
mit ihren eigenen Waffen fchlagen können! Dies mag alljeitig beberzigt werden 
und gerade hier it dem Fatbolifhen Vereine für Deutfchland eine ver 
fhönften Gelegenheiten zu fegensreichem Wirken geboten. Hoffen wir, daß unfere 
Worte nicht verhallen, wie die Stimme des Rufenden in der Wüſte! — Das 
deutfche Z. sweſen überhaupt, welches bis lang nur ein Scheinleben geführt bat, bes 
innt eigentlich jet erft ein neucd Leben und fängt an, fich großartig zu ent 
Falten. Uebrigens wird es nie die Ausdehnung erhalten, die es in England um 
Frankreich bat; die politiſche Zerſtückeluug Deutſchland's tritt hier als ein großes 
inderniß in den Weg. Außerdem aber leidet die deutſche Journaliſtik noch an 
einem anderen Mangel, ſie entbehrt nur zu ſehr eigentlicher Publiziſten von Fach, 
die Gediegenes zu liefern verſtehen und ihre Ueberzeugung nicht nach dem auf 
politiſchem Gebiete gerade herrſchenden Windzuge richten. Einen eigentlichen 
Stand der Publiziſten wie ihn England aufweiſt, gibt ed bei uns noch nicht, 
die Zeit muß ihn erft fchaffen. — Hier verdient auch einer Erwähnung das in 
feiner Art einzige Snftitut der „ Zeltungshalle” in Berlin, wo man die poll 
tifchen, belletrififchen und rein wiſſenſchaftlichen Blätter aus faſt allen Ländern 
der Erde aufgelegt findet und womit zugleich die Herausgabe eines Journals die 
„Zeitungshalle“, redigirt von dem als Gegner der preuß. Regierung und 
Politik befannten Dr. Julius verbunden if. — Handlungs-3.n zum Theil mit bel: 
gefügten polftifchen Nachrichten find die „Lioyds list* in London, das Amfter: 
damer „Handelsblad“, die Hamburger „Börfenhalle”, die „Preußiſche 
andel3-3.” in Berlin, die Nürnberger „Handel8-3.” von Leuchs u. a. 
ir fehließen diefen Artikel mit dem, was der geiftreiche Freiherr v. Eckſtein in 
Paris über die 3. f>gt: „Die Zettblätter find heute ein Bedürfniß und Eon 
fumtionsartifel wie Zuder und Kaffee. Wie ſchlecht die Waare auch feyn möge, 
jeder will davon haben, der Geſchmack des Publikums ift in diefer Beziehung fo 
tyranniſch, wie die Mode, womit wir nicht fagen wollen, daß diefer Geſchmad 
überaus lobenswerth fei.“ C. Pfafl. 
Zeig, eine wohlgebaute Stadt im Regierungsbezirk Merfeburg der preuß. 
Provinz Eachfen, liegt am rechten Ufer der weißen & fter in einer fdhönen und 
fruchtbaren Gegend, iſt giößtentheild auf einer Anhöhe erbaut und zählt an 
10,000 Einwohnern. Die fehr alte Stadt hat ein ſchönes Schloß (bis 1717 
die Refivenz einer Turfächflichen Nebenlinie), Morigburg genannt, welches jet 
zu einem Beſſerungs⸗, Landarmen- und Kranfenhaufe eingerichtet ift, vier Kirchen, 
ein Waiſenhaus, ein Kollegiaifift, ein Gymnaflum mit einer ausgezeichneten 
Bibliothek, ein Schullehrerfemtnar, ein Irrenhaus hat. Nahe bei der Stadt If} der 
fogenannte Thiergarten, ein Wild mit herrlichen Luftpartien; bemerfenswerth if 
auch das ſchöne Denkmal, welches König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 
dem Conſiſtorialrathe Delbrüd fepen ließ. Die Bewohner treiben lebhaften 








®) Diefes Blatt ſcheint {ehr viel Tür vie Autunit 1a werineaen. 


Banvel und Wollen⸗, Baummwollen-, Stärkes und Leberfabrifation ; blühenb If 
auch der Acker⸗ und Bartenbau. — Im Jahre 968 wurde von Dtto I. in 3. 
ein Bisthum geftiftet zur -leichtern Belehrung der Wenden zum Gbriftenthume, 
Das Stift wurde aber wegen der enaen Einfälle der Polen und Wenden, 
sus welche der Btfchof mit feiner Geiſtlichkeit wiel zu leiden hatten, im Sabre 
1029 nad Naumburg (f. d.) verlegt und erhielt von nun an die Benennung 
KRaumburg- 3. Rad) dem Tone des lehten katholiſchen Biſchofs, Julius Pflug, 
wählte da6 “Domkapitel den Eurfädhfifchen Prinzen Wierander zum Apminiftrator 
und nach deflen Tode feinen Bater, den Kurfürften ſelbſt, wodurch das Stift 
bei dem Eurfächfiichen Haufe blieb, bis Kurfürf Johann Georg J. es 1652 teſta⸗ 
mentarifch feinem Sohne Moritz vermachte. Auf diefe Weife wurde die Neben; 
linie Sachſen⸗3. gefiftet, die aber im Jahre 1718 wieder erloſch. Der letztre⸗ 
gierende Herzog, Moritz Wilhelm, verlor die Reichsunmittel t, und ald er 
1717 zu Leipzig auf der Pleißenburg öffentlich zur katholiſchen Kirche überges 
treten war, erklärte dad Domkapitel das a für eig und wollte zur Wahl 
eines neuen Adminiſtrators fchreiten; uf IL von Gachien nam aber das 
Stift mit bewaffneter Hand in Beſitz und brachte es 1726 durdy einen Vertrag 
an das Kurhaus jurüd. Im %. 1815 wurde es an ‘Preußen abgetreten. C. Arendts. 

Zell, Karl, ein geichmadvoller — unſerer Zeit, geboren 1793 zu 
Mannheim, ſtudirte d * unter Creuzer, dann zu Goͤttingen unter Heeren 
und Diſſen und zu Bredlau unter Schneider und Heindorf; war von 1814—1821 
Profeſſor am Lyceum zu Raſtadt und übernahm 1821 eine Brofeffur zu Freiburg, 
wo er 1830 ein philologifches Seminar begründete. Die Univerfität vertrat er 
1831 auf dem Landtage, vorzüglich eine Reugeftaltung des Schulweſens anregend, 
ward 1834 zur Prüfung des neuen Lehrpland für Gelehrtenfchulen zugezogen 
und 1835 zum Oberſtudien⸗ dann Minifterialrath ernannt. Man bat von im 
unter Andern Ausgabe des Nriftoteled „Ethica Nicomachea“, 2 Bde., Heidelberg 
1820. MUeberfegung von beffelben „Organon“, die von Goͤthe als claffifch-be- 
zeichneten „Ferienſchriften“, 3 Vde. Breiburg 1826—1833; „Ueber die Iliade 
und das Kicbelungenlien” 1843. 

Zeller. 1) 3. Simon, Edler von Zellendberg, k.ek. Rath, Leib⸗ 
wundarzt und Primararzt im allgemeinen Krankenhaufe zu Wien, geboren zu 
Niederleis in Defterreich den 3. Januar 1746, ein durch feine Kennimiffe und 
— ausgezeichneter Mann, welcher den 4. Februar 1816 ſtarb. Seine Schriften 

: „Grundſaͤtze der Geburtshuͤlfe,“ Wien 1787, 2. Aufl. 18003, 3. Aufl. 1806; 
Bemerkungen über einige Gegenſtaͤnde aus der prakltiſchen Entbindungskunſt mit 
Kupfern, ebd. 1789; Praktiſche Bemerkungen über den vorzüglihen Nupen de® 
allgemein bekannten Badſchwammes und des Falten Waſſers bei chirurgifchen 
Operationen, Berwundungen und Berblutungen überhaupt, ebd. 1797; Abhand⸗ 
lung über die erſten Erſcheinungen venerifcher Lokaltranfheitöformen und deren 
Behandlung, mit 6 Kupfertafeln, ebd. 1810.— 2) 3. Karl Auguft, ein hoch⸗ 
verdienter Paͤdagog, geboren zu Ludwigsburg im Württembergtichen 1774, warb 
nach vollendetem Studium ber protehantifehen Theologie 1798 Erzieher und 
Drebiger zu Brünn, befuchte 1803 die Anflalten von Peſtalozzi zu Burgdorfim Canton 

ern u. ging, nachdem er 1804 zu Tübingen eine Armenfchule errichtet hatte, 1805 
als Pfarrer und Lehrer am Gymnaflum nad) St. Ballen, auf deſſen Landſchul⸗ 
weſen, fowie auf das der ganzen Schweiz er durch Unterricht der Schulmeifter 
einen fegensreichen Einfluß ausübte. Der König von Württemberg, ein Augen- 
jeuge ng Wirkſamkeit, rief ihn 1808 ald Schulinſpektor nady ‚Heilbronn, die 
preußifche Regierung 1809 als Regierungsrath nach Königsberg, um das Wai⸗ 
ſenhaus zu einer Muftererzichungsanftalt einzurichten und Lehrer zu bilden. Im 
Folge eines töniglichen Befuches feiner Anftalt warb er Oberfchulrath und 1811 
entftanden ſchon die Anftalten zu Braunsberg und Karalene (Litthauen). WIE 
der ruffiiche Krieg feine Wirkſamkeit beendete, erhielt er wie Dawalıe Mint: 
walbe bi Marienwerder, Gpäter lebte er abmerälungduiie IS k SON 0 














1014 Zellgewebe — Zelten, 


Werlar, Bonn und Gtuttgart. Man hat von ihm unter Anderem: „Belträge zur 
A der preußiſchen Nationalerziehung“, 5 Hefte, Königoberg 1810 — 17; 
„Ueber Waiſenhäuſer“, St. Gallen 1806; „Ueber Strafanſtalten“, Stuttgart 1824; 
„Lernemittel für den mechiefeitigen Unterricht”, 8 Thle,, Stuttgart 1839— 1840; 
„Schulmeifterfchule”, 4. Aufl, Leipzig 1839. 

Zellgewebe, tft ein fchwammiges, weiches, im ganzen thieriſchen Körper 
verbreitete® Gewebe, bad alle Drgane umgibt, fie vereinigt und zugleich von 
einander getrennt hält und in ihr Inneres eindringt. Das Auffere, gemeinfchafts 
liche, verhüllende 3. ift fo fehr durch den ganzen Körper verbreitet, daß es feine 
ganze Form darftellt, audy wenn man alle Organe, Muskeln, Knochen ıc. aus 
demfelben wegnehmen fönnte. Diefed Gewebe ift an verfchiedenen Stellen von 
verfchtevener Dice, jedoch bildet e8 eine einzige Subftang, deren Pi durdy den 

anzen Körper hindurch unter einander communiciren, fo daß Wafler, Luft, fremde 
örper, ald Radeln, Kugeln, frei in demfelben ſich bewegen und von einer Stelle 
zur andern wandern. Das innere, verhüllte 3., das die Organe umgibt, bildet 
für fle eine eigenthümliche Hülle und dringt in ihre Subflanz ein. So ſtellt es 
x. B. für die Muskeln eine Menge in einander liegender Kandle dar, in ben 
fi) die Mustelbänder befinden; fo werben ebenfalls die Drüfen in ihren Lappen, 
Läppchen und Körnern, aus welchen fte beftehen, von immer Eleineren zelligen 
Hüllen umgeben, die ehtfe Art zelligen Schwamm bilden; wo dagegen die Organe 
ald: der Magen, der Darm, die Harnblafe aus mehren päuten beſtehen, da tritt 
das 3. zwiſchen diefelben und verbindet fie zu einer einzigen Lage. Im lebenden 
Zuftande erfcheint das verhüllende 3. als ein zarter, halbflüffiger, formlofer, dehn⸗ 
barer Stoff, der nad) dem Tode in ein regelloſes, flodiged Gewebe von Faſern 
und Blättchen erftarrt: es ift überall mit einem wäflerigen Dunſte angefeuchtet 
und enthält an fehr vielen Stellen Fett. Das umhüllte 3. iſt viel zarter und 
nur durch Hülfe der Kunft darſtellbar. Das 3. if farblod und erfcheint be 
einiger Dide weißlich; wahrfcheinlich befteht es aus einer zelligen Faſer; Blut 
efäße und Nerven enthält es nicht, fondern fie geben bloß durch daſſelbe hindurch. 
Der Bildungstrieb iſt wegen der niebrigen Stufe, auf der es im Organismus 
fteht, in ihm jehr entwidelt, daher es, wenn es zerflört worden ift, fidy mit der 
rößten Leichtigkeit wieder reproduzirt, wie man täglich bei Heilung der Wunden 
Ehen fann. Der Nuten des 3. befteht darin, daß er die Form der Theile bes 
fiimmt und das Band abgibt, das zu ihrer Bereinigung dient; feine Elaſtizitaͤt 
und Eontraftilität erleichtern die Bewegungen und führen die Organe in ihre 
frühere Lage wieder zurüd, audy dient e8 zur Aufnahme mehrer Abfonderungen 
aus den Gefäßenden. 

Zeloten hießen bei den alten Juden diejenigen, welche für die Ehre Gottes 
und ihres Tempels, ſowie für ihre Geſetze eiferten und die öfter fo weit gingen, 
daß fle einen vermeintlichen Gotteöverädyter oder Sabbathichänder ſogleich fleinigten, 
oder fonft aus dem Wege räumten, opne weiter dadurch verantwortlich zu werben. 
Auch hießen fo eine Art jüdiſcher Kriegsknechte, welche zur Zeit der Zerflörung 
Jeruſalems fidy in der Stadt in großer Menge aufhielten und die Beſchützung 
des Tempels wider die Römer über fich nahmen, In der That aber nichts Anderes, 
als Bubenftüde, Mordthaten und Plünderungen der Einwohner ausübten. In 
. der Folge, ſowie auch heut zu Tage, belegt man diejenigen mit diefem Namen, 
weldye ohne Ueberlegung und mit Strenge ſich zu Religionsvertheidigern auf 
werfen und gegen Andersdenkende eifern. 

Zelter bezeichnet überhaupt ein fanftgehendes, eines Pferd, befonders zum 
Reiten für Damen beftimmt. Den Namen leiten Einige davon ber, daß man 
dazu ein Kleines Zelt über dem Pferde aufgefpannt habe, Andere von dem ältern 
deutfchen Worte Zelt, (franzöftich amble), weldyed den Bang des Pferdes zwifchen 
Schritt und Trab bezeichnet haben ſoll. 

Zelter, Karl Friedrich, Direktor der Singakademie in Berlin und 
Goͤthe's berühmter Freund, geboren ven A\, Dpæke 1758 in Berlin. Rad 


feige el. a 3 Maurer-M id mit 
Baden fen 60, ben —— 
Gr lernte allmällg das bi —8 Auſehen und den Erwerb 
de (cn Daten ihm —— wi —A Bat fich ig manches — 
6 erfreuen do: 0 
— — das um Keiner (of wi g Go —X 


jelöft willen zu een was ihm 
gene fen war. Und für die geliebte Tentınf fe ſich vos * a 
bterer — in welt höherem Sinne, al iber 
bloße Gei Glavierfp und Abfingen al , was a unter — ae 
Tam, en nicht mehr genügen; er ahmete Höhere® und Tieferes in biefer 
uiſt und was er ahnete, wollte er b; machen. Dazu bebur! 
er Rachhulfe und fuchte fie bei. dem hi igRen Manne, den Berlin — 
Bel Faſch. Er unterftügte feinen Lehrer en — E — des Direkto 
der Berliner Singalademie und es ihn feinen Dimf nach des Meiſters Tone 
1800 durch eine trefflich h abgefaßte 6 2 feines Lebens, feiner Verdieuſte 
u feines gefammten Wirk 1809 ernannte Im de der König wegen der — 
Verdienſte um die Singata —8 zum Profeffor der Tonkunft, wodurch er auch 
Mitglied der er Berliner Kademie der Wiſſenſchaften u. Künſie wurde, auch berief 
er ihn zur Brrbeerun ig der Kirchenmuft nach Königeberg. 3. fliftete in Berlin 
die Liedertafel. Er war zweimal verhetrathet. Seine zweite ran, eine geborene 
geyai, war eine ber Felemolen ii jerinnen an der Berliner Gtingakademie, 
ir 35% von eilf Kindern machte ein 


Somponiß wählte er fidy Beftimmte Gattungen der Muſik ud 5 
(orän! ilte fich auf dieſelben. '& lieferte er faſt ausſchließlich nur figuricte, na 
—5 Een verſchieden ausgeführte Ehoräle, motettenartige, zum 
Theil fugirte Pfalmen und ähnliche — füde und vor Allem Lieber, "heile 
einkimmige, mit Rlavierbegleltung, theils —æ—, ohne legtere. Am 
nem in er im „feinen —— Gefängen, wo er hinter ber adte 
und fchwerfäni Ernſtes vom Herzen ind Herz lacht. Als Direlto 
alademie, abhol — den Berirrungen neuerer .Gomponiften,, fuchte er En le 
liche Bolalmufif in item Andenlen zu erhalten. großes ck pfle 
die Freundſchaft mit Fichte und fpäter wit Gothe, fo, % ie eh 
feinen Geiſt nach den verſchieden Richtungen bereicherte und in eine here, 
teinere Sphäre emporhob, ohne daß er das eigenthümlicye Gepraͤge feines 
darüber verloren hätte, Güte t im feinen iteren Lebensjahren Keinem — — 
Ausnahme fo oft und vertrauli⸗ A; ven, wie ihm, — dies beweist 
6 Bänden von 1796— 1832 gefammelte —E — Beide —*85 —8 
einander mit dem brüderlichen Du u. ber oftmalige Bela) diefer beiden würbes 
vollen ee, — etwas —8 ae und Frage & et die 
von , ehe er von deſſen Krankfein wul en 
Kugmölite un ug Ri I Dr Ginfantei yohdı vos vnenn © 22 


» 


1016 Zend «Mueha-- Zeus, | 
räften und eilte, erfüllt non dem Schmerze über biefen Verluſt, raſch Dem Grabe 
E Aufler Faſch's B bie lieferte 3; einen trefflichen Fr Hayın’s 
ofltionen und Böthed Kunſt des um6; e Beiträge zur er 
uflf » Zeitung. Samm Hleineser Balladen und Lieber für das Clavier, 
Berlin 1803. Endlich im Rachlafle findet fich feine Wutoblögraphie und - Tages 
bücher über einzelne Reifen, u Cm. 
Zend ⸗Aveſta heißt pas heilige. Buch der alten Perfer, weiches nach ihrer 
Behauptung von ihrem alten Lehrer und Geſetzgeber Zoroafter (ven fie ald einen 
Boten Gottes betrachten) berührt und welches deſſen Lehren von Gott, den 
Engeln, der Welt, der Natur, den Menfchen und ihren Belohnungen und Be 
Rrafungen in einer andern Welt, auch Borfchriften über die gottesdien Gere 
monien und Etwas. von ver Altehen perfifchen Geſchichte enthält. Dieſes Wert 
befeht aus verſchiedenen Stücken und iſt in einer Sprache geichrieben, vie heut 
zu Tage eine todte Sprache iR, die aber Zoroafter aus anderen Gegenden zu 
den Perſern brachte. Der Siyi ift morgenländiſch, wit öfteren Wiederholungen, 
wenigen Berbindungen und enihufiaftiichen Ausdrücken. Zend bedeutet die 
Epracye und ftart, worin es verfaßt iſt; Av eſta wird durch das lebende 
Wort überſetzt. Erſt ſeit 1771 iſt daſſelbe durch den franzöſiſchen Gelehrten 
Anquetil du Perron vollſtaͤndig bekannt gemacht und aus der Grundſprache 
uͤberſetzt worden. Die Handſchriften davon, die er aus Surate mitbrachte un 
die von überfirnißter Baummolle find, worauf der feinſte Su ſichtbar iR, Bat er 
der Rationalbibliothek zu Paris gefchenkt. Eine veutfche Leberfegung . lieferte 
Keuter 1776— 77, 3 Bände Im Original wurde ein Theil des 3. heraus⸗ 
gegeben von Burnouf 1830— 35, 10 Lieferungen und von DOlshaufen 1829. — 
Ber L je „Weber das Alter und die Wechtheit ver Zendbfprache ımd des 3." 
343 oder Scheitelpunkt heißt derjenige Punkt am Himmel, welcher 
ſenlrecht über dem Mittelpunkte des Horizonts, alfo auch über dem Haupte oder 
dem Scheitel des Beobachters gedacht und als der höchſte Punkt des Himmels 
betrachtet wird. Jeder Menſch, jeder Ort der Erde hat fein eigenes 3. Der 
entgegengeichte Punkt, der fenkrecht unter den Füßen des Beobachter am Him⸗ 
meldögewölbe gedacht wird, wird Fußpunkt oder Nadir genannt. Unter Z3.⸗Di⸗ 
ftanz eines Geſtirnes verfteht man denjenigen Bogen eines größten Kreiſes, 
‚welcher zwifchen dem 3. und jenem Geſtirn enthalten iſt; fie macht mit der Höhe 
des Geſtirns zufammen 30° au. aM. 
Zeus, 1) 3. aus Elea in Großgriechenland, etwa 500 9. Ehr., ein Zuhörer 
und adoptirter Sohn des Parmenides, erweiterte nebſt diefem die von Feno⸗ 
phanes (; d.) begründete, fogenannte eleatiſche Schule, deren Lehrſätze blos 
fragmentarify und dazu noch fehr entflelt auf und gekommen fin. Man 
ihn, wo nicht für den Erfinder, fo doch für den Berbefierer und Bollender der 
Dialektik. 3. war der Lehrer des berühmten Perikles cf. d.) u. ein moralifc 
guter, ebler, hochherziger Mann. Er unternahm es, feinem von dem Tyrannen 
Tlearchus unterdrüdten Baterlande die Freiheit zu verichaffen, aber das Unter 
nehmen mißlang. Er erbuldete die fürchterlichfien Dualen der Folter mit umübers 
windlicher Standhaftigfeit u. biß fih, um feine Mitverfchrworenen nicht verrathen 
zu können, die Zunge ab. Er fol ſodann in einem Dörfer zerftampft worden 
ſeyn. Bekannt ift von ihm auch folgender Ausſpruch. Als man fi) nämlich 
wunderte, daß er durch harte Beleidigungen einft fehr erzürmt wurde, antwortete 
er: „Hätte ich Fein Gefühl für Beleidigungen, fo hätte ich auch keines für Lob“. 
— 2, 3. aus Eitium auf der Infel Eypern, geboren 359 und geftorben 261 
v. Ehr., kam in feinem 22, Jahre nad) Athen und hörte daſelbſt Philoſophen 
von verfchledenen Sekten, ſchuf ſich aber endlich fein eigenes Syſtem, das aus 
der pythagoräffchen, platoniichen und cyniſchen Philoſophie zufammengefeßt war. 
Er lehrte in einem Säulengange Ger fogenannten IZoıxıIy oroa), woher feine 
Schule den Ramen der ſtoiſchen eruiell. Kr wor won erofter, welsschalticher 








Bene, 1017 


Gemüthsart, aber von rechtfchaffenem Charakters im Disputiren befaß er, wie 
die meiften feiner Schüler, eine vorzägliche Stärke. Die Fam theilte er 
in die Logik, welche die Rhetorik und Dialektik in ſich begriff, in die Phyſik und 
in die ai Seine Logik enthielt viele mbrauchbare Spipfindigfeiten, iſt aber 
doch im Ganzen geeignet, den Geift gründlicher Forfchung zu weden und zu 
erhalten. Die Phyfif enthält viele unhaltbare Hypothefen, aber auch die frucht⸗ 
bare Idee eines zu moralifchen Zweden regulirten und nach unwandelbaren Ges 
feben geleiteten Weltganzen. Die Seelen der Menſchen find nach ihm unfterblich 
und werden nad) dem Tode, wofern fie tugendhaft gewefen find, mit Gott vers 
einigt; wenn aber eine neue Welt entfleht, fo bekommen fle Körper. Auf dieſe 
Lehre von der hohen eh immung und Würde des Menfchen gründete er feine 
gute Ethik. Der Endzweck des Menſchen iſt, der Natur, d. h. Bott, ale dem 
vornehmften Theile verfelben, gemäß zu leben; hierin befteht die Tugend, die um 
ihrer feld willen der höchften Achtung würdig ik und die ganze Gluͤcſeligkeit 
des Menſchen ausmacht. Der Menſch bat, vermöge feiner Freiheit, die zur Aus⸗ 
übung der Tugend erforderliche Kraft in fi. Die Pflichten theilte er in bie 
Pflichten gegen Bott, als Erkenntniß und Verehrung Gottes; gegen und felbft, 
als Selbſterkenntniß u. Unterdrückung aller Gemüthsbewegungen u. Leidenſchaften; 
ge en Andere, als Liebe gegen alle Menſchen. Durdy die weitere Ausführung dieſer 
Fr ichten zeichnete fich die floifche Schule zu ihrem Vortheile aus. Nach 3. machten 
ch Kleanthus und Chryſippus als feine Nachfolger in ver floifchen Schule am 
berühmteften. — 3) 3., mit dem Beinamen der Iſaurier, ee Kaifer, 
hieß vor feiner Thronbefteigung Trascaliffeus, vermählte fih 458 mit 
Ariadne, des Kaifers Leo I. Tochter, die ihm einen Sohn, Leo II., gebar, der 
473 feinem mütterlidyen Großvater in der Regierung folgte. Als derfelbe aber 
im zehnten Monate ftarb, ergriff 3. die Sigel der Regierung, die ſich durch innere 
Serrüttung und häufige Empörung charakterifirte. Die Empörung der Kaiferin 
Berrina, Leo's I. Witwe und ihres Bruders Bafllicus (476), nöthigten ihn fo- 
gar, aud Konftantinopel zu entfliehen, das er jenoch im folgenden Jahre wieder 
eroberte. Seine, bei dieſer Gelegenheit begangenen Grauſamkeiten, fo wie bie 
undanfbare Behandlung gegen feine Anhänger, ermunterten immer zu neuen Ver⸗ 
fuchen, ihn zu flürgen, die, jedoch alle mißlangen. Er flarb den 9. April 491. 
Sein Nachfolger war Anaftaflus. — 4) 3., der Heilige, Biſchof von Verona, 
von Geburt wahrfcheintih ein Afrikaner, ftarb um 380, nachdem er mit vielem 
Eifer und ſelbſt mit Strenge für die Ausrottung der Refte des Heidenthums u. 
für die Förderung der chriflichen Lehre und Zucht gegen arianiſche und andere 
Irrlehrer in feiner Stellung gewirkt hatte. Auf feinem von Wundern verherrs 
lichten Grabe erhob fi) bald eine Kirche und fein Andenken wird aljährlid) am 
14. April gefeiert. Die Kritit hat von den ihm zugefchriebenen Gchriften 93 
Reden für Acht anerkannt. Diefe find theils dogmatiſch, theils moralifch, theil® 
polemiſch; einige find Feſt⸗- und Taufreden und dieſe lehteren dienen beſonders 
zur Kenntniß der heil. Taufgebräuche in jener und der frühern Zeit. Die erfte 
Sammlung feiner Schriften erfchten zu Venedig 1508, dann zu Verona 1586. 
Die Ausgabe der Brüder Ballerini, denen das Berbienft einer forgfältigen 
Scheidung des Aechten von dem Unächten gebührt, erfchten zu Berona 1739, 
Bol. n. — 5) 3., Apoftolo, berühmter dramatiſcher Dichter, geb. ven 11. Dez. 
1663 zu Benedig, wohin ſich fein Vater aus Candia begeben hatte, nachdem 
diefe Infel durch die Türken erobert worden war, widmete fi) der Poeſie u. 
der alten und neuen Gefchichte und wurde auf diefem Wege zur Reform der 
ttaltenifhen Oper geleitet. Kaifer Karl VI. berief ihn an einen Hof und er⸗ 
nannte ihn zum Hiftoriographen und Theatervichter. Er begab ſich aber 1729 
wieder nach Venedig und flarb dafelbft ven 14. November 1750. an hat von 
ihm: Vocabulario della Crusca; Dissertazioni istoricho-critiche et leterarie in- 
torno agli istorici Italiani, che hanno scritto latinamente , wuuwenat N 
Vossio, 2 Bde., Vened. 1752, 4.5 Istorici delle cose Tenezinne \ anal am 


4018 Zenobia Zentner. 


soritto per publico decreto, 10 Bde., ebendaſ. 1718—22, 4. Huch befor 
er eine u6dabe der italientfchen Befchichte son Guicciardini, 2 Bde., 17 
ol.; Giorsale en Libtern zu a daB bi et 1710 * Pte) D mber an 
arino hera . enter eb er me ele un 
die ernfihafte Oper mit dem Trauerfpiele in nähere Bertwanbifäaft Seine dra⸗ 
matifchen Werke famen 1744 in 10 Bänden zu Venedig heraus. 
bia, Septimia, Königin von Palmyra in Eyrien, Gemahlin ve 
Odenatus, den die Römer jum Feldherrn im Oriente ernannten und enblic, zum 
Auguſtus in Gallien erkiärten, fo, der gewöhnlichen Sage nadh, von einem Ptolomäer 
un) ber Klenyakre abfammen. ga „res Gemahlõ —— den fie verur 
of, .n en ugusta an, vergt nen geftiftete 
eich —8 dem fie ais Obervormuͤnderin ihrer Soͤhne vorſtand, bis fie endliqh 
von Kaiſer Aurelian mit Krieg über un, gi lagen unb nach der aeg 


von Palmyra gefangen * auf des Kai 
Rom (273) u. erhielt von demfelben einige Landgüter in der @egenb von 
wodurch fie in Stand gefegt wurde, ihren Töchtern eine vorzägli 3 
zu geben und fie an vornehme Römer zu verheirathen. Ihr 
erhielt fpäter en Keineb Fürſtenthum in Armenien. Ihr Todesjcht iR 
er, 0 entner. 
er, Seorg Friedriich, Freiherr won, k. bayeriſcher Staatsminiſter u. 
Reichsrath, geboren am 27. Auguſt 1752 zu heim von bürgerlichen E⸗ 
tern, erhielt feinen erſten Unterricht von den Zeluiten in Mannheim und flubirte 
fobann auf der Univerfität Helvelberg. Um fich in ber frangörtchen Sprache zu 
vervollkommnen, brachte er anderthalb Jahre zu Metz und Kancy zu, ging bier 
auf nach Göttingen, practicirte eine kurze Zeit am Reichskammergerichte zu 
lar und ward 1777 vum Profeſſor des Stantörechtd in Heibelberg ernannt. 
er fein Lehramt wirklich antrat, erhielt er von dem sften Karl Theodor 
noch die Erlaubniß, zwei Jahre einer gelehrten Reife widmen zu dürfen. Er 
begab fich nun wiederholt nach Göttingen und dann nah Wien, um das Ber 
ahren am Reich&hofrathe Eennen zu lernen. 1779 endlich eröffnete er zu Heidel⸗ 
erg feine Borlefungen über das Stantsrecht, welche ſich eined auflerornentlichen 
Andranges von Zuhörern zu erfreuen hatten. Schon früher wegen feiner tiefen 
publiciſtiſchen Kenntniffe in Staatögefhäften zu Rathe gezogen, wurbe er von 
dem Kurfürflen Maximilian Joſeph bei deſſen Regierungsanıritte im Jahre 1799 
ſogleich nach München berufen und zum geheimen Rathe im Miniſterialdeparte⸗ 
ment der geifllichen, und bald darauf audy der auswärtigen Angelegenheiten er 
nannt. In diefer und der nächflen Zeit gingen von ihm merkwuͤrdige Anord⸗ 
nungen aus, welche vie Berbeflerung des Unterrichtsweſens in den Volls⸗ und 
gel rien Schulen und die Verbreitung der Eultur erzielten. Bel der Errichtung 
Minifteriums des Innern im Jahre 1808 wurde 3. Vorſtand der Studien 
fection, 1817 Staatsrath und Generaldirektor im Minifterium des Innern. Rad) 
der Verkündigung der bayrifchen Verfaſſungs⸗zVrkunde im Jahre 1818, deren Bes 
arbeitung und Zufammenflellung wefentlich dem Geifte und der Feder 3.6 ange 
hörte, ſchmückte ihn fein König eigenhändig mit dem Großkreuz des Civilverdienſt⸗ 
ordend. 1819 ward er in ben Ereiherrn d erhoben und zu dem Miniftercon 
grefle in Wien abgefendet, nady feiner Zurüdkunft mit dem Titel eines Staats 
minifterö zum Miiglieve des Minifterrathes ernannt und mit einem anfehnlichen 
Lehen in der Oberpfalz begabt, 1823 endlich zum lebenslänglichen Reidysra 
und zum wirklichen Staateminifter der Juſtiz erhoben. 1827 feierte er fi 
fünf jährige® Amtsjublläum und erhielt bei diefer Gelegenheit den Lubwige- u. 
en St. Hubertusorden. Ginige Jahre fpäter fand er —* durch die wachſenden 
Beſchwerden ſeines hohen Alters gemahnt, den Ruheſtand zu erbitten, der ihm 
1831 gewährt wurde. Am 20. Oltober 1835 ſetzte eine Entkräftung nach kurzem 
Krankenlager dem tbatenseichen und vielbewegten Leben des ausgezeichneten 
Staatsmannes ein Ende. WD. 





" Zephanias — Zepbiriuns, 1019 


Zephanias, einer der zwölf Kleinen Propheten des alten Teflaments, Zeits 
genofie des Jeremias und Czechiel, in der Mitte des fiebenten Jahrhunderts 
v. Ehr., wird gemeiniglich für einen Urenkel des Königs Hiskias gehalten. Er 
iR Fein origineller Dichter, fondern bloßer Nachahmer und die Zelt hat nur zwei 
Volksreden von ihm erhalten, wovon die erfte die Beinen erſten und bie zweite 
das dritte Kapitel ſeines prophetiichen Buches ausmacht. 

Zephiriuus, Name zweier römifchen ‘Bäpfte: 1) der beilige 3. L, von Ge⸗ 
burt ein Römer, folgte dem Papſte Bictor 202, in eben dem Jahre, in welchem 
Severus das Feuer der fünften Chriftenverfolgung anfachte, auf dem Stuhle des 
heiligen Petrus. Er war der Beichüger und Tröfter der Gläubigen und feine 
Liebe fühlte tief die Leiden aller verfolgten Belenner Jeſu. Die Triumphe der 
Märtyrer erfüllten ihn zwar mit hoher Freude, fein Herz ward aber auch fchwer 
verwundet durch den Fall der Adtrünnigen und Keber und feine Seelen, 
betrübniß über die Blindheit der leßteren hörte nicht auf, obgleich der Friebe 
der Kirche Gotted wieder gegeben ward. Die vorzüuglichſten Steberhäupter, 
die damals ihre Irrthümer ausftreueten, waren: Marcion, Prareas, Balentin 
und die Montaniften. 3. errang, nach dem Berichte des heiligen Optatuß, 
über Alle den Steg. Nichts betrübte ihn aber mehr, als Tertullian’d Fall, 
den man zum Theile deffen Stolze und zum Theile dem Proculus zuſchreibt. 
Diefer war ein beredter Montaniſt, deſſen übertriebener Lobredner Lertullian 
wurde, nachdem er zu defien Sekte übergetreten war. Proculus ward dennoch 
zu Rom in einer Unterrevung mit Cajus, einem gelehrten Priefter der römifchen 
Kirche, den 3. fpäter zum Reglonar-Bifchofe machte, widerlegt. Eufebiuß, 
der heil. Hieronymus und Photius ertbeilen dem Geſpräche des Cajus und 
Proculus, das nicht auf und gekommen ifl, große Lobſpruͤche. — Nebft viefer 
Widerlegung der montaniftifchen SIrrlehre fchrieb Cajus auch gegen Artemon, der 
lehrte, daß Jeſus Ehriftus ein bloßer Menſch fe. Aus einem der anderen ges 
lehrten Werke dieſes Priefters aber hat audy Eufebius feine Erzählung von des 
Natalis Buße genommen. Natalis lebte zu Rom und hatte verfchiedene Mars 
tern für den Glauben erbuldet, nachher aber ließ er fidy verführen von Asklepio⸗ 
bot und Theobot dem Wechsler, beide Schüler des Gerbers Theodot, welchen ber 
Papft Victor feiner SJırlehre wegen aus der Sirchengemelnfchefe ausgeſchloſſen 
Pre Diefer Irrihum verbreitete diefelbe Keperei, wie Ebion, lehrend, Ehriftus 
ei bloß ein Menſch. Die zwei Ketzerhäupter ſtellten Natalis zum Biſchofe ihrer 
Sekte auf und machten ſich anheifchig, ihm ein monatliches Einkommen zu vers 
abreien. Gott aber erbarmte fich deffen, der feinen Namen befannt hatte und 
warnte ihn durch mehre Gefichte, die Partei der Keber zu verlafien. Den Mahn⸗ 
ungen von Dben folgend, warf er fi, in Thränen zerfließend und mit einem 
Bußkleide angethan, vor 3.8 Füße, bat auch Intefällig vie rechtgläubige Gemeinde 
um Berzeihung und gab ſolche Merkmale der Reue, daß Alle innigft gerührt 
wurden. 3. nahm ihn aber nur mit vieler Mühe in die Kirchen emein haft 
auf, obgleidy er auf das Dringenpfte um diefe Gnade flehte und die Striemen 
der, wegen feiner garnetigfeit im Irrthume von einem Engel erhaltenen, Züdhts 
{gung pergeigte. ndlic) ward er, des aufferordentlichen Schmerzes wegen, den 
er über feinen Fehler an den Tag legte, audy noch von den Kirchenftrafen freis 
gefprochen, die damals fehr langmwierig und firenge waren. Euſebius meldet, 
daß der heilige 3. einen fo Eraftvollen Eifer gegen die Bottesläfterungen der 
Ketzer, der Berrührer des Natalis, bewies, bob diefe ihn auf die empoͤrendſte 
Weiſe verfolgten. Es gereichte ihm aber zur größten Ehre, fidh den Hauptver- 
theidiger der Gottheit Jeſu nennen zu hören und als folcher für Jeſus zu leiden. 
Diefer treue Oberbirt ftarb im Jahre 219, nachdem er 17 Jahre der Kirche 
Sotted vorgeftanden Hatte und wurde am 26. Auguft auf dem Ealirtinifchen 
Kirchhofe beerdigt. Den Namen Märtyrer, den ibm einige Mariyrologiften beis 
legen, erwarb er fich durch die Leiden, denen er während der Werinlauin, SUR 
ſeßt war. Ueber feine Todesart weiß man wiäyt® gan Areiiiusd. IHR 


1020 Ä Bephyeos — Zersamuen; 


26. Auguſt. — 2) 3. IL, Geverinus, ein Römer, wurde im Jahre 

640 aa und regierte vie Arie zwar nur wenige Tage über zwei Monate, 
hat fi) aber während biefer kurzen Zelt durch feine glänzenden Tugenden, feine 

‚ aufferordentlicye Leutſeligkeit und feine Liebe gegen die Armen die allgemeinfle 
ochſchaͤtzung erworben. Der um diefe Zeit regierenbe Kaiſer Heraflius, melde 
& dur edereroberung des heiligen verbient gemacht Batte, 

wurde ein Störer der kirchlichen durch feine Verordnung, Ecothesis, ». 1. 

„Auslegung“ genannt, wodurch er verbot, von der pamaligen Gtreitfrage von einem 

oder zwei Willen in Chriſto zu reden. Auch 3. follte biefelbe unter 

allein er ließ fich nicht dazu bewegen. Dieſe Ecthesis wurde mit ihrem 

vom Papſte Johannes IV, verdammt, worauf Heraflius dieſelbe nicht als We 

— erkannte und ſie einem Andern zuſchrieb. Der ar mußte, eben weil 

er die Ecihesis nicht annahm, die Plünberung ver Kirche im Lateran erfahren, 

In jenen Zelten war es Sitte, daß. man die Schäge In den Kirchen verwahrte. 

Mauritius, welcher daB anfehnlidye Amt eine® Chartalarius ober Archivar 

am Eaiferlichen Hofe verwaltete, fpäterhin aber einen Aufruhr erregte und 

bie verdiente Strafe empfing, veranlaßte dieſe PBlünberung und ber 

inlid ana a feinen davon. Der Papft 3.Rarb bald darauf, 

nli aus Gram. - 

Zephyros, in der griechifchen Mythologie der perfonifigirte Weſtwind, Sohr 
des —** und ber —* war an be Thurme der Winde in Wehen neh 
den fieben anderen Hauptiwinden abgebildet, umterfchieb ſich jedoch auffallend von 
ihnen dadurch, daß er ganz unbekleivet, nur mit einem Mantel leidyt drappkrt, 
erfchien, weil er ber wärmfe Wind war. In dem Soße des Mantel ing 
er eine Menge Blumen. Auf felnen Hauch beliebte fih bie ganze Natur. 66 

eint übrigens, als muͤſſe die Lage des Landes feine Beichaffenheit modifijzitt 

en, da er bei Homer rauh und unfreunblich genannt wird. 3. liebte den 
dhönen — warb aber von Apollo verdrängt, daher er, als beide Freunde 
ch im Disfuswerfen übten, dem erftern die Scheibe an den Kopf trieb, woran 

elbe farb. Seine Geliebte war Chlorid (Flora), die Göttin der Blumen, 
welche er, wie Boreas die Orithyia, entführt hatte. 

Zerbft, die größte Stadt im Herzogthume Anhalts Deffau, an der Ruthe, 
at ein fchönes Schloß vor der Stadt, eine in herrlichem gothiſchem Style er 

te Kicche, ein Gymnaſtum im chemaligen Sranzisfaner-Klofter, ein Waiſen⸗ 
haus, Hofpital, Zwangsarbeitöhaus ꝛc. Die Stadt iſt Sitz des gemein 
lichen SOberappellationsgerichte® für die anhalt'ſchen und fchwargburg’ 
Lande u. war früher Refivenz einer eigenen Linie des anhalrfchen Fürſtenhauſes. 
Die Einwohner, 9500 an der Zahl, fabriziren Gold» und Silberdreſſen, Fayente 
und Belpel und treiben anfehnlichen Weder» und Gartenbau. In der Nähe das 
Luſtſchloß Friederifenberg. 

Zerrenner, 1) Heinrich Gotlieb, ein namhafter Volksfchriftfteller un 
proteftantifcher Kanzelredner, geboren 1750 zu Wenigerode, fludirte zu Halle 
Theologie, warb Lehrer zu Kloferbergen, Pfarrer zu Bayendorf, Supertntenpent 
zu Derendurg und flarb 1811 als @eneral-Superintendent, Eonfftorials und 
Saulrath zu Iberſtadt. Seine äcdyt- populären, klaren Schriften haben zu 
Hebung ver Bolfshildung viel beigetragen, befonders fein -„Deutfcher Schulfreund 
(46 Bde. 1791—1811 zugleich mit dem „Reuen deutfch. Sehulfr.“), „Volkobuch⸗ 
(2 The. 1787), „Schulbibel* (1799) u. f. w. Auſſerde die treffiicdyen „Pre 
bigten” 2 Samml. (1779 — 81), „Raturs und Nderpredigten” (1783), „ 
liche Bollsreden“ (1785) u. f.w. — 2) 3., Karl Chriſtoph Bottlich, Sohn 
des Vorigen und ebenfalls ein achibarer Paͤdagog, geboren 1780 zu Bayenborf 
bei Magdeburg, flubirte zu Halle Theologie und warb Lehrer an der Kloſter⸗ 
Ernie, Mrebi er, Eonfiforials und Echulrath zu Magdeburg und if jept Dis 
reftor des Schullehrerieminmns dalelhk, Scyuliugeltar u. f. m. Er fente den 
Schulfreund feines Baters fort, LI 09 N, Wo. UMR— UA, TR Qermusagher 


Zeſen — Zeugma. 1021 


des Jahrbuches für das Volköfchulmeien (1825 u. fi.) und ſchrieb „Huͤlfsbuch 
für Lehrer und Erzieher bei den Denkaͤbungen“ (4 Thle. 1803 f.), „Denkübun- 
en” (1812), „Taſchenbuch für tägliche Erbauung“ (1812), „Methodenbuch für 
olksſchullehrer“ (1813 u. öfter), „Grundſatze der Schulerziehung“ (1827) u. ſ. w. 

Zefen, auch Cäſtus genannt, Philipp von, ein fehr fruchtbarer Dichter, 
geboren 1619 zu Prirau, einem fächfifchen Dorfe, ſtudirte zu Halle, Wittenberg 
und Leipzig Philologie und befchäftigte fich viel mit Poeſte. Er lebte ohne beftimmtes 
Umt, am längften in Hamburg, wo er, zugleich Mitglied der fruchtbringenden 
Geſellſchaft, die deutichgefinnte Genoſſenſchaft (Rofenorden) fliftete. Sein Haupts 
beftreben ging auf Reinigung der deutſchen Sprache von fremden Wörtern, übers 
fläffigen Buchflaben u. dgl. und fo bildete er feine eigene Orthographie. Do 
war er fo befannt geworben, daß er Rath, Eaiferliher Pfalzgraf und geavelt 
wurde. Gr flarb in Hamburg 1689. Seine vielen Werke, Eritifch, moralifch, 

oetiſch, fatyrifh u. ſ. w. find voll Sonderbarkeiten, theils ein matted Reimges 

ingel, theils phantaftifch, theils ſuͤßlich taͤndelnd; doch iſt feine Kritik und feine 
Erfindungsfraft nicht gering: „Hochdeutſcher Helifon”, 3 Thle. 4. Aufl. 1656; 
„Rofenmond“ 16515 „Frühlingsluſt“, 16925 „Dichterifcher Rofengebüfche Bor; 
ſchmack“, 1642; Dichteriſche Jugend⸗ und Liebesflammen“, 1651; „Gekreuzigte 
Liebesflammen“, 1653; „Reifebilder“, 1677; „Brirau, oder Lob des Vaterlandes“, 
1680; „Ibrahim's und Iſabellens Wundergefchichte”, 4 Thle,, 2. Aufl, 1665; 
„Afrikaniſche Sophoniobe“, 3 Thl., 2. Aufl. 1647 u. ſ. w. 

Zetergefchrei hieß früher das Geſchrei, welches man erhob, fobald ein 
Verbrecher auf frifcher That ertanpt wurde, theild um Hilfe, theild um Zeugen 
berbeizurufen. Die dreimalige Wiederholung ded Worte® „Zeter“! kam dann 
beim hochnothpeinlichen Haldgerichte nach Berurtheilung des Werbredyerd vor, 
auch während er vor den Richter geführt wurde. 

Zetter, Guſtav, pſeudonym Friedr. Dite, ein lyriſcher Dichter, ge⸗ 
boren 1815, lebt zu Mühlhaufen im Elſaß, wo er, wie die Gebrüder Stöber, 
bemüht iſt, deutfche Literatur und Philofophie zu fördern. Seine Gedichte, unter 
benen ſich viele gelungene Bearbeitungen von fchweizerifchen und elfälftichen 
Sagen befinden, haben eine fchöne Sprache und Form und zeugen von lebendiger 
Phantaſie. „Schweizerſagen in Balladen, Romangen und Legenden”, 1841, 
zweite Sammlung 1842; „Elſäſſiſche Reujahreblätter*, 1843 f. mit Auguſt Stöber. 

Zeuge (testis), heißt im Gerichtöverfahren diejenige Perſon, weldye eine 
Danblun oder Begebenheit mit den äußeren Sinnen wahrgenommen hat. Die 

ngabe diefer Wahrnehmungen des 3., fein Zeugniß, tft ein hauptfädhliches Mittel, 
um Thatfachen vor Gericht zu beweifen. Ein 3., defien Zeugniß bei einer ges 
richtlichen Entſcheidung gelten fol, muß 1) perſönlich fähig feyn, die wahre 
Beichaffenhelt einer Begebenheit mit eigenem Sinne zu erkennen und treu und 
yollftändig mitzutheilen (testis habilis); @eifted- und Sinneskranken gebricht dieſe 
Faͤhigkeit. Es darf dem 3. 2) nicht an dem guten Willen fehlen, die Wahr: 
yeit mitzutheilen (testis non suspectus). Berdächtig in dieſer Beziehung find 
Berfonen anrüchigen Lebenswandels (Verbrecher, Meineidige ıc.) ; ſolche, die mit 
ner Bartei oder einem angeflagten Freund, oder Feind, oder verwandt find, bie 
on ihrer Ausfage Vortheil oder Rachtheil zu erwarten haben, die in ihrer Aus⸗ 
age ſich toiberfprechen oder Lügen begehen u. fe w. Der Zeuge muß 3) feine 
Husfage vor Bericht abgelent u. befhworen haben. Einen 3 dem in 
einer diefer Rüdfichten ein Zweifel entgegenfleht, nennt man einen völlig glaub⸗ 
vürdigen oder claffifchen 3.n. Die übereinftimmende Ausfage wenigftens zweier 
laſſiſchen 3.n liefern völligen Beweis vor Bericht. Wiverprüche in der Aus⸗ 
age mehrer, obſchon im Uebrigen tüchtiner, y heben nach den Umſtaͤnden 
veren Glaubwürdigkeit auf, oder mindern fe do | 
eughaus, I. Arſenal. 
eugma (woͤrtlich: Zuſammenjochung, Verbindung) IN dror Tuastiler Rust, 

vodurch zwei Subiekte mit einem Pradilate ſo verbunden weruen, TOR WAR \ERUR 


[7 


tr Bengung -—- Besfäteit. 

ammatifch nur zu dem eigen von beiben ‚dem en aber ein anberes, 
* jenem Germabie®, Bräpifat fuppfirt * muß mes B. „der Menſch ge 
nießt in feinem Leben vielfaches Vergnuͤgen aber auch vielfachen Schan;" * 
das Zeitwort „Genießen“ eigentlich mır zum erſtern paßt, zu „Sch 
aus dem Bufemmenbange ei anbered ge wort, wie etwa „empfinden“ * 


werden muß. 
ft im engern Einne d der lechtochãtigkeit, d 

IE bar ige männlicher und ee —S der Kinn 
einem neuen gi Adjartigen Individuum gelegt wird. Vgl. den Urt. Befruqh⸗ 
—— — Im weitern Einne nennt man 3. die Entſtehung von Inbivinuen obm 
tlicde Einwirkung aus vorhandenem Stoffe, wobei das Zufammentreffen 
gef fer Ratürlichkeiten gewiſſermaßen das männliche Prinzip vorſtellt; z. 8. 
gun von Schimmel, In „Zoophyten, Eingew eweilbewärmern x. 
Auf biefi Ganzen feltenen, Grfcheinung beruht Dfen’s Hypotheſe von 
ICH: Vien .pelchen mit Hülfe der Wärme alle organtichen nt ent, 


(ll ſeyn Kun. 
Joh. Auguſt, ein au6gegelääneter a re 
erg, Sohn sr im Jahre 1788 geordenen ? bilologen 3% — Ba 
un u Wittenberg 1778, war 1803 —5 Lehrer am grauen Klofter u Berl 

eftor ver Blindenanftalt, 1810 zugleich Profeſſor ver apbie pr 

ber  Unfoerftät. Er errichtete 1814 mit Wolfe und Kraufe die Geſeliſchaft für 
deutiche Sprache, 1828 die für Erdkunde. Wir nennen von feinen m gränliden 
Schriften: „Beliſar, über ben Unterricht ber Anden‘, n. A. Berlin 1838; 
„Allgemeine naturgem e Erdkunde“, 2 Bbe., 2. Aufl, Gera 1ass; „Die 3 
Etufen „De er 544 3 Kiebelnngen Roth und Kiage*, 2 » Wufl., 1836. 

, f. Jupiter. 

enriß, ver erfte und einer der berühmteften Raler der ionifchen Schule, 

um 400 v. Chr., gebürtig aus Heraklea, ein Schüler des Atheners AÄpollodoros, 
defien iferfucht er foäter erregte, geichnete fi) durch ein zartes Golorit, beſſere 
Vertheilung von Licht. und Schatten und weiche Modellirung, fo wie durch treu 
Rachahmung ver Ratur aus. Er gelangte zu großem Ruhme und feine Ge⸗ 
mälde zu fo hoben Preifen, daß er fie zulebt ver hleriiy „wei fie 8* feine 
Ausfage nicht zu bezahlen felen. Als er in einem künfler Wettſtreite Wein, 
trauben fo täufchenb malte, daß die Bögel auf fie —5 (in Rebenbubler Parr⸗ 
hafios aber einen Vorhang mit folcher Wahrheit, daß 3. bat, behfelden hinweg: 
uziehen, mußte er fich für überwunden befennen, „weil er nur ragel, jener aber 
GRenichen dur die Kunf u täufchen gewußt habe." Er fol einer von 
dm gemalten bäßlichen Hefuba vor. Lachen een ke feyn. Am beften gelang 








m die Darftellung zarter weiblicher Anmuth. Am berühmteften waren : feine 
enelope, feine Helena, für deren Darflellung bie Keotoniaten ibm 5 der fchönften 
Jungfrauen be Stadt zu Modellen gaben, feine von Lucian gefdhilderte Gen 
—2 fein Jupiter, von ben Göttern umgeben ıc. 
ezſchwitz, Sohann Adotpb von, — ** —— Staatsminiſter u. 
Senat teutenant, geboren zu Taubenheim In der Oberlaufig 1779, trat nad 
forgfältiger Borbilbun 1797 pi das fächfiiche KarabiniersRegiment ein, beenbigte 
De, feine {don früßer begonnenen St Studien auf der Untoe At Leipzig ‚ wurde 


rg acht von Jena mit einem Berichte defwcommandirenden Generals 
| am ven E Briebrid Auguſt gefanbi, 1807 zum "Bremierlieutenant und Ad⸗ 
futanten befördert und bet der, 1809 flattg efunbenen, Mobilmachung der Armee 


als Sous⸗Chef des Generalſtabes der —* Diviſion des damaligen fiebenten, 
von Bernadotte befehligten, Armeecorpsé angeſtellt. Sein militäriicer Ueberblid 
gewann ihm die befondere Zuneigung des erwähnten Corpocommandanten. Nach 
dem Gefechte bei Linz ward er zum Hauptmann bed Generalfiab® befördert und 
. von Rapoleon wegen einer weräunerten ratoiinkken er — an den Koͤnig 

Fraukfurt g a Kay Velen IAten adna. cr yamı Meier 


Gezfchuig. 1088 
und warb bei der, 1810 erfolgten, neuen antfation der fächftichen Armee als 
Chef des Generalſtabes der von —ãâ St — — — — — e⸗ 

Ut. Seine —— zum Obriſtlieutenant erfolgte im Februar 1812. B 
inne der ne 1812 ward ihm die Funktion eines Chefs des General⸗ 
ſtabes der zweiten Divifion des ſtebenten Armeecorps übertragen, er unterm 6. 
Juli deſſelben Jahres aber ſchon zum Qberſten avancirt and zum Gommandenr 
des damaligen Uplanenteglmenie Clemens ernannt. Mit viefem warb er 
ber, zur Bertheidigung von Kobryn befehligten, SInfanteriebrigade von Kiengel 
beigegeben und theilte in dem ungleichen Kampfe, ven die ungefähr 2500 Man 
fä er Truppen gegen dad ganze Tormaflow’fdhe Corps, von dem allein mehr 
als 12,000 Mann in’d Gefecht gebradyt wurden, zu beftehen hatten, das ungläds 
liche 2008 der Befangenfchaft nach einer zehnfänbigen tapfern Gegenwehr. Mit 
dem gefangenen Corps nady Kiew abgeführt, verdanfte man [einem Einfluffe bei 
den ruffifchen Behörden die Errichtung eines fächfiichen Hofpitals für die vielen 
Bleſſtrien und Kranken und daß eine derartige Dienflorbnung in der gefangenen 
Brigade erhalten ward, wie fie nur felten pa a vorkommen 
wird. Nach dem Wicdereintreffen aus Rußland w . al8 Adjutant bei dem, 
das dritte deutſche Armeecorps befehligenden, Geriog von Weimar angeflellt. In 
biefer Funktion wohnte er dem —— 1814 in den Riederlanden umd ber 
leitete genannten Fuͤrſten nad) hergeſtelltem Frieden auf einer Reife nad) Paris u. 
ondon. Dem Feldzuge 1815 wohnte 3. abermal® als Gtaböoffizier du jour 
des dritten deutfchen corp8 bei, wurbe bei der, nach ber Landestheilung 
flattgefundenen, neuen Formirung des koniglich fächfifdhen Corps unter ven Bes 
fehlen des ®enerallieutenants von Le og als Chef des Generalſtabes engeren 
und leiftete auch in dieſer ihm en Ainftelung die wefentlichften fle. 
Bei dem, 1816 aufgefteiten, ſaͤchſiſchen Eorps der Dccupationsarmee in Frankreich 
ward er als Ghef des Beneralflabes dem dieſe Truppen befehligenden Generals 
lieutenant von Gablenz Delgeges ‚tm Juli 1817 aber sum Generalmajor beförs 
dert. Nachdem 1818 dieſes Corps nad Sachfen purüdgefehtt war, nt 3. 
die ehrenvolle Stellung al Berollmächtigter bei der Militärcommilfton des 
deutfchen Bundes zu run. 1824 ward er von biefer Miffton abberufen, da 
er von dem Könige zum ichen geheimen Rath und Praͤſidenten ver Kriege: 
vera mer ernannt ward. WIE foldher b ete er das in Struppen 
beſtehende Erziehungsinſtitut für Sofdatentnaben, welches ſich noch jegt eines aus⸗ 
gezeichneten Rufes zu erfreuen hat. 1830 warb er zum Gonferenzminifter und 
1831, bei der neuen Einrich der Berwaltung, zum Staats⸗ u. Kriegeminiker 
unter Beförderung zum Generallieutenant ernannt. Aubgerüßet mit feltenen Gas 
ben des Geiſtes und des Gemuͤthes, befeelt von einer innigen Liebe für König 
und Vaterland, fand 3. in der ihm nun geöffneten Laufbahn ein weites Feld der 
Thaͤtigkeit. Recht und Gerechtigkeit zu war fein flete® Streben. Auch in 
den Kammerfisungen von 1833—37 gab er — eweiſe ſeiner parlamen⸗ 
tariſchen Kähigkeiten und das Geſet über bie ärpenfionen ifl — ſein 
Werk. 1838 unterlag db fon kraͤftiger Körper feinen geiſtigen eng⸗ 
ungen. Auf einer "Eh d die deutſchen Staaten, weldye zum heil militär, 
ifchen Zweden, zum Theil Aber auch der Wienerherfiellung feiner fdyon ſchwank⸗ 
end geworbenen Geſundheit gewidmet war, verſchlimmerie ein Geſundheits 
uftand und er kehrte Trank nady Sachſen zurüd, Cine fpäterhin nunternonmene 
adekur in Gaftein war edenfalld nicht im Stande, feine gejunfenen geiftigen 
Kräfte wieder in dem Maße zu heben, daß er feinen Poſten ald Kriegemini 
fernerhin hätte behalten können. Er reflg deßhalb und ber König belohnte 
unterm 5. Sept. 1839 feine treuen, ausgezeichneten Dienfle mit der Vebertragung 
des Commando's der Feſtung Koͤnigſtein, welches er bis wenige Tage vor feinem 
Tode fortführte. Auch in diefer Stellung beiwahrte er fich nicht nur die Ute, 
der Armee, fondern erwarb auch. die Wescheung, vn Agua, er rien 












1024 Zibeth — Siegel. 


der Umgegend, fo daß feine feierliche Beerdigung (er ſtarb am 2. Mai 1845) 
das ſprechendſte Zeugniß hiefür abiegte. 

Zibeth (Zibethum) iſt eine fettähnliche Subſtanz, die bei dem Geſchlecht ber 
Z.⸗Katzen in gewiflen Drüfen abgelonbert wird, welche ſich in einer Spalte zwi⸗ 
fchen dem After und den Gefchlecdhtötheilen befinden. Er kommt meiftentheild 
entweder von der afrikaniſchen Z.⸗-Katze (Viverra Civetta, Schreber), die im mitt: 
lern Afrika lebt, oder von der aflatifchen CViverra Zibetha, Schreber), welche in 
Dftindien, Siam und auf den Molukken einheimifh if. Der 3. ift Anfangs 
weißlich, wird durch's Alter gelblich und zulegt bräunlich; er if fettig, ſalben⸗ 
artig, Geruch Fark, eigenthümlich, mofchusähnlih, Geſchmack bitterlich, wider: 
lich. Durch Erwärmung wird er flüfftg, bei flärferer Erhigung verbrennt er mit 
heller Flammen. In kaltem Alkohol und Aether ift er wenig loͤslich. Wegen 
jene hoben Preiſes wird er manchmal mit anderen Subſtanzen, als: Pong 

indögalle, wohlriechenden Harzen und Delen, vermifcht oder aus dergleichen 
Stoffen und Moſchus nachgekünſtelt. WIE Arzneimittel iſt er jetzt auſſer Ge 
—— nur zu Witterungen für Marder, Füchſe, Bifchottern u. |. w. wird er 
noch benützt. 

Ziege (Capra), Gattung aus der Familie der Wiederläuer; die Hörner find 
nach oben u. hinten perichieh, das Kinn bärtig, Geſicht ausgehöhlt, ver Schwan; 
furz. Arten: die wilde 3. (C. aegagrus), von welcher die Haus⸗3. (C. hir- 
cus) ftammt, legtere mit feinem, kurzem Haar und fcharffantigen zwei oder vier 

örnern, die nicht felten ganz fehlen. Das Weibchen hat einen ſchmälern Hals, 
längern Leib und kürzere, weniger gebogene Hörner, ald der Bod. Sie freien 
Laub, Gras, Kraut, junge Zweige, Moos ıc. Faſt über die ganze Erde verbreis 
tet, gedeihen fle vorzugoweiſe in den nicht zu rauhen Gebirgsgegenden, wo fie in 
Heerden geweidet werden. Aus der für Bruftleivende wohlthätigen Milch wir 
frefflicher Küfe bereitet; außerdem benügt man das Yleifch, den Talg, die Haare 
und die Hörner. Abarten der wilden 3. find: die ungehörnte in Spanien, die 
tibetantfche ( Kaſchmir⸗Z.), die Angora-, Guinea⸗, Nepaul⸗, Jamaica⸗3. u. a 

Ziegel gibt e6 zweierlei: Mauer-3., audy Badfteine genannt, welche um 
Bau von Häufern, Defen, Heerden u. f. w., fowte zum Pflaftern von Fußböden 
verwendet werden, und Dach⸗Z., welche zum Deden der Dächer dienen u. von 
weldyen legteren man flache und hoble bat. Man verfertigt die 3. in den 3. 
Brennereien oder 3..Hütten aus einem Gemenge von kalkfreiem Thon u. Sam. 
Der Thon zu den 3.n darf mit Säuren nicht aufbraufen, weil dies fonf ein 
Zeichen von Kalk feyn würde, auch darf er feine Kleinen Kiefel enthalten; beim 
YAustrodnen darf er nicht zu ftark ſchwinden, er muß ſich gut zufammenballen u. 
leicht in jede beliebige Form fidy bringen laffen, was er defto befier thut, je fet: 
ter oder zäher er if. Damit aber ein feiter Thon fich in der Hitze nicht merk: 
lich zufammenziehe, wodurch er fonft Riffe erhalten würde, fo vermifcht man ihn 
mit Sand. Es ift ein gutes Zeichen, wenn der 3. ſich fleinhart und roth ober 
röthlich oder gelb brennt, weldye Karben von einem Eiſengehalt des Thons ber 
rühren. In Gruben, fogenannten Sümpfen, erweicht man den Thon durch Waſ⸗ 
fer und dann vermengt man ihn auf einer eigenen Trettplatte durch Trettn 
(audy wohl vermöge Thonmühlen mit Schlägeln) mit dem Sande, wobei man 
ihm zugleich die zum Formen geeignetfte, teigarıige Conſiſtenz gibt, durch welde 
er zu 3.:Gut wird, Die Form zu den gewöhnlidyen Mauer⸗Z.n iſt ein vier 
ediger, bölzerner oder eiferner Rahmen, deſſen innerer Raum (des Schwindens 
beim Brennen wegen) 4 Zoll größer ifl, als der Stein werden fol. Auf ein 

lattes, mit Wafler befeuchteted Brett gelegt, wird mit den Händen fo viel 3. 
ut hineingefnetet, daß ſie und alle ihre Ecken damit ausgefüllt werden. Mit 
einem glatten Streichbrette fireicht man darüber hin. So bildet ſich Die untere 
Fläche des Thons auf dem Breite, die Geltenflächen an dem Rahmen, bie 
obere Zläche dur dad Streiägbreit. Fiat warn den Rahmen ab, fo bleibt 
ber 3. auf dem Breite Uegen. Durdg Wolier und Were mi Sonk ner 


Ziegler. 1025 


hütet man das Anfleben. Mit den Machen Dach⸗3.n macht man ed ebenfo, nur 

at da die eine Seite des Rahmens eine Abrundung und das Brett in der 

aͤhe dieſer Abrundung eine Lüde oder Vertiefung, in die man für die Rafe des 
3.8 (womit er auf die Latte des Daches gehängt wird), von dem Gute hinein⸗ 
fnetet. Für bohle 3. muß die Unterlage erhaben feyn, von der Geftalt u. Größe 
der Höhlung. — Um, was vorzüglich da, wo die 3. zu Bauten gebraucht wer: 
den, wünfchenswerth it, in Eurzer Zeit eine Menge verfelben zu erhalten, hat 
man eine eigene 3.:Bildungs-Mafchine erfunden, wovon es verſchiedene Con⸗ 
ftructionen gibt. Die auf irgend eine Art gebilveten 3. werben in der Trodens 
fcheuer auf repofitorienartigen Bretterfchichten, auf welche man fle zu Tauſenden 
ſtellt, getrocknet, fo daß man, che fie in den Dfen kommen, Teine Feuchtiakeit 
mehr an ihnen wahrnimmt. Die Größe und Geftalt der Defen in ven 3..Hüt- 
ten tft verſchieden. Die Größe kann fo ſeyn, daß ſich darin 20.000, 30,000, 
50,000 und mehr 3. auf einmal brennen lafien. Se größer fle find, deſto mehr 
Schür⸗ und Zeuerlöcher müſſen fie begreiflich haben, Mit der größten Regel: 
mäßigfeit muß man fie darin aufftellen, immer in hortzontalen Schichten u. mit 
fhrägen Zmwifchenräumen von 3 Zoll Weite. Die Geftalt iſt gewöhnlich vier- 
edig, weil da die Hige nach oben zu mehr zufammengebrängt wird. Man fann 
mit Holz, oder mit Steinfohlen, oder mit Torf feuern. Zuerſt macht man ein 
ſchwaches Feuer, ein Rauch⸗ oder Schmauchfeuer, welche® man ein paar Tage u. 
Nächte unterhält, bis der vide, feuchte Rauch fich verloren hat; alsdann verflärft man 
e3 ein paar Tage lange, was man Fall⸗ oder Mittelfeuer nennt, wobei die Feuerlöcher 
noch offen bleiben. Nun erfl feigt das Ganzfeuer, bet welchem die Feuerloͤcher zuge⸗ 
mauert und auch die Zuglöcher in der Ofenwand verſchloſſen werden, folglich das 
Feuer erſticken muß. Die aufſteigende Flamme tft dabei weiß, Die Steine find gluͤhend 
und dabei gar geworden. Iſt der Ofen nach drei bis fünf Tagen allmällg kalt 
geworben, fo öffnet man ihn und nimmt die 3. heraus. Sorgfältig mußte der 
Z.⸗Brenner während des Brennend die Hitze durch Oeffnen und Schließen ber 
Zuglöcher reguliren, um die Hige an allen Stellen des Ofens möglichft gleich 
zu erhalten. Die Barbe der gebrannten 3. iſt gewöhnlich vom Gifengehalt des 
Thons roth oder gelb; in manchen Hütten befommt man auch graue, wenn 
nämlich der Thon Talkerde enthielt, Im Bruche find gute 3., beſonders Dach⸗ 
Z., feinkörnig und beinahe glänzend; ein großes Gewicht dürfen fie nicht haben 
und, mit einem harten Körper daran geſchlagen, müſſen fle eine Art Klang von 
fi} geben. Zuweilen glafirt man die 3. auch, grau ober gelb, ober grün, ober 
blau, wie e8 der Töpfer macht. 

Ziegler. 1) 3. von Klipphbaufen, Heinrich Anfelm, ein zu feiner 
Zeit berühmter Romandichter, geboren 1663 zu Radmeritz in der Oberlaufig, ge- 
bildet zu Görlig und Frankfurt a. O., wo er die Rechte flubirte und dann auf 
feinem Gute lebte und fpäter in dem erfauften Liebertwolkwitz bei seipilß- Hier 
farb er als Stiftsrath zu Wurzen, 1697. Er ahmte Hofmannswaldau nad, 
begabt mit reger Phantafie, huldigte aber auch dem falfchen Gefchmade feiner 
Zeit in fchwülftiger, bombaſtiſcher Sprache. So iſt feine „Afiatifche Banife“, 
1690, neue Ausgabe, Yortfegung von I. ©. Hamann, 2 Thle. 1764 und feine 
„Helvdenliebe der Schrift, Altes und Neues Leftament“, 1691, neue Ausgabe 
von ©. C. Lehms, 2 Thle. 1734 — 1737. Auch fchrieb er eine Weltgefchichte 
„Hiſtoriſcher Schauplap oder Hiftorifcyes Labyrinth der Zeit”, 2 Vde., 1680 ff. ; 
ortgefebt von B. C. Einold, 3 Bde. 1728— 1731. — 2) 3., P. Ambroſius, 

enedfftiner von SKremömünfter, geboren 1684, geftorben 1727, lehrte an ber 
Univerfität Salzburg mit großem Belfalle Philoſophie, Moral und zulegt Dogs» 
matik. Ueber diefe Fächer handeln auch die von ihm der Preffe übergebenen ge- 
lehrten Arbeiten. Dal. Ziegelbauer Hist. Ord. S. Benedicti 8 535. Histor. 
Universit. Salisb. p. 292. — 3) 3., Gregor Thomas, Drama IL 
Iofophie und Theologie, Bifchof zu Linz, Commanneur ded WBertuntstund — 
Königlich bayeriſchen Krone, geboren zu Kircäheim In Scywahen v 

Aealencpclopäble X. D 


— 


1026 Ziethen. 


gehöriger Vorbereitung 1785 In das damald vorberöfterreichtiche Benediktinerkloſter 
iblingen bei Ulm, vollendete dafelbft feine Studien, legte 1791 die feterlichen 
Ordensgelübde ab und empfing 1793 die Priefterweihe. Bis 1798 lehrte er 
an den Gymnaſien feines Stiftes, zu Konſtanz am Bodenſee und zu Freiburg 
im Breisgau Poetif und griechiſche Sprache. Nach ver Aufhebung feines Stiftes 
1806 begab ſich 3., einem Ruf als Profeſſor der Theologie nah Württemberg 
ausfchlagend, nach den Öfterreichtfchen Staaten und erhielt eine Lehrftelle in Krakau, 
Nach der Abtretung von Weftgalisien 1809 erhielt 3. die Brofefiur der Kirchen 

efchichte zu Linz und erwarb fidy dafelbft durch feine Gelehrſamkeit und eifrigfe 

Uung feiner Amtspflichten allgemeine Achtung, in Folge deflen er als orbent 
licher Profefior der Dogmatif an die Wiener Univerfität berufen wurde. 1822 
ernannte ihn Kaiſer Franz zum Biſchof von Tiniec in Galizien, 1827 erfolgte 
feine Ernennung jum Bifcyofe von Linz, ald welcher er auch erfter PBrälat des 
Rändifchen Colleglums if. Er fchrieb: „Rede über die Einführung der erblichen 
Koiferwürde Defterreih6*, Günsburg 1604; „Positiones et compendium theo- 
logiae moralis“, Konftanz 1805; „Die gute Sache der deutfchen Hierarchie bei 
Deutfchlande Wiedergeburt“, Augsburg 18155 „Die eier der heil. Firmung in 
der Eatholifchen Kirche”, Wien 1817; „Oratio academica de rationalismo theo- 
logica et de credendi regula vera et una‘, ebd. 1818, deutſch, Freiburg 1821; 
„Das Eatholifche Glaubensprinzip“, ebd. 1823. Seine fyäpdaren Schulfchriften: 
Institutiones artis poeticae und die Geſchichte des Hauſes Habsburg kamen 
nicht in Drud, wurden jedoch in den Gymnaften zu Wiblingen, Konfltanz und 
Freiburg als Lehrbücher gebraucht. 

Zietben, Hans Joachim von, koͤniglich preußifcher General der Cavallerie, 
berühmter Chef eines tapfern Hufarenregimentes, Ritter höchfler Orden, war 
am 18. Mai 1699 auf dem väterlidyen Gute Wuftrau bei Ruppin geboren ; ſchon 
in feinem 15. Jahre trat er (als Freikorporal eines Infanterteregimentes) In die 
Kriegspienfte feines Vaterlandes, die er jedoch, reizbarer und heftiger Gemütheart, 
bald wieder verließ, da er bei einem Avancement übergangen wurde. Syn feinem 
27. Jahre neuerdings in ein Dragonerregiment eingetreten, traf ihn in Folge dar 
an den Commandanten feiner Schwahron von ihm erlaffenen Herausforderung 
halbjährige Feſtungoſtrafe und fpäter, da nach feiner Rückkehr nun die Offiziere 
nicht mehr mit feinem Gegner dienen wollten und das Duell demnach gezwungen 
vor fich ging, feine Ankläger Feftungsarreft und ihn Caſſation. Der Verwendung 
mehren ©enerale verdanfte er dann im Jahre 1730 feine Aufnahme tn ein na 
errichteteß Leibhufarenregiment, mit dem er, 1731 zum Rittmeifter befördert, nad 
vier Jahren (1735) den Feldzug gegen Frankreich mitmachte, aus welchem a 
1736 als Major zurückkam. Während der folgenden Friedensjahre verheiratheie 
er fi mit einem Fräulein v. Jurgas. Der 1740 erfolgte Tod feines damaligen 
Monarchen führte ihn nun ſchnell auf die Bahn des Ruhms. Dem Könige 
Friedrich II. diente er in den drei fchlefifcdyen Kriegen, nahm an allen Operationen 
Antheil und avancirte fchon im Jahre 1741 zum Oberftlieutenant. Am folgenden 
Tage nach feiner Ernennung glüdte e6 ihm, ein ganzes feindliche Cavaällerie⸗ 
regiment gefangen zu nehmen, was feine fofortige Ernennung zum Oberften zu 
Folge hatte. enige Tage darauf gelang e8 ihm, einen Fehler feines Regiments 
chefs durch eigene Bravour wieder gut zu machen, Xebierer ward dafür an ein 
Barnifonregiment verwiefen, 3. aber erhielt das Hufarenregiment. Der Zug nad 
Jägersdorf, die Schlacht bei Hohenfriedberg, das Gefecht bei Hennersdorf, waren 

Iorreihe Tage für ihn. Der geile ſchleſiſche Krieg, in dem er zum erſten 
—*— verwundet warb, bewirkte ihm die Ernennung zum General. So glückliche 
Erfolge aber verfehlten nicht, Neid und Mißgunft gegen ihn aufzuftacheln, und 
während 3. nach dem zu Drespen 1745 abgefchlofienen Frieden abwedhfelnd auf 
feinem Gute Wuftrau u. in Berlin (ebte, warh er von vielfachem Ungemady, der 
von | feinen Begnern endlich eriältägenen Tonlaliägen Vnanane wn ven Tone feiner 
Ga 


n und des einzigen Sohned helmaeiuigt, Dewariy qpwaaı, \ntumie ©, 


mw (WW 


Zigeuner, 1087 


feinen Abſchied vor Ausbrud, des fiebenjährigen Krieged. Da bewirkte durch 
einen perfönlidyen Beſuch Friedrich I. feine Umſtimmung, 3. zog 1756 ale Ge⸗ 
nerallieutenant ins Feld und errang ſich nun mit feinem Könige die Lorbeern des 
ftebenjährigen Krieges und unfterblichen Ruhm. Seiner ausgezeichneten Bravour 
wegen erhielt er nady der Affaire bei Reichenbach den ſchwarzen Adlerorden. Bel 
Prag ſchlug er die öfterreichtiche Eavallerie, bald darauf ven General Radasdy 
u. f. f. Im der Schlacht bei Leuthen trug er zum volftändigen Stege das Meifte 
bei, dedte Im folgenden Winter mit einem eigenen Corps Landéhut und Braunau, 
im Sommer 1753 den Transport von 3000 Wagen von Troppau nad Ollmütz 
fo aut daß er, obgleich täglidy angefallen, doch fetne ungeheure Wagenlinie vers 
theidinte, 618 ihn, der nur 5000 Mann bei fich hatte, Laubon mit 25,000 Mann 
angriff. Dennoch rettete er durch ausgezeichnete Bravour und trefflichhe Diſpo⸗ 
fittonen 300 der Proviant⸗ und alle Geldwagen. Bei Liegnig hielt er mit einem 
fleinen Eorps, während Laudon vom Könige eichlagen wurde, das gene Daun’s 
fche Heer In Schach und erwarb ſich — en Rang eines Generals der 
Gavallerie; bei Torgau entriß er darauf Daun den ſchon errungenen Sieg. Die 
Kriegepläne Friedrich's fanden in 3.8 Tapferkeit und Klugheit ſtets die glück⸗ 
lichfte Unterſtützung, bis endlich der 1763 abgeſchloſſene Hubertsburger Frieden 
dem Blutvergießen ein Ende te. Vom preußiſchen Volke gefeiert und bes 
wundert, lohnte dem Helden auch des Auslandes auszeichnendſte Anerkennung. 
Ihn, den Mann von altdeutſcher Sitte, rechtſchaffen und gottesfürchtig, ehrte 
beſonders auch ſein Koͤnig in einer Weiſe, die noch heute im Munde des Volkes 
lebt. Bekannt: find die mehrfachen Kuszeldnun en, mit denen Friedrich naments 
lich audy das Alter 3.8 hochehrte. Die Künſtlerhand Chodowiecki's hat z. B. 
in einem melfterhaften Kupferftiche die Scene verewigt, bei welcher der König 
feinen greifen Feldherrn, ald er einft auf das Schloß Fam, die Parole abzuholen, 
vor allen Prinzen und Offizieren den Föniglichen Lehnftuhl einnehmen ließ. Als 
ein ander Mal der Greis an des Königs Tafel eingefchlummert war, winkte 
Friedrich feinen übrigen Gäften Stillſchweigen zu, damit der, welcher fo oft für 
fie gewacht, nicht im Schlafe geftört werde. — Z. Batte fich zum zweiten Dale, 
mit einem Zräulein von Platen verheirathet, und der König übernahm bei dem 
ibm in dieſer Ehe 1765 geborenen Sohne jeiter die Bathenfiras. n Greis von 
80 Jahren, mußte er noch vom Könige mit Gewalt von ber Thellnaym an der 
Campagne des bayeriſchen Erbfolgekrieges abgehalten werben. Bon 3. Win 
allgemein anerkannt, daß er durch Gegenwart des Geiftes, Schnelle im Entſchlufſe 
und perfönliche Bravour den Mangel theoretiicher Kenntniffe in der Kriegskunſt 
volllommen erfeßt habe. Der alte Held entichlief fanft, in feinem 87. Jahre, am 
26. Januar 1786 zu Berlin. Schadow’s Meifterhand warb die Ausführung einer 
Bildfäule 3.9 übertragen, und dies treffliche Wert im Jahre 1794 auf dem 
MWilhelmeplage zu Berlin aufgeftellt. .. 
Zigeuner, lat. Cingari, Czigani, Nubiani, Attingani der Griechen, Zigami 
der Ungarn, Bohémiens der Franzofen, Gitanos der Spanier, Spakaring der 
Schweven, Tartaren in Dänemark und Rorwegen, Dſchinganen in Syrien, 
priben bei dem gemeinen Volle in. Deutfchland, Egyptier u. Pharaonen 
ei einigen Gelehrten, find ein unflät umberziehendes Voll, dad man tm weſt⸗ 
lichen Allen, in Nordafrika und in ganz Europa findet. Der Rame 3. wird 
von einigen aus dem Deutfchen abgeleitet und fol fo viel heißen als Zieht, 
einher, nad anderen Zieh⸗Gauner, das wahrfcheinlichke aber iſt, daß Der 
Name einen indiſchen Artprung bat, denn am Ausfluſſe des Indus ed noch 
jest ein Bolf, die Tfchiganen, welche der englifche Lieutenant oitinger in 
Beludſchiſtan auf der perfiichen Graͤnze traf und von denen er erzählt: „Sie find 
eine Claſſe von Landſtreichern ohne fefte Wohnftge. Ste fprechen eine befondere 
Mundart, jeder Trupp bat feinen eigenen König und fie find wegen rs iss 
bernd und Kinderſtehlens Behr: Ihre Lebiingsbelutlaungrn N S as 
Zangen und Muſit und jeve Brüberichaft Führt Vera ir n 8 N 


4028 Bigenmer, — 
ken mit ſich herum, fo wie fie aud ein bald Dutzend Bären un 








1) 
bei ‚aben, bie zu allerlei poffirlichen Künften abgerichtet find" x. 

— en janz auf die europäii 3. Grellmann behauptet, “ 
fammten von ven Parias in Indien aby feten bet dem Einzuge Tamerlars 
aus dem nördlichen oftan vertrieben worden, und hätten ſich eine Zeit 
im dem Lande der Zingaren aufgehalten, bevor fie nach Europa — 
wo er ihre Ankunft auf «1416 feitfegt. Bei Johannes von fer find 
über das u Auftreten der 3. nad —— des Concils von Cie, 
folgende Nachricht: *) „In derfelben Zelt... ſchien in den Lanbmarlar 
Stadt Zürich eine große Schaar unbekannter Nation, braum von Farb, fm 
von Geftalt, in Kleidern gern ‚mit Päffen von der oberflen geifliche m 
weltlichen Macht. Michael hiep ihr — fie wurden Zigeuner gmm 
An ihrer Sprache vermuthet man endlich, in der & eichütterung w 
oberen Dftindiens als Pir Mohammed Jehan Chir, Timur's Enkel, dat Hu 
der Sultane von Ghaut geftürt, feien fie befonders aus dem Lande Ruin 
Afien hervor, nach Europa gefommen. Damals hielten fie riftliche Ehen 
wurden gebulvet, ald die Gold und Edelgeſteine hatten, Aber von dem a 
ſich ah An allen ändern eine Z.Geſellſchaft, welche ihre Oberen, ihre 
jarız ober zum en felbfgefchaffene Sprache und * je, freiti Un 
Fhndifehe Künfte hat, Auferf eich in allen Erfindungen wider bie 

ihrten Gigenthumsrechte.” Die meiften —— ſeden die Ankunfk 

. in — auf 1418. Bon diefer Zelt an durdhgogen fie 

(any Deutfchland und wendeten ſich ee au nach Italien, Branfreid m 
Shanten. Der erfie Haufen, welcher nach Deutfchland Fam, nd aus 14 
—— und wat in verſchiedene Haufen getheilt, deren einer bier, dem 
dere dorthin zog. Ste hatten Pferde, Maulihtere und Eſel bei ſich und fate 
ufter dem Befehl eines Königs, den die Chrontfen „Herzog Michel von A 
tenland“, der bayerifcher@efcichtichreiber Aventinus (Thurmayer) aber Zu 
oder Zaubadel, nennt, Die Angehörigen biefes Volkeſtammes gaben wor, Ei 
ften zu ſeyn, u. aus Kleinäghpteet zu kommen, defhalb wurden fie in dem faie 
lichen Freibrief, den ihnen saifer Sigismund gab, „Aegyptier“ genannt. Dir 
wird beflätigt hir drei Grabſchriften ihres Anführers, welche Martin Ent 
in feine» Annales Sueviae anführt und die wir ihrer Merfwürdigfeit u. Ed 
zeit wegen hieber fegen, fie lauten: 1) „Al man zahlet nach Ehrifti une 
Seligmacherd Geburt 1445 auf St. Sebaftiänsabend ik geftorben der Hr 
borene Herr Panuel, Hergog in Klein-Egypten und Herr zum Hirjchhorn m 
felben Landes. 2) Anno Domini 1453 obiit nobilis Comes Petrus de mim 
‚Aegypto in die Philippi et Jacobi Apostolorum. 3) Anno 1498 auf Moniy 
nach Urbant farb der Wohlgeborene Herr Johanu Frei-Graf aus kleinen 
ten. Deß Seel Gott gnädig und barmherzig wol’ feyn.” Bemerfendwertt ä 
auch, wie die 3. ihren erften Wanderungen in Deutſchland einen religlin 
Schein zu geben wußten, indem fie behaupteten, daß fie das Ghriftenthum w 
läugnet und fieben Jahre fang das Heidenthum angenommen hätten, folk 
Sünden wollten fie durch eine N ebenjäßt ige Wallfahrt büßen, auch gaben few. 
was 3. v. Müller erzählt, daß fie aus Kleinägypten Fämen, wo ihre Borfaim 
Joſeph und Maria mit dem göttlichen Kinde nicht aufgenommen hätten, na 
halb fie durch ihre Wanderfhaft die Sünden der Borfahren büßen mike 
Diefe Angaben erregten anfänglich Mitleid für das Wandervolf u. man glaue 
fie würden nach Vollendung ihrer febenjährigen Wallfahrt wieder 
was aber nicht gefchah und wofür das liſtige Volk die Ausrede hatte, ver Bag 
fet ihnen verlegt, fo daß fie nicht in ihr Vaterland zurückkehren Tönnten. Em 
1500 ſchon ergingen faſt in allen Ländern gegen die 3. wegen ihres lieberlihe 
Umbertreibens, Stehlens und Beträgens firenge Befehle und in den Reichstag 


) Der Geſchlchten ſchweizeriſcher Bibgenoffenfigaft VIL Theil. 


Zigenner. 4029 


abfchieden zu Augsburg 1500, zu Speyer 1544, wie audy in der Frankfurter 
Polizeiordnung von 1577 wird ihrer gedadyt und allen Kurfürften, Fuͤrſten und 
Ständen bei den Pflichten, welche fie dem hl. römifchen Reiche deutſcher Ration 
fhuldig feten, ernftlicy geboten, den 3.n, nachdem man diefes Volk als Spione 
und Berräther, welche die chrifllichen Länder den Türken verrathen wollten, ers 
fannt habe, weder Durdygug noch Aufenthalt in. ihren Ländern zu geftatten. 
Indeſſen vermochten diefe Berorbnungen nicht, das gefährliche Gefindel ganz aus 
Deutſchland zu vertreiben und wir finden, daß während des ganzen 16. und 17. 
Sabrhunderts in den einzelnen deutfchen Staaten Befehle —5 den überhand⸗ 
nehmenden Unfug ber 3. gegeben ober erneuert wurden. Died gefchab befonders 
in Oeſterreich, Kurfachfen, in den brandenburgifchen Landen, Schwaben und 
Württemberg. In mehren Ländern wurde auch von Selten des Staates Alles 
aufgeboten, um die 3. zum Ghriftenthume zu befehren, allein man gewann an 
ihnen meift nur ſchlechte Chriften, die ihre Bonfeflion an jeder Landeegränze 
wechfelten und ihre Kinder mehrmals taufen ließen, um bie Bathengelber zu bes 
fommen. Beſonders in Oeſterreich fuchte man unter der Regierung der großen 
Marta Therefia die umberzichenden vom Betten, Wahrfagen, Duadfalbern, 
Keflelfliden, den unreblichften Erwerbözweigen und freien Künften aller Art leb⸗ 
enden Fremdlinge an feſte Wohnftge zu fern, fie in Golonten anzufledeln und 
zu civiliſtren, weshalb fie auch nicht mebr 3., fondern Reubauern beißen foll- 
ten. Da diefe Maßregeln ohne Erfolg blieben, jo wurden 1773 gefchärfte Ver⸗ 
ordnungen gegeben, befonderd wurden den 3.n die Kinder, welche über 5 Jahre 
alt waren, mit Gewalt binweggenommen und bei Zandleuten gegen ein von der 
Regierung bezahltes Koftgeld untergebracht. Deſſen umgeadhtet aber blieb ber 
rößte hei dieſes Volkes noch bei feinen alten, sohen Sitten. — In Europa 
Änbet man heutzutage die 3. am zahlreichfien in der Titkei, in Ungarn, Sieben⸗ 
bürgen und der Moldau, In allen diefen Ländern fiehen fle auf der niedrigſten 
Stufe geiftiger Bildung; ihre Ehen werben auf die roheſte Weiſe gefälofien, 
Blutsverwandtſchaft iſt ihnen bei Eingehung der Ehe Fein ee n Ungarn 
lafien fie fi) von einem 3. trauen, der die Stelle des Prieſters vertritt, nie 
aber heirathen fie aus ihrem Volksſtamme heraus. Gigenthümlich ift die Bors 
liebe der 3. für Kinder, die fo weit geht, daß fie fehr häufig, befonders in 
früheren Zeiten die Kinder chriftlicher Eltern flahlen und nad ihrer Weife ers 
zogen. Bis ins zehnte Lebensjahr gehen die Kinder vollfommen nadt und ers 
den fon früh an Stehlen, Betrügen und Müßiggang aller Art gewöhnt. Die 
Nahrung der herumziehenden 3 ift das Fleiſch von gefallenem Bieh, von Hun⸗ 
den, Katzen u. f. w., von Gemuſen lieben fie befonderd Zwiebeln und Knoblauch. 
Branntwein, Rauchen und Kauen ded Tabaks find ihre Lieblingögenüfle. Die 
Geſichtsbildung des 3.8 faͤllt auf den erflen Anblid af ‚ fhwarze Augen, 
dunkelbraune Geſichtsfarbe, blendend weiße Zähne, gefchmeidig und regelmäßig 
gebaute Gliedmaſſen zeichnen fie aus, ihr Bid tft wild und zurüdftoßenn, ihr 
eufiere® im höchſten Grave vernachläßigt und ſchmutzig. Alle 3. befiten viel 
Anlage zur Mufll, und große Neigung zum Lanze, ihre Tanzmufif If froh und 
gefühlvol, die Mimik fprechenn. Im Ungarn und Siebenbürgen treiben fie 
allerlei Bewerbe, find Gaſtwirthe, Pferbeärzte, Schmiede, Roßhaͤndler, audh bes 
[äftigen fie fi mit Goldwaſchen für die Regierung, in der Moldau und 
alladyet find fie Häufig bei reichen Bojaren als Kutfcher, Muflfer, Köche und 
f. w. im Dienfte. In beiden legtgenannten Ländern mögen die 3. 150,000 Köpfe 
betragen, die in 4 Claſſen eingetheilt werben: 1) Lingurary, Löffelarbeiter, die 
auch das Feld bebauen, 2) Urfary, Muſiker, 3) Lageſch, Wahrfager und 
Diebe, 4) Burkaſch, die nievrigfle Claſſe, eine Art Harias , welche in Wäls 
dern ihren Aufenthalt haben, und von Wurzeln, Grad und gefallenem Vieh 
leben. Der Haupterwerbsgweig der 3. in den Dononlimuern Inu, SR 
anderwärts, Bi aber dad Wahrfagen, Henbbejehen v. .w. Ve ir SER 
bat ben 3.n einen gewiſſen geheimnißwollen Eharatter nerlieigen, Vet AS 


A090 gu⸗· meꝛl. 
Sein Yeofbrlaunihen «8 über 10.000 bie a Koma | 
en \\ 4 
33 mit und Ähren Unter] I Id amatm — 
Yatı fe —* 


eine i 
liches ei ——— die 
feltener, viele berfelben a füRen Wohnpläpen, ;. 8. im 





x 3 
———— 
E) 

3 
J 
EM 
Me 

F 
— 
—J 
Ei 
— 


& 
Hi 
3 
R 
a 
en 
5. 
is 
E 
” 
Ei 
H| 
TE 


nifchen Theaters — — Ib Tonadillas) geworben. Sie find wie 
te a ober ſagt: „die der fpaniichen Bühne, freilich nicht 
dafür ms ht fo unfchuloig, wie die “ Grüber 
er ih — der d en Sicherheit gefährlich, chten bie 
zig hi um Carl Dee Su — 7 an feſte Wo 
—8 wm eil je hen 
—— 8 ——— 


let, 
u Gewohnheiten zei w’ als in 1 siehen orden einher, 
a ae ar if, 9 — ee I 
hi em zum Erwerb bietender X fih aufhalten, mei tet 
—E abgefonbert find, So dehen wir, daß ve fo vie 
—X ten Charakter dieſes Romadenvolkes feinen Grundz 
unter allen Klimaten und den verſchiedenartigſten Ginflüffen ein u 
gehlichen iſt. Wanderluſt, unfläted Leben und unehrlidyer Griverb bi 
terhaltes, Wahrſag und Geheimmnißträmerei, das IR das 
bein Grientalifche Ge töbildung uns immer baran erinnert, daß er 
ling fel, wenn. wir gleich über X penllähen Urfpn noch nicht 
find, Was die er je der „ſo tagen die meiften Worter 
Sanskrit, Malabaı en und —xX hen vor, deuten alſo nach Indien, 
Heimatbland des Fl bin, theils find fie ein Gemengſel, aus den verfchiedenhen 
europätfchen rad entlehnt, Bol, Grellmann, „Hiftorifcher Berfuh über dk 
3.#, 2. Mufl,, Göttingen 1787. Pisf. 
immerl, Johann Michael, Edler von, LE — 
Appelluttonsrath, war 1758 zu Ernſibrunn in Nieder dſterreich geboren, u a 
gurüdg. eich en ——— am dortigen ee Petrinorum 
die — Untverfitätögymnafium zu Wien fen, min — 
er die Pe AR Ai — begann auch die Theologie zu Ku 
ſich aber bald anefchliehend den Rechtöwiflenfchaften. 1 gm 
iM vergebens um eine Gtelle als Rechtslehrer beworben hatte, erhielt er 178l 
eine Auditoröftelle bei einem k. k. T Onfanhereesinenie Seine umfaffenden Kennt 
niffe in den bürgerlichen und peinlichen Rechten, in ven Mititärrechten und in 
ver Gerichtöpraris erwarben ihm 1790 das Dekret ——— Bir 
derholte gefährlic —eã — in dem ihm nicht zuſagenden Clima vs 80 
nates, m f en man, dam em 3 Fin um eine Givilbedienkung IR u — 
fuchen und es wurde ra x Seiitstentuifi 868 und 
eifrige Verwendung vie Stele cinb 1.1, Rohrd win ohren 


ir Hi 
2:38 g * 
— —— 


— 










Merkantil⸗ und 1 
eher an } 9 Beta ** — * pre 


ländifchen Adelſtanv. 1802 wurde er mein ——5 F Geſetz⸗ 

1803 erfolgte zwar feine Ernennung — æ bez 

e Stelle 3. jedoch nicht antrat, fondern in —* bisherigen — * 8X 

ac anſuchte. 1809 — 16 war er ausſchließlich zur Ver affumg eines & 
— über das Handels⸗ u. Wechſelrecht verwendet, 1818 zum fF. k. nieder» 

chiſchen —ãEãE mit der Dicamnewg bei dem Merkantil⸗ 
Deiiegericte in Wien ernannt und flarb in dieſer Eigenfchaft ven 5. —* 

830. Ya Drucke find von ihm erſchienen: a phabetiiee —A zur Kenni⸗ 

niß der Handlungo⸗ und ee ge 2elen 1798 ufl., 2. Bve., ebend. 
18055 deſſen dritter Band, ebendafelbft 18 Grundriß ver Lehre vom Behjel 
protefte, ebenvafelbfi 1800 (aus dem —— des Profeſſors Gottl 
Hufeland in en); Handbuch für Richter‘, Advokaten und Juſtizbeamte in 
den k. k. öfterreichiichen Erbflanten, 2 Vde., ebenbaf. 1801, 8. Auflage, 3 Bde., 
1830; Ueber das Borredht der Wechfelbriefe in Goncursfällen der —— — 
ebend. 1804; Beiträge zur Grläuterung des Wechſelrechtes, ebdendaſelbſt 1808 5 
Bolftändige Sammlung der Wechfelgefehe aller Länder und Hanvdelöpläge in 
Europa, 5 Bhde., ebend. 1809-13; Anleitung zur Kenntuniß des — 


ebendaſ. 1821. 

— * ehr Johann @ Deotg, 2 —S 
und philoſophiſcher e Dezember . 
Kanton Bern, © —ã 3 rt auf die lademie in abs 
und 1747 auf die et Bdttingen, wo er fi) dem Studium ber 
widmete und 1751 zum Med. Dr. promovirt wurde. Nach einer Reli 

Holland und Frankreich Tehrte er 1752 in fein Baterland zurüd und li 
Katie Arzt in Bern nieder; 1754 wurde er Stadtphyſtlus in feiner —*8 

rugg. Nachdem 3. verſchiedene Berufungen abgelehnt hatte, folgte er 1768 dem Rufe 
ale —* Leibarzt des Königs von Großbritannien in Hannover. Schon on halle 

3. durch feine Schriften bebeutenden Ruhm —X 1760 Me 

Iked der Berliner Atademie und nachmals far alter befannten gelehrten Belek 
haften; mit Katharina I. von Rußland fland er in erufineh el; 1786 wurde 
er zu dem fterbenden Friedrich dem Großen nach ke bern en — eher 
war 3. —A Gtimmung und wich in feinen fi m Scriiten 
den in den frühen geäufferten Anfichten beveutend ab, —* daß er vielfache 
Verdrießlichkeiten und Streitigkeiten verwidelt wurbe, durch welche in —— 
mit dem Berlufte feiner Kinder ihm das Leben verbittert warb, Gr Rarb 

7. Dttober 1795. — 3.8 wichtigfle Schriften: find: „Ueber bie infantehe, 

ürt 1755, umgearbeitet 4 Bde. Leipzig 178417853 „Bom Rationalkolger, 

ürt 1758, neue Aufl. 1789; „Bon der Rubr unter dem Vollke im Jahr 17654, 
Züridy 1767, 2. Aufl. 1787, franz. Barts 17755 „Bon ber Grfahrung in der 
tun“, Zürldp 1763, 3. Aufl. 1831, franz. Barle 1774 und ed meler 1 * 
Weniger Beifall fanden feine Schriften über Friebrich den Großen, unter denen bie bes 
deutendfte: mÜragmente über Friedrich ven Gtoßen“, 3 Bde. Lpz. 1790. Bel. „G.AD. 
Tıffot, Leben des Ritters v. 3.*, Hannover 1797; „A. —9— er, J. E Ziummer⸗ 
manns Briefe an einige feiner Ertunde in der Schweiz⸗, Aar E. Büchner. 
2) 3., Eberhard re au Ihelm, — —— 















hateratm em Ar Uel ſeit 1706 Pro⸗ 
k for De LE be bei bem Collegium Car imum zu Bram 
1786 * — mb; wurde 1796 in ben 





erhoben, erhielt 4 ven Char . geheimen ‚ wurde 1815 
Mitdirektor ded — und —5 in ber Racıt sum 4. Juli 1845. 3. 
war ein entfchiedener Feind ver ——e — war viel gedst und 
feine Schriften, ſowohl eigene, als Ueberſegungen, betrafen Banarugiir — 
grayhie, Anthropologie, Zoologie, ate a; ——— 


1032 Bimmt— Zimmtblüthen, 


‚Geo 6 des M 
fie BER See — ge 


Rat — — ———— 
Nester | = Mn neuefte Mae © Geſchichte, Ar 
bingen 1792 — 93;  Statifli eh Here a „Een 17955 Ucheie 
uihe feit t Stang I bis auf Ludwig XVI., nebſt eim da 
—— dteiſtaaten von Roten Brau 1800; * 
Reifen, ober — Darftellung der Ent bed 18. 
in Rüdficht der Länder, Menfchen- und Probuft: Be: 18 Bde e Kuie 


und ‚Karten, Leivpig 1802 — 185 Die Erde u. ihre Bewohner den neue 
Entvedungen, 2 She, ebend. 1810; u ralten tn Hinficht der Erde, Reit 
und Produftenfunde, Hamb. 1810; Reife nach den Infeln — Ttinde 
St. Crux und —— vom 30, September 1796 bis zum 7. Juni 179, m 


dem Sranzöfiichen mit —— en, 2 —— Eiberfeld und um kn Astk; 

Malte Brun’s Abrif . apple, aus dem Brand I, Rede, 

1812, u. v. a — 3). 3. ren drich Wilhelm, ein gefhlie 

lyriſch —— aus der neueren ſchwaͤbiſchen Schule, geboren — jart am 
San. 1807, ftubirte in dem preteftantifchen — 


Vhilologle, dann auf der Univerfität Tübingen Theologie, ward — 3 
aba —— Se as — —— bis 1840 als Pin 
Arne) ln Jahre er das — Dettingen bei Urach erhit 
eit —* er eh lied der deut —— zu Fol 
— — der Dichtlunſt HR 3. auch 38 ‚Hiftorifer in, mehren 
getreten, jedoch De ohne befondere Bedeutfamfeit. In feinen polit 
tem iſt er ziemlich radikal. "Bon feinen Schriften führen — an: Serien, 
2. Ausgabe, Stuttgart 18395 Mafaniello, Trauerfpiel, daf. Amott m 
Catyıs, da. 1832, urn Geſchichte der Hohenftaufen, de — gl, 2 
Allgemeine Geſchichte des großen Bauernfrieges, daf. 1843, 3 Thle. u. v.a 

Zimmt oder Kanehl (Cinnamomum), die getrodnete innere Rinde ded, ı 
der Infel Ceylon einheimifchen, aber auch in vielen anderen Gegenden Mi 
auf mehren oft» und weftindifchen Infeln, in Brafilien, Guyana wachjenden 3 
Lorbeerbaumes (Laurus Cinnamomum), von weldyem Tomoht die Rinde, als and 
das Laub und die Wurzel den Z.Geſchmack haben. Der befte 3. fommt von de 
Infel Eeylon, wo man mehre Sorten davon hat, von denen aber gewöhnlich a 
zwei zu und fommen, bie fich durch rothe und ſchwarze Bezeichnung der Bals 
unterſcheiden, weßhalb man die erftere, ald die befte, rothletterigen, bie legim 
fhwarzletterigen nennt, Der 3. vom Stamme ift beveutend geringer, did 
breiter und flacdyer und von fchärferem Geruch und Geihmad, als die fein 
Sorte. Die kleineren Stüde werden meift an Ort und Stelle zur Deftillaies 
des ätherifhen 3..Deld benügt und fommen auch unter vem Namen Brud-! 
in den Handel, find aber immer von geringeren Gehalt, ald der im ganzen Rh 
ren. Früher war der Haupthandel mit 3. in den Händen der Holländer; ih 
fommt er hauptfächlich über England nad Europa. 

Zimmtblüthen, Zimmtblumen oder Zimmtnägelein (Flores casix 
oder Flores cinnamomi), die unentwidelten Sruchtfelche des in China wachjente, 
gewürzhaften Zimmtlorbeerbaums, welcher die Zimmtcaffta liefert, ft 
von der Geftalt eines Heinen Rageld, mit rundlichem Kopfe von der Größe eind 
Pfefferforns, ver fih in eine dünne Spige endigt. Die Farbe iſt graubtam 
Geruch und Gefchmad far ganz zimmtariig, oh etwas fchärfer, beifjenver ın 
weniger angenehm. Oft find fie mit den wenig er Eräftigen Blürhenftielen gemifdt 
Durch Defttllation erhält man daraus Cbenfaß 18 ein ätheriſches Del (Oleum fr 
rum cassiae), welches bünnflüffig, hellgelb von Farbe ift, im MWafler zu Bedr 
gm ft, dem ächten Zimmtöle in der Feinheit des Geruchs und Beihmads nad 
rl und oft zur Berfälfchung des > Intern benügt wird, da es viel wohk 
eiler i 








Ztumtcaffin — Zingerle. 
Zimmteaſſia, Gaffta, EM BR liſcher, framzöficher, * 


Zimmt (Cassia cinnamomen, ea genannt); unter 
Ramen erden gewöhnlich mehre 333 Rinden von zimmtartigem Geruch 
und Geſchmack mit einander felt: 1) Die eigentliche 3. (Cassia name? 
rd it die Innere Rinde ded in China und Cochinchina wachfenben gewärz- 
er Zimmtlorberbaume® (Cinnamomum sromalicam), de bier ale der aͤchte 
t, dunfel, zimmtbraun von Farbe, Geruch ur Fe anz, wie 
beim ccnlonifchen ee nur weniger fein; db hr ft faferig. Aufſer 3. 
aus China und Cochin inchina kommen noch „em oigende * eringere Sor⸗ 
ten im Handel ben über deren Abſtammung man no enig ik: die aus 
Cayenne, iſt heller von Farbe, gibt beim Kauen mehr (dm und fommt wahre 
fcheintich von dem nad) Gayenne verp Ztmmtlorbeerbaum; die aus Bras 
filien, ebenfallö heller und von weniger Arom; die aus Sumatra, dunkler, 
von angenehm - zimmtartigem — und wahrſcheinlich vom glaͤ — 
Zimmtlorbeerbaume (C. nitidum) abſtammend. — 2 olgcaffia, —8— 
Cafftenrinde oder malabariſcher Zimmt (Cassia lignea), die Rinde von den 3 
gen des malabariſchen Jimmtbaumes (Laurus — hen albarre in Fear ae au 
mehren oftinbifchen Inſeln wählt. Es find gan 
etwa® gewundene Röhren von 4 Zoll Breite won hach Fed} inte ide Barde 
dunkelbraun ober braunroth, auf ſtaͤrkeren ſitzt oft hr die O —5 — von ſchmu 
graugrünlicher bare; Bruch glatt, zerfpringt beim Brechen in furze Spiit- 
ter, Gerudy und Geſchmack ſchwach ; gibt, Tange im —8 behalten, 
Schleim und liefert deſtillirt Ein De. Zumellen wirb 3., aus welcher das Del 
ausderillirt worden if, dafür ausgegeben. — 3) Mutterzimmt (Cortex ma- 
labathri) fol von zwei verſchiedenen Bäumen abflammen: dem Tamala» Ztmmt- 
lorbeer (C. Tamala) aus Bengalen und dem weißblüßenden Zimmtlorbeer (C, 
albidorum) aus Neapel. Es Fi halb, oft audy g a über 4 Zoll dicke 
Rinden von 14 Fuß a meibraun, weile Keen sig violett von Fr 
ſchwachem, zimmtartt erudy, der Stoßen pt wird, und erf- ff 
dann m miartigem aün und zulegt Lina ee feferamn em Geſchmack; nad längerer 
Zeit wird fie im Munde Khieimig fie kommt nit —* im Sande vor, 
Zimmtcaffiadl, Saffiadl (Oleum cassiae cinnamomeae) —— 
nicht das aͤtheriſche Del der Zimmtcaſſich jonbern bus —5 kt [ (Oleum 
florum cassiae), welches mit dem eifteren slemlich übereinfiimmt. Es iR gb- 
braͤunlich, Geſchmack fdyarf, brennend, Geruch gleich den Zimmibläthen. Es 
fintt Im anal ud * ‚da fein ſpezifiſches —**— 1, iſt. Man erhält 
es au al 
Zimmtöl, ofindifhes oder Ceyloner (Oleum einnemomi, ostindici 
ober ceylonici) hat mit dem Zimmtcaffias und Zimmtbläthendl ziemlich überein 
flimmende Eigenjchaften, der Geruch if & feiner, angenehmer, der Geſchmack 





weniger brennend, etwas füßlich. Die Karbe tft, wenn es frifch bereitet, nei“ 
—7 —**— Alter wird es goldgelb. esififches’Berwidht honsı weßbalb «6 
Waſſer zu Boden finkt. Es wird ans Oſtindien (Geylon) importirt. 
Zingerenn Nicolo, ein ausgezeichneter Tonfeher, geboren 1752 zu 
Schüler Senarole's und Speranza’s, bald zu mehre Opern ſehr vort 
rennt führte 1789 ohne Erfol —F one auf und widmete dann 
in Italien vorzugöweilg der Kirdenmu * d —* ſeit 1806 die vaticaniſche 
Kapelle, dann das Conſervatorium und ort 1837. Bon ihm bat man bie Dras 
torien: „Trionfo di Davide“, „Distruzione di Gierusaleme“, und die Opern: 
„Romeo e Giulietta“, „Anterserse“, „Montezuma“, „Antigone“, „Alzinda* 
u m Ar „Auter feinen chuͤlern find d berühmtehten: ®. ellint, Dontzettt; 
am 
 - Bingerle, Pius, Benebiftiner zu Marienberg und Gum 88 
Meran, geboren am 17. März 1801 in Mean. % her RE nr R 
edriſien des heiligen 4 Eyrus aus dem Brkeäliägen ID RXR 


4034 ° Zink — Binfe, 


möbrud bei Wagner 1831). Jahre 1848 erfchien die zweite Mistzs, 
Im Jahre 1836 — er und Ye feine: Aechten Akten heiliger Marne) 
des Morgenlandes, Ueberfegung aus dem Sprifchen.“ Much ale Dihte n| 
fuce fi 3. in mehreren Produktionen, von denen er im Jahre 1843 eine Sam 
(ung veröffentlichte. Die Tübinger Quarialfchrift (1840, 3. Heft, ©. 50nu' 
das Archiv für theologifche Literatur (Jahrg. 1843, 6. Heft) räumen ihm x 
Recht einen Ehrenplag unter den Ichenden Drientaliften ein. ar 

Zinf, Spiauter ober Spelter, ein Metall von heil bläulich-grauer fi 
ſtark glängendem, blätterig Fryftallinifchem Bruche, 6.0, Bid 7,.. Ipeziiida 
Gewicht, ſchmilzi bei 411° C. auf 120 bis 150° erhigt wird es 
fo daß e8 gehämmert, gewalzt und zu Drabt gezogen werden Fann, 
aber wird es fo fpröde, daß «6 fich zu Stüdchen ftoßen läßt. An ver Luft 
im Waſſer orybirt es fi, hat ed aber am der Luft einmal einen feinen 
Meberzug erhalten, fo ift e8 gegen fernere Oxydation gefchigt und voiberfeh 
den Einwirkungen der Atmofphäre beffer als Blei. Es findet fich nie ee 
fondern immer mit Schwefel oder erfioff vererzt. Man gewinnt «ed 
ders aus dem Galmet (Jinkſpath und Eohlenfaures Zinkoryd), dem Zinfglaie 
Kiefelgalmel), der Zinfdlende (Echwe| — und in Notdamerika — aus Ya 
rothen Zinkoryd; das wichtigſte Erz iſt jedoch der Galmei. Das gei *3 
iſt im der Regel nicht rein, ſondern enthält etwas Blei, Kabmium und Ci 
wenn der Dleigehalt über 1% Procent beträgt, fo wird befonders das dar 

ewalzte Blech brüchig. Durch Deftillation fann es ziemlich, aber nicht w 
— ereinigt werben; durch ein chemifches Verfahren kann man es ja 
tein darftellen. Die größte Zinfproduftion hat Preußen, wo im Jahre 184 = 
26. Hütten über 378,000 Eentner in Platten und Blechen erzeugt wurden; ham 
felat Belgien mit 80—100,000 Eentnern, Polen mit 74,000 Etrn., Kralıı m 
26,000 Eirn. ıc. In neuerer Zeit hat dad 3. efne aufferorbentlich Häufige & 
wendung gefunden; namentlich benupt man: das Blech zum Deden von Dähn 
und Terraffen, zum Befchlagen von Schiffen, zu Wafrbehältern und Rötn 
zu Badewannen, Waſchbegen, verfehiedenen Hausgeräthen, Orgelpfeifen, zu Pr 
ten für den Noten» und "Sandfartenftih, zur Erzeugung des Galvanismıs x 
Berner werden gegoffene Figuren, architeftontiche Verzierungen, Leuchter u. dgl. tu 
aus verfertigt; man benugt es zu den SBlatinafeuerzeugen, bei Kunftfeuerwerteri ı 
verzinkt Eifen (ſogenanntes galvanifirtes Eifen) und Kupfer damit. Auch nn 
es zur Babrifation des Meffings und anderer Metallcompofitionen und zur & 
reitung der Zinfblumen (f. d.) verwendet. 

Zinfblumen, Zinforyd (Flores zinci, Zincum oxydatum), ein Präyaa 
das entweder auf trockenem Wege dur Schmelzen von Zink, Wegnahme m 
dabet ſich bildenden Drydes und Schlemmen deffelben, oder auf naffem Wr | 
dargeftellt wird, indem man fchwefelfaures Zinforyd in heißem Waffer auflök 
mit fohlenfaurem Natrum niederfchlägt, den Niederfchlag wäfcht, trodne m 
glüht. Es fei num auf die eine oder andere Weiſe bereitet, fo tft es ein m 
loderes, geruch» und gefhmadlofes Pulver, welches fih in Mineralfäuren ou 
Braufen leicht auflöst, im Waſſer jedoch unlöslic if. Es wird im Fr 
cellanmalerei verwendet und auch ald Anftrichfarbe, ferner in der Medicin. De 
unteine Zinkoryd, welches ſich in den Hochöfen anfegt, wo zinfhaltige Erze m 
Era iſt unter dem Namen Ofenbtuch, Tutia oder Ric 
Im Handel, 

Zinke, die, auch der Zinken, iſt ein etwas geftümmtes, ber Trompen 
ähnfiyes, faſt zwei Fuß langes Blasinftrument, ohne Stürze, mit einem Run 
flüde. Aus Holz oder Horn verfertigt, zuweilen mit Leder überzogen, hatte d 
einen Umfang vom Fleinen a bis zum dreigeſtrichenen a, einen flarken, durchtrn 

enden Ton und zwar zum Pofaunenchor gut geeignet. Bon biefem Inſtruncuu 
ührten ehemald die Stabtpfelfer den Namen Sinteniken; gegenwärtig iR d 










7 
Zinkgref — Zimnober. 1095 


"aufier Gebrauch. Bel den Orgeln heißen 3.n die zum Schnarrwerke gehörigen, 
den Ton der 3.n nachahmenden Pfeifen. 
" Zinfgref, Julius Wilhelm, geboren den 3. Juni 1591 zu Ei 
wo fern Vater turpfälzifcher Rat war, der im Jahre 1610 flarb. 3. flubirte 
in feiner Baterftabt, machte von 1611—16 eine Reife nad) der Schwetz, Frank⸗ 
reich, England und den Niederlanven, während welcher er ſich die perfönliche Bes 
= Tanntfchaft vieler angefehenen Gelehrten erwarb. Nach feiner Rüdkunft lebte er 
bei feiner Mutter bi zu deren Tode 1619, begab fidy wegen der Kriegsunruben 
nach Heilbronn, ward |päter Generalauditeur in Helvelberg, verlor bei der Er⸗ 
= oberung diefer Stadt durch die Bayern (1623) faft fein ganzes DBermögen, lebte 
- dann abwechfelnd zu Frankfurt und Straßburg, wo er al® Reifefefretär u. Dol⸗ 
metfcher in vie Dienfte bes franzöſiſchen Gefandten Marescot trat. Wegen eines 
> higigen Fiebers mußte er einige Zeit in Stuttgart zurüdbleiben, ging dann wies 
der nach Straßburg und 1626 nady Worms, wo er einige Jahre lebte. Nachdem 
- er noch Landſchreiber in Kreuznach und fpäter in Alzei gewefen, ftarb er zu St. Goar 
- an der Peft am 1. Rovember 1635. Bon diefem patrlotifchen Sammler haben wir: 
. Emblematum ethico-politicorum centuria, Zıff. 1623, Heivelb. 1666—81 5 Teutſche 
- Mpophtbegmata, d. 1. der Teutſchen fchartfinnige Euge Sprüdye, Straßburg, 1. 
Thl. 1628, 2. Thl. 1631, 1.—2. Thl. daf. 1639, 1.—3. Thl. Leyden 1644, 
4.—5. Thl. daf. 1693, 1.—5. Thl. Amfterdam 1653—55. Eine Auswahl daraus 
gab Butterftein, Mannheim 1835. Ginige Poeflen von ihm finden fidh in der 
von ihm beforgten Ausg. der Gedichte Opizens, Straßburg 1624. N. 

Zinn, ein Metall von weißer, dem Silber nahe kommender, nur ſchwach 
in’8 Gelbliche fallender Farbe u. fchönem Glanze, das in der Härte zwifchen Diet 
und Gold in der Mitte fleht, fich bämmern, ftreden, in dünne Blätter ausſchla⸗ 
gen, zu Drabt ziehen, ſchaben und ſchmieden läßt, ein fpezififches Gewicht von 

‚00 bis 7,,25 bat und bei 239° C. fchmilzt. Wenn e8 dem Schmelzen nahe 
kommt, wird ed mürbe, fo daß man e8 mit dem Hammer zerfchlagen kann. 
Beim Reiben —I den Fingern gibt es einen unangenehmen Geruch und ge⸗ 
goſſen ein kniſterndes Geräuſch, was als ein Zeichen der Reinheit betrachtet 
wird, da dieſes nicht flatıfindet, wenn das 3. mit einem andern Metalle vermifcht 
if. Dan findet das 3. entweder mit Echwefel, oder mit Sauerfloff verbunden; 
in der erfiern Form, ale Z.⸗Kies oder Schwefels., jedoch nur in geringer 
Menge, deſto häufiger ald Oryd und zwar entweder kryſtalliſttt (3. Graupen), 
oder faferig (Holz⸗3.), oder ald gemeiner 3.-Stein (3.Spath) und aus 
diefen Erzen wird alles in den Handel kommende 3. genommen. Das meife 
producirt Hinterinbien, beſonders die malayiſche Halbintel, Banfa und andere 
Ainterinb pe SInfeln, wo aufammen 70,000 Pikuls jährlich gewonnen werben. 

a8 befte und reinfte 3. ift das Bank⸗Z., in England gewöhnlid altes 3. 
(old-tin) genannt. Das Malaccas oder oſtindiſche 3. iſt ebenfalls fehr gut 
und rein. In Europa erzeugt England, namentlich Cornwall und Devonfhire, 
das meifte 3., jährlich) gegen 4000 Tonnen, doch iſt e8 immer etwas blei⸗ und 
fupferartig. Sachien erzeugt bei Altenberg jährlidd 2500 Etr. 3., welches zum 
Theil von fehr guter Qualität, als fogenannte® Berg⸗3. aber fehr unrein iſt. 
Böhmen erzeugt jeht nur noch circa 1900 Etr. jährlicy, beſonders bei Schlaggens 
wald, weldyes von den aufgeichlagenen Rofen auch Rofens over Röfels3. genannt 
wird. Die Verwendung ded 3.8 zu verfchledenen Gerärhen, Orgeipfeifen, Blatten, 
zu Stanniol, zur Epiegelbelegung, zur Berfertiaung von Metallcompofitionen 
und des Weißblechs, fo wie zu verfchiedenen Präparaten, zum Löthen ıc. iſt 
hinlaͤnglich bekannt. 

Zinnober, rothes Schmwefelquedfilber, Cinnabaris, Hydrargyrum sulphu- 
ratum rubrum, fommt als un in der Natur, in Kiyſtallen, kryſtalliniſch, derb 
und erdig vor. Der reinfle, Bergs 3. genannt, kann ohne weitere Bear g 
als Farbenmaterial benügt werben; der unreinere wird auf Queckſilber verhüttet, 
Man findet ihn. in Menge in Idria, Almada in Spanien, Werica, Ekins, In- 


— 
086 Si Bingaseef: 


am. Der im Hanbel vorfommenbe 3. tft zum — Fünftlich aus Du, 
{ber und Schwefel dargeftellt, toztt man zwei Methoden, bie auf trodemm x 
ie auf naſſeni Wege hat. Zur Gewinnung defielben auf trodenem wo 
em 21 Theile Ducdfilber und 4 Thelle gepulverter efel — 
emiſcht und in eiſernen Gefaͤßen mit irdenen Helmen fublimirt. fo eate 
ne 3., Stüd=3. genannt, iſt eine dichte, frabtige, aerbrechlüche, fer, a 
}) länzende Maffe von graubläulicher, beim rother Farbe. Pike 
En wird auf deſonders eingerichteten Präpartrmühlen zur höchften Feinte 
erieben und unter dem Namen öfterreihifcher pre gemaßlener? 
ı den del gebracht. 3. auf naffem — ud 7 Berfährt mar a 
gemeinen folgendermafien. Zu ſiedender — e Ar 
dewicht reg man, unter Umrühren, fo viel Schwefel, a st. Nach da 
frfalten gieft man die Hälfte Ducdfilber und fchüttelt es in einem Glafe durt 
techanifche Kraft gegen 24 Stunden lange, bis e8 in eim rothes Pulver 
viandelt if. Durch Abgiefen und Auswaſchen wird es von dem 
Er: Schlämmen, von beigemengten grauen Theilen befreit. Der fo 
5. Tommt unter dem Namen Vermillon oder Patent +3., ebenfalls 
ımb dunkler Schattirung, in den Handel. Bon dem lauf trodenem Wege bad 
teten unterſcheidet er ſich durch ei feuerigern Ton dadurch, daß er auh 
ftarfer Vergrößerung nichts Irnftallinifches zeigt. — Der 3. ift eim brenna 
rothes, fehr zarted, ſchweres, geruch« und geſchmadloſes ver, weldesh 
einter Glasröhre völlig fublimirt werden Tann; bleibt ein idftand, der mi 
Kohle vor dem Lörhrohre einem Bleilorn ſchmilzt, fo war er mit ar 
oder Ehromroih verfälfcht; bleibt ver Nüdftand babet unverändert, fo war 
Verfälfhung Ziegelmehl oder Colcothat; entwidelt ſich ein Harzg dabei, I 
deutet ed auf Zujag von Drachenblui. Er wird ald Malerfarbe zur Wafler: ı 
Delmaleret und zur Darftellung des rothen Siegellads bemüpt. 

Zins oder Jutereſſe nennt man die Vergütung für ein bargelichened 
pital, welche der Darleiher oder Gläubiger von dem Schuldner erhält. Ei 
werden gewöhnlich nach Prozenten für ein Jahr, feltener für eine kürzere Je 
feftgefeßt; die Höhe derfelben, welche auch der 3.- Buß genannt wird, regulm 
ich nach dem Mangel oder dem Ueberfluffe an dieponibelen Capitalien, aufe 
dem auch nach der Eicherheit, welche der Schuldner darbietet und audy nad 
dem Nugen, den derfelbe damit zu erreichen beabfichtigt, obgleich ſich im Intereft 
des freien Gefchäftöverfehrs auch Manches gegen eine ſolche Befchränfung füge 
(äßt, abgefehen davon, daß diefe Beflimmungen von den Wucherern faft imme 


: 


H 


Er 


umgangen werden. Werden die Z.en innerhalb eines gewiſſen Zeitraums nid | 


bezahlt, fondern wieder zum Capital gefchlagen und mit diefem verzinst, fo neu 
man fie Zinfes-3.en over Interufuriumz fle find ebenfalls in den meiſtet 
Staaten zu nehmen verboten. 
Bineyaht oder Nömer-Z., f. Indiktion. 

inzendorf und Pottendorf, ein fächfiiches Adelogeſchlecht, aus dıfin 
ältefter, von dem Freiheren Alerander von 3. u. :B. geftifteter, 1662 im dm 
Reichögrafenftand erhobener Linie Graf Nikolaus Ludwig, ber berühmt 
Stifter der Brüdergemeinde, gemeinhin Herrnhutter (f. d.) genannt, abftamm 
Den 26. Mai 1700 zu Dredven geboren, verlor er feinen Vater, welder kur 
fächficher Minifter war, ſchon in den erften Monaten feines Lebens und fan 
unter bie Leitung feiner frommen Großmutter zu Groß⸗Hennersdorf, in der Ober: 
laufig, die fein Herz mit Religionseinprüden erfüllte, welche nie wieder erloſchen 
Auf dem Halle ſchen Watfenhaufe, das er 1710 bezog, fand feine fchrwärmertide 
Religtofität neue Nahrung und fchon jet machte er Plane zur Ausbreitung bed 
Reiches Chrifti, wozu er einen Innern Beruf zu haben glaubte: Sein Bormun, 
der ihn die Hallefche Univerfität ſchaͤdlich Hielt, fchidte ihn mitten unter die 
Feinde des Pietiömus nach Wittenberg, aber ex erreichte feinen Zweck nicht: ber 
Graf verfiel zur Erhaltung feiner gottjeligen Gefinnungen auf ſtrenge Uebungen 


Zinzendborf. 1087 


unb zeigte eine aufferorbentliche Reigung zur; Theologie, Eine Reife nady Holland 
und Franfreich, die er 1719 unternahm, belebte ven Wunſch, Anderen feine res 
figtöfen Empfindungen mitzuthellen, noch mehr und er machte bereits in Frank⸗ 
reich einige glüdlidhe Verſuche. Nach feiner Räckkunft ergriff er mit Bergnügen 
die Belegenheit, fih an die Spitze einer eigeneh Religionsgefellichaft zu ftellen, 
als einige Apfümmlinge der mährifchen Brüder fich nach der Oberlauſitz begaben 
und fich bier auf einem Berge, Herrnhut genannt, in der Nähe von Berthele- 
bar, einem dem Grafen gehörigen Landgute, niederließen. 3. ließ ſich fogleih 
in ihre Mitte aufnehmen, brachte es durch feine Bemühungen dahin, daß auch 
Andere fich zu ihnen gleiten, legte feine Stelle als Hofrath bei der Landesre⸗ 
gierung in Dresden nieder, organifirte die neue Geſellſchaft nach feinen Abfichten 
und unternahm barauf, große eifen zur Ausbreitung feiner Partei. Einige Jahre 
hielt er fidy auf dem Schloffe Martenborn bei Frankfurt a. M. auf; in Tübingen 
prebigte er öffentlich und gab feine Erklärung fchriftlich in lateiniſcher Sprache 
von ch, wiefern und warum 'er fich dem Dienfte des Evangeliums gewidmet 
habe. Ald man von ihm einen Hauslehrer für einen reihen Kaufmann in Stral- 
fund verlangte, ing er felbft unter dem Namen von Freyded dahin in Dienften, 
predigte ald Kandidat der Theologie und hielt ein Kollegium mit den Stralfunds 
fchen Gotteögelehrten, die ihm ein rühmliches Zeugniß gaben. Unter dem Namen 
eines Herrn v. Thuͤrſtein reiste er 1726 nach Riga u. predigte daſelbſt. Unter 
dem Borwande, daß er Irrlehren verbreite, wurde er aus den kurſaͤchſiſchen 
Ländern verwiefen, aber mit Genehmhaltung des Könige von Preußen orbinirte 
man ihn zu Berlin als Bifchof der böhmifch» mährifchen Brüder. Durch Milftonen 
von Herrnhut verbreitete er feinen Einfluß nicht nur in verfchiedenen Ländern 
Deutſchlands, fondern überall in Europa, ja ſelbſt in Oft» und Weftindien und 
zur Anwerbung neuer Mitglieder fdhrieb er fowohl in Verſen, als in Proſa, in 
beutfcher und franzoͤſtſcher Sprache, verfchtenene Bücher. Auf einer Reiſe nach 
Amerifa 1738 überfehte er das neue Teftament und gab es in Druck. 1740 bes 
rief er eine Eynode nad) Gotha, auf der ſich die Brüder in dem Entfchluffe befe⸗ 
fligten „nur des Heilands Sache zu prebigen.” Gr reiöte dann nach Genf, bes 
ab fich zum zweiten Male nach Amerika, ließ ſich bald Sieafeieb von Thür: 
Rein, bald Ludwig Nitſchmann nennen und ward in Philadelphia Paſtor. Seine 
Tochter Benigna, die er bei fidh Hatte, half mit arbeiten. Unter dem Namen 
eines Herrn von Wachau fam er 1743 nach Rußlaud, nachdem er viele von 
feinen Freunden voraudgefchidt hatte; felbft feine Gattin kam dahin, faufte das 
But Brudenhof und baute daſelbſt ein Bethaus. ber die griechiſche Kirche 
widerfegte fi) diefen Unternehmungen: man verfchloß die neuen Bethäufer, nahm 
den Graſen in Berhaft und ließ ihn über die Graͤnze bringen. Doch fein Eifer, 
Gemeinden zu fitften und feine geiftliche Herrſchaft auszubreiten, endigte ſich 
erft mit feirem Tode, der den 9. Mat 1760 zu Herrnhut erfolgte. — 3. war 
groß und arſehnlich von Perfon, hatte einen feuertgen Blid und nahm durch eine 
ansnehmende Freundlichkeit fehr ein. Seine Einbilnungsfraft war ungemein 
fühend und fein Verſtand in hohem Grade thätig. Er entfchloß fich fchnell m. 
efaß eine befondere Sruchtbarkeit des Geiftes, weldye ungewöhnliche Ideen her 
vorbradhte, die er oft in Ausprüden, vie etwas Auffallendes hatten, äußerte. 
Säle er mit nehr Weberlegung und Beftimmtheit gefprochen, fo wuͤrde er vielen 
iderſpruͤchen mtgangen und mancher Erklärungen und Schupfchriften überhoben 
eweſen feyn. Er war offen, ehrlidy und treuherzig, ſtandhaft und unerfchroden 
n Gefahren. Widerfprudh Eonnte er nicht wohl ertragen, doch benüßte er den⸗ 
felben oft nach referer Ueberlegung. So wenig ſich die von ihm geftiftete Reli⸗ 
gionsgeſellſchaft duch einen eigenen beflimmten Lebrbegriff unterichlen und fo 
wiederholt ſich auc 3. mit feiner Partei für die Augöburgiſche Eonfeffion er⸗ 
Härte, fo wußte er dennoch für bie abfondernde Etaentsüntiutit inet SEC 
daft durch bie beſorderen Einrichtungen zu forgen, De ur ver Duern 
afung berjelben jab. Bl, Barnhagen won nie „Ren ab Bruen von 


1038 dion ·Zive. 


3.* (in feinen Denkmalen“, 5 Big.) und „3.6 Gerichte” (geſammelt 
von Mb. Knapp, nebft Biographie 3.6, 1846, ygcrige 
ton, der Name dei ten Burg vu Berafalen, tommt in der Keil 
ft oft für Serufalem ſeihn vor und wird der Gprache der 
gewöhnlich gleichbedeutend mit „ Fhtteöftabt“ oder Soltesreichẽ über! gebraudkt, 
Zip, eine Gefpannfchaft in Ungern von 664 [IIR., weldhe an Sal, 
dann an die Liptauer, Gdmdrer, Abaulvaret und fer Befpannfchaft 1 
fich am Fuße der Karpathen ausbreitet, deren hochſte Spiben hier der 
fein und die Lomnigerfpige find, beide zum Tatragebirge g . Ste if fe 
bergig und ziemlich waldig, in der Mitte aber eben und und wird von 
der oktäd und Gölnig. bewäffert. Die Bevölferung, welche fi auf 254000 
Seelen beläuft, befteht meift aus Sachſen, Glaven und Rußniafen und beichäfs 
tigt ſich ſtark mit Flachs ſpinnerei und Leinenweberel, dann mit Tuch» und ie 
—— jung, — 7— Kupfer — en De 
vorzi ten Naturprobufte t n jenfrüchte,, Hol, Kon, 
NRindwieh, Schafe, Schweine, Wild, Gern 
Darf Diranbeberf; Bet, CR Gewrgenterg, ne —— — 
ort, Durandsdorf, Fell, St. Geort n en, D D 
Mapdorf, Menhardsporf, —— Pudlein, Kißdorf umd Wallen⸗ 
— “am * Bo) a: ’ ae und —X un ve an cent und 
fammt der [6 und Pudlein, wozu ten. gehören, 
eine für ſich beftehende Jurisdittion. Die Geſchichte biefer Städte, oder viel 
jeden iſt kurz folgende: 1442 verpfändete König mund von den 24 
Ton Stäpten 13 nebſt den Schlöflen Lubls und Buplein und dem 
Drte Onefen, fo wie alle zu den beiden Gchlöflern gehörigen Ortichaften. 
«Die Berpfän! geſchah an ven polnifchen König Wlavidlaw Jagello 
für 37000 böhmtihe Schod Groſchen. AI nun die Verpfändungsurkunde der 
13 Städte elöst war, wurden bie 3 Städte Lublo, Bnefen und Pudlein 
auch au denſelben geichlagen und fo entflanden bie fogenannten 16 Kronfädte. 
Es if nötig diefen Unlerſchied zu kennen, indem in der Gefchichte des Z er⸗ 
landes bald von 11, bald von 16 und bald won 13 Gtädten die Rebe iſt. Jede 
diefer Staͤdte hat ihren Stadtrichter, Rathoherrn und Notar. Die Stadtrichte 
werben durch den Anminiftrator candidirt und durch die Gemeinde gewählt. Der 
Außere Rath; iſt in den größeren Städten auf 30, in den Hleineren auf 15 feige 
fest. Das Wefentliche der von Ladislaus V., Karl Robert ıc. eribeilten 
und von Maria Therefia 1775 wieder beftätigten Privilegien der 3. K. ber 
eht in Holgendem: 1) die 16 Städte machen fammt der Hertfchaft Lubls und 
ublein nur eine Jurisdiction, die mit dem Jus Gladii oder der Hoalsgerichis⸗ 
barleit verfehen iſt und ein eigenes Siegel führt; 2) in politifchen Angelegen⸗ 
heiten Hängen fie von der Tönigl, Gtatihalterei und in dkonomiſchen von ber Fir 
nigl. ungarifchen Hoffammer-ob, durch weldye Behörden fie allein Tänigliche Be 
fehle zu empfangen haben; 3) ein Gameral-Apminiftrator zepräfentirt bas 
Dominium terrestre und beforgt die Oberleitung des Oekonomiſchen und Polin⸗ 
ſchen; 4) zur Mitführung der Geſchäfte hat der Adminiſtrator einer Comes Pro- 
vincise ober Grafius, der in feiner Abweſenheit fein Amt verrichte; ferner drd 
Belfiger: einen Rotar, einen Fiscal⸗ und vier Bezirköfiscalen, einen Generalein⸗ 
nehmer und einen Gontrollor. Aufolge diefer . Privilegien hatten fie von jeber 
ie jene, von der Gomitats-Jurtödiction abgefonderte Gericht&arkeit, die nod 
auf ben heutigen Tag beſteht; ja, felbR unter ver polnifdyen Regierung hatten 
fe ihre eigene Berfaffung beibehalten. Daher werden die Krorädte In@gefammt 
Allgemein noch bie „‘Brovinz“ genannt und das Perfonal ihrer Jurisdiction führt 
den Ramen der Töniglichen Wominifration. Der Flaͤcheninhalt der 16 Kronkädte 
t 10 OR. Die Einwohner, 41,000 an der Zahl, Batlde Wohammung, 
bie ſich von Meer» und Klachbbon, Berawerten un won Saudwerlrã 


Zirbelbaum — Zicka. 1089 


ernähren, find alle Deutfche u. der Fatholifchen u. protefantifehen Religion 
zugetban. 
irbelbaum, f. Binie. 
irbeidrüfe (Glandula pinealis) heißt ein Feiner, Iänglidher Körper von 
bräuntidy « grauer Farbe, der in Mitte der Grundfläche des Gehirns liegt. Die 
3. f‘heint mehr aus der Rindenſubſtanz ded Gehirns, oder vielmehr aus einer 
einenen, vom Gehirn abweichenden Subflanz zu beftehen; ziemlich oft IR fie ver⸗ 
knoͤchert; nach unten gthant fie eine kleine Höhle. In der Subſtanz der 3. over 
vor derfelben, doch mit ihr verbunden, findet man, vorzüglich nach dem Beginne 
der Pubertät, oft auch bei Kindern, eine Feine Anhäufung von Sand oder ſteini⸗ 
gen Kömern, die rundlidy find und durch feſtes Zellgewebe zufammengehalten 
- werden, — der fogenannte Hirnſand. —— it die 3. 3—4 Linien 
lang, 2— 3 breit und 2 Linien did; ihr Gewicht beträgt meiftene 3 Gran. — 
Die 3. findet fi bei allen Shieren, wenn auch in fehr abweichenden Formen. 
Ihre Beftimmung tft nicht befanntz Descartes hat fie für dem Sig der Seele 
erklärt. | | E. Buchner. 
Zirkel, find Meßinſtrumente, welche von Mathematikern, Zeichnern und 
verfchtenenen Handwerkern gebraucht werben; fie find von Eifen, Stahl oder Meffin 
und beftehen aus zwei fpitigen und am andern Ende durch ein Scharnier mit 
einander verbundenen Schenteln. Man hat fie, je nach den Zweden, zu denen fie 
beftimmt find, von verſchiedenen Formen und unter verfchiedenen Benennungen 
als: Hand», Stock⸗, Feder⸗, Taftens, Proportional-, Reduktions⸗, Schiffer⸗, 
Stangen-3. u. a. m. 
— ſ. Hyacinth. 
iska, oder Zizka, von Trocznow, Johann, Feldherr der Huſſiten, 
geboren 1360 auf einem, feinen Eltern gehörigen, Mayerhofe zu Trocznow im Bud⸗ 
weifer Kreife, flammte aus einem altadeligen böhmiſchen Geſchlechte. Als Knabe 
verlor er das rechte Auge, ward Page am Hofe des Könige Wenzel IV. und 
fpäter Kämmerer. Gr —X in feiner Jugend düftern Geiſtes geweſen ſeyn, beſaß 
aber ſchon damals große Anlagen. Seine erſten Kriegsdienſte leiſtete er in dem 
deutſchen Orden mit anderen boͤhmiſchen Rittern wider die Polen und Litthauer 
und focht den 5. Juli 1410 für den Orden bei deſſen blutiger Riederlage zu 
Tanneberg; dann diente er in Ungarn wider die Türken und 1415 bei Azincourt 
den Sngländern wider die Franzoſen und lebte hernach am Hofe des Könige 
Wenzel. Die Verbrennung von Huß und Hieronymus und die Entehrung feiner 
Schwefter, die eine Klofterfrau war, befeelten ihn mit Rache. Als Niklas von 
Huffinecz ſich an die Spige des m Boergnügten Bürger u. Bauernftandes flellte, 
gefeltte fi 3. zu ihm und führte fie in Waffen am 15. April 1418 auf da® 
Schloß. Bet einem Aufzuge am 30. Juli 1419 traf einen huſſitiſchen Prieſter ein 
Steinwurf. Nun fürmten die Huffiten, geführt durch Z. das Rathhaus und 
warfen 13 Rathöherren unter die Spieße des Volkes. König Wenzel ftarb vor 
Schreden über diefen Borfal. Che der Katfer Sigismund, defien Bruder , bie 
Regierung antrat, verflärkte 3. feine Macht und, ald jener damit anfing, einige 
Huffiten hinrichten zu laffen, bildete 3. eine Verfhwörung, Steismund niemals 
anzuerkennen. Gr erbaute auf dem Berge Tabor eine Stadt, wovon feine Partei 
den Ramem Taboriten erhielt befefligte e und erhob fie zum erften Waffenplape, 
von wo kriegeriſche Angriffe nady allen Seiten bin unternommen wurden. Gr 
traf manche nütlicye firategifche Einrichtung und disciplinirte ſchnell die Anfangs 
fehr unorventlihen Haufen feiner Krieger und gewann durch Siege beffere Baftım 
und Pferde, welche ihm Anfangs fehlten. Viele Grauſamkeiten, die er felten 
billigte, beging fein Heer. Ihn felbft befeuerte Rachſucht wider alle feine Gegner 
mit empörender Wilpheit, nady damaliger Zeitfittee Am 14. Juli 1420 flürmte 
der Kaiſer erfolglos den Berg Wittkar, jept Zisfaberg, wir LAMA Moun. 
Beldmangel lähmte den Katfer noch mehr, al® * — KAR\ er 
Das Ziniglidie Echloß in Prag und ſelidem bevienien N deine Sole vo Was 


4040 u Bil! — 


nonen md: Muöfeten. Nach ben Tode Niklas von Guffnech; 421, ioga hi 

die Böhmen. die böhmifche Krone an, die er jedoch — dem Ay 

von Polen antragen ließ, ber fie jedoch ebenfalls ablehnte, der Belagıran, 

et Ben *6 = a — 8 ——— 
vo fi N er 

und ordnete nach ber Bei bung 5 ndtfeles die Stellung feiner 


2: 


H 


an. Die meiften Schlachten ed er durch feine jerve, „) 
Bruderlegion“ genannt. Fin oe 1422 ieh: einen sen 17 
Sigismund bei Deutſchbrod und drang felbft in ihren und & 
Nur eine — * er bei Kiemſit in Mähren, obg er fonft ing 
Schlachten flegte. farb am 412, Dftober 1424 bei der I 1 
— bei Czaslau an einer Leberltanlheit, wurde im der Bau 
aslaw beerdigt und über fein Grab fein eiferner Streitlolben aufgching 
J— 
en, en erbe er bie en jahm rtotop 
Zita, hl. Jungfrau, Pattonin der Dienſtboten, zu Anfang des 13. * | 


humberts im Dorfe Monteſegradi bei Lucca von. armen, aber ehrlichen 
jeboren, verlor den Fe frühe und lebte mit ihrer Mutter im ärmlite| | 
Imftänden, erhielt aber von dieſer eine forgfältige religiöfe Erziehung und b 
weil ng zu allem Guten. Durch ——— Zärtlichfeit, vollfommenen Ge 
ſam und Achtung vor der Mutter ward 3. Gegenftand allgemeiner Berounder, 
och nicht zwölf Jahre alt, trat 3. in den ft ‚bet einem Bürger in Im 
Fatinelli mit Namen, ver neben der Kirche des HI. Frigivian wohnte I 
diefem neuen Stande fand fie viele Mittel, das in ihrem elterlichen Haufe ı 
glüdlich begonnene Werk ihrer Heiligung fortzufegen und zu wervollfonmm: 
denn fie konnte dabei ein arbeitfames, bußfertiges und abgetöbtetes Leben fühn 
und ihren eigenen Willen dem göttlichen Hellande aufopfern, ver ebenfalls w 
der Erde wandelte, um zu dienen, nicht, um. bedient zu werben. Ihrer Herrihe 
war fie treu und gehorfam, in der feften Ueberzeugung, daß diefelbe Gottes Ext 
an ihr vertrete. Soden Tag ftand ſie am frühen Morgen auf, um Zeit mg | 
winnen, ihre Gebete zu verrichten und dem bi. Mefopfer beizumohnen. Ais 
und fromm, befchränkte fie fich jedoch nicht auf die ihr anbefohlenen Dienfse 
richtungen, fondern merkte genau auf jeden Wunſch der Herrfchaft und fuck 
fo viel fie es vermochte, freundlich und ehrerbietig ihrem Willen zuvorzufomme 
Allein der Neid, welcher ſtets das DVerdienft verfolgt, fprigte fein Gift auch me 
das friedliche Dacy, wo 3. wohnte und überzog den friedlichen Himmel m 
Wolfen der Trübfal, Die Frau des Haufes ließ fih durch Zuflüfterungen Ir | 
Zungen gegen ihre Dienftmagd einnehmen und der Hausherr verabfcheute fir i 
fehr, daß er ohne Unwillen und Zorn weder mit ihr fprechen, noch fie anide 
fonnte. Gine gewiß äufferft drüdende Lage für ein gutes Gemüth und dei 
fo fehr man fie auch mißhandelte, ließ fie nie die geringfte Klage, nie das ms 
defte Murren hören. Sie blieb fi) immer gleich in unerſchütter iicher Sanftumt 
ſtets ihre Pflichten treu erfüllend, um, wenn auch nicht den Menfchen, doch Gut 
allfehendem Auge zu gefallen. — Endlich fiegte die fo fert gegründete Tugm | 
über bie Bosheit und die Vorurtheile leidenſchaftlicher Menſchen. Die Herrfhd | 
der Heiligen erfannte zuletzt, daß eben diefe Gehafte und Geläfterte ihre treu 
Dienerin fei. Auch die übrige Dienerfaft kehrte zu billigeten Gefinnungen zum 
und ihre vorige Eiferſucht wandelte ſich in Bewunderung des ſchönen Tugen 
beifptele8 um. 3. war aber weit entfernt, ſich nun vom Stolze befchleichen zu laſa 
da man-ihr Zufriedenheit und Verehrung erwies. Feſt in der Demuth begrüng 
blieb fie ällzeit befcheiven, Ieutfelig und fanft, jede Gelegenheit benügend, mo & 
auch dem Lepten des Haufes einen Dienft leiften konnte — Das Bertrauen de 
errfchaft gegen die Dienerin ftieg endlich fo hoch, daß fie ihr die Leitung de 
ausweſens anvertraute. 3. bewies eine ungemeine Klugheit in dem ihr übe: 
tragenen Amte und, obgleich über dad andere Hausgefinde erhoben, ließ fie deqh | 


Zither — Zitterfife, 1041 


nie daffelbe ihre Weberlegenheit fühlen. — Trog der unermübeten Arbeiten und 
anftrengenden Obforge für da8 Hauswefen faftete 3. dennoch das ganze Jahr 
hindurch und fogar oft bei Wafler une Brod. Ihre Lagerflätte war ein Brett 
oder der harte Fußboden. Wenn fie einige Wugenblide von ihren Gefchäften er- 
übrigte, widmete fle diefelden dem Gebete und der Betrachtung. Ihre Arbeiten 
Llugie ſie durch ſteten Aufblick zu Gott und jene inneren Gebete, wodurch die 
eele in Öfterem Aufſchwunge ſich erhebt. Bel ihrem Hausherrn, der von Natur 
fehr aufbraufenn war, fand fie in einem foldyen Anfehen, daß ein einziges Wort 
von {hr genügte, feinen Unwillen zu unterbrüden. Die Armen fanden an ihr 
eine theilnehmende Tröfterin, von der fie nie ohne Unterſtützung ſich entfernten. 
Redete man in ihrer Gegenwart Anderen Uebels nach, fo vertheivigte fie die Ans 
gegriffenen, ober entfchuldigte ihre Fehler. Oft nahete fie den bl. Saframenten 
und erfchten befonderd mit englifcher Andachtsgluth am Tifche des Herrn. Die 
pe e ftarb endlich im 60. Jahre ihres Lebens den 27. April des Jahres 1272. 
uf ihre Fürbitte gefchahen viele Wunder; 150 wurden gerichtlich unterfucht und 
beRätigt. Ihr Andenken wird am 16. April in Lucca mit großer Andacht 
egangen. 

Zither, ein aus der Lyra (f. d.) entflandenes, von ihr durch das Griff: 
brett verſchiedenes und wahrſcheinlich mit fünf Saiten bezogenes SInftrument ber 
Griechen, der Sage nad) von Amphion erfunden. — Die bie und da jebt noch 
gebräuchliche Zither befteht aus einem flachen, ungefähr zwei Zoll hohen Corpus 
mit Steg und Schalllody, einer zwei Zoll hohen Zange und langem Hals mit 
Griffbrett und iſt gewöhnlich mit 6 in: g, d, h, g, d, e geftimmten Drahtſaiten 
bezogen, bie mit einem Federkiel angefchlagen werden. Abarten der 3. find: das 
Bier (Zwölffaiter), die Balalisfa oder ruffifche 3. und die in Tyrol u. Steier- 
marf gebraͤuchliche Streich⸗ oder tag}. 

Zittan, eine gewerbfleißige Stadt Im Bautzener Kreife in der fächfiichen 
Oberlauſitz, liegt an der Mandau, unfern der Lauflger Reife, bat eine fchöne 
Johanniskirche, ein Gymnaflum, eine böhmifche Proteftantengemeinde, Seminar, 
Bibliothek, Naturaliens und Muͤnzkabinet, Zucht⸗, Srren- und Walfenhaus und 
9500 Einwohner. 3. iſt Hauptfitz der Leinweberei, des Leinens und Damaft- 
handels in Sachſen. Die Ba Zittauer Pflege beichäftigt ſich vorzugẽweiſe mit 
der Verarbeitung des Flachſes, namentlich liefern die großen und berühmten Fa⸗ 
brifvörfer Groß⸗ und Neuſchönau, Waltersdorf, Johnsdorf, Eibau, Oderwitz, 
Reichenau, Seifhennersdorf, Ebersbach u. a. Ausgezeichnetes. — 3. treibt auch 
ftarfen Getreivehandel; den Verkehr überhaupt befördert die hier burchgehenve 
Hauptfiraße nad) Böhmen. 

Zitteraal (Gymnotus electricus), ein in das Geſchlecht der Kahlrüden ges 
höriger Fiſch, wird 3 bis 5 Fuß lang und fieht an Geſtalt dem gemeinen Wale 
ähnlich, mit Ausnahme der, längs dem Bauche hinlaufenden und mit der flumpfen 
Schwanzfloffe verbundenen, Afterflofie. Seine Haut ift lederartig, fchleimig und 
fhwarz mit einigen hellen Flecken; der After öffnet fi an der Kehle; die Mund⸗ 
Öffnung ift weit, die Kinnladen mit Kleinen, ſcharfen Zähnen befeht, Zunge und 
Gaumen vol Warzen. Alle Floffen find mit einer dien Haut umgeben u. die 
Schwanzfloffe ift abgeſtumpft. Diefer Fiſch lebt in heißen Gegenden, muß immer 
rifche Luft fhöpfen Tönnen, daher er von Zeit zu Zeit an die Oberfläche des 

affers fommt, und feine Nahrung find Heine Fiſche, Würmer ıc. Gr beftgt 
eine befondere, fehr ftarfe Electricktät, wodurch er Menfchen und Thieren, wenn 
fie fi) ihm nähern, einen Schlag mittheilt; Fiſche werden fogar dadurch getöbtet. 
Die ſtärkſte Electrichtät fcheint diefer Fiſch im Schweife zu haben, die fich, wenn 
er eine fehnelle Bewegung im Waſſer macht, auf 15 Fuß weit erftredt. 

Zitterfifche, electrifche Zifche mit dem Vermögen, Körpern, welche fte uns 
mittelbar oder durdh leitende Materien berühren, electriiche Schläge We EAN. 
terungen mitzuthellen. Auſſer dem Zttterant ((. do An REN ar Arrrrte 
zoche der Offee (raja torpedo); der Zitterwel® sner Rauidy Shurun ser 
Realencpclopäble X. INS 


1042 Zittwerſamen — Zizianoff. 


ctricus), in Afrika's Suͤdmeeren und einigen Flüſſen u. der afrikaniſche Stachel⸗ 
bauch (tetrodon). Die Electricitaͤt dieſer Fiſche entladet ſich beſonders durch 
eigene Organe, welche entweder an beiden Seiten der Fiſche hinlaufen, oder als 
ſechseckige Prismen von Fleiſchfaſern auf den Fiſchen hervortreten und mit vielen 
Blutgfäßen und Nerven angefült find. Es ift möglich, daß die Anhäufung des 
ſchlummernden Wärmeftoffes, vertheilt durch Kleine Blutgefäße und zahlreiche 
Nerven unter und neben einander in Heinen abgefonderten Räumen, aufgeregt durch 
eine ftärfere Reibung gegen die Ratur des Fiſchblutes eine Erwärmung und das 
durch einen electrifchen Schlag hervorbringe. 

Zittwerfamen oder Wurmfamen (semen cinae, s. santonicum ober 5. 
contra), find die unentwidelten Blüchen mehrer, zum Beifußgefchledyt gehörender, 
Pflanzenarten, namentlid Artemisia Contra und Judaica, weldye in Kieinaflen, 
Eyrien, Arabien, Berfien und der Tartarei, und von A. santonicum, welche ia 
Perften und der Tartarei einheimiſch iR. Ste haben die Geſtalt Feiner, gruͤnlich⸗ 
gelber oder grünlich«brauner, länglicher Körnchen von eigenthümlichem ſtarken, 
widrig-gewürzhaften, etwas fampherartigen Geruch, hitzigem, beim Kauen kuͤhlen⸗ 
den, gewürzbaften, Fragenden Geſchmack. Der levantiiche, aleppiſche oder alerans 
drinifche wird für den beten gehalten und von diefem derjenige, weldyen mög 
lichſt wenig Stiele und Blättdyen beigemifcht und der unter dem Ramen Semen 
cinae in granis in den Handel kommt. Geringer ift der barbarifche, afrikaniſche 
oder oſtindiſche Z., der aus Brucflüden von graulich⸗filzigen Stielchen u. fehr 
tleinen, ganz unaudgebildeten Blüthenknoſpen beſteht; eine tm ſüdlichen Krank 
rei) von Artemisia palmata gefammelte Sorte hat gar feinen Werth. In der 
Merlin wird der 3. befonderd gegen Eingeweidewürmer gebraucht. 

Zittwerwurzel (Radix zedoariae), die Wurzel einer Curcuma⸗Art, nad 
Einigen von C. Zedoaria Rosc oder C. Zerumbet Roxb., nad) Anderen von C. 
aromatica Salisb. oder C, Zedoaria Roxb. ftammend. Es kommen zwei Sorten 
vor: runde (R. z. rotunda) und lange (R. z. longa), von denen vie erftere, 
welche weniger Fräftig tft, in die Quere, die lebtere in die Länge zerſchnitten iR. 
Sie find auffen bräunlidyegrau, innen weißlich von Farbe, haben einen fcharfen, 
bigigen, gewürzhaften, rosmarinähnlichen Geſchmack und ſtarken, gewürzbaften, 
faft fampherariigen Geruch. Man brauchte fie früher ale magenflärienbed Mit⸗ 
tel in der Medizin, jetzt nur noch hier u. da als Ingrediens einiger alten Com⸗ 
poſitionen. 

itz, ſ. Kattun. 

izianoff, Paul Dimitriewitſch, der Begründer der ruſſiſchen Herr⸗ 

ſchaft in Transkaukaſten, Sohn eines hohen rufftihen Beamten fürſtlichen Standes, 
wurde am 8. September 1754 geboren. Schon als vierjähriger Knabe auf Ber: 
anlaffung feines Vaters bei dem Preobraſchensly'ſchen Garderegimente einge 
[orieoen, war er bereits 1777 zum Gapitänlieutenant vorgerüdt, als weldyer a 
n das Regiment wirklich eintrat. Nach fchnellem Avancement zum Oberftlieute 
nant ward er fchon 1780 mit dem Befehl über ein Peteröburgifches Grenabdier⸗ 
tegiment betraut. Die Muße ver Friedenszeit füllte er mit fchrififtellerifchen 
Arbeiten, von denen. aber nur Ueberfegungen belanut geworden, aus. Nach ven 
Brucye zwifchen Rußland und der Pforte nahm er, übrigend ohne Gelegenheit 
fihb auszuzeichnen, im Jahre 1787 zuerſt an einem Feidzuge Theil. In vem 
fpätern Kampfe gegen Polen bewährte er ſich als tüchtiger Offizier und warb, 
gleich mehren feiner Kriegegefährten, der Tapferkeit wegen mit eingezogenen pol⸗ 
niſchen Gütern belohnt. Fuͤrſt 3. betrat den Schauplag feiner fünftigen Thaten 
zum erften Male, als er im Jahre 1796 unter dem Oberbefehl des Brafen Guboff 
nad Transkaukaſien gefandt wurde. Die Intriguen am Beteröburger Hofe riefen 
aber bald den Argwohn Katjers Paul. gegen ihn wach: er warb zurüdberufen, 
auf feine Güter verbannt und blieb bis nach der Ermordung ded Kaiſers in 
Ungnade. Paul's Nachfolger, Meranter\., eniitätinte Ihn dafür alängend, indem er 
bie Milttärverwaltung von Afttadyan und den Dia NUR — car ehenlo 


| Ztzianoff. 1043 
unabhängige, als ehrenvolle Stellun m übertrug. In Transkaukaſten te 
damald große Berwirrung ; Baul L L rn im Jahre 1801 das ae 
Georg XUL unter —* Schutz geſtellte Land feinem Reiche für immer * 
verleibt; allein die Beſignahme war Teineswege voll Belegen, vielmehr ein 
vom perfifchen Schah Amterfühier Kronprätendent ( Alexander, Georg’3 XII. 
Bruder) aufgetreten, mehre Khans zeigten ſich feindfelig, die Ghtgebenehne, 
wie immer, unruhig. War vie — Politik — A die Em 
Khans, auf ihre Beſchützung gegen Berfin, auf & ——— 
linge durch reiche Geſchenke gerichtet geweſen, ſo Pe * an 1 3., offen 
Fr in Transkaukaſten im Jahre 1803 begann, e emige engeſetzte Wolke : 
egeln der — und Milde hielt er, gegenüber d en von ihm 
ti , binterliftig und treulo® era 53* en eeignet, 
gegenfeitigen Befehden Rußland für zutr nen Bären famen 
ndniſſe zu Stande. Eine von N Gehen —— —* ver Befehl zur 
Ueberfievelung der ehemaligen Könt —* don —S nach Petersburg, um 
Intriguen zu ihren Gunſten unmögli Ein Kriegszug gegen vie 
Lebahier, zum Zweck der (dennoch nicht "fo ist) —— — jenes ſchon 
erwähnten Fuͤrſten Alexander, eröffnete 3. egsmaßregeln im Lande; ein für 
meinnehmbar gehaltenes —— Dorf, Belokan, ward am 9. Maͤrz 1003 er⸗ 
ſtürmt und umter dem gewaltigen Eindrucke dieſes Sieges unterwarfen ſich nicht 
nur die unmittelbar überwundenen Bezirke, fondern auch der Khan von Jeliffut, 
ein beftänbiger Verbuͤndeter ver * hier. Zur Erhaltung des Erwoibenen 
wurde an der Alaſan die Alexanderſchanze angelegt. Nachdem dann, am 
4. Dezember gleichen Jahres, die friedliche Unterwerfung des Aundes Min 
grelien —*8 erfolgt war, daß deſſen Fuͤrſt, Dadian, ein Schwager des letzten 
Herrſchers von Georgien, ſein in Unabhaͤngigkeit kaum mehr zu erhaltendes Rei 
an Rußland abgetreten hatte, forderte und erhielt J, — um die Graͤnze na 
Berfien und der Türkei bin durch vie Unterwerfung der dortigen Khane zu 
ſichern — zur Berflärkung feiner Kriegsmacht —* Regimenter Fußvolk und 
100,000 Silberrubel für ® qußerorbentll e Ausgaben. Die Unterwerfung des 
Khanats von Ganſcha, als nächte Aufgabe, gelang 3. unter mehrfachen Ver⸗ 
luſten, Krankheiten im Heere ıc. durch die, na andertbalbflündigem Sturm ers 
folgte, Einnahme der auſſerordentlich ſtarken Veſte Ganſcha am A. Januar 1804, 
Der Khan felbft war gefallen, Ganſcha blieb unterworfen, erhielt ven Ramen 
Elifabethopol und eine ruſſtſche Befayung. Wie früher Ringrelien, fo unterwarf 
fi) nun auch das, feitvem auf zwei Selten von ruſſtſchem —2*— umſchl an 
Imerethi, defien König Salomo am 25. April 1804 mit ir ganzen Volke 
den Eid der Treue leiflete. Wber der Bel von Ganſcha e andrerſeits den 
offenen Brudy Perfiend mit Rußland zur —S Bei den zum folgenben Kämpfen 
mit Perfien fehen wir deſſen damaligen baten Abbas 
Mirza (ſ. d.), ald 3.8 bedeutendfien Gegner. ne 10. Juni 1804 er es zum 





ber! 


ai Da Km See Giga, m 2 ST Km 
t em er m am 

bbas Mirza mit 12,000 Mann Fußvel und 8000 Pferden; kurze Zeit varauf 
den Schah felbk mit 27,000 Mann bei dem Dorfe Kalagiriz die e verloren 
biebet über 7000 Wann an Todtn und Berwundeten, ihr ganzes —** 


ahnen, ſteben Felbdſchlangen, alle dem *83 eraubten einen 

—* —e — rem die ff — ſehr litten. 
bemale < Stärfe von 3.8 Macht wird von den Ru Dann 

Zußvolf, n egelmäßiger ımb mregelmäßtger Reiteret ie nur zwolf —*5* — 

angegeben. —** war 3. mit der nun unternommenen Belagerung von 

Be Be Be SEES, 
Here un angel an ’ 

mein waren, fe —* im Peteroburg, die Befürchtungen um 8 SS ne 


4044 Zuaini. 
kaukaſiſchen Eroberungen. 3. blieb gefaßt und führte ben, am 4. Gepiember bes 

onnenen, Rüdzug * der — ———— im Ganzen glücklich aus; nur 
Durch Krankheiten wurden ihm 400 Bann wengerafft. . Am 22. September Hatte 
er Tiflis wieder erreicht und feine Anweſenheit ftelite das frühere Bertrauen fogleid 
wieder her. Entfcheldende Schlachten mit den Perſern vermieb nun 3. und befchlof, 
fid) die Unterwerfung der benachbarten Khane zu befchränfen. bre der 
felben unterwarfen fich im Anfang des Jahres 1805 freiwillig. Bald aber warb, 
nach dem Scheitern aller Unterhandlungen mit Perfien, ein neuer Kampf viel 
gegenüber unvermeidlich; der Schah forderte bie Bläubigen Georgiens zur Ems 
pdrung auf. Die ruffiichen Streitkräfte waren — — und auch 
nachdem 3. die kaspiſche Flottille zu feiner Huülfe herbeigezogen halte, konnten von 
ihm wichtige und dauernde Erfolge nicht erreicht werden. Doch flüchtete vor 
ihm der Schah, der mit 40,000 Mann den Araxes überfchritten hatte; Abbas 
— aber gab, um nicht von den Ruſſen im Rüden ange zu werben, die 
inzwiichen verfuchte Belagerung von Elifabethopol mit Hinterlaffung feine® ganzen 
Lagers auf. 3. wandte fid) dem kaspiſchen Meere zu, wo bie Operationen Ruß- 
‚lands bis jest Feine Refultate geliefert hatten. Auf die Nachricht von fich meh⸗ 
renden” Berluften und immer. unglüdlichen Uaternebmungen brach 3., obwehl 
damals heftig am Fieber leivend, gegen Ende November 1805 mit 16,000 Mann 
Fußvolk nebft Reiterel und Geſchühen von Eliſabethopol auf, us in einem 
jlgen Zuftande, daß man ihn mehrmald des Tages unter 

egen und Schnee vom Pferde heben und auf der Erbe ausruhen laſſen mußte. 
Unterweg6 wurde das Khanat Schirwan mit Rußland vereinigt (25. Dezember 1805) 
u. Baku am 30. Januar 1806 erreicht. 3., mit dem ruffifchen General Sawalifhin 
- vereinigt, forderie den Khan zur Unterwerfung auf: ed wurden Unterhandlungen 
angefnüpft und der 8. Yebruar zur Uebergabe beſtimmt. Am Morgen brady 3. 
mit 200 Mann auf, fand in Furzer Entfernung von den Stadtthoren die Aelteſten, 
die ibm als Zeichen der Unterwerfung die Echlüffel der Stadt nebfl Brod mb 
Salz übergaben. Hundert Echritte vor der Feſtung erfchten auch der Befehle 
haber, Huſſein Kult Khan, von vier Beamten ale, Während ji ſich dem Fürſten 

e 





friechend naͤherte, fielen hinter ihm zwei Schuͤſſe, von denen einer 3. auf ber 
Stelle tödtete. Unmittelbar darauf machte die Beſatzung einen Ausfall und warf 
die überraſchten Ruſſen zurüd. Für Rußland war 3.6 Tod ein ſchwerer Verluſt 
Sn den drei Jahren hatte er ald Berwaltungsbeamter, wie als Beldherr, ungemein 
viel gewirkt. Man verdankt ihm eine ganz neue Drbnung des Rechtsweſens in 
Georgien und viele andere wichtige Berbefierungen: bie Wiederherſtellung ver von 
den Perſern zerfiörten Drudereti, die Berforgung des Landes mit Büchern aus 
der Volkoſprache, die Anlage eines botanifchen Gartens in Tiflis, die Herbei⸗ 
ziehung tüchtiger Aerzte, Maßregeln zum. Schuhe des ruffifchen Handels auf dem 
fhwarzen Meere. Seinen altruffifchen Charakter des unbeugfamen Mauthes und 
des Trotzens anf phufifche Kraft milderte wahre Herzendgäte und erhob firenge 
Rechtlichkeit ; ungetreuen Beamten, diefer Landplage Rußlands, war er entſchiedener 
Feind. — General Bulgakoff, der. im Jahr 1806 die Stadt Baku dennoch ein 
nahm, ließ Fürft Paul 3.8 Leiche, die man in eine Grube am Thore hart 
hatte, ausgraben, in der dortigen armenlfchen Kirche beifegen, von wo fie fpäter 

Tiflis in die Stionskirche Fam. Die Regierung bat ihm fpäter ein Denk 


errichtet. 

Zuaim, Tönigl. Stadt und ptort des Zuaimer Kreiſes in Mähren, am 
Linken Ufer der Thaya, zum Theil auf einem fünoftwärts abhängenden Hügel, 
in einer angenehmen und fruchtbaren Weingegend ge en, iſt nicht von gro 
Umfange, aber wohl gebaut, bat 2 Pläge, 4 Vorflädte und zählt mit dieſen 
an 800 Häufer u. 6500 Einwohner. Bon den Gebäuden find nennendſwerth: die 
Ziarrlirae des heil, Nikolaus, ein ſchoͤnes altveutiches Gebäude tm gothiſchen 

tyle, mit einer merkwürdigen Range; We Er. Wrnıiütiike, hie Altefte, eigent- 
Mey zwei Kirchen übereinander, dad RAreanmgriinier Wd Yakıtana, nk 


Zobel — Zodiakallicht. 1045 


Gebäude des Salzamtes; an ber wefllichen Seite der Stadt die alte landes⸗ 
fürftliche Burg und ehemalige Reſidenz der mährtfchen Fuͤrſten, gegenwärtig ein 
Milttärfpital und unmelt der Burg eine merkwürdige, im Innern mit Fresken 
bededte Rotunde (Heidentempel genannt), mit angebautem Gacrarium, wahr⸗ 
fcheinlich von 1180, jest leider zu einem Holggewölbe verwendet. 3. bat ein 
Gymnaſtum, eine Hauptfchule und ein Militär-Knaben-Erziehungshaus, ein Dos 
minitanerklofter, eine große Galpeterplantage, eine Eifigflederet und viel Wein, 
und Genfbau in der Gegend. — Die Stadt war einft ale böhmtiich » mährtfche 
Graͤnzfeſtung von Wichtigkeit und erwarb fi den Beinamen: „Die Treue, 
Ste verlor aber ſeitdem viel. Hier farb Kalfer Sigmund. Wallenftein 
bildete 1631 bier fein Heer. Am 11. Juli 1809 Nachtrabgefecht zwiſchen 
den Defterreichern unter dem Erzherzog Karl und den Franzofen unter Marmont. 
Das Gefecht ward abgebrohen und es Fam zu dem Waffenftillftand von 
— zum Frieden von Wien führte. Vergleiche den Artikel Oeſterreich, 
e te. 

Zobel (Mustela Zibellina), aus ber Gattung der Wiefel, kaſtanienbraun mit 
weißer Stirn und afchgrauer Kehle, lebt nur In Gibirien und im noͤrdlichen 
China, wohnt in Erdlöcdhern und hohlen Baumflämmen; er flellt den Wiefeln, 
—* Eichhörndyen, Birkhuͤhnern und den Eiern des Geflügels nach, nährt 

ch aber auch von den Baumfnospen, Heidel⸗ und Vogelbeeren. Seines koſt⸗ 
baren Pelzes wegen wird haufig auf ihn Jagd gemacht, wozu kleine Gefells 
haften fidy vereinigen. Die beften Belle kommen von Nertſchinsk und Irkußgk. 
Sehr felten und ungemein theuer find die weißen und ſchwarzen Z.⸗Felle. Man 
erlegt die 3. gewöhnlich mit flumpfen Bolzen. 

Zobtenberg, der, im NRegierungsbezirfe Breslau der preußifchen Provinz 
Schlefin, führt feinen Namen von der anderthalb Stunden entfernten Stabt 
Zobten, tft mit dem Riefengebirge verbunden, hat eine Fegelförmige Geftalt, erhebt 
fih 2280 Fuß über das Meer, gränst gegen Süden an den ©elersberg u. wird 
auf drei Seiten von einer weitläufigen Ebene umgeben. Bon dem Städtchen 
Zobten führt ein Weg auf den Berg, auf welchem man eine, flatt des 1471 
zerfiörten Raubſchloſſes feit 1702 errichtete Kapelle, findet, zu der man auf 60 
Stufen gelangt und in welder am ehe der Heimſuchung Mariä, oder den 
erften Sonntag nad) dem 2. Juli, ein feterlicher Gotteödienft, zu dem ſich eine 
fehr große Bolfömenge auf dem Berge verfammelt, gehalten wird. Zu biefer 
Zeit iſt diefer Berg, wie ein Jahrmarkt, mit Buden beſetzt. In dem Thürmchen 
über der Kapelle iſt feit 1822 ein Obfervatorium oder eine Schaumarte, welche 
die weitefte und vielfeitigfte Ausficht in und über ganz Gchleften gewährt, anges 
legt. Der übrige Theil des Berges iſt dicht mit Holz bewachſen; audy finden 
fih gute Marmorbrüdye. Den Landleuten in Schleſien dient der 3. ald Wetteran- 
zeiger, denn fie erwarten, wenn er mit Gewölfe bevedt ift, Regen; ift er aber 
lichtblau und heil, heiteres Wetter. Auch fpielt er in den bafigen Bolksfagen 
eine beveutende Rolle. 

Zodiakallicht, Thierfretslicht, ein zungenförmiger Lichtfchein, der fidh 
um die Zeit der Rachtgleichen, bald nach Untergang der Eonne im Yrühjahre, 
oder vor Aufgang der Sonne im Herbfte von diefer aufwärts durch einen Theil 
ded Zodiakus (fiehe den Artikel Thterfreis) erftredt. Caſſini entvedte das 3. 
zuerft, als verfchleden von der Dämmerung, im J. 1683. WMairan behauptete, 
daß das 3. nichts Anderes fet, als ein Theil ver durch den Umſchwung linfen- 
förmigen Sonnenatmofphäre, welche Meinung feitvem lange die herrſchende blieb; 
La Place aber zeigte aus den Bravitationegejegen, daß eine fo weite Ausbehnung 
der Gonnenatmofphäre unmöglich je und auf feine Weife bis zur Merkursbahn 
gehen könnte. Rod am Wahrfcheinlichken erklärt Regner dieſes Phänomen aus 
einer Deugung des Sonnenlichts um die Erdkugel. Das 3. bleikt ek uk 
jest ein fehr rächfelhaftes Phänomen. Bol. Maktan, Traii® NEN A ar. u 
l’Aurore boreale, Bari6 1731 — 54; Eafiin?S Relien, veuiiäge Wrede, RU. U, 


4046 Beben — Zofingen: 
©. 83; Comptes rendus, ®b. XIV., Ro. 9, ©. Pl ‚institat 1Ome Am, 
Rro. 427, ©. 74 Tocafn on mil ph, den — 1, ©. 2; 
Yailon dm maih. Diotionary, ®». IL, 7; Mem. ri Acad. de Berl, 
j Zo —X Georg, einer der ausg tertbums er. 
Ba ac ng Eee ge 
gedirte ei Kay 3 Böttingen, made ars aan 3 — 
ſchland und Italien, belam 1778 eine —e— m 
* — © eines ba na — no 4 ai r 
‚ selöte mit bemfelben 
pie Durdy ein Reifekipendium umterftügt, unternahm er Peer 
fe nach Stalin, verweilte — in —8 er um =: 
Kae nahm er feinen biebensen Aufenthalt 4 Rom, wo et, 
jaft des Carbinals Borgia unterftügt, ſich den —— * 
—X ——— über di "Atertpämer Wegypiene a 
1 iberfchaft * 


— 


HB 


gelehrt. 

Bi —— von bis auf Theodoſius d. 1798, warb er 
—A d Conſul in Rom- und a 3 
Sala m so. &r war Fk um Profeſſor KA ie und alten 
te an tverfität zu ernannt worben 8 fe Profeſſur 

etteten Mitglied der Alademieen — © 

ee Kae Rom ıc. Wenige e 2 Finn * kam 
welches ihn zum Ritter des Danebrog ⸗ Ordens ernannte, in Rom 
lichte Sariim: Numi ti Imperatorüi prostantes in Museo Borgiano Ve- 
kr mit vielen Kupfern, 1787, 43 De o Srigine et usu Obelisoorum, mit 
Kupfetafein, Kom 1797 (auf Roften. des Bapfles De VL geprudt). 
: Li Bassirilievi antichi di Roma, in nd da Toumaso Fire li colle illustra- 
Zion di G. Zoöga, 2 Bände mit vielen Kupfern, Rom 1808, 4., deutfch unter 
dem Titel: Die antilen Basreliefs von Rom, in den. Originalfupferkichen u 

T. Birolt, mit den Erklärungen von ©. 3. überfegt und mit Anmerkungen 


. G. er, 
of jehr hübſche Stadt, im ſchw Kanton mit 2700 
——— — che, nit — —— a 
- einer Auffeft ut bebauten, durchfloffenen (&b 
—— — ei Ola, im Ss einige ke e bins ais: die aus 
deal a a ante —E 
— oll eingerichtete ms, neue enhaus, 
glei Pen eine Ft Borberfel eine TR ie A— 
3 an alter Par 1 ade in zwei großen, heiteren Gälen. Unter den 
ſchi Men mehre — fi melerifchet, Reformatoren. Daſelbſt befindet he 
aud eine Münzfa: das Baterbuch mit Anbenfen ber Schw 
Fünkter, welche bier er hr Ad verfammeln. ben —— fh Ds Dr 
fekonen” um fen Sreunhfhat, Dice Käufe — arln Bert 
en um! en eun! ſer ſe o fin — 
rar — — auf der Straſſe nach Luzern ii f — 


® 


ben Sinwohnern af — — hi re werden fo 
je, als irgenbw: verfertl jet; 
—— Dan Eeipenkänbern and De Örcherien Rab bebauten. Une 


Unter 
Garmin ı nen DS — o —e worgöglich 0n6, 


Zoilos — Zoll, 1047 


Auch die Ergiehungsanftalten verdienen gelobt zu werden. “Die Umgegenb zieren 
ſchoͤne Gaͤrten und angenehme Spaziergänge, 

Zoilos, ein riechifcher Rhetor aus Ephefus, oder, nach der richtigern 
Meinung, aus Amphipolis in Macedonien gebürtig, der durch feine aufferorbents 
liche Tadelſucht allen haͤmiſchen, pehfügtigen Tadlern in der Folge feinen Namen 
geliehen hat, lebte zur Zeit Philipps von Macevonten und wurde von feinen 
Zeitgenofien, ba er ſich's befonders zum Geſetze machte, über Homer’d Jliade 
fowohl, als über andere Werke (des Plato, Iſokrates ıc.), auf's Riedrigſte her⸗ 
ufallen, nur Homer’d @eißel (Homeromastix) genannt. Sein Tod wird vers 
—** erzählt. Nach Einigen fol er als Batermörber zu Chios geſteiniget, 
nach Anderen gekreuziget, wieder nach Andern zu Smyrna verbrannt worden 
ſeyn. Indeſſen iſt Nichts von ſeinen Schriften auf uns gekommen. 

Zoll (abgeleitet vom Griechiſchen reAos, mittelalterlich lateiniſch tolonium; 
in der Schweiz noch heute Tellen, ſ. v. a. Gemeindeumlagen), bedeutet ur⸗ 
ſprünglich eine Stätte, wo von den Vorbeifahrenden oder Gehenden eine Abgabe 
erhoben wird; dann die Abgabe ſelbſt. Z.⸗Stätten wurden angelegt an Land: u. 
Wafferftraffen, an den Thoren der Städte, in den Gechäfen, an den Graͤnzen 
des Landes und im Innern, Die Abgabe wurde get t auf Perfonen, Leib⸗3., 
Juden⸗3.; auf Handelögüter, auf Erzeugniffe der Landwirthſchaft und der Ge⸗ 
werbe. Sie wurde gefordert für den Schuß ber Reifenden und Waaren, für die 
Benügung der Land» und Waſſerſtraſſen, als Steuer vom Handel und Gewerbe, 
inSbefondere von Fremden. — Die Sache felbft war ſchon im Alterthume bes 
kannt. In Athen und Rom waren bie Zölle an Einnehmer verpachtet, die, was 
wir aus dem Neuen Teflamente wiffen, nicht im beften Rufe flanden. — Das 
Recht, Zölle anzulegen und die Abgabenfäte zu beftimmen, bildete ſich im Mittels 
alter zu einem Hoheltörechte aus und fland in Deutfchland dem Kaiſer zu, 
welcher daſſelbe einzelnen Reichsſtaͤnden verleihen konnte. Syn vielen Wahlcapi⸗ 
tulationen, feit dem Anfange des 16. Jahrhunderts, mußten übrigens die Katſer 
verfprechen, feine Berleihungen neuer, oder Erhöhungen beftehender Zölle, ohne 
Zuftimmung der Kurfürften, zu gewähren. Noch bis auf die neuere Zeit fpricht 
man von ben Zöllen ald einem —S im Gegenſatze der Steuern, oder 
der, kraft der ftaatöbürgerlicyen Pflicht zu leiſtenden, eiträge der Einzelnen zu 
den Öffentlichen Laften. — Wufler dem befondern Schuße, meldyer den Kaufleuten 
in den Zeiten des Fauſtrechtes geleiftet und auch fpäter noch als Geleitsabgabe 
bezahlt wurde, wo er nicht mehr nöthig war u. aufier der Natur eines Beitrages 
zu den Koften der Land = u. Waſſerſtraſſen, läßt ſich für dieſe alten Zölle fein anderer, 
als ein fiscalifcher Grund auffinden. Man wollte die um Ihren Gewinn bes 
neideten Kaufleute, als man fie nicht mehr der Plünderung pre gen, wenigſtens 
beſteuern und zwar die fremden höher, als die einheimiſchen. Died wollte jeder 
Grundherr, jede Stadt, jedes Reichsglied, durch deren Gebiet ſich irgend ein 
Bericht bewegte; damit aber der Handel unter diefen, bei zahllofen Z.⸗Staͤtten 
fid) wieverholenden, Pladereien nicht ganz erliege, wurde die Vermehrung und 
Erhöhung der Zölle von der kaiſerlichen Verleihung mit Eurfürftlicher Zuftimmung 
abhängig gemacht. Die Umgeftaltungen, welche das vereinzelt entftandene und 
chaotiſch verwirtte Z.⸗Weſen nach und nady erhalten hat, find im Weſentlichen 
folgende: Es wurden von ben Zöllen Diejenigen Abgaben ausgeſchieden, welche 
von inländifchen Erzeugnifien vor dem Verbrauche erhoben werden (f. Ac⸗ 
cife). Die Binnenzölle wurden aufgehoben und die Z.⸗Stätten an die Landes⸗ 
grängen verlegt. Die Graͤnzzoͤlle trafen nur fremde Waaren bei der Ein- und 

urchfuhr, einheimifdge bei der Ausfuhr (Einganges over Conſumo⸗, Durdys 
gangs⸗ oder Tranſit⸗, und Ausgangs -»3.). — Die Grängen wurden mit einer 
militärifch » organifirten Z.⸗Schutzwache a um bie Erhebung der Zölle zu 
fihern und dem Gewerbe des Schleichhandels (f. d.) entgegenumtrten, — 

efe Einrichtumgen, welche bie meiften eurogälichen Staaten geeiuttüg, N 
gewähren Im Bergleiche mit dem frühern Zuhonde ven Warkuel, WO et SIE 


1048 Zallsfer — Zonen. . 

Tann, bie edin [7 
red und —— —— — ae eo han be⸗ 
nügen, um neben ber Ginnahme, lich auf den auswärtigen Verkehr, noch 
andere le au em erreichen, namı Einfuhr. ausländifcher Induſtriepweige 

verl 


dadurch bie inlaudi 1] 
” ODb indeſſen auf dieſem ® pa Fr FA 
ver —5 Zwed erreicht werbe, ober ob gentheif 
w Concꝛ — und ee einem Lande vı 
in ie Bert fee Dendber sin 
— — eit und Mes ae 
eine Ser keiten, —— 
dortigen J ie —2 “ 
Bremen u, die Un Utrecht, wurde 1754 Prediger zu Murten: 
te, bald darauf zu Rorfetn fm Grau hündter Lande, bann zu Jf Li) 
arg in Leipzig, wo er den 22, Januar 1783 nicht nur son u Alles 


die ihn Bern Fannten, fondern-auch von allen Lefern fi vortrefflgen it 
ten, die im. Fache der Sanzelberenfamfeit Epoche gemacht haben, hochgeachtet 
, Ihm a das Verdienſt, in jeinen Predigten auf die roichtigften 
des Penfehen Rüdficht genommen, die ſich —— beziehenden 
—8 ſo wine, als ——— —— ſie mit der Religlon in genaue 
acht un 


gebra⸗ ſchoͤnen, edlen. und —— Sprache vorgetragen u 
Baer Mies thalten etrach Daß Uebel ber 
—— — und 8 Fig ln bie Bine des — 
— a und Bene, wer nd, Ai! gemeine Grgenhänbe ir 
PH und Ungebilvete — und lehrreich mechen — 


m 
— — von denen durch Slankenburg's und Marezoll’s 
feinem Tode neun Bände gebrudt wurden, beſtehen une 
a ac —* n Titel aus 15 Bänden, — 1798— 1804. Ein ver: 
wungebuch fi find feine Andachtsübungen u. Gebete, Leip; ig, d 2, 
— — 1 ‚en as um 


eine Stimme und die Schilderung ded Mannes, der in Tein 
einer feiner Brebigten, {ft das Bildniß feines eigenen Heriens. 

‚ollverein, |. Deutfcher Zollverein. 

onaras, Zune einer der vorzůglichſten byzantiniſchen Schrifiſtellet, 
zu Anfang des 12. Jahrhunderts, bekleidete verſchiedene hohe Staatsaͤmter zu 
Konftantinopel, trat hierauf in den Moͤr oa und farb in feinem 89. 3 
auf dem Berge Athos. nah thells als Wu; — ſchrieb er 
unparibelifch : anal vom anfange der Bett si, 1118* G m 
Dufresne, Patis 2 Bi Pe nd von Pinder, 2 Bde., Bonn 1841 — 
Aufferdem "hie ‚abe von Zittmann, — 1808) un 
„aapollen —F hg nn de ve ter und Goncilien“ (in Beveregü Bya- 
lokon etc., ford 

onen oder Pay rer 5 in der ematiſchen te 
ER in welche di Di Cie — ſehung ihr: ae de — 

Sie werden durch se — und Polarkreife bekimmt m 

er fünf, eine heiße, — gemäßigte und zwei Kalte. gZwiſchen ben 
— Wenbekreifen, über und unter dem Aequator, iſt die heiße 3. Die Some 
Tommt den Bewohnern dieſes Erdſtriches jaͤhrlich zweimal und jenen, bie umter 
den Wendekreifen feloR wohnen, einmal gerade über dem Kopfe zu fichen. Die 
Hipe ik alfo Immer fehr groß und würde vieleicht umerträglich fegn, wenn ber 


i t durch die beſtaͤndig gli 7 von und , durch 
u Schar, ae un ande an —X8 3 . 

L 
a Ag Kuchiee m le aahie Wleausanenn 


Bootraphle — Zoologie, 

Ah J ſe des —* des und dem 
— PR Re en er me 
Er, 
Bu nimmt En zu fin überhandz jedoch iſt dieſes li nur Ton 


tleren Theile zwiſchen 
Nähe ber Wenbettefe IR die Giße und gegen die Polarkreife hin bie Kälte 
groß. Mebrigens iR In biefen 3.n Fr und Radt m und 
der Jahreszeiten find vier. Jede di 8.3 
licyen Volarlreiſe und — ig die kalte Berta. De 
lichen Bolarfreife 8 dem 6 — HM die kalte S die —* von 
dieſen Erdftrichen im; Bee entfernt iſt um — gewiſſen Zeiten gar 
nicht beſcheint, fo iſt die te ſtets fehr “ ab um ni jole herum vermuthe 
u fe u op weder bi — — ni die Thiexe.dafel! — men. 
jet ſcheint die Gomme ganzer —8 hindurch gar mi 1 
8 , de Fe) 


tt x eine * —— —* F 
vogri e erbeihreibun fonbere : Arnd 
* he Ben ül —8 und bei den Alten 


ierbienk, göt Ber D 
vn ern Et San ie, 
), ein en, thlerifcher Körper. Val. ben Antifa 


2 
* 


—8 
este ‚cuß ben gichfäen Wörtern, Zu das lebendige Ge⸗ 
55 jede) iR die Lehre von ben bieten . d) mo hat 
en Bau, Snake —2 die — e —S ber nahen im 
Sie fen n 


4 wein nad 
lehtt die Werrichtungen ihrer einzelnen ’e gefammate —X 

lat, ER Chnen, Inffnle un —— 75 —— u. 
Ähre Ger auf — eu w. en ‚Sättel, — 
— als eigentili ide © ber 3. et die Hua der Then: 
Zootomie und bie — te (f. — „zen ‚gene ir die —— — 
——— —RX2 ——— 

jeit der — e are eng u und sie Gntwidelung des 
Thleres im ber Bet. Beide erhalten aber erth, wenn 
14 ale —* Die Be le —* —— 
von jorm a 


— und in ihrer Bedeutung m ven ſtreben. 

ei würbige Behanbelun, rt werben; u 
Bios — —** —e— De wohl e * 
zen, aber nicht den ehung far aller gm und 


Berk, faR 
logifchen Berhältni ũ nk einem 
phyfiologiſchen * ae ne Fa Ki an elucm 100 denen 


den hol der vergleichenden Anatomle längR erkannt Fie dr 
au —8 Seele der — 3.5 aber Blumenbad (hd ed. ie 
ei über bie gefemms — eegtechene Mnato atomie. Guvier (j. » 
Syſtem der vergleichenden. Anatomie und — ſich, di 
Bi There einß eig auf ihren anatomifchen Bau zurüdzuführen, 
FA zeit ße — der FE en 1 Ber ak — 
en; bie Zool en —— ec 
—— Grfor Erforſchung der be 


—2 nn San en einzelmen Theilen ſich a a —* —* el 
sr hä er ei a ge ffer 


x .3 
Beipıig. 1843; zweiter The, Anatomie Dar vorsbeiioien Shen, vun Tr = 


4050 u Boologie. 


Leudart, ig 1847 ferner R. Wagner's Ioones zootomicae, 1841. 
Een ri find der 3. Ihrem forfchenben Gebtet 3 
aͤrt, wenn man enſeitigen Einfluß und 
Ben 9, welchem die —— — ten (ſ. d.) zu 
N, Fr Eefannte Thatſache hre von den ver ſtei nerten 
Thieren (Zoolitken) bildet eine — die Petrefakten kunde 
( etrefatten). Die 3. ſelbſt laͤßt fidh, wie die Botanik 6 d.), eintheile 
reine und angewandte und man unterfchelbet dann wieder Untere 
ungen, wie 3. B. dei der en eine mediziniſche, zueße dkonon⸗ 
IE Rh per, 
en n wahrhaft natürlichen 
ae a ei eifcht die „genanehe mb vo —48 






Vie fünf 
lichen S Ofen den natür —* Ale geben 2 —*3538*— von St« 
gira (f. * legte den erſten Grund zur Raturgefchichte In feinen nem *8 
pl Samy loropias, vordnete jedoch die Thiere noch nicht nach Klaſſen, Orb 
nungen, Familien und 56* nern, fondern fprady nur von Arten. Als 
darf das, von Plintus dem Weltern verfaßte, compilntorifche Wert unter dem Ti 
tel: Historia naturalis, in 37 Büchern, von denen das 8., 9., 10. umb 11. von 
ven Thieren banbelt, angenommen werben; in bemfelben find bie Thiere in Sands, 
Waſſer⸗, Luft⸗Thiere und Inſekten eingetheilt. Zur Zeit ded Marcus Wurelius 
for Ciam ius Heltanus von Pränefte ein quiet Bert: „De historia animelium" 

17 Büchern, jedoch weiß auch er von feinem Syſteme. Im 7. JZahrhunderk 
bearbeitete der Biſchof Iſidor von Sevilla und im 13. Sehrhundent b der ae 
Albertus Magnus (f. dp.) die Raturgefchtehte nady der Urt des 
Als Begründer der neuern 3. muß ver berühmte Conrad Geßner —— m 
Zůürich im Jahre 1516, + 1565 als Brofefior der Philofopbie und praktifeer 
Arzt), der deutſche Plinius genannt, betradytet werden. Gr Iegte bie reich⸗ 
haltigen Refultate feiner Beobachtungen, fowte die zootomiſchen Anſichten in feiner 
mit Holzſchnitten illuſtrirten Historia animalium , Bafel und Zürich 155 79 
nieder und theilte die Thiere in ebendiggebärenbe und eierlegende Vierfüßer, in 
Bögel und Fledermäufe, in Waflertbiere (wozu Fifche, Krebfe, Würmer ımd 

waͤmme gehören), von denen er fpäter die biutlofen trennte und fie Weich⸗ 
Rinden» und Schalthiere, Infelten und Zoorphyten gruppirte und endlich in 
Drachen und Schlangen ein. Der Eng länder Eduard Wotton Relite in feinem 
Werke: De differentiis animalium, arts 1552, 8, eine Elaffification auf, die 
mit der heutigen bereits viele Yen! chkeit hat. — half Peter Belon 
(f. d.) der Glaffificatton der Bögel auf und Wilhelm Rondelet (geboren 1507 
zu Montpellier) und Hippolyt Salvlani und Eaftelo in Umbrien (aeboren 1514) 
verbeflerten das Syſtem der Fiſche. Fuͤnfziz Fe eher tritt * Italiener Ulyſ⸗ 
ſes Aldorandi (ge 1552 m „Bolog Iogna, + 1605 t einer foftematifchen Anord⸗ 
nung bed Thierreich® auf, er die Sole in Iebenbie Bären und der 
legende Bierfüßer, Big, ige mit den Walen, In Schlangen, Keefer mit 
Schnecken und Würmern in Weichthiere theilt. Große Verdienſte um bie 
3. erwarb fidy der englifche Theologe und Ratınforfcher John Willlam Ray (ge 
boren im Jahre 1628 zu BladsRotley in der Grafichaft Efier), der bie en 
Syſteme, unter Zu en der Anatomie u. Phyſiologie, bedeutend verbeſſerte 
u, viele, von ben Rei Den ifo, ——— Marcgraf u. 9. beſchriebene, aus 
iſche Thiere net in 1 Teinem fe: opsis mothodica animaliam, aufs 
Nach den hinterlaffenen Echriften feines Freundes und Retfebegleiters 
—— gab Ray auch eine Naturgelchichte der Bögel (Ornithologiso übri 
IM, £ondon 1676, 1 Bd. Kol) ul Kige (Hieraus Yacan UN, SOrford 
1685, 2 Bpe. Fol.) mit Mobilbungen Ieraod, Brıe Wrke Nader Sm A 








Zoophyten. 1051 


bebeutend bereichert zu haben. Bel den Vögeln wurde fchon nach dem Bau bes 
Schnabels und der Füfle claffificirt und bei der fuftematifchen Anordnung ber 
Fiſche IR Rückſicht auf die Merkmale der weichen und ſtehenden Rüdenftrahlen, 
owie auf die Zahl der Floffen genommen worden. Berner erfchlen von ihm ein 
erk über Inſekten, von welchem er feld nur einen Auszug, Methodus Insec- 
torum etc., 2ondon 1705, veröffentlichte, und welches erft nach feinem Tode 
Lıfter im Jahre 1710 volftändig herausgab. Am Ende des 17. Jahrhunderts 
muß als ausgezeichneter Zoologe Anton van Leeuwenhoef (ſ. d.) genannt 
werden, der ald Anatom, Phyſiolog und höchſt genauer Beobachter fid einen 
großen Namen machte. Ein Gegner von ihm, der Profefior Antonio Ballismert 
zu ‚Pabun, fiellte zu Anfang des 18. Jahrhunderts ein Syſtem der Inſekten auf, 
worin er diefe nach ihren Wohnorten eintheilte. Cine Berbeflerung der Elaffifis 
kation der Fifche gab der Schwede Arteni in einem Werke (Artedii Ichthyologia 
sive opera omnia de piscibus, Leyden 1738), welches Linns veröffentlichte, Mit 
£innö (f. d.) beginnt eine neue Epoche in der Naturgefchichte; er übertraf durch 
fein, als bloßer Entwurf im Jahre 1735 zum erfien Male erfchienene Werk: 
„Systema naturae seu regna tria naturae systematice proposita“ ſchon alle feine 
Vorgänger. Leider waren zu Linné's Zeit die hoologildhen Hülfswifienfchaften, 
Anatomie und Phyſiologie, noch nicht zu der heutigen Höhenftufe gebiehen, au 
noch fein fo großer Reichtum von Beobachtungen gefammelt, dab ed mögli 
geivefen wäre, ein wahrhaft natürliches Syſtem aufzuftellen. Doch gelang es 
Inne, mehre natürliche Gruppen zufammenzubringen. Man verbanft ihm ferner 
eine beftimmte Terminologie und binäre Nomenclatur; überbieß gab er Klare und 
beftimmte Begriffe von Glaffe, Orbnung, Sippe, Familie und Art. Viele Raturs 
forſcher, die bier nicht aufgezählt werden Fönnen, ſchloſſen fi Linnos Anfichten 
an und bearbeiteten einzelne Zweige der 3. ganz in feinem Geiſte. Doc fand 
das Linno'ſche Syſtem audh feine Gegner, aus denen wir nur Buffon (f. d.) 
hervorheben, der es in feiner Naturgeſchichte einer fcharfen Kritik unterwarf, wos 
bei er behauptete, die Methode von Plinius ſei beffer und eine A 
Claſſification überflüfftg. Daubenton (f.d.) und Briffon, Profeffor der Phyſik, 
+ 1806, wirkten durch die Zootomie ziemlich auf die zoologiſche Ciaſſtſication ein; 
eine neue Bahn auf diefem Gebiete wurde aber durch Euvier (f. d.) gebrochen. 
Diefer faßte den innern tbierifhen Bau mit defien Erfcheinen in der äußern 
Form zufammen und führte fo das zoologifhe Eyftem feiner Vollendung bedeus 
tend wa Nach Cuvier verſuchten noch einige andere Raturforfcher, wie 
Dfen (ſ. d.), Ehrendberg (1836), Burmelfter (1837), Milne » Evwarbs (1839), 
eigenthümlicdhe Syſteme. — Da das ganze Gebiet der 3. Außerft umfafiend it — 
denn die a der Wefen tft vielfach größer und die Grundformen ihred Baues 
find manntgfacher, als jener der Botanik — fo kann auch kaum dem Ginzelnen 
eine vollfommene Bertrautheit mit allen ihren Theilen möglich werben. Die 
neuere Zeit meist viele Schrififteller und Forſcher auf, die fih in den einzelnen 
Abrheilungen der 3., 3. ®. im Gebiete der ee et der Vögel, Fifche u. f. w., 
roße Verdienſte erwarben und deren Schriften für fpezielle Zwecke u benügen 
d. Yür eine allgemeine Ueberfidht des Ganzen dürften genügen: Wiegmann, 
andbuch der Zoologie (Berlin); unter, Das Thierreich georpnet nad 
einer Organiſation (Leipzig); Lüben, Vollflännige Raturgefchihte des Thlers 
reihe (Eilenburg), Umfangreichere Werke find: Oken, Allgemeine Raturs 
geihichte (Stuttgart) und H. G. % Reichenbach, Volftändigfte Raturgefchichte ic. 
(Dresden). C. Arendts, 
Zoophyten (Thierpflanzen), nannte Linnoͤ alle diejenigen thlerifchen Formen, 
welche durdy ihren efgenthümlichen Bau gewiffermaßen den Uebergang aus dem 
Thierreiche zu dem Pflangenreiche machen. Wan unterfchied fie in 3. im engern 
Sinne, deren Beſtandweſen hornartig erfcheint u. in Bhutorsen, SA aan ie 
thierifche Subftanz mehr hervortritt. Auch redguete non Dr \nggamumien, B8 
vboten bieber, bei denen die thieriicye Suhkany \eor aeting \R. Dsüus 













052 Beotomie— Befimns, 


wei⸗ die Naturforſchet in ihren Beſtimmungen ſeht von einander ab. Kur 
vor fie in ©t en Eingeweidewürmer, Meerneffeln, Bolt und ih 
forien. Oken faßt fie unter dem Begriffe Polypen zufammen (f. Eorallıı 


olypen) 

3 Bootsmie iſt die Vefchreibung der organiſchen Form der Thiere nach im 
fAmmtlichen, audy unter der Oberhaut befindlichen Theilen und, da die 
"hen, warn Be Bem an Grfönungen an Bnfgen und Shen den 
1 worin die Form um gen an en u 

immen und um  barane wichtige Nefulinte ziehen zu Können, fo beißt did 
such anatomia comparata. (Bol. Anatomie.) 

Zorndorf, Dorf im Kreife Küftrin des Regierungsbezirks Frankfurt ad 
t der preuß. vinz Brandenburg, berühmt durch die blutige Schlacht am & 
nd 26. Auguſi 1758, in welcher die Ruffen unter ermor Durch Friend l 
ne Niederlage erlitten. (S. fiebenjährigen Krieg.) 

Zoroafter (Zerdufcht), eim berühmter Weltweifer des Drients, 
Önig der: Baltrianer geweſen feyn, erlangte unter, den SPerfern einen 
uhm, weil er bei ihnen einen neuen Gottesbienft einführte. Einige 
ı gen fein Zeitalter vor das Zeitalter Abrahamd, Andere laffen th erft 

em Darius, dem Nachfolger ded Cambyfes, leben und noch Andere 
„ehr als einen 3. Judefien iſt foviel gewiß, daß es lange vor Plato 


RER 


berühmten Philofoi ded Namens 3. in eben habe, welcher du 
Be der ER i. derjenigen ae alle mit — Studium a 
gion, auch jenes der Meiaphyſik, Phyſit und Naturgefi e verbanden, 


worden iſt. Nachdem er in Balttiane und Medien feine 
begab er ſich gegen das Ende der am: des Darius nach 
Bolge zog er Ab in eine Höhle zurüd, in welcher er lange Zeit lebte. 
und der Ort feines Todes find nicht befannt. Seine Schüler und Aı 
beftehen noch in Mfien, beſonders in Perfien und Indien; fie fehen ihn als ihn 
Propheten. an und fchreiben ihm die Zend-Avefta (f. d.) zu. 

Zofimus, ein heidnifcher Geſchichtſchreiber, aus der Mitte des 5. Jahr 
hunderts n. Chr. war Comes fisei zu Konftantinopel und ſchrieb in griehiit« 
Sprache eine Geſchichte der Kaiſer von Auguſtus bis auf das Jahr 410. &ı 
heißt „neue Geſchichte“ (vEa isropia) entweder in Beziehung auf des 
faſſers eigene Lebenszeit, während welcher er fie felbft unter dieſer Auficri 
Tannt machte, oder vielmehr wegen der doppelten handſchriftlichen Ausgabe, di 
er felbft davon veranftaltete, Seine Schreibart ift rein, deutlich und nicht oie 
Geſchmack. Nur war er nicht unparteifch genug und befonders wider das Chriſe 
thum eingenommen. Ausg. von Thom. Smith, Orf. 1679, mit den Anmerkunge 
mehrer Gelehrten von Chr. Gellarius, Jena 1713 und von J. F. Reitemin, | 
Leipzig 1784; überfegt von D. C. Seybold und K. E. Heyler, Frankfurt 19 
und 1804, 2 Bde. 

Zoſimus der Heilige, von Geburt ein Grieche, folgte im Jahre 417 I 
nogenz 1. im Pontifitate. Bon PBelagtus (ſ d.) und deſſen Schüler Cilv 
fius getäufcht, nahm er fich ihrer als unſchuldig an, nachher aber, durd wahr 
Berichte eines beffern belehrt, fprady er den Bann über diefe beiden Srrleber 
aus. Während nämlich diefelden dem Papfte ein lünſtlich abgefaßtes Glaudns 
befenntniß vorlegten, welches unter dem Auffern Scheine des Katholizismus da 
Itrthum verftedt enthielt, eilten die afrikanifchen Bifchöfe, dem Papfie die Bin 
vorzutragen, Nichts zu Gunften der Betrüger zu unternehmen und hielten bierar 
ein Eoncilium zu Karthago, erneuerten den Ausſpruch, welchen ſchon Papſt Inn: 
zenz gegen die beiden betrügerifchen Keger gethan hatte. Im darauf folgen 
Jahre, 418, verfammelten fie ſich abermals zu einem Goncilium, wobei ver kil 
Auguftin, wie früher, fehr thätig war; fie hatten bald den Troſt zu vernd: 
men, daß 3. über den Betrug, welchen man mit ihm gefpielt hatte, aufgelän 
fel. 3. verdammte nun Farm, mit ven allaiitgen BRSTEHNNe Wonslsb 


3 
Be 








Zrini. 1053 


fche Ketzerei, welche, gleich der arianiſchen, bald ſelbſt ſich fpaltete und, fo wie es 
Arianer und Seml-Krlaner gab, fo gab es bald auch Belagianer und Semi⸗ oder 
Halb» Belagianer: das if das beftändige Merkmal der Kepereien; aus Mangel 
der Wahrheit und eines Einigungspunktes zerfallen fie in verſchiedene Selten u. 
nach und nach löfen fie fi) ganz auf, verfchwinden von der Erde, oder vers 
ae fi in irgend einen Winfel, welches aber der Fall bei der katholiſchen 
Kirche nie iR; daher iſt die beflänpige Fortdauer felbft das wichtigfte Zeugniß 
für ihren göttlichen Urfprung. An 3. ließ Apiarius, ein abgefester afrifani« 
cher Priefter, eine Appellation ergehen, die er fpäterhin unter dem Papſte Göles 
inus wiederholte und dadurch Anlaß zu großen Anftänden gab. Endlich geſtand 
Aptarius feine fo lange mit Kühnheit geläugneten Verbrechen ein und feine Ab- 
fegung blieb in Kraft. — Noch von einer andern Seite ließ fih 3. täufchen. 
Zwifchen Vienne und Arles hatte ein Streit in Betreff ver geiſtlichen Gerichte 
barfeit Statt, der auf einer, unter dem Papſte Innogentius zu Turin gehaltenen, 
Kirchenverſammlung dahin entfchleden war, daß derjenige Bifchof, der erweifen 
würde, daß feine Stadt die Metropolis — Pauptftabt — gewefen, auch die 
Rechte eined Metropolitan und die damit verbundenen Vorrechte genießen follte; 
inzwifchen,, bis diefer Beweis geftellt ſei, follte jeder von beiden Biſchöfen die 
Metropolitan » Gerichtsbarkeit über jene Gemeinden üben, weldye der Hauptſtadt 
eines Jeden am nächften lägen. PBatroclus wußte den Bapft zu bereden, ihm 
zum Nachtheile des Sites von Vienne befondere Borrechte zu verleihen. Der 
PBapft nahm auf die Einfpradye des Biſchofs von Vienne wieder zurüd, was er 
dem Patroclus über die Gebühr verflattet hatte Er flarb, nachdem er bie 
Kirche 13 Jahr regiert hatte, im Jahre 418, den 26. Dezember, an welchem 
Tage audy fein Gedaͤchtniß gefeiert wird. 
rinyi, ein in der Geſchichte Ungarns berühmtes, mit den Rofenbergen 

verwandtes Geſchlecht, das feinen Urfprumg von den Grafen von Brebir ableitet, 
feit 1347 aber von dem ihm gehörigen Scylofje Zrin den Namen 3. führte und 
im Jahre 1703 erloſch. Beſonders berühmt bat fi aus demfelben gemacht: 
Niclas Graf von 3., Feldherr Kaiſer Ferdinand I, Ban von Kroatien, 
Dalmatien und Slavonten, Tavernicus in Ungarn, geboren 1518, bekam ſchon 
als 12jähriger Knabe von Karl V. bei der Belagerung von Wien ein Streitroß 
und eine goldene Kette, zeichnete fi unter Johann von Zapolya aus, verthei⸗ 
digte 12 Jahre gegen Solimann Kroatien und fchlug ihn 1562 bei Szigeth. 
1566 wollte Solimann feinen alten Plan, Szigeth zu erobern, erneuern. 3., um 
zuvor zu kommen, überfiel und zerftäubte mit 1000 Mann zu Fuß und 500 zu 
Pferde die ganze Avantgarde des ſich nahenven türkifchen Heeres. Solimann, 
darüber würbend, geht über die Donau und lagert fi) mit 190,000 Mann vor 
S;igeth. 3. befchließt, fi) aufs Aeußerſte zu wehren, nimmt Adel, Bürgerjchaft 
und Soldaten in Eid und Pflicht und unternimmt Ausfälle, die die Feinde, aber 
auch Ihn fehr ſchwaͤchten. Die neue Stadt wurde von drei Eeiten befchoflen, in den 
Schloßgraben eine Berfchanzung aufgerworfen und mit Kanonen bepflanzt. 3. 
ftedt fie felbf in Brand und verfchüttet Die Thore der alten Stadt. Nun neh⸗ 
men die Türken die alte Stadt ein und 3. muß nad der tapferfien Gegen⸗ 
wehr fi ins Schloß zurüdziehen. 3. machte wüthende Ausfälle, die Türken 
trieben ihn aber zurüd. Sept nur 217 Mann flark, jest felbR fein Wohnzimmer 
in Flammen fehend, weiht er, ein zweiter Leonidas, nd dem Tode, läßt fidh die 
Bahnen vortragen, folgt mit gezüdten Säbel feiner Heldenſchaar aus dem Innern 
bed Schloſſes. Schon auf der Brüde entfpann ſich ein fürdhterlicher Kampf. 
Von drei Schüffen der Janitſchaaren getroffen, flürzte er und mit ihm fallen 
Alle. Solimann hatte diefe Veſte 35,000 Mann gerofet und doch diefen merk 
würdigen Tag nicht erlebt, 7. September 1566. Ein Fieber hatte ihn einige 
Tage vorher dahin geraffl. Der Paſcha von Dfen fendete das abgeichnittene 
Haupt 3.8 an den Grafen Salm mit einem Schreinen, Vod eur Genius, 
ganz bem ‚Belben bezeugt, 


1054 Zſchokke. 
nee? offe, Heinrich, geboren 1771 zu Magbeburg, als ber jü 
3 —— ers, ſtudirte uf beim —2 er ** 
te jedoch Unluſt zum ernſtlichen Lernen, dagegen eine le 
religtöfen Schwärmerel. Dabei war fein jugend be Se, * auf 
Rändige, eigene Weiſe, tig genug. Grzäblungen alter Tagelöhner und (a 
garen ihm mehr als * us — 8 Cruſos und Tauſend und 
Einer Nacht“ zog er geiſtige Nahrung. Schen mit dem zwölften Jahre auf 
628 fen Drang, in einen ebuche —— * zu halten. Man 
a nicht und er rächte ſich dafür durch Trotz. Bin Schülerftreich trieb 
lich zur Flucht. Siebzehn Jahre alt, entiief ‘er n werin, ging d 
die aufpteler und wurbe Theaterbich ter bei iehenden 
Seine zweijährige Irrfahrt — kalt cr in feiner „Geibt hau? — gab ihm ven 
tmuth*, Der ihm bei feiner Kop gefehlt. Als Die 
enflätie, ging er auf bie chſchule zu Ari vn ad. D., trieb 
op lebte . 





a 






in 


te 
ea nn 
re teen te den, o 
entbehrenden, Glauben in in ibm I und od Steofs y * in Aballino nad 
der Welle eines Karl Root. ald Candidat der Theologie nach feiner 
Baterfladt zurüd und ann —* aber die nım de fr 
fifche Revolution wirkte übermächtig auf feinen Geiſt und er fah in allen Brew 
ein Sranfreichs „nur —— — Nothwehr einer von hohen Adeligen und 
hohen Brieftern zertretenen Ration”. Gein Wuftreten verfchloß ihm bie Canfbahe 
eines protefantifchen Predigers in Preußen, er durchwanderte Deutſchland md 
elangte nad) der Schweiz. Sein Traum von republifanifcher Gleichheit war 
St vernichtet. Indeß fand er dort Peſtalozzi, wor en agelt Er ging 
na Paris. Der alte Schlabrendorf trübte ihm auch tauben an den 
großen Achten Freiſtaat ver Kranken. Er wollte nad Rom, ohne dort ein Zid 
zu haben, auvor aber noch in den, zwiſchen den Bergen verftedten, Schweizer 
Gantonen Hirtenvöfter auffuchen, um bei ihnen vielleicht die Achte Demokratie zu 
finden. So kam er nady Chur, wo 5 die Reichenauer Anftalt beſuchte, in wel 
her drei Jahre zuvor der bamalige von Ehartred, der fpätere —— 
koͤnig Louis Philipp, spe — efunden. Der Hang zum ange 
Wirken beftimmte 3., mit Begeiſterung bie gen anzlofe Dormenbahn des Sch 
ned zu betreten. Er übernab A — die Zeitung des Seminare von —* 
lins und Haldenſtein in Reichenau. Seine „SGeſchichte des Freiſtaats der drei 
Bünde im hohen Rhätien* erwarb ihm das Schweizer Bürgerredht, Die Anſtali 
blähte unter ihm auf. Allein feinem friedlichen Thun warb bald ein Ziel g 
e Heere der Franken überzogen die Schweiz. 3. erhob ſich gegen das Be 
fiehende, trat als erbitterter, blinder Feind des Klerus auf und floh mit Salis 
nach Aarau, wo er Schutz für feine Partei und das franzöfliche Bürgerrecht 
and, 1798 ward er Deputirter bei ben belvetifchen und ——8 Behörden, 
äter Chef für dad Departement des Schulweiens und ierung6 » Gommt 
des heivetifchen ————— zu Andere hen, nd die ihm 
Vollmacht für dieſen Emton wurde fpäter audy über Urt, Schwyz u. Zug * 
arbehnt, Im Jahre 1800 ernannte ihn die Gentral-Regiern au Bern um Re 
Ss Gommiffär. Als folcher erwarb er fidy das Bed a, afniigen den 
hen om Heeren und dem weizer Volke nady Kräft Guten zu ven 
ildert in feiner „Selbfiichau” die ———— der Damals 
—*— In Wöltervanppren, blieb alfo nicht lange ein Schwärmer für ei 
o 















päter trat e in pie —5 gt unbe ( 1804) Br * 
machte als ſolcher botan tadien UM SAN x . 
Fr N ach dem Lüneniker Krirven, ven © —XEXCEVXC 





Be 1055 


ließ, ‚trat er mehr in dem d zuräd, entichloflen, ale „ e 
a cam amt ge, at 
bei Aarau („Blumenkalde”, fein Landſitz) häu und ill) 5 nieber. 108 2. 
1805 erfchienen feine —— en ver helvetiſchen Staatsumwaͤlzung“. Den 
Vebergang vom praftifchen zum literarifchen Wirken machte er in feinem Volle» | 
blatte „der Schweizerbote“ Find gi feiner „Schweizerlands⸗Geſchichte für das 
Schwehervolt". Cine Menge Ehrenämter begleiteten ihn noch in den Private 
ftand, tn welchen er auch feinen blinden gegen Prieſter und Batricier mit 
binübernahm. Als die Behörben ihn zwingen wollten, ven Verfaſſer eines feet 
— Mrtieie in feinem Blatte zu a henen A legte er 5 feine Keuter nie n 
ter uf er e orberum Bayern un 
/ —— * bemalt ale —8 













eriſchen Der —— 

— unbelannte Verfa „Stunden der (fett 1807 in 27 Auf⸗ 
lagen) konnte ſich jed Im —* heimiſch Fühlen Er kehrte 
zu feiner BR und 1 ort Iiterari beſchaͤftigt, in Aarau 
70% ehrt und in Helm nnd des Staatsweſens 
athen. Schon im Gr Gear hie * viele groͤßere Reiſen, beſuchte auch 
feine Baterkadt „Magdeburg“ F die ihn ſehr feierte und ihm das Ehrenbürs 
errecht verlich. Er ſtarb am Juni 1848 auf ſeinem Landgute. NIS 
riftſteller iR 3. fein x —— „Det aber einige gefunde und natürs 
liche Geſtalten geſchaffen er aber in der Novelle „Zante Rosmarin“ 
die aus Zufall und Korg efallene Didenumf uld zum Thema macht, fo 
kann die Geſundheit fein — ee für die fehlende Feinheit der Schilder, 

ung fo — Ei en aber —* die Derbheit, der 


8 

matismus ſeiner Erzaͤhlungen, ur fo Se Antheil verfchaffte; es 
das Faßliche, Pas üblnge liche, ne, Sr t und — — — gleich⸗ 
nißreichen Sprache, die ihn um —* PR machte. Gein prakti 
handfeſter Wis, der an bi keit der Komik unferer Altvordern erinnert, 
ſich an ber f melfräfti en, fpruchfertigen Rebeweife des Volkes genährt und ges 
est Wenn aber 3. Seelenkaͤmpfe malen, ſich — und dazu hat er eine Befondere 

—— = in das Gebiet der Philoſopie und Religion —— dann wird er 
und unwahr. Empoͤrer we Gott und ſeine Weltordnung ſind ſeine 
die lingögefalten: wie widerlich find nur feine Abaͤllino, Ad im Moos, 
Hamontade) Diefe verwilderten Kabırm enfchen feiern eben ben der Na⸗ 
tur. 3. war Proteftant, infofern er die katholiſche Kirche haßte, allein nicht min⸗ 
der war er audy Gegner des orthodoxen Proteſtantismus, wie überall 
fittven in ber der Religion. Folgendes Re ein Berzeichniß yon 3, ſehr zahlreichen 
Schriften: Dramatife Werke: Graf Monalvescht, Berlin 1790, 1809; 
Abällino, der große Bandit, Frankfurt a. d. O. 1793, Warau 1823; Julins von 


ni, Augsburg 17985 Der Marſchall von Sachſen, Bair 

Larve, eb a, 1804 Sartafe in Deutſchland, Züri) 1805; Ban 

witha, ebend. 1805, Romane, a gäblun en und 1b Reife Far en: 

Arkadien, ober Bemälbe nad auf einer Reife von B 24 kam, 

. 1796; unter dem Kam Johann von a Magdeburg: 

Traum, Stuttg. 1791—94, 2 Bpe.; Alamontade der Saleerenffiane, Zär. 1011, 

2 Be., 6. 2 at 18365 Stephan Bathorg, König von Bolen, Balr, 17965 als 

MR. J ſchwarzen Brüder, Gran 1800, 2 Bhe. Pr; uno u Kyburg 

* ie Silber lode des Enthaupteten unb warb derhörer bob heil. Vehmge⸗ 

richts, Berl. 1795— 99, 2 Bde; Bignetten, roafel 180 — — ehenb. 

—9— —8— della Obiyo „der A den Galabrekn end. 1803, 2 
eiſt, Aaran 1803; Die Sprinzeffn o von —X Kate, ebb. 181035 

er ar im Su ebend. 48245 Der Greidof 838 Ob. 18 eb. 1825, 


Nabe im Moos, e ri legtere drei auch 
weh, 5 Dh, ; Der Go ah. 1830." Satan ——— 









1058 BSZſqhopau — Zuecagul Drlaudini 
des Fr des drei Bünde in Rhaͤtien, Züri 1798, neue Aufl. ebb. 18175 





Der Napoleon's gegen den Aufſtand ver hen und portn 
Völker, Karau 181335 ekhichte vom Kampf md Unttegang der 

Berg» und Waldcantone, peforbene bes Cantons Schwyz, ebend. 18015 Hifler- 
tfche Dentwürbigfeiten des helvetiſchen Staates, ur 1809—5 


‚3 ; 
Geſchichte des bayerifchen Volks und feiner Fürften, Aarau 1813—18, 4 Be, 
3. Fr ebend. 8 Bde; Des Schweizerlandes Geſchichte, ebd. 1824, 4. 
1831; gefammelt find feine hiftorifchen Schriften, Maran 1830, 16. Be. 
Forſtwiſſenſchaften: Die Alpenwälber, ttgart 18045 Der Gebirgäförker, 
Ya 804, 2 Bde. Seltiäriften: Literariſches Bantheon, Frauft. 1794; 
Miscellen für die neueſte Welttunde, Aarau 1807—13;5 Er gen ebenbai. 
1811—27; Ueberlieferungen an Geſchichte unferer Zeit, ebb. 1817—23, 4; 
Brometheus, ebend. 1832, 2 Bpe.; Der Schweizerhote, eben. 1804-32; Stun: 
den der Andacht, Werke, Harau 1826, 5. 40 Bwe., 16.5. Ausgewählte belletriſtiſche 
‚Göhriften, ebenb. 1826, 14 Be, 16.5; Wusgewählte Dieptungen, eben. 1830 
40 Thle.; Vollſtaͤndige Sammlung In einem de, ebend. 1830; Wusgewählte 
ſtoriſche Schriften, ebend. 1837, 10 Thle., 16.5 Ausgewählte Novellen und 
tungen, ebenb. 1836, 8. Thle. 7. Aufl. 1845, iO Bbe., 12.; enlefe, ebd. 
1844, 2 Thle; Gefammelte Bolksichriften (Goldmacherdorf, 
Spruch und Schwanf, Branntweingaf), ebend. 1841. Bol 3.8 Selbſtblogta⸗ 
8 Se ed. 1843, 2 Bve; 3.6 Biographie u. Charakteriſtik vor €. 
nd, Haag . | oo . . 
Zſchopan, Stadt im koͤnigl. ſächſiſchen Kreife Zwickan, an dem, am ſaͤchſ⸗ 
ſchen Ah e entfpringenden, Se leiches Namens, theils auf einem Berge, 
eils im —* gelegen; Yellenfi (06 und Gig eines koniglich fächfl Ge⸗ 
richts⸗ und 5 teö; große Baummwollipinnereien, Mol, Baummwolls u. Les 
nenweberet, aud) Töpferwwaaren. 5350 Einwohner, Geburtsort von B. Weigel. 
Dabei das Schloß Wildakke mit zum Theil in Stein ausgehauenen Mau 
und (an der Zſchopau) das bedeutende Blaufarbenwert Zfchopentbal, | 
Zuaven find die Miethtruppen, welche die Franzoſen nady ihrer Landung in 
Algier unter den Landeseingeborenen anwarben u., um Gingeborene u. Franzoſen 
zu verfchmelgen, der franzöftichen Armee einverleibten, Sie find tn mauriſcher Tracht 
aber mit europäifchen Waffen verfehen und beftehen zum Theil und urfprünglid 
aus den Bewohnern des Diſtrikts Zuavia im Jurjura (Gonftantine), Das 
anze Corps bat feit 1830, als die Frangofen fie in Sold nahmen, der Zahl u. 
nrichtung nach vielfache. Veränderungen erfahren. General Samoriciäre erwarb 
—— ae ne ihre Organtfatlon; er u, befonders Cavaignac leiſteten Bor 
ed mit ihnen. 
Zuccagni-Drlandini, Attilio, einer der thätigften Weförverer höhere 
Gultur in Italien, im legten Zehntel des vorigen Jahrhunderts zu Ficaola ge 
boren, machte feine Studien hauptfächlich auf der Hochfchule von Bifa, wo er de 
Doctorwürde der midiziniſchen und chirurgiichen Fakultät erhielt. Später beſuchte 
er noch die Hochfchulen von Bologna, Padua, Pavia, Turin und Senna. Vie 
nächfte Zeit füllten Reiſen aus, Karls befuchte er im legten Jahre von Nape⸗ 
leons Herrſchaft und ß ß im Baterlande nur kurze Zeit raſtend, nach Portugal 
und Spanien. In Liſſabon feſſelte ihn vor Allem die Luiſtade von Gamoens, 
von der er eine italtenifche Urberfepung verfaßte, die jedoch nie tm Drude er 
—*F iſt. Nach ſeiner Ruͤckkehr ins Vaterland ging er an die Aus 
e 















4 











es Lieblingsplanes, eine aus Fachmaͤnner aller Art beſtehende — — 

em Namen Societa polimatica zu bilden, was ihm ganz nach Wunſch Bea: 
Ein Phyſiker und Mathematiker, ein Chemiker, ein ar ein Ghirurg, ein 

und Kameralift, ein Profeſſor der Literatur, ein Philolog, ein Archäolog, ein 

Hikoriter und Geograph, ein Mechaniker, ein Profeſſor der fhönen Künfte und 

ein Philharmoniker oeseingten ſich wir on a gelellichaftlichen Zufammenkünften, 

die von Zeit zu Zelt In feinem Haufe Yarklkınaen, a wenn \tuer V weuehen 


, 


/ 


Zuecagni · Orlaudini. 1057 


RA in feinem Fache Bericht erftattete. Die Zufammenkünfte hatten bie 
önke Wirkung, indem fie den wiſſenſchaftlichen Sinn außerordentlich belebten, 
rien aber leider ſchon im dritten Jahre auf. Um biefe Zeit machte 3. eine 
zweite Reife nady Spanien und während feiner Abweſenheit löste fi die Bes 
felfchaft auf, deren Seele er gewefen war. Ran wandte er fi der Umgeſtalt⸗ 
ung des Jugendunterrichtes zu und eröffnete 1818 mit Erlaubniß der Rgierun 
zu Florenz eine Privatfchule, weldye auf dem Felde gemeimütziger Knntmifle 
allerdings Vieles leiſtete, aber auch nur zu bald den Eltern der Berheiligten die 
Vcberzeugung aufbrängte, daß das religtöfe Element, die unerläßtiche Grundlage 
aller Erziehung und Jugendbildung, von dem Stifter und Leiter dieſer Anftalt 
durchaus aus dem Auge gelaffen wurde. Da Klagen bei der Regierung nicht 
nur Richt fruchteten, diefe vielmehr au 3. nody eine jährliche Unterflügung von 
5000 Livr. verabreichte, fo zogen die Eiern ihre Kinder nah und nad uüd 
und die Schule mußte nach 8 Jahren ihres Beſtehens aus Mangel an Theil 
nehmern wieder gefcyloffen werden. Run beganı 3 eine andere, wirklich gemein 
nüßige Arbeit: „eine phyſiſche, bürgerliche und politiſche Geſchichte Toökana's 
durch Karten und Tabellen erläutert.“ Um etwas ganz Tächtiges zu liefern, 
durchreiste 3. das Land nad) allen Richtungen und Tieg ſelbſt den kleinſten Det 
nicht unbefucht und undurchforfcht. Auf dieſe Weiſe vergingen 7 Yıbre, ehe die 
zwanzig Karien und Tabellen fertig waren, aus denen dad Werk befteht. Die 
Tostaner hatten feine Thätigkeit mit Jubel begrüßt, aber ihre Thellnahme war 
nicht fo re daß fie ihn für feine vielfachen Opfer entichäpigt hätte. Im Ges 
entheil zeigte Nich ein fo ſtarker Ausfall, dab 3. gendrhizt wurde, feinen 
—* Landſitz zu Fieſole zu verkaufen. An dis Karienwerk reihte ſich gleich 
ein neues Unternehmen. An ver Küfle von Toskana liegt die Heine Inſel Pia⸗ 
nofa, die feit dem lebten Eınfalle ver Türken von 1530 nicht wieder angebaut 
worden if. Bel der Beichreibung dieſer Infel hatte 3. den Wunſch ausgeſpro⸗ 
en, daß fich doch eine Geſellſchaft patriotiicher Männer zur Urbarmachung des 
ft fo fruchtbaren Landes bilden möchte. Mehre Kaufleute von Livorno gingen 
auf diefe Idee ein, erbaten fih von 3. nähere Aufichlüſſe und vermochten ihn, 
daß er die Verhandlungen bei der Regierung für fle führte. Aber audy dieſes 
Unternehmen ſchlug nicht zum Vortheile der Vetheiligten aus, Die Regierung 
enıfchien ſich erit nach zwei Jahren, der Befellfchaft die Yrlel in Pacht au aeben 
und während diefer langwierigen Unternehmungen, die 3. mit unverbroffener 
Ausdauer führte, hatte der größere Theil der Unternehmer den Muth verloren 
und war zurüdgetreten. Zuleßt blieb ein Einziger zurüd, der eine neue Aftienges 
ſellſchaft biidete und die Inſel felbft bezog. Auf 3 beruhte die ganze Laſt und 
Berantwortlichkeit und wie ſchwer beide waren, wird man leicht ermeflen, wenn 
man weiß, daß jener eben bezeichnete Unternehmer, nachdem er eine bedeutende 
Summe in den Händen hatte, jede Rechnungsablage verweigerte und, um eine 
foldye zu vermeiden, Aueflüchte und Schwierigkeiten aller Art machte. Es vers 
Hoff n volle zehn Jahre, che diefer Mann genöthigt werben konnte, Die Infd au 
veriaſſen; nun erft wurde 3. von defien Nachfolger vollfommen entichäpigt. "Bel 
all’ feiner Unruhe um die Inſel Pianofa hatte der gelehrte Italiener doc) Muße 
und Luft für eine große Arbeit bewahrt, zu der er das Progamm ſchon im J. 
1835 veröffentlicht hatte. Es iR dies feine Ehorograpbie J:aliend, eine vollſtaͤn⸗ 
dige Beſchreibung der ganzen Halbinfel, einen reichen Atlas und die Abbildungen 
der Hauptventmäler enthaltend. Als der Plan befannt wurde, bildete ſich in 
Florenz eine Altiengeſellſellſchaft, welche die nöthinen Gelder für den Drud des 
Tertes und den Etidy der Platten zuſammenſchoß. Die Zıhl der Mitglieder, 
unter denen fich viele Wuslänver befanden, flieg raſch auf 700 Verfonen. In Pies 
mont, womit der Anfıng gemacht wurde, erhielt 3. viele Ermunterung. Die 
Regierung felbR, verfhiedene Gefellfchaften und die nahmhafteſten Gelehrten wur> 
fchafften ihm jede Auftlärung und fo konnte (hon Im Yyrik RAIL er cr N 
nasslleferung erſcheinen. Wndere Theile Srallenb zeigten Ay Woaer. DV 
Realencyeiopäbie X, N) 


1058 Buccarelli — Zucker. 


4845 war bie cheuere Arbeit vollendet. Die waren auf 165,000 It 
aufgelaufen, 32 Yamtlien hatten 10 Fahre fange dem Werke ihren Unterha 
8 mden. Den fchönften Lohn des Verfaſſers bildete die Anerkennung, die ih 
berall, in Toskana am wentgften, zu Theil wurde. Der König von Preuie 
verlieh ihm den rothen Adlerorden, ber Hera von Lucca den Berbienftere 
des heiligen Ludwig. Seitdem hat 3. eim Unternehmen begonnen, das frim 
Baterlande großen Vortheil bringen wird. Schon früher Hatten ihm mehre Sn 
werföbefiger angegangen, ihnen gm einem ausgedehntern Betriebe des One 
baues bebülflich zu feyn und 3. —— auch mit Rah und That Hülfe gelcie 
est hat ſich auf feinen Betrieb ein Verein für den Bergbau — am dein 
er die beiden jungen Fürften Demidoff und Pontatomw®! on Ri 
Kupfergruben der Infel Elba hat man den Anfang gemacht: Rebenbei befa 
tigt 3 die Cultivitung der Infel Pianofa noch fortwährend. 
uccareli, Brancesco, ein berühmter Maler, pe um 1704 zu 98 
gem im Großherzogthum Toskana, war ein Schüler von Johann Weri 
ande, ließ fich gu Venedig nieder und malte Landfchaften mit zierlidhen 
uren, Ka: er fich einen großen Ruhm erwarb, Der englifche Gonful 
eph Smith beftellte ſowohl für ſich, als auch für Te Landeleute viele 
bet ihm und auch aus anderen Ländern ergingen viele Beftellur an 
reißte in der Folge durch Deutfchland, Holland und Fran nad 
hielt fich fünf Jahre in London auf, erwarb ſich in diefer Zeit vieles 
u. fehrte darauf wieder nach Venedig zurüd. Später begab er ſich noch 
nach London und flarb den 30. Dezember 1788 zu Florenz. 3. war einer 
den feltenen Landſchaftomalern, denen die Figuren und andere Umftände 
Kleinigkeit waren, fie waren alle fein gezeichnet und nett ausgemalt und 
durchgehend edle Mienen. Auch feine Thiere waren auserlefen ſchön, befonet 
die Hunde und Pferde, Gr felbft hatte fo wenig Zutrauen zu fich, daß er mi 
in fa ſechzigſten Jahre die Alademie fleipig befuchte, um nach dem Km 
zu zeichnen, 

Zuccarini, Zofeph Gerhard, ein namhafter Botanifer, geboren 1797 u 
Müngen, bildete ſich im Erlangen und München, ordnete und befchrieh mt 
Martius die brafiltanifchen Pilanzen und ward 1827 Profeffor der Botanik un 
Mitglied der Akademie zu München, wo er im Febr. 1848 ftarb., Wir neme 
von feinen Schriften: „Slora ver Gegend von Münden“ (Band 1, 18%) 
„Charalteriſtik der deutfchen Holzgewächfe in blattlofem Zuſtande“ (1829-31) 
„Flora Japonica“ (mit Stebold f. d.); „Naturgefchichte des Planen 
reich“ (1843). 

Zuchthaus, f. Gefängnifwefen, 

Zuder, ein eigenthümlicher Beftandtheil wieler Pflanzen, ver fich durch m 
füßen Gefchmad derjelben zu erfennen gibt und fin mehren Pflanzenfäften id 
ſchon gebildet vorfindet, in anderen Subftanzen aber, z. B. im Stärfmebl, ai 
fünftlich entwidelt werden muß. Faſt aller Fäufliche 3. wird aus dem Safte m 
Zuderrohrs und der Runfelrüben (f. d. Art. Runfelrübenzuder) gewema 
Das Zuderrohr, welches in die Familie der Gräfer gehört, wächst mur im heiie 
Randftrihen, namentlich zwiſchen den Wenvefreifen. Sein Vaterland if Ob 
indien; dutch die Araber wurde es im 12. Fahrhunderte nach Wegypten, Malı 
und Sicilien verpflanzt. Im 15. Jahrhunderte Fam es nad) Madeira und a 
sanarifchen Infeln, welche vor der Entdedung Amerika's gana Europa mit} 
verforgten, und fpäter wurde es nad) Weftindien und Sübamerifa verpflnt 
Bon der Infel Malta oder Melite hat der Melis-3. den Namen erhalten m 
von den canarifchen Infeln nennt man noch jet zuweilen die feinfte Raffinak 
Ganarien-3. Jeht wird_auf den genannten Infeln, ſowie in Spanien, Sid 
Iten 2c. nur fehr wenig 3. gebaut. Am den 3. zu gewinnen, wird das 3.,Roh 
zwiſchen Walzen zerquetfcht und der füße Saft ſogleich an Ort und Sielle mit 
einem Zufag von geläiägten Kalt, Smodgentshte wer adnuäneken Beute wert 


— 


“a 


A 


Erz : 


mr Baden 1059 


geflärt und dann eingefotten, bis er ſich an fandartigen Körnern kryſtalliſtrt. Der 
auf dieſe Weiſe gewonnene fee Fi wird Roh⸗3. oder Muscovade genannt; 
ein Theil des Z.⸗Saftes kryſtalliſirt jedoch nicht, fondern bleibt flüſſtg und wird 
entweder an Ort und Gtelle zur Deftilation des Rums verwendet, ober unter 
dem Namen Melaffe tin ven Handel gebracht. Die Melafle wird von der 
Muscovade gefchienen, Indem man den eingebicdten Saft entweder in Käflern, deren 
Boden Löcher haben, in welche die pordfen Stiele von Bifangblättern geftedt 
finp, abtropfen läßt, oder, indem man ihn in irdene, trichterförmige, an ber Spike 
mit einem Loche verfehene Formen ſchuͤttet und aus dieſen durch die Keine Deff- 
nung die Flüffigfeit abtropfen läßt. Die breite Kläche an der obern groffen Oeff⸗ 
nung der Form wird dabei mit nafiem Thon bevedt, aus welchem das Wafler 
durch den 3. fidert, die darin enthaltene Melafie vollends auflöst und ihn auf 
diefe Weife beffer reinigt, als durch das Abtropfen in Yäffern. Diefer 3. wird 
gededter, terrirter 3. oder Eafionade genannt. Derfelbe bat eine nicht Hana 
weiße Barbe und bildet große, ziemlich feſt zufammenhaltende Brode. an 
nennt biefen 3. in Deutfchland gewöhnlih geſtoßenen Lumpen, ges 
fRoßenen Melis, Flaren 3. oder Puder⸗3. Die Muscovade wird in 
den Eolonten oft noch einmal umgelocdht und der gedeckte 3. noch ein ober 
mehre Male gevedt, wodurch man Sorten hellerer Farbe erhält. Die vers 
ſchiedenen Sorten des Roh⸗3.8 werden nach Ihrem WBaterlande benannt ımb 
zerfallen in zwei Hauptllaffen, nämlidy in amerikaniſchen und afiatifchen, 
oder, wie man gewöhnlid fagt, weſtindiſchen und oſtindiſchen. Faſt 
alle weſtindiſchen Infeln liefern 3., am meiſten Jamaica, Cuba, Portorico, 
Martinique, St. Thomas und St. Domingo; tn Güpamerlta namentlich Suri⸗ 
nam, Gayenne, Demerary, Bahia, Pernambuco, Rio Janeiro ı. In Aſten bes 
fonderd Bengalen, Java, Manilla, Siam, China ıc.; ferner die afritanifchen In⸗ 
ein Mauritius und Bourbon. Im Allgemeinen find die weſtindiſchen Roh⸗3. 
eller von Barbe, als die oſtindiſchen. Am beften für die Raffintrung find die⸗ 
jenigen, welche möglichft Licht von Farbe und troden find und ein flarfes, zwi⸗ 
ſchen den Fingern Fr ſcharf anfühlendes, Korn haben. Nach dieſen verfchienenen 
Eigenſchaften wird der Roh⸗3J. In eine große Menge Sorten getheilt, auch wird 
zuweilen gededter und ungebedter untereinander gemifcht. Unter allen Roh⸗3.n 
werden die von Havannah am meiften gefchäßt, weil fie das ſchaͤrfſte Korn haben, 
was ein Zeichen des meiſten Z.⸗Gehaltes if. Der Roh⸗3. wird, meift in Europa, 
einer nochmaligen Reinigung, der Raffinirung, unterworfen. Dies gefchiebt 
in eigenen großen Anftaiten, 3.:Ra ffinerien genannt, deren es beſonders 
England, Frankreich, in mehren deutfchen Städten, namentlih Hamburg, Bres 
men, Berlin, Stettin, Köln ıc., ferner in Stallen, Rußland ıc. gibt. Der Roh⸗ 
3. wird zu dem Ende in Waſſer aufgeldst, mit einem Klaͤrungsmittel, meiſt 
Knochenkohle oder Bint, feltener Kalk, gekocht, dann bie geflärte Flüffigkeit filtriert 
und hierauf eingefottn. Die Mafle wird dann, nachdem fie etwas abgekühlt if, 
in irdene, tridgterförmige, an der Spige mit einer Deffnung verfehene, Formen 
gefchättet, In denen man fie umrührt, um die Bildungegroßer Candiskryſtalle zu 
verbinbern und dann fo Lange setolten läßt, bis die an ber breiten Flaͤche ſich 
ebildete fehle Dede in der Mitte einfinkt. Hierauf werden die Formen mit der 
pige nach unten auf Töpfe geſtellt und der Pfropf aus der Kleinen Deffnung 
in der Spitze gezogen, fo daß der unkryſtalliſtrbare braune Saft, weldder Sirup 
genannt wird und meiſt aus Schleim⸗ZJ. beſteht, ebflieh. Der jetzt abfließenve 
wird grüner ober ungebedter Slenp genannt und if 8 er, als der ſpaͤ⸗ 
ter erzeugte, weldyer gededter heißt und den man wieder in foldyen vom erfien 
und zweiten Deden unterfcheidet, wovon letzterer der befle und zuderreichfte 
iſt. Nah Berlauf von etwa acht Tagen wird der 3. in den Formen gededt, 
d. 5. die Oberfläche wird mit einem weichen Brei aus geidylemuten, X 
nem Thon u, Waſſer, etwa einen Zoll hoch, belegt, ud welden 0% STE 
bur) ben 3. fidert und den Sirup aussieht, Died Drden en 







1060 Zůllichan — Zůndhůtchen. 


wiederholt, bis der Zuder ganz rein iſt. Hierauf bringt man bie aus 
men genommenen Brode einige Tage auf den Trodenboden und dann 
auf 45 Grad geheigte, Trodenftube. am die Brode völlig troden 
fie in ftarfes, weißes oder blaucs Papier (3.- Papier) geich! 
faden umbunden und zum Verkauf auf's Lager gebracht. Auf 
der feine 3. oder Raffinade verfertigt. Zu ben geringeren 
genannt, werben bie Abgänge bei der —— des fiinen 3.6 u 
ohne Zufap von Roh-3. verwendet, auch treibt man das Ein 
den höchften Punkt u. wiederholt das Deren nicht IR oft. Die Raf 
Melis werden nach ihrer verfchiedenen Weiße u. Feinhelt im fuperfein, 9 
feinmittel, mittel, feinordinaͤr, gut ordinaͤt, ordinär x. getbeilt; dem g 
nennt man Lumpenz er wird gewöhnlich in größere Brode geformt, und ak 
Spige oft bräunlich bleibt, fo wird fie zuweilen efchntiten und unter ia 
Barins oder geftoßenen 3, gemifcht, Der Farin oder Farin / Z. aud Bafim 
over Baftert- 3. genannt, iſt der geringfte raffinirte J., welcher 
fondern mehr ober weniger gelb oder braͤunlich von Farbe, auch gewöhnlich us 
völlig troden {ft und nicht zufammenhält, weshalb er nur in der Form von 
Leg 


BE 
Be 


g 
Ei 


H 

BE 
FH 
ih, 


4 


foßenem 3. verkauft wird, Gr wird jedoch felten in den Z-Siedereien 
und man verfauft meift rohen 3. unter dem Namen Karim Der 
um fo befier, je bier, Harer und füßer er iſtz won Nohrzu 
jeher den beften und meiſten die Hamburger Zuderfievereien. Der Runferis 
fup, von dem jegt viel in den Handel foınmt, tft weniger gut und balıbar, & 
jener. Wenn man ben in Wafler aufgelösten und geläuterten Roh ⸗J 
ter einfocht, als es zur Berfertigung des raffinirten 3.8 mötbig if, 
dann ruhig ſtehen läßt, fo ſchieht er in großen, mehr oder weniger 
tigen, Kıyftallen an und bildet ven Candis⸗ Z, Gandis oder 3.- Kant, 
— ebenfalls in den Z.-Raffinetlen geſchleht. Man hat weißen, Ib 
gelben, dunfefaelben und braunen Candis; zur Verfertigung des weißen wird p 
wöhnlic Raffinade genommen, zu dem gelben und braunen mehr oder wann 
dunkler Rohzudır. Wenn der geflärte Saft gehörig eingedickt ift, läßt man ir | 
in Tupferne, verzinnte Kühlgefäße laufen, in denen mehre Zwirnsfäven quer übe 
zogen find und am biefe, fowie an die Winde der Gefäße fegen fich die Candk 
Iryftalle an. Wenn die Kroftallifirung vollendet ift, läßt man den flüffige geblit 
enen GStrup abfließen, fchlägt den feiten Candis in Stüde, trodnet ihn und w 
padt ihn dann in eigene Kiften, von denen man ganze, zu ungefähr 14 Genne 
Inhalt, fowie Halbe, Viertel und Achtel, nach Verbälmiß, hat. Bei der va 
fertigung des weißen Candis, die übrigens auch häufig von den Eonditoren pe 
ſchieht, wird weißer Sirup gewonnen, den man gewöhnlich wieder mit einfodt 

Zülihau, Stadt im egierungsseiite Branffurt a. d. D. der preußiide 
Provinz Brandenburg, in einer getreidereichen Gegend, nicht weit von der Die | 1 
hat ein Pävagogium, ein Gomnafium, eine Bildungsanftalt für Landfchullehe, | 
ein großes Watjenhaus und 5500 Einwohner, melde Wollenzeug-, Leinwand 
ZTuperenfabrifatton, fowie ftarfen Obſt- und Hopfenbau treiben. Eine balbe Rd 
von der Stadt wurden auf geeignetem Boden und in guter fonniger Lage ji 
lich beträchtliche Weinberge angelegt, jetzt wohl die nörolichften in ganz Deutid 
land, während in früherer Zeit der Weinbau fi bis Bordesholm und Schwen 
an ben fonnigen Anbergen der Seen erftredie. 

Zündhütchen find Feine, an der einen Seite offene Eylinder von weichs 
Kupfer, deren Boden mit einer Mafle bevedt ift, die fi durch einen Echiy 
entzündet und bie aur Entzündung der Ladung in den Percuffionsgewehren gr 
braucht werden. Die Zündmafle wird auf verfchiedene Welie bereitet und öi 
Zufammenfegung von den Fıbrifanten meift geheim gehalten; gewöhnlich beit 
fie aus chlorfaurem Kalt, Schwefel, Spießglanz und Kohle. In Deutfcyland An 
die wichtigſten Yabrifen die von Sellier und Bellot in Prag und Schöncht 
bei Magdeburg und die won Dregie vd Arkenhuitg In Siene on Siustuen \ 





Zanduabelgewehre. 4081 


Zünbuadelgewehre, die, welche gegenwärtig fo viel von fidh reben machen, 
d gleichwohl Feine Erfindung der allerneueften Set, fondern, wenn auch nicht 
n ihrer jchigen Vervollkommnung, fchon feit dem Jahre 1830 befannt. Der 
wefentliche Theil bei diefem Geſchoſſe if die Patrone. Sie gleicht, natürlidy 
im Fleinerem Maßſtabe, durchaus der Rakete, wie fle zu Luſtfeuerwerken benügt 
wird, da fie wie diefe am untern Bulverende gefchnärt, d. h. mit Binpfaden ſtark 
fammengezogen ift, fo daß nur eine fehr enge Deffnung bleibt. Unmittelbar 
bie dieſer Deffnung vor ber Dufveriabung, lieg eine geringe Menge eines durch 
e Reibung explodirenden Stoffes, z. B. Knallqueckfilber, deſſen Bedeutung 
durch die nachfolgende Beſchreibung des Gewehres ſelbſt erklärt wird. Die Puls 
verfuͤllung der Patrone iſt fehr g — nur 7% Loth; beim Perkuſſtonsgewehr 
ift fie 44, beim Gteinfchloffe war fie 43. Die Kugel ift eine Epipfugel. — Das 
Nadelgewehr ähnelt im Weußern dem gewöhnlichen Gewehre mit Perkuſſtons⸗ 
ſchloß, nur if es etwas Fürzer, das Bajonett aber um fo viel länger, was ſich 
demnach ausgleicht. Der Lauf iR mit vier Zügen fünfvtertelmal gewunden und 
vorn an der Mündung etwas enger als hinten. “Die Schaftung gebt nur über 
ein Drittel der Länge des Laufes, etwa wie bei Zagtflinten, und es fehlt der 
Ladſtock. Dieſes legtern bedarf es nicht, weil die Patronen nicht von vorn, fons 
bern von hinten in den Lauf gebracht werden, welcher zu dem Zwecke Teine 
Schwanzſchraube bat, fondern um eine beim Ende der Schaftung angebrachte 
Angel beweglich if. An der Stelle des Schloſſes befindet ſich ein einfacher 
Hahn ‚ welcher mittel einer innen befindlichen ſtarken Feder auf eine gleichfalls 
innen liegende Ravel in der Art wirkt, daß beim Aufziehen des Hahbnes die Na⸗ 
del zurücktritt, beim Löfen deſſelben aber durch den gewöhnlichen Drüder mit Ge⸗ 
malt vor und in den Körper der Patrone fpringt, dort durch Reibung die oben 
bezeichnete Maſſe entzündet und fo die Patrone explodirt. Derfelbe Schlag, wels 
her die Ravel vorfpringen macht, öffnet Die Feder, mittelft welcher der Lauf flatt 
der Schwanzfchraube in der Schaftung befeſtiget iR, wodurch die fofortige Ein⸗ 
bringung einer andern Patrone und folglich das raſcheſte Schießen ermoͤglichet 
iR. Beim Aufziehen des Hahnes in die erſte Ruhe fchließt fi die Schwanz⸗ 
feber, fo daß das losgeſchoſſene Gewehr gleich jedem andern benüßgt werden kann. 
Die Patronen werden in einem abgenähten Gürtel, die Kugeln nach Oben, um 
den Leib getragen. — Die Borzüge folcher Gewehre find unverlennbar. Das 
Laden gefchieht unter allen Berhätmifien, vorzugsweiſe im Liegen, mit einer Leich⸗ 
tigfeit und Gchnelligfeit, die auf einem andern Wege kaum zu erreichen feyn 
dürfte. Ein Berfagen des ie bei Regenwetter ı fat unmöglich; jeden⸗ 
fall8 aber kann eine verdorbene Patrone fofort herausgenommen und durch eine 
andere erfeßt werden. Zur Erzielung eines weiten Kernfchufies iſt hier die den 
Spigkugelgewehren zum Grunde liegende Theorie erft recht in's Leben gerufen, 
da das Eintreiben der Kugel in die Züge des Laufes nie jo vollfändig, nament⸗ 
io nicht mit derfelben Schonung der Kugel, bei einer Ladung von vorne zu ers 
teihen if, als bei einer Ladung von hinten und dem nach vorn fidy verengenven 
Lauf. Die Kugel, etwas größer als die hintere Deffnung des Laufe, wırd ges 
waltfam bindurchgepreßt und erhält damit die volle Kraft einer wohlgepflafterten 
Büchfenfugel. Soldat kann, ohne abzufegen, in der Minnte 6 bis 8 Mal 
mit Bequemlichkeit laden und .abfeuern, und die Kugel tödtet noch auf taufend 
Schritt ihren Mann. Natürlich hört hier die Sicherheit des Saufiee af do 
hat ein guter Schütze mit dem 3. auf 800 Schritt fein Ziel noch ziemii 
fiber. Auf dem ußp befinden ſich die Viſtre, die er nach Belieben anwenden 
kann. Kernſchuß iſt auf 400 Echritt, erftes Bifle auf 600, zweites auf 800 
ritt. Gegen eine Kolonne gewöhnlicher Musketiere find die Effekte dieſes Ge⸗ 
wehres ungeheuer. Auf 800 Echritt beginnt die Wirkung der Kugel, auf 400 
ritt erft Die Wirkung der Musketenkügel; alfo muß der Feind A400 Edkritte 
zurüdiegen, ehe er fein Feuer mit [g beatmmen Tann, vrauiat 
Gutfernung, andy im ſchnellſten Schritt, 4 en, In weigert er m TE 


1062 Zuͤrich. 


ey ewehre bei 30 Schuß erhält. Ebenſo bei einem Cavallerieangriffe 
Me eiterei, um 800 Schritte zurüdzuiegen, 24 Minuten inentgRene bedarf, 
* welchen ſie aus einem 3. bei 20 Schuß erhalten kann. Was die Artillerie 
anbelangt, fo tif die Wirkung der Kartätiche auf 400 Schritt furchtbar auf 800 
Schritt aber unbedeutend, wodurch der Hann wit dem 3. im Stande iR, die 
Kanoniere bei ihren Geſchuͤtzen — ne ohne fih einem werbeerenben 
Kartätfchenfeuer bloßzuſte Ohne Schattenfeite find dire die 3. auch 
nicht und der Nachtheil bei ihnen iR die Erfegung der Munition; denn da jeder 
Soldat nicht mehr ald 60 Patrenen au tragen im Gtande if, fo fan er id 
in 10 Minuten verfchoffen ba a6 auch bereit6 einige Male Fr 
a foll, weil die Leichtigkeit vn Enellanens den Soldaten verführt, 5 


n der Schweiz, deſſen Bränzen im Nordoſten * 
Südoften u ae Ballen, im Süden Zug, im wir on im Ro 
a er Baden und Ehafkaufen —— 
Gegen den Rhein hin IR ehr "Gin im Innern 
een —A bin, der Allmann, das Lägergebirge 8 der Albis, 
Keiner el. erreicht wie Schneelinie, denn die a a Reigen Taum zu 
4000 A A "nähen aber — die —— fihten. An ven 
Graͤnzen des Kantons, beim Schloſſe Laufen, bildet ber el feinen berübmien 
Hall, Auſſer diefem Fluſſe befigt dad Land noch die Reuß, Limmat, Thut, 
Sihl, Töß und Glatt. Der fünf Meilen lange und drei Viertel⸗Meilen breite 
Züricher ſee wird durch bie Brüde von Rapperſchwyl in den Ober⸗ und Unterfee 
geibel und umſchließt © he Inſeln (Ufnau mit Hutten’d Grab, Yu u. a). 
Ko gibt es einige Kleinere, aber fehr maleriſch gelegene Seen, wie unter andern 
der von Pfäffifon, ber guerfenfee und der Durlerfee. Das Klima ik 
im Allgemeinen mild, der Boden F bar und fleißigſt angebaut. Die Rebe 
kommt zu Winterthur und an den Höhen des Züricherſees fort, Aus dem Obſte 
wird viel Cyder und Kirfchengeift bereitet. Die Biehzucht, obgleich bedeutend, 
fteht doch der in den eigentlichen Wipenländern der Schweiz nah. Die ge 
und Seen find fehr fiſchreich; auch gibt es viele Mineralwafler. Die Deoälle 
it im Verhältniffe zum Gebtetsumfange fehr ſtark, denn fie fleigt zu 
Seelen hinan. Sie iſt deutfchen Stammes und befennt ſich a dan —8 
wu teformirten Kirche, indem nur 2600 Katholiten darunter find. Man treitt 
en That vorzüglich aber Fabrifation und Handel. Nach der Zerflörung 
Mailands im 12. Jahrhunderte durch Friedrich Barbarofia brachten von dort 
Arbeiter ihre Induſtrie nach 3. Bornebmlich find die Baummollens und Seiden⸗ 
weberet, die Yärberei und die Leberbereitung im Schwunge. A. Verfaſſung if 
demofrattfch mit repräfentativer Vertretung. Es befteht ein gele ebender Großer 
Raih und ein ausübender Regierungsratb mit zwei im Borfihe wechfelnden 
Bürgermeiftern. Der Zuſtand des Volksunterrichtes wird fehr gerühmt. Die 
Einkünfte belaufen ſich auf 1,625,000 Schweizer: Sranfen. Zum Bundesrathe fenbet 
3. 12 Abgeordnete, zum Kontingente ſtellt es 6756 Mann. Cingetheilt wird ver 
Kanton in 11 Aemter. Hauptfladt iR Zürich an dem nad) ihr benannten Ger, 
in einem überaus angenehmen und fruchtbaren Thale. Die burchflichende Limmat 
theilt fie in zwei ungleiche Halfın. ei bat 9 Thore, 2 Vorſtädte — Thaladeı 
und Stadelhofen — 4 Kirchen, 15,000 Einwohner. Das Großmünfer 
iſt ein byzantiniſches Bauwerk des 1. Jahrhunderts; den Thurm ziert eine Statue 
Karl's des Großen; das Frauenmünſter, bei welchem vor der Reformation 
eine gefürftete Srauenabtei war, flammt aus dem 13. Jahrhundert, NAubere 
vorzügliche Bebäude find das Stadthaus mit interefianten Rationalvenkmalen, 
bie Duke das Zunfthaus zur Meife, das fchöne Caſtno, die neue Münfer: 
brüde. 3. hat fi von jeher durch feine wifienfchaftlichen Dekrchungen und 
Infitute augen &3 deftchen hrer eine Unaerisät, erüfnet im Jahre 1832, 
mehre höhere 





nterrichtöanftalten, ein Siyilicgreriuaiuns, tn Siemens, Aklını 


1083 


N) 
Sara nam — — imnde © Elan oa nungen 
und Raturalienfammiung, bann ber 1833 gefiftete marifche Verein, eine öffent» 
le rer mit 60,000 Bann un Diele — riften von Iwin it und 


—X —5 — Gray. Die R cn Kill von Manefie, Haͤmmer⸗ 
ei Sie » "I * a iin Sid —S Adem va 
ner, gel und fo vieler an gelel er Bürger 

BEER: * en Welt. Auch die Kunſt ae bier Tanz 

n und viele der X vi fh als ee oder Maler aus⸗ 
en Zur Bervolllommnung des ae ſanges wirkt eine Muſilgeſell⸗ 

Für das Wohl der leivenden Mi ah jr euer me mehre Sue ein 

Km und Taubftummeninkitut, ein Irrenhau ieiden«, Muffelins und 

Kattunfabrifen befe en viele Menfchen, und fehr bedeutend iſt der Speditions⸗ 

handel, welcher fih 3 en Sran! ‚ Stellen und Deutfchland über 3. bes 

wegt. — Bon den —8 ee en se Inebefonbere der BE) 


— — —— Eee mie ein 
. ver t 
age Ufern a en die an vom Kg und dem able an 


lichen Reiz. — Andere WBR Drte des Kantons find: Winterthur, 
das alte Vindoderum, Stadt mit 3650 Einwohnern, aieien Sabziten und den 
naheliegenden Ruinen deẽ Bersfäloffes Kyburg, vordem der Sig mächtiger, 
mit dem Haufe Habeburg verwandter Grafen (f. Kybur —2— Horgen am 
” Züricherfee, mit 4000 Einwohnern und —— ädenfhwyl mit 
zahlreichen Muffelin,, Kattun⸗ und Tuchfabrien, Berbereien und 6000 Einwohnern; 
die verfallene 9 Mannegg auf dem ülbis, einſt Uyntın der edlen 
—— Danefe & —— Sammlung). — Z., da6 römifche Turicum, 
wurde von Diocletian erweitert, zur Zeit der Vdikerwandetung von den Allemannen 
jört. ee dene erſten —ã ern kam ein Priefter von für füsplicher Geburt, 

farb, der Bruder des Herzogs recht, an den Drt, wo bi 
See Pre „grinbete auf den waldumwachſenen Trümmern des alten Turicam 
fer und wurde fo der —— 34 Karl der Große var ſich 


ter auf, id vas Rı 
—— hl — ee alten Halligen San ehe 


fan, ‚in ihlelten die Herzoge von Zähringen di her bone 

IL —* bob a: 1218 3. 3 u Reichefadt. 
2 der a a ai dem ae ein, und bie 
Seinbfhaft 34 53 Ss 3, ap ie Stadt 1251 nooral ener fand, mit 
boy und Urt din © Jahre zu Kg, gerieth 3. in 
eine ſchwere Fehde mit feinem en ni em —8 agree on om Regent» 
Fr und emannie den ra; h von .abeburg zum in der 


[8 diefer —X Kaiſe alle HN behielt er ar: Stadt —5 — 
- —— sangebenfen und rtbelte ihr das —— ‚ daß leinals 
jert werden ſolle She A re Ar den Sinn 


Br ——ã— — er damit, daß er 

cher zu Rittern fchlüg: MAber —5 * Er fand 3. feindlich 
3 jenäber und * jerte es fogar (1298). epiter 

iieder mit bei auſe Defterreich un fo daffelbe Bi Berge sen. 
jährend der rennt wiſchen © eat Sri 


Bi 

Ludi 

den Privilegien Kalſer Rudolphs Peg N a hatte verpfän! 

Deshalb kamen die Bürger 1331 im ben "päpftlichen Ba mie bie 1. 

währte. Die innere Ruhe der Etabt wurde zum erken Male tim Jahre 135 
lich geftört, in Folge allgemeiner eit mit ven Regluente, 

Yen un vom — be. —— 5 Brun war die Sect der Si Sr 

8 fung Bereit, De den * 


* von Bayern ſchlug ſich 3. auf Reptern, wi — 


1064 Zůtphen. 


teten und Brun trat als Bürgermeifter an die Epige ber Regierung. Li 
Macht, auf das Unglüd vieler ehemals —— Familien gegründet, 
den amverföhnliben Haß verfelben zu; Mit einem Echlage follte die an 
‚Herrfchaft des Emporkömmlings geftürzt werden. Die Verſchwornen⸗ 
ſich in die Stadt, um in der Nacht den Bürgermeifter und feinen Antı 
dem Wege zu räumen, Doch diejer erhielt Kunde von dem “Plane, fat 
Feinden zuvor ‚und ließ fie durch die, in die Waffen gerufenen Bürger 
* mepeln. Dies iſt die „Züricher Morbnacht” von 1350.: Das Jahr daı 
auf. Brun’s Betrieb 3. in den Schweiger Bund. Ueber die Zermürfnifie 
duich das Toggenburger Erbe entftanden und 3. feine Bundeapflichten 
vergeffen ließen, daß e6 fidy mit dem Haufe Defterreich vereinigte und ! 
enofien befrie,te fe Schweiz (Geichichte 1436—1450). An ven Kri 
meiz gegen Burgund nahmen die Züricher regen Antheil, und ihr 
meıfter Hand Waldmann war ed, der bei Murten das Befte that, Im 1 
—7 — war 3. der Haupıfig der Reformation Zwingls und gerieth 
in Krieg mit den Fatholifchen Kantonen, welche ihm 1531 bei Gappel ein 
Niederlage beibrachten. Beim Ausbruche der franzöſtſchen Revolution w 
die Rrgierung von 3. am fefteften den andringenden Grundfägen der Na 
dieſe exhtelten aber endlich doch die Oberhand. Der 1799 in die Sch 
hereinfptelende Krieg machte die Umgegend ter Stadt zum Schauplagı 
denper Gefechte. _ Am 4. und 5. Junt fhlug bier der Erzherzog Karl t 
ofen, am 24. September hingegen Mafiena die rufflich=öfterreichtichen 
unter Korfatow. Die neue ſchweizeriſche Berfaffung von 1815 erbol 
einem der drei Vororte. Die Julitage von 1830. äußerten auf dieſen 
einen mächtigen Einfluß umd riefen die bemofrarifche Berfaffung vom 1 
4831 ins Leben, Die allgemeinen Wirren, von welchen die Schweiz dur 
ver Neuzeit immer ftärker hervortretenden radikalen Elemente heimgefud 
lipen auch 3. nicht unbetheiligt. Die Regierung des Kantons hatte 
im Gebiere der Gefepgebung, des Gerichtswefens, des Unterrichtes und 
baues Außerordentliches geleiftet, allein fie ließ ſich im einer unglüdlicye 
von raditalen Einflüfterungen verleiten, den Dr. Etrauß an die theolog 
Aultät der Univerfität 3. zu berufen und diefen Mißgriff benügten ihre 
um fie durch aufgeregie Volfshaufen am 6. September 1839 zu ftür, 
neue Regierung, objchon fehr liberal und den Jefuiten äuferft abhold 
dennoch die Umtriebe des befannten politifchen Schrififtellerd Karl He 
ihrem Gebiete nicht geftatten zu dürfen und verwies dieſen Ende 1846 
Kanton. Während des legten Bürgerfrieges fand 3. begreiflid auf ! 
der Feinde des Sonderbundes. — — H. Keller und g 3. Schnu 
Der Kanton Z., Zürih 1813; ©. Hirzel: Jahrbücher der Stadt 
1814— 1819; Meyer,von Knonau: Der Kanton 3., 2 Bve., € 
und Bern 1844— 1846; Fr. Vogel: Die alten Ehroniten oder Denfwi 
der Stadt und Landſchaft 3., Zürich 1846. 

Zütphen, fon gebaute Stadt in der nieberländifchen Provinz Gi 
der Yıfel und Berkel mit einer Schiffbrüde über erftern Fluß, ſechs 
einem Gymnafium, mehren Gelehrtengefellfchaften und 10,000 Einwohner 
Kattun, Leder, Leim, Paper und Bier fabrigtren. Schöne Epaztergänge 
die Etadt. — Schon im 10. Jahrhunderte fommt 3. ald Stadt und Si 
Grafen vor, weiche Bafallın der Bıfchöfe von Utrecht waren, aber 1 
ftarben, worauf 3. an die Grafen von Geldern überging., Im Mitte 
hörte es zur Hanja. Im niederländifhen Kriege ſchiug es fih auf 
der Batrioten und wurde 1572, als die erfte unter allen rebelliihen Stä 
dem Herzog von Alba erobert, der mit eiferner Strenge verfuhr und f 
Bürger hinrichten ließ. Kurz darauf wurde 3. von der ‘Partei des ‘Br 
Dranien wieder erobert, Fam aber ſchon 1583 wieder in die Hände der 
1584 und 1586 belagerten 8 die Truppen ud Stonunlund ohrumaie , 


Re Sefell-— Zug; yon‘ 408 


1591 bekam es Mori von Dranten durch Kriegelik, worauf ed den Generals 
flaaten verblieb. 1672 wurde die Stadt von den Franzoſen unter Philipp von 
Orleans erobert, die Feſtungswerke wurden gefchleift, nachher aber wieder bergeftellt, 
u. befteben jet aus neun Baftionen. 1795 fill 3. ohne Widerſtand in die Hände 
der NReufranfen und audy 1813 warb es bei der Schwäche der Befakung (300 
Mann) und der Unzufriedenheit der Bewohner am 24. Rovember bei dem erfien 
ET nennen wir an Greinih, vehen Gutfrhungögemb wir nicht f 
nennen wir ein niß, deſſen ung wir n 
einfehen, oder vielleicht gar nie nachweiien fünnen. Da nım aber — 
oder Unvermögen, einen Grund nachzuweiſen, mit dem wirklichen Vorhandenſeyn 
eines ſolchen in durchaus keiner ‚Berbinbung ſteht, wir oe Gegentheil nicht wur 
aus religtöfen, fondern felbft fchon aus philofophiichen Gründen annehmen wur 
daß Nichts in der Welt ohne. Grund gefchebe, fo gehört der Begriff des 3.6 
ſchlechthin unter die Claſſe derjeninen, weiche lediglich auf unferer ſubjektiven 
Anſchauung der Dinge beruhen. Wenn wir daher von einem 3. in den Welt- 
und Menfchenbegebenbeiten reven, fo meinen wir bamit nur, daß une die Gründe, 
warum Etwas und weebalb es fo geſchah, nicht befannt find. Se tiefer wir 
aber in das Geyn der Dinge einbringen und je mehr wir defien Weſen um6 zu 
eigen machen, deſto weniger daran wird und noch als blos Weuflerliches, Zu⸗ 
füBige®, ericheinen, während ver rohe Berftand, der von dem Weſen der Dinge 
nur eine ganz vage Idee hat, far Alles für blos zufällig, Aufferlich erklärt. — 
Die Auffere Erſcheinung eines Dinges ſelbſt nennen wir daher deſſen zufäls 
liges, Accidenz, im Gegenſatze zu defien innerem Wefen, ver Subſtanz. 
ug, der kleinſte der ſchweizeriſchen Kantone, indem er nur ALFM, Flächen» 
raum mit 16,500 Seelen bat, liegt zwiichen Nargan, Züri, Echwyz und 2us 
zern, und ift im noidweſtlichen Thetle eben, fonft aber fehr gebirgig. Dody ers 
heben ſich die böchften @ipfel, ber Ruffi und ver Roßberg, nicht über 5000. 
Bon den Flüſſen find vie beträdhtlicheren Die Reuß und die Sihl. Der Z.er⸗ 
See, ZM. lang, 4 M. breit und am Rigi 1200° tief, dabei fehr Ride 
und von maleriſchen Landichaften umgeben, ſteht durch den Lorez mit dem 
neren, nur eine Etunde langen Egerifee in Verbindung. Wieſen und Weiden 
nehmen den größten Theil des nupbaren Bodens ein; Ackerland iR nur wenig ba 
und noch fparfamer find Die Weingärten, die nur ein fehr mittelmäßiges Pro⸗ 
duft g-ben. Dagegen werden in den meiften Dörfern die Bauernhäufer von 
Opftbäumen befchattet, und an den Ufern des Z.erfeed gedeihen die Kaftanien in 
großer Menge und bilden einen nicht unbedeutenden Handelsartikel. Die Eins 
wohner, deutfchen Stammes und dem Glaubensbekenntniſſe nach Katholiken, find 
Im Allgemeinen wohlgeſtaltet, frei, offen, heiter und fleißig. Viehpucht, Bienens 
uch iſchfang und Obdfifultur find ihre Hauptnahrungequellen. Die Induſtrie 
ft gering (man hat nur zwei Kupferkämmer und eine Papiermühle); lebhafter 
der Handel mit Nuturproduften, als Vieh, Wolle, Baumfrühten u, dgl. 
Die Berfaffung ift rein demokratiſch, kirchliche Oberbehoͤrde das Bisthum Ba 
Solothurn. Zum Bundesrathe fendet 3. einen Abgeordneten, und als Kontin⸗ 
gent Rellt ed 456 Mann. Eingerheilt ik es in das innere und das Auffere Amt. 
— Zug, die Haupifladt des Kantons, liegt an der norddſtlichen bes 
Zugeriees, am Fuße des Zugerberged, mitten in einer herrlichen, von Hügeln, 
Shftgärten und hübfchen Villen umgebenen Ebene. Sie hat mit den Worftänten 
3500 Einwohner, 2 Kirchen, 2 Klöfter, ein fehendweribed Rathhaus, ein Zeugs 
haus mit erbeuteten Trophäen, ein Gymnaflum, eine Töchterfchule der Ronnen, 
ein Hofpital, Speditionshandel. Der Berg Mostgarten am öftlichen Ufer des 
Egeriſees iR durch Die Schladht von 1315 merkwürdig. — 3. war unter ben 
Karolingern der Hauptort eine® Gaues und kam fohter an die Herzoge von 
Zähringen, dann an die Brafen von Lenzburg; nad) dem Abgange berfelben as. 
bie Orafen von Kyburg, endlich an das Haud Habtturg, Diiew un 
treulih anz ale aber im 3.1352 vie Stant De Shut WER. WEHR 








4066 — 


—— * ven Rath erhielt, —*** 
ergeben, ſte fol vr * 1 19 m 7 — Bund aufnehmen 
legenden re ſchon [rüber Waren. Unter ven den F 
* 3. ae insbeſonders die as F die Zurlauben- al6 ——æsz — 
und Krieger hervor. Seit der Schlacht von Cappel theilte der Kanton vorzuge⸗ 
weiſe das ickſal der katholiſchen Schweiz, und ſo er 3 in — 
Tagen den —— en Klofterflürmern und A m gan 
gamäber in be n Reihen md nberbunee. id . —— — Ye 
emeinde Feſtha an biefem x en au 
ſchluͤſſe; aber bald nad inn des Kampfes Toben ae, Stimmung eb vu Su 
ton® durch das entfchiehene Nuftreten der Oppofition Ai erg gem 
ei Safe, Geefhloffen und. eniet Die Breburgtichen Bunte AR be Bi 
ur a ofſen un e en n ⸗ 
bie ee und Suhlbräde wieder herzuftellen. Die Schwy e Dir 
—* len mit Unwillen den Kanton, und die Ei Gipgenöffiichen Gogen ben 
ovember unter dem lebhaften Zurufe der Bevöllerung in der Stadt 3. 
Die Drcupattondkoften wurden dem Kanton mit 102,500 Franken beredinet. Es 
fcheint damals Grundſat der Sagiahungenuchrheh geweien zu feyn, keine ber 
bisherigen Regierungen der Sonderbundsflände ferner anmerkennen. Dieß J 
ſchah auch in Z., wo bie eidgenoͤſſiſchen Repräfentanten * der bis 
—5 in feine Verbindung traten. Deshalb wurde von den Häuptern ber Li⸗ 
eu auf Sonntag den 5. Dezember eine Berfammlung derjenigen ſtium⸗ 
berechtigten Kantonsbürger, „denen ein freundliches Berhälnig zur Eidgenoſſen⸗ 
ſchafi, fo wie ein foliver, auf Recht und Ordnung gegrändeter Behr, m am 
Herzen liegt”, nach dem ——— € ein geladen, Dife Bois Volks 
beſtellte dann eine proviſoriſche Regierun —— den —— von vom 
Sonderbunde Bald dar fand pie ah mp. und Gin des Berfaffunge- 
rathes flatt, der dem Kantone eine verbefierte Gonfiturien, 8 ſollte. —** 
der einflußreichſten Conſervativen, wie die Landammaͤnner H Segen, Boflard und 
Kaifer, dann der Landesfähnrich Andermatt wurden in diefem wichtigen Momente 
auf Befehl der —Au Repraͤ dentanten mit Hausarreft belegt und Hatten 
em vor ihren Thüren. Der neuen Bundesverfafſung der fchweizeris 
Eid We war 2 anfänglich nicht geneigt, und ſelbe wurde am 
Augu vom Kantone verworfen; trat er ihr nachträglich mit 
— — bi. — F. A. Stapit n opographie des Kantons 3. 
3 Bbe,, ujern — mD. 


ON * hueerbuſen in der Nordſee zwiſchen den wieberLänbifehen 
oe Holland, Utrecht, Geldern, Overyſſel und Friedland. Die 3. b 
” zum 13. Jahrhundert einen gefchloffenen See, hat een Filet von 
T M. nimmt mehre Flüfſe auf, wie z. B. die Dfiel, die Vecht u. a. und 
—9— durch den Pompus mit dem M. in ‚Berbinbung- Mehre Infeln und Eand⸗ 
banle die ſich darin befinden, machen die Einfahrt manchmal umſicher. 
umalacarregui, Don Tomas, wurde den 29. Dezember 1788 zu Or⸗ 
mare , einem Dorfe in der fpanifchen Provinz Guipuzcoa, geboren. Seine 
erfte Bildung erhreit der junge Tomas In feinem Geburtsorte; nachdem er fpäter 
einige Zeit bei einem Verwandten im Flecken Ydiazabal zugebracht hatte, kam er 
nah St. Sebaftian, wo er feinen ®ymnaftalcurfus vollendete. Die ramöfjhe 
Invafion traf ihn zu Pampelona an, wo er Jura ſtudirte. — Er befaß zu vie 
Baterlandsliebe, um bei dem Kampfe, den fein Boterland gegen ben eingedrunge⸗ 
nen Feind führte, nicht thätig mitzuwirken. Der junge Student verließ bie 
Schulbanf und trat als Freiwilliger in die Diviſion Mina’s, fpäter mußte er 
als Guipuzcoaner viele Divifion verlafin, um in die des Jauregui (el Pastor) 
zu treten. Seine gute Aufführung und Ten wlllieiard Talent, veridhaftten ihm 
bald den Rang eines Unterlieutenants , dods Akronen nd Kap wre Nun a 

















ZJumalscarsıgi. 1067 


den Balkinkt $ hielt, Si den Mani —E ware 
ren a e en g e war er 
bis zum Oderliemenant avancirt, nach der Ruͤcklehr Ferdinand's blieb er 
einige Zeit ohne Dienſt, wurde aber bald als Hauptmann in das neu formirte 
Cadre der Armee aufgenommen und befehligte eine Compagnie des Regiments 
Bourbon. Nach Aufhebung dieſes Regimented kam er dem, welches den Na⸗ 
men las ordines militares (der Militaͤrorden) führte, 1820 bei der Ausrufung 
ber Gonfitution war er noch Gapitän. 1822 verließ er feine Barnifon te 
lona und trat in die ®laubensarmee (ejercito do la ſo) unter dem Oberbefehle 
Queſada's. Diefer General .beförberte 3. zum Bataillonschef und Don Tomas 
rechtfertigte dieſe Erhöhung durch feine Tapferkeit. Als 1823 der Kampf des 
Liberaliemus gegen den Abfolutismus durch die Zwifchenfunft der Franzoſen zum 
Vortheile des Letzteren entfchieben wurde, ananciıte 3. zum Oberfilleutenant in 
demfelben Regiment, weldyes er früher verlafien hatte. Bel einer Revue, bie 
König Ferdinand VIL eined Tages über dieſes Regiment abbielt, war er Yon ber 
guten Haltung deſſelben und ber ——— womit die Soldaten mandvririen, 
ganz eingenommen und aͤuſſerte hierüber dem Chef diſſelben feine Zufriedenheit, 
diefer aber, zu befchelden, einen Dant gu empfangen, der ibm nicht gebührte, 
fagte daß nicht er, fondern fein Oberſilleutenant das Regiment fo weit gebracht 
e. Der König fi) wundernd, daß 3. noch nicht zum Obeiſten befördert fet, 
ernannte ihn alöbald zu biefer Würde und äbertzug Ihm dad Commando des 
Regiments Eſtremadura. Bald wurde auch dieſes Regiment ale Muſter ber 
Armee angeführt, denn Bein anderes war beffer adminiſtrirt u. disciplinirt, noch 
geichidter im Mandvriren, fo daß der Graf Espanna, Beneralcommandeur ber 
vier Garbeinfanterieregimenter, einige Etaböoffiziere der Garde zu 3. fchidte, um 
bei ihm in die Schule zu geben. Die Reichbacht, welche von der Granja bei 
Madrid aus 1832 über alle Royaliften Spaniens ausgefprochen wurde, traf 
auch unferen Oberften, weil er in der Blaubensarmee gegen die Conſtitution ges 
fochten hatte; ja er wurde fogar des Projektes befchuldigt, Don Carlos rend 
der Lebenäzeii Ferdinand's zum Könige audrufen zu wollen, und deshalb zu 
Madrid vor ein Kriegögericht gekellt, das ihn reeiiprad) —— ſelbſt er⸗ 
klaͤrte ihn fuͤr unſchuldig und —8* dem Generalinſpektor ber Iufanterie Queſada 
den Oberſten 3. augenblidlich wiener in fein Commando einzufehen, aber Que⸗ 
ſada fegte ihn auf halben Sold. 3; proteflirte energifch hiegegen, wandte fi) 
zuerſt an die Königin Chriſtine, dann direlt an Queſada, weder fhamlo® genug 
war, ihm zu fagen, daß er der Regierung vervächtig je und dedhalb aus der 
Lifte der altiven Armee geftrichen werden mäfle. treffende Antwort 3.6 
brachte Queſada noch mehr in Aufregung, fo daß er dem braven Oberſten bie 
Shüre wies und letzterer in Benflon gefebt wurde. 3. aufgebracht über dieſe 
kraͤnkende Zurüdfegung, theilte einigen Freunden das Projekt mit, Don Carlos 
nach dem Tode feined Bruders öffentlich ale König anzuerfennm und fprach mit 
einigen ebenfalls  fchlecdht von der R erung behandelten Dffizieren, fe auffors 
bernd, ihre Entlaffung iu nehmen und a die nahe bei Pampelona liegenden 
Städte zurüdzugtehen. efer Geleg war es audh,-wo der Infant “Don 
Carlos unfern 3. tn die Gemaͤcher der effin von Beira berief und ihn 
feiner Freundſchaft verficherte, worauf 3. erwlederte, daß er nach dem Ableben 
Ferdinand's der erfte feyn wolle, welcher Don Carlos als rechtmäßigen Kön 
von Spanien ausrufen werde. Durch ausbrüdlichen Befehl Ferdinand's erh 
3. die ihm von Duefada wieberholt verweigerte Erlaubniß, ſich nach Bampelona, 
dem Geburtsorte feiner Frau zurückziehen zu bürfen. In der Hauptfladt von 
Ravarra führte unfer Obsr ein fehr zurüdgezogenes Leben, um fich den Biden 
der. im Dunkeln fiſchenden Polizei der Königin Chriſtine zu entziehen. Eines 
Abends fpät erhielt er die Nachricht vom Ableben König Ferbinanv’s, die x 
feiner Bamilie mit den Worten mittheliter „Don Larled | ia Kin, wer 
Spanien und meine Bflicyt IR ed, von wan cm Yhdalq aa wren Yuclkuem 


1068 Hamalacarregui. 


mitzuwirken.“ Run verließ er feinen Aufenthalt und ſtellie ˖ ſich unter die Beſchle 
des Generals Santos Ladron, der zuerſt eine Carliſtiſche Armee in Navarra er 
richtete, aber bald von den Chriſtinoos gefangen genommen und erſchoſſen wurde 
1821. Nachdem Ober - Don Lenito Eraſo kurze Zeit das Gommanbo ber 
carliſtiſchen Armee geführt hatte, folgte ihm unfer Held, der nun die glänzenve 
und ruhmvolle militaͤriſche Laufbahn antrat, durch welche fein Name einen al 
gemeinen ceuropdifchen Ruf erlangte. Kaum hatte 3. pas Commando über die 
carliſtiſchen Banden übernommen, als er fie audy zu bilden und zu bisctpliniren 
chte, und es dahin brachte, daß er bald acht auf franzoͤſiſchen Fuß organifirte 
one Infanterie und zwölf Schwadronen Gavallerie unter feinen 
te. Den 16. März 1834 wandte ſich 3., dem der chriſtiniſche General 
ueſada negenüberftand, durch einen Eilmarſch nach der Gegend von Galvatierra 
und überflel die Pefeteros von Bittoria, von denen eine große Anzahl Fämpfens 
den Tod fand, über. 280 aber gefangen genommen und gleich darauf vor den 
gr der Stadt erfchofien wurden. Den 22. Mär; wurde Queſada in der 
Nähe des Dorfes Arſaſua im Borundathale angegriffen, total geſchlagen und 
150 Ehrifiinod von den Barlifen gefangen genommen; darunter auch ver Com⸗ 
mandant bed vierten Garderegiments Leopold D’Donnel, Sohn des Grafen de la 
Ahisbal. Diefen tapfern Offizier hätte 3. gerne wie audy bie übrigen Befange 
nen außgewechfelt, weßhalb er Duefada mehre Anträge machte, die aber von 
diefem graufamen, den carliſtiſchen Kriegögefangenen nie Parbon gebenden Ge 
neral zurüdgewielen wurden. Hierburdy aufgebracht, ließ 3. O' Donnel, wie bie 
übrigen gelungenen chriſtiniſchen Dffiziere, einen ausgenommen, erfchießen. Ueber 
feinen Sieg ſchickte er ein Bülletin, worin er aud die Namen der auf feinen 
Befehl Erſchoſſenen anführte, ‘an den Gouverneur von Pampelona und fuchte in 
einem beigefügten Schreiben fein graufames Verfahren gegen die Kriegsgefange⸗ 
nen dadurch zu rechtfertigen, daß er fi) durch die Grauſamkeit der chriſtiniſchen 
Generale zu jenem harten Schritte veranlaßt gefehen Hätte; ferner bat er den 
Gouverneur, die Sache feiner Regierung mitzutheilen, damit Maßregeln ergriffen 
werden möchten, dieſer graufamen Art, Krieg zu führen, ein Ende zu muchen. 
An Duefada’s Stelle übernahm nun Rodill den Oberbefehl über die chriſtiniſchen 
Streufräfte, welcher Umfland die Bartei der Königin mit Hoffnung, bie Ans 
hänger des Don Carlos aber mit Schreden erfüllte. Indeſſen ftellte eine aufler- 
ordentliche Begebenbeit das moralifcdye Gleichgewicht wieder her; ed war die 
Ankunft des Don Carlos auf ſpaniſchem Boden. 3. wurde fogleidh von dem 
Fuͤrſten als Generalcommandant von Ravarra beflättgt und zum @enerallieutes 
nant und Chef des Generalflabes der Armee ernannt, Am 19. Auguſt übeifiel 
3. in der Nähe von Barrion die Arrieregarde des chriftintfchen Generals Gar, 
sandolet und erfocht einen glänzenden Sieg über die Truppen der Königin. 
Rodill verfuchte indefien das Bafanıhal zu befeten, rüdte in Elifondo ein und 
nahm eine Durchſuchung des ganzen Thales vor, ohne ſich jedoch eines einzigen 
Mannes oder Gewehres pemächtigen zu können. Während diefe® unnützen Zuges 
überfiel 3. von Neuem den General Barrandolet, zu Viano bei Logrono und 
brachte ihm eine vollſtaͤndige Niederlage bei. Rodill mußte feiner geringen Leis 
lungen und feiner Graufamfeit wegen am 7. Dftober auf Befehl der Regierung 
die Armee verlafien und General Lorenzo übernahm dad zeitige Obercommando 
derfelben. Den 12. Dftober paflirte 3. den Ebro und griff den Oberften Amor 
bei Fuente⸗Major an, den 14. Dftober hatte er den Ebro wieder überfchritten, 
nachdem er zuvor die Rationalgarve von Genicero überfallen hatte, am 21. OB. 
überfiel er abermals den Oberftien Amor und nahm ihm ein Gonvoy von 1200 
Gewehren ab. Einen nody glängenderen Sieg erfodht er am 27. Oktober über 
den zu feiner Verfolgung heraniüdenden General O'Doyle, den er mit 106 Of⸗ 
fizieren und 1450 Soldaten zu ®efangenen machte; audy dein General Osma, 
welcher feinen Freund D’Doyle rücdyen weite, rau, 18 wirt Seller, er verlor 
700 Bann und 2 Kanonen, Ber virier Tür ie Wurhtianb \p wnadulliaen Ranı 


Zumpt, 1089 


der Dinge übernahm General Mina das Obercommando ihrer Armee, war aber 
nicht glüdlicher darin, als fein Borgänger, denn 3. 308 fi aus den meiften 
Gefechien als Sieger zurüd, machte vom 3. Mat bi6 11. Juni 1835 4620 
Soldaten und 142 Offiziere des Feindes zu Gefangenen u. nahm ihm 93 Pferve 
und 20 Kanonen jeden Galiberd ab. Wine leichte Wunde in der rechten Wade, 
die 3. am 17. Juni 1835 bei der erfien Belagerung von Bilbao erhielt, endete 
am 24. veflelben Monats das rubmreiche Leben des carliftifchen Heerführers, 
Als er fein Ende fommen ſah, ſprach er zu den Umftehenden die denkwürdigen 
Worte: „Ich habe als Mann meinen evelften Beruf erfüllt, nach meiner Lieber 
jeugung für den Ruhm, bie Ehre, die Freiheit und Sicherheit meines Könige 
und Vaterlandes thätig mitgewirkt und opfere ihnen jetzt mit Freuden mein Les 
ben.” 3. war von gewöhnlicher Größe und flarfem Körperbau, feine proben, 
ſchwarzen Augen waren vol lebhaften Ausdrudes und fein Bild entmuthigte im 
Momente des Zornes feibf den Kühnften, während er im Zuftande der Ruhe 
ütig und Zutrauen erwedend war. Gtetö der erfie im Feuer und der lebte, der 

ch — wußte ul Held wie wenig andere, durch fein Beifpiel den 
Muth der Soldaten anzufeuern und vermochte ed mit- der Kraft feiner Rede auf 
dem Marfche oder nach überflandenen Mühfeligfeiten des Felddienſtes alle Nie 
dergefchlagenbeit aus den Reihen des carliftifchen Heered zu verbannen; ja ber 
Ruf: „tio Tomas“ (Onfel Tomas) wirkte allein ſchon wie ein Zauberwort 
auf die Truppen. Fromm und feinem fatholifchen Glauben innig ergeben, mit 
unerfchütterlicher Treue feinem Könige dienend hat 3. der Welt gezeigt, was 
Energie und Ausdaner vermag, denn mit einer Armee die zehnmal kleiner war, 
als die feindliche, bat er die bißten Generale der Königin Ghriftine befiegt, und 
aus Haufen baskifcher Bauern ein Heer gefchaffen, dad er von Steg zu Siegen 
führte. Die neuefte Zeit mit ihren wichtigen Erelanifien hat den Ramen 3.8 in 
den Sinter rund gebrängt, aber er wird nicht erlöfchen, Fnüpft ſich doch an ihn 
das Andenken eines der beflen und edelſten Heerführer dieſes Jahrhunderts, der 
bei längerem Leben und auf einem anderen Schauplage ſtehend, ſich einen Ruhm 
erworben haben würde, weldyer ihn den größten Männern aus der Kriegöges 
fchichte aller Bölfer und Zeiten gleichgeftelt hätte. (Vgl. A. Loning, das ſpa⸗ 
nifche Volk in feinen Ständen, Sitten u. Gebräudyen, Hannov. 1844.) C. Pfaff. 

Zumpt, Karl Gottlob, einer der gefhägtefen deutfchen Philologen, ges 

baren zu Berlin 1792, bildete fidh unter Buttmann, Wolf, Bödh, Beindorf, 
Schleiermadyer, de Wette und Fichte, wurde 1812 Lehrer am Werver’fchen, 1821 
Brofefior am Joachimsthaliſchen Gymnaſium zu Berlin, 1825 Profeſſor an der 
dortigen Kriegsichule und zugleich Profeſſor an der Untverfität. 1837 wurde er 
Mitglied der Berliner Alademie der Wiſſenſchaften, machte in den legten Jahren 
jeince Lebend Reifen nad) Paris, Italien und Griechenland und flarb zu Karls⸗ 

ad im Junius 1849. Man hat von ihm: Regeln der lateinifchen Syntax, 
Berlin 18145 Lateiniſche Grammatik, ebendaf. 1818, 9. Auflage 1844; Auszug 
aus derfelben, ebendaf. 1824, 5. Auflage, ebenvaf. 1840; Aufgaben zum Uxbers 
fegen in das Lateinifche, ebd. 1816, 5. Auflage, ebend. 18435 Annales veterum 
regnorum ac populorum, ebend. 1819, 2. Auflage, ebend. 1838, 4.; Ueber die 
Abſtimmung des römiſchen Bolfes in den Genturlatcomitien, ebendaf. 1837, 4.; 
Ueber Urfprung 10. des Gentumviralgerichtd in Rom, ebend. 1838, 4.5 Ueber bie 
römifchen Ritter ıc., ebendaf. 1840, 4.; Weber den Stand der Bevölferung und 
der Volfsvermehrung im Alterthum, ebendaſ. 1841, 4.5 Ueber ven Beftand der 
philoſephiſchen Schulen in Athen, ebendafelbfi 1843, 4.5 Do legibus judiciisque 
repetundarum in republica romana, ebend. 1845, A.; De Marci Tullii Cicero- 
nis ad Marcum Brutum et Bruti ad Ciceronem epistolis, quae vulgo feruntur, 
Berlin 1845; Ueber die perfönliche Freibelt des römifchen WBürgerd und die ges 
feglichen Garantien derfelben, Darmft. 1846. Auch gab er heraus: Curiina, Gen- 
ronis orationes Verrinae, De oMeils, Eutropius, den Suyglemuhom Ey: 
Iinge Dutntiitan, Quintilians Institutiones orstoriae, Telyia ISSL. 


1070 Zumfleeg — Zunge. 


Zumfteeg, Johann Rudolph, geboren zu Sachfenflur im Odenwalde 
1760, war von feinem Vater, einem herzoglich württembergifchen Kammerlakai, 
Anfangs zum Bildhauer beftimmt und hatte ſchon ziemliche Fortfchritte in dieſer 
Kunft gemadyt, als fein muſikaliſches Talent immer entfchievener hervortrat umb 
endlich die Oberhand behielt. Auf der herzoglich württembergifdyen Milttär- 
Akademie auf der Solitude, fpätern hohen Karls, Schule in Stuttgart, wo er 
zugleich mit Schiller den engften Umgang nflog, enoß er Poli's Unterricht in ber 
Muſik, ſtudirte eifrig die Werke von Bach, Jomelli, Benda und fpäter von 
Mozart und componirte fchon früh mehre Singfpiele (Xottdhen am Hofe, das 
tartarifche Geſetz, Renaud und Armelde, Tamira u. a.), viele Eantaten und bie 
Befänge zu Schiller's Räubern. Er wurde herzoglicher Hofmuſikus, ſpielte das 
Violoncell fehr gut und wurde nach Poli's Abſchied Eoncertmeifter, farb aber 
fon den 27. Yan. 1802. Geine vorzüglichſten Opern find: Golma, Hagar's 
Klage, Gotter's Beifterinfel, Leonore, Elwine ıc. Ale Zumfteeg’fchen Tompo⸗ 
fittonen bat die Breitfopf ‚Hirte! e Mufithandlung herausgegeben. Jartheit, 
Anmuth, tiefed Gefühl u. Herzlichfeit fprechen faſt aus jeder feiner Compoſitionen, 
am ftärffien aber die Wahrheit und Tiefe, mit weldyer er in den Geiſt u. Sinn 
der Dichter eindrang und diefe fo ganz wieder gab. Die Kirchenmufit Hätte 
vieleicht einen noch größern Gewinn an ihm gemacht, hätte er länger gelebt. 
Tief wurde fein Verluft gefühlt; denn 3. war auch als Menſch, als Freund, 
als Gatte, als Gefellfchafter böchft ltebenswürbig und beſcheiden. Danneder In 
Stuttgart hat eine getreue Buͤſte und die oben erwähnte Breitkopf- Härtel’fche ; 
gan ung einen sehr ähnlichen Kupferfiih von feinem Bilde geliefert. Sein 

alent wurde audy von Auswärtigen anerfannt und die ranı ſiſche Kaiſerin 
Joſephine verlangte bei ihrer Animerenheit in Stuttgart ausbrüdlich die Partitur 
Bun ee Rerinfel von 3.8 Wittwe, um fie überfegen und in Parts aufführen 
zu laflen. 

Zunge nennt man das feifchige Gebilde, das in der Munphöhle ſich be 
findet und diefelbe bei aefchloffenem Munde faft vollſtändig ausfült, Der hintere 
Theil der 3., die 3.:Wurzel, iſt am Rachen befefligt und hängt durch mehre 
Muskeln mit den Schläfenbeinen und mit dem Zungenbein zufammen. Lepteres 
ift ein Hufeifenförmiger, fchmächtiger Knochen, der auffer aller Berbindung mit 
dem übrigen Knochenfyftem fleht und nur allein der 3. angehört. Bon der 
Wurzel, wo ſie am pidften ift, lauft die 3. ar nach vorn, wird fchmäler 
und platter und endet mit der abgerundeten Z.Spuitze. Die 3. befteht aus 
Bleifchfafern, welche vorzüglich nad) der Mitte hin auf mannigfaltige Weife unter 
einander verpflochten find und nicht welter getrennt werben können, der 3: 
Muskel. An der Oberfläche tft die 3. mit der Schleimhaut des Mundes 
(f. d.) überzogen, deren Oberhaut aber ſehr dünn iſt und die zahlreichen Ges 
fäßverbreitungen durchſchimmern läßt, wodurch die rothe Farbe der 3. erzeugt 
wird. Nady unten bildet die Schleimhaut in der Mitte der 3. eine Kalte, das 
3.:Bändchen, das ſich von hinten nach vorn erftredt, die Spike der 3. aber 
Ki läßt, um die Beweglihfeit derſelben nicht zu hindern. Erſtreckt fih das 3. 

änbchen bis an die Epige der 3., fo if dieß ein Bildungefehler, der die 3. 
in ihren Berrichtungen hemmt und daher entfernt werden muß, Dieß gefchieht 
durch Einfchneiden deſſelben, das fogenannte Zungenlöfen, welches aber 
nicht bei allen Neugeborenen nöthig if, wie bin und wieder geglaubt wird. 
Die Oberfläche der 3. tft mit einer Menge kleiner Erhabenheiten, 3.: Wärz 
chen, bevedt, die, verfchiedentlich geftaltet und von fehr verſchiedener Größe, 
Indgefammt aus Zellſtoff beftehen, in welchem ſich Blutgefäße verbreiten u. feine 
Nervenfäden endigen. — Die Berrichtungen der 3. find dreifach: vor Allem iſt 
fie in hohem Maße betheiligt bei dem Hinterfchluden der Nahrungsmittel, nach⸗ 
dem fie fchon vorher das Berkleinern und Bermengen derjelben mit Speichel 
burd Hin⸗ und Herfchleben In ver Munihiile heitiven et, — ferner trägt 

bie 3. bei zur Bildung der Etimme nd Sproie wo elite IR Ar ver Sul 


Zurechnung — Zurhein. 1071 


fitz des Geſchmackſinns, wobei befonvders die Z.n⸗Wärzchen und die bis dahin 
verfolgbaren feinen Zweige des Befchmadsnerven in Berbindung mit dem 3.n, 
fleiſchnerven betbeiligt find. Webrigens if die 3. nicht unbedingt nothwendig 
zur Erhaltung des Lebens; denn fie Tann felbft bis auf ihre Wurzel verloren 
gehen ohne eeinteächtigung defielben, tie denn auch bei angeborenem Mangel 
der 3. das Leben beftehen Tann. — Im Thierreiche findet ſich die 3. bei den 
niederen Thieren nicht, dagegen kommt fie in allen höheren Thiergattungen vor, 
tft aber nur in befchränfterem Maße, als beim Menfchen, Sit des Geſchmackſinns, 
auch nicht Immer durch gleiche Beweglichkeit ausgezeichnet. Während dieß noch 
fo ziemlich bei ven Säugetbieren ver Kal ift, hat die 3. der Vögel meift einen 
bhornartigen Ueberzug; bei den Fifchen ift fie häufig mit Zähnen befegt und bet 
manchen Amphibien erfcheint fie ‚„gelralten. E. Buchner. 

Zurechnung (imputatio), heißt derjenige Akt des Urtheilo, wodurch Jemand 
als der freie Urheber einer fittlichen oder unſtttlichen Handlung erklärt und ihm 
Berdienft oder Schuld derfelben beigemefien wird; befonder® aber wird der Aus⸗ 
drud im legtern Sinne angewendet. Die 3. richtet fid) genau nach ver Groͤße ver 
Schuld und diefe hängt wieder ab von den Gründen des Handelns, dem Grade 
der Kenntniß und Freiheit des Handelnden, dem Einfluffe der Umftände, der Größe 
des Widerſpruchs der Handlung mit dem Geſetze, der Wichtigkeit der vorherges 
fehenen Kolgen der Handlung, der Größe und Wichtigkeit der verlebten Mich. 
Die 3. fordert theild eine vorhandene wirkliche Schuld, theils ein Urtheil, das 
über fle erkennen kann und darf, theild ein rechtökräftiges Erfenntniß, das mit 
dem Grade der Schuld in dem vollkommenſten Berhältnifie Recht. Das Recht 
zuzurechnen hat nur der Richter. Jedoch befchränft fidy daſſelbe blos auf Die 
rechtskraͤftige Entfcheidung über äußere Handlungen, während das Urtbeil über die 
Geflnnung, woraus biefelben floffen, aufferbalb der Eompetenz des menfchlichen 
Richters liegt. 3. kann übrigens nur da flattfinden, wo Willensfreiheit vorhan⸗ 
den iſt; wo ſich vorausfegen läßt, daß der, welchem Etwas zugerechnet wird, aud) 
habe anders handeln und dad Gegentheil von dem thun Fönnen, was er gethan 
hat. Ste beruht alfo auf der Zurechnungofähigkeit (imputabilitas, imputativitas), 
der Faͤhigkeit, die Geſetzwidrigkeit Durch richtige Anwendung der Bernunft vers 
meiden zu können, welche nur dann vorhanden iſt, wenn der Handelnde ſowohl 
der Innern Wilfür, der Möglichkeit der Selbftbefiimmung, durch feinen Ge⸗ 
müthszuſtand, als auch feiner äußern phyſiſchen Wilfür, des freien Gebrauchs 
feiner Körperfräfte bei der Handlung, der Möglichkeit, feiner Willensbeſtimmun 
auch Außerlich gemi? zu handeln, nidyt beraubt war. Sind beide Grforvemife 
in dem durch feine That das Rechtsgeſetz Verletzenden ie finden, fo entfleht die 
Berfhuldung ; fehlen aber jene Zuredhnungsgründe, fo tft der Handelnde im Zus 
flande der 3.8lofigkeit, die Handlung fann ihm nicht zugerechnet werden. Zur 
Beurtheilung des Grades der Z.sfahigkeit ftellt die bürgerliche Geſetzgebung fols 
gende Regeln auf: einem Menſchen wird feine Handlung um fo mehr zugerech⸗ 
net, je weniger äußere Beranlaffungen und Gründe und innere finnliche Reize 
er hatte, fie zu begehen; je flärker fein Borfab dabei war; je mehr er aus eigener 
Kraft und aus eigenen Mitteln dazu gewirkt hat; je wichtiger und zahlreicher 
die Folgen feiner Handlung find und je deutlicher er fie vorherfah, over vorher⸗ 
zufehen fähig war; je mehr er Zeit hatte, die Handlung gu überlegen und wirktidh 
überlegte. Wie wenig aber auch die Rrengfte Beobachtung diefer Borfchriften 
vor Jirthum fichere, leuchtet von felbft ein. Daher das Urtheil des menfchlichen 
Richters über die Handlung eined Andern nur auf deren Auffenfeite und Wir⸗ 
tung fich befchränfen muß. 

Zurhein, Friedrich, Freih. von, der Ablömmling einer uralten trans⸗ 
juranifchen oder burgundifchen Avelsfamilie, iſt am 7. Auguft 1802 zu Wuͤrz⸗ 
burg geboren, — eben im Wugenblide der großen Säcularifation und des Ute 
ganges der geiftlichen Stifter Bamberg u, Würzburg an Bayern. 
Die Bymnaflal»Stubien in feiner, durch vorfienicgahliäges Yoitteden una ra 


1072 Zurita — Zurlo. 


literariſche Celebritaͤten in der Mitwelt wie in der Vergangenheit außgereichneten 
Vaterſtadt. Im J. 1819 bezog er die altberüähmte Würzburger Univerfität, die 
er nach fünfjährigen, mit glücklichſtem Erfolge durchgeführten Stubien 1. 3. 1823 
verließ, um bei dem dortigen Landgerichte zur Prarıs überzugeben. Nachdem er 
im 3. 1825 mit großer Auszeichnung die Prüfung für den Staatsdienſt beſtan⸗ 
den, begann er 1826, mit dem Regierungsantritte König Ludwigs, dın Accejß 
beim Appellationdgerichte feiner Voterſtadt und wurde am 10. Juli 1828 zum 
Stadtgerichto⸗Aſſeſſor daſelbſft, 1830 zum Rathe bei ebendemfelben @erichte er 
nannt. Im vorhergegangenen Jahre hatte Freih. von 3. ſich mit einer Nichte 
des Bifchofs von Würzburg, Maria Anna Freiin von Groß zu Trodau, aus 
einem uralten, durch viele ausgezeichnete Kirchenfürften und wehrbafte Häupter 
der fränfifchen Ritterfchaft verherrlichten Geſchlechte, vermählt. Nachdem dunn, 
in Folge des Greigniffes des Jahres 1830, der Vater des Fthn. Friedrich, ver 
befonderd um wichtige Unterhandlungen über den deutfchen Zollverein, verdiente 
Regierungs⸗Praſident Freih. von 3. ald Chef des Jufliz- Departements an bie 
Epitze des Minifteriums getreten war, fah fi) bald darauf, am 19. Febr. 1832, 
der Sohn zum Oberſtudien⸗Rathe b.fördert und als foldher dem MWinifterium 
des Innern zugerheilt. Aus diefer Etelung rief ihn unter dem Minifertum 
Abel ganz unerwartet feine, am 25. Juli 1838 angeoronete Verſetzung als Ober 
Appellations⸗Raih zum oberften Gerichtohofe des Koͤnigreichs; ſchon am 13. Ok. 
1840 erfolgte darauf, eben fo ohne alle vorgängige Bemerkung, feine Ernennung 
um Regierungs- Director in Augsburg, dann am 5. Mai des nächſten Jahres 
eine Beförderung zum Regierungs » Bräfldenten in Regensburg, als Ragyfolger 
des plöglidy dahingeſchiedenen Kouard von Schent. Dort war es 3. vergönn, 
bei der herrlichen Feier der Eröffnung der Walhalla, am 18. Dftober 1842, 
der Zeftreoner zu feyn. Unmittelbar darauf ernannte Ihn König Ludwig zum 
lebenslänglichen Reichsrathe der Krone Bayern, die Kammer der Reichsräthe 
felbft aber wählte ihn in den folgenden Lanptagen zu einem ihrer Sekretäre. — 
Mehrmals ſchon durch die laute Stimme der Batcrlandsfreunde in's Miniſterium 
gervänfcht, ward er dahin am 1. März 1847 berufen, als nad) dem Sturze de} 
ber’ichen Kabinets eine freiere Richtung eingefhlagen werben ſollte. Er trat 
als Berwefer des Minifteriumsd der Kirchen⸗ und Echulangelegenheiten und der 
Finanzen an die Spige der neuen Derwalung; Regensburg aber, deſſen Wohl 
der Fteih. von 3. in allın allgemeinen und Sonderinteriſſen feine Eorgfalt ge 
weiht hatte, ehrte ihn beim Scheiven durdy Verleihung des Ehrenbürgerrechtes. 
Nicht lange jedoch dauerte 3.8 Wirkfamfelt als Minifter, denn fchen am Iıpten 
Nov. 1847 legte er bei Gelegenheit der damals In den höchflen Verwaltunge— 
Etellen vorgebenden Veränderung fein Portefeuile nieder, und trat auf feinen 
früheren Poſten als Regierungs⸗Präfident in Regeneburg zurüd. Bon da if er 
neuerlich in gleicher Kigenfchaft nach Würzburg verfegt worden. Seine Schrif—⸗ 
ten find: Lyriſche Kränze, Würzb. 1824; Jahrbücher des gemeinen deunchen 
bürgerlichen Prozeſſes, 1. Bd., Nürnb. 1829, Beiträge zur Geſetzgebung und 
praftifchen Zurispiudenz, 2 Bde., Münden und Würzb. 1826—31; Sammlung 
merkw. Rechtéfälle Bayerns, in Verbindung mit J. B. Eartorius, 2 Be. 
Erlangen 1830— 31; Zeiiſchrift für Theorie und Praxis des bayerıfchen Civil⸗, 
Crimmal⸗ und öffentlihen Rechts, 3 Bde, Mündyen 1834— 39. 
Zurita (Geronymo), ein berühmter ſpaniſcher Geſchichtsſchreiber, geboren 
zu Saragofla 1812, ftudirte zu Alcala alte Literatur, folgte dann feinem Schwie 
gervake als Inqunfitionsfekretär zu Madrid, wurde 1547 zum Hiftoriographen von 
ragonien erwänlt, reidte durch Aragonien, Stalien und Sizilien und wurde 
1567 Kammerſekretär Philipps IL Er ftarb im DOftober oder November 1580 u. 
fchrieb: Indices rerum ab Arag. regibus gestarum, Saragoſſa 1578, fol.; 
— la Corona de Aragon., von 710 — 1516, 7 Bde., ebend. 1616 
ol. u. m. 
Burlo, Biufeppe, Graf won, ein berliymier, TUI Io Reayel antanener 


Zurzach — Zuylen. 1073 


taatsmann. Gr fand. befonderd an der alten Literatur Geſchmack. Sein Freund 
—ã der in ihm etwas Hoͤheres, als einen das Alterihum bewundernden 
hilologen wahrnahm, wuͤnſchie, daß 3. ſich dem Staatsdienſte widmen möge. 
ach dem Erdbeben von 1789 lag der Regierung fehr am Herzen, durch eine 
tenge nüglicher Berbefierungen den zerrütteten Wohlſtand ver Provinzen, bie 
8 Erdbeben beimgefucht hatte, herzuſtellen und 3. wurde Begleiter des Fönig« 
hen Vikars, weldyer beauftragt war, die Mittel zur Gründung eines neuen 
zohlſtandes finden. Dann wurde er Richter in verſchiedenen Collegien u. 1798 
m Sinanzminifter ernannt, welches er ablehnte, aber den verwaltenden Minifter 
Ro treuer mit Rath unterflüßte. Als der Hof nach Sieilien flüchtete, blieb er 
: Reagel und wurbe wegen ungerecdhter Befchuldigungen dem Bolfe verhaßt. 
er König ernannte ihn nach feiner Rüdfehr aus Sizilien zum Finanzwminiſter; 
ſtellte ſchnell die zerrüttete Ordnung der Finanzen wieder ber. Als er 1803 
ping, war er ganz mittellos, weil er es ausſchlug eine Belohnung anzunehmen. 

gen der allgemeinen Volksſtimme erhob ihn 1809 Murat zum Yinanzminifter 
id, weil er ſchnell viel Gutes fchaffte, fo gab ihm verfelbe auch die Einrichtung 
t fehr zerrütteten Innern Staatöverwaltung. Ohne großen Aufwand’des Stante® 
fferte er Vieles in den Künften, im öffentlichen Unterrichte, in Manufakturen 
id begabte reichlich das Irrenhaus in Averſa. Die Gemahlin Murat's for 
rte ihn auf, fie nach Trieſt zu begleiten, was er annahm und herna in Zus 
ickgezogenheit erft in Venedig und hernady in Rom lebte; er gab in dieſer Muße 
ne verbeflerte Ausgabe des Anakreon. Das Jahr 1828 rief ihn in jein Baterland 
rüd und 1820 wurbe er wieder Miniſter des Innern, aber feine Redlichkeit 
ar zen aultamännern verhaßt; er trat naher freiwillig zurück und flarb zu 


eape 

—58 (wahrſcheinlich das Corliacum der alten Römer), wohlgebauter 
darkiflecken im ſchweizeriſchen Kanton Aargau, in einer angenehmen Gegend am 
eines Berges, nicht weit vom Rheine, mit einem Collegiatſtift von 18 

gliedern (urfprünglich Benediktinerabtei), einer fchönen Fatholifchen Kirche, in 
T fi in einem unterirdifchen Gewölbe das von Wallfahrern ſtark befuchte 
cab der heil. Verena befindet, einer Kirche der Reformirten und guten Schuls 
falten. Die Einwohner, etwa 1000 an der Zahl, nähren fi theild vom 
idbau, theild von der Durchfuhre. Wichtig für viefelben find die drei Meflen, 
e bedeutendſten ber weiz, deren jede 10 Tage dauert. Ehemals befuchten 
(bt Rufen u. Polen diefelben, aber die neueflen, dem Handel fo ungünfligen, 
eiten haben das Banze ziemlich heruntergebracht. Malerifch find die Trümmer 
m Küffenburg jenſeits des Rheines. 

Zuylen, Hugo, Baron van Nyevelt, geboren zu Rotterdam 1781, beglei⸗ 
te 1805 den bolländifchen Befandten Brantfen nach Paris und ging mit dem 
eſandten Berhuel 1807 als Legationsfefretär nady Madrid, wo er nach Bers 
ul Abreiſe bis 1810 als Geſchaͤftstraͤger zuruͤckblieb. Nach der Bere (gung 
ollands mit Frankreich Tehrte er in fein Baterland zurüf und nad) der Mies 
rherſtellung deſſelben ging er 1814 als Geſandter nah Stodholm und von 
rt 1816 nad Madrid. Hier fchloß er mit Cevallos den Vertrag von Alcala, 
urde aber’ 1822 zurüdberufen, da die Spanier den Geſandtſchaftspoſten im Haag 
ide ließen. 1825 ward er Gefandter in Konftantinopel und, als nady der 

lacht von Ravarin die Geſandten von Rußland, England und Frankreich von 
rt abziehen ohne Sefchäftsträger zu hinterlaſſen, Rellien fich alle dort lebenden 
abivinuen dieſer Rationen unter feinen Schuß. Durch 3. wurden auch zuerft 
e Verbindungen diefer drei Höfe mit der Pforte wieder angefmüpft. 1829 Fam 
nad) dem Haag —5 wurde 1830 zweiter Geſandter bei der Londoner Con⸗ 
tenz. und 1834 Eöniglidy niederlaͤndiſcher Staatsminiſter. Als ſolcher hat er 
Ahrend der oftmaligen Abweſenheit Verſtolk von Seelen's in beſonderen Yuktıts 


iniRerium des Auswärtigen verwaltet. Seyr A er Mister ni 


n base 
ultus für bie seformiste una anderen alathelticgen Gonieitvuen. 
Acaleacyclopabie. X. —8 


4074 Zoe brũcken · Biere. 


Zweibrücken (lateiniſch Bipontum, franzöſtſch Deux-ponts), Stat In de 
bayeriſchen Rheinpfalz, am Erldache, iſt regelm pie baut, bat eine, aus den 
ehemaligen prächtigen Schloſſe hergerichtete, katholiſche und drei proteſtantiſche 
Kirchen, unter Iegteren die ſchoͤne Stadtkirche u. die von Karl XI. von Schweden erbaut 
Karlöfirche, ein Schaufpielhaus (früher wallontfche Kirche), ein Gymnaſtum mit am 

ſehnlicher Bibliothek, eine in dem kleinen Schloſſe befindliche Geſtütsanſtalt u. ein Zu 
aus. Die Stadt iſt Sitz des Töniglichen Appellatiomögerichtes für bie 
bat. Die Einwohner, nahe an ‚ unterhalten Fabriken in Leder, ZTabat, 
aumwelle, Tuch ꝛc. — Früher war 3. Hauptfladt eine® eigenen GHergogthums 

mit 36 * und 70,000 Einwohnern, das 1390, nad dem Ausſterben der 
alten Grafen von 3., an Pfalz gefallen und fpäter der Sih einer eigenen yfal 
en, — geworben war, welche jetzt den Töniglich bayeriſchen Thron in 
at (1. als). 

weitampf, f. Duell. 

weifchattige ariehiih aupionıoı) nennt man bie Bewohner der heißen 
Zone, in fofern Ihr Schatten, je nady dem Stande der Sonne, bald ſüd⸗ balı 
en ei 8 zwei Stim fentlich beftehend Afalifcher 

w g, ein aus 3 timmen weſent ender wu 
Satz, oder ein ſolches Tonſtück. Hiernach fönnen eniweder in einem vollſtaͤnd⸗ 
igen Muſikſtuͤcke zwei Parteien concertirend hervortreten, oder das Muftküd iR 
ein einfaches Duett de wei Eingfimmen oder Inſtrumente. Der nwedmäßig 
Gebrauch diefes an einfachen Satzes wird von einer genauen Kenntniß bed 
vollſtimmigen Satzes bedingt. | 

Zwerchfell (diaphragma) heißt der breite Mustel, weldyer Die Bruf- und 
Bauchhoͤhle von einander trennt, nach oben gewölbt, nady unten ausgehöhlt er 
ſcheint und nad) einem Umfange zu aus Sfelfafern, im Mittel aber aus 
Sehnenfafern gebildet iſt, wornach auch das 3. in den muskulöſen umb im ven 
fehnichten Theil und erfterer nach feinen Anheftungspunkten wieder in ben 
pentheil und in den Lendentheil eingethetlt wird. Das 3. hat drei größere Def 
nungen oder Spalten. Durch die eine geht die Horta (f. d.) ans ver Bruß 
höhle in die Bauchhöhle herab, und fleigt enigenen der Bruftgang (f. lym p ha⸗ 
tiſches Syſtem) aufwärts. Durch die zweite Spalte gehen die Spetferähr 
und die großen Nerven bindurdy; durch die dritte Deffnung aber gelangt di 
auffteigende Hchlader aus der Bauchhöhle in die Brufhöhle. Auſſerdem finden 
fi noch mehre kleine Deffnungen für Kleinere Gefäße und Nerven. Das 3. 
unterftügt nach oben das Her; und die sungen; nad) unten trägt es Leber, 
Magen und Milz, indem diefe Theile durch Bänder an demfelben befeftigt find. 
Beim Einathmen fleigt das 3. herab, erweitert die Vruſthöhle und erlaubt den 
Lungen, fi) auszudehnen; beim Ausathmen wird es von den Bauchmuskels 
emporgetrisben, verengert die Bruftböhle und drüdt auf Die Lungen. Seine Be 
wegungen unterftügen zugleich die Thaͤtigkeit der im Bauche gelegenen Verdar⸗ 
Imgeotgane, und befördern das Vorſichgehen aller Aueſcheivungen Dee Unten» 

bo. chner 


Zwerg nennt man einen Menſchen von ungewoöhnlich Feiner Geſtalt, ia 
Gegenſatz vom Rieſen (f. d.). In allen Raturreichen finden wir bei Mangel 
an Rahrung und unter ungünftigen Aufferen Einflüffen em Zurüdbleiben in de 
Entwidelung und ein mmern. So bleiben Bäume und andere 
auf bergigen und Falten Standorten in ihrer Größenentwidelung zurüd, Sa 
Thierreich zeigt fich dieſes Zurüdbleiben befonders bei jenen Thteren, die lebendige 
unge gebärenz fo find in den nördlichen und bürftigen Gegenden die Thier⸗ 
racen, befonders im Pferdes und Rindviehgeſchlecht weis Heiner, als in anberen 
Gegenden mit angemeflenerem Klima. Auf gleiche Weiſe find im Menſ 

lecht beſonders die Bewohner der nörhlichen Zone, Die Lapplaͤnder und Er 
Anber 2e., durch ihren Heinen Wugb aubarnädguer, Tr Üleren nem von 
3.-Ratlonen find Übeigmb Yabeitaht , wenn Tarot ln do: Train Kaas 


Zwetſche — Zwieſel. 1075 


34 Fuß Länge unter die Ausnahmen. 3. kommen überall unter anderen wohl 
gebildeten Menſchen vor; meift kommen fie ſchon ungewöhnlich Hein zur Welt 
und werben während der Jahre des Wachsthums mehr oder minder verunfaltet. 
Die gewöhnliche Größe erwachſener 3.e beträgt 30-40 Zoll. Ihr VBerftand 
iR gewöhnlich nur wenig entwidelt, und in Lebhaftigfeit und Unbeftänpigfeit 
gleiden fie ven Kindern. — 3.:Baum nennt man in der Baumyudht einen 
aum, der durch Pfropfen und befondere Wartung fo gezogen ift, daß er Teinen 
Gtamm bildet, fondern fi) bald in Wefte zertheilt, aber doch viele und gute 
Fruͤchte trägt. E. Buchner. 
wetiche, |. Pflaume. 
wetti, anfehnlicdye Gifterzienferabtei in Nieberöfterreih, Kreis ob dem 
Mannhartöberge, am Kampflufie, in einem reizenden Thale. Die fchöne alt⸗ 
deutfche Kirche enthält einen ausgezeichneten Schnigaltar von 1525. Bibliothek 
und Münzfammlung, Knabenkonvilt, trefflidde Schäfer. Das Klofter wurde 
1138 geftiftet. Gine Strecke oberhalb, am Ginfluffe der Zwettl in die Kamp, 
Hegt das landesfürkliche Stäptchen Zwettl, defien gewerbfame Bewohner (2100) 
gu « und Flachobau, Leinen«, Baummwollen» und Tuchweberei, und lebhaften 
etreid» und Holzbandel treiben. mD. 

Zwickan, Haupiftabt des gleichnamigen Kreifes (844 [_ JM. mit 536,000 
Einwohnern) im Königreich Sachſen, in einer anmuthigen Gegend, an der Mulde, 
bat fünf Kirchen, unter denen die Marienkirche, eines der fchönften Denfmale 
altdeutiher Baukunſt, mit einem 314 Fuß hohen Thurme und Gemälvden von 
Lukas Cranach und Michael Wohlgemuth und bie Katharinenkicche, ebenfalls ein 
anſehnlicher Bau, ſich auszeichnen; ein Gynmaſium mit reicher Bibliorhek und 
verſchiedenen Sammlungen, ein Zucht⸗ und Arbeitshaus In dem Schloffe Ober» 
fein, ein Hofpital vor der Stadt ıc. Schon ald Sig der Kreidvircktion, des 
Appellationsgerichte® und Oberfteueramted, nody mehr aber durch die Tuch⸗, 
Farben» und Wolgarnfabrifen, durch eine Mafchinenfabrif, burd den Steinkoh⸗ 
lenbergbau und Getreidehandel, welche Die 12,000 Einwohner befdyäftigen und 
durch die Verbindung mit der fächfifchbayerifchen Gifenbahn, iſt 3. eine Aufferft 
lebhafte Stadt. — Geit 1290 reidy&unmittelbar, kam die Stadt, nad) mehrjähriger 
Berpfändung an Böhmen und Meißen, 1348 in den erblichen Befig der Marks 
grafen von Meißen und fo an Sachſen. 

Zwiebel (Bulbus) 1) ein, den fogenannten Zwiebelgewächien eigentbümliches 
Bermehrungsorgan, alſo Nichts weiter, ald eine unterirdiſche Knospe, beftcht, wie 
die gewöhnliche Knoeye, aus blattartigen @ebilden, vie ſich In ihrem innern Bau 
von. den gewoͤhnli Blättern hauptiächlich dadurch unterfcheiden, daß die Zel⸗ 
len des dicken, fleifchigen Zellgewebes viel Stärfemehl und Schleim enthalten, 
während ihrer Oberhaut bie Spaköfinungen abgehen. — 2) 3. (Allium cepa), 
aus der Sattung Lauch, hat eine rothgelbe 3., Rielrunde, hohle Blätter, treibt 
einen nadıen, 2—24 Fuß hohen, unten aufgeblafenen Schaft, an deſſen Epige 
vie weißen, mit grünen Streifen gezeichneten, doldenflännigen Blumen flehen u. 
a lvirt. Die 3.n baben nährende Beftandibeile und ein fcharfes 

e6 | 

Zwiefel, bübfcher und wohlhabender Marktflecken und Eis eines Rent⸗, 
Eorf- und Rebenzollamts, im bayerifchen Walde (Rieverbayern) und am Ber⸗ 
eiaigungepunfie des kleinen und großen Regen. Die 1250 Ginwohner ziehen 
guten Erwerb aus bem Handel mit Glas um» Holzwaaren, den bedeutenden Vieh⸗ 
wärften und ver Leinweberei. Es befichen bier auch Del», Mahls und Säges 
‚mählen, sine Paptermühle und mehre Blasfchleifen. Die Gegend um 3. tft das 
Wahre Eldorado der Glasmacher. Nicht weniger als acht der bedeutendſten 
Glasfabrilen — zu Therefientbal, Oberzwiefelau (2), Lupwigstbal, 

sauenau (2), Rabenftein (2) — liegen bier in einem Uwtcele vn une. 


ilen beiſammen. Außer den Blashütten haben de Umgebungen m vr 
wilrbigleit aufzuiveifen,: und dies ſind wie eins Oskar rw 


41076 Zwillinge — Zwingli. 


birges. — 3., fammt der fogenamten Fraue nau auf dem urfprünglichen 
Dotatione runde des Klofterd Kin nach liegend, erbaut fein Entſtehen den 
daflgen Mönchen, welche es zuerft mit Golbwäfchern bewölferten. mD, 
—— ebene Wildhaus in der ſchweizeriſchen Gr 
ngli, Ulrich, geboren zu aus in weizer 
Tog enbure (Canton Gt. Gallen) 1. Januar 1484, legte den Grund ha 
Ausbildung in Bern und Bafel, ftudirte Philoſophie zu Wien und x 
* an welchem letztern Orte er Magiſter wurde. 1506 kam er als Pfarre 
nad Glarus, war dann drei Jahre Feldprebiger und Fam 1516 als Prediger 
an den berühmten Walfahrtsort Marija⸗Einſiedeln. 3. hatte bier Gelegn- 
heit, die feltfamften Mißbräuche Tennen zu lernen und zu fehen, wie ber 
Haufe über den Ruben der Walfahrten und eine Menge anderer Uebungen 
dem grelifien Irrwahne befangen war und fing an, gegen dieſe verderblichen 
Mißbraͤuche in Predigten und Gefprächen —* Dieſe fr 
Aeuſſerungen 3.6 waren indeſſen fo wenig befrembend, daß er am 1. Sep 
1518 das Diplom eined Akoluthen⸗Kapellans des yäpftlidhen Stuhles aus ben 
Händen des Legaten Anton Pulei erhielt. Um dieſe Zeit ließ Papſt Leo X 
in Deutfchland durch die Dominikaner und in der Schweiz durch den Franciscaner 
Bernardin Samfon aus Mailand Abläffe verfänvigen. 3. erhob ſich 
gegen Samſon's übertriebene Lobpreifungen des Ablaffes u. wurde durch ben 
ed Biſchofs von Konſtanz, noch mehr aufgemunsert, den es verhroffen hatte, daf 
diefer Mönch, ohne biſchoͤfliche Erlaubnig und ohne vorgängige Borlage feine 
Bullen zu Konftanz, fein Weſen zu treiben angefangen hatte. Bald darauf wurbe 
3. als ‘Pfarrer an den großen WMünfter nady Zürich berufen, wo er bie aus⸗ 
ſchweifenden Lebertreibungen des Franciscaners Samfon mit fo lebhaften Farben 
malte, daß der Bürgermeifter von Zürich dem Ablaßprediger die Gtadtthore ven 
fattepen ließ. Da die meiften ol Mißbraͤuche ihren Grund in unſicheren 
eberlieferungen hatten, fo erflärte fi auch 3. & en jede Meberlieferung um 
behauptete, es koͤnne Nichte ald wahr und als cr des Chriſtenthums ange 
nommen werben, was nicht ausdrücklich in der Bibel enthalten wäre und e 
müffe Alles als menfchliche Erfindung angefehen werden, was ſich nicht aus ber 
heil. Schrift erweiſen laſſe. Der Rath von Zürich glaubte in biefer Behauptum 
ein ficheres Mittel zur Abfchaffung aller Mißbräuche und einen leichten Weg zur 
Ausmittelung aller Punkte, in welchen man dem Papfte umd der geifilicdhen Ge⸗ 
walt unterworfen fel, zu entdeden und erließ an alle Pfarrer, Brediger und au 
dere in der Seeljorge angeftellte @eiftliche 1520 ein Edikt, worin verorbnd 
wurde, nichts Anderes zu predigen, ald was aus dem Worte Gottes erweistid 
fet und alle menfchlichen Anorbmungen und Lehren mit Stillſchweigen zu über 
eben. Luther’ Werke pe en bie Abläffe, die romiſche Kirche ıc. waren in die 
chweiz gebracht und mit Begierde gelefen worden. 3. hatte ſeinerſeits feim 
Meinungen vielen Perfonen mitgetheilt; ploͤtzlich fah man daher einen Schwal 
von Predigern, welche nicht allein die Mißbräuche, fordern die Abläſſe felhk, 
die Berehrung der Heiligen, die Kloftergelübde, die Ehelofigkelt der Prieſter, bie 
Faſten, die h. Meſſe u. f. w. anftritten. Der Biſchof von Konftanz, der 3 ſo 
lange er blos Mißbrauche beſtritt, Beifall gegeben hatte, trat nun, da dieſer im Re . 
Pormiren weiter ging, durch ein Mandat hemmend den Reuerungen Dr: en md 
eflagte fidy durch Abgeordnete bei den Eantonen über die Frechheit ber 
Die zu Luzern verfammelten Eidgenoſſen erließen den 27. März 1522 ein Dekret, 
worin den Geiſtlichen das Prebigen der neuen Lehre verboten wurde. 3., vom 
Rathe zu Zürich unterflübt, ging jeinen Reformationdgen ohne fih an die Ber 
ordnung der Eidgenoſſenſchaft zu Tehren, fort. Die ulifen der Stadt firitten 


mit den Reformatoren und dad Bolt war zwiſchen 3. und ber katholiſchen 
lichfelt getheilt. Rad) dem Grunbprineip der ſogenannten Re liglonenerb2fferung 
H ur eiden laſſen. 


3.8 mußten fi) alle Dispute vur Weller ‚Nenn 
an raue nur die Blhel an U Yen. Woher rin ven 


Zwiugli. 1077 


ei entgegenſtehenden Säten im alten und neuen Tehamente enthalten fel. Die 
{tliche Obrigfeit konnte daher ganz wohl competenter Richter in Religions, 
siten feyn und der Rath von Zürich Iud 1523 alle Geiftlichen feines Gebietes, 
ch fonftige Theologen, zu einer Unterredung nady Zürich ein; auch der Biſchof 
n Konftanz wurde erfucht, dahin zu Tommen, oder feine Gotteögelehrten zu 
iden. Die Geiſtlichen folgten dem Befehle und der Bifchof fandte feinen 
oßvikar, Johann Kaber, nachmaligen Bifchof von Wien, mit einigen Theo- 
en nad Züri. 3. legte feine Lehre in 67 deutſch abgefaßten Artikeln vor. 
ein, als Yaber fah, Ba der Rath fi zum Schiensridhter in der Sache aufs 
wf, lehnte er das Religiondgeipräh ab, indem das Richteramt in Glaubens⸗ 
ben nur der Kirche zuſtehe und erbot fich, auf 3.8 Lehrpunkte fchriftlich zu 
ſworten; übrigens müfle man, unabhängig von feiner Antwort, bie Entſcheid⸗ 
des nächftens zu haltenden Conciliums abwarten. Auf die Verweigerung 
bers, fich dem Ausſpruche des Züricher Rathes über Die von 3. angefochtenen 
jes und Disciplinarpunfte zu unterwerfen, wiederholte dieſer ben Befehl: nichts 
deres, als was in der Bibel enthalten fei, zu lehren. Noch in demfelben 
bre hielt 3. eine zweite Disputation, bei welcher, nebſt feinen Amtöbrübern, 
7 900 PBerfonen zugegen waren. “Der Streit verbreitete fidh diesmal über bie 
rehrung der Heiligen, ihrer Bilbnifje u. über die h. Meſſe. 3. fand fo vielen 
fall, vap von nun an feine Partei die berrfchende wurde. Die Köpfe erhitzten 
ı amd mit ungefümer Haft warb nın das Wlte, blos weil es alt war, umges 
fen. Diefer Unfug fdhten denn doch zu arg unb auf dem Bunbedtage zu 
ern, am 26, Januar 1524, wurde ber Beſchluß gefaßt, der Stadt Zürich durch 
georbnete zu bebeuten, zur alten Ordnung zurüdzufehren, mit dem Bebrohen, 
Iohrigenfane von dem Bundesrathe audzufchließen. Allein die Wirkungen des 
ebenen Reformationsfloßes waren nicht mehr aufgubalten. Roh in diefem 
hre wurde die h. Meſſe und alle Geremonien der römifchen Kirche in Zürich 
izlich abgefchafft; die Klöfter wurden geöffnet, die Mönche brachen ihre Ges 
de, die Pfarrer heiratheten und felbft 3. vermählte ſich mit der reichen, Adjähr- 
n, Wittwe Anna Reinhard. Dies war das erfte Ergebniß aus 3.8 Re 
mation in dem Kanton Zürich. Unter den eidgenöffifchen Städten war Mühl, 
fen die erfte, welche ſich an die Züricher anf us. Aber gleichzeitig mit 3. 
ten wolfgang abricius und Capfto zu Bafel das Reformationswerf 
onnen, welches feit 1523 von Defolampadius, Luther's Zögling, fort- 
t wurde, an den fidh der aus Frankreich vertriebene Karel eine zei lange 
chloß und der zu Gunſten der neuen Lehre 1524 eine Hffentliche Disputation 
t. In demfelben Jahre ward au in Schaffhaufen reformirt und ein Jahr 
auf zeigten fidy fehr deutliche Symptome des KReformationsfiebers in Bern. 
ı fernerer Anftedung vorzubeugen, wurde, nad) langen Verhandlungen, 1526 
Keligiondgefprädy gehalten. Defolampad und Johann Murner ver- 
digten die Reformation, Johann Ed fland an der Epige der Katholiken; 
war gar nicht erfchienen. Die Katholiten gewannen die Oberhand u. gegen 
ward das Berpammungsurtbeil ——A — an welches weder er, noch ſeine 
rtei, die fich mit jedem Tage verſtaͤrkte, ſich kehrten. Ein zweites, 1528 zu 
n gehaltenes Religionsgefpräch, bei dem fich, nebſt den ſchweizeriſchen Refor⸗ 
kond-Hänptlingen, auch deutſche Reformatoren einfanden, hatte Feinen andern 
olg, als daß fich Bern enger an die Reformation anſchloß, welchem verfchies 
e andere Gantone folgten. Schwyz, Url, Unterwalden, Zug und Lu⸗ 
n blieben der Religion ihrer Bäter getreu und die Schweiz fah 1a nun in 
t feindfelige Faktionen gefpalten, die fich fange durch Schimpfreden heraus⸗ 
erten, endlich felbft zu den Waffen griffen. ehr als einmal fland der in⸗ 
: Krieg zwifchen ven Katholifen und Reformirten auf dem Punkte des Aus⸗ 
bes, bis endlich die Züricher und Berner den Durchgang von Lebenswitteln 
bie fünf katholiſchen Gantone verboten und dadurh Dieie 
Im reigten, welche, burch ein Vuͤndniß mit dem Könige Berdinsnt KRINEÄN. 


41076 Zwillinge — Zwingli. 


birges. — 3., fammt der fogenannten Srauenau anf dem urfprünglichen 
Dotations runde des Klofterd Rinchnach liegend, verdankt fein Entſtehen ber 
dafigen Mönchen, welche es zuerfi mit Goldwaͤſchern bewölferten. mD. 
ingt "la —** Wildhaus in der ſchweizeriſchen Gr 
wingli, Ulrich, geboren zu aus In der fAhweizerifchen 
Tog enburg (Canton St. Gallen) 1. Januar 1484, legte den Grund A 
Ausbildung in Bern und Bafel, fludirte Philoſophie zu Wien umd a 
na an welchem letztern Drte er Magifter wurde. 1506 kam er a are 
nad ®larus, war dann drei Jahre Feldprebiger und Fam 1516 als Prebige 
an den berühmten Wallfahrtsort Maria-Einfievneln. 3. hatte bier Gelegen⸗ 
heit, die feltfamften Mißbräuche Fennen zu lernen und zu fehen, wie ber 
Haufe über den Ruten der Wallfahrten und eine Menge anderer Hebungen 
dem grelifien Irrwahne befangen war und fing an, gegen dieſe verderbliche 
Mißbraͤuche in Predigten und Gefprächen aubzulaften. Diefe —— 
Weufferungen 3.6 waren indeſſen fo weni embend, daß er am 1. Sep 
1518 das Diplom eines Alkoluthen⸗Kapellans des paͤpſtlichen Stuhles aus ben 
Händen des Legaten Anton PBulci erhielt. Um diefe Zeit ließ Papſt Leo X 
in Deutfchland durch die Dominikaner und in der Schweiz durch ben Franchscaner 
Bernardin Samfon aus Mailand Abläffe verkimdigen. 3. erhob ſich fogl 
gegen Samfon’8 übertriebene Lobpreifungen des Ablaffes u. wurde durch ben 
des Bifchofs von Konftanz, noch mehr aufgemuntert, den es verbroffen hatte, daj 
diefer Mönch, ohne bifchöfliche Erlaubnig umd ohne vorgängige Borlage feine 
Bullen zu Konftanz, fein Weſen zu treiben angefangen hatte. Bald darauf wurde 
3. als Pfarrer an den großen Münfter nad Züri berufen, wo er die au% 
fchweifenden Lebertreibungen des Franciscaners Samfon mit fo lebhaften Farben 
malte, daß der Bürgermeifter von Zürtch dem Ablaßprebiger die Stadtthore ver- 
ſchließen ließ. Da die meiften religidfen Mißbraͤuche ihren Grund in unſicheren 
Veberlieferungen hatten, fo erflärte fi auch 3. & en jede Ueberlieferung um 
behauptete, es Fönne Re als wahr und als cr des Chriſtenthums ange 
nommen werben, was nicht ausprüdlich tn der Bibel enthalten wäre und & 
müfle Alles als menſchliche Erfindung angefehen werden, was ſich nicht aus ber 
heil. Schrift erweiſen laſſe. Der Rath von Zürich glaubte in oiejer Behauptung 
ein ficheres Mittel zur Abfchaffung aller Mißbraͤuche und einen leichten Weg zur 
Ausmittelung aller Punkte, in welchen man dem Papſfte und der geiſtlichen Ge⸗ 
walt unterworfen ſei, zu entdeden und erließ an alle Pfarrer, Breviger und aw 
dere in der Seeljorge angeftellte Geiſtliche 1520 ein Edikt, worin verorbne 
wurde, nichtd Anderes zu predigen, ald was aus dem Worte Gottes erweislid 
fet und alle menſchlichen Anorbmungen und Lehren mit Stillſchweigen zu über 
eben. Luther's Werke pe en die Abläffe, die römifdye Kirche ıc. waren in bie 
chweiz gebracht und mit Begierde gelefen worden. 3. hatte feinerfeits fein 
Meinungen vielen Perfonen mitgetheilt; ploͤtzlich fah man daher einen Schwal 
von Predigern, weldye nicht allein die Mißbräuche, fondern die Abläſſe ſelbſt 
die Berehrung der Heiligen, die Kloftergelübbe, die Ehelofigkeit der Priefter, die 
Taften, die h. Mefle u. f. w. anftritten. Der Bifchof von Konſtanz, ber 3 fe 
lange er blos Mißbräudhe beftritt, Beifall gegeben hatte, trat mun, da dieſer im Res . 
Pormiren weiter sing, durch ein Mandat hemmend den Neuerungen entgegen und 
eflagte ſich durch Abgeordnete bei den Eantonen über die Frechheit ver Neuerer. 
Die zu Luzern verfammelten Eidgenoſſen erließen den 27. März 1522 ein Dekret, 
worin den Geiſtlichen das Prebigen der neuen Lehre verboten wurbe. 3., vom 
Rathe zu Zürich unterflügt, ging feinen Reformationdgan ohne fi an die Ber 
ordnung der Eidgenoſſenſchaft ju Tehren, fort. Die Eulifen der. Stat ſtritten 
mit den Reformatoren und das Volk war ee 3. und der Fatholtfdyen Geiſt⸗ 
lichkeit getheilt. Nach dem —— der ſogenannten Religionsverbeſſerung 
nt anen. 


‚8 mußten fi) alle Dispute vurdy we üeillee Nein entiihefden Laffı 
an Brandt nur die Binel anignägingen 8 Yen. Where a er 





Zwiugli. 1077 


zwei entgegenſtehenden Saätzen im alten und neuen Teſtamente enthalten fet. Die 
weltliche Obrigkeit Fonnte daher ganı wohl competenter Richter in Religion, 
freiten feyn und der Rath von Zürich Iud 1523 alle Beiftlichen feines Gebietes, 
andy fonftige Theologen, zu einer Unterrevung nad) Zürich ein; auch der Bifchof 
von Konflanz wurde erfucht, dahin zu kommen, oder feine Gotteögelehrten zu 
ſchicken. Die Geiftlichen folgten dem Befeble und der Bifchof fandte feinen 
Großvikar, 3 ohann Faber, nachmaligen Bifchof von Wien, mit einigen Theo⸗ 
en nach Zürich. 3. legte feine Lehre in 67 veutich abgefaßten Artikeln vor. 
ein, als Yaber fah, daß der Rath fich zum Schiedsrichter in der Sache aufs 
warf, lehnte er das Religtondgefpräh ab, indem das Richteramt in Glaubens⸗ 
ſachen nur der Kirche guhebe und erbot fi, auf 3.8 Lehrpunfte fchriftlich zu 
antworten; übrigens müfle man, unabhängig von feiner Antwort, die Entſcheid⸗ 
ung nö nächftens zu baltenden Conciliums abwarten. Auf die Verweigerung 
abers, fich dem Ausſpruche des Züricher Rathes über die von 3. angefochtenen 
ehrs und Disciplinarpunkte zu unterwerfen, wiederholte diefer den Befehl: nichts 
Anderes, als was in der Bibel enthalten fe, zu lehren. Noch in demſelben 
Sahre hielt 3. eine zweite Disputation, bei weldyer, nebſt feinen Amtsbrübern, 
über 900 PBerfonen zugegen waren. Der Streit verbreitete fich diesmal über bie 
Verehrung der Heiligen, ihrer Vildniſſe u. über die h. Meſſe. 3. fand fo vielen 
Beifall, daß von nun an feine Partei die herrſchende wurde. Die Köpfe erhigten 
fiy und mit ungeſtümer Haft ward nun das Wlte, blos weil es alt war, umge- 
worfen. Diefer Unfug ſchien denn doch zu arg und auf dem Bunbestage zu 
Luzern, am 26. Januar 1524, wurbe der Beſchluß gefaßt, der Stadt Zürich durch 
Abgeorbnete zu beveuten, zur alten Orbnung zurüdzufehren, mit dem Bebrohen, 
fie widrigenfalls von dem Bundesrathe auszufchließen. Allein die Wirkungen bes 
egebenen Reformationsfloßed waren nicht mehr aufgubatten. Noch in dieſem 
Sahre wurde bie 5. Meſſe und alle Eeremonien der römiichen Kirche in Züridy 
gänzlich abgeſchafft; die Klöfter wurden geöffnet, die Mönche brachen ihre Ges 
Lübbe, die Pfarrer heiratheten und ſelbſt 3. vermählte fich mit der reichen, Adjähr- 
igen, Wittwe Anna Reinhard. Died war das erfie Ergebniß aus 3.8 Re 
en in dem Canton Zürich. Unter den eidgenöſſiſchen Städten war Mühl 
aufen die erfte, welche fidy an die Züricher anf u. Aber gleichzeitig mit 3. 
hatten Dolfgang abricius und Capfto zu Bafel das Reformationswert 
begonnen, weldyes feit 1523 von Oekolampadius, Luther's Zögling, forts 
gelebt wurbe, an ben ſich der aus Frankreich vertriebene Karel eine Zeit lange 
anſchloß und der zu Gunften der neuen Lehre 1524 eine öffentliche Disputation 
hielt. In demfelden Jahre warb auch in Schaffhaufen reformirt und ein Jahr 
darauf zeigten fich fehr deutliche Symptome des Reformationsfiebers in Bern. 
Um fernerer Anftedung vorzubeugen, wurde, nad) langen Berhandlungen, 1526 
ein Reltgionsgefpräch gehalten. efolampad und Johann Murner ver: 
theidigten die Reformation, Johann Ed fland an der Epige der Katholifen; 
3% war gar nicht erfchienen. Die Katholiken gewannen die Oberhand u. gegen 
‚ward das Berdammungsurtheil auegeivr en, an welches weder er, noch feine 
Partei, die fich mit jenem Tage verftärkte, fidh Eehrten. Gin zweites, 1528 zu 
Bern gehaltened Religionsgefpräch, bei dem ſich, nebft den ſchweizeriſchen Refor- 
mationd-Häuptlingen, auch deutfche Reformatoren einfanden , hatte feinen andern 
Erfolg, als daß ſich Bern enger an die Reformation anfchloß, weldyem verfchte- 
bene andere Gantone folgten. Schwyz, Urt, Unterwalden, Zug und Zus 
zern blieben der Religion ihrer Väter getreu und die Schweiz fah Ah nun in 
zwei feinpfelige Faktionen geſpalten, die fich unfange durch Schimpfreden heraus 
forderten, endlich felbft zu den Waffen 2 en. ehr als einmal fand der in⸗ 
nere Krieg zwifchen ven Katholifen und Reformirten auf dem Punkte des Aus⸗ 
bruches, bis endlich die Züricher und Berner ven Durchgang von Lehenswittekn 
an die fünf Fatholifchen Gantone verboten und dadurch dieie 
cgeln reisten, iweldye, burdy ein Buͤndniß mit dem Kdukge Bervinant (RIToN. 


1078 Zwirn — Zwiſchenſpiel. 


Bruder) verftärkt, zum offenen Kampfe heranzogen. 3. wenbete Alles an, bad 
Feuer, welches er angezündet hatte, zu Idfchen; Hefbenmuth war eben feine Sache 
nicht: er wußte, daß er, als erfier Prediger, mit dem Banner des Gautons zu 
Felde ziehen mußte und zweifelte nicht, wenn es fo weit Fäme, an feinem Inter 
gange. Ein Komet, der fidy eben fehen ließ, neRdtigte ihn in der Ueberzengung 
von feinem nahen Ende; er erhob ein jämmerliches Wehklagen und fündigte an, 
daß der Komet feinen Ton und großes Unglüäd über 3 prophezeie. Defin 
ungeachtet wurde der Krieg befchlofien und 3. mußte auf dem Kampfplage es 
ſcheinen. Die Katholifen griffen ven 11. Oftober 1531 die Zürtcher zu Kappel 
anz diefe wurden mit einem großen Berlufte in die Flucht getrieben und 3. war 
unter den Erſchlagenen. Sein Leichnam wurde von ven Feinden zerrifien und 
verbrannt. — Nach der Schlacht von Kappel machten beide Theile Frieden mit 
dem Bedinge, daß jeder bei der Uebung feiner Religion verbleiben folle. ber 3.6 
Geiſt lebte nach feinem Tode noch fort und die proteflantiiche Schweizer s 
war durch ihn gegründet, welcher Calvin nachher nur die Beftaltung gab, die 
der Schweiz gebiibet if. Seine Werke erfchienen in A Bänden, Zürich 1544; 
von Neuem feit 1828 durch Schuler und Schultheß. 

Zwirn heißt eigentlidy jeder, aus zwei oder mehr Barnfänen zuſammenge⸗ 
drehte Faden; doch verfieht man darunter vorzugsweiſe foldye Fäden aus Leinen 
und Hanfgarn, weldye zum Nähen, Striden, Sticken ıc. gebraucht werben. “Das 
Zufammenoreben mehrer Fäden oder dad Zwirnen kann auf dem Gpinnrade 
geihehen, doch hat man dazu meift eigene Mafchinen, Zwirnmühlen genamt. 

er 3. if theild roh und ungebleicdht, von grauer Farbe, theils halb und ganz 
weiß oder gelblich, theils verſchieden gefärbt, Nach der Etärke unterfcheivet 
man im Allgemeinen Land⸗3Z. als den flaͤrkſten, Füͤr ſten⸗Z., ven feinern weißen 
und Spitzen⸗Z. als den feinſten. Der feinfte kommt aus Holland und Belgien. 
In Frankreich ift der feinfte 3. der flanprifche, der zu Lille verfertigt und 
gewöhnlich mechelm’er Spitzen⸗Z. genannt wird. Auſſerdem iſt in Frankreich 
befonders noch der bretagnifche u. der fogenannte Fölnifche 3., ein weißer, 
gebleichter Strid-3., der in und um Morlair verfertigt wird, zu erwähnen. In 
England und Schottland wird ebenfalld an mehren Orten fehr guter Flachs⸗3. 
verfertigt. In Deutſchland iſt beſonders der böhmiſche 3. berühmt, dveſſen 
Fabrikation ihren Hauptfitz im Leitmeritzer Kreiſe hat. Die beſten Sorten werben 
gewöhnlich Dresdener 3. genannt, weil fie früher meiſt über Dresden verfchidt 
Wurden. In Sachſen wird viel und guter 3. an mehren Orten des Erzgebirges 
und in der Gegend von Birna, haupt — zu Laubegaſt, verfertigt. Auſſerden 
wird vorzüglich noch in Ordruff und Friedrichsrode im Gothaiſchen, ferner an 
——— in Schleſten, Weſtphalen, der preußifchen Rheinprovinz, Hannover x. 
uter 3. fabrizirt. 
ß Zwiſchenhandel wird diejenige Art des Handels genannt, wenn ein Land 
oder eine Etadt die Erzeugnifle eines fremden Landes bezieht, um fie nach einem 
andern Lande zu ae Er verdient vorzugsweife den Namen Handel, weil 
er ſich ausfchließlih auf Kauf und Berfauf befchräntt und iſt infofern einer der 
wichtigften Hanvdeldzweige, als er den Verkehr zwifchen weit entfernten Etaaten 
vermittelt; er hat aber in der neuern Zeit, wo bie größere Bervolllommnung 
der Gommunicationsmittel den direften Handel mehr begünftigt hat, gegen früher, 
wo der gefammte Großhandel in einem 3. befland, bedeutend abgenommen. 
Irrigerweiſe nennt man ihn auch Tranſitohandel, während letzterer eigentlich 
nur den Durdgang von Waaren durdy ein Land betrifft, wobei gar fein 
Handel flattfindet. 

Zwifchenfpiel, 1) im Theater foviel als Intermezzo (f. d.). 2) In der 
Muſik kurze Säpeı mit weldyen auf der Orgel beim öffentlidyen Gottesdienſte im 
Ehoralgefange die Paufen zwifchen den Strophen veflelben ausgefüllt und bie 
Strophen mit einander verbunden werden. Dieb I, AU einfach, dem Terte 

angemeffen feyn und im Boraud vie \nlgenie Qarmaoie nküniigen, WEL vb ler 


Zwitterbildung — Zwolle, 1079 


ganz eigentlidy darauf anlommt, die folgende Strophe der Melodie der vorher 
gehenden anzureihen. 

witterbildung, f. Hermaphroditis muo. 

wölffingerdarım, f. Darm. 

wölfnächte (nad) der Welfe der alten Deutfchen nad) Nächten, nicht nad 
Tagen gerechnet) heißen vie zwölf Tage vom hl. Ehrifttage bis zum Tage der 
bl. drei Könige (25. Dezember bis 6. Januar). Man glaubte fonft, se diefe 
zwölf Tage here Witterungszeichen der zwölf Monate des Fünfıigen Jahres 
wären, fo daß 3. B. ein heiterer Ehrifttag einen heitern Januar, ein flürmtifcher 
Gtephandtag einen fürmifchen Februar u. f. w. anzeige. 

Bwölfte geſetz heißt jene Geſetzgebung, welche die Römer im 5. Jahr⸗ 
hunderte vor Chriſtus nach griechtfchen Vorbildern aufftellten. Der Gedanke 
ward durch die Stellung der Patrizier und Plebejer im römifchen Staate nahe 

elegt und zuerft 462 vom Tribunen &. Terentillus Arſa angeregt. Schon im 
— 5*— Sabre mußten fi die Patrizier zur Annahme des Vorſchlages bes 

emen, zu defien Ausführung fich Geſandte nady Athen und anderen griechifchen 

tädten begaben (454— 452). Zehn Männer aus dem Stande der Patrizier, 
nebſt den drei Befandten, orpneten die gefammelten Geſetze, welche fchon 451 in 
sehn Tafeln vom Genate gebilligt und von den Comitiis centuriatis beftätigt 
wurden. Zwei andere wurden 450 hinzugefügt und das ganze Befegeöwert 449 
öffentlich bekannt gemadt Es umſchloß theild dad jus publicum, theils das jus 
privatum, wovon das Iehtere das Fundamentalgefeh des tömiichen Staates blieb, 
während das jus publicum Veränderungen erlitt. Mit Unrecht fieht man in dem 
3. ein ganz neues Geſetzeswerk; vielmehr ſtellte es nur nach griechiſchen Bors 
bildern das in Rom beftehenne Bewohnheltsrecht zuſammen. Die Eurzen, eins 
fachen, aber für fpätere Zeiten hart erfcheinenden Beftimmungen deſſelben wurden 
vielfach erläutert: fo von Sert, Aelius 8 Catus, Antiſtius Labeo, Gajus ıc. 
Die Fragmente ſammelten Mehre. Bgl. Dirkſen, „Ueberſicht ber bisherigen Ver⸗ 
— Fit x.“, Leipzig 1824; —S Geſchichte des römifchen Privat⸗ 
re ‚ 8». 1. 

Zwolle, fchön gebaute und befekigte Hauptſtadt der nieberländifchen Prov 
Overyſſel, —* ſchwarzen Waſſer, zwiſchen ver Yſſel und Vecht, mit 18.006 
Einwohnern. Sehendwerth find: die Michaelskirche, das Bouvernementshauß, 
das Bürgers und Militärhaus, das Stadthaus ꝛc. Man findet hier ein Gym⸗ 
naſtum, anſehnliche Fabrikation in Tuch, Leinwand, Seife, Eſſig, Wachslichtern, 
Leder, Schiffstauen, Branntwein ıc. und ſtarken Handel. 


Nachtrag zu Baub Ve 


Sefuiten. Im Jahre 1538 gründete Ignatius v. Loyola (f. d.) die 
Geſellſchaft Jeſu, oder den fogenannen Jeſnitenorden. Nachdem des Stifters u. 
feiner mitwirkenden Freunde Schiefale, fo wie die Anfänge der neuen a 
ſchaft bereits in dem Artikel Ignatius ausführlich dargeftellt worden find, 
Inüpfen wir hier (dorthin verweiſend) gleich den weitern Verlauf der Geſchichte 
des Drdend an, — An der Univerfität von Bari, ver Wiege des Ordens, wo 
Jgnatius im Jahre 1540 ein Roviztat gründete, zeichneten ſich vie Wäter durch 
ihr Leben und ihre Lehre dermaſſen aus, daß die bedeutendſten Gelehrten jur 
mufnahıme drängten und von da aus bereits im Jahre 1542 die Väter Miron, 
Bontius, Logordan und Franciscus v. Royas nach Liffabon gefanbt 
werben konnten. Bon den in Paris zurüdbleibennen 16 Bätern mußten aber 
auch noch acht, die Spanier waren, des Kriegs mit Karl wegen, Frankreich 
verlafien. Diefe wendeten fid) nad) Brüflel. Ecdon in Folge dieſer franzöftfchen 
Rattonalantipathie, die ed dem Stifter des Ordens gar nicht vergeben konnte, 
ein Spanter zu feyn, war die Stellung der Jeſuiten In Frankreich von vorne⸗ 
herein eine ſchwierige. Die Oppofition der Univerfität von Parts fchreibt ſich 
nicht minder von Anbeginn des Ordens an her, weil jene fett ihrem Beſtehen den 
Unterricht anſpricht. ‘Der ade Grund, welcher dem Orden in Frankreich 
ſyſtematiſche Feinde erzeugte, verfchaffte ihm Freunde in dem fireng katholiſchen, 
hriftlich-chevaleresfen Spanien, wo Loyola's Verwandter, Antonius Araoz, befien 
Drden einzuführen Feine Schwierigkeit fand. Araoz gründete Häufer in Barce 
lona, Burgos, Valladolid, in Gandia — er der Geſellſchaft die Gunſt des 
Herzogs Don Franz von Borgia, Vicekoͤnigs von Catalonien, den dritten Ordens⸗ 

eneral. Nach Portugal berief Johann II. den Orden, damit er in den neum 
ndifchen Eroberungen dad Kreuz predige. Rodriguez und Franz Kavier waren 
von Lonola für diefe Miffion beftimmt. Bei ihrer Ankunft wirken vie beiden 
Väter fo ſegensreich auf den verweichlichten Hof und die luxurioſen Großen, 
daß der König ſie bei ſich zu behalten wuͤnſcht, auf die Sorhellungen ſeines 
Bruders, des Infanten Heinrich's, ſich jedoch erſchueßt wenigſtens den Franz 
Kavier nach Indien gehen zu laffen. Rodriguez feinerfeits fliftete in Liſſabon im 
Sahre 1542 ein Colleghaus, das ſich fo ſchnell anfüllte, daß ein zweites Haus 
bald nöthig ward, weldyes, zu Coimbra gegründet, bereitö im Jahre 1544 25, 
im Juli aber ſchon 60 Mitglieder zählte; diefe hatten jedoch, ald Fremde, der 
Mehrzahl nach mit den Antipathien der Einwohner zu Fämpfen. — Die gleich» 
zeitigen hochwichtigen Beftrebungen der Sefuiten in Deutſchland führen bier 
zunächft auf Lefebure, als das erſte Mitglied der Geſellſchaft Jeſu, welcher deut⸗ 


ge Boden betrat. Eben war (Frelidy u WR) Kuller Kox ( V. beftrebt, dem 


eiterverbreiten der lutheriſchen Xere enigegengptreten vn orauk sten yutite 


Jeſuiten. 1001 


derſt die Colloquien hinwirken; zu einem derſelben, das in Worms anberaumt 
worden, ſchickte Karl ſeinen Geſandten in Rom, den Pater Ortiz, welcher nach 
dem Willen des Papſtes und Loyola's Lefebvre begleitete. Bei dem Colloquium 
felbft, da es überhaupt die Droteftanten nichts weniger ald ernft mit diefen Reli⸗ 
gtondgefprächen meinten, konnte Lefebwre freilich nicht viel wirken, dafür deſto 
mehr am Orte felbft, wo ein durchaus verfommener Klerus vor Allem zu refor⸗ 
miren war. In einem feiner Briefe an den General entwirft er ein fchreden- 
volles Bild von den Sitten der Wormfer Geiſtlichen und erklärt fidy überrafcht, 
daß die Härefie ſich nicht noch mehr verbreitet habe, da das mächtigfte Argus 
ment zu ihren Gunften: die Unfittlichfeit der Geiftlichen, vor Augen liege. Rach 
dortigem glängenben Grioige wirkte Lefebore in Speyer, hierauf in Regenöburg 
ort, wo der Kalfer und der päpftliche Legat Eontarini einer abermaligen, von 
orms hierher verlegten, Eynode zwiſchen Katholifen und SProteftanten, bei Ge⸗ 
legenheit des vafelbft im April 1541 eröffneten Reichötages beiwohnen follten. 
Auch bier konnte Lefebore auf die Unterhandlungen nicht direkt einwirken; 
fie blieben Iberpaupt wieder reſultatlos, da das letzte Berflänpnig wegen 
der unverglichenen Artifel auf das Tünftige eneralconcil verfchoben wurde 
und der Kaiſer ſchwach genug war, lebiglidh, um verfpätete Hülfe gegen 
bie Türken zu erlangen und auf drei Jahre der Unterhaltung bes Rammergerihte 
überhoben zu feyn, j für die Kirche fchäpliche Bewilligungen entwinden zu laſſen. 
Lefebore fuchte nun bier, wie fpäter in Rürnberg, als Prediger und Gewiſſens⸗ 
rath moͤglichſt Gutes zu fliften. Inzwiſchen fendete ihn Ignatius nady Spanien, 
Claudius Lejay und Bobadiglia aber zu feinem Erſatze na Deutfchland. Hatte 
Lefebvre in negeneburg befonder® auf die Großen einzuwirken geluct, fo wendete 
fidy Dagegen Lejay fo eindringlich an die Geiftlichkeit, daß man ihm mit Ertränfen 
in die Donau drohete, worauf der 3. nur lächend erwieverte: „Mir kann es 
—R ſeyn, ob ich auf dem Waſſer⸗ oder Landwege in den Himmel ein⸗ 
gehe!" Bobadilla ſeinerſeits begab ſich (1541) nad) Innebrud an den Hof des 
römifchen Kön 4 Ferdinand J. der ihn nach Wien zu den daſelbſt ſich eröffnen- 
den Religions sWonferenzen mitnahm. Bon da folgte er dem päpftlichen Legaten 
zum Reicyötage nach Nürnberg und dem Gefandten Ferdinand's, dem Bifcdofe 
von Paſſau, zu den Eolloquien nach Speyer u. Worms. Auf dem Regendburger 
Reichstage traf er mit Lejay zufammen, den der päftliche Runtius nad) Ingol⸗ 
ſtadt fendete, um dem auch daſelbſt eindringenden Lutheranismus enigegemaus 
wirfen. Bon da zog ihn der Bifchof von Augsburg, der fpätere Cardinal Otto 
Truchfeß, nach feiner Refldenz Dillingen, wo das Bekehrungswerk gleichfalls ges 
lang. — An der Berfammlung in Salzburg nahm Lejay auf den Wunfdy des 
dortigen Erzbiſchofs, Bruders des Herzogs von Bayern, Antheil, worin haupt⸗ 
ſächlich feftgeftellt ward, daß feine Berfammlung von Laien fidy anmaßen Eünne, 
religtöfe Fragen zu entſcheiden und daß die Proteſtanten, ſelbſt nad) —* 
aller Differenzpunkte, ohne Anerkennung der paͤpſtlichen Autorität in hir ſtlichen 
Dingen, immer noch Schismatiker bleiben wuͤrden. Das proteſtan ide Bers 
langen nady einem NRationalconctl ward befeitigt, dafür aber auf das Bes 
neralconcil hingewiefen, deſſen intelligente Borbereiter die 3. waren. Inzwi⸗ 
ſchen durchzog Xefebure bie Tpanifche gerliniel wie im Triumphe, gewann dem 
Oiden treflice Kräfte und mächtige Beſchützer, kehrte im Herbfie 1842 nach 
Speyer zurüd, wo er, vom Klerus anfänglich fehr abfloßenn behandelt, denfelben 
doch für feine Reformen gewinnt und verfügte ſich hierauf zum Erzbiſchof Al⸗ 
bert, Earbinal von Brandenburg, nad) Mainz. Auch da gelingt es ibm, Klerus 
und Bolf zu reformiren, aber ein bedeutendes Geldgefchent des dankbaren Erz⸗ 
bifchof® vertheilt er unter dic Armen der Stadt und die in Löwen flubirenden 
Kovizen. Seine öffentlichen Erklärungen der heiligen Schrift ziehen. viele Freunde 
nad Mainz und unter denfelben au ben zu Nymwegen am &. Mu NS au 
borenen Peter Eanifius, einen ausgezeichneten Säyiker ver nertiit 
Det junge Rann hört Lefebure und fühlt alfobald, day «db Kir Bitumen NN 


“u 
r 4" 


4082 * Jeſuiten. 


in die Geſellſchaft Jeſu einzutreten. Der im Glauben wankende ſchwache Er 
biſchof von Köln, Hermann v. Wenden, gibt Lefebure Veranlaffung, feine Thaͤ⸗ 
kit dahin zu verpflangen. So konnte er wenigftans bewirken, daß Köln nicht 
feinem apoftafirenden Oberbirten folgte. Doch plöglich und unerwartet wird ben 
unermüblichen Arbeiter Ehrifi der Auftrag, nach Portugal zu gehen, um ben 
— Schwiegerſohn Johanns II, den fpätern Philipp IL von Spanien, nad 
Gafilien zu begleiten; aber Hermann v. Wenden hatte Lukas, Piſtorius und 
Melanchthon nad) Köln berufen, dieſen mußte alfo vor Allem entgegengewirkt 
werden. Er gründete ein Eolleghaus ımter Leonhard Kefiel, in welches ver Ars 
chidiakonus Gropper und Ganiflus eintraten. Berubigt verläßt er Köln am 12. 
zul 1544. Inzwiſchen fam die Zeit des von der ganzen Kirche herbeigefchmten 
kumeniſchen Concils zur Ordnung ber deutfchen Wirren immer näher. De 
Kaifer Karl war felbf, aus ganz untergeorbneten Rüdfichten, bisher allen thätt- 
eren Vorbereitungen hierzu hindernd tn den Weg getreten; ale es jedoch gelang, 
n zu überzeugen, baß die religiöfe Frage einft Leicht in eine politifcye umſchla⸗ 
gen und bie Throne efährden fönnte, hörte fein Winaftand auf. Und dies wer 
vielleicht daS einzige Refultat der vielen Reichötage, auf welchen Lefebvre, Boba⸗ 
dilla und Lefay ſich nicht nur ald große Theologen, fondern audy als erfahrene 
Staatsmänner beiwiefen. Karl fand andy alfobald Belegenheit, die neugerwonnene 
Ueberzeugung in der Kölner Angelegenheit zu bethätigen. Den Proteftanten war 
ed mit Beihülfe Hermann v. Weyden's gelungen, die Schließung des J.colle 
giums daſelbſt zu erlangen und, wenn auch diefe Maßregel wieder zurüdgenom- 
men wurde, fo ließ doch ſolches Berfahren für die Zulunft das Aergſte befürd- 
ten und die Väter fandten Caniſtus an den Kalfer ab, um zu deſſen Füßen ihre 
Klage niederzulegen. Caniſius gewann den Biſchof von Lüttich, Georg von Oeſter⸗ 
reih, Oheim des Kaiſers, für ſich, der feine Vermittelung zufagte und eilte for 
dann an daß Eaiferliche Hoflager nad Wormd. Der junge freimütbige Gelehrte 
machte dafelbft den günftigften Eindruck und feine Sendung gelang ihm vollfom; 
men. Der Papft ercommunicirte Hermann, der Kaifer entfeste n feiner fur 
ürftlichen Würde und Adolph v. Schaumburg ward Erzbifhof und Kürfürf. 
efebvre, diefer Held an Tugend und Frömmigkeit, kam inzwiichen im Auguſt 
15414 beim Könige Johann zu Evora an und er gewann aljobald des Monarchen 
genged Vertrauen. Araoz war gleichfalls nach Liſſabon gelangt, nachdem er und 
trada mit ihrer ergreifenden Berepfamfeit auf dem Zuge nad) Spanien, an 
deſſen Küfte fie nur in Folge ungünfiger Winde gelandet, wahrhaft Wunder ges 
wirft hatten und als Spuren ihrer Wirkfamfeit Collegtenhäufer in Valencia un 
an anderen Drten entfliehen fahen. Lefebvre, Araoz und Strada verbinden 
ih mit Rodriguez, dem Begründer des in voller Blüthe befindlichen Colle⸗ 
ium6 vom Coimbra, zu erneuter Tchätigkeit, die der König eifrig unterügt. De 
edoch die Sendung des erfigenannen der Bäter denfelben nad) Gaftilien führt, 
macht er fi) im März 1545 in Begleitung Strada's wieder auf den no den 
diefe von Königen und Fürften geehrte, Männer zu Buße, von Spital zu Epital, 
zurüdlegen. In Valladolid reflvirte Philipp von Spanien mit feiner jungen Ge⸗ 
mahlin, weldye aber bald darauf bei der Geburt des unglüdlichen Iafanten 
Carlos ftarb, worauf der Gemahl die Stadt der Trauer verließ. Diefer tief: 
blidende Politiker — als folchen muß Ihn die Geſchichte, fie mag im Uebrigen 
ihn auch aufs Verſchiedenartigſte beurtheilen, jedenfalls anerkennen — dur 
Kent: leicht das Verhältniß der Gefellfchaft Jeſu zur Kirche und zum monar 
chen Prinzipe, wie er daſſelbe auffußte und erklärte fich zu ihrem eifrigen 
—57— Bon da geht Lefebvre nach Madrid zu den Töchtern Kater, Karls. 
f feiner Durchreife durch Toledo verlangt man ein Eolleghaus des Ordens, 
wie auch das Bolt von Salamanca ein ſoiches verlangt hatte; doch, nach dem 
Rathe ded Ignatius findet der Vater es für befier, zunäch der Hauptflabt die 
Initiative zu laflen. Inzwiſchen beruit Xya In Senerol yırüd, weil Paul II. 
ihn den päpftlichen Theologen beim once won True, Toy win Sehanım, 








Zeſuiten. 1088 


zugefellen will; zu gleicher Zeit ernannte ihn Portugal's Herrſcher zum Patriar⸗ 
chen von Bein Er gest dem Papfle und —* ab, trotz feiner gaͤnz⸗ 
lichen Erſch oͤpfung. Durch Gandia kommend, legt er mit dem Herzoge den Grund⸗ 
ſtein zu einem Colleghaus, waͤhrend er bereits dem dringenden Wunſche der Ein⸗ 
wohner von Valladolid nachkommen und daſelbſt ein Colleg⸗ und Profeßhaus 
rũnden mußte. Nach einer langen leidene vollen Reife flieht er ſich endil zu den 
fen feine® Vaters Ignatius, der ihn weinend, doch zugleich glücklich über feine 
Erfolge, fegnet und am 1. Auguſt 1546 feinen erſten Freund und Zünger verliert, 
weldyer zwar ein kaum vierzigjaͤhriges Alter nur erreichte, deflen Leiftungen aber 
elbſt dem längften Leben genügten. Ihm war der an’6 Wunderbare gränzende 
lg ded Ordens und deſſen glänzende Entfaltung insbeſondere zu verdanken. 
Sein Beiſpiel feuerte die Genofien zu erneuetem Eifer an, fo daß dieſe wenigen, 
aber trefflich gersäßlten, Männer in kaum ſechs Zahren die Geſchicke Europa's 
leiten, weite Länderftreden dem Glauben gewinnen konnten! Ihr Belfpiel fteht 
in der Geſchichte einzig dal Was ihren großen Führer und Leiter anbelangt, 
fo folgte er feinen Jüngern Schritt vor Schritt. Zu einer Zeit, wo die Ver⸗ 
binbdumgen langfam, ſchwierig und häufig durch Kriege unterbrochen waren, hatte 
er die Be gefunden, in geordnetem Verkehre mit allen Yusgefendeten zu 
bleiben. Sie ftatteten ihm die genaueften Berichte über ihre Erfolge ab, ließen 
ihn, der ihnen Bater war, Theil nehmen an ihren Freuden u. Leiden, an ihren Ge⸗ 
fahren und Kämpfen, verlangten feinen Rath und unternahmen Nichts ohne feine 
Zuſtimmung. Ignatius feinerfeits, entfernt von den Echauplägen ihrer Thaͤtig⸗ 
keit, überſchaute von feinem Standpunkte alle Angelegenheiten mit überfichtlicher 
Ruhe und Umſicht und brachte erfprießlichen Zufummenhang in die vereinzelte 
Thätigkeit der zerfireuten Geſellſchaft. Paul HI. gelang es enplich gegen 1544, 
den fr Karl und Franz L von Sranfreich zu vereinigen und fomit das Haupt⸗ 
hinderniß zur Mbhaltung der großen Synode, weldye bereitö im Juli 1530 fein 
Vorgänger Clemens VII. angekündigt hatte, aus dem Wege zu räumen. Am 13. 
Dezember 1544 ward das Goncil in der Kathedrale zu Trient eröffnet, nachdem 
feit 1417 (Concil au Konftanz) Feines dieſer großen u. feierlichen Tribunale abs 
halten worden, in welchen die Kirche über ihre höchſten Angelegenheiten ent⸗ 
cheidet. Der erſten Seffion, welche von der Eröffnung des Concils bis zum 11. 
ärz 1547 währte, wohnten fünf Garpinäle, wovon drei als päpftliche Legaten 
bei: del Monte, fpäter Bapft unter dem Namen Julius II., Marcel Cervini, 
gleichfalls ſpaͤter Papſt unter dem Namen Marcel II., und Reginald Bolus, aus 
der Familie der englifchen Tudor’s; ferner waren anwefend ſechẽ Geſandte katho⸗ 
lifcher Monarchen, eilf Erzbiſchoͤfe, neunundſechzig Bifchöfe, zwei bifchöfliche Ge⸗ 
Imaehtger, 1e6 Aebte, fieben Ordendgenerale, acht Doktoren des Kirchen⸗ u. 
vilrechts, zwölf Doktoren der Theologie, zwölf Theologen aus dem Dominifas 
nerorden, vierzehn aus dem Orden der Minoriten, eilf aus dem Orden ber Con⸗ 
ventualen, fech8 gelehrte Franziskaner, neun Theologen aus dem Garmeliter- und 
fünf aus dem Gervitenorden. Die kaum entflandene und doch ſchon fo berühmt 
gewordene Gefellfchaft Jeſu bewährte ſich aud in dieſer Berfammlung der Urt, 
daß der heilige Vater die Patres Laynez und Salmeron zu feinen Theologen 
und Aſſtſtenten feiner Legaten beftimmt hatte. Außerdem war Lejay Gefchäfte, 
träger des Biichof6 Truchfeß von Augsburg. Der weife Ignatius hatte ihnen 
gerathen, fo vorſichtig als moͤglich ſich zu benehmen, nicht vorfchnel das Wort 
zu ergreifen und fletd zum Frleden zu mahnen. Ferner rieth er ihnen, fich alls 
abendlich zu berathen, fowohl über dad am Tage Geſchehene, ald am folgenden 
Tage Borzunehmenve. Diefe Rarhfäläge wurden genau befolgt. Täglidy wur⸗ 
den zwei Seffionen gehalten, wovon die eine fi) mit der Reform, die andere 
mit dem Dogma befhäftigte. Am 11. März 1547 ward das Concil nach Bos 
logna verlegt, in Folge einer in Trient herrfchenden ankekennen SKronkunt. Dur 
——, AA wider den Willen ded Kakler® und do ande wide \nosiiier. Re 
beutfehe Biichöfe In Bologna nicht erfcyienen, warn de Brrpmalung NUT 


1084 Iefuiten, 


bis zum Jahre 1550. Inzwiſchen hatte die Ermordung (1547) des Herzogs Far 
nefe von Parma (Sohn ded PBapfted) Unruhen in ganz Italien verbreitet, fo daß 
in Bolg: davon das Concil ſich —5— fand. Der Nachfolger Pauls IL, geſtor⸗ 
ben 1549, Julius IHI., der als Cardinal del Monte das Con geuen verlegte 
daffelbe, um dem Wunſche des Kaiſers zu genügen, wieder zurüd nach Trient, 
wo die Sbungen am 1. Mat 1551 eröffnet wurden. Erſt im Jult konnten in 
deß Laynez und Salmeron, weldye der neue Papft mit gleichem Bertrauen bes 
ehrt hatte, erfcheinen. Als Redner des heiligen Stuhle® durfte Laynez alfobalı 
das Wort ergreifen und ſetzte durch feine meifterhafte are Darſtellung alle 
Erflaunen. Er citirte in einem Bortrage [echeunbbreibig Autoritäten, barunter 
auch Alphons Toftat, deflen Werte fo zahlreich find, daß allgemein die Anſicht 
berrfchte, ein Menfchenleben genüge nicht zu deren Studium. Das Concil Raunte 
über den Fleiß und das Willen diefed Jeſuiten! Soldyer Anerfennung — unter 
den Berfammelten waren aud) Neider und Keinde des jnngen Ordens umb feines 
Vertreters — iſt zweifeldohne das fchönfte Lob, das je einem Redner von feinem 
Auditorium gefpendet wurde. “Der berühmte Dominikaner Koscarart, Biſchof vor 
Modena, fchrieb zur felben Zeit: „Die Bäter Laynez und Salmeron fpr mit 
folchem arfoige egen die Lutheraner über die Euchariſtie, daß ich wich im ber 
That glüdtich ſchähte, auf einige Zeit mit diefen gelehrten Männern zujammen 
leben zu fönnen.” Während indeß das Concil mit der, allen Angelegenheiten der 
Kirche inhärenten, langfamen und vorfichtigen Klugheit verfuhr, erhoben ſich ploͤß⸗ 
lich im April 1552 die von Moriz von Sachſen und Franz L aufgereigten Pro 
teftanten zu offenem Kampfe gegen den Kalfer, bemädhtigten 19 ugsburgs n. 
en felbft Innsbruck, wo der Kaiſer refipirte, fomit audy Trient, den Siß 
des ihnen fo verhaßten Concils. Unter ſolchen Umftänden vertagte der Papſt bie 
Synode, weldye erft am 18. Januar 1562 unter dem Bontificate Pius IV. wie 
ber eröffnet ward. Diefe, am zahlreichften befuchte, Seffton hatte endlich die gro 
Ben Arbeiten des Concils zu vollenden. Der Drden hatte immer mehr mit Fein⸗ 
den und Reidern zu Fämpfen; erft, ald der große Erzbifhof von Matland fid 
offen zu feinem Beſchuͤtzer erflärte, wurbe es ruhiger. In einer Frage über die 
eheime Ehe (ohne die Einwilligung der Eltern geſchloſſen), weldye der Papfl 
fi nichtig erklärt wiffen wollte, bewies Laynez feine ftrenge und gewiffenbafte 
npartellichfeit, indem er, der Theologe des päpftlicden Stuhles, diefem u. vielen 
Beichügern ſeines Ordens gegenüber behauptete, daß diefe Verbindung an und 
für ſich nicht verbrecherifch jet; die Kirche dürfe nidyt dagegen einfchreiten, um 
größeren Uebeln nicht Thor und Thüre zu Öffnen. Somit bewied der Jeſuit, daß 
hm die Moral, die Borfchriften des Evangeliums, vor Allem am Herzen lagen, 
daß er für fie fämpfe ohne alle Rüdficht auf Gunſt und Politik, wohl be 
achtenswerther Charakterzug! Einen andern Beweis feiner Unabhängigkeit gab 
Cape in der wichtigen Frage über die Gewalt der Bifchöfe, wo es darum 
handelte, zu unterfuchen, ob die Bifchöfe ihre Autorität von Gott unmittelbar, 
oder vom Bapfte haben. Bon der Stellung, welche die noch fo junge Geſell⸗ 
ſchaft Jeſu in diefer Debatte einnahm, konnte ihr zufünftiges Geſchick in vielem 
Ländern abhängen, je nachdem fie für oder gegen gewiſſe Monardyen und Praͤ⸗ 
läten fi) — Laynez und Salmeron ſprachen aber als Prieſter u. Theo⸗ 
logen, mit Hintanſetzung jeder andern Rückſicht. Laynez zog genau die Schranke 
zwiſchen der Autorität des Papſtes und der Einſetzung und Jurisdiction der Bis 
Ichöfe, befämpfte fcharf den Earbinal von Lothringen und die von demfelben ver- 
theidigten gallifantihen Grundfäge, aufftellend, daß die geiſtliche Autorität ſich 
in dem Papfte, der fle mittheile, concentrire. Die Debatte war heftig und flürs 
miſch und erft in ben legten Seffionen, 1563, erklärte das Concil in feinen Des 
freten, daß die Biſchöfe göttlich orbinirt, vermöge Ehriftus in der Kirche, doch 
nicht direkt von Bott eingefeht \eien, tn Minerigruche mit den franzöflfchen und 
ſpaniſchen Prälaten. Ein ehrennnlies Jeugniy Tür Kammer Drhes mar, 
Das der ſterbende Cardinal⸗ Legat, Hertuled von &arapap, Ver Arion ab Ss 


Sefuiten, 1085 


cils, jenen als Beidhtvater an fein Sterbebett berief. Viele Biichöfe verlangten 
die Vermehrung der Seminarien der Geſellſchaft Jeſu, woraus der Kirche gewiß 
eine große Anzahl Arbeiter jr ehen würde. Nachdem das Concilium feine 
Aufgabe erfüllt hatte, fchloß es Teine Sieungen am A. Dezember 1563. Wir 
indeh möffen unfere Leſer wieder zurüdführen, um ihnen zu zeigen, wie sopala 
und feine Genoſſen auch auſſer Trient thätlg waren, und um ben f 
der Begebenheiten, den wir durch ausſchließliches Verweilen bei der Wirk 
ſamkeit des Laynez am Goncile unterbrochen, wieber aufzunehmen. Der römls 
{he König Ferdinand ernannte Lejay auf den bifchöfliden Eih von Trief, 
um ihn für die in egenöbur „,Ingolſtadt und Nürnberg entwidelte Thaͤtigkeit 
zu belohnen und auch in der Ueberzeugung , hiedurch eine Gränzpforte Italiens 
vor dem Eindringen des Proteſtantismus am ficherfien zu bewahren. Lejay aber 
erfchrickt vor der Laft, die man feinen Schultern aufladen will, wendet ſich in 
einer Bittfchrift abweiſend an Ferdinand und bittet Loyola, den Papſt zu ver 
mögen, daß er ihn nicht zur Annahme jener Würde nörhige; daß anderſeits dem 
Könige dad Benehmen Lejay's die Erfüllung feines Berlangens noch wuͤnſchens⸗ 
werther macht, deſſen Gründe audy beim Papfte Beifall finden, if natürlid. So 
war die Wahl Lejay’s nicht mehr abzuwenden, als ſich Loyola an den König 
direft wendet (im Dezember 1546) und ihm vorftelt, daß die Annahme hoher 
Kirchenwürden Seitens der 3. fi) mit dem Geiſt des Ordens ni vertrage, 
auch derfelde vorläufig noch wenig Profefien zähle, von denen mehre bereits Praͤ⸗ 
laturen ausgefchlagen hätten. „Wenn die Glieder fich Iosfagen, was [et aus 
dem Körper werden? Diefe Kleine Geſellſchaft bat feit ihrem Entſtehen ledigli 
durch Demuth und Armuth anfehnlicdye Fortichritte gemacht: erblickt uns jed 
Das Volk in hohen Stellungen, fo bat es Urfache, an unferm Wankelmuthe Aer⸗ 
gerniß zu nehmen und eine Meinung von und zu faflen, die unfere Arbeiten un- 
nüge macht.“ Ferdinand fügt fich endlich ſolchen Borftelungen, aber Ignatius 
benügt die Gelegenheit, den Map zu vermögen, es zum Geſetze zu erheben, daß 
die Mitglieder der Geſellſchaft — welche, zu Kampf und Tod immer bereit, die 
Blänfler der Kirche feyn müflen, wie Loyola fi) ausdrückt — zur Annahme von 
Prälaturen nicht genöthigt werden Eönnen. Der Bapft gewährt dad merfwürbige 
Erfuchen, „deſſen Gleichen einem Fürſten noch nicht geftellt worden,“ wie er 
Ionte Im näcdhfifolgennen Jahre hatte bereitd Bobadilla das ihm angebotene 
sthum Trient auszufchlagen. — Inzwiſchen entfchließt ſich der ungebu Dig ger 
wordene Kaiſer, den Herzog von Sachen und Landgrafen von Heflen mit Krieg 
8 überziehen, ein in Regensburg angeordnetes Colloquium, wohin der Kaiſer 
obadilla berufen hatte, wird abgebrochen und dieſer folgt dem Heere unter dem 
Befehle des Octavio Farneſe. Bobadilla iſt Präfelt der Ambulanzen, Körper 
und Seelenarzt zugleich, verbindet die Verwundeten und tröftet die Sterbenden. 
In ter Schlacht bei Mühlberg wird er verwundet; ohne befien zu achten, pres 
digte er wenige Tage darauf zu Paffau, einer damals großentheil® lutheriſchen 
Stadt: von da aus durchzieht er Deutichland als wahrer Apoſtel. In Auges 
burg trägt feine glühende Beredſamkeit zur Wiederherſtellung des katholifchen 
Eultus bei. Ueber Köln wendet er ſich nach Löwen, wo dad von Lefebere bes 
gründete — zu blühen beginnt. So gelangt er an den Hof des Kaifers, 
der gerade 1548 an dem Augséburger Reicdhetage das fogenannte Interim ver- 
öffentlicht, eine im vermeintlich friedlichen Geiſte abgefaßte, es mit jener Partet 
verderbende und Feine befriedigende Blaubensichrift, Die manchen lichen Satz⸗ 
ungen widerfprach und demungeachtet den Lutheranern vor den Kopf ftief. Bo⸗ 
badilla glaubt nun auch feinerfeits im Namen der Kirche das „Interim“ befämpfen zu 
möflen, benimmt fidy aber in feiner Oppofitton weder mit Klugheit noch Mäp 
u. der beleidigte Katfer verbannt ihn vom Hofe u. aus feinen Staaten; aber a 
in Rom, wohin er alsbald fidh wendet, verfagt ihm der Eerneral den Kain in 
das Profeßhaus. Die geheiligte Würde ver:-Gyerriäger würke viren | NR x 
der Auffern Borm ucht; verleht werben, ‚weine. ver Tage TapnRd. — "DR 





4086 Jeſuiten. 


dem Jahre 1546 zu Gondia, Barcellona, Valencia, Alcala, Salamanca geſtifteten 
Colleghaͤuſer, erfreuten ſich immer größerer Blüthe, hatten jedoch mit materieller 
Roth ſchwer zu kämpfen. Das kümmerte jedoch die Vaͤter nicht, fie überließen alle 
Sorge der Borfehung und lebten je eifrig ihren Pflichten, daß Haß und Anfeindung 
nicht ausbleiben fonnten. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Elerus und 
zwar die KioftergeiftlichFeit, die Wirkfamfelt der J. nur mit verbaltenem Unmillen, 
den zu beihätigen gerade die Etimmung des Kaifers eine erwünfchte Gelegenheit 
bot, ertrug. Daher iſt es geichehen, daß der Orden der J. in den Dominikanen 
feine a eagtehen, unverföhnlichkten Keinde gefunden. Darum bat ſelbſt in Spanien 
die Geſellſchaft, da fie doch dort, im Baterlunde ihres Stifter, mit großer Bor 
liebe aufgenommen wurde, an Melchior Lanus, einem fonft frommen Domi⸗ 
nifaner und tüchtigen Theologen, einen flarten Gegner gefunden (er war ber erſte 
Feind der Geſellſchaft von Bedeutung). In feinen „Locis iheologicis“ (lib. IV. 
cap. IL.) tabelt er fie ſchon ihres Namens wegen, da die Benennung von Göhnen 
Jeſu Chrifti allein der gefammten Kirche zufomme. Gr hatte die Meinung, das 
Ende der Welt nahe; der Antichrift ſchicke ſchon feine Boten aus. Man machte 
ihn aufmerffam, daß man vafjelbe früher vom hl. Dominikus und Sranzieius 
efagt; er ließ ſich aber nicht abhalten, daſſelbe nicht blos tn vatkrei 
ſondern als Doktor der Fakultät in Salamanca und von der Kanzel zu betheuren; 
o daß ſelbſt das Volk und Männer von Einfluß auf das Wort des verehrten 
annes gegen den Drben mißtrauifch zu werden begannen. Man glaubt de 
Far babe ihn deßwegen auf das Goncilium von ent berufen un» in de 
olge ihn zum Biſchofe von Canaria ernannt; aber auch als folcher bat er fein 
Meinung nicht geändert. — Zur felben Zeit ward aus Portugal die erſte Bro 
vinz gebildet und Rodriguez von Ignatius zu deren Provinzial ernannt; auch 
die Anordnung der Erneuerung der Gelübde zweimal ded Jahres Geitend ber 
Scyolaren und Coadjutoren ſtammt aus diefer Periode. Vom Hofe protegirt, 
vom Bolfe verehrt, entwidelte ſich das Golleg zu Coimbra zu immer größere 
Blüthe, verlor aber auch die Dieciplin an ihrer wohlthätigen Strenge: dab 
Colleg zählte viele Scholaren, die geradezu auf dem Wege waren, das Klofer 
in eine griechifche Alademie umzuwandeln. Ignatius griff indeß noch zur rechten 
Zeit ein, fandte Rodriguez 1552 nad Spanien und ge® Bortugal einen neum 
Provinzial, Coimbra einen andern Rektor, der die Anzahl der Scholaren ver 
mindert und bie urfprüngliche Elöfterliche Dieciplin und Einfachheit wieder ber 
ellt. Die Entſchiedenheit des Generals, ſelbſt einem feiner Älseen und Lieblinge 
ünger gegenüber, war wohl angebracht, wie ſich alfobald zeigte Der Cardinal 
Don Heinrich, Biſchof von Evora, verlangt ein Colleg für feine Diözefe, nad. 
dem der Dominifaner Ludwig von Granada auf des Bringen Wunſch begutadhte, 
daß der Orden eine rein apoſtoliſche Stiftung fet, welche mit allen Kräften darnach 
firebe, den alten Blauben neu zu erweden. In Liffabon wird das erfle Rovtziat 
egründet, ſowie auch cin Profeßhaus und ein Kolleg für Erternen, deſſen erfe 
— 2*— die ſpaͤter als Schrifiſteller berühmten Patres Alvarez und Suarg 
waren. Franz von Borgia kann als der eigentliche Begründer des Ordens In 
Spanien betrachtet werden, dem er, vermöge feiner Autorität einerſeits und Klu 
heit anderſeits, alle Hinderniffe aus dem Wege räumen mußte. Nachtheilig 
den Orden in Frankreich, war der Widerſpruch, den er an der Untverſität von 
Paris und den Theologen der Sorbonne gefunden. Ausgezeichnete J., Biol, 
Pelletier, Paul Achilles und Everard Mercurian, lebten damals ſchon in Paris; 
von da aus ließ Ignatius das Golleg in Sizilien verſehen; die Univerfltät er 
nannte fogar den Pater Viola zum Procurator des Collegiums der Lombarden— 
einer ver Landömannfchaften, wonach die Stubirenden fidy abtheilten. — Ignatius 
jedoch befahl ihm, die Würde nicht anzunehmen, dagegen Profefle zu werben. 
‚Karl von Bulfe, der Cardinal von Lothringen, befhüst die Geſellſchaft und ſtimmt 
au den König Heinxich 11. ge Kür rläher wir aher has Marlament, das 
‚bie Sufnahme zu beftätigen hatte, qararn Ne werke, weten as \aalahä. or 


Jeſniten. 1087 


nehmen. „Der Orben hatte des Lehramtes fi angenommen; begreiflich, Daß 
dieß Die Giferfucht des alten Lehrförpers gegen ihn weden mußte. 1554 hatte 
da® Parlament auch die theologifche Fakultät von Paris zum Bericht über ihn 
aufgefordert; und biefer war dahin ausgefallen: dieſe Geſellſchaft ſcheine gefähr⸗ 
lich für den Glauben; drohe, den Frieden der Kirche zu fören; ſei den Moͤuchs⸗ 
orden gefährlich und mehr zum Zerflören, ala zum Grbauen eingerichtet. Da 
auch der Biſchof (Euftache de Belay) gegen fie berichtet hatte, wollte das Par⸗ 
lament fie abweifen; da aber der Hof Ihrer fi) angenommen, hatte es fie 1560 
an bie Synode von Poiſſy verwieſen. Sie wurbe dort angenommen und ihr 
efattet, ein Colleg in Paris aufzurichten, auf ie Debingung bin: einen andern 
Namen anzunehmen und auf die ihnen in ihren Bullen bewilligten Vorrechte für 
Frankreich zu verzichten und in den orpentlichen Didzeſanverband einzutreten; 
unter Strafe der Nulität im alle ber Ahtahtung: worauf dann das Par⸗ 
Iament den NAft ihrer Aufnahme einregiſtritte — Der Tod Lefebore'8 und 
Bobadilla's Unklugheit Hätten dem Wirfen des Ordens audy in Deutidpland 
Hinderniffe bereiten Eönnen, wenn nicht Ignatius in Ganifiud — der während 
des Jahres 1548 im neugegründeten Collegium zu Meffina Rhetorik Ichrte und 
nad) Ablauf dieſer Probezeit fähig befunden wurde, als Profeſſe die vier Gelübde 
abzulegen — einen ausreichenden Erſaß erkannt hätte. — Populär im eigent- 
lichen Sinne des Wortes wurden die 3. zuerft, ald zu den Folgen des Türken⸗ 
Irieges, ſich noch die Peſt gefelltee Der Rektor, Pater Lannoy und feine Ger 
fährten in Wien opfern — 9 fuͤr die Peſtkranken, ihr Haus, das von der ſchreck⸗ 
lichen Plage befreit bleibt, iſt den Kranken und Sterbenden zu jeder Stunde 
offen. So geben die J., die als gefühllos, als herzlos geſchilderten, die zum 
Unglüde Deerreid'e ind Land gekommen, *) die erhabenften Beiſpiele der chriſt⸗ 
lihen Liebe. So zeigten fie ſich freilich ſtets beim Elend und Unglüd ihrer Ne⸗ 
benmenfchen — doch fo etwas vergißt fich, iſt auch für die großen Politiker der 
Neuzeit der Erwähnung nicht werth! — Der durch Laynez, Lejay und Canifius 
in Deutfchland berühmt gewordene Orden erregte die Aufmerkſamkeit der Völker 
und Fürften. Siebenbürgen, Ungarn, Schlefien durch den Biſchof von Breslau, 
verlangten 3.5 der polniſche Beichichtfchreiber Erommer, Geſandter ded Könige 
Sigismund in Wien, bat Ganiflus um eine Miffton für fein Baterland. Gin 
wirffames —— wider die in Böhmen noch immer ſpuckende huſſttiſche 
Ketzerei war die Gründung eines Anfangs fehr angefeindeten — weil auch Richt⸗ 
katholiken darin aufgenommen wurden — Collegiums in Prag (1555). Nies 
bisher Berichtete hatte das Oberhaupt des Ordens, welches während feines 
ganzen Generalats nur zweimal auf furze Zeit fi aus Rom entfernt, von ber 
ewigen Stadt aus angeorbnet und geleitet. Bon da aus regierte Ignatius die 
über das Univerfum hin verbreiteten evangelifchen Arbeiter, um fie dahin zu 
fenden, wo die Kirche ihrer bedurfte; von da aus verfebrte er mit Johann IL 
von Bortugal, mit dem Herzoge von Ferrara, mit Albert von Bayern, mit 
Philipp von Epanien, mit Margarethen von Oeſterreich; doch nicht nur für die 
Großen der Erde batte er ſtets bereiten Rath; dem geringfien Novizen winmete 
er nicht mindere Gorgfalt. Seinem Scharfblide oder vielmehr feinem Herzen 
entging nichts, weder die armen Chriſtenſclaven der algieriſchen und maroffanis 
hen Seeräuber, an welche er Johann Ruguez und Louis Gonſalez zur Tröfung 
und Kräftigung im Glauben abfdyidte, noch ein Heer, das Karl V. gegen den 
im Mittelmeere furchtbar gewordenen ‘Piraten Dragut abfandte, welchem Heere 
er mit einem einfältigfrommen und doch Esäftigen Hirtenbriefe Laynez als Gee- 
lenarzt fandte. Am 23. Mat 1555 beftieg Cardinal Caraffa als Paul IV. den 
päpftlichen Thron, weldye Wahl des Stifiers der Thentiner die Väter Jeſu ber 
unrubigte. Ignatius allein verliert indeß den Muth nicht und hat nach ber 





Wie z. 3. Schuſelka in feinem „Sefuttentri Drekerreig ur Dunn | Wk 
L 18466, wicht etwa beweist, ſondern Mi —— — —8 nie 


1088 Sefniten. 


erften Audienz den bl. Bater, der nicht e. Theatiner, nidyt mehr Garbinal, 
fondern Oberhaupt der Kirche iſt, und als ſolches die Verdienſte der Geſellſchaft 
Jeſu um letztere zu belohnen hat — günftig geftimmt. Von dieſer Gunſt will er 
durch Die Ernennung Laynez zum Cardinal einen Beweis geben und um die Demuth 
beffelben zu beflegen und an die Ehren des Vatikans zu gewöhnen, fol er im 
Pallaſte vorläufigen ne! nehmen, um die Daterie — das Tribal, 
welches mit Vergebung ber fründen, Bisthümer ıc,, der Ertheilung der Ehe 
biöpenfe beauftragt it — zu überwachen. Laynez erkennt zwar mit fcharfem 
Auge ſchnell die eingeriſſenen Mißbraͤuche und gibt die geeigneten Maßregeln da⸗ 
en an, flüchtet aber nach Löfung feiner Aufgabe alfobald zurüd in das Pro 
eßhaus. Ignatius feinerfeits hatte fich während der ganzen Verhandlung ge 
wiffermaßen im Hintergrunde gehalten. Der Bapft fiebt nunmehr, daß er ben 
3. zur Annahme des Garbinalats nicht awingen darf, und fo wird biefe ge 
febrlige Würde — ohne daß Ignatius nöthig gehabt, fidh gegen den neuen Dep 
offene Oppofition zu feßen, wozu er indeß durch die Beflmmung Paul Hl. 
Aufferfien Falle einen Rechtsgrund gehabt Hätte, abermald von einem ber be 
deutendften Orvendmitgliever abgewandt. — So mar das ganze Leben dieſes, 
vielleicht größten Mannes des 16. Jahrhunderts eine fortlaufende Reihe. von Gr: 
folgen, die er mit feiner unerfchütterlichen, niemals das Ziel aus dem Auge ver 
lierenden Willenskraft errang, vermittelt der Riefenfraft eines Willens, den a 
im langen und harten Kampfe mit ben eigenen Neigungen, mit ver ſchwer zu 
bändigenden Phantafle zu ſtaͤhlen gelernt hatte und die er nach Aufſen Ir mit 
ſcharf durchdringender Kenntniß der Menſchen und Beurtheilung der Verhaͤlmiſſe 
wirken ließ. Nach einem fo fchönen, fo reichen, fo wohlangewandten Leben 
der Tod ein erfehnter Abſchluß. Ignatius flarb freudig in dem Herm. Bon 
den erften Gefährten Loyola’d waren noch fünf am Leben, und mit diefen zählte 
bie Befellichaft nur AO Profeſſen, fo firenge und vorfichtig war Ignatius bei der 
Zulafiung zu den vier Gelübven verfahren. Indeſſen zählte die Gocietät bereit 
mehr denn 1000 Mitglieder in 100 Häufern, nachdem fie nur erfi 16 Jahre 
beftand. Am 19. Juni 1557 wählte bie Sangregation Laynez zum General und 
decretirte hierauf die Unantaftbarfeit der Eonftitutionen. Franz von Vorgia wirkte 
in Portugal und Spanien aufs Erfolgreichſte für die Ausbreitung des Ordens, 
und des jungen portugieftifchen Könige Sebaftian Erziehung wird dem J. Gon⸗ 
zalvez von ara anvertraut. Seine berühmten Züge unternahm der junge 
König wider den Rath des Gonzalvez. Als Laynez, auf den Prinzipien Loyolas 
fortbauend, faft zwei Jahre nach deſſen Tode die Zügel der Regierung ergrif, 
entwidelte er ein fo entfchievenes Adminiftrationstalent, daß er als der eigentliche 
oe Gründer der Gefellfchaft betrachtet werben Tann. Nach dem Urtheile 
. v. Müllerö find er und fpäter Aquaviva diejenigen, weldyer bie Geſellſchaft 
Jeſu ihre glänzende beiſpiellos daſtehende Eriftenz, ihre welthiftorifche Be 
deutung verdankt. In die erfte Mißheligkeit mit den Staatögewalten 4 
riethen die 3. In Venedig; felbe ward jedoch dadurch beigelegt, daß “Pins IV. 
beim Senate fih für die Sittlichkeit und polttifche Harmlofigkeit der Bäter ver 
bürgte. Noch augenfälliger zeigte diefer Papft dem Orden feine Gunſt, an da 
fein Neffe, Cardinal Karl Borromäusd jedenfalls großer Antheil hatte, durch 
GErlaffung zweier. Bullen. Durch die erftere, Etsi ex debito, vom 13. April 1561, 
befreite er den Orden mit Rüdheht auf die Gründung ihrer Häufer von va 
alten Beitimmung, wonach fein religidſes Inſtitut tm Bereiche von 140 Palme 
rings um Klöfter der Bettelorven durfte errichtet werden, und weldye in Sara 
gofla den J. große Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Die andere Bulle, Exposi 
nobis, vom 9 uguſt 1561, war gegen das bereits damals beginnende Privi⸗ 
legienweſen der Univerfitäten gerichtet, die häufig I. und ihren Schülern, weil 
biefelben ihnen nicht —E DR —— an — eben 
Papft autorifirte nun durdy viele Dule N ‚ den Ritgliedern 
und Echülern des. Orbend alle geicyrien Wiirun u weliien, Miir Yet 


Jeſuiten. 1089 


Bullen erklaͤren zum großen Theile den von jeher, namentlich von den Bettel⸗ 
orden u. den Univerſitaͤten, der Geſellſchaft Jeſu bewieſenen Haß. Die einſt blühende 
Univerſttaͤt in Wien hatte während 20 Jahren nicht einen Prieſter gebildet. An 
vielen Orten zeigten fich proteftantifche Geiſtliche. Unter diefen Umftänden ver- 
langte Ferdinand I. die 3. Unter den Zugefenveten zeichnete fi) Lejay, befon- 
ders aber Canifius aus. Durch unermüdeten Unterricht, durch eifriged Predigen, 
neue Drgantfatton der Wiener Univerfltät, die Abfaffung eines neuen Katechis⸗ 
mus, und durch Verwaltung des Bisthums führte Caniſtus binnen Kurzem 
eine wünfchenswerthe Dronung herbei und der weitern Verbreitung des Prote⸗ 
ſtantismus war Einhalt gethan. In der Schweiz erinnert das berühmte, nun 
von Bandalenhänden vermüftete, 3. Collegtum zu Freibura an die umfuflende 
ar eamfel des Caniſius (21. Nov. 1843 beatifirt). Unter ähnlichen Ver⸗ 
hältniffen wurden die 3. nady Bayern berufen. Zuerſt hatte Lejay dem Prote⸗ 
ſtantismus entgegingewirft und mit foldyem Erfolge, daß den %. (1549) die 
Univerfität Ingolftadt anvertraut wurde. Canifius trug bier längere Zeit bie 
Dogmatik vor. Bald darauf wirkten die J.in München. Bon diefer Zeit an war 
die katholiſche Kirche in Bayern gegen alle Angriffe von Auffen befeftigt. Das- 
felbe armen auch, als in Köln (1556), Trier (1561), Mainz (1562), Augsburg 
und Dillingen (1563), Paderborn (1585), Würzburg (1586), Münfter u. Salz 
burg (1583), Bamberg (1595), Antwerpen, Prag, Polen (1571) und in anderen 
Ländern Bollegien errichtet wurden; überall waren fle ein Bollwerk der Kirche. 
Und wie Ausgezeichnetes die 3. in allen Fächern ver theologiſchen und philofo- 
phifchen Wiſſenſchaften geleiftet haben, follte bit in weiteren Kreiſen anerkannt 
jeyn. Nicht leicht wurde für lateinifcye und griechifche Sprache mehr geleiftet, 
al8 durch Zurfellin (de particulis linguae latinae), Viger (de idiotismis lin- 
guae graecae); Joh. Perpinian, Potanus, Bernuldus u, W. m.; Mm Poeſte 
wirkten J. Balde, Sarbiewski, Juvenci, Vaniere, Spee u. a.; für Mathematik 
und Aſtronomie Clavius, Hell, Scheiner, Schall, de Bell, Poczobut u. A.; für 
Raturgefönlite Kircher, Nieremberg, Raczynski; für Erdkunde Acunha, Charles 
voix, Dobrizhofer, Gerbillon u. W.; für Staatöwiffenfchaft Aquaviva, Marlana, 
Ribadeneira. (Vgl. Alegambe, bibl. Scriptor. S. J., Antw. 1643; Smets: Wab- 
that der 3. Orden für die Wiffenfchaft, Wachen 1834.) Sodann der, neue Bahs 
nen brechyende BVico. Bon dem neueren wiſſenſchaftlichen Leiflungen der J. 
fpäter. Daß der Unterricht der J. höchft methodiſch, durch flete Verbindung ber 
Religion und der Wiſſenſchaft wahrhaft erziehend war, ift ſtets von den Ein» 
fihtövolleften anerfannt worden. Aus den vielen Zeugnifien hiefür ſei nur ber 
Worte Ludwig's XVI. in feiner entworfenen Schilderung Choiſeul's gedacht: „Die 
Regierung hat immer jener berühmten Gefellichaft, welche die Jugend im Ge⸗ 
horfam gegen die Regierung, in der Kenntniß der Künfte, der Wiffenfchaften und 
der fihönen Literatur erzog, ihren befondern Schuß angedeihen laſſen; Chotfeul 
allein hat die berühmte Befellfchaft den Berfolgungen der Parlamente, ihrer 
Feinde, überliefert und die Jugend den Syſtemen der Philoſophie oder dem Eins 
fluffe der gefährlichfien Meinungen der Parlamente Preis gegeben. Seine Aufs 
hebung der 3. hat eine Lüde gemacht, die keine andere Körperfchaft, zum großen 
Rachtheile der Erziehung der Jugend u. der Wiſſenſchaft, hat ausfüllen Tonnen. 
Am wenigften leifteten fie in der fpekulativen Theologie und in tiefer philofo- 
phifcher Unterſuchung.“ Solche wifienfchaftliche und fittliche Tüchtigkeit machte 
ed bald wünſchenswerth, 3. zu Bifyöfen zu erhalten. Doch willigte Ignatius 
nicht ein, weil e8 der Armuth und Niebrigkeit zuwider ſei, den Ehrgeiz begün⸗ 
fiige und auch in anderer Beziehung dem Drden fchaden könne; feine Lntergebes 
nen, fagte er, follten Soldaten im Dienfte Ebriftt feyn, die überall hinzugeben 
bereit Icon müßten. Diefe Strenge war unter Laynez etwas gemildert, von 
Ftanz Borgia aber, dem britten General (1565— 72), wieder AngKiit asien 
(Ribadeneira, vita St. Francisci de Borgia; deut: Aehen Kram Bst SS 
britten ®eneral8 ber Societät Jeſu, Ingolftadt ABL3). Day Die I WEN 
Rrealencpclopäbie X. Ss 


pP 1 


41090 Sefniten. 


geiftigen Kraft und Gewandtheit auch an die Höfe gerufen wurben, konnte nicht 
auffallen, felbft nicht, wenn fie oft an diefelben zu gelangen fuchten. Die Erfah; 
rung hatte nur zu deutlich nezeigt, welch wohlthätigen oder verderblichen Ein⸗ 
fluß gerade damals die Fürften Mir die Fatholifche Kirche ausüben fonnten. Nur 
war e8 beflagenswerth, wenn einzelne Mitglieder fih allzu gefchäftig in die 
weltliche Politik mifchten. Borgia tadelte in einem Erlaſſe fharf dieſes Ein, 
mifchen, fo wie die vorherrſchend wiſſenſchaftlichen Beftrebungen, ohne gleiche 
Pflege eines heiligen und religioͤſen Sinned. Wohl hätten fie, fagt er, ven 
Hochmuth befiegt, der durch die Erhebung zu höheren Kirchenwürben feine Rab 
rung finde, aber nun fcheinen fie den Ehrgeiz auf andere Welfe befriedigen zu 
wollen. Er beflagt ed, daß man bei der Aufnahme neuer Mitglieder weniger 
auf ihren göttlichen Beruf, als auf ihre Fertigkeit in Wiſſenſchaften und auf 
zeitliche Bortheile fehe. — Zur felben Zeit, als Laynez feinen Orden am Concii 
zu Trient vertritt und die Väter in Paris bereits mit der Univerfität und dem 
Parlament um Sein oder Nichtſein Tämpfen, liefern 3. in den frangöfifchen 
Provinzen dem Calvinismus heiße Schlachten. Am Rhein und in Belgien (mit 
Ausnahme von Löwen, wo es wieder die Univerſität war, die dem Orden feind- 
lich gegenübertrat), konnten fi) bereits 1564 zwei Provinzen bilden, bie rheini⸗ 
fe und niederdeutfhe. Bereits 1542 und dann wieder 1560 lebten J. unter 
den größten Gefahren in dem proteftuntifirten Irland. Auf allen Punkten und 
unter allen Gefahren Fämpfen die J. für die Kuche. Was Poſſevin, Pelletier, 
Manave, Auger, Salmeron, Bobadilla, Gonzalvez, Araoz, Franz Vorgia, Cani⸗ 
fius in Deutfchland, Stalien, Frankreich, Spanien leifteten, vollführen mit nicht 
eringerem, wenn auch weniger augenfälligem ee! e, andere I. auf anderen 
Munfien fo, daß das Schidfal des Ordens immer inniger ſich verwebt mit dem 
der Kirche, welche er gegen die Ketzerei fchüpt, der er ganze Welten gewinnt. 
Im J. 1565 befaß die Geſellſchaft 130 Häufer in 18 Provinzen u. zählte über 
350U Mitglieder. Die Generalcongregation, bei welcher von den erften 3. nur 
noch Salmeron und Bobadilla ſich einfinden Fonnten, wählte im April 1593 ven 
Belgier Eberhard Mercurian zum General, Seine vorherrfchenden Charakter: 
jüge waren Eanftmuth und Klugheit; beide Eigenfchaften wendete er dazu an, 
8 Gebäude der ©. 3. Immer mehr zu bifefligen. Ueberall findet man J., bei 
den Armeen, wie in den Kabineten, an den Univerfltäten, wie bei ven Geſandt⸗ 
fchafıen. Beweist ihre fo aufferorventliche Thärigfeit, ihre hervortretende Stell 
ung in ber Gefchichte nicht gerade, daß fie von einem antireligiöfen Ehrgeize 
etrieben wurden? Keineswegs. — Man veriege fi nur In den Geiſt des 
26. Jahrhunderts. Sollte audy, nach dem urfprünglichen Plane des Stifters, bie 
Politik feinem Inſtitute fern bleiben, obgleich er aus feinen Jüngern nicht Ana⸗ 
choreten bilven wollte, fo hatten doch im 16. Jahrhunderte alle politiſche Trans⸗ 
afttonen: die Diplomatifchen Unterhandlungen, die Kriege, Alles, bis auf die Hof- 
intriguen herab, einen religidien Charakter. Die religlöfen Fragen lagen allen 
übrigen zu Grunde, oder fpielten dabei eine Hauptrolle. Was geſchah, geichah 
zum Vortheile oder zum Schaden der Kirche; die J., als deren Borkämpfer, 
waren daher genöthlat, in die Bewegungen der polttifhen und ſocialen Ideen 
einzugehen. Diefe Bewegungen mußten entweder bekämpft, oder geleitet werben. 
Sehr bedeutende Mitglieder ded Dıdens in diefer Periode waren: Bellarmin 
(f. d.), Bolet und Poſſevin (ſ. d.), deren erfterer namentlidy von 1570 — 77 
mit dem größten Erfolge aus päpftlihem Auftrag den Bajus, aus deſſen Lehre 
die der Janſeniſten erwuchs, bekämpfte. „Sein Ruf ward fo allgemein“, fagt 
einer der größten Gegner der J., Quesnel, daß er die englifchen u. holländiſchen 
Proteftanten anzog. Folet, der Fünftige erfte Cardinal des Ordens, begleitete 
den Cardinal Gonjendore auf feiner Sendung und unterftügte Bellarmin in 
Brabant; Peſſevin arbeitete an dem großen Werke, Schweden wieder der Kirche 
Zu gervinnen. Am 4. Auguſt 1880 Kark Merten. Er Iatte einen Auszug 
aus den Inftitutionen verfaßt, Die „hagemenen Brake „ran It 


Jeſuiten. 1091 


die beſonderen Oſfizien“ geordnet und war, gleich feinen Vorgängern, auf bie 
rößtmöglicdhe Ausdehnung der Miſſionen bedacht geweſen, deren er neue bei den 
aroniten und in England gegründet. Am 19. Zebruar 1581 ward Claudius 
Aauaviva gewählt (über diefen u. fein Generalat ſ. Aquaviva). In Solge 
des Mordverſuches Caſtel's wider Heinrich IV. von Franfreid werden die I. In 
defien Prozeß gezonen. Nach Eayet, dem Präfventen de Thou, dem Journale 
VEfotle und Sully, die alle keineswegs Freunde der I. waren, fprad) 
Chaſtel ſelbſt die 3. von aller Theilnahme an feinem Verbrechen fogar auf der 
Folter frei; doch aber mußten die J. den Tyrannenmord gelehrt haben u. daher 
die indirekten Verbrecher feyn. Einer der Ihrigen, Guignard, ward Bingerichtet, die 
Güter des Ordens wurden eingezogen, diefer verbannt. Die Provinztalparlamente 
waren übrigens mit den Mafregeln des Parifer Parlaments wider die 3. nicht 
alle einverflanden geweſen; an vielen Orten blieben fie unbehelligt u. an anderen 
verlangte man fogar dringend die Gründung von Gollegten. Dieß veranlaßte 
jedoch das Pariſer Parlament But Berfhärfung feiner Maßregeln; allein der 
König, der auch niemals in die Verbannung des Drdens gewilligt hatte, trat 
in’s Mittel und wies den Gerichtshof in feine Schranken, den J. In feiner Ant» 
wort auf die Vorflelungen ded Parlaments eine glänzende Genugihuung ges 
bend. (Bgl. Brühl, Geichichte der ©. 3., Würzburg 1846, ©. 362.) Er 
erwies ſich ihnen ſehr sn und machte den 3. Coton zu feinem Beichtvater. 
Kaum aber war der gute König ermordet, als Univerfirät und Parlament ihren 
Kampf wider ven Droen neuerdings aufnahmen und den J. die Schuld an der 
Ermordung Heinrich's aufbürden wollte Ludwig XII. erließ jedoch am 
15. Febr. 1618 ein Edikt, welches die definitive Zulaffung der G. 3. in Paris 
und im ganzen Reiche ausſprach. Am 31. Januar 1615 farb Aquaviva, der 
den Orden gleichjam durch fein eiferned Zettalter neführt hatte Das Ordens⸗ 
fapitel wählte am 15. Nov. 1615 den Mullo Bitellescht zum General. Unter 
den Erlaffen dieſes Kapiteld find zwei bemerkenswerth. Der 13. verbietet den 
J., fi mit ven Angelegenheiten von Sremden, wie Berwandten, zu befaffen, 
ohne ausprüdliche Erlaubnig des Generale, Hiedurch follte dem damals im 
Klerus fehr eingeriffenen Nepotismus entgegengewirft werden. Das 84 Dekret 
unterfagt den J. alle Hanbelöunternehmungen um hiedurch jever Verbächtigung 
der Miffionen, weldye Vernichtigungen indeſſen doch nicht ausblieben, von vorn« 
herein vorzubeugen. In Folge der Umtriebe der Servitenmönche Paolo Sarpi 
und Fulgenzio ward Venedig ercommunichtt (1606). Der Senat verbot allen 
Welts und Kloftergeiftlichen die Annahme irgend einer päpftlichen Verordnung 
und da die J. defienungeadhtet, ihrer Pflicht gemäß, dem ypäpftlichen Defrete nadys 
famen, wurden diefeiben vom Gebiete der Republif verwiefen. Auf Heinrichs IV. 
ernftliche® Einfchreiten jedoch blieben wenigftend die Guͤter des Ordens unanges 
taftet. Aquaviva bat den König, die Sache vorerft ruhen zu laflen, die bereit® 
von den Feinden des Katholizism überhaupt in die Hand genommen war; erft 
1657 konnten die J. nach Sen zurüdfehren. — In England, jenem Snfellande 
der Freiheit, wurden die Katholifen mit einer Wuth verfolgt, die der römifchen 
Hera ganz würdig gewefen wäre. Rur blos in dem kurzen Zeltraume vom 15. Juli 
biß 31. Aug. 1581 wurden 50,000 Katholifen eingekerkert, mit ſchweren Strafen 
heimgefucht oder ihrer Güter beraubt, bloß, weil fle dem proteflanttfchen Gottes⸗ 
dienfte nicht beigewohnt hatten. Wie Immer und überall, war auch hier die Ges 
fahr ein fruchtbarer Boden für den Glauben. „Die Väter Jeſu“, fchrieb ver 
berühmte Dr. Allen, „haben in England in der Eurzen Zeit eined Zıhres mehr 
Seelen gewonnen , als ihnen dieß anderswo während ihres ganzen Lebens mög⸗ 
lich geweien wäre; man fhägt jebt Die Anzahl der Katholifen um zehntaufend 
* als tm verfloſſenen Jahre.” Und der große Cardinal Baronius — a 
einem Martyrologlum — fagt: „Unfer Jahrhundert, wien AA au 
(als das des heiligen Thomas von Kanterburg) „ward RN WX SER 
erdliden, bie Thomas hießen,“ (unter Heinih Vin, v. Eliaeih —& V 


* 


1092 | Iefuiten, 


ſtens zwei und dreißig Mariyrer viefes Namens), „heilige Prieſter und Goes 
leute, die einen noch fchönern Martertod erlitten und doppelten Anfpruch auf 
Ruhm fi) erwarben, weil fie eines herotfchen Todes für die Freiheit der Kirch, 
wie der heil. Thomas von Banterbury, farben, fo wie für die Wiedereinfegung 
und Erftarfung des Fatholifhen Glaubens.“ — Diefe WMartyrer gingen haupt: 
fächlich aus zwei Anftalten hervor, welche auf dem Gontinente als Pflanzfchulen 
des Glaubens für England gegründe: und von den jungen Engländern, die fi 
der Berfolgung ver "Nungfräil chen Königin” durch die Flucht entzogen, bewölfert 
wurden. Die eine diefer Anftalten war das, zu Douay vom fpätern Garbinal 
Allen gegründete Collegium, welches, nachdem es, wahrfcheinlihd auf engliſche 
Beranlafung, von den flandrifchen Proteflanten geplündert worden, nad) Rheims 
verlegt wurde; das andere war dad von Gregor VII. gegründete und von ben 
3. geleitete engliſche Collegium. Die Infafien dieſer Anftalten wußten, daß in 
England tänlich Prieſter von gakı and flarben ımd daß man fie die fuͤrch⸗ 
terlichften Martern erdulden ließ; allein viefe Gräuel, die den Jünglingen von 
ihren, Lehrern, den J., keineswegs verfeotoiegen wurden, erböbeten nur deren, aus 
den heillgften Motiven, der.2iebe zum Glauben und zum Baterlande, hervorgehen: 
den Eifer. 3a — in beiven Häufern erblidte man fogar junge Edelleute, 
welche, als bereit im Kampfe erprobte Helden, ihre Landsleute zu ſterben lehr⸗ 
ten. Sie fchilderten die erbuldeten Martern, fie zeigten ihre gebrandmarkten 
Ohren und Stimmen und entlodten biedurdy ihren Zuhörern nur Ausbrüche ver 
Freude. Alle betrachteten als die höchfte Gunft den Befehl, nady England abzureifen. 
Bereits im Jahre 1579, als Elifabeth über jeden, auf britifchem Boden betrof- 
fenen, 3. die Todesftrafe verhängte, gründete der Papft die engliſche Miſſton. 
Alſobald warfen die ausgezeichnetfien Mitglieder der Gefellichaft Jeſu fich ihren 
Dberen zu Füffen, mit Thränen um die Gunft der Sendung in diefe, der Ge⸗ 
ſellſchaft übertragene, Miffton flehend. Aquaviva war einer derfelben, doch Mer⸗ 
curian fand es für befier, den geborenen Briten den Boräug zu laffen und den 
Vätern Edmund Campian und Robert Parſons wurde die Zeitung der Mifften 
anvertraut. Gampian, im Januar 1540 in London geboren, war ein fo ausge⸗ 
jeichneter Lehrer zu Oxford, daß feine Schüler fi) die Benennung Campianer 
beilegten. Damals hatte er indeß keineswegs eine entſchiedene Fatholifche Richt: 
ung und nahm fogar das Diakonat aus den Händen eines anglifanifchen Bifchofs 
an. Diefer Schrist bringt jedoch eine religiöfe Reaction in ihm hervor; a 
flüchtet nach Irland, fchreibt deſſen Gefchichte, muß aber auch von da flüchten, 
weil er der englifhen Regierung verdächtig wird und gelangt endlich nad 
Dovay. Im Jahre 1573 tritt er in das Roviziat der Serlifchaft Jeſu in Rom 
und wird hierauf nach Wien und Prag gefandt. Parfons, 1546 geboren, gra- 
duirte in Orford unter Camptan, fah no dabet aber genöthigt, den Eid a 
legen, worin die geiftliche Obergewalt der Königin anerkannt wurde. Diefer Eid 
beichwerte fein Gewiſſen und da feine religtöfe Richtung immer entfchiedener ſich 
fundgab, mußte er von Oxford, wo er die Rhetorik lehrte, ficy entfernen. In 
Sabre 1575 trat er in die Geſellſchaft Jeſu u. fünf Jahre fpäter, im April 1580, 
reiste er mit Campian ab ald Superior der Miſſton. Zugleich erließ Gregor XII 
auf den Wunfch Mercurian’d einen Kommentar zur Bulle feined Vorgängers, worin 
den englifhen Katholiken aufgegeben ward, Eliſabeth ald Monarchin anzuerken⸗ 
nen und ihr zu gehorchen „infoweit der Gehorfam dem weltlichen Regenten ge 
bühre.” Mercurian feinerfeitd rieth den Mifftonären, „fi von Allem, was nur 
irgend auf Bolitif Bug babe, nicht allein entfernt zu halten, fondern ſelbſt Sol⸗ 
chen, die mit ihnen darüber zu reden wünfchten, fein Gehör zu geben.“ Barfond 
und Campian waren genau beobachtet und ihre Plane der engliichen Regierung, 
deren Spione fogar in das Collegium zu Rheimd und Rom einzufchleichen ges 
wußt hatten, wohl befannt. MWarlons täwfckte inde unter der Verkleidung eines 
Marineoffizters vie Behörden zu Dover und Kamylon alumnie wurd (eine Bor 
forge gleichfalls ungefährver nad Rom, Wer \guen wor verdih din Tyinlie ns 


felbR und zwar als Befangener im Tower, Thomas Pont war ein ehemaliger 
reicher und vornehmer Hofmann, der, nachdem er die wetterwendiſche Gunſt der 
Köntgin durch irgend eine Bagatelle verfcherzt hatte, ſich der Katholiken aufs 
MWärmfte annahm und mit Rath und That für fle wirkte, was ihn enblich in 
den Tower führte. Als Gefangener ließ er nun Mercurian um Aufnahme in 
die Geſellſchaft Jeſu bitten, welches Erfuchen der General, nad) längerer Friſt, 
ausnahmsweiſe bewilligt. Das Kreuz, das er auf ſich genommen, follte er nun 
auch in aller feiner Schwere fühlen. Die fchredlichften Martern, wie die Schande, 
in Ketten durch Londons Strafien, dem Hohn des rohen Pobeld ausgefeht, ges 
führt zu werben, erduldete er gelafien, würdig des Ordens, dem er angehörte. 
Dreibig Jahre lebte er noch als Gefangener. Die Nachricht von der Ankun 
ver 3. in London, bie fidy fchnell verbreitete, gab den Katholiken neuen Muth, 
während die Regierung dafür forgte, unter den Hochkirchlichen den ohnehin 
rimmigen Jeſuitenhaß noch zu fleigern, Indem die Miſſionaͤre hochverräthertfcher 
—* ‚ja jogar gegen das Leben der Königin, bezüchtigt wurden. Natürlich 
bot man zugleich alle Mittel auf, ſelbſt den Katholifen und dem Klerus die J. 
verdächtig zu machen. Parſons und Campian fchlugen indeß alle dieſe Umtriebe 
nieder, indem fie den Londoner Klerus verfammelten und demfelben das Verbot 
ihres Generals in Betreff jeder politiſchen Thätigkeit vorlegten; in berfelben Ver⸗ 
fammlung ward auch beichlofien, die Katholifen von nun an vom anglifanifchen 
Gottesdienſte ferne zu halten; das betreffende Gebot des Trienter Concils war, 
aus Furcht und in Folge der Gewalt, bisher in England nicht firenge gehand⸗ 
habt worden. Die Regierung erließ ihrerfeits ein verfchärftes Edikt gegen J., 
Prieſter und deren Beherberger. So verfuhr die britifche Gerechtigkeit, während 
doch gerade die 3. den Papft vermocht hatten, die britifchen Unterthanen wieder 
zum eborfam gegen die Souveräntn zu verbinden. *) Der Berferferwuth ber 
Öniglichen Jungfrau fällt zur felben Zeit ein Jeſuit ale Opfer, nämlich Donell, 
ein Ständer, den Mercurian an feine bedrängten Landsleute abgefandt hatte, 
Man macht ihm nach feiner Befangennehmung die glänzendften Berfprechungen, 
wenn er die Königin als Firchliches Oberhaupt anerkennen wolle und, da er ſich 
deſſen weigert, verurtheilt man ihn lediglich au8 dem Grunde zum Tode, weil 
er, trotz des Eöniglichen Verbotes, beharrlich fich zur Fatholifchen Religion befennt. 
In Cork zum Strange verurtheilt, hat er noch nicht den legten Seufjer audges 
haucht, al8 man ihm das Herz aus dem Leibe reißt u. es verbrennt! Ihres Ge⸗ 
noffen ſchreckliches Schickſal flößt jedoch den Milfionären fo wenig Furcht ein, 
daß ihr rer, Parfons, bereitö vierzehn Tage nachher den General um Rad» 
fendung von fünf Prieſtern Jeſu bittet: „da wir,“ fo lauten feine Worte, „bier 
fo viel zu thun haben, daß wir des Nachts kaum zwei Stunden der Ruhe pfle⸗ 
en können.” Das neue koͤnigliche Edikt veranlaßte die beiden Väter, eine Er⸗ 
lärung zu veröffentlichen, deren Verfaſſer Campian war, worin fie die ihnen 
aufgebürdeten Anfchuldigungen der bodhverrätherifchen Umtriebe, der Aufreizum 
zur Empörung u. f. w. widerlegten. Die Erklärung machte ſolches Aufſehen, da 
Campian von allen Seiten der Wunſch geoffenbart wurde, er möge nun auch 
eine Schrift über die ftrittigen religiöfen Tragen veröffentlichen. Diefelbe erfchien 
unter dem Titel: „Die zehn Urfachen” im April 1581. Giner der beften Schri 
ſteller der Zeit nennt fie ein „goldenes, wahrhaft von der Hand Gottes gefchries 
bened Buch” (Libellus aureus, vere digitis Dei scriptus) und Camden, ver 
Sißoriograpd und Schmeichler der Elifaberh, nennt fie eine „anziehende, doch 
weibifche Arbeit.” Was Camden nämlidy mit „weibiſch“ bezeichnet, tft eine 
milde Zartheit und Delikateffe, die wohl die Wahrheit ſegen, jedoch, ßerzu dem 
Geiſte der wahren chriſtlichen Liebe, nicht verletzen will. Die Schrift brachte, 
namentlich in Orford, den bedeutungsvollſten Eindruck hervor. Was Wunder, 





*) BGochlirchliche Stimmen erkennen diefes fogar an. Kamen Kanzler ragıı Tlinthelmee 
anno 1680, Hollingseats anno 1584. 


1094 Jeſniten. 


daß der Haß der Regierung gegen ben Verfaſſer noch heftiger entbrannte und 
daß noch gefchärftere Befchle zu deſſen Habhaftwerdung ergingen. Go gelang 
es, einen feiner Genoſſen, Briant, einen jungen Priefter, zu fangen. Man läßt 
ihn die Qualen des Hungers und Turfted erpulden, man bohrt Ihm Nadeln un 
ter die Nägel: doch Nicht bewegt ihn, den Aufenthaltsort von Barfons u. Cams 
plan zu verrathen. Trotz dieſes auforfernden Helvdenmuthes des jungen 3. fäht 
indeffen Camptan doch in die Gewalt feiner Feinde und zwar durch die Lift eines 
verruchten Apoftaten, der feine Dienfte ald Priefterfänger der Regierung verkauft 
hatte. Am 16. Zult 1581 gelingt e8 ihm, ver Fofibaren Beute nebſt nody zwei 
anderen SBrieftern auf dem Schlofie einer katholiſchen Familie in der Grafſchaft 
Rorfolk habhaft zu werben. Eliſabeth freute fi} der Habhaftwerbung eines 
Mannes, ven fie ald ihren perfönlichen Feind betrachtete u. ließ ihn im Triumphe, 
auf hohem Pferde gefeflelt, auf dem Hut die Infchrift tragend: „Edmund Cams 
pian, aufrübrerifcher Jeſuite“, durch Londons Straßen führen, um dem flan- 
dalfüchtigen Troffe, der nocdy dazu gelehrt worden, in dem J. den Landesſs⸗ umd 
Bodnerräiber zu erbliden, ein Schaufpiel zu geben. Wohl verdient es aber ver 

rwähnung, daß der im Bolfe ſchlummernde und felbft in Momenten ver ärgfen 
Rohheit durch irgend einen Umftand oft leicht zu weckende Takt ſich bei dieſer 
Gelegenheit offenbarte, indem vie allgemeine Wuth fidy plöglich von dem für 
feine Verfolger betenden und die ihn verhöhnende Vollsmaſſe fegnenvden 3. auf 
diffen Judas wandte, al& verfelbe ſich zeigte, um feines Triumphes zu genießen. 
Am neunten Tage feiner Gefangenſchaft In einem engen, unterirdifchen Kater 
des Tower wird Campian im Hotel des Grafen Leicefter der Königin ſelbſt vor 
eftellt, die nicht erröthet, gleich einem Proconful des Diocletian, dem J. Leben, 
Ereipeit und Ehre zum Preiſe feiner Apoflafle anzubieten. Bereit erwartet ihn 
jedoch die Folterbant, die ihn in wenigen Tagen zweimal aufnahm, obne daß 
eine Klage, geichweige denn eined der geforderten Geftänpniffe in Betreff feine 
Greunde, der Namen der von ihm Betehrten u. f. w. über feine Lippen gekom⸗ 
men wären. Es folterten audy die Helden; was aber die Heiden nicht thaten, 
ift, daß die Minifter betheuerten, Campian fet nicht gefoltert worden , worauf et 
in bie Kirche des Tower geführt ward, um ſich daſelbſt von den anglikaniſchen 
Geiſtlichen des Irrthums überführen zu laſſen! Wohlweislich war es eingerich⸗ 
tet, daß der erſchöpfte Jeſuit nicht angreifen, ſondern fich gegen bie wider ihn 
gerichteten Ausfälle vertheidigen durfte! Robert Cherwin, der am lesten in Eng 
land eingetroffene und am erften gefangen genommene Mifftonär, follte ihn un 
terftügen. Als aber Campian auf der Tribüne erfchten, fprach er fein Wort, 
fondern zeigte nur feine zerfleifchten Glieder vor. Huf dieſe beredte flumme Au 
lage rief der Gouverneur ded Tower: „Man hat eudy kaum berührt.” — „I 
kann davon eher reden, als Ihr, erwiederte Campian gelaffen, denn Ihr habt «6 
blos befohlen.” Nun begann die Diskuſſton, in der, troß der phuflfchen Ermar⸗ 
tung ihrer ®egner, die anglikaniſchen Geiſtlichen den Kürzern zogen und bereitd 
nach der erften Conferenz den Kampf aufgaben. Nun griff man zu einem an 
dern Mittel; man behauptete nämlih, Campian habe auf der Folter Alles ges 
ftanden, was man zu wiſſen verlangte. Diele Berläumdung wird indeß von ven 
glaubwürbigften Zeitgenoffen widerlegt.*) Gin aufgefangener Brief an SBont, 
worin er erklärte, er würde ſich durch Feine Holterqual ein Wort zum Schaden 
der Kirche Gottes entreißen laffen, muß beweifen, daß Kampian in eine Ber 
fhwörung verwidelt geweſen fe. Zur felben Zeit fchrieb Allen aus Rheims: 
„Wir Alte, die wir bier find, beklagen die ®efangennehmung des Vaters Er 
mund; für die Verbreitung der katholiſchen Einheit jedoch hätte in Wahrheit, 
nad) dem Urtheile Aller, Fein glüdlicheres und bewundernswertheres Greigniß 
eintreten Tonnen, Man hat die gelehrteften Profefioren berbeigeholt (Cam⸗ 


*) Der oben citirte Camden fagt: Eaquuleo admatın ei yanan nA Auayılanlım yramalas, 
exspectationem concitatam aegre zurlnuN, 


Jeſuiten. 1095 


pian hatte noch eine zweite Conferenz mit anderen Geiſtlichen zu beſtehen, 
wo jedoch feine Art der VBeweisführung einen foldhen Einprud auf Arun⸗ 
del, den Sohn des Herzogd von —** ,‚ machte, daß derſelbe alſobald 
fi zum Katholiken erklärte), um mit ihm und feinen Gefährten zu ſtrei⸗ 
ten; er blieb aber fletd Sieger, was feine ®egner felbft eingeftchen müſſen.“ 
Am 14. November wurden endlich Campian und feine Mitbefchuldigten vor ein 
ordentliched Gericht geftellt und am 20. November erfolgte das Uriheil. Ders 
eblich bewied Campian in feiner Vertheidigung mit Elaren Worten, daß die 
Ingepunfte über die Nechtskräftigfeit ver Bulle Pius V., über die Legitimität 
der Königin, über die Verpflichtung der Tatholifchen Engländer, ihr zu gehors 
chen u. f. w. weder die Sache der Angeklagten berührten, noch überhaupt vor ein 
Gericht, dad nur über Thatfacdhen, nicht über Gewiffenafragen abzuurtheilen habe, 
ehörten; vergebens beftand er darauf, daß, wenn fie durchaus Hochverräther 
Inn follten, man doch wenigftend erklären möge, fie ſeien, weil Fatholifche 
Briefter, des Hochverrathes ſchuldig — die Gefchworenen fprachen mit threm 
„Schuldig“ das Todesurtheil aus. Da erhoben fi die Märtyrer und dankten 
freudig Gott! Der 1. Dezember 15831 iſt der Todestag von Campian, Sherwin 
und Briant. In der befchimpfendflen Weife werden fie auf den Richtplag ge- 
fchleppt, doch ihre Haltung iſt die würdigſte; zu Campian tritt ein :Präpitant 
mit der Anrede: denkt daran, gut zu fterben! worauf der 3. erwieberte: „Und 
Ihr befirebt Euch, fo zu leben.” Ste ftarten, für die Königin betend und ıhre 
Unſchuld betheuernd. Auf befondere Yürbitte mehrer der Umſtehenden wurde 
den Märiyrern, erſt nachdem das Leben entflohen war, das Herz aus dım Leibe 
gerifien, was die barbartiche Prozedur jener Zeit bei der Hinrichtung von Hoch⸗ 
verräthern vorfchrieb. Mendoza, der ſpaniſche Befandte, fchrieb nad) der Eres 
fution an feine Schwefer: „Da ich als Gefandter hier bin, geziemt es mir 
nicht, das die Märtyrer Betreffende zu erzählen. Du wirft es aus einem Briefe 
von Serrano erfahren. Ich bitte dich, diefe Depefche zu copiren und in meinem 
Namen an die Värer der Geſellſchaft Jeſu zu fennen, damit fie in allen ihren 
Häufern befannt werde; füge hinzu, daß ich, wie alle hier Anmwefenven, bezeugen 
fonn, die Art und Weife, wie Pater Campian litt, reihe thn unter die Anzahl 
der glorreichen Märtyrer der Kirche Gottes; fein Orden kann ihn als ſolchen 
betrachten.” Parſons, der eben fo Kiuge, als Unerſchrockene (denn j.ne ſchreck⸗ 
liche Mordſcene hätt ihn nicht ab, in England zu bletben) fchrieb aus London 
an den Rektor des englifchen Colleglums in Rom: „Zaft durchgängig bewetfen 
und die gemäßigten Proteſtanten günftige Geſinnungen; fie geftchen, daß un'ere 
Sache durch den gewiffermaßen als ungerecht anerkannten Tod dieſer drei Prieſter, 
o wie durch unfer feſtes Benehmen gegen unfere Gegner und deren Scheu vor 
jeder ehrlichen Polemik, fehr gewonnen hat, Das Yute, was hieraus entftanden 
ik, Tann nur die eigene Anſchauung befunden und läßt ſich nicht beichreiben, 
Man zählt vier Saufenb zur Kirche zurüdgefehrte Perſonen und zahlloje dos 
teftanten beginnen, an ihrer Religion Irre zu werden. — Niemals waren In Lon⸗ 
don die Meſſen zahlreicher; man liedt deren gewiſſermaßen in jedem Hausgange 
und flüchtet bei dem Herannahen der Gerichtspiener nur, um in einem andern 
Haufe das heiligfte Opfer zu vollenden. Daſſelbe wird fogar in den Gefängs 
nifien dargebradht ; die Gewalthaber wiffen, was auch faft unter ihren Augen vorgeht, 
Tonnen es aber nicht hindern. Schriften über ven Tod der drei Märtyrer raudyen von 
allen Seiten auf: man erhebt diefe bis zu den Wolfen, während ihre Richter in den Koth 
ezerrt werden. Der Hüter Campian's im Tower iſt aus einem ſtarren Galviniften ein 
I: eifriger Katholif geworden. Der Großadmiral Howard antwortete auf Ber 
agen der Königin vor dem verfammelten Hofe nady feiner Rückkehr von Ty⸗ 
burn, daß er drei Papiſten habe hinrichten fehen. „Und was denkt ihr davon?“ 
ſprach die Königin — „Sie fchlenen mir fehr gelehrt, vol Muck um 
unſchuldig; fie beteten zu Gott für Ew. Majekit, verdchen Wen um VER 
sen bei ihrer ewigen Seligfelt, daß fie niemal® daran gxaadyt \iien, En." 


1086 Jeſuiten. 


jeftät oder dem Lande Uebels zuzufügen.“ — Die Königin ſchien erſtaunt: — : 
„Iſt e8 wahr?“ ſprach fie und fügte alſobald hinzu: „Wie dem übrigens and 
feyn mag, fo geht das mich Nichte an; es iſt die Sorge derer, die fie ver 
theilen.” — Trotz der härteflen Maßregeln, trog exemplariſcher Strafen, wie 
u. U. dem Dichter Walfingham, ver Campian befang, die Ohren abgeſchnitten, 
die Lords Paget, Cateoby, Southampton und Arundel ind Gefängniß geworfen, 
viele junge Leute von den Univerfitäten vertrieben und verbannt wurben, ließ ſich 
der katholiſche Enthuſiasmus, deſſen fruchtbaifter Saame vergofieneds Märtyrer 
blut if, nicht fchreden und zügeln. Man bot Alles auf, um Parſons zu R 
diefer aber entging allen Radforfchungen; unermüdlich für die Kirche thaͤrig, 
wendet er ſich nad Spanien, um dort Hülfe, namentlich für die fchottifchen 
Katholiken zu fucdyen, bei welchen bereit die Väter William Walſh, Edmund 
Hay, Eritton, Gordon und Jean Duray tbätig waren und gründete hierauf 
mit dem Herzog von Guiſe zu Eu ein katholiſches Collegium. Wenn auch die 
beſtaͤndigen Nachforſchungen ihren Hauptzwed nicht erreichten, fo führten fie doch 
zur Habhaftwerdung anderer Opfer. Am 30. Mat 1592 endeten Thomas Cot⸗ 
tam und drei andere Vriefter ihr Leben unter Henkershand. Wie bie ihnen 
vorausgegangenen Märtyrer waren auch dieſe gefoltert und der „Zochter von 
Scavinger” überliefert worden. Dieſes Yolterinftrument verdient eine nähere 
Beichreibung. Scavinger hieß der verbienftvolle phantaftereiche Erfinder deſſel⸗ 
ben, darum trägt ed defien Namen. Es beftand aus eifernen, an dem einen 
Ende vermittelt eines Echarniers verbundenen Reifen. Die beiden anderen Enden 
waren vermittelt eined beweglichen Ringes verbunden und konnten gleichfalls ge 
fhloffen werden. Der Delinquent mußte auf den Scharnter niederfnieen, worauf 
der Folternde ihn fo fe und enge zufammendrüdte, ald nur möglidy war und 
fodann plöglicdy den Ring und fomit die Reifen fchloß. Natürlidy ward der Ge 
foiterte alfubald zu einem unförmlichen Kleifchklumpen, dem aus Mund, Rafe und 
allen Poren das Blut hervorſchoß. Der „Tochter Scavinger's“ wird von ben 
Lobhudlern der jungfäulicden Königin nicht erwähnt und doch gehörte felbe zu 
ihren Lieblingsunterhaltungen. Thomas Cottam hatte diefe Schredensfolter, welche 
man nur an den verhärteteften Verbrechern u. — den 3. anwandte, zweimal er: 
tragen und ward mit feinen Genoffen auf einem räderlofen Karren zum Richt⸗ 
platz gefchleift, wo fie farben, thre Unſchuld betheuernd. Die Grafen von Arundel 
und Northumberland enden im Kerker als muthige Bekenner; zu Cork werben 
im Jahre 1583 die J. Lach, Kirkman, Thompfon, Hart, Tyrlke und Labour 
hingerichtet. Da fich aber herausftellt, daß die J.brut gar nicht zu vertilgen if 
und für einen Hingerichteten fofort zehn Andere freudig fi) dem Tode weihen, 
ſchlaͤgt Elifabeth vom Jahre 1584 an ein verändertes Verfahren ein. Während 
der Minifter Cecil mit der Hülfe Candre's die „Justitia Britanica,‘ eine recht⸗ 
ertigende Staatsfchrift, worin behauptet wird, daß die bisher Hingerichteten 
le des Hochverrathes überwiefen gemefen felen, in Iateinifcher und englifcher 
Sprache veröffentlicht, erfcheint ein neues Dekret, welches alle Prieſter innerhalb 
40 Tagen aus dem Reiche verbannt und jegliche Unterflübung (mit Geld ober 
in anderer Weife) der im Ausland fludirenden Engländer aufs Schärffte unter: 
fagt. Hinzugefügt war, daß die Briefter, welche innerhalb der 40 Tage den 
Suprematteerd leiften würden, von ver Verbannung ausgenommen feien. ‘Bar: 
fonds und Allen beantworteten jene Staatsfchrift mit foldyem Erfolge, daß Leice⸗ 
fier und Cecil mit einander zerfielen und ſich gegenfeltig die große Blutſchuld 
zuzuwälzen verfuchten; was aber auch fonft von der „britiſchen Gerechtigkeit“ 
zu halten ſei, geſteht Candre felbft: „Man nahm zum Betrug feine Zuflucht, um 
die Gemüther auszuhordhen. Dan verfertigte unter anderen Briefe, die man, ald 
von der Königin von Schottland und den flüchtigen Katholiken herrührend aus⸗ 
gab; diefe Briefe wurven in die Häufer der Bapiften geworfen, um ſte fodann 
als Beweismittel gegen Jene aulfinden u Kan. Ein Heer von Kundfchaftern 
drängte fidy überall ein, fühndete auf \ened Wort un, wer wur rag Yon Mic 


Jeſuiten. 1097 


deſte auszufagen wußte, wurde als Zeuge zugelafien. — Wan hatte eine fo 
geiährlihe Weiſe zu verhören, daß neben der Unfchuld noch eine —ã 

lugheit dazu gehörte, um in den Schlingen nicht gefangen zu werden.” Wenn 
Gandre, der Hiftoriograph, der Bewunderer der Königin, ſich zu feldyen Geſtaͤnd⸗ 
niſſen veranlaßt fieht, mag man urtheilen, ob er übertrieb, oder vielmehr bie 
wirklichen Zuftände in viel milderen Farben darftellte *) — Zur felben Zeit 
Samen die Bäter Weftoce und Heinrich Garnet nad) England, verlangt von 
Parſens und auf die Verwendung Alen’s; der Provinzial von Frankreich, Mats 
thieu, war übrigens fchon feft entfchlofien gewefen, keine neuen Opfer mehr über 
den Kanal zu enden. **) Der wahre Fatholifche Geiſt aber, die in de Opfern 
felbft und in ihren Oberen lebte, hatte über jene, übrigens fo menfchliche, Bedenk⸗ 
lichkeit gefiegt. Voll jenes erhabenen Geiſtes fchrieb Allen u. a.: „In diefen 
Jahren haben wir, ich läugne es nicht, dreißig hingerichtete Priefter verloren; 
aber im Grunde genommen tft das fein Verluft, denn mehr als bunderttaufend, Seelen 
haben wir dafür gewonnen.“ In Folge des oben erwähnten neuen Dekrets der 
Königin wurden fofort mehre Schiffsiadungen vell Priefter und Sefuiten nady 
Srankreih aus dem Tower abgeführt, trotzdem biefelben ge en diefe Berbannung 
ohne Urtheil und Recht proteftirten und erklärten, auf britifchem, Ihrem vater⸗ 
ländifchen, Boden lieber ſterben zu wollen, wenn es ſeyn müſſe. Wohlverſtanden: 
dieſelben wurden als überführte Hochverräther, fo hieß es im Erlaſſe, den man 
Anfangs ihnen fogar nicht einmal mittheilen wollte, durch befondere Gnade der 
Königin verbannt! Daß Bamden nur mit allzugroßem Rechte behauptet, man 
habe gegen die Katholiken felbft den Betrug zu Hülfe genommen und die ges 
treuen Käthe der Königin, Walfingham und Becit, fchon dafür forgten, deren 
plöglich eingetretene milde Stimmung nicht in beunrubigender Weiſe Play greifen 
zu lafien, beweist die Geſchichte Willtam Parra's. Diefer, früher ein königlicher 
Beamter, ward auf den Kontinent gefandt; in Lyon mußte er fi, buch die 
Bermittelung eined J. (er wählte den Pater Ereigten) mit der Kirche vers 
fhnen; ja, um feine bisherigen Irrthümer wiener gut zu machen, Io er⸗ 
flärt er dem J., will er nad) England zurüdfehren, um die Königin 
zu ermorden. Der Bater aber beweist ihm aus ver heiligen Schrift das 
Berbrecherifche diefer Abſicht. Natürlich war diefe Antwort für Parr eine unbe 
[eiebigenbe; er wendet fich nach Benebig, an ven Pater Balmio; auch vieler weist 
hn zurüd. In Paris flieht er Allen und den Pater Mayted. Auch dieſer vers 
dammt das angeblich beabfichtigte Verbrechen. Run ändert PBarr feinen Plan. 
Gr ſtellt fi) dem Nuntius vor und übergibt ihm eine Bittfchrift an den Papſt, 
worin er denfelben um feinen Segen und um vollfommenen Ablaß bittet. Hierauf 
fehrt er nad) London zurüd und erklärt der Königin, der er von Cecil tr huiye 
irend vorgeftellt wird, daß die J., der Papſt und die Anhänger der Maria 
Stuart ihn zu ihrer Ermordung aufgefordert hätten. Beweis hiefür I daß der 
hl. Stuhl ihm fofort die Abfolution für feine vergangenen und zukün m Eüns 
den zufenden werde. Nach Hollingshead und Camden war jedoch Eliſabeth zu 
dharffichtig, um in ſolche plumpe Kalle zu gehen und der inzwifchen eingetroffene 

blaßbrief verfchafite fogar Parr keine größere Glaubwürdigkeit. Diefer Renid 
nahm ein Ende, das als cine gerechte Strafe des Himmeld zu betrachten iſt. 
Am Hofe die erwartete Belohnung keineswegs findend, führte ihn bereitö nach 


*) Man vergl. Ranke: Die römifchen Päpfte, ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. 
Jahrhundert, Band I, ©. 161, wo die Anzahl der Martyrer unter der Regierung der 
Eliſabeth auf ungefähr 200 geſchaͤtzt wird. 

”) Es if erwiefen, daß Cecil alle Mittel aufbot, um im englifchen Gollegium in Rom felbft 
eine Partei zu bilden, welche die Zurückberufung ber Jeſuiten aus England vom Bapfte vers 
langen und fi der weiteren Hinüberfendungen berfelben widerſetzen ſollte. Gine von 
Sirtus niedergefeßte Commifiton zur Unterfuchung der Anfftellungen vieler Bart 
bald den Urfprunge jener Umtriebe auf die Spur, Die van ven wrllingen Uniiir 
Mißleiteten wurden aus dem Bollegium entlafien. 


1008 Sefuiten, 


einem Sabre Elend und Verzweifelung auf den en Gedanken, das Ber 
brechen, deſſen er die Sefulten in arger Abficht faule: hatte, jest wirklich 
auszuführen; er ward jedoch verrathen und gab vor feiner Hinrichtung de 
Wahrheit die Ehre, einzugefleben, daß er die J. und englifche Priefter verläumbe 
hatte.*) Im Jahre 1586 begannen wieder blutige erleigungen der 3., in Folge 
des Eomplottes Babington’8 zu Gunſten ver unglüdlichen Maria Stuart. Der 
Jeſuite Wefton, den man der Theilnabme an der Berfhwörung beſchuldigte, 
obgleich Babington und feine Genoſſen diefe Theilnahme behartlich läugneten, 
als erſtes Opfer. Nach der Hinrichtung der Maria Stuart trat das frühere 
Eyſtem gegen die Katholiken wieder volfommen in Kraft. Im Sabre 1591 
erließ die Königin ein neues Dekret, dad an Schärfe und Bitterfeit die früheren 
übertraf und worin fie erflärte „daß fie wohl wife, wie die J.⸗Collegien die 
Nefter und Schlupfwinkel der Rebellen fein." Im Schloffe Wisbif ſaßen viele 
derfelben gefangen, die man alle für Spione Philipps von Epanien erftärte und 
in allen Leiden einer graufamen Haft untergehen lief. Nach dem Tode ver 
Maria fchien es, als wolle ihr Sohn Jakob von Schottland zu einem Brude 
mit England ſich entfchließen, weil er den J. den Eintritt In feine Etaaten ge 
ftattete. Critton Tam nady Edinburgh zunüd, mit ihm Duray, Abercombry, 
Ogilbay; Eliſabeth jedoch, die über den ſchwachen Jakob den entſchiedenſten 
Einfluß ausübte, wußte ihn bald wieder mit folder Angft vor Berfchwörungen 
und Berrächereien zu erfüllen, oder eher, ihm fo viel Furcht vor der möchtigen 
Nachbarin einzuflögen, daß er oftenfibler Weife die 3. wierer verbannte, im 
heimen aber Gordon, Ogilbay und Abercombriy wiſſen ließ, daß ihnen die Aus 
weifungsfentenz nicht gelten folle, ja, den Legtgenannten, mit dem ver Fönigliche 
theologtiche Dilettant gerne polemiflrte, verbarg er felbft in feinem Palafte Hol 
In als Falkenier, wo verfelbe die Gemahlin des Könige, eine norwegiſche 
rinzeffin, zum katholiſchen Glauben bekehrte. Im Jahre 1993 fandte Jakob 
fogar Gordon nah Rom, um mit dem hl. Stuhle Unterhandlungen wegen der 
Ruͤcklehr Schottlands zur Kirche anzulnüpfen; Eitfabeth jedoch, die ihren Thron 
erben nicht aus den Augen verliert, weiß abermald ven armen Jakob, der fein 
entbiösted Echwert fehen konnte, an feiner fchwachen Seite zu faffen und fein 
Gemürh mit Schredbildern von fpanifch-katholifchen Eomplotten der Art zu er 
füßen, daß er felbft um ein englifches Hülfsheer wider die aufgeftandenen katho⸗ 
liſchen Schotten bittet. Diefes Heer wird zwar gefchlagen; Gordon, der die fieg- 
reichen Papiſten fanatifirt haben fol, aber audy verbannt. Die fchottifchen Ku: 
tholifen Fonnten der Tyrannet doch noch widerfiehen, die unglüdlichen J. da 
gegen waren von Heinrich, wie von Elifabeth, fo unerhört verfolgt und unterprüdt 
worden, daß ihr eljenfefter Glaube fie zu Märtyrern machte. Bereits hatte ber 
Jeſuite Donell mit feinem Blute den Boden Erin’8 geröchet: jetzt ſollte dieſeb 
und fo vieler anderen Märtyrer Blut Frucht treiben; no einmal erhoben fid 
im Sabre 1595, bis zum Neufferften getrieben, die irtfchen Katholifen mit — 
neter Hand. In den Provinzen Gonnaught und Uiſter ſiegreich, verlangen fie 
alfobald J., deren etwa 20 fofort unter unzähligen ®efahren herbeieilen. Unter 
denfelben befindet fi) auch der Bruder Coadjutor O'Calan, ein früherer tapferer 
Krieger, der fein Leben fpäter der Geſellſchaft Jeſu Ehrifti geweiht und um bie 
Sendung in jein leivended Baterland gebeten hutte. Mit den fpanifchen Hülfs: 
truppen in feiner @itadelle von den Engländern eingefchloflen, verfügte er ſich als 
Unterhändler in deren Lager, die, dem von Barbaren jelbft gehelligten Voͤlker⸗ 
rechte zum Trotz, ihn zuruͤckbehalten und nach Cork bringen. Dort wird er ge 


*) Den gewiß unverbächtigen Zengen Camden und Hollingsheab wiberfpricht ber Jauſeniſt 
Coudrette, der in feiner „Histoire generale de la naissance et des progres de la com- 
pagnie de Jesus,“ (vol.1. p. 314) gerateru erzählt, Barr habe vor feiner Hinrichtung eins 
geftanden, durch die Jeſniten in Venenig, Tnon ut Bars in Keinen vultreäerichen DBors 
haben beſtaͤrkt und dazu mit ven KHeilamitteln ver Kriar amaarritit metuen u Nena. 


Jeſuiten. 1099 


foltert und hierauf (Oft. 1602) in feinem 35. Jahre hingerichtet, nachdem er 
vorher feine Eingeweide in den blutigen Händen des Penterd hatte erbliden 
möüfien. Bis zu ihrem Tode ſetzte die jungfräuliche Königin dieſe Berfolgungen 
mit unerkörter Grauſamkeit fort; je Alter fie wurde und je näber fie fich dem 
Tode fühlte, deſto mehr Genuß ſchien es ihr zu bereiten, fib in J.⸗Blute zu 
fättigen. Die Bäter Cornelius, Southwell, Walpole, Bosgrave, Lilcock, Barkworth, 
Pages und nody mehre Hunderte farben unter den fürchterlichften Martern. — 
Sriedlichere Ausfichten harten ſich indeß in England eröffnet. Der Sohn der 
Maria Stuart vereinigte die großbritanntfchen Krenen und, entfdhloflener als je, 
näherte er fich jegt den Tatholifchen Mächten. — Schon ehe Jakob I. den engs 
liſchen Thron beftieg, ließ ihn Clemens VIIL wiffen: er bete für ihn als den 
Sohn einer tugenphaften Mutter; er wünfche ihm alles weltliche und geiftliche 
Heil; er hoffe noch ſelbſt ihn Fatbolifch zu fehen. In Rom begina man biefe 
Thronbefteigung mit feterlichen Gebeten und Prozeſſionen. — Eine Annäherung, 
der Jakob auf eine entfpredyende Weiſe zu erwiedern nicht hätte wagen dürfen, 
wenn er auch dazu geneigt geweſen wäre. Aber er geftattete doch, daß fein Ges 
fandter Parıy in Paris mit dem dortigen Nuntius Bubalid in vertrauliches 
VBernehmen trat. Der Runtius fam mit einem Schreiben ded Cardinal⸗Repoten 
Aldobrandino hervor, worin diefer die englifchen Katholifen ermahnte, dem König 
Jakob, als ihrem König u. natürlichen Herrn, zu gehorchen, ja für ihn zu beten; 
Pariy mit einer Inftruftion Jakobs L worin diefer verſprach, die friepfertigen 
Karholiten ohne ale Beſchwerde leben zu laffen. — In der That fing man an 
in dem noͤrdlichen England wieder Meſſe öffentlich zu halten: vie Puritaner bes 
klagten fh, es feten it Kurzem 50,000 Engländer zum Katholizismus überges 
treten; Jakob fol ihnen die Antwort gegeben haben: „fie möchten ihrerſeits fo viel 
Epanier und Staltener befehren.” Bon dem ſchwachen, von Günftlingen fein 
ganzes Leben lange beherrfchten Jakob war indeß feine Feſtigkeit, nichts Entſchiedenes 
zu erwarten und den Karholifen entſchwand bald der ſchöne Hoffnungsfchimmer, 
auf den die alte troftlofe Nacht wieder folgte. Die früheren ſchweren Geldſtrafen, 
die auf den Nichtbeſuch des anglifantfcdhen Gottesdienſtes gejeßt waren und welche 
Jakob in einem Augenblide großmürhtger Laune aufgehoben hatte, wurden fofort 
wieder aufs ftrengfte eingetrieben; ja, Togar die wenigen Yamilien, welche Eliſa⸗ 
beth nody von diefer Branpfchagung befreit hatte, mußten zu ihrem Ruin den 
ganzen Rüdftand nachzahlen und der König überlich, um fich jene hiedurch vom 
Halfe zu fchaffen, dieſer Summeneintreibung der gierigen Bettelhaftigkeit feiner 
urttanıfchen Landsleute. Jakob behauptete in feinen Erlafien und vor dem 
—— daß er den Katholiken gar keine Verſprechen geleiſtet habe. Die J. 
wurden proſcribirt u. die Geſetze gegen die Katholiken in ihrer ganzen furchtbaren 
Strenge in Anwendung gebracht. Wis ſich der König dabei doch immer auf der 
andern Seite hielt, die alten PBarlamentsaften doch wieder ausgeführt wurden, 
gertethen fte (die Katholifen) in eine deſto erbittertere Aufregung: — in der Buls 
ververihwörung brach fie auf eine furchtbare Welfe los. Ranke geht zu welt, 
wenn er an diefer Stelle andeuten will, daß von den englifchen Katholifen im 
Allgemeinen die Pulververſchwörung ausgegangen ſei: biefeibe war das Projekt 
einiger Verzweifelten oder trregeleitete Schwärmer. Sir Robert Gatesby, aus 
einer der ebeiften Familien abftammend, war diefer Verſchwörung Hauptanftifter. 
Die Religion hatte diefen jungen Mann an ihren Bufen aufgenommen, nachdem 
der Welt Freuden ihn nicht befriedigt, der Ehrgeiz blos einen Stachel in feinem 
Semüthe zurüdgelaflen hatte Er gehörte gleichfalls zu den von den ſchottiſchen 
Rundlöpfen Geplünderten und diefe Beraubung, wie der Anblid der Leiden feiner 
Landsleute und Glaubensgenoſſen, fleigerte feine Energie zu glühender Verzweif⸗ 
lung. Gleiche Roth und gleicher Fanatismus gefelte ihm Thomas Winter, 
Thomas Percy und Sohn Wright gu. Hatten die VBerfchworenen and Union 
auf frievlihem Wege ihrer Sache Recht verichaften wollen, W wuren Ka 
Hi In Rom die englifcyen Diplomaten gewandter und wörgllaet, N Ir SU 


1100 Jeſuiten. 


Friedensabſchluß mit Spanien enthielt ineswego für die engliſchen Katholiken 
günkt e Stipulationen; ja, als es endlich fo weit Fam, daß der neuerwählte Erz 
iichor von Ganterbury, Robert Bancroft, eine Supplif von Katholifen mit den 
Worten erwieberte: „Zur Zeit Eliſabeths waren euere Leiden nur ein Kinderſpiel, 
weil wir damals über die Nachfolge der Königin noch Keine Gewißheit hatten; 
da aber jebt der König, ein Bater mehrer Kinder, fe auf dem Throne figt, 
wollen wir das Ende des letzten Bapiften erleben“: da glaubten ſich die 
Verſchworenen zum Aeuſſerſten berechtigt und beſchloſſen, König, Minifter, 
Parlament, alle Gewalthaber u. Tyrannen der Katholifen mit einem Schläge 
zu vernichten. Ste wollten ausführen, was wenige Jahre vorher zu Antwerpen 
gegen den Herzog von Parma in ähnlicher Weile verfucht worden, nämlih 
den Weftminfterpalaft bei der erften feierlichen Parlamentsfigung mit “Pulver 
in die Luft zu fprengen. Zu Oſtende lebte ein verbannter Katholik, ein tapferer 
Blüdsritter, Ramend Guy Fawkes; diefer wurde von Catesby zur Theilnahme 
an der Verſchwoͤrung sugegogen und am 11. Dezember 1604 begannen bie Ar: 
beiten, nachdem ein an Weftminfter ſtoßendes Haus gemiethet worden, um von 
da aus unter den Palaſt eine Mine zu leiten. — Diefe Mine war mit unge 
heuerer Mübe und Gefahr faft vollendet, als die Derjhimotenen Gelegenheit 
fanden, den Keller unter dem Palaſte zu miethen, wohin fie nun ihre großen 
PBulvervorrähe fchafften. — Das Parlament wurde nicht, wie man Anfangs ge 
hofft, am 7. Februar eröffnet, fondern auf den 3. Dftober vertagt. Während de 
Raft, welche dadurch den Verſchworenen vergönnt wurde, entftanden allerlei Be 
denfen in ihnen und namentlidy Eonnte e8 der Eine und der Andere nicht mit 
feinem Gewiſſen vereinen, daß die Unſchuldigen mit den Schuldigen, bie o⸗ 
liken mit den Proteſtanten in den Kammern gleichem Verderben Preis gegeben 
werden ſollten. Catesby wußte ſie indeß, leider! zu beruhigen durch —*8 
Anwendung einer Antwort, die der J.⸗Provinzial Garnet für einen ganz andern 
Fall gegeben hatte. Karl Percy hatte vom Könige die Erlaubniß erhalten, ein 
Gavaleries Regiment auszubeben und Catesby erwirkte fi) durch den Grafen 
Salisbury, daß Ihm dad Commando über eine Brigade eriheilt wurde. (Einer 
ſeits diente ihm das zum Bormande, fi) ohne Auffehen Pferde, Waffen und 
Munition zu verfchaffen, anderfeits follte es ihm ein Mittel werben, feine, wegen 
der Gerechtigkeit des Unternehmens in Zweifel flehenden, Freunde zu beruhigen. 
Er ftelte nämlich in Gegenwart vieler Perfonen Garnet vor, daß er, in feiner 
Eigenſchaft als Militär, den Befehl erhalten könnte, an Handlungen Theil zu 
nehmen, wobei die Unfchuldigen ein gleiches Loos treffe, wie die Schuldigen, die 
wehrlofen Frauen und Kinder dafielbe Loos ereile, wie die bewaffneten Männer 
und Rebellen; ob er in ſolchem Zalle ohne yerfönliche Schuld den Befehl voll⸗ 
zieben könne? Natürlidy erwiederte der Jeſuite, daß, nach der einftimmigen An- 
ficht der Moraliften, der Gehorfam für ihn eine Pflicht fei, well anders z. 8. 
ein ungerechter Angreifer nie vertrieben werden Fönne, indem in ſolchen Kriegen 
ſtets der Unfchuldige mit dem Schuldigen leide. Gatesby machte von dieſer 
durchaus richtigen Antwort eine unrichtige Anwendung auf fein Vorhaben, be 
ruhigte dadurdy nicht nur feine Benofien, fondern wußte auch noch Andere dafür 
zu gewinnen, namentlich Ghriftoph Wrigth und Robert Winter, Brüder der zwei 
oben genannten Berfchworenen. Garneil's Gorrespondenz mit dem General gibt 
die genauefte Kunde darüber, ob er an der Verſchwörung Antheil genommen, ja 
überhaupt die große Aufregung der Katholiken in Folge des fie aufopfernden 
fpanifhen Friedensſchluffes, worauf fle allein noch ihre Hoffnung geiest hatten, 
gebilligt habe. Unterm 29. Auguft 1604 fprady er darüber feine Beunruhigung 
aus, daß die anwefenden 3. vielleicht nicht hinreichen würden, die Aufregung zu 
dämpfen; das legte Mittel wäre, wenn der Papft den britifchen Katholiken jede 
Auflehnung unterfagte. Mittlerweile traf Catesby Mafregeln, um nady erfolgtem 
Schlage alobald mit den Waren In ver Hand altem m Gunen, warb neue 
Anhänger und ließ in der Srafiait Worms Barten ut Brut wien 


Jeſuiten. 1101 


bringen. Daß er etwas Auflerorbentliches im ilde führe, entging eben fo 
wen g, feinem Fremden, als Feinden, und indem dieſe alle Mittel anwendeten, 
das Geheimniß zu entdeden, fuchten jene durch Vorſtellung der furdhtbaren Fol⸗ 
gen, die ein wnüberlegter Schritt für alle Katholiten haben könne, ihn davon ab» 
engen ohne daß fie übrigens von feinem Borhaben etwas Naͤheres wußten. 
efonderd war ed Garnet, der, nach dem Auftrage des Papfled u. des Ordens⸗ 
generald, die Katholiten von jedem Verſuche zur Störung der öffentlichen Ruhe 
und von der Luft, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, abalten folte u. deshalb 
eined Tages Catesby bei Tifche an die Pflicht der Chriften erinnerte, die Geißel 
der Derfeigung mit Geduld Au tragen und ed dem Himmel zu überlaflen, ein 
baldiged Ende der Leiden ber eizufüßren. Das Haupt der Berfchworenen wurde 
barüber unwillig u. meinte, diefe Lehre von der unbebingten Unterwerfung mache die 
* zu Sklaven; es ſtehe einem Jeden zu, das Unrecht gewaltfam von fi 
abzuhalten. Es folgte darauf eine geheime Unterredung, in welcher, da Barnet 
fi) weigerte, Mitwifler des Planed zu werden und zugleich erfannte,. daß feine 
Autorität nicht mehr binreiche, die Verblendeten und Emporer von dem unheil⸗ 
vollen Vorhaben abzubringen, der Beichluß gefaßt wurbe, durch einen Boten 
bem Papfte die furchtbare Lage der Katholiken zu ſchildern und von ibm Maßs 
regeln für ihr Verhalten zu erbitten. Ungefäumt ſchrieb Garnet an feinen 
Dbern in Rom (24. Juni 1605), bemerkte, daß er ſich auffer Stand fühle, vie 
Bährung zu befhwichtigen, daß Anzeichen einer allgemeinen Schilderhebung, je: 
ar eined Attentates auf den König vorhanden feien und bat, daß feine Et ge 
eit durch ein Breve, unter Androhung ber Kispenkrafen, den SKatholifen unbes 
bingt eine jene Gewalttbätigkeit verbieten möge In einem andern Briefe (vom 
4. Dktober deflelben Jahres) fchrieb Garner an einen Freund, nachdem er nody bie 
entfeglichen Berfolgungen in gebrängter Kürze gefchtlvert: „Dennoch bin ich 
überzeugt, daß ver vermünftigere Theil der Katholifen dieſe Leiden geduldig er- 
tragen wird; ob aber das barbarifche Verfahren untergeordneter Beamten nicht 
Einige zu verzweifelten Schritten hinreiße, dafür kann ich nicht qutfiehen; dafür 
fol des Könige Weisheit Kürfehung thun.“ Am 8. Mai 1605 hatte Barnet 
an Parſons gefhrieben: „Es gibt gegenwärtig fehr wenige Katholiken bier, vie 
nicht —8* wären; es iſt mir zufällig zu Ohren gekommen, daß mehre ſich 
bitter darüber beklagen, daß die J. fie davon abhalten, Gewalt mit Gewalt zu 
vertreiben.” (Catesby war mit den 3. fehr unzufrieden, weil fie das katholiſche 
Volk in einem ihm fehr hinderlichen Sinne bearbeiteten) „Was find nun ihre 
Gedanken? Was bereiten let Ich wag’ nicht, darnach zu forſchen, weil der 
General und die Einmifchung in derlei Angelegenheiten (in politifche Händel) fo 
fireng verboten.” ber daß Pater Gerard den Berfchworenen, nachdem fie 
fi durch einen Ein gegenfeitig verpflichtet, das Geheimniß auf das Strengſte 
u wahren und das an die uöführung ihre® Borhabend zu fegen, bie 
Bett e Communion gereicht und Catesby fpäter dem Pater Oswald Termunb 
(in England den Ramen Greenwell führend), fein nn gebeichtet hatte: 
daraus hauptfächlich fol die Theilnahme der J. an der Bulververfchwörung bes 
wiefen werden. Wir wollen fehen. Winter und Fawkeso, die unter den Gefang e⸗ 
nen fpäter allein ausfagten, daß Gerard ihnen das heiligſte Saframent ertheilt 
babe, betheuerien auch zugleich, daß er nicht Mitwiffer ihres Vorhabens gewefen. 
Der englifche Gefhichtfchreiber Lingard erzählt, daß der Beneraladvofat Cooke 
dieſer Wusfage, die ihm fo fehr in die Dueere kam, mit eigener Hand hinzuges 
fügt habe — Lingard hatte dad Dokument vor Augen — huc usque (bis da- 
mald). Gerard jeibft veröffentlichte kurze Zeit vor feinem Tode unterm 1. Sept. 
1630 folgende Erklärung: „Ich nehme Gott zum Zeugen, daß ich von jener Ver⸗ 
Inwörung eben jo wenig wußte, als das neugeborene Kind; daß ich über pie 
ine, die man baute, nicht das Mindeſte reden hörte und auch keinen Wein 
darüber hatte. Die Berfchworenen wurden in wenn Berrefr NT R% Ir 
verhört; obgleich einige von ihnen auf der Torkor ie Wiriier üb Era tb 


1102 Jeſuiten. 


nannten, ſo ſagte doch keiner aus, daß ich dazu gehört habe. Der Edelmam 


Eberhard Digby, von dem man mit dem größten Anſchein von Wahrſcheinlich⸗ 
fett vermutben Eonnte, daß er mir das Geheimniß mitgerheilt kabe, erklärte vor 
dem Gerichtshofe, daß er mehrmals angegangen worden ſei, mih als Mitwifle 
zu nennen, weſſen er fidy jedoch fletö geweigert habe; ja, eine ſolche Mitcheilung 
mir zu machen, würde er niemals gewagt haben, weil er hätte befürdhten müffen, 
daß ich Alles aufbieten würde, ibn von dem Plane abzubringen. Deshalb ev 
achtete auch Die Mehrzahl der Räthe meine Unſchuld durch fo viele überein 
ſtimmende Ausfagen erwiefen. Auſſerdem ſchrieb ich noch einen Brief, in wel: 
chem ich mid) volftändig redytfertigte und, da es damals vollen Anfchein hatte, 
daß ich in die Gewalt der Richter fallen würbe, erbot ich mich zur Erduldung 
aller nur denkbaren Martern und zur Schande, der Lüge überwiefen a werden, 
wenn fie, nachdem ich mich in ihrer Gewalt befinden werde, irgend einen guͤlti⸗ 


| 
| 


| 


gen Beweis für meine Theilnahme am Gomplott durch Kenntniß deflelben würden | 


ihringen. Unter Elifabeeh war ich bereit über drei Jahre ihr Befangmer 
gewefen; während diefer Zeit verbörten fie mich mehremale und in verfdhiedene 
MWeife, um im Allgemeinen nur zu erfahren, ob ich mich je um politifdye An- 
gelegenheiten gekümmert habe. Ich forderte fie auf, zum Beweiſe deſſen nır 
einen Buchſtaben von meiner Hand beizubringen, ein Wort aus meinem Munde 
anzuführen: es gelang ihnen nıdyt entfernt. Würde ich mich nicht aus viel Rärk: 
eren Gründen von einem fo graufamen Plane, wie die Bulververfchwörung einer 
war, ferngehalten haben? Ich kann der Wahrheit gemäß verfichern, daß ich von 
dem Augenblicke an, wo ich mich meinem gegenwärtigen Berufe ergab, niemalß, 
gelobt fei dafür Gott, irgend Jemanden, felbft meinem hartnädigften Feinde 
nicht, den Tod oder irgend einen Schaden wünſchte: wie werde ich dennoch 
daran gedacht haben, an der plöglicdhen, unvorhergefehenen, fchredlichen Tödtumg 
fo vieler und hoher PVerfonen, denen ich die größe Verehrung zolle, Antheil m 
nehmen. Mein Brief wurde dem Könige von dem Grafen von Rorthampton 
(Heinrid Howard), vorgelegt ; derfelbe fand fidy hiedurch fo fehr befrtenigt, daß 
er alle Berfolgungen gegen mich würde haben einftellen lafien, wenn nicht Ceci 
in feinem eigenen Intereffe ihn noch mehr aufgebracht hätte. Diefer Minifter 
hatte fich nämlich eingebilvet, daß Einige der Berfchworenen ihm insbeſondere 
nah dem eben trachteten; er wußte, daß fie ihrer Mehrzahl nady melne 
Freunde waren und fo heffte er, nach meiner Habhaftwerbung von mir Näheres 
über jene Feinde zu erfahren. Aus diefem einzigen Grunde ruhete er nicht eher, 
als bis er den König zu dem Glauben gebracht hatte, ed fet klar erwieſen, daß 
ich an der Spige der Verſchwörung geftanden. — Dieß ift die reine u. einfache 
Wahrheit; ich wußte Nichts von al ven Worbereitungen zur Anlegung ber 
Mine; ih war u, bin unfchuldig an dieſer Verfchwörung, wie an jeder andern, 
ich beftätige und befchwöre dies bei meiner Seele, ohne die mindefte Ausflucht 
Wenn daher die Wahrheit mit meinen Worten nidyt übereinftimmt; wenn ich nur 
im Entfernteften Kenntniß gehabt von der in Frage flehenden Berfchwörung vor 
ihrer Entvedung: fo muß ich mid vor Gott und den Menfchen des Meineivs 
fhuldig befennen. Ich will vor dem Richterſtuhle Gottes Feine Gnade erlangen, 
wenn Ih in jene Dinge eingeweiht war — und bei meinem hohen Alter if es 
doch fehr wahrſcheinlich, daß ich bald werde vor dieſem Tribunale zu erfcheinen 
haben.” Catesby that den Schritt der Beichte, um hiedurch den läfligen Warnern 
u. Rathern den Mund zu verfchließen; daß die Vorftellung des erfchredten Beichıvaters 
ihn nicht bewegen würde, war vorauszuſehen; Alles, was er zugefland, war, daß 
Greenwell dad Geheimniß Garnet, doch nur audy wieder unter dem Sirael ber 
Beicht, anvertrauen dürfe. Greenwell hätte dies nicht thun follen: mit diefem Lann 
beſiegelte er das Todesurtheil des ſanften Garnet, der von dieſer Stunde ſich reſignitt 
in das unvermeidliche Schickſal ergab. — Garnet behauptete aber ſpäter in ben 
Verhoͤren, von der Verſchworung Kits gemugt au ahen. Bun wert: fallte er, 


ber Fatholifche PBriefter, wit Teinden um Werder Ur tasıallinen Sinuivar, 


Jeſuiten. 1103 


die aus der Kirche kaum den Begriff von der heiligen Unverleglichkeit des Beicht⸗ 
fiegelö fich herüber gerettet hatten, die mit den Sophismen des Indifferentismus 
dieſe Unverleglichkeit auch in der That ald einen nichtigen Grund verfpotteten: 
follte er mit vielen, mit einem Cooke, hierüber rechten? In jedem Yulle wurde 
er jedoch verurtheilt; wäre audy fein Untergang nicht vorher befchlofien u. durch 
dieſe Angelegenheit nur befördert worden, fo hätte wohl fein Eharatıer ald Prie⸗ 
fer, der ihm den Berrath der Beichte unter Feiner Bedingung erlaubte, ihn nidyt 
dahin gebracht, vor dem Gelege, am wenigften, wenn ed nach calvinifchen 
Brundfägen gehandhabt wird, zu reden. Es war dies eine traurige Folge de 
Eonflicted zwifchen dem weltlichen und geiftlichen Geſetze, der chriftlichen Moral, 
und Garnet, dem nur die Wahl blieb, zwifchen dem leiblichen Tode ald Ver⸗ 
räther und der ewigen Verdammniß als fatramentfcyänderticher Prieſter, mußte 
ihm ald Opfer füllen. Daß er aber vor Gericht erklären mußte, er habe 
von der Berfhwörung feine Kenntnig gehabt, tft offenbar: er durfte fidh nicht 
anders audfprechen. Auf der Folter und, ald die Richter bereitö von der Beicht 
Catesby's unterrichtet waren, erklärte Garnet: „Ich hatte Catesby nicht anges 
eben; die Unverleglichkeit der Geheimniſſe des Beichtſtuhls macht mir dies zur 
lit. Daß Garnet nicht in Itgenb einer Weife von dem Complotte Kunde ges 
geben, iſt gar nicht erwiefen: es iſt nicht unmöglich, daß er an dem Briefe, der 
das Complott verrieth, Antheil gehabt; weshalb er dies nicht fofort gethan (denn 
der Aufferfie Hall, der allein ihn dazu ermächtigte, war freilidy eingetreten), wers 
den wir fogleich erfahren, bevenfen wir nur no, daß ed fehr verzeihlich if, 
wenn er den Wunfch begte, die Verirrten gerettet zu fehen: als dieſe zur Auss 
führung des Complottes fchritten, war eine Anzeige unnüg, wußte er doch, daß 
das Vorbaben endet und die Gefahr von dem Haufe des Könige und der 
übrigen Bebrohten abgewendet war. Was aber dad Verfahren Garnets voll; 
fländig erflärt, tft folgender Umftand: Wenige Monate, ehe er auf dem Wege der 
Beichte von Catesby's Vorhaben Kunde erhielt, hatte er diefen dahin gebracht, 
durch einen befondern Emiffär dem Papfte über die traurigen Verhältniſſe der 
englifhen Katholiten Kunde dringen zu laffen. Run bat und befchwor er Gas 
teöby, nachdem alle anderen Borftellungen an defien Unerfchütterlicyfeit machtlos 
verhalten, die Auaführung feined Vorhabens bis zur Ruͤckkehr des Emiſſaͤrs zu 
verfchieben.. Um fidy den läfigen Warner vom Halfe zu fchaffen, fagte dies Ca⸗ 
teöby zu, worauf Garnet beruhigt an feinen Freund fchrieb: „Bott fei Dank, die 
Sache der Katholiken iſt gerettet; fie werden Nichts unternehmen, bevor bie Ants 
wort von Rom eingelaufen if." — Die neun Haupträdelsführer flarben am 30, 
und 31. Juni am Balgen mit vieler Heftigfeit und im unerfchütterlichen Glauben, 
nur das Befte für die katholiſche Kirche und ihre Blaubensgenofien gewollt zu 
haben, nadydem noch Thomas Winter im Ramen Aller ausprüdlidy die Befell- 
(haft Jeſu und namentlid, feinen Beichtvater Termund von jeder Mitwiffenfchaft 
freigefprodhen Hatte. Bor allen Dingen wollen wir hervorheben, daß die Berhöre 
von vornherein darauf ztelten, den Angeklagten Bekenntniſſe gegen die Geſellſchaft 
Jeſu zu erprefien, um daraus in Rothfalle felbft aus dem Schweigen der An⸗ 
geflagten Beweiſe gegen die Iefuiten zu conſtruiren. So ließ man Bates, den 
man am leichteften glaubte bearbeiten zu können, hoffen, durch offenes Geftänpniß, 
namentlidy über die Thellnahme der Jeſuiten am Gomplotte, fein Leben zu retten. 
Diefer, welchen der tröftliche Hoffnungsfchimmer in feinem düſtern Kerker blen- 
bete, geftand auch Alles, was er wußte, fagte aus, daß Garnet, Termund und 
Gerard die Beichtväter von Dreien der Gefchwornen feien, daß er den Erſtge⸗ 
nannten wenige Tage vor dem 5. November fi) mit Catesby habe unterreden 
fehen, zwifchen beiden Briefe hin und ber beforgt Habe und daß er endlich Ter- 
mund, ald Freund Winter’d, im Verdacht habe, von ver Verfchwörung Kenntniß 
ehabt zu haben. Da man Bates und ähnliche Ausfagen indeß dach wugeüaun 
Im, ging man noch weiter; man verfätichte die Brorstoie, \rair α. 
uelagen unter, bie fle nicht gethan hatten, ſo vab, ol wann Diele ayetuagahiue 


1104 Jeſuiten. 


Aktenſtücke den Angeklagten zur Anerkennung vorlas, dieſelben ſich weigerten, das 


Geſchriebene für wahr anzuerkennen. In den Augen Cecil's und der, vom reli⸗ 
glöfen Fanatismus verblendeten, Richter war übrigens die Schuld der J. hin⸗ 
reichend erwieſen, um eine, auf die Stimmung der Maſſen hinreichend be 
rechnete, Proclamation erlaffen zu Können, worin die 3. Termund, Gare 
und Gerard ald dem Gefege verfallen erklärt wurden. Am 28. Januar fid 
Garnet auf dem Schloffe des Schwager von Mounteaglo in die Pine 
feiner Feinde; mit ihm wurden Oldcorne und die Diener beider Väter, en 
und Oſchleg, gefangen. Greenwell, Texmund und Gerard entkamen nach 
vielen Gefahren auf dem Continent. Es kam nun Alles darauf an, den Pro 
vinzial fchuldig zu finden und fo machte man Verſuche, feinen Diener zu Ge 
fändnifien zu bewegen. Diefer ohnehin Fränflidhe Menfh warb aber buchſtäb⸗ 
lich zu Tode gefoltert, obgleich der König befohlen hatte, von allen Bervächtigen 
und Angeflagten nur allein Guy Fawkes ver peinlichen Frage zu unterwerfen, 
ohne daß ein Wort gegen feinen Herrn über feine Lippen gegangen wäre. Auf 
diefem Wege konnte man feine Art von Beweis erhalten und fo ging man von 
der Gewalt zur Argliſt über. Rach Auſſen bin war dad Berüdyt verbreitet, 
Barnet habe feine Theilnahme an der Verſchwörung bekannt, fo daß die fremden 
Geſandten am engliſchen Hofe in dieſem Sinne an ihre Souveräne berid: 
ten; im Innern des Kerkers verfuhr man in ganz entfprechender Weiſe. „Dan 
ſtellte“ — wir berichten in den Worten des Thou! — „einen Mann auf, dem 
e8 durch feine Klagen über den König und die Minifter und feine Lamentationen 
über den traurigen Zuftand der römiſchen Kirche in England gelang, bei Bareı 
für einen eifrigen Katholiken zu gelten und deffen Bertrauen zu gewinnen.“ Der 
anz arglofe Jeſuit ging in die Yale, übergab feinem Bertrauten Briefe an feine 
eunde, worin er fein ganzes Herz offen darlegte — und doch fand fidh im die⸗ 
en Briefen, die natürlich aus der Hand des Bertrauten fofort an den Minifter 
gingen, nicht der geringfle Beweis. Da madyte man einen legten Verſuch, wo- 
zu man den Jeſuiten Oldcorne benugte, deffen Verbrechen darin beftand, Garne 
ein Aſyl verfchafft und dad Complott nach der Entvedung und Berbaftung ber 
Verſchwörer nicht mißbilligt zu haben. Der eutenant des Tower wies nämlid 
Dlvcorne einen Kerker an, der dicht an den von Garnet fließ, und gab ihm die 
Erlaubniß, durch eine Feine Deffnung in der Thüre mit einander zu verkehren. 
In der That waren es aber zwei einander gegenüberfiehende Thüren und zwiſchen 
I ftellte man Sycone hinein; Oldcorne fragte unter Andern feinen Leidensge: 
ährten, was man denn bezüglich des Complotte gegen fie vorgebracht, worauf 
diefer erwiederte: er dürfe verfichert feyn, daß auf der Erde kein lebendes Weſen 
ſei, das ihm in diefer Beziehung ſchaden könnte, nody irgend etwas Andere, 
was ihn verdächtig zu machen im Stande wäre, auffer daß er gewänfdht, daß 
feine Gongregation für die katholiſche Sache beten möchte, und daß er einen 
ymnus — 5 worin feine Feinde Anſpielungen auf die Verſchwoͤrung 
—* könnten. — Dieſe Ausſage gab den Miniſtern die Baſis zum Prozeſſe 
gegen Garnet und verſchaffte ihnen die Gelegenheit, welche zu finden fie faſt nicht 
mehr hatten hoffen dürfen, die 3. und tm weiten Kreife bie Katholiken Englands 
als Theilnehmer an der Pulververfhwörung vor Mit» und Nachwelt zu brand 
marfen. Oldcorne wurde nach Worcefter abgeführt — die Hauptflabt hatte ja 
genug Blut fließen gefehen — um bort dad Todesurtheil über fich ausſprechen 
zu laffen und zu erdulden; Garnet aber wurde auf obige Ausfage Kin gefoltert, 
bis er geftand, daß er Catesby Beicht gehört. Bor und nad feiner Verurtheil⸗ 
ung hatte er um fo größere, wenn auch mehr Bee Bein zu erdulden, ale er 
feinen und theologifirenden Richtern, worunter ſich namentlid der General: 
advokat Cooke auszeichnete, nur Ruhe und Sriklice Sanftmuth entgegenfeßte. 
Diefem eifrtgen Anglitaner war ſobche Gelegenhelt erwuͤnſcht, fich einem der ver- 
Baßten 3. gegenüber als eben \o großen Surten, a Sorsiagen m welgen. Da 


num Garnet die drei todedwürdigen Werbreigran ul ven —XX 


EN — 


Iefuiten, 1105 


fter geweiht worden zu feyn, In England viele Convertiten gemacht, viefelben 
alfo zum Ungehorfame gegen ven König verleitet und endlich in mehren Schriften 
gelehrt zu haben, daß die Katholifen ohne Sünde dem häretifchen Gottespienfte 
nicht beimohnen können — ohne weiters u. fogar, fidy deſſen rühmend, eingeftand, 
blteb dem Juriften wenig zu thun übrig; der Theologe aber beharrte vornämlich 
auf dem Punkte, aus dem Geheimhalten der Beicht Catesby's die moralifche 
Theilnahme ded Inculpaten an der Berfhwörung abzuleiten. Da die Folter 
Garnet Nichts, nicht einmal eine Verwünſchung gegen feinen Qudler entlodte, 
wurden die nöthigen Geftändnifie untergefchoben, jo daß hierauf Cooke vor den 
Geſchworenen zu behaupten wagte: „Es if Elarer, ald das Tagedlicht, daß Gars 
net der Anftifter und Beförderer des Complotts war, es geht Died aus feinen 
eigenen und in unferem Beſitze befinvlichen Beftänpnifien hervor. Der fpantfche 
Gefandte Zuriga und die übrigen Gefchäftsträger der katholifchen Fürften waren 
fogar eingeladen worden, den Borlefungen der Wusfagen Garnet's, der darum 
uerft gebeten hatte, beizumohnen. Man vertagte jedoch dieſe Borlefung unter 
tgend einem Borwande, natürlich bis nad) dem Tode des Opfers; da wurde 
dieſes Aktenſtück geprudt, nachdem Garnet gegen diefe Lüge feine Stimme nicht 
mehr erheben konnte. Am 3. Mai 1606 warb endlich der Sefuite von feinen 
Leiden erlöst. Garnet farb, indem er mit dem legten Hauche feines Lebens feine 
Unfchuld betheuerte und doc) dienten feine angeblichen Geſtaͤndniſſe zur Bafis der 
heftigften Anklagen gegen die J.; e8 entfpann ſich die bitterfte Polemik, in welche 
auch der heilige Stuhl verflochten ward und in erfter Reihe Fämpfte der König. 
Er ließ See Theologen geradezu behaupten, daß Garnet fein Verbrechen einges 
ftanden habe; die Briefe Garner’ und Termund’s, die Eorrefpondenz ded Erften, 
worauf die J. ſich beriefen, wurden ohne Weitere& für falfch erklärt, wobei man 
gänzlidy überfah, was aber die Geſchichte nunmehr nit darf, daß alle Dofus 
mente von Denjenigen, deren Schuld fie beweifen follten, mindeſtens mit dem 
felben Recht als untergefchoben bezeichnet wurden und daß man mit ihrer Bers 
Öffentlichung abgewartet hatte, bis der Mann, deſſen Schuld fie hauptſächlich bes 
weifen follten, nicht mehr unter den Lebenden wandelte. Ein anderer Sefutt, 
Thomas Garnet, ein Neffe Heinrichs, follte verbannt werden und da er ſich 
weigerte, die auch ihm vorgelegte Eidformel zu unterzeichnen, fich jedoch dazu 
bereit erflärend, vem Könige, als feinem Souverän, Gehorfam zu fchwören, machte 
man ihm neuerdings als Hochverrächer den Prozeß, verurtheilte ihn, als römifcher 
Priefter, Jefuit, Verführer der Katholifen und Rebel zum Tode und richtet ihn 
bin zur felben Zeit, ala — 1608 — Jakob wiederholt behauptete, daß unter ſei⸗ 
ner, wie unter der Regierung feiner Borgängerin, Niemand feines Glaubens 
wegen habe den Tod erleiven müflen. Er verichmähte das LXeben, welches er 
durdy den Gebrauch des innern Borbehaltd bei eiftung des Schwurs, wie man 
ihm fehr nahe legte, fidy hätte erfaufen Tonnen. Soldyen Mißbrauch trieben 
diefe Caſuiſten mit ihren fürchterlicdhen Lehren. Auf dem Schaffote malte er In 
berebten Worten die Seligkeit, die feine Seele erfüllte und fchloß mit folgendem 
Gebete: „Herr, mein Bott! möge dein Zorn gegen dieſes Land fich legen; vers 
lange nicht Rechenfchaft über mein Blut von dem Baterlande oder dem Könige, 
Vergib dem abtrünnigen Prieſter Rowſe, der mich verrathen bat; vergib Croß, 
der mich gefangen nahm; dem Bifchof von London, der mich mit Ketten belaftete; 
vergib Montague und den Zeugen. Möge ich fie alle. einft erlöst und bei mir 
im Himmel ſchauen.“ So ftarb der 34jährige Martyrer. Er war übrigens 
nicht der letzte Jefult, der unter der Regierung König Jakob's hingerichtet ward. 
Am 10. Mai 1618 farb au der Pater Ogilbat im nämlichen Alter und mit 
gleihem Muthe, wie Garnet. Er flarb den Tod des Verbrechers und hätte fi 
doch durch Anwendung der „Lehren feined Drdend* über die Zweideutigfeit un 
den innern Borbehalt leicht retten können. Ein weiterer Beweis für die Uns 
ſchuld des I. Ordens am der Pulververſchwöraug würkte Kalgenner \ean. RAin, 
der Darfellung ber englifdyen Proteftanten hatte vie weitsermente . 
Reslencyclopäble. X. 0 


4406 Jeſuiten. 


ung eifrige Theilnehmer in Flandern. Namentlich laſteten auf dem Provinzial 
Baudouin ſtarke Beſchuldigungen und der Biſchof von Cheſter ſchrieb damals, 
daß, wenn dieſer Jeſuite in England erſchiene, er der Maſſe der Ausſagen und 
Beweiſe wider ihn nicht würde widerftehen können. Der von Jalob geftellten 
Forderung, ihn auszuliefern, hatte zwar der Erzherzog Albert nidyt entiprochen, 
auf einer Reife nad Rom jedody wurde Bauboutn auf furpfätzifcyes Gebiet und 
dann nad) London gebracht. Der König gab dem fich verwendenden Erzherzog fein 
Wort, daß, wenn er unfchuldig befunden, ihm, dem J., fein Haar aefrümmt wer 
den ſollte. Jakob wohnte auch felbft den Berhören bei u. dem Manne, veflen 
Schuld in den Akten u. den Depofitionen des Generaladvofaten erwiefen war, Eonnte 
durchaus Nichte angehabt werden, u. vier Fahre nady dem Tode Garnets wurde Bau 
douin, fein Mitverfyworner nach den Aften, ald unfchuldig nach Belgten entlafien. 
Auf der fpanifchen Halbinfel warb anders, als im proteftantifirenden England, der 
3. Wirken gefördert durch die Monarchie. Philipp IL von Spanten ſtirbt 1621 
in den Armen eines J. und Philipp IV. bewies fidy der Geſellſchaft gleichfalis 
in hohem Grade günftig. Bel den Berfuchen Portugals, feine durch Philipp IL 
eingebüßte Unabhängigkeit wieder zu erlangen, verbtelten ſich die 3. paſſiv; als 
aber dad Haus Braganza den Thron befleigt, erweist es fi dem Orden fehr 
günftig. Am andern Ende Europa’s, in Litthauen, Polen und Rußland, made 
die 3. gleichfalls große Fortſchritte Im Ungarn wird der 3. Pazmang Erzbi⸗ 
ſchof und Barpinal. Defterreih und Bayern find des Ordens warme —** 
gegen welchen eben deshalb Ernſt v. Mansfeld und Chriſtim v. Braunfchweig 
Krieg führen. In den deutichen Ländern waren die Derbältniffe des O den 
unmtttelbar vor dem dreißigjährigen Kriege und im der erften Periode deſſelben 
die blühendften. Die Einwohner von G:ay hatten früher, bei Beginn der boͤhmi⸗ 
{hen Unruhen, gleich den böhmiſchen und mähriſchen Ständen, die J. verjagt. 
Später rufen fie diefelben mit Erfolg zu Bermittlern der Fatferlidyen Gnade 
an. In Bamberg, Fulda, auf dem Eichöfelde, in Paderborn, vorzüglich im 
Münfterifchen, wo Vreppen, Bechta und noch viele andere Bezirke im %. 1624 
fatbolifch gemadyt wurden, bis nad Halberftant und Magdeburg finden wir je: 
futtifche Miiftonarten; in Altona fiedeln fie fih an, um die Sprache zu lernen 
und alsdann nad Dänemark und Norwegen vorzudringen. (Ranfe, römiſch. 
Päpfte 2c.) Ganz durchdrungen von ihrer großen Aufgabe, ven Fathol. Blau 
ben in Deutfhland zu erhalten, wiffen fie, daß dies große Ziel ohne 
große Opfer weder erftrebt, noch erreicht wird. Bei foldyem Streben wurden fie 
durch die willenefräfiigen eifrig Fatholifchen Fürften, Kaifer Ferdinand und Herzog 
(ipäter Kurfü ft) Maximilian v. Bayern, unterflügt. Beide waren 3 Jöglinge 
und hatten 3. zu B ichivätern, von denen namentlich Lamormain auf den Kaifer 
einen großen Einfliß ausübte. Wieſer, der Nantius Caraffa und die 4 kuhol. 
Kurfürften beftimmten den Kalfer zur Srlaffıng des am 28. Auguſt 1629 er 
ſchierenen Reſtitutionsediktes. Auf daſſelbe Karten wohl die J. einen großen 
E:nfluß, allein nicht anzunehmen iſt, daß fle bei Anrathung dieſer Maßregeln von 
feitftfüchtigen Abfichten geleitet wurbden. Ihnen war eine Reftitution der, I 
dem paflauer Frieden widerrechtlich in proteftantifchen Beſiß gefommenen, geiſt⸗ 
lien Güter, eine Zurüdführung auf den früheren Zuftand, die erſte und bedeus 
tentfte Bedingung in ganz Deutfchland den faıhol. Glauben wieder herzuftellen. Die 
J. verfnüpften damit eine utopifche, aber wchlgemeinte Hoffnung. „Ich werde 
nicht aufbören, befcheiden daran zu erinnern, fo lange zu erinnern, bis Abhuͤlfe 
geſchafft wird, fo wie ich überzeugt bin, daß Em. Majeftit in Folge Ihrer aus 
ezeichneten Frömmigkeit wirtfam verfügen werden, daß ed gefchehe” (naͤmlich die 
Erneuerung der Pfarreien und Herftelung der Seminarien und Schulen, damit 
die Jugend im kathol. Glauben unterrichtet werde) ſagt PB. Lamormain in einem 
Gutachten vom Mat 1630 über die Verwendung der Güter im fächhflichen Kreiſe. 
Der Kulfer, den neueren Drven, denen FT Der Regeneroiien ver Kırche vorzugds 
weiſe zutsaute, fehr gewogen, wünidyte andy Die .in UeniBein Sard Solen ur 


Jeſuiten. 1107 


eingejogenen Güter zu fegen, damit fie diefelben verwenveten zu Seminaren, 
Eodegten, Schulen und Wifftonen. Die 3. konnten, auf ihrem Standpunfte, mit 
volfommenem Rechte jene Maßregel anratben; ja, vermöge ihrer Tendenz, die fie 
anwies, dem Ptoteſtantismus mit allen Kräften entgegenzuwirfen und der Kirche 
wieder zur früheren Stellung zu verhelfen, waren fie moratifch verpflichtet, ihren 
Einfluß anzuwenden, um den Kaifer zur Erlaffung jenes Edikts zu veranlaffen: 
6 mußten ſich beftaͤrkt ſehen in ihrem &fer durch das für fie entſcheidende 
otiv, daß der heil. Etuhl die prager Beſchlüſſe niemals anerkannt hatte, 
J. des 17. Jahrh. wußten, daß es zur Unternehmung und Bollbringung großer 
Dinge auch großer Hülfdquellen bepürfe. Einen dem Chriſtenthum nüglichen, 
großen Zwed harten fie ſich vorgefept. Diefer große Zwed konnte aber nur mit 
verhältnismäßig großen Mitteln erreicht werden. Indem fie bei Ausführung des 
Edikis einen, wenn auch aroßen Theil der der Kirche früher geraubten @üter 
emvfingen, bereicherten fie ſich nicht im individuellen Sinne, weil der Jeſuit nicht 
befigen kann: fonvern fie gaben ihrem Inſtitute eine neue Kraft, die nur zum 
Heile Anderer wieder verwendet werden ſollte. Wie ferner überhaupt jedwede 
GEorporation aus einem andern Gefichtöpunfte, als dad Individuum, betrachtet 
werden muß u. jede Geſellſchaft, ide Gemeinſchaft fchon ihrer Nıtur nad) nady 
Exiſtenzmitieln ftreben muß, ihren Eirfluß, ihre Gewalt zu vermehren: fo muß 
diefer pſychologiſche Maßſtab auch an die Wirkfamfeit der 3. im 30jährigen 
Kriege gelegt werden. Sodann tft nicht zu vergeflen, daß weder Ferdinand und 
Marımiltan, noch die 3. wiſſen fonnten, daß das Reftitutionsepift den unfeligen 
Krieg um 19 Jahre verlängern würde. — Eine merfwürdige Thatfache if, daß 
der Bertrag des allerchriftlichften Kranfreich8 mit dem erzproteftanttichen Schweden 
die Glaufel enthielt, daß von den proteftantifchen Herren das Leben und die Ans 
falten der J. gerchont werden follten. Es war dies von Seiten des Mintfters 
Gardinald Ricyelieu eine captatio benevolentiae zu Gunſten eine8 Ordens , mels 
der der Tarhol. »protsftuntifyen Allıanz nicht hold ſeyn Tonnte und vorausfichtlich 
allen feinen Einfluß dagegen aufbieten würde, Dies erflärt auch das perſoͤn⸗ 
liche Benehmen Guſtav Adolph's gegen die J., namentlich in München. Uebri⸗ 
ens fcheint aus manchen Dokumenten bervorzugehen, daß die regierende Leitung 
es Ordens keineswegs die Rolle, welche einzelne Mitzliever in j-ner bewegten 
Zeit in Deutichland fpielten, billigte. In den Niederlanden, in Frarfreich bes 
hauptete der Orden feine bedeutungsvolle Etelung kampfgerüftet gegen den Gals 
vinismus. PB. Cauſſin, der Beichtvater des Könige, fchrieb an feinen General: 
„Kür Höflinge ift Schweigen häufig eine Pflicht; für den Beichtrater wäre es 
ein Berbrechen.” Im Innern ihrer Cellegien, aus denen bereits Zenelon. Bofs 
fuet, Dee cartes, Corneille, Ends hervorgegangen, bereiteten bie 3. die Periode 
Ludwigs XIV. vor; auf der Kanzel, tm Betchiftuhle gaben fie den Anftoß zur 
chriſtlichen Regenerat'on, zu der geiftlichen Reform, die fi) ohne Geräuſch ins 
Werk feste, in welcher die Tugenden eines Berulle und eines Olier, eined Pierre 
Kurier und eines Boudon, eined Claude Bernard und eined Boubdotfe, eines 
Franz v. Saled und eined Binzenz v. Paula faſt zu gleicher Zeit erglänıten, 
Faſt alle diefe Männer waren Zöglinge der J., deren Freunde und Berehrer, 
Das Generalat Vitelleschi's (geft. 1645) war die glücklichſte Hera des Ordens, 
während gerade unter ihm mit der obern Leitung ded Ordens eine wichtige Bers 
änderung fich begibt: jene bilder nicht mehr einfchlicßlich dad Centrum, in dem 
alle Radien zufammenfließen: die Wirkfamfelt der bedeutendſten Mitglieder ent 
faltet fidy felbfiftändiger, der General übernimmt in dem Augenblide eine mehr 
paffive Rolle, wo die, auf ihrem Höhepunfte angelangte, Geſellſchaft die ſtaunende 
Welt mit threr Thätigkeit erfüllt. Bon 1645—1652 folgten die Generale Ca⸗ 
raffı, Piccolomini, Gotiifredi fchnel auf einander. Am 17. März; 1652 trat 
Goswin Nidel in das Generalat. Unter der Herrſchaft des Langen Uoxiamunih 
und Cromwell's erhalten die I. das unglüditdye Irland dem tatgeiiinen Sur 
ıd bewahren auch in England die Tarholticyen Lebenstekr nat Re 


1108 Jeſuiten. 


gang; fie führten die Kinder Friedrichs von der Pfalz, des boͤhmiſchen Winter 
dnigs, in den Schooß ver Kirche jurüd und befehrten die Königin Chriſtine 
von Schweden. Lediglich die 3. erhielten Polen, Ungarn, Böhmen, ten, 
Schlefien, Bayern, Defterreich, die jebige Fatholifche Schweiz und das Rheinland 
der Kirche, traten dem Calvinismus in Frankreich erfolgreich entgegen und hielten 
aus Italien die Härefte fern. Sie reformirten den Klerus und brachten zuerft mit dem 
Evangelium bie Gefittung in die entfernteften Weltgegenden. Ste erhielten der Kirche 
und führten ihr zu viel mehr Individuen und Völker, als Luther und Calvin ihr 
geraubt: und dieſe Wirffamfeit, man möge fie im Uebrigen beurtheilen wie man 
wolle, eine großartige, ja eine providentielle muß man fle jebenfalls nennen. Ein 
Außerer Grund der auegebreiteten und tiefgehenden Wirffamfeit dieſes Ordens 
- im Klofter wie in der Welt, in der Schule wie auf der Kanzel mag darin liegen, 
daß die in allen geiftigen Gebieten, berühmteften Namen, Sprößlinge der ebeiften 
Geſchlechter aus allen Ländern, in feine Reihen eintraten zu einer Zeit, wo die errun⸗ 
gene wie angeborene Autorität audy noch autoritativen Einfluß ausübte. m 
diefer Periode hatte, wie gefagt, der Drden feinen Höhepunkt erreidyt: denn nun 
begann fein großer Kampf mit dem Janſenismus (f. d.), der der Gefellichaft 
den Untergang bereitete, trogdem der heil. Stuhl durdy den Erlaß der Bulle Uni- 
nitus für den theologifcdyen Standpunft der J. wider die Janfeniften entſchied. — 
om Ende ded 17. Jahrhunderts an geht die politiſche Geſchichte ver &. 3. in 
derjenigen der fürftlichen Beichtväter auf; wenn diefelben an den Ereignifien feinen 
thätigen Antheil nehmen wollen, werben fie wider ihren Willen in biejelben vers 
widelt. Der Orden war durch feine Verbindung mit den Höfen eine Macht 
und zwar eine um fo bedeutendere ald das Individuum für fi) nichts bean 
fpruchte, nicht beanfprucyen konnte. Der Geſellſchaft Fam der ganze Einfluß zu 
Gute, den die $. an den Höfen durch Tugenden oder Talente auf die Yürften 
fih erwarben. Natürlich erwuchfen hiedurch dem Orden mächtige und erbitterte 
Feinde In jedem Lande, Feinde, die mehr zu fürchten waren, als die ihnen nun 
weniger gefährlichen Barlamente und Uaiverfitäten der früheren Periode. Wäh- 
rend J. auf die Thronentfagung Alphond VI. von Portugal und die Hetrath der 
Königin mit ihrem Schwager Don Pedro einen zu weit gehenden Einfluß übten, 
regierte der J. Nithard, ein Deutfcher, Spanten als erfter Minifter der Königin 
Negentin, Marta Anna von Deflerreih, Wittwe Philipp's IV. In den nöid⸗ 
lien Ländern war noch immer die G. %. in beftändiger Bortentwiflung bes 
ariffen. In Deutfchland breiteten fte fidy immer weiter aus; in dem vom flegreichen 
Schwerte Sobieski's regierten Polen leifteten fte in den Eollegten wie in den Armeen 
die wefentliähften Dienfte. In der legten Hälfte des 17. Jahrh. fehen wir bie 
J. in Spanten und Portugal ſchwach und unentfchloffen wie die Regierung jener 
Länder, in Polen dagegen erſcheinen fle zur felben Periode fo thatkräftig mie 
nur je vorher. Johann Eaftmir, von 1643—1668, König von Polen, war Mit 
glied der Geſellſ. J. Trotzdem Karl I. die englifhen Katholiken milder behan⸗ 
delte, ließ er fidh doch dazu bringen, in die Verbannung der J. und tn die Ber 
[härfung der Geſetze gegen die Recufanten einzuwilligen. Dagegen trat unter 
ettung des P. Simons der ge von Dorf, der Thronerbe, zur Kirche zurüd, 
Diefer Umftand war natürlidy ganz geeignet, den intoleranten Anglitanismus 
noch mehr aufjuregen. Es erhoben fi Schurken, weldhe die Katholifen, na; 
mentlich die J., ald Verſchwoͤrer anflagten, fo Luzanch, Titus Dates. Die $. 
ftießen den Lestern aus ihrem Colleg St. Dmer, weßwegen er wahrfcheinlich in 
der Folge fi) an ihnen rächen wollte, Diefe von allen englifchen Geſchichtſchrei⸗ 
bern anerfannte Schaͤndlichkeit Foftete vielen Laten und ‘PBrieflern das Leben! 
Karl I. ſtarb indeß als Katholit, von einem J. befehrt und der Herzog von 
York beftieg ald Jakob II. den Thron. Der 3. Peters übte einen großen Einfluß 
auf ben König aus, der ihm fogar die Leitung der Regierung überließ. Das 
yon ber in diefe Periode fallenden Benersltangregniion erueuerte Merbot über 
Einmifgung der J. in Stantdangelegeaheien Tanie dr wolglnliuen Wick 


Sefniten, 4109 


Stellung Peters nicht auögleihen. Ste hatten Feinen geringen Einfluß 
die Thronentfegung Jakob’ und feiner Dynaſtie. — In Franfreich fpielten 
rend der Regierung Ludwig XIV. die 3. eine beveutungsvolle Role und feine 
Itvaäͤter aus diefem Orden übten auf den König einen wohlthätigen , feine 
nfchaften zügelnden Einfluß. Wir nennen unter denfelben befonders den 
Serrier, während als Kanzelredner Bourbaloue glänzte. in fpäterer Fenigl. 
btiger, PB. Lachaife, ſuchte in der Streitfache wegen der organifchen Artikel, 
b ohne befondern Erfolg, zu vermitteln. An dem Edikt von Nantes hatte 
te Keinen Antheil, wie überhaupt nidyt der Orden; troßdem wird dieſer in 
e jened Edikts aus den Niederlanden verbannt. In diefe Periode fallen bie 
hrung des Kurprinzen von Sadyfen durch J., die Berufung (auf Bevor, 
ung bed beutfchen Kaiſers im 3. 1719) und bald darauf wieder erfolgenve 
annung der 3. durdy Peter den Gr. und die Erbebung der J. Salerno 
vegen feiner Verdienſte um die Belehrung des fächflfchen Hauſes — Cien⸗ 
8 und Tolomet zum Gardinalat. Wegen Kränklichleit des General Ridel 
Diva zum Generalvifar germäßtt worden; diefer flarb im Nov. 1681. Der 
ral Karl v. Noyelles regierte hierauf den Orden bis 1686. Gonzales von 
talla führte hierauf das Generalat bis au feinem im Dft. 1705 erfolgenven 
. Tamburini trat bierauf im Jan. 1706 an die Spitze des Ordens, den er 
sahre lang regierte. In diefer Periode zeichnete fih der am 17. Rov. 1642 
me Franz v. —— in Italien bekannter unter dem Namen Fr. v. Gtro⸗ 
durch feine ſegensreiche Wirkſamkeit in Reapel aus. Benedikt XIV. erklärte 
yereitö 1751 für ehrwürbig, ‘Pius VII. beatiſirte ihn im J. 1806 und Gre⸗ 
KVL fprady ihn am 26. Mai 1839 heilig. — Wir find im Berlaufe unferer 
tellung einer Krife nahe gefommen, die, fich direkt anfchließenn an ben für 
3. fo verbängnißvollen Kampf mit den Sanfeniften, diefem Orden rafdy den 
‘gang bereitete, und zwar, merkwürdig genug, zunächft in Ländern und 
Monarchen, die als die Helmath und die natürlichen Befchüger der Ka⸗ 
tät zu betrachten man gewohnt if. ine Reihe von Bogen bereitete 
ingfamer Stufenfolge im 18. Sahehundert den Ausbruch der franzoſiſchen 
Iutton vor. Unter dieſen war die bebeutungsvollfte Erfcheinung die Aus⸗ 
mg des Unglaubene, welcher aus der Schule der franzöftichen Philoſophen 
überging in die gebildeten Stände der Rachbarländer, und, die Grundveften 
göttlichen wie menfchlichen Einrichtungen an der Wurzel angreifend, den 
anbahnte für jene große Ummälzung, welche den Kirchen und Thronen 
pa's gleidy ververblidy) werben ſollte. Wir haben gar nicht nörhig, an eine 
bredung, eine Berfchwörung zu denken, um es erflärlich zu finden, weshalb 

: Ende des 18, Jahrhunderts faft zu gleicher Zeit in verfchiedenen Theilen 
pa's die G. J. angegriffen ward. Kein Wunder, daß in einer foldyen Periode 
Drden zum Öegenfane des allgemeinen Haſſes u. Verdachts geworden. Die. 

ı zum Untergange beftimmt, weil man fühlte, daß fie eine aufbaltende Kraft 
en, deren Prinzipien der Zeitgeift nicht anerkennen Eonnte, da fie eben fo gegen 
zaufwiegler u. Neuerer als gegen despotiſche Regenten fich in Widerſpruch fegten. 

t brach der Sturm in Portugal los, wo die J. bereits einen großen Ein⸗ 
ausübten. Der Marquis von Pombal, ein Mann von eben fo großer 
raft, als großem Ehrgeize, hatte ſich, nicht ohne Schuß gefunden zu haben, von 
jedeutungslofigkeit zur Stellung des erſten Minifter8 erhoben, als welcher er 
feine großen Pläne eines radikalen Umſtoßens des Beſtehenden in's Werk 
ven begann. Da fand er indeß zunädhft bei dem Adel Widerſtand, von 
er bereits in früherer Lebensflelung manche Demüthigung erfahren und 
e ibn noch immer als einen Emporkömmling betrachtete. Carvalho bes 

‚ den Adel zu züchtigen, erfannte aber bald, daß demfelben die A. u 
fanden. Da geftaltete fi in ihm das fee Vorhaben, Uew WRd N En 
emeinſchaftlichen Untergang zu bereiten. Die Mokregin, RN “Ss 
Jung biefe® 3wedes ergriff, waren geaufam une horhoniän. GE SR 


1110 Sefutten, 


liches Complott gegen das Leben des Königs, welches niemals in den Augen 
unparteiiſcher Richter bewiefen wurde, gab ihm den Vorwand an die Hand, 
Mutgliever der erſten Bamilien des Landes zum [hhmpfuchfen Tode verbammen 
zu lafien. Drei 3. waren zu gleicher Zeit mit diefen Unglücklichen verbafte 
worten, doch hatte in Portugal der päpftliche Nuntius ausſchließlich das Recht, 
über Geiftlihe Recht zu ſprechen. Pombal verlangte in Rom, man möge von 
diefem Rechte abfichen. Die erwünfdhte Antwort fam jedoch für feine Ungeduld 
nicht ſchnell genug, und er befchloß in feiner Rüdridhrelofigfelt den Knoten zu 
durchhauen. Er erlich ein Dekret, welches über alle 3. Verbannung aus den 
portugieflfchen Beflgungen und die Beichiagnahme ihres Eigentums zu Gunſten 
der Krone ausſprach. Unmittelbar darauf vertrieb er ven Nuntius aus der 
geupetat und rief den portugieftidhen Befandten von Rom zurüd. Mit diefen 
ewaltmaßregeln begnügte er fidy noch keineswegs, fondern er ließ auch den 
oa bejahrten P. Malagrida, weldhen des Bochverrathe® gu überführen nicht 
te gelingen wollen, der Ketzerei anflagen, und in einem feierlichen Auto-da-fe 
verbrennen. Dieſes gewaltiyärige Berfuhren fegte Europa von 1753 — 1761 in 
Erftaunen. Es mird behauptet, daß das proteftantıfhe England fich für die 9. 
bei feinem alten Verbündeten verwendete u. gewiß tft, daß ſeldſt die franzöflichen 
Philofophen gegen foldy ungeheuren Meßbrauch der Gewalt ihre Stimme erho⸗ 
ben. Wie fehr fie auch die zömifhe Kirche und die G. 3. haften, fo wollten 
fe doch foldy tytanniſche Abfcheulichkeit keineswegs billigen. Die feindſelige 
Macht, die ſich in Frankreich den J. gegenüberſt Ilte, war eine ganz andere. — 
Fiau von Pompadour, die Matırefie Ludwigs X, wunſchte nd einer in Süns 
den verbrachten Jugend mit der Religion fi zu verfühnen. Ste wandte ſich an 
den 3. de Sacy und verlangte von ihm Zulaflung zu ven Sakramenten. Diefer 
verlangte vor allen Dingen, daß fle den Früchten der Sünde, dem Umgange mit 
dem Könige, dem Hofleben, entjage. Wie aber, die gern als Hofd.ıme ver 
frommen Königin am Hofe ble.ben wollte, gab fi) vergeblihe Mühe, den 9. 
milder zu flimmen. Peruſſenu, der Beichtvater des Könige, und fein Amtsnach⸗ 
folger Desmarots erkiärten fid mit den Anfthten de Sacy's einverſtanden. Die 
Pompadour vergab aber den J., die, wie fie meinte, ihr wiverfahrene Beleidig⸗ 
ung niemal® und verband fid mit Pombal's F.eund, dem Herzog von Eboijeul, 
zur Vertreibung der 3. aus Frankreich. Ein zu felber Zeit eintreff ndes Ereig⸗ 
ni war zur Ausführung diejed PBluned hoͤchſt förderlich. Lavalette, de 
Profurator eines Ordenshauſes auf ver Infel Martinique, hatte fi in Hın 
deisfpefulationen eingelafien und deshalb bedeutende Schulden contrahirt, wobei 
er, wie anzunehmen Gıund vorhanden ift, ohne Mitwiſſen feiner Odern verfuht. 
Aus ındeß ın Folge der Wegnahme feiner nach Marſeille verſchifften Güter ein großes 
Huandeldhaus in Marſeille, welches bedeutende Wechfel auf di.fe Wuaren übers 
nommen hatte, fiel, gelangte die Sache zur Oeffentlichkeit und der ganze Diven 
waıd dazu angehalten, fur die Schulden Lavalette's einzuireten. Der General 
Ricci ertannte die Gültigkeit dieſes Rechtoſpruches nicht an, und fo kam es zu 
einem langen und aͤrgerlichen Prozeſſe, bei dem der Divden nicht gefchont ward. 
Er verlor niche nur den Prozeß, worauf alle feine Befigungen in Frankreich zur 
Sicherung der Schuld und Untoften mit Beſchlag belgt wurden, fondern feine 
Funde am Hofe benügten auch feine künſtlich hervorgebrachte Unpopularität, um 
ihn in Frankteich gänzlich zu flürzen. Eine mächtige Stütze findend im Pariſer 
Parlament (dem die ‘Brovinzialparlamente jedody nicht alle beiftimmten), gelang 
es endlich Chotjeul und der Pompadour, die Abneigung des Königs zu beflegen 
und im J. 1764 ward durch königliches Edikt die Geſellſchaft in Frankreich aufs 
eldet.— Die Intrigue, welche zu einem ähnlichen Refultate in Spanien führte, 
h in Ocheimniffe eingehült, “Der Graf von Aranda, ein Gefinnungegenofle 
PBombal’s u. Choljeut’d , that feine Scyrtue In worin, nt qekeimnißvoll, ale 
möglih. Was man über fein Verfahren qeaen Ve \panliteen I. mit, U 
etwa folgendes: König Karl NT, yore tm tejgraltennen Bee \öner Apr va 


Jeſuiten. 4 


albernen Entfchluß gefaßt, den Spaniern die großen Mäntel und breit geränberten 
Hüte zu verbieten; es veranlaßte dieß einen Aufſtand der Madrider Bevölkerung, 
welchen zu dämpfen, nur den J. gelang. Der Minifter fol nun feinem Herm 
die Ueberzeugung beigebracht haben, daß diejenigen, welche die Aufregung bemei» 
tern konnten, wohl ſelbſt folche urfprünglicdh hervorriefen. Nach einer andern 
Berfion follten falſche Briefe den König gegen den Orden erbitert haben. — 
Jedenfalls wurden die J. aus allen fpaniichen Beflgungen in der gewaltthätigs 
ften, rüdfichtölofeften Weife in der Racht vom 2. Aprıl 1767 auf Schiffe gepa 
u. an die italientfche Küfte ausgeſetzt; daſſelbe war auch mit den portugiefiidhen 
J. geſchehen, von denen indeß viele in den Kerkern Liſſabons verſchmachteten; 
ihre Güter wurden confischt. Den Feinden des Ordens blieb nun noch Gin 
roßer Sieg über diefelben zu erringen. Seine Verdammung durdy dad Obers 
Paupt der Kirche, deren treue Kimpen fie immer geweien, Rom zu nöthigen, 
feine Mill; zu entlaffen, und feine beften und beftändigften Bertheidiger mit den 
Donnern des Vatikm's zu vernichten, dies war der ſcheinbar f unausführbare 
Dlan, weldyer Ehoifeul und dem König Karl, der die I. mit aller Zaͤhigkeit 
des Hafles verfolgte, ald das Rothwendige zum völligen Untergange ded Droend _ 
erfchten. Im Ramen ihrer Ehre und Sicherheit, bedroht, wie die Geſandten ers 
Härten, von feindfeligen Intriguen verlangten Frankreich, Spanien und ‘Portugal 
vom Papfi⸗ die Unterdrückung der G. J. Clemens XIII. war ſein Leben lang 
ein efriger und befländiger Freund ver 9. genden; ihr Scidfal harte ihm 
bitteren Kummer bereitet und unter vielen chwieri keiten hatte er für ihre 
Sache gelämpft; doch nun war er alt und (hwad und dieſes Anfuchen Der 
pl gab ihm vollends den Todesſtoß. Er flarb (bevor das anberaumie Conſt⸗ 
orıum zur Unterfuchung des Anfinnens der Höfe abgehalten wurde) und das 
zur Wahl feines Nachfolgers zufammengetretene Conciave ward der Edyaup.ap ⸗ 
der Unterhandlungen und Jatriguen der Gefandten. Der Einfluß Frankreichs 
und Spaniens eihob Eurdinal Ganganelli auf den päpftlichen Thron, doch fand 
derſelbe bald, daß er feine Erhebung um den Preis der Unabhängigkeit erlangt 
habe. Während feiner ganzen Regierung befirebte ſich Blemend XIV. vergeblich, 
aus den Banden der Arguift, die ihn jedoch allzu feft umfchlungen hielten, zu 
befreien. Er wünfchte Die 3. zu retten, doch hatte er ein äqutvcked Berfprechen 
ihren Orden aufzulöfen, von fidy gegeben und konnte fie nun nicht mehr offen 
fhügen. Rad) langer Zögerung uny langem Wwerſtande ward ihm von den 
Drohungen der vereinigten Höfe eine widerwillige Zuftimmung in die enıfchetds 
enden Maßregeln gegen die 3. abgedrungen. Am 21. Zult 1773 erfchten das 
Aufhebungsbreve. — Indem wir noch bemerken, daß auf Tamburini (gefozen 
28. Gebr. 1730), Reg (gef. 21. Juni 1751), Visconti (gef. 4. Mat 1759), 
Eenturioni (geft. 2. Ottob. 1757), am 21. Mat 1753 Lorenz Ricct in das Ges 
neralat gefolgt war, müflen wir anfügen, daß diefem leuten General vor der 
Aufhebung des Ordens nicht nur durch das Schidfal deflelben, ſondern aud) 
durch perſoͤnliches Ungemach und eine lange Gefangenſchaft, fchwere Leiden bes 
fhieden waren, die er jedoch mit wahrer Engelsgeduld ertrug. Die in Rom 
zur Unterfuhung der Sadye der 3. niedergefepte Commiſfion verfuhr nämlich 
mit rohefter Härte, liͤß den General und die angefehenften Väter lange in 
ſchwerer Gefangenfchaft ſchmachten und verlangte von ihnen, ald nad) dem 
Tode Elemend XIV. ihre Gefängnifle fidy öffneten, einen Eid, daß fie nie ihre 
Berhöre befannt machen wollten. Ricci ffarb am 24. November 1775 im Ge⸗ 
fängniffe, weil Pius VL nicht unmittelbar nad) feiner Erhebung auf den päpfls 
lichen Etuhl durch des Ordensgenerals Befreiung den fpanifchen Hof wider ſich 
aufbringen wollte. Aber die Gerechtigkeit, die im Leben ihm nicht mehr erwies 
fen werden konnte, wurde ihm nach dem Tode zu Theil. Auf Befehl desd Pap⸗ 
ſtes ward fein Leichnam mit auflerordentliher Pracht zur Erde heksttt, un 
Öffentlichen Zeugniffe der Unfchuld und Tugend ded Veriorbenen, nd as 
fgänigung für die unwürdige Behandlung, wie ex erfahren tale, EL TR 


41112 Jeſuiten. 


und gehorſam war bet ihrer Aufhebung durch den Papſt die Haltung der J. in 
allen Theilen der Welt. Zu Canton erreichte fie dad Aufhebungsbreve gerade, 
als der Kaifer von China ihnen feine Staaten dffnete, fogar Schiffe fandte, um 
fie nach Peking an feinen Hof zu führen. In diefer Alternative entfchlofien ſich 
die Mifftonäre nach drei qualvollen Tagen, nady Europa zurüdsufehren ; drei ans 
dere chineſiſche J., darunter der ausgezeichnete Mathematiker Halerflein, toͤdtete 
der Kummer bei Erhaltung des Breve. Mit Ergebung überantworten die Väter 
überall ihre fo theueren Miffionen den zu diefem Zwecke gefandten Drbendgeifs- 
lichen. — Friedrich d. Gr. unterfagte den katholiſchen Bifchöfen feines Landes, 
den 3. in Schlefien das päpftliche dreve amtlich mitzutheilen. Audy die ruffifce 
Katferin Katharina verwendete ſich fo nachprüdlich für fle, daß Clemens XIV. 
den J. erlaubte, im rufflfchen Reiche, wie bisher, unter Generalvikaren (Kara, 
Lenkiawiz, Bzrozowoki, der ſodann der erfle General des allgemein wiederherge⸗ 
Rellten Ordens ward), fortzubeftehen und alle Sbliegenbeiten ihres Ordens zu 
erfüllen. Unmittelbar vor ihrer Aufhebung zählte die G. J. in wiſſenſchaftlicher 
und literarifcher Beziehung die reichften Kräfte Zu Rom lebten Asclepi und 
Beina, zu Wien neben dem Aftronomen Hell, dem Eaiferliden Mathematiker, 
dem Berfaffer der aftronomifchen Ephemertven, weicher zu Mard'⸗hus in Lapp⸗ 
land auf die Einladung Ehriftians VII. von Dänemark den Durchgang der 
Sonne beobachtete, Pilgram, Mayr, Satnovicz, Baultan, Bautrin, 
Gainella. Liesganig, der Berfaffer einer Mefiung mehrer Grade des Mes 
ridians, deſſen Genie Lalande bewunderte, zieht ſich nach Aufhebung feines Or⸗ 
dens lebensſatt nach Hamburg zurück. Namentlich große Aftronomen zählte dw 
mals der Orden, darunter vor Allen Boskovich in Parts, fpäter in Mailand, 
Poczobut und Stondi zu Wilnaz faft keines der großen Gollegten, wie die 
jenigen zu Ingolſtadt, rag, Breslau, Olmütz, Prag, Pofen ıc., war ohne Ob⸗ 
fervatorium. Und nit blos in den Naturwilfenichaften waren damals J. 
Sterne eıfter Groͤße; auch in der Philoſophie und Theologie find zu erwähnen: 
Favre, Lazart, den Clemens XIV. in feiner Stellung als onfultor des 
Inder, Eorrector der oriental {chen Werke, Eraminator der Bifchöfe, felbft nad 
Aufhebung feined Ordens erhielt; Marotti, Sekretär der Iateinifchen Briefe, 
Aquadctati, Gonfultor der Riten, Angert, ven Clemens gleidhfall® nad 
Aufhebung feined Ordens als ypäpftliden Theologen beflätigte; Stadler, 
geiftlicher Rath des Kurfürften von Bayern, veröffentlichte gegen die Kant'ſche 
Philoſophie feine „Eihica christiana“, Holtzklau gibt mit Kilber, Neubaer 
und Müntcz die „Theologe von Würzburg” heraus. Voit, Burkhauſer, 
Wyrwick, Bara du Phanjas, Busnard, Sturriaga verbreiten fidy in 
ihren Schriften über die fchwierigften theologifchen und piychologifchen Fragen; 
fie erfegen in der gelehrten Welt Zech, den berühmteften deutſchen Canoniſten 
des 18. Jahrhunderts; Juan D’Ulloa, ©. Herrmann, Gravina um 
Delamare, die alle zwifchen 1760 — 66 ftarben. Eregeten find: Eurti, 
Herrmann, Goldhagen, Gener, de Nicolai, EtresNilon, Beith, 
MWidenhoffer, Weitenaver. Gontroverfift Nicol. von Diesbady, der 
Soldat, PBroteftant, Prediger gemein. Sardagna, Weißenbach, der Greg 
ner der Sofephiner, Storchenau, Nonnotte, Schwenfeld, Nophera, 
Barruel find die Ichten wifienfchaftlichen Autoritäten der Geſellſchaft. „In 
den, zwifchen den päpftlichen Nuntien u. den geiftlichen deutſchen Kurfürften von 
1786 — 1792 währenden, Streltigfeiten,” erzählt der Cardinal Pacca (Hiſtoriſche 
Denlwürdigkeiten über feinen Aufenthalt in Deutfchland), „waren es wieder bie 
. alten J., weldye gegen die Feinde des hl. Stuhles in die Schranken traten und 
die Gläubigen erleuchteten und beftärften durch tüchtige und fiegreiche Schriften.“ 
Unter diefen Borkämpfern nennt er in erfter Reihe Zallinger und.den uner- 
müdlidyen Zeller. Diefer merfwürdige Mann war Hiftorifer, Philoſoph, Geo: 
graph, Theolog, PBolemiter und being ein ungeheuened Wien. Nocd dem Zeug: 
‚niffe des belgiſchen Geſchichtſchreherd de Berlade , alten \etur Syn den 


Sefniten, 41113 


großen Einfluß auf den belgtfchen Eongreß von 1790. Er führte feine chemalts 
gen Brüder an im Kampfe gegen die jofephinifchen Doktrinen und gegen den 
Febronianismus. Gegen diefen wirkte auch Zaccaria, der Freund Benedilts XIV. 
und @lemend XIII., von Blemend XIV. gefchäßt, der Bertraute Pius VIL Er 
veranlaßte Hontheim zum Widerruf. Capitani de Mozzti, Berthter, Bas 
ntzont, Daguet, Budardi, Goiffet, Baudrand, Minetti, Beaus 
vais, Gonturier, Champion de Pontalter, Jean Grou, Gtarf, 
vollenden ald Weltpriefter ihre berühmten afcerifchen Werke. „Wenn ihr, fagt 
Ghateaubriand (Melanges), einem alten Geiſtlichen vol Wiſſen, Geiſt u. Salbung 
begegnetet, der den Son der guten Gefellfchaft und die Manteren eines wohlers 
zogenen Mannes hatte, fo fühltet ihr euch geneigt, diefen alten Priefter für einen 
J. zu halten.” Die berühmteften Prediger jener Bet find ehemalige J. Claude 
de Marolles, Reyre, Rotffard, Bellegrint, Saracinelli, Benint, 
Masden, Wurz, Merz, Barras, Winkelhofer, wie auch zwei der bes 
rühmteften Kanzelredner der Neuzeit 3. find: Maccarthy und Ravignan. 
Mich. Dents machte ſich berühmt durch feine Dichtungen. Treffliche Hıftorts 
fer waren BeraultsBercaftel durch feine Gefchichte Polen's, Farlati durch 
fein gefhäßted „Ilyricum sacrum“, Langino durdy feine Geſchichte von Vene⸗ 
dig. Kaprinai fchreibt auf Befehl Katfer Joſeph's die ungariichen Annalen, 
welche Pray vervolftändigt; Schwartz veröffentlicht feine „Collegia historica“ 
u. 9. m. Diele, ja die meiften der franzöfifchen J. gingen in den Greueln der 
Revolution unter. Das Rebabilitattionsbreve — Catholicae fidei, am 7. März 
1801 von Pius VII. erlafien — der ruififhen 3. (im 3. 1815 aus Rußland 
verbannt, wegen ihrer angeblichen Proſelytenmacherei, hauptſaͤchlich aber in Folge 
der Intriquen -der_englifchen Bibelgefellichaft, der von Frau von Krüdener ges 
nährıen Träume Kalter Alerander’d von einer Univerfal-Religion, der Eiferſucht 
der Univerfität Wilna, des freiwilligen, nicht durch J. bewerfftelligten Ueber» 
tritts des Neffen des Miniſters Galitzin) — man vergleiche im ng: Religions, 
und Kirchenfreund*, 1847 Ro. 27— 28: die Erhaltung der 3. in Rußland; 
mitgetheilt von Dr. Brühl — hatte eine unglüdliche Rüdwirkfung auf ihre fpants 
fen Brüder: Karl IV. nämlich, der den Berbannten von 1767 die Rücklehr 
eftattet hatte, erblidte in dem Breve eine Kränfung feines Vaters u. verbannte 
te ehemaligen J. mit ÄAufferfter Strenge. Später wird ihnen freilich dafür eine 
längende Genugthuung. Gin Dekret Ferdinand's VII. v. 9. Juli 1815 vers 
ügte proviforifdy die Wiedereinfegung der G. 3. für feine Staaten und befahl 
die Revifion ihres ‚Brogefie, die pi gar feinem Refultate führte. Die Revolus 
tion von 1820 proſctibirte indeß die fpantfchen 3. aufs Neue, 1824 wurden fie 
reftitutrt und 1835 wieder verbannt. Bereit waren, von 1794 an, alle Mits 
glieder der G. 3. tn Gongregationen zufammengetreten, wie die Gongregation 
zum heil. Herzen Jeſu in den Niederlanden, zu Augsburg, Wien, wo der Gars 
dinal⸗Erzbiſchof Migazzi auf Aufforderung des Papftes N zu ihrem Befchüger 
erklärte; wie die Congregation des Nic. Paccanarit, vie ſich zu Rom felbft als 
Geſellſchaft des Glaubens Jeſu bildete und die der Bapft förmlich ermächtigte, 
in ihrem Eoftüm und ihren Inſtitutionen die G. J. wieder aufleben zu laſſen. 
Später wurden auch die PBaccanariften, doch mit Ausfchlieffung ihres Gruͤnders, 
dem diefe völlige Sncorporation nicht zufagte, in die neu auflebende &. J. aufs 
genommen. Als Mitglieder diefer Bongregationen nahmen die J. audy in meh⸗ 
ren franzöfifchen Diözefen ihre alte Thätigkeit wieder auf. Dem Wieverauflcben 
der ©. J. in Frankreich ſtanden aber die früheren noch nicht aufgehobenen Ber: 
bote und das noch nicht ausdrücklich zurüdgenommene Aufhebungsbreve entgegen 
(Gruber hatte indeffen mit Napoleon in Verbindung geftanden), und durch das 
Drama vom dritten Meffivor des Jahres XI. wurden die Congregationiften 
auf den Borfchlag des Miniſters Portalis zurükberwien, aber iR UL ven 
Bourbonen kehrten die J. doch nady ihrer Reyabiliirung, unter {en —B 
Iichen Drbensnamen wieder zurüd, Der erſte ver Regenin ud KGuukd V 


1114 Jeſuiten. 


welcher die J. zuruͤckberief, war Ferdinand IV. von Neapel, num nicht mehr von 
Zanuce geleitet; er that dies durch Dekret vom 6. Auguf 1804, nachdem ber 
Papft die biöher nur für Rußland gültige Wiederherflelung des Ordens auch 
auf dad Königreich beider Sicilien ausgedehnt hatte. Nach Bertreibung ver 
bourbonifchen Dynaſtie nahm Pius die neapolitantfchen 3. in feine Staaten auf, 
Diefer, von dem unerfchütterlidhen Gefährten feiner Leiden, Barca, dazu ermus 
tigt, entfchließt fidy endlich zur allgemeinen Wiederherftellung des Ordens vurd 
die am 7. Auguft 1814 erfchienene Bulle Sollicitudo omnium Ecclesiarum, 
Brzozowskti, der wider feinen Willen in Rußland zurüdgehalten worden, obgleid 
nach der Wienerherft:llung des Ordens der General nady Rom gehörte, ftarb am 
5. Bebruar 1820 ; von nun an biß zur Vertreibung der 3. aus Rußland reſidirte 
dafeıbft nur ein Provinzial, was gleichfalls den Kaifer mißliebig gegen dieſe 
Cleriter flimmte, die fi in den Mifflonen Sibirtend und des Kaukaſus auf 
opferten. Nah Rem zurüdgefehrtt, mo ihnen ihr Noviziat und Mutterhaus zus 
rüdgegeben ward und Paniqzzoni als Berwefer für den Kirchenftaat regi-rte, aud 
ein König, Karl Emmanuel IV. von Sardinien, in’d Noviziat eintrat, wäblen fie 
am 18. Dftober 1420 Fortis zum General. Er ſtubt am 29. Juni 1829 und 
am 9. Juli wird PB. Rooıhan gewählt; biefer, geboren am 20. Rovember 1785 
zu Amfterdam, zeichnet fih durch eine eiſerne Konfequenz aus und verfährt mit 
Ruhe und Muth, doch ohne alle DOftentation. Wenige Monate nach der feier⸗ 
lidyen Wiederherſtellung des Ordens erhoben fidy feine Collegien in allen Stäpten 
des Kirchenſtaats, im Herzegihum Modena, in Genua; Sardinien eröffnet fi 
ihnen gänzlidy; die katholiſchen Staaten überhaupt gaben der Bulle Sollicitudo, 
wenn auch tbeilwetfe nur durch ihr Schweigen, ihre Zufiamung, mit alleiniger 
Ausnahme Brafiliend., Nach Portugal hatte die J. Don Miguel am 10. Juli 
1829 zurüdberufen. Die Revolution von 1833, die Don Pedro auf den Thron 
fegt, vertreibt fie wieder, weil fie ihr nicht dienſtbar werben wollten. Oeſterreich 
öffnet fich ihnen gleichfalls wieder, zunächſt Gallizten am 20. Auguft 1820, wo Sans 
des, der fpätcre Präfelt des Germanicums, u. Swietolowoki zu Tamopol u. Lem; 
berg Collegien gründıten, die großartig aufblühten. Bald gelangten fle auf 
nad) Ungarn und 1829 ward ihnen Steiermark eröffnet; im Jahre 1837 beruft 
Erzherzog Marimiltan fie nach Linz und 1838 übernehmen fie ihr altes Colleg 
zu Innöbrud wieder. Die im Frühling 1848 verfügte Bertreibuug der J.n aus 
Defterreih wird vom Miniftertum Schwarzenberg » Stadion ſchwerlich vollzogen 
werden. In Belgien lebten fie ald „Väter des Glaubens“ vom Beginn des 19. 
Jahrhunderis an; ald Wilhelm Friedrich von Naffau auf den hollaͤndiſchen Thron 
gelangte, wurden fie vertrieben und ihr Beichüger, der Biſchof von Ghent, Fürfl 
von Broglie, muß fidy mit dem Rector des Ghenter Noviziatd nady Yrantıeid 
flüchten. Nach und nach werden alle ihre Gollegien geichloflen; nach der Revo 
lutton kehren fie jedoch wieder zurüd , die hollänpdifdy = beigtfche Provinz mit 11 
Gollegten und 2 Univerfiräten, Mecheln und Löwen, bildend. In die Schweij 
wurden fie 1818 vom großen Rathe von Freiburg berufen, im Jahre 1824 wird 
dad große Kollegium von Yreiburg gegründet; von da aus eıftredt ſich des Or⸗ 
dens Thätigfeit über das Wuadtland, die katholiſchen Cantone; tm Canton 
- Schwyz verwandelt er fein Noviziat Eftavayer in ein Colleg, im Jahre 1836 
ward im Drte Schwyz ein Eolleg errichtet; die Uebertragung des neuen Bries 
fterfeminars in Luzern, weldye der General lange nicdyt annehmen wollte, mar 
ein Haupranlaß zu den befannten traurigen Greignifien in der Schweiz. Anfangs 
Auguft 1844 ward der Bertrag wegen diefer Uebernahme abgefchloffen, vom 
Heinen und großen Rath, wie in offener Volkszählung durch 18,000 Stimmen 
unter 25,000 Botirenden. Das Seminar nahm um dad Doppelte an Schuͤ⸗ 
‚ lern zu. Der Aufforderung der Heinen Majorität an der Tagfapung, die 3. zu 
entlaffen, glaubte die Luzerner Bebörde (Gon darum nicht nachkommen zu dürfen, 
als es ficy offenbar um vie kantonale — Le re Freiheii 
eher als um die fieben Luzerner I, hamnelte, Der Beronk wer \etuer ia da Ri 


Jeſniten. 1110 


erkrieg endenden Auge egenhelt darf als bekannt vorausgefegt werden. Dr. 
rühl: Die Schweiz Mid die Jeſuiten, Gleiwitz 1847. (Berge. Sonderbund,) 
Die 3. mußten fliehen aus Luzern, Schwyz und Waadiland, obgleich deren 
eiwa 130 Schweizer waren. Was viele J. für Derfolgungen und Quaͤlereien 
auszuftehen hatten, ſchilderte lebendig Montalembert in feiner Rede vor der Pairs⸗ 
fammer. Man nahm ihnen Alles: Biblioihefen, Mobilien, Kuchenſchmuck, fogar 
Kleidung und Wäſche. In Freiburg ward dad Haus auf's Entfeglichfte Demos 
lirt, dad Gigenthum der 3. in leichtfinnigfter und boshaftefter Weife vernichtet, 
verſchleudert. — In Frankreich fielen die J., gegen welche bereitd 18283 vom 
Miniftertum Martignac Ordonnanzen gerichtet wurden, in Folge der Denuncia⸗ 
tion des Grafen Montlofier vor der Pai skammer, mit der Reſtauration. Erſt 
mit der Frage, ob der Unterricht ein Monopol der Regierung oder von der 
Geiſtlichkeit mit zu überwachen ſei zur Abwehrung deftrucitver Tendenzen von 
den Lehrftühlen der Univerfitäten und Collegien, kam auch die Frage von den 
reltgiöfen Gongregationen und zunächſt von den 3. wieder zur Eprache. Da ers 
fin gegenüber vielen Anfeindungen 1844 die Schrift des berühmten Kanzel⸗ 
redners Ravignan über feinen Orden (De l’existence et de l’institut des Jesul- 
tes, mehrfady überfegt), die einen auflerordentichen Erfolg gewunn und fogar 
viele Feinde des Ordens zu dem Geſtändniſſe bewegte, derſelb e doch ſo 
verwerflich nicht feyn, fonft würde ein Mann von Ravignan Charakter und 
Geiſt ſich darin nicht fo glüdicch fühlen, nicht fo begeiftert feine Vertheidigung 
führen. Bald darauf erfchienen die würhenden Echrifien von Michelet u. Quinet 
voN perfönlicher Birterkeit und Partetleidenſchaft. Nach dicfen trateg große und 
Heine Schriftſteller in Haufen auf, fidy des glüdlichen Köders für die Öffentliche 
Aufmertfamfeit zu bemaͤchtigen. Da gab ed Heinen fo Heinen Publiciſten, ver 
nicht Brofchürdhen gegen Die caſuiſtiſche Compagnie veröffentlichte; jde andere 
Srage verfhwand vom Horizont der Innern Politik, die Frage der Unterridytös 
freiteit feiber war nur noch die Frage der J.; und Danf ihnen wurden die 
eigentlichen gebornen Vertheidiger der Freiheit, von der Linken 68 zur Außerften 
des National und der Reforme, unverboffter, merfwürdiger Werfe Vertheidiger des 
Univerfitätamsnopold." (2. Hahn, Geſchichte der Aufldjung der J. Congregationen 
in Sranfreidh im Jahre 18455 nady den biften Quell n u. unter Benugung hands 
ſchrifilicher Quellen bearbeitet, Leipzig 1846.) Im Jahre 1844 ward endlich die 
Frage um die Exiſtenz der 3.-Congregationen in Frankreich zunächft in der Pairs⸗ 
Zummer angeregt; treffli war die Bertheidigung von Montalembert, Bulgnot, 
Barıkölemy, doch konnten fie nicht verhindern, daß die Mafortiät gegen die Bes 
theiligung der Eongregationen am öffentlichen Unterriht fih ausſprach. Ein 
Zwiſchenfall trat jegt ein, durch wilche die oͤff ntliche Stimmung gegen die $., die 
man einmal hinter allen Aeußerungen des klerilaliſchen Geiſtes witserte, noch mehr 
aufgeregt waıd. Dupin, „Manuel du droit ecclösiastique frangais“, ein entfchies 
den gallikaniſches, dadei ganz unwiſſenſchaftliches Buch, ward vom Garbinal 
Primas, Erzbifchof von yon, in einem Hirtendriefe ald unttrchlid verdammt. 
Wurde nun auch diefe Berwerfung vom Cultusminifter vermöge eine® „Appel 
comme d’abus“ an den Staıtsrach gebracht und als Mißbraudy der geiftlichen 
Amısgewalt verurtbeilt, fo erfiärten fi) dagegen nady und nach 60 Biſchöfe für 
die Anficht Bonald's. Mehre andere Umftände befchleuntgten den Ausbruch der 
Kıifls. Die Defraudation des Gaffiers der Parlfer 3. führte zu einer Cri⸗ 
minalverbandlung, in welcher von dem Apvofaten jened Betrüger auf dad uns 
gefegliche Beſtehen eines Profeßhauſes aufmerkſam gemacht wurde. Faſt gleich» 
ae gelangte eine Petition von Marfeiller Katholiten, Schließung der Eolkegien 
ihefer’8 und Quinet's beantragend, an die Pairsfammer. In ber leiden- 
ſchafilichen Diskuffton, weldye fi erhob, nahm Eoufin auf x 
dee 3. und den Prozesß Affenaör, worauß Died ungeiralihe Beturn UL 
Bezug. Seht hielt es der nach Popularität um \eden Vrei® —8 
ür Zeit, die Sache ber J. vor die Deputirtentammer gu brtagen. Bun v 








41116 Sefuiten. 


genden Rede, welcher der Eultusminifter entgegenfebte, daß, Die beſtehenden Geſehze 
gegen bie Bongregationen angewandt wurden und werbeififellten, erwiederte Ber 
eger, welcher insbeſondere die Refte einer veralteten Geſezgebung der Parlamente⸗ 
fagungen, der Erlaffe aus der Schredengzeit in feiner ſchoͤnen Bertheidigung des 
Ortdens vernichtete, indem er auf ihnen den Stempel des peersiiemus und der 
Barbarei nachwies — felbft ein heftiger Gegner der J., Oeneralprofurater 
Hebert, that Died — und Carno. In der Pairokammer gab die Debatte Montes 
lembert zu einer herrlichen, ebenfo gründlich Jurivifchen und hiſtoriſch erſchoͤpfen⸗ 
den ald glänzenden Vertheidigung der 3. Gelegenheit. In der Deputirtenfam 
mer führte die Debatte am 3. Mat 1845 zur motivirten Sagen: d. h. es 
ward im Protokoll erklärt: „Die Kammer, ſich auf die Sorge der Regierung 
für die Ausführung der Landeögefege verlaſſend, fchreitet zur Tagesordnung. 
Nach einer ſolchen Mantfeftatton blieb der Regierung nichts Anderes übrig, als 
auf adminiftrativem ober diplomatifchen Wege für die Auflöfung der J.⸗ Con 
regationen in Frankreich zu forgen. Ein Gutachten von neun der berühmteflen 
dvokaten legte die juridifche Unthunlichfeit des erften Weges dar; auch wollte 
die Regierung wohl nidyt auf dem adminiftrativen Wege verfahren, um den Epis⸗ 
copat, der in feinen NRotabilitäten lebhaft für die J. Partei genommen, nicht ge 
gen fidy auffüghen zu machen und den Schein unliberaler Verfolgung zu vers 
meiden. ManMwählte vaher den viplomatifchen Weg durch Unterbandlungen in 
Rom vermittelſt eines aufferorventlihen Gefandten, Roff. Nach langen vergeb 
lichen Bemüßtngen gelang es dieſem, den h. Vater zu einem Ausſpruch zu ver 
mögen. * 412. Zunt 1845 verſammelte Gregor XVI. die Congregation ber 
aufjerordenflichen geiftlichen Angelegenheiten. Ste begutachtete, der heil. Stuhl 
fönne fich dem Anfinnen der frangöfifchen Regierung gegenüber zu feinem Zuges 
flänpniß verftehen, womit der heil. Water fich einverflanden erflärte. Dagegen 
erklärte fi Cardinal Lambruschini bereit, die Einleitung von Unterhanvlungen 
zwiſchen Roſſt und den J. direft zu vermitteln. Diefe laffen fi durch die Liebe 
zum Frieden zum freiwilligen Aufgeben ihrer Häufer in Frankreich beſtimmen. 
„Wir müffen fuchen,* fchrieb der General nach Yranfreih, „in den Hintergrund 
zurüdzutreten, und hiedurch büßen für das allgemeine Bertrauen, weldyes wir in 
die fchönen Berheißungen von Freiheit fegten, die in der Charte, aber audy nur 
da, zu finden find.“ (Näheres über dieſe merfwürbigen Verhandlungen vergleide 
man in Dr. Brühl: Neueſte Sefchichte der Geſellſchaft Jeſu, Gleiwitz 1847, 
©. 344 u. ff.) Troß ihrer vorfichtig zweideutigen Faffung enthielt daher die am 
6. Zuli im Moniteur erfchienene offizielle Note der Regierung eine Unwahrbelt; 
ob felbe dem Geſchaͤftsträger over dem Miniſterium zugufchretben, iſt nicht zu ers 
mitteln. „Die Regierung des Könige — fo lautete die Rote — hat Mittkeils 
ungen aus Rom erhalten. Die Unterhandlungen, womit file Hrn. Rofft beauf- 
tragte, haben ihren Zwed erreicht. Die Congregation der I. wird aufhören, in 
Sranfreich zu eriftiten und wird fich felbft auflöfen. Ihre Hänfer werben ge 
idylojien, ihre Noviziate aufgehoben werden.” Die J. in Frankreich eriftiren mun 
nicht mehr als Corporation, doch wohnen die in Paris befindlichen 3. wie früher 
emeinfchaftlich, wozu fie ja aud vor dem Geſetze vollfommen berechtigt find. — 
* England, wo die wachſende Anzahl der Bekehrungen zur Mutterkirche an's 
Wunderbare gränzt, haben die J. ſchon in manchen Gegenden als Lehrer und 
Seelſorger sehen Fuß gefaßt und befigen mehre Gollegten. Ueberhaupt beweist 
ihre friedliche Eriftenz in den freicften Ländern, Nordamerika, England und Bels 
gien, daß der „Jeſuitismus“ nicht blo8 mit dem Abfolutismus Hand in Hand 
eht. Daß der Gewitteiſturm, welcher Im Jahr 1848 Italien durchbrauste, die 
& am wentgften verfchonte, iſt erklärlich. Ihre ſchmachvolle Behandlung in Ge⸗ 
nua, ihre Vertreibung aus Neapel, ihre Verbannung aus Sictlien, wo die In 
furgenten ihrer Güter bedurften, envih, Ir Wieamg mb Rem, ber heiligen 
Stadt, die von einem Haufen Anorägiten begeriiä wit, Fupr ok fe ver S. 
Bater zu fügen vermochte — vieie Tnaiagen qiihten ver worden BERN 








Sefuiten. 2447 


an. Während wir dies nieberfchreiben, befindet fich der gehetzte Führer ber per 
besten Schaar auf der Flucht nah Majorka. — Die Gefchichte der Mif- 
fionen der 3. tft überfichtlich in dem Artifel Mifftonen gegeben. Wir wols 
len bier nur hervorheben, daß nach Aufhebung des Ordens viele J. ſich nad 
Nordamerika begaben, wo P. Earoll, Freund Wafhington’d und Franklin's, 
einer der Mitunterzeichner der Bunvesafte war, welche die Selbfiftändigfeit der 
nordamerifantfchen Staaten gründete. Zur Zeit find J. in Nord» und Süd 
amerika, in Indien, auf den Infeln der Süpfee, in China, Madagascar, in 
einigen Theilen Afrika's, in Eyrien, in der Levante und in Griechenland thätig. 
Die geiftlichen Uebungen der J., in deren Schule fo viele große Geiſter u. edle 
zen gebildet wurben, beftehen in einer Reihe von Betrachtungen über religiöfe 
egenflänve, in pafjender Ordnung aneinander gereiht und in ſtets wiflenfchafts 
licher Baflın . Die Uebungen find in vier Wochen eingetheilt. Ste bilden eben 
fo viele tufen in der Entwidelung bis zur chriſtlichen Bollfommenheit. Der 
Menſch beginnt damit, zu bedenken, was der Zwed feines irvifchen Dafeyns fel. 
Iſt derfelbe, alle Freuden zu Eoften, Reichthum, Ruhm, Wiſſenſchaft und Macht 
zu erwerben, oder iſt des trdifchen Daſeyns Endzweck, Bott zu dienen und ihm 
zu gehorchen und fomit bereinf zur ewigen Seligfeit gu gelangen? Nachdem 
diefe wichtige Frage entfchieven iſt, wird der naächſte Schritt feyn, die Mittel zu 
unterfuhhen, welche am fchnellften zu dem geſetzten Enpziele führen. Zu dieſem 
Ende zieht fi) der Betrachtende auf eine Weile aus dem Geräufche und Getriebe 
der Welt zurüd und, mit feiner Seele in Schweigen und Einſamkeit verfehrend, 
bereitet er ſich durch die Betrachtung für feinen zukünftigen Lebenswandel vor. 
Seine erfte Sorge muß feyn, fich einen Haren Begriff von der Sünde zu ver- 
fchaffen, jener traurigen Krankheit, welche wir von unferen Stammeltern erbten 
und welche die Urfache fo vielen Unglüds und Elends if. Ihren verheerenden 
Spuren muß er folgen beim alle der Engel, beim Berlufte des Paradiefes, bei 
dem Elende fo vieler menfchliyen Gefchöpfe, in der Furcht vor der Hölle. Hiers 
auf muß er von den allgemeinen Betrachtungen auf Die befonveren übergehen u. 
ein Gewiſſen erforfchen in Betreff des Zuflandes feiner eigenen Seele. Er muß 
fe drei geiftigen Fähigkeiten: dad Gedaͤchtniß, die Vernunft, ven Willen anwen⸗ 
den, um zu einer vollfommenen Erfenntniß feiner Mangelhaftigkeit zu gelangen. 
In diefer erften Woche der Uekung muß er die Sonde anlegen an die Wunden 
feines Herzens und die Häßlichkett feiner armfeligen, gefallenen Natur ihrem 
wahren Werthe nach fhägen lernen. Wo aber, nachdem er die Größe des 
Uebels vollfommen erfannt bat, fol er Bellung finden? Bei der Gnade Gottes 
und den Verheißungen feines erbarmenden Erlöferd. Jeſus iſt der große Feld⸗ 
herr, welcher zur Eroberung der Welt aussieht und alle Diejenigen aus flavi- 
fhen Banden befreit, welche feinem Banner freiwillig nachfolgen. Um aber uns 
ter feinen Schaaren Aufnahme zu finden, muß man feinem Beifptele nachfolgen; 
demnach if die zweite Woche der Betrachtung über die irdiſche Laufbahn gewib- 
met. Die Fleiſchwerdung, die Geburt, die Beſchneidung, die Flucht nach aan. 
ten, die Taufe, die Wunder, die Verſuchung, alle diefe Momente muß der Chriſt 
fi vergegenwärtigen, als ob die Ereigniſſe felbft unter den Augen des Betrachs 
tenden vorfielen. Und nun naht der Augenblid für eine entſchiedene Wahl her⸗ 
an, welche den Stoff bildet für die folgende Mbhanblung, den Titel führend: bie 
Meditation von den zwei Stanvorten. Zwei Lager breiten ſich aud vor ben 
Yugen des Büßers, zwei Heerführer laden ihn unter ihre Fahnen. In der gro⸗ 
Gen Babylon erhebt Satan, umgeben von dem Pomp und Schein diefer Welt, 
die Standarte glängender Trugbilder mit der Infchrift: „Reichthum, Ehre, Glanz !* 
Bon Jeruſalem zieht Chriſtus in die Schladht, auf feinem Panner die Devife 
enthaltend: „Armuth, Schande, Demuth!" Beide Yührer fammeln ihre Heere u. 
ftellen fie auf den weiten Gefilden auf. Ihre Hauptleute verlammeln Ar uw Aa 

und ertheilen ihnen die Befehle für den Kamp. Rox \hmger IR Bd halle, 

gleichgültig gu bleiben, Jeder muß nun zwiſchen beiden Dannern wlln, "S“ 


1118 Jeſuiten. 


loren iſt der zaudernde Feigling! Nachdem er ſich mm aber für den Dienſt des 
errn des Lebens entſchieden, wie ſoll der neue Soldat Kraft zum Fechten und 
aͤmpfen, wo ſoll er zum Dulden Troſt finden inmitten der Gefahren und Müh—⸗ 
feligfeiten, der Sorgen und Entbehrungen, denen er nicht auszuweichen vermag? 
Diele tröftende Stärke findes er in dem Garten Getbfemane und an dem Kreuze 
des Kalvartenberged. Dies führt in der dritten Woche der Uebungen zur Be 
trachtung des Leidens und Todes Ehrifti. Und wie er nun feinem Herrn zum 
Grabe folgte, fo muß er jeht auch an teiner Auferftebung Theil nehmen. Rad 
dem er den bittern Kelch bis zur Hefe leerte, muß er fidy bereit halten aum 
immliſchen Banfette. Nach üderflandenem Kımpfe mit Den Mächten ver Fin 
iß und nad) erfochtenem Siege über die Pforten ver Hölle, iſt es ihm ge 
flattet, feine Gidanken zum Himmel zu erheben. Daher if die vierte Woche der 
Betrachtung der göttlichen Liebe gewidmet. Die Seele bat ihre Schwingen wie 
der delunden und erhebt fidy in triumphirendem Yluge bis über die Sterne. Mit 
den Engeln und Erzengeln verfenft fie fidy in die Duelle des Lichts und Wohl: 
laut® und erfüllt ſich mit dem unausfprechliden Bewußtſeyn von Gottes Bol; 
kommenheiten. Bon nun an wird fie ihrem Schöpfer all’ ihre Gedanfen, Erinner⸗ 
ungen, Hoffnungen, Gefühle u. Neigungen widmen. Fortan wird fie vor allen Din 
en nicht für ihr eigenes Wohl, fondern für Gottes Ruhm u, Ehre bedacht feyn. 
ie Conftttutionen find glei den geiftlihen Uebungen vom heil. 
Ig natius felbft verfaßt. Der hi. Oidensſtifter begann damit, den Zwed de 
Geſellſchaft hervorzuheben, welcher tft die Förderung der Ehre Gottes vermittelk 
der Heiligung der merſchlichen Seele. Die Mittel dazu werden in ven zwei 
Hauptberufen des Lebens, dem thätigen und befchaulichen, gefunden. Zur Con 
templation gehören das innerliche Gebet, die Selbſterforſchung, das Lefen in der 
hl. Echrift, der häufige Genuß der Saframente, das Abziehen von der Welt, 
verbunden mit frommen Uebungen und Werfen; zum thätigen Leben gehören das 
Predigen, die Catecheſe, die Miſſionen, die Gontroverfe, der Beſuch der Spitoͤler 
und Gefängnifſe, das Beichthören und den Unterricht der Jugend. Zu alle dem 
verpflichtete er feine Geneſſen und zog alles in den Bereich feines Fnftituts. 
Um den Schein des Beſondern, des Ausgezeichneten zu vermeiten, wodurch die 
große Muffe gegen ihre Wirkjamfeit vielleicht von vornherein wäre eingenommen 
worden, traf er die Beflimmung, daß die Mitglieder feiner Gefellichaft feinen ihr 
ausſchließlich angehörenden Ordenshabit tragen folten. Mit derſelben inficht 
und Menfchenfenninig vermied er e8, zu befonderer adcetifcker Etrenge zu vers 
binden. Armuth und anftändize Mäßpigfeit folten die Grundzüge des Lebens 
feiner Anhänger feyn, doch aber hielt e8 der Mann, weldyer zu Mareza einfl 
gegen fich felbft die Abtöntung und Entfagung bi zum höchſten Grade trieb, 
nicht für angemeffen, audy feinen Genefjen ſolche Strenge zur Pflicht au machen. 
Er wußte, daß feine Gefelfchaft aus Männern des verſchiedenſten Alters, der 
verfchiedenften Körperbefchuffenbeit und Lıbendgewehnheit befteben mußte; und 
während er feine Angehörigen Im Allgemeinen auffsrderte, ihren Leib fich unterthan 
zu machen, überließ er alles Befondere dem Gewiſſen des inzelnen oder ver 
Enıfcheivung des einfichtevollen Dbern. Bei den Beftimmungen über die Auf 
nahme neuer Mitglieder ortnete er an, daß Förperliche und geiftige Geiundkeit, 
ein guter Ruf und Freifiyn von allen andern Berpflihtungen die weſentlichen 
Beringungen ſeien. Ferner woll:e er, daß hinreichend Zeit einem Jeden g ftattet 
werde zur reiflichen Beben kung feines Schritted vor Eintritt in die Geſeilſchaft, 
daß er über die Wichtigkeit dieſes Schritteß gehörig belehrt und im Voraus einer 
Prüfung über feine Fählakcit unterworfen werde. Alsdann iſt der junge Jeſuite 
zu einem zweijährigen Noviziate zuzulaflen, während deſſen Dauer er alle welts 
lihe Studien und Gefchäfte befettigen und fich ausſchließlich dem Gebete, ver 
Betradhtung und der religtöfen Ucbung widmen fol. Er hat die geiftlichen 
Grerzisten durchzumachen, eine Wügerieie u gun, einen Monat lang in einem 
Spitale zu dienen und In der Ehrienlegte arar inter u weieriuen. Mac 


| 


SIefuiten, 41119 


Ablauf dieſer Probezeit fol e& ihm noch immer freiftehen, in die Welt zurückzu⸗ 
kehren. Wil er in der Gefellfchaft verbleiben, fo bat er nunmehr die drei Ge⸗ 
Lübde der Keufchheit, Armuth und des Gehorſams abzulegen. Der Rovize iſt 
nun ein Scholar geworden und die nächften Jahre hat derfelbe den Studien ber 
eiftigen Ausbildung zu widmen. Zwei Jahre werben für die Grammatif und 
betorif, drei Jahre für die Philofopbie, Mathematif und Phyſik in Anſpruch ge 
nommen. Zu gleicher Zeit muß er fidy mit ven gelehrteften Sprachen vertraut machen 
und deren vorzüglichfte Schrififteller Iefen. Hierauf wird er befähigt feyn, ven 
Unterricht einer Claſſe in einem Collegium zu übernehmen und hiedurch fein 
eigenes Wiſſen befeſtigen. Rur nach anger Uebung auf diefer Stufe fann er 
das regelmäßige Studium der Theologie beginnen. Run hat er drei bis vier 
Jahre (häufig fünf bis feche Jahre, je nach Befählgung und Alter, denn vor 
dem 32. Jahre fol ihm die PBriefterweihe nicht erihellt werden) dem Stublum 
der hl. Schrift in den Originalfprachen, ver Kirchengefchichte und dem Kirchens 
rechte zu widmen. Damit er indeß während diefer langen Zeit nicht läfftg werde 
in reliatöfen Urbungen, hat er feine Gelübde zweimal des Jahres zu erneuern 
und fid) darauf jedesmal durch Abgeſchiedenheit, Betrachtung, allgemeine Beicht 
und Buße vorzubereiten. Nachdem er diefe lange Vorbereitung überwunden hat 
und zu einem reiferen Alter gelangt ift, kann der PBoftulant zum Priefter geweiht 
werden; bevor er aber zur höchften Stufe in der Geſellſchaft, zur eigentlichen 
Mitgliederfchaft in derfelben vorfchreitet, muß er noch eine Prüfungszeit beſtehen 
und gewifiermafien als Rovize ein Jahr lang fidy den religtöfen Uebungen wids 
men. Rad) Bollendung des Roviziates u. nad) Ablegung für diefe Stufe vors 
a henet Gelübde fteht es dem Poftulanten nicht mehr frei auszuſcheiden, die 
efellichaft aber hat ihm gegenüber noch Feine Verpflichtung übernommen umd 
kann ihn iederzeit, wenn er fich als untüchtig oder unfähig erweift in die Welt 
zurüdienden. Diefe Vorfchrift iſt eine ſehr weife und fichert einerfeitd den Orden 
vor Aufnahme untüchtiger Mitglieder, anderſeits iſt fie fehr heilfam für den Kans 
didaten, der biedurch zur firengften Ueberwachung feined Lebendwandeld und zum 
eifrigften Streben nad) Bervollfommnung angetrieben wird. Aus diefen Eons 
ſtitutionen werden nun die meiften Anflagen wider die Tendenzen der J. 
abgeleitet, woru denn auch in zweiter Reihe einige Schriften namentlid) fpanifcher 
3. dienen müffen. Während zweier Jahrhunderte fpielten Mitglieder der G. J. 
bedeutende Rollen in dem Drama ver Weltgeichichte: fie wären höhere Werfen 
und Feine Menfchen geweien, würben fle aus allen Feuerproben gänzlich fleckenlos 
hervorgegangen feyn. So müflen fie nun auch den Vorwurf tragen, daß fie 
nicht um vieles weiſer und befler waren als ihre Zeitgenofien, und daß ihnen 
der gehörige Antheil gebührt an den Fehlern und Serurgen ihrer Zelt. Das 
aber muß anerfannt werden, daß die Satzungen ded Ordens und die Intentionen 
des Stifters das Trefflichfte und Edelſte nur beswedten, daß jenen der Otden 
als Körperfchaft ſtets getreu blieb und ihm daher feine Vorwürfe fo ſchwerer 
Art, wie fie genen ihn erhoben werden, zu machen find, daß endlidy nur der Uns 
verftind und die Thorheit aus Schriften von J. die ihnen zugefchriebenen fluch⸗ 
würdigen Lehren ableiten fann. Bin der Behauptung z. B., der Say: Der Zwed 
heilige die Mittel, ſei jefutriiche Lehre, iſt höchſtens nur fo viel wahr, daß bie 
Poliiik der 3. ſtets der jedesmalige Ausdruck ihrer Zeit gewefen, da der Orden 
keine ausſchließliche politifche Lehre hat. „Umfonft flelen wir das Begehren“; 
fagt Dr. Riffel in feiner Schrift: „Die Aufhebung des I⸗Ordens“, „daß au 
nur eine oder die andere Stelle aus allen jeſuitiſchen Schrififtellern zufammens - 
Fa vorgezeigt werben möge, worin diefe Lehre gepredigt ſei; die Feinde 
nd deſſen eingeftändig, daß eine folche nirgend wo ir finden, meinen dagegen 
a) daß, da die J. fogar zur Sünde verpflichtet werden, fo werde 
daraus als oberfler Grundſatz der prafitfchen 3. Moral das fnrichwärtlidke .-“ 
Schlazwort: Der Zweck heiligt die Mittel, tolgerkduitg, ai. Se ont 
Dr. Rutenberg tn felner nach Quinot und Midgelet coraplirten Broidatre: “DI W 


ee das 

1: feinen fchönern, bi umd edlern Zweck haben 

fe von dem drohenden Untergange zu bewahren. Ba 

gethan? welche Mittel dabei angewendet? Mit erlaubten Waffen führten | 
männlicher Ruhe, Ernft und ohne Leidenſchaftlichleit ihre Bertheidigung; 
aber haben fie ihren Feinden auf hinterliftige Weile gefchadet, Tim 
Gewalt Trotz geboten, nirgends die Flamme des Aufruhrs im den Herien im 
angefacht die mit inniger Lie ihnen zugethan und wegen redhtlofer 8. 

mit tiefer Betrübniß erfüllt waren. — Was hatten Pombal, Aranda, Ch 
und die übrigen Verſchwornen von ihmen zu befürchten? Nirgends alfo fi 
wir eine Spur von dem verwerflichen Grundfag, eben fo wenig in ber Geid 
als in den Lehrbüchern; wenn er aber hier nicht anzutreffen umd Am Leben Al 
nicht gezeigt hat, was berechtigt die Ankläger, auf fein Worhandenjemz 
hliegen? — Daß im Gegentheil die Gegner der I. in ihrem Verfahren m 
jelbe jenen Grundfag faft durhaus in Anwendung brachten, läßt füch Leicht mh 
weiſen. Zertullian fagt: Confessio nominis, non examinatio criminis. — ul 
aber fehrieb im Jahre 1520 an Johann Lange: „Wir find überzeugt, daf W 
Papſithum der Sig des wahren Antichrift fet und glauben, daß uns in dere 
nichtung deſſelben zum Heile der Seelen alles erlaubt jet.“ Während ber fi 
mifchen Aufregung des 16. Jahrhunderts wurde die Lehre vom Tpranam 
mord von vielen Predigern und Schriftftellern, proteftantifchen ſowobl als ie 
tholifchen, vertheidigt, unter Andern aud von dem fpanifchen 3. Marianı 
Aber die Lehre ward vom Ordensgeneral Claudius Aquaviva (f. d.) fm 
* verdammt, der am 11. Auguft 1614 ein Dektet erließ, wodurch jedem Ni 
glied der Geſellſchaft bei Strafe der Ercommunifation verboten wurde, Öffentid 
oder im vertrauten Kreife, mündlich oder fcpriftlich zu behaupten, daß es, min 
irgend welchem Vorwande auch, erlaubt fe, einen Fürften zu ermoren, In 
den ungefähr 17 3., welche ſich mit diefer auf Anregung Johann PBetits bus 
das ganze 15. Jahrhundert und bis in die Mitte des 16. — mithin wehr alt 
100 Jahre hindurch, bevor ed noch I. gab — aufgeftellten Ftage befchäftigten, Rılı | 
eben nun Martana in feinem Buche de rege et regis institutione die &dn 





Jeſuiten. 1121 


vom erlaubten Tyrannenmorde, wenn auch mit einigen Einſchraͤnkungen, auf. 
Mariana's Irrthum ward aber gerade Veranlafſung, daß die helleren Einſichten, 
der Geiſt des Ordens, die Reinheit ſeiner Moral ſich entſchieden bekundeten. 
Nach Entſtehung des Ordens nahmen J. an dieſer Streitfrage offenbar nur ber 
halb Antheil, um diefelbe entweder durchaus zu befämpfen, oder doch fo viel als 
möglih unfchädlich zu machen. Der gelehtte Salmeron, Loyola's Gefährte, 
fagt ausdrüdlid: „non licet privato propia autoritate tyrannum interficere, 
maxime, si in pacifica possessione sit. Nicmand ift befugt, einen Yürften, 
babe er ſich audy der Herrichaft gewaltfam bemädeit, zu ermorden, befonders 
wenn er einmal im Keen Belige derſelben iſt.“ enn nun Salmeron an 
einem anderen Orte lehrt: „Daß, wenn ein unrechtmäßiger Regent eine von ihm 
unterjochte Stadt feindlidy anfiele und gerade im Begriffe ftünde, fich derſelben 
durch Gewalt der Waffen zu bemächtigen, ed alsdann auch einem Privatmann 
erlaubt wäre, wenn er von der rechtmäßigen Landesobrigfeit den 
Auftrag erhalten hätte, einen ſolchen Fürften (den man in diefem Augenblide als 
einen Tyrannen betrachten fünnte) zu ermorden”, fo fieht man offenbar, daß er 
in dem Geifte jener Jahrhunderte fchrieb, daß es aber auch zugleich Fein Kleines 
Verdienſt von ihm war, bie Rechtmäßigkeit des Tyrannenmordes in fo enge 
Schranken einzufchließen, während dieſelbe noch von fo vielen Theologen, Ge⸗ 
lehrten und felbft angefehenen ‘Proteftanten ohne alle Einſchränkung behauptet 
ward. In diefem Sinne fchrieben noch verfchiedene andere J., wovon jedoch 
einige ſich noch beflimmter und ausdrüdlicher gegen die Lehre erflärten. So z. B. 
fagten Molina und Xeffius: „princeps, etsi tyrannice regat, tamen manet 
superior, urde scriptura jubet nos in rebus licitis parere principibus et laicis, 
tamquam superioribus, etsi maximi essent tyranni, utpote, qui ecclesiam per- 
sequerentur, ct ad impietatem cogerent: ergo non potest ab ullo subdito in- 
terlici.* Ein Regent, fei er auch ein Tyrann, ift dennoch die geſetzmäßige hödhfte 
Obrigkeit; daher befieblt die Heil. Schrift, daß man in Allem, was nicht aus- 
drüdiich Gottes Gebot entgegenläuft, auch den heidntfchen Fürſten gehorchen müffe, 
felbft wenn fie die größten Tyrannen wären, bie Kirche verfolgten und die Ehriften 
zum Abfall zwingen wollten. Hieraus folgt alfo, daß der Mord eined Regenten 
niemals erlaubt Ki. — Später nahm der im J. 1600 geborene weftphältfde J., 
Dermann Bufenbaum, die Frage wieder auf, indem er in Betreff ver 
elbfiv ertheibinung entfchied, dag man zur Rettung feines Lebens und Be⸗ 
wahrung feiner Glieder. den ungerechten Angreifer im Yale abfoluter Nothwen⸗ 
digkeit tödten und der Sohn, der Möndy, der Unterthan bis zu viefem Grade 
ihre Vertheidigung gegen den Bater, Abt, Fürften ausdehnen fünnen, vorausge⸗ 
ſetzt jedoch, daß der Tod des letztern nicht zu große Uebel, wie Krieg u. f. w. 
nach fich ziehe." Buſenbaum fpricht alfo eigentlidy von der Tödtung aus Noth- 
wendigfeit, wie fie von allen ®efeggebern erlaubt if. Wir wollen indeß felbft 
ihn des Verbrechens, die Lehre vom Tyrannenmorde aufgeftellt zu haben, zeihen: 
ift es denn aber gerecht, aus der ‘Brivatmeinung zweier, oder ſelbſt aus derjenigen 
von vierzehn Eufuiften auf die Lehre des ganzen Ordens zu ſchließen und zu be- 
haupten, von der ©. 3. fet ein foldyes Syſtem ausgeganaen? Kommen denn 
die zahlreichen J., welche daffelbe bekämpfen, gar nicht in Betracht und gilt die 
ausdrüdiiche Berurtheilung des im Namen ded Drvend fprechenden Generals 
ar Nichts? Was die ald Lehre der J. aufgeftellte Zweideutigkeit oder den 
Innern Vorbehalt anbelangt, fo beruft man ſich hiebei auf das Verfahren 
der 3. in der englifhen Bulververfhwörung (f. d.), da namentlidh ber 
Provinzial Garnet, der unter dem Beichtflegel hievon Kunde erhalten, Feine 
Anzeige gemacht habe. Das Beichtfiegel darf aber unter feinen Umftänden ver- 
legt werden. Wohl ift e8 dem Beichtvater geftattet, wenn er von einem furdht- 
baren Verbrechen, namentlich von einer Verfchwörung gegen das Xeben hes 
Zürften oder gegen den Staat, durch die Beichte Kenamig ciualen un Em 
Beichtenden bie dringendften Vorftellungen, doch vwergehiiig , gemalt wu ch 
Mealencyclopãdie. X. N 


Beichtuäter, weil fie ald allgemeine Regel annahmen, das, wer zur Beicht 

auch den aufrichtigen Entſchluß gefaßt, den ernften Willen babe, fich zu beim 

Ein Verfahren im Beichtftuhle, wie das der Janfeniften, welche wegen Thea 

befuch u. dgl. die Abfolution verweigerten, und Anderer, die ihre tübertrice 

Strenge nachgeahmt, wäre geeignet, die große Mehrzahl der Beichtenden me 

Beichtſtuhle fern zu halten. Merkwürdig ift, daß die modernen Ankläger ta) 

auch in diefem Betreffe die liebevollen pt iefter blindlings anflagen, während vd 

doch gerade Solche find, die das ganze Inftitut der Beichte gerne umfne 
möchten! Sonderbare Anomalte! Ob die jefuitifchen Cafuiften für die Beide 

väter überhaupt ein eigenes Syftem aufftellten und ob dies wirklich fo verne 

lich war, wollen wir jet näher prüfen. Da iſt mun vor allen Dingen zu io 
merfen, daß diefe Gelehrten ſcharf unterfchieden zwifchen Theorie u. Prarie. Ak 
von ihnen abgehandelten Fragen waren Schulfragen, gelehrte Themata, die m} 
Leben überzuführen ihnen nicht beifiel. So fagt 3. B. ein gewiſſer Caſuiſt, 2 
Reginald, es ſei erlaubt, einen ungerechten Angreifer, ja, einen falfchen Zeuge 
vor Ablegung dieſes Zeugniffes, wodurch das Leben verwirkt würde, zu töbtm; 
es müßte aber unzweifelhaft feyn, daß jener die Abficht wirklich habe und wi 
fein anderes Mittel fet, ihm zu entfommen, d. h. feinem Zeugniffe gegemibe 
fih zu rechtfertigen. Reginald fegt aber hinzu: „fo wahrfcheinlich der &n u 
der Theotie iſt, fo wenig iſt er ed in der Praxis und man darf ſich nicht dar 
nad) ‚richten. „In praxi tamen non est sequenda“, weil eine ſolche Anmentun 
großen Mißbraͤuchen unterliegt; weil fie zu vielen Morden Beranlafjung geb; 
weil diefe Art der Selöfvertheiblgung, fo gegründet fie im Naturredhte felbit e 
fcheint, moralifch ungertrennbar it von Haß, Rachfucht ı.. Entichieden mus it 
Abreve geftcllt werden, daß die Gafuiften der I. ein eigenes Syftem aufftellten; 
wie e8 überhaupt Syſtem des Drvens war, fein befonderes theologifches Euftem 
zu haben u, fich ſtets derin der Kirche die allgemeinfte Geltung gewinnenden them 


; 
| 
1 





Jeſuiten. 1123 


Iogtichen Meinung anzufchließen, ihren Theologen aber im Bereiche der, von der 
Kirche anerkannten, Meinungen jeglichen Spielraum zu geftatten: fo auch in Be- 
treff der Moral. In Anfehung des Probabilismus 3. B., der Ichrt, daß man 
in nicht ganz feflftehenden Dingen eine Meinung, die nicht gewiß iſt, der aber 
gersichtige Autoritäten oder bedeutende Gründe zur Eeite fliehen, folgen dürfe, fo 
ebrten viele J. — viele, namentlidy der General Gonzales, erklärten fi) dage⸗ 
en — hierin nichts Anderes, als die Mehrzahl der Theologen vor und nad) ihnen. 
—5— aber findet darin das ganze Seheimnis ihres Thun und Treibens, das 
Alpha und Omega ihrer Theologie und behandelte den Probabilismus als eine 
Erfindung der J.! Ja, ein Jeſuite, Comitulus, befämpfte am erfolgreichſten, allen 
Gelehrten gegenüber, dieſes Syſtem, Paskal entnahm ihm alle feine Gründe, 
nannte ihn auch, hütete fidh aber wohl, zu geftehben, daß Comitulus ein Jeſuite 
eweien! In einem, auf Befehl des Gcneralfapiteld der Dominikaner gedrudten, 
erfe von Alphons von Sarogeiin wird der Probabilismus gelehrt, ebenfo von 
fünfzehn Bifchöfen. Als die jejuitifchen Theolgen die Lniverfitäten und Schulen 
betraten, fanden fie Diele allgemeine, von Allen, befonderd von den Schülern des 
heil, Thomas zumeiſt befolgte Lehre vor. Dem Grundfage des Ordens gemäß, 
sichteten fie ſich meiſtens darnach; Andere Iehrten die entgegengefegte Anficht in 
den Schulen, fo wie in ihren öffentlich gedruckten Schriften. Später, ald Paskal 
fich einfallen lic, die J. für dieſe Lehre verantwortlich zu machen und viele hierin 
mit ihm Chorus machten, ftellten fie dem Publikum vor, daß, wenn dies Syſtem 
etwas Verwerfliches enthalte, man mit Unrecht fie verantwortlich mache, indem 
fie weder die Einzigen, noch die Erften gewefen, die er vorgetragen; da nun ges 
rade fie es feten, welche die Lehre mäßigten und bebingten, käme es ihnen nicht 
zu, felbe geradezu zu verbammen. Anders ift e8, wenn die Kirche fpricht: ver- 
wirft die legitime Autorität den Probabilismus, fo werben die J. die erften feyn, 
dem Urtheile ſich zu fügen. — In Betreff der Sünde follen die J. nach den 
Brovinzialbriefen Paskals lehren, daß und jedwede Handluug nicht zur Sünde 
angerechnet werden Fönne, wenn und Gott nicht, ehe wir fe verrichten, das 
Böfe zeigt, welche daran iſt und uns durch eine Infpirtation zur Vermeidun 
defielben antreibt. Selbſt Hiftorifer, wie Leopold Ranfe, haben dem Pasta 
diefe® aufs Wort geglaubt und mit Recht fidy über eine Lehre entfeht, welche den 
Begriff von Sünde tn ihrer Conſequnz fürmlid aufheben würde; in Anjehun 
Dieter jogenannten philofophifchen Sünde Ichrten aber die J. etwas wefentlt 
Verſchiedenes. Diefelben vertheivigten fiy in einem Buche, betitelt: „Der von 
den 3. befämpfte Irrthum der philoſophiſchen Sünde,” worin wir lefen, daß, wo 
es fid) um die Unwiſſenheit oder Unachtfamfeit hinfichtlich unferer Pflichten han⸗ 
delt, die firafbare von der unverfehuldeten wohl zu unterfcheiden fet und letztere 
von dem Böfen, das man durdy eine Nacyläßigfeit nicht gekannt hat, nicht frei« 
pr t. In jener Schrift heißt ed: Die neue Härefte, die man und aufbürdet, 
efteht in der Behauptung, daß jede Unmifienheit, jede Gottvergefienheit, wenn 
auch eine freiwillige und flrafbare, wie fie es 3. B. bei den Atheiften, Göben 
dienern, Freigeiftern und allen übrigen ift, welche der Denunziant als Beifptel zur 
Erläuterung der Kegerei anführt — daß, fage ich, jede Unwiffenhett und Gottver⸗ 
geſſenheit hinreicht, um nur philoſophiſche Sünder zu begehen, die Gott nicht bes 
leivigen. Und das verbammen wir Alle als fluchwürdige Härefte und behaupten 
zugleich, daß nie einer unferer Schriftfteller Soldyes garhtt. Einige J. von Lö⸗ 
wen vertheidigten dieſes Syftem vielleicht allzu harinädig und geriethen, weil fie 
fih fo weit als möglich von den Fatalismus des Bagus und den Janfenius- 
Bertheidigern entfernen wollten, in das entgegengefebte Extrem. Rie aber, wenn 
auch Einzelne diefer Theologen irrten, warb das Eyſtem von Rom, vom General 
utgeheißen, vielmehr dafelbft ausprüdlich verdammt. Paskal u. der große Antonio 
tnauld, der eifrigfte aller Janfeniften, der über diefe Materie ſchrieb, tadelten ie 
allzu Häufige Communion, weldye die 3. reichen (olten, verltiumueten runs! N 
©, 3 Der fo fehr verkegerte Gafuift Baunt (eier üher Tier Ka 2 


124 3eeſuiten. 


ſogenannte verſchuldete freiwillige Unwiſſenheit nicht won der Sünde freifpricht. 
Biete Unwiſſenheit“, fagt er in feiner „Summe der Sünden”, iſt Sünde nad) 
den Worten des Apofteld an die Korinther: „‚Ignorans ignorabitur.“ Ebenſo 
lehrt er, daß Feine Handlung dem Menfchen zum Vorwurf gereicht, wenn fie nicht 
eine freiwillige if. Die 3. hatten fo wenig jemald die Abfichten, welche Paskal 
und feine Nachbeter ihnen beilegen, daß fie ohne Anftand die Verdammung der 
meiften Sätze, die er befämpft, fo genommen, wie er fie ausführt, unterzeichnen 
würden. Die Gefellfchaft, als ſolche, das ift wohl hervorzuheben, vertrat niemals 
eine von ihren Theologen ausgefprochene Meinung und ſtets fanden einem I. 
bei feiner Meinung wieder Andere gegenüber, die das Gegentheil lehrten. Yerner 
{ft die Caſuiſtik Feine für die Menge beftimmte Wiffenfchaft und Feiner der Eafuiften 
dachte wohl daran, daß einft ihre Koltobände aus dem Staube der Bibliotheken, 
wo fle zum Gebrauche des Gelehrten, des Theologen ftanden, einf an das Tas 
eslicht würden gezogen werden. Voltaire fagt über die Provinzialbriefe — u. 
—* Urtheil iſt von Seiten des Patriarchen des Unglaubens, dem die ſtreng⸗ 
chriſtlichen Janſeniſten ſo ſehr in die Hände arbeiteten, wohl zu berückfichtigen: 
Offenbar beruht dies Werk auf einer ganz irrigen Vorausſetzung, indem man 
die tollen Begriffe und Anſichten etlicher mantihen und Aamänbifihen 3. hämt- 
fcher Dee dem ganzen Orden beilegte. Auch in den Eafuiften des Franziskaner⸗ 
und Dominifanerordend hätte man noch manches Abfurde finden können; aber 
darum war es nicht zu thun: man wollte ganz allein den J.Orden dem allge: 
meinen Gelächter Preis geben. Eben diefe Briefe follten fogar auch beweiſen, 
daß e8 in dem Plane der J. läge, flatt die Menfchen zu beſſern, dieſelben viel- 
mehr zu verichlechtern, aber ein folcher Plan ift fo zwecklos und ungereimt, daß 
wohl noch feine Sekte in der Welt ihn je weder Hatte, noch haben konnte.“ 
— Literatur. J. Allgemeine Oerhihte des Ordens u. Tebensbe- 
fhreibungen einzelner Drdensmitglieder und offizielle Doku: 
mente aus dem Drden; Nik. Orlandinus, Historia societ. Jesu, Rom 1615; 
J. Bayna, Lusit. de societ. Jesu origine, Lovanii 1566; Decreta congregatio- 
num generalium (1—VIl.) soc. J., Antw. 1635; Canones congregat. gener. 
soc. J. il. Holsten-Brockie, T. IIl., pag. 121—139; hist. soc. J. a Nic. Or- 
landino, Sacchino, Juventio, cett. Rom und Antw. 1615— 1750, 6 Th. f.; 
Alegambe, Bibl. script. soc. J., Antw. 1643; Lagomarſini, Testimonia vir. illustr. 
soc. J. Litterae annuae soc. J., annis 1606, 7, 8, datae more ex Provinciis ad 
R. P. Generalem Praepositum, ejusdemque auctoritate typis expressae, Mainz 
1668; Gefchichte (unparth.) der J., Ylorenz 17695 Hafenmüller, hist. ord. Je- 
suitici, Florenz 1595; Histoire generale de la naissancce et des progres do la 
compagnie de Jesuset l’analyse de ses constit., Amft, 1761; Rod. Hospintant, 
historia Jesuitica, de origine, regulis, constit. privilegiis etc. Jesuit., Züri) 
1670; Litterae apostolicae, quibus institutio, confirm. et varia privileg. conti- 
nentur soc. J., Rom 1597; Literae annuae soc. J., anni 1592, Rom 1584, 
anni 1600, 1601, Antw. 1618, anni 1562, ab Gottifredo praeposito generali 
gubernante (Prag) anni 1652 u. 1653, ebd,, Auctarium annuarium soc. J. anni 
1652, 53, ebd. Compend. privileg. et gratiar. soc. J., Rom; Etödlein, Briefe, 
Schriften und Relfebefchreibungen der Weiffionäre der ©. J. aus beiden Indien 
und über Meer gelegenen Ländern, Augsb. 1726 — 325 ver ©. I. Briefe, ale 
Grundlage der Miſſionsgeſchichte fpäterer Zeiten, überfegt von Burg, Koblenz 
1845; Lettres de S. Franc. Xavier, apötre des Indes et du Japon, precedees 
d’une notice historique sur la vie de ce Saint, suivies des lettres de ces Colla- 
borateurs dans l’Apostolat au Japon, yon 1828; Const., regulae et privileg., 
instit. soc. J. ex decreto con eg general. XIV., Prag 1705 ; Corpus insti- 
tutorum soc. J., Prag 1757; & 8. Harenberg, Pragm. Geſch. ded Orden der 
J., Halle 1760; Dallas, History of the Jesuits, Lond. 1816 (Frei überfebt mit 
vielen hiſtoriſchen Noten u. Erläuterungen von Kr. 9. Kery, Düffeld. u. Münch. 
1820) ; Zeugniffe für die G. J. om —B Tarren, ER WÄN, Scıen, 


„ . 


Jeſuiten. 41125 


oder bifter. Ehrentempel der ©. J., Wien 18415 Documente zur Geſchichte der 
Berurtheilung und Bertheidigung der &. %., aus d. Franz., Regensb. 18415 
Scheffer, Precis de l’'hist. des generaux de la comp. de Jesus, Paris 1824; 
Gretineau=Soly, Histoire religieuse, politique et litteraire de la Compagnie de 
Jesus, composee sur les documents inedits et authentiques, VI. vol., Baris 
1844 — 46 (eutſch in Wien); Selbſtbiographie d. h. Ignatius (Bolland. m. 
Jul. T. VII); Ribadeneira, vita Ign. lib. V., Neapel 1572 (deutſch Sngolf. 
1614); Maffei, de vita et morib. Jgn. Loyol., Rom 1585; Bartoli, vita di 8. 
Im. Rom 1659 (franz. 1843); Weniger, Leben des heil. Ignatius v. Loyola, 
ansb. 1847; J. Yulgatti, vita Rob. Bellarmini soc. J., lat. a Silv. a Petra 
sancta, Löwen 1626; Leben des Abts Lorenz Ricci, geweſenen Generald der aufs 
gehobenen ®.%., aus d. Italien., Franff. 1776 5 Lebensbegriff des heil. Staniel, 
oflfa, der ©. J., ſammt Bericht von der Heiligfpredhung des Aler. Gonzaga u. 
Stanisl, Koſtka, München 17275 Lebensgeſch. des heil. Joh. Franzisk. Regie 
aus der ©. %., überf. von Dr. Schelkle, uneh. 1813; Dr. 3.9. Moriz Brühl, 
Geſchichte der ©. J., eine politifch-Literarifche Darftellung von des Ordens 
Gründung an bis auf die neuefte Zeit, mit Ausfchluß der Miſſtonen, nach den 
zuverläffigften gedruckten und handfchriftl. Quellen (auch unter dem Titel: Ges 
Ipigr des heil. Ignatius von Loyola und der Selelihaft Jeſu, mit befonderer 
erüdfichtigung des neueften politifchen und literarifchen Berfahrens in Betreff 
dieſes Ordens), Würzburg 1846. — U. Spezialgeſchichten u. apologetifche 
Schriften: de Charlevoir, Gedichte von Paraguay und den Mifflonen der 
Geſellſchaft Jeſu in diefen Ländern, Wien 1831 (urſprünglich Nürnberg 1768); 
Eecandon und B. Nußporfer’8 Gefchichte von Paraguay, Frankf. 1769 (Berg. 
Moriz Bach, die Jeſuiten und ihre Miſſion Aziquito's in Südamerifa, heraus, 
gegeben von Dr. Kriegb, Leipz. 1843); A. Frankus, s. J., Sinopsis annalium 
societ. J. in Lusitania ab anno 1540 usque 1725, Augsburg 1726; Sammlung 
von Schriften, die 3. in Portugal betreffend, Frankf. 1759; A. Schirmbed, s. J., 
messis Paraguariensis a patribus s. J. per sexennium in Paraguaria collecta, 
München 1649; Nadaſt, s. J., Pretiosae occupationes morientium in soc. Jesu, 
Rom 16575 Francisci Xaverii epistolae, ab Horatio Tursell. convers., Mainz 
16005 Julii Cordarae, De suppress. societ. J. commentarii ad Franciscum 
fratrem comitem Calamandranae (das latein. Manuffript ward in der Biblio- 
thef des gelehrten Abbe Gancellieri gefunden); St. Priefl, Hist. de la chute 
des Jesuites; Kropf, Hist. s. J. in serm. superiori; Dr. Riffel, Die Aufhebung 
des Jeſuitenordens, Mainz 1846; Crotineau⸗Joly, Clement XIV. et les Jesuites, 
Paris 1847; Dr. Brühl, Geheime Geſchichte der Wahl Clemens XIV, und die 
Aufhebung des Jeſuitenordens, mit Benügung vorgenannten Werkes, nebft Zu- 
gaben, Aachen 18485 Dr. Brühl, Neuefte Betbichte der Geſellſ. Jeſu, Schidfale 
er 3. auf dem ganzen Erdboden, von ihrer Wieverherftellung durch Pius VIL 
bis zum Jahre 1846. Ein Supplement zu allen biöher erfchtenenen Gefchicdhten der 
Gel. Zefu, Gleiwitz 1847; Gretineau-$oly, Defense de (son ouvrage) Clement XIV. 
et les Jesuites, reponse à l’Abbe Gioberti, Paris 18475 Zur Stenntniß der 
Geſ. 3., von einem Katholifen (Defterreiche), Leipz. 18475 Bert, Les jesuites 
et leurs ennemis, Bari 1843; Derfelbe, La veritö sur les Jesuites et leurs 
doctrines; Cahour, Les jesuites par un Jesuite (Deutich, Augsburg 1844) ; 
Procedures contre les Jesuites publiees par Gilbert de Voisins, Paris 1824; 
Hurter, Die Jefutten, Schaffhaufen 1845 (Auszug aus „Geburt u. Wiederge⸗ 
burt.“); Notes on the wandering sewon the Jesuits and their opponents, 
lated by John Fairplay, London 1845 (Diefe geiftreihe Schrift, frei übertragen 
und mit vielen hiftorifchen Noten verfeen von Dr. Brühl, Schaffhaufen 1847); 
Sammlung der verfchievdenen Informationen, die über die J. eingezogen wurden, 
Luzern 1844; Inftallattonsfeter der J., ebend.; Wort der Belehrung an das 
Luzerner Volk über die Einführung der J., ebend.; Botum der Lugma Bin 
fhaft von Siegwart + Müller, ebend.; Votum der Sekantuiiägatt RA, Q. Bst 


126 Jeſuiten. 


fart, Ueber den Sonderbund, ebend. 18475 Dr. Brühl, Die Schweiz und die J., 
Gleiwitz 1847 (auch als Supplement zu feiner Neueſten Geſchichte der J.); 
Dr. Wittmann, Sekretär des k. allgemeinen Reichsarchivs zu Münden: Die J. 
und der Ritter Heinrich v. Lang, oder Nachweis, wie die Gegner der J. deren 
Geſchichte ſchreiben, Augsburg 1845. — IH Schriften wider den Orden: 
Anklage wider die J., als Friedensſtörer und geſchworene Feinde des hl. röm. 
Reiches, 1632; Sciotti, Monarchia solipsorum; Inchoves, La monarchie des 
solipses, trad. de I’ orig. lat. Amst. Monita secreta soc. Jesu, oder die geheimen 
Berhaltungsbefehle der J., Aachen 1825 (Paderborn 1661 Altefte Aufl.), dagegen 
erfchten: Die Monit. secret. soc. J., oder die geheimen Berhaltungäbefehle der 
J., ein Layen-Machwerf bewiefen durch Nelefien, Aachen 1825); Mysteria der 
Geheimnuſſen der Patrum der Societät Jeſu, in welchen die Ankunft Ignatii 
Loyol etc, 1633; Extraits des assertions dangereuses et pernicieuses des 
Jesuites, Baris 1762; Pasquler, Catechisme des Jesuites, edit, de Villefranche; 
B. Pascal, Montalte, Iettres écrites a un provincial, 1700; Wölfe, die ent: 
larvten 3., aus dem Italien. 17615 Gretserus reviviscens contra monita relig. 
soc. J. per I. Masenium, Coln 16615 Wolf, Allgem. Gefchichte der J., Leipı. 
18035 (Duelle der neueren PBampbletiften wider die J., eined Reitenberg, Dul- 
ler ıc.) Catechismo de Gesuiti, Leipz. 18205 Friedmann, die 3. und ihr Bes 
nehmen gegen Regenten, Grimma 1825; Ritter v. Lang, Gefchichte der 3. in 
Bayern, Kürnberg 1819; St. Prieft, Hist. de la chute des Jesuites; Gurlitt, 
Gefchichte der J. Hamburg 1822; Weber ven Sefuitenorven, Ulm 1838; Ch. Lau: 
mies, l’Enfant du Jesuite, —* 1822; L. R. Caraveny de la Chalotais, Comp- 
tes rendus des constitutions des Jesuites, Paris 1826; de Pradt, Du Jésuitisme 
ancien et moderne, Parid 18265 M. M. de la Roche Arnauld, Les Jesuites 
modernes, 1827; v. Dengen, Die Demagogie der J., Altenburg 1826; C. Lie; 
fenne, Ueberficht der Geſchichte ver J. aus dem Franz., Leipzig 1827; K. Eimon, 
Les Jesuites anciens et nouveaux, Paris 1832; Michelet et Quinet, Les 
Jesuites, 1843 (Zufammenfafjung der Borlefungen beider); Leu, Beitrag zur 
Würdigung des Sefultenordend, Luzern 18405 Imhof (Leu), Die J. in Luzern, 
wie fie famen, wirkten, gingen. Ein Beitrag zur Gefch., Luzern 18475 Opper⸗ 
mann, Pombal und die 3., Hannover 18485 Bode Heint., Aus dem Kloſter, 
eine Spanne Menfchenleben, Leipzig 18475 Derfelbe, Das Innere der Geſellſch. 
Jeſu, mit vergleichenden ftatiftifchen Ueberfichten, Leipzig, 2. Aufl., 1847; Bilder 
aus dem Leben eined Jeſuitenzöglings (In A. Ruge, Politifche Bilder aus der 
Zeit, 1847). Sugenheim, Gefchichte der I. in Deutfchland, Franffurt1847. — 
Es ift natürlich) am wenigften an diefem Drte möglich, die Literatur über bie 
Geſellſch. Jeſu vollftändig zu geben; man wird indeß nur die Hauptwerfe fuchen 
und dieſe find gewiſſenhaft verzeichnet, Manche Werfe find im Verlaufe der 
Darftelung erwähnt, Dr. Brühl. 


Regifter. 



























oo. Seite 1 Teſtament (Mites und|Theer. 43 Theſis. 76 

Affa. 1 Neues). 19 Theilbarfeit, 43 Thermophorlen. 76 

ve. 1 Teſte. 19 Thellmaſchiuen. 43 THespiä. 76 

Dr] Tetanus. 20 Thelamus. 45 Thesvis. 786 

‚der. 2 Tettys. 20 Toella. 45 THeflalii 

mamı. 2 Tetracorb. 20 Thellufon. 46 Theffalonich. 77 

ſſee. 2 Tetraöder. 20 Thema, 47 Thetis. 77 

„8 Tetralegie. 21 Theis. 47 

„3 Tetrameter. 21 Themiſtolles. 47 

omie. 3 Tettenborn. 21 Theme. 47 

L8 Tetuau. 21 Thenard. 48 Thlbandenn, 78 

3 Tegel. 22 Theobald. 48 Thibant. 78 

8 Teucer. 24 Theodicee. 50 Thlelau. 79 

3 Teufel. 24 Theobolit. 50 Thielmann, 79 

ge. 5 Tenfelsbräde. 25 Theodor. 50 m. Bi Thieme, 79 

za 5 Teufelsmamer. 25 Theodora. 51 Thienemann. BO 

ira (Heryog.) 5 | Zeuftos. 25 Ihecboret. 52 Thierajneifunde. 80 

6 Teut. 26 Theodorich. 63 Thierchemie. 84 
Tentoburgerwalb. 26 |Theodorus. 54 Thierdienft. BE 
Teutonen. 26 Theodofius (Große). 86] Thiere m. Thlerreich, 84 
Tentfch, Tentfehland. 28| Thebofine (Heiliger). 66| Thierifcher , Magneties 
Texas. 26 Theodotus v. Byzanz.57) mus. 90 
Terel. 29 Theoguis. 58 Thierkreis. 90 
Tegel. 29 Theogonte. 58 Thiermalerel, Thier⸗ 
Thaarup. 29 Theoiratie. 68 Rüde. 90 
Thabbäus. 29 Theoktit. 58 Thierry. 91 
Thaer. 29 Theologie. 59 Thiers. 92 

ar. 8 Thalberg. 30 Tpeomatie. 64 Thlerfb. 93 

.9 Thaler. 31 Theon. 64 Thierſtũcke. 95 

ander. 9 Thales. 31 Theophante. 64 Tpionville. 96 

tin. 9 Thalia, 31 Theophilanthropen. 64 |Thiebe. 95 

dlon. 10 Thamor. 31 Thecphraftus. 65 Toas. 96 

nore. 40 Thamyris. 31 heophrafine Baracels| Thomas. 96 

cotta. 10 han. 32 fus. 6: Thomas (Heilige). 97 

firma, 10 Ihapfafos. 32 ebenen 65 Thomas v. Kempen. 103 

aa. 10 Thatand. 32 Theobompus 65 Thomas, St. 104 

in. 11 Thargelia. 32 Iheorem, 65 Thomaschriften. 104 

fe. 11 Thafos. 82 Theorie. 65 Thomafius.. 104 

ieuve. 11 Thaffillo. 32 Theofophie. 65 Thompſon. 105 

orlalrechte. 11 Thatbeftand. 32 ThHeramenes. 66 Kenn, —— 105 

orialfgflem. 14 | Thatfache. 3% Therapie. 86 Thon. 106 

orium, 11 Ihan. 32 Therefia von Jeſu. 67 | Thonjhiefer, 105 

tlemus. 11 Thaumaturg. 33 Therefia. 72 Thör, 105 - 

vier. 11 Ihanmeffer. 33 Iherefienftabt, 72 Thorah. 106 

.12 Theano. 33 Therial. 72 Zhorild. 106 

Hanne. 12 Theate. 34 Thermen. 73 Thortelin. 106 

13 Theater. 34 Thermidor. 73 Thorlacius. 106 

‚olen. 13 Theaterconp. 36 Thermoeleftrichtät. 73 | Thorn. 107 

113 Theaterdichter. 36 Thermolampe. 73 Thorwalbfen. 107 

e 13 Theatiner. 37 Thermometer. 73 Thot. 108 

x. 14 Iheben. 37 Thermopyle. 75 Thon. 109 

„15 Thebſa. 39 Therfites. 75 Share. AUS 


Ifte. 16 Theben. 39 Thefanrue. 76 —EX 
ent. 17 The. 39 :heiens, 75 —DE 





Tibet, 124 
Zibete, 127 
Zibullus. 127 
Tibur. 127 
Ticino. 127 
Tleck. 128 
Tiedemann. 129 
Zietge. 130 
Tieffinn. 130 
Tiernay. 130 
Tiers-etat, 130 
Tiers-partic. 130 
zifis. 132 
Tiger. 131 
Tigranes. 132 
Tigris. 132 
Tiguriner. 132 
Tilefins. 132 
Zilgungsfond. 132 
Tilly. 132 
Tilſit. 136 
Timarioten. 136 
Zimäus. 136 
Ambuctu. 137 
Zimofratie. 137 
Timoleon. 138 
Simon. 138 
Timor. 138 
Timothens. 138 
Timotheus (dev Heili- 
90). 139 
Timur. 140 
Tineturen. 140 
Tindal. 140 
Tinte, 141 


Titus. 152 
Titus (Raifer). 163 
Tivoli, 154 


Tobofa, 158 . 
er 
er 
Tobaus! . 163 
Tobesfarcht. 183 
Tobesfampf. 163 
Todesftrafe. 163 
Tobfünde. 165 
Tobte Hand, 165 
Todtenbeftattung, 165 
Todtengericht, 165 
Todtenhaus. 165 
Tobten-Offizium. 185 
Tortentanz. 165 
Todtenubr. 166 
Todte MWinfel, 166 
Todtes Meer. 186 
Todiſchlag. 166 
Töptlichfeit. 166 
Tödtung. 166 
Töföli. 168 
Tölfen. 168 
Töl. 168 
Tönniftein. 168 
Töpfer. 169 
Töpfer. 169 
Topferlunſt. 169 
Törring. 170 
Toga, 170 
Toggenburg. 170 
Toife. 171 
Xofat. 171 
Toledo. 171 
Toleranz. 172 
Tofl.=173 
Tollfrant, 174 
Tolstoi. 174 





Tomafchet. 174 








Torricelli. 183 
Torrifos. 184 
Torrington. 184 
Torfe, 184 
Torftenfon. 184 
Tortona. 185 
Tortofa. 185 
Tortur. 186 
Tory. 186 
Toſchl. 186 
Tofini. 186 
Tosfana. 186 
Zotaleindrud. 196 
Zotalität. 196 
Totila. 196 
Tott. 196 
Toul. 197 
Zoulon. 197 
Touluſe. 198 
Tourbillon. 199 
Tourguenef. 199 
Tournay. 200 
Tourue fort. 201 
Tours. 202 
Tonrville, 202 
Touffaint © Ouver- 
ture. 203 
Tower. 203 
Torikologie. 204 
Trabanten (Nebenplaner 
ten). 204 
Trabanten. 205 
Trabea. 205 


Tranefigaratin. du | 
Zransfufion, 26. | 
Zranfitoshankel. 2 
ZTranefanfafien. 26. 
Translation. 216 
Zranslocation. au 
Transpabaniihe 
bit. 217 
Transparent. 217 
Transpontren. 217 
Transporteur. 217 
Trane ſcendent. 217 
Trans ſubſtantiatia! 
Trans verſalliaien & 
Trapani. 218 
Trapız. 218 
Trapezunt. 218 
Trappe. 219 
Trapriften. 219 
Trafimenifcher See! 
Traß. 221 
Traffiren. 222 
Traftnern. 222 
Traubenfur. 223 
Tranerjpiel. 223 
Traum. 223 
Traun (ins). 224 
Traum (Graf). 24 
Traunflein. 224 
Trauttmannsderf: 
Weinsberg. 225 
Trauung. 226 
Travemünde: 226 
Traverfe. 226 
Traveftie. 226 
Trebbia, 227 
Trebenius. 227 
Treffen. 228 
Treibhänfer. 228 
Treilhard. 228 
Treigfauerwein, 228 
Tremulant. 228 
Trend. 228 





Trencfin. 229 


233 

zahl. 233 
nethode. 233 
33 


6. 234 
. 234 
234 
234 
234 


'o 


6 
des Concil. 


tadt). 236 
chenverſamm⸗ 
38 


248 

len. 248 
tie, 248 
9 

, 249 
49 
250 
350 

. 250 
50 
51 
255 
5 


aaa 


324 


326 
‚26 
326 


Regler. 


Tripoli. 256 
Tripolizza. 259 
Triptolemus. 259 
Triremen. 259 
Trismegiſtos. 259 
Trismus. 259 

Triffino. 259 

Triftan. 259 

Triftan d’ Acunha. 260 


Trugſchluß. 278 
Trunkſucht. 272 
Truthuhn. 273 
Trophidorus. 274 
Tſchaiken⸗-Diſtrikt. 274 
Ticherbet. 274 
Ticheremiffen. 274 
Ticherfeflen und Tſcher⸗ 
feflen. 274 


Triftram Shandy. 260 | Tichernigow. 283 


Tritheim. 260 
Tritgeiten. 260 
Triton. 260 
Triumph. 260 
Triumphbogen. 261 
Triumviri. 262 
Trivial. 262 
Trons. 262 
Trochaͤus. 262 
Troglodyten. 262 


Tſcherning. 283 
Tichernitfcheff. 283 
Tichesme. 284 
Tſchetſchenzen. 284 
Tſchirnhauſen. 284 
Tfchirofefen. 285 
Tſchuden. 285 
Tichudi. 286 
Tſchuktſchen. 285 
Tſchuwaſen. 288 


Trogus Pompejus. 262| Tuarifis. 286 


Troifar. 262 Tuba. 286 

Troiza. 262 Tuberkel. 286 

Troja. 263 Tubus. 287 

Trollhaͤtta. 263 Tud. 287 

Teollepe. 264 Tubor. 290 

Tromlit. 264 Tübingen. 290 
Trommel. 264 Türkei. 291 
Trommeborff. 264 Türkheim. (Stadt). 291 
Tromp. 265 Türfheim (Johann). 291 
Trompete. 265 Türkis. 292 


Trompeter. 266 
Trondhet. 268 
Trondhiem. 268 
Trope. 266 
Tropenländer, 267 
Tropfbarfelt. 268 
Tropfen. 268 
Tropffiein. 268 
Trophäen. 268 
Trophonine. 268 


Türkiſche Muſik. 292 
Türkiſcher Weljen. 292 
Tuffftein. 292 

Tugend. 293 
Tugendbund. 293 
Zuilerien. 297 

Tuisco. 297 

Tula. 297 

Tullne Hofilins. 297 
Tulpen. 298 


Tropifches Jahr. 269 | Tumult. 298 


Troppan. 269 


Tungnjen. 298 


Tros. 270 Tunica. 299 
Troubabonre. 270 Tunicell. 300 
Trorler. 270 TInnie. 300 

Troyes. 270 Tunkin. 302 
Troygewicht. 27! |Zunnel. 303 
Truchſeß. 271 Turban. 303 
Trüffel. 271 Turenne. 303 
Truffaldino. 272 Turfan. 304 

u. 


Ueberſchlaͤgelchen. 327 Uhland. 329 
Ueberfchwängerung. 327| Uhlich. 330 
Ueberſetzungskunſt. 327 | Uhren. 330 


Uebervölferung. 327 Ufae. 333 
Uechtland. 328 Ußermarf. 333 
Uedhtrig. 328 Ufer. 333 
Uferban. 328 Ufraine. 333 
Ulanen. 334 


jebirge. 3237| Ugarte. 329 


et. 827 _ 


Ugolino. 329 


Uleaborg. 334 


4129 


| Tutor. 804 
Turibine. 805 
Turin. 308 
Turfmanen. 309 
Turmelin. 310 
Turnebus. 311 
Turnen, Bil 
Turmer. 313 
Turnhomt. 313 
Turmiere. 313 
Turnierkragen. 314 
Tnruilet. 314 
Turnus. 314 
Turpin. 314 
Turfellinus. 315 
Tufche. 315 
Tufchen. 318 
Tuſchmanier. 315 
Tuscien. 316 
Tusculum. 316 
Tutel. 316 
Tuiti. 316 
Twer. 316 
Twifl. 316 
Tyche. 317 
Tycho⸗Vrahe. 317 
Tychſen. 917 
Tydens. 318 
Tympauitis. 318 
Tympanum. 818 
Tyubarens, 318 
Tyndariden. 318 
Typen. 318 
Typhon. 319 
Typhou. 319 
Typhus. 319 
Typographie: 320 
Typolithen. 320 
Typolithographie. I20 
Typometrie. 320 
Typus. 320 
Tyr. 320 
Tyrann. 320 
Tyranneon. 321 
Tyrol. 322 
Tyrtäns. 327 
Tyrus. 322 
Tyrwäitt. 323 
Tzetzes. 323 
Tıfchirmer, 323 


Ulema’s. 334 
Ulfilas. 3865 
Ulloa. 338 
Ulm. 336 
Ulme. 937 


Ulpfan. 388 ' 
Ulrich ber Heilige. 338 
Uli. 846 





ullttamarin. 348 
Ultramontatt. 348 
Ulyffes. 3; 
Umbrer. 349° . 
Umbrehung, 850 
Uminsti. 350 
Umfehrung. 351 
Umlauf. 351 
Unriß. 351 
Umtriebe. 351 
Unalafhfa. 351 
Uncialbuchfaben. 351 
Unpinen. 352 
Unehliche Kinder. 352 
Unendlich. 352 
Unfehldarfeit. 352 
Unfruchtbarkeit. 352 
Ungarn. 353 
Ungarifche Sprache und. 
Literatur. 377 
Unaeeli Deine, 379 
Unger. 








UniformitätsıMcte. 381 
Unigenitus, 381 


B. 449 

Bacanz. 449 

Bacciniren. 449 

Vacuna. 449 

Vacuum. 449 

Vademecum. 449 

Vaterliche Gewalt. 449 

Vahl. 450 

Ballen (Numismatis 
fer). 450 

Ball (Botanifer). 


Deldenae. 451 

Valée. 452 

Balengay, 452 

Balence. 452 

Balencia ( Konigreich). 
452 


Valencia (Herzog). 464 
Dalenciennes. 454 
Balengin. 455 

Balens. 455 

Balentin. 455 
Balentini. 458 
Valentinianus. 465 
Valentinus. 456 
Balerianus. 457 
Balerius. 457 
Balerins Flaccus. 487 








Univerfalen, 384 
Univerfal-Spracde. 384 
Univerfitäten. 385 
en 1“ 391 

Unfe. 391 


Unfraut. 892 
Unmünbigfeit. 392 
Unfglitt. 39% 
unſchuld. 392 
Unfterbligifeit. 392 
Unterbinbung. 393 
Unterfranken u. Afchafe 
fenburg. 393 
Untergemnd. 394 
—— 394 s 
interhol 39: 
Unterlei 304 
Unterricht, Unterrichts: 


Unterrichtelehre. 419 
Unterfdiebung. 419 
Unterfchlächtig. 419 
Unterfeplagung. 419 


Unge (Haubthler). 423 
— e (Bewiät). 423 


—* 423 
Unzuftinbifeit. 423° 


Ural (ein Gebirge). 425) 
Ural (Fluß). 426 
Urania. 426 
Uranos. 428 
Urban. 426 
Usbanifinnen. 430 
Urbanität. 430 
Ucbarium. 430 
Urbarmadhung. 431 
Urbino. 431 
Urevangelinm. 431 
de. 432 


Urgebirge, 432 
Urhan. 432 

Uri, 432 

Bela fan, 434 
Urin. 434 

Urfunde, 434 
Urfundenbeweis. 434 
Urfundenlehre, 435 


Untertfan. 419 Urmia. 435 

8, 
Balefins. 458 Varro. 487 
alla, 458 Varus. 478 
Valladalid. 468 Bafall. 468 
Valle. 459 Vafari. 468 
Valnıy. 459 Vasco de Gama. 463 
Valols. 459 Bafe. 468 
Balombrofa. 460 Vater. 469 
Valuta, 480 Vaterlandsliche. 470 
Valvation. 460 Vatermord. 470 
Banpyr, 480 Vaterfcjaft. 470 


Bandalen. 461 
Bandamme, 462 
Bandiemensland. 463 
Ban Dyf. 464 
Vanille. 464 
Vanini. 464 
Banloo. 464 
Vannuccht. 465 
Banfittart. 465 
Banucci. 465 

Barel. 465 
Varianten. 465 
Barlation. 466 
Varlationsrechnung. 466 
Varicellen. 466 
Barietät. 466 
Varioloiden. 486 
Varius. 486 

Borna. 488 





Vatican. 471 
Bauban. 471 
Vaucanfon. 471 
Bauclufe. 471 
Baubeville. 472 
Baudoncourt. 472 
Vauquelin. 472 
Baurhall. 473 
Beda, 473 
Vebette. 473 
Veruta. 473 
Vega. 473 
Begetabllien. 473 
Vegetius. 475 
Vehmgericht. 475 
veilchen. 477 
Veit. 477 
Erle 477 















Ufurpation, 443 

Usus fructus. 44 

Ur, Re, Mi, Fa, Sal 
444 


Uterini. 444 
Utica. 444 
Utopien. 444 
Utraquiften. 445 
Utredt. 445 
Uttmann. 448 
Ufehneider, 416 
Umarow. 448 
U. 448 


Tu ana EEE DE TE RE En am am am am m 


Velde. 478 
Veldeck. 473 
DVeleda. 479 
Beliten. 479 
Vellejus Patercalat. M 
Velletri. 479 
Veltheim. 480 
Belthem. 481 
Veltin. 481 
Velum. 481 
Vendot. 481 
Bendemalre. 482 
Vendome. 482 
Venedey. 483 
Venedig. 487 
Benen. 497 
Venerabile. 497 
Beneter. 497 
Vene guela 497 
Ventil. 498 
Ventilator. 498 
Ventura. 498 
Venus. 499 
Vera-Eruy. 500 
Veranfern. 500 
Verantwortlichteit ? 
Fürften md Kirk 
500 


Gad 502 


Best 
Balerius Masimns, 467 | Darahagen v.&uie. AR\ Rt ten. AR Accra, ML 


eit. 508 
6502 

603 

ber Tobten. 


}. 503 

5 

- 

507 

T 

tterien. 507 


508 
3 
3 


Jereinsrecht. 


511 
512 
514 
514 
‚15 
515 


srechnung. 


520 
euer. 521 
ai 


521 


ccus. 526 
. 526 


27 

iben· 627 
ig. 527 

T Schwau⸗ 


528 


RNegifer. 


Berfihwägernng. 528 
Verſchwender. 528 
Berfwörung. 528 
Berfegung. 528 
Verfegungszeichen. 528 
Verſicherung. 629 
Verföhnung. 529 
Verföhnungsfeft. 529 
Verforgungsanftalten. 
529 


Verſtand. 529 
Verfleigerung. 629 
Verfleinerungen, 529 
Verftolfvan Soelen. 629 
Verftopfung. 530 
Verfuch. 530 
Berfagen. 530 
Vertebralfftem, 630 
Vertheibigung. 530 
Bertifal. 530 
Vertifalfreis. 530 
Vertrag. 530 
Vertumnus, 531 
Veruntrenung. 831 
Verns. 531 
Verviers. 532 
Verwaltung. 832 
Verwaudt ſchaft (Blutes 
verwandtfhaft). 832 
—— (geiftlis 


de). 5 
Verwandt ia ber Koͤr⸗ 
per. 533 


Verwandtſchaft ber Tone 8 


u. Tonarten. 534 





Verweſung. 534 
Verwidelung. 534 
Verwitteruug. 634 
Verzicht. 535 
Verzierungen. 538 
Verzug. 536 
Veſalins. 536 





Veficatorien. 537 
Veſpaſianus. 637 
Veſper. 537 
Bespucct. 538 
Veſta. 538 
Beftalinnen. 538 
Veſtris. 538 
Veſuv. 539 
Veteranen. 539 
Veterani. 639 
Veterauiſche Felſenhoͤhle. 
539 


BVeterinärfunbe, 840 
Beto. 540 

Bevay. 540 

Bezter. 541 
Blaticum. 541 
Vibration. 541 
Vibrationshftem. 541 
Blearius. 541 
giecbem. Fr 


Bicen! 
Fr San, ). 642 


Bieena ED: 543) 


— —S 
Victor(röm — 544 
Victor (Heiliger). 545) 
Bictor ed: 546 
Victor (König). 546 
Victoria Tochterdes Pal: 
das. 547 
Vietorla (Königin). 547 
Victorinus, 547 
Bictorius. 547 
Bicunna. 548 
Vida. 548 
Vidimitung. 548 
Bidoca. 548 
Viehzucht, 550 
Bieira. 550 
Viele. 552 
Vielftaß. 552 
Bielgötterel. 552 
BVielthellige Größe. 552 
Vielwelberei. 552 
Bien. 552 
Viered, 652 
Vierlande, 553 
Vierftimmiger Sap. 553 
Bierthaler. 563 
Bierwaldſtätter s Exe. 


653 
Vierzehnheiligen. 564 
Vieurtemps. 555 





gt 
Bignola. 857 
Bignoles. 557 
Bigny. 557 
Billa. 5657 
Billaflor. 867 
Billanella. 557 
Billant. 567 
Villarien. 558 
Billare 4558 
ame" 569 
Billemain. 560 
Villena. 560 
Billeneuve. 560 
Villerol 561 
Villlers. 561 
Billolfon. 661 
Bilehofen. 862 
Viualia. 582 
Vincentius. 562 
Binch. 570 
Binde, 571 
Vindelicien. 572 
|Binbication. 572 
Vindicta. 572 
Bineta. 672 
Binificator. 572 
Biole. 673 





Btoline. 673 
Violon. 57% 








Violoucell. 874 

Bipern. 574 

Virgilius (Publlus Nas 
ro). 575 

Virgilius. 576 

Virginia, 576 

Virginien, 576 

Virlathus. 578 

Virllſtimme 678 

Virtues. 578 

Vifcher. 578 

Rifhl. 579 

BVieconti (Familie). 579 

Visconti (Arehäolog). 
579 


Vin. 580 
Biftt. 580 

Viftrfunft, 581 
Viiefpuß. 581 
Vifirlab. 581 
Viffegead. 581 

Visum repertum. 582 
Vitalianer. 582 
Vitalianus. 583 
Bitellius. 584 
Witerbo. 584 

Vitriol. 584 
Vitriolöl. 586 
Vitruvins. 586 
Billera (Hauptfadt). 


— (Herzog). 586 
Vivian. 586 
Blämifche Sprachbewe⸗ 
gung u, Eiteratur. 687 
Dließ, 592 
Viieffingen. 692 
Vocal. 593 
Bocalmufif. 593 
Vögel. 593 
Vollerrecht 596 
Bölterwanberung. 897 
Vogel. 599 
Bogelfrel. 600 
Vogelperfpectioe. 600 
Bogefen. 600 
Vogl. 600 
Vogler. 601 
Dan (Neichsbeamter). 


Be (ee) 601 
Voigt. 801 
Boigtland. 602 
Volger. 602 
Volhynien, 602 
Bolf m. Vollothum 803 
Bolfsbewaffnung. 804 
Boltsbilbung. 607 
Voltshücher. 608 
Bolfsfefte. 609 
Voltsgefang. 809 
Bolfstalender. 610 
Voltolled. 810 
Btkasiiiien, AL 
ESTETSIISEE NN 


4492 


Volksſchulen. 611 
Voltopirthſchaſtslehre. 


Vollblütigkeit. 611 
Vollgraff. 611 
Vollkommenheit. 611 
Vollmacht. 612 
Vollney. 612 
Volpato. 613 
Volsker. 613 


W. 633 
Waddt. 633 
Waag. 6365 
Waage. 635 
Mad. 637 
Wachau. 637 
Wade. 637 
Wacholder. 637 
Wachholz. 638 
Wachler. 639 
Made, 641 
Wachsbildnerei. 642 
Wachsmalerei. 642 
Wachsmuth. 642 
Wachsthum. 642 
Wachstuch. 643 
Wachtel. 643 
Wachteln. 644 
Wachtmeifter. 644 
Wachtſchiff. 644 
Made, 644 
Waderbarth. 644 
Madernagel, 645 
Made. 646 
Wadieck. 645 
Waͤchter. 645 
Währwolf. 646 
Wärme. 646 
Waffen, 648 
Maffenlehre. 648 
Waffenplatz. 648 
Maffenrecht. 648 
Waffenſtillſtaud. 649 
Wage. 649 
Wagen, 649 
Magenaar. 649 
Magenbauer. 649 
Wagenburg. 650 
Magenwinde, 650 
Wagrecht. 650 
Wagler. 650 
Wagner. 650 
Wagram. 654 
Magrien. 654 
Wahabiten.. 654 
MWahlberg. 655 
MWahlcapitulation,. 658 
Wahlen. 656 
Waphlenberg. 856 
Wahlreich. 658 


Regiſter. 


Volta. 613 
Voltaire. 614 
Volte. 618 
BVolterra. 618 
BVoltigiren. 618 
Bolumuen. 618 
Pondel. 619 
Borarlberg. 619 
Vorgebirg der guten 
Hoffnung. 619 


Vormundſchaft. 619 

BVorpoften. 620 

Vorrückung der Nacht⸗ 
gleichen. 620 

Vorſchlag. 620 

Vor ſehung. 621 

Vorſpiel. 622 

Vorſtellung. 622 

Vortrab. 622 

Vortrag. 622 


W. 


Wahiſtait. 658 
Weh perwandiſchaft. 


Wahnfiın. 657 
Wahrheit. 657 
Wahrſagung. 658 
Wahrfcheinlichfeit. 658 
Waiblinger. 659 
Waid. 659 
Waidwerk. 669 
MWatfenhäufer. 659 
Mafefield. 660 
Walachei. 660 
Walafried. 667 
Walcheren. 667 
Waldai. 667 
Waldban. 668 
Waldbrand. 668 
Walburg. 668 
Walde. 669 
Waldenfer. 670 
MWaldhorn. 674 
Waldis. 675 
Waldmenſch. 675 
Walpfafien. 675 
Maldftein a. MWarten« 
berg. 676 
Maldfein: Wartenberg. 
876 
Wales. 677 
Walhalla (Balaf). 678 
Walhalla (Tempel). 678 
Malfen. 680 
Walkererde. 680 
Walküren. 680 
Mall. 681 
Mallace. 681 
Wallbüchſe. 681 
Wallenftein. 681 
Waller. 688 
Mallfahrten. 689 
Wallfiſch u. Wallſiſch⸗ 
fang. 689 
Wallis (Kanton). 690 
Wallis (Mathem). 693 
Wallnußbaum. 693 
Wallonen. 693 
Wallraf. 694 
Wallrath. 695 
Wallroß. 685 


MWalmoden s Bimborn, 
695 


Walpole. 696 

Walpurga. 696 

MWalfinghbam. 697 

Walter. 697 

Walther (Hofdichter). 
698 


Mather (Geheimerath). 
698 


Wallthiere. 699 

Walze. 699 

Walzende Grunbfläde. 
699 


Walzer. 699 
Walzwerk. 699 
Wan. 699 
Munberndes Blatt. 699 
Wandlung. 700 
Wandsbeck. 700 
Manen. 700 
Wangenheim, 700 
Wangeroge. 701 
Manfen d. Erdachſe. 702 
Wanken des Mondes, 702 
Wanker. 702 
Wappen. 703 
MWappenherold od. Wap- 
penfönig. 704 
Wappenfunde, 704 
MWaräger. 705 
Warbeck. 705 
Warburg, 705 
Warburton. 705 
Marbehuus. 708 
Wardein. 706 
Warmbrunn. 706 
Marnfönig. 707 
Warſchau. 707 
Wartburg. 708 
MWartburgfiieg. 708 
MWartendburg. 709 
Marte. 709 
Warten. 709 
Marwid. 709 
Warze. 710 
Waſa. 710 
Wasgan. 710 
oaiktadon 2 KAunies: 
KHaaattaity. AO 





Vorunrtheil. 623 
Vorwelt. 623 
Voß. 623 
Potum. 624 
Pries. 624 
Buleau. 625 
Bulcane. 625 
Bulgata. 628 
Bulpins. 632 


Waſhington (Oberfelb: 
herr). 71 
Wafler. 712 
Waflerblei. 713 
Maflerburg. 713 
Waſſerfall. 714 
Waſſerheilanſtalten. 714 
Waſſerhoſe. 715 
Waſſerjungfern. 715 
MWaflerfur. 715 
Maflermalerei. 716 
Maflerfchen. 716 
Waſſerſchnecke. 718 
Maflerftoff. 718 
MWaflerfucht. 718 
Waſſerweihe. 719 
Waflerziehen ber Sonne. 
720 


Wateau. 720 

MWaterländer. 721 

Materford. 721 

Waterloo (Dorf). 721 

Waterloo (Landfchafts: 
maler). 721 

Watt. 721 

Matte. 722 

Watten. 722 

Mau. 722 

Wavre. 723 

Meben. 723 

Weber. 724 

Webſter. 729 

Mechabiten. 729 

Wechſel. 729 

Wechfeliähigfeit. 731 

Wechſelfieber. 731 

Wechſelordnungen. 733 

Wechſelrecht. 733 

Wechfelfeitiger Unter: 
richt. 734 

Wechfeiw icthſchaft. 734 

Weckherlin. 734 

Wedekind. 

Wedel⸗Jarlsberg. 736 

Wedgewood. 736 

Wehrgeld. 736 

Weib. 736 

Weichbild. 736 


Regiſter. 1138 






























elhopf. 737 Weltgeſchichte. 784 Betel, 795 Wildgraf. 839 
(Blanzengers | Welthandel, 764 343*8 795 Wildhans. 839 
St). 787 Beltmeer. 764 Wepfeinfchiefer. 795 | Wiltyret. 889 
‚137 Welt ſyſtem. 764 Berford. 795 Wild ſchaden. 830 
a. 738 BVeltumfeglung. 764 | Weyer. 795 Wildungen (Gtadt). 839 
airthfäjaft. 738 | Meitweisheit. 785 Beyel. 796 Wildungen (Borkfchrifte 
I. 738 Wendefreife. 765 Wpeaton. 796 feller). 839 
‚738 Wendeltreppe. 765 Whige. 796 Wilfried. 840 
iſchof. 740 Wenden. 765 Whifon. 796 Wilhelm (Heilige). 841 
240 Bentt. 766 Böite. 797 Wihelm (Gnglifde Re: 
el. 740 Denrich. 767 Böitefielo. 797 ‚genten), 843 
aöhten. 740 Wenzel (Heryog). 767 |Wöitehal. 797 Wilhelm (Kinige der 
ad. 741 Benyel (Arzt). 769 itehurh. 798 Niederlande). 846 
ngen. 741 Werbung, 770 MW yddah. 798 Wilhelm (König vom 
safler. 742 BDerdenfels, 770 Wiarda, 798 Württemberg), 847 
rt. 142 Werder. 771 Biatfa. 798 BWilgelm (Regenten und 
ar. 742 Ber. 771 Wibmperger. 788 fürfl. Berfonen). 848 
743 Werimeiſter. 771 Wiborg. 799 Wilhel mobad. 85 
renner. 745 Wermeland. 773 BWicpteljopf. 799 Bilhelmshöhe. 852 
. 746 Dermutg. 773 Wide. 800 Wilhering. 852 
arten. 746 Werner, 778 Wiclif. 800 Wilfen, 852 
eim. 746 Beruigerode. 775 Bivdin. 602 Wilfes, 858 
wobe. 746 Bernife, 776 Widerhall. 802 Willie, 854 
berg. 746 Berra, 776 MWiderklage, 80% Wilfins. 854 
leln. 747 Werft, 776 Widerruf. 802 Wille. 854 
teincahın,. 747° | Werth. 776 Wldet ſpruch. 80° le  Rupferhegen). 
TUT Werth ( Feidherr). 777] Miverftand. 802 
aupt. 747 Werthelm. 778 Bivermille. 803 Bil, 855 
elt, 748 Weſel. 779 Widakind od. Witikind. il (eiliger). 
—2 Befen. 779 803 
ıgung. 748 Weſer. 779 Wiebeliag. 803 ae 858 
‚gungen. 750 Beeley. 780 I Wied. 803 Wilfär. 858 
. 750 Wespen, 781 Wiedehopf. 804 Willmanfiramd. Fr 
nburg. 751 Weopeuſtrauch. 782 | Wiedemann. 804 BWilmfen. 858 
aburg (Reiches |Wefleling. 782 Wieverbringung. 804 Wiina. 859 
t). 751 Weffenberg. 782 Wicdereinfegung in den | Wilfon. 859 
abnrger Linien. |Wefiobrunn. 784 | _ vorigen Stand. 804 | Wilzen. 860 
! Bell. 784 Wievererzeugung. 804 
nfels. 75% Weſteurleder. 784 Wiedergeburt, 804 
athura. 752 Wefterbottn, 786 Wieverholungszeichen. 
r Berg. 752 Weſtermanuu. 786 804 892 
6 Meer. 763 |Weferwald. 787 Wiederſchlag. 804 Windfahne, 885 
unig. 753 Weſtfalen (Provinz). 787| Wiedertäufer. 804 Windham. 865 
afland. 763 Welfalen (Konigrelch). Wieland. 808 Bindifh@räp. 866 
omgel, 754 788 Bieliczka. 813 ——*8— 866 
srigtet, 754 Menrälifche Friede, 789] Wien. 814 
Weilfcancien 791 BDiener-Congtef. 828 Ft 

& ns Wegothen. 791 Wienbarg. 833 
”. 7686 Befindien, 791 BWieneriich Neuftabt.834 | Windrofe. 889 
a m, Beiblinger.|Wetmacott. 791 Wiesbaden. 834 BWindfor. 889 

. |@eftphal. 791 Wieſe. 835 iner, 869 
759 Belphalen, 792 Wieſel. 835 Winfried. 870 
(Bläffigteit). 769| Wepreußen. 792 Bigalois. 835 Winkel. 870 
sley. 769 aeg. 793 Wigand von Theben. 835 | Winfelgefpwindigkeit. 
ıgton. 769 BWetitein. 793 Wigand. 836 870 
(Bi). 761 Bette. 793 Wight. 836 Binfelmefier. 870 
(&tadt). 761 Wette de. 798 Wilberforee. 836 Winfeltied, 870 
Horn, 762 Wetter. 793 Wilbraud. 837 Winkler. 870 
„782 Wetterableiter, 793 Bild. 837 Winter. 871 
7 Wetterglas.793 Wildbad. 838 Winter (Peter). 871 
a. 763 Wetterleuchten, 798 | Wildbahn. 838 Winterfeldt. 872 
ze, 763 Wetterfcheide. 79 Bildbann. 838 Binterfelaf. su 
ürgerfinn. 763 | Weiterfee, 794 Wildenfels. 838 Boerse, TTR 
eiflliche. 783 Bettin. 794 Wildjang. 838 DBagayrıin. TA 


wid. 764 Welttennen. 794 Wüdfangret. 898 age. SI 


&. 961 
Zanten, 961 
Zanthippe. 961 
Zanthippos, 962 


2. 970 a 

D (ein Arm des Zuyder⸗ 
fee). 970 

Dam. 970 

Varmouth, 970 


3. 981 
Zaar. 981 
Zaardam, o61 
Babarella. 981 
Buccaria. 982 
et — 
Sachatla. 983 





Ag od Sachariad. 


Resifßen 


& 


Zanthus, 662 
Eaverlus. 962 
eniades. 902 
Tenien. 882 


Dembo. 971 

Deyd. 971 

Dodrafil, 971 

Donne. 972 

Dort (Hauptftabt). 973 


3. 


Zacharias (ber Hellige). 
984 


Zachan. 985 
Zähler. 985 
Zähringen, 985 
Zängerle. 985 
Zahl, 988 
Zahltaas. 1 
Rahlgeim, v7 


9 





Zenofrates. 903 
Tencphancs, 963 
Tenophon. 964 
Keres, 965 


Dorf (Herzog). 973 
Dorf (Graf). 974 
Dong. 975 
Dpern. 976 
Dpfilantis. 976 


Zahn. 987 
Zahnfchmerz. 989 
Zah. 990 
Zalme. 990 
Jalre. 991 
Zafotti. 991 
Zafpnthos. 991 
Aatentos. AR 
Aalaslı, Wr 








a 

% 

s 

* 

3 
Zerres, 988 3 
imenes deg lene % 
Tulharmeniten, M | & 
Kuftos. 969 M 

E 
Diel. 978 


Ditrium, 978 
Dufatan, 978 
Doerun. 979 
Do. 979 


Zamboniten. 992 
Zamora. 992 
Jamosı. 992 
Zamenefy. 992 
Zampieri. 993 
Zangenorrfe. 993 
Zanetti, 993 
Aauatti. 994 
gar, UL 


. 995 

996 

o. 996 
je⸗Selo. 998 
rei. 997 
tlaterne. 997 
r. 997 
ericht. 997 
dnig. 997 
er. 997 
397 

. 998 

999 

999 

999 

e. 999 
+ .999 
ıd. 1000 
t. 1000 


ende Rünfte, 1003 


ung. 1004 
» 1004 
1004 
eihung. 1005 
fe. 1005 
aß. 1008 
ıgen. 10086 
1012 
1013 

. 1013 
webe. 1014 
n. 1014 


(Pferd). 1014 


Kegifter 


Zerbſt. 1020 
Zerrenner. 1020 
Zefen. 1021 
Zetergeſchrei. 
Zetter, 1021 
enge. 1021 
Zeughaus. 1021 
Zeugma. 1021 
Zengung. 1022 
Benune 1022 

Zeus. 1028 

Zeuxis. 1022 
Zezſchwitz. 1022 
Zibeth. 1024 

Ziege. 1024 

Ziegel. 1024 
Ziegler. 1025 
Ziethen. 1026 
Zigeuner. 1027 
Zimmerl. 1030 
Zimmermann. 1031 
Zimmt. 1032 
Zimmtbläthen. 1032 
Zimmteaffla. 1033 
Bimmtcafflaöl. 1033 
gimmtöl. 1033 
Zingarelli. 1033 
Zingerle. 1033 
Zink. 1034 
Zinkblumen. 1031 
Zinfe, 1034 
Binfgref. 1035 
Zinn. 1035 


1021 


(Direktor). 1014| Zinnober. 1035 1052 
Sins od. Intereffe. 1036 —5 — (der Hellige). 


Aveſta. 1016 


er. 1018 


Zinszahl od. Romer⸗Z. 


Zirkel. 1039 
Zirkon. 1039 
Ziska. 1039 
Zita. 1040 
Zither. 1041 
Zittau. 1041 
Zitteraal. 1041 
Zitterfiſche. 1041 
Zittwerſamen. 1042 
Zittwerwurzel. 1043 
Zig. 1042 
Zizianoff. 1042 
Znaim. 1044 
Zobel. 1045 
Zobtenberg. 1045 
Zodiakallicht. 1045 
Zoöga, 1046 
Zofingen. 1046 
Zoilos. 1047 
Zoll, 1047 
Zollikofer. 1018 * 
Zollverein. 1048 
Sonaras. 1048 
Zunen. 1018 
Zoographie. 1049 
Zoolatiie. 1049 
Zoolith. 1049 
Zoologie, 1049 
Zoophyten. 1051 
Zootomie. 1052 
Zorndorf. 1052 
Zoroaſter. 1052 
See (Beräictfärel 


1052 
Stinyt. 1053 


10386 
Sieber Pte Zſchokke. 1054 


er (Freiherr). 1018 Bon. 1038 


nias. 1019 
rinnse. 1019 
ros. 1020 


Zips. 1038 
Zirbelbaum. 1039 
Zirbeldruͤſe. 1039 


Buccagai - 


Zſchopau. 1056 
Zuaven. 1056 
Orlandini. 


1056 
Zuccarelli. 1068 


Nachtrag zu Band V: Jeſuiten. 1080 


it m te — — 


1135 


Zuccarini. 1058 
Zuchthaus. 1058 
Zuder. 1058 
Zůllichau. 1060 
Zündhuͤtchen. 1080 
Sünbnabelgewehre. 1061 
Züri. 1082 
Zütphen. 1064 
Zufall. 1065 
Bug. 1085 ° 
Sugvögel. 1086 
Zuiderfee. 1066 
umalacarregui, 1068 


Zurhein. 1071 
Zurita. 1072 
Zurlo. 1072 
Zurzach. 1073 
Zuylen. 1073 
Sweibräden. 1074 
Zweikampf. 1074 
Zweifchattige. 1074 
Zweifimmig. 1074 
Zwerchfell. 1074 
Zwerg. 1074 
Zwetſche. 1075 
Zwettl. 1075 
Zuldau. 1075 
Zwiebel. 1075 
Zwieſel. 1075 
Zwillinge. 1076 
Zwingli. 1076 
Zwim. 1078 
Swifchenhandel: 1078 , 
Zmwifchenfpiel. 1078 
Swiiterbiidung. 1079 
Zwölffingerdarm. 1079 
—8 1079 
Zwoͤlftafelgeſetz. 1079. 
Zwolle. 1079 


* 
I isn * 


dur UNachricht. 
Bereits im Drude haben Begonnen und find auch ſchon wier Hi 
gegeben von: £ 
Srgänzungsbände 
zum 
Eonverfationglerifon für das katholiſche Deutſchland 
O 


— * der: 
Eneyelopädifhe Schilderung ver newefen Grei 
und herborragenditen Perjönlicfeiten in Kirche, € 
tffenfhaft, Kunft und Gewerbe, 

nebft zahlreichen Nachträgen und Berbefferungen zum Hauptwerke. In ! 
ung mit mehren iatholiſchen Gelehrten des In» und Auslandes 

IE BAR Br M— 3. er. 8. Jever Band, 72 Drut 

( a3 fl. od. 1 Thlr, 18 gt. 

Im der Vortede zu den Ergänzungsbänden heißt es unter Anderm: „Nicht we 
fhäpbare Beiträge von den ausgezeichneteflen Gelehrten des latholiſchen Deutjhlans 
unferem Plane eine Zierde des Hanpiwerfes bilden follten, famen erſt, als die Reif 
nahme bereits verfitichen war, im,umfere Hände; hie und da fanden auch — dech find 
dinge blos Beine Ausnahmen — unfere Bilten da, wohin wir ums im betreffenden 
allein wenden. bas gewänfchte Gehör nicht, und. fo find wir denn zu unferem ı 
dauern mandmal genöthigt gewejen, unferen Leſern, ſtalt des beabfichtigten Bortreiki 
oder minder Unvollfommenes zu bielen. Diefem, aus den beiden ebengenannten Urjad 
denen, Mangel abzuhelfen bilvet die eine Seite ber Aufgabe, die wir durch Heraus 
dem Supplementbände zu löfen haben. 

ngleich wichtiger aber und noch weniger unferer Schuld beizumeſſen iſt dere 
Seite. Als um die Mitte bes Jahres 1845 unfere Realeneyclopäbie angekündigt, da 
mach dem hamaligen Stande der Dinge verzeichnet und fetgefegt und mit dem Jahre 18: 
ausgabe wirklich begomnen wurde: wer fonnte damals ahnen, welche durch umd durch 
Gertalt alle Verhältniffe in Guropa zwei Jahre nachher gewinnen; welder Wetjel ? 
licpfeiten auf dem Schauplage bes öffentlichen Wirkens eintreten; welche Sterne hinatün 
meue Größen fi Bahn bredyen, aber auch weiche Ierlighter den politiihen, Firlichen ı 
Himmel mit ihrem lügnerijchen Glaſte trüben würden? Die näcjile Folge hievon fen 
Werk, das fi) mitten in den Greigniffen ber Zeit bewegt, Feine andere fenn, ale, das 
@klieferte, fo befriedigend 6 auch zur Zeit des Gricheinens feyn mochte, nun mit einen 
ſach als lüdtenhaft ericheinen, für den noch nicht gelieferten Reſt aber, ſowohl binfdtlic 
terlale, als auch der Behantlungsmweife, der Plan fat durchgängig geändert werden m 
ſcheinen daher in den Euppiementen für die Buchflaben A — DM weit mehr die neue : 
fende Artifel, ale aus älterer machzutragende; in den vuchſtaben N — 3 dagegen — v 
die Befger des Hauptwerkes wenigfens noch die mögliche Ruckſicht zu uehmen, des Neı 
als noch thunlich war, aufgenommen wurde — mehr einer frühern Zeit anaehörige ! 
wegen bes nen angehäuften Stoffes, in dem einmal feggefegten Umfunge des Werkes fi 
mehr fanden: fo erflärt fi Beides aus der Natur der Berhältnifje und wir glauben? 
den von uns eingefchlagenen Weg die Zuftimmung des Publifums nicht entbehren zu ' 


Ferner erfchien: 

Titelſtahlſtiche, zehn, zur allgemeinen Realencyelopädie od 
verfationslericon für das Fathol. Deutfchland. Zugleich) ein 
fändige Sammlung von Bildniffen ausgezeichneter Kat 
Nach den beften Quellen von vorzüglichen Meiftern ausgeführt. In 5 2 
zu 2 Biloniffen. 1—Öte Lief. Ler. 8. in Umſchl. a 16 kr 

Inhalt: 1. 9. Augufinue. 2. 9. Garl Borromäus. 3. Döllinger. 4. J. 











5.9. Fürft v. Hohenlohe. 6. Möhler. 7. Pins IX, 8. Biſchof Sailer. 9. Gartin 
zenberg. 10. Heil. Bingen, v. Paul. 

Das Gefepeinen der 2 Supplementbände macht eine Gte Lieferung (116 u. 126 Kur 
und diefe wird entalten: Bünther und Meith, jerod werben diefe zwei vorzüslich 
geführten Bildniſſe nur ven Abnehmern der Grgänzungsbände um ben Preit 
od. 4 ge. überlafien. Einzeln tater joe DE 12 nd S an 





7