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Full text of "Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften, nebst ihrer Literatur und Geschichte"

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HARVARD 
COLLEGE 





Krug’ 
encyklopadiſch-⸗philoſophiſches 
Lerikon. 





Fuͤnfter Band. 
Erſte Abtheilung. 


A bis e. 


Allgemeine Handwoͤrterbuch 
ber 


philoſophiſchen Wiffenfchaften, 


| nebft ihrer 


Literatur um Geſchichte. 


Nach dem heutigen Standpuncte des Wiſſenſchaft 
bearbeitet und herausgegeben 


D. Bilhelm Zraugott Krug, 
Peofeſſor ber Pollofopbte © on ber Univerfität zu Züpꝛis und Ritter des 


il⸗Verdienſtordens 
Fünfter Band 
als Supplement zur 
zweiten, verbeſſerten und vermehrten, Auflage. 
Erſte Abtheilung. 
A bie C. 
———— ——— A 11 ———— — — 
Leipzig 
FJ. A. Brockhaus. 
1838. 











Marvard College Library 

Aus. 20, 19:9, . 
From {h> übre;y or ' 

Francis E}lingwogd Abbot, 


Encyklopaͤdiſches Lexikon 


in Bezug auf die 


neueſte Literatur und Geſchichte 


der 


Philoſophie. 


Bearbeitet und herausgegeben 


von 


D. Bilhelm Traugott Krug, 


Profeſſor der Poitofopbie a an Bi Unlverſitaͤt zu Leipzig und Ritter bes 
il⸗Verdienſtordens. 


Erſte Abtheilung. 
U is L. 





Leipzig: 
8 2%. Brockhaus. 


1838. 


Bo rrede 


Su Erſcheinung der zweiten Auflage meined ency⸗ 
klopaͤdiſch-philoſophiſchen Lexikons oder all: 
gemeinen Handwörterbuhd der philofophi- 
[hen Biffenfhaften nebft ihrer Literatur 
und Gefhichte (Leipzig, 1832 — 1834 in 4 Bänden 
gr. 8.) find nicht nur neue Philofophen in und außer 
Deutihland aufgetreten, fondern auch von diefen ſowohl 
als von den frühern Philofophen eine Menge philofophis 
Iher Schriften erfchienen, durch welche die Wiffenfchaft 
in materialee ober formaler Hinfiht bald mehr bald 
weniger gefördert worden. > Dieß beflimmte den Berf. 
jmd Werkes zur Bearbeitung und „Herausgabe dieſes 
neuen encyklopadifch-philofophifchen Lexikons, indem er 
mündlichen und fchriftlichen Aeußerungen zufolge glauben 





vım Vorrede 

muffte, daß dadurch ein Beduͤrfniß für Viele, bie fü 
theils aus innerem und aͤußerem Berufe theild aud au 
bloßer Liebhaberei mit Philofophie befchäftigen, feir 


Befriedigung finden würde. Hiezu kam bie Bemerkun; 


daß in jenem Altern Werke, ungeachtet der vielen Ver 
befferungen und Zufäße, die es bereit in ber zweite 
Auflage erhalten hatte, dennoch Manches übrig gebliebe 
war, was eine ftrengere Kritit (auch abgefehn von dei 
nie zu vermeidenden Tadel befangener Schulweisheit) nor 
mangelhaft finden konnte. Das neue Wert hat dahı 
zugleich die Beftimmung erhalten, dem älteren ald Sur 
plement zu dienen und fo beffen Brauchbarkeit zu erhöheı 
Ebendarum wird man bei Benutzung beider. Werke, woh 
thum, wenn man zuerſt das neuere auffihlägt, um z 
fehen, ob dafjelbe den gefuchten Artikel, als ganz ne 
oder bloß als Zuſatz zu dem älteren enthalte, Den 


in fhien a wuß Derielh Artibs u heibon Fir 


Bor teb e.. IX 
Bürgfchaft leiften Tann, da ich bereits in einem Lebens⸗ 
alter ftehe, wo das horazifche 


Vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam 


ſich doppelt geltend macht und mid) an dad Carpe diem 
auf das Nahdrädlichfte mahnt. Auch weiß ich nicht 
einmal, ob id, bis zur Stunde meines Abfcheidend von 
diefer unvollkommnen Belt des Augenlichtes, das doc) 
zu folchen Arbeiten ganz unentbehrlich ift, mid) erfreuen 
werde, da ich fhon über Jahr und Tag an einem chro⸗ 
nifhen Augenübel leide. Es muß mir alfo wohl fehr 
am Herzen liegen, ein Wert, an dem ich fo lange mit 
großer Liebe und Anftrengung gearbeitet, daß ebendaher 
jenes Uebel rührt, in der für mich moͤglichſt vollkomm⸗ 
nen Geftalt der Nachwelt zu überliefern. Erleb' ich aber 
noch eine neue Auflage und fchenkt mir der Himmel das 
Glüd, bis dahin noch zu erfchauen, wa8 Sonne, Mond 
und Kerzen beleuchten: fo verſteht es ſich von felbit, daß 
ih auch dann Feine Mühe und Arbeit fcheuen werde, 
diefe Auflage gleichfalls möglichft vollfommen auszuftatten; 
mweöhalb ich auch noch am Ende jeder Abtheilung diefes 
Bandes einige Berichtigungen und Zufäge beige: 
fügt habe, bie ich nicht zu überfehen bitte. — Möge 
demnach das Publicum, das ſich für die alte und doch 
immer junge Wiſſenſchaft, Philofophie genannt, mit eini« 
R 


x Borrede 

ger Wärme intereffirt, dem neuen Werke daſſelbe Wohl- 
wollen ſchenken, mit welchem es nach unzweideutigen 

Anzeichen da ältere hat aufgenommen! — Leipzig, zur 

Dftermefle 1838. 


Der Berfaffer. 





A. 


A. — Zuſatz: Die Formel AA iſt von manchen neuen Phi⸗ 
loſophen (z. B. Schelling in feinem abſoluten Identitaͤtsſyſteme) 
zur Bezeichnung des Abſoluten als des Alles und Einen (Alleins) 
welches real und ideal zugleich fein ſoll, gebraucht. worden. S. 
jenen Namen und Alleinheitslehre mit dem Zuſatze. — Uebri⸗ 
gens hat dieſer erſte Buchſtab unſres Alphabets, der zugleich den 


erſten Selblauter oder Vocal, eigentlich aher ben mittelſten (i, e, a, 


o, m, nach der durch Oeffnung und Geſtaltung des Mundes beim 
Ausſprechen der Vocale beſtimmten, mithin naturgemaͤßen Reihen⸗ 
folge) bezeichnet, außer der affirmativen Bedeutung, die er als 
Anfangsbuchſtabe des Wortes aflirmo von den Logikern in der 
Theorie der Urtheile und ber Schlüffe zur Bezeichnung eines allge 
mein bejabenden Urtheils befommen hat, auch noch in der Gram⸗ 
matik und Lerilographie mander Sprachen eine negative ober 
peivative erhalten; wie dad fog. « privativum in der griechi⸗ 
ſchen Sprache, weldyes den Begriff des Wortes, mit welchem es 
verbunden wird, verneint, 3. DB. in arouos, ungefeglid), avovs, 
unverfländiy, aoparos, unfihtbar. Wahrſcheinlich ift dieß aber 
tuch Abkuͤrzung aus ber Präpofition «ro, von, hinweg, ent: 
Randen; womit auch das lateinifhe a oder ab in abrormis, abor- 
tus, abrogatio, und das deutfche ab in Abart, Abgunft, Abfchaf: 
fung, übereinftimmen. 

A — divisis ad conjuncta etc. f. Sophiftit. 1. a. 

A — particulari f. Ab — universali. Auch vergl. In: 
duckion, bei meldher in gewiffen Beziehungen audy vom Befondern 
erer gar vom Cinzelen auf das Allgemeine gefchloffen wird, obwohl 
nicht mit voller Gewiſſheit, fondern nur mit mehr ober weniger 
Wabrſcheinlichkeit, je nachdem mehr oder weniger Beſonderes oder 
Einzeles aufgezählt worden. 

Krug's encyklopaͤdiſch-philoſ. Woͤrterb. Bd. V. Suppl. 1 


z 


Allgemeines Handwoͤrterbuch 
philoſophiſchen Wiſſenſchaften, 
| nebſt ihrer 
Literatur md Geſchichte. 


Nach dem heutigen Standpuncte dev Wiſſenſchaft 
bearbeitet und herausgegeben 


D. Bilhelm Traugott Krug, 
Profeſſor ber Phuoſopbie on ber Univerfität zu 2 seipyig und Nitter bes 


il⸗Verdienſtordens 
Fuünfter Band 
als Supplement zur 
zweiten, verbeſſerten und vermehrten, Auflage. 
Erſte Abtheilung. 
aA bis C. 
— nn 
Leipzig 
J. A. Brockhaus. 
1838. 





2 





4 Marvard Oollege Library 
Aug. 20, 1910. . 

From {ho library or ’ ' 

Framois Eilingwood Abbot, 





Encyklopaͤdiſches Lexikon 


in Bezug auf die 


neueſte Literatur und Geſchichte 


der 


Dhilofophie, 


Bearbeitet und herausgegeben 


von 


D. Wilhelm Traugott Krug, 


Profeſſor der Poilofophie an ber Umiverfität zu Leipzig und Ritter des 
K. ©. Civil⸗Berdienſtordens. 


Erſte Abtheilung. 
A is 8. 





Leipzig: 
5 a. Brockhaus. 
1838. 


Borrede 


Sa Erſcheinung der zweiten Auflage meined ency: 
klopaͤdiſch-philoſophiſchen Lexikons ober all- 
gemeinen Handwörterbuhd ber philofophi- 
[hen Biffenfhaften nebfl ihrer Literatur 
und Geſchichte (Leipzig, 1832 — 1834 in 4 Bänden 
gr. 8.) find nicht nur neue Philofophen in und außer 
Deutichland aufgetreten, fondern auch von diefen fowohl 
ald von den frühern Philofophen eine Menge philofophi- 
Iher Schriften erfchienen, durch welche die Wiffenfchaft 
in materialee oder formaler Hinfiht bald mehr bald 
weniger gefördert "worden, x Dieß beftimmte den Berf. 
jenes Bierkes zur Bearbeitung und Herausgabe diefes 
neuen enchklopadifch-philofophifchen Lexikons, indem er 
mündlihen und fchriftlichen Aeußerungen zufolge glauben 


van Vorrede 
muffte, daß dadurch ein Beduͤrfniß für Viele, die fic 
theild aus innerem und aͤußerem Berufe theild auch au 
bloßer Liebhaberei mit Philofophie befhäftigen, fein 
Befriedigung finden würde. Hiezu Fam bie Bemerkung 
daß in jenem Altern Werke, ungeachtet ber vielen Ver 
befferungen und Zufäge, die es bereits im der zweite 
Auflage erhalten hatte, dennoch Manches übrig gebliebe 
war, was eine frengere Kritit (auch abgefehn von der 
nie’ zu vermeidenden Zabel befangener Schulmeisheit) noc 
mangelhaft finden konnte. Das neue Werk hat dahe 
zugleich die Beftimmung erhalten, dem älteren ald Sur 
\ plement zu dienen und fo beffen Brauchbarkeit zu erhöher 
13. Ebendarum wird man bei Benugung beider Werke wohl 
thun, ‚wenn man ‚zuerft das neuere auffchlägt, um z 
fehen, ‚ob dafjelbe den gefuchten Artikel al$ ganz ne 
I oder. bloß als Zu ſatz zu dem Älteren enthalte Den 
in leuten Kalle muß berfelbe Artikel in beiden I 





Bor r ede, IX 
Buͤrgſchaft leiften kann, da ich bereits in einem Lebens⸗ 
alter ftehe, wo das horazifche 


Vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam 


ſich doppelt geltend macht und mid) an dad Carpe diem 
auf das Nahdrüdlichfte mahnt. Auch weiß ich nicht 
einmal, ob ich bid zur Stunde meines Abfcheidend von 
diefer unvolllommnen Welt ded Augenlichtes, das doc) 
zu ſolchen Arbeiten ganz unentbehrlich ift, mic, erfreuen 
werde, da ich fehon über Jahr und Tag an einem chro⸗ 
nifhen Augenübel leide. Es muß mir alfo wohl fehr 
am Herzen liegen, ein Wert, an bem ich fo lange mit 
großer Liebe und Anftrengung gearbeitet, daß ebendaher 
jenes Uebel rührt, in ber für mid) möglichft vollkomm⸗ 
nen Geftalt der Nachwelt zu überliefern. Crleb’ ich aber 
nody eine neue Auflage und fchenft mir der Himmel das 
Gluͤck, bis dahin nocdy zu erfchauen, wad Sonne, Mond 
und Kerzen beleuchten: fo verftcht e& ſich von felbft, daß 
ih auch dann Feine Mühe und Arbeit fcheuen werde, 
dieſe Auflage gleichfalls möglihft vollkommen auszuftatten; 
meshalb ic) auch noch am Ende jeder Abtheilung dieſes 
Bandes einige Berihtigungen und Zufäge beige: 
fügt habe, bie ic) nicht zu überfehen bitte. — Möge 
demnady dad Publicum, das fi für die alte und doch 
immer junge Wiſſenſchaft, Philofophie genannt, mit einie 


x 


x Vorrede 

ger Wärme intereffirt, dem neuen Werke daffelbe Wohl- 
wollen ſchenken, mit welchem es nad unzweideutigen 
Anzeichen daB ältere hat aufgenommen! — Leipzig, zur 
Oftermefle 1838. - 


Der Berfaifer. 





A. 


A. — Zuſatz: Die Formel AA iſt von manchen neuern Phi⸗ 
loſophen (3. B. Schelling in feinem abfoluten Identitaͤtsſyſteme) 
zur Bezeichnung des Abſoluten als des Alles und Einen (Alleins) 
welches real und ideal zugleich fein fol, gebraucht. worden. ©. 
jenen Namen und Alleinheitslehre mit dem Zuſatze. — Uebri⸗ 
gens hat dieſer erſte Buchſtab unſres Alphabets, der zugleich den 
erſten Selblauter oder Vocal, eigentlich aher den mittelſten (i, e, a, 
o, a, nach der durch Oeffnung und Geſtaltung bes Mundes beim 
Ausfprechen der Vocale beftimmten, mithin naturgemäßen Reihens 
folge) bezeichnet, außer der affirmativen Bedeutung, die er als 
Anfangsbuchflabe des Wortes affirmo von den Logikern in ber 
Theorie der Urtheile und ber Schlüffe zur Bezeichnung eines allge: 
mein bejabenden Urtheils befommen hat, aud noch in der Gram: 
matit und Lerilographie mandyer Sprachen eine negative ober 
peivative erhalten; wie das fog. « privativum in der griechiz 
ſchen Sprache, weldyes den Begriff des Wortes, mit welchem es 
verbunden mird, verneint, 3. DB. in arouos, ungefeglih, avovs, 
unverftändiy, aopuros, unſichtbar. Waͤhrſcheinlich ift dieß aber 
tuch Abkürzung aus der Präpofition aro, von, hinweg, ent= 
fanden; womit auch das lateinifhe a oder ab in abrormis, abor- 
tu«, abrogatio, und das deutfche ab in Abart, Abaunft, Abfchaf- 
fung, übereinjtimmen. 

A — divisis ad conjuncta etc. f. Sophiftit. 1. a. 

A — particulari f. Ab — universal. Auch vergl. In: 
ductien, bei welcher in gereiffen Beziehungen auch vom Befondern 
eder gar vom Einzelen auf das Allgemeine geſchloſſen wird, obwohl 
nit mit voller Gewiſſheit, fondern nur mit mehr oder weniger 
Wabrſcheinlichkeit, je nachdem mehr oder weniger Befondered oder 
Einzeles aufgezählt worden. 

Krug's encnElopädifcgepgilof. Wörterb. Bd. V. Euppi. 1 


* 
- 


2 A — posse Abaͤlard. 


A — posse ſ. Ab — esse. 

A — toto f. A — parte. 

-Ab — affirmatione rationis etc. f. Schluffarten 
N. 2. 

Abaͤlard. — Zufag: Neuerlich ift ein handfchriftliches Wert 
von dieſem fcharffinnigen und gelehrten, aber unglüdliden, Scho— 
laſtiker unter dem Titel: Sic et non, in ber Bibliothek zu Avran- 
es, und noch ziel andre in ber Bibtiothet zu Tours aufgefuns 
ben worden. S. Ouvrages inedits d’Abelard, pour servir à 
Phistoire de la philosophie scolastique em France. Publies 
par Victor Cousin (in der Collection de docamens inedits 
sur l’'histoire de France etc. II. serie. Histoire des lettres et 
des sciences). Paris, 1836. 4. — Unter U. theologifchen 
Werken verdient befonders feine Introductio ad theologiam noch 
immer als eines feiner fcharffinnigften und freimüthigften Werte 
gelefen zu werden. Er fagt barin unter andern, es fei laͤcherlich 
du lehren, was man nicht begreife, ober zu glauben, was man 
nicht verftehe; daher fei es weit vernuͤnftiger, fich untes den drei 
Derfonen im göttlihen Weſen bie zu Einer Volikommenheit ver 
einigte Mad. Weisheit und Liebe des göttlichen Weſens zu den⸗ 
ten, als die Dreieinigkeit für ein undurchdringliches Geheimniß zu 
erklaͤren; auch fromme Heiden feien felig geworden x. Das miss 
fiel aber freilich den Zeloten feiner Zeitz und darum verurtheilten 
fie ihn al6 einen Ketzer auf den Kirchenverſammlungen zu Soiſſons 
und zu Sens in ben Jahren 1122 und 1140. Berg. De summis 
Brincipüis theologiae abaelardeaee Auct. Dar. Joh. Hear. 

oldhorn. £eipjig, 1836. 8. Hier find auch noch mehr ältere 
und neuere Schriften über A. und bie verfchiedenften Urtheile für 
und vwiber ihn angeführt. Die von D. Rheinwald aus einer 
















4 Abdalah Abduction 


genommen, wo es als Strafrecht (f. d. W.) erſcheint. Ind 
fen hat auch der Staat dieſes Recht oft zu ſehr erweitert, befo 
ders in Anfehung folder Handlungen, die man nicht als juridife 
Bergehungen im eigentlichen Sinne, fondern nur als politift 
und polizeiliche betrachten kann; wiewohl ſich hier die Gränzlini 
nicht ganz genau ziehen laſſen. Berg. auh Buße und Bu 
foftem. — Wegen eines fog. Abbuͤßungsvertrags f. dief 
Artikel felbft Bd. 1. ©. 10. 

Abdalah f. Maimonibdes. 

Abderitismus (vom Abdera, einer Stadt im Xhracie 
dem Geburtsorte des Philofophen Demofritos) bedeutet ein mi 
riſches, ducdy feine Ungereimtheit in's Laͤcherliche fallendes Weſe 
wie man es bei den Griechen den Bewohnern von Abdera, I 
den Römern den Bewohnern von Apina und Trica (daher tricae= 
Marrenftreiche, verworrene Händel, und intricare, verwirren, w 
von wieder das franzöfifche intrigue herfommt) und bei den Dei 
ſchen den Bewohnern von Schilda und Scyeppenftädt nachgeſa 
hat. Man findet jedoch dem Abberitismus überall in ber Me 
ſchenwelt; und felbft bie Philofophen find nicht immer frei dav 
geblieben. Denn wenn es wahr wäre, was manche alte Schri 
ſteller erzählen, daß Demokrit immer gelacht und daß ex fü 
um beffee nachdenken zu können, flets in Wuͤſteneien und Gra 
ſtaͤtten aufgehalten, ja zuletzt fogar die Augen ausgeſtochen hätte - 
was jedoh kaum zu glauben — fo hätte er gar nicht Urfadye 4 
habt, über feine Landsleute, die Abderiten, zu fpötteln; befondı 
da fie ihn fo ehtten, daß fie ihm nicht nur für eine feiner Schr 
ten (neyas Öiuxoowog, die große Weltorbnung, betitelt) eine ft 
anfehnliche Summe Geldes (100, nady Andern fogar 500 Talenı 




























Abelterie Aberglaube 5 


unfichern Vorderſaͤtzen beruht und daher leicht irrefuͤhren kann; be: 
ſonders wenn nur der Oberſatz gewiß, ber Unterſatz aber zweifel⸗ 
baft tft, 3. 3. in dem Schluffe: Was fid Lehren laͤſſt, kann man 
auch lernen — Zugend Iäfft -fih Lehren — alfo kann man fie 
auch lernen. Denn die Frage, ob die Tugend lehrbar und folglich 
auch lernbar fei, ift fehr fereitig und wurde ſchon im Alterthume 
entweder ſchlechthin verneint ober nur mit einfchräntenden Bedin⸗ 
gungen bejaht. S: Tugend und Schluß... Wiewohl nun das 
lateiniſche abductio dem griechifhen aneywyn entſpricht: fo verbin⸗ 
der man doch mit lesterem gewöhnlich einen andern Begriff und- 
fagt dann auch ftatt abduclio lieber deductio scil. ad absurdum. 
©. apagogifcher Beweis. Ä 

Abelterie (von Berreoos, gut ober eigentlich beffer, wi 
Beiruuv, als unregelmäßiger Comparativ von ayados, mit bem @ 
priv.) bedeutet Mangel an Güte ober Beſſerung, fowohl in phy⸗ 
fifyer als in intellectualee und moraliſcher Hinficht, daher auch 
Einfalt, Dummheit, Schlechtigkeit. Im Griechifchen fchreibt man 
das Wort nicht bloß afeAregıa, fondern auch afeArrgıa, obwohl 
jenes richtiger ift. 

Abendgang (nepımarog deıvos) und Morgengang 
(720110105 wog) biegen in der ariftotelifhen Schule die pos 
puliren oder exoteriſchen, und bie feientififchen ober efoterifchen 
Vorträge und Unterhaltungen des Ariftoteles mit feinen Schüs 
lem; weshalb jene Schule auch felbft die peripatetifche ge 
nannt wurde, indem die Griechen unter neoınarog nicht bloß den 
Ort, mo man fpazieren geht, fondern auch den Spaziergang felbil, 
vorzüglich den gemeinſamen oder gefellfhaftlichen, und die Unter: 
bultung während deffelben, befonders des Lehrers mit feinen Schü: 
lem, desgleichen eine Disputation verftanden, weil Gonverfationen 
ſich Leicht in Disputationen verwandeln. Vergl. Ariftoteles 
und Peripatetiter. ’ 

Abercrombie (Bohn) ein brittifcher Philofoph und Arz 
dee neuen Zeit, welcher zu Edinburg (als Fellow of the royal 
eolleze of physicians etc.) lebt und vornehmlich durch folgende 
Schrift in und außer England berühmt geworden: Inquiries con- 
rersinz the intellectual powers and the investixation of truth. 
Erindurg, 1830. 8. Später gab er auch ein ähnliches Werk über 
tie moral powers heraus. Andre Schriften von ihm, fo wie 
ine fonjtigen Lebensumſtande, , find mir nicht bekannt. 

Aberglaube. — Zuſatz: Die fonft gewöhnliche Erklärung 
tes Asersiaubens: Superstitio est meliculosus erga numen al- 
fertus, enthält etwas Wahres und entſpricht auch dem Worte 
darndamovıa (Dämonen: oder Gotterfurht) mit welchem die 
Griechen den Aberglauben zu bezeichnen pflegten. S. Deiſidaͤ— 





6 Aberglaube 


monte. Indeſſen iſt doch jene Erklärung zu eng, da fie fü 
vorzugsweiſe auf den religiofen Aberglauben bezieht, der abı 
freilich) mit dem phyfitalifhen oft in Verbindung tritt. Eben 
dieß gilt von dem Unterfchiede, den-man zwiſchen theoretifher 
und prakt i ſche m Aberglauben gemacht hat. Denn aud bie 
beiden Arten des Aberglaubens vermifchen fich gewöhnlich mit elı 
ander, befonder& bei Landleuten, Bergleuten, Seeleuten, Soldaten 
Jagen und Forſtmaͤnnern, welche, indem fie gewiſſe Naturerfche 
nungen für Wirkungen böfer Geiſter oder daͤmoniſcher Mächte ha 
ten und ſich von benfelben bedroht glauben, auch geneigt fin 
allerhand feltfame Mittel zu brauchen, um fid) gegen Bauber dun 
Bauber zu fügen. — Daß das weibliche Geſchlecht mehr Har 
zum Aberglauben babe, als das männliche, wird wohl durch d 
Erfahrung beftätige, wenn man beide Geſchlechter im Durchſchnit 
mit einander vergleicht. Es iſt aber dieſe Erſcheinung auß der le 
haften Einbildungskraft, fo wie aus der größern Schwäche ın 
daher entſtehenden Zuccptfamkeit jenes Geſchlechtes leicht zu erkl 
ren. — Sn befondrer Beziehung auf ben teligiofen Aberglaubı 
iſt auch fehr wahr, was Ammon in f. Fortbildung des Ch 
ſtenthums zur Weltreligion (H. 2. Abth. 1. &. 84.) fag 
Nichts hat von jeher den Aberglauben mehr befördert und db 
„Zereligion freiere Bahn gebrochen, als jene unfelige Bunf 
heologie, die ſich auf ein abgefchloffenes und matterleuchten 
Bücherſoſtem befchräntt und von ber höher fleigenden Erleuchtu 
„des menfchlicen Geiſtes außer bdiefem Kreiſe keine 

‚„aimmt.” Dee Aberglaube kann daher fogar den Unglaube 


befördern ober hervorrufen, indem Diejenigen, welche bie. Unhaltba 
teit von jenem einfehen, leicht bahin kommen können, baf fie di 


Aberwig I 


made die Menfhen bümmer und unterwürfiger, fo daß er ein 
geeignetes Mittel zur Befriedigung der Herrſch⸗ und Habſucht 
fe) während fie vielleicht felbft dem Unglauben ergeben find, und 
daher nicht nur über den Aberglauben, fondern auch über den 
Glauben der Menſchen in ihrem Herzen oder unter gleichgefinnten 
Sreunden lachen und fpotten — wie bie theil® ruchlofen theils 
Lichtfinnigen Päpfte Alerander VI, Sulius II. und Leo X. 
— ſolche Polititer dürften fi doch dabei verrechneg. Denn der 
Aberglaube kann die Menfchen, wenn er fie fanatifirt, auch fo 
ſtoͤrriſch und widerfpenftig machen, daß fie völlig unlenkſam und 
segen bie, welche fie davon abbringen ober zur Ordnung und 
Ruhe verroeifen wollen, im hoͤchſten Grabe graufam werden. Man 
denke nur an bie fchredtichen Auftritte, welche die aus den Nie: 
derlanden nach Münfter gefommenen Wiedertäufer, die auch vom 
Aberziauben fanatifirt waren, in den Jahren 1534 — 36 veran: 
laſſten. — Unter den ältern Schriften Über diefen wichtigen Gegen: 
Rand find neh anzuführn: Gott!. Sam. Treuer de super- 
sttionis conditoribus et propagatoribus. Selmftädt, 1717. 8. 
— Joh. Frane. Buddei theses de niheismo et superstitione. 
Jena, 1717. 8. Deutſch: Ebend. 1723. 8. — Philoſophiſche Ge: 
ſchichte bes Aberglaubens. Vom Verfaſſer des Hierokles. Mainz, 
1800. 8. — Ganz neu aber iſt folgende: Ueber den Aberglauben. 
Ben Dr. 3. &. Hoffbauer. Lemgo, 1837. 8. — Wegen ber 
Etymologie des Wortes Aberglaube und Afterglaube ift noch zu 
bemerken, daß aber (altd. awar) und after (altd. aflar) ur: 
ſpruͤnglich nah, hinten, gegen bedeutet. Aus dem Begriffe des 
Nachfolgenden ober Hintern, welches dem Vorhergehenden oder 
Vordern entgegenſteht, hat ſich dann ſehr natuͤrlich dee Begriff des 
Schlechtern entwickelt. Und daher kommt es wohl auch, daß 
After als Subſtantiv ſchlechtweg den Hintern (gleichſam das 
abwarts sefchrte Gegengeſicht, das man als etwas Schlechtes oder 
Unziemliches verbirgt) bedeutet. 

Aberwig. — Zufas: Oft ſteht Aberwitz aud für Narr- 
seit, Verrücktheit oder Beiftesverwirrung überhaupt, und aber: 
migig für phantaftifih oder ercenteifh. Der Dichter Ludwig 
Tieck aber beruht in feine Novelle: „Der junge Tiſchler— 
meiſter,“ jenes Wort auch für Dünkel und erklärt daher Diejeni: 
sen für abermigig, „die ſich ohne alles Talent für große Dichter, 
„Staatsmaͤnner oder Weltweiſe halten,” und meint fogar, biefe 
fein nech „viel ſchlimmer daran,” als andre Aberwitzige, fagt 
jetch nicht warum? — vermuthlid weil er fie für unheilbur Hält. 
Das begegnet aber den Andern wohl auch nicht felten. — Megen 
der Etomeloegie f. das Ende des vorigen Artikels in Verbindung 
mit ip. 


8 Abfall Abgefondert 


Abfall. — Aufag: Im phoſiſchen Sinne bedeutet dieſes 
Wort auch Abnahme oder Verfall (befonders in dee Medensart: 
In Abfall kommen). Im moraliſchen Sinne aber bedeutet es zus 
naͤchſt eine Art vom Untreue gegen den, bem man Anhaͤnglichkeit 
ober Gehorfam ſchuldig iſt; was ſowohl in Bezug auf Menfcyen 
als in Bezug auf Gott flattfinden Tann. Und daher kommt es 
auch, ba jenes Wort für Sünde gebraucht wird. ©. d. W. 

Abfahrt f. Abfchoß. . 

Abgebildet f. Abbildung. 

Abgekürzt. — Zufag: Außer der Logifhen Abkuͤrzung, 
von welder als einer auf bie Gedanken bezüglichen in biefem Ar 
titel des 1. B. die Rede ift, giebt es auch eine ſprachliche 
oder grammatifh=chetorifche, welche fi) auf Wörter, Mes 
densarten und ganze Säge bezieht; mie bei der Elifion und 
Eltipfe. ©. biefe Ausbrüde. 

Abgemeffen. — Zufag: Die beiden Arten der Akgemeffen- 
heit, welche in biefem Artikel unterfchieden worden, kann man 
kutzweg fo bezeichnen, daß man bie erfte Logifche, die zweite 
aͤſtheti ſche AÄbgemeſſenheit oder Präcfion nennt. Jene findet 
vorzugswelfe auf dem Gebiete der Wiffenfchaft, biefe auf dem 
Gebiete der Kunft flat. S. diefe beiden Ausdrüde. 

Abgefhmadt. — Zufag: Diefes Wort entfpricht eigentlich, 
zunaͤchſt dem lateinifchen insulsum, ungefalzen, geſchmacklos, weil 
ungefalgene Speifen feinen ober wenigftens einen faden Geſchmack 
baben und daher unſtem Gaumen nicht zufagen. Dann ent 


fpricht es durch Uebertragung analoger Empfindungen von einem 
Sinne auf den andern audy dem Lateinifhen absardum, übelklins 
gend, ungereimt. ine noch weitere Uebertragung aber findet fatt, 





Abgewöhnung Abgott 9 


abſtracter ald das Niedere ober Engere, und dieſes concreter als 
jenes, weil jenes weniger, biefes mehr Merkmale enthält, Inhalt 
und Umfang der Begriffe aber in einem umgekehrten Berhältniffe 
ſtehn. ©. Begriff. Das Abgefonderte in ber hödften 
Dotenz oder dad Abgezogenfte (abstracium summum s. ul- 
timum) ilt der Begriff eines Dinges überhaupt oder ohne alle wei⸗ 
tere Beitimmung gedacht, fo daß es ſelbſt unbeftimmt bleibt, ob 
es ein bloß mögliches (ideales) ober ein wirkliches (reales) Ding 
ſei. Daher fommt ed auch, daß man oft das abstractum pro 
concreio oder das concretum pro abstracto ſetzt, 3. B. die Weiss 
beit ſtatt des Weifen oder den Weifen ſtatt der Weisheit; wie 
wenn Horaz (od. III, 21.) fügt: 
Narratur et prisci Catonis . 
Saepe mero caluisse virtus. 

Denn hier fleht Catonis virtus offenbar für Cato virtuti deditus. 
— für in abstracto und in concrelo fagt man auch abstractive 
und concreiive. — Wenn man neuerlich gefngt bat, die Abſtrac⸗ 
tion fei „die Quelle der Sünde,” weil fie die Materie in der 
Natur vom Geifte Gottes fondere: fo Elingt das wohl fromm, iſt 
aber doch unverftindig. Denn wenn auch das Abftrahiren im 
Deutfhen ein Abfondern heißt: fo ift es darum body Fein wirkliches 
Irennen oder Losreißen, fondern nur ein Unterfcheiden, ohne wel⸗ 
ches wir gar nicht einmal denken koͤnnten. Daß aber Gott felbft 
weder abjtrahire noch reflectice, iſt ganz richtig, weil dieß nur Aeu⸗ 
Ferungsmeifen unſtes endlihen (in Raum und Zeit befangenen) 

rs find. S. Verſtand und denken. Um indefien jedem 
Misziritindniffe zu begegnen, ift cd gut, wenn man unter Ab⸗ 
firaction die bloß Logifhe oder ideale Abfonderung 
verſtebt, die phrfifhe oder reale Abfonberung aber, 
weite cine mirklihe Trennung ift, Separation oder Secre: 
tien nennt. 

Abgewöhnung f. Gewohnheit, uf. 

Abgott und Abgötterei. — Zufag: Der Unterfchieb, 
reichen Manche zwiſchen der natürlichen und der kuͤnſtlichen 
A:zcteirei machen, beſteht darin, daß der Abgott, welchen die Menfchen 
2227 des wahren Gottes zu einem Gegenſtand ihrer Verehrung machen, 
catweder ein Naturding oder cin von Menſchenhaͤnden gemachtes Ding 
on kann. Diefer Unterſchied ift aber von feiner Bebeutung, fo 
sch etwa Die eine Urt der Abgötterei beffer oder wenigſtens erträg: 
sr wirt, als die andre. Es ift doch wehl dem Principe nad) 
emerici, od Jemand eine wirkliche Schlange oder ein bloßes Schlan⸗ 
cendind andetet, ungeachtet jene ein lebendiges, dieſes ein todted 
Gorendild iſ. Und wenn Ferdinand Cortez, als er im J. 
1,10 Meriko erobert hatte, alle Goͤtzenbilder in den Tempeln zer: 


10 Abgrund Abhängigkeit 


fören und ſtatt derfelben Marien: und andre Heiligenbilber zur 
Verehrung aufftellen ließ: that er wohl etwas andres, ald daß er 
thöriger und ungerechter Weife die unglüdlichen Mexikaner nöthigte, 
die eine Art der Abgötterei mit der andern zu vertaufhen? Denn 
wenn man auch entſchuldigend oder mildernd fagt, daß die foges 
nannten Heiligen nicht als Götter verehrt werden follen: fo hilft 
das body nichts im Bezug auf die bei weitem größere Menge ber 
Ungebitbeten, bie in den Gegenftänden ihrer Verehrung immer eine 
Art von. Untergöftern ober vergötterten Menſchen (deos minorum 
gentiam, wie bie Römer fagten) erbliden. Abgötterei iſt daher im⸗ 
mer mit Vielgoͤtterei verbunden. Vergl. Polyctheismus und 
Heidenthum nebft den daſelbſt angeführten Schriften. — Die 
fublimſte Art der Abgoͤtterei aber iſt die Vergötterung der Natur im 
Ganzen oder des Weltalls, die man daher auch Allgötterei oder 
Pantheismus nennt. S. beide Ausdrüde. 
Abgrund. — Zufag: Das biefem deutſchen Worte ent: 
ſprechende lateiniſche ober vielmehr griechiſche Aby 5 (abyssus, aBro- 
@0g) bedeutet auch zumellen das Chaos und die Hölle, weil 
man beides in der SEiefe oder als einen Abgrund dachte. ©. jene 
drei Wörter. 
Abgunft. — Zufag: Verwandt mit dieſer Gemüthöftim: 
mung, aber flärker in ihren Aeußerungen find bie Affecten des 
Neides und des Haffed. ©. beide Ausdrüde. 
Abhandlung bedeutet eine bald kürzere bald ausführlichere 
geiftige Bearbeitung eines Gegenftandes, fie geſchehe muͤndlich oder 
fchriftlich. Doch denkt man in der Regel am Eleinere Schriften, 
wenn von Abhandlungen Über wiſſenſchaftliche ober doch einer wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Darftelung fähige Gegenftände die Rede ifl. Daher 














Abicht Abolition u 


Hinſicht beftimmbar wird. Die Anhaͤngigkeit ift alfo freilich 
auch eine Art von Abhängigkeit, es mag jene als Abhärenz 
ever als Inhaͤren z gedacht werden. Darum Bönnte man ber ins 
bifiven Abhängigkeit noch die adhaͤſive beiordnen. ©. Ans 
hängig. 

Abicht (3. H.). — Zuſatz: Derfelbe hat auch eine „Kurze 
Darftellung des Naturs und Voͤlkerrechts“ (Balreuth, 1795. 8.) 
herausgegeben. 

Abirrung. — Zufag: Die Abirrung des Lichtes (ab- 
erratio Iacis) als ein optiſches Phanomen gehört zwar zunaͤchſt in 
die mathematiſch⸗phyſikaliſche Theorie vom Lichte. Da fie aber 
Finflug bat auf eine Menge von Wahrnehmungen, befonders bei 
Beobachtungen ber Himmelskoͤrper und andrer Lichterſcheinungen: 
fo ift es auch eine Logifhe Negel, fih in Acht zu nehmen, daß die 
Abirrung bes Lichts bei ſolchen Beobachtungen nicht eine Abirrung 
des Geiſtes von der Wahrheit" zur Folge habe. Auch Lieben ſich 
wohl dialektiſche und phantaſtiſche Blendrerke als Abirrungen 
des innern Lichtes betrachte. S. Blendwerk. 

Ablehnungseid iſt ein mildeter Ausdruck für Reini⸗ 
gungseid. S. Eid nebſt Zuſatz. Manche verſtehen darunter 
auch ben ſog. Diffeſſionseid. ©. Diffeſſion. 

Abnegazion. — Zufas: Das damit ſtammverwandte 
Wort Renegation bedeutet zwar im Allgemeinen auch eine ge⸗ 
wiſſe Verleugnung oder Losſagung, wird aber vornehmlich in Be⸗ 
zug auf die Religion gebraucht, wenn ſich Jemand von der elnen 
reſitiven Form derſelben (z. B. der chriſtlichen) losſagt und zu 
tiner andern (3. DB. der muhammedaniſchen) übergeht. Darum 
heise ein ſolcher Apoſtat auh ein Renegat. ©. Apoftafie. 

Abolition. — Zufag: Von diefem Worte haben auch die 
Arolitieniften ihren Namen. Hisrunter verfteht man naͤmlich 
vorzuzäriite Diejenigen, welche die Abfchaffung (abolition) der Ne: 
serftlaverei als eine Pfliht gegen die Menfchheit fodern, weil 
fte tie Sklaverei für eine Verlegung des Menfchenrehts, mithin 
fire ein Verbrechen gegen die Menfchheit überhaupt betrachten. Da⸗ 
sen wil man aber in denjenigen ameritanifchen Freiſtaaten, welche 
dieſem Titel zum Hohne noch Sklaven haben, nichts wiſſen; wes⸗ 
szib die dertigen Abolitioniſten oft vom Volke ohne alles gericht: 
se Verfabren oder nad dem ſogenannten Lynch-Geſetze aufge 
Fingt werden; wahrend man die Sklavenhaͤndler ihr widerechtliches 
Gewerde frank und frei treiben laͤſſt. In Miffourt hat man fogar 
en Geſetz gegeben, daß jeder Abolitioniſt zur Strafe für feinen 

azriff auf die Sklaverei felbft ald Sklav verkauft und im Wie⸗ 
derbelungsfalle zeitlebens cingeksrkert werden fol. ©. Sklave⸗ 
rei und Volksjuftiz. Man hat jedoch neuerlich auch die, welche 


12 Abomination Abrundung 


auf Abfhaffung der Todesftrafe (f. d. MW.) angetragen haben, 
Abolitioniften genannt. Es koͤnnte daher biefer weitſchichtige 
Name auf Ale übergetragen werden, die irgend etwas, das fie für 
unrecht ober ſchaͤdlich halten, abgefchafft wiſſen wollen. 

Abomination (abominari, verabſcheuen) bedeutet eigentlich 
die Wegwendung von einem Gegenflande, der etwas Boͤſes anzu= 
deuten ſcheint, um dieſes von ſich felbft abzuhalten (ut malum 
omen avertatur) dann aber überhaupt Verabfheuung; abomina⸗ 
bet alfo verabſcheuungswerth oder abſcheulich. ©. Abfheu. 

Abortiren (von abortus, eine unzeitige ober Fehlgeburt) 
wird ſowohl in koͤrperlicher als in geiſtiger Hinficht gebraucht. 
Denn auch geiftige Erzeugniffe bedürfen, um als reife Früchte das 
Licht der Welt zu erbliden, der gehörigen Zeitigung. Diefe laͤſſt 
ſich aber nicht nad) Jahr und Tag beftimmen. ‚Denn wenn auch 
Horaz (art. poet. vs. 388.) die Regel in Bezug auf ein Dice 
terwerk giebt: „Nonum prematur in annum!‘ fo ift das doch 
nicht mi zu nehmen und überhaupt nur auf größere und wich⸗ 
tigere Geifteswerke zu beziehen. Daß man aber jene Regel fon 

. im Alterthume nicht befolgte, erhellet aus der Klage des Plinius 

(praef. ad hist. nat.) über die geiftigen abortas feiner Zeit. Neus 
erlich hat fich jedoch ihre Zahl faft in’6 Unendliche vermehrt, ſelbſt 
im Gebiete der Philoſophie. — Uebrigens ift es zweifelhaft, ob 
abortire_ein echtes ober altlateiniſches Wort fei. Denn in einer 
andern Stelle bei Plinius (hist. nat. VII, 51.) mo es vorzus 
Tommen fcheint, leſen ſtatt facilitas abortiendi Andre fac. abori- 
endi, und Warro (de re rust. II, 4.) fagt dafür abortare. Das 
Ajectio abortivus aber kommt bei mehren alten Schriftſtellern vor. 
Daher fteht auch abortivam als Subftantiv für abortus. 





Abſage Abſchied 13 


unterſcheiden. Jene verbindet die Gedanken ſelbſt, dieſe die Worte 
ale Gedankenzeichen zu einem harmoniſchen Ganzen. Darum heißt 
ein längerer Satz, welcher mehre Zwiſchenſaͤtze enthält und gehörig 
abgerundet ift, auch eine ftpliftifhe Periode. ©. d. W. 

Abfage oder Abfagung (auh Entfagung) iſt im juris 
difhen inne die DVerzichtleiftung auf einen rechtlichen Anſpruch, 
welche entweder freiwillig oder erzroungen, vergeltlic oder unvergelt- 
lich geſchehen kann. Die erzmungene und unvergeltliche ift in ber 
Kegel unftatthaft, weil rechtswidrig. Bei Staaten oder Völkern 
findet fie aber doch oft in Folge eines ungluͤcklich geführten Krieges 
fiate. — Die Auffage oder Auffagung hingegen ift eine Erklaͤ⸗ 
sung, daß man eine gewiffe Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen oder auch 
nit mehr fobern molle; wie wenn der Diener dem Herm ober 
der Here dem Diener den Dienft auffagtz beögleichen wenn ein 
Waffenſtillſtand, der beiden Eriegführenden Theilen die Verbindlich⸗ 
keit auflegt, die Waffen eine Zeit lang ruhen zu laffen, aufgefagt 
reird. Doch nennt man dieß lieber Auftündigung des Waffen: 
ftiljtandes, wie man von Ankündigung des Kriegs fpricht, 
weil beides gewöhnlich mit einer gewiſſen Foͤrmlichkeit oder Feier⸗ 
lichkeit geſchieht. Die Mömer brauchten daher auch gewiſſe 
Priefter, Fetiales genannt, zu dieſem Geſchaͤfte. S. Fetial: und 
Kriegsrecht. 

Abſcheu. — Zuſatz: Das Stammwort Scheu bedeutet 
eigentlich einen minderen Grad von Furcht; durch die Zuſammenſetzung 
aber verſtaͤrkt ſich die Bedeutung, wie ſich auch zugleich das Ge⸗ 
ſchlecht des Wortes veraͤndert, ſo daß das weibliche Wort (die 
Scheu) maͤnnlich wird (der Abſcheu). Uebrigens kann es im 
Menſchen ſowohl einen natuͤrlichen oder phyſiſchen als einen 
ſittlichen oder moraliſchen Abſcheu geben. Jener bezieht ſich 
auf das Unangenehme und Schaͤdliche, dieſer auf das Unrechte 
und Beoͤſe. Manche unterſcheiden auch noch einen ordentlichen 
eder gewoͤhnlichen Abſcheu, der in der Regel bei allen Men⸗ 
ſchen ſtattfindet, z. B. der Abſcheu vor Schmerz, Krankheit, Tod, 
und einen außerordentlichen oder ungewoͤhnlichen, der nur 
dei einigen Menſchen angetroffen wird, z. B. der Abſcheu vor ges 
reifen Speiſen oder Getränten, XThieren oder Menfdyen. Diefer 
Abſcheu iſt alfo idiopathbifh. ©. d. W. Das von Abfcheu 
betgeleitete Zeitwort follte eigentlih abfheuen lauten, mie 
iheuen von Eheu. Man fagt aber flatt deſſen wieder verftär: 
tens verabſcheuen. 

Abfchied hat außer der gemöhnlichen Bedeutung, in wel- 
ae man das Mort nimmt, wenn man von einem Philofophen 
242, er babe von der Philofophie Abfchied genommen, ober ihr 
ten Abſchied gegeben, meil er ſich bisher erfolglos mit ihr beſchaͤf⸗ 


14 Abſchlag Abfenz 


tigt zu haben glaubt — was allerdings bei manchen Weberläufern 
vom Dogmatismus zum Skepticismus ober auch vom Philofophis- 
. mus zum Myſticiemus der Fall war — auch noch die Bedeutung 
von Abfhof. ©. d. W. 

Abfchlag bedeutet theils eine Verminderung (3. B. Abſchlag 
der Kälte oder Wärme ober des Preifes gewiſſer Dinge) theils eine 
Verweigerung (3. B. Abſchlag einer Foderung oder Bitte). : Dort 
ſchlaͤgt etwas ab, vermindert fih; hier wird etwas abges 
ſchlagen, verweigert. — Eine abfhläglihe Zahlung iſt das 
ber eine ſolche, durch welche ſich die Schuld oder die zu zahlende 
Haupfumme mindert; eine abfhlägige Antwort aber eine 
felhe, durch welche etwas vertveigert wird. Ob eine ſolche zw geben, 
hangt von den Umftänden ab. Denn es kann ebenfowohl Pflicht 
fein, etwas zu gewähren, als etwas abzufdjlagen. Iſt aber letzteres 
auch pflichtmaͤßig, fo fol es doch nicht auf beleidigende Art geſchehen. 
Es giebt daher eine Art von Kunft abzufchlagen, ohne zu beleidis 
gen. Sie gehört zur Kunſt zu leben oder mit Andern umzugehn, 
am ber «6 leider vielen Menſchen fehlt. 

Abfhoß. — Zufag: Der Abſchoß führt audy noch andre 
Namen, 3. B. Abfahrt oder Abfahrtsgeld, Abgang, Abs 
fhied, Abzug, Freigeld, Nachſchoß, Nachfteuer, Wegs 
iaſſung. Im Lateinifchen heißt er auch census und gabella 
mit dem Beifatze emigrationis oder haereditaria, je nachdem der 
Abſchoß bei Auswanderungen oder bei Etbſchaften, die aus einem 
Lande in das andre gehn, gezahlt wird. 

Abfen; (absentia von abesse, wegfein) bedeutet Abwefens 
heit, und zwar entweder abfolute, wenn ein Ding Überhaupt 






Abſicht Abſol. Beſchluß 2 


ihränkt werden. Dre Grunbſatz aber: Absens carens — ber Ab: 
weſende muß 'entbehren — gilt juridif) nur dann, wenn Jemand 
zur Anmwefenheit rechtlich verpflichtet oder die Anmefenhelt die unum⸗ 
gaͤnglich nothwendige Bedingung der Theilnahme an einem Genuß 
oder Vortheil it. Daher kann es auch Zülle geben, mo es im 
Gegentheil heißt: Absens famguam praesens — der Abweſende if 
als anweſend zu betrachten — 3. B. wenn bie- Einwilligung des 
Abweſenden präfumict wird, weil Gefahr im Verzuge wäre, wenn 
man ihn wegen feiner Einwilligung erſt befragen wollte. 

Abſicht. — Zufag: Wiewohl Abficht (intentio, consilium) 
und Zwed (fnis) auf die im frühen W. B. (8. 1. ©. 26.) 
angegehne Weiſe unterfcheidbar find, fo wird doch ber Zweck jedes⸗ 
mal zur Abſicht, fobald er in den Willen aufgenommen ift und 
nun zum Bellimmungsgrunde des Handelns wird. Zuweilen nennt 
man aud den höhern Zweck, dem ein andter als Mittel dienen 
fo, die Atfıcht des Dandelnden, 3. B. wenn Jemand nad) dem 
Beſitz einer Frau firebt, um zum Befig ihres Vermögens zu ges 
langen. Diejer Beſitz iſt dann für ihn der höhere Zweck ober feine 
eigentliche Abſicht und jener Beſitz nur Mittel dazu, weil er nad 
dem Beſitze der Frau nicht geftrebt haben würde, wenn er nicht 
auf ihr Vermögen fein letztes Abfehn gerichtet hätte. 

Abfolut. — Zufag: Das Abfolute ſchlechtweg (ens abso- 
Iatam — nidt absolutissimum, wie Einige fagen, weil hier eine 
Vergleichung und alfo auch Feine Steigerung mehr flattfinden 
fcU) bedeutet zwar bei den älteren Metaphpfilern die Gottheit, bei 
ten neuen aber das Alleins, welches real und ideal zugleich fein 
ſel. S. Alleinheitslehre mit dem Zuſatze. Bei den Alche⸗ 
miſten verſteht man darunter ſogar den Stein der Weiſen. 
S. d. Ar. Das dem Abſoluten entgegengeſetzte Relative ober 
Comparstive wird von Munden auch das Mefpective ge: 
nennt, S. Ancillon über das Abjolute und das Melative; in 
Det. Schrift: Zur Vermittlung der Extreme in den Meinungen. 
B. 2. ©. 297 ff. — Wegen der angeblichen Erkenntniß des Ab: 
ſeluten, die man auch felbft eine abfolute Erkenntniß nennt, 
fin? ncd folgende Echriften zu bemerken: Berg's Sextus oder 
üder Die abfolute Erkenntniß. Mürnderg, 1804 8. wogegen ano: 
acm erfhien: Antifertus oder über die abjolute Erkenntniß. Sei: 
Wiserz, 1807. 8. — Ueber das Abfolute und das Bedingte, mit 
N’sadrer Beziehung auf den Pantheismus. in fleptifher Der: 
ch ven Eduard Schmidt. Parchim, 1833. 8. 

Abſol. Beſchluß (decretum absolutum) ſoll den goͤttlichen 
Ra:bichluß in Anſehung derer bedeuten, welche ohne Ruͤckſicht auf 
Verdienſt oder Schuld felig oder Yerdammt werden. S. Önaben: 
tibl und Prüädeftinatianer. 


\ 


16 XAbfol. Nothwenbigteit Absque s. sine conditione 


Abſol. Nothwendigkeit oder abfol. Schickſal (ia- 
tam absolutum) f. Nothwenbigteit und Schickſal. 

Abfol. Schluß (syllogismus absolutus) heißt der katego- 
riſche Schluß als Gegenfag des hypothetifhen. S. Schluff⸗ 
arten. 

Abfolutismus. — Zufag: Manche theilm benfelben in 
den theoretifchen ober fpeculativen und den praktifchen 
ober politifhen Abfolutismus. Jener heißt auch das Syſte m 
des reinen Abfolutismus oder dad abfolute Identitäts⸗ 
fyſtem, welchem das Syftem des reinen Relativismus 
entgegenfteht, das vom Abfoluten in Feiner Hinſicht etwas wiſſen 
will, fondern alles für bloß relativ erklärt. ©. abfolut und res 
lativ. Der praktiſche Abfolutismus aber bezieht ſich nicht bloß 
auf das Buͤrgerthum oder den Staat — in welcher Hinſicht er 
eben der politifche oder ſtaatliche heißt — fondern auch auf 
andre Lebensverhältniffe, fo daß es neben diefem auch einen haͤus⸗ 
lichen und kirchlichen giebt. Denn Abfolutismus findet uͤberall 
fatt, wo auf der einen Seite abfolute oder unbedingte Herrſchaft 
praͤtendirt wird, der auf ber andern Seite abfoluter oder unbeding⸗ 
ter Gehorfam emtfprechen fol. Auch hat es unfkreitig (mie ſchon 
das bier zu vergleichende Wort Despotie oder Despotismus 
beweiſt) früher häuslichen als bürgerlichen und kirchlichen Abſolu⸗ 
tismus gegeben. Denn das Haus oder die Familie ging bem 
Staate und ber Kirche voraus. Und der Haushere oder Familien⸗ 
vater vereinigte in feiner Perfon urfprünglic alle Macht und Würde, 
alfo auch bie koͤnigliche und priefterlihe. Man denke nur an 
- Abraham und andre Patrlachen der alten Welt. Was aber 
urſpruͤnglich vereinigt war, trennte ſich erft in ber Zeit, wie bie 

I ii ige ä ü 








18 Abusas non est conzuetudo Acoidens 


Abusus non est consuetudo — Misbrauch iſt nicht 
Gewohnheit — ift ein Grundfag, der fi) auf ſolche Gewohnhei⸗ 
im bezieht, die eine Art vom gefeglicher Rechtskraft durch bie Länge 

der Zeit erhalten haben. Man till alfo dadurch andeuten, * 
der Misbrauch nicht zu einer ſolchen Gewohnheit werden ſolle. In⸗ 
deſſen wird er es doc oft. Daher giebt es ebenſowohl Gewohn⸗ 
heiten unter den Misbraͤuchen, ald «6 Misbraͤuche unter den Ges 
wohnheiten giebt. Man koͤnnte alfo die Einen misbräudlidhe 
Gewohnheiten und bie Andern gewohnpeitlihe Miss 
braͤuche nennen. Vergl. auch Gewohnheit. 

Abweſenheit (Abſenz. 

Abyſß (abyssus oder aßvooog, von Buvooog — Budog, 
Aa ꝰoc, Ziefe, mit dem a priv.) bedeutet eigentlich eine Untiefe, 
dann einen Abgrund. ©. das Iegtere Wort. — Der Gap: 
Abyssus abyssum invocat — ein Abgrund ruft den andern bes 
vor — will fagen: Man verfinft leicht aus einem in den andern, 
wich jedoch meiſt intellectual ober moralifd; genommen, nämlich fo, 
bag Abgrund ſoviel ald Irrthum oder Lafter bedeutet, weil 
eins das anbre erzeugt oder mit dem andern in einer gewiffen Ver⸗ 
wandtſchaft ſteht. Diefe Verwandtſchaft iſt aber nicht bloß eine 
einfeitige, fo bag Jerthum nur Irrthum und Lafter nur Bas 
fiee erzeugte, fondern eine wechfelfeitige, fo daß Irrthum auch 
Lafter und Lafter auch Irrthum erzeugen kann. Wo daher Leine 
aufrichtige Liebe zur Wahrheit. und zur Tugend zugleich das. Bes 
wüth beherrſcht, da iſt der Denfch immer in Gefahr, aus einem 
folgen Abgrund in den andern zu fallen . 

Accent. — Zuſatz: Bon dem grammatifhen und mu 
ſikaliſchen Accente ift noch der togifhe zu unterfgpeiden, der 
von ben Sinne und Zmwede ber R; 








20 Accreditirung Achilles 


wenn man fie gehoͤrig behandelt.“ Sie werden dann gleichſam 
naturaliſitt. S. Kosmopolitismus und Naturalifation 
nebſt Zuf. ü 
Accreditirung. — Zufag: Jenes Wort iſt zunächft von 
feanzöf. acerediter, Glauben oder Zutrauen (credit) verſchaffen, 
gebildet, dieſes aber ſtammt wieder ab vom lat. aceredere, Glaus 
ben oder Zutrauen ſchenken. Das Leptere geht natürlich dem Er⸗ 
ſteren als Bedingung voraus. Denn man würde ehrlicher Weiſe 
den, welchem man felbft nicht glaubte oder vertraute, auch nicht 
Andern zum Glauben oder Vertrauen empfehlen koͤnnen. Für Ac⸗ 
erebitin (Beglaubigungsfcpreiben) fagt man Lieber abgekürzt Eres 
ditiv, was wieder aus literae creditivae (auch noch barbarifcher cre- 
dentiales genannt) entftanden iſt. Vergl. Erebential und Credit. 
Accretion, wofür Manche auch Accrescenz fagm (vom 
ad, zu, und orescere, wachſen) bebeutet Zuwachs, den man auch 
Acceffion nennt. ©. d. W. Doch ann ein Accretions= 
tet (jus accrescendi) aud) in andern Verhaͤltniſſen ftattfinben, 
wie wenn ein Miterbe ſtirbt und dadurch fein Antheil an der Erb⸗ 
ſchaft den übrigen Miterben zuwaͤchſt. Hieruͤber muß aber das Pos 
ſitidrecht, zu welchem auch das Erbrecht gehört, weitern Aufſchluß 
geben. Vergl. Erbfolge. 
Accurat (von ad, zu, und cura, die Sorge) heißt, was 
mit Genauigkeit gemacht ift, worauf man alfo viel Sorgfalt ver- 
wandt hat. Solche Accurateſſe iſt lobenswerth. Es giebt aber 
auch eine uͤbertriebene, die nicht fertig werden kann und daher in's 
Aengſtliche oder Peinliche faͤllt. Kunſtwerke verlieren dadurch meiſt 
den wohlgefaͤlligen Ausdruck im Ganzen uud machen daher auch 
weniger Eindruck auf unſer Gemuͤth. Vergl. correct. 














23 Ackerbau Action 


allgemeine Bemerkung, daß, wenn auch der Staat Jemanden zur 
Strafe für gewiſſe Verbtechen Achten oder in bie Acht erklaͤren 

doch die Kiche und folglich auch die Geiſtlichkeit im Namen 
oder als Stellvertreterin derſelben auf keinen Fall eine ſolche Be⸗ 
fugniß haben kann, da ihr Überhaupt kein Strafrecht zukommt, 
am wenigften in Bezug auf fogenannte Ketzereien, bie gar feine 
Verbrechen find. ©. Kegerei, Kirchenrecht und Gtrafs 
recht, aud Verbrechen. 

Aderbau. — Zufag: In Bezug auf biefem Artikel find 
aud noch Agriculturpolitit, Dekonomit und Phyfios 
Üratie nebft den daſelbſt angeführten Schriften zu vergleichen. 

Ackergeſetze. — Zuſatz: Wenn biefe Gefege darauf abs 
zwecken föllm, fowohl die zu ſtarke Anhäufung bes Grundbe- 
figes In einer Hand als die zu geoße Berfiädelung beffeiben zw 
verhuten: fo iſt das wohl im Allgemeinen nicht zu tadeln, deun 
beides iſt ein großes Uebsl. Nur wird im gegebnen Falle der Aus 
wendung mit einer gewiffen Schonung zu verfahren fein, bamit 
nicht größere Uebel hervorgerufen werben; tole es durch bie beiden 
Gracchen (Tiberlus Sempronius und Cajus) in Rom geſchahe, 
die es wohl gut mit dem Wolle meinten, aber body zu unbeſon⸗ 
nen verführen. — Mit der Ackergeſetzgebung ober Agrono⸗ 
mie würde auch die Wrotgefeggebung ober Artonomie 
zuſammenhangen, welche fowohl die Wereitung als den Verlauf bes 
Brotes, des allgemeinſten umb kraͤftigſten Nahrungemittels, zu 
regeln hätte, um deſſen Verfaͤlſchung und Uebertheuerung 
zu verhüten. Denn das find gleichfalls große Uebel. Dahin tele 


den aber auch die Getreidegefege (lezes cereales s. frumen- 
tariae) gehören, weil das Getreide den Haupfftoff zu jenem Nahe 





2 Adaquat Addition 


— Der kabbaliſtiſche Ausdruee Adam-Kadmon bedeutet woͤrt · 
U auch den erſten Menſchen (von mp, prior omnibus) obs 
wohl in einer andern Beziehung, die [yon B. 1. ©. 42. des W. 
B. angegeben if, — Wenn aber in der moraliſch- teligioſen Asces 
tie vom alten Adam bie Rebe ift: fo verſteht man darunter 
nicht jenen erften oder Urmenfchen, fondern jeben ungebefferten, noch 
in ber Eünde beharenden Menſchen, ober deſſen fünbhaften Zus 
fand, audy wohl die Sünde felbft, die von jenem erften Menſchen 
* hertommen fol. S. Erbfünde und Sündenfall. Daher 
fagt man auch in jener ascetifhen Sprechweiſe, der Menſch müſſe 
den alten Adam ausziehen und einen neuen Menſchen anziehen; 
oder man betrachtet die Befferung des Suͤnders als eine göttliche 
Wiedergeburt. S. Palingenefie. — Merkwürdig ift in biefer 
Hinſicht audy der Widerſpruch, in melden ſich die Kiechenlehre das 
durch verwidelt hat, daß fie den Adam vor dem Falle als hoͤchſt 
volltommen bdarftellte, weil er unmittelbar aus Gottes Hand herz 
vorgegangen, bie nichts Unvolltommnes ſchaffen koͤnne, nach dem 
Falle aber als hoͤchſt unvolllommen, weil an Leib und Geele 
verdorben. Daher fügt da6 Concil. Trident. Sess. 5. Cap. 1. 
fogar: Si quis non confiteatur, totum Adamum per illam 
praevaricationis offensam secundum corpus et anımam in 
deterius commutatum fuisse, anathema sit! — Die Kirchenges 
ſchichte erwähnt auch der Adamiten als einer religiofen Secte, 
deren Anhänger den Stand der Unſchuld, wie er nad) einem altem 
Mothos in der mofaiihen Genefis dem erſten Menſchenpaare im 
Parabiefe beigelegt wird, dadurch zu erneuern fuchten, daß fin in 
ihren religioſen DVerfammlungen gleidy Jenen nadend gingen; wo⸗ 
bei wohl Mander und Manche (wie in aͤhnlichen neuern Kommen 











% Adiaphotie Adiaſtaſie 


Subſt. adhaorentia kommt aber bei den Alten ebenſowenig vor 
als das Subſt. inhaerentia. 

Adiaphorie — Zuſatz: Adımpogıa bedeutet urfprings 
ch nicht Gleichguͤltigkeit, fondem Nihtverfchtedenheit. 
Denn es kommt her von deupegev, verſchieden fein. Daher dun- 
gYopos, verlieben, und adıapopog, nichtverihieben. Jene Mes 
deutung iſt erft daher abgeleitet, daß wir nichtverſchiedne, alſo 
gleiche oder wenigſtens fehr ähnliche, Dinge auch gleidhgelten zu laſ⸗ 
fen ober uns felbft gegen fie gleichgültig zu verhalten pflegen. — 
Die ſittlich gleihgältigen Handlungen (adiaphora moralia 
#. ethica) werden von manchen Moraliften auch unfündliche 
genannt, weil man nicht fündige, man möge fie thun ober laf⸗ 
fen, fo lange fie weder durch ein Gebat, noch durch ein Verbot 
beftimmt fein. Sobald fie aber geboten, fündige man burd das 
Unterlaffen berfelben, und wenn fie verboten, durch das Thum. 
Dabei mwürbe ſich jedoch immer fragm, ob Jemand aud befugt 
fei, ein ſolches Gebot oder Verbot aufzuftellen. Iſt die Kirche 
% B. befugt, das Fleiſcheſſen an gewiſſen Tagen zu verbieten 
und bagegen das Fiſcheſſen zu erlauben? Der Fiſch hat doch 
auch Fieiſch und Knochen, wie andre Thiere. Und menn fein 
Fleiſch gefünder wäre, ais das von andern Thieren, was ſchwerlich 
zu erweifen: fo kann doch hiebel nichts auf die einzelm Wochen⸗ 
tage ober andre, auf einer ganz willkuͤtlichen Zählung und Unter 
ſcheldung beruhende, Zeitbeftimmungen ankommen. Es wäre alfo 
wohl beffer, in ſolcher Dinficht nichts zu gebleten ober zu verbie⸗ 
ten, um bie Gewiſſen nicht zu beſchweren. Dagegen würde ein 





Arzt nicht nur berechtigt, fondern fogar verpflichtet fein, dem Rrams 
@en, den er zu behandeln hätte, auch vorzuſchteiben, was berfelbe 








28 Adoleſchie Adulation 


ſonſt auch Alliteration oder Paronomaſle genannt wird. 
©. beides. Bei den Alten iſt agnominatio gewoͤhnlicher als adno- 
minatio und annominatio. 

Adoleſchie (von adoAsoyer, ſchwatzen, viel und unnuͤtz veden) 
bedeutet gewoͤhnlich Geſchwaͤtigkeit oder unnüge Vielrednerei. In— 
deſſen braucht Plato im Phaͤdrus mdorsoyın auch im guten 
Sinne für Beftändigkeit oder Beharrlichkeit im Denken und Spres 
en über einen Gegenfland; was fi) mit ber Abftammung dieſes 
Wortes von Asoyn in getoiffer Dinficht wohl verträgt. &. Leſche. 

‚ Adoption. — Zufag: Adoptio ift eigentlich aus adoptatio 
gufammengezogen, wofle bie Alten auch cdoptatio fagten. &. Op⸗ 
tation. Jener ging, wenn des zu Adoptirenden Eltern noch leb⸗ 
ten, die Abdication voraus, durch welche die einwilligenden (Eis 
tern (vornehmlich der Vater, dem nad) roͤmiſchem Rechte eine Her⸗ 
vengewalt über bie Kinder zukam) ſich gleihfam von ihrem Kinde 
losſagten ober thre elterlichen Anfprüde an daſſelbe aufgaben. 
©. Abdication. Manche unterfceiden nody von der Adoption 
im engern Sinne, die fid auf ein Subject bezieht, das nody im 
väterlicher Gewalt fteht, die Arrogation, die ſich auf ein Sub⸗ 
ject bezieht, das ſchon fein eigner Herr iſt. S. den Zufag zu Ars 
roganz. Dort ift alfo die Einwilligung des Waters nothwendig, 
bier nicht. Bei den Römern geſchahe die erſte Art der Adoption 
durch den Prätos, die zweite durch das Volk in den fogenannten 
some sur, wo das Volk nach Curien flimmte. S. Gel, 

. A. V, 19. . 
Adorie (von doku, Meinung, Ruhm) könnte ſowohl Deis 





Baal als Ruhmloſigkeit bedeuten. Bei den Alten aber wird 
ado&ıa nur in ber letzteren Bedeutung gebraucht, fo daß #8 vers 








3 Aenigmatiſch Aequltaͤt 
Die Aehnlichkeit des Menſchen mit Gott nannten bie Alten auch 
eine Homologie. ©. d. W. 

Jenigmatiſch. — Zuſat: Yenigmatiker (amıyuarızog) 
und Aenigmatift (amıyuazorng, wofür bie Griechen auch 
awıyuarıas fagten) iſt nicht gang einerlei. Jenes bezieht fi auf 
Zeden, der In Aenigmen oder Näthfeln ſpricht, dieſes auf folde, 
bie eine befondre Neigung dazu haben, mithin gern und häufig fo 
ſprechen. Folglich koͤnnte man auch Philofophen, die «6 lieben, 
ihre Gedanken in dunkle und infofern auch räthfelhafte Orakel⸗ 
fprüche zu kleiden, Aenigmatiften nennen. Vergl. Dunkelheit. 

Aconen. — Zufag: Nah Plotin (Enn. IM. lib. 7. c. 5.) 
und Proklus (Comment. in Timaeum lib. 2.) fol auwv herkom⸗ 
men ano zov acı eıwar, vom beftändigen Sein. 

Aequalität (von aequalis, gleich) iſt ebenfoviel als Gleich⸗ 
beit. Daher fpriht man auch das mathematifche Gleichheitszeichen 
(=) durch aqual aus. Aequabilität aber (von aequabilis, 
gleihmäßig oder gleihförmig) bedeutet Gleichmäßigkeit oder Gleich⸗ 
förmigkeit, auch in pſychiſcher Hinſicht, wo man jedoch beſtimmter 
Aequanimität (von aequus animus, gleiches Gemuͤth) age. 
©. gleich, gleichföemig und Gleichmuth. — Die 
matifchen Aequationen ober Gleichungen gehören ebenſowenig 
hieher, als ber Aequator ober Gleicher, welchen Aſtronomen und 
Geographen ziehn, um ſowohl den Himmel als die Erde in zwei 
gleiche Theile zu zerlegen — aber freilidy nur in Gedanken, denn 
bie Natur weiß nichts von folder Zheilung. 

Aerquilibrismus. — Zuſat: Zu diefer Vorſtelung don 





eine Sleichgewichtsfreiheit hat wohl das unpaffende Bird 
einee Wage, das man zur Verfinnlihung des freien Wolene weh 
Saubsigs huauchis heineraun © Gleinaswid 20 





32 Aeſop Aeſthetik 


oe, die Luft meſſen z desglelchen aspopazın, Luftkeleg oder 
Luftſchlacht, bei Lucian, wiewohl diefer Schriftſteller noch nichts 
davon ahnete, daß man bie alte Idee einer Durchſchiffung ber Luft 
mit kuͤnſtlichen Flügeln einft auf ganz andre Weile, nämlich mit 
Hülfe einer weit leihtern Luftart als der atmofphärifden, body 
noch verwirklichen würde. Diefe AEronautit oder Luftiifferkunft 
gehört aber auch nicht weiter hieher. 

Aeſo p. — Zufag: Da dieſer Dann von den Alten nicht 
bloß ein Phrygier, fondern auch von Einigen ein Samier ges 
nannt micd: fo ift es wohl zweifelhaft, ob er aus Phrygien oder 
von ber Infel Samos flammte. Wegen eines MWeisheitöfprucyes, 
der von Einigen ihm, von Anden dem Chil on beigelegt wich, 
ſ. d. N. Auch vergl. die Abb. von Barbili: Was ift das 
Bigenehäuutihe dee Afopifhen Babel? In der Verl. Monatsſchr 
1791. St. 1. 

Aeſthematik (von wosnua, das Empfundene, dann auch 
die Empfindung felbft, wie aodnoıs) iſt ein Name, ben man 
(unter Andern ber Neugriche Kum as in feinem ouvrayka gı- 
Aocograg) neuerlich fatt Aeſt hetik ber Gefchmadsichre hat ges 
ben wollen. Es iſt aber bazu kein hinreichende Grund vorhanden. 
In beiden Fällen muß jedoch emormpm oder rexun hinzugedacht 
werden, weil wosnzıRn und wiodmuarızn nur weibliche Adjectiv⸗ 
formen find. Die legtere kommt audy bei den Altgriechen meines 
Wiffene nicht vor. Uebrigens f. Aeſthetik im 1. B. und im 


folg. Art. 

Aeſthetik. — Zufag: In Bezug auf die Literatur dieſer 
Wiſſenſchaft und die neueſten Verſuche, theils fie ſelbſt theil ihre 
Geſchichte zu bearbeiten, find noch folgende Schriften zu bemerken: 








34 Aeſthetiſcher Myfticiemus . Aeternität 


und daher den höhern Bedhrfniffen eines entwidelten und ausge 
bildeten Geſchmacks nicht zufagte. Won Genialität und Driginalis 
tät in kuͤnſtieriſchen Productionen koͤnnte alfo dann nicht mehr die 
Rede fein, fondern nur von einer ſtlaviſchen Nachahmung ber 
Natur; fo mie im erften Falle die Subiectivität des Kuͤnſtlers zu 
ſtark hervorteeten und durch Werlegung aller Kunſtregeln feis 
nen Erzeugniffen auch den Schein aller Wahrheit oder Objectiobs 
tät entziehen würde. Die idealiftifche und die realiftifche Anſicht 
der Kunſtwelt ift daher gleich verwerflich, weil jene zur Verachtung, 
diefe zur Ueberfhägung der Natürlicpleit führt. Beiden Ertremen 
voiderfegt ſich der Afthetifhe Synthetismus, ber weder dem 
Idealen noch dem Realen in der Kunft ausfchlieflic huldigt, fon- 
dern auf der einen Seite dem Kuͤnſtier zwar die Freiheit laſſt, 
maittel feiner Phantafie Ideale zu fhaffen, auf der andern Seite 
aber auch von ihm fodert, daß er bei Verwirklichung dieſer Ideale 
mittels feiner Kunft die Graͤnzen der Natur nicht Uberfchreite, um 
nicht Misfäliges anftatt des Mohlgefälligen hervorzubringen. Vergl. 
Kunft und fhön, deögl. Sdealismus, Realismus und 
Spnthetismus nebit Zuff. 
Aeſthetiſcher Myfticismus f. Myſtik Zuf. 


Aeftpetifhe Wörterbücher. — Zufag: Das neuefle 
Werk diefer Art iſt: Aeſthetiſches Leriton oder alphabetiſches Hands 
buch der Theorie der Philofophie des Schönen und ber ſchoͤnen 
Künfte. Bon Joh. Zeiteles. Wien, 1835;— 37. 2 Bde. 8. 


Aeternität und Aeviternität werdm von Manchen fo 
unterfhieden, daß jenes Ewigkeit im ftrengen Sinne (Dauer ohne 
Anfang und Ende) diefes bloß Ewigkeit In ber letztern Beziehung 
(Dauer ohne Ende — a parte post, nicht a parte ante) bedeu-⸗ 








36 ' Affection Agatharchie 


iones animi, appetitus vehementiores, aversae a recia ratione 
contra naturam animi commotiones — nad) Cio. tuscall. IV, 
6.) nicht ganz unrichtig, wiewohl man zu weit gehen würde, 
wenn man- fie für eigentlihe Seelenkrankheiten (f. d. ®) 
halten wollte. Diefe entftehen aber freilich oft aus jenen. 

Affection. — Bufag: Bei den Alten bedeutet affectio oft 
auch fhlechtweg den Zuſtand eines Dinges, 5. B. aflectio animi 
8. corporis, Zuftand der Seele ober des Leibes. Daher komme 
«6 wohl, daß die Metaphufiter alle bloß zufälligen ober außerwes 
fentlichen Beſtimmungen eines Dinges, 5. B. daß ein Menſch 
groß ober Hein, reich oder arm, gelehrt er ungelehre iſt, Af⸗ 
fectionen deſſelben nennen (quatenus rem alficiant quidem, sed 
ejus naturam s. essentiam non motant). Doch umtsefelbet 
man biefelben noch von den ‚Relationen, welde dem 
bloß zukommen, wiefern es mit einem andern verglichen mich 
(quatenus una res ad alteram refertar) 3. B. daß ein Menfch 
Freund oder Verwandter, Gläubiger oder Schuldner eines Andern 
iſt; während jene aud dem Dinge an und für fich betrachtet beis 
gelegt werden koͤnnen. 

Affiliation (von ad, zu, und filius oder filia, Sohn, 
Tochter) bedeutet eine genauere Verbindung der Menſchen, wie fie 
zwifden Eltern und Kindern, Brüdern und Schweitern ſtattſindet. 
Es fieht daher auch oft für eine genauere gefellfchaftliche (itarise 
fowohl als geheime) Verbindung oder Affociation. ©. d. 
Wollte man aber das Wort von Hilum,=der Faden (woraus 2 


Franzoͤſiſchen le fil, der Faden, und la file, die Reihe, befonders 
in einem Soldatenhaufen, entftanden) ableiten: fo würde Anfäbes 
lung oder Antnüpfung die nächfte Bedeutung fein. Es ſcheint 








38 Aggravation Agricultur » Politik 


Enaͤuel) bedeutet eine ſolche Verbindung oe dar 
Di zu einem Ganzen, bei ber jedes bleibt, was es iſt; 
mehre Fäden über einander gewickelt werben, um einen 
Kuduel zu bidenz alfo eine bloß Äußere Verbindung. Das Gange 
ein Agglomerat, wofür man auch Aggregat fagt. 
©... Bei den Alten kommt nur agglomerare, nidt aggio- 
meratio vor, wiewohl fie das einfache glomeratio brauchten. Auch 
kommi flatt jene® conglomeratio im Cod. Justin. vor, 
Aggravation (von ad, zu, und gravis, ſchwer) bedentet 
Erſchwerug, beſonders in juridiſcher und moralifcher Dunst = 
fwerung der Schuld und Strafe. ©. Beides, 
Alten kommt nur aggravare, nicht aggravatio vor. 
Aggregation (von ad, zu, und grex, egis, Sehe Haufe) 
bebeutet oder Verbindung von außen, wie bie einer 
Heerde ober eines andern Haufens von Dingen, bie 6 wine 
wefommengefunden haben. Daher fagten die Scholaſtiker: 
aggregativum est unum per accidens. Uebrigens kommt bei * 
Alten weder aggregatio noch aggregativam vor, wohl aber aggre- 
are und aggregatum. Vergl. Me Adarıgat 8.1. ©. 74. 
Agseeifion (von aggredi, angreifen) = Angriff. ©. d. 
®. Logiker verfichen unter aggressio aud eine Art zu 
— die man gewoͤhnlicher Epicherem nennt, ©. d. W. 
Agnation (von agnasci, ans ober zuwachſen, zugeboren 
werden) bedeutet eigentlich Anwuchs, dann Verwandtſchaft, befons 
ders von Seiten bes männlichen Geſchlechts. Bei den Römern 
bedeutete agnatio auch die Geburt eines Kindes nad des Waters 
te. Auch wurden adoptirte Kinder ald Agnaten betrachtet. 


Teſtamen 
© Adoption und Cognation. 
Agnition (von agnoscere, anerkennen) — Anerken 











40 Ahriman Atabemie 


nd von Beauſobre. — Berge. auch zweites Geftcht 
unter Geſicht und bie unter Geiſterle hre angeführten Schriften. 
Ahriman. — Zufag: Diefes urſpruͤngüch perfifche, Wort 
fo -mit dem deutſchen Argmann (arger oder böfer Mama) 
Rammverwandt fein, weil Perfiih und Deutſch überhaupt flamms 
werwandte Spraden feien. Griechen und Römer madıten daraus 
Ageınayns, Arimanes, oder Apsıuavıug, Arimanius, welchen Ras 
men aber Andre von Aonc, Mars, ber Kriegegott, und Aavım, 
die Wuth oder Raſerei, ableiten, fo daf berfelbe eigentlich Krie us 
wuth bedeuten würde, ald eine Folge ober Wirkung bes fm 
Princips, welches nad) der altperfifchen Lehre neben dem guten 
der Welt bereichen fol. Die erſte Ableitung fcheint Hr u 


A Jove s. ab Jove principium — ex Auc agyo- 
nesa — von Gott fangen wir an — iſt ein alter dichteriſcher 
Weisheitöfpruch, ber, wenn man ihn nicht bloß mytbologiſch vn 
ſteht, fondern moraliſch, eine fromme oder veligiofe Geſinnung bes 
met, vermöge der man alles mit Hinſicht auf Gott als doͤch⸗ 
Weltregenten und Gefeggeber beginnt, alfo auch nichts Boͤſes 
hut, weil biefes dem Willen Gottes entgegen fein würde. Es iſt 
aber eime falfche Anſicht, wenn man jenen Spruch zu einem phis 
loſophiſchen Princip erhoben hat, dergeftalt, daB auch die Phlloſo⸗ 
phle Gott ale Ihe Erſtes fegen und aus demfelben alles Webrige 
ableiten müffee. Das wäre für die Wiſſenſchaft ein transcendens 
«6 Princip, Indem bie philofophirende Bernumft erft unterfuchen 
muß, tie bie Idee von Gott in das menſchliche Bewußtſein komme 
und warum ihr auch objective Gültigkeit beigelegt werde. S. Bott. 
Atabemie — — Die Madıiät, daß Plate die 


Akaͤrie Akro 41 


Akabemle nicht lange, weil die Mediceer, deren Stifter und Be 
fdyüger, ihre Macht verloren. ©. Heeren’6- Gefchichte der claſ⸗ 
ſiſchen Literatue im Mittelalter. Göttingen 1822. 8, Th. 2. 
©. 59 ff. 

Alärie (von xapos, bie Zeit, beſonders die rechte ober ges 
legne, mit dem a priv.) bedeutet Unzeit oder ungelegne Zeit zum 
Beben oder Handeln. Sie iſt daher nahe verwandt mit ber Akaͤ⸗ 
rologie. S. d. W. und Akyrie. 


Alatalepfie. — Zuſatz: Da die alten Skeptiker zur Bes 
zeichnung ihrer philofophifhen Denkart den Satz aufftellten: Axa- 
zalnaıw oder ov xaralaufarw, non comprehendo, und deshalb 
die Dinge felbft als angebliche Gegenftände der menfchlichen Er⸗ 
kenntniß axaralrnıa, incomprehensibilia, nannten, fo befamen 
fie ebendbaher audy den Namen der Akataleptiker ober der a ka⸗ 
taleptifhen Secte. Vergl. fleptifhe Formeln. Nr. 5. 

Aledie (von xmdem, forgen, mit bem «@ priv.) bedeutet 
Sorglofigkeit, infonderheit eine ſolche, die aus Leichtfinn ober Traͤg⸗ 
heit entſteht, mithin Gehterhaft ift. Ein entgegengefegter Fehler iſt 
die Polykedie (von demf. und zoAvg, viel) wenn Jemand fid) 
aus Aengſtlichkeit oder Habfucht zu viel Sorgen und Kummer 
made. In dieſer Beziehung heißt es alfo: Sorget nicht für den 
andern Morgen! S. Sorgfalt. Uebrigens wird im Griechiſchen 
fowohl axrdia als axndeın gefchrieben, aber nur noAvxnde, 


Akibha. — Zuſatz: Außer der B. 1. ©. 84. angeführten 
lateiniſchen Ausgabe des jenem jüdifhen Philofophen zugefchriebnen 
kabaliſtiſchen Werkes iſt auch neuerlich folgende deutfche herausge: 
kemmen: Dis Buch Sesira, die altefte kabbaliſtiſche Urkunde der 
Hebrier. Nebſt den zwei und dreißig Wegen der Weisheit. He⸗ 
braͤiſch und deutſch, mit Einleitung, erläuternden Anmerkungon ıc. 
herausgeg. v. Joh. Fror. v. Meyer. Leipzig, 1330. 4. 

Akkismus f. Accismus. 

Aloluthie (von wxoAovder, folgen) bebeutet bei den al: 
ten Philofophen auch den logifhen Zufammenhang der Gebanten, 
vermöge deſſen einer ans dem andern folgt, alfo Folgerichtig— 
keit oder Conſequenz. S. d. W. 

Akracholie ſ. Akrocholie. 

Akribie. — Zuſatz: Für uxgıpeıa ſteht auch zuweilen urge- 
x218 Oder arpexıa (von argexrs, genau, richtig). Das von jenem 
abgeleitete uxgıßoro;ıa oder axgıBoroyey hat neben der B. 1. 
E. 54. angegebnen guten Bedeutung auch eine fhlechte, fo daß 
man Grübeln oder Grübelei, desgleichen übertriebne Sorgfalt im 
Rdn und Schreiben darımter verfteht. 

Akro ober Acro f. Akron. Bei den Griechen heißt nämlich 


au itestifer Augen & Augayavzıros, bei ben Latelnern 


Akrochelie (von axpog, ſpitig, ſcharf, und zoAr, bie Galle) 
mut ia vdeñſcher Hinſicht Scharfgalligkeit, in moralifher Jaͤh⸗ 
geiz, weil man diefe als eine Folge von jener betrachtete; wes⸗ 
un bei den Alten zon allein für Zorn oder Haß ſteht 
E axgozolua findet man auch aud) axpayolıa, Jenes iſt 


Echuyer, 
Arojophie. — Zufag: Die Wörter axpooogıa, axpo- 
?5 umd axpaloyıa findet man bei den Alten nicht, fondern 
die Subſtantiven axp000p05, axgorns und axgoAoyog, nebft 
Zeinzorte axgaloyeıv, lebteres in der Bedeutung des Äbleſens 
injummeins der Spigen, beſonders vom Getreide, alfo des 
nlefend. — Die in dieſem Artikel am Ende mit erwähnten 
aſtich iefen bei den Griechen ſowohl axgoozıza als axgo- 
Jes. Auch bat die Spielerei mit denſelben ſchon im Alter 
© dem Betruge gedient, um MWeißagungen zu erdidhten. So 
Euſedins in feiner Kirchengefchichte vier und dreißig Verſe 
weiche der Sib vlla beigelegt wurden und eine verftedte Weiſ⸗ 
y auf dem Stifter des Chriftenchums enthalten follten, weil 
Infungsbuchitaben dieſer Verſe die Worte geben: Inoous Xger- 
‚last Neuoros] Feov vios, owsne, azavgos — Sefus 
his. Gorers Cohn, Heiland, Kreuz. Eine auf diefelbe Art in 
Tdeuinifhen Vücern gefundne Aus» oder Vordeutung in Bes 
auf den romiſchen Staat findet man bei Cicero (de divin, 
&) mit der ſeht richtigen Bemerkung: Ra, quae axooorixac 
ww, quum deiaceps ex primis versuum literis aliquid con- 
Im, ut Air quibusdam Rnnianis, id cerie magis est atlenti 




















4 Alektoromantie Merander 


Hofieben. Eine hiſtoriſche Stigge von Dr. Erde. Loreng. Sn 
Erde. v. Raumer’s hiſtoriſchem Taſchenbuche. Jahrg. 3. 

4832. 12. Nr. 3. &. 309 — 394. — Derſelbe Loreng (nie 
Lorenz) iſt auch Verf. von A.'s Leben. 

Keftoromantie, Aleltrom. —e—— (von 
aktxtwp, oooc, IxTgUWV, 0vog, der ‚und uavreıa, 
die Bahrfagung) bedeutet Wahrfagerei aus dem Geſchrei des Habs 
nes oder Überhaupt der Hühner, weil jene Wörter doppelſchlecheig 
find, folglich nach Maßgabe des vorgefegten Artikels Hahn umd 
Henne bezeichnen Finnen, obwohl  adexrwg nach Verſchiedenheir 
ber Ableitung von Asxzpov, das Bett, auch eine Bettgenoffin und 
eine Unverheurathete bedeuten fol. Es bezog ſich aber jene Wahr: 
fagerei bei den Alten nicht bloß auf ben bevorftehenden 
wechfel, fondern auch auf die Zukunft überhaupt, war alfo eine ber 
ſondre Art der Divination. ©. d. W. Dennoch) aber kommt 
bei ben Alten nur alexropogwmıa oder alexrgop. (Hühnergefchrel) 
vor, nicht alexrogouarreu, alsxıgou. oder aÄexzgvon. . 

Aleuromantie (von adeupov, das Mehl, unb bemf.) bes 
deutet, wie das Vorige, eine befondre Art der Divination, nämlich 
die angebliche Kunft, aus dem Mehle zu mahrfagen, beffen ſich die 
Alten zu diefem Zwecke gerade fo bedienten, wie die Neuern des 
Kaffeeſates. Es kommt aber auch das Wort uAsvpouarsem bei 
den Alten nicht vor, fondern nur das perfönliche Subflantiv cAev- 

jopavzıg, ber Mehlprophet ober die Mehlprophetin. Denn das 
ons iſt boppelfcjlechtig, obwohl 7 uavsıs auch eine SHeufchrediens 
art bedeutet. 


, Aleramenos von Styra ‚ober Teos (Alexamenus Styrius s. 





36 Affection Agatharchie 


tiones animi, appelitus vehementiores, aversae a recta ratione 
contra naturam animi commotiones — nad) Cic. tuscall. IV, 
6.) nicht ganz unrichtig, wiewohl man zw weit gehen würde, 
wenn man: fie für eigentliche Sertentrankteiten ( (db. ®) 
halten wollte. Diefe entſtehen aber freilich oft aus jenen. 

Affection. — Bufag: Bei den Alten bedeutet affectio oft 
auch flechtweg ben Zuſtand eines Dinges, „ B. aflectio animi 
8. corporis, Zuftand der Seele ober des Leibes. Daher komme 
«6 wohl, daß die Metaphpfiter alle bloß zufälligen ober außerwes 
fentlichen Beftimmungen eines Dinges, 5. B. daß ein Menſch 
geoß ober Mein, reich oder arm, gelehrt er ungelehrt it, Af⸗ 
fectionen beffelben nennen (guatenus rem afficiunt quidem, sed 
ejus naluram.s. essentiam non mutant). Doc unterſcheldet 
man biefelben noch von den ‚Relationen, melde dem Dinge 
bloß zukommen, wiefern es mit einem andern verglichen wird 
quatenus una res ad alteram refertur) z. B. daß ein Menſch 
—— ober Verwandter, Gläubiger ober Schuldner eines Andern 
tft; während jene auch dem Dinge an und für ſich betrachtet beis 
gelegt werben koͤnnen. 

Affiliation (von ad, zu, und filius ober filia, Sohn, 
Tochter) bedeutet eine genauere Verbindung der Menſchen, wie fie 
zwiſchen Eitern und Kindern, Brüdern und Schweſtern flattfindet. 
Es ſteht daher auch oft für eine genauere geſellſchaftliche Steige 
ſewohl ald geheime) Verbindung oder Affosiation. ©. d. W. 
Wollte man aber das Wort von Hilummder Faden (woraus im 
Franzoͤſiſchen le fil, der Faden, und la file, die Reihe, befonbers 
in einem Soldatenhaufen, entftanden) ableiten: fo würde Anfädes 
lung oder Antntpfung die naͤchſte Bedeutung fein. Es ſcheint 















Aggravation ¶ Agricultur⸗ Politit 


38 
naul oder Knaͤuel) bedeutet eine ſolche Verbindung zweler oder 
mehrer Dinge zu einem Ganzen, bei ber jedes bleibt, was es iſt; 
wie wenn mehre Fäden über einander gewidelt werden, um einen 
Kuduel zu bildenz alfo eine bloß Äußere Verbindung. Das Ganze 
ein Agglomerat, wofür man aud Aggregat fa 
. Bei den Alten kommt nur agglomerare, nicht Pa 
meratio vor, wiewohl fie das einfache glomeratio brauchten. Auch 
Tommt ftatt jenes ‚songlomeratio im Cod. Justin. vor. 
Aggravation (von ad, zu, und gravis, ſchwer) bedeutet 
Erſchwerung befonders in juridiſcher und moraliſcher Dunst 8 
ſcherung der Schuld und Strafe. ©. Beibdes. 
Alten kommt nur aggravare, nicht aggravatio vor. 
— (von ad, zu, und grex, egis, Heerde, Haufe) 
bebeutet Anhäufung oder Werbindung von aufen, wie bie einer 
Heerde oder eines andern Haufens von Dingen, bie ſich — 
wrfonmengefunden haben. Daher ſagten die Scholaſtiker: 
aggregativum est unum per accidens. Uebrigens kommt bei m 
Alten weder aggregatio noch aggregativam vor, mohl aber aggre- 
are und aggregatum. Vergl. Aggregat B. 1. ©. 74. 
Aggreffion (von aggredi, angreifen) = Angriff. ©. d. 
W. Die Logiker verftchen unter aggressio aud eine Art zu 
ſchliegen, die man gewöhnlicher Epiherem nennt. ©. d. WB. 
Agnation (von agnasci, ans ober zuwachſen, rl 
werden) bedeutet eigentlich Anwuchs, dann Verwandtſchaft, beſon⸗ 
ders von Selten bes maͤnnlichen Geſchlechts. Bei den Römern 
bedeutete nr auch die Geburt eine Kinbee mh des Vaters 
wurden abopticte Kinder als Agnaten betrachtet. 
& Aportion und Cognation. 









— Anerfen- 








40 Ahriman Alademie 


Gegenſtand von Beaufobre. — Vergl. auch zweites Geſtcht 
unter Geſicht und die unter Geiſterle hre angeführten Schriften. 
Ahriman. — Zufag: Diefes urſprimgüch perſiſche Wort 
ſoll mit dem deutſchen Argmann (arger oder boͤſer Mann) 
ſtammwerwandt fein, weil Perfiih und Deutſch überhaupt ſtamm⸗ 
werwwandte Sprachen feien. Griechen und Römer machten daraus 
Ageınayns, Arimanes, ober Apssuarıug, Arimanius, welchen Ras 
men aber Andre von Aonc, Mars, ber Kriegögott, und Aavıa, 
die Wuth oder Raferei, ableiten, fo daß derfelbe eigentlich Krieges 
wuth bedeuten würde, qls eine Folge oder Wirkung bes 

* Prindps, weldes nad) der altperfiihen Lehre neben dem guten in 
der Welt herrſchen fol. Die erfte Ableitung ſcheint jedoch rich⸗ 


A Jove s. ab Jove principium — ex Aug agyo- 
uesa — von Gott fangen wir an — iſt ein alter dichteriſcher 
Weisheitsſpruch, der, wenn man ihn niche bloß mythologifd vers 
ſteht, fondern moraliſch, eine fromme oder religiofe Gefinnung bes 
zeichnet, vermöge ber man alles mit Hinſicht auf Bott als doͤch⸗ 
fen Weltregenten und Gefeggeber beginnt, alfo auch nichts Boͤſes 
thut, weil dleſes dem Willen Gottes entgegen fein würde. Es If 
aber eine falſche Anficht, wenn man jenen Spruch zu einem phi⸗ 
loſophiſchen Princip erhoben hat, bergeftalt, daß auch die Ppllofos 
phie Gott als ihr Erſtes fegen und aus bemfelben alles Uebrige 
ableiten müffte. Das wäre für die Wiffenfhaft ein transcendens 
tes Princip, indem die philofophicende Vernunft erft unterſuchen 
muß, tie die Idee von Gott in das menfchliche Bewußtſein komme 
und warum ihr auch objective Gültigkeit beigelegt werde. &. Bott. 
Alademie — Zuſatz: Die Nachricht, daß Plate die 


Akaͤrie Alto 41 


Alabenie nicht lange, weil bie Mediceer, deren Stifter und Be⸗ 
fhüger, ihre Macht verloren. ©. Heeren's Geſchichte der claſ⸗ 
fiſchen Literatue im Mittelalter. Göttingen 1822. 8. Th. 2. 
©. 59 ff. Ä 

Alärie (von xurgos, bie Zeit, beſonders bie rechte ober ges 
fegne, mit dem « priv.) bedeutet Unzeit oder ungelegne Zeit zum 
Reden oder Handein. Sie ift daher nahe verwandt mit der Akaͤ⸗ 
zologie. ©. d. W. und Akyrie. 


Alatalepfie. — Zufag: Da die alten Skeptiker zur Be: 
zeichnung ihrer philofophifhen Denkart den Sag aufftellten: Axa- 
zalnnıw oder ov xarar.außavw, non comprehendo, und deshalb 
die Dinge felbft als angebliche Gegenftände der menfchlichen Er⸗ 
tenntni$ axaralrnra, incomprehensibilia, nannten, fo befamen 
fie ebendaher audy den Namen ber Akataleptiker oder der a ka⸗ 
taleptifhen Secte. Vergl. fkeptifhe Formeln. Nr. 5. 


Aledie (von xndew, forgen, mit dem a priv.) bedeutet 
Sorgloſigkeit, infonderheit eine ſolche, die aus Leichtfinn oder Traͤg⸗ 
heit entfteht, mithin Gehlerhaft iſt. Ein entgegengefegter Fehler ift 
die Polykedie (von demſ. und zoAvs, viel) wenn Jemand fi) 
aus Aengſtlichkeit oder Habfuht zu viel Sorgen und Kummer 
made. In dieſer Beziehung beißt es alfo: Sorget nicht für ben 
andern Morgen! S. Sorgfalt. Uebrigens wird im Griechiſchen 
fowohl axrdia als axrdeıa gefchrieben, aber nur noAvxndam, 

Akibha. — Zufag: Außer dee B. 1. ©. 84. angeführten 
lateiniſchen Ausgabe des jenem jübiihen Philofophen zugeſchriebnen 
kabaliſtiſchen Werkes ift auch neuerlich folgende deutſche herausge: 
fommen: Dis Buch Sezira, die ültefte Eabbatiftifche Urkunde der 
Hebraͤer. Nebſt den zwei und dreißig Wegen ber Weisheit. Se: 
braͤiſch und deutſch, mit Einleitung, erläuternden Anmerkungon ıc. 
herausgeg. v. Joh. Fror. v. Meyer. Leipzig, 1330. 4. 

Akkismus f. Accismus. 

Aloluthie (von axodovdev, folgen) bedeutet bei ben al: 
ten Philofophen auch den logiſchen Zufammenhang ber Gedanken, 
vermöge deffen einer ans dem andern folgt, alfo Kolgeridhtig: 
keit oder Conſequenz. S. d. W. 

Akracholie ſ. Akrocholie. 

Akribie. — Zuſatz: Für uxoußeıa ſteht auch zuweilen urge- 
xzu10 oder aTpexıa (von atpexrs, genau, richtig). Das von jenem 
abgeleitete uxgıBoAo;ıa oder axpıBoroycıv hat neben der B. 1. 
€. 54. angegebnen guten Bedeutung auch eine fchlechte, fo daß 
man Grübeln ober Grübelei, desgleichen übertriebne Sorgfalt im 
Miden und Schreiben darunter verfteht. 

Alro oder Acro f. Akron. Bei den Griechen heißt nämlich 





Ber alte Skeptiter Arpum ö Axguyavzıvog, bei den Lateinern 


Alrocholie (von axgog, fpitig, ſchatf, und xoAn, die Gall) 
bebeutet in phyſiſcher Hinſicht Scharfgalligkeit, in moraüſcher Jap: 
zornigkeit, weil man biefe als eine Folge vom jener betrachtete; wes⸗ 

De nl) bi dem Alten zo ale für Bom ober Gap Tape 
at tazodın findet man auch auch axgayolıa. Jenes If 

Birofoppie — Zuſatz: Die Wörter axpovopıa, axpo- 

Tıouog und axgoloyıa findet man bei ben Alten nicht, fondern 
* die Subſtantiven axgo00pos, axporns und axpoAoyog, nebſt 
dem Zeitworte axgoAoyeıv, legteres in der Bedeutung des Ablefens 
ober Einfammelns der Spigen, beſonders vom Getreide, alfo bes 
Aehrenleſens. — Die in bdiefem Artikel am Ende mit erwähnten 
Akroſtich en hießen bei ben Griechen fowohl axpoozıya als axgo- 
arıyıdıs. Auch hat die Spielerei mit denfelben ſchon im Alter 
thume bem Betruge gedient, um Weißagungen zu erdichten. &o 
führt Eufebius in feiner Kicchengefchichte vier und dreißig Verfe 
an, welche der Sibylla beigelegt wurden und eine verſteckte Weiſ⸗ 
fagung auf den Stifter des Chriftenthums enthalten follten, weil 
die Anfangsbuchftaben diefer Verſe die Worte geben: Inaovs Xpeı- 
orog [flatt Xgıoros] Feov vlos, owrne, aravpog — Jeſus 
Chriftus, Gottes Sohn, Heiland, Kreuz. ine auf diefelbe Art in 
den ſibylliniſchen Büchern gefundne Aus» oder Vordeutung in Bes 
zug auf den roͤmiſchen Staat findet man bei Cicero (de divin, 
II, 54.) mit der fehe richtigen Bemertung: Ea, quae axcoorixic 
dieiter, quum deinceps ex primis versuum literis ‚aliquid con- 
neclitur, ut in quibusdam Ennianis, id cerle magis est allen 








4 Aektoromantie Alerander 


Hofleben. Eine hiſtotiſche Skine von Dr. Erde. gorent; In 
Gebr. v. Raumer’s Sitoeifem Zafcenbuche, Jahrg. 3. Leipzig, 
1832. 12. Nr. 3. ©. 309 94. — Derfelbe Toren Gich 
Lorenz) iſt auch Verf. von Fr Leben. 


Aleftoromantie, Alektrom. ober Alektryom. (von 
aktxımp, 0g05, oder alexrgvmv, ovog, ber Hahn, und uarree, 
die Wahrfagung) bedeutet Wahrfagerei aus dem Geſchrei des Hah⸗ 
nes oder uͤberhaupt der Hühner, weil jene Wörter boppelſchlechtig 
find, folglich nad Maßgabe des ‚Horgefegten Artikels Hahn und 
Henne bejeichnen innen, obwohl 7 adsxrwg nad Verſchiedenheit 
ber Ableitung von Aexzgor, das Bett, aud) eine Vettgenoffin und 
eine Unverheurathete bedeuten foll. Es bezog ſich aber jene Wahr 
fagerei bei den Alten nicht bloß auf den bevorftchenden Witterunges 
wechfel, fondern auch auf die Zukunft überhaupt, war alfo eine bes 
fondre Art der Divination. ©. d. W. Dennoch aber fommt 
bei den Alten nur alextogogwvıo oder alexrgop. (Hühnergefchrei) 
vor, nit adexroponavresa, altxrgou. oder akexrpvop. 


Aleuromantie (von adeugor, das Mehl, und demf.) ber 
deutet, wie das Worige, eine befondre Art der Divination, nämlid 
die angebliche Kunft, aus dem Mehle zu wahrſagen, deſſen ſich die 
Alten zu biefem Zwecke gerade fo bedienten, wie die Neuen bes 
Kafferfages. Es kommt aber aud das Wort alsvponarseıa bei 
den Alten nicht vor, fondern nur das perfönlihe Subftantiv alev- 
eonarzıg, ber Mehlprophet ober „die Mehlprophetin. Denn das 
Bor iſt doppelfchledhtig, obwohl A narrıg auch eine Heuſchreden⸗ 
art bedeutet. 


‚ Aleramenos von Styra ‚oder Teos (Alexamenus Styrius a. 








48 Alleinhaltung Alleinfelig 


durch inversio überfegt, wahrſcheinlich darum, weil ber buchſtaͤbllche 
Sinn einer Rede oder Schrift dadurch umgewandelt ober invertirt 
wird, wenn man fie allegorifcy erklaͤrt. Es iſt alfo dann bei Dies 
fen Ausdrude nicht an das zu denken, was man fonft Invers 
fion nennt. S. d. W. 

Alleinhaltung haben Einige neuerlich der Gottheit als 
Eigenſchaft zugeſchtieben was wohl ſoviel als Selbſtaͤndigkeit bebens 
ten ſoll, wiewohi in einem andern als dem gewoͤhnlichen Ginme, 
gemäß ber fogenannten Alleine oder Alleinheitslehre. e, 
d. W. und den folgenden Artikel, 

All einheitö lehre. — Zuſatz: Abgekuͤrzt nennt man fie 
auch Alleinslehre. Dieſe von Schelling ausgegangene Lehre, 
welche auf einer ſogenannten intellectualen Anſchauung bes 
ruhen folte und früher auch von deffen Schüler Hegel anerkannt 
wurde, bezeichnete doch Ebenderfelbe fpäterhin als eine „Keere,” 
indem er fagte: „Irgend ein Dafein, wie es im „Abfoluten 
‚Ak — dieſes foll nämlich eben das Alleine fein — „detrach⸗ 
nten, befteht hier” — in ber Alleinslehre — „in nichts ander 
„tem, als daß davon gefagt wird, es fei zwar jegt von ihm gefpros 
hen worden, als von einem Etwas im Abfoluten, dem A— A; 
edoch gäb’ es dergleichen gar nicht, fondern darin fei Alles Eins. 
Dieß eine Wiffen, daß im Abfoluten alles gleich ift, der unterfchels 
„denden und erfüllten ober Erfüllung ſuchenden und fodernden Er⸗ 
‚Aenntniß entgegenzufegen, oder fein Abfolutes für die Macht auszus 
„geben, worin, wie man zu fagen pflegt, alle Kühe ſchwarz find, 
‚Aft die Naivität der Leere an Erkenntniß.“ S. Hegel’6 Phi 
nommologie des Geifted. B. 2. ©. 13 ff. ber gefammelten Werke. 
— boshaften Witz nahm aber der Erfinder der Alleinslehre nes 

6 





febe übel S_ Scheilin 


Allerrealeſtes Alles für, nichts dur) dad Volt 49 


tipp dem Schönen, in Streitigkeiten gerieth, beren Folge mar, 
daß Ihn der König gefangen nehmen ließ. ©. außer jener Lebens: 
beſchreibung noch) Poſſelt's Gefchichte der Deutfhen. B. 2. 
S. 274. Auch vergleihe Erplication und Kirche nebſt Zuff. 

Allerrealefted oder allervolltommenftes Wefen f. 
allvollkommen und Bott. 

Allerweltöfreund. — Zuſatz: Da die Philoſophie 
feine Allerweltswiffenfhaft ift, weil fie alles von ſich ab: 
ofen muß, was nicht die Wahrheit um ihrer felbft und allein 
willen liebt: fo kann aud) der Philoſoph kein Allerweltsfreund mer: 
der. Er muß vielmehr immer darauf gefafft fein, auch Seinde, 
ſelbſt Heftige und Lsidenfchaftlihe, zu haben. Sa im Grunde ift 
826 der all bei jebem Gelehrten. Ebenſo verhält es fi) mit den 
Staatsmannern, und faft noch mehr, weil dieſe mit materialen 
Interefin zu chun haben und bdiefelben oft, befonders in den fo 
häufig vorkommenden Gollifionsfüllen, unfanft berühren müffen. 
Darum ſagte audy ein franzöfifcher Abgeordneter (Profeffor Saint: 
Marc Sirardin) auf ber politifhen Rednerbuͤhne im 3. 1834 
nicht mit Unrecht: „Ne pas plaire à tout le monde, c'est un 
zmerite et souvent un honneur.” j 

Alles für, nichts durch das Volk. — Zuſatz: Im 
Poͤlitz's Jahrbuͤchern der Gefchichte und Staatskunſt (1834. 
Jun. ©. 323 ff. und: 1835. Febr. S. 120 ff.) finden ſich aus: 
führlichere Abhandlungen ſowohl über jene autofratifche Marime, 
al6 über die entzegengefeßte demokratifhe: Alles für, alles 
buch das Volk, die von der philofophirenden Vernunft auch) 
nicht als gültig angefehen werden Tann. Denn wenn auch in einem 
Eraate, der eben aus dem ganzen Volke befteht, alles für daſſelbe 
geſchehen foll: fo iſt es doch ſchlechterdings unmoͤglich, daB alles 
auch durch baflelbe, ohne eine vermitteinde Regierung, fie fei uͤbri⸗ 
send monarchiſch oder republikaniſch, erblich oder gewählt, gefchehe. 
Es iſt übrigens eine pſychologiſche Merkwuͤrdigkeit, daß, wie bie 
eite Marime von Napoleon ausgefprochen wurde, fo Die zieite 
von feinem Bruder Joſeph, aber nicht, als er noch König von 
Neapel eder nachher von Spanien war, fondern erft, nachdem cr 
wie jener dem Ihrone hatte entingen müffen und in Nordamerika 
von einer demokratiſchen Luft war angewehet werden. Er fprad) fie 
nzmih in einem Echreiben aus, das er im 5. 1834 von Eng: 
Lind ber (wohin er fi) nach der franzoͤſiſchen Sulirevolution des 
J 1830 begeben hatte, um wieder in dee Nähe von Frankreich zu 
rin und bie fernern Ereigniſſe in dieſem revolutionären Lande ab: 
grearten) an die republikaniſch gefinnte Minoritit der franzdfifhen 
Dizutisten: Rammer richtete, als in dieſer Kammer die Zurüches 
rıfung der Mapoleoniden beantragt, aber von der monacchifch ge: 

Truz's encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppl. 


50 Ale Allgemeingeltend 


finnten Majorität verworfen worden war. Die Abficht, ſich da⸗ 
durch zur Pröfidentfchaft in der vielleicht von meuem zu errichtenden 
feanzöfifchen Republit zu empfehlen und fpäterhin wohl gar König 
oder Kaiſer der Franzoſen zu werden, lag diefem merkwürdigen 
Schreiben, welches die preußiſche Staatszeitung vom J. 183% in 
Nr. 99. ausführlich mittheilte, ohne Zweifel zum Grunde. — Daß 
aber eine dritte Marime: Nichts für, nichts buch das 
Volk, noch unftatthafter fein würde, verfteht fi) von ſelbſt. Nur 
ein barbarifchee Despot könnte fie zur Richtſchnur feines Handelns 
machen wollen, würde fi) aber dann auch nicht lange auf dem 
Throne behaupten Fönnen — menigjiens in cinem gebildeten und 
gefitteten Staate. 

Alles. — ZBufag: Won Deff. Essai sur Thomme, eu 
accord de la. phi hie et de la religion (nidt raison, wie es 
B. 1. S. —* heißt) erſchien bereits eine 3. Auflage zu Paris, 
1835. 8. — Außerdem bat er noch folgende philoſophiſche Schrif⸗ 
ten herausgegeben: Etudes du coeur humain, Paris, 1832. 8. 
— Muludies du siecle. Ebend. 1835. 8. — Esquisses sur la souf- 
france morale. A. N. Ebend. 1836. 2 Be. 8. — De la de 
mocralie nouvelle ou des moeurs et de la puissance des classes 
moyennes en France. Paris 1837. 2 Bde. 8. — Auch hat 
er. einiges Hiſtotiſches geſchtieben, das aber nicht hieher gehört. 

AÄlgegenwart. — Zufag: Die Erklärung von Gottes 
Algegenwart, welche dem Hermes Trismegift beigelegt wird: 
„Deus est circulus, cujus centrum est ubique, ci) tin 
nusquam” — ift zwar finnteic), giebt aber doch keinen angemeffenen 
Begriff ven jener göttlichen Eigenſchaft. Auch fragt ſich, ob_biefe 
Erklärung nit im Sinne des Pantheismus zu nehmen fe. Deam 
vom unendlichen A tiefe fid) das Nämliche 





Allgewalt Allmacht 51 


Mandy ſagen dafuͤr bloß gemeingeltend und gemeingältig. 

Dieß kann aber Leicht Misverftändniß erregen, ba gemein aud 

eine fchlechtere Bedeutung bat. S. d. W. Die Beibehaltung 
Ausdrüde ift alfo beffer. 

Allgewalt f. Allmacht. 

Allherrſchaft wird bald Gott als Beherrſcher bes Welt: 
* beigelegt, bald ſolchen Monarchen, die unumſchraͤnkt (gleichſam 

wie Gott) regieren, die man daher auch abſolute Herrſcher oder 
Autoktraten nennt. S. Gott, Abſolutismus und Autokratie. 

Alliot (F..) Prediger zu Orme in Frankreich, hat neuer: 
lich ben Verſuch gemacht, eine neue philoſophiſche Theorie aufzu: 
Rellen und dadurch allen Wifienfchaften die ihnen nody fehlende 
Evidenz; zu geben. Man will denfelben aber nicht für gelungen 
halten. Die darauf bezügliche Schrift führt den ftolzen Titel: 

ılesephie des sciences, Premiere partie. Evidenticisme, nou- 
velle doetrine philosophique. T. I. Paris, 1834. 8. 

Alliteration, wofle man auch Agnomination fagt 
(von ad, zu, Hitera, ber Buchſtabe, und nomen, der Name) iſt 
foviel als Paronomafte. S. d. W. nebft Zuf. Alliteratio 
Sommmt bei den Alten nicht vor, wohl aber agnominatio (adnom. 
I. annom.). 

AllsLeben ift ein neugebildetes Wort zur Bezeichnung des 
einen oder allgemeinen Lebens ber Natur, das aber für uns nur 
in befondern Erſcheinungen, die wir lebendige Wefen nennen, her: 
vortritt. ©. Leben. Manche verficehen nad pantheiftifcher An⸗ 
fiht auch Bott darunter. S. Pantheismus nebft Zuf, 

All⸗Lehre ift ebenſo, wie das vorige Wort, neugebildet 
und bezeichnet entrocder die Lehre vom AU ber Dinge, die man 
font auch Weltlehre ober Kosmologie nannte, oder bie 
neuere Alleinheitslehre. ©. diefe Ausdrüde. 

Allmacht. — Zuſatz: In Bezug auf die Frage, ob 
Gott aud das Unmöglidhe, ja felbit das Widerfprechende, wirklich 
machen könne — eine Stage, die zu fo vielen, zum Xheil in’s 
Laͤcherliche und Unanftändige fallenden, Streitigkeiten Anlaß gegeben; 
denn man fragte foyar, ob Gott auch mie ein Yund bellen oder 
eine Gefallene voleder zur reinen Jungfrau machen fünne — vergl. 
bie Abhandlung von Daniel Stüvens: De quaestione, an, 
quae contradictionem involvunt, cadant sub potentiam dei. 
Wittenberg, 1676. 4. Dahin gehört auch bie durd bie Lirchliche 
Deeleinigkeitöichte bervorgerufene Frage, ob Gott ein gättliches Wefen 
erzeugen koͤnne, das von ihm als dem Erzeuger perſoͤnlich verſchie⸗ 
cm und doch zugleich mit ihm als Gott weſentlich eins (ögoo®- 
am) fi. S. Dreieinigkeit und Homoufie. — Man nennt 
übrigens die Allmacht auch Allgemalt, wiewohl dieſes Wort noch 

4 





52 Audofe Aufiht 


in einem andern Sinne genommen wird, wo man gewöhnlicher 
DOmnipotenz ſagt. S. d. W. 

Altdofe (alloıwaors, von aAAoıos, alius generis, anders · 
artig oder verſchieden, und dieſes von aAAos, ein andter) iſt ſoviel 
als Verändrung oder Umgeftaltung, fo daß etwas ein andres Ding 
geworden zu fein ſcheint, wenn es auch der Subftang nach daſſelbe 
geblieben wäre, 3. B. wenn aus dem Warmen ein Kaltes, aus 
dem Harten ein Welches, aus dem Kleinen ein Grofes, aus dee 
Bluͤthe eine Frucht, aus dem Ei ein Huhn, aus ber Raupe ein 
Schmetterling geworden. Die Redekünſtler aber verfichen darunter 
eine Veränderung ber Rede in Anfehung ber Zahl, des Geſchlechte, 
der Zeit und des Falles der Wörter (aAlayr apısuov, yevovg, 
xgovov, nrwoewg) wie wenn Jemand fagt: Ganz Griechenland 
ward, flat: Alle Griechen wurden in Schreden verfeht, ober 
wenn Horaz (od. I, 37. vs. 21.) einen Gegenftand fatale men- 
stram nennt umd doch ummittelhar auf dieſes Neutrum das Foͤmi⸗ 
ninum quae folgen Läfft, weil jener Gegenfland ein Welb war, 
naͤmlich Kleopatra, bie Geliebte des Antonius So laͤſſt 
Ebenderfelbe (od. I, 12. vs. 13 ss.) auf den Plural solitis pa- 
rentum laudibus unmittelbar den Singular qui temperat folgen, 
weil nur an Jupiter gedacht werden follte. In profaifden amd 
befonders wiſſenſchaftlichen Werken dürften aber ſolche Altdofen zu 
vermeiden fein, damit kin Misverftändnig durch fie veranlafft werde, 

Allopathie, Enantiopathie und Homdopathie. 
Zuſatz: Wenn Einige flatt Altopathie fagn Altdopatkie 
(von adkorog ftatt alas — f. Altdofe) fo iſt dieß zwar am 


ſich nicht unrichtig, aber doch eine unnöthige und mislautige Deh⸗ 
nung. Aud kommt allwonudeıa bei den Griechen nicht von 








54 Allwiſſenſchaft 


demſelben keine Wirklichteit entſpreche; das freie MWiffen aber theil⸗ 
ten fie nach dem Unterſchlede, den wir Menſchen — unfeer 
Anfhauungewelfe zwiſchen Vergangenheit, Gegenwart und Butunft 
madyen, wieder ein in reminiscenlia, scientia visionis und prae- 
scientia — lauter unftatthafte Diflinetionen in Bezug auf bes 
göttliche Wiſſen, weil fie durchaus nur auf das menſchliche paffen- 
Darum muß man audy bie u Pair Ken feine 
eignen Handlungen vorherfehe und ob fie bat at rd 
nothwendig werden, als —— zurüchvelfen. Mir wilfen ja 
im Grunde nichts vom göttlichen Wiffen und dürfen daher wenige 
ſtens keine Sqhranke unfre® Wiffens auf baffelbe übertragen. — 
Vergl. außer der ſchon B. 1. ©. 114. angeführten Schrift von 
Dähne de praescientiae divinae cam libertai® humana eoncer- 
dia, welche biefen Gegenftand auch in gefpightlicher Hinficht behans 
beit, noch folgende Schriften: Hebenstreitii disput. de sei- 
entin dei media. 1683. 4. — Chsto, Bangerti dispat. 
(praeside S. J. Baumgartenio) vindiciae omnisciemtiae im 
deo. Halle, 1752. 4. — Ioh. Chsto. Crameri dissert. de 
eognitione dei ad futuras finitorum actiones spontaneas applicata. 
Jena, 1757. 4. — Guil, Frär. Weisii dissert. de scientia 
dei media. Sena, 1762. 4. — Auch hat Leibnig in feine 
Theodicee weitläufige Unterfuhungen hierüber angeftellt. — Wegen 
eines angeblichen Bewelſes der göttlichen Allwiſſenheit aus ber bloßen 
Denkbarkeit aller möglichen Wahrheiten vergl. Denkbarkeit, Zuf. 
— Uebrigens nennen Manche die göttliche Allwiſſenheit auch All⸗ 
ficht, Panopſie und Panorafie. S. dieſe Ausdruͤcke 
Allwiffenfhaft. — Zufag: Wenn man die Philofophle 


als eine ſolche Wiſſenſchaft betrachtet wiſſen will, ſo ſolte mon 


Alogie At 35 


Alogie. — Zuſat: Da Aoyos Im Griechifchen, wie ratio 
im 2ateinifchen, nicht bloß Vernunft und Grund, fondern auch 
Werhältnig bedeutet: fo muß, wenn von Alogie oder vom 
Alogiſchen die Rede ift, allemal erft gefragt werden, in welcher 
Bebentung jenes Wort bei diefer Verbindung mit dem a priv. ges 
nommen oder was durch diefe Verbindung verneint werden fol. 
So iR das Wort in der erften Bedeutung zu nehmen, wenn ver 
munftlofe Thiere oder unvernünftige Reden, Behauptungen oder 
Handlungen der Menſchen alogiſch genannt werden. Wird aber 
ein Sat bloß darum, weil er emtiweder unmittelbar gewiß tft und 
daher keines Beweiſes bedarf, ober meil man ihn ohne Beifügung 
eines Beweiſes aufgeftellt bat, alogifch genannt: fo iſt das Wort 
in der zweiten Bedeutung zu nehmen, weil er dann nur grundloß, 
aber darum nicht unvernünftig iſt; denn er könnte ja dennoch wahr, 
aljo auch vernünftig fein. In der dritten Bedeutung endlich ift 
das Wort zu nehmen, wenn die Mathematiker Größen, deren Vers 
haͤltniß fich nicht durch beftimmte Zahlen genau angeben Läfft, wie 
das Verhältnis zwiſchen dem Diameter und der Peripherie eines 
Kreiſes, alogiſch oder irrational nennen. — Noch eine ganz befon> 
dre bat dad Wort In der chriftlichen Kirche bekommen, 
wo man diejenigen, weldye die höhere Natur im Stifter des Chris 
ſtenthums (die man auch ſchlechtweg den Logos nannte, wofür 
man im Deutſchen bald Wort, bald Vernunft oder Weis⸗ 
heit ſetzte) nicht als eine göttliche Perſon anerkennen wollten, mit 
dem Namen der Aloger (aAoyoı) als arge Ketzer bezeichnete, ob⸗ 
wohl ihre Behauptung in keiner der drei vorhergehenden Vedeutun⸗ 
gen alogifh war. Vergl. Log oder Logos. 

Alrafi f. Rhazes. 

Alt hat einen doppelten Gegenfag und daher auch eine dop⸗ 
prite Bedeutung, obwohl die eine mit der andern nahe verwandt 
it. Alt heist naͤmlich als Gegenfag von jung alles, was fchon 
über die Zeit des Wachsthums oder der Bluͤthe merklich hinaus, 
alfo voͤllig gereift und daher fhon im Abnehmen begriffen ift. Und 
fd nimmt man auh das Wort Alter, wenn es der Jugend 
eatzegenſteht. Epriht man aber vom Lebensalter überhaupt: 
fe beareift man auch die Jugend darunter, wie wenn mun fügt, 
es lei Jemand 10 oder 20 Jahr alt. Jenes heißt senectus, dies 
ſes aevam s. aetas — aecvitas. Das Kindesalter (aet. pue- 
rilis) das Sünglingsalter (aet. juvenilis) dag Mannesalter 
(aet. virilis) und das Öreifenalter (aet. senilis) gelten gewoͤhn⸗ 
ich als vie vier Lebensalter ber Menfchen, ungeadytet man 
(weht über die Zahl als über die Graͤnzbeſtimmung derfelben viel 
sefritten bat, weil ed doch nur relative Stufenunterfchiede im 
menſchlichen Leben find. Eine gute poetifhhe Schilderung bderfelben 


56 Alte Philofophie 


f. Horat. de arte poet, vs. 158 ss. Auch vergl. damit Aristot. 
rhetor. Il, 12 sa. und Ejued. lib. de juventute et senectate, vita 
et morte, in der Sammlung, welche parva naturalia Überfchrieben 
zu merden pflegt. Am ſchlechteſten kommt bei ſolchen Darſtellun⸗ 

gen gewoͤhniich das höhere Lebensalter weg; wie man unter andern 
PN aus Erasmus de incommodo senectulis fieht. Allein ſchon 
Gisero hat in feiner philofophifhen Monogtaphie de senectute 
fehe gut gezeigt, daß diefes Alter nicht bloß feine veſch , fon 
dern auch feine Vorzüge hat, befonders wenn das frühere Lebens: 
alter gut durchlebt und wohl angewandt worden. Dann wird man 
auch vielleicht mit dem berühmten Sophiften Gorgiae, ber 107 
J. alt wurde, fagen tönnen: „Nibil habeo, quod incusem seme- 
„etutem“ (Cic. de sen. c. 5.) — Das Alte wird aber auch 
zweitens dem Neuen entgegengefegt; wobei man jedoch auch oft 
in Verlegenheit geräch, den Unterſchied genau zu beſtimmen, ba 
man bald auf längere bald auf kürzere Zeitdauer Ruͤckſicht nimmt, 
und da bald das Alte für neu bald das Neue für alt ausgegeben 
wird, je nachdem man ais Paläolog oder ald Meolog das Eine oder 
das Andre mehr ſchaͤtzt, mithin der Paldophilie oder der Neophilie 
mehr ergeben if. Veraltet (obsoletam) aber heift, was durch 
feine Dauer außer Gebrauch, Anfehn oder Geltung gekommen, wie 
Sitten, Moden, Meinungen, Vorurtheile, Gefege, Berfaffungen 
2% Da indeffen auch etwas Gutes veralten Tann, fo ift es uns 
echt, etwas Altes bloß darum als falſch, ſchlecht oder boͤs zu ver⸗ 
werfen. Und wenn das Neue in Schriften mit vollen Baden. ges 


priefen wird, fo beißt es gar oft, wie Leffing welland fagte: 
„Das Neue in dieſem Werke ift nicht wahr und das Wahre nicht 
neu. — Wegen der Ausdrüde Weltalter und Zeitalter f. 
iefe felbft. Yuch vera. Alte ie und alter Glaube. 





Alter Alter Glaube 57 


fam in Bauſch und Bogen gemacht werden. S. Epoche und 
Periode 

Alter f. att. — Wegen bed fog. Altentheils f. Aus: 
sug, uf 

Alterstion, Altercation und Alternation flammen 
zwar indgefammt von berfelben Wurzel ab (alter, der Andre von 
zweien) bedeuten aber doch fehr Verſchiednes. Das erite Wort 
bedeutet nämlich bald Veränderung überhaupt, bald eine foldhe, bie 
zugleih eine Berfälfchung iſt oder auch eine ſtarke Gemuͤthsbewe⸗ 
gung (Schred, Zom ıc.) hervorruft. — Das zweite bedeutet einen 
Wortwechfe mit einem Anden, beſonders einen heftigern, ber in 
Streit ober Hader ausartet. — Das dritte endlich bebeutet die 
Setzung des Einen anfltatt de Andern, eine MWechfelbeziehung 
zweier Dinge auf einander, vermöge ber fie umgetaufcht (einander 
fubfituirt) werden können oder follen. ©. alternativ. — Statt 
"Alteration ſagt man auch Alterirung 3. B. des Bewuſſtſeins, 
wenn dieſes fo geftört iſt, daß ein Menfch feine Perfönlichkeit ver: 
geſſen zu haben ſcheint und daher fo fpricht ober handelt, als wenn 
er ein Anderer wäre. Es kann dieß Folge einer fomatifchen oder 
pſychiſchen Krankheit fein. Letzteres iſt noch häufiger der Fall. ©. 
Seelenkrankheiten. Webrigens kommt bei den Alten nur al- 
tercatio unb alternatio vor, letzteres zunddyft abftammend von 
alternus — alterinus, Einer um den Andern, abwechſelnd. 

Alter ego — anderes Ih — iſt eine Formel, die (wenn 
man nicht an wirkliche Doppelgänger glaubt — ſ. d. W.) nur 
bildlich gebraucht wird, naͤmlich wenn Jemand andeuten will, dieſe 
oder jene Perfon (Gatte, Freund, Diener, Bevollmädhtigter ꝛc.) 
fei gleichſam er felbft oder fein Gegen-Ich, fo daß diefelbe Perfon 
fing Stelle vertreten (für ihn alterniren) koͤnne. ©. Alternation 
unter Alteration. Für ſolche Stellvertreter erflärten auch manche 
alte Philofophen diejenigen ihrer Schüler, welche fie felbft zu ihren 
Nachfelgern in den von ihnen geftifteten Schulen ernannten, weil 
dBiefe Schulen nur Privatinftitute waren. S. philofophifche 
Schulen. | 

Alter Glaube und neuer. — Zuſatz: Was der Ver: 
faffer dieſes W. 3. hier kurz und in allgemeiner Beziehung gefagt 
bat, findet ſich in befondrer Beziehung auf das Chriſtenthum 
weiter ausgeführt in der Schrift: Ueber altes und neues Chriften: 
tum. Leipzig, 1836. 8. — Daß übrigens altglaͤubig und 
rechtglaͤubig nicht einerlei fei, erhellet ſchon thatfächlidy daraus, 
daß man hin und wieder die Altgläubigen als Irrglaͤubige ober 
Kezer bedrudt und verfolge hat. So ging es 3.3. in ber ruſſiſch⸗ 
griehifhen Kirche den fogenannten Raskolniken oder Altgläu: 
bigen, die eine Zeit lang von den Anhüngern ber herrſchenden 


58 Alternation Ammon 


Kirche als ben Becytgläubigen für Keger oder Rebellen gegen bie 
Autorität dee Kirche erflärt und deshalb auch verfolgt wurden, bis 
der menfchenfreundliche Kaiſer Alexander dieſem Unfuge durch 
milbere Verordnungen ein Ende machte. 

Alternation f. Alteration in biefem Bande vergl. mit 
Alternative B. 1. ©, 118. — Bei den Alten kommt alter- 
mativus, a, um, und alternative nicht vor. Statt jenes fagtm 
fie alternus, a, um, und ſtatt diefes alternatim oder noch beſſer 
alterais im ablat. plur. 

Alucination f. Hallueination. 

Amalgam oder Amalgama. — Zufag: Diefes aus 
der Metallurgie in die Philofophie übergetragne Wort ift wahr 
ſcheinlich durch Werfegung der WBuchftaben aus dem griechiſchen 
Worte uudlayua entftanden, welches von ualaoaeır oder ualar- 
zerv, erweichen, abſtammt und daher ein erweichendes Mittel bes 
beutet. 

Amathie. — Zuſatz: Da man im Griechiſchen froh 
auayla als audseıa ſprach und fehrieb, fo koͤnnte man im Deut 
Then auch Amathei fagen, obwohl jene Form gewöhnlicher iſt. 

Amelioration. — Bufag: Bei den Lateinern komme nur 
melioratio vor, und auch dieß nur bei den Gloffatoren und Juris 
fen. Die Franzofen fagen für melioralion lieber amelioration, und 
von ihnen iſt diefe Form zu den Deutfchen übergegangen. 

Amendement (von amender — emendare, derbeffern) iſt 
ein aus der Parlements⸗Sprache der Engländer und Franzoſen ents 
lehntes Wort, das eigentlich jede Verbefferung anzeigt, dann aber auch 
einen VerbefferungsVorfchlag, den Jemand zu einer Bil ober 
einem ae —* Solche Borfehläge Mi ind he nd 





Ammon Ammeſtie 50 


ein Eigenname mehrer griechiſchen Philoſophen, die auch B. 1. 
© 12 — 4 einzeln aufgeführt find. Der zweite berfelben (mit 
dem Beinamen Suxxas, den man gemöhnlid, auf die frühere Les 
bensart diefes A. als eines Sack⸗ oder Laftträgers deutet, den aber 
Andre daher ableiten, daß dieſer A. ftatt des philofophifchen Mans 
tels ein fadartiges Oberkleid, wie manche Möndye und die Enkra⸗ 
titen, getragen babe) foll fogar fhon den Vorfag gefaſſt haben, alle 
Beiksreligionen feiner Zeit zu vereinigen. Er war alfo wohl ber 
erfte religiofe Henotiker, richtete aber ebenfowenig aus, als bie 
folgenden. ©. Henotik nebſt Zuf. Auch vergl. Essai historique 
sur la vie et la doctrino d’Ammonius Saccas. Par L. J. De- 
kaut SBrüffel, 1836. 4. Eine Preisfchrift. 

Ammon (Chrftph. Fror. von). — Zuſatz: Sein Geburts: 
jahe if nihe 1760, fonden 1766. Meuerlih gab er nody ber 
aus: Die Fortbildung bes Ehriftentpums zur Weltreligion. Lelps 
sig, 1833—35. 3 Bde. 8. U. 2. 1836 ff. Mit Recht nennt 
er biefes Werk eine „Anficht der hböhern Dogmatik.” Denn 
es wird hier die Idee ber Perfectibilität des Chriften> 
thbums mit eben fo großer philofophifcher Gewandtheit als theo⸗ 
elite Gelehrſamkeit folgerecht durchgeführt, fd daß von dem B. 1. 

©. 125. bemerkten „Schwanken zwifhen Rationalismus 
uab Öupernaturalismus” nicht mehr die Rede fein Tann. 
Darum bat dieſes gewichtige Wert auch bereits eine zweite, mit 
vielen Zufägen bereicherte, Ausgabe erlebt. Möchten nur alle 
chriſtliche Philofophen und Theologen bie hier vorgezrichnete Bahn 
immer weiter verfolgen! 

Amneſtie. — Zuſatz: Das griechifche wurrorın ober arn- ' 
oreıa bedeutet eigentlich Nichterinnerung und dann als Folge ders 
ſelben Vergeſſenheit. Wird Ddiefelbe geſetzlich ausgefprochen oder ges 
boten, fo heißt fie auch lex oblivionis. Es fol dann, was früs 
ber verfchuldet worden, vergeffen und vergeben werben. Letzteres ift 
eben bie Hauptfahe und im Grunde allein geboten. Denn das 
Vergeſſen laͤſſt ſich eigentlich nicht gebieten, meil es nicht von unf: 
rem bloßen Willen abhangt; ob man gleich durch Unterdrüdung 
der Vorſtellungen, die ſich auf ein Vergangenes beziehn, auch etwas 
zum Dergefien befjelben beitrugen kann, — Zumeilen wird auch in 
Friedensſchlüſſen eine Ammeftie für die gegenfeitigen Unterthanen, 
bie etwa gegen ihre eignen Regierungen gefochten haben, ausbedun: 
sen. In dieſem Falle ift es ein völkerrechtswidriger Friedensbruch, 
wenn bie zugefagte Ammeftie nicht gehalten wird. S. Borhorn’& 
disput. de amnestia und Bernegger’s oral. de amnestia. — 
Der vonmalige franzöfifche SSuftizminifter, Graf von Peyronnet, 
weicher mit feinen Collegen wegen Unterfchreibung der berüchtigten 
Oedennanzen Karl's X. zur lebenslänglichen Gefangenſchaft ver: 


60 Amolet Ampliation 


urtheilt, aber fpäterhin wieder losgelaſſen oder begnabigt wurde, 
macht in feinen „Bedanten eines Gefangenen” (überf. 
Leipiig, 1834. 2 Be. 8. — B. 1. ©. 130.) folgmde, wohl zu 
fplafindige, Unterfpeidung zwiſchen Amneftie und Begnabdis 
gung: „Die Anmeſtie verzeiht nicht, fie verlöfht. Die Begnas 
wbigung verlöfcgt nicht, fie ertäffe und vergeiht. Die Ammeftie keher 
„zum Vergangenen zucüd und tilgt dort das Uebel bis auf bie 
„Beinfte Spur,” [Wie ift das möglih?] „Die Begnadigung blickt 
mur in die Zukunft und erhaͤlt alle Leiden und Ergebniffe der Wer 
gangenheit.“ [IE auch kaum möglich.) „Wer begnabigt wird, war 
Zewiß ein Schuldiger; der Amneflirte nur vielleicht.” 

tönmen Beide ſchuldig, zumellen aber auch Beide unfdulbig fein. 
Das kommt immer auf die Umftände an. — Bei Amneftit 
apvyosıcn seil. zexyn) iſt außer Anamneftit auch Gedaͤcht⸗ 
niſſtunſt und Mnemonit zu vergleichen, welche Ausbrüde ins⸗ 
gefammt das Gegentpeil bedeuten. 

Amolet f. Amulet. 

Amorphie (von aoogpn, die Geſtalt, mit dem a priv.) 
bedeutet Geſtaltloſigkeit ober Formlofigkeit, die aber nie abfolut, fon 
dern immer nur relativ (mehr ober weniger an's Formloſe ftreifend) 
fein kann. S. Form. Bei den Griechen bedeutete auoppıa im 
weitern Sinne auch Mangel an Bildung oder Ausbildung, daher 
Roheit, desgleichen Mangel an Schönheit, daher auch das Gegen: 
theil der Iepterm oder wireliche Häfflichkeit. 

Amortifation (vom franz. amortir, abtöbten, ablöfen, til⸗ 


gen) bebeutet bie Aufhebung einer Verbindlichkeit, beſonders in 
Schuldſachen, daher Tilgung einer Schuld durch Zahlung oder auf 
4 ifations= Fonds heißen daher Gelder, 

ließ ft Schuldentila q 


chen 





Aemfig Amufologie 61 


fafften, bald aber auch in ben Worten (chetorifche 4) wenn 
man der Rebe durch Tropen und Figuren mehr Bulle und Auss 
(hmädung giebt; wobei die Einbildungskraft vorzüglich gefchäftig 
ift, indem fie nad) den Gefegen der Ideenaſſociation wirkt. S. Af: 
fociation. Dichter und Redner haben hierin natürlich mehr 
Freiheit als wiſſenſchaftliche Schriftſteller, infonderheit philofophifche. 
Jabefjen müſſen auch Jene fi) vor dem Uebermaße hüten, wenn 
fie nicht in's Lächerliche fallen wollen. ©. pathetifch. Ampliatio 

bedeutet bei den Alten, befonders den Juriſten, auch bie Auffchies 
bung eines richterlichen Ausſpruchs oder eined Termins, weil das 
durch der Proceß in Anfehung feiner Dauer erweitert wid. Am- 
plifieatio aber kommt in diefer Bedeutung nicht vor. 

Aemfig f. emſig. 

Amt. — Zufag: Diefes Wort, fonft auch Ambt gefchrie: 
ben, leiten Einige ab von dem altdeutfchen ambacht oder ampaht, 
Dienft und Diener (womit auch die bei Gäfar de bello gall. VI, 
14. vorkommende Bezeichnung ber Dienftleute der gallifchen Kit: 
ter: „Equitum ut quisque est genere copiisque amplissimus, 

„aa ambactes clientesque habet,‘“ übereinftimmt, obmohl man⸗ 
de Grammatiker diefes Wort von ambigere, herumtreiben, ableis 
ten) Andre vom lateinifchen umbitio oder ambitus, Bewerbung 
um einen Dienft, befonders einen Öffentlichen oder biirgerlichen. — 
Wegen der Sache ſelbſt vergl. auch Beamter und die Schrift: 
Das Verhaͤltniß der Staatsverwaltungsbeamten zum Staate. Von 
Georg v. Brewern. Riga, 1835. 8. 

Amulet. — Zuſatz: Manche ſprechen und ſchreiben auch 
Amolet wegen der Ableitung von amoliri, abwehren ober vertrei⸗ 
ben. Talisman aber foll aus dem arabifhen Worte talsim ent: 
ftanden fein, weldyes auch ein Zuubermittel bedeutet. Gewöhnlich 
find dergleichen Dinge mit gewiſſen myftifhen Charakteren, Bud: 
ſtaben cher Abbildungen verfehen, welche deren Kraft verftärken fol: 
ien. Auch theilt man fie ein in irdifche oder auf der Erde be: 
eeitere und himmliſche ober vom Himmel gefallene. Letztere find 
natürlich weit kraͤftiger. Man muß aber freilich auch recht feft an 
ihre Wunderkraft glauben. Conft helfen fie nichts; denn nur ber 
Glaube macht in Anfehung folder Dinge ſelig. — Die Griechen 
nannten folhe Dinge nreoupmara (von regiantev, an⸗ oder 
umbingen). Wer mehr darüber lefen will, vergl. Arpe's Abhandl. 
de talismanıbus et amuletis. Auch wird davon in manchen me- 
diciniſchen Schriften gehandelt, weil e8 doch moͤglich wäre, daß 
einige dieſer Dinge natuͤrlicher Weife als Heil⸗ oder menigftens 
Vermahrungsmittel gegen geriffe Krankheiten dienten. Ob Ddieß ges 
„under, kann die Philofophie nicht entfcheiden. 

Amufologie (auoraodo;.u) bedeutet die Rede oder Lehre 





62 Ampefie Anakoluthie 


(Aoyog) eines Ungebildeten oder Unwiſſenden (4uovooc) als eines 
Menſchen, ber mit den Mufen Leine Gemeinfhaft hat. S. Mus 
fen. Solher Amufologen giebt ed gar Viele in ber Wet, 
ſelbſt unter Gelehrten und Philofophen. 

Ampefie f. Anorgie. . 

Anahoret. — Zufag: Anachoreten und Cönobiten gab es 
aud ſchon unter den alten Philofoppen, ben Ppthagorern, (put 
tern, Epikureern ıc. — Die philofophifchen Anachoreten lebten abes 
nicht fo freng, als die religlofen, und fuchten auch kein befondee® 
Verdienft im einfamen Leben. Bei Manchen mag wohl biefe Les 
benstoeife aus einer Grille ober Laune, wo nicht gar aus Men⸗ 
ſchenhaß hervorgegangen fein; obwohl diefe Motive auch nicht zu 
billigen find. — Bei den Griechen bebeutete avaxwerens nicht bloß 
einen aus ber Geſellſchaft, ſondern auch einen von Staategeſchaͤf⸗ 
ten Burudgetretuen, der alfo der Geſeliſchaft nicht entfagt ju has 
ben braucht. Komwoßreng aber kommt bei den Alten nicht von, 
fondern nur xowoßıog, und das Lehen eines Soichen heißt xos- 


voßorng. 

Anagogifh. — Zuſatz: Wei Ariftoteles ſteht am 
ywyn audy für avaAvoıg, solutio s. reductio compositi in ele- 
menta sus. ©. Analyfe 

Anagramım (avaypauua, von uvaypaper, aufs auch 
umfchreiben) bedeutet die Verfegung der Buchſtaben eines Wortes, 
um einen andern Sinn herauszubringen. So verwandelten bie 
Griechen agern (virtus) in egary (amabilis) um anzudeuten, daß, 
die Tugend liebenswuͤrdig ſel. Ebenfo haben die Chriften aus der 
befannten Stage des Pilatus an Chriftus: Quid est veritan? 
anagrammatifirend die Antwort herausgebracht: Est vir, qui adest, 


Analelten Analogie 63° 


dem « priv.) bedeutet Mangel an Folge ober Zufammenhang, fei 
es im Denken oder im Reden und Schreiben. Im erften $alle 
heiße fie Logifche, im zweiten grammatifche ober chetoris 
ſche Anakoluthie. Jene ift noch fehlerhafter als dieſe und zugleich 
die Quelle von berfelben. Denn wer nicht zufammenhangend denkt, 
wird auch nicht zufammenhangend reden und fchreiben. Kin Sag, 
in welchem ein foicher Fehler angetroffen wird, heiße daher ſelbſt 
en Anakoluthon, 3. B. wenn dem Vorderfage der Nachſatz 
fehle. Verſchweigt man aber biefen abſichtlich, To ift die Anako⸗ 
luthie nur ſcheinbar, und es entfpringt Daraus die Redefigur, weldye 
Apofiopefe heißt. ©. d. W. 

Analelten (avauleıa, von avaleycır, zufammeniefen, 
ſammeln) heißen Schriften, die aus Sammlungen eigner ober frems 
dee Gedanken, Ausfprüche oder Abhandlungen beſtehn. So gab 
Budbdeus analecta historiae philosophicae heraus. Die Eklo⸗ 
gen des Stobäus (f. d. N.) find im Grunde auch foldhe Anas 
ieften, ob fie gleich mit einem andern Namen belegt worden, ber 
aber mit jenem flammverwandt if._ Denn beim Sammeln findet 
immer auch mehr oder weniger ein Auswählen (exAsyeır) ſtatt. 

Analepfe (avuinyıs, von uvalunpavsıry, annehmen, wies 
dernehmen, auch erneuern, verbeflern) bedeutet jede Art der Ans 
od:r Aufnahme, daher aud) dad Begreifen oder Erlernen als ein 
geiſtiges An⸗ ober Aufnehmen, fo wie die Ermeuerung einer 
Sache, die Verbeſſerung eines Fehlers u. db. g Darum heißt 
analeptifh auch foviel als flärkend, mwiedergutmachend. Bes 
fonders nennen die Aerzte Nerven oder Herz flärkende Mittel 
Analeptiva, 

Analogie. — Zufag: Ariftoteles erllärt avadoyıa durch 
10175 Tor )oyov, aeyualitas rationis, Gleichheit des Verhaͤltniſ⸗ 
ſes. Indeſſen ijt dieß wohl nicht ftreng zu nehmen. Denn wo 
nur eine große Achnlichkeit der Verhaͤltniſſe, alfo noch Beine volls 
tommme Gleichheit fattfindet, pflegen wir doch analogifch zu urtheis 
im oder Überhaupt zu verfahren. Darum nennt man aud) es 
senitände einer gereiffen Art, die zwar nicht in allen, aber doch in 
mehren Puncten übereinfiimmen, analoge Dinge (entia analoga) 
.B. Wolf und Hund, Luftfhiff und Wafferfhiff, Seckrieg und 
Landerieg, Sklaverei und Leibeigenfchaft, und die Vorftelungen von 
ihnen analoge Begriffe (notiones analogae), Ja man nennt 
im weitfien inne alles, was einander ähnlich iſt, Analoga, 
bie Sehnlichkeiten felbft Anulogien, das Auffuhen und Dar 
Team derfelben Analogifiren oder Analogismus, und bie, 
Zelche dien thun, Anulogiften, fo wie ihre Kunft oder Ges 
PDid!ichteit darin Analogiftit (uvadoyıorıxy scil. Texy7). Doch 
dedeutet im Griechiſchen uradoyıozog audy das Zufammens ober 


6 Analogon rationis Analyfe 


Uebersechnen, dann das Ueberdenken ober Ueberlegen, und enblich 
auch den Entſchluß, ben man gefafft, oder den Entwurf, ben man 
gemadt hat, in Folge der vorhergegangenen Ueberlegung. Sertus 
Empiricus fpriht auch von analogiftifgen Grammatis 
tern d. h. ſolchen, welche die Aehnlichkeiten in den Sprachen aufs 
ſuchen. Die vergleichende Sprachlehre koͤnnte alfo ebenfalls eine 
analogiftifhe Grammatik genannt werden. — Wegen ber 
analogifhen Auslegung f. das lette Wort nebſt Zuſ. — 
Die Glaubens s Analogie heißt auch regula fidei, wiefern fie 
dem Gtauben zur Richtſchnur dient. — Die Rechtsgelehrten aber 
fprechen nicht bloß von einer Rechts = Analogie, fondern 
auch von einer Gefeges: Analogie. Mac) jener werben bie 
allgemeiner. Principien des Rechts auf Dinge oder Fälle bezogen, 
die das pofitive Recht im Beſondern unbeflimmt Iäfft, und nad 
diefer wird ein ſchon vorhandnes Gefeg auf aͤhnliche Fälle bezogen, 
für welche noch Sein befondres Gefeg gegeben iſt. Es fol alfo das 
durch der Mangelhaftigkeit des pofitiven Rechts und ber Unvell- 
ſtaͤndigkeit der pofitiven Gefeggebung abgeholfen werden z wobel feeis 
lich, mandye Unfiherheit, vieleicht aud Willkür eintritt. Und des 
ift beſonders in Anfehung des Strafrechts und ber Strafgefepgebung 
fehr gefährlich, weil da nicht bloß Geld und Gut, fondern auch 
Freihelt und Leben in Anfpruch genommen werben. 

Analogon rationis. — Zuſatz: Diefes Vernunftähn: 
liche in den Thieren haben Einige (3. B. Grotius) aud) exierna 
ratio genannt, gleichſam als wenn nicht eine innere, fondern eine 
äußere Vernunft (etwa die göttliche?) die Thiere bei ihrer Thaͤtig⸗ 
kelt leitete, 

Analyfe. — Zufag: Vergl. aud die Schrift von 8. G. 





Analytiſch Anarchie 65 


ſtit. — Wegen bed Gegentheils ber Analyſe ſ. Syntheſe. — Die 
jegt ſogenannten Analytica priora et posteriora ded Ariſtoteles, 
die beide aus zwei Büchern beftehn, haben ‚Früher einen anbern 
Titel gehabt. Nah) Galen de libris proprüs foll nämlid ihre 
alte und eigentliche Ueberfchrift gemwelen fein: TTeot ovAAoyıouov, 
vom Schluffe, und: Ileoı anodeSews, vom Beweiſe. Man 
nannte fie aber Analytik, weil ihre Verfaſſer die Elemente ber 
Schluͤſſe und Beweiſe darin auffudt. 

Analytiſch. — Zufag: Die analptifhe Methode heißt auch 
die vefolutive ©. Refolution. — Ein „Spftem der analys 
tiſchen Philofophie als Wuhrbeitölehre” gab neuerlich ein Graf von 
Königsfeld in Kurland heraus. S. König, unter meldem 
angenommenen Namen dieſes und ein andres darauf vorbereitens 
des Werk erfchien. 

Anamartefie. — Zuſatz: Avauaprnoıa kann auch durch 
Unſchuld (f. d. W.) überfegt werden. Denn wo feine Sünde, 
da iſt auch keine Schuld. 

Anapher (avayopa, von uragepev, erheben, zuruͤckbrin⸗ 
gen, auch beziehen, wie das lateiniſche referre) bedeutet eine zwi: 
fdyen zwei oder mehren Dingen (auch Worten oder Gedanken) ſtatt⸗ 
findende Beziehung oder Relation. ©. beides. Zuweilen bes 
deutet es auch die Zurüdfchiebung einer Anklage oder Beſchuldi⸗ 
ganz. ©. BRecrimination. Desyleihen eine Redefigur, ver 
möge welcher daffelbe Wort in mehren auf einander folgenden 
Eigen wiederholt wird; wie Cicero im Anfange ber erften cati- 
Iinariihen Rede fünfmal das Wort nihil wiederholt: Nihil te 
nocturnum praesidium, nihil urbis vigiliae, nihil consensus 
bonorum omnium elc. 


Anapodiktiſch (uvunootixrixov, von anodasSıs, der Be⸗ 
weis, mit dem « priv.) ift fo viel als indemonftrabel oder uner: 
weislich. ©. apodiktiſch und beweifen. 

Anarchie. — Zuſatz: Wenn man arapyıa bloß negativ 
verſteht, fo würde fie auch in einer Geſellſchaft ftattfinden, die aus 
reͤlig gleich berechtigten und verpflichteten Mitgliedern beſtaͤnde, fo 
taE sar Bein Oberhaupt oder Vorficher (uoywr) in ihr etwas zu 
Setieten hätte. Allein biefe bloß negative oder nominale Anar⸗ 
&:e würde ſich ſehr bald in eine pofitive oder reale verwandeln, 
wenn nicht jene Mitglieder fich freiwillig entjchlöffen, Einen oder 
Emize aus ihrer Mitte zu erwählen, die wenigſtens ale wechſelnde 
Keoritcher (Contuln, Directoren, Präfidenten, oder wie fie fonjt 
keifen moͤchten) mit mehr oder weniger Macht rigierten. Ein zwar 

riſch ausgemaltes, aber in feinen Grundzügen auch philoſophiſch 
Wkiſteriſch richtiges Bild ſolcher Anarchie hat Goͤthe im 


r 


Krua's encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Euppi. J 





66 Anatpematifiung Anatocismus 


2. Theile des Fauſt (Act 4.) aufgeſtellt, indem er das Mittels 
alter als eine Zeit ſchildert, 
„Bo Groß und Kieln fih Freu und ques befehdrten, 
„Mnb Brüder fih vertrieben, töhteten, 
„Murg gegen Burg, Gtadt gegen Gtadt, 
„Bunt gegen Abel Behbe datt, 
„Und Biſhof mit Gapitel und Gemeinde; 
„Bob fiä) nur anfad, waren Belnde. 
„Zn Kiren Word und Tobtfdlag, ver den Kheren 
„Mar jeder Kauf» und Eanderömann verloren. 
„Und Yen wud6 die Rühndelt nit gerings 
„Denn leden hieß fi wehren -— nun dad ging — 
„8 ging, eb hinkte, fl, fland wieder aufs 
„Dann überfälug fi$’8, zollte plump zu Yauf.“ 


Und doch preifen noch Manche jene Zeit felig und wünfden daher 
die rKuͤkkehr derfelben! Vergl. Mittelalter. 
Anathematifirung. — Zufag: Der kirchliche Anas 
thematismuß, d. h. die angebliche Gewalt oder angenommene 
Gewohnheit der Kirche, denjenigen mit dem Wanne oder Fluche 
(anathema esto!) zu belegen, ber ihre Lehren ober Gebräuche oder 
Vorfchriften nicht als allgemein gültig -oder verbindlich anerkennt, 
iſt nicht nur an ſich verwerflich aĩs ein offenbarer Eingriff in bie 
Glaubens: und Gerwiffensfreihelt, die allen Menſchen als vernfinfe 
tigen Weſen zukommt, fondern aud ein unchriſtiiches Verfahren, 
weil es dem chriſtlichen Hauptgebote der Liebe gegen alle Menſchen 
widerſtreitet, und zugleich ein unkluges, weil «6 die Anberöbentens 
den nicht anziehen Tann, fondern vielmehr abftoßen muß. — Was . 
übrigens das Wort Anathem ober Anathema In Anfehung fels 
ner urfprünglihen Schreibung, Ausfprache und Bedeutung betrifft: 





68 Andenken Angeboren 


ſt ig en Andacht ſpricht, die auf jeden Fall Erime echee 
Inbrunſt und Wolluſt. 

Anden ken iſt ſoviel als Erinnerung an etwas, z. B. an Per⸗ 
fonen oder Begebenheiten. S. Erinnerungstraft. Zuweilen 
nennt man such das, wodurch jene Erinnerung erweckt oder erhals 
ten werden ll. 3. B. ein Geihent, ein Andenken. Deufels 
sen mel Fasen alle Denkmäler ©. d. 

Anberglaube iſt ein Glaube, der fi auf Andre füge, 
mie der hiſtoriſche, der auf Zeugniffen beruht. Andersglaube MM 
ein andre. S. Glaubensarten. 

Anderweſen f. Heteroufie. 

Anbomar f. Talaus, 

Anbung f. ahnden und Ahnung. 

Anenergifch. — Zufag: Won dem Adi. avevepyns iſt wie: 
der bag Subſt. avereoyzau, Unthätigkiit, Faulheit, gebildet. Sr 
Anenerzefie fagen auch Manche abgekürzt Anergefie, obwohl 

. _Bwar findet ſich aveo;roıa bei Sertus Empir 
ricus (adv. Math. XI, 163). Aber die Kritiker bezroeifelm bie 
Echtheit dieſer Lesart. Daher iſt auch das Adi. anergetiſch 
nicht richtig gebildet. Vergl. Energie, Zuf. 

Anfang. — Zufag: Auch die Wiſſenſchaften haben de 
Anfang ſowohl in Bezug auf bie Zeit, wo man ſich zuerft wit 
einer Wiſſenſchaft zu befchäftigen anfing, als in Bezug auf dem 
erften oder Grundgedanken, mit welchem fie felbft beginnen fol. 
Jenes kann man den biftorifchen, diefes den logifhen As 
fang ber Wiſſenſchaften nennen. Beide laffen ſich nicht genan bes 
ftimmen. Denn der hiſtotiſche Anfang aller Wiſſenſchaften verläuft 
fich wle dee Anfang ber Geſchichte felbft in da6 Dunkel ber Boc⸗ 





Angelo Eino _ Angelus Silefius 69 


auch das Eingeborne (innatum) obes das Mitgeborne (con- 
aatum). — ©. bie Schrift von Eduard Bobrik: De ideis 
isnatis «ive puris pro principiis habitis. Auch vergl. Hifto: 
rifger Beweis für das Dafein Gottes. 

Angelo Cino. — Zufag: Eine kurze Biographie von ihm 
findet fi au in Hoffmann's Lebensbildern berühmter Huma⸗ 

Erſte Reihe. Leipzig, 1836. 8. 

Angelopbanie und Diabolophanie (neugebilbet, von 
eyyelos, Bote, Engel, dıaßoros, Verleumder, Teufel, und pas- 
seodas, erſcheinen) bedeuten die Erſcheinung guter und böfer Geis 
fer, fogenannter Engel und Teufel. Beide Arten von Erſcheinun⸗ 
gen gehören eigentlich in bie mythiſche Vorzeit, wiewohl fie auch zu: 
weiten aus dem mopftifchen Dunkel jener Zeit in das hellere Licht 
ber fpätern berübergesogen worden. Die Wirklichkeit derfelben aber 
laͤſſt ſich nie beweilen. Bauer fagt daher in feiner hebräifchen 
Mythologie des alten und neuen Zeflaments (B. 2. S. 218.) mit 
vollens Rechte: „Wo Angelophanien find, da ift ein Mythus, wie 
„im alten Xeflamente fo im neuen.” Daſſelbe gilt aber audy von 
den Diabolophanien, die gleihfam nur eine befondre Art son Ans 
gelophanien find, weil die Teufel eben nur böfe Engel ....: follen. 
Ja es gilt im Grunde felbft von den angeblihen Theophan:en. 
S. bd. W. desgl. Engel, Teufel, Geiſterlehre, Geiſter⸗ 
ſeherei und Geiſterwelt. 

Angelus Sileſius. — Zuſatz: Er hieß eigentlich Jo⸗ 
bann Scheffler, war 1624 zu Breslau geboren und ſtarb da⸗ 
eb 1677. Den Namen Angelus foll er von einem fpanifchen 
Moftiler dieſes Namens entiehnt haben. Er gehörte zur Schuk 
vn Jakob Böhm und trat vom Proteſtantismus zum Katho: 
Keismus über; weshalb er aud von den SKatholiten fehr gefeiert 
wurde. — Zu feinen „geiftreihen Sinn: und Schluß: 
Reimen“ gehört auch folgender: 


Ich bin fo groß ald Bott, er it als ich fo Hein; 
Gr kann nit über mid, ih unter ihm nicht fein. 


Bean das nicht pantheiftifcher Autorheismus ift, fo giebt e8' über: 
haupt keinen. Vergl. auch den Artikel: Myſtiſcher Unfinn — 
Renerlich erfchienen nody folgende auf diefen myſtiſchen Pantheiften 
beussihe Schriften: Perlenfhnür. Spruͤche nad) Ang. Sil. N. A. 
München, 1831. 8. Dieſe mit mehr Auswahl gemachte Schrift 
in beſſer, als der B. 1. ©. 149. angeführte „cherubiniſche 
Bundermann.” — Angelus Sileſius und Saint » Martin. 
Aussüge [aus beren Echriften] als Handfchrift [für Geiſtesver⸗ 
wandte]. Berlin, 1833. 8. Verfaſſerin ift die unlaͤngſt verftorbne 
Rahel, Gattin des Hrn. Barnhagen von Enfe in Berlin. 


70 Aungemeſſen Animalifcher Magnetismus - 


Angemeffen oder adäquat. — Zuſat: So heißen auch 
Urſachen und Wirkungen, begleichen Zwecke und Mittel, wenn fie 
einander genau entſprechen, mithin das, was eben bewirkt werben 
follte ober bezweckt wurde, vollftändig erreicht worden — im Ges 
genfalle aber unangemeffen ober inadäquat. 

Angenehm. — Zuſatz: Man könnte wohl das Anges 
nehme und Unangenehme aud in das finnliche und das gei⸗ 
ige eintheiten. Xtein es findet dody immer audy bei jenem eine 
geroiffe Affection des Geiſtes flat. Man toill aber wohl mit dies 
fer Eintheitung nur ein niederes und ein höheres A. und U. 
unterſcheiden. — Dee befannte Kanon: De gustu non est dispn- 
tandum, bezieht ſich zunächft zwar auf jenes. Wenn man aber 
das Wort gustus nicht von dem gröbern ober organifden, ſondern 
von dem feinern ober Afthetifchen Genuffe verftche: fo laͤſſt ſich jener 
Sag auch hierauf beziehn. ©. Geſchmack. 

Angeficht (wofür man auch zuweilen abgekuͤtzt Geficht 
ſagt, wo dann diefer Ausdrud nicht durch visus, ſondern durch valtus 
zu Überfegen) iſt der vordere Theil des Kopfes, beflchend aus 
Stirn, Augen, Nafe, Wangen, Mund und Kinn, folglih aus 
den ausdrudsvolften und der Schönheit fähigften Gliedern umfres 
Körpers; weshalb Aeſthetik, Mimik und Phyjiognomit 
vorzugsweife darauf Rüdficht nehmen. S. diefe Ausdrüde, desgl. 
Antlig, Auge und Augenfprade. 

Anhängig. — Bufag: Aeußetlich anhängig (adhae- 
rens) ift, was ſich einem Andern bloß durch Berührung verbindet 
ober am baffelbe anlegt, wie ein Kleid oder eine Fluͤſſigkeit an un⸗ 
fern Rörper; innerlih anhängig aber (inhaerens)Afb, was 
als eine Beftimmung oder Eigenſchaft eines Andern gedacht wich 









72 Anklage Anlage 


nicht ganz richtig, wenn in vlelen biefer Schriften ber animali> 

fhe Magnetismus und der Somnambulismus als iden⸗ 

tifd) betrachtet werden. Denn das Gchlafs ober Noachtwandeln in 

doch nur eine eingele Erſcheinung oder Aeußerungeweiſe des magnes 

äien Aaent, und es frage ſich daher erft, wie jenes durch dieſes 
dinge fel. 

Anklage. — Zufag: Die Rechtsregel: „Wo kein Kids 
ger, iſt aud kein Richter,” gründet ſich darauf, daß Sieber 
als gut präfumirt werben muß, fo lange nicht das Gegentheil ers 
miefen if. Iſt alfo kein Privat: Kläger da, fo muß von Etats 
wegen ein Öffentlicher Anklaͤger aufgeftellt werden, der das Gegen⸗ 
theil zw beweifen hat. Wenn aber auch Jemand wirklich 
worden, fo hat er doc, immer noch wenigſtens bie juridifche (wenn 
auch nicht die moraliſche) Präfumtion der Unfhuld fo lange für 
fi, bis bad Gegentheil wirklich ertiefen iſt. Die Anklage feis 
ner ſelbſt iſt indeß auch nod) Bein Beweis. Denn einmal koͤnnte 
fie aus irrendem Gewiſſen gefhehen, da das Gemiffen (ſ. d. W.) 
nicht untruͤglich in feinen Ausſpruͤchen iſt. Sodann koͤnnte fie 
auch erdichtet ſein, ſei es aus Lebensüberdruß, wenn Jemand ſich 
eines mit dem Tode zu beſtrafenden Verbrechens anklagt, oder aus 
Liebe zu dem Schuldigen, um deſſen Leben zu retten. Vergl. auch 
Losfprehung. — Der Angeklagte heißt aud der Beklagte 
oder Verklagte. Doc) beziehen Einige den erften Ausdruck bioß 
auf den eigentlihen Anklage» Proceß wegen eined Vergehens 
ober Verbrechens. 

Ankündigung iſt eine mehr oder weniger foͤrmliche und 
feierliche Erklaͤrung oder Bekanntmachung deſſen, was eben gefdyes 
ben iſt oder erft geſchehen fol, z. B. eines zu beginnenden Kriege, 

bu TR Nie YuFen union 2 iE SenilTunnGan ac sine Mn 





Anmuth Annihilation 73 


men, wenn man neben der Anlage zum Guten auch noch eine Ans 
Inge zum Boͤſen annehmen wollte. Denn das hieße ebenfoviel ale, 
dee Menſch fei ſchon urfprünglich fowohl zum Guten als zum Boͤ⸗ 
fen beſtimmt. Es hangt aber diefe Annahme mit einer andern 
eben fo unftatthaften zufammen, daß naͤmlich der Menſch feit dem 
Suͤndenfalle feiner erften Stammelten mit einer Erbfünde be 
baftet ſei. ©. d. W. Die natürlichen Anlagen eines Menſchen 
mögen übrigene noch fo.teefflich fein, fo bedürfen fie doch flets 
einer gefliffentlichen und zweckmaͤßigen Entwidelung und Ausbildung, 
wenn etwas Rechtes daraus werden foll; und es iſt dabei nicht 
blo5 auf den Unterricht, fondern auch auf das Beiſpiel zu fehen, 
befonders in praktiſcher Hinſicht. Darum fügte fhon Horaz 
(od. IV, 4): 
. Doctrina sed vim promovet Iinsitam, 
Beetigue cultus pcetora roborant; 


Utcumquo defecere mores, 
Indeoorant bene nata eulpae. 


Anmuth. — Zufag: As Göttinnen ber Anmuth bezeich⸗ 
neten die Alten die Charitinnen oder Gratien. Darum laͤſſt 
fie Goͤthe (im Fauſt, Th. 2. Act 1.) fingen: | 

„Anmuth bringen wir in's Lebenz 
„Eeget Anmuth in bad Geben! 
„Reget Anmuth in’d Empfangen! 
ꝓkieblich iſt's den Wunſch erlangen,” 


Und weiterhin (Act 2.) laͤſſt er Chiron, den beruͤhmten Centau⸗ 
een, der von den Alten als Lehrer vieler Heroen geprieſen wurde, 
zu Fauſt fügen: 

„Was? — Frauen-⸗Schoͤnheit will nichts deißen, 

„Iſt gar zu oft ein ſtarres Bild; 

„Nur ſolch ein Weſen kann ich preiſen, 

„Das froh und lebensluſtig quillt. 

„Die Schoͤne bleibt ſich ſelber ſelig; 

„Die Anmuth macht unwiderſtehlich.“ 


Doch gilt dieß nur von der natürlichen Anmuth oder Gratie; 

denn die affectirte oder erkünſtelte, welche ſo leicht in Zie⸗ 

Pi oder Geziertheit verfällt, würde mehr abfloßen. Vergl. 
ziert. 

Annahme. — Zune: Wegen der Annahme an Kin: 
des Statt f. Adoption. 

Annihilation oder Annihilirung. — Zuſatz: Anni: 
biliren bedeutet nicht immer vernichten, ſondern oft auch für un: 
säitig erklaͤren, gleihfam für Null; meshalb man in biefem Fall 
sch annulliren fa. S. Annullation. Es iſt übrigens 
das angebliche Annihiliten, wenn es gegen die Perfon eines Philo: 


74 Annomination Anomologie 


ſophen von Seiten eines Andern gerichtet wird, doc, eigentlich Peine 
philoſophiſche, fondern vielmehr eine fehe unphilofophis 
[he Renommifterei, ob fie gleich in ben Schulen der Ppilo: 
fophen (befonders ber neuern feit Fichte's bekannter Annihilations » 
Erflärung gegen Schmid) häufig vorgefommen ifl. Die Philos 
ſophen follten doch des „Irren ift menſchlich“ vorzugsweiſe 
eingeden? fein, da philoſophiſche Anſichten, Methoden und Soſteme 
von den älteften bis auf die neueſten Zeiten herab immerfort ges 
wechfelt und die Skeptiker ebendataus bie (freilich auch unftatthafte) 
Folgerung gezogen haben, daß e6 in der menſchlichen Erkenntniß 
gar Feine Wahrheit und Gewiffheit gebe. S. Skepticismus. 
Auch vergl. Grab. — Bei den alten lateinifhen Schriftftellern 
tommt weder annihilare, noch annihilatio vorz body findet man 
bei fpäteren ſchon jenes Beitwort. . 

Annomination f. Adnomination. 

Annullation oder Annullirung (von ad, zu, und nullus, 
keiner) bedeutet eigentlich ebenfoviel als Annihilation oder Anz 
nihiiirung. ©. d. W. Doc brauche man jenes vorzugsweife, 
wenn etwas feüher Verhandeltes, Verordnetes ober Beſchioſſenes 
(1. B. ein Vertrag oder ein Gefeg) für ungültig erklärt wird. Mit 
annullare und annullatio hat es übrigens in Anfehung ber Lati⸗ 
nität diefelbe Bewandniß, wie mit annihilare und annihilatio. 
Vergl. auch Nultification. 

Anomalie. — Zuſatz: Bei den Alten bedeutet avopadın 
auch zuweilen die Krankheit, weil ſie die Geſundheit mit Recht als 


ben Normalftand oder al die Regel des organiſchen Lebens, mit⸗ 
hin jene ald Abweichung oder, Ausnahme von dieſer Megel betrach⸗ 
teten. ©. Gefundheit. Sonach Eönnte man die Krankheiten des 





Anorgie Anfchauung 75 


den Alten fonderbarer Weife auch in der entgegengefegten Bedeu⸗ 
ung vor, fo daß es Nichtübereinftimmung oder Widerfpruch an: 
zeigt. Es muß aber dann die Vorfagfplbe &» nicht von ava, fons 
dern vom a priv. mit eingefhobnem » abgeleitet werden, wie in - 
avanalıa. Daher foll jenes (menn anders bie Lesart bei Plus 
tarch, auf bie man ſich beruft, richtig iſt) auch felbft für Ano⸗ 
matlie fliehen. ©. d. W. Auch vergl. Homologie. 

Anorgie (avopyın) bebeutet Uneingereihtheit in gewiſſe heis 
ge und geheime Gebräuche oder fogenannte Orgin. Es iſt alfo 
jene Wort zufammengefegt aus ooyıa mit dem @ priv. und hat 
gleiche Bedeutung mit auunoım (von yvev, lehren, einweihen; 
woson auch die Myfterien und die Myftit ihren Namen has 
ben. ©. beides). Darum heißt der Uneingeweihte ein Anorgiafl 
(aropyıaorog == uuvntog) obwohl jenes auch den bezeichnen kann, 
welchem keine Orgien geweiht find. Dagegen bebeutet avopyos 
einen zornlofen (von ooyn, ber Zorn, mit dem « priv... Avog- 
ya könnte alfo wohl auch Zornloſigkeit bedeuten, kommt aber in 
dieſem Sinne bei den Alten nicht vor. Vergl. auh Anorganifd. 

Anregend ober anreizenb (incitans) ift alles, was zur 
phyſiſchen oder moraliſchen Thaͤtigkeit erweckt. Darum heißt auch 
ein foldyed Erweckungsmittel ein Anreiz oder fchlechtweg ein Reiz 
(incitabulum s. incitamentum),. Cs kann baher in moralifcher 
Hinſicht ſowohl zum Guten als zum Boͤſen Anreize geben. Wirs 
Een fie ſehr ſtark, fo daß fie Affeeten und Leibenfchaften erweden: 
fo nennt man fie auch aufregend ober aufreizend (exritantia) 
. B. eine Rede, welche das Vol zum Aufruhre verleitet. 

Anruͤchig fit, was einen übeln Geruch um ſich her vers 
kreitet, und wird daher bildlih auch von Menfchen gefagt, bie in 
ſclechtem Rufe ſtehn; anrührig aber ift, was die Ehre eines 
Antern anrührt oder vermindern könnte, wie eine böfe Nachrede, 
die man daher audy ehrenrührig nennt. Das Anrührige kann alfo 
das Anrüchige zur Folge haben. ©. Ehre und Ehrenbelei: 
tigung. 

Antufung Gottes Heißt die Anbetung deffelben, wenn 
fie in ein wirkliches Gebet, befonderd um Hülfe oder Abwendung 
eines Uebels, übergeht. ©. Gebet. Die Anrufung bes Zeus 
fels koͤnnte mohl audy in dieſer Beziehung flattfinden, waͤre aber 
nicht bloß unſinnig, fondern auch unfittlih. ©. Teufel. 

Anfhauung. — Zufas: Die reinen Anfchauungen find 
war an und für fih abſtract, weil fie fih auf Keinen in der 
Erfzgrung gegchnen Gegenftand bezichn, wie die empirifhen 
Anſchauungen, die ebendeswegen concret find. Allein für das 
semeine Bewuſſtſein verlieren ſich jene in biefen und concresciren 
sieichlam mit denfelben, wenn wir etwas MWirkliches anfchauen. — 


76 Anſchwemmungsrecht Anſelm 


Von einer ganz beſondern intellectualen oder ſpeculativen 
Anſchauung als angeblicher Quelle der philoſophiſchen Wahrheit has 
ben manche neuere Phitofophen, die ſich diefelbe ameigneten und Se: 
den, der fie nicht im gleicher Weife befäße, für durchaus unfähig 
gum Philoſophiten erklärten, in einem fo zmeibeutigen und myflifchs 
dunkein Zone gefprochen, daß es wohl erlaubt iſt, zu zweifeln, ob 
fie ſelbſt eine ſolche Anfhauung wirklich befeffen und mittel® derſel⸗ 
dem die philoſophiſche Wahrheit erfannt oder, wie fie Heber fagen, 
erſchaut haben, — Eben fo fprechen bie Myſtiker viel von einer 
Anfhauung Gottes, und zwar nicht von der, melde Gott 
baben fol, ſondern von der, welche fie felbft von Gott haben wols 
len; während Andre in berfelben Hinficht von einer Empfins 
dung Gottes fprehen. Da indefien Gott kein ſinnliches We— 
fen it, fo Bann er auch weder angefhaut noch empfunden terben. 
Es entſteht daher fehr natürlich die Vermuthung, daß jene angebs 
liche Anſchauung oder Empfindung Gottes nichts als leere Einbils 
bung eines überfpannten Gemüthes fei. 

Anfhwemmungsreht f. Alluvion und Acceffion. 

Anfehn. — Zufag: Obwohl diefes Wort durch Zufammen: 
ziehung aus anfehen = anſchauen (inmeri) entftanden ift, fo 
hat der Sprachgebrauch doch jenem eine andre Bedeutung zugewie⸗ 
fen, naͤmlich die einer rüdfichtvollen Achtung gegen Andre, melde 
Achtung ihren Grund bald in Außern Verhältniffen bald im pers 
ſoͤnlichen Werthe Andrer haben Tann. Und ebendaher kommt «6, 
daß man auch bie ‚Autorität einer Perfon darunter verſteht. 


S. d. W. Das von jenem abgeleitete Subftantiv Anfehung 
koͤnnte zwar auch Anſchauung (intuitio) bedeuten, wird aber 
body felten anders als in Verbindung mit der Präpofition im ges 





An ſich Antapodiktiſch 77 


1832. 8. — Doctrina Anselmi de imagine divina. Von Fror. 
Rud. Haffe, in Illgen's Zeitfchrift für bie hiſtoriſche Theo: 
logie. B. 5. St. 2. Nr. 4. 

An ſich. — Zufag: Diefer Ausdrud iſt neuerlich auch haͤu⸗ 
fig als Eubflantiv gebraucht worden, indem man fügte „das An- 
fi der Dinge” d. h. ihr weſentliches oder abfolutes Sein. 
S. abfolut. 

Anftand. — Zuſatz: Statt guter Anſtand fagt man 
auch Wohlanftändigkeit oder Wohlgefittetheit, denkt aber 
dabei an eine gewiſſe Verwandtſchaft derfeiben mit der Sittlichkeit. 
S. Eitte. Aud vergl. Handbuch des Anftındes und der feinen 
Eitte. Bon C. v. Wallen und G. Tfhütter. Leipzig, 
1835. 8 — Das Zeitwort beanftanden bezieht fi nicht auf 
diefen Anftınd, fondern nimmt das Wort in einer ganz andern 
Bedeutung, wo man auch fügt Anftand nehmen d. h. auf 
fdyieben oder Bedenkzeit nehmen, um eine Sache genauer zu überlegen. 

Anftaunen f. Staunen. 

Antagonismusd. — Zuſatz: Der Antagonismus über: 
haupt (den man auh einen Conflict nennt — f. db. W.) läfft 
ſich zuvoͤrderſt eincheilen in den materialen oder ſomatiſch⸗ 
pbyfifhen und den fpiritualen oder pſychiſchen. Jener 
findet in der Koͤrperwelt, diefer in der Geifterwelt flat. Der letz⸗ 
tere zerfälle dann wieder in den intellectualen oder theores 
tifhen unb den moralifhen oder praktiſchen, wiefern er 
fich entweder in den Voritellungen und Erkenntniſſen oder in ben 
Beſtrebungen und Handlungen dee Menſchen, folglih auch in be: 
een Eiten zeige. Dir politifhe Antagonismus, miefen er 
ſich um gegenſeitige Rechte und Pflichten dreht, gehört auch hie: 
br. Er zeigt fih aber bald in einem Staate, wenn in dem: 
ſelden pelitifhe Parteien oder Gewalten gegen einander wirken, bald 
in mehren Staaten, wenn diefe heimlich oder offen einander be: 
kämpfen. Revolutionen und Gegenrsvolutionen, Bürger: und Voͤl⸗ 
tirdriege find Die gewöhnlichen Geftalten oder Eriheinungen, in 
melden dieſer kaum zu vermeidende Antagonismus von Zeit zu 
Zeit Bireortriet. ©. Revolution und Krieg. ALS eine Unter: 
set des inteilectualen Antagenismus fünnte man nod) den philo: 
"ceebifchen betrachten, der zunachſt in den Zchulen und Syſtemen 
Sr Philofopben waltet, entferne aber auch auf andren Gebieten der 
menſlichen Erkenntniß einen aͤhnlichen Gonflict hervorruft. — 
Ucdrizens kommt urzazwrıouos meines Willens bei den alten 
Griechen nicht ver, jondern nur arreymmoua von ayTazWwri.- 
ascı, sin einander kämpfen oder fireiten. Darum heist auch 
vie Widerſacher ein Antagoniſt (arrazwreorng). 


Antapodiktiſch f. apodiktiſch, Zuſ. 


18 Antevedens Anthropofratie 


Antecedens und consequens — Zuſatz: Auch 
heißen die Vorderſaͤtze eines Echluffes zufammengenommen ante- 
cedentia (mporyovpeva) und der Schluffag consequens (ouu- 
negaoua). ©. Schluß. Auch vergl. Conſequenz. 

Antediluvianifhe Weisheit. — Zufag: Zuweilen 
bedeutet antedilunianifch fo mie das einfache diluvianiſch, 
mas eigentlich das zur Zeit der Suͤndfluth felbft Vorhandne bes 
zeichnet, nichts weiter als altvaͤteriſch oder laͤngſt veraltet, po ſt⸗ 
diluvianifch aber das Spätere, was auf jene Fluch folgte. — 
Ein angebliches Skelet eines Antediluvianers ober eined Men⸗ 
ſchen, der vor jener Fluth gelebt habe, wurde in den Schieferlagen 
von Deningen auf dem rechten Rheinufer da, wo ber Fluß ſich im 
den Bodenſee ergießt, gefunden. Cuvier hat aber durch eine 
Meihe oſteologiſcher Bemerkungen bargethan, daß biefed Skelet 
einer Amphibie zutommt, welche Aehnlichkeit mit den Salamandern 
hat und der Gattung Proteus zugezählt werden muß. — Uebrb 
gens fol das Wort Suͤndfluth nidht aus Sünde und Fluth 
zufammengefegt, fondern aus dem altdeutſchen Sinvluot ober 
Sintfiuot entftanden fein, welches eine große Fluth oder Mees 
eöfluth bedeute und mit Sund⸗ Meer oder Meerenge verwandt 
fel, indem in folhen Engen das Waffer leicht die Kuͤſten übers 
firöme, mithin Sundfluthen veranlaffe, die mit der Sünde als 
einer angeblichen Urfacye derfelben nichts zu ſchaffen haben. 

Anteoccupation f. Decupant nebft Zuf. 
Antepräbicament f. Kategorem. 

Anteros (Avrepws, von avrı, gegen, und zgug, bie 
Liebe) wird gewoͤhnlich duch Gegenliebe (gegenfeitige oder ers 
volederte Liebe) überfegt. Eigentlich aber bedeutet es eine Liebe, die 











Anthropologie 79 


fondern wird nur praͤſumirt. ©. Dei gratia und Staats 
urfprung. 

Anthropologie. — Zuſatz: Man hat behauptet, daB bie 
alten Phllofophen diefe Wiſſenſchaft nicht gekannt hätten, weil bas 
Wort ardewnoioyın ſich bei ihnen nicht findet. Allein fie han 
beiten ja doch auch vom Menfchen in ihrer Philofophie, beſonders 
in fittlicher Hinſicht. Alfo hatten fie wenigftens eine moralifche 
Anthropologie, und in diefer Beziehung kommt auch das Wort 

Aoyos, vom Menfchen redend oder handelnd, bei Arie 
ſtoteles (eth. IV, 8.) vor. Ihre phyfifhe Anthropologie 
war freilich fehr dürftig, weil ihre anatomifchen und chemifchen 
Kenntniſſe noch ſehr unvolllommen waren, fie aljo auch noch Eeine 
wiftenfhaftlihe Anthropotomie und Antropodhemie hats 
tm. — In Anfehung ber Literatur dieſes Artikels tft aber noch 
Folgendes zu bemerken: Bon Kant's [kon B. 1. ©. 167. ans 
geführter Anthropologie in pragmatifcher Hinſicht erfchien eine 
4. Aufl. mit einer Vorrede von Herbart. Leipzig, 1833. 8. — 
Ebenſo erfhin von Heinroth's Lehrb. der Anthropot. 1831 
eine 2. Aufl. — Choulant gab außer feiner gleichfalls fchon ans 
geführten Anthropologie noch heraus: Drei anthropologifche Vor⸗ 
lefungen. Leipzig, 1834. 8. — Ferner erſchienen neuerlich folgende 
Schriften über diefe Wiſſenſchaft: Die Lehre vom Mienfchen. Won 
Kart Srdr. Leffing. Breslau und Leipzig, 1832—33. 2 Bde. 
8 — Grundzüge ber Anthropologie als Bafis der Philofophie. 
Von Martin Balduin Kittel. B. 1. Somatologie. Nürn: 
berz, 1833. 8. — Anthropologie oder der Menſch nach den vers 
ſchiednen Zeiten feiner Natur dargeftell.e Won Dr. Karl Fror. 
Burdach. Etuttgart. 1836 — 7. 5 Lieff. ober Abtheill. 8. — 
Dr Menſch nach Leib, Seele und Geifl. Anthropologie für ges 
tidere Leſer aus allen Ständen. Von Dr. Joſ. Beraz. Leipzig, 
1536. 3. Th. 1. (Etwas myſtiſch⸗theoſophiſch und zugleih im 
Zinne des Katholicismus gefchrieben).. — Der Menfdy nach feiner 
zeintigen und Eörpsrlichen Natur, fo wie nach feinen verſchiednen 
kärseriichen und gefelligen Verhältniffen. Bon 3. M. Scholand. 
Magdeburg, 1836. 8. — An essay on the origin and prospecis 
of man. By Thom. Hope. London, 1831. 3 Bde. 8. — 
Prosces sur l'homme, ses rapports et ses intérèts. Par An- 
cıllon. Berlin, 1829. 2 Bde. 12. (Mehr aphoriſtiſch und po= 
zutsr, als feientififh, aber doch Ichrreeih). — Sn dem Artikel 
Menſch und den durauf folgenden, mit biefem Worte zufammen 
ecrrren, Artikeln ift auch noch mandye Schrift angezeigt, die zum 
Iäcl hieher gehört. — Außerdem ift in dief. Art. B. 1. ©. 168. 
war Ehrhardt und Keyſerlink zu lefen Erhardt und Key: 
er!ingk. 





80 Anthropomorphismus 


Anthropomorphismus. — Zuſatz: Ob der Anthropos 
morphismus als eine Vermenſchlichung des Goͤttlichen oder als eine 
Vergoͤtterung des Menſchlichen zu betrachten und welches von bei⸗ 
dem früher ſei, laͤſſt ſich wohl nicht entſcheiden. Das Eine war 
dern Menſchen fo natürlid) als das Andre. Wir finden daher auch 
beides ſchon im früheften Alterchume. Es iſt folglich auch zu hart, 
wenn einige Kirchenſchriftſteller (3. ®. Hieron. ep. 61. ad Co- 
machium) den Anthropomorphismus bie närrifchefte oder als 
bernfte Kegerei (stallissimam haeresin) nannten. Diefelben 
Schriftfteller vergötterten ja auc den Stifter des Chriſtenthums. 
Ueberdieß kommt der Anthropomorphismus felbft in den Büchern 
des alten und des neuen Bundes fehr häufig vor und fo offenbar, 
daß die Bemühung, ihn durch Epegefe herauszubringen, ganz vers 
geblich iſt. Und menn Jemand (wie Bolzano in feinem Lehre 
buche der Religionswiſſenſchaft, Th. 3. B. 1. $. 100—103.) erft 
Gott für ein seingeiftiges oder koͤrperlofes Weſen erklärt, 
hinterher aber behauptet, die Offenbarung verfpredhe uns, „baß wie 
„ſelbſt diefen untörperlihen Gott einft doch von Angeſicht 
‚aa Angefiht anfhauen follen”: fo iſt Letzteres nicht nur 
ein flarker Anthropomorphismus, fondern auc dem Erfteren durch⸗ 
aus widerfprehend. Denn einem reingeiftigen Weſen tönnen wir 
doch nicht mit unſtem Angefichte in's Angeficht ſchauen, wie ein 
Menſch dem andern. Wenn wir aber im gemeinen Leben von Gott 
reden, fo iſt der Anthropomorphismus ganz unvermeidlich. Wir 
fagen baher ganz unbedenklich, Gott fehe und höre alles, ob wir 
uns gleidy bedenken würden zu fagen, er rieche, ſchmecke und fühle 





auch alles, weil diefe Thaͤtigkeiten zu grobjinnlic find, während 
jene ſchon ein höheres ober geiftigeres Gepräge haben. Daß aber 
die Gitelfeit di Mt 








82 Antibarbanifch Antifategorem 


S. Joh. Hein. Schütte’s Anthropotheologie. Halle, 1769. 8. 
Ein folder Anthropotheolog war aber auch ſchon Sokrates. 
©. Zenophon’s Memorabilien. B.1. Cap. 4. Uebrigens kommt 
weder ardownodeionog noch ardgwnodeoAoyın bei den alten 


Griechen vor. B 

Antibarbarifh. — Iufag: Ein Antibarbar würde 
ein Gegner der Barbaren und foiglich aud der Barbarei fein. 
Wiewohl nun Griechen und Römer fid) als Antibarbaten betrach⸗ 
teten, fo kommt body bei ihnen weder Arzıßupßagos noch Asti- 
barbarus vor. Wenn daher Krebs in Bezug auf die Barbariee 
men bee neuern Zateiner einen Autibarbaras ber lateinifchen 
herausgab, der auch neuerlih (Frankfurt a. M. 1837. 8.) wieder 
aufgelegt worden: fo iſt dieſer Titel felbft gewiffermaßen ein Bars 
barismus. ©. d. W. und Barbarei. 

Antichthon. — Zuſatz: Wenn man die Antipoden auch 
Antichthonen oder Antichthonier genannt hat, fo betrach⸗ 
tete man bie eine irdiſche Halbkugel als eine Gegenerde von ber 
andern. Die Alten aber, welche von einer Gegenerde (arzıydew) 
redeten, betrachteten biefelbe als einen befondern, von ber Erde ſelbſt 
getrennten, Weltkörper, den fie jedoch nur beliebig annahmen. An 
den Mond iſt dabei nicht zu denken. S. außer Erde auch Py⸗ 
thagoras. 

Anticipation. — Zuſatz: Die Alten verſtanden unter anti- 
cipatio und goAnyıg auch die Widerlegung eines Einwurfs, dem bes 
Gegner einer Behauptung machen koͤnnte, weil ihm dadurch biefer 
Einwurf gleihfam voraus weggenommen wird. Es iſt bieß aber 
nicht bloß ein rednerifcher Kunftgeiff; fondern felbft in den tieffün 
nigſten wiſſenſchaftlichen Unterfuhungen iſt es oft gut, wenn man 








84 Antimyſtit Antipathie 


den angeblidien Antimoraliften. auch fofort einen Immoras 
liften gu nennen, weil jene Benennung nur einen theoretifdyen, 
diefe einen praktiſchen Vorwurf enthalten, folglich nicht des 
Soſtem des Philofopben, fondern den Charakter des 
Menſchen angreifen würde. Vergl. auh Immoralität 

Antimnftit iſt eigentlich das Gegentheil der MypRik 
&.d. W. Man nennt aber auch fo den Razionalismus, ja 
wohl gar bie ganze Philofophie (f. beides) ob es gleich auch 
eine myſtiſche Philofophie geben ann, wie bie von Baader, 
Goͤrres, Efhenmayer u. A. 

Antinomie. — Zufag: Eine Menge von angeblihen Ans 
tinomien ber Vernunft hat Ancillon aufzulöfen gefudt im feiner 
Schrife: Zur Vegmittlung der Ertreme in den Meinungen. Ber— 
tin, 1828—31. 2 Bde. 8. — In Paris Hat ſich auch neuerlich 
ein antinomifcher oder antinomiftifher Verein (union 
antinomienne) gebildet, weldyer allen Widerftreit in den Meinsms 
gen und Einrichtungen der Menſchen (befonders den geſellſchaft⸗ 
ũchen — häuslichen, bürgerlichen und kirchiichen) auflöfen fol, bis 
jest aber, foviel mir bekannt, noch Beine Früchte getragen hat. 
©. Wronsti. 

Antioch von Askalon. — Zufag: Statt Antiochus Asea- 
lonita (Avtioxoc 6 Anxulwverng) wi er aud von Ci 
Anliochus Acndemiens (Avtıoyog 6 Axadnuxog) genannt. 
tein die Richtigkeit diefer Benennung unterliegt mandem 
Denn ob er gleidy eine fünfte Akademie geftiftet haben fol, 
fo war dody feine Lehte fo abweichend von der frühern in ber alas 


demiſchen Schule, daß felbft Cicero, der ihn perfönlich Lannie 
und felbft deffen Unterricht in der Philoſophie genoſſen hatte, von 





86 Antiquation Antiftepticemus 


das Erdreich auf feinen Boden gegründet; und ber vom heiligen 
Gelſte in alle Wahrheit geile fein wollende Papft Baharias 
war berfelben Meinung. Unglüdlicer Weiſe aber wurden alle alle bee 
chriſtlichen Kirchenlehrer buch bie Erfahrung widerlegt, und bie 

verbammten Heiden behielten gegen fie Recht. — Beilafonhitde 
Antipoden find übrigens nicht bloß diejenigen Philoſophen, bes 
vem Kehren oder Syſteme, fondern aud jene, been Methoden 
einander entgegengefegt find, wie Dogmatiter, Skeptiker 
und Kritiker. ©. dieſe Ausbrüde, 

Antiquation oder Antiquirung. — Zufag: Antigua- 
dig kommt nur bei ben alten römifchen ueiften vor, anti 
aber auch bei andern Schriftftellern. Jedoch findet es ſich bei Ihnen. 
auch in der entgegengefegten Webeutung, nämlidy etwas Neues vers 
werfen, teil man das Alte vorzieht, nad) dem Grunbfage: An 
tigan probo — ich billige das Alte, Diefer Grundfag iſt aber 
nicht ſtreng zu nehmen, tell er fonft zu einem abfoluten Stabill- 
taͤts⸗ oder Immobilitaͤtsſyſteme im ganzen menſchlichen (haͤuelichen, 
kirchlichen und bürgerlichen) Leben führen, mithin allen Fortſchritt 
zum Bellen hemmen würde, S. Beftand, Fortgang und 
Reform. Man- kann ja bei allem Fortſchreiten auch das Alte 
(Antiquitäten und Antiten) ſchaͤten und es nicht bloß zum Gegen 
flande der Erkenntniß, ſondern auch zum Biele der Madjeiferung 
machen, wenn es in feiner Art vortrefflich iſt. 

Antireligion. — Zufag: Man hat aus biefem neuge⸗ 
bildeten Zwitterworte, wo das griech. avrı mit"ben lat. religio 


verbunden iſt, durch Fortbildung wieder ein neues abgeleitet, naͤm⸗ 
uch Antireligiofismus, ftatt deffen Andre Irreligiofis« 
mus fagen. Wahrſcheinlich aber hat man jenes vorgezogen, weil 








88 Antitheos Antomofie 


(f. Eonverfion nebft Zuf.) und bei den Metrikern eine Strophe 
(Sefang oder Adtheilung des Gefanges) bie einer andern, weiche 
vorauggegangen, entfpricht ober gegenüberfteht, alfo einen antz 
wortenden oder Gegengefang. 

Antitheos. — Zufag: Im Griechiſchen bedeutet arsı- 
$eog nicht bloß einen der Gottheit in einer gewiffen Beziehung Ents 
gegengefegten, fonbern auch ‚einen der Gottheit Aehnlichen, einem 
goͤttlich Großen, Starten oder Schönen, weil ein Solcher gleich⸗ 
fam ein Gegenbild von Gott if. 

Antithefe. — Zufag: Avzıdeong bedeutet zwar Im Gries 
chiſchen auch den Gegenfag felbft. Wenn aber von mehren Gegen 
fügen die Rede ift, fo heißen fie avsıdera. Davon hat man wie 
dee Antichetit und antithetifch abgeleitet, obwohl das Bei⸗ 
wort avsı$derıxog bei ben Alten nicht gefunden wird. 

Antitrinitarier iſt ein neugebildetes Zwitterwort (ven 
aycı, gegen, und trinitas, Dreieinheit) welches die Unitarier als 
Gegner der Trinitarier bezelchnen fol. S. beide Ausdrüde umd 
Dreleinheit oder Dreieinigkeit. 

Antitypie — Zufag: Aysızunıa bedeutet bei den Alten 

aud ben Widerfprudg. S. d. W. Ein Gegenbilb aber heiße 
nicht bloß aysırunog, fondern auch avsırumov, und beide Aus 
drücke werden ſowohi als Hauptwörter wie auch als Beiwoͤttet 
gebraucht. 
Antlitz (altdeutſch Antluzze, von ant, gegen, und lutan 
leuchten — alfo eigentlid) das Gegenleuchtende) bebeutet ebenſovlel 
als Angefiht (f. d. W.) indem diefer Theil unſtes Körpers, 
wenn Menden einander begegnen ober gegenüberftehn, ihnen am 
meiften in die Augen fällt und daher au 











— — 


Antonin der Philoſohh Anziehungskraft 80 


Antonin der Philoſoph. — Zuſatz zur Literatur dieſes 

: Lettres inédites de Marc-Aurele et de Fronton, 
irad. par Armand Cassan, avec le texte latin. Paris, 1836. 
2 Be. 8. (Marcus Cornelius Fronto war ein Gramma⸗ 
tie zu Rom, ber fi) auch unter den Lehrern des Baiferlichen Phi: 
iefephen befand). 

Antonomafie (avsovoracın, von avrı, gegen, und ovope, 
Bert oder Name). bedeutet überhaupt eine Gegenbenennung, befon: 
ders aber, wenn ein Wort für das andre gebraucht wird, 3. B. 
ein nemen proprium für ein nomen commune, oder ein pronomen 
fir jene beiden. So follen die Pythagoreer avrog, ipse, ftatt 
Pythagoras gefagt haben, aus eine Art von heiliger Scheu 
oder tiefer Ehrfurcht vor ihrem großen Meiſter. In andrer Bezie⸗ 
bung brauchen die Logiker und die Zuriften oft die Namen Cajus, 
Titus ete. zur Bezeichnung irgend eines Menſchen. Manche nen: 
nm die auch Antonymie (avswruuia, von oOvvua — 0ovoua). 

Antrag if jeder Vorfchlag ober jedes Angebot zu Unter: 
chungen, indungen, Verträgen, Gefegen ꝛc. Daher kann 

man auch ſich feibft Andern antragen (zu Dienften, zur Ehe :c.) 
und ans einem angenommenm Antrage Tann auch ein Auftrag 
wem. ©. d. W. 

Antritt f. Adition unter Addition. 

Antwort. — Zufag: Ueber die Regel bee megarifchen Phi: 
Ionen, dag jede Frage mit Ja oder Mein beantwortet werben 
müfe, vergl. auch Gell. N. A. XVI, 2. 

Anyparrie (avunapkıa, von Unapxeıv, entftehen ober vors 
handen fein, mit dem « priv.) bedeutet Nichtfein oder Unwirklich: 
keit, folglich anyparktifc (urunapxzov) nichtſeiend oder unwirk: 
id. &. Sein und wirklich. 

Anzeihen oder Anzeigen. — Bufag: Der fog. An: 
jeigebeweis follte eigentlih Anzeichenbeweis heißen, da er 
nicht aus bloßen Anzeigen Andrer, fondern aus Anzeichen einer 

That (ex indiciis facti) geführt wird, ob er gleich Beine Gewiffheit 
giebt. — Wegen ber bdivinatorifhen oder mantifhen Anzeichen ſ. 
Divination und Mantik. Die fogenannten Ahnungen und 
Runderzeichen (omina et prodigia) gehören mit in diefe Glaffe. 
Vergl. auch diefe Ausdrüde nebſt Semiotik. 

Anziehungskraft. — Zufag: ©. Geo. Erh. Ham- 
bergeri dissert. de cohaesione et attractione corporum. Jena, 
1732.4. — Fortunati de Felice disput. de newtoniana attra- 
etiene unica cohaerentiae naturalis causa adversus Hamberge- 
rum. Bem, 1757. 4. — Joh. Henr. van Swinden dis- 
sert. de attractione. Leiden, 1766. 4. — Sucecincta altractionis 
r e. doctrinae de altraclione] historia cum epicrisi, auctore 


o0o Aoriſtie Apathie 


Sam. Christ. Hollmanno. In den Comm. soc. reg. seienit. 
getting. T. IV. p. 215 ss. — Wenn in der moralifäyen Accetik 
von der Anziehung eines neuen Menfchen die Rede if, fo 
verſteht man darunter die fittliche Beſſerung oder Wiedergeburt. S. 
Adam und Palingenefie. 

Aoriftie. — Zufag: Aogıorın bedeutet auch zumellen Un⸗ 
endlichkelt, weil das Unendliche ſich auch nicht quantitatio beſtim 
men ober in beſtimmte Graͤnzen (doo⸗) einſchließen laͤſt. S. uns 
endlich. Auch vergl. Horis mus. 

Apagogiſcher Beweis. — Zuſatz: Bel den alten Mas 
thematitern heißt anayayn auch oft foviel als Uebergang von einem 
Sage zum andern, wenn jener fchon bewiefen ift und num zum - 
Beweiſe des andern gebraudyt wird. Uebrigens wird jenes griechifche 
Wort im Lateinifhen nicht bloß durch deductio, fondern andy. zus 
teilen durch abductio überfegt, befonders in Verbindung mit ad 
absurdam. 

Apatetifch (anarzrızog, von anarn, Betrug ober Täu: 
fung) ift ſoviel als betrüglich oder täufchend. Darum heißt ein 
Trugfchluß auch syllogismus apateticus. &. Schluß und Go: 
pHiftie. Mic jenem Worte iſt aber niht apathifch oder apa= 
thetifch zu verwechſeln. &. ben folg. Art. 

Apathie. — Zufag: Apathifch oder apathetifch (ana- 
Ing n anadırog) heißt foviel ale unleidentli und unleis 
denſchaftlich, weil anadeıa die Freiheit von Leiden fowohl als 
von Leidenfchaften bedeutet. Unb weil das Unveränderliche Eeir 
nem Wechſel von Beftimmungen, folglich audy keinem Leiden uns 
terworfen iſt: fo wird es gleichfalls zumeilen mit jenem Ausbrude 
bezeichnet. — Die Apathie ſelbſt theilen Einige in bie abfolute 










9 Apodiktiſch Apollonius von Tyana 


mündlichen Unterricht ober durch Schriften zu bilden, noch ſelten 
waren. Sie erwarben dadurch zugleich mehr Weit: und Menſchen 
tenntniß, als bie fpäteren Schulphilofophen. Uebrigens lernt fid 
jene Kunſt weit beffer durch das Reiſen felbft, als durch ſchriftlich 
Anmeifungen dazu. Die Alten wufften audy nichts von einer amo- 
Inunsızn oder anodruıxn in diefem Sinne Wohl aber hieß bei 
ihnen ein Vielteiſender oder Reifeluftiger anodrumtıxog. 
Apodiktifch. — Bufag: Ariftoteles (anal. post. L «. 
2. $. 4.) ertlärt anodesıs, was im Lateinifhen gewoͤhnlich de- 
monstratio Üüberfegt wird, dur arAdoyranog emormuorxog, will: 
fenfepaftlicher Schluß als Gegenfag vom bloß wahrſcheinlichen, durch 
welchen keine Gewiſſheit in der Erkenntniß erlangt wird. Anodem- 
30» heißt daher das Beweisliche oder auch Bewiefene, anoderı- 
xov aber das, was zum Beweiſen gehört ober gefchidt iſt. Ebem 
daher fegt man in der Logik das apodiktiſche Urtheil ober den 
apodittifhen Sag dem affertorifhen und dem proble: 
matiſchen entgegen. S. Urtheilsarten. Hieraus ergiebt ſich 
auch, was ein apodiktifher Grundfag oder ein apobißti- 
ſches Princip fei, und dag nur mittels ſolcher Principlen ein 
apobittifher Schluß oder Beweis gebildet werden koͤnne. — 
Manche fegen auch dem Apodiktifchen oder Demonftrativen 
das Diktiſche oder Monftrative entgegen, obwohl biefe Aus: 
drüde zuweilen verwechfelt werden. ©. die beiden Iegten Ausdrlch 
nebft Zuff. — Antapodiktiſch fieht dem Apodiktiſchen entgegen 
(wvsı) wie dem Beweife der Gegenbeweis. S. d. W. 
Apodofe (anodonıs, von anodıdoru:, —E beden 
tet eigentlich die Zuruckgabe einer Sache, daher auch die Bezah⸗ 
lung einer Schuld und bie Vergeltung einer Beleidigung. Di 





\ 


Apolog Apoftrophe 93 


Ina und Chriftus, ober das Verhaͤltniß des Pythagoreismus 
zum Chriftenthume. Tübingen, 1832. 8. — Webrigene erwähnt 
Diogenes Laertius (VII, 3. und anderw.) auch einen Tyrier 
dieſes Namens (Anoriuwıos ö Tvgıos) der eine, jegt nicht mehr 
vorhandne, Schrift über den Stoiker Zeno hinterlaffen, fich aber 
fm nicht ausgezeichnet hat. 

Apolog und Apologie. — Zufag: Vergl. Gellert's 
Sebititationsföhrift: De poesi apologoram eorumque scriptoribus. 
kiiig, 1745. 4. — Statt aroAoyın kommt auch anoAoyıouog 
ver, von azoAoyıieodur, ralionem reddere. Da jedoch diefes Zeits 
wert nicht Bloß ſich verantworten, fondern auch ſich mit Jemanden 
berechnen oder ihm Rechnung ablegen bedeutet, weil Aoyos ebenfo 
we ratio auch Rechnung oder Rechenſchaft anzeigt: fo bezeichnet 
Apologismus auch das Mechnungsführen und Apologiftit 
die Darauf besügliche Kunſt oder bie fog. Buchhalterkunft. 

Ipophatifch (unogarıxov scil. zoo, von anoganız, 
Abſage, Verneinung) heißt ein Urtheil, wenn es etwas vemeint (ju- 
ücam negativum); hingegegen Fataphatifch (zarayarıxor, 
vor zaragaaıs, Zufage, Bejahung) wenn es etwas bejaht (judi- 
cum aflrmativum). ©. Phafe Für apophatifch kann man 
aber nicht apophantifc, fagen. Denn unogaroıs bedeutet die 
Ansfage (enumeiatio) überhaupt, fie mag verneinend, ober bejahend 
ke; wiewohl auch anogaoıs in dieſer Bedeutung gelefen wich, 
wenn es anders feine faliche Lesart iſt. Denn bie Abfchreiber Eonn- 
m unogacız und anoguvoıs leicht verwechfeln. Uebrigens ſ. Ur: 
heit und Urtheilsarten. 

Apoftafie. — Zufag: Für anooracıa wird auch auno- 
otacıs in der allgemeinen Bedeutung einer Abfonderung, Trennung 
eder Entfernung gefunden. Epikur verfiand daher in feiner na= 
turrhiloſophiſchen Theorie unter Apoftafen bie Abgänge von ben 
Kerzen, aus welchen ſich Bilder von ebendiefen Körpern für unfre 
Wabrnehmung bilden follten. ©. jenen Namen. Die griechifchen 
Arcite aber verfiehn unter unooruoıs (wofür fie auch anoarzuu 
hin) ein Geſchwuͤr (jetzt auch Abſceß genannt) weil babei eine 

Adſenderung von Eäften oder andern Elementen des organifchen 
Kerders ſtattfindet. 

Apoſtrophe (uroorpogn, von unoorpsgev, ab= oder 
wrecwenden) bedeutet die Ab: oder Wegwendung von einer Perfon 
oder Sache, daher auch den Abfcheu (f. d. W.) weil der, welcher 
doas verabfcheut, gewoͤhnlich feinen Körper, wenigſtens feine Au: 
sen, fo bewezt. Als Medefigur bedeutet jenes Wort die Wendung 
der Rede von einer Perfon oder Sache zur andern, daher auch bie 
Aarede, bifonders eines Abweſenden als eines Gegenmärtigen, ober 

eines Lebloſen als eines Lchendigen. Der Apoftroph hingegen ift 





2 Apotelesmatifch Appellation 


ein bloßes Häkchen als Zeichen der Wegnahme eines Buchſtabens, 
befonbers eines Gelblauters, vor einem andern, fei es bag Kürge 
ober des Wohllauts wegen; wie in: Lieb’ und lob' ich meinen 
Schöpfer. — Apoſtrophiren wird in beiberlei Beziehung ges 
braucht. 

Apotelesmatifch. — Zuſatz: Arozereopa bebeutet eigen 
lich eine Vollendung. Daher nannten die alten Naturphiloſophen 
die Volltommenheiten der natürlichen Dinge amorelsouara. Bei 
den alten Logikern aber ſteht jenes Wort audy zuweilen für ara, 
S. Artom. — Die Schrift anorelssuarıxa, welche dem ägppe 
tiſchen Phitofopken Manetho (wahrſcheinlich mit Uhredht) beiges 
legt wird, ift ein aſtrologiſches Wert und führt jenen Titel darum, 
weil bie alten Aftologen die Stellungen und Bewegungen ber 
Geſtirne als etwas betrachteten, wodurch die irdifchen Dinge und 
folglich auch die Schickſale der Menſchen bedingt oder zur Mollene 
dung gebracht werben. 

Apotheofe. — Zufag: Aus anosewoıg mit avrog, ipse, 
verbunden hat man neuerlich das Wort Autapotheofe gebildet, 
welches ſoviel als Selbvergätterung bedeutet. ©. d. W. Wie 
wohl nun die Alten dieſes Wort nicht hatten, fo hatten fie doch 
die Sade. Alerander ber Große j. B. hatte trog feiner fons 
fligen Größe doch die kleinliche Schtachheit, daß er für einen Gott 
gehalten und göttlich verehrt fein wollte. Caligula ließ ſich ſelbſt 
einen Tempel erbauen und Domitian ließ fogar feine Edicte mit 
den Worten beginnen: Unfer Herr und Gott (Dominus et Deus) 
gebfetet ec. Er mollte alfo nicht von Gottes Gnaben, wie unfee 
Fuͤrſten, fondern felbft als ein Gott hertſchen, hatte aber das trans 
tige Geſchick, daß er wegen feiner an Wahnfinn gränzenden Graus 


ſamkeit im Einverftändniffe mit feiner von ihm bedrohten Gemah⸗ 
lin gleich einem ſchwachen Seestichen ermordet wurde. 
Appellation. — ppellabel heißt ein Meiheil 








% Ardon Arhaismus 


Leben und Seele (f. beides) melſt als daſſelbe betrachteten um 
daher das Leblofe To ayuyov (inanimatum) nannten. Zerner flel 
ayvyyıa bei den Alten audy für Muthlofigkeit, Zeigheit, Ohnmach 
und ebenfo das Adjectiv awuyos. Endlich brauchten fie biefen Au 
drud au, wie wir ſeelenlos oder geiftloß, im figurlihen Sinn 
3. B. awuxog:Aoyog oder awexov doyua heißt eine Rede od 
Kehres bie nur aus Worten befteht, aber feinen Innern Gehal 
wenigſtens Seinen bedeutenden oder anziehenden, alfo gleichſam Beh 
Seele’ oder keinen Geift hat. — Bei den chriftlichen Kichenfchrif 
ſtellern heißen auch diejenigen ayuyos, welde meinen, Chriftu 
babe keine menſchliche Seele gehabt, weil beren Stelle d 
görtlihe Logos im ihm vertreten habe — eine Meinung, d 
nicht bloß Arius und feine Partei, fondern neuerlih auch d 
Engländer Whiſt on zugethan war. 

Ardon, das (70 apaıoy) bedeutet dad Dünne als Gegenfa 
des Dichten. Manche alte Naturphilofophen nannten auch fo di 
leeren Raum als Gegenfag des vollen (mit Materie oder empfin) 
baren Körpern erfüllten). S. leer und Raum. Neuerlich habı 
Einige audy den Wärmeftoff als etwas hoͤchſt Dünnes oder Sn 
fo benannt, wobei freilich erſt bemwiepge werden müffte, daß & 
Wärme etwas Stoffartiged ober ein materiales Ding fei, I 
manche Phyſiker behaupten, fie beftehe bloß in einer —*82 
Erregung der Körper, die wir eben als warm empfinden, fo da 
wenn diefe Erregung aufhöre, berfelbe Körper nun ale kait 
den werde, ohne daß ihm irgend ein Stoff dort mitgeteilt, hi 
entzogen zu fein brauche. Dieſer Streit aber laͤſſt ſich philoſophiſ 





nicht. entfcheiden. 
Arbeit, — Bufag: Außer der bereits (B. 1. ©. 204 





[ Areſas Arianisus 


Areſas. — Zuſatz: Dieſer Philoſoph if nicht zu verwed 
fen mit dem Staatsmanne Areſias, ber auch unter den vom 
Spartanern eingefegten dreißig Tyrannen von Athen fid befand. 

Aretologie. — Zufag: Manche haben auch die Moral I 
Uretologie oder Tugendiehre und Eubämonologie od 
Giddfeligkeicslehre zerfält, indem fie im erften Theile zeige 
wollten, was die Tugend an fid) oder ihrem Weſen nach ſei, un 
im zweiten, was fie wirke oder wie fie das Wohlfein de6 Menſche 
befoͤrdere. S. Eudämonie. Gtatt aperoloyıa fagten bie A 
ten Ueber uperaloyıa, verflanden aber darunter etwas ganz As 
dres, naͤmlich die mimifche oder theatralifhe und meift in's Kom 
ſche fallende Darftellung der Reden, Geberben und Handlunge 
andrer Menſchen. Daher bedeutete beisihnen aperaioyog ſog 
einen Poffenreiger. Gewoͤhnlicher brauchte man aber dafür die Au 
drüde 7I0Aoyıa und 7FoAoyos. ©. Ethographie. 

Areus oder Arius. — Bufag: Diefer Artus (Apuoı 
iſt nicht zu verwechfeln mit dem fpäter Iebenden Alerandriner gie 
des Namens, von welchem bie Partei der Arianer benannt iſ 
©. Arianismus. 

Arglift bedeutet eigentlich eine böfe (arge) Lift, dann ab 
überhaupt eine Klugheit, bie nicht nach der Güte der Bwede ur 
Mitiel fragt, fondern auch böfe Zwecke verfolge oder an fich e 
laubte Zwecke durch ſchlechte Mittel zu erreichen ſucht. Sie zei, 
ſich daher vorzüglich in dem Beſtreben, Andre zu hintergehn, un 
heiße dann auch Hinterliftz fo wie der Menſch, der einem fo 
chen Lafter ergeben iſt, args oder hinterliftig heißt. 


Argwohn ift foviel als arger Wahn in Bezug auf A 
dre d. h. böfer Verdacht. Wer dazu geneigt iſt, alfo Ander 
gern Wöfes zuttaut, heißt daher argwöhnifch. Furchtfamie ih 











100 Aritonomie  Arfiteles 


sigemwelfe von ber Atiſtokratie. Vergl. noch Adel und Diiga 
hie. — Uebrigens fagten bie Griechen fowohl apıoroxpareıa a 
agıaroxgazla. Die feanzöfirende Ausſprache Ariftokrafie iſt falſe 
da agıoroxpasıa (mas aber bei den Griechen nicht vorfommt), eh 
Miſchung (xeacıs) des Velten bedeuten würde — Die Gı 
ſchiechts⸗Ariſt okratie hat man neuerlih auch Geneofrat 
genannt. S. d. W. 

Ariſtonom ie (ugıorovozua, von agıoros, ber Beſte, ın 
vopog, das Gefeg) bedeutet die befte Gefeggebung und dann auch d 
befte Verfaffung eines Staats, weil auch diefe etwas Geſetzliches H 
Evvoza fagt baffelbe, nur nit im Superlativ. S. Eunomi 

Ariftoteleer (Aoororeisıor, Aristotelei) und Ariftot 
tifer (Agsororer.ıxor, Äristotelici) werden von Einigen fo untı 
ſchieben, daß jene die unmittelbaren Schuͤler des Ariftotele 
dieſe die fpätern Anhänger deſſelben oder bie in feinem Geifte PI 
loſophirenden fein. Diefer Unterfchied iſt zwar in der Sache fell 
begründet, aber nicht: durch den Sprachgebtauch der Alten beſtaͤti 
Die zweite Benennung ift nur nach und nad) gewöhnlicher gem 
den, als die erfte. Auth braucht man ftatt beider Namen haͤu 
den der Peripatetiter. S. d. W. und den folgenden Nam 
ſowohl hier al6 im 1. B. dieſes B. 

Ariſtoteles. — Zufag: Die ariſtoteliſche Philof 
phie und Schule blühete nicht nur zu Athen unter The 
phraſt und deſſen Nachfolgern mehre Jahrhunderte hindurch, fo 
dern fie verbreitete ſich auch fpäterhin über Griechenland und Jt 
lien und andre von hier aus cultivirte Länder von Europa, Afi 


und Africa, fo daß fie Lange Zeit, befonders während des Mitt 
alters, faſt die alleinherrfchende war. — Was: die a riſto teliſch 
ch niefon auch mie Salır bee Pudınrıderfunfe m 





102 Arithmetik Arm 


Nachahmende in der Kunſt nach Ariſtoteles. Ratibor, 1834. 8, 
und bie von Wilh. Abeken: De zuumoewg apud Platonem et 
Aristotelem notione. Göttingen, 1836. 8. — Die dem X. beiges 
legte Schrift Uber die Welt (megı xoauov) hat neuerlich Ch. H. 
Weiße zugleich mit der über die Seele (nege wurns) überfegt 
und erläutert. Leipzig, 1829. 8. W. erklärt fie für echt, obwohl 
aus Gründen, weiche noch manden Zweifel übrig laſſen — Auf 
das Ganze der ariftotelifchen Phitofophie bezieht ſich folgende newer 
Schrift: Die Philofophie des Xriftoteles in ihrem Innern Bufans 
menhange aus deffen Schriften entwidelt von Franz Bieſe. B. 
1. 2ogit und Metaphufil. Berlin, 1835. 8. (Meft nah Hes 
gel’6 Anfichten bargeftelt, indem manche Hegelianer eine 
Verwandtſchaft zwiſchen der ariſtotellſchen und der hegeliſchen Pi 
tofophie finden wollen, wobei aber jene durch eine etwas 
Darſiellung wohl zuwellen entftellt werden möchte; obwohl das 
eifeige Studium jener Philofophie in Verbindung mit biefer fehe 
lobenewerth ift). — Auf die Verbreitung der arifkotslifhen Phlies 
fophie bezieht ſich folgende Schrift von Ado. St ahr: Ariftoteles 
bei den Römern. Leipzig, 1834. 8. — Uebrigens gab es noch 
einen Philoſophen, Namens Ariftoteles, gebürtig aus Eyrene 
(Crrenaicas) und Zeitgenoffe des Könige Antigonus. Ael. V. 
H.X, 8. Cr hat ſich aber durch nichts ausgezeichnet. Auch bes 
fand ſich unter den dreißig Tyrannen von Athen ein Mann biefes 
Namens. Das nady ebendiefem Namen gebildete Beitwort agıore- 
re aedeecx bezieht ſich aber bloß auf den Stagiriten und bedeutet deſ⸗ 
fen Anhänger fein oder nach feiner Weife philoſophiren. Unter 
Ariftotelismus verficht man daher biefelbe Art zu philofophirem. 
Arithmetik. — Zufag: Da man zu dem Adj. apusrun- 






Arm 103 


entgegenflehenden reich und Reichthum, Ausdräde, bie zunaͤchſt 
nur etwas Relatives andeuten, fo daß wir denjenigen arm oder 
reich nennen, ber verhältnifimäßig wenig oder viel hat, mithin une 
beftinmmt, wie wenig oder vie. Am beiten waͤr' es alfo vielleicht, 
den Ausſpruch des Horaz (ep. I, 12): Pauper enim non est, 
eui rerum suppelit usus, in den entgegengefegten umzukehren: 
Pauper est, cui non reram suppetit usas, obwohl diefe Definis 
tion immer nur negativ wäre. Daher preift derfelbe Dichter (od. 
UI, 16.) fi) zwar als einen Armen gluͤcklich, jedoch mit dem bes 
ſchraͤnkenden SBeifage: Importuna tamen pauperies abest, wie er 
entgegengefegt vom Reichen fagt: Magnas inter opes inops. Auch 
bat er echt, wenn er von jener da, wo fie für Schimpf gehalten 
wied, fagt (od. III, 24): 
Megnum pauperies opprobrium jubet 
Quidvis et facere et patl, 
Virtatisgue viam deserere ardaae. 

Deun die Armuth wird bann leicht eine Diutter des Laſters und 
des Verbrechens. Darum haben menfchenfreundlihe Philoſophen 
und Politiker von jeher darüber nachgedacht, wie ınan biefem gros 
Gen phyſiſchen umd moralifchen Uebel abhelfen koͤnnte. Die Ar: 
mentagen wollten nicht helfen. Sie fliegen immerfort mit der 
Armuth. So war in England die Armentare nah und nad bie 
auf fieben Millionen Pf. Eterl. (beinahe 50,000,000 Thal.) ges 
fliegen, die man durch die neuere Reform auf drei Mi. Pf. St. 
berabzubringen hoffte; was aber body immer noch eine ungeheure 
Eumme waͤre. Auch duͤrft' es ſchwerlich ein angemeffenes Mittel 
zu jenem Zwecke ſein, wenn man alles erbliche Eigenthumsrecht 
aufheben und die Lebensguͤter nach dem ſchwankenden und daher 
dielem Widerſpruche von Seiten der Betheiligten ausgeſetzten Maß⸗ 
ſtabe der Faͤhigkeit und Wuͤrdigkeit jedes Einzelen vertheilen wollte; 
wie die Saint-Simoniſten vorgeſchlagen haben. S. Si⸗ 
mon. — Anlegung von Armencolonien wäre wohl das beſte 
Mirtet gegen die Armuth uͤbervoͤlkerter Staaten, wenn man nur 
End genug dazu rechtlicher Weife erwerben könnte. — Außer den 
8. 1. S. 2%. bereits angeführten Echriften über diefen Gegens 
Rand find hier noch folgende zu bemerten: Macfarland’s Un: 
terfuchungen über die Armuth, die Urfachen derfelben und die Mits 
tet, ihr abzjubelfen. Aus bem Engl. überfegt von Garve. Leip⸗ 
iz, 1755. 8. — Theorie der Armut. Von Kart Godefropy. 
Hamburg, 1834. 8. — Beiträge zur Theorie des Armenweſens, 
veranaſſt duch Godefroy's Theorie ber Armuth. Breslau, 
1834. 8. — Ueber Verarmung, Armengefege, Armenanitalten und 
mehgiondre Armencolonien. Vom Freih. v. Luͤttwitz. Breslau, 
15H. 3. — Kritit des Armenweſens. Bon 3. Hanfen. Al: 


104 Arm 


tona, 1834. 8. — Unterfuhungen über Bevölkerung, Arbeitslohn 
und Pauperism in ihrem gegenfeitigen Zufammenhange. Won Dr. 
Trdr. Schmidt. Leipzig, 1836. 8. — Wie ift Armut zu 
verhliten und dagegen allgemeiner Wohlſtand zu verbreiten? Auge 
burg, 1836. 8. (Nimmt vorzüglic auf Deutfchland Rue). _ 
Der Armen Reichthum. v. Dr. Jaspis. A. 2 Dresden, 
1836. 8. (Sol den Armen den „Weg zur Blüdfeligkeir” 
zeigen). — Staatswefen und Menſchendildung, umfaſſende Bes 
trachtungen über die jet allgemein zunehmende Armuth x. Won 
8. 9. Bodz Reymond. B. 1. und 2. Berlin, 1837. 8. 
Aud hat Dr. 3. P. Harl einen Entwurf eines rationalen und 
allgemeinen Armenverforgungsfpftems herausgegeben. — In einem 
chriſtlich⸗ philoſophiſchen Geifte iſt folgendes fehr umfaſſende Werk 
geſchrieben: Economie poliuque chretienne, ou recherches sur la 
mature et les causes du panperisme, et sur les moyens de le 
soulager et de le prövenir. Par Mr. le vicomte Alban de 
Villeneuve-Bargemont. Paris, 1835. 3 Bde. 8. (Arbeit 
und Barmherzigkeit, mit Verbannung des übertriebnen Lupus, find 
die vorgeſchlagnen Mittel, deren Anwendung jedody nur vom 
Willen der Reihen und der Armen felbft abhangt). — 

aber der Stifter des Chriſtenthums (Matth. 5, 3. und Luk. 6, 
20.) die Armen und befonders die Armen am Geiſte (nrwyor zo 
avevuarı) felig preift, weil das Himmelteich ihre fei: fo ift das 
wohl nicht buchftäblich zu nehmen, fondern nur als Xroft für bie, 
welche weder viel befigen noch viel wiffen, zu verftchen, damit fie 


ſich nicht als Verftoßene oder Enterbte im Haufe des himmlifcen 
Vaters betrachten, zugleich aber auch als Mahnung an die Befigens 
den und Wiffenden, ſich dieſes Vorzugs nicht au überheben und den 





Arnauld Art 105 


mit etwas Schwärmerei vermifht. Der Verf. heißt Seyfart und 
lebt in Goͤrlitz). 

Arnauld (Antoine). — Zufag: Er war das jüngfle von 
zwanzig Kindern des durch eine glänzende Vertheidigung der pas 
rifer Univerfität gegen den Angriff der SSefuiten berühmten Advoca⸗ 
sen Arnauld, feit 1643 Doctor ber Xheologie, und flüchtete 
1679 nad den Niederlanden, weil die Partei ber Sanfeniften, zu 
weicher ex gehörte, in Frankreich verfolgt wurde. 

Arnold von Billanova. — Zufag: Er ift nicht zu ver 
weich mit Arnold von Brescia, (einem Schüler Abaͤlard' 6) 
der wegen angebliher Ketzerei im 3. 1155 zu Rom verbrannt 


Arrafi (eigentlich) Atafı) f. Rhazes. 

Arria. — Zuſatz: Die in dieſem Artikel zuerſt erwaͤhnte 
Artia fol Diogenes Laert. (I, 47. X, 29.) angeredet has 
ben, ob er gleicy fie nicht beim Namen (Adosın) nennt. 

Arroganz. — Zuſatz: Da bei den Alten arrogare in ge 
willen Fällen an Kindes Statt annehmen bedeutet, fo bezeichnet 
aud das. davon abgeleitete Arrogation eine befondre Art ber 
Adoption. ©. d. W. 

Ars est imitatrix naturae — Die Kunft iſt Nachahme⸗ 
ein der Natur — ift ein Grundfag, ber ſchon bei Ariftoteles 
vorkommt, aber body nur im befchränkteren Sinne richtig iſt. S. 
Kunft, ſHoͤne Künfte und Nachahmung. 

Ars longa, vita brevis — Die Kunft ift lang, ba6 Leben 
kurz — ift ein Ausſpruch des Hippokrates, zunddft bezüglich 
auf die Ärztliche Kunft und Wiſſenſchaft — denn ars begreift hier 
beides — aber auch gültig in Bezug auf andre Künfte und Wiſ⸗ 
fenfchaften, da kein Menſch, wie lang’ er auch lebe, in irgend einer 
aus lernt. Um fo forgfältiger ift bie kurze Lebenszeit zu benugen, 
um etwas Tuͤchtiges auf dem Gebiete der Kunjt oder Wiſſenſchaft 

zu leiſten. 

Ars non producit substantiam — Die Kunſt bringt 
keine Eubftanz hervor — will fagen, daß die Kunft des Menſchen 
egentlih nur in der Bildung oder Umgeftaltung irgend eines ges 
gebnen Etoffes beftehe, der alfo fchon etwas Subftantiales iſt. 
Daher wird diefer Sag auch beftimmter fo ausgefprodhen: Arti- 
fieiale non est substantia, sed accidens. Denn die Form, 
melde die Kunft einem Stoffe giebt, ift nur eine zufällige Beſtim⸗ 
mung befjelben, wie die Korm ber Bildfüule in Bezug auf dem 
Slock, aus welchem fie gemacht iſt. Indeſſen fällt doch bie Bild: 
fäute, wenn fie einmal da ift, auch unter den Begriff des Sub» 
Kantialen, ba fie nun ein felbftindiges Dafein bat. S. Subflanz. 

Art. — Bufag: Artung bedeutet Bildung und Geftaltung 


mug ne it; deeer man auch ſprüchwoͤrtlich ſagt: Art laͤfft 
ai: zur Jrt. mem 204 Ergeugte gewoͤhnlich nach dem Erzeus 
yueiem me. Deadad fine man dafür auch Nahartung. Fin 
RE NE m mm xumen Falle nicht flatt, fo nennt man «6 
am Adaetu ag un? im doͤhern Grade eine Ausartung. 
Arcefact. — Zur: Die Alten fagten nicht artefactum, 
"ante arüiieim. ZDißer kommt aud das Beiwort artißeialis 
Ne fc artlieieses, kuͤnſtlich, kunſtreich. Wegen des Grunb⸗ 
"uget Ardlicele mum est substantia f. Ars non producit sub- 
3 
zticalzrien. — Bufag: Bei den Alten bedeutet articn- 
la Ns Anjegem neuer Knoten an Gemwäcfen, wodurch neue 
Jude un? Juripe al8 Gliederhen dee Gewaͤchte entfichn. Wird 
a ne Auedeuc auf die Sprache bezogen, fo muß vocis hinzus 
Wang werk, indem beim Sprechen die Stimme gleichfam ges 
viedeec ne Schreiben die Buchftaben ebendiefe Stimm⸗ 


Arrelatrie iſt ein aus apros, Brot, und Aurgera, Dienft, 
Werduug. mengehildetes Wort, um eine zu große Hinneigung zu 
Ru au Brotſtudien (f. d. W.) zu bezeichnen. Sm 
uw ac Same aber koͤnnte man e8 auch eine Artolatrie nen⸗ 
una, was a Otuͤckchen geweihtes Brot (tie die fogenannte Hoſtie, 
N Wemung, es fel der Mepräfentant eines göttlichen Leibes 
Su us com wirdlicher Theil deffelben, göttlich verehrt wird; wobei 
dx wideſiunige Vebre von einer SBrotverwandlung zum — 
wg S. Nransfubftantiation. Artomantie aber, auch 
weugediliet, bedeutet MWahrfagerel (navreıa) mit ‚Bit des rotes, 
wre var deſondre Art der Divination. ©. d, 



















Aukteriades 

iffe zum Grunde: Die Pfiofophie iſt eins wiffenfhafttice 
Baus Yeimcpin ae Befändigung übe N wigcafre 
Ageegemeite des gifigen Sehens, über Mabrhet, Rugenb, Rede 
und Schönheit, umd über die abfolute Begründung und Einheit 





Ewpitie bedingt 
wird: fo ik die Reitifche Methode des Ppilofophirene zu wählen, 
weiche von dem Thatſachen des Bewuſſtſeins ausgeht und aus ben 
im Bewuſſtſein ſich ankündigenden Gefegen, die fid in der Erfah⸗ 
cungeweit abipiegein, die Principien des MWahren, Guten, Rechten 
und Schoͤnen, und die abfolute Begründung und Einheit ber Weit 
ableitet. Es bieitt bei dieſem kritiſchen Verfahren der Dualismus 
dee Natur und des Geiftes unverändert fichen; allein in unferm 
Bewuiftfein kuͤndigt fi Die Verſchiedenheit der Natur und des 
Geiſtes als eine welentlihe Differenz der Weltweſen an und darf 
nicht durch metaphyſiſche Künftelei aufgehoben werden. Die Eins 
beit der Welt darf nicht In eine Identitaͤt, fondern muß in .eine 
Harmonie der Weltwefen gefegt werden. Won dem kantiſchen Kris 
lomus weicht A. befonders darin ab, daß als eine unexlafflide 
VBedingung alles Wiſſens und Glaubens, alles Bernunftiebens, 
eine uciprangliche Harmonie der Gefege des erkennenden Geiſtes 
und der ertennbaren Weltwefen, nicht eine aprioriſche Gonftruction 
odec Proiection der apriorifchen Formen des Geiftes in die empls 
riſche Welt angenommen wird. Durch diefe legtere Annahme 
wörde alle Erkenntniß der Wahrheit gefährdet. Die Wahrheit ift als 


ſeibidatlae Auffaffung und Bildung des unwillkuͤrlich gegebnen Er . 
Aennenläßoffes mir treuer Berudfichtigung feiner objectiven Verbaͤlt⸗ 





Aspaſia Aſſertoriſch 100 


lichkeit ausgezeichnet; von ihrer Philoſophie aber iſt nichts be⸗ 
kannt. Ob der ſpaͤterhin (B. 1. ©. 231.) erwähnte Asklepios 
von Tralles derfelben Nachkommenſchaft angehöre, weiß ich nicht. 
Auch ift er nur als Commentator des Ariftoteles bekannt. 


As paſia. — Zufag: Wenn der alte elegifche Dichter Her 
mefianar fagte, die Göttin der Liebe habe ſich an der firengen 
Weisheit des Sokrates dadurch rächen wollen, daß fie ihm eine 
glähende Leidenſchaft für jene Aspaſia einflößte, damit diefer ges 
priefene Weife, der die Wahrheit aus den verwideltften Sophismen 
zu enthuͤllen vermochte, ſich in den Srrgängen feines eignen Ders 
zens verlöre: fo war das wohl nur eine ſcherzhafte Fiction, da fonft 
kein glaubwürbiger alter Schriftftellee berichtet, daß ber attifche 
Weiſe in die berühmte Hetäre verliebt gewefen. Sokrates fuchte 
und benugte überall den Umgang mit gebildeten Denfchen zu feiner 
eiguen Bildung. Warum hätt’ er alfo nicht das Haus einer Frau 
beſuchen follen, die alles um fich verfammelte, was zu jener Zeit 
in Athen auf höhere Bildung Anfpruh machte, ohne nody andre 
Gunſtbezeigungen bei ihr zu ſuchen? — Uebrigens ift jene A. nicht 
mit einer andern zu verwechleln, die aus Phocaͤa in Jonien gebür- 
tig und bie Geliebte bes jungen Cyrus war, eigentlich aber 
Milto bie. 


Affecuration (von ad, zu, und securus — sine cura, 
forglos, ficher) bedeutet die Derficherung einer Perfon oder einer 
Sache, um einen Schaden von Jemanden abzuwenden oder aud) 
ihm einem Vortheil zuzumenden. Doch ift der legte immer nur 
ein indirecter, voiefern er aus der Abmendung des Schadens oder 
aus einer für gewiſſe Faͤlle zugeficherten Vergütung entfpringt. So 
werden Haͤuſer, Ediffe, Möbeln, Waaren, Feldfruͤchte, Vieh⸗ 
heerden, und ſogar Menſchenleben verſichert. Vereine, welche dar⸗ 
aus ein Gewerbe machen, heißen Affecuranz =: Gefellfchaften. 
Ob auch die bürgerlihe Gefellfchaft eine folhe fei, f. Staat. 
Assecurare, assecaranlia und assecuratio fommen bei den Alten 
nicht vor, weil die Sache felbft ihnen unbekannt geweſen zu fein 
Heint. , 

Affertorifh. — Zufag: Assertio bedeutet bei den Alten 
meift eine Behauptung in Bezug auf den NRechteftand eines Men⸗ 
den, daß er nämlidy entweder ein Freier oder ein Sklav fel. 
Ber daher Jemanden duch eine folhe Behauptung in der Stand 
emed Freien oder eines Haven zu verlegen fuchte oder auch wirk⸗ 
Lich verſetzte, hieß assertor ; und daher ſtammt zunaͤchſt assertorius, 
j. B. assertoria lis i. . lis de asserenda libertate vel servi- 
mie. — Wegen der Formel: Asserit A, negat E etc. (mo asse- 
rs afhrmat il) ſ. Urt heilsarten nebft uf. S. auch 3. zu Eid. 


110 At ¶ Affumtion 


affibnieät (von assidere, babei oder daran ſiten) bebeutet 
eigentlich die beharzliche Gegenwart bei einer Perfon, Sache oder 
Arbeit, dann Beharrlichkeit überhaupt, auch anhaltenden Fleiß 
©. beide Wörter. Wenn bei den Alten assidui (movon zunädk 
assidaitas abflammt) und proleiarii oder capite censi einander 
entgegengefegt werben: fo find unter jenen die Anfäffigen, Wohl⸗ 
habenden oder Reicheren zu verfichn. Darum haben manche Ep 
mologen assidaus ab assibus duendis ĩ. e. aere dando abgeleitet; 
was an he weit hergeholt und gezwungen iſt. Bei Affiduicät 
denkt man auch gar nicht mehr an jenen Unterſchied im Beſite. 

Affimilation. — Zufag: Statt assimilare und assimi- 
latio fagten bie Alten auch dssimulare und assimulatio, obwohl 
das Stammwort similis ift, wahrſcheinlich weil biefes von simml 
herkommt, indem Dinge, bie einander ähnlich find, etwas zus 
gleih an 

Affiftenz (von assistere, hinzutreten, beifichen) = Wels 
fand. S. d. W. Bei den Alten tommt ansistentia fo wenig 
vor als exsistentia, ungeachtet fie die Beitwörter assistere und ex- 
sisiere brauchen. 
Affociation. — Zufag: Ueber Affociationen als Beh 
nere oder größere gi ige Verbindungen, bie entweder gut und ev 
laubt ober auch 656 und unerlaubt fein koͤnnen, find befonders in 
Hinſicht auf unfre Zeit, wo der Affociations: Geift von allen Geb 
tem aufgeregt worden und das Affociationg: MWefen ober Unweſen ie 
übermäßigen Umſchwung gebracht bat, folgende Schriften zu been 
ten: Das Affociationss Recht der Staatsbürger in den deutfcen 
eonflitutfonalen Staaten, und die Lehre von dem Verbrechen uners 
taubter Verbindungen und Verfammlungen aus dem Standtpumc 





















112 Aſtrologie Aſyllogiſtie 


außfegungen ber Aſtrologen ober Sterndeuter. S. Aſtrologie und 
Chauddiſche Weipeit. 

Aftrologie und Aſtronomi Bufag: Jene wird auch, 
um fie von biefer genauer zu unterfceiden, asirologia jadiciaria 
genannt, nicht weil fie ein Gericht (judieiqm) zur Richtſchnut neh⸗ 
men follte, ſondern weil fie über kuͤnftige Dinge urtheilt (judieas 
de rebus futuris) obwohl ohne ſichern Grund; weshalb auch ein 
Gericht, das fie in irgend einer Beziehung zu Hüͤlfe riefe, ein 
ſehr falſches und ungerechted Urtheil fällen Lönnte. Dan hat aber 
jene trügliche Wiſſenſchaft oder Kunft felbft auf die Religion anges 
wandt. &o behauptete ein Aſtrolog des Mittelalter in einer umter 
dem Titel Ovidius de vetula befannt gemachten Schrift, daß bie 
verſchiednen Religionen ihren Urfprung der CGonjunction getoiffer 
Geſtirne verdankten, 3. B. die juͤdiſche der Gonjunction von Saturn 
und Jupiter, die‘chriftliche der Conjunction von Jupiter und Mars 
x. Wollte man übrigens Afteologie In der mörtlichen 
für Lehre von den Geftimen (Aoyog megı Twr anıpav) nehmen, 
ungeachtet man jegt dieſe erhabne Wiſſenſchaft Lieber Aftronomie 
nennt: fo müffte man flatt jenes Ausdruds Aftcomantie ober 
Aftromantit brauchen. S. Mantit. Aud kommt aufer auspo- 
Aoyıa und aorgovozua bei einigen griechiſchen Schriftftellern (zB. 
Diodorus Sic. und Sextus Emp.) wirklich aorpouarzeın unb 
aosgonauyzıı (scil. rexym vor. Aorgolurgea findet ſich bages 
gen nicht, wlewohl im Alterthume der Sterndienft oder die Vereh⸗ 
rung der Geſtirne als göttlicher Weſen mit der Sterndeuterei fehe 


natürlich, verbunden tar. . 





Aſyl. — Zufag: Diefes Wort leiten Einige nit von ov— 
Arm ab, fondern von ovgem, ziehen, reißen, fortſchleppen, als 
wenn das griechiſche Wort urſpruͤnglich nicht aovAor, fondern aoı- 


7 


Aſyſtaſie Atheismus 113 


Schluſſe oder Syllogismus, weil er den Regeln der Syllogiſtik 
widerftreite. S. Schluß. Darum hießen bei den Griechen falfche 
Schluͤſſe, fo mie auch überhaupt unzufammenhangende oder unge: 
seimte Reden, Aoyoı aovAdoyıoroı. Das Subſtantiv aavAdoyı- 
orıa kommt aber meines Willens in alten Schriften nicht vor. 

Afyflafie (von ovvıoruras, zuſammenſtellen, vereinigen, 
mit dem «a priv.) bedeutet den Mangel der Einheit, bee Uebereins 
ftimmung oder des Zufammenhangs, fomohl in Gedanken und Re 
den, als in Handlungen oder dußern Dingen, die ein harmoniſches 
Ganze ausmachen follten. Zeigt fi) alfo die Afyftafie beim 
Schließen, fo wird fie zur Aſyllogiſtie. S. den vorigen Art. 
Acıorasıa findet ſich ebenfo wie aovoruros, unzufammenhan- 
gend, unvereinbar, auch widerfprechend, bei den Alten. 

Ate (arm) bedeutet bie perfonificirte Unbefonnenheit ober Un: 
vorfichtigkeit als Quelle vieler Fehler oder Vergehungen, mithin auch 
vieler Unfälle oder Uebel als Ektrafen von jenen. Daher nennt 
Euripides in feiner Tragoͤdie Dreftes auch die Furien ober 
Rachegoͤttinnen aras. Oft ficht jedoch arr fchlechtweg, ohne allen 
Bezug auf Schuld und Strafe, für Nachtheil oder Schaden; was 
wohl auch die urfprüngliche Bedeutung ift. 

Atechnie (areyrın, von reyrn, die Kunft, mit dem « 
priv.) bedeutet eigentlich Runftlofigkeit, dann aber auch ſowohl im 
suten Einne Natuͤrlichkeit oder natürliche Einfalt, die ohne Ziererei 
oder Dinterlift handelt, als im boͤſen Ungeſchicklichkeit, besgleichen 
Umeiffenheit, weil diefe oft Urſache von jener iſt, und daher zeyvr 
bei den Griechen, wie ars bei den Luteinern, auch die Wiffenfchaft 
bedentet, indem jede Kunft als Praris auf einer gewiffen Theorie 
beruht, die in's Gebiet der Erkenntniß oder des Wiflens füllt. ©. 
Praris, auch Artis est ete. 

Athbanafie. — Zuſatz: Aus asavamıa und Aoyos hat 
man neuerlich das Wort Athanaſiologie gebildet, um die Un: 
Rerblihkeitslchre damit zu bezeichnen. Bei den Alten kommt 
jedoch adasanıor.o;ıa nicht vor, wohl aber udararıanos in ber 
Bedeutung einer Vergötterung oder Nerewigung, weil die Götter 
els unſterbliche und folglih auch als ewige Weſen (Ho uduraroı 
2a arwyıoı) gedacht wurden. 

Atbaumafie. — Zufig: Statt aderuuaın ſagten bie 
Atem auh udaruaorın,. Vergl. au Bewunderung _ 

Atheismu3. — Zuſatz: Für Atheismus fügt man auch 
Ärbeiiterei. Beide Wörter find aber von fpüterer Bildung. Die 
Atem ſagten nicht aseiauog, fondern adeorrs, von «useog, ohne 
Gert oder gottlos. Die Sache war ihnen alfo ebenfowenig fremd 
cs den Neuem. Daß man aber zu allın Zeiten fehr freigebig mit 
dem Veoerrurfe Des Atheismus geweſen, bemeifen die ungeheuren 

Krug’s encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bb.V. Suppi. 9 





114 Atheismus 


Veryeichniſſe von angeblichen Atheiſten in manchen Schriften, z. B. 
in Gisberti Voetii disput, de atheismo. T. I. disputt. se- 
leett. p. 116. Wurden body zur Zeit der Reformation Luther, 
Melanchthon, Awingli ımd Calvin fammt ihren Anhängern 
von ihren katholiſchen Gegnern des Atheismus beihufbige! Und 
noch ganz neuerlich that baffelbe ein katholiſcher Philofoph in Be— 
zug auf einen proteſtantiſchen. S. Biunde. Auch vergl. Arianiss 
mus. Immer hieß es, wenn man Jemanden recht kraͤftig, obs 
wohl [nicht rechtskräftig, verketzern wollte, wie fih in Goethe’6 
Fauſt (ZH. 2. Act 1.) des Kaifers Kanzler vernehmen laͤſſt: 

„Natur und Geiſt — fo fprist man nit zu Ghriften! 

„Deößalb verbrennt man Atheiten, 

„Weil ſoige Reden Höcft gefährlich find. 

Ratur in Sünde, Seit iR Teufel; 

Sle hegen zwifchen fih den Bweiftl, 

„She muögeßaltet. Zwitterkind,“ 


Auf der andern site ift aber auch nicht zu leugnen, daß ber 
Atheismus recht fanatifhe Freunde und Vertheidiger gefunden hat. 
So erzähle Wachler in feinen biographiſchen Auffägen (Mr. 3.) 
bag im I. 1798 ein ungläubiges Mitglied des Nationalinſtituts 
zu Paris den Bernardin de Saint: Pierre, als biefer ganp 
offen feinen veligiofen Glauben befannte, förmlich zum Bmeilampfe 
herausfoderte, um ihm mit dem Degen in ber Fauſt zu beweifen, « 
daß Bein Gott feiz wie früher in Spanien es ſehr vechtgläubige 
Mitter gab, bie gleichfalls in der Meinung ftanden, der Degm fi . 
das befte Beweismittel, und daher Jeden zum Zweikampfe heraud · a 
foberten, der nicht an die unverlegte Jungfrauſchaft der Gottesge g 
baͤrerin glauben wollte. Auch mag es wohl hin und wieder mande 
KenptosAtheiften gegeben haben. ©, Boulainvilliere ımd 


Athenienfiiche Philofophie Atweitt 115 
.Jenk, Thomasii historia philosophica atheismi. XAftdorf, 
03. 8. — Wegen ber Frage, ob ein Atheift auch ſchwoͤren 
ne oder befien Eid gültig fei, ſ. Eid, Zuf. 

Athenienfifhe Philofopbie f. attifche Philof. und 
iechiſche Philof. nebit Zuff. 

Athenodor. — Zuſatz: Der Jüngere dieſes Namens (mit 
m Beinamen Sananites) blieb nicht in Rom, fondern ging 
xh feinem Vaterlande zurüd, um welches er ſich auch in mehr 
6 einer Dinficht verdient gemacht haben foll. Ael. V. H. XII, 25. 

Athymie (aIvua, von Ivuos, Muth, Gemüth, mit 
m a priv.) bedeutet eigentlich Muthloſigkeit oder Seigheit, kann 
ww auch Gemütblofigkeit oder Ungemüthlichkeit bezeichnen. ©. 
kuth und Gemüth. — Hingegen Atimie (arımıa, von Tıur, 
e Ehre) bedeutet Ehrlofigkeit, auch Beſchimpfung oder Entehrung, 
(ih als Solge mit der Athymie leicht verbunden fein kann. 
.„ Ehre 

Atom. — Zufag: Die Atomen in ber zweiten Bedeutung 
efen bei ben griehifchen Philofophen auch owuara adımıera, 
ETOTaTO, AETTOUENEOTATO, GUIXOOTATA, 

Atomifik. — Zuſatz: Statt Atomiftit ſagt man aud) 
tomiftifhe Phyſik oder Philoſophie, wiewohl aromorıxr 
&er allein noch in Verbindung mit guoxn oder QeAovogım bei 
m Alten vorfommt. | 

Atonie. — Zuſatz: Bei den Alten bedeutet arovın auch 
Indgheit, ſelbſt dann, wenn fie nicht gerade als Folge von Erſchlaf⸗ 
mg oder Abfpannung betrachtet wird; was fie freilich) in den meis 
ka Sillen ill. Auch vergleihe Kethargie. 

Atopie (aromıc, von zunos, Ort oder Raum, mit dem « 
Pr.) bedeutet eigentlich Unörtlichkeit oder Unräumlichkeit, dann aber 
eh Unihidiicykeit oder Ungereimtheit. Daher atopifh — unfdid: 
&, ungereimt. Bei den Alten bedeutet zo aronov aud) das Un: 
fetbalicye und Ungehörige, weil biefes oft als unſchicklich oder 
Berrimt erfcheint, viclleicht aber audy darum, weil es gleichſam 
bar rechten Ort oder fchidlihen Platz in der eingeführten Ord⸗ 
ma; der Dinge findet. Und cbenfo wird arom« zumeilen von 
fe Ungemepnlichtsit oder Ungehoͤrigkeit gewiſſer Erſcheinungen oder 
sen gebraucht. 

Atrekie f. Akribie, Zuf. 

Atrocität (atrocitas, von atrox, ocis, eigentlich roh oder 

oht, dann hart, unbiegfam, trogig, auch graufam, ſchrecklich, 
2 wird bald im mildern bald im ſtrengern Sinne genom⸗ 

In jenem kann es fogar etwas Gutes oder Adytungsmerthes 

; mie wenn Horaz (od. I, 1.) fagt, alles ſei im Buͤr⸗ 

Didese der Römer vom Cäfar befiegt worden prurter atrocem 
8 « 


\ 


16 Im Auferſtehung der Todten 


sumum Commie. Dres bier bedeutet atrox animus offenba 
Fer Eimr. 2 dark feine Äußere Gewalt gebeugt werden 
zum, Ir Eicher mad feiner geichmeidigen Denkart darin 
gie Fire ader Untisizmkeit des ſtoiſchen Charakters finden ı 
meh Armee wor Werte Überfegt: „außer des trogender 
Sm“ Ix der Hard ader verſteht man unter Attdcität e 
zur Scmiumte: zcheade. daber Schred und Entfegen ertegende 
me Te ung dei enden eder verwilderten Menſchen gefunden 
tceee (Catil. IV, 6.) fagt: Non atrocitate 
. tat (Catil. c. 22.) von der atrocitate a 
Tee Em Tide Imweitit kann alſo weder die ſtoiſch 
amd zug unter Präcierdie billigen, weil fie an Brutalität 
am drder der Pummitit durchaus widerſtreitet. 
Arteztat — Zuſed: Alteniatum als Subſtantiv 

a Im Lime wüßte vor, wedl aber altentatio, die Angreifun 

Irrifde Pdiloſophie. — Zufag: Vergl. aud 
Fac Pritet ment Zur, und die Schrift: in 
Aug ur ir Aal. nedſt Uederblicken über die Literatur, diı 
arirene. amt des dürgerlihe und gefellige Leben des athenie 
Wk Ta 2 Vulmwer. Uiber, von Dr. Guſt. P 


SANS 
: Hier wiederholt fi die Bem 
Is Lokig Attentat. Denn attributum als Eubftantiv kom 
Ar Yan wide der, während attributio, die Beilegung od 
. punhe mein, 

Leydie — Zu— Frexta bedeutet bei den Alteı 
om GWeedeoden ehe eine Schandthat, meil fie eine ſolche er} 
ur eis Unyiädf bettachteten, das mit Schuld und | 

n 5b Plieitcine 1a. fi ie Qnı. ı 








& 






Aufgabe 117 


höheren Leibes haben konnte, gar nicht anwendbar if. Über follen 
wma bie fpäater Sterbenden in dieſer Dinfiht ein befondres Pri⸗ 
wesium vor den früher Sterbenden befommen? Wer foll aber 
deu die Gränzicheide zwiſchen ben SPrivilegirten und den Ues 
beigen aichn? — Andre haben dagegen die Spppothefe von der 
Geelenwanderung (ſ. d. W. n. 3.) benugt, um die Sache begreifs 
über zu machen. Das heißt aber wieder nur, eine Hypotheſe durch 
Die andre rechtfertigen wollen. Und fomit fällt auch Die Unterſchei⸗ 
bung einer erften und zweiten Auferftehung (jener am dritten, 
Zase nad) dem Tode des Welterlöfers, wo bereits einige Verſtorbne 
mt dem Erloͤſer aus ihren Gräbern lebendig hervorgegangen fein, 
Diefer beim künftigen Ende der Welt, wo auch die Webrigen gleiches 
kees haben follen) als völlig grundlos über den Haufen. Vergl. 
Btrauß’s Leben Jeſu. B. 2. ©. 19. X. 1. — Sm morali: 
en Einme endlich verfieht man unter Auferſtehung bee Todten 
nichts andres, als bie ſittliche Beſſerung, indem durch diefe 
ichſam der geiftig Zodte zu einem neuen und beffern (fittlichguten) 
erweckt werde. S. Belehrung. Das tif aud in der That 
vernimftigfte Anfiht, die man von der Sache faflen kann. 
Dean phoſiſch verftanden ift die Wiederbelebung eines organifchen 
Kirpers, welcher duch Zerftüdelung oder Faͤulniß vollig zerſtoͤrt 
meden, kaum denkbar. Auch pafit hierauf die Vergleichung mit 
in einen Schmetterling verronndelten Raupe gar nicht, weil die 
4 einfpinnende Raupe nicht ſtirbt, fondern ihr organifches Leben 
Intfegt, wenn fie aber als Larve ftürbe, auch nicht als Schmetter: 
auskriechen wuͤrde. 

Aufgabe. — Zuſatz: Eine Aufgabe heißt beſtimmt (pro- 
NMua determinatum) wenn fie alles enthält, was. zur Aufloͤſung 
mfderlichh it; im Gegenfalle un beſtimmt (pr. indeterminatum) 
—— gefragt würde, wie viel Arbeiter zur Ausführung eines 

twurfs nöthig feien, ohne Angabe der Zeit, innerhalb welcher 

‚Is Gebäude fertig fein fol. Es iſt alfo dann auch feine beftimmte 
ert meglih, wenn man nicht das Fehlende wenigſtens hypo⸗ 
Kid ergaͤnzt. — Bei den alten Philoſophen (inſonderheit Plato) 
we auch eine delifche Aufgabe (pr. deliacum) haufig erwähnt. 
Fi bitte ihren Namen von der Inſel Delos, deren Bewohnern 
Lrakel auf die Stage, was fie thun follten, um von der Peſt 
zu werden, zur Antwort gegeben haben fol, fie möchten 
m (mie gewoͤhnlich, würfelformigen) Altar verdoppeln, mithin 
Burfet machen, der noch einmal fo groß wäre, als ein ge- 
. Das mar alfo keine philofopkifche, fondern eine mathema⸗ 
Aufgabe, die nah Anleitung der Geometrie nur mittels Aufs 
zn; zweier mittleren Proportionallinien zwiſchen zwei gegebnen auf 
in werden konnte. Plato meinte daher, das Orakel habe den 













118 Xufgeblafenfit Auflagen 


Deliera eigentlich, zu verftchn geben wollen, dab fie Math 
fairen oder überhaupt etwas lernen und dadurch aus in 
fammten Zuſtand verbeffeen möchten. Cine Akademie der 
ſcheften (miren dergleichen Inſtitute ſchon vorhanden en) 
alſo wohl aus jener Aufgabe des Drakels eine Preisfrag: 
chen koͤnnen, ba in unſter Zeit manche noch leichtere unb un 
temdere aufgeſtellt worden. 

Aufgeblaſenheit iſt ein bildlicher Ausbrud, der eine 
Eitelkeit und Hochmuth zufammengefegten ſittlichen Fehler a 
Bir naͤmlich eine Blafe, die mit Luft angefüllt (aufgeblafen) 
fih nad) allen Seiten ausbehnt, ohne doch außer jener Luft 
innern Gehalt zu haben: fo giebt es auch Menſchen, bie fid 
und breit machen und Andre Über die Ächſel anfehn, 
von Bedeutung zu fein oder etwas Tuͤchtiges zu leiften. 
portömmlinge (les parvenus) find gewöhnlich fo aufgeblafen, 
dem Spruche: 

Asperias nIhll est humfli, quum surgit in altem, 


Leider bat es aber auch aufgeblafene Philofophen gegeben, us 
tet die Liebe zur Weisheit gerade am meiften vor biefem 
wahren follte. Die Alten beſchuldigten deſſelben vornehmli 
Soppiften ©. d. W. 

Auffiärung. — Bufag: Kant’s Abhandlung üb 
Frage: Was ift Aufltärung? erſchlen auch mit Anmerkunge 
einem katholiſchen Geiſtlichen, der ſich aber nicht ge 
hat, zu Leipzig, 1831. 8. — Zu bemerken find noch in diefi 
siehung Greiling’s Seen zu einer Tünftigen Theorie bes 
meinen praktifchen Aufklärung. Leipz. 1795. 8. 





Aufmerkſamkeit Aufwand 119 


ſezt. Wenn man aber ein ſchon gedrucktes Werk, das nicht abge⸗ 
gangen, bloß mit einem neuen Titel oder hoͤchſtens auch mit einer 
neuen Vorrede ausſtattet und es nun als neue Auflage ober Aus⸗ 
gabe wieder ausbietet, um neue Käufer anzuloden: fo ift dieß eine 
offenbare Betrügersi, deren rechtliche Schriftſteller und Buchhändler 
fih ſchaͤmen follten. Auch Eönnten fie wohl deshalb von Jedem, 
den fie durch diefen niedrigen Kunftgriff betrogen haben, gerichtlich 
in Anſpruch genommen werden, wenngleich das pofitive Geſetz bers 
gleichen Kniffe nicht ausdrüdlicdh verboten und mit Strafen bedroht 
bie Denn es verficht ſich ja von felbft, daß folder Betrug ſchon 
an fi durd das Mechtsgefeg der Vernunft verboten if. Eines 
pofitiven Verbotes bedurft’ es alfo eigentlich nicht. Doc, könne’ es 
auch wicht fchaden, wenn man zur Vermeidung aller Ausflüchte und 
Winkelzüge noch ein folches erließe. 

Aufmerkſamkeit. — Zufag: Die Aufmerkſamkeit durch 
äußere Reizmittel erhalten zu voollen, iſt eben fo gefährlidh, ale 
wenn man dergleichen Mittel zur Staͤrkung des Gedädhtniffes ober 
jur Belebung der Cinbildungstraft anwendet. S. Hilliger's 
disput, de subsidiis attentionis merito et falso suspechis. Witten: 
berg, 1723. 4. 

QAufregend oder aufreigend f. anregen, 

Aufrichtigkeit. — Bufag: Die Aufrichtigkeit gegen 
fi ſelbſt, obne welche auh keine Aufrichtigkleit gegen 
Andre fistefinden kann, ift ber Selbtäufhung oder dem 
Selbbetrug entgegengefest. ©. d. W. und Treuer's disput, 
de sinceritate erga se ıpsum. Leipzig, 1707. 4. 

Aufrubr. — Zuſatz: Cine gewöhnliche Urfache bes Aufs 
ruhrs iſt nach Arifloteles in feiner Politik die, daß die Kleine: 
un gern Gleiche und die leihen gern Größere merden wollen. 
Daber findet man den Aufruhr in demokratifchen Staaten eben fo 
baung, ja noch häufiger, als in autofratifchen. Vergl. auh Re: 
bellien. 

Aufſage f. Abfage, 

Aufmwallung, im pfocdhologifhen inne, ift ein bildlicher 
Anstrud, hersenommen vom fiedenden Maffer, zur Bezeichnung 
einer zwar heftigen, aber buld vorübergehenden Gemüthsbewegung, 
, B. des Jahzornes. Man befafft fie daher auch unter dem Xitel 
dere Affecıen. S. d. W. 

Aufwand bedeutet eigentlich alles, was man zur Erreichung 
geriſſer Zwecke, inſonderheit zur Befriedigung gewiſſer Beduͤrfniſſe 
derbraucht (aufwendet). Da dieſe Beduͤrfniſſe theils natuͤrliche 
theils erkuͤnſtelte fein koͤnnen, letztere aber in der Regel mehr ale 
erſtere zu ibrer Befriedigung fodern: ſo denkt man vorzuͤglich an er⸗ 
künſtelte Bedurfniſſe, wenn man ſagt, daß Jemand viel Aufwand 





120 . Auge Augenſchein 


made. Daher iſt dieſer Aufwand ein Kind bes Lurus. ©. d. 
W. Indeſſen kann auch die gefellfhaftlihe Stellung eines Mens 
ſchen und der zur würdigen Vehauptung derfelben nothwendige Ans 
fland einen hoͤhern Aufwand fodern. Diefer heißt alsdann ein 
fandesmähiger Aufwand und unterliegt als folder keinem 
Zadel, weil das Anfehn und die Wirkfamkeit leiden würde, wenn 
man folchen Aufwand nicht machen wollte, Nur darf er nie in 
Verſchwendung ausarten. ©. d. W. Wegen des Gefeges 
des kleinften Kraftaufwandes ift das legte Wort zu vers 
gleichen. 

Auge. — Bufag: Diefes Wort betrachten Einige als ſtamm⸗ 
verwandt mit dem griechiſchen auyn, das nicht nur Glanz, Licht, 
Strahl, fondern audy das Auge felbft bedeutet, und von den Ety— 
mologen wieder von aeıv ober averv, glänzen, ſtrahlen, abgeleitet wird; 
wovon auch awg oder 7wg und aurora herfommen follm. Andre 
Sprachforſcher aber wollen jenes Wort lieber von der Wurzel uk 
ober ug — offen ableiten. Nach biefer Ableitung wäre alfo bas 
Auge gleichfam die Deffnung, durch welche die Seele nach außen 
ſchaute und ihr Inneres felbft wieder Andern zu fhauen gäbe. 
Darum wird es auch von der Phyſiognomik vorzüglich beachtet, ins 
dem 53. B. Dummheit oder Gemüthlofigteit ſich gewöhnlich burdy 
einen ſtieren, matten, ausbrudiofen Blick des Auges offenbart. 
Ebenfo verrathen ſich Haß, Liebe, Bucht, Zorn, Neid, Schreck, 
Verzweiflung ic. ſchon durch diefes eine, rundlihe, aus Häuten, 
Feuchtigkeiten, Muskeln und Merven auf eine höcft wunderbare 
Weife zufammengefegte Organ, wenn aud der Menſch, der von 


ſolchen Affecten oder Leidenſchaften erregt wäre, fo viel Gewalt Über 
die andern Theile feines Körpers hätte, daß er fie wenig ober gar 
2 Gebszbsnfung a 


Augurien Auguftin 121 


trugen kann (3. B. in Anfehung ber Sonnenbewegung): fo gelangt 
man duch das bloße in Augenfchein nehmen oder beaugenfcheinigen 
noch nicht zur Erkenntniß der Wahrheit. In der Philofophie gilt 
daher die Berufung auf den Augenfhein nichts; wie in der Mathe: 
matik bie Abſchaͤtung einer Groͤße nach dem bloßen Augenmaße 
(was auch eine Art des Augenſcheins iſt) kein Theorem begründen 
und kein Problem aufloͤſen kann. 

Augurien oder Aufpicien (auguria 1. auspicia, von 
augur und auspex, ein Wahr: oder Weißager mittels dee Vögel) 
gehören in das weite Gebiet der Mantik oder Divination, wiefern 
diefelbe Ornithomantik ober divinatio ex avibus if, indem man im 
Alterthume auch den Klug und Gefang, ja felbft das Freflen oder 
Nichtfreſſen und die‘ Art des Freſſens der Vögel als Anzeichen ber 
Zußunft betrachtete; aber nicht bloß in Anfehung des Witterungs⸗ 
wechſels, von welchem die Vögel allerdings gleich vielen andern 
Zhieren eine inflinctartige Vorempfindung haben, fondern auch in 
Anfehung andrer Begebenheiten, felbft folcher, welche Staaten und 
Völker betreffen. Daher bemaͤchtigte ſich allmählich die trügerifche 
Potisit jener Augurien, um das Volk nad dem Willen feiner Fuͤh⸗ 

zu beilimmem. Co alt aber auch der Glaube daran ift, fo war 
er er doch ſchon zu Cicero’8 Zeiten fo geſunken, daß kein römifcher 
Augur den andern ohne Lachen mehr anfehen konnte. Berg. Dis 
vination m. 3. Vom erften Worte kommt auch her auguriren 
(augurare 8. ri) wahrſagen, desgleichen vermuthen, weil bie mei: 
fen Wahrfagungen auf VBermuthungen beruhen, und inauguriren 
(inaugurare) einmeihen, weil früher bei folhen Weihungen die 
Gitter durch die heiligen Wögel gleihlam befragt wurden, ob fie 
fe Suche genchmigten oder nicht. Davon haben dann wieder bie 
beutigen Inaugural- oder Snaugurations = Keierlich: 
keiten befonder® bei alademifchen Doctor: Promotionen, wo Die: 
putationen und Orationen an der Tagesordnung find, ihren Namen, 
ungeachtet jegt Fein Menſch mehr dabei der Wägel gedenkt, es 
müſſten denn gebratene beim nachfolgenden Schmauſe fein. 
« Auguftin. — Zuſatz: Seine Confessiones find kuͤrzlich in 
ner nad) Mandfchriften verbefferten Ausgabe von Karl Derm. 
Bruder (Leipz. 1837. 16. ftereot.) erfhienen. — Wegen A.'s 
Lebte von dee Gnadenwahl oder Prädeftinazion, nach welcher Gott 
beliebig Einige zur Seligkeit, Andre zur Verdammniß vorherbeſtimmt 
hat, ſo daß jene ſelig, dieſe verdammt werden muͤſſen, ſelbſt wenn 
ſie als Kinder geſtorben wären, vergl. auch bie Schrift von Wig: 
gers: Verſuch einer pragmatifchen Daritelung des Auguftinismus 
and Pelagianismus ꝛc. Hamb. 1821—33. 2 Thle. 8. — Wir 
A. über die Zeit philoſophirte, zeigt inſonderheit folgende Schrift: 
Anr. Augustini doctiina de tempore ex libris Xl coniess. 





122 Ausartung Ausdehnungskraft 


depromia, Aristotelicae, Kaptianae, aliarumque theoriarum re- 
eensione aucia et congruis hodiernae [i. e. Hegelianae] philo- 

sophiae ideis amplificata, Auct. C. Fortlage. Heldell 1836. 
Pi Nach dem Verf. fol A. über die Zeit wahrer als alle biäherks 
gen Philofophen gefprochen und folgende Anfiht vom ihe gehabe 
haben: Im Schema ber Zeit muß enthalten liegen bie Formel für 
das Verhaͤltniß, worin die productive Phantafie des intelligenter 
Subjectes im menſchlichen Bewuſſtſein zur gegebnen Realität ber 
indioidualen Obiecte in der Wahrnehmung fteht. Das würde jes 
doch X. ſchwerlich verftehn, wenn man «6 ihm wiederfagen koͤnnte. 
Meberhaupt konnte dieſer ſonſt allerdings feharffinnige Kirchenvater 
nad) feinem Grtundſatze: Major est scriptürae auctoritas, qaam 
omnis humani ingenii capacitas, nicht unbefangen -philofophiren; 
weshalb er auch das Dafein von Antipoden leugnete, indem er 
meinte, diefe önnten dann nicht von Adam abflammen, von weis 
dem doch die Schrift alle Menſchen auf der Erde abſtammen ließe. 
Diefelbe Schrift Läfft aber auch die Sonne auf Befehl bes ifcaes 
Heiden Heerfuͤhrers Jo ſua in ihrem Laufe um die Erde fill 
flehen, ungeachtet die Sonne. bekanntlich gar nit um bie Erde 
läuft. Hier hat die Schrift doch offenbar nicht nur feine größere 
Autorität, als der menſchliche Geift, fondern überhaupt gar keine, 
weit fie fein fpeculntives Lehrbuch if. Ueberdieß blieb A. ſich nicht 
einmal In Anfehung dieſes Punctes treu. Denn in bee Schrift 
de natura et gratia (cap. 19.) fagt er ausdruͤclich: Nem omne, 
quod legimus [scil. in S. S.] credere nos debere, et adatruere 
aliquid etiam, quod non legimus, nefas non esse. Das if als 





lerdings fehr richtig, ſtimmt aber nur nicht mit dem Obigen. — 
BVergl, auch die Formel: Credo, quia absurdunm 


Ausdrud Außlegung 123 


oberung. — Wegen der ausbehnenden oder ertenfiven Erklärung 
einer Rede ober Schrift f. Auslegung n. 3. 

Ausdrud. — Zuſatz: Das lateiniſche expressio bedeutet 
eigentlich nur die Handlung des Ausdruͤckens ober Auspreſſens; das 
franzöfifhe expression aber wird auch im bildlihen Sinne genom⸗ 
men. Und baher kommt es wohl, daß man auch im Deutfchen 
erpreffiv für ausdrudvott fagt. 

Ausgaben und Einnahmen f. Finanzwiffenfhaft 
und Detonomik.- Auch vergl. Auflagen. " 

Ausdgedinge f. Auszug, Zuf. 

Ausgezeichnet heißt, was ſich vor andern Perfonen ober 
Sachen merklich hervorthut, fie in irgend einer Hinſicht bedeutend 
übertrifft. Diefe Auszeihnung kann nicht blog im Guten, 
fondern audy im Böfen fattfinden. Daher fpriht man nicht bloß 
von ausgezeichneten Philofophen, Theologen, Künftlern, Helden ıc., 
fendern auch von ausgezeichneten Verbrechern und Verbtechen. 

Auslänberei f. Erotitomanie, Zuf. 

Auslegung. — Zufag: Die grammatiſch⸗hiſtoriſche 
obere doctrinale Auslegung heißt aud mit Recht die Logifche, 
weil fie die Denkgefege, welche die Logik entwidelt, zur Richtſchnur 
zu nehmen bat, da man vorausfegen muß, daß jeder vernünftig 
Medende und Echreibendbe jene Geſetze werde befolgt haben. Kreis 
lich trifft dieß nicht allemal zu; denn es giebt auch unvernünftig 
Mebdende und Schreibende. Aber die Präfumtion gilt doch immer 
fo fange, bis das Gegentheil erwiefen if. Manche unterfcheiden 
auch noch die grammatifche und bie Logifche Auslegung fo, 
daß fene bloß den buchftäblihen oder Wortfinn, diefe hingegen ben 
eigentlichen oder geiftigen Einn des Urhebers der Werte zu erklaͤ⸗ 
ven babe. Legteres ift aber doch durch Erfteres bedingt, wenn nicht 
dem Urheber ber Worte ein fremdartiger Sinn aufgedrungen wer⸗ 
den fol. — Die Unterfcheidung der Worte oder Verbal: und 
dee Sach⸗ oder Real: Auslegung kann wohl zugelaffen wer⸗ 
den, indem die Ieptere die zum Verſtaͤndniſſe noͤthigen Notizen 
(biftorifche, geographifche, phyſikaliſche ꝛc.) mittheilt. Doc waͤr' es 
beſſer, wenn man jene allein Auslegung, diefe hingegen vors 
zugsmweife Erklärung nennt. S. d. W. — Wenn man bie 
ufuale der doctrinalen Auslegung entgegenfeat: fo verfteht 
man unter der erften die durch Gebrauch oder Gewohnheit (per 
ssum s. consnetadinem) angenommene — wie die Auslegung der 
Bibel in der Eatholifchen Kirche nad) der fogenannten Vulgate; 
weshalb man fie auch felbft die kirchliche A. nennt — unter der 
zweiten aber die durch gelehrte Kennmiffe und folglich auch durch 
Logifche Regeln (per doctrinam s. logicam) beftimmte. Jene aber 
kann für" ſich niche gelten, fondern nur wenn umd wiefern fie mit 


124 Auslieferung 


dieſer einftimmt. — Wenn man ferner die beclarative, bie 
ertenfive und bie veftrictive Auslegung unterfcheidet: fo iſt 
nur bie erſte im eigentlichen Sinne Auslegung, indem fie eben den 
Sinn einer Rebe oder Schrift wirklich erklaͤrt (declarat). Das 
bei kann es aber wohl geſchehen, daß eine Erweiterung (exten- 
sio) oder eine Beſchraͤnkung (restrictio) hinzugedaht werben 
muß, wenn man den Sinn ganz ober volftändig auffaſſen will, 
auch nach der Abfiche oder im Geifte deifen, der die Worte brauchte, 
weil er ſich vielleicht zu kurz und unbeftimmt ausgebrüdt hat. Denn 
das heißt eben beim Auslegen niht am Buchſtaben leben, ſon⸗ 
dern den Geiſt, der nicht immer offen ausgeſprochen, fonbern zus 
weiten bloß angedeutet, wo nicht gar abfichtlih verhält iſt, erfors 
ſchen und darlegen. Sonft wird das Implicirte nicht gehörig erplis 
dir. Aber freilih muß man fi auch dann in Acht nehmen, daß 
man nicht durch zu große Erweiterung oder zu enge Beſchraͤnkung 
den Sinn des Auszulegenden verfälfhe; wie es fo häufig bei ber 
fogenannten Accommodation gefhieht. ©. d. W. Die von 
Mandyen angenommene analogifhe Auslegung (interpretatio 
secandum analogiam) beruht auf Vergleichung ähnlicher ober ana⸗ 
loger Stellen, ift aber oft unfiher. S. Analogie nebft Zuf. 
Auslieferung kann in Bezug auf Sachen ſowohl als 
Derfonen flattfinden. In der erften Beziehung iſt man zur 
Auslieferung verbunden, wenn ber, welcher fie fodert, einen recht⸗ 
lichen Anfprudy auf bie auszuliefernde Sache hat, z. B. wenn Je— 
mand ein anvertrauted Gut, eine verlorne oder geflohlne Sache, 
die fein Eigenthum war, zurüdfoder. In dee zweiten Bezle 
hung kommt befonder6 bei Flüchtlingen von einem Staatögebiet auf 
DaB andre die Frage wegen deren Austieferung in Erwägung. Has 





Aufpicien Ausſoͤhnungsrech 125 


weil Menſchen nicht ale eenhümtich Sachen betrachtet und bes 
handelt werden dürfen. S. Sklaverei 

Aufpicien f. Augurien. 

Ausfagewort f. Zeitwort. 

Ausfhliegung. — Zuſatz: Wegen des logifchen Grund» 
Tages der Ausſchließung vergl. Herbart's dissert. de prin- 
cipio logico exclusi medii inter contradictoria non negligendo. 
Göttingen, 1833. 8. — Wenn von einem Ausſchließungs⸗ 
Spfleme die Rede iR, fo nimmt man ben Ausbrud im politis 
ſchen Sinne, wenn 3. B. gewiſſe Perfonen ober Stände von dem 
Genuſſe gewiſſer Rechte, ber Verwaltung gewiſſer Aeinter, der Bes 
treibung gewiſſer Geſchaͤfte oder Gewerbe ausgeſchloſſen ſind; was 
allerdings der rechtlichen Gleichheit aller Bürger widerſtreitet. In 
mercantiliſcher Hinſicht bezieht man jenen Ausdruck auch auf die 
Ausſchließung gewiſſer Waaren vom allgemeinen Handelsverkehre 
durch Verbote, hohe Zölle, Privilegien, Monopole ıc. wodurch bie 
Dandelsfreiheit zu fehr befchräntt wird. ©. d. W. 

Ausfchreitung heißt verſtaͤrkt auch Ausſchweifung. 
©. d. W. nebſt Exceß und Ertravagan;. 

Außerebelich. — Zuſatz: Außerehelich erzeugte Kinder 
werden auch uneheliche oder ungeſetzliche (illegitime) genannt, 
weil fie gleichſam außer dem Geſetze zum Daſein gelangt find, da 
Ehe urfprünglidy ebenfoviel als Gefeg oder Vertrag bedeutete. Wenn 
fie jedody einmal bafind, fo fliehen fie auch, wie jedes andre Kinb, 
umter dem Schuge des Geſetzes. Cs ift daher der Kindermorb im⸗ 
mer zu beftrafen, er mag an legitimen ober illegitimen Kindern 
verübt werden. ©. Kindermord. 

Außernatürlich (praeternaturale) heißt bald foviel als 
übernatürlich (supernaturale) bald fo viel ald außerordent⸗ 
Lich (extraordinarium) bald auch foviel als außerweltlich (ex- 
tramuendanum). ©, dicfe 3 Ausdrüde. 

Außerräumlich und außerzeitlich heißt ſoviel al® un: 
finnlidy oder überfinnlih, wie räumlich und zeitlich foviel ale 
finnlih, weil Raum und Zeit (f. d. Art.) die formalen Be: 
dingungen alles befjen find, mas von unfern Einnen wahrgenom⸗ 
men (angeſchaut oder empfunden) und durch ſolche Wahrnehmuns 
gen erkannt wird. Zuweilen fichen jene Ausdrüde auch für au: 
ferweltlich. S. d. W. 

Ausſetzen. — Zuſatz: Dieſes Wort bedeutet auch zuweilen 
foviet als aufſchieben oder unterbrechen. Daher ſteht unausge⸗ 
ſetzt auch für ſtetig (continuo), ©. Stetigkeit. | 

Ausföhnungsredt hat Seder, der mit einem Andern in 
feindlichen Verhaͤltniſſen ſteht, und gleicherweife die Verbindlichkeit, 
dieſe Verhaͤltniſſe zu befeitigen, ald Ausföhnungspfliht Die 


128 Aus ſpannungskraſt Auszug 


Ausübung berfelben kann aber doch nicht erz , fondern mug 
dem guten Willen eines Jeden überlaffen m me Verföhns 
lich keit. Dritte Perfonen haben wohl auch Recht und Pflicht, 
zut Ausſoͤhnung zweier Andern beizutragen, wenn es die Stellung 
jener zu dieſen und andre Umſtaͤnde geſtatten. Ob dieß aber ber 
Fall ſei, hangt ganz von ihrem Ermeſſen ab, weil es eine gar 
ſchwierige Aufgabe iſt, Feinde mit einander zu verſoͤhnen. Zur 
glüctichen Löfung derſelben gehört nicht bloß guter Wille, ſondern 
auch Menfcenkenntnig und Klugheit. Wem alfo Biefe —e— 
ten mangeln, der miſche ſich lieber nicht in ein fo kitzliches Ges 
ſchaͤft, damit er nicht übel ärger mache. 

Ausfpannungsfraft (vis expansiva) f. Ausdeps 
nungskraft und Elafticität.’ 

Aufterität. — Zufag: Ansteritas bedeutet im eigentlichen 

Sinne die Herde des Geſchmacks von fäuerlihen, den Mund zu 
fammenziehenden Säften, wie fie z. B. im unteifen Obfte fi fins 
den, unelgentlich oder bildlich aber ein zu firenges, ernfthaftes oder 
unfreundliches Wefen. Daher nennt man aud) wohl einen Mens 
ſchen, an dem man es wahrnimmt, einen Sauertopf. 
Audfteuer f. Dotation und Mitgabe. 
Ausübung ift die Anwendung deſſen, was bie Theorie 
lehrt, auf das Leben oder die Verwirklichung deſſelben im Leben; 
mozu oft eine befondre Geſchicklichteit gehört. Sie fällt daher der 
Praxis zu S. d. W. 

Auswanderung. — Zufag: Auswanderungsgebür 

35 emigrationis) ijt ebendaſſelbe, was man ſonſt auch Ab⸗ 

choß nennt. S. d. W. nebſt Zuſ. — Uebrigens verſteht es ſich 
von ſelbſt, daß der, welcher auswandern wid, ‚Junoe alle ruͤckſtaͤn⸗ 
dige Leiftungen zu erfüllen ü 









Kutagathie Autobulie 127 


if, auch das Ausgebinge, den Altentheil ober bie Leib⸗ 
zucht; umd es findet ein folder Vertrag am bäufigften zwiſchen 
Eltem und Kindern flatt, wenn jene ihe Befisthum diefen übers 
geben und fich dabei ausbedingen, was fie zur Befriedigung ihrer 
Lebensbedurfniſſe nöthig zu haben glauben, als Wohnung, Klei- 
bung, Nahrung, Ed x. Dft kommt es aber zu fehr heftigen 
Streitigkeiten daruͤber oder zu langwierigen und Eoftfpieligen Aus⸗ 
zugs⸗Proceſſen, denen nur durch eine gute Gefeggebung über 
dieſen in das Familienleben tief eingreifenden Gegenftand vorgebeugt 
wem Tann. 

Autagatbie (von avros, felbft, und ayados, gut) bes 
deutet die Güte an und für ſich felbft, die abfolute Güte, wel⸗ 
Gr im Gebiete ber Eittlichleit waltet, zum Unterfchiede von der 
relativen, weldye nur das Müsliche betrifft, das aud wohl boͤs 
fein könnte, wenn es den an ſich Guten widerſtrebte. S. boͤs 
und gut, auh Sitte. Avroayados heißt eigentlich Einer, ber 
fo gut if, als wenn er die Güte felbft oder in Perfon wäre. Das 
bt avsoayasorns, die ganze oder volllommene Güte. Avraya- 
Yıa aber kommt bei ben Alten nicht vor; und auch jenes wohl 
ur bei ſpaͤteren Autoren. 

Autapotheofe f. Apotheofe 

Auterufie (von avros, felbft, umd ekovsa, Macht oder 
Gewalt) bedeutet Selbmacht oder Selbgewalt, befonders in Bezug 
uf Andre als Unabhängigkeit von ihrem Willen. Ein Unmüns 
diger bekommt alfo dadurd) die Auterufie, daß er mündig wird. 


S. Mündig. Die Alten nannten dieß aber nicht avresovone, 


findern To arresorosov. Indeß kommt bei fpäteren Schriftftellern 
ab arreSoroıorrs vor. Doch kann man dieß nicht duch Ei: 
genmacht überfsten, weil das deutſche Wort eine andre Bedeu⸗ 
my hat. S. daſſelbe. — Die Frage, ob der Menſch überhaupt 
im Artssorouog fei, bedeutet, ob er einen fo freien Willen habe, 
dh er fich felbft zum Handeln beftimmen könne. ©. frei. 
Autobarie (von avros, felbft, und Buceıv oder Baoxeım, 
ren) ijt ein ganz neugebildetes Wort, das eigentlich foviel als 
Exikiprehen oder im eignm Namen Eprehen bedeuten würde, 
Ser auch auf das richtige Ausfprechen der Mörter (mas man fo 
berãg vernachlaͤſſigt, ungeachtet es viel Einfluß auf die Wirkſam⸗ 
beit und Schoͤnheit eines mündlichen Vortrags hat) in ber Auto- 
baxie par Mr. Alphonse Comte (Paris, 1334. 8.) bezo: 
ga wird. f 
Autobulie (von arros, felbft, und Bordn, Wille, Ent 
Mus) bedeutet die Unabhängigkeit des Willens von Andern, fo daß 
sn fih nad eignem Gutduͤnken entfdyliefen kann. Im Deutfchen 
werde man es nur duch Selbwille, nit duch Eigenmwille 


128 Autochirie Autognoſie 


uͤberſetzen dürfen, weil letzteres Wort eine andre Bedeutung hat. 
©. baffelbe. Avroßoviın kommt übrigens bei den Alten nicht 
vor, fondern nur avzoßovAog, der Selbwillige oder ſich frei Ente 
fließende. 

Autochirie. — Zufag: Da auroyep elgentlich denjenigen 
bedeutet, der etwas felbft thut oder mit eigner Hand verrichtet: fo 
bedeutet es in Bezug auf das Tödten nicht bloß den, ber ſich ſelbſt, 
fondern auch den, der einen Andern mit eigner Hand tödtet, alfo 
einen Mörder überhaupt, wiefern er dabei felbthätig gewirkt hat. 
Und ebenbaher kommt es, daß auch uvroyepıa nicht immer den 
Selbmord, fondern audy den Mord Andrer bedeutet, wenn nur biefe 
That vom Mörder felbft vollzogen worden, und nicht durch Andee, 
die er dazu gedungen haben koͤnnte. Ja es kommt fogar auroze- 
ga in der allgemeinen Bedeutung des Selbthuns oder des Arbe- 
tens mit eignen Händen vor, fo daß es dann mit aurovgyıa gleide 
bedeutend if. Indeffen wird jest Autochirie immer nur vom 
Selbmorbe verſtanden. 

Autodiachirie ſ. Diachirie. 

Autodiakonie ſ. Diakonie, 

Autodidaften. — Zufag: Avrodıdaxsoı helßen im 
Deutſchen fowohl Selblehrer als Selblerner, weil ber, wel⸗ 
her ſich ſelbſt belehrt, zugleich von ſich ſelbſt lernt, alſo in derſel⸗ 
ben Beziehung Lehrer und Schüler iſt. Cs gilt folglich auch hier 
und noch im höhern Grade, als wenn man Andre belehrt, das 
docendo discimus. ©. Belehrung. Auch iſt jeder Autobis 
datt zugleich ein Heterodidakt, weil er ſchon dur Umgang 
und Beifpiel gar viel von Andern lernte, wenn er gleich keinen 
foͤrmlichen Unterricht von ihnen empfangen hätte. Wergl. Lad 
Goldmer de voce avrodıdarroc, Gera, 1096. 4 — Joule 


















130 Automadhie Autoptoſopiſch 


druck auch ben Fehler der Gelbrednerei, vermoͤge deſſen Jemand 
vlel und zu eitel von ſich ſelbſt ſpricht. — Uebrigens kommt | 
den Alten weder avroAoyın nody ErepoAoyıu vor. 

Automadie. — Zuſatz: Das Zeitwort arrouager | 
deutet bei den Alten das Steeiten für und durch ſich felbft, fone 
im Waffenkampfe als vor Gerichte, fo dag man keinen Andern { 
ſich ſtreiten laͤſt. Das Subftantiv avrouayın brauchten fie al 
nicht, am wenigſten in der Bedeutung eines Widerfpruche, v 
man es jegt gewöhnlich nimmt. 

Automat. — Zufag: In einem gemwiffen Einne liche f 
wohl audy die menſchliche Seele ein geifliges Automat m 
nen, wenn man nämlidy darunter ein freies, ſich felbft zum He 
dein beflimmendes Weſen verftände. S. frei. Auch verftanden 
Griechen unter avrouazıopog ebenforohl das freiwillige, du 
einen Befehl abgenöthigte Handeln eines Menfchen, als das | 
Mae, von felbft oder ohne unfer Zuthun ftattfindende Geſchel 

ober Werden, Entſtehen ober Vergehen eines Dinges. Darum I 
man au Automatismus durch Cafualismus Überfegt. | 
d. W. und Zufall, 

Autopatbie. — Zuſatz: Avsonadeıa kommt bei den! 
tem audy in ber Bedeutung vor, daß es die eigne Empfindung ei 
Erfahrung und die dadurch erlangte Ueberzeugung bezeichnet. Z 
gegen kommt EreponaFera nur bei den griechifden Aerzten in | 
Bedeutung vor, daß es bie Werfegung eines Leidens oder eh 
Krankheit aus einem Orte ober Theile des Körpers in ben andı 
(Eregov) bezeichnet. Diefe Heteropathie märe demmad etw 
gang andre, ald was wir Sympathie, Mitgefühl ober Th 
nahme an den Freuden und Leiden Andrer nennen. 
















132 Autotelie Avicenna 


ſtritten ſich noch ganz neuerlich, ziel franzoͤſiſche Dramaturgen übe 
die Autorfhaft in Bezug auf ein dramatifches Werk, das anfang 
als ihr gemeinfamgs Erzeugniß veröffentlicht wurde, und am End 
duellicten fie ſich fogar deshalb; wodurch freilich ihe Streit um di 
Ehre der Autorfhaft gar nicht entſchieden wurde. Bei Compi 
lationen und Plagiaten (f. beide Ausbrüde) kann die Coau 
totſchaft ſehr vielfach fein und faſt in's Unendliche gehn, wenn L 
Compilator oder Plagiarius den andern ausfchreibt. 

Autotelie. — Zufag: Avrorelzıa bedeutet auch Vollen 
detheit, Selbſtaͤndigkeit, Unabhängigkeit von einem Andern; drepo 
reAeıa aber kommt bei den Alten gar nicht vor. 

Autotheismus. — Zufag: Auro9zog heißt eigentlich fa 
viel als ein Bott, der es durch ſich felbft oder von Natur M 
atfo sicht erft. durch Wergätterung unter die göttlihen Weſen auf 
genommen worden, wie Bahus, Herkules und viele ande 
Gottheiten ber Griechen und Römer. Gin folder würde folgfid 
Eregodeog genannt werben Bönnen, obwohl dieſes Wort bei bei 
Alten ebenforenig vorfommt als avrodeiouog und Eregodeänung 
Vergl. auch Apotheofe und Selbvergötterung. 

Auturgie (avsovpyın, von aurog, ſelbſt, und zoo 
That, Arbeit, Werk) bedeutet eigentlich das Selbthum als Gegen 
fag vom Thun durch · Andre (Sktaven, Miethlinge, Freunde x. 
welches alfo Heterurgie genannt werden Könnte, ungeachtet WM 
Alten dieſes Wort nicht gekannt oder gebraucht zu haben ſcheinen 
Dann bedeutet jenes auch die durch eignes Thun ermorbne Ucbem 


und Erfahrung in Arbeiten oder Geſchaͤften. Mit povus, Med 
verbunden (avrovpyıa govov) bedeutet es auch den Sem 
wie Autodirie. ©. beide Wörter, 








134 Baader Baccalaureus bes Philofophie 


Fr nichts andre® —eS zu fein, als Due a Erpanflon Fe 
ompreſſi ſations⸗ ober Gleichgewichts = 
fiem, —S— —ã—nùY —— feinen Leſern 
immer wieder vorführt und empfiehlt. 


B. 


Boader (Ze. Xav.). — Zuſatz: Statt Elementa — 
(8. 1. ©. 279.) 1. Fermenta cogn. Davon erſchienen zu 
1822—24. 5 Hefte, und dann nod ein 6. zw Leipg. 1825, 2 
unter dem heſondern Titel: Proben veliglofer Philofophenne dfterer 
Beit. — Von B.s Vorlefungen über fpeculative Dogmatik erfdie 
nen 1829—33. 3 Hefte. Ebenfo von feinen —— 
ten und Aufſaͤtten 1831—32. 2 Bände, zu melden 1833 ud 
eine Beilage kam. Außerdem gab er neuerlich noch folgende Schrif 
ten, heraus: Ueber das Derhalten des Wiffens zum 
Münfter, 1833. 8. — Ueber eine bleibende und univerfale Geile 
afadauıy (sie, nicht Geiftererfheinung] hienieden. Miümden, 
8. — Ueber den cheiftlichen Begriff der Unfterbfichkeit im 
— ber aͤlteren und neuern nichtchriſtlichen beſonders pats 
theiſtiſchen] Unſterblichkeitslehten. Wüurzb. 1836. 8. — 
gen über eine kuͤnftige Theorie des Opfers oder des Cultus — 
fter, 1836. 8. (Sol aud) als Einleitung und Eintad 











136 Baldwin Ballanche 


„bie bisher ganz anbekannten Fragen B.'s über bie Phpfit und 
Metaphyſik des Arifkoteles aufgefunden.” — Statt Fragen 
ſollt' es wohl Unterfuhungen heißen; denn das bedeuten bier 
quaestiones, Auch erſchien dad Opus majus bereit6 1733 zu Lon⸗ 
don, wie ſchon ®. 1. ©. 283. bemerkt worden. 

Baldwin f. Godwin. 

Ballande. — Zufag: Seine B. 1. ©. 283. zuerſt an 
geführte Schrift führt eigentlich den Zitel: Essai sur les instita- 
Gons sociales. Die darauf folgende Schrift: Palingenesie * 
ciale, iſt fein Hauptwerk und beſteht bis jegt aus 4 Bänden; eb 
follen” aber noch 3, nebft 2 Bänden Anmerkungen folgen, fo daß 
alsdann da Ganze aus 9 Bänden beftehen wird. Der Verf. hat 
indeß biefelben Ideen auch ſchon im zwei romantifche ober ne 
Erzählungen (Vision d’Hebal und L’homme sans nom) eingeklei⸗ 
det; fie feinen aber dody beim größern Publicum wenig Eingang 
gefunden zu haben, ungeadtet Nodier in der Revue de. Paris 
(1832. Aoüt, p. 81 ss.) den Verf. für einen ber gewaltigſten 
Seife und der größten Schriftſteller aller Zeiten erflärte. — Fer⸗ 

ab 8. heraus: Formule generale de l’histoire de tous les 
peu appliquee à ’histoire da peaple romain. Diefes - 
unvollendete Wert — es waren, als ic Vorliegendes ſchrieb, erſt 
17 Bogen zu Paris 1836 gedrudt — foll eine Gefhichtss Phls 
loſophie fein, nach welcher die Menſchengeſchichte eine Art von bias 
lektiſchem Gange befolgt, beftchend in einem Abfalle (decheance) 
und einer Wiederherftellung (rhabilitation) der Völker oder 
ihrer Zuftände; und diefe Krifen follen fid duch gewiſſe Ein— 
weihungen (initiations) bilden. Der Ton dieſes Werkes neigt 
S daher etwas zum Moflifch: Theofophifhen. — 5 hat 

DB, auch bereits feine gefammelten Oenvres (Par. 1: 










138 Barba sapiens Barbarismus 


fans eingebannt) find; .®. wenn bie Bewohner eines Drtes oder 
einer Gegend ihe Getreide in einer gewiſſen Mühle mahlen zu laſ⸗ 
fen oder, ihr Getränk im einer gewiſſen Brauerei oder Brennerei 
zu erfaufen verpflichtet find. Daß folche Beſchränkungen bes Les 
bensverkehrs gewmeinſchaͤdiich feien und baher aufgehoben werden 
folten, wenn auch mit einer billigen Entſchaͤdigung der Berech⸗ 
tigten, leidet wohl einen Zweifel, Vergl. Zunft und Bewerb 
politit nebſt den dort angeführten Schriften über Zunftzwang 
und Bannrechte. Denn auch biefe find eine Art von Bunftzwang. 
— Wegen der mit der Geifterfeherei auf gleicher Linie ſtehen⸗ 
den Beifterbannerei f. Geifterlehre, umd wegen einer ans 
dern Art derfelben, die ſich nur auf irdiſche oder Menfchengeifter 
bezieht, f. Genfur. Im eigentlichen Sinne laſſen fi feeds 
lich Geifter weder einbannen, wo fie nicht fein wollen, noch 
ausbannen, wo fie fein wollen. Kann ja doch felbft der 
an ben Körper gefeffelte Menſchengeiſt ſich diefes Bannes entle 
bigen, wenn er will, wiewohl er es nicht auf jede ihm belie⸗ 
bige Art fol. &. Selbmorb und die Formel: Qui potest 
mori etc. — Von Bann oder franzöf. ban kommt ferner her ba⸗ 
nal, einer Zwangsgerechtigkeit unterworfen, daher auch gemein. 
So heißt ein Zeuge banal, ber bereit ift, für Alle zu zeugen, _ 
menn er dafuͤr bezahle wird. Unter banalen Wahrheitenm 
(Sägen, Formeln, Spftemen) verfteht man gleichfalls gemeine, ab— 
gebrofchne, triviale. Auch nennt man fie ſchlechtweg Banalitäten = 
wie Trivialitäten, oder im Deutfhen Gemeinpläge. S. d. — 
Barba sapiens — Barbatus magister, f. Phi 
Bart nebft Zuf. 

Barbarei. — Bufag: Aus welcher Sprache das Worms 









0 Barythymie Baſileolatrie 


Katharina, Mutter Karl's IX, geſagt hatte — die Froͤm⸗ 
migkeit grauſam und bie Grauſamkeit fromm fein ſollte. Mit 
Wecht hat daher der Geſchicheſchreiber Thuanus (de Thou) jene 
Begebenheit den ruchlofeften Schandthaten der älteren und neueren 
Beiten beigezählt, ungeachtet der Papft Gregor XL ein gottess 
laͤſterliches Te Deum deshalb fingen lie. S. Chronique da 
temps de Charles IX. Par Merimee. Brüfl. 1835. 8. 
©. 263. . 
Barythymie (Bapvdupın, von Bapus, ſchwet, und Fuuag, 
Muth, Gemüch) bedeutet Schwermuth. ©. ſchwer m. 3. 

Bafe (Baoıs) f. Bafeotogie. Die Bafe als Verwandte 
gehört nicht hieher. 

Bafedow. — Aufag: Auch ſchrieb er einen Verſuch Uber 
die Wahrheit des Chriftenthums als der beften Religion (Berl. 
1766. 8.) bekannte ſich aber „zur Lehre der Determiniften und 
„zur unfehlbaren Präbdeftination fo öffentlich als zum Chris 
‚„Senthume” — mie er felbft in dev Vorrede zum 1. Theile 
feiner „Phitalethie” fagte — ungeachtet weder das Chriftens 
thum noch die Phitalethie den Menſchen etwas nügen koͤnnte, 
wenn Einige zur Geligkeit und Andre zur Verdammniß unfehlbar 
pröbeftiniet wären. ©. Prädeftinatianer n. 3. 

Bafeologie. — Bufag: Diefes Wort iſt ganz new gebils 
det, indem bei den Alten weder AuceoAoyıa ſelbſt noch Auceolo- 
yog oder Aaceo.oyeıw vorkommt. — Ebenſo das nädfifolgende 
Bafilagog oder Bafilagogie, obwohl die Sache (Führung und 


Verführung der Könige) den Alten nicht weniger bekannt war, als 
die entgegengefegte Demagogie. 
Bafileolatrie iſt gleich den beiden vorigen ein neugebil⸗ 











* Sum Beamter 


Sur - Me imme 4 Schenen in der Baukunſt. Des 
De Kareriung der Baukunſt in die bürs 
Qu am mautifche (architectura eirilie, 





we Trege 


weni 8 taraule: jenuee mühe hiehet, indem bei dem letzteren 
Suomi Ler sr mge zur Schönheit und Geſchmack, fondern 
we wa Dauer amı Bequemlichkeit ober Angemefienheit des 
write u Nu Jimalen des Kriegs und der Schiffahrt gefehen 


sans 


Yaum . ar:ief. Baum, auch Erkenntniffbaum, 
n ım Stammbaum. 
Suumyazzen. — Bufag: Der am Ende dieſes Artikels 
weine Wuumzacten:Erufius in Jena hat auch neuerlich 
wgrane Zporft beczusgegeben: Ueber Schleiermacher, feine Denkart 
we in Vecdienſt. Jena, 1834. 8. Schl. wird hier als Philos 
299 ud ale Theolog gewürdigt, body mehr in der letzten Hinficht 
Badle. — Zufag: Er heißt auch zumeilen ſchlechtweg Phi- 
«wphus Roterodamensis- von feinem Aufenthalte zu Motterbam, 
2 gieich ein geborner Ftanzos war. Da er in der 1681 oder 
WR? herausgegebnen Schrift über die Kometen unter andern auch 
ru Zug aufgeftelle Hatte: „L’atheisme ne conduit pas necessai- 
„ewens a la corruption des moeurs,‘ ſo ward er de&halb won 
wären Leiten angegriffen. Zu feiner Vertheidigung gab er daher 
kuyk noch heraus: Addition aux pensdes diverses sur les co- — 
weten, Den anonymen Gommentar über bie Formel: Coge in — 
ware! (f. dieſe Formel) wollte er nicht als fein Wert anerfennen — 
- Friedrich der Große rühmt in feiner Schrift: De la lic — 
saure allemande, B. s Wörterbuch, das er immer wie ein Haud — 





duqh zur Seite hatte, Über alle Maßen und nennt den Verfaſſer— 


somier des dialectieiens de 1’ Europe, 








Befanden : Begehren 145 


fin der Kakodaͤmonen oder das böfe Prinzip bezogen, welches wir 
den Teufel nemen. S. d. W. nebit Zuf. 

Befangen heißt, wer von Vorurtheilen ober Neigungen 
fo eingenommen ift, daß er dadurch im Denken ober Wollen unge: 
duͤrlich befchränkt oder gehemmt wird, gefangen hingegen, mer 
feinee dußern Freiheit beraubt if. WBefangenheit bezieht fidy 
alfo auf das Beiftige, Gefangenheit, wofür man auch Gefan⸗ 
genſchaft fagt, auf das Körperliche. Doch fagt man auch bildlich von 

oder Luftern, daß fie den Menfhen gefangen ober In 
Gefangenſchaft halten. ©. d. W. und Unbefangenheit. 

Befeſtigungsrecht f. Feſtungsrecht. 

Befördern (promovere) heißt überhaupt ſoviel als vor: 
wärs (altd. fücder) bringen. Es Lönnen daher ſowohl Sachen als 
Perfonen befördert werden. Letzteres kann entweder bloß mecha: 
niſch und ſomatiſch gefcheben, durch fchnelle Fortbewegung, wie 
auf den Eilpoften oder Dampffahrzeugen, wo Perfonen und Sachen 
bugleich befördert werden, oder auch dynamiſch und pfuchifch, 
dark wirkſame Theiinahme an ben Iweden ober Wünfchen folcher 

onen, mit welchen wir in irgend einem Lebensverkehre ftehen, 
wie bei Erteilung von Rathfchlägen, Vorfhüffen, Aemtern, Pfruͤnden, 

sc, wobei natuͤrlich alles zu berüdfichtigen, was Recht, Pflicht 
und Kiugheit in jeder Beziehung gebieten. — Vergl. auch Promotion. 
‚. Befreiung. — Zufag: Im eigentlihen Sinne bebeutet 
Nee Wort Verfetzung aus dem Zuſtande der Unfceiheit in den 
Ir Greiheit; wie wenn ein Gefangner oder ein Sklav losgekauft 
Ar mit Gewalt frei gemacht wird. Dadurch wird er aber nur 
infertich frei. Um aud innerlich (von Serthum und Lafter) 
Ri zu werden, gehört mehr dazu. S. frei, auh Bildung, 
Belehrung und Befferung. 

Begebenpeit oder Begebniß ift alles, was in ber Zeit ge: 
Micht (fich begiebt) und als folches wahrgenommen werden fann. Man 
Mant es baher auch ein Ereigniß oder eine Thatſache. S. b. Ausdr. 

Begehren. — Zufag: Da im Lateinifchen begehrten ap- 
piiere und verabfcheuen aversari heißt, fo nennt man aud) ben 
&ckeb ale Begehrungs: und Verabſcheuungsvermoͤgen facultas s. 
ns appetendi et nversandi. — Geſteigerte Begierden oder Ders 
ideuungen, welche das Gemüth in eine Iebhaftere Thätigkeit vers 
fegen oder es fläcker aufregen, heiten auch Affecten und Lei: 


denſchaften oder überhaupt Gemüthsbewegungen. ©. biefe 


bi Wörter. Hierauf beziehen fih auch die Ausdrüde Begehr⸗ 
lichkeit und Begierigkeit, weile man braucht, wenn Je⸗ 


man zu viel und zu ſtark begehrt, wo er dann natuͤrlich aud in 


da Ball kommt, Unerlaubtes oder Boͤſes zu begehren. Daher 
Bes Hota; (od. III, 24.) ganz richtig: 
Krug's encyklopaͤbiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppi. 10 


146 Begeifterung Beglaubigung 


Eradenda capkdinis 
Pravi sunt elementa, et tenerse nimis 

Mentes asperieribus - 
Formandae suudiis. 


Denn ſtrengere Studien dämpfen die Begierden, während Müßigs 
gang und lange Weile ſie entzunden. — Wegen bes Grundfages: 
Nihil appelimus nisi sub ratione boni etc. f. diefe Formel felbft. 

Begeifterung. — Zufag: Der logifhe Enthuſiasmus 
beißt auch der intellectuale oder rationale, beögleichen ber 
wiffenfhaftliche oder feientififhe, von welchem ber phis 
lofopbifbe oder fpeculative als Begeiſterung für die tiefere 
Ergründung der Wahrheit nach den urfprünglichen Geſeten des 
menſchlichen Geiſtes eine Unterart iſt. Ebenfo heißt der äfthetis 
fe Enthuſiasmus aud der künftlerifhe, artiftifche ober 
ted niſche, der gleichfaus feine Unterarten (als poetifcher, mus 
fitatifcher ac) hat. Den moralifdhen, oder ethifhen En 
thuſiasmus nennen Manche audy den praßtifchen und den reits 
giofen ten moftifhen, obwohl ber legte Ausdrud ſchicklicher 
eine gewiſſe Ausartung des religiofen Enthuſiasmus bezeichnen 
wuͤrde. S. Moſtik. — Plato ſpricht im Dialog Phaͤtdo 
außer dem moſtiſchen auch noch von einem mantifchen, 
der den Wahrfagern, einem erotifchen, ber den Liehhabern, 
md einem poetifchen Enthuſiasmus, der den Dichtern eigen 
iſt. Andee unterfhpeiden dagegen einen natürlichen und einen 
uͤder natuͤrlichen Enthuſiasmus und zerfällen dieſen wieder 
in din goͤttlichen und ben teufeliſchen oder ſatani⸗ 
ſchen, je nachdem Gore oder Satan einen Menſchen begeiſteru 
fol. Im ZAlgemeinen aber könnte man wohl den echten und 
















Begnabigungsrecht Behandlung - 147 


Agenten ertheilt, um ihnen Glauben oder Vertrauen bei benen zu 
verfchaffen, mit welchen fie im Namen der Abfender unterhanbeln follen. 

Begnadigungsreht. — Zufag: Vergl. auch Billig 
Leit nebſt folgenden Schriften: Dissert. de limitibus justitiae, 
sequitatis, juris adgratiandi et arbitrio judieis. Ser. Ern. 
Joh. Frid. Manzel. Roſt. 1738. 4. — Ueber den Begriff des 
Berbredyens aus dem Standpuncte des Strafgefeßgebers und Über das 
Berhaͤltniß des Begnadigungsrechtes zur Strafgewalt. Leipz. 1836. 8. 

Begränzung oder Beſchränkung. — Zufag: Wenn 
man biefe beiden Ausdrüde von Begriffen braucht, fo verfteht man 
unter Begränzung eines Begriffs (hnitio 8. definitio no- 
kienis) die Beflimmung feines Inhalts durch Darlegung feiner 
Merkmale (was man audy eine Erklärung nennt) hingegen unter 
Beſchränkung eines Begriffs (determinatio notionis) die 
Dinzufügung eines neuen Merkmals, Indem dadurch der Begriff 
eoncreter, mithin fein Umfang verengert wird. S. den folg. Art. 

Begriff. — Zuſatz: Je concreter bie Begriffe find, deſto 
gehaltooller find fie allerdings; aber fie verlieren auch auf der ans 
dern Seite wieder an Umfang, wenn man fie durch Aufnahme. 
eined anderweiten Merkmals concreter macht; wie der Begriff vom 
Menſchen enger wird, wenn man einen Menſchen als Mann oder 
Weib, als Freien oder Sklaven, ald Gelehrten ober Kuͤnſtler denkt. 
Die Gattungsbegriffe find daher allemal abftracter, alfo weniger 
comeret, als die Artbegriffe. S. Geſchlechts begriffe. Die Ein- 
geibegriffe find Die concreteſten, aber auch vom kleinſten Umfange, 
weil fie fih nur auf ein Individuum beziehn. S. Einzelheit. 
Wegen ber verſchiednen Arten von Begriffen, meldye bie Logiler 
und Metaphriiler unterfcheiden — klare und dunkle, deut: 
lihe und undeutliche oder vermorrene, beftimmte und 
mbeffimmte oder fhielende, ausführliche und vollftän- 
bige, einfahe und zufammengefesgte, empirifhe und 
reine oder transcendentale, theoretifche und prattifche:c. 
— f. diefe Ausdrüde ſelbſt, desgl. Erklaͤrung und Eintheis 
Iung. — In der begel’fhen Philofophie tft auch viel von der 
Selbbewegung des Begriffs die Rede, durch melde bie 
ganze Philoſophie conftruirt werden fol. S. Hegel, und Krug’s 
Schrift: Schelling und Hegel. Leipz. 1835. 8. 

Behandlung. — Zufag: Urfprünglidy bedeutet dieſes Wort 
wohl ſoviel als Beraftung oder Berührung eines Körpers mit der 
Hand als dem Hauptwerkzeuge, mit welchem wir die Außenwelt 
zufeen Zwecken unterwerfen. Dann ift es aber vom Körperlichen 
' uf das Geiſtige übergetragen worden, fo daß wir aud von Be⸗ 

handlung der Begriffe und der Lehren oder Wiffenfchaften fpres 
Gen; wo man aud ab handeln fügt. ©. Abhandlung. 





148 Beharrlichkeit Beiſtimmung 


Beharrlichkeit. — Zuſatz: Wenn man die Beharrlichkeit 
Hartnaͤckigkeit oder Halsftarrigkeit nennt, fo denkt man an eine 
tadelnswerthe Beharrlichkeit im Schlechten oder Böfen, auch in Vers 
fechtung offenbarer Serthümer.aus bloßer Redhthaberei. S. d. W. 

Beherzt heißt fo viel als muthig, Indem man das Herz auch 
als Quelle des Muths betrachtet. ©. beide Ausdrüde. 

Behext heißt foviel als bezaubert, indem Hererei und 
Zauberei als gleihgeltend gebraudyt werden. &. beide Ausdrüde. 
Im bildtichen Sinne nennt man aber auch den behert ober bejau- 
bert, der von etwas fo ſtark erregt, ergriffen oder durchdrungen if, 
daß er ihm nicht widerftehen oder nicht davon laffen kann; wie 
der Liebende von der Geliebten, bie ihn mit unfidtbaren Banden 
gefeffele oder durch ihre Reize im ihren Lebenskreis gebannt hat. 
Die eigne Leidenſchaft ift dann das natürliche Zaubermittel. 

Behörde f. Beamter. 

Behutfam ift, wer mit Vor= und Umſicht handelt (beim 
Handeln auf feiner Hut iſt) und fi) dadurch vor Schaden ficher ſtellt 
(hütet). Die Behutſamkeit ift alfo an ſich eben fo lobenswerth 
als die Bedacht ſamkeit, mit der fie ſchweſterlich verbunden iſt, kann 
aber auch durch Uebertreibung fehlerhaft werden, indem fie alsdann ia 
Furcht ſamke it ausartet und und Kraft und Zeit zum Handeln 
taubt. ©. bedacht ſam und furchtſam (unter furdytbar). 

Beifall. — Zufag: Die Unterfheidung des Hifkorifchen 
Beifalls, der durch glaubwürdige Zeugniffe, und de6 rationalen, 
der durch gültige Vernunftgründe bewirkt wird, bezieht ſich mache 
auf die Erkenntniffart oder Ueberzeugungsiweife, als auf ben Beb 





fall ſelbſt, der als theoretifher oder Logifcher, auf das Wader 
bezügticher, Beifall betrachtet immer baffelbe Gepraͤge hat. Anders 


LE Zu 


yo — - 


Beiwot Bekenntniß 149 


Beifalls (ſ. d. W.) wenigſtens dem Scheine nach. Denn es 
kann auch Faͤlle geben, wo man einer Meinung bei⸗ oder zuſtimmt, 
ohne ihr wirklich d. h. innerlich Beifall zu geben; was aber der 
Redlichkeit widerſtreitet. Truͤge man aus irgend einem Grunde Be: 
denken, fich beitimmt zu erklären, weil man noch ungewiß wäre: fo 
it es befler, dieß einzugeflehn oder ganz zu fchweigen. 

Beiwort. — Zuſatz: Dance nennen es auch ein Eigen: 
fhafts= oder Befhaffenheits:Wort. ©. Befhaffenheit. 

Beizwed. — Zuſatz: Er heißt auh Unterzwed (fnis 
sabordinatus) wiefern er dem Hauptzwecke untergeordnet iſt, und 
Nebenzweck (finis coordinatas) wiefern er andern Unterzweden 
beigeordnet iſt. Indeſſen ann auch unter den Bel: oder Meben: 
zwecken wieder einer dem andern untergeorbnet fein, wenn biefer 
dem Haufptzwecke näher ſteht als jener. Dann heißt der nähere 
auch der höhere und der entferntere ber niedere. 

Belanntes und Unbekanntes (cognitum et incogni- 
tam) find die beiden ſehr ungleichen Hälften, in welche das Ges 
biet des Erkennbaren überhaupt zerfällt. Denn das uns noch uns 
bekannte Land (terra incognita) in dieſem Gebiete ift natürlich 
weit größer als das fchon bekannte. Bei fortfchreitender Erkennt: 
niß waͤchſt zwar dieſes immer, während jenes abnimmt; aber jenes 
bleibe doch ſtets größer, weil unfre Erkenntnifftraft in Bezug auf 
das unendlihe AU der Dinge viel zu befchräntt if. Dabei iſt die 
fertwährende Aufgabe, das Unbekannte aus dem Bekannten ober 
mit Hülfe deffelben zu finden; wie der Mathematiker unbelannte 
Größen (X, Y) mittels befannter (A,B) zu beflimmen ſucht. So 
werden auch beim Schließen aus bekannten Zügen als Prämiffen 
aubelinnte als Folgerungen gefunden. S. Schluß. 

Belehrung. — Zufag: Daß die Belehrung als fittlicye 
Befferung gedacht, fo lange der Menfch lebt und noch einen freien 
Villen bat, immerfort möglich fei, aber auch immer fchreieriger 
werde, je tiefer Jemand in fittlicher Hinficht gefunten und gleich: 
am ein Sklave des Laſters geworden iſt; daß fie alfo auch nicht 
anseihchen werden dürfe, leidet keinen Zweifel. Berge. Tugend 
22) Laſter. — Die religiofe Bekehrungsſucht aber, bie 
zur auf einen Glaubenswechſel ausgeht und befonderd ben foge: 
Bımmten Neubekehrten (Eonvertiten, Neophyten oder Profelyten) 
rigen iſt, verdient den ftärkiten Tadel. ©. Profelytenmaderei. 

Bekenntniß. — Zuſatz: Es giebt auch philofophifche 
Mlaubensbetenntniffe, die jedoh für Andre nod) weniger 
werbindende Kraft haben, als die religiofen, welche in gewiſſen 
Shen als Symbole angenommen find. So hat der Verf. dieſes 
®. B. feiner Schrift: Der neue Pythagoras oder Gefchichte 
enes Dreimal geboren Erdenbuͤrgers (Leipz. 1836. 12.) ein fol: 





150 Bekeidungskunſt Beleidigung 


ches Bekenntniß beigefügt, aber gewiß nicht in ber Meinung, die 
Annahme deſſelben Andern zuc Pflicht machen zu wollen. 
Bellerdungstunft. — Zufag: Wenn Jemand zweifeln 
folte, ob diefe Kunfk in ein philofophifches Wörterbuch gehöre: fo 
iſt wohl zu bedenken, daß diefelbe in Bezug auf: die allgemeine 
menſchliche Bildung und Gefittung von großer Bedeutung if. 
Denn wenn die Natur den Menſchen nicht gemöthigt hätte, in den 
meiften Gegenden der Erde feine Bloͤße durch kuͤnſiliche Mittel zu 
deden: fo würden die Menſchen jid wenig über die rohe Thierheit 
erhoben haben; wie dieß alle die Völker beweifen, die in fo wars 
men Etdſtrichen wohnen, daß fie faft nadt gehen, bei welchen das 
ber auch das Gefühl der fiktlihen Schaam wenig ober gar nicht 
entwickeit if. Ebendarum ift aber audy die Art und Weife, den 
Körper zu bekleiden, keineswegs etwas ſittlich Gleichguͤltiges (ein 
Adiaphoron). Man könnte alfo das gemeine Spruͤchwort: „Kies 
dee machen Leute,” nämlich vornehme, in einem höhen Sinne fo 
ausſprechen: „Kleider machen Menſchen,“ nämlich gebildete und 
gefittete. Daher kommt es audy wohl, baß“eine gute und anfläns 
Dige Kleidung immer ein günjtiges Vorurtheil erwedt. Denn man 
wird in einer Menge von Menfchen, die man fonft gar nicht kennt, 
den gut und anftändig Gefteideten unbedenklich für gebifdeter und 
gefitteter halten, als den ſchlecht und unanftändig gefeideten. Cs 
iſt folglich eine gemeinfame Vorſchrift ſowohl der Geihmadsiche 
als der Sitten» und Klugheitslehre: Kieide dich fo gut und anflias 
dig, als es deine Vermögensumftände und übrigen Xeben 
geflatten! Vertrauen und Wohlwollen Anderer, mithin audy unfee 


ganze gefellige Wirkſamkeit, find davon fo abhängig, daB man wiht 
ungeftraft diefe Regel verlegen ann. Die Coniter wollten das fris 


Belohnung 151 


gefeg in ber Formel audgefprochen werden: Beleidige Niemanden 
(neminem laede)! S. Rechtsgeſetz. Bekommt ber Beleidigte 
binterher etwas zur Entſchaͤdigung für fein verlegtes Recht, fo ift 
biefe Erwerbung nur cine mittelbare Folge der Beleidigung. ©. 
Entfhädigung. — Wenn Seneca (de const. sap. c. $.) 
behauptet, der Weiſe koͤnne nicht beleidigt werden, fo ift das eine 
ſtoiſche Uebertreibung, die auf folgendem falſchen Schluſſe beruht: 
Nikil injustum justitia pati potest, quia non coeunt Confraria; 
injuria autem non potest fieri nisi injuste; ergo sapienti injuria 
non potest fieri. Der Weiſe ift ja nicht die Gerechtigkeit ſelbſt, 
fondern ein Denfch, der ſowohl gerecht als ungerecht von Andern bes 
handelt werden kann. Das muß er auch fühlen, wenn er gleich noch 
fo geneigt ift, das ihm zugefügte Unrecht zu vergeben und zu vergeffen. 

Belohnung. — Zuſatz: Vergl. auch die Schrift: Theorie 
des peines et des recompenses. Par Jer. Bentham. Lond. 
1801. 2 Bde. 8. — Unter den ältern Schriften über diefen wich⸗ 
tigen Gegenftand der praktifhen Philofophie iſt befonders folgende 
merfwürdig: Alexander von Joch über Belohnung und Strafe 
nah türkifhen Gefegen. A. 2. Baireuth u. Leipz. 1772. 8. 
Sie machte viel Aufſehn, weil fie nach abfolut determiniftifhen, fata⸗ 
liſtiſchen oder tuͤrkiſchen Grundfägen alle Willensfreiheit und daher 
aud die Gültigkeit der Begriffe von Belohnung und Strafe ale 
Folgen von Berdienft und Schuld gänzlich leugnete. Ja der Verf. 
leugnete fogar den Willen felbft, indem er meinte, die Cigenliebe 
oder die Begierde, glüdlih zu fein, fei eben das, was man ges 
woͤhnlich den Willen nenne, oder, wie er auch fi ausdrüdt, jene 
fi „der erfie Hauptwille,“ der mit Nothwendigkeit buch Bes 
lohnungen zum Guten (Müslichen) angetrieben und durch Strafen 
wm Boͤſen (Schaͤdlichen) abgefchredt werde — was doch fo oft 
gar nicht geſchieht. Die fog. Freiheit des Willens aber fei nur 
eine „Einbildung,” ein „Phänomen der Eigenmädtig- 
keit, weiches Gott in unſrer Secle habe entftehen Iaffen und bes 
Kindig unterhalte, weil er neben der phnfifhen Welt noch cine 
moraliſche babe hervorbringen wollen ($. 130 — 36). Sonach be: 
aubere die ganze moralifhe Welt auf einer abfichtlihen Taͤuſchung 
des Menſchen von Eeiten Gottes! Das Seltſamſte aber ift, daß 
der Berf., der einen großen Abſcheu gegen die Ratten haben mochte, 
geftand, er wollte fogleich zugeben, daß der Menſch einen freien 
Bilen habe, wenn Jemand im Stande wire, gebratene Ratten 
iu eifen. Und doch ijt dieß fchon oft geſchehen. Auch geftund er, 
daj es unmöglich fsi, jene Taͤuſchung zu vernichten, weil fie dem 
Menſchen von Gott angefchaffen, mithin nothwendig fei; auch fei fie 
mwehlträtig; folglich würde die Etkenntniß der Wahrheit in diefem Sale 
ſchaͤblich fein. Und doch gab er ſich alle mögliche Mühe, jene Taͤuſchung 


152 Belomantie Beneke 


zu vernichten, fo daß er die Vertheidiger der Willensfreiheit oft mit bite 
terem Spotte zum Schweigen zu bringen fuchte. Defjen ungeachtet er= 
ſchienen bereits 1771 zwei gegneriſche Sendfchreiben unter dem Titel: 
Sendſchreiben an Hrn. A. v. J., beider Rechte Doctor, von Aleran- 
der von Frey, Feiner Rechte Doctor. Die neue philof. Biblioth. 
vom 3. 1774. ©t. 3. giebt daruͤber genaue Nachricht. Verf. der 
erſten Scheift war Dr. Karl Ferdinand Hommel, erfter Prof. 
der Rechte und Ordinarius (Vorfiger) der Zuriftenfacultät in Leip⸗ 
zig; wer aber Verf. der zweiten Schrift war, ift mic nicht bekannt. 

Belomantie (Aelouavreu, von Pelog, ber Pfeil, und 
navrea, die Wahrfagung) ift eine befondre Art der Divination 
ober Mantit, indem man fi unter andern auch der Pfeile ber 
diente, um das Schidfal zu befragen, ob etwas zu Unternehmens 
des gelingen werde oder nicht. Gewoͤhnlich brauchte man drei 
Pfeile, die man in einen Köder ober ein andıed Gefäß that. Auf 
dem einen fland: „Der Here hat's gebotenz;” auf dem andern: „Der 
Here hat's verboten;” auf dem britten nichts. Zog man nun 
einen der beiden erften, fo war die Sache entſchieden. Zog man 
aber den britten, fo muffte das Ziehen fo lange wieberholt werden, 
bis der gebietende ober verbietende Pfeil herauskam. Es war alfo 
im Grunde nichts anderes, als wenn man ſich jegt bed Looſes ober 
der Würfel zu gleichem Zwede bedient, indem ber Aberglaube im— 
mer vorausfegt, Gott entſcheide dadurch, was man thun oder Laffens 
fole. Vergl. Divination und Mantik. 

Bendavid (Lazarus). — Zufag: Einige laſſen dieſen jüdis 
fen Philoſophen nicht 1764, fondern ſchon 1762 geboren werden. 
Welche Angabe wichtiger, weiß ich nicht. 

Benebdiction (von en: gut, und —* 32 kann 

—2 





— 


Benignitaͤt Beobachtung 153 


1832. 8. — Lehrbuch ber Pſychologie. Ebendaſ. 1833. 8. — 
Die Philoſophie in ihrem Verhaͤltniſſe zur Erfahrung, zur Specu⸗ 
lation und zum Leben. Ebendaſ. 1833. 8. — Erläuterungen über 
die Natur und Bedeutung meiner pfochelogifchen Grundhppothefen. 
Ehenduf. 1836. 8. — Erziehungs: und Unterrichtö: Lehre. Ebendaf. 
1835 — 36. 2 Bde. 8. — Unſre Univerfitäten und was ihnen 
Noth thut. Ebendaſ. 1836. 8 — Grundlinien des natürlichen 
Soſtems der praktifhen Philoſ. B. 1. Allgemeine Sittenlehre. 
Auch unter bem Titel: Grundlinien der Sittenl. B. 1. Allg. Sittenl. 
Berlin, 1837. 8. — Auch hat er Bentham's Werk über die 
Sefeggebung mit Anmerkk. in's Deutfche überfegt. S. Bentham. 
Benignität (benignitas, von benignus, gütig, mild) be: 
dentet Gütigkeit und Milde. ©. beides. 
Ben Jochai f. Simeon Ben Jochai. 
Benthbam (Serem.) — Zufag: Dieſer brittiſche Philoſoph 
und Bechtögelehrte war geboren 1747 oder nad) Anbern 1748 
(nit 1735) und ſtarb 1832. Zu feinen Schriften gehört auch 
eine Theorie des peines et des recompenses. Lond. 1801. 
2 Bir. 8. — Nach feinem Tode kam noch heraus: Deontology 
or the science of morality. From the MSS. of Jer. Benth. 
and edited by John Bowring. Lond. u. Edinb. 
1834. 2 Bde. 3. Franzoͤſ. von Benj. Laroche. Par. 1834. 
2 Bde. 8. Deutſch, Leipz. 1834. 2 Bde. 8. Der Verf. giebt 
eher darin Leine eigentliche Pflihten= oder Sittenlehre, ſondern er 
felst dem fogenannten Utiliterianismus oder der Nuͤtzlichkeits⸗ Theo: 
te (atilitarian theory) in dem Sinne, daß er bie größte Gtüd: 
ftligkeie der größten Menſchenzahl (the greatest happi- 
ses of the greatest number) zum Ziele des fittlihen Strebens 
macht, und dadurch Pflicht und Selblicebe, Zugend und Wohlfein, 
er Mohlmollen und Klugheit mit einander zu vereinigen fucht. 
Erin Moralſyſtem ift alfo eim modificirter oder, wenn man will, 
bar) ein menfchenfreundiiches Gefühl verbefferter, obwohl nicht 
darchaus confequenter ECudbämonismus. ©. d. W. Hierauf 
bericht fi) auch die anonyme Schrift: Der Moralift Ser. Benth. 
umd bie Geld: Ariftofratie der Zeit. Darmit. 1836. 8. — Uebri: 
gens fol DB. auch ein conftitutionales Geſetzbuch in 3 Theilen hin: 
terlafſen haben, an weldyem er bis an's Ende feines langen, thäti: 
gen und ehrenvollen Lebens arbeitete. Ob es [hen im Drud ers 
erſchienen fei oder noch erfcheinen werde, weiß ich nicht. Doch ift 
zu wuͤnſchen, daß es erfcheine, da es ficher viel Gutes emchält, 
wenigftens von Seiten der Gefeggebungs: Politik. 
Beobahtung. — Zufns: Die Beobachtungskunſt (ars 
ebserrandi) zeigt ſich auch dadurch, daß man ebeniowenig bei einer 
einzigen Beobachtung als bei einem einzigen Verſuche ſtehen bleibe, 





154 Bequem Beredtſamkeit 


um ſogleich allgemeine Folgerungen daraus zu ziehn; ſondern man 
muß beide mehrmal unter verſchiednen, felbft entgegengefegten, Ums 
fländen wiederholen, wenn «6 möglidy ift, well man fonft leicht 
falſche Folgerungen ziehen koͤnnte. Wenn 3. B. der Art einen 
Verfudy mit einem neuen Hellmittel an einem Kranken machte und 
er beobachtete, daß der Kranke nach dem Gebrauche diefes Mittels 
fidy gebeffert hätte: fo würde er feht übereilt daraus folgern, daf 
der Kranke durch den Gebraudy deſſelben genefen wäre. Das 
märe nichts andres, als ein sophisma post hac, ergo’propter hoc. 
S. Sophismen. Nur aus einer bedeutenden Mehrheit von 
Beobachtungen und Verſuchen, die ſich gegenfeitig berichtigen oder 
befrätigen, laſſen fi, wo nicht ganz gemifje, doch fehr wahrfdein- 
liche Folgerungen ableiten. ©. Induction und Analogie. 
Bequem (vom altd, queman, kommen, geben) iſt eine 
Sache, wenn fie ihrem Zwecke angemefjen ift und fid) daher Leicht 
brauchen ober benugen läfft, wie ein Werkzeug, ein Reitthler, eine 
Wohnung ꝛc. Ein Menſch aber heißt fo, wenn er feine Umger 
bungen (Kleidung, Wohnung, Bedienung ꝛc.) dergeftalt einrichtet, 
daß fie ihm bequem werden, oder wenn er ſich gern alles bequem 
madt. Doch nennt. man ihn felbft dann lieber bequemlid. 
Daher ließe fi bie Bequemlichkeit aud in bie objeetive- 
(der Dinge) und die fubjective (der Perfonen) eintheilen. Die 
Bequemlichkeitsliebe wäre nun wohl an fidy nicht zu tabeln; 





"fie kann aber doch Leicht durch Uebermaß zur Verweihlichung 
und zur Faulheit führen. ©. beides. 
Beraufhung. — Zuſatz: Die Berauſchung feiner feihk 
kann auch die paffide heißen, um fie von ber Beraufcyung Andeer 
als ber active iben. Diefe ift noch bedenklicher 


Bereitwillig Berkeley 155 


zwv, genera orationis s. eloquentiae secundum materiam. ©, 
Ceihegus s. de eloguentia secundum naturam, dignitatem, am- 
bitum, tractationem, viam rationemque, qua se sensim expli- 
euit apad Graecos atque Romanos, adumbrata a Car. Theoph. 
Schmidt. Leipzig, 1834. 8. — Der Ausfpruh Auguſtin's, 
daß Beredtſamkeit in einem fchlechten Menfchen Gift in einem 
gofduen Becher fei (eloguentin in homine pravo est venenum in 
‚poculo aureo) ift zwar richtig, thut aber dem Kunftwerthe der 
Beredtſamkeit keinen Abbzuch, weil jede an ſich gute Sache von 
der Bosheit zu fchlechten Zwecken gemisbraucht werben kann. Daß 
jedboh die Beredtſamkeit eine Tugend fei, wie neuerlich 
Dr. Franz Theremin in feinen Grundlinien einer ſyſtemat. 
hetorik (U. 2. Berl. 1837. 8.) behauptet hat, möchte ſchwer zu 
beweifen fein, wenn nicht Zugend hier jede Art von Tauglichkeit 
oder Bolllommenheit bebeuten fol. — Wegen ber Anwendung ber 
Beredtſamkeit auf die Darftellung ber Philoſophie in mündlichen 
oder fehriftlichen Borträgen f. philof. Vortrag und philof. 
Schreibart. 

Bereitwillig f. willig, Zuſ. 

Berengar von Tours. — Zuſatz: In Bezug auf befs 
fen Geburt iſt noch zu bemerken, daß ihn Einige vor, Andre nach 
dem J. A000 geboren werden laſſen. Auch war ’ee nicht bloß 
£ehrer an der Schule zu Tours, fondern zugleih Kanonikus, und 
fine Beſtreitung der Lehre von der Zransfubitantiation war ſowohl 
gern Radbert ald gegen Lanfrank gerichtet. Neuerlich erſchie⸗ 
wn: Berengarii Turonensis opera. KEdiderunt A. F. et 
F. Th. Vischer, moderante Aug. Neandro. Berl. 1834. 
8.3. 1. — — Die Apologie Abälard’s von Peter Beren: 
gar war hauptfädhlich gegen den Myſtiker Bernhard von Clair: 
danr gerichtet. ©. d. Nam. 

Berg (Franz). — Zufag: Er ftarb im J. 1821. 

Berger (3. E. von. — Zufag: Er war 1772 geboren 
md flarb im J. 1833 zu Kiel. 

Berggeifter gehören zur erften Giaffe der Elementar: 
geiſter. S. d. W. und Geifterlehre. Sn der Eprache bes 
meinen Lebens heißen fie auh Bergmännden und Kobolde 
Ber Kobolte. Die Philofophie weiß nichts von diefen Geſchoͤ⸗ 
en der Einbilbungskraft, fondern überläffe fie der Poefie und 

aturgie. 

Bergk (3. A.). — Zuſatz: Er ſtarb im 3. 1834 zu 
keipzig. Sein Geburtsjahr fegen Einige vier Sahre fpäter, fo daß 
er nicht im 65. fondern im 64. Lebensjahre geftorben fein fol. 

Berkeley (Georg) — Zufag: Als fein Todesjahr wird von 
Anden das J. 1752 bezeichnet. Sein Alcipbron tit nicht bloß 


156 Bernardin de St. Pierre Beruf 


gegen Mandeville, fonbern auch gegen Bromm gerichtet. Eeine 
gefammelten Schriften führen den Zitel: The works of G. B. to 
which is added an account of and several of his let- 
ters to Thom. Prior, Dean Gervais, and Mr. Pope. 

Bernardin de St. Pierre f. Pierre, 

Bernhard von Clairvaur oder ber Seilige, geb. 
1091 zu Fontaine in Burgund, wurde 1115 erfter Abt des Gifters 
cienfer = Kloſters Clairvaux bei Langres in der Champagne, ſtarb das 
fetbft 4153 und wurde 117% vom P. Alerander UL tanonifirt. 
Er gehört zu ben Scholaftitern des Mittelalters, welche ſich aus 
Ekel an ber ſcholaſtiſchen Dialektik ihrer Zeit dem Moſticismus 
in die Arme warfen, ging aber in feinem frommen Eifer fo weit, 
daß er als leldenſchaftlicher Gegner von Abälard und Gilbert 
von Porrede auftrat, auch die von ihm zu Sens verfanmelten 
Biſchoͤfe zu einem foͤrmlichen Verdammungsurtheile gegen den Er— 
fieren beftimmte. Er fol biefes harte Urtheil den Bifſchoͤfen fogar 
durch Trunkenheit abgelodt haben, fo daß, als er fie fragte: Dam- 
malis? bie trunfnen Herren lallend antworteten: Damnamus — 
nmamus. ©. Schroͤckh's Kirchengeſchichte, B. 28. S. 478. 
Auch gilt er für einen ber größten Wunderthäter, nicht nur wähs 
rend feines Lebens, fondern auch nad) feinem Tode, fo daß der 
nacjfolgende Abt dem Leichname B.'s auf der Wahre gebieten 
muffte, feine Wunder mehr zu thun, um dem Volksgetuͤmmel ein 
Ende zu machen. ©. Vita Bernhardi 1. VII. c. 28. Opp. Vol. 
U. p. 1219. wo es heißt: Per virtutem obedientiae, me aigu- 
ulterius faceret, inhibuit. Und der tobte Abt gehorchte auch auf 
der Stelle feinem Nachfolger! — Unter feinen Schriften find vor 
glıglidy die beiden de diligendo deo und de et libero arbi- 








Berühmtheit Beſcheidenheit 157 


auf dem religioſen Standpuncte als von Gott ausgehend gebacht 
wird, ein göttlicher (vocatio divina) als Gegenfag bes äußern, 
den man von Menfchen erhält und daher auch den menſchlichen 
nennt. Der Beruf zu einem Amte, den man audy fchlecht: 
weg einen Ruf nennt, kann alfo beides zugleich fein, und iſt dann 
um fo annehmlicher. Indeſſen laͤſſt fi) über die Pflicht des An: 
mehmens oder Ablehnens eines folchen Mufes im Allgemeinen nichts 
beſtimmen. Jeder bat dabei auf feine Umftände, und Lebensverhäfts 
niſſe Rüdfiche zu nehmen. Nur foviel kann man fagen, daß kein 

des Mittel, einen Ruf zu erlangen, angewandt und ſelbſt 
ein freiwilliger Ruf nicht angenommen werden darf, wenn es an 
den zur glüdlihen Verwaltung bed angetragnen Amtes erfoberlis 
hen Kenntniſſen und Fertigkeiten fehlt. 

Berühmtheit f. Ruhm nebft Zuf. 

Beſatzunsgrecht (jus obsessionis) iſt die Befugniß, in 
einen Ort oder ein Land Truppen zu legen, um ſich des Beſitzes 
deſſelben zu verfihern. Darum nennt man eben dieſes Belegen 
mit bewaffneter Mannſchaft ein Befegen. Im eignen Geblete 
bat jeder Staat biefes Mecht während des Friedens ſowohl als bes 
Kriegs, im fremden aber nur während des Kriege, wenn nicht bes 
fondre Vertraͤge auch im Frieden dazu ermächtigen; wie Oeſtreich 
und Preußen das Beſatzungsrecht in Mälnz als einer deutichen Bun⸗ 
desfeftung haben, obwohl die Stadt felbft keinem biefer beiden Bun⸗ 
desſtaaten zugebött. 

Beſchaffenheit. — Zufag: Befhaffenheiten werden 
auch Affectionen, Eigenfhaften aber Attribute ober Pros 
prietäcen genannt. Die Grammatiker beobachten jedoch diefen 
Umſtand nicht, und nennen baher bie nomina adjectiva bald 
Beſchaffenheitswoͤrter bald Eigenfhaftswärter bald 
auch überhaupt Beimwörter; was wohl am richtigften if. ©. 
Beimwort. 

Beſchaulich. — Zufag: Wenn diefes Wort in ascetifcher 
Hinſicht genommen void, fo fagt man dafuͤr auch contemplativ. 
©. Contemplation. 

Beſcheidenheit. — Zuſatz: Wie mag es zugehn, baß 
derfelbe große Dichter, welcher nur Lumpe für befcheiden erklärte, 
doch feinen Fauſt ganz anders fprechen laͤſſt? Denn dieſer fagt 
n dem nad ihm benannten Welt: Drama (Th. 2. Act 2.) zu 

Biron: 


„Du biſt der wahre große Wann, 
„Der Lobeswort nit hören Tann. 
„Gr ſucht beſcheiden auszumeiden, 
„Und thut als gäb’ ed Seinesgleichen.“ 


Hat aber der große Dichter auch fo gethan ? 


’ 


158° Beihimpfung Beſchwoͤrmg 


Beihimpfung f. Schimpf, Zuſ. 

Beſchließen. — Zufag: Ein Beſchluß heiße aud ein 
Conclufum. Etwas Andres ilt aber eine Conclufion. S. d. W. 

Beſchraͤnkung. — Zufag: Wegen der befhräntenden 
ober reftrictiven Erklärung einer Rede oder Schrift f. Aus⸗ 
legung, Zuf. 

Belhreibung. Zufag: Die Begriffe von den Gattungen 
und Arten der Maturerzeugniffe (Xhiere, Pflanzen, Mineralien) 
werben vorzugemelfe duch Befhreibungen (deseriptiones) bes 
flimmt, weil Erklaͤrungen im engern Sinne (definitiones) nicht 


"ausreichen würden, fie von einander gehörig zu unterfcheiden und 


in der Natur aufzufinden. Wenn 3. B. das neue Wörterbudy der 
feanzöfifchen Akademie die Katze für ein Thier erklaͤrt, welches Mäufe 
fängt: fo ift das zwar an ſich richtig, aber nicht ausreichend. 
Denn Igel und Eulen find ja ebenfalls Thiere, welche Mäufe fans 
gen; und in geroiffer Hinficht find es auch die Menſchen, obwohl 
diefe die gefangenen Mäufe nicht hinterher verzehren, wie jene Thlere, 
. Da nun bie fog. Naturgefchichte mehr befchreibend als erzähs 
lend Be fo folte fie auch lieber Naturbefchreibung heißem. 

Befreiung fol eine Art Bezauberung oder Weherung 
fein, bewirkt durch) die Stimme ober gewiffe Worte, Inders man 
denfelben eine Art von Wunberkraft, Unglüd bervorzurufen, beilegt. 
Es ift alfo derfelbe Glaube, welder auch den Fluͤchen und Ver⸗ 
wünfdungen eine folde Kraft zuſchreibt. ©. Aberglaube und 
Beſchwoͤrung nebft Zuf. 

Beſchwerden (graramina) find Uebel, die den Menſchen 
drüden, über die er ſich daher beklagt oder, wie man auch ſagt, 





Befeflen 159 


Freytag's dissert. de incantationibus magiels (Leips. 1710. 4.) 
nachleſen. Zu bemerken iſt nur noch, daß incantatio eben eine 
Beſchwoͤrung mitteld ſolcher Wörter ober Formeln, die man aud) 
wohl auf eine beflimmte Weife herfagt oder abfingt, um fie recht 
wirkſam zu machen, bedeutet. Hingegen adjuratio und obsecratio 
bedeuten die im Artikel felbft (B. 1. ©. 330.) zuerft angeführten 
Arten der Beſchwoͤrung, wobei es in der Regel auf keine Zauberei 
abgefehn if. Vergl. auch ben folg. Art. 

Befeffen. — Zufag: Bei den Alten hießen die Befeffenen 
nicht bloß dasmovıxos oder daroveaxor, fondern auch dauuovımm- 
ze, damorıouero, dasuorıoArrro: (von einem Dämon Ergrifs 
ferne) und dusorıoninxtos (von ihm Geſchlagene oder Betroffene) 
und ebenbaher ihr Zuftand duumorioAmypın und daononinkıu. 
Aud wurden die Ausdrüde dauuorav und xaxodamorav oft für 
nelayyolav und uaweoIu (trübfinnig — mahnfinnig fein) ges 
braucht, obwohl ſchon Hippofrates die Herleitung folcher Kranke 
beiten vom Einfluſſe böfer Geifter ats Aberglauben beftritt; was auch 
die Aerzte zu ben Zeiten des Drigenes thaten, wie biefer in ſei⸗ 
nee Auslegung von Matth. 17, 15. bezeugt. — Die Zaubermittel 
und die Beſchwoͤtungsformeln, duch welche man folde Kranke zu 
heilen fuchte, leiteten die Juden unb manche der älteren Chriften 
vom weifen Salomo ab. S. Josephi antiquitt, VIII, 2. 9. 
und Justini Mart. dial. cum Tryph. 85. Bei den Abyffiniern 
aber ſucht man noch jest bie böfen Geifter aus foldhen Kranken 
theils durch vorgefegte Schige und Koftbarkeiten hervorzuloden, 
theils durch entfeßliches Lärmen und Schreien zu verjagen. ©. 
Heller: Magazin. 1836. Nr. 29. — Uebrigerd betrachtete man 
die Ausiprühe der Beſeſſenen oder Dümonifhen auch häufig 
als Götterfprühe (oracula) oder Weißagungen (vaticinia) und 
nannte daher fie felbft Theomanten S. Theomanie und 
Theomantie. — Semler's dissert, de daemoniacis, quorum 
in evanzeliis fit mentio, und Deff. umftändliche Unterfuchung 
bee daͤmoniſchen Leute oder fogenannten Befeffenen (Halle, 1762. 
8.) fo wie Weſtphal's pathologia daemoninca (Leipʒ. 1707. 8.) 
nebft den datuch veranlaſſten Etreitfchriften, find noch immer in⸗ 
fefern Iehrreih, als fie beweifen, wie hartnaͤckig jener alte Abers 
Glaube ſelbſt gegen die fchlagendften Beweiſe feiner Ungültigkeit ver: 
Beidigt worden, und wie man aus den Erzählungen von angeblis 
hm Teufelsbeſitzungen ſogar ein Dogma gemadt hat, bas man 
nicht chne Verluſt der ewigen Seligkeit bezweifeln dürfe Ja es 
in derſelbe Aberglaube noch ganz neuerlich wieder ſowohl von Aerz⸗ 
ten als von Philoſophen in Schutz genommen worden. S. Ge⸗ 
ſchichte Beſeſſener neuerer Zeit. Beobachtungen aus dem Gebiete 
tkatkodaͤmoniſch⸗ magnetiſcher Erſcheinungen von Juſt. Kerner. 





160 Beſitz Beſitznahme 


Nebſt Reflerionen von C. A. Eſch enm aver über Beſeſſenſein und 
Bauber. Karlsr. 1834. 8. — Nachrichten von dem Vorkommen 
des Befeffenfeins, eines bämonifch =magnetifchen Leidens, und eines 
fhon im Altertyume bekannten Heilungsweife durch magiſch⸗ magnes 
tiſches Einwirken. Bon Juſt. Kerner. Stutig. 1836. 8. — 
Briefe über I. 8.6 Geſchichten Beſeſſener neuerer Zeit. Heidelberg, 
1836. 8. (Ein gutes Antibot gegen die vorhergehenden Schriften 
von J. 8.) — Vergl. auch Strauß, Leben Jeſu. B. 2. 8.9. 
$. 87—89. nebft dem Art. Geifterlehre. 

Befig. — Bufag: Wenn ein Befigender außer Beſitz 
gefegt (depoffedirt) wird, fo kann bieg entweder thatlich (rin 
facti) ober rechtlich (via juris) gefchehen. Jenes gefchieht meiſt 
durch Betrug oder durch Gewalt, wie beim Diebftahle ober beim 
Raube, mithin widerrechtlich, dieſes aber kraft eines nach dem Ges 
fege gefällten richterlichen Ausſpruches. Des innern oder geiftis 
gen Beſitzthums kann man jedoch auf ſolche Weiſe nicht verluſtig 
werden, außer in Folge einer fo großen Betruͤbniß oder fo harten 
Behandlung, daB Zemand feinen Verſtand darüber verldre oder 
mahnfinnig würde. S. auch bie beiben ff. Zuff. 

Befignahme. — Zufag: Statt Befignahme oder Bes 
fignedmung fügen Manche auh Einnahme oder Einnehs 
mung; mas aber dem lateiniſchen occupatio minber entſpricht. — 
Wenn Mehre zugleich eine herrenlofe Sache in Beſitz nehmen, fo 
find fie ats Gleichberechtigte anzufehn, wofern nicht ſchon früher ein 
ungleiches Rechtsverhaͤltniß zwiſchen ihnen beſtand, wie zwiſchen 
Herrn und Diener. Als Gleichberechtigte aber muͤſſen fie ſich mit 





einander über die Art und Weiſe bes künftigen Beſitzes und 
Gehrauches vertragen, folglich auch über die Teilung des in 


uw, 


Beſitzrecht Beſoldung 161 


theilt werden ſoll. Folglich iſt die Theilung nur eine von jener ab⸗ 
geleitete oder durch jene bedingte Erwerbungsart. S. Alleinei⸗ 
zenthum und Geſammteigenthum (unter Geſammt). 
Auch iſt es nicht richtig, wenn Pufendorf (de oflicio hominis 
es civis lib. I. cap. 12. $. 6.) fügt: „Post recepta inter homi- 
„nes divrisa rerum dominia ita intereos conventum, ut quae- 
„eungue sub primaevam divisionem non venerunt, ea ce- 
„derent occupanti.” Denn weder eine primaeva divisio noch eine 
posterior conventio unter ben auf bee Erde lebenden Menfchen ift 
geſchichtlich nachzuweiſen; fondern beides iſt nur beliebig angenoms 
men ober vielmehr erdichtete — eine juridifche Fiction, welche. den 
Udprung bes Sondereigenthums unter den Menſchen weder begreif: 
licher noch rechtlicher macht. — Wenn aber Grotius fügte, bie 
Kinder, welche doch Feine Suchen, fondern Perfonen (obwohl eine 
Zeit lang noch unmündige) find, würden von den Eltern occupirt: 
fo iſt das ebenfo ungereimt, als wenn Hobbes fagte, das Kalb 
würde eigentlich ober zunaͤchſt von der Kuh occupirt, hernach aber 
der Kuh vom Deren berfelben wieder abgefodert, da weder Kuh noch 
Kalb Perfonen find, fondern Sachen, wie alles Vernunftlofe umd 
Unfreie, das Kalb aber als Frucht der Kuh dem Herrn berfelben 
jure accessionis von felbft zufaͤlt. &. Eltern und Kinder, 
ub Frucht. 

Beſitzrecht. — Zuſatz: Nähft ber Schrift von Weife 
iR auch die von Savigny zw vergleichen: Das Recht des Bes 
fies. A. 6. Gießen, 1837. 8. und bie von Tigerſtroͤm: Die 
nano fidei possessio oder das Recht des Beſitzes. Berlin, 
836. 8. 

Beſoldung heißt der Gehalt, den cin Beamter als Gegen: 
kiltung für die von ihm zu leiftenden Dienfte befommt. ©. Amt 
md Ehrenlohn. Man Einnte aud dafür ſchlechtweg Sold 
gm, wenn biefes einfachere Wort, urfprünglich eine Gabe bedeus 
tend, nicht wie Loͤhnung vorzugsweile von Kriegsleuten gebraucht 
würde, die ehendarum Soldaten ober Söldner heifen. Die 
kehrer der Philofcphie bekamen urfprünglih bei den Alten Keine 
Seſzldung; fie begnuͤgten fi) mit dem Didaktron oder Honorare, 
des fie von ihren Schuͤlern empfingen. Erſt die veränderten Lebens⸗ 
vxerdaͤltniſſe der fpütern Zeit unter den roͤmiſchen Kaifern gaben aud) 
den Philoſephen als öffentlichen Lehrern der Wiſſenſchaft förmliche 

Anflelungen und Beloldungen — ob zum Vortheile für die Philoſo⸗ 
sbir, Darüber laͤſſt ſich wohl Manches pro und contra fügen. Es lohnt 
Ab aber nicht der Mühe, darüber zu ftreiten, ba es ſich jegt nicht 
nuhe ändern laͤſſt und die Erfahrung hinlinglidy bewicfen hat, daß 
auch beſoldete Lehrer ber Philofophie dee Wiſſenſchaft erfprießliche 
Dienfte Leiten können. 

Krug’s encyklopaͤbiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppi. 11 


162 Beſſerung Beſtechung 


Beſſerung. — Zuſab: Das eriminaliftifhe Befie: 
rungs-Syſt em nennt man auch cin Buß-Erfiem. S. d. W. 

Beſtand. — Zuſatz: Der Thatbeſtand eines Verge— 
hens eder Verl Ft auch der Körper deſſelben (corpus 
delie ©. That. — Die Beftinbigkeit (constantia) if 
zwar mtlih nur dann cine wirkliche Tugend, wenn fie ſich im 
Guten zelgt; denn Beftändigkeit im Boͤſen wuͤrde vielmehr ein Lafter 
fein. Indeffen denkt man gewöhnlich nur an jene Beftindigkeit und be 
erachtet daher die Unbeftänbigkeit (inconstantin) immer als einen 
fittlichen Fehler, als Mangelhaftigkeit des Charakters. Cine gute Mo— 
nographie darüber hat Seneca in der Schrift. De constantin 
sapienlis s. quod in s: tem non cadit injarin, hinterlaſſen ; 
wiewohl man hin und wieder etwas weniger ftoifhe Uebertreitung 
wönfhen möchte. Auch hat Thomafius eine Disput. de cen- 
stantin et inconstanlia (Xelpg. 1692. 4.) binterlaffen. — Was 
aber den fogenannten Stabilismus oder Smmobilismus be 
teiffe, der zu ſtarr am Beftehenden hält und daher jedem Fortſchritu 
sum Veffern widerſtrebt, indem er dann auch die beftehenden Sr 
ehümer, Fehler, Mängel und Misbraͤuche fefthätt: fo bezieht er 
ſich nicht bloß auf das Politifche, fondsen auch auf das Kirchliche 
und überhaupt auf alfe Lebensverhaͤltniſſe. Gicht es doch felbft in 
dir Philoſophie, wis in alten Wiffenihaften und Künften, Stabi 
Efien. Der philoſophiſche Etabilismus aber mwiderfprigt 
ſich ſelbſt, da cr das ſelbſtaͤndige Philoſophiten aufhebt, mithin 
durchaus unphiloſophiſch if 


Beſtandtheile. — Zuſatz: Cie heißen auch die Ingrer 
dientien eines Dinges, weil fie im daſſelbe gleichſam eingehen 
ee) 





Beſteuerungsrecht 163 


dabei ſowohl auf das Mittel (largıri) als auf ben Zweck (cor- 
rampere) fehben Tann. Denn das Geben oder Schenken foll ben 
Empfänger verderben ober zum Unrecht verführen. Die Beſtech⸗ 
lichkeit als einen Hang oder eine Gewohnheit, fi fo verführen 
za laflen, nennt man auch Verkaͤuflichkeit oder Venalität, 
weil der Menſch fi) dadurch gleichſam felbft Andern verkauft. 
Befleuerungsreht. — Zufas: Im Lateinifchen heißt 
dieſes Majeftätsrecht oder Regale jus tributorum et vectigaliam, 
weil bie vermöge deſſelben gefoberten Abgaben ſowohl eigentliche 
©teuern (tributa) ale Zölle (vectigalia) fein koͤnnen. ©. beide 
Ausdede nebft Zuff. — Wenn das Vermögen der Bürger (das 
Ganze ihres dußern Beſitzthums) beftenert werden foll: fo iſt nicht 
Bob auf das Vermögen an fi, fondern. auch auf das wirkliche 
Einfommen als Erzeugniß des Vermögens und ber Arbeit zu fehn, 
wofern die Beſteuerung durchaus gleichmaͤßig fein fol. Freilich 
find die Schwierigkeiten, jenes Einkommen zu ermitteln (meil e8 
Manche feibft nicht kennen, Andre es abfichtlich verbergen oder 
moͤglichſt Mein angeben) fo groß, daß biefe Art des Beſteuerung, 
ie man Bermögenss ober richtiger Einkommenſteuer 
nennt, immer etwas fehr Problematifches bleiben wird, wenn man 
wicht das firengfte inquifitorifche erfahren anwenden und falfche 
Ingaben mit ſchweren Strafen belegen will. Hoͤchſtens iſt fie nur 
- morimativ zu verwirklichen und daher vielem Meobificationen un: 
f emorfen. — Wenn ferner die zu Beſteuernden (dus Volk durch 
fine Vertreter) der Regierung gegenüber, twoelche das Befteuerungs: 
re ehe bat, das Steuerbewilligungsrecht haben: fo folgt, 
‚ DE fie auch ein Steuerverweigerungsredht haben müffen, 
‚ Mel fonft die Berilligung eine bloß fcheinkare oder illuforifche wäre. 
en ift auf ber andern Seite ar, daß die Verweigerung felbft 
fi) nur auf einzele Steuem ober Steueranfäge bezichen dürfe, 
wenn Diele zu hoch find, oder wenn flatt der alten Steuern neue 
ngeführt werden follen, oder wenn bie vorgeichlagne Erhebung 
und Wertheilung der Steuern zu koſtſpielig oder zu laͤſtig waͤre. 
Dean wefern die Steuern im Ganzen auf einmal verweigert wuͤr⸗ 
, vn: fo würde Die ganze Staatsverwaltung fioden und am Ende 
dellige Anarchie, wo nicht gar eine Nevolution ausbrechen. Das 
frühere Steuergefeg muß daher fo lange gelten, bis man fid) über 
fm neues vereinigt hat. Wie jeboch die Foderungen oder Poftu: 
te ter Regierung in Bezug auf die von den Staatsbuͤrgern zu 
wirihienden Steuern zu hoch fein können: fo Eönnen fie auch 
zeit in manchen Anfägen ober Pofitionen zu niedrig fein, fo 
Bf der dabei vorgefeute Zweck nicht vollfländig erreicht würde. Dort 
heben alfo bie Steuerbewilliger das Recht und die Pfliht, weni: 
ger, bier aber, mehr zu bewilligen. Es ift daher ein fülfcher 
11° 


’ 





164 Beftimmt Beſtuͤrʒt 


Grundfag, daß bei ber Steuerbewilligung bie Foderungen oder Ans 
füge der Regierung nie Überfchritten werden dürften. Daburdy würbe 
man nicht nur die Volksvertreter, melde das Steuerbewilligungse 
techt ausüben follen, zu fehr befchränten, fondern auch oft der Res 
sierung eben fo fehr als dem Voike felbft ſchaden. Es kommt hier 
alles auf cine umfichtige Erwägung ber vorliegenden Umflände au. 
— Bu den Alten Schriften über dieſen hochwichtigen Gegenftand 
der Rechts: und Staats» Philofophie gehört noch: Petty’s trea- 
tise on taxes and contributions. London, 1667. 4. — Die neueſten 
Schriften aber find folgende: Theorie und Politik der Wefteuerung, 
Don Karl Murhard. Göttin. 1834. 8. — Ueber verhäle 
niffmäßige Beſteuerung, oder wie jeder Staatsbuͤrger nach der Größe 
feiner finanziellen Kraft zu den Algemeinlaften beitragen wuͤrde. 
Leipzig, 1834. 8. — David Ricardo’s.Grundfäge ber Wolke 
wirthſchaft und der Befteuerung. Aus dem Engl. überf. von Dr. 
Eduard Baumftark. Leipzig, 1836. 8. 

Beftimmt. — Zufag: Wenn ein Begriff beſtimmt 
iſt, fo fieht der Verſtand deffen Gegenftand gleichſam gerabe an, 
ungerade hingegen eder von der Geite, wenn ber Begriff unbes 
ſtimmt if. Darum Heißt ein folder Begriff auch fchielend 
oder ſchwankend. Etwas anders nimmt man jene Aut 
wenn von Urtheilen bie Rede iſt. Diefe heißen beftimmt, 
wenn ihr Subject und Präbicat genau bezeichnet iſt, z. B. Alte Afind 





B; im Gegenfalle unbeftimmt, 5 3. Einige A können B, anlet 
€ fein; denn hier weiß man, nicht, weiche Bund weicheC feinem 
Beflimmung. — Zufag: Wenn von der Beflimmung 
des Willens die Nede ift, ſagt man im Lateinifchen determine 
to voluntalis; wovon aud der Determinismus benannt HE 


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Betheiligung Beugſam 165 


wiewohl ed auch für begeiſtert gebraucht wird, weil ein plöglicher 
Anfall von Begeifterung den Menfchen aud) beftürzt machen oder 
wie ein Donner betäuben ann. 

Betheiligung im activen Sinne heißt die Befähigung zur 
gemeinfamen Theilnahme an einer Sache, im pafliven aber das 
Befähigtfein dazu. Daher ſagt man Betheiligte für Inter: 
effenten und Mitbetheiligte für Mitintereffenten. Zu: 
weilen ſteht betheiligt auch für parteiifh und unbetheis 
ige für unparteiifch. Indeſſen folgt daraus, daß Jemand bei 
einer Eache nicht betheilige Ift, noch keineswegs, daß er unparteiiſch 
ia feinem Urtheile fe. Die Unparteilichkeit wird alfo nur präfus 
wirt, weil fie dann leichter flattfinden kann. — Sft von Verbre⸗ 
den bie Rebe, fo verfteht man unter Betheiligten oder Mitbethei- 
listen aud bie fogenannten Gomplicen (ſ. Complication) 
wiewohl die, gegen welche das Verbrechen verübt worden, auch ba: 
bei betheiligt find. 

Betrübniß f. trüb. Ä 

Betrug. Zufag: Ein fog. frommer Betrug (pia fraus, 
auch wohl dolus bonus genannt) bergleichen die Prieſter ſich oft 
erlaubt haben, um ihre bierarchifchen Zwecke zu fördern, ift und 
Weibe als Betrug immer ſchaͤndlich und irreligios (turpis et 
impia fraus). S. Jacobi's Betrachtungen über den frommen 
Berug. Im deutſch. Mufeum. 1788. St. 2. Ein gewiffer 
Höhn oder Hoͤnn (Georg Paul) in Coburg bat auch ein Be 
img8 :Leriton herausgegeben, in welchem die Betruͤgereien aller Art, 
isfonderheit folche, die von geroifien Ständen oder Profefjionen ver- 
übt werden, nebſt den dagegen anzumendenden Mitteln, in alpha: 
betiſcher Ordnung aufgezählt find. Die 3. Aufl. deſſelben erfchien 
m Coburg, 1724. 8 Da Eann fih alfo Mathe erholen, wer 
im bedarf. — Wegen des Grundfages, durch welden Betrüger 
fh oft entfchuldigen wollen: Mundus vult decipi etc. f. biefe 
Fermel ſelbſt. Wegen des Buchs de tribus impostoribus aber 
wisl. Glaubensarten a. E. und Zuf. nebftdem Zuf. zu Law. 

Bettelei. — Zuſatz: Die Vertelei ijt um fo gefährlicher, 
da fie fogar zur Bettelſucht werden Eann, vermöge welcher ein 
nid) am Betten ſelbſt als einem Gewerbe, das feine Anftren- 
gung koſtet und mit einem müßigen Umherſchweifen verträglich iſt, 
Gachmack finde. Daher kommt es, daß Bettler zuweilen viel Geld 
kmmelten und ihre Erben fehr uͤberraſchten, als dieſe nad) dem 
Zede jence die gefummelten Schige fanden. Vieles davon mochte 
frrilich wohl auch nebenbei geftohlen fein, da Bettelii und Dieberei 
Geſchwiſterkinder ſind. Daß ſolche Bettelſucht aud) alles Ehrgefühl 
tie, verſteht ſich von ſelbſt. 

Beugſam oder biegſam, pſychiſch und ethiſch genommen, 





106 Bevölkerung Berahrung 


heiße derjenige, welcher den Vorftellungen (Huffoderungen, @ 
nungen, Bitten ı.) Andrer leicht machgiebt, ſich alſo auch 
zum Gegentheife deſſen beflimmen Affe, was er früher gemol 
befchloffen hatte, Im Gegenfalle aber heißt ber Menſch un 
fam ober unbiegfam. Beides kann nad) Umftänden gi 
88 fein. Wer aber zu viel Beugfamkeit zeigt, vercäth 
dings einen ſchwachen Charakter, fo wie der, welches zu die 
beugfamkeit zeige, in dem Fehler der Hartnädigkeit ob 
Sturrfinns fällt, Wenn jedod) dem Menfhen eine Beu 
(Verlegung) des Rechts oder fonft etwas Boͤſes zugemuthe 
fo foll er durhaus unbeugfam fein. 

Bevölkerung. — Zuſatz: Zu dem dltern Schrifte 
diefen Gegenftand gehört noch: Memoire sur la population. 
1768. 8. Ein neueres Werk aber ift: De la populatior 
ses rapports avec la nalure des gouvernemens. Par le 
Richerand. Paris, 1837. 8. (Das Wort Populatioı 
naͤmlich jegt in einem andern Sinne genommen, ais bei ben 
wo populatio foviel als Verwuͤſtung oder Verheerung bedeut 
dem fie unter populari das Eriegerifche Herumziehn eines 
oder Heechaufend, wobei das angebaute Land meilt vermüfl 
verheert wird, verſtanden; woher aud bie Bedeutung bes 
tens unb des Plünderns fommt. Erft bei Coelius Sebi 
einem chrifttichen Schriftſteller des 5. Jahrhunderts, finde 
populatio in der Bedeutung eines Volkes ober eines Menfd 
fens von gemeinfamer Abftammung). — In den Schriften ü 
Armuth ift auch gewöhnlich von ber Bevölkerung bie Rede 


man jene meift als Folge ber Uebervölferung betrachtet. S 
nebft Zuf. Ebenfo betrachtet man als Folge derſelhen den | 
I hi 


Bervegung Beweiſen 167 


Schuld beladet, alſo bie Reinheit des ſittlichen Vewuſſtſeins auf⸗ 
hebt. S. Unſchuld und Gewiſſen. Es heißt alſo auch in die⸗ 
fee Beziehung: „Beſſer bewahrt, als beklagt!“ Ebendas gilt von 
der Bewahrung der Geheimniſſe, wenn ſie Pflicht in einem 
gegebnen Falle iſt. S. Verſchwiegenheit. — Bewaͤhrung 
aber iſt ſoviel als Beſtaͤtigung oder Bewahrheitung; wie wenn Je⸗ 
mand ſeinen guten Willen nicht bloß mit Worten verſichert, ſon⸗ 
dern auch durch die That beweiſt. Daher nennt man auch einen 
Freund bewaͤhrt, wenn er ſeine Freundſchaft ſo bewieſen hat. 


Bewegung. — Zuſatz: Die Bewegungspartei heißt 
auch die Partei der Zukunft, bie Widerſtandspartei aber 
die dee Vergangenheit, weil biefe fich einzig an das fett langer 
it Beſtehende hält, jene aber immer vorwärts dringt und daher 
Katt des Alten ein Neues ſchaffen will. Da jedoch bie Bewe: 
gungsmänner oft zu hitzig und unbefonnen verführen, indem 
fe Ales im Nu umgeſtalten mollen und dadurch oft ber guten 
Sache mehr fchaden als nügen: fo unterfcheidet Victor Hugo, 
dee doch ſelbſt fich zu dieſer Partei hinneigt, in feinen Etndes sur 
Mirabeau mit Recht die ſchlechteren Bewegungsmaͤnner ald Um: 
wälzungsmänner von den befferen ald Kortfhreitungsmän: 
Bern, und will nur diefe als wärdige und gewiffenhafte Arbeiter im 
Gebiete des gefelligen (bürgerlichen und Eirchiichen) Lebens gelten lafz 
m Es ift aber wohl überhaupt fehr unbeifimmt, von Männern 
oder einer Partei der Bewegung zu fprechen, ohne vorher beſtimmt 
u haben, von welcher Bewegung die Mede ſei, da cd gute und 
ie, nügliche und fchädliche, ſchoͤne und häffliche Bewegungen gicht. 
fite nun Jemand die guten, nüsliden und ſchoͤnen, ein Andrer 
Ihe die böfen, ſchaͤdlichen und baͤſſlichen: fo würden Gewiſſen, 
Kirzheit und Geſchmack bald entfdwiden, ob wir ung an din er: 
km eder den zweiten Bewegungsmann anſchließen folltn. — Cin- 
arzedlich neue Theorie der Bewegung, mie Einſchluß der geſell- 
ſchaftlichen, ſ. im Art. Fourier. 

Bewegurſache. — Zuſaß: Wiewehl Ariſtoteles Bon 
&5 das primum movens eder als die hoͤchſte Bewegurſache betraci 
ke, ſo hielt ee dech die Bewegung ſelbſt wie das Bewegliche, die 
De:ccie, für gleich ewig mit Got. S. Aristot. plas. VIII, CL. 
de zenerat. et currupt. 1, 7. 1, 7. 

Beweifen. — Zuſatz: Im Yateinifhen werden demen 
Srare und probare oft als gleichgeltend fur beweihn üderhaupt ae 
braucht, obrohl Demonjiration und Probation ven den Ye: 
Hm jo unterſchieden werden, dag jenes einen ſtarkern (Berwijjese 
gebenden/ dieſes einen ſchwaͤchern (nur Wahrſcheinlichieit gebenden) 
Beweis anzeigt. — Beiſpirle von falſchen oder fehlerbafien Beweis 


168 Berilligung ' Biarchie 


arten f. im Art. Sephiſtit. Wegen bes diabeliſchen Be 
weiſes f. Liat 
Bemwil sung it bie Genehmisung der Anträge oder Fo 
sern. Beſonders mird dieſes Wort gedraus 
ans eines Siaats von den Vürzern deffelben ge 
bzaben (Steuern und Zöle, fodert und Die Bürger em 
weire unmittelbar cher, wie cemihniih, buch gemiite Mirreisper 
ſenen (Weikoyerteeter, Angeorbnste, bie Foderung genehmigen. € 
fintet alſo dann auf ber einen Eeite zwar cin Befteuerungs 
recht (1. d. 38.) cuf er andern aber aud ein Bemilligungs 
recht cter, wie man dann gemehnlicher fast, Vermilligungs 
recht ſtatt. ie tiefe Rechte auszuüben und melden 
fie gu untermerfen fein, 1. Staatsdetfaſſung. 
Bemufftfein. — Zufag: Dis griehiihe ovrednay 
welhem das lateinifhe eonscientia entisriht, bezeichnet auch ein 
Verknüpfung des Eiins und des Wiſſens (ovrdeoız Tor ra 
xuı 1uu sıdıra). Daher arveidroıg Tov davror, conscientia su 
ipsiun, Celöbereufftkki fen vom eignen Sein; arredrcı 
Tov #rigor, eonscientia alius rei, Anderbewufftfein — Riff 
vom fremden Sein. Beides ift aber wieder nothwendig mit einan 
der verbunden, weil eins dag amdre hebt und trägt, weil Ich un 
Du (Nichtich, ſich gegenfeitig beftimmen. — Eine Gefhichte dei 
Bewufftfeins würde nachzuweiſen haben, wie das natürlich 
Bewuſſiſein des Menſchen fi) nad und nad) zu einem philofe 
phiſchen erhoben habe, naͤmlich duch flufenweife Entwidelun 
und Ausbildung mittel einer auf Gelberfenntniß gerichteten or 
ſchung, alfo aud mittels einer gründlichen Analyfe der Thatfac—he 
bes Bewufftfeins. Cine foldhe Geſchichte würde daher geiniffe 

















Bias Bibliomantie 169 


ſtellern kommt übrigens weder Arupyın noch dıapyın vor, ſondern 
nur Aecegxocę und diapyor. 

Biad. — Zuſatz: Sm Griechiſchen hat er wegen feines Ge: 
burtsortes Priene in Kleinafien den Beinamen Ilpınveus, im La: 
teinifchen Prienaeus oder Prienensis. — Wollte man fein befann- 
tes Argument gegen bie Ehe ernfthaft nehmen, fo würde man ihn 
nicht zu den Weifen (oogoıs) Griechenlands zählen dürfen, fon: 
dern vielmehr zu den Cophiften. Denn es iſt weder nothmendig, 
daß man entweder eine fchöne oder eine haͤſſliche Frau nehme, ba 
ed bier ein Drittes oder Mittleres giebt, noch ift es nothmwendig, 
daB die fchöne untreu und bie häffliche unliebenswürdig fi. Man 
muß ſich daher wundern, daß diefes Argument von den Miſoga⸗ 
men fo oft mit triumphirender Miene voiederhott worden. — Nicht 
su verroechfeln mit Byas. ©. d. NM. 

Bibliographie (Hufdıoyoagın, von AudAıov, das Buch, 
und yoageıy, fhreiben) bedeutet bei ben Alten bie Buͤcherſchrei⸗ 
bung ſelbſt, bei den Neuern aber die bloße Bücherbefchrei: 
bung, die freilich aud) ein Buch hervorbringen kann. Cine phi: 
Icfophifhe Bibliographie ift daher ein Werk, in welchem 
andre philofophifhe Werke angezeigt und mehr oder weniger auß: 
fuͤhrlich befchrieben, auch wohl beurtheilt find. S. Bibliothek. 
Start Bibliographie fügen Mande auch Bibliograpbit. 
Das würde aber eigentlich die Kunft der Bücherbefchreibung (rexvn 

KAıßkıoygagızn) bedeuten. Andre verftehen darunter vorzugsweife 
Die Handfchriftentunde in Verbindung mit der nicht leichten Kunſt, 
fie in Anfehung ihres Alters und Werthes zu beurtheilen. 

Bibliolatrie. — Zufig: Bußrtodurosıe kommt zwar bei 
Ten Alten nicht wörtlich vor, aber ſachlich. Denn bie übertrichne 
Verchrung gewiffer Bücher bat zu allen Zeiten unter folhen Voͤl⸗ 
teen, Die ihren Meligionsglauben aus heiligen Schriften fhöpften, 
ũattgefunden. Darum hat man auch viel anderweiten Misbrauch 
damit getrieben. S. den folg. Art. 

Bibliomantie oder — tik (neugebildet, von 349)10-, das 
Buch, und uuvreu, Weiß: oder Wahrſagung, daher garzızy 
wil, Teyrr;) it von doppelter Art. Es koͤnnen naͤmlich erſtens ge: 
wiſſe Bücher ihrem Hauptinhalte nad) als ſolche angeſehen werden, 
welche künftige Dinge vorausgeſagt haben, wie die prophetiſchen 
Bücher des A. oder die Apokalypſe des N. T., desgleichen bie auch 
ten den Chriſten haufig benusten ſibylliniſchen Bücher. Nenn nun 
Jemand glaubt, daß dieſe Prophezeibungen zum Theile ned) nicht 
nfülle fein, und deren Erfüllung doch für nothwendig hält, folg: 
lich mittels derſelben aud) etwas Künftiges vorausfagt: fo iſt dieß 
die erſte Art dir Bibliomantie, die aber freilich ſehr unſicher iſt. 
E. Weißagen. Es giebt aber noch eine andre Art, welche darin 


Bibliothek Bilderbeſchrelbung 171 


(dien Moͤnche, der mehre Mordthaten begangen hatte, um feine 
wüchende Buͤcherſucht zu befriedigen. 

Bibliothek (Hıßdıod nn, von bemf. und Iran, Behaͤlt⸗ 

niß zum Miederlegen oder Aufbewahren einer Sache) gehört nur 
infofern hieher, als es auch philoſophiſche Bibliotheken ges 
geben bat, und zwar nicht bloß reale d. h. wirkliche Samm⸗ 
lungen philofophifher Schriften, ſondern auch ideale b. h. Ders 
yihniffe ober Nachweifungen ſolcher Schriften. So haben Stolpe, 
tipen, Struve u, X. dergleichen Bibliotheken herausgegeben ; 
uud Lipen nennt fein Wert fogar eine reale Bibliothek, ob fie - 
geich nur eine ideale if. S. Literatur der Philoſophie. 
Re, 6. Neuerlich hat man auch eine Menge von Journalen, welche 
Phücfophifhe Abhandlungen und Krititen enthalten, unter jenem 
Zitet herausgegeben. S. Philoſophiſche Zeitſchriften. 

Biegſam ſ. beugſam. 

‚Bigamie. — Zuſatz: Die Alten ſagten nur dıyamıa, di- 
Fania. Staliener, Franzoſen und Engländer aber fagen bigamia, 

ie und bigamy. Und diefen find auch bie Deutfchen gefolgt, 
odwohl Digamıie richtiger wäre. 

‚Bild. — Bufag: Diefes Wort ift nicht einerlei mit Bild⸗ 
niß, obwohl beide häufig vermechfelt werben. Bild entfpricht dem 
griech. nopgn und dem lat. forma, bedeutet daher urfprünglich als 
6, was auf gewiffe Weife geſtaltet ift; weshalb auch ogpovr, 

— bilden, geſtalten. Bild niß aber entfpricht dem griech. 
uxrwy und dem lat. imago oder efligies, bedeutet daher eigentlich 
mas Ab⸗ oder Nachgebildetes; wie ein Porträt. Man kann alfo 
wehl fagen, daß jedes Bildniß auch ein Bild fei, aber nidyt ums 
lehrt, weil ein Bild etwas Einziges in feiner Art fein kann, fo 
dej ed von ihm gar kein Ab= oder Nachbild giebt. 

Bildende Kunft. — Zuſatz: Den Umfang diefer Kunfl 
die Danniyfaltigkeit der bildenden Künfte findet man in 
folgender ganz neuerlich erfchienenen Schrift dargeſtellt: Umriſſe 
ner Iheorie der bildenden Künjie. Bon Ludw. Schorn. Stuttg. 
ud Zub. 1535. 8. 

Bildener: oder Bildnerkunſt. — Zufag: Der Unter: 
ſchied zwiſchen Rundbildnerei und Wandbildnerei beruht 
daauf, Daß jene ganzrunde und daher freiftehende, diefe halbrunde 
(mine cder weniger erhebne) und daher auf einer Fläche angehef⸗ 
tele Bildwerke hervorbeingt. 
Bilderbeſchreibung (Ikonographie) kann entweder wiſ⸗ 
ſenſchaftlich ſein, z. B. wenn Abbildungen von Thieren und 

sen als Naturproducten, oder künftterifch, z. B. wenn Sta⸗ 

tum oder Gemälde als ſelbſtaͤndige Kunſtwerke befchrleben werden. 
Die Lesteren find freilich oft langweilig, aber doch nicht ganz ent⸗ 


172 Bilderbeſtreitung Bildung 


behrlich. Denn wenn auch ein gutes Bild ſich ſelbſt erklären oder 
durch ſich ſelbſt verſtaͤndlich fein fol: fo gehören doch zum völligen 
Verftändniffe und Genuffe mancher Bilder, befonders hiftorifcher 
und allegoriiher, Kenntniffe, bie micht Jedem zu Gebote ftchn und 
daher von dem Velchreiber als einem Kunſtkenner dargeboten ters 
den müffen. Nur iſt dabei möglichfte Kürze zu empfehlen; fonft 
erliegt die Phantafie unter dem Mortfchwalle. 

Bilderbeftreitung oder abgekürzt Bilderftreit (Jos 
nomachie) kann theils wörtlich, theils chätlich fein. Im er 
ſten Falle ſucht man bloß den Bilderbienft oder die Verehrung des 
Heiligen unter ſinnlichen Geſtalten, die wohl gar felbft angebetet 
oder als Lebendige Weſen behandelt werden, mährend fie doch nur 
todte Gögen find, als Gottes und des Menſchen unmwürdig darzu⸗ 
flellen. Und das ift nicht nur erlaubt, fondern auch ganz recht. 
Im zweiten Falle aber wird der Bilderſtreit zur wirklichen Bil: 
derſtürmerei oder Bilderzerfiöcung (Ikonoklaſtie) indem 
man in bie Tempel und andre Derter, ſelbſt Privathaͤuſer, wo Vils 
ber zur Verehrung aufgeftelt find, gewaitſam einbringt und bie 
Bilder ſchimpfiich behandelt, fortſchleppt oder gar vernichtet — ein 
Verfahren, das oft zu heftigen kirchlichen und bürgerlichen Unruhen 
Anlaß gegeben hat und ebenfo unftatthaft ift, als der Bilderdienſt 
ſelbſt, ja fogar rechtswidrig. Denn Niemand ift befugt, den Bil 
berdienft mit Gewalt zu unterbrücden. Es ift da6 Sache der freien 
Ueberzeugung. Auch iſt dadurch ſchon manches herrliche Kunſtwerk 
und manches werthvolle Denkmal zu Grunde gegangen. 


Bildung. — Bufag: Daß bei der Bildung ber Jus 
gend aud auf dns Volkthum ober bie Nationalickt Ruͤckſicht zu 
feinen Zweifel, da jeder Einzelmenſch in. der Ne 

Cüsh Ei ynni. aa sına QomıifTore SPP an 1 





Bildungshemmungen 173 


A. 15. Jahrh. vor Chriftus — Züge des Cekrops, Danaus 
und Mofes. 

B. 12. 55. vor Ch — Troinnifcher Krieg und Bau ber 
Doramiden. 

C. 9. Ih. vor Ch. — Lykurg's Gefeggebung und bie Grün 
dung Karthago’s. 

D. 6. Ih. vor Ch. — Eroberungen bes Cyrus, Vertreibung 
der Könige aus Rom, und erfte Stiftung griechiſcher Philofophens 
ſchulen buch Thales, Pythagoras u. X. 

E. 3. 55. vor Ch. — Herrſchaft der Ptolemaͤer und alerans 
— Gelehrſamkeit, puniſche Kriege und Anfang roͤmiſcher 

atur. 

F. 1. chriſtl. Jahrh. = Beginn der Welterleuchtung durch 
em neues Meligionsfpftem. 

G. 4. 35. nad Ch. — Sieg des Chriftenthums über das 
Heidenthum im römifchen Reiche, indem jenes feinen Siz in Byzanz 
eder Gonftantinopel aufichlägt. 

H. 7. Sb. nah Eh. — Muhammed's Auftritt, um eine 
mu Religion und eine neue Weltherrfchaft zu begründen. 

1 10. Ih. nah Ch. — Hewortreten eines Mittelftandes, 
Bildung bed Bürgertbums und Staͤdteweſens, byzantinifcher und 
italleniſcher Einfluß auf Kunft und Wiſſenſchaft. 

K. 13. Ih. nad) Ch. — Univerfitäten, Hanfe, Magna charta, 
Zrenbadours und Minftrels, Aufblühen ber neuitalienifhen Mas 
Ind und Dichtkunſt, Dome zu Coͤlln und Straßburg ıc. 

L. 16. Sh. nad) Ch. — Kirchliche Reformation, freierer Auf: 
ſcheung der Wilfenfchaft. 

M. 19. Ih. — Politiſche Reformation in Folge der franzoͤ⸗ 
hihen Revolution. Im Ganzen wohl treffend, ungeachtet fid) auch 
Behre Bildungs = Kreife oder Stufen unterfcheiden und hin und wie 
der chronologiſche Ausſtellungen machen liefen. — Vergl. aud die 
unter Herder und Iſelin angeführten Schriften über die Ge⸗ 
Kichte der Menfchheit, nebſt: Betrachtungen über die wichtig: 
Ren Gegenftinde im Bildungsgange der Menſchheit. Von I. 9. 
Meffenberg. Aarau, 1530. 8. 

Bildungshbemmungen können ſowohl von außen als 
tn innen kommen, und ebenſowohl im Körperlihen als im Gei⸗ 
Rigen flattfinden. Cs entiichen daraus allerlei Berbildungen, 
Risgeftaltungen (Differmitäten und Monftrofitäten) nicht bloß 
m der Menſchen⸗, Thier- und Pflanzenwelt, fondern felbft im 
Nineralreiche, ob fie gleich hier weniger auffallen. Vergl. Bil: 

dunzskraft und Misgeburten nebſt der Schrift: Bildungs 
bemmungen der Menfhen und Thiere. Don Dr. Frör. Ludw. 
Sleifhymann Nurnb. 1833, 8. 


174 Blildungstrieb Bion von Boryſthenis 


Bildungstrieb f. Bildungskraft. 

Billroth (Joh. Guft. Febr.) aus Lübeck gebürtig, Dort. 
dee Philoſ., feit 1832 Privatdocent in Leipzig, feit 1834 auferord. 
Prof. der Philof. in Halle, wo er bereitd 1836 ſtarb. Beine 
Schriften find: Beiträge zur wiſſenſchaftlichen Kritit der here 
ſchenden Theologle. Leipz. 1831. 8. Gegen den Ratlonalismus 
gerichtet. — De Anselmi Cant. proslogio et monologio dissert. 
historico - eritica. 1832. 8. 

Bindung (copala) f. Urthell. 

Biodynamik (neugebildet, von Pros, das Leben, und dvva- 
tus, die Kraft) foll eine Wiſſenſchaft von der allgemeinen Lebens⸗ 
Hy in ber Natur fein. Gewoͤhnlicher nennt man fie Biologie. 

. d. 

Biographie. — Zufas: Cine Biographie könnte auch, 
da fie gewöhntich nur dad Leben Eines Menfhen umfaſſt, eine 
Monobiographie ober abgekürzt Monographie genannt wers 
den, wenn fie fich nicht etwa, wie Plutarch's vitae parallelae, 
auf mehre Menſchen zugleich bezöge. Doch hat Monographie 
(f. d. W.) nody eine weitere Bedeutung. Bioygayın kommt kbris 
gens bei den Alten nicht vor. 

Biologie. — Bufag: Die Biologle von Treviranne, 
die 1822 mit dem 6. Bande vollendet wurde, erhielt durch beffen 
fpätere Schrift: Die Erfheinungen und Gefege des organiſchen Les 
bens (Bremen, 1831—32. 2 Bde. 8.) eine neue Darftelung oder 
Bearbeitung. Auch vergl. Trorler über das Leben und fein 


Problem. Gött. 1807. 8. — Anfihten über Naturs und Sees 
lenleben. Bon Joh. Heinr. Ferd. Autenriech. Mach fels 
nem Tode herausgegeben von feinem Sohne Herm. Feder, Aus 





Biotik Blaue Philoſophie 175 


und andern Autoren geſammelt, berichtigt und erlaͤutert im 2. Bande 
von J. C. Orellii opuscula Graccorum veterum sententiosa et 
moralia. Leipz. 1819 ff. 2 Bde. 8. — Die 8. 1. ©. 364. 
angezeigte Echrift von Hoogvliet (Janus Marius) führt eigent- 
lich folgenden Titel: Speciinen philosophico-eriticam cont. dia- 
triben de Bione Borysthenita (Leiden, 1821. 4.) und handelt 
allerdings von dem dort bezeichneten Gegenftänden (B.s Leben, Lehre 
und Schriften). 

Biotit (von Bros oder Bıorn, bas Leben) kann Lebens: 
wiffenfhaft ober Lebenskunſt bedeuten, je nachdem man zu 
Bıorıxr,, das aber fo bei ben Alten nidyt vorkommt, emiornun oder 
seyvn hinzudenkt. Man braudyt aber auch jegt jenes Wort felten 
fo einfach, fondern fest nody etwas vor, um die Bedeutung ges 
nauer zu beflimmen, 5. B. Agathobiotik, Kalobiotit, Mas 
krobiotik, Orthobiotik. ©. biefe Ausbrüde. 

Bis dat, qui cito dat f. Wohlthaͤtigkeit. 

Bisthum — Biſchofthum (episcopatus),. Der Un 
terſchied des Innern und des aͤußern Bisthums will ebenfoviel 
fagen als der des kirchlichen und be bürgerlihen ©. 
Biſchof. 

Bitheismus. — Zuſatz: Eigentlich ſollte man ſagen Di: 
theismus. Denn obgleich das Wort dı$eiouos bei den Alten 
nicht vorfommt, fo heißen doch die, welche zwei Götter annehmen, 
bei ihnen dıdeizaı. 

Bitte. — Zuſatz: Die Zeitwörter bitten und beten find 
wohl urſpruͤnglich einerlei und wahrſcheinlich ſtammverwandt mit 
petere und ode, obgleich das Iegtere mehr unſrem fodern 
atfpriht, das man fülfchlih.in fordern verwandelt hat. — Vergl. 

ah Abbitte und Fuͤrbitte. 

Biunde — Zufig: Neuerlich gab er noch folgende Schrift 
bersus: Ueber die Wahrheit im Erkennen und den Weg zu ihr. 
Eine philef. Abhandlung, geichrieben auf dem Etandpuncte der Res 
Tennspbilefophis und allen Kunden derſelben gewidmet. Trier, 


Bizarr. — Zufas: Das franzöfifhe bizarre bideutet eigents 
lich kunt oder fchedig, dann feltfam, wunderlich, launenhaft, und 
daher auch Lädherlich. 

Blafhe. — Zuſatz: Seine Vornamen find Bernhard 
Heinrih. Cr ſtarb 1832 und war aus Gotha gebürtig. 

Blaue Philofophic. Wer follte wohl glauben, daB es 
fine ſolche gäbe? Sch hab’ es ſelbſt weder gewuſſt noch gealaubt, 
As ich dieſes W. DB. in zwei bald auf einander folgenden Aufla⸗ 
sen herausgab. Aber jetzt Hab’ ich's erfahren durch einen Aufſatz, 

runter dem Titel: „Die blaue Philofophie unfrer 


176 Blemmybas Bluͤhend 


Univerſitaͤts-Lehrer“ in der ſog. „Conſtitutionellen 
Staatsbürgerzeitung” (1836. Nr. 106.) ſich findet. Es iſt 
naͤmlich die Philofophie jener Deutfhen, melde in der Dunkelheit 
die tiefſte Weisheit fuchen, aber ihren Schülern nur „blauen 
Dun ſt“ vormachen. Nun ift es freilich unbillig, jo ungerecht, 
alle Univerfitätsiehrer deſſen zu beſchuldigen. Denn es wird wohl 
auch hier Ausnahmen geben. Aber die, welche der Vorwurf trifft, 
mögen ſich doch folgende Worte des mir ganz unbefannten Anomys 
mus ad notam nehmen: „Diefer falfche Scharffinn liebt das Ge= 
„wand der Dunkelheit; er huͤllt fich in Unverftändlichkeit ein, dem 
Wahne huldigend, daß fie ein Merkmal der Tiefe der Forſchung 
kei. Uber die wahre Tiefe iſt klar“ — wie ber heitte Hin: 
mel trog feiner unendlichen Tiefe — „und, weil fie Mar ift, vers 
„ſtaͤndiich und dem aufmerkſamen Bewuſſtſein Gebilbeter zu⸗ 
Daͤnglich. Die Unklarheit iſt entweder ein Mangel tiefer Fot⸗ 
„ſchung ober guter Methode, ober eine Folge ber Verſchrobenheit der 
„Sprache, alfo jederzeit ein Fehler.“ — Uebrigens iſt freilich die 
blaue Ppilofophie in bdiefem Sinne nur dem Namen nach etwas 
Neues. Die Sache ſelbſt iſt beinahe fo alt, als bie Philofophie. 
Man denke nur an den dunkeln Philofophen von Ephefus. &. Hes 
raklit. Auch vergl. Dunkelheit. 
Blemmydas. — Zufag: Sein zweiter Name, Nice 
phorus, ift fein Vorname, fonden ein Beiname, der einen 
Siegbringer (Nixzpogos —vıryv gepwv) bebeutet. Woher er 
denfelben befommen, weiß ich nicht 

Blendwerf. — Zuſatz: Ein phyfifhes Blendwerk iR 
jeder Sinnenfchein, beſonders ber optiſche ober Geſichtsſchein, weis . 
em die Yugen eines jeden Menfchen mehr oder weniger umece 







Blumroͤder Blutrache 177 


Eine Flora nennt man auch eine Blumenbefchreibung nach dem 
ten Ramen ber Blumenkoͤnigin Flora. 

Blumroͤder. — Zufug: Er bat auch neuerli (1832) 
eine Schrift: Ueber die verfhiednen Formen, in welchen der Pan⸗ 
theismus oder die Weltvergötterung in neuern Zeiten aufgetreten iff, 
nebſt Winken über die verdecblihen Tendenzen des politiihen Pan⸗ 
theismus herausgegeben. — Seine neueſte Schrift it: Dir Selb⸗ 
mord, pſychologiſch erklaͤrt, moraliſch gewürdigt, und in geſchichtli⸗ 
chen Beiſpielen anſchaulich gemacht, mit beſonderer Beruͤckſichtigung 
der Urſache von der gegenwaͤrtigen Frequenz dieſes Uebels. Weim. 
1837. 2 Thle. 8. Handelt auch vom Zweikampfe und von 
de Todesſtrafe; die 1. Th. iſt aber nur Ueberſetzung der En- 
trettens sur Je suicide des Biſchofs Guillon. 

Blutdurft. — Zuſatz: Dean fage dafür auch verſtaͤrkend 
Blutgier, beionders in Bezug auf Tyrannen, wenn fie am Blut: 
verziehen ſelbſt Gefallen zu finden fcheinen. Im Scherze befchuls 
fit man auch wohl Aerzte, die vom Echröpfen, Abderlaffen und 
Vlutegelſaugen zu viel Gebrauch machen, der Blutgier und nennt 
dürfe den medicinifhen Vampyrismus, wie man jene der 
Iprannen dea politifchen nennt. — Die Frage, ob der Menſch 
das Blut der Thiere ald Nahrungsmittel (3. B. in Blutwuͤr⸗ 
fm) genießen duͤrfe — was man auch Bluteffen genannt bat 
— iſt wohl ebenjo zu bejahen, als die Frage wegen des Fleiſch⸗ 
eſſens (ſ. d. W.) da im Fleiſche geſchlachteter, gefchoffener oder 
a Schlingen gefangener Thiere immer mehr oder weniger Blut 
ehrig bleibe. Wollte man alio im Verbieten oder Erlauben folges 
ur fein, ſo muͤſſte man beides zugleich entweder verbieten oder er: 

s hun. Die Moraliſten und Religionslehrer aber, welche nur das 

* Bluteffen verboten — ein ſehr altes Verbot, wie aus I. DB. 

ME 17, 10 ff. erbellet — wurden zu dieſer Inconſequenz wohl 

» Duducch verleitet, daß jie daſſelbe als Wirkung oder aud) als Be⸗ 
Rrderunssmittel des Blutdurjtes betrachteten, vielleicht aber auch 
dadurch, das fie das Blut für den Sitz der Seele oder gar für die 
Seele feibit hielten. ©. Blut. _ 

Blutbann heißt die peinliche Gerichtbarkeit, wiefern fie auch 
am Leben oder mit dem Tode ſtrafen, mithin dem Verbrecher gleich⸗ 
ſam das Blut abzapfın darf. Man nennt fie in diefer Beziehung 
auch tie hochnothpeinliche oder ſchlechtweg die hohe als Gr: 
seafag Ser niederen, die nur Eigenthums- oder Freiheitsſtrafen 
verbängen darf. Dod virfichen Manche unter der niedern aud 
Ne civile und unter der hohen Bir criminale Surisdiction 
ESerkaunt. Ob der Biutbann rehtmäßig fei, ſ. Todesſtrafe. 

Bluteigen f. Leibeigenfhaft. 

Blutradhe. — Zuſatz: Man mag die Blutrache ald Eitte 
* rus's encnfepädifchsphitof. Worterb. Bd. V. Suppi. 12 





178 Brlutſchande Blutsfreundſchaft 


oder als Unſitte betrachten, fo iſt fie doch aus dem natürlich⸗ 
Rechtsgefuͤhle hervorgegangen, welches den Menfchen fagte, daß d 
Mörder ein Feind der menſchlichen Geſellſchaft fel und daher in de 
felben nicht weiter geduldet werden dürfe. Denn ba der Moͤrd 
fein Recht auf das eigme Leben felbft aufgegeben ober, wie ma 
fage, verwitkt hat, indem er bie jenes Recht bedingende Pflich 
das fremde Leben umverlegt zu laſſen, nicht anerfannte: fo wehrt 
er auch von jedem andern Gliede der Geſellſchaft, infonderheit ab 
von den Verwandten oder Freunden des Ermordeten, auf gleid 
Weife behandelt werden dürfen, wenn nicht der Staat als Affen 
licher Richter aller auf feinem Gebiete begangenen Werbrechen fit 
in's Mittel flüge. Wollte man daher die Todesſtrafe durchau 
gefeglich abfchaffen, fo würde auch die Blutrache ſich wieder gelten 
maden. Und man bürfte dann bie Blutraͤcher ebenſowenig al 
andre Mörder am Leben firafen. Man dürfte fie alle nur einfpe 
ven, troß der Gefahr, daß fie ſich wieder frei machten und nen 
Mordthaten begingen. S. Tobesftrafe. 

Blutfhande. — Zufıg: Daß die mofaifchen Eheverbott 
auf die man ſich fo oft bei Beſtimmung bes Begriffs dee Blu 
ſchande berufen hat, in biefer Beziehung Feine allgemeine Guͤltigkei 
haben, iſt im folgender Schrift bündig bdargethan: Kart Ludm 
Nitzſch's neuer Verſuch über die Ungültigkeit des moſaiſchen Ge 
feßes und den Rechtsgrund der Eheverbote. Wittenb. 1800. 8. 

Blutfchuld iadet Jeder auf ſich, der eined Menſchen Zei 
aus Fahrlaͤſſigkeit oder aus Boeheit verurfaht. Im erſten Ga 
würde bie Todesſtrafe allerdings ungerecht fein; ob aud im zwei 





ten, |. Tobesftrafe verbunden mit Biutrache. Daß ber El 
dat, wenn er in der Schlacht einen Feind, und ber Scarfrichter 


Bluttaufe Böhm 179 


Daß übrigens Verwandte oft nichts weniger als Freunde, zumeilen 

fogar die erbittertfien Zeinde find, Lehrt bie tägliche Erfahrung. Da⸗ 

Her iſt aud) auf Blutsfreunde weit weniger zu rechnen, ald auf 
sfreunde, die man auh Herzensfreunde nennt. 

Bluttaufe hat man ben Tod der Märtyrer genannt, 
ünden man ibn als eine zweite und außerordentliche Taufe ber 
Waſſertaufe als einer erften und gewöhnlichen entgegenfeßtez 
wveshalb man jener aud) eine nody größere Kraft zur Reinigung und 

des Menfchen beilegte. — Ebenfo verfteht man unter bem 
SBiutseugniffe das Märtyrerthum. ©. d. W. 

bhammer. — Zufag: Seine Vormamm find Gus 
Kap Ferdinand. 

Bokthius (A. M. X. S.). — Zuſatz: Neuerlih hat man 
au brittiſchen Staatsarchive unter Actenftüden aus ber Zeit ber 
Eliſabeth eine eigenhändig von biefer berühmten Königin niebers 
geſchriebne Ueberfepung de Werkes von B. de consolatione phi- 
Besophiae aufgefunden. (Leipz. Zeit. 1837. Nr. 140). Wahrſchein⸗ 
Lac wird diefelbe bald in Drud gegeben werden. 

Böhm oder Böhme (Jakob). — Zufag: Kurz vor feinem 
=Eode ward ee nad) Dresden berufen, wo er mit den angefehenften 
Belehrten und Geiitlihen in Gegenwart des damaligen Churfürften 
Yon Sachſen disputirte. Die Disputation hatte aber keinen weis 
«erm a fe, ale daß er vom Churfürften gnaͤdig entlaffen wurde. 

Unter feinen Schriften befindet fi) auch: Mysterium magnum 

ine weitläufige Erklärung bee Genefis oder des 1. Buchs Mof.) 
% signatura rerum etc. Cine neue Ausgabe feiner ſaͤmmtlichen 
Schriften, mit Holsfchnitten verziert, ift von Etuttgart aus durch 
den dafigen Gelehrten Hallberger angetündigt. Cie fol aus 
H—32 Lieferungen zu 5 Bogen beflehn, und der erſte Band ift 
bereits unter dem Titel erfhienen: Des Gottjeligen Hocherleuchtes 
in Teutſchen Theoſophen 3. B. fümmtlihde Werke, genau nad) 
ber Amfterd. Ausg. von 1632, unter jteter DVergleichung der beis 
den Editionen von 1715 und 1730 von neuem aufgelegt. Stuttg. 
1835. 8. — Cine leſenswerthe Gegenſchrift, auf melde auch 
Mosheim in feiner Vorrede zu Cudworth's syst. intellect. 
S. X. aufmertfam madıt, ift Abrah. Hintelmann' 8 detectio 
fandamenti boehmiani oder Unterfuhung und Widerlegung ber 
Geundlehren, die in 3. B.'s Schriften vorhanden. Hamb. 1693. 
4. — Einen „Neu begeifterten Böhme” ſchrieb Quirinus 
Kuhlmann, in welchem viele theofophiihe Fragen allen Gelehr⸗ 
tea zur Beantwortung vorgelegt werden, die aber größtentheil nod) 
sicht beantwortet find. Freilich kann, wie das Spruͤchwort ſagt, 
Ein Narr mehr fragen, als tauſend Kluge beantworten koͤnnen. — 
Die Schrift von Aug. Ernſt Umbreit: Sutob, Böhme, eine 





180 Bolzano 


Gedankenrelhe Über das im Leben bes Menfchheit ſich geſtalten 
tefigiofe Moment (Heidelb. 1835. 8.) besicht fi mehr auf d 
Myſticismus überhaupt, als auf die Lehre 3. B.’6 infonderheit. - 
Vergl. auch 3. B.s Leben und Lehre, bargeftellt von Dr. Wit 
Ludw. Wullen. Gtuttg. 1835. 8. Der Rec. dieſer Schrift 
dem zum Stuttg. Morgenbl. gehörigen Literaturl. Nr. 12 
ſchreibt zwar dem 3. B. „ein in ſich volltommen Mares umd abs 
zundetes Spftem” zu, fagt aber doch zugleich, es ſei „in einer bu 
‚Ren Sprache, ftüdmweile, im vielen vereinzelten Beinen Schrift 
„mit vielfachen Wiederholungen vorgetragen, und ſchwer zu vı 
„ftehen.” Auch habe 3. B. „feine Naturphilof. von Theoph 
„Paracelfus mit vielen feiner feltfamften techniſchen Ausdrü 
entlehnt,“ und im Einzelen leide I. B. oder fein Gpftem „ı 
vielen Srrthümern”. Die legteren Behauptungen wird Jeder ge 
gugeben, aber ebendarum nicht die erfte, daß dieſer Mann ein 
ſich volllommen klares und abgerundetes Syſtem gehabt habe. € 
hatte vielmehr gar kein eigentliches Syſtem, und bei dem Viele 
was er von Paracels entiehnt hatte, Tann man es auch nic 
ein eigenthlmliches nennen. 

Bolzano, früher Prof. der kathol. Theologie in Prag, ab 
um's 3. 1820 wegen angeblider Ketzereien (ferne Anklaͤger hattı 
nicht weniger als 112 irrige und anftößige Säge aus feinen Bo 
trägen und Schriften ausgezogen) abgefegt, obwohl polltiſch freig 
ſprochen, und feitdem privatifirend, hat fi) auch als Phllofoph ı 
folgenden Schriften gezeigt: Athanafia ober Gründe für die U 
fterblichkeit der Seele. Sulzb. 1827. 8. — Lehrbuch der Religion 





wiſſenſchaft, ein Abdruck der Vorleſungshefte eines ehemaligen R 
liglonolehters an einer katholiſchen Univerfität, von Einigen fein 


Bomolochie Bonittren 181 


eingeleitet und erläutert vom Herausgeber (B. felbit?)., Sulzb. 
1836, 8, — Neuerlich erſchien noh* Dr, B. Bolzano's 
Wiſſenſchaftslehre. Verſ. einer ausführlichen und größtentheild neuen 
Darftelung ber Logik mit ſteter Ruͤckſicht auf deren bisherige Bears 
beiter. Herausgeg. v. mehren feiner Freunde. Mit e. Bor. v. 
Dr. 3. Ch. 3. Heinroth. Sulzb. 1837. 4 Bde. 8. 


Bomolodhie (von Awuos, ber Altar, und Aoyos, das 
ausın ober Aufpaffen) bedeutet einen Fehler, deſſen auch einige 
te Sophiſten befchuldige wurden, nämlich eine elgne Art von 
Spaßmacherei oder Poffenreißerei, wie fie gewoͤhnlich von Dienfchen 
ansgeubt wurde, bie bei den Altären, wo man Opferthiere ſchlach⸗ 
&te, aufpaflten, ob fie etwas vom Fleiſche der Thiere erhafchen 
Bönnten; zu welchem Zwecke fie eben allerlei Spaß machten oder 
Peſſen trieben. Ein folher Menſch hieß daher Awporoyos im 
eriem und eigentlichen Sinne; dann aber auch im weiten jeder 
hm aͤhnliche Luſtigmacher, Schmaroger oder Schmeichler, der 

Zugendwo einen guten Biffen zu erſchnappen fucht (parasitus, scurra) 

D&ne weitere Rüdfihe auf Ort und Gelegenheit. Ebenſo findet 

zuun Awualoyıa bald in jenem bald in diefem Sinne; und im 

Zeyten ward es wohl auch von den Sophiften gebraucht. Vergl. 
SDaecurtilitaͤt und Poſſe. 


Bonaventura. — Zuſatz: Er gelangte auch noch gegen 
Bus Ende ſeines Lebens zur Würde eines Cardinals der roͤmiſch⸗ 
Eatholiſchen Kirche. 

Bonitiren (von bonus, gut, oder zunaͤchſt von bonitas, 
die Güte — denn bonitare kommt bei den Alten nicht vor) heißt 
Die Güte oder den Werth eines Vefischums, beſonders eines Grund: 

Räds, beitlimmen. Daß es dabei nicht bloß auf die Größe (quan- 
tatas) fondern auch und huuptfichlihd auf die Beſchaffenheit 
(qualitas) d. h. auf die Productivicat oder Ertragsfaͤhigkeit eines 
Grundſtücks ankommt, verfteht fid) von ſelbſt. Denn Qunntität 
ud Qualitaͤt ſtehen hier oft in umgekehrtem Verhaͤltniſſe. ine 
sroße Flaͤche kann wenig, cine Eleine dagegen viel Ertragsfaͤhigkeit 
daben. Auch kommt dabei viel auf die Lage an (in der Mühe oder 
Berne von großen Städten, Fluͤſſen, Canaͤlen, Landftrafen, Eis 
fmbahnen ꝛc.). Daher ift die Bonitirung, wenn jie dem wah: 
mm und ganzen Werthe einer Sache angemeffen fein fol, oft eine 
fdwierige Aufgabe. Wollte man aber gar den Menfchen felbit boni⸗ 
tiren, fo würde die Aufgabe noch fchmwieriger werden, weil cd un 
einem hinlänglihen Maßſtabe fehle, die Eörperlihe und noch nieht 
bie geiſtige Productivität eines Menfchen abzufhägen. Die Skla⸗ 
venhandler thun es freilich auch, wenn fie ihre Sklaven feil bieten; 
fie boniticm fie dann ebenfo wie ein Stuͤck Vieh. Aber ſchwerlich 





182 Bonnet Boͤttiger 


möchten Plato und Diogenes, als fie das Unglüd hatten, i 
Sklaverei zu gerathen, von ihren Verkäufern auch nur approximc 
tiv richtig bonitirt worden fein. Der Käufer des Letztern feine ı 
aber doch beffer verftanden zu haben. &. Diogenes, Nr. 2. 
Bonnet, — Zufag: Ob der ihm zugeſchriebne Essay d 
psychologie wirklich von Ihm verfafft fei, haben Einige bezweifel 
ich Eenne aber kelnen andern Verfaſſer. Auch gab er noch heraui 
Recherches philosophiques sur les preuves da christianism 
Genf, 1771. 8. Deutſch mit Anmerki. von Joh. Casp. 8 
vater, welcher biefes Werk für fo unwiderleglich hielt, daß ı 
Mendeisfohn auffoderte, entweber es zu widerlegen oder fi 
taufen zu laffen. 
Boͤs. — Zuſatz: Einige halten diefes Wort für ſtamnwe 
wandt mit Poffe, weil es im Älthochdeutſchen posi (= frivelu 
gelautet habe. — Zu den Schriften über den Urfprung des Biſ— 
gehören noch folgende: Guil. Kings tractatus de origine mal 
Lond. 1702. Bremen, 1704. (Da in dieſer Schrift gezeigt me 
den follte, nicht bloß mie das eigentliche Boͤſe oder das fietlid 
Uebel, malum morale a. eihicum, ſondern auch wie das nata 
liche Uebel, malum naturale s. physicum, und die Unvolllomme 
heit der Einzeldinge, malum imperfectionis s. metaphysicum, en 
fanden fei: fo verwidelte ſich ber Verf. in viele Schwierigkeit 
und fand daher auch viel Widerſpruch). — Buddei dispat. ı 
origine mali. Sena, 1712. 4. — Geffner (J. A. ®.) üb 
den Urfprung des fittlih Boͤſen Im Menſchen. Leipz. 1801. 8.- 
Wegen des Baumes der Erkenntniß bes Guten und Boͤſen f. Eı 
tenntniffbaum. Aud find hier Sünde, Sündenfall u 
Erbfünde nebft Zuff. zu vergleichen. 


. — —— —— 


— 


4 
—— une 


Boulainvilliers Brachylogie 183 


de Ernennung zum Ehrenmitgliede vieler deutſchen und auswaͤrti⸗ 
gen Akademien der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte. Er ſtarb zu Dres⸗ 
den gegen das Ende des J. 1835 im 76. I. feines Alters. Vergl. 
Deff. biographifche Skizze, von feinem Sohne Kart Wild. Boͤt⸗ 
tiger. Leipz. 1837. 8. Eine ausführlichere Lebensbefchreibung, 
von Ebendemſ. verfaffe, fol noch folgen. — Von B.'s Idee 
jur Runftmpthologie, deren 1. Bd. zu Dresden 1826. 8. erfchien, 
bat I. Sillig einen 2. Bd. aus den von B. binterlaffenen Pas 
rieren 1836 herausgegeben. Ebenderf. gab auh B.'s Opuscula 
& carmina latina (Dresb. 1837. 8.) heraus, 


Boulainvilliers. — Zuſatz: Die B. 1. ©. 391. ans 
geführte Schrift: Refutation etc. wird auch zuweilen unter bem 
Zt angezeigt: Essai de metaphysique dans les principes de 

it de Spinoza. Das ift aber der Titel des fon vor dem 
Drude umlaufenden Manufcriptes. 

Bozelli, ein italienifch = frangöjifchee Philofoph, aus dem 
Neapolitaniſchen gebürtig, aber in Frankreich lebend, bat zu Pas 
tis (1825. 8.) Essais sur les rapports qui Jient ensemble la 
philesophie [nämlich die theoretifche oder fpeculative] et la morale 
zu welcher er auch bie Meligionsichre rechnet]. Er findet dieſes 
Vand, mit Ausſchiuß alles Transcendentalen oder Apriorifchen, in 
der ng (sensation) die er fowohl auf die individuale als 
af die ſociale Exiſtenz des Menfchen bezieht. Doch führt er nicht, 
wie andre Empiciften und Senſualiſten, alles Sittlihe auf das 
biej Angenehme oder Nüsliche zurüd, fondern er nimmt aud ein 
uigennübiges ober reines Wohlwollen an, vermöge beffen der ſociale 
Amſch ſich, ſelbſt ohne allce perſoͤnliche Intereſſe, bes Wohles ſei⸗ 
ar Nebenmenſchen freue und es ebendarum gleich dem unendlichen 
Ehöpfer der Melt zu befoͤrdern ſuche. Vergl Empirismus und 
Senſualismus. 

Brachybiotik. — Zuſatz: Im Griechiſchen kommt nur 
doaxi lıog, kurzlebig, und Bouyrduorns, Kurzlebigkeit vor, aber 
uht Boayı Foren scil. teyrı;, obwohl die Lebensverkuͤrzungskunſt 
ah von den Alten ausgeübt wurde. 

Brachylogie. — Zufig: Statt Aoayurozıa fagten die 
Alten auch fonyrudıa, da urdtos cbenfo wie A0y0s eine Mede 
bedeutet. Und weil die alten Gnomiker dieſe Redeweiſe liebten, fo 
nennt man fie auch die gnomologifhe. ©. Gnomologie. 

Daß aber eine übertrichne Brachylogie oder Brachymythie, die man 
nicht Wortfparung, fondern Wortknauſerei nennen follte, leicht 
Dunkelheit bewirkte, bat fhon Horaz in den Worten bemerkt: 
Brevis esse laboro, obscurus fio, ob er glei die Kürze wieder 
ie andree Hinſicht empfiehlt: Quicquid pruecipies, esio brevis: 





184 - Brahmalsmus Braniss 


(A. P. 25. coll, 335). Uebrigens waren bei den Alten befonders 
die Epartaner wegen ihrer Btachylogle fo berühmt, daß bie lako— 
nifhe Kürze fogar zum Sprühworte wurde; und der partas 
ner Chilon, einer von den fieben Meilen Griechenlands, zeichnete 
ſich durch diefe Kürze fo fehe aus, dab Ariftagoras von Mitet 
foldye Redeweiſe Tov Tgonov Atıkaveov nannte. Diog. Laert, 
1, 72. — Etwas andres ift Bradnlogie (Ppudvioyen, von 
Beadrs, langſam, und Asyeıv, teden) langſames Reden, das 
entweder in einem organiſchen Fehler der Sprachwerkzeuge oder in 
ber Bedachtſamkeit und Vorſicht beim Sprechen oder endlich in 
einem von Natur langſamen Denken gegründet fein Tann. Leßtes 
es heißt Bradynoie (Sgudrrom, von demſ. und »osıv,. dens 
Een) welches Wort aber auch Stumpfſinn oder Dummheit bedeus 
tet, deren Folge fowohl das langfame Denken als auch das lang 
fame Reden fein Bann. 

Brahmaismus. — Zuſatz: Wegen der Zahl der heutigen 
Brahmuiften f. Religionsparteien, Zuf. 

Brandis (Ch. A.). — Zuſab: Im J. 1837 folgte der: 
felbe dem König Otto von Grichenland nah Athen als Privat: . 
feeretar mit dem Xitel eines koͤnigl. griechiſchen Cabinetstaths. 
Seine neueften Schriften find folgende: Handbuch. ber Geſchichte = 
der griechiſch⸗toͤmiſchen Philofophie. Ih. 1. Berl. 1835. 8. — 
Scholia in Aristotelem. Als 4. Bd. dir neuerlich unter den Au= 
fpicien der Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin beforgten Aus 
gabe der ariftorelifchen Werke. Ebend. 1830. 4 
Braniss (Chriftticd Julius) Doct. und Prof. der Phile 


zu Breslau, hat außer einem Grundriſſe der Logik (Bresl. 1830,8— 
au cn ein Siftım der Metgphoyſi je ( Ebendaſ. 1834. 8.) beraueg ⸗ 


Ta 0" -—-. 


Breviar Brown (Peter) 185 


tiſchen Lefern feines Buches das Erde Dilemma: „Entweder iſt 
„Rein Einn in meinem Bude oder feine Vernunft in 
„turem Denken.” Cs giebt aber gluͤcklicher Meife doch noch 
ein Drittes, fo daß der Eritifche Lefer weder dem Buche allen Sinn 
noch feinem eignen Denken alle Vernunft abzufprechen braucht. — 
Ganz neuerlich erihien no von ihm: Gefchichte der Philofophie 
Von Kant bis auf die gegenwärtige Zeit. Brest. 1837. 2 Bde. 8. 

Breviar (breviarium, von brevis, kurz) bedeutet ein fur 
8 Verzeichniß oder einen kurzen Inbegriff, und fteht daher auch 
Für Compendium ©. db. W. Die Kirchliche Bedeutung aber 
Cwo man gewöhnliher Brevier, franz. breviaire, fagt) gehört 
Nicht hieher. 

Breviloquenz (breviloquentia, von demſ. und loqui, 
eben) ift foviel ald Brachyhlogie. ©. d. W. 

Brodgefehgebung f. Adergefege, Zuf. 

Brodneid f. Neid nebft Auf. 

Brodftudien oder Brodwiſſenſchaften. — Zuſatz: 
Ban man die Wiſſenſchaften, wie auch die mit ihnen fo nahe 
MDerwandten Künfte, bloß aus bem Gefichtspuncte der gemeinen 
Muͤblichkeit betrachtet: fo Eann man allerdings fügen, daß die Phi» 
E ofophie bie brodlofefte aller Miffenfchaften und die Poefie die brod> 
Coſeſte aller Künfte fei, weil hoͤchſt felten Jemand durch fie bereis 
Fr wird. Dann hatte aber auch der Minh Recht, melcher ben 
Wxnfterblihen Camoens in feiner legten Krankheit pflegte und in 
Das Exemplar feines Heldengedichtd, das jener dem Möndy ale eins 
Zäges Erbſtuͤck hinterlish, die merkwürdigen Worte fchrieb: „Diefer 
osärme farb im Krankenhaufe zu Liffabon und hatte in feiner 
e,Krankheit Fein Hemd, nach feinem Tode kein Leichentuch. Welche 
o.Lehre für Ale, die ſich Tag und Macht ohne Nugen mit den 
„Wiſſenſchaften plagen!’ Ebenſo hätten die Römer Recht gehabt 

wenn fir, wie Horaz (A. P. 325 — 6.) fpöttelnd rügt, ihre 
Kinder vornehmlich lernen ließen longis rationibus assem in par- 
%s centum Jiducere. Denn damit kann man allerdings weit mehr 
derdienen, ald mit dem Philofophiren und Poetifiren. — Uebrigens 
it es wohl richtiger, Brot ſtatt Brod zu fchreiben; denn wahrs 
ſcheinlich it diefes Wort mie braten ſtammverwandt. Weil aber 
im W. B. bie zweite Schreibart als die gerechnlidyere einmal ans 
genommen war, fo ift fie auch bier beibehalten worden, um bie 
siphaberiihe Anordnung der Artikst nicht zu ftören. 

Brown (Peter). — Zuſatz: Sn der Schrift: "Things di- 
vine etc, erklärte dieſer philoſophiſche Biſchef alle unſre Kennt: 
ziiie von Gott und überfinnlihen Dingen für bloß analogiſch 
und daher für ungewiß; was ihm von Vielen fehr uͤbel genom⸗ 
men wurde. 





186 Brown (Thomas) ruft 


Brown (Thomas). — Zufag: Im feinen Lectares on ı 
philos, eto. (die zu Edinburg 1820 in 4 Wänden erfchienen ı 
denen Sketch of a system of the philos. etc. vorausging) beft 
er vorzlglich die ſchottiſche Philofophenfchule, welche zu fehr auf 
unmittelbaren, dem Geifte angeblich eingebornen, Ueberzeugun 
gründe (prineiples or primary laws of belief) fi beruft. & 
her (1819) gab er auch eine Physiology of tho mind heraus. 

Bruhftüde — Zufag: Die neueſte Sammlung t 
Bruchftücden alter philofophifcher Werke führt dem ! 
tel: Philosophoram graecorum veierum, praeserlim qui a 
Platonem floruerunt, operum reliquiae, editae a Simone Ka 
sten. Vol. I. P. 1. Xenophanis Coloph. carminum rı 
quiae, Brüff. 1830. 8. P. ll. Parmenidis Eleat. carmi 
reliquiae. 1835. 8. 

Brüdner. — Zufag: Er ift geboren 1751 und flarb 
Reipzig am Ende des 3. 1836. 

Bruno, — Bufag: Einige taffen ihn 1550, Andre 15 
geboren werden. Seine phllofophifhen Grundgedanken reprodu 
tm ſich modificht im fchellingiihen Identitaͤtsſyſteme. Auch 
ſchlenen feine lateiniſchen Werke von neuem unter dem Titel: Je 
dani Bruni Nolani scripta, quae latine conferit, omnia 
unum redegit corpus ete. A. F. Gfrörer. Stuttg. 1834 - 
5 Lieferungen. 8. Auch als Corporis philosophorum optimae ı 
tse continuatio. 3. Lief. (Die beiden erflen enthalten Sp 
we Werke). 

Brunft (von brennen, alt. prennan) bedeutet eigentfich 
viel als Brand, kommt aber in biefer etymologifhen Bedeut 
nur noch in dem zufammengefegten Worte Feuersbrunf ı 





Bryſon Buchner 187 


af des Eins und Ausathmens feinen Heerd hat. Es iſt aber jene 
doch nur eine luftige Hypotheſe. S. Luft, Seele und 
Seelenſitz. Andre meinten dagegen, die Bruſt fei nur der Sig 
der die Quelle der Affecten und 2eidenfchaften, weil biefe mit ge⸗ 
willen Bewegungen der Bruſt, infonderheit des Herzens, verbuns 
im find. S. Semüthsbemwegungen. Daher fagten auch die 
Um: Pectas est, quod disertos facit, weil ein bewegtes Ges 
mürh auch die Einbildungskraft erregt und dadurch ber Mede mehr 
Lachdruck oder MWirkfamteit giebt. S. Beredtſamkeit. 
Bryſon oder Dryfon. — Zufag: Diogenes Laert. 
(X, 61.) nennt dieſen megariſchen Philofoppen Apvowv und be 
yihnet ihn zugleih als einen Sohn von Szunwor. Dagegen 
nme er anderwärts (VI, 85.) einen angeblichen Lehrer von Kra⸗ 
tes dem Cyniker Bouocoy und bezeichnet ihn als einen Achaͤer. 
Weheſcheinlich find dieß alfo zwei ganz verfchiedne Perfonen, die 
man nur wegen ber NMamensähnlichkeit mit einander verwechfelt 
bat, Derſelbe Schriftfteller zähle im Prodmium ($. 16.) den Legt: 
Yuannten zu denjenigen Philofophen, welche kein fchriftliches Do: 
umme ihrer Philoſophie binterlaflen haben. 
Bud. — Zufas: Es find hier auch bie Artikel: Biblio⸗ 
graphie, Bibliomantie, Bibliomiſie und Bibliothek, 
dees bie Zuſaͤze zu Bibliolatrie und Buchſtabe zu vers 


‚. Buchner (Andreas), — Berbefferung und Zufag: Er iſt 
uiqt 1774, fondern 1776 geborm zu Altheim, einem Dorfe bei 
kandahut in Baiern, und machte feine Studien theild am Gym⸗ 
Kfum zu Landshut theils an der vormaligen Univerfität zu Ingol⸗ 

| far Sm 3. 1799 ward er in Regensburg zum Prieſter ges 
wriht, hierauf Stadtkaplan zu Landshut und Privatiehrer, meiſtens 
hber pbilofophifchen Wiffenfchaften, bie 180*, in welchem Jahre er 
‚ a einem an ihn ergangenen Rufe zum Lehramte der Eatholi= 
(en Theologie an ber Univerfität zu Königsberg und bald darauf 
afolgeer Wahl zur Megentie des georginnifchen Klerikalſeminars zu 
Eandshut) von der baierifchen Regierung als ordentlicher Profeflor 
der Philoſophie an das Lyceum zu Dilingen berufen ward, wo er 
bis zum 3. 1811 an dem Lyceum und Gpmnafium lehrte. Am 
Rovember de genannten Jahres ward er als Profeffor der Ges 
(Site an das Lyceum zu Regensburg und fpiter an das zu Müns 
Gen verfegt. Im J. 1326 warb er zum Profeffor der baieriſchen 
Geſchichte an der daſelbſt errichteten Univerfitit ernannt, für wel⸗ 
Gen Lehrgegenſtand er feit vielen Sahren mit unermübdeter Thaͤtig⸗ 
Brit Forſchungen in den Archiven und in den aus ber Römerzeit 
noch übrig geblichnen Ruinen der römifchen Anlagen in Baiern, 
und ber Schweiz anftellte und viele Schriften heraus: 





188 Buchſtabe Budda 


gab. Auch iſt es Mitglied dee Akademie der Wiſſenſchafte 
Münden. Im Gebiete der Philofophie bearbeitete er währen! 
nes philofophifchen Lehramtes vornehmlich die Moral und bie 
Ugionslehre nad) ſchellingiſchen Anſichten. Zu feinen phltofophi 
Schriften gehoͤrt auch noh: Die Vernunftiehre. München, 1 
8. (Diefe Notigen verdank' ich ber Güte des Hm. Profs Afc 
brenner, früher in Afchaffenburg, jegt in Erlangen). 

Buchſtabe. — Zufag: Ein Buchftäbler oder B 
fabenmenfd heißt, wer den Gegenfag zwiſchen Geiſt und 2 
ſtabe nicht beachtet und: daher zu feſt am Buchſtaben klebt, 
auch fi mehr mit Worten, deren Elemente die Buchſtaben 
als mit Sachen beſchaͤftigt. Dergleihen hat es nidt nur : 
Philologen und Xhrofogen, fondern audy unter andern Zunftg: 
ten und felbft unter Philoſophen zu allen Zeiten gegeben. — 
budftäblihe Sinn und bie budftäblihe Ueberfeg 
(sensus et versio literalis) einer Rede oder Echrift ficht dem 
fligern oder höhern Sinne und der freien Uebertragung, bie 
diefen Sinn ausdrüdt, entgegen. — Daß man übrigens B 
ſtabe und nicht Budftab (Stab des Buches) fagt, kommt 
daher, daß man in ältern Zeiten (zum Theil auch wohl 
jegt in manden deutſchen Linden) Stabe oder Stäbe 
Stab fagte. 

Budda oder Bubbha. — Zufag: Manche halten 
auch für einen indifhen Königsfohn, der urſpruͤnglich Sch 
geheißen, als Einſiedier und Heiliger gelebt, und ebendaher 
einen Weifen bedeutenden, Namen Budda bekommen 


Von Einigen feiner gläubigen Anhänger wird er fogar als eine 
«arnation des Wifhnu als der zweiten Perſon in ber ind 


—— 


Buhlerei Buquoy 180 


Mongolei und Tatarei) gegen 350 Mill. Menſchen ſich zu dieſer 
Religionsforne betennen, alſo 55 Mill. mehr, als P. v. Bohlen 
in feiner Schrift über das alte Indien annimmt. Vergl. auch Re 
ligionsparteien, Zuf. und die Schrift: Neueite Auffchlüffe 
über den Buddismus und die NMerbreitung bdeffelben ; in der Neuen 
Monatsſchr. für Deutfchland. B. 44. H. 3. und Allg. Kicchen- 
gitung. 1834. Mr. 154. Hier wird behaupte, der Ruddais⸗ 
mus fe weder Pantheismus, noch Polytheismus, noch 
Atheismus, fondern ein Theismus, ber eine abfolute Intelli⸗ 
en; als das einzige wahrhaft exiſtirende Weſen annehme, die Ma- 
terie aber für bloßen Schein erkläre. Das waͤre alfo zugleich eine 
U von Idealismus. Auch ift dafelbft die Rede von einem 
Adi⸗VBudda (Ur-B.) als Gott und Schöpfer, nad) der Lehre 
ar Sanskritfchrift Küla-tshakra, die jedoch erft im 10. Jahrh. 
uch Che. in Indien befannt geworden fein foll. 

Buhlerei. — Zuſatz: Daß diefe moralifche Peſt auch un⸗ 
er den Ghriften, beſonders in katholiſchen Ländern, ſich fo tief ein⸗ 
gewurzelt bat, iſt zwar fehr zu bedauern, aber nicht zu verwuns 

‚ wenn man lielt, daß ein Papft (Sixtus V.) es war, ber 
in Rom das erſte öffentliche Buhihaus anlegte und in drei Jahren 
fünf Nill. Ducaten durch fogenannte Hurentaren gewann; und baf 
fen nad) den 1523 in Cölln zum ernten Male gedrudten Apo⸗ 
Rolifhen Kanzleitaren auch katholiſche Geiftlihe die Erlaub⸗ 
“laufen konnten, eine Beifchläferin flatt einer Gattin zu hals 
fa. Und das fagt ein Mann, der felbft Katholik if. S. Carove 

das Coͤlibatgeſetz des römifch=Eatholifchen Klerus. Frankfurt 
N. 1832 — 33. 2 Abthll. 8. 

Bund. — Zuſatzz: Das Bundesrecht (jus focderum) 
Reht unter dem Vertragsrehte. S. Vertrag. Wicfern aber 
Blnde oder Bündniffe nicht private, fondern Sffentliche Geſellſchafts⸗ 
beehlleniffe find, ftche jenes auch unter dem Staatsrechte und 
km Völkerrechte. S. beides. Es Hann daher in allen Bes 
Bbungen ſowohl ein natürliches als ein pofitives Bundes⸗ 
uhr geben. Bei Voͤlkerbuͤnden aber tft die Hauptregel: 


Paribus se legibus ambae 
Invietee gentce aeterna in foedera mittant ! 


Dran Ungleichheit ber Bundesgeſetze treibt ſtets das Verbundene 
Meder aus einander. 

Buquoy (nicht Buquoi). — Zufag: Seinen „Skizzen zu 
einem Geſetzbuche der Natur” folgte ein Nachtrag unter dem Xitel: 
Die Gundamental: Gefege an den Erſcheinungen ber Wirme x. 
keipz. 1819. 4. Er erkläre fich darin gegen die Annahme eines 
beſondern Waͤrmeſtoffes. 





190 Bureaukratie Bürgerkrieg 


Bureaufratie. — Zufag: Dem Bureaufratismusa 
einem politiihen Verwaltungsſyſteme, das nach Centralifirung d 
verwaltenden Kräfte ſtrebt, fegt man gewöhnlich den Gollegialtı 
muß entgegen, dee bie Gefchäfte lieber im Geifte einer freien co 
ginlifhen Beratung und Abftimmung behandelt. In Bezug a: 
bie Rechtspflege oder Juſtizadminiſtration iſt diefer allerdings beff 
Aber in technifhen Verwaltungezweigen, 3. B. Im Pofts m 
Bergweſen, iſt jener vorzüglicher, fobald nur der rechte Mann c 
ber Big der Gefcyäfte ſteht. 

rger. — Zuſatz: Die boppelte Bedeutung dieſes Wert 
wird im —E durdy eivis und urbanus, im Frauzoͤſiſch 
durdy eitoyen und bourgeois bezeichnet, Daher fagt Rouffen 
im Contr. soc. I, 6. Anmertung: . „La plupart des modersı 
„prennent une ville pour une cite ei un bourgeeis peı 
„un citoyen.” 

rgergefege (leges ciriles) beftimmen Buͤrgerrech! 
und Bürgerpflihten (jura et oflicia civilia) wobel es daraı 
antommt, ob für Bürger im engern ober Im weitern Sinne ( 
Bürger) und ob es natürliche oder pofitive Beftimmungen feie 
C Gefeg und Gefeggebung) da beiderlei Bürger benfelbe 
Gehorfam ſchuldig find, wenn fie gute Bürger fein wolle 
Boni civis est obedire legibus. Freillch ift das zuweilen ch 
ſchwierige Aufgabe, befonderd wenn die Gefege als pofitive Beſtin 
mungen des Rechtes und der Pflicht den natürlichen oder — Da 
nunftgefegen nicht angemeffen, folglich auch nicht gut find. 
man aber fagen wollte: Boni civis est non nisi benis 
obedire, fo wuͤrde jeber fchlechte Bürger feinen Ungehorfam dam 
entſchulbigen, daß die Gefege ſchlecht fein. _ Wer indeffen Durchai 





Birgſchaft Buß ⸗ Syſtem ioi 


Denn in einem ſolchen brudermoͤrderiſchen Kampfe muͤſſen bie Sie⸗ 

ger ſich ihrer Wunden nicht minder als die Beſiegten ſchaͤmen, weil 

jjene Wunden nicht zum Heile, ſondern zum Verderben des Water 
Bandes geſchlagen und empfangen werden, und daher immer in 
Berbindung mit einer Menge verbrecyerifcher Dandlungen ftehn, 
Mon ermäge nur die gleich folgenden Fragen: Quid nos dura 
i aetas? Quid intactum nefasti liquimas? eic. So 

wear es aber nicht bloß in den alten Buͤrgerkriegen, die von Heiden 
führt wurden, ſondern auch in den neuen, die, von Chriften 
führt, den Boden von Italien, Zranfreih, Spanien, Portugal, 
ngtand, Holland, und felbft von Deutfchland im dreißigjährigen 
Kampfe (obwohl an biefem auch viel Auswaͤrtige theilnahmen und 
Dadurch der Kampf noch mörderifher wurde) mit Bürgerbiute ges 
Wolngt haben. Darum magten felbft die eiftigften Wertheibiger des 
riegs es doch nicht, den Buͤrgerkrieg in Schug zu nehmen, fons 
Dern geflanden, dag wenigſtens die Bürger eines und beffelben 
—— mit einander im ewigen Frieden Ichen ſollten. ©. d. 


Buͤrgſchaft. — Zufag: Die drei Bebeutungen diefes Wor⸗ 
Tes oder bie drei Arten der Verbürgung als einer Mechtöverficherung 
D der Gemwährleiftung, welche B. 1. S. 413. angegeben find, wer⸗ 
Den im Lateinifcyen durch fidejussio, cautio und assecuralio bezeich⸗ 
me, obwohl Letzteres kein altiateinifdyer Ausdrud if. — Die auf 
Deltiige Buͤrgſchaften ober Garantien bezuͤgliche Schrift: Ueber 
Sonfitutionen und Garantim. Bon Dr. W. A. ©. (Berl. 1834, 
8) foßlte eigentlich) den Titel führen: Wider veprdfentative Conftitus 
Sonn unb die durch fie bezwedten Garantien. Denn das iſt bie 
Wahre Tendenz diefer Schrift. — Die B. 1. ©. 414. angeführte 
Schrift von Daunou ift von Joh. Theobald überfekt. 
Buße — Zuſatz: Dieſes Wort (altd. puosza, von parz 
== baß, gut, wovon der Comparativ beffer, eigentlich bäffer, abs 
Rammt) und das davon wieder abgeleitete Büfung bedeutet ur⸗ 
rünglich foviel ats Gutmachung oder Beſſerung, dann aber auch 
ine Strafe, wiefern durch Diefelbe eine Uebelthat gutgemacht ober 
in Uebelthaͤter gebeſſert werden fol. Darum hat man auch die 
Etrake ſelbſt als eine Art von Bußzwang betrachtet. ©. Strafe 
und den folg. Art. nebſt der Echrift: Die bürgerlihe Strafe als 
Bufzmang. Ben Dr. Aug. Otto Krug. Zwickau, 1836. 8. 
Buß: Spyflem. — Zufas: Bon ber Schrift, welche in 
Biefem Art. B. 1. ©. 417. angeführt ift: Du systeme peniten- 
@aire eic. par Lucas, find feit 1828 drei Bände erfchienen. 
Drnieiben Gegenftand behandeln auch noch ff. Schriften: Du sr- 
sseme p£nitentiaire aux Etats-unis etc. par N. M. do Beau- 
montet de Tocqueville. Pur. 1833. A. 2. 1836. 2 Bde. 


192 Byas Cabinetsjuſtiz 


8. Deutſch von Nik. Heine. Jullus. Werl. 1833. 8. 
Ueberfeger * ſpaͤterhin noch heraus: Die amerikaniſchen Beſſeru 


q 
theories —— ramenees ä une uniis de systeme, 
L. A. A. Marquet-Vasselot. Paris, 1836. 3 Bde, 
ire et de scs conditions fondamenta 


ſonders den von Julius überfgten und herausgegebnen) geht 
bee hervor, daß die amerikaniſchen Etrafz oder Bußanftalten, 
man fonft als Bejferungsanftalten fo fehr zu rühmen pflegte, il 
Zweck keineswegs erreichen, und daß „bie [hlechteften Ker 
gewöhnlich „bie beften Sträflinge” find, weis fie ſich am be 
verfiellen oder Befferung erheucheln Eönnen. ©. bie lehrreich 
urtheilung der erften in Poͤlitz's Eritiicher Ucberficht der neue 
Kiteratur in dem geſammten Gebiete der Staatswiſſenſchaften. 18 
März. ©. 207 ff. — Ganz neuerlich wurden mir unmitte 
aus Amerika ff. zwei Schriften von deren Verfaffern uͤberſandt, 
welchen über bie Vorzüge ſowohl als bie noch ftattfindenden mM 

en Pönitentiarfoftems viel Aufihluß gegeben wi 

e joint commiltee of the lexislature of Penn: 
vania, relative to the eastern state penitentiary, at Philadelpl 
By Mr. Penrose of Cumberland. Harrisb. 1835. 8. ı 
Remarks on the relation between educalion and crime, 
Francis Lieber. Phitab. 183; 


8 
Byas, angeblich ein berühmter indifcher Philofoph und Theol 
ber vor 2000 Jahren gelebt, die indiſchen Vedas, deren Alter 
gar bie zur Schöpfung hinauf batice wird, gefummelt, in ein 





Cajus Calvinismus 193 


JWvechſeln mit der Ausuͤbung der oberrichterlichen Gewalt von Seiten 
des Staatsoberhauptes, zu welcher auch das Begnadigungsrecht 
hir S. d. W. und die Schrift: Ausübung oberſtrichterlicher 
Bewalt des Staats und Cabinetsjuſtiz in welentlicher Differenz 

| dargeftelle von 8. 5. 5. Siege. Potsd. 1835. 8. Diefe Schrift 

enthält den Earften Beweis, daß auch ein fehr kluger und rechtlies 

j bender Regent (wie Friedrich der Gr. in der berühmten Müllers 
Amold ſchen Rechtsſache) durch Cabinetsjaftiz hoͤchſt ungerecht hans 
Dein kann. Wie kommt es aber, daß man immer nur von Cabi⸗ 
ae: Sufkiz ſpricht und darüber die Gabinets:-Gefeggebung 
Beinahe vergifft, die doch weit fchlimmer els jene ift. Denn jene 
erfidt fid) bloß auf einzele Fälle. Wenn ıber das Cabinet allein 
Sehe giebt, fo beherrſcht es dadurch die gunze Juſtiz, ja das 
Saar bürgerliche Leben; was doch nicht fein Soll, weil es zum ärgs 
en Despotiemus führen und dadurch große Bewegungen im Staate, 

fe Ummälzungen, hervorrufen kann. ©. Geſetz, Geſetzge⸗ 
© ung und Staatsverfaffung. Dagegen iſt neuerlich auch von 
=ämm Cabinets⸗Glauben die Rede geweſen. Nun ift es wohl 
Sixt, wenn das fog. Cabinet in religioſer Hinſicht nicht ungläubig 
Tg Wenn es ſich aber in Religionsftreitigkeiten milcht und feinen 
uben als ben allein wahren zum Gefeg erhiben ober Andern 
Zxrit Gewalt aufdringen will: fo ift dieß nicht minder unftatthaft 
REED eine offenbare Verlegung der Gerechtigkeit. ©. Gewiſſens⸗ 
ara) Glaubensfreiheit. 
Cajus. — Zuſatz: Der Name biefed platonifchen Philos 
Toꝓhen wird auch Gajus geſchrieben nach dem griechiſchen Iioc. 
Calan. — Zuſatz: Nach dem Berichte mancher griechiſchen 
chriftſteller ſoll dieſer indiſche Philoſoph eigentlich Sphines ge⸗ 
ißen, den Namen Audurocg aber von ſeinem indiſchen Gruße 
“ir erhalten haben. Was aber dieſer Gruß bedeuten mag, weiß 
ich nicht. 
\ Calcul. — Zuſatz: Wegen des logifhen Calculs f. 
ı Pleucguet und die daſelbſt angeführten Schriften von Boͤck und 
Ederſtein. — Calcalus ift eigentlich das Diminutiv von calx, 
Ns, Knie, Stein. 
| Caͤlibat f. Coͤlibat. 
Calvinis mus ſteht zuweilen für Praͤdeſtinatianismus, 
zei dieſe ſeltſame, ſchon von Auguſtin aufgeſtellte Behauptung 
are ewigen Vorherbeſtimmung der Menſchen zur Seligkeit oder 
Verdummniß (ſ. Prädeitinarianer nebſt Zuſ.) von dem beruͤhm⸗ 
ua Refcemator des 16. Jahrh. Johann Calvin (eigentlich 
Jean Caulvin — gebor. 1509 zu Noron in Frankreich und geſt. 
1504 zu Genf, wo er lange Zeit mit ungemeinem Anſehn in 
| Stat und Kirche herrfchte) mit der ſtrengſten Härte vercheidige 
j Xrug's encyklepaͤdiſch⸗philoſ. Worterb. Bd. V. Suppi. 





194 Camera obscara Gampanella 


wurde; wie er denn Überhaupt, bei aller Gelehrſamkeit und for 
fligen Redlichkelt, dee unbuldfamfle und ſtreitſuͤchtigſte unter ale 
Weformatoren jener Zeit war, ungeachtet er Seneca’6 Schrift d 
clementia nicht nur fleißig gelefen, fondern auch, mit einem Latein 
ſchen Gommentar ausgeftattet, herausgegeben hatte. (Ex bewies abı 
Diefe Clemenz fo wenig, daß er unbedenklich einen fog. Keber, Mid 
Servet, in Genf verbtennen ließ, weil berfelbe das Geheimm 
der Dreieinigkeit in einer Schrift angetaftet hatte, obgleich weh 
diefe Schrift in Genf gefhrieben noch deren Verfafler als durche⸗ 
fender Fremdling der dortigen Gerictbarkeit unterworfen war. O 
€. fid zu dieſer Unthat auch prädeftinirt glaubte, weiß ich ebesfi 
wenig, als ob er bei ber in feinen Briefen befindlichen graumvele 
Beſchreibung des Brüiens feines Opfers auf bem 

nicht doch einige Gereiffensbiffe fühle. Was er Übrigens als Thea 
log und Reformator geleiftet, gehört nicht weiter hieher. Ich ven 
weile deshalb bloß auf E.’6 Leben, Meinungen und Thaten. We 
I.EM. X. ein, 1794. 8. Aud hat beffen Lehen Theo 
Beza, einer feiner eifrigften Anhänger, 1565 lat. und franz I 
frieben. Ebendieler Th. B. beging die Thorheit, in feiner Sum 
me bes GChriftenthums bie calvinifde Wo: 

nicht nur mit berfelben Härte zu verfechten, fonderm auch fogar da 
eroigen Rathfehtuß Gottes eh, Eraft beffen ohne alte Rückice am 
ſittũchen Werth oder Unwerth Einige erwaͤhlt und Andre verworfen 
werden, durch Holzſchnitte recht anſchaulich, obwohl nicht febe 
baulich, darſtellen zu laſſen. Vergl. auch die Schrift von Dr. 
Geo. Weber: Geſchichtilche Darftellung des Galvinismus im Ber 
hältniffe zum Staate ic. Heidelb. 1836. & Hier wird gugieid 





die politifye Tendenz biefer barfdyen BRellgionsform nachgewicn 





196 Capitel Caricatur 


vom Rumpfe ober bie Enthauptung, beſonders als Strafe für grobe 
oder Capital = Verbrechen. ©. Kobdesftrafe. Uebrigens kommt 
Zwar capitatio, aber nicht decapitatio, bei den Alten vor, und 
auch jenes nur bei den Juriften: Cicero fagt dafür exactio ea- 
pitum, wie er bie Beſieuerung der Thür (Xhürfteuer) exactio 
ostioram nennt, fo daß nach dieſer Analogie die Fenſterſieuer ex- 
aclio fenestrarum heißen würde. 

Gapitel. — Zufag: Der fog. Dreicapitelftzeit (cum 
troversia de tribus eapitalis) ift feine rein philofophifche, fonderme. 
eine theologifche Streitigkeit, welche bie chriſtliche Kirche eine Zi 
lang fehr bewegte, indem fie, wie gewöhnlich, mit großer Erbitte— 
zung geführt wurde. Cie betraf nämlich) drei Glaubenspunter, 
welche mit den Streitigkeiten über bie Dreieinigleit, beſonders bexz 
monophpfitifchen über die Ftage, ob der Stifter des Chriftientgumg 
nur. eine Natur oder zwei, eine göttliche und eine menſchiiche zes 
habt habe, zufammenhingen und auch auf. die Geftaltung der [dekar 
flifchen Phitofophie und Theologie Einfluß gehabt zu haben fehelnen. 
&, Monophyfie und Schrödh’s chriſtliche Kicchengefchicte: 
Th. 18. ©. 570 ff. — Was das von capitulum abgeleitete Won 
‚capitulatio betrifft, fo. kommt es bei den Alten nicht vor, fondn 
nur capitulatim, hauptfächlich oder nad) dem, Hauptinhalte, babe 
auch foviel als ſummariſch. 

Cardinaltugenden. — Zufag: Beiden Alten Kim 
auch die vier Hauptivinde venti cardinales, — Confuchusis 
feiner Schrift "Ta=hio oder die große Miffenfchaft nahm mur dl 
Hatipttugenden an, nämlich: Klugheit; allgemeine: Menfceniidt 
und Tapferkeit oder Muth in allen Unternehmungen. Ob er ah 
ſoviel Hauptlafter annahm, weiß ich nicht. . Die Schotaftiter ale 

















198 Cartiſten Carus 


erklärt, ungeachtet er ſalbſt mie fi und feine Phlloſophle nicht 
feieden getwefen zu fein ſcheint. Denm in einem feiner noch 
handen Briefe gefteht er die Schwierigkelt ein, welche das fpennlar 
tive oder metaphpfiihe Denken für ihn habe. Und daher mag es 
wohl auch gefommen fein, daß Mathematik, Phyfit und Weche⸗ 
nit ihn mehr anzogen als Metaphyſik und Erhit, und daß ex in 
der —— ſeibſt oft feine Zuflucht zu jenen Wiſſenſchaſten nah. 
Die Ausgabe feinee ſaͤmmtlichen Werke iſt von Goufis 
und erfhien zu Paris in 11 Drtavs Bänden unter dem zu: 
Oeurres completes de Descartes, avec des aı 

portantes de lettres nonvelles, ei In traductiom des 5* 
ourrages jusquici nen traduits. Seine oeuvres philosephigem . 
aber, herausgegeben von Ab. Garnier, erſchlenen ebenbuunk 
Detav» Bänden. — Zu den Schriften über ihn und feine Phil 
phie gehören auch die von Andala (f. d. M.) nebſt folgender ma 
flen: Darftellung und Kritik der Philoſophie des C. von Div Joh 
Edu. Erdmann Riga und Dorpat, 1834. 8. Aus Einleitung 
zu einer Gefcichte der neuern Philofophie nach hegeliſchen 1 
fägen, vom welcher jene Schrift nur des 1. Band. 1. Abeheil If 
— Uebrigens hat C. noch immer große Verehter, beſonders in 
Stankreih. So fagt Laromiguiere in feinen Lecons de pbil- 
„Sophie (T. I, p. 18—19); „Il etait reservs A un is 
„motre äge” — ter iſt das? und giebt es nur in Frankreich chim 
folchen Philofophen? — „de nous apprendre ce que nous fl 
„sons quand nous pensons et quand nous raisonnons; Comm 
„un sibele auparavant il avait 616 r&serv6 A un autre Frangis, 
„A Descartes, d’apprendre A tonte l’Europe A penser 
& raisonner.” Armes Europa, das erf von einem Beanzofen ba 








200 Gafualismus Cansa 


inne genommen. So fagt ber National vom 18. Jun. 1836, 
das ganze franzöfifche Volk befinde ſich „dans. un tat de castra- - 
tion morale” — politique wäre wohl richtiger — und warum? — 
weil es nicht eine neue Revolution machen wil, um Louis Phi: 

lipp vom Throne zu ftoßen und die dermalige conftitutionale Mo: — 
narchie in eine demokratiſche Republik zu verwandeln. Dann waͤ⸗ 
ten aber alle Freunde der gefeglich beſtehenden Ordnung moraliſche — 
oder wenigſtens politiſche Caftraten! — Ob übrigens catrare her— 
tomme von castus, keuſch (gleihfam enstum facere) oder vomme—n 
castor, oris, der Biber (gleihfam eustoreare) weil dieſes Thiec ⸗ 
ſich feibft in gereiffen Fällen entmannen foll, bleibe dahingeſtellt. 

Gafualismus. — Zufag: Das Abjectiv cafual bedeuten —t 
bloß zufällig überhaupt oder nicht nothwendig und baher auch mum-—r 
vorübergehend. Unter einem Gafual: Gefege verfieht man dab 
ein ſolches, das bloß einem vorübergehenden Bedhrfniffe abpelfen fol 
und daher auf Eeine lange Dauer berechnet iſt. 

Casus non praesumitur — Zufall wird nicht voran 
gefegt — will fügen, daß es vernunftwidrig fei, in ber Welt ein——m 
bloßen oder zeinen Zufall anzunchmen und unter bicfer Annabrummme 
zu handeln ober auf biindes Glüd zu rechnen. S. Zufall, u 
Gafualismus. B 
Cato (M. P. oder der jüngere). — Zufag: Von ihm fast 
Cicero (de off. I, 31): Catoni cum incredibilem tribuisset ncm.- 
tura gravitatem, eamije ipse perpetua constantia roboravissers, ' 
semperque in proposito susteptoque co) permansisset, m@- 
riendum potius quam tyranni vultus adspieiendus fı Der 
wurde Catonis airox animus ober virtus austera, Catomin 
fan zum. Sprüchwvorte. Auch mar ihm in’ der That Erine mora 







Cautel Gelfus 201 


mdlachen, Forſt⸗ und Jagdſachen) bezieht, eine Caufaljuris- 
etion. Wiefern dann aber eine Sache die andre hervorbringt, 
yeutet causa auch Urfacde. Davon find. dann wieder die‘ nicht 
tiateiniſchen Wörter causalis, urfadylih, und causalitas, Ur: 
blichkeit, abgeleitet. — Der Grundfag: causa causae est etiam 
usa causati — bie Urfache ber Urfade .ift aud) die Urfache ber 
irtung oder des Bewirkten — bejicht ſich auf den allgemeinen 
achlichen Zuſammenhang der Dinge (nexus. causalis). vermoͤge 
jen Urfahen und Wirkungen eine ftetige Reihe bilden. Waͤre 
miich in ber Reihe A, B,C, D... A bie naͤchſte Urſache von 

: fo wär’ es auch bie entfernte von C und bie noch entferntere von 
wie ber Vater die Urfache vom Dafein bed Eohned, des En- 
8, ded Urenkels u. f. W. — Wegen bes Grundfages aber: Cau- 
e praeler necessitalem non sunt mulüplicandae ſ. Entia 
aeter eic. 

Gautel. — Zuſatz: Cautela bat mit causa einerlei Ab: 
mmmumg, naͤmlich von cavere, wiewohl es allerdings zunaͤchſt von 
utas gebildet if. S. ben vor. Zuf. Davon hat auch die Juris- 
udenlia caufelaris s. eautelaria, die mancherlei Vorſichtsregeln 
e Verwahrung gewiſſer Nechte aufftellt, ihren Namen. Eie ent: 
ilt aber freilich auch mande Spisfindigkeiten, die zu juriflifchen 
hikanen, alfo umgekehrt zur Vernichtung gewiſſer Rechte bie: 

n Sinnen. ©. Chikane. 

Gavillation. — Zuſatz: Cavillatio kommt zwar zunaͤchſt 
n canvillari ber, entfernt aber von eavillus oder carıllam, Net: 
wi, Hoͤhnerei. Statt cavillatio fagten die Alten auch cavillatus 
id cavilla, wovon wiederum das verkleinernde cavillula abftammt. 

Gelebrität (vrlebritas, von celeber, haäͤufig oder viel be: 
rochen, Daher berühmt) — Beruͤhmtheit. ©. Rubm. 

Gelfus. — Zuſatz: Griechiſch heißt dieſer Philofoph von 
bekannter Herkunft und Schule Keroos. Kine neuere Schrift 
we ihn ift folgende: De Celsi, adversarii Christianorum pli- 
sophandi genere. Ser. Frdr. "Ado. Philippi. Berl. 1836. 

Der Verf. fucht zu beweilen, daß jener G. weder ein reiner 
latoniker, noch cin reiner Epikureer gereefen, fondern ein platoni: 
onder Epikureer, alſo ein Miſchling oder Synkretiſt. — Uebrigens 
ird ven ihm noch berichtet, daß er eine Reiſe durch Sprien und 
alaſtina gemacht habe und waͤhrend derſelben mit den Buͤchern 
s alten und neuen Teſtaments bekannt geworden ſei. An den 
zundern Jeſu aber, welche dieſes erzählt, nahm er folhen An: 
5, daß er behauptete, fie feien durch allerlei Zauberkuͤnſte be: 
irkt, die 3. in Aegrpten erlernt habe — eine Vermuthung, die 
ih cinem Platoniker ebenfowohl als einem Epikureer einfallen 
ante. 


202 Geltifce Welheit  Gentralphilefophie 
Geltifhe Weisheit. — Zufag: 


Manche verfichen bar 
unter auch die Philofophie der alten — oder gaͤllſchen Peles 
fler oder die fog. Druiden» Weisheit. &5.W. - 


- Genfur. — Bufag: Censura hat zwar einerlel Abflammung 
mit census; dieſes aber bedeutet inſonderheit eine Schägung, Haupt 
ſaͤchlich nach dem Vermögen, 3. B. wenn vom —— —* is 
Mepräfentativftaaten die Rede Ift, wo diejenigen, zu Bolks 
vertreten wählbar fein ſolen, ein geroiffes Vermögen haben mäf 
fen, damit nicht zu arme, rohe und leicht beftechliche —— ge 
mählt werden können. ©. Wahlreht. — Daß übrigens burh 
Aufpebung der Buͤcher⸗ Cenſur nicht Straftofigkeit fuͤr Preffvergehen 
eingeführt werben koͤnne, verftcht ſich von felbft, da es im Gtaate 
Beine unbedingte Freiheit für irgend einen Vürger, alfo auch keine 
unbedingte Prefffreihelt fuͤr Schriftfteller geben kann. &. Preffs 
freipeit nebft Zuf. Wenn aber einmal, Genfur in einem Gtaste 
eingeführt tft, fo ſolte fie von Rechts wegen aud fo unpartelifh 
verwaltet werben, daß es nicht etwa heißen koͤnne: 


Dat venlam eorvis, verat oansuza eolumbes. 


Vergl. auch Hierarchie nebſt Zuſ. 

Central. — Zufag: Statt central ſagt man auch cıns 
triſch, beſonders wenn man peripherifch emtgegenfege. Js 
bedeutet dann, was nach dem Mittelpuncte (xevrgor) 
was nad dem Umereife (negıgegsa) hin liegt oder ſtrebt. Bel 
auch ercentrifc und transcentrifch. Wenn aber von Gen 
tralkraͤften bie Rede ift, fo giebt es dergleichen nicht bloß Im 
Weltall, fondern auch in der Menfchenwelt. ©, Neuerung. - 








204 Charakter 


In Deutſchland nennt man ſolche Phitofopheme Weltweispeit, waͤh⸗ 
send man fie anderwaͤrts vielleicht ganz anders bezeichnen wuͤrde. 
Charakter. — Zufag: Politifhe Charaktere nennt 
man Perfonen, deren Stellung und Wirkſamkeit auf das öffentliche 
Leben bald im guten bald im böfen Sinne viel Einfluß hat, und 
die daher auch der oͤffentlichen Beurtheilung mehr oder weniger ums 
terworfen find. So Eönnen felbft ganze Völker und Staaten eigens 
thuͤmliche politifhe Charaktere haben. Dort find alfo bie 
Charaktere individual, bier collectiv aufzufaflen. Die polis 
tiſche Chatakteriſtik als Kunſt, dergleichen Charaktere zu zeidhe 
nen, iſt aber fehr ſchwierig und fegt viel hiftorifhe und politiſche — 
Kenntniß in genauer Verbindung voraus. Vergl. in ber zweiten — 
Ccollectiven) Beziehung die Schrift: Charakterzeihnung der Police — 
aller Völker der Erde. Kritiſcher Comment über Montees — 
quieu's Geift der Eefege, von Deſtutt de Tracy. Ueberſezt mt 
und glofjirt von C. €. Morftadt. Heideld. 1820—21. 2 Bi — 
8 — In der Nheterit heißen auch die verſchiednen Schreibarten et 
(niedere, mittlere, höhere) fo wie bie verſchiednen Arten der Bo 
redtſamkeit (gerichtliche, berathfcylagende, lobende oder tadelnde) Cha — = 
raktere, naͤmlich jene Zaguxıyges ng Egurreiag, formae ee —— 
eutionis, dieſe zugaxrı,ges Tov Aoyov, genera’ oralionis s. eo —— 
quentine. Wiefern alfo einzele Redner von der einen ober andern 
Urt einen eigenthümlichen Gebrauch machen, kommt ihnen feiert 
ein verihiebner oratorifcher oder rhetorifher Charaktere 
zu. Und daffelbe würde auch von einzelen Dichtern in Bezug 


ihren poetifhen Charakter und von andern Autoren in Be— 
zug, auf ihren ſchriftſtelleriſchen Charakter gelten. Eben— 
datum nennen die Medeklmftler dieß im Allgemeinen den Charat= 





Charientismus Charmadas 205 


kann aber in andrer Hinſicht doch charakterlos fein, wie eine un» 
harakterifirte dennody Charakter haben kann. Man muß alfo auch 
ia Anfebung des Charakters und der Charaktere immer das In⸗ 
nere und das Aeußere unterfcheiden, befonders. aber wenn vom 
moralifhen Charafter ober von guten und böfen oder 
tugenbhbaften und Lafterhaften Charakteren bie Rebe ift. 
Denn bei Beurtheilung dieſer kommt es nur auf das Verhaͤltniß 
der Handlungen zum Vernunftgefege und bie den Handlungen zum 
Grunde liegende Sefinnung an. 

Charientiömus (yapısrrıouog, auch zapıvrıoua und 
gapıevrorng, von zarpeıy, freuen, daher zagıev, das Erfreuende, 
Anmuthige, Scherzbafte, und zagsersilecdu, auf ſolche Weife 
seven und handeln) bedeutet jedes erfreumde, anmuthige, oder 
fhershafte Benehmen, fowohl in Reden und Schriften als in Hand⸗ 
lungen, befonder® aber eine durch feine Ironie und wigige Einfälle 
gewürzte Unterhaltung, bie man auch Charientologie (von. demſ. 
unb Aoyos, die Rede) nennt. Doc, kommt xapıevroloysa bei den 
Alten nicht vor. 

Charis. — Zuſatz: Da die Charitinnen oder Gratien mit 
den Muſen in naher Verwandtſchaft ſtehn, ſo iſt vielleicht eben⸗ 
darum eine von jenen gleichnamig mit einer von dieſen, naͤmlich 
Thalia. Doch wird dieſe Gratie von Andern auch Hegemone, 
die Fuͤhrerin, genannt. Und wenn Plato feinem etwas rauhen 
Schuͤler Zenofrates rieth, den Gratien zu opfern: fo dachte er 
wohl biefe auch als Kührerinnen bes Lebens, deren ſich kein Phis 
loſoph zu fhämen brauche. S. Xenokrates. 

Charlatanismus. — Zuſatz: Einige leiten dieſes Wort 
ab vom italieniſchen ciarlare, plaudern, ſchwatzen, viel Redens und 
Rühmens machen, Andre von scarlatto, eearlate, Scharlady; da= 
ber scarlatano, charlatan, ein Gaukler, Zafchenfpieler, Markt⸗ 
freier, weil dergleichen Leute fonft gewoͤhnlich in Echarlachkleidern 
aufgetreten fein, um die Aufmerffamkeit des Publicums auf fi 
zu ziehen. — Vergl. Menke's Reden de charlataneria erudito 
ram (Yeips. 1716. A. 3.) nebft dem beigefügten Briefe Etadel’s 
de circumforanea literatorum vanitate. Beſonders Iefenswerth für 
ſelche Philoſophen, welche mit der felbyefülligiten Ruhmrederei, die 
fa an unverfhämte Dreiftigkeit granzt, ihre eigne Philofophie als 
die einzig wahre, allgemein gültige und abfolut volllommne em: 
sfehlen und daher jeden anders Philofophirenden für einen Nicht 
philofophen, wo nicht gar für einen Dummkopf erflaren. Bei den 
Griechen kam indeffen diefer Fehler auch ſchon vor Sie belegten 
ihn daher mit einem ähnlichen Samen. ©. Agyrtie. 

Charmadas oder Charmidas. — Zufas: Er wird in 
manchen Handſchriften auch Carmadas gefchrieben und ft nicht 





206 Charwon Chem 


zu verwechfeln mit Charmides, Beffen Namen ein 

Dialog (nepı owppoovuns) trägt. Diefer lebte frhher umb war 

ein edler junger Mann aus der Familie Solon’s, u we 
Pılato und Kritias verwandt, hat ſich ſelbſt aber nicht als Phi⸗ 
Iofoph befannt gemadıt. . 

Charron. — Bufag: Er gab auch discours ehrötiens her» 
aus, bie aber laͤngſt vergeffen find. In ftinee Schrift: De la 
Fe hi WB den Srundfag auf: „Le sel 

itrer des i opposees et des opinions divergen- 
** de sélever au-dessus d’elles dans ia rögion des prin- 
zeipes.“ Diefer Grundſatz iſt zwar richtig, aber nichts weniger 
Su Tu, anadı mar Ian ©, iu ben ſteptiſchen Philos 

Charte. — Zufag: Die hier erwähnte Magna Charta des 
brittiſhen Reiches batiren Andre vom J. 1215. Audy if fie nicht 
das einzige Grundgei diefes Reiches, indem fpäterhin noch andre 
hinzukamen, z. B. die ebenfo wichtige Bill of rights vom J. 1689. 
— Neuerlich nt man auch von einer Chartomanie ſewohl als 
von einer Ehartomantie gefprochen. Die erſte koͤnnte bie Wuth 
(warıa) des Chartenſpiels bebeutenz man verftcht aber darunter ind 
fpöttifgen Sinne das übertriebne Verlangen nach conflitutiomaien 
Charten, das man auch ein Gonftitutions = Sieber genannt hat, wie 
die feurigen Liebhaber folcher Werfaffungsurtunden Chartiſten 
oder Gartiften. ©. Staatsverfaffung. Die zweite bedeute 
Wahrfagerei (Harseın) aus Spielcharten oder mit Hilfe 
wie fie von Chartenfälägern ausgeübt wird. Es iſt dieß alſo 
neue Art von Divination oder Mantik. S. beides. Der 
brauch folder Wilder zum Wahrfagen fcheint auch aͤſter als 








208 Eheiroplaftit Chilon 

go0ogıa oder zeıpıo. kommt aber nicht vor. — Etwas andres 
it Chirotonie (eıporovim, von zeıven, fpannen, ſtrecken) näme 
lich Ausſtreckung der d zum Stimmgeben in Volksverſammlun⸗ 
gen,.dann die Abftimmung ſelbſt und die dadurch beftimmte Wahl 
oder fonftige Entfcheidung. 

Cheiroplaſtik. — Zufag: Diefes Wort hat einem engem 
und einen weiten Sinn. Im engern bezieht es fi) auf das un 
mittelbare, im weiten audy auf das mittelbare (duch gewiſſe vor 
dee Hand geführte Werkzeuge — Meißel, Pinfel 2c.) Bilden eines 
Werkes von Menfdenhänden. . Uebrigens ift auch dieſes Wort meuges 
bildet; denn bei den Alten findet fih nur das Adjectiv Xeuponia- 
orog, von der Hand gebildet. 

Chemismus oder Chymismus. — Zufag: Die nice 
Ableitung dieſes meugebildeten Wortes von Chemie ober Chy⸗ 
mie {it unzweifelhaft; „aber „die weitere Ableitung dieſer Ausdrick 
ſelbſt aus: dem Griechiſchen iſt ungewiß. Denn Einige vermelfet 
dabei auf das arabiſche Zeitwert ‚chama, welches brennen ober duch 
Feuer aufloͤſen und prüfen: bedeutet. Auch behaupten Manche, di 
nur daun ein hemifcher Procef flattfinde, wenn ein wirkide 
Stoffroandel nach den Geſetzen der Proportionen sin. den Element 
bewirkt werde. Nach diefem engern Begriffe würde zwar bie Be 
weitung des Bieres und des. Branntweins, aber nicht bie — 
des Kaffees und des Thees ein chemiſcher Proceß fein, 

Chikane oder Schi kane (ehieane) bedeutet eigentlich mr 
überhaupt Spigfindigkeit ‘ll, d.. W.) wie ſie auch im  philofes 
phiſchen Unterfuchungen und Streitigkeiten vorkemmen Eann amd 
häufig genug vorkommt, dann aber eine, unnedliche Spikfint 
digkeit, wie fie beſonders in. Rechtsſtreitigkeiten don ſolchen 













| Chimäre Choreutik 209 


Yer Eipruch aber, ben ihm Andre beilegen: „Gott erniebrigt das 
dehe und erhöhet das Niedrige,” gehört wohl eigentlich dem Aefop. 
Denn nach dem Berichte jenes Schriftfteller6 fragte Ch. diefen, mas 
Zeus thue; worauf Aef. die Antwort gab: Ta ev vıynla Ta- 
nuvovy, ca de raneıya vwovy. Webrigens kommt derfelbe Spruch 
(hen im A. X. vor, namlih 1. Sam. 2, 7. 8. und das N. 
ſchaͤft ihn wieder ein Luk. 14, 11. Ja ſelbſt Horaz fpielt dar⸗ 
auf an, indem er (od. I, 34.) fagt: 
Valet ima summis 


Mutare et Insiguaem attonust deus 
Obscura promens, 


Es muß alfo diefer Spruch im Alterthume fehr weit verbreitet ge 
weſen fein; und wer mag beweiſen, daß er zuerft aus dieſem oder 
jenem Munde gekommen? — Wegen der hilonifhen Rede⸗ 
weiſe vergl. Brachplogie und Gnomologie. 

Chimäre oder Schimäre. — Zufag: Xıuarpa bedeutet 
Rigentlich eine Ziege, wie zıuupog einen Ziegenbod; dann aber ift 
es auch der Name eines mothologifchen Ungehruers, das zum Theil 
kiner Ziege aͤhnlich war, nah Homer's und Heſiod's Bes 
ſchreibung 

Ifooodt ltwy, onıdey de doaxav, ucoon de yızapa — 


weshalb es auch Horaz (od. I, 27.) triformis Chimaera nennt 
nnd als Symbol einer geführlichen Buhlerin braucht, weldhe nach 
Ramier’s Auslegung „an Raubfucht einem Löwen, an Geitheit 
alner Ziege und an Liſt einer Schlange gleicht.” Jetzt aber braucht 
ton jenes Ungeheuer ale Enmbol toller Einbildungen oder Phan⸗ 
ftereien. Und daher kommt es eben, daß man auch von phi⸗ 
sfophbifhen Chimüren fpricht, die aber eigentlich unphilo— 
ophiſch genannt werden follten, weil man nichts andres ale 
rundiofe Hirngeſpinnſte darunter verftcht. 

Chorag (yoo«yos oder Yopı;zos, von yonos, der Chor als 
in Haufe von Saͤngern und Taͤnzern, und wer, führen) bedeu: 
rt urfprünglic einen Ghorführer, und Choragie (yopryıa) die 
Überführung, wie fie bei den Alten in Schaufpielen und Procef: 
Ionen ſtattfand. Jetzt aber verfiche man unter einem Choragen 
Feen Anführer eine Partei, Secte oder Schule, fo daß es eben: 
ſwohl eine politifche oder kirchliche, als eine [holaftifche, 
ſeiglich auch eine philofophifhe Choragie geben kann. — 
Ersee Chorag fagen Manche Choraget. Im Griechiſchen aber 
mE Zunzzerzs nur felten vor, 3. B. Jambl. Pythag. $. 186. 

Choreutif. — Zufug: Statt yooerzıxr (scil. reyrr,) ſagten 
Ne Alten lieber opyzorıxr, um die Tanzkunſt zu bezeichnen (von 
ezroıs, der Zar). 

Krug’s encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppi. 14 





210 Chrematismus Chrie 


Chrematismus f. Achrematiemus. Doch bedeutet je⸗ 
nes auch zuweilen ſovlel als Name oder Titel, beẽgleichen eine 
Antwort ober ein Orakel, responsam divinum, unb einen bebeut- 
ſamen Traum, der gleichfalls fo betrachtet wir. — Ehremati= 
Fit (xenuarıorızn seil. Texvn) bedeutet dagegen big Kunſt, Ble= 
ter (xonuara) zu erwerben und babucch reich zu werden — eine 
gefährliche Kunſt, weil fie den Menſchen oft nur unglüͤckich, amd 
wohi unſittlich macht. S. Reihthum. 

Chreſimologie (neugebildet, von zgnasuor, das Rip 
che, und Aoyog, die Lehre) bedeutet eine Nutilchkeits⸗ oder King 
heitslehte; und da Manche die philoſophiſche Sitten⸗ oder Tage 
iehte gleichfalls als eine foldye dargeftelle haben, fo kann man dm 
Moral dieſer Art auch eine philofophifche Chrefimotogin] 
nennen. . Etwas andre aber. bedeutet Chresmologie 

Aoyıa) nämlich das Ausfprechen einer ſolchen Rede ober Autor ' 
die ein Diakel heißt (xomauos). Da ſolche Ausfprüche mit fir 
dunkel und zweideutig find, und ba manche Philofophem es geliebt bir 
ben, ihre Meiöheit in ebenfo dunkle und zweideutige Rede zu bil 
In: fo koͤnnte man ihre Art zu lehren aud eine phitofophifgt 
Chresmologie nennen. Es {ft aber das. eine Derfahren (iM 
Grunde fo unphilofophifd als das andre. e 


Chreſtomat hie (zoyorouadeaa, von xonozos, beaude 
bar, nuͤtlich, gut, und uasev oder kavdavev, lernen) 
eigentlidy das Lernen deſſen, was niüglich oder gut ift, madg" 
Erkenntnig oder zur Fertigkeit gehören. Man machte aber 
im Alterthume Auszüge aus größeren Werken (Erierpte ober 

‚ Iectaneen) unter jenem Titel, weil dergleichen Auszüge dem 
das Vorzüglichfte oder Brauchbarfte, was dort enthalten, zum it 


Chriſtenthum 211 


Ifphle gar nicht die Rede und auch ſonſt eben nichts von philo⸗ 
ſeiſchem Seiſte zu ſpuͤren iſt. 

Chriſtenthum. — Zuſatz: Wegen des Stifters des Chri⸗ 
ſichums ſ. Jeſus, und wegen des Urſprungs feine Namens 
FE Reffianismus, indem Meſſias und Chriſtus eins und 

bedeuten. Merkwuͤrdig aber iſt es doch, daß der Name 
Ehriſtianer, der zuerſt in Antiochien aufkam (Apoſtelgeſch. 11, 
=.) und wahrſcheinlich, gleich andern Sectennamen, urſpruͤnglich 
Bi Spotte⸗ oder Schimpfname war (1. Petr. 4, 16.) bald fo all⸗ 
bunein wurde, daß er ſchon am Ende des zweiten Jahrhunderts 
nis eine ganz getwöhnliche Bezeichnung vorkommt; wie man aus 
Na Briefe des jüngern Plinius (epp. 10, 97.) an den Kals 
ſee Trajan fieht. — Manche (z. B. Zachariaͤ in feinen Bier: 
Büchern vom Staate, Bd. 4. Abth. 2. S. 256.) haben das 
Eieikenthum für eine Metaphyſik des Judenthums d. h. 
Nie eine von den Schranken des Nationalismus befreite und in bie 
Wetiston der Menſchheit verwandelte Gotteslehre des mofaifchen Ge: 
erklaͤr. Vergl. Judenthum und Mofaifhe Philo⸗ 
ſophie. Andre haben dagegen zwiſchen der platoniſchen Phi⸗ 
leſphie und dem Judenthume ſowohl als dem Chriſtenthume 
me ſehr nahe Verwandtſchaft entdecken wollen. S. Stäudlin’s - 
Sqrift: De philosophiae platonicae cum doctrina roligionis ju- 
Mica et christiana cognatione. Goͤtt. 1819. 4. nebſt der von 
Bkermann: Das Chriſtliche in Plato und in der. platonifchen 
Nueſophie. Hamb. 1835. 8. und von Baur: Das Chriftliche 
RE Platonismus. Tuͤb. 1837. 8. — Wieder Andre haben ein 
defeches CEhriſtenthum unterfchieden, ein petrinifches, ein paus 
Unifhes und ein johbanneifches, nach den drei bedeutendften 
fen een befielben, den Apoſteln Petrus, Paulus, 
w Johannes. Das erite fei die Grundlage des Katholicis: 
Bus, das zweite die ded Proteftantismus, und das dritte, 
Wihes noch keinen befondern Namen führe, werde als Chriftens 
um der Liebe alle übrigen Formen oder Parteien verfchmelzen 
der in ſich aufnehmen. Letzteres möchte wohl erft mit dem tau⸗ 
Imbjährigen Meiche eintreten. Dan koͤnnt' es alfo, um ihm doch 
da befondern Namen zu geben, auch den philofophifden 
Viltlasmus nennen, der feeilih von dem phantaftifhen 
ie verfhieden if. S. Chiliasmus. Wichtiger aber wär! 
"Swohl, ein Außeres ober gefhichtlihes und ein inneres 
We geiftiges Ghriftenthum zu unterfcheiden. Jenes, das fid) 
I Baufe der Zeiten mannigfach umzgeftaltet hat und dadurch ein 
and des Streites, des Spottes und des Aergerniffes für 
ide Ghriiten und Nichtchriſten geworden ift, Eönnte ſich allerdings 
R Diefes allmaͤhlich auflöfen, befonders wenn die mythifce Anfiche 














212 Chriſtenthum 


vom Leben des Stifters, wie fie Strauß Au Leben Jeſu 
bearbeitet. A. 2. Tuͤb. 1837. 2 Bde. 8.) neuerlich 
machen gefucht hat, herrſchend werden m Was aber 
dieſer Hinfiht geſchehen möge, fo kann dody weder alles 
Ache noch das geiftige Chriſtenthum völlig untergehn, 
doch irgend eine thatfächliche Grundlage behalten muß 
in der Vernunft ſelbſt feine Wurzel hat, von ihm daher gang 
bezweifelt der bekannte Ausſpruch gilt, daß es die Pforten 2 
nicht übermältigen follen. — In literariſcher Hinſicht iſt 
bemerken: Die B. 1. ©. 464. angeführte Schrift v 
Cositofophie umd Chriſtenthum ac.) erſchien 1833 in einer 
Ueber denfelben Gegenftand und befonders über den Gegenſat 
ſchen dem chriſtlichen und dem heidniſchen Ppilofophen has ger 
mey (f. d. N.) mehre Schriften hinterlaſſen. Yudy find in 
Hinſicht zu vergleichen Bonnet's recherches phil 
les preuves da christianisme. Genf, 1771. 8. Deuiſch mit Is 
merkt. von Lavater, und Fenelon's christianisme 
aux hommes du monde, herausg. vom Abbe Dupanloup. Par 
1836. 6 Bde. 12. — Von neueren Schriften aber, weiche Mi 
Chriftenthum sehr oder weniger mit philoſophiſchem Blicke beteady 
ten und deſſen Einftimmung mit den Foderungen ber Vernunft ud 
des Gewiſſens darzuthun ſuchen, bürften etwa noch folgende gi 
beachten fein: J. A. Voigtlaͤnder's Briefe über das Chrifee 
thum, Gin Gegenftüd zu den Briefen über den Maticnciitum 
[von Roͤhr] und denen über den Supernaturalismus [von 
lid). Dresd. 1828. 8. (S. Nationalismus und Sup 
maturalismus). — Vorfchule zur fpeculativen Theologie ei 
fitiven Chriſtenthums. Von Ant. Günther. Wim, 


Nam EL 
3 uf Ei; 


It; 








214 Chromatit Chronik 


tee auf ber Erde verbreitet hat — denn nur der fünfte Theü 
Men chengeſchlechts (tea 00 Mikicnm Menſchen — vergl. 
ligion teien, Zuſ.) bekennt ſich dazu — fe ik wohl 
unchtiſtliche Benehmen der Chriften ſeibſt ferwchl gegen einander 
gegen tie Nichtqhriſten großentheils daran Shut. a fe 
badurdy das Chrifienchum in den Augen der Nichtch anche um 
ihm urfprüngsicg gebhrende Anſehen gebracht, her (ee 
Caraiben (ein tohes amerikaniſches Bei, 5 —* —X hriſten auch 
Theile vertilgt und aus feinen frühern Wohnſiten vertrjeben 
zu ben eutopäifden Ehriſten, die ſich mit — em Welchen 
ſchaftigt hatten: „Wir werden bald fo ſchlecht werden als 
flen.” Und fie hatten nicht Unrecht. Denn Wolluſt, Tamlı 
heit, Dieberei und andre Laſter, die ihnen früher unbefanut u 
zen, nahmen unter ihnen fo überhand, daß fie, wenn im ih 
nad, alters Brauche ſiets offen fichenden Hütten etwas entwen 
wurde, fagten: „Gider ift ein Chriit hier geweſen Umd d 
ſehen die Chriften fo ſtolz auf alle Nichtchtiſten, beſonders 2 
den, herab, daß fie denfelben nicht einmal überall 
geftchen wollen. Bewaͤhtt ſich da mohl das Chriſtenthum als F 
Beligion ber Liebe und der Demuth? — Wegen des Urchriſte 
thums f. d. Art, felbjt und bie dort angeführten Schriften. 
Chromatik. — Zufag: Bel den Alten kommt pp 
zın (seil. rexvn) in der Bedeutung einer Farbenkunſt nicht w 
Wohl aber brauchen fie jenes Wort in Bezug auf bie Tenkı 
oder Muſik, indem fie unter Xpwuarıın nova eine eigeathk 
liche Zonreihe ober Tonleiter verftehn. Und fo unterfcyeibet m 


auch jegt noch eine hromatifche, eine diatoniſche mb ei 
biatonifh = dromatifhe Tonleiter ʒ worlber. jedoch DEE 





Ghronologie Chryſologie 215 


ſcwerer zu heilen find, als die ſchnell vorübergehenden, heftigen, 
er bisigen, bie man auch fcharfe ober achte nennt; wiewohl 
der Unterfchieb ſelbſt nicht mit Logifchee Schärfe zu beſtimmen iſt, 
weil oft Mebergänge aus einer Krankheitsform in bie andre ſtatt⸗ 
So ſchrieb bereits ein alter Arzt, Caelius Aurelia: 

aus, libb. V tardaram s. chronicarum passionum und libb. 
N coelerum s. acutarum passionam. Auch haben bie Pſycho⸗ 
en Anwendung davon gemacht auf bie Theorfe von Affecten 
nt Reidenfhaften. ©. beides. — Chroniken (xpovıxa 
wi, Beßdıa) find eine befondre Art von Zeitz ober Geſchichtbͤ⸗ 
Gen, die man auch Annalen oder Jahrbücher nennt, weil 
ſe fih ſtreng an die Folge der Jahre, auch wohl der Donate 
mb age, binden; wodurch aber freilich die Begebenheiten allzu= 
Re zerfihchelt werden, fo daß man ihren Zuſammenhang nicht ge⸗ 
Nrig überfehen konn. Philofophifche Chroniken hat baber 
meines Wiffens noch kein Gefchichtfchreiber der Philofophte ver- 
Sie würden auch gerade bei biefer Wiſſenſchaft am wenig- 


# 


' Ren nwendbar fein. S. Geſchichte ber Philofoppie. 


“ 


Ehrondlogie. — Zuſaz: Die Chronographie (vom 
demſ. und ygayeıv, fchreiben) iſt zwar mit dee Chronologie 
Verwandt, aber boch nicht einerlei, indem man barunter bie Bes 
rear; oder Belchreibung ber Zeitm von beflimmten Perfonen 

der Begebenheiten, voie fie befonbers in fogenannten Chroniken, 
Amalen oder Sahrblichern flattfindet, verfteht. Ein Chrono: 
graph muß alfo freilich aud ein Chronolog fein; dieſer aber 
besucht nicht zugleich jener zu fein. In gewiſſer Hinſicht könnte 
man alfo auch alle Geſchichtbuͤcher Chronographien, und alle Ge: 
ſchichtichreiber, feibit die der Philofophie, ‚Chronographen nennen, 
febalb fie nur auch die Zeiten bemerken, in welde die erzählten 
Thatſachen fallen. Chronometrie aber (von demf. und uergswv, 


‚ weffen) bedeutet Zeitmeffung, befonderd durch mechaniſche Werk: 


use, wie Uhren und mechaniſche Tactmeſſer. Jedes Werkzeug 
dieſer Art kann daher auch ein Chronometer genannt werden. 
pflegt man nur die genauern Zeitmeſſer, wie ſie auf 
Etermwarten und Schiffen gebraucht werben, fo zu nennen. Bei 
den Alten kommt übrigens nur zpovoAoyıa und xgovoygugıa vor, 
nicht aber zpovogergia, ungeachtet fie auch fhon (nur nicht fo 
genau wie die Meuern) die Zeit zu meſſen verflanden. 
EHryfipp. — Zufag: Ueber die Schriften diefes berlhmten 
findet man auch neue und anziehende Unterfuchungen in 
Dfann’s — au az geiehifcen und römifchen Literaturgefchichte. 
B. 1. Damftadt, 1835. 
Görpfnlosie. — — XovooAoyıa kommt bi den 


216 Chryfopbie Eircumfpection 


Alten nicht vor, ſondern nur zovooAoysıy in der doppelten Beben⸗ 
tung des Goldfammelns und des Sprechens vom Golde; und ebenfo 


zqvaoloyo, ir 

Chryſopoͤie. — Bufag: Auch zevoonoia findet ſich nicht 
bei den Alten, wohl aber xgvaonoıog in der Bedeutung eines 
Goldgießers oder Goldarbeiterd (xovooxooc, Xovoorexsem). Die 
Bedeutung eines Goldmachers im "Sinne der Aldyemie kommt af 
bei fpäteren Griechen vor. 

Cicero. — Bufag: Zur Charakteriſtik dieſes altedmiihe 
Ppitofophen dient aud) folgende Schrift: Cicero in feinen Berfa. 
Bon Bernd. Rud. Abeken. Hannov. 1835..8. Zugleich 
hätt dieſe Schrift einen guten Leitfaden. zur Leſung jener Briefe mit 
Hinweiſung ‚auf die Zeiten, in welchen, und die Perfonen, am iweldt 
fie gefehrieben ‘find, nach deren befondern Lebensverhäftniffen; 
felöft die Geſchichte ber Philofophie nicht leer ausgeht, indem C 
bin und wieber- auch, der Philoſophen feiner, Zeit gedenkt 

Cidevantismus ift zwar ein neugebildetes Wort (vondm 
franzöfifhen ci-devant, vor diefem) aber eine alte, Sache, mimlih 
das Streben nach dem Alten, oder dem, was früher in Meinungen, 
Sitten, Gebräucen, Gefegen und Rechten galt. Ci-devants pie 
Eidevantiften find alfo Ruͤckwaͤrtsſchreitende ober Feinde db 
Foriſchritts, beſonders in bürgerlicher und Eicchlicher Hinficht, © 
Fortgang. 

Circuminceffion (von eircum, herum, und iimcedert, 
eingehn) iſt ein barbarifch= ſcholaſtiſcher Ausdruck, der auch Im De 
Zichlihe Dogmatik übergegangen, nämlich in bie Lehre won ee 
Zrinität, indem dadurch eine völlige Durcdringung der drei göf 
den Perfonen angedeutet werden foll, fo daß fie troß ihter Werfhie 











Gircumfeription Civil 217 


Umſicht ober Umſchauung, beſonders in Bezug auf moͤgliche 
fahren, die man vermeiden will, dann Ueberlegung, Bedachtſam⸗ 
t oder Behutſamkeit. Die pbilofophifche Speculation muß alfo 
% zugleich Circumfpection fein, um den Gegenſtand derfelben von 
n Eeiten zu betrachten, bamit man nicht durch Einſeitigkeit in 
rtbum falle. Vergl. Speculation. 

Gircumfceription (circumscriptio, von circam, herum, 
b seribere, fchreiben) bedeutet eigentlich bie Umziehung eines Ge 
ftandes mit einer Linie, daher auch die Belchreibung eines Kreis 
„ befonders eines magifchen, durch welchen ein Menfch, ein guter 
w böfer Geift, oder font etwas gebannt werden foll, damit es 
ht entweiche und ſich dadurch der fernem magifhen Einwirkung 
sHiche. Man braucht es aber auch von ausführlihern Erklaͤrun⸗ 
ı der Begriffe und ber Worte. ©. Befhreibung nd Um⸗ 
‚weibung. ‚Die feltner vortommende Bedeutung einer Betrügerel 
w Sintergehung ift wohl daher entflanden, daß die magifche Cir⸗ 
ufeription meift feinen andern Zwed bat, als Andre anzuführen 
m gu bevortheilen. Bei ben alten Redekuͤnſtlern bebeutet circum- 
riptio auch noch bie periodifche Verknüpfung ber Worte ober bie 
ywunbung vines längeren Satzes. 

Circumstantiae variant rem — Zuſatz: Die 
mei: Circumstantiae mutant speciem, fagt elgents 
> daſſelbe. Denn wenn eine Sache dur die Umſtaͤnde 
imdert wird, fo nimmt fie mehr ober weniger eine andre 
tale an oder wird gleihfam zu einer andern Art von Dingen. 
- Die septem circumstantiae der Scholaſtiker beziehen ſich auf 
be dialektiſche Fragwoͤrtchen, die unter Quae? qualis? ete. an⸗ 
kigt find. 

Cirkel. — Zufig: "Wegen der bialektifhen und didak⸗ 
fhen Cirkel des Lullus f. d. N. und Cyklognomie. Auch 
gl. Kreis und Kugel, Zuf. 

Civil. — Zufag: Die Alten fagten auch civicus für civi- 
1, wis hosticus für hostilis, 3. B. jus civicum, bellum eivi- 
m. Das von civil abgeleitete Subftantiv Civiliſt aber ift 
n neuerer Bildung und hat einen doppslten Gegenfag, nad wel: 
em es auch feine Bedeutung verändert. Steht nämlich ber Ci: 
lift dem Criminaliſten entgegen, fo bedeutet jenes einen 
echtsgelehrten, der ſich vorzugsmeile nicht mit dem peinlidyen, ſon⸗ 
m mit dem gemeinen bürgerlihen Rechte beſchaͤftigt. Eodann 
er ſetzt man auch den, welcher nicht die Waffen zum Schuge des 
aterlandes trägt, fondern ſich den friedlihern Beſchaͤftigungen eines 
taatsduͤrgers oder Staatsbeamten gewidmet hat, als einen Civi⸗ 
fen den Militärperfonen entgegen. Auf diefen Gegenſatz 
zieht ſich auch das Wortfpiel des Witzlings Zalleyrand, dem 


Gixilifation Glaffen 
xr Kriegemann etwas unhoͤflich begegnet war: „Nous p—— 


militäire tout ce qui n’est pas civil.“ 
iviliſation. — Zuſatz: Daß es Völker geben folte—. — 
der Givilifation gar nicht fübig wären und daher in ihre 
wei fortleben müfften, laͤſſt ſich nicht bemeifen, obmohl Dam : 
‚x. den Voͤlkern, welche in fehr kalten oder fehr heißen Laͤnder — 
ven, mehr Hinderniffe in Anfehung ihrer Civilifirung entgegen- ug 
als denen, bie unter einem gemäßizten Himmel leben. Cm 
mmelsftrich. Auch ift nicht zu leugnen, daß das civiliſirt 
en feine eigenthümlichen Beſchwerden hat, um welcher willen — 
jen Völkern nicht behagt. Daher Eoftete e8 Peter dem Gre — 
n fo viel Mühe, fein nody ganz barbarifches Volk zu civilifite — 
nd ebendarım wollen fid) auch die unter türkifcher Herrfhaft ve -— me 
‚Überten Neugriechen nicht mit ber unter König Dtto J. ih— 
argebotnen Givilifation befreunden. Wenigſtens berichteten unlin——g €. 
Öffentliche Blaͤtter (1. B. Leipz. Zeit. 1834. Nr. 302.) aus C> we: 
fantinopel, daß viele Griechen ihr wiedergebornes Vaterland vl He: 
ben und fich freiwillig wieder unter tuͤrkiſchet Herrſchaft anſiedelt — ze, 
indem fie erlärten, „fie Bönnten die Beſchwerlichkelt en 
„nicht ertragen, welche die Civiliſation nach Grieche zu 
land gebraht habe” Es ift dieß aber derfelbe Grund, welc Ser 
nomabifche Völker abgenejgt macht, fi irgendwo zu firieenz dezent 
fie find einmal an ein umherfhmeifendes Lehen gewöhnt, das Fir 
ungebildete Menſchen immer einen befondern Reiz hat, weil es Ihwzen 
mehr Freiheit und leichtere Nahrung gewährt. Vergl Romaden 
und die Schrift: Die Lebensfrage der Givilifätion. Von Dr. &- 
A. W. Diefterweg. Eifen, 1836. 8. in 3 Beiträgen, deren 
bie Univerfitäten In ihrer Beziehung auf bie Givilifitiongeßr 
itterkeit) befprichts 





Claſſiſch Cemenʒ 219 


egriffe ber Erkenntniß f. Kategorem, wegen der Claſſif. der Nas 
urereigniffe ſ. Naturſyſtem, und wegen der Claſſif. der ſchoͤnen 
infte f. ſchoͤne Künfte. — Bei den Alten kommt weder clas- . 
iñcare noch classilicatio vor. 

Claſſiſch. — Zufag: Wenn das Claſſiſche dem Ro⸗ 
santifchen entgegengefegt wird, fo verſteht man unter jenem das 
mtite oder Griechiſch⸗ Roͤmiſche und das bemfelben Nachgebildete 
s Geſchmacksſachen, befonders in ber fchönen Literatur, unter die⸗ 
ms aber dad Moderne, wie es fich im Mittelaiter durch Verfchmels 
ung bed Chriſtenthums mit dem Ritterthume theils in bichterifchen 
yeiis im amdern Kunftleiltungen ausbildete. Beides ift in feiner 
[ze gut. Wenn aber diefes in's Erkünflelte oder Gezierte fällt, 
sfonders in eine affectirte Sentimentalität: fo muß «8 freilich jenem 
eichen, das mehr dem Einfachfchönen huldigt. Webrigens hat der 
ei deu Alten häufig vorkommende Ausdruck classıcı cives, Bürger 
es erfien Ranges nach den Vermögens: Glaflen, Anlaß gegeben, 
aß man fpäterhin auch classici auctores, scriptores, artifices, 
eine, oratores etc. fügte. 

Clavis philosophica — Sclüffel der Weltweisheit 
— if ein Ding von fehr zweibdeutigee Natur. So wollte Fludd 
L 5. R.) in einer feiner Schriften der Melt einen Schluͤſſel dar⸗ 
ieten, der zugleich die Philofophie und die Alchemie auffchließen 
ee; man Bat ihn aber weder in der einen noch in der andern 
Anſicht brauchbar gefunden. Einen andern Schluͤſſel diefer Art f. 
u Zuf. zu Theologie. Der einzig brauchbare Schlüffel der Welt: 
isheit ift wohl die philofophirende Vernunft felbft, wenn fie durch 
tebung in der Kunit des Philofophirens erſtarkt ift und von aufs 
ichtiger Liebe zur Wahrheit geleitet wird. Vergl. Bergk's Kunft 
w philofophiren. Leipzig, 1805. 8. 

Glemend (Tit. Flav.) — Zuſatz: Einige laffen ihn ſchon 
m J. 204 nah Chr. ſterben. Auf feine Philofophie bezieht ſich 
uch noch folgende Echrift: De yrwoess Clementis Alexandr. et 
le vestigiis philosophiae platonicae in ea obviig. Ser. Ang. 
Terd. Daehne. Yeipzig, 1531. 8. 

Glemenz (clementia) bedeutet nicht bloß Gnade, fondern 
aberhaupt eine milde, fünfte, gütige, auch zum ergeben geneigte 
Smürhsart. Cine gute Monograpbie darüber it Seneca’s 
Scqrift de clementia, an den Kaiſer Nero gerichtet, welcher zur 
Zeit der Abfaffung dieſer Schrift — fie füllt in das berühmte quin- 
Betazium Neronis oder feine fünf erften Regierungsjahre — nod) 
et clement war, aber den Ermahnungen feines Lehrers zum 
Ctotze fpätechin fo inclement wurde, daß er felbit dieſen Lehrer 
»egen eines bloßen Verdachtes zum Tode verurtheilte. S. Seneca. 
Ainen lateiniſchen Commentar zu jener Schrift gab (Paris, 1532. 





220 Codius Eoauction 


8.) ber beruͤhmte Refotmator Calvin heraus, der aber deſſen u — 
geachtet die Tugend der Clemenz ſich nicht angeeignet hatte. S— 
He X 8) — Bufap: Er abi PR 
lodius “ — Bufag: irte zu ig 

wo fein Water Profeſſor der Dichtkunſt war, aber frühzeitig A 
ſtarb, Jurisprudenz und Philofophle, letztere befonder unter C — 
far's und Platner's keitung,, und habilitirte ſich daſelbſt, nac— 
dem er bereits als Baccalaurens juris juriftifhe Privatvorlefungee— 
gehalten hatte, im J. 1795 auf dem phitofophif—hen Katheder ale— 
Magister legens durch Vertheibigung einer Disp. de carminis h—— 
roici dignitate philosophica et morali. Er farb im I. 183mm 
«(bem 64. Lebensjahre) am ber Wafferfucht, nachdem er noch kur — 
zuvor eine Reife durdy die Schweiz, Srankreidh und Italien gemac 
hatte. — Seine Schrift: Won Gott in der Natur ıc. beftcht au: - 
2 Xhellen in 4 Bänden und iſt unftreitig fein Hauptwerk, om 
etwas diffus gefchrieben. Kurz vor feinem Tode gab er auch ne 
heraus: De philosophia morum a philosophia morali areurau— = 
separanda. Leipz. 1835. 4. Mac) feinem Tode aber erſchien ur = 
Bugabe zu feinen Programmen über bie vier Haupttugenden: I>>« 
educalione populari disciplinaque publica communi morum — 
legum vincnlo. Comment. VII. de virtutibus cardinslibus. Leig-> 
1836. 8. 

Coaction. — Zufag: Coactio kommt eigentlich her vr 
eoagere, zufammentreiben, was aber in cogere verwandelt worder WB, 
und fo bie Bedeutung bes Möthigens ober Zwingens angenze®* 


men hat. 

GCoäqualität (von cum, mit, und aequalitas, die Glei >= 
heit) bebeutet die gleiche Vefchaffenheit zweier oder mehrer Dinge 
wobel die Gleichheit freilich nicht im firengen Sinne zu nehmest, 
well fie dann nicht erweislich oder abfolute Identitaͤt wäre. Werstt 

das athanafianifhe Spombolum des_orthoboren Kirchenglaul 


Cobdification Coguition 2 


Seuztet eine Mitvermehrung oder Mitvergroͤßerung. We 
zruan aber Jemanden einen Coauctor oder Coautor nennt, 
»erflcht man darunter einen Miturheber oder Mitthäter, d. 
eirse Perfon, die mit einer oder mehren andern zugleid an einer Wi 
Exzrag als Urſache theilgenommen hat. Gewoͤhnlich denkt man babı 
an bie literarifhe Autorfhaft. ©. d. W. Bel verbrecdheri 
ſchen Handlungen aber nennt man die Coautoren lieber Compli— 
<cen. S. EComplication. Uebrigens kommt bei den Alten 00- 
=auactor nicht vor, wohl aber coauclio, namentlih bei Cicero, in 
Der zuerſt angezeigten Bedeutung. 

Codification (neu gebildet, von codex, eis, Buch, und facere, 
Szrachen) könnte jede Art von Buchmacherei bedeuten. Man verftehe 
@ber gemwöhntid, darunter die Abfaffung eines Geſetz⸗ oder Rechtes 
Busches (codex legum s. jurium) und zwar eines pofitiven, das für 
einten gewiſſen Staat und deſſen Bürger beftimmt if. S. Geſetz⸗ 
B ch und Gefebgebung. Solche Codices können dann, wie 
@rrdre Bücher, ebenfomohl manascripti oder Handfchriften als typo- 
Sraphi ober Drudicriften fein. 

Coefficient. — Zufag: Coefficienz bedeutet Mitmas 

eng oder Mitwirfung. Bei den Alten aber findet fich weder co- 
cere noch coeflicientia. 

Coextenſion f. Ertenfion nebft Zuf. 


Gogitabel (von cogitare, denken) — denkbar, Incogitas 
= cd — undenkbar, folglich Cogitabilität — Denkbarkeit, In⸗ 
Eogitabilitaͤt— Undenkbarkeit. Gogitation aber bebrutet das 

ickliche Denken als geiftige Thätigkeit, und dann auch deffen Er⸗ 
Waunig, den Gedanken. ©. Denken, Denkbarkeit und Ge: 
WQunten, beegl. die Sormel: Cogito, ergo sum. — Uebrigens 

omme bei den Alten nur cogitabilis und incogitabilis vor, nicht 
ogitabilitas und incogitabilitas. Das Segentheil von cogitatio 
Kincogitatio, Nichtdenken) findet ſich auch nicht, wohl aber incogi- 
Raptia, Unbedachtſamkeit oder Unbefonnenheit. 

Gognation. — Zufag: Coxgnati und aymali werden von 
Manchen als Verwandte von mütterliher und von vaͤterlicher Seite 
nterfchieden; und fo aud) cognatio und agnatio als Verwandtſchaft 
on dieſer zwiefachen Seite. S. Aynation. Indeſſen ift dieß 
rohl mehr juriſtiſcher als gemeiner Sprachgebrauch. 

Cognition (von coxnoscere, erkennen) bedeutet eigentlich 

e Handlung des Erkennens, dann aber auch die Erkennt: 
iß ſelbſt. ©. beide Ausdrüde. Zumeilen wird es audy im en⸗ 
m Einne von richterlihen Erkenntniſſen über Streitſachen ober 
brechen gebraucht. Vollſtaͤndig heißt es dann im Lateiniſchen 
vaitio cansae, und befafft auch das Urtheil darüber, welches im 


222 Cohaͤſion Collegia 







Deutſchen gleichfalls ein (richterliches) Erfenntniß heißt, indem ſich 
alsdann das Geſchlecht des Worts (die E. in das E.) verwandelt 

Cohäfion. — Zuſatz: Statt Cohaͤſton ſagt man ande 
Cohärenz; und dieß iſt eigentlich dem Spracygebraudye der Alterug 
gemäßer. _ Denn dieſe fagten wohl cohaerentin, aber nicht oohaesio 

Coincidenz. — Zufag: Die Alten fagten weder eoincidere — 
noch coincidentin. Ja man findet nicht einmal bei ihnen das ei 
fachere incidentia. Berge. Incidenz. 

Coinculpat heißt der Mitangeklagte als angeblider Mi — 
ſchuldiger (qui cum alio in culpa est). Die Alten fagten ab—g 
nicht coinculpatus, fondern nur inculpatus, obwohl in einem ag 
dern Sinne. ©. Inculpat, Zuf. 

Coͤlibat. — Zufag: DieB.1. ©. 485. angeführte Sche i 
von Theiner: Die Cinführung der erzwungenen Chelofigkit ze 
erhielt nody einen 2. Bd. und der ebendaf. angezelgten Beleuchtm zu, 
dee Denkſchrift ıc. folgte eine MWiderlegung unter dem Titel: Den 
Colibat im Widerſpruche mit Vernunft, Natur und Religion. Seet⸗ 
beib. 1829. 8. — Außerdem vergl. bie Schrift von Carovd: Mile 
bee das Coͤlibatgeſetz des roͤmiſch⸗katholiſchen Klerus. Frankf. a 
M. 1832—33. 2 Abthh. 8. 

Eollation. — Zuſatz: Unter bem GollatursRehte won 
fleht man die Befugniß, Jemanden ein Amt, eine Pfeunde dr 
fonft ein Benefiz (3.8. ein Stipendium) zu ertheilen — ein Redt 
bei deffen Ausübung der Collator auch auf Billigkelt und K Lug⸗ 
beit Rüdfiche nehmen muß, damit das Conferirte nicht dwem 
Unfähigen oder Unbedürftigen oder in andrer Hinſicht Unwärbäge 
zu Theil werde. . . 
Collectaneen. — Zufag: Statt collecianea (seil, sat 


Colliſion Commercia eto. 223 


Fern es ſich durch die Aufnahme neuer Mitglieder anſtatt der abge⸗ 
Bangmen alten immerfort in feiner Gefammitheit zu erhalten fucht. 
Gollifion. — Zufag zur Literatur diefes Artikels: De of- 
-iorum et jurium, quae dicitar, collisione. Speeimen philo- 
es erzphico - juridicum, quod publico examiui offert Ludov. 
ÆM dolph. Schroeder Steinmetz. Gröningen 1830. 8. 
Coloffal. — Zuſatz: Das griechiſche Wort xoAocooc, 
E⸗ebon jenes abgeleitet iſt — wiewohl bie Alten nicht colossalis, 
Banden colosseus (x0Aoosaıos) ober colossicus (x0A0caıxog) [ags 
Bun — bedeutet eigentlich ein gehämmertes hohles Metallbild als 
ieegenſat von einem gehauenen maffiven Marmorbilde; dann aber 
RK — des ſehr große ode: Miefenbild. Darum nannten die Alten audy 
FD erjhaft einen großen ſchoͤnen Mann Colosseros (von Egg, 
EKum_umer) gleichlam einen tiefenhaften Liebesgott. — Der im Alters 
RWEHyume fo berühmte Coloß auf der Inſel Rhodus fol nach andern 
—Aagaben 110 oder gar 150 Fuß body geweſen fein. Die gewöhns 
E 8 he Meinung aber, daß biefes ungeheure Standbild des Sonnens 
E wort am Eingange des Hafıns der Stadt aufgeftellt geweſen und 
z>&e Schiffe zwiſchen beffen Beinen bucchgefahren feien, wirb von 
EI Binden bejweifelt; denn fie verſetzen es vielmehr in einige Ente 
Fee mmg vom Hafen. ©. Memoires de l’Acad. des inscriptions, 
DR”. 24. p. 360.: 
Gombination. — Zufag: Combinirt heißt auch alles 
EB erhundene oder Zufanmengefegte; wie wenn man den Raubmord 
ein combinirtes Verbrechen nennt, weil er ein doppeltes Ders 
Breten (am Eigenthum und am Leben eines Menfchen begangen) iſt. 
Comenius. — Zuſatz: eine Synopsis physices ad u- 
ı Miten Jivinum reforınatae erfhien auch zu Amfterdam, 1643. 12. 
Comité oder Committee f. Ausfhuß und Com: 
million. 
Sommentar. — Bufas: Die meiften und ausführlichiten 
CTonmmentare find wohl über das erfte Capitel der Bibel ge 
ben worden, weil man in bemfelben die wichtigften philoſophi⸗ 
Then, phyſikaliſchen und religiofen Offenbarungen von Gott felbfl 
m finden meinte, ungeachtet jenes Bruchſtuͤck doch nur ein alter 
Vhiofophifch- poetiſcher Mythos if. Der ausführlichite unter den⸗ 
Then iſt aber hoͤchſt wahrfcheinlich derjenige, welchen Aegidius 
Fothmann unter dem Titel: Dffenbarung göttliher Majeftät, 
m J. 1619 (wieder aufgelegt 1675) herausgegeben hat. Denn 
biefee Commentar bezieht fid) zwar nur auf die erften fünf 
“.... Berfe jenes Gapitels, befteht aber dennody aus vier und zwan⸗ 
gig Büchern, weil jedem Worte ein befondres Buch gewidmet iſt. 
Commercia libera sunto — Der Verkehr fei frei 
— oder wie es im Scangöfifchen ausgebrüdt wird: Laissez faire! — 





———a 


1 


Tuch) 


222 Cohaͤſion Collegia 


Deutſchen gleichfalis ein (richterliches) Erkenntniß heißt, indem 
alsdann das Geſchlecht des Worts (die E. in das E.) verwand 

Cohaͤſion. — Zuſatz: Statt Cohaͤſton ſagt man ai 
Cohaͤrenzz und dieß iſt eigentlich dem Sprachgebrauche der Al 
gemaͤßer. Denn dieſe ſagten wohl cohaerentia, aber nicht cohaes 

Eoincidenz. — Zuſatz: Die Alten fagten weder coincide 
noch coincidentia. Ja man findet nicht einmal bei ihnen das e 
fachere ineidentia. Vergl. Incidenz. 

Coinculpat heißt der Mitangeklagte als angeblicher M 
ſchuldiger (qui cum alio in culpa est). Die Alten fagten a 
nicht coinculpatus, fondern nur inculpatus, obwohl in einem « 
dern Sinne. ©. Inculpat, Zuſ. 

Coͤlibat. — Zufag: Die B.1. ©. 485. angeführte Sch 
von Theiner: Die Einführung ber erzwungenen Eheloſigkeit 
erhielt noch einen 2. Bd. und der ebendaf. angezeigten Slate 
der Deneſchrift x. folgte eine Widerlegung unter dem Titel: 
Coͤlibat im Widerfpruche mit Vernunft, Natur und Religio 
delb. 1829. 8. — Außerdem vergl. die Schrift von Carond: 
ber das Gölibatgefeh des roͤmiſch-katholiſchen Klerus. Ftankf. 
M. 1832—33. 2 Abthh. 8. 

Collation. — Zufag: Unter dem Gollatur-Rechte r 
fteht man die Befugniß, Iemanden ein Amt, eine Pfunde o 
fonft ein Benefiz (3.8. ein Stipendium) zu ertheilen — ein Rai 
bei deſſen Ausübung der Collator auch auf Billigkeit und Kli 
heit Ruͤckſicht nehmen muß, damit das Conferirte nicht ein 


uUnfaͤhlgen oder Unbeduͤrftigen oder In andrer Hinſicht Unwuͤrdi, 
zu Theil werde. 
Goltectaneen. — Bufıg: Statt collectanen (seil. ee 





Colliſion Commercia etc, 223 


fern es ſich durch die Aufnahme neuer Mitglieder anflatt ber abge⸗ 
genen alten immerfort in feiner Gefammtheit zu erhalten fucht. 
Gollifion. — Zuſatz zur Literatur diefes Artikels: De of- 
feioram et jurium, quae dieitar, collisione. Specimen philo- 
sophico - juridicum, quod publico examini offer Ludov. 
Adolph. Schroeder Steinmetz. Gröningen 1830. 8. 
Coloffal. — Zuſatz: Das griehifhe Wort xoAocoos, 
wovon jenes abgeleitet ift — wiewohl die Alten nicht colossalis, 
fordern colosseus (x0Aoooaos) oder colossicus (x0%000:x05) fags 
ten — bedeutet eigentlih ein gehämmertes hohles Metalibild ale 
Segenſatz von einem gehauenen maffiven Marmorbilde; dann aber 
jedes fehr große ode: Rieſenbild. Darum nannten die Alten audy 
ſcherzhaft einen großen ſchoͤnen Mann Colosseros (von epws, 
amer) gleichſam einen tiefenhaften Liebesgott. — Der im Alters 
<hume fo berühmte Coloß auf der Inſel Rhodus foll nach andern 
Angaben 110 oder gar 150 Fuß body geweſen fein. Die gewoͤhn⸗ 
Eidye Meinung aber, daß dieſes ungeheure Standbild des Sonnens 
gortes am Cingange des Hafens der Stadt aufgeftellt gewefen und 
Die Schiffe zwiſchen deſſen Beinen burchgefahren feien, wird von 
bezweifelt; denn fie verfegen es vielmehr in einige Ente 
fFernung vom Hafen. ©. Memoires de l’Acad. des inscriptions, 


T. 24. p. 360. 


Combination. — Zufsg: Combinirt heißt auch alles 
oder Zuſammengeſetzte; wie wenn man ben Raubmord 
«in combinirtes Verbrechen nennt, weil er ein doppelte® Ver⸗ 
(am Eigenthum und am Leben eined Menfchen begangen) ifl. 
Someniud. — Zuſatz: Eeine Synopsis physices ad Iu- 
Emmen Jivinam reforınatae erſchien auch zu Amjterdam, 1643. 12. 
Comité oder Committee f. Ausfhuß und Coms 
million. 
Commentar. — Zufsg: Die meiften und ausführlichften 
emmentare find wohl über das erſte Capitel der Bibel ge 
ieben worden, weil man in bemfelben die wichtigſten philofophis 
Then, phyſikaliſchen und religiofen Dffenbarungen von Gott ſelbſt 
W finden meinte, ungeachtet jenes Bruchſtuͤck doch nur ein alter 
diloſophiſch⸗ portifher Mythos if. Der ausführlicite unter den: 
ſaden iſt aber hoͤchſt wahrſcheinlich derjenige, welchen Aegidius 


Guthmann unter dem Titel: Offenbarung goͤttlicher Majeſtaͤt, 


m J. 1619 (wieder aufgelegt 1675) herausgegeben hat. Denn 
biefee Commentar bezieht ſich zwar nur auf die erſten fünf 


Verſe jenes Gapitels, beſteht aber dennoch aus vier und zwan⸗ 


5 
24 


ſig Büchern, weil jedem Worte ein beſondres Buch gewidmet iſt. 
ommercia libera sunto — De Verkehr fei frei 
— oder wie es im Franzoͤſiſchen ausgedruckt wird: Laissez faire! — 


Gommiferation Gommotion 


war en im Ganzen richtiger Grundfag, tie im At. Han: ı 
‚freiheit weiter ausgeführt worden. Da es aber auch un 
atliche und ſchaͤndliche Arten des fo mannigfaltigen Lebensverkchrrg 
‚de — man dente nur an ben Sklavenhandel oder an Spien — 
iuſer und Kupplerwirthſchaften! — fo leidet jener Grundfag allem 2 
ings Beſchraͤnkungen fowohl nad dem Rechtsgeſe tze als nam 
om Sitten: ober Zugendgefege. ©. beides. 
Gommiferation (commiseratio, von commiserari, Mid, | 
lich thun, beklagen ober bejammern) bedeutet nicht bloß das wies. 
Ude Mitieidhaben mit dem Elenden oder Unglüdiihen (cum mer 
sero) fondern auch den woͤrtlichen, befonders vebnerifchen, Ausdır — 
biefes Mitleids, um Ruͤhrung hervorzubringen oder Mitleid in 
bern zu erregen. Die alten Rebner machten, wenn fie einen — 
geklagten zu vertheidigen hatten, oft in dieſer Hinſicht von I 
Kunſi einen übertriebnen Gebrauch, indem fie die Richter Bad 
zur Losſprechung ſelbſt der gröbften Verbrecher zu beftimmen — 
ten. Auch geſchieht dieß noch immer häufig da, wo Öffentlich Mm. 
Schuld und Strafe der Verbrecher verhandelt wird und daher die 
Sachwalter gern die Gewalt ihrer Beredtſamkeit zeigen wo Mn, 
Das ift aber auch eine Art von Beſtechung ber Richter, be um 
fo gefährlicher ift, da fie fi) im das Gewand der Menfhlickipkrie 
hält, um der Gerechtigkeit Abbruch zu chun, ohne deren urmper 
teiiſche, folglich auch leidenſchaftloſe, Ausübung doch keine mezzids 
liche Gefeufcjaft beftchen ann. Durch diefe Bemerkung fol indeffea 
keineswegs der Grundfag aufgehoben werden: Res sacra misen 
©. d. Formel. 
Commiffion. — Zufag: Commissio bedeutet bei den Ab 
tem auch ‚die Zufammenfaffung mehrer Perfonen zum Beginnen rind 
Wettftreits oder Schaufpiels. In dieſer Bedeutung wid 
nicht mehr gebraucht. — Wiefern die Mer 
on entgegenfegen, fı Di 















Gommmmication . Gompaflibel 225 


e bedeuten. Indeſſen denkt man babel oft vorzugswelfe an 
nüthsbewegung. S. d. W. Auch fieht bei den Alten 
notio nicht felten fchlechtweg fiir commotio animi. 
Communication. — Zuſatz: Der Communication 
km Sommunicate kann audh eine Recommunlcation 
ein Recommunicat entfprehen, wenn auf bie frühere Mit: 
mg von der einen Seite eine [pätere yon der andern folgt. — 
fi) Andern gern mittheilt, heißt communicativ, und mas 
m mittheilbar ift, communicabel; im Gegenfalle fagt man 
mmunicativ und incommunicabel. Die Alten fügten 
bloß communicare und communicatio; bie andern Wortformen 
von ſpaͤterem Gepräge. — Wegen bed Sage: Omne bonum 
bunicativum f. d. Formel felbft. 
Gommunion. — Zuſatz: Die fog. communio naturarum bes 
ſich auf eine angebliche Vereinigung der göttlichen Natur mit der 
lichen in einer und derſelben Perfönlichkeit; und eine Folge 
ben foll die B. 1. S. 498. erklärte communicatio idiomatum 
Hribstorum fein. — Commun:Derter oder Pläge nennt 
lieber Semeinplüse ©. d. W. Denn jener Ausdrud 
te auch Grundſtuͤcke bedeuten, die einer Commun gehören und 
e Commun= oder Communal:®üter heißen. ©. Ge: 
ne uns Gemeinheit. 
Commutabilität f. Mutabilitaͤt, Zuf. 
Compact. — Zufag: Diefes Wort hat eigentlich eine dop⸗ 
Abſtammung und beshulb auch eine doppelte Bedeutung. Als 
tiv (compactus, a, um) fommt es ber von compingere, zu: 
nenfhlagen, ſtoßen oder fügen, und bedeutet daher dicht, feſt, 
. Als Subitantiv aber (compaetum, 1) ftammt es zunaͤchſt ab von 
pacisei (tie pactum von pacisci) mit einander verhandeln, 
ı Bergleidy oder Vertrag ſchließen, wodurd die Menſchen gleich⸗ 
auch ihr gegenjeitiges Verhaͤltniß befeftigen oder verſtaͤrken 
m, und bedeutet daher, wie das einfache Pact oder pactum, 
t Bertrag. Zur Vermeidung des Misverjtändniffes aber ſagt 
dann lieber Compactat, obgleich compactatam bei den Alten 
vorkommt. Wegen der Sache felbft f. Vertrag. 
Sompaffibel und compatibel. — Zufag: Die Auges 
 compassio, compassibilis, incompassibilis und impassi- 
finden fi) nur bei ipätern lateiniſchen Schriftftellem. Com- 
nis aber ſcheint auch bei diefen nicht vorzufommen. Impati- 
hingegen findet fid) bei Cicero, jedoch in andrer Bedeutung, 
lich in Bezug auf den Schmerz, wenn er fo groß ift, daß man 
nicht oder kaum ertragen kann; daher dolor impatibilis, 
äglichee Echmerz, als Gegenfag von dolor tolerabilis (de 
‚17). 
sug’s encyklopaͤbiſch⸗philoſ. Worterb. Dh. V.Suppt. 19 ° 





226 Gompenfation Compler 


Compenfation. — Aufag: Die urfprünglice oder eigem 
tiche Bedeutung von compensatio ift Ausgleihung gegenfeitiger Fo 
derungen oder Leiftungen. So nehmen es auch die Redtögelehrten 
wenn von’Compenfation der Koften oder Schuldanfprücye bei Proceffe 
die Rede ift. Neuerlich hat man dieſen Ausdrud aud) auf Revolutionn 
und auf Reftaurationen angewandt und daher von einem politi 
fhen Gompenfations = Spfteme gefprogen. ©. Azaisn.3 

Gompetenz. — Zuſatz: Competentia bedeutet bei man 
hen (wiewohl meijt fpätern) alten Autoren auch foviel als Spm: 
metrie und Gonftellation. ©. beides. In diefem Ginm 
wird aber jegt Gompetenz nie genommen. Beneficium co: 
tine bedeutet eine Rechtswohlthat, vermöge welcher ber 
feinem Schuldner foniel laffen muß ale ſich ſchickt ober gebaͤr 
(quantum competit) nämlich zur Lebensnothdurft. Gin Comprtem 
als Meitberverber oder Mitanfprecher heißt bei den Alten competilor- 
daher bedeutet dieſes Wort auch einen Kläger und competilio sim 
Rage, befonders eine gemeinfame. 

Complement. — Zufag: Die alte metaphpfifde Erkiem 
rung: Existenia est complementam possibilitatis — Wirklica 
feit ift Ergänzung Möglichkeit — iſt unzulaͤnglich, mei bam 
was ergänzt werden fol, ſchon wirklich oder bafein muß, das Mb: 
liche aber als ſolches bloß gedacht wird. S. möglich. Auch ble 
dann immer bie Frage übrig, morin das Mehr befiche, was az 
Möglichkeit hinzulommen müfle, um fie zur Wirklichkeit zu eriy 
ben. Diefes laͤſſt ſich aber nicht beftimmen, weil es eben ba 
Sein felbft wäre, deſſen Begriff fo einfach ift, daß er gar mich 





definiet werden kann. ©. Sein n. 3. 
Complet. — Zufag: Das Gegentheil it Incomple = 
unvollftindig. Im der Wetaphyſik heißt auch ein mirklü Dies 


Gomplication Gompofition 227 


Verfügen ergiebt. Ja fie bezeichnen fogar das Dilemma, als eine 
Befondre Art des Schluffes, wegen ber flärkeren Buͤndigkeit, melche 
däeſer Schluſſart wenigſtens fcheinbar eigen ift, mit jenem Worte. 
S. Dilemma. Die Nebekümitler endlih nennen fo theils eine 
Driode als einen fehr zufammengefegten oder vielfach verfchlungenen 
Sa, theils den Schluß der Rede, wenn ber Redner das bis dahin 
Siſagte kurz zufammendrängt, um es dem Gemüthe des Zuhoͤrers 
tiefer einzuprägen. 

Gomplication. — Zufag: Complicität kommt eigentlich 
zunähft ber von complex, icis, ber Mitverflochtene oder, wiefern 
es fih auf eine böfe That bezieht, an welcher Semand theilgenom: 
zuum, der Mitfchuldige. Da nun bie Theilnahme an irgend einer 
ht, folgli auch an einer böfen, ſehr verfchleden fein kann — 
gleich und ungleich, intellectual ober geiftig, durch Beirath, pſychi⸗ 

Anregung, Ermahnung oder Ueberredung, und phyſiſch oder 
rrratrial, ducch Börperlichen Beiſtand, Darreichung von äußern Huͤlfs⸗ 
zuittin, Geld, Waffen und andern Werkzeugen; auch bloß negativ, 
Bund Seugnen, Echtveigen, Geftatten, Verhehlm — fo ergiebt ſich 
Hicams, wie ſchwierig es fel, den Grad der Conplicität und dem 
äufolge auch die Strafbarkeit der Complicen in jedem Kalle richtig 
za beſtimmen. — Notio complicata heißt bei den Logikern ein vers 
woltmer und baher undeutlicher Begriff, wie morbus complicatas 
bei den Aersten eine verwidelte und daher fchwer zu heilende 
Krankheit. | 

. Kompliment ſtammt nicht ab von complere, als hieße «6 
tigentiich complement — complementum, fondern von complicare, 
indem die Franzoſen plicare in plier verwandelt und daraus ihr 
compliment gebildet haben, um eine Werbeugung des Körpers, dann 
Ubrrhaupt eine Acuferung der Achtung und des Wohlwollens zu 
bezeichnen. Wenn nun aud die Phitcfophie keine Complimente 
machen fol, da fie es bloß mit Erforfhung der Wahrheit zu thun, 
felstih den erkannten Irrthum ohne Scheu zu bekämpfen hat: fo 
darf ſich deshalb doch der Philofoph nicht über alle und jede Höf: 
lihkeitsbezeigung hinmegiegen, weil er fonft in ben Sehler der Grob: 
beit fallen voürde, die nicht einmal menfchlich, gefchweige denn goͤtt⸗ 
ih, fondern cher hündifch oder cpnifch genannt werden dürfte. ©. 
Cyniker und grob. . 

Compofition. — Zuſatz: Die verfchiednen Arten berfelben 
kffm fich Teiche unter folgende zwei Haupttitel bringen: Reale oder 
materiale und ideale oder formale Compofition, melde letztere 
dan wieder in die logiſche und die Afthetifche zerfallen wuͤrde. 
Die alten Logiker nannten aber auch, die Bejahung in einem Ur⸗ 
theile compositio, weil dadurch das Prädicat mit bem Subjecte wirt: 
fidy verbunden oder zufammengefegt wird. ©. und s il sarte n. — 


228 Gomprehenfion Concert 


zum des sensus compositi et divisi beim Schlleßen ſ. Soph 
ie 1... 

li Comprehenfion (von comprehendere, zufammenfaffe 
begreifen) bedeutet ſowohl koͤrperliche als geiftige Zufammenfaffun 


- oder Begreifung. Daher comprehenfibel und Compreber 


fibilitaͤt — begeiflihh und Begreiflichkeit, nebft dem Gegenthei 
incomprebenfibel und Incomprebenfibilität. S. be 
greifen. Bei den Alten kommt nur comprehensio, comprekem 
sibilis und incomprehensibilis vor, aber nicht comprehensibilim 
und incomprehensibilitas. 

Compreffibitität. — Zuſatz: Das Gegmeheil if Ja 
compreffibilität oder Unzufummenbrüdbarkfeit. — Bei den Ass 
tommt nur compressio vor, und zwar fo, daß es nicht bloß Zum 
fammendrüdung, fondern aud Abkürzung und felbft den Beiſchla 
bedeutet. Neuetlich hat man das Wort auch auf politifche Ding 
bezogen. S. Azais n. 3. 

Compromiß. — Zufag: Compromissum als gegenfeltige 
Berfprechen tommt audy bei den Alten vor, welche compromilier“ 
in aliquem s. in arbitrum, fid) auf Jemanden als Schiedorichte 
berufen, fagten, Die Rebensart aber fi compromittiren #1 
bloß dem franzöfifchen se compromettre macgebilet, indem bie Al 
nit se comprolittere ſagten. 

Conat (von conari, ſich beſtteben, Bemühen, verfuchen) ba 
deutet jede Art bed Beſtrebens, befonders wenn es mit einer gewiſſe 
Anſtrengung oder Mühe verknuͤpft iſt. Daher wird auch der Br 
ſuch eines Verbrechens fo genannt. S. Verſuch, Buf. — Ju 
Lateiniſchen fagt man nicht bloß conatus, fondern auch comalumı 
conatio und conamen. 





Gondliabel Concordiren 220 


mat, wenn man das Wort Muſik im platoniſchen Sinne 
nmt). fondem Dispüte oder Disputationen. ©. d. W. 

Conciliabel und inconciliabel (von coneiliare, zu: 
amenbringen, vereinigen) ift ſoviel als vereinbar oder verträglich 
rd unvereinbar oder unverträglih. Man braucht e8 aber feltner 
n Begriffen und Urtheilen oder anbern Dingen, als von Perfo- 
n. — Bei den Alten kommt weder conciliabilis noch ineoncilia- 
lis vor, wohl aber conciliabulum, ein Verſammlungsort, auch 
re Verſammlung, aber meift im ſchlechtern Sinne. Daher nennt 
lautus Buhl» und andre Häufer diefer Art conciliabula damni. 
sch werden im Kirchenſtyle unrechtmäßige Verſammlungen ber 
fttichyen oder Laien conciliabula genannt, denen die concilia als 
bimäßige entgegenftehn follen. Indeſſen haben biefe oft genug 
& wenig: nad bem Mechte gefragt, fie mochten allgemeine 
kameniſche) oder befondre (nationale oder particulare) heißen, 
» an Streit und Zank, felbft an Gemaltthätigkeiten, fehlt’ es 
er ebenfowenig, als dort; wie die fog. Räuberfonode (avvodos 
rozgıxn, za Ephefus im 3. 449 gehalten) beweift. 

Goncitation (von concitare, erregen oder aufregen) bedeu⸗ 
E zwar im Allgemeinen jede Art der Erregung oder Aufregung, 
ſonders aber eine innere (concitatio animi) bie wir aud im 
entfhen Bemüthsbemwegung nennen. ©. d. W. Ein Con: 
tament (concilamentum) bedeutet daher ein Erregungs- oder 

ittel. 

Conclufion. — Zufng: Statt conclusio fagten bie Alten 
xh complexio und connexio. Arijtoteles nennt bie Concluſion 
vunspaoga (von orumegumvev, mitvollenden) was die Schola: 
ter in ihrem barbarifchen Latein durch eonfinitio überfegten. Die 
dedekuͤnſtler aber bezeichnen mit jenem Worte audy den Schluß ber 
Rede, den Epilog oder die Peroration. 

Concordiren. — Zufag: Neuerlich hat man aud von 
mm Concordate zwifhen Wiffen und Glauben oBer 
wifhen Philofopbie und Theologie geſprochen. Dasiſt 
iher nicht durch Abſchließung eines Vertrags, viel weniger durch 
tgend ein Machtgebot in's Leben zu rufen. Man muß es ber 
wen und gründlichen Forſchung überlaffen, ob und wie meit fie 
Umählich Eintracht herbeiführen werde. Die fogenanntn Sym⸗ 
ole eder Goncordienformeln, die man zu dieſem Zwecke 
urch eine Art von Uebereintünft auf Concilien, Synoden oder Con: 
mt abſchloß, halfen wenig oder nichts dazu, indem fie bald zu 
li6cordienformeln wurden. So erregte die im J. 1577 von 
sem theologifhen Triumvirate (Andrea, Chemnig und Gel: 
ecker, die vorher felbft nicht einig waren) zu Klofterbergen bri 
agdeburg entworfne Goncordienformel der Lutherifhen Kirche die 


230 Concubinat Concuſſion 


heftigſten Streitigkeiten und wurde fogar in Dänemark, wohin d 
Lutherthum fich auch verbreitet hatte, als ketzeriſch verbrannt. D 
ähnlichen Formulae consensus, die man in Holland und andı 
waͤrts entwarf, hatten daſſelbe Schickſal; fie wurden Formul: 
dissensus. Vergl. auch Henotik nebit Zuf. 

Concubinat. — Zuſatz: Die Abfiht, Kinder zw zeuge 
liegt nicht als nothwendiges Merkmal im Begriffe des Eoncubinat 
nie Thomafius und andre Rechtslehrer behauptet haben. € 
kann vielmehr auch aus bloßer Wolluſt eingegangen werden; we 
ja ſelbſt bei manchen Ehen der Fall iſt. Das Kinderzeugen find 
dann nur als eine zwar natürliche, aber doch nicht eigentli— 
beabfichtigte, folglich Infofern nur zufällige Folge ſtatt — tamgaaı 
finis in consequentiam veniens — wie dieſe Folge auch nicht fa 
ten bei ber ganz gemeinen Geſchlechtsvermiſchung (Hurerei genamni 
eintritt, 1oo doch gewiß einer von beiden Theilen an's Kinderzeuge 
denkt, vielmehr beide es als ein Unglüd betrachten, wenn biefe Foic 
eintritt. Soviel iſt indeſſen gewiß, daß nach dem bloßen Natu 
echte oder außer dem Staate das Goncubinat erlaubt oder nid 
rechtswidrig fein würde, fobald nur beide Theile frei dazu einwilli 
ten. Der Staat kann und foll e& freilich) nicht dulden, weil 
nicht nur fittli erwogen ein unwuͤrdiges Geſchlechtsverhaͤltniß E 
fondeen audy das Leben, bie Erziehung und das Mohlfein der etra 
daraus hervorgegangenen Kinder gefährdet, indem das Concubims 
gar Eein feſtes Familienband Enüpft, fondern jeben Augenblick ebera 
leichtſinnig und beliebig twicder aufgehoben werden kann, als es ei: 
gegangen worden. Daher wird aud) einer bloßen Goncubine eb 
Veifchläferin In einer gebildeten und gefitteten Geſellſchaft nit € 
Ehre zu Theil, welche einer ordentlichen Gattin oder Ehefrau g 





\ 
Gondemnation Condition 231 


Erfhütterung nennt. Außerdem bedeutet es auch ein geroiffes 
——— das man aber im Deutſchen Erpreſſung nennt. 
.d W. 

Condemnation. — Zuſatz: Statt des zuſammengeſetzten 
eondemnatio braucht man auch das einfache damnatio. Doch be: 
ziehen manche Meuere das erjte vorzugsmeife auf zeitliche und das 
legte auf ewige Strafen. ©. Strafen. 3. 

Condenfation. — Bufag: Das Gegentheil derſelben ift 
bie Rarefaction (von rarus, bünn, unb facere, machen) ober 
de Verdünnung, von welcher ſich ebenfowenig als von ber 
Berdichtung beflimmen läfft, wie weit fie gehen könne, da fich 

‚ sine Immer größere Verdünnung und Verdichtung ber Materie wohl 
denken Läfft, ungeachtet man nicht annehmen kann, daß fie bei jener 
ſich ins Unendliche zerftreue oder bei diefer endlich in einen Punct 
infammenfalle. &. Materie. Rarefactio kommt bei den Alten 
gar nie vor, und condensatio auch nur bei Schriftftelleen vines 
ſpaͤtern Zeitalters. 

Condiction (von condicere, zuſammenſagen, verabreben, 
anch ankündigen oder befanntmachen) bedeutet überhaupt eine Ber: 
bredung, Ankündigung oder Bekanntmachung, bei den Rechtsge⸗ 
lehtten aber infonderheit eine Art ber Klage, durch welche man 
ewas rechtlicher Weiſe fodert oder zurud zu erhalten fucht. Da- 

certi condiclio — actio si certum petelur, woraus bie grie: 
ciſchen Baſiliken ben barbarifhen Ausdrud 6 xeprog (oder aud) 
wer) zordıxrıxıog gebildet haben. 

Condillac. — Zufag: Er dachte ſich die Verwandlung der 

ungen als der Grundlagen aller Erkenntniß in höhere Vor: 
ungefähr fo, mie fih Eis in Waffer und diefes wieder 
in Dampf oder Dunſt verwandelt, oder wie in der Algeber aus 
der erften Gleichung durch fortfchreitende Veränderungen die Übrigen 
Deroorgehn. Daher fagt er in feiner Logique p. 175: „la sen- 
„sation passe par diflörentes transformations pour devenir l'en- 
„iendement.‘‘“ Kine ausführliche Darftellung und Prüfung feines 
ſerſualiſtiſchen Syſtems findet man in Laromiguiere's lecons 
& philosophie. Bd. 1. Vorl. 3 ff. nad) der 2. Ausy. 

Condition. — Zus: Conditional oder conditio: 
nell heiße foniel als bedingungsweiſe und ſteht daher auch 
fr hypothetiſch, mie conditio für hypothesis. ©. Hypo: 
Chefe, Bei den Alten findet man conditio auch in der Bedeutung 
eine Verabredung oder eined Vertrags, fo daß es felbft ſtatt con- 
dieto gebraudht wird. S. Condiction. Vielleicht kommt es eben: 
daher, daB man im Deutfhen eine Anftellung oder Bedienſtung 

em Condition nennt und conditioniren in bderfelben Bedeu: 
ng braucht. Conditionatim kommt bei den Alten nicht vor, wohl 


6 
232 2 Gondominat Gonform 


aber eonditionalis und conditionaliter, jedoch nur bei juriflife 
Schriftſtellern. — Conditio sine qua non heißt eine negative | 
dingung, bie aber ald unumgänglich nothwendig betrachtet m 
3 3. wenn man fagt: Ohne Geld kann man feinen Krieg fi 
ten, weil man ohne daffelbe weder Mannfchaften in Sold nehm 
noch Waffen für diefelben anſchaffen koͤnnte. Bewaffnete Dias 
ſchaften aber find die pofitive Bedingung des Kriegführens. 

Condominat (von cum, mit, und dominatus, bie H 
ſchaft) bedeutet Mitherrſchaft, auch Miteigenthum, weil domis 
ſowohl Herr als Eigenthümer bedeutet. Im Lateinifchen fage m 
aber lieber condominium al® condominatus, wiewohi beides bei! 
Alten nicht vorfommt. S. Dominium. 

GSonfeffion. — Zufag: Wegen der gerichtlichen Ca 
feffton f. Conviction. 

Confinition f. Eonclufion, Zuf. 

Confirmation. — Zufag: Der Grundfag: Confirm 
mil dat novi, gilt allerdings in rechtlicher Hinſicht. Denn wı 
ein Recht oder Jemand in feinem Rechte beftäsige werden ſoll, 
muß das Recht ſchon dafein, wenn es auch mod) von irgend ei 
Seite bezweifelt oder befttitten würde. Iſt aber die Rede vom | 
ſtaͤtigung der Wahrheit irgend eines Urtheils oder einer Lehre, 
kann dieß auch darch ganz neue Gründe geſchehen, folglich w 
Ertenntniß ebendadurch ſowohl material ald format bereichern. " 

Confiöcation. — Zufag: Confiscare und comfiscı 
kommt erft bei fpätern Iateinifhen Autoren vor, weil die S 


ſelbſt erft unter den römifdhen Kalfern aufkam, die außer dem oͤff 
lichen oder Staatsſchatze (aerarium) noch fhre befondre Kaffe ı 
ihren Geldkotb (kseus) hatten, deffen Inhalt fie gern confiseae 





Gonfortation Gongenialität 233 


Confortation (vom confortare, ſtaͤrken ober ſtark [for- 
Us, E] machen) ift Stärkung des Koͤrpers oder des Geiſtes, die 
am beften durch eine zweckmaͤßige Uebung ihrer beiderfeitigen Kräfte 
bewirkt wird. Medicinifhe Confortative find dazu weni⸗ 
ger zu empfehlen, 3. B. Salben zur Stärkung bes Gedaͤchtniſſes, 
oder Iururiofe, wie ſtarke Getränke zur Stärkung des Magens 
Oder der Einbildungstraft. — Confortatio und confortativus find aber 
Bei den Alten nicht gebräuchlich, und auch confortare kommt nur 
bei fpätern Autoren vor. Verwandt damit ift das engliſche com- 
fort ind comfortable. 


Sonfrontation. — Zuſatz: Das Wort confrontiren 

zwar feine Wurzel im Lateinifchen, ift aber zunddft aus dem 
Franjoͤſiſchen (confronter) in’8 Deutfche übergegangen. Bet den alten 
Stafftern findet fi) weder confrontare noch confrontatio. 


Confucius oder Confuz. — Zuſatz: Sein Name wird 
arsch Koung⸗Tſeu gefchrieben. — ein angegebnes Geburtsjahr ift 
weeifdhaft; denn Andre laſſen ihn nicht erft 551, fondern ſchon 

33 vor Chr. geboren werden. Sein Geſchlecht foll das einzige 
fein, das noch jegt in Eina ben Erbadel hat, und fein Vater, ber 
die een Würden im Königreiche Song (jegt zu Sina gehörig) bes 
Heide, fol ein Abkömmling von Tiye, dem 27. Kaiſer oder Koͤ⸗ 
nig dee 2, Dynaſtie Chang, gemwefen fein. Aud war CE. felbft 
eine Beit lang Minifter des Könige von u, legte aber wegen über: 

md nehmender Sittenlofigkeit am Hofe feine Stelle nieder, vers 
ließ fogar fein Vaterland und ging auf Reifen, wo er bald Ehre 
bald Schmach fand und ſogar Mishandlungen zu erdulden hatte. 

ei ſeiner angeblichen Schriften führen die Titel: Ta-hio d. i. 
bie große Wilfenfhaft, und: Tschong-yong d. i. die rechte Mitte. 

fe ltärte er für die Grundlage des Weltalls und den Gipfel 
der Weisheit; worüber aber die heutigen Weltverbefferer fehr Jachen 
werden. — Vergl. auch den Zuf. zu Sinef. Weisheit. 


Sonfutation. — Zuſatz: Die Unterfcheidung zwiſchen con- 
fatario per verba und conf. per verbera ift unrichtig. Denn die 
Udtere iſt gar Feine Widerlegung, fondern hoͤchſtens eine Nie: 

llegung. 

Congenialitaͤt iſt ein neugebildetes Wort (von cum, mit, 
W) genius, der Geijt) bedeutend eine geiſtige Gemeinſchaft oder 

andtſchaft, wie fie ſich bei einzelen Menfchen zumeilen in ihrer 
ganzen Denkart und Handlungsweiſe zeigt, ſo daß es fheint, «als 
Kurden fie von einerlei Genius befeclt oder geleitet. Daß derjelben 
auch ein aͤhnlicher Organismus im Körperlihen zum Grunde liege, 
Kit fi) wohl vorausfegen, aber nicht immer nachmweifen. Uebri⸗ 
ss otaucht die Congenialitaͤt nicht zugleich Genialitaͤt im bis 





234 Congreß Conjugat 


bern Sinne dieſes Wortes (ſ. daſſ.) zu fein, wiewohl fie auch m 
ihr vereinbar iſt. — Wenn ven Congenialität der Kunftwerk 
der Spraden, der Syſteme, der Gefeggebungen, & 
Guttusformen oder Dogmen x. bie Rede iſt: fo verſtel 
man darunter nur Überhaupt eine große Aehnlichkeit oder Weberei 
flimmuug derfelben; wobei jedoch ebenfalls der Gedanke zum Grun 
liegt, dab «6 ſcheint, ald wären fie von demſelben Genius einge 
ben ober ausgegangen. 

Congreg. — Bufag: Im Lateinifchen bezieht ſich congre 
sus wie congredi fowohl auf freundliche als auf feindliche Aufaı 
menkünfte und bebeuter baher in der erfien Beziehung auch die ı 
ſchlechtliche Vereinigung oder ben Beiſchlaf, und in der zweiten d 
Bufammentreffen einzelee Perfonen oder ganzer Heere zum Streit 
und Kämpfen. Im Deutfchen aber denkt man beim W. Co: 
greß nicht am diefe Nebenbedeutungen, obwohl die Anz und A 
fipten der Perfonen, welche einen Gongreß bilden, befonders ein 
politifchen, mehr oder meniger ſowohl freundlich) als feindlich fü 
koͤnnen. In den amerikaniſchen Congreffen kommt es zumellen ' 
gar zu foͤrmlichen Schlaͤgereien. 

Congruenz. — Zufag: Das neugebildete Wort Eo 
gruismus bedeutet die Lehte von der Uebereinftimmung ber gö 
lichen Gnade (congruentia gratiae divinae) mit dem menſchlich 
Willen, der ſich ihrer Wirkfamkeit Hingiebt, weil fonft jene Gm 
dem Menſchen nichts helfen oder eine für ihn unwitkſame Gns 
(gratia inefhicax) fein wuͤrde. Die Anhänger biefer Lehre heij 
daher auch Eongruiften. ©. Gnade nebft uf. 


Conjectur. — Bufag: Außer der Ganjectusa tet: 


Gonjunction Eonnotativ 235 


Gonjunction. — Zuſatz: Conjunetio zeigt zwar eine ges 
nauere oder innigere Vereinigung an als compositio. Indeſ⸗ 

werben auch beide oft verwechſelt. So heißt die fallacia 
vensus compositi et divisi bei manchen Logikern auch fallacia 
sensus conjuncli etc. Auf biefelbe Schluffart bezieht ſich daher 
auch dee logiſche Grundfag: A divisis ad conjuncta non valet 
conseqguentia. S. Sophiftit. 1. a. Statt conjunctio findet 
man auch conjunctus bei den Alten, aber nicht conjunctara, 
welches der ſpaͤtern Latinität angehört. Ebenſo die Schreibart con- 
junx für conjux. | 

Conjuration. — Zuſatz: Daß conjurare und baher auch 
das davon abgeleitete Subftantiv conjuratio bei den Alten nicht im⸗ 
mer in dem böfen Sinne gebraucht wird, wie im Deutfchen ver: 
ſchwoͤren und Verfhmwärung, beweiſt ſchon die bekannte Stelle 
im Horat, A. P. vs. 408—11: 


Natura fieret laudabile carmen en arte, 

Quaesitum est; ego nec studium sine divite vene, 
Nee rude quid possit video Ingenium; alterius sic 
Altere poseit opem res et conjurat amice. 


Ein fo freundfchaftliche Verſchwoͤrung zwiſchen Fleiß und Genie 
ze nicht nur allen Dichtern und Künftlern, fondern auch allen 
Hiloſophen, ja allen Gelehrten überhaupt zu wuͤnſchen ober zu 


Connerion. — Zufag: Bei den Logikern heißt connexio 
auch ſoviel als conelusio. S. Conclufion. Desgleihen nen: 
Ne manche Logiker das hypothetiſche Urtheil connexum axioma 
und den bppothetifhen Schluß connexus syllogismus, weil Grund 
UND Folge conner find oder in einem logifhen Zufanmenhange 
Nexus logicus) fichn. ©. Urtheils- und Schluffarten. Für 
Onner ſagt man auch wohl conneriv, und Connerität für 

Onnerion. Bei den Alten kommt aber connexitas nicht vor, 
und connexivus erſt bei fpäteren Autoren, 3. B. Gellius. 


Connotativ (von cum, mit, und nafare, bemerken oder 
dezeichnen) heißt, was mit einem Andern zufammengenommen 
dezeichnend (mitbegeichnend) ift oder ein gewiſſes Verhaͤltniß zweier 
der mehrer Dinge andeutet; wie bekleidet⸗-ſein fih auf das 
Verhältniß zroifchen Kleid und Körper bezieht. Darum fagt mun 
ſiat Gorrelation aud) Connotation; und ebenfo heißen corre- 
Ita auch connotata, wie Eltern und Kinder, Herren und Diener. 

£ommt bei den Alten weder connotare noch ein davon abge: 
leitetes Subſtantiv oder Adjectiv vor. — Im Mittelalter wurden 
die Nominaliften 'auh Connotatiften genannt, weil fie die 
Begriffe von den Dingen und die fie bezeichnenden Wörter (nomina 


236 Conſclem Conſens 


rerum) als cortelate Zelchen berfelben (tamquam connotata rerum 
betrachteten. S. Nominalismus n. 3. 
Gonfcienz (conscientia, von cum, mit, und scire, will 
fen) bedeutet eigentlich Mitwiſſenſchaft, wird aber gewöhnlich wi 
das griechiſche avresdnoıs (von ovr, cum, und euderus, seire 
für Bewufftfein (fd. MW.) und im moch engem Cime fü 
moralifch=religiofe® Bewuſſtſein (conscientia boni et mali) gebraudjı 
alſo für Gewiffen. ©. d. W. Daher fagt Virgil (Aem. 1 
608): Mens sibi conscia recti, und Horaz (ep. L 1, 61) 
Nil (scil, mali) conscire sibi, nulla pallescere culpa. 
Confcription. — Zufag: Bei den Alten bedeütet com 
scriptio eine Zufammenfcreibung überhaupt, daher auch eine 
ſchriftlichen Aufſatz, ein Verzeichniß, ein Protokoll zc. 
kommt dev Titel der roͤmiſchen Senatoren, ber jegt auch noch an 
dern Senatoren ehrenhalber gegeben wird, wenn man fie lateinifd 
anredet: Patres conscripti, indem ihre Namen wahrſcheinlich & 
einem fortlaufenden Regifter, aufgezeichnet wurden. 
Confectarium. — Zufag: Diefes Wort ift eigentlich nid 
ganz einerlei mit Corollarium, obwohl beide oft gleichgelten 
gebraucht werden. Denn das legtere hat urfprünglich eine weiten 
Bedeutung, indem es jeden Sag anzeigt, ber einem andern anga 
hängt ober beigefügt wird, wenn er auch nicht aus bemfelben folg 
oder abzuleiten ift. Uebrigens ſind consectarium und corellarem 
nur Beiwoͤrter, zu denen noch ein Hauptort hinzugebacht wecken 
muß, 3. B. judiriam. 
Gonfecutiv. — Zufag: Urtheile nennt man fo (judie- 
consecutiva) wenn eine aus dem andern folgt, wie bei der logiſch⸗ 
Umtehrung. &. Converfion. Consecutivus kommt aber bei de 










. Konfjequenz Conſervation 237 
Jativae), Man koͤnnte ihn auch in Saͤ loͤſt d 
Soße —8 (0 darflılln: mehre or aufgeloſt urch 
 A=tC 
B=C 
A=B 





oder im Dreiecke: 
C 


So ift auch in einem kategoriſchen Schluffe der Mittelbegriff (ter- 
Eaimus medius) das * mit were zwei andre Begeiffe (ter- 
major et minor) als in gewifler Hinficht einflimmig gedacht 
Deren. S. Schluffarten. — Consensus tacitus bedeutet in 
der Rechtsphiloſophie flillfchmeigendbe, und consensus mutuus 8. 
j mwechfelfeitige Einwilligung zweier oder auch mehrer Per 
[Ozun bei Abfchließung eines Vertrags. ©. d. W. 
Gonfequenz. — Zufag: Die Ausbrüde consequens und 
tecedens, das Nachfolgende und das Vorhergehende, beziehen ſich 
ER Echt bleß auf ein räumliches oder zeitliches Verhaͤltniß, fondern 
Muzf rin logiſches, welches eben consequentin oder Abfolge heißt, fo 
ag das Eine den Grund und das Andre die Kolge von biefem 
SS runde darſielt. ©. Grund. 

„  Eonfequenzmaderei. — Zuſatz: Vergl. Hollmanni 
Aimsert, de jure consequentiarum. Wittenb. 1726. 4. Auch hat 
tĩm gewiſſer Hoche iſe Gedanken von der Gonfequenzmacherei her⸗ 
aue egegeben, in welcher Schrift er die Frage abhandelt: Ob und 
wien ein Gelehrter ſchuldig ſei, diejenigen Saͤtze zu verantwor⸗ 
ten, die von Andern aus feinen Lehrſaͤtzen durch allerlei Folgerun⸗ 
Sen herausgeſtellt werden — eine Stage, die auf jeden Fall zu ver 
Neinen iſt. Denn einmal denkt nicht Jeder an ſolche bloß mögliche 

olgerungen, und dann koͤnnten fie auch wohl durch Misdeutung 
einer Worte oder andre Sophiftereien erkünftelt fein. Gleichwohl 
haben ſich die Gelehrten, befonders Theologen und aud Philos 
fopgen, dieſes Fehlers oft ſchuldig gemacht. Darum fprah ſchon 
eibnitz die Warnung aus: Cave a consequentiariis! 

Confervation. — Zufag: Der fog. Confervatismus 
er Conſervativismus (ein ganz neugebildetes Wort) welder 
das B „ in Staat und Kirche beſonders, zu erhalten ſucht, 
iR war am fich nicht verwerflih, wenn nur das Beltehende aud) 
gut und zweckmaͤßig ift. Allein die Confervativen übertreiben 
kiht das confervative Princip, indem fie ſich allen politis 

(den und kirchlichen Reformen, auch den heilfamften, widerfegen 
and daher jeden Misbrauch und jedes Unrecht bloß darum In Schuß 





238 Eonfideration Eonfignation 


nehmen, weil es nun einmal beflcht. Cie werden alfo dann ganz 
immobile Stabiliften. ©. Beitandn.3. Wenn man aber jegt 

in England und anderwärts die Confervativen und die Res 
formers einander entgegenfegt: fo ift das ein ſchielender Gegen: 
fag, weil man zugleich erhalten und umgeftalten oder verbeffern a 
Tann und aud) fol, mofern etwas fonft Gutes im Verlaufe derer 
Zeit mangelhaft oder fehlerhaft geworden, indem es dann nur durdg 
Wegfhaffung feiner Mängel ober Fehler erhalten werden kann. Em: 
baben aber dort nur die fonft fogenannten Zorys und Whige 
jene neueren Parteinamen angenommen, weil fie fid) der alten zw.g 
ſchaͤmen anfingen, und um anzubeuten, daß ihr Streit ſich eigenm ı 
iich bloß um das Conſerviren und das Meformiren drehe. Die 
Torys find aber nicht dabei ftehen geblieben, ſich felbft den Ehrer— 
titel dee Gonfervativen zu geben, fondern fie haben ihren Ge - 
nern zugleich den Schmachtitel der Deftructiven ertheit. Dı 
iſt jedoch offenbar unrecht, da reformiren und bdeftruiren oder ve — 
beffern und vernichten himmelmeit verſchledne Dinge find. GH 
ſtens tönnte man die unbefonnenen Radicalreformers, bie mi 
nad) einer neuen Revolution fehnen, Deſtructive nennen, — 
tabical und bie Schrift: Der Kampf zwiſchen Gonfervativen m. m) 
Deftructivn x. Von Krug. Leipz. 1835. 8. Auh in De W 
gefammelten Schriften. B. 6. Nr. 28. Hier werben abfolur te 
und relative Gonfervative und Deftructive unterfchieden, weil Dr 
befonnene Reformer allerdings in ber einen Beziehung deflruicen, 
in der andern aber auch zugleidy conferviren will. Nur bie Utwas 


find in jeder Beziehung abfolut, weit fie fi) von beiden Serten 
immer auf die Ertreme werfen. Darum fagte auch der Gouver 
neue der Bank von England, eines ber größten und feſteſten BeR- 





Gonfolatiin °' Gonftitution 239 


hen als ein Siegel bedeutet) kann ſowohl eine Aufzeichnung oder 

Verzeihniß als eine Bekraftigung durch Brief und Siegel bes 
item. Bei den Alten beißt auch consignare oder vollftändiger 
eris consignare weiter nichts als niederfchreiben oder ſchriftlich 
elm. Weil man aber im Lebensverkehre einer folhen Dar: 
Kung wegen ihrer Dauer und Unveränderlichleit (falls fie nicht 
ttecher verfälfcht worden) oft mehr vertraut als einer bloß muͤnd⸗ 
ven, die fchnell vorübergeht und bei der Wiederholung leicht ver 
dert werden Tann: fo betradytet man auch fchon diefe literale 
uflgnation ale eine Art von Beglaubigung oder Bekraͤftigung. 
d daher komme wohl auch die Klugheitsregel, daB man nichts 
beiftläches von ſich geben folle, wenn man nicht feft gebunden 
ı wolle, weil litera scripta manet. — Semanden an einen 
:s configniren heißt aud ihn dahin befcheiden ober verweiſen, 
onders als Strafe zur Beſchraͤnkung ſeiner Freiheit. 

Conſolation (von consolari, troͤſten) bedeutet Troͤſtung, 
geſchebe mimblich ober ſchriftlich Die Alten nannten daher aud 
oftfchreiben consolationes. S. Troft n. 3. 

Sonfolidation f. den Zuf. zu Solidität. 

Sonforten (von cum, mit, und sors, tis, Geſchick) find 
rattidhh Menſchen, die mit einander gleiches oder wenigſtens aͤhn⸗ 
ws Schickſal haben, dann Überhaupt Genoffen in irgend einer 
‚3 3. consortes thalami, Ehegatten, consortes im- 
ni, Deitherrfcher, consortes bonorum, Mitelgenthümer. Con- 
es fidei s. philosophiae würden alfo diejenigen fein, welche fich 
demfelben Glauben oder zu derfelben Philofophie bekennen. S. 
enoſſenſchaft. 

Conſ piration. — Zuſatz: Conspiratio wird von den Al⸗ 
a ebenſo wie conjuratio auch im guten Sinne genommen. 
‚Conſtant (Benjamin). — Zufag: Zu feinen Schriften ge: 
st noch folgende: Du polytlieisme romain. Par. 1833. 2 Bde. 
— 48 feinen Geburtsort nennen Andre niht Genf, fondern 
aufanne — Der Ueberfeger feiner Schrift über die Verant⸗ 
ortlichkeit der Miniſter ſchreibt fih nicht Ekendal, fondern 
kendahl. 

Conſtanz (constantia) ſ. Standhaftigkeit. 

Conſtellation. — Zuſatz: Constellatio kommt nur bei 
atern Mathematikern und Aſtrologen vor. Jetzt nennt man aber 
ich ohne Rüdficht auf die Stellungen der Geſtirne jede Verket⸗ 
ng der Umftände,, welche Heil zu verfünden oder Unheil zu dro⸗ 
a fcheint, eine Conjtellation. Vergl. Gonjunctur. 

Conftitution. — Zuſatz: Die Leibes: Conftitution heißt 
ch eine Complexion. S. d. W. Wenn aber von Conſti⸗ 
tionalismus und Conſtitutionaliſten die Rede iſt, ſo 





240 Eonftruction Consuetudo etc. 


nimmt man das Wort immer im politifcher Beziehung, indem mar 
vorzugsweife an bie ftellvertretende Werfaffung eines Staates denke 
Der echte Conftitutionalift, der eben dieſet Verfaſſung ergeben if, 
tann und ſoll jedoch zugleich ein Freund der gefeglihen Drbnum 
und Ruhe fein, weil diefe felbft eine Bedingung des Fortfcheitz 
zum Beſſern in ber bürgerlichen Geſellſchaft iſt. Denn wenn 
ar zetſt sender Gewalt feine Abſichten durchſetzen wollte, fo ne 
er nur ein Revolution: Mann, mithin auch ein Ultraift und M 
folutift. ©. Abfolutismus und Ultraismus. Neuerlich Ha 
man in Ftankreich aud das Mifdye oder Zwitterwort Gonftieus 
tionodratie gebildet, um damit eine verfaffungmäßige 
Regierung, (xgarın) zu bezeichnen; wobei man mieber vorzuze⸗ 
weife an bie ſynktatiſche oder repräfentative Conftitution dache. 
Man ſollte aber zur Vermeidung des Pleonasmus und des Hik 
verſtaͤndniſſes, als wenn es Staaten ohne irgend eine Gonflitutim 
geben tönnte, immer ſtatt conſtitutionaler Staat ſagen [pas 
®ratifcher ober tepräfentativer Staat. Jeder weiß bs 
gleich, was für eine Conftitution gemeint fei. 

Conftruction. — Zufag: Verſuche, die Welt oder [3 
Natur a priori d. h. aus oder nach bloßen Begriffen, bie mar 
auch Ideen nennt, zu conftruiren, find bis jetzt ſtets mislunge, 
obwohl deren ſehr viele gemacht worden, ſowohl In aͤltern als I 
neuern Zeiten. &. Naturmwiffenfhaftn.3. Und wenn auf es 
Verſuch der Act gelungen waͤre, fo wäre er body immer mur das 
Reconfiruetion, nicht in ber Bedeutung einer Wiederherficlung 
des Deftruicten, fondern in der Bedeutung einer in Gedanken wir 





derholten oder nachgebildeten Gonftruction, wobei das durch Erfah 
zung oder a posteriori von ber Natur Erkannte immer vum 
liegen ober weniaftens als Xi ine) 








242 Gonteftation Eontinent 


nungen gegen Andre, die fie nicht gelten laſſen wollen, alfe € 
S. d. W. Die alten Redekünftier verflanden unter content 
die Anftrengung oder Erhebung ber Stimme, bald eine Lei 
ober Eräftigere Redeweiſe in Anfehung des Ausbruds, ber 
und Stellung der Worte, bald eine Rede felbft, wiefern fie 
einen Streit über Foderungen und Rechte, alio auf Antic 
DVertheidigung, oder auf Lob und Tadel, überhaupt bezieht, 
wird von Manchen eine Rebefigur fo benannt, beftchend f: 
Verbindung von Gegenfigen (cum ex eonirariis verbis auf 
oratio conficitur -vel cum coniraria referantur — Anı 
Herenn. IV, 13, 45). — Contentios heißt. ftreitig. 
flreitfüchtig und heftig. Daher nennt man felbft..die Juri 
denz oder die Jurisdiction, deren letzter Zweck doc | 
ift, eine contentiofe, wiefen fie fih-auf wirkliche Stre 
oder Proceffe bezieht, um fie von der fog. freiwilligen 
terfcheiden, die fich mit friedlichen Angelegenheiten (5. B. m 
tigung von Gontracten oder Zeftamenten) befhäftigt. Daß ı 
eine contentiofe Philofophie. und. contentiofe $ 
ſophen giebt, leidet keinen Zweifel, da bie Gefdichte ber 
ſophie faſt nur-von Streitigkeiten ber Weltweiſen berichtet: 
dieß indeſſen auch von andern Wiſſenſchaften und Gelehrten 
in ber Geiſterweit nicht · minder als in der Koͤrperwelt dad 
des Antagonismus malte. ©. d. W. nebft Zuf. 
Eonteftation (von conte Jemanden zum 
nehmen oder anrufen) bedeutet eigentlich das Beweiſen dus 
gen (per testes) deren Ausfagen gewiſſe Behauptungen odı 





fprüche beftätigen follen, dann überhaupt etwas darthun, beh 
ober. deweiſen. Gegenfeitige Conte fationenzsindmn 








244 Gontrabiction Eontravention 


Leiftungen, Worzlige, Rechte x. beriehe, Andre fo, daß p 
jeden Vertrag, contractus aber einen in ber bürgerlichen & 
—E und in derſelben gültigen bedeute. In den 2 
liegt indeß weder ber eine noch der andre Unterfchieb; weshal! 
die meiften Rechtsphiloſophen ihn nicht als flatthaft anerk 
©. Paciscenten. — Wird contrack ald Beiwort geb 
fo bezeichnet es eine Krankheit an Menfcen und Thieren, di 
Lähmung nennt, iſt alfo dann gleichgeltend mit gelähme 
gewiffe Glieber dann fo zufammengezogen ober contrahirt fd 
daß man fie nicht gehoͤtig bewegen kann. — Die gramma 
Gontraction aber ift eine Zufammenziehung oder Verkuͤrzu 
Wörter bald des Wohllauts bald der leichtern Ausfprache 
wie geſcheidt flatt gefcheidet ober nad) einer andern S 
art gefcheut jlatt gefcheuet. Werden mehre Wörter in ei 
fammengezogen, fo verändert ſich zuweilen aud ihr Sinn, 
wenn blöder ober Leichter Sinn in Bloͤdſinn ober Lı 
finn, großer oder hoher Muth in Großmuth oder | 
mut h verwandelt wird. S. diefe Ausdrüde. 
Gontrabiction. — Zufag: Contradietio in adj 
berfpruch im Beifage) s. in ipsis terminis (in ben Aus 
felbft) bedeutet eine unmittelbare Verknüpfung folder Ausdrid 
etwas ſich gegenfeltig Aufhebendes bezeichnen, wie viereckiger 
oder hölzernes Eifen. Darum nennt man auch eine folde 
Tnüpfungsart ein oudnpökuAov ober umgekehrt Eulonudngor 
EvAov, Holz, und adrgov ober og, Eifen) obwohl diefe W 
dung bei den Alten nicht vorkommt. — Contradictorif 


zeichnet daher einen ſtaͤrkern Gegenfag als contrar. ©. b. 
Contrafactien. — Zufag: Contrafactio kommt b 








246 Gomvertiten Copel 

find in den Wörtern Feci, Eva und Asto (flır welches lettere € 
nige Falco fagen) die Selblauter A, E, I und O als Zeichen a 
gemein ober beſonders bejabender ober verneinenber Urtheile zu bea 
tm. ©. Urtheilsarten nebft Zuf. Wegen der veligiofi 
Eonverfion f. den folg. Art. 

Convertiten (neugebildet, von convertere, umkehren) fl 
nen Alle heißen, bie auf der Bahn, bie fie bisher wandelten, m 
kehrten ober eine anbre beraten. Das koͤnnte wohl auch Inn 
railſcher, aͤſthetiſcher, felentififhper, folglich ſelbſt in philofophifd 
Hinſicht geſchehen. Dan denkt aber dabei gewöhnlich an eine zei 
giofe Converfion d. h. an dem Uebergang von einer Kirche sd 
Religionspartel zur andern. Solche Convertiten heißen auch Pra 
ſelyten. S. d. W. 

Conviction (von convincere, uͤberwinden, überzeugen, übe 
führen) bedeutet Ueberwindung durch koͤrperliche oder geiſtige Kufl 
daher Nauch Ueberzeugung oder Ueberführung durch Beugniffe ade 
andee Gründe. Im egtern Sinne wird es vorzugsmeife Kinfiht 
lich eines Angeklagten gebraucht, wenn erwleſen worden, daf I 
Anklage gegründet fe. Er heißt dann ſelbſt convietas und, wen 
noch fein Geftändniß (confessio) hinzugefommen, convictas et eea 
fessus. Ob Iegtered nothwendig zut Verurtheilung, f. Geftänd 
niß. Bei den Alten kommt convictio in diefer Bedeutung nik 
vor, wohl aber in einer andern, wo es das Zuſammenleben ode 
den Umgang mit Andern anzeigt, indem es dann von eonriven 
ober convivari vivere cum aliis abzuleiten iſt; wovon and 
conviva, con! und convietus abftammen. Denn bie Ms 





ſchen haben von jeher bad Zufammenleben und das Zufammendffi 
(auch das Zuſammentrinken nad dem griehifchen auunoson) dl 





248 Eorreligionar __Goffiften 


ten Ausdrädden eine Zweldeutigkeit, weil man fowohl Bote ty 
feiner abfoluten Güte als den Teufel wegen feiner abfoluten Bi 
heit fo nennen kann. in Menſch aber kann, ſtreng genomm 
nicht fo heißen, wenn er auch noch fo tugenbhaft ober noch fo lafı 
haft wäre, weil er im erſten alle nody tugenbhafter umb im zm 
ten minder laſterhaft werben, mithin ſich ſtets verbeffern kann, wa 
er nur wil. Darum nennt man auch Strafanftalten ( 
Arbeites und Zuchthäufer) welche fo eingerichtet find, daß fies 
Beſſerung der Verbrecher hinwirken follen, Gorrectionss.Häi 
fer, ob man gleich dieſen Zweck nicht immer erreicht, ©. Buſ 
Spftem und Strafe. 

Gorreligionar. — Zufag: Manche fagen auch corel 
gionar. Bel den Alten aber kommt weder coreligio noch com 
ligio noch frgend ein davon abgeleitetes Wort von Es flam 
daher jener Ausdrud wohl zunaͤchſt vom franzöfifden religiommei 
ab, mit welchem man früher die Reformirten in Frankreich (m 
fpotsweife) bezeichnete. 

Gorrigibel f. correct, Zuf. 

Corroboration (von corroborare, bie Kraft ober Gtk 
[robur, oris] vermehren) iſt foviel als Confortation. S. 2.8 
Daher fagt man au Corroborativ flatt Confortativ. De 
{ft corroboratio und corroborativus fowenig al confortatie m 
confortativas bei ben Alten gebräuchlich. 

Gorruption (von corrumpere, verderben, zerfiören) bein 
tet jede Act von Verderbung ober Zerſtoͤrung, dafer auch Behı 
dung. ©. d. W. Corrupt heißt ebendesiwegen, was verbeit 
ober zerfkört iſt, fei es koͤrpetlich oder geiſtig. Werden 
corrupt genannt, fo benkt man vorzüglih an phofifde 








250 Greatur Eredit 


ale Glaubwuͤrdigkeit verloren Haben wuͤrde. Der neueſte Dept! 
mus von Strauß fheint wirklich darauf loszuſteuern. S. K 
über altes und neues Chriftenthum. Leipz. 1836. 8. 

Greatur. — Zufag: Der Unterfhied zwiſchen göteli 
und menſchlich en Greaturen beruht darauf, daß jene alle er| 
fenen Dinge umfaffen, von welchen der Schoͤpfer felbft unabh 
iſt, diefe aber nur Menſchen, welche von andern Menſchen zu e 
gemacht worden, wobei legtere gar wohl von ihren eignen 
ſchoͤpfen abhängig fein können; wie Mephiftopheles in Götl 
Fouft (IH. 2. Act 2.) fagt: 


Am Ende hangen wir doch ab 
„Won Greatucen, die wir maßten” — 


Das Creatürliche oder die Creatuͤrlichkeit In Bezug auf 
Menfchen überhaupt bedeutet alles, was zwar al6 von Gott 
Menſchen anerfhaffen betrachtet wird, mas aber auch durch 
menſchiiche Freithaͤtigkeit ausarten ober gleihfam vom Goͤttlichen 
fallen kann. Berg. Schöpfung. Uebrigens kommt erealura 
bel lateiniſchen Kirchenſchriftſtellern vor. Daher ſind auch die 
von abgeleiteten Ausdrüde von fpäterer Bildung. 

Grebential iſt neugebildet und kommt zunaͤchſt ber ‘ 
ital. eredenza, ber Glaube, das Vertrauen, dann bie gute 9 
nung, dad Anfehen, aud der Verſuch oder die Probe, durch m 
etwas als gut ober echt beftätige merden fol. Darum heißen 
Beglaubigungsfchreiben, welche man einem Gefandten mitgiebt, 
ihm dos Vertrauen Andrer zuzumenden, Crebentialien (le 
eredenziali, woraus in ber neulateinifhen Diplomaten: E 
litterae eredentinles geworben find) indem Niemand verbunden 


















252 Greuz Crocodilinus 


Greuz (F. E. K. v.). — Zuſatz: Diefer Phlloſoph hat ſich aueci 
als deutſcher Dichter bekannt gemacht. Seine Gebichte find firesza 
ſittlich, oft aber zu duͤſter und ſchwermuͤthig. 

Greuzer (Geo. Frdt. oder auch ſchiechtweg Frdr.). — Zu⸗ 
ſatz: Die anfangs von Daub und dieſem Gr. herausgegebnen 
Studien gab er fpäter allein heraus. Cie ſchloſſen nidt 1819, 
fondern ſchon 1810. 

Criminal. — Zufag: Wenn man Criminaliften mb 
Giviliften einander entgegenfegt, fo find darunter nicht verfhinme 
Parteien, deren eine etwa dem Criminalismus und die auee 
dem Civilismus hulbigte, fondern Rechtsgelehrte zu verfichn, die 
fi) entweder mehr mit dem peinlichen oder mehr mit dem gemeiz= 
bürgerlichen Rechte befchäftige haben, obwohl diefe Beſchaͤftigung andy 
auf ihre Gejinnung oher Denkart Einfluß haben kann, fo daf me 
wohl gar einem an Terrorismus gränzenden Rigorismus eryhas 
find, befonders wenn fie Abſchteckung für den einzigen ober hödfem 
Zweck dee Strafe halten. ©.d.W.n.3. — Zu ben philofophifäee 
Schriften über die Criminaljuftiz und das derſelben zum Grube 
liegende Recht gehören noch folgende: Bergk's Philofophie des 
peinlihen Rechts. Meißen, 1802. 8. und Deff. Abhandlungss 
aus dem philofophifhen peinlichen echte. Leip. 1828. 8 — 
Theorie des lois criminelles. Par Brissot de Warville 
N. A. Par. 1836. 2 Bde. 8. — Von Bauer’s Lehrbuch der 
Strafrechtswiſſenſchaft erfchien 1833 eine 2. Auf. — Boa ker 
Grimimaljuftiz unterfceidet ſich die Griminalpesitiß. babe 
ſaͤchlich dadurch, daß jene bloß auf die Rechtmäßigkeit der Chrafe 
d. h. deren Angemeffenheit zum Werbredien. als Rechtswerlguig 
NRüdfit nimmt, diefe aber auf die Wirkung. der Strafe 











254 Eulmination Eultus 


zur Erklärung dee Gemeinfhaft der Seele und des Leibeam 
©. d. Art. nebft Zuf. 

Gulmination. — Bufag: Culminare und eulminati 
kommen erft bei fpäteren Schriftftelern vor. Der Culminatio - 
fegt man entgegen die Declination (f. d. W.) dieaber meift nız 
die natürliche Folge von jener iſt. 

Culpos. — Zufag: Culposus und culpositas gehören eber Ta 
tie culpabilis und culpal „ ber fpitern Ratinität an. — Da; 
mit eulpa aud) dolus verknüpft „fein koͤnne, leidet keinen Biveifez, 
Daher fügen bie Medjtöiehrer, «6 finde culpa dolo determinate 
flott, wenn dee Ucheber- einer Mechtöverlegung ‚nicht gerade einen 
fo. beftimmten Erfolg wollte, aber body dem’ eingetretenen ſowohl als 
einen andern eben ſo moͤglichen herbeizuführen wagte, 3. B. tens 
Semand aus Race einen Andern verwundet und dieſen dadurch ge 
tödtet hat, ungeachtet er ihn nicht ermorden wollte. Die Tödtung 
mar Hier allerdings. nur eulpos, ‚bie Verwundung aber bolos,..iie 
die calpa durch den dolns determinirt. Db aber umgekehrt any 
dolus culpr determingtus flattfinden koͤnne, dürfte zweifelhaft fen. 

Cultur. — Zufag: Neuerlich hat man auch das Eultkts 
lie dem Natürlicen entgegengeſeht. Afein jenes muß zuglet) 
natürlich oder naturgemäß fein — fort wird die Cultut zur Uns 
natur — fo mie auch das Naäthrliche im Menſchen cuftiviet (its 
wickelt und ausgebildet) alfo infofern ein Cultürlidyes werden umf 
Es findet demnach hier ebenſowenig ein ausfchließlicher Gegeafig 
fatt, als wenn man Natur und Kunft oder das Nutlrlice ud 
das Kunſiliche einander 'entgegenfegt."S, adfer Bildung und 
siehung auh Kunſt und Natur. Uebrigens ſagten bie 
ftatt eultura auch turäweg Und noch häufiger cultus, das aber ik 






in - einer eigen Sinne genommen witd. S. ben 





256 Cyklognomie 


tarch (de euriosit. pag. 115. extr.) macht bie richtige Wi 
®ung, daß die meiften Menfchen in fremden Angelegenheiten curiofe mg, 
feien, als in eignen, und bezieht darauf die Fabel von den La F 
mien (theffalifhen Hexen ober Zauberinnen) von welchen man ru, 
sählte, daß fie ihre Augen beliebig aus⸗ und einfegen koͤnnten urg 
daher zu Haufe blind wären, indem fie ihre Augen erft dann einfegtexe 
wenn fie ausgehn wollten, um alles gehörig beſchauen und beforgemm 
zu Binnen. — Daß man in der Mehrzahl unter Guriofitdterm 
aud Raritäten (Seltenhelten) verfteht, kommt wohl daher, dac 
ſeltne ober feltfame Dinge die Neugier mehr reisen, als gewöhnliche 
Cyklognomie oder Eyklognomik (ars eyclognomia > 
iſt ein neugebitbetes Wort (von xuxAog, der Kreis, und your 
Einfiht ober Erkenntniß) zur Bezeihnumg einer Kunft, melde nude 
ihrem Erfinder (f. Lulius) auch die Lullifche genannt wird mie 
überhaupt darin befteht, daß alles Denkbare in gewiſſe Kreife IE 
geroiffen Abtheilungen vertheilt wird, um etwas Neues zu entbeinumm- 
ober zu erfinden. Soldyer Kreife nahm man 7 und Im jedem Gm 
Abteilungen an. Im 1. Kr. als dem äußerften, der die übrig 
umſchloß und Circulus subjeetarum substantiarum hieß, fanden — 
Deus, Angelus, Coelum, Homo, Imaginativam, 11 
Vegetativum, Elementativum, Instrumentativom. Im 2. gen 
Cire. aceidentium: @Qnantitas, Qualitas, Relatio, Actio, Ps— 
sio, Habitus, Situs, Tempus, Locas. Im 3. genannt Cr 
praedicatorum absolutorum;,- Bonitas, Magnitudo, Duratio, Pr — 
testas, Cognitio, Appetitus, 'Virtus, Veritas, Gloria, Im # 
genannt Cire, relativorum:‘' Differentia, «Concordanlia, Contr— 
rietas, ‚Prineipium, Medium, Finis, Majoritas, Aequalitas, Mi— 
noritas. Im 5. gemannt Cire. viriatum: Justitia, "Prodeniin 
Fortitudo, Temperantiä, _ Fides,. Spes,  Charitas > / Patientie 







Gpniter Daktylomantie 257 


md fo immerfort. Durch Herumdrehung biefer concentrifchen Kreife 
bee mittels bemeglicyer Papierfcheiben, deren eine immer größer al 
je andre war, follte man auf eine ganz mechaniſche Weife immer 
ene Werhältniffe erkennen oder Gedanken erzeugen lernen. Und 
venbarum follte aus biefee allerdings ſehr kuͤnſtlichen, aber auch 
hr willtürlichen und daher für die höhere Speculation ſehr uns 
rauchbaren, Combination von Wörtern oder Begriffen und Bes 
riffsbeſtimmungen nebft ben angehängten Fragen zulegt hervorgehn 
me Ars magna bene disserendi de quovis scibili; weshalb man 
mch jene Seife Circulos dinlecticos et didacticos nannte. Es 
zm aber dabei freilich weiter nichts heraus, als ein binlektifches 
Zegriffsſpiel. Vergl. auch Topik; denn eine ſolche follte eigentlich 
keſe Cyklognomik fein. 

Cyniker. — Zuſatz: So wenig auch die cyniſche Lebens⸗ 
peife (0 Bros xurıxos) dem weiblichen Gemuͤthe im Allgemeinen 
raſagen konnte, fo gab es dennoch einzele Krauen, die ſich aus 
Eäcbe zum Sonderbaren bem Cynismus ergaben. Die berühmtefte 
amter diefen Cynilerinnen war Hippardhia. ©. d. N. 

Eynofura (xzuvosoroa) bedeutet eigentlih den Echwanz 
Couga) des Hundes (zuros) aber auch das Sternzeichen des Eleinen 

am Dimmel, das, als dem Morbpole zunächft ftehend, den 
Schiffem als Leitgeſtirn dient. Darum hat man bildlid) die Los 
Bil eine Cynosura mentis, Leitſtern des Verſtandes, genannt. 
Dean könnte aber auch die ganze Philofophie fo nennen. ©. 
W. und Denklehre nebit Zuff. 

Cyrenaiker. — Zug: Sn den Goͤtt. gelehrten Anzeigen 
(1835, Nr. 75 — 80.) ſteht eine leſenswerthe Abhandlung von 
Wendt über die cyrenaiſche Philofophie. Auch fand diefe Phitof. 
ki inigen Frauen Beifall. ©. Arete. 


D. 


Divatifce Philoſophie f. labyrinthiſch. 
Daktylomantie oder Daktylomantik (neugebildet, von 
daxtrAos, der Singer, und sarzeıe, die Wahre oder Weiſſagung) 
Bire eigentlidy die Kunjt der Wahr: oder Weijjagerei aus den Fin- 
gem. Man brauchte aber zu diefer zmeideutigen Kunſt nicht die 
Finge? felbit, fondern die Ringe, die man an den Singen trug 
Krug’ 6 encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppi. 17 


158 Dalberg Dämon 


oder die man fonft machte, um gewiffe Stelungen ber Geſtirne zu 
bezeichnen und daraus den Einfluß ber Geftime auf die Schidfae 
der Menſchen zu errathen. Sie gehörte alfo mit zur Aſtro iogie. 
©. d. W. Uebrigens follte man wohl eigentlich Daktylioman⸗ 
tie fagen, da der Fingerring duxzuAsos heißt. 
Dalberg (8. Th. 4. M. von u. zu D.) — Zuſatz: Er 
ftarb zu Regensburg im J. 1817. 

Damian (P.) — Zufag: Ex hieß eigentlih Damiano. 

Damiron (Ph.). — Zufag: Er ift auch Lehrer der Phi⸗ 
tofophie an der Normaiſchule zu Paris. Sein Cours de philoso- 
phie erfhien zu Paris und Brüffee 1831 — 34. 4 Be. 8 
Dieſes Werk fol ein Syſtem der Philofophie im Sinne ber neum 
etlektiſchen Schule fein. Am Ende des 4. Bandes aber Hagt der 
Verf. ſelbſt über degout, fatigue und profond decouragement bi 
Abfaſſung des Werkes. Cr fagt fogar: „Que de longaeurs ac- 
„eablantes, que de dontes sur son oeurre, que de mauvaises 
„heures employdes a se demander, si en effet elle vaut la 
.„peine d'dire acheree“ etc. Das zeugt wohl für bie Aufrichti 
feit des Verf.'s, aber nicht für feine Tüchtigkeit zur Ausbildung 
eines haltbaren Syſtems der Philofophie. Uebrigens iſt auch das 
Ganze noch lange nicht vollendet. Denn jene 4 Bünde enthaltm 
erft die Pſychologie und die Moral. Da wird es alfo, falls der Verf. 
nach dieſer Anlage fortfährt, noch viel degont, fatigue, découm — 
gement, longueurs,, dontes und mauvaises heures geben. 

Damnation (von damnare und diefes von damnum, Ver— 
tuft, Schade) bedeutet eigen! bie Bewirkung eines Verluſtes oder 
Schadens, dann aber auch die Verdammung d. h. die Verutthei- 
lung zu einer Strafe, weil biefe auch Verluſt oder Schaden nah 
fi zieht. ©. Strafe und VBerdammniß. Wegen des an 
i mwifchen damnatio und condemnatio, den aber Di 










260 Dankbarkeit Dante 


das Ericienene (Farrouevor) ein ſolches Wefen fei, wie man fd 
eben einbildet. ©. Geifterlehre. Uehrigens verftchen Munde 
unter Dämonomanie aud die Wuth, in allen auferordentlichen 
Erſcheinungen Dämonen ald Urheber derfelben zu erbliden — eine 
Manie, die ſchon fehr alt iſt, aber auch jegt noch in vielen Gehie 
nen ſpukt. 
Dankbarkeit. — Zufag: Dank leiten Einige von dem 
altd. danh ab, was urfprünglidy fo viel ald Annahme, dann Er 
kenntlichkeit bedeuten fol. Allein die Ableitung von denken if 
"wohl richtiger. Man betrachtete nämlich das Denken an empfaws 
gene Wohlthaten ald Pflihe und alfo auch bie diefer Pflicht mb 
fprechende Handlungsweife als firtlih gut ober als eine Tugend, die 
man nicht unſchicklich Dankbarkeit nannte. Die Unterfceidung a 
Dankbarkeit im Worte (gratias agere scil. verbo) der Dante 
«barkeit im Gemüthe (gratias habere scil. animo) und ber 
Dankbarkeit in der Ihat (gratis referre scil, facte) if 
auch «zichtig, fobald man nur bemerkt, daß die erfie allein dem Bes 
geiff nicht erfchöpft. Denn fonft könnte man freilich fagen: Wir 
dankt, will mehr haben tiarım actio est ad plus dandum it- 
vitatio). Bergl. Undan 
Dante. — Zufai Seine Schrift de: mönarchia. efhim 
1740 zu Gölt Außer den beiden‘ deutſchen Weberfeßungen dr 
göttlichen Komödie in gereimten Verſen (Zerzinen) von Kaakıt: 
gießer und von Stredfuf, etſchien auch fpäter: eime im umge 
reiniten ( Hendekaſhllaben) mit Commentar von sinem Ungenannim 
(dem Prinzen Johann von Sachſen) und eine im Profa mit E> 
laͤuterungen von Hörwarter und K. v. Ent gemeinfhaftlid. — 
Wegen Ds kheologiſch- phileſophiſchet Anfichten vergl. audı ik, 



















Dao Daub 261 


Dao und Daoffe f Laos Dfs.. 
Dapbnomantie (von daypyn, ber Lorbeecbaum, und zur- 
w, Wahr⸗ ober Weiſſagung) gehört zu dem verfchiebnen Arten 
Divination oder Mantik (f. beides) indem man Lorbeer: 
' verbraunte und aus ber Flamme ſowohl als dem Rauche und 
ı Beräufche oder Geknifter dabei zukünftige und verborgne Dinge 
erforſchen ſuchte. Des Grund diefer Art von Aberglauben ober 
berei lag wohl barin, daß Apollo, ber Gott der Wahrfagung 
gur Apollo, wie ihn Horaz od. I, 2. nennt) fih in bie 
‚pbhme verliebt haben, biefe aber auf ber Flucht vor ihm tn 
rbeerbaum verwandelt worden fein follte. Das Wort dap- 
ansesa findet fich jedoch nicht bei den Alten. 

Daries. — Zuſatz: Cr ſchrieb auch Observationes juris 
, socialis et gentium. Jena, 1751. 2 Bde. 4. 
Dafein. — Bufag: Dafeinsgrund (principium essendi 
endi) beißt jede Urfache, wiefern fie etwas wirkt ober hervor: 
gt, ale Gegenfas vom bloßen Erfenntniffgrunde (princ. 
mescendi) der bloß Logifch iſt; mie wenn ein Urtheil aus dem 
ern abgeleitet wird. Jener heißt daher auch ein realer, biefer 
ibealer Grund. ©. d. W. Auch vergl. Complement 


Datum (von dare, geben): heißt alles Gegebne, Thatſach⸗ 
»z daher es in der Chronologie bie gegebne Zeit in Bezug auf 
zichtliche Thatſachen bezeichnet. In der Logik aber beißen audy 
bne Beweisgruͤnde Daten (data), Wird dabile und da- 
ı zaumterfchieden, fo bedeutet jenes, mas gegeben werben Bann, 
8, was gegeben ift. Alles alfo, mas fid) anfchauen und em= 
den laͤſſt, ift ein dabile; ein datum aber, fobald es wirklich 
eſchaut und empfunden wird. Dabile kommt übrigens bei den 
en nicht vor, und datum ald Zubituntiv aud) nid. 

Daub. — Zufis: Er fludirte zuerft auf dem Gymnaſium 
es Geburtsortes Kaſſel, dann auf der Univerjitat Marburg, mo 
auch zuerft lehrte. Nach Heidelberg wurd er 1795 berufen, mo 
1836 ſtarb. Daß er nidht bloß der ſchellingſchen, fondern auch 

begelfhen Schule, winigitend in der fpäteren Zeit, zugethan 
&, beweiſt aud) feine halb theologiſche halb philofophifhe Schrift: 
edogmatiſche Theologie jegiger Zeit, oder die Selbſucht in der 
iſſenſchaft des Glaubens und friner Artikel betrachtet. Heidelberg, 
33. 8. — Seine Anfihten von der Freiheit des Willens kann 
n auch aus folgender Schrift Eennen lernen: Daub's Dar: 
lung und Beurtheilung der Hopotheſen in Betreff der Willen! 
Kit. Mit Zuflimmung des Verf.'s aus deſſen Vorlefungen ber: 
gegeben von Dr. 5. C. Kröger. Altona, 1534. 8. — Seine 
loſophiſchen und theologiſchen Vorleſungen überhaupt ſollen jegt 


262 Dauer Declamation 
in Berlin von Marheineke und Dittenberger herausgegeben 
werd 


en. 
Dauer. — Zufag: Dan mag bdiefelbe als abfolut ode 
als relativ betrachten, fo iſt fie doc feine von dem Dinge feihfl 
teennbare Eigenſchaft, fondern nur das (ohne oder mit Beſchraͤn⸗ 
tung) fortwäprende ein beffelben (etistentin perdurans). Di 
abfolute Dauer heißt auch die unendliche, bie relative aber du 
endlihe. S. d. W. 

Daumer (G. Fr.) ein philoſophirender Theolog unfeer Zeit, 
deſſen Speculation ſich etwas zum Pantheismus hinzuneigen ſcheiat 
Seine Schriften find folgende: Urgeſchichte des Menſchengeiſtes, 
Fragment eines Syſtems fpeculativer Theologie. Werl. 1827. & 
— Andeutung eines Syſtems fpeculativer Phitofophle. Nürnberg, 
1331. 8. (Im dieſer Schrift verwirft der Verf. zum Theile wieder, 
was er in ber vorigen behauptet hatte. Auch geftcht er aufrichtig, 
daß er ben duch Schelling und Hegel ihm zugefommenen 
Vorftelungen eine wijfenfhaftlihe Geftaltung nicht zu geben ver 
möge. Dann wär’ es aber rathſam, fie Lieber ganz 
wenn er nicht etwa glaubt, daß die Schuld davon nur im feinem 
Unvermögen liege). — Philofophie, Religion und Altertfum. 9. 1. 
Nürnd. 1833. 8. — Polemiſche Blaͤtter, betreffend Chriftenthum, 
Bibelglauben und Theologie. 9. 1. und 2. Nümb. 1834. 8. 
— Züge zu einer neuen Philofophie der Religion und Religionde 
geſchichte. H. 1. Nümb. 1835. 8. — Der Verf. fprice ande 
beitäufig von einer jegt im Entſtehen begriffenen abfoluten Rem 
ligton, bie über das bereits veraltete Chriſtenthum hinausgehe 
werde. Soll da6 etwan auch eine pantheiftifhe Religiem 
fein? Wenn das Chriftentyum ſich nur im Laufe der Zeiten gem 









Lu 


Decret Defenfton 263 


sel des Gehalts durch oratoriſche Phrafen oder poetifche Floskeln zu 
verdecken ſucht. Auc wird ber Vortrag dadurch leicht defulto: 
riſch. S. d. W. 


Decret. — Zuſatz: Von den philoſophiſchen Decre- 
ten, die eigentlich nur Meinungen oder Lehren ſind, folglich der 
bloßen Wifſenſchaft oder Theorie angehögn und daher feine ent: 
fheidende Autorität haben, find zu unterfcheiden fowohl die juri: 
diſchen als gerichtliche Urtheile oder Beſcheide über Rechtsſachen, 
wie auch die politifchen als Beſcheide oder Verordnungen ber Re: 
gierung und ihrer Beamten in Bermaltungsfahen. Diefe beiden 
Arten von Decreten beziehen fi) alfo immer auf das Leben ober 
Die Praxis und haben nad) Umftänden eine bald mehr bald weniger 
entfcheidende Autorität. Hierauf bezieht ſich vorzugsmeife die Des 
<retir-Kunft (ars decernendi) die aber freilich auch von logifchen 
und andern philofophifhen Principien abhängig iſt, weil die theore: 
tiſchen und praftifchen Lehren der philofophirenden Vernunft in allen 
Angelegenheiten des menſchlichen Lebens zu berüdlichtigen find. 


Decurtirte Schlüffe (von decurlare, abkürzen, verftüm: 
mein) find Schlüffe, die nicht volftändig ausgefprochen oder darge: 
flellt find — abgekuͤrzte ober verftümmelte; wie ale Enthyme: 
men. S. d. ©. 


Deduction. — Zuſatz: Die deductiones ad absurdum 
Seifen auch deductiones ad impossibile, weil das Ungereimte meift 
«aud) unmöglich ift, wenigftens für den, welcher Verftand und Ver: 
Aunft achtet. Vergl. auch Abdbuction. 

‚„Defect. — Zuſatz: Vitia per deſectum (auagrnuara 
zur” eilenpır) heißen bei den ariftotelifhen Moraliften die Sün: 
den oder Lafter, welche aus einem Zumenigthun „entfpringen, dage⸗ 
gen vilia per excessum (“uupTriuuTa xar’ T7eooyıv 7 UnEQ- 
304ry) die, weldye aus einem Zuvielthun hervorgehn; wie Geiz und 
Verſchwendung, weil man dort zu wenig, bier zu viel außgiebt. 
S. Mitte. Ebenſo unterfcheiden die Phrfiter monstra per de- 
fectum et per excessum. Jenen fihlt etwas, diefe haben zu viel; 
zwie Kinder, die mit einem oder drei Süßen geboren werden. S. 
Misgeburt. 


Defenſion. — Zuſatz: Die juridiſche Defenſion iſt, 
wiewohl fie ſich oem Stoffe nah auf Recht und Unrecht bezieht, 
doch der Korm nach eine logiſche, weil fie in einer von Regeln 
Ber Logik abhängigen Beweisführung beitcht, Daß der Angeklagte 
entweder ganz unfchuldig oder doch nicht in dem Grade ſchuldig ſei, 
as man anzunehmen geneigt fein koͤnnte. Die phoſiſche Be: 
fenfion aber geſchieht durch Eörperliche Kräfte und Werkzeuge, zu 


2604 Dreeferenz Dei gratia 


welchen auch Waffen aller Art gehören. Wie weit man dabei ge 
ben dürfe, hangt von Umftänden ab. ©. Noth und Nothge 
derungen. 
Deferenz und Delation. — Zufag: Wenn vom Defe 
tiren oder von ber Delation eines Eides die Rebe ift, fo verſteh 
man barunter den Antrag deffelben von Eeiten ber einen Partı 
gegen bie andre in einem Rechisſtrelte oder Proceffe. Wenn nm 
die andre Partei den ihr angetragnen Eid nicht bloß ablehnt, fon 
dern auch jener zuruckgiebt: fo nennt man dieſes gegentheilige De 
feriren ein Referiren oder eine Relation des Eides. Unte 
melden Bedingungen biefes Des und Meferiren, mit dem oft Dis 
brauch getrieben wird, ftattfinden dürfe, hat ber pofitive Geſetgebe 
in der Al zu beftimmen. 
Definition. — Zuſat: Statt definitio brauchen bie Alten 
auch oft das einfache finitio in berfelben Logifhen Bedeutung. 
Deflerion t Deflection, ob ed gleich von deflectere 
wegbeugen oder ablenken, zunächft jedoch vom Sup. oder Part. de 
Nexum herfommt) bedeutet in pſochiſcher Hinſicht eine Abmwenbun 
des Gemüthe von einem Gegenftande, um etmas Andres genane 
zu betrachten. Daher ſteht mit ihre die Reflerion in genaue 
Verbindung. ©. d. W. Doc kommt deflexio wie reflexio me 
bei fpätern Yutoren vor. — Wegen eines wunderlihen Spies mil 
pfohifhen Defteren f. die Schrift: Ideen zur Conftruction url 
Decanfteution pischifcher Deflere. Von Dr. Walther. Ambag 
. 8. 


Deformation (von deformare, abbilben und vorbilden 
bedeutet ſowohl eine dem Urbilde gemaͤße Abbildung als auch eim 
Verunftaltung deſſelben. Doch ſcheint deformatio bei den At 











| 


Deifidamonie Delbruͤck 265 


ſAenũa. An ein goͤttliches Regierungsrecht (jus regnandi divinum) 
Das auf einen Menſchen uͤbergegangen ſein ſollte, dachte man aber 
erfprünglicd nicht beim Gebrauche dieſer Formeln. 

Deiſidamonie. — Zuſatz: Als Gegentheil der desoıdar- 

gzuvıa findet man auch bei den Alten, wiewohl nur ſelten, adesoı- 
Danovın, Abweſenheit ber Daͤmonenfurcht oder des Aberglaubens. 
— Nach der neuen Ausfprache des eu fügen Manche auh Difis 
Daͤmonie. 

Deisſsmus. — Zuſatz: Zu ben in dieſem Artikel angefuͤhr⸗ 
zen Schriften kann auch Leland's Abriß deiſtiſcher Schriften, übers 
fe von Schmidt, und Trinius's Freidenkerleriton hinzugefügt 
weden. Daß die Deiften ebenfo mie andre Meligionsparteien zu 
dulden feien, verfteht fi) von ſelbſt. Indeß vergl. Duldſamkeit 
um Echloffer’s Schrift: Ueber die Duldung der Deiften. 
Bafel, 1784. 8. — Uebrigens kommt bei den Alten weder deis- 
Mus noch YFeiauıog vor. 

Deität (von deus, Bott) ift fovfel ats Gottheit. ©. d. 

Deitas findet fih nur bei Tateinifchen Kirchenfchriftftellern, 
deeorns hingegen in berfelben Bedeutung auch bei griechifchen Pros 
fanferibenten 


Dekadik (von dexac, die Zehnzahl) bedeutet die gemöhnliche 
bis zehn zu zuhlen und dann in erhöheten Zahlenmwerthen von 
dorn anzufangen. Man nennt daher diefes arithmetifche Verfahren 
auch das dekadiſche Geſetz oder Syſtem. Daß es feinen Urs 
Irrung unfern 10 Fingern und nicht den pythagoriſchen 10 Welt: 
ſphaten verdankt, leidet Erinen Zweifel. Denn es iſt unftreitig älter 
As Pythagoras, der wahrſcheinlich ebendadurch erſt veranlafft 
Dorden, 10 Sphaͤren des Weltganzen anzunehmen. S. d. N. 
Und Tetraktys. Nothwendig iſt aber dieſe Zaͤhlart nicht; wes⸗ 
Halb Manche die Dodekatik, melde die mehr theilbare Zahl 12 
Cdwdexu) ſtatt der 10 braucht, vorgeſchlagen haben, Leibnitz aber 
Zu beweiſen ſuchte, daß man auch ein dyadiſches Syſtem beim 
Dihlen und Rechnen befolgen könnte. S. Dyade. 

Dektiſch (dexrizor, von dsyendaı, empfangen, annehmen) 
Heise ein Ding, wiefern es etwas Anders als eine Beſtimmung 
Annimmt. Es kann dieß alfo entweder ein reales Ding, eine Sub⸗ 
ſtanz fein, Die gewiſſe Eigenſchaften hat, oder ein logifhes Ding, 
ein Subject, das gewiſſe Merkmale hat. Jenes nannten die alten 
Metiphrfiter To omzov dextixov, dieſes 70 dertenowr dexızor, 
will, wenn ein wirkliches Ding in einem Urtheile ald Zubject durch 

gewiſſe Praͤdicate beſtimmt werden fol, fein Daſein fchon voraus: 
zeſetzt wird. Etwas Andres aber it diktiſch. S. d. W. 
Delamennais f. Mennais. 
Delbrüd (ist. Ferd.). — Zufag: Er hat aud) feine cigne 





266 Delectation Deliriren 


allmaͤhlich fortſchreitende und von einem Soſteme zum andern über: 
‚gehende, phitofophifche Bildung in einer Rede dargeftellt, die unter 
dem Titel gedruckt iſt: Philofophie Bonn, 1832. 8. — Ferner 
gab er einen Beitrag zur Charakteriflit Schlelermacher' s ber 
aus. S. d. N. nebft Zuf. — Sein am Ende bief. Art. erwaͤhn⸗ 
ter Bruder farb 1830 zu Zeig. 

Delectation (von delectare, ergögen) Delection (vom 
deligere, auswählen) und Delegation (von delegare, abs ober 
verfenden) bedeuten zwar Verſchiednes, aber auch Verwanbtes, näm: 
ld) Ergögung, Auswählung und Verfendung. Was und eben ergöpt, 
kann uns auch zur Auswahl beftimmen; und diefe kann auch bei der Ber: 
fendung ftattfinden. Dody bezieht fid der britte Ausdrud mehr 
auf Perfonen als auf Sachen. Wiefern bann mit der Werfendung 
einer Perfon eine Anweifung, Beauftragung oder Uebertragung eines 
Geſchaͤfts verknüpft fein kann, inſofern nimmt Delegation auch biefe : 
Bedeutungen an. ©. Legat nebft Zuf. — Uebrigens kommt de- - 
lectio nur bei fpätern, delectatio und delegatio aber auch bei dl: = 
teen lateiniſchen Echriftftellern vor. — Wegen Deligation f.- 
Dbliegenheit oder Obligation nebft Zuf. 

Deliberation. — Zufag: Sie kann ebenſowohl eine in= 
nerliche als eine äußerliche fein. Dort deliberirt man mit fi 
ſelbſt, hier mit Andern. Jenes führt oft zu beffern Exgebniffen ale 
biefes. Denn wenn ſich, twie fo häufig in deliberirenden Verfummumm 
lungen gefchieht, die Yeidenfchaften entzunden: fo wird aus de— 
Deliberiren leicht ein Delitiren. S. d. W. n. 3. 

Delict. — Zuſatz: Wenn die Rechtslehrer delicta privac=ı 
et publica und delieta capitalia et non capitulia unterfeiden, Fo 
iſt die Unterfheidung zwar in abstracto richtig. - Aber im — 








D Demiſſion Demokratie 


Frelheits rechtes, des Bürgerrechtes und des Fami⸗ 
nrech tes. Daher unterſcheiden bie roͤmiſchen Rechtslehter. in 

ſer Beziehung · eiedet deminntio maxima, wenn der Menſch alle 

3 oder das erfte ald Bedingung der Übrigen, deminntio media, 

mn er bie beiden erjten oder auch nur das zweite, und deminutie 
inima, wenn er bloß das legte verliert, 3.3. bei Adoptionen und 
Jerheurathungen. — Uebrigens fügt man für Deminution und ‘ 
Deminutiv auh Diminution und Diminutiv. Die Auen a 
pflegten aber in diefem Falle nicht e in i zu verwandeln. 

+ Demiffion f. Dimiffion, Zuf. 

Demogeront f. Demagog, Zuſ. 
Demokratie — Zuſat: Die Eintheilung derfelben in die — 
teine (democratin pura) und die gemifchte (democratia aristo- — 
eratice vel regie temperata) ift zwar im Allgemeinen richtig; abet — 
in der Wirklichkeit möcht” es ſchwerlich eine durchaus reine Dem: — 4 
kratie geben, weil die Menge immer ihre mehr oder weniger maͤh — 
tigen Führer hat. Bält die Gewalt irgendwo eine Zeit lang in Die « 
Hände des ganz gemeinen Volks oder dis rohen Haufens: fo mt=.. > 
fleht daraus eine Pöbelherrfhaft (ochlocratin) bie aber audi 
nit Lange beftehen kann, fondern bald Demagogen bervorrufume, 
weldye den Pöbel wieder unterjohen. Darum betrachteten au 
Plato und Ariftoteles die Demokratie nicht als eine wirflid>e 
Staatsform, fondern vielmehr als eine Krankheit des Virrgerrhumus 
oder als eine Ausartung des echt bürgerlichen Gemeinwefens, Non 
feau war zwar ein Freund der demokratifhen Staatsform, foberte 
aber zum Beſtehen berfelben dreierlei: 1. einen Heinen Staat, be 
mit die Bürger ſich leicht verfammeln und berathen Bönnten; 2, auf 

infachheit der Sitten und daher Abwefenheit des Lupus; um 
sihheit in ben Vermögensumfländen. Da did 

* wären und ohne dieſelden ne 











Demofrit Demophilie 209 


Tocqueville. %. 4. Paris, 1836. 2 Bde. 8. (Menn gleich 
diefe Schrift infonderheit auf die amerikanifhe Demokratie Rüdfiche 
nimmt, fo enthält fie doch auch fehr beachtenswerthe allgemeine Bes 
merkungen über bie demokratifhe Staatsform). — Des Frhrn. v. 
Gagern Refultate der Sietengefehichte behandeln im 3. Abſch. (X. 
2. Stuttg. und Zübing. 1337. 8.) vorzugsweife die Demokratie, 
während die übrigen Abtheilungen diefes Iehrreichen Werkes fich mit 
der Monarchie und Ariſtokratie befchäftigen. — Uebrigens ift noch 
zu bemerken, daß Demokratie und Republif, fo wie demo: 
Tratifher und republitanifher Sinn oder Geift (Demos 
kratismus und Republicaniemus) zwar oft als gleichgeltend gebraucht 
werden, diele Ausbrüde aber doch eigentlich eine verfchiebdne Bedeu⸗ 
zung haben. ©. Republik. — Wegen der Theodemokratie 
J. den Zuſ. zu Theodemokraten. Die Alten ſagten ſowohl d7- 
„oxpareıa als Öruoxguria, 

Demokrit. — Zufig: Der Beiname TeAcowoc, den ihm 
ſeine Mitbürger, bie Abderiten, nad) dem Bericht einiger alten 

Schriftſteller (z. B. Aelian in feinen V. H. 4, 20.) gaben, bes 
deutet einen Lacher oder Epötter. — Wenn Bien im 2. Bud) 
der Acadd. 17, 40. fügt, D. habe gelehrt: Innumerabiles esse 
zmundos, et quidem sic quosdam inter so non solum similes, 
sed undique perfecte et absolute pares, ut inter eos 
prorsusnihilintersit, et cos quoque innumerabiles— fo 
iſt das wohl eine rhetoriſche Uebertreibung. Wenigſtens iſt nicht 
das GSetingſte zur Unterftügung dieſer ſeltſamen Lehre angeführt. — 
Wegen andrer, infonderheit pſychologiſcher, Anſi ichten D.'s iſt noch 
zu vergleichen: Democriti de anima doctrina. Addita sunt De- 
mocritea. Auct. Frider. Heimsoceth. Bonn, 1835. 8 — 
Die Schreibung Dymo kritos iſt burchaus fatfch, da die Griechen 
diefen Namen ſtets Sr, uoxoıtos fchrieben und das 7 wohl allen= 
falls wie i audgefprochen werden kann, aber nicht mit 9 zu vertau⸗ 
ſchen iſt. 

Demomiſie ſ. Demophilie. 

Demonſtration. — Zuſatz: Statt demonſtrativ ſagt 
man auch apodiktiſch (von «nadesıs, demonstratio), — Das 
genus eloquentine demonstrativum aber bedeutet bit ben Alten dies 
ienize Art der Beredtſamkeit, welche fi) auf Lob und Tadel phyſi⸗ 
ſcher eder moraliſcher Perſonen bricht 

Demophilie und Demomijie find neugebildete Wörter 
(von druos, das Volt, gulsıv, lieben, und guasıy, haffen) zur 
Bersichnung. ber Liebe und des Haſſes gegen ein Volk, befonders 
das eigne oder dasjenige, von welchem man felbft abitammt. Die 
Liebe gegen daſſelbe ift etwas fo Natürliches und der Haß dagegen 
etwas fo Unnatuͤrliches, daß die Morat kaum noͤthig haben follte, 


270 ‚Demoralifation Denkbarkeit 


jene als pflihtmäßig zu gebieten und biefen als pflichtwidrig zu ver» 
bieten. Wenn indeffen jene Liebe blind iſt ober gar zur niedrigen 
Sqhmeichelei herabſinkt, welche das Volk in feinen Fehlern beſtaͤrkt 
und alles für recht und gut erklärt, was das Volk will — wie es 
Pi angeblichen Demophilen oder Volksfreunde gar oft getham has 

— fo kann fie dem Volke noch verderblider werden, als ber 
5 eines Einzelen, der ſich an feinem Volke zu rächen ſucht, weil 
ec ſich von demfelben vernachläffige, gekraͤnkt oder beleidigt fühlt. 
Verbände er ſich deshalb als Krieger mit dem Feinde feines Volkes, 
fo koͤnnte er diefem freilich audy viel fhaden. Er würde fi aber — 
dann eines fehr ſchweren Verbrechens ſchuldig machen, naͤmlich des D⸗ 
Hochverraths. ©. d. W. Zuweiien entſpringt jener Haß auch — 
aus Demophobie ober Zucht (foß0ch vor dem Wolke, das 
Lange Zeit gedrückt, endlich die unerträglihe Laſt abwerfen koͤnntue 
Volksbedrüder oder Tyrannen find daher meift auch Volkshaſſer. 

Demoralifation. — Zufag: Wenn die Menfden de— 
moralifirt find, fo wollen Manche fie durch vieles Moratificen wie — 
der motaliſch machen. Das hilft aber wenig oder nichts. S. Mo — 
raliſation. Bei den Alten kommt übrigens weder moralieau — 
noch demoralisatio vor. 

Demuth. — Zuſatz: Urfprünglich bedeutet dieſes Wort de 
niedriges Gemüth oder einen niedrigen Sin. Denn es Eommt ber 
vom altd. deo — niedrig, wovon auch dienen abftammt, und mund 
= Muth, wovon Gemüth. Daher bemüthigen (fi oder Ar 


dre) — erniedrigen. Die beffere Bedeutung hat wohl der Gigam 
fag des Hohmuths hervorgerufen. ©. d. W. 

Denationalifation und Denaturalifation m 

neugebitdete Ausdrüde, welche das Gegentheil von Marie 

J aturalifation bezeichnen follen. S. bir 

oder naturalifiet ee 





Denen Denkkunſt 271 


s auch alles wiſſe. — Da jebody aus der bloßen Denkbarkeit 
er Wahrheiten noch nicht deren Gedachtſein mit Nothwendigs 
e folge, fo macht man bei diefem angebfichen Beweiſe der götte 
wm Allwiſſenheit einen offenbaren Sprung im Schließen. Wenn 
im Weltganzen außer den Menfchen unendlich viele denkende, 
vohl einzeln betrachtet, endliche Wefen gäbe: fo würden’auch diefe 
efen alle mögliche Wahrheiten denken können, ohne daß es zu 
em ſolchen Denken eines für fich beftehenden- unendlihen Ver⸗ 
nded oder Weſens bebürftee Berg. Altwiffenheit nebft Zuf. 

Denten. — Zuſatz: Die Etymologen vergleichen damit das 
deutfche denhan und das altnordifche ihiega, deren Bedeutung 
Ten oder nehmen fein fol. Das Denken wäre alfo nad) biefer 
inlogie ald ein geiftiges Auffaffen oder Annehmen zu betrachten. 
- Biegen des Verhättniffes des Denkens zum Anfchauen und 
mpfinden vergl. beides, nebft Eberhard’s allgem. Theorie 
d Denlens und Empfindene. Berl. 1776. 8. N, X. 1786. — 
» In pensee. Par N. J. B. Toussaint. Paris, 1835. 8, 
- Wegen des philofophifhen Denkens, das man auch 
lechtweg philofophiren nennt, f. Philofoph. 

Denkfreibeit. — Zufas: Der Ausfpruh des Tacitus 
ist, I, 1): Rara temporum feilcitas, ubi sentire, quae velis, 
quas senlias dicere licet — ift zwar an ſich richtig. Da je 
ch ber alte freifinnige Römer kurz vorher felbft die Bemerkung 
at: Obtrectatio et livor pronis auribus accipiuntur; quippe 
ulatom; foedum crimen servitutis, malignitati falsa species 
ertatis inest — fo muß allerdings durch Geſetze bafür gefagt wer⸗ 
a, daß die Denffreiheit, intiefern fie aus dem Innern des Ges 
he als Sprech⸗ oder Schreibfreiheit in die Außenwelt tritt und 
ts auf das gefellige Leben einwirken will, nicht der Bosheit diene 
Wb dadurch fogar Mechtsverlegungen hervorrufe. Denn die Außere 
reibeit iſt uͤberall durch das Rechtsgeſetz natürlichen und nothwens 
gen Schranken unterworfen. 

Dentgläubig. — Zufag: Dem Dentgläubigen ficht 
iht bloß der Blindgläubige, fondern auch der Gefühlgldus 
ige entgegen, wiewohl der, welcher unbedingt feinen Gefühlen ver- 
ut und Daher jedes Nachdenken über das, mas er fühlt, vers 
bmäht, im Grunde aud) ein Blindgläubiger if. ©. Gefühl. 
Ber aber der vermeintlichen Gefahr entgehen will, ein Denkglaͤubi⸗ 
ru werden, dem ijt Ein anderer Math zu geben, als daß er «8 
ache, wie der Jeſuit Lopez, ber fich ruͤhmte, daß er ſich dreißig 
ahre hindurch bemüht habe, gar nichts zu denken. 

Denkkunſt Haben Einige die Denklehre genannt und aud) 
dert, Diefe als jene abzuhandeln. Allein die Kunſt zu bens 
a (ars cogitandi) ift etwas ganz Andres, naͤmlich die durch 


272 Denklehre 


Uebung im Denken ſelbſt erlangte Fertigkeit in der richtigen. 
dung der von dee Denklehre aufgeftellten Gefege des Denk 
gegebne Fälle oder Gegenftände. Es können alfo wohl n 
Vortrage der Denkiehre auch Denkuͤbungen verbunden ' 
um zur Denkkunſt zu gelangen. Aber ebendarum iſt bi, 
ſchieden von dee Denklehre. S. d. W. nebft Zuf. 

Denklehre. — Zufag: Die derfhiebnen Namen, 
man derfelben gegeben hat (Arch itektonik, Dialektik, 
eiftit, Jatrit, Kanonik, Kathartit, Logik, Org 
Sclüffel der Weltweisheit ıc.) find, jeder an feimm 
nachzuſehn, ſowelt fie nicht ſchon im diefem Artikel feibft 
find. — Die Unterfheidung einer Sinness Verftandeı 
Vernunft-Logik hat keinen hinreihenden Grund, ba ber 
als folder nur anfhaut und empfindet, das Denken aber, 
mag es als Function bes Verſtandes oder ber Vernunft bet 
immer von benfelben Gefegen abhangt. ©. Einn, Be 
und Vernunft. — Bu ben: ditern Logiken, welche noch 
mit Nugen zu gebrauchen find, gehören aud) bie von Bur 
Groufaz und Daries, zu den neuern aber bie von A 
Beneke, Denzinger, Drobifh, Ebert und Bin 
mann. Eine „neue natürlidhere Darftellung ber Logik" v 
Bictorin (Wien, 1835. 8.) und eine Schrift „über di 
und Metaphyſik der reinen Peripatetiker” gab Ulrich (Halle, 
8.) heraus. Auch finden ſich leſenswerthe Andeutungen zı 
ſchichte dieſer Wiffenfhaft als Anhang in Vogel's Grun 
einer foitematifchen Darjtellung der WVernunftiehre. Leipz. 18 
— Wegen des Denkens in phufifher Hinſicht vergl. Ph. 
Hartmann’s (Dot. u. Prof. der Medic. in —* Grub 
einer Phnfiologie des Denkens für A: 





Denkmal Denkwuͤrdig 273 


Omnes Galli gallinarum sunt mariti, 

Omnes Parisii non sunt gallinsrum mariti, 

Ergo omnes Parisil non wunt Galli — 
Sed omnes Galli sunt aves — 

Erge omnes Parisii non sunt ares. 


z witzig fein, fo iſt es wenigſtens kein Sterling: Wis. — 
trag zur Gefchichte der Denkt. ift noch zu bemerken Sig: 
comment, de hist. logicae inter Graecos usque ad So- 
Zübing. 1832. 4. 
enkmal (manimentum s. monumenium, von monere, 
‚ erinnern) iſt alles, was uns an etwas mahnen ober er: 
ann, wie Infchriften, Urkunden, Dentmünzen, Denkſteine, 
ed x. Im Allgemeinen kann man fie in graphifche ober 
ide und plaftifche oder bildliche eintheilen, wiewohl 
und Bildwerk fich auch fehr gut vereinigen laſſen, um bas 
s an Perfonen oder Begebenheiten mittel® eines Denkmals 
m. Die Sefchichte der Philoſophie bat, außer den Schtifs 
fie felbft und den eignen Schriften der Philofophen, wenig 
ee aufzumeifen, kann ſich aber fehr wohl mit jenen Schrif⸗ 
dgen. — Dentniffe und Denkſchriften kann man 
b zu ben Dentmälern zählen. Bergl. Denkwuͤrdig. 
far inn (sensus cogitationis) nennen Manche das Denk 
; auf feiner unterjten Stufe, wo das Denken als ein Ein 
Träumen erfcheint, und legen dann auch wohl ben Thies 
ſolchen Einn bei, beſonders den volllommnern. In ge 
inſicht koͤnnte man vielleicht noch ſchicklicher die Einbil: 
eaft fo nennen. €. d. W. Denn wenn jie Begriffe 
über verfinnlicht oder anſchaulich macht, fo ift das aller: 
ı denfendes Zinnen oder ein finnende® Denen. 
entſpruch f. Gnome und Senten;. 
enfübungen f. Denkkunſt. 
enkverfe f. Gedenkverſe. 
newürdig (memorabile s. memoria dignum) heißt 
as überhaupt des Denkens, fondern was infonderheit des 
6 oder Gedenkens (wovon das Gedaͤchtniß den Namen 
ch ift, auch in Bezug auf die Nachwelt. Schriften, die fol: 
je für die Nachwelt aufbemahren, heißen daher aud felbjt 
ürdigfeiten (memorabilia) wie bie, welche Zenophon 
ven Lehrer ſchrieb — ein in feiner Art muflterhafte® und 
die Geſchichte der Philofophie, infonderheit der fokratifchen, 
iner treuen und ungefhmüdten Darftelung ſehr ſchaͤtzbares 
Neuerlich bat man folhe Denktwürdigkeiten auh Denk⸗ 
nannte, wahrſcheinlich um das franzöfifdye memoires kürzer 
'6 encykiopaͤdiſch⸗ philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppe 18 


274 Denomination Deontologie 


zu Überfegen. Man Eönnte fie aber aud Denkſchriften nenne 
weil diefe ſich keineswegs auf Individualitäten, wie Biographie 
zu befdränken brauchen, fondern ganze Beitalter oder Generatiom 
umfaffen koͤnnen. 

Denomination (von denominare, benennen) bedeutet dœ 
Bezeichnung eines Dinges durch einen Namen (nomen). Auch fa 
man von Perfonen, die zwar ſchon einen Namen haben, deren N 
men aber beim Vorſchlage zur Beſetzung eines Amtes genannt wo 
den, fie fein dazu denominirt. Vergl. Defignation. D 
Grammatiker aber verftehen unter denominatio auch bie Ableitm 
eines Wortes von einem andern, und nennen daher das abgeleite 
Wort ein Denominativam. S. Paronymie nebft Zuſ. 

Denunciation. — Zuſatz: Denunciatio bedeutet bei di 
alten Claſſikein jede Art von Ankündigung oder Belanntmadun 
desgleihen einen Befehl, auch eine Drohung al Ankündigung ein 
Strafe oder Züchtigung, wenn Jemand etwas Verbotenes thun od 
etwas Gebotenes unterlaffen follte. Was man jest Denunci« 
tion nennt, nannten bie Alten gewöhnlicher delatio, wie wir au 
iege noch Delation in dieſem Cinne brauchen. Wern das D 
nuncren in allen Faͤllen ehtlos ober ſchaͤndlich wäre, fo bärfte am 
feine obrigkeitliche Perfon, kein Gemeinevorſteher, kein Policeibien 
x. irgend eine Anzeige von einem Verbrechen ober Vergehen mache 
Nur das ‘Denunciren aus bloßer Gemwinnfucht oder aus Bade, 
wie das falſche Denunciren mit Betwufftfein der Falſchheit, iſt fehle 
hin verwerflich. 

Denzinger (Ignay) Dock. und Prof. der Phlloſophie a 
der Univerfitht zu Würzburg, hat ſich beſonders um die-Logi? derd 
folgende Schriften verdient gemacht: Prima lineamenta legiees 
Leodii, 1818. 8. — Institutiones logicae, _Ibid. 182472 Vol 








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3. xa9ıxov (ano Tov xara Tıvas 1;xEv) gebildet oder doch in 
jerzer Bedeutung gebraudyt und eine befondre Echrift darüber hin⸗ 
terlafjen haben, die aber nicht mehr vorhanden ift. 

Deportation. — Zuſatz: Etwas Andres iſt Erporta: 

tion. Denn obwohl Deportirte auch exportirt werden, fo 
braucht man doch biefes Wort eigentlich nicht von Perfonen, fon= 
dern nur von Eachen, insbefondre von Handelswaaren. Daher 
werden, wenn etwa Semand von Erportation der Sklaven 
aus einem Lande fpricht, auch biefe nur als Handelswaaren, nicht 
als Derfonen betrachtet. Ob das aber recht fei, f. Sklaverei. 

Depofitum — Zufag: Zuweilen wird das Wort Des 
yofition auch von Ausfagen oder Erklärungen gebraucht, die Je⸗ 
wand vor Gericht oder einer andern Behoͤrde macht, alfo gleichfam 
niederlegt oder deponict. ‘Wenn aber gefagt wirb, die philofo= 
Phifgen Sacultäten hätten fonft (vieleicht auch noch jegt hin 
und wieder) ein Depofitions=: Recht gehabt: fo iſt barunter bie 
Vefugniß zu verftchn, die neuen Ankoͤmmlinge auf den Univerfitd- 
ten in Anfehung ihrer Zutäfflichkeit zu prüfen unb ihnen deshalb 
nm Depofitions- Schein auszuftellen; wofür dann and ein 
Depofitions= Geld entrichtet werden muffte. Dean erftärte dieß 
| fo, als wenn jene Antömmlinge beim Dechanten ber 
Fhilef, Kac. erft den Schulftaub deponiren müfften, bevor fie vom 
Rector dee Univerf. als wirkliche Studenten immatriculirt oder In 
ſaibirt werben koͤnnten. 

Depoſſediren (von de, ab oder weg, und possidere, be⸗ 
fifen) bedeutet Jemanden außer Befitz ſetzen, was entweder rechtlich 
(aach richterlichem Erkenntniſſe) oder widerrechtlich (duch anmaß⸗ 
liche Gewalt, Betrug oder Raub) geſchehen kann. S. Beſitzz. Bei 
den Alten kommt weder depossidere noch depossessio vor. Da 
aber die Franzoſen ſowohl deposseder als depossession ſagen, fo 
haben die Deutfchen ſich auch diefe Wörter, befonders das erſte, 
Angeeignet. 

Depotenziiren f. Potenzen, Zuf. 

Deprapation. — Zufag: Die Alten braudyen Jepravaüo, 
kie auch depravare, in einem viel weitern Einne, 3. B. von ber 
Rerzerrung des Gefichts durch allerhand Grimaſſen (depravatio 
eis) oder von der Verdrehung oder Verberbung eines Worts oder 
Namens (depr. verbi s. nominis); dann aber auch von ber Ver: 
derbung oder DVerfchlechterung des Gemüthd (depr. animi), 

Deprecation (von de, ab oder weg, und precari, Bit 
fen) bedeutet eine Bitte um Entſchuldigung oder Verzeihung, alfo 

Abbitte, zumeilen auh Sürbitte. ©. beides. Etwas depre⸗ 
eiren beißt aber foviel ald es verbitten oder bittend ablehnen. — 
Dagegen bedeutet Depreciation oder Depretiation (von 





276 Deputation Defignation 


preiium, der Preis oder Werth) Die Verminderung des Mertie 
einer Sache ober auch die gänzliche Entwerthung berfelben. Bei 
den Alten kommt depretiatio nicht vor, wohl aber deprecatio, jded 
fo, daß es auch Verwünſchung bedeutet, befonders in Wezug auf 
Eibesformeln, in welchen der Schwoͤrende Gott gleichfam bittet, im 
au flrafen, wenn er falſch ſchwoͤre. 

Deputation (von demſ. und putare, ſchneiden) bebeukt 
eigentlich Ab⸗ oder Wegſchneidung, dann aber auch Abfonderuy 
und Wegfendung Einzeler aus einer Koͤrperſchaft oder Gemeine, um 
für diefelbe etwas zu thun ober zu leiften. Darum heißen in-iam 
fonkratifchen ober Reptaͤſentativ⸗Staate die vom Volke gewähln 
Stellvertreter ald Abgeordnete deſſelben zu den Verhandlungen mi 
der Megierung uͤber Öffentliche Angelegenheiten Deputirte, mb 
die aus dieſen wieder gerählten Äusſchüſſe zu gewiffen Works 
thungen ober gutachtlihen Berichterſtattungen Deputatiomz 
Unter Deputaten aber find Saden zu verftehn, bie von anden 
derfelden Art genommen werden, um fie Jemanden als Nah 
mittel oder überhaupt als Theil feines Einkommens zu vrider 
(rückte, Wild, Holz und andre Raturalien). — Bei ben Am 
tommt nur deputare vor, nicht deputatio. Jenes aber bebasit 
nicht bloß ab» ober beſchneiden, fondern auch berechnen, die 
denken, dafuͤrhalten; in welchem Sinne wir jedoch beputiren i 
brauchen. 

Derogation f. Abrogation, Zuf. 3 

Defcendenz. — Zufag: Sie iſt nicht bloß eine php 
fche Herabfteigung, wenn man von den Eltern auf die Kinder u 





die anderweiten Nachkommen übergeht, fondern auch eime loof⸗ · 
in Anſehung der Begriffe und Urtheile, wenn man vom Aigen 


Defolatin Deſtruction 277 


Defolation (von desolare, allein oder einfam [solum] 
machen, verwüften, zerftören) bebeutet Zerfiörung ©. d. W. 
Das Adi. defolat ober defolirt wird fowohl von Menfchen ge: 
waucht, welche verlaffen, hülf- oder troſtids find (quibus deest 
elatium) — daher auch vom Alter (desolata senectus) — als 
os Sachen, Dertern oder Gebäuden, welche einfam, verwuͤſtet, 
mbewohnt und unbefucht find (desolati agri, desolata templa). 
Das Subſt. desolatio kommt aber bei ben Alten nicht vor, wie⸗ 
sohl es fchon bei den erften chriftlichen »Schriftſtellern gefunden 
Bird. Die. Ableitung von solum, der Grund und Boden, iſt 
alſch; benn hier iſt das o kurz, bort aber iſt e& lang. 

Despotie. — Zuſatz: S. die Schrift von Gli. Chfti. 
Karl Link: Die Despotie. Ein Beitrag zu einer neuen. Staats: 
sammatie. Altdorf, 1784. 4. — Auh vergl. Ancillon’s 
Schrift: Zur Vermittlung der Ertreme in den Meinungen, wo es 
8. 1. ©. 58.) fehr richtig Heiße: „Der Despotismus kam al 
lenthalhen flattfinden, wo es eine oberite Gewalt giebt, und er ift 
benfowenig in ber reinen Monarchie eingeboren und einheinifch, 
als der reinen Demokratie oder ber reinen Ariftokratie fremd. Der 
Misbraudy dee Gewalt ift in allen Staaten zu befürchten, auch 
‚sa, wo durch kuͤnſtliche Zufammenfegungen und Theilungen bie 
‚feibe nicht in Einer Perfon fich durbiete. Der Möglichkeit ber 
Gefahr kann nicht abfolut vorgebeugt werben, obgleich unftreitig bie 
Gefahr durch zweckmaͤßige Inftitutionen vermindert werden ann. 
Ber vermag zu berechnen, wie Leidenſchaft, Kraft, Genie, Herrſch⸗ 
ſucht und begünftigende Umftände zufammentirten u. zur Begrüms 
dung des Despotismus in einer gegebnen Zeit führen können?” — 
So war 88 unter Robespierre und unter Napoleon ber Fall, 
ungeachtet Beide himmelweit verfchiedne Menfchen waren und der 
Bine ald Demokrat feine freien und gleihen Mitbürger, ber Andre 
us Monarch feine gehorfamen Unterthanen despotiſirte. Die Grie⸗ 
hen fasten übrigens zrear deonureıa, aber nicht deomozunog. 
Dagegen bildeten fie von deotorrs das verkleinernde dennotioxog, 
sm einen Menſchen zu bezeichnen, der, obwohl klein und ſchwach, 
doch die Rolle eines großen und mächtigen Deren zu ſpielen fucht 
— ein Herrchen, künnten wir fügen. 

Deftination (ven destinare, eigentlich mit einer Stuͤtze 
[desuna] befeitisen, dann feftiegen, beftimmen) = Beſtimmung. 
©. d. MW. nebit Zuſ. — Bei den Alten bedeutet destinatio auch 
einen Vorſatz oder Beſchluß, teil ber, welcher einen folchen faflt, 
ſich ſelbſt dadurch zu etwas beflimmt, fei es zu einer einzelen Hand⸗ 
lung ober überhaupt zu einer geawilfen Handlungs- oder Lebens: 
weifz; wie wenn Semand ben Entfchluß faſſt, ſich zu beſſern. 

Deftruction. — Zufag: In logiſcher Dinficht bedeutet 


278 Deftutt be Trac Dethroniſation 


destruclio auch bie Widerlegung eines Urtheils ober elnes ganjen 
Soſtems, weil es dadurch intellectual zerſtoͤrt oder vernichtet wird, — 
Wegen des Gegenſatzes zwiſchen Conſervativen und Deſttu 
ctiven f. Conſervation, Zuſ. 

Deſtutt de Tracy. — Zuſatz? Er war auch Mitglie 
der Academie francaise zu Paris, und flach dafelbft im 3. 1836 

Deterioriften (vom deterior, ſchlechter) iſt ein neugebil 
detee Ausdrud zur Bezeichnung derer, bie entweder bloß behaupten 
daß alles nach und nad) ſchlechter werde, oder felbft dazu beitragen 
mithin machen, daß Menihen und Dinge immer ſchlechter werden 
fomeit dieß von ihrer Wirkſamkeit abhangt. Sonach wuͤrde ei 
theoretiſcher und ein praktiſcher Deteriorismus zu un 
terſcheiden fein. Dieſer wire aber allerding® noch weit ſchlechter alı 
jener. Vergl. auch Peffimismus, der gleichſam ein Deterlorie 
mus im Superlativ ifl. 

Determination. — Zuſatz: Determinare heißt elgentfid 
ein Ziel oder eine Gränze (terminus) fegen, determinatio alfo Biel 
oder Grängfegung; woraus ſich dann erft die anderweite Vedeutum; 
einer Beflimmung ergiebt. Und meil ein Entſchluß aud eine Ac 
von Veſtimmung tft, fo mag ed ebendaher kommen, daß man einen 
entſchloſſenen Menſchen aud einen beſtimmten oder beterminirtzı 
nennt. S. Entſchluß nebft Zuf. 

Deteftation (von detestari, zum Beugen anrufen) beden 
tet zwar urfprünglich bie Antufung eines Beugen (lestis) und bi 
Bezeugung felbſt. Weil jedody der Aberglaube auch mohl ein giet 
liches ober andres uͤbermenſchliches Weſen gleichſam als Zeugen am 
ruft, wenn er etwas verſichert oder Andern etwas Boͤſes antolmfde 

B. Gott foll mic verdammen, ober der Teufel foll mi 







Detract Deutlichkeit 279 


gentheil ift die Inthronifation oder bie Einfegung, welche den, 
Der kuͤnftig regieren fol, auf diefen hohen Stuhl (in thronum) er: 
hebt. Die Beurtheilung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit 
diefer beiden Handlungen iſt oft fehr fchwierig, weil die Umftände, 
welche den Einen.vom Throne flürzen und den Andern darauf er: 
heben, ungemein verwidelt fein können. Daß Gewaltmisbrauch in 
vielen Fällen Urfache der Dethronifation war, iſt nicht zu leugnen. 
Aber die Sinthronifation iſt auch nicht felten durch Gewaltſtreiche 
geſchehen. Und da behaupten ja felbft die firengften Legitimiften, 
daß es gerecht ſei, den ungerecht Inthronifirten wieder zu bethro: 
niſiten. ©. legitim. Wenn die Dethronifirung und Snthroni: 
frung in Folge eines Kriege gefchieht, indem der Sieger einen be: 
fiegten Regenten, der fein Feind war, abfegt und an beffen Stelle 
ſich ſelbſt oder einen Dritten ald Megenten einfegt: fo ift dieß nad) 
den Grundfägen des Kriegs rechts und bes Voͤlkerrechts zu 
ilen. S. beides. Die Art und Weife aber, wie Napo: 
leo ſich felbft, feine Brüder und Schweftern, Betten und Muh⸗ 
men, unb andre Günftlinge inthronifirte, bagegen aber eine Menge 
von Fürften, bie es gewagt hatten, feinen widerrechtlichen Beſtre⸗ 
beruggem und feinen bictatorifchen Machtfprüchen (befonders feinem 
famsfen Gontinentalfpftenie, das nur ihn und Frankreich bereichern 
ſollte) zu widerſtehen, mit einem Federſtriche (indem er nur die lako⸗ 
miſche Formel hinfchrieb: „N. N. hat aufgehört zu regieren’) dethro- 
Düfte — dieſes Verfahren war gewiß hoͤchſt ungerecht und wird ein 
wis Skandal in der europaͤiſchen Stantengefchichte bleiben. Vergl. 
ad Thron. 


Detract.e — Zuſatz: Detractus, detractio und das ver: 
Üiirtende detractatio bedeuten eigentlich daffelde, naͤmlich Abzichung 
oder Wegnahme, daher auch DVermindsrung und Verweigerung. Es 
Weird aber auch das letztere befonders in Bezug auf Verminderung 
Des gutm Namens und Verweigerung ber fchuldigen Achtung ge: 
raucht, fo daß es foviel als ehrenrührige Verkleinerung oder Ver: 
Teumdung bedeutet. Doc, ift in diefem alle detrectatio gebräud): 
Kicyer als detractatio, obwohl beides im Grunde ein und buffelbe 
Wort iſt. 


Deuterogen, Deuteroftifie und Deutero:Menfd 
T. Protogea. 

Deutlichfeit. — Zuſatz: Wegen dir Deutlichkeit in be: 
ſendrer Beziehung auf das philofophifche Denken und Darftellen des 
Gedachten vergl. die Artikel: Philoſ. Schreibart und philof. 
Vortrag. Auch follten die Philofophen wohl beherzigen, was 
Merkel in feinen Eritifchen Antiten (Riga, 1837. 8. ©. 17.) 
allen Auteren zuruft: 


280 Deutſche Philofophie 


Seid beuttkht Manier wire Shwachtopf 
Beiäiwie dur Nebel alled größer fdeint, 
Werd’ ein Bebante doppelt groß und (him, 
73e weniger bie Befer ihn derkehn, 
So front er bin, gebült in Dunketheit. 
nDed wenn Kritit den Möolkenporap gerfirent, 
„Wird oft, was Abler fhlen, zur Blebermaud. 
“ui, en? Ihe ſchreitt, end) felber zu Ka HH 
„Denn was man malt, muß man bei Tage 
„Rur wos man hell gedadt, Arten den fig one 


Deutfche ober germanifhe Philofophie — Be 
fag: Sollte Deutſchland wirklich die Heimath des Denkens 
fein, wie man ſowohl in als außer Deutfchland gefagt hat: I 
Amüffte freitich die deutſche Philoſophie die vorzüglichfte fein. zu Sek 
fen ſcheint Goͤthe eine andre Anfiht gehabt zu haben. Denz m 
ſprach ſich über den Charakter der Deutfchen in philoſophiſcher His 
ſicht folgendermaßen aus: „Den Deutſchen {ft im Ganzen bie Kb 
loſophiſche Speculation hinderlich, die in ihren Styl oft ein um 
finnlicges, unfaffliches, breites und auftrödelndes Weſen hinde 
bringt; je näher fie fih gewiffen philoſophiſchen Schaut 
—8 deſio ſchlechter ſchreiben fie.” (Edermann’s Gefpeihe 
mit Goͤthe. B. 1. ©. 144). Was aber von „gewiſſen phi⸗ 
Lofophifhen Schulen” gilt, das gilt body nicht vom 
Auch feheint hier der Dichter und Aeſthetilker mehr als der Pie 
foph zu ſprechen. S. Goͤthe nebft Zuf. Freilich haben auch Aue, 
bie nicht Dichter und Aeſthetiker waren, Über mandyes Unmefen 
dem Gebiete der deutſchen Phitofophie geklagt. Vergl. die been 
Schriften von Salat: Die Hauptgebrechen ber deutſchen Die 
forbie = —— zu wie dieſet —— a neu — 











282 Diaboliſch Diachirie 


angtelft ober macht, als mit ber Linken. Daß, wie Einige (z. B. 
Kant) behauptet haben, der Grund davon in. einem natürliden 
unterſchlede beider Hände liege, möchte ſchwer. zu bemeifen fein. 
Wer fi von Jugend auf links gewöhnt hat, kann Alles eben fo 
gut angreifen und machen, ald Andre, die fih rechts gewoͤhnt ha— 
ben. Ja ſelbſt in ſpaͤtern Jahren kann man ſich noch unigewih⸗ 
nen, wenn ber Verluſt einer Hand dazu noͤthigt, obwohl die Sache 
dann fehtoieriger wird, weil bie Glieder unſtes Körpers überhaupı 
im hoͤhern Lebensalter nicht fo beweglich und fügfem find, als im 
der Jugend. — Dexteritas heißt bei den Alten audy zuweilen fo: 
viel als Dienftfertigkeit, weil der Dienftfertige gem Andern feine 
Mechte zur Hülfe bietet oder, wie man aud) fagt, gern Anbern zuı 
Hand geht. 
Diabolifch. — Zufag: Das Diabolifhe (ro deaßols- 
xov) befafft nicht bloß das eigentlich Teufelifche, fondern alles, was 
ein IıaßoAog (Berleumder, Widerſacher, böfer Feind) thun kann. 
Daher bedeutet audy deußudın oder dıußorn jede Art von Teufelei 
im weitern Sinne. — Ein biabolifher Beweis aber (preba- 
io diabolica) iſt ein fehr ſchwieriger oder verwickelter, der Leicht zu 
Soppiftereien und Schikanen, alfo auch bei Rechtsſtreitigkeiten ju 
Verdrehungen oder Verlegungen des Rechts gemisbraucht ‚med 
tann. — Wegen der diabolifhen Mirakel f. Wunder. 
Diabololatrie ift ein neugebildetes Wort, um bie Is 
betung oder Verehrung (Aurpeıu) des Teufels (dıußoAog) zu be 
zeichnen. Die gröbere beftcht in einem förmlichen Cultus beffd 
ben — denn Aberglaube und Schwärmerei haben dem böfen Per 
cipe fowohl als dem guten Altäre und: Tempel errichtet, um 
auch jenes geneigt zu machen — bie feinere aber im einer /pralils 





4 


Diakrife Dialektik 283 


kürlichen Autochirie werben kann. ©. d. W. Hut man daher 
teinen Arzt zur Hand, fo ift es beffer fich der Heilkraft der Nas 
tur zu Überlaffen, ohne die auch der Arzt nichtd ausrichten würde. 
S. Heilkraft und Heilkunſt. 

Diakrife (dıiuxgos, von dıaxgırewv, discernere s, di- 
stsmguere, untericheiden) bedeutet Unterſcheidung; daher Diakri⸗ 
tie (deaxpssıxm scil, sexvn) die Unterfcheidungstunft.: S. Dis 
Rinction und Unterfheibungsvermögen. Bei den Alten 
bedeutet dıeaxpioıs auch Beurtheilung und Entfcheibung, desglei⸗ 
Gen Abfonderung und Trennung, ja fogar Zank und Streit. Hier: 
nach würde ſich auch ber Begriff der Diakritik verändern. 

Diakonie (dıaxovına, von deaxovers und dieſes von xovss, 
der Etaub, eigentlich durch den Staub gehn, dann dienen oder be> 
dienen) bedeutet urfprünglich jede Art von Bedienung oder Dienft: 
kiftung, daher auch die Verwaltung eines Amtes und das Amt 
ſelbſt, wiefern es mit gewiſſen Dienftleiftungen verfnüpft if. Die 
Üirdyliche Bedeutung des Worte ift erſt fpäter entftanden. Bei den 
Alten fommt audy avrodınzorıa vor (von avrog, ipse) bie Bes 
dienung feiner ſelbſt. Diefe Autodinkonie liebten auch vorzugsteife 
die amiihen Philoſophen, weil fie unftreitig die beite und wohl: 
fülfte Art von Bedienung ift, die man nur haben kann, wenn 
man fein Weichling und kein Toͤlpel if. 

Dialektik. — Zuſatz: Wenn Analytik und Dialel: 
UF (aradvrızn zur diun)exrıxn scil. enıornun 8. Teyyn) einan- 
er entgegengefegt werden, fo verftcht man darunter gewöhnlich 
Theile der Logik, die fonft auch Logifche Elementarlehre und Me: 

rmlehre genannt werden. ©. Analyfe und Denklehre — 
Eine mäandeifhe Dialektik iſt foviel als eine verfängliche, 
truͤgeriſche ober fophiftifche, fo benannt vom Fluſſe Mäander oder 
Miandros in Großphengien, der in feinem Kaufe viele Kruͤm⸗ 
Mungen oder Windungen machte und dadurch die Meifenden oft 
taͤuſchte oder aufhielt. Die dinlektifhe Methode follte nun 
zwar frei von folcher VBerfinglichkeit oder Betrüglichkeit fein, wenn 
Nie echt logiſch wäre. Allein diejenige Methode, welche man neuer: 
lich den dialektiſchen Proceß genannt hat, vermoͤge deffen man 

Gegenſaͤtze aufſucht, um dieſe durch ein Drittes zu vermit⸗ 
teln, aufzuheben oder zu verſoͤhnen, hat ſich Leider auch nicht frei 
Ösen erhalten. Man kann dabei wohl dialeftifhen Witz und 
Sharffinn zeigen; aber am Ende kommt body meift nur ein 
Infruchtbares dialektifhes Spiel mit Begriffen heraus. 
Herbart bat dieß fehr gut gezeigt in feiner Dissert. de princi- 
Po logico exclusi medii inter contradictoria non negligendo, 
Betr. 1833. 4. Es iſt nur zu verwundern, daß dieſer ſcharfſin⸗ 
ige Denker ſich ſelbſt nicht genug davor bewahrt hat. Dieß muß 





284 Diallele Diaphoriſch 


fogar Einer feiner eifrigſten Anhänger geſtehn, wiewohl derſelbe bemz 
Zehler wieder durch allerhand Ausflüchte zu verbergen ſucht. &_ 
Drobifch’6 Beiträge zur Drientirung über H.s Syſtem der Phi— 
loſophie. Leipz. 1834. 8. ©. 48. — Wegen der dialektifhem 
Kreife, welche Lullus aufftellte, f. Cyklognomie. — Gam; 
neuerlich hat man aud die Myſtik ald eine Dialektit bes Ge: 
fühls der Logik als einee Dialektik des Verflandes mn 
gegengefegt. Allein das Gefühl als ſolches iſt nicht dialektiſch, fon- 
bern wird es erft, wenn es den Verſtand in fein Intereffe gezogen 
bat, fo daß biefer nun dem Myſtiker dienen muß, feinem Gefüh 
ien, fo gut es gehen will, ein logiſches Maͤntelchen umzuhängen. 
©. Gefüpt und Myftit n. Zuff. — Wegen einer bialektis 
fhen Serteffenz f. den Zuf. zu Narr. 

Diallele. — Bufag: Die griechiſchen Logiker fagten an 
flatt de? aAlzAov zufammengejogen dundkmAug, wobei aber "Ay 
oder zoonog hinzuzudenten ift. . 

Dialogismus (diakoyıopog, von dunroyılso9us, abehe 
nen, auch unterreben) bedeutet ſowohl eine Abrechnung als eine Is 
terredung, mithin im legten Galle fovlel als duadoyos. &. Die: 
Log. Dialogiftit (dunkoyoren scil. Teyrr) tann daher geic⸗ 
falls ſowohl die Kunft des Abrechnens als die des Unterreden 
folglich audy die ſchwere Kunft, einen guten Dialog zu ſchrehen 
bedeuten, ob es gleich in biefer Iegtern Bedeutung bei den Am 
nicht vorkommt. Im N. T. und bei den kirchlichen Schriftfieiken 
bedeuten dandoyıozıoı auch Gedanken Überhaupt, desgtelden Zur 
fel und Schlüffe. 





Diaphorifh (diagogos, von dıupspeıw,.differre, dmt 
lich aus einander tragen oder bringen, dann umterfchteben fein) ME 


Diaͤreſe Diätetit 285 


Diärefe (dempeors, von diasperv, trennen, theilen) nen> 
a manche Logiker die Eintheilung eines Begriffes, weil dadurch 
: Theile eines Lögifhen Ganzen im Bewuſſtſein von einander ger 
nnt werden. S. Eintheilung. Andre verfichen darunter die 
mmeinung in einem negativen Urtheile, weil dadurch das Praͤdi⸗ 
t vons Subjecte gleichfalls getrennt wir. S. Urtheilsarten. 
ie profodifhe Diärefe, durch welche eine Sylbe in zwei ge> 
le (3. B. solvenda wie soluenda ausgefprodhen und gemeffen) 
eb, mit ihrem Gegentheile, der Kraſe (xouoıs, von x0u7, 
ſchen) welche ai Spiben in eine (z. B. dü in di, deorum in 
um) zufammenzieht, gehört in bie Grammatik und Metrik. 

Diafyrmus (diuovouos, von Jdıeaavpew, durchziehn, vers 
zen) bedeutet eine ſpoͤttiſche, befonders verkleinernde oder zum 
iedrigen herabziehende Rebe, mittel der Jemand dem Gelächter 
m ber Verachtung preisgegeben werben foll — was man audy 
Deutſchen ein Durch ziehn oder Durchhecheln nennt. Die 
oral kann es wohl eigentlich nicht billigen, wofern e6 nicht etwa 
eg wohlverdienten Zuͤchtigung eines Anmaßlings gefchieht, befon- 
es wenn er bdaffelbe Mittel gebraucht hat, um fich über Andre 
; erheben. - Er wird dann nur mit gleicher Waffe in feine Graͤn⸗ 


R 86 
Diatetik. — Zuſatz zur Literatur dieſes Artikels: Lebens⸗ 
jaltungskunſt oder vollſtaͤndiges Syſtem der Diätetil. Von Dr. 
Lutheritz. Leipz. 1834. 2 Thle. 8 — Geſundheitslehre. Von 
ug. Ferd. Brüggemann. Magdeb. 1835. 8. B. 1. — Le⸗ 
nskunſt für geiſtig beſchaͤftigte Menſchen ꝛc. Nah dem Franzoͤſ. 
b Reveill& Parise bearbeitet von Dr. M. Kaliſch. Berl. 1835. 
(Soll eine Diaͤtetik für Gelehrte, Künitler, Staatsmaͤnner ıc. 
n). — Diätetit für Sedermann nad) homsopathifhen Grund⸗ 
ven. Von Dr. Franz Hartmann. Leipz. 1836. 8. — Eine 
aͤtetiſch-paͤdagogiſche Phyſiologie f. unter Erziehung, 
f — Im J. 1834 ff. erfhien auch zu Leipzig eine „Ency: 
opädie der Diaͤtetik“ oder ein „Allgemeines Befund: 
its-Lexikon“, von Dr. Sul. Alb. Hofmann in mehren 
eferungen herausgegeben. — Es fehlt alfo nicht an Anmweifungen 
x Lebenserhaltungskunft in allen Beziehungen und Geftalten. 
Böchten fie nur auch gehörig befolge werden! — Da übrigens 
mes nicht bloß das Leben und die Lebensweife eines Menfchen 
jerhaupt, fondern auch das Amt eines Schiedsrichter und dımı- 
ns einen ſolchen Michter felbft bezeichnet: fo könnte diasemrıxn 
a. rexin auch die fchiedsrichterlihhe Kunft bedeuten. Indeſſen 
sd Diätetit nie in diefer Bedeutung gebraucht. — Daß man 
nee Diäten auch Zehrgelder und Reiſekoſten verfteht, iſt bloß 
weree Sprachgebrauch, der fich jedoch aus der Grundbedeutung 


236 Diathefe Dichter 
or Ama Lichte often und rechtfertigen Läfft. — In Dr 
Cherze’s essar om healıh and long life wird befonders 
Gamitea und ante Perienen, die von fehr einfacher und fam 
d ir Kork Iren, ein hohes Alter errichten. So ward 
ke Antonius 100 I. alt; desgl Dieronymus; Jakob der 
Erwit 104, und Arſenius, ber 55 3. in einer Wüfte zubtache 
1m I. at; teil Rommaldus. Indeſſen braucht man, um 
einfach zu Leben umd feine Gefundheit zu erhalten, «gerade ein Ein 
ſtedler zu werden. 
Diarbeie. — Zufag: Aradenıg bedeutck auch Aula m 
Zuſtand, descleichen Vertrag und Xeftament, wie das mit im 
dummeenwantte dıadnen. 
Diatribe. — Bufag: Arargıßr bebeutet eigentlich jede At 
von Beſchaͤftigung, Unterhaltung, Zeitvertreib. Es wird deher 
edenſerohl von handwerksmaͤßigen Arbeiten, als von philoſoph 
ſchen Vorträgen und gelehrten Abhandlungen ober Differtationm 
gebraucht. 
Diatppofe. — Zuſatz: Die alten Redner und Redekin⸗ 
lc verſtanden unter deerunweng audy eine lebhaftere Darſtekez 
eder Schilderung, um Andre zu Überreden ober zu rühren. 
Dicäarch oder Diläardh. — Zufag zur Literatur def 
Artikels: A. Buttmanni quaestiones de Dicaearcho 
operibus ete. Naumb. 1832. 4. Der Verf. will auch ee 
tung der Bruchſtuͤcke von biefen Werken herausgeben. 
Dihotomie — Zufag: Die Ramiften liebten vorgb 
wife dieſe Art der Eintheitung, wie man aus Petri Ramirde- 
leetiea und Andomari Talaei praeleett. in eandem (1. 
® 137%. et 158. L. IL p. 352.) erficht, Daß fie 














Dichtigkeit Dichtkunſt 287 


alt von einanden trennten, daß jede ihren Weg für ſich ging 
d ihre eigenthümlichen Pfleger hatte. Eine Wiederverſchmelzung 
cſelben nad jener alten Weiſe dürfte aber nicht zeitgemäß und 
er ein Rüdichritt als ein Kortfchritt fein; wobei es freilich jedem 
ichter freiftehen muß, zu philofophiren, und jedem Philoſophen, 
dichten, wenn er von Natur fo organifirt ift, daß er in beiberlef 

Infiht Xreffliches Leiften kann. Denn fhon Horaz (A. P. 
33—4.) fagt: 

Aut prodesse volunt aut delectare poetae, 

Aut simul ct jucunda ct idones dicere vitae, 


hne jenen hoͤhern Beruf ift e8 aber beffer, wenn jeder in feiner 
zenthuͤmlichen Ephäre bleibt ; fonft giebt es leicht Zwittergeſchoͤpfe, 
e weder Fiſch noch Sleifch find, fo daB man auch In biefer Be: 
Bung mit Virgil (ech. UI, 90. 91.) ausrufen möchte: 

Qui Bavium non odit, amet tus carmins, Maecri! 

Atque idcem jungat vulpes et mulgest hircos! 
iz hart wir’ es aber doch, wenn man einem folchen Bav oder 
Taͤv mit Horaz (epod X.) wünfchen wollte, dag er Schiffbruch 
Eden und den Naubvdgeln zur Beute werben möchte. Denn man 
auch ja von ihren ſchlechten Producten ebenfowenig Kenntniß zu 
Nomen, als man genoͤthigt iſt, Fuͤchſe zuſammen zu fpannen und 
böde zu melten. 

Dichtigkeit. — Zuſatz: Da das Stammmort nicht dich⸗ 
ig (wie fähig bei Faͤhigkeit) ift, fondern dicht: fo follte man 
a eigentlich Dicht heit fagen, wie man Lockerheit, von lok⸗ 
er, und Faulheit, von faul, fagt. Indeſſen ſpricht fich jenes 
echter aus; weshalb man auch Leichtigkeit flatt Leichtheit 
ad Dreiftigkeit ſtatt Dreiſtheit fagt, ungeachtet hier gleich- 
falls das Stammwort nicht Leichtig und dreiftig, fondern leicht 
md drei ift. 

Dichtkunſt. — Zuſatz: Berg. auh Delbrück's Gaft: 
mahl. Reden und Geſpraͤche über die Dichtkunſt. Berlin, 18009. 
16. — Wegen des Unterfchieds zwifchen der claffifcyen und ber 
wmantifhen Poefie vergl. diefe Ausdrüde felbft und Ancil⸗ 
(on über die clafjiiche und romantifche Poefie ꝛc. in Deff. Schrift: 
de Bermittelung der Ertreme in den Meinungen. B. 2. ©. 81 
f. nebft dem dazu gehoͤrigen Anhange am Ende des 2. B. Hier 
fader ſich auch (S. 55.) folgende Definition oder vielmehr Deſcri⸗ 
ion diefer fchönen Kunft: „Poeſie ift das freie Spiel der ſchoͤpfe⸗ 
„hen Dhantafie und des Gemüths, ohne andern Zweck ale dieſes 
„feele Epiel ſelbſt, infofern es ein Ideal irgend einer Art ver: 
„auöge der Macht des Worts und der finnlichen Formen berfel: 
„sen darſtellt.“ 


288 Dictatoriſch Didaskaliſch 


. — Zuſatz:  Dietatorium heißt auch zuwei— 
wiefern es vom Richter ausgeſprochen oden 
dictirt wird. — Dietatura bedeutet nicht bloß das Amt eines Dicia— 
tors, fondern aud das Geſchaͤft eines bictirenden Lehrers. S. 
Dietirmethode. 

Diction. — Zuſatz: Wegen des sophisma dietionis oder 
ber fallacia ſigurae dictionis ſ. Sophiftil. Nr. 1. 

Dietirmethode (von dictare [dem verflärkten dicere] «ts 
was vorfagen, wobei das Gefagte öfter wiederholt und ftärker be 
tont zu werden pflegt, daher auch nachdrücklich fagen, befehlen [me 
von der dietator benannt] und methodus, die Art und Werk, 
etwas zu thun, ein regelmäßiges Verfahren) tft, auf philofophäfte 
Vorträge angeranbt, eigentlich ein regeiwidriges, toi —— 
Verfahren. Denn ber Vortrag dringt dann wohl In bie Oben 
und die Hand oder bie Feder, aber nicht in ben Geift des Zube 
rers, wenigſtens nicht fo anregend uud belebend, daß er wirkich 
mit dem Lehrer philofophirt. Vergl philof. Vortrag. 

Dictum etc. — Zufag: Bei den mit dieſem Worte be 
ginmenden Artikeln (B. 1. S. 608 — 9.) ift auch der Art. Schiufe 
figuren zu vergleichen. Denn die Logiker pflegen das D. de m- 
ni et nullo der erfien, das D. de diverso ber zweiten, das D. de 
exemplo der dritten, und das D. de reciproco ber vierten Fix 
(nad) der gemöhntichen Theorie gezähtt) als Princip zum Gmmie: 
zu legen, 
Didaktik und didaktiſch. — Zufag: Wegen. ber bir 
baktifhen Kteife des Lullus, die man auch bialektifhe @ 
nannte hat, vergl. Cyklognomie. 

Didaktron. — Bufag: Daß fhon im Alterthume — 
bräuche bei Entrichtun, It 



















Diberot Dieb 289 


Diderot. — Zufag: Gegen dieſen franzoͤſiſchen Philofophen, 
id befonders deſſen Pensees philosophiques, ſchrieb ein beutfchs 
nzöfifcher in Berlin Pensees raisonnables et. ©. Formey. 
Dieb (fur) heißt eigentlich nur der, welcher einem Andern 
mad Bewegliches heimlich entwendet, es alfo ohne deſſen Wiffen 
» wider deſſen Willen, obwohl ohne Gemaltthätigkeit gegen den⸗ 
üben, ſich oder Anden zumendet, fei es zum Genuſſe (fracius) 
dee zum Gebraudye (usus) oder zu ſonſt einem beliebigen Zwecke, 
v daß er darüber als über fein Eigenthum fchaltet. Denn wenn 
x auch nachher das Entwendete wieder verfchenkte oder wegwürfe 
wer ganz vernichtete: fo wuͤrde er doch immer das fremde Eigen⸗ 
hun fich rechtswidtrig zu dieſem Behufe zugeeignet haben. Da 
Defe Dandlung fehlen heißt, fo nennt man den Dieb auch einen 
Stehler (befonders im Berhältmiffe zum Hehler, der "das von 
Anden Geſtohlene verbirgt und daher als indirecter Theilnehmer an 
de Handlung betrachtet wird) und das auf ſolche Weife begangene 
Vabrechen einen Diebſtahl (furtum). Es ift alfo wohl ein ge 
tngeres MWerbrechen als der Raub. ©. d. W. Daß es aber gar 
kein Verbrechen fei, ift falſch. Denn es iſt als Verlegung des für 
die menſchliche Geſellſchaft fo wichtigen Rechtes in Bezug auf das 
Eigentgum (f. d. W.) ein widerrechtlicher Eingriff in einen frem⸗ 
den Freſheltskreis, folglich auch zu betrafen, nur nicht buch Toͤd⸗ 
tung bes Verbrechers (f. Todesftrafe) fondern bloß durch Ent⸗ 
Hebung der Freiheit auf kürzere oder längere Zeit, nad) den vorlies 
enden Umftänden. Denn wenn die Dieberei als eine Art von 
oder gar gemeinfchaftlid von Diebsbanden betrieben 
dicd: fo iſt auch die Schuld weit größer, ald wenn Jemand für 
ich allein einmal etwas entwendet hat. Und hätte er dieß nur in 
we hoͤchſten Noth gethan, weil er vielleicht fein Leben nicht anders 
riften tonnte: fo würde auch keine Strafe flattfinden koͤnnen. ©. 
Roth. Das Sprüchmort: Gelegenheit macht Diebe, fpricht 
icht bloß einen Erfahrungsſatz aus, fondern auch eine Klugheitss 
gel, um einen Anlaß zur Dicberei zu geben, und zugleid einen 
Rilderungsgeund bei Beſtrafung des Diebftahls für den, weldem 
und die Gelegenheit nicht bloß Anreiz zum Stehlen gegeben, ſon⸗ 
em auch die That felbjt erlcichtert worden, weil alödunn Bein böfer 
Bil: voraussufegen wäre. Daß aber, wie ein andred Spruͤchwort 
ögt, der Hehler fo gut, oder vielmehr fo ſchlecht, als der Steh: 
ler fei, iſt unrichtig, weil beim bloßen Dehlen doch nicht cine fo 
unmittelbare oder directe Verlegung des Eigenthumsrechtes ftattfindet, 
U beim Stehlen. Cs ift mehr eine negative Thätigkeit, ein Ge: 
Sehens oder Zulaſſen, als eine pofitive, ein’ wirkliches Thun. Folg⸗ 
4 muB auch Schuld und Strafe, im Allgemeinen betrachtet, ge⸗ 
inger fein, wenn gleich im einzelen Faͤllen der Hehler, als Menſch 
Rrug’s encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterh. Wb. V. Suppl. 19 





290 Dienen Differenz 


betrachtet, noch ſchlechter fein Tann, als der Stehler. Dean bien 
Unterſchled betrifft dann nur ben individualen Charakter. — Wer 
ein Dieb vom Eigenthümer auf der That ergriffen wird: fo hat 
dieſer das Recht, jenen an ber Vollziehung der That zu hindern 
oder ihm das Entwendete auf dee Stelle wieder abzunehmen. ©, 
Herftellungsredt und Wiederzueignung. Wenn aber br 
Dieb dann gemaltthätig widerſteht, mithin ſich einem Räuber glei 
ſtellt: fo hat der Eigenthümer, der voraus nicht wiffen kann, me 
weit die Gewaltthaͤtigkeit gehen werde, auch das Recht der Notk 
wehr und ber Zuvorfommung. ©. beides. Die Sitte in 
alten Spartaner, ihren Knaben das Etehlen von Kleinigkeiten is 
fofern zu geflatten oder ungezüchtigt hingehn zu laſſen, als fie ſich 
nue nicht auf der That ertappen ließen, war wohl eim ſchlechen 
Mittel, die Knaben zur Lift und Gemandtheit für den Krieg je 
gewöhnen. Denn baraus konnte leicht ein Hang zum Stehlen ihr: 
haupt entftehn; mithin war es zugleich) eine Verwöhnung zus Die 
berei ober eine Verleitung zu einer uncdien Gefinnung. &. Gries 
meri disput, de furti apud Lacones licentia. Daß aber Sem 
ſchon von Natur einen Hang zum Stehfen oder gar nah Gall 
Scyädellehre ‚einen eignen Diebsfinn. oder ein befondres Diebw 
organ. haben follte, möchte ſchwer zu erweſſen fein. Judeſſen ins 
bei Kindern, die noch. keinen beſtimmten Vegriff vom Eigenihum 
haben, allerdings. ein folder Hang ſich leicht erzeugen, men ft 
nicht zur Achtung des fremden Eigenthums angehalten ader mim 
fie wohl gar von ihren Eltern zur Verlegung deſſelben 

werben. Denn ber Erwerb durch Stehlen iſt in den meiftenignm 





viel leichter und angenehmer, als. der: Erwerb. ducdy Arbeiten I 
ehmiichteit jener CErmperbtet 
IE, bei ie] 


Diffeſſion Dikaͤonomie 201 


en von den Individuen naͤher ſteht, als die Vorſtellung 
a der Gattung (genus) welche hoͤher oder abgezogner als jene 
, &. Geſchlechtsbegriffe. Die graduale Diff. iſt ein 
Ber Stufenunterfhied, ein Mehr oder Weniger. ©. Grab. 
fe aͤltern Philoſophen betrachteten die Differenz überhaupt als 
is der fünf Prädicabilin. S. Porphyr, der eine eigne Schrift 
rüber (de quinque vocibus) hintetlaffen hat. — Die Differen: 
alrehnung fammt ber mit ihe genau verbundnen Integral 
&hnung, welche fid, auf unendlich Kleine Größen beziehn, fällt 
6 Gebiet der Mathematik, gehört alfo nicht hieher. 

Diffelfion (von difhteri, nicht befennen, ableugnen) iſt bas 
sgentheil von Sonfeffion. ©. d. W. Daher neynt man einm 
d, buch welchen Jemand etwas ablehnt oder abſchwoͤrt (3. B. 
: Echtheit einer Scyulbverfchreibung oder andern Urkunde, die er 
ggeſtellt haben fol, aber nicht anerkennt) aud einen Diffeffi: 
18⸗Eid. Wäre das Abgelehnte oder Abgeſchworne ein ihm an⸗ 
ſchuldigtes Verbrechen, fo wäre der Schwur ein Reinigungs: 
ee Yurifications:Eid. ©. Eid nebft Zuf. Bei den Alten 
wwt diffessio nicht vor, obwohl purilicatio. 

Difformität. — Zuſatz: Sollte eigentlih Deformitdt 
uten. Denn bie Alten fagten nicht diflormitas, fonbern defor- 
tae, &. Deformation. — Wenn Manche Die Unwilfenheit 
se geiftige oder intellectunle Difformität genannt haben, 
IR das Übertrieben. Denn alle Menſchen füngen ja ihr geiſtiges 
bern mit der Unwiſſenheit an, ohne deshalb geiftig midgeftaltet zw 
n. Wenn aber die Unmiffenheit fortbauert und fih mit der Ro⸗ 
ie gefelit, oder wenn Irrthum und Aberglaube ben Menfchen be: 
iden: fo kann man diefen klaͤglichen Zuftand wohl mit jenem 
usdrude bezeichnen. Auch lehrt die Erfahrung, daß das Antlig 
5 Menfchen gleichfalls ein widerliches (fliere® ober bummes) Ge⸗ 
räge annimmt, wenn er fich in biefem Zuſtande befindet. 

Digamie f. Bigamie nebft Zuf. 

Dilsodofie (dıxuodoose, von dexuorv, das Recht, und 
wis, das Geben) bedeutet die Verwaltung ber Juſtiz, die Rechte; 
ee Gerechtigkeitspflege. S. d. W. 

Dikaͤokratie ſ. Dikaͤarchie. Doch komme bei den Alten 
wasoxnurea nicht vor, wohl aber dıxasupyın. 

Dikaͤometrie (neugebildet, von dıxasov, das Recht, und 
sspor, das Maß) bediutet die Abmeſſung' des Rechtes nad) den 
leſetzen, wie fie uͤberall flattfindet, wo eine gute Gerechtigkeits: 
flege malte. S. d. W. Der hoͤchſte Dikaͤometer iſt das 
Igeueine Rechtögefeg. ©. d. W. “ 

Diläonomte (auch neugebildet, von bemfelben und vozeng, 
8 Geſetz) bedeutet die Mechtögefeggebung. S. Re tögef eg und 





292 Dikaͤopolitik Dilection 


Geſetzgebung. Doch koͤnnt es auch die Rechtsaustheilung "ober 
Nechtöpflege bedeuten (von rewew, vertheilen, austheilen, wovon 
vonog felbft abftamme). Auch wäre dieß dem Sprachgebrauche der 
Alten gemäfer. Denn bei diefen bedeutet dexuoropog wirklid, einen 
Nichter, der eben das Recht verwaltet oder austheilt, indem er Je⸗ 
dem wibderfahren Läfft, was ben Rechtsgeſetzen gemäß iſt. 

Ditäopolitif f. Dikdologie. Bei den Alten kommt 
nur dixaorroiıg (Ö, 7) vor, aber nicht in der Bedeutung einer 
Gerechtigkeitsſtaͤtte, wie jedes Gericht fein foll, fondern einer Pers 
fon, die in ihter Stadt oder Provinz die Gerechtigkeit handhabt. 
Aıxao)oyıa fommt zwar vor, aber nicht in der neuern 
einer Lehre vom Rechte, fondern einer Nechtövertheidigung ober einer 
Darftellung deffen, was man in rechtlicher Hinſicht erſtrebt; wie dieß 
bei jedem Proceffe ftattfindet. 

Dikäopragie (dexammpayıa, von dixamv, das echt, 
unb gaoaeıy oder ngarreıw, handeln) bedeutet das Rechthandela 
oder Rechtthun. Wenn übrigens nach Ariftoteles (eth. nicom, 
V, 7. B) dıxarov von dıza abftammt, fo da es urfprünglich dı- 
xarov gelautet und etwas in zwei gleiche Thelle Getheiltes bedeutet 
haben fol: fo würde man darin ſchon eine Hindeutung auf bie un 
fprüingliche Gteichheit aller Menſchen finden innen, vermöge welche 
alle unter demſeiben natuͤrlichen Rechtsgeſetze ſtehen, das einm 
Jeden das Seine (suam euiyue) zuertennt. ©. Gleichheit nd 
Rehtsgefep. 

Diftifh. — Zuſatz: Manche Logiker nennen aud bee 
tategorifhen Schluß einen diktifchen (avAkoysanog deutung) 
weil er etwas direct zu beweiſen fucht, nicht indirect, wie der pH 





goegiſche. S. d. W. und Schluffarten. 
Dilapidation (von dilapi 


Dilemma Diminution 293 


e eigentlich Auswaͤhlung. Weil aber das Ausgewählte in der Re: 
£ wegen eines gewiſſen Werthes oder auch wegen einer befondern 
wneigung andern Dingen vorgezogen wird: fo bedeutet jenes Wort 
ich Werthſchaͤtzung und Liebe. Iſt von bloßer Auswahl die Rede, fo 
ge man lieber Election, wie bei der Auswahl des Wahren und 
ten aus verfchiednen Spitemen nad ber eligirendben oder 
lektiſchen Methode. S. Eklekticismus. 

Dilemma und Polylemma. — Zuſatz: Wenn Manche 
0 Dilemma complexio nennen, fo kommt dieß wohl daher, 
5 man damit einen Gegner gleichſam zufammenfaflt, Am ihn zu 
druͤcken. Die Benennung Krokodilſchluß aber beziehe fih ur: 
ruͤnglich nur auf einen einzelen Sal, ven dem man fie auf alle 
chluͤſſſe diefer Art übergetragen hat, wenn fie gegen ben Andern wie⸗ 
© umgekehrt werden koͤnnen oder argumenta reciproca find. €. 
recodilinus und Antiftrephon, nebft ben Zufägen. — Po- 
lemmen von mehr ale 4 Gliedern kommen höchft felten vor. Ein 
nsiges von 5 Gliedern (alfo ein Pentalemma) hab' ich bei 
icero (de divin. I, 38.) gefunden. Es ift aber nicht einmal 
tig. Denn bie Gültigkeit der Divination oder Mantik, welche 
je Stoiker damit beweifen wollten, ift auf diefe Art nicht erweis⸗ 
ch, Indem ſchon die erſte Vorausfegung: Si sunt dii elc. unſtatt⸗ 
ıft 


Dilogie. — Zuſatz: Audoyın bedeutet urfprünglid nur ein 
selmaliges oder wiederholtes Reden, dann aber audy ein zweiden⸗ 
zes oder boppelfeitiges, weil e8 nicht felten gefchieht, daß mun bei 
Ziederholung ber gefprochnen Worte ihnen einen andern Sinn un: 
legt, fei ed mie Abfiche oder aus bloßer Unachtſamkeit. Damit 
: aber nicht die Redefigur zu verwechfeln, welche die Alten ava- 
kaaıs ober astarız)unıg (refractio) nannten, mo man dad Wort 
nes Andern in der Gegenrede fo umbeugt (yleihfam umbricht) daß 
3 ebendadurdy einen andern Sinn befommt, wenn auch daraus 
ine Breideutigkeit des Ausdruds entſteht; 3. B. wenn Jemand 
ıf die Einladung des Andern: Venias nd me, antwortet: Venianı, 

impelravero veniam. Denn das iſt nur ein Wortſpiel, deſſen 

stem ſogleich einleuchtet, alio auch fein Misverſtaͤndniß veranlaffen 
na. Bei Quinctilian (instit. orat. IX, 3.) beißt dieſe 
tebefigur contraria signilcatio, obwohl kein logifcher Gegenſatz 
win liegt, fondern nur etwas Andres, als der zuerſt Redende ge: 
icht hatte. 

Diluvianifch f. antediluvianifhe Weisheit, Auf. 

Dimenfionen. — Zufag: Richtiger würde es heißen Des 
tenfionen. Denn die Alten fagten gewöhnlicher demensio, von 
smetiri, abmeſſen. 

Diminution ſ. Deminution 


294 Dimiffion Dinghaft 


Dimiffion. — Zufag: Der angebliche Unterfchled wiſchen 
Demiffion als freiwilliger Abdankung oder Miederlegung eines 
Amtes, und Dimiffion als von oben herab gegebner ober befohls 
ner Entlaffung eines Beamten, iſt wenigſtens nicht ſprachlich bes 
gründet, wenn auch hin und wieder im Gebrauche. Denn im Las 
teinifchen bedeutet demissio (von demittere, herablaffen) eigentlich 
Herablaffung einer Luft und bildlih in Verbindung mit animus 
(demissio animi) Niedergefhlagenheit; dimissio aber ift bei den 
Alten ebenfowenig gebtaͤuchlich als dimiltere. 

Ding. — Zuſatz: Das bloß moͤgliche ober logiſche Ding 
nannten bie Scholaftiter ens potenlia oder pofentiale, das wirks 
liche aber ens aclu oder actuale. — Wegen der finnlidhen umb 
überfinnlihen, menſchlichen und göttlichen, phyſiſchen 
und moralifhen, natärlihen und kuͤnſtlichen Dinge find 
dieſe Beiwoͤrter felbft zu vergleichen. 

Ding an fi. — Bufag: Wenn man dem Dinge an 
fid) das Ding für uns entgegenfegt, fo kann man jenes auch 
ein Ding für fich nennen. Manche verbinden aber lieber ben 
erften Ausdrud mit dem britten, fo daß fie Ding an und für 
ſich ſagen; was eigentlich ein Pleonasmus if. — Das Geſtaͤnd⸗ 
niß, daß wir nicht wiffen, was die Dinge an oder für fich feim, 
fondern nur, was fie für uns feien d. h. wie wir fie nach den Ge 
fegen unſres Geiftes vorzuftellen und zu behandeln haben, mir 
manden Philoſophen wohl nur darum fo fahrer, weit fie ſich gern 
das Anfehn geben möchten, als wüften fie alles; weshalb fie an 


ihre Phltofophie als Aliwiſſenfchaft bezeichnen. S. d. W 
nebft Zufag. Darum verwerfen fie lieber jenen Unterfchied als Im 
Spißfindigkeit, wo nicht gar als baren Unfinm Ullei bie wahre 





Dionys Dischlin 295 


Dionys. — Zuſatz: Ueber den beitten in biefem Artikel er: 
waͤhnten D. find noch folgende Schriften zu vergleichen: Baum- 
garten-Crusii dissert, de Dionysio Areopagita. Jena, 1823, 
4. und in Deff. Opuscc. theoll. Sena, 1836. 8. Nr. 11. (Der 
Verf. ertärt darin die Schriften bes D. für einen Verſuch, heid⸗ 
nifhe, beſonders bionpfifche ober bakchiſche, Myſterien zu verchrift: 
lihen). — Neoplatonismus und Heidenthum. Unterfuchungen über 
bie angeblihen Schriften Dion. des Areop. mit Rüdfiyt auf ver 
wandte Erfcheinungen. Berlin, 1836. 8. Th. 1. (Hier wird jene 
Meinung wieder beftritten). 

Dionyfodor. — Zufag: Diefer D. war eln Bruder dee: 
ienigen Cuthydem, nad welchem Plato einen feiner Dialogen 
benanut hat. Er Iebte früher in Thurii oder Thuriaͤ (einer Stadt 
im Unteritalien ober Großgriechenland, fonft auch Sybaris genannt) 
dann in Athen, wo er nicht nur die Philofophie, fondern auch Die 
Feibherrnkunſt Lehrte. Conf. Kenoph. memorabb. III, 1. 

Diorismus (dıopanog, gewöhnlicher deogauu, von Jdıo- 
o⸗derv, begränzen, beflimmen, unterfcheiden) bedeutet bie Logifche 
Begrängung der Begriffe, dann bie Unterfcheibung berfelben durch 
are Pie Grängbeftimmung, endlih auh eine Eintheilung. 


Direct. — Zuſatz: Der Unterfchied des Directen und 
des Indirecten ift nicht bloß in Logifcher und phufifcher, ſondern 
auch im moralifcher und juridifcher Hinficht von Bedeutung, befon: 
ders in ber Lehre von Schuld und Strafe, weil bei indirecten Ver: 
gehen oder Verbrechen Schuld und Strafe geringer fein muß, als 
bei directen, 3. B. beim Todtſchlage, der fehe verfchieden zu beur- 
theilen und zu beftrafen it, je nachdem er bie unmittelbare Folge 
der vollgognen Handlung und als foldye gewollt mar, oder nur mit: 
telbar und unabfihtlid aus der Handlung hervorging, indem Se: 
mand einem Andern zwar woche thun oder ihn befhädigen, aber 
nicht befien Leben ſelbſt zerſtoͤren wollte. 

Discendo docemus f. £ernen. 

Disceptation (von discepfare, hin und her nehmen, ſtrei⸗ 
en) = Disputation. ©. d. W. nebft Zuſatz. Discepta- 
bei heiße daher foviel als disputabel, obwohl disceptabilis nicht, 
wie disputabilis. bei den Alten vorkommt. Dei diefen bedeutet 
diseeptatio auch eine fchiedsrichterliche Verhandlung und disceptator 
einen Schiedsrichter. 

Discernibel. — Zufag: Da die Alten flatt discernere 
auch discriminare fagten, fo hat man ſtatt discernibilis und in- 
discernibilis auch diseriminabilis und indiseriminabilis gefügt. Aber 
alle dieſe Ausdrüde finden fich erft bei fpäteren Lateinern. 

Disciplin. — Zufag: Auf die fo wichtige ſcholaſtiſche 


296 Discorbiren Dislocation 


Disciplin bezieht ſich auch folgende Schrift: Eitenfämtt | über 
bie Dieciplin auf Gymnaſial-Anſtalten. Schweinf. 1: 

Disciplina und diseiplinabilis fi ſich zwar auch rn vn Am, 
aber nicht disciplinare und indiseiplinabilis. 

Discordiren und Discrepanz. — Bufag: Die Aum 
fagten zwar discordare, aber nicht discordantia, fondern bloß dis- 
cordia, während fie dad discrepare und diserepantia fagten. Ja 
den Bedeutungen iſt fein wefentlicher Unterfchied, obwohl urfpräng 
lich jene Ausdrüde auf einen Widerflreit der Herzen, biefe aber 
auf einen Widerftreit ber Töne fich bezichen. 

Discret. — Bufag: Discreta ſchlechtweg heißen bei den 
älteren Logikern auch die unter einer Gattung ftehenden Arten, weil 
fie durch eigenthümliche Merkmale von einander unterfchieden aber 
unterſcheidbat (diecernibel) find. — Diseretio bebeutet bei den Alte 
außer Unterfheidung auch Abjonderung und Auswahl. Discretes, 
Jdiserete und diserelim kommen bei ihnen vor, aber nicht disere- 
ürus und diseretive, 

Discurd. — Zufag: Aeltere Logiker brauchen discursen, 
was eigentlich ein Unherlaufen bedeutet, aud für syllogismus edr 
ratiocinalio, weil beim Schließen der Geift gleichfam zwiſchen den 
verſchiednen Saͤtzen des Schluſſes (Ober: Unters und Schluß⸗-Set 
ſich hin und her bewegt, um ihr logiſches Verhaͤltniß (als Gran 
und Folge) zu erfennen. S. Schluß. 

2 dämonie f. Deifidämonie, 

Disjunct. — Zufag: Disjunctes und Dis parates 


iſt nicht einerlei. Jenes hat einen weitern Umfang als dieſes; dem 

alles Disparate iſt wohl auch disjunct, aber nicht alles Diepen 

iſt auch disparat. So ‚find Mann und Weib zwar personamäen 
ben 





Disparition Dispenfation 297 


mbern audy in geiltiger Hinficht vorkommen, und in biefer 
ig felbft auf dem Gebiete der Philofophie. Denn bie 
hen haben nicht nur dieſes große wiſſenſchaftliche Ganze 
: Meinere Wiſſenſchaften (Logik, Metaphyfit, Aeſthetik ıc.) 
ılfo dismembrirt) fondern aud im Ganıen ſowohl als in 
fen heilen wieder die befondern philofophifchen Objecte oder 
ı und die darauf bezuͤglichen Lehrfäge auf fehr verfchiedne 
ngeordnet (alfo dislocirt). In einem philofophifchen 
ache aber geht natürlicdy die Dismembration und Dislocation 
tee, weil die in demfelben zu befolgende alphabetifche Ord⸗ 
r einzelen Artikel die verwandteflen philofophifchen Gegen: 
nd Lehren oft fehr weit von einander entfernt, fo daß fie 
wie disjecti membra poetae ober vielmehr philosophi aus⸗ 
3ergl. die beiden Artikel: Philoſophiſche Wiſſen— 
u und philofophifhe Wörterbücher. 
isparition (von disparere, verſchwinden, untergehn) be: 
m Austritt eines Dinges aus unftem Wahrnehmungekreife, 
ned untergehenden Geſtirnes. Ob mit diefer Verſchwindung 
e Zerftörung d. h. ein wirklicher Untergang des Dinges oder 
yören ſeines Dafeins als Urfache verbunden mar, bedarf das 
zeit einer genaucen Unterfuchung ; fonft mürde man in tau⸗ 
len einen Fehlſchluß machen (fallacia causae non causae). 
egentheil ift Apparition. ©. d. W. Bei den Alten 
wur apparitio vor, nicht disparitio. Selbſt disparere fin: 
"nur bei fpäteren Autoren. 
ispenfation. — Zufag: Das Dispenfiren des Staats 
Kiche in Bezug auf gewiffe von ihnen verbotene Hands 
Iann auch fo angefehen werden, als wenn bie Gefellfchaft 
us die Strafe oder Buße aufhöbe oder nachliefe, die nach 
rege ein Glied der Gefellfchaft hätte treffen müffen, welches 
ispenfation fo gehandelt oder gleihfam ſich felbft von der 
tung des Geſetzes dispenfirt bitte — folglich als eine Art 
gnadigung. Dennoch find Dispenfations: und Be: 
ungs-Recht, genauer betrachtet, fehr verfchieben. Denn 
gung findet nur nach Vollziehung einer gefegwidrigen Hand: 
tt, Dispenfation aber geht voraus und hebt für den ge: 
Fall die Gefegrwidrigkeit auf. Sie macht für dieſen Fall 
laͤufige Ausnahme oder ertheilt für denſelben eine Art von 
egium. Ed W. Mithin it das Dispenfiren aud 
gen Zoleriren verfchieden. Denn bier duldet man etwas 
igend aus Nachſicht oder Gonnivenz, dert ertheilt man eine 
liche Befugniß, um die man erſucht wird. Darum wird 
voͤhnlich etwas dafür bezahlt. Aber ebendieß hat auch zu 
na Misbrauhe mit den Dispenfationen Anlaß gegeben. 


208 Dispofition Disputation 


Staaten und Kirche würden ſich jedoch ſchlechthin entehren und ih: 
ten eignen Zwecken widerſtreben, wenn fie Semanden, ſei es für 
Gelb oder aus bloßet Gunft, von allgemeinen Bürgers oder Mex- 
ſchenpflichten dispenficen, ihm alfo gleihfam ein Peloiegium & 
Verlegung folder Pflichten (zum Morden, Rauben, Stehien, Be 
trugen und Derführen) ertheilen wollten. Und bod iſt aud die 
zuweilen vorgefommen. Man denke nur an bie Exlaubniß der Rs 
perei, des Sklavenhandels, der Errichtung von Buhl⸗ umd Spiel: 
häufern, des Ablaſſttams x. Es ift alfo das Dispenfable d. & 
was · unbeſchadet jener Pflichten nachgelaffen werden kann, vom Jr 
dispenfablen, bei welchem dieß nicht der Fall iſt, wohl zu um 
terſcheiden. Es bat übrigens biefer Gegenſtand zu vielen Gtwits 
ſchtiften Anlaß gegeben, beſonders in Bezug auf bie Schranken des 
Dispenfations= Rechtes und beffen Anwendung auf Ehefachen, Eid 
ſchwuͤre und andre theil® bürgerliche theils Eirchliche Angelegenheiten 
©. Engebrechti dissert. de pofestate prineipum im dispes- 
sando. Helmft. 1655. 4. — Alberti dissert. utrum dispes- 
satio circa jus nalurae locum habent. Leipz. 1685. 4. — Bat- 
tierus de dispensatione et illius jure. Bafel, 1693. 4. — 
Röhrensee de dispensatione circa jusjurandum. Wittenberg, 
1696. 4. — Palthenins de jure principis dispensandi circa 
leges etc. Greifew. 1705. 4. — Boehmerus de bin 
et stalunm evangelicorum dispensandi u in mis 
tam sacris quam profanis. Halle, 1722. 4. — Ay- 
reri-comment. juris ec de jure dispensandi cirea u 
nubia ete.  Götting. 1742, 4, — Struvii dissert. de dep 
satiohibus; in der Biblioth, juris imperantium, quadripartits pa& - 
147 85. wo noch mehr dergleichen zu finden. — Statt Di) 





Disputation 299 


zu biefem Behufe benugen: Die Disputirs und Vortrags⸗ 
Eine praktiſche Anleitung zum logifchen Beweiſen und Wi: 
en und zum folgerichtigen Gedantenvortrage. Bon 3. D. F. 
npf. Berl. 1832. 8. — Ob man lateiniſch oder in der Mut: 
ache biöputire, iſt am fich gleichgültig, wenn man nur jener 
che auch fo mächtig ift, daß man fich In berfelben wenigftens 
indlich ausdrüden Tann. — In geſchichtlicher Hinſicht ift noch 
emerken, daß fchon in den griechifchen Philofophenfchulen fleißig 
itirt wurde, wenn auch nicht fo förmlih und feierlich ale fpäs 
ı, fondern mehr geſpraͤchsweiſe. Beſonders zeichnete ſich in die 
Yinficht die megarifhe Schule aus, welche deshalb audy die 
tende oder eriftifche genannt wurde. ©. Megariker und 
tie. Jenes folenne und formelle Disputiren aber kam erſt im 
elalter auf, befonders feit Errichtung ber Univerfitäten, wo man 
yabilitationen, Promotionen und andern Gelegenheiten feine 
gkeit im Disputiren öffentlich zeigen muffte, um barzuthun, 
man ein würdiges Glied einer fo gelehrten Körperfchaft fei oder 
werden koͤnne. Daher kommt auch der Ausdrud des Ein⸗ 
yutirens oder des Disputirens pro loco, indem die ges 
bene und vertheidigte Disputation (denn die Schrift ſelbſt, über 
ve biöputict werden follte, befam auch bdiefen Namen) gleihfam 
Meiſterſtuͤck war, das man ber gelchtten Zunft oder Innung 
Pruͤfung vorlegte. Zumeilen ſtellte man aber auch nur gewiſſe 
Ige Saͤtze (theses) auf, um darüber zu disputiren; wobei man 
ilen fogar eine öffentliche Ausfoberung an alle fampfluftige Ges 
ı ergehen lief. ©. Pico von Mirandula. Es ging jes 
dabei nicht felten fo hisig zu, daß dee Kampf fogar febensges 
ich wurde. So wird von dem Rechtsgelehrten Portius Agon, 
jo berühmt war, dag man ihn die Duelle der Gefege (fons 
m) nannte, berichtet, daß er einft in der Hitze ber Disputation 
m Dpponenten cinen Leuchter an den Kopf warf und ihn ba- 
tobt zur Erbe ſtreckte. Allerdings das triftigfte Argument, einen 
quemen Gegner zum Schweigen zu bringen! — Daß «8 aud) 
laflifhe Dunde: Disputationen gegeben habe, bei wel: 
zwei Hunde die Mollen zweier berühmten Philofophen, Ari⸗ 
ele8 und Cartes, fpislten und fi als Gegner tuͤchtig her: 
fen, erzählte das Magazin für die Literatur des Auslandes 
‚, 64.) welches der Allg. Preuß. Staatszeit. (F. 1834) beige: 
ei. Mach tiefer Erzählung hatte ein Moͤnch in Frankreich 
Hunde fo Eunftreich in der Abſicht dreſſirt, um den zu feiner 
mit großer Hartnädigkeit geführten Schufftreit zwifchen den An: 
ern jener beiden Philofophen auf eine komiſche Weile zu paro⸗ 
. Sehr wigig mar freilich diefe Art der Parodie nicht; indeſſen 
Ce fie doch Effect und beluftigte die Mönche weit mehr, als 


300 Disquifition Diſtinction 


das Abſingen ber Horen. — Wegen einer gleichfalls merkwüͤtdigen 
Disputation Über die Liebe f. d. W. nebſt Zuf. 

Disquifition (von disquirere, hin und her fuchen, un 
terfuchen, forfhen) wird vorzüglih von wiffenfhaftlichen Un: 
terfuhungen gebraucht; denn eine gerichtliche, befonders wenn 
fie peinlich ift, nennt man gewöhnlicher Inquifition. S. d. W 
und Unterfuhung. 

Differtation (von disserere, eigentlid von einander trms 
nen oder aus einander fegen, bildlich aber reden, unterreden, unter 
fuchen) bedeutet bald foviel als Disputation, bald foviel als 
Disquifition. ©. beides. Auch werden Schriften oder Abhanbı , 
lungen, beſonders Eleinere, fo genannt. 

Bilfociabel iſt das Gegentheil von fociabel. ©. für 
cial, 

Diffologie oder Dittolögte (dıvaoAoyın ober Ireralh, 
von Noooc ober Öirr., zweifach, doppelt, und Asyer, Tagen) fm 
det ftatt, wenn etwas nicht bloß zweimal, fondern mit verichi 
nen, ohwohl fononpmen, Wörtern gefagt witd. S. 
mie. Etwas anders ift Dilogie (f. d. MW.) obwohl diefelbe aus 
jener entftehen kann, wenn die Wörter nicht wirktich eimeriei Gin 
obrt Bebeutung haben. Sind fie aber in dee That gleichgelient, 
fo nennt man die Dittologie aud) Tautologie. ©. d. — 

Diffolution (von dissolvere, entbinden oder aufläfen) Br 
deutet die Trennung ober Scheidung defjen, was bisher gebe 
ober vereinigt war, mithin Auflöfung (f. d. MW.) wiemoht mm 
dafür auch oft das einfache W. Solution braucht. ai 
ein Menſch ‚oder fein Leben diffolut genannt, iR dentt 9 

(öfende oder: ausfchtweifende Lebensmeife 


















Ditheismus Doctrin 301 


jſenauere Forſchung der Wiſſenſchaft nicht ſtehen bleiben 
dieſem Behufe ſtellt man daher Bedobachtungen und 
an. ©. beide Ausdrüde. — Diſtinct und indi⸗ 
yentet eigentlih unterfchieden und ununterfchieden, dann 
beftimmt und unbeitimmt, weil dad Unterfcheiden zum 
Beflimmen erfoderlih if. S. beftimmt. 

yeisßmus f. Bitheismus, 

tologie f. Diffologie. 

erfität (diversitas, von diversus — dis versus, 
se gewandt) — Verſchiedenheit. S. Differenz, aud 


ination. — Zufag: ©. auch das Werk von Casp. 
le praecipuis generibus divinationis. Wittend. 1572. 
36 W. divinatio kommt eigentlich zunächft her von di- 
vas nach göttlicher Weife vorausfehn, entweder vermöge 
ee göttlicher Eingebung, oder vermöge gewiſſer Zeichen, 
16 göttliche Andeutungen betrachtet, fie wenigſtens fo aus: 
I denn natürlid eine Menge willkürlicher Vorausſetzun⸗ 
ſt werden, in welche ſich theild das Spiel der Einbils 
theils die Kunft der Betrügerei mifht. — Von ber Di: 
iſt aber zu unterfcheiden die Divinifation d. h. bie 
9 eines menſchlichen oder auch wohl thierifhen Wefeng, 
te mit Deification; wiewohl bei ben Alten weder di- 
soch deificatio vorfommt, fo oft audy die Sache felbft 
yorfam. Vergl. Apotheofe nebft Zuf. 

Ina gratia s. providentia f. Dei gratia 


ifion. — Zufag: Die älteren Logiker nennen auch die 
) fm einem Urtheile eine Divifion, weil dadurch das 
om Eubjecte wie ein Theil vom Ganzen getrennt erde. 
eildarten. Manche begreifen fogar unter demfelben 
auch die Unterfheidung der Materie und der Form, ber 
und ber Uccidenzen, der Urfache und der Wirkung, des 
nd feiner Theile, überhaupt alles in Concreto oder in 
Verfchiednen; was jedoch unftatthaft if. — Wegen des 
isi et compositi beim Schließen und des logiihen Grund⸗ 
divisis ad conjuncla non valet consequentia, ſ. So⸗ 
Pr. 1. a. Auch vergl. Sndividbuum. 

trin. — Zuſatz: Dis neugebildete Wort Doctrinas 
der Doctrinianismus oder Doctrinalismuß be 
gewöhnlich auf die politifche Denkart ber in biefem 
‚1. ©. 633.) bereitd erwähnten Doctrinaͤrs. ©. auch 
er das Syſtem der Doctrinäre; in Deff. Jahrbuͤchern der 
und Etantstunft. 1835. Januar. S. 1 ff. Doc laſſen 


302 Dodekadik Dolos 


ſich dieſe Ausdruͤcke, beſonders ber dritte, auch auf das gel 
Weſen ober Unweſen überhaupt beziehn. 

Dodekadik ſ. Dekadik. 

Dogma. — Zuſatz: In wie weitem Sinne die Alten 
ſes Woet nahmen, erhellt aus Seneca's 95. Briefe, wo es 
ter andern heißt: Quae Graeci vocant dogmata, nobis 
creta licet appellare vel scita vel placita. Der legte < 
druck ift befonders gebräuchlich von philofophifchen Lehrfägen. 3 
um führt auch ein altes von biefen Lehrfägen handelndes Werk, 
man, obwohl fäfhlih, dem Plut arch zugeſchrieben hat, den 
tel: De placitis philosophorum, oder wie es im Griechiſchen b 
Ilgı zwv ugsoxovrwy Toıg gılocogors, de iis, quae phil 
phis placent — gleihfam als kaͤm' es beim Aufitellen oder ! 
werfen eines philofophifchen Lehrfages nur auf Gefallen oder 9 
fallen an, wie bei Aftpetifhen Producten. Eher könnte man d 
Ausdrud religiofen Dogmen angemeffen finden, da wenigſtens 
derfelben auf einer poetiſch⸗ mythiſchen Ueberlieferung beruhen 
daher auch ein aͤſthetiſches Gepraͤge baten. ©. Mythologie 
Ueberlieferung. 

Dogmatik. — Zufag: Die Alten fagten ſtatt doyuz 
scil. emornun auch doyuazoroyın. ©. Dogmatologie 
Dogmatopöie, 

Dogmatismud. — Zufag: Soyuurıouog kommt ym 
her von doyuarılam, Meinungen ober Lehrfäge (doysara) 
ſtellen oder vortragen. Darum heißt aud) dozuurınıng, wer 
Meinung oder Lehre aufitellt oder vorträgt. — Hyperdog 
tismus bedeutet eine Uebertreibung des Dogmatismus entwee 
philoſophiſchet oder in theologiſcher Hinſicht. Das Mort 









Domeflife Donation 303 


Ginige dolas bonus nennen, bei bei Andern pia frau Beide 
Ausbrüde find aber unpaſſend. ©. Betrug, Zuf. 

Domeftifh. — Zufag: Domefticität bebeutet eigent⸗ 
lich bie Hausgenofienfchaft oder den Stand eines Hausgenoffen über: 
haupt, ob man gleich darunter gemöhnlid im engern Sinne den 
dienerichaftlichen Stand verfieht. — Bel den Alten kommt nur do- 
mesticus vor, nicht domesticitas, 

Dominiren (dominari, von dominus, der Herr) bedeutet 
überhaupt herrfchen, was fowohl im Daufe ald im Stante und 
ſelbſt in der Kirche ftatefinden kann, obwohl bier unbefugter Weife. 
S. Haus und Hausredt, Staat und Staatsrecht, 
Kirche und Kirchenrecht. Wenn aber von einer bominirens 
den Philoſophie bie Rede ift, fo denft man nur an eine un⸗ 
eigentlihe Herrſchaft. Dan verftcht naͤmlich darunter eine folche 
Philoſophie, die eine Zeit lang viel gegolten ober in großem Ans 
ſehen geflanden, mithin gleichſam bie Geifter beherrſcht hat. Dies 
ſes umeigentlihe Dominiren ift aber oft noch vergänglicher, ale das 
eigentlihe, kann auch keinen foldyen Schaden ftiften, mie biefes, 
weil es Jedem feeifteht, fich augenblicklich einer anmaßlichen Herr⸗ 

ſchaft über feinen Geiſt zu entziehen. Daher kann auch in biefer 
. Beziehung nicht von Recht und Umeht die Rede fein, obwohl von 
fognamnter Rechthaberei. ©. b. 
Dominium. — Zufag: em man dominium herile s. 
” despeticum unb dom. civile s. politicum unterfcheidet, fo ift das 
zwar an fich richtig. ©. dem vor. Art. Indeſſen wird despotiſch 
auch von der politifchen Herrſchaft gebraucht, wenn fie anmaßs 
Uch und gewaltfam wird. — Ferner unterfcheidet man auch domi- 
zism plenum und minus plenum, je nachdem es unbefchränkt oder 
befchzänte if; besgleichen in befondrer Hinſicht auf den Gebrauch, 
den man von feinem Cigenthume machen oder machen laſſen kann, 
dominium direcium und indirectum s. utile, wenn der Eine das 
Eigenthum ohne den Nießbrauch und der Andre den Nießbrauch 
> ebne das Eigenthum an der Cache felbft hat; wo alfo bas Eigen⸗ 
thumstecht auch beſchraͤnkt if. ©. Eigenthum und Nieß⸗ 
brauch. Unter dominium eminens verſteht man das Eigenthum 
Bes Staats in Bezug auf das Staatsgebiet, unter dominium vul- 
. gare aber das Privateigenthbum gewiſſer Perfonen (phpfifcher oder 
wesralifcher) im Staate. Jenes heist im Deurfhen Dbereigens 
tbum, dieſes Niebereigenchum. Doch nennen Mandye auch 
vs dem. directum ein oberes, und das dom. utile ein niederes. 
— Für dominium fagten die Alten auch dominatus, body mehr 
. ber Bedeutung von Herrichaft oder Oberherrſchaft. Daher ſteht 
‚ guieilen fogar für Despotie oder Tyrannei. S. beides. 
Donation. — Zufag: Donarium bedeutet eigentlich jedes 





304 Doppelbegriffe Dotation 


Geſchenk; doch verftanden darunter die Römer befonders ein heili⸗ 
ges Geſchenk, ein Geſchenk an oder in einen Xempel. Darum hieß 
aud fo der Tempelſchatz, der meift aus foldhen Gefchenten beftand, 
ja der Tempel felbft und dee Altar, auf welchem nıan fie nieder 
legte. Donativum heißt gleichfalls ein Geſchenk, bei den Mömern 
aber befonders ein Geſchenk für die Soldaten, dergleichen die Kair 
fee häufig machten, um die Soldaten ſich deſtomeht zu verbinden. 
Späterhin hat man auch Abgaben, wenn fie von den Landesherren 
mehr erbeten ald gefodert wurden, Donative genannt. — Dem 
donator als Geſchenkgeber fteht gegenüber der donatarius als Ge 
ſchenknehmer. Daß diefem von jenem das Geſchenk in gewiſſen 
Faͤllen wieder genommen ober abgefodert werden dürfe, 3. B. wenn 
er fi) undankbat bewieſen, ift nur eine Beſtimmung des poſitiven 
Mechtes, da die Dankbarkeit Feine ſtrenge Rechtspflicht, fondern naz 
— — if. ©. Dankbarkeit und Undank, nebſt dee 
ufägen. 

Doppelbegriffe. — Zufag: Dahin gehören aud ale 
Verhältniffbegeiffe, wie die Begriffe von Urſache und Wir 
tung, Cubftanz und Accidens, Herrſchaft und Dienerfhaft ı. Aus 
diefem lo giſchen Dualismus iſt aud mancher andıe (am 
thropologifche, theologiſche 2c.) hervorgegangen. S. Dualismus 
nebft, Zuſ. 

Doppelgänger heißen Denfhen, bie angeblich in pair 
facher Perföntichkeit leben ‚und handeln. Der Glaube am ſoich 
ſcheinungen ifb- entweder aus. der Wahrnehmung einer ungemein 


Aehnlichteit zweier Perfonen,' die oft mit einander verwechfelr 
dem, oder auch wohl aus. der Hppothefe von der Serlenmanderumg 
entftanden, vermoͤge der man annahm, daß ein Menfch mehr alB 





Doxaſtiſch Drei 305 


ind pacta dotalitia (Dotalcontracte) find Verträge, welche 
dee auch deren Eltern und Vormünder wegen bee Außs 
Hießen. Sie gehören mit zu den Ehepacten, finden aber 
nur flate, wenn die Ausſteuer von Bedeutung if. — 
kommen bei den altrömifchen Autoren zwar dotare, do- 
dotalis vor, aber nicht dotatio und dotalitius. Bei ber 
wten fteht dotalitium auch als Subft. für dos. Di Grie⸗ 
gleichfalls dws (von’dow, do) aber in ber allgemeinen 
einer Gabe oder eined Geſchenkes. 
aftifh (dokaorov oder dosuorıxov, von doka, bie 
oder zunächft von do&aleır, meinen) heißt alles Ges 
inatam) was baher nicht wahr und gewiß im firengen 
ndern nur wahrfcheinlih, alfo ungewiß, zuweilen gar nur 
mithin falih if. Daher dosaozızwg — xara dokar, 
epinionem. Doc) fteht bei den griechiſchen Philofophen 
oft für Urtheil und doßalew für urtheilen überhaupt, 
mung und Urtheil. 
omanie (dofouavnın, von ben. und yarıa, ber 
‚ bedeutet nicht einen Meinungswahnfinn, fondern, weil 
Ruhm und Ehre bedeutet, einen mwahnfinnigen Ehrgeiz 
Hs zur Wuth gefteigerte Ruhmſucht, welche bie Griechen 
payıa (von guyeır, efien — gleichſam Heißhunger oder 
ah Ruhm) nannten. Das blofe Streben oder Traths 
Ehre aber nannten fie dokoxoma oder dokoxouna (von 
ſchlagen — gleihfam nad Ehre fchlagen) wiewohl auch 
? zumellen für ein übertriebnes Streben nach berfelben 
Ehrgeiz. 
ofophie. — Zufag: In einer Schrift von Gottlieb 
welche Literatus infelix: überfchrieben ift und manches 
enthaͤlt, werden auch die turgidi et jactabandi doxo- 
E mitgenommen und ihnen bie pusilli eritici et stentores 
cht unpaffend zur Seite geftellt. Die doSooogıa fcheint 
Men Zeiten vis! Yiebhaber gefunden zu haben, weit Die duSo- 
a von Plato ebenfo gefchildert und geftriegelt werden. 
i. — Zufag: Daß man dieſe Zahl für bie vollkom⸗ 
für eine heilige hielt, und daher in der heil. Trias 
yeil. Ternarius allerlei Geheimniffe fuchte, fam wohl 
‚ daß ihr Hervorgehn aus ber Verfnüpfung der Eins 
nas) mit der entgrgengefegten Zweiheit (Dyas) einen 
n Cyklus dis Setzens (Theſis — 1) des Gegens 
Antitheſis — 2) und des Gleihfegens oder Bere 
dee beiden zuerſt Gefegten zu einem Dritten (Synthe⸗ 
+ 2 = 3) darzuſtellen [hien. Daher fügte man uns 
Omne trinum perfectum, oder: Aller guten Dinge find 
encpliopäbifc-philof. Wörterb. Bd. V. Suppl. 20 


306 Dreieinigkelt 


drei, ob man gleich das Boͤſe ober Schlechte ebenſowohl ats ei 
dreifaches darftellen ann, fobad man will; mie ein Reifebeſcheeibe 
fagte, drei Dinge hätten ihm feine Relſe am meljten " verbitter 
namüch ſchlechte Wege, ſchlechte Wirthehaͤuſet und ſchlechte Gefel 
ſchafter. Deſſen ungeachtet haben Philoſophen, Theologen u 
Theoſophen immerfort ein loſes Spiel mit der myſtiſchen Derheh 
getrieben; weshalb ein witziger Kopf von den neuen Matuphlie 
fophen, die es zum Theil ebenfo machten, fagte, ihre Comfrucien 
der Natur fei ein , 

¶ Dreidreidreimal gebreiteß und dreimal breibreifiges Dreibeele 
Auf daſſelbe Spiel zielt aber audy Göthe, indem er den Me 
pbiftopheles zu feinem im Wiffen wie im Genießen unefi 
üchen Schüler fagen laͤſſt: 

Rein Breunb, bie Kumß in alt und neu; " 

„@8 war bie Art zu allen Beiten, 

„Durd Drei und Gins und Eins und Drei 

„Zerttum ſtatt Wahrheit zu verbreiten. 

So ſchwaͤrt und lehrt man ungeflört; 

„Mer will fi mit den Karen befaffen! 

„@ewöhniidh glaubt ber Wenfeh, wenn er nur More Dört, 

m@b mäffe ih debel dech au mad denken Laffen.” 

Dreieinigfeit. — Zufag: Beſſer würde man Dreieie 

heit fagen, weil drei Perfonen wohl fehr einig fein Lönnen, ds 
daraus deineswegs folgt, daß fie auch eines ſeien. Ob unb uk 
aber drei göttliche Perfonen trotz ihrer perfönlichen Verſchiedehc 
ohne welche fie nicht drei fein koͤnnten, doch auch zugleich eind ( 
ober ein einziges görtliches Wefen conftituicen. koͤnnen, backber je 
ben alle Schriften der Trinitarier gegen die Untariee 








Dritter Stand 


x Derirt dech aus drei Seiten und 
zus drei Elementen — Mic 
ze — beñthe) nur ſchwache Vers 

A nicht genug hat, vergl. 
iſſenſchaft, Th. 3. 3. 1. 
36 der Art in den Artikeln 
t zn Smanation zu finden. — Ein Tee 
Schönherr (f. Theofophie, uf.) 
gemacht, daB die Dreieinigkeitslehre auf 
umenden und dieſe nach jener im folgende 















— bis Abraham, 

es — bis zur Wiederfunft Chri 

es — taufendjähriges Reid. 
Rır Fam. das Chriſtus felbft (oh. 17, 3.) den, ber iha 
gun a einzigen wahren Gott genannt und dadurch ale 
ne ıeöhmengiichen Speculationen gleichſam a priori mit einem 
Emuze tet hat. Denn hätte er fi ſelbſt auch als Ger 
Asteaheet wiſſen wollen: fo hätte er nicht fagen Eönnen, 
immer alleinmsahre gefandt habe — oder er hätte auf eine fo aber 
Mindliche MWeife geredet, daß fie einer Verleugnung feiner eig 
Secchet gliche. — Betrachtet man aber Gott als dem alleinige 
Wngusil aller Wahrheit, Schönheit und Gutheit: lana 
mam wohl auch dieſe Dreiheit eine goͤttliche Dreieinheit mw 
wen  Diefe mehr Afthetifche als philoſophiſch⸗ theologiſche 
Me inte) etwas ganz Andres, als was man fonft bei biefem Zah 
Seue gedacht oder vielmehr zu denken verfuht bat. ©. Dar 
— auch Modalita t und Menſchwerdung mebft Buff 

re i (iritheismus) it ei art 












Drittes Drohungen 300 


geiſtiichen, die in dielen Staaten, mit mehr oder weni⸗ 
echten ausgeſtattet, angetroffen werden. S. Stand und 
t. Auch vergl. bie merkwürdige, im Anfange der franzoͤ⸗ 
oolution vom Abbe Sieyes herausgegebne und auf berem 
maͤchtig einwirkende Schrift: Qu’est-ee que le tiers- 
out. Qu'a-t- il été jusqu’ A present dans l’ordre po- 
Bien. Que veut-il? Devenir quelque chose. Das 
d das Bien war freilic übertrieben. Aber die Schrift 
‚ fo viel Anklang in und außer Frankreich, daß man in 
it gegen 30,000 Eremplare abzog und verbreitete; wodurch 
gefhahe, daß der tiers-eEtat hin unb wieder nicht bloß 
chose, fondern noch etwas mehr murbe. 
ittes oder Mittleres zwifchen zwei Entgegengefegten 
Hileßung. 
eſch (Eeonh. von). — Bufag: Er war 1786 zu Bam: 
von, ſtudirte bafelbft, zu Würzburg und Landehut, mar 
3 Privatlehrer (nicht Profeffor) zu Heidelberg, feit 1810 
11) Prof. des Staatsrechts zu Zübingen, fett 1817 Prof. 
enrechts und der Kirchengefchichte daſelbſt, ging fpäter nach 
und von da nah Münden als Profeffor des baterifchen 
bes, wurde ſpaͤter auch Miniſterialtath im Departemmt 
ärtigen Angelegenheiten und des Eöniglichen Hauſes, unb 
6 an ber dafelbft herrfchenden Cholera. 
obiſch (Mor. Wild.) Doct. der Phitof. f. 1826 außerord. 
‚u. f. 1827 ord. Prof. der Mathem. zu Leipzig, hat fid) nach 
8 Anfihten in dee Philof. gebildet und-ift auch als Verthei⸗ 
» Entroidier derſelben in folgenden Schriften aufgetreten: 
zur Drientirung über Herbart's Syſtem ber Philofophie. 
34. 8. — Neue Darftellung ber Logik nach ihren ein: 
Berhältniffen, nebft einem logiſch⸗ mathematifchen Anhange. 
8. 8. — Auch hat er mehre alademifhe Programme 
a gemeinfamen Titel: Quaestionum matltematico -psycho- 
a specimina (bi8 1837 vier in 4.) herausgegeben, um 
yartfcher Art mathematifche Formeln auf pfochifche Phaͤ⸗ 
anzuwenden und dadurch diefe, wo nicht zu enträthfeln, 
wer zu beftimmen, als es bisher von, den Pfpchologen und 
feinem Borgänger gefchehen ift. 
ohungen. — Zug: Drohungen ober Bebro: 
(minae, mimaciae, minationes, comminationes) find 
Ankündigungen künftiger Uebel. Diefe können entweder 
fen dußern Bedingungen abhangen, wie wenn Jemand 
Anden, den er beim Gewitter unter einem Baume fie: 
‚ fage: „Geh weg von hier! fonft wirb dich der Blitz er⸗ 
— ober von dem Willen des Drohenben felbft, vole wenn 


310 Droʒ Druck 


Jemand zum Andern fagt: „Sch werde Dich erfäfngen, wem Du 
das nicht thuſt oder laͤſſeſt.“ Die erfte Art der Drohung iſt Beine 
Veleidigung, fondern mehr eine Warnung; bie zweite kann nad 
den Umftänden Beleidigung fein oder nicht. Wenn der Water fein 
eigenfinniges Kind mit einer Zuͤchtigung, ber Herr feinen ungehee 
famen Diener mit Fortfhidung oder Lohnkürzung, der Gläubiger 
feinen boͤswilligen Schuldner mit einem Proceffe bebrobt: fo tkm 
fie nur, wozu fie nach den Umftänden berechtigt, obwohl bie Dem 
bung hier an eine beftimmte Perfon gerichtet, alfo perfoͤnlich ik 
Es giebt aber auch unperfönliche d. h. folde, die am gar keim 
beftimmte Perfon gerichtet find. 

Droz (Iorpb). — Zufag: Seit 1832 it er auch Wis 
glied der Kıtemie der moraliſchen und politiſchen Wiffenfaften in 
Paris. — Die Rerue du progres social (1834. Sept. Zuf. 4 
©. 438) ſagt in einer Recenfion diefes Wörterbuch hinfichtlich bie 
ſes Artikels: „Il signale M. Dr. comme un partisan de de 
„monisme ou de la morale de l'iniérèt. M. 
nelfet compose d’apres ces pripcipes son Essai sur 
„d’etre heureux; mais plus tard il a beauconp modiß6 ws 

„doctrines, et dans ses derniers ouvrages il prefesse l’acle- 
„eticisme en philosophie et en morale.“ Diefe Veränderung ie 
der phitofophifchen Denkart des Hrn. Dr. zu bemerken, Hide 
für u ob fie auch eine Verbeſſerung fel, laſſ ich bapingefkit 

Drud (pressio, von premere, brüden) bedeutet, 
genommen, die Wirkung der im Raume ſich drängenden 
gegen einander nad; dem Gefege des materialen Antı 
mus. Diefen Drud nennt man auch den mehanifche 
er auf» Bewegung beruht, indem die Körper, ment fie ai 








312 Dulee est desipere in loco Dummheit 


— : weil mie erwelslich, da auch mehre Wölker 
fern dönmen. Es iſt vielmehr jenes Wort 
heilum, bie fi) aud) in dem zufammens 
bat, 







You) urfprunglich ein Wapıiprug de 
ewiſſermaßen ſchon daraus, daß ihn Dos 
.) aufftellt, im welcher er feinen Sreund 
2 auffodert; wie er in einer andern Ode (II, 7.) 
nach langer Abweſenheit zurückgefchrten Freund 
3 einladet, in aͤbnlicher Weiſe fagt: Beceplo 
were est amico, Wenn aber der joviale Dicte 

Ne Worte vorausfhidt: Misce stultitiam 
it das doch im Grunde auch nichts weiter, als 
n;: Interpone tuis interdum gaudia curis, die fih 
trengften Moral verträgt und felbft von der Diät 
ae Ama 'sslen wird. Auf diefe Art verſtanden kann aljo jener Tin 
wach eben fo gut ein Meisheitsfprudy genannt werden, als ber 
aicht minder bekannte und gerühmte deffelben Dichters: Dulce ed 
deevram est pro patria mori (od. Ill, 2). Der fin fühlmde 
Dichter hat nur dort mit Recht das zweite Prädicat weggelaſſen 
weil es doch etwas naͤrtiſch Bingen würde zu fagen: Dulce et de 
eurum est desipere in loco. Uebrigens fagt der griechiſche Sprud: 
Haurnrius ev zuugta (farere in teinpore) daſſelbe, weil zug and 

mit Ton vertaufcht oder verbunden werden Eönnte. 

Duldfamkeit. — Zufig: Wenn auch biefe Tugend wicht 
ton der Moral und Religion gefodert würde, fo waͤr' es ſchon da 
Kugbeit gemäß duldfam zu fein. Denn der Unduldfame hat dab 
im der Megel den Zweck, feinen Glauben, den er für den allda 








Dunkelheit Dinn 313 


Dunkelheit. — Zufag: Die Dunkelheit außer uns ift 
te bloß phyſiſche, die Dunkelheit in uns aber eine pfochifche, 
d 'biefe kann nach Umftänden bald intellectual ober logiſch, 
d moralifch oder ethiſch, bald auch beides zugleich fein. 
enn ed nun in unſtem Geifte logiſch dunkel ift und ber Geiſt 
» dann durch Sprache und Schrift aͤußert: fo geht natürlich jener 
flige Lichtmangel auch in diefe Aeußerungsweife über. Dean wirb 
o in dieſem Kalte audy von Andern nicht gehörig verftanden wer⸗ 
z, weil man nicht klar in fich felbft iſt ober ſich felbft nicht vers 
bi. Daraus entfleht eine neue Art von Dunkelheit, nämlich die - 
ammatifch = ftytiftifhe. Man follte nun allerdings nicht 
wiben, daß dunkle Meden und Schriften gefallen könnten. Uhb 
4 ift es häufig der Fall. Den Grund davon hat Ammon in 
aer Schrift: Die Fortbildung des Chriſtenthums zur Weltrelis 
m (9. 1. ©. 83.) ſehr richtig fo angegeben: „Die dunkeln 
Ränner, die fich felbft nicht verftchn, werden von ber halben Welt 
erwundert, weil fie Jeder auf feine Weiſe verftanden haben will,” 
d — koͤnnte man hinzufegen — weil die Menfdyen immer einen 
ng haben, hinter bunfeln Worten, die orakelartig klingen, einen 
f verborgnen Sinn zu fuchen. Glauben fie nun biefen gefunden 

haben, fo fchmeichelt dich ihrer Eitelkeit; fie halten ſich nun für 
wpten oder Geweihte. Wenn indeffen der Grund der Dunkel⸗ 
£ nicht in der Mede oder Schrift felbft ale einem Objecte des 
wftandes liegt, fondern bloß in dem börenden oder fefenden Subs 
te (feiner Ungeüubtheit oder Unkenntniß, fomohl überhaupt als bes 
ders in Aufehung der Sprache ober auch der Suche, von wel: 
r eben bie Rede ilt): fo wär’ e8 unrecht, dieſe bloß fubjective 
unkelheit als eine objective zu betrachten und fie daher dem 
beber der Mede oder Schrift aufzubürden. — Wenn man von 
untelmännern fchlehtweg fpricht, fo verfteht man darunter 
erdunkler oder abfichtliche WBeförderer der Dunkelheit, die mun ges 
hnlicher Finfterlinge oder Obfcuranten nennt. ©. beides. 
sch vergl. klar und blaue Philofophie. 

Duͤnkelweisheit iſt eigentlich eine contradictio in adjecto. 
enn wo Düntel it, da ift keine Weisheit, und umgekehrt. Afters 
eisheit oder Scheinmeisheit, die allerdings den Menfchen 
fgeblafen oder duͤnkelhaft machen kann, märe richtiger. Man 
nant fie auch nach griehifcher Art Doxoſophie und Sophi⸗ 
ie ©. beides. 

Dünn bedeutet bald fein oder ſchmal, bald locker. Dort ift 
I@, bier dicht das Gegentheil. ©. Dide und Dichtigkeit. 
ah wird dünn wie das lateiniſche tenue, mit dem es vielleicht 
lmemvertwandt ift, wenn es nicht etwa von dehnen herkommt, 
Yo urſpruͤnglich foviel als gedehnt bedeutet, für fehlecht, ges 





314 Doo cum faciunt idem Durchfuhr 


äing, feich ober flach gebraucht, ſowohl in koͤrperlicher als in gei: 
fliger Hinfiht. Folglich kann ein Werk zugleich dünn und nicht 
dünn fein, wenn man biefe verfchiebnen Bedeutungen im Sinne bat. 

Duo cum faciunt idem, non est idem. — Zufag: 
Diefer Grundfag wird auch oft fo ausgelegt, daß dem Hohen und 
Mächtigen alles erlaubt fei, was ihm belicbe, während der Nie: 
drige und Schwache ſich Überall nach den Gefegen zw richten habe. 
Das wäre aber nur bie Marime des Despotismus oder das uſur⸗ 
pirte Recht des Stärkern. S. d. Ausdrud. 

Durante f. Dante. 

Duration (von durare, dauern, eigentlich hart [durum) 
machen oder auch intranf. hart werden) bedeutet Dauer. Daher 
durabet — bauerhaft. Doch kommt fowohl duratio als dura- 
bilis bei den alten Autoren felten vor Wenn Geneca (de 
trangu. an. c. 1.) fügt, die Tugenden feien zwar anfangs zart oder 
ſchwach (virtutum tenera esse principia) erhielten aber durch die 
Bet, wenn man fie naͤmlich fange Zeit übe, duramentum et re- 
burz fo. heiße dieß wohl foniel als Dauerhaftigkeit „und. Stärke 
Doc koͤnnte man jenes auch durch Hätte überfegen, tiefen de 
Hacte in ber Regel dauerhafter oder beftändiger ift, ald das Weide 
So verficht es auch Valerius Mar. (Il, 7. 10.) wenn er fügt: 
Humanae imbecillitatis efüieacissimum duramentam est mecesi- 
“as. Denn die Nothwendigkeit härtet oder ſtaͤhlt unſer Gemüth, 
wenn es nicht etwa von Natur fo ſchwach ift, daß es vergmeifeind 
ber Nothwendigkeit unterlicgt. 

Ourchfuhr, Durhgang wid Durchzug find Aue‘ 
drüdte, die ſowohl von Sadyen oder Waaren als von Perfonen 





draucht · werden, wieſern fie aus einem Lande in imd bund; Das 
3 ehe: i 


Duumpvirat Dyasmus 313 


ten (Truppen oder Heere) wären, welche den Durchzug 
ı in diefem Sale au) Durchmarſch nennt) verlangten, 
Kriegszwecke zu verfolgen: fo unterliegt zwar das Mecht, 
zuweiſen, keinem Zweifel. Aber ob man bie Kraft bazu- 
ob nicht die Zuruͤckweiſung noch gefährlichere Folgen has 
te, al8 die Zulaſſung, ift eine andre Frage, bie nur nach 
iegenden Umfländen zu beantworten. S. Kriegsrecht 
utralitaͤt. Die Schriften von Feltmann (de trans 
ätus, 1673) Fritſch (de transitu militeri, 1674) Eus 
(de transita copiarum per territorium nostram , 1693) 
in der Biblioth. juris imperantium quadripartita p. 277. 
e koͤnnen hier auch verglichen werden. 


tumvirat (duumviratus, von duo, zwei, unb vir, ber 
IE ein Verein oder Collegium von zwei Männern zu irgend 
ntlihen Verrichtung, alfo eine Art von Diarchie, wenn 
männer zur Regierung eines Staats berufen find. Dieß 
nach ein politifhes Duumpirat, wie bad ber bei- 
fuln im alten Rom; obgleich dieſe vorzugsweife Con- 
ie „beiden höchften obrigkeitlihen Perfonm in den Munl: 
m aber nur Duamviri biegen. Doch gab es auch in Rom 
benannte obrigkeitliche Perfonen, 3. 3. Duumriri zara- 
be die Ausrüftung der Flotte beforgten, Duumviri sacris 
1, weiche bie Aufficht über bie fibyllinifchen Bücher führs 
— Man braudt aber das Wort auch in volfienfchaftlidher 
g, indem man 3. B. fagt, Plato und Ariftoteles 
In philofopbifhes Duumvirat gebildet. Dieſes 
eboch nur fo lange, bi8 Zeno und Epikur auftrafen, . 
Heme und Schulen auch zu großem Anfehn und Einfluß 
Gebiete der Phitofophie gelangten. In neuerer Zeit bils 
bomas und Scotus, Gartes und Spinoza, Locke 
Ibnis, Kant und Fichte, Schelling und Degel 
uumvirate. ©. diefe Namen. 


Jarchie (von dvo, zwei, und apxerv, herrfchen) = Diars 
.d. W. Bei den Alten kommt aber weder drupyıa noch 
vor, obwohl die beiden Archonten der Athenienfer von 
Ins dıapyor genannt werden. 

paſsmus (von dras, die Zmweiheit) iſt foviel al® Duas 
. © d. W. Leitet man das Wort ab von dvaleır, 
(fidy gleihfam nach zwei Seiten wenden, bald bahin bald 
neigm): fo fönnte man unter Dyasmus auch ben 
cismus verftehn. ©. db. W. Bei den Alten aber be: 
vegsog bie Beyattung oder ben Beifchlaf, von dvalsade:, 
en zur Gefchlechtövereinigung. 





sı6 Dynaſt Ebenbild 


Donaſt. — Zuſaz: Dynaſt und Dynaſtie ſtehen zu⸗ 
wilen auch für Despot und Despotie. S. d. W. Bei den 
Alten aber bedeutet duruorrz vorzugsweiſe einen ſolchen, der durch 
eiane Kraft herrſcht, mie ein Held oder Etoberer, dann aber jeden, 
der viel dann oder vermag (ds morka derura). Daher duraorem 
== Macht, Herrſchaft. 

Dystydie. — Zuſatz: Statt dvoruyıa als Gegentheit 
wor errugea ſagten bie Griechen auch drodusorıa als Gegentheis 
von wduuona, ©. Eubämonie und Eutych ie. 


E. 


Evbenbild. — Zuſatz: So heißt ein Abs oder Nachbild, win 
fern es dem Urbilde gemäß iſt oder ähnelt, wie ein Kind dem Bas 
tee. Wo es alfo kein Ucbild giebt, da kann es aud) fein Ebrabid 
im eigentlichen Sinne geben. In dieſem inne kann daher anh 
ber Menfdy nicht ein göttlihes Ebenbild (imago divima) ge 
nannt oder ihm ein foldyes beigelegt werden. Wenn indeffen def 
figürlich oder tropiſch von einem foldhen die Rede ift, fo mufd 
dann auch allen Menſchen ohne irgend eine Ausnahme zukommen 
Nicht zu billigen iſt daher die Behauptung ber Entratiten w 
Sederianer im 2. und 3. Jahrh. nad) Chr. (denen Tanhlie 





j 





J = Enz 


Im fer vr efleetum als Wire 

em + Urfahe S. beides, 
is causa, talis effeo- 
est causa,, oder: Ef- 









ein Eprung ober eine 
nur an die ganze 
teende Urfaden 


Dirum leidet der bekunmte 
foribus et bonis, fo vien 


rt nicht einmal tan 
. ober hier andre Un 
mmungen oder Hin 


te tar ne Sagen, uris, der Blitz, ober zunacht 

Bee, im Ar Mmitzen Latinität effulgurare, berauß 
- ie eienist zer eigemetih eine plögliche Ausfkrömumg 
Seiten det Yihrt, mir des Blitzes aus den MWolkin 
ee Emamation (f. d. 3.) gebraucht, will di, 
u nsnstiunkilkme jaldigten, meinten, das Licht fei bb 
ai lin, wre uk Gett ats dem Urquelle der Dinge here 
— * — de mum auch) Gott ſelbſt als * teinci 















Ehe 319 


Gef, den man auch Eroberungsgeift nennt Kalt 
m in's Kleinliche, fo daß er bei jedem Gefchäfte ein wenn 
dh fo geringes Profitchen zu machen ſucht, fo nennt man 
Imergeift. Wenn man aber neuerlid den Wunſch nad) 
fortdauer oder den Glauben an eine perfönliche Unfterblich 
a erbärmlihen Egoidmus genannt hat, fo fit das 
zrauch des Wortes. Denn jener Wunſch oder Glaube hangt 
hoͤchſten Intereſſe der Vernunft, mit dem Streben nad) 
wm Sortfchritte im Guten, fo innig zufammen, daß er ſich 
‚higefinnten von felbft aufdringt und bie vom neuen Pan⸗ 
dafuͤr angebotene Aufnahme des Ich's in das göttliche Al 
s nicht genügen kann. S. Unftecbiichkeit n. 3. 
re — Zuſatz: — Das altdeutſche ea ober owa, vbeiches 
heutige Ehe umgebildet worden, vergleichen auch Einige. mit 
ste Ei (ovum) und leiten beides ab von bee Wurzel ij, 
gen oder legen bebeuten fol, fo daß ebendarum urfprünge 
eein Geſch ober einen Vertrag, Ei aber etwas Geſetztes 
legtes bezeichne. — Daß bie Völker um fo Exäftiger und 
are, je mehr fie die Ehe in Ehren hielten, im Gegenfalle 
fiſch und moralifc immer tiefer ſanken, lehrt die Gefchichte 
prechlih. Daher fagt auch Horaz (od. IH, 6.) mit Die 
die Roͤmer feiner Zeit fehe richtig: 


Foecunda culpse sceala nuptiss 
Primum iaquinsvere et genus et domess 
..  Hoe fonte derivata clades 

In patriam populumgue fluxit 


m bringt die Chelofigkeit, fie mag freimilig oder gewiſſen 
ı geboten fein, kein Heil, ſondern vielmehr Unheil. S. 
t. Auch merden die Beftrebungen ber Saints Eimoniften 
ger überfpannten oder ausfchweifenden jungen Schriftſteller, 
überhaupt abzufhaffen und ftatt derfelben eine willkuͤrliche 
ung des Gefchlechtötriebes einzuführen — was man ndo 
ig eine Emancipation der Liebe ober bes Fleiſches 
bat — ſchwerlich gelingen, fo lange noch die Menfchen 
t und Gewiſſen haben oder Moral und Religion achten, 
richt zur Thierheit herabfinten wollen. Dagegen iſt es auch 
atthafte Anmaßung der Kirche, wenn fie fodert, daß alle 
us gemiſchten Ehen (d. h. zwiſchen verſchiednen Reli⸗ 
nern) ihr ausſchließlich zugezogen werden muͤſſten. Daß 
e der Eltern. Und wenn jedem Theile ſein Recht wider⸗ 
Il, fo folgen hierin die Kinder nach dem Geſchlechtsunter⸗ 
en beiderfeitigen Eltern, um ſich von Jugend auf an gegen 
Juldung und Verträglichkeit zu gewöhnen Denn wenn 













se Kirchenvaͤter das Eü 
tem Tode dis erſten Gatten a 
sin adulterium honestum nam 
ae contradietio in adjecto it — fo int 
al Pelrgamie (f. d. W.) geſchwei 
ner, wenn ein Theil geſtorben, gar nic 
Uaterchied zwiſchen dem einfahen ur 
qe (adulierium simplex et duplex) b 
ſchen Geſchlechtsvermiſchung em 

ser beide Theile anderweit verehelicht fein ker 
tann daber dlos von dem verehelichten Thei 
Ehe gedtechen babe, nicht von dem u 
zulleicht nicht einmal wuſſte, daß der andı 
&en Bunde jhand. Cr darf daher weniaiten 
eier Ehebrecherin beſtraft werden, wenn auc 
e Beiſchlaf als ein fleiſchliſches Verbtechen beſtta⸗ 
Todesſtt afe aber, mit welcher in — 








322 Eheſtand 


welchen aber mehr auf die Ausfprüche des A. und N. T, fo wis 
dee Kirchenvaͤter und Kirchenverſammlungen, in Bezug auf bie Ehe 
und deren Auflöfung Rüdficht genommen, folglich alfo mehr theo— 
logiſch⸗ juriſtiſch polemiſirt, als über den Grund der Sache feibft 
philofophiſch discutirt wurde. ie find deshalb auch meiſt in Wer 
geffenheit gerathen. J 

Eheſtand. — Zufag: Die Frage, ob ber Eheſtand ein 
natücliher Stand fei oder ad statum naturalem homivum ger 
höre, iſt unftreitig zu bejahen. Denn wenn ihn aud) das pofitive 
Staatögefeg fanctionirt und modificirt hat: fo führt body die Natur 
ben Menſchen durch eingepflanzte Triebe (micht bloß dem geſchleche⸗ 
lichen, fondern auch ben gefelligen Inftinct) zu einer folden Verbias 
dung; und das von aller pofitiven Gefeggebung wmabhängige Vers 
nunftgefeg (ſowohl als Rechtögefeg wie auch als Tugendgefeh) fodert 
gleichfalls zur vernunftmäßigen Befriedigung jener Triebe den che 
Udyen Stand, &. Ehe. Deffenungeadhtet kann biefer natürlich 
Buftand fehr verfrüppelt umd verkehrt werden, iſt es auch haͤufi, 
ſelbſt durch pofitive Gefege und Einrichtungen, fo wie durch alle 
Sitten und Gebräudye. Und das hat eben den fo oft vermehmbaren 
fprüdwörtlihen Reim veranlafft: Eheſtand — Wehekank 
Bin man jeboh Wohl und Wehe in biefer Hinſicht gegm 
einander abmägen, fo vergleiche man die zwar alte, aber ach. 
Wahres pro et contra enthaltende Schrift: Du bonheur ei dk 
malheur da mariage. Par Mr. de Mainville. Paris, 108. 
8. nebft folg. neu, Geheimniffe aus der Ehe oder Unterricht it 
der Kumft, eine lange und glückliche Ehe zu führen: Won Dr. de 
Richter. A. 3. Leip. 1837, 8. — Die Hauptfache, vom ml 
her Gluck oder Unglück der Ehe abhangt, iſt und bleibe umter alla 
Umftänden bie Wahl des Gatten. Da jevoh Bi miät 






















324 Ehrbar Ehrenhaft 


Ehrbar und Ehrbarkeit find Ausdrüde, die wie die emts 
ſprechenden Iateinifchen honestus und homestas, und die von biefen 
wieder abftammenden fransöfifhen honnete und honndtete, bald nur 
auf das aͤußerlich Anfländige, Geziemende oder Gefittete bezogen 

"werden, bald aber audy auf das, was innerlid oder am ſich techt 
und gut iſt, alfo das Sitelihgute. Die alte Regel: Honeste virel 
Tann baher ebenfowohl bedeuten: Führe dich anftändig auf! als: 
Handlie ſittlich gut! Dort iſt fie Klugheitsregel, hier fe, 
obwohl letteres bie Mohlanftändigkeit oder Wohigeſittetheit nicht 
ausſchlleßt. Wenn aber die alten Moraliften das Honestam uns 
das Vulo einander entgegenfegten und fragten, welchem der Werzug 
gebüire: fo nahmen fie jenes in dee höhern Bedeutung, wo es dumm 
eben das Wohlanftändige mit unter ſich befaſſt. ©. Anftend 
und Sitte. 

Ehrbegier oder Ehrbegierde wird von den Moralikim 
in die vernünftige oder gemäßigte und die unvernünftige oder Aber 
mäßige eingetheilt. WBeftimmter heißt jene Ehrliebe, dieſe Ehr⸗ 
geiz, Ehrgier oder Ehrſucht. ©. diefe Ausdrüde und Eher, 
nebft dem folg. Art, Uebrigens hat der Römer M, Marcelind 
alten Ehrbegierigen eine gute Mahnung gegeben. Denn als se it 
Rom der Ehre und ber Tugend zwei Tempel erbauen fie, file 
er fie fo, daß man nur durch den Tempel der Tugend im dem ie 
Ehre gelangen Eonnte, 

Ehrenamt. — Zuſatz: Nach Ehrenämtern ober Ehrenfldn 
zu freben ift am ſich nicht unerlaubt, wenn es nur nich aufn 
würbige Weife (durch Beftehung oder andre ſchlechte Mittel) gr 





ſchiehtz wie es der Ehrgeiz zu machen pflegt. Man muß aber ab 
ſtets darauf gefafft fein, jene Stellen wieder aufzugeben, wenn fe 





326 Ehrgier Eid 


nur von gewiſſen Zufaͤlligkelten hergenommen iſt. — Unter phas 
eifäifchem Ehrgeige verſieht man einen ſolchen, ber feine Befrie ⸗ 
digung durch erheuchelte Tugend und Froͤmmigkeit ſucht. S. Pha⸗ 
rifaͤet. Auch vergl. Ehrenamt nebſt Zuf. 

Ehrgier f. Ehrbegier und Ehrgeiz. 

Ehrlich und ehrlos. — Zufag: Wenn der Name eines 
Menfchen ehrlich oder ehrlos genannt wird, fo bebeutet dieß füs 
viel als quter oder böfer Ruf (bona I. mala existimatio). — 
Ehrlich keit iſt allerdings zuweilen mit Unklugheit ober gar mit 
Dummbeit gepaart. Daher nennt man auch wohl einen Menſchen 
dieſer Art fpöttelnd einen ehrlichen Marın ober Tropf. Das 
durch verliert aber die Ehrlichkeit ſelbſt nichts von ihrem Werthe, 
fo wenig als die Unehrlichleit ober Ehrlofigkeit etwas gewinnt, wenn 
fie mit Klugheit oder Liftigkeit verbunden iſt. Sie wird dadurch 
vielmehr noch ſchlechter und gefährlicher. 

Ehrfam heißt, was mit (ſam — ovr, wovon fanmt und 
fammeln) Ehre verknüpft ift, dieſelbe ſich angeeignet ober erhalten 
bat, 3. B. ein Weib, das feine Geſchlechtschre, oder ein Bir 
ger, ber feine WBlrgerehre bewahrt hat. in ehrlicher Ma 
Bann daher infofern aud ein ehrfamer genannt werben. ©. de 
vor. Art, und Ehre. 

Ehrſucht f. Ehrgeiz und Ehrtrieb, auch Eprgefühl 

Eid. — Zufag: Einen wahrhaften und gültigen Eid faza 
Jemand nur fire ſich ſelbſt oder im eignen Namen, nice für in 
dre, und auch nut dann ſchwoͤren, wenn er den vollen Gebrauch feimt 
Vernunft umd Freiheit hat, mithin weder unmindig mod krumm 
noch blödfinnig ober gelſteskrank ift, auch nicht einem Bwange ir 
terliegt, der «8 zweifelhaft macht, ob er feiner Ueberzeugung — 















328 Eidographie Eifer 


derheit Lehnsmaͤnner oder Dienftleute bedeuteten. Auch gehdrt dahin 
der Vaſalleneid, indem die Vaſallen (vasalli) oder Lehnsmaͤnner 
dadurch gleichfalls ihrem Lehnsherrn huldigen. — Zu den Gchriften 
über den Eid gehören noch folgende theile ältere theils neuere: J 
W. v. Göbel, de origine, usu et abusu juramentorum. Heimfl. 
1738. 8. — 5. 2. Stolz, vernunftmäßige Beurtheil ber Eids 
ſchwuͤre. Leipz. 174. 8. — F. 6. Leue, von der Natur des 
Eides Anden, 1836. 8. — €. €. A. Bar. v. Goͤrtz, übe 
den Eid in religiofer und politifher Hinſicht. Augsb. 1836. &— 
Ueber den Eid in Pte, theologiſcher und Äeififcer Be 
siehung. Von R. 5. Goͤſchel. Berl. 1837. 8. — 
Verwerflichkeit des Reinigungseides in Etraffachen 1c. Pi J. F 
Althof. Rinteln, 1835. 8. — Von Riegler's (B. 1. S 
698. ſchon angeführter) Schrift über den Eid erſchien 1837 eins 
3. Aufl. Vergl. auch Meineid, Zuf. — Wegen des fog. Dife 
feffionsetdes f. Diffeffion. 

Eidographie (von eıdos, Geftalt, Anfehn, Art, und yow- 
gYeıv, ſchreiben) bedeutet die Beſchteibung ber Geſtalt oder des An 
fehns einer Sache, dann aber audy die Beſchreibung ber Gattumge 
und Arten der Dinge, beſonders der legten, die wieder in Ober 
und Unterarten zerfallen. ©. Gefhleht und Gefhledrsbe 
griffe, auh Nasurbefhreibung. Hingegen Eidopdie (km 
r04eıy, machen) bedeutet eine wirkliche Abbildung oder bildliche Dar 
ſtellung der Dinge; wie fie auch in naturhiſtoriſchen Werken jur 
Unterftügung oder Veranſchaulichung der mwörtlichen Befchreibunge 
tommt. Doch befaffen Manche die Eidopdie mit unter der 





graphie, weil yoaper auch zeichnen oder bildlich barftellen bebatık. 
Uehrigens kommt bei den Alten nur sidorouia vor. 


Eigenarm Eigenname 329 


Iniorunıa heißt. Das neugebildete Zelotismus aber bezeichnet 
vornehmlich einen Übertriebnen und baher unverftändigen Religions: 
eifer, wie ihn der Apoftel Paulus (Roͤm. 10, 2.) an einigem 
feiner Zeitgenoffen tabdelte: „Sie eifeen um Gott, aber mit Uns 


Eigenarm f. Leibeigenſchaft. 

Eigendünfel. — Zufag: Diefem fittlihen Fehler, den 
man auh Dünkelhaftigkeit nennt, fleht entgegen die Tugend 
ber Befcheidenheie. ©. d. W. Auch vergleihe Düntels 
weisheit. 

Eigenhoͤrig f. Leibeigenſchaft. 

Eigenliebe. — Zuſatz: Sie entſpringt zwar zunaͤchſt aus 

dem Selberhaltungstriebe; es kann aber dabei auch der Geſchlechts⸗ 
und Geſelligkeitstrieb mitwirken und daher dieſelbe bald ſtaͤrken, bald 
ſchwaͤchen. S. Trieb. Wirkt ſie als pathologiſche Liebe uͤber⸗ 
wiegend, fo erzeugt fie Cigendbünfel und Eigennutz. ©. bei⸗ 
des nebſt Zufügen. Und weil eine folche Eigenliebe den Menfchen 
Leiche verbiendet, fo daß er feine Mängel oder Fehler nicht fieht und 
feine Vorzüge oder Verdienſte zu hoch anſchlaͤgt: fo heißt fie auch 
blind und verbindet fi dann mit der Ruhmfucht (coecus amor 
sui et tollens vacuum plus nimio gloria verlicem. Horat. od. 
1, 18). — Vergl. Friedrich's 1. Essai sur ’amour propre 
envisage comme principe de la morale; in Deff. Oeuvres. 

Eigenmacht heißt nicht die jedem Menſchen nad feinen 
natürlichen Kräften und Verhältniffen eigne oder eigenthümliche 
Macht, fondern eine Macht, die ganz auf ſich felbft beruhen und 
daher Peine Schranken ertragen will, beſonders feine gefeglichen. 
Deshalb ſteht Eigenmacht oft auch für Willkür und Despotie. 
E. beides. Es handeln aber nicht bloß MRegenten, Minifter und 
andre Beamte eigenmäckhtig, wenn fie Verfaffung und Geſetz 
nicht achten, fondern auch andre Perfonen, felbit aus den unterften 
Staͤnden der Gifellfhaft oder dem gemeinen Volke. Sa im Grunde 
haben alle Menfchen einen Hang zur Eigenmadht; und ebendarum 
giebt es fo viele eigenliebige, eigennügige, eigenfinnige 
und eigenwillige Menfchen, welche dann auch eigenmächtige 
werden, fobald ed nur die Umſtaͤnde geftatten. 

Eigenname. — Zuſatz: Dem Eigennamen fteht zwar 
der Bei- und Zuname (cognomen, agnomen) entgegen. In⸗ 
deſſen hat diefer oft jenen verdrängt, auch bei berühmten Philofos 
sin ©. 3. B. Plato und Theophraſt. Manchmal entitand 
derſelbe auch durch cine ſpoͤttiſche Verdrehung des Eigennamens. ©. 
# DB. Chryfipp, deifen Mame von einigen Philofophen feiner 
Zeit, die ihm nicht hold waren, auf doppelte Art verdreht wurde. 
Selche Beinamen heißen baher Spotts oder Spienamen. Der 


330 Eigennug Eigenthum 


darin ſich ausfpredende Wig iſt aber meift ſehr gemeinz weshalb 
man fie nicht mit Unrecht auch Ekelnamen nennt. So if der 
zweite Spottname des zulegt genannten Philofophen (Aeaınzmog, 
Dreds oder Scheifpfird, ſtatt Xprornnog, Goldpferd) in der That 
fo platt, daß er ganz in's Gebiet des Ekelhaften faͤlt. ©, d. 
W. nebſt Zuf. 

Eigennutz. — Zuſatz: Die Morsliften unterſcheiden auch 

noch den feinern Eigennug, ber ſich hinter gewiſſen Forwen 
oder Manieren zu verfteden ſucht, von dem groͤbern, ber offen 
und meijt auch plump hervortritt. Dieſer Unterſchied trifft jedech 
mehr die Geſittung, als die ſittliche Geſinnung, die dort ſogar nach 
ſchlechter ſein kann, weil oft Heudjelsi damit verbunden iſt. — 
Eolite man aber nicht lieber Eigennügigkeit fagen, ba bei 
Beiwort eigennügig lautet? Die Analogie von gutmäthig 
und GButmüthigkeit, böswilig und Boͤſwilligkeit ſprich 
dafür. Indeſſen fagt man au Hoch muth fiatt Hohmüthig 
teit, obwohl das Beiwort hohmüthig lautet; wahrſcheinlich de 
‚Kürze wegen. 
Eigenfhaft. — Wegen des Unterfhieds zwifchen offende 
zen und verborgen Eigenſchaften ſ. Element, und wegen In 
göttlihen Eigenfhaften Gott. — Ein Eigenfhaftswent 
iſt bei den Grammatitern ebenfoviel als ein Beiwort. ShE 
und Attribut nebſt Zufägen. 

Eigenthum. — Zufag: Da es in dee Welt nichts I 
bewegliches giebt, indem nicht bloß die Erde, wie alle Pandim 
und Kometen, fondern auch die Sonne, wie alle Firfterne ungen: 
tet diefes Namens, fi im Weltraume bewegen: fo ift man am 
über die Frage, was unbeweglihes Eigenthum fei, mit 






















332 Einbeutigkeit Einfach) 


ſpringt. — Wohl hat Goͤthe nicht ganz Unreht, mern m vom 
der Einbitdungskraft fagt: 

„Laflt und alle 

„Den Water preife 

„Der ſeis eine (übne 

“Unvnweltiige Gattin 

Dem Aerbticen, Menfgen 

wSefelen mögen x. 


Aber „umvermelklich“ iſt doch dieſe ſchoͤne Gattin, dieſe Blath⸗ 
oder Kraft des Geiſtes, fo wenig als irgend eine andre; fie nimm 
gleichfalls ab und ermattet mit den Jahren, wie felbft bie fpäten 
Ergeugniffe jenes Dichterfürften beweijen. Auch iſt ihr nicht fo mu 
bedingt zu huldigen; denn fie koͤnnte dadurch leicht zw übermäcts 
werden. Am menigften aber darf fie der wiſſenſchaftliche For, 
ünfonderheit der Phitofoph, zu feiner alleinigen Führerin wähle; 
denn jie führt ihn alsdann gewiß in die Irre, wie fo mande Ep 
ſteme beweifen, von welchen ein franzöfifher Philoſoph ſagt: „Mais 
„comme ces vains systemes, enfans de 1’ imagination, = 
„®’appuient pas sur Ia nature, rien ne peut les soutenir; ah 
„moment qui les voit s’elever, tonche au moment qui les vera 
„tomber pour tonjours.“ S. Lesons de philosophie par Lars- 
miguiere, Ed, 2. T. 1. p. 66. 

Eindeutigkeit legt man Wörtern oder Reben bei, mem 
fie nur eine Bedeutung haben oder nur einen Sinn darbietm; 
was jedoch felten der Fall ift. Vielmehr ift den meiften Mönm 
oder Meden eine bald größere bald. geringere Mehrdeutigten 
eigen. ©. Bedeutung und Imweideutigkeit, 

Einfad. _ Bufag: Erben Besrifie find zwar umerklärher 

{di 



















Einfalt Eingezogenheit 333 


adern eine aͤſthetiſche Einfachheit, bie in ber Abweſenheit, 
nicht aller Verzierungen überhaupt, doch aller umoͤthigen oder 
erflüffigen, beſteht. S. claffifh, geziert und Verzieruns 
n. — Ein Verbrechen heißt einfach, wenn es nur aus einer 
tzigen verbrecheriichen Handlung beſteht, zufammengefesgt aber, 
mplicirt oder combinirt, wenn es aus mehren befteht, wie 
ı Raubmord. — Bereinfahung (Simplification) wird meift 
logiſcher und Afthetifcher Hinſicht gebraucht. 

Einfalt. — Zuſatz: Goͤthe fagt in einem Briefe an bis 
schter des Bildhauer und lers Defer in Leipzig: „Es ift 
site wahr, als was einfältig iſt — freilich eine ſchlechte 
Recommmenbdation für die wahre Weisheit.” Diefe Weisheit koͤnnte 
b das wohl gefallen laſſen; aber fo unbedingt, wie es hier hin» 
worfen ift, möchte fie doch nicht zugeben, daß die Einfalt (auch 
ı guten Sinne des Worte genommen) ein fichere® Kriterium der 
Jahrheit ſei. Eine fulfche Erzählung oder Lehre koͤnnte fich daffelbe 
richfalls aneignen, wie es auch Menfchen giebt, die unter ber 
taste der Einfate die gefährlichften Betrüger find. Ebenſo iſt «6 
u fhlefee Gedanke, wenn Schiller in einem feiner Gedichte fagt: 


„Was kein Verſtand der Verftändigen flieht, 
„Das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth.“ 


sm ſehen (einfehn ober verſtehn) und üben (ausüben ober han⸗ 
ka) find zwei verfchiebne Arten der Thaͤtigkeit, die zwar nicht im⸗ 
re beifammen, aber bod) ſehr wohl vereinbar find. Das kindliche 
emüth, welches übt, wird baher ebenforwenig auf feine Einfalt 
B etwas Gutes pochen dürfen, wie der Verftändige, welcher fiebt, 
f feinen Verſtand. Die beiden großen Dichter mögen es freis 
h mit ihren Ausfprüden nicht fo genau genommen haben; fie 
oliten nur etwas recht Frappantes fagen. Aber die von ihren Vers 
ren bin und toieder gemachte falfche Anwendung jener Ausfprüche 
sechtigte wohl zu dieſer gelegentlichen Berichtigung. 

Einfleifhung f. Sncarnation. — Das Belwort eine 
efleifchet braucht man ebenfowohl im böfen als im guten Sinne, 
B. wenn Jemand ein eingefleifhter Gott oder ein ein» 
efleifhter Teufel genannt "wird. Wie aber dei zweite Aus» 
me nur bildlich zu verftchen fei, fo follte wohl auch ber erfle 
it im eigentlichen Einne genommen werden, wenn man nicht 
Inperträgliches mit einander combiniren will. S. Gott, Menſch 
ad Teufel. 

Eingeboren f. angeboren nebft Zuf. 

Eingezogenbeit bedeutet eine ftille, vom Geräufche und 
kunle der Welt entfernte Lebensweife, die man daher auch feldft 
R eingezogenes Leben nennt. Ein ſolches Leben braucht aber 


334 Eingriff Einheit 


darum fein völlig einfames oder kloͤſterliches zu fein. Wielmehe vers 
trägt es ſich mit gefelligem Umgange und Genuffe, obgleich tm be= 
fhräntteren Maße, als das größere und oͤffentiichere Welt» oben 
Geſchaͤftsleben, das doch oft weit mehr Verdruß als Genuf gen 
währt. Ob aber Jemand fo ober anders Leben folle, Läffe fidk 
nicht im Allgemeinen beftimmen. Jeder hat das nad) feinen ander 
weiten Lebensverhältniffen felbft zu beftimmen und mag dabei auch 
feinem Geſchmacke folgen, wenn er fonft Beine Pflichten dadurch 
verlegt. Das der wiſſenſchaftlichen Forſchung geweihte Leben wird 
aber body vorzugsweiſe ein eingezogenes fein müflen, um das Ge 
mürh nicht zu fehe fm größeren Kebensgewühle zu zerſtreuen. Un 
darum nennt man auch wohl eine ſolche Lebensweife ſchlechthin ca 
phitofophifhes Leben, obgleih die Vernunft am dieſes meh 
höhere Anfoderungen macht. &. philof. Leben. 

Eingriff En rechtsphiloſophiſcher Bedeutung) iſt eine Uchen 
ſchreitung des eignen Freiheitskreiſes ober Rechtsgebietes mit Ber 
legung eines fremden. Solchen Eingriffen zu widerſtehn iſt Jas 
befugt, weil Andre verpflichtet find, ſich derſelben zu enthalten, de 
auf ihren eignen Freiheitskreis fich zu befchränten. S. Reh 
und Pflicht. 

Einpalt wird bald logiſch bald juribifh genommen. Ja 
erften Falle bedeutet es foviel ald Einwand (f. db. W.) weil mar 
dadurch dem, der eine unrichtig ſcheinende Behauptung auſſek 
geiſtig widerſteht oder Einhalt thut, damit er auf der betzetenen Be 
dankenbahn nicht weiter fortfehreite. Im zweiten Galle aber be 
tet 08 den rechtmäßigen Widerftand gegen Eingriffe in unfer Sub 
beitögebiet, wiefern es rechtlich beflimme if. S. den vor. At. 

Einbaudhung f. Eingebung. " 












336 Einkommen Einrichtung 


mehrigen Eltern (Stiefvater und Stiefmutter) fo geſtellt werden, 
als ſtammten fie wirklich von beiden zugleich ab. Man nennt das 
her diefe Art der Einkindſchaft, wobei die Gatten ihre zugebrachten 
Kinder gleichfam gegenfeitig adoptiren, unio liberorum, 

Einfommen (wofür man aud) Einkünfte fügt, um bie 
Mannigfaltigteit des Einkommens zu bezeichnen) iſt eigentlich alles, 
mas der Menſch durch die Benugung feines innern und aͤußern 
Vermögens erwirbt; wiewohl man den Ausdrud im gemeinen Les 
ben auf geriffe Arten dieſes Erwerbes beſchraͤnkt. Das Einkom⸗ 
men kann daher auch als Ertrag jenes Vermögens betrachtet wer 
den. Und wiefern es unter dem Schuge des Staates erworben iſt, 
infofern hat auch der Staat unfkteitig das Recht, es auf eine bil⸗ 
tige ober verhältniffmäßige Weiſe zu beſteuern. S. Vermögen 
und Vermögensfteuer. 

Eintörperung bebeutet thells die Einſchließung eines Geb 
ſtes in einen Körper (f. beides) theils die Aufnahme eines Dem 
fen in eine fog. Körperfchaft oder Corporation. &.d.W. 

Einleitung. — Bufag: Manche haben aud die Denk» 
Lehre ober die Seelenlehre als Einleitung zur Phllofophle ber 
trachtet. Soll aber eine ganze Wiſſenſchaft der Philofophie zur 
Einleitung dienen, fo iſt wohl die befte Einfeltung Diefer Art Die 
Grundlehre. S. d. W. — Zur Literatur dieſes Arcikeldrgen 
hört noch Cäfar’s allgemeine Einleitung in bie Pbitofophie und 
deren Gefchichte. Leipz. 1783. 8. Auch als 1. Theil feiner Be 
trachtungen über die wichtigften Gegenftände der Philofophie. — 
Herbart' s Lehrbuch zur Einleitung ec. iſt ſchon Öfter aufpdlgk 
©. Herbart nebſt Zuf. — Walch's introductio in. philos. m 
ſchien nicht 1830, fondern 1730. 

Einmaleind, das mathemati ist audy bie pr= 











Einſamkeit Eintracht 337 


lichen Geiſtes, die man auch deſſen Anlage oder Organis— 
mus nennt, iſt zu verſtehen der Inbegriff feiner urſpruͤnglichen 
Beftinnmungen, der Vermögen, Gefege und Schranken feiner Thaͤ⸗ 
tigkeit, auf deren Erforfhung das Streben der philofophirenden 
Vernunft vorzugsweife gerichtet if. ©. Philofoph n. 2. 

Einfamteit. — Zufag: Was in diefem Artikel gegen die 
Einſamkeit gefagt iſt, bezieht fi nur auf die freiwillige und 
abfsLute als eine abjichtlihe und yanzliche Abfonderung oder fort: 
dauernde Zuruͤckgezogenheit von der menſchlichen Geſellſchaft. Don 
biefer bemerkt ſchon Cicero (de amicit. c. 23.) fehr richtig: Na- 
tara solitarium nihil amat semperque ad alıquod tamyuam ad- 
meiniculum adnititur. Dieje Einfamkeit ift e8 auch, welche Ana: 
Horetißmus (von avaxworırns, ber Einfiedler) und Erzmis 
tismus (von 700g, der Ruhige oder Stille, oder 7ozucen, 
als ein ſolcher Leben) genannt wird. Die erzwungene odır ab⸗ 
genöthigte und relative oder jeweilige Einſamkeit hangt 
von zufälligen Umjtänden ab und kann für den Menfchen recht 
Heilfam werden, wenn er fie zu benugen verfteht; wie wenn Se: 
mand als Zuͤchtling durch das einfame Leben im Gefängnijfe da⸗ 
bin gebracht werden foll, daß er in ſich gehe oder über feinen fitt- 
lichen Zuftand nachdenke und ſich fortan beffere. 

Einſchuͤchterungs- oder Intimidationsſyſtem f. 
Intimidiren. 

Einfehen bedeutet eigentlich da8 Schauen mit den Augen 
in einen Ort oder Körper, dann aber das Durchdenken oder Durch: 
ferien irgend eines Gegenftandes mit dem Verſtande als dem geis 
Rigen Auge. Die Folge davon ift eine genauere und gruͤndlichere 

enntniß, die man daher auch Einficht nennt. 
_ Eintheilung. — Zuſatz: Die griehifchen Logiker nennen 
Me Toun, daraus; und dionmuos. Sie folyt gewoͤhnlich auf die 
Erklärung oder Definition, welde den Begriff erſt intenfiv 
oder in Aniehung ſeines Inhalts gehoͤrig verdeutlichen muß, bevor 
er auch ertenjiv oder in Anichung feines Umfangs gehörig verdeut⸗ 
Lt werden kann. ©. Deutlichkeit und Erklärung. Sonſt 
waͤr' es Leicht moͤglich, daß die Eintheilung zu viel oder zu wenig 

der befüme d. h. Dinge aufzählte, die nidhe unter dem Be: 
FR des Ganzen ſtaͤnden, oder nicht aufzählte, die unter ihm 

den. 

Eintracht bedeutet ſoviel als Einigkeit oder Einftimmigkeie, 
theils innerlich oder im Gemüthe (im Herzen — baher concordia) 
theils äußerlich oder int gejelligen Umgange mit Andern. Das Ge: 
gentheil iſt Zwietracht (discordia), Wie Eommt es aber, daB 
man auch einträchtig und Einträchtigkeit fagt, aber nicht 
gwieträhtig und Zwieträchtigfeit? Wenigflens find mit 

Krug's encyklopaͤdiſch-philoſ. Worterb. Bd. V. Suppl. 22 





338 Eintrag Einzigkeit 


diefe Wortgebilde noch nicht vorgelommen. — Wegen dee Ein 
tradhts= Formeln f. concorbiren. 

Eintrag bedeutet fowohl bas, was eine Sache (Amt, Ca⸗ 
pital, Grundftüd oder Gewerbe) einbringt (einträgt) als was einem 
Bioede hinderlich iſt (Eintrag thut). Das Beiwort einträgli 
wird aber nur in der erſten Bedeutung gebraucht, und fo auch das 
Hauptwort Einträglidpkeit. — Man nennt übrigens ben Ein 
trag im der erften Bedeutung auch das Einkommen und den 
Ertrag. ©. beides. 

Einwohnung (inhabitatio) naͤmlich Gottes im Meufden, 
iſt ein bitblicher Ausdrud zur Bezeichnung des ſittlichguten Zuflans 
des. Denn wenn der Menſch ſich in bemfelben befindet, fo herrſche 
d06 gute Princip in ihm über das boͤſe. An eine leibliche eder 
perfönliche Einwohnung, wie fie manche Myſtiker annehmen, IR de 
bei vernünftiger Weife nicht zu denken. S. Myftitn. 3. Vom Tas 
fel pflege man nicht zu fagen, daß er in einem Denfchen wehe, 
fondern daß er Ihn befige. ©. befeffen n. 3. 

Einzetbegriff und Einzelding f Elnzetheie 
Anfehung jener ift nur noch zu bemerken, daf man bloß fdheinben 
Einzelbegriffe nicht mit wirklichen verwechſeln dürfe. So fdeinteh 
als wem die Begriffe von Sonne und Mond nur indivibual ink 
ven, weil wir fie gewöhnlich auf zwei Einzeldinge (umfre Gans 
ynd unfern Mond) beziehen. Es find aber dennoch Germeinbeuifl, 
weil es mehre Sonnen und Monde im Weltraume giebt. — 
iſt der Vegriff oder die Idee von Gott, bloß logiſch betrachtet; ka 
Einjelbegriff, da ſich eine Mehrheit von Göttern wenigſtens — 
laſſt und die Polptheiften, fo wie aud manche Trinitarier, din 
ſoiche Mehrheit wirklich angenommen haben, ungeachtet Kein we 
nünftiger Grund dazu gegeben ift. &. Monotheismus mb Pr 








340 Eklekticismus 


an wird, bejegem werden. Darum bedeutet auch 
der in einer folhen Verſammlung fpricht. 
ige und wiltürlihe Benennung, wenn 
srift des Kenigs Salomo mit dem Titel 
Etktleſfiaſtes ch Prediger bezeichnet, fo wie die Eittens 
ſpruͤche die Gerus Sirach, die, edwehl apokryphiſch genannt 
doeh med: © Lebensweisheit als jene Schrift enthalten, auch 
der Etklert .— Efkiefiaftit aber kann zweier 
lei bedeuten, nämlich entweder die kirchliche Lehre (doetrina 
ia) d. b. den Inbegriff von Lehrfägen, die im einer ge 
che oder Religionsgeſellſchaft vorgetragen und fortgepflangt 
der die Lehre von ber Kirche (doctrina de ecelesin) 
d..b. Die entweder rein philoſophiſche ober. pofitiv geftaltete (1 
alfcy> juriftifche) Theorie von der Kitche als einer, religiofen 
ſGaft, die aud) in befondern Verhättniffen zu andern Gefefäah 
ten, ‚vornehmlich zum Staate, ſtehen kann. Um. aber biefen ie 
terſchied genauer zu bezeichnen, würde es beffer fein, wer man dk 
Etkleſiaſtit in der zweiten Bedeutung Efklefiologie (Aoyag min 
TnS ewxmoag) nennte, obwohl dieſer Ausbrud von neuerer Dis 
dung’ ift, 

Eklekticismus. — Zufag: Statt philosophia ecleaia 
fagen auch Mande philos. electiva, von eligere — winter 
Berner werben die Eklektiker auch Miscelliones (von miseere, mi 
fen) genannt, teil fie wie die Synkretiſten verfcptedenartige 2b 
sen unter einander mifchen. Unter dem chriſtlichen Phllofophem ir 
erften Jahrhunderte, wie Origenes, Clemens von 
und Andern, nahm diefe Art zu philoſophiren um mer kim 
Hand, teil fie, auch chriſtuche Dogmen mit hefbmifdpem amd Jh 


geſagt oder gett. 

































Eklipſe Election 341 


twaͤhlende in Streit gerathen. Wo feſte Grundjage innerlich feh— 
a, da giebt es auch aͤußerlich keinen feſten Halt. 

Eklipſe (exisyıs, von exisıner, ermangeln, ermatten, 
sfhrwinden) bedeutet in Bezug auf die leuchtenden Weltkoͤrper eine 
terfinfterung derfelben, wie Sonnen: und Mondfinfterniffe, bie 
ild nur partial, bald total, bei der Sonne aud) ringfoͤrmig fein 
namen, in Bezug auf den Menſchen aber eine bis zur Ohnmacht 
hende Ermattung befjelben. Doc wird in ber zweiten Bezie⸗ 
ıng das Wort audy bildlich von geiftiger Verdunkelung durch Andre 
braucht, 3. DB. wenn gefagt wird, daß Leibnig buch Kant, 
fer duch Fichte u. f. w. eklipſirt worden. 

Ekloge. — Zuſatz: Wiefern exAoyn eine Auswahl bebeu: 
f, wird darunter auch zuweilen bie Gnadenwahl ber Präde: 
Imatianer verfianden. ©. beide Ausdrüde. 

Ekſtaſe. — Zuſatz: Wiefern die angeblihe Theomantie 
.d. W.) mit einer gemiffen Ekſtaſe verbunden ift — waͤhrend 
cher fubjective Bilder leicht den Schein objectiver Thatfachen und 
ie demfelben das Gepräge des Wunderbaren annehmen können — 
erden bie Theomanten gleichfalls Ekſtatiker genannt. Man 
elle daher bie Eiftafe in die natürliche und die übers ober 
sfernatürliche, Ichtere aber wieder in bie göttliche und bie 
nfelifhe, je nachdem man bdiefelbe vom höchften Principe 
B Guten oder des Boͤſen ableitetz ungeachtet diefe Ableitung 
GR alles ſichern Grundes entbehrt. Vergl. Mart. Schook de 
stasi. Grön. 1661. 4 — Job. Casp. Posner de erstasi. 
ma, 1699. 4. 

Elthefe (xſtoic, von ex, aus, und Heoıs, Segung) 
: &rpofition. S.d. W. 

Ektrope (exroony, von ex, aus, und reonn7, Wendung) 
= Digteffion. ©. d. W. oder Abfhmweifung. 

Ektyp f. Zpp. 

Elafticität. — Zuſatz: Aus Verſuchen, welche die Aka: 
mie zu Florenz angeftellt bat, fol bervorgehn, daß das Waſſer 
f den zwanzigften Theil feines gemöhnligen Volumens leicht zu: 
zımengepcefit werden könne, und daß es in einer Tiefe von 31 
mzoͤſiſchen Meilen nur noch die Hälfte feines Volumens, in einer 
fe von 120 Meilen die gewöhnliche Dichtigkeit des Queckſilbers, 
ı Mittelpuncte der Erde aber eine drei Millionen mal größere 
ichtigkeit als auf der Oberfläche der Erde haben würde. Das 
kaffee kann daher ebenfomwenig als irgend ein andrer Körper für 
ſolut unelaſtiſch erklärt werben. 

Eleatifer. — Zufag: Wegen des eleatifhen Pala: 
edes f. Zeno von Elea, Zuf. 

Election (von eligere, auswählen) bedeutet jebe Art von 


342 Elegiſch _ Cimd 


Auswahl. Wegen der philofophifhen Election, aus wel⸗ 
Ser die elective Philofophie hervorgeht, ſ. Eklektleis⸗ 
mus, und wegen ber seligtofen Election, bie man auch 
eine Gnadenwahl nennt, f. d. W. und Präbeflinatianer 
nebſt Zufägen. 

Elegifch. — Zuſatz: Die Griechen fagten nicht bloß ele- 
ya zur Bezeihinung eines Klaglledes, ſondern auch eheyog und 
eleyeıoy — apa Tov E € Ätyeıy, quae vox est 

wie ein alter Scholiaft fagt. 

Element. — Bufag: Die Alten, weiche nur vier Elemente, 
Erde, Waffer, Luft und Feuer, annahmen und fie auch als bas 
Trockne, Feuchte, Kalte und Warme bejeichneten, behaupteten zus 
gleich, daß ſowohl das Warme als das Kalte ſich wieder mit Dem 
Trocknen und dem Feuchten auf verfchiebne Art und in verſchich 
nem Grade verbinden Eönnte, und daß ebendaraus die unsmdlihe 
Mannigfaltigkeit der natürlichen Dinge mit ihren befondern Eigen 
haften hervorginge. Soweit fie nun biefe Eigenfhaften aus jenem 
Verbindungen glaubten erklären zu koͤnnen, hießen dieſelben offen: 
bare, fowelt nit, verborgne oder geheime Qualitäten. — 
Manes nahm noch ein fünftes Element an, naͤmlich den Rank 
oder Dunſt. — Die Alchemiſten begnuͤgten ſich zioneımaityjäum 
vier Elementen, theitten fie aber in zwei Glaffen, gröbere 
und Wafler) und feinere (Luft und Feuer). Auch verfuchten 
durch allerlei Mittel, jene in diefe zu verwandeln; was fie = 
geoffation namen und womit dann wieder ihre Berfuche, Bed 

zu machen und eine Lebens» Zinctur zu bereiten, in Werbinbung 
flanden. — Mande fegten auch die angeblichen vier ba 
Michael; Gabriel, Uriel und Raphael, als Gebiere 
Auffeher an bie dee vier Elemente. — Die neuzen 

















344 Emanation Emancipation 


dem lat. gigni, erzeugt werden, verwandt iſt. Liberi hießen die 
Kinder der Römer als Freie oder Freigeborne, zuweilen auch vors 
zugsweiſe die Söhne, weil bie Töchter als minder frei betrachtet 
murden. Ebenſo bedeutete potestas purentalis zwar überhaupt die 
elterliche Gewalt, aber auch vorzugsweiſe die väterlihe, well ber 
Vater als der eigentliche parens oder Erzeuger betrachtet wurde und 
ihm daher auch mehr Gewalt über die Kinder zuftand, als der 
Mutter. Nach dem natürlichen oder vernuͤnftigen Rechtsgeſetze aber 
find die väterlihe und die mütteriihe Gemalt (pot. patria et ma- 
tria) einander gleich, und fie giebt den Eltern nicht bloß Rechte, 
fondern legt ihnen aud Pflichten auf hinſichtlich der Kinder, weil 
biefe ebenfalls vernünftige Weſen find, gefegt auch, daß fie ſich noch 
im Zuftande der Unmündigfeit befinden. S. münbdig. 
Emanation. — Zufag: Neuerlich hat man dem Ema: 
niren und der Emanation auh ein Smmaniten und eime 
Smmanation als ein Zurhdjliegen des Emanirten in feine 
Grundquell entgegengefegt. Bei den Alten kommt aber weder im- 
manare noch immanatio vor. Selbſt emanntio findet ſich erſt bei 
fpätern Autoren, obwohl emanare auch bei fruͤhern. 
Emancipation. — Zuſatz: In einem viel weitern Sc 
als emancipatio bei den Alten vorkommt, nimmt man dieſes Tot, 
wenn eine Gmancipation der Schule von der Kirche, der Kirde 
vom Staate, der Philofophie von der Theologie, oder dr 
Wiſſenſchaft überhaupt von Staat und Kirche gernimfcht ai 
beantragt wird. Man verfieht dann unter Eihancipation Bloß ik 
Löfung gewiſſer Feſſeln oder die Aufhebung, irgend eines Abhoͤng 





keitsberhaͤltniffes, das mehr oder weniger Idflig ſein kann. 
aber die Philofophie oder vielmehr die Philofophen fidy vom tum 








346 Eminenz Empfinden 


welche ſich durch Abfchreiber, Gloſſatoren, Interpolatoren oder auch 
bucch anmaßliche Kritiker eingefhlichen haben, ſodaß der Tert nad 
feiner urſpruͤnglichen Geſtalt wieder hergeftellt werde. S. Kritik. 
Wegen der moralifhen Emendation aber, melde theils emen- 
datio animi theil6 emend. vitae fein fol, f. Beff: J 
Eminenz. — Zuſatz: In Bezug auf die vi 
gur Etkenntniß ber göttlichen Eigenſchaften ftellten die Scholaſtiker 
ben Grundfag auf: Deus habet omnia eminenter, ae iprins 
ereaturae lantum viriualiter seu formaliter — 
Sort Hat alles im hoͤchſten Grabe oder in ber hoͤchſten Vollkom- 
menheit, was feine Gefchöpfe nur der Anlage oder Möglichkeit nah 
haben — mobel denn freilich immer erft unterſucht werden miffte, 
ob das, was die Gefchöpfe fo haben, auf Gott auch übertragbar 
ober als göttliche Eigenſchaft denkbar fi, 3. B. das Fliegen eines 
Vogels oder das Laufen eines Pferdes oder das Sprechen, Cie 
gen, Tanzen und. Springen eines Menfcen. Daher fahen be 
Scholaftiter ſich auch genöthigt, dem Eminenz: Wege mod be 
Negationd:Weg beizufügen. ©. Gott Nr. 2. 
Empfindbar (sensile s. sensibile) heist afles, mas fih 
durch irgend einen Sinn (sensus), wahrnehmen Läfft; wo ih 
fo Heißt e8 unempfindbar (insensile s. insensibile). ©. em: 
pfinden. Daher wird da6 Empfindbare nach ber gernöhnlihen 
Annahme von fünf innen wieder in das Fühl- ober Taf ⸗ 
bare, das Schmedbare, das Riehbare, das Hörbare m 
das Sichtb are eingeteilt. Doch paſſt diefe Eintheilung mur af 
dad Auferlich (durch den Äufern Sinn) nicht auf das Innen 





lich (durch den innern Sinn) Wahrnehmbare. ©. Sinn. Bm 
man aber die Eigenſchaften der Materie oder der Körper in um: 








348 Empufen Enanthropefe 


Sinne wie durch Fenſter oder Spiegelgläfer etwas abbilde oder ge: 
ſtalte. Dieſe Vergleichung iſt aber ebenſo unſtatthaft, als jene di: 
tere mit einee unbeſchrlebnen Tafel. 

 Empufen heißen, Gefpenfter, befonders weibliche, nach einm 
fucchtbaren Ungeheuer, 7; Eunovoa genannt, welches eigentlich den 
Eingang der Unterwelt bewahren follte, aber oft, von der Hekat⸗ 
gefandt, biefelbe verließ und unter allerlei gräffiichen Geſtalren die 
Wenſchen auf der Dberwelt, vornehmlich nächtliche Wanderer, in 
Schreden feste. Ob der Name von dis — ir, eins, und mar, 
der Fuß, herkomme, weil das Ungeheuer nur einen Zus hatte, $ 
ungeriß. Die Entlarvung eines folhen Geipenftes duch Äpoilo⸗ 
nius von Toana erzählt Philoftratus in der Biographie jene 
FE Ppitofophen (IV, 35). Wegen der Sache felbſt [. Ger 
Tpenft. 

Emppyrie. — Zufag: Die Alten fagten und ſchrieben fe 
wohl zunvgeıa als eunupea, Audy bedeutet dieſes Wort nicht 
dloß das Wahrſagen aus dem Opferfeuer (was man auch Ppros 
mantie, nayreım &x mugog, nennt) fondern aud den Eid beim 
Opferfeuer. 

Emfig (zuſammengezogen aus dem altdeutſchen emisuf, 
fleißig, arbeitfam, daher emizigen, fortfahren in der Arbeit; ne 
von auch wohl die Ameife und die Imme — Birne den Rıma 
haben, indem bie letzte Wurzel am ijt, von welder aud) Amme 
abflammt, da biefes Wort urfprunglicy nur eine Arbeiterin, Befr 
gerin oder Pflegerin anzeigt, mithin Saͤugamme fein Pieonasumd 
iſt, fondern dem Vegeiff der Pflegerin naͤher beſtimmt) bedenm 





ebenfoviel als thätig mit anhaltendem Fleiße. Daher fteht Emfig 
keit auch für Arbeitſamkeit mit Ausdauer verbunden. S. Arbeit 


Encheireſe Energie 340 


Encheireſe oder Enchireſe (eygepnois, von EyyEipeır, 
bie Hand [yeo] nehmen ober Hand anlegen) bedeutet das An: 
fen oder Beginnen einer Sache. Chemiker und Aldhemiften ha- 
a dieſes Wort in Verbindung mit ber Natur ale Schöpferin aller 
inge gebracht und darüber viel wunderliches Zeug geſchwatzt, be: 
iders die Iehtern, fo wie aud die Kabbaliftien. Daher fpottet 
tephiftopheles in Goͤthe's Kauft über biefe Encheiresis 
turae, von der die Herren nichts verftänden. 

Encyklopaͤdie. — Zufag: Die Alten fagten auch abges 
rät xuxlonadeo. Ferner heißt eyxuxdsog bei ihnen auch ſoviel 
5 vermifcht, gemein, popilar oder gar vulgar. ©. Gell. N, 
"XX, 4. befonders Anmerf, 2. in der Ausgabe: Leiden, 1666. 
— Die 3. 1. ©. 760. angeführte philof. Encyklopädie von 
rhardt, von welcher 1830 eine 3. Aufl. erſchien, führt auch 
2 Zitel eines Syſtems der gefammten wiſſenſchaftlichen Erkennt: 
3 und umfafft daher mehr als die philoff. Wiffenfchaften im eigentlichen 
inme. Den übrigen Schriften finb noch beizufügen: Zrorler’ 8 Vor 
ungen über Philofophie 2c. als Encyklopaͤdie und Methodologie der phi- 
ophiſchen Wiſſenſchaften. Bern, 1835. 8. 

Encyklopaͤdiſten. — Zuſaz: Im weiten Sinne heißen 
e Gelehrte fo, die nur eine encyklifche wiflenfchaftliche Erkenntniß 
igen, b. b. eine folche, die zwar viel Ertenfion, aber wenig In⸗ 
fon (Gründlichkeit oder Tiefe) hat. Es findet alfo dann bie im 
Aigen Artikel bemerkte Bedeutung von &/xvxAcog ftatt. 

Endelechie f. Entelechie, Zuſatz. 

Endlich. — Zuſatz: Wenn man fagt, daß das Endlidhe 
d das Unen dliche nicht wefentlich verfchieden, fondern im Grunde 
is umd daffelde fei: fo gilt dieß nur in Bezug auf das All der 
inge, als cin unentlicher Inbegriff von lauter Endlichkeiten ge= 
Gt. Denn da Life fi kein Ende beflimmen; in Ddiefer Idee 
ben alfo Endliches und Unendlicyes in einander auf. Aber in 
re Wirklichkeit [hauen mir doch nur Endliches an, es mag räum: 
h oder zeitlich fo groß fein als es wolle, weil unfer Auſchauungs⸗ 
mögen, wie wir felbit, in räumliche und zeitliche Schranken ein: 
ſchloſſen iſt. Wer daher den geitimten Himmel mit bloßem oder 
ıh mit dem bewaffneten Auge betrachtet, ficht dody immer nur 
am Theil von jenem All der Dinge, alfo etwas Endliches, ob er 
id deffien Maß und Zahl nicht beftimmen kann. 

Enbdor f. parador, Zuf. 

Energie. — Zufag: Ereoyeıa ift nicht zu verwechfeln mit 
soyua. ©. Enargie Manche nennen energifh auch bie 
tigen Cigenfhaften Gottes, durch welche Gott ald wirkſam ge 
de wird, wie Allmacht, Güte, Gerechtigkeit zc., die Übrigen aber 
zenergetifch oder abgekürzt anergetifch, wie Ewigkeit, Uns 


350 Enge Enfarkofe 


ermeſſlichteit, Selbgenugſamkeit x. S. Gott. Aud vergl. ane⸗ 
nergiſch, Zuſ. 

Engel. — Zuſat: Wegen dee Engelerſcheinungen 
vergl. Angelo phanie. 

Enhyparris ſ. Hyparris. 

Enbypniologie f. Hypnologie. 

Enndologie ober Ennoematologie find neugebildete 
Ausbrüde (von evvora, evvonua, ber Gedanke, und Aoyog, bie 
Lehre) zur Bezeichnung dee Denklehre. ©. d. W. Kürzer könute 
man fagen Enno&matik, wiewohl biefer Ausdrud auch die Kun 
su benten bezeichnen Bann, je nachdem man zu evvonuazırn end 
weber eruornun oder zexyn hinzudenkt. Wenn gber ein mind 
her ober ſchriftiicher Vortrag ennoematifch genannt wird (evog- 
uarıxog Aoyog, legtereß in ber Bedeutung von oratio ober disser- 
tatio): fo beißt bieß ſoviel als gedankenteich. 

Ens. — Zufag: Zuweilen wird auch von ben Scholaſtilern 
ens ſchlechthin (im 'abfoluten oder eminenten Sinne) für dems ge 
fegt durch Abkürzung der Ausbrüde eus entium, ens summum & 
realissimum s. perfecissimum. — $erner unterfdieden fie em 
nomipaliter, was bloß ald Ding gebacht umd fo benannt wird (em 
logicum) und- ens pärticipialiter, was wirklich ift oder am ber 
fienz theilnimmt (ens reale). Jenes nannten fie auch ems pe 
tentia s. potentiale, pessibile, diefes ens actu s. aciuale, 
stens. — Ens rationis s. intelleetus bedeutet Hleichfalis ne Mia 
Gedankending, alfo etwas Andres ald ens rationale d. dx ein uw 
nünftiges Wefen, tie Gott und der Menſch. So umterfcieb min 
auch ens a se, mas durch ſich felbft allein ift, wie Goft, und es 
ab alio, was von einem andern bewitkt oder abhängig If, mie de 































352 Enteromantie Enthymem 









Etwas andtes aber bedeutet Endelehie (evösiexeın, vom erde- 
Auyns, ans oder aushaltend) naͤmlich Fortdauer. Dech meinen 
Einige, beides fei nur der Schreib oder Eprehart nad) (als Die: 
let) verichieden; was wohl nicht richtig. Denn erdersyea kommt 
fhon bei Plato vor, evreisyem aber erft bei Arijtoteles, von 
welchem bie Alten (3. B. Cie. tasc. I, 10.) fügen, daß er es als 
ein neues Wort gebraucht habe. ie ſeht man fic über deſſen 
Ableitung und Erklaãt geffritten, kann man unter andern fehen 
aus Joh. Paschii Entelechia vox et erax meta- 
physicorum. Wittenb. 1684. 4. Darum erzählte man auch, der Eder 
Inftiter Hermolaus Barbarus habe fogar den Teufel gebeten, ihm 
jenes Wort zu erklären; worauf der Teufel geantwortet, es bedeute 
ſoviel als perfectihal Wahrſcheinlich war aber dieſe barbarffd: 
Inteinifche Ueberfegung eine Erfindung jenes Scholaſtikers felbft, der 
alfo in diefer Beziehung mit Recht Barbarus heißen konnte, ob 
er gleich fonft Bein Barbar geweſen zu fein ſcheint S. Hermolan. 

Enteromantie ift ein neugebildetes Wort (vom evzıgm, 
das Eingeweide, und gearreıe, die Wahrfagung) zur Wegeidhuung 
der Wahrfagerei aus den Gingeweiden der Thiere, befonders der 
Dpferthiere — einer meilt auf Priefterbstruge beruhenden Art be 
Divination. S. d. W. 

Entheismus (von ev, in, und Feog, Gott — daher em 
Roc oder evidoug, cin Menſch, in welchem Gott ift oder zu fin 
ſcheint, ein Gortbegeifterter) jagen Einige für Enthuſta 
(fd. W. und Zuf.) wiewohl bei den Alten nur erfonennun, 
405, vorkommt. Andre verſtehn aber unter jenem ZB 
das Sein Gottes felbft in und mit der Welt (Ieov av ra zumal) 
was man beftimmter Pantheismus nennt. ©. 5, W. m. 

Enthufiosmus. — Zufas: Fanatiker und Then 

























354 Enntſchluß Entzifferung 


entfagen d. h. auf dem gefelligen Umgang in der Welt und tz ⸗ 
damit verknüpften Freuden, aud wenn fie an ſich erlaubt feien, zu 
verzichten, um ein echt frommes Leben in der Adgeſchiedenheit vorzme 
der Welt zu führe fo iſt dieß eine unſtatthafte Foderung. S— 
Ascetik⸗Einſamkeit und Monachismus. 

Entſchluß. — Zuſatz: Das Behatten auf einem nm 
gefaſſten Eniſchluſſe it nur dann lobenswerth, wenn der Eutſchu 
ferbft gut iſt. Ware derſelbe boͤs, fo müffte man ihn vielmehr auf= 
geben. Auch fol der minder gute Entſchiuß dem befferen weichen 
Ueberhaupt fol man fine Entfchlüffe nicht mit zu großer Hitze oder 
Eite faffen. Sonſt fült man in ben Sehler der Unbefonnen= 
heit oder Uebereilung. S. beides. 

Entfhuldigung. — Zufag: Cie kann innerlich fen, 
wenn man ſich vor ſich felbft (dem Gewiſſen als innerem Rider, 
der und wegen einer Handlung anklagt) entſchuldigt, oder äußer= 
lic, wenn es vor Andern gefchieht, die uns wegen einer Handlung, 
in Anfpruc genommen haben oder dody nehmen könnten. Im le 
ten Falle geht die Entſchuldigung dem Vorwurfe oder der Anklage 
voraus, um fie abzuwenden. Die Entfhuldigung ift auch nicht. 
immer Vertheidigung im firengen Sinne, um alle Schul von mE 
abzumehren ober zurüczumeifen, fondern oft nur eine Verminderrag 
der Schuld, fo dag man fie theilweife zugiebt, theilweife ablefat- 
Daher fage man auch wohl: Ich bitte um Entfhuldigung, 
ftatt um Berzeihung, befonders wenn der Fehler mehr in Vers 
letung einer Klugheits⸗ ober Anftandsregel als in Webertretungeined 
Pflichtgebots befteht, 4. B. wenn ‚man einem Höhen wider 
was in manden Fällen fogar Pflicht fein kann, ob es gleich 
als eine Unböflichkeit Üübelgenommen wird." 
Entfinnlihung bedeutet die gaͤnzliche Unterdrückung ad 





















356 Epideiktit Epifpllogismus 


faffte ſich auch ſchon mit Unterrichtgeben, jedoch nur fr Unerwachſene 
Uebrigens hat Feine Schule in der Welt fo viel Anhänger gehabt, 
als die epiturifche. Denn theoretifche ſowohl als auch, und noch 
viel mehr, praktiſche Epikureer hat es überall und zu allen Zeiten 
gegeben. Es wird wohl auch biefe Schule nimmer ausſterben 

Epideiktik ober Epidiktik (emidemrıxn seil. Teyvr;, von 
smdexvuruu, aufzeigen, auch rahmen oder loben) bedeutet ebenſodiel 
als Entomiaftit. ©. d. W. Das Beiwort epideiktiſch oder 
eptdittifch bedeutet much prahleriſch (fich felbft rühmend). ©. 
Prahlerei. 

Srigonen (eneyovor, von eas, zu, nach, und yovam, jen 
gen) = Nachkommen. ©. d. W. Die ſchlechtweg fogenaze 
ten Epigonen (Söhne der Sieben wider Theben) weiche Eutis 
pides duch eine Tragödie verherrlicht hat, gehören nicht hieher 

Epilog. — Bufag: Bei den griechiſchen Logikern bei 
anıkoyog auch ſoviel als conchusio syllogismi,  gemöhnficher m 
gopa, illatio, oder ouyrepaoua, confinitio, genannt. Bmäo- 
oic und erikoycopog bebeuffn Ueberlegung, Nachdenken, fe 
(hung überhaupt. In Bezug auf Fabeln oder Mythen heipt iu 
Epitog auh Epimythion, fo wie der Prolog auch Promp 
thion genannt wird. ©. Fabel und Mpthe. 

Epimenides. — Zufag: Bon feinen Landsleuten, ben Ir 
tenfern, muß er eine fehr fchlechte Meinung gehabt haben, da «x fleft 
beftändige Lügner, böfe Thiere und faule Bäuche erklärte; mer min 
lich der Vers, welden Paulus (Zit. 1, 12.) von einem im 
ſiſchen Propheten anführt, wirklich, wie man glaubt, von biefem & 
berrührt: Konres ası wevora, xaxa Ingıa, yaozapız apjik 

———— f. Meriftie es Buf. 

imptbi 




















358 Eraſtik 


nach der nieberländifchen Sitte jener Zeit feinen Namen in Deside- 
rius verwandelt haben, wovon Erasmus nur bie griechifche Ueber 
fegung (abgekürzt aus eguorıog) if. Manche nennen ihn auch 
Gerhard Liebestind. Als fein Geburtsjahr wird von Einigen 
1465, von Andern 1467 angegeben. Seine erfte gelehrte Bildung er 
hielt er auf der Schule zu Deventer, wo fein Lehrer Sintheim be 
teits vorausfagte, was die Welt von ihm zu erwarten habe. Da 
er ſchon im 14. Lebensjahre feine Eltern verlor, nöthigten ihm feine 
Vormünder, ben geiftlihen Stand zu ergreifen. Er trat daher im 
17. Zahre in das Klofter Emaus zu Gouda, blich aber nicht Lanze 
dafelbft, und ließ ſich fpäterhin dutch den Papft ganz bon ben Pr 
densgelübden entbinden, indem das Moͤnchsleben, deſſen ſchlechte 
Seiten er auch nachher in Schriften aufdedte, ihm gar nicht be 
hagte. Nachdem er feine Reifen vollendet und die ihm in Oxford 
Übertragne Profeffur niedergelegt hatte: ließ er ſich endlich im Wald 
nieder, wo er unabhängig und unabläffig feinen Gtubim 
lebte, bis er 1536 in feinem 74. ober (nad) Andern) 69. Lebens 
jahre flach. Sein Grab in der dafigen Kathedrale ijt durch ein 
marmornes Denkmal mit einer Lateinifchen Inſchrift verziert. Sa 
feinem Geburtsorte aber, wo noch das Haus gezeigt wird, in wd« 
chem er geboren, fegte man ihm erft (1549) eine hölzerne, dau 
(1555) eine fteinerne, endlich (1622) eine bronzene Starus uf 
einem über einem Canal gemwölbten Bogen. In Bezug auf fie 
teligiofe Denkart fagte man von ihm: Ant Erasmus luiheriaes, 
aut Lutherus erasmizat. Cr felbft aber fagte von diefem &efer 
mator, daß derſelbe in zwei Städten gefehlt habe; denn er habe-bem 





Papfte an feine ‚dreifache Krone und den Mönchen: ı am Ihre «fait 
Baͤuche gegriffen. Das Legtere that ‚aber auch ‚E.felbftz Benni 
feinem Encomium moriae_aei li 


Eräugniß Erbmonardie 359 


hrt ein platonifcher Dialog, welcher von der Liebe zur Weis: 
it (mepı geAooogıacs) handelt, den Titel Eoaoraı, die Liebha⸗ 
e, oder, vote ihn Andre bezeichnen, Avreouarur, die Gegenlich: 
ber ober Mebenbuhler. Die Echtheit deſſelben iſt aber fehr zwei⸗ 
haft, da felbft Thraſyll, der ihn nach dem Berichte des Dio⸗ 
mes Laert. (II, 57 — 59.) unter den echten aufführt, nad 
sem andermweiten Zeugniffe deffeiben Schriftitellerse (IX, 37.) zwei⸗ 
nd fagte: zuneo oi Avreoaoraı IDurwros zıcı. ©. Stall: 
mm’6 Programm: Judicium de duohus dialugis vulgo Platoni 
seriptis. Leipzig, 1836. 4. — Berg. auch Liebe und Ge: 
ntliebe. 

Eräugniß ober Ereugniß f. Ereigniß. 

Erbadel und Erbariftoßratie f. Adel und Ariſto⸗ 
atie nebſt Zuff. 

Erbfolge. — Zuſatz: Erbiaffer heißt der, welcher etwas 
3 Erbſchaft einem Andern hinterläfft, der, wenn er e8 annimmt, 
m auch fchlechtweg ber Erbe oder beitimmter (um das Erbe und 
n Erben zu umterfcheiden) der Erbnehmer heißt. Das Neh: 
nm aber ſteht ihm frei, da er wohl das Recht bazu haben kann, 
mw wicht die Pflicht, wenn er fidy nicht ausdruͤcklich dazu verbind: 
) gemacht hätte. Erbt Jemand die ganze Verlaſſenſchaft eines 
mforbenen, fo heißt er haeres ex nasse; erbt er aber nur einen 
yeil derfelben, haeres ex parte. Vergl. aud) Erbvertrag und 
Schrift von Eduard Gans: » Das Erbrecht in welthiſtori⸗ 
er Bedeutung. Stuttg. und Tüb. 1834-36. 4 Bde. 8. 

Erbmonardhie. — Zufag: Daß ein Erbmonardy nicht ein: 
Ha über den Thron verfügen oder die verfaflungsmäßige Erbfolge 
ändern darf, verſteht fich eigentlih von ſelbſt; obwohl da, wo 
politiſche Abfolutismus herrſcht, mithin cigentlih nichts verfaf: 
agsmaͤßig verbürgt ift, ein abfeluter Monarch auch aus foldhen 
änderungen fid) kein Gewilfen machen wird. — Dat ber Mo: 
sch herkoͤmmlich das Recht, irgend ein Glied feiner Familie 
sohn, Enke, Neffe, auch wohl Tochter oder Schwiegerfohn) zu 
nem Nachfolger zu beftimmen: fo vermiſcht ſich Exblichkeit mit 
ab, aber oft zum großen Nachtheile des Volks, weil daraus 
cht Krieg zwiſchen den Samilienglicdern entſteht. Die Erbfolge 
ch dem Rechte der Erſtgeburt (wenn nicht erma der Erfigeborne 
nz unfühig zum Megieren ift, mo dann der Zweitgeborne oder in 
fen Ermangelung der fonft nächfte fühige Verwandte an feine 
telle tritt) ift daher wohl bie vorzüglichere. — In Anfehung der 
ahlmonacchie unterfcheidet man electio individunlis, welche fich 
meer nur auf einen Einzeimenſchen bezieht, el. specinlis, welche 
te befondre Samilie, und el. generalis, welche eine ganze Klaſſe 
n Bamilien (Patricier, Magnaten, ıc.) vorausbeitimmt, um bar- 


360 Erbnehmer Erbfünde 


aus im vorkommenden Falle zu wählen. — Ob das erblide Res 
gierungsrecht bloß Männern zukomme (nad) der fog. successis 
agnatica 8, franeica, wie fie in Frankreich nad dem alten falls 
ſchen Gefege flattfindet) oder au MWeibern (nad) ber fog. sus. 
cognatica s. castiliana, wie fie in Spanien fonft galt und auch 
jeht wieder hergeftelle ift) hat das pofitive Staatstecht zu beſtimmen 
Im Durchſchnitt iſt's wohl beffer, wenn nur Männer zum Regie 
ten berufen werden, ob es gleich im Einzeln auch gute Regentinnen 
gegeben hat. 

Erbnehmer und Erbfchaft f. Erbfolge nebſt Zuſ. — 
Wenn man die natürlihe Erbſchaft (haereditas maturals) 
von der flantsgefeglichen (haered. positiva) unterfheider: fo 
verfteht man unter jener das, was Kindern von ihren Eitern durch 
die Zeugung mitgetheilt worden (ihre natürlichen Anlagen und Kräfte, 
leibliche und geiftige) unter diefen aber das äußere Vermögen (Gelb 
und Gut) was Eltern nach dem Tode ihren Kindern binterlaffen 
haben. Statt Erbſchaft ſagt man aud Erbtheit, .befonders 
wiefern die Erbſchaft mehren Perfonen zugefallen ift, alfo eine Erb⸗ 
theilung flattgefunden hat. Dabei finden aber auch oft Eitze 
tigkeiten flatt, welchen, wenn fie zu fürchten, durch ein ordentliches 
Zeftament vorzubeugen allerdings Pflicht iſt. 

Erbfünde. — Zufag: Der Unterfdieb zwiſchen peccatum 
originans und originatum befteht. darin,. daß unter: jenenm- derserfe 
Sündenfalt, unter diefem aber bie dadurch angeblich erjengte Erbe 
fünde felöft derſtanden wird. Die in einem zu Paris um 
Mitte. des vorigen Jahrhunderts erſchienenen Trait6 de Wesprit de 
Ihomme par Mr. Raffiels du Vigier aufgeftellte Sppotbi 
dag die Seelen aller Menfhen ſchon in den Seelen der Stumm 
[fi inael il 









362 Erdgeiſter Ereigniß 


die Geotheologie angeführt ift) und Protogea, nebſt Zuſſ. 
Auch iſt noch folg. Schr. ſehr empfehlenswerth: Handbuch des Wi: 
fenswürbigften aus der Natur und Geſchichte der Erde und ihrer 
Bewohner. Von Dr. 2. G. Blanc. X. 3. Halle, 1837. 8, 
Da$ die Erde, wie fie jegt befteht, mit allen ihren Geſchoͤpfen wie 
der einmal untergehen werde, iſt freilich aud nur Hypotheſe, aber 
doch eine an ſich unwahrſcheinliche, da fie auf einer gewiſſen Ana: 
logie beruht, naͤmlich darauf, daß alles Individuale in Raum umd 
Zeit, wenn es auch Jahrtauſende lang beftehen mag, doch nur eine 
befchräntte Dauer hat, weil der Zahn der Zeit fortwährend an ihm 

ft. Die Erde mit ihrem Monde und die andern Planeten nebft 

Sonne felbft werben alfo wohl auch Bine Ausnahme von bie 
ſem Naturgefege machen. Vergaͤnglichkeit ift nun einmal das Loos 
alles beffen, was ſich innerhalb der finnlichen Schranken des Raus 
mes und ber Zeit bewegt. 

Erdgeifter find im Grunde alle lebendige Erdbewohner 
({. d. MW.) vornehmlich die Menſchen. Allein man nimmt das 
Wort noch in einem andern und befchränktern Sinne, indens man 
darunter eine befondre Art von Elementargeiftern verſteht. 
©. d. W. und Geifterlehre n. 3. 
Erd ig ift foviel als irdiſch. Doch nimmt man jenes meh 

im eigentlihen Sinne (mas von Erde iſt) diefes meift im Bible 
en (mas ſinnlich oder vergänglich iſt). Daher fage man irbdiſch 
gefinnt, aber nit erbig gejinnt, man müſſte denn mit die 
fem Ausdrude eine recht gemeine oder niedrige Gefinnung bejyeich 
nen wollen. 





Erethismus Erhaltungdtrieb 363 


jene Sprech⸗ und Schreibart einmal herrſchend geworden und wirbd 
es auch wohl bleiben trotz der Etymologie. 

Erethisſsmus (egedıouog, von eoeFzıy ober egedıLen, er: 
regen, reizen) bedeutet jede Art der Erregung oder Aufreizung, fos 
wohl örperliche als geiftige. ©. Erregbarkeit und Reiz. Eine 
darauf bezügliche Wiſſenſchaft oder Kunft würde alfo auh Ere⸗ 
thiſtik genannt werden Binnen, fo wie infonderheit die Anhänger 
der medicinifchen Erregunge= Theorie (Brown, Röfhlaub u. X.) 
Erethiſtiker. 

Erfindung. — Zuſatz: Dalberg's Schrift vom Erfin⸗ 
den und Bilden (Frankfurt a. M. 1791. 8.) bezieht ſich vornehm⸗ 
ih auf die aͤſthetiſche und artiſtiſche Erfindſamkeit. 
Doch wirb auch gelegentlich auf ben erfinderifchen Geift (inge- 
nium heuristicum) überhaupt NRüdkficht genommen. 

Ergebniß ficht zwar zumellen für Begebniß oder Er: 
eigniß, bedeutet aber eigentlich das, was ſich aus einem Andern 
folgern laͤſſt (ergiebt ober fchon ergeben hat). Darum werden auch 
aus anderweiten Saͤtzen (Grundfügen) abgeleitete Säge (Kolgeruns 
gen oder Folgefüge) Ergebniffe genannt. Auch nennt man fie 
Refultatk (von resultare, zuruͤck⸗- oder hervorfpringen). B ers 
giebt. ſich oder refultivt aus A, heißt demnach foviel als, B folgt 
aus A. In jedem Schluſſe iſt alfo der Schluffag ein Ergebs 
niß oder Reſultat der Vorderſaͤtze, wenn der Schluß bündig iſt. 
S. Schluß. 

Ergebung ſ. Ergebenheit. — Wegen der Ergebung 
auf Discretion f. discret. 

Erhaben. — Zufag zur Literatur diefes Artikels: Ueber das 
Erhabne und das Komifhe. in Beitrag zur Philofopbie bes 
Schoͤnen von Dr. Frot. Theod. Viſcher. Stuttg. 1836. 8. 

Erhaltungstrieb (instinctus s. nisus conservativus) iſt 
das natürlihe Streben jedes Iebendigen Weſens, ſich felbft in ſei⸗ 
nem Auftande gegen alles Störende zu behaupten — nach bem 
age: Quaevis natura est conservatrix sul. Darum beißt auch 
jener Trieb beftimmter Selberhaltungstrieb. Er kann ebens 
ſowohl bereufftlos als mit Bewuſſtſein wirken. Auch kann daraus 
das Streben hervorgehn, andre Dinge zu erhalten, befondere folche, 
die mit uns und unfrem Juftande in Verbindung ftehn, wie ge 
liebte Perfonen, eigenthuͤmliche Sachen, Rechte und Gebräudje, ja 
fogar Unrechte und Misbraͤuche, wenn fie uns vortheilhaft find; 
was bei den politiichen und Firchlihen Gonfervativen in Eng: 
land und andermwärts nicht felten der Kal ift. Bei ber Stage, was 
erhalten werden folle, muß daher nicht blog auf unfern Vortheil 
oder das, was uns ausſchließlich nüst, fondern auch auf das ges 
ſehen werden, was Gerechtigkeit und Billigkeit oder fine vernünfs 


364 Erhard Erinnerungskraft 
tige Selbliebe und Menſchenllebe gemeinſchaftlich fodern. Und ebenſo 






muß dieſe Foderung beim Streben nach Veraͤnderung und Verbeſ⸗ 
ſerung beachtet werden, damit es nicht in eine Art von Zerſtä— 
rungswuth übergehe. Erhaltung und Verbeſſerung (conserratio et 
emendatio) müffen alfo nicht in feindfeligen Gegenfag, fondern in 
freundliche Verbindung treten. 

Erhard (3. 8.) — Zufag: Er flarb 18277. — Der am 
Ende diefes Artikels erwähnte Andr. Erhard ift feit 1832 Prof. 
der Phitof. an der Univerf. zu Münden, nicht zu Paffau. Fruͤ⸗ 
ber war er Lehrer der koͤniglichen Kinder zu Münden, dann Mer, 
und Prof. am Gpmnafium zu Landshut, hierauf Prof. am aͤltern 
Gomnaſium zu Münden. Er hat auch ein Trauerſpiel (Haimes 
ran. Münden, 1819. 8.) herausgegeben. [Diefe Notijen verbanf’ 
ich Hm. Prof. Afhenbrenner.] 

Erhärtung ſteht zumeilen für Bekraͤftlgung oder Beſtaͤti⸗ 
gung eines Satzes durch Anführung triftiger Gründe, alfo fett 
Bereisführung. ©. beweifen. Im einem andern Sinne wird 
Verhärtung genommen. S. d. W. 

Erigena. — Zufag: Sein Todesjahr wird von Einiges 
um 3 Jahre früher (883) angefegt. Als Scholaſtiker bekam er 
den Ehrentitel Princeps scholasticorum, aud) Doctor subtilis. Je 
er ward fogar Fanonifirt, fpäterhin aber al Gegner der Lehre von 
der Ieansfubftantiation wieder aus der Deiligenlifte ausgeftrichen 
Der Unglüdtihe! — Ihn befchäftigten bereits bie fpäter fo wid 
befprochenen und befteittenen Probleme, ob Gott fei (eriftice) oder 
höher fei als alles Erifticende, ob man das Weſen der Dinge (w- 
sentiam rerum) zu erfennen vermöge oder bloß ihre Zufänigkeiten 
(aceidentia, modos essendi) ob die Vernunft etwas von 











366 Erkenntniſſarten 


thodiſche Richtung des Erkenntniſſvermoͤgens auf gewiſſe Gegen: 
flände zu erlangen iſt. Diefe heißt auch, wenn fie in bie willen 


ſchaftliche Form eines Syſtems gebracht ift, die wiſſenſchaft⸗ 
lidye (seientifica) oder fyftematifche, deren Gegenfag alddann 
die von jener frengeren Form entkleidete voltmäßige (popularis) 
if. Darum aber kann man nicht jene wahr und vollfoms 
men, biefe unwahr ober falfch und unvolltommen nennm. 
Denn es giebt unter Menfdyen überhaupt keine durchaus wahre ud 
vollkommne Erkenntniß; jeder menſchlichen Erkenntniß iſt vielmehr 
etwas Falſches und Unvollkommnes beigemiſcht, hier mehr, dort 
weniger. Die wiſſenſchaftliche oder ſyſtematiſche Form kann wohl 
die Erkenntniß klarer, deutlicher, zuſammenhangender 
machen, ihr alfo mehr log iſche Vollkommen heit geben. Aber 
fie allein fann uns nicht vor Irtthuͤmern und andern materialen 
Unvolltommenheiten bewahren. S. Wahrheit und Irrthum 
Sieht man nun ferner auf den Gehalt der Erkenntniß und berm 
Urfprung, fo kann man fie zuvoͤrderſi in bie empiriſche ober his 
ftorifhe Erk. (cogn, a posteriori s. ex dalis) und in bie reine 
oder rationale Erf. (cogn. a priori 8. ex principiis) 

aber wieder in bie mathematifdhe und bie pbilofophifge 
eintheilen. (Berg. Bülfinger’s disp, de tri cognitiene, 
hi@orica, philosophica et mathematica, Tüb. 1772. 4.). Dei 
gllt die zweite Eintheilung, ſtteng genommen, nur in Bezug af 
die reine Mathematik und Phitofophie, nicht in Bezug auf die an 
gewandte, ‚welche von gemifchter Natur, mithin theils enupkifdı 
theilg. rational it. ©. Mathematik, Phitofophie md Wil 
Tenfhaft. Wenn man aber Sinnes- Verftandes: m 
—— Erkenntniß unterſcheldet fo nimmt man auf De 

ii R 








368 Erkenntniſſgebiet Erkenntniſſlehre 


uſchen Geſete und Schranken der menſchlichen Erkenntniß geh: 


rig 


beachtet. 

Erkenntniffgebiet — Erkenntniffgegenftand — 
Erkenntniffgefeg — Erkenntniffgränge — Erkennt: 
niffgrund — Erkenntniffinhaber — Ertenntniff- 
traft und Erkenntniſſkreis f. Ertenntniß, Erkennt: 
niffarten und Erkenntniſſlehre, die man aud eine Ers 
tenntniffwiffenfhaft (gnoseologia, gnostica scil. seien 
ta) nennt. 

Erkenntnifflehre. — Zufag zur Literatur dieſes Artis 
kels: 1. Einleitende Schriften: Abel’s Plan einer ſyſtematiſchen 
Metaphyſik. Stuttg. 1787. 8. — Barbili’s Brlefe über den 
Urfprung der Metaphpfit. Altona, 1798. 8. (If zugleich geſchicht 
ti). — Ueber die menſchliche Erkenntniß. Von G. E. Squlie 
Goͤtt. 1832. 8. (Verſuch einer neuen Grundlegung zur Metapbe: 
fi). — Ueber das Wefen und die Entftehung des Erkennens und 
über das hemmende Naturprincip. Bon Terd. Aug. Ritgen. 
Stuttg. 1834. 8. — 2. Abhandelnde Schriften: Thom. Cam- 
panellae universalis philosophia s. mefaphysicarum rerm 
juxta propria dogmata PP. II. Par. 1638. Fol — Darie- 
sii elementa meiaphysica. Jena, 1743 — 44. 2 Bbe. 4. c⸗ 
Def. Anmerkungen über einige Säge ber molfilden Metaphpfik: 
Frankf, und Leipz. 1748, 4, — Abiqhtt's Philofophie der Er 
kenntniſſe. Baireuth, 1791. 8. — Calker's Urgefeplehre dei 
Wahren, Guten und Schönen, oder Darftelung der fog. Metz 
phyſik. Verl. 1820. 8. — Afhendbrenner’s Lehrbuch Dir ME 
taphyſik. Ein Verſuch über die Begründung der Harmonie ei 
Univerfums. Landshut, 1830. 8. — Ernſt Reinhold’e Air 


























370 Erlebniß Erotiſch 


als ein Menſch ſich fo daran gewöhnt hat, daß es wenigſten 
ſcheint, als koͤnne er fie nicht mehr unterlaffen. Aber das tik doch 
etwas Andres, als wenn man eine Sünde unerläfflid) oder unver 
geblich (itremiſſibel) nennt. 

Erlebniß heißt alles, was man ſelbſt erlebt (empfunden, 
geſchaut, gedacht, gewollt, gethan oder gelaffen) hat. Soiche Ev 
tebniffe find alfo die Grundlage der eignen Erfahrung, wenn mar 
daraus richtige Ergebniffe zu ziehen verſteht S. d. W. u 
Erfahrung. 

Erlernen f. lernen. 

Erloͤſung. — Zufag: Bei diefem Artikel iſt auch Ruoil's 
philoſophiſch⸗ kritifcher Entwurf der Verföpnungsiehre (Halle, 17%. 
8.) zu vergleichen. 

Ernft und Scherz. — Zufag: Es giebt Übrigens auch eisen 
verſtellten oder Eceinernft beim Schetzen felbft, fo wie eine 
hodhmüthige und eine trübfelige Ernſthaftigkeit. Lem 
nennt man ſcherzhaft auch Sauertöpfigkeit. 

Eroberung. — Zufag: Wenn das Eroberungseedt 
(jus ocenpationis hellicae 8. expugnationis per arma) auf einm 
ganzen Staat ausgedehnt wird, der. im Kriege beſiegi und vom _ 
Feinde befegt worden: fo verwandelt ſich der Kampf in einen Ben 
nihtungstrieg. © d. W. und Raubflaat. 

Erogation f. Rogation. 

Eromanie ober Erotomanie (empärın 7 zparteis 
vun, von omg, rog, die Liebe, und ana, der Wahnfian) ib 
deutet eine bis zum Wahnfinne gefteigerte Veriiebthelt, bie man in 
Deutfchen gleichfalls Liebeswuth nennt. ©. d. W, Die @ 
hen nannten fie aud) egwroinyıa (von Anßerw oder Außen — 





Grregbarteit Erſtgeburtsrecht 371 


: za unterbrüden; worauf ſich Ovid's remedia amoris beziehn. 
wel. Anteros u. Eraſtik. 

Erregbarkteit. — Zufag: Berge. auch Irritabilität 
iſt Zuſ. und die dafelbft angeführten Schriften. 

Erfheinung. — Zufag: Diefes Wort wird auch von ans 
lichen Wahrnehmungen folder Dinge gebraucht, die eigentlidy 
we Gegenftände finnlicher Wahrnehmung find; wie wenn von 
eifters oder Sefpenfter: Erfcheinungen, Engel: oder Zeus 
[a oder Goͤtter⸗Erſcheinungen die Rede if. Dieſe Erfcheinuns 
r aber beruhen bald auf Zäufhungen von Seiten Andrer, bald 
F Taͤuſchungen unfrer felbft durch Phantafiefpiele, bald auch auf 
derlei Taͤuſchungen zugleih. Die Philofophie kann daher nur 
zuen, daß man in Bezug auf ſolche Erfcheinungen, die audy Ges 
bte, Vifionen, Phantasmen oder Phantasmagorien 
Sen, ſtets auf feiner Hut fei. Vergl. au Geifteriehre n. 3. 
eiſterſeherei und Geiſterwelt. 

Erſitzung iſt die Erwerbung eines Eigenthums durch lan⸗ 
Befitz und Gebrauch ohne Einſpruch von Seiten Andrer, und 
£ daher unter ben Begriff der Verjährung ©. d. W. 
» Befis. 

Erftaunen f. Staunen. 

Erfte Philoſophie (philosophia prima, 7 newzn gılo- 
pea) ift ein zmweideutiger Ausdruck, ber ſchon bei Arifloteles 
tommt. Nimmt man ihn hronologifd), fo ift darunter bie 
tefte Philof. zu verficehn, mit welcher das Philofophiren felbft 
E begann. Diefe laͤſſt ſich aber nicht beilimmen, weil anfang 
ſiloſophie, Poefie und Religion mit einander Hand in Dand gin- 
a, ihre Zrennung aud nicht auf einmal, fondern nur allmählich 
ſchahe. Hält man alſo die ioniſche Philof. für die erite in 
dem Sinne, fo ift dieß ſchon an ſich nicht erweislich, und würde 
x nur in Bezug auf die griehifche Philof. gelten. ©. beide 
werde. Auch vergl. Alte Philof., Gefhichte der Phi: 
of. und Mythologie Nimmt man aber jenen Ausdrud 
dnamiſch für beſte oder vorzuͤglichſte Philof., fo iſt die 

ung nod) weniger möglich. Vergl. Erzphiloſoph. We: 
Mm einer noch andern Bedeutung jenes Ausdrucks aber ſ. Erſtes 
DM Leute a. E. 

Erfigeburtöreht. — Zufag: Der Unterfchied zwifchen 
m häuslichen (domeftifchen) und ſtaatlichen (politifhen) Erſt⸗ 
Ömtörechte iſt zwar gegründet nach den gegenwärtigen Verhaͤltniſ⸗ 
R Allein ihrem Urfprunge nad) fallen diefe beiden Arten des Pris 
ogenitucrechtes offenbar zufammen. Es ift nur vom Daufe auf 
B Staat übergegangen, weil man biefen als ein größeres Haus 
wachtete. Belde Arten deſſelben baben aber auch Dub mit einans 


370 Erlebniß Erotiſch 


als ein Menſch ſich ſo daran gewoͤhnt hat, daß es wenigſtens 
ſcheint, als koͤnne er fie nicht mehr unterlaffen. Aber das iſt doch 
etwas Andres, als wenn man eine Sünde unerläffli) ober unver 
geblich (irremifjibel) nennt. 

Erlebniß heißt alles, was man felbft erlebt (empfunden, 
geſchaut, gedacht, gewollt, gethan oder gelaffen) hat. Soiche Er 
lebniffe find alfo die Grundlage der eignen Erfahrung, wenn man 
baraus richtige Ergebniffe zu ziehen verſteht. S. d. W. u 
Erfahrung. 

Erlernen f. lernen. 

Erlöfung. — Zufag: Bei diefem Artikel iſt auch Knoll's 
philofophifch = Eritifcher Entwurf der Verföpnungsiehre (Halle, 1799, 
8.) zu vergleichen. 

Ernft und Scherz. — Zufag: Es giebt übrigens auch eiam 
verſtellten oder Scheinernft beim Scherzen felbft, fo wie eine 
bohmüthige und eine trübfelige Ernſthaftigkeit. Lem 
nennt man [herzhaft auh Sauertöpfigkeit. 

Eroberung. — Zufag: Wenn das Eroberungsredt 
(jas ocenpationis bellicae s. expugnationis per arma) auf ein 
ganzen Staat ausgedehnt wird, der im Kriege beſiegt und vom 
Feinde befegt worden: fo verwandelt ſich der Kampf in einen Ber 
nichtungskrieg. ©. d. W. und Raubflaat. 

Erogation f. Rogation. 

Eromanie ober Erotomanie (epmuana 7 zpwreue 
via, von &prig, Tog, die Liche, und zarın, der Wahnfian) be 
deutet eine bis zum Wahnſinne gefteigerte Veriiebthelt bie-mandm 
Deutſchen gleichfalls Licbeswuth nennt. &,d.W. Die Ei 
hen nannten fie auch eowroimyna (von Anße ober Außen — 





Grregbarkeit Erſtgeburtsrecht 371 


der „zu unterdruͤcken; worauf fih Dvid’s remedia amoris beziehn. 
Versi. Anteros nm. Eraftik. 

Erregbarteit. — Zufag: Vergl. auch Irritabilität 
nebft Zuf. und die dafelbft angeführten Schriften. 

Erfheinung — Zufag: Diefes Wort wird auch von an: 
geblihen Wahrnehmungen folder Dinge gebraucht, die eigentlich 
Leine Gegenftände ſinnlicher Wahrnehmung find; wie wenn von 
Geiſter⸗ oder Gefpenfter : Erfcheinungen, Engel: oder Teu⸗ 
fel⸗ ober Götter: Erfcheinungen die Rede it. Dieſe Erjcheinuns 
gen aber beruhen bald auf Zäufhungen von Seiten Andrer, bald 
auf Taͤuſchungen unfrer ſelbſt durch Phantafieipiele, bald auch auf 
beiderlei Taͤuſchungen zugleich. Die Philofophie kann daher nur 
warnen, daß man in Bezug auf folhe Erfcheinungen, die audy Ges 
fihte, Bifionen, Phantasmen eder Phantasgmagorien 
beißen, flets auf feiner Hut fei. Vergl. auh Geifterlehre nn. 3. 
GBeifterfeherei und Geiſterwelt. 

Erfisung ift die Erwerbung eines Eigenthums durch lans 
gen Beſitz und Gebrauh ohne Einfpruh von Seiten Andrer, und 
faͤnt baber unter den Begriff der Verjährung ©. d. W. 
m Beſitz. 

Erflaunen f. Staunen. 

Erſte Philoſophie (philosophia prima, 7 nowrn gılo- 
sog:a) ift ein zweideutiger Ausdrud, ber ſchon bei Ariftoteles 
vorfommt. Nimmt man ihn chronologiſch, fo ilt darunter bie 
ältefle Philof. zu verfiehn, mit welcher das Philofophiren felbft 
erft begann. Diefe laͤſſt fih aber nicht beftimmen, weil anfangs 
Philoſophie, Poefie und Religion mit einander Hund in Dand gins 
gen, ihre Trennung aud nicht auf einmal, fondern nur allmählich 
geſchahe. Hält man alio die ioniſche Pbilof. für die erite in 
dieſem Einne, fo ijt dieß ſchon an ſich nicht erweistih, und würbe 
doch nur in Berug auf die griehifhe Philof. gelten. ©. beide 
Ausdrüde. Auch vergl. Alte Philoſ., Gefhichte der Phi: 
Lof. und Mythologie Nimmt man aber jenen Ausdrud 
dynamiſch für beite oder vorzüglidhfte Philof., fo it die 
Beſtimmung noch weniger möglih. Vergl. Erzphiloſoph. Me: 
gen einer noch andern Bedeutung jenes Ausdrucks aber ſ. Erſtes 
und Letztes a. E. 

Erſtgeburtsrecht. — Zuſatz: Der Unterſchied zwiſchen 
dem haͤuslichen (domeſtiſchen) und ſtaatlichen (politiſchen) Erſt⸗ 
geburtsrechte iſt zwar gegruͤndet nach den gegenwärtigen Verhaͤltniſ⸗ 
fen. Allein ihrem Urſprunge nach fallen dieſe beiden Arten des Pri⸗ 
meogeniturcechtes offenbar zuſammen. Es iſt nur vom Haufe auf 
den Staat übergegangen, weil man biefen als ein größeres Haus 
betzachtete. Beide Arten deſſelben haben aber auch des mit einan⸗ 


372 Ertrag Erwartung 


der gemein, daß, wenn der Erftgeborne wegen Bloͤd⸗ oder Wahn: 
finns unfähig ift, fein Vorrecht auszuüben, es auf den Raͤchſt ⸗ 
gebomen übergeht, ſowohl im Haufe als im Staat. S. Box- 
horn de jure primogeniturae. Leiden, 1649. — Fuchs de 
ä imogenitarac. Wittenberg, 1692. — Buddeus 
as primogenitorum. Jena, 1695. — Ludel- 
roductio in jus primogeniturae. Jena, 1703. — Die deri 
Saufen: Jacobi a Saa tract. de ji jogenilurae — 
Ludov. Molinaei tract, de jure primogeniturae [gegen bie 
vorige] — und Goldasti discept. de jare repraesentalionis in 
primogenitura , erfdienen zufommen zu Han. 1604 und ps 
Sranff. 1615. 

Ertrag f. Eintommen. — Das Zeitw. ertragen be 
beutet aber nicht bloß ſovlel als einbringen (in welchem Fabe 
man body lieber eintragen fagt, während das Hauptw. Ein: 
erag mehr für Abbruch gebraudt wird, befonders in ber Be 
densart: Eintrag thun) fondern auch ſoblei als dulden. Ash 
fagt man dann wohl zur Verftärtung des Begriffs geduldig er: 
tragen; was alfo nicht pleonaftifdy ift, weil es moͤglich waͤre, Dh 
Jemand zwar Überhaupt etwas ertrlige oder duldete, aber fr [ 
Unwillen oder Verdruß, folglih ohne Geduld. S. d. W. m 
die Formel: Sustine et abstin 

Erubdition (von eradire, unterrichten, belehren, ei 
aus dem Rohen [e rudi] herausarbeiten) iſt ſoviel als Gelehr⸗ 
famteit (f._d. W.) wiewohl «8 auch zuweilen für Geſchicklich⸗ 
keit ſteht. ©. Geſchick. 

Eruiren (von eruere, ausgraben, auswühlen) hat auf 
Biefer eigentlichen Bedeutung auch die * giftigen Erforfa 16 



















Grwartungsrecht Erwerben 373 


wird begehrt, bier verabfcheut; und das verfegt eben das Gemüth 
in jene Spannung, die auch, felbit im erſten Kalle, in Aengſtlich⸗ 
keit übergehen kann; befonder8 wenn man zwifchen Furcht und 
Hoffnung ſchwankt. Dabei iſt die Einbildungskraft vorzüglich im 
Spiele, indem fie uns das ſchon Erlebte, aljo Vergangene, voı= 
fplegelt, dem das Künftige mehr oder weniger ähnlich fein merbe. 
Daher kann man auch fagen: Hoffnung und Furcht, dieſe beiden 
großen Hebel aller menſchlichen Zhätigkeit, beruhen auf Erwar: 
tung ähnlicher Fälle (exspectatio casuum similium). Es 
bangt bieß wieder mit einem Geſetze der Ideenaſſociation zuſam⸗ 
men, nämlid dem Geſetze der Aehnlichkeit. ©. Affociation. 
Daß aud) die Thiere, befonders die uns näher fichenden, das Aehn⸗ 
liche erwarten, alfo hoffen und fürchten, leidet keinen Zweifel. Man 
würde fie fonft gar nicht einmal abrichten und lenken Bönnen. 

Erwartungsrecht. — Zufag: Dahin gehören auch die 
fogenannten Erpectanzen oder Anwartſchaften auf gewiſſe 
Aemter, Pfrunden ıc. Denn fie beftehen in einem mehr oder we: 
niger begründeten Anfpruche, ben man daher, wenn er auch nur 
die äußere Form des Rechtes hätte, wohl ein Erwartungsredt 
(jus exspectandi) nennen kann. S. Anwartſchaft. 

Erweihung, pſychiſch genommen, bedeutet die Umſtim⸗ 
mung des Gemüͤths zu fanfteren Gefühlen (Milde, Wohlmwollen, 
Zpellnchme an Anderer Wohl und Wehe) jei e8 durch articulicte 
oder ımarticulirte Tone, durch Mede oder Geſang; mie man von 
Drpheus, Amphion und andern alten Dichtern oder Tonkünft: 
lern erzählte, daß fie duch, ihre Kunft Löwen und Tiger gezähmt, 
Bäume und Steine in Bewegung gefegt, ja ſogar die Gewalt der 
Ströme und Stürme gebrohen hätten — nah Horaz (od. 1, 
12.) in Bezug auf den Erfigenannten: 

Arte materna rapidos morsutem 
Fluminum lapsus celeresque voentos, 


Blaudum et auritas fidibus canoris 
Ducere quercus. 


Solche Wunder können freilich unfre Dichter und Tonkuͤnſtler nicht 
mehr thun. Aber menfchliche Herzen koͤnnen fie noch immer er: 
weichen, wenn fie nur echte Kuͤnſtler find. 
Erwerben. — Zufig: Die Ermerbung von Gütern kann 
Ab ſowohl auf innere Güter (Kenntniffe, Sertigkeiten ıc.) als 
auf Außere (Grunditüde, Gelder ıc.) beziehn. Die Erwerbung 
durch Befignahme herrenlofer Sachen ift eine urfprüngliche (ad- 
isitio originaria s. primitiva) die duch Annahme ſchon eigen: 
ehämicher Sachen mittels Vertrags, wie durch Kauf und Tauſch, 
eime abgeleitete (adquis. derivativa). Denn Niemand könnte 
auf dieſe Weiſe etwas von Andern annehmen, wenn Niemand 


374 Erziehung 


etwas auf jene Weife zu dem Seinen hätte machen koͤnnen. — 
Durch Gewalt oder Betrug kann rechtlicher Weiſe nichts en 
worben werben, wenigſtens im Privat» Verhälmiffe der Menſchen 
In dem öffentlichen DBerhältniffe aber, welches zwiſchen Wäldern 
oder Staaten ſtattfindet, macht der Krieg in diefer Beziehung eine 
Ausnahme, teil dirfelbe, wenn er einmal beſchloſſen ift, nicht am 
ders geführt werden kann, als dadurch, daß Eines den Anden zu 
überwältigen oder zu uͤberliſten ſucht. S. Krieg und Erebe: 
rung. Die Vernunft kann aber doch auch diefe Ausnahme nicht 
an fid) biligen, fondern nur als Nothmittel zur Entſcheibung von 
Rechtöfkreitigkeiten zwiſchen fo großen Menfcyenvereinen beim mod: 
unvolltommnen Zuftande derfelben geflatten, indem die Vernunft: 
foderung eigentlih auf den Frieden, und zwar auf einen dam 
baften, alfo auf den ewigen Frieden gerichtet if. ©. beides 
Erziehung. — Zufag zur Literatur diefes Artikels: Deak 
teige, oder über die Exzichung des Menfchen. Bon W. Pfaff 
Hanau, 1832. 8. — Ueber den Begriff der Erziehung, das Ber 
haͤltniß der Erziehung zur Bildung ıc. Won Dr. 3. C.%. Hein: 
roth. Leipz. 1836. 8. — Plato's Erziehungsiehre als 
gogik für die Einzelen und als Staatspädagogil. Aus den 
len dargeftellt von Dr. Aler. Rapp. Minden, 1832. 8. &pb 
ter gab Derf. auch die Staatspädagogit des Ariftoteles kw 
aus. Hamm, 1837. 8. — Bon Niemeyer’s Grunbfägen de 
Erziehung und des Unterrichts erihien die 9. Aufl. zu Hal, 
1835. 8. — Bon Grafer’s Divinitit ober Princip der inne 
wahren Menfcenerziehung ıc. erſchien die 3. Aufl. zu Hof, 1380 
2 Thle. 8. — Rauer über fittlihe Erziehung der Menfcen eb 
Völker als erſtes Bedürfnis der Zeit. Leipz 1833. & — 2 






Erzphiloſoph 375 


die Callipaedia vom Abbe Quillet, die aber mehr die Erzeugung 
ſchoͤner Kinder als die Erziehung betrifft. — J. P. F. Richter's 
Lewana und ber Lady Elifab. Hamilton Briefe über die Er⸗ 
ziehung enthalten zwar auch viel Gutes, find aber mehr popular, 
ats wiſſenſchaftlich. Ebenfo Friedrich's 11. lettre sur P’educa- 
ton. — Die Erziehung männlicyer und weiblicher Kinder beruht 
allerdings in der Hauptſache auf denfelben Grundſaͤtzen; weshalb 
auch Plato in feiner Republik beiden eine durchaus gleiche oͤffent⸗ 
lidye Erziehung gegeben wiſſen weilte. Da jedoch der Gefchlechte: 
unterfchied ein wichtiges Moment ift und das Weib chen feiner ge: 
ſchlechtlichen Beſtimmung vorgen mehr dem Haufe als dem Staate 
angehört: fo iſt ihm die haͤusliche Erziehung angemerjener, als bie 
in oͤffentlichen Anftalten, wenn auch Mädchen in folchen Unterricht 
empfangen mögen. ine gelehrte Bildung im eigentlichen Sinne 
aber pafft wohl nicht für Frauen. ©. d. W. Auch vergl. die 
noch immer brauchbaren Briefe über die Erziehung der Frauenzim⸗ 
mer. Berl. und Stettin, 1773. 8. (Anonym, augeblih von 30: 
bei) und Fenelon’s Schrift de l'education on filles. Bar. 
1687 und 1697. 12. deutfh von Franke. Halle, 1698. 12. 
und zugleich mit Locke's Schrift über die Erziehung der Kinder. 
keipz. 1708. 8. — Zu Krug's Schrift: Der Staat und die 
Schule ober Poli. und Pädag. (auh in Deff. gefammelten 
Schriften, B. 3. Nr. 2.) erfhien noch ein Nachtrag unter dem 
Titel: Soll man die Erziehung der Jugend wieder den Mönchen 
und infonderheit den Sefuiten anvertrauen? Leipz. 1836. 8. — 
In geſchichtlicher Hinfiche iſt noch zu bemerken: Gefchichte der Er: 
zichung und des Unterrichts in melthijtorifcher Entwidelung. Bon 
Dr. Srdr. Sramer. Elberfeld, 13532—30. 8. B.1.u.2. Das 
Alterthum betreffend. Zum Theile schören auch hicher Dr. Che. 
Koch's Srundfüge der Erziehung, des Unterrichts, und ihrer Ge: 
dichte nad) Niemener und Ruhkopf. Mit einem Vorw. von 
Dr. Che Wagner % 2. Marburg, 1536. 8. — Mit be 
fondrer Dinfiht auf unfre Zeit ijt gefchrieben: Pädagogik od. Er: 
ziehungs⸗ u. Unterrichtsi. nad) den Anfodsrungen der Gegenw. on 
Aug. Arnold. Königeb, 1837. 8. 

Erzphiloſoph (archiphilosophus) bedeutet eigentlidy den 
erſten Philoſophen. Denn die Vorſatzſylbe erz kommt ber vom 
altdent. ari, welches der Pofitiv von eriro, eher, und eristo, er: 
ſter, iſt und welchem aud das griech. apxr, der Anfang, ent: 
peicht; woraus apyı in den zufanmengefegten Wörtern upyıargos, 
ecſter Arzt, apxıBordog, erſter Nathgeber ıc. entitanden. Nimmt 
man nun den Ausdrud Erzphiloſoph chronologiſch, fo laͤſſt ſich 
der erſte Philoſoph der Zeit nach gar nicht beſtimmen. 
Bergl. erſte Philoſophie. Nimmt man ihn aber dynamiſch, 





376 Escendenz Eſchenmayer 


ſo iſt ebenſowenig zu ſagen, wer der erſte Philoſoph dem 
Range nad ſei, d. h. wer bis jegt am beſten —— u 
ſomit auch wohl die vollkommenſte Philoſophie aufgeſtelit habe. 
Manche haben freilich zu verſtehen gegeben, daß fie ſeibſt ed feim. 
Die boͤſe Welt hat aber immer daran gezweifelt oder wohl gar zu 
ſolchen Prätenfionen gelacht. Andre wurden von ihren Gchäiee 
oder Anhängern dafür erklaͤtt, z. B. Pothagoras, Sokrates, 
Plato, Ariftoteles u. A. Wiewohl nun ber Lehtgenannte am 
längften dafür gehalten worden: fo hat er body diefe Ehre meuerlih 
wieder an Eeibnig, Wolf, Kant, Fichte u. A. abtreten mäk 
fen. Aber auch fie haben daſſelbe Schickſal gehabt. Und fo wir 
es wohl fortgehn bis an's Ende der Tage. Denn es pflegt immer 
ein Erzphilofoph den andern zu flürzen. ©. des Verf. Sach 
Shelling und Hegel, ober die neuefte Phitofophle im Wermide 
tungskriege mit ſich felbft begriffen. Leipz. 1835. 8. 

Escendenz (von escendere, aus- und anfteigen, 5. ®. 
aus dem Schiffe an's Land) iſt eigentlich ebenfoviel als Ace 
denz. Die Moftiter brauchen aber jenes Wort lieber, um de 
Aufnahme des Menſchen in das göttliche Weſen zu bezeidmen. 
S. Myſtik. Bei dem Alten kommt escendentia nicht vor, meh 
aber escensus. 

Eſchenburg. — Zufag: Von feinem Entwürf einer Ti 
rie und Literatur der ſch. Wiſſ. erfhien 1836 eine 5. Aufl. vun 
Mor. Pinder. 

Eihenmayer. — Bufag: Im einer Gef. und Beldak 
bung der Univerf. Tübingen wird er Karl Adolph von Efh 





genannt umd weiter angegeben, baß er 1770 zu Neuenburg are 
ten ſei, anfangs auf der Karls: Akademie zu Stuttgart ſtuditt habt, 





378 Eſſaͤer Ethſkosmologie 


Eſſaͤer oder Effener. — Zuſatz: Als Secte oder Relis 
gionspartei betrachtet waren dieſelben wahrſcheinlich ein Zweig oder 
eine Tochtergeſellſchaft der aͤghptiſchen Therapeuten. Ob und wie 
aber der Stifter des Chriſtenthums mit ihnen in Verbindung geftans 
den, möchte ſich wohl nicht mehr ausmitteln laſſen. 

Effen und Trinken bedarf an ſich keiner Erklaͤrung. Die 
Bemerkung aber dürfte hier nicht am untechten Dite fein, daß man 
das Uebermaß in der Ausübung dieſer organiſchen Function unfers 
Körpers zur Erhaltung deffelben nicht richtig duch Freffen und 
Saufen begeihnet und daher den unmäßigen Effer umd 
Trinker einen Freſſer and Säufer nennt. Denn ibiewodl 
man biefelbe Function bei vernunftlofen XThieren anders als bei 
Menſchen bezeichnet, weil der Menſch, infonderheit der gebildete und 
gefittete, ſich dabei im der Regel mit einem gewiſſen Anftande be 
nimmt: fo pflegen doch die Thiere, welche unabhängig vom Men 
ſchen leben, nicht unmäßig im Genuffe der Nahrungsmittel zu fein. 
Sie fättigen fih nur d. 5. fie fillen ihren Hunger und Dur, 
weil dieß ein natürliches Beduͤrfniß if. Der Menſch allein geht 
darüber hinaus, weil er auch hier zu viel fünftelt und fidy dabunh 
zum Uebermaße verleiten Läfft; was dann auch wohl Thieren begeg: 
net, bie mit dem Menſchen leben, wie den Elephanten, wenn mıs 
ihnen Branntwein reiht. Uebrigens vergl. Ernährung und Wir 
Bigkeit. 

Effenz. — Zufag: Wie das Weſentliche essentiale heiſt 
fo das Außerweſentliche extraessentiale. Doch kommen biefe Aus 
drucke bei den Alten nicht vor. Nur essentia finder man fon ii 
Quinctilian (instit. orat. VII, 3). Wegen der quinta esse 
af. Duinteffenz und Eriftenz nebft Buff. 





Ethnarchie Ethographie 379 


ijt ebenfo, wie das unmittelbar vorhergehende Wort, neugebildet, ins 
dem man in der Mitte noch xoonog, bie Welt, eingefchoben, um 
die Lehre zu bezeichnen, bie aus einer Betrachtung bes Moralifchen 
vom Standpuncte einer allgemeinen oder fog. höhern Weltanfchaus 
ung hervorgehen fol. Dabei kann es aber freilich Leicht gefchehen, 
daß das Ethiſche fih in ein Phyſiſches auflöft oder der vom Ges 
wiffen fanctionirte Unterſchied des Guten und des Böfen aufgeho: 
ben wird. So fit es fehr vielen Pantheiften ergangen. S. Pans 
theismus n.3. Wer aber in der That an Gott als ben Urgrund 
einer fittlihen Weltordnung glaubt, der wird nicht unterlaffen koͤn⸗ 
nen, auch dad Weltganze Überhaupt aus einem moralifhen Ge: 
fichtspuncte zu betrachten. ©. Gott n. 3. und Weltordnung. 

Ethnarchie (edvaoyın, von eIr0s, das Voll, und ap- 
zeıv, bereichen) bedeutet die Beherrſchung oder Regierung eines 
Volkes, dann aud die Macht und Würde eines EIvaeyns, 
Volksherrſchers oder Staatsoberhauptes. ©. d. W. und 
Volkoherrſchaft nebft Zuf. 

Ethinicismusd. — Zuſatz: Manche fagen auch abgekürzt 
Ethniomus. Doch kommt bei den Alten weder eIvioog noch 
sdvixsanog vor, wohl aber eIViTnS oder eIvırnc, der von einem 
Volke ift, popularis, ein Landsmann. Bei den Neugriechen bedeus 
tet eIouog eine vollthümlidye Gefinnung oder nationale Denkart. 

Ethographie (von 7Y05, Eitte, und yoagerv, ſchreiben) 
bedeutet Sittenbeſchreibung, auch Charafterzeihnung oder Charakter: 
gemälde, fei «8 durd, Bild oder duch More und Schrift. Wie: 
ſern die Ichtere von moralphilofophifchen Principien ausgeht, heißt 
fie eine pbilof. Ethograpbie. Der Urheber einer ſolchen Dars 
ſtellung beißt daher auch felbft ein philof. Ethograph, wie 
Theophraſt. ©. d. N. — Ethologie von demf. und Asyauy, 
fagen) tönnte daſſelbe bedeuten. Doc) bezieht man es meiſt auf 
dramatifhe Darſtellungen der Sitten und Charaftere, wo zur Rede 
audy Geberbe und Handlung (gestus et actus) kommt. Darum 
bießen bei den Alten audy Schaufpiel: Didyter und Epieler, befons 
ders komiihe, Ethologen. Die Eitteniehre aber nennt man lie 
ber Ethikologie oder ſchlechtweg Ethik. ©. d. W. nebſt Zuf. 
— Ethopsie (von demf. und zzoseıy, machen) bedeutet gleichfalls 
Vie Nachbildung oder Darftellung von Eitten und Gebräuchen, bes 
fonder6 wiefern fie dramatiſch, alfo eine eigenthümlihe Art Der 
Nachmachung oder Nachahmung if. Sonach könnte man den 
Erhologen auch einen Ethopoeten nennen. Manche verfichen 
aber unter Ethopöie auch eine rhetoriſch⸗ moraliſche, desgleichen eine 
binlogifche Darftellungsart, wiefern dabei der moralifhe Charakter 
der fprechenden Perſonen bervortritt oder jede ihrem Charakter ge: 
mäß ſpricht. — Bei den altgriechiſchen Schriftftelern konmt übri- 


380 Etymologie Eudaͤmonie 


gens nur 79oygapos und 7Ioypapeıv vor, aber nicht 7Ioygagsn. 
Dagegen findet ſich bei ihnen ſowohl 7F0Aoyos und z7Foloyer, 
ale 7Iokoyın, wie auch 7Foroog, 7Fonoeır und 7Ioxoua, 
aber nicht 7Iomomens, obwohl 7Iomomzıxog. 

Etymologie. — Bufag: Außer Borelli’s principü 
della scienza etimologiea vergl. auh: Wild. Wahsmuth’s 
Andeutungen zur Begründung der Etymologik als Wiſſenſchaft (im 
Deff. und Erdr. Guͤnther's Arhendum. 8.2. 9. 1. S.1ff) 
und: Etymologifce Forſchungen auf dem Gebiete ber Indogermanis 
ſchen Sprachen, mit befondrer Beziehung auf die Lantummandiung 
im Somstit, Griechiſchen, Lateiniſchen, Litthauiſchen und GBothls 
fen. Von Dr. Aug. Frbr. Pott. Lemgo, 1833. 8. (Scharf 
finnig, aber nicht frei von etpmologifchen Worurtheilen. SIE doch 
ſelbſt die Eyiftenz eines Indogermanifhen Sprachſyſtems für mande 
Sprachforſcher noch zweifelhaft). — Will man aber recht wunder 
liche Etymologien leſen, fo vergl. man bie anonyme Brofchäze: 
Einladungeſchrift an den Hrn. dv. Voltaire, die theoiogiſche Docter⸗ 
wuͤrde in Deutfchland anzunehmen. Berl. 1773. 8. Da wirbz 
B. ©. 24. gefagt, man könne den Namen der Phpitis herleiten 
entweder von fühlen (ſtatt fuͤhllos) weil mande Maͤbchen fo 
fpröde fein, daß fie fein Gefühl zu haben feinen, oder vom fü 
len, weil mandye Mädchen von Liebe ganz voll oder erfüllt fein, 
oder von Füllen (Kohlen —junges Pferd) weil mandye Maͤbchn 
fo ausgelaffen ober Luflig tie dergleichen Thiere fein. (Her. 
1, 5). Das Ift freilich nur Satyre, um bie Fehler der 
Iogen zu rügen. Wenn man aber bedenkt, daß die Etymologa 
Iucus nicht bloß von Auxog, ber Wolf, weil die Wölfe gem a 
dunteln Gehoͤlzen oder Hainen weilen, von Avery, die 







Eudor Euergie 381 


Belohnung und Strafe nach tuͤrkiſchen Geſetzen. A. 2. Baireuth 
und Leipz. 1772. 8. $ 138. S. 170.) den oberften Grundfos 
ibeer Moral fo ausgedruͤckt haben: „Wer tugenbhaft lebt, wird 
gluͤcklich“ — fo If dieß ein ſeltſames Quid pro quo. Denn 
1. iſt das kein praktiſches Gebot, fondern bloß ein theoretifcher Lehr⸗ 
ſat, der einem urfprünglihen, alfo nothwendigen Zuſammenhang 
zwiſchen Tugend und Gluͤck behauptetz und 2. ift diefer Sag nicht 
einmal wahr, da bie Erfahrung lehrt, daß der Tugendhafte auch 
unglücktich und der Lafterhafte auch glüdtich werben kann, weil 
Gluͤck und Unglüd von ganz andern Umfländen abhangen, bie kein 
Menſch in feiner Gewalt hat oder voraus berechnen kann. Vergl. 
auh Ancillon über Eubämonismus und Ethik, in Deff. Schrift: 
Zur Bermittelung der Ertreme in den Meinungen. B. 2. ©. 321 ff. 

Eudor — Zufag: Da Evdokoc und Evdo&og im Grunde 
baffelbe bedeuten, nämlich einen Beruͤhmten oder im guten Rufe 
Stehenden: fo war e8 nur ein Wortfpiel, wenn man biefem Philos 
fophen flatt des erſten Namen auch den zweiten gab. Er lebte 
übrigens im 4. Jahrh. vor Chr. und war auch eine Zeit lang 
Plato's Reifegefelifchafter. 

Eudorie. — Zufag: Evdokıa iſt nicht zu verwechſeln mit 
evdoxıu, welches foviel als evdoxnorg bedeutet, nämlich Zuſtim⸗ 
mung, Beifall, Zufriedenheit, dann aud) Zuneigung, Wohlgefallen, 
Liebe. Daher wurden auch Frauen Evdoxın (Eudocia) genannt, 
deren Eine die Tochter eines Philoſophen war und einen Kaiſer⸗ 
thron beſtieg. S. Leontius in d. B. 

Euelpiftie ober Evelpiftie (eveimorıa, von ev, gut, 
und eAnıc, die Hoffnung) bedeutet gute Hoffnung überhaupt, und 
Euelpide oder Evelpide (eveinıs, ıdos) eine Perfon, die folche 
Hoffnung best. Die Elpiftiker (f. d. W.) Eönnten daher auch 
Euelpiden genannt merdben. Im neuen griechiſchen Staate hat 
man fogar ein eignes Euelpiden⸗-Corps errichtet, bamit es bie 
guten Hoffnungen, die man bei Errichtung biefes Staates hegte, 
verwirklichen helfe. Mög’ es bald gefchehen ! 

Euergie oder Evergie (eveoyıc, von ev, gut, wohl, und 
soyov, Werk, That) bedeutet Gutthaͤtigkeit (gutes Handeln 
überhaupt) und Wohlthaͤtigkeit (in befondrer Beziehumg auf 
Andre) und fieht entgegen der Kakoergie oder Kakurgie (xaxo- 
ıpPy.a, xaxovoyıa, von xaxos, übel, boͤs). Euerget ober 
Everget (evspyerrs) ſchließt fi) mehr an die zweite Bedeutung 
en, fo daß es einen Wohlthäter anzeigt; weshalb es auch der Bei⸗ 
name einiger alten Könige war, 3. B. Ptolemäus HL und VI. 
im Argppten. — Euergetik oder Evergetit (evepyerum scil. 
saryn) iſt die Kunft, Anden wohlzuthun, eine der ſchwerſten in 
der Ausübung. ©. Wohlthaͤtigkeit n. 3. 


382 Eugenius Ppilalethes Euripides 


Eugenius Philalethes ſ. Sykes in d. B. 

Euflerie (evxärpıa, von ev, gut, und xArpog, bag 2006) 
bedeutet ein gutes Loos oder Geſchick. Auch giebt es eine Schrift: 
Eucleria vel melioris partis electio (Xitona, 1673—84. 2 Bde. 

8.) welche einer geroiffen Maria Schurmann zugeſchrieben wich, 
aber vermuthlich von ihrem Lehrer, dem vormaligen Jeſuiten Las 
badte, herruͤhrt, der als ein zwiefacher Apoftat (erft von der ka— 
tholifgen, dann von ber proteftantifchen Kirche) eine neue Secte, 
nach Ihm Labadiften genannt, fliftete, welche lchrte, das bi6hes 
rige evangeliſche Reich fei ein Schattenreih und müfe nun dem ihr 
inwohnenden Lichte des heiligen Geiftes weichen. Der Stifter ſtarb 
aber bereits 1674 zu Altona und feine Secte, die man au Eukles 
riſten hätte nennen koͤnnen, hatte keinen Beſtand, alfo fein gutes 
2006 oder Geſchick. 

Eumathie (evuadeıa, von ev, gut, und made ober 
navdaveıy, lernen) bedeutet die glüdliche Anlage, etwas Leicht zu 
erlernen ober ſich ſchnell anzueignen — eine befondre Gelehrigkeit 
— woju aber nicht bloß Gedaͤchtniß, fondern auch Faſſungekraſt 
mithin Verſtand erfodert witd. Denn mas man gehörig exiernen 
fol, muß man zuvor richtig erfafft ober verftanden haben. 

Eunud. — Bufag: Im Deutſchen fagt man auch Hämm 
ling, altd. hamalon, von Hammel, altd. hamal, verfdnittener 
Bod. Doc) kehren Einige die Ableitung auch um, indem fie fe 
gen, hammen oder hammelen (hamalon) bedeute ſchneiden oder 
derſchneiden, und davon fei erft ber Hammel und ber Häneling 
benannt. Man unterſcheidet übrigens auch phyfilce und mes 
ealifche Eunuchen, indem man unter legteren überhaupt geifig 
— ee 





Eutelismus Evolutionen 383 


Ariſtophanes geweſen ſei, in ſeinen Luſtſpielen den Philoſophen 
ebenfo wie den Tragiker zu verfpotten, glaubte man ſchon im Alter 
thume und iſt auch von Neuern wahrſcheinlich befunden worden. 

Eutelismus (evrelauos, von zvreirg, mohlfeil, gering, 
ſchlecht) iſt das Streben, alles fchlecht zu machen, geringfchägig oder 
verächtlih zu behandeln; ein Fehler, der meift aus Eigendüntel 
hervorgeht. ©. d. W. Dügegen bedeutet Eutelie (evreisıa) nicht 
bloß Wohlfeilheit, ſonden auh Srugalität und Sparfamteit, 
mithin eine Zugend. S. beide Ausdrüde. 

Euthybem. — Zuſatz: Diefer Eophift (Ev$vönuog) war 
ein Bruder eines andern Sophiften (Aıovuoodwgos) der auch bei 
Plato verkommt. S. Dionyfodor nebft Zuf. 

Euzelie (eviöndıa, von ev, gut, und Lrios, der Eifer) 
bedeutet eine gute oder gluͤckliche Macheiferung, eine Nachahmung 
in guten Reden, Eigenfchaften und Handlungen, daher auch einen 
guten oder lobenswerthen Eifer. S. d. W. 

Eventual. — Zuſatz: Das Subſt. Eventualität wird 
auch in der Mehrzahl gebraucht, fo ba man unter Eventualis 
täten allerhand Zufälligkeiten oder zufällige Umftände verſteht. ©. 
Zufall und Zufälligkeit. Bei den Alten aber findet fidy we⸗ 
der eventualis noch eventaalitas. 

Eviction (von erincere, befiegen, überwinden) bedeutet nicht 
bloß die Befiegung durch Lörperliche Kräfte und Mittel (evictio 
physica) fonbern auch die durch Gründe ober Beweiſe, beſonders 
in fkreitigen Rechtsfachen vor einem Gerichte (evictio logiea et ju- 
ridiea). Daher bedeutet Eviction auch Weberzeugung ober Webers 
führung, desgleichen die MWiedererlangung eines Rechtes an einer 
Sache oder gegen eine Perſon durch rihterlihen Ausfpruh. Im 
dieſer Beziehung ſteht es auch zumeilen für Vindication ober 
Wiederzueignung. S. d. W. Mer nun beim Verkauf einer 
Sache dem Käufer dafür ſteht, daß dieſe Sache fein rechtmaͤßiges 
Eigenthum ſei, mithin nicht von einem Andern ſich wiederzugeeignet 
werden koͤnne, von dem ſagt man, daß er Eviction praͤſtire. 
gif Gere bedeutet alſo dann ſoviel als Gemährleiftung. 

Evidenz. — Zuſatz: Evidentia fommt ſchon bei den Alten 
ver. Neuerlich aber hat man davon in Frankreich das Wort eri- 
%nticisme abgeleitet, um das immer wiederholte, aber bis jetzt, 
wie es fcheint, noch immer nicht gelungene Etreben nach Evidenz 
In der philofophifchen Erkenntniß zu bezeichnen. ©. Alliot. 

Evolutionen. — Zufas: Die politifhen vder foctas 
len Evolutionen, von melden neuerlich viel die Rede geweſen, 
fiad zum Theil allmählihe Reformen, zum Theil aber auch plögs 
Uche Revolutionen. S. beides. 





384 Ewig 


Ewig. — Bufag: Die relative Ewigkeit (fehr lange 
Dauer) nennen Manche audy die periodifche, weil fie eben in 
fehr langen Zeitrdumen ober Perioden, die ſich nicht ermeffen Laflen, 
beftehe. Die abfolute Ewigkeit aber (unendliche Dauer) theis 
Im Manche wieder ein in die regreffiv: (aelernitas a parte 
ante) und die progreffive (aet. a parte post) indem man, um 
jene vorzuftelen, in die Vergangenheit ruͤkwaͤrti, und um dieſe, 
in die Zukunft vorwärts ſchauen müffe. Wenn man num dem 
Weltganzen auch in dieſer Doppelbeziehung Ewigleit beilegt, teil 
ſich kein vernünftiger Grund abfehen läfft, warum und wie eb in 
beſtimmte Zeiträume ab ante et a post eingeſchloſſen, alfo nur zes 
lativ oder periodif ewig fein follte (f. Schöpfung): " folge doch 
hieraus keineswegs, daß die Ewigkeit auch jedem Einzeldinge in der 
Welt oder irgend einem Spfteme folcher Dinge (Erde, Soum, 
Sonnenfofter x.) zutommen müffte. Vielmehr laͤſſt ſich ein Ent: 
fiehn und Vergehn derfelben in der Zeit fehr wohl denken, wenn 
gleich weder der Zeitpunct noch die Weife des Entftchens und Ver 
gehens beftimmbar ifl. — Ewige Wahrheiten aber find alge 
meingültige, weil, wenn fie nur in jeder Beziehung wahr find, 
auch immerfort gelten müffen. Darum nannte Leibnig den Se 
begriff dieſer Wahrheiten auch die ewige Mhilofophie als Ge 
genfag von ber zeitlichen, welche dem Mechfel der Anfichten in 
den Phitofophen und deren Schulen, folglich auch beftändigen Stk: 
tigkeiten unterworfen if. ©. Philofoph und philoff. Schulte 
und Secten. — Wegen der Ewigkeit der Seele [. d. Bm 
Unſterb lich keit, aud Seligkeit und Himmel Wenn die 
die Eröigkeit ein Donnerwort genannt wird, fo denkt man mir 





an bie Ewigkeit der fogenannten Höltenftrafen. &. Hält 
(unter. Himmel) und Strafe. — Die Stteitfrage, ob bie 





386 Graggeration Exception 


Eraggeration. — Bufag: Won der Seele gebraucht (ex- 
aggeratio animi, wozu aber Cicero noch ein quasi feßt, um Die 
Ungewoͤhnlichtkeit des Ausdrucks anzudeuten) bezeichnet es die Erbe 
bung ober Erhebung derfelden. 

Eraltation. — Bufag: Status exaltationis könnte, wenn 
man animi hinzudächte, wohl aud) den Zuftand der Gemüchöerher 
bung ober Begeiſterung bezeichnen. Man verfteht aber darunter ges 
wohnlich einen Zuftand perſoͤnlichet Erhöhung, als Gegenfap von 
einem Zuftande perfönlicher Ernledrigung. S. Erinanition. 
Bel den Alten findet man wohl exaltare, aber nicht exaltatie, 
weiches erft fpätere, vornehmlich kirchliche, Schriftfteller gebraucht 
zu haben feinen. 

* Erasperation f. Eracerbation. 

Ercediren f. Exceß. 

Ercellenz (excellentia, von excellere, ſich ‚herausbemegm 
[eellere — xeAkeıv, ſich bewegen) oder hervorragen) bedeutet jede 
Art von Trefflichkeit, durch welche Eins vor dem Andern ſich aus 
zeichnet ober es überbietet. Als Ehrenprädicat aber betrachtet, ges 
ten die philofophifchen Ercellenzen, ob ich lateiniſq 
excellent im hoͤchſten Grade (viri excellentissimi) heißen, doch mict 
ſoviel als die politifhen oder militarifchen. Und doch find 
diefe wie jene oft nur Scheins oder-NominalsErcellengen 
Die wahren oder Real: Epcellenzen find nur bie, von hr 
en Cicero (orat. p. Arch. e. 6.) fügt: Mentem menm cegi- 
tatione hominum excellentium (scil. ingenio et virtute) conser- 
maban. Dürum giebt auch Seneca (ep. 11.) feinem jüngen 
Freunde Lucilius den Math, immer ſolche Ercellenzen vor Auge 
zu haben. Verat. Beifpiel. Doc, fuim folhe Ereeiteng 








388 Erecration Erigibel 


Educt) obwohl die Alten nicht exductio, fondern eductie ſagten 
Erſt neuerlich Hat man die Erduction der Induction (ſ. d. W.) 
entgegengefegt. Allein das ift ein richtiger Gegenfag. Denn wma 
man durch Induction aus vielen Einzelheiten und Beſonderheiten 
ein Allgemeines ableitet: fo ift dieſe Ableitung auch eine Art von 
Erduction, weil das Allgemeine doch ſchon zum Theile in jenen lie 
gen, alfo aus ihnen erſt herausgezogen werben muffte, bevor man 
es in feiner Allgemeinheit anerkennen fonnte. ©. allgemein. 

Erecration follte eigentlid Erfecration gefchrieben wer 
den, ba es von exsecrari und diefes von ex, aus, und sacrare, 
heiligen, weihen, herfommt, und bedeutet daher urfprünglich bie 
Wegnahme gder Entfernung ber Heiligung oder Weihung, fteht aber 
meift für Verwünfhung oder Verfluhung S. d. W. 

Eremplarifh. — Zufag: Exemplum und exemplar 
kommen ſchon bei frühern, exemplaris und exemplarius aber et 
bei fpäteren Lateinern vor; ebenfo exemplificare und exemplificaie, 
was eine Belegung mit Beifpielen bedeuten foll, umd even min 
wieder eremplificativ. ‚oder abgekürzt eremplicatin gebiet 
bat. — Die Säge: - Exempla trahunt und, exempla terrent, ds 
ziehen ſich auf die Kraft der Beiſpiele, die uns bald zur Madeb 
mung anteizen, bald aber aud davon abſchtecken koͤnnen, je nadı 
dem die Umftände find. 

Eremt oder erimirt (von eximere, ausnehmen, Tosmaden, 
befreien) Heißt, was von der allgemeinen ‚Regel - ausgenommen abe 
von einer allgemeine Verbindlichkeit "befreit: it: So giebt es Parfomm 


im Staate, melde von gewiſſen Abgaben irt find, einen ap 
mitten Gerichtsftand haben . Solche Eremtionen folltm air 
von Rechts wegen nicht flattfinden, wenigſtens nicht. vom Mh je 











390 Eriſtimation Exotilomanie 


Hendi). Er heißt daher auch Bealgrund oder Urfache (cause). 
©. Grund und Urfahe. — Bel den Alim kommt übeigens 
weder existenlia und existentialis noch coexistentia ımd eoexi- 
stentialis vor. Auch bedeutet existere oder, wie es eigemtiäch heit, 
exsistere bei ihnen nicht fein ſchlechtweg, fondern herauss oder 
hervortreten, entfteben, zur Erſcheinung kommen, alfo das Bein, 
wiefern es eben erft ſicht bar ober überhaupt ſinniich erkenn⸗ 
bar- wird. 

Eriftimation (von existimare, meinen, urtheilen, dafür 
haften) bedeutet eigentlich jebe Meinung oder jedes Urtheil, möge 
fie ſich beziehen, worauf fie wollen, vorzugsmeife aber ſoiche, bie 
fi) auf Perfonen, ihre Talente, Gefinnungen und ‚Handlungen, 
ſowohl im Guten als im Böfen beziehn. Darum heißt die gute 
Meinung bona existimatio, die ſchiechte aber mals. Dahin gu 
hört folglich auch das, was man Credit nme. S. d. W. w 
Meinung. 

Ermiffion. — Zufag: Bel den Am kommt exmissie 
nicht vor, fondern nur emissio und emissarius, lehtere® vorne 
lich in der Bedeutung eines Ausfpähers, wie wie auch meift dab 
W. Emiffar nehmen, 

Erode (eoyn, von e&, aus, hervor, umb- ze, bahn, 
halten) bedeutet jede Art von Auszeichnung oder 

(eminentia, exceilentia). Daher die Formel zur? eEoyne; mes 
8. sensu eminenti, vorzugsweife. 

Erorbitant. — Bufag: Bunächft ſtammt dieſes Mack 
von orbita, das Geleife, bedeutet alfo eigentlich etwas aus bem 
Geleiſe Heraustretendes, Uebrigens ommen exorbitare, exorbin- 
tio umb exorhitator erft ‚bei lateinifchen Kiechenfihrifefelleen @uı 



















392 Eryortation Erpropriation 


davon eine falfhe und zum Thell hoͤchſt feltfame Anwendung ge 
mat. Wenn man z. B. benen, weiche die roͤmiſch-katheüiſche 
Kirche für die alleinfeligmachende erflärten, einmandte, daß ja doch 
im A. und N. T. viele Perfonen als felig gepriefen würden, dis 
nicht zu jener Kirche gehört hätten, weil fie nicht einmal Chrifien 
geweſen: fo antworteten fie, diefe Perfonen hätten zwar nicht ex- 
plieite oder per fidem explieitam, wohl aber implicite oder per 
fidem implicitam zu jener Kirche gehört. Das ift entweder Un 
finn oder bedeutet nur, wenn es Überhaupt etwas bedeuten fol, def 
fie in den Grundwahrheiten ber Religion überhaupt (Gott und Um 
ſterblichkeit) mit jener Kirche einflimmten. Dann folgt aber eden⸗ 
daraus, daß jene Kirche nicht allein oder ausſchließlich bie Kraft 
habe, felig zu machen. Denn diefe Einftimmung geht welt übe 
die Grängen der katholiſchen Kirche hinaus. — Üebrigens beit 
implicirt auch zumellen foviel als verworten, desgl. verwicke 
in ei Unternehmungen, Händel, Verſchwoͤrungen oder an 
re fe. 

Erportation f. Deportation, Zuf. 

Erpofition. — Zufag: Wenn ein gegebner Gag, deſſea 
Sinn einer Erpofition fählg und bebürftig ift, / durch einen andem 
entwidelt wird, fo heißt jener als ber erponirte der vorlie 
gende, diefer als der erponitende der hinterliegende (pe 
positio praejacens, postjacens). Wäre ber vorliegende ag eat 
Erpofition zwar fähig, aber nicht bedürftig: fo wär’ es eine um 
nage und darum fehlerhafte Meitfchmeifigkeit, wenn man ihm ned 


einen hinterliegenden beifügen wollte. Indeſſen fallen gar viele Au 
leger in diefen Fehler. ©. Auslegung. 
Erpoftulation (von ex, aus, und postulare, fodern) be 











394 Extra dictionem Babel 
Extra dietlonem (eo zn Adıns) ſ. Goppi- 


& Mr. 1. 

Ertradition (von ex, aus, und tradere, geben ober Über: 
geben, üÜberliefern) bedeutet die Herausgabe oder Auslieferung eine 
Sache oder audy einer Perfon. S. Auslieferung. 'Bei den Al⸗ 
ten kommt extraditio nicht vor, wohl aber traditio, 

Ertraeffential f. Effenz, Zuf. 

Ertralegal (von extra, aufer, und lex, gis, das Geſet) 
bebeutet eigentlich, was außer dem Gefege ift oder vom Gefege gar 
nicht betroffen wird, alfo audy nicht unter dem Schutze deſſelden 
ſteht. Zuweilen verfieht man aber auch darunter da6 Illegale 
ober mas bem Gefege widerſtreitet. 

Ertravagant (von demſ. und vagari, umherſchweiſra) 
zu ausfgweifend. ©. Ausfhweifung. 

Ertrem. — Zufag: Ertremitten beißen bie, welde 
eine richtige Mitte anerkennen wollen, fondern ſich nur in Ep 
men gefallen. Gewoͤhnlicher ſagt man aber Ultraiften. ©. Us 
traismus. 

Ertricabel (von ex, aus, und tricae, Poffen, Rare 
ſtreiche, verworrene Dinge — fo benannt von einer Stadt Tria 
in Apulien, deren Bürger in einem ähnlichen Rufe wie bie altın 
Abderiten oder die neuen Schildbürger ftanden) heißt dasjenige, wei 
ſich entwitren ober enträchfeln laͤſſt, fei as in Gebanten, Beben, 
Schriften oder Lebensangelegenheiten. Das Gegentheil heißt in: 
ertricabei. Ein inertricables Spftem der Dhttofort 
würde alfo ein folches fein, das ſich wegen feiner 

Verwirrung gar nicht entwirren ober enträthfeln ließe. — ei 
der Ableitung iſt noch zu bemerken, daß manche Philologen behau⸗ 











396 Ball dalſch 


Indeſſen waͤr' es wohl moͤglich, daß man auch bei dieſer Venen 

nung an bie urſprungliche Wedeutung des Worts gebache hätte. 
Denn einer ſolchen Koͤrperſchaft muß man doch auch faculiatem =. 
facilitatem docendi zutrauen. — Wegen bes Gegenfages pwiſchen 
facuftativ und obligativ ober Gtigateriie T. f. Oblie⸗ 
genpeit. 

Fall — Bufag: Der Fall der Wörter (casus gram- 
maticus) {ft die Art und MWeife, wie Haupt: Bei⸗ und — 
ter gebogen oder abgewandelt werden, um ihre verſchlednen Bejie- 
hungen anzubeuten. Wie viel e8 folder Fälle gebe, iſt eine ſchwer 
dia beantwortende Frage, weil die Sprachen in dieſer Hinſicht [ehe 
derſchieden find, manche auch folder Abwandlungen ganz entbehren. 
Im Allgemeinen dürften nur drei Hauptfälle anzunehmen fein: 
Genitiv, Dativ und Accufativ. Denn der Nominativ, den man 
gewöhnlidy als den erften grammatifchen Fall betrachtet, iſt ja dad 
Wort felbft, Leine Abwandlung deſſelben. Der Vocativ aber umd 
bee Ablativ find in der Regel mit dem Nominativ und dem Dativ 
identiſch. — Da übrigens fallen und fehlen ſtammverwandt 
find: fo kommt daher auch wohl die moraliſche Bedeutung jenes 
Wortes, daß es nämlich für fündigen fleht und ebendarum Die 
erfte Sünde fälechtweg der erſte Fall oder auch der Süns 
denfall genannt wird. 

Falfch. — Zufag: Wiefern dns Falle dem Wahren 
{f. d. W.) entgegenfteht, fagt die Logik mit Recht, daß aus dem 
Falſchen nichts Wahres und aus dem Wahren nichts Falſches 
folge, nämlich an ſich und wenn richtig gefolgert witd. Außerdem 
koͤnnte wohl zufällig oder per accidens das Eine aus dem Andera 


gefolgert werben. Auch ift eine Difhung ein — iu 
mn mit dem MWahren möalii * * 








398 Bamos Saffion 


Famos oder famoöͤs (famosus, fameux, von fama—gnur, 
Sage, Gerücht, Ruf) bedeutet eigentlich viel befpeochen, ſowohl im 

"guten "als im böfen Sinne, daher berühmt und beruͤchtigt. Weil 
indeffen das Böfe von den Menſchen noch lieber und darum hans 
figer beſprochen wird, als das Gute: fo iſt auch die fchlinsmere 
Vedentung jenes Wortes überwiegend oder vorherrſchend geworden. 
Daher heißen Spottlieder und Schmähfgriften aud) carmina fa- 
mosa, libelli famosi. S. Libell. 

Banatismud. — Zuſat: Manche fagen auch mit unnd 
thiger Verlängerung Fanaticismus flatt Ganatismus. Die 
anberweite Ableitung biefe6 Wortes von den Faunen als Wal: 
göttern, welche bie in ihren Wäldern ſich aufhaltenden Menſchen 
begeifterten oder auch wohl raſend machten, iſt ſchwerlich 
Eher ließe ſich die Ableitung von garılar ober pavfjricew, fih 
zeigen, beſonders als begeiftert, hören, wenn nur biefe angeblichen 
geiechifchen Zeitwoͤrter nicht ſelbſt zweifelhaft wären. Fanum bleibt 
daher wohl das wahrfcheinlichfte Stammwort. Bei ben Alten kommt 
au nur fanaticas vor, nicht fanatismus, vielmweniger famatieie- 

mus. — Uebrigens Tann fidh der Fanatismus Über alles verbreiten, 
ja felbft in das Gebiet ber Ppitofophie eindringen. ee ürich 
Frledtich IL an Voltaire: „Wir kennen Verbrechen, 
mwelche ber Religionsfanatismus erzeugt hatz — wir und ee, . 
„ben Sanatismus in die Philofophie einzuführen, deren Charakter 
nSanftmuth und Mäfigung fein muß.” S. Oeuvres 
de Voltaire. Bafel, 1792. 8. 76. S. 158. Auch Icht bie 
Erfahrung, daß, fobald der Sertengeift in einer ‚Pöitofopbenfäek 





herrſchend wird, viele Anhänger derfelben Fanatiker erben 
geachtet ein folder Fanatiemus nichts wenlget als 








400 Zaul Fauſtrecht 


tui heißen die Irtlichter, gleichſam alberne ober thörige Feuer, weil 
Menſchen, durch ſie bethoͤrt, auf Abwege oder in Suͤmpfe gerathen 
tonnen, ober auch vieleicht darum, weil bei den Alten gewiſſe Ges 
fpenfter oder Piagegeifter, befonders der Frauen, Fatni genannt 
wurden. Bemerkenswerth ift auch, daß bei Ebendenfelben Fatua 
ſowohl eine Wahrfagerin als eine Wahnſinnige bedeutete, weil ders 
gleichen Perfonen oft feltfame, in's Naͤrtiſche oder Alberne fallende, 
Meden führen; wobei die Abſtammung von for, fatus sum, fari, 
teden, ald Stammwort von fatum, das Schidjal, zugleich berüds 
fichtige wurde. S. Fatalis mus. — Jemanden infatuiren 
(infatuare) heißt ihm bethören, zum Narren ober dumm machen 
(fatuum facere). 

Faul. — Bufag: Von görtliher Faulheit zu riden, 
weil Gottes Altthun wegen der Allmacht feines Willens, die jede 
Anftrengung und Mühe wie jedes Hinderniß ausfchliefe, eigentlich 
ein Nichtsthun fei, iſt nicht nur ein grober, fondern auch ein gan 
unmpärbiger Anthropomorphismus, glei) jenem, wo man von götts 
licher Grobheit redet, weil Gott gegen Niemanden hoͤflich fi 
und fein koͤnne. Solche Praͤdicate laſſen ſich vernünftiger Weiſe 
auf ein Weſen wie Bott gar nicht beziehen. 

Fauſt. — Zuſatz: Der hier erwaͤhnte Dr. Fauſt führt zwar 
auch den Vornamen Johann, iſt aber, da feine, freilich ſeht me 
fihere und fabelhaft ausgefhmüdte, Lebensgeſchichte gewöhnlich ins 
16. Iahrh. verfegt wird, verfchieden von. dem im 15. Jahre 
benden« Joh. Fauft oder Fuſt, der ſich als Vuchdeudker um bie 
Nachwelt verdiene, machte, Doch hat ‚man Beide zumellem mit 
einander verwechſelt. — Ein meit älteree-Fauft, von Ries (Ean- 
stus, ‚Reginensis) der, in der chriſtlichen Ketzergeſchichte auntur dm 








402 Zein und Zeinheit deind 


dieſe Ausbrüce ſelbſt nebſt Sop hiſt ik zu vergleichen. 
Fehler heißen auch Suͤnden und Laſter. ©. beide Ausdtuck. 
Fein und Fein heit find Ausdrüde, die bald koͤrperlich bald 
geiftig bald gemiſcht genommen werden. In erfler Hinſicht bedes⸗ 
tet fein foviel als dünn, zart, z. B. wenn mir einen Faden oder 
ein Gewebe fein nennen. In der andern Hinſicht bezlehn wir 
den Ausdrud bald auf das Intellectuale, 4. B. ein feiner 
Verftand d. h. ein bie Begriffe Leicht unterfheidender, bald auf 
das Moralifche, fowohl in innerer Beziehung, 3. B. ein feir 
nes Gewiffen d. h. ein das Gute und das Boͤſe Leicht unte» 
ſcheldendes, als auch in Außerer, z. B. feine Eitten db. h. dan 
im Umgange mit Andern alles Raupe, Plumpe und Gemeine u» 
meidendes Benehmen. In der britten Hinſicht beziehen wir den 
Ausdrud zuvoͤrderſt auf bie finnlichen Empfindungen, veirfern fir 
bloß von gewiſſen Lörperlichen Organen abhangen, 43. B. feines 
Geficht oder Gehör, feiner Geruch oder Gefhmad, fel⸗ 
nes Gefühl oder Getaft; fobann aber aud auf ſolche Empfie 
dungen, bie, obwohl ihrem Urfprunge nach finnlich, doch ſchen dia 
böheres geiftiges Bepräge angenommen haben, 5 B. wenn me 
Zemanden in äfthetifder Hinficht, d. h. in Berug auf das Clan 
und Erhabne, einen feinen Gefhmad oder ein feines Gr 
fühl beilegen. — Die Verfeinerung eines Menfhen Im 
ſich daher auch auf alle dieſe Momente beziehen, ungeachtee eb wahl 
Keinen Menfhen giebt, der wirklich in allen. biefen 
alfo duchgängig ober abfolut verfeinert wäre Jam 
mohl möglich, daß, wenn. ein Menſch danach firebte, feine Bid 
nerung in Ueberfeinerung umfdlüge, daß die höhere Hrafı um 
Würde des Menſchen darüber verloren: ginge, ‚die Beinheit ale ie 








404 Ferne Fetialrecht 


elementa, wie B. 1. S. 279. durch einen Drudfehler ſteht) ongni- 
tionis gefehrieben. So ift auch die Philofophie überhaupt ein Ger 
ment für den menſchlichen Geil. S. Philoſoph. 

Ferne. — Zuſab: Wenen der geiftigen Fernſichtig⸗ 
keit während des magnetiſchen Schlafs, die nicht mit der bloß koͤr⸗ 
perlichen zu verwechſeln, vergl. animalifher Magneties 
mus, auch Geſicht in Bezug auf das fog. zweite Geficht. 

Zerreols: Perrard f. Laromiguiere, nebft Zuf. 

Fertigkeit. — Bufıg: Da jede Fertigkeit als eine inten 
five Größe zu betrachten iſt, fo kann fie ebenfomwohl zunehmen ober 
wachſen als abnehmen oder ſich vermindern. Es giebt alfo größere 
und Hleinere Fertigkeiten in Bezug auf alle Arten der Thaͤtigkeit 
aber ebenfowenig ein abfolutes Marimum als ein abfolutes Mi 
nimum berfelben. Die Abftufungen oder Gradualdifferengen gehen 
vielmehr in's Unendliche, ſowohl fteigend als fallend. S. Grad. 

Fesapo. — Zuſatz: Dieſen Schluſſmodus nennen mande 
Logiker audy Fespamo, 

Feſtungsrecht (jus fortiicandi s. fortalitii) iſt bie Be 
fugniß jedes unabhängigen Staates, auf feinem Gebiete einzck 
Puncte dergeftale zu verftärken (fefter ober haltbarer zu machen) daf 
der Feind nicht leicht fie nehmen und dann im Lande welter ver 
dringen ann, um es zu erobern. Solche Puncte heißen daher 
auch felbft Feſtungen, befonders wenn fie mit Mauern, Wil 
und Gräben fo regelmäßig umgeben find, daß Wenige ſich geym 
Biele darin längere Zeit halten koͤnnen. Das Recht, folde de 


flungen anzulegen, gehört alfo mit zum allgemeinen Verftärkungss 
und Bertheidigungsrechte,. infonderheit "aber zum Kriegercca 
(fd. W.) weil Feſtungen eigenelid nur für den Kriegsfal unge | 








406 Feuergeifter Fichte 


Zitel: Abdlard und Heloife — ber Schriftſteller und ber Wenſch 
(Ansbah, 1834. 8.) eine Reihe humoriſtiſch⸗ philoſophiſchet Apho⸗ 
sismen herausgegeben. 

Feuergeifter f. Elementargeifter und Geifterlehre. 
— Zumeilen nennt man auch fehr lebhafte und erregbare Men: 
fhen Feuergeiſter flatt feurige Geiſtet. Der Ausomd 
Feuer oder feurig wird alfo dann nur bildlid genommen, ob 
man gleich urfprünglich vieleicht jene Lebhaftigkeit und Erregbarkeit 
als Folge des vielen in einem Menſchen befindlichen Feuers ge 
dacht hat. S. d. W. nebft Zuf. 

Seuerphilofophen heißen eigentlich die Alchemiſten. S 
Alchemie nebft Zuf. Zuweilen hat man aber auch diejenigm Ro 
turphiloſophen fo genannt, welche alle Dinge aus oder durch Feuer 
entfiehen lichen. ©. d. W. nebft Zuf. 

Zeuerzeichen find entweder Eignale durch Feuer ober Bid, 
auch durch Knall, wenn fie mit Feuergewehren gegeben werben, 
ober feurige Erſcheinungen im Dunfttreife der Exde, auch wohl in 
der höheren Himmelsluft (meteora ignea) wie Irrlichter, Wlige, 
Nordlichter, Sternſchnuppen, Feuerkugeln c. Die Erforfchung ie 
ver Urfahen und Wirkungen gehört in bie Phofil. Die Deu 
gen aber, weldye der Aberglaube ihnen als Zeichen der Zukunft ge 
geben, kann die Phitofophie nicht anerfennen, außer wwiefern fe 
etwa mit Veränderungen der Witterung, vieleicht auch mit gamip 
fen Krankheiten, in Verbindung ſtehn. Vergl. Meteorologen. 

Fiat justitia, percat mundus! — Zufe 
legte Theil dieſes Rechtsſpruches lautet bei Manchen audy 
eoelum! mahrfdeinlid weil man dabei an bad horazife 
fractus illabatur orbis, impavidum ferient ruinae, dachte. 
bat aber einen ganı a Si Denn der Die dent 














408 Sigur Binanzwiffenfchaft 


Manche biefen Sag, ber eine bloße Thatſache —— als For 
derung ausſprechen — f. praecedat i. — fo wird er falſch. 
Denn es ift nicht nothwendig, daß der Glaube — dem Ver⸗ 
ſtande vorausgehe; ſonſt koͤnnte man auch wohl annehmen, daß 
der Verſtand nicht nachzufolgen brauche, oder daß der Glaube im⸗ 
merhin verſtandlos bleiben dürfe. — Wegen des Satzes: Fides 
salvificat — ber Glaube macht ſelig — f. Glaube, und we 
gen der Fidejuffion vergl. Bürgfchaft, nebſt Zuff. zu beiden. 

Figur. — Zufag: Wegen der fullacia figurae dietionis 
fe Sophiftie Ne. 1. — Figurenſchrift iſt eigentlich jede 
Schrift; denn auc das Alphabet beficht aus Meinen Figuren. Man 
verfteht aber darunter gewöhnlid) im engern Sinne die fpmbos 
liſche Bitderfhrift, als Gegenfag der alphabetiſchen oder 
Buchſtabenſchrift. S. Schrift und Bilderfhrift, au 
Hierogipphe und Hierographie. — Figürlich heiße der 
Ausdrud, wenn er nicht eigentlich, fondern uneigentlich if. & 
Ausdrud. Auch nennen Einige die fymbolifhe Erkennt» 
niß eine figürtiche, ale Gegenfag der anfhauliden oder 
intuitiven. S. Symbol und Intuition. 

Filangieri. — Zufag: eine seienza della legisiaziene 
iſt auch von Benj. Conſtant mit guten Erläuterungen i#’6 
Srangöfifce überfegt worden. Par. 1822. 5 Bde. 8. 

Final — Bufag: Finalität — Zweddienlichkeit eder 
Zweckmaͤßigkeit. Finalismus — Zweckſoſtem. In einem folden 
heißt der gleich anfangs gefegte und alle übrigen bebingende Bud 
finis in principium veniens, der aber bloß ald Folge eines anders 
gedachte finis in consequentiam veniens. — Finalis und finali- 
tas kommen nody bei fpätern fateinifhen Autoren vor, finalismus 








410 diſcher Blotterhaftigkeit 


mung auf.einer optiſchen Illuſſon beruht, deren Gröldrung ice 
jieher_ gel 
a (Zedr.) Doet. der Philoſ. und Prof. berfelben zu 
Bafel, hat folgende Werte geſchrieben: Ueber den Begriff ber Phi⸗ 
tofophie mit befondrer Ruͤcſicht auf feine Geftaltung im abfoluten 
Idealismus. Tuͤbing. 1830. 8. — Von ber Natur und dem Lo 
ben der Körperwelt oder phllofopbifhe Phyſik. Ebend. 1832. & 
— Ueber den Sig der Seele. Leipz. 1833. 8, — Die Rates 
lehte der Seele. Baſel, 1834—35. 4 Hefte, 

Fiſcher (Kart Philipp) Dock. der Philof. — — 
derſelben zu Tuͤbingen, hat folgende Schriften herausgegeben: 
Frelhelt des menſchlichen Willens im Fortſchritt ihrer nn 
Zübing. 1833. 8. — Die Wiſſenſchaft der Metaphyſik im Gem 
tiſſe. rung. 1834. 8, (Hier ſucht er Hegel’s Dialektik mi 
Schelling’s Maturphllofophle zu verfchmelgen, ungeachtet Die 
fer jene Diatektit für ein leeres Vegeiffsfplet erklärt hat). — > 
hellenicae philosophiae prineipiis atquo decursu a Thalete us 
quo ad Platonem. Xübing. 1836. 4. — Geit 1836 ode 37 4 
ex außerord. Prof. der Phflof. daſelbſt. 

Fir. — Zufag: Wenn von firen Weltkoͤrpern oder Geflin 
nen (Hiriternen) die Rede ift, fo verſteht man darunter felde, 
die glei unſter Sonne durch ihr eignes Licht leuchten und Daher 
nicht ihre Liche von einer andern Sonne erborgen, die von ihnen 
umtrelft wird, wie diejenigen Weltkoͤrper, welche man Planeten 
(Sees oder Wanderfterne) mennt und zu denen auch unfre Eis 
gehört. Aber darum find jene nicht witküch firist oder ſtiuſteheri 
fondern fie bewegen ſich alle ohne Ausnahme, wie unſte Comm. 





Man hat fogar unter denfelben ſolche beobachtet, bie als Beinen 





412 Flexlbel Flucht 


Behattlichteit ein welt höheres und edleres Gepraͤge annehmen. — 
Ueber Fleiß und Genie (studium et ingenium) in ihrem gegens 
feitigen Werhäteniffe hat ſhon Horaz (A. P. vs. 408 ss.) fehr 
treffende Bemerkungen gemacht, die nicht bloß für Poeten, fonders 
aud für Phitofophen gelten können. 

Sleribel (von fectere, beugen, daher flexio oder fexus, 
die Beugung) heißt alles, was biegfam, gefchmeidig ober gelenkig 
iſt, und wird daher ſowohl im eigentlichen oder phoſiſchen Ginne 
vom Körper, als im uneigentlihen oder moralifhen Einne vom ber 
Secle gefagt. „ Im Gegenfalle heißen beide infleribel. Eine m 
große Flexibilit aͤt iſt jedoch in beiderlei Hinficht ebenforegnig’ gut, 
als eine zu große Infleribitität. Beſonders werden‘ Seelen, 
die zu fleribel find, leicht zum Boͤſen verleitet, wie zu inflerible 
leicht ſtoͤrriſch oder hartnädig werd Afo gilt auch in dieſer Be 
ziehung der Spruh: Ne quid is! — Uebrigens findet mar 
Hexibilis (aud) flexilis) und infl is ſchon bei ditern, Bexibib- 
tas und inßexibilitas aber erft bei fpätern Autoren. 

Floͤgel (Kart Frdt.) geb. 1729 zu Jauer in Schlefien, fr 
biete auf dem Gymnaſium zu Breslau und der Univerfität zu Hall, 
wurde 1761 Lehrer an jenem Gymnaſium, bald darauf Vrorecter 
und 1773 Rector der Schule zu Sauer, 1774 aber Prof. be 
Philoſ. an der Ritterakademle zu Liegnig, wo er 1788 ſtard. (x 
verband mit dem Studium ber Philofophie das der Geſchichte mb 
gab fhägbare Beweiſe diefes doppelten Studiums in folgenden neh 
immer leſenswerthen Schriften: Geſchichte des menfclicyen Verſtes⸗ 
des. Brest. 1765. 8. A. 3. 1776. aud) italieniſch 1788. — Ge 
ſchichte des gegenwärtigen Zuſtandes der fchönen Literatur in Deutfde 
land. Jauer, 1771. 8. — Gefchichte der komiſchen Literatur Di 

is, 1784— 87. 4 Bde 8. — Gelhihte bes © 














414 doͤderation Formel 


(A. 5. von Schade) behauptet wird. Man iſt nur zur urfpränge 
uͤchen und wohliautenderen Form zurüdgekehrt. Noch weniger aber 
paſſt auf biefen Fall die in (Aurbacher's) kleinem Woͤrtabac⸗ 
der deutfchen Sprache ıc. aufgeworfene Frage: „Warum damm auch 
nicht analog vodere fiatt vordere, beodern flatt beordern?” 
Denn e6 findet hier nicht Analogie oder par ratio flatt, weil vor⸗ 
dere von vor und beordern von ordnen (dad auch befehlm 
bedeutet, wie ordre ſowohl Ordnung als Befehl) abſtammt. 

Föderation. — Zuſatz: Den Föderaliften als Anhim 
gern des politiſchen Foͤberalismus ſtehen entgegen bie Unitarier 
als Anhänger des politiſchen Unitarismus, der vom religiofen und 
phitofophifchen wohl zu unterfcheiden if. S. Unitarier. 

Folgefag und Grundſatz f. Folge und Grund, nk 
Princip. 

Folter. — Zufag: Die Ableitung dieſes Wortes von dem 
altfeänt. poledrus — Fohlen, weil die Solter die Geſtalt eins 
jungen Pferdes (wie bei Andern bie Geftalt eines Bocks; daher die 
Medensart in den Bock fpannen) gehabt habe, iſt nicht gang um 
wahrſcheinlich, aber doch etwas weit hergeholt. Indeſſen weiß id 
feine beffere. 

Zoment (fomentum ftatt forimentum, von fovere, nähm, 
waͤrmen) ift alles, was den Körper nährt, wärmt ober pflege. 6 
wird aber auch auf das Geiftige bejogen, quod ingenium, arts 
fovet, In biefer Hinficht kann es alfo ebenſowohl fomenta cogai- 
tionis al fomenta virtatum, aber auch fomenia vitiorum geben. 
Diefe hat der Erzieher zu entfernen, jene herbeizuſchaffen, forweit es 
in feiner Macht ſieht. Auch kann man fagen, die Philofophie fü 

n fie ib ‚n material 


Boment aller ® 











416 Fortia Zorum 


Oeurre posthume de Condorcet. Paris, 1795. 8. — Bas 
die neuefte Zeit betrifft, fo vergl. man noch: Geſchichtliche Entwider 
lung der geiftigen Richtungen in Staat, Kirche, Kunft und Wiſſen ⸗ 
ſchaft feit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, oder Der im der 
gegenwärtigen Zeit fortdauernde Kampf der alten und neuen Welt 
x. Bon Geo. Ludw. Wilh. Funke Donabt. 1835. 8. — 
Ancilton über den Charakter und die Fortſchritte des jetzigen Zeit⸗ 
alters. In Deff. Schrift: Zur Vermittlung der Ertieme in den 
Meinungen. Th. 1. &. 61 ff. Desgl. die im Auf. zum Artitel 
Seelenwanderung angeführte Echrift von Ritgen, in welder 
die Lehre von der Metempſychoſe nach dem Geſetze des Fortſchritts 
freilich ſeht hypothetiſch, entwidele if. Wenn aber die Edeift 
eines Ungenannten: Neuentdecktes untruͤgliches Mittel, auf eim 
leichte und anmuthige Weiſe in feiner geiftigen und ſitilichen Bis 
dung die entſchiedenſten Fortſchritte zu macen:ıc. (Reipg. 1837. 
8. A. 2.) ein wirklich probates Mittel zu diefem Zwecke bachdte 
(denn ich hab’ es noch nicht an mir felbft verfuden koͤnnen): fe 
wäre der Glaube an einen beftändigen Fortſchtitt der Menjhhek 
über allen Zweifel erhoben. 

Zortia (Marquis de F.) hat ſich beſonders als Gegner ih 
Herzogs von Rocefoucautd (f. d. N.) ausgezeichnet, indem er 
die egoiftifche Moral, welche biefer in feinen Reflexions om sem 
tences et maximes morales empfohlen hatte, befämpfte. Gr thet 
dieß in folgender Schrift: Principes de morale naturelle. Yan 
dun, 1781. Paris, 1796. Avignon, 1802. - Paris, 183. 2 
Bde. 12. Die 2. und 3. Ausg. erfhien als Anhang zu jam 





Schrift, damit man Gift und Gegengift gleich beifannmen hätte. 
Fortificationsreht f. Feftungsreör. 








418 Zrau 


Beichen dee breifarbigen Sahne bie Mede geweſen. S. Ler— 
minier nebft Zuf. — Ein Nachtrag zu Carove’8 B.2. S. 66. 
angeführte Schrift Über Religion und Philofophie in Frankrtich if 
Deff. fpätere Schrift: Der Meffianismus, die neuen Templer, 
und einige andre merkwürdige Erfdeinungen auf dem Gebiete der 
Rel. und Phitef. in Franke. Leipz. 1834. 8. — Ferner geheren 
hieher noch folgende Schriften: Enseignement de la philosophie 
en France. Par Fabbé Bautain. Straßb. 1833. 8. — Cous 
fin über franzöfifche und deutſche Philofophie.e Aus dem Ftanzeſ. 
von Hubert Beders. Mebft einer beurtheilenden Vortede von 
Schelling. Stuttg. und Tüb. 1834. 8. — Iſt es aber wohl 
gegründet, was in einem öffentlichen Berichte über die pariſer Unis 
verficäe fteht: „Die Philofophie ift ben Franzoſen ein Kinderfpiel; 
„fie werden mit Philoſophie geboren” — 4 (&. Blätter für lite 
ratiſche Unterhaltung. 1834. Nr. 365). Auf bie jepige Zeit, 
wo man ſich dort doch ernftliher mit Phitofophie beſchaͤftigt, möchte 
das wohl nicht mehr paffen. Doc f. den Auf. zu Deut. Phi⸗ 
loſ. Vergl. aud einen Aufjag von Rehberg: Die neue Wels 
literatur (in Bran’s Minerva. 1835. Mai. Nr. 4.) wo infos 
becheit „von dem Verhältniffe der franzöfifhen Meta: 
phyfit zu der deutſchen“ die Rede if. — Gegen eine zu mar 
terlaliftifhe Richtung derjenigen franzöfifchen Philofophen, wweide 
ſich viel mit ber fogenannten Phrenologie befhäftigen, bat ſich 
neuerlih Hr. Gence erklärt. S. Phrenefe und die im If. 
angeführte Schrift von ihm. 

Frau. — Bufag: Die Wurzel dieſes Wortes iſt fra oder 





vru, welches Einige duch voran oder zuerft erklaͤren (momit au 
und frowa, die He 
‚ob ober Li 








420 Zrei 

che zwiſchen des thaͤtigen oder activen und der Leidenden 
oder paſſiven Sreiheit gemacht haben, iſt unſtatthaft. Denn auch, 
wenn man in einem gewiſſen Falle ſich leidend zu verhalten (unthaͤ⸗ 
tig zu bleiben, nicht zu widerſtehn, fogar den Tod um ber Wahe 
hei oder des Rechts willen zu erdutden) befchließt, iſt biefer Ber 
fchluß doch ſelbſt etwas Thätiges, eine Aeuferung des Willens, und 
oft eine vecht kraͤftige oder ſtarke. Noch unftatthafter aber iſt bie 
Vergleichung des freien Willens mit eine Wage. S. d. W. — 
Wegen der Gewerb: Handels: und Prefffreipeit f. die dan 
auf bezüglichen befondern Artikel. — Wenn man aber unter Frei⸗ 
heiten bloße Vorrechte (Immunitäten und Privilegien) verficht: 
fo kann es allerdings viele Freiheiten ohne Freiheit, wie viele Medte 
ohne Recht geben. S. Recht nebſt Zuf. — Unter dem Alten 
Schriften über die Freiheit iſt noch zu bemerken: Aler. v. Jod 
(Hommel, Prof. der Rechte in Leipzig) uͤber Belohnung um 
Strafe nad) tuͤrkiſchen Gefegen. 4. 2. Baiteuth und Leipg. 177% 
8. Mit der größten Heftigkeit wird hier bald im ernften bald im 
fherzhaften Zone die Idee der Freiheit bekämpft und .diefelbe für 
eine bloße Einbitdung erklärt, weil alles mit Nothwendigkeit ge 
ſchehe. Daher ruft der Verf. B. 2. $. 161. aus: „D fühe, 
„aber betrüglicher Mame ber Freiheit! unſchaͤrbares Kleinod! was 
nbift du denn? Ein bloßer Name, ein Schal, ein Tarandeiſtich 
„bei beffen Empfindung der Menſch enthuſiaſtiſch wird. Aud im 
„gemeinen Leben iſt das Joch des freien Bürgers noch viel weniger 
„als unter Monarchen gepolfter. Rom erflaunte freilih, als s 
„feinen Freunden, den Kappadociern, das Gluͤck ber Freiheit gönnen 





„wollte, dieſe aber durch eine Geſandtſchaft dergleichen Gnade verbi 
„ten liefen. Denn, fagten fie, bie Zreiheit fei eine unerträgädhe 





422 Fee Sub Freiwilig 


Wiewohl nun dieß am ſich fehr loͤblich iſt und nicht bloß dee Phi 
Iofoph, fondern überhaupt jeder Gebilbete nach diefer Freiheit ſtreben 
fol: fo find doch dabei auch mandyerlei Verirrungen moͤglich. Dean 
es teifft nicht immer zu, was ein -befannter Dichterſpruch fagt: 
ner frei darf denken, denket wohl.” Der Freidenker kann al 
terdings auch falſch oder fehledht denken; er kann aud das Wahr 
und das Gute ald Worurtheil und Aberglauben verwerfen. Und 
daher mag es wohl gefommen fein, daß man jenes Wort aud in 
einem übeln inne genommen und von der Sreidenkerei als 
einer Ausgelaffenheit im Denken, die nichts Heiliges achtet, gefpres 
hen hat. In Trinius's Freidenker-Lexikon findet man ebendar 
um Sreidenker von fehe verſchiednet Art aufgeführt, Vergl. Frel⸗ 
geift nebft Zuf. 

Freie Kunft. — Zufag: Man hat bie fieben freien 
Re auch in folgende zwei Demkverfe gebracht, um fie nicht m 
vergeffen: 


. loguitur, Die. vera docet, Ale. verba enlerat, 
. eanit, Ar. numerat, Geo. ponderat, Ast. dooet astra. 





Oder kürzer in folgendem Herameter: 
Lingua, tropus, ratio, numerus, tenor, angulus, astra. 


Freigeifl. — Dan fagt dafür auch Starkgeift oder kan 
ter Geift (esprit fort) wiewohl man auch in Anfehung diefer Au 
drücke bie beffere Bedeutung und bie ſchlechtere unterſcheiden muf. 
Vergl. Freibenker. 

Freigeld kann alles Geld heißen, was Jemand zur Erla 
gung ſeiner Freiheit uͤberhaupt (als Sklav, Leibeigner, Gefangene) 











424 Freund Friedrich IL 


ja ſelbſt Ekel am Leben. Darum, heißen auch gewiſſe Perfonen, 
die man als Wolluſtmittel erfaufen Tann, nicht Sreudes fondern 
Freuden-Maͤdchen. — Db es in ber Welt mehr Freuden 
ober mehr Leiden gebe, laͤſſt ſich nicht ermitteln, da man fie nit 
zaͤhlen und vergleichen kann. Denn man müffte fie nicht bloß quamtis 
tativ ober der Menge nad, fondern audy qualitativ oder der 
Beſchaffenheit und dem Grabe nach betrachten. Indeſſen dürfte 
wohl der alte Dichterſpruch wahr fein: 


SI numeres anno soles et mubila foto, 
Invenies nitidam snopius ie diem. 


Ja es wuͤrde dieſes Verhältnig zwiſchen Freuden uud Leiden um fo 
mehr ſtattfinden, wenn die Menſchen nicht zu viel nach Freuden 
(in dem vorhin angegebnen Sinne) ſtrebten und dadurch ſich ſelbt 
fo viele Leiden zuzoͤgen. 

Freund und Freund ſchaft. — Bufag: Die Alten fag 
ten mit Recht von der wahren ober edleren Freundſchaft: Orks 
E0TI ua yıyn &v Övov owpucı — nmicitia est una amima 
in duobus corporibus. Darum nennt auch Horaz (od. I, 3) 
feinen Freund Birgit animae dimidium suae. Helvetius aber 
hatte von der Freundſchaft eine ganz andre Verftelung. Cr hiet 
fie für ein bloßes Erzeugniß des Eigennuges. Daher meinte er and, 
die ftärkfte Freundſchaft fände unter Strafenräubern jlatt wegen br 
gemeinfamen Noth und Gefahr. Cie theilten ebendarum den Raub 
mit einander auf das Treulichfte und erfüllten ihre gegenfeitigen Zur 
fagen auf das Genauefte. Das ift aber nicht immer der Fall. Ei 
veruncinigen ſich oft bei der Theilung des Raubes, fallen über eis 
ander her, und verrathen audy wohl einander, wenn fie ihren Bor 
theit dabei fehen. Das thun freilich audy zuweilen andre Freundes 





426 Fried Zulguration 


Sries. — Zufag: Die 2. A. feiner Kritik der Wernunfe 
führt den Titel: Neue oder anthropologifhe K. d. V. Heibdelb. 
132831. 3 Bde. 8. — Sein Handbuch der prakt. Philoſ. oder 
ber pl Zwediehre enthält im 1. B. de6 1. Th. bie allg. Erbit 
oder philof. Tugendlehre, im 2. B. bie philoſ. Staatslehre oder 
Politit, und im 2. Th. die Religionsphilof, ober die Weltzwec. 
iehte, nebſt der Aeſthetik. Heidelb. 1832. 8 — Won feinem 
Handb. der pſoch. Anthropol, erſchien 1837 eine 2. verb. u. verm. 
Aufl. — Ganz neuerlich gab er heraus: Geſch. der Philof. Das 
geftelle nach den Fortſchritten ihrer wiſſenſchaftlichen Entwickelung 
B. 1. Halle, 1837. 8. 
Frigid (frigidum) — kalt, froſtig. ©. Froſt. 
Frivolität (von frivolus, eitel, nichtsnuͤtzig oder nichtde 
wüͤrdig) bedeutet im Allgemeinen eine eitle, leichtſinnige ober leich 
fertige Denkart, befonders eine ſolche, die ſich durch unzüchtige Ro 
ben und Handlungen zu erkennen giebt. Wiewohl man fie ge 
woͤhnlich als Temperamentsfehler betrachtet und daher mit einer ge 
wiſſen Nachſicht beurtheilt: fo kann fie doch auch zu groͤbern Ber: 
gehungen Anlaß geben. Uebrigens iſt jener Ausdruck wohl weht 
dem franz. frivolite als dem lat. frivolitas nachgebildet, das me 
nigftens bei alten Autoren nicht vorfommt. 
roh beißt, wer heiter und vergnügt ift oder ſich 
Denn biefes Wort (althochd. rrouwan — freuen) ift mit 
flammverwandt. Daher kommt wieder froͤhl ich und Froͤhlich⸗ 
keit, um einen höhern Grad des Frohſeins zu bezeichnen. Frob⸗ 
locken aber heißt feine Freude Inut werden laſſen, um auch Ander 
zur Theilnahme aufjufodern; indem loden (althochd. lecchen) 
von der Wurzel hlu — tönen abfiammt, wovon auch klut = Ian 
























428 Zucht 


der fpätere Sprachgebrauch für und vor einmal unterſchleden Bat, 
iſt diefe Spredart nicht mehr paſſend. Denn diefe Ausdruͤcke mür 
ben jegt nur ein vorausgehendes ober vorläufiged Bitten und Epee 
en oder ein Bevorworten bezeichnen, ohne Rüͤckſicht auf einen Ans 
bern, dem man dadurch nügen wollte. Auch hat Vorwort nah 
ine anderweite (grammatifdye) Bedeutung. S. Präpofition, 
Furcht. — Aufag: Die Foderung, daß der Menſch fi 

aller Furcht entfchlagen oder gar nichts fürchten folle, iſt üben 
trieben. Denn eine fo abfolute Furchtloſigkeit if were 
phyſiſch möglich noch moralifd notwendig. Die Furcht fol ums 
nur nicht beftimmen, unfrer Pflicht untreu zu werden. And 
müffte man bann folgereht aller Hoffnung entfagm. Dean, 
wie Schiller fügt, 

"Was find Hoffnungen, mas find Entwürfe, 

mDie der Menſch, der ſiächtige Cohn ber Gtunbe, 

„Kufbaut auf bem beträglichen Grunde 1: 


Mas find fie anders als Befürchtungen, da Zurdt und Hofe 
nung einander ſtets begleiten, fo zwar, daß bald jene bald biefe 
das Uebergewicht erhält. Wenn alfo Bokthius (de camselat 
philos. L. L metr. 7.) fagt: 

Gaudia pelle, 

Pelle timorem, 


Bpemque fügato, 
Nee dolor adsit! 


fo enthaͤlt jebe biefer Zeilen eine getvaltige Hyperbel, toelche die M 
loſophie nicht billigen kann. Er fegt freilich „zur Unterftügung fe 
ner Foderung hinzu: 








430 Fuͤrſehung Fürſtenphiloſophie 


(de divin, II, 54.) fagt: Quid habet auctoritatis furor iste, quem 
divinum vocatis, uf, quae sapiens non vident, ea videat insa- 
nus, et is, qui humanos sensus „miserit, divinos asseculos 
sit? — Der Glaube, daß Wüthende ober Wahnfinnige im ihren 
Paroppemen als Gottbegeifterte die Wahrheit ſchauen umd daher 
auch das Künftige vorausfagen koͤnnten, ift alfo nichts als Abe 
glaube, ber eigentlich aus dem Heidenthume ſtammt, aber auch noch 
bin und wieder hrifttiche Köpfe umnebelt. 

Fürfehung. — Zufap: Die Eintheilung der göttlichen Shrs 
ſehung in bie allgemeine (providentia universalis s. generalis) 
die ſich auf die Gattungen der Dinge, die befondre (prev. spe- 
cialis) die ſich auf die Arten derſelben, und bie befonderfe 
(prov. specialissima s. individualis) die fih auf die Einzelinge 
begiehen fol, ift unflatthaft, da fie fid) auf eine bloße Adftractiem 
unſtes Verftandes gründet. Ebenfo iſt Cicero' s Ausfpuah: 
Magna dii curant, parva negligunt, unphiloſophiſch, ba groß und 
Mein menſchliche Verhältniffbegriffe find, die man wieder nicht auf 
das göttliche Wefen anwenden darf; man müffte denn unter dä 
bloß folhe Wefen verftchn, die, wenn auch mächtiger und weile 
als die Menfchen, doch nicht wahrhaft göttlich und daher immer 
in mander Hinſicht beſchraͤnkt fein. — Seneca hat in fden 
Monographie de providentia befonders den vom Uebel in der Wet, 
wiefern es auch die Guten trifft, hergenommenen Einwurf zu ab 
kraͤften geſucht. Daher führt diefe Schrift audy den Titel: Que 
bonis viris mala accidant, cum sit providentia? Vergl. Uebel 
Uebrigens findet man bei Luther und andern altdeutſchen Scheifts 
ſtellern auch Berfehung, was wohl aus Vorſehung mia 
den ift, wie man auch jege noch zuweilen das Zeitwort verfehen 
4 8 ———— 













432 Gabler Galilei 


gen gewoͤhnllcher Synkretiften. ©. d. W. Doc denkt man 
beim Gebrauche jenes Wortes weniger an philofophifche als an po⸗ 
litiſche Parteien, bie durch eine Art von Verſchmelzung ihrer Ane 
ſichten und Strebungen mit einander ausgeföhnt werben follen; 
was aber meiſt ebenfowenig gelingt, als der Verſuch, entgegenge 
fegte phitofophifche oder religiofe Parteien auf dieſe Art zu vereini« 
gen. ©. Henotik nebft Zuſ. 


©. 


GSaster. — Zuſatz: Nachdem er früher Privatdorent am ber 
Univerfität zu Berlin, dann Stubientector und Profeffor am &p 
cum zu Baireuth geweſen, ward er nah Hegel’6 Tode im | 
1835 an befien Stelle wieder nady Berlin berufen. Er fel de 
Eine fein, auf welchen fid) H.s bekannte Klage bezog: „Meint 
„Schüler haben midy nicht verftanden, bis auf Einen, und che 
„dleſer Eine hat mic, misverftanden.” Sein Hörfaal fol aber bei 
weiten nicht fo vol fein, als der feines Lehrers. Zum Antrite 
feiner neuen Lehrſtelle ſchtieb er: De verae philosophiae [i. e 
hegelianae] erga religionem christianam pietate, Berl. 1836. 8. 
Ein techt paffendes Thema für Zeit und Drt! Die böfe Welt hir 
aber diefed Anſchmiegen des Hegelinnismus an den Chriftianismus 
doch nur für eine politifche Accommodation, 
Gajus gius nei 











434 Galuppi Gare 


unb morali Faͤhigkeiten und ihrer koͤrperlichen Bedingungen 
au oefehung son Oatt’& Drganslogit. #2, Mirad, 183% 8. 
Vergl. auch Phyfiognomit nebft Zuf. 

Galuppi (Pasquale). — Zufag: Er iſt jeht Prof. der 
theoret. Philof. zu Neapel. Gein Geburts» ober früherer Aufents 
halts⸗ Ort Tropen liegt aber nicht in Sicllien, fondern in Cala: 
drin. In feinen Lettere filosofiche etc. tritt er als Gegner ber 
kantiſchen Philoſophie auf. Auch hat er Sull’ analisi o auila sin- 
tesi — Logica ‚pura — Filosofia della volonta (Neap. 1832. 8.) 
und Lezioni di logica e di metafisica composie ad use della 
R, Univ. di Napoli (Ebend. 1832—33. 2 Bde. 8.) gefchrieben. 

Gamatieh, eim hebraͤiſcher Weifer, der auch Vorfteher einer 
Schule griechiſchet Weisheit geweſen fein foll und im Talmud eft 
ehrenvoll erwähnt — S. Gfroͤrer's kritiſche Geſchichte des 
Urchriſtenthums. Abth. 2. 

Gamologie iſt ein neugebildetes Wort (vom yapoc, Has: 
tath, Ehe, und Aoyos, Lehre) zur Bezeichnung ber wiffenichefes 
hen Theorie von ber Ehe aus dem juridifyspolitiichen und men 
liſch ⸗ religiofen Standpuncte. S. Ehe bis Ehezweck nebſt Zufl, 
mo auch die darauf bezuͤglichen Schriften mu find. 

Sanganelli (Siemens XIV.). — Zufag: 

{pn zu Armini bei Rimini, Andre zu &. Angelo bi (beideh 
im Kirchenſtaat liegend) geboren werden. Manche behaupten auch 
dag er mit dem berühmten Dr. Erneſti zu Leipzig in SBriefwehe 
fel geftanden und hier noch größere Entwürfe in Bezug auf Ne 
Meform feiner Kirche angebeutet habe. Umfomehr ift fein fdmeer 





Tod nady Aufhebung des Jeſuitenordens zu bedauern. — Die 
8. 2. ©. 113. angeführte Schrift: Clement XIV. et Carlo Ber 
inazzi 'ete, erfchien auch deutſch Überf. von Mäder. Leipu IE ] 





436 Gebet Geburt 


Darftellung de6 Innern mit der Tonſprache, ſowohl der artis 
eulirten ais der unarticulirten. Omnis enim mofus animi suum 
quendam a natara habet sonum et gestum. (Cie.) 
Gebet. — Zufag: Wenn da6 Gebet ein Zugendmittel fein 
ſoll, fo darf man wenigſtens nicht fo beten, wie der im Anfange 
des 18. Jahrh. lebende Kaifer von Maroko, Muley Jsmaei. 
der vieleicht der fleißigfte Veter in der Welt war. Denn er bis 
terließ ein Verzeichniß von 75,000 Gebeten, die er gehalten; weis 
halb: er auch der redhtgläubige Diener Gottes bie, Db 
er dabei den alten Spruch beachtete, ben man nody als Juſqheiſt 
in manden jüdifhen. Synagogen findet: „Gebete ohne Aufmerb 
ſamkeit find wie ein Körper ohne Seele” — weiß ich nicht. Rx 
das berichtet die Gefchichte, daß biefer fleifige Beter und vedhtgläe 
bige Gottesdiener zugleich der graufamfte und biutgierigfte Tyremn 
mar. Denn er hatte gegen 10,000 Meniden mit eigner habe 
Hand gemordet, umgerechnet bie, welche auf feinen Befehl binge 
tichtet wurden, wenn fie aud) gar nichts verbrochen, fondern mx 
das Unglücd hatten, ihm zu misfallm. — Manche Meligionsicher 
(4. 8. Bolzano in f. Lehrb. d. Meligionswifl. Th. 3. B. 
$. 274.) unterfheiden Gebete der Anbetung Gottes, ber Licht 
Gottes, des Danke, der Hoffnung, der Selberforfhung 
der Reue u. des Vorſatzes, des Gelübdes u. der Witte 
Man ficht aber nicht eim, wozu biefe, ohnehin ſehr unlogiſche, Eis 
teilung führen fol. — Vergl. au Ora et labora! — Di 
die Noth beten Lehre f. den Zuf. zu Roth = 
Gebot. — Bufag: Da jedes Gebot ein Sollen autdeick 
dem Sollen aber zunaͤchſt da6 Wollen entfpricht: fo If es and der 
Witte, an welchen jedes Gebot und alfo auch das negativt 
es Werbot heißt, zunä jerichte: jagt : | 















438 Gefallen Geflhi 


dee bei Proceſſen das ſog. Armenrecht nachſucht, aufgelegt wird, 
damit er dieſes nicht durch ein falſches Vorgeben erſchleiche: fo heißt 
er auch der Armeneib, ift aber gleichfalls bedenkllch. Denn wer 
da6 Armentecht anſpricht, um einen Proceß koſtenftei führen zu 
tönnen, wird wohl immer auch bereit fein, eidlich zu verfichen, 
daß er eine gute unb gerechte Sache zu haben glaube, mithin midt 
muthroilliger oder böslidyer Weiſe proceffire, gefept auch, daß m 
diefe Urberzeugung nicht hätte. Db eine Sache gut und gerecht fd, 
iſt voraus oft ſchwer zw beurtheifen, felbft für Richter umd Code 
walter. Dagegen ift das eidliche Angelöbniß des Armen, die für 
ihn ausgelcgten Koften zuruͤckzahlen zu wollen, wenn er im beſſen 
Umftände komme, unbedenklich, da Jeder dieß bona fide verfpreden 
ann, felbjt wenn er nicht fo arm wäre, um auf jene Mechtöwehb 
that vollen Anſpruch zu haben. 

Gefallen. — Zufag: Auf die Feoge, wer man vorjupe 
weiſe zu gefallen ſtreben folle, hat ſchon Horaz ſehr — geant 
wortet: Prineipibus placuisse viris, non ulima laus esi — 
wenn man nur dabei nicht an principes polentia, fondern mit dus 
Dichter an principes virtute denkt. Daher fügt auch ber Seat 
Bade fehr richtig: 

Omnibus semper placulsse ren est 

Plena fortunse, placulsse paucis 

Pleaa virtatie, placuisse zulli 

Plena doloris. 

Das Erfte (omnibus semper) iſt freilich gar niche möglich, mem 
man audy noch fo viel Glüd hätte. Denn gerabe viel Gib m 
weckt auch viel Neid und Haß, alfo aud viel Misfallen und Ze 
del. Daher muß man ſich ſchon mit dem’ Bweiten begnügenyymb 1 








440 Gegenliebe Gehirn 


win. S. Gefuͤhl, Myſtik und Religionslehre nebſt Zuſſ. 
Auch vergl. Ammon's Schrift: Die Fortbildung des Chrifien- 
chums zur Weltreligion. 1. Haͤlfte. 1. Bud. 5. Kap. Die Reis 
gion des Gefühle. 
Gegenliebe bebeutet eine gegenfeitige ober erwiederte Liche, 
Die Griechen aber verbanden mit dem entſprechenden Ausdruc ihrer 
Sprache nody einen andern Begriff. ©. Liebe, Eros und Ant: 
eros nebft Buff. . 

f. Partei. 


Gegenpartei 

Gegenphilofophie f. Antiphilofophismus n. Bel. 

Gegenihluß f. Katafpllogismus. 

Gegenwelt und gegenweltlid f. Antitosmus. 

Geheim und Gehelmnik — Bufag: Wegen der Frag, 
ob und unter welchen Bedingungen man Geheimniffe, die und von 
Andern anvertraut worden, zu bewahren verpflichtet fei, vergl. Treue 

Geheime Ehen (matrimonia secreia s. clandestiua) fs 
der Staat nicht dulden, weil von ber Ehe die Fortdauer des Sta 
tes felbit abhangt, geheime Eheleute aber leicht uͤbereinkommen Bas 
ten, ihre Kinder auszufegen oder geradezu umzubringen, damit dab 
Geheinmiß ihrer Verbindung deſto ficherer bewahrt würde, Anh 
würden alle Familienbande unficher werden, wenn foldye Ehen ähe 
band nähmen. Es gilt alfo aud in dieſer Beriehung, mas de 
alte Cato in Bezug auf geheime Vereine und Zufarumenkhnfe 
überhaupt fagte: Sammum periculum est, si coefus et comes 
et secrelas consultationes esse sinas, Liv, hist XXXIV, 2 
Uebrigens vergl. Ehe und geheime Gefellfhaften. 

Geheime Künfte und Wiſſenſchaften. — But: 
Man nennt fie auch kutzweg und gemeinfdpaftlich Sepeimih 

n_(mysteria weichen alfo aud eine acheime Dam 














442 Seiftermufit Geiftesverwirrung 


den, ber doch dieſe Erſchelnungen auch nicht zureichend erlärt). — 
Ahnungen aus ber Geiſterweit. Won Fr. Stapmann. kriy. 
1836. 8. (Erzählungen von Ahnungen, Träumen, Geiſterreſche⸗ 
nungen, Propkezeihungen ac. been Wahrheit nur verfichert, nicht 
erwieſen wird). — Auch f. bie im Art. befeffen nebft Zuſ. am 
geführten Schriften von Kerner und Eſchenmaper. — Sa ge 
ſchichtlicher Hin ſicht aber iſt noch zu bemerken: Aeltere umb menere 
Geſchichte des Glaubens an das Hereintagen einer Geiſterwelt in 
die unfrige. Won Ernft Simon. %. 2. Heilbronn, 1834.8.— 
Mit Rede warnt Übrigens Schramm In f. Veitr. zur Gef. & 
Philoſ. S. 192. vor den Folgen, bie es leicht haben künte, 
„wenn von Doch» u. Haldgebildeten darauf hingearbeitet wird, ben 
„Zufammenhang bes Menſchen mit der Geifterwelt mittels dunleis 
„finniger Andeutungen bes Unbekannten in der Natur (4. B. db 
„geheimen Lebens der Metalle, der Luft, des Waſſers x.) kabbe⸗ 
iſtiſch und fataliſtiſch zu erklären und fomit den Glauben an 3b 
n&enbeutungen, Wünfcyelruthen, Amulete, Geiftererfcheimungen, 
„Sputgefhichten, Beſchwoͤrungen und an alle bie Thorheiten mies 
„ber in Gang zu bringen, welche der Vernunft zur Schwach fe 
„viel Unheil ehedem verbreitet haben.” Sollte man aber wohl glan 
ben, was unlängft in öffentlichen Blaͤttern berichtet wurde, ba ei 
im Norden von Curopa nody Länder giebt, wo man bei Zeflmeh 
ten die Gieifter förmlich einladet, an dem Schmauſe theilgumehuen, 
und aud Bäder für fie zur Reinigung bereitet? 
Geiftermufit und Geiflerfprache iſt uns nur ia Is 
fehung der von Menfcyengeiftern ausgehenden bekannt. Alles Uehcie 
iſt nur Hypotheſe, wo nicht gar Träumer. S. Geiſterlehre 
und folgendes zwar geiftteiche, aber doch auch Tehr 





444 Gelbarifkoftatie Gelegenheit 


ungen, Gewaltthaten und andern groben Verbrechen. Horaz (od. 
1, 16.) &agt deshalb nich mit Unrecht: 

Aurum per medios ire satelllies 

Et perrumpere amat saza potentius 

Icta fulmines etc. 

Die Geldgier iſt aber noch ſchlimmer für den, welcher davon be 
feffen, als für Andre. Denn, wie berfelbe Dichter (ebend.) fast: 
Creoscentem sequlter cura pocunlam. 

Ebenfo klagt Juvenal (sat. VI, 298): 


Prima perogrinoe obscoena. pecunia marcs 
Tatalit et turpl fregerunt secala luza 
Divitlae miles. 


Viel Geld Haben iſt daher allerdings mehr ein Unglüd als ca 
Städt für den Menſchen, ungeadytet die Meiften es als das sum- 
mum bonum diefer Welt betrachten. Wer es aber für das sum- 
mum malam erflären wollte, würde ebenfofehr Iren. Es tom 
hier alles auf ben Gebrauch an, den man vom Gelde aacht. Deaz 
«6 ift immer nur Mittel für phyſiſche und moralifde Lebensmmedt, 
hat alfo ſtets bloß einen relativen Werth. 
Geldariftotratie wird zuweilen auch Geldadel (f.8..) 
genannt, iſt aber doch eigentlich etwas Andres, nämlich eine Acker 
ktatie, die auch ohne Adel, durch bloßen Befig vieles Geldes ud 
Gutes, ſich geltend madhtz weshalb. fie auch Ariftotratie bes 
Reichthums heißt. Sie ift aber allerdings die ſchlimmfte It 
dee Ariſtokratie. S. d. W. Auch vergl: Der Mori je 
Bentham und die Geldariftokratie der Zeit. Darmfladt, 1836. & 
Geldſtrafen. — Zufag: Die gänzliche Abfchaffung bite 
2 ie m a hun. * us: * 











446 Gemälde Gemeinpläge 


faften, und biefes Gelübde auch wirklich erfüllte. Alſo Selbmord 
aus Froͤmmlgkeit ! 

Gemälde. — Zuſatz: Wortgemaͤlde find auch die po 
tiſchen Beſchrelbungen von Farbengemaͤlden, fo wie von andern 
wahrnehmbaten Gegenſtaͤnden (Perfonen, Gegenden, Gebäuden, Be 
gebenheiten ıc.) fobald fie nur einer woͤrtlichen Darftellung föbiz 
find. Leffing-hat darüber in feinem Lao koon fehr treffende Be 
merkungen gemacht, Auch vergl, die Schrift: Wie malt der Did, 
tee Geftalten? in Beitrag zur Aeſthetik. Bon Heine. Vie 
hoff. Emmerih, 1834. 8. Hier werden auch Beifpiele folder 
Gemälde gegeben. 

Gemein. — Zufag: Wiewohl dem Gemeinen das Un: 
gemeine entgegenfteht, fo kann man body nicht immer beides 
einander in berfelben Beziehung entgegenfegen. Es würde . ®. 
nicht paffend fein, wenn man dem Haufe der Gemeinen is 
England das Haus der Ungemeinen entgegenfegen wol. 
Denn in beiden Häufern finden ſich gemeine und ungemeine Mit 
glieder. Ebenfo kann man nit gemeine und ungemeine Sob 
daten einander entgegenfegen. Denn die Offiziere find auch je 
weilen gemein unb bie Gsmeinen ungemein. Den gemeines 
Wahrheiten aber, die man auch Zrivialitäten nennt, lafa 
fi) wohl die ungemeinen entgegenfegen, die man auch Para: 
dorgien nennt. ©. trivtal und parabdor, auch Gemein: 
plägen.3. — Wenn die Rechtögelchrten von gemeinen Werbre: 
Gen fprechen: fo-verftehen fie darunter ſolche, die eine-befonden 
Öffentlichen Verpflichtungen des Urhebers (als Beamte, Solbatan) 





fondern nur bie allgemeine "Verpflichtung des Menfchen md ME 
Bürgers voraugfegen, alfo Verbrechen, bie jeder Fr begeben fan, 
fobald er nur im Staate-Ieht, 8 








448 Geminus v. Rhodus Gemüthfeligkeit 


184. in der Mitte) angeführten Worte find eigentlich nicht von 
Schelling, fondern von Hegel, obgleich Weide zu ber Zeit, als 
fie das kit. Journ. dee Phllof. herausgaben, wo jene Worte um 
jprunglich fanden, fo innige Freunde waren und fo einflimmig 
philofophirten, daß diefelben wohl Beiden zugefchrieben werden Eins 
nen. Es iſt übrigens nicht wohl einzufehn, warum bort dem ges 
funden Menfhenverftanbe fo viel Boͤſes nachgeſagt wird, ds 
doch fonft gefund, Menſch und Verſtand gar nichts Böfs be 
deuten. Vergl. auch die Schrift: Ueber das Verhaͤltuiß der Phüs 
fophie zum gefunden Menfhenverftande ıc. Leipz. 1835. 8. Rem 
Verf. diefed W. B. 
Geminus von Rhodus, ein angeblicher griechifcer Phi 
loſoph, der im 1. Jahrh. vor Ehr. lebte, von dem aber weder ds 
genthümlice Philoſopheme noch philoſophiſche Schriften belanmt 
find. Denn feine Merewpoloyıxa und Eısaywyn us ra ger 
vonera fallen mehr in’6 Gebiet der Phyſik und Aftronomie, die 
man freilich zu jener Zeit auch in's Gebiet der Ppilofophie aufnahes. 
Semkth. — Bufeg: Vergl. auch die Schriften: Dark 
‚lung des menſchlichen Gemuͤths in feinen Beziehungen zum 
gen und leiblichen Leben. Bon Dr. Mid. v. Lenhoffek, 
1834. 2 Bde. 8. — Ueber das Gemüth ober die 
dee Perfönlicpkeit. Freibutg, 1833. 8. — Deegleichen bie mus 
Gemüthsrune nebft. Zuf, angeführten Schriften. 
Gemuͤthlich. — Aufag:,, Wenn die’ fog.. Gemärkidtit 
in eine übertriebne Empfindfamkeit oder Sentimentalicäat — 
ſo kann ſie den Menfchen nicht nur albern und. lächerlich mindern, 
fondern auch noch zu größern Fehlern verleiten und fogar zu 
müthskranfheiten führen; wie Blumröder.in feiner ‚Schrift be 
das Jirſein (Leipzig, 1836. 8) fehr gut gezeigt hat. - &. Em 








450 Geneſeologie Genoſſenſchaft 


enefeologie oder Genefiologie iſt ein neugebildetes 
Wort, bedeutend eine Lehre vom Urſprunge dee Dinge (Aoyog zes 
ng yeveosng Twv ovswr), Wären dieß bloße Gedantendinge oder 
Begriffe, fo wäre fie nur logiſch. Wiren es aber wirkliche Dinge 
und würde dabei zugleich nad) dem Urfprunge einer realen Erkennt⸗ 
nis, die fi) auf folhe Dinge beziehen foll, geforſcht; fo waͤre jene 
Lehte theile phofifch theils metaphyfifcd. — Bei den Alm 
tommt zwar yeremu).oyog vor, aber in der Bedeutung eines Ste 
deuters oder Nativitätſtellers — yeredAıa.oyog. S. Benethlis 
logie. — Wegen ber genetifhen Erklaͤrungsatt der Wan 
der, die man auch eine Gensfeologie nennen könnte, [. Wundern.3. 
Genialität. — Zufag: Genialitas (von genial me 
vom Genius als einem Gotte der Freude kommt) bedeutete ſeu 
Feſtlichteit, Feierlichkeit, Ergoͤtlichteit. Die jegt gewoͤhnliche Beden 
tung kommt wohl daher, daß man den Genius als einen hoͤher be 
gabten Geift oder Dämon betrachtete, der auch Menſchen höher be 
gaben koͤnne, wenn er ihnen einwohne oder ihnen etwas eingebe (fie 
hauche, infpirire). Indeſſen fönnte man den Genius im Menſchea 
oder das fog. Genie, befonders aber das Kunft-Genie, ah 
als den in einem menſchlichen Individuum auf's Hoͤchſte geftrigerim 
und mit der freien Geifteschätigkeit deffelben auf s Innigfte zufew 
menwirkenden Bildungstrieb der Natur betrachten. — Was eb mi 
dem moralifchen Genie, bas ſich als ein Tugen dkünftler 
zeigen foll, für eine Bewandniß habe, f. Tugend « Genie. — 
As cine Unterart des pragmatifchen Genies aber könnte men 
auch das commerciale oder Handels:Genie betrachten, mel 
in ‚großen faufmägnifchen Gefcyäften oder fogenannten Dantlisge 
culationen ſich gleichfalls eine gewiſſe Genialität zeigen Banı, — 
Daß das Genie in jeder Dinficht aud) des Unterrichts, ber 





Genovefi Genuͤgſam 451 


Zwecke, ohne baß fie deshalb eine wirklihe Geſellſchaft 
as) conflituirn. Sie heifen dann felbft Genoſſen (con- 
. B. Staubensgenoffen (fidei consortes) wenn fie 
gemeinfamen Glauben haben, ohne doch mit einander in 
kirchlichen Verbande zu leben; denn alddann würden fie eine 
€ Meligionsgefellfchaft bilden, die man eben Kirche nennt. 
WB. Ebenfo kann es im Stante bei Rechtshaͤndeln Streit 
fen (litis consortes) geben, wenn Einer Mehre ober Mehre 
aus bemfelben Rechtsgrunde und wegen beffelben Gegenftans 
Bagt haben. Diefe Streitgenoffenfhaft (litis consor- 
findet zwar in ber bürgerlichen Geſellſchaft flatt; aber die Ges 
fetbft als ſolche bilden keine Geſellſchaft und innen fogar 
weichiednen Geſellſchaften angehören. Bei einer Schlägerei 
z audy phyſiſche Streitgenoffen. Dergleichen find aud) 
zdesgenoffen in einem Kriege, obwohl biefe noch inniger durch 
andesvertrag vereinigt find. © Bund. Bei einer gelehr⸗ 
Köputation bilden die Disputanten ( Reſpondent und Dppos 
‚ auch Präfes, menn fie einen folchen haben) nur eine los 
oder ibeale Streitgenoffenfhaft, während die juri⸗ 
nd die phnfifhe reale find. S. Disputation. So if 
te vorhin erwähnte Glaubensgenoffenfchaft als ſolche (ohne 
en Verband) nur ideal, da der Glaube feibft etwas Idea⸗ 
, & Glauben. 2. 
Jenovefi (Antonio). — Zuſatz: Er mar Profeffor der 
wfit und Ethik zu Neapel und phllofophirte im Geifte ber 
swolfifhen Schule; wenigftens war fein erfler Gurfus der 
phie in diefem Geiſte gedacht. Seine Lettero academiche 
d gegen Rouffeau gerichtet. 
Jenügfam heißt der, welcher in Anfehung zeitlicher Güter 
mer mehr begehrt, fondern fi) auch mit Wenigem begnügt, 
IB nur gben zur Befriedigung ber nothwendigften Lebensbes 
je binreicht — desiderans quod satis est, mie Horaz 
I, 1.) fagt; wogegen e8 (serm. I, 1.) ‘heißt: 

At bana pars hominum, deeepta oupidine false, 

NN satis ost, inquit, quia tanti, quaatum habeas, sie. 
enügſamkeit ift aber die unumgänglich nothwendige Be⸗ 
3 der Zufriedenheit, wie bie Ungenuͤgſamkeit noth⸗ 
Die Unzufriedenheit in ihrem Gefolge hat. Sehr rich: 
t demmach berfelbe Dichter (od. III, 16): 

Crescentem sequitar cura cupidinem 
Majorumgue fames — 
eiterhin: 


Multa petentibus 
Desent multa. Pene ost, cui dese obtalit 


Parca quod untis est menn. 
29 * 





454 Gerſon Geſchichte 


Raths der Alten (Senats) wo natuͤtlich auch die Gerontologie ſtatt⸗ 
findet. Doch bedeutet yegovrıa auch das Alter ſchlechtweg 

Gerſon. — Zufatz: Vergl. auch Hundeshagen's Abh. 
ber die myſtiſche Theologie de J. Ch. von Gerfonz in Illgen's 
Beitfehr. für die hifter. Theo. B. 4. Et. 1. und 2 — Wunde 
nennen ihn auch Jerſon oder Janfon und Laffen ihn zu Rheims 
geboren werden; was aber ebenfo unrichtig zu fein ſcheint, als die 
Behauptung, daß er Verf. der Schrift de imitatione Christi fei. €, 
Thomas a Kempis (nebft Zuf.) wo aud) vom Abte Joh. Gen 
fen als angeblihen Verf. diefer Schrift die Rede iſt. — 
mar jener ©. auch ein fo feeifinniger Mann, daß. er in feinen 
Schriften die Abfegbarkeit der Päpfte behauptete und dieſe Behaups 
tung fogar praktiſch dadurch geltend machte, daß er im I. 1409 
auf bem Concile zu Pifa an ber Abfegung zweier Gegenpäpfe 
(Benedict’s XI. und Gregor’s XII.) al6 ungefeglicher Probs 
tenbenten des Pontificates theilnahm. S. Lenfant, hist, du cas 
cile de Pise. Amſtetd. 1724. B. 1. ©. 273 ff. Daffelbe chat 
er auch in Bezug auf den Papft Johann XXI. auf dem Cw 
cite zu Conftanz. ©. Deff. hist. du concile de Constance. R 
a. Ebend. 1727. 8. 1. ©. 280 ff. 

Gerftäder. — Zuſatz: Er gab auch noch folgende reek 
phlloſophiſche Abhandlung heraus: De vera nolione jurisprades- 
tiae universalis ejusque abusu nunc frequentissimo, Leipz 1837. 
4. Desgleihen ein größeres Werk über die Befeggebung S 
den Zuf. zu dieſem Artikel. ’ 


Gefammt. — Zufag: Wegen der Gefammthelt in Bepy 
auf Güter f. auch Guͤtergemeinſchaft. 
— Geſchaͤft. — Zufag: Wegen des Gefhäftsglanbene 





Geſchichte 455 


Weltgeiſt mantfeftire, aber nicht beftimmt, ob dieß von bee Welt⸗ 
gefhichte überhaupt oder bloß von der Menfhengefhichte 
gelten fol. S. beide Ausdrüde. Die Philoſophie der Ges 
ſchichte, melde von ber Geſchichte der Philofopbie ſchr 
verſchieden ift, muß darüber weitere Auskunft geben. Vergl. Ders 
ber’s Ideen zur Philofophie der Gefchichte der Menſchheit. Riga, 
1784—91. 4 Thh. 4. Mit Einleitung von Luden. Leipz. 1828. 
2 Bde. 8. — Aug. Arnold's wiſſenſchaftliche Darftellung oder 
Philoſophie der Gefchichte für Gebildete. Berl. 1833. 8. Th. 1. 
— Wolfg. Menzel's Geiſt der Geſchichte. Stuttg. 1835. 8. 
— Grundzüge der Hiſtorik. Von G. G. Gervinus. Leipzig, 
1837. 8. — Ueber geſchichtliche Analyſis und Syntheſis. Ven 
Dr. K. G. Schubarth. Hirſchb. 1837. 8. (Sucht ein Grund⸗ 
geſetzliches, eine Urform für die ganze Geſchichte, und glaubt fie im 
jener Anal. und Synth. gefunden zu haben). — Hegel's Vorleſſ. 
über die Philof. der Geſch., beach. u. herausg. v. Sant. In 
H.5 Werten. B. 9. Berl. 1837. 8. — Della filosofia della 
stora. Vom Abate Aurelio del Giorgio VBertola. - Pavia, 
1787, 8. — Buchez, introduction A la science de I’histoire. 
Paris, 1833. 8. — Auch vergl. Ballandye nebit Buf. — Von 
Molitor's bereits angeführter Philof. der Geſch. (B. 2. S. 218.) 
erſchien Th. 2. Münfter, 1834. Es follen auch noch mehre fol 
gen, — Uebrigend iſt es fehr richtig, wenn man Chronologie 
und Seographie die beiden Augen der Gefchichte nennt. Denn 
da⸗die Gefchichte Begebenheiten erzählt, welche fich ale finnlich wahrs 
nehmbar in Zeit und Raum zugetragen haben follen: fo wird 
wathrlih immer zuerft gefragt, wann und mo fid eine Begeben⸗ 
beit zugetragen. Jenes beftimmt die Gefcyichte mit Hülfe der Chro⸗ 
mologie oder Zeitrechnung, dieſes mit Hülfe der Geographie oder 
Erdbeſchreibung, wenn von irdifchen Begebenheiten die Rede ill. 
Deun wäre von himmliſchen Begebenheiten (Kometenerfcheinungen, 
Sonnen: und Mondfinfterniffen ıc.) die Rede: fo müffte freilich die 
Uranograpbie und Ajtronomie zu Rathe gezogen werden. Sit daher 
ein angeblich Geſchehenes weder zeitlich noch räumlich beitimmbar: 
fo wird es ebendadurch zweifelhaft, wie fo viele Thatfachen, die Eis 
ner dem Andern gläubig nacherzählt und dabei auch wohl mit aller 
lei Zufägen ausfhmüdt, durch melde fie in's Wunderbare fallen. 
Bon ber Art iſt das Meiite, mas auf bloßer Ueberlieferung beruht 
und baher in's Gebiet der Sagen oder Mythen gehört. Sehr rich⸗ 
kg fügt ebendeshalb Drigenes in feiner Schrift gegen Celſus 
(I, 42): „Faſt bei jeder Geſchichte, fo wahr fie auch fein mag, 
„iſt es eine fchwere, ja nicht felten unloͤsbare Aufgabe, fie als 
„wirklich gefchehen zu erweiſen. Gefegt nämlich, es leugnete Einer, 
‚Daß «6 einen trojanifchen Krieg gegeben, namentlid wegen ber in . 





456 Geſchichte der Phitofophie 


„Seine Geſchichto verwebten Unmoͤglichkeiten: wie wollten wir Die 
Wirklichteit deffeiben beweiſen, befonder6 gedrängt, wie wir wären, 
nducch bie offenbaren Erdichtungen, welche fid auf unbekannte Weife 
„wit ber allgemein angenommenen Kunde von dem Kampfe zwiſchen 
oHellenen und Trojanern verwebt haben? Mur dieß bleibt übrig: 
„Der mit Berftand die Geſchichte ftudiren und ſich von Täufhun 
„gen in bderfelben frei halten will, der wird überlegen, melden 
helle derfelben er ohme Weiteres glauben bürfe, welchen er bager 
gen bloß bildlich aufzufaffen habe (zıva de TEonoloynası) mit 
„Rüdfiht auf die Äbſicht der Erzähler, und welchem er endlich 
als aus Menfchengefälligkeit gefchrieben, ganz mistrauen mäfle” 
Merkwuͤrdig aber ift, daß er dieſelbe Bemerkung auch in Bezug auf 
die ganze evangelifhe Geſchichte macht, damit man ihr nicht blieb 
und grundlos glaube, fondern zum Studium derſelben Verſtaud 
und fleißige Prüfung anmende. Aber freilich ward der hellſehende 
Mann deßhalb von den Blindgläubigen verkegert. Vergl. Mythe⸗ 
logie (mo aud eine Schrift von Kapp angeführt iſt, welche dab 
Verhältniß zwiſchen Gef. und Mythol. befonders erwägt) Sage, 
Ueberlieferung und Wunder nebft den Buff. Auf der andern 
Seite würd’ es aber auch zu weit gegangen fein, wenn man be 
hiſtotiſchen Skepticismus fo welt treiben wollte, daß man bie gang 
Geſchichte, befonders bie ältere, und fomit auch bie evangelifce, fir 
eine bloße Zabel erklaͤtte. Es bürgen ja fo viele Städte und Aw 
falten des Alterthums, wenn fie fih auch im Laufe der Zeiten fehe 
verändert haben (wie Judenthum und Chriftenchum) ober gar ua 
noch in Ruinen vorhanden find, für die Wahrheit jener Cefcyichte 


im Ganzen, wenn auch nidt in allen Einzelheiten. — Die heil 
Geſchichte ber Menfchheit, von einem Sünger Spinoza’6 (Gute 
1837, 8. ifches Merk im. 





458 Geſchick Geſellſchaft 


Geſchick. — Wenn Geſchick für Schichſal oder Schickung 
ſteht, iſt Misgeſchick fein Gegenfag, Ungeſchick aber, wenn «6 
Geſchicklichkeit bezeichnet. Doc) braucht man auch zuweilen Unge 
(hie für Misgefci 

Geſchlecht. Bufag: Wegen des Grundſatzes: Geſchleche 
ändert nicht Wefen f d. W. nebſt Zuſ. 

Geſchlechts-Adel oder Ariftofratie iſt ebenfoniel als 
Erb: Adel oder Artjtoßratie. S. die beiden legten (einfachen) 
Ausdrüde nebit Zuff. 

Gefhmad. — Zufag zur Literatur dieſes Artikels: Unter 
fuhung über die Beziehung, welche zwiſchen dem literariſchen Ges 
fomade [marum nicht dem Geſchmacke überhaupt?) und der Mo 
iität der Völker beſteht. Analpſe eines Vortrags Darüber von 
Saint: Marc Girardin. In den literaciihen Blaͤttern der 
Boͤrſenhalle. 1834. Nr. 083, 

Geſchwindigkeit. — Zufag: Unter allen befannten Ge 
ſchwindigkeiten iſt allerdings die des Lichtes die größte, indem es ia 
8 Minuten” 7 Secunden den Halbmeffer der Erdbahn (diber 20 Dis 
onen Meilen) durchlaͤuft. Daraus folgt aber nicht, daß bie ein 
abfolute® Maximum celeritatis fei. Auch vermag das Lichte tr 
biefer ungeheuern Gefchroindigkeit den Raum von dem unfrer Comm 
zunaͤchſt ſtehenden Firſterne bi6 zur Erde erft in fieben -Jahem 
zu durchlaufen — salvo errore calculi, da hier freilich Beine ge 
naue Meffung und Rechnung mögli iſt. — Daß die Zortpflew 
gung der Elektrichtät die Fortpflanzung des Lies am Geldywinbige 
feit übertreffe, haben ſchon einige Phpfiter behauptet. S. Werken 
at en Geſeliſchaft In Leipzig (Beipz. Tagebl Fr 




















40 Gefeßentwärfe 


ohue Ausnahme, fobald fle mus befolgt werden. Weil aber jene fo 
befcyaffen find, fo unterliegen fie auch vielem Zabel und vielen 
Veränderungen nad) Zeit und Umftänden; und man giebt fie ge 
woͤhnlich erft dann, wenn eine Veranlaffung dazu von aufen gege⸗ 
ben iſt, wie berfelbe Römer (cap. 4.) ganz richtig bemerkte: Siem 
ante morbos necesse est cognitos esse, quam remedia eoram, 
sic cupiditates prius nalae sunt quam leges, quae iin modem 
facerent. Ale pofitive Gefege find daher ihrem Urfprunge nad 
Gelegenheitögefege. S. d. W. — Wenn vom göttliden 
Gefege ſchlechtweg die Rede iſt, verſteht man darunter das allge 
meine Weltgefeg, wiefern es in ber göttlichen Vernunft begrimde 
iſt und alfo audy der göttlichen Weltregierung zur Baſis dient. Se 
fügt Thomas Aquinas (XCI, 1): Est aliqua lex divim, 
ratio videlicet gubernativa folius universi in mente divina exi- 
stens. — Wegen des Unterſchieds zwiſchen Gefeg und Befehl 
ſ. d. W. — Wegen des Bufammenhanges aber zwiſchen Geſet 
und Sitte vergl. die Preisfcrift von J. Matter: Ueber den 
Einfluß der Sitten auf die Gefege und der Gefege auf bie Sitten 
Aus dem Franz. mit Anmerkk. von F. 3. Buß. Seriburg im 
Breisgau. 1833. 8. Diefen Zufammenhang hat inde {ces 
Arifloteles (polit. II, 8.) bemerkt, indem er fagt: O von 
aoxvv ovösmay eyeı npog To neıdeodu, nAyv napa To ade. 
Und darum fragt auch Horaz (od. III, 24.) mit Rede: Qeid 
leges sine moribus vanae profciant? — Die Eitte hat aber au 
in Verbindung mit der geiftigen Bildung eines Volkes im Gau 
Einfluß auf den Geift der Gefege überhaupt. Denn unter Nie 
fen Geifte ift nichts andre zu verſtehn ais ber Inbegriff der Grusde 
fäge, die in erfennbarer Weiſe den einzelen Beftimmungen eines Gefepeb 
0 ne8 0 Gelenhuches zu u Su 


ber aud) anzen 











462 " Geſetzgebung Geſetzgrund 


franzoͤſiſchen Gefegblihern, oͤrtlichen Gebraͤuchen, dem kanouiſchen 
Mechte und alten Verordnungen. Dieſes beinahe unerforfhlice 
„Qabyrinth wird noch vermidelter durch neue koͤnigliche Ordonnan ⸗ 
zieh, buch Beſtimmungen der Provinzialſenate und der Appells 
tionögerichtöhöfe, welche in den einzelen Abtheilungen des Königs 
neeiche, wie in Piemont, Savoien, Genua und Sardinien, Gr 
nfegestraft haben, und denen ſich Cabinetsbefehle oder militariſche 
‚Berfügungen beigefellen.” — Wie «6 bei einer ſolchen Gefeggebung 
um die Rechtspflege ſteht, laͤſſt ſich leicht denken. 
Sefesgebung. — Zufag zur Literatur dieſes Artitels: 
€. Th. Welder’s Spftem der Rechts: Staates und Gefetge 
bungslehre. Stuttg. 1829. 8. — Ueber das pofitive Mechtögefe 
Von Guft. v. Strume. Gött. 1831. 8. (Unterfucht die Grund 
lagen aller pofitiven Gefeggebung). — Briefſammlung über Gele 
gebung, vorzüglid in NRüdfiht auf Civiltecht. Vom Confulentes 
Wolf. Miteu, 1835. 8. — Ueber Theorie der Gefeggebumge 
kunſt. Von Dr. Karl Feder. Günther. In Poͤlih's Jaho 
büchern der Gef. und Staatsk. 1835. Sept. und: Ueber die 
Möglickeit, einem Strafgeſebuche Volftändigkeit zu geben. Box 
Demf. Ebend. 1837. Aug. verbunden mit Deff. Abh. de can 
sis perspi is et obscuritatis legum. Leip. 1836. 4. — De 
2. Abd. bezieht ſich auf eine ähnliche des Präf. v. Weber in Tb 
bingen: on der unvermeidlidien Unvolltemmenheit und intbe 
fondre Unvolftändigkeit jedes Strafgeſetzbuches; in denfelben Jaho 
büdyern. 1837. Apr. (©. behauptet gegen W. bie Möglichkeit eine 
wenigſtens relativen Voliſtaͤndigkeit). — Die Fortbildung der Ge 


feggebung im Geifte der Zeit, und über die zweckmäͤßigſten Micch 
zu einer guten Befeggebung Überhaupt zu gefangen x. Won WE 
iı ii TE. X gleich litaenrifr (az. 


Gefeg-Politit Gefichts-Vorſtellungen 463 


bie pofitive Gefeßgebung gebraucht, obwohl die natlrliche oder reine 
vernünftige aud ihren Grund bat, ber aber in der Urform des 
Ichs allein zu fuchen if. S. Urform, auch Vernunft und 
Vernunftgeſetze. Bei pofitiven Gefegen fol nun zwar dieſer 
Hauptgrund (ratio primaria) auch gelten, damit fie nicht das 
oberfte Rechtsgeſetz verlegen. Es muß uber dabei auch noch auf 
Billigkeit und Klugheit, mithin auf allerlei empirifche Umſtaͤnde 
und Berhältniffe Rüdjicht genommen werben. Darum hat ein pos 
ſitives Gefeg oft mehre Gründe, welche auch in den fogenannten 
Motiven, die man den Gefegentwürfen für gefebgebende Ders 
fammlungen beizufügen pflegt, dargeſtellt werden follen; wiewohl 
. man babei zuweilen die eigentlichen oder geheimen Beweggründe 
verſchweigt, weil fie nicht füglich auszufprechen find, ohne mit den 
ausgeſprochnen Motiven in Miderftreit zu gerathen und fo die Urs 
beber der Entwürfe in's Bloße zu ftellen. Der fchlechtefte Gefeg: 
grund ift aber bei pojitiven Gefegen, ob fie gleich auch willkuͤrliche 
beißen, die bloße Willkür oder das bloße Belieben, nach der 
alten Formel der altfranzöfifchen Könige: Car tel est notre plai- 
sir. Denn wenn auch noch bon dem plaisir vorgefegt wurde, fo 
war es boch oft tres mal. Das plaisir des Fürften iſt daher, wie 

phantaisie, die ſich melft damit verbindet, ein eben fo ſchlech⸗ 
ter Geſetz⸗ als Rathgeber, und daher Eein rationale, fondern ein 
terationales Motiv. Dod hat es fich auch oft hinter den ehren» 
vollen und wohlklingendern Titel ber raison d’etat verfiedt. ©. 
Gtaatsraifon 

Gefeß: Politik oder vollftändiger Befeggebungs: Pos 
lütit heißt die Staatsklugheit, wiefern fie beim Geſetzgeben nicht 
bloß auf Recht und Billigkeit, fondern auch auf Vortheil und 
Nachtheil nach den Regeln der allgemeinen Klugheitslehre Rüdfiche 
nimmt. Dieß ift nun an ſich keineswegs zu tadeln. Vielm S foll 
der Geſetzgeber auch die wahrſcheinlichen Wirkungen feiner Gefege 
zur Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt voraus zu berechnen 
ſuchen. Aber Recht und Billigkeit müffen doch immer feine hoͤch⸗ 
ſten Leitkerne bleiben, damit feine Klugheit nicht in Arglift aus⸗ 
arte und fo am Ende auch jene Wohlfahrt zerſtoͤre. S. den vor. 
Art. und Politik, auh Staatsweisheit. — Einen „Beis 
teag zur Gefeggebungs: Politik” bat der Verf. in folg. 
Schr. geliefert: Die neueften franzoͤſiſchen Geſetze, vornehmlich das 
Preffgefeg, mit Hinſicht auf Deutfchland erwogen. Leipz. 1835. 8. 

Geſetzvorſchlaͤge f. Gefegentwürfe. 

Geſichts- Borkellungen — Zuſatz: Vergl. Dr. ©. 
Heermann's Schrift: Ueber die Bildung der Gefichte = Vorftels 
kungen aus den Gefichts: Empfindungen. Hannover, 1835. 8. Der 
Verf. unterſcheidet naͤmlich mit Recht die bloß fubiectiven Empfin⸗ 





4601 Gapenſt Gefundheit und Krankheit 


dungen, welche aus der Erregung des Gefihtsfinnes durch das Licht 
entftehen, von den objectiven Worftellungen, welche dann von ber 
Seele in Gemäßheit biefer Affectionen gebildet werden, fo daß die 
felben auch nachher noch als fortdauernde Abbilder ber gefehenen 
Gegenftände gleichſam deren Etelle vertreten, fie tepräfentiren; mas 
man eben im Deuiſchen ein Vorftellen nennt. &. Borftellung n. 3. 

Gefpenft. — Zuſatz: Die neuefte Geſpenſtergeſchichte, mit 
der es aber ernftlih gemeint und die auch vel quasi philoſophiſch 
ausitaffirt ift, findet man in folgender Schrift: Cine Erſcheinung 
aus dem Nachtgeblete der Natur, durch eine Reihe von Zeugen 
gerichtlich beftätige und ben Naturforfchern [alfo aud wohl den Ras 
turphilofophen?] zum Bedenken mitgetheilt von Dr. Juftinus 
Kerner. Stuttg. 1836. 8. Vergl. auch Aftraigeifl. — De 
Gefpenfterglaube iſt übrigens fo alt, daß ſich deffen Urſprung nicht 
gefchi nachweiſen läffe. Die altrömifden Lemures mar 
auch nichts andres als die abgefchiebnen Eeelen der Menfcyen, von 
welchen die guten als Hausgoͤtter (Lares) verehrt, die böfen als 
Geſpenſter oder nächtliche Piagegeifter (Larvae) gefürchtet wurden 
Man fuchte fie daher auch durch ein befondres Feſt (Lemuria) a 
verföhnen. Allein weder das hohe Alter noch bie weite Werbreitumg 
dieſes Glaubens beweiſt etwas für deffen Wahrheit oder Gültigkeit 

Gefundpeit und Krankheit. — Zufag: Wenn ma 
die Gefundpeit als den ibealifhen Normalzuftand des Drganie 
mus betrachtet, fo giebt es allerdings nur Eine Krankheit u 
dieſe befteht dann eben im der Abweichung von jenem Zuftande, die 
im Mangel an Gefundheit. Dieß fchließt aber doch nicht die Mig 





tigkeit verfhiedner Krankheitsformen und Krankheite 
grade aus, weil die Abweichung bald diefe bald jene Geflalt e⸗ 
nehmen, bald_ftärker ball ht ü i i 


Getreidegeſetze Gewerbfreiheit 45 


integra cum mente fein, wenn er ganz geſund fein ſoll. Vergl. 
auh 4. Brigham’s Bemerkungen über den Einfluß der Ver: 
fiandesbildung und geiftigen Aufregung auf die Geſundheit. Mit Ans 
merkt. von Rob. Macnifh. Aus dem Engl. von Dr. A. Hil⸗ 
debrand. Berl. 1836, 8. 

Detreibegefehe f. Adergefege. 

Gevollmaͤchtigt f. Bevollmädtigung. 

Gewanbtheit ift eigentlich, eine duch Uebung erlangte Gere 
‚tigkeit, nad) den Umftünden zu handeln (fi zu wenden und, wo 
nöthig, auch umzumenden) wird aber auch zuweilen von jeder Art 
der Geſchicklichkeit gebraucht, fie fei koͤrperlich oder geiſtig. An und 
für ſich betrachtet ift fie gut und lobenswerth, kann aber durch ben 
Gebrauch oder vielmehr Misbrauch ſchlecht und tadelnswerth wer⸗ 
ben. Daher giebt es auch ſehr gewandte Betrüger und Verfuͤhrer, 
die nur um fo gefährlicher find. 

Gewerbfreibeit. — Zuſatz: Es gilt in Bezug auf dies 
fen Heutzutage vielbefprochnen Gegenftand allerdings der allgemeine 
Grundſatz, daß Jedem, der ein rechtliches oder ehrliches Gewerbe 
groedmäßig ausüben und fi) nebft den Seinigen davon ernähren 
kann und will, ſich alfo geſetzlich dazu qualificirt, aud) vom Stante 
bie Erlaubniß dazu ertheilt werden müffe, mag er einem Stande 
angehören oder einem Glauben anhangen, welchem er wolle. Aber 
jene Qualification muß er allerdings nachweiſen, damit bie Geſell⸗ 
ſchaft nicye mit ungeſchickten und brotlofen Gewerbsleuten und deren 
Familien, aus welchen fo viel fchlechtes Geſindel hervorgeht, übers 
ſchwemmt werde. Daraus folgt dann allerdings von. ſelbſt, daß, 
weil in ber Geſellſchaft überhaupt Bein Einzeler cine unbedingte oder 
unbeſchraͤnkte üußere Freiheit haben ann, auch keine unbejhränfte 
Sewerbfreiheit im Staate möglih if. Es müffen aber bie 
Schranken, denen fie unterliegen fol, nach jener Rüdjicht im vor: 
aus durch Geſetze beflimmt, auch nicht zu eng gezogen und nicht 
von Umftinden hergenommen werden, die auf das Gewerbe keine 
Beziehung haben, wie der religiofe Glaube (ob 3. B. Jemand Chrift 
oder Jude ſei). Dann werden Vortheile und Nachtheile fid) moͤg⸗ 
lichſt ausgleihen und nicht zu befürchten fein, daß ſtatt des aufs 
gehobnen Zunft: oder Innungszwanges neue Willkuͤr und neues 
Unheil eintrete. — Uebrigens hat die Gewerbpolitik dad Meis 
tere zu beſtimmen. Vergl. die Schrift von Froͤr. Bülau: Der 
Staat und die Induſtrie. Beiträge zur Gewerbpolitit und Armen: 
pflege. Leipz. 1834. 8. womit zu verbinden Deff. kurz zuvor ers 
fhlenene Schrift: Der Staat und ber Landbau. Beiträge zur 
Agriculturpolitit (Ebend. 1834. 8.) indem Iegtere mit ber Gewerb⸗ 
zolitit in genauer Verbindung fteht, da ber Landbau doch eine 
Dauptart der Gewerbe iſt, die man daher ſelbſt in Ländliche 

Krug’s encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Woͤrterb. Bdo. V. Suppl. 





466 Gewiffen Gewifſens « Sachen 


und ſtaͤdt iſche eintheilt. — Der Bunftzwang und bie Banneechte, 
gegenüber ber Vernunft, dem echte und ber Wiſſenſchaft. Ein 
ſiaatswiſſenſchaftlicher Verſuch von Frot. Aug. Benedict.- Leipz. 
1835. 8. (Vertheidigt die Getwerbfreiheit mit guten Gelmden). — 
Auch koͤnnen hier die Schriften von Defterlei (Iſt es rathfam, 
bie Zunftverfaffung aufzuheben? Gött. 1833. 8.) Schid (Das 
Innungswefen nach feinem Zweck und Nugen. Leipz. 1834. 8.) 
Fr. Schmidt (Beobachtungen über dad Innungsweſen und die 
Gewerbfreiheit. Zitt. u. Leipz. 1834. 8.) und 3. W. Neumann 
(Ueber Gewerbfreiheit und beren Gränzen im Staate. Berl. 1837. 
8.) mit Nugen verglichen werden. 

Gewiffen. — Zufag: Daß das Geniffen den Menſchen 
feig mache oder entmuthige, ift nur wahr in Bezug auf die, melde 
Boͤſes im Schilde führen. Auch ift es recht heilfam, wenn der 
Boͤſewicht noch von feinem Gewiffen fo gemahnt wird, daß es ie 
zur Vollführung feiner böfen Abſichten entmuthigt. Wer aber nz 
da6 Gute will, wird durch den Beifall bes Gewiſſens aud zw 
Ausführung feiner guten Abfichten ermuthigt werden. Denn nichts 
flärkt oder hebt den Muth mehr, als ein gutes Gewiſſen. Wegen 
des fog. ängftlihen Gemwiffens aber, da6 man auch wohl ein 
peinlihes nennt, f. Gewiffensangfl. Ein enges ode 
zartes Gewiſſen iſt jedoch immer befier, als ein weites oda 
loderes, vermöge deſſen man leicht dahin kommen kann, amt 
das Schaͤndlichſte für erlaubt zu halten; 3. B. wenn man fh 
überredet, der Zweck heilige die Mittel. ©. Zweck n. 3. 

Gewiffend Ehe (matrimonium conscientine) heit em 





Geſchlechtsverbindung, die ohne Autorifation bes Staats und Sanctien 
der Kirche geichloffen worden, aber doch von beiden Gatten als eime 


wahre Ehe (Iebenslängliche und monogamifche ng 


Gewohnheit Gioja 467 


Praktifche, Recht und Pflicht, gut und boͤs, Tugend und Laiter ıc. 
Im engern inne aber nennt man bie Religion und ben bar: 
uf bezüglichen Glauben eine Gewiſſens⸗-Sache und folgert eben: 
yaraus mit Recht, daß der religiofe Glaube nicht aufgebrungen, 
ondern der freien Ueberzeugung eines Jeden überlaffen werden 
nuͤſſe. S. Gewiſſens-Freiheit. 

Gewohnheit. — Zuſatz: „Gewohnheit macht den Fehler 
choͤn“, fügt zwar Gellert in feiner Fabel vom Lande ber Hin⸗ 
enden; und cin andrer Schriftſteller (Aler. v. Joch oder Hom⸗ 
mel über Belohnung und Strafe S. 111.) fagt gur: „Ein Quent= 
ben Gewohnheit ift mehr als ein Centner Vernunft.” Allein das 
etzte Wort ift eine offenbare Hyperbel; und auch das erfte ME nur 
jalb wahr, inmwiefern naͤmlich der gewohnte Fehler minder auffüllt 
der haͤſſlich erfcheint, al& der. ungemohnte. Daher macht die Ge⸗ 
bohnheit uns allerdings Manches nicht nur erträglich, fondern wohl 
‚ar lieb und werth, ſelbſt unentbehrlih, wenn wir uns durch die 
kaͤnge der Zeit zu fehr daran gewöhnt haben; weshalb Goͤthe 
Fauſt, Ih. 2. Act 2.) fagt: „Was man gemohnt war, bleibt 
in Paradies”. Vergl. auch bie Formel: Consuetndo est altera 
atura. Indeſſen ſagt fchon das kanoniſche Recht (X. de consue- 
mdige) in Bezug auf Rechtsgewohnheiten: Licet etiam longac- 
ae eonsueludinis non vilis sit auctoritas, non tamen est usque 
deo valitura, ut vel juri positivo debeat praejudicium generale, 
räüsi fuerit rationalis. Sehr richtig in jeder Beziehung. 
Dean die Vernunft mit ihren Foderungen ift ewig, alfo Älter ale 
Ue Gewohnheiten. S. die Formel: Abusus non est consuetudo, 
— Das Gegentheil dee Angewöhnung, duch welde in uns 
elbſt gewiſſe Gewohnheiten entftchn, ift die Abgemwöhnung, bie 
ber oft fehr ſchwierig iſt, befonders in fpätern Jahren. Co kann 
Jemand zwar fich Leicht due Spielen, das Trinken, das Fluchen, 
as Lügen ıc. angemöhnen, unbemerkt und ohne alle Abfidytlidykeit. 
Benn er es ſich aber wieder abgewöhnen fol oder will, fo hält es 
d ſchwer, daß er oft zu feinem eignen Verdruſſe in die alte Ge: 
dohnheit zuruͤckfaͤllt. 

Gioja (Melchiorre G.) ein neuerer italieniſcher Philoſoph, 
ee Elementi di filosotia (U. 3. Mailand, 1822. 2 Bde. 8.) eine 
deologia (Ebend. 1822—23. 2 Bde. 8.) einen Trattato del me- 
ito e delle ricompense und eine Filosolia della statistica (von 
ee eine neue Ausg. in 5 Bänden mit Zufügen Romagnofi’s 
en Mailand aus ungekündigt worden) herausgegeben hat. Auch 
Hi er eine Encnklopädie der oͤbonomiſchen und adminiftrativen Wiſ—⸗ 
afhaften gefchrieben haben. Won feinen übrigen Lebensumitinden 
E mie aber nichts bekannt. Berge. Mamiani della Rovere 
ber ben gegenwärtigen Zuftand der Philofophie Im Ztalien, aus 





468 Glag Glaubens « Arten 


der Europe lil@raire Mr. 38. 46. und 58. vom J. 1833, deutſch 
in Garoves Meffinnismus ı. S. 352. 

Glatz. — Zuſatz: Zu feinen neueſten Schriften gehört ned: 

Die Religion für wiſſenſchaftlich gebildete Lefer. Leipz. 1832. 8. 
Glaube. — Zuſatz: Im Altd. bedeutet kaloupan, beifak 
ten, hingeben, und kaloupo (mase.) oder kaloupa (fem.) Beifal 
Vertrauen. Die wäre aljo die urfprüngliche Bedeutung von glau: 
ben und Glaube. — Der Unterfchied zwifden dem entwidel: 
ten und unentwidelten oder gleihfam eingewidelten Gum 
ben (fid. explieita et implieita) iſt zuläffig, wenn man unter jenem 
den Glauben verſteht, wiefern er woͤrtlich aufgefprocdhen, darzeſtetu 
oder bekannt wird, unter dieſem aber ben Glauben, wiefern er ſich 
nur durch eine gute Gefinnung und Handlungsweife offenbart. Die 
fee kann dann noch mehr Merth haben, als jener. So täfft fih 
„Glaube macht felig,” vertheidigen. Er # 
ig, tiefen man babei an einen Glauben denkt, wer 
her theils als eine gewiſſe oder fefte Zuverficht etwas Beruhigende 
und Stärkendes für das Gemüth hat, theild aber auch ledendiz 
ober fruchtbar an guten Merken iſt. Auf den bloßen VBuchflabe 
eines gegebnen Kirchenglaubens aber besogen, wäre der Cap: File 
salsikicat, nicht nur falſch, fondern auch gefährlich in firtlicher His 
fiht, well er das Gewiffen einſchlafern und den Menſchen tug 
zum Guten machen oder feinen Eifer, immer beffer zu werden, 
fchwaͤchen wuͤrde. — Ganz unftatthaft aber iſt der Eag, mas 
müffe glauben, was überall, was immer, und was von As 
len geglaubt worden. Denn einmal giebt es kaum etwas der I, 





befonders in religiofer Hinſichtz und wenn es auch dergleichen gäh. 
fo soürde die Thatfache, des aligemeinen Glaubens tod Tide fir 


Glaubens » Eid Slaubens : Freiheit 469 


‚2. ©. 281. angeführte Verſ. einer philof. Beleuchtung des 
if. u. des Glaub. hat den Dr. Sam. Glas zum Verf. — 
ie am Ende dief. Art. (S. 282.) angekündigte Schrift ift fpäter 
ter dem Titel erfchienen: De impostura religionum breve com- 
ndium s. lib. de tribus impostoribus., Nah 2 MSS. und mit 
boriſch⸗ literarifcher Einleit. herausg. von Dr. F. W. Genthe. 
pn; 1833. 8. Der 1. Tit. iſt der alte; der 2. fcheint erft ſpaͤ⸗ 
entftanden zu fein, nachdem bie Schrift überarbeitet und mit 
hren Zufäsen verfehen worden. Der eigentliche oder wahre Verf. 
völlig unbekannt; bie erfte Abfaffung aber fällt ohne Zweifel in 
Mitte des 16. Jahrh. Auch vergl. Law, Zuf. — Außer dies 
Schriften find hier noch folgende zu bemerken: Theorie bes 
aubens. Von A. v. Sieger. Köln, 1833. 8. (S. Gies 
&). — Ueber Glauben. Bon Joh. Joſ. Rofenbaum. Wien, 
33. 8. (Diefe beiden Schriften find zwar eigentlich Eatholifche 
zeitfchriften, behandeln aber doch auch den Gegenftand aus einem 
yemeinern und philofophifcyen Gefichtöpuncte). — De la raison 
de la foi. Par Mr. le Bar. de Massias. Par. 1835. 8. 
Ueber Glauben und Wiflen, als Einteit. in die Religionephis 
mble und Dogmatil, Von Dr. 3. €. Erdmann. Berl 
37. 8. — Glauben und Wiffen. Eine philof. Abhandl. von 
gel, in feinen Werken. B. 1. Nr. 1. — Ueber Glauben und 
glauben, von Ancillon, in feiner Schrift: Zur Vermittlung 
. &ptreme in den Meinungen. B. 2. ©. 355 ff. — Albr. v. 
iller's Gedanken, über Vernunft, Aberglauben und Unglauben, 
d ein philoſ. Lehrgedicht. 

Glaubens : Eid. — Zuſatz: Die hier gegebne Erklaͤrung 
leht fih auf den Firhlihen G. E. — Anders nimmt man 
A in gerihtlider Hinfiht. ©. Eid. Ne 6. und 8. 

uf. 

Glaubens : $orm. — Zuſatz: Glaubens: Formeln 
e Sormulare find kurze Inbegriffe folder Saͤr., durch welche 
e gewiſſe Glaubensform als eine Art von R.ligionsbekenntniß 
geftelie werden fol, theild für das Gedaͤchtpez, theild zur Uns 
cheidung von den Glaubensformen andrer ‚eligionsparteien; wie 
techiömen, fombolifche Bücher u. S. Bıtenntnig und Syms 
1. Sie follen daher auch ale Norm oder Megel für den Glau⸗ 
ı dienen und dadurch die Eintracht unter den Glaͤubigen beföre 
a, bringen aber oft nur Zwietracht hervor. S. Glaubens: 
em, audy concordbiren und Henotikon, nebft Zuſſ. 

Blaubens : Freiheit. — Zuſatz: Berge. Wieland's 
banken von der Freiheit, in Glaubensſachen zu philofophiren. 
» deut. Merk. 1788. Zul. — Die Feinde der Glaubens: Frei: 
; follten auch den Ausſpruch von Grotius wohl beberzigen: 





Gloſſokratie Gluͤck und Ungläid 473 


es jenem nachtritt, das Hinterglieb (To Emouevor, Consequens). 
Vergl. Confequenz Doc Läfft fi auch die Ordnung bei der 
woͤrtlichen Darftellung der Gedanken umkehren, indem es gleiche 
gültig ift, ob man fagt: B ift, wenn A iſt, oder: Wenn A ift, 
fo it B. Denn auch bort wird B als abhängig von A oder ale 
befien Folge gedacht. 

Gloſſokratie (von yAwooa, die Zunge, und xparem, 
berrfchen oder regieren) kann zroelerlei bedeuten, naͤmlich erſtlich eine 
Herrſchaft der Zunge, mie fie da ftattfindet, wo Volksredner 
durch die Kraft ihrer Beredtſamkeit das Volk ganz nach ihrem Ges 
fallen lenken und leiten, fodann die Beherrfhung der Zunge, 
und zwar entroeder in Bezug auf jene Kraft, fo daß man ſich im 
Gebrauche derfeiben mäßige und fie nicht zum Boͤſen misbraudht, 
oder überhaupt, fo daß man weder zu viel redet noch auch Dinge 
ausplaudert, die man verſchweigen ſollte — eine ſchwere und doch 
ſehr nothmendige Kratie, verwandt mit bee Enkratie. S. d. W. 
Die Alten brauchten übrigens nur das Zeitwort YyAwaooxpareıy 
und zwar in der” zweiten Bedeutung. Die Ausgelaffenheit ober 
Frechheit im Reden aber, als Gegentheil diefer Gloſſokratie, nann⸗ 
ten fie yAwocouurın (Zungenwuth) welches Wort jedoch neuerlich 
auch in andrer Bedeutung gebraucht worden. S. Gloffolalie und 
Bloffomanie. 

Stud und.Unglüd. — Zuſatz: Bei. ben Alten bebeutet 
Sors oder fortuna urfprünglich nichts Andres als Geſchick ober 
Schickſal; weshalb aud oft sors, das Loos, dafür flieht. Darum 
dachten die alten Dichter die Nothwendigkeit (avayxr, neces- 
sitas) als Begleiterin der Gluͤcksgoͤttin. So heißt es bei Horaz 
in der Ode ad Fortunam Antiatem (l, 35): "Te semper anteit 
saeva (oder serva, wie Andre lefen) Necessitas; welcher letztern 
er zugleich Nügel und SKeile in die eherne Hand giebt. Auch dachs 
ten fie ebendarum das Glück oder Geſchick blind: Sors rmit et 
coecis coeca triumphat equis. — Zu ben hier angeführten Schrif⸗ 
ten gehören noch folgende: Caͤſar's Gedanken über die menſch⸗ 
liche Gluͤckſeligkeit. Leipz. 1797. 8. — La cl& du bonheur. Par. 
1835. 8. Ob diefer neueſte Stüdsfchlüffel, von einem Unges 
nannten bargeboten, fchließe, weiß ih noch nicht. Horaz aber 
bat fon einen andern, der nicht übel ift, angedeutet, indem er 
(od. UI, 29.) vom Gluͤcke fagt: en 

Laude manentem; si celeres quatit 
Penaas, resigno quse dedis, et mes 
Virtute me involvo, probamque 

Pauperiem sine dote quaere. 


Auch bat er Recht, wenn er anderwaͤrts (epod. IV.) fagt: For- 
Sauna non mutat genus, Wenigſtens macht das Gluͤck, von wel⸗ 





414 Gluͤckskinder Gnade 


em dort die Rede iſt, naͤmlich der Wefig fogenannter Giäds: 
güter, die immer nur außer uns find, die Menſchen in der Re: 
gel nicht beffee, ſondern ſchlechter. 

GStüdskinder heißen Menſchen, die vom Glücke briondere 
begünftige find ober menigftens feinen. Denn oft ſtuͤrzt fie das 
fog. Gtüd am Ende doch in's Unglüd, vornehmlich wenn fie dem 
felben allzu blind vertrauen; wie es 5. B. dem lange vom Glüd: 
begüunftigten Napoleon mit feinem Kriegsglüde ging. Darauf 
besieht fich auch der Ausfpruh: Nemo ante mortem beatus. 
©. diefe Formel, Uebrigens werben folhe Gihdskinder aud wohl 
Sonntags» oder Neujahrstinder genannt. — Etwas Ir 
dres aber find Gluͤksritter, naͤmlich Menfden, die dem Gläde 
ungezügelt nachjagen, audy wohl auf frummen oder Schleichwegen 
es aber felten erjagen ober es ihren Händen bald wieder entfchlägfen 
fehn, wenn fie es aud) einmal zufällig erhaſcht haben. 

Gluͤckwunſch oder Glüdwünfhung (gratulatio) feß 
zwar eigentlich ein Erweis menſchlicher Theilnahme am fremden 
Wohle fein, indem wir den Wunſch ausſprechen, daß es Andern 
entweder Überhaupt wohl ergehn oder irgend etwas von ihnen Be: 
gonnenes oder Werfuchtes gelingen, mithin zu ihrem Güde auf 
ſchlagen möge, iſt aber leider durch allzu häufigen Gebraud m 
einec ’bloßen Foͤrmlichkeit oder Gerimonie herabgefunten, bie zur 
noch die Höflichkeit in gewiffen Faͤllen, befonder6 an gewiſſen Ta 
gen, fodert. Ob man der Philofophie zu einem neuen Epfize, 
das Jemand aufftelt, Gluͤck wünfden fole, ift eine ftreitige Frage, 
die meift von der Nachwelt gan; anders ais von dem Zeitgenofien 





eines Philoſophen entſchieden wird. 
Gnade. — Zufag: Wenn man die Gnade Gottes (p 








416 Gnofe Sodwin 


Quiäguid prasciplas, esto breris, ut eus diete 
Pereipiant aulml doelles-tenenatque fielen. 


Nur muß bie Kürze nicht bis zur Dunkelheit übertrieben twerden. 
©. Brachylogie nebft Zuf. 
Gnofe. — Zufag: Nah Ammon’s Fortbildung des Chris 
ſtenthums zur Weltreligion Bd. 2. Cap. 5. (A. 2.) iſt die fog. 
‚wis als Geheimlehre von dem unbekannten Gotte und feinen 
jur Etloͤſung der gefallenen Menſchheit vom Himmel gefandten Ge 
nien älter als das Thriſtenthum. Allein die Gnofe kam nad) und nach 
durch phantaſtiſche Ausſchmückungen oder vielmehr Verunftaltungen in 
fo übeln Ruf, daß man fpäterhin darunter eine alle Gränzen 
bee menfchlichen Erkenntniß überfliegende, und daher hohle oder ſach⸗ 
leere Theorie von Gott und feinen Verhättniffen zur Welt verftand. 
Ein verborgnes hoͤchſtes Weſen ald Urgrund der Dinge und eine 
ewige Materie als Sitz alles Böfen, eine Menge aus jenem Weſen 
fufenwelfe hervorgegangener Genien, Aeonen genannt, melde ober 
von melden Einer ald Demiurg die jegige Welt und die Menſchen 
gefhaffen x. waren Hauptmomente biefer Lehre. — Die B. 2. 
©. 296. angeführte franzoͤſiſche Schrift von Matter über biefen 
Gegenftand erſchien neuerlich auch deutfh von Ch. H. Dörner. 
Heitbr. 1833. 8. — Hiezu kamen noch: Chriſtenthum, Gnofticits 
mus und Scholaſticismus. Vorleff. von Dr. Heinrich Paͤtſch 
Berl. 1832. 8. — Die chriftliche Gnoſis oder die chriſillche Rei 
gionsphitofophie in ihrer geſchichtlichen Entwickelung. Won Dr. 
Gerd. Chſti. Baur. Tuͤb. 1835. 8. Deff. Schrift über den 
idealen Chriftinnismus der Gnoſtiker (1828, auch lat. als Proge. 
1827) ift als Vorlaͤuferin jener größern anzufehn. — Vergl au 





Clemens (Zit, Flav.) nebſt Zuf. 


Goetie Goͤſchel 477 


Art von Sinecure, bie er als Belohnung für ſeine Wirkſamkeit 
vom Mintfterium Grey erhielt. Sein berühmtefted Werk ift: On 
political justice, eine Art Ditdopolitit (f. d. W. unter Dis 
kaͤologie) die ungemelnes Auffehn machte. Außerdem hat er Es- 
says, einen Inyuirer, und unter dem Namen Baldwin mehre 
pädagogifche Werke gefchrieben. Seine politifche Gefinnung war ets 
was revolutionair oder, wie man es fpAterhin lieber nannte, radical. 

Goetie oder Goetik (yorresa, yonzızy, von yonc, 7706, 
ein Zauberer) bedeutet eigentlich Zauberei oder Hexerei, dann aber 
auch Gauklerei und Betrügerei, mithin daſſelbe, was man fonft 
auch Magie nannte, befondere böfe oder ſchwarze (Laysıa yorrızn). 
©. Magie und bie dort angeführten Schriften nebſt Zuf. 

Gold. — Zufag: Golddurſt oder, wie bie Alten ſchick⸗ 
licher fagten, Goldhunger (auri sacra fames) find bildliche Aus⸗ 
drhde zur Bezeichnung der Leidenfchaften des Geizes und ber 
Habſucht. ©. beides. Wegen dee Goldmacherei aber, bie 
zur Befriedigung dieſer Leidenfchaften dienen fol, f. Stein ber 
Weifen nebit Zuf. 

Somariften f. Prädeftinatianer nebft Zuf. 

Gorgiad. — Zufag: Cicero (de senect. c. 5.) fagt von 
ifm: Centum et septem complevit annos, neque unquam In 
sao studio Alque opere cessavit; qui, quum ex eo quaereretar, 
car tam diu vellet esse in vita, nihil habeo, inquit, quod in- 
eusem seneciutem; und jener fegt mit Recht hinzu: Praeclarum 
responsum et docto homine dignum! G. wollte audy gar nicht 
zu den Eophiften gesähle werden, ſondern verbat ſich dieſen Titel 
ausdrucklich. S. Foss de Gorg. Leont. pag. #1. 

Goͤrres. — Zuſatz: Seine neuefte Schrift iſt: Die chrifte 
Ihe Myſtik. Münden, 1836. 2 Bde. 8. Ein 3. Band foll, 
nahdem in jenen beiden die gute oder Lichte Myſtik dargeftellt 
worden, auch die ſchlechte oder dunkle betrachten, um dann in 
der über beiden gelegnen Sphäre ber einigenden Myſtik, welche 
in der unmittelbaren Einheit mit Gott, durdy deſſen Gnade bewirkt, 
ihren Grund haben foll, das ganze Gebiet der myſtiſchen Zuſtaͤnde 
abzuſchließen. — Als Prof. der Gefchichte hat er ſich durch die von 
ihm berausgegebnen „Altdeutfhen Volle: und Meiftere 
lieber” um die deutfche Literatur: Gefchichte verdient gemadht. 

Gortydas f. Gartydas. 

Goͤſchel. — Zuſatz: Seit 1835 iſt er geheimer Juſtiz⸗ 
und vortragender Rath im Juſtizminiſterium zu Berlin. Seine 
neueſten Schriften find folgende: Unterhaltungen zur Schilderung 
göthefher Dicht: und Denkweiſe. Ein Denkmal ꝛc. Schleufingen, 
1834. 2 Bde. 8. (Eine Art von Äfthetifch = pſychologiſchem Come 
mentar zu Göthe’s Werken). — Won den Beweiſen für die Uns 





418 Goͤthe 


flerbtichkeit ber rofäläen Seele im Lichte der fpeeulativen Philo- 
fophie [Hegel’s]. Werl. 1835. 8. wogegen erſchien: Ueber G.e 
Verſuch eines Erweiſes ber perſoönlichen Unfterblickeit vom Stande 
puncte der hegel ſchen Lehre aus. Bon Dr, Hubert Becers. 
Hamb. 1836. 8. (Der Derf. beftreitet hier als eifriger Schellin⸗ 
glaner den ebenfo eiftigen Degelianer). — Zur Philofophie und Theo: 
logie des Rechts und der Rechtsgeſchichte. Schleuf. 1835. 8. Au 
als 2. Th. feiner Zerſtreuten Blätter aus den Hand: und Hülfs 
asten eines Juriften 2.) — Die fiebenfältige Ofterfrage. Berlin, 
1836. 8. Gezieht ſich auch auf Unſterblichkeit und Auferftchung) 
Tan den Eid in philof., theol. und jurift. Beziehung. Bel 
Goͤthe. — Zufag zur Literatur über denfelben als Phil 
ſophen, Dichter, Geſchaͤſtsmann und Menſchen: Das Büͤchlein von 
Göthe. Andertungen zum beffern BVerftändniffe feines Lebens und 
Wirkens. Herausgegeben von Mehren,.die in feiner Nähe ftanden. 
Penig, 1832. 8. — Göthe in feiner praktiſchen Wirkfamteit — 
und: Göche in feiner ethifhen Eigenthuͤmlichkeit — Beides von 
Fror. d. Müller. Weimar, 1832. 8. — J. W. v. Goͤche 
Vortrag ꝛc. von Dr. Karl Morgenſtern. Petersb. 1833. 8. 
— Göthe in feinen amtlichen Verhättniifen. Aus den Acten, be 
ſonders durch Correfpondenzen zwiſchen ihm und bem 

Karl Auguft, Geh. Mathe v. Voigt u. A. dargeſtellt von feinem 
legten Amtsgehülfen Dr. C. Vogel. Iena, 1834. 8. — Göce 
und fein Jahrhundert. Jena, 1835. 8. (Der Verf. fol Reh: 
berg fein. Das Urtheil, welches er über G. faͤllt, iſt Funs u aber 
im Ganzen nicht ungerecht. Wenn dagegen der ecenf. dirfer 
Schriſt in den Gött. Anzeigen daraus folgert, ©. fei fein fhirfe 


Gott 479 


„Menſchenverſtandes war auch ber meinige.” Wäre dieß ſtreng zu 
nehmen, ſo waͤre G. eigentlich gar kein Philoſoph geweſen. Denn 
es giebt keine Philoſophie des geſunden Menſchenverſtandes, wenn 
man auch nicht fo ſchlecht wie Hegel von demſelben denkt. ©, 
Gemeinſinnen. Z. Auch tadelte G. diejenigen Philoſophen, welche 
„die Religion in die Philoſophie hineingezogen, mit der ſie doch 
„nichts zu thun habe.“ Als wenn nicht alle Philoſophen dieß 
mehr oder weniger gethan haͤtten und thun muſſten, da Religion 
und Philoſophie kaum trennbar ſind und jene zugleich der wuͤrdigſte 
und erhabenſte Gegenſtand der Philoſophie iſt. S. Religionen. 3. 
Und wenn ©. ebendarum die chriſtliche Religion für „erhaben uͤber 
alle Philoſophie“ erklaͤrt, ſo daß jene von dieſer „keiner Stuͤtze be⸗ 
dürfe”: fo iſt auch das nur halbwahr, da eine poſitive Religiones 
form, bie alle Gemeinfchaft mit ber philofoßhirenden Vernunft aus⸗ 
fchlüge, nothwendig auch mit der Vernunft ſelbſt und überhaupt 
zerfallen, folglich irrational werben müffte und fi bann auf bie 
Dauer nicht halten könnte. ©. Chriſtenthum, Dffenbarung 
und Rationalismus.n. 33. Merkwuͤrdig ift aud) das Geftänbniß, 
welches ©. hier (1, 106.) ablest: „Man hat mid) immer als 
„Anen vom Glüde befonders Beguͤnſtigten gepriefenz auch will ich 
„wich nicht beilagen und ben Gang meines Lebens nidyt ſchelten. 
„Allein im Grunde iſt es nichts als Mühe und Arbeit geweſen; 
„und ich kann wohl fagen, daß ich in meinen 75 Jahren keine 
„4 Wochen eigentliches Behagen gehabt. ES war das ewige 
„Walzen eines Steine, der immer von neuem geho⸗ 
„ben fein wollte” Armer Sifpphus! Und doch haft du fo viel 
Meiber gehabt! 

Gott. — Zuſatz: Das altdeutfhe Stammwort ift nach Ei⸗ 
nigen Od, wovon der Name Odin's, des erften und Älteften der 
norbifchen Götter, die man auch Afen nannte, gleichfalls abflams 
men fol, nach Anderen aber Kut, Kot, oder Gud, God, was eis 
nen Schuͤtzer, Schuggeift oder Genius bedeuten fol. Ebenfo uns 
gewiß waren die Alten, ob fie eos — dens von Jesır, fegen, 
beflimmen, ober Jesıy, laufen, in Bezug auf die für göttlich gehals 
tenen Geſtirne, welche durch ihren Lauf zugleich die Zeiten fegen 
oder beflimmen, ableiten follten; während Neuere damit Zeug — 
Ic, Aros, wofle die Kreter Olocç fagten, verglien haben. — 
Wie verſchieden aber auch die Namen Gottes und deren Ableituns 
gen fein mögen, fo find doch die Anfichten und Meinungen in Bes 
zug auf das göttliche Weſen ſelbſt noch viel verfchiebner von jeher 
geweſen. Haben doch mandye neuere Maturphilofophen kein Bes 
deuten getragen, Gott entweder aus dem abfoluten Nichte oder aus 
einem dunkeln Urgrunde durch fortfchreitende Evolutionen hervorgehn 
pa laſſen; wie die alten Naturdichter ihre Götter gleich den übrigen 





480 Gott 


Dingen aus bern Eders etzeugt werden liefen. S. Nichts und 
Ebaos nit Zuũ Mi en Erklaͤrung eines Den 
mes Trismegiſt, ie deſſen Centrum uüͤberal 
und deſſen Pa it aber auch nichts erklaͤrt, da eh 
bier neoch uͤberdieß 3 bieibt, ed Gott dadurch als Das AU 
feteft eder nur aid ein sügezenwärtiges und allwirffames Weſen ber 
zeichnet werden ſollte. Darum fagte ihen eine alte Infchrift auf der 
faltifgen Bildſaäule dee Iſis: „Ich kin, der da war, iſt und fein 
„mich“ — ber Seiende ſchlechthin — „und kein Eterblicher hat je 
„meinen Schleier aufgehoben.” Und auf ähnliche Weife bezeichnet 
ein heiliger Schriftſteler (Paulus an Timoth. I, 6. 16.) Ger 
als den, „ber da wohnet in einem Lichte, da Niemand zufommen 
„kann, weichen kein Menſch geſehen hat nody fehen ann“ (dv — 
dev orde ardgwnwyorde ıdav Örsaraı — ıdem ober zıderas 
beißt aber nicht bloß fehen, fondern auch wiffen, erkennen). Sa 
wenn man auch pantheiftifh Gott und das AU der Dinge identie 
diren wollte: fo würde man body eingefichen müffen, daß felbft dis 
ſes AU als foldhes kein Gegenftand unfter Erkenntniß ift, da me 
zur einen fehr Heinen Theil deffelben und auch dieſen hoͤchſt umel 
fländig kennen. Kommen aber gar die Mpliter und fagen, fi 
hätten Gott gefühlt, empfunden oder gefchaut: fo darf mam bed" 
wohl fragen, woher fie wuſſten, daß das Gefühle, Empfunder 
oder Geſchaute cben Bott war. Die Phitofophie wird fich daber 
wohl des beſcheidnen Gejtändniffes nicht zu (men brauden, dej 
fie fi mit einem vernünftigen Glauben an Gott begnüge. Jar 
deffen wird ſich diefer Glaube doch auf einen objecriven Goet 





beziehen müffen. Denn ein bloß fubjectiver, der mach der fo. 
neuejten beseithen) Phitofophie durch das Deuten ben Baldım 





482 Gottbegeiftert Gottesberoufftfein 


Wären fie jedoch orthobore Theologen geweſen, fo würden fle wohl 
eingefehen haben, daß fie nur Einen Gott conftituirten. 

Gottbegeiftert hieß fonft jeder Hochbegabte, der mit um 
gewöhnlicher Kraft über göttliche Dinge fprah und dadurch auch 
Andre bigeifterte. S. Begeifterung n. 3. Verband er dann mit jes 
nen hohen Reden auch hohe Thaten, die von Andern bemunder 
wurden: fo hieß er au ein Gottgefandter odergar ein Gott⸗ 
erzeugter, weil man ohne befondern göttlichen Auftrag und obme 
Mitteilung göttlicher Kraft fo Großes nicht für möglich hielt. Vergl 
Gottesmutter und Wunder nebft Zuff. 
Gott der Götter (deus deorum) bedeutet entweder ben 
einzigen und wahren als den hoͤchſten Gott, da in ber Sprache des 
Dolytheismus (f. d. W.) auch andre uͤbermenſchliche und eins 
gebildete Weſen Götter genannt werden, ober Gott als Acnig der 
Könige (rex regum) weil die Könige oft auch ſchmeichleriſch Götter 
genannt werden, aber freilich nur ſchwache Erdengötter find, die zw 
weilen felbit von ihren Unterthanen abgeſett, wo nicht gar bimges 
richtet werden. Unter den angeblichen Schriften des Dermes 
Trismegiſt (f. d. N.) befand fi auch eine vom Gott der Gib 
ter. Vergl. Wilhelm von Auvergne. 

Goͤtterloſigkeit ift etwas Andres als Gortiofigkelt 
S. d. W. Dort dent man nämlid an einen religiofen Cultug 

e noch ein roher Naturdienſt ift und daher feine Götter won Im 

fiimmter Geftatt, folglich auch nod feine Götterbilder hat. Fe 
deffen könnte auch der höhere oder geiftige Cultus des Monotheiſen 
oder des Pantheiften götterlo® genannt werden. S. Mena 
theismus und Pantheismus mebft Zuff. 

Gottesbemwufftfein. — Zufag: Merftcht man wie 
diefem Ausdrude das Bewufftfein Gottes von fich fell 





















Gottesehre Gottesfurcht 483 


Bott exft belebt ober zum Bewuſſtſein gebracht wuͤrde, ſtaͤnde höher 
als Gott und wire für diefen ein Gegenftand der Verehrung, wenn 
man nicht etwa zu verfichen geben wollte, es fei gar nicht von 
zwei Eubjecten des Bewuſſtſeins die Rede, fondern nur von Einem, 
und dieſes fri eben der Gott: Menfch oder, wie es dann richtiger 
— muͤſſte, dee Menſch-Gott. Vergl. Menſchwerdung. 

enn man aber unter jenem Ausdrucke das Bewuſſtſein des Men⸗ 
den von Gort verjteht: ſo füllt es mit dem ucfprüngliden moras 
ſch⸗religioſen Bewuſſtſein (dem Gewiſſen) zufammen und iſt daher 
Ibenfo role dieſes dem Geſetze der allmählidyen Entwickelung und 
Nusbildung unterworfen. Es Bann alfo auch bei verfhiednen Zub: 
ecten in verſchiednen Graden ftatrfinden, hier Elarer und lebendiger 
ort dunkler und ſchwaͤcher fein. Daß es bei manchen Eubiecten 
ſitch ein unmittelbares Einwirken Gottes auf den Menſchengeiſt 
mgeregt und geſteigert werde, laͤſſt ſich wohl denken, aber nicht be: 
* S. —— und Offenbarungen. 33. Auch vergl. 
Kmmon’s Fortbildung des Chriſtenthums zur Weltreligion. U. 2. 
5.1. Sch. 1. Gap. 8.' das Gottesbemufftjein. 

Gottesehre ift ein anthropomorphiit. Ausdrud, der vers 
ranftiger Weife nichts anderes bedeuten kann ale die unendliche 
Bollfommenheit oder Würde Gottes, beſonders wiefern er als ein 
jeflige® Weſen gedacht wird. Wenn daher Manche als oberſtes 

s oder Tugendgeſetz den Satz aufgeſtellt Haben: Thue alles 
ur Ehre Gottes! oder: Befördere in allem die Ehre Gottes! fo 
arm dieſer Sat wieder nichts andres bedeuten ale: Befolge in allem 
fe heiligen Millen Gottes! S. Tugendgeſetz. Man hat aber 

fe Kormel oft ſehr gemisdentet und gemicbraucht, beſonders von 
Seiten ber Sefuiten, welde den Satz: Omnia ad majorem dei 
foriam! fo auslegten, daß die Chre Gottes vorzugsweiſe in der 
Ehre und Macht der kathol. Kirche, und dann auch in der Chre 
ind Macht ihres eignen Ordens befichen folte. Dadurch fuchte 
nan alle argliftige, gewaltthätige und graufame Handlungen (Zeus 
ruch, Koͤnigsmord und Hinrichtung der Ketzer :c.) zu rechtfertigen, 
ndem fie alle zur groͤßern Ehre Gottes gereihen follten, während 
oh ber ſchwache Menſch die Ehre Gottes im eigentlichen Sinne 
ar befoͤrdern kann. 
otteserkenntniß. — Zuſatz: Was in den Zuſaͤtzen zu 
en Artikeln Gott und Gottesbewuſſtſein geſagt worden, iſt 
uch hieher zu beziehen. 

Gottesfurcht. — Zuſaz: Nimmt man dieſes Wort im 
bern Sinne als hoͤchſte Achtung gegen Gott, die, obwohl der Menſch 
ach Jehnlichkeit mit Gott fireben fell, doch dem Menſchen nicht 
Jaubt, ſich Gott gleichzuftsien (f. Gottaͤhnlichkeit nebft Zuf.): 
' Bann man ganz richtig fagen, daß Gortesfurdt bus Weisheit 





4% Gotteßgebärerin Gottesgericht 


Anfang fei (Pſalm 111, 10.) oder, wie es Horaz (od. Ill, 6 
be —æ Sprechart ausdruͤckt: m. 6) 


Dis to minorem quod gen·, imperas; 
ins omne priaciplum, us refer eultam! 


In biefem Sinne ann man auch fagen, daß man Gott 
Menfcen fürchten folle, damit uns dieſe Furcht nicht 
mas Boͤſes zu thun, wodurch mis die Achtung gegen 
deffen_Gefeg verlegen würden. Vergl. Menfhenfur 
Gottesgebärerin (A Feozoxog, deipara) 
unſchicklicherer Ausdrud als Gottesmutter. ©. d. 
jener Ausdrud Involvirt eine grobſinnliche und fogar 
flellung, wie fie auch in den unter Gottes bild erwäl 
Marienbitdern ſich vorfindet. Und, wenn Einre- von. 
mefentlih Eins fein follen, als Gott geboren worben: 
die andern Beiden mitgeboren fein, dergeftalt bag mit Dem 
zugleich der Vater und ber Geift uno eodemgus actu geboren ik 
sen. So führt eine Ungereimtheit zur andern, 

Gottesgeißel (platt. Godegiefel, Nagellum dei) # 
ein bildlicher Ausdrud Zur Bezeichnung ſolcher Menfchen, Die 
Eroberer oder Tyrannen ihren Zeitgenoffen viel Böfes zufügen, 
dem man fie als Werkzeuge betrachtete, deren Gott im feinem Bam 
über die Sünden der. Menfchen zur Beſtrafung derfeibem ih Dr 
diente. Diefe ganze Vorftellungsart beruht aber ebenfo, mie im 
welche große Unfälle für göttliche Strafgerichte erklärt, auf um 
geoben Anthropomorphismus und Anthropepathiämakt 
S. beides nebft Buff. f 

Gotteögei 


I 






Bee 
Bf 
1 


H 
17 






H 











486 Gottesmuttet Gottesverehrung 


feinem Weſen, feinen Eigenſchaften und Werken. Cotreſpondenʒ zwifden 
den’ Freunden als 1. Foigeſtuͤck zur neuen Unſterbiichkeitsichte her 
ausg. von Dr. Frdr. Richter. Brest. 1834. 8. Bezlehe Mh 
auf Deff. Lehre von den legten Dingen. S. Unfterblidykeit mA. 
Gotteömutter. — Zufag: Im polytheiſtiſchen Alterthume 
gab es fehr viele Gottesmütter, weil es chen viele menſchen⸗ 
ähnliche Götter und Göttinnen, alfo auch Gottesfähne ww 
Gottestöcter, oder überhaupt Gottestinder gab. Derzlei 
hen waren 3. B. Herkules, Kaftor; Pollur, Romulusé, 
Remus u. A. Cie brauchten auch gar nicht durch hohe fit: 
liche Eigenſchaften ausgezeichnet zu ſein; phofifhe Kraft und dee 
tiſche Macht guten Thon als hinlaͤngliche Anfprüche auf den Kir 
8 Gottesfohns. Hieraus erklärt fi, twärum felbft im men: 
T. (. B. 2. Sum. 7, 14... 2, 7. md 82, 
iche Perfonen und theofratiihe Könige Söhne Getns 
genannt werden, ja fogar das ganze hebraäiſche Volt, gleichfam al 
ein filias dei collectivus (Hof. 1, 11., ine 
freilich fpäterhin. ausſchließlich, aber wülküͤrllch 
deutete, weil dieſer fm eminenten Sinne als Gottesſohn - (dies 
Heov xur” txoxr) bezeichnet wurde. In welchem Sinne die 
nun er ſelbſt ein Gottesſohn und feine Mutter eine Gotteömmuekr 
war, darüber iſt fo viel und fo unanftändig geſtritten worden, dej 
ſogar zwei angefehene Biſchoͤfe der chriſtlichen Kirche, Cyrilies 
von Alerandrien und Neflorius von Conftantinopel fidy gegenfis 
tig verfluchten, weil fie verſchledner Minung in diefer Hinfiht 
waren. Dir Philoſophie hat es übrigens auch nicht an Frembee 





und Pflegern gefehlt, die göttliher Abkunft fein follten. - Ein feld 
wir z. B. Pluto €. N. Auch vergl, Gortesgebärerfs 
und Gottimenfkh nebft Auf . Sr 


Gottespergeifenheit Goͤtze 487 


dar Gottesverehrung mit allen ihren Ungereimtheiten näher kennen 
Seinen, fo vergl. man die Schrift: Origino de tous les caltes ou 
religion universelle. Par Dupuis. Paris, 1334 ff. 10 Bde. 
8 Mun wird dann audh um fo mehr von der Wahrheit des Auss 
fpruches eines alten, obmohl heidnifhen, Philofophen überzeugt: 
Colitur [deus] non taurerum opimis eorporibus contrucidatig, 
zıec auro argentoque suspenso, nec in thesnuros stipe infusa, 
sed pia et rectua voluntate. Sen. ep. 115. 
Gottesvergefienheit oder abgekürzt Gottvergeſſen⸗ 
Hest :bedeuter nicht bloß theoretifch ein Nichtdenten an Gott, ſon⸗ 
Bern auch praktiſch ein: Nichtbeobachten feiner Gefege, alfo ebenſoviel 
als Gottloſigkeit. S. d. W. 
Gottgleichheit ſ. Gottaͤhnlichkeit nebſt Zuſ. 
Gottmenſch. — Zuſatz: Da man es für unmoͤglich ges 
halten, daß Wort zugleich ein wirklicher Menſch oder ein ſolcher zu⸗ 
gleich Gott fei oder ‚werde: fo. haben einige neuere Philofophen und 
‚ Zheologen (befonders aus der hegelſchen Schule) den Widerſpruch, 
der in dieſet Combination der Gottheit mit der Menſchheit gefuns 
den wurde, durch Unterfcheidung eines objectiven und eines ſub⸗ 
jectiden Gottmenihen,. fo wie dadurdy zu heben gejucht, daß jie 
Die Idre der Gottmenſchheit oder Theanthropie nicht auf einen Eins 
geimenfhen, fondern auf die gange Menfhengattung über: 
seugen, in welcher Gott felbit chem erſt zum Bewuſſtſein feiner 
Baͤttlichkeit gelange, mithin der Unendliche und der Endliche zugleich 
ſei. Das find aber nur dinleftifhe Wendungen, durch welche man 
wenigſtens den Schein klichlicher Orthodoxie retten will, während 
die wirkliche Kicchenichre bei jenem Ausdrude gerade an cin beitimms 
tes Individuum denkt, welches leidend und jterbend Die Guttung 
vertreten und fo (per salisfactionem vigariam) erloͤſt habe. Auch 
:zergl. die Formel: Nulla natura etc, . 
Goͤtze und Goͤtzendienſt. — Zuſatz: Wenn von Bögen: 
dienſte der Wiſſenſchaft oder der Kunſt die Rede iſt, fo 
verſteht man unter dieſem idealen Gögendienjte (wie man ihn 
auch nennen konnte als Gegenſatz von dem eigentlichen ale cinem 
realen) ein ſolches Hingeben an Wiſſenſchaft oder Kunſt, daB man 
nur in ihr oder fur fie lebt, fie alfo gleichſam ale etwas Goͤttliches 
verehrt. Das iſt fie freilich auch in gewiſſer Hinſicht. Wenn aber 
Der Verehrer einer MWiffenfchaft oder Kunſt Alles Andre verachtit und 
Helbit die hoöheren, im Gebiete der Sittlichkeit liegenden, Zwecke des 
menſchlichen Lebens darüber vernadhläfligt: fo kann man wohl fügen, 
daß er Abpgoͤtterei damit treibe oder ein Gogendiener in feientififcher 
oder artiftifher Hinſicht ſai. Die Gefchlechtöliche fälle aber aud) zus 
weilen in foldye Abyörterei oder Goͤtzendienerei. Der geliebte Gegen: 
‘ Bund. wird angebetet, weil man in ihm einen Gott oder eine Göttin 


488 Grab Grammatie 


erblickt. Dann ift idealer und vealer Bögenbienft gleichſam mit ein 
ander verſchmolzen. Diefe Verirrung ber Liebe dauert aber 
lich nicht lange, weil der geliebte Gegenftand "gar bald in feiner 
ganzen Menſchiichkeit erfannt wird. 
Grab, das, als Drt der endlichen Ruhe für alle Menſchen, 
wuaͤten fie auch noch fo unruhig im ihrem Leben geweſen, geht ums 
bier nichts an; wohl aber das Grab der Philofophen und 
ihrer Syſteme, welches unlängft ein franzöfifher Philofoph 
feinen frühern Gollegen mittels folgender Schrift gegraben hat: Le 
tombeau de tnutes les philosophies tant anciennes que 
nes, ou exposıion raisonnde d’un nouveau systeme de l’anivers 
etc. Par R. B. Ich weiß zwar nicht, wer biefer philofoppie 
fhe Todtengräber iſtz aud hab’ ich jene Schrift noch wiht 
einmal gefehen, gefchtoeige gelefen. Cs läfft fi aber a prieri m 
warten, daß das darin aufgeftellte neue Spftem audy weiter wiches 
iſt, als der ſchon fo oft von den Erfindern neuer Soſteme gemmade 
Verſuch, alle früheren mit einem Schlage zn vernihten. S. Aa: 
nihilation und philofophifhe Soſteme nebft Zuff. Ze 
weiß alfo, ob nicht bald twieder ein Andrer kommen wird, ber d 
mit Hrn. R. B. ebenfo macht, nach dem Sprüchworte, daß, mm 
Undern eine Grube gräbt, endlich felbft hineinfält. Mittiermeis 
hat ber Heilige Water in Rom ſich der mit dem Tode bedrohen 
Syoſteme angenommen. Denn er bat das Grab, weiches um " 
Hr. R. B. graben wollte, mit einem Blitſtrahle zugerworfen & & 

er hat jene Schrift in den Index librorum prohibitorum gefegk 14 
muß alfo doc eine hoͤchſt gefährliche Schrift fein, wie bie 

mitverbotnen Schriften bes Abb? de famennais, ©. 

1837. Außerord. Beil. Nr. 120. 








Gravitation Grillenfaͤnger 401 


fig fein ſollen, fo muͤſſen fie'fih Auf -ein- wirkliches, vergangenes 
ober noch gegenwaͤttiges, nicht bloß mögliches und kuͤnſtiges Uebel 
oder Unrecht beziehn. Bloße grävamına de futuro werden "daher 
mit Recht zuruͤckgewieſen, wenn nicht etwa unzweideutige Voran⸗ 
ſtalten dazu bereits getroffen find. Denn alsdann find ed grava- 
mina jamjam imminentia, welche ſchon als praesentia gelten koͤn⸗ 
nen. — Die vom franzdf. graver, graben, abgeleitete Bedeutung 
bes MW. graviren in Bezug auf die bildende Kunft gehört 
nicht hieher. — 
- Gravitation. — Zuſchz: Vergl. Littrow's Geſchichte 
"Ber Entdeckung der: allgemeinen Gravitation durch Newton, gemein⸗ 
faſſlich dargeſtellt. Wien, 1835. 8. — Es gilt Übrigens das Gra⸗ 
BitarlonssGefes, nach welchem ſich die Weltkoͤrper im geraden 
Werbättmiffe - der Maſſen und im umgekehrten der Entfernungs⸗ 
-Auadrate anziehen, And das darauf beruhende Grabitations⸗ 
"GSpitent, das zwar ſchon vor Newton geahnet, aber erſt von 
dieſem großen Forſcher: wiſſenſchaftlich etkannt und mit mathemati⸗ 
ſcher Evidenz dargeſtellt wurde, nicht bloß fuͤr unſer Sonnenſoſtem, 
ſondern für "das gafje Sternenſyſtem, indem hier nicht bloß tie 
bort Planeten und Kometen um die Sonne, ſondern auch Elcinere 
Sonnen um größere als Gentralfonden, oder auch mehre um einen 
Sgemehtfanen Schwerpunct, ja vieleicht Syſteme um Syſteme grüs 
een. — In der Menſchen⸗ und Stagkemvelt giebt es auch eine 
Nee von Gräbltation, die fi aben "freilich 'nitht mathematiſch nad) 
MAaſſen und Entfechungen berechnen laͤſſt, ſondern nad Höhn 
Momenten pſychiſch und ethiſch zu erwaͤgen iſt. Vergl. Antipa⸗ 
RNhie und Sympathie. | ' 3. 
. . Griechiſche Philoſophie. —Inſatz zur Literatur dieſes 
»FXrtikels: Krug's Geſchichte der Philoſophie alter Zelt, vornehm⸗ 
»tich unter Griechen und Roͤmern. Leipz. 1815, 8. A. 2. 18%. 
Brandis's Handbudy der Geſch. der griechiſch-roͤm. Philoſ. 
MH. 1. Berl. 1835. 8. — De hellemcan philosoplriae prönei- 
'pfis alque decursn. Ser. C. Ph. Fischer Tuͤb. 1836. % 
Fehr von Thales bls Plato). — Meg’ 1ys Yuamdözung 
Yilooog us retoa Tols Eldroı 790 Ts unrıXng.cipenewg dig- 
"Fon. Par. 1835. 8. (Geht bis auf Homer und Hefl’od' zus 
räd. Def. iſt E. Gros, Prof. an Colleze I.ouls le Grand gu 
Paris). Vergl. auch artfhe PhiLuf nee Bu N 
Grillenfaͤnger bat man ſchon Ih Aiterthume die Phito⸗ 
ſophen genannt. S. Merimnophrontiſt'n. Z. Ele mögen es auch 
m Theile geweſen ſein. Aber darum die Dhitsfephle felbft als eine 
Diefe Srittenfängerei zu betrachten, iſt uch cine Grille und 
"Berdiene daher lite ’ernftliche Widerlegung. Vergl. indeß Philos 
pr n. 3. Die Oillichfängerdiim Leben‘ te freilich hadufig genug 


492 Grob Grohmann 


vorkommt und ſich auch wohl vom Leben aus in die Kreiſe der 
Wiſſenſchaft ſowohi als ber Kunſt einſchleicht, iſt eine Tochter der 
böfen Laune, die uns allen Lebensgenuß verbittert. S. Laune. 
Daher laͤſſt Goͤthe (im Fauſt, Th. 2. Act 1.) die Furie Mer 
gära fagen: 

«3% nehm’ eB auf, und weiß in allen Bilen 

„Das fGönfe Giüd durch Grillen gu vergälen«“ 










Weil ader diefe Furie nicht bloß unfer eignes, fondern auch das fremde 
Lebensgluͤck zerftört: fo iſt es doppelte Pflicht, fie mit aller Kraft 
des Gemuͤths zu verſcheuchen. Daß es möglich ſei, wenn mas 
nur ernftli will, hat Kant erwiefen in der Schrift: Dom ber 
Macht des Gemüthe, buch den bloßen Vorſatz feiner Erankhaflen 
Gefühle Meifter zu fein. Herausg. mit Anmerik. von Hufeiaad 
A. 3. Leipg. 1836. 8. Denn Grillen gehören auch zu den krank⸗ 
baften Gefühlen, von welden hier die Rede ift; und mean 
fie überhand nehmen, fo können fie fogar wirkliche Krankheiten 
des Gemüths erzeugen. Man beherzige alfo, was bier ber Phi 
loſoph und der Arzt gemeinſchaftlich über fo gefährliche Gemuͤthe 
flimmungen fagen! 

Grob (von der Wurzel rop oder rup — roh, tauh, von 
welcher auch im Lateinifhen rupes, der Fels, und rupex, du 
Bauer als roher Landmann gedacht, abflammt) bedeutet urfpräng 
lich foviel als toh, rauh, hart, dann aber auch unzart, umgefitteh, 
unhoͤflich. Es wird alfo, wie fein Gegentheil — f. fein — id 
in Eörperlicher bald in geiftiger Beziehung genommen. il 
man es nun in der Höflichkeit allerdings zu weit treiben kam: fü 
iſt doch bie Unhöflichkeit, befonders ein höherer Grad derſelben, wei 





Grundeigenthum Grundzins 495 


teilen: fo ift es body nicht immer. möglich, dieſe Aufgabe gu 
en. Wir müffen uns daher oft mit unzureichenden Gründen bea 
ügen; was aud). nichts ſchadet, fobald wir uns nur: defien bes 
ıffe bleiben und daher Die unzureichenden Gruͤnde nicht fuͤr zu⸗ 
chende ausgeben, weil dieß eine Anmaßung wäre und leicht zu 
‚Fern Irethümern führen Eönnte. 

Grundeigenthbum. — Zufag: Da über bie Vertheilung 
ſelben neuerlich viel geſtritten worden, fo vergl. min noch fol⸗ 
ide Schrift: Ueber den Einfluß der Vertheilung des Grund⸗ 
enthums auf das Boll: und Staatsleben. Bon Dr. Karl 
olfg. Chſto. Ehüg. Stuttg. und Zub. 1836. 8 — Vom 
undeigenth. ift aber wohl zu unterfhelden has Grundeins 
mmen oder der Ertrag von Grund und Boden, ed mag: dies 
noch im urfprünglichen Zuftande befindlich, oder dur menſche 
)e Arbeit verbeffert fein. Durch letztere kann jedoch jenes Eins 
nmen ſehr erhöht werden. Man unterfcheidet daher mit Recht 
biefee Beziehung ſowohl das obiective und fubjective als das 
ye und reine Grundeinkommen. Auch muß auf diefe Unterfchiede 
Befteuerung des Grundeigentbums genaue Rüdjiht genommen 
den. ©. Befteuerungsreht und Steuern nebit Zuff. u. 
ı dort angeführten Schriften. 

Grundlehre. — Zuſatz: Manche haben neuerlich behaup⸗ 

„ es beduͤrfe gar keiner philoſophiſchen OGrundlehre oder 
Indamentaipbifofophie (archologia) weit ſchon die Logik 

w bie Metaphyſik eine folche fi. Dunn würde man aber jene 
r biefe fo erweitern müflen, daß fie dadurch ihren tefentlichen 
arakter als Denkichre oder Erkenntniffiehre verkören. 
diefe beiden Yusdrüde. Die Grundiehte fol aber allen philos 
hiſchen Wiffenichaften ihre Principien darbieten, moͤgen fie theo⸗ 
fh oder praßtifhh, rein oder angewandt fein. Sin gefchichtlicher 
aſicht ift noch folgende Schrift zu bemerken: Jacobi und bie 
iloſophie feiner Z:it. Ein Verfuh, das milfenfchaftliche Funda⸗ 
me der Philoſ. hiſtoriſch zu erörtern. Won 3. Kuhn. Mainz, 
3. 8. Vergl. Jacobi nebit Zuf. | 

Grund: Poftulat der Philoſophie f. Principien 
er PDbilof. 

Srund und Boden bezeichnet den Gegenſtand alles fog. 
undeigenthums (f. d. WB. n. 3.) wiewohl ed auch Grund und 
den geben kann, der noch nicht eigenthümlich, fondern herren⸗ 
ift, und daher erſt in De i$ genommen werden muß, wenn er 
undeigenthum werden fol. ©. Befignahme n. 3. 

Grundzind — Zuſatz: Die Vehauptung einiger Staats⸗ 

somiften, befonders der fogenannten Phyfioftaten, daß Grunds 
ess oder Grundſteuern die einzige Art von Abgaben fein follten, 


48 Gruppe Sütergemeinihaf 


die der Staat zu erheben habe, weil Grund und Boden allein pres 
ductiv und alfo auch allein das wahre Vermögen eines Volkes oder 
Staates fei, iſt unrichtig. S. Dekonomit und Phyfiokratie 

Gruppe. (©. 5). — Bufag: Bon feiner Satyre auf die 
hegel ſche Philofophie (unter dem Titel: Die Winde 2c.) erfchien 
1832 eine 2. Aufl. — Außerdem gab er noch heraus: Wende 
punct der Phitofophie im 19. Jahrhunderte. Berl. 1834. 8. — 
Ariadne. Die tragiſche Kunft der Griechen in ihrer Entwidelung 
und in ihrem Zufammenpange mit der Volkspoeſie. Ebend. 1834. 8 

Gut. — Zufag: Einige leiten diefes Wort her von bem 
altd. od, wovon au Odin und Gott abftammen follen; Aut 
von der Wurzel ka — gehen, fo daß gut oder nach alter Au 
ſerache guot oder kuot foviel bedeuten ſoll als, was geht ode 
Fortgang hat. — Daß übrigens zum Gutwerden ſowohl als zum 
Wösterden des Menfchen Beifpiel und Umgang mit Andern (de 
ten oder Boͤſen) ungemein viel wirke, ſpricht ſchon ein altdeniſcha 
Reim fehr naiv in den Worten aus: 


„Man wirt bi guoten Lluten guot, 
Bi bene boefe, der uebel tuot. 


Vergl. Beiſpiel nebft Zuf. 

Gutseigen f. Leibeigenſchaft. 

Guͤtepflegen wird beſonders von Rechtshaͤndeln gefagt, Me " 
nicht nach firengen Rechtsgeſeten entfchieden, fondern in der Ohm 
oder durch einen gütlihen Vergleich (ex-aeguo et bone) gefhlihe 
tet werden. Daher fpricht man auch in biefer Wezichung num 
Suͤteverſuche, ſowie vom Gütetermine zum Unterfchiebernem 
Rehtöstermine, ber anderaumt wird, wenn im jenem Kemis 





Guͤltigkeit Gynaͤkokratie 497 


ld wieder die größte Ungleichheit eintreten, weil nad) Verſchieden⸗ 
% der Kräfte, Einfichten und Neigungen das Zugetheilte hier ſich 
mehren, bort ſich vermindern würde, und auch das wieder in 
mnigfaltigen Abftufungen. Die Gütergemeinfhaft und bie 
ermögensgleichheit find baher Ideen, die ſich nie verwirk⸗ 
yon laſſen; fie haben keine praktiſche Realität, wie fehr fie auch 
Einbildungskraft ſchmeicheln. 

Guͤtigkeit ſ. Guͤte. 

Gymnaſien. — Zuſatz: Ueber die Frage, ob und wie auf 
3 heutigen Gymnafien Phllofophie zu lehren ſei — was body 
HE nur einleitenb ober propädeutifch gefchehen dürfte — f. Geo. 
sel Liebel's disput. de philosophiae in gymnasiis studio, 
reed. 1837. 8. — Auch vergl. Aphorismen aus dem Gebiete 
3 Gymnaſiallebens. Ein Beitrag zur Verſtaͤndigung über das 
echaͤltniß der Gymnaſien zu Leben und Wiſſenſchaft. Bon Gufl. 
»nard Köhler. Leipz. 1837. 8. — Ueber die Umgeflaltung 
: Gpmnafien ift neuerlich viel geftritten worden, befonbers in Bes 
x auf die Frage, ob die Grundlage der Gymnaſialbildung noch 
wer der Unterricht in den alten Sprachen fein fol. S. Füß⸗ 
in's Sendichreiben an Juüngſt: Ueber die Umgefl. der Gym⸗ 
fien. Leipz. 1837. 8. 

Symnaftil. — Zuſatz: Mit Recht unterfcheibet man ſo⸗ 
seifhe und pſychiſche Gymmaſtik, oder Gymn. bed Körs 
es und bes Geiftes. Beide beruhen auf einer zwedhmäßigen 
zang ber Kräfte, mit welchen bie Natur den Menfchen ausges 
ttet bat, alfo der Lörperlichen und ber geiftigen zugleich; denn 
eyer und Geift find eben der ganze Menſch. Es follten alfo 
Sich beibe Arten der Gymnaſtik ſtets mit einander verbunden fein, 
wie nicht der menfchliche Körper auf Koften bes geifligen oder ber 
wfchliche Geift auf Koften des Eörperlichen Elemented gebt und 
Über werde. Indeſſen geben freitlih die Lebensverhiltniffe des 
enſchen bald biefer bald jener Art das Uebergewicht. Vergl. bie 
beift von Dr. C. 5. Koch: Die Gymnaſtik aus dem Gefichtes 
acte der Diätetit und Pſychologie. Magdeb. 1836. 8. 

Gynakokratie (yuvraxoxparsa oder Ta, von yvym, 
oc, das Weib, und xoarem, herrfchen oder regieren) bedeutet 
eiberregiment oder Frauenherrſchaft. ©. d W. Sie 
oft eine Folge der Gynaͤkomanie (yuramxouarın, von bemf. 
> garıa, der Wahnſinn) oder der rafenden Liebe zu den Weis 
u auf Seiten der Männer. Sie kann daher auch nicht aufge: 
en werden durch die Gynaͤkon omie (yurasxovou, von demf. 
>» vauoc, das Geſetz) oder die Gefeggebung und Auffiht über 
Weiber. Statt yurvamoxparın fügten die Attiler au yuraı- 
gaoıa. Im Deutfhen fügt man aber niht Gynaͤkokra⸗ 
drugs cncollopäbifchephilof. Wörterb. Bd. V. Suppi. 32 


498 Gruppe Sütergemeinfhaft 


die dee Staat zu erheben habe, weil Grund und Boden allein pres 
ductio und alfo auch allein das wahre Vermögen eines Volkes ober 
Staates fei, iſt unrichtig. S. Dekonomit und Phyfiokratie 


Gruppe (D. 5). — Zufag: Von feiner Satpre auf die 
hegel ſche Phltofophie (unter dem Xitel: Die Winde 2.) erſchea 
1832 eine 2. Aufl. — Außerdem gab er noch heraus: Wende 
punct der Phitofophie im 19. Jahrhunderte. Berl. 1834. 8. — 
Artadne. Die tragiſche Kunft der Griechen In ihrer Entwidelung 
und in ihrem Zufammenpange mit ber Volkspoeſie. Ebend. 1834. 8 

Gut. — Bufag: Einige leiten dieſes Wort ber von bem 
altd. od, wovon auch Odin und Gott abflammen follen; Aue 
von der Wurzel ka — gehn, fo daß gut oder nach alter An 
freahe guot oder kuot ſovlel bedeuten foll als, was geht oder 
Zortgang hat. — Daß übrigens zum Gutwerden fomohl als zum 
Boͤswerden des Menſchen Beiſpiel und Umgang mit Andern (Ge 
ten ober Boͤſen) ungemein viel wirke, ſpricht fon ein altdeuiſcha 
Reim fehe naiv in den Worten aus: 

„Man wirt bi guoten Liuten guot, 
Bi deme boefe, der uebel funk 


Vergl. Beiſpiel nebft Zuf. 

Gutseigen f. Leibeigenſchaft. 

Guͤtepflegen wird beſonders von Rechtshaͤndeln gefagt, De 
nicht nach firengen Rechtsgeſeten entſchieden, ſondern in ber ie 
oder durch einen guͤtlichen Vergleich (ex aequo et bone) gefhlide 
tet werden. Daher ſpricht man auch in dieſer Beziehung vom 
GSüteverfude, ſowie vom Gütetermine zum Unterfcisde vom 
WBehtstermine, ber anberaumt wird, menn is jenem. — 





Gültigkeit Gynaͤlokratie 407 


ld wieber die größte Ungleichheit eintreten, weil nach Verſchieden⸗ 
% ber Kräfte, Einfichten und Neigungen das Zugetheilte hier fich 
mehren, bort ſich vermindern würde, und auch das wieder in 
mnlofaltigen Abftufungen. Die Sütergemeinfhaft unb bie 
ermögensgleihheit find baher Ideen, die ſich nie verwirks 
ven lafien; fie haben keine praßtifche Realität, role fehr fie auch 
: Einbildungskraft fchmeicheln. 

Guͤtigkeit f. Güte. 

Gymnaſien. — Zufag: Ueber die Frage, ob und wie auf 
s heutigen Gymnaſien Phllofophie zu lehren ſei — was body 
HE nur einleitend oder propädeutifch gefchehen bürfte — f. Geo. 
sel Liebel’s disput. de philosophiae in gymnasiis studio, 
med. 1837. 8 — Auch vergl. Aphorismen aus dem Gebiete 
3 Gymnaſiallebens. Ein Beitrag zur Verftändigung über das 
erhaͤltniß der Gymnaſien zu Leben und Wiſſenſchaft. Don Guſt. 
Yard Köhler. Leipz. 1837. 8 — Ueber die Umgeſtaltung 
Gymnaſien iſt neuerlich viel geftritten worden, beſonders in Bes 
z auf bie Frage, ob die Grundlage der Gymmaſialbildung noch 
wer ber Unterricht in ben alten Sprachen fein fol. &. Küßs 
In’s Sendſchreiben an Jüngſt: Ueber bie Umgeſt. ber Gym⸗ 
fien. Leipz. 1837. 8. 

Gymnaſtik. — Zuſatz: Mit Recht unterfcheidet man ſo⸗ 
ssifhe und pſychiſche Gymmaſtik, oder Gymn. bed Koͤr⸗ 
es und bed Geiſtes. Beide beruben auf einer zwedimäßigen 
zung ber Kräfte, mit welchen die Natur den Menfchen ausge 
ttet bat, alfo ber Lörperlichen und ber geiftigen zugleich; denn 
gper und Geift find eben ber ganze Menſch. Es follten alfo 
Hich beide Arten der Gymnaſtik flets mit einander verbunden fein, 
wie nicht der menfchliche Körper auf Koften des geiftigen oder ber 
aſchliche Geift auf Koften des Eörperlichen Elemente geübt und 
über werde. Indeſſen geben freilich bie Lebensverhaͤltniſſe des 
enfchen bald dieſer bald jener Art das Uebergewicht. Wergl. bie 
helft von Dr. E. F. Koch: Die Gymnaftit aus dem Geſichts⸗ 
were der Diätetit und Pfychologie. Magdeb. 1836. 8. 

Gynaäkokratie (Yvramoxparsıa oder Tıa, von yurn, 
ec, das Weib, und xpareıv, herrfchen oder regieren) bedeutet 
eiberregiment oder Srauenherrfhaft ©. d. W. Cie 
oft eine Folge ber Gynaͤkomanie (yrramxouarın, von bemf. 
B uarıa, der Wahnſinn) oder der raſenden Liebe zu den Wels 
a auf Seiten der Männer. Sie kann daher auch nicht aufge 
ken werden duch die Gundäfonomie (yurmmzovorıu, von dem. 
B venoc, das Geſetz) oder die Gefeggebung und Auffiht über 
Weiber. Statt yuramoxparıa fagten bie Attiler auch yuvar- 
sgaoa. Im Deutichen fage man aber nie Gynaͤkokra⸗ 
Rrug’s encyklopaͤdiſch⸗ philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppl. 


498 Habilität Hagiolatrie 


fie. — Gynaͤkologie iſt ein neugebildetes Wort, um bie Lehre 
(Rozog) von ben Frauen zu bezeichnen. Cie kann theils anate: 
mifdy = phpfiologifh und mediciniſch, thells pfychologiſch und mon: 
liſch fein. ©. Lehrb. der Gpnäkol. v. Dr. C. ©. Carus. 4. 3. 
Reipz. 1837. 2 Thle. 8. 


9. 


Hasitität (habilitas, von habilis, fähig dr6 Habens [habere) 
oder Befigens, daher auch gefchict) bedeutet die Fähigkeit oder Ge 
ſchicklichkeit zu irgend einer Thätigkeit oder Aeußerungsweiſe unfer 
Kräfte in Bezug auf Perfonen oder Sachen, auch Aemter. Si 
kann daher ſowohl pfyhifch (habilitas animi) als fomariih 
(hab. corporis) oder beides zugleich fein. Als Fertigkeit betrachin 
beißt fie au Habitus. ©. d. W. 

Habfucht. — Zuſatz: Vom Geize unterſcheidet fie ib 
dadurch, daß der Geizige eigentlich nur moͤglichſt viel befigen mil 
und ſich daher auch des Befiges ohne weitern Gebrauch und Gr 
nuß freut, während der Habfüchtige' aud) hierauf fehen umd daber 
felbft zum Uebermaße im Aufmwande oder zur Verſchwendung gr 
neigt fein Bann; befonderd wenn fi mit der Bat ucht, wir bei 
ofe der Fall iſt, die Herrſchſucht verbinde. S. d. W. Die rim 
Sucht A umd vermeht dann die anbre. 











\ Hagiopolitik Haller 499 


Gott, heilig u. Heilige. Das Wort iſt übrigens von ganz 
neuer Bildung. 

agiopolitik f. Sacropolitik. 

alb oder Hälfte. — Zuſatz: Wenn auch die Alten ſpruͤch⸗ 
wörtlih fügten, das Halbe fei beffer ald das Ganze (To 7uu0ov 
xgsıstov Tov 0R0v oder Tov nuvzos): fo ift doch dieſes Spruͤch⸗ 
wort, welches der finnlihen Begehrlichkeit, die nimmer genug hat, 
eine vernunftmäßige Schranke fegen fol, niht auf Dinge auszu⸗ 
dehnen, wo bie Vernunft felbft ein ftetiges Kortfchreiten oder Rin⸗ 
gen nach dem Höhen und Vollkommnern fodert, alſo nicht auf 
Die intellectuale und moralifhe Bildung des Menfhen. Sonſt 
würde man auch eine halbe Gelehrſamkeit oder Tugend 
einer ganzen vorziehen müffen. Cbeniowenig taugen halbe Maß: 
regeln in der Politif etwas, wenn der gegebne Zweck nur durd) 
ganze erreichbar if. Die Halbheit in den Maßregeln würde da 
nur zur Folge haben, daß man gar nichts erlangte, alfo ganz ver: 
geblihen Aufwand an Kräften und Koften gemacht hätte. 

Haller (Albrecht — fpäter von Haller, indem ihn ber 
Kaifer Franz I. im 3. 1749 in den Reichsadelſtand erhob) geb. 
1708 zu Bern und geft. 1777 ebenbafelbft als Mitglied des großen 
Barhe, nachdem er 17 Jahre lang (von 1736 bis 1753) Prof. 
ber Anntomie und Botanik in Göttingen gewelen war. Zwar hat 
eg fi) mehr in diefen naturwiſſenſchaftlichen Gebieten, fo wie in 
ber damit verwandten Phnfiologie des lebendigen Organismus, als 
in ber Philofophie ausgezeichnet. Dennoch verdient er auch hier 
einer ehrenvollen Erwähnung, theild wegen feiner Theorie von der 
BRelzbarkeit oder Sseritabilität, die wohl als Grundlage oder Keim 
der neuem dpnamifchen Nuturphilofophie zu betrachten iſt, theils 
wegen feiner philofephifhen Pehrgedichte, wohin vornehmlich feine 
Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Unglauben, und feine 
deri politiihen Romane über die despotiſche, monarchiſche und 
zepublilanifche Regierungsform, gehören. Er befam daher von fei: 
men ZBeitgenoffen fogar den Beinamen des Großen. Vergl. Ir: 
eirabilität, wo fein Hauptwerk über dieſen viel beſtrittnen Ge: 
senfland angeführt iſt. 

Haller (Karl Ludw. von). — Zuſatz: Bon feiner He: 
Rauration der Staatswiſſenſchaft in + Bänden erſchien fpäterhin 
nicht nur eine neue Auflage, fondern auch nod in umgekehrter 
Dednung 1825 cin 6. und 1834 ein 5. Band. — In ber 
Schrift: Satan und die Revolution. Ein Gegenfiüd zu bin Pa- 
roles d'un croyant (X. 2. Augsburg, 1834. 8.) trat er ale Geg⸗ 
wer des früher von ihm fehr gepriefenen Abbe de la Mennais 
auf. Vergl. Mennais. — Neuerlich hat er auch eine Hist. de 
la reforme protestante en Suisse (Par. 1837, 5 ) gefchrieben, 


500 Hallucination ‚Hamilton 


welche, wie dad Journal des debats in der Anzeige derfelben fagte, 
den Proteflanten die Quelle ihrer Verirrung nachweiſen und fie zur 
wahren (d. h. roͤmiſch-kathol.) Kirche zurüdführen fol. Es wir 
aber bie neue franzoͤſiſche Schrift diefen Zweck ebenſowenig erreichen, 
als eine frühere deuefche, die H. im ähnlicher Abſicht bei feinem 
Ueberteitte zum Katholicismus ſchrieb. S. d. W. nebft Zuf. 

Hallucination. — Zufag: Statt hallucinatio oder alle- 
cinatio ſchteiben auch Manche halucinatio oder alucinatie, indem 
fie es vom griech. aAveır, attiſch üAver, umheritren, ableiten. 
Der mit biefem Worte zu verbindende Begriff ift auch ſchwankend, 
indem Cinige darunter jeden Irrthum verftchn, der aus Unadıt: 
famteit, Gebanfentofigfeit oder Fafelei entftanden, Andre bloß Ber 
wechfelungen unſcer Vorftellungen als innerer Gebilde mit wit: 
hm Gegenftänden als Aufern Erſcheinungen. S. den Zuf. m 
Sotrat. Dämon. 

alseigen f. Leibeigenfchaft nebft Zuf. 
alöftarrigkeit f. Starrheit, auh Hartnaͤckigkeit 
indem beide Ausdrüde baffelbe bedeuten. 

Hamilton, ein jegtlebender brittiſcher Philoſoph, der ber 
fonder$ im Edinburgh review durch Krititen deutſcher und fras 
zoͤiſcher philoſophiſcher Schriften feine eignen philofophifden Is 
ſichten nicdergelegt und dabei viel dialektiſchen Scharffinn bemicen 
bat. Won ben deutſchen Metaphpfitern ſcheint er feine große Per 
zu haben. Sie find ihm eine Gens ralione ferox et menien 
pasta chimaeris. Rehberg aber hat eine deſto größere ber von 


diefem H. ſelbſt. Jener ſagt naͤmlich in einer Abhandlung über De 
neue Weltliteratur (Minerva, 1835. Mai, &. 339.) vr 
demfelben: „Diefer engliſche Schriftfteller, der es in der Dinteltdfien 





Hand - Haandgreiflich 501 


Hand. — Aufag: Vergl. die Schrift von Charles Belt: 
ie menfchliche Hand und ihre Eigenfchaften. Aus dem Engl. überf. 
n Dr. 9. Hauff. Stuttg. 1836. 8. 

Handel, handeln, Handlung. — Zufag: Um bie 
tigen Handlungen, welche der Menſch durch feinen Willen her: 
ebringt (die freiwilligen) von andern Tchätigkeiten, an welchen ber 
Hille keinen Theil bat (dem unfreiwilligen) zu unterfcheiden, nen- 
n Manche im Lateinifhen jene actus, dieſe actiones hominis. 
ie Alten kennen aber biefen Wortunterſchied nicht, fondern brau⸗ 
m actus und actio oft als gleichgeltend, obwohl jedes wieder feine 
derweiten Bedeutungen hat, bie aber nicht hieher gehören. Auch 
ımmt beides von derfelben Wurzel, naͤmlich agere, was urfprüng- 
b, role das griech. ayeır, treiben bedeutet. 

Dandelsfreiheit. — Zufag zur Literatur diefes Artikels: 
bes Dandel und Handelsfreiheit. Don Mac: Cullod. Aus 
m Engl. überf. und mit einer Einleitung über die nothwendig 
bedingte Zreiheit des Verkehrs verfehen von Joſeph Gam: 
bier. Nuͤrnb. 1834. 8. (Eine unbebingte Freiheit des Der: 
rd kann es fhon darum nicht geben, weil die aͤußere Freiheit, 
a welcher die Handelsfreiheit nur eine befondre Art iſt, nothwen⸗ 
geſetzlichen Schranken unterliegt, damit fie nicht rechtsverletzend 
de. Sonft muͤſſt' es auch erlaube fein, mit Sklaven, Giften, Waf⸗ 
, auch vergifteten, Pasquillen zc. beliebig zu handeln). — Durch 
lche Bedingungen ift das Syſtem der Danbelöfreiheit ausführ: 
7 Bon einem Rechtsgelehrten in dem deutſchen Staatenbunde, 
ss. 1834. 8. (Der Verf. will dem Metalle als Weltgelde 
3 Getreide ale Staatsgeld fubflitulren; was in der Aus: 
rung wohl auch große Schwierigkeiten finden dürfte). — Die 
mptſache bei der Hundelöfreiheit ift übrigens ein guter Wille von 
iten aller beim Handel intereffirten tasten, den aber bie jegt 
h kein einziger Handelsftnat gezeigt bat, am wenigſten das egoi= 
de England. Jeder Staat will nur freien Markt zur Einfuhr 
we Probucte und Fabricate bei andern haben, aber nicht den an⸗ 
u Staaten bei fid) ſelbſt gewähren. 

Handgreiflich bedeuter eigentlich, was ſich betaſten ober 
fen (mit Händen greifen) laͤſſt, dann aber überhaupt, was 
nlih Eur und gewiß it. Handgreiflihe Wahrheiten 
mten demnach alle auf finnlicher Wahrnehmung beruhende Ur: 
Be oder Säge genannt werden, wenn aud der Zaflfinn nicht 
mittelbar dabei im Epiele geweſen, fondern Gefiht, Gehör ıc. 
je gern aber der Menſch das ſinnlich Wahrnehmbare, wo mög: 
„auch betaſtet, um ſich deffen nody mehr zu vergemijlern, be 
ft fchon das Streben die Kinder, alles in ihrer Nähe nicht bloß 
befehen, fondern auch zu betaften. Da nun das Meberfinnliche 





502 Haplokyon Harrington 


ſich auf ſolche Weiſe gar nicht wahrnehmen laͤſſt, fo fehlt es im 
freilich am aller Handgreifl ich keit. Uber es eimangelt darum 
doch nicht aller Wahrheit und Gewiſſheit. S. beides. Anh 
vergl. Evidenz. — Spoͤttiſch nennt man handgreifliche Des 
monftrationen auch ſolche Beweiſe, die mit der Fauſt oder übers 
haupt durch Gewaltthätigkeiten geführt werden follen, aber freilih 
nichts beweifen. S. d. W. 
derletpen als Gegenfag von Pfeudotyon f. Enniter 
aereticis non est servanda fides. Bufag: Nam 
lich hat man diefen Eag fogar verwandeln wollen in: Subditis zen 
est servanda files. Allein diefer ift ebenjo verwerflich als jener. Dean 
wenn ber Fürft gegen feine Unterthanen treubrüchig wird, fo iſt wide 
einzufehn, warum die Unterthanen es nicht auch werden folten. 
Die alten deutfchen Stände fagten fon: „So uns der Fürft dat 
„Recht nicht hätt, wollen wir auch nicht Steuern geben” — ober: 
„So uns der Fürft die Handfefte bricht, find Land und Let ihm 
„Treue 108 und ledig” — desgleihen: „Mo wir nicht mit vathen, 
„wollen wir auch nicht mit thaten.” Und bie alte Joveuse entre 
(ein Staatsvertrag der vormaligen öftreichifchen Niederlande, weiche 
den größten Theil des heutigen Königreichs Belgien ausmachen) 
enthielt fogar die förmliche Beſtimmung, daß der Landesherr, wen 
er auch nur Einen Punct derfelben überträte, ipso facto jeden An 
ſpruch auf fernern Gehorſam feiner Unterthanen verwirkt habe und 
Letztere dadurch ihres Eides der Treue entbunben feien. Kaifer Jos 
ſeph I. wollte fi) zwar daran nicht kehren, hatte es aber [dm 
zu bereuen; und fein Nachfolger Leopold I. fahe ſich daher ge 


noͤthigt, dieſe Clauſel von neuem anzuerfennen. — Uel 
Treu und Glaube Jedermann zu ham 
64 G Fu: 


Harris 503 


bei beffen erſter Erpedition nach Schottland, hielt es aber fpäter 
mit den Republikanern und dem Protector Cromwell, dem er 
auch fein Hauptwerk (Oceana ſchlechtweg genannt) zueignete. Im 
J. 1661 wurd er unter Karl’s II. Regierung wegen einiger an: 
dern Schriften und Handlungen des Hochverraths angeklagt und in 
den Tower gefegt, wo er, obwohl von jenem Verbrechen freigefpro- 
dyen, doch eingefperrt blieb und allerlei Mishandlungen zu erdulden 
hatte. Das war unftreitig auch bie Urſache des Wahnſinns, uns 
ter deffen Anfällen er 1677 im 66. Lebensjahre als Staatsgefan⸗ 
gener flardb. In dem genannten tepublilanifhen Werke ſtellte er 
untere andern auch die dee eines Gleichgewichts des Ver: 
mögen& der Bürger auf, indem er meinte, daß davon haupts 
ſaͤchlich die Güte und Dauer einer Republik abhange. Das Wert 
machte ungemeines Auffehn und ward viel beftrittn. H.'s Ant: 
worten auf biefe Kritifen feiner Zeitgenoffen find den ſpaͤtern Aus⸗ 
gaben des Werkes beigefügt. | 

Harris (James), — Zuſatz: Er war 1709 zu Ealisbury 
geboren, ftudirte erft zu Orford, dann zu London in dem Kuthe- 
collegium Lincoln's Inn, vertaufhte aber nach feines Vaters Tode 
das Studium der Rechte mit dem der griechiſchen und römifchen 
Literatuc und der Philofophie. Auch beſchaͤftigte er ſich mit der 
ſchoͤnen Kunft, befonders mit der Tonkunſt. Zum Parlements - 
Gllede für den Sieden Chriſt-Church im 3. 1761 gewaͤhlt, behielt 
er dieſe Öffentliche Etellung bis an feinen Zod. Auch bekleidete er 
nach und nad) die Aemter eines Lords der Admiralität (1762) eines 
Lords der Schatzkammer (1763—65) und, nachdem er biefe Stelle 
aufgegeben und einige Fahre ohne Öffentliches Amt gelebt hatte, zu: 
legt das eines Secretairs und Gontroleurs der Königin (1774— 80). 
In diefem Jahre flarb er. Seine Schriften find: Three treati- 
ses, ihe first concerning art, the second cone. music, painting 
and poetry, the third conc. happiness. 2ond. 1744. 8. (Dia: 
logijirte Abyandlungen). — Hermes etc. (E. den vellitandigen Ti⸗ 
tel ®. 2. ©. 366. Dieſes ſprachlich-philoſophiſche Werk bearüns 
dete vorzüglich feinen Ruhm. Es erfchien daher in mehren Aus⸗ 
gaben und Ueberfegungen; f. ebendaf.). — Auch fchricb er noch 
Philosophical arrangemens (Bruchſtuͤck eines groͤßern, aber nicht 
vollendeten, Werkes über die peripatetifche Logit) und Philosophi- 
eal inquiries (eine Art von ülthetifher Kritik, überf. von Jeniſch. 
S. d. NR.) — Alle diefe Schriften gab fein einziger Cohn, Ja⸗ 
mes Harris Graf von Malmesbury, unter dem Titel her: 
aus: Works of J. H. Esquire, with on account of his life and 
character, by his son. Lond. 1801—2. 2 Bde. + Die Sci: 
derung, welche hiee dee Sohn vom Water macht, iſt hoͤchſt vor: 
theithaft, fcheine aber nicht übertrieben, 


504 Hart und wei, Haſitation 


Hart und weich find Ausdruͤcke, bie nicht bloß phyſiſch und 
ſomatiſch, fondern auch pſychiſch und motaliſch genommen werben. 
Daher fagt man, der Menſch habe ein hartes oder weides 
Gemüth ober Herz (auch Seele) je nachdem die fanftern Ge 
fühle der Mide, des Wohlwollens, des Mitleids und der Mir 
freude ac. ihm fremd oder eigen find. Doch kann es zufällige Um: 
fände geben, welde aud den Hartherzigen weich und dem 
Weichherzigen hart machen. Eigentlich aber foll man weder 
hart⸗ noch weichherzig fein, fondern ſtets fo handeln, wie es dir 
Pflicht gebietet; denn aud) bie Weichhetzigkeit, beſonders bie eines 
Megenten oder eines Richters, koͤnnte zu ungerechten und gemein: 
ſchaͤdlichen Handlungen verleiten, obwohl die Hartherzigkeit much 
verabfheut und getadelt wird. — Hart fleht auch oft für ſtreug 
3 3. wenn von einer harten Zucht, Erziehung oder Lebensmai 
die Rede ift. Der Gegenfag ift dann aber nicht weich, ſondern 
mild, fanft oder bequem. — Weihgefhaffene Seeles 
heißen ſolche Menſchen, die fhon von Natur zu fanfteren Gefüt: 
len oder mildern Gefinnungen mehr geneigt find, ald Andre. Doch 
nennt man darum Legtere noch nicht hartgefhaffene Seelen 
— Auf den Unterſchied jener Gefühle, wiefern fie in Tönen lat 
werden können, bezieht fidy auch die Unterſcheidung einer harten 
und weihen Tonart (dur und moll) in der Muſik, dem 
Theorie Fieribee weitere Auskunft geben muß. Vergl. aud Er 


bärtung und Erweihung, desgi. Berhärtung. 
Hartenftein (Guftav) Dock. der Ppilof. umd feit 1833 


Privatlehrer, feit 1835 außerord., feit 1836 ord. Prof. derfeiben 
zu Leipzig, bat bis jegt geſchrieben: De Archytae Tarentini fra- 
mentis philosophicis. feipz. 1833. 8. — Die Probleme uw 
Grundlehren der allgemeinen Metaphyſik. Ebend 1338 — 





Haßler Hecataͤus 505 


Das Haͤſitiren im Denken kann aber auch leicht ein Haͤſi⸗ 
tiren im Reben und Handeln zur Folge haben. Daher fagen 
bie Lateiner lingua haeret, wenn die Zunge flodt, amor haeret, 
wenn die Liebe ftodt, auch bildlih aqua haeret, wenn man über: 
haupt nicht weiß, was man thun fol; ober ſpruͤchwoͤrtlich: Hic 
haeret aqua, wie wir fagen: Da ftedt der Knoten. 

Haßler (Conr. Dietr.) Doct. der Phiof. und Prof. derfels 
ben am Gymnafium zu Ulm, bat ſich durch folgende, mandyes Eis 
genthümliche enthaltende, Echrift bekannt gemacht: Paragraphen 
für den Unterricht in der Phitofophie. Th. 1. Pſychologie und Lo: 
gie. Th. 2. Naturrecht und Moral. Ulm, 1832—34. 2 Bde. 
8 — Zugleich kuͤndigt er in der Vorrede zum 2. B. eine neue 
didaktiſch⸗ philofophifche Schrift an, bie mir aber noch nicht zu: 
gefommen. Auch find mir feine anderweiten Lebensverhältniffe 
unbelannt. 

Hauptwort. — Zuſatz: Die Hauptwärter einer Sprache 
Oönnen den Begriff eines Dinges entweder concreter ober abftracter 
ausdrüden, 3. B. Menſch und Menfchheit, Gelehrter und Gelehr⸗ 
ſamkeit. Im testen Salle wird das dadurch Bezeichnete als etibad 
einem Dinge Zukommendes betrachtet, ob es gleih in Gedanken 
auch von ihm abyefondert werden Tann. So iſt es auch, wenn 
man Beiwoͤrter oder die Infinitive und Participe von Zeitwörtern 
zu Dauptwörtern erhebt, 3. B. das Runde, das Grüne, das Spre: 
den, das Handeln, ber Eprechende, ber Handelnde. 

DHaushaltungsktunft oder Haushaltungswilfen: 
fchaft f. Oekonomik nebft Zuf., wo auch, von der göttlichen 
Daushbaltung (oeconomia divina) die Rede if. Wie man 
jedoch bie philof. Rechts- oder Staatswiffenfhaft eine Rechtes 
oder Staatsphilofophie nennt, fo könnte man auch die philoſ. 
Lehre vom Hausweſen eine Dausphilofophie nennen, Nur 
möüflte man dabei nicht an eine Phitof. denken, bie bloß für das 
Haus gelten follte, oder gar an eine hausbadene. ©. d. W. 
Uebrigens befaffe fie auch die Hauspädagogit, weil die Erzie⸗ 
Bang der Kinder eine der wichtigften häuslichen Angelegenheiten iſt, 
von der ſowohl das Familienwohl als bie Öffentl. Erziehung oder 
Die Staatspädag. abhangt. ©. die Schr. v. Theod. Deinfius: 
Die Padag. des Hauſes. ine claſſ. Fruchtleſe für Eltern und 
Deren Etellvertreter. Berl. 1837. 8. 

Hausrecht. — Zuſatz: Vergl. auh Familie nebſt Zuf. 
und die daſelbſt angeführte Schrift von Boſſe. 

Hebräifhe Philofophie. — Zufag: Vergl. auh Ef: 
fder, Pharifier und Sadducder nebft dem in den Zufl. an: 
geführten Schriften über diefe Secten. 

Hecatäus. — Zuſatz: Bei Diogenes Laert. (IX, 69.) 


504 Hart und weich Haͤſitation 


Hart und weich find Ausdruͤcke, die nicht bloß phyfiſch und 
fomatifch, fondern auch pfychiſch und moralifd genommen werben. 
Daher fagt man, der Menſch habe ein hartes oder weiches 
Gemäth oder Herz (auch Seele) je nachdem die fanftern Ge 
fühle der Mitde, des Wohlwollens, bes Mitleid und der Mic 
freude ıc. ihm fremd ober eigen find. Doch kann es zufällige Um 
fände geben, welche auch ben Hartherzigen weich und ben 
Weichherzigen hart machen. Eigentlich aber fol man weder 
hart⸗ noch weichherzig fein, fondern ſtets fo handeln, wie es bie 
Pflicht gebietet; denn auch die Weichhetzigkeit, befonders bie «ins 
Megenten oder eines Richters, koͤnnte zu ungerechten und gemein: 
ſchaͤdlichen Handlungen verleiten, obwohl die Hartherzigkeit mehr 
verabfchent und getadelt wird. — Hart fteht auch oft für ſtreug 
3. B. wenn von einer harten Zucht, Erziehung oder Lebensmeir 
die Rede if. Der Gegenfag ift dann aber nicht weich, ſondera 
mild, fanft oder bequem. — Weihgefhaffene Eeelıa 
heißen folhe Menſchen, die ſchon von Natur zu fanfteren Gefüh— 
len oder mildern Gefinnungen mehr geneigt find, ald Andre. Deh 
nennt man barum Legtere noch nicht hartgefhaffene Seelen 
— Auf den Unterfhied jener Gefühle, wiefern fie in Tönen laut 
werben tönnen, bezieht ſich auch die Unterfcheibung einer harten 
und weidhen Tonart (dur und moll) in der Muſik, dem 
Theorie Gieriber weitere Auskunft geben muß. Vergl. auch Er 


härtung und Erweichung, desgi. Verhärtung. 
Hartenftein (Guftav) Dock. der Ppilof. und feit 1833 


Privatlehrer, feit 1835 außerord., feit 1836 ord. Prof. berfähen 
zu Leipzig, bat bis jegt geſchrieben: De Archytae Tarentini fras- 
mentis philosophicis. Leipj. 1833. 8. — Die Probleme uw 
Grundlehten der allgemeinen Metaphyſik. Ebend 1338 — 





Haßler Hecataͤus 505 


Das Haͤſitiren im Denken kann aber auch leicht ein Haͤſi⸗ 
tiren im Reden und Handeln zur Folge haben. Daher ſagen 
die Lateiner lingua haeret, wenn die Zunge ſtockt, amor haeret, 
wenn die Liebe ſtockt, auch bildlich aqua haeret, wenn man uͤber⸗ 
haupt nicht weiß, was man thun ſoll; oder ſprüchwoͤrtlich: Hic 
haeret aqua, wie wir ſagen: Da ſteckt der Knoten. 

Haßler (Conr. Dietr.) Doct. der Philoſ. und Prof. derſel⸗ 
ben am Gymnaſium zu Ulm, hat ſich durch folgende, manches Ei⸗ 
genthuͤmliche enthaltende, Schrift bekannt gemacht: Paragraphen 
fuͤr den Unterricht in der Philoſophie. Th. 1. Pſychologie und Lo⸗ 
gik. Th. 2. Naturrecht und Moral. Um, 1832—34. 2 Bde. 
8. — Zugleich kuͤndigt er in der Vorrede zum 2. B. eine neue 
didaktiſch⸗ philoſophiſche Schrift an, bie mir aber noch nicht zu: 
sefommen. Auch find mir feine anbermweiten Lebensverhältniffe 
unbekannt. | 

Hauptwort. — Zufag: Die Hauptmwörter einer Sprache 
Oönnen den Begriff eines Dinges entweder concreter oder abftracter 
ausdrüden, 3. B. Menſch und Menfchheit, Gelehrter und Gelehr⸗ 
famteit. Im lebten Falle wird das dadurch Bezeichnete als etibasd 
einem Dinge Zukommendes betrachtet, ob es gleih in Gedanken 
auch von ihm abgefondert werden kann. Go iſt ed aud, wenn 
man Beiwoͤrter oder die Infinitive und Participe von Zeitwörtern 
zu Dauptwörtern erhebt, 3. B. das Runde, das Grüne, das Spre: 
den, das Handeln, ber Eprechende, der Hanbelnde. . 

Haushaltungstunft oder Haushaltungswilfen: 
fchaft f. Oekonomik nebft Zuf., wo auch von der goͤttlichen 
Daushaltung (oeconomia divina) die Rede if. Wie man 
jedoch die philof. Rechtes oder Staatswiſſenſchaft eine Rechts⸗ 
oder Staatsphilofophie nennt, fo koͤnnte man auch bie philof. 
Lehre vom Hausweſen eine Hausphilofophie nennen Nur 
möffte man dabei nicht an eine Philof. denken, bie bloß für das 
Haus gelten foßte, oder gar an eine hausbadene S. d. W. 
Uebrigens befafft fie auch die Hauspädagogit, weil die Erzie⸗ 
Hung ber Rinder eine der wichtigften häuslichen Angelegenheiten ift, 
von ber ſowohl das Fumilienwohl ald die öffentl. Erziehung ober 
Die Stantspädag. abhanyt. ©. die Schr. v. Theod. Heinſius: 
Die Pädag. des Haufes. Eine claff. Fruchtleſe für Eltern und 
Deren Etellvertreter. Berl. 1837. 8. 

Hausrecht. — Zuſatz: Vergl. auch Familie nebft Zuf. 
und Die dafelbft angeführte Schrift von Boſſe. 

DHebräifhhe Philofophie. — Zufag: Vergl. auch Ef: 
fäer, Pharifäer und Sadducder nebft den in den Zuff. an: 
geführten Schriften über diefe Secten. 

Hecatäud. — Zufak: Bei Diogenes Laert. (IX, 69.) 





506 Hegel 


heißt er “Exurarog 6 Aßöngerng und wird ald ein Zuhörer von 
Pyrrho aufgeführt. 

Hegel. — Bufag: Die drei Haupttheile feines Soſtems find 
Logik als Wiſſenſchaft der Idee an fih, Naturphilofophie 
als Wiſſenſchaft der Idee in ihrem Andersfein, und Geiftes: 
phitofophie als Wiffenfchaft der Idee in ihrer Ruͤkkehr aus dem 
Andersfein in fih. Dem gemäß zeigt fid in dieſem Soſteme überall 
eine Dreiheit von Gegenfägen fammt der fie vermittelnden Einheit, 
in welcher fie nur noch als Momente enthalten fein follen. Die 
Einheit des Seins und des Begriffs aber fol in dieſem Syſteme 
geredhtfertigt werden durch die angeblich dem Begriffe eingeborm 
Nothwendigkeit, ſich ſelbſt zu bewegen; mas durch fortfchreitende 
Negation geſchehe, fo daB z. B. das Sein durch Megation feiner 
ſelbſt in das Daſein, Gott durch Negation feiner ſelbſt im eim 
Welt uͤbergehe ꝛc. Denn Gott ſei zwar an ſich und müffe auch 
für ſich ſein, aber um dieß zu ſein, müſſe er auch zu ſeinen 
Andern werden, und dieß ſei eben die Natur oder die Welt 
Ebenfo wird in H.'s Vorlefungen über die Philof. der Religien 
(Herausgeg. von Marheinete) auf mannigfaltige Weife der Grund: 
gedanke durchgefuͤhrt, daß Gott der allumfaffende ewige Proceh ber 
abfotuten Idee fei, welche aus der Form ihres Andersfeins, iher 
Aeuferlicjkeit in der Natur, zu ſich felbft zuruͤkkehte und als Geik 
mittel8 des menfhlichen Berufftfeins zu ihrem Fuͤrſichſein gelangt. 
Daß diefe Lehre fih zum Pantheismus hinneige, ift wohl nicht pa 
verfennen, ungeachtet 9. und feine Schule es nicht zugeben wol 
und ihrer Lehre durch den Gebrauch biblifher und kirchlicher Anke 





fprüche, benen fie aber einen andern (angeblich tiefern und geheis 
mern) Sinn unterlegen , den Anſtrich chriſtlicher Orthodoxie zu ge: 
ill: G iy D 


Hegel 507 


ophie (Allg. Kirchenzeit. 1836. Nr. 19—21.) wo auch das reli⸗ 
iofe und kirchliche Element diefer Philofophie vorzugsmweife beruͤck⸗ 
ichtigt iſt, diber dieſelbe folgendes ſtrenge Urtheil gefällt: „H.'s 
Philoſophie iſt weder Etwas an ſich und für ſich, noch war 
ee ſelber bei ſich, ſondern er war außer ſich.“ Vergl. Laien: 
borte uͤber die Hegel⸗Straußiſche Chriſtologie. Zuͤrich, 1836. 8. 
— Nicht minder ungenügend haben die Naturforſcher H.'s natur⸗ 
hiloſophiſche Theorie gefunden. /So fügt Link in feinen Propy⸗ 
gen zur Naturkunde (Th. 1. S. 46.) daß H.'s Syſtem, obwohl 
in Gebäude bes höchften metaphyſiſchen Scharflinns, dennoch „für 
die Naturkunde keinen Werth” habe; ja es fei betruͤbend zu fehn, 
welche Blößen H. giebt, wenn er von Gegenfländen ber Natur: 
Bunde, der Afttonomie und der Mathematik ſpricht. Und dabei 
iſt er fo abfprechend, fo bitter, daß man über ihn lachen wuͤrde, 
wenn es laͤcherlich wäre, daß ein folder Mann fich fo verirrt.” 
50 hatte er in feiner lateinifhen Habilitationsfchrift dreift behaup⸗ 
tt: „Inter quarium et quintum locum‘ — d. h. zwiſchen Mars 
ad Jupiter — „magnum esse spatium, neque ibi planelam 
esiderari apparet.‘“ Und bald darauf wurden dort vier neue Pla: 
eten entdeckt. — Bon H.'s Encyklop. der philoſſ. Will. erfchien 
830 eine 3. Aufl. Dagegen erfhien aber au: Kritil von H.'s 
Imepklop. ıc. Heidelb. 1827. 8. (anonym) und eine andre Kritik 
erfelben von Sigwart. Tuͤb. 1832. 8. welcher eine dritte unter 
em Titel folgte: Ueber Sein, Werden und Nichte; eine Ercurs 
ion über & Paragraphen in H.'s Encyklop. von R. v. 2. (Rübhle 
- Lilienftern). Berl. 1833. 8. in 2 Abrheil. Auch die B. 2. 
5. 377. angeführten Briefe gegen die hegel’fche Philoſ. find eigent⸗ 
ich gegen biefe Encyklop. gerichtet; tie auch ſchon der Zitel befagt. 
— Außerdem find noch folgende Schriften über (theild für theils 
egen) H. und feine Philofophie zu bemerken: Geift der allerneue: 
en Philofophie der Herren Schelling, Hegel und Compagnie. Bon 
Sajetan Weiller. U. 2. Münden, 1803. 8. — Die Lüden 
es hegel'ſchen Syſtems der Philofophie, nebit Andeutung dir Mit: 
el, wodurch eine Ausfüllung derfelben möglich ill. Bon C. 
fortlage. Heidelb. 1532. 8. — Hegel und feine Zeit, mit 
kuͤckſicht auf Goͤthe. Zum Unterrichte in der gegenwärtigen Phi: 
sfophie nach ihren Verhältniffen zur Zeit und nad ihren weint: 
chen Grundzügen. Bon 8. 5. Goͤſchel. Berl. 1832. 8 — 
leber H.s Erftsm und die Nothwendigkeit einer nocdhmaligen Um: 
effaltung der Phitofophie. Von Bahmann. Leipz. 1833. 8. — 
gel. Ein Sendſchreiben an Hm. Dr. Karl Feder. Bachmann von 
Ir. Karl Rofentranz Königsberg, 1834. 3. — Antihegel. 
Bon Bachmann. Sens, 1835. 8 — Kritik bes Antihegel's. 
Bon Feuerbach. Anſpach, 1835. 8. (Die 4 letzten Schriften 


508 Hegel 


begichen ſich fo auf einander, daß die folgende immer die vorbei 
gehende zu widerlegen ſucht). — Hegel in feine Wahrheit, vem 
Standpuncte der ſtrengſten Unbefangenheit. Von Kart Joh. 
Hoffmann. Berl. 1833. 8. — Ueber den Geiſt des hegelſgen 
Syſtems. Von Karl Ludw. Michelet. Im 1. B. von H 
Werken als Einleitung zu denfelben. Hier wird jenes Spftem 
die vollendete oder abfolute Philof. erklärt, während cin Recent, 

fer Schrift (Jen. Allg. Lit. Zeit. 1834. Nr. 150%.) ſagt, jems 
Erftem widerftreite allen Wahrheiten der menſchlichen Vernunft. — 
Briefe an eine Dame über die hegelfhe Philoſ. Von Dr. 8. W. 
E. Mayer. Bert. 1837. 8. Da diefer Briefſteller als ein ei 
ger Hegelianer jene Phitof. audy für Damen zu popularificen ſucht 
fo darf man fi nicht wundern, daß die Gegner derfelben 

faus auf populare Weiſe flart mitgenommen werden. Moͤgem di: 
Damen nur keinen Anftoß an dem Namen ihres popularifirenden 
Correfpondenten nchmen und fid dadurch zu nit minder popula. 
von Wortſpielen verleiten Laffen! — Den Zweck, jene Philoſ. dem 
groͤßern Publicun verfiändficher zu machen und dadurch zu empfet- 
In, hat auch folg. anonnme Schrift: 9.8 Lehre vom Staat u. 
fe Phitof. der Geſch. in ihren Hauptrefultaten. Berl. 1837. 8. — 
Dagegen hat den ftärkften Widerſpruch 9. und deffen Philoſopbie 
von Eeiten feines vormaligen Lehrers und Freundes, Schelling 
erfahren, nämlich in der kritifhen Worrede zu der Schrift: Bie: 
tor Goufin über franzöfifhe und deutſche Philoſ. Aus dem 
Ftanzoͤſ. von Hubert Beckers. Stuttg. und Tüb. 1534. 8. 
Hier erklärt fi) Sch. nicht nur gegen H.'s unverfländliche und un: 
gelente Sprech⸗ und Schteibart, fondern audy gegen deifen dialckt— 
ſches Spiel mit der ſog. „Seibſtbewegung des Begriffs,“ 
and-findet in biefer Phi ie (bi andern Relationen 











Hegel 508 


Werke von Couſin über franz. und deut. Philoſ. Elberfeld, 
3. — Entdeckungen über die Entdeckungen unfter neueften 
hen [Schelling’s, Hegel's ıc.]. Von Magis amica veritas, 
‚1835. 8. — Die Philofophie unfrer Zeit. Zur Apolos 
» Erläuterung des hegel'ſchen Syſtems. Bon Dr. Jul. 
ler. Leipz. 1836. 8. (Bezieht fich gleichfallß auf den Kampf 
jenen beider Philoſophen). — In Kopenhagen ift neuer: 
befondres „Journ. für die fpeculat. Idee’ begründet wor: 
as hauptſaͤchlich auf H.'s Philoſ. gerichtet fein fol. — 
8 koͤnnte wohl auch Goͤthe zu den Gegnem H.'s gezählt 
obgleich Beide eine Zeit lang in freundlichem Briefwechſel 
Denn in des Erftern Fauſt (Th. 2. Act 2. Se. 1. 
-96. Stuttg. u. Tuͤb. 1835) darf man nur, um ben 
es Dichters zu fallen, in den Worten, die Mephiftopheles 
mulus fpriht, Hegel flat Wagner und Schelling 
ruſtus leſen. Auch iſt in der Perfon des Baccalaureus 
jer Hegelianer „im eigenften Entzuͤcken“ über die allerneuefte 
t recht treffend gefchilder. — — Bon H.'s ſaͤmmtlichen 
find außer den bereits B. 2. S. 378. angezeigten Baͤn⸗ 
' Werken fpäterhin noch folgende erfchienen: B. 3. Wifs 
ber Logik, berausg. von Dr. v. Henning. 1833. 3. 10. 
ıgen Über die Aefthetit, berausg. von Dr. Hotho. 1835. 
—15. Vorleſſ. über die Geſch. der Philof., berausg. von 
et. 3. 16. u. 17. Vermiſchte Schriften, herausg. von 
e und Boumann. 1834—36. Jene Logik aber prefit 
tem fonftigen Verehrer H.'s (Theod. Munde in f. Ma: 
ben Ausruf ab: „Tollkuͤhner Stubirftubengedbanfe eines 
,„ ein Dieffeits zu conftruiren, das bloß der Geift fei, ein 
6, das Logik geworden, und eine Logik, die Dieſſeits 
m!’ Vergl. au den Zuf. zu Widerfprud. — Briefe 
finden fi auch in Knebel's Iiterarifhem Nachlaffe. 
ieſer Briefe (Nacht. II, 446.) enthält folgende zur Cha: 
k H.'s fehr merkwuͤrdige Aeußerung: „Ich babe mich durch 
‚ung von der Wahrheit des Spruchs in der Bibel Über: 
nd ihn zu meinem Leitftern gemacht: Trachtet am er: 
ıh Nahrung und Kleidung, fo wird euch dad Reid 
8 von felbit zufallen.“ Spricht bier nicht der fpeculative 
5 wie der gemeinjte Empiriter? Oder follte etwa diefe Ver⸗ 
bes bekannten Ausipruches Jeſu: „Trachtet am erften nad) 
deiche Gottes und nad feiner Gerechtigkeit, fo wird euch 
alles — nämlih Nahrung und Kleidung — „zufallen,” 
e komiſche Parodie fein? Dann wäre doch auch foldher 
ju gemein, ja völlig geiftlos für einen Geift, der auf Al⸗ 
haft im Gebiete der Phitofophie Anſpruch machte. Oder 


510 Hegemoniſch Heidenthum 


hätte etwa gar der bibelfeſte Philoſoph jenen Ausſpruch Sefu mic 
dem Ausſpruche des Apofteld Paulus: „Wenn wir Nahrung und 
„Kleider haben, fo laſſet und begnügen”, in aller Unſchuld verwech- 
fee? — Das wäre doch ein gar zu laͤchetliches Quid pro quo! — 
Mande wollen behaupten, die Lehre H.s finde ſich zum Theis 
fhon anticipirt im folg. Schrift: Auftlärungsverfuc der Optik des 
ewigen Naturlichts bis auf den erfien Grund aller Gründe. Berl. 
1788. 8. Wäre dieß aber auch der Fall, fo fragte fidy ned ir 
mer, ob 9. fie auch daraus entichne hätte. Er könnte ja cin 
wohl von ſelbſt darauf gekommen fein. 

Hegemonifch. — Zufag: Wegen der Hegemonic in 
Bezug auf Leben und Wiſſenſchaft, Staat und Kirche vergl. ach 
Primat. Statt 3yegorıw oder ver fagten die Alten auch igt- 
om und ynoic. Daher Hegefinftik, die Anfuhrungs- oder Re: 
gierungskunſt. 

Hegias. — Zufag: Der von Plato unter den Vol; 
bern feines Teſtaments genannte 'H;uug ift ein andrer und älterer. 
©. Diog. Laert. III, 43. 

Hehler und Stehler f. Dieb. 

Heidenthum. — Zufag: Wenn man mit einigen chmi 
lichen Theologen annehmen wollte, daß alle Heiden ohne Ausnat 
verdammt werden muͤſſten: fo müffte man auch bie widerfinnizt 
Praͤdeſtinations⸗Theerie annehmen, da es Millionen Heiden ver ur 
nad) dem Urfprunge des Ghriftenchums gegeben hat und mod gitd: 
die Ein Wort vom Chriſtenthume gehört haben, es alfo gar nidt 
zur Richtſchnur ihres Glaubens und Lebens machen Eonnten. 2. 
Prüdeftinatianer und die Schrift: Das Walten des Geiftet 
Borns in der Heide: lung edler Ebaraktetzuͤge aut 



















Hell Heinroth 511 


Herb. de Cherbury de religione gentilium. London, 1663. 
Amfterd. 1700. — Die Religionsfofteme der heidniſchen Völker des 
Driente. Bon P. 3. Stuhr Ber. 1836. 8 — Die 2. 2. 
S. 332. angeführte Schrift von Voß führt auch ben Titel: De 
origine et progressu idololatriae lihh. IX, und erfchien zuerſt: 
Amfterd. 1641. 4. Dann: 1668. Fol. 

Heil. — Zuſatz: Das moralifche oder fittlihe Heil 
heißt auch vorzugsweife das Seelenheil und ficht in genauer 
Verbindung mit der Heiligkeit und Seligkeit. ©. beides, 

Heilige Knoten, ber, bedeutet foviel als Schickſal. ©. 
dv. W. nebſt Zuf. 

eilige Verträge f. Vertrag, Zuf. 
eiligungsmittel f. Sacrament und Zugendmits 
tel nebſt Zuff. 

Heilkraft (vis sanatrix) wird fowohl der Natur als ber 
Kunft beigelegt. Jene ift die urfprüngliche. Denn wenn bie Na: 
tur feine Kraft zu heilen hätte, fo würde auch der Menſch mit 
aller feiner Wiffenfchaft und Kunft fich diefelbe nicht aneignen koͤn⸗ 
nen. Ja es beſteht die menfchliche Kraft zu heilen eigentlih nur 
darin, daB der Menſch die natürliche Kraft zu beilen genauer ken⸗ 
nen und fie dadurch ‚in ihrer Wirkſamkeit unterfiügen lernt. ©. 
Heil und Heilkunſt. Auch vergl. die Schrift von Dr. 8. Th. 
Bayrhoffer: Der Begriff der organifchen Heilung des Menſchen 
im Verhältniffe zu den Heilungsweiſen der Gegenwart. Nebſt einer 
Worbetrachtung über die jegige Krifis der Weltgeſchichte. Marburg, 
1837. 8. Dody wird bier der Begriff der Heilung in einem be» 
bern und weiteren Einne, als gewöhnlich), genommen. 

eilmittel f. Mittel und Heilktunfl. 

— iſt ſoriel als heimliche oder geheime Tuͤcke. 
Leptered Wort aber bedeutet Arg- oder Hinterliſt (von ducken, ſonſt 
auch tuden gefchricben, fich niederlegen oder büden, um auf Je⸗ 
manden zu lauem und ihm zu fchaden) als Gegentheil der Gerad: 
beit oder Aufrichtigkeit; dann auch Bosheit überhaupt. Daher heim: 
taädifh == arg: oder hinterliftig, boshaft. 

Heimweh (nostalgia) ift eine ſchmerzliche Sehnſucht nach 
ber Heimath. Cie kann theild aus phrfiihen Gründen (Beſchaf⸗ 
fenheit der Luft, des Bodens ıc.) theils aus moraliihen (Liebe zu 
Stammes: und Hausgenoſſen, Verwandten und Freunden — wozu 
im beiderlei Hinſicht noch die Macht der Gewohnheit kommt) ber: 
vorgehn. Fa fie kann fogar Krankheit und dann bie zur Schwer⸗ 
much oder Melancholle gefteigert werden, auch wohl den Selbmord 
zur Folge haben. S. Schlegel’s Schriſt: Das Heimweh und 
der Selbmord. Hildburgh. 1835. 2 Thle. 8. 

Heinroth. — Zuſatz: Von feinem Lehrb. der Anthropol. 





514 Herbart 


lich darauf ab, dutch bürgerliche Gleich ſtellung der ver⸗ 
ſchiednen Religionsparteien fie einander geſeüſchaftlich zu 
naͤhern und dadurch eine innigere Vereinigung vorzubereiten. Allein 
die Sache fand feinen hinreichenden Anklang in jener Staͤndever⸗ 
fammtung. S. Kritiſche Geſchichte einer Petition, die bürgerliche 
Geichftelung aller Religionsparteien in chriſtlichen Staaten betref⸗ 
fend. Als Beitrag zur Geſchichte des conftitutionalen Lebens und 
zur BVerftändigung über Henotismus und Indifferentismus. Wen 
Ebendemf. Leipz. 1837. 8. — Wer aber genauer wiſſen wi, 
auf welde meift ganz verehrte Weife fonft das Wereinigungsmet 
betrieben wurde, vergl. bie Geſchichte ber kirchlichen Union: Verfude 
feit der Reformation bis auf unfte Zeit. Von Karl With. He 
ring. Leipz. 1836. 8. Bd. 1. — Wegen der philof. He: 
notit f. philof. Friede, und wegen ber Panthenofie |. 
d. W. felbft. \ 

Herbart. — Bufag:. Im 3. 1833 ging cr von Kö 
berg nach Göttingen als ordentl. Prof. der Philoſ. mit dem Titel 
eines Hofraths. Zum Antritte diefer neuen Lehrftelle ſchrieb er je⸗ 
fort eine Dissert. de principio logico exclusi m inter conira- 
dietoria non negligendo, welche über feine Methode zu philefephiers 
Aufſchluß giebt. Dann erfhlenen noch von ihm: Zur Lehre von 
der Freiheit des menfchlihen Willens. Götting. 1836. 8. — Ans 
Iptifche Beleuchtung des Naturrechts und der Moral. Ebend. 18H. 
8. — Ferner eine 2. Aufl. vom Lehrb. zur Pfpchot. 1834. und 
eine 3. und 4. Aufl. vom Lchrb. zur Einleit. in die Philoſ. 18% 
und 1837. Auch erfchien 1829 noch ein 2. Th. vom der Au, 
Metaph. und 1837 ein Programm von ihm zu Chin 1. er 
gers unter dem Tel; Comment, de renlisino naturali, — 
proposuit: 'Theoph: Ero. Schulzius, &.:Schyurje nik Bu 














516 Hermeneutik Hermes 


Hermeneutik. — Zuſatz: Bei den griechiſchen Phitofophen 
bedeutet Egprvera nicht bloß Auslegung oder Erklärung (explicatie a. 
interpretatio) fondern auch Ausfage ober Darftellung (emunciatie s. 
propositio); wie ſelbſt die Echrift des Ariftoteles ep gun 
verag beweiſt, melde nicht von jener, fondern von biefer handelt, 
obwohl biefer Titel gewöhnlih de interpretatione uͤberſetzt wir. 
Indeſſen ift beides fehr nahe mit einander verwandt, indem dere 
nige, welcher feine Gedanken ausfpricht oder mit Worten darfkeät, 
ebendadurch fein Inneres erklärt oder auslegt und der, welcher die 
Worte eines Andern erklärt, deſſen Einn oder Gedanken mit audem 
Morten darftelt. ‘Egumrevsixn (scil, reyr7) kann daher ecbenſ⸗⸗ 
wohl die Darftellungstunft als die Auslegungskunſt bedeuten. Auh 
betrachteten die Alten ihren Hermes oder Mercur als den Ge 
ber Beredtfamkeit, teil deren ein Götterbote vorzüglich bedarfte; 
weshalb ihn Horaz (od. I, 10.) mit den Worten ancedet: 

Mercuri, faeunde nepov Atlantis, 
Qul feros cultus homiaum recentum 
Voce formasti catus cio. 


Hermes (Georg) Dock. der Philof. und Theol., Prof. br 
kathol. Theol. zu Bonn, Domcapitular zu Köln, geb. 1775 — 
Dreyerwalde, einem Dorfe im vormaligen Bistyum Münfter, Ir 
Sohn eines wenig bemittelten Landwirths, erwarb ſich burd fie 
phitofophifches Eyſtem, deſſen Grundzüge er in feiner phitef. Eis 
leitung in die chriſt⸗ kathol. Theol. bekannt machte, großen Einfei 
im wefttihen und nördlichen kathol. Deutſchlande. Viele kathelic⸗ 
Lehrer und Schrifefteller, Achterfeldt, Balger, VBiunde, 
Braun, von Drofte-Hälshoff, Einenich, Effer Male 
baum u. A. Hufigten dem Spfteme und fuchten #8. dm eine er 








518 Hermes Trismegiſt Hermodamas 


„Dahht' ich's doch! Wiffen fle nichts Wermönftigeß mehr gu erwiedera. 
„&chieben flerd Ginem gefchtoind in daß Gewiffen Hinein.- 


[Diefer Artikel ift vom Hm. Prof. Afhenbrenner in Aſchaffen 
burg, jegt in Erlangen, verfafft. Ich finde nur Folgendes nch 
beizufügen: So eifrig auch H. ben Katholicismus ſowohl philofe: 
phiſch als theologifä zu vertheidigen fuchte, ward er dennoch mie 
Bolzano (f. d. N.) verkegert und würde auch feines Amtes ent 
fegt worden fein, wenn er nicht unter dem Schutze ber preufilden 
Regierung geftanden hätte. Neuerlid aber wurden feine Schriften, 
infonderheit die beiden oberwähnten Einleitungen in die chriſt-⸗kathol 
Theol., durch eine vom Papſte ſelbſt ausgefprochene Werbammam; 
(damnatio) verboten. Und ganz neuerlich wurde auch dem katheliſch 
iheologiſchen Profefforen in Bonn, welche des Hermeſianismus ve: 
daͤchtig find, das Halten ihrer Vorleſungen dadurch verboten, dei 
der Erzbifchof von Köln, welder die Genehmigung dazu nad da 
beftehenden Einrichtung zu ertheilen hat, dieſelbe verweigerte. Eis 
find daher factifch fo gut wie entfigt, weil fie Hermeftaner find, 
Wird die preußiſche Regierung folhe Unduldſamkeit dulden? Dis 
Eoncordat ‚mit dem Papfte feine ihr freilich die Hände zu binden, 
iſt aber dody wohl nicht unauflösiih. — WIN man das Wem 
über jene Lehre und Gefchichte Eennen lernen, fo vergleiche mır 
folgende zwei Schriften: Die Lehre bes fog. ‚Bermefianismus. Ber 
Braun. Bonn, 1835. 8. — Acta hermesiana. Bon Eines 
nid. Götting. 1836. 8. — Diefe beiden Männer, Profefjorm da 
Theol. in Bonn, find aud nad Rom gegangen, um den Park 
über den Hermefianiemus eines Beſſern zu belehren, haben abs 


nichts ausgerichtet. Indeſſen hat die preuß. Regierung den Erpift. 
von Köln nach Minden abgeführt. — Wegen eines andern Hermes, 











520 He Heſychaſten 


Habſucht. Der Herrſch⸗ und Habſuͤchtige ſollte aber bedenken, 
was Horaz (od. 11, 2.) ſagt: 
Latius regaes avidum demande 
Bpiritam, quam si Libyam remofis 
Gadibus junges et uterque Poenus 
Serviat un. 


Kommt dann, wie gewöhnlich, noch bie nicht minder unerfättihe 
Ehrſucht hinzu: fo kann man wohl fagen, daß ein Menſch, 
der diefe drei Suchten hat, von drei Furien geplagt werde, bie ihn 
felbft und taufend Andre unvermeidlich in's Verderden ftürzen. 
Herz. — Zufag: DigeSentimentaten haben allerdings mit 
dem Herzen viel Spielerei und manche Froͤmmler mit einem ge 
wiſſen Herzen fogar Abgötterei getrieben, indem fie es wie ein JIdel 
oder einen Fetiſch anbeteten, mit dem fie auch wohl gelegentlich eine 
Art von Zauberei oder Hererei trieben. Wenn aber Goͤthe (im 
Zauft, Ih. 2. Act 2.) die Sphing zu Mephiſtopheles fagen Lift: 


nSpri nicht vom Herzen! dab iR eitel, 
„Gin lederner verfchrumpfter Beutel — 


fo ift das doch eine zu ſtarke Hpperbel, man mag babel an dad 
Herz im eigentlichen ober im bildlichen Sinne denten. Gitel iR 
dieſes Herz wohl oft, wenn es dem Niedern und Nichtigen allzufehr 
nachſtrebt und darüber da6 Höhere und Edlere vergifft. Aber einem 
ſolchen Beutel wuͤrd' es body erft dann gleichen, wenn es für gar 
Nichts mehr fehlüge. Dagegen hat ein alter Prophet (Jeten 
17, 9.) wohl Recht, wenn er fagt: „Es iſt das Herz eim tretiz 
und verzagt Ding; wer kann es ergründen!” Denn bie Erfahrung 
beftätigt es duch taufend Beifpiele, daß bie trogigften MR 
zugleich die verzagteften find, je maddem bas Glüdt fie 





522 ‚Heterofinetifc) Here 


gionsparteien, obwohl nicht alle fo ausſchließlich in ihren Anſptüchen 
auf unfehlbare Rechtglaͤubigkelt und daher auch nicht fo unduldjum 
find, als jene beiden, befonders die zweite. Vergl. Katholi: 
cismus nebft Zuf. 
Heterofinetifch f. autokinetifh. 
Heteromorphie f. Ifomorphie. 
eteropatbie f. Autopathie nebft Buf. 
eteropiftie f. Autopifiie und Glaubensarten 
uf. 
eteroprofopifch f. autoprofopifch nebft Zuf. 
eteropfie f. Autopfie nebft Zuf. 
ererotnpie fe Sfotppie. 

eteroufie oder Heterufie Lönnte man durch Anders- 
weſenheit oder Weſensungieichheit uͤberſeten, indem es von äre- 
05, ander ober verfhieden, und ovora, das Wefen, abflamme. 
Gr nämlid) ein von einem Andern verſchlednes Weſen hat, dem 
wird Heterouſie, wer aber mit einem Andern gleiches Weſen bat, 
dem wird Homoufie beigelegt. S. d. W. Uebrigens find beide 
Ausdrüce nicht altgriechiſch, fondern erft fpäter in Folge kirchlicher 
Meinungen und Streitigkeiten über den Stifter des Chriftenthums 
gebildet. Daher wurden in der Kirchengeſchichte auch die Artaner 
mit dem Namen der Heteroufianer bezeichnet, indem fie dem 
Sohne Gottes nicht gleiche Wefenheit mit Gott dem Water zuge 
fichen wollten. ©. Arianismus. 
Heurath. — Zufag: Einige leiten dieſes Wort nicht von 
heuern ab, fondern von dem altd. hiwan oder hinwan. ehelichen 
(womit auch heiv, die Familie, und hiha, die Braut, verglichen 
sverben) und wollen dadurch zugleich die Schreibart Helrach 



















524 Gierarchie Hieroglyphen 


und raubfüchtig find, oder fremdes Gut an ſich zu zlehen ſuchen, 
die alfo jenem Raubvogel gleichen. Darauf bezieht ſich aud eine 
Satyte bes franzöf. Geſchichtſchreibers de Thou mit dem Tirel: 
Hieracoso; 8. tres de re accipitraria libri. Schon Plau: 
tus nannte einen geldgierigen Menſchen, der feine Gier auch durch 
Rauben und Stehlen zu befriedigen fucht, "einen Geldhabide 
(aceipiter pecunine) 

Hierarchie. — Bufag: Tepupyıa bedeutet urſprünglich das 
Amt und die Würde eines Oberpriefterd oder Dberhauptes der Pries 
ſter (iepapyns, audy umgekehrt mpxıegevs, ponlifex maximus) 
dergleichen es nicht nur bei Griechen und Römern, fondern auch 
bei andern alten Völkern, Aegyptern, Hebräern ıc. gab, fo wie es 
deren noch heutzutage in und aufer der chriftlichen Kirche giebt. 
Wenn man alfo jegt unter Hierarchie die geiſtliche Herrſchaft über: 
haupt verſteht, fo iſt diefe Bedeutung erft aus jener abgeleitet. Ja 
einem noch höhern Sinne aber wird dad Wort in folgender Schrift 
genommen: Kurzer Verſuch Uber die wahre Hierarchie oder über 
die Herrſchaft des Heiligen. Won Th. Alethophilos. Glogau 
und Liſſa, 1830. 8. So nahm «6 auch fhon Dionys der 
Areopagit in feinen Schriften de ecclesiastica hi ia und 
de coelesti hierarchia, befonder6 in ber legten. &. Dionys. 
— Wegen ber Ausartung ber Hierarchie vergl. Hildebrandis: 
mus, Papftthum, Prieftertbum und Theokratie mebk 
Zuſſ. — Wegen des Einfluffes derſelben aber auf die Denk⸗ Lehe 
Schreib-⸗ und Drudfreipeit durch Buͤcherverbote und Genfuranflalten 
iſt noch Folgendes zu bemerken: Gewoͤhnlich fhyreibe man dem Pape 
Innocens VII. die Erfindung der Genfur zu, weil er im J 
1487 eine Bulle gegen den Druc verderblicher Bücher) ertich Der 





x 
®. 


. Dierographie Hieroplaftie 525 


Zuſ. zu Hierographie angeführten Schriften von Janelli und 
Champollionz besgl. Horus nebft Zuſ. — Uebrigens fagten 
die Alten ſowohl kepoyAvpa als iepoyAvgıxa, wobei ypauuasa 
mitzubenten iſt. oo. 

Hierographie. — Zufag: Außerdem wird biefes Wort 
(iegoygayıa) audy in der Bedeutung einer heillgen und ebendarum 
geheim gehaltnen Schriftart gebraucht, dergleichen bie aͤgyptiſchen 
Priefter in ihren Hieroglyphen hatten. S. den vor. Art. und 
folgende zwei Schriften: Esposizione del sistema di lerografia 
eriptica delle antichi nazioni, di Cataldo Janelli. Neapel, 
1830—31. 4 Bde. 8. Der Verf. fucht darin alle Arten von 
beiligen und geheimen Schriften zu enträthieln, mithin auch die 
dgpptifhen Hieroglyphen. — Grammaire €gyptienne ou principes 
generaux de l’criture sacree etc. par Champollion le Jeune. 
Paris, 1836 ff. 3 Thle. 4. — Da Übrigens ypagyeıy auch zeichs 
nen und malen bedeutet: fo befafit die Dierographie in der erften 
Bedeutung auch die Darftellung bes Heiligen durch Bilder oder die 
Abbildung deſſelben. Doch heißt fie in biefer Beziehung auch Hie⸗ 
eoplaftie (iepondlaorıan, von nAuoasıy, bilden oder geftalten) 
wiewohl Graphik und Plaſtik fonft unterfchieden werden. ©. 


Hierofles. — Zuſatz: Der Zweite diefes Namens, am 
Ende des Artikels erwähnt, mar eine Zeit lang roͤmiſcher Statthals 
ter zu Nikomedien in Bichynien, dann zu Alerandrien in Aegypten. 
Die zugleich erwähnte Streitfchrift führte den Titel: Aoyoı Yıla- 
Andeıg ng05 Tovs Xpıoriavovg (wahrheitliebende Reden an bie 
Chriften) ſcheint aber doch etwas unfreundlich gewelen zu fein, in» 
Lem fie eine Menge von Miderfprüden in den Schriften des N. 
T. aufjudelen und zugleich zu beweiſen fuchte, daß Apollonius 
von Tyana (f. d. N.) ein ebenfo großer oder wohl noch größerer 
Wunderthäter als der Stifter des Chriſtenthums geweſen. Darum 
wurben aud) jene Reden von den Chriſten nicht freundlich aufges 
nommen, fondern heftig beſtritten, befonders von Euſebius, der 
ein eigned Buch gegen diefen H. fchrieb. Er bekam übrigens zum 
Unterfchiede von Anden feines Namens den Beinamen eines, Nis 
tomediers (Nicomediensis) lebte um das J. 300 nad Chr. 
und foH den Kaifer Diocletian,,der ihn zum Statthalter gemacht 
batte, ſelbſt zur Werfolgung der Chriften angereist haben. Das 
war denn freilich weder wahrheitliebend noch menfchenliebend, alſo 
auch nicht philoſophiſch. 

Hierophilie (von iepos, heilig, und gulsıy, lieben) bes 
deutet Liebe zum Heiligen, auch Froͤmmigkeit oder Religios 
firdt. ©, beides. Bei den Alten kommt iepogula nicht vor. 

Dieroplaftie f. Hierographie, Buf. 


526 Hieroſtopie Hildebrandienus 


Hieroſkopie (iepooxoma, von Äepog, heilig, und axomem, 
fhauen, Betrachten) bebrutet eigentlich bie bei dem Alten germähn 
liche Beſchauung der Eingeweide ber Opferthiere oder andrer heilis 
ger Zeichen, um daraus bie Zukunft zu erkennen. S. Divinas 
tion n.3. Doch könnte man auch bie höhere ober geiftigere Betrach 
tung des Heiligen fo nennen, bie- freilich Liber ſolchen Aberglauben 
oder frommen Betrug enhaben iſt. 

-Hierurgie (iegovpyıa, von demſ. und epyor, das Wert 
oder die Arbeit) bedeutet eigentlich das Amt” oder Geſchaͤft eines 
Opferpriefters, der ein guter Schlaͤchter fein muffte, dann das 
Opfern ſelbſt als ein heiliges Werk betrachtet, und überhaupt jede 
Art des Gottesdienftes. S. d. W. Die Griechen fagten auch 
dafür jeporoia, von zroreıv, machen, thun. 

gilarotragdbie (von iRapos, heiter, luſtig, und zeuyg- 
Jıere, Zrauerfpiel) bedeutet ein parodirte® ober traveſtirtes und bes 
durch in's Laͤcherliche oder Komiſche gezognes Trauerſpiel. Man 
nennt es daher auch eine Tragikomöbie S. komiſch, tra» 
giſch und tragikomiſch. Uedrigens fol das W. ilagorpayadın 
erft von Rhinthon aus Eyralus (Pırdwv ö Svpaxoraıes) 
einem griechifchen Dramatiker, welcher um's J. 300 vor Chr. lebte 
und aud) tragifche Stoffe in burlester Manier behandelte, zur Bo 
zeichnung bdiefer Art von Dramen gebildet worden fein. ©. Ca- 
peri ohservatt. I, 10. 

Hilbebrandismus. — Bufag: Das päpittice Syſten 
welches man fo nennt, beruhte nad) Baronius (anmales a 


1076. n. 32—34.) auf folgenden Hauptfägen: Die roͤmiſche Kirche 
allein iſt von Gore durch Chriſtus geftiftet und geordnet — de 
roͤmiſche Biſchof allein iſt der rechtmäßige allgemeine Bifhef — «t 








528 Himmels ſtrich Hinſicht 


monomagie ſich hinnelgt — für einen Philoſophen, ber eiaſt auch 
Arzt war, allerdings ein bedenkliches Zeichen. 

Himmelsftrih oder Klima. — Zufag: In Ancils 
ton’6 Vermittlung der Ertreme ıc. B. 1. Nr. 1. findet ſich auch 
eine leſenswerthe Abhandlung: Ueber die Einwirkung der Mimati- 
ſchen Verhättniffe auf den Menſchen. 

Hinsehung, von Perfonen gebraucht, bebeutet einen his 
dern Grad von Ergebung oder Ergebenheit, der ſelbſt bis zur Aufe 
opferung gehen kann ; von Sachen gebraucht, ift es foviel als Ueber 
gebung ober Uebergabe. Hier giebt man etwas Andres, bort ſich ſelbſt 
hin. Statt Hingebung fagt man aud) Hingabe, doch meift nur 
in ber fachlichen Bedeutung. 

Hinrichs. — Zuſatz: Neuerlich gab er noch heraus: Die 
Genefis des Wiffens. Etſter, metaphyſ. Theil. Heidelb. 1835. 8 
— Schiller's Dichtungen nad) ihren hiſtoriſchen Beziehungen und 
nad) ihrem innern Zufammenhange. Leipz. 1837. 8. Th. 1. 

Hinrihtung. — Zufig: Ob ein zum Tode verurtheilter 
Verbrecher durch einen Menſchen (Scharfrichter) oder durch eine 
Maſchine (Fallbeil, Guilotine) hingerichtet werden fo, ift eine 
Frage, die nur in Bezug auf Schnelligkeit und Sicherheit des Ex 
folge von Wichtigkeit ft. Denn ber Menſch kann fehlen, die Me 
fine nit, wenn fie gut beſchaffen iſt und gehörig gehandhabt 
wird. Das Legtere muß aber doch immer von einem bazm ange 
ſtellten Menſchen gefchehen. — Thiere koͤnnen nur getödtet, aber 
nicht hingerichtet werden; wiewohl man dieß auch fonft mit aim 
naliſtiſcher Foͤrmlichkelt gethan hat. So wurde ins Auguft 1474 
zu Bafel, wie die Chronik diefer Stadt erzählt, ein Hahn zum 
‚Tode veruetheiit und vom © * 2 meil 









530 Hiftorifcer Beweis ꝛc. Hoͤchſtes Gut 


eoup de roman dans Uhistoire. Es ift aber gewiß noch ſchlim⸗ 
mer, wenn der Geſchichtſchteiber romanifirt, ald wenn der Roman: 
ſchreiber hiftorifirt. Doch muß man auch nicht alles in der Ge: 
ſchichte, was tomanhaft klingt, für erdichtet haltm. Denn aud 
die wirkliche Geſchichte ift zumeilen allerdings noch romantifdyer als 
ein Roman, Macht doch ſchon Ariftoteles in feiner Poetik die 
fehr treffende Bemerkung, daß oft das Unmabeintlige wahr un 
das Wahrfceinlihe unmahr fe. — Wegen des hiſtoriſchen 
Glaubens f. Glaubensarten. 

Hiftorifher Beweis für das Dafein Gottes. — 
Bufag: Auf ähnliche Weife, naͤmlich durch Voͤlkerzeugntß und aller 
lei Erzählungen, hat man auch die Unfterblichkeit der Seele 
¶ d. Art.n. 3.) zu beweiſen geſucht. Es gelten aber auch in dieſer 
Beziehung diefelben Bemerkungen über bie Unzulaͤnglichkeit eine 
ſolchen Beweisart. Hoͤchſtens kann fie nur als Präfumtion gelten, 
die aber, philofophifdy erwogen, anderweiter Rechtfertigung bedarf, 
um einen feften Glauben zu begründen. Wenn daher Seneca 
(ep. 3.) fagt: Multum dare solemus praesumtioni emnium be- 
minom, fo ift das wohl richtig als Thatſache. Wenn er aber 
gleich darauf Sinzufügt: Apud nos veritalis argumentum est, al- 
quid omnibus videri, fo ift das falſch als philoſophiſcher Leheſch 
Denn alsdann müffte man auch behaupten, daß die Gonne wi: 
lich um die Exde laufe, weil es Alten fo ſcheint. 

Hobbes. — Zufag: Seine Autoblographie in —A fonders 
lien Lateinifchen Verſen führte den ſeltfamen Titel: 
ecclesiastica carmine elegiaco coneinnata, und fam * 1688 
(9 Jahre nad) feinem Tode) heraus, als die Biographie von Au: 
brep und Blakburn fhon erihienen war (1681). — D 
Schrift: Elementa philosophica de cive, war ! 

























532 Hoffmann (Branz) ‚Hofphilofophen 


logie. Der Kampf zwiſchen ihm und feinen Gegnern entbrannt 
noch heftiger durch einige Streitfäge (thesen) welche H. 1598 be 
tannt machte und in melchen er den craffeften Supernaturalismus 
behauptete. Endlich ſuchte die theologifhe Facultaͤt in Wittenberz 
durch ein Gutachten vom I. 1619 den Streit beizulegen, der aber 
betanntlich noch immer fortgeführt wird und fobald' nicht aufb& 
ven wird. ©. Rationalismus und Supernaturalismus 
nebft Zuff. 

Hoffmann (Franz) fehher Prof. der Philoſ. am Loc 
zu Amberg, fpäter an der Univerfität zu Würzburg, hat im Gele 
Franz Baaber's (f.d.N.n. 3.) folgende Schriften herausgegeben: 
Grundzüge zur Erkenntniſſlehre, als Einleitung in das Gtudium 
der baader ſchen Philoſophie. Amberg, 1834. 4. In dieſem Pre 
gramme zeigt fidy der Verf. ald einen fo enthufisftifchen Verchen 
jener uͤberſchwenglichen Art zu philofophiren, daß er (S.7. Nr. 1) 
fogar „die unmittelbare göttlihe Erleuhtung über bie 
Dinge in der Welt” als oberſtes Princip der Phiofophie auf 
ſtellt. Recht gut! Aber wie gelangt man dazu, und zwar zur ed: 
ten? Denn haben ſich nicht ſchon Taufende von Fanatikern feld 
Erleuchtung gerühmt? — BVorhalle zur fpeculativen Lehre Fr. Bas 
der's. Afchaffenburg, 1836. 8. Weitere Ausführung jener Grm 
züge. — Bur Eatholifchen Theologie und Philofophie. Ebend. 18%. 
8. Auch zur Empfehlung berfelben Lehre, welche vermuthlich aus 
den Phitofophen katholiſche Theologen machen fol. — — Ein am 
drer Hoffmann (Karl oh.) hat eine fog. Gentraiphile: 
fophie Herausgegeben. S. d. W. 

Höflichkeit. — Zufas: Cine „Schule der Hoͤflichkeit fr 


Alt und Jung” hat der Kammerh. Karl Febr. Ruamase 


Hoheit Homer 533 


introductio in philosophiam nulicam gab Thomaſius heraus. 
S. d. N. 

Hoheit. — Zuſatz: Wegen dec Landeshoheit f. Land, 
Zuſ. — Wenn von Staatshoheit u. Kirchenhoheit die 
Rede iſt: fo beziehn ſich dieſe Ausdrüde auf die Streitfrage, ob 
Staat oder Kirche hoͤher ſtehe — eine Frage, die nach Vernunft⸗ 
geſetzen nicht anders beantwortet werden kann, als daß der Staat, 
wenn er auch nicht befugt iſt, ſich in eigentliche Religionsſachen 
zu miſchen, die lediglich der Kirche zufallen, doch ein Aufſichtsrecht 
u. ein Schutzrecht in Bezug auf die Kirche habe, dieſe alſo die 
Oberhoheit des Staats inſofern anzuerkennen verbunden ſei. S. 
Kirche u. Staat nebſt Zuſſ. 

Holbach. — Zuſatz: In Bezug auf das ihm beigelegte 
Systeme de la nature etc. iſt noch die Gegenſchrift: Examen ceri- . 
tique du syst. de la nat. zu bemerken, welche von Friedrich 
dem Großen herrührt und in defien Oeuvres zu finden iſt. 

Hollmann. — Zufag: Geine erfte Vorleſ. in Göttingen 
betraf bie Frage: Brutumne esse an ratione uli praestet? und 
iſt machher auch gebrudkt worden. 

Holomerianer. — Zufag: Diefes von den Scholaſti⸗ 
ern gebildete Kunftwort ftammt zunächft ab von Ödogeerg, ganz: 
theilig oder alltheilig. 

omagialeib f. Eid, Zuf. 
ome. — Zufag: In feinen Essays on the principles 
of morality and natural religion neigt er fich flart zum Deter⸗ 
minismus. Denn ob er gleih den Menfchen ein vernünftiges und 
freies Wefen nennt: fo meint er doch, daß unfer Wille unfehlbar 
ober mit Nothwendigkeit durch gewiſſe Beweggründe beflimmt werde, 
oder wie die Scholaſtiker fagten: Voluntas necessario sequitur ul- 
umum judicium intellectus practiei. Gleichwohl may er fein 
ickſal zulaffen, fondern lieber alles der Vorherbeſtimmung oder 
den Rathſchluͤſſen Gottes zufchreiden. Allein von Gott und feinen 
Rathſchluͤſſen wiſſen wir noch weniger als von unſtem Willen und 
deſſen Beitimmungsgränden. Auch wär’ ed am Ende in moralis 
ſcher Hinſicht einerlei, ob Gott oder das Schidfal uns zum Yan: 
dein nöthigte. S. frei und Prädeftinatianer nebft Zuſſ. 

Homer. — Zufag: Wegen des ungemiffen Zeitalterd und 
Vaterlandes diejes alten Dichterphilofophen ift zwar viel gefchrieben 
und geftritten, aber wenig ausgemittelt worden. Die neueſte Schrift 
diefer Art, welche aud die frühern Streitigkeiten berührt, iſt fol: 
gende: Ueber das Zeitalter und Vaterland Homer's, oder Beweis, 
bdaß H. vor dem Einfalle der Herakliden in den Peloponnes gelebt 
babe. Bon Dr. Bernd. Thierſch. A. 2. Halberftadt, 1832. 8. 
— Uebrigens hat dieſer Dichterphiloſoph auch zu den feltfamften 





534 Homiletiſch Homophonie 


Paradorien Anlaß gegeben. So ſuchte der berühmte brittiſche Phi: 
iolog und Kritiker, Joſua Barnes, im einem langen Gedicht 
zu beweifen, daß eigentlich der weife Salomo Verf. der bem H. 
dugeſchtiebnen Werke feiz und zwar that er dieß bloß feiner Gran 
zu Gefallen, die zwar nicht liebenswürdig gewefen fein fol, abe 
vermuthlic jenen weiſen König fehr verehrte, 

Homiletifch (öpudrzıxog, von öpuer, beifammen fen, 
umgehn, verkehren) heißt ein Menſch, mit dem ſich gut umgehen 
oder verkehren Läfft (tie wir gleichfalls im Deutſchen das W. um: 
gaͤnglich brauden) ber folglih auch dieienigen Anlagen, Fertig 
keiten, Sitten und fonftigen Eigenfchaften hat, welche dem gef: 
gen Umgang befördern, wie Hoͤflichkeit, Machgiebigkeit, Werfühe 
ũchkelt ꝛc. Die Homltetit (öpurzıxn scil. rexyn) wurde alle 
eigentlich die Kunft des gefelligen Umgangs oder ber Unterhaltung 
mit Andern fein. Vergl. Converfation und Umgang Bas 
verfteht aber jegt auch darunter die Predigerkunft oder bie Anmer 
fung zur geiftlichen Veredtſamkeit, weil die griechiſchen Kirchen 
foeiftftellec dem MW. Opuhıa, was eigentlich jede Werfammian 
und jede Unterhaltung in derſelben bezeichnet, die engere Webeutum 
einer kirchlichen Verfammlung und einer veligiofen Untechaltung in 
derſelben durch Schrifterklaͤrung und geiſtliche Rede umtergelegt je 
ben. Darum nennt man auch den Prediger felbft einen Homi: 
teten, während das griech. öuAnrng einen Geſellſchafter überhaupt, 
bann auch einen Söll ober Zuhörer bezeichnet. 

ommel (genannt Aler. v. Jod) f. Belohnung, Ze. 
omologie. — Zufag: Vergl. auch Anomologie 

Homonymie. — Zufag: Sehr ähnliche ober beinahe geich 
Tautende Wörter (inte Kit x werden chin: 





Honores mutant more Horismus 937 


heitsrecht. Was wie ein Ehrenrecht nennen, iſt etwas ganz An: 
dres, nämlich eine Art von Vorrecht oder Privileg, das ge 
wiffen Perfonen, Ständen oder Körperfchaften zukommt. &. beides. 

Honores mutant mores — Ehren ändern Sitten — 
iſt ein pfochifcher und ethifcher Erfahrungsfag, der fi am meiften 
dann bewährt, wenn Jemand fchnell und unverdient zu großen Eh⸗ 
renſtellen und andern dußern Vorzügen gelangt. Dee Beſcheidne 
wird dann leicht anmaßend, ber Demüthige hochmuͤthig, der Mäs 
ige unmaͤßig ıc. Nur der Gedanke an die Vergänglichkeit folcher 
Dinge kann vor biefer Veränderung in's Schlechtere bervahren. Eine 
Veränderung in's Beffere ift an fi wohl auch möglichz aber fie 
findet weit feltner ftatt. 

Honos alit artes — Ehre nähert Künfte — iſt ein 
zum Sprüchworte geroorbner Ausſpruch Cicero’s, durch Erfah⸗ 
sung vielfach beftätigt und aus dem natürlichen Streben des Men: 
ſchen nad) ehrenvoller Anerkennung feiner Leiftungen ſehr begreiflich. 
Der Sag gilt aber nicht bloß von den Künften (aͤſthetiſchen und 
miechanifchen) fondern auch von den Wiffenfchaften, die bei den Als 
ten gleichfalld artes, rexvar, genannt wurden. Der wiſſenſchaftliche 
Eifer würde bei Vielen wenigſtens bald erfalten, wenn die Willens 
ſchaften und deren Pfleger gar nicht geachtet und alfo aud nicht 
geehrt würden. Denn jede aͤußere Chrenbezeigung hat nur Werth 
als Ausdrud innerer Achtung oder aufrichtiger Anerkennung des 
WBerbienftes, von welcher Art diefes auch fein möge. 

Hören und leſen. — Zuſatz: Vergl. auch Bergk's 
Kunſt zu leſen. Jena, 1799. 8. Sie macht mit Deſſ. Kunſt 
zu denken (Leipz. 1802. 8.) und Kunſt zu philoſophiren (Ebend. 
1805. 8.) ein Ganzes aus. ine Schrift über die Kunſt zu bis 
ven iſt mir nicht bekannt, obwohl dasüber viel Gutes zu fügen 
wäre. Denn es giebt Menfchen genug, die mit ben gefundelten 
Ohren fo hören, ald wenn fie wenigftens an halber Zaubheit litten. 

Hörig. — Zuſatz: Wenn dieſer Ausdrud auf Menſchen 
als Eigenthum eines Andern bezogen wird, fagt man beftimmter 
eigenhörig oder auch eigenbehoͤrig. 

Horismud (Öpıonog, von 6pog, die Gränze, oder zunaͤchſt 
von Öpıleıw, begrängen) bebeutet ſoviel als Gränzbeflimmung. Da 
jedoch öpos aud eine Erklärung oder Definition bezeichnet, weil 
dadurch die Graͤnze eines Begriffs beſtimmt wird: fo wird jener 
Ausdrud auch hierauf bezogen. Eine Horiſtik wäre demnad) eine 
befondre Anmweifung zum Definiren, wie fie von ber Logik ſchon im 
Allgemeinen gegeben wird. Die Schrift öpos aber, welche dem 
Diato gewöhnlich beigelegt wird, und Lauter Begriffserfiärungen 
enthält, die zum Theile wohl aus ben Schriften diefes Philoſophen 
gezogen fein mögen, Aft doch ſchwerlich echt und daher von Andern 





538 Horoſkopie Huet 


deſſen Schuͤler Speufipp_ zugeſchtleben worden. S. d. N. Auch 
enthaͤlt fie manche ganz falſche Horismen. 

oroſkopie. — Zufag: Bel den Alten bedeutet dpooze- 
nor ebenfoviel als WgoAoyıov, nämlid einen Stundenzeiger 
ober eine Uhr. 

Horus. — Zufüg: Griechiſch heißt er RpunoAler, legte: 
tes aus ‘Roos und AroAAwv zufammengezogen. Darum wicb er 
auch im Lateinifhen zuweilen mit WWeglaffung der Aspication Oras 
und Orapollo oder Orus Apollo genannt. Daß eine wirkliche Per 
fon unter diefem Namen noch vor Homer gelebt habe, iſt biofe 
Vermuthung. Berge. Luc. Gall. 18. Das biefer il 
Perſon beigelegte Werk erfchien bereits zu Paris 1521. 8. unter 
dem Titel: Ori Apollinis hieroglyphica. Gr. et lat. Berah, 
Trebatio interprete; beögleichen zu Denedig 1547. 8. ital 
von Bafolli. — Die B. 2. ©. 458. angeführte Ausgabe von 
de Paum ift vollftändiger und wurde 1782 neu aufgelegt eder 
wenigſtens mit einem neuen Titel verfehen. Die neuefte und voll 
fländigfte Ausgabe ift: Horapollinis Nili hierogiyphiea, Edi- 
dit, VV. LL. et vers. lat. subjunxit, annotationem, item hie- 
rogiyphicoram imagines et indices adjecit Conr. Leemans 
Amfterd. 1835. 8. 

Hospitalität. — Bufag: Sie kann als eine befonbe 
Art der Humanität, fo wie ihr Gegentheit, die Inhospitas 
lität, ais eine befondre Art der Inhumanität betrachtet wer 
den. ©. Human. Uebrigens bedeuteten hospes und hostis wm 
ſpruͤnglich einerlei, naͤmlich einen Fremdling. Weil aber der Grembs 
ling nicht immer als Gaft oder Freund (Gaſtfreund) fonderm eft 
aud) als Feind betrachtet und behandelt twurde, aud wohl feihf im 





540 Huͤlfsgrund Hume 


leiſtung zu ihrem Grundſatze machen ſollten. Daſſelbe will auch 
der anderweite Spruch fügen: Ora et labora! S. d. Formel. 
Hülfsgrund. — Zufag: Werden die Hülfsgründe 
(argumenta anxiliaria s. subsidiaria) in Worte eingekleidet und 
als Urtheile aufgeftellt: fo heißen fie Hülfsfäge und, wenn fie 
aus andern Wiffenfchaften entiehnt find, Lehnfäge S. d. W. 
nebft Zuf. 

Hülfswiffenfhaften. — Zufag: Die naͤchſte Hülfs: 
wiffenfhaft für die Philofophie iſt die Geſchichte der Philoſophie 
ſelbſt, für dieſe aber wieder die allgemeine Geſchichte, welche ihrer: 
feit auch der Chronologie und Geographie als helfender Se 
bedarf. S. Gefhichte und Gefch. der Philof. 

Human — Zuſatz: Hnmanus und humanitas find zwar 
alte ortgebilde, humaniftifh und Humanismus abe 
neuere, wie humanifiren und Humanifation, obmohl bie 
Sache felbft, wenn man darunter eine reinmenfhliche Bildungs 
weife verfteht, den Alten nicht fo fremd war, wie man gewoͤhnüch 
glaubt. Vom Ultrahumanismus, ber fi in umfrer Zeit gel 
tend zu machen gefucht hat, waren fie freilich ebenſoweit entfernt, 
als vom andern Ertreme, dem Ultrarealismus, welcher der zu 
bildenden Jugend nur fogenannte Realien zur VBrauchbarkeit fir 
niedere Lebenszwede, aber keine Humanioren zur höhern Geiſtes- 
bildung bieten will. S. Deibrüd über die Humanität (17%. 
8.) und Aſchenbrenner über die Anordnung ber Dumanitäts 
ftudien in den gelehtten Schulen (1831. 8.). Vergl. auch die uns 
tee Schule nebft Zuf. angeführten Schriften. Ganz neuerlich) iR 
über die Humanifirung des ganzen Menſchengeſchlechtes folgendes 
echt franzöfifche Werk erfchii ’humanisation, ou adresse au 
senre humain a Im S age R 













Humor Huß 541 


umor. — Zuſatz: In Rom.gab es einft eine Academia 
degli Umoristi. Ob fie noch beftehe, weiß ich nicht. 

Hungertod. — Zufag: Der freiwillige Hungertod, 
wenn er auch von manchen Liebhabern der Paraborien als die eins 
zig zulaͤſſige Art des Selbmorbes vertheidigt worden, weil man bas 
bei nicht etwas thue, fondern eigentlich nur etwas laſſe — naͤm⸗ 
lih das Efien und Trinken — iſt nicht nur moralifd erwogen 
ebenfo unerlaubt, als jede andre Art beffelben, fondern uͤberdieß 
auch phyſiſch erwogen..die allerunkluͤgſte oder thörigfte. Denn man 
wählt gerade die langſamſte und qualvollite Todesart, während man 
weit fchnellee und leichter vom Leben zum Tode kommen koͤnnte, 
wenn man nun einmal flerben wollte. Wozu alfo diefe Selbquaͤ⸗ 
lerei? Soll fie etwa verdienftlih fein, um das Verbrechen, das 
man an ſich felbft begehen will, fon woraus abzubüßen? Das 

doch gar zu ungereimt. 

Huß (Johann — aud Joh. von Huffinecz genannt) geb. 
1373 zu Huſſinecz bei Prachaticz in Böhmen, fiudirte feit 1389 
in Prag, wurde 1396 Magifter, und bielt feit 1398 philofophifche 
unb theologifche Vorlefungen daſelbſt. As Philofoph hielt er es 
mit den Realiften und befämpfte baber die Nominaliften; 
weicher Kampf endlich fo heftig wurde, daß viele (meiſt auslaͤndi⸗ 
ſche) Profefioren und Studenten (angeblid gegen 5000) die Uni: 
verfität verließen und nach Leipzig, Erfurt, Ingolſtadt, Roſtock 
und Krakau. zogen, wo fie theils neue Univerfitäten (die zu Leip⸗ 
ig 1409) begründeten, theils die ſchon beftehenden in Aufnahme 
brachten. S. Nominalismus und Realismus. Doc) miſchte 
fi) in jenen Kampf audy ein Streit über bie Rechte der + Natios 
nen (Böhmen, Sachen, Baiern oder Franken und Polen) aus 
weichen Lehrer und Lernende in Prag beftanden. Da jedoch H. 
(der nicht mit fortgegogen war) auch viele Srrthlümer und Mis⸗ 
bräuche ber Batholifchen Kirche muͤndlich und ſchriftlich rügte und 
fetbft das Papfithum angriff — worin ihn auch Wiclef’s von 
einigen auf dortiger Univerfitäe ftubirenden Engländern in Umlauf 
gebrachte und von H. in's Boͤhmiſche überfegte Schriften beſtaͤrkten, 
die man jedoch ebendeswegen 1410 im ersbifchöflichen Palaſte zu 
Prag öffentlich verbrannte — fo ward er 1414 vor das cofiniger 
GConcil gefodert und von bemfelben, ungeachtet des vom Kaifer 
Siegmund ihm zugeficherten freien Geleits, zum Feuertode ver 
urtheilt; welches Urtheil auch 1315 an ihm zugleich mit feinen 
Schriften vollzogen wurbe, weil man ihn nicht widerlegen konnte. 
Diefe Schriften, unter welchen bie 1413 . befanntgemachte über die 
Kirche als eine der wichtigften noch immer fehr leſenswerth iſt, was 
ven num zwar mehr theologifchs polemifch als philoſophiſch, enthiel⸗ 
ten aber doch auch Vernunftgruͤnde als Waffen, die aus der Ruͤſt⸗ 


542 Hybtiden ¶ ¶ Hydromantie 


tammer ber Philoſophie entlehnt waren. Auch haben fie ber Kefor⸗ 
mation bes 16. Jahrh. und der dadurch erwobnen Geiftesfreiheit, 
ohne welche bie Phitofophie nicht gedeihen Tann, kraͤftig vorgeardei⸗ 
tet, obwohl Viele von feinen Anhängern, den Huffiten, um den 
Tod ihres verehrten und geliebten kLehrers und feines bafd darauf 
gleichfalls verbrannten Sreundes, Hieronymus von Prag, m 
rachen und andres Unrecht von fid abzuwenden, fpäterhin raus 
famteiten begingen, bie ihnen nicht zur Ehre gereichten, deren Er 
zaͤhlung aber nicht hieher gehört. Wer ſich indeffen bavon bes Ri 
bern unterrichten will, lefe 3. Lenfant’6 histoire de ia guerre 
des Hussites et da concile de Basle. Amfterd. 1731. 8. 
Hybriden. — Zufag: Die phyſiſchen Hybriden hrs 
Gen auch Blendlinge oder Baftarde und, wenn fie doppelſchlech⸗ 
tig find, Zwitter ſchlechtweg, die logiſchen aber Zwitter⸗ 
ſSlüfſe, und die grammatifhen heißen Imitterwörten 
Man findet ſolche Wortgebitde fon bei den Alten, z. B. nugi- 
polyloquides, ein unnüger Schwaͤter oder Vielrebner, bei Plaus 
tus, aus nugae, zoAvs und loqui zufammengefegt, wofür jedoch 
Dandye nugidololognides oder nugipililoyuides leſen. Bei den 
Neuern aber, wo bie Sprachmengerei fehr Überhand genommen, 
findet man fie noch viel häufiger, befonders bei den Philofophen, 
die 3. B. den Idealismus einen Antirealismus, den Materialisus 
einen Antifpiritualismus, den Supernaturalismus einen Anticaties 
nallsmus nennen, too immer das griech. avrı mit lateiniſchen Bio 
tern (res, spiritus, ratio) gepaart iſt. Wiewohl nun das lat. 


hybrida, wie ſchon früher bemerkt, vom griech. Urgıs abgeleitet 
wird: fo kommt doch bei griechiſchen Autoren kein Wort wor, is 
demſelben entfpräche,. etwa sBgıdu oder ORpuöng. Die Mc 
[deinen es bil ben. Da fie es aber ‚hibrida 








544 GHyperariſtokratißmußs ¶ Hyyerchriſtianismus 


hyparris aber das Sein in einem Andern (ev zıve) wie die Kraft 
! oder bie Wärme in einem Körper. Jene heißt auch Eriftenz, 
"diefe Inhaͤrenz. ©. beides. — Bei den Alten kommt evunug- 
Eis mcht vor, obwohl evumapyewv, aber Önugkıs kommt vor und 
"bedeutet auch Vermögen oder Hab’ und Gut, mithin ebenſoviel als 
Ta önagyovsa. Bu unterfheiden iſt hier noch Önaggn, ber Am 
fang, daher «8 Önopyns, von Anfang an, ab inito, von dom, 
a priori, und von neuem, denuo; desgleichen Ömapyıa , das Amt 
oder die Wuͤrde eines Unterbefehlöhabere (Ömapyos) weil apger 
nicht bloß anfangen, fondern audy anführen und herrſchen bebeutet. 
Hyperarifiofratismus und Hyperbemofratids 
mus find neugebildete Ausdruͤcke, welche ein uͤbermaͤßiges ariſtokra⸗ 
tiſches und demokratiſches Beſtreben bezeichnen ſollen. S. Ariſto⸗ 
kratie und Demokratie, wo auch die Etymologle dieſer Anis 
drüde ſchon angegeben iſt. So neu aber auch jene Ausdrüde find, 
fo am doch dad Ueber (önep) oder der fog. Ultraismus fihen 
in den älteften Ariftrofratien und Demokratien vor, weil die Mens 
ſchen in allen Lagen und Verhältniffen geneigt find, mehr zu bes 
gehren ober zu thun, als ſich gebürt. Daffelbe gilt vom Hyper: 
monardhismus, den man aud einen Hyperropaligmus ge 
nannt hat. S. Monarchie und Royalismus. 
Hyeraspismus (Unegaomonog, von Tmep, über, und 
wonıs, der Schild) bedeutet eigentlich die Bedeckung des Körpers 
mit einem Schilde, um ihn gegen feindliche Streiche zu fdrägen 
ober ſich zu vertheidigen, dann Beſchuͤtzung oder Verheidigung übers 
haupt; daher Hyperaspift (Önepaonıoens) — Belhüger, Ber 
theidiger. Diefen Titel (hyperaspistes) gab auch Erasmus im 
3. 1526. einer Schrift, In welcher er eine frühere Seife Über dem 


ein Millen gegen & 








Hypernaturalismus Hypokriſie 545 


Ausdruͤcke. Daſſelbe gilt vom Hyperkriticismus und Hyper⸗ 
ſtepticismus. S. Hyperkritik, Kriticismus und Skep⸗ 
ticismus. 


Hypernaturalismus iſt eine zwitterhafte Wortbildung 
für Supernaturalismus oder Hyperphyſicismus. Manche 
haben aber zur Bezeichnung eines übertriebnen Supernaturalismus 
ober bes fupernaturaliftifchen Ultraismus fogar das fchrediiche Wort 
Hyperſupernaturalismus gebildet. Es müflte doch wenig» 
find Ultrafupernaturalismus heißen. S. Supernatu: 
ralismus. 

Hyperpiſtie (neugebildet, von oͤneo, über, und zuozig, 
der Giaube) = Ueberglaube. ©. d. W. 

Hypertrophie (neugebildet, von oͤneo, über, und Tpe- 

ev, naͤhren, ober 70007, die Nahrung) bedeutet eine uͤbermaͤßige 

ng, die ſowohl in Eörperlicher als in geiftiger Hinficht flatt= 

den kann, aber in beiderlei Hinficht, fo lange fie fortdauert, deſto⸗ 

mehr auch bie Gefundheit untergräbt; weshalb Pädagogik und Did: 
tetik auf gleiche Weife dagegen protefticen müflen. - 

Hypnologie (auch neugebildet, von Umvog, der Schlaf, 
und Aoyos, die Lehre) bedeutet die wiſſenſchaftliche Theorie vom 
Schlafen und Träumen, gefhöpft aus der Phpfiologie, wiefern fie 
theils ſomatiſch theils pſychiſch iſt. S. Schlaf und Traum. 
In Bezug auf letztern allein wuͤrde fie beſtimmter Euhypniologie 
beißen (von ceyvavioy, der Traum). — Manche verſtehn im praßs 
tiſchen Sinne unter Hypnologie auch die Anweiſung zur Befoͤr⸗ 
derung des Schlafes bei ſolchen, die an Schlaflofigkeit leiden. Das 
für fagen jedoch Andre Dypnopdie (von zrosır, machen) obwohl 
dieſes eigentlich die Schlafmachung felbft bedeutet. Bei den Alten 
fommt auch nur Unvonosos, ſchlafmachend, vor. 

Hypoleimen oder Hypokeimenon (ro Unoxeuevor, 
von ünoxssoIsas, unterliegen) bedeutet bei den Logikern die Unter 
Inge oder das Subject eines Urtheils. ©. d. W. Zumellen be: 
deutet es auch ein Subject überhaupt, fogar eine Subftanz. 


. beides. 

Hypokoriftil (unoxogiorexn scil. Teyvn, von TnoxopıLe- 
eIas, wie ein Kind [xopos] reden, indem man mit ihm fpielt 
oder tändelt und ihm fchmeidhelt) = Schmeichelkunſt. S. Schmeis 
Selei. Da verkleinernde Wörter (diminutiva) bei foldyen Gele: 
genheiten häufig gebraucht werden, befonders in Anfehung der Nas 
men: fo hießen auch biefelden bei ben Griechen ovouara Unoxopı- 
erıxa, Schmeidyelnamen oder Schmeichelmwörter, wie bei uns Lieb: 
den, Taͤubchen, Haͤnnschen, Kaͤthchen ıc. 

Hypokriſie. — Zuſatz: "Yroxpioıa und oxgeoiç brauch- 

Rrug’s encyklopaͤdiſch· philoſ. orterb. Bo. V. Gapp 35 





546 Hypomneſtik Jacobi 


ten die Alten auch von Rednern, weil dieſe ſich gleichfalls oft ver- 
ſtellen oder Gefinnungen und Ueberzeugungen erheucheln. 

Hypomneftit (dmouryorixn scil. rexyn von vᷣaouvnus, 
Andenken, Denkmal) bebeutet die Erinnerung s⸗ oder Gedaͤcht⸗ 
aifftunfk ©. d. W. Ein Hypomneftiton (mo Au8Aıov hin 
zuzudenken) bedeutet daher ein Erinnerungs= ober Gedädt: 
niffbud (liber memorialis) beögleichen eine Denkichrift im 
neuen Sinne, welche die Griechen auch ſchlechtweg Umopvzum 
nannten, wie bie Lateiner memoria und bie Stanzofen memoire. 
Anouvnuovevum wird gleichfalls fo gebraucht. 

Hypotheorie. — Zufag:“YroFewpen bedeutet eigentlich eine 
nachfolgende Betrachtung ober Unterfuchung und bezieht ſich daher 
allemal auf eine vorhergehende, melde ngosewpıa heift. €, 
Theorie unter Praris. So verhalten fih auh Hypotheo— 
teme und Protheoreme als einzele Lehrfäge zu einander, be 
fonder6 wenn fie wirklich als Grund und Folge innerlich zufams 
menhangen, alfo Grundfäge und Folgefäge find. S. Grund mb 
Princip, auh Theorem. 

Hypothefe. — Bufag: Es iſt überhaupt jede Hopotheſe 
verwerflich, die eben fo unerklaͤrlich oder unbegreiflich wo nicht neh 
mehr iſt, als das dadurch zu Erklaͤrende ober zu Begreifende. Des 
um eben ift eine Wundererklaͤrung aus Gottes oder aus fonft eins 
uͤbermenſchlichen und unbelannten Weſens (Engels, Teufels, Se 
bolds 2c.) unmittelbarer Wirkſamkeit viel unflatthafter, als wenn 
Jemand eine wundervolle Begebenheit aus natürlichen Urfachen u 
erklären ſucht, bie nur zufällig fo zufammengetroffen fein follen; 


wiewohl ſolche Erklärungen auch zuweilen faſt an’8 Uebernathrtide 
ſtreifen. — Wie es übrigens Spfteme giebt, bie bloße Hppothefen 
find: fo giebt es umgekehrt auch Hppothefen, aus weldyen mach ud 





548 Jakob Zaͤſche 


hin weſentlich eine Feindin aller Nachbeterei iſt, es alſo auch 
keine philoſophifche, ſondern nur eine unshitoforsifen 
Nacpbeterei geben kann. Mit Recht ſagt daher Horaz (ep. 1, 
19, 19. 20.) von folhen Nachbetern oder Nachtretern, die man 
auf dem Kunftgebiete auch Nachahmer oder Nachaͤffer nennt: 

© imitatores, servum pecus, ut mihl saepe 

Bilem, snepo jecam vestri movere tumalius! 


Es iſt jedoch beffer, uͤber den Lärm, ben fie zu machen pflegen, 
weit fie meift viel Dünkel haben, ſich nicht zu aͤrgern, fen u um 
zu.lachen. Denn je anmafender und lauter ihr Duͤnkel ift, deſte 
mehr Blößen geben fie. — Warum ſpricht man aber nur von 
Zaherren und niht von Neinherren, desgleichen nicht von 
Jafrauen und Neinfrauen, da es body unter beiden Geſchlech 
tern Perfonem giebt, die gern Ja oder gern Nein fogen? Auch 
Tann das Neinfagen ebenfoviel Lärm machen, und nach 

ſowohl bilem als jocum movere, 

Jakob (Ludw. Heint.). — Zufag zur Literatur Diefes Arti: 
kels: Seine Staatöwiffenfchaft erfhien in einer 2. verb. u. verm 
Aufl. von Dr. 3. 5. 9. Eifelen. Halle, 1837. 8. Auch m 
ſchien eine 2. aber unveränd. Aufl. feiner Grundfäge zur Policeiger 
feßgeb. ıc. ebenb. 1837. 6. 

Janfeniften. — Zufag: Obwohl diefe theologifch: phälee 
fophifche Secte als ſchismatiſch betrachtet wird, da der Park 
Innocenz X. im J. 1653 mit Einfiimmung aller zugepogum 
Richter die janſeniſtiſche Lehre als irrig verurtheilte: fo hat fie . 
feit 1723 einen eignen Erzbiſchof zu Utrecht und zwei ande Bi 
fhöfe zu Harlem und zu Deventer. Denn fie als ketzeriſch zu ver 











Zatrofophie Idea 549 


und fuͤhrt daher auch den beſondern Titel: Allheit und Abſolutheit 
oder bie alte kosmotheiſtiſche Lehre des &v xus av in ihren moder⸗ 
nen ibealiftifchen Hauptformen ıc. 

Jatroſophie. — Zuſatz: Bel ben Alten kommt suroo- 
copıa nicht vor, wohl aber sarpgooogıoıns, ein gelehrter ober ge⸗ 
ſchickter Arzt, beögleihen sargouavrıs, ein wahrfagenber oder pro: 
phetifher Arzt, was in Bezug auf den Ausgang der Krankheiten 
eigentsich jeder Arzt fein follte, und sarporeguns, ein Wundarzt, 
weiß dieſer auch technifche Operationen zu machen hat. Jaroıım 
rexvn aber ift die Heilkunſt überhaupt, fie mag innerlich oder Aus 
ſperlich, per medicamina oder per operationes heilen. 

Ibriden f. Hybriden nebft Zuf. 

Ichheit. — Zufag: Sie heißt auch die Selbheit oder 
Selbſtheit. ©. Selb. Daß aus ihr alles Boͤſe hervorgehe und 
fie deshalb zu vernichten fei, wie einige Ascetiker meinten, ift eine 
übertriebne Behauptung und Koderung. Denn wenn man auch das 
bei nur an die ſinnliche Ichheit (die Begehrlichkeit des Triebe) 
daͤchte: fo fol man biefe zwar beherrfchen, aber vernichten könnte 
man fie nicht, ohne das animalifche Leben felbft zu zerftören; was 
man nicht einmal fol. S. Selbmorb n. 3. Es kann alfo nur ges 
fobert werben, baß bie vernünftige Ichheit über die finnliche 
herrſche, in welchem Zalle diefe gewiß Eeine Quelle bes Böfen, wohl 
aber eine. Dienerin ober ein Werkzeug des Guten werden bürfte. 
©. 686 und gut n. 33. 

Ichnographie (svoypayın, von ıyrog, Tritt, Spur, 
unb ypaperv, fchreiben, zeichnen) bebeutet einen kurzen Ab- oder 
Grundriß einer Sache, auch einer Wiſſenſchaft, ſteht daher oft für 
Entwurf oder Compendium. ©. beides. Ichnographiſch 
iſt alfo gleichbebeutend mit compenbiarifch oder fummarifh. Vergl. 
auch Summa n. 3. Dagegen bedeutet Ichnoſtopie (ıyvooxonıa, 
von demſ. und oxonev, ſchauen, fpähen) die Auffuhung der Spu⸗ 
sen eines Dinges oder die Aufſpuͤrung beffelben. Sie findet aud) 
in pbllofophifcher Hinfiche flatt, wenn man an der Hand ber Ge 
fchichte der Philofophie die Spuren oder Keime fpäterer Syſteme 
in früheren Philofophemen auffucht; was oft zu überrafchenden Re: 

uhrt 


Ichphiloſophie Hat man den Idealismus genannt, befon: 
ders den von Kichte aufgeftellten, weil biefer Philofoph alles aus 
ber productiven Thätigkeit des Ich's, das fich ſelbſt ein Nice: Ich 
entgegenfegt,, deduciren wolle. Darum nannte man auch feine 
Wiffenfhaftsichre ſo. S. d. W. auh Fichte und Idea⸗ 
lismus .n. 33. 

Icht hum iſt die Verdeutfchung von Egoismus. S. d. W. n. 3. 
Idea oder Idee. — Zuſatz: Wie man Gott als das 


v⸗ 


550 Seal Idealismus 


hoͤchſte Weſen das Weſen der Weſen nannte, fo andy bie Bor: 
flellung von Gott als die hödfte Idee die Idee der Ideen 
(idea ıdewr). — Vergl. Bruckeri historia philosophica docki- 
nae de ideis. Augsburg, 1723. 8 — Trendelenburgii de 
ideis et numeris doctrina ex Aristotele illustrata. £eipz. 1826. 
8. — Die umfaffendfte Geſchichte der Ideen ift die Geſchichte 
der Philofophie felbft. ©. d. Art. und Fdeologie m. 33. 
Ideal. — Zufag: Vergl. au Ancillon über das Ber 
hätmiß des Idealen und der Wirklichkeit; In Deff. Schrift: Zu 
Vermittlung der Eptreme in den Meinungen. B. 2. ©. 41 fi. 
— Ideal: Realismus bedeutet eine Combination des Jbeafis: 
mus mit dem Realismus, alfo einen Spnthetismus. ©. d.f. 2. 

Idealismus. — Zufag: Neuerlich hat man dem Sdealit: 
mus auch Rationalismus genannt, z. B. in der Schrift: 
Ueber die eigentliche Bedeutung der Aufgabe einer Vereinigung von 
Nationalismus und Realismus als ber beiden Hauptrichtungen ph: 
loſophiſcher Anfichten. Zrankf. a. M. 1834. 8. Da jedoch de 
allgemeine Spracgebraud; dem W. Nationalismus (f. dafl.) 
ſchon eine andre Bedeutung untergelegt hat: fo iſt fein hinreichende 
Grund zu dieſer Sprachveraͤnderung abzufehn, ob es gleich an fih 
wahr iſt, daß bie Ibdeen Erzeugniffe der Vernunft find. Des 
dieß kann audy der Realiſt zugeben, wenn er nur nicht einem ger: 
ben Senfualismus oder Materialismus huldigt. €. kei: 
des. Ebenſo hat man neuerlich ein Syſtem, welches Sdealisuus 
und Realismus mit einander auszugleichen oder zu vereinigen ſucht. 
Sdeatrealismus oder umgekehrt Realidealismus genamnt, 
3,8. Ohlert in der ſchon (B. 2. ©. 499. unten) angeführten 
Schrift über den Sdealrealismus, und Thuͤrmer in ber um 














552 Ideologie Idolatrie 


giert wird) dieſes Frem dhe rrſch aft (wenn es von einem andern Wolke 
oder überhaupt von einem Fremden regiert wird). Bei den Alten findet 
fid) aber nur Eevoxgareodar, von Fremden beherrſcht werden. 

Ideologie. — Bufag: Außer ber ſchon angeführten Cchrift 
von Tracy (8.2. ©. 501.) vergl. auch Melch. Gioja’s ides- 
logia. Mailand, 1822—23. 2 Bde. 8. — Was für eine ſchlecht 
See von der Zdeologie Napoleon hatte, fieht man unter anders 
aus folgendem Ausfpruche deſſelben: „C’est a lideologie, à cetie 
„tenebreuse metapbysique qui, en recherchant avec subtilite les 
„eauses premitres, vent sur ces bases fonder la l&gislation des 
„peuples, an lien d’approprier les lois à la connaissance da 
„coeur humain et aux lecons de Fhistoire, qu'il fant attribuer 
„tous les malheurs qu' a &prous6 notre belle patrie.“ Etaet 
Wahtes liegt wohl darin. Aber alles Unglüd Frankreichs hat 
jene dunkle Ideologle oder Metaphyſik gewiß nicht hernorgebradt. 
Die Eitelkeit, der Ehrgeiz, die Eroberungs= und Herrſchſucht, über 
haupt bie menſchlichen Leidenfchaften, von welchen auch N. nit 
frei war, haben das Ihrige dazu in reichen Maße beigetragen. 
Und als philoſophiſche Wiffenfhaft von den urſprünglichen Gefehen 
der menſchlichen Erkenntniß behält die Metaphyfit immer iem 
Werth. ©. d. W. und Erkenntniſſlehre. — Wegm de 
äftpetifhen Ideologie f. aͤſthetiſche Ideen. — Uebeigen 
findet man bei den Alten ıdeoAoyıa nicht, wohl aber edıoloyı, 
jedoch nur in der Bedeutung einer befondern Unterrebung ober einch 
Privat: Geſpraͤches (idıog Aoyog). 

Idiom. — Zufag: Statt Ipiomograppie ſollte man mehl 


fagen Jdiomatographie, weile von dımuu, arog, Eigenheit, Eis 
genthuͤmlichkeit, herfommt, wie Idioma tif (dıwuazıı seil,. enıo- 
. Bei den Alten aber findet man weder bla 





FIT Jerſon Jefus 


den Monotheismus, unter dieſem den Polytheismus. S. 
beides und Elohismus, nebſt der Schrift: Jehovah und Eiohim, 
ober bie althebräifche Gottebiehre x. Von M. H. Landautı 
Stuttg. 1836. 8. 

Serfon f. Gerſon. 

Serufalem. — Zufag: Die von ihm (B. 2. ©. 503) 
angeführten Briefe Über die ‚mofaifipen Schriften und > Ppiiofophie 
find nicht vollendet, weil der Verf. in der Ausarbeitung biefer 
Schrift durch ben Tod unterbrochen wurde. Aber audy als rue 
ftüd find fie noch immer leſenswerth. 

Jeſus, Sefwitmus und Jeſuitismus. — Bufap: 
Die ditern Schriften über bie erften beiben Gegenſtaͤnde Sein 
und Sefuismus) wie bie von Leffing herausgegebnen Wolfe 
buͤtteiſchen Fragmente, beſonders ba6 vom Zwecke 3. (f. Reimas 
zus) und Venturini’s naturliche Geſchichte bes großen Prorhe 
ten von Mazareth, nebft einer auf jene bezuͤglichen Schrift von 
Reinhard (f. d. N.) find neuerlich durch die ioguapsien 3 
von Paulus, Hafe und Strauß ziemlid, in den Hintergusd 
geftellt worden. Die Iegtere (das Leben I. kritiſch bearbeitet won 
Dav. Feder. Strauß. Tübing. 1835—36. A. 2. 1837. 2 Oi. 
8.) bat befonders viel Auffehn gemacht wegen ber mpehifan 
Erklaͤrungsweiſe, bie Überall zum Grunde liege. Sollte biefe Ar 
ſicht vom Leben 3. herrſchend werden, fo iſt es freilich um dab 
biftorifche Chriftenthum, wie es bie Kirche geftaltet und fortge 
pflanze hat, größtentheils gefchehen; aber defto nothtwenbiger wird es 
dann auch, das rationale Chriftenchum feftzuhalten, das midt 
auf veränderlichen Mythen beruht, fondern auf ewig feflen (ale 
zeitlichen und drtlihen Offenbarung vorausgehenden) Ansfelden 










Jeziden Ikon 555 


nicht gegen die paͤpſtliche Macht auflehnten, und beſonders um den 
Proteſtantismus als die aͤrgſte aller Ketzereien auszurotten. Zu bie: 
ſem Heiligen Zwecke bebienten fie ſich auch wohl ber Weiber, in: 
dem fie vorgaben, daß fie ſich vorzugsweife bee Anbetung bes 
heil. Herzens Jeſu und dem Dienfle der heil Jung: 
frau Maria widmetenz ungeachtet fie wicht leiden wollten, daß 
auch Weiber ihre Gefellfchaft nachbildeten, als um 1623 es eini⸗ 
gen Frauen und Mädchen in Stalien und ans Mieberchein einfiel, 
einen Orden von Sefuitinnen zu fliften. Sie bewirkten daher 
1631 ein päpftliches Breve, welches dieſe unwillkommnen Ordens⸗ 
ſchweſtern aufhob, bebielien fi) aber dabei das Einwirken auf bie 
Weiber in jeder Hinfiht von S. Graufame und boshafte An- 
fhläge der Jeſuiten ıc. 1762. 4. Angeblich zu Rom von „einis 
gen gewiffenhaften Katholiſchen“ herausgegeben. — Das 
Gedicht von de Thou: In parricidas, ift auch gegem biefe arg⸗ 
Uftigen Heuchler gerichtet. — Der Jeſuitismus bat übrigens fos 
wohl in moralifcy=religiofen als im politifchen Dingen lange vor 
den Sefuiten fein Unmefen getrieben. Man hat ihn nur nicht fruͤ⸗ 
ber in einem firmlichen Orden fo ſyſtematiſch ausgebildet und fo 
confequent fortgepflanzt, ale es feit Loyola gefcheben iſt, der ſelbſt 
noch nicht ahnete, vons für ein Monſtrum aus feinem Orden fich 
geftalten wuͤrde. 


Jeziden f. diaboliſch und Teufel. 


Ignoti nulla cupido — Unbelanntes begehrt man nicht 
— if ein Grundſatz, ber nur in Bezug auf Dinge gilt, von wel 
hen ber Menſch gar eine Vorftellung, kein Vorgefuͤhl oder keine 
Ahnung hat. Denn foldhe Dinge Sinnen freilich Feine Begierde 
erregen, 3. B. die Dinge, die ſich auf andern Weltkoͤrpern befinden 
mögen, waͤren fie aud) noch fo ſchoͤn oder nuͤtlich für bern Be⸗ 
wohne. Eine beftimmte Erkenntmiß aber von einem Gegenflanbe, 
der begehrt werden fol, ift nicht nothwendig. Sonſt würde fein 
meugebornes Kind oder Thier Speife und Trank begehren koͤnnen. 
Es muß indefien doc ein Vorgefühl oder eine Art von Ahnung 
in Bezug auf Nahrungsmittel für feinen Körper haben. Außer 
dem würbe es auch nicht einmal die ihm dargebotenen Nahrungs: 
mittel annehmen. 


Kon. — Zufag: Ikonodulie bedeutet ebenfoniel ale 
JIkonolatrie, indem dovissa und Aarpea verbunden mit &ı- 
zwv, ovos, daſſelbe bezeichnen, Dienft oder Verehrung von Bil 
dern; die Verfertigung ſolcher Bilder aber heißt Jkonopoͤie (vom 
nouv, machen). — IJkonismus (eıxomsonog) bebeutet ſowohl 
das Abs oder Nachbilden, als das Reden in Bildern oder Gleich⸗ 
niſſen. In der letztern Bedeutung kommt bei ben Alten auch euxo- 





556 label Immanität 


woroyın vor, 0b wir gleich jegt unter Jkonologie eine Lehre 
von Bildern (Aoyog wege zıxovay) verftehn. 

Illabel (von labi, fallen, fehlen, mit dem verneinenden 
in, un) bedeutet unfehlbar, beſonders in praktiſcher ober moralifder 
Hinfipt; denn im theoretifher oder intellectualer ſagt man lieber 
infallibel, untrüglih. Wie aber die Infallibilität feinem 
Menſchen zukommt, fo auch die Sllabilität. Uebrigens_ findet 
man illabilis und illabilitas ebenfo wie infallibilis und infallibi- 
Litas erft bet lateiniſchen Kirchenſchriftſtellern. 

Illuſion. — Zufag: Musio bedeutet eigentlich Werfpottung 
ober Verhöhnung; daher es die Alten auch zur Bezeichnung der 
Sronie breuden. S. d. W. 

Ilotismus lotismus. 

Imitation. — Zufag: Der Sag: Imitatio deleciat — 
Nachahmung ergögt, und zwar ſowohl den Nachahmenden als den 
Wahrnehmenden — beruht darauf, daß die Nachahmung, wenn fir 
mit Leichtigkeit und Gefhidtichteit gefchieht, ben Xhärigkeitstrieb 
befriedigt, ber in dieſer Beziehung auch felbit ein Nadyahmunge: 
trieb heißt und um fo tegfamer ift, je gefelliger die Menfdyen find 
und durch gefellige Tätigkeit, bie meift unter den Begriff des 
Spieles faͤllt, unterhalten oder beluftigt fein wollen. &. Spiel 

Immanation f. Emanation nebft uf. 

ISmmanent. — Zufag: Manche Pſychologen haben von 
eine Immanenz der Seele und des Leibes gefproden, 
vermöge welcher Seele und Leib, weder einerlei noch gefchieden, 
doch als zwei verfhiebne Dinge in einander fein follen; weshalb 





fie diefe Immanenz aud ein Sneinanderfein nannten. Coke 
Behauptungen laſſen fh aber leichter aufftellen als bemeifen. ©. 


Immemorial Impotenz 537 


(Manes scil. dii s. genii, gute Götter oder Genies) benannt find, 
das eigentlihe Stammmort. 

Immemorial. — Zuſatz: Etwas Andres bedeutet imme⸗ 
morabel, naͤmlich was des Gedaͤchtniſſes nicht werth iſt oder nicht 
erwaͤhnt zu werden verdient, desgleichen was unausſprechlich iſt. — 
Immemorialis kommt bei den Alten nicht vor, wohl aber imme- 
morabilis, was Plautus auch von einem Menſchen braucht, der 
etwas nicht erwähnen oder erzählen will und fich daher ftellt, als 
hätte er ein Gedaͤchtniß in diefer Beziehung oder als wäre ihm. bie 
Sache gar nicht bekannt. 

Immobil. — Zufeg: Immobilis und stabilis, fo wie im- 
mobilitas und stabilitas findet man ſchon bei den Alten. Aber 
Smmobilismus und Stabilismus hat man erft in neuerer 
Zeit gebildet, um die Beftrebungen oder auch die Theorien foldyer 
Menfhen zu bezeichnen, welche die Smmobilität oder Stabilität im 
fteengften Sinne. überall zu behaupten oder wenigſtens zu rech 
tigen und zu empfehlen fuchen. 

Impalpabel f. palpabel und bandgreiflid. 

Imparität. — Zufas: Etwas Andres ift Imparilis 
tät, indem Gellius (N. A. V, 20.) berichtet, Sinnius Ca⸗ 
pito und andre Schriftflellee dieſes Zeitalter hätten durch impa- 
rilitas ebendaſſelbe bezeichnet, was aͤltere Lateiner stribligo (quasi 
sterobiligo quaedam) genannt hätten, naͤmlich den Fehler, ben 
man jetzt mit einem griechiſchen Worte Soloͤcismus nennt. 
S. Soloͤciſten nebſt Zuſ. 

Impaſſibel und impatibel.f. compaſſibel und com⸗ 
patibel nebſt Zuſ. 

Imperiſſabel (von perire, verderben, vergehen, mit dem 
verneinenden in, un — quod perire non potest) — unverderblich, 
unvergaͤnglich, ſteht daher auch fuͤr ewig oder unſterblich. S. 
beides n. 3. Wiewohl nun jenes Wort aus dem Lateiniſchen abſtammt, 
fo findet man doc, bei einem Lateiner imperissabilis oder impe- 
rissibilis. Erſt bei Franzoſen findet man imperissable und bei 
Engländern imperishable, von welchen es dann audy die Deutſchen 
ımnöthiger Weife in ihre Sprache übergetragen haben. 

Imperium in imperio f. Staat im Gtaate 
nebſt Zuf. 

Impietismus f. Pietismus nebft Zuf. 

Amplacabel f. placabel, 

Importunität f. Opportunität 

Impotenz — Zuſatz: Bei den Alten bebeutet impoten- 
ua auch eine zu große Deftigkeit oder Leidenſchaftlichkeit (beſonders 
im Herefchen, daher es auch für. Herrſchfucht oder Despotismus 
ſteht) weil ber Menſch dann feiner ſelbſt nicht mächtig, alfe infos 


558 Impraktikabel Incantation 


em impotent ift; wie Horaz (od. I, 37.) von der Eleos 

' gt" Quhälinet impotens sperare fortunague dulci ebria. 
In diefem Sinne wird jedoch Impotenz jegt nie gebraucht. 

Impraktikabel f. prattitabel 
Imprecation (von imprecari, anbitten ober anminfden, 
ſowohl Gutes als Boͤſes) wird meift von der Anmünfchung des 
Böfen gebraucht, bie man aud) eine Wermünfhung oder Vers 
fluhung nemt. S. d. W. 
Improbabilia non praesumuntur — das Unwabte- 
ſcheinliche iſt nicht vorauszuſetzen — f. Praͤſumtton. — Im: 
probabilitaͤt Unwahrſcheinlichteit. ©. Probabilismus 
und Wahrfheintichkeit n. 32. 

Inactivität iſt das Gegentheil ber Activität (ſ d. W.) 
alſo Unthaͤtigkeit. ie iſt aber meiſt nicht abſolut, ſondern mar 
reiativ zu verſtehn. Denn wenn z. B. ein Beamter durch Ent 
laſſung von feinem Amte ober durch freiwillige Niederlegung beffel- 
ben in Bezug auf ebendiefen amtlichen Wirkungskreis imactiv 
getworden: fo kann er doch in andern Bezichungen noch ſeht activ 
fein. Erſt der Tob macht den Menſchen völlig inactiv, wenigſtens 
für dieſes Leben. Ob auch für ein andres f. Unſterblichkeit n.d. 
In adjecto (scil. contradii f Widerfprug. 
Inappellabel f. Appellation nebft Zuf. 
Inbegriff. — Zufag: Ein Indegr. von wirklichen Die: 
gen heißt ein realer, ein Jubegr. von bloßen Vorftellungen eia 
idealer. In beiden kann die Verbindung ber Einzelheiten, aus 
welchen er. befteht (a, b, ©... .) mehr oder weniger innig u. 
geordnet fein. Es kann alfo immer noch gefragt werden, wie biefe 
Einzeldeiten ſich ſowohl zu einander al6 zum Ganzen verhalten, 











Incarnation Incorporal 550 


Incarnation. — Zuſatz: Vergl. auch Menfhwerbung. 
carnare und incarnalio find barbarifch: lateinifche Ausdrücke, 

Incidenz (von incidere, einfallen) wird nicht bloß von 
umlichen, fondern auch von zeitlihen Einfällen oder Ereignifien 
braucht. Der Augenblid, wo etwas außer oder in uns gefchieht 
infaͤllt ober eintritt) heißt daher ber Sncidbenzpunct Inci- 
ntia ale Subftantiv kommt aber bei den Alten nit vor — 
oincidenz f. an feinem Orte. 

Inciſiv (von incidere, einſchneiden — das nicht von eadere, 
e das vorige, fondern von caedere abſtammt) bebeutet eins 
yneidend, fowohl im eigentlichen als im bitdlihen Sinne, und 
rd im letztern befonders von Urtheilen oder Reden gebraucht, wenn 
ſehr wirkſam (eindringlich) find. — Indeciſiv aber bedeutet 
sentfcheidend als Gegentheil von dbecifiv. ©. Decifion. 
et ben Alten komme tweber incisive noch indecisive vor, obwohl 
sus und incise, 

Sncitament (ineitamentum, von incitare, anregen ober 
reizen) heißt foviel als Erregungsmittel oder Ancıi. ©. Er⸗ 
gbarkeit und Reiz. 

SIncogitabel f. cogitabel. 

Sncommunicabel und incommunicativ f. Com: 
enication nebft Zuf. 

ASucomprebhenfibel f. Comprehenſion. 

Incompreffibel f. Compreffibititde. 

Snconciliabel f. conciliabel. 

Anconteftabel f. Eonteftation. 

Incontinenz f. Continenz nebft Zuf. 

Incorporal (von corpus, ber Körper, mit dem verneinens 
ı im, um) bedeutet unkörperlih, Incorporalitaͤt alfo Unkoͤr⸗ 
lichkeit. S. Körper und koͤrperlich — Incorporabel 
gegen nennt man das, was in einen Körper eingehn ober einem 
bern incorporirt werben kann. Die Incorporabilität darf 
> mit dee Incorporalität nicht verwechfelt werden ©. Ins 
eporation. — Incorporalis findet fih bi Quinctilian, 
fürs Gellius incorporeus fagt. Incorporabilis aber, fo wie 
orperalitas und incorporabilitas, findet man nur bei fpäterm, 
iſt kirchlichen, Schriftftellem, welche auch imcerporatio erſt ges 
vet zu haben fcheinn. Zwar beruft man fih auf Colaum. de 
rust. VI, 2, 13., wo biefes Wort vorkommen und die Lribeds 
haffenheit bedeuten fol. Allein bie Lesart ift zweifelhaft. Denn 
sche leſen jlatt incorporatione gettemnt in corporalione oder gar 
comparalione. Das Zeitwort incorporare finbet ſich Öfter, obs 
W auch nur bei ſpaͤtern Autoren, . 


560 Incorrupt Indifferentismus 


Incorrupt, incorruptibel und incorruptiv f. 
Gorruption. 

Incrimination (von crimen, inis, Verbrechen, Schuld, 
Vorwurf) wird gewöhnlich poſitiv für Beſchuldigung oder Anklage 
in Bezug auf ein Verbrechen genommen, das Jemand begangen 
Haben fol. In bdiefem inne brauchten jedoch die Alten nur das 
einfache criminatio. Bel Tertullian aber ſteht incriminate 
auch negativ, fo daß es Nichtbeſchuldigung oder Schuldloſigkeit und 
Unfträflicpkeit anzeige. Vergl. criminal, auch Schuld und 
Strafen. 33. 

Incubation. — Bufag: Bei den Mechtsgelehrtem bebeutet 
incubatio nad) dem Vorgange des Cod. Just. den uncechtmäßigen 
Befig. Ein folder Beſitzer heißt daher incubator, weicher Auss 
drud dann auch einen politiſchen Ufurpator oder Tyrannen bezeide 
net. So fagt Servius (ad Aen. VII, 266): Apud nos inen- 
bator imperii tyrannos dieitur, und Macrobius (in soma. 
Scip. 1, 10) nysius aulae siculae inclementissimus ineuba- 
tor. — Incabus oder incubo aber bedeutet eine Art von Bruſt 
trampf, ben fog. Alp (cauchemar) weil man audy dieſen als eine 
ſchwere Laft betrachtet, die auf der Bruſt liegt und fie zuſammen 
preſſt. Der Grundbegriff bei allen diefen Ausbrüden ift alſo ims 
mer der eines laͤſtigen Draufliegens. 

Inculpat. — Zufag: Coinculpat heißt der als ange 
licher Mitſchuldiger auch Mitangeklagte. Bei den Alten aber hat 
iuculpatus nur die negative Bedeutung eines Unfchuldigen, wenig: 
ſtens Nichtbeſchuldigten oder Nichtangeklagten; und coincalpatas 
kommt bei ihnen gar nicht vor. 
Indecifiv f. incifiv. 

Sthdemnifation und Bei 





















Inbdiſche Philofophie 501 


waltung abhange, als auch darin, daß man felbft gleichgültig ges 
gen das öffentliche Wohl ijt, Indem man nur an frin eignes denkt. 
Jener Indifferentismus iſt mehr theorerifch, indem cr auf einer bes 
fondern Anſicht von der Stautsverfaffung beruht (ſ. d. W. n. 3.) 
dieſer mehr praßtifh, indem er feine Wurzel im Egoismus hat 
(ſ. d. W. n. 3.) wiewohl ſich auch beide mit einander vereinigen koͤnnen. 
Gegen den polit. Indifferent. der zweiten Art ſcheint hauptſaͤchlich 
Solon's Vorſchrift gerichtet geweſen zu fein, daß bei ausbrechen⸗ 
den Unruhen jeder Buͤrger eine beſtimmte Partei nehmen, nicht 
aber dem Kampfe gleichguͤltig zuſchauen ſolle, um ſich keiner Ge⸗ 
fahr auszuſetzen oder um den Ausgang des Kampfes, wie er auch 
ſein moͤge, zum eignen Vortheile zu benutzen — eine Vorſchrift, 
die an ſich zwar gut, aber nicht immer ausfuͤhrbar iſt, zuweilen 
auch das Uebel durch weitere Verbreitung nur aͤrger machen wuͤrde. 
— Indifferenzpunct aber heißt das Mittlere zwiſchen zwei 
Entgegengeſetzten, was weder das Eine noch das Andre iſt, wie 
der Nullpunct am Thermometer, unter und uͤber welchem die Grade 
der Kaͤlte und der Waͤrme beginnen. 

Indiſche Philoſophie oder Weisheit. — Zuſatz: 
Manche verſtehn unter Brahm oder Brahma, auch Para⸗ 
brahma genannt, das eine und ewige, denkende und ſelende, ſich 
ſelbſt genügende, zugleich ſub⸗ und objective Weſen, das man auch 
das All⸗Eins genannt hat. S. All und Alleinheitslehre 
nebſt Zuſ. — In einigen indiſchen Religionsbuͤchern wird daſſelbe 
Weſen auch Paramatma (der erſte Geiſt) u. Antrojanis (das 
einzige Weſen) genannt, ihm aber zugleich eine Gattin unter dem 
Namen Paraſchakli beigeſellt. — Dabei iſt jedoch zu bemerken, 
daß von manchen Schriftſtellern uͤber die indiſche Weisheit ſechs 
Hauptſyſteme derſelben unterſchieden u. mit ff. Namen bezeichnet 
werden: Sankhya und Yoga, Nyaya und Waiſeſchika, 
Widanta (doc nicht einerlei mit dem unter Byas angeführten 
Bedant?) ober die 1. und 2. Mimanfa, von welchen je zwei 
aus innerer Verwandtſchaft ſich paarweiſe zuſammenſtellen follen. 
In dee Sankhya inſonderheit ſollen drei Erkenntniſſarten (uns 
mittelbare Erkenntniß durch Wahrnehmung — mittelbare durch Fol⸗ 
gerung oder Schluß — und eine dritte durch Ueberlieferung, die 
doch wohl ebenfalls mittelbar waͤre, moͤchte ſie auch urſpruͤnglich 
unmittelbar geweſen fein) und vier Erkenntniffgegenftinde oder Na⸗ 
turweſen (da6 Erzeugende und nicht Erzeugte — das Erzeugende 
und Erzeugte — das Erzeugte und nicht Erzeugende — das weder 
Erzeugte noch Erzeugende — vergl. Erigena nebft Zuf.) unters 
fhieben werben. Es herrſcht aber noch viel Dunkelheit darüber, Die 
ſchwerlich je in volle Klarheit übergehn moͤchte. Man darf ſich das 
ber nicht wundern, wenn in dieſer Lehre bald Pantheismus, bald 

Krug's encpllopäbifchsppilof. Woͤrterb. Bd. V. GuppL 


562 Indispenſabel Indivlduum 


Atomlsmus, bald gar Magnetismus und Somnambulismus gefun⸗ 
den worden. — Äußer den ſchon B. 2. ©. 521 ff. angeführten 
Schriften noch: Gymnosophi dicae philosophjae 
documenta. lleg. edid. enarrav. Chsti. Lassen. Vol. I. 
Fase. 1. Isvara-Chrishnae Sankhya-Caricam tenens. Bom, 
1832. 4. (Iſt der Anfang einer kritiſchen Ausgabe und genaum 
Ueberfegung und Erklärung ber vornehmften in Sanskrit verfafften 
Urkunden der ind. Philof.), — Die Phitofophie der Hindu. Bar 
danta⸗ Sara von Sadamanda, ſanskrit und deutſch, zum erſten 
Mat Überf. und mit Anmerkl. u. Auszz. aus den Schelien des 
Rama: KrifchnasTpirtha begleitet von Dehm. Frank. Leipz. 1835. 
8. — La vie contemplaüve, ascelique et monastique chez les 
Indous etc. Par J. J. Bochinger. Sttaßbutg, 1831. 8. me 
mit noch eine andre Schrift Deff. Sur la connexion de la vie 
eontempl. ascet, et monast, chez les Indous avec, les 

menes semblables de l'islamisme et du christianisme (&bend. 
1831. 8.) zu verbinden. — The mythology of the Hindus ec. 
By Ch. Colemann, Lond. 12. 4. — Essais sur la phil 
sophie des Hindous, par M. T. Colebrooke, tradaits de 
Tanglais et augmentes de fexies sanskrits et de notes par 6. 
Pauthier. Par. 1833—36. 2 Thle. 8. (Am Ende ift auch bir 
philof. Terminologie ber Indier erklaͤtt). — in hieher gehörigeh 
Werk von einem neuern Indifchen Ppilofoph im Zuf. zu Ram 
Mohun Roy. — Zur Verleihung der indifchen Philof. mit ber 
finefifchen iſt noch folgende Schrift zu benugen: Die 
Reichsreligion und die Spfteme ber indifhen Phitofophie in iherm 


Verhältniffe zu Offenbarungslehten ıc. betrachtet von P. F. Stuhr. 
Berl. 1835. 8. 


Indispenfabel. — Zufig: Bei den Alten komm is- 





Indomanie Induction 563 


wauf Einzeldinge, ſei es auf wirkliche in der Geſchichte und der 
tur, oder erdichtete in dee Poeſie und der Kunft überhaupt, bie, 
nn fie volle Wirkung thun fol, nicht bloß idealiſiren, fondern 
ch zugleich individualificen muß. Sonſt verfhwimmen ihre Ge: 
öpfe in's Unendliche, ald wären es bloße abstracta. Unter Ins 
vidualismus aber verfteht man auch das Etreben nad Vers 
zelung oder Iſolirung in den Lebenszweden, mithin einen dem 
porations⸗ ober Affocintione: Geifte entgegengefegten Geift, ber 
ch wohl zum Egoismus führen kann. S. d. W. n. 3. Auch vergl. 
ichtzuunterſcheidendes und Leibnitii disput. de prin- 
no individai, Leipz. 1663. 4. N. A. mit einer krit. Einleit. 
a Buhrauer. Berl. 1837. 8, 

Indomanie (meugebildet, von Ivdoc, dem Namen des 
Ben Fluſſes in Afien, von welchem Indien [jest Oſtindien zum 
terfchiede von MWeftindien in America] fowie auch die Bewohner 
es Landſtrichs benannt find, und zuurın, Wahnfinn, Wuth) be: 
chnet ein altes Worurtheil, das man auch als eine Art von Geis 
Berankheit betrachten könnte. Denn fchen im Alterthbume gab es 
te, welche in alled Indifche gleihfam vernarrt waren, weil fie 
inten, Indien fei die einzige echte Quelle aller menſchlichen Weis: 
t, Bildung und Geſittung. Es giebt indeß auch jegt mac) folche 
abomanen, felbjt unter den Philologen und Hiſtorikern. Vergl. 
diſche PHilofophie nebft Zuf. 

In dubio mitior sententia est praeferenda — in 
eifelhaften Faͤllen ift das mildere Urtheil vorzuziehn — iſt ein 
rundſatz der Gerechtigkeit und Billigkeit, durdy welchen die Straf: 
valt vor der Gefahr, einen Unfchuldigen zu beftrafen, bewahrt 
den fol. Co lange daher noch ein Zweifel ftattfindet, ob der 
es Verbrechens Angeklagte wirklich deſſelben ſchuldig fel: darf aud) 
vom Gefege für jenes beftimmte Strafe nicht an ihm vollzo: 
s werden, am wenigiten wenn bie Todesjtrafe darauf gefeht waͤre. 
er es iſt auch zugleich eine Pflicht der Humanitit, im gemeinen 
ven über Andre milder zu urtheilen, wenn über ihre Handlun: 
s und beren Zwecke noch Zweifel obwalten. Der andermeite 
ı6: In dubiis libertas — im Zweifelhaften Sreiheit — bezicht 
y auf Urtheile überhaupt, befonders in Glaubens⸗ oder Religions⸗ 
ben, wo ber Zwang um fo ungerechter und widerſinniger ift, je 
geroiffer das ift, was man Andern als einen Glaubensartikel vor: 
& Berge. Henotik nebſt Zuſ. 

Induction. — Zuſatz: Im Griechiſchen heißt ein in⸗ 
etiver Beweis aud) (von euassv, inducere) was 
ı azayayn wohl zu unterfcheiden if. S. apagogifher Bes 
16 nebft Zuf. — Wegen der Inducianer und des Indus 
ınismus vergl. auch Trabucianen. gg. 


564 Induſtrie Infinit 


Induſtrie. — Zuſatz: Wegen des ſaint⸗ſlmoniſti⸗ 
ſch en Induſtrieſyſtems f. Simon. Auch vergl, die Schrift von 
Frdr. Bülau: Der Staat und die Induſtrie. Leipz. 1834. 8. 
Sie fliegt fih an deffen frühere Schrift: Der Staat und der 
Landbau, genau an. Wie mag ed aber zugchn, daß man das ®. 
Induſtrie immer nur auf ftädtifhes Gewerbe bezieht, ungeachtet der 
Landbau ein Hauptgewerbe iſt, ohne welches die übrigen nicht cin: 
mal beftehen könnten und bei welchem Fleiß und Betriebſamkeit 
(industria) im volleſten Maße Anwendung finden ? 

Sneinanderfein f. immanent, uf. 

Ineins bildung im eigentlichen inne ift die innige Ver⸗ 
bindung mehrer Bilder zu einem einzigen, wie der Figuren einer 
Gruppe in einem Gemälde. Im uneigentlihen inne aber hat 
man aud) fo die Anſchauung des Abjeluten, in welchem Gubjetr 
ves und Obiectives, Ideales und Reales, eind und daſſelde fin 
fol, nach dem Sprachgebrauche des abfoluten Jdentitätöfpftems oder 
der Alleinheitslehre genannt, ©. d. W. nebft Zuf. 

Inerz (inertia, von ars, tis, bie Kunft, mit dem verwis 
nenden in, un — oder zunaͤchſt von iners, tin) bedeutet eigentlich 
Unkünftticjleit oder Ungeſchicktheit. Weil aber dieſe theiis Feis 
theils Urſache der Unthaͤtigkeit oder Traͤgheit iſt, fo verſteht min 
auch letztere daruntet. Darum überfegt man vis inertine gemöhe 
lich durch Traͤgheitskraft. S. Traͤgheit. Wenn man das Inerte 
dem Spontanen entgegenſetzt, fo verſteht man unter jenem das, 
was nicht fich ſelbſt beſtimmt oder aus cigner Kraft wirkt (qued 
non sponte 8. propria vi agit) fondern nur dem Zuge einer am 
dern Kraft folgt; wie eine von Menfchen ober Thieren fortgetsagne 
oder fortgezogne Laſt. Inertismus aber, bebeuter Übrrhaige an 





Inflexibel Inhalt 565 


indefinitus bildete die barbariſch⸗-ſcholaſtiſche Latinitaͤt die Haupt⸗ 
wörter infinitado und indelinitado, um bie Unendlichkeit und die 
Unteftimmtheit zu bezeichnen. Intinitesimus und infinitesimalis 
find auch folhe Wortgebilde, um unendlih Kleine Größen ober 
Größentheile (quantitates 8. partes infinitesimae, fonft auch infi- 
nite parvne s. indivisibiles genannt) und die Berechnungsart der: 
felben (calculus s. logarithmus infinitesimalis) zu bezeichnen, die 
nah Einigen Feibnig, nad Andern Newton erfunden haben 
fol, die aber nicht weiter hieher gehört. Vergl. indeß beide Na: 
men und bie leipziger Acta eruditorum a. 1684. p. 467., wo £. 
fetbft davon Nachricht gab. 

Inflexibel f. fleribet. 

Infralapfarier und Supralapfarier (von lapsus, 
bee Gall, befondere der Suͤndenfall, infra, unter, nachher, und 
supra, über, vorher) find gleichfalls burbarifch=fcholaftifhe Aus: 
druͤcke zur Bezeichnung theils derjenigen, welche behaupten, daß 
Gott erft nad) dem Suͤndenfalle der erfien Menſchen Einige zur 
Seligkeit und Andre zur Verdammniß vorausbeſtimmt (prödeftinict) 
Habe, theils derjenigen, welche behaupten, daß dieß ſchon vor dem 
Sündenfalle geſchehen fei. Es ift aber freilich die eine Behauptung 
fo unerweislich als die andre. S. Prädeftinatianer und Suͤn⸗ 
denfall nebſt Zuſſ. 

Ingeneration ſ. Einzeugung. 

.. Ingredientien (ingredientia, von ingredi, eingehn, ober 
zunaͤchft von ingrediens, eingehend) heißen die innern Beſtandtheile 
ciner Sache, weil einer mit dem andern ſich ſo genau verbindet 
(gleichſam in ihn eingeht) daß fie nun zuſammen eben dieſe bes 
flimmte Sache bilden. Die Ingredientien einer Wiſſenſchaft (z. B. 
der Philofophie) find deren Grund: und Folgeſaͤtze. Man nennt 
fie aud) wohl Elemente, obgleich dieſer Ausdruck eigentlicy die 
eeflen oder urfprünglihen Beftandtheile der Dinge be 
zeichnet. ©. Beftandtheil und Elementen. 3. zu dieſ. 

Inhabitation oder Snwohnung f. Einwohnung. 

Inhalt. — Zufag: Daß Inhalt u. Umfang ber Begriffe 
In einem umgekehrten Verhältniffe zu einander ftehn, wie [hen un: 
ser Begriff nebit Zuf. bemerkt worden, hat neuerlich Bolzano 
in ſ. Wiſſenſchaftsl. B. 1. S. 120. zu widerlegen gefucht, aber 
aus unzureichenden Gründen. Der Inhalt des Begriffs einer run⸗ 
den Kuyel ſoll größer fein als der Begr. einee Kugel uͤber⸗ 
haupt, obgleich der Umfang beider Begriffe genau berfelbe ſei. Lets 
teres iſt wohl wahr, aber nicht Erſteres. Denn da eine Kugel nur 
als rund gedacht werden kann, fo iſt runde Kugel fein über: 
fülltee Begriff, wie er fagt, fondern .ein überfüllter Ausdrud, ein 
Pleonasmus, durch welchen dee Begriff ſelbſt gar niche verändert 


566 " Inhaͤrenz 


wird, alſo auch keinen groͤßern Inhalt bekommt. Die Kugel tk 
und bleibt ein runder Körper, man mag Kugel ſchlechtweg ober 
runde Kugel fagen. Sonſt könnte man durd unendliche Wieder⸗ 
holung des W. rund den Inhalt des Vegriffs in's Unendliche ve» 
mehren. Ebenſowenig beweiſt die zweite Inftanz, wo gefagt wird, 
daß aus der Vorftellung „eines Menfhen, der alle europdifde 
Sprachen verfteht”, duch den Zuſatz „lebende“ die neue Bor 
ſteilung „eines Menſchen, ber alle lebende europaͤiſche Sprachen 
verfteht,” entfpringe, bie gewiß mehr Inhelt und aud) einen gr 
Fern Umfang als die vorige habe. In der Mirklichkeit mag es 
wohl mehr Menfchen geben, welche nur alle [chende europäiiie 
Sprachen verftehn, als folhe, welche alle verftehn, felbft mit Eins 
ſchluß der ätteften, die Längft ausgeftorben find und fein Denkmal 
ihres Daſeins hinterlaffen haben. Denn da giebt es eigentlich gar 
teinen fo ſprachkundigen Menfchen. . Allein hierauf Tommt and 
nichts an, wenn in ber Logik von Inhalt und Umfang der Be 
geiffe die Rede iſt. Der höhere und weitere Begriff in der ange 
gebnen Hinfiht iſt ber von Menſchen, die überhaupt europäifge 
Sprachen verfichn, unbeſtimmt, weiche und wie viel. Die nieder 
und engern Begriffe aber find die von Menfchen, die nur lebende 
oder nur todte ober beide Arten von europdifhen Sprachen ver 
ſtehn, ſoweit dieß möglich ift. Denn das auszumitteln, iſt lebige 
lich Sache der Erfahrung. Werden alfo die Begriffe bloß aus dem 
logiſchen Standpuncte betrachtet: fo wird allemal der, welcher den 
einen Inhalt hat, den größern Umfang haben, der hingegen, 
welcher den größern Inhalt hat, den Beinen Umfang, indem, 
wenn man zu den gegebnen Elementen ober Merkmalen (b & €) 
eines Begriffs (A) noch ein anderweites (d oder. e) Binzubenlguke 
Begriff das nicht mehr unter fih befaffen fan, was 





Inhospitalität Inneres Leben 567 


SInhospitalität f. Hospitalitaͤt nebft Auf. 

Bnhumanität f. Humanität nebft Zuf. 

Snintelligibel f. intelligibel, Intellect und In: 
telligenz. 

nitiative. — Zuſatz: WVergl. Friedt. Murhard's 

Schrift: Die Initiative bei der Geſetzgebung. Beleuchtung der 
Frage: Wer ſoll die Geſetze vorſchlagen in der Staatsgeſellſchaft? 
Kaſſel, 1833. 8. Handelt im Anhange auch von der Ausübung 
a peitionsrecte6 durch öffentliche Volksverſammlungen und freie 

ne. 

Anitiiren. — Zuſatz: Initiare bedeutet auch zumellen 
ſchlechtweg anfangen, gewöhnlicher aber in die Anfänge (initia) einer 
Lehre oder Kunft, auch einer geheimen oder magifchen, einweihen; 
und baher wird von chriftlichen Kirchenfchriftftelleen initiatio und 
Initiatus audy von ber Taufe und dem Getauften gebraucht, weil 
biefee durch jene gleihfam in bie Myſterien des Chriſtenthums zuerſt 
eingeweiht wird. 

In magnis voluisse sat est — im Großen gewollt zu 
haben genügt — iſt ein zwar fehr gewöhnlicher, aber auch fehr 
swoeldeutiger Lob: und Troſtſpruch bei mislungenen Unternehmuns 
gen. Den einmal fragt es fih, ob das Große, das man ges 
wollt, auch aut war. Sonſt wäre der darauf gerichtete Wille felbft 
Bein guter geweſen; wie bei den großen Unternehmungen hab» und 
berrfchfüchtiger Eroberer. Sodann ift das bloße Wollen auch nod) 
nicht hinreichend. Der Wille muß fi) doch wirkſam beweifen; bie 
hat muß ihm doc, einigermaßen entfprechen, wenn er lobenswerth 
fein fol. Sonſt wäre er ja kein Eräftiger, ernſtlicher und beharr⸗ 
cher Wille; und der Mangel an diefer Energie wäre vielleicht felbft 
Die Haupturfache des Mislingens geweſen. Dbiger Sag kann alfo 
wohl nur fo viel bedeuten, daß, wenn man etwas Großes und 
Gutes gewollt hat, an der Ausführung aber durch zufällige Um: 
fände, die man weder vorausfehn noch uͤberwinden Eonnte, gehins 
dert worden, doch jener Mille immer noch etwas Lobenswerthes fel. 

Anneres Leben heißt überhaupt das geiftige oder Seelen⸗ 
leben als Gegenfag vom Eörperlichen oder leiblichen; weldyer Gegen⸗ 
ſat doch nicht ausſchließlich zu verſtehn. &. Leben und Seele, 
auch Gemeinfchaft der Seele und des Leibes, nebft Zuff. 
Am engem inne aber verſteht man darunter das befchaulich > 
gemüthlicye Leben der Myſtiker und andrer veligiofen Schwärmer; 
wobei fie fich wohl auch eines befonden (von oben kommenden) 
inneren Lichtes rühme. S. Myſtik und? Schwärmerel, 
auch Heſychaſten und Triade nebft Zuff. Weber jenes Leben 
ſchrieb Fenelon ein eignes Bud, das aber vom Papſte ver: 
dammt wurde. ©. Fenelon nebft Zuf. 





508 Innovation Inquiſitlon 


Innodation (von innovare, erneuern) bebeutet bie Eis⸗ 
führung eines Neuen, die gewoͤhnlich mit ber Aufhebung oder mes 
nigftens Veränderung eines Alten verbunden iſt, je nachdem das 
Meue mehe oder weniger bedeutend und umfaffend iſt. Db ſolche 
Neuerungen heilſam oder verderblich, kommt auf bie Umftände an. 
©. neu und Neuerung. 

In omnibus aliquid, in toto nihil — in Alm 
etwas, im Ganzen nichts — iſt eine Sentenz, welche den Fehler 
ber Vlellernerei oder Vielmwifferei, aud wohl ber Viel⸗ 
thuerei, bezeichnen fol. S. Polphiftorie- und Poly⸗ 
pragmofyne nedſt Buff. 

Inopportunität f. Opportunität. 

Inordination (von onlinare, ordnen) kann zweierlei bes 
deuten, je nachdem man in pofitiv für ein ober negativ für us 
nimmt. Im erften Falle bedeutet es Einordnung (f. d. W) 
im zweiten Unordnung (f. Ordnung). Bei den alten Glaffs 
tern kommt inordinatio gar nicht vor, bei ben fpätern Lateinerm 
aber nur in der legten Bedeutung. 

In parvis scil. disputatio iſt ein Meinungsftreit über 
Kleinigkeiten; aud nennt man fo die Schedel: Disputationen (über 
theses, quae in schedulis scripiae sunt) welche melft von jun 
gen Rechtsgelehrten gehalten werden. In England nennt mus 
folche Disputationen auch ſchlechtweg Parvis, Uebrigens vergl. Diss 
putation nebft Zuf. 

In quantum oder in tantum, ober auch beides jü- 
fammen, wobei bald jenes bald dieſes vorausgeht, bezeichnet eine 
Belhränfüng, wie das deutſche infofern oder infoweit ar 
nah Maßgabe 

Inquifition. — Zufag: Wiewohl bie, inquisitie ver & 


Snfcenz Suftructton 509 


nur allein In Spanien 500,000 Familien vernichten worben fein. 
Und doch wird dieſes Gericht noch immer von Manchen verthels 
digt und fogar defien Derftelung gewänfht! S. Briefe an einen 
ruſſiſchen Edelmann über die fpanifche Inquiſition. Vom Grafen 
Joſeph de Maiftre Aus dem Franzoͤſ. Mainz, 1836. 8. 
Hier foll fogae die Nothwendigkeit eines ſolchen Inſtituts erwieſen 
werden. Der Verf. iſt aber überhaupt ein großer Liebhaber von 
Mibbraͤuchen und Unrechten, wenn fie nur alt und gewiflen Leus 
ten nuͤtzlich find. So vertheidige er auch die Käuflichkeit des Rich⸗ 
teramtes, die fonft in vielen Staaten ftattfand und allerdings viele 
zeiche Leute noch mehr bereicherte, von der Göttin Themis aber 
fo laut gemisbilligt wurde, daß man fie ebenfo, wie jene Inquiſi⸗ 
don, abſchaffen muffte. 
Inſcienz, das Gegentheil von Scienz, f. ſcibel. 
Inſenſibel f. fenfibei und empfindbar. 
Inſichſein brauchen einige neuere Philofophen, um das 
Fuͤrſichbeſtehn oder Sichfelbfegen eines Dinges zu bezeichnen. ©. 
Selbſetzung. In der Sprahe der Myſtiker bezeichnet es auch 
das innere Leben. ©. d. Art. 
Inſinuiren (insinuare, von sinus, ber Buſen) bedeutet 
eigmtlih in den Bufen fteden, dann überhaupt in etwas eingehn 
ober eindringen, auch in das Herz oder die Sreundfchaft eines Ans 
bern, durch Gefälligkeiten, Schmeicheleien, Geſchenke ıc. Daher 
fügt man auch, fih bei Jemanden infinuiren. Zuweilen 
ſteht es jedoch für befanntmachen, befonders durch eine Schrift, bie 
Jemanden eingehändigt wird. Ebenfo das Subft. Infinuation. 
Inſociabel ift das Gegentheil von ſociabel. ©. focial 


uf. 

SInfolubel u. infolvent f. Solution u. Solvenz. 

Inſtanz. — Zuſatz: Die Losfprehung von der In⸗ 
ftanz (absolutio ab instantia) ift nur eine bedingte ober unvolls 
ſtaͤndige, auf welche noch eine andermweite Unterfuchung der Sache 
and dann auch Verurtheilung nad Befinden der Umftände eintres 
ten kann, während die Loſpr. von der Sache (absol. a causa) 
unbedingt und vollitändig ift, mithin eine neue Unterfuchung der⸗ 

Sache und folglih auch Verurtheilung bes fo Losgefprochnen 

gten außsfchließt. — Bei den Alten bedeutet instantia theils 
Gegenwart (instans tempus) theil® ein gewiſſes Ans Ein» oder 
Zudringen, und daher auch Aemfigkeit, Heftigkeit, Inftändigkelt im 
Arbeiten, Reden, Bitten, Fodern ıc. - 

Snftruction (von instruere, einrichten, anorbnen) bedeu⸗ 
tet ſowohl die Einrichtung einer Sache, als die Unterweilung einer 
Perſon. Daher nennt man Vorträge oder Bücher vorzugsweiſe 
inftructiv, wenn fie ſehr beiehrend find. Die amtlihen In: 


570 Inftrument Intempeſtiv 


ſtruetlonen find auch nichts andtes als Anweiſungen zur ordent⸗ 
iichen Führung eines Amtes, damit der Beamte ſich nicht mit der 
uUnwiſſenheit in Anfehung defien, was er zu thun habe, entſchul⸗ 
digen koͤnne. Eben fo werden Gefandte und andre Agenten inſtruict. 
Wer ein Lehramt, befonders ein philofophifhes, zu ver 
walten hat, muß ſich feibft dazu inftruiren, da ihm im dieſer Hin: 
ſicht keine befondern Anmweifungen gegeben werden koͤnnen, ausge 
nommen was gewiffe Aeußerlichkeiten dabei betrifft (Amtskleidung 
wenn eine ſolche vorgeſchtieben, Zahl ber Lehrftunden ıc.). Dem 
daß man ein ſolches Amt treu und fleißig venvalten foll, ift nur eine 
allgemeine fittliche Vorſchrift, bie ſich eigentlidy von felbft verſteht. 

Inftrument (von demf.) bedeutet eigentlich jedes Mertens 
oder Hülfsmittel zur Hervorbringung einer Sache oder zu andern Win 
&ungen. Daher inftrumental— werteuglih, und Inftrumens 
talcaufalität— werkzeugliche Urſachlichteit oder Wirkſamkeit, die 
immer eine andre als erſte oder principale vorausfegt, welche das 
Inſtrument braucht ober anwendet; wie der Maler den Pinfel zur 
Ausübung feiner Kunft braucht. S. Urſache n.3. Wegen der Ins 
firumentalmufit und Snfteumentalphilofophie f. diek 
Ausbrüde felbft. 

Integrität. — Zufag: Von derſelben Abftammung ii 
das Adj. integral, welches man vorzüglich von den Theil 
braucht, aus welchen ein Ganzes als ſolches hervorgeht ober beſteht. 
Die Integrattheite heißen daher auch Beftanbtheile ade, 
wiefern fie einander ergänzen, Ergänzungstheile. Doch um 


terſcheiden Manche die legteren als gleihartige ober homogene von 
erfteren als ungleichartigen oder heterogenen. &. Ergänzung — 
Die Integralrechnung als höhere mathematifche Wiffenideft 

En r n 





Inter arma silent leges Interlocution 571 


Inter arma silent leges, — Sufas: Dieſer Grund» 
fa wirb von Cicero (or. p. Mil. c, 4.) vorzugsweiſe auf das 
Motbrecht oder das Recht der Nothwehr bezogen, welches auf einem 
Geſetze beruhe, das nicht pofitio (lex scripta) fondern natuͤrlich 
(nata) fei, naͤmlich: Ut, si vita nostra in aliquas insidias, si in 
vim, si in tela aut latronum aut inimicoram ihcidisset, omnis 
honesta ratio esset expediendae salutis — was auch ganz richs 
tig iſt. S. North nebft Zuf. u. nothgebrungen. 

Anterceffion oder Intervention. — Zuſatz:t Inter⸗ 
ceffioniften oder Interventioniſten heißen diejenigen Polis 
tiker und Stantsphilofophen, welche den Stantsregierungen ein uns 
bedingtes oder abfolutes Recht der Zwifchenkunft in die Streitigkei⸗ 
ten andrer Staaten beilegen. Dan Eönnte fie daher auch zu den 
Abfolutiften zählen. ©. Abfolutismus und Coopera> 
tion nebft Zuff. 

Interdict. — Zufag: Zuweilen bedeutet interdictum aud) 
eine bloß vorläufige oder interimiftifche Verordnung. Die bei ben 
Alten fo häufig vortommende interdictio aquae et ignis, auch in- 
terdietio finium genannt, bedeutet eine Verbannung aus ganz Ita⸗ 
ten, fpäter fogar aus bem ganzen römifchen Reiche. 

Intereſſe. — Zufag: Wenn von einer Moral des Ins» 
tereſſes bie Mebe iſt, fo verfteht man darunter eine in eine bloße 
Klugheitslehre verwandelte Sittenlehre oder eine egois 
ſtiſche Moral. ©. diefe Ausdrüde. Wenn man aber Jemans 
ben einen Intereffenten nennt, fo verfieht man darunter bloß 
einen bei einer Sache Betheiligeen. S. Betheiligung. Dage 
gen nimmt man intereſſant und intereffirt gewöhnlich nicht 
in biefer Bedeutung, ob es gleich möglich iſt, daß der Intereſſent 
auch dieſes beides fei. S. beides. Im Sranzöfifchen bebeutet jedoch 
interesse ſowohl den Intereſſenten als den Intereſſirten. Und fo 
wird Iehteres auc, genommen, wenn man fagt, daß man bei einer 
Sache oder Unternehmung mit intereffirt fe. — Die niederen 
Intereſſen, welche ſich auf das ſinnlich Angenehbme und Nügliche, 
das nad) Geld Schäsbare und ducch Geld Erwerbliche, alfo auch 
auf das Geld felbft beziehn, heißen auch die materialen, bie 
höheren aber, welche fi) auf das Wahre, Schöne und Gute, 
auf Wiſſenſchaft, Kunft, Sittlichkeit und Religion beziehn, bie 
geiſtigen Intereffen. Die Mehrheit der Menſchen wird natuͤr⸗ 
lich ſtaͤrker von jenen als von bdiefen angezogen. Daher „Die 
Herrſchaft der materialen Sntereffen,” über die Polis 
in den Jahrbb. der Gefch. ıc. 1838. Sun. ©. 1 ff. ſpricht. 

Interimiflifch f. peremtorifch nebfl Zul. 

Snterlocution (von inter, zwiſchen, und loqui, veben) 
bedeutet eigentlich jede Zwiſchenrede, vorzüglich abes eine gerichtliche, 


572 Snterminabel Interpretation 


die man auch einen Bmifgenfprud (sententia Judicls Interloen- 
toria) ober ſchlechtweg ein Interlocut nennt. 

SInterminabel und Intermination f. Termi- 
aus, Zuſ. 

"Intermiffion (von inter, zwiſchen, unb mittere, ſchicken) 
bedeutet jede Unterbrehung oder Nachlaſſung in Arbeiten, Unter: 
nehmungen, Krankheiten, befonders in Fieber und Raferei. Wird 
es von ganzen Reden gebraucht, fo bedeutet e8 nicht eine Unter 
brechung ber Meden felbft, fondern eine Abmethfelung zwiſchen be: 
wegtern und tuhigern Stellen ober zwiſchen Lingern und kuüͤrzern 
Sägen, weil die ruhigen Stellen und bie kürzen Sätze ſowohl 
dem Redner als feinen Zuhörern eine gewiffe Erholung gemähren. 
Wer immerfort in langen und leidenſchaftiichen Perioden ſprechen 
wollte, würde nicht nur ſelbſt bald ermüden, ſondern auch feinen 
Zuhörern Läftig werben. 

International (von inter, zwiſchen, und matio, "nie, 
Som iſt ein neugebildeter Runftausdrud zur Bezeichnung des Voͤl⸗ 

terredhts (jus internationale) und der Voͤlkervert raͤge (parts 
S. beides n. 33. 
llation (von interpellare, zwiſchenteden, unter 
brechen, aud überhaupt anceden oder anfpredhen) bedeutet nicht bich 
bie Unterbrechung einer fremden Rede durch eine Zwiſchenrede, wie 
fie ſowohl im gemeinen Leben als auch in oͤffentlich berathenden 
Verſammlungen häufig vorkommt — ungeachtet es von Rechts mer 
gen nicht geſchehen follte, außer wenn ein Redner fich fo vergeht, 
daß er zur Ordnung gerufen werden muß — fondern audy jede Ans 
rede, um Jemanden zum Sprechen oder aud zum Handeln aufs 
aufodern, wi gleichfalls in folhen Verſamml— nicht ſeltea 
* Mini 2 * 





Intervall Intransmiſſibel 573 


Intervall (intervallum, von inter, zwiſchen, und vallas, 
ein Pfahl) bedeutet in oͤrtlicher Beziehung einen Zwiſchenraum 
(interv. locale) im zeitlicher eine Zwiſchenzeit (interv. tempo- 
rale). S. Raum und Zeit n.3. Das tonifche Intern. bezieht 
fi) auf den Abftand oder Unterfchieb der Töne von einander in der 
fog. Tonleiter; worüber die Akuſtik Auffchluß zu geben bat. Die 
Iacida intervalla aber find nicht lihte Zwiſchenraͤume, wie 
man zu fagen pflegt, fondern vielmehr lichte Zwiſchenzeiten 
der Wahnfinnigen oder der Gemuͤthskranken Überhaupt, gleichfans 
Daufen ihres krankhaften Zuftandes, wo fie ebenfo wie geiftig Ge⸗ 
funde reden und handeln. Je länger dieſe Paufen dauern, beflo 
mehr iſt in ber Regel Genefung zu hoffen. 

Antbronifation f. Dethronifation. 

Antimidiren (neugebildet, von timidus, furchtſam) bedeu⸗ 
bet Semanden in Furcht (in timorem) fegen oder zu fürchten mas 
chen, einſchuͤchtern. In der Regel ift dieß allerdings unrecht. Wenn 
aber der Staat Strafgefege giebt: fo follen biefe zwar auch ins 
fofern intimidiren, als die Androhung einer Strafe den, der nicht 
aus freiem und gutem Willen fich verbrecherifchher Handlungen ent» 
Hält, wenigftens durdy Furcht vor der Strafe davon abhalten foll. 

in deshalb ift man noch nicht befugt, jene Sefege als bloße 


Antimidations= oder Einſchüchterungs-Geſetze zu be . 


zeichnen. Denn dieß würden fie nur dann fein, wenn entweder 
ganz unſchuldige Handlungen zu Werbrechen geftempelt ober auch 

verbrecherifche Handlungen mit zu harten, alles Strafmaß übers 
fhreitenden, und wohl gar in's Barbariſche und Graufame fallen» 
den Strafen belegt würden. Ein folhes Schredensfpftem, 
wie es die Freunde ded criminaliftifhen Terrorismus bin 
und wieder aufgeftellt haben, wäre dann freilih auch ein tadelnds 
werthes Intimidations » Syftem. S. Strafe, Strafs 
gefes und Strafrecht n. Zuſſ. 

Antimität (neugebildet, von intimam, das Innerſte, quod . 
intus est, alfo ganz verfchieden von eyzıoy, das Geehrte, quod 
in konore [ev uur)] est, obmohl ein intimus ein evrıuos und 
ein evsıuos auch ein inimus fein ann) bedeutet ſowohl Inner⸗ 
lichkeit als Innigkeit, Lesteres infonderheit, wenn von Gefühlen, 
wie Freundſchaft, Liebe, Dankbarkeit, Achtung ıc. die Mebe iſt. 
©. Inneres und innig. Davon flammt auch ab das neuges 
bildete Wort intimiren — offenbaren, kundmachen, in der Ge⸗ 
sichtöfprache auch vorladen. Eine folhe Intimation kann wohl 
zugleich eine Intimidation fein oder Zurcht erwecken, ift aber 
doch von biefer an ſich verfchieben. S. den vor. Ark, 

Intractabel f. Zractat, Zuf. 

Intransmiffibel f. ram amiffibel 


574 Intriten In verbis simus faciles etc. 


Intriken (franz. intrigues, von intricare,, verwideln, ver⸗ 
teirren, und dieſes von tricae, Poffen, Nartenftreihe, die wieder 
ihren Namen von ber deshalb berüchtigten Stadt Triea in Apulim 
haben ſollen) find allerlei Kniffe oder Raͤnke, durch welche man 
Verwirrung oder Zwieſpalt zu fliften fucht, fei es, um fi bieß 
daran zu ergößen, oder um daraus Vortheil zu ziehen (im Trüben 
zu fiihen). Wer dieß thut, heißt daher ein Intritant. Leider 
bat es dergleichen aud) unter den Philofophen gegeben, befonders 
wenn es darauf ankam, Beifall zu erhaſchen und eine Schule a 
fliften, die andre Schulen verdunkeln ſoilte. Daß ſolches Verfahren 
eines Philofophen unmwürdig, bedarf wohl keines Beweiſes. — Im: 
trikat heißt ſoviel als verwickelt oder verworten, wiewohl auch 
Menſchen fo genannt werden, vie das Intrikate lichen und dr 
durch felbft zu Intrikanten werden, 

Invection (von invehere oder invehi, hineinführen, anfahren 
bebeutet im eigentlichen Sinne Einführung oder Anfahrung einer Sache. 
Wie wir aber im Deutſchen das W. anfahren auch in einem be 
fondern bildlichen Sinne brauchen: fo fand dieß bei den Roͤmera 
gleichfalls flat, indem invehi in aliquem foviel bedeutete als Ir 
manden anfahren oder auf ihn losziehn mit Worten. Darum 
nannte der Geſchichtſchreibrr Ammianus Marcellinus, dr 
freilich erſt im 4. Jahrh. nach Chr. lebte, eine ſolche Rebe invectira 
oralio; und fo brauchen wir noch jetzt das W. Invective. Die 
leidenſchaftliche Heftigkeit und Bitterkeit, die im ſolchen Reden ge: 
woͤhniich waitet und ben Redner oft zu Schmaͤhungen und Ber 
leumdungen verleitet, iſt allerdings immoralifh und alfo aud um 
philoſophiſch. Dennody haben auch Phitofophen fich zuweilen gegen 
einander dergleichen Invectiven erlaubt und dabuch, zwar nicht bie 





Inverſlon Jon⸗ 575 


re — In Worten nehme man's leicht, wenn man nur in ber 
Sache einſtimmt — iſt zwar ein alter Ausſpruch (denn ſchon Ci⸗ 
cero de ſin. UI, 16. ſagt: Re intelleeta in verborum usu fa- 
ciles esse debemus) aber boch, zu allgemein genommen, ein bes 
denklicher Grundfag. Denn aus biefer Leichtigkeit (Gefaͤlligkeit ober 
Nachgiebigkeit) im Wortgebrauche Eönnte wohl Leichtfinn oder Will⸗ 
Chr, folglich Misbrauch der Worte werden, und daraus wieder Miss 
verftand und Irrthum entſtehn. Hoͤchſtens kann jener Grundfag 
im gemeinen Lebensverkehre gelten, wo man oft feinen Zweck ganz 
verfehlen würde, wenn man die Worte erjt gleich den Ducaten auf 
die Goldwage legen wollte; ungeachtet auch bier, infonderheit bei 
Abfaffung fchriftlicher Berichte oder Verträge, der Wortgebrauch nicht 
zu leicht genommen werden barf. Allein die Wiſſenſchaft fol es 
mit den Worten zur Bezeihmmg ihrer Begriffe, Grund: und Folge⸗ 
füge, allerdings möglichft genau nehmen. Hier koͤnnte man alfo 
wohl eher fagen: In verbis simus diſſiciles — aber freilich auch 
. nicht nimis difficiles, weil das ein anderes Ertrem wäre, aus dem 
leicht eine unnüge Wortmäkelei und leere Wortftreitigleiten entfliehen 
koͤnnten. Vergl. Logomadie n. 3. . 

Inverfion. — Zuſatz: Bei den Alten bedeutet inversio 
auch foviel als ulimyopın. ©. Allegorie n. 3. 

In 7ino veritas — im Bein iſt Wahrheit — ſ. 
Wein, Zuf. 

Inviſibel f. vifibel 

Inwohnung f. Einwohnung. 

Johann oder Johannes. — Zuſatz: Wegen eines Jo⸗ 
hannes Scholafticus, der ald Moͤnch um's 3. 600 gelebt und 
ein Buch gefchrieben habın fol, in welchem 30 Stufen angegeben 
werden, um nad und nad zu ben Pforten bes Himmels zu ges 
langem — weshalb er auch Johann der Pförtner genannt 
wird — f. Joͤcher's Gelehrten-Lexikon, Th. 2. ©. 1941. — 
Johannes Dunftonenfis = Joh. Duns Scotus ©, 
ben lezten Namen. 

Son von Chios (Toy 6 Xiog == Atos, denn die Inſel 
beißt Xioc mit kurzem ı) Sohn des Orthomenes, geb. um die 
74. und geft. um die 89. Olymp., kam frühzeitig nah Athen und 
eignete ſich Hier attifhe Bildung an. Auch nahm er Theil am 
Studium der Philofophie, fo jedoch, daB er vorzugsweiſe bie pytha⸗ 
gorifche Lehre mit der ionifhen auf eine eigenthümliche Weife zw 
werfhmelzen ſuchte. Diefe neue Lehre (die man alfo bie indivi⸗ 
Bualsionifche Phitofophie nennen koͤnnte, um fie von der ges 
meinfamen zu unterfdeiden, welche dee folg. Art. beſpricht) ent» 
wicklte 3. in einer Schrift, Texaypos benannt, von bee Drelzahl 
der Dinge ober des Seimden (mr ovzwr) indem er alle Erſchel⸗ 


576 Joſeph I. 


nungen berfelben ber ovveoıs (Verſtand, Einſicht) dem xgaros 
(Kraft, Stärke) und der zuyn (Gluͤck, Geſchick) unterorbnete. Aus 
Berdem verſucht er auch, nicht ohne Erfolg, andre ſowohl proſaiſche 
als poetiſche Darjtellungen in mandeeli Formen. Won allen ſi⸗ 
nen Werken find aber nur noch wenige Bruchſtuͤcke uͤbtig. Mit 
Aeſchylus ftand er in freundſchaftlichet Verbindung, Ariftophar 
nes aber verfpottete ihn in feinen Luftfpielen. Mit Perikies 
entzweite er ſich auch, wahrſcheinlich wegen einer gemeinſchaftlichen 
Liebſchaft. S. De Jonis Chii vita, moribus et studiis doctrinse. 
Ser. fragmentaque colleg. Car. Nieberding. feipz. 1336. 
8 (Das Buch handelt befonders von J.'s philoſophiſchen Schrif⸗ 
ten). — Der Jon, von welchem ein platonifher Dialog benannt 
ift, war Rhapſode aus Ephefus, und der, von welchem bie Jenict 
als ein befondrer griechiſcher Volksſtamm den Namen hatın, mir 
ein Sohn des Zuthus (nad Anden des Apollo) und dr 
Kreufa. 

Joſeph IL — Zufag: Au den Charakterſchilderungen dieſes 
philoſophiſchen Zürften gehört noch: Kaif. Joſ. I. in feinem Lehm 
und Wirken ıc. dargeftellt von Dr. €. Burkhardt, Med 
1834. 8. — Am beſten aber hat er fidh felbft charakterifirt in is 
nen Briefen, deren Sammlung unter dem Titel erfchien: Brit 
von Jof. II. als charakteriſtiſche Veiträge zur Lebens: und Staats- 
geſchichte dieſes unvergeſſlichen Selbhertſchets. Leipzig, 182. 8 
Hier ſchreibt er unter andern in einem Briefe vom J. 1781. an 
feinen Gefandten in Rom, den Cardinal Herzan: „Seitdem ih den 
„Thton beſtieg und das erfie Diadem der Welt trage, habe ich die 
„Philofophie zur Gefeggeberin meines Reiches gemacht.” Er 
gehört alfo allerdings zu den Philofophen, die auf Thronen geſcſſen 















578 Stonie 


die Sitten verflimmert. Denn inter arma eilent legen. Im 
deſſen iſt es auch möglich, daß während eine zu Eriedens 
die Völker in Ueppigkeit und MWeichlichleit verfinken. den Al⸗ 
ten kommt Übrigens eıprvagxın nicht vor, wohl aber upmrapzng, 
jedoch in der Bedeutung eines Friedensrichters ober eine Mannes, 
qui disciplinae publicae et corrigendis moribus praeficitur, tie 
es der roͤm. Mehtöichrer Ulpian erklaͤrt. TToleuapyın kommt bei 
den Alten yor ais Amt oder Würde eines noAsuapyrs, was for 
wohl einen Anführer im Kriege (Feldherrn) als einen Leiter bes 
Kriegsdepartements (Rriegsminifter) desgi. bei den Athenienfern S 
men ber Ardyonten bebeutete, ber als Richter die Proceffe entfchied, 
—* fremde Schuggenoffen (ueroaxoc) mit einander oder mit Bär 
gern führten. 

Ironie. — Zuſatz: In ben Wimer Jahtbuchern (B. 7. 
©. 90 ff.) iſt eine Kritit von Solger über Schlegel’s Word 
fungen über dramatiſche Kunſt und Literatur enthalten, worin es 
unter andern (©. 92.) heist: „Die wahre Ironie geht von 
„dem Gefichtöpuncte aus, daß der Menſch, fo lang” er in Diefer ge 
„gentoärtigen Welt lebt, feine Beſtimmung aud im hoöͤchſten Ginze 
nde6 Worts nur in biefer Welt erfüllen Tann. Allee, womit wir 
„über endliche Zwecke hinauszugehn glauben, iſt eitle umd leere Ein 
„bildung. Auch das Hoͤchſte ift für unfer Handein nur in begemme 
„tee endlicher Geſtaltung da.” — Das Leptere iſt wohl vide 
Aber der fittliche Zweck des Handelns Überhaupt, der Endzweck der 
Vernunft, iſt doch weder ein endlicher noch darum, weil ex über 
die befondern endlichen Zwede der Menſchen hinausgeht, eine eitie 





und leere Einbildung. Sonſt fiele die ganze Religion unter dieſe 
Kategorie. Ob die Griechen bei dem Worte eıpwrera mehe ale 
weniger gedacht haben, mag id ni iben. Cie anmten ben 





580 Serfein Irrthum 


Irrſein. — Zuſatz: Vergl. die Schrift von Dr. Blum⸗ 
töder: Ueber dns Srrefein. Lelpz. 1836. 8. — Der Unterſchicd, 
welchen Manche zwiſchen Jerfein als geifiger Krankheit und 
Irrefe in als einem gewöhnlichen Iren (in errore esse) dat 
auch bei gefundem Geifte ftattfinden koͤnne, machen, iſt zwar nidk 
an ſich ober in der Sache felbft ungegründet. Aber ſprachlich ge 
nommen ift wohl Ierfein nur das verkürzte Irreſein. 

Irrihum. — Zufag: Wenn Deftutt de Tracy inf. 
Ideologie ®. 2. ©. 315 fügt: Que toutes nos erreurs vien- 
nent du fond de nos idees, und baraus folgert: Que ta: 
les regles que l'on a prescrtes aux formes de nos raisonne- 
mens, sont d’une inutilitö absolue — fo ift der eine Satz ebenſe 
falſch als der andre. ine Menge von Serthümern entficht au 
aus falfchen Wahrnehmungen und Zeugniffen, falſchen Redynunges 
und Meffungen, fo wie aus falſchen Schlüffen oder Raiſonnement 
Im legten Falle aber find die Regeln, weldye bie Logik als pl 
giftit für die Formen unſter Schlüffe vorfchreibt, gewiß nicht von 
abfoluter Nutzloſigkeit. Sie können uns wenigſtens vor vielen Es 
phiftereien bewahren, durch welche wir bald un ſelbſt täufchen, bald 
von Andern getaͤuſcht werden. S. Sophiftit nebſt Zu. — Daf 
Itrthuͤmer Ureheile fein, leidet Beinen Zweifel; fie find aber 

falſche oder unrichtige und heißen daher auch irrige ürtheile. Dh 
fie aber auch Erkenntniffe fein, ift eine andre Zrage. Dam 
etwas erkennen bebeutet weit mehr als Über etwas urtheilen, mas 
auch ohne es erkannt zu haben geſchehen kann. Wollte man affe 
den Jreehum eine falfche oder unrichtige und darum irrige Erkcand 
niß nennen: fo hieße dieß nur foviel als, er fel keine wirkliche, fen= 
dern eine bloß angebliche oder angemafte Exfenntnif. Möglich aber 








582 Mogenke ographie 







verſchiedne andre, theils katholiſche, thells proteftantifche CSchheiftfteier 
hätten dien gründlich ermiefen. Melt größer iſt die Aehntichkeis 
deffelben mit dem Jubenthume in Anfehung des firengm Done 
thelsmus und der Vefchneidung. — Wegen der Denge feiner Be 
kenner vergl. Religionsparteien, Zuf. 

Sfogenie oder Ifogonie (von wog, glelch, und yervc. 
Geſchiecht Geburt) bedeutet Ebenbürtigkeit oder bie Gleichheit der 
Geburt in Anfehung des Ranges der Eltern, von weichen man al 
flammt. Die Phitofophie legt freilich allen Menſchen diefe Gleich⸗ 
beit bei. Die Sitte und das pofitive Geſetz beſchtaͤnken aber dieſelle 
in vielen Staaten auf gewiſſe Familien, befonder6 bei den vegierms 
den Familien in monarchiſchen Erbſtaaten. Vers. Monardie 
und Erdreich, aud Adel und Ariſtokratle n.33. Im Gried. 
Inutet das Adj. bloß 100yeync, das Subſt. aber ıvoyovın. Würde 
jedoch dieſes Wort sooywvın geſchtieben, fo bedeutete es Gleichwin⸗ 
keligkeit (don ycoc oder yavın, der Winkel). 

Iſographie (neugebildet, von demſ. und ygager, ſcheri⸗ 
ben) bedeutet Gieichheit der Schriften im ihrer äußern 
ſowohl was die einzelen Schriftzüge als was deren Verbindbungsart 
betrifft. Denn. wenn bie Gleichheit fi) nur auf biefe ober jene ber 
söge, fo würde eigentlich nur Aehnlichkeit der Schriften ftattfinden. 
Es kann aber jene Gleichheit entwweber zufällig und unabfigeiih 
oder kuͤnſtlich und abſichtlich fein. Im erften Falle, ber jedoch fels 
ten ober nie vorkommen wird, koͤnnte von Betrug und edtöver: 
Iegung freilich nicht die Rede fein, wenn nicht etwa der Eine die 
zufällige Gleichheit feiner Handfchrift zum Nachtheile des Antern 
misbrauchte. Im zwelten Falle aber liegt wenlgſtens der MWerbadt 


ſehr nahe, daß der, welcher eine fremde Schrift fo genau machemidk, 





5 fotimie Itoliſche Vhiloſophie 


bedeutet eigentlich ein gleiches Leiden, ſel es Eörperlidy oder geitig 
und in legter Hinficht audy Gleichheit der Affecten und Leidenfdhafs 
tm. Dan bat aber diefelbe audy mit der Homdopathie parals 
leliſirt. Wie diefe fagt: Similia eimilibus curantur, fo fol jene 
fagen: Aequalia aequalibus curantar. Inſonderheit behaupten die 
Ifopathen oder Iſopathiker, daB alle anfledende Krankheiten 
in ihrem eignen Anftedungeftoffe das Mittel zu ihrer Heilung en 
halten, und berufen ſich dabei hauptfächlid auf die Blatternim⸗ 
Pfung. Db diefe Berufung treffend und jene Behauptung allge 
meingültig, hat die Heilkunde zu unterfuchen. Vergl. Allopatbiem?. 

Sfotimie (worwa, von ı00s, glei, und zıun, bie Ehre) 
bebeutet nicht bloß Gleichheit der Ehre, des Ranges oder Etandee, 
fondern auch Gteichheit des Rechtes ſowohl überhaupt, weil das 
Mecht ebenfalls eine Ehrenſache für den Menſchen als ein vernänf: 
tiges Weſen ift, indem es ihm Anfprud auf Achtung oder Ann 
kennung feiner perfönlichen Würde von Seiten Andrer giebt, als 
aud in Beziehung auf Öffentliche Aemter, mit denen wieder ein be: 
ſondrer Anſpruch dieſer Art verknüpft ift; weshalb fie aud Ehren 
ſtellen (honores) oder Würden (dignitates) genannt und von 
Ehrtgeizigen oft mit großer Anftrengung gefudt werden. S. Amt, 
Ehre und Gleichheit. Wo nun alle Bürger eines Gtaates 
ohne Ruͤckſicht auf ihre Geburt gleichen Anſpruch auf foldye Ehre 
ſtellen haben, wenn fie nur fonft zur Wermaltung derſelben fühiz 
find, da findet Ifotimie ftatt. Sie iſt alfo auch mit der Iſe⸗ 
gorie, Iſokratie, Jfomerie und Ifonomie verbunden. ©. 
biefe Ausdrüde, 

Ifotomie und Iſotonie find beide neugebilbet (von ung, 
gleich, Ton, Xhellung, und‘ rovog, Klang’ oder Ton). 








586 Jugend Jung 


digen Wahrheit finden, daß ſelbſt gebildete und gefittete, auch in 
andern Dingen fehr freigefinnte, Männer doch in biefem Haupt: 
puncte noch ſehr enghergig und wunfreifinnig denken und han 
dein koͤnnen. 

Augend. — Zufag: Zu den Untugenden, welche man ber 
Jugend gewoͤhnlich vorwirft, gehört vornehmlich audy der Duͤnkel 
Darum legt Goͤthe (dev als junger Mann wohl ebenfalls feine 
gute Portion Dinkel hatte, wie felbft aus feinen früheften Schrif⸗ 
ten erhellet) in feinem Fauſt (Th. 2. Act 2.) dem Mepbifiopheles 
die bittern Worte in den Mund: 

„Wenn man ber Jugend reine Wahrheit fagt, 

„Die gelben Sänäteln Leineßroegs behagt, 

„Sie aber Yinterbrein nach Jahren 

„Dad alleb berb an eigner ‚Haut erfahren, . 
„Dann büntein fie, e8 Lim’ auß einem‘ Schupfs 
„Da beißt «6 bannı Der Meifer war ein Tropf ! 


Indeſſen fhügt das bloße Alter den Menfchen vor ſolchem Din: 
tel ebenforwenig, als vor anbern Fehlern. Daher ſollte man auch 
jenen der Jugend nicht fo hoch anrechnen. Denn er entipringt 
ſeht natürlich aus Unerfahrenheit auf der einen und regfamer Ein: 
biidungskraft auf dee andern Seite. Vergl. jung. Die Jugend 
darf alfo darum nicht fo ffreng gerichtet und behandelt werden. Man 
muß ihe vielmehr zutrauen, daß fie kuͤnftig bei- größerer Beſonnen⸗ 
heit auch etwas Tuͤchtiges ieiſten werde. Und das hat jener Did: 
tee felbft gefühlt. Denn fpäterhin (Act 4.) legt er dem Exiiäms 
ten des Kaiſers bie ſchon beffer ingenden Worte in den Mund: 


Mein Bärft, die Jugend felbft, wenn man ihr nur vertraut, 
Steht, eh man fie verfieht, zu Männern auferbaut.” 








588 Jurisdiction Juͤſtemilianismus 


ſtattſinden, eine realiſtiſche, eine idealiſtiſche und eine ſyn⸗ 
thetiſche. Der juridiſche Realismus hält ſich bloß am dad, 
was eben ald Recht durch Herkommen oder Staatögefeg oͤrtlich und 
zeitlich gegeben iſt, alfo an das pofitive oder hiftorifche Recht, das 
ihm das einzig wahre und gültige, wirkliche oder reale iſt. Dee 
juridifche Idealismus hingegen will davon nichts wiſſen, ads 
tet es wenigſtens nicht, indem er fi) einzig und allein an das 
natürliche oder Vernunftrecht hält, das, wenn es auch noch nicht 
allgemein anerfannt iſt, doch allgemein gelten foll, weil es eben 
ein ideales „oder normales Recht iſt, nach welchem jenes abgeändert 
werden muß, mo ſich ein Widerſtreit zwiſchen jenem und dieſem 
hervorthut. Der juridifhe Synthetismus endlich gleicht 
diefe beiden einander ſchroff entgegenſtehenden Anſichten oder Ans 
ſpruͤche aus. Er achtet das pofitive oder hiſtoriſche Recht als Richt⸗ 
[nur flr das bürgerliche Leben oder das Leben im Staate, wei 
der Staat ohne ein foldes Recht gar nicht beitehen kann, mithin 
der Menſch jenes Leben, das Immer von empitiſchen Umſtaͤnden 
und Verhältniffen abhangt, gang aufgeben müffte, wenn er kin 
ſolches Recht anerkennen wollte. S. Staat n.3. Darum aber it 
dieſes Recht nicht unveränderlih und ewig, Indem jene Umftinde 
und Verhaͤltniſſe felbft fo veränderlid) find, daß fie der pofitive Ge 
feggeber ftets berucfichtigen oder, wie man zu fagen pflegt, mit 
dem Geifte der Zeit fortfchreiten muß. Das Vernunftrecht als das 
ideale ſoll daher auch für.ihn ein normales fein; denn: er fol fih 
beim Geben ber Gefege ſowohl als beim Abändern und Abſchaffen 


der fchon gegebnen nad) demfelben richten, um ben Widerſtreit pri⸗ 
ſchen beiden Rechtsarten, wo ſich ein folder findet, allmaͤhlich zu 
befeitigen. Auch muß fidy felbft der Richter an das Vernunftrecht 
‚als eine fubfidintifche Neael nn ba& 20 ü 


ba de eine? 








590 Kabbalismus 


Art von Philoſophle fo: „Cabale est le mom de la science 
„symboligae des Hebreux, qui leur est venue par une revela- 
„tion divine donnee de main en main par succession, et par 
„moyen de laquelle ils pretendent decourrir tous les zeereis de 
„la nature.“ — Unter den B. 2. ©. 565. erwähnten 10 Fabbals 
ftiihen Sephiroth (deseriptiones, von “RY, descripsit) verfles 
ben Manche 10 perſonificitte Eigenfchaften Gottes, weldye nad 
einem gnoftifhen Schema einander gegenüber geftellt werben; tor: 
auf auch der Apofl. Paulus im 1. Br. an ben Zimoth. (6, 20.) 
anfpielen fol. — Das auf ber folg. &. erwähnte Babbalififde 
Buch Jezirah iſt neuerlich (Leipj. 1830. 8.) von J. F. v. 
Meyer, ber es für die aͤlteſte Urkunde ber Kabbatifiit Kite und 
dem Buche Sohar vorzieht, herausgegeben worden. Vergl. and 
die Schrift: Elucidarius cabalisticas s. reconditae Hebracerum 
philosophiae brevis et succinefa recensio. Epitomatore Joh. 
Geo. Wachtero. Rom, 1706.8. — Deögleihen Aug. The- 
lack de ortu Cabbalae. Hamb. 1836. 4. Als 2. Th. f. Com- 
ment, de vi, quam graeca pl in theol. tum Muhammeda- 
norum tum Judaeorum exercuerit. Nach dem Werf.. ſoll birfe 
Lehre erſt fpäter im Mittelalter entftanden fein, wo die Juden den 
Neuplatonismus durch Vermittlung der Araber kennen lernten und 
dann mit ihrer Theol. verſchmolzen. — Die beiden Arten der Rob 
baliftit, welche ©. 567 a. E. erwähnt find, unterſchelden Dance 
auch fo, daß fie dieſelben die ceale und bie nominale oder 
fombolifche nennen, weil bie erfte Art fi mehr mit den Die 
gen felbft und ihrem Weſen beſchaͤftige. Diefe wird dann von Eh 
nigen wieber eingetheilt in die theoretifche, melde nad) geheis 
men Ueberlieferungen ein phyſiſches und pneumatifches oder mess 

















592 Kakotychie Kallopaͤdie 


Wollen des Boͤſen als ben boͤſen Willen ſelbſt bedeutet, folgich 
einerlei iſt mit Kakobulie. ©. d. W. 

Kakotych ie (xaxoruyıa, von bemf. und zuxn, bas Ge 
ſchick) bedeutet ein böfes Gefhik oder Miegluick (fortuna adversa) 
iſt alfo das Gegentheil von Eut ychie. S. d. W. und Eutydie 

Kakozo ie (xaxolwia, von xaxog, bös, und Zur, das Er 
ben) bedeutet ein böfes Xeben, nicht bloß Im moralifhen, ſondern 
aud im phyſiſchen Sinne, ais ein ungluͤckliches oder eruͤbfeliges Es 
ben, wiewohi dieſes auch die Folge eines ſittlich böfen Lebens oder 
eines ſchlechten Lebenswandels fein kann. 

Kakurgie f. Kakoergie. 

Kalleophilie iſt Liebe zur Schoͤnhelt (pılıa rov xul- 
9.205) wofür man auch Kalliphilie und Kalophilie ſagt. Die 
Alten fagten aber dafur umgekehrt GeAoxalıa. ©. Philokalie 

Kallipäbdie f. Kallopädie nebſt Zuf. 

Kallifhematil f. Schematismus nebft Zuf. 

Kalliftpenie. — Zufag: Dieſes Wort iſt neugebifdet. Bei 
den Alten kommt nur vor xallıo$erng, thelld als Beiwort, theils 
als Eigenname, bedeutend einen mit Kraft Geſchmuͤckten. 

Kalliteknie f. den folg. Bufag. 
- Kallopädie. — Zufag: Wenn dieſes Wort auf die Er 
zeugung ſchoͤner Kinder bezogen wirb, fo fagt man lieber Kalli⸗ 
pädie. Die Alten fagten ſowohl xullınardıa ald zallırızıa 
(legtered von Texeıy — Tıxrev, zeugen, gebären; daher zexvor 
na, dad Kind). Merkwürdig aber iſt In biefer Beziehung fols 
gende® Lehrgedihe: Calvidii Leti (i. e. Claudii Quilleti) 
callipaedia s. de pulerae prolis habendae ratione didaeh- 











Kalobiotik Kanonik 593 


bat. Vieleicht kam jedoch die Erfahrung daher, daß ber Abbe fruͤ⸗ 
ber Mebicin ftudirt hatte. 

Kalobiotik (neugebildet, von xarog, ſchoͤn, und Pros, das 
Leben) bedeutet die Kunft, das Leben duch Natur: und Kunfts 
genuß, fo wie durch gefhmadvolle Einrichtung unfrer Umgebungen 
(Kleidung, Wohnung ꝛc.) möglihft zu verfhönern. Sie geht alfo 
hervor aus einer gefhidten Anwendung der Vorfchriften der Aeſthe⸗ 
tie auf das ganze menfchliche Leben, muß aber mit der Ethik als 
Agathobiotit oder Orthobiotik in Verbindung treten, wenn 
fie nicht zur Ueppigkeit und Unfittlichkeie führen fol. Außerdem 
würbe auch die Lebensverfchönerungskunft mit ber Lebensverlänge: 
rungskunſt (Diaͤtetik oder Makrobiotik) in Cokifion kommen. 
&. diefe Ausdruͤcke n. 33. Wiewohl nun jenes Wort neu ift, fo ift doch 
bie Sache fehr alt. Denn ſchon Griechen und Römer fuchten ihr 
Leben möglichft zu verfhönern, fielen aber freilich auch, bald auf 
Die bezeichneten Abmwege. S. die Schrift von Wilh. Bronn: 
Für Kalobiotik, Kunft das Leben zu verfchönern, als ein neuge⸗ 
ſtecktes Feld menſchliches Streben. Winke zur Erhöhung und Vers 
eblung des Lebensgenuffee. Wien, 1835. 12. Der Verf. denkt 
alfo dabei audy an Veredlung des Lebensgenuſſes; und das lei⸗ 
bet allerdings das W. xaAov, welches ſich bei den Alten auch auf 
das Gute, Anftändige, Edle als ein fittlih Schönes bezogen fins 
det. Ebendeswegen puarten fie es mit ayadov in dem W. xalo- 
zuyadıa. ©. Kalokagathie. 

Kalologie ift foviel als Kallilogie, koͤnnte aber auch 
für Kalleologie gebraucht werden. ©. d. W. Kuileoiosıa fins 
bet man zwar bei den Alten nicht, wohl aber xaAoAoyıa, desglei⸗ 
hen xaldlılozıa, xullıdleSsın und xuidunea, — Kalophilie 
f. Kalleophilie. ’ 

‚Kalottinofratie iſt ein aus dem Franzoͤſiſchen (calotte, 
Müse, dergleichen katholiſche Priefter tragen, bildlich auch die Gar: 
dinalswuͤrde) und dem Sriehifhen (xoareıv, herrſchen ober regies 
ren) zufammengefegtes Zroitterwort, bedeutend Priefterherrfchaft oder 
Driefterregiment, alfo = Hierokratie oder Hierarchie. S. beis 
des nebit Zuf. zu die. — Die Calottins oder die Societe de la 
calotte haben damit nichts zu fchaffenz denn darunter verftcht man 
eine Luftige Gefeufchaft in Frankreich, die fih an den Thorheiten 
der Menſchen und deren witziger Durchhechelung ergoͤzßt. Wahr: 
fcheinlih tragen die Mitglieder auch Priefterfäppchen oder Platt⸗ 
mügen (calottes). 

Kanonik. — Zufag: Obwohl die Logik gewiffermaßen vor⸗ 
zugsweiſe Kanonik (xavovıxy scil. enıornun 8. Teyy7) ober 
Tanonifhe Philofophie genannt worden, weil fie canones s. 
regulas cogitandi aufſtellt: fo koͤnnte doch auch bie Ethik fo ge⸗ 

Krug’s encyklopaͤbiſch⸗philoſ. Worterb. Sd V.Euppt 38 


594 Kant 


















nannt werden, well biefe canones =. regulas agendi auffeit. 
Zene toäre alfo eine theoretifche, biefe eine praktifche Ka⸗ 
nonit. — Bel den Alten kommt aber dieſer Ausdruck nod ia 
einem andern Sinne vor. Sie betrachteten naͤmlich bie Kanonil 
auch als einen Theil der theotetiſchen Mufit, naͤmlich demjenigen, 
welcher die tonifhen Abtheilungen auf der Scala (Tas zur zum- 
vwv xararouas) ober bie Tonmobdificationen auf ber Tonleiter nah 
den verſchiednen Harmonten ber Alten (dev lydiſchen, phrygiſchen x.) 
abmifft, von welhen Plato im Philebus handelt, deögl. Pro- 
clus in Euclid. p. 12. Auch vergl, Gell. N. A. XV, 18. we 
es beißt: Kavorıxn longitudines et alüitudines vocis emetitur. 
Zugleich wird hier die proſodiſche Metrit, welche die Länge und 
Kürze der Sylben beftimmt, berfelben untergeorbnet oder als eime 
species xuvoync betrachtet, weil biefe nicht bloß die Höhen, fen 
dern auch die Längen der Töne nad) der Erklärung des G. ab 
meffen hatte. — Wenn von Kanoniften ſchlechtweg bie Rete 
iſt: fo denkt man weder an die Logik noch an die Muſik, fondern 
an das Eicchliche ober kanoniſche Recht und deſſen Lehrer. Dem 
biefe haben es auch mit einer ganz eignen Art von Kanonen, nd 
lich geiftlichen, obwohl felten geiftigen, zu thun. 

Kant. — Zufag: Sein Vater war ein Riemermeiſter iz 
Königsberg. Hier ſtudirte K. zuerft auf dem Friedrich's- Coßegium, 
mo der berühmte Philolog Ruhnken fein Mitfchüler und Frrucd 
war, fpäter aud Herder feine gelehrte Bildung erhielt. Bever 
er 1755 akademiſcher Privatdocent wurde, hatte er 9 Jahre auf 
dem Lande als Hauslehrer in einer adeligen Familie zuarbradk. 
An auswärtigen Rufen fehlt es ihm nicht; er Iehnte fie aber ab 
und Lehrte unausgefegt bis 1795 (9 Jahre vor feinem Zode) me 
er zum legten Male da3 Katheder betrat. — Die B. 2, &, 372. 












596 ‘ Kara 


Standesglauben analog if. &. Glaube und Glaubens: 
arten n.33. — Dis W. Kafte (audy Eafte gefche.) iſt übrigens 
portugiefifh. In Dftindien heißen dieſe Abtheilungen Giadi (fpr. 
Dfadi) oder auch Varna. Dort war das Kaftenwefen fit 
uralten Zeiten einheimiſch; es hat ſich aber nach und nady fehe ver 
ändert und ift dergeftalt in eine Menge von Unterabtheitungen zers 
fallen, daß man nicht einmal genau weiß, wie viel Kaften es dert 
giebt, ob man gleich gewoͤhnlich 4 Hauptlaften annimmt: Brah: 
minen oder Braminen (Priefter) Zetries oder Zſchettries 
(Krieger) Banianen, Bens oder Vice (Kaufleute) und Eus 
ders oder Schuters (Handwerker und Aderleute), Hiezu kom ⸗ 
men aber noch die Parias als die unterfte Kaffe, die von allen 
übrigen als unrein verabfheut und mahrfcheintih ein Weberbleibid 
von unterjodhten Ureinwohnern Indiens if. Aus ber erflen Kafte, 
die bisher auch dort dad Volk in dee Dummheit und Unterwärfige 
keit zu erhalten fuchte, iſt neuerlich ein indiſcher Philofoph herren 
gegangen, ber im Gegentheile das Volk aufzuklären und deſſen Zus 
fand zu verbeffern firebte; wodurch er felbft einen europäifchen Ruf 
erlangt hat. S.Ram Mohun Royn. 3. Die Vorzeiden vom 
gänzlichen Verfalle des dortigen Kaſtenweſens find alfo ſchon gegeben. 

Kara. Da bisfe vieldeutige griechiſche Präpofition im meh 
ren techniſchen Formeln griechiſchetr und andrer Philofophen ger 
braucht wird: fo will ich hier dieſe Formeln zuſammen auffühten 
und kurz erklären. 

1. Kor’ avsıgoacıy (secandum contradiclionem a. ex ep- 
posito) wird gefagt, wenn etwas in Bezug auf ein Andres gefegt 





wird, und zwar fo, daß daraus ein Widerftreit oder Widerfpunh 
enefteht. ©. Widerfprud.n. 3. Auch brauden die Ergmoloyn 





508 Batalepfe Kotehetit 


Katalepfe. — Bufag: Statt beffen fagen Manche auch 
Ratatepfie, beſonders die Aerzte, um eine Krankheit, bie Gtars 
füge, bamit zu bezeichnen. Die Alten fagten aber bloß zara- 
Amyıs, nit zaralmyın, — Etwas andtes iſt Katalere (zara- 
Ankıs, von xazahnyew, aufhören) naͤmlich Schluß oder Ende. 
©. den vor. Art. Die Sonchufion eines Schluffes koͤnnte da 
her audy feine Katalere heißen. 

Katalyfe f. Materie nebft Zuf. 

Kataphatifch f. apophatiſch und Phaſe. 

Katapiasmus (neugebildet, von xaranlacua, Pflafler, 
Salbe, Schminke, und dieſes von xaranlacasıy, aufſtreichen, bes 
ſchmieren, übertindyen) bedeutet das Streben, fich durch allerlei 
äußere Hülfsmittel (Salben, Schminken, Schönpfläfterchen ic.) zu 
verfhönern, gewiſſe Fehler zu verbergen, dann aud) Überhaupt, ſich 
zu verflellen oder etwas zu erheucheln. S. Verftellung md 
Heudelei. Neuerlid) hat man «6 auch auf das Gebiet ber Phi⸗ 
Iofophie Übertragen und daher das Streben, ſich durch dunkle Phros 
fen das Anfehn eines tieffinnigen Denkers zu geben, einen philos 
fopHifhen Katapl. genannt. Man follt’ es aber eigentlich einen 
unpbilofophifchen nennen, teil dabel eine Eitelkeit zum Grunde 
legt, bie mit der echten Weisheit nicht beftchen, folglich auch Die 
— nicht befoͤrdern kann. Vergl. dunkel und klar 
nebſt Zuf 






Kataſyllogismus (xaraovAkoyıauog, von xarız, gegen 
und ovMloyıauos, Schluß) iſt ſovlel als Gegenfhluß, abe 
nicht bloß ein folder, der gegen einen andern Schluß aufgefelt 
wird, fondern audy den echten Schluffregeln entgegen ift; wie weza 
Semand aus falſchen Vorderfägen, die aber der Andre als wahe 





Latholicismus 601 


Sache bes Lichts und der Wahrheit. Won Eiſenſchmid. Leipz. 
1833. 8. — Ueber Eicchliches Chriſtenthum, roͤmiſch-katholiſche Kirche 
und Reform in derfelben. V. Carove. Ebend, 1835. 8. — Die Res 
form dürfte bier um fo nöthiger fein, da (wie fhon Macchiavell 
im 1. Buche feiner Discorsi bemerkte) gerade bie Möller, welche 
dem Site bed Katholicismus am naͤchſten find, am wenigften 
Religion haben. — Daß aber ber Katholicismus, wie alles in ber 
Melt, auch noch übertrieben werden und daraus ein Ultras oder 
Dyperkatholichsmus entfichen koͤnne, verſteht fih von felbft; 
und es hat ſich etwas der Art fogar bin und wieder bei zelotifchen 
Droteftanten gezeigt. S. Salat's Aufſchluß über den Ultrakatho⸗ 
licismus, auch unter Proteftanten. Münden, 1833. 8.  Diefer 
Ultraismus hat es auch dahin gebracht, daß der Abbe de la Mens 
nais in feinen Affaires de Rome gefteht, viele Katholllen feien 
es nur noch dem Namen nach, und beren Zahl wachfe täglich. 
Broas meint er, dieſer ftufenweife Verfall des Katholicismus nahe 
fih feinem Ende und bald ‘werde fidy ein mächtiges Leben im 
Schooße der Eatholifhen Kiche kundthun. Aber Gott weiß, ob 
und tie diefed Leben ſich offenbaren vorrde. - Denn es koͤnnte wohl 
auch den Katholicismus felbft vernichten. Glaubt body ein beruͤhm⸗ 
ter katholiſcher Gefchichtfchreiber, e8 würden neun Zehntheile 
ſeiner Glaubensgenoſſen fi) augenbiidtic zu den Grundfägen ber 
Reformation befennen, wenn diefelbe eben jest erſt von einem kraͤf⸗ 
tigen und beredten Munde ausgelprochen würden. ©. Rotteck's 
allgemeine Geſchichte. Aufl. 8. B. 7. S. 104. — Uebrigens hat 
es freilich dem Katholicismus auch neuerlih nicht an eifrigen 
Vertheidigern gefehlt. Dahin gehört 3. B. (Bolzano’s) Lehrbuch 
der Religionswiffenfchaft. Sulzb. 1834 ff. 3 Thle. in 4 Bden. 8. 
womit aber zu vergleichen Krug's Antidoton. Leipg. 1836. 8. 
— Demonstration du catholicisme par Mr. l’Abb6 Caron. 
Daris, 1836. 8. — Wie aber der Katholicismus und deſſen eifrige 
Vertheidiger gegen die Philofophie gefinnt feien, darlber hat fich 
eine Stimme aus Rom ganz neuerlich alfo vernehmen laflen: „Das 
„biefige Tageblatt (Diario di Roma) bringt die Jahresfeier der Aka⸗ 
„bemie für den tatholifhen Glauben, welche am 27. 
„Apr. (1837) ftattfand, zur Kenntniß. Der Cardinal Paolo Pos 
„lidori bielt dabei eine Rede über die Nothwendigkeit, der immer 
„mehr zunehmenden Unfroͤmmigkeit unfers Zeitaltere einm Damm 
„zu fegen, und zwar mitteld einer burdhgreifenden Reform 
„der philofophifhen Studien und namentlid der Metas 
„phyſik. Nachdem der Redner die verfchiebnen Stadien angege: 
„ben batte, welche die Verblendung bes menſchlichen Geiſtes und 
„die Verderbniß des Herzens durchlaufen hat: verweilt er bei dem 
„neueſten und verderblichfien Ergebniſſe geifliger Verirrung, Der 





602 Kaͤuflich 


„Bteihglltigkeit und dem Unglauben, und findet den Grund derſel⸗ 
„sen in ben feit Jahren in Europa eingeführten philoſo phiſchen 
Soſtemen, weiche er auf 4 Hauptfyſteme zurüdführt, auf dat 
„enalifche (Rode) das ſchottiſche (Steward) das deutſche (Kant, 
„ihre, Scheilingh“ — wo bleibt Hegel? — „und das fazs 
Aſiſche (Ektekticismus). Nachdem er hierauf die Irrthümer 
„diefee Syſteme bezeichnet, geht er Über auf die Art, wie Die 
Philoſophie befhaffen fein müffe, um den menſchlichen 
„Berftanb gegen ähnliche Verirrungen zu fihern, und verfucht ya 
nbereifen, daß fie in allen Stüden conform mit der Res 
„sigton” — verfteht ſich, mit der roͤmiſch-katholiſchen — 
„als ihrem einzigen Biele ſich zu erweifen habe. Er fließt damit, 
ndaß Rom, das Centrum ber religiofen Einheit und der Ciy 
„bee Unfehlbarkeit, derjenige Ort fei, von wo eine ſolche Res 
form ausgehen müffe, um fidy fodann über den ganzen Erdkrris 
Au verbreiten.” (Leipz. Beit. 1837. Nr. 141). Endlich ſpricht 
alfo auch Rom von einer Reform! Aber freilich will es nicht 
ſich felbft und feine Geiſtlichkeit, die dod an allem Unheile Schub 
iſt, veformicen. Denn es will ja immer unfehldar fein. Mur die 
Philoſophie, die Quelle altes Boͤſen in ber Welt, ſoll reformirt 
werden. Möchte doch S. E. der Here Garbinal biefe gediegne Rede 
drucken laffen! Vieleicht kehren dann alle Ketzer, aud die 8 Ge 
meinen in Tyrol, bie unlängft vom Katholicismus zum Proteflan 
tismus abgefallen find, in ben Schooß der alleinfeligmadyenden Kirche 
zurüd. Vergl. auch Papſtthum, nebft Zuf., fo wie den Zuſ. 
zu Proteftantismus. 


Käuflich und verfäuflich (venale) heißt alles, was ein 
Gegenftand des Kaufens auf der einen und des Verkaufens auf 





604° Kinder Gottes Kirchenraub 


gtobe Kegerel nennen koͤnnte. — Uebrigens iſt bie Ableitung bes W 
Keger von xagupog, tein, weil eine Secte des 11. Jahrh. ſich für 
beſonders rein gehalten und man fie deshalb ſpoͤttiſch Kathares 
genannt habe, woraus im Munde des Voiktes Gazaren eder 
Chagaren und endlich Keger geworben, ſehr unwahrſcheinlich 
Mit den Chazaren aber, einem vielleicht kaukaſiſchen Wolke, das 
ic) um bie Mitte des 7. Jahrh. am Don und Dnepr nieberlicf, 









fü 
fieht jenes W. wohl in feiner Verbindung. 

Kinder und Kindſchaft Gottes f. Gotteskinder. — 
Kindesopfer f. Opfer nebit Zuf. 

Kindlich. — Zufag: Eine chologie bes kindlichen A 
werd hat Grohmann (Hamburg, 1812. 8.) herausgegeben. Aud 
vergl. die Schrift: Der Menſch als Kind. Von Raph. Ferd. 
Huſſtian. Wien, 1832. 2° Bde. 8. — Die beftigften Gegan 
der fonft fo gepriefenen (felbft von ber Schrift anerkannten) Find: 
Yihen Unſchuld hat es in ber Eatholifchen Kirche gegeben. Dean 
nad Labbe’s Collect. concill. Tom, XIV. pag. 509. und T. 
XVII, pag. 526. haben die Synoden zu Lyon im 3. und 
zu Slorenz im J. 1439 den ohne Zaufe fierbenden Kindern alen 
Antheil an der Seligkeit abgeſprochen; wogegen body felbft ein Car 
dinal jener Kiche (Sfondrati in feinem Nodus praedestinationis 
dissolutus, Rom, 1646) ſich erklärte. 

Kirche. — Zuſatz: In Bezug auf das viel beſprochne Ber 
haͤltniß zwiſchen Staat und Kirche iſt der Art. Kirchen recht nebſt 
Zuſ. zu vergleichen. — Das Wort Kirche leiten Manche auch ab 
von xıpxog, eircus, Kreis, Bezirk, nody Andre vom alt. fürn 
= mählen, indem fie dabei einen Kreis von Auserwaͤblten im 
Sinne hatten, dergleichen die Kirche fein ſoll, aber Freilich, wide IR 







Kirchenrecht . 605 


eignen. Das ift aber nur Kirchendiebſtahl, da zum Raube 
nothwendig gehört, daß man einem Andern mit Gewalt fein Eigen⸗ 
thum nimmt. ©. Raub und Dieb. Selbft dann, wenn Ses 
manb die XThüren erbrochen oder bie Fenſter zerſchlagen hätte, um 
in das Kirchengebäude einzudringen und etwas herauszuholen, waͤre 
dieß nur ein mit Gewalt verübter Diebftahl, aber kein gigentlicher 
Raub, weit das Gebäude keine Perfon ift, die man berauben Eönnte, 
die Kirchengemeine aber, der auf diefe Art etwas von ihrem kirchli⸗ 
hen Geſammteigenthume genommen Yoorden, nicht felbft gemwaltthäs 
tig behandelt, alfo auch nicht beraubt, fondern nur beflohlen wor⸗ 
ben if. Daß man nun biefen Diebftahl als ein gröberes Verbre⸗ 
chen betrachtet und daher auch härter beſtraft, als den gemeinen 
Diebſtahl, laͤſſt ſich wohl rechtfertigen, weil ein folchee Dieb einen 
böferen Willen verräth und daher auch gefährlicher für die Geſell⸗ 
ſchaft ift, als ein gemeiner Dieb. Aber ihn mit dem Feuertode zu 
beſtrafen — wie es ſonſt nad) DBorfchrift der Carolina gefchahe — 
ift auf jeden Fall zu hart und barbarifh. Mur Freiheitsſtrafe iſt 
biee anwendbar. Auch wird bei Abmeffung dieſer Strafe für ges 
gebne Fälle zu unterfcheiden fein, ob Jemand Sachen, bie zum tes 
tigiofen Cultus in der Kirche dienen, entwendet hat, ober andre 
Sachen, die nur zufällig in ber Kirche fih befanden, 3. B. Gelb, 
welches der Pfarrer oder Küfter als fein Eigenthum dafelbft aufbes 
wahre, Vorraͤthe von Getreide oder andern Bedürfnifien, die es 
mand auf dem SKirchenboden aufgefchütter hatte. Wer von ſolchen 
Dingen etwas entwendet, vergreift ſich nur an einem gewöhnlichen 
Privateigenthume, begeht alfo auch nur einen gemeinen Diebſtahl. 
Kirchenrecht. — Zufag zur Literatur diefes Artikels: Feſſ⸗ 
ler's Anſichten von Religion und Kirhentbum. Berl. 1805 ff. 
3 Thle. 8. — Eſchenmayer's Grundlinien zu einem allgemeis 
nen kanoniſchen Rechte. Zübing. 1825. 8. — Kirchenrechtliche 
Verfuhe zur Begründung eines Syſtems des Kirchenrechts. Don 
Dr. Heine. Froͤr. Jacobſſon. Königsb. 1832—33. 2 Beiträge. 
8. — Ueber conftitutionales Leben in der Kirche. Bon M. Karl 
Ferd. Bräunig. Leipz. 1833. 8. (Der Verf. fegt an bie Stelle 
der Ausdrüde: Collegials Territorial: und Episcopals 
Syſtem, die Ausdrüde: Autonomie, Cäfareopapie und 
Hierarchie, um bie verfchlednen Eirchenrechtlichen Theorien zu bes 
jeihnen, und fodert Autonomie für die Kirche, damit aud fie ein 
conftitutionales Leben führen könne), — Inwieweit ift die Kirche 
ein Rechtsſubject? Bon Dr. Sünther. In Poͤlitz's Jahr⸗ 
büchern der Geſch. und Staatsk. 1833. Sept. Nr. 1. — Ueber 
das Verhaͤltniß des Staats und ber Kirche ‘zu einander. Von 
Matth. CHfti. Glaſer. Gchleufingen, 1834. 3. — Anfichten 
eines freifinnigen Theologen über das Verhaͤltniß zwiſchen Staat und 


606 Kirchenthum Kirchenverfaſſung 


Kirche. Sulzbach, 1834. 8. (Wahrſcheinlich von Bolzano, md 
gegen Gewgler’6 Aphorismen über denſ. Gegenſtand im ber Tub. 
theol. Quattalſcht. 1832. H. 3.) — Ueber das Verhaͤltniß der 
Kirchen» und Staatsgewalt zu ben veligiofen Secten, nach den Prizs 
eipien des Proteftantimus, des Rechts und der Politik. Won Dr. 
Sheibler. In Bran’s Minerva. 1835. Apr. Nr. 1. — De 
finibus inter civitatem atque ecclesiam eaute regundis. Aue, 
D. Frid. Haenel. Dresd. 1835. 8. — Ueber Chriftenchum 
und Kirhe, und ihre Verhättnig zum Staate. Leipz. 1836. & 
(Polemifd von katholiſcher Seite gegen proteftantifche Anſichten). — 
Das Kirhenftaatsreht bezieht fi nicht ausſchließlich anf 
ben fog. Kirchenſtaat (f. d. MW.) fondern iſt nur eine Verkais 
pfung des Kirchene. mit dem Staater. in Bezug auf Angeleges 
heiten, welche der Kirche und dem Staate gemeinfam find und ba 
her das Intereffe beider in Anfpruch nehmen. 

Kirhenthum. — Zufag: Wegen des Staatskirchen ⸗ 
thums, welches die Kirche in den Staat aufgehn Läfft, fo daß der 
Staat die Kiche gleichſam abforbirt, vergl. Kirhenftaat und 
Staatsreligion. 

Kirhenverfaffung und Kirhenvermwaltung — 
Bufag: Wenn hierüber, fo wie über Cultus und Disciplin in der 
Kirche, auf fogenannten Kirhenverfammlungen berathen und 
entſchieden werden mag: fo follte man doch nie Streitfragen über 
bloße Dogmen einmifchen, weil dieſe überhaupt kein Gegenfand fol 
her Berathung und Entſcheidung find, fondern der freien Ueberzen 


gung eines Jeden Üüberlaffen werden müffen. Gonft nehmen dergl. 
Berfammlungen leicht einen Charakter an, wie jene, von welder ' 
ein neuerer Gefcichtfchreiber (Wahsmuch in f. europäifden 











Koͤnigsmord Koͤnigthum 611 


Dder beftimmter: 1. Ich bin (bedeute) etwas. 2. Ich habe (ms 
tenne, weiß, denke ꝛc.) etwas. Die Art und Meife, wie daraus 
alles Webrige deducirt wird, kann hier nicht nachgewiefen und beurs 
theilt werden. Letzteres würde mir auch ſchon darum nicht zukom⸗ 
men, meil der Verf. die Güte gehabt hat, mir die zweite feiner 
Schriften .zu widmen. Man fönnte alfo leicht vermuthen, daß 
mein Urtheit dadurch beflochen worden. Indeſſen darf ich doch fos 
viel verfihern, daß Niemand es bereuen wird, ſich näher mit den 
Anfichten bes fcharfjinnigen und wohlunterridhteten Mannes bekannt 
gemacht zu haben, wenn auch hin und wieder Zweifel an der durch⸗ 
gängigen Richtigkeit derfelben rege werden follten. 

Königsmord (regicidiam) iſt ebenfo unerlaubte als der 
Menfhenmord überhaupt (homicidium). S. Mord. Die es 
fuiten haben ihn zwar vertheidigt, wenn er zum Seile der Kirche 
geſchehe. Das ift aber nur Sophiſterei. Wird ein Koͤnig mit ges 
richtlichen Formen auf dem Blutgerüfte gemorbet, wie Kart 1. 
in England und Ludwig XV. in Frankreich: fo ift es cin Ju⸗ 
ſtizmord. S. d. W. — Wegen did Zyrannenmords vergl. 
Zyrannei. 

KönigtdHum. — Zufig: Von dem realen Königthume, 
wie e8 in einem Staate von einer beitimmten Perfon wirklich aus⸗ 
geübt wird, um den Staat zu regieren, iſt erftlih zu unterfcheiden 
das bloß nominale Königthum, wo Jemand zwar den Titel eines 
Königs führt, aber nicht in der That als König regiert. Dieg ift 
aber nicht bioß bei ſolchen Königen der Fall, die freiwillig oder ges 
nöthigt vom Throne geſtiegen find, fondern auch bei foldyen, bie 
zwar noch auf dem Throne fißen, aber die Regierung ganz und gar 
andern Perfonen (Günftlingen oder Mätreffen, zuweilen auch ber: 
riſchen Minijtern, vor welchen fie fich ſelbſt fürditen) überlaffen ha⸗ 
ben; weshalb man ſolche Nominalkoͤnige auch Schattenkönfge nennt, 
indem fie von Andern, die an ihrer Etelle regieren, uͤberſchattet 
werden. In ſolche Schattentönige hat man neuerlich auch in mans 
hen fontratiihen Staaten die Monarchen verwandeln wollen durch 
ben Grundfag: Rex regnat, non guhernat. ©, diefe Formel. — 
Eodann iſt aber von dem realen Königthume auch noch zu uns 
terfcheiden das ideale, welches theils ein geſetzliches theils ein 
wiſſenſchaftliches iſ. Das Königthum der Gefepe ift 
naͤmlich die den Gefegen gebürende hoͤchſte Autorität, welche ſelbſt 
ber Regent eines Staats anzuerkennen hat, weil ee nicht über alle 
Geſetze exhaben if. S. Erler. Spricht man aber in der Moral von 
einem Eöniglihen Geſetze (vouos Baauıxng, lex regia): fo 
verfteht man darunter vorzugsweife daB Gebot der Gottes» 
und Menſchenliebe, weldyes als das hoͤchſte alle übrigen unter 
fi befaffe (Mark. 12, 30. 31. Sal. 2, 8). an jenes fog. 


Loͤrperlich Kosmopolitismus 613 


Todten nebft Zuſ. — Die Zuriften pflegen aud dem Rechte 
und dem Verbrechen einen Körper zu geben. ©. Corvus de- 
licti et juris. 

Körperlid. — Zuſatz: Wie man überhaupt Körperlis 
bes und Geiftiges unterfheidee — ſ. Körper und Geiſt nebft 
Zuſſ. — fo unterfcheidet man auch infonderheit eine koͤrperliche 
und eine geiftige Gymnaſtik. ©. das letzte Wort. 

Kosmokrator (xoonoxparwp, von xoauog, Drbnung, 
Einrichtung, Schmuck, dann die Welt, und xpareıv, herrſchen, 
regieren) heißt eigentlih Gott als Weltherrfcher oder Weltregent. 
©. Bott und Regierung der Welt n.33. Man hat aber audy 
zuweilen aus Schmeichelei Fuͤrſten fo genannt, welche einen großen 
- heil der Erde beherrfchten, weil man bie Erde felbft eine Welt 
nannte, ob fie gleidy nur ein fehr Eleiner Theil derfeiben if. Dieſe 
irdifche oder menſchliche Kosmokratie iſt alfo freilid eine hoͤchſt 
beſchraͤnkte. — Endlih hat man fogar den Teufel einen Kos⸗ 
mofrator genannt, weil man ſich vorftellte, er habe ſich gleichfam 
mit Gott in die Herrfchaft über die Welt getheilt oder ftreite wer 
nigftens mir Gott darum. Deshalb heißt auch in den chriftlichen 
Religionsurkunden jenes böfe Weſen der Kürft diefer Weit 
(6 auywv Tov xoouov Tovrov) 3. B. Joh. 12, 31. und 14, 
30. Verse. Teufel n. 3. 

Kosmologie. — Zuſatz: Die B. 2. &. 635. angeführ- 
tm Betrachtungen über das Univerfum von Dalberg erfchienen 
zuerſt zu Erfurt, 1777. Dimn in der 6. Aufl. 1819. 8. 

Kosmologifher Beweis für das Dafein Got: 
ted. — Zuſatz: Vergl. audy außer den bereit unter Kosmo⸗ 
logie angeführten Schriften, die meiſt zugleich die Frage berüb: 
ven, ob und wiefern die Welterkenntniß zur Gotteserkenntniß fuͤh⸗ 
ven könne, Ritter's Schrift: Ueber die Erkenntniß Gottes in ber 
Melt. Hamb. 1836. 8. | 

Kosmopolitismus — Zufag: Goldfmith’s cilizen 
of the world (jegt wieder franz. erfchienen zu Paris, 1837. 8.) 
befteht aus (bin und wieder fehr farkaftifchen) Briefen, die der Verf. 
einen finefiihen, angeblich in London ſich aufhaltenden, Philofophen 
an feine Freunde im Oſten ſchreiben läfft, um dieſen feine in Eu: 
ropa gewonnenen weltbürgerlihen Anfichten mitzutheilen.. — Man 
hat Übrigens bdiefen Ausdrud neuerlih auch auf die Thier- und 
Pflanzenwelt bezogen, indem man diejenigen Xhiere und Pflanzen 
tosmopolitifche nannte, welche in allen Zonen und Klimaten 
der Erbe (diefer Welt en miniature) fortlommen, wie der Menſch, 
der aber diefe Eigenſchaft in einem noch höhern Grade befigt und 
daher gleihfam von der Natur zum Kosmopolitismus berufen iſt. — 


Krafe Kreuz der Metaphyſiker 615 


An diefer Beziehung nennt man daher auch diefen felbjt einen 
Krämergeift oder Krämerfinn. 

Krafe f. Diaͤreſe. 

Kratipp. — Zuſatz: Cicero fcheint von biefem peripates 
tiſchen Philofophen eine hohe Meinung gehabt zu haben. Denn 
de dirinat. I, 3. wird er von GC. ald par summis Peripatelicis 
bezeichnet. Gleichwohl ift von befondern Verdienſten deſſelben um 
die Philofophie nichts bekannt. Ä 

Kratyl. — Zuſatz: As Plato's Lehrer wird er ſowohl 
von Ariftoteles (metaph. I, 5.) als von Diogenes Laert. 
(111, 6.) bezeichnet. Nach beiden Stellen fcheint er ein Anhänger 
Heraklit's gemefen zu fein. 

Kraufe — Zufag: Sein philofophifhee Syſtem hat er 
ſelbſt als Abfolutismus bezeichnet und mit einer Menge neuer, 
aber ungluͤcklich gebildeter, Kunftwörter aufgeſtutzt. So nennt er 
den Vernunftfchluß ein „grundlihes Verhaltverhaltfhaus 
niß.“ Das ift denn doch eine zu arge Mishandlung ber Sprache! 
— Nach feinem Zode erfhienen noch folgende Schriften von Ihm: 
8.8 handſchriftlicher Nachlaß. Anatptifche Philoſophie. DB. 1. Vor⸗ 
Iefungen über die analpt. Logik und die EncyHop. der Philof. Gött. 
1836. 8. Auch unter dem Titel: Die Lehre vom Erkennen und 
von der Erkenntniß, als erfte Einleitung in bie Wiffenfchaft. Ders 
ausgeg. von Herm. Karl v. Leonhardi. Mit 3 Steindruds 
tafeln. — Sonthetifche Philofophie. B. 1. Die abfolute Religions: 
philof. in ihrem Verhältniffe zur Glaubenslehre des Gefühle und 
nad) ihrer Vermittlung des Supernaturalismus und bes Rationa⸗ 
lismus. „Dargeftelle in einer philoſ. Prufung und Würdigung der 
Lehren Jacobi’, Bouterweck's und Schleiermacher's. Herausgeg. 
v. Demf. Ebend. 1835— 36. 2 Bde. 8. Abriß ber Aeſthet. oder 
der Philof. des Echönen und der ſchoͤnen Künfte. Herausgeg. v. 
S. Leutbecher. Ebend. 1837. 8. Ueberhaupt foll diefer hand⸗ 
ſchriflliche Nachlaß ungefähre 25 Bände, meiſtens zu 36 Vogen, 
betragen, wenn das Publicum die Herausgabe gehörig unterjtügt 
— quod vix crediderim, 

Kreis. — Zuſatz: Wegen der Iullifhen Kreife ſ. Gy: 
flognomie und Lullus. 

Kreuz der Metaphyfiler (crux metaphysicorum) heit 
bei Manchen vorzugsrorife Die Theorie von Raum und Zeit, wel 
fie wegen ihrer Schwicrigkrit den Philoſophen als Metaphyſikern 
viel Kopfbrechene veruriacht hat. S. Raum n. 3. Es giebt aber nicht 
bloß in der Metaphyſik, fondern auch in andern Theilen der Phi: 
lofopbie folhe Kreuz: Fragen oder Probleme. €. pbilof. 
Kreuz Ja es giebt fogar Kreuz: Philofophen b. h. folde, 
deren dunkle und werwortene Echriften eine wahre Pein für bie fe 


616 , Krieg Kriterium 
fer find; wiewohl e8 auch fo gutmüthige Lefer giebt, daß fle gerade 
in dergleichen Schriften bie tieffte Weisheit fuchen und daher fo 
lange darin grübeln, bis fie, flatt den fremden Verſtand zu fin 
den, den eignen verlieren. — In einem andern Sinne aber fpriht 
man von Kreuz: Theologen b. h. folhen, bie von nichts als 
Kreuz und Leiden predigen, als wenn bie Froͤmmigkeit in einer be 
fländigen Abquäterel beftände; ob es gleich wahr ift, daß der Menſch 
feine finntihen Begierden Ereusigen d. h. bändigen fol. Dem 
wenn wie fie nicht auf dieſe Art Ereusigen, fo Ereuzigen fie ms 
auf andre Weiſe. — Was bie Kreuz: Züge, Kreuz: Fab: 
zer, Kreuz: Brüder, Kreuz: Herren oder Kreuz» Ritter 
und andres KreuzsUnmefen betrifft: fo genügt bier die Be 
merkung, baß dem Gekreuzigten, den man dadurch ehren wollu, 
vielmehr ber bitterfte Hohn zugefügt worden, indem man bie Lehe 
von feinem Kreuze fo unfinnig gemisdeutet und gemisbraucht hat. 


Krieg. — Bufag: Wenn bie militariſchen Schriftfteler von 
einer Kriegsphilofophie fprehen — 3. B. ber Verf. der Bar 
trachtungen über mehre Gegenftände dee Kriegsphiloſ. ꝛc. Aus den 
Papieren eines Generald herausgeg. von 2. Bleffon. Ber. 1835. 
8. — fo denken fie mehr an das Führen des Kriege, als an das 
Philofophiren über den Krieg. Ein kurzer Abriß der eigentlichen 
Kriegsphilof. ift im biefem Art. und bem über das Kriegsrecht 
enthalten. Wenn man aber das ganze menſchliche Lrhen für 
einen beftändigen Krieg erkläre hat, weil der Menſch ſtets mic einer 
Menge von innern und dußern Feinden feinee Ruhe und Glüd 
feligteit kaͤmpfen muͤſſe: fo iſt das doch eine zu trüdfelige Anfict 
vom Menſchenleben. S. d. W. n. 3. 

Kriegsliſten ſ. Liſt. 











618 Aryptiſch 


haͤltniß zu den Regierungen. Nebſt einem Naqworte uͤber eine 
mertwurdige politifhe Prophezeiung. Ebend. 1835. 8. — Der 
Kampf zwiſchen Gonfervativen und Deftructiven, und bas europäs 
fe Ober: Stubien= Dieectorium. Auch ein Verſuch, das Politiice 
Boͤſe unfrer Zeit ausjurotten. Ebend. 1835. 8. — Die neudien 
Frangöfifchen Gefege, vornehmlich das Preffgefeg, mit Hinſicht auf 
Deutfepland erwogen. in Beitrag zur Gefeggebungs = Politil, 
Ebend. 1835. 8. — Schelling und Hegel. Oder die neuefte Phi 
tofophie im Vernichtungskriege mit ſich felbft begriffen. Ein Bei⸗ 
trag zur Geſch. der Phitof. des 19. Jahrh. Ebend. 1835. 8. — 
Ueber das Verhaͤltniß der Philof. zum gefunden Menſchenverſtande, 
zue öffentlichen Meinung und zum Leben felbft, mit befonbrer Hins 
ficht auf Hegel. Noch ein Beitrag zur Gedichte der Philof. des 
19. Jahrh. hend. 1835. 8. Iſt zu vergleichen mit der frühen 
Schrift: Wie der ungemeine Menſchenverſtand die Philofophie net: 
me. Zuͤllichau, 1802. 8. — Der neue Pythagoras. Dder Geic. 
eines dreimal geborenen Erdenbürgers. Mit einem Glaubensbek. über 
Seelenwanderung und Unſterblichkeit. Ebend. 1836. 12. — Ueder 
altes und neues Chriftenthum, mit Hinficht auf Ammon's Fertbi: 
bung des Chriftenthums und Strauß's Leben Jeſu. Ein Sübne- 
wort fie Paldologen und Neologen. Ebend. 1836. 8. — ms 
tion. Oder Entwurf eines neuen Religionsgefeged für chriſtliche 
Staaten. Ebend. 1836. 8. — Antidoton. Ein Pentant zum 
Henotiton. Ebend. 1836. 8. Gegen diefe 3 letzten Schriften es 
ſchien ein heftiges Sendſchreiben an den Verf. vom Bar. Ette 
v. Udermann. Sondersh. 1837. 8. gegen bie legte aber noch 


ein befondres Schreiben von den „Aufgeforderten,” die ich ader 
Bolzano. Sul. 153 


Keyftallomantit Kühnbelt 619 


fo viel giebt, fo Hat man aud oft von Kryptoatheiſten gefpros 
chen, 05 es gleich unrecht iſt, Jemanden für einen Atheiften zu er 
Hären, weil er von Bott und göttlihen Dingen nicht fo wie Aus 
bee denkt. ©. Atheismus n.3. — Kryptofophie bedeutet eine 
geheime ober verborgne Weisheit (vogyıa) bie aber meift nur eine 
affectirte iſt. — Ebenfo bedeutet Kryptographie eine geheime 
ober verborgne Schrift ((yoayn) die, wenn fie zur Aufbewahrung 
beiligee oder wenigſtens für heilig gehaltener Geheimniffe gebraucht 
wird, auh Dierograpbie heiß. S. d. W. und Dieroglys 
phen n. 33. Die Kryptographie geht alfo dann mit der Krpptofophie 
gleihfam Hand in Hand, oder jeme dient diefer zu ihrer Verhuͤllung. 
‚Die echte Philofophie aber bedarf keiner Kryptographie, weil fie Leine 
Kryptoſophie fein, fondern ganz offen an's Licht bervortreten will. 


Kryſtallomantik (meugebildet, von xpevorailos oder rich⸗ 
tiger xovoralos, ber Kryſtall, auch jeder kantige und durdyfichtige 
Körper, wie Eis oder Glas, und kavrıxz scil. reyxyn, Wahrfagers 
kunſt) foll die Kunft bedeuten, mittels Erpftallinifcher Körper die Zus 
Zunft zu erforfchen und dann auch vorauszufagen. Sie gehört alfe 
mit zu ben verfhiebnen Arten der Divination. ©. d. W. n. 3. 
Im Mittelalter wurde fie ſtark gelbe, aber aud für eine Teufels 
kunſt gehalten und daher zuweilen fogar mit dem Tode beitraft, 
wenn Jemand auf diefe Art fi) eines Buͤndniſſes mit bem Teufel 
verdächtig gemacht hatte. Das eigenthümtliche, faſt munderbare, 
Farbenſpiel mancher Ernftallinifcher Körper mag wohl zu biefer Art 
des Aberglaubens den erften Anlaß gegeben haben. Betruͤger benugs 
ten bann, wie gewoͤhnlich, die Sache toeiter zum eignen Vortheile. 


Ktiömatolatrie (xtiouazolarpsa, von zrıne, Geſchoöpf, 
und Aarpeıa, Dienft, Verehrung) bedeutet die veligiofe Verehrung 
irgend eines Geſchoͤpfes (fe es natürlich” oder kuͤnſtlich) als eines 
göttlichen Weſens. Sie befaſſt alfo alle Arten ber Abgätterei: Ans 
thropolattie, Aftrol., Idolol., Pyrol., Zool. x. ©. biefe 
Ausdrüde und Fetiſchismus mn. B. Auch gehört dahin bie reli⸗ 
giofe Verehrung der fogenannten Heiligen. S. d. W. 

Kühnheit (audacıa) bedeutet einen hoͤhern Grab des Muths, 
der ſelbſt das Schwierigſte unternimmt und daher aud) große Ges 
fahren nicht fheut. Ebendaher kommt es, daß er oft vom Gluͤcke 
begünfltigt wird? — audaces foriuna juvat — vorausgefegt, daß ber 
Kühne nicht ohne Berftand oder Befonnenheit handelt; weshalb Ans 
dre "lieber fagen: Constantes oder auch Prudentes f. j. Sonſt vers 
wandelt ſich die Kühmbeit in Verwegenheit oder Tollkühn⸗ 
heit, bie den Menfchen nicht bloß unglüdlic machen, fondern 
auch zum Boͤſen verleiten kann; wie Doraz (od. 1, 3.) fagt: 
Audax omsia. perpeti gens humana ruit per veütum nefas. 
⸗ 


620 &umas Runft 


Nur ift die vom begeifterten Dichter beiſpielsweiſe angeführte Kühn: 
heit de6 Menfchen im Entzünden de6 Feuers und im Beldiffen bes 
Meeres und der Luft noch Beine frevelhafte Tolkühnheit zu nennen, 
da es die natürliche Beſtimmung des Menfhen if, auch die ge 
waltigften Elemente und Kräfte der Natur den Zwecken ber Vers 
nunft dienfibar zu machen, fo weit es nur phyſiſch moͤglich if. 
Wie viel der Menſch dabei wagen dürfe, laͤſſt ſich voraus nicht bes 
flimmen; obwohl im Algemeinen die Regel gut iſt, weiche Goͤthe's 
Fauſt (X. 2. Act 2.) giebt. 

Nur mäßig, mäßig! 

„Riht in's Werwegne , 

Daß Sturz und Unfall 

„Die nicht begegne !" 

Kumas. — Zufag: Nachdem er eine Zeit lang in Wim 

gelebt hatte, ließ er ſich in Trieſt nieder, wo er ald Scholarch des 
daſigen gtiechiſchen Gymnafiums 1836 im 59. Lebensjahre am der 
Cholera ſtarb. Für bie geiflige und fittlihe Erziehung der Neugrie 
en hat er mit gluͤcklichem Erfolge gewirkt. 
Kummer (vom altd. chuman, jammern, ſeufzen — daher 
chumpar, Summer, Gram) ift ein höherer Grad von Traurigkeit, 
dur Sorgen wegen gegentwärtiger ober künftiger Uebel hervorgeru ⸗ 
fen. Mitdernd fagt man auch Kümmerniß oder Befümmer: 
niß. Daher bedeutet fih um etwas befümmern oft weiter 
nichts als für etwas forgen oder um etwas beforgt fein. Vergl 
Sorgfalt. . 

Kunſt. — Zufag: Wegen des Unterfcieds zwiſchen dem 
Claffifhen und dem Romantifchen in der Kunſt f. diefe Aus: 
druͤcke felbft. Auch berg fher’6 Abhandlungen 
ä Hof der Kunft, in 2 uch die 










ri 
ur Doil 





Lamaismus Landesvater 623 


koͤnnte, wie man ben Lakonismus auch zuweilen Spartanismus 
genannt hat. — Von lakoniſcher oder ſpartaniſcher Philo⸗ 
ſophie weiß die Geſchichte nichts zu ſagen, da jener krlegeriſche 
Volksſtamm der Griechen die friedlichen Wiſſenſchaften und Kuͤnſte 
uͤberhaupt nicht liebte. 


Lamaismus. — Zuſatz: Daß er eine Ab⸗ oder Unterart des 
Buddaismus ſei, iſt die gemeine Meinung. S. Buddan.3. Neuerlich 
hat man jedoch behauptet, daß es im oͤſtlichen Aſien eigentlich drei oberſte 
Prieſter oder Lamas gebe, welche zum Unterſchiede von einander 
Dalai Lama, Teſchu Lama, und Tharanaut Lama ge 
nannt werden. ©. Account of on ambassy of the court of Te- 
schoua Lama in Thibet, By Capt. Sam. Turner. London, 
1800. 4. Wieder Andre behaupten, der Lamaismus fei eine Aus: 
artung des Chriſtianismus, urfprünglih von einem manichaͤiſchen 
Driefter herrührend und durch viele heibnifche Gebräuche entitellt. 
Die Lamas oder Lamaiten glaubten daher an einen desieinigen Gott, 
an Himmel, Hölle und Zegefeuer, hätten fogar eine Art von Meſſ⸗ 
opfer. mit Brot und Wein ꝛc. ©. De la Mennais, essay sur 
V’indifference en matiere de religion. T. II. p. 98. — Wer 
weiß, ob nicht noch Semand im Lamnismus eine Abart des Py⸗ 
thagoreismus ober Platonismus finden wird. Denn zwi: 
[hen bfefen und dem Chriſtenthume hat man ja auch ſchon Ders 
wandtſchaft gefunden. Verglriche auh Indiſche Philofophie. 
nebſt Zuf. 

Lamennaid f. Mennais. 

Landesherr (unter Land Nr. 1). — Zufag: Wenn bem 
Landesherrn die Landeshoheit beigelegt wird, fo iſt barunter- der 
Inbegriff dee Majeflütsrechte (complexus regalium) zu verfichn, 
welche dem Staatsoberhaupte zukommen. S. Majeſtaͤtsrechte. 
Der Unterſchied aber, den man ſonſt in Bezug auf die vormalige 
deutſche Reichsverfaſſung zwiſchen Landeshoheit im eigentlichen 
Sinne und bloßer Landesherrlichkeit machte und über ben viel 
geftritten wurde, gebört nicht hieher, fondern in das pofitive (nun 
antiquirte) deutfche Staatsrecht. &. eines Ungenannten Gefchichte 
ber Lundeshoheits: Streitigkeiten ıc. Ulm, 1795. 8. 

Landesvater (unter Land Mr. 2), — Zufap: Wenn 
Seneca (de clem. I, 14.) fagt, die Römer hätten ihren Kaifer 
mon adulatione vana adlducti, fondern darum patrem patriae ges 
nannt, ut scirent datam sibi potestatem patriam: fo iſt weder jes 
nes noch dieſes richtig. Auch iſt die väterlihe Gewalt nur dann 
temperatissima, Jiberis consulens saaque pest illos reponens, wenn 
der Vater wirklich Liebevoll gegen feine Kinder gefinnt if. Das 
find aber ebenfowenig alle Väter als alle Fuͤrſten; und - unter ben 





624 Landwirthſchaft Largition 


tömiſchen Kaiſern namentlich gab es weit mehr herriſche Tyranuca 
als vaͤterliche Regenten. 

Landwirthfchaft iſt unſtreitig bie erſte oder Urwirthſchaſt 
die eben im Acker⸗ oder Landbaue beſtand, fo unvollkommen dieſer 
auch noch fein mochte. Die Idee der Wirthſchaft hat ſich aber im 
Kaufe der Zeiten fo erweitert, daß jene nur noch einen Theil der 
geuwict haft überhaupt ausmacht und dieſe num wieder der 

taatswirthſchaft emtgegengefegt wird. ©. d. W. und Des 
Tonomit. Deshalb nahm Ariftoteles au bie Oekonomik un 
ter die philoſephiſchen Wiſſenſchaften auf und verband fie genau mit 
dee Politik. ©. d. W. nebft Zuf. 

Lang, Länge. — Zufag: Wegen der Länge ber Zeit, wie 
fern fie dem Unbefdyäftigten eine brüdende Laft wird ſ. Rangmeil; 
und wegen der Länge des Lebens ſ. Lebensdauer. 

Lange (S. ©.) — Sein Lehrb. der rein. Log. erſchien zu 
Roſtock, 1820. 8. 

2a0s Dfö oder Lao⸗Tſeu. — Zufag: Manche fpreden 
und ſchreiben diefen Namen auch Lau⸗Tſe. — Das bier ame 
führte finefiihe Wert Dao-de-Ging wird au Tao-te-King 
genannt und iſt unter biefem Zitel mit dem Belfage: on le lirme 
de la raison et de Ja vertu par Lao-Tsen, philosopke chi- 
nois, anterieur a Koung- Tseu [Confucius] en chinois, en la 
tin et en francais, zu Paris (1834. 8.) gedrudt worden. — Die 
weiterhin angeführten ſineſiſchen Wörter Dao und Daosse werden 
auch Tao und Taosse oder Taotz'ee geſchtieben und von Eini⸗ 
gen buch) Anhänger oder Verehrer ber Vernunft, von An 





dern duch Betreter des rechten Weges oder Rinder der 
unftersiiäteit überfegt. Die eine Ueberfegung koͤnnte aber meh 
fend_fei m 





Lebensalter Lebensbauer 627 


(Berl. 1819. 8.) und Deff. Säsen aus der Bildungs: und Bes 
gründungßlehre des Lebens (Berl. 1820. 8.. — Wegen bes Mens 
fhentebens und des philof. Lebens f. diefe befondern Artikel. 
— Die Formel: „Reben und leben laſſen,“ foll eine Lebens⸗ 
regel fein, durch welche angedeutet wird, daß, wie man felbft nid 
bloß überhaupt leben, fondern auch möglihft zufrieden und unge: 
ftört von Andern leben will, man auch ba6 Leben Andrer nicht vers 
Türzen und verkummern fol. — Uebrigens fagt Seneca (de brer. 
vi.ae c. 7.) ſehr richtig: Vivere teta vita discondum est, et 
quod magis fortasse miraberis, tota vita discendum est morj. 
Denn der Gegenſatz zwifhen Leben und fterben Iäfft fi nur 
dadurch ausgleihen, daß man gut leben lernt, weil man fo auch 
gut flerben lernt. Darum betrachteten auch ſchon die Sokratiker 
die Philofophie als eine Meditation des Todes. S. d. W.n. 3. 

Lebensalter. — Zufag: Eine treffende Schilderung ber 
vier Sanptiebenbalter des Menſchen findet man Hor. A. P. vs, 
158—174. 

Lebensbaum (arbor vitae) iſt eigentlich jeder Baum, beffen 
Fruͤchte unfer Leben erhalten können. Gewöhnlich. aber verftcht man 
darunter einen Baum im Paradiefe, beffen Früchte die Kraft ges 
habt haben follen, den davon Genießenden unfterblich zu machen. 
S. Ertenntniffbaum. 

Lebensdauer, Lebenskuͤrze und Lebenslänge find 
relative Begriff. Sicht man dabei bloß auf bie Zeit, fo kann man 
allerdings die alte Klage über bie Kürze des menſchlichen Lebens, 
verglichen mit dem weit längern Leben mandyer Thiere und Pflau⸗ 
gen, nach dem bekannten Sprudye: Vita brevis, ars longa, wies 
derholen; obwohl ed auf ber andern Seite auch wieder eine viel 
größere Menge von Thieren und Pflanzen giebt, bie weit kürzere 
Zeit als ber Menfh leben. Man mürde jedoch jene Klage weit 
feltner hören, wenn nicht Die meiften Menſchen ihr Leben felbft vers 
kuͤrzten, theils dadurch, daß fie ihre Lebenskraft durch Unmaͤßigkeit 
im Genuſſe oder in der Arbeit oder uͤberhaupt durch eine regelloſe 
Lebensweiſe zu früh erfchöpfen, wenn fie auch ihr Leben nicht ges 
waltſam zerftöcen, theils dadurch, daß fie das Leben nicht intenfiv 
durch zwedimäßige Thätigkeit oder weife Benutzung ber Zeit zu ver 
längern fuchen. Daher fagt Seneca (ep. 93.) ganz richtig: Nom 
ut dia vivamus curandum est, sed ut satis. Nam ut diu vivas, 
fato opus est, ut satis, anımo. Longa est vita, si plena est. 
Impletur autem, cam animas sibi bonum suum reddidit et ad 
se potestatem sui transtalit — was er in feiner Schrift de bre- 
vitate vitae noch weiter ausgeführt hat, wo er auch ebenfo richtig 
fagt: Exigua pars temperis est, quam vivimus (im hoͤhern 
&inne); caelerum quidem omme spaliam (mas gr verfihlafen ober 


Bebenögläd Lebenskraft 629 


„Anm vom Glüde befonders Beguͤnſtigten gepriefen; auch will ich 
„mid nicht beflagen und ben Gang meines Lebens nicht fehelten. 
„Altein im Grunde ift e6 nichts als Mühe und Arbeit geweſen; 
„und ich kann wohl fagen, dag ich in meinen 75 Jahren keine 
„A Wochen eigentliche Behagen gehabt. Es war das ewige Wäl 
„zen eines Steind, der immer von neuem geboben fein wollte.” 
Das klingt ja faft trofllos!” Und folte denn einem Manne, dem 
body fo mandyes ſchoͤne Werk gelungen, nicht die Hervorbringung 
folcher Werke auch einen hoben Lebensgenug gewährt haben? — 
Uebrigens iſt es freilich wahr, daß alle Lebensthaͤtigkeit auch zugleich 
ein Lebenskampf iſt, weil oft große Schwierigkeiten zu beſiegen 
find. Daher ſagte ſchon Seneca (ep. 96): Vivere militare est, 
Und Herder ftellt auch in folgender Gnome die Arbeit voran: 

„Zur Arbeit, Liebe und Veredlung warb 

„Das Leben und gegeben. Fehlen bie, 

„Was hat der Menıh am Leben? Dat er fie, 

„Was fehlet ihm? Worüber darf er Hagen 1" 


Merkwuͤrdig iſt auch die Werfchiedenheit der Anfichten Franklin's 
und Kant’6 vom Leben. Jener erklärte, fein ganzes Leben noch 
‚ einmal dbucchleben zu wollen, befonders wenn ihm vergönnt würde, 
wie ein Schriftfteller in der 2. Ausg. feines Buches die Fehler der 
1. zu verbeffern. Diefer aber fügte, daß, wer Über den Werth des 
Lebens nachgedacht habe, gewiß keine Luft haben werde, fein gans 
zes Leben noch einmal durchzuleben, wenn auch auf jede ihm bes 
liebige Bedingung. Freilich würde e6 unter folder Bedingung doch 
nie mehr das erfte Leben fein, fondern ein andre, wenn auch 
mehr oder weniger beſſeres, werden. 

Lebensglück it im Grunde daſſelbe, was Lebensgenuß. 
S. d. W. nebſt Zuſ. Es folgt aber auch daraus, daß derjenige, 
welcher fein Lebensgluͤck bloß vom Gluͤcke d. h. vom Zufalle erwar⸗ 
tete, ſich ſehr taͤuſchen wuͤrde. Denn obwohl zufaͤllige Umſtaͤnde 
auch Einfluß darauf haben, ſo hangt doch die Hauptſache von unſ⸗ 
rer eignen Thaͤtigkeit ab. Darum ſagt mit Recht ein altes Spruͤch⸗ 
wort: Jeder iſt ſeines Gluckes Schmid (quilibet fortunae 
suae faber). 

Lebensklugheit heißt die Klugheit in befondrer Beziehung 
auf die Angelegenheiten des menſchlichen Lebens im gefelligen Ver⸗ 
kehre. ©. Klugheit nebft Zuf. Damit fie aber nicht in Arge 
liſt ausarte, muß fie ſich mit der Lebensmweisheit verbinden. 
©. Lebensphiloſophie nebſt Zuſ. Daß es vielen Philoſophen 
daran fehle, iſt ein alter Vorwurf, der auch wohl nicht grundlo® 
if. Fehlt es aber nicht ebenfall6 vielen Nichtphiloſophen baren, 
ſelbſt ſolchen, die ſich ſehr Ang bünten? 

Lebenskraft ſ. Leben nebſt Zuſ. 


Lebensthierkreis 631 


rara, Herkules IL aus dem Haufe Eſte, der ſich unter ben 
Fuͤrſten des 16. Jahrh. ale ein Freund der Wiflenfchaften und 
Künfte auszeichnete, gewidmet. In biefee Debdication bittet ber 
Berf. um den Schub des Herzogs aus dem Grunde: Quandoqui- 
dem in hac vitae tragicomoedia contingere plerumque solet, ut 
fgnavi homines voluptatibus addicti eos contemnant, quos vir- 
tute praestare vident. Am Ende derſelben aber verwahrt er ſich 
wegen ber Aufnahme philofophifcher und infonderheit platos 
nifcher Lehrmeinungen in fein Wert gegen Verfolgung von Geis - 
ten ber heil. Inquifition durch folgende merkwürdige Erklärung: 
Quae [opiniones]) si falsae sunt et erroribus nec pancis nee 
levibus involutae, equidem mon ego, sed ipsi [Philosophi, prae- 
sertim Platonici] reprehendi debent, eum mea sit intentio, a 
catholica fide numquam declinare. 3a er hält biefe 
Erklärung nicht einmal für binreichend, fondern fest noch hinzu: 
Clare profiteor, et omnibus haec lecturis testatum esse volo, 
me in omnibus, quae hoc in opere scripsi, orthodoxae et ca- 
tholicae ecclesiae judicio submittere, ejusque vensuram, uf vi- 
ram christianum decet, libenter accipere. Diefelbe Vorficht muſſ⸗ 
ten aber auch andre Schriftfleller jener Zeit und jenes Landes braus 
hen. ©. z. B. Pomponaz nebſt Zuſ. Wen fällt dabei nicht 
ein die rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, et quao 
sentias, dicere licet! Tac. hist. I, 1. — Uebrigens warb jener 
zodiacus vitae, der jegt beinahe vergeffen iſt, früher fo hoch ger 
fhägt, daß ein andrer neulateinifcher Dichter (Thomas Scauranus) 
ihn in einer Art von Prolog auf folgende Weife empfahl? 


Oandide lecter, kabes diviaum carmen, in Mo 
Invenics animi gratis alimenta tal. 

Quao sist samma bons et quo pacto ducere vilam 
Coaveuiat, pracsens hoo tibl pandit opus. 
Hoe dbi dat Bepklas eselestia munera, per qase 

Te peteris summo sendiliare Jevi 
Hoe tibi natarae mysteria multa recladit ; 
Deaique te dootum, te faeit esse bonum. 
Zodiacus viiae ferter, quis vita per ipsum 
Ducte zitet, ceu sel per sus signa meonns. 
Majoremque ut sol mundum, sie iste minerem 
Illustrat , vegetat, ornat, alitque liber. 
Quem quioungue Deo carus cupit euse, tenebli 
Sacpe menu et magua sodulliate leget. 


Es iſt auch in der That noch immer leſenswerth. Und darum hielt 
ich es für Pflicht, fein Andenken bier zu erneuern. Wer aber ber 
eigentliche Verf. dieſes philoſ. Lehrgediches fei, kann ich nicht mit 
Zuverſicht ſagen. Einige nennen ihn Pietro Angelo Manzolli oder 
Mazolli, des Leibarzt de6 Herzogs von Ferrara geweſen und beffen 








Lemma Leontius | 637 


ift, welcher daher ebenſowohl ein mohlthätiger oder unvergeltlicher 
als ein befchwerlicher oder vergeltlicher fein kann. ©. Vertrag 
und Anleihe. Auch kommt es, nad) dem Naturrechte wenige 
fine, ganz auf das Belieben der Paciscenten an, bie Höhe des 
Zinſes zu beftimmen; obwohl die Moral und die pofitiven Geſetze 
hierin geriffe Sränzen fegen. S. Wucheren. 3. Da das Geld als 
Werthmeſſer und Ggelivertreter der materialen Lebensgüter den Vers 
dehr mit denfelben am allgemeinften vermittelt, mithin die braud)s 
barfte und zugleich verbrauchbatſte Sache ift — denn es kann auch 
abgestiffen, abgefragt, eingefhmolzen, umgeprägt oder zu andern 
Zwecken verarbeitet werden — fo wird es ebendabuch ein Gegens 
fland der meiften Leihverträge, wie der meiften Betruͤgereien. 
©. Geld n. 3. 

Lemma. — Zuſatz: Das W. Aruua und lemma wird 
von griechiſchen und lateiniſchen Schriftftelleen noch in vielen ans 
dermweiten Bedeutungen gebraucht, 3. B. für Annahme oder Eins 
nahme, Geſchenk, Beſtechung, Wortheil oder Gewinn, desgl. für 
Ariom, Inhalt, Ueberfchrife, auch Gedicht, befonders Sinngedicht, 
Mährdyen, fo daß es eins der vieldeutigften Wörter ifl. Daher 
kommt aud die Bedeutung von lemmatiſch (Anuuarıxos, ges 
winnfüdtig) und Lemmatismus (Anunarionog, Streben nad) 
Erwerb, DBerdienft oder Gewinn). Sept find aber die meiften dies 
fer Bedeutungen außer Gebrauch gelommen. | 

Leontium. — Zuſatz: In dem B. 2. ©. 717. angeführs 
ten Briefe nennt Epikur diefe philofophirende und fchriftftellermde 
Hetäre fein liebes Leontinden (YrAov Asovragıoy — ihr eigente 
licher Name war Asorımy — Asovreıov, löroenartig) und dankt 
ihr für ein Brieflein (enıoroAıov) welches ihn erfüllt habe mit 
großer Freude (xgozoFopvßos, nah Plutarch ein von Epikur 
felbft gebildetes Wort, das nad) der Zufammenfegung von xo07eır, 
fchlagen, Eatfhen, und Yopvßos, Geraͤuſch, Lärm, auch lauter 
Beifallsruf, eigentlich Geräufh vom Haͤndeklatſchen bedeutet, bier 
aber vielleicht auf das Herzklopfen des zärtlihen Philoſophen beim 
Empfange des billet doux anfpielen follte). 

Leontiud (Asovrios 6 AImanog — nicht zu verwechſeln 
mit Asovrevs 6 Aauwaxnvos, f. Leonteus) war ein atheniens 
ſiſcher Philoſoph des 4. und 5. Jahrh. nach Chr., der ein fo flars 
kes Divinations= Vermögen gehabt haben foll, daß er feiner Toch⸗ 
tee Eudofia (Eudocia, auch Athenais genannt) vorausfagte, fie 
würde einft Gattin des noch minderjährigen Kaiſers Theodo⸗ 
fius II. werden; was auch eintraf, obwohl nicht zu ihrem Gluͤcke, 
da fie 440 durch die Kabalen eines Eunuchen geflürzt wurde, ber 
nachher die Zügel der Regierung ergriff. Won ihrem Water aber 
als Philoſophen iſt ſonſt wichts bekannt. — Auch andıe Männer 


Lernen 639 


„Sedankenbligen, dienämlihe affectirte Geiſtreichigkeitz 
„in Allen diefelbe Oberflächlichkeit, der es durch Lärmfchlagen und 
„savoir faire gelungen ift, ſich für etwas auszugeben.” — Das 
Elinge freilich fehr fhlimm! Wir Haben aber in Deutfchland auch 
Schriftfteller, felbft philoſophiſche, die nach Gedankenblitzen haſchen 
und die Geiſtreichigkeit nur affectiren. — Dem Verfaſſer dieſes 
W. B. fchrieb im 3. 1835 ein parifer Philofoph über Ebendenfels 
ben Folgendes: „Mr. L. est un homme d’une ires-grande £lo- 
„quence, mais qui a peu d’idees. La seule idee nourelle qu’il 
„y ait dans ses ouvrages, c’est son absurde €nigme d’une 
„philosophie nationale. Il a dit dans une des ses 
„que la vraie philosophie de la France c’etait le drapean 
„tricolore. Ce qu'il y a de singulier, c’est que la jeunesse 
„des écoles applaudisse avec fureur de pareils non-sens!* 
Nun das ift eben nicht singalier, fondern tres-ordinaire. Vergl. 
Nationalphiloſophie. — Nachdem diefer franzoͤſiſche Nationals 
philofoph eine Reife durch Deutfchland gemacht hatte, wo er mit 
feinem Beſuche audy den Verf. dieſes W. B. beehrte, gab er eine 
Schrift über Deutfchland unter dem Titel heraus: Au dela da 
Rhin. In derſelben iſt natuͤrlich aud von der beutfchen Philof. 
und Literat. die Rede, zum Theil aber fehr oberflählih und abs 
ſprechend. Dabei kommen feltfame Misverfländniffe vor, weil 2. 
das Deutfche nur unvolllommen verſteht. So überfept er Th. 2. ' 
S. 175—6. Goͤthe's Worte im Fauft: 
„Nur durch die Haine 
„Bu Stodck und Steine! 


auf folgende hoͤchſt komiſche Weiſe: „Ah! seulement la haine!. 
le combat et la Iutie!“ Mas mögen die franzoͤſiſchen Lefer, beſon⸗ 
ders die jungern aus 2.6 Schule, bei diefem nen-sens gebadht has 
ben! Oder haben fie vielleicht nichts gedacht, fondern auch nur 
aveo fureur applaudirt, wie bei der neuen Idee einer Nationalphis 
lofophie, genannt le drapeau tricolore ? Denn la haine, le com- 
bat et la lutte paffendvortrefflid zu einer folchen Philoſophie. 
Wo bieibt aber dann bie philosophie du droit? SDder tft diefe 
nur eine new aufgeſtutzte Theorie des alten Fauſtrechts sous les 
auspices du drapeau tricolore ? 

Lernen (discere, uardavev) ent[priht dem Lehren (de- 
esre, Jıdaoxer) was gewoͤhnlich auf getrennte Subiecte bezogen 
wird, fo daß das eine als lehrend, das andre als lernend gedacht 
und daher auch jenes fchlechtweg Lehrer, dieſes Lerner, Lehr⸗ 
king oder Schäler genannt wird. Allein es kann aud Beides 
in Einem Subjecte verfuhpfe fein, fo daß Jemand fich felbft be» 
lehrt ober etwas von oder durch ſich ſelbſt erlernt. Ja feibfl 


Leutfelig Eibel 641 


Richter: Die Lehre von den legten Dingm. Brest. 1833. 8 
B. 1. — In der aͤltern Schrift vom Pater Mart. v. Cochem: 
Die vier legten Dinge, Tod, Gericht, Hölle, Himmelreich (neu here 
ausgeg. von Brudbräu. Augsb. 1836. 8.) findet man eine fehr 
anfhauliche Befchreibung von der Hölle. oo 

Leutfelig heiße, wer mit andern Menfchen, beſonders nie 
dern oder untergebnen — bie urfprünglihd Leute (altd. liuti) bies 
fen — fo umgeht, daß fie ſich in feiner Nähe wohl (gleichfam felig) 
fühlen. Die Leutſeligkeit it daher vornehmlich eine Tugend 
der Höhern, Vorgeſetzten oder Gebietenden, kann aber auch im Ums 
gange mit Gleichgeſtellten bewielen werben. 

Leviathan (7n7%) iſt eigentlich der bibliſche Name eines 
großen Thieres — nad Einigen des Drachens, nad Andern bes 
Krokodils oder eines andern Wafferungeheuers — aber auch ber 
Titel einiger Schriften über das philofophifhe Staates und Kirchen: 
recht; woraus ‘zugleich ein Antileviathan entftanden. S. Hob⸗ 
bes und Buchholz. 

Lex non promulgata non obligat — ein noch 
nicht befanntgemachtes Geſetz verbindet nicht — well fidy nämlich 
früher niemand danach richten kann.’ Es gilt aber dieſer Sag freis 
lih nur von pfitiven Gefegen, weil die natürlichen oder Vernunft⸗ 
gefege keiner befondern Bekanntmachung bedürfen. &. Gefes n. 3. 
und Promulgation. Es folge daraus auch nicht, daß ein bekannte 
gemachtes Gefeg ebendarum ſchon verbindlich fei (lex promulgata 
obligat); denn es kommt darauf an, 0b es in der geſetzlichen Form 
und von ber rechten Behörde gegeben und bekanntgemacht worden. 

Lex posterior derogat priori — das fpätere Ges 
ſetz thut dem frühern Abbruch — hebt es wo nicht ganz doch theils 
weife auf. Auch diefer Sag gilt, wie der vorige, nur von pofitiven 
Geſetzen, weil es unter den natürlichen oder Vernunftgefehen kein - 
früheres und kein fpätere® giebt, fondern alle gleichzeitig oder viel 
mehr gleichemig find. S. Sefeg und Abrogation n. 33. 

Libell. — Zuſatz: Ein Libell im böfen Sinne bieß bei den 
Alten beftimmter libellas famosas, auch carmen famosum, da 
earmen nicht bloß ein Lied oder Gedicht, fondern auch eine Aufs 
ſchrift oder andre Kormel bedeutete. — Merkwuͤrdig ift folgende Des 
finition eines Libells, welche der vormalige brittifche Kanzler Lord 
Ellenborougb am 9. Decemb. 1819 im Oberhaufe aufflellte: 
„Eibell ift ein Wert, deſſen Inhalt dahin zielt, den König, bie 
„Regierung ober beide Häufer des Parlements in ein gehäffiges und 
„reächtliches Licht zu flellen, oder das Volk zu veranlaflen, bie 
„esiftigenden Gefege auf eine unrechtmäßige Weife zu verändern.” 
Diefe Erklärung iſt freilich mehr Defeription als Definition, aud) 
zu eng, da fie bloß auf England pafft und Privatlibelle ausfchließt. 

Krug’s encpliopäbifcephliof. Wörterd. Bb.V. Suppi. 41 


Liberalismus Licht 643 


la lutte r&volulionnaire par l’initiative du progrös social (Paris, 
1834. 8, ©. 9.) iſt die Rede von einem „nouveau libera- 
„lisme, qui tend A eoncilier l’autorit6 et la liberts, le droit et 
„le devoir, l’existence de la societ# et le bien-£tre individuel.“ 
Dos ift aber eben ber alte schte Kiberalismus, dem fo viele neue 
Liberale zum Schaden der guten Sache entfagt haben. 
Libertinismud. — ZBufag: Libertinus, wovon dieſes 
neugebildete Wort zunaͤchſt abflammt, bedeutete urfprünglidy den 
Sohn eines Freigelaflenen (gleihfam einen Keinen Sreigelaffenen, als 
Diminut. von libertus) hernach einen Sreigelaffenen überhaupt in 
Berug auf feinen Stand; denn in Bezug auf feinen Herrn, von 
weichem er die Freiheit erhalten hatte, hieß er libertus = liberatus, 
Libertinismus würde ſonach den Stand eines jeben Freigelaffes 
"nen ohne irgend eine böfe Nebenbebeutung bezeichnen Binnen ; welchen 
Stand aber die Pandekten libertinitas nennen. Die böfe Neben 
bedeutung kommt erft aus dem Franzoͤſiſchen, wo libertin urfprüngs 
lich aud einen Freigelaſſenen bedeutete, diefe Bedeutung aber nach 
und nach durch die fpätere eines Ausgelaffenen oder Ausſchweifenden 
(au wohl eines Ungläubigen ober fog. Sreigeiftes) verdrängt murbez 
wozu manche Sreigelaffene durch ihe Betragen felbft Anlaß geben 


ten. 

Licenz, — Zufag:' Die poetiſche Licenz kann zum Uns 
terfchiede von der ethifchen und politiſchen, auch allgemein bie 
aſthetiſche oder geeiftifche heißen, weil fie auch andern ſchoͤnen 
Künfttern zuſtehtz wie ſchon Horaz in feiner Ars poetica richtig 
von den Malern bemerkt hat: 


Pietoribus atqne poetis 
Quidiibet audendi semper falt negus petertas. 


Licht. — Zufags Diefes Wort ift ſtammverwandt mit lux, 
wie leuchten mit Incere, von der Wurzel Inh == hell, ſchimmernd. 
— Dos newton'ſche Emanationsfpften heißt auch die Emiffibnes 
theorie und das euler'ſche Wibrationsfpftem die Wellen ober 
Undulationstheorie, welche durch neuere Beobachtungen und 
Verſuche fehr beftätigt worden und das Sehen dem Hören analoger 
darſtellt. Dennoch wolle ein eifriger Anhänger ber erften Theorie, 
Mitchell, fogar das von dem Leuchtenden ausfttömende oder aus⸗ 
geworfene Licht, das man immer zu den Impoderabilien gezaͤhlt 
batte, förmlich gewogen und dadurch gefunden haben, daß die Sonne 
täglich zwei Gran Lichtfloff verliere, mithin endlich zu leuchten aufs 
bören ober in Anfehung des Leuchtens einem Planeten aͤhnlich wer⸗ 
den miüıfite, wenn kein Erfah erfolgte. Aber woher follte biefer Er⸗ 
fa kommen? Non andern Weltkörpern, die dann gleiches Schick⸗ 
fal haben würden, oder von einem im unendiichen Weltraum⸗ frei 


Mebeswuth Limitativ 645 
zu Verona eine foͤrmliche Dieputation, in welcher ee 100 Streits 


—* (theses) über bie Liebe vertheidigte und an welcher Die gebil⸗ 


betften Srauen von Verona gleichfalls theilnahmen, Indem bie, welche 
ſich dazu für befähigt hielten, die Stelle ber Doctoren vertraten. 
Wahrſcheinlich war diefe feltfame alademifche Disputation ein Nach⸗ 
Hang der Behandlung von Streitfragen über die Liebe an den mit: 
celalterlihen Gerichtshoͤfen der Liebe (cours d’amour) wo 
Mitter, Dichter und Frauen in fogenanmten Tenſons ober Tenzonen 
(ital. tenza, tenzone und tenzione,. franz. lence, tenson, tencon 
und tenchon, vom lat. tendere — contendere, fireiten, zanken) 
mit einander wetteiferten, um jene Fragen zu entſcheiden, und nady 
ber die gefundenen Endurtheile nach Art der alten Parlements: Be: 
ſchluͤſſe als arrets d’amour befannt machten. Aretin hat im J. 
1803 mehre ſolche Ausſpruͤche, aus altm Dundfchriften abgedrudt, 
berausgegeben. Schiller abgg fang in diefer Beziehung, freilich 
Die Cache dichteriſch idealiſirend: 
„Sin Liebeshof gegründet, 
„Mo zarte Minne herrſchet, wo bie Biebe 
„Der Ritter große Heldenherzen bob, 
. „Und edle Frauen zu Gerichte faßen, 
„Mit zartem Ginne alle Beine ſchlichtend. 


Denn die abgehandelten Fragen waren zumeilen ziemlich fchlüpftigs 
3 B. die Frage: Wenn du mit deiner Geliebten eine Zufammen, 
kunft haͤtteſt, würde bie es lieber fein, mid) kommen zu fehn, 
wenn du gehſt, oder mid geben zu fehn, wenn du kommt? 
— Eine Kunft zu lieben (ars amandı) mag es wohl geben. 
Aber die von Ovid u. X. In Verfen und in Profa gegebnen Ans 
weifungen zur Erlernung dieſer Kunft find meift überflüffig, da die 
Natur in diefee Dinficht die befte Lehrmeifterin if. Manche von 
jenen Anvweifungen lehren audy nur die verderbliche Kunft, die Un⸗ 
ſchuld zu verführen. Vergl. Eraftit und die Schrift: Ueber Liebe 
und Ehe in fittlicher, naturgeſchichtlicher und biätetifch: mediciniſcher 
Hinſicht. Bon Geo. Kredr. Moft X. 3. Leipz. 1837. 8. 
Enthält auch eine Anleitung zur phyſ. und moral. Erziehung der 
Kinder, ohne welche Liebe und Ehe kein feſtes Band haben. 

” Liebeswuth. — Zufag: Die Griechen nannten biefe Act 
von Wuth (furor amatoriaus 8. ereticas) auch epwuarın, 2QW0- 
sopavıa und zowroAmpıa. 

gimitativ. — Zuſatz: Limitatio bedeutet bei den Alten 


nicht bloß Beſchraͤnkung oder Begränzung, fondern auch Beſtim⸗ 


mung oder Feſtſetzung überhaupt, weil jene zugleich dieſe enchdlt; 
weshalb man auch für Begränzung Graͤnzbeſtimmung fagt und, 

diefe Beftimmung feflee oder ficherer zu madyen, 7 Pfaͤhle oder Steine 
auf die Graͤnze ſett, obwohl biefe Bränzmäler ober Malgeidien auch 


eiteratur ber Philoſophie 647 


derer gefchleht, weiche meinen, bee Schriftſteller muͤſſe der Nationa⸗ 
litaͤt entſagen, um eine Welt: Literatur in's Leben zu rufen. Die’ 
fe6 Beftreben möchte aber kaum von einem glüdlichen Erfolge ges 
Erönt werden. Denn wenn auch die Voͤlker durch fortfchreitende 
Entwickelung u. Ausbildung ihrer: intellectualen und moralifchen Kräfte, 
fo wie durch immer weitere Ausdehnung ihrer focialen und coms 
mercialen Verhaͤltniſſe, fi einander allmähliy annähern und ver: 
ähnlichen: fo werben fie doch flets (abgefehn von ihrem urſpruͤng⸗ 
lien Naturtypus, wohin vorzüglidy der Unterfchled der Menſchen⸗ 
taſſen gehoͤrt, der ſich ſchwerlich ganz verwiſchen laͤſſt — f. Men: 
ſchengattung) vermoͤge ihrer geographiſchen Lage und klimatiſchen 
Temperatur gewiſſe Eigenthümlichkeiten behalten, die ſich auch in 
ihren Schriften mehr oder weniger auspraͤgen oder abſpiegeln muͤſſen. 
Ueberdieß wuͤrde zu einer ſolchen Literatur im ſtrengern Sinne auch 
eine Welt⸗Sprache oder eine allgemeine Sprechweiſe der Men⸗ 
ſchen gehören. Werden aber die Voͤlker je eine ſolche annehmen ? 
— So lang’ es daher National: Sprachen giebt, muß «6 auch 
Rational: Schriften und NationalsLiteraturen geben. 
©. Rehberg's Abhandlung: Die neue Welt» Literatur. In 
Bran’s Minerva. 1835. Mai Nr. 4. — Auch vergl. Philoso- 
pbio theorique et praüque de la literature. Par l’abb& comie 
de Robiano. Paris, 1836. 8. 

Eiteratur der pbitofopbie. — Zuſatz: Da bie in 
Bezug auf diefe Li. B. 2 ©. 736—41. bereits angeführten 
Schriften auf 6 Klaffen zuruͤckgefuͤhrt * ind, fo werben auch bie weis 
ter anzuzeigenden Schriften In derfelb. Ordnung auftreten müflen. Alſo 

1. Schriften, weldye vorzugsweile den Begriff ober das 
Weſen bes Phllofophirens und der Philof. (Gegenfland, Inhalt, 
Umfang, Theile berfelben) betreffen: Ueber Philofophie, Princip, 
Materie und Studium berfeiben. Bon Troxrler. Bald, 1330. 
3. — Philoſophie. Eine Rede von Ferd. Delbrüd. Bonn, 
1832. 3. — Ueber Begriff und Möglichkeit der Philofophie. An: 
Deutungen zu einer Kritik des Erkennen@'und Denkents. Ben Dr. 
Edu. Schmidt Moftod, 1835. 8. 

2. Schriften, welche —— ben Zweck und Werth 
(Einfluß oder Rugen) der Phllof. betreffen: Die Bebeutung ber 
Philoſ. für die Gegenwart. Bon Adam Martinet. Bamb. 
1833, 4. — Beleuhtung des Endzwecks und der Reſultate ber 
Philoſophie. Bon Krdr. Groos. Karler. 1833. 12. (Als An 
bang zu Deff. fhüdternen Bliden in die Tiefen der Phitofopbie. 
Ebend. 1832. 12.) — Die Phitof. in ihrem Verhaͤltniſſe zur Er 
fahrung, zur Speaulation und zum Leben. Bon Beneke. Berl 
1833. 8. — Ueber das Weſen und bie Bedeutung ber [peculat. 
Philof. und Theol. in ber gegenwärtigen Zei. Bon De. Gengs 


Litholatrie | Local 649 


Literatur überhaupt — f. den vor. Att.): Hubert Gaul- 
tier, bibliotheque des savans tant anciens que modernes. Par. 
1733—34. 3 Bde. 8. (Befaſſt auh Schriften anderer Gelehr⸗ 
‘ ten). — Corpus philosgpherum optimae notse. Eine Samms 
lung, welche der Bibliothekar A. Fr. Gfrörer zu Stuttgart vers 
- anftaltet und von weldyer bi8 1834 3 Lieferungen erfchienen find. 
Die erften beiden enthalten Spino za's Werke, die dritte den Anfang 
von Bruno’s Iatein. Schriften. — Eine andre Sammlung bdiefer 
Art haben Garnier und Bouillet, Profefforen an der Univerfis 
tät zu Paris, im J. 1834 angelündigt, welche den Titel: Biblio- 
theqaue philosophique des temps modernes, führen, aus uflgefähr 
30 Bänden in 8. beftchen, aber nur die Schriften derjenigen neus 
ern Philofophen enthalten foll, welche entweder in Lateinifcher 
oder in franzoͤſiſcher Sprache gefchrieben haben. Da wird alfo 
bie Sammlung fehr unvollftändig werden. Mit den Merken von 
Baco und Cartes ift bereits der Anfang gemadıt. 

Litholatrie f. Theolith. 

Litisconteflation (litis contestatio) heißt eine Contes 
ftation (f. d. W.) welche vorzugsweife bei gerichtlichen Streitſa⸗ 
hen ftattfindet, indem bei deren Verhandlung nicht nur Überhaupt für 
und wider gefpeochen, fondern auch infonderheit Zeugen für und 
wider abgehört zu werden pflegen. Wer ſich nun als Beklagter 
in eine ſolche Verhandlung einläfft, der kann bie Klagpuncte (alle 
oder einige) ſowohl bejahen ober zugeflehn als verneinen oder abs 
leugnen. Daher unterfcheidet man auch die affirmative und 
die negative Litlsconteftation.e. Wenn aber Philofophen fih im 
einen Streithanbel vor dem Richterſtuhle der Vernunft einlaffen, 
fo nennt man bdieß lieber eine Disputation S. d. W. n. 3. 

£ob. — Zufag: Das altd. luop, wovon jenes abflammt, 
bedeutet eigentlich Beifall oder Gefallen, und ift verwandt mit liu-' 
pi, Liebe, Zuneigung. — In Bezug auf das Spruͤchwort: „Eis 
genlob ſtinkt,“ macht Goͤthe die nicht unrichtige Bemerkung: 
„Man fagt: Eitles [das ſetzt ©. zu] Lob ſtinkt; das mag 
„fein! Was aber fremder und ungerechter Tadel für einen Geruch 
„babe, dafür hat das Publicum keine Nafe” Warum fehte aber 
©. das Beimort zu? Wollte er dadurch andeuten, daß, wenn er 
fidy ſelbſt lobe — was er in den Geſpraͤchen mit Edermann 
nicht felten that — er bieß ohne alle Eitelkeit thue ?_ Freilich fage 
er auch anderwärts, dag nur Lumpe befcheiden fein. Wer alfo 
kein Lump iſt, darf ſich unbedenktidy felbit loben, ohne daß er bes 
fürchten müffte, dadurch Geſtank zu erregen. 

Local. — Zufag: Neuerlih hat man auch das W. Los 
calismus gebildet zur Bezeichnung bed kleinlichen Dertlichkeits⸗ 
geifies, der das allgemeine Landeswohl dem Wohle des beſondern 


kogiſch Logographie 051 
beides beziehn. — Wegen Logilafter ober Logicafter f. den 
vor. Art. a. €. 

Logifh. — Bufap: Wegen bes Logifhen Galeuls f. 
Ploucquet und die daſelbſt angeführten Schriften von Boͤck ind 
Eberſtein. — Wegen bes logifhen Vierfüßlers oder Fuͤchs⸗ 
leins f. Schluffarten I, b. — Wegen alogifh und antie 
ilogiſch ſ. Alogie und Antilogie, nebft Zuff. 


Logobädalie (vom Aoyog, die Rede, und Jaıudadog, 
nom. propr. eines alten berühmten Kuͤnſtlers, aber auch als nom. 
oollect. zur Bezeichnung eines geſchickten Kuͤnſtlers Überhaupt ges 
braucht) kann im guten Sinne eine vorzügliche Geſchicklichkeit im 
ber Ausübung ber Redekunſt, auch diefe felbft bedeuten. Man 
nimmt ed aber meift im ſchlechtern Sinne, fo daß man darunter 
eine übertriebne Künftelei im Reden und Schreiben verftedt, die wir 
auh im Deutfchen eine Wortlünftelet nennen; wie fie nicht 
nur bei Rednern und Dichtern, fondern auch bei wifienfchaftlicyen 
Schriftftelleen, felbft bei philoſophiſchen angetroffen wird, welche 
dadurch ihren Gedanken den Schein der Neuheit und Tiefe zu ges 
ben fuchen. Bei den Alten kommt nur Aoyodaudalog vor, indem 
Diato im Phädrus die rebekünftlerifhen Sophiften Sorgias, 
Theodor, Thrafpmad u. A. fo nennt. Cicero (orat. c. 12.) 
überfegt «8 bucch artificiosi sermonis fabricator. Auch vergl. 
Quinctil. inst, orat, II, 1. 


Logographie. — Zufag: Wei dem Alten findet ſich fos 
wohl Aoyoygayın , ald Aoyoypagyaın unb Aoyoypapog , bedgl. 
Aoyoypagızn scil. sexy, als Kunft, Reden (infonderheit gericht 
lihe, auch für Andre und um Geld) oder überhaupt in Profa zu 
fchreiben. Wer aber der Rogograph fe, den Plato am Ende des 
Dialogs Euthydem wegen feiner folgen Verachtung ber Philoſophie 
tadelt, iſt viel gefiritten worden, indem Einige an Iſokrates, 
Andre an Eyfias, Andre an noch andre Rebner jener Zeit, Mans 
de auch an deu Sophiſten Thraſymach dadıten. Vielleicht hatte 
jedoch Pi. die Zunft der Redner uͤberhaupt im Einne, welche meiſt 
auf ihre Beredſamkeit fo ſtolz waren, daß fie der Philofophie nicht 
zu bedürfen glaubten oder auf bie Philoſophen als minder berebte 
Männer mit Verachtung berabfahen — scriptores orationum fe- 
rensium, quorum plurimi fastuosi erant philosophiae contemto- 
res, adeoque etiam Socratis obtrectatores. So urtheilt Stall⸗ 
baum, der Herausgeber der platonifchen Werke, in feiner Schrift: 
Cenjecturae de rationibws quibundam , quae inter Socratem ob 
ejus adversarios intercesserint etc. 7. Zugleich vermuchet et, 
daß PL dabei auch an den Komiker — gedacht haben 
möge, ber in feinen Wolken gleichfalls den Sokr. als einen angeb⸗ 


Longanimität Lucian 653. 


Schluſſes nad Diog. Laert. VII, 77. Denn ba6 Beiſpiel, web 
ches er anführt, gehört offenbar zu diefer Schluffform, obwohl ale 
Arten zu fchließen fo genannt werden könnten. ©. Scluffare 
ten n. 3. Die Resart Aoyororog aber iſt falſch. 

Longanimität (von longus, lang, und animus, Muth, 
Gemuͤth) — Langmuth. S. Muth. Bei den Alten kommt wes 
der longanimus noch longanimitas vor. 

Longin. — Zuſatz: Das ihm zugefchriebne Werk vom Ev 
habnen ift auch oft in's Stat. uͤberſezt worden, von Gori, von 
Velludo, und neuerlich (Venedig, 1834. 8.) von Emilio be 
Zipaldo, der e8 für ein echtes Werk von 2. erklärt. 

2008 oder Loß (althochd. hlösz, daher hlioszan, looſen oder 
burdy das Loos etwas erlangen) kann fowohl als Mittel der Ent» 
ſcheidung in zweifelhaften Fällen, wie auch als Mittel ber Ges 
winnung in Glüdsfpielen betrachtet werden. In der erften Hin⸗ 
ſicht iſt es ein Erzeugnig des Aberglaubens, indem man dadurch 
gleihfam an Gott appelliren wil. So ward das Loos häufig im 
den Ordalien ober Gottesgerichten gebraucht, um über Schuld ober 
Unfhuld eines Angeflagten zu urtheilm. In ber zweiten Hinfiche 
iſt es ein Erzeugniß der Iucrativen Speculation, ſowohl von Sei⸗ 
ten berer, welche bie Loofe Laufen, als von Seiten derer, welche 
fie verfaufen. So wird das Loos noch jest in Lotterien gebraucht, . 
Da jedoch beide Theile nicht auf gleiche Weile gewinnen koͤnnen, 
fo müffen natürlich unter den zu ziehbenden Loos⸗ Nummern weit 
mehr Nieten als Xreffer fein. Wenn nun, wie gewöhnlich, ber 
Staat felbft an ſolchen Speculationen theilnimmt: fo bringt er nicht 
nur Diele um ihr Geld, fonbern verleitet fie auch felbft zur Ges 
winnfucht und andern daraus hervorgebenden Fehlern (Betrügersien 
und Diebereien).. Der Staat ſollte daher ſolche Gluͤcksſpiele weder 
geitatten nody felbft veranftalten. Er entehrt ſich nur dadurch. 

Losſprechung. — Zufas: Die Losfprehung eines Schule 
digen ift zwar an fich kein fo großes Unglüd. Wenn fie aber oft 
vortommt, fo macht fie die Verbrecher nur um fo verwegner, well 
fie die Hoffnung ber Gtraflofigkeit in ihnen naͤhrt. Daher follte 
mar Überhaupt mit dem Anklagen fparfamer fein. Denn fchon ber 
alte Cato fagte ſehr richtig in biefer Beziehung: Hominem im- 

robum non accusari tutius est, quam absolvi. Liv. hist. 


‚4. 

Lucian. — Zuſatz: Er hielt fih auch eine Zeit lang in 
Spanien auf, indem er nady Art der Sophiften und Mhetoren feis 
ner Zeit umberzog und ſich in oͤffentlichen Vortraͤgen oder Decla⸗ 
mationen hören lieh. In Aegypten verwaltete er unter ber Regie⸗ 
sung ded Kalfers Markaurel einige Zeit das Amt eines Procu⸗ 
rators ober Landpflegers. Einige laſſen ihn im 90, Lebensjahre 


Lug Luſtration 655 
bung nicht ausreichen. — Luftig im —— inne iſt, 
w aus Luft beſteht, im bildlichen, was ohne Gehalt, Feſtigkeit 
d Beſtaͤndigkeit iſt. Daher giebt es ſowohl luftige Menſchen 
er Charaktere, als luftige Hypotheſen und Syſteme. Letztere hei⸗ 
adaher auch Luftgebaͤude, indem es ihnen an einer echt wiſ⸗ 
iſchaftlichen Grundlage fehl. — Wegen ber fogenannten Luft⸗ 
ifter aber f. Elementargeifter und Geiftericehre n. 3. 

Lug oder Lüge. — Zuſatz: Man hat die Lügen auch in weiße 
d fhmwarze eingetheil. Unter jenen follen naͤmlich unfchuldige 
d erlaubte, unter biefen fchädliche oder bösartige und — 
eſtanden werden. Die Lüge als ſolche Bann aber doch nie mit 
e Hfliht der Wahrhaftigkeit beftchen. &. d. W. Auch iſt 
: natürliche Strafe berfelben, daß der Luͤgner um Ende allen 
lanben an feine Worte und alles Vertrauen auf feine Zuficheruns 
a verliert, Er wird ein homo malae notae, von dem Jeder⸗ 
im fagt: Hie niger est, huno ta, Remane, caveto! Daher 
je ein altes rabbiniſches Bud, (Gemara Sanh.) in einım Ges 
äche zroifchen Abraham und Satan jenen zu biefem (dem 
Bater der Lüge,” wie ihn Die Schrift bezeichnet) fagen: Haeo 
t poena mendacis, ut, etiam cum vera loquitar, fides ei non 
beatur. — Iſt es wahr, was Lafontaine fagte: L’homme 
I de glace aux verites; il est de feu pour les mensonges — ? 
er Menſch kann fidy doch auch fehr lebhaft für. bie Wahrheit 


erefficen. 

Lullus — Bufag: Wegen ber Iullifhen Kunfl vergl. 
ch Cyklognomie. 

Lunariſch und folarifch bedeutet alles, was den Mond 
ma) und die Sonne (sol) betrifft, ihre Geſtalt, Größe, Ent 
nung, Bewegung ꝛe. Lunars und Golaraction bebeutet 
ber ihre Thaͤtigkeit oder Wirkſamkeit theils auf einander theils 
f die Erde; wovon uns jedoch noch vieles ganz unbelannt If. 
ergl. Lunatiker. Denn Iunatifh, was fih auf Menſchen 
lebt, die unter einer befondern Lunaraction ſtehen follen, iſt nicht 
t Lunarifch zu verwechfeln, was fi auf den Mond felbft bes 
bt. ©. auch ſublunariſch. 

kuͤſtern heiße, wer in irgend einer Beziehung ein Verlan⸗ 
s nad Sinnengemuffe (ein Belüften) hat. Dieß kann auch vom 
ergehend fein. Wird aber die Luͤſternheit eine beflänbige * 
tion des Gemuͤths, alſo etwas Leidenſchaftliches: fo heißt ber 
enſch ein Laſtling, weil er dann feinen Lüften froͤhnt oder 
nlihen Genuͤſſen unerfärtlich nachſtrebt. Iſt er vornehmlich bem 
eſchlechtsgenuſſe gugethan, fo heißt ee auch Wollüflling ©. 
olluſt nebſt Zuf. 

Eußration (von Iustrare, reinigen, welhen, fühmen) beden⸗ 


Luxus 667 


nahe dem Fatalismus, um nur feine Theorie von ber freien Gnade 
“ Gottes, die alles vorherbeftimmt habe, durchzuſetzen. Daher fagt’ 
er in derfelben (cap. 131): Fateor, articulum illam Wiclevi, . 
omnia necessitate fieri, esse falso damnatum consian- 
Gensi conciliabulo seu conjuratione potius et seditione. Und 
weiterhin (cap. 201): Nunc vero scio, quid sit et valeat libe- 
ram arbitrium, scilicet insanire. Vergl. aud die Zuff. zu 
Wille und Willkür. Man hat freilich zu feiner Entfchuldis 
gung gefagt, daß er nur eine ganz abfolute, felbft von Vernunft: 
gründen unabhängige Willkür gemeint habe. Allein feine Ausdrüde 
find doc in diefer Hinfiht zu ſtark und zu allgemein. Auch ge 
rieth er darüber mit Erasmus in einen ebenfo heftigen Streit, 
als über da8 Abendmahl mit Zwingli; wobei er leider nicht im⸗ 
mer die Maͤßigung eines befonnenen Reformators zeigte. — Die 
neueften Biographien L.'s find von Stang (M. 2.8 Leben und 
Wirken. Leipz. u. Stuttg. 1835. 8.) und von Pfizer (M. 8.6 
Leben. Stuttg. 1836. 8.). — Die Schrift: Lutherus ante Lu- 
‚theranismum, auct, Jeremia Heraclito Christiano, aufs 
Neue aufgelegt von G. P. 3. H. (0. DO. u. 3. 8.) foll beweiſen, 
daß man ſchon vor 2. wie 2. gedacht oder die Grundfäge feiner 
Meformation anerkannt habe, wuͤrde alfo richtiger umgekehrt heißen: 
Lutheranismas ant6 Lutherum. Mod) beffer iſt dieß aber in fol: 
gender Schrift erwiefen: Gefchichte der Vorläufer der Reformation. 
Von Dr. Ludw. Flathe. Leipz. 1835 —36. 2 Thle. 8 — 
Merkwurrdig ift, daß noch jest (1836) 5 Kinder, 2 Knaben und 
3 Mädchen, leben, welche im neunten Gliede von 2. abflammen, 
defien Namen führen, im Martinsftifte zu Erfurt erzogen werben, 
und Ihrem Stammvater nah Cranach's Gemälde von 2. in ber 
Geſtalt ähneln follen, befonders der Altefte Anabe Anton, ber aber 
Seine ausgezeichneten Beiftesgaben bat und baher das Tiſchlerhand⸗ 
were erlernt, waͤhrend der jüngfte, Johannes, mit beffern An: 
lagen begabt, fi den Studien gewidmet hat. Ihr Vater, os 
feph Kart, ein gebomer Erfurter, wurde zwar katholiſch und ging 
nach Böhmen, hinterließ aber dort feine Samilie in ſolchem Elende, 
daß man fie nah Erfurt zurüdholte und nun die Kinder wieder 
proteftantifc) erziehen lief. Db aus jenem 3 ohannes ein zweis 
ter Zucher werden bürfte, fteht dahin. 

Luxus. — Zufag: Daß die Philofophie ein bloßer Luruss 
Artikel und daher entbehrlich fei, wie Manche gemeint haben, 
kann man ebenſowohl zugeben ale abfeugnen. Denn in geriffer 
Hinficht find es alle Wiſſenſchaften und Kuͤnſte. Wenn aber der 
Menſch einmal eine gewiſſe Bildungsftufe erreicht bat, fo wird das 
Philoſophiren für den Geiſt ein ebenfo nothwendiges Beduͤrfniß, 
ale das Athmen für ben Körper. &.Philofoph n.3. — Dagegen 

Krug’s encyklopaͤdiſch⸗philoſ. Wörterb. Bd. V. Suppl. 42 


Berichtigungen und Zulage 


. 3. 
MA. 


51. 


79. 


8. 12. v. 0b. fehe zu: Krauſe's Abriß der Aefther. 
berausgeg. v. Leutbecher. Goͤtt. 1837. 8. 

3. 17. v. ob. iſt zwifchen dief. u. der folg. 3. einzuſchal⸗ 
ten: Aletheiologie u. Aletbinologie f. Wahr⸗ 
heitslehre. 

3. 9. v. 06, iſt zwifchen dieſ. u. ber folg. 3. einzufchals 
ten: Allich oder All⸗Ich hat man neuerlich den Gott 
ber Pantheiften genannt, wiefern berfelbe als ein mit dem 
Weltalle identifches Subject des Selbbewuſſtſeins gedacht 
wird oder als ein unendliches Ich, das ſich fortwährend 
in endlichen Dingen entwideln und anſchauen fol. ©. 
Pantheismus nebit Zuf. 

3. 14. v. ob. iſt zwiſchen dieſ. u. der folg. 3. einzufchal: 
ten: Anamorphofe ift foviel als Metamorphofe. 
S. d. W. u. Umbilbung. 


. 3. 7. v. ob. iſt zwiſchen dieſ. u. bee folg. 3. einzuſchal⸗ 


ten: Andergefühl ſteht dem Selbgefuühle ebenſo ent: 
gegen, wie das Anderbewuſſtſein dem Selbbewufft® 
ſein. S. beides. 

3. 10. v. unt. fege zu: Daub's philoſ. Anthropol. 
Berl. 1837. 8. 


. 3. 2. u. 3. v. unt. I, avyrwuoorav fl. ayrwuooıav. 
. 105. 


3. 2. v. 0b. feße zu: Die Armen⸗Aſſecuranz, das ein⸗ 
zig mögliche Mittel zur Verbannung der Armuth. Won 
Leop. Krug. Berl. 1810. 8 — Bauer’s Prelsfche. 
über die Stage: Iſt die Klage über zunehmende Verar⸗ 
mung u. Nahrımglofigkeit in Deutſchl. gegründet, welche 
Urfahen hat das Uebel u. weiche Mittel bieten fi zur 
Abhuͤlfe? Mainz, 1837. 8. 


. 116. 3. 13. u. 14. d, unt. l. ben fl. ber, u. ‚feiner fl. feinen. 
2° 





AR 


. 179, 


. 181. 


. 183. 


. 197. 


. 218. 


. 226. 
. 240. 


Berichfigungen und Zufäge - 663 


3. 10. v. ob. iſt zwiſchen dieſ. u. ber folg. 3. einzufchals 
ten: Bobrik (Edu.) Dock. d. Philof. u. ordentl. Prof. 
derf. an der Univerf. zu Zürih, bat fi duch ff. Schtife 
ten befanntgemadht: Freie Vorträge über Aeſthetik. Zur. 
1834. 8. — Neues prakt. Syſt. der Logik. Ebend. 1838. 
8. Th. 1. B. 1. Urfprüngl. Ideenlehre. 


3. 6. v. 0b. fege zu: Mach der angef. Lebensbeſchr. iſt 


Bolzano 1781 zu Prag geboren, wo fein Vater Kunfte 


händler war. Sie enthält auch B.'s Rechtfertigungsſchr. 
gegen feine Anklaͤger. — Vergl. audy die Schrift: Krug 
u. Bolzano. Oder Schreiben an den Prof. K. u. 
Prüfung feines gegen Prof. B.'s Lehrb. der Religions 
wiſſ. gerichteten Antidoton. Sulzb. 1837. 8. worauf 8. 
Burz geantwortet in dee Schrift: Gonflict zwifchen geiſtl. 
u. welt. Macht x. ©. 47 ff. 

3. 10. v. ob. fee zu: Boͤttiger's bdeutfche Heine 
Schriften. B. 1. Dresd. 1837. 8 Nach f. Tode von 
f. Eohne herausgegeben. 


3. 12. v. ob. fege zu: Garove’& Papisſsmus u. Hu⸗ 


manitaͤt. H. 1. u. 2. Leipz. 1838.83. — Worte des Frie⸗ 
dens. Ebend. 1838. 8. 

3. 16. v. unt. fege zu: Die Lebensfrage der europ. Cie 
vilifation c. Bon Dr. Scheidler, in Minerva, Febr. 
1838. Nr. 2. Art. 1. 

3. 14. v. unt I. ſolchen fi. ſolches. 

3. 18. v. ob. fege zu: Wie jegt ſehr heftig Über poli⸗ 
tifhe Conftitutionen gefiritten wird, fo ward im 


‚18. Jahrh. mit gleicher Deftigkeit über eine kirchliche 


Conſtitution geftritten, nämlid die" vom P. Cle⸗ 
mens XI. erlaffene Bulle Unigenitus, welche auf Be 
trieb der Jeſuiten gegen den Janſenismus (befonders ges 
gen 101 angebliche Irrfüge in den zu jener Zeit fehr ges 
ſchaͤtzten moralifhen Betrachtungen über das N. T., wel⸗ 
he Quesnel f. franzöf. Ueberf. des N. T. beigefügt 
hatte) gefchleubert wurde. Die, welche fie annahmen, 
biegen daher Conftitutioniften oder auh Acceptans 
ten, die aber, melde fie verwarfen, Anticonftitus 
tioniften oder auh DOppofanten und Recufane 
ten, desgl. Appellanten, meil fie gegen jene Conſti⸗ 
tution an ein allgemeine® Concil appellirten ; worüber bie 
Kirchengeſchichte weitere Nachricht zu geben hat. Spott⸗ 
weife nannte man auch eine nathrliche Tochter des päpfts 
lichen Nuncius Bentivoglio, ber jene Bulle nad) 


©. 290. 


Berichtigungen und Zufäge. '665 


„waͤrtige junge Gefchlecht der Philoſophitenden ergriffen, 
„indem biefe von wahrhaft neuplatonifcher intellectualer 
„Raſerei, von ben daͤmoniſchen Tönen des hegel'ſchen 
„Huͤonshorns ſchwindelnd im Kreiſe herumgefuͤhrt wer⸗ 
„ben... Sie ſtreiten ſich ohne Erfolg über die Aufgaben 
„und Lehren der Pfychologie, Logik und Metaphyſik im 
„Sinzelen wie im Ganzen; und jeder Kopf findet für 
„rigne ober fremde Belehrung bie Leiftungen Andrer unges 
„aügend, und glaubt es ber Wiflenfchaft fchuldig zu fein, 


„geundreformatorifc in allen Theilen auftreten zu müffen.” " 


Und weiterhin (Einl S. 6.) heißt es ebenfo richtig: „Eis 


„genfinnig und vornehm gefällt es ſo Vielen, um nur bei _ 


„Leibe nicht als Schüler, fondern fofort als Meiſter ges 
„mannt zu werben, in ihrem eignen oder Jargon 
„zu veden; und bei biefer babyloniſchen irrung muß 
„natuͤrlich die allgemeine und fichere Aufklärung des gans 
„sen Gebietes der Geiftestunde nur fo aͤußerſt langſam 
„fortſchreiten.“ — Indeſſen erheben fi nad und nad 
Immer mehr Stimmen gegen diefes Unweſen, fo baß «6 
fi) wohl fchon feinem Ende nahe _ 

3. 7. v. unt. tft zwiſchen biefer und ber vorherigen 3. 
einzuſchalten: Diefesheit iſt eine neue fcholaft. Ueber 
fegung der alten ſcholaſt. Däcceität, wie man aud) 
Dingheit fl. Entitaͤt und Washeit fl. Quiddi⸗ 
taͤt geſagt hat. 


S. 301. 3. 20. v. ob. nach miſcht ſeze zu: Die alte gerichtliche 


Bedeutung von divinatio (quaestio de accusatore con- 
stütuendo) hat wohl auch in ber Beziehung auf ein zu 
ermittelnde® Kuͤnftiges ihren Grund. S. die Ausleger zu 
Die orat, in ®. Caecilium, bie gleichfalls ſo genannt 
wird 


S. 303. 3. 2. v. ob. fege zu: Doli descriptio, auct Guil. 


S. 317. 


©. 331. 


Mich. Schaffrath. Leipz. 1837. 4 

8. 5. v. ob. fege zu: Die Annahme eines doppelten 
göttlichen Ebenbildes im Menſchen, eines natürlichen 
ober phyfifhen und eines übernatürlihen oder 
moralifhen, beruht auch auf willkuͤrlichen und unftatts 
haften Vorausſetzungen. 

3. 19. v. unt. fege zu: Einbildung wird auch ber 
Ausbildung entgegengefeht, fo daß jenes als Hinein⸗ 
bildung und dieſes als Herausbildung betrachtet wird. ©. 
Bildung nebft Zuf. 


©. 362. 3. 4. v. ob. fege zu: Kritik der neueflen Theotien ber 
Krug’ 6 encpkiopäbifd-phllef. Wörterb. Bb.V. Guppl. 43 


\ 


Berichtigungen und Bufäge. | 6067 


\ kommmen Gehirne geboren, das bei Manchen theilweiſe 
„oder beinahe ganz fehlt, bei Anbern durch übermäßige 
„Anſammlung von Waffer in feinen Höhlen ausgebehnt, 
„gedruͤckt und in feiner Ausbildung gehemmt wird. So 
„tommen denn, wiewohl nur al& feltne Ausnahmen von 
‚der Regel, ſchon von Geburt, außer den Hirnloſen, 
„Menſchen vor mit einem Wafferkopfe, mit einem zu 
„kleinen Gehirne, das nur wenige und flache Kalten zum 
„großen und kleinen Gehirne bildet, oder deſſen Subſtanz 
„zu derb oder in andrer Art krankhaft gemiſcht und ge⸗ 
„bildet iſt. Die Hirnloſen und die Waſſerkoͤpfe überleben 
„ihre Geburt nicht lange. Aber die andern mit ſo unvoll⸗ 
„kommnem Gehirne Gebornen wachſen herauf zu Bloͤd⸗ 
„ſinnigen, zu Kretinen, in welchen ſich nur mehr 
„oder weniger bemerkbare Spuren von höherem gei⸗ 


fligen Leben zeigen. Werlegungen des Gehims mit. 


„oder ohne Subftanzverluft, ober welche nur Erſchuͤtte⸗ 
„rungen, Druck auf baffelbe bewirken, baben bei fchon 
„gebildeten Erwachſenen fofort zur Folge Bemwufftlofigs 
„Reit und, nach gefchebenee Heilung, nicht felten noch 
„Shwädhe des Gedaͤchtniſſes und bes Denkge⸗ 
„ſchaͤftes.“ S. Meſſerſchmidt's Schrift: Die body 
wichtige Lebensfrage ıc. Zeig, 1837. 8. ©. 69—70. 
„Ueberdieß berichtet Here Couerbe“ — ein franzöfifcher 
Naturforfcher in einer der Academie des sciences zu 
Darts übergebnen Abhandlung — „wahrgenommen zu ba: 
„ben, daB von einem richtigen Mengenverhaͤltniſſe des 
„Dhosphors im Arnmarke die Vollkommenheit der 
„Geiſtesthaͤtigkeiten beim Menfchen abhange, und daß ein 
„Webermaß beffelben Narrheit, ein Mangel deſſel⸗ 
„ben Biödfinnigkeit bervorbringe.” S. biefelbe Schr. 
S. 86. vergl. mit S. 126—7. Das klingt freilich ſeht 
materialiftifh, und möüffte, wenn es wahr wäre, ben 
menfchliden Dünfel gar fehr niederfhlagen. Vergl. auch 
Naumann’s Probleme der Phnfiologie oder Gegenſat 
von Nervenmark und Blut. Bonn, 1835. 8. 

3. 15. v. unt. fege zu: In Bezug auf diefe Art von 
Gemüuͤthlichkeit fällt ein neuer philoſophiſcher Schrift 
ſteller folgendes, zwar flrenge, aber nicht ungerechte Urtheil: 
„Der bloß Gemürhliche trägt fein reines Gefuͤhl auf Alles 
„Über und faſſt alles danach auf. Aber dadurch eben 
„nimmt er jedem Verhältniffe das Durchgebildete und Selb⸗ 
„Ständige, woburd allein es eine höhere Stufe einnimmt. 
„Mit jener Gemuͤthlichkeit waͤre die Reine nie &ber 

. 


668 Berichtigungen und Zuſaͤtze. 


‚Abre einfachſlen Cultur⸗Anfaͤnge, über das patriarchaliſche 
——*12 hinausgekommen, wo es weder Recht gab, 

woch Staat, noch ſonſtige Unterſchiedenheit der Periöns 
nlichleiten und Verhaͤltniſſe, wegen ber gänzlichen Einfaqh⸗ 
nbeit und Einigkeit alled Seins und Thuns. Aber nicht 
„bag man bei dem Unentwidelten ſtehen bliebe, fonders 
dag man deſſen Entwidelung mit Selbſtaͤndigkeit un 
nficheree Meiſierſchaft volführe, iſt Aufgabe des Ges 
„betoufftfeine.” S. Biedermann’s Zundamentalphie 
fophie. Leipz. 1838. 8. ©. 289. , . 

S. 451. 3. 2. v. unt. l. Bene fi. Pene. 

S. 457. 3. 2. v. unt. fege zu: Lehr. dee Geſch. ber Philol 
Mit Angabe ber Literatur nach den Quellen bearbeitet 
von Dr. Marbach. Abth. 1. Geſch. der griech. Phüsf. 
Leipz. 1838. 8. 

©. 158. 8. 17. v. unt. fege zu: Neuerlih hat Dr. Wheatfion, 
der Erfinder des elettrifhen —— berechnet, daf, 

mährend das Licht nur 70,000 Stunden Wegs in 1 

Seeunde durchläuft, die Gefepteindigfeit des elehtzifcsgais 

vanifhen Fluidums 115,000 Stunden in berfelben Zeit 

beträgt. (Beipg. Zeit. Nr. 88. 3. 1838). 

©. 469. 3. 8. v. unt. fege zu: Grundzüge ber Gefellſchafts · Wiffen 

ſchaft. Von M. v. Lavergne-Pegullhen. Th 1 

enthaltend bie Bewegungs⸗ und Productions: Gefege. 

Koͤnigsb. 1838. 8. 

. B. 2. d. ob. fege zu: Sein (Gioja’&) Naoro Galates, 

deffen 4. Ausgabe zu Mailand 1827 erfhien, iſt eime 

philof. Abh. über die Daadyim der Höfligkeit, 

. 3. 8. v. unt. U 







Berichtigungen und Zuſaͤtze. | 089 


de mort en matitre politique (1822) — De.la demo- 
cratie dans les societes modernes (1837) — De la 
religion d. 1. =. m. (1838). — Er wird übrigens als 
Hauptführer derjenigen politifch= pbilof. Partei betrachtet, 
weiche man Doctrindes nennt. &. Doctrin nebſt 
Zuf. Als folcher hat er auch viele Gegner, bie ihn oft 
ſehr leidenſchaftlich befämpft haben, ohne dadurch feine 

großen Verdienfte zu ſchmaͤlern. Uebrigens follen die Doctris 
naͤrs ſich bereits in 3 Parteien gefpalten haben, deren erfte 
man als die religiofe bezeichnet, welche vorzugsmeife 
unter ©.’8 Leitung ſtehen und fich fogar katholiſchen Ten⸗ 
denzen bingeben fol; obwohl ©. felbft Proteilant ift und 
daher früher auch deshalb von katholiſchen Zeloten anges 
fochten wurde. 

©. 504. 3. 13. v. unt. fsge zu: Die neuefle Schr. von biefem 
Hartenftein if: Ueber die neueften Darflelungen u. 
Beurtheilungen der berbart’fchen Philoſ. Leipz. 1838. 8. 
Diefe Schrift iſt auch dem Art. über Herbart S. 519. 
beizufügen. Es wird barin ein ſehr firenges Gericht über 
defien Gegner gehalten, das firengfte über den Hegelianer 
Michelet, ber feinen Meiſter eben fo über alle Philoſo⸗ 
phen erhebt, wie der Verf. den feinign. Das Gegen⸗ 
gericht wird alfo wohl nicht ausbleiben. 

S. 510. x 10. v. ob. fege zu: Die Dissert. de Aristotele et 
Alexandro M. (Berl. 1837. 8.) ift von Degel’s Sohne 
(Fror. Wild. Karl). 

S. 518. 3. 16. v. unt. ſetze hinter abgeführt zu: Die Wahrheit 
in der bermefifchen Sache. Darmft. 1837. 8. — Prof. 
Dermes und das Anachem. Bon Dr. Sohn Greens⸗ 
borougb. Ebend. 1837. 8 — Ueber Hermes, Her 
mefianer und Dermefianismus. Non 2. Kiövelorn. 
Osnabr. 1838. 8. — Die hermefifhen Lehren in Bezug 
auf die päpftt. Verurtheilung berfelben urkundlich darge⸗ 
ſtellt. Mainz, 1837. 8. Enthaͤlt aus H. Schriften 
ſehr vollftändige Auszüge, durch welche aber die Verur⸗ 
theilung keineswegs gerechtfertigt roird; obwohl die herme⸗ 
fiihe Behauptung, daß das Fürwahrannehmen des römifche 
katholiſchen Chriſtenthums auf einer Verpflichtung durch 
die prakt. Vernunft, alſo auf einer nothwendigen Foderung 
derſelben beruhe, auch nicht gebilligt werden kann. Denn die 
Vernunft möchte vielmehr das Gegentheil fodern. ©. 
Katholicismus u. Papfitbum n. 33. Auch fehle 
9. darin, daß er nicht die Theologie aus der Religion, 
fondern die Religion aus ber Theologie entſtehen Läfft, 





670 


Berichtigungen und Bufäge. 


mithin fein phitofophifcysthrol. Syſtem auf Fr 
baren Hpfteron= Proteron beruht. S. Deff. phil 
leitung In bie chriſtkathol. Theol. 5. 66 ff, ©. 

Endlich ift auch feine Darftellungsart fo brde u on ei 
ſchweifig, daß fie oft unfafflich wird, 


Bi 


©. 532. 3. 5. v. unt. fege zu: ine Philofophle des hoͤſiche 


©. 545. 


©. 555. 3. 22. v. db. fege zu: 


Benehmens von einem Ungen. erſchien zu Glasgow 1838. 
— Gioja’s nuoro Galateo, deſſen 4. U. zu Mail 
1877. erſchlen, ift aud eine ſolche. — Darauf besich 
m ferner die Schrift: The laws of etiquette or shert 

rules and reflections for conduct in society , welche za 
Ditahtphte erfhien und bis 1836 mehre Auflagen er 
lebte. Der Verf. bemerkt, daß in ber fog. guten Geſel 
ſchaft des demokratiſchen Nordamerika's nicht weniger als 
zehn Abflufungen zu beachten find, wenn man fich der 
betragen will, comme il faat. — Roch größeres Glüd bat 
in Deutſchland Alberti's Complimentirbuch gematht 
Denn es hat ſchon 10 Aufll. erlebt. 


. 3. 18. v. ob. I. Niloi fi. Nili. uebrigens find jene 2 


Bücher Hieroglyphica nad) der Angabe der Yandfriften 
aus dem Argpptifcen des Horapollo vom einem gemiffen 
Philippus in’s Griechiſche überfegt worden. 

8. 3. v. ob. ift zwiſchen dief. und der folg. 3, eingufcal: 
ten: Hpperidealismus und Hyperceallsmus f. 
Ultraismus nebft Zuf. 

Vergl. auch Harenberg’s 
pragmatiſche Geſchichte des Jefuitenordens (A770. 2 Tüte, 





S. 595. 


S. 603. 


S. 618. 


©. 622. 


&. 677. 


Berichtigungen und Zuſaͤtze. | 671 


3. W. v. ob. fee zu: Won ber duch Roſenkranz 
und Schubert in Königsverg angekuͤndigten neuen 
Ausgabe der Schriften Kant's find bereits mehre 
Bände erſchienen. Gine andre wurde auch zu Leipzig 
angefangen. 


3. 19. v. unt. fege: Dieſer Keyſerlingk hat audy 
unlängfi feine Autobiographie unter dem Titel ange: 
kündigt: „Dentwürdigkeiten eines Philofophen 
oder Erinnerungen. und Begegniffe aus meinem 
bisherigen Leben.” Nah ber Ankündigung foll es 
ein „mwihtiges und unvergleihlihes Werk zu 
Nup und Frommen der Menfchheit” fein; wes—⸗ 
halb auch die Menfchheit eingeladen wird, darauf „friſch“ 
zu ſubſcribiren und fo dem Verf. zu einem „fLattlichen 
Honorare” zu verhelfen, „das er recht gut gebrau⸗ 
hen könnte” — Gluͤck auf! 


. 3. 15. v. ob. fege zu: Ueber Kirche und Staat. Dom 


Frhrn. Franz Drofte zu Vifhering A. 2. Muͤnſt. 
1838. 8. (Im roͤmiſch⸗kathol. Sinne gefchrieben).. — 
Das Verhältnig des Staats zur Kirche. Von 8. Th. 
Bayrhoffer. Leipz. 1838. 8. 


3.2. v. unt. fege zu: Krug's neueſte Schrift iſt: 
Gregor VO. und Gregor XVI. oder alte® und neues 
Papſtthum. Leipz. 1838. 8. (In Münden confitdrt). 
— Bon dee Schrift: Conflict ꝛc. erfhien in d. J. eine 
2. Aufl. — Verst. auch Umbildung. 


3. 9. v. unt. fege zu: Wenn man das Lachen bald 
als ein Zeihen der Weisheit (nah dem Sprude: 
Ride, si sapis) bald als ein Zeichen der Thorheit 
oder Narrheit (nad dem Sprude: Per risum mul- 
tum debes cognoscere stultum) betrachtet hat: fo tft beis 
bes nur mit Einſchraͤnkung zulaͤſſſg. Denn es kommt 
immer darauf an, warum oder worüber gelacht wird. 
Das zu viele oder unmdäßige Lachen verräth aber aller 
dings in den meiften Faͤllen einen [wachen Verſtand 
oder einen Mangel an höherer Bildung bed Geiſtes. 


3. 14. v. 0b. fege zu: Gehe beachtnswerth find auch 
Dr. ©. A. Weinhold's Verſuche über das Leben und 
feine Grundträfte auf dem Wege der Erperimentals Php: 
fiologie (Magdeb. 1817. 8.) obwohl bie hier bargeflellten 
Grperimente mit lebenden Geſchoͤpfen aller Art oft fehr in’s 
Gebiet einer ſihlloſen Grauſamkeit fallen, 











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