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Full text of "Alpina, Winterthur"

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f, pf, 
bullen, 


— 


1 Eine Schrift 


der 


genauern Kenntniß der Alpen 
gewiedmet. 5 


Herausgegeben 


von g 
Carl uliſſes von Salis 
in Marſchlins 
8 ar: 7 
Johann Rudolph Steinmuͤller, 


f Pfarrer in Rheineek. mer 


Zweyter Band. 


N 


. 


Winterthur 1807, 
in der Steineriſchen Buchhandlung, 


— — mn nn 
2 


Vorbericht. 


2 \ 


Es iſt zwar nicht die Abſicht der Herausgeber 
alle Jahre zwei Baͤnde der Alpina erſcheinen zu 
laſſen; nur wenn fie einen Ueberfluß an Aufſaͤtzen 
haben, wird dieſes der Fall ſeyn. Dießmal ge⸗ 
ſchieht es aber, weil ſie in der Ankuͤndigung ſchon 
auf die Herbſtmeſſe 1805 einen Band verſpra⸗ 
chen, welches aus unausweichlichen Hinderniſſen 
unterblieb und nun nachgeholt wird. Durch die 
freundſchaftliche Unterſtuͤtzung verſchiedener Ge⸗ 
lehrten ſehen ſie ſich in dem Stand, die unge⸗ 
hinderte Fortſetzung des Werks in ſo weit ver⸗ 
ſprechen zu können, wenn auch das Publicum 
daſſelbe mit Guͤtigkeit aufnimmt. Es haben ſich 
mit ihnen ſeit der Erſcheinung des erſten Bandes 
Maͤnner verbunden, von welchen ſie zur Kennt⸗ 
niß der unbekannteſten Theile der Alpenkette Bei⸗ 


1 


‚träge erwarten duͤrfen. Eben fo wurden fie mit 
verſchiedenen Werken bekannt, die zu dieſem naͤm⸗ 
lichen Endzweck führen werden. So hat Albas 
nis Beaumont, der Verfaſſer des Pracht 
werks: Description des alpes Grecques et Cot- 
tiennes etc. von welchem wir in dieſem zweyten 
Bande eine Anzeige mittheilen, in London Rei⸗ 
ſen durch die Meeralpen, durch die Penniniſchen 
Alpen, durch die Lepontiſchen Alpen und durch 
die Rhaͤtiſchen Alpen herausgegeben, von wel⸗ 
chen wir alle Tage vom Verfaſſer eine mit einer 
Menge von Anmerkungen und neuen Beobach- 
tungen bereicherte Ueberſetzung zu erwarten ha⸗ 
ben. Eben ſo ſind in Mailand Beſchreibungen 
von den Departementen del Serio, del La⸗ 
rio und dell Agogna, fo wie eine neue Aus⸗ 
gabe des Viaggio ai tre laghi erſchienen, welche 
die wichtigſten Nachrichten uͤber einige Theile der 
Alpen liefern, die Italien begrenzen. Es verſteht 
ſich von felbft, daß wir in den künftigen Banden 
der Alpina alles aus dieſen Werken herausziehen 
werden, was in ihren Plan einſchlaͤgt. 

Moͤchten doch auch die Herausgeber ſo glück⸗ 
lich ſeyn, von den Tyroler Alpen, ſo wie von den 
Noriſchen, Carniſchen und Juliſchen neuere und 

beſtimmtere Beſchreibungen und Nachrichten zu 
erhalten! Jezt, da man uns einen allgemeinen 


V 


Landfrieden hoffen macht, koͤnnten die Zeiten viel⸗ 
leicht wieder kommen, in welchen man ſich unge⸗ 
hindert ſolchen Nachforſchungen weihen darf. 
Da dem Verfaſſer des Verſuchs einer Ueber⸗ 
ſicht der beßten litterariſchen Huͤlfsmittel zur bis⸗ 
herigen Kenntniß der Alpen, unmoͤglich alle des 
Anfuͤhrens wuͤrdige Werke bekannt ſeyn konnten: 
ſo wird er nach und nach alle diejenigen nachho⸗ 
len, die er noch in Erfahrung bringen kann. 


Albanis Beaumont Travels trough the maritime 
Alps. London, 1795. 

Memoires sur le département des Alpes mariti- 
mes par Féderi, Medecin. Paris, 1802. 8. 

Meémoires militaires sur les alpes par Msr. de 
Bourcet, accompagne d'une carte des alpes 
depuis Nice jusqu'au lac de Geneve. Berlin, 
1802. 8. | 


Obgleich militairiſch, fo enthält dieſes Werk 
außer der ſchaͤtzbaren Charte eine Menge wich⸗ 
tiger Nachrichten zur Topographie dieſes Theiles 
der Alpen. 


Bhriiigne du departement des hautes alpes par 
Bonnaire. Paris, 1802. 8. 
Mare Theodor Bourrit description des aspects da 
Mont-Blane du Cote de la Vallée d’Aoste et 


VI 


des Glaciers qui en descendent. Lausanne, 
1776. 8. 

Albanis Beaumont Travels trough the Leponti- 
ne Alps. London, 1800. 

Albanis Beaumont Travels trough the Rhætien 
Alps. London, 1792. 


Osservazioni sul dipartimento del Serio da Gio. 


Mairone da Ponte. Bergamo, 1803. 8. 

Sul dipartimento del Lario; discussione econo- 
mica da Melchiore Gioia. Milano, 1804. 8. 

Giambattista Giovio Como ed il Lario. Commen- 
tario, 1708. 5 

Osservazioni sul dipartimento dell’ Agogna dal 
Cittad. L. Lizzoni. Milano, 1802. 8. 

Hacquets Reiſe durch die Noriſchen Alpen, phy⸗ 
ſikaliſchen und andern Inhalts, in den Jah⸗ 
ren 1784 bis 1786. Nuͤrnberg, 1791. 8. 
2 Theile. 

E. Embels Schilderung der Gebirgsgegenden um 

; den Schneeberg in Oeſterreich, oder Tagebuch 
einer Fußreiſe ꝛe. Wien, 1802. 8. 

F. A. Schultes Ausfluͤge nach dem Schneeberge 
in Unter ⸗Oeſterreich. Wien, 1802. 12. Mit 
Charten und Kupfern. 

Herrmanns Reiſen durch Oeſterreich, Steyer⸗ 
mark, Kaͤrnthen, Krain, Tirol und Salz⸗ 
burg. Wien, 1781. kl. 8. 


vn 


Memoires pour servir à Thistoire physique et na- 
turelle de la Suisse, rediges par Msrs Rey- 
nier et Struve. Lausanne, 1788. 8. 

Dieſe Abhandlungen find zum Theil in den 
Memoires de la société physique de Lausanne 
ſchon abgedruckt. 

Die vortreflichen Schriften des Herrn Struve 
uͤber die Salinen zu Aigle waren in der beſag⸗ 
ten Ueberſicht uͤbergangen, hingegen aber unter 
dem Titel: „Litteratur Seite 300 angezeigt 
worden. 


Etrennes de Flore. No. 1. pour Fan 1804. Par 
J. Gaudin, pasteur de l’Eglise allemande de 
Nyon et membre de la société d’emulation 
du Canton de Vaud. Lausanne. gr. 12. 


Enthaͤlt eine vortrefliche Monographie der 


Carices, die in den Alpen wachſen. 


J. C. Schleicher catalogus plantarum in Helvetia 
cis- et transalpina sponte nascentium. 12. 
Bex. 


Nichts als ein trockenes Namensverzeichniß. 


Chev. de Robilant sur Tutilite des voyages et 


des courses dans son propre pays. Turin, 
1790. 4. avec 14 planches. 


Iſt nur wegen den Anſichten merkwuͤrdig, die 


— 


VIII 


von unbekannten Gegenden der piemonteſiſchen 
Alpen gegeben werden. 


Foulerand Bonzien Anleitung die Alpen⸗ 
reiſen zweckmaͤßig einzurichten, zunaͤchſt fuͤr 
Botaniker. Aus dem Franz. von Schweig⸗ 
hauſer. Strasburg, 1803. 8. 


IX 


Inhalt des zweiten Bandes. 


Seite 
Geognoſiiſche Nachrichten uͤber die Alpen, in Brie⸗ 
fen aus Helvetien. Von Hans Conrad Eſcher. 1 
Fragmente zur Entomologie der Alpen von Carl 
Uliſſes von Salis. 58 


Aufzaͤhlung der in Buͤnden bisher entdeckten Berg⸗ 
pflanzen, mit Anmerkungen von Magiſter Roͤſch 


in Marſchlins. } 104 
Ueber die Gemſenjagd in der Schwei von Pfarrer 
Steinmuͤller. . 130 


Verſuch einer Beſchreibung der Gebirge der Republik 
Graubünden; im Großen gezeichnet. Von U. v. 


Salis. . 167 
Zuſaz zur vorigen Abhandlung. Paſſe, Wege 105 
Pfade in Buͤnden und Veltlin. 0 195 


Verzeichniß meiner innlaͤndiſchen Conchylienſamm⸗ 
lung, Beitrag zur Geſchichte der ſchweizeriſchen 
Lands und Waſſerſchnecken. Von G. L. Hart 
mann. D 206 
Materialien zu einer naturhiſtoriſch⸗ techliſchen Ge 
ſchichte des Bergbaues bei Trachſellauinen im 
Hintergrund des Lauterbrunnerthales im Can» 
ton Bern am Ende des ıgten Jahrhunderts; 
von H. C. Eſcher. 5 235 
Ruͤckerinnerungen von einer Reiſe durch die Rypen⸗ 6 
zeller⸗Alpen von Dr. C. Zollikofer. 25 


a 


Litteratut, 
Description des cols et passages des alpes par 


M' Bourrit, chantre de l’eglise Cathedrale 


de Geneve etc. Geneve, 1803. 2 Vol. 8. 
avec 4 planches. 

Bergreiſen; herausgegeben von Chriſtian August Fi⸗ 
ſcher. 2 Thle, 1804 und 1805. 8. Nebſt zwey 
Chaͤrtchen. . . . 

Description des alpes Aten et Cottien- 
nes etc. par J. F. Albanis Beaumont. 2 Vol. 
gr. in 4. Paris, 1803, avec cartes et plan- 
ches. „ 5 * * 4 


Miszellen. 


Unterſuchung des Salzwaſſers in Taraſp und des 
Sauerwaſſers in Schuls von Hrn Apotheker Mo⸗ 
rell in. Bern. 

Entdeckung des Korunds ober Diamantſpaths! in den 
Alpen. * 4 * + + 


Zuſaͤtze zum Aufſatze S. 184. f . 


350 


357 


Nachricht uͤber eine naturhiſtoriſche Reiſe in Tyrol 


und die Beſteigung der Ortelesſpitze ꝛc. von L. 0 
Fallon. . 

Einige Hoͤhenmeſſungen durch Barone Wen dem 
Gebiet der Alpen. 

Geographiſche Beſtimmungen in Oeſterreich von Hrn 
Prof. Buͤrg. N 

Trigonometrifche Höͤhenbeſtimmungen der bekannten 
Berge um Inſpruck. Von L. A. Fallon. 


394 


— 


L Q D , N N TAG 
* 7 


Geognoſtiſche Nachrichten uͤber die Alpen / in 
Briefen aus Helvetien. 


Erſter Brief. 
(Profilreiſe von Zürich bis an den Gotthard.) 


Ungeachtet der ſo haͤufigen Reiſen, die ſeit einem Zeitpunkte 


von 20 Jahren in Helvetien und Savoyen gemacht worden, 
ſchraͤnken ſich doch die geognoſtiſchen Kenntniſſe des Publi⸗ 
cums von hoͤchſten Gebirge unſerer alten Welt immer 
noch auf ſehr wenige ein, die wir beſonders den Herren 
von Sauſſure, Storr, Beſſon und einigen andern 


zu danken haben. Schade nur, daß erſterer bey ſeinem 


uͤbrigens vortrefflichen Beobachtungsgeiſte und ſehr philoſo— 
phiſchem Scharfſfinne erſt ſpaͤt Gelegenheit gehabt hat, 
ſeine oryktognoſtiſchen Kenntniſſe zu berichtigen: noch duͤr⸗ 


ſen wir aber von dieſem würdigen Manne wichtige Nach⸗ 


richten über die Alpen der Gegend des Mont Blane 


erwarten. Die Alpenreiſe von Storr ſcheint ebenfalls gruͤnd⸗ 
liche Beobachtungen zu enthalten, aber ihre beym mineras 


logiſchen Publicum noch ganz unbekannte Terminologie, 
die auch hoffentlich nie eingefuͤhrt werden wird, macht das 
ganze Werk ſebr unverſtaͤndlich, und außerdem moͤchten viele 


Angaben noch betraͤchtliche Berichtigungen verdienen. Z. B. 
ſcheint mir der Schwerſpath bey weitem nicht ſo allge⸗ 


rein als Beſtandtheil der Alpengebirgsarten vorzukommen, 
Id Storr es behauptet. Beſſon und einige andere haben 
ar Bd. A 


a ’ 


2 


uns mehrere wichtige Bemerkungen uber einige Gegenden 
der Alpen mitgetheilt, aber nirgends finden wir entwe— 
der eine allgemeine Ueberſicht des Ganzen oder detaillirte 
Nachrichten uͤber einzelne Gegenden und Gebirgsformatio— 
nen, ſondern immer nur einzelne abgebrochene Berichte. 
von einer einzigen und zwar meiſt ſehr ſchnell gemachten 
Reiſe. . a 

Bey der Ausgedehntheit der Alpenkette aber und 
den häufigen oft großen Schwierigkeiten und Gefahren, 
die ſich in derſelben den geognoſtiſchen Reiſen entgegenſetzen, 
iſt dieſe Unkunde der Beſchaffenheit jener merkwuͤrdigen 
Gebirgskette leicht erklaͤrbar, und kaum werden wir ges 
naue und doch zugleich allgemeine Nachrichten erhalten, 
wenn nicht die Bewohner dieſer Gebirge ſelbſt anfangen, 
die Mineralogie als Lieblingsſtudium zu treiben, und auf 
dieſes hin Nachrichten dem Publikum mitzutheilen. 

Einzig in Ruͤckſicht dieſes bisherigen Mangels geogno⸗ 
ſtiſcher Beſchreibungen unſerer Gebirge wage ichs, Ihrem 
Wunſche gemaͤß, Ihnen in zuweiligen freundſchaftlichen 
Briefen das wenige, was ich mir nach und nach hierüber 
ſammle, mitzutheilen, mit der aufrichtigen Bitte, mich auf 
jedem beliebigen Wege, theils uͤber den Gang meines Stu, 
diums ſelbſt, theils aber auch uͤber den Zuſammenhang 
meiner Beobachtungen zu belehren. 

Lange war ich unſchluͤßig, ob ich Ihnen ganz umſtaͤnd⸗ 
liche Nachrichten uͤber einzelne Formationen in den Alpen 
mittheilen, oder erſt eine allgemeine Ueberſicht des Ganzen, 
ſo weit es mir bekannt iſt, zu geben trachten ſollte. Nach 
reifer Ueberlegung ſchien mir endlich letzteres, beſonders auch 
in Ruͤckſicht auf mich ſelbſt, vortheilhafter zu ſeyn. Das 
durch erhalten Sie zugleich eine voͤllige Kenntniß von dem 
Geſichtspunkte, von welchem alle meine Nachforſchungen 
ausgehen; und da wir noch kaum ſagen durfen, daß die 


ko 


3 
Geognoſie bis zur Wiſſenſchaft ſich erhoben habe, fo iſt es 
gewiß nicht unwichtig, daß dieſelbe nach gründlichen Prins 
cipien bearbeitet werde, und daß alſo fo viel möglich dies 
jenigen, die ſich damit beſchaͤftigen, uͤber die Art der Aus⸗ 
fuͤhrung, das heißt, uͤber den Gang ihrer Beobachtungen 
ſich berathen. 

um Ihnen nun, dieſen Gedanken zufolge, erſt eine all⸗ 
gemeine Ueberſicht der Beſchaffenheit und der Beſtandtheile 
der Alpen zu geben, haͤtte ich gern eine eigentliche Be⸗ 
ſchreibung des ganzen Gebirgszuges, der die Graͤnzen von 
Italien gegen Norden ausmacht, mitgetheilt; aber eben 
mit dieſer Ueberſicht bin ich ſelbſt noch nicht ganz aufs 
Reine, und ich mußte alſo von dieſem Gedanken ganz ab⸗ 
ſtrahiren. Dagegen ſchienen mir Nachrichten von geogno⸗ 
ſtiſchen Reifen, auf denen verſchiedene Profile der Alpen— 
kette unterſucht worden, zu dem vorgeſetzten Endzwecke 
ſehr vortheilhaft zu ſeyn; weil Sie dadurch erſt von den 
verſchiedenen Gebirgsformationen der Alpen und der Fol⸗ 
ge derſelben unterrichtet werden, und alſo dann allenfalls 


nachfolgende mehr umſſtaͤndliche Berichte von einzelnen For⸗ 


mationen deſto leichter ins Ganze einzuordnen im Stande 
fund. Freylich koͤnnen Beſchreibungen von Profilreiſen keine 


J 5 


ſehr umſtaͤndliche Nachrichten enthalten, theils weil ſolche 
Reiſen meiſt etwas ſchnell gemacht werden, theils aber auch, 
weil oft in einem ſolchen einzelnen Proſile ganze Forma⸗ 
tionen von der Vegetation bedeckt ſind, oder auch grade in 
einer ſolchen Strecke Landes ganz zerſtoͤrt ſeyn koͤnnen. Da 
ich indeſſen nicht ſehr oft in dem Falle ſeyn werde, Ihnen 
blos das Reſultat einer einzigen Reiſe mitzutheilen, und 


da ich nicht ungern Seitenthaͤler beſuche oder ganz parallel 


laufende Profilreiſen mache, fo werden jene Nachtheile 
von dergleichen geognoſtiſchen Reiſebeſchreibungen un 
ſo ziemlich gehoben ſeyn. 


4 


Da ich gerade jetzt von einer Reiſe uber den Gotthards⸗ 
berg zuruͤckkomme, und dieſe auch in mineralogiſcher Rück» 
ſicht eine der merkwuͤrdigſten iſt, die man in der Schweiz 
machen kann, fo ıheile ich Ihnen meine Beobachtungen von 
derſelben mit. 

Von Zuͤrich aus gieng die Reiſe erſt uͤber die Albis— 
kette nach Zug, und von da laͤngs den oͤſtlichen Ufern 
des Zuger ſees auf Arth im Canton Schwyz. 

Zuͤrich ſelbſt, fo wie der größere Theil dieſes Cantons 
liegen in einer beynahe ganz horizontalen Gebirgsforma⸗ 
tion, die aus abwechſelnden Mergel- und Sandſteinſchich⸗ 
ten beſteht, welche einige, aber nur ſchwache Steinkohlen⸗ 
lager enthalten. Der Mergel dieſer Formation iſt beynahe 
immer mit feinem Sande und Glimmertheilchen gemengt, 
und geht oft von unten herauf durch allmaͤlige haͤufigere 
Beymengung dieſes Sandes in den uͤber ihm liegenden 
Sandſtein über, da er hingegen meiſt ſehr beſtimmt von 
dem unter ihm liegenden Sandſteinlager abgeſondert iſt. 
Zuweilen iſt dieſer Mergel bandartig geſtreiſt, an andern 
Stellen hingegen nur von einer blaulichgrauen oder auch 
roͤthlichbraunen Farbe; in dieſen Faͤllen iſt er immer ſehr 
weich und ohne fremde Beymengung beynahe ganz rein. 
Am haͤuſigſten aber iſt er fo mit feinem Sande gemengt, 
daß er dadurch der ockergelben Farbe des uͤber ihm liegen⸗ 
den Sandſteins ſich ſehr naͤhert. Dieſe Mergellager find 
von 10 bis 30 Fuß hoch, haben aber im letztern Falle 
meiſt ſchwache Sandſteinſchichten in ſich, beſonders da, wo 
ſie ſich wieder dem uͤber ihnen liegenden Sandſteine naͤhern. 
Nur allein in der Naͤhe der Steinkohlenlager, und eines 
bituminoͤſen Mergelföges, fand ich Verſteinerungen in die⸗ 
ſem Mergel. 5 

Der Sandſtein dieſer Formation theilt ſich in zwey 


* 


verſchiedene Abarten, wovon die eine eigentlich mit den 


DB. 
Mergellagern abwechſelt, und durch allmaͤlige Annäherung? 
in dieſen uͤbergeht; da hingegen die andere nur zuweilen 
und meiſt nur in einer Entfernung von 80 bis 100 Fuß 
ſich in der Formation zeigt. Erſtere Art iſt ſehr feinkors 
nig, und ſcheint hauptſaͤchlich aus Quarzkoͤrnern und Glim⸗ 
mertheilchen zu beſtehen, die durch ein mergelartiges Binde⸗ 
mittel verbunden find; und einen zerreiblichen, für die Bau⸗ 
kunſt ganz unbrauchbaren, Sandſtein bilden. Letztere Art 
hingegen iſt kleinkoͤrnig, von aſchgrauer Farbe, und fcheint- 
aus vielen weißen und grauen Quarzkoͤrnchen, wenigen 
theils weißen, theils etwas roͤthlichen Feldſpathkoͤrnchen. 
und feinem Glimmer zu beſtehen, die durch ein ſtinkſtein⸗ 
artiges Bindemittel zu einem etwas zerreiblichen aber nicht 
leicht zerſpringbaren Sandſteine gebildet ſind. Haͤuſig und 
meiſt lagerweiſe kommen ſeſtere Sandſteinknauer in dieſem 
letztern vor: ſie ſind uͤbrigens von gleichem Korne, und 
zeichnen ſich nur durch ihre mehrere Haͤrte aus: ſie bilden 
meiſt abgerundete, ffachgedruͤckte Körper, die mit einer ih⸗ 
rer grögern Flächen horizontal im Sandſteine liegen. Soll⸗ 
ten dieſe Knauer nicht eher lokalen Verhaͤrtungen ihres Bin⸗ 
demittels, als einer Herſchwemmung aus altern Gebirgs⸗ 
formationen ihre Entſtehung und Lage zu danken haben? 
Dieſe ſeltneren Sandſteinſchichten find meiſt von einer Stärke 
von 10 bis 30 Fuß, da hingegen die mit dem Mergel re⸗ 
geimäßig 1 — immer unter 10 Fuß . 
ſind. 

Die bis jezt bekannt ede Steinkohlenlager dieſer 
Formation erſcheinen in verſchiedenen, Gegenden und ſehr 
8 verſchiedenen Hoͤhen, ſo, daß fi e nicht ident zu ſeyn ſchei⸗ 
nen. Sie liegen auf in Sandſtein üͤbergehendem Mergel, 
und ſind mit blaulichgrauem ſich etwas dem Schieferthone 
naͤhernden Mergel bedeckt, find hoͤchſtens von 7 Zoll Stärker 
und oft von einem Stinkſteinlager von 1 fa Zoll Höhe 


8 
durchzogen. Zuweilen ift die obere Abloͤſung dieſer Stein⸗ 
kohle dem Anſcheine nach eine winkliche Holzkohle; haͤufi⸗ 
ger aber zeigen ſich auf derſelben Schnecken- und Muſchel⸗ 
ſchaalen: man fand auch ſchon in dieſer Steinkohle große 
Zaͤhne von wahrſcheinlich vierfuͤßigen Thieren, oͤfterer aber 
Nadelholzblaͤtter, welche ſaͤmtlich in Steinkohle verwan? 
delt ſind. Bey Kaͤpfnach am Zuͤrichſee und im Muͤl⸗ 
liberg am Türlerfee wird auf diefe Steinkohlen ges 
bauet ). 

Roch zeichnet ſich in dieſer Formation eine einzelne 
Zwiſchenſchicht von bituminoͤſer Mergelerde mit häufigen: 


— —— — 


„) Von dieſen Steinkohlenfloͤtzen zeigen ſich in dieſer ganzen 
Sandſtein⸗ und Mergelformation, die ſich nordoͤſtlich ins 
Thurgau und ſuͤdweſtlich ins Aargau erſtreckt, fo haͤu⸗ 
fige Spuren, daß fie ſaͤmtlich zu einem allgemeinen Lager, 
welches ſich durch dieſe Formation hinzieht, zu gehoͤren ſchei⸗ 
nen: zwar zeigen ſie ſich in verſchiednen Hoͤhen, doch bis 
jetzt fand man fie immer noch zwiſchen zoo und 800 Fuß 
uͤber dem Zuͤrichſee, und alſo widerſpricht dieſe verſchiedene 
Hoͤhe ihrer Identität nicht: an einigen Stellen, z. B. im 
Mulliberg am Tuͤrlerſee, und im Birnſtahl im 
Thal der Eulach bey Elgg iſt das Steinkohlenlager bis 
12 und an letztrem Orte ſelbſt zuweilen bis 16 Zoll maͤchtig. 
Das Stinkſteinlager, welches das Steinkohlenlager an einie 
gen Stellen durchzieht, bildet meiſt das Dach des Steinkoh⸗ 
lenfloͤtzes, doch geht daſſelbe ſtellenweiſe ganz aus, und an 
andern Stellen theilt es ſich in mehrere untergeordnete 
Schichten, wovon einige ſich zuweilen in das Steinfohlenflög- 
hineinziehen, und daſſelbe zur großen Beſchwerde des Berg⸗ 
bau's große Strecken weit in mehr und minder dünne La⸗ 
gen abtheilen. Jene anſcheinende Holzkohle iſt Werners mi⸗ 
neraliſche Holzkohle. Jene Nadelholzblaͤtter ⸗Verſteinerun⸗ 
gen find etwas problematiſch und durften vielleicht nur von 
ſtaͤnglich · abartndenten Stuͤcken herruͤhren. 


| 7 
Turbinitenſchaalen beſonders aus: ſie iſt bis auf 6 Zoll 
ſtark, von ſchwaͤrzlichbrauner Farbe, und von einem Stine 
ſteinlager bedeckt, deſſen unterer Theil dickſchiefrig iſt, und 
die naͤmlichen Schnecken und Muſchelſchaalen enthaͤlt, die 
ſich haͤufig auf der Steinkohle zeigen. Dieſe merkwuͤrdige 
Zwiſchenſchicht zeigt ſich ſowohl am Uto, ſuͤdweſtlich von 
Zuͤrich, als auch am Zuͤrichberge ob Hirslanden. 

Dieſe ausgedehnte, beynahe ganz horizontalliegende, 
und wahrſcheinlich nur etwas weniges gegen Norden ein⸗ 
geſenkte Gebirgsformation liegt an ihrer weſtlichen Seite 
auf der dichten Kalkſteinformation des Jura auf, welche 
beynahe allgemein gegen Suͤden ſtark eingeſenkt iſt, und 
alſo von Weſten nach Oſten ſtreicht. 

Eine einzige, etwas beträchtliche Gebirgskette, nämlich 
das Albis, wird durch dieſe Mergel- und Sandſteinfor⸗ 
mation gebildet, ſonſt kommen in ihr nur abgerundete und— 
beynahe allgemein mit Vegetation uͤberzogene Huͤgel vor. 
Das Albis hingegen hat eine Höhe von 1500 Fuß uber 
dem Zuͤrichſee, welcher ſelbſt ungefaͤhr 1300 Fuß über 
das mittellaͤndiſche Meer erhoben ſeyn mag. Dieſe 
Gebirgskette ſtreicht von Nord-Nord-Weſten nach Süd» 
Suͤd⸗Oſten; die hoͤchſte Kuppe derſelben bildet der Uto 
bey Zuͤrich, welche beſonders deswegen merkwuͤrdig iſt, 
weil fie aus einer Nagelfſluh ) beſteht, die vermuthlich 


8 0 

*) In der Schweiz iſt der Name Nagelfluh ganz allgemein, 

und bezeichnet eine aus großen Geſchieben, die oft bis ge 
Cubikfuß Inhalt haben, meiſt durch einen Sandſtein feſt zus 
ſammengekittete Felsart. Sie ſcheint / ſo ziemlich mit dem 
Wurſtſteine der deutſchen Mineralogen ident zu ſeyn; doch 
ſcheint dieſer meiſt nur aus kleinern Geſchieben zu beſtehen, 
da hingegen die großen Geſchiebe unſrer Nagelfluh eharakte⸗ 
riſtiſch für fie find, und da fie eine ſehr ausgedehnte Ge⸗ 


8 1 
zu einer neuern auf die Sandſtein- und Mergelformation 
aufgeſetzten Gebirgsformation gehoͤrt, wovon dieſe Kuppe 
in der ganzen Gegend noch der einzige Ueberbleibſel iſt. 
Doch zeigen ſich an dem füdöftlichen Theile der Albis— 
kette einige Nagelfuhlager, aber von ſehr lockerem Zus 
ſammenhange, am Tage, fo daß ich ungewiß bin, ob Dies 
ſelben wirkliche, zu dieſer Formation gehörige Zwifchen- 
ſchichten, oder aber nur angelehnt ſind: wenigſtens fand 
ich bis jezt in einem ſehr deutlichen Profile am Uto bey 
Zürich noch keine Nagelſtuhlager, dasjenige ausgenommen 
welches die Kuppe deſſelben ausmacht *), 

Auf dem ganzen Wege von Zürich uber die Huͤgelket⸗ 
te, die das ſuͤdweſtliche Ufer des Zuͤrichſees ausmacht, 
durch das Sihlthal und über das Albis“ bis in die 


— 


birasformation in den Alpen bildet, fo glaube ich ihr den 
Namen Nagelfluh beybehalten zu duͤrfen, und den Namen 
Wurſtſtein einer andern Gebirgsformation aufſparen zu muͤſ⸗ 
ſen, deren charakteriſtiſches Kennzeichen iſt, keine Geſchiebe 
zu enthalten, die mehr als einen Cubikzoll Koͤrper-Inhalt 
haben. 


*) Dieſe nicht bloß angelehnten, ſondern aufgeſetzten Nagel⸗ 
flublager kommen in den öftlichern Gebirgen dieſer Sand⸗ 
ſtein⸗ und Mergelformation haufiger vor, und bilden in den 
Allmannsgebirgen zwiſchen Zürich und Toeken⸗ 
burg über 2000 Fuß hohe Gebirgsruͤcken, in denen ſich die 
Sandſtein⸗ und Mergellager nur noch in der Tiefe zeigen. 

Die eben ſo ausgedehnte als ſchoͤne und merkwuͤrdige Aus⸗ 
ficht von der Hochwache des Schnabelbergs am Albis 
iſt in Ebels Anleitung in der Schweiz zu reifen, Zuͤrich, 
1791, und in der 2ten Auflage 1805, beſchrieben. Das 

übrige mahleriſch Schöne dieſer ganzen Reiſe über den Gott⸗ 
hard findet ſich in Meyers mahleriſcher Reiſe nach der ita⸗ 
kieniſchen Schweiz, Zürich , 1793, verieichnet. f 


9 


Ebene von Baar im Zuger Gebiethe befindet man fich 
in der horizontalen Mergel- und Sandſteinformation. Aber 
nirgends ſieht man deutliche Profile von derſelben, weil 
die Vegetation dieſe Gegend ganz bedeckt; nur von Ferne 
ſieht man von Wollishofen aus, an dem weſtlich liegenden 
Uto die ſogenannte Leimbacher Faletſchge, welches 
ein immer noch fortdauernder durch Auswaſchung verur— 
ſachter Einſturz der einen Seite des Berges iſt, wo die 
ganze Formation mit ſolcher Deutlichkeit im ſchoͤnſten Pro— 
file erſcheint, daß dieſe Faletſchge des Beſuches eines 
jeden nach Zuͤrich gehenden Geognoſten wuͤrdig waͤre. 

An der Suͤdſeite der Baarer Ebene, oͤſtlich dem 
Zuger See, iſt eine ganz von reicher Vegetation bekleide-⸗ 
te Hügelkette, in der das Lorzentobel “ eingeſchnitten 
iſt: fie beſteht aus einer ganz eigenen Gebirgs formation, 
die man aber nicht gewahr wird, wenn man ſich nicht von 
der Straße eine halbe Stunde weit entfernt, um dieſes. 
merkwürdige Tobel zu beſuchen. Die Gebirgsart dieſer 
Huͤgelkette iſt eine horizontalliegende Nagelfuh von nicht 
ſeſtem Zuſammenhange, deren Geſchiebe meiſt nur aus 
feinkoͤrnigem Sandſteine und dichtem Kalkſteine beſtehen, 
die durch einen ziemlich grobkoͤrnigen Sandſtein zuſammen⸗ 
gekittet ſind. Dieſes Sandſteinbindemittel aber iſt oft ſo 
häufig vorhanden, daß es einzelne Schichten von Sandſtein 
zwiſchen den Nagelfluhlagern bildet, die aus Quarze und 
Feldſpathkoͤrnchen beſtehen, welche durch ein daltſteinarti⸗ 
ges Cement zuſammen verbunden find. Einige anderwars 
tige Beobachtungen machen es wahrſcheinlich, daß dieſe 
lockere aus Floͤzgebirgsgeſchieben beſtehende horizontallie⸗ 
gende Nagelſuhformation auf die Sandſtein⸗ und Mergel⸗ 


*) Zobel iſt in der Schweit der ſehr bezeichnende Name eines 
ganz engen Thaͤlchens mit aͤußerſt ſteilen Seitenwänden. 


40 


formation des Albis aufgeſetzt ſey, ungeachtet fie hier im 
Lorzentobel ungleich niedriger liegt, als die ihr dermuth— 
lich untergeſetzte Albiskette. Auch möchte wohl die oben 


erwaͤhnte Kuppe des Uto zu dieſer Formation gehören. *) 


Gleich jenſeits Zug zeigt fi) ſchon wieder eine neue Ge⸗ 
birgsformation am Tage. Sie beſteht aus einem Sandſtei⸗ 
ne, der hauptſaͤchlich kleine Quarz- und Feldſpathkoͤrner 
enthaͤlt, die mit wenigem Glimmer durch ein kalkſteinarti⸗ 
ges Bindemittel zu einem kleinkoͤrnigen Sandſteine zuſam⸗ 
mengekittet ſind, der ſehr brauchbar fuͤr die Baukunſt iſt. 
Dieſe Sandſteinformation iſt ſehr ausgedehnt und bildet bis 
zu niedrigen Bergen anſteigende Huͤgelketten. Sie ſtreicht 
von Oſten nach Welten und iſt gegen Süden eingefentr- 
So lange man den noͤrdlichen Fuß des Zugerbergs 
längs dem See, in einer ſehr angenehmen Straße von Zug 
aus bis hinter die Saͤgmuͤhlen verfolgt, ſtoͤßt man Häufig 
auf zu Tage ausgehende Schichtenfächen dieſes Sandſteins. 
Von den Saͤgmuͤhlen an hingegen bis auf Arth wendet ſich 
die Straße mit dem Seeufer ſtark ſuͤdlich, und fo kommt 
man in das hoͤchſt⸗merkwuͤr dige Schichtenprofil dieſer Sand⸗ 
ſteinformation, das die befriedigendſte Auskunft uͤber die 
Verbindung derſelben mit der darauf folgenden Rage 
mation giebt, 

Noch einige Zeit geht man von den Saͤgmuͤhlen an im⸗ 
mer uͤber zu Tage ausgehende Schichten von Sandſtein, 
und von dem jenſeitigen weſtlichen Ufer des Zuger Sees 
ſieht man von Immenſee her das Vorgebirg Kiemen, 


) Die Nagelfluh des Lorzentobels ſcheint wirklich zu der 
naͤmlichen Formation zu gehören, wovon die Kuppe des Uto 
ein Lager enthaͤlt, und die in der Allmannskette an 
der oͤſtlichen Granze des Cantons Zuͤrich ziemlich ausgedehn⸗ 
te Gebirgsruͤcken bildet. 


14 


das ebenfalls aus dem gleichen und auch ganz gleichliegens 
den und gleichſtreichenden Sandſteine beſteht, gegen ſich herz 
uͤberkommen, wodurch die Identitaͤt der dem Rigiberge 
nördlich liegenden Sandſteinhuͤgel mit dem Zugerberge ganz 
deutlich bewieſen wird. Schon in der Gegend der Saͤgmuͤh⸗ 
len aber iſt dieſer Sandſtein ſtellenweiſe mit Nagelfluhge⸗ 
ſchieben gemengt, und geht fo ohne Abſonderungsfaͤche 
in Nagelfſuh über. Weiterhin, jenſeits den Saͤgmühlen, 
wird dieſe ſtellenweiſe Umwandlung des Sandſteins in 
Nagelfuh ordentlich regelmaͤßig, fo, daß fie beyde beſtimmt 
mit einander abwechſeln; aber auch hier bemerkt man bey 
dieſem Uebergange des einen in das andere, wenigſtens bey 
demjenigen des Sandſteins in die über ihm liegende Nagel 
uh, keine beſtimmte Abloͤſungsflaͤche, ſondern es iſt im⸗ 
mer nur Uebergang wegen Beymengung großer Geſchiebe 
in die übrigens gleichbleibende Hauptmaſſe. 

Dieſe Abwechſelung von Sandſtein und Nagelfluh dau⸗ 
ert bis auf Walchweil immer fort, wo nun einige haͤrtere 
Sandſteinlager erſcheinen, in denen ſich weder Glimmer⸗ 
noch Feldſpathkoͤrnchen zeigen, die aber dagegen neben dem 


wenigen graulichweißen Quarzſande auch Kalkſteinkoͤrn⸗ 


chen in dem kalkartigen Bindemittel enthalten. Dieſe 
Schichten, die gleichſam das Dach des bisher beobachteten 
AUAuoberganges von der Sandſteinformation in die Nagelſſuh, 


formation ausmachen, find oft mit Kalkſpathadern durchs 


zogen. Ueber dieſem ebenfalls nach Suͤden eingeſenkten 


Sandſteine erſcheinen nun verſchiedene Mergellager, mit 


immer aͤhnlicher Einſenkung, uͤber einander liegend: ſie 
find denjenigen ſehr ahnlich, welche in der Sandſtein⸗ und 
Mergelformation bey Zürich vorkommen, und auch hier 
werden fie mit Sandſteinſchichten abwechſelnd getroffen, 
die den bey Zug erſchienenen der eigentlichen Sandſteinfor⸗ 
mation völlig gleich ſind; auf ihren obern Abloͤſungen gegen 


12 


f den Mergel zeigt ſich ſchoͤner halbdurchſichtiger rhomboidalt⸗ 
ſcher Kalkſpath. Ueber dieſen merkwuͤrdigen Abwechſelun⸗ 
gen von Sandſtein und Mergel, die vielleicht mit jener aus⸗ 
gedehnten Formation am Albis in einiger Verbindung 
ſtehen, und welche ſich in dieſem Proſile waͤhrend einer 
halben Stunde Wegs zeigen, erſcheinen nun wieder immer 
noch gegen Suͤden eingeſenkte ſehr feſte Sandſteinlager, 
die aus Kalkſtein⸗ und Quarzkoͤrnern mit Kalkbindemittek 
beſtehen; die Koͤrner ſind oſt ſo groß, daß das Ganze in 
Wurſtſtein uͤbergeht. Hoͤher zeigt ſich in dem etwas vom 
Seeufer entfernten Profile die eigentliche Nagelfuh formation 
in ſtarken Lagern. Von Walchweil aus zeigt ſich nun auch 
das praͤchtige Schichtenproſil des Rigiberges, an wel⸗ 
chem man die ſehr ſtarken Nagelfuhlager außerordentlich 


regelmaͤßig und deutlich ſich gegen Süden unter einem Winkel. 


von ungefaͤhr 30 Graden einſenken ſieht. 

Dieſe Nagelffuhformation, in der man ſich nun befindet, 
iſt in den Alpen aͤußerſt ausgedehnt und bildet meiſt die 
nordweſtlichen Vorgebirge derſelben: allenthalben, wo ich 
noch ihr unterſtes Schichtenprofil am Tage vorfand, liegt 


fie eben ſo beſtimmt wie hier am Zuger See auf der: 
Sandſteinformation auf, und ſenkt ſich gegen die Alpen, 
die ihr ſuͤdlich liegen, ein. Meiſt hat ſie ſehr ſtarke, bis 
auf 40 Fuß hohe Schichten, die auffallend regelmaͤßig und 
beſonders am Rigi ohne irgend eine merkliche Biegung 
vollig geradlinicht auf einander liegen. Sie beſteht aus Ger 
ſchieben jeder Groͤße von so Cubik⸗Fuß Körper : Inhalt bis 
auf grobe Sandkoͤrner herunter, die durch einen etwas grob⸗ 
koͤrnigen mit Kalkbindemittel verſehenen Sandſtein fo ſeſt 
zuſammen verbunden ſind, daß bey Zerkluͤftungen meiſt eher 
die haͤrteſten Geſchiebe ſich ſpalten und brechen, als daß ſie 


ſich aus ihrem Cementejfloßreißen ließen. Der großen Mans: 


nigfaltigkeit ihrer Geſchiebe wegen iſt die Nagelfluhforma⸗ 


13 


tion der Alpen beſonders lehrreich über das relative Alter 
der Altern Gebirgsſormationen. Neben den Granit» und 
Gneisgeſchieben, die hoͤchſtwahrſcheinlich ihre erſte Entſte— 
hung in dem Hochgebirge der Alpen gehabt haben, fin— 
den ſich in dieſer Nagelfuhformation beſonders auch häufige 
Porphyrgeſchiebe, deren Gegenwart deswegen hauptſaͤchlich 
merkwürdig iſt, weil bis jetzt in den Schweizeriſchen 
Alpen noch keine Spur einer anſtehenden Porphyrformation 
vorgefunden worden, ungeachtet beynahe alle Fluͤſſe Por⸗ 
phyrgeſchiebe mit ſich rollen, und dieſe einen weſentlichen 
Beſtandtheil der großen Nagelfluhformation ausmachen. 
Wahrſcheinlicher iſt mir, daß dieſe Porphyrgeſchiebe aus 
weiter Ferne hergeſchwemmt worden ſeyen, als daß ſich 
eine Porphyrformation entweder unter der Vegetation oder 
unter andern Formationen verborgen halte. Eben ſo haͤu— 
fig zeigen ſich auch in dieſer Nagelſſuh Hornſtein- und Feu⸗ 
erſteingeſchiebe, deren Geburtsort in den Alpen mir eben— 


falls noch unbekannt iſt *). Der übrige Theil dieſer Na- 


gelfluh beſteht aus koͤrnigen und dichten, mit etwas Sande 
gemengten Kalkſtein⸗, aus ſchwaͤrzlichgrauen, feinkoͤrnigen, 


oft ſich dem Hornſteine naͤhernden Sandftein- und ſelbſt 
auch aus Wurſiſteingeſchieben: offenbar muͤßen alle die For⸗ 
mationen, aus denen dieſe Geſchiebe herkommen, von Als 
terer Entſtehung ſeyn, als die Nagelfſuhfomation ſelbſt; eins 
zig ſcheint der Fall zuweilen eingetreten zu ſeyn, daß waͤh— 


reend der Entſtehung und wahrſcheinlichen Aufſchwemmung 
dieſer Formation ſich die unterſten Lager derſelben ſtellenweiſe 


wieder zerſtoͤrten, und ſo in die hoͤhern und alſo juͤngern 


* Dieſe Hornſtein⸗ und Feuerſteingeſchiebe ſcheinen aus ein⸗ 
zelnen Zwiſchenlagern und Neſtern dieſer Steinarten herzu— 
rühren, die ſich zwar ziemlich ſelten in der Alpenkalkſte in- 


formation der ſchweizerſchen Alpen vorfinden, 


—— 


14 


Lager der naͤmlichen Formation mit ihr idente Geſchiebe 
lieferten. Nicht ſeltene Beyſpiele ſolcher Nagelfluhgeſchiebe 
machen dieſe etwas gewagte Erkaͤrung einigermaßen wahrs 
ſcheinlich ). Viele andere, nicht weniger wichtige Beob⸗ 
achtungen über dieſe Formation, moͤgen einſt in einer ums 
ſtaͤndlichern Veſchreibung derſelben Platz haben. N 

Der Flecken Arth befindet ſich in einem Thale, das ſuͤ⸗ 
weſtlich von der Fellenwand des Schichtenprofils des Rigi, 
nordoͤſtlich aber von einer ganz aͤhnlichen, aber weniger ho⸗ 
hen und weniger ſteilen des Roßbergs eingeſchloſſen 
iſt. Die Identitaͤt dieſer beyderfeitigen Gebirgsſtoͤcke wird 
durch ihre ganz ähnliche Gebirgsart und die völlig gleiche 
Richtung ihrer Streichungslinie ſowohl als ihrer Falllinie 
ganz außer Zweifel geſetzt: durch welchen Zufall aber, oder 
durch welche Kraft dieſe große Kluft, die das Thal von 
Arth einnimmt, bewirkt worden, hieruͤber fand ich noch 
nicht die geringſte Spur einer Anzeige. 

Eben. ſo unbegreiflich koͤmmt mir die Lage dieſer ganzen 
Gebirgsformation ſelbſt vor. Sie faͤllt unter einem Winkel 
von ungefaͤhr 30 Graden gegen Süden, alſo fo fteil, daß 
es beynahe phyſiſch unmöglich iſt, daß dieſe aus lauter ab» 


) Diefe Erklaͤrung des Daſeyns von aus Wurſtſteinen beſte⸗ 
henden Geſchieben der Nagelfluhformation, kann vielleicht 
in einzelnen Faͤllen wahr ſeyn, doch meiſtens muͤßen dieſe 
Wurſtſteingeſchiebe, die beſonders in der Nagelfluh des Rigi 
Häufig find, aus einer weit aͤltern Formation herruͤhren, in⸗ 
dem ſie meiſt nur aus kleinern Kalkſtein⸗, Quarz-, Kieſel⸗ 
ſchiefer⸗ und harten feinkoͤrnigen Sandſtein⸗Geſchieben beſte⸗ 
hen, die feſte durch ein Sandſteineiment verbunden ſind, 
der ſelbſt kalſtſteinartiges Bindemittel hat; daher unterfcheie 
den ſich dieſe Wurſtſteingeſchiebe beſonders in Ruͤckſicht der 
Größe ihrer Geſchiebe weſentlich von den ſehr großkoͤrnigen 
Nagelfluh-Felſen. 0 


Ri 15 
gerundeten Geſchieben beſtehenden Schichten in dieſer Lage 
entſtanden ſeyn koͤnnen, und doch kennen wir keine Kraft, 
die folche ungeheure Maſſen, wie dieſe ganze Gebirgsforma— 
tion ausmacht, erheben koͤnnte: eben ſo wenig laͤßt ſich 
eine ſolche regelmaͤßige Einſenkung einer über 30 Stunden 
langen Gebirgskette denken, bey der die Schichten fo uns 
verſehrt geblieben, als wir ſie ganz befonders an dieſem 
Schichten profile des Rigi ſehen. u 

Von Arth aus gieng die Reife längs dem Rigiprofile 
an der Weſtſeite des Lo werzer Sees hin, nach Brunnen, 
von da über den Vier waldſtaͤdter See nach Fluͤhlen, 
und dann durch das Reußthal herauf, bis an Staͤg am 
Fuße der Gotthardsſtraße. 

Von Arth bis an den füdlichen Auslauf des Lo wer zer 
Sees verfolgt man immer das Schichtenprofil des Rigi 
in dem breiten Thale, das dieſen Gebirgsſtock von dem jen⸗ 
ſeitigen Roßberge trennt. Bis an die Ufer des anmuthi⸗ 
gen, mit der aͤußerſt mahleriſch ausſehenden In ſel 
Schwanau gezierten Lowerzer Sees, hat man ims 
mer an der Weſtſeite des Thals die ſchoͤnen Schichtenprofile 
der Nagelſuh des Rigi: hier fangen dieſelben an etwas 
weniger ſteil, und mit einiger Vegetation bekleidet zu wer⸗ 
den. f 
Gleich der Inſel Schwanau gegenuͤber zieht ſich vom 
Rigi herab eine Art Vorgebirge, das aber mit ihm gleich 
ſtreicht und gleich eingeſenkt iſt, welches ganz deutlich mit 
der Inſel und einem andern jenſeitigen vom Sattel, als 
dem ſuͤdlichen Theile des Roß berges herabkommenden 
ganz aͤhnlichen Vorgebirge voͤllig ident iſt, und ſo die genaue 
Verbindung der ſuͤdlichen Flaͤche des Rigi mit dem ſuͤd⸗ 
lich an dem Sattel angelehnten Schweizerhacken 
beweißt. Aehnliche oft kaum merkbare Zwiſchenverbindun⸗ 
gen entfernter oder doch getrennter Gebirgsſtoͤcke erleichtern 


46 


das Studium der Geognoſie ungemein, und verſchaffen oft 
die wichtigſten allgemeinen Weberfichten ganzer Gebirgsfor— 
mationen. 

Ungleich wichtiger aber wird die Bemerkung, daß dieſes 
vom Rigi herabkommende Vorgebirge ſowohl als die In— 
ſel Schwanau nicht mehr aus Nageſfluh, ſondern aus ei⸗ 
nem, etwas ins braͤunliche fallenden dunkelgrauen, aus 
dem Feinkoͤrnigen ins Dichte uͤbergehenden Kalkſteine beſte⸗ 
hen, der einzelne Kalkſpathkoͤrner eingeſprengt enthält, und 
welchem vermuthlich etwas Thonerde beygemiſcht oder auch 
wohl nur beygemengt ſeyn mag. Die Lagerung dieſes Kalk⸗ 
ſteins iſt der der bisherigen Nagelſſuh vollig gleich, alſo die 

Streichungslinie deſſelben ebenfalls von Oft nach Weſt lau: 

fend, und in Anſehung des Fallens gegen Suͤden einfchief 

ſend; nur ſcheint die Falllinie einen etwas ſtaͤrkern Winkel 

mit dem Horizonte zu machen, als die der noͤrdlicher e 
den Nagelſluh. 

Hieraus folgt ganz klar, daß, weil die Einſenkung der Nagel⸗ 
fluh ſowohl als dieſes Kalkſteins gegen Süden gerichtet if}, 
alfo der im Profile ſuͤdlicher liegende Kalkſtein auf der noͤrd— 
lichern Nagelfſuh aufliegen muͤße. Der Uebergang oder das 
eigentliche Auffiegen des Kalkſteins auf der Nagelffuh iſt zwar 
an dieſer Stelle durch die Vegetation bedeckt, allein deſſen 
ungeachtet ſetzt wohl die gegenſeitige Richtung dieſer beyden 
ſich nahe liegenden Gebirgsformationen das Aufliegen der 

Kalkſteinformation auf der Nagelffuhformation außer allen 
Zweifel. Eben ſo waͤre alſo auch das hoͤhere relative Alter 
der untern Nagelfluhgebirge gegen das uͤber ſie hingelehnte 
Kalkgebirge fo deutlich als möglich bewieſen *). 


) Dieſes anſcheinende Aufliegen der Alpenkalkſteinformation 
auf der Nagelfluhformation hat längs der ganzen fchweizere 
ſchen Alpenkette ſtatt, aber auch mit dem bedeutenden Um⸗ 


| 2 % 
Die ſich hieraus ergebende Folgerung, dagider graue Kalk⸗ 
ſtein von neuerer Entſtehung fen, als die unter ihm liegen— 
de Nagelſluh, hat aber bey weiterer Ueberſicht des Ganzen 
große Schwierigkeiten: denn erſtens bildet dieſer hier erfcheie 
nende Kalkſtein vermuthlich mehrere von den hoͤchſten bis 
über 10000 Fuß über das Meer ſich erhebenden Gebirgs⸗ 
ketten, deren Entſtehung kaum der niedern Nagelfluhforma— 
tion nachgeſetzt werden darf“); zweytens enthält die Nagel 
Ah ſelbſt Geſchiebe, die wahrſcheinlich aus dieſer hier auf 
geſetztſcheinenden Kalkformation herkommen, wodurch alſo 
das geringere Alter der Nagelfuhformation noch unlaͤugba— 
rer bewieſen wuͤrde, als der entgegengeſetzte, aus der La⸗ 
gerung abſtrahirte Fall. Indeſſen bleiben beyde Fakta uns 
geachtet des anſcheinenden Widerſpruchs gleich richtig, und 
da ihre Folgerungen ebenfaüs begruͤndet zu ſeyn ſcheinen, 
— 2. i 
ſtande, daß das unmittelbare Aufliegen nirgends beſtimmt ſicht⸗ 
bar iſt, ſondern daß die ſich am nächften liegenden Schichten 
dieſer beyden Formationen noch in der Entfernung von meh 
reren Lachte rn von einander abſtehen, wodurch alſo ein blofr 
ſes Hinuͤberlehnen der erſten Alpen⸗Kalkſteinkette auf die Na— 
gelflahgebirge hoͤchſt wahrſcheinlich wird, wodurch dann die 
Bemerkung, daß dieſe Lagerung das hoͤhere relative Alter der 
Nagelfluhformation beweiſe, als unſtatthaft ganz wegfaͤllt. 


4) Freylich find in den Schweizerſchen Alpen bis 10 und ſelbſt 
13 tauſend Fuß hohe Kalkſteingebirge vorhanden, allein der 
Kalkſteinformationen find mehrere, und die nähere Entwick 
lung und Darſtellung derſelben war nicht blos zur Zeit der 
erſten Erſcheinung dieſer geognoſtiſchen Briefe eine der wich— 
tigſten noch unaufgelösten Aufgaben der Geognoſie, ſondern 
iſt es ſelbſt jetzt noch, indem noch nirgends die ganze unge⸗ 
heure Maſſe der Kalkſteingebirge der Alpen mit umfaſſendem 
philoſophiſchem Geiſt beobachtet und ihre n * 

wickelt wurden. 

ar Bd. * 


18 0 
10 moͤchte wohl hieraus ein wichtiger Beweis zu ziehen ſeyn, 
daß verſchiedene im Alter ſehr ungleiche Kalkformationen 
vorhanden find, und daß alſo der hier auf der Nagelfluh 
aufliegende Kalkſtein zu einer ganz andern Gebirgsformation 
gehoͤre, als der des aͤußerſten Hochgebirges. 

och zeigt ſich an jenem vom Rigi herabkommenden 
Vorgebirge eine beſondere Art eines roͤthlichbraunen koͤrni⸗ 
gen Kalkſteins der ſtark eiſenſchuͤßig iſt und Häufige Körner 
von linſenfoͤrmig koͤrnigem Thon » Eifenftein beygemengt 
enthält, fo daß oft dieſer letztere die Hauptmaſſe dieſer Floͤtze 
ausmacht, welche wahrſcheinlich bauwuͤrdig waͤren: Die 
fe eiſenſchuͤßigen Floͤtze aber kommen nicht zwiſchen den bey» 
den ſich hier nahe liegenden großen Gebirgsformationen, 
ſondern ſchon ganz in der Kalkſteinformation vor, indem 
nördlich unter ihnen auch noch einige Kalkſtein-Schichten 
ſichtbar ſind. i 

Immer folgt man dem ſuͤdweſtlichen Ufer des Lower⸗ 
zer Sees, neben dem ſich das Schichtenprofil des Rig i 
vertikal erhebt, und ſchoͤne Felswaͤnde von jenem dunkel⸗ 
grauen Kalkſteine bildet. Wegen der ſuͤdlichen Einſenkung 
dieſer Gebirgslager ſieht man nach und nach den Rigi ſich 
in das Thal herabſenken, das von Schwyz gegen⸗ Brunnen 
führt, Der ſuͤdlichſte ſich etwas oͤſtlich am Lowerzer 
See herumziehende Abhang des Rigi hat den befondern 
Namen des Zungelenbergs; er ſenkk ſeine Schichten 
aͤußerſt beſtimmt gegen Süden in das horizontalliegende Thal 
herab: der Kalkſtein, aus dem er beſteht, iſt grau, fein 
koͤrnig, und enthaͤlt ſehr viel weißliche Kalkſpathkoͤrner, 
die ihm ſein helleres ſtellenweiſe glaͤnzendes Anſehen geben. 

Vom ſuͤdoͤſtlichen Fuße des Zungelenberges an zieht 
ſich der Weg etwas weſtlich in die flache zirkelfoͤrmige E be⸗ 

ne von Schwyz welche durch die Aufſchuͤttung der Ge⸗ 

ſchiebe verſchiedener Bergſtroͤme entſtanden ik, die ſich hier 


* 


% 
19 


mit den finſtern Thaͤlern, aus denen fie hervorkommen, 
vereinigen. Durch dieſe Wendung der Straße iſt man auf 
einmal ganz aus dem Schichtenprofile des Rigi heraus 
gekommen, und nun hat man zur Nordfeite dagegen die aͤuſ— 
ſerſt regelmaͤßige Schichtenflaͤche des gleichen Gebirges, die 
ſich als eine glatte, ſchieſſiegende Fläche in das Thal einjenkt, 
und ſich bis an den Vierwaldſtaͤdter See fortziehet. 
Schon an den Ufern des lieblichen Lowerzer Sees 
ſieht man immer die ſteilen Pyramiden des Schwyzer— 
hakens oder der Mythen vor ſich: die beynahe vertis 
calen Felswaͤnde, die er dieſem Thale zukehrt, laſſen den 
Beobachter lange zweifelhaft über die Lagerung feiner flate 
ken Kalkſteinſchichten; und auch ſelbſt in dem ebnen Tha— 
le von Schwyz, deſſen Oſtſeite er ausmacht, beurtheilt 
man feine Richtung nicht fo leicht. Exit bey genauer Uns 
terſuchung des Ganzen zeigt ſich dann, daß man im Tha⸗ 
le des Lowerzer Sees das Ausgehende der Schich⸗ 
ten *) deſſelden ſahe, und in der Ebene von Schwyz 
in ſein Schichtenprofil gekommen iſt. Alſo auch dieſer ſteile 
und beynahe ganz kahle Gebirgsſtock ſtreicht von Oſten nach 
Weſten, und iſt gegen Suͤden eingeſenkt. Da ſich derſelbe 
erſt am ſuͤdlichen Abhange des Rigi mit feinen Escarpe⸗ 
mentern erhebt, fo kann er als die füdliche Parallelkette 
von dieſem angeſehen werden, und das gegen Schwyz ganz 
vertikal abgeſchnittene Schichtenprofil laßt auf eine Einſen⸗ 
kung dieſer Gebirgskette ſchleßen, durch die das zirkelfoͤr⸗ 
mige Thal von Schwyz entſtanden ſeyn mag. 
Eine kleine Gypsmuͤhle, die man auf dem Wege nach 
Brunnen antrift, macht den Geognoſten aufs neue wieder 


1 


) Sauſſure nahm flatt dieſer umſchreibung das Wort Escar- 
pement an, welches mir fo paſſend zig ſeyn ſcheinty daß ich 
es gerne ins Deutſche uͤbertruge 


e 
20 


auf die weite Kluft aufmerkſam, in der er ſich Befindet: 

denn der hier verarbeitete Gyps ſoll am dieſſeitigen Fuße des 

Schwyzerhakens gefunden werden, alſo eben unmit— 

telbar unten an dem vertikal abgeſchnittenen Schichtenpro⸗ 
file dieſes hohen Gebirgsſtocks. Sollte nicht einſt der Geolog in 

der Aufloͤslichkeit des Gypſes im Waſſer eine der weſentlich, 
ſten Urſachen jener fo ausgedehnten und ſonſt unerklaͤrbaren 
Einſenkungen ganzer Formationen und Zerkluͤftungen der 
Gebirgsketten zu fuchen haben? beſonders da ſich Spuren 

von Gyps ſelbſt in den hohen innerſten Thaͤlern der Alpen 
vorfinden. “) f N 

An der Suͤdſelte des Thales zwiſchen Brunnen und 


Schwyz erhebt ſich die Frohnalp, ein ebenfalls mehr 


als 4000 Fuß über den nahen Vierwaldſtaͤdter See 
ſich erhebender Gebirgsſtock, der dieſem Thale feine Escar⸗ 
pementer zukehrt, und folglich immer noch das gleiche 
Streichen von Süden nach Oſten, und die gleiche Einfen, 
kung gegen Suͤden beybehaͤlt: doch ſcheint die Falllinie 
der Frohnalp etwas von Suͤden ab gegen Oſten ſich zu 
wenden, und alſo auch dies Streichen etwas umgeaͤndert 
zu ſeyn. Merkwuͤrdig iſt, daß ſich am Fuße der Escarpe⸗ 
menter der Frohnalp gegen Brunnen zu ein Huͤgel be, 
findet, der aus Schichten beſteht, die ebenfalls von Oſten 
nach Weſten ſtreichen, welche aber ſowohl gegen Norden, 
als auch gegen Suͤden ſich ſchwach einzuſenken ſcheinen, 
und folglich gebogen waͤren, ſo daß ſie ſich von dem ober⸗ 
ſten Grat des Huͤgels nach beyden Seiten herabſenkten. 
Deſſen ungeachtet, da die allgemeine Einſenkung, wenn 


*) Dieſe geologiſche Idee rührt eigentlich von Hrn. Gruner 
von Bern, geweſenem helvetiſchen Bergdireetor, her, und iſt 
aus Unvorſichtigkeit ohne deſſen Einwilligung im bergmaͤn⸗ 
giſchen Journal mitgetheilt worden. 


21 
man fie im Großen beobachtet, doch gegen Süden gerichtet 
iſt, ſo iſt wohl unzweifelhaft, daß die Frohnalp auf den 
Rigi aufgeſetzt ſey, und wahrſcheinlich zur gleichen For» 
mation gehoͤre, ungeachtet der weiten Kluft, die ſie trennt. 

Laͤngs dem ſuͤdweſtlichen, beynahe vertikal abgeſchnitt— 
nen Schichtenprofile der Frohnalp zieht ſich der Vier 
waldſtaͤdter See gegen Suͤden hin, und jenſeits dem⸗ 
ſelben zeigt ſich in der fortgeſetzten Streichungslinie der 
Frohnalp der Seelisberg, der mit jener ganz ident, 
ſowohl in Ruͤckſicht feiner Lage als feiner Gebirgsart zu 
ſeyn ſcheint: auch er ſenkt ſich mit einem beynahe vertikal 
abgeſchnittnen Schichtenprofile in den See hinab. Es iſt 
alſo offenbar, daß wenigſtens der Arm des Vierwald⸗ 
ſtaͤdter Sees der ſich von Brunnen gegen Fluͤhlen nach 
der Direktion der Mittagslinie erſtreckt, kein urſpruͤngliches 
Thal, ſondern eine Kluft einnimmt, die ſich unter einem 
rechten Winkel durch die Streichungslinie dieſer Kalkſtein⸗ 
formation durchzieht. 

Zwiſchen ſteilen Felswaͤnden, die an beyden Seeufern 
Schichtenproſile bilden, faͤhrt man gegen Suͤden nach Fluͤh⸗ 
len; und da dieſe Direktion die allgemeine Streichungsli⸗ 
nie dieſer Gebirge unter einem rechten Winkel durchſchnei⸗ 
det, ſo zeigt ſich auf dieſer Reiſe eins der deutlichſten und 
ausgezeichnetſten Profile, das ſich auffinden laͤßt, und wel⸗ 
ches auch beſonders deswegen merkwuͤrdig wird, weil die 
beyderſeitigen Felswaͤnde vertical und oft ſelbſt gegen den 
See uͤberhaͤngend abgeſchnitten ſind. 

Die Schichtung der Frohnalp zeigt ſich in dieſem 
Profile als ſehr regelmaͤßig , aber nur ſchwach gegen Suͤ⸗ 
den eingeſenkt, bis endlich am Endabhange der Froh nalp 
gegen das Siſſigerthal durch eine ſehr ſeltſame Schich⸗ 
tenbiegung dieſe Einſenkung wieder weit ſteiler wird, ſo 
wie ſſch nämlich die nur noch ſchwach gegen Suͤden ein 


22 


geſenkten Kalkſteinlagen dem ſuͤdlich liegenden Siſſiger⸗ 
thale-nahern, fo biegen fie ſich auf einmal aufwaͤrts zus 
rück und ſteigen nun wieder nördlich gegen die Fro hnalp 
unter einem ſtaͤrkern Winkel hinauf. Hier und da ſcheint 
die Regelmaͤßigkeit der Schichten durch dieſe unbegreifiche 
Zuruͤckbiegung gelitten zu haben, indem an dieſer Stelle 
der Kalkſtein ſtark zerkluͤftet iſt, und die Schichten oft ge 
borſten zu ſeyn ſcheinen. 

In der naͤmlichen oͤſtlichen Gebirgskette ſolgt an der 
Suͤdſeite des Siſſigerthals der Achſenberg, der ſich 
mit beynahe vertikalen Schichten erhebt, die ſich aber bald 
gegen Suͤden uͤberneigen, und alſo gegen Norden eingeſenkt 
find. Folglich find die beyden Gebirgsſtoͤcke, zwiſchen des 
nen ſich das enge Siſſigerthal von Oſten her gegen den 
Vierwaldſtaͤdter See herabſenkt, gegen daſſelbe eins 
geſenkt, fo daß fie ihm beyde ihre Schichtenflaͤche zukehren, 
und dadurch wird ganz einleuchtend, daß dieſes kleine uns 
bedeutend ſcheinende Thaͤlchen nicht durch Ausſchwem⸗ 
mung oder durch eine Spaltung, ſondern durch die 
Einſenkung der beyderſeitigen Gebirgsſtoͤcke gegen daſſelbe 
entſtanden ſeyn muß. 

Dieſe Angabe wird um fo auffallender / da jenſeits dem 
See, dem Siſſigerthale gegenuͤber, vollkommen die 
gleiche ee und nachher die naͤmliche abge, 
aͤnderte Schichteneinſenkung ſtatt hat, ohne daß dort ein 

Thal durch dieſe 8 Biegung und Einſenkung entſtan⸗ 
den iſt. 

Der Achſenberg giebt dem Vierwaldſtaͤdter See 
ein Schauder: und Bewunderung erweckendes Ufer, indem 
hier fein Schichtenproſil eine mehrere tauſend Fuß hohe 
vollig vertikale an einig en Stellen ſelbſt überhängende Fel⸗ 
tenwand bildet, an deren unmittelbarem Fuße man hin⸗ 
ſchifft. Nur bey Tells Kapelle ragen noch einige Felſen⸗ 


* 


* 


23 


ſchichten aus dem Ste zu Tage heraus, und geſtatten im 
öftern Sturme eine Landung. Hier iſt die Gebirgsart merk⸗ 
lich abgeaͤndert, und ſtatt dem bisherigen grauen meiſt dich— 
ten Alpenkalkſteine, erſcheint ein feinkoͤrniger Kalkſtein der 
ziemlich viel Thonerde und oft ſelbſt ſo viel Kieſelerde innig 
beygemengt enthält, daß er am Stahle Feuer giebt, und 
alſo ſpeciſiſch ſowohl vom dichten Alpenkalkſtein, als vom 
gewöhnlichen feinkörnigen Kalkſtein verſchieden iſt. 

Dieſe in den Schweizer Alpen ſehr ausgedehnte 
Formation kommt hier nach der Richtung des ganzen 
Achſenberges gegen Norden eingeſenkt zum Vorſcheine⸗ 

An der weitern füdlichen Fortſetzung des Schichtenpros 
fils des Ach ſenberges zeigen ſich ſehr ſeltſame Schich⸗ 
tenbiegungen, in denen dieſelben wie Baͤnder hin und her 
zuſammengelegt vorkommen. An dieſen und aͤhnlichen 
Stellen ſind die Schichten meiſt nur ſchwach, und in der 
Nahe unregelmaͤßig zerkluͤftet oder undeutlich verwachſen. 
Gegen Flühlen hin nimmt die Höhe dieſer Schauder erre⸗ 
genden Felſenwand betraͤchtlich ab; einige Schuttkegel un⸗ 
terbrechen ſie an ihrem Fute, und geſtatten wieder eine 
ſchoͤne Vegetation. 

Von Fluͤhlen aus verfolgt man nun das gegen Süden 
ſchwach anſteigende beynahe ganz horizontal aufgeſchuͤttete 
Reußthal,; deſſen flache Ebene ausſchließend aus den von 
den benachbarten Bergſtroͤmen hergeſchwemmten Geſchieben 
beſteht. Wegen der Breite des Thales find die beyderfeis. 
tigen Gebirgsketten, beſonders aber die weſtliche, ziemlich 
fern von der Straße; doch bemerkt man leicht, daß ſie ſehr 
beſtimmte, die Streichungslinie faſt unter einem rechten 
Winkel kreuzende Schichtenprofile dem Reußthale zu⸗ 
kehren, und daher meiſt ſehr ſteile, oft ganz vertikal abge⸗ 
ſchnittene Felswaͤnde zeigen, doch find dieſe oft durch eini⸗ 
de mit Vegetation bedeckte Schuttkegel unterbrochen. In 


24 


der öftlichen Gebirgskette, wo ſich nun der Achſenberg 
verliert, folgt dieſem ſuͤdlich der Bannberg, deſſen 
ſteiles, aber oft unterbrochenes Schichtenprofil ganz mit 
finftern Tannen bewachſen iſt, die den am ſuͤdweſtlichen 
Fuße dieſes Gebirgsſtocks liegenden Flecken Altorf vor 
Schneelawinen ſichern. 
| Jenſeits Altorf trift man die wilde mit vielen Geſchie— 
ben beladene Schaͤchen an, die aus ihrem finſtern, in der 
öſtlichen Gebirgskette liegenden Schaͤchenthale heraus 
ſtroͤmt, an deſſen Ausgange gegen das Reußthal die 
beyderſeitigen Gebirgsſtoͤcke gegen daſſelbe eingeſenkt find: 
folglich muß entweder der gauze Bannberg, oder doch 
wenigſtens der ſuͤdlich an ihn angelehnte Fuß deſſelben, 
der die Nordſeite des Ausganges des Schaͤchenthals 
bildet, wiederum neuerdings gegen Suͤden eingeſenkt ſeyn, 
dahingegen der dem Schaͤchenthale ſuͤdlich liegende 
Gebirgsſtock ganz beſtimmt gegen Norden ſich einſenkt. 
Letzteres zeigt ſich beſonders deswegen beſtimmt, weil Dies 
ſes Gebirge ein ſehr deutliches, beynahe vertikal abgefchnittes 
nes Schichtenprofil dem Reußthale zukehrt: es beſteht 
aus einem bald hellern bald dunklern ſchwaͤrzlichgrauen Kalk⸗ 
ſchiefer, der mit etwas Thonerde gemengt und zuweilen 
mit ſchwachen weißen Kalkſpathadern nach verſchiedenen 
Richtungen durchzogen iſt. Dieſer Kalkſtein iſt gerad- und 
feinſchiefrig , feine Blatter löfen fich leicht ab, und find auf 
ihren Ablöfungen mit einem feinen Staube, der aus Kalk⸗ 
erde beſteht, und wahrſcheinlich durch Bassken ent⸗ 
ſtanden iſt, uͤberzogen. 

Ehe man das Dorf Ernſtfeld erreicht, kommt auf eins 
mal, immer an der gleichen oͤſtlichen Gebirgskette, und an 
der Fortſetzung des naͤmlichen Gebirgsſtocks, der jenes fchö> 

ne Schichtenprofil zeigt, unter den gegen Norden einge— 
ſenkten ſtarken Kalkſchieferbaͤnken, die uranfaͤngliche, eben» 


25. 


Falls gegen Suͤden anſteigende Gebirgsformation zu Tage 
aus. Nur Schade, daß eben an dieſer Stelle das Schichten⸗ 
profil weniger beſtimmt abgeſchnitten iſt als bisher, und das 
durch einiges Geſtraͤuch auf den hervorragenden Felſen ſich 

angeſetzt hat, fo, daß die genaue Unterſuchung dieſes Auftie— 

gens gehindert wird.“) Doch beym Ueberblicke des Gan- 
zen, in einiger Entfernung, iſt das Aufliegen des Kalkſtein, 
ſchiefers, auf der ſich hier erhebenden uranfaͤnglichen Ge— 
birgsformation ſehr deutlich und außer allem Zweifel: die 

Abloͤſungsflaͤche zwiſchen dem Kalkſtein-Floͤzgebirge und dein 
nunmehrigen uranfaͤnglichen Gebirge ſteigt unter einem 

Winkel von ungefähr 25° gegen Süden an, ſo daß alſo der 
Kalkſtein wegen dem ſich noch ſteiler erhebenden Gebirge 
nicht nur immer noch fortdauert, ſondern anſtatt auszugehen 

beym weitern füdlichen Fortruͤcken im Schichtenproſile im⸗ 
mer ſtärker wird, und ſich ſelbſt (ehr deutlich bis zur vorder— 
ſten Kette des Hochgebirges erhebt, und den hier erſchei, 
nenden Graͤnzſtock dieſer Gebirgskette, die Windgelle, 
bildet, welche bis gegen 8odo Fuß ſich über das Reuß⸗ 
thal mit aͤußerſt ſteilen, ganz fuͤrchterlichen Felswaͤnden 

erhebt. In dem ganzen Schichtenprofile von Ernſtfeld an 

bis an Staͤg, am Fuße der Gotthardsſtraße, ſieht 
man immer dieſes Aufliegen des Kalkſteins auf dem urans 
faͤnglichen Gneisgebirge ſehr deutlich, und ſich immer mehr 

gegen Suͤden emporhebend, doch immer ſo, daß auch ſelbſt 

am ſuͤdlichen Ausgange der Schichten an der Windgelle, 
gegen das Maderanerthal, der Kalkſtein mehr als die 
Haͤlfte der Hoͤhe des ganzen Gebirges einnimmt. 


— 


*) Siehe bierüber die Darſtellung des ſpaͤter noch aufgefund⸗ 
nen Aufliegens der Kalkſteinformation auf der Gneisformation 
und der merkwuͤrdigen uebergangs⸗Gebirgsarten, die hier an⸗ 
ſtehen, im zweiten Briefe. 


26 


Auch jenſeits dem Reußthale, an feiner Weſtſeite, an 
den Surenen Alpen, bemerkt man das naͤmliche Auffie⸗ 
gen der Kalkſtein formation auf dem uranfaͤnglichen Gneiſe, 
und eben fo zeigt ſich auch dort, doch weniger deutlich, das. 
ſuͤdliche Anſteigen dieſer beyden Gebirgsformationen. 

Das uranfaͤngliche Gebirge, welches im Reußthale 
unter der Kalkſteinformation erſcheint, beſteht im Ganzen 
genommen aus einem grob- und krummflaſrigen Gneiſe, von 
dem aber mehrere Abaͤnderungen zum Vorſcheine kommen. 
Bey dem einen find die Gemengtheile deſſelben, der bald. 
blaulichgruͤnliche, bald tombackbraune Glimmer, mit dem 
theils graulichen, theils weißen Quarze und wenigem weiß 
fen Feldſpathe ſehr unregelmaͤßig flaſrig und ſehr feſt mit: 
einander verwachſen, fo daß nur ſtellenweiſe das gneisar— 
tige Gewebe deutlich erſcheint, beym andern aber iſt der 
tombackbraune Glimmer beſtimmter von dem Quarze ab⸗ 
geſondert, der bald vom weißen ins gelblichweiße, bald 
ins blaulichweiße übergeht, und bey weitem der betraͤcht— 
lichſte Gemengtheil dieſes Gneiſes iſt, fo daß ſich der 
Glimmer ſehr krummblaͤttrig um die bald mehrere, bald 
mindere Anhaͤufung dieſer Quarzkoͤrner herumwinden muß: 
bey noch anderm hingegen iſt der ebenfalls tombackbraune 
krummblaͤttrige Glimmer von dem weißen, nur wenig ins 
gruͤnliche fallenden Quarze, und dem wenigen mit dieſem 
gemengten weißen Feldſpathe deutlich abgeſondert, ſo daß 
dadurch ganz beſtimmt das eigentliche Gneisgefüge entſteht. 

Noch zeichnet ſich an dieſer unterſten Stelle des Gneis⸗ 
gebirges ein Lager beſonders durch ſeine Verſchiedenheit 
von dem übrigen dieſer Gebirgs formation aus. Es beſteht 
aus einer feladon-grünen thonartigen Hauptmaſſe, die mit 
gruͤnlich weißem Quarze ſo gemengt iſt, daß beyde durch 
allmaͤhlige Annäherung in einander uͤberzugehen ſcheinen; 
wenigſtens erkennt man den Quarz nicht als eingeſprengte 


“ 


5 27 


Koͤrner: einige einzelne glaͤnzende Koͤrnchen ſcheinen hinge⸗ 
gen eingeſprengte Feld ſpathkriſtaͤlchen zu feon. 

Wegen den Zerkluͤftungen ſowohl, als auch wegen der 
Verwitterung der aͤußern Oberflaͤche dieſer Gneisformation, 
iſt es ſchwierig in der Naͤhe derſelben eine deutliche Schich— 
tung wahrzunehmen. Das Ganze aber hat das Anſehen 
einer regelmaͤßigen Lagerung von ſehr ſtarken, ebenfalls ges 
gen Norden und im gleichen Winkel, wie die über ihm lies 
gende Kalkſteinformation eingeſenkten Banken *). 

Immer verfolgt man das von den Befchieben und Was 
cken der Reuß⸗ und des aus dem Maderanerthale 
herauskommenden Kerſtelenbachs hoch aufgeſchuͤttete Reuß⸗ 
thal, welches ſich allmaͤlig verengert, und zum Theile 
durch mit Vegetation bedeckte Schuttkegel, die ſich am 
Fuße der beyderſeitigen Gebirgsketten angehaͤuft haben, 
eingeſchloſſen wird. Im engen ſuͤdlichen Hintergrunde des 
Thals zeigt der Briſten eine der ſchoͤnſten Pyramidalfor— 
men eines uranfaͤnglichen Hochgebirgsſtocks. f 

Ehe man das Dorf am Stlaͤg erreicht, verengert ſich 
das Reußthal beynahe ganz; die Straße zieht ſich ganz 
dicht am unterſten, etwas ins Thal herausragenden ſuͤd⸗ 
weſtlichen Fuße der Windgelle durch. Hier iſt die an, 
ſtehende Gebirgsart ein etwas krumm⸗ aber mehr duͤnn⸗ 
flaſriger Gneis, deſſen Gemengtheile, der mehr und mins 
der tombakbraune Glimmer, und der mit gelblichweißem 
Feldſpathe gemengte graulichweiße Quarz in ſehr regelmaͤſ⸗ 
ſigen Lagen mit einander abwechſeln: doch kommen auch 


Stellen vor, wo die nämlichen Gemengtheile unregelmaͤſ⸗ 


ſiger mit einander gemengt ſind, und alſo keinen ſo beſtimm⸗ 

ten Gneis bilden. 

— . . — ͤ — — 

*) Siehe die Berichtigung dieſer nur ſcheinbaren * im 
zweyten Briefe G. 32. 


25 


Die Windgelle macht den Graͤnzſtock aus zwiſchen 
dem bisherigen beynahe ganz horizontal nach Süden forte 
laufenden Reußthale, und dem engen von Staͤg aus 
ſich ziemlich ſteil erhebenden, und gegen Oſten an die Glet— 
ſcher zwiſchen Glaris, Uri und Buͤndten ſich hinziehenden 
Maderanerthale. Da nun die bey Ernſtfeld erſchie⸗ 
nene uranfaͤngliche Gebirgsformation ſich unter ihrer Kalfs 
ſteinformation betrachtlich gegen Süden erhob, fo muß na⸗ 
tuͤrlich der dem Maderanerthale zugekehrte Fuß dies 
ſes hohen und ſteilen Gebirgsſtocks ausſchließend aus Gneiſe 
beſtehen, wovon man auch durch einen bloßen Blick in die— 
ſes Thal überzeugt wird: dagegen aber gehen die Gneis— 
lager der Windgelle nicht als Eskarpementer gegen das 
Maderanerthal aus, ſondern ſtehen vertikal, und häns 
gen nur etwas weniges gegen Norden über, und find aljo 
an den Fuß der Windgelle angelehnt. 

Gerne wuͤrde ich Sie nun ſogleich an dem Gotthard 
herauf führen, um Ihnen die Folge der verſchiedenen ur- 
anfaͤnglichen Gebirgsformationen dieſes Theils der Alpen 
bekannt zu machen; allein da die bisherige 19 Stunden 
lange Reiſe von Zuͤrich bis an den Fuß der Gotthardsſtraße 
ſo viele wichtige und bis jetzt noch wenig bekannte geogno⸗ 
ſtiſche Angaben über die Nordſeite der Alpen liefert, fo 
verweile ich nun hier gern einige Zeit, um erſt Ihre Ge⸗ 
danken uͤber meine Beobachtungsmethode zu vernehmen, 
und mich uͤber die 9 derſelben von Ihnen beleh⸗ 
ren zu laſſen. 

Viele meiner Angaben mögen Ihnen vielleicht zu un⸗ 
beſtimmt, zu ſchwankend vorkommen, allein wer verzeiht 
nicht gerne dem Neulinge in einer Wiſſenſchaft Schuͤchtern⸗ 
heit in ſeinen Behauptungen; und wenn man beſonders 
mit den Schwierigkeiten bekannt iſt, die oft bloße örtliche 
Umſtaͤnde, beſonders aber die ſegenreiche Vegetation den 


29 


geognoſtiſchen Beobachtungen in den Weg legen, ſo wird 
man das maͤßigende Wort wahrſcheinlich nicht ſo blöd» 
ſinnig mehr finden. Außer dieſem aber kommt in den Als 
pen, zu Vermehrung dieſer Unbeſtimmtheit, noch der Um⸗ 
ſtand hinzu, daß hier die Gebirgs formationen auch in ih⸗ 
rem ſchaͤrfſten Profile ungleich ausgedehnter find, als in 
den übrigen, bisher geognoſtiſch unterſuchten Gebirgen. 
Endlich auch wird in den ſchweizeriſchen Alpen ſo 
wenig Bergbau getrieben, daß hier der Geognoſt immer 
nur auf der durch Vegetation und Verwitterung entſtellten 
Oberflaͤche der Gebirge herumkriechen muß, da hingegen 
oft in andern Gebirgen das Beſuchen eines einzigen Schach⸗ 
tes oder Stollens hinlaͤnglich iſt, um die reſpektive Folge 
der verſchiedenen Gebirgsformationen einer ganzen Berg— 
ſtrecke aufs genaueſte kennen zu lernen. In den Alpen, 
einer Gebirgsſtrecke, die in ihrem kuͤrzeſten Profile bis co 
Stunden Weges betraͤgt, braucht es ſchon eine ſehr ausge⸗ 
dehnte Lokalkenntniß, bis man nur weiß, wo man beob⸗ 
achten foll, um einen Begriff des Ganzen zu erhalten. Oft 
ſchon machte ich wochenlange Reifen, durchſtrich die finfters 
ſten Thaͤler, und erkletterte die hoͤchſten ſteilſten Gebirgs⸗ 
ſtoͤcke, und fand dann am Ende, daß ich mich immer in 
der naͤmlichen Gebirgsformatton herumgetummelt hatte, 
und weniger davon wußte, als wenn ich in einem wohlge⸗ 
wählten oder vielmehr glücklich aufgefundenen Proſile diefe 
naͤmliche Gebirgsformation einen halben Tag lang beobach⸗ 
tet haͤtte. 

Bis jetzt fand ich noch kein Profil in den Alpen, 
welches dem Beobachter ſo deutliche Auskunft uͤber die 
geognoſtiſche Beſchaffenheit derſelben giebt, wie gerade das- 


jenige, wovon ich Ihnen hier eine Darſtellung zu geben 


wagte. Freylich fehlen immer noch hier ganze große Zwi⸗ 
ſchenſormationen, die ſich in andern Profilen dagegen zei— 


30 

gen; allein nirgends noch fand ich den Uebergang der Sand⸗ 
ſteinſormation in die uͤber ihr liegende Nagelfuhformation 
ſo beſtimmt, wie an dem oͤſtlichen Ufer des Zugerſees. 
Nirgends ward mir das Auflehnen der grauen feinkoͤrni— 
gen Kalkſteinformation auf der Nagelduhformation fo deut— 
lich bewieſen, wie am Rigi beym Lowerzerſee; und 
wo koͤnnte ein deutlicheres Aufliegen des Floͤzkalkſteins auf 
dem Gneisgebirge aufgefunden werden, als im Reuß— 
thale bey Ernſtfeld. Freylich kennen wir nun weder die 
Verbindung der Mergel- und Sandſteinformation mit der 
horizontalliegenden Floͤzgeſchiebsnagelffuh, noch die von Dies 
ſer letztern Formation mit der Sandſteinformnation — auch 
zeigten ſich weder die ſchwarzen noch die rothen Thonſchie⸗ 
fergebirge, noch der uranfaͤngliche Kalkſtein, noch ſo viele 
andere merkwuͤrdige Formationen, die ſich in den andern 
Gegenden der Alpen ſo ſchoͤn auszeichnen: allein wenn 
wir erſt noch einige andere entfernte Profilreifen unternom— 
men haben, ſo werden wir ſchon hellere Begriffe uͤber das 
eben ſo merkwuͤrdige als bis jetzt unbekannte Alpen ge⸗ 
birge erhalten. 

Ungeachtet der vielen nicht unwichtigen Folgerungen, 
die aus den bisher angezeigten geognoſtiſchen Beobachtun⸗ 
gen fuͤr die Geologie gezogen werden koͤnnten, enthalte ich 
mich für einmal jeder aͤhnlichen Ausſchweifung von mei— 
nem Hauptgegenſtande, denn erſt die allgemeine Ueberſicht 
des Ganzen mag allenfalls zu ähnlichen Hypotheſen berechs 
tigen. Wir fahren alſo, wenn Sie Luſt haben, fort, wei— 
terhin blos noch zu beobachten, und erſt die Kenntniß 
des Ganzen ſoll uns dann zu abſtrakten Schluͤſſen leiten. 

In Erwartung Ihrer freymuͤthigen Gegenbemerkungen 
verharre ich ꝛc. 

Zurich, den 1s Auguſt 1705. f 

H. C. Eſcher. 


31 


Geognoſtiſche Nachrichten über die Alpen, in 
Briefen aus Helvetien. 


Zweiter Brief 7), 
(Profilreife vom Fuße der Gotthardsſtraße bis ins Urſelerthal.) 


Ungeachtet Ihrer guͤtigen Aufnahme meines erſten Brie 
fes uͤber die Alpen Helvetiens, ſchob ich doch die Fort— 
ſetzung der darin enthaltenen geognoſtiſchen Nachrichten 
ziemlich lange auf; theils weil ich durch das fortgeſetzte 
Studium der Mineralogie uͤberhaupt ſehr bald meine Un— 
zulaͤnglichkeit für Mittheilung aͤhnlicher Nachrichten über 
eine ſo wichtige, ſo ausgedehnte, und doch ſo wenig be— 
kannte Gebirgsgegend fuͤhlte; theils aber auch, weil mir 
zu Fortſetzung der unternommenen Arbeit noch einige wich» 
tige Angaben fehlten, die ich nothwendig auf einer neuen 
Reiſe aufſuchen mußte. Durch dieſen langen Aufſchub ward 
ich auch zugleich noch in den Stand geſetzt, mehrere der 
im erſten Briefe mitgetheilten Nachrichten zu berichtigen, 
und mit wichtigen Zuſaͤtzen zu vermehren; ſo daß Sie alſo 
für die Verſpaͤthung dieſer Fortſetzung durch mehrere Gruͤnd⸗ 
lichkeit der Angaben ſelbſt hinlaͤnglich entſchaͤdigt werden 
ſollen. Denn wenn ich auch in den Fall komme, eine Ge— 
gend mehrere Male zu durchwandern, ſo beobachte ich ſie 
doch jedes Mal wieder mit gleicher Sorgfalt wie beym er⸗ 
ſten Beſuche derſelben; und die Erfahrung beſtaͤtigte mir 
nur zu oft ſchon die Vermuthung, daß auch geognoſtiſche 
Beobachtungen leicht durch innere und aͤußere Umſtaͤnde 
einſeitig werden oder gar irre geleitet werden koͤnnen; mo» 


— 


*) Der erſte Brief befindet ſich im N. Vergm. Journale. 1 B. 
28 St. S. 116. i 


32 

her denn auch hauptſaͤchlich die Unzulaͤnglichkeit der meiſten 
geognoſtiſchen Reiſebeſchreibungen herruͤhren mag. Da ich 
nun aber ſeit der Mittheilung meines erſten Briefes uͤber 
eine Profilreiſe durch die Alpen dieſe Reife mehrere Male 
wiederholte; ſo werden Sie nun deſto eher vor einſeitigen 
Bemerkungen ſicher ſeyn, und auch zugleich die Berichtis 
gungen und Zufäße des erſten Theils der Reife deſto zus 
trauensvoller annehmen koͤnnen. 

Bey der Beſchreibung des Gebirgsprofils des unterſten 
Theils des Reußthals bedauerte ich in meinem Briefe 
(S. 27.), daß das unmittelbare Aufliegen der Kalkſtein⸗ 
Formation auf dem hier erſcheinenden Gneis gebirge 
nirgends beobachtet werden koͤnnte. Seitdem hatte ich die 
Freude, dieſes werkwuͤrdige Aufliegen an einer etwas hoͤ— 
hern, alfo mehr füdlich liegenden Stelle aufzufinden, und 
genau zu unterſuchen. Noch ehe man das im Thale ſelbſt 
anſtehende Kalkſteingebirge verlaͤßt, findet ſich ein ge 
gen die Straße hervorragender Huͤgel deſſelben, der aus 
einem ſchwarzen ziemlich grobkoͤrnigen Kalkſteine be⸗ 
ſteht, in welchem viele Koͤrner ſpathartig ſind, und daher 
im Bruche mit blaͤttrigen Flaͤchen ſchimmern; dieſer ſchoͤ— 
ne Kalkſtein, der nur wenig weiße Spathtruͤmmchen enthaͤlt, 
liegt in ſtarken ſuͤdlich anſteigenden Schichten am Tage. 
Suͤdlich von dieſem Kalkſteine kommt nur noch eine einzige 
Stelle im Thale ſelbſt vor, wo man das Kalkſteingebirge 
deutlich anſtehen ſieht, und hier beſteht es aus einem 
ſchwaͤrzlichgrauen vom aͤußerſt feinkoͤrnigen bis ins dichte 
uͤbergehenden Kalkſteine, der ſtark zerkluͤftet iſt, und 
ziemlich häufig aͤußerſt feine Spathtruͤmmchen enthält. Von 
dieſer Stelle an iſt im Thale ſelbſt der Fuß des Gebirges 
durch Schuttkegel und Vegetation ganz bedeckt, bis das 
Gneisgebirge ſchon hoch über der Ebene des Thals an» 
ſtehend am Tage erſcheint. Aber ehe man dieſe Stelle er⸗ 


* 


5 
33 


reicht, findet ſich ein kleiner Theil dieſer angelehnten ſteilen 
Schuttkegel mit einer Wieſe bekleidet, welche bis an die 
ſchon hoch uͤber dem Thalgrunde liegenden vertikalen Fels 
ſenwaͤnde dieſes Schichtenprofils heraufreichen: muͤhſam 
erſteigt man dieſen aͤußerſt ſteilen Abhang, findet aber da- 
für an dieſer Stelle der hoch aufgethuͤrmten, zum Theil 
uͤber haͤngenden Felſenwand das unmittelbare Aufliegen der 
Kalkſteinformation auf dem Gneisgebirge. 

Die oberſte Schicht, welche an dieſer merkwuͤrdigen 
Stelle beobachtet werden kann, iſt ein aſchgrauer, etwas 

ins blaͤuliche fallender, ſtark zerkluͤfteter Kalkſtein, der 
mit etwas Thonerde und ſehr weniger Kieſelerde innig ges 
mengt oder gemiſcht iſt. Er geht vom aͤußerſt feinkoͤrni— 
gen ins dichte über; da wo man noch einzelne feine Koͤrn— 
chen mit dem bewafneten Auge erkennt, ſind ſie ſpathartig, 
und ihres blaͤttrigen Bruchs wegen ſchimmernd. Der Bruch 
dieſes Kalkſteins iſt kleinmuſchlich und feinſplittrig. Die uns 
mittelbaren Abloͤſungen dieſes Kalkſteins auf den häufigen 
und verworrenen Klüften find mit einer gelblichen tnergelars 
tigen Erde uͤberzogen. Dieſer Kalkſtein bildet ein ſtarkes 
Lager, welches gegen Suͤden unter einem Winkel von un⸗ 
faͤhr 8 Grad emporſteigt. Unmittelbar unter ihm liegt mit 
völlig gleicher Einſenkung ein ebenfalls ſehr ſtarkes Lager 
eines bunten, theils roͤthlich-, theils blaulichgrauen ſehr 
feinkörnigen mit etwas Thon- und Kieſelerde innig gemeng⸗ 
ten Kalkſteins, der nur wenige und zwar ganz feine 
mit weißem Kalkſpathe ausgefuͤllte Kluͤftchen enthaͤlt; ſein 
Bruch iſt im Kleinen etwas fplittrig und uneben, im Großen 
betrachtet, nähert er ſich aber dem Mufchlichen. Ebenfalls 
wieder unmittelbar unter letzterer Schicht und, mit fort⸗ 
dauernd voͤllig gleicher noͤrdlicher Einſenkung, erſcheint ein 
Lager eines dunkelaſchgrauen ins blaͤuliche fallenden, vom 
aͤußerſt feinkoͤrnigen bis ins dichte uͤbergehenden Kala 

er Bd. 5 


* 

u | i 

ſteins, der wieder mit etwas Thon» und Kieſelerde innig 
gemengt iſt; er iſt haͤufig, aber nur zart zerklüftet, und 
laͤngs dieſen Kluͤften, die ziemlich parallel neben einander 
und mit der Schichten⸗Abloͤſung in einem rechten Winkel 
fortlaufen; braͤunlichgelb gefaͤrbt; ſein Bruch iſt eben und 
ſehr feinſplittrig. Dieſes Kalkſteinlager iſt in mehrere 
Schichten abgetheilt, und in der Naͤhe dieſer Schichten⸗ 
Abloͤſungen ſowohl, als auch gegen die daſſelbe unten und 
oben einſchließenden Lager iſt der Kalkſtein deſſelben ziem⸗ 
lich ſchiefrig. Unter dieſem Lager komt ganz unmittel⸗ 
bar ein graulich ſchwaczer ſtark zerkluͤfteter Kalkſtein zum 
Vorſcheine, der ebenfalls merklich Thonerde beygemengt 
enthaͤlt, und daher ſtellenweiſe, beſonders in der Naͤhe von 
Zerkluͤſtungen und ziemlich ſchiefrigen Abloͤſungen, ein 
thonſchieferartiges Anſehen erhält, Da hingegen, wo der 
Kalkſtein dieſes Lagers noch rein und zuſammenhaͤngend 
iſt, iſt derſelbe ſchwarz und beynahe ganz dicht: denn nur 
ſchimmern noch einzelne ſpathartige Koͤrnchen auf einem 
feinfplittrigen, dem kleinmuſchlichen ſich naͤhernden Bruche. 
An den mehr thonſchieferartigen Stellen hingegen iſt dieſer 
Kalkſtein krumm, dick und unordentlich ſchiefrig, mit graus 
lichweißem Kalkſpathe nach der Direction des ſchiefrigen 
Bruches unordentlich gemengt, und nähert ſich durch alle 
maͤhligen Uebergang den ganz kalkſteinartigen Stellen die⸗ 
ſes ſtarken in unordentliche Schichten ſich abtheilenden 
Kalkſteinlagers. 

Unter dieſem ziemlich verwitterbaren ungleichartigen 
Kalkſteinlager liegt eine ungefaͤhr 18 Zoll ſtarke, immer 
noch, gleich den obern Lagern, noͤrdlich einſchießende 
Schicht eines vom aͤußerſt feinkoͤrnigen ins dichte uͤberge⸗ 
henden aſchgrauen, ins blaͤuliche fallenden, harten Kalk⸗ 
ſteins, der ſo wie die hoͤher liegenden, ebenfalls mit Thone 
und etwas Kieſelerde gemiſcht iſt. Sein Bruch iſt ſehr 


33 


* 
feinſplittrig und muſchlich; er hat nur einzelne Zerkluͤftun⸗ 
gen, die ohne merkliche Zwiſchenmaſſe auf ihren Abloͤſun⸗ 
gen gelblich braun gefaͤrbt ſind. Dieſe Kalkſteinſchicht zeich⸗ 
net ſich durch ihre mehrere Staͤrke und geringere Verwit⸗ 
terbarkeit vor den uͤbrigen dieſes Profils aus, und iſt daher 
in dieſer vertikalen Felſenwand merklich hervorragend. 
Unmittelbar unter ihr kommt ein Lager eines graulich 
weißen ganz undurchſichtigen grobkoͤrntgen Quarzes 
vor. Oogleich derſelbe aus ziemlich beſtimmt abgeſonder, 
ten Koͤrnern beſteht, ſo ſcheinen dieſe doch keineswegs Sand⸗ 
koͤrner oder abgerundete Geſchiebchen zu ſeyn, denn man 
erkennt kein Bindemittel zwiſchen dieſen koͤrnigen abgeſon⸗ 
derten Stuͤcken, welche außerdem noch vollig homogen und 
unter ſich ganz gleichartig ſind; auch hat dieſes Quarzlager 
ſchon einige Spuren von Flaſrigkeit, die daſſelbe in die 
Verwandtſchaft des Gneißes bringen. Unter dieſer merk⸗ 
wuͤrdigen Quarzſchicht liegt ein dunkel rauchgrauer etwas 
ins gelblichbraune fallender aͤußerſt feinkoͤrniger Kalk 
ſtein, der mit Thon- und Kieſelerde gemiſcht ift, und noch 
außer dieſem eckige weiße Quarzkoͤrner von Linſen- und Erb⸗ 
ſengroͤße eingeſprengt enthält, wodurch er ein voͤllig por⸗ 
phyrartiges Anſehen erhaͤlt; dieſe beygemengten Quarzkoͤr⸗ 
ner aber, welche dem Quarze des aufſitzenden Quarzlagers 

ganz aͤhnlich ſind, find nicht gleichfoͤrmig in dieſem Kalk- 
ſteine verbreitet, ſondern ſitzen ſtellenweiſe gedraͤngt bey ein⸗ 
ander, waͤhrend ſie an andern Stellen nur einzeln vorkom⸗ 
men, oder zuweilen in beträchtlichen Stellen ganz mans 
geln. Dieſes Kalkſteinlager iſt bis auf 3 Fuß mächtig, 
ausgezeichnet hart, und wenig verwitterbar, daher es merk⸗ 
lich aus dieſem übrigens vertikal abgeſchnittnen Profile her⸗ 
ausragt. 
Endlich erſcheint nun durchaus unmittelbar unter der 
letzten vorphyrartigen Kalkſieinſchicht die deutlich anſtehende 


36 a “ 


beſtimmte Gneigformation, deren oberſte Abloͤſung, 
ſo wie die auf ſie aufgeſetzten Kalkſteinlager, unter einem 
Winkel von ungefaͤhr 8 Grad gegen Suͤden anſteigt; bald 
aber wird dieſer noͤrdliche Einſenkungswinkel ſtaͤrker, wie 
man in der Verfolgung dieſes Schichtenprofils, gegen den 
Fuß der Gotthardsſtraße hin, leicht bemerkt. Dieſer 
hier am Tage erſcheinende oberſte Gneis iſt zwar ziemlich 
verwittert, doch in einiger Tiefe zeigt er ſich noch in ſei— 
nem vollkommen unverſehrten Zuſtande: er iſt ziemlich dick 
und klein wellenfoͤrmig flaſeig, und beſteht aus weißem 
ganz undurchſichtigem Quarze, dem etwas weiße Thonerde, 
die vielleicht von verwittertem Feldſpathe herruͤhren mag, 
beygemengt iſt, und aus wenigem vom ſilberweißen ins 
blaß tombakbraune uͤbergehendem Glimmer, der in beſtimmt 
anhaltenden Flächen die Flaſrigkeit des Ganzen, welche die 
Direction der oberſten Abloͤſungsflaͤche befolgt, bewirkt. 
Da nur etwan einen Schuh unter der oberſten Abloͤſungs— 
fache dieſer Gneis formation der ſteile Schuttkegel ans 
gelehnt iſt, ſo laͤßt ſich hier keine beſtimmte Auskunft uͤber 
die Schichtung des Gneißes erhalten: indeſſen beſtaͤtigt die 
Direction feiner obern Abloͤſung gegen die aufliegende Kalk⸗ 
ſtein formation Dir Bemerkung feiner nördlichen Eins _ 
ſenkung. \ 
So unzweifelhaft 0 dieſes ſuͤdliche Anſteigen der ober⸗ 
ſten Abloͤſungsflaͤche der Gneis formation gegen die 
Kalkſtein formation auch iſt, fo zweifelhaft wird da⸗ 

gegen, bey genauerer Unterſuchung dieſes Schichtenprofils 
der Gneis formation, die etwas zu beſtimmt (S. 27.) 
angegebne allgemeine noͤrdliche eingeſenkte Lagerung derſel⸗ 
ben. Zwar hat in dieſem Gneis gebirge eine Art res 
gelmaͤßig ſcheinender Abloͤſungen oder Abſaͤtze ſtatt, die ges 
gen Süden, ziemlich parallel mit der oberſten Abloͤſungs⸗ 
flaͤche der ganzen Formation, emporſteigen, und welchen 


37 


ſelbſt die Direction der einzelnen Vegetationsſtellen in die⸗ 
ſem ſteilen Profile folgen, ſo daß dieſes leicht zu der Ver⸗ 
muthung einer wirklich allgemeinen noͤrdlich eingeſenkten 
Lagerung Anlaß geben kann; allein bey ſchaͤrferer Unter— 
ſuchung dieſer Gebirgsart ſelbſt zeigt ſich, daß, etwas ent⸗ 
fernt von jener oberſten Stelle der Gneis formation, 
die Flaſrigkeit derſelben, oder die Direction der Blaͤtterab⸗ 
loͤſungen des Gneißes, ſehr ſteil ſich nach Süden neigt, und 
daß da, wo allgemeinere Abloͤſungsſtaͤchen zu bemerken 
find, welche für Schichtenablöfungen gehalten werden duͤr⸗ 
fen, dieſe ebenfalls bis auf 60 — 70 Grad füdlicher Eins 
ſenkung haben, und mit der Flaſrigkeit völlig parallel forts 
ſtreichen. Deutlicher als an dieſer öftlichen Seite des Reu ß⸗ 
thals kann dieſe Bemerkung an der Weſtſeite deſſelben, 
am Fuße der Surenen-Alpen, gemacht werden, in⸗ 
dem dort einzelne Stellen in dieſem großen Gebirgsprofile 
vorkommen, die wenig verwittert ſind, und welche ganz 
unverkennbar die ſteile ſuͤdliche Schichteneinſenkung dieſes⸗ 
aͤuſſerſten Gneisgebirges der Nordſeite der Alpen be⸗ 
weiſen. Folglich haͤtte alſo nicht nur der ſuͤdliche Endab⸗ 
hang des Fußes der Windgelle, welcher eine Seite des 
engen Maderanerthals ausmacht (S. 27.), fondern 
der ganze, in die Gneis formation gehörige Fuß die⸗ 
ſes aͤuſſerſt wilden Gebirges, eine ſteil gegen Suͤden ein⸗ 
geſenkte Schichtung, und nur die auf dieſes Gneis ge⸗ 
birge aufgeſetzte Kalkſtein formation ſcheint mit ih» 
rer Schichtung der Abloͤſungsſlaͤche zwiſchen dieſen beyden 
Formationen zu folgen, und alſo immerfort noͤrdliche Ein⸗ 
ſenkung beyzubehalten. Schwerlich wird aber dieſe aus 
der Ferne gemachte Bemerkung je an Ort und Stelle un⸗ 
mittelbar geprüft werden koͤnnen, denn fuͤrchterlich ſteil und 
nackt ift der 8000 Fuß hohe, beynahe ununterbrochene Pro⸗ 
flabſchnitt der Windgelle gegen das Reußthal. 


33 

Noch eine, aber weniger bedeutende Berichtigung und 
Vervollſtaͤndigung meiner im erſten Briefe Ihnen mitgetheil⸗ 
ten Bemerkungen bin ich Ihnen ſchuldig: daß namlich (S. 
256.) jene beym Anfange des Gneisgebirges erſcheinende 
ſeladongruͤne Gebirgsart nur eine Abaͤnderung dieſes erſten 
Gneißes iſt, in welcher eine gruͤnliche thonſchieferartige 
Maſſe, die fich jedoch zuweilen einem grünen Glimmer merk 


lich annaͤhert, mit weißem Quarze gemengt und zum Theil 


ſo verwachſen iſt, daß das Ganze ebenfalls ein flaſriges 
Gewebe hat, alſo völlig gneisartig iſt, und nur ſtellen⸗ 
weiſe in dein deutlichen und beſtimmten Gneiße als geringe 
Zwiſchenlager erſcheint. Zu beyden Seiten des Made⸗ 
ranerthals, alſo ſowohl am Fuße der Windgelle als 
auch am Briſten, wird dieſe Abanderung des Gneis⸗ 
gebirges allgemeine Gebirgsformation, doch for 
daß hier jene thonfchieferartige Hauptmaſſe beynahe ganz 
wieder in gruͤnen Glimmer uͤbergeht, welcher aber ziem⸗ 


lich innig mit dem dazwiſchen liegenden Quarze verwachſen 


iſt, ſo, daß keine beſtimmten Abloͤſungen zwiſchen dem 
Glimmer und dem Quarze ſtatt haben. Die ſteile bis 
auf 85 Grad gehende füdliche Einſenkung der Gneisſchich⸗ 
ten, mit denen das fafrige Gewebe dieſer Gebirgsart pas 
rallel fortläuft, iſt beym Eingange in das enge und fuͤrch⸗ 
terlich wilde Maderanerthal ganz unverkennbar. 
Vom Dorf am Staͤg an, welches 300 Fuß über 
dem Vierwaldſtaͤdter See liegt, nimmt nun unſte 
endlich einmal fortzuſetzende Profil reiſe durch die Alpen 


eine merklich abgeaͤnderte Richtung, indem fie ſich durch 


das gegen den Gotthardsberg ſuͤdweſtlich anſteigende 
enge und ſteil gewordene Reußthal herauf zieht, und 
alſo nicht mehr genau dem Profile dieſer Gebirgsketten folz 


gen kann: dieſer Umſtand wird für den Geognoſten um 


ſo viel wichtiger und nachtheiliger / indem es ihn nun fühle 


r 


89 * 


var wird, daß ſelbſt die bisher verfolgte Reihe von Thaͤ⸗ 
lern kein reines rechtwinklichtes Profil ausmachen, unge, 
achtet ſie ziemlich genau von Norden nach Süden gerich⸗ 
tet ſind. Allein die wahre Streichungslinie der Alpen 
geht nicht genau von Oſten nach Weſten, ſondern ungefähr 
von Oſt Nord Oſt nach Weſt Suͤd Weſt, folglich kommt 
nun der Beobachter vom Staͤg an, durch die ſogenannte 
Gotthardſtraße herauf, wegen der nunmehrigen füds 
weſtlichen Ausbiegung des Reußthals, beynahe in die 
Streichungslinie der Gebirge, wodurch ſeine Bemerkungen 
tiber die Folge der Gebirgsarten und ihre gegenſeitige Las 
gerung merklich erſchwert wird. Da aber der maͤchtige 
Briſtenſtock mit ſeinen ſteilen Felſenwaͤnden und eben 
fo unerſteiglichen Nachbarn die bisher beſolgte Profillinie 
abſchneidet, ſo iſt dem Geognoſten kein anderer Weg op 
fen als der durch das Reußthal herauf, wenn er nicht 
noch ſtaͤrker von der bisherigen Direction ab, ſich in das 
ganz oͤſtlich gerichtete Maderanerthal hereinziehen will. 
Gleich neben dem Dorf am Staͤg geht Did Gotthard» 
ſtraße über den aus dem Maderanerthale herausſtroͤ⸗ 
menden, wilden, ſich hier mit der eben ſo ſtuͤrmiſchen 
Reuß vereinigenden Kerſtelenbach, und verfolgt nun 
waͤhrend zwey Stunden bis in den Pfaffen ſprung den 
Fuß des Briſten und feiner ſuͤdweſtlichen Nachbaren an. 
der fuͤdoͤſtlichen Seite des Reußthals. So wie man ſich 
in dieſen ſteil anſteigenden Theil des Reußthals hinein 
begiebt, erhaͤlt daſſelbe einen durchaus abgeaͤnderten Karak“ 
ter. Kaum enthält die eigentliche unmittelbare Tiefe des 
Thals Raum genug für. die wild und ſchaͤumend zwiſchen 
herabgerollten Felſenſtuͤcken durchſtroͤmende Reuß. Acht 
tauſend Fuß hohe, ſteil abgeſchnittene Felſengebirge ſteigen 
an beyden Seiten des Thals aus dem unmittelbaren Reuß - 
bette bis zu ihrer fuͤrchterlichen Höhe ununterbrochen em⸗ 


40 


por. Nur ſtellenweiſe iſt der Fuß dieſer Gebirge und ein⸗ 
zelne Abſaͤtze ihres hoͤhern Abhanges von ſteil angelehnten 
Schuttkegeln bekleidet, auf welchen meiſt nur eine vernach⸗ 
laͤßigte Vegetation ſtatt hat, indem nur einzelne Abtheilun⸗ 
gen derſelben zum Futterbaue benutzt werden, waͤhrend dem 
das übrige ihrer ſteil abhaͤngigen Oberfläche mit dunkler 
Tannenwaldung bewachſen iſt, aus welcher die vertikal abs 
geſchnittnen Felſenwaͤnde, in eine dunkelbraune Farbe ein⸗ 
gehuͤllt, Einſturz drohend, ſich in die hoͤhern Luftregionen 


erheben. Nur ſelten gewaͤhrt der Anblick einer kleinen 


Gruppe hoͤlzerner Haͤuſer, von einzelnen Fruchtbaͤumen 
beſchattet, in der Naͤhe von einer fanfter abhaͤngigen Wieſe 


dem ſchuͤchternen Wanderer einen Ruhepunkt fuͤr ſeine durch 


zu wilde Bilder erſchuͤtterte Einbildungskraft. Oefterer 
bewundert er im dunklen Tannenhaine die außerordentliche 
Hoͤhe und Staͤrke der einzelnen Baumſtaͤmme; aber auch 
dieſe ſelbſt vermehren das rohe Gemaͤhlde einer urſpruͤngli⸗ 
chen, unbenutzten und durch Kunftfeig noch unangetaſteten 
Natur: denn dieſe uͤber hundert Fuß hohen und mehr als 
zwoͤlf Fuß im Umkreiſe haltenden Baumſtaͤmme vermodern 
an der naͤmlichen Stelle, wo ſie gelebt haben, und daher 
ſind dieſe Waldungen uͤberall mit Bildern der Zerſtoͤrung 
und Verweſung angefuͤllt. Die meiſt gut unterhaltne Land- 
ſtraße, welche uͤber 6 Fuß breit iſt, fuͤhrt an dem ſteilen 
Abhange der Schuttkegel des Briſten, meiſt in einer ziem⸗ 
lichen Höhe uber der wild herabſtuͤrzenden Reuß, in Die 
fen ſtark anſteigenden Thale heran, und liefert dem Wan— 
derer den unterhaltenden Anblick dieſer mannichfaltig ab⸗ 
wechſelnden Hauptigegenſtaͤnde, deren verſchiedene Grup⸗ 
pirung oft mahleriſch ſchoͤ ne Stellen liefert. 

Der hoch anſteigen den Schuttkegel wegen, an denen die 
Gotthardſtraße herauffuͤhrt, findet der Geognoſt nur 
en einzelnen Stellen, die meiſt durch herabſtüͤrzende Baͤche 


4 


veranlaßt werden, das Grundgebirge entblößt. An der er⸗ 
ſten Stelle, wo ſich dieſes beſtimmt zeigt, und welche ſich 
noch am Fuße des eigentlichen Briſtenſtocks vorfindet, 
beſteht die Gebirgsart deſſelben aus einem nicht ſehr dünn, 
krumm, und klein wellenfoͤrmig flaſrigen in Glimmerſchie— 
fer übergehenden Gneiße, deſſen Glimmer vom ſil⸗ 
berweißen bis ins bleygraue uͤbergeht, uͤber Tage aber durch 
die Verwitterung tombackbraun gefärbt it. Der zwiſchen 
den anhaltenden wellenfoͤrmigen Glimmerblaͤttern liegende 
Quarz iſt kleinkoͤrnig, von graulichweißer Farbe, uͤber Tage 
aber durch die Verwitterung ebenfalls gelblich braun gefaͤrbt. 
Die Blätter ſowohl als auch die etwas ſchwer zu erken⸗ 
nende Schichtung dieſes Gneißes find ſehr ſteil gegen 
Suͤden eingeſenkt, und zeigen alſo dem Reußthale 
das Ausgehende der Schichten: denn, da nun die Straße 
der Streichungslinie als der Profillinie der Gebirgs— 
formation folgt, ſo hat ſich die Anſicht der Schichtung 
dieſer Gebirge, ungeachtet ſie noch die naͤmliche iſt, wie 
unterhalb dem Dorf am Staͤg, geaͤndert; jetzt zeigt die 
gegenuͤberſtehende nordweſtliche Seite des Thals meiſt mehr 
und minder beſtimmt die ſehr ſteil eingeſenkte Schichtenflä- 
che, waͤhrend dem die Suͤdoſtſeite, welcher man folgt, das 
Ausgehende der Schichten oder die Escarpementer der Ge⸗ 
birge zeigt. Eben dieſes Umſtandes wegen wird die Beur⸗ 
theilung der Schichtung dieſer Gebirge betraͤchtlich erſchwert; 
denn die jenſeitige Schichtenfäche iſt Häufig von Kluͤften 
durchſchnitten, welche zuweilen eine Art Parallelism unter 
ſich haben, und daher leicht als Schichtenabloͤſungen an⸗ 
geſehen werden koͤnnten. Noch ſchwieriger aber iſt dieſe 
Beurtheilung an der dieſſeitigen Thalſeite, indem hier die 
Form des Gebirgsabhangs die Abſchnittslinie der ausgehen, 
den Schichten nach einem ziemlich vollkommnen Paralle, 
lism beſtimmt, welcher ebenfalls leicht, ohne forgfältige Ber 


* 

42 

obachtung für Schichtendireetion angeſehen werden Könnte, 
Wenn daher nicht oft theils Nebenthaͤler, theils einzelne 
Stellen vorhanden waren, die die Gebirgs formation in eis 
ner ſich der Profillinie mehr naͤhernden Richtung zeigten, 
ſo waͤre die Lagerung dieſer Gebirge, ungeachtet ihrer 
häufigen kahlen Felſenwaͤnde, nur unſicher zu beſtimmen, 
und einzig dieſe, und der Ruͤckblick auf große Parthien dies 
ſer Gebirge, gewaͤhren ſichere Auskunft uͤber die ſuͤdliche 
Einſenkung der ziemlich vertical ſtehenden Gneis ſchich⸗ 
ten. Etwas über der kleinen Gruppe hölzerner Haͤuſer, 
im Riedt genannt, die man an der Gotthardſtraße 
antrift, ſieht man, an der entgegengeſetzten nordweſtlichen 
Seite des engen Reußthals, einen verlaſſenen Bergbau 
mit einigen Tagegebaͤuden im Grakenthale genannt. 
An jener Stelle iſt die Gebirgsart ſehr alaunhaltig, und in 
einem beynahe allgemeinen Zuſtande von Verwitterung, 
dieſes veranlaßte Hrn. F. v. Beroldingen, hier einen 
ſehr koſtbaren Bergbau durch einige Capitaliſten unterneh⸗ 
men zu machen; allein die lang ſame Auswitterung des 
Alauns aus jenem meiſt glimmerſchieferartigen Geſteine en⸗ 
digte die große Unternehmung mit betraͤchtlichem Verluſte. 
Nicht fern von da erſcheint wieder eine betraͤchtliche Stre⸗ 
cke des Grundgebirgs an der Gotthardsſtraße hin ent⸗ 
bloͤßt. Ungeachtet die Gebirgsart immerfort gneisartig iſt, 
fo iſt fe doch gegen die erſtere Stelle merklich abgeaͤndert: 
fie beſteht aus einem ziemlich dünn und vom klein wellenfoͤr⸗ 
migen ins geradflaſrige uͤbergehenden Gneiß e, der klein⸗ 
körnigen grauen Quarz und ein nur wenig an Glimmer 
graͤnzendes, ſondern eher einer beſondern Art Thonſchiefer 
nahe kommendes Geſtein, zu Gemengtheilen hat. Diefer. 
zweyte Gemengtheil jenes Gneißes iſt das, was Sauſ⸗ 
ſure mit den meiſten franzoͤſiſchen Mineralogen, ſelbſt 
gegenwärtig noch, Schiste corneux nennt, und mache 


43 


wahrſcheinlich auch den eigentlichen Borneus fissilis des 
Wallerius aus; denn ſchwerlich begriff dieſer, wie Kar⸗ 
ſten in ſeiner gekroͤnten Preisſchrift behauptet, aus⸗ 
ſchließend den Hornblendſchiefer unter dieſer Benen⸗ 
nung. Jenes Foſſil iſt in dem vorliegenden Gneiße 
von dunkelrauchgrauer Farbe; von kleinſchuppigen abs 
-gefonderten Stuͤcken; hat einen an Fettglanz graͤnzenden 
Schimmer; iſt an den Kanten etwas durchſcheinend, 
iſt ziemlich weich, ſo daß es mit dem Nagel geritzt werden 
kann; giebt einen graulichweißen Strich; giebt durch das 
Anhauchen einen ſtarken Thongeruch; und iſt in ſeinem 
Gemenge mit Quarze ſchwer, ans ſehr ſchwere graͤnzend. 
Dieſen Kennzeichen zufolge kann alſo obiges Foſſil weder 
dem Glimmer, noch dem Thonſchiefer, noch der Hornblen— 
de zugerechnet werden, ſondern es macht ein bis jetzt na⸗ 
menloſes Mittelfoſſil zwiſchen dieſen aus, welches jedoch 
mit der Hornblende vielleicht am naͤchſten verwandt ſeyn 
möchte. Würde nicht das Wort Hornſchieſer wahr⸗ 
ſcheinlich wieder alle jene vielfaͤltigen Mißbraͤuche aufwecken, 
die es ehedem veranlaßte, ſo duͤrfte es wohl, da gegen⸗ 
waͤrtig in Werners Schule kein Foſſil mit dieſem Namen 
belegt iſt, am ſchicklichſten für unſernz vorliegenden wirklich 
ganz hornartig ausſehenden Gemengtheil jenes Gneißes ſeyn. 
Nahe an dieſer Stelle des entbloͤßten Grundgebiras 
kommt ein enges Nebenthal, welches aͤußerſt ſteil gegen die 
ſudoͤſtliche Seite des Reußthals anſteigt, und den eigent⸗ 
lichen Briſtenſtock von ſeinen ſuͤdweſtlichen Nachbarn 
trennt, mit einem tief eingeſchnittnen Bache in die Gott⸗ 
hardsſtraße herab. Dieſes enge, mehr einer weiten 
Bergkluft aͤhnliche Thal heißt Teufthal, und iſt beſon⸗ 
ders deswegen merkwuͤrdig, weil es ein deutliches Schich⸗ 
tenprofil des Grundgebirgs in der Nähe zeigt, indem es 
ſo ziemlich die Streichungslinie dieſer Gebirge, unter einem 


24 


rechten Winkel gegen Suͤden hinein, durchſchneidet. Hier 
zeigen ſich nun beſtimmte deutliche Schichten des Gneißes, 
die in einer von der vertikalen Stellung nur s bis 10 Grade 
abweichenden Lage gegen Suͤden eingeſenkt find, Das af 


rige Gefuͤge des Gneißes hat mit ſeiner Schichtung genau 


die gleiche Richtung, und ſetzt alſo die Aechtheit von dieſer 
außer Zweifel. Neben dieſem aber ſind dieſe Gneislager 
noch ſtark zerkluͤftet, und die Kluͤfte derſelben ziehen fich 
in langen ununterbrochnen Strecken ziemlich parallel unter 
einander nach Norden hinab. In dieſem Teufthale ſind 
von einem Kriſtallgraͤber ziemlich reichhaltige Bley glanz⸗ 
Gaͤnge in einer quarzartigen Gangmaſſe aufgefunden, aber 
unbenutzt gelaſſen worden. 

Nicht fern uber dem Teufthale kommt die Grund: 
gebirgsart wieder in einer merkwuͤrdigen Abaͤnderung zum 
Vorſcheine: hier iſt dieſelbe namlich in dick- und krumm⸗ 
flaſrigen Gneis, übergegangen, deſſen blaß graulichweißer 
Quarz bey weitem den vorwaltenden Gemengtheil ausmacht, 
und der zugleich auch ziemlich haufig mit weißem kleinkoͤr— 
nigem Feldſpathe gemengt iſt. Der zweyte thonartige 
Hauptgemengtheil geht hier allmaͤhlig aus dem rauchgrauen 
durchs perlgraue bis ins ſilberweiße uͤber, welches jedoch 
zuweilen ins gruͤnlichweiße faͤllt. Seine übrigen angezeigten. 
aͤußeren Kennzeichen bleiben ſich uͤbrigens gleich, ausgenom⸗ 
men, daß mit dieſer Farbenumaͤnderung der Fettglanz die⸗ 
ſes Foſſils ſich auch allmaͤhlig in Seidenglanz umaͤndert; 
die mehr gruͤnlichweißen Stellen hingegen behalten noch 
ziemlich deutlichen Fettglanz bey, und ſcheinen zugleich, 
nach einer Spur von fettigem Anfuͤhlen zu urtheilen, ete 
was talkartig zu werden. Einige Schritte ‚höher an der 
Gotthardsſtraße wird das blaß graulichweiße ziemlich 
gleichförmige Gemenge von Quarze und Feldſpathe fo 
überwiegend in dieſem Gneiße, daß der dritte thonartige 


45 


Gemengtheil nur noch einen fehr untergeordneten Gemeng⸗ 
theil ausmacht, der ſich blos in dünnen Xlättern auf den 
Ablöſungen dieſer ſehr grob und krummfſaſrig gewordenen 
Gneißart vorfindet. Dieſe letztere Abaͤnderung der Ge— 
birgsart aber zeigt ſich nur an einer kleinen Stelle uͤber 
Tage. 7 

Etwas hoͤher an der Gotthardsſtraße kommt, von 
der ſuͤdoͤſtlichen Seite des Reußthals, ein zweyter ſtar— 
ker Bach aus einem kluftaͤhnlichen Nebenthale hervor, die 
Bruͤcke, welche über denſelben führt, heißt Fallibruͤcke. 
Der Einſchnitt, den dieſes Thal oder dieſe tiefe, wahrfcheins 
lich einzig durch Auswaſchung des Waſſers entſtandene 
Kluft macht, zeigt die Gebirgsart wieder in einem beſtimm— 
ten Profile, in welchem die Schichten ebenfalls ſehr ſteil 
gegen Suͤden eingeſenkt erſcheinen; die Zerkluͤftungen der 
Schichten aber find fo haͤuſig, daß die Schichtung das 
durch uͤberall, ſolche Profileinſchnitte ausgenommen, ganz 
undeutlich iſt. 

Zwey kleine Stunden uͤber dem Dorf am Staͤg, 
in der Gegend der Capelle im Weiller, erſcheint die 
anſtehende Gebirgsart nun als beſtimmter grob⸗ und krumm⸗ 
flafriger Gneiß, der zugleich grobkoͤrnig iſt, und aus milch⸗ 
weißem Feldſpathe, blaß graulichweißem Quarze, und ei⸗ 
nem feinſchuppigen Glimmer beſteht, der vom gruͤnlich— 
weißen durchs tombackbraune bis ins ſchwaͤrzlichgruͤne übers 
geht; ſtellenweiſe bildet der Glimmer ziemlich anhaltende 
Flächen zwiſchen dem Gemenge der beyden übrigen Ge 
mengtbeile, da er hingegen an andern Stellen gleichfoͤr⸗ 
miger mit ihnen gemengt iſt, doch fo, daß das ſlaſrige 
Gewebe der Gebirgsart immer noch vollkommen erhal⸗ 
ten iſt. | | 

Noch eine halbe Stunde lang verfolgt man immerfort 
die mit Vegetation bekleidete ſuͤdoͤſtliche Seite des Ren: 


9 


46 

thals, welche jetzt allmaͤhlig ſteiler zu werdeu anfaͤngt, 
da hingegen die entgegengeſetzte Seite einen ſanftern Abhang 
erhaͤlt. Aber nun tritt man in eine von kahlen abges 
rundeten Felſen umgebene Gegend; in einer finſtern meh» 
rere hundert Fuß tief in die Felſen enge eingeſchnittnen 
Kluft rauſcht die Reuß ſchaͤumend herab: dieſe Kluft 
heißt einer alten Legende wegen, der Pfaffenſprung. 
Eine gut gebaute ſteinerne Bruͤcke führt über dieſen Grau⸗ 
ſen erregenden dunkeln Abgrund hin, an die nordweſtliche 


Seite des Reußthals heruͤber, wo nun die Straße Weis 


ter fortlaͤuft. Die Reuß ſcheint ſich dieſe tiefe, enge Felſen⸗ 
kluft ſelbſt ausgewaſchen zu haben, denn ſie iſt in ihrer gan, 
zen Tiefe ungefaͤhr gleich weit, und ihre Felſenwaͤnde tra, 
gen deutliche Spuren, daß fie vom Strome abgerieben wur 
den. Einer ſtarken Biegung wegen, welche die Reuß un⸗ 
terhalb dieſer Bruͤcke macht, zeigt ſich die eine Felſenwand, 
welche das tiefe Reußufer ausmacht, in einem ziemlich be, 
ſtimmten Profildurchſchnitte, und daher iſt hier die Schich⸗ 
tung der Gebirgsart ungemein deutlich und unverkennbar. 
Die Schichten derſelbeu ſenken ſich ebenfalls ſehr ſteil ge 
gen Suͤden ein, und behalten alſo noch immerfort die 
gleiche Lage bey, welche dieſe Gebirgsart mit allen 
ihren bisherigen Abaͤnderungen, ſeit ihrer erſten Erſchei⸗ 
nung auf dieſer Profilreiſe, zu haben ſchien. Haͤufige un⸗ 
ter ſich ziemlich parallele Zerkluͤftungen durchſchneiden die 
Gueißſchichten unter einem rechten Winkel mit ihrer Schich⸗ 
tenflaͤche, und ziehen ſich folglich gegen Norden hinab, 
doch unterſcheiden ſie ſich durch ihre wenigere Gleichfoͤrmig⸗ 
keit deutlich von den Schichtenabloͤſungen, ungeachtet auch 
dieſe hier und da etwas unregelmaͤßiger werden, und wes 
gen der ungleichen Staͤrke der Schichten ſelbſt nicht gleiche 
Entfernungen unter ſich haben. 

Die nunmehrige nordweſtliche Seite des Reußthals, 


S EEE TEE 


47 


welcher die Gotthardsſtraße vom Pfaffenſprunge an 
folgt, iſt anfänglich rauh, und bietet nichts als kahle abge— 
rundete Felſen dar, aus deren Ritzen einiges Geſtraͤuch 
hervorwaͤchſt. Die Gebirgsart bleibt noch immerfort iener 
grobflaftige Gneiß, in welchem der Feldſpath den übers 
wiegenden Gemengtheil ausmacht, deſſen Glimmer hinge⸗ 
gen bald mit Feldſpathe und Quarze gemengt, bald in 
anhaltenden Flaͤchen zwiſchen ihnen erſcheint, und dadurch 
das flaſrige Gewebe des Ganzen bewirkt. Bald aber ers 
haͤlt das Thal wieder ein heitereres Anſehen: auf einem 
Hügel, der die Mitte deſſelben einnimmt, liegt die Kirche 
von Waſen mit ihrem gut gebauten Dorfe, eine Muͤhle 
mit einem Saͤgewerke belebt den Vorgrund der Gegend: 
die mit ſchoͤner Waldung und einigen Wieſen bekleideten 
Gebirgsabhaͤnge erheben ſich etwas fanfter gegen die kahle 
rauhe Felſenregion herauf; aus einem kluftaͤhnlichen Ne— 
benthale, das ſich in der nordweſtlichen Seite des Reuß⸗ 
thals oͤfnet, ſtroͤmt der wilde Mayenbach zwiſchen ſteileu 
Felſenwaͤnden hervor, und vereinigt ſich unterhalb Wa ſen 


mit der Reuß); und das Ganze der Gegend erhält Hiers 


durch etwas mehr Mannigfaltigkeit und Anmuth. Auf 
einer ſteilen Straße erſteigt man den Huͤgel von Waſen, 


der ebenfalls aus Gneiße beſteht, welcher aber etwas weni⸗ 
ger grob» und frummflafrig als der letztere iſt. 


Nicht hoch über Waſen, deſſen Kirche 1750 Fuß über 
dem Vierwaldſtaͤdterſee liegt, wird die nordweſtliche Seite 
des Reußthals wieder fo ſteil und rauh, daß die Gott. 


hardsſtraße vermittelſt einer zweyten ſteinernen Bruͤcke, 


1 b 


) Dieſer Zuſammenfluß liegt 1360 Fuß über dem Vierwald⸗ 
ſtaͤdterſee. Siehe eine geoggoſtiſche Reiſebeſchreibung durch 
das ſich hier oͤffnende Mayenthal ins Bernerſche Hasliland 
binübes im helvetiſchen Calender vom Jahr 1792. 


48 


die uͤber der in einem tiefen engen felſigen Abgrunde wild 
tobenden Reuß erbauet iſt, an die ſuͤdoͤſtliche Seite des 
Thales heruͤber gefuͤhrt iſt. Die Gebirgsart iſt noch immer 
fort jener grobflaſrige Gneis, in deſſen Gemenge aber, 
neben dem feinſchuppigen, ſchwaͤrzlichen Glimmer, wieder 
jenes mehr thonſchieferartige Foſſil, welches hier von perl: 
grauer Farbe iſt, vorkoͤmmt; es bewirkt mit dem Glim⸗ 
mer die krummfaſrigkeit des ganzen großkoͤrnigen Gemen— 
ges, in welchem der Quarz graulich weiß, der Feldſpath 
aber gelblich weiß iſt. Die Schichtung dieſes Gneißes 
und ſeine immer fortdauernde ſteile ſuͤdliche Einſenkung 
find etwas ſchwer zu erkennen, beſonders an ſolchen Stel 
len, wo ſich eine mit der Streichungslinie deſſelben parals 
lel laufende Flaͤche zeigt, indem hier die haͤufigen Zerkluͤf— 
tungen, welche immer eine Art Parallelismus unter ſich 
haben, leicht fuͤr Schichtenabloͤſungen angeſehen werden 
koͤnnen, wodurch man alſo, nach der verſchiednen Direca 
tion dieſer Abloͤſungen, die Schichtung bald fuͤr noͤrdlich 
eingeſenkt, bald für vertical ſtehend halten koͤnnte. Indeſ⸗ 
ſen iſt die allgemeine Ueberſicht des Ganzen und beſonders 
der Ruͤckblick auf den ſchon zuruͤckgelegten tiefern Theil des 
Thales, in welchem ſich mehrere Profileinſchnitte in die 
beyderſeitigen Gebirgsketten, beſonders an den einzelnen von 
einander abgeſonderten oberſten Felſenkuppen zeigen, voͤl— 
lig befriedigend, und gewaͤhrt hinlaͤngliche Ueberzeugung, 
daß die allgemeine Schichtung der beyderſeitigen Gebirgsket⸗ 
ten, die das Reußthal ſo enge einſchließen, immerfort ſehr 
ſteil gegen Suͤden eingeſenkt iſt; und ſelbſt in der Naͤhe der 
Gotthardsſtraße kommen oft einzelne Stellen vor, die 
meiſt von kleinen eingeſchnittnen herabſtuͤrzenden Baͤchen 
verurſacht werden, in denen man dieſe allgemeine Schich. 
tung und ihre ſteile Einſenkung ganz in der Naͤhe unter, 
ſuchen, und vollkommen uͤberzeugend beobachten kann. 


49 


Bald ſchließt ſich die füdliche Seite des Reußthals 
wieder fo nahe und mit ſo ſteilen Abhaͤngen an die ſchaͤu— 
mend zwiſchen heraͤbgeſtuͤrzten großen Felſenſtuͤcken ſich hin⸗ 
durchdraͤngende Reuß, daß eine dritte bochgewoͤlbte ſteinerne 
Bruͤcke die Gotthardsſtraße an das nordweſtliche Ufer 
des ſtarken in beynahe ununterbrochnen Waſſerfaͤllen herab 
ſtuͤrzenden Bergſtroms hinüber führt; Run wird das Reuß⸗ 
thal allmaͤhlig immer ſteiler anſteigend, enger, und ſein 
ganzes aͤußeres Anſehen rauher und wilder; nur ſelten er⸗ 
ſcheinen noch einzelne kleine Plaͤtze, die mit einer nutzbaren 
Vegetation bekleidet ſind; meiſt zeigen die beyden Seiten 
des Thales nichts als kahle, beynahe ſenkrechte Felſenwaͤn, 
de, die ſich bis in die Reuß herabſenken, und die ſeltenen 
etwas ebneren Stellen, die ſich auf den Gebirgsabhaͤngen 
vorfinden, find meiſt von herabgeſtuͤrzten Felſenmaſſen bes 
deckt, die fuͤrchterlich uͤber einander aufgethuͤrmt ſind, und 
das grauſe Bild einer noch fortdauernden Zerſtoͤrung dar⸗ 
dieten. Unter dieſen losgerißnen Felſenmaſſen zeichnet ſich 
beſonders eine durch ihre vorzuͤgliche Groͤße aus, und ſie ſpielt 
auch zugleich in der Legende uͤber die Erbauung der Teu⸗ 
felsbruͤcke, unter dem Namen des Teufelsſteins, eine 
wichtige Rolle. Alle dieſe losgerißnen Felſenſtücke find von 


ganz gleicher Beſchaffenheit mit der anſtehenden und uͤber⸗ 


all zu Tage ausgehenden Gebirgsformation, und beſtehen 
mit ihr aus einem feſten, dick, und wellenformig flaſrigen 
Gneiße, der grauen Quarz, graulichweißen Feldſpath, und 
wenig, vom tombackbraunen ins Schwaͤrzliche uͤbergehen⸗ 
den, Glimmer zu Gemengtheilen hat; eben dieſes ſeltner 
werdenden Glimmers wegen if auch das flaſrige Gewe⸗ 
be dieſer Gebirgsart ziemlich undeutlich, und naͤhert ſich 
ſchon zum Theil dem mehr gleichfoͤrmigen Gemenge des 
Granits, ohne jedoch beſtimmt in ihn uͤberzugehen. So 


wie ſich dieſe Abänderung der Gebirgsart zeigt, wird auch 
ar Bd. D 


3 


50 


die Schichtung derſelben weit undeutlicher und unbeſtimm⸗ 
barer als bisher, und gerade in der Gegend des Ten: 
felsſteins Halt es ſehr ſchwer, dieſelbige zu erkennen, ins 
dem hier das Gebirge in blos unregelmäßige ſtarke Maſſen 
abgetheilt zu ſeyn ſcheint, deren Oberflaͤche meiſt ziemlich 
beſtimmte Convexitaͤten oder Concavitaͤten zeigt. So uns 
deutlich aber auch hier die Schichtung des nahe anſtehenden 
Gebirges iſt, ſo lehrreich iſt von dieſer Stelle aus, in die⸗ 
ſer Ruͤckſicht, der Ruͤckblick in das Reußthal, welches 
hier das ſchoͤnſte Profil ſeiner in der Hoͤhe von einander 
getrennten, an ihrem Fuße aber in ununterbrochne Gebirgs— 
ketten vereinigten Gebirgsſtoͤcke zeigt: die Schichtung in den 
beyderſeitigen Gebirgsketten iſt unverkennbar, und immer⸗ 
fort noch ſehr ſteil gegen Suͤden eingeſenkt, ſo daß alſo 
auch hier noch immer die Nordweſtſeite des Thals die 
Schichtenflaͤche, die Suͤdoſtſeite aber das Ausgehende der 
Gebirgsſchichten zeigt. 

Bald darauf oͤffnet ſich in der nordweſtlichen Gebirgs⸗ 
kette ein breites Thal, in deſſen Hintergrunde ſich eine unun— 
terbrochne Kette naher Schneegebirge zeigt: Ueberraſchend 
und groß iſt der Anblick dieſer hohen mit ewigem Schnee 
und Eiſe bekleideten Gebirgskette, deren blendend weiße 
Farbe fo auffallend mit dem finſtern Anſehen des bisheri⸗ 
gen Reußthals contraſtirt. Ungeheure Gletſcher liegen 
in den tiefen Einkerbungen jener Gebirgskette, deren uͤbri⸗ 
ge Ober flaͤche beynahe allgemein mit ewigem Schnee be⸗ 
deckt iſt, der die Eismaſſe der Gletſcher unter einander zu 
verbinden ſcheint. Dieſes Nebenthal, welches beym trau⸗ 
rig ausſehenden Dorfe Geſtinen ſich gegen das Reuß⸗ 
thal oͤfnet, iſt breiter als letzteres, und wird zu beyden 
Seiten von hohen und ſehr fleil abhängigen Gebirgen, 
hinten aber durch jene noch hoͤhern Schneegebirge, die dafs 
ſelbe von dem ausgedehnten Triftgleiſcher abſondern, 


51 


gänzlich geſchloſſen. Ungeachtet die Gebirgsſtöͤcke, die fich 
zu beyden Seiten dieſes Nebenthales befinden, meiſt kahle 
und ſteil abgeſchnittne Felſenwaͤnde haben, und bey der 
Fortdauer der bisherigen Streichungslinie ein ſchoͤnes 
Schichtenprofil zeigen ſollten; fo war es mir doch unmoͤg⸗ 
lich, die Schichtung darin zu erkennen, indem die Gebirgs⸗ 
art derſelben in großen unregelmaͤßigen Maſſen, die nur 
durch Zerklüftungen abgetheilt ſind, da zu liegen ſchien: 
jedoch zeigte ſich im tief eingeſchnittnen Bette des Glet⸗ 

ſcherbachs/ der aus dieſem Thale wild hervokſtroͤmt, ganz 
deutliche Schichtung, die, wie bisher, beynahe vertical 
ſteht, und nur um etwan 10 Grade gegen Norden her⸗ 
uͤberhaͤngt, und da ſich hier der Fuß jener anſcheinend ſchich⸗ 
tenloſen Gebirgsſtoͤcke zeigt; ſo iſt ſehr wahrſcheinlich, daß 
dieſelben allgemein geſchichtet ſind, ungeachtet dieſe Schich⸗ 
tung nicht leicht am Eingange dieſes Thales in die Augen 
faͤllt. 

Vom Dorfe Geſtinen an, welches ungefähr 2100 
Fuß uͤber den Vierwaldſtaͤdterſee liegt, verengert ſich das 
Reußthal auf einmal betraͤchtlich; die beider ſeitigen Ges 
birge werden ſteiler und ununterbrochner gegen das Reuß⸗ 
bette eingeſenkk; jede Vegetation iſt gänzlich verfchwuns 
den, die ganze Natur erſcheint hier als leblos. Das Thal 
iſt nur noch einer Kluft aͤhnlich, die durch eine Spaltung 
dieſes ungeheuren Felſengebirges erſt neulich entſtanden zu 
ſeyn ſcheint; wild und ſchaͤumend ſtuͤrzt die Reuß in den 
fuͤrchterlich felſigen Abgrund in beſtaͤndig ſich an einander 
reihenden Waſſerfaͤllen herab, und erfuͤllt die Luft mit ihrem 
oft dumpfen, oft lebhaft brauſenden Getoͤſe. Das Thal 
ſteigt ſteil gegen Suͤdweſten empor; keine Spur von Le⸗ 
ben zeigt ſich dem aͤngſtlich forſchenden Wanderer, — nur 
die gut gebaute Straße belebt wieder etwas ſeinen Muth, der 
aber leicht wieder zuruͤckſinkt, wenn er weiß / daß die haͤu⸗ 


52 


PN 72 
figen an der Straße aufgeſteckten hölzernen Kreuze Zeichen 
der Todesſtellen von, durch herabgerollte Felſen, oder durch 
jährlich ſich erneuernde Schneelauinen, erſchlagnen Reiſen⸗ 
den ſind. Dieſe mehr als eine Stunde lange ſchauerhafte 
Gegend der Gotthardsſtraße heißt die Schoͤllinen. 
Die Gebirgsart, ſowohl der anſtehenden ſteilen Felſenwaͤn⸗ 
de, als auch der haͤufig herabgerollten Felſenmaſſen in den 
Schoͤllinen naͤhert ſich nun ſchon ſehr einem grobkoͤrni⸗ 
gen Granite, in welchem jedoch der feinſchuppige, vom fil- 
berweißen durchs tombackbraune bis ins Schwarze übers 
gehende Glimmer immer noch einige Flaſrigkeit verurſacht; 
da hingegen der blaß graulichweiße ins roͤthliche ſpielende 
Quarz, und der häufige milchweiße Feldſpath ganz gra⸗ 
nitartig, und zum Theil auch ſelbſt mit dem Glimmer auf 
aͤhnliche Art gemengt find. Sehr paſſend nennt Sauf> 
fure dieſen Uebergang des Gneißes in Granit Gra- 
nit veine, der, da er in den Alpen die ausgedehnteſte 
Hochgebirgs-Formation ausmacht, wohl einen beſondern 
Namen verdient. An deyden Seiten jenes engen Thales 
bildet nun dieſe Gebirgs art aͤußerſt ſteil abhaͤngige, beyna⸗ 
he ununterbrochne, kahle Felfenwande, die durch theils 
verticale, theils horizontale, Zerkluͤftungen in große, meiſt 
eine Art Rhomboidalism affectirende Stuͤcke abgetheilt find, 
daher es oft ſchwer haͤlt, irgend eine Spur von Schichtung 
zwiſchen dieſen häufigen ſich durchkreuzenden Abloͤſungen 
zu erkennen. Sehr leicht wird man daher verleitet, zu ver⸗ 
muthen, daß dieſe granitartige Formation durchaus unge⸗ 
ſchichtet, in blos zerkluͤfteten Maſſen da liege. Allein da 
ſich zuweilen Stellen finden, die immer durch einzelne Pro⸗ 
fileinſchnitte bewirkt werden, in denen jene beynahe verti⸗ 
cale gegen Suͤden eingeſenkte Schichtung ſich deutlicher 
zeigt, und beynahe unverkennbar von allen Zerkluͤftungen 
durch Parallelism, Ununterbrochenheit und Naͤhe die⸗ 


53 


ſer Abloͤſungen beieinander, unterſcheidet, ſo darf doch 
wohl das Ganze dieſer Gegend als geſchichtet angenommen 
werden, beſonders da jene haͤufigern, anſcheinend unge 
ſchichteten Stellen einzig von der Richtung des Thals nach 
der ungefaͤhren Streichungslinie der Gebirgsformation herz 
rühren, in der ſich die Schichtung ſelbſt in den beftimintes 
ſten Floͤtzgebirgen nicht deutlich zeigen kann. Immerfort 
folgt auch die noch übrige, aber undeutlich gewordene Fla— 
ſrigkeit dieſer Gebirgsart, in ihrer Richtung, der Direction 
der Schichtung derſelben. 

Beym allmaͤhligen Hoͤherſteigen in den Schoͤllinen 
wird die Gebirgsart noch etwas grobkoͤrniger, und nähert 
ſich durch mehrere Unbeſtimmtheit des fafrigen Gefuͤges 
noch mehr dem Granite; doch behaͤlt der Glimmer, bes 
ſonders an ſolchen Stellen, wo er ſilberweiß, und zuweilen 
noch mit jener mehr thonfchieferartigen, ſchuppigen, grauen 
Maſſe gemengt iſt, immer noch einige Flaſrigkeit bey, fo daß 
nirgends das Gemenge unter den drey verſchiednen Be: 
ſtandtheilen ganz gleichfoͤrmig, und alſo ganz beſtimmt gra⸗ 
nitartig wird. Mit dieſer Verminderung des gneisartigen 
Anſehens der Gebirgsart erſcheinen auch neue Zerflüftun- 
gen in derſelben, indem neben den verticalen und horizon⸗ 
talen Spalten ſich nun auch Kluͤfte zeigen, die ſich gegen 
Norden einſenken; ihre Abloͤſungsſlaͤchen find aber von de⸗ 
nen der Schichten ſehr verſchieden, indem ſie ſtatt flach meiſt 
bauchig find, fo daß die obere Abloͤſungsfaͤche immer con⸗ 
ver, die innere aber concav iſt. Durch dieſe neue Erſchei⸗ 
nung wird die Erkennung der Schichtung noch ſchwieriger, 
indem nun beyde Seiten des Thals an ihren durchaus kah⸗ 
len Felſenwaͤnden Abloͤſungsfaͤchen zeigen, welche nach dem 
Gebirgsabhange gegen den Gipfel der Gebirge anſteigen: 
hierdurch alſo erhalten die beyderſeitigen Gebirge das An⸗ 
ſehen, als ob fie aus großen, gegen den Gipfel angelehnten. 


54 
und gleichſam artiſchokenaͤhnlich um den innern Kern ats 
gelegten Blättern beſtaͤnden; wodurch ſchon mehrere Geogno⸗ 
ſten irre gefuͤhrt worden ſind, dieſe blos anſcheinende Struk⸗ 
tur für die aͤchte und allgemeine Struktur dieſer granitars 
tigen Gebirge zu halten. Allein bey genauerer Unterſuchung 
zeigt ſich ziemlich beſtimmt, daß die Abloͤſungsflaͤchen an 
der nordweſtlichen Seite meiſt aus den ſuͤdlich eingeſenkten 
Schichtenflaͤchen beſtehen, da hingegen die freylich oft auch 
ſehr Aachen und regelmäßig ſcheinenden Ablöfungshächen 
der ſuͤdoͤſtlichen Seite nur von ausgedehnten Ablöfungen 
der Kluͤfte herruͤhren. Freylich iſt dieſe Belehrung über 
die Structur jener Gebirge nicht uberall aufzufinden, weil 
das enge Thal meiſt der Streichungslinie der Gebirgsforma⸗ 
tion folgt: ſobald aber, bey der geringſten Biegung des 
Thals, der Beobachter in eine dem Profildurchſchnitte mehr 
ſich naͤhernde Stellung kommt, ſo wird die immer fort⸗ 
dauernde gleiche Schichtung in der durch den Ruͤckblick er⸗ 
haltnen allgemeinen Ueberſicht auffallend, und ſchwer zu 
bezweifeln ſeyn. 

Nach und nach wird der Abhang der ſuͤdweſtlichen Seite 
des Thals, oder vielmehr der graͤßlichen Felſenkluft, in der 
die Reuß ſich ſchaͤumend und tobend herabwaͤlzt, eben ſo 
ſteil eingeſenkt als die gegenuͤberſtehende beynahe verticale 
Felſenwand, ſo daß auch die ſchmale Straße nicht mehr 
Raum genug an dem ſchroffen Felſen vorfindet, und einzig 
durch Untermaurung, und alſo auf Gewoͤlbern ruhend, 
fortgeführt werden kann. Man erblickt an dieſer Stelle 
eine fühnaewölbte Brücke, die uͤber einem ſehr hohen, aber 
oft durch herausragende Felſen unterbrochnen Falle der 
Reuß gebauet iſt, und von den durch ſtarken Waſſerfall 
bewirkten, beftandig aufſteigenden Dunſtwolken immerfort 
benetzt wird: dieß iſt die beruͤchtigte Teufelsbrüucte, wel⸗ 
che beſonders der Stelle wegen, in der fie ſich vorfindet, 


55 


mertwürdig if. Die Enge der Gebirgskluft, von der man 
weder vorwaͤrts noch ruͤckwaͤrts einen Ausgang erblickt; 
das Toben des in den Abgrund herabſtuͤrzenden Stroms, 
von dem ſich immer ſtarke Waſſerwolken mit Gewalt und 
Schnelligkeit erheben; das furchtbar finſtere Anſehen der 
nahen immer benetzten Felſenwaͤnde; die kühngewoͤlbte 
Bruͤcke ſelbſt, deren Einſturz man uͤber dem ſchauderhaſten 
Abgrunde befuͤrchtet; alles dieſes ſtimmt zuſammen, um den 
Vanderer eher in den Zuſtand einer furchtſamen Aengſt— 
lichkeit zu verſetzen, als ihn zur. Bewunderung dieſer großen 
Gegenſtaͤnde zu vermoͤgen. Fuͤr den Geognoſten iſt dieſe 
Stelle der Teufels brücke beſonders merkwuͤrdig, ins 
dem gerade hier ein Profil der aͤuſſerſt ſteil gegen Suͤden 
tin ſchließenden Schichten der granitartigen Gebirgsart ganz 
in der Naͤhe beobachtet werden kann. Die Granitſchichten, 
welche hier fo deutlich zu ſehen find, find nur etwa 6 Zoll 
ſtark, und ihre Abloͤſungsflaͤchen ſo plan und ſo parallel 
unter einander, wie in dem beſtimmteſten Floͤtzgebirge; dit 
Schichtenſſaͤche der oberfien dieſer granitartigen Schichten 
(lacht zugleich den unmittelbaren Gebirgsabhang neben der 
Gotthardsſtraße bis an den unmittelbaren Eingang 
in die Teufelsbrücke aus. Die Gebirgsart ſelbſt if 
hier wieder etwas beſtimmter ſlaſrig als in den Schoͤl⸗ 
linen, ohne jedoch deutlich in Gneis zuruck zu fallen. 
Quarz und Feldſpath find graulichweiß, grobkoͤrnig, uns 
gefaͤhr in gleicher Proportion vorhanden. Der Glimmer 
hingegen iſt theils gruͤnlichweiß, theils ſchwaͤrzlich: erſterer 
durchzieht das Gemenge in ziemlich anhaltenden Blaͤttern; 
letzterer hingegen, obgleich er auch noch der Richtung des 
flaſrigen Gefuͤges folgt, iſt doch nur wenig anhaltend, und 
oft ziemlich gleichmaͤßig mit den beyden übrigen Beſtand⸗ 

theilen gemengt. 
Von der Teufelsbruͤcke an ſteigt man nun an der 


55 


ſuͤdoͤſtlichen Seite des ſteil ſich erhebenden, und ſich immer 
mehr verengernden Reußthales empor. Bald darauf 
erſcheint ein von der ſuͤdoͤſtlichen Seite her ſtark Me 
gender Gebirgsfuß, und verſchließt die ſchauderhafte, ganz 
kahle, finſtere Felſengegend gaͤnzlich; nur die Reuß win⸗ 
det ſich noch um dieſen Gebirgsfuß in hoͤhern Punkten 
herum, und ſtuͤrzt von da an in ſich ununterbrochen fel⸗ 
genden Wafferfallen gegen die Teufels bruͤcke herab. 
Der Wanderer zweifelt an einem möglichen Auswege aut 
dieſer graͤßlichen Felſenkluft, bis er den Eingang eines ganz 
dunkeln Stollens vor ſich ſieht, der unter dem Namen 
des Urnerlochs, in jenen herausragenden Gebirgsfuß 
hinein getrieben iſt, und in den ſich die Gotthardsſtraße 
verliert. r 


Die Gebirgsark am Eingange des Urnerloches iſt 


in einen ziemlich beſtimmten, doch noch nicht vollkommen 
karakteriſtiſchen Gneis uͤbergegangen, der aus milchweißem 
Feldſpathe, graulichweißem Quarze und feinſchuppigem, 
ſchwarzem Glimmer beſteht; erſtere Gemengtheile ſind ziem⸗ 
lich grobkoͤrnig und granitartig unter einander gemengt, letz⸗ 
terer aber durchzieht die Gebirgsart in ziemlich anhaltenden 
Blättern, fo daß dadurch ein etwas unbeſtimmt grobflafri- 
ger Gneis entfteht, der in nördlich uͤberhaͤngenden Schich⸗ 
ten anſteht. 5 
Der durch ein Seitenfenſterchen in der Mitte fehr ſchwach 
beleuchtete Stollen des Urnerlochs, in welchem durch die 
Zerkluͤſtungen des Gebirges immer haͤufig Waſſer herab» 
tropft ift ungefähr hundert Schritte lang. Die Erwar⸗ 
tung des Wanderers iſt, waͤhrend der aͤngſtlichen Durchwan⸗ 
derung dieſes dunkeln Ganges, wo ein ſchwacher Schim⸗ 
mer des Tageslichts ihn kaum, ohne an den Waͤnden an⸗ 
zuſtoßen zu leiten vermag, geſpannt; er glaubt neue Schrei 
viſſe am Ausgange dieſer Gruft zu erblicken, und wie er⸗ 


8 


57 


ſtaunt er, wenn er auf einmal ein niedliches, ganz begras⸗ 
tes, völlig ebenes Thalchen, mit einigen gutgebauten ſchoͤ— 
nen Dörfern, und der ſich ſanft zwiſchen Geſtraͤuchen durch» 
ſchlaͤngelnden Reuß erblickt: nicht leicht kann etwas uͤber⸗ 
raſchender ſeyn als dieſer erſte Anblick des Urſelerthals, 
wo ſich mit dem Bilde einer ſanften, angenehmen, beleb— 
ten Gegend, das des menſchlichen Kunſtfeißes und eines 

ee Lebensgenuſſes vereinigt, und den abſtechendſten 
Contraſt gegen die durchaus kahle fchauderhafte Felſenkluft 
der durchwanderten Schoͤllinen bildet. Schoͤn iſt auch 
der Anblick des das Urſelerthal an feiner Suͤdſeite be— 
graͤnzenden Gotthards, der eine ausgedehnte Gebirge» 
gruppe bildet, deren unterſter Abhang mit ſchoͤnen Wieſen 
bekleidet iſt, waͤhrend daß uͤber ihrer mittlern kahlfelſigen 
Region ſich einige begletſcherte, ſchoͤne, blendend weiße Gipfel 
erheben. . 

Am ſuͤdlichen Ausgange des Urner⸗Loches iſt die Ge⸗ 
birgsart in völlig beſtimmten grob- und wellenfoͤrmig flaſri— 
gen Gneis übergegangen, der aus kleinkoͤrnigem graulich⸗ 
weißem Quarze und Feldſpathe, und aus feinſchuppigem, 
gruͤnlichweißem und ſchwarzem Glimmer beſteht. Dieſe 
Gebirgsart bildet fehr deutliche und ganz auffallend ſtarke, 
immer noch ſehr ſteil gegen Suͤden einſchießende Schich⸗ 

ten, aus denen die benachbarten Gebirgsſtoͤcke ganz allge⸗ 
mein beſtehen. 
Gerne würde ich nun noch mit Ihnen in dieſem ſchoͤ 
nen Thale, welches ungefaͤhr 3200 Fuß uͤber dem Vier⸗ 
waldſtaͤdterſee erhaben iſt, herumwandeln, um Ihnen ſeine 
vielen geognoſtiſchen und mineralogiſchen Merkwuͤrdigkeiten 
bekannt zu machen: aber ſchon benutzte ich Ihre Geduld 
zu lange, da ich Sie ohne Ruhepunkt durch das fuͤnf Stun⸗ 
den lange, wilde, und oft ſchauderhafte obere Reußthal 
herauf fuͤhrte, und ich verſpare daher meine Nachrichten 


58 

über das merkwürdige Urſelerthal auf einen kuͤnftigen 

Brief, in ſofern Sie durch die Laͤnge des gegenwaͤrtigen 

nicht von meiner Briefſtellerey abgeſchreckt worden find. 
Zuͤrich, im September 1797. 


H. F. Eſcher. i 


Fragmente 
zur Entomologie der Alpen. 


Im erſten Bande Seite 24 haben wir diejenigen uns be⸗ 
kannten neuern Werke angegeben, aus welchen man ſich mit 
der Inſektengeſchichte der Alpen bekannt machen kann. Seit⸗ 
dem haben wir Bourrits description des cols ou pas- 


sages des albes. Geneve, 1803. 8vo, erhalten, wo wir 


in der zweyten Abtheilung S. 99 einen Aufſatz mit der 
Aufſchrift: „Insectes et papillons trouvés par Msr. Ju- 
rine”, fanden, der es verdient, ganz in die Alpina aufge⸗ 
nommen zu werden. Wir werden das darin enthaltene 
Verzeichniß mit einigen Inſekten vermehren, die ſchon an⸗ 
dere Naturforſcher auf den Alpen bemerkt haben; zuvor 
aber einige Beobachtungen vorangehen laſſen, die wir ſelbſt 
auf unſern vieljaͤhrigen Bergreiſen zu machen Gelegenheit 
hatten. 

Wenn wir unter Entomologie der Alpen die Geſchichte 
derjenigen Inſekten verſtehen, die ſich innert der Graͤnze 
der Alpenkette ſelbſt befinden; ſo breitet ſich freylich ein weit⸗ 
umfaſſendes Feld vor uns aus, indem innert dieſen Graͤn⸗ 
zen beinahe alle Inſekten vorkommen, die wir in Europa, 
einige der ſuͤdlichſten Gegenden ausgenommen, antreffen. 


59 


Schraͤnken wir aber die Beſchreibung der Alpeninſekten 
nur auf diejenigen erhabenen Berggegenden ein, die ſich 
über dem Holzwuchſe befinden, alſo meiſtens auf die ei— 
gentlichen Alpen; ſo ſchmelzt die Anzahl ſehr zuſammen; 
beſteht aber groͤßtentheils aus Inſekten, die nicht zu den 
gemeinern gehoͤren. 

Jurine hat zwar in dem vor uns liegenden Verzeich⸗ 
niß auch ſolche aufgezaͤhlt, die noch die angebauten Thäler 
der Alpen bewohnen; unſere Bemerkungen aber ſchraͤnken 
ſich vorzuͤglich auf jene hoͤhern Regionen ein. 

* * 


K 

Werfen wir einen Blick auf den Beitrag, den die ver⸗ 
ſchiedenen Ordnungen der Inſektenſyſteme von den Alpens 
inſekten erhalten; fo finden wir, daß die Schuppenſſuͤgler 
und unter dieſen die Tagvoͤgel und die Motten, nebſt den 
Zweyfluͤglern, beſonders die Schnacken, den größten; dann 
die pergament⸗artigen Vierflügler und die hartſchaligen 1 
einen mittelmaͤßigen; hingegen aber die andern Ordnun⸗ 
gen, wenn wir in dieſer Ruͤckſicht dem Ritter Linne“ fol⸗ 
gen, den unbedeutendſten Beitrag liefern. 

In Anſehung der Groͤße ſtehen dieſe muntern Alpen⸗ 
bewohner ihren Bruͤdern in den mildern Gegenden ſehr 
nach, und nehmen an derſelben je mehr und mehr ab, je 
einen hoͤhern Aufenthalt fie ſich gewählt haben. Es fliegt 
unter andern auf unſern niedern Alpen, die noch innert 
der Holzregion liegen, auch der Papilio Machaon herum; 
er iſt aber ſtets um ein Drittel kleiner als derjenige auf 
der Ebene. Eine naͤmliche Bewandtniß hat es mit dem 
Pap. Apollo, Mnemosyne u. ſ. w. 


8 ‚ 
*) In dem gegenwärtigen Verzeichniß machen die Coleopteren 
zwar weit die größte Anzahl aus, allein die meiſten davon 
gehören zu den Bewohnern der ſubalpiniſchen Gegenden. + 


so” 


Unter den Alpengegenden ſelbſt herrſcht eine große Ver, 
ſchiedenheit in Hinſicht der Menge und der Arten der Ins 
ſekten, die ſie beherbergen, daran entweder die Lage, oder 
die Pflanzen, die Beſchaffenheit des Bodens oder der Fel⸗ 
ſen, aus welchen die Berge beſtehen, ſchuld ſeyn moͤgen. 

Wenigſtens ſchien es mir, 
Daß die dem Sonnenſchein lange ausgeſetzten bewachſenen 


Abhaͤnge viel bevoͤlkerter find, als die Schattenſeiten; fo 


wie auch, daß man an einem ſonnigen, ſtillen Tage auf 
den Alpen immer eine weit ergiebigere Jagd macht, als 
wenn der Himmel bedeckt iſt, oder wenn die Winde, be— 
ſonders die kalten, wehen; 

Daß die Pflanzen, die in dieſer oder jener Gegend wach⸗ 
fen, einen großen Einfluß auf die Menge und Verſchieden— 
heit der Inſekten haben: So ernähren die herrlichen Als 
penfluren, welche mit Phellandrium Mutellina, mit den 
Achilleen, mit den Aretien, mit den Hieracien, 
den Alchemillen und dergleichen bekleidet ſind, eine 
Menge Inſekten; wo hingegen die Weiden, welche die 
Rhododendren, die Baccinii, die Veratri, die ho⸗ 
hen Genzianen und die Napelli bedecken, oͤde und 
leer bleiben. Eben ſo bemerkte ich, 

Daß wohlbewaͤſſerte Alpen immer weit mehr Inſekten 
enthalten als trockene; 

Und daß ich auf Kalkgebirgen allemal eine reichere 
Jagd machte, als auf Granitgebirgen. 

Bald vorüber eilet die belebende Jahrszeit auf den er⸗ 
habenen Gebirgen, nur kurze Zeit koͤnnen die Bewohner 
derſelben ihres Lebens froh werden; darnach iſt auch ihre 
Oekonomie eingerichtet. Kaum haben die Ruͤcken und Spi⸗ 
tzen der Alpen ihr blendendes Winterkleid abgelegt, kaum 
bekleidet fie das junge Grün, fo findet man auch ſchon Rau— 
pen, die meiſtens entweder Dornraupen oder haaricht nd; 


1 


61 


glatte habe ich nie keine angetroffen; fo daß ich beynahe 
vermuthe, daß es auf den Alpen, wo ſo oft im Sommer 
auch Kaͤlte und Schnee einfallen, nur wohlbekleidete Rau— 
pen giebt. Dieſe Raupen wachſen ſehr geſchwind, die 
Puppen ſchluͤpfen bald aus, denn ſie haben nicht viel Zeit 
zu verlieren, und nach meinen Beobachtungen bin ich ge⸗ 
neigt, zu glauben, daß weder Raupen, noch Puppen, noch 
Schmetterlinge: ſondern nur die wohl vernieſten und eben 
ſo gut verwahrten Eyer den langen Winter uͤber bleiben. 
Es iſt nur dann möglich Raupen, die man auf den Ber- 
gen gefunden hat, in der Ebene zur Verwandlung zu brin— 
gen, wenn man daſelbſt (wie es einige Mal der Fall iſt), 
gerade das naͤmliche Futter bei der Hand hat. Sonſt ver⸗ 
achten ſie, an die herrlichen Alpenkraͤuter gewohnt, alle 


Thalgewaͤchſe und verderben lieber. Da es mir gelungen 
iſt, auch die ſeltenſten Alppflanzen mit einiger Aufmerkſam⸗ 


keit in meinem Garten zu erhalten, ſo will ich es nun kuͤnf⸗ 
tig verſuchen, mit denſelben auch Alpenraupen zur Ver⸗ 
wandlung zu bringen. 

Es iſt eine von verſchiedenen Entomologen und Reiſen⸗ 
den ſchon oft gemachte Bemerkung, daß man auf den hoͤch⸗ 
ſten Gebirgen auf dem Schnee und den Gletſchern eine 
Menge erſtarrter Inſekten, unter welchen ſich ſehr oft die 


gemeinſten Ebenen⸗Bewohner, als Pap. Urticæ und dergleis 


chen, befinden, antrifft. Daß fie von ſehr heftigen Wir⸗ 
belwinden ergriffen, in dieſe ihnen ungewohnte Gegenden 
verſezt werden, möchte eben fo wahrſcheinlich ſeyn, als daß 
fie von dem aufferordentlichen Glanz der von der Sonne bes 
ſchienenen Schnee⸗ und Eisflaͤchen geblendet, auf dieſelben 


niederſtuͤrzen und darauf erſtarren. Doch iſt es moͤglich, 


daß einige Inſekten⸗Arten dieſen Spazierfiug auch frey- 


willig unterneymen, wenigſtens trifft man die unermii- 


dete Biene auf den hoͤchſten, noch mit Blumen gezierten 


62 


Bivfeln an, um daſelbſt den koͤſtlichſten Honig einzuſammeln. 
Uebrigens kann man die erſtarrten Inſekten, wenn man 
ſie von ihrem kalten Grabe an eine warme Stelle verſetzt, 
wieder zum Leben zuruͤckbringen. 

Es wird gewiß jedem Entomologen angenehm ſeyn, 
die zwar ſehr wenigen Bemerkungen, die von Sauſſure 
auf feinen Alpreiſen über die Inſekten gemacht hat, hier 
beyſammen zu finden. 


Quart-Ausgabe Tom. 3. Seite 206, Reiſe auf die 
Spitze des Montblanc. 

Ich bin einige Mal von der Art Zeuge geweſen, wie 
ſich die Schmetterlinge auf die Gletſcher verirren. Indem 
fie auf den Blumen herumflattern, die ſich an dem Rande 
derſelben befinden, wagen fie ſich manchmal auf die Glet⸗ 
ſcher ſelbſt; ſobald ſie aber das Gruͤne aus dem Geſicht 
verlieren, fliegen ſie immer vorwaͤrts, beſonders ſo lang ſie 
der Wind traͤgt, weil ſie nicht wiſſen, wo ſie ſich nieder⸗ 
laſſen ſollen, manchmal bis auf die hoͤchſten Gipfel, bis 
ſie vor Muͤdigkeit niederfallen, und auf dem Schnee oder 
Eis umkommen. 


Tom. 3. Seite 230. Beobachtungen auf dem Col du 
Geant. 

Das einzige Thier, welches hier wirklich zu wohnen 
ſchien, war eine ſchwarze Spinne, die ſich unter den Stei⸗ 
nen aufhielt. Da der Kamm, auf welchem wir uns auf— 
gehalten hatten, zwiſchen zwey tiefen Gletſchern lag; ſo 
war es auf der einen Seite vollkommen ſtill, wenn auf der 
andern Seite der Wind ſtuͤrmte. Dann fielen die Inſek⸗ 
ten, naͤmlich Schmetterlinge, Schnacken und allerley Arten 
von Muͤcken auf den Gletſcher wo es ruhig war, wurden 
aber von den Bergdohlen mit rothem Schnabel und Fuͤßen, 
die ſich da haͤufig ſehen ließen, aufgefangen. 


63 


Tom. 3. Seite 419. Reife auf das Breithorn. 

Indem wir auf diefen Gipfel fliegen, hatten wir zu 
unſerm nicht geringen Erſtaunen eine Menge Inſekten auf 
dem Schnee erſtarrt angetroffen. Es waren Phalaͤnen, ein 
Kohlweißling, verſchiedene Fliegenarten und beſonders eine 
große Menge Libellen. Sie mochten, eines in das andere 
genommen, zwey Fuß von einander entfernt liegen, ſo daß 
ſich in einem Quadratklafter neun, und 36 Millionen in 
einer Quadratſtunde zu 2000 Klaftern gerechnet, befanden. 
Dieſe Inſekten, wider ihren Willen von ungeſtuͤmmen Win— 
den hieher geſchleudert, waren erſtarrt und vor Hunger 
und Durſt umgekommen. Hingegen ſahen wir andre, die 
ſich mit Vergnuͤgen auf dem Schnee herum zu tummeln 
ſchienen, der noch fleckweiſe auf dem Breithorn ſitzen ge— 
blieben war. Dieſe Inſekten ſind ſchwarz, glaͤnzend, ſehr 
klein, auf dem Ruͤcken mit ſpitzigen Schuppen verſehen, 
mit ziemlich langen, auswaͤrts gekruͤmmten Fuͤhlhoͤrnern. 
Sie find geſchmeidig, leichtfuͤßig , und ſpringen, wenn man 
ſie fangen will. Ich habe dazumal nicht daran gedacht, 
zu unterſuchen, ob ſie dieſe Spruͤnge vermittelſt einer unter 
dem Bauche angebrachten Springfeder machen; (vermuth⸗ 
lich beſitzen fie Springfuͤße). Nach allen Kennzeichen aber, 
die ich an ihnen beobachtet habe, ſcheinen fie zu den Po— 
duren zu gehoͤren. Sie befanden ſich da gar wohl und 
laufen mit vieler Geſchwindigkeit zwiſchen den Schneekoͤr⸗ 
nern herum. Da ſie keine Fluͤgel haben, ſo muß dieſer 
Fels ihr Vaterland ſeyn, und ſie naͤhren ſich entweder von 
den Mooſen, die auf demſelben wachſen, oder von Erde 
oder Schnee, deſſen Waſſer ſich in ihrem Leib zerſetzt. We⸗ 
nigſtens iſt es Geoffroy's Meynung, daß die Feuchtig⸗ 
keit der Erde den Poduren zur Nahrung dient. 

Zu dem nun folgenden Verzeichniß werde ich nur bei 
den Schmetterlingen dießmal einige Bemerkungen binzufüe 


| 


u 


61 


gen. Ich behalte mir vor, ein andermal in der Alpina 
meine Beobachtungen über die Inſekten der übrigen Ords 
nungen mitzutheilen. 


Benennung der ſeltnen Inſekten, welche Herr 
Juͤrine im Chamouni-Thal und auf den 
um daſſelbe liegenden Bergen gefunden hat. 


Lucanus tenebroides. Olivier. 
Capra. Panzer. 
ſelten in den Waͤldern des Montanvert. 
Scarabæus bimaculatus. Olivier. Aphodius. Fa- 
a bricius. 
lutarius. Fabr. (Aphod.) f 
Porcus. Fabr. (Aphod,) 
Scrofa. Fabr. (Aphod.) 
nad | Panzer. (Aphod. Fabr.) 
Auf dem Berg Balme. Vermuthlich Col de 
Balme. 
Scarabæus pillularius . (Ateuch. Fabr.) 
Olivier. 
Trox hispidus . et Fabr. 
Melolontha alpina. Man hat bis jetzt nur zwey Stücke 
gefunden. 
variabilis. 
Trichius bifasciatus. Nobis. Eine neue Ari, 
Hister insqualis 
r acuminatus Olivier 
depressus 


0 et Fabr. 


65 


Dermestes 4 pustulatus. Panzer. 
Sylpha lunata. Olivier. . 
grossa. Fabricius. (Peltis.) 
ferruginea. Olivier. (Fabr. Peltis.) 
bieolor. Eine neue Art mit rothen Fluͤgeldecken, 
ſehr gemein wo man den Berg Bal⸗ 
me beſteigt. 
Birrhus fasciatus. Olivier, Fabr. 
dorsalis. Olivier, Fabr. 5 
varius 
Trogosita mauritanica Olivier 
Scaphidium 4 maculatum : 
Drillus flavescens | 


Omalisus suturalis. Oliv. Auf den ſchirmtragenden 


Blumen. 
Dasutus linearis. Paykull. 


filiformis. Eine neue Art. 

Lymexilon dermestoides. Oliv. 

Cantharis dispar. Fabr. Man könnte hier noch acht neue 
Arten beifuͤgen, die noch nie ſind beſchrie⸗ 
ben worden. 

Be Br \ Fabr. Man findet fie hauptſaͤch⸗ 

) lich auf den kalkartigen Bergen. 
abdominalis. Panzer. Sehr ſelten. 

Melasis buprestoides. Oliv. Man findet auch eine an: 

dre Art, die viel laͤngere und tiefer eins 
gekaͤmmte Fuͤhlhoͤrner hat. 

Elater signatus 

aulicus Panzer. 

lepidopterus | 


ar DR, G 


66 


Elater carbonarius ] 
8 fasciatus 
linearis i 
livens 

pyrrhopterus 

hzmatodes 
-  sanguineus 
clavicornis 
rufus. Fabr. Es giebt noch verſchiedene Arten, 
die vermuthlich ganz unbekannt ſind. 
Buprestis chrysostigma. Oliv. 
rustica. Oliv. Sehr gemein. 
biguttata- Oliv. 
Cicindela sylvatica. 
flexuosa. Sehr ſelten. 
Carabus variolosus. Fabr. Ein einziges Mal bei dem 
Dorf Les Ouches gefunden. 
irregularis. Var. Oliv. Dieſes if eine neue Art, 
welche dem irregularis aͤhnlich iſt. Haͤu⸗ 
fig auf dem Wege zum Montanvert. 
auratus. Oliv. 
metallicus 
parum punctatus 
rostratus. Oliv. \ Cychrus. Fabr. Beide felten. 
proboscideus. 
Manticora nobis cœrulescens. 
carab. Oliv. (Leistus. Frelich.) Man 
hat auch andre Arten gefunden, die 
man wegen den Kinnladen und den 
Fuͤhlſpitzen unter dieſe Gattung ge⸗ 
bracht hat. 
Hydrophilus fuscipes ) 
lividus Oliv. Man findet fie in den 
minutus kleinen Seen auf den Bergen. 


Oliv. 


6 Fabr. 


Dytiscus elegans a 
inæqualis Oliv. 
crassicornis Be 
Driops auriculatus. Oliv. Man hat auf den Gletſchern 
zwey andre, wie man glaubt, ganz unbe⸗ 
kannte Arten gefunden. 
Staphylinus fossor. Fabr. 
cyaneus 
trilobus oliv 
clavicornis 
emarginatus 
Oxyporus maxillosus. Fabr. 
Pæderus dimidiatus. Panz. 
orbiculatus. Oliv. 
Meloe autumnalis. Oliv. 
Cantharis humeralis. Oliv. Sehr ſelten. 
Mylabris 10 maculata. Fabr. 
Oedemera collaris A 
Oliv. 
femorata 
Notoxus cornutus; Fabr. 
thoracicus. Panz. Man findet oͤfters auf den 
Gletſchern, die vor Kaͤlte umgekommen 
ſind. 
antherinus, Fabr. 0 
sellatus. Panz. 
Pyrochroa pectinicornis. Oliv. Ein einziges Mal ge⸗ 
funden. 
Cistela costalis. Oliv. 
fusca. Panz. 
Diaperis boleti. Oliv. Iſt nicht gemein. 
Tenebrio ceramboides. Oliv. Upis. Fabr. 
1 elateroides. Ziemlich ſelten. 
Serropalpus tomentosus. Neue Art. Man hat in dem 


68 


Waͤldern, welche in der Nahe des Dor⸗ 
fes Les Pres liegen, zwey noch unbes 
kannte Arten gefunden, die ſich durch die 
Dicke ihrer axtfoͤrmigen Fuͤhlſpitzen aus⸗ 
50 zeichnen. — 
Helops chalybæus. Oliv. Selten. 
Pimelia minutissima. Vermuthlich bisher unbekannt. 
Blaps atra. Neue Art; der Mortisaga zwar aͤhnlich, aber 
dennoch von ihr verſchieden. 
Mordella flava. Fabr. Panz. 
ventralis. Fabr. 
bipunctata. Neue Art; ſehr klein. 
Prionus depsarius. Oliv. Auf dem Pinus Larix, 
aber ſelten. 
Cerambix sutor. In den Wäldern, bei dem Urſprunge 
des Arveiron. 
varıus 
nebulosus | 


Oliv. 
Ziemlich ſelten. 


nubilus 
alpinus 
Saperda bimaculata 
coculata Oliv. 
linearis 
Stenocorus bifasciatus. Rhagium, Fabr. 
noctis. 
meridianus. 
chrysogaster. 
niger. 
gericeus. 
cursor. Es giebt auch eine ganz rothe Abaͤn⸗ 
derung. 
suepens. Ein einziges mal bei Argentier⸗ 
gefunden. 


69 


Stenocorus lamed. Und eine merkwuͤrdige Abänderung. 

humeralis. 

Callidium femoratum. 

fulcratum 

striatum Oliv. 

fuscum 

aulicum. Fabr. Panz. 
Auf den ſchirmtragenden Pflanzen findet man beym 
Sonnenſchein viele Callidien (Scheibenkaͤfer.) 

Spondylis buprestoides. Oliv. 

Leptura virens 
notata 
villica 
scutellata 
subspinosa 

4 fasciata ' Oliv. 
aurulenta . . . und die ganz ſchwarze Abaͤn⸗ 


derung. 
interrogationis . Sehr gemein in d. Wälderh, 
4 maculata 
10 punctata 
6 maculata ,. . Sehr ſelten. 
Necydalis rufa. Oliv. 
Cucujus monilis. Oliv. 
bimaculatus. Oliv. Selten. 
Donacia vittata 
striata * Panz. 


terzata } 
Clerus unifasciatus. Fabr. 
Bo trich lind 
ostrichus cylindrieus) Auf Tannen und Ver 
scolytus N 2 
| Fabr. chenbaͤumen. 
crenatus | 


Pygmatus J 4 


8 | 

Apate sinuata ' Fabr. . 

limbata 

Synodendron cylindricum. Fabr. Gemein. 

muricatum. Fabr. Sehr ſelten. 

Bruchus luteicornis. Panz. 

fla vicornis. Fabr. 

Anthribus albirostris 
niveirostris 
roboris 
planirostris 

Rhinomacer curculionoides. Fabr. Nur zwey Mal ges 

funden. 

Curculio pin Fabr. 

abbreviatus. Calandra, Clairville. 
nitens 
abietis 


echii | Fabr. Sehr gemein. 


1 esuriehs 


Fabr. Alle felten. 


chloris 

artemisiæ Panz. 

affinis 

linearis. Cossonus, Clairville. 
blattarie. Cionus, Clairville. Selten. 
melanoeephalus, 


alni N 
populi | Fabr. Springer. 


abietis 7 

perculus 

Iigustici Fabr. 
binotatus 

nubilus ]) 

nigrita | Dieſe zwey Arten ſind auf den Kalkge⸗ 
morio g birgen gemein. 


71 


Curculio lepidopterus. Panz. 
Attelabus hungaricus 
æquatus 
purpuxeus Fabr. 
cupreus 
zneus 
Cassida viridis 
equestris | 
murræa Fabr. 
nobilis 
margaritacea] Diefe ift gemein, die übrigen aber 
ſind es weniger. 


“h la zthi 4 
Chrysomela æthiops Die Blattkäfer find auf 


PA ( Fabr. Blumen und Blättern 
cerealis |. häufig anzutreffen 
carnifex g de 


Iimbata. Fabr. Sehr gemein. 
10 punctata 
6 punctata Fabr. 
litura 
Galeruca sanguinea 
ruficornis 
flexuosa. Panz. 
Endomychus coccineus. Fabr. Ziemlich ſelten. 


Fabr. 


Crioceris phellandrii 0 Fabr. 
glabrata 
Lema 14 punctata. Fabr. Sehr ſelten. 
1 campestris 
flavipes Fabr. 
subspinosa 


Clythra atraphraxidis 
4 punctata Fabr. ö 
longimana 


72 


Clythra tridentata. Fabr. 
aurita. Fabr. Gemein. 
bucephala. Fabr. 
affinis. Panz. 

Cryptocephalus cordiger 


4 


variabilis 

imperialis Fabr. 

variegatus | 

obscurus 

vittatus 

distinguendus Panz. 

trifasciatus. Neue Art; dicker als die vor⸗ 
hergehenden. Rothe Fluͤgeldecken mit 
ſchwarzen und gezahnten Streifen, die 
mittlere breiter als die zwey andern. 
Man hat dieſes Inſekt nur zwey Mal 
gefunden. . 


Coccinella argus 


22 punctata 

24 punctata 
oblongoguttata 
biguttata Fabr. 
impunctata 

parvula 

6 pustulata 

4 verrucata 


Aurora 
N Panz. 
lateralis 


Mycetophagus 4 maculatus Fabr. 


piceus 
fulvicollis. Panz. 


Tritoma bipustulata. Fabr. Nicht gemein. 
Forficula flex uosa. Fabr. Sehr häufig in dem Fußwege 


73 


am Fuße des Col de Balme, unter 

den Steinen. Wenn dieſe Zangenſchabe 

wirklich diejenige des Fabr. ift, fo wäre 

es doch ſonderbar auf den Alpenglet⸗ 

ſchern ein Inſekt anzutreffen, das eigent⸗ 

lich in Cayenne zu Hauſe gehoͤren ſoll. 
Forficula 2 punctata Fabr. 


minor 


Hemiptera. 


livida 
Acridium impunctatum. Neue Art. 
Locusta italica. Fabr. Selten. 
dee Fabr. 
grisea 
Gryllus stridulus. Fabr. Sehr gemein. 
italicus. Fabr. Sehr ſelten. 
germanicus 
cœrulans Fabr. 
flavus . . . ) Ganz dem Amerikaniſchen aͤhnlich. 
sibiricus. Am Montanvert nicht ſelten. 
Fulgora europæa. Fabr- Ziemlich gemein. 
Membracis aurita 
a N Fabr. 


Blatta ern Fabr. 


cornuta 
Tettigonia orni. Um Trient herum. 
Cicada e e 8 
nervosa 
Cercopis ruficollis 
unifasciata J Fabr. N 
a fasciata J Von den Schnellzirpen wird man 
ganz unbekannte Arten finden, 


74 


Acanthia clavicornis y ' 
corticalis | Fi 
depressa 
crassipes |] 
Cimex nigrolineatus. Wenn man von St. Martin 
auf Servo; geht. 


semipunctatus } 


Fe Fabr. Auf dem Wege vom Col 
ottentotta * 
albolinestis de Balme auf Martigny. 
Lygæus equestris. Fabr. Bei Ser voz. 

saxatilis 

calcaratus Fabr. 

spissicornis 


Neuroptera. 


Libellula rubicunda. 
Sea. 

Aeshna annulata. Eine neue Art, die man allemal auf 
den ſumpfigen Wieſen antrift, welche vor 
dem Dorfe Les Ouches liegen. 

Myrmeleon pantherinum. Schr ſelten. 

Ascalaphus barbarus. Auf den Kalkgebirgen in der Ge⸗ 
gend von Ser voz, und ziemlich haufig 
auf dem Berg Saleve bei Genf. 

Raphidia ophiopsis. Manchmal längs der Arve. 


Hy menoptera. 


Tenthredo femorata ' a 
montana 


Tenthredo axillaris. Panz. 
flasciata. Fabr. 

obscura. Fabr. Sehr ſelten. 

albicornis. Fabr. 

coryli. Panz. 

costalis. Fabr. Selten. 

lucida. Panz. 

difformis. Panz. Sehr ſelten. 
Sirex gigas 


mariscus 

noctilio Fabr. Man findet ſie bald in den 
dromedarius J Umgebungen von Ser voz, bald 
camelus in der Gegend von Martigny. 


Ichneumon molitorius 0 

. ' Fabr, 
atratorıus 

nigratorius. Panz. 

natatorius. Fabr. 
variegatorius. Panz, 
infractorius, Fabr. 

monitorius. Panz. 
. peısuasorius. Fabr. 


serrator. Fabr. Sehr ſelten. In Val 


d Aoſte iſt er häufiger. 
rubricator. Panz. 
Banchus variegator 


venator Fabr. 
pietus 
Evania fasciata. 
_ punctum. 


minuta. Selten auf den Blumen. 
Sphex flavipennis. Fabr. Bei Martigny. 


lutaria 
einten N Fabr, 


76 


Pompilus 4 punctatus 
bifasciatus | Fabr. 
2 punctatus ] 

Tiphia femorata. Fabr. 

Scolia 4 punctata. 

Chalcis minuta 
pusilla \ Fabr. 
znea 

Chrysis carnea. Sehr felten bei Martigny. 
purpurata. Fabr. Ein einziges Mal bei Bex 

gefunden. 
scultellaris. Fabr. 


Leucopsis gigas 
et Fabr. Nicht ſehr ſelten. 


Bembex es Fabr. Nicht gemein. 
integra 
Vespa saxonica. Fabr. 
austriaca. Panz. 
6 cincta. Panz. 
coangustata. Rossi. 
spinipes. Fabr. 
biglumis Fabr. 
coarctata g 
'Mellinus ruficornis 
sabulosus Fabr. 
mystaceus 
Phylanthus diadema. 
5 cinctus. 
lætus. 9 
interruptus. 
Crabro spinosus 
cribrarius $ Fabr. 
clypeatus 


77 


Crab i 
rabro serripes N 8 
czphalotes 
A d * * 
ndrena pilipes Fabr. 
carbonaria 
eee Fabr. 
rosæ 


Hylacus gylindricus 
4 tinctus 


Fabr. 


arbustorum. Panz. 


Apis ruderata 
lapponica 
ytalica 
Farietina 
tropica 
rotundata 


Fabr. 


Eucera linguaria 
8 Fabr. 
antennata 


ruficornis 


Nomada variegata 
Fabr. 


striata 


6 fascia 


ta ] 


interrupta h Panz. 


zonata 
Formica hercule 
nigra 
rubra 


ana. Fabr. Auf den Kalkgebirgen. 


Fabr. 


4 punctata 
binodis. Fabr. In den Wäldern beym Glet⸗ 


Mutilla europæa. 


ſcher des Boſſons. 
Im Chamounixrthal und beſon⸗ 
ders um Trient herum. 


soronata. 


78 
Mutilla ephippium. 


italica. 


* 
Diptera, | 
Oestrus bovis. Fabr. Sind ſehr ſelten. 
an Fabr. 
ovis 
Bibio marginata. Fabr. 
Anthrax maura. Fabr. ſehr ſelten. 
varia 


belzebul 8 Fabr. 
hottentota 1 


Sicus ferruginea 
errans \ Fabr. 
bicolor 

Sie ſind nicht gemein, und der ganz beſon⸗ 
dere Geruch, den ſie von ſich geben, kommt 
am naͤchſten mit demjenigen des Kraͤuter⸗ 
ziegers, den die Glarner Schabzieger nen⸗ 
nen, uͤberein. 

Stratiomys ephyppium ) 

microleon 

strigata Fabr. 

vırıdula 
clavipes ] Diefe leztere iſt eher felten. 


Lconiner ). Panz. 


*) Vermuthlich ein Druckfehler, wie deren noch viel mehrere 

in dieſem Verzeichniß waren. Da, wo ich konnte, habe ich 

fie verbeſſert, allein da ich leider Panzers Fauna noch 
nicht beſitze, fo konnte ich hier nicht helfen. . b. 


5 79 


Nemotelus uliginosus 
marginatus 
Rhagio fasciatus, L Fabr. 
1 punctatus 
Ceria abdominalis? Fabr. 
Syrphus bombylans 


N Fabr. 


mystaceus 

inflatus 

intricarius Fabr. 

clavipes . . . Bei Martigny. 
sylvarum 


diophtalmus .] Sehr ſelten. 
rupestris. Panz. An den Felſen auf der Hoͤhe 
des Montanvert. 
coarctatus. Panz. 
Mulio mutabilis. Fabr. 
Thereva crassipennis. 0 
hemiptera. 
analis. 
Musca maculata 4 
rudis | 
cervina 
meditabunda 
radicum 
, grossa 
Tabanus albipes. Man fing ihn an den Mauleſeln, die 
eben über den Col de Balme giengen, 
morio. Die Gebirge find das Vaterland der 
Viehfliegen, manchmal zur großen Be 
ſchwerde der Reiſenden. Aber wenn es 
nach dem achten oder neunten Auguſt reg⸗ 
net, ſo kommen ſie faſt ale um, und die 
Wege ſind den Tag nach einem Plazregen 
von ihren Leichnamen bedeckt. 


Fabr. 


80 


Tabanus pellucens 


Rhingia rostrata 


fenestratus 
lugubris 


t 10 
ropicus | van 


| Fabr. 


lineata 


Asilus ephippium 


aureus 
ater 

flavus 

barbarus ſehr ſelten. 
crabroniformis bei Ser voz. 
gilvus 


Fabr. 


Conops vesicularis 


aculeata \ Fabr. 
flavipes 


Myopa, dorsalis. Fabr. 


punctata. Fabr. 
picta. Panz. 
buccata. Fabr. 


Culex annulatus. 


reptans. 


Wehe dem Reiſenden, der den Weg von Ch 
mounir auf Martigny zu Ende des Heu⸗ 
monats oder Anfangs Auguſts macht. Eine Le⸗ 
gion Muͤcken wird ihn ſchon am Fuße des Ber⸗ 
ges empfangen und bis in die Stadt, ja bis 
in das Zimmer verfolgen. Um ruhen zu koͤn— 
nen und nicht ganz zerſtochen zu werden, muß 
man ſich das Geſicht mit einem Schleyer be⸗ 
decken, und die Ohren mit Wachs verſtopfen, 
um ihr ſo unangenehmes Geſumſe nicht zu hoͤ⸗ 
ren. 


Ey 


Empis ciliata ) \ 
morio ' Fabr. 


plumbea 
Bombylius nitidulus Fabi 
minimus 


Aptera. 


Lepisma polypoda. Fabr. 

Podura aquatica. Fabr. Man wird ſich verwundern, 
dieſes Infekt fo haufig in den Pfuͤtzen des Mon⸗ 
tanvert anzutreffen. 

Phalangium bicolor. 

morio. 


Ich fuͤge nun hier noch die Inſekten hinzu, die auf dem 
Glockner ſind gefunden worden. S. Schultes Reiſe auf 


den Glockner, 2ter Theil Seite 348, um die unbeſtaͤubten 


nach einander und hernach die beſtaͤubten mit einander zu 

liefern. 
Coleoptera. 

Birrhus pilula, Hw.) Cicindela hybrida. Sw. 

Chrysomela graminis. Sw. Copris taurus. Sw. 


) In dieſer Fauna der Gegend um den Glockner und auf 
demſelben, habe ich dasjenige, was Herr Generalvikar von 
Hohenwart fand, mit Hw., was Herr Dktr Schwaͤgrichen 
mir mittheilte, mit Sw., und was in dem oft angeführten 
Tagebuche vorkam, mit T. bezeichnet. Das was wir maß. 
rend unſers kurzen Aufenthalts hier fanden, blieb ohne be- 
ſondere Auszeichnung. Die Gegend um Heiligenblut iſt, wie 

ar Bd. 5 


82 


Curculio abietis. Hw. Scarabæus melanocepha- 
— depressus. Hw. lus. Sw. 
— germanus. Hw. — _ stercorarius. 
— pini. HW. — vernalis. (Um die 
— raucus. Sw. t Hälfte kleiner. Sw.) 
— sulcirostris. Hw, Staphylinus maculatus. 
Forficula maculata. Sw. Sw. 


Hemipter a. 


Acanthiasclavicornis.Sw. Gryllus fuscatus. Sw. 
Gryllus bigutulus. Sw. — sibiricus. Hw. 
— cothurnatus. Sw. — stridulus. Sw. 


Hy menoptera. 


Andrena lucida. Sw. Apis conica. Sw. 
Apis alpina. Hw. — equestris. Sw. 
Diptera. 
Anthrax varia. Sw. Asilus sylvanus. Sw. 
Asilus ephippium. Sw. Empis morio. Sw. 
— germanus. Sw. Stratiomys hypoleon. Sw. 
— gibbosus. — canina R. Sw. 


es ſcheint, nicht ſehr reich an Inſekten. Der fleißige Herr 
Oktr Schwaͤgrichen fand waͤhrend ſeines vierzehntaͤgigen Auf⸗ 
enthaltes nicht mehr, als bier angezeigt ſind, und klagte 
dort uͤber Mangel, wo wir blos die Witterung zu beklagen 
duͤrfen glaubten. Ganz gemeine Sachen haben wir wohl 
gefunden aber nicht aufgezeichnet. 


Anmerf. des Hrn Schultes. 


„ 


* 


> 

h 

a 
* 


pallidior. Abdomen basi griseofuscum, ad insertio- 


83 


Syrphus arcuatus, Sw. Syrphüs elongatus. Sw. 
— bombylans. Sw. — versicelor. H. 
AP ter a. 


Podura nivalis. 


Appendix 

insecta quædam nova detecta et descripta 

a Dr. Schwägrichen. 
1. Malachius abbrevidtus. Mas fuscö niger oblongus; 
elytris abdomine dimidio brevioribus: 

Parvus, æmulaus cantharidem biguttatam. Niti- 
dulus subtilissime pubescens. Caput depressum, la- 
titudine choracis. Palpi articulus ultimus setaceus; 


Antennèæ filiformes articulo primo majore. Thorax 
transversus, parum convexus, margine inerassato an- 


gulis obtusis, margine posteriore fere semicirculari 
; 


subcarinatus, tuberculis 2 lateralibus. Elytra brevia, 
attenuata, subtilissime punctata. Abdomen depres- 
sum. Pedes subelongati. Ad casas alpinas. 


2. Gryllus fuscatus. Griseofuscus antennis filiformi: 
bus, alis fuscis, tibiis posticis rufis. 


Caput obtuso conicum, vertice subcarinato, fusco 
griseum. Oculi oblongi. Antenne fuscæ basi sæpe 


pallidæ, thorace et capite longiores. Os albido gri- 
eum. Thorax subcarinatus, fusco griseus subtus 


nem alarum posterius rufum, lateribus subtusque e 
‚flayo rufum, basi subtus griseum linea laterali fla va, 


84 


Elytra fusco grisea, macula flavicante ultra medium. 
Alz sinuatæ, fuscæ. Colores sic in varietate « grisea, 
aliter in g viridula. Vertex, thoracis dorsum, ely- 
tra, femora supra fusco viridescentia vel pallido flava. 
y pallidus, pallide griseus, femoribus supra flavo gri- 
seis. Femina « grisea ut mas. Antennæ breviores 
quam in mare, mediocres. Elytra alæque abdomine 
breviores, abdomen omnino non rufum sed fusco gri- 
seum, segmentis apice albidis, subtus flavicans. 

g viridis. Abdomen ut in præcedente; vertex, 
thoraeis dorsum, elytra margine interiore virides- 
centia. 

y pallida. Vertex, thoracis dorsum, elytra viri- 
descentia, abdominis segmenta basi luteo fusca, apice 
Aavicantia, 5—6 supra rufo fuscata. Femora fla vo 
rosea. Alz pallidiores. 

d incarnala (capta in coitu cum mare g) vertice, 
thoracis dorso, elytrisque viridibus, abdomine san- 
guineo fusco, femoribus posticis totis incarnatis, ti- 
biis rufis. 

Differt a Gryllo viridulo et biguttato: alis fuscis, 
tibiis rufis, antennis maris longioribus. Femina dif- 
fert a Grylli sibirici simillima fœmina, antennis sim- 
plicibus, alis fuscis, tibiis rufis. , 

Habitat in pratis herbidis, ad latera mentium 
circa Heiligenblut. Stridet terre insidens, vel vo- 
lans: foeemina parum, nec fere nisi tacta stridet. Agi- 
Iis et pernix. 


3. Grillus sibiricus, Linn. Antennis compresso cla- 
vatis griseus, tibiis anticis clavatis. 


„ 


Femina var: « virescens. Caput conicum obtu- 
aum; plaga inter antennas elatiore ad os excurrente, 


rr 


85 


fovea pro antenna singula, virides. Vertex griseus, 
linea elevata recta, lateralibus duobus subincurvis, 
obscurioribus; oculi pallide nigri, oblongi; os albo 
griseum; antenn® thoraci et capiti æquales, basi 
filiformes griseæ, apice compressæ fusco nigræ; tho- 
rax viridis, dorso subcarinatus griseus, lineis latera- 
libus elevatis, sinuatis; macula apicis utrinque ni- 
gra, velutina, subtus viridi albus. Abdomen, la- 
tere baseos, ad insertionem alarum, viride: segmentis 
basi griseo fuscis, apice exalbidis: subtus virescenti 
griseo album. Elytra abdomine breviora, grisea, 
fusco venosa, costa marginali et media grisea; ma- 
cula inter costas et versus apicem alæ pallida. Alæ 
margine exteriore sinuatæ hyalinz. Pedes anterio- 
res supra grisei maculati, subtus grisei albi; femora 
postica supra viridia, subtus flava, latere exteriore 
tesselata, geniculis fuscis: tibiæ flavæ, spinis fuces- 
centibus, duplici ordine postico ; apice ungulis dua- 


bus validis. Tarsi grisei. Var g grisea. Omnia quæ 


f 


in varietate « virent in hacce grisea sunt:- capitis 
apex albicans; foveæ pro antennis albido griseæ. 

Mas ut femina æ, 8. Tibi® anties inflato - cla- 
vatæ griseæ. Antenna compresso clavatz» Elytra 
et ale longitudine corporis. Tibiarum usum pro- 
prium discere non potui. Gradiendo solum apice 
tangunt. 

Subsultat mutus, sedendo stridet ut Gryllus viri- 


dulus. Habitat in pratis acclivibus graminosis ad 


> 


margines sylvarum prope Heiligenblut, adscendendo 
ad Scheidekker Alpe. Agilis, nec vero velox. 


ä ——ñ D222 


86 


B age 
zur Lepidopterologie der Alpen. 


Das Verzeichniß, welches Bourrit im oben angefuͤhr⸗ 
ten Werke von den Schmetterlingen giebt, die Jurine 
in den Umgebungen des Montblanc ſoll geſunden haben, 
iſt fo unordentlich gerathen, und hat ſo manche Wiederho® 
lungen, daß ich mich pflichtig glaube, es ſyſtematiſcher eins 
zurichten, und un es intereſſanter zu machen, mit denjeni» 
gen Schmetterlingen zu vermehren, die ich in den Buͤnd— 
ner Alpen zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Ich 
werde zuerſt die allgemeinen Bemerkungen, die Herr Bour— 
rit uͤber die Schmetterlinge in jenen Gegenden macht, an⸗ 
führen, und dann das ſyſtematiſche Verzeichniß folgen laſſen. 


* 
* * 


Vorlaͤuſig bemerken wir, daß die uͤberal zu findenden 
Schmetterlinge hier nicht verzeichnet find, ſondern nur dies 
jenigen, die den Gebirgen angehoͤren. Sobald man in das 
Thal von Chamounirx tritlet, ſieht man unter andern 
auch Schmetterlinge, die ſonſt die Ebene bewohnen. Aufs 
fallend iſt die Menge der Schaben und Wickler, welche die 
Wieſen und Waͤlder in dieſem Thale bevoͤlkern. Haͤtte 
man Zeit genug ſich hier aufzuhalten, ſo koͤnnte in kurzem 
eine große Sammlung von denſelben gemacht werden. 

So bald man ſſch uͤber die Thaͤler erhebt, und die wirk⸗ 
lichen Berge zu beſteigen anfaͤngt, ſo verlieren ſich auch die 
Inſekten der Ebene, und man trift nur Bewohner der Als 
pen an. 

Wenn man, um den ſchoͤnen Gletſcher des Montan⸗ 


a u 


87 
vert zu fehen, den Weg uber Chapeau nimmt, fo ftößt 
man auf eine Menge wahrer Alpenſchmetterlinge, die von 
dem üppigen Wachsthum der Pflanzen dahin gelockt wer⸗ 
den, welches der beftändigen Befeuchtung und der Lage am 
Fuge des Bochard zuzuſchreiben iſt. 

Der Leſer wird ſich uͤber die Menge der Schmetterlinge 
verwundern, die dieſes Verzeichniß enthaͤlt, obgleich, 
wie ſchon geſagt, nur die ſeltnern darin angeführt find. Er 
wird eben ſo ſehr erſtaunen, Arten, die ſonſt Bewohner Schwe, 
dens und Lapplands ſind, neben ſolchen zu finden, die nur 
Italien und die waͤrmern Himmelsſtriche lieben! Dieſet 
ſonderbare Zuſammentreffen kommt von der Lage und der 


verſchiedenen Temperatur dieſer Gegenden her. Wirklich 


verſchmachtet man manchmal bei Servo; und Martigny 
vor Hitze, wenn man auf den nahgelegenen Bergen zu 
gleicher Zeit beynahe erfrieren wuͤrde. Auch graͤnzen dieſe 
Gegenden an das Wallis und das Val d'Aoſte, wo man 
viele italiäniſche Inſekten fangen kann. 

Die Monate Junius und Julius ſind, weil alsdann 


die Pfanzen in der ſchoͤnſten Bluͤthe ſtehen, die guͤnſtigſte 
Jahrszeit zur Inſektenjagd, weil man fie leicht auf den 


Blumen haſchen kann. Doch erhaͤlt man in kurzer Zeit 
eine weit betraͤchtlichere Menge, wenn man ſich eines Schmet⸗ 
terlingſacks oder Netzes bedient, und damit etwas geſchwind 
die Blumenkoͤpfe abmäht ). Nicht nur Schmetterlinge 


und andere Inſekten; ſondern auch die fuͤchtigen Perga⸗ 


— 


*) Siehe darüber in Illigers Magazin für Inſektenkunde 
im erſten Band Seite 460. Tobias Kon Beſchreibung eines 
neuen Werkzeugs zum Inſektenfange. Der Schoͤpfer, den 
Herr Koy vorſchlaͤgt, möchte wohl mit der Schmetterlingt⸗ 
haube des Herrn Jurine vollkommen uͤbere inſtimmen. 

Amerk. des Herausgebers. 


88 
mentfluͤgler und Zweifüͤgler finden ſich in den mit abge⸗ 
ſtreiften verwickelt, zu unterſt im Sack. 

Will man eine ergiebige Schmetterlingsjagd machen, 
ſo muß man die granitartigen Urgebirge im Auguſt, und 
die Kalkgebirge im Junius und Julius beſuchen. Webers 
haupt find dieſe Gebirge von Urkalkſtein nicht nur fuͤr den 
Botaniker und den Geologen, ſondern auch fuͤr den Ento⸗ 
mologen eine Vorrathskammer voll der ſchaͤtzbarſten Ge⸗ 
genſtaͤnde. Manchmal wird man auf den hohen Gebirgen 
von Ungewittern oder doch von ſo heftigen Windſtoͤßen uͤber⸗ 
fallen, daß man glaubt alle Hoffnung zu einer reichlichen 
Jagd aufgeben zu muͤßen. Aber man muß ſich von dieſen 
Hinderniſſen nicht abſchrecken laſſen, denn eben in dieſen 
ſtuͤrmiſchen Tagen iſt man oft gluͤck licher, als wenn das Wet⸗ 
ter noch fo ſtill iſt. Man waͤtzle alsdann nur die vor dem 
Wind geſchuͤtzte Seite der Berge, und dort wird man 
die Schmetterlinge in Menge auf den Blumen ſpielend an⸗ 
treffen, als wenn fie der Wuth des Aeolus ſpotteten. 
Erhebt ſich aber ein unbedachtſamer bis uͤber den Kamm 
des Berges, um über denſelben zu ſetzen, fo ergreift ihn die 
Gewalt des Windes und ſchleudert ihn an den Boden, wo 
er ſich dann mit feinen Fügen feſthaͤlt, und fehg leicht zu 
fangen iſt, weil er fein Heil nicht mehr feinen ſchwachen 
Flügeln anzuvertrauen wagt. 


— 


1. Papilio. P. Apollo. In der Gegend um Helligen« 
blut am Fuße des Glokners. Schultes. 
In Buͤnden ſehr haͤufig, doch erhebt er ſich nie uͤber 
den Holzwuchs, wird aber in den mittlern ſonnigen Gegen⸗ 
den der Berge angetroffen. 


2. Papilio: P. Phoebus, Der kleine Apollo. Bey den 


89 


Suͤmpfen am Fuße des Bergs, wo man über den Col 
de Balme geht. (Jurine.) 

So bald der Phoebus Huͤbners der Delius 
Eſpers iſt, fo glaube ich, daß wir ihn in Buͤnden auch 
beſitzen. Ich habe aber bis jetzt nur ein einzige Ex. 
emplar bekommen. 

Bey dieſer Gelegenheit muß ich bemerken, daß ich ſowohl 
in Buͤnden auf niedern Bergwieſen als in den zaͤhmern 
Veltliner Alpen den Pap. P. Mnemosyne gefunden 
habe. Ich glaube muthmaßen zu duͤrfen: daß ſich ſeine 
Raupe auf der Urtica dioica aufhält, 3555 es aber noch nicht 
für gewiß verſichern. 


3. Papilio Bryoniae (D. C). Esper T. 1. Tab. 64. 
Fig. V. Auf dem Weg von Adem zum Col 
de Balme. (Jurine.) 

Schon lange iſt es mir zahm, daß man unter 


Pap. Napi ganz unterfchiedene Arten anfuͤhrt, die weder 


Aufenthaltsort noch Flugzeit mit einander gemein haben. 
Der eigentliche Napi halt ſich in den zaͤhmſten Gegenden 
auf, der Papilio Bryoniae aber in den zaͤhmern 
Alpen und fliegt im Anfang des Julius. Eine dritte Art 
ſieht endlich dem Pap. Napeae Esp. Suppl. Tab. 116. 
Fig. V. ziemlich aͤhnlich. Allein bey mein en Exempla⸗ 
ren ſind die Fluͤgel viel ſchmaͤler und geſtreckter, und das 
grüne der Adern auf der Unterſeite der Hinterflügel aufs 
fallender. Er hält ſich nur auf den hoͤchſten Alpen auf. 


4. Papilio D. C. Callidice. Wenn man über den Glet⸗ 
ſcher des Montan vert ſetzt, und bis zum Courtil 
oder ſogenannten Garten dringt, wird man nicht 
ohne Erſtaunen auf dieſer kleinen bebluͤmten Teraſſe, 
welche ganz mit Gletſchern umgeben, ungefähr 1426 


90 


Klafter uͤber dem Meer erhaben, und nur zwey Mo⸗ 
nat des Jahrs von Schnee entbloͤßt iſt, einen ſehr 
ſeltnen Schmetterling finden, der nur auf deu Köche 
ſten Gipfeln der Alpen zu Hauſe iſt, und dem man we⸗ 
gen ſeiner Schlauigkeit im Entwiſchen den Namen 
Callidus gegeben hat. Vermuthlich Callidice Esper 
Suppl. Tab. 115. Fig. 2 u. 3. (Jurine.) 


Einen dieſem Tagfalter aͤußerſt aͤhnlichen Schmetter⸗ 
ling fing ich letzten Sommer 1805 den zten Auguſt im Als 
penthale Certig, welches von Davos gegen den Haupt⸗ 
kamm der Alpen dringt, in einer mit Kalkfelſen umgebenen 
Weide. Er gleicht der ten Figur unten an den Unter⸗ 
fluͤgeln vollkommen, an den Oberfuͤgeln aber find an der 
Spitze der Fluͤgeln auch vier den Adern parallellaufende, 
grüne laͤnglich viereckigte Flecken. Auf der obern Seite 
aber hat er am Ende des doppelten Aderſtriches einen laͤng⸗ 
licht viereckigten ſchwarzen Fleck, in der Mitte zwiſchen die⸗ 
ſen und der Fluͤgelſpitze noch drey ſchwarze Flecken, davon 
zwey näher bey einander, und einer weiter entfernt iſt. 
Der aͤußere Rand der Flügel iſt mit dre yeckigten ſchwarzen 
Flecken geziert. Die Unterfügel aber find ganz weiß, nur 


ſcheinen die grünen Adern ſchwach durch. Ich ſah nur 


zwey Stuͤcke, die ich auch ohne Muͤhe ſieng. 


5. Papilio D. C. Beli a. Ob dem See Combal in der 
Allee blanche, an ſehr ſteilen Spitzen. (Jurine.) 
Esper Tom. 1. Tab. 92. Fig. 1. und Suppl. 
Tab. 94. Fig. 1. 

6. Papilio D. F. Europome. Von Servoz oder Paf⸗ 
ſy auf den Col d' Anterne und auf der Kalkkette 
des Buet. (Jurine.) Esper Tom. 1. Tab. 42. 
Fig. 1. Suppl. Tab, 100. Fig. V. Hübner. 434.435. 


Dieſen Falter habe ich ein einziges Mal vor vielen Jah⸗ 


0 91 
ren auf der Alp ob Tſchapina am Luͤſcher See ob dem 
Holzwuchſe im Heumonat gefangen. 

7. Papilio D. F. Phicomone. Jurine fand ihn an 

ö den nämlichen Dertern wie den obigen, Esper Tom, 

1. Tab, 56. Fig, 1. 2. Hübner 436. 437. 

Auf den hoͤhern Alpen in Buͤnden iſt er zu Ende des 
Heumonats ſehr haufig anzutreffen und leicht zu fangen. 
Meiſtens halten ſie ſich auf thonſchieferartigen Gebirgen 
und zwar an fonnigen Lagen auf. Unter ſo vielen, die ich 
gefangen habe, bemerkte ich nie keine Abaͤnderungen. 


8. Papilio N. C. Ligea. Von Herr von Hohenwart in 
der Gegend um den Glockner gefangen. ( Schulte. ) 

Iſt hier in Buͤnden ſehr haͤuſig, doch nur in den zahmſten 
Gegenden. Esper. T. 44. Fig. 1. 2. Hübner 225 — 227. 


9. Papilio N. G. Gorge H. Zwiſchen Salenches 
und der Bruͤcke Peliſſier. (Jurine.) 
Esper Suppl. Tab 113, Fig. 2 u. 3. Aethiops minor, 


10. Papilio N. G. Cecilia H. An den nämlichen Der, 
tern wie Pap. Gorge und auch auf dem Wege von 
Servo; oder Paſſy auf den Col d' Anterne, fo 
wie auf der Kalkkette des Buet. Esper Suppl. 
Tab 116. Fig. 2. Glacialis. Hübn. 213 — 214 
( Coecilia, ) 

Ich beſitze Schmetterlinge in meiner Sammlung aus 
unſern Alpen, die ſowohl N° 9 als Ne 10 ſehr aͤhnlich ſe⸗ 
hen, doch mit den Esperiſchen Abbildungen nicht vollkom⸗ 
men übereinſtimmen, und da ich das Huͤbneriſche Werk 
nicht beſitze ), nicht mit Zuverſicht ſagen kann, ob es die 
benannten Schmetterlinge ſind; ſo ſieht mein Exemplar 


Er) Anmerk. Die nachfolgenden Citate aus denſelben ſind von 
einem Freunde des Herausgebers. 


92 . 


des Acthiops minor der Beſchreibung Espers in allem 
aͤhnlich, nur it der obere Theil der Unterfügel nicht mit ſo 
großen rothen Flecken verſehen. Huͤb n. 540. 541. Mnestra? 


11. Papilio N. G. Scea H. Wohnt am gleichen Orte wie 
der Pap. Gorge (Jurine.) Esper Suppl. Tab. 
116. Fig. 1. Goante, Hüb n. 233 — 234 Scea, 

Auf unſern hohen Alpen doch nicht ſehr oft anzutreffen. 


12. Papilio N. G. Janthe H. An gleichen Orten wie 
der vorige (Jurine.) Knochs Beytraͤge I. àtes 
Stüd Tab. 6. Fig. 7. Epiphron, 

13 Papilio N. G. Manto H. Auf dem Wege von Ser⸗ 
voz oder Paſſy auf den Col d' Anterne und auf 
der Kalkkette des Buet. (Jurine.) Esper Tom, 
1. Tab. 67. Fig. 2. Castor. Huͤbn. 202. 208 · 
Minto? 


Auf unſern zaͤhmern Alpen fehr 11 zu Ende, ia 
auch ſchon in der Mitte des Brachmonats. Setzt ſich im 
mer an den Boden, entweder auf kahle Plaͤtze oder auf 
Steine. 


14. Papilio N. G. Allecto H. wie N'. 10. doch ſoll nach 
Herrn Grafen von Hofmannsegg (ſiebe Illigers 
Magazin. B. 3. 188 und 185. Allecto ber Glacialis 
Espers und Coecilia nur eine Abaͤnderung von 
Allecto feyn. 

15. Papilio N. G. Pyrrha H. In den Gegenden wie 
N° 13. (Jurine.), Esper Tom, 1. Tab. 70, Fig. 
au. 3. Huͤb n. 235 — 236. Manto, 


Auf den hoͤhern Alpen unſers Kantons im Heumonat. 
Er iſt aber ziem lich ſelten. 


16. Atratus. Auf dem Wege von Chamoun ix jum Col 


— 


97 


de Balme. Esper Suppl. Tab. 104. Fig. 1. (J u⸗ 
rine.) 

19. Papilio N. G. Cleo. In den naͤmlichen Gegenden 
wie der vorhergehende. (Jurin e). Esper Tom. 
1. Tab 67. Fig. 1. Tyndarus, Hübner 209 — 
212. Cleo. ö 


Auch dieſer Schmetterling bewohnt die mittlern Alpen 
unſerer Gebirge in ziemlicher Menge. 


18 Papilio N. G. Cassioides. In der Gegend um den 
Glockner. Reiner und v. Hohenwarts botaniſche Reiſen 
Tab, IV. Fig. a. ( Schultes.) Esper Suppl. 
Tab. 103. Fig. 2. 


Dieſer Falter laͤßt ſich auf unſern mittlern Alpen an den 
Wegen oͤflers ſehen, und ergoͤtzt mit dem Spiel der praͤch⸗ 
tigen Regenbogen-Farben, die auf der obern Seite feiner 
Flügel glaͤnzen. Ich muß aber bekennen, daß ich eine große 
Aehnlichkeit zwiſchen ihm und dem vorhergehenden finde, 


19. Papilio N. G. Melampus, Esper Tab, 78. Fig. 
a. Suppl Tab, 193, Fig. 1. Borkhauſen Na⸗ 
turgeſchichte der Europ. Schmetterlinge Thl. 1. S. 
96. Alcyone Fuͤßli Verzeichniß der Schweizerinſekten 
Fig. 6. Huͤb n. 202. Janthe. 

Alle die ſe Citate beſchreiden und bilden zum Theil den 
naͤmlichen Falter ab, der auf unſern niedern und mittlern 
Alpen uͤberall ſehr Mats im Heumonath gefangen wer⸗ 
den kann. 


a0, Papilio N. G. Pollux. Esper Tom k. Tab, 67 
Fig. 3. 


Sowohl dieſer Falter aus dieſer Familie, fo die auch 
Espers Maurus und Pirene befinden ſich, wie ich glau⸗ 


94 


be, auch auf unſern! Alpen. Doch behalte ich mir vor, 
ſowohl uͤber dieſelben, als verſchiedene andere in meiner 
Sammlung, die zu dieſer Familie gehoͤren, in der Alpina 
naͤhere Auskunft zu geben, ſobald ich im Fall bin das 
Huͤbneriſche Werk zu benutzen. 


21. Papilio N. Ph. Urticae. Schultes hat ihn auch in 
der Gegend von Heiligenblut gefunden, auch ich traf 
ihn manchmal ſehr hoch auf den Bergen an. 

22. Papilio N. Ph. Daphne. H. Auf dem Wege von 
Sallenches zum Pont Peliſſier (Jurine.) 
Esp. Tom. 1. Tab. 75. Fig. 4. Chloris. Huͤbn. 
45. 46. Daphne. 

23. Papilio N. Ph. Pales. H. Auf dem Wege zum 
Buet. (Jur ine.) Esper Tom. 1. Tab. 56. Fig. 
4. Atsilache. Hubner 34. 35. Pales, 


Ein auf unſern mitlern und hoͤchſten Alpen nicht ſelte⸗ 
ner Falter, der aber ſehr in der Groͤße verſchieden iſt. Auf 
den höchſten Weiden iſt er oͤfters mehr als um die Hälfte 
kleiner. Auch aus dieſer Familie möchten bei uns Arten 
vorhanden ſeyn, die noch nicht zu den bekannten gehoͤren. 


24, Papilio N. Ph. Mysia. H. Auf dem Wege vom Thal 
Chamounix zum Col de Balme (Jurine.) 
Esper Tom, 1. Tab 60, Fig 1. Trivia Tab, 37, Fig, 
3. Cynthia. Hübner. Ne. 3. Mysia, 


Dieſen Falter habe ich auf unſern Alpen nie angetrofs 
fen, allein den Papilio Trivia ſo wie ihn Borkhauſen 
Tom. . Seite 38 beſchreibt und wovon Esper Tom, 1. 
Tab. 37. Fig. 3. unter dem Namen Cynthia eine eben 
nicht ſehr Ähmiche Abbildung gegeben hat, ſehr oft, auf 
ſonnigen Abhaͤngen zu Ende des Brachmonats auf den mitt⸗ 
lern Alpen. N 


ce 


- 


5 


25, Papilio N. Ph. Selene H. An den naͤmlichen Or⸗ 
ten wie der vorhergehende. (Jurine). Esper Tom, 
1. Tab. 30, Fig 1. Euphrosinae var, Hübn. 26. 
27. Selene. 


Gehoͤrt in die naͤmliche Fam ilie wie Ne 23, und wird 
auch an unſern hohen Alpen, aber nicht oft gefunden. 


26. Papilio Pl. Dorion H. Auf dem Wege vom Pri⸗ 
eure zum Col de Balme. (Jurine.) Esper 
Tom. 1 Tab, 78. Fig. 1. Dorus. Hubner. 247. 
248. Dorion. 


Aeußerſt ſelten noch in den angebauten Gegenden un⸗ 
ſers Landes. 


27. Papilio A. Meleager. H. In der Allee Blanche. 
(Jurine). Esper Suppl. Tab. 112. Fig. 4. Orbi- 
tellus. Huͤbn. 522 — 5256. Melaeger. 


Selten und nur auf den hoͤchſten Alpen Buͤndens. 
. 28. Pap. Nelo. Huͤbn. 205. 206. 

29. Pap. Psodea. Hübn. 497. 499. 

30. Pap. Isis. Huͤbn. 38.39. 663. 664. 

31. Pap. Pharte. Huͤbn. 491. 494. 

32. Pap. Atys. Huͤbn. 495. 496. 548. 549. 

Alle dieſe Falter werden in den Umgebungen des Mo ont⸗ 
blanc gefunden. Aus Mangel des Huͤbneriſchen Werks 
kann ich nicht beſtimmen, ob ſie auch in Buͤnden zu Hau⸗ 
ſe ſind. 


A bend voͤgel. 


33. Sphinx Pinastri. In den hohen Wäldern. (Ju rin). 
In Buͤnden auch in den niederſlen Tannenwaͤldern. 


9 
34. Zygaena Statices. Dktr. Schwaͤgrichen in der Ge, 
gend um Heiligenblut am Fuße des Glockners. (Schule 
tes). 


In Buͤnden ſehr haufig auf den mittlern Alpen. 
35, Zygaena Prucedani. Wenn man den Mont an⸗ 
vert zu beſteigen beginnt (Jurine). Esper Tom - 
II. Tab. 25. Fig 2 &. Hub n. 75. 76. 


36. Zygaena Minos. In den naͤmlichen Gegenden wie 
der vorhergehende (Furine ). Wiener Verzeichniß 
Neue Ausgabe B. 1. S. 35. Esper Tom. II. Tab. 
24. Fig. 2 a, 2 b. Pilosellae. Hub n. 8. Minos. 


Auch in Buͤnden auf den höhern Gegenden nicht felten 
anzutreffen. 


57. Zygaena Transalpina. An den naͤmlichen Orten 
wie der vorhergehende. (Jurine). Esper Tom, II. 
Tab. 16. Fig. F. Hüb n. 15. 19. 

33. Zigaena exulans. Zu Anfang des Julius auf den 
Bluͤthen der Rhododendron ſehr haͤufig. (Jurine.) 
Auf den Kaͤrntner Alpen. Reiners und von Hohen⸗ 
warts botaniſche Reifen. Tab. IV. Fig. 1. Auf den 
Gedirgen um den Glockner. (Schultes). Esper 
Suppl. Tab. 41. Fig. 1 u. 2. Hübn. 101. Exulans. 


Auf unſern hoͤchſten Alpen nicht ſelten. Merkwuͤrdig iſt 
die warme Bekleidung des Leibes, die ich auf jenen erha⸗ 
denen Gegenden nicht nur an dieſem Abendſchmetterling, 
ſondern auch an noch unbeſchriebenen Tagfaltern beobach⸗ 
tet hade. Es iſt aber ſonderbar, daß andre neben ihnen an 
eben fo erhabenen Oertern wohnende Schmetterlinge dieſes 
Vortheils nicht genießen. Sind es vielleicht nur die weni⸗ 
gen, die über Winter aushalten? Wenigſtens lraf ich 


9 


die Zygaena exulans ſchon kurz nach dem Entfichn 


des Schnees und abgewiſcht an. 


Nacht voͤg el. 


39. Bombyx franconica. Auf dem Wege von Servo; 
und Paſſy auf dem Col d Anterne und auf der 
Kalkkette des Bu et. (Jurin e). Esper Tom. III. 
Tab. 26. Fig. 1 u. 2. 

40, Bombyx Plantaginis. An den naͤmlichen Oertern 
wo die vorhergehende (Jurine.) Nees Tom. III. 
Tab. 36. 


Auf unſern mittlern Alpen im Heumonat ſehr gemein. 
Die Raupe findet ſich ſchon am Ende des Brachmonats. 
Auf einem nicht ſehr erhabenen Berge gegen Norden von 
Marſchlins, der Augſtenberg genannt, fing ich vor zwey Jah⸗ 
ren an dem nördlichen Abhange deſſelben eine Abaͤnderung / 
die ich noch nirgends weder beſchrieben noch abgebildet ge⸗ 
funden habe, und daher hier verdient bemerkt zu werden. 
Vielleicht iſt es auch eine neue Art. Sie beſitzt vollkommen 
die Groͤße der Bombyx Plantaginis, auch den Umeiß 
derſelben. Die Oberfuͤgel haben einen weißen Grund, die 
Striche und Flecken ſind aber blaßgelb und vollkommen 
von der naͤmlichen Zeichnung, wie die Hospita der Wie⸗ 
ner. Die Unterfügel find auf der obern Seite faſt ganz 
weiß, und nur kaum ſieht man die gelblichen Zeichnungen. 
Auf der untern Seite der Flügel iſt der gelbroͤthliche obe⸗ 
re Rand der Oberflügel auffallend, jonſt find fie alle weiße 
licht, nur ſcheinen die Striche und Flecken etwas durch. 
Kopf, Bruſt uud der After ſind ſtark behaart, der Leib etwas 


weniger. Die Haare W Kopfs und des Afters ſind gelbroth, 
ar r Bd. 0 


diejenigen der Bruſt weißgelb. Der Leib iſt weiß und ſchwar; 
geringelt. 


41. Bombyx Humuli. Am Ende des Junius in den 
Waͤldern jenſeits dem Dorfe Les Prés (Jurine). 
Esper Tom. IV. Tab. 80. Fig. 1 u. 2. 

In den zaͤhmſten Gegenden Buͤndens häufig. 

42. Bombyx Flina. An den naͤmlichen Oertern wie die 
vorhergehende. (Jurine) Esper Tom. IV. Tab. 
sr. Fig: 7. 

43. Bombyx Lupulina. Wie die obige. (Jurine). Es 
per Tom. IV. Tab. 81. Fig. 1—4. 

44, Bombyx Carna. In der Gegend um Heiligenblut 
am Fuß des Glockners. (Schwaͤgrichen, Schultes.) 
Esper Tom. IV. Tab. 82, Fig. 1. 


Noctua. 


45. Noctua Irrorea. Zwiſchen Salenches und dem Pont 
Peliſſier und am Fuße des Breven (Jurine.) 
Esper Tom. IV. 94. Fig. 3 — f. Irrorea. 

Auf unfern mittlern Alpen und zwar auf Kalkbergen im 
Heumonat nicht ſelten. . 
46. Noctua Aurita. Sehr häufig am Fuße des Breven. 

(Jurine) Esper Tom. IV. Tab. 94. Fig. 1 u. 2. 

Ebenfalls wie die Lrrorea auf unſern Kalkgebirgen. 

47, Noctua Roscida. An den naͤmlichen Orten, wo die 

Ixrorea zu finden iſt. (Jurine.) Esper Tom. IV. 

Tab. 94. Fig. 6 — 7. 

48. Noctua Complana, Wie die vorhergehende (Jurine.) 
Esper Tom. IV. Tab. 92. Fig. 7 u. 8. 

Auf allen mittlern Bündner Alpen ziemlich häufig. 


99 


49. Noctua Eborina. Ebenfalls wo die obigen auch zu 

finden. (Jurine.) Esper Tom. IV. Tab. 93. 
Fig. 4 und 5. 

50. Noctua Alni. Ends Junius jenſeits dem Dorfe Les 
Prés. (IJurine.) Esper Tom, IV. Tab. 116. 
Fig. 4. 

51. Noctua Phyteumæ. Auch jenſeits dem Dorfe Les 
Prés. Esper Tom. IV. Tab. 192. Fig. 3, 4.? 

Eine Eule, die der angefuͤhrten Eſperiſchen ſehr aͤhnlich 
iſt, fiegt auf den niedern Alpen ſchon in der Mitte des 

Brachmonats gleich nach dem Wegſchmelzen des Schnees 

in Menge herum. 


32. Noctua Divergens, Auf der Spitze des Buet. (Ju⸗ 
rine.) Borkhauſen Tom. IV. S. 787. Schrif⸗ 


ten der Geſellſchaft Naturforſchender Freunde in Ber⸗ 
lin. Tom. 6. Tab. 7. Fig. 2. 


53. Phalena Canaliculata. Auf den Umgebungen des 
Glockners. (Schultes.) Von Hohenwart in den 
Schriften der Berliniſchen Geſellſchaft Naturforſchen⸗ 
der Freunde. Tom. 6. S. 336. Tab. 7. Fig. 5. 

54. Phalæna Schrankiana. Am naͤmlichen Orte gefun⸗ 
den, wie die vorhergehende. Ibid. Tab. VII. Fig. 6. 

Ich zweiſſe gar nicht daran, daß dieſe zwey Nachtvoͤgel 
auch unſre Alpen bewohnen; wenigſtens beſitze ich derglei⸗ 
chen „die ihnen ſehr aͤhnlich ſind. 


Geometra. 


55. Geometra Alpinaria. Von Servoz oder Paſſy 
zum Col d' Anterne und auf der Kette des Buet. 
(Iurine.) Br 


100 


Auf unſern hoͤhern Alpen ſehr haufig in der Mitte des 
Heumonats. An einem ſchoͤnen Sonnentage wimmelt es 
in der Luft von dieſem langſam daherſchwebenden Span⸗ 
nenvogel. Sulzer, abgekuͤrzte Geſchichte Tab. 23. Fig. 
4., muß ein etwas verwiſchtes Exemplar vor ſich 5855 
haben. 


56. Geometra Aureolaria. An den naͤmlichen Orten wie 
No 55. (Jurine.) Wiener Verzeichniß Tom. 1. 
S. 393. f 

57. Geometra Cinctaria. An den naͤmlichen Orten wie 
N35. kin.) 

58. Geometra Horridaria. In großer Menge auf der 
Spitze des Buet (Jurine.) Borkhauſens Natur⸗ 
geſchichte der europaͤiſchen Schmetterlinge, Tom. V. 

S. 203. Mit der Beſchreibung Borkhauſens trift ein 
Spauner vollkommen uͤberein, der auf unſern hoͤhern 
Alpen ziemlich gemein iſt. 

59. Geometra Bipunctata, Unter den Felſen der Berge 
im Thale Chamounix. (Jurine.) Borkhau⸗ 
ſens N. G. Tom. V. S. 348. 

60. Geometra Obfuscaria. An den naͤmlichen Orten wie 

f Ne 59. (Jurine.) 

61. Geometra Adspersaria. Unter den Felſen der Berge 
im Chamounix. (Jurine.) Esper Tom. V. 
Tab. 45. Fig. 4. 

Auch dieſe Spannerphalaͤne wird bei uns in den zaͤh⸗ 
mern Gegenden angetroffen. 


62. Geometra Pullaria. Wie die vorhergehende. (J u⸗ 


rine.) 
63. Geometra Montanata, An oben bezeichneten Orten. 


(Jurine) Borkhauſens Naturgeſch. Tom. V. 
Seite 397. 


— 


’ 


101 


%4. Geometra Furvaria. Ebenfalls wie Ne 63. (Ju⸗ 
tine.) Borkhauſens Naturgeſch. Tom. V. Seite 
275. Kleemanns Beiträge Tab. 27. Fig. A. Dies 
fen Spanner habe ich auch hier in den Buchwaͤldern⸗ 
gefangen. 

65. Geometra Dubitata. Auch unter den Felſen der Berge 
in Chamounix. (Jurine.) Borkh. Naturgeſch. 
Tom. V. S. 285. Kleemanns Beitr. Tab. 28. 
Fig. 2. 

Ich habe ihn nur einmal i in id Gegend! im Thale an⸗ 
getroffen. 

66. Geometra Dilucidaria. In der Gegend von Ch a⸗ 
mounix. (Jurine.) Borkh. Raturgeſch. Tom. 

„V. S. 279. 

67. Geometra Elinguaria. Wie N? 63. (Jurine.) 
Borkh. Naturgeſch. Tom. V. S. 74. Roͤſels 
Inſektenbeluſt. 1. Spanner. Tab. g. 

68. Geometra Illunaria. In der Gegend von Chamou⸗ 
nix. (Jurine.) Wiener Verzeichn. Tom. 1. S. 
401. Eſpers Schmetterl. Tom. 5. Tab. 12. Fig. 1, 
2 3. Tab. 14. Fig. 1, 2. Auf unſern minder erha⸗ 

benen Gegenden. Und zwar die Tunaria und illu- 
naria. 

69. Geometra Abietaria. An den naͤmlichen Orten wie 
die vorhergehende. (Jurine.) Eſpers Schmetterl. 
Tom. V. Tab. 39. Fig. 1, 2, 3. Gemmaria Abietis. 

70. Geometra Cervinata. Wie die obigen. (Jurine.) 
Borkh. Naturgeſch. Tom. V. S. 339. Röfels 
Inſektenbeluſt. zte Kl. Tab. 3. 

In Buͤnden auf fetten Wieſen gemein. 8 

71. Geometra Populata. Gleichfalls wie die vorigen. 
(Jurine.) Wiener Verzeichn. Tom. 1. S. 487. 

73. Geometra Defoliaria. In der Gegend von Ch a⸗ 


mounix. (Jurine.) Borkh. Naturgeſch. Toms 
V. S. 206. Eſpers Schmetterl. Tom. V. Tab. 
36. Fig. 17. 

73. Geometra Mœniaria. Ebenfalls wie Ne 72. (Ju⸗ 
rine.) Borkh. Naturgeſch. Tom. V. S. 363. 
Eſpers Schmetterl. Tom. V. Tab. 46. Fig. 2 u. 3. 

74. Geometra Coraciata. Wie oben. Iſt es etwa Coare- 
tata? 

75. Geometra Russata. Hält ſich an den naͤmlichen Orten 
wie die obigen auf. (Jurine.) Naturforſcher otes 
Stuͤck. Tab. IV. Phal. Cengum notata. Borkh. 
Naturgeſch. Tom. 5. S. 406. 


56. 77. Geometra Ruptata und Rhomboidaria. An den 


angefuͤhrten Orten. (Jurine.) 

Es befinden ſich auf den Alpen Buͤndens eine nicht ge⸗ 
ringe Anzahl Spanner, die hier nicht bemerkt, ja vielleicht 
noch ganz unbekannt ſind, und die auch in der Alpina nach 
und nach ſollen beſchrieben werden. 


Pyralis. 


78. Pyralis Rupestralis. 
79. Pyralis Rupicolalis. 
80. Pyralis Nigralis. 


Da ich diefe drey Zuͤnsler, die nach Jurine auf dem 
Wege von Ser voz oder Paſſy auf den Col d' Anterne 
und auf der Kalkkette des Buet gefunden werden, beym 
Mangel des Huͤbneriſchen Werks nicht kenne, fo kann ich 
auch nicht ſagen, od ſie in Buͤnden gefunden werden. 


N 
N 
| 
ä 


403 
BMertriz. 


31. Tortrix Gentianeana. 
83. Tortrix Pascuana an Pasquajana. 
33. Tortrix Characterana. 
84. Tortrix Gundiana. 
85. Toxtrix Tesselana an Tesserana. 
86. Tortrix Rugosana. 
87. Tortrix Irrorana. 
88. Tortrix Christianana an Christiernana, 
Alle dieſe Wikler halten ſich in der 8 von Cha⸗ 
mounix nach Jurine auf. 


Fine . 


89. Tinea Musculla an Muscella. 
90. Tinea Pectinella. 
91. Tinea Conchella. 
92. Tinea Mycella. 
63. Tinea Lithospermella.. 
94. Tinea Schlemerella. 
95. Tinea Margaritella. 
No 89 und go fand Jurine auf dem ſogenannten 
Courtil, welcher ſich mitten im Gletſcher des Montan⸗ 
vert befindet; die übrigen Schaben aber in der Gegend 
von Chamounirx. 
Sollte Tinea Muscella wirklich die Bombyx atra, 
Esper Tom. III. Tab. 44. Fig. 7. ſeyn, ſo iſt es doch 
ſonderbar, daß man fie auf Weiden, die 1420 Klafter über 
dem Meer, und in unſern zaͤhmſten Thaͤlern einheimiſch 
findet, 


104 
Alucit a. 


96. Alucita Calodactyla. 
97. Alucita Megadactyla. 

Nach Jurine in den Waͤldern in der Naͤhe der Quelle 
des Arveirons, wo ſich auch eine neue Art mit hellgel⸗ 
bem Bruſtſtuͤck und Hinterleib befindet. 

Ich bin zwar überzeugt , daß verſchiedene der hier an⸗ 
gezeigten Wikler, Schaben und Geiſtchen von mir im Can⸗ 
ton Buͤnden auch ſind gefunden worden, allein da ich ſie 
mit guten Abbildungen nicht vergleichen kann, ſo wage ich 
es noch nicht, es geradezu zu behaupten. 

Noch iſt zu bemerken, daß bei dem bekannten Entos 
mogen, Herrn Wallner in Genf, Sammlungen von 
Schmetterlingen und beſonders von Alpen -Schmetterlin⸗ 
gen um billige Preiſe zu haben ſind. 


Aufzaͤhlung der in Buͤnden bisher entdeckten 
Bergpflanzen, mit Anmerkungen von 
M. Roͤſch in Marſchlins. 


Blitum capitatum , an der Straße gegen den Albula⸗ 
berg. J. Geßner. 

Veronica spuria, hie und da auf den Alpen. Scheuch- 
zer Itin. Alp. 

— ppicata, bei Plurs und 8955 im Veltlin. Pol. 

Auch im Unter⸗Engadin haufig. 

— aphylla, auf dem Spluͤgen. Haller. Auch 
auf dem Calanda und Augſtenberg fand 
ich ſie. 

— bellidioides, auf dem Splügen Haller. 


105 


Veronica alpina, auf den Alpen. S. im Sammler, 
» Chur, 1784. Ster Jahrg. Pol. 

— fruticulosa, ebendaſelbſt. 

Auf der hoͤchſten Hoͤhe des niedrigen Maſtril⸗ 
ſelbergs traf ich fie den 12 Jun. 1802 in ſchoͤn⸗ 
ſter Bluͤthe an. Sie gedeiht mir ſehr gut in der 
Ebene in Toͤpſen, und im Garten. Sie findet 
ſich aber auch auf andern nicht hohen Bergen 
häufig. 

— saxatilis kann ich kaum von der vorigen unter⸗ 
ſcheiden. Ihr vorgeblicher Unterſchied statura 
humilior, flos cæruleus, calyx glaber iſt ſehr 
zufällig, und ſcheint nur von ihrer höheren Lage 
(ich fand fie immer in einer beträchtlichen Hoͤhe) 

1 herzuruͤhren. Verpflanzt gleichen ſich beyde noch 

8 mehr. 
12 longifolia, bei Ems. Pol. 
Gratiola officinalis minima, auf dem Umbrailg. 
(Braulius M.) nach Bauhin. Vulgarem ex 
) alpibus Rhæticis retulit Huber. 
Pinguicula vulgaris iſt auf den Alpen fo gemein, wie 
in der Ebene, 

— alpina, auf allen Bergen auf feuchtem 
Grunde, ſteigt aber nie in die Ebene herab. 

Salvia verticillata, im Unter⸗Engadin, bei Schuld, Pol. 
Circæa alpina, zwiſchen Rhams und Thuſis. H. 

Valeriana tripteris und montana iſt häufig in feuchten 

Vergwaͤldern. 

Crocus vernus flore albo et eœruleo bedeckt ſowohl 

Thal⸗ als Bergwieſen; f. Alpina 1. Bd. S. 72. 

Gladiolus communis, minor, bei Chur. C. Geßner. 
Exiophorum alpinum, auf den Alpen. Pol. 
Fuleum alpinum, bei St. Anthoͤnien. Storr und 
j 9 80 Auf den Alpen. 


106 


Phleum hirsutum, auf dem Berg Tſchiera (Cera in 
Schams.) Sch. 
Milium confertum, in den Waͤldern des vorigen Bergs. H. 
Agrostis calamagrostis, dem Schloß Razins gegenuͤber 
am Weg zum rothen Brunnen. Sch. 
— alpina, auf dem Spluͤgnerberg. Sch. 
Stipa pennata, auf dem Scalettaberg. Geßner. 
Auf dem Calanda. Am Stein. 
— capillata, an den Felſen des Doͤrſchens Rothen 
Brunnen. H. 
Aira montana, auf dem Bernhardiner. Sch. 
Poa alpina, vivipara, auf den Alpen. Pol. Bei St. 
Anthoͤnien. Storr. 
— laxa, bei den Quellen des Hinterrheins. Sut. 
— disticha, auf den Bergen Bernina (Tho⸗ 
mas) und Spluͤgen. Lachenal. 
Festuca ovina, vivipara, auf den Alpen bei Hinter⸗ 
rhein. S. 
— rubra, auf den Bündner-Alpen. Sch. 
— Rheætica, ebendaſelbſt. S ch. Gram. 
—  Spadicea, ex itinere Rhetico. Dick. 
— decumbens, auf dem Berg Tſchera in Schams. 
Sch. 
Bromus arvensis und pinnatus, auf den Alpen. Pol. 
Avena sesquitertia, auf den Alpen. Pol. | 
ui pratensis, an dem Surettaberg in Schams. H. 
— bromoides, bei Splügen. Sch. 8 
— Versicolor, auf dem Suretta- und Vogel⸗ 
berg. Sch. 
Arundo epigejos, am Berg Tſchera bei Andeer. Sch. 
Cynosurus cœruleus, auf den Alpen fehr gemein. Pol. 
Globularia vulgaris, cordifolia und nudicaulis finden 
ſich haͤufig auf Bergen und in der Ebene, oft 
in Geſellſchaft. 


107 


Plantago alpina findet ſich faſt auf allen Alpen und iſt 
ein Beweis von ſehr guter Weide. Man nennt 
ihn hier Ritz. 

Asperula arvensis findet ſich in der Ebene uͤberall haͤufig 
auf Aeckern, fo wie odorata und taurina in Ge⸗ 
hoͤlzen. Ich ſpreche aber hier hauptſaͤchlich, ſo wie 
überhaupt, von der Gegend Chur, + Dörfer 
und Mayenfeld, weil ich diefe am beßten kenne. 

Galium aristatum ' fand Scheuchzer auf den Buͤnd⸗ 


— boreale ner⸗ Alpen. 
— Saxatile, an den Felſen des Augſtenberges 
ob Malans. 


— aparine, flore purpureo, S. 
Alchemilla vulgaris und alpina fand ich auf den Alpen 
0 und erſtere auch in der Ebene oͤſters. 
— pentaphyllea, auf dem Splügnerberg. S. 
Myosotis arvensis, (flore albo, rubello etc. variat) 
iſt hier auch Alppffanze, und unterſcheidet ſich von 
der gemeinen nur durch lebhaftere Farbe und nie⸗ 
drigern Wuchs. 
— lappula, in Buͤnden. H. 
Anchusa italica, bei Chur. H. 
Asperugo procumbens, in Rhætia. H. 
Aretia alpina, auf den Alpen ſehr ſelten. Pol. 15 St. An⸗ 


— helvetica, eben ſo. thoͤnien. 
Storr. 
— vitaliana, auf den St. Anthoͤnier⸗Alpen. 


Amſtein. 
Androsace villosa und lactea findet ſich auf den Alpen 
ſehr Häufig beiſammen; leztere auch flore ru- 
bescente. 
— obtusifolia, auf dem Spluͤgen. H. 
Primula veris iſt in Buͤnden eine wahre Alppflanze , 


108 


denn ich fand fie auf der Höhe des Calanda, 


Augſtenbergs. ꝛic. Aber nicht leicht fin⸗ 


det ſich eine groͤßere Varietaͤt unter den Pri⸗ 
meln als in der Gegend von Marſchlins; 
und man fieht hier ſehr deutlich, daß Primula 
officinalis, elatior und acaulis nur Eine 
Species ausmachen, indem man den Uebergang 
einer Abart in die andere, in das kleinſte De⸗ 
tail verfolgen kann. Die erſte Fruͤhlingsblume 
iſt die Primula veris, acaulis, die ich aber 
lieber grandiflora nennen moͤchte, denn der 
Schaft iſt bey einigen 2 — 3 Zoll lang. Die 
gewohnliche Farbe der großen radfoͤrmigen Blu⸗ 
me iſt blaßgelb, ſeltner ganz weiß. Schon 


hier iſt der Uebergang zur Dolde ſichtbar / 


denn zuweilen findet man einen Blumenſchaft 
in 3 bis 4 kleinere auslaufen, die verhaͤltniß⸗ 
maͤßig ſehr lang, 1 — 2 Zoll, und unten mit 
einer Huͤlle verſehen ſind. Dieſe moͤchte ich die 
erſte Hauptabart von P. veris nennen, bis⸗ 
weilen iſt die Blu menkrone Aſpaltig. Eine 
zweyte gleicht dieſer ſehr, nur ſind die Blumen 
gelber, nur halb ſo groß, und nicht mehr ganz 
radformig ausgebreitet, ohne deßwegen concav 
zu ſeyn. Der Schaft iſt auch hier oft einbluͤ⸗ 
thig, doch gewöhnlicher mit einer unregelmaͤſ⸗ 
ſigen Dolde verſeben, indem die ungleichen 
Blumenſtiele ziemlich lang ſind, und ſtarr em⸗ 
porſtehen. Der Schaft beyder Abartea iſt ziem⸗ 
lich behaart, eben ſo die Blaͤtter auf der un⸗ 
tern Fläche; und hierin unterfcheiden fie ſich 
von P. officinalis. Dieſe zweyte Abart, die 
ſich bis in die Alpen verſteigt, nur daß ſis dort 


109 


regelmaͤßige Dolden bildet, und etwas kleinere, 
mehr blaßgelbe Blumen traͤgt, finde ich in den 
botaniſchen Handbuͤchern nicht, und kann ſie 
daher auch nicht benennen.“) In den hieſi⸗ 
gen Gärten finde ich von beyden Abarten ſchoͤne 
Variationen. Beyde haben karmoſinrothe Bluͤ⸗ 
then, und ſelbſt der Kelch endigt ſich in eine ro⸗ 
the Muͤndung. Die dritte Hauptabart iſt end⸗ 
lich Primula officinalis, welche der gewoͤhn⸗ 
lichen in den Handbuͤchern beſchriebenen ganz 
gleichkoͤmmt. Eine merkwuͤrdige Spielart mit 
dunkelrother Blumenkrone und Kelch wurde 
hier auf den Wieſen gefunden. Primula ino- 
dora oder elatior habe ich hier nie geſehen. 
Der ſpezifiſche Charakter von P. acaulis in 
Suters Flora Helv. Fol. subtus villosis, 
5 pedunculis radicalibus unifloris iſt nicht hin⸗ 
laͤnglich bezeichnend, wie ich oben gezeigt habe. 
Ich wuͤrde ihn etwa alſo bezeichnen: Limbo 
coroll® plano, maximo, caule pubescente, 
foliis subtus villosis. Habitat in umbrosis. 
Primula Farinosa, iſt auf den hohen Alpen fo wie in der 
Ebene an feuchten Orten ſehr gemein. Bis wei⸗ 
; len findet ſich eine Spielart mit weißer Bluͤthe. 
Primula integrifolia iſt auf dem Calanda, Augſten⸗ 
berg ic. ſehr haufig. i 
Primula minima fand ich in Schams binter der 
Bärenburg beim Eingang in die Rofa, und 
in Fereina bei Kloſters. In Anſehung beider 
ſ. Alpina 1. B. S. 73. Pol fand ſie auf dem 
Umbdrailg. 


) Sie iſt der wahre Uebergang von P. acaulis zu P. off 
«inalis, 


416 


Primula Auricula iſt wie überall, fo auch hier, an 
Kalk- und Schieferfelſen ſehr gemein. An den 
trockenen Felswaͤnden erreicht ſie oft eine Voll⸗ 
kommenheit, die bewundernswurdig iſt. So 
fand ich an einem einzigen Schaft 28 Blumen⸗ 
ftiele, 

Soldanella alpina iſt die gemeinſte Alppflanze, fo bald der 
Schnee ſchmilzt. 

Cyclamen europæum wächst haufig in dem Wald der St. 
Luzienſteig. Zwiſchen Malans und Je⸗ 
nins. Am Stein. 

Menyanthes trifoliata auf naſſen Bergwieſen hinter dem 
Dorfe Sewis gegen Malans. Sonſt habe 
ich ſie noch nie geſehen. 

Azalea procumbens bedeckt ganze Strecken mit feinem 
Zwerggeſtaͤude. Der Augſtenberg, der ohnehin 
ſehr pflanzenreich iſt, hat auch ihrer in Menge. 
Anderswo iſt fie nicht ſehr haufig. 


Polemonium cœruleum, habe ich einmal gefunden 


auf den Wieſen von Hinter ferrera in 
Schams. Herr Pfarrer Pol in Luzein fand ſie 
an dem Umbrailg bei Worms, und im Un⸗ 
terengadin im Tobel Tasna. Suter giebt ſie 


in Albul Descensu versus Bergun, und 


in descensu Speluge an. Man hat hier in 
den Gärten eine Variation mit weißer Bluͤthe. 

Datura Stramonium im Domleſchg bei Rotels und Fuͤr⸗ 
ſtenau. Am Stein. 


Campanula pusilla, Flore cœr uleo und albo in der Ebe⸗ 1 


ne an Felſen und auf Bergen. 


1 cervicaria iſt hier nicht gemein. Auf dem 
Bergrücken des Falkniß fand ich fie, und auf 


Caſanna ob Conters. 


111 


Campanula thyrsoidea , auf der Höhe von Fondey ſah 
ich ſie. 
* barbata, Flore cæsio et albo häufig auf Berg» 
wieſen. Letztere ſeltener. 
Phytevma pauciflora, auf den Alpen. Pol. 


— Scheuchzeri, an den Felſen der Via Mala, 
auf dem Spluͤgen. Sch. 
— hemisphœerica, Flore cyaneo ziemlich häufig. 


Auf den Alpen des Thals Sartig auf Davos 
iſt ſie nebſt Ph. orbicularis zu finden. Flore 
albo, auf dem Spluͤgen. Sch. 


— ovata, zwiſchen Lenz und Brienz. H. 
Lonicera alpigena in dem Bergwald gegen Valzeina 
ob Marſchlins. 


Rhamnus saxatilis zwiſchen Chur und Ems. S. f 

Thesium alpinum, zwiſchen Gruͤſch und Schiers im 
Praͤtigaͤu. 

Gentiana lutea auf Bergwieſen. Sie werden hier Weiß 
Enzen genannt, und zu Branntwein be— 
nutzt. 

Ei purpurea ſah ich einmal zu hinterſt in Savien 
in großer Menge. Hacquet in Val del Feen. 

— pounctata, auf dem Augſten⸗ und Stril⸗ 

g ſerberg. Man nennt dieſe Rothenzen, 

und graͤbt ſie zum Branntweinbrennen, ſo daß 
man ihrer wenige mehr findet. 

— acsclepiadea, haufig auf niedrigen Anhöhen, 
z. B. auf Gravadura bei Gruͤſch. 
verna et acaulis, oder vielmehr grandiflora 
find fat immer in Ge ſellſchaft und auf kleinen 
Anhoͤhen, und oft ſelbſt in der Ebene. 

— utriculosa auf dem Spluͤgen. In Val de! 
Feen. Hacquet. 


112 


Gentiana bavariea, auf Bergwieſen. 

— nivalis fand ich zweymal, nemlich auf den 
Alpen des Falkniß und der Sceſa plaea. 

Herniaria glabra zwiſchen Kazi und Thuſis beim Sil⸗ 
ferfee und Sylvaplana. Sch. 4 

Astrantia major, auf den Bergwieſen ob Malans. 

ur Minor, auf dem Splügen. 9 

Eryngium alpinum, auf den Fidriſer Heuber gen. Am St. 

Bupleurum ranunculoides, in Buͤnden, und auf dem 
Freelberg bei Worms. Dick, 

Athamanta oreoselinum, in Monte Maloja. Sch. 

Laserpitium chironium, bei Diſent is. S. 

Heracleum angustifolium, auf den Bündner » Alpen. H. 

Ligusticum peloponnense auf den Pu ſchlafer Ber⸗ 
gen. J. B. Auf der Alp Gargela Bm Fer 
munt. Pol. 

4 verticillaris, bei Thuſis. Seis 

Phellandrium mutellina bei den Alphaͤuſern des Thals 
Sartig ſo haͤuſig, daß eine ganze Wieſe damit 
bedeckt iſt. 

Imperätoria ostruthium auf den Alpen. Pol. Auf den 
Bergen Maloja und Spluͤgen. H. 

Seseli montanum bei Bonaduz. Pol. 

Sambucus nigra baccis albis, im Domleſchg. Pol. 
Am Stein. 

Tamarix germanica, an dem Ufer der Landquart. 
außerhalb der Schloßbruͤcke haufig, Iſt aber 
keine Bergpfanze. 

Parnassia palustris, ungemein haufig auf naſſem oder. 
feuchtem Grunde im Thal, und auf den Alpen. 

Sibbaldia procumbens, auf dem Augſtenberg ziem⸗ 
lich häufig. Auf dem Splügen. ©. 

Galanthus nivalis habe ich hier nur auf den Alpen ge 
funden, und auch nur einmal im Schalfik, 


113 


Levcojum vernum wächst in Marſchlins in einem 
Lindenwaͤldchen, und blüht ſchon im Februar. 

Narcissus poëticus iſt ungemein häufig auf der Mittags⸗ 

ſeite des Augſtendergs. Bisweilen ſieht 
man auch eine in der Ebene auf fettem Grunde. 

ER pseudonarcissus, auf den Wieſen beim Ro⸗ 

then Brunnen. f 
Allium victorialis, auf den Alpen. Pol. 
Auf dem rothen Horn ob Brienz. S. 
— carinatum, zwiſchen Chur, Ems und Thu⸗ 
ſis. H. 
er angulosum, auf Hohenrhäzien. Sch. und 
im Unterengadin bei Sent. Pol. 

* schænoprasum, auf den Seewiſer-⸗Alpen. 

Lilium bulbiferum, an den öftlichen Felſen von Mar ſch⸗ 
lins. Variatio minor in Rhætiæ rupibus, 
S. iſt wohl nur dem magern Grunde zuzu⸗ 

ſchreiben. 

Ornithogalum luteum in der Ebne in Baumgarten und 
auf den Alpen, als: auf dem Augſtenderg 
und Calanda. 

Noch erinnere ich mich eines Ornithogalum, das ich auf 

dem Augſtenberg hie und da fand. Die Blumenblaͤt⸗ 

ter waren weiß, und hatten auswendig braune Streifen. 

Der Blätter waren zwey fadenfoͤrmig. Das Aeußere der 

Pflanze war ſehr ſchmaͤchtig. Ich werde aber an Ort und 

Stelle, ſo bald Gelegenheit iſt, genauer nachſehen. 

Asphodelus luteus, auf dem Freelberg bei Worms. S. 

Anchericum serotinum, auf den Alpen. Pol. 

Auf dem Splügen. C. B. 

— liliastrum, auf den Emſer Mayenſaͤßen. 
Asparagus officinalis, in Rhætia. S. 4 
Convallaria verticillata, auf dem Valzeinerberg 

ar Dh 


114 


Convallaria polygonatum an dem Valzeinerfelſen 
ob Marſchlins. i 
Hyacinthus botrioides, in Marſchlins und Malans 

in großer Menge. 

Juncus triglumis auf dem Bernhardiner- Berg. J. 

Geßner. 5 
— spadiceus, an den Quellen des Hinter⸗ 
theins, auf dem Bernhardiner⸗Berg und 

den Schamſer-Alpen. Sch. 


— luteus, auf dem Vogelberg, und in der 
. Via Mala. Sch. 
— niveus, in der Via Mala, und auf dem 


Spluͤgen. Sch. 
Rumex scutatus, var. fol, macul, im Bergell. 
Scheuchzer. b 
— digynus bey dem Fermunt. Pol. Var. junior 
auf dem Splügen ©. 
ur acetosella minima auf den Alpen. 
er acetosa maxima am Fuß des Spluͤgen. — 
Epilobium angustifolium, flore albo bey Kloſters. 
EN angustissimum auf dem Augſtenberg bey 
dem Dorf Spluͤgen. H. 
Vaccinium myrtillus, auf zahmen Alpen. 
— uliginosum, bey St. Anthoͤnien. Storr. 
— oxycoccos, auf dem Trilſerberg und ge⸗ 
wohnlich auch ein Begleiter des vorigen. 
Erica vulgaris ift hier eine Bergpflanze, und herbacea 
f dagegen an den Hügeln der Ebene, beſonders 
beym Eingang ins Praͤtigaͤu. 
Daphne alpina, auf dem Bruͤhl zwiſchen Ems und 
| Reichenau. Diek. f 
— cneorum, auf dem Calanda, Augſten⸗ 
berg, und andern Alpen ſehr haͤufig. 


— 


8 a 11 


Polygonum bistorta ungemein häufig auf den Wieſen von 
Davos, Oberengadin, Stalla. 
Pyrola uuiflora, in dem Wald ob Marſchlins ziemlich 
haͤuſig. \ 
Rhododendron ferrugineum auf allen Alpen. Flore 
7 albo auf der Zizerſer Alp Sat tel. 
— hirsutum iſt auch ziemlich haufig auf höheren 
Alpen. 
Arbutus uva ursi; auf den Alpen. Pol. 
ö 2 885 cotyledon, überall an Felſen, als: ob Marſch⸗ 
lins, bei der Schloßbruck.“ 
a aizoon auch ziemlich haufig bey BAUR in 
Mi ſox. H. 
— androsacea auf Ca ſanna im Praͤtigaͤu. 
* cæsia, eben daſelbſt. 
1 burseriana in Bünden. Ebel Anl. d. Schweiz 
zu bereifen, 
— bryoides, daſelbſt und auf dem Augſtenberg. 
— stellaris, an den Baͤchen auf den Alpen. 
u oppositifolia, bey der Schloßbruck am 
a Eingang ins Praͤtigaͤu, und auf hohen Alpen: 
— aspera auf dem Septmer und am Silſerſee. H. 
a autumnalis, auf Safanna im Praͤtigaͤu. 
. rotundifolia an feuchten Orten der Alpen; 
— muscoides auf Ca ſanna. 
ee czspitosa, auf den Alpen. Pol. 
. hypnoides, auf dem Splügen. H. 
— sedoides, auf den Alpen. Pol. 
Bl umbrosa, in der Rofa in Schams. Pol. 
Gypsophila, fastigiata, auf der Scesa plana im Praͤti⸗ 
gaͤu. — Scheuchzer giebt fie auch auf dem 
Septmer an. 
Dianthus Carthusianorum , an det Straße von Trend 
| nach Diſentis. 


116 


Dianthus caryophyHus, an den Felſen ob Marfchlins, 
und neben jver Landſtraße zwiſchen der obern 
Zollbrück und Zizers. Suter hat fie nicht. 

— deltoides auf den Wieſen bey Kloſters. 

— plumarius, auf den Heubergen von Unter, 
vatz. 

— superbus am Wege über den Bernhardiner, 
berg gegen Rheinwald. Scheuchzer. Flore albo 
in Maloja. Sch. N 

Dianthus alpinus, Squamis calicinis omnibus tubum 
zquansibus. Auf dem Umbrailg. Pol. 

Silene armerira fand Pol bey Caſtion im Veltlin. 

— rupestris, auf den Alpen. Pol. Bei St. An⸗ 
thoͤnie n. Storr. 

— acaulis, flore rubro, auf dem Calanda, Aug⸗ 
ſtenberg u. ſ. w. flore albo, auf der todten 
Alp bei der Scesa plana. 

Arenaria biflora, auf dem Septmerberg. S. Im 
Unterengadin. Pol. 

— polygonoides, auf den Seewiſer- Alpen im 
Praͤtigaͤu. 

— laricifolia, beym Silſerſee. H. 

per cespitosa S. saxatilis, auf den Alpen und bei 
St. Anthoͤnien. Pol. 

— austriaca, auf Ca ſanna im Praͤtigaͤu. 

Cherleria sedoides, auf den Alpen, aber ſelten. Pol. 
Auf dem Umbrailg. 

Sedum atratum, auf dem Splügen. H. 

Agrostema flos Jovis, in Buͤndten. B. Im Unteren⸗ 
gadin unter der Roggen⸗ Saat. 

Lychnis flos Cuculi, auf Davos ſehr haͤufig in der hie⸗ 
ſigen Gegend ſah ich ſie noch nicht. 

— visearia, bey Soazza in Miſox. Dick. 


+ 
ı 


117 


Cerastium alpinum, auf der Scesa plana. 
— latifolium, eben daſelbſt. 
Beyde Arten fand auch Pol auf den Buͤndner Alpen. 
— manticum, in Bündten Dick. 
— repens im Unterengadin an ſteinigten Or 
ten. Pol. 

Spergula sagineides, auf dem Splügen. H. 

Euphorbia, foliis amplexicaulibus o vatolanceolatis 
integerrimis. Ich fand dieſe mir unbekannte 
Art auf der Mittagsſeite des Augſtenbergs. 

Sempervivum arachnoideum, auf dem Calanda. 

— montanum, ebendaſelbſt, und ſonſt auf den Al⸗ 
pen ziemlich haͤufig. Im Oberengadin bei 
Pont. H. 

Cratægus ox yacantha, arborescens, bey Chur und im, 
Vogelſang. Am Stein. 

Mespilus chamæmespilus, haͤngt beym Eingang ins 
Praͤtigaͤu an den Felſen, und auch ſonſt ges 
mein. 

—  amelanchier, zwiſchen Thuſis und Chur. H. 

Rosa alpina, auf den Seewieſer-Alpen. 

Rubus saxatilis in subalpinis passim, Hundshoͤdlein 

. appellant. Am Stein. 

Potentilla rupestris, in der Gegend von Diſentis. 

— alba, auf dem Weg von Malans zur Schloßbruͤ. 
cke gegen das Praͤtigau. In einen Garten verſetzt 
wuchert ſie ungemein um ſich, gleich dem Un⸗ 
kraut. 

— aurea, auf den Alpen. Pol. Bei St. Anthoͤ⸗ 

5 nien. Storr. 

— grandiflora, beym Silſer⸗See. S. Auch 

a auf andern Alpen, z. B. in Savien. Sie ge⸗ 

deiht im Garten vortrefflich. 


418 


Geum montanum, in Valzeina und andern Bergge⸗ 
genden häufig. 
— reptans auf den Alpen über Jenatz im ar 
tigaͤu. 
Dryas octopetala, auf allen niedern Alpen ſehr baußg 
Papaver alpinum, auf Ca ſanna im Oberengadin. 
Sonſt ſelten. Suter giebt ihn einzig dem Pis 
latus. Pol. 
Cistus œlandicus, auf den Alpen. Pol. 
Aconitum Iycoctonum, auf allen niedrigen Bergen. 
— cammarum und napellus, auf den Alpen um 
die Huͤtten herum ſehr gemein. 
— anthora, auf den Bündner: Alpen. Lo bel. 
Aquilegia alpina, auf der hoͤchſten Spitze des Stril⸗ 
ſerbergs. 
Anemone vernalis, in Valzeina, auf den Uher 
Heubergen, auf dem Augſtenberg ic. 
ds pulsatilla, neben der Landſtraße von der obern 
Zollbrüuͤcke nach Zizers, auf einem trockenen 
Hügel ſehr haufig, Sonſt habe ich fie nicht ge⸗ 
ſehen. 
— alpina und apiifolia auf dem Augſtenberg und 
auf den Vatzer Heubergen neben einander. 
. narcissiflora, auf den niedern Bergen häufig. 
Atragene alpina, auf den Muͤnſterthaler- Bergen, 
auf den Bergen gegen dem Al bula zu. J. Geß⸗ 
ner. Auf den Felſen des Bergs Tſchera ob Ana 
der. Joh. Sch. Bew Luzein. Storr. 
Clematis flammula, in Bünden. Bau hin. 
Thalictrum aquilegifolium, auf den Seewieſen bei See⸗ 
wis im Praͤtigaͤu. - 
Adonis æstivalis, im Unterengadin in den Kornfels 


* 


119 


dern bey Haldenſtein. Pol. Var. flore mi- 
niato. Am Stein. 
Ranuneulus pyrenaicus , auf dem Umbrailg. Pol.) 
Auf dem Bernina. H. 
— rutrfolius, auf dem Septmerberg. 9. 
eo glacialis auf der Schamſeralp. Arofa. 
— nivalis, auf allen Alpen häufig. 
— alpestris, auf den Alpen ſehr gemein. 
Gedeiht auch im Garten vortreſlich, und bluͤht 
ſchon im April. 
Trollius Europæus, auf allen Bergwieſen ſehr gemein, 
Ajuga alpina auf den Bündner» Alpen. H. . 
Teucrium montanum, auf Bergwieſen. Pol. 
Thymus Serpyllum, foliis latioribus subhirsutis, 
auf den Buͤndner Alpen gegen Italien. Scheuch⸗ 
1 
— alpinus, auf den Alpen. Pol. 
Melissa, floribus verticillatis, verticillis sexfloris 
saturate cœruleis, foliis petiolatis, cordatis, 
obtusis crenatis, rugosis, auf dem Umbra⸗ 
il g. Pol. 
Horminum pyrenaicum, auf dem Wormſer Joch 
5 ober Umbrailg. Schleicher. 8 
Bartsia alpina, auf den Alpen ſehr gemein. 
Tozzia alpina, in Balzeina, und auf der Flaͤſcher Al v. 
Pedicularis rostrata, auf den Alpen. 9 ol. Auf dem S p luͤ⸗ 
gen. H. 
— Verticillata, auf den Alpen. In Savien im 
1 Thal. Pol. 
Er beſchreibt ihn fo: R. Foliis simplieibus Janceolato - 
linearibus amplexicaulibus , caule subbilloro erecto. Ca» 
r luteo coloratus corolla alba. 


120 


* 


Pedicularis recutita, ebenfalls. Auch auf dem Augſten⸗ 
‚ berg. N - 
— flammea, auf dem Augſtenberg hie und da, 
— foliosa, auf niedrigen Alpen ſehr gemein. 
— tuberosa, auf den Alpen. In Savien im 
Thal. Pol. 

Antirrhinum alpinum, auf dem Calanda, Au gſten⸗ 
berg ic. ſteigt bis in die Ebene herab, z. B. an 
den Ufern der Landquart, verliert aber ſtine 
lebhafte Farbe. 

Digitalis purpurea, bey Chur. C. Geßner. 

Linnæa borealis, in dichten ſchattigen Waͤldern, z. B. 
zwiſchen Andeer und Ferrera in Schams, 
auf Davos hinter Monſtein gegen Jennisberg. 
Daß fie auf dem Calanda zu finden ſey, wie Sw 
ter ſagt, daran zweifle ich ſehr, denn der Ca⸗ 
landa beſteht meiſt aus Alpen, und auf Alpen 
wohnt ſie nicht. N 

Orobanche ramosa, flor. albidis, in Untervatz. A m 
Stein. 

Myagrum sativum, var. fol. glabr. profunde dentatis, 
auf dem Spluͤgen. H. 

2. saxatile, auf dem Septmerberg. Sch. 

Draba aizoides, dieſes niedliche Raſengewaͤchs belebt durch 
ſein lebhaftes Gelb faſt die meiſten Alpen. Z. B. 
die Vager-Alpen am Calanda, den Aug⸗ 
ſtenderg te. 

— ciliaris, auf Caſanna im Praͤtigaͤu. 
— dubia, auf dem Spluͤgen. S. 

Lepidium alpinum, iſt ſehr gemein auf den Alpen. 

Thlaspi saxatile, auf den Alpen. Pol. 

EL alpestre, auf dem Bernina. H. 

Cochlearla coronopus, auf dem Umbrailg. Pol. 


121 


Iberis rotundifolia, auf dem Calanda. H. Auf Seig⸗ 
nee. Sch. 

Biscutella didyma, in der Gegend der Fermunts. In 
Savien im Thal. Pol. 

Lunaria rediviva, auf dem Calanda. Fabricius. 

— annyvua, in der Gegend von Chur. Bauhin. 

Dentaria, foliis supremis ternis longe petiolatis, pin- 
natis, foliolis septenis, octonis, novenis 
denis ; caule simplici; petalis, calycibusque 
albidis. Ich fand diefe merkwürdige Art einzig 
oberhalb der Schloßbruck in der Clus, die 
ins Prätigaͤu fuͤhrt, in einem Buchenwald; ſie 

. blüht Anfangs Aprils. Blumen und Blätter 
kommen zugleich hervor. Die Wurzel liegt wa⸗ 
gerecht im Boden, und iſt glaͤnzend weiß. Weil 

. ich keine bekannte Art in den botanifchen Hand⸗ 
büchern beſchrieben fand, die der meinigen gegli⸗ 

chen haͤtte, fo konnte ich ihr auch keinen ſpeziſi⸗ 
ſchen Beynamen geben, und feste deshalb ihre 
Beſchreibung bey. 

Cardamine bellidifolia, auf den Alpen. Pol. 

— resedifolia, auf dem Splügen, und bey den 
Quellen des Hinterrheins. Sch. 

— impatiens, in hieſiger Gegend unter dem Schloß 
Falkenſtein bey Igis haufig. 

Arabis alpina findet ſich bey der Schloß brücke am 
ufer der Landquart. 

— bellidifolia, auf dem Augſtenberg. Laͤßt 
ſich gut verpflanzen, und gedeiht auch in der Ebe⸗ 
ne ſehr wohl. 

Brassica erucastrum, in der Via Mala, und zwiſchen 

Thur und Ems. H. 
Spartium scoparium , im Bergell. Am Stein. 


122 


Orobus luteus, auf den Alpen bey St. Anthoͤn ien. Pol. 

Vicia cracca, alpina odorata, am Silſer-See. Sch⸗ 

Colutea arborescens, zwiſchen Reichenau und Tam ins 
in einem Haag. a 

Phaca frigida, bey St. Moriz im Oberengadin, 
Huber. 

— alpina, auf den Alpen. Pol. 

Astragalus montanus, auf dem Calanda und Au g⸗ 
ſten berg. 

— aupinus, auf dem Calanda. Auf den Alpen. Pol. 

— uralensis, auf dem Umbrailg. Pol. 

— campestris, auf den Alpen. Pol. ö 

— monspessulanus, zwiſchen Chur und Thuſis. 
S. Bey Ems. Pol. ſo wie A. pilosus. 
onobrychis, im Unterengadin. Pol. 

— pailosus, zwiſchen Thuſis und Chur. H. 

Trifolium alpinum, auf bem Splügen. 9. Auf den 
Alpen. Pol. 

2 rubens, bey Chur. H. 

Coronilla minima, auf den Alpen. Pol. 

Hedysarum alpinum, auf den Alpen. Pol. Auf dem 
Albula. S. N 

— obscurum, auf dem Albula. Sch. 

Medicago polymorpha, auf Bergwaiden. Pol. 

Galega officinalis, bey Luzein. Storr. 

Lotus dorycnium, waͤchst neben der Landſtraße oberhalb 
der obern Zollbruͤcke, nicht weit von Anemone 
pulsatilla, auf einem trockenen Kies- Huͤgel. 
Sonſt habe ich ihn nicht geſehen. Herr D. Am 
Stein ſah ihn bey Malans und Pol bey Flaͤſch. 

Sonchus alpinus, auf den Alpen. Pol. Bey Alvenen. 
J. Geßner. 


* 


123 


Lactuca scariola , in Buͤndten. ©. 

Apargia aurea, auf den Alpen ſehr haufig. Iſt für das 
Vieh ein ſehr milchreiches Futter. 

Hieracium alpinum, auf den Alpen. Pol. Auf dem 
Splügen H. In Savien im Thal. Pol. 

— pouilosella, auf den Bündner ⸗ Alpen. ©. 

cymosum, auf den Alpen. Pol. 

— aurxrantiacum, auf den Alpen. Pol. Bey dem 

Dorfhen Inf in Avers. Sch. 

staticifolium, auf dem Spluͤgen und am 

Rhein gegen Chur. H. a 

— Jaqquini, auf dem Fraͤlaberg. Dick. 

— bdlattarioides, auf den Alpen. Pol. 

— intybaceum, auf dem Albula Sch. 


spicatum, auf dem Spluͤgen. S. 
villosum iſt auf den Alpen haͤuſtg. 

Crepis foetida, bey Hinterrhein. Schinz. 
Andryala lanata, auf den Alpen des Fermunts. Port. 
und ſonſt auf den Buͤndner Alpen. Sch. 
Hypochoeris maculata, auf dem Maloja. Bey Weiſ⸗ 

ſenſtein und Malix. Huber. 
— uniflora, auf dem Splügen, S. 
Arctium personata, in Val del Feen, Hacquet. 
Serratula alpina, auf den Bergeller⸗ und Averſer⸗ 
Alpen. Sch. Auf dem Bernina. Dick. Im 
Unterengadin im Tobel Taſna und auf dem 
Futſchelberg. Pol. 
Carduus crispus, flore albo, im Schein zwiſchen Silt 
und Tiefenkaſten. Sch. 
— blelenioides, auf dem Bernina. H. 
— acaulis, auf den Alpen. Pol. 
Cnicus spinositsimus, auf dem Splügen. H. 


134 


O nopordum acanthium, flore albo, im Schein. 
Carlina vulgaris, var. A bey Soglio im 
Bergell. Sch. 
— acaulis, auf den Alpen. Pol. 
Cacalia tomentosa, auf den Bundner-Alpen. Sch. 
— alpina, in Savlen bey der neuen Kirche. 
Chrysocoma linosyris, zwiſchen Chur und Ems. Am 
Stein. 5 4 
Tanacetum vulgare, auf den hoͤchſten Bündner » Al“ 
pen. Sch. 
Artemisia glacialis, auf der Schamſer⸗Alp Aroſa, 
Samnaun im Unterengadin, beim Fer munt. 
er rupestris, beyhm Fermunt. Pol. 

— pontica, auf dem Piz Beverin. Schinz. 

Gnaphalium alpinum, auf den Alpen. Bo N Auf dem 
Splügen. H. 

— supinum, auf dem e ee ©; 

Erigeron alpinum, flore albo, auf dem Spluͤgen. H. 

— uniflorum, auf dem Calanda und andern Ber 
gen. 

Tussilago alba, und 8 auf den Seewieſen ber 
Seewis. 
5 alpina, auf den Alpen ſehr gewöhnlich. 
Senecio incanus, auf den Alpen. Pol. Auf den Alpen 
von Bergell Avers, Scheuchzer. Auf dem 
Bernina. H. 

— abrotanifolius, in Val Fidriga by Caſanna 
im Oberengadin. Sehr ſelten. Nur im Unter⸗ 
engadin nicht. Pol. 

— gsaracenicus, auf den Alpen. Pol. 

— doronicum, auf dem Albula und Um bra⸗ 
il g. H. 

Aster alpinus, auf dem Calanda und andern Alpen. 


u N 12⁵ 
Aster amellus, bey Sent im Unterengadin. Pol. 
Und bey der untern Zollbruͤcke am Rhein. 
Am Stein. 
Cineraria cordifolia, auf dem Splügen. H. Auch 
ſonſt um die Alphuͤtten herum ſehr gemein. Man 
- nennt ſie hier Blutzen. 


Arnica montana, auf niedern Bergen, z. B. in Val⸗ 
zein a. 

— scorpioides, auf dem Splügen. 9. 

3 doronicum, auf den Alpen oberhalb Jenatz 
im Pratigau. 

Doronicum, pardalianches, auf den Alpen. Pol. Auf 
Pas über Mayenfeld. Am Stein. 

Chrysanthemum Halleri, auf den Bündner» Alpen. 
Sch. 5 | 

— alpinum, auf dem Calanda und Augſten— 
berg. 

— atratum, auf dem Augſtenberg und andern 
Alpen. Auch Pol merkt ſie an, ſo wie die vo⸗ 
rige. 

Achillea macrophylla, auf dem Spluͤgen. H. Auf 
dem Aldula. Huber. In der Alp Lauben 
zug in Valzein. Am Stein. 

— atrata, auf den Bergen um die Scesa plana. 
auf den Alpen. Pol. 

— moschata, ebendaſelbſt. Auf dem Spluͤgen. 
H. Umbrailg, J. Geßner. Bernina R. 
Dick. Und im Bergell Sch. Im Unterenga⸗ 
din. Pol. 8 

— nana, auf der Schamſer⸗Alp. Aro ſa. Auf 
den Alpen. Pol. 

— a nacetifolia, auf den Wieſen um Chur. C. B. 


126 5 
Gentaurea phrygia, im Rheinwaldthal, Sch. Bey Vals, 
J. G. und auf dem Piz Beverin. Schin z. 
— uniflora, auf dem Bernhardinerberg. Pol⸗ 
— montana, auf den meiſten Bergwieſen. 
— zuapontica, auf den Alpen. Pol. Auf dem 
Calanda Fabricius; Splügen, J. Geßner; 
im Bergell und Avers. Sch. Idem ibidem 
invenit varietatem acaulon. En 
— caineraria, im Unterengadin an Wege n. Pol. 
Filago leontopodium, auf dem Albula, Splügen, 
Bernina in Avers. H. 
Viola pinnata, auf dem Wormſerjoch ( Umbrailg). H. 
— palustris, auf dem Aug ſtenberg. Auf dem 
Bernina. H. N 
— grandiflora, auf dem Calanda, Augſtenberg 
und den meiſten Alpen, bisweilen flore albo, 
— . calcarata, auf den Alpen. Pol. Auf dem Sept⸗ 
mer und Tſchera in Schams. S. 
— biflora, auf den meiſten Bergen im Gebuͤſch. 
Impatiens noli tangere, oberhalb der Schloßbruck 
gegen Valzeina. 
Orchis odoratissima, iſt auf nicht ſehr hohen Bergen 
ſehr gewöhnlich , flore puniceo und eroceo, 
Satyrium nigrum, auf den Alpen. Pol. 
Ophrys myodes, in Val del Feen, Hacquet. 
Cypripedium calceolus, in dem Wald ob Ma uſch⸗ 
ling, und in Valzeina. 
Zannichellia palustris, oberhalb Chur. H. 
Typha angustifolia, bey der untern Zollbrück. Am 
Stein. 
Carex juncifolia, auf den Bergwieſen in Scha ms. Sch. 
— foetida, auf den Bündner» Alpen; auf dem 
Bernhardin. Sch. 


127 


Carex tripartita, auf dem Vogelberg. Sch. 


— 
— 
— 


—— 


globularis, auf dem Surettaberg in 
Schams; auf dem Vogelberg. Sch. 
fusca , auf dem Splügen. H. 

alpina, auf dem S. Bernardinerberg. Sch. 
atrata, auf den Alpen. Pol. 

ferruginea, auf dem Tſcher a in Schams. H. 


Betula viridis, auf der Höhe vom Sais und Valzei— 


na, Von dieſer Staude iſt ein eigener Provinzial: 
Aus druck hergenommen. Man nennt nämlich Dies 
jenige Gegend, wo die Alpen ob dem Holz an 


die Holzregion graͤnzen, zwiſchen Troß und 


Waid. Dieſes Troß oder B. veridis iſt auf 
mehreren Bergen die hoͤchſte oder letzte Staude. 
Auf den Seewiſer⸗Alpen im Praͤtigaͤu machen 
ſich Pinus montana und unſere Betula den 


Rang der Höhe ſtreitig. 


Pinus montana iſt gewöhnlich mit vorigem das lezte Ge: 


hoͤlz auf denjenigen Alpen, wo die Pinus cem- 
bra nicht wächst, 

rubra, bei St. Bernhardin in Miſox. Sch, 
Bei Sils im Engadin. Huber. 

cembra, im Ober⸗Engadin ſehr haufig. 
Ferner im Scarlthal im Unter⸗ Engadin in 
Avers, in den Praͤtigaͤuer⸗Alpen. 

larix, der lezte Baum auf den Alpen wo obige 
Pinus nicht wachſen. Steigt aber auch in die 
Ebenen herab. 


Salix myrsinites, auf den Alpen. Pol. 


— 


herbacea, auf dem Septmer und Splu⸗ 
gen. Pol. 

reticulata, auf den Alpen ſehr gewohnlich, z. B. 
auf dem Calanda, Augſtenberg ic. 


428 


Salix alpina, auf den Seewifer- Alpen im Praͤtigaͤu. 
— arenaria, auf dem Albula. Huber. 
— incubacea, auf den Alpen. Pol. 
— Lapponum, auf dem Albula. Huber. 
Juniperus sabina, alpina, auf den Seewiſer⸗Alpen. 
Im Ferrerathal bei Canicuͤl. Amſtein. 
Taxus baccata, im Ganeyer⸗Bad hinter Seewis, in 
St. Anthoͤnien ic. | 
Andropogon Gryllus, an der füdlichen Graͤnze des Mi⸗ 
ſoxerthals. Sch. 
Osmunda lunaria, auf den Alpen. Pol. 
— crispa, auf dem Splügen. H. 
Asplenium adianthum nigrum, bei Chur. H. 


Polypodium vulgare, varietas minor, bei Cultura 


im Bergell. Sch. 
Lycopodium Selago, auf dem Spluͤgen, Albula. 9. 
In Buͤnden hin und wieder. Amſtein. 
era helveticum, auf dem Splügen, zwifchen Thu⸗ 
ſis und der Via mala. H. 
— annotinum, zwiſchen Spluͤgen und Schams. H. 
tz" re auf der Zizerfer- Alp Sattel. Am⸗ 
ein. f 
Bryum Aa 9 auf dem Splügen und Da 
oja. 
Jungermannia complanata, im Luzeiner⸗Walp. Storr. 
Lichen cornutus, var. ramos, tect. polline niveo, in 
Flims, Splügen. H. 
— paschalis, auf Splügen. Sch. Auf dem Bor 
gelberg. J. Geßner. 


eg vulpinus, auf dem Spluͤgen und Vogel⸗ 
berg. H. 


— croceus, auf dem Splügen. Dick. 


AR ro Hall. 2027. zwiſchen Reichen au und 
hur. n 


. 42% 


Die Vedeutung der Anfangsbuchſtaden iſt dieſe: H. 
Haller. S. Suter. Sch. Scheuchzer. N 

Und nun wäre das fo ziemlich vollfiandige Verzeichniß 
der bisher in Buͤnden gefundenen Bergofanzen und einis 
ger andern botaniſchen Merkwuͤrdigkeiten geendigt. Von Ein⸗ 
wohnern iſt, wie man ſieht, wenig geſchehen; um fo ins 
tereſſanter find die Entdeckungen des um Buͤnden überhaupt 
hochverdienten, verſtorbenen Herrn D. Amſtein's, und 
die botaniſche Ausbeute der naturhiſtoriſchen kleinen Reiſen 
des Herrn Pfarrer Pol in Luzein, des einzigen botani⸗ 
ſchen Schriftſteüers, der geborner Bündner iſt, und dieſe 
Wiſſenſchaft von Jugend an leidenſchaftlich geliebt hat. 
Seine Bemerkungen über die Alpenſſora im sten Jahrgang 
des alten Sammlers 1784, der nie in den Buchhandel ges 
kommen iſt, find hier vorzüglich benuzt. Einige Kleinigs 
keiten ſind auch von mir hinzugethan worden, die ich hin 
und wieder auf meinen kleinen Alpreiſen zu bemerken Ges 
legenheit hatte. Der kuͤnftige Botaniker hat, wie man ſieht, 
in Buͤnden noch ein weites Feld vor ſich, und kann noch 
manche ſchoͤne Entdeckung machen. Ob er etwas Neues 
gefunden habe, wird ihm vorſtehendes Verzeichniß ſagen; 
und ſo moͤchte es einſtweilen zur Baſis einer kuͤnftigen 
Flora Rhætica dienen. 


ay Bi. 7 


* 


130 
Ueber die Gemſenjagd in der Schweiz. 


Von Pfarrer Steinmuͤller. 


Man mag die Alpen in allgemeiner orographiſcher, oder 
in geologiſcher, in phyſikaliſcher und naturhiſtoriſcher, oder 
in pittoresker Hinſicht betrachten, — jede dieſer Arten von 
Betrachtungen und Beſchreibungen wird ihre Freunde und 
Liebhaber finden. Aber die mehrſte Aufmerkſamkeit zieht 
unſtreitig der Sittenmahler auf ſich, der die ſtille Exi⸗ 


ſtenz des Bergbewohners mit allen ihren eigenthuͤmlichen 


Modifikationen, mit allen ihren ſchoͤnen menſchlichen Bezie⸗ 
hungen zu ſchildern verſucht. . 

Gemaͤlde der Sitten, des Charakters und der Lebensart 
der verſchiedenen Alpenbewohner liegen daher auch im Plane 
der Alpina, und ich wage es in der Abſicht, hier eine 
Skizze von dem ſchweizerſchen Gemſenjaͤger 
zu entwerfen. 

Wer nur einmal die hohen unerſteiglich ſcheinenden 
Schweizergebirge und diejenigen Gegenden geſehen hat, 
wo fi) die Gemſen *) aufhalten, der wird es leicht einfes 
hen, daß die Lebensart eines Gemſenjaͤgers mit vielen Be⸗ 
ſchwerlichkeiten und Gefahren verbunden iſt; und dennoch 
fehlt es in allen gebirgigen Schweizergegenden durchaus 
nicht an Leuten, die mit leidenſchaftlicher Neigung dieſem 
Berufe obliegen. 


— nd a 

) Eine vollſtaͤndige Beſchreibung der Gemſe (Antilope rupica- 
pra. Gmel. Syst. Nat. Linn. ed, XIII. I. p. 182. Sp. 3.) 
werde ich in meiner verſprochenen Naturgeſchichte der ſchwei⸗ 
zeriichen Säugthiere bekannt machen. 


U 


131 


Gleich im Anfange muß ich eine Stelle von Herrn 
Meiners ) ruͤgen, worin er die ſchweizerſchen Gemſen— 
jaͤger meiſtens zu den nichtswuͤrdigſten Leuten erniedrigt, 
die nur deswegen dieſe Berufs art wählen, weil fie anbals 
tende und ordentliche Arbeit ſcheuen, und die gewohnlich 
den leicht erworbenen Gewinn, faſt eben ſo ſchnell als ſie 
ihn erlangt hatten, wieder verpraſſen. Wahrlich! eine 
ſehr ungerechte und uͤbertriebene Schilderung, mit der meine 
Beobachtungen und Nachrichten völlig im Widerſpruche ſte— 
hen. Mag auch der Stand der Gemſenjaͤger, fo wie jeder 
andere Stand, hin und wieder einzeine verachtungswuͤrdige 
Glieder unter ſich haben, fo verdient die Mehrheit davon 
doch immer eine viel guͤnſtigere Beurtheilung, und es wuͤr— 
de mir gar nicht ſchwer ſeyn, eine Menge Belege dafuͤr 
zu liefern. Allein anſtatt deſſen begnuͤge ich mich mit den 
in dieſem Aufſatze hin und wieder zerſtreuten Nachrichten 
hieruͤber, und uͤberlaſſe es jedem meiner Leſer, ſelbſt zu 
urtheilen. 

Die unerlaͤßlichen koͤrperlichen Eigenſchaften ei 
nes Gemſenjaͤgers befteyen in einem ſcharfen Geſichte, in 
einem freyen, dem Schwindel nicht unterworfenen Kopfe, 
in ſichern Fuͤßen, und uͤberhaupt in einem feſten Koͤrper⸗ 
baue, der Stürme und Ungewitter, Kälte, Hunger und 
Durſt aushalten kann, und wobey ſich zugleich eine gute 
Bruſt befindet, die das Berganſteigen erleichtert. Der Gem⸗ 
ſenjager muß ſich uͤberdieß nicht ſcheuen, auf ſchlupfrigen 
Schneefeldern zu gehen, und uͤber Gletſcher zu ſetzen, die 
viele Spalten haben; würde er nur einmal ausgleiten “ 
ſo waͤre — viel ſeltener nur heftige Verwundung — bey⸗ 
nahe immer der unvermeidliche Tod alsdann ſein trauriges 


0 S. C. Reiners Briefe üb er die Schweiz. Tübingen. ar 
Thl. S. 43 — 44. 


132 h 


Loos. — Der Gemſenjaͤger muß endlich ein geuͤbter Schuͤtze 
ſeyn, und vorzüglich gute Flinten beiten ). 

Die Art der Gemſenjagd iſt beynahe überall in 
der Schweiz die gleiche. — Mitten in der Nacht, ehe 
der Tag graut, verlaͤßt der Jaͤger ſeine Wohnung im Thale, 
und beginnt, fröhlich in Hoffnung! feine gefahrvolle Reife. 
Sehr oft geht er ſchon des Abends vorher auf eine von den 
Alpen, welche ſich in der Mitte desjenigen Gebirgs befin⸗ 
den, deſſen Gipfel er beſteigen will, ſchlaͤft einige Stunden 
in der dortigen Sennhuͤtte, und erklimmt dann von da aus 
am frühen Morgen 50 Ziel 


*) Ia der deutſchen Schweiz haben die Gemſenjaͤger ge⸗ 
woͤhnlich nur einfache gezogene Flinten, mit einem aͤuſſerſt 
leichten Schaft und einer ſehr duͤnnen Kolbe, und dieſe nennt 
man im Glarnerlande Thierbuͤchſen. Im untern 
Wallis hingegen haben fie Flinten mit zwey Schlößern. 
hintereinander, die nur Einen Lauf haben, in welchen man 
zwey Schüße, einen auf den andern ladet. Der Lauf iſt 
gezogen, und die Kugel wird mit Gewalt hineingetrieben, 
fo daß die Kugel des erſten oder unterſten Schußes bloß auf 
dem Pulver liegt und der zweyten Ladung ſtatt des Boden» 
ſtuͤckes dient. Der erſte Schuß kann nicht heraus, ehe der r 
zwente oder vorderſte weg iſt, oder wenigſtens nicht eher, 
als bis man den Hahn, der am weiteſten von der Kolbe 
entfernt iſt, abgedruͤckt hat, welches eine ſehr dienliche Vor⸗ 
ſicht iſt, um uͤble Zufaͤlle zu verhuͤten. — Wenn aber das 
Zuͤndpulver auf der vorderſten Pfanne abblitzt, ſo wagen es 
die kühnen Schuͤtzen auch wohl mit dem hinterſten Schloß 
beyde Schuͤße hinauszutreiben. Die, Läufe find ſehr ſtark 
und ganz geſchickt, die Gewalt des unterſten Pulvers gegen 
beyde Kugeln auszuhalten; das Pulver in der Mitte zwi⸗ 
ſchen den beyden Kugeln entzuͤndet ſich alsdann nicht mit. 
S. De Luc Recherches sur l’atmosphere Tom. a. p. 302. 
und Hoͤpfners Magazin für die Naturfunde 
Helvetiens, Th. IV. S. 353, 


133 


Die Hüftung des Gemſeniaͤgers beſteht in eis 
ner leichten Kleidung; in einem weißen runden, an der bins 
tern Seite aufgefchlagenen Filzhuͤtchen; in ſtark genagelten 
Schuhen, woran die Fußeiſen ) geſchnallt werden; er iſt 
uͤberdieß mit einem ſtarken langen, unten mit Eiſen bes 
ſchlagenen Alpenſtock, mit einer guten Flinte, mit Schieß⸗ 
pulver und Kugeln, und bisweilen mit einem Perſpektivchen 
verſehen; und endlich hängt eine kleine Jaͤgertaſche an feis 
nen Schultern, worin ein geringer Vorrath von Kaͤſe und 
Brod — und ſelten ein Flaͤſchchen mit Wein- oder Kits 
ſchengeiſt aufbewahrt iſt. 

Noch ehe die Sonne aufgeht ſucht der Gemſenjaͤger 
ſchon in den hoͤhern und hoͤchſten Gebirgs-Regionen zu 
ſeyn, und mit der angeſtrengteſten Auſmerkſamkeit durch⸗ 
ſpaͤht er die Gegenden, die er durchwandert. Vorzüglich 
merkt er unterwegs darauf, ob ihm der Wind ins Angeſicht' 
oder auf den Nacken wehe, weil im letztern Falle die Gem⸗ 
fen feine Ankunft, ſogar auf eine Viertelſtunde, in der Ferne: 
aufwittern würden; er bedient ſich dabey eines Haares, 
das er in die Luft Halt, und je nachdem es ſich einer Ge⸗ 
gend zuneigt, je nachdem richtet er auch ſeinen Gang ein. 
— Hat er in irgend einer Gegend eine Gemſe auf der 
Weide, oder an der Faͤrthe, die der Faͤrthe der zahmen 
Ziege ahnlich iſt, verſpuͤrt; fo. wartet er entweder ruhig: 


) Die Gebirgseiſen der Gemſenjaͤger haben 6 bis s Griffe, und 
auf denſelben klettert der kuͤhne Jäger bedaͤchtlich und muͤh⸗ 
ſam, aber furchtlos uͤber die ſteilſten Klippen, neben den 
ſcheußlichſten Abgruͤnden, und eilt über hart gefrorne Schnee⸗ 
und Eisfelder hinweg. — Die Jaͤger aus dem Gaſter⸗ 
lande und im Canton Schwytz beſteigen auch die kahlen 

Gebirge haufig mit entblößten Fuͤßen, nachdem fie unten 
die Fußſohlen mit Tannenharz klebrig gemacht haben, und; 
daſſelbe von Zeit zu Zeit wiederholen. 


134 


ab, bis fie ſich von der Weide in das Gebirge zurückzieht, 
wo er ihr den Weg abſchneidet, bey ihrer Herannaͤherung 
ſeine Flinte auf einen Stein legt, dieſe mit kaltem Blute 
nach der Gemſe richtet, und ſie aus ſeinem verborgenen 
Hinterhalte wegſchießt; — oder er ſucht ſich ihr, und zwar 
ſtets mit Beobachtung des Windes, oft große Strecken weit 
auf dem Bauche kriechend, ſchußweit zu nähern; und fie 
mit feiner Flinte in dieſer Lage zu erlegen. — Es iſt hiebey 
eine alte Regel: daß der Jaͤger nicht eher ſchießen ſolle, bis 
er die beyden Hoͤrner des Thiers unterſcheiden koͤnne; allein 
die Gegend, worin er ſich befindet, beſtimmt ihn eigentlich 
hierin, indem es nicht gleichviel iſt, ob er ſich in einem 
ſchattigen Walde, oder auf einem kahlen Gebirgsruͤcken, in 
einer heitern oder neblichen Athmosphaͤre befinde. Hiebey 
erreicht der Jaͤger ſeine Abſicht am beßten, wenn er nur 
auf Eine Gemſe allein ſtoͤßt; denn je größer der Rudel iſt, 
deſto baͤlder iſt der Jaͤger verrathen. — Iſt eine Mutter 
von ihrem Jungen weggeſchoſſen worden, ſo wird dieſes 
aͤngſtlich um die Getödtete herumſpringen, fie beriechen, 
und oͤfters ſo lange bey ihr verweilen, bis ein zweyter Schuß 
geladen und auf daſſelbe losgedruͤckt wird. 

Ueberhaupt aͤuſſert ſich die große Furchtſamkeit und 
Aengſtlichkeit der Geinſen vorzuͤglich, wenn fie auf der Weide 
find. — Obſchon die ſehr alte Bemerkung, „daß dieſe 
„Thiere, wenn fie in Geſellſchaft weiden, einen Wächter 
„ ausſtellen, den man die Vorgaiß oder das Vorthier 
„nennt, welches mit geſpitzten Ohren rings um ſich her⸗ 
„ umſehen, und bey der geringſten verdaͤchtigen Entdeckung 
„ die andern durch einen pfeiffenartigen Ton zur Flucht 
„ auffordern muͤſſe,“ von den neuern Naturforſchern, z. B. 
von Bechſtein als eine Fabel verworfen wird, fo behaup⸗ 
ten dieß doch alle unſere Jaͤger einſtimmig, und wollen es 
zugleich haufig geſehen haben: daß, wenn wirklich eine 


435 


ganze Heerde auf dem Boden gelegen und ausgeruhet 
habe, ſicher eins oder zwey davon geſtanden ſeyen. In 
jedem Falle iſt die Gemſe gewiß ein Sinnbild der Aufmerk— 
ſamkeit. Nicht nur die Wache, ſondern jedes einzelne Thier 
fuͤr ſich iſt aͤuſſerſt wachſam; kaum wird daſſelbe ein Paar 
Minuten weiden, ſo haͤlt es den Kopf ſchon wieder in die 
Hoͤhe, und durchſchaut die Gegend oder durchwittert die 
Luft, und die erſte, welche etwas Verdaͤchtiges ſieyt oder 
hoͤrt, ſtampft mit den Füßen auf den Boden, und warnet die 
andern mit einem die Luft durchdringenden Pfiff, der fo lange 
anhält, als es dem Thier das Athemholen geſtattet, wor» 
auf plözlich die ganze Geſellſchaft zuſammenſpringt, und — 
als floͤge fie davon — uͤber die ſteilſten Felſen hinwegſetzt. 

Folgende Beobachtungen, die mein Freund, der Herr 
von Salis in Marſchlins, im Sommer A“ 1803 
machte, und die ich ſeiner Mittheilung verdanke, verdienen 
hier eine Stelle. Ich will ſeine eigenen Worte anfuͤhren: 
„Auf meiner Bergreiſe auf die hobe Sersa plana, die 
„ hoͤchſte Spitze derjenigen Bergkette, die Mons Rhetico 
„ heißt, und das Montafun von dem Brettigaͤu ſcheidet, 
„traf ich einen Gemſenjaͤger von St. Bartholomaͤus im 
V Montafun an, der wenigſtens der gluͤcklichſte Gemſenjaͤ⸗ 
Is ger iſt, den ich kenne. Schon ſeit 30 Jahren treibt er 
„ dieſes Handwerk, und felten hat er während denſelben 
» jährlich weniger als 30 Gemſen geſchoſſen. Er verkauft 
„ ſeine Beute auf Inſpruck, das Stuͤck um 1 Ld'or. Er 
v begleitete mich von dem Ufer des Lunerſees auf die Spitze 
VW des Bergs. Waͤhrenddem wir nun Bergan ſtiegen und 

5 miteinander redeten, fo ſtund er auf einmal ſtille, und 
u ſagte: dort ſehe ich eine ganze Heerde Gemſen; bleiben 
„ Sie hier liegen, ich will eine davon ſchießen! — Ich konnte 
mit bloßen Augen nichts entdecken, als ich aber ein gutes 
V Fernglas zur Hand nahm, ſahe ich mit großer Freude 


436 


„eine Heerde von eilf Gemſen. Die meiſten weideten gang 
„ unbeſorgt; die Jungen ſpielten und machten die wunder⸗ 
z lichſten Sprünge; eine weibliche Gemſe aber (denn alte 
„männliche Boͤcke halten ſich nie bey den Heerden auf, 
„ ſondern eine von den älteften und größten weiblichen Gem⸗ 
„fen fuͤhrt dieſelben an) ſtund Höher als alle andern auf 
„einem Felſen, und ſah ſich ſehr genau um, reckte die 
1 Raſe öfters in die Höhe, um gegen den Wind zu riechen, 
„ Und auszuſpaͤhen, ob ſich kein Feind naͤhere. Ich kann 
„ alſo aus eigener Erfahrung beftätigen, was 
„ich ſchon von ſo vielen Jaͤgern gehoͤrt habe: Daß die 
„Gemſen eine Wacht ausſtellen. Nun ſuchte ich 
„ meinen Jaͤger wieder! — Hatte ich vorhin fein ſcharfes 
„Geſicht bewundert, ſo ſezte mich nun die Behendigkeit in 
» Erſtaunen, mit welcher er ſich durch Klippen empor⸗ 
„ſchlich, ohne Fußeiſen an den Fuͤßen zu haben, die er 
o auch, nach feiner Verſicherung, ſelten braucht. Ich kehrte 
„wieder zu meinen Gemſen zuruͤck! Roch witterten fie 
„kein Ungluͤck, denn wir waren gewiß eine Stunde ent⸗ 
5 fernt, und hinter einem Felſen verborgen. Mit Vergnü⸗ 
agen betrachtete ich das ſchoͤne, behende freye Thier, ganz 
„nach der Natur, und konnte mich nicht ſatt ſehen, als 
2 blözlich die Wacht den Kopf in die Höhe warf, einen 
„ Sprung that (Ton konnte ich keinen wegen der Entfer⸗ 
„nung hören), und in demſelben Augenblicke, als die ganze 
„Heerde davon ſprang, geſchah ein Schuß, und zwey hink⸗ 
„ten ſtark verwundet davon. — Anſtatt miteinander zu 
y fliehen, vertheilte ſich die Heerde, und zwey Junge ſpran⸗ 
„gen kaum 30 Schritte weit neben uns vorbey. Als ei⸗ 
„her meiner Begleiter (zwar nur mit Schrot und ver⸗ 
„ geblich) auf fie ſchoß, ſtunden fie einen Augenblick ſtill, 
„um zu ſehen, woher der Schuß komme, und als fie uns 
v kablickten, eilten fie mit einer ſolchen Schnelligkeit uber 


137 


v die Felſen den Berg hinunter, daß ich noch bis auf dieje 
» Stunde nicht begreifen kann, daß fie ſich nicht den Hals 
„ gebrochen haben. Als wir hernach den Jaͤger wieder ers 
„reichten, verfolgte er eben ein verwundetes, welches uns 
5 gefaͤhr 500 Schritte ob uns den Berg muͤhſam hinan⸗ 
„klimmte, denn es war in den Schenkel geſchoſſen; alle 
„Augenblicke mußte es ausruhen. — Der Jaͤger nahm 
„nun einen eigenen, und wir einen andern Weg, um die 
„Spitze zu erreichen, und da wir uns oben nach einer 
„Stunde wieder antrafen, hatte er ein anderes wirk- 
„lich erlegt, und das verwundete ausgekundichaftet. Er 
v freute ſich über den Umſtand, daß ſich die Heerde vertheilt 
„hatte, indem er nun leicht die meiſten bekommen werde. 
„Waͤren fie alle miteinander entflohen, fo hätte er vermuth⸗ 
„lich keines von den Unverwundeten erlegen koͤnnen.“ — 
So weit der Herr von Salis! 

Hat der Jaͤger eine Gemſe erlegt, ſo freut er ſich der 
gemachten Beute, weidet ſie aus, ſchwingt ſie auf ſeinen 
Ruͤcken, und kehrt damit nach Hauſe. Doch — um uns 
den Aufzug eines ſolchen beladenen Jaͤgers recht deutlich 
zu vergegenwaͤrtigen, muß ich noch einige Erläuterungen 

beyfuͤgen. Der getoͤdteten Gemſe werden, indem ſie auf 
den Ruͤcken gelegt wird, alle vier Fuͤße in die Queere gegen 
einander geſtreckt, und bey den Knieen mit einem duͤnnen 
Seile zuſammengebunden, worauf der Jaͤger eine ſolche 
Gemſe mit den Fuͤßen an ſeine Stirne haͤngt, ſo daß der 
Körper hinten auf dem Rüden und auf dem Nacken aufs 
liegt, und der Hinterkopf des Jaͤgers bis an die Stirne 
zwiſchen den Fuͤſſen und dem Bauche der Gemſe ſteckt. 
Damit der Kopf von ihr nicht hin und her wanke, ſo 
wird derſelbe mit einem oder beyden Hoͤrnern an einen Fuß 
angehaͤngt. — Hat der Jaͤger gluͤcklicher Weiſe zwey Gem⸗ 
ſen auf Einer Alpenwanderung erlegt, ſo legt er beyde, 


138 


auf eine aͤhnliche Weiſe gebunden, übereinander. Die Flinte 
wird, vermittelſt des Riemens, an die Fuͤße gehaͤngt, 
liegt hinten in die Queere auf der Gemſe, und der Flin— 
ten⸗Riemen befindet ſich vornen zwiſchen den Fuͤßen und 
der Stirne des Jaͤgers; — und fo geht der Schwerbelas 
dene, ſich mit beyden Haͤnden an ſeinem Stocke haltend, 
auf ſeinen beſchwerlichen Fußeiſen, uber die gefaͤhrlichſten 
Alpenwege hinunter ins Thal, wo er von feinen Freunden. 
und Nachbarn bewillkommt wird, und voll von Freude 
mit ihnen von den uͤberſtandenen Gefahren und gemachten 
Eroberungen ſchwazt. 

Daß der Jaͤger fogleich nach dem Schuße der getoͤd⸗ 
teten Gemſe das noch warme geſalzene Blut ausſauge, be— 
ſtaͤtigt ſich bey meinen Nachſorſchungen nirgends. Iſt aber 
die Gemſe an keiner tödtlichen Stelle, weder in die Bruſt 
und dem Halſe, noch in dem Kopfe getroffen, ſo wird das 
bedauernswuͤrdige angeſchoſſene Thier, mit heraushaͤngen— 
den Eingeweiden oder nur auf drey Fuͤßen, gleich ſchnell, 
als ob es nicht verwundet waͤre, mit den übrigen unvers 
lezten Thieren die Flucht ergreifen, und ſeinem Verfolger 
nichts als das leere Nachſchauen hinterlaſſen. Es iſt un⸗ 
begreiflich, was für ein zaͤhes Leben dieſe Thiere haben, 
und wie ſchnell fie, wenn fie nicht toͤdtlich verwundet find, 
wieder heil werden. Im letztern Falle verbergen ſie ſich 
gerne in Hoͤhlen und Loͤchern, oder unter Felſen und in 
Geſtraͤuche. — Eine Gemſe, deren beyde hintern Fuͤße 
ganz lahm geſchoſſen ſind, kann auf den vordern unbegreifs 
lich ſchnell uͤber kahle Gebirge oder Eisfeld hinunter oft 
halbe und ganze Stunden lange Strecken, fortruͤcken. — 
Vor ungefaͤhr 40 Jahren ward auf dem Murtſchenſtock im 
Glarnerlande eine Gemſe in einen Fuß verwundet, der ihr 
nachher wegen viefer Wunde beym Kniee voͤllig aufwaͤrts 
wuchs, ſo daß ſie die Erde von Zeit zu Zeit nur mit dem 


139 


Kniee beruͤhrte. Drey Jahre nacheinander ſah fie der glei— 
che Jaͤger, der ſie verwundet hatte, ohne ſie ſchießen zu 
koͤnnen, und erſt im vierten Jahre wurde ſie ſeine Beute. 
Bisweilen ſpringt auch eine angeſchoſſene Gemſe nur noch 
eine Strecke weit; blutet fie, fo geht der Jager der Blut⸗ 
ſpur nach, und findet ſie alsdann nicht ſelten verblutet und 
entkraͤftet auf der Erde liegen; hat er aber keine Blutſpur, 
ſo iſt ſein Suchen gewoͤhnlich umſonſt. — Wenn eine an— 
geſchoſſene Gemſe noch nicht voͤllig todt iſt, ſo wird ihr 
eine zweyte Kugel durch den Kopf geſchoſſen. Auf die Fras 
ge, die ich einem Jaͤger vorlegte: ob man im Glarner— 
oder Gaſter⸗Lande der erlegten Gemſe auch ſogleich die 
Kniekehle entzwey haue, um ſich ihrer völlig zu verſichern, 
oder ob man ſie, wenn ſie noch einiges Leben zeige, voͤllig 
todtſchlage? erhielt ich mit Jaͤgerſtolz zur Antwort: „Des 
Jaͤgers Recht iſt eine Kugel durch den Kopf, bis ſich das 
Thier nicht mehr regt, das andere nennt man morden!“ 
— Oefters geſchieht es auch, daß wenn eine Gemſe von ei— 
ner ſteilen Felſenwand herabgeſchoſſen wird, fie in die ſich 
darunter eröffnenden Abgründe ftürzt, fo daß fie der Jaͤ⸗ 
ger entweder nicht mehr finden kann; oder daß ſie in Stuͤcke 
zerfällt; oder aber daß bey dem heftigen Auffallen ihre Eins 
geweide im Leibe zerplatzen, wodurch dann der ſtarkriechende 
grüne Koth auf die unglaublichſte Weiſe in alle, ſogar in 
die aͤuſſerſten Theile des Koͤrpers getrieben wird, ſo daß 
dem Jaͤger nichts mehr davon uͤbrig bleibt, als die bloße, 
oft noch zerfezte Haut, Die Bemerkung, daß der Jaͤger bis⸗ 
weilen wegen der Beſchwerlichkeit des Ruͤckwegs das Fleiſch 
zuruͤcklaſſe und nur die Haut nach Haufe trage, iſt falſch. 
Bisweilen gehen auch zwey oder drey Jaͤger gemein⸗ 
ſchaftlich auf die Gemſen los, wo fie ſelbige dann durch 
eine Art Klopfiagd zu erlegen ſuchen. Die Schuͤtzen 
ſtellen ſich oben in der Höhe, dem Winde entgegen, und 


149 


beſetzen diejenigen Paͤſſe, wo fle vermuthen, daß die Gem⸗ 
fen vorbeykom men, indem ein Treiber von unten dieſelben 
aufwaͤrts zu jagen ſucht, und ſeinen obern Collegen durch 
Pfeiffen von Zeit zu Zeit ſeine weitere oder naͤhere Entfer⸗ 
nung bekannt macht, welche ihm abwechslungsweiſe auf 
gleiche Art antworten. 

Im Entlibuch, auch im Gaſterlande, und in der 
Gemeinde Reutj, der ehmaligen Herrſchaft 
Sar, jagt man dieſe Thiere mit Hunden, das 
aber nur in den tieferliegenden Hochgebirgs- Waldungen 
möglich iſt. Der Jaͤger verfaͤhrt dabei, wie bey obiger 
Treibjagd, nur daß anſtatt eines Menſchen ein oder meh⸗ 
rere Hunde die Gemſen ausſpaͤhen und Bergaufwaͤrts trei⸗ 
ben. Man bedient ſich dann bey dieſer Jagd ſolcher Flin⸗ 
ten, die eigentlich glatt ſind, und in die man 3 bis 4 kleine 
Kugeln, welche man Gannsbollen nennt, ladet. In 
dieſem Falle fchiegt man das gejagte Thier im Sprunge 
oder im Laufe, wozu man ſich ſchon, ehe man es ſieht, 
vorbereiten kann, indem man das von ihm verurſachte Ge⸗ 
raͤuſch ſchon in einer weiten Entfernung hört. Jaͤger ſag⸗ 
ten mir: fie ſtampfen alsdann, wenn fie von Hunden getries 
ben werden, fo heftig in den geſtraͤuchartigen Buchen -und 
Tannenbaͤumchen der Alpen herum, als wenn ſie mit. 
Stoͤcken um ſich ſchlagen wuͤrden; auch ſtellen ſie ſich von 
Zeit zu Zeit, und ſchlagen mit den Füßen an den Stei' 
nen an, und klopfen damit, als wenn ſie grobe mit eiſernen 
Naͤgeln beſchlagene Schuhe an denſelben hätten. 

Die meiſten aͤltern und neuern Naturforſcher ſchildern 
vorzuͤglich den Fall auf der Gemſenjagd als aͤußerſt gefahr⸗ 
voll, wenn ſich dieſe Thiere auf einen ſchmalen und kurzen 
Gebirgsabſatz Aüchten, wo fie ſchroffe Felſenwaͤnde unter 
und uͤber ihnen ſehen, und dem Jaͤger nur durch den Ein⸗ 
gang entgehen koͤnnen, den er beſetzt haͤlt; ſie ſagen: in 


144 


dieſem Falle fpringe die Gemſe über den Jaͤger hinaus, 
und ſtuͤrze dieſen nicht ſelten in den Abgrund. Allein es 
iſt fo weit entfernt, daß der erfahrne Gemſen-Jaͤger Ges 
fahr in dieſem Falle ahndet, daß er ihn vielmehr mit allem 
Fleiße herbeyzufuͤhren ſucht, und gelingt es ihm, mehr oder 
weniger dieſer Thiere in einen ſolchen Treibſtock (Gem⸗ 
ſenklemme) einſchließen zu koͤnnen, ſo freut er ſich ſchon 
zum voraus feiner Beute, die ihm nun nicht mehr entgeht, 
flüürchtet, indem er ſich veſt an die Felſenwand anſtemmt, 
keine Gefahr, und ſchießt eine Gemſe nach der andern oſt 
zwey mit einer Kugel nieder, ſo daß auf dieſe Weiſe zwey, 
drey bis fieben und acht Gemſen in wenigen Minuten ers 
legt werden koͤnnen, das auf der Sandalp, im Wiggis, 
auf dem Murtſchenſtocke und an andern Orten des Glars 
nerlands und anderswo, ſchon oͤfters der Fall war. Ich 
konnte kein einziges Beyſpiel in Erfabrung bringen, daß ein 
Jaͤger in einer ſolchen Lage durch eine Gemſe in den Abgrund 
hinunter geſtuͤrzt worden ware; hingegen ſagte mir einer: 
daß er einſt eine Gemſe nieder geſchoſſen und ſie fuͤr voͤllig 
todt gehalten haͤtte; als er ſie aber aufnehmen wollte, ſeye 
ſie uͤber ihn hinausgeſprungen, und habe ihn — weil er 
nicht darauf gefaßt war, beynahe umgeworfen. — 
Gelingt es dem Jaͤger den Zeitpunkt zu errathen, wo die 
Gemſen auf die Sulzen oder Sulzlekt inen 9) 


*) Beſonders merkwuͤrdig iſt der Trieb, den die Gemſen alle 
Jahre zu einer beſtimmten Zeit im Neumonde aͤußern, wo 
ſie den ſogeheißenen Sulzen, Sulzlekkinen, Glaͤcken oder 
Lekkinen, oͤfters Stundenweit, in vollem Sprunge zulaufen, 
und da von gewiſſen ſandigen Felſen und Moräften lecken. — 
Beynahe auf allen Hochgebirgen der Schweiz ſind ſolche 
Sulzen anzutreffen, und vorzuͤglich in den alten Kan, 
tonen Glarus, Uri, Schöoyz und Unterwalden. 


142 

kommen, ſo kann es ſich auch bisweilen fuͤgen, daß er zwey 
bis drey Thiere der Art, welche zu ungleicher Zeit ankom⸗ 
men, wegſchießt, — doch muß er alsdann immer vor Tas 
ges⸗Anbruche auf feinem Poſten ſtehen. 

Am allergefaͤhrlichſten fuͤr den Jaͤger wird die Gemſen⸗ 
jagd alsdann, wenn ſich dieſe Thiere, einzeln oder zerſtreut, 
über glatte, flache und ſteile Felſen-Maſſen — ihrer Ges 
wohnheit gemaͤß — hinauffuͤchten, und fo den fie hitzig ders, 
folgenden Jaͤger auf ſolche ſchluͤpfrige und gefaͤhrliche Stel⸗ 
len hinlocken, wo er ohne augenſcheinliche Lebensgefahr 
keinen Schritt mehr weiter, weder vor noch ruͤckwaͤrts 
wagen darf, ſo daß er ſich gluͤcklich ſchaͤtzen muß, wenn er 
nach Stundenlangen Verſuchen ſich wieder gerettet ſieht. In⸗ 
deſſen konnte ich durchaus keine Beyſpiele erfahren, daß die Jaͤ⸗ 
ger in einem ſolchen Falle zu der mehr in gedruckten Schriften, 
als in der Ausuͤbung bekannten Nothhuͤlſe ihre Zuflucht ge 
nommen, und ſich eine Wunde in die Fußſohle geſchnitten 


Im Glarnerlande finden ſich mehrere, z. E. eine auf 
dem Glaͤrniſch, eine auf dem Kammerſtock, zwey im Durnach, 
thal, zwey im Freyberg, eine im Meiſſenwald (zwiſchen Ellm 
und Matt,) eine auf Altenohren u. ſ. w. — Im Bafte, 
eine in der Kuhmettlern-Alp. Im Toggenburg in der 
Dreyſpitzen-Alp, im Mattſtock u. ſ. w. — Unſer ehrwuͤr⸗ 
dige Vater' der ſchweizerſchen Zoologen, Conrad Geßner, 
beſchreibt dieſe Erſcheinung vollig richtig, da er ſagt: „Die 
„Gemſe ſammlen ſich gemeiniglich bey etlichen ſandigen Fel⸗ 
„fen, lekken den Sand, reiben ihre Zunge und Rachen da— 
„mit, machen ihnen ſelbſt alſo Begierde zu eſſen, als ob es 
„Salz wäre, und werden aus dieſer Urſache von den Jaͤgern 
„und Einwohnern der Landen Sulzen genennt. — “ Dieſe 
Sulzen werden in trokne und naſſe eingetheilt; erſtere beſte⸗ 
hen aus Gebirgsarten von kalkſchiefriger Natur, und letztere 
aus ſandigen Moraͤſten, die eher einen ſuͤßlichen als ſalzigen 


143 


hätten, damit ihnen Bey einem gewagten Rettungsſprunge 
von Felſen auf Felſen das klebrige Blut ſtatt der Fußeiſen 
diene. Man habe es — erzaͤhlten mir einige — von den 
Jaͤgern der Vorzeit immer geſagt, daß fie ſolches gethan has 
ben, wenn fie über ſteile vom Regen ausgeſchwemmte ſchluͤp⸗ 
frige Kalkſteinmaſſen hinweg gehen mußten, indeſſen ſey es 
nur eine leere Sage, indem die Struͤmpf⸗Soͤcke an den 
Fuͤſſen, oder unausgeſotkenes Fichtenharz an die entbloͤßten 
Fußſohlen geſtrichen, gewiß noch beſſer aufhalten, als das 
fließende Blut. — Ueberhaupt beduͤrfen die Jaͤger- und 
Fiſcher⸗ Nachrichten genauer Prüfung und Vergleichung, in, 
dem dieſe Leute öfters Prahlerey, Bosheit oder Dummheit 
von der Wahrheit abfuͤhrt, und man muß daher in dieſem 
Stuͤcke zu allererſt von dem richtigen Beobachtungsgeiſte, 
und von der Rechtſchaffenheit feines Gewaͤhrsmanns übers 
zeugt ſeyn, ehe man feine Ausſage als Thatſachen nieder— 
ſchreiben darf. 


—— 


Geſchmack haben. — Dieſe Stellen ſollen übrigens nur von 
den weiblichen Gemſen und ihren Jungen beſucht werden, 
und zwar alle Jahre ausſchließlich wahrend der Zeit von 
Jacobi bis in den Augſtmonat, wo es denn auf dem Hochge— 
birge zu frieren anfaͤngt. Die Gemſen kommen alsdenn 
öfters 4 bis 5 Tage nacheinander dahin, und zwar meiſtens 
des Morgens bey Tages- Anbruche, oder — doch ſeltener 
— des Abends bey der Daͤmmerung, wo ſie ſich ungefähr 
eine Stunde aufhalten, mit der groͤßten Eilfertigkeit und 
Begierde lecken, und dann wieder davon wegſpringen, wobey 
man zugleich die allgemeine Erfahrung machte: daß diejeni⸗ 
gen Semſen, welche auf Sulzen geſchoſſen wurden, viel maͤ— 
gerer, als andere ſind. Man glaubt nicht ohne Grund — 
daß ſie durch dieſes Lecken ibren Magen von dem Schleime 
und den Unreinigkeiten, die aus ihren trocknen und zahen 
Nahrungsmitteln entſtehen, reinigen. — N 


444 1555 

Die Verfolgung der Gemſen auf den Schnee- und Eis⸗ 
feldern kann ebenfalls ſehr gefährlich werden, obwohl ſich 
alsdann die Jager, wenn fie die Gemſen ſchon von ferne aus⸗ 
gekundſchaftet haben, nur bemuͤhen, ſie auf die glaͤnzenden 
Gletſcherfirnen hinzutreiben, und ihnen allen den Ruͤckweg 
abzuſchneiden, wo ſie denn der Beute ſicher ſind, indem ſie 
ſich lieber todtſchießen laſſen, ehe ſie die Flucht uͤber das blen⸗ 
dende Eis nehmen. 

Die, Jagd in den tiefer liegenden Waldungen iſt uͤbri⸗ 
gens eben fo ermuͤdend und gefährlich, als auf den obers 
ſten Gebirgsgipfeln; nur daß ſich im erſtern Fall dem Jaͤ⸗ 
ger keine ſo ſcheußliche, Schwindel erregende Abgruͤnde 
zeigen. 

Da die jungen Gemſen eben ſo Menſchenſcheu und ſo 
ſchnell im Laufe wie die Erwachſenen ſind, ſo kann man 
ſie — weil ſie kleiner ſind — wirklich noch ſchwerer als die 
leztern erlegen. 

Aeußerſt ſelten wird der Jaͤger unter freyem Himmel 
übernachten , indem er Gefahr laufen würde, zu erfrieren. 
Obwohl er ſich oͤfters — im Fall er nichts ſchießt, ganze 
Wochen lang im Gebirge aufhält, fo wird er doch gewoͤhn⸗ 

lich alle Abende in Wildheutriften, welches kleine aus 

einzelnen unbehauenen Balken verfertigte Gebaͤude find, wo⸗ 
rin das Wildheu *) einige Zeit aufbewahrt wird — mei⸗ 
ſtens aber in die naͤchſte Sennhuͤtte zuruͤckkehren, wo der 
Menſchenfreundliche Aelpler, beſonders wenn der Jaͤger arm 
iſt, ſein Nachteſſen und ſein Nachtlager gutherzig mit ihm 
theilt. 

Obſchon ich bisher das Gefahrvolle der Gemſenjagd hin 


*) Siehe über das Wildheu der Alpen meine Beſchreibung 
der ſchweizerſchen Alpen» und Landwirthſchaft. ur Theil 
S. 17. 


143 


und wieder beruͤhrde, fo ſey es mir dem ungeachtet erlaubt, 
hier die verſchiedenen möglichen, und meiſtens nicht ſelte⸗ 
nen Fälle zuſammenzuſtellen, welche für den Gemſenjaͤger 
öfters ſehr gefährlich werden koͤnnen. 

Unter den Jaͤgern verſchiedener Cantone koͤnnen giftige 
Drohungen, gefaͤhrliche, geheime Nachſtellungen, heftige 
Zweykaͤmpfe entſtehen. In jedem Canton iſt die Jagd für 
den Nichtcantonsbuͤrger verboten; wenn nun z. B. ein 
Glarner in irgend einem Grenzgebirge nahe bey dem Can⸗ 
ton Schwyz oder Uri eine Gemſe verfolget, oder umgekehrt, 
und dieſe Aüchtet ſich in das Gebirge des fremden Gans 
tons; — iſt es ſich wohl zu verwundern, wenn der erhitzte 
Jaͤger das Verbot und die drohende Gefahr verachtet, und 
die Gemſe im fremden Cantone zu erlegen ſucht; aber eben ſo 
erklaͤrbar iſt es dann auch, daß bey ſolchen kraftvollen entſchloſ⸗ 
ſenen und leidenſchaftlichen Menſchen die Rache fuͤrchter⸗ 
lich ſeyn muß, wenn ſie gegenſeitige Eingriffe in ihre Can, 
tonsrechte gewahr werden, und den fremden Jaͤger in ihren 
Jagdrevieren erblicken. Man kennt ſehr viele Beyſpiele fol; 
cher gegenſeitigen Jaͤgerverfolgungen; — allein eben ſo viele 
aͤhnliche Thatſachen ſind nie bekannt gemacht worden, weil 
ſie im geheimen veruͤbt wurden, und das Tageslicht ſcheuen 
mußten. Gauffüre erzaͤhlt hievon eine auffallende Ge— 
ſchichte. „Ein Jaͤger von Sixt verfolgte eine Gemſe, die 
„ er toͤdtlich verwundet hatte: zwey Walliſer Jaͤger ſchoßen 
„ auf das gleiche Thier und erlegten es. Nach den Geſetzen 
„der Jagd gehoͤrte die Beute nichts deſto weniger dem 
„ Savojer, welcher fie am erſten verwundet hatte, und weil 
V derſelbe näher dabey war, fo lief er hinzu, nahm fie, und 
„trug fie auf ſeinen Achſeln fort. — Die Walliſer, die uns 
s ter ihm in der Tiefe ſtanden, und einer Abſtuͤrzung wegen, 
die ſie von ihm abfünderte, nicht gerade hin auf die Gem— 


» ſe gehen konnten, fan ihm zu: er foll das Thier lie⸗ 
ar Bd, 


146 


5 gen laſſen, und lieffen zugleich eine Kugel neben feinen 
„Ohren vorbeypfeifen; er aber gieng unterdeſſen mit ſeiner 
„Beute weiter fort, als noch eine zweyte Kugel neben ihm 
„ vorbey fuhr. Da er nun weder geſchwinde über dem ge⸗ 
v faͤhrlichen Pfade mit feiner Beute weglaufen, noch auch 
„gegen ſeine Feinde ſchießen konnte, weil er weder Pulver 
„noch Kugeln mehr hatte, fo ließ er die Gemſe liegen. Voll von 
„Zorn und Rachbegierde verbarg er ſich nun an einem Orte, 
„don welchem er die Walliſer ſtets beobachten konnte, und 
„ weil ſich der Tag ſchon neigte, und er voraus ſah: daß 
„fe nicht mehr nach Haufe zuruͤckkehren koͤnnen, ſondern 
„in einer nahen von den Hirten kuͤrzlich verlaſſenen Hütte 
„ werden übernachten muͤſſen, fo gab er wohl acht, in wel⸗ 
„che dieſer Hütten fie ſich begaben, gieng in der Nacht nach 
3 Hauſe, welches zwey Stunden von dannen entfernt war, 
„nahm daſelbſt Pulver und Kugeln mit, brachte zwey 
„Ladungen in fein Gewehr, flieg wieder nach der Hütte 
„hinauf, naͤherte ſich derſelben, ſah durch die Ritzen die 
„zwey Walliſer, die ſich bey einem angezuͤndeten Feuer 
„ waͤrmten, ſteckte wirklich ſchon feinen Karrabiner durch 
„eine dieſer Ritzen hinein, und war eben im Begriffe, ei— 
„nen Schuß nach dem andern loszulaſſen, und alſo ſeine 
„beyden Feinde zu toͤdten, als ihm auf einmal der Ge— 
„ danke aufſtieg: dieſe Manner haben, ſeitdem fie auf ihn 
„ geſchoſſen, nicht beichten koͤnnen, würden alſo in ihrer 
„Todſuͤnde ſterben, und folglich verdammt werden. Dies 
„ſe Ueberlegung ruͤhrte ihn dergeſtalt, daß er ſeinen Vor 
„ ſatz fahren lieg, plöglich in die Hütte trat, ihnen frey 
„herausgeſtand, was er im Sinn gehabt, und in welcher 
„Gefahr fie beyde geweſen ſeyen. Sie wurden da durch fo 
» geruͤhrt, daß ſie ihm für feine Verſchonung dankten, ihren 
„Fehler geſtanden, und die Gemſe mit ihm theilten.“ *) 


*) Meiners fuͤhrt in feinen Briefen zr Band S. 197 198. 


147 

Doch auch andere aͤußere unguͤnſtige Umftände und ur⸗ 
ſachen, die nicht von Menſchen herruͤhren, koͤnnen öfters 
dem Leben eines Gemſenjaͤgers ſehr gefaͤhrlich werden. 

Er kann erfrieren. Bey plotzlich einfallender Kälte 
und Ermattung kann es ſich zutragen, daß ſich der Jaͤger 
niederſetzt, um ein wenig auszuruhen, und dabey in einen 

Schlaf verfällt, aus dem er nie wieder erwacht. Die ſanf⸗ 
teſte Todes art, die es nur giebt! Man ſtirbt da mit dem 
ſuͤßeſten Gefuͤhle und dem Genuße der erquickenden Ruhe; 
aber — der letzte Augenblick des Bewußtſeyns iſt auch hier 
der letzte Augenblick des irdiſchen Lebens. Traͤumend eilt 
er hinüber! — Wer bedenkt, was für eine firenge Kälte 
öfters auf den Schweizergebirgen im Herbſt- und Wein⸗ 
monat herrſcht, der wird gegen die Wahrſcheinlichkeit einer 
ſolchen Todesart nichts einzuwenden haben. 

Der Jaͤger iſt uͤberdieß im Gebirge in Gefahr / von 
herabrollenden Felſen und Steinen erſchla— 
gen zu werden. Dieſe ſind eine ganz gewoͤhnliche Erſchei⸗ 
nung dem, der die Alpen beſteigt, beſohders im Herbſte bey 
anhaltendem Regenwetter, das die halbverwitlerten Kalk⸗ 
gebirge durchnaͤßt, oder bey heftigen Sturmwinden. Selbſt 
die Gemſen konnen dieſen Fall erregen, wenn fie ob dem 
Haupte des Jaͤgers uͤber Felfen und Schuttkegel ſpringen, 
und dadurch einzelne Steine herabrouen, die oͤfters mehrere 
nach ſich ziehen, und einen ganzen Hagel kleiner und großer 
Felſenſtuͤcke erregen. — Dieſe Gefahren find beſtaͤndig 
vorhanden und groß, weil bey der groͤſten Sorgfalt und 
Aufmerkſamkeit dennoch ein Menſch getroffen werden kann; 
man will ſich oft retten, und ſpringt gerade in den Wurf 
des Steins. — Es iſt leicht zu begreiffen, wie ein ſolches 


0 auch ein Beyſpiel von den Streitigkeiten zwiſchen den Tyroli⸗ 
ſchen und Buͤndnerſchen Gemfeniägern an. 


448 


Ereigniß auf der Stelle tödten oder in den Abgrund bins 
unter ſtuͤrzen kann. 

Auch Schneelauwinen fönnen einen Jaͤger oft 
plötzlich und unerwartet ergreiffen. Kein Jahr vergeht, 
daß nicht hin und wieder in der Schweiz einzelne Menſchen 
und oft ganze Reiſegeſellſchaften und Familien durch dieſel⸗ 
ben ums Leben kommen. Sie huͤllen den Menſchen, der 
das Unglück hat, ihr Opfer zu werden, in eine Wolke von 
Schnee und Schutt ein, und erſticken und toͤdten ihn, 
wo man ſeinen Leichnam bisweilen im künftigen Sommer, 
wenn der Schnee wieder verſchmolzen iſt, bisweilen gar nie 
mehr findet. — ) 

Ein heftig wüthender Sturmwind, welcher 
auf dieſen Höhen zum Orkane wird, wäre ebenfalls ver— 
moͤgend, den ſtaͤrkſten Mann, der ſich nicht darauf gefaßt 
gemacht hätte, herunter zu ſchleudern. 

Der Jaͤger kann auch durch dicke Nebel in 1 die 
größte Lebensgefahr gerathen, die oft ſehr ſchnell einfal⸗ 
len, ſo daß man ſie eine Viertelſtunde vorher nicht einmal 
ahndete. In dieſem Falle ſieht der kundigſte Kletterer oft 
keinen Schritt weit vor ſich hin, und es bleibt ihm nichts 
übrig, als ſtiue zu ſtehen, und gedultig zuzuwarten, bis 
fin das Gewoͤlke wieder vertheilt oder wegzieht; trift dieſer 
Fall nicht ein, ſondern ergehen waͤhrend der Nacht unguͤnſti⸗ 
ge Witterung, Sturmwinde und Schnee, ſo iſt fein Leben 
in der groͤßten Gefahr. 

Es ereignete ſich auch ſchon dieſer Fall, daß ſich zwey 
Jager im Gebirge verſtiegen hatten, und — wegen der 
eingebrochenen Nacht — nicht mehr wegkommen konnten, 


*) Mehrere ſolcher Ungluͤcksfaͤlle ſiehe in meiner Befchreis 
bung der ſchweizerſchen Alpen- und Landwirth⸗ 
ſchaft. ir Th. 1802. S. 19 20, und S. 27— 28 


4149 


und deswegen die Nacht auf einem ſchmalen Felſen⸗Abſatz 
zubringen mußten, und zwar in der hoͤchſt mißlichen Stel⸗ 
lung, daß einer den andern um den Leib hielt, um wach 
zu bleiben und ſich vor dem Hinunterſtuͤrzen zu ſichern. Das. 
find Umſtaͤnde, von denen derjenige, der nicht ſelbſt die 
Felſen und Gebirge in der Schweiz beſtiegen hat, kaum 
einen etwelchen Begriff erlangen kann. — 

Wenn ſich der Gemſenjaͤger von feiner Jagdleidenſchaft 
und von dem Anublicke einer oder mehrerer Gemſen fo ſehr 


verblenden laßt, daß er es dennoch wagt, tiber ſolche 


Gletſcherfelder zu gehen, welche in der verfloſſenen Nacht 


mit einer Schneerinde bedeckt wurden, ſo iſt er alle Augen⸗ 


blicke nicht ſicher, in eine Gletſcher⸗Spalte, die durch den. 
friſchgefallenen Schnee bedeckt und unſichtbar gemacht wur⸗ 
de, zu treten und hinunterzuſtuͤrzen, um auf immer in die⸗ 
ſem unterirdiſchen Gewölbe vergraben zu bleiben. 

Ueberhaupt aber it die Tollkuͤhnheit und die 
Verwegenheit des Jaͤgers im Klettern beym 
Verfolgen einer oder mehrerer Gemſen fuͤr ihn das allerge⸗ 
faͤhrlichſte. Wie leicht kann er ſich auf naſſen ſchluͤpfrigen 
Wegen verſehen; wie leicht auf einen Stein treten, der 
ihn nicht hält ; entweder verſteigt er ſich fo weit in die 
Hoͤhe hinauf, daß er beym Ruͤckwege — oft noch mit einer 
oder zwey Gemſen beladen — verungluͤckt; oder eine getoͤd⸗ 
tete Gemſe iſt ihm an einem Ort hinuntergeſtuͤrzt, wo es. 
Vermeſſenheit iſt, nur einen Ver ſuch zu machen, fie. zu ho⸗ 
len, allein die uͤbertriebene Begierde nach der Beute ſpornt 
ihn an, ſein Leben zu wagen, und er wird ein Opfer ſeiner 


Begierde. Entweder bricht er durch ſeinen Fall eins oder 


mehrere ſeiner Glieder, kann nicht mehr weiters kommen; 
ruft um Hülfe, aber wird von nimand gehort; drückt eini⸗ 
ge Nothſchuͤſſe ab, aber vergeblich, denn die Alpen find; 
im Herb. öde und von den Hirten verlaſſen, und fo 


450 

muß er — unter freyem Himmel liegend — von Hunger und 
Durſt, Kälte und Schmerz gefoltert, laugſam fein Leben 
endigen; — oder aber er ſtuͤrzt über Abhaͤnge und Felſen⸗ 
waͤnde in die ſcheußlichſten Abgruͤnde hinunter, und ſein 
Körper wird in Stüde zerſchmettert! — — 


Und nun — kann man ſich nach dieſem treuen Gemaͤlde 
von der Lebens⸗Art eines Gemſenjaͤgers, von den vielen 
Gefahren und Widerwaͤrtigkeiten, die ihn unaufhoͤrlich be⸗ 
drohen, noch wohl vorſtellen, daß dieſe Jagd dem unge⸗ 
achtet ſo viel Liebhaber finden, und mit Verzichtleiſtung 
auf alles andere mit der groͤßten Hitze betrieben werden 
koͤnnte? Ich kenne nicht nur vermoͤgliche Bauersleute, 
die ihre Guͤter verlehnten, und Handwerksleute, die Knechte 
zum größten Nachtheile ihres Hausweſens anſtellten, um 
die Gemſen verfolgen zu konnen; ſondern häufige Beyfpiele 
And mir bekannt, daß Gemſenjaͤger, welche im Gebirge 
beynahe toͤdtlich verwundet wurden, und ganze Viertel⸗ 
jahre lang den Wundarzt gebrauchen mußten, kaum ge⸗ 
heilt waren, ſchon wieder an den gleichen Felſenwaͤnden 
herumkletterten, von denen ſie kurz vorher heruntergeſtuͤrzt 
waren. — Gaufüre erzählt in feinen Alpenreiſen ein 
merkwuͤrdiges Beyſpiel, dem man hin und wieder in den 
Gebirgsgegenden aͤhnliche an die Seite ſetzen koͤnnte. - 
„Ich habe “ — ſagt Sauſſuͤre — „einen jungen wohlge⸗ 
„ wachſenen und artigen Mann von Sixt gekannt, der vor 
v kurzem ein ſehr liebenswuͤrdiges Mädchen geheurathet 
„hatte, und der mir ſelbſt ſagte: mein Großvater iſt auf 
„ der Jagd geſtorben; auch mein Vater hat da feinen Tod 
„gefunden, und ich bin fo gewiß verfichert, daß auch ich 
„ fo ſterben werde, daß ich dieſe Taſche, die Sie hier ſehen / 


451 


„und die ich ſtets mit mir auf die Jagd nehme, mein Leis 
» chentuch nenne, indem ich gewiß bin, daß ich niemals 
„kein anders haben werde; wenn Sie mir bey dem allem 
„unter dem Beding der Gemſenjagd zu entſagen, verſprechen 
„wollten, mein Gluͤck zu machen, ſo wuͤrde ich mich dennoch 
„nicht entſchließen können.“ — „Ich habe — fügt Sauſ⸗ 
ſuͤre hinzu — „mit dieſem Mann verſchiedene kleine Reifen 
„durch die Alven gemacht. Er war von auferordentlicher 
„Staͤrke und Geſchicklichkeit; ſeine Verwegenheit war aber 
„noch größer als ſeine Stärke, und ich habe mit Bedau⸗ 
„ern vernommen, daß er zwey Jahre nachher auf dem 
„Rande eines Abgrundes ausgeglitſcht, und eben dasjenige 
„Schickſal erlitten, das er fo gut voraus geſehen hatte.“ — 

Worin mag denn auch wohl das Anzuͤgliche der Gem⸗ 
fenjagd beſtehen? — Habſucht, weder vernünftige noch 
unuͤberlegte Habſucht iſt wenigſtens nicht die Haupttriebfe⸗ 
der deſſelben, indem vorzuͤglich in der jetzigen Zeit, wo die 


Anzahl der Gemſen ſehr abgenommen hat, jede andere Be⸗ 


ſchaͤftigung dem Manne von Kräften und Verſtande eben fo 


reichliches oder beſſeres Auskommen verſchaft, als die Gem⸗ 


ſenjagd. Die Jagdbegierde pflanzt ſich wirklich vom Vater auf 
den Sohn fort, fie iſt ein Familien-Erbgut, und findet 
dieſe Neigung nur einiger Maßen Gelegenheit, ihr nachzu⸗ 
haͤngen, ſo wird ſie zur unwiderſtehlichen Leidenſchaft, dem 
der Alpenbewohner alsdann alles, ja ſogar die Sorge für- 
ſein Leben aufopfert. — Es iſt unmoͤglich ein kaltbluͤti⸗ 
ger Gemſenjaͤger zu ſeyn; entweder gluͤht man für dieſe 
Berufs⸗Art, oder man hat keinen Sinn dafuͤr; man iſt 
ihr voͤllig abgeneigt. — Ueberdies haben die Hochgebirge 
fuͤr viele Schweizer ſo außerordentlch viel Anziehendes! 
Warum find fo viele derſelben vorzüglich dem Heimweh 
ſo ſehr unterworfen; und woher kommt es: daß der 
Schweizer, der einige Zeit ferne von feiner Heimath, in. 


152 


einem frachen Lande wohnte, und nichts vom Heimweg 


verſpuͤrte, ſo wie er ſich den Gebirgen naͤhert unwiderſteh⸗ 
lich von der feurigſten Sehnſucht nach der Heimath übers 
fallen wird? Wie laͤßt es ſich erklaͤren: daß Alp⸗Sennen 


oder Alpenhirten, welche einige Sommer mit dem Rind⸗ 


vieh auf den Alpen zubrachten, eben ſo leidenſchaſtlich fuͤr 
dieſe Berufs⸗Art eingenommen nd, wie der Gemfenjäger 
fuͤr die ſeinige, und daß ſie oft wie Kinder weinen und ſich 
wirklich recht ungluͤcklich fühlen, wenn fie einen Sommer 
unten im Thale bleiben muͤßen? Woher kommt es endlich, 
daß der Jaͤger uͤberhaupt, und der Gemſenjaͤger insbeſonder 
zur Zeit der Jagd weder bey Tage noch des Nachts keine 
Ruhe in ſeinem Hauſe mehr finden kann, ſondern unauf— 
haltſam zu Alpenwanderungen oder Jagdſtreifereyen gleich⸗ 
ſam fortgeriſſen wird?“) — Der Pſpcholog findet in der 


„) Ich muß bey dieſem Anlaße noch ein Paar Beyſpiele an⸗ 
fuͤhren, welche uns die leidenſchaftliche Hitze des Jaͤgers in 
Verfolgung ſeiner Beute beweiſen. — 

Ein Jaͤger in Gaiß im Appenzellerlande legte vor einigen 
Jahren in der allerkaͤlteſten Winterszeit einem verfpürten 

Marder ganz nahe bey ſeinem Hauſe eine Lockſpeiſe hin, und 
befeſtigte dieſelbe an dem Schloſſe einer einige Schritte 
weit davon unter ſeinem Stalle verborgenen geladenen 
Flinte, die in ſolcher Richtung lag, daß ſie, wenn der Mar⸗ 
der die Lokſpeiſe wegriß, losbrennen und ihn toͤdten follte, 
— Der obige Jager hörte gegen den Morgen den Knall detz 
Schußes, ſprang eilends aus ſeinem Bette heraus, zog nur 
ſeine Beinkleider und alte abgenutzte Schuhe an, und eilte 
ſo, ohne Struͤmpfe, Weſte, Rock und Kappe in den Schnee 
hinaus, um ſeine Beute in Empfang zunebmen. Allein 
der Marder war nur verwundet und nicht getoͤdtet! In 
Hoffnung ihn aufzufinden, und erhitzt durch feine Leidenſchaft, 
vergaß er den Schnee, die Kalte und manches andere, ver⸗ 


153 


Beantwortung diefer Fragen gewiß manche leitende Ideen 
zu wichtigen Beytraͤgen fuͤr die Charakteriſtik der Gebirgs— 
volker. Ich will mich hier damit begnügen, durch mein 
Fragen nur darauf hingedeutet zu haben, und haͤnge die— 
ſem Aufſatze noch einige Bruchſtuͤcke aus den Lebensbe— 
ſchreibungen berühmter Gemſenjaͤger an, welche meine ges 
folgte unaufhoͤrlich auf den muͤhſamſten und oft gefährliche 
ſten Wegen, durch Geftrauche , Wälder, Bäche hindurch — 
die blutige Spur, die er uͤberall auffand, und kehrte nicht 
eher zurücke, bis er ihn, im Hundweiler Tobel, das te» 
nigſtens 2 2 Stunden von feiner Wohnung entfernt war, 
einholte; worauf er ſich erſt erinnerte, daß er beynahe voͤllig 
von Kleidern entbloͤßt ſey, und daher in dem naͤchſtgelegenen 
Bauernhauſe Kleider zur Heimreiſe entlehnte! 
Ein anderer Jaͤger von Gaiß gieng einſt mit einem Knech⸗ 


te in einen Wald, um einen Dachs aus einer Höhle heraus- 


zuziehen. Der Eingang der Hoͤhle war enge; der Jaͤger 
kroch daher entkleidet mit entbloͤßtem Koͤrper in dieſelbe 
hinein, und befahl ſeinem Knechte, ihn auf ein zu gebendes 
Zeichen hin an einem Seile, das er an den Fuͤßen befe⸗ 
ſtiget hatte, wieder herauszuziehen. Dieſer befolgte dieſe 
Weiſung; allein weil er ihn aus der engen Hoͤhle, an des 

ren Seiten hin und wie der ſcharfe Stein Ecken hervorrag⸗ 
ten, etwas zu raſch heraus zog, ſo riß er ihm den ganzen 
Ruͤckgrath wund. Aber der Jaͤger hatte in dieſer unterirdi⸗— 
ſchen Wohnung zwey Dachſen erblickt; kaum hatte er alſo 
den erſten herausgezogen, ſo vergaß er — aus Begierde nach 
dem zweyten — feine Wunden, kroch wiederholt in die Höhle’ 
und, um nicht an zwey Orten des Ruͤckens verletzt zu wer— 
den, legte er ſich fo, daß die hervorragenden Felſen⸗Ecken 
gerade in die offne Wunde zu liegen kamen, und in dieſer 
ſchmerzlichen Lage begab er ſich in die Hoͤhle, und brachte 
auch den zweyten Dachſen in feine Gewalt, wo er erſt, 
nachdem er auch dieſen ſich eigen gemacht hatte, ſeine 
Wunde zu verbinden bemüht war. — 


/ 


— 


— 


154 0 


gebenen Nachrichten über die ſchweizerſche Gemſenjagd bes 


ſtaͤtigen werden. 


Lebensbeſchreibung 
des beruͤhmteſten glarnerſchen Gemfenjägers: 
Dani mik in 


und zweyer ſeiner verungluͤkten Gefaͤhrten. 


Ich bedaure es ſehr, daß uns unſere Jahrzeitbuͤcher und 
Chroniken keine Nachrichten aus dem Leben berühmter Ges 
birgsjaͤger liefern, doch laͤßt es ſich vielleicht daher erklären, 
weil in altern Zeiten dieſe Berufsart zu allgemein war, und 


gleichſam zur gewoͤhnlichen Lebensart der Alpenvoͤlker ges 


hörte, — Obgleich in unſern Tagen die Gemſenjagd lange 
nicht mehr fo betraͤchtlich iſt, als ehedem, ſo naͤhrt fie den⸗ 
noch viele einzelne Jaͤger im Gebirge, die gerade deswegen, 
weil die Anzahl der Gemſen immer mehr abnimmt, ihren 
Zweck mit deſto mehr Kuͤhnheit und Verwegenheit verfol⸗ 
gen, und die daher deſto merkwuͤrdiger find. Hier alfo, 
zur Probe, einige Beyſpiele aus unſern Zeiten. 

Zuallererſt erwaͤhne ich des weit aus beruͤhmteſten Gem⸗ 
ſenjaͤgers im Glarnerlande, der allen ſeinen Zeitgenoſſen 


in ſeinem Berufe den Rang ſtreitig machen konnte. Sein 
Name iſt 


David Zwikki 
von Mollis, obrigkeitlich erwaͤhlter Freybergſchuͤtze ). Von 


—— 


*) Sowohl die Obrigkeit des Cantons Glarus, als aber das 
geſammte Volk, in deſſen Haͤnden die hoͤchſte geſetzge bende 
Gewalt lag, beeiferte ſich vorzüglich in der Schweiz, die 


455 


feiner fruͤheſten Jugend an liebte er die Jagd im Hochgebir⸗ 
ge, und betrieb dieſe Berufsart mit eben ſo vieler Leiden⸗ 
ſchaft als Geſchicklichkeit. Er ſcheute keine üble Witterung, 
keine Naͤſſe noch Kaͤlte, keinen Froſt noch Schnee, nicht 
die ſchauderndeſten Hoͤhen, nicht die ſcheußlichſten Tiefen; 
er uͤbernachtete oͤfters auf Felſen im Schnee und Regen, 
erduldete den ſchrecklichſten Hunger, und ſetzte ſich den of 
fenbarſten Lebensgefahren aus, um ſeinen Zweck zu errei⸗ 
chen. Langſam, aber ſehr ſicher beſtieg er die gefährlich» 
ſten Klippen, und war gluͤcklicher als andere im Antreffen 
und Erſchießen der Gemſen. — Es iſt wirklich nicht zu be⸗ 
rechnen, welch eine Niederlage dieſer einzige Mann waͤhrend 


Erhaltung der Gemſen in ihren Gebirgen auf alle nur moͤg⸗ 
liche Weiſe zu befördern, und ihre Verminderung oder gaͤnz⸗ 
liche Ausrottung, fo viel möglich zu verhuͤten. Hie von zeugt 
beſonders die zweckmaͤßige und vortheilhafte Verordnung des 
ſogenannten Freybergs. Dieſer beſteht in der ganzen Kette 
oder Anzahl aller Gebirgen, Alpen und Thaler, welche zwi⸗ 
ſchen der Linth und dem Sernftfluße bis auf Schwanden, 
wo dieſe Fluͤße zuſammenlaufen, liegen, und in verſchiedene 
Spitze oder Joche, z. E. in den Buelſtock, Gantſtock, Roth⸗ 
berg, Saaßberg und Forſteck abgetheilt werden. Dieſe Ge» 
genden ſollen den überall in der Schweiz, ſo wie vorzüglich 
im Glarnerlande ſehr verfolgten Gemſen und allem andern 
Alpenwildpret und Geflügel zu einem Zufluchts⸗ und Si⸗ 
cherheitsorte, zu einem Aſyl dienen, und daher iſt es jedem 
Einwohner bey der hoͤchſten Landesſtrafe, bey Ehre und Eyd, 
verboten, irgend ein Wildpret oder genießbares Alpenthier 
in die ſer Gegend zu ſchießen, zu fangen oder zu toͤdten, oder 
auch nur eine Flinte in dieſen Gebirgen zu tragen. Dieſe 
Verordnung, welche ſich auch in unſern Zeiten noch erhal⸗ 
ten hat, iſt wirklich alter, als alle vorhandenen obrigkeitli⸗ 
chen Protokolle und Jahrbuͤcher im Glarnerlande reichen, 
indem das allerältefte Raths ⸗ und Landsgemeinde protokoll im 


"| 


136 


ſtiner Jaͤger⸗ Laufbahn und vorzüglich in den 1760ger Jah⸗ 


ren unter allem Alpen⸗Wildpret und Gefluͤgel, und befons 
ders unter den Gemſen anrichtete. Er ſchoß alles weg, 
junge und alte, maͤnnliche und weibliche Gemſen, Saͤug⸗ 
thiere und Geflügel , alles, was ihm ins Auge kam, und 
einigen Werth fuͤr ihn hatte; und war er einer Gemſe auf 
der Spur, ſo war ſie verloren, indem er ihr alsdann ganze 
Wochen lange nachſpuͤrte, und nicht ruhete, bis daß er ſie 
erlegt hatte. Er kannte alle erſteiglichen Gebirgshoͤhen und 
jeden moͤglichen Aufenthaltsort eines Thiers und trug im⸗ 
mer ein kleines Perſpectivchen bey ſich, mit dem er alles 
ausſpaͤhte. — Gleich einem erfahrnen General wußte er 
die Gemſen ſo in die Klippen hineinzutreiben, daß ſie nach 


——— 


Glarner Archiv vom Jahr 18 55. ſchon eines gebannten und 
eines geoͤffneten Freybergs erwaͤhnt. Im Jahr 1663. ſogar 
ein zweyter Freyberg auf einer andern Seite des Landes, 
naͤmlich im Wiggis und Rautiſtock feſtgeſetzt, den man mehr 
als 70 Jahre lang beybehielt, und erſt im Jahr 1740 an 
der gemeinen Landsgemeinde wieder aufhob. — Gewoͤhnlich 
wurde er ſchon ſeit langem, und nicht erſt, wie Truͤmpi in 
feiner Chronik ſagt, ſeit 1761 bis 1768, alle 4 Jahre ge⸗ 
bannt, d. h. in eine Freyſtatte für alle Thiere darin ber 
ſtimmt, und dann die folgenden 4 Jahre wieder geoͤffnet. 
Im erſtern Falle darf gar niemand Gemſen oder andere 
Thiere darin erlegen, im letztern Falle iſt dieß nur acht von 
der Obrigkeit erwaͤhlten, beeidigten und beſoldeten ſoge⸗ 
nannten Freybergſchuͤtzen erlaubt, die alsdann von Ja. 
cobi an bis Martini jedem Landmann, der ſich in dieſer Zeit 
verheurathet, auf ſeinen Hochzeittag zwey Gemſen darin 
ſchießen und uͤberbringen muͤſſen. Dieſe Schuͤtzen werden 
alle Jahre obrigkeitlich beſtaͤtigt oder abgeſezt, je nachdem. 
ihr Verhalten iſt; zugleich muͤſſen ſie ſchwoͤren: nichts ohne 
Erlaubniß im Fretberg zu ſchießen und die Aufnahme des 
Wildprets darin auf alle mögliche. Weiſe zu befoͤrdern. 


1 


| 


v 8 f 157 


vielem Hin- und Herziehen endlich fich gefangen ſahen, 
und entweder in die ſchrecklichſten Abgruͤnde hinab, oder 
neben ihm vorbeyſpringen, oder ſich auf Diſkretion erge— 
ben mußten. Auf eine ſolche Weiſe hat er einſt in dem 
fuͤrchterlichen Muͤrtſchenſtock fünf Gemſen eingeſchloſſen, 
und ſie alle auf einem Standpunkt von fuͤnf verſchiedenen 
Schuͤßen getoͤdtet. Dieſem gewaltigen Nimrod war die 
Jagd gleichſam zur andern Natur geworden, und er hielt 
den für einen freudenleeren Tag, an dem er durch allzu— 
ſchlimme Witterung in ſeine Huͤtte eingeſchloſſen wurde, 
und da ohne Beſchaͤftigung leben mußte; aber kaum wur⸗ 
de der Himmel heiterer, ſo war er gewiß der Erſte, wel— 
cher die Alpen beſtieg. — Neben der Jagd beſchaͤftigte er 
ſich auf den Bergen viel mit Baͤum-Umhauen und Spal⸗ 
ten und mit Dachſchindeln⸗Schnitzeln; dieſes pflegte er oft 
den Tag über zu thun; die Nacht aber lauerte er auf Fuͤch— 
ſe, Dachſen und anders Wildpret. — Sein Weg zu den 
Gemſen fuͤhrte ihn immer auch zu den Schneehuͤhnern, 
daher er auf dieſe vorzuͤglich Jagd machte; weniger auf 
andere Huͤhner. Haaſen, Fuͤchſe, Marder, Murmelthiere 
und Dachſen ſchoß und fieng er jeden Herbſt und Winter 
aͤuſſerſt viele. Die Huͤhner gab er vorzuͤglich dem Zuͤricher— 
boten, der fie in Zürich abſezte; die Baͤlge obiger Saͤug— 
thiere verkaufte er in Glarus; das Fleiſch der Gemſen vor— 
zuͤglich in Mollis und Naͤfels; die Gemſenfelle ließ er in 
Glarus gahr machen, ſchwarz und gelb faͤrben, und gab ſie 
Kaufleuten, die nach Holland reisten (Holzhaͤndlern), wels 
che ſie ihm theuer abkauften. Eine Anzahl von voͤllig 1300 
Gemſen hat er in ſeinem ganzen Leben erlegt, und ein 
paarmal iſt Eine Kugel von ihm durch zwey Thiere ge⸗ 
drungen. 
Ungeachtet er öfters in nicht geringe Verlegenheiten 
gerieth, bald von der dunklen Nacht unverſehens ergriffen, 


458 


bald von einem dicken Nebel umgeben, bald von kalter 

und flürmifcher Witterung überfallen wurde, fo wußte er 
ſich immer wiederum gut zu retten, ſo, daß ihm nie ein 
Ungluͤck oder Unfall begegnete. Nur beym Holzfaͤllen, auf 
dem ebenen Boden hatte er einſt das Mißgeſchick, daß er 
ein Bein zerbrach, welches zugleich auf ſein ganzes uͤbriges 
Leben den merkwuͤrdigſten und ſonderbarſten Einfluß hatte; 
denn eben damals ſtand er im Begriffe zu heurathen; als 
aber die Perſon, die er verlangte, erfuhr, daß er ein Bein 
zerbrochen hätte, verſprach fie ſich einem andern. — Aus 
Verdruß hieruͤber nahm er ſich vor, nie zu heurathen, wel⸗ 
ches auch geſchah. 

Seine mannigfaltigen ununterbrochenen Einnahmen, ß 
wie feine ſehr frugale und genuͤgſame Lebensart, die zus 
weilen in uͤbertriebene Sparſamkeit und Geitz ausartete, 
weil er ſich oft auch die Befriedigung der nothwendigſten 
Beduͤrfniße verſagte, machen es begreiflich, wie dieſer Mann, 
der in ſeiner Jugend arm war, und nicht mehr als 150 fl. 
ererbtes Gut beſaß, ſich nach und nach ein Capital von 
sooo Gulden erwerben konnte, ohne fein Haͤuschen, das 
auf 800 Gulden geſchaͤtzt wird, und eine Sammlung von 
12 Flinten, die ſich wenigſtens auf ein paar hundert Gul⸗ 
den belaufen. — Er ſammelte, ohne etwas Bettaͤchtliches 
davon zu brauchen, und hatte er ein Suͤmmchen erſpart, 
ſo legte er es ſogleich wieder an den Zins, den er dann 
wie die uͤbrigen Zinſe immer wieder zum Capital ſchlug. 

Bis in fein 57 Jahr betrieb er ſeine Lebensart mit 
eben fo viel Glück für feinen Beutel, als für fein uͤbriges 
Wohl. Er wurde mit jedem Jahre reicher, und feine Ge⸗ 
fundpeit war unerſchuͤtterlich und felſenfeſt; es war, als 
waͤren ſeine Muskeln, ſeine Knochen, ſeine Nerven und 
Adern geſtaͤhlt, allem Ungemache zu trotzen. Er kannte 
kein Weh noch koͤrperliches Leiden; — was fehlte dem Mann 


6 


159 


noch, um ihn zu einem der gluͤcklichſten Menſchen zu ma⸗ 
chen? — Er hatte den Ruhm im ganzen Lande, daß er 
der geuͤbteſte Jaͤger, der verwegenſte Kletterer, der beßte 
Schuͤtze, der größte Kenner der Alpenwege, und zugleich 
ein reicher Mann ſey — welch ein Ruhm, zu dem ſich 
noch das frohe Gefühl geſellte: alles was er fen und bes 
ſitze, außer Gott, ſich ſelbſt verdanken zu konnen! — 
Seiner Gewohnheit nach pflegte er Montags fruͤhe ſich 
mit Lebensmitteln, die gewöhnlich in Brod und etwas ma— 
gerem Kaͤſe beſtanden, und mit Gewehr und dem dazu 
Gehoͤrigen zu verſehen, und kletterte alsdann die ganze 
Woche oben auf den Alpen-Gebirgen herum. Nachts lag 
er gewöhnlich in einer Sennhuͤtte. Samſtag Abends, oder 
wenn er fruͤher in der Woche eine gluͤckliche Jagd hatte, 
kam er beladen mit den Früchten ſeiner Bemühungen herab,. 
und nie verſaͤumte er alsdann die Kirche zu beſuchen, da er 
ſich das Gegentheil zu einer großen Suͤnde angerechnet haͤtte. 
Es mußte daher außerordentlich befremden, daß er acht“ 
Tage vor Michaelistag, alten Styls im Jahr 1796, an 
dem gewöhnlichen Tag, Samſtag Abends, nicht nach Hauſe 
kam; man argwohnte ſogleich, es möchte ihm ein Unglück 
zugeſtoßen ſeyn, und da er die folgende Woche ebenfalls 
nicht erſchien, ſo ſchickte man ihm Leute nach, um ihn auf⸗ 
zuſuchen, die aber nach vergeblichen Bemuͤhungen ohne 
Nachricht wieder zuruͤckkehren mußten. 36 Wochen ward 
er hierauf vermißt, und jedermann mußte in der Ungewiß— 
heit uͤber ſeinen Aufenthalt, uͤber ſein Leben oder Tod ſchwe⸗ 
ben; obwohl es ziemlich allgemein angenommen wurde, daß 
er nicht mehr lebe, ſondern durch irgend einen Zufall un⸗ 
gluͤcklich ums Leben gekommen ſey. — Wie quaͤlend und 
bejammerns wuͤrdig hätte dieſe bange Ungewißheit einer Frau 
und Kindern ſeyn muͤſſen, wenn er verheurathet geweſen 
waͤre! ö 


* 


160 , 


Erſt im Brachmonat des 1797. Jahrs ward dieſes trau; 
rige Raͤthſel aufgelöst. Ein Mann von Netſtall fand ihn 
unverſehens an dem Wiggis auf der Aueren-Alp nebſt feis 
nein doppelten Gewehr, Geld, Jaͤgertaſche und Sackuhr; 
letztere war gar nicht geroſtet, ſondern völlig unverſehrt 
und brauchbar. Er ſelbſt war groͤßtentheils ein Geripp. 
Um den Einen ſeiner Fuͤße hatte er ein Schnupftuch ge⸗ 
wickelt; wahrſcheinlich war er gefallen, und hatte denſel— 
ben verrenkt, denn es war kein Knochen entzwey. Er des 
fand ſich auf dem rechten Wege nach Haufe, und vermuth⸗ 
lich in dem eingefallenen fuͤrchterlichen Wetter, das mit 
ſchrecklichem Regen, Schnee und Kälte und niederhangens 
den Wolken ihm den Weg unkenntlich und menſchliche Huͤlfe 
unmoͤglich machte, war er eine gute Strecke fortgekrochen, 
und hatte einige Nothſchuͤße gethan, blieb aber verlaſſen. 
Man fand ihn ſitzend auf einem kleinen Huͤgel, die Hand 
unter feinen Kopf geſtuͤtzt, wie einen Schlafenden, ungeach— 


tet Fuͤchſe, Marder und Raubvoͤgel manche Portion Fleiſch 


von ſeinem Koͤrper getragen haben moͤgen. Huͤlflos, ohne 
Rettung, ohne jemand rufen und ſich von der Stelle weis 
ters fortbringen zu koͤnnen, mußte dieſer Ungluͤckliche, wahr— 
ſcheinlich nur nach und nach, vor Hunger und Durſt und 
Froſt und vielleicht noch von Schmerzen gequaͤlt und ent⸗ 
kraͤſtet, feine Seele aushauchen! 


Thomas Hefti, 1 


aus der Gemeinde Bettſchwanden, iſt der zweyte Ungluͤckliche, 
deſſen ich hier erwaͤhnen will. Er war ſeines Handwerks ein 
Maurer, liebte aber die Jagd von ſeiner erſten Jugend an 
ſo leidenſchaftlich, daß er ſich mehr mit dieſer als mit jenem 
abgab. Vorzuͤglich viel Anzuͤgliches hatte für ihn die Gem⸗ 


161 
ſenjagd. Er war daher ein aͤuſſerſt verwegener Bergſteiger, 
und oͤfters, wenn er in Geſellſchaft auf die Jagd gieng, 
beſtieg er Stellen, wo ſeine Geſellſchafter zuruͤckbleiben 
mußten. Allein nicht ſelten zog ihm ſeine Verwegenheit 
dieſe und jene Gefahren zu, die aber nie toͤdtlich fuͤr ihn 
waren, ſondern ihn gleichſam nur auf die Zukunft war⸗ 

nen und behutſamer machen wollten. Er ſtuͤrzte einige Male, 
und kehrte verwundet zuruͤck; er verlor im Fallen das Schloß 
von ſeiner Flinte; er wurde von Froſt und Ungewitter 
überfallen, mußte unter freyem Himmel uͤbernachten, und 
was dergleichen mehreres war, das ihm begegnete. Allein 
dieß alles war nicht im Stande ſeiner zur hoͤchſten Leiden⸗ 
ſchaft entſammten Jagdbegierde einige Grenzen zu ſetzen. 
Kaum waren die Gefahren beſiegt, und die erhaltenen 
Wunden geheilt, ſo ſetzte er ſich wiederum neuen aus. — 
Noch wenige Tage vor ſeinem Lebensende befand er ſich 
in einer Geſellſchaft, wo man ihn aufs nachdruͤcklichſte vor 
ſeiner Frechheit im Bergſteigen warnte, und ihm einſtimmig 
dasjenige weiſſagte, das ihm — leider! nur zu bald be⸗ 
gegnete. Er glaube ſelbſt, antwortete er, daß er eines ge⸗ 
waltſamen Todes ſterben werde; indeſſen ſeye er davon 
beynahe gewiß überzeugt, daß er, wenn dieß bey ihm eins 
traͤfe, eher auf einer gar nicht gefahrvollen Stelle veruns 
gluͤcke, als daß er ſich daſſelbe durch ein allzuverwegenes 
Unternehmen zuziehen ſollte; an gefährlichen Orten tra 
ge man Sorge; da man ſich hingegen auf mindergefaͤhr⸗ 
lichen Wegen allzuſicher gebe. Zu dem nun Bemerkten 
fügte er noch den, beſonders von dieſer Menſchenklaſſe hoͤchſt 
uͤbelverſtandenen und übelangewandten frommen Beyſatz 
hinzu: „Er ſterbe eben, wann und wo ihm Gott ſeine 
Stunde beſtimmt habe; unſer Leben ſtehe in Gottes Hand!“ 
— Von dieſem Grundſatz beſeelt, gieng er den 26 Heu— 
monat im Jahr 1797 wiederum in das Gebirg, und kehrte 
ar Bd. 2 5 


162 


des Abends mit einer Gemſe zu den Seinigen zuruͤcke. Nach 
etwas eingenommener Erquickung betete er noch fein Abend» 
und nachdem er kaum zwey Stunden geruhet hatte, ſein 
Morgengebet. — Wirklich ſind Leute von einer ſolchen ge⸗ 
fahrvollen Lebensart in Abſicht religioͤſer Uebungen — im 
Durchſchnitte betrachtet — nach dem Maaßſtabe ihrer Er⸗ 
kenntniße und ihrer Einſichten, ſehr gewiſſenhaft; ſie muͤſ⸗ 
ſen im vorzuͤglichſten Sinne des Todes immer eingedenk 
ſeyn! — Noch ehe der Tag grauete trieb ihn feine Leis 
denſchaft aufs Neue aus ſeiner Huͤtte, und den naͤmlichen 
Tag ſchoß er ſchon wiederum eine Gemſe. Des folgenden 
Tags kamen zwey andere Jaͤger auf der Sand-Alp zu 
ihm, und ſo reisten alle drey miteinander der Fuͤrſten⸗Alp 
zu. Thomas gieng ſeinen Gefaͤhrten muthig uͤber einen 
friſch beſchneiten Gletſcherfirn voran — allein dieß war 
fein letzter Gang! Ploͤtzlich und ganz unverſehens glitſchte 
er vor den Augen der Uebrigen durch eine vorher unſicht⸗ 
bare vom Schnee bedeckte Firnſpalte hinab, und wurde ſo 
ihren Augen entriſſen, indem er ihnen nur noch zwey dumpfe 
unverſtaͤndliche Worte zurief. — Zuſammengeſchreckt uͤber 
dieſes hoͤchſt traurige Ereigniß kehrten feine Gefährten bes 
trübt nach Hauſe, und berichteten den Trauerfall. Man 
ſuchte ihn hierauf Freytags und Samſtags mit zuſammen⸗ 
gebundenen Floͤßhaͤcken herauszuziehen, aber alles vergeb⸗ 
lich; man ließ ſogar einen Mann an einem Seile die Spalte 
hinab, mußte ihn aber, wegen der unausſtehlichen Kaͤlte, 
baid wiederum heraufziehen; — und fo gaben die hinter⸗ 
laſſenen betruͤbten Angehörigen alle Hoffnung auf, die trau⸗ 
rigen Ueberbleibſel des Koͤrpers des Verungluͤckten je aufzu⸗ 
finden. — Sonntags vereinigte ſich eine ganze Geſellſchaft 
von den ſtaͤrkſten und beherzteſten jungen Männern der bes 
nachbarten Gemeinde Linthal, um ebenfalls aus eignem Ans 
triebe einen Verſuch zu wagen, den Körper ihres verungluͤck 


163 


ten Freundes zu finden, Mit zwey langen Kirſchbaum⸗ 
Leitern, mit Floͤßhaͤcken und Stricken verſehen, begaben ſie 
ſich auf den Gletſcherfirn. Beyde Leitern wurden an eins 
ander gebunden, durch die Spalte hinabgelaſſen, und Fries 
dolin Störj flieg auf denſelben, an einem Seil von oben 
noch gehalten, mit zwey an einander befeftigten Floͤßhaͤcken 
bewaffnet, in die unterirdiſche Kluft. Der Firn lag ganz 
auf der Oberfläche des darunter ſich befindenden ſcheinbar 
ſtillſtehenden Gletſcherwaſſers auf; jener war ungefaͤhr 15 
Fuß dick, und dieſes völlig rs Fuß tief. Gleich im Ans 
fange war der Nachſuchende ſo gluͤcklich, den verſunkenen 
Körper an feinen Hacken anzuſpießen, der aber wieder ab⸗ 
glitſchte. Es gelang ihm das zweyte Mal; er brachte den» 
ſelben gluͤcklich über das Waſſer, nahm ihn darauf in feine 
kraftvollen Arme, und trug dieſe unbeholfene, ſchwere, und 
von Waſſer angefuͤllte Maſſe, zum Erſtaunen aller Anwe⸗ 
ſenden, die Leiter herauf, ſagte aber auch zugleich, daß er 
wegen der heftigen Kälte keine drey Minuten länger in Dies 
ſem finſtern Kerker hätte ausdauern konnen.“ Der entfeelte 
Leichnam hatte indeſſen gar nichts an feiner natürlichen 
Farbe verloren, und war damals, als man ihn heraus⸗ 
brachte, fo friſch, als ob er kaum vorher bineingefallen 
wäre. Er wurde darauf in Bettſchwanden im 36 Jahr 
ſeines Alters beerdigt, und ſeine arme Gattin mit fuͤnf Kin⸗ 


dern beweinte den Verluſt ihres arb eitſamen, häuslichen 


und rechtſchaffenen Gatten. — Er erlegte waͤhrend ſeiner 
kurzen Jaͤger⸗Laufbahn über 300 Gemſen, und hatte ſchon 
im letzten Sommer über 30 Stuͤck geſchoſſen ). 
0 © 4 \ Par} 2 2 3 1 - 2 2 — 

) Im Auguſt des 1786er Jahrs ſtuͤrzte auf der gleichen Aly 
ein Englaͤnder in eine ſolche Gletſcherſpalte, der nicht ganz 
ins Waſſer hinunterſiel, ſich darauf mit feinem großen Sack— 
meſſer Stufen in die eine Slesicherwand hineinhaute , und 


164 


Endlich will ich noch des letzten Serie verungluͤckter 
Gemſenjaͤger, nämlich des 


Caſpar Blumer 


von Glarus kuͤrzlich erwaͤhnen. Drey Tage vor Martini im 
Jahr 1797 gieng dieſer von Glarus aus mit drey andern Ge⸗ 
faͤhrten ins Gebirge auf die Gemſenjagd, und zwar auf den 
kahlen und unfruchtbaren Glaͤrniſchberg. — Er war eben⸗ 
falls ein aͤußerſt leidenſchaftlicher Jaͤger, und wurde mit 
Recht unter die verwegenſten Gemſenverfolger und Gebirgs— 
kletterer von Glarus gezaͤhlet. So erzaͤhlte mir z. B. ein 


nachdem er jedesmal mit den Füßen in dieſe flieg, ſich mit 
beyden Händen an der andern Wand feſthielt und ruͤckwärts 
hinaufſchob, und dieß ſo lange wiederholte, bis er gerettet 
war. Siehe meine Beſchreibung der Schweitzer Ahe und 
Landwirthſchaft. is Baͤndch. S. 237. 238. 

Scheuchzer erzählt eine Ähnliche Geſchichte von einem 
Glarner Juͤger, Caſpar Stoͤri von Schwanden, der in eine 
Gletſcher-Spalte auf der Limmern-Alp hinunterſiel, und 
von feinen Gefährten, nach einem zweyten Verſuche, an ei⸗— 
nem Seil glücklich herausgezogen wurde. Beym erſten Ver, 
ſuche zerriß der Strick entzwey, der Verungluͤckte, zur Hälfte 
Heraufgezogene ſtuͤrzte wieder hinunter, und zerbrach noch 
von dem Falle ungluͤcklicher Weiſe einen Arm. Siehe J. J. 
Scheuchzers Naturgeſchichte des Schweitzerlands. Heraus⸗ 
gegeben von Sulzer. ar Th. S. 81 bis 83. 

Ein völlig aͤhnliches Schickſal, ſowohl in Anſehung des 
Falls als aber der Rettung hatte im Jahr 1755 ein Jaͤger 
im Haslithal, Peter Moor aus Gadmen, der mehr als neun 
Stunden lange in ſeinem ſcheußlichen Kerker ſtecken blieb, 
ohne einigen Schaden davon zu nehmen. S. der ſchweizer⸗ 
ſchen Geſellſch. in Bern Sammlungen von landwirthſchaft⸗ 
lichen Dingen. Erſten Theils viertes Stuͤck. S. 871. 872. 

In den Eisfeldern uber dem Grindelwalde ſank einſt ein 


165 


erfahrner Gebirgsmann: daß er einft mit ihm ins Gebirge 
gegangen, und nicht mehr beherzt genug geweſen ſeye, 
ihm an diejenigen Orte nachzufolgen, die er muthig beſtieg, 
ſo daß er ihn damals verlaſſen mußte; und von einem ans» 
dern erfuhr ich, daß er ihn einft über ein kaum Handbreis 
tes Felſengeſims, unter dem ſich die ſcheußlichſten Abgruͤnde 
öffneten, an einem Seile haltend, ruhig und ſicher hinge 
führt habe. — Der Morgen jenes oben angezeigten Tages 
war neblicht, und der Boden eiſenhart gefroren, ſo daß die 
andern drey Gefaͤhrten kaum zur Mitreiſe von ihm bewogen 
werden konnten. Caſpar, deſſen Fußeiſen zum Ungluͤcke 


Gemſenjaͤger in eine Gletſcherkluft. Unbeſchaͤdigt fiel er 
durch die ganze Dicke der Eismaſſe hinunter auf den ſteini⸗ 
gen Grund des Eisthales, der zu ſeinem Gluͤcke an dieſer 
Stelle nicht tief mit Waſſer angefuͤllt war. Hier fand er 
die Eisdecke feines fuͤrchterlichen Kerkers auf eine ähnliche 
Weiſe durch die natürliche Wärme der Erde theilweiſe aus⸗ 
geſchmolzen, wie an den tiefen Gletſchern, die in die noch 
fruchtbaren Thaler herabhangen; muͤhſam kroch er der Dis 
rektion der kleinen Baͤche nach, die ſich auch hier durch die 
Schmelzung des Eiſes bilden, und erreichte ſo endlich den Rand 
des Eisfeldes an einer Stelle, wo dieſer auf der oberſten 
Hoͤhe einer ſteilen Felſenwand, uͤber die ſich jener Bach, 
der ihm zur Leitung diente, als ein Waſſerfall herabſtuͤrzte, 
zu Tage ausgieng. Von hier aus fand dieſer Jaͤger, der 
noch lebend aus feinem finſtern Gewoͤlbe zuruͤckkam, Mittel, 
in wegſamere Gegenden hinunterzuklettern. 

Ein Paar andere Unglücksfaͤlle von Berner⸗Gemſenjaͤgern 
erzählt Meiners in feinen Briefen über die Schweiz. Tuͤb. 
1791. zr Th. S. 44. 45., die Meißner in feine Alpenreiſe 
mit feinen Zöglingen, Bern 1801. S. 102 — 104, aufnahm. 
Auch ſteht ein aͤhnliches Beyſpiel von einem Walliſer ⸗Stu⸗ 
denten im ſchweizeriſchen Muſeum, 1789. V Jahrg. 6s H. 
©. 49. 


466 


ziemlich ſtumpf geworden waren, flieg bey Glarus auf dem 
ſogenannten Suckberg in die Hoͤhe, und verſprach den 
letztern, die erſt im Kloͤnthale den Weg bergan verfolgten, 
ihnen die Gemſen entgegen zu jagen, und dann zur beſtimm⸗ 
ten Zeit auf ihrem Poſten einzutreffen. — Ein jeder von 
ihnen beſetzte alſo einen Durchpaß, wo die vom Caſpar auf 
gejagten Gemſen hätten vorbevkommen muͤßen; allein vers 
geblich harreten ſie der Gemſen und ihres Verfolgers; und 
da die Zeit zur Ruͤckkehr genahet war, und all ihr Pfeifen 
und Rufen nur durch das Echo erwiedert wurde, ſo Echte 
ten ſie nach Hauſe, in der Hoffnung ihr Freund Caſpar 
werde ihnen auf einem andern Wege entweder vorangehen, 
oder aber nachfolgen. Allein da ſie ihn bey Hauſe nicht an⸗ 
trafen, und er ſogar des Samſtags Abends noch nicht 
vorhanden war, ahndeten feine Anverwand ten ein Ungluͤck, 
das ihm möchte begegnet ſeyn, und durchſuchten die Glärz 
niſch⸗ Gebirge einigemal, konnten aber keine Spur von 
ihm auffinden, worauf der eingebrochene Winter ohne 
hin allen fernern Nachforſchungen fuͤr etliche Monate ein 
Ende machte. — Erſt naͤchſtſolgenden Sommer, in 
der groͤßten Hundstagshitze, da der Schnee beynahe 
uͤberall zerſchmolzen war, fand man ihn in demjenigen 
Gebirge, das er beſtiegen hatte, am Fuße einer fuͤrchter⸗ 
lichen Felſenwand, ſcheußlich zerfallen und halb verwest. 


— Er endigte auf dieſe Weiſe fein Leben — unverheura⸗ 


thet — im 40 Jahre feines Alters.) 


) Im Jahr 1715 fiel ebenfalls der Freybergſchuͤtze Rud. Trumpf 
von Glarus im Gebirge auf der Gemſenjagd, und buͤßte 
dabey ſein Leben ein. S. Scheuchzers Naturgeſchichte 
des Schweizerlandes, herausgegeben von Sulzer,, zr Th. 
©: 299. — 
Ue berhaupt ließe fich das Verzeichniß verungluͤckter ſchwei⸗ 
zerſcher Gemfeniäger unendlich vergrößern: obwohl mir 


3 


167 


Verſuch 
einer Beſchreibung der Gebirge der Republik 
Graubuͤnden, im Großen gezeichnet. 


Von U. von Salis. 


Ich wage den Verſuch, die Berggruppe zu ſchildern, wel⸗ 
che der Wohnſitz der Graubuͤndner iſt. 

Darſtellen der als Worte iſt freylich ſo ein Modell oder 
Basrelief, wie Pfeifers unſterbliches Werk und andere Mei⸗ 
ſterſtuͤcke feiner Nachahmer. Aber immer hat dieſe Ma⸗ 
nier den Nachtheil, daß man das Bild nicht leicht nach- 
bilden und genugſam vervielfaͤltigen kann. Ich ſchlage 
alſo dieſen Weg ein, obwohl ich kaum hoffen darf, daß 
es mir gelingen werde, in der Einbildungskraft derjenigen 
von meinen Leſern, die hohe Gebirge in der Naͤhe geſe— 
hen haben, Ruͤckerinnerungen aufzuwecken, die lebhaft ges 
nug ſeyen, um ihnen das von mir nur ſuͤchtig entworfne 
Gemaͤlde ganz ausgemahlt vorzuſtellen. 

Der hoͤchſte Gipfel der oberſten Alpen, der Italien von 
Deutſchland und Frankreich trennt, durchſchneidet Graus 
buͤnden in eben der bogenfoͤrmigen Richtung, in welcher er 

Ramonds Bemerkung: daß der Abt von Engelberg ſich glück⸗ 

lich ſchaͤtze, wenn er in einem Jahre nicht mehr als 5 

Menſchen auf der Gemſenjagd verloren habe, allzuuͤbertrie⸗ 

den ſcheint. S. Hoͤpfners Magazin IV Th. S. 363. Und 

Marquis von Pezai Soirees Helvetiennes, welchem letzteren 

es Ramond nacherzaͤhlte, nur mit dem Unterſchiede, daß 

dieſer den Fall in einzelnen Jahrgaͤngen fuͤr moͤglich und 
wuͤrklich angiebt, Ramond hingegen ihn auf alle Jahraän. 
ge ausdehnt. 


\ 


168 


von den Ufern des adriatifchen Meerbuſens bis nahe bey 
Nizza fortlaͤuft. Der mittaͤgliche Theil von Graubünden 
iſt alſo kleiner als der noͤrdliche, weil die Sehne kuͤrzer iſt 
als der Bogen. Man irret ſich, wenn man ſich dieſen 
oberſten Gipfel der Alpen als ein Amphitheater, an wel— 
ches ſich uͤbereinander erhobne Terraſſen anlehnen, vor⸗ 
ſtellt. 5 
Der weiſe, ſich immer gleiche Urheber der Natur hat 
bey der Erbauung dieſes ſehr merkwuͤrdigen Ruͤckgrats eis 
nes Welttheils viel mehr die Bauart des Ruͤckgrats der thies 
riſchen Welt beybehalten; oder wenn man lieber will, bey 
der Bildung des Rippengebaͤudes der kleinen Welt das Rips 
pengebaͤude der großen nachgeahmt. Stellt man ſich alſo 
den Hauptſtamm der Alpen als den Ruͤckgrat irgend eines 
ungeheuren Land- oder Seethiers vor, ſo vergleichen ſich 
füglich mit den Gelenkknoten jene hohe Bergfiöde , die fich 
uͤber den niedrigeren Theil des Alpengipfels bald in der 
Geſtalt von ſcharf zugeſpitzten Obelisken, bald als ſeit— 
waͤrts gebuͤckte Hörner, bald piramiden- oder tafelfoͤrmig, 
ja öfters als mit allen dieſen fürchterlichen Zierathen aus⸗ 
geſchmuͤckte Kaͤmme erheben. Aus dieſen Bergſloͤcken gehen 
dann faſt immer Nebenketten von Gebirgen wie Rippen 
oder Graͤte aus dem Knoten des Ruͤckgrats hervor. Dieſe 


Nebenketten haben meiſtens eine ſanft gebogne rippenfoͤr⸗ | 


mige Geſtalt, werden wie die Graͤte je länger ie dünner 
und niederer, je mehr ſie ſich von ihrem Hauptſtamm ent⸗ 
fernen, und geben alſo den zwiſchen ihnen liegenden Thaͤ⸗ 
lern eine ſchickliche, unten weitere, oben engere und ſich 
von der Hoͤhe des Alpengibels bis in die Tiefe der Ebne 
allmaͤhlig herabſenkende Bildung, welche dem in den Eis⸗ 
bergen des Alpengipfels aufgehaͤuften und aus unzaͤhligen 
Quellen hervorrieſelnden Waſſervorrath, einen bequemen 
Ablauf geſtattet. 


169 


Man muß aber das Gleichniß nicht zu ſehr ausdehnen, 
und ſich eine zu puͤnktliche Gleich foͤrmigkeit der Bildung 
und des Schwungs dieſer Bergrippen denken, wie ſolche 
in den engeren Schranken eines thieriſchen Koͤrpers ſtatt 
hat. Die größeren Gebaͤude der eben ſowohl in ihrer Man⸗ 
nigfaltigkeit als in ihrer Symetrie großen Natur, ſind im 
hoͤhern Styl gezeichnet, und erlauben ſich Uebergaͤnge in 
andre Formen. Daher gleichen dieſe Nebenketten der Ges 
birge oͤfters frey ſich ausdehnenden Baumaͤſten, die, obs 
wohl ſie von dem gleichen Stamm ausgehen, doch an 
Laͤnge, Dicke, Bildung und Richtung ſehr verſchieden ſind. 

Eine beſtimmtere Beſchreibung der Haupt- und Neben- 
ketten der Alpen, die Buͤn den durchſchneiden, und zum 
Theil einſchließen, wird dieſes deutlicher auseinander ſetzen. 

Dort, wo aus den Bergfirſten, die den hohen Gotthard 
umgeben, die Bergketten, die Wallis von beyden Seiten 
einſchließen, gegen Abend ausgehen, lehnen ſich an der Ofts 
ſeite dieſer unermeßlichen Berggruppe, noͤrdlicher der Cri⸗ 
ſpalt, ſuͤdlicher der Lucmajer an, nicht nur wegen ihrer 
Höhe und ihrem ewigen Eis, ſondern auch deswegen merk 
würdig, weil von ihnen und dem zwiſchen beyden liegens 
den Berggipfel, Cima del Badutz, die Bäche herab» 
ſtroͤmen, aus welchen der vordere und mittlere Rhein ent⸗ 
ſtehen. Aus dem Lucmajer lauft der gegen Oſten fortges 
ſetzte, Buͤnden durchſchneidende, oberſte Gipfel der Alpen 
aus, wendet ſich gegen Suͤdoſt, und vertieft ſich ſchnell 
auf den St. Mariaberg, der an den Luckmajer ſtoͤßt, ſo 
weit herab, daß eine nicht unbequeme Landſtraß aus dem 
Medelſer⸗ in das Polenſerthal darüber geht. An der Suͤd— 
boſtſeite des St. Mariabergs erhebt ſich der Gipfel wieder, 
und laͤuft in gleicher Richtung fort bis auf die Felſen, 
die fich über den großen Gletſcher erheben, der die oberſte und 
binterſte Terraſſe des Criſtalliner⸗Thals aus fuͤllt. Von dies 


— 


470 


ſem, ſelbſt von Gemſejaͤgern nie betretnen, wilden Eisberg 
ſenkt ſich der Alpengibel jaͤh auf einen niedrigen Gras⸗ 
berg herab, über welchen man aus den hinterſten Meyen⸗ 
fäßen des Buͤndneriſchen St. Peterthals durch ein enges, 
bewohntes Bergthal, das nach Olivone gehoͤrt, nach die⸗ 
ſem Hauptflecken des ſchweizeriſchen Potenſerthals gehen und 
auch mit Saumpferden fahren kann. Suͤdwaͤrts von dies 


ſem Grasberg erhebt ſich der Alpengibel von Stufen zu 


Stufen, bis zu der groͤßten Hoͤhe des ſchwarzen Muſchel⸗ 
horns, das hoch uͤber erſchreckliche Felſenmaſſen, die ſich 
an ſeine beyde Seiten anſchließen, und einem ſtundelangen 
Eisberg, der zu feinen Füßen liegt, hervorragt (1). Autß 
dieſen Firſten gehen zwey lange Nebenketten gegen Suͤden 
aus, von welchen die weſtliche das Polenſerthal von dem 


Calankerthal, die oͤſtliche dieſes von dem Meſaxerthal ſchei⸗ 


det. Der oberſte Berggibel der Alpen aber wendet ſich 
von dieſem Horn an nach Suͤdoſten, läuft über einen ho⸗ 
hen Felſenkamm, der mit ewigem Eis bedeckt iſt, aus wel⸗ 
chem dreyzehn Waſſerfaͤlle hervorſtuͤrzen, die vereint mit 
dem aus einem Eisgewoͤlbe des innerſten Hauptgletſchers 
herausſtroͤmenden ſtaͤrkeren Bach, die eigentlichen Quellen 
des hintern Rheins ausmachen (2). 

Nachdem der Alpengipfel dieſem Felſenkamm, hinter 
welchem die Moſchel- oder Mueſa-Alp liegt, eine Strecke 
von zwey Stunden weit gefolgt hat, ſenkt er ſich auf dem 
St. Berhardins⸗ Berg, der ein Theil der obgedachten Aly 
iſt, ſehr weit herab, und geſtattet der Landſtraße, die von 
Hinterrhein in das Dorf St. Bernhardin, oder von Chur 
durch das Meſaxerthal nach Bellenz fuͤhrt, einen ſehr be⸗ 
quemen Durchgang (3). 

Oſt⸗ſuͤdoſtwaͤrts von dieſer Bergſtraße erhebt ſich piras 
midenfoͤrmig das ſchwarze Horn, ein Firſt des Alpengipfels, 
aus welchem eine lange Nebenkette von Gebirgen, welche 


171 


das obgedachte Meſaxerthal von der Grafſchaft Cleven und 
dem Comerſee trennen, ausgeht. Gleich neben dieſem Horn 
ſteht ein anderes gleich geformtes, Mittags-Horn genennt, 
etwas oͤſtlicher, und naͤchſt an dieſem noch weiter gegen 
Morgen ein hoher Bergſtock in Geſtalt eines Cylinders, der 
Curkenill oder Carnellaberg genannt. Zwiſchen dieſen bey> 
den Felſenmaſſen draͤngt ſich ſtundenweit die Carnellaalp, 
ein hohes Bergthal, hinein, welches Meſax vom St. Ja⸗ 
kobsthal trennt. Vom Curkenill läuft der Alpengipfel ge 
gen Oſten fort, erhebt ſich zuerſt in dem hohen Tambo— 
horn, und ſenkt ſich dann jaͤh auf den Spluͤgnerberg her⸗ 


3 ab, bis dort wo die getriebneſte Landſtraße von Chur nach 


Mailand daruͤber geht (4). Oſtwaͤrts des Spluͤgnerbergs 
ſteht eine Gruppe aneinander gelehnter und aufeinander ges 
haͤufter Gebirge, dis den ganzen Raum zwiſchen dem aͤuſ⸗ 
ſeren Rheinwald, Schams, Oberhalbſtein, Bergell, dem 
Elefner- und Plurſerthal ausfüllen und das St. Jakobs⸗ 
thal von der Morgenſeite begraͤnzen (5). 

In dieſe Berggruppe draͤngt ſich von der Nordſeite 
das zu Schams gehoͤrende Ferrerathal und von der Abend— 
feite das Fracißcierthal, das ein Quartier des St. Jakobs⸗ 
thals iſt, hinein. Oben auf dieſer Berge hohem Ruͤcken 
liegen drey hohe Bergthaͤler, Emet gegen Norden, Valle 
de Lei gegen Suͤden, und das ſtark bewohnte Afnerthal 
gegen Morgen. Alle dieſe Thaͤler ſind ob dem Holz von 
Felſenſpitzen und Eisbergen umzingelt (6). 

Afers reichet bis an den Septmerberg, uͤber welchen 
eine uralte Landſtraße von Deutſchland nach Italien geht. 
Der Gipfel der Alpen, der ſich an dieſem Ort vertieft / 
erhebt ſich ſchnell und lauft uͤber einen ſehr hohen Kamm 
gegen Nordoſt fort; zu beyden Seiten dieſes Felſenkamms (7) 
liegen die merkwuͤrdigen drey kleinen Bergſeen ſehr nahe 
deyeinander, deren Ausfuͤſſe, wie es ſchon Otto von Frei⸗ 


472 
fing, Chron. L. 7. C. 17. bemerkt hat, ſich gegen dream 
verſchiedene Weltgegenden ausgießen, da der eine mit ſei— 
nem Waſſer den Rhein, der andere den Inn und die Do— 
nau und der dritte die Mera, Adda und den Po vers 
ſtärkt (8). 

Ein ſehr hohes Vergthal liegt nordwaͤrts dieſes Berg⸗ 
kamms und fuͤhrt den Namen des Julierbergs, wodurch 
eine Landſtraße aus dem obern Engadin nach Bivio und 
Chur geht, von welcher man glaubt, ſie ſeye die aͤlteſte 
Landſtraße uͤber die rhaͤtiſchen Alpen geweſen, theils weil 
ſie wirklich die bequemſte iſt, theils wegen dem Namen, 
welchen einige von Julius Caͤſar, andere mit mehr Recht 
von dem Julfeſt der alten Celten herleiten, theils wegen 
den uralten auf der oberſten Höhe dieſes Bergthals ſtehen⸗ 
den zwey Saͤulen. Von der Gegend, wo dieſe Saͤulen 
ſtehen, erhebt ſich der Alpengipfel neuerdings einige tau⸗ 
ſend Fuß hoͤher und lauft gegen Morgen fort. An die 
Nordſeite deſſelben ſchließt ſich eine ſehr beträchtliche Gruppe 
hoher Felſen an, die zwiſchen Oberhalbſtein, Oberengadin, 
Buͤrguͤn und dem Belforter-Gericht ſich erheben. Hohe 
Bergthaͤler dringen von Tinzen im Oberhalbſtein, Bevers 
im Engadin und von der Seite von Buͤrguͤn, in dieſen 
Bergklumpen hinein, in deſſen Mitte der hohe Wipfel des 
Cimolts uͤber alle andern hervorragt (9). 

An der Oſtſeite deſſelben geht die Landſtraße des Albulas 
Bergs, ſo von Chur uͤber Buͤrguͤn in das Engadin fuͤhrt, 
uͤber die Zinne der Alpen (10). Zwey Stunden weiter 
gegen Nordoſten uͤberſteigt die Straße des Scalettenbergs 
die naͤmliche Zinne, und jenſeits des ſich allda erhebenden 
Bergfirſtes, das ſchwarze Horn genannt, folgt in gleicher 
Entfernung gegen Nordoſten die Straße des Fluͤelabergs; 
beyde letztern fuͤhren aus dem obern und untern Engadin 
nach Davos. Auf der Morgenſeite des Fluͤelabergs hat 


173 


die Natur eine Berggruppe aufgethuͤrmt, die jede andere 
in Anſehung der Hoͤhe und des Umfangs uͤbertrift. Auch 
gehen aus dieſer, wie aus einem unermeßlichen Knoten 
des Alpengerippes, die groͤßten Nebenketten heraus, welche 
wir weiter unten beſchreiben werden. Der Hauptſtock die⸗ 
ſer großen Maſſe iſt der piramidenfoͤrmige Eiſenberg in der 
großen Fermunter⸗Alp. An dieſen ſtoßen die von Fluͤela 
aus gegen Nord⸗Nordoſt ſich ausbreitende, Varaina und 
Salvretta umgebende Felſenkaͤmme und hohe Gletſcher⸗ 
thaͤler, von dieſem gehen die großen Nebenketten der Berge, 
welche den Zehengerichtendund in Buͤnden und das Thal 
Montafun umſchließen, gegen Norden und Weſten aus. 
Gegen Oſten aber ſetzt der Alpengipfel ſeinen Lauf noch 
eine kleine Strecke fort, vertieft ſich ſchnell und wird dann 
plotzlich durch eine enge Felſenkluft unterbrochen, und fo 
zu ſagen entzwey geſchnitten. Gleich jenſeits dieſer Kluft 
ſteht ſchon der ſich ſenkrecht erhebende Alpengipfel in ſeiner 
ganzen Majeſtaͤt wieder da und lauft nun durch die Graf: 
ſchaft Tirol uͤber den großen Verner und Aue bis in 
Kaͤrnten ununterbrochen fort. 
Dieſe Schlucht, das einzige Thor in ber großen Alpen⸗ 
mauer, durch welches man, ohne die Gebirge zu uͤberſtei⸗ 
gen, faſt ebenes Fußes aus Deutſchland nach Italien kommen 
kann, iſt eine der erſtaunlichſten Merkwuͤrdigkeiten der großen 
Baumeiſterin Natur. Mitten durch dieſelbe windet ſich 
der Innſtrom, der auf der welſchen Seite der Alpen ent⸗ 
ſprungen iſt, auf die deutſche hinuͤber, und bringt ſeinen 
Waſſerſchatz der Donau, anſtatt ihn der Etſch zuzuführen. 
Wann man ihn mit raſchen Schritten darin fortwallen 
ſieht, moͤchte man faſt auf den Gedanken gerathen, er habe 
ſich dieſen engen Pfad ſelbſt ausgegraben. Aber wahrſchein⸗ 
licher iſt es, ein Erdbeben habe ihm denſelben gebahnet, 
und der eingeſunkne Felſen, über welchen die Landſtraßt 


174 


von Nauders in dieſe Gruft herabſteigt, beſtaͤtiget dieſt 
Muthmaſſung. Moͤchten doch Cosmogeniſten und Orogra⸗ 
phen dieſe, vor andern merkwuͤrdige Berggegend häufiger 
beſuchen; den ganz bequemen Poſtweg, der durch dieſen 
Abgrund von Landeck im Innthal nach Nauders und Mals 
im Etſchland fuͤhrt, befahren, in dem Tiroliſchen Schloß 
und Zollhaus Finſtermuͤns, das im Schlund der Schluchte 
liegt, einſprechen, und allda die ganz gleiche Steinart und 
gleich ſtreichenden Lagen der einander gegenuͤberſtehenden 
Felſenwaͤnden genau beobachten, ſo wuͤrden ſie vielleicht 
dieſe gewagt ſcheinende Vermuthung nicht ganz unbegruͤn⸗ 
det finden. 

Hier endet ſich alſo der Buͤndneriſche Alpengipfel, denn 
von da an gehoͤrt er zum Tirol. 

Nun bleibt uns noch übrig die Nebenketten zu befchrets 
ben, die von dem Gipfel ausgehen und Buͤnden durchſchnet— 


den. Wir fangen bey der Nordſeite der Alpen an, und 


hier fallt uns wieder eine Merkwuͤrdigkeit des Alpengebaͤu⸗ 
des auf. Auf dem hohen Criſpalt, der oſtwaͤrts des St. 
Gotthardsbergs in der ganzen Wuͤrde eines ewigen Eisber⸗ 
ges aufgethuͤrmt ſteht, geht eine Kette von ſehr hohen Ge⸗ 
birgen aus, welche anfaͤnglich Uri und dann Glaris von 
Bünden trennt. Dieſe Bergkette begraͤnzt dann das Sar⸗ 
ganſerland und den Wallenſtadterſee von der ſuͤdweſtlichen 
Seite und erreicht beym Ausfuß dieſes Sees, im Berg 
ob Kertzen, ihr Ende (11). 

Eben dort wo dieſe Bergkette aus den buͤndneriſchen 
Graͤnzen trittet und in die Schweitz uͤbergeht, naͤhert ſich 
ihr bis auf eine kleine halbe Stunde eine eben ſo hohe Berg— 
kette, welche von dem eben beſchriebenen hohen Bergſtock 
des Fermunter Firſts ausgeht, das Thal Brettigaͤu vom 
Montafun treunt, und bey Mayenfeld ſich Ragaz gegens 
uber, in dem hohen Falkniß ſteil erhebt (12), 


175 


So wie am Fuß der erſten diefer großen Bergketten 
der Rhein bis an die buͤndnekiſchen Graͤnzen fortſließt, fo 
ſtroͤmt am Fuß der zweyten die Landquart und ergießt 
ſich unfern von deſſen Graͤnzen in den Rhein; alſo daß 
der ganze aus Buͤnden gegen Norden aus fließende Waſſer⸗ 
ſchatz hier auf einem Fleck vereint iſt und vereint ſeyn muß, 
denn dieſe zwey Bergketten umſchließen das ganze heutige 
Graubuͤndnerland auf der Nordſeite dergeſtalten, daß wenn 
eine allmaͤchtige Hand es ſich gefallen lieſſe, den engen Raum 
zwiſchen dem Falkniß und dem Berg hinter Ragatz mit eis 
nem berghohen Damm zu verrammeln, ganz Buͤnden dieſ⸗ 
ſeits der Alpen ſich in einen großen, mit Felſeninſeln dicht 

beſaͤeten See verwandeln würde (13). 

Zwiſchen dieſen zwey, ſich ſo weit ausdehnenden Berg⸗ 
ketten, die Buͤnden umſchlingen, theilen verſchiedene klei⸗ 
nere das innre Land in Thaler ab, die wie Fächer ſich ans 
einander ſchmiegen. Die erſte an der Weſtſeite geht von 
dem St. Mariaberg aus, ſoͤndert die Criſtallineralp und 
das Thal Maͤdels vom Lugnetzer Thal, und endet ſich in 
eine, vornen breitere und niedrigere Berggruppe, auf wel⸗ 
cher das Gericht Ueberſaxen und einige Doͤrfer des Hoch⸗ 
gerichts Lugnetz und Gruob liegen. Etwas weiter gegen 
Oſten, eben dort wo der Gipfel der Alpen ſich an den hin⸗ 
teren Rheingletſcher anſchließt, trittet aus der linken Seite 
dieſes Gletſchers eine wichtige Nebenkette hervor, die zwey 
Stund Wegs bis dort, wo ſich das Canalhorn erhebt, dem 
Gipfel ſelbſt parallel gegen Suͤden fortlaͤuſt, und die enge 
Schluchte, in welcher der hintere Rhein ſeinen Lauf be— 
ginnt, von der Morgenſeite einſchließt, dann ſich dort, wo 
gedachtes Horn ſtebt, ſchnell gegen Oſten umwendet, und 
in dieſer Richtung immer faſt parallel mit dem allbereits 
befchriebenen Hauptgipfel fortgeht. Zwiſchen dieſen zwey 
Bergmauren liegt das vom jungen Rhein durchſtroͤmte Hoch⸗ 


176 
gericht Rheinwald, und erſt dort, wo ſich dieſes Thal in 


der Nofa fo ſehr verengt, daß es ſich endlich in eine fuͤrch⸗ 


terliche Schluchte umwandelt, wendet ſich die bis hieher 
beſchriebene Nebenkette vom Hauptgipfel ab, laͤuft nun ges 
gen Norden, erhebt ſich in dem ſcharfzugeſpitzten Pitz Yes 
verin auf eine beträchtliche Hohe, begraͤnzt die fehauders 
hafte Felſenkluft der Viamala weft» und nordwaͤrts, und 
verwandelt ſich dann in den herrlichen Heinzenberg, auf 
deſſen ſich gegen das Domleſchgerthal fanftneigendem Rs 
cken das Aug des Wanderers nachlaͤßig hingeſtreute Doͤrfer, 
Bauernhoͤfe, Schloͤßer, Wieſen, Aecker, Triften, Alpen 
und Waͤldern, wie in einem launiſch entworfnen Gemaͤlde, 


erblickt. Mit dieſem merkwuͤrdigen Berg vollendet dieſe 


Nebenkette ihren Lauf, nachdem ſie zuerſt Rheinwald von 
St. Petersthal, und dann Rheinwald, Schams und Thu— 
ſis von Savien getrennt hat. Um dieſes fruchtbare Thaͤl⸗ 
chen auch von der andern Seite einzuſchließen, laͤuft von 


der eben beſchriebnen Nebenkette, dem hohen Curcenill ge- 


genuͤber, ein Aſt von Gebirgen gegen Nord-Weſt aus, 
trennt zuerſt Savien und Tenna von St. Petersthal, und 
endet ſich dann in einer Gruppe hoher Felſen⸗Firſten, die 
zwiſchen gedachten zwey Thaͤlern, dem Lugneger » Thal, 
das ſie auf der Oſtſeite, und dem Hochgericht Grub, wel⸗ 
ches ſie von der Suͤdſeite begraͤnzen, aufgethuͤrmt ſtehen (14). 


Zwiſchen Avers und dem Septmerberg ſenkt ſich eine 


Nebenkette von felſichten Gebirgen herab, welche zuerſt das 
Thaͤlchen Ferrera von Bivio und Marmorera und das 
Schamſerthal von Oberhalbſtein abſoͤndert. Dieſe laͤuſt 
von da weiter fort gegen Norden, entdeckt ihr inneres Ge⸗ 
halt in der ungeheuren Felſenwand, welche die obgemeld⸗ 
te Via mala⸗Schlucht von der innern Seite einſchließt (15), 
und ſcheint in dem hohen, das ganze Domleſchg uͤberſchauen⸗ 
den Mutnerhorn und dem Hügel, auf dem das uralte 


177 
Schloß Rhaͤtia alta ſtehet, fein Ende erreicht zu has 


ben, weil ein tiefer Felſenritz, oder, wie man ſolche Kluͤſte 


in Buͤnden nennt, Tobel, wodurch die Albula fließt, und 
die Bergſtraße Schein ſich heraufwindet, fie ploͤtzlich uns 
terbricht; allein das Gebirg erhebt ſich jenſeits der Schlucht 
eben ſo jaͤh wieder, und die Fortſetzung dieſer Kette oder, 
wenn man lieber will, eine derſelben gegenuͤberſtehende Ge— 
birginſel, die mit Triften und Kornfeldern ausgeſchmuͤckt 


iſt, und auf welcher verſchiedene, zum Domleſchg und Ober⸗ 


vatz gehörende Dörfer liegen, erhebt ſich zwiſchen Doms 
leſchg, Ems, Obervatz, Churwalden und Chur, trägt auf 
einem ihrer Gipfeln eine March, bey welcher alle drey Buͤnde 
zuſammenſtoßen, und erreicht in dem waldichten Pitzokkel⸗ 
berg ob Chur ihr noͤrdliches Ende (16). N 
Die von dem Julier und Albulaberg ausgehenden und 
zwiſchen Oberhalbſtein, Buͤrgün und Alvenen ſich aufthuͤr— 
menden Felſengruppen haben wir ſchon beſchrieben. Weiter 
gegen Oſten treten drey kleine Bergketten aus dem Haupt— 
gipfel hinter Davos, dort wo der Scaletta und Ftuͤela⸗ 
berg daruͤber geht, hervor. Die eine wendet ſich gerade 


gegen Suͤdweſt, läuft bis nahe an Buͤrguͤn fort und ſoͤn⸗ 
dert die tiefe Schlucht, durch welche ſich das Davoſer 


Landwaſſer ausgießet, von zwey hohen Bergthaͤlern ab, von 
welchen ſich das eine von Monſtein in Davos gegen Sulz 
im Buͤrguͤnergericht ſuͤdweſtwaͤrts heraus, das andere von 
Buͤrguͤn laͤngs dem Gipfel der Alpen nordoſtwaͤrts hinein 
draͤngt. Die zweyte und dritte erſtrecken ſich nur bis 
auf Davos und trennen das Certigerthal von Val di 
Schma oder dem Scalettatbal, und dieſes vom Fluela⸗ 


thal, welches leztere auf der andern Seite von einem Aſt 


des oben beſchriebenen Rhaͤtico begraͤnzt wird (17). Da⸗ 

vos, obwohl ſtark dewohnt und fruchtbar an Heu, iſt den⸗ 

noch ſelbſt ein Berg, an welchen fish eine große drepyeckigte 
a DR ’ M i 


478 


Gebirgsinſel anlehnt, die dem Rhaͤtico gegenuber zwiſchen 
dem Thal Brettigaͤu, dem Thal Eyurwalden, Chur und 
den vier Dörfern innen liegt, und deren eine Spitze Iſt⸗ 
musartig ſich gegen Süden bis an das Ufer des Albula Fluͤß⸗ 
gens verlaͤngert, und die obbedeutete Schlucht des Davoſer 
Landwaſſers von dem Hochgericht Belfort abfündert. In 
dieſe Berginſel draͤngt ſich von Chur aus das ſtark bewohn⸗ 
te Schaifiderthal und von allen Seiten verſchiedne kleine 
mit Triften und Alpungen geſegnete Thaͤlchen hinein; auf 
niederen Terxaſſen derſelben liegen ſuͤdwaͤrts einige Doͤr— 
fer des Hochgerichts Belfort, nebſt dem Schloß dieſes Na⸗ 
mens: Gegen den vier Doͤrfern zu, dem Galanda gegen» 
über, das Thaͤlgen Valzaina, gegen dem Brettigaͤu das 
Dorf Furna, gegen Schalfik Aroſa, Tſchiertſchen und 
Prada (18). 

Dieſes iſt die genaue Beſchreibung des Felſengeripps, 
das Buͤnden auf der Nordſeite des Alpengipfels meandriſch 
durchlaͤngt. Nun gehen wir auf die Suͤdſeite uͤber. 

Der Bergketten, welche zwifchen dem Poleuſer- und 
Calankerthal, dem Calanker- und Meſaxerthal, dieſem und 
der Grufſchaft Cleſen, dem Clefner- und Comerſee chen, 


haben wir ſchon erwaͤhnt. Wir befinden uns alſo an den 


Ufern des Clefner -und Comerſees, hier aber ſcheint die 
Natur den Grundplan ihres Alpengebaͤudes ganz abgeaͤn— 
dert zu haben. Nicht mehr wie Strebpſeiler angebaute 


Bergketten unterſtuͤtzen den oberſten Gipfel der Alpen, 


ſondern ein zweyter eben ſo hoher Berggipfel, der ſich ſchnell 
aus dem Clefnerſee erhebt, und dem ſchon beſchriebnen 
Gipfel parallel fortlaͤuft. Dieſer zweite Alpengipfel iſt eine 
der wunderbarſten und kuͤhnſten Erſcheinungen in der Baus 
kunſt der Gebirge. Es iſt eine bey achtzehn Stunden lang 
ſortgeſetzte Gruppe ungeheuer hoher, zackichter Felſenfpi⸗ 
zen, die alles übertreffen was man in dieſer Art ſich ſchreck⸗ 


179 


liches vorſtellen kann. Zwiſchen dieſen Spitzſaͤulen, Ai— 
guillen, Hoͤrnern, Piramiden und Kaͤmmen, und dem 
zwiſchen ihnen aufgehaͤuften Schutt eingeſtuͤrzter Felſen— 
ſpitzen, welches man in Buͤnden mit dem Wort Gauda 
bezeichnet, winden dich hohe Bergthaͤler und Bergkinfte 
durch, deren oſt mehrere-von einem einzigen hohen Firſt 
in verſchiedener Richtung herabſteigen, und von ihm wie 
mit einem Knoten zuſammengefaßt werden. Bis an we— 
nige find alle dieſe Bergthaͤler mit ewigem Eis bedeckt, for 
daß man nichts uͤbertreibt, wenn man den Ruͤcken dieſes 


Gebirgs einen wenigſtens ſechs Stund lang fortlaufen— 


den ununterbrochnen Gletſcher nennt. Dieſe Eis- und 
Felſenmaſſe trennt die Grafſchaft Clefen, das Hochgericht 
Bergell und das Thal Oberengadin, welche alle zwiſchen 
dem erſten und zweyten Gipfel der Alpen liegen, von dem 
Thal Veltlin. 

Einige bewohnte Zuthaͤler draͤngen ſich dennoch in dieſe 
Felſengruppe hinein. Von der Seite des Clefnerſees das 


ſehr hohe und unter den Ruinen eingeſtuͤrzter Bergkaͤmme 


faſt vergrabne Thal Codera. Von der Seite des Veltlins 
das Maſnier Thal, das ſtark bewohnte Malenkerthal, das 
Thal von Ponte, das Puſchlaferthal welches ein ganzes 
Hochgericht des Gottshausbundes ausmacht, und das 
Groſſinerthal. Von der Seite des Engadins das Muret— 
thal, durch welches ein kuͤhner Weg uͤber den Gletſcher 
in das Malenkerthal und das Veltlin fuͤhrt, das Feterthal, 
wo menſchliche Wohnungen und fette Triften am Fuß ci 


nes großen Eisberges liegen, das Pontraſinerthal, wodurch 


eine getriebne Straße uͤber Beroina nach Puſchlaf und Ti⸗ 
ran im Veltlin geht, und endlich das Livinerthal, von 
welchen wir weiter unten reden werden. (19) Ein dritter, 
in eben der Richtung von dem Comſerſee an, gegen Oſt⸗ 
nordoſt fortlaufender Alpengipfel, ſchließt das Thal Velt⸗ 


180 i 


lin auch ſuͤdwaͤrts ein. Er beginnt mit einem hohen Berg, 
ſtock, Monte legnone, auf deſſen Gipfel die erſte Grenz⸗ 
marche zwiſchen Buͤnden und Mayland ſteht und von 
welchem man den ganzen Co mer und Luganer-See und 
die uner meßliche, zwiſchen der Adda und dem Ticinio lie 
gende Ebne, überficht. Nicht lang lauft dieſer Alpengip⸗ 
fel, längs einem hohen Bergſee, und den oberſten Bergs 
zinnen des zum Herzogthum Mayland gehoͤrenden Valle 
Saſſina, wohin man aus dem Mobenergebieth durch einen 
Bergpaß Portello genannt, kommt, gegen Oſten fort, fo 
erhebt ſich darauf ein zweiter Bergſtock, Pizzo delle trs 
Signori genannt, weil auf dieſem Felſenſpitz das Gebiet 
dreyer Herrſchaften, der Mailaͤndiſchen, Venetianiſchen und 
Buͤndneriſchen zuſammenſtoſſen. Von da aus vertieft ſich 
dieſer Berggipfel merklich, ſo daß aus dem rechten Arm 
des groſſen hinter Morbegno liegenden Bitlerthals ſchon eine 
brauchbare Straße uͤber den Berggrath in das Venetia⸗ 
niſche geht. Noch eine bequemere und getriebnere aber führt 
durch den linken Arm dieſes Thals uͤber den St. Markus⸗ 
berg nach Bergamo. Anderen häufigen auch mit Pferden 
und Rindvieh betreibbdaren Bergpfaden geſtattet dieſer 
Berggipfel den Durchgang, ſo daß aus den Thaͤlern Valle 
del Tartano, Valle Madre, Valle Cervia, Valle del Li⸗ 
vrio, Valle d'Ambria, und Valle di Belviſo der Zugang 
in die Venetianiſchen Thaͤler Valle Brembana, Seriana 
und Camonica offen iſt. Endlich führen noch zwey ges 
triebne Landſtraßen über Aprica und über den Mortirolo 
aus dem oberen Tertzier des Veltlins in die Valle Camo⸗ 
nice. Alle die obgenannten in der angedeuteten Ordnung 
auf einander folgenden veltlineriſchen Thaͤler ſind mit 
kleinen Bergketten eingefaßt, die von gedachten Berggiv⸗ 
fel bis in die Ebne des geraͤumigen Thals Veltlin herab⸗ 
ſteigen, und auf die gleiche Weiſe theilen gegen Suͤden, 


181 


bis in die unterſte Terraſſe der an die Ebne Italiens graͤn⸗ 
zenden Huͤgel, harabſteigende kleine Bergketten obgemeldte 
Thaͤler des venetianiſchen Gebiers in verſchiedene Faͤcher 
ab (20). 

Weiter gegen Often hin vereinen ſich die beyden letzthin 
beſchriebenen, das Thal Veltlin auf beyden Seiten einſchlieſſen⸗ 
den Alpengipfel, in eine Gruppe vieler unregelmäßig auf ein- 
ander aufgehaͤufter Gebirge, daß man in die Verſuchung gera- 
thet, ſie fuͤr Rudera der von den Titanen zum Himmelsſturm 
aufgeführten Kriegsmaſchinen anzufehen. In der Mitte dieſer 
Bergmaſſe liegt die Grafſchaft Worms, in welche man aus 
dem Veltlin durch eine enge Schlucht längs dem Aus⸗ 
fluß der jungen Adda gelangt. Zu Seiten dieſes engen 
Schlundes dringt ein viel höheres Bergthal Valle de Res 
zen in die ſuͤdwaͤrts von Worms ſtehenden hohen Gebirge. 
Das Hauptthal der Grafſchaft Worms gleicht einer zwi 
ſchen hohen Bergen eingeſchloßenen faſt zirkelrunden Halle, 
an deren ſuͤdoͤſtlichem Rand der Hauptflecken liegt. Gleich 
hinter ihm vertieft ſich ein betraͤchtliches Thal, Valle Fur, 
ba genannt, in die ſuͤdlichen Gebirge, und theilt ſich, 
zwey Stunden weit von Worms, in zwey Arme. Der 


weltliche ſtöͤßt an die hoͤchſten Bergſpitzen des oben er⸗ 


wähnten Thals Valle de Rezen und gleich neben dieſen 
ſteht im Hintergrund des Thals ein hoher Berg, Gavin. 
genannt, über welchen man durch einen beſchwerlichen 
Weg auf den Berg Tonall herabſteigt, deſſen Gipfel die 
Graͤnzſcheide zwiſchen der Valle Camonica und dem Bis⸗ 
thum Trident aus macht. Der oͤſtliche Arm des Furbathals 
fögt an Thaͤler die zum Bisthum Trident gehören, wos’ 
hin man kaum durch ſteile Bergpfade gelangen kann. Oſt⸗ 
waͤrts des Hauptthals bey Worms, dort wo man das 
wormſer Bad hoch von einer Felſenbank uͤberſieht, fuͤhrt 
ein ſteiles Bergthal die Durchreiſenden auf den hohen 


482 


Berg Umbrail oder Braulio. Auf der Hoͤhe dieſes Bergs 
theilt ſich die Landſtraße; durch die getriebnere noͤrdliche 
kommt man nach S. Maria im Buͤndneriſchen Hochgericht 
Muͤnſterthal, durch die füdlichere geradenwegs nach Glu— 
renz im Vingſtgaͤu. Nordwaͤrts vom Flecken Worms oͤf— 
net ſich ein langes Thal, Valle de Fuori oder Valle de 
Pedenoß genennt. Wenn man gleich Anfangs deſſelben 
einen nicht ſehr hohen Berg, der es von der Oſtſeite ein- 
ſchließt, erſteigt, fo gelangt man in das ſehr hohe und ſehr 
enge, ſechs Stunden lange Bergthal Freel, das ſich durch 
die ringsum aufgethuͤrmten Gebirgsmaſſen labyrintiſch bis 
in die Ebne, wo odgedachtes Dorf St. Maria liegt, her⸗ 
abwindet, aber durch ein Zuthal auch mit Livin Gemein— 
ſchaft hat. iin: 

Folgt man aber dem Lauf des obgemeldten Bedenoffers 
thals, ſo gelangt man im Hintergrund deſſelben auf einen 
bewohnten Huͤgel, Trepall genannt, von welchem man in 
das anmuthige Livinerthal herabſteigt. Dieſes gras: und 
weidenreiche, von einem glücklichen Hirtenvolk bewohnte 
Thal lehnt ſich mit ſeinem weſtlichen End an den Berni— 
naberg, läuft in paralleler Richtung mit dem obern En⸗ 
gadin fort, von welchem es Valle del Feen und Valle de 
Fedris trennen, indem ſich das erſtere Thaͤlchen vom Ber— 
nina, und das zweyte von Livin her, zwiſchen die zwey 
groͤßeren Thaler einſchieben. Aus Valle de Fedris geht 
eine Laudſtraße uber den Berg Caſanna nach Scanfs ins 
obere Engadin. Laͤngs dem ganzen Livinerthal fließt ein 
betraͤchtliches Landwaſſer, Spol genannt, von Welten nach 
Nordoſten, welches ſich dann nahe bey Cernetz in den Inn 
ergießt (21). 5 

Nicht nur wäre es leicht, laͤngs demſelben eine fahrba⸗ 
re Landſtraße aus Deutſchland nach Italien zu erbauen, die 
nirgends eine betraͤchtliche Hoͤhe zu erſteigen haͤtte, ſondern 


183 


einem Kineſiſchen Kayſer, oder auch nur einem Riquet, 
waͤre es nicht unmoͤglich auf dieſer Stelle einen ſchiffbaren 
Canal durchzufuͤhren und alſo den Inn mit der Adda zu 
vereinigen (22). 

Diejenigen welche das obgedachte Thaͤlgen Fedris durch⸗ 
reifen und den Caſannaberg beſteigen, ſetzt eine Felſenpi— 
ramide von ziemlich regelmaͤßiger Geſtalt, die ſich als Gi⸗ 
pfel eines nahen Felſengebirgs erhebt, in Erſtaunen. Denn 
dieſes Gebäude der majeſtaͤtiſchen Natur übertrifft die groͤßte 
von den egyptiſchen Piramiden wenigſtens viermal an Groͤße, 
und iſt ein Epillog dieſer von uns eben beſchriebenen Bergen 
Gottes! Links des eben bemerkten Ausflußes des Liviner⸗ 
bachs erhebt ſich eine niedrige Bergkette, Monte del Forno 
genannt, über welche man von Cernetz in das halbe Hoch— 
gericht Muͤnſterthal hinuͤbergeht. Vermittelſt dieſer haͤngt 
die großt allbereits beſchriebene Wormſeriſche Berggruppe 
mit einer kleinern zuſammen, welche zwiſchen Cernetz, dem 
unteren Engadin, dem halben Hochgericht Muͤnſterthal 
und der Malſer Heid zu oberſt im Vingſtgaͤu innen ſteht, 
und außert dem Skarlthal, welches fie von Norden gegen 
Süden durchſchneidet, nur Alpen und Triften auf ihrem 
Rüden trägt, der oͤſtliche Theil dieſer Berggruppe gehört 
zum Vingſtgaͤu, und hohe Berggipfel, die ſich gegen Oſten 
des Skarlsthal erheben, beſtimmen allda die Graͤnzen zwi⸗ 
ſchen Buͤnden und dem Tirol. 


184 
Anmerkungen. ker * 


Die vorhergehende Abhandlung befindet ſich zwar ſchon 
in H. C. Faͤſt Bibliothek der Schweizeriſchen Staatskun⸗ 
de, Erdbeſchreibung und Litteratur im zweyten Theile Sei⸗ 
te 588, allein da dieſes Werk viel weniger bekannt iſt, als 
es wohl verdient, fo wird man mir, wie ich hoffe, es nicht 
über nehmen, dieſen Aufſatz in der Alpina, in welche er fo 
ganz gehoͤrt, wieder abdrucken zu laſſen. Norr mann 
in ſeiner mit recht geſchaͤtzten geographiſch » ſtatiſtiſchen 
Darſtellung des Schweizerlandes; Ebel in ſeiner Anlei⸗ 
tung auf die nuͤzlichſte und genußvollſte Art die Schweiz 
zu bereiſen, haben den Werth deſſelben anerkennt, indem ſie 
ihn benuzten. Der Ritter von Moll in ſeinen Jahr⸗ 
buͤchern der Berg- und Huͤttenkunde im zweyten Theil Sei⸗ 
te 344. legt ihm das verdiente Lob bey, und liefert einen 
gedraͤngten Auszug davon; aber er bedauert, daß der Ver⸗ 
faſſer eine eigenthuͤmliche mineralogiſche Terminologie habe, 
die es dem Leſer nicht wenig erſchwere, ihn zu verſtehen. 
Dieſer vollkommen gegruͤndete Tadel hat mich bewogen, die 
Noten, in welchen beynahe allein dieſe Sprache vorkam, 
zum Theil neu zu bearbeiten und in die dermalen uͤbliche 
Terminologie einzukleiden. Freylich kann ich gar nicht gut 
dafür ſtehen, daß meine Angaben weder fehlerſtey, noch 
vollſtaͤndig ſeyen. Nur nach öftern Reifen und wiederholten 
Unterſuchungen werde ich mich im Fall befinden, eine leidli⸗ 
che mineralogiſche nnd geognoſtiſche Darſtellung der Bünde 
weriſchen Alpen mit der Zeit mitzutheilen. 


* & 
* 2 


— 


185 


(1) Das Geſtein auf dem der Eisberg liegt, welches dann 
und wann in aͤußerſt warmen Sommern eine Strecke weit zu 
Tage kommt, auch außert dem Eisberg, bis in der kleinen Ebne, 
die man das Paradies nennt, ſich zeiget, if ſehr merkwürdig. 
Es hat die Geſtalt von nebeneinander ſtehenden ſehr breiten aber 

niedrigen Heuſchoben, und beſtebt aus Gneis mit ſchimmerndem 

Slimmer und vielem Quarz, der meiſtens mit ſchoͤnen großen, 
oft einen halben Zoll im Durchſchnitt habenden Granaten gemengt 
iſt. Auch findet man daſelbſt Gneis mit derbem Cyanit. 

Man vergleiche Hacquet phyſikaliſch, politiſche Reiſe aus den 
Dinarifchen durch die Juliſchen, Carniſchen, Rhaͤtiſchen in die 
Noriſchen Alpen Tom. 2. Seite 60, der nebſt dem Felsſchiefer 
(Gneis ?) auch Granit daſelbſt will geſehen haben, und Ebel, 
Artikel Rheinwaldthal Tom. IV. Seite 26. 

(2) Sobald der Rhein die Schlucht verläßt, die ihm gleichſam 
zur Wiege gedient, nimmt er Bäche auf, die aus der Canalalp 
auf der linken, und von dem St. Bernardiner-Berg und aus 
der Carnella⸗ Alp auf der rechten, ibm zufließen. Eben von der 
Seite her verſtaͤrken ihn bey Splügen der Bach ab dem Spluͤg⸗ 


nerberg und in der Rofla der von Avers und Emmat her durch 


das Ferrera⸗Thal herabſtroͤmende wilde Bach. In Schams fal- 
len mit Inbegrif der obigen, ſechs Baͤche darein, drey von einer 
Seite, und drey von der andern, wovon einige den Nahmen 
Schams (Ital. Sessame, Lat. Sex amnes) herleiten. Nachdem 
er ſich durch die enge Felſengruft der Via Mala durchgewun⸗ 
den hat, fallt beym Austritt aus derſelben der von faulem Mer⸗ 
gelſchiefer ſchwarzgefaͤrbte Nolla auf der linken Seite darein und 
eine Viertelſtunde weiter unten der von dem Albula-Berg kom- 
mende Albulafluß, der ihm das Mafer des nicht unbetraͤchtlichen 
Davoſerbachs und des Oberhalbſteiner-Rheins zufuͤhrt. Waſſer⸗ 

reicher als der vordere Rhein vereint er ſich mit dieſem zu Rei⸗ 
chenau. 

(3) In der hohen Muͤeſa⸗ Alp ſammelt ein mit kleinen Fel⸗ 
ſeninſeln oder Klippen durchſaͤeter, im Brach- und Heumonat 
beträchtlicher, im Augſt , Herbſt⸗ und Weinmonat unbeträaͤchtli⸗ 

cher, die uͤbrigen Monate des Jahrs hindurch zugefrorner See, 
das von der Mittagsſeite des Rheingletſchers herabfließende Mar 


— 


486 
fer und iſt die Quelle des Muͤeſa⸗Fluͤsgens, das fich durch dag 
Miſoxerthal herabſtuͤrzt, und Ends deſſelben ſich mit der Ca— 
lankasca, fo das Calankerthal durchfließt, und unfern von Bel 
lenz mit dem Teſſin vereint. Von dieſem See an bis nahe an 
den Bergſtock, auf dem das Moſchelhorn ſteht, iſt die ſehr weite 
läufige Alp mit niedern Hügeln uͤberſtreut, die ihrer Bildung 
nach gefrornen Meereswogen ähnlich ſehen. Das Geſteine wor, 
aus ſie beſtehen, iſt demjenigen, das nahe bey dem Rheingletſcher 
liegt, ähnlich. Nur hat es keine Granaten, dagegen aber queer— 
laufende oft acht und zehn Zoll maͤchtige Spalten, die mit Feld⸗ 
ſpat und Quarz ausgefüllt ſind. Langs der Landſtraße iſt es ein 
Gneis, der zu verwittern anfangt, und die ſchoͤnſten Steinplatten 
liefert. 0 
(4) Eine Seltenheit des Spluͤgenbergs iſt der ſchiefrige For, 
nige ſchneeweiße Kalkſtein, uͤber welchen eben an dem Ort, wo 
fie die größte Höhe erreicht, die Landſtraße geht. Der Stein 
iſt dem Bergmaskiſchen Bardillo aͤhnlich, ein halbdurchſichti⸗ 
ger, ſchimmernder, ſaliniſcher Marmor, der in drey viertel Zoll 
dicke, ſehr glatte Platten (Blaͤtter) bricht. Das Feuer verwan⸗ 


delt ihn in einen guten weißen Kalk. An einigen Orten in Buͤn⸗ 


den, laͤngs des Alpengipfels, habe ich Lagen dieſer nehmlichen 
Marmorart angetroffen, immer an Orten, wo ſich der Alpen⸗ 


kamm zwiſchen zwey hoͤhern Beraſtoͤcken merklich vertieft. Auf 


dem Brenner in Tyrol brechen gleiche Marmerplatten. (Man 
leſe hieruͤber v. Buch geognoſtiſche Beobachtungen. Seite 282). 
Dort aber macht man beßern Gebrauch davon als in Buͤnden. 
Noch muß ich bemerken, daß die Gipfel auf dem Spluͤgnerberg, zwi⸗ 
ſchen welchen dieſer hellweiße kleinkoͤrnige Kalkſtein vorkommt, 
aus Gneis beſtehen. 

(5) Dieſe Gebirgsmaſſe beſteht faſt ganz aus Granitbloͤcken, 
von welchen man ungeheure Stuͤcke, die ſich von den Bergen hin⸗ 
abgeſtuͤrzt haben, laͤngs der Landſtraße durch das St. Jacobsthal, 
das Plurſer -und Bergellerthal antrift. Doch ben dem Kirchlein 
ob Pianaſe io auf der Suͤdſeite des Spluͤgens kommt Urgyps 
zu Tage. Unter Pianaſc io bei dem ſchoͤnen Waſſerfalle trift 
man Glimmerſchiefer und nach Ebel (Siehe den Artikel Spluͤ⸗ 
gen, der Berg) auch an der Suͤdſeite deſſelben Hornblende und 
Gerpentin an. . 


— — —̃ —— — 


18 


(6) Emmet lehnt ſich weſtwaͤrts an den Spluͤgnerberg ob Ma» 
deſimo und enthaͤlt ſehr ſchoͤnen Gneis mit ſchiefem Durch— 
gang der Blatter, hat auf dieſer Seite einen kleinen See, deſſen 
Waſſer dem Lauf des Thalgelaͤndes gemaͤs oſtwaͤrts herabſtroͤmt ! 
und ſich bei Canicul in das Afner Landwaſſer ergießt. Valle 
di Lei lehnt ſich zu oberſt an einen ſuͤdwarts gelegenen Gletſcher⸗ 
über welchen man in drey oder vier Stunden nach Savogno 
in der Pluſer Jurisdiction kommt; das daraus fließende Waſ⸗ 
ſer fließt nach Norden Canicul zu. Aters ſteigt anfangs von 


Campfut oſtwaͤrts hinauf bis auf Cresta, theilt ſich aber in 


Zuthaͤler, die Val Madris und Bergalga genannt werden, 
die beyde ungefehr gleichlaufend ſuͤdoſtwaͤrts auf den hoͤchſten Al 

penkamm dringen, indeſſen das Hauptthal bis Juff nordoſt, dann 
aber oſtwarts bis auf den Septmerberg ſich erſtreckt. Hacquet 
hat, Theil 2 Seite sı, artige mineralogiſche Bemerkungen uͤber 
dieſes in naturhiſtoriſcher Ruͤckſicht ganz unbekannte Thal gelie“ 
fert. Es iſt ganz richtig, daß auf der Nordſeite Gueis bricht, 
allein er wird beſonders weiter unten ob Cresta und beſonders ob 
Canicul durch den obgemeldten ſaliniſchen Kalkſtein unterbro— 
chen. Eben dieſer Kalkſtein bricht auch im Bergalga und Ma“ 
driſerthal in ſo ſchoͤnen duͤnnen Platten, daß ihn die Einwohner 
zum Decken der Huͤtten benutzen. 

(7) Er beſteht meiſtens aus einer Bergart, die zur Serpentin- 
formation gehoͤrt, noch nirgends aber richtig beſtimmt iſt, die ſich 
unten am Fuß des Bergs längs den Ufern des Silſerſees häufig 
wieder zeiget. Die drey Seen ſind in Scheuchzers Bergreiſen 
unrichtig gezeichnet, der ſuͤdoͤſtlichſte, der fein Waſſer in den Inn 
ausgießt, iſt viel größer als die beyden andern. 

(8) Auf dem Septmerberg iſt die Quelle des Oberhalbſteiner 
Rheins; verſtaͤrkt durch den Bach, der ab dem Julier kommt, 
fließt er längs dem Thal Oberhalbſtein fort, nimmt die von bey. 
den Bergen herabfließenden unbeträchtlichen Baͤche auf, und er⸗ 
gießt ſich bey Tiefenkaſten in die Albula. Die Mera entſpringt 
ebenfalls auf dem Septmer, und ſammelt ſich bey der Maruz⸗ 
zerhuͤtte, wo drey Baͤche von drey verſchiedenen Seiten zu⸗ 
ſammen kommen. Unter Caſacc ia vereint fie ſich mit der viel 
ſtaͤrkern Ordleg na, die aus Orden und von dem Murett her⸗ 


* 


185 


kommt, ſtuͤrzt ſich durch das Bergell hinunter, nimmt zu Vico⸗ 
ſoprano die Albigna, zu Bondo die Bondaſea, dann 
noch verſchiedene andere Bäche auf, vereint ſich unter Cleven 
mit dem Liro, der von dem Spluͤgnerberg herabſtuͤrmt und un⸗ 
ter Gordona mit der Boeggia und ergießt ſich dann in den 
Clevner See. Der Inn laͤßt uns zweifelhaft, ob wir feine 
eigentliche Quelle in dem Silſerſee, in welchen ſich neben noch 
andern, auch obermeldter von dem Septmerberg ſich herabſtürzen⸗ 
de Bach ergießt, oder in dem aus dem Thal Feet herauskom⸗ 
menden viel ſtaͤrkern Glerſcherbach frshen ſollen. So bald ſich die 
ſer mit dem Ausfluß des Silſerſees vereint hat, bilden ſie den 
Silvaplanerſee, der zwar kleiner als der Silſerſee, dennoch faſt 
eine Stunde lang iſt. Aus dieſem ergießt ſich der junge Inn 
in einen gleich unter dem berühmten Sauerbrunnen zu St. Mo⸗ 
riß befindlichen kleinern See. Der Ausfluß dieſes Sees iſt ein 
15 oder 20 Fuß hoher Waſſerfall. Nicht ferne davon unter 
Cellerina nimmt der Inn das von dem Bernina» Berg kom⸗ 
mende Gletſcherwaſſer auf, fließt bis Zernetz ſanft fort, von vie⸗ 
len, ab den bepderſeits des Engadins ſich erhebenden Bergen⸗ 
herabſtroͤmenden Baͤchen verſtaͤrkt. Das aus dem Livinerthal 
rinnende Landwaſſer Spoͤl, ſo ſich zu Zernetz darein ergießt und 
die übrigen Bäche des Unterengadins vergrößern ihn faſt um die 
Haͤlfte, ſo daß er bey Finſtermuͤnz, wo er die Buͤndnerſchen Graͤn⸗ 
zen ganz verläßt, ſchon ein beträchtlicher Strom iſt. Noch muß ich 
beyfuͤgen, daß betznahe der ganze obere Theil des Septmerbergs 
aus einer Gebirgsart beſteht, die zur Serpentinformation gehoͤrt, 
worauf man nicht ſelten den ſchoͤnſten Nephrit findet. 

(09) Nichts iſt ſonderbarer als die ſeltſame Miſchung der Ge⸗ 
birgsarten, aus welchen die eben beſchriebene Felſenmaſſe beſteht, 
die man ein von der Natur aufgethuͤrmtes Steinkabinet nennen 
könnte, Auf der Abendſeite gegen Stalla oder Biwio zu iſt 
der Topfſtein und Speckſtein ſehr häufige. Bey Marmels findet 
ſich dichter grüner Feldſpath mit ſchiller nder Hornblende, auch 
rother Hornſtein. Bey Tinzen findet man einen hochrothen Thon⸗ 
ſchiefer, den man als Dachſchiefer ſehr wohl benutzen koͤnnte, und 
in der Höhe einen vorzüglich feinen, weichen, blaulicht ſchwar⸗ 
zen Serpentin. Zu Außerf im Oberhalbſtein ganze Felſen von 


Zi 


189 


verſchieden farbigten dichten Kalffiein, oder Marmorarten. Filiſur 
gegenüber fein und grobförnige Grauwacke, wie auch näher ge» 
gen Tiefenkaſten mit rothem Thonſtein eingeſprengter Granit, der 
dem orientaliſchen aͤhnlich if. Auf dem Albulaberg gemeiner 
Granit gegen dem Engadin zu, Vorberge von Gyps und auf 
Julien viel Granit mit Speckſtein, aus welchen die zwei uralten 
Saͤulen beſtehen. Auf dem Julier geht der Granit in beſtimmten 


Sienit uͤber, welcher weißen Feldſpath, grauen Quarz und ſchwarz⸗ 


grüne Hornblende zu Beſtandtheilen har. An der Nordſeite des 
Juliers ſtreicht eine ſchoͤne ſchwaͤrzlich grüne Serpentinformation, 


welche luͤber den hohen Felſenkamm ſuͤdwaͤrts nach dem Sept 


mer fortſezt (Siehe Ebel Tom. III. S. 27.) Ja nach Eſcher 
(Siehe feine geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien, Als 
ping ir Theil Seite 269) ſcheint der Sienit dem Juliergebuͤrge 
eigenthuͤmlich zu ſeyn. Auf dem Julierberge findet ſi 0 auch 
hochrother Fieſelſchiefer. 

(10) Die Oſtſeite des Albulabergs zeigt eine Sonderbarkeit, 
eine hohe Marmorklippe, die ſich den Granit felſen der IReftfeite ent» 
gegen aufthuͤrmt und ſeine herabrollende Felſenſtuͤcke mit den 
Bruchffuͤcken des Granitberges vermiſcht. Noch ein uͤberraſchen⸗ 
der Anblick faͤllt Naturforſchern auf, die den oberſten Gipfel die, 
fer Bergſtraße erreicht haben. Felſen von Topfſtein ob der More 
genſeite der Landstraße! Allein die Ueberraſchung und Berech⸗ 
nung des Alters der Welt aus dieſen Topfſteinfelſen hoͤrt auf, 
wenn man nach genauer Pruͤfung wahrnimmt, daß dieſe Felſen 
aus einem dunkelgrauen Thonſchiefer deſtehen, in welchem kleine 
Koͤrner eines hellgrauen Kalkſteins eingeſprengt find, und daß das 
Auswittern des Kaklſteins ihnen das poroſe Anſehen des Topf— 
ſteins geben. Man vergleiche damit Hasguets obangefuͤhrte 


Reiſe. Theil 2. S. 720 und folg. 


(11) Dieſe große Bergkette erhebt ſich gegen Bünden zu wie 
eine Mauer und hat auf dieſer Seite keine Aeſte „ daher ſtroͤmt 
der vordere Rhein bis Reichenau immer an ihrem Fuße fort, 
Auf der Nordſeite aber hat fie deſto häufigere Nebenketten, denn 
aus den hohen Firſten ob Diſentis, aus dem mit ewigem Eis 
gekroͤnten Dreyſpitz (Piz Russein), der ſich zwiſchen Bri- 
gels und Waltenſpurg erhebt, und dem ſich an ihn lehnenden 


\ 


4 


190 


„Zodiberg den Ruhm der Hoͤhe fireitig macht; aus dem mit ei 
nem großen Eisberg belaſteten Flimſerberg (Segnes) gehen 
Bergketten aus, die den Canton Uri durchſchneiden; das Mader 
rauer vom Schaͤchenthal, dieſes vom Clusthal, das Clusthal 
vom Canton Glarus, und das größere Thal des Cantons Gla⸗ 
rus von dem kleinern ſcheiden. Zwiſchen Laax und Flims liegen 
Rudera eines von dieſer Bergkette herabgeſtuͤrzten Marmor— 
bergs. Von da an bis Reichenau beſteht er unterhalb aus Thon» 
ſchiefer, welcher mit Lagen von Kalkſchiefer untermengt iſt. Zu 


Reichenau theilt ſich dieſe Bergkette in zwey Aeſte, der vordere, 


an dem der Rhein hinfließt, erhebt ſich, Chur gegenüber, im 
Calanda zu einer betraͤchtlichen Höhe, von welcher man das Ge— 
land bis an den Bodenſee und einen Theil deſſelben und feiner 
Ufer uͤberſieht, erreicht aber bald hernach bei Ragaz fein Ende. 
Oer hintere ſchließt das Bergthal Kunkels, nachher Vettis, Va⸗ 
lens und den Abgrund, in dem das Pfeferſerbaad liegt, ein, 
und trennt dieſes enge Thal von Glarus. 

(12) Dieſe uͤberaus hohe felſichte Bergkette, deren Pompo— 
nius Mela unter dem Namen Rhætico Mons Erwaͤhnung 
thut, beſteht aus den hoͤchſten Felſenwaͤnden. Eine beſonders 


ſchreckliche ſteht in dem wilden Thal Schlepina (die Mad riſa) 


das zu dem Hochgericht Kloſter gehoͤrt. Hoch erheben ſich die 
vier Thuͤrme der Furka ob Blaſenek zuhinterſt im St. Anthoͤ⸗ 
nieythal, worunter die Sulzfluh die hoͤchſte, und die zwey Spi— 
sen, zwiſchen welchen das Druſusthor durchgeht; aber viel hoͤ— 
her thuͤrmt ſich die Piramide der Ceneia plauna, die hinter 
Fanas ihr Haupt erhebt, auf. Nicht fern von ihm, am End 
eines ſehr hohen Felſenkamms ſteht ein hoher Cingel (ſo nennt 
man allda die hoͤchſten Bergfirſten) der gerade ob dem erwähn⸗ 


ten Falkniß ſteht und eine Ekmarke der Graͤnzen des Buͤndner⸗ 


landes ausmacht. Von da laͤuft dieſe, ſich nach und nach je 
laͤnger je tiefer herabſenkende Bergkette laͤngs dem Fuͤrſtenthum 
Lichtenſtein und der Herrſchaft Feldkirch und Hohenems fort bis 
nach Bregenz, wo fie ihr Ende erreicht. Unerachtet der Höhe 


und Abſchuͤßigkeit dieſes Felſengebirgs, welches zuvorderſt aus 4 
Thonſchiefer, dann aus Kalkſtein, daun aus Grauwacke bis zum 
Slapinerthal beſtehr, und erſt dann in Urgebirgsarten uͤbergeht, 


* 


— 


19¹ 


läßt es doch ſechs varſchiedenen Bergpfaden Raum, durch welche 
man aus dem Mol dafun nach Buͤnden kommen kann. 

(13) Bei Diſſentis ergießt ſich der aus Mädels kommende 
mittlere Rhein in den vordern, der durch Tawetſch vom Erie 


ſpalt und Badus herabſtroͤmt. Verſchiedene Bäche verſtaͤrken ihn, 


ehe er Ilanz erreicht, wo der das Lugnez durchfließende Glaͤn⸗ 
ner in ihn füllt, Suͤdwaͤrts ſtuͤrzt ſich ferner bei Verſam der 
Savier⸗ und nordwaͤrts der Schloͤwiſer- und Trinſerbach und 
zwiſchen beyden ein aus dem Flimſer Eisberg kommender Bach 
darein. Zu Reichenau vereint er ſich mit dem hintern Rhein, 
fließt dann vereint gegen Norden fort, nimmt nahe bei Chur die 
Pleßur und bei der Rhein» oder Tardisbrücke die Languart auf 
und verläßt bald nachher die Oränzen des Buͤndnerlandes. Die 


Lanquart entſpringt auf Selvretta und in den Kloſterſer-Al⸗ 


pen, die an die Fermunter-Alp graͤnzen, wird durch unzaͤhlige 
Bäche und Quellen, welche von Davoſerbergen, aus Schlepina, 
aus St. Anthoͤnien, dem Fidriſer⸗, Jenahzer- und Drüferthaf 


ihr zufließen, vornehmlich durch den Grüfcher- und Valzainer⸗ 


Bach verſtaͤrkt und fallt dann bei der Tardis- oder untern Zoll⸗ 
bruͤcke in den Rhein. 

(14) In einer Felſenwand nahe am Canalborn findet man 
ſchoͤne Bergkriſtallen; unfern von da wo die Straße, die von 
Nufenen in das St. Petersthal führt, den Gipfel des Bergs er— 
ſteigt, brechen in einem Felſenkamm, links der Straße, ſchoͤn 
gefärbte Kriſtallen. Das Wunderbarſte von dieſer Nebenkette 
iſt der Kalkberg zwiſchen Splügen und Sufers, ein ſehr hoher 
und ſteiler Fels, der theils aus grauen, theils aus verſchieden 
gefarbten meiſtens aus ſchneeweißem dichtem Kalkſtein voer Mar- 
mor beſteht. Weiter hin, wo die vom durchfließenden Rhein auf⸗ 
gewuͤhlten Abgruͤnde der Rofla, die Grundlage dieſer Nebenkette 
aufdecken, beſteht fie aus Gneis. Die Felſenſchichte des Piz 
Beverino, der ſich in Schams auf dieſer Kette erhebt, beſteht 
aus ſchieflaufenden Lagen von kalkartigem Thonſchiefer, welche 
oft ſehr maͤchtige Lagen von reinem Thonſchiefer durchlaͤngen; fo 
zeigen ſie ſich in der Bergenge der Via mala bis an den Fuß 
des Gebirgs, den der vorbeiſtroͤmende Rhein aufgedeckt hat. Der 
Unmſturz eines dem Piz Bewerin ähnlichen Berggipfels hat ver- 


192 


muthlich den Heinzenberg ausgeebnet, und iſt der Grund des 
Fruchtbarkeit ſeines Erdreichs. 

(15) Anfaͤnglich, laͤngs dem Thal Ferrera und der hoben 
Rofla beſtebt das Geſtein dieſer Bergkette meiſtens aus Gneis. 
Nachher findet man Lagen von verſchiedenen Geſteinarten, bes 
ſonders des ſchoͤnen weißen ſaliniſchen Kalkſteins, der die Ver⸗ 
tiefungen des Gipfels wie mit einer Rinde uͤberzieht. Beim 
Deſpinahorn ob Zillis in Schams, wo ehemals ein Silberbers⸗ 
werk war, findet man koͤrnigen Baryt in Menge. Nicht ferne 
davon if ein ganzer Gypsberg und weiter unten eine ſchoͤne Breca 
cia aus hartem Thonſteine und dichten Kalkſteinkugeln zuſam⸗ 
mengeſetzt. In der Via mala zeigt ſich die Grundlage dieſes 
Bergs eben ſo, wie die ſchon beſchriebene des gegenuͤberſtehen⸗ 
den; aus beiden wittert haͤuſig Bitterſalz aus. Auch der Felſen 

unter dem Mutnerhorn, auf welchem das Schloß Rhätia alta 
liegt, beſteht hauptſaͤchlich aus dem naͤmlichen Geſteine, naͤm⸗ 


lich Thonſchiefer, nur iſt er mit ſtaͤrkern Quarzadern durchſetzt. 


(16) Auch dieſe Bergmaſſe beſteht hauptſaͤchlich aus Thon⸗ 
ſchiefer, der mit Lagen von ſchieferartigem Kalkſtein durchſetzt 
iſt, doch giebts mitunter hier und da, beſonders auf den hoͤchſten 
Gipfeln ganze Felſen einer feinkörnigen Grauwacke, die aus glaͤn⸗ 
zendem blutrothem Thonſtein, worin Quarzkoͤrner, von der Groͤße 
eines Hirſekorns haufig liegen, zuſammengeſetzt if- 

(17) In dieſen Gebirgen iſt die obbefchriebene Grauwacke noch 
haufiger und zwar bald ſehr fein» und bald ſehr grobkoͤrnig. Auch 
trift man Serpentin und Gneis nebſt Granit, fo wie auch Glim⸗ 
merſchiefer an. g 

(18) In dieſer Berginſel kommt keine Steinart fo haufig vor 
als der oben beſchriebene, mit ſchieferartigem Kalkſtein abwech⸗ 
ſelnde und mit Quarzadern durchſetzte Thonſchiefer. Die ober⸗ 
ſten Gipfel aber, beſonders gegen Davos zu, beſtehen zum Theil 
aus Serpentin, zum Theil aus der obbemeldten Grauwacke, die 
oft ſchnell mit Thonſchiefer oder mit Kalkſtein abwechſelt. Man 
vergleiche, was ich im erſten Theil der Alpina Seite 34 ot seq» 
hieruͤber geſagt habe. 

(19) Nͤͤchſt an dem Clefnerſee beſteht das Geſtein dieſer ſte i⸗ 
len Felſen meiſtens aus Granit oder vorzuͤglich ſchoͤnem Gra⸗ 


; 193 


pitello. Nachher tritet eine Gebirgsart ein, die zur Kalkforma⸗ 
tion gehört, ſcharfeckicht bricht und daher die ſchaͤrfſten Spitzen 
der ob Cleven und Vergell emporragenden Felſen bildet. Man 
konnte ihn theils Talkfels, theils Talkfelsſchiefer nennen, weil 
er ſehr oft ſchieferartig, doch beynahe immer krumm oder ge— 
wunden ſchiefrig bricht. Der Eisberg fängt in der Alp Sivig⸗ 
gia, zuhinderſt im Coderathal an und dauert bis an den Bernie 
naberg, doch hin und wieder unterbrochen fort, beſteht bald 
aus Gletſchern, die uͤber die Berggipfel hinwallen und gegen 
Codera, Bondaſea, Maſino, Albigna, Maleneo, 
Valle del Forno, Feet und Bernina weit in das Thal 
herabhangen. In der Mitte ſieht man Gruppen von Eisthaͤlern, 
die dann und wann vermittelſt engerer Streifen von Eis mitein⸗ 
ander verknuͤpft ſind. Mitten in dieſen Eisthaͤlern und zur Seite 
derſelben erheben ſich nackte ſchwarze Felſen oder mit ewigem 
Eis ganz uͤberdeckte ungeheure Zuckeyhuͤte. Auf Bernina, eben 
da wo der große Sisberg aufhoͤrt, findet man ſich weit ausdeh⸗ 
nende Lagen von Urkalkſtein, der dem ſchoͤnſten grauen, gelben, 
rothen und mit allen dieſen Farben gezierten Marmor gleich iſt. 
Auch das Thal von Poſchiavo hat dergleichen, und zwar hier 
und auf Bernina mitten unter den Granit- und Gneisforma⸗ 
tionen, Bei Tiran findet man ihn weiß, auch weiß und biau 
geſtreift. Hingegen herrſcht im Malenkerthal die Talkſormation. 
Der Topfſtein, der Asbeſt mit allen ſeinen Unterarten findet ſich 
daſelbſt ſehr haͤufig, auch wird ein Bruch von Glimmerſchiefer 
benuzt, der die herrlichſten Dachplatten liefert. 

(0) Zwey Sonderbarkeiten hat dieſe vom Berg Legnone 
an bis auf den Berg Gavia fortgeſetzte Bergkette. Die erſte, 
daß ſie der Laͤnge nach eine reiche Ader von Eiſenerz durchſtreicht, 
welche in allen Thaͤlern des Veltlins und des Bergamasfer- und 
Breſeianer Gebiets, die darein hineindringen, ſich zeiget. Ehe 
mals fanden ſich auch Gruben von ſchaͤtzbaren Erzen in der Valle 
d' Ambria und Valle di Velviſio. Die zweyte, daß troz 
allen Vermuthungen der Cosmologen, in dieſem gegen Italien 
hervorſpringenden Vorwerk der Alpen, wenig oder gar kein Kalk— 
fein angetroffen wird. (Dieſe letztere Behauptung möchte nicht 
allerdings richtig ſeyn. Ich werde aber von der mineralogiſchen 

ar Bd. a 


194 N 


Beſchaffenheit dieſer Nebenkette der Alpen weitlaͤuftiger anders⸗ 
wo reden.) | 

(21) Hingegen beſteht die höhere und wilder fcheinende Gruppe 
von Gebirgen, die Worms umſchließen, aus viel zahmern Stein⸗ 
arten, naͤmlich vorzuͤglich Marmor von verſchiedenen Farben. 
Darunter befindet ſich auch ein wahrer Porphyr, ganz dem an⸗ 
tiken grünen ähnlich, nur daß die Maſſe oder der Taig ſchwar⸗ 
zer Jaspis iſt, und der Feldſpath in ziemlich großen weißen Kri⸗ 
ſtallen darin liegt. Es iſt alſo Karſtens Jaspisporphyr. Auch 
veredeln dieſes Gebirge verfchiedene, zum Theil reichhaltige Erz⸗ 
adern, die man ehmals ſorgfaͤltig gebaut, die aber nicht mehr 
betrieben werden. 

(22) Die Adda, welche das Veltlin der Länge nach durch⸗ 
fließt, entſpringt in der Grafſchaft Worms. Ihre Quelle iſt ſehr 
merkwuͤrdig. In dem engen Thal, durch welches man den Um⸗ 
brailg erſteigt, iſt unfern von der Serra oder dem in kriegeri⸗ 
ſchen Zeiten beteſtigten engen Durchpaß, auf der Weſtſeite des 
Thals eine hohe Felſenwand; aus einem mitten in den Klippen 
befindlichen runden Loch draͤngt die junge Adda ihr kriſtall helles 
Waſſer hervor, der Morgenſonne, die fie durch das enge Umbrail⸗ 
thal herab beſcheint, enrgegen. Mit einem vierzig oder fuͤnfzig 
Schuh ßohen Waſſerfall ſtuͤrzt fie ſich in die Tiefe des Thals, 
und wird nicht ferne von ihrem Urſprunge durch den aus dem 

Umbrailg herabſtroͤmenden Bach verſtaͤrkt. Gleich unter dem Worm⸗ 
ſer Bad fließt der aus dem Pedenoßerthal kommende Bach Iſo⸗ 
laccia darein, und bald hernach von der andern Seite her der 
Fredolf, ein Fluͤßchen, das aus dem Furbathal kommt, den 
Hauptflecken Worms beſpuͤlt, und um ein beträͤchtliches ſtaͤrker 
iſt als die Adda ſelbſt. Weiter unten im Wormſer Thal nimmt 
fie noch einige unbetraͤchtliche Bergbaͤche auf, und dringt dann 
durch eine enge Kluft laͤngs der Landſtraße ſich in das Veltlin. 
Hier ſenden ihr von der Suͤdſeite die Valle di Rezen, der 
Mortirolo, die Valle ehioſa, das Aprikerthal, das 
Belviſerthal, die Valle Malgina, das aus dem Ari⸗ 
gerthal von dem einzigen Eisberg in dieſer Bergkette herab- 
fließende Fluͤßchen Armiſa, das Vennina⸗ und Ambria⸗ 
thal, der Torchion, der Livrio, das Pal Cervig⸗ un! 


\ 


185 


Val Madrethal, Eollorina und Forcola und endlich 


der Tartano, der Bitto und die Leſina, ihre Waſſerſchaͤtze 
zu. Noch reicher begaben fie damit die, von den auf der nord» 
lichen Seite aufgethuͤrmten Eisbergen, ſich herabſtuͤrzende größere 
Fluͤße, der Ruaſeo, der aus dem Grsſinerthal kommt, der 
Poſchiavino, durch welchen ſich der nicht unbeträchtliche Po— 
fchiaver - See ergießt, der Maller, der das Malenkerthal durch— 
ſtroͤmt, und der aus dem Maſinerthal kommende Maſino. Diefe 
vier Häuptflüße waͤlzen erſt zu Ende des Sommers, wenn alle 
uͤbrigen Bäche faſt vertrocknet ſind, aus den gufgethauten Eis- 
bergen ganze Laſten von Waſſer herab. Fruͤher aber ſparſamer 
führen von der naͤmlichen Nordſeite die Baͤche von Villa, 
Bianzon, Boalzo, aus dem Pontasker- oder Fontanerthal, 
von Treſivio, Montagna, Caſtione, Poſtaleſio, Bew 
benno, Buglio, Ardenn, Camporico, Trahona und 
Manntell der Adda ihre Waſſer zu. Zu einem ziemlich bes 


trachtlichen Strom angewachſen ergießt fie ſich in den Zuſam⸗ 


menfluß des Clefner⸗ und Comerſees, und verläßt allda die Gren⸗ 
zen des Veltlins. 


I 


Zuſaz zur vorhergehenden Abhandlung. 


Väſſe, Wege und Bergpfade in Bünden und 


5 Veltlin. 


2. Von Urſeren über Selva in Tawetſch auf Diſentis. 
6 Stunden. Brauchbar fuͤr geladene Pferde. 


2. Aus der Cornera-⸗ Alp in Bünden auf den Gotthard. 


Fußpfad. 4 Stunden. 
3. Aus dem Polenſerthal von Olivone, über den St. 
Mariaberg durch Medels nach Diſentis. Geladene 
| Pferde. 6s Stunden. 
4, Von Piota und Madrano im Livinerthal uͤber den St. 
Mariaberg und Medels nach Diſentis. Leere Pferde. 
7 Stunden, 


* 0 4 


496 


5. Aus dem Polenſerthal über das Dörfchen Campo und 
die hintern Mayenſaͤße des St. Petersthals, Za⸗ 
fraila genannt, nach St. Peter. 6 Stunden. Ge⸗ 
ladene Pferde. i 

6. Aus der Mueſaalp auf St. Bernardinsberg in die ober⸗ 
ſten Alpen des Calankerthals. Bergpfad. 3 Stunden. 

7. Ueber den St. Bernardinsberg vom Dorf Hinterrhein 
nach St. Bernardin im Maſoxer Thal. 3 Stunden. 
Von dork bis auf Bellenz durch Maſox. 10 Stunden. 
Enge Paͤſſe: In Maſor bei St. Giacomo und beim 
Schloß Maſox fahrbare Straße. 5 

3. Aus Calanka 3 Bergpfade in das Polenſer⸗Thal. 

9. Von Rogoredo im Maſor nach Riviera, in das Polenſer⸗ 
Thal und in das Liviner⸗Thal. Geladene Pferde. 

10, Von Rogoredo über den St. Joͤriberg nach Gravedona 
am Comerſee. Geladene Pferde. 5 Stunden. 
11. Vom St. Joͤriberg in das Budengerthal in der Graf⸗ 
ſchaft Clefen. Fußpfad. 3 Stunden. 
12. Von Rogoredo über den Berg Forcola nach Gordona 
in der Grafſchaft Clefen. Leere Pferde. 6 Stunden. 
13. Durch die Carnella-Alp von Nufenen auf Menarola 
in der Grafſchaft Clefen. Leere Pferde. 6 Stunden. 
14. Von Menarola über die Monti di St. Ant? e St. Ber- 
nardo auf Madonna di Gallivaccio im St. Ja- 
kobsthal. Bergpfad. 3 Stunden. 


15. Von Spluͤgen auf Clefen durch das St. Jakobsthal, 


entweder durch den Cardinel uͤber Iſola, oder uͤber 
Pianaſch, oder Madeſimo durch den Ciencio auf 
Campodoleino. Getriebne Landſtraße. Geladene 
Pferde und Schlitten. 8 Stunden. 

16. Von Madeſimo und ab dem Spluͤgnerberg nach Hin⸗ 
ter⸗Ferrera durch Emet. Bergpfad. 3 Stunden. 

17. Von Hinter» Ferrera durch Valle di Lei nach Savogno 
in der Jurisdiction Plurs. Berpfad. 6 Stunden. 


197 


18. Von Hinter⸗Ferrera uͤber Campſut nach Avers. 3 Stun⸗ 
den. Geladene Pferde. 

19. Aus Avers uͤber den Gletſcher nach Savogno, Plurſer 
Jurisdiction. 6 Stunden. Bergpfad. 

20, Aus Abers über den Gletſcher nach Soglio. 5 Stunden. 
Bergpfad. 

21. — — durch das hintere Thal über den Berg nach 
Savognino im Oberhalbſtein. Bergpfad. 5 Stunden, 

22. — — auf den Septmerberg. Geladene Pferde. 2 
Stunden. ö 

23. — — durch Bregalga nach Marutz und Caſaccia. 
Bergpfad. 

24. Von Bivio über den Septmerberg nach Clefen. Ge 
triebne Landſtraße. Fahrbar fuͤr kleine Wagen. 4 
Stunden. 

Enge Paͤſſe: das ganze Plurſer- und Bergellerthal, 
vorzüglich bei Sta. Croce, bei Pontela, beim Louer⸗ 
flͤßchen, bei Porta, bei Naſerina, bei den Kehren 
auf dem Berg. | 

25. Bon Caſaccia am Fuß des Septmerbergs uber Maloͤg⸗ 
gia in das Engadin und durch das obere und untere 
Engadin auf Nauders im Tirol, und in das Inn⸗ 
thal. Fahrbare Landſtraße von Caſaccia bis Nau⸗ 
ders. 16 Stunden. 

Paͤſſe: der Maloͤggiaberg, die Kuͤſten des Silſer⸗ 
und Silvaplana-Sees; St. Maurizi; Pontalt; 
Suß; Valtasna; St. Martinsbrugg und vorzuͤg⸗ 

* lich die Finſtermuͤns. 

26, Vom Septmerberg über Grevaſalvas auf Maloͤggia. 
Bergpfad. 5 Stunden. 
27. Von Bivio uͤber den Julierberg nach Silvaplana im 
Engadin. Geladene Pferde. 4 Stunden. 
1 28. Von Berguͤnn über den Albulaberg nach La Ponte im 
i Engadin, Geladene Pferde. 4 Stunden. 


498 


29. Von Davos durch das Thal Cortig und durch das 
Berguͤnnerzuthal in die Alpen von Zutz im Engadin. 
Bergpfad. 6 Stunden. N 

30. Von Davos durch das Disma uͤber den Scalettaberg, 
nach Suſanna und Scanf im Ober-Engadin. Ge⸗ 
ladene Pferde. 5 Stunden. 

31. Von Davos uͤber den Fluelaberg nach Suß im Unter⸗ 
Engadin. Geladene Pferde. 5 Stunden. 

32. Ueber Fluͤela und Val de Toi nach Cloſters im Bret⸗ 
tigaͤu. Bergpfad. 

33. Von Cultura im Montafun uͤber Fermont durch Val 

Tasna auf Schuld und auf Remuͤß im Unter: Ens 

gadin. Bergpfad. | 


34. Durch die Figmatter-Alp im Clusthal, Canton Uri, 
uͤber Soliva nach Diſentis. Bergpfad. 

35. Aus dem Sernſthal im Canton Clarus nach Penitz 
im Hochgericht Waltenſpurg in Buͤnden. 7 Stun⸗ 
den. Geladene Pferde. 

36. Ebendaher uͤber die Alpen nach Flims. 7 Stunden. 
Bergyfad. 

37. Von Reichenau über Gunkels nach Vettis in der Graf⸗ 
ſchaft Sargans. Geladene Pferde. 3 Stunden. 

38. Von der untern Zollbruͤck durch den St. Margaretha⸗ 
berg und Bergtsälchen, auf Pfaͤfers. Leere Pferde. 
3 Stunden. 

39. Von Chur auf Ragatz über die obere und untere Zoll⸗ 
bruͤcke. Chauſſee. 3 Sunden. — Paͤſſe: Die bei⸗ 
den Bruͤcken, die zwiſchen beyden gelegene Schanze 
oder Fort de France. 

se. Von Chur auf Ragatz über Untervatz und den Maſtril⸗ 
ſerberg. Geladene Pferde. 4 Stunden. 

41. Von Chur uͤber Haldenſtein, Patron, die pberen Va⸗ 


199 


tzerberge und das St. Margrethenthal auf Pfaͤfers. 
Leere Pferde. 5 Stunden. 

42. Von Chur uͤber Maienfeld und die Steig auf Balzers, 
im Fuͤrſtenthum Liechtenſtein. Chauſſee. 4 Stun⸗ 
den. — Paͤſſe: Die obere Bruͤcke, oberwaͤhnte Schan⸗ 
ze zwiſchen Rhein und Landquart, die Steig⸗ 
Schanze. 

43. Von Chur uͤber Marſchlins, die Schloßbruͤcke, Malans 
auf die Steig. Geladene Pferde. 5 Stur den. 

44. Von der Steigſchanze uͤber Guſcha in den Berg ob 
Balzers und Trieſen. Felſenpfad. 

45. Von Maienfeld durch die Falkniß, und von Seewis 
über das Ganeyerbad und die Seewiſer-Alpen in 
das hinter dem Vadutzerberg liegende Thaͤlchen, und 
durch daſſelbe nach Fraſtens bei Feldkirch. 6 Stun⸗ 
den. Leere Pferde. 

46. Von Fanas im Brettigaͤu über die Alp nahe beym 
Cencia plauna vorbei in Vandans im Montafun. 
Bergpfad. 

47. Aus dem St. Anthoͤnierthal im Brettigaͤu durch das 
Druſusthor auf Tſchakuns im Montafun. Leere Pfer⸗ 
de. 5 Stunden. 

48. Durch den anderen Aſt des St. Anthoͤnierthals, ſo 
Patnun heißt, uͤber Blaſenecken nach Aachens. 
Leere Pferde. 5 Stunden. 

49. Durch die Maienſaͤße des Schlapinerthals, und uͤber 
die Furka in die Montafuner » Alp Gargella und 

durch das Gargellerthal nach St. Gallen Kirch im 
Montafun. Geladene Pferde. 6 Stunden. 


so, Von Medels über die Alpen nach Lumbrein im Lug⸗ 
netzerthal. Bergpfad. 

51. Von Diſentis über Ueberſaren nach Ilanz oder Mo⸗ 
riſſen im Lugnez. Geladene Pferde. 7 Stunden. 


200 


52. Von Dieſentis durch das Medelſerthal nach Olivone 
und Bellenz über den St. Mariaberg. Hauptpaß, 
Geladene Pferde und Schlitten. 15 Stunden. | 

83. Von Diſentis längs dem Rhein nach Chur. Haupt⸗ 
paß. Geladene Pferde und Schlitten. 12 Stunden. 
Paͤſſe: Anfangs und Ends des Thals W ; Slanı, 
Reichenau und Damins. 

34. Von Friain im Lugnez in das Zafreilerthal zu hinterſt 
in Vals oder St. Petersthal. 3 Stunden. Leere 
Pferde. 

35. Aus Zafreila durch die Saporteralp nach Hinterrhein. 

4 Stunden. Bergpfad. 

56. Von St. Peter durch das Thal Peil nach Nufenen im 
hinteren Rheinwald. Leere Pferde. 4 Stunden. 

57. Ueber die Flimſeralp von St. Peter, in Savien zu der 
hinteren Kirche. 3 Stunden. Bergpfad. 

38. Aus St. Petersthal durch die Hundsſchupfen nach 
Tersnaus im Lugnez. Geladene Pferde. 3 Stunden. 

59. Von der mittleren Kirche in Savien uͤber Glaß nach 
Tſchapina und Thuſis. 3 Stunden. Leere Pferde. 

60. Von der hinterſten Kirche in Savien nach Spluͤgen. 
Leere Pferde. 4 Stunden. 

61. Von Sufers uͤber die Suferſeralp nach Wergenſtein in 
Schams. Bergpfad. 

62. Von Chur uͤber Reichenau, Thuſis, Schams und Rhein⸗ 
wald nach Spluͤgen. Getriebene Landſtraße fuͤr kleine 
Wagen und geladene Pferde. 10 Stunden. — Paͤſſe: 

4 Reichenau / die Via mala, die Rofla. 

43. Rechter Hand der Via mala von Zillis in Schams auf 
Mutta, und von da auf Sils oder Obervaz. Berg⸗ 
pfad. 4 Stunden. 

64. Linker Hand der Via mala von Lohn i in Schams durch 

des Oberſten Alpen nach Thuſis. Leere Pferde. 4 
Stunden. 


201 


‚es Von Zillis in Schams über die Deſpina⸗Alp nach 
Mons oder Reams im Oberhalbſtein. 

66. Von Fuͤrſtenau auf Obervaz und Tiefenkaſten durch 
den Schein. 4 Stunden. Geladene Pferde. 

67. Von Obervaz nach Parpan. Geladene Pferde. 2 
Stunden. 

68. Von Chur über Parpan, Lenz, Oberhalbſtein bis auf 
den Septmerberg. 12 Stunden. Getriebne Land⸗ 
frage für kleine Waͤgen. — Paͤſſe: Tiefenkaſten, 
der Oberhalbſteiner Stein, Muͤhlenen, Marmels. 

69. Von Chur uͤber Lenz nach Berguͤnn. 8 Stunden. 
5 Kleine Waͤgen. Landſtraße uͤber Albula. — Paͤſſe: 
1 Der Berguͤnner⸗Stein, das Davoſer Landwaſſer. 
90, Von Chur über Feldis nach Schaid und Tomils im 
N Domleſchg. 4 Stunden. Bergpfad. 


71. Von Chur durch Schalſik und Langwies über Straͤls 
nach Davos. 7 Stunden. Geladene Pferde. 
72. Von Chur uͤber Praden, Tſchiertſchen, Aroſen auf Da⸗ 
7 vos. Leere Pferde. 8 Stunden. 
4 73. Von Chur über Sais und Valzaina auf Gruͤſch im 
| Brettigäu, 4 Stunden. 
74. Von St. Peter im Schalfik durch die Trimmiſer⸗ 
Alpen nach Valzaina. Bergpfad. 
75. — — durch die Zizerſer⸗Alpen nach Furna. Berapfad, 
76. Von Peiſt im Schalfik auf Fiederis. Leere Pferde. 
4 Stunden. 
77. Von Langwies uͤber Fonday auf Conters oder Serneus. 
F 5 Stunden. Bergpfad. 
78. Von Langwies und Fonday uͤber Perſanna auf Da⸗ 
vos. 5 Stunden. 
79. Von Davos uͤber Laret nach Cloſters im Brettigaͤu. 
2 Stunden. Geladene Pferde. 
80, Von Davos durch die Züge auf Alveneu. Geladene 
Pferde, 6 Stunden. 


* 


* Ps 


* 


\ 


202 


81. Von Parpan uͤber Tſchietſchen in das Schalfik. Leere 
Pferde. 5 Stunden. 

33. Von Zizers durch den Alpweg auf Valzeina und von 
dort auf Furna. 6 Stunden. Leere Pferde. 

83. Von Marſchlins durch den Tritt auf Valzeina. Berge 
pfad. 1 Stund. Ueber den Sattel 1 ı/2 Stund. 
Geladene Pferde. 

84. Von Malans und Maienfeld Hr die enge Schlucht 
bei der Schloßbruͤcke ins Brettigaͤu. Landſtraße. Ges 
ladene Pferde. — Paß: gedachte Schlucht. 

Von Zizers eben dadurch uber die Schloßbruͤcke nach 
Gruͤſch. Geladene Pferde. 2 Stunden. 


85. Von Novate, in der Grafſchaft Clefen, auf Monaſtero 
im Veltlin über den Saſſo Corbe längs dem Clef⸗ 
nerſee. Geladene Pferde. 2 Stunden. 

86. Von Codera und Cola ob Novate auf St. Giuliano 
ob Monaſtero. Bergpfad. 

87. Aus Codera uͤber Alpiggia in das Maſinerthal im Velt⸗ 
lin. Bergpfad. 

88. Aus Codera über Siviggia auf Villa oder Caſtaſegna 
im Bergell. Bergpfad. 

89. Von Bondo durch die Bondaſca uͤber einen 2 Senden 
langen Gletſcher in das Maſinerthal. Bergpfad. 

90. Von Maloggia zu oberſt im Bergell uͤber den Muret 
in das Malenkerthal und nach Sondrio. Geladene 
Pferde. 3 Stunden bis al Boſcho in Malenk. 6 
Stunden bis nach Sondrio. 

91. Aus Feed uͤber den Gletſcher ins Malenkerthal. Berg⸗ 
pfad. D | 

92. Von Pontreſina im Engadin bis auf Puſchlaf über ' 
den Berninaberg. Geladene Pferde. 7 Stunden. 

Von Pufchlaf bis Tiran 3 Stunden. — Paͤſſe: 
Piſciadell, al Meſchin, beim Schloß Piatta mala, 


208 

93. Von Bernina rechts des Sees über Gavaglia nach 
Puſchlaf. Geladene Pferde. 7 Stunden. 

94. Von Bernina durch die Valle del Fieno in Livin. Berg⸗ 
pfad. 

95. Von Roſa auf Bernina ins Pedenoſſerthal. Vergpfad. 

96. Von den Puſchlafer Bergen durch Valle Fontana auf 
Ponte, und durch Lanjade ins Malenkerthal. Berg⸗ 
pfad. 

97. Große Hauptſtraße von Elefen über den Elefener- und 
Comerſee nach Como oder Lecco. — Valle: La Ris 
va; daruber Motto de Corvi, gegenüber Steinband 
und Kluft bei La Franceſca; Clefen. 

98. Ueber den Piano, vom Paſſo bis nach Dalebbio im 
Veltlin. Fahrbare Straße. 2 Stunden. 

99. Von Dalebbio nach Colicho über Piantedo und La, 
Scalotta 2 Stunden. Fahrbare Straße. 

100. Ob La Scalotta durch den Wald unter dem Berg 
Scuggione von Piantedo nach Colicho. Leere Pferde. 
2 Stunden. 

101. Von Dalebbio durch die Alp Legnone und den Paß 
Portello in die Valle Saſſina. 4 Stunden. Berg⸗ 
pfad. 

102. Durch die Valle della Leſina und Alp Mezzana eben 
dahin. Fußpfad. 

103. Ueber Pedeſina und Girola eben dahin. Leere Pferde. 

104. Durch den weſtlichen Arm des Bitterthals in den 
weſtlichen Arm der Valle Brambana, Bergamaſ⸗ 
ker⸗ Gebiet. Leere Pferde. 

205. Durch Valle del Bitto, Albaredo und den St. Mar⸗ 
kusberg durch Valle Brembana auf Bergamo. Land⸗ 
ſtraße. Geladene Pferde. Von Albaredo bis Vals 
negro 4 Stunden; von Morbegno bis Bergamo 

11 Stunden. — paͤſſe: Al Doſſello. 


20% 


106. Durch Valle del Tartano über Rochalla in Valle 
Brembana und über Biorcha in Valle Seriana. 
Leere Pferde. 

107. Durch Val madre hinter Fuſine nach Valleve i in dem 
obigen Thal. Geladene Pferde. 5 Stunden. 

108. Durch Valle cervia und Valle del Livrio eben dahin. 
Leere Pferde. 5 Stunden. 

109. Durch Valle d' Ambria und Valle Venina eben dahin. 
Leere Pferde. 5 Stunden. 

110, Durch Valle Malgina oder Valle d'Arigna in den 
oͤſtlichen Arm der Valle Seriana. Bergpfad. 

111. Von Carona, Gebiet von Teglio, durch das Bellvi⸗ 
ſerthal nach Cedegolo in Valle Camonica. Bergpfad. 

112. Ueber Aprica von Motta, Tiraners Furisdiction, 
nach Edolo in Valle Camonica. Getriebne Land⸗ 

ſtraße fuͤr geladene Pferde. 4 Stunden. 

113. Ueber Trivin ob Firano und von Sta. Chriſtina nach 
Vezza und Edolo in Valle Camonica. Geladene 
Pferde. 5 Stunden. 

114. Ueber den Mortirolo bei Mazzo nach Ponte di Legne 
in Valle Camonica und über mehrere darneben ges 
legene Alpen und Triften eben dahin. 4 Stunden. 
Geladene Pferde. 

115. Von Tiran laͤngs der Adda nach Worms, getriebne 
Landſtraße für kleine Waͤgen. 6 Stunden. — Paͤſſe: 
Die Serra al Bolladon ne. 

116. Von Worms uͤber den Umbrailg nach St. Maria ins 
Muͤnſterthal. Geladene Pferde. 6 Stunden. — Paͤſſe: 
Die Serra al Bolladonne. 

117. Vom Umbrailg durch das Thal Stellwin nach Glurenz 
im Vingſtgaͤu. 3 Stunden. Leere Pferde. 

118. Von Worms durch die Valle Furba, den oͤſtlichen 
Arm derſelben in die Berge der Valle del Sole im 
Tridentiniſchen. Vergpfad. 


* % 


dm 
405 


119. Von da durch den weltlichen Arm der Valle Furba 
uͤber Gavia auf den Tonall und von da links in die 
Valle del Sole, rechts in die Valle Camonica. Ges 
ladene Pferde. 

120. Vom Gaviaberg durch Valle di Rezen auf Monta⸗ 
dizza, Tiraner Jurisdiction. Bergpfade. 

121. Von Worms durch die Valle di Fuori oder die Pe⸗ 
denoß über Trepall in das Livinerthal. 6 Stunden. 
Geladene Pferde. 

122. Aus dem Livinerthal durch das untere Thal laͤngs 
dem Spolſluß auf Zernetz im untern Engadin. Ges 
ladene Pferde. 3 Stunden. 

123, Aus Livin durch das Thal Fedris über Caſſanna nach 
Scanf im obern Engadin. Geladene Pferde. 5 
Stunden. f 

124. Von Worms durch das Pedenoſſerthal uͤber Freel, 
durch das Freelerthal, nach St. Maria im Muͤn⸗ 
ſterthal. Geladene Pferde. 7 Stunden. 

125, Aus dem Freelerthal durch ein Nebenthälchen nach 
Livin. Bergpfad. 

126. Von Sta. Maria aus dem Muͤnſterthal über Muͤnſter 
nach Taufers im Vingſtgaͤu. Ebne Landstraße, eine 
halbe Stunde Wagen-Weg. 

127. Von Sta. Maria durch das obere Muͤnſterthal über 
den Berg, Offen nach Zernez. Geladene Pferde. 
4 Stunden. 

128. Von Muͤnſter im Muͤnſterthal durch das Scarlthal 
und den Scarlberg auf Schuls im untern Engadin. 

129. Von St. Martinsbrugg unter Schuls durch die Vall⸗ 
d'aſſa auf die Malſer Haide im Vingſtgaͤu. Beides 
Bergpfade. 


5 Br 


206 
Verzeichniß meiner innlaͤndiſchen Con: 
Re chylien⸗ Sammlung, 


als ein Beytrag zur Geſchichte der Schweizerſchen Land⸗ 
und Waſſerſchnecken. 


Von G. L. Hartmann, 
Erzie hungsrath in St. Gallen. 


Kein Theil der Naturgeſchichte iſt in der Schweiz bisher 
ſo ſehr vernachlaͤßigt worden, als die Klaſſe der Wuͤrmer; 
wir haben daruͤber gar nichts als ein Namen-Verzeich⸗ 
niß von Conchylien, das vor ungefehr 20 Jahren 
Herr Profeſſor Studer in Bern an den reiſenden Eng⸗ 
laͤnder Coxe mitgetheilt und uns zugleich Hoffnung zu ei⸗ 
ner ausführlichen Veſchreibung der ſchweizerſchen Conchylt⸗ 
en gemacht hat.“) In dieſem Verzeichniße werden, unten 
neunzig verſchiedenen Arten, drey und zwanzig Arten als 
neu, und ſechs als ungewiß angegeben; jedoch vermuthe 
ich, es moͤchten mehrere Spielarten als beſondere Arten 
angegeben ſeyn, und daher duͤrfte ſich dieſe Anzahl bey der 
Aufzählung nur wirklich verſchiedener Arten ſchweizerſcher 
Schalthiere beträchtlich vemindern; ich kann einſtweilen nur 
meine Vermuthung aͤußern, denn auf bloße Namen hin 
uͤber die Anzahl der wirklich neuen Arten abſprechen zu 
wollen, waͤre noch mehr als Unbeſcheidenheit. Ueberhaupt 
gedenke ich, für einmal nicht alle Conchylienarten der Schweiz 
zu muſtern, ſondern hier nur eine kurze Beſchreibung derjeni⸗ 
gen Schnecken und Muſcheln mitzutheilen, welche ich ſeit 


*) Eore Briefe über die Schweiz, III. 325. und Hoͤpfners Ma⸗ 
gazin f. d. Natutkunde Helvetiens, II. 384. a 


207 
ein ein paar Jahren in der oͤſtlichen Schweiz aufgefunden 
babe; ſelbſt dieſe geringfügige Arbeit wird doch wieder etwas 
zur Berichtigung und Erweiterung deſſen beytragen, was 
bisanhin über die Europaͤiſchen Land, und Flußſchnecken 
geſchrieben wurde, und ich würde es mir als ein befondes 
res Verdienſt anrechnen, wenn Hr. Proſeſſor Studer 
durch dieſe fragmentarifche Erſcheinung könnte bewo gen 
werden, uns endlich mit feiner volſtaͤndigern Geſchichte zu 
beſchenken, wozu uns das vergebliche Warten in einer langen 
Reihe von Jahren leider faſt alle Hoffnung benommen 
hat. 8 

In der Aufzählung der Conchylien⸗Arten folge ich der 
Linneiſchen Methode, die ſich nach dem Bau der 
Schale richtet, weil dieſe das einzige iſt, was wir von dem 
Thiere im Kabinet aufbewahren koͤnnen. Zudem macht 
der Bau der Schale auch einen weſentlichen Theil von der 
Form ihres Bewohners aus, die bey der Charadterifierung 
des Thiers immer fo wichtig iſt beruͤckſichtiget zu werden, 
als der Standort der Augen, auf welchen O. F. Müller, 
bey feiner Eintheilung, ſo ſehr geachtet hat. Ich gebe 
uͤbrigens gerne zu, daß wenn wir die Conchylien auch nur 
nach dem Bau ihrer Schalen eingetheilt haben wollten, 
die Linneiſche Methode noch ſehr vieler Verbeſſerung be⸗ 
dürfte; und die beſtmoͤglichſte Methode in der Conchbliolo⸗ 
gie wird erſt dann aufgefunden werden können, wenn einſt 
die ſo verſchiedenen Schnecken in ihrer Bildung und Er 
densart weit mehr gekannt, und dieſe Thiere ſowohl unter 
ſich, als in Ruͤckſicht der Form ihrer Schalen genauer ver: 
glichen ſeyn werden, als es bisanhin geſchehen iſt. Ich glaube 
auch, daß eine neue Nomenklatur nur in einem klaſſiſchen 
Werk nicht zum Nachtheil der Sache gebraucht werden 
kann, und habe daher um die Verwirrungen nicht zu ver: 
grögern, die durch gar zu verſchiedene Benennungen ein 


208 


und eben deſſelben Thiers ſchon entſtanden find, mir nicht 
erlaubt neue Namen zu ſchaffen, wenn ein alter da war, 
der mir auch nicht ganz paſſend ſcheint. Doch alles dies 
zeigt ſich von ſelbſt; ich ſchreite alſo zur Aufzahlung der 
Arten. 


1. Zweyſchalige Conchylien; Muſcheln. 
A. Solche die breit aber kurz find, Musculi. 


Sie werden an dem Bodenſee ſehr einfaͤltiger Weiſe 

Kroͤttenſchuͤſſeln genannt, und theilen fi) in ſolche 

a) Deren Schalen durch eingreifende Zaͤh⸗ 
ne zuſammengefuͤgt ſind, als 

1. Die Mahlermuſchel, Mya Pictorum L. *) 
Eyfoͤrmig, bald mehr, bald minder laͤnglich, dickſchalig, 
von auſſen braun, inwendig mattperlenmutterfaͤrbig, das 
Schloß nahe an der Seite der Schale. Sie findet ſich an 
dem Bodenſee, bey der Muͤndung der Fluke, 1 ı/a 85 2 
Zoll breit. 

b) Die Schale ohne eingreifende Zähne, 
mit einem leder artigen Band verbuns 
den. 

2. Die Entenmießmuſchel, Mytilus Anati- 
nus, L. “) Dieſe in den Teichen aͤußerſt gemeine Mus 
ſchel findet ſich auch an dem Bodenſee haͤufig; ihre Schale 
iſt ſehr dünne, eyfoͤrmig, etwas fach, von außen grüne 
lichbraun und glaͤnzend, inwendig von einem ſchoͤnen Per⸗ 
Ienmutterglange, der aber nach dem Tode des Thiers et⸗ 


*) S. Caroli a Linné Systema naturæ. Edit. XIII, cura J. F. 
Gmelin, Tom. I. P. 6. pag. 3218. 2 3. 


*) S. Linné l. c. p. 3355: fp. 16, 


209 
was matt wird. Das Schloß ſteht nicht in dem Mittels 
punct, ſondern nahe auf der einen Seite der Schale. Sie 
dient den wilden Enten zur Speiſe. Ich fand fie in meh» 
reren Teichen 4 Zoll breit, und 2 / Zoll lang; an dem 
Bodenſee bisher nur halb ſo groß. 


A. Runde Muſcheln, Chamæ. 


3. Die hornfarbige Tellmuſchel, Tellinä 
Cornea, L. ) Die Schale bey dem erwachſenen Thiere 
beynahe kugelförmig, von auſſen hornfaͤrbig, bald mehr 
bald weniger dunkel, inwendig blaulich; in der Jugend 
ſehr ac) und ganz weiß. Das Schloß ſteht im Mittels 
puncte. Der Bewohner dieſer Schale iſt welßlich, halb⸗ 
durchſichtig, gebiert im May und Juny lebendige Jungen, 
und lebt ziemlich haͤufig in pflanzenreichen Waſſergraͤben 
und Tümpfeln, zwiſchen den Wurzeln der Waſſerpflanzen. 
Man findet dieſe Muſchel ſchon fruͤh imm Fruͤhling, jo bald 
die Gräben und Teiche aufgethaut find, Das Thier ſcheint 
beſonders Waſſer zu lieben, das auf Torfgrund ſteht; bey 
dem Leben iſt die Farbe der Schale betraͤchtlich heller, als 
nach dem Tode des Thiers, die Breite dieſer Schale Dis 
trägt einen halben Zoll. 

4. Die gefurchte Flußtelline, Tellina Amni- 
ea, L*), Sie iſt nicht fo ſtark gewöfßt als die vorige; 
bey dem Schloſſe, das etwas außer der Mitte ſteht, ziem⸗ 
lich zugeſpizt; von außen braun und voller Querribben in: 
wendig, beſonders dem Rande nach, blaulich. Ich fand 
fie an dem Ufer des Bodenſees, nahe bey Steinach, bisher 
nur ohne das lebendige Thier. Drey Linien groß. 


— 


*) S. Linne 1. c. p. 3241. Sp. 76. 
**) S. Linne I. 6. p. 3243. fp. 78. 
av Vd. 8 D 


210 


II. Einſchalige Conchylien; Schnecken, 
Cochleæ. . 


A. Walzenſchnecken, Bullæ. 
Walzenfoͤrmig mit abgeſtuztem Zopfe. 


5. Die Waſſerblaſe, Bulla Fontinalis, L. 
Die Schale gelblich, ſehr glaͤnzend, durchſichtig und duͤn⸗ 
ne; von den vier Windungen, die links laufen, bildet die 
unterſte beynahe das ganze Gehaͤus; ich fand bey uns die 
Schale nicht größer als 2 ½ Linie lang. Das Thier iſt 
braungrau, halb durchſichtig, mit einem dunkelgeſſeckten 
Mantel, der der Schale ein buntes Anſehen zu geben 
ſcheint. Der Kopf iſt breit, mit ziemlich langen borſtenfoͤr⸗ 
migen Fuͤhlfaden, der Schwanz zugeſpitzt. Im Herbſte fand 
ich ſie in der Altach bey Arbon haͤufig an der untern Sei⸗ 
te von den Blaͤttern der Seeroſe und an andern Waſſer⸗ 
pflanzen; im Frühling und Sommer waren fie felten zu 
finden. 


B. Mondſchnecken, Turbines. 


Die Kennzeichen, welche Linne der ganzen Gattung feſt⸗ 
ſezte, paſſen auf diejenigen Arten, die ich hier anzufuͤhren habe, 
nicht genau; indeſſen koͤmmt in ſeinen Unterabtheilungen 
eine Familie vor, die mit Recht Schrauben oder gethuͤr m⸗ 
te (turriti) genennt werden; von dieſen fand ich bey uns: 

6. Die zweyjaͤhrige Schraubenſchnecke, Tur- 
bo Bidens, L..). Die Schale hat zehn linkslaufende 
Windungen, die in der Jugend fein geſtreift, ausgewachſen 


*) S. Linne I. c. p. 3427. fp. 18. 
* S. Linne I. e. p. 36e. fp. 87. 


r 


Schnecke nicht eigen beſchrieben, wohl aber ſcheint es, daß 


211 
aber abgeglaͤttet find; fie iſt einigermaßen durchſichtig; 
braungelb; die Mundoͤffnung beynahe eyförmig, weiß , 
mit zwey ſtarken Zähnen. Die Höhe Linien, die ſtaͤrkſte 
Breite 2 Linien. Das Thier ſchwarz, mit 4 Fuͤhlfaden; 
fein Aufenthalt an faulen Baumſtoͤcken und unter Moos. 

7. Die gemeine Schraubenſchnecke, Turbo 
Perversus, L). Sie iſt viel gemeiner als die vorige 
Art, ſiehet ihr aber in der Form ſehr ähnlich, und iſt das 
her oft mit ihr verwechſelt worden; fie hat 11 bis 12 links- 
laufende Gewinde, die beſonders bey den Erwachſenen mit 
ſeinen doch ſehr ſichtbaren Querſtreifen gefurcht ſind; in 
der rechten Seite der Mundoͤffnung gehen bis an den Rand, 
unten ein einfacher, und uͤber demſelben, mehr inwendig, 
ein gabelförmiger Zahn, die linke Seite iſt mit mehres 
ren feinen Zaͤhnen dem Rand nach beſetzt. Bey einigen 
iſt die Schale dunkel grauroth, bey andern braunroth 
und etwas heller, fie ik bey allen, ohne die oberſten Ge 
winde, undurchſichtig; 10 Linien lang. Das Thierchen 


ſchwarz, mit 4 Fuͤhlfaden, es hält ſich in feuchtem Mooſeß 


an alten Mauern und Baumſtaͤmmen uͤberall auf; auch 
im Winter iſt es nur zwiſchen dem Mooſe verborgen und 
verkriecht ſich nicht in die Erde. Es hat ein fo zaͤhes Le 
ben, daß wenn es ſelbſt an trockenen Orten ein paar Wo— 
chen in einem Schaͤchtelchen ohne Nahrung eingeſchloſſen 
iſt, es bey Eroͤffnung deſſelben wieder fortkriecht. 

8. Die uͤbertuͤnchte Schraubenſchnecke, Tur- 
bo Crustatus, mihi. In den Conchylienwerken, wel— 
che ich bisher zu ſehen Gelegenheit hatte, finde ich dieſe 


N > 
— — 


— 


*) S. Linne I. c. p. 3609. fp. 88. Dieſe und die vorige Art 
find auch hier, mit der näͤchſtfolgenden, durche inauderze⸗ 
mengt und verwechſelt worden. 


212 


fie mit den beyden vorigen Arten vermengt wurde. Die 
Schale iſt ſehr oft mit einem matten, ſchmutziggruͤnen 
Ueberzuge, wie von Flechten, bedeckt, ſchon waͤhrend das 
Thier noch im Freyen lebt; oft aber iſt dieſer Ueberzug 
auch ganz abgerieben, und dann die Schale glatt, etwas 
glänzend, dunkelviolet, ins braune uͤbergehend, und gegen 
das Licht gehalten ziemlich durchſichtig. Der Mundſaum 
weiß, bis an denſelben geht aus der Mundoͤffnung unten 
rechts ein Zahn, und ob dieſem ein anderer, der ſich aber 
ziemlich weit in der Mundoͤffnung umbiegt, daher die Muͤn⸗ 
dung beym erſten Anblick nur einzaͤhnig ſcheint; die 10 
Windungen laufen links. Die Schale wird nie laͤnger als 
4 Linien lang und 1 Linie breit gefunden. Das Thierchen 
iſt ſchwarz mit vier Fuͤhlfaden. An feuchten, bemoosten 
Mauern und Felſenſteinen findet man es ſehr gemein. 

9. Das Haferkorn *), Turbo Cylindricus, Die 
Schale iſt minder zugeſpitzt als bey der vorigen Art, genabelt, 
und beſteht aus acht rechts laufenden Windungen; von Farbe 
dunkelbraun, ſieht aber, während das Thier noch im Freyen 
lebt, ſchon ſehr oſt wie halb verwittert aus; der Mund⸗ 
ſaͤum iſt weiß, mit 7 Zähnen beſetzt. Die Schale 3 ıfa 
Linie lang und 1 Linie breit. Das Thier den vorigen gleich; 
es lebt an Waldrainen unter Moos. 

10. Die vierzaͤhnige Schraubenſchnecke, Tur- 
bo Quadridens, L). Dieſe Schale iſt mehr walzen⸗ 
als ſchraubenfoͤrmig, hat acht linkslaufende glatte Win⸗ 
dungen, einen ſehr breiten, weiſſen Mundſaum, mit 4 
Zaͤhnen; die Schale iſt dunkel hornfaͤrbig, ſehr ſtark, 
5 Linien lang, und beynahe 2 Linien breit. Ich fand fie 
an den Felſen bey Sargans, im Moos. i 
TE c 


) Geoffroy Conchylien um Paris, deutſch. S. 83. 
*r) Linne I. o. p. 3610, ſp. 92. 


213 


11. Die Nautilusſchraube, Turbo Nautileus, 
L. ) Ich kann nicht begreiffen, wie Gmelin dleſe 
Schnecke, die Linne nur durch ein Verſehen unter die 
Schraubenſchnecken geſetzt haben kann, nicht unter den 
Schnirkelſchnecken, den Tellerſchnecken, zu denen fie 
einzig gehoͤrt, beygeordnet hat; denn die Schale iſt platt 
gedrückt, und ihre drey Windungen, unter welchen die er⸗ 
ſte weitaus am groͤßten iſt, drehen ſich um den Mittel⸗ 
punct herum; dieſes aͤußerſte Gewind hat Querſtreifen, die 
wie Ziegel auf einem Dache uͤbereinander liegen, und ſich 
auf dem 1 des Ruͤckens in Dornen endigen. 
Die Schale iſt hornfaͤrbig, durchſichtig, und wie ich fie 
bisher in Waſſergraͤben am Bodenſee gefunden habe, kaum 
eine Linie groß, daher ſie ſo leicht zu uͤberſehen iſt, und > 
feltener ſcheinen muß, als fie vielleicht iſt. 


C. Schnirkelſchnecken, Helices. 


Die Windungen der Schale ziehen ſich roͤhrenfoͤrmig 
in eine Schnirkelgeſtalt; diejenigen die davon bey uns vor⸗ 
kommen, ſind entweder: 

a, Kielfoͤrmig, an dem aͤußerſten Gewinde mit einem 
ſcharfen Rande. 

b. Genabelt, und die Gewinde abgerundet. 

c. Ungenabelt, mit runden Gewinden. 

d. Thurmförmige, 5 

e. Eyfoͤrmig und ungenabelt. 


® 


Alſo, a, Kielfoͤrmig, an dem aͤußerſten Gewin⸗ 
de mit einem ſcharfen Rande. 


* 


*) Linne I. c. p. 3612. fp. 98. 0 


214 


12. Der Steinpifer, Helix Lapicida, L. Die 
Schale hat 5 Gewinde, mit ſehr feinen Querſtreifen, das 
oͤußerſte mit einem ſchneidend ſcharfen Rande; die Mund⸗ 
öffnung unten, laͤnglich rund, bey den erwachſenen mit 
einem ſtarken weißen Mundſaum verſehen. Die Schale 
oben und unten etwas gewölbt, halb durchſichtig, horn— 
faͤrbig, mit braunrothen Flecken; ſie iſt ſtark genabelt und 
haͤlt im Durchſchnitt 7 bis 8 Linien. Man findet dieſe 
Schnecke unter Moos, auf der Erde, an Felſen und al— 
ten Baumſtoͤcken. Das Thier iſt vorn dunkelbraun, hin— 
ten heller, über den Ruͤcken ein gelblicher Streif. n 

13. Die rothgelippte Schnecke, Helix Incarna- 
ta, L „*). Gmelin muß dieſe Schnecke wohl nicht ſelbſt 
geſehen haben, da er fie unter die Abtheilung der ſcharf— 
gerandeten brachte; denn das aͤußerſte der 6 Gewinde hat 
nur eine kaum merkliche Kante. Die Schale iſt ziemlich 
kugelfoͤrmig, mit einem engen Nabelloche, und halbmond⸗ 
foͤrmiger Mündung, der Mundſaum etwas überſchlagen, 
inwendig ſleiſchfarbig, auſſen braunroth. Die Schale 
roͤthlich-braun und durchſichtig wie Achat, daher der 
ſleiſchfarbne mit dunkeln Flecken beſprengte Mantel ſehr 
ſchoͤn durchſcheint. Der Durchmeſſer der Schale iſt 6 Li⸗ 
nien. Nach dem Tode des Thiers verliert dieſe Schale 
beynahe ihre ganze Schönheit, wird einfaͤrbig und matt. 
Das Thier iſt graugelb, und bey uns in Hecken und Ge⸗ 
büfcyen uͤberall ſehr gemein. 

14. Die Seidenſchnecke, Helix Sericea, L). 
Auch dieſe Schnecke hat ſo wenig kielfoͤrmige Windungen 
als die vorige Art, und iſt überhaupt nur eine Spielart 


) Linne I. e. p. 3615. Ip. 2. 
) Linne I. e. p. 3617. fp. 17. 
r Einne I. c. v. 5617, fp. 18. 


* 


215 


von Helix Hispida, wie ich unten bey dieſer naͤher zeis 
ger werde. 

15. Die Scheibenſchnecke, Helix Planorbis, L. 9 
Die Schale tellerfoͤrmig, unten ſſach, oben etwas gewoͤlbt, 
doch gegen den Wirbel zu wieder vertieft, der Rand abge: 
ſchaͤrft, 4 bis 5 Windungen; hornfaͤrbig, 7 Linien im 
Durchſchnitte. Ich fand fie an den Ufern des Bodenſees 
ziemlich ſelten, und bisher nur ohne das Thier. 

16. Das Ammonshoͤrnchen, Helix Complänatar- 
L. *) Die Schale tellerförmig, braunlichgelb, etwas 
durchſichtig, unten ziemlich platt, oben gewoͤlbter, der 
Rand nach unten zugeſchaͤrft, die Mundoͤffnung beynahe 
herzförmig. Die Schale hat fünf Windungen, und hält: 
im Durchmeſſer 6 Linien. Das Thier iſt ſchwarz, mit 
zwey langen, durchſichtig grauen, pfriemenfoͤrmigen Fuͤhl⸗ 


faden. In ſtehendem Waſſer findet es ſich oft häufig, 


aber es laͤßt ſich erſt ſpaͤt im Fruͤhling aus der Tiefe 
hervor. 

17. Der Schlangenſchnirkel, Helix Vortex, L. 5) 
Die Schale dunkelhornfaͤrbig, ſehr platt, gedruͤkt, ſechs 
Windungen und eine eyfürmige Mundoͤffnung; der Durch» 
meſſer drey Linien. Ich habe ſie in einem Graben am 
Bodenſee bisher nur einmal und ohne das Thier gefunden. 

18. Die rauhaarige Schnecke, Helix. Isogno- 
mostomes L. f). Die Schale beynahe kugelfoͤrmig, nur 
ein wenig zuſammengedruͤckt, fuͤnf Windungen, ohne die 
geringſte Abſchaͤrfung am Rande, daher ſie gar nicht in 


*) Linne 1. c. p. 3617. fp. 20. 


**) Linne I. c. p. 3617. fp. 21. 
+) Linne l. c. p. 3620. fp. 30. 
4) Linne I. c. p. 3621. fp. 158. 


216 f ö 
dieſer Abtheilung ſtehen ſollte, hoͤchſtens funf Linien im 
Durchſchnitt, braun, und dicht mit kurzen, raulen 
Haaren beſetzt. In der Jugend iſt fie ſtark genabelt, uind 
hat eine halbmondfoͤrmige Mundoͤffnung, hernach bekoͤmm: 
ſie einen ſtarken Mundſaum, wodurch der Nabel ganz 
verwachſen wird; dieſer Mundſaum iſt weiß, ſehr hervor- 
ſtehend, oder in etwas uͤberſchlagen, einigermaſſen drey⸗ 
eckigt, die Mundoͤffnung ſelbſt ſehr enge, und kleeblattfoͤr— 
mig, doch kann ſich das Thierchen ſehr weit außer die 
Schale ausdehnen, aber wenn es ſich zuruͤckzieht iſt es 
auch mehr als keine andere Landſchnecke durch dieſen Mund⸗ 
ſaum geſchuͤzt. Das Thier iſt oben ſchwaͤrzlich, unten 
ſchlammgelb; man findet in den Tannenwaͤldern unter 
Moos ſehr oft die leere Schale, aber ziemlich ſelten die 
mit dem lebendigen Thiere. | 

19. Die Rheinſchnecke, Helix Rhenana, L. ) 
Ich habe dieſe Schnecke nicht ſelbſt gefunden, aber mit 
mehr andern, doch nur innlaͤndiſchen Land- und Waſſer⸗ 
ſchnecken erhalten, ohne den Ort beſtimmt augeben zu 
koͤnnen, wo fie eigentlich aufgefunden worden iſt. Mein 
Exemplar hat obenher 3 1/2 Linie im Durchſchnitt, nur 
4 Windungen, mit ſehr feinen Querſtreiſfen. Dieſe obere 
Seite iſt ganz platt und der Rand aͤußerſt ſcharf; die 
untere Seite bildet ſich von dieſem ſcharfen Rand an gegen 
das Nabelloch kugelförmig; das Nabelloch iſt groß, die 
Mundoͤffuung halbherzförmig , ungeſaͤumt, die ganze Scha⸗ 
le hellbraun. Vielleicht iſt ſie keine beſondere Art, ſondern 
nur die unausgewachſene Schale einer andern bekannte n 
Schneckenart. 


b. Genabelt und die Gewinde abgerundet. 
20, Der Kohlſaame, Helix Contorta, L*). Die 


Linne I. e. p. 3622. fp. 160. 
Y Linne I. e. p. 5624. fp. 37. 


217 


Schale iſt draungelb, durchſichtig, auf beyden Seiten 
flach, unten ſtark genabelt; fie hat gewöhnlich ſechs Wins 
dungen, die auf das engſte miteinander verbunden ſind, 
und einen Durchmeſſer von 2 Linien. Das Thier iſt ſchwarz, 
hat zwey graue borſtenfoͤrmige ziemlich lange Fuͤhlfaden; 
man findet es nicht in allen Waſſergraͤben wo Schnecken 
ſind, aber in einigen ſehr haͤufig, beſonders fruͤh im Fruͤh⸗ 
ling. 

21. Die weiße Tellerſchnecke, Helix Alba, I. .*) 
Eigentlich ift weder die Schale noch das Thier weiß, ii 
erſtere hat mit und ohne den Bewohner beynahe die näın- 
liche Farbe, hellhornfaͤrbig; ſie iſt durchſichtig und etwas 
glaͤnzend, hat 4 Windungen, davon die erſte uͤberaus 
groß, und meiſtens rund, jedoch bisweilen mit einem Kiel⸗ 
rand verſehen iſt; fie iſt auf beyden Seiten flach und ges 
gen den Wirbel eingedruͤckt, beſonders unten, ſo daß ſie 
ſtark genabelt genennt werden kann. Der ſcharfe Rand 
an der Mundoͤffnung ſteht gegen die rechte Seite weiter 
vor, als zur linken, daher dieſe beynahe herzfoͤrmig ſcheint. 
Die Groͤße iſt 2 ½ Linie. Ich fand fie in einem einzigen 
Tuͤmpfel, aber an allen Wafferpflanzen die man heraus 
zog, vom Frühling bis in Herbſt, ſehr haufig. 

22. Die borſtige Schnecke, Helix Hispida, L. **) 
Die Schale kugel foͤrmig, gegen den Wirbel in die Hohe 
gezogen, 5 bis 6 Windungen, die mit kurzen, ftarfen 
Haaren beſetzt ſind, hellbraun, wie die Schale ſelbſt, 
welche ziemlich durchſichtig und etwas glaͤnzend iſt; fie 
hat eine große halbmondfoͤrmige Mundoͤffnung und ein tie⸗ 
fes Nabelloch; ihr Durchmeſſer beträgt hoͤchſtens 3 1/2 
Linie, Das Thierchen iſt ſchwarz und fo ſcheu, daß es 


* *) Linne I. c. p. 3625. fp. 39. 


®) Pinne I. e. p. 3625. Sp. 42. 


218 


ſich bey der leichteſten Beruͤbrung ſchnell und ganz in die 
Schale zuruͤckzieyht. Es halt ſich an feuchten Orten, im 
Mooſe, Gras und Geſtraͤuchen faſt uͤberall auf, und frißt 
gerne Erdbeeren. Die oben (N° 14) beruͤhrte Seide n⸗ 
ſchnecke findet man an den meiſten Orten wo dieſe an— 
zutreffen iſt, nur ſeltener; Thier und Schale find fahl- 
gelblich, die Haare weicher und ſcheinen etwas wollig, 
uͤberhaupt iſt ſie wohl nichts als ein Blendling von der 
borſtigen Schnecke. Es giebt aber außer dieſer eine andre 
Spielart die noch ſeltener iſt, und ſich durch einen etwas 
kegelfoͤrmigern Bau der Schale, eine weit engere Mundöff- 
nung und einen verwachſenen Nabel unterſcheidet, uͤbrigens 
in der Groͤße und dem Aufenthalt der vorigen gleich kommt. 
23. Die langhaarige Schnecke, Helix Villo- 
sa *). Dieſe Schnecke iſt noch in keinem gedruckten Werke 
eigen beſchrieben, wohl aber von einigen Schriftſtelle rn 
fuͤr die borſtige Schnecke gehalten und mit ihr verwechſelt 
worden. An bergichten Orten, unter Geſtraͤuchen wo 
Moos über lokerer Pflanzenerde wächst, findet fie ſich ſehr 
gemein. Die Schale iſt meiſtens hell hornfaͤt big und 
halb durchſichtig, bisweilen dunkelbraun und undurch— 
ſichtig, ein wenig plattgedrüft , doch ſowohl unten, 
als beſonders oben gegen den Wirbel etwas erhoͤht, hat 
ſechs Windungen, die uͤberall mit hellen Haaren von bey— 
nahe einer Linie Laͤnge bewachſen ſind; ein großes, tiefes 
Nabelloch und eine halbmondfoͤrmige Mundoͤffnung; ein 
weißer Mundſaum iſt nur von innen ſichtbar; der Durch⸗ 
meſſer der Schale halt 6 Linien. Das Thier iſt gelblich, 
und hat ein ſo zaͤhes Leben, daß es ohne Nahrung und ſo 
dicht eingeſchloſſen, daß es ſich nicht zu regen im Stande 
war, dennoch nach Eroͤffnung von ein paar Wochen wie⸗ 
der ſeine Freyheit ſuchen konnte. 0 


5) Permuthlich Studers. | 


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— — . K— SE” N 


219 


24. Die bernſteinfarbige Schnecke, Helix 
Succinea ). Wenn ich mich recht erinnere, fo gedenkt 
Martini in feinem uͤberſezten Geoffroy dieſer Schnecke 
als einer Spielart von obiger H. Hispida; dieſe macht 
aber ganz ſicher eine beſondere Art aus. Die Schale ift 
halbkugelfoͤrmig, ſehr glänzend und ohne die geringſte Spur 
von Haaren; bey dem Leben des Thiers ſcheint fie ſchwarz— 
braun, leer aber iſt ſie durchſichtig und von Farbe wie 
Bernſtein; fie iſt ſtark genabelt und hat eine große halb⸗ 
mondfoͤrmige Mundoͤffnung. An feuchten Orten, z. B. un⸗ 
ter hölzernen Bruͤcken findet man fie nicht ſelten. Des 
Winters kriecht ſie zwiſchen die Spalten der Bretter, oder 
in die Vertiefungen an den Baumwurzeln, wo man ſie 
wie kleine Trauben aneinander haͤngend finden kann. Der 
Durchmeſſer der Schale haͤlt kaum 3 Linien. 

25. Die Weinbergsſchnecke, Helix Pomatia, 
L. *) Dieſe allgemein bekannte Schnecke, die an vielen 
Orten der Schweiz gehegt wird, und als Faſtenſpeiſe 
gewißermaßen Handelszweig iſt, iſt weitaus die groͤßte un⸗ 
ter allen innlaͤndiſchen Arten; die Schale haͤlt im Durch⸗ 
meſſer gewöhnlich 1 ı/2 Zoll, ſelten 1 3/4 Zoll, und ich 
habe ein einziges Exemplar, das über zwey Zoll mißt. Sie 
iſt von Farbe gelbbraun, mit dunklern Banden, ſieht aber 
ſehr oft ſchon bey dem Leben des Thiers wie halbverwit⸗ 
tert aus; die fuͤnf Windungen ziehen ſich gegen den Wir⸗ 
bel bald mehr bald minder in die Hoͤhe, die Mundoͤffnung 
iſt halbmondfoͤrmig, mit einem etwas uͤberſchlagenen Mund⸗ 
ſaum, durch den das Nabelloch bisweilen verwachſen iſt, 
bisweilen aber bleibt es noch ſichtbar. Die Nahrung die⸗ 
fer Schnecke find verſchiedene Garten- und andere Kraͤuter, 


P a a a eee 
*) Nicht O. F. Müllers, ſondern vermuthlich Studers. 
**) Linne I. e. pag., 3627. ſp. 47. n 


226 


auch Erdbeeren frißt fie ſehr gerne. Den Sommer über 
wird ſie nicht ſelten von einer Art Milben geplagt, und 
hat an dem Iltis, dem fie ein Leckerbiſſen zu ſeyn ſcheint, 
einen fuͤrchterlichen Feind. Gegen den Winter verkriecht ſie 
ſich unter Moos, in etwas in die Erde, und verſchließt ihr 


Gehaͤuſe mit einem eyerſchalartigen Deckel. Chemnitz 


hat durch Verſuche und Erfahrungen erwieſen, daß die 
Linksgewundenen keine beſondere Art, ſondern eine 
bloße Spielart find; wer dieß erwägt, und die H. Sca- 
laris genau betrachtet, den wird es gewiß nicht befrem⸗ 
den, daß ich auch dieſe für nichts anders als für eine 
Spielart unſrer Weinbergsſchnecke halte; oder kann man 
glauben, daß ſie unter gewißen Umſtaͤnden alle Windun⸗ 
gen leichter vollkommen links, als unter andern in die 
Hoͤhe geſtreckt ziehen können? 

26, Die Baumſchnecke, Helix Arbustorum, 
L.“) Es iſt zwar auch ſchon bemerkt worden, aber den⸗ 


noch bedarf es der Wiederholung, daß dieſe Schnecke ei⸗ 


nen uͤbelgewaͤhlten Namen traͤgt, indem ſie ſich nur in 
Gras und Gebuͤſchen, an faulen Baumſtoͤcken und Brettern, 
aber meines Wiſſens nie auf den Baͤumen aufhaͤlt. Sie 


iſt bey uns ſehr gemein. Die Schale kugelfoͤrmig, gegen ö 
den Wirbel bald mehr bald minder zugeſpitzt; der Wirbel 


iſt immer dunkelbraun, die übrige Schale auf braunem 
Grund gelblich geſtreift und beſprengt; uͤber die zwey erſten 
Gewinde zieht ſich der Länge nach, doch nicht allemal, eln 
ſchmales, braunes Band. Der Mundſaum iſt bey den 
Ausgewachſenen von außen gelb, inwendig weiß, etwas 
uͤberſchlagen, ſehr ſtark, und durch ihn das Nabelloch ver» 
wachſen. Sie hat eine mondfoͤrm ige Mundöffnung vier 
—— 4 V— 


*);Linne I. e. p. 3630. fp. 55. 


— — x — 


Da a — —— ͤ :7—7 


221 


bis hoͤchſtens fünf Gewinde und halt im Durchmeſſer 2 
bis 10 Linien. Das Thier iſt ſchwarz. 5 \ 
27. Die Topasfchnecke, Helix fulva, L.“) Ich 
habe zwey einzige Male an feuchten Pfaͤhlen eine kleine 
Schnecke gefunden, die ich fuͤr dieſe Art halte, obgleich 
nicht gar alles mit der Beſchreibung im Syſtem zuſammen⸗ 
trift. Die meinen haben eine ziemlich kugelfoͤrmige Scha⸗ 
le, die ſich jedoch gegen den Wirbel ſtark in die Hoͤhe ver⸗ 
juͤngt, bernſteinfaͤrbig, ſehr glaͤnzend und durchſcheinend; 
der Nabel faſt ganz verwachſen, die Mundoͤfnung halb⸗ 
mondfoͤrmig und enge, ohne Lippe; fuͤnf Windungen; der 
Durchmeſſer der Schale kaum 1 ar Linie. Das Thier 

ſchwarz. 

In Form und Groͤße dieſer völig gleich, fand ich an 
der Schattenſeite eines Felſenhuͤgels bey Grunenſtein, im 
Rheinthal, eine große Menge, deren Schale von weit mat⸗ 
term Glanze und undurchſichtig war, die Mundoͤffnung wei⸗ 
ter und runder, anbey hatten ſie ein verhaͤltniß maͤßig großes 
Nabelloch. Es iſt mir wahrſcheinlich, daß ſie doch nur 
Spielarten ſeyen. 

28. Der große Bund, Helix Ericetorum, L. ) 
Dieſe Schnecke gehört mehr zu den plattgedruckten, als 
kugelichten; gleichwohl iſt ſie obenher, und noch mehr un⸗ 
ten etwas gewoͤlbt; fie hat höchftens fünf Windungen, ein 
großes Nabelloch und eine weite, mondfoͤrmige Mundoͤff— 
nung, von innen mit einer ſchwachen weißlichen Lippe. 
Die Grundfarbe der Schale iſt matt weiß, oben längs 
uͤber die Windungen laͤuft ein dunkelbraunes Band und 
unten zwey bis drey blaͤſſere zarte Baͤnder. Bisweilen iſt 
die Grundfarbe braun, und von da an, wo die Gewinde 


Y Linne 1, c. P. 3650. fp. 54. 
) Linne I. c. p. 3652. fp. 65. 


222 


aneinander ſchlieſſen, laufen uͤber ihre Erbabenheit weißli⸗ 
che Querſtreifen. Dieſe Spielart iſt beſonders bey dem Le— 
ben des Thiers ſehr ſchoͤn, nach dem Tode deſſelben verlie— 
ren ſich die Schattirungen in einen ſchmutzigen Ton in ein⸗ 
ander. Die Schale halt fünf Linien im Durchſchnitt. Das 
Thier iſt braͤunlich-grau; ich habe es an Felſenblocken 
von Nagelfuh, die mit Thymus serpillum bewachſen und 
der Sonne nicht allzuſehr ausgeſetzt ſind, am haͤufigſlen ge⸗ 
funden. 

29. Die glaͤnzende Wieſenſchnecke, Helix Ni- 
tens L.“) Auch dieſe Schnecke iſt weit mehr plattge⸗ 
druͤckt als Eugelformig, und dennoch beſonders nach unten 


etwas gewoͤlbt, die Schale horngelb, durchſichtig, duͤnne 


und ſehr glaͤnzend; untenher iſt die Schale der unausge— 
wach ſenen etwas matter und weißlich; fie hat ein großes 
Nabelloch und eine weite mondfoͤrmige Mundoͤffnung, ohne 
den geringſten Saum; fuͤnf Gewinde und haͤlt fuͤnf Linien 
im Durchmeſſer. Das Thier iſt oben dunkelgrau, beynahe 
blaͤulich-ſchwarz, unten ſchlammfaͤrbig, und wird von den 
erſten Fruͤhlingstagen an, bis ſpaͤt im Herbſte auf ſeuch⸗ 
tem Wieſengrund, an faulen Baumſtoͤcken und Brettern, 
in bemoosten Waldgruͤnden und unter lebendigen Hecken 
uͤberall gefunden. 

30. Die gerippte Schnecke, Helix Costata (et 
Pulchella) L. *) Die Schale ziemlich zuſammengedruͤckt, 
horngrau, etwas glaͤnzend, vier Windungen mit ſehr ſicht⸗ 


baren Querſtreifen, die wie Reifen auf den Gewinden aufe 


liegen, und ſich durch Witterung und Zeit abreiben, daß 
manches Gehaͤus ſchon bey dem Leben des Thiers keine 
Spur mehr davon traͤgt, ſondern ganz glattpoliert und 


) Linne I. e. 


p. 5655. fp. 66, 
**) Linne l. c. p. 36 


33. bp. 67 et 68, 


* 


— — ick > sc 


223 


durchſcheinend ausſieht, und daher, aber mit Unrecht, für 
eine eigene Art (H. Pulchella) gehalten wurde, denn als 
les übrige an der Größe und Form der Schate und des 
Thiers, und ſeines Aufenthalts trift genau miteinander 
überein, und es iſt von mehrern Schnecken bekannt, wel 
che Veraͤnderung ihre Schale ſelbſt bey dem Leben des Thiers 
verträgt. Das erſte der Gewinde iſt ſehr weit, die Munds 
oͤffnung beynahe rund, mit einem ſehr ſtarken, weißen, her⸗ 
vorſtehenden Mundſaum; der Nabel groß; der Durchmeſ— 
fer der Schale 1 bis hoͤchſtens 1 ½ Linie groß. Das 
Thier meiſtens weiß, ſelten jedoch findet man es auch 
ſchwarz; es haͤlt ſich gerne auf feuchten bemoosten Steinen 
unter dichtem Gebuͤſche, und an angefaulten Brettern, die 
auf der Erde liegen, auf. 

31. Der Knopf. Helix Botundata, L. *) Die 
Schale zuſammengedruͤckt, doch oben und unten gegen den 
Mittelpunkt etwas erhaben, mit einer mondfoͤrmigen 
Mundoͤffnung, ohne Lippen; ſechs Windungen, dichte mit 
feinen Querſtreifen geſurcht, hellhornfaͤrbig, oben über die 
Gewinde regelmaͤßig mit braunrothen Flecken geziert, un⸗ 
ten nur einfaͤrbig und ſtark genabelt, halbdurchſichtig, in 
der Groͤße drey Linien, Das Thier ſchwarz; an faulen 
Baumflöcden und unter Moos ſehr gemein. 

32. Die Sammetſchnecke, Helix Obvoluta (et 
Holosericea, L. * Dieſe behaarte Schnecke zeichnet ſich 
vor andern dadurch aus, daß ſie obenher mehr als keine 
andere Landſchnecke flachgedruͤckt iſt, und eine dreyeckigte 
Mundoͤffnung hat. Ich habe nur einmal ein ausgewitter⸗ 
tes Exemplar im Wald unter Moos gefunden, und fuͤhre 
fie hauptſaͤchlich an, um bemerken zu koͤnnen, daß die ne- 


— 


) Linne I. c. p. 3633. Ip. 69. 
Ki, Liane I. e. P. 3654. Sp: 71. et pag. 364. ſp. 186 


224 


ben ihr von Gmelin aufgezaͤhlte EL: Holosericea kei- 
neswegs verſchieden iſt, ſondern beyde eine und ebendieſelbe 
Art ausmachen; er hat auch bey beyden die naͤmlichen Sy 
nonymen angefuͤhrt. 

33. Die Kriſtallſchnecke, Helix Crystallina, L.“) 
Die Schale dieſes Thiers iſt glaͤnzend, durchſichtig und 
farbenlos wie weißes Glas; ſie iſt obenher ziemlich flach, 
hat fuͤnf dichtaneinander geſchloſſene Gewinde; von unten 
iſt ſie runder, ſehr enge genabelt und hat eine halbmond⸗ 
förmige Mundoͤffnung, ohne Lippen. Der Durchmeſſer der 
Schale Hält 1 fa Linie. Das Thierchen iſt obenher ſchwarz⸗ 
grau, unten weißlich. Ich habe dieſe Schnecke unter fau, 
lenden Buchenblaͤttern in Moosboden, aber ziemlich ſelten 
gefunden, 

34. Die Buſchſchnecke, Helix fructicum (et 
Turturum) L. *) Die Schale iſt kugelfoͤrmig, hat ſechs 
Windungen, eine halbmondfoͤrmige Mundöffnung, di die ge⸗ 


gen dem Nabel etwas uͤderſchlagen, jedoch ohne Lippen 


it; das Nabelloch iſt ſehr groß, und man kann durch dafs 
ſelbe bis in den Wirbel hinaufſehen. Der Durchmeſſer 
der Schale hält 8 bis 9 Linien; in der Farbe variert fie 
ſehr, bald iſt fie ßeiſchfarb, entweder ohne, oder auch mit 
einem dunkeln Bande laͤngs den zwey erſten Gewinden, 


bald iſt die Schale dunkelrothbraun, aber immer etwas 


durchſcheinend, ſo daß bey dem Leben des Thiers der 
ſchwarz beſprengte Mantel der Schale ſelbſt ein punktier⸗ 
tes Anſehen giebt. Das Thier iſt gewoͤhnlich ſchwarzbraun 
mit ſchwarzen Fuͤhlfaͤden. Von dieſer Schnecke giebt es 
aber auch eine weiße Spielart, die etwas kleiner, und des 
ren Schale aͤuſſerſt zart und durchſcheinend iſt, man ſiehet 


) Linne 1. c. pag. 3635. fp. 74. 0 
% Linne I. c. Pag. 3655. [p. 77. et p. 5639. Ip. 169. 


TE ech 


225 


dadurch, wenn das Thier kriecht, ſogar die aͤſtigen Adern 
deſſelben. Nach dem Tode des Thiers verliert dieſe Schale 
alle ihre Durchſichtigkeit und wird truͤbe, fahlgelblich. Ich 
kann dieſe zarte, an Schale und Thier weißliche Schnecke, 
nur fuͤr einen Blendling der eigentlichen Art halten; ſie iſt 
auch ziemlich ſelten, und haͤlt ſich wie jene gerne in Ge⸗ 
buͤſchen, die nahe am Waſſer ſtehen, auf. 


c) Ungenabelt mit runden Gewinden. 


35. Die Waldſchnecke, Helix Nemoralis, L.) 
Bey den verſchiedenen Spielarten von dieſer und der naͤchſt. 
folgenden Schnecke, die gegeneinander gehalten ganz die 
naͤmlichen find, kann ich mich nicht bereden, daß die angeb⸗ 
lich verſchiedenen Arten nicht ſelbſt nur eine und ebendie— 
ſelbe Art ausmachen, oder daß bey der uͤbrigen Verſchie— 
denheit einzig ein brauner oder weißer Mundſaum das zu— 
verlaͤßige Kennzeichen zweyer wirklich verſchiedenen Arten 
ſeyn koͤnne; ich für mich bin es ganz überzeugt, daß die 
Farbe des Mundſaums von nicht mehr Bedeutung iſt, als 
auf der Schale ein Band mehr oder minder. Dieſe ſoge⸗ 
nannte Waldſchnecke halt ſich eben fo haufig in Hecken und. 
Gaͤrten auf, iſt aber dennoch bey uns ſeltener als die 
gleichfolgende Gartenſchnecke, auch fand ich dieſe bey uns 
nie bandiert, nur einfaͤrbig gelbroth, bisweilen ins purpur⸗ 
farbige uͤbergehend; fie iſt kugelfoͤrmig und hat fünf Win⸗ 
dungen; das aͤußerſt kleine Nabelloch iſt bey den alten gaͤnz⸗ 
lich verwachſen; die Mundoͤffnung mondfoͤrmig, mit uͤber⸗ 
ſchlagener ſchwarzbrauner Lippe, uͤber welcher ſich außen⸗ 
her ein gelbes Queerband befindet. Der Durchmeſſer der 
Schale iſt zehn Linien. Das Thier iſt roͤthlich⸗gelb, helle. 


— 


) Linne J. c. p. 3647; fp. 108. 
ar Bd. » 


226 


Wenn die Kirſchen reif find findet fie fich meiſtens auf Kirſch⸗ 
baͤumen und laͤßt ſich deren Frucht recht wohl ſchmecken. 

36. Die Gartenſchnecke, Helix Hortensis, L. *) 
Sie iſt bey uns die gemeinſte aller Schnecken, obgleich 
in Thüringen die ſchwarzgeſaumte Art, oder vielmehr Spiel⸗ 
art, gemeiner iſt. Nach der aͤußern Form koͤmmt ſie mit 
ihr gaͤnzlich uͤberein; am gewoͤhnlichſten haͤlt ſie nur acht 
Linien im Durchmeſſer, jedoch habe ich ſie auch einmal 
von eilf Linien gefunden; der Mundſaum iſt allemal weiß, 
ſonſt variert die Schale in der Grundfarbe ſowohl als in 
der Anzahl der Baͤnder. Am allergewoͤhnlichſten ſind die 
fahlgelben mit fuͤnf ſchwarzbraunen Baͤndern; dann eben 
ſolche mit drey Baͤndern und die citronengelben ohne Band, 
weit feltener find die gelbrothen ohne Band, oder die weiß⸗ 
lichen mit nur einem, zwey oder vier Baͤndern. Das 
Thier iſt ganz wie bey der vorigen Art, und fein Aufent- 
halt allenthalben, auf Baͤumen, Hecken, Kuͤchengewaͤch⸗ 
ſen u. ſ. w. 

37. Die durchſichtige Schnecke“), Helix Pel- 
lucida. Die Schale iſt etwas eyfoͤrmig, oben und unten 
ſtark gewoͤlbt, ſehr zart und glaͤnzend; bey dem Leben des 
Thiers ſcheint ſie dunkelbraun, mit gelblichten Flecken; 
leer iſt ſie durchſichtig, wie gruͤnliches Glas; ſie hat drey 
Gewinde, davon das erſte ſehr groß und daher die Mund⸗ 
oͤffnung ſehr weit iſt; der Durchmeſſer der Schale haͤlt 

2 1/2 Linie. Das Thier iſt meiſtens dunkelgrau, biswei⸗ 
len etwas heller, ins gelbliche. Ein hautiger Schild oder 
Mantel reicht bey einigen ziemlich weit uͤber die Mund⸗ 
oͤffnung hervor, und macht fie der folgenden Art etwas 
aͤhnlich, bey andern konnte ich nicht das geringſte davon 


*) Linne J. c. p. 3649. ſp. 109. 
*) Geoffroy Conchyl, um Paris, Deutſch. S. 43. 


227 


hervorſtehend bemerken; ob dieß eine Abweichung unter 
den Individuen, oder eine Wirkung der Jahrszeit iſt, kann 
ich noch nicht entſcheiden. Da man durch die Schale bis 
auf die Eingeweide ſehen kann, ſo wird man, waͤhrend 
das Thierchen herumkriecht, unten, links, einen Fleck — 
wahrſcheinlich das Herz — gewahr, der ſich beftändig wie 
die Unruh bey einer Uhr bewegt. Geoffroy mag ver⸗ 
muthlich dadurch verleitet worden ſeyn zu waͤhnen, daß das 
Thier mit ſeinem Mantel beſtaͤndig die Schale poliere, 
welches ich nie wahrnehmen konnte. Dieſe Schnecke hat 
ihren Aufenthalt an ſchattigen, feuchten Orten, unter be 
moosten Steinen und auf Pflanzen, wo man ſie nicht gar 
ſelten findet. 

38. Die Manteltragerin, Helix Palliata, mihi. 
Dieſe meines Wiſſens noch unbeſchriebene Schnecke if bey 
uns die einzige, deren Schale zu klein iſt, um das ganze 
Thier in ſich faſſen zu koͤnnen; ſie ſitzt ihm gleichſam nur 
wie ein Hoͤcker auf dem Ruͤcken, und beſteht aus drey 
Windungen, wovon die erſte ſehr weit und lang iſt; der 
Wirbel erhebt ſich auf der rechten Seite der Schale un⸗ 
merklich, auf der linken Seite ſiehet man außer der ſehr 
großen Mundoͤffnung nur die Hälfte eines Gewindes, ſo 
daß dieſe Schale ganz das Anſehen einer Nerite bat; fie 
iſt ſehr glaͤnzend, durchſichtig, etwas gelblich und aͤußerſt 
zart, hoͤchſtens drey Linien lang und zwo Linien hoch. Außer 
dieſer Schale ragt aber ein dunkelbrauner, runzlicher, 
hautiger Mantel, beynahe ſo groß als die Schale ſelbſt iſt, 
hervor, unter welchen ſich bey Gefahren dieſe Schnecke zu⸗ 
ruͤckzieht, wie andre in die Schale. Der vordere Theil des 
Thiers iſt hellgrau, der Schwanz dunkel, lang und ſcharf 
zugeſpitzt. Es haͤlt ſich gern bey kleinen Waldbaͤchen in 
feuchtem Mooſe und unter faulen Blaͤttern auf, und hat 
ein ſo zaͤrtliches Leben, daß es ſowohl im Waſſer, als be⸗ 
ſonders an ganz trockenen Orten ſehr hald ſtirbt. 


225 


d.) Thurmfoͤrmige. 


309. Die langgeſtreckte Weindrt 
Helix Scalaris, L. ) Ich habe oben (N 25.) ſchon 
bemerkt, daß ich dieſe Schnecke fuͤr nichts anders, als fuͤr 
eine Spielart der gemeinen Weinbergsſchnecke halte, und 
bin davon um ſo mehr uͤberzeugt, da ich die Schale einer 
Baumſchnecke beſitze, die zwar nicht gethuͤrmt iſt, aber des 
ren Windungen dennoch durch ſehr tiefe Furchen von ein⸗ 
ander abſtehen; auch an einer meiner gemeinen Schrau- 
benſchnecken ſteht das erſte Gewinde ſehr weit von den 
uͤbrigen ab; ich weiß, daß es Gartenſchnecken giebt, die 
unter ihnen vollkommen das ſind, was H. Scalaris zu 
H. Pomatia. Dieſe Scalaris findet ſich nur in Wäldern 
und aͤuſſerſt ſelten. Mein Exemplar iſt 2 Zoll hoch und 
16 Linien breit; die Mundoͤffnung eyfoͤrmig, das Nabel: 
loch faſt ganz verwachſen; es hat fuͤnf Windungen, jede 
vollkommen roͤhrenfoͤrmig und daher durch tiefe Furchen 
wie von einander abgeſoͤndert; in der Farbe ganz der 
Weinbergsſchnecke aͤhnlich. 


e.) Eyfoͤrmig und ungenabelt. 


40. Das große Spitzhorn, Helix Stagnalis, L.) 
Dieſe iſt die größte und bey uns gemeinſte Waſſerſchnecke, 
die man in den Graͤben, Teichen und Suͤmpfen faſt uͤberall 
antrifft. Sie hat ſechs bis ſieben Windungen, davon die 
erſte ſehr groß und weit iſt, und eine eyfoͤrmige Oeffnung 
hat; dieß erſte Gewind iſt jedoch bey den einen weniger 
aufgeblaſen als bey andern; die uͤbrigen Gewinde, oder der 
Zopf, ziehen ſich verhaͤltnißmaͤßig in eine ſcharfe Spitze, 
daher die Schale mit allem Recht ey⸗ und pfriemenfoͤrmig 


*) Linne I. c. p. 3627. ſp. 47. 
Ir) Linne 1. o. p. 30657. fp. 128. 


r 


229 


genannt werden kann; fie iſt duͤnne und zerbruͤchlich, ziem⸗ 
lich glänzend, halbdurchſichtig, meiſtens weißlich oder hell 
hornfaͤrbig, voll feiner Querſtreifen, bisweilen der Laͤnge 
und Breite nach unordentlich durcheinander geſtreift; mei⸗ 
ſtens 1 ıfa Zoll lang und beynahe 1 Zoll breit, ich fand 
aber am Bodenſee ein Exemplar von 26 Linien Höhe und 
15 Linien in der Breite. Das Thier iſt ſchlammfaͤrbig, hat 
zwey platte triangelfoͤrmige Fühler, die es außer dem Waſ⸗ 
ſer nicht in die Hoͤhe heben kann; unten an deren innern 
Seiten ſitzen die ſchwarzen Augen. Dieſe Schnecke legt 
ihre Eyer vom April an bis in September. Man kann 
ſie in Glaͤſern mit todten Regenwuͤrmern fuͤttern, doch 
ſcheint ihr dieſe Speiſe nach einiger Zeit zu widerſtehen; 
auch mit Oblaten laſſen ſie ſich ernaͤhren, aber am liebſten 
freſſen ſie Salat. Des Winters verkriechen ſie ſich unter 
die Wurzeln der Waſſerpflanzen und in Schlamm, und 
kommen, gegen andere Arten von Waſſerſchnecken, erſt ſpaͤth 
im Fruͤhling wieder zum Vorſchein. 

41. Das braune Spitzhorn, Helix Palustris, 
(et Corvus) L.) In Beſtimmung der wahren Arten 
ſind wir auch bey den Spitzhoͤrnern noch weit zuruͤck. Bey 
dieſer Art, die ich hier beſchreibe, iſt die Schale braun, und 
ganz trocken ſehr oft hellblaͤulich. Sie hat ſechs Windungen, 
davon die erſte weder ſo aufgeblaſen, noch der Zopf ſo ſpitzig 
als bey der vorigen Art iſt; die Mundoͤffnung beynahe mehr 
halbmond⸗ als eyförmig, in der Nabelgegend ein etwas 
uͤberſchlagener weißer Mundſaum, der uͤbrige Theil unge⸗ 
ſaumt und folglich ſcharf; das erſte Gewind hat feine tiefe 
Queerſtreifen; die Schale iſt ziemlich dick und undurchſich⸗ 


tig, ihre Länge beträgt 15 Linien, die Breite 6 Linien. 


Das Thier iſt in der Form ganz dem großen Spitzhorn 


*) Linne I. c. p. 3658. fp. 131. et 3665. [p. 208. | 


230 


ahnlich, nur iſt der Kopf weniger breit und an Farbe tft 
es dunkler; ich fand es bisher in einer einzigen Pfüze, wo 
ſich das erſte nicht aufhält, es koͤmmt auch im Frühling 
weit fruͤher als jenes zum Vorſchein, iſt aber im Sommer, 
wenn die Waſſerpflanzen groß gewachſen ſind, ſchwerer zu 
finden; es naͤhrt ſich von Gewuͤrmen und Inſektenlarven, 
die im Waſſer jleben, und frißt, in Glaͤſern gehalten, auch 
gerne Salat. a 

42. Die leimartige Schnecke, Helix Gluti- 
nosa, L. *) Die Schale hellhornfaͤrbig und dünne, von 
drey Windungen, deren erſte ſehr groß iſt, die andern bey⸗ 
den bilden eine kleine, ſtumpfe Spitze; die Mundoͤffnung 
iſt eyfoͤrmig, mit ſcharfem Rand. Die Schale vier Linien 
lang und drey Linien breit. Ich fand ſie an dem Boden⸗ 
ſee, und bisher nur ohne das Thier. . 

43. Die Amphibien-Schnecke, Helix Putris, 
L. *) Die Schale hat vier Windungen, davon die erſte 
ſehr groß iſt und die uͤbrigen eine ſtumpfe Spitze bilden; 
fie iſt duͤnne, durchſichtig; in der Jugend ſehr zart, erwach— 
ſen aber ſtark in die Queere geſtreift. Die Mundoͤffnung 
eyfoͤrmig, die ganze Schale hoͤchſtens acht Linien lang und 
fünf Linien breit. Es giebt zwo Varietäten, von der eis 
nen iſt die Schale hellhornfaͤrbig, beynahe farbenlos und 
das Thier fahlgelb, ins Graue uͤbergehend; von der ans 
dern die Schale honiggelb, das Thier aber dunkelgrau— 
braun; ich fand dieſe leztere nahe bey einem Sumpfgra⸗ 
ben in einem Walde; die erſtere uͤberall im Mooſe wo es 
waͤſſerig iſt, auf Waſſerkraͤutern, unter feuchten Brettern, 
bisweilen auch an Gras halmen und in Geſtraͤuchen, die 
nicht dichte an einem Waſſer ſtehen. Das Thier hat vier 


— 


) Linne J. e. p. 5659. fp. 134. 
Unne J. c. p. 3659. fp. 133. 


231 
Fuͤhlfaden, wovon aber das untere Paar aͤuſſerſt kurz iſt. 


Wenn man dieſe Schnecke in ein Glas Waſſer wirft, fo 


kriecht fie nicht immer, wie die eigentlichen Landſchnecken, 
dem Rand nach hinauf, ſondern ſie kann auch recht gut 
ſchwimmen, obgleich das Land und nicht das Waſſer ihr 
eizentlicher Aufenthalt iſt. Des Winters klebt ſie ſich an 
Jfaͤhler und unter hölzerne Bruͤcken feſt, das Thier iſt dann 
weit in die Schale zuruͤckgezogen und die Mundoͤffnung mit 
einem durchſichtigen Deckel von ſeinem Geifer verſchloſſen. 

44. Die unreinliche Schnecke, Helix Impura ). 
Dieſe Schnecke ſcheint der vorigen einigermaßen verwandt 
zu ſeyn, hat aber bey weit geringerer Groͤße eine etwas 
ſtaͤrkere Schale und einen geſtrecktern Zopf; vier Windun⸗ 
gen, eine eyfoͤrmige Mundoͤffnung; hornfaͤrbig, 2 ıf2 is 
nie lang und 1 1/2 Linie breit. Das Thierchen ſchlamm⸗ 
faͤrbig. Unter faulen Brettern in feuchter Erde iſt ſie nicht 
felten anzutreffen, und dieſes Aufenthalts wegen iſt die 


bHhnehin nicht glaͤnzende Schale immer ſchlammig und un 


+ 


rein. 
45. Das Gerſtenkorn, Helix Obscura, L. * 
Die Schale beynahe ſchraubenfoͤrmig, hellkaſtanienbraun, 


ſechs rechtsgedrehte Windungen, eine eyfoͤrmige, zahnloſe 


Mundoͤffnung, mit einem ſchwachen weißen Saum. Die 
Schale vier Linien lang und zwo Linien breit. Das Thier 
graubraun. In Waͤldern und Hecken, unter Moos und 
abgefallenem Laub nicht ſehr gemein. 

46. Die Forſtſchnecke, Helix Sylvestris ), Scha⸗ 
le und Thier an Form und Farbe der vorigen aͤhnlich, nur 
ungleich größer — die Schale fieben Linien lang und drey 


*) Vielleicht Studers? 
*) Linne I. e. p. 3661. fp. 14. 


+) Vermuthlich Stu ders. f 


232 3 


Linien breit; daß die vorige nicht blos die junge von dieſer 
iſt, erhellet daraus, weil dieſe bey gleicher Lange mit er⸗ 
ſterer ſchon ungleich breiter iſt, und eine ungeſaumte 
Mundoͤffnung behält bis fie nahe an ſechs Linien groß ik. 
Man findet fie in waldigten Moosgruͤnden und unter Gts 
ſtraͤuchen, wo Laub auf lockerer Erde aufliegt, weit haͤu— 
figer als die vorige Art. 

47. Die ſchluͤpfrige Schnecke, Helix Lubrica, 
L. ) Die Schale ſchraubenfoͤrmig, fünf Windungen; 
ſehr glänzend, von Farbe gelbbraun, durchſichtig; eine ey 
foͤrmige Mundoͤffnung, mit einem ſchwachen, oft weißli⸗ 
chen, bisweilen aber ſchoͤn roſenrothen Mundſaum. Hoͤch⸗ 
ſtens drey Linien lang, und 1 1/2 Linie breit. Das Thier⸗ 
chen ſchwarz; man findet es an feuchten, bemoosten Orten 
nicht ſelten, in der Troͤckne aber ſtirbt es ſehr bald. 

48. Der Thuͤrhuͤter, Helix Tentaculata, L. * 
An den meiſten unſerer Seen und in manchen Graͤben iſt 
dieſe eine der gemeinſten Schnecken. Die Schale hat fuͤnf 
in die Hoͤhe gezogene Windungen, iſt ſtumpf zugeſpitzt, 
hornfaͤrbig, durchſichtig, und ſcheint bey dem Leben des 
Thiers dunkelbraun und hellgefleckt; die Mundoͤffnung iſt 
ziemlich euförmig , mit einem ſchwachen weißlichen Rand; 
die Schale gemeiniglich 3 ıf2, ſelten 5 ıfz Linie lang, 
und zwo bis drey Linien breit. Das Thier iſt graubraun, 
hat zwey fadenfoͤrmige Fühler, und hinten an dem Fuß 
einen Deckel, mit dem es das Gehaͤuſe verſchließt, wenn 
es ſich in daſſelbe hineingezogen hat. 

49. Die Ohrſchnecke, Helix auricularia, L. ) 
Die Schale hat vier Windungen, davon die erſte aͤuſſerſt 


*) Linne J. c. p. 3661. fp. 142. 
*) Linne I. c. p. 3662. fp. 246. 
€ 


%) Linne I. c. p. 3663. fp. 247. 


233 


groß iſt, und eine fehr weite Oeffnung hat, die übrigen 
ziehen ſich in eine kurze ſcharfe Spitze, bisweilen nur 
in einen beynahe flachen Wirbel, daher dieſe Eine Art 
auch ſchon fuͤr mehrere angegeben worden iſt; ſie hat bald 
ſehr zarte Queerſtreifen, bald auch groͤbere Runzeln, in 
die Länge und Queere, iſt etwas glaͤnzend, hellhornfaͤrbig, 
durchſichtig, gemeiniglich 10 Linien lang, hoͤchſt ſelten bis 
15 Linien. Das Thier iſt dem großen Spitzhorn aͤhnlich, 
hat aber einen ſchwarzgefſeckten Mantel, der durch die 
Schale ſehr ſchoͤn durchſcheint. In den Waſſergraͤben am 
Bobenſee iſt fie haufig anzutreffen. 

50. Das Quarzkoͤrnchen, Helix Carichium, 
L.*) Die Schale hat fünf in die Höhe gezogene Wins 
dungen, davon die erſte ziemlich aufgeblaſen iſt; ſie iſt 
glaͤnzend, bey einigen beynahe glaslauter, bey den meiſten 
jedoch etwas truͤbe, weißlich, ſo daß ſie wie ein Quarzkoͤrn⸗ 
chen ausſieht; fie hat einen ſtarken weißen Mundſaum und 
eine eyfoͤrmige Mundoͤffnung, meiſtens mit dreyen, biswei⸗ 
len aber nur mit einem Zahn verſehen. Die Hoͤhe der 
ganzen Schale betraͤgt hoͤchſtens eine Linie, und die Breite 
kaum eine halbe Linie. Das Thierchen iſt beinweiß; es haͤlt 
ſich am liebſten an faulenden Brettern auf, die eine zeitlang 
auf ſchattigem Wieſengrund lagen, und von Feuchtigkeit 
durchdrungen, aber weder bemoost noch ſtark verſchlammt 
find. Man findet es da häufig, und nur feiner Kleinheit 
wegen iſt es bisher oſt uͤberſehen und fuͤr ſelten a 
worden. 


Dt Schwimmſchnecken, Nerite. 


Unter denen von Gmelin aufgezaͤhlten habe ich nur 
eine Art anzuführen, deren Schale aber dennoch nicht mit 


) Linne J. c. p. 3665. fp. 136. 


*. * 


254 


den Linneiſchen Gattungskennzeichen genau uͤbereinkoͤmmt. 
Blos nach dem Anſehen der Schale wuͤrde ſie am eheſten 
zu den Tellerſchnecken gehören; eine andere Art, die Geo f⸗ 
froy anfuͤhrt, ſieht der Schale nach den runden Land⸗ 
ſchnecken am aͤhnlichſten; da indeſſen die erſtere von Gm es 
lin nun einmal — wenn ſchon zweifelhaft — unter die 
Neriten geſezt wurde, und die leztere, die dem Thier nach 
ihr ganz aͤhnlich iſt, im Soſtem noch gar nicht vorkoͤmmt, 
fo ſtelle ich fie hier einſtweilen zuſammen, ein kuͤnftiger 
Syſtematiker mag beyde hinordnen wo er es am beßten 
findet. 

51. Die gekaͤmmte Schwimmſchnecke, Nerita 
Valvata, L.) Die Schale platt gedruͤckt, hornbraun, 
durchſichtig, unten ſtark genabelt, vier runde Windungen 
und runde Mundöffnung, die mit einem Deckel verfchloß 
ſen wird. Die Schale iſt hoͤchſtens eine Linie lang und 
1 1ſ½ breit. Das Thierchen dunkelgrau, und hat außer 
ſeinen zwey fadenfoͤrmigen Fuͤhlern am Kopfe, noch einen 
dritten, etwas laͤngern, an der rechten Seite, und neben 
demſelben einen andern, der zu beyden Seiten feine Zaſern 
hat, und einen weißen Federbuſch vorſtellt, den es im 
Schwimmen wie einen Fächer ausbreitet und nach Will 
führe zuruͤckziehen kann. Ich fand es nicht felten in einem 
kleinen Teiche, an den Waſſerkraͤutern, ſchon in den erften: 
Fruͤhlingstagen. 

52. Der Federbuſchtrager *), Nerita Valvata.. 
Die Schale ziemlich ſtark, beynahe kugelfoͤrmig, mit vier 
etwas in die Hoͤhe gezogenen, runden Windungen, ein 
ſtarkes Nabelloch und runde Mundoͤffnung; hellhornfaͤrbig, 
halbdurchſichtig. Die größten haben 2 2/2 Linien im. 


*) Linne l. c. p. 3675. fp. 22. 
Geoffroy Conchyl. um Paris, deutſch. S. 10% 7 


235 


Durchſchnitt. Das Thier ift an dem Wirbel ſchwarz, 
ſonſten gelbgrau, beynahe durchſcheinend, in der Bildung 
ganz dem vorigen gleich, nur iſt der Federbuſch bey die⸗ 
ſem nach Verhaͤltniß etwas kleiner. Ich habe es am Bo⸗ 
denſee ſelten lebendig gefunden, die verwitterte Schale aber 
findet man an unſern meiſten Seen in unzaͤhlbarer Menge. 


E. Napfſchnecken, Patella. 
Einigermaßen kegelfoͤrmig, ohne Windun⸗ 
gen. 


53. Die Fluß napfſchnecke, Patella fluviatilis, 
L. ) Die Schale laͤnglich, mit einem ſehr kleinen Wir⸗ 
bel, der ſpitzig und zuruͤckgebogen iſt; dünne, durchſichtig, 
2 ı/2 Linie breit und 1 ıfa lang. In einem Graben auf 
Waſſerpflanzen; bisher ſelten. 


Vielleicht moͤchten einige glauben, daß ich hier auch 
noch die ſogenannten Sabellen anfuͤhren ſollte; aber 
ich bin es ganz uͤberzeugt, daß keine einzige von denen, 
die wir in den Gewaͤſſern der Schweiz finden , zu der 
Claſſe der Wuͤrmer gehoͤrt, und alle die, die Gmelin 
aus Schröter GGeſchichte der Flußconchylien) anfuͤhrt, 

nur Gehäufe von Inſektenlarven find, alſo mit hoͤchſtem 
Unrecht unter den Conchylien aufgezaͤhlt wurden. Einige 
andere Schnecken, die ich hingegen auch noch aufgefunden 
habe, uͤber deren Beſtimmung ich indeſſen noch zweifelhaft 
bin, glaube ich einſtweilen übergehen zu dürfen, um die 
Verwirrungen nicht vergroͤßern zu helfen, die aus der lei⸗ 
digen Sucht entſtehen, neue Arten entdeckt haben zu wol⸗ 
len; was beſonders der Fall ſeyn kann, wenn man, wie 
ich, keine Gelegenheit hat alle Werke der Vorgänger bes 
———ů—ñ— ae 

) Linne l. e. p. 3721. fp. 98. 


es 


3 


236 


nutzen zu koͤnnen. Ich beanuͤge mich alfd für einmal nur 
die angefuͤhrten Arten, und dabey vornaͤmlich das Reſul⸗ 
tat meiner Beobachtungen mitgetheilt zu haben; in wie 
fern — und mit welchem Recht — es mit dem von an⸗ 
dern uͤbereinſtimmt oder abweicht, mögen die entſcheiden ⸗ 
die von dem Gluͤcke beguͤnſtiget, im Beſitze aller Subſi⸗ 
dien, die Natur ſtudieren koͤnnen. 


Materialien zu einer naturhiſtoriſch⸗techniſchen 

Geſchichte des Bergbaus bey Trachſellauinen 

im Hintergrund des Lauterbrunnerthals im Can⸗ 

ton Bern, am Ende des achtzehnten Jahr- 
hunderts. 


Zuſammengetragen von H. C. Eſcher. 


Dem Bergbau uͤberhaupt hat die mineralogiſche Abthei⸗ 
lung der Naturgeſchichte ihre weſentlichſten Fortſchritte zu 
danken, theils durch oͤkonomiſche Verſorgung, welche er 
denjenigen Naturforſchern verſchaft, welche ſich mit dieſem 
naturhiſtoriſchen Zweig vorzuͤglich beſchaͤftigen, theils aber 
auch durch die Aufſchluͤße, welche die mannigfaltigen Ara 
beiten deſſelben uͤber die innere Beſchaffenheit der Gebirge 
ſowohl als über die Beſtandtheile der Gebirgs- und Gang⸗ 


„arten liefern. In letztrer Ruͤckſicht find daher auch möge 


lichſt umſtaͤndliche Beſchreibungen des Bergbaus in einer 
Gegend für die geognoſtiſche Kenntniß derſelben beſonders 
erwuͤnſcht: der Bergbau mag mit oͤkonomiſchem Vortheil 
oder Nachtheil betrieben worden ſeyn, dieß thut in natur⸗ 
hiſtoriſcher Hinſicht nichts zur Sache; nur der Umfang und 
die Beſtimmtheit der Angaben uͤber die innere Beſchaffen⸗ 


237 


beit des bebauten Gebirges und über die Beftandtheile der 
zu Tage geförderten Gebirgs- und Gangarten beſtimmt 
bier den Werth der Vortheile, die ein Bergbau der Nas 
turgeſchichte leiſtet. 

Von aͤhnlichem Nutzen kann auch eine gute Geſchichte 
eines Bergbaus fuͤr die Bergbaukunde, alſo in techniſcher 
Hinſicht werden; auch hierbey beſtimmt nicht der Ertrag 
eines Bergbaus den Werth, den ſeine Beſchreibung fuͤr die 
Technologie hat; ſondern von der deutlichen Entwicklung 
aller Umſtaͤnde, und beſonders aller Schwierigkeiten und 
Hinderniſſe, die der Bergbau erlitt, haͤngt der Vortheil 
ab, den die Bergbaukunde aus der Geſchichte eines Berg— 
baus ziehen kann; daher auch ein mit großen Schwierig- 
keiten kaͤmpfender Bergbau, auch ſelbſt wenn er dieſen end» 
lich unterliegen muß, meiſt lehrreicher iſt, als ein Berg⸗ 
bau, bey welchem alle Umſtaͤnde auf die erwuͤnſchteſte Art 
ſich vereinigen, um einen großen Abtrag zu ſichern. 

Allein noch neben dieſen beyden Ruͤckſichten iſt die Be: 
ſchreibung eines verungluͤckten Bergbaus in Hinſicht auf 
die Angaben, die ſie einem kuͤnftigen neuen Unternehmer 
liefert, von beſonderm Werth, und dieſe Hinſicht iſt es 
hauptſaͤchlich, welche dieſe Sammlung von Materialien 
zu einer Geſchichte des Bergbaus bey Trachſellauinen 
im Lauterbrunnerthal bewirkte. Schon mehrere 
Male, und zwar nicht in ſehr entfernten Zeitpunkten, wur⸗ 
de Bergbau in jener Hochgebirgsrevier getrieben, und im: 
mer wieder, wahrſcheinlich meiſt mit großen Aufopferungen, 
verlaſſen. Haͤtten die ſpaͤtern Unternehmer auch nur eine 
einigermaßen ertraͤgliche Geſchichte des fruͤhern Bergbaus 
vor ſich gehabt, ſie baͤtten ſich vielleicht manche koſtbare 
Erfahrung erſparen oder ihrem Geiſt der Induſtrie oder 
des Gemeinſinns eine weit wohlthaͤtigere Richtung geben 
koͤnnen. Es iſt alfo Pßicht gegen die Nachkommenſchaft, 


„* 


*. 


238 


die bey dieſem mit ausgezeichnet fruchtloſer Anſtrengung 
betriebnen Bergbau gemachten Erfahrungen ihr aufzubes 
wahren, um ſie entweder ganz von weitern Verſuchen ab⸗ 
zuſchrecken, oder aber, wenn neue Entdeckungen uͤber die 
Beſchaffenheit jener Gebirgsrevier, oder neue Fortſchritte 
der Wiſſenſchaften, den Bergbau zu neuen Hoffnungen be⸗ 
rechtigen wuͤrden, die kuͤnftigen Unternehmer mit dem gan⸗ 
ien Umfang der bis jezt gemachten Erfahrungen und mit 
der Beſchaffenheit aller nun verlaßnen Gruben bekannt zu 
machen. N 
Im rauhen Hintergrund des Lauterbrunnerthals 
wurde bis jezt, ſo viel bekannt iſt, zweyerley Bergbau be— 
trieben: Bau auf Eiſenerze, und Bau auf ſilberhaltigen 
Bleyglanz. Der Bergbau auf Eiſenerz hatte an verſchied— 
nen Stellen des Thals ſtatt, und kann nicht aus Mangel 
an vorhandnem Erz verlaſſen worden ſeyn, denn an bey⸗ 
den Seiten des ausgedehnten Hintergrunds dieſes Thals 
geht eine Eiſenſteinformation in betraͤchtlichen anhaltenden 
Lagern, und an der rechten Thalſeite ganz ununterbrochen 
zu Tag aus, und bildet beynahe die unterſten Schichten der 
Hochgebirgs⸗Kalkſteinformation, welche ſich hier zu drey⸗ 
zehntauſend Fuß uͤber die Meeresſſaͤche erhabnen Gebirgs⸗ 
ſtoͤcken erhebt, und am Fuß dieſer praͤchtig vergletſcherten 
Gebirge auf der Granitformation, die im Hintergrund des 
Lauterbrunnerthals überall zu Tag ausgeht, auf 
liegt. Von der Geſchichte des Bergbaues auf dieſen Eiſen— 
ſtein iſt ſehr wenig bekannt, und die naͤhern Verhaͤltniße 
der merkwuͤrdigen Zwiſchenformation, in der derſelbe ſtatt 
hatte, gehören nicht hieher. Der Bergbau auf ſilberhalti⸗ 
gen Bleyglanz konnte nur im tiefſten Hintergrund des La u⸗ 
terbrunnerthals ſtatt haben, weil die Gaͤnge, auf 
welchen er angelegt war, ſich nur in der Granitforma— 
tion befinden, welche ſich erſt von der Vereinigung des 


239 


Sefinenlütſchenenthals mit dem Lauterbrum 
nerthal an, unter der Hochgebirgs-Kalkſteinformation 
zeigt, und von da an, wo die Abloͤſungsflaͤche zwiſchen 
dieſen beyden ſo weſentlich verſchiednen Gebirgsformationen 
in der Tiefe des Thalgrundes ſich zeigt, allmaͤhlig gegen 
Suͤd, alſo gegen den Hintergrund des Lauterbrunner— 
thals hin ſich ſo erhebt, daß die hinterſte Gebirgskette 
des Thals, welche daſſelbe von dem Wallis abſoͤndert, 
nur noch in ihren oberſten Kuppen die Kalkſteinformation 
enthaͤlt, in ihrer tiefern Hauptmaſſe aber ganz zur Granit⸗ 
formation gehört. Ungeachtet die oberſte Abloͤſungsflaͤche 
der Granitformation, und die auf fie aufgeſetzten Kalkſtein⸗ 
lager ſich gegen Nord einſenken, fo haben doch die Schich⸗ 
ten der Granitformation, da wo ſich dieſe mit etwelcher 
Beſtimmtheit zeigen, eine ganz andere Richtung, und ſte⸗ 
hen entweder vertikal oder ſind ſteil gegen Suͤd eingeſenkt, 
welches ſich aber nicht allgemein deutlich zeigt, weil hier 
der Granit nicht immer auffallend deutlich geſchichtet und 
uͤberdem noch ſo zerkluͤftet iſt, daß Schichten und Kluͤfte⸗ 
abloͤſungen nicht leicht von einander zu unterſcheiden ſind; 
in beſtimmten Profildurchſchnitten aber, und da, wo der 
Granit in Gneis und ſelbſt in Glimmerſchiefer übergeht, 
iſt feine ſteilſuͤdliche Schichten⸗Einſenkung ziemlich auffals 
lend und beſtimmt. — Die granitartige Gebirgsart des Hin⸗ 
tergrunds des Lauterbrunnerthal- Hintergrunds 

geht haͤufig in Gneis und ſelbſt aus dieſem ſtellenweiſe in 
Glimmerſchiefer uͤber, und iſt wie in Ruͤckſicht ihrer Textur, 
ſo auch in Ruͤckſicht ihrer Beſtandtheile oft abwechſelnd und 
verſchieden: blaß perlgrauer ins graulich-weiße uͤbergehen⸗ 
der Feldſpath, grauer meiſt etwas durchſcheinender Quat; 
mit Glasglanz und tombackbrauner Glimmer, der ſich bald 
dem ſilberweißen annaͤhert, bald ins Schwarze übergeht, ſind 
die hauptſaͤchlichſten Beſtandtheile des Granits dieſer Ge⸗ 


nn 


240 t 


gend, welchem aber nicht ganz ſelten eine noch nicht ſyſie⸗ 
matiſch beſchriebne verhaͤrtete Speckſteinart beygemengt iſt, 
die ſich, im ziemlich gleichfoͤrmig grobkoͤrnigen Gemenge 
dieſer Gebirgsart, durch ihre meiſt dunkel lauch» oder berg⸗ 
grüne Farbe auszeichnet, und oft eine undeutlich ſaͤulen⸗ 
foͤrmige Geſtalt hat; nur hoͤchſt ſelten zeigte ſich bis jetzt 
dieſe Speckſteinart beſtimmt als fechsfeitige Säule von J 
bis 3 Linien Durchmeſſer und 1 bis 8 Linien Laͤnge, aber 
ohne Zuſpitzung, kryſtalliſirt. Da wo der Granit ſich dem 
Gneiße annaͤhert, verliert ſich der Feldſpath groͤßtentheils 
in ſeinem Gemenge, und theils neben dem Glimmer, theils 
ſtatt des Glimmers erſcheint jene Speckſteinart häufiger, 
nimmt hier eine verſteckt-blaͤttrige Textur an und bildet 
durch ihre Abaͤnderungen mannigfaltige Modificationen dies 
ſer gneisartigen Gebirgsart. Die Veraͤnderung der Textur 
und ſelbſt der Beſtandtheile der Gebirgsart dieſer Gegend 
haben, nicht bloß in verſchiednen Schichten derſelben, ſon⸗ 
dern häufig ſelbſt in einer und derſelben Schicht ſtatt, und 
gehen meiſt durch allmaͤhlige Annaͤherungen in einander 
uͤber, ſo daß oft ohne irgend eine Spur von Schichtenab⸗ 
loͤſungsffaͤche zwiſchen ſich zu haben, die verfchiedenften Ex⸗ 
treme dieſer Gebirgsarten in einem Lager ſich zeigen. 

Dieſe geſchichteten granit- und gneisartigen Gebirge 
ſind in dieſer Gegend, wie in der ganzen Alpenkette, haͤufig 
zerkluͤftet, aber nur ſelten find dieſe Klüfte mit Gangmaſ⸗ 
ſen ausgefuͤllt, und noch ſeltner ſind dieſe Gangmaſſen erz⸗ 
fuͤhrend, daher ruͤhrt auch die faſt gaͤnzliche Unkunde, in 
der man in den Alpen uͤber die Naturgeſchichte der Gaͤnge 
ſteht, indem bis jezt nur einzelne Quarzgaͤnge der Berg⸗ 
kryſtalle wegen verfolgt und einigermaßen unterſucht wur⸗ 


den. Allein auch hieruͤber ſind wenig e ge⸗ 


ſammelt worden, und die Naturgeſchichte der Quarz- und 
Bergkryſtallgaͤnge liefert keine wichtigen zuverlaßigen Bey⸗ 


244 
träge zur Kenntniß derjenigen erzführenden Gänge, welche 
ſich im Hintergrund des Lauterbrunnerthals vorfin— 
den, daher dieſe als ganz iſolirte Erſcheinungen beobach— 
tet, unterſucht und beurtheilt werden muͤſſen. 

Durch den Bergbau, der bis jezt im rohen Hintergrund 
des Lauterbrunnerthals betrieben wurde, ſind nur 
zwey Hauptgaͤnge bekannt, unterſucht und aufgefchloffen 
worden. Der eine befindet ſich an der rechten Seite des 
Thalhintergrundes auf Hohenalp am nördlichen Abhang 
des Breithorns, welches in derjenigen ſcheußlich-ver— 
gletſcherten Hochgebirgskette liegt, die mit ihrer Kante das 
Wallis vom Berner-Oberland abſondert: er ſtreicht 
von Nordoſt nach Suͤdweſt, hat mehrere Nebentruͤmmer, 
die ein mehr und minder verſchiednes Streichen haben, und 
ſich daher wahrſcheinlich mit dem Hauptgang in mehrerer 
und minderer Tiefe im Gebirge vereinigen. Die auf dies 
ſem Gang angelegten Gruben liegen 2000 franzöfifche Fuß 
über der Steiger-Wohnung in Trachfellauinen, wel 
che ſelbſt 2075 Fuß über dem Thunerſee, und dieſer 
1675 Fuß uͤber der Meeresflaͤche liegt; folglich iſt der 
Bergbau auf Hohenalp 5750 franzoͤſiſche Fuß über das 
Meer erhaben. 

Der zweyte bebaute Hauptgang des Hintergrunds des 
Lauterbrunnerthals liegt an der rechten Seite deſ— 
ſelben im Steinberg, deſſen oͤſtlichſter unterſter Abhang 
der Hauriberg genannt wird. Dieſer Gang iſt beynahe 
vertical, und ſtreicht ebenfalls ungefaͤhr von Nordoſt nach 
Suͤdweſt; er iſt an zwey Stellen abgebaut worden; im 
Hauriberg in einer Höhe von 500 Fuß uͤber der Stei— 
gerhuͤtte, alſo 4250 Fuß über Meer; und im Stein: 
berg 1130 Fuß über der. Hütte, folglich 4880 Fuß über 
der Meeres flaͤche. 

An allen dieſen drey bezeichneten Stellen, auf Hohen⸗ 

ar Vd. Q 


242 


* 

alp, im Hauriberg und im Steinberg hat ſchon 
vor der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts Bergbau ſtatt 
gehabt, welcher aber bis zum Jahr 1782 ganz verlaſſen 
blieb, in welchem Jahr der lezte, wichtigſte und anhaltendſte 
Verſuch mit Bergbau in dieſen Gegenden angefangen und 
bis am Ende des Jahrs 1805 fortgeſetzt wurde. Lange 
Zeit glaubte man den im Steinberg bebauten Gang 
von dem des Hauribergs verſchieden, allein bey naͤ⸗ 
herer Unterſuchung fand ſich, daß an beyden Stellen der 
naͤmliche Gang bearbeitet wurde, welcher ſelbſt am Tage 
ununterbrochen von einer Stelle bis zur andern verfolgt 
werden kann. 

Die beyden erzfuͤhrenden Hauptgaͤnge, welche ſich an den 
beyden Seiten des Lauterbrunnerthal-Hintergrun⸗ 
des zeigen, haben ungefaͤhr aͤhnliche Gangmaſſe: naͤmlich 
meiſt einen grauen, an den Kanten durchſcheinenden, ſich 
mehr und minder einem Calcedon annaͤhernden Quarz, der 
zuweilen in beſtimmten, theils graulich-weißen, theils grüne 
lich - grauen und lauchgruͤnen Calcedon übergeht, und ei 
nen weißen mehr und minder krummſchaaligen Schwer 
ſpath: dieſe beyden vorzuͤglichſten Gangmaſſen finden ſich 
theils in großen Strecken von einander abgeſöndert, theils 
mannigfaltig untereinander gemengt, und ſelbſt durch faſt 
unmerkliche Uebergaͤnge ſich einander annaͤhernd; uͤberdem 
find dieſelben auch noch mit der Gebirgsart ſelbſt nicht ſel- 
ten vermengt, indem dieſe Gaͤnge keine beſtimmten Abloͤ— 
ſungsflaͤchen, geſchweige dann deutliche Salbaͤnder gegen 
die Gebirgsart haben, ſondern mit dieſer meiſt ganz vers 
wachſen find, und in fie durch Beymengung der gegenfeis 
tigen Beſtandtheile auf mannigfaltige Art uͤbergehen. In 
dieſer bald einfachen bald gemengten Gangmaſſe findet ſich 
ein ziemlich Eleinförniger Bleyglanz, meiſt ziemlich anhal⸗ 
tend eingeſprengt und ſtellenweſſe derb eingemengt: da wo 


243 


die Gangmaſſe vorzüglich aus gruͤnlich-grauem und grüs 
nem Calcedon beſteht, enthaͤlt ſie nicht ſelten theils derb, 
theils eingeſprengt, meiſt ziemlich blaß ſpeisgelben Schwe— 
felkies und ſchoͤnen magnetiſchen Eiſenkies, deſſen Farbe 
vom hoch ſpeisgelben ſich dem Kupferrothen annaͤhert: 
ſeltner, und meiſt nur an ſolchen Stellen, die vorzuͤglich aus 
Schwerſpath beſtehen, iſt dieſer Gangmaſſe derbe feinkoͤr— 
nige braune Zinkblende beygemengt, deren Farbe vom 
ſchwaͤrzlich- braunen ins roͤthlich-braune fällt. Das ver- 
ſchiedenartige Gemenge aller dieſer Beſtandtheile dieſer Gaͤn— 
ge, und die Uebergaͤnge derſelben in die zunaͤchſt anſtehende 
Gebirgsart bilden eine große Verſchiedenheit von Stufen, 
die aber fuͤr den Geognoſten lehrreicher als fuͤr den Berg— 
mann vortheilhaft waren. 

Die erſten Nachrichten uber den in aͤltern Zeiten in dies 
ſer Gegend betriebnen Bergbau finden ſich in Gruners Be— 
ſchreibung der ſchweizeriſchen Eisgebirge, Bern 1760. Th. 1. 
S. 113 — 116. der davon folgendes ſagt: „Am Hauri, 
„oder dem Fuße des Steinbergs, ſtreicht an der Morgens 
„ ſeite aus Norden in Mittag ein ſtehender Gang von einem 
guten Bleyerz, und liegt mit Glanz eingeſprengt zu Tage. 
„ Dieſer Gang iſt bis auf drey Schuh mächtig und an 
„vielen Orten am Gehaͤnge entbloͤßt. Die Bergart über: _ 
„ haupt iſt ein Geisbergerſtein; die Gangart aber ein weißer 
„ feſter Quarz, an dem ſich bisweilen Spat anlegt. Der 
„Gang iſt meiſtens ohne Saalband oder Harniſch, und 
„an dem harten Geſteine angewachſen. Sein Fallen iſt 
brecht: er wirft die Donnlage von Morgen in Abend ins 
Gebirge. Auf dieſem Gange, ungeachtet er durch einen 
z beſtaͤndigen Schneeberg ſtreicht, iſt dennoch Sommer und 
„» Winter fortzukommen: und es iſt allerdings Hofnung 
v vorhanden, daß die Adern in der Tiefe, und unter dem 
„ Horizont des Thals ſich fortſetzen, aufthun und mächtig 


244 


„werden. Dieſer Gang iſt zu verſchiednen Zeiten, aber 
„ meiſtens nur durch Verſuche von Tag hinein, eroͤfnet wor— 
„den. Seither iſt man meiſtens an dieſen Tageweiterun⸗ 
„gen kleben geblieben, und man iſt ohne weiters da, wo 
„ die Alten erwunden, ein wenig fortgefahren. Hauptſaͤch⸗ 
„lich finden ſich an dieſem Gebirge zween Stollen angetrie⸗ 
„ben: der Lonoyſtolle, der feinen Namen von dem 
„Bergmanne behalten, der denſelben eröfnet hat, und der 
»Kirchbergſtolle, dem der erſte Bergmann auch ſei— 
„nen Namen hinterlaſſen hat. In dem erſtern iſt vor noch 
„wenig Jahren, von einer Gewerkſchaft, die denſelben 
„ ſamt den herumliegenden zu bauen angefangen, einige 
„Klafter aufgefahren, und bey 30 Schuhen auf dem Gans 
„ ge abgetieft worden. Nicht weit von dieſem gegen Abend 
„ befinden ſich noch zween andere Stollen angetrieben, und 
„ beſſer abendswaͤrts auf der Stege noch ein Gang entbloͤßt. 
„Man hat auch ob dieſen Stollen an verſchiednen Orten, 
„da Auswitterungen zu Tage liegen, zu verſchiednen Zei— 
„ten gearbeitet. a 

„Auf der andern Seite des Thals, faſt gegen dem 
„Hauri hinuͤber, unter dem Gletſcher auf der Hohenalp, 
„ bey zwey Stunden in der Höhe, find andre Stollen von 
„ gleichem Ertze angetrieben. Das Erz hat ſich aber da— 
„ ſelbſt mit ſchlechtem Schwefelkieſe abgeſchnitten. Im 
„Jahr 1743 iſt unweit davon von der obgedachten Ges 
„ werkſchaft ein neuer Stolle angetrieben worden: das Erz 
„brach daſelbſt mit weißem Spate eingeſprengt, und es 
y ſoll ſich in demſelben angeflogen Weißguͤldenerz gezeigt bas 
„ ben; auch Klarſpießichterz, wie Silber-, oder reichhaͤltig 
„Erz. Dieſes Erz fuͤhrt auch einen Bleyſchweif mit ſich, 
„den man bey groben Geſchicken ſehr gerne ſieht. Dieſe 
„Stollen auf Hohenalp, die durch gedachte Gewerk— 
u ſchaft , wiewohl kurze Zeit, betrieben worden, find: Be 


nr 


245 


»fchertes Glück, das untre und obre Gebaͤu und 
„Seegenszuwachs. Sie ſind aber ſehr muͤhſam zu 
„ bearbeiten, weil von dem ſchmelzenden Schnee die Gru— 
„ben ſich beſtaͤndig mit Waſſer anfuͤllen. 

„Dieſe anſehnliche Gewerkſchaft aber iſt in kurzen Jah⸗ 
z ren wiederum ins Stecken gerathen. Die Urſache war 
„nicht der Mangel des Ertzes, noch deſſen Eigenſchaft; 
„ſondern die dabey geführte Haushaltung und Einrichtung. 
„Die beträchtlichen Summen wurden nicht, wie hätte ge 
z ſchehen ſoüen, auf den Bergbau ſelbſt, ſondern auf koſt— 
„bare Tagegebaͤude verwendet, und der Bergbau von dem 
„Directoren, der ein Fremder war, entweder aus Unwiſ— 
„ſenheit oder aus Vorſatz in Verwirrung gebracht, und 
„ dieſes zog ihre Endſchaft nach ſich, eben zu der Zeit, da 
„ die meiſten Koͤſten erſtritten waren, und der Bergſeegen 
5 ſollte eingeholt werden. Herr Dr. Chriſten, der dieſe 
„Bergwerke am beßten gekannt hat, ſagt in feinen hinter— 
„ laſſenen Schriften: Dieſelben verdienen um fo viel mehr 
„gebaut zu werden, als der Mangel des Ertzes keineswegs 
„zu beſorgen feye: im Widerſpiel, man entdecke beſtaͤndig 
v neue und reichere Gange, und es zeigen ſich Spuren von 
z dieſem Erze rings herum auf einige Stunden weit.“ 

Außer dieſer Nachricht von dem Bergbau, der vor der 
Mitte des letztverfloßnen Jahrhunderts in dieſer Gegend 
betrieben wurde, finden ſich keine andern; dagegen iſt von 
der Direction der neuern Gewerkſchaft die Aufnahme eines 
Plans veranſtaltet worden, der die alten Arbeiten genau 
ſowohl im Seiger als Grundriß angiebt, welche im Haus 
riberg vorgenommen worden waren, (ſiehe Tafel 1.) 
woraus ſich ergiebt, daß ganz ohne bergmaͤnniſche Kennt⸗ 
niße bloßer ganz zweckwidriger Raubbau getrieben wurde, 
der ſehr natuͤrlich bald durch ſich ſelbſt zerſtoͤrt werden 
mußte. Die Taggebaͤude, wovon noch jezt Ruinen zu ſehen 


246 


find, in denen das gewonnene Erz zu Guthe gemacht wur⸗ 
de, ſtanden eine halbe Stunde tiefer im Thale, als die 
gegenwaͤrtigen bey Sichellauinen. 

Im Julius 1782 machte Herr Joh. Caſpar e 
von Schafhauſen, der von der Goldſchmidte-Profeſſion 
auf den Bergbau verfallen war, die erſten Verſuche der 
neuern Zeiten in einem alten Stollen in Trachſellaui— 
nen am Hauriberg, gab darauf bay der Berneriſchen 
Regierung einen Bericht uͤber die Bauwuͤrdigkeit der Gaͤn— 
ge dieſer, Gegend ein, erhielt einen Schuͤrfſchein und zu— 
gleich die Erlaubniß, zu Beſoͤrderung dieſes Baues eine 
Gewerkſchaft von 119 Kuren zu errichten, wovon jede Kure 
vierteljaͤhrlich 3 Cronen (zu 2 7/2 Schweizerfranken jede) 
bezahlen ſollte. 

Die erſte eroͤfnete Grube am Hauriberg erhielt den 
Namen Gnadenſonne. Ungeachtet theils durch die aͤl— 
tern Arbeiten, theils durch die davon vorhandnen Nachrich⸗ 
ten und ſelbſt durch die bloße Beobachtung der Tagſtellen 
des Hauptgangs A dieſer Gegend, fein Streichen von Sud 
nach Nord ſchon bekannt war; jo fieng doch Herr Deggeler 
damit an, den Stollen N°. 5, auf einem Nebentrumm des 
Hauptgangs, den die Alten zu treiben angefangen, wieder 
zu eröffnen und den daſelbſt befindlichen Schacht Nro. 7. 
auszuſchoͤpſen und zu erweitern: dieſe Arbeit daurte vom 
Anfange Herbſtmonats 1782, da die erſten Arbeiten vorges 
nommen wurden, bis zum Ende dieſes Jahrs; und wurde 
auch im folgenden Jahre 1783 und zwar ſchon mit dem un⸗ 
mittelbaren Zwecke fortgeſetzt, ſowohl vor Ort im Stoll 
No. 5., als auch im Schacht, die ſich zeigenden Bieyerze 
zu gewinnen, indem es ſchon im dritten Quartal-Gruben⸗ 
bericht vom 1 Merz bis 1 Brachmonat 1783 heißt: „Es 
„ wurden in dem Schacht derbe und auch pochwuͤrdige ſil⸗ 
2 berhaltige Bleyertze aufgeſchoſſen und in die Vorraths⸗ 


=. 


— 


247 


„ huͤtten geliefert: die ſchoͤnſten Erze ſtehen daſelbſt zu bes 
„leuchten an, und geben die beßte Hoffnung auf noch ſchoͤ⸗ 
„nere Anbruͤche in der Tiefe zu gelangen. Auf dem obern 
„Stoße giengs durch den zertruͤmmerten Gang fort: auf 
„dem linken Stoße wurden das ganze Quartal hindurch 
„theils derbe auch pochwuͤrdige ſilberhaltige Erze gewon— 
„ nen und in die Vorrathshuͤtten geliefert.“ 

Im vierten Grubenbericht heißt es: „Im Schacht bra⸗ 
„chen immer ſehr gute Erze und wurden ausgefoͤrdert; 
„da auch ſehr gute Erze anſtehen, ſo will man denſelben 
„noch mehr aufſchließen: der obere Stoß linker Hand wurs 
„de weiter getrieben und gab nicht nur gute Erze, ſon— 
„ dern muntert zur Fortſetzung auf.“ 

Sm fünften Grubenbericht heißt es: „Beym Ueberſich— 
„brechen wurden immer ſchoͤne Erze gewonnen. Im Quer⸗ 
5 ſtollen linker Hand find noch immer in einem zwey Schuh 
„mächtigen Gange ganz derbe, ſilberhaltige Bleyerze zu 
„ beleuchten : die Arbeit im Schachte, rechter Hand, macht 
„ Hofnung, noch viel reichere und edlere Anbruͤche zu ers 
„ bauen. " 

Laut dem ſechsten Grubenbericht „wurden in dieſen 
„Arbeiten aller Orten gute pochwuͤrdige Erze gefunden; 
v vorzuͤglich der Schacht abgeteuͤft, um den Gang in meh⸗ 
„terer Tiefe zu verfolgen: der Querſtollen rechter Hand 
„zeigt den Gang einen Schuh maͤchtig mit eingeſprengten 


v pochwuͤrdigen Erzen.“ 


Gleiche gute Nachrichten von der Fortſetzung dieſer naͤm⸗ 
lichen Arbeiten liefert der ſiebente Grubenbericht, und laut 


dem achten „wurde eine Abſenkung angefangen, wo ſchoͤne 


„Erze zu beleuchten ſind: im Feldorte des Schachts zeigt 
y ſich der Gang 2 1/2 Fuß mächtig und giebt die beßte 
» Hofnung. 

Schon aus dieſen wenigen Anzeigen ergiebt ſich, daß 


* 


248 


Herr Deggeler keinen Begriff von der Anlegung eines 
zweckmaͤßigen Bergbaus hatte, ſondern daß er gleich ſei— 
nen Vorfahren nur einen Raubbau trieb, der aber noch mit 
ſo geringen techniſchen Kenntnißen betrieben wurde, daß 
ſelbſt dieſer ſehr bald in Stocken gerieth, indem Mangel an 
Luftzug und Waſſerabzug dieſe Arbeiten ſchon im Herbſt— 
monat 1784 weiter zu verfolgen hinderten. Der neunte 
Grubenbericht ſagt daher ſelbſt: „Man hat eine Zeitlang 
„etliche Lachter hinter dem ſchon abgeſenkten Schachte 
„ (Ns. 7.) noch ein nothwendiges Abteuͤfen (Ne. 9.) auf 
„ dem naͤmlichen Gang, welcher mit ſchoͤnen Erzen be 
„legt iſt, vorgenommen, in Abſicht, daß dem tiefen 
„Schacht nicht nur friſche Wetter beygebracht, ſondern 
„auch die tiefen Arbeiten und der ſtreichende Hauptgang 
„zu groͤßerm Nutzen fernerhin verfolgt werden können: 
„ hier wurden theils derbe, theils pochwuͤrdige Erze auf 
„ geſchoſſen, die auch fire die Zukunft die ſchoͤnſte Hoffnung 
„geben. Und im zehnten Grubenbericht heißt es: „Die 
„angezeigte Abteuͤfung hinter dem Schachte wurde bis auf 
»3 Lachter 5 Schuh getrieben, und gute Erze ausgefoͤr— 
„dert: auch hat man um deſto eher Durchſchlag zu erlan— 
„gen, auf der Sohle des vordern Schachtes eine Arbeit 
„gegen dem erſtgemeldten Abteuͤfen ins Feld vorgenommen, 
„ wo man den Gang 3 Schuhe verfolgt, und dabey auch 
„ ſchoͤne Erze gefunden hat.“ 

Laut dem eilften Grubenbericht „wurde mit dem Ab» 
v teüfen des Wetterſchachtes fortgefahren, und derſelbige 
„ durchgebrochen: bey dieſer Arbeit wurden die ſchoͤnſten 
„Erze gewonnen und ausgefoͤrdert: daneben wurde auf 
„der Sohle des Schachtes ſowohl, als auch ins friſche 
3 Feld auf einem edeln und hoffnungsvollen Gang gearbei⸗ 
„tet und gute Erze gewonnen. 

Auch dieſe neue Abteuͤfung fand bald wieder diejenigen 


8 


1 2249 


Hinderniße, welche die erſte durch ihre zweckwidrige Anlage 
gefunden hatte, denn ſchon gegen Ende des Jahrs 1785 
wurde laut dem 1zten Grubenberichte „ein tiefer Quer⸗ 
„ ſtollen (N“. 11.) hineingetrieben, um bey Zeiten gute 
„Wetter zu ſchaffen und Waſſer und Erze beſſer durch dens 
„ ſelben ausfoͤrdern zu koͤnnen.“ Und nach dem aten 
Grubenberichte „wurden dieſe Arbeiten fortgeſetzt, und un— 
„ter dem Wetterſchachte (Ne. 9.) ein friſches Abteuͤfen 
» (N. 10.) angefangen, wo auch ſchoͤne Erze gewonnen 
„ worden. 

Die zweckmaͤßigſte Arbeit, welche noch vorgenommen 
wurde, um dem Bergbau dieſer Gegend einige Dauer zu 
verſchaffen und die Beſchaffenheit des Gebirges kennen zu 
lernen, nämlich der tiefe Stollen N'. 11. ward nun eini⸗ 
ge Zeit lang eifrig betrieben, um damit den Gang ſobald 
moglich zu erreichen und alle obern Arbeiten zu erleichtern. 
Reben dieſer Arbeit aber wurde nach dem ıyten Gruben- 
bericht „im Schacht N“. 13., am Stollort N“. 12. das 
„Abſenken auf den obern Stollen wieder vorgenommen 
„und ſchoͤne pochwuͤrdige Erze gewonnen; auch das Felds 
„ort in eben dem Schacht wurde ins vorliegende hohe Ger 
5 birge verfolgt.” 

Der sgte Grubenbericht ſagt: „Auf Gnadenſonne wurs 
„de mit Auffahren des tiefen Stollens fortgefahren, fo 
„ daß jezt 15 Lachter bis vor Ort vermeſſen worden. Im 
„Schacht (Ne. 13.) des obern Stollen (N“. 12.) iſt das 
„Abſenken ſtark betrieben worden, damit man bald zum 
»Durchſchlag in den untern Stollen (N'. 11.) komme, 
„wobey viele Erze gewonnen werden, und es ſich zeigt, 
„ daß der Gang nach der Tiefe hin ſich veredle und maͤch— 
tiger werde. Von dem Feldort Ne. 14. des Schachts 
„Ne. 12. hat man von dem gegenwärtigen Gang. auf dem 
* liegenden einen Ausbruch von 10 Fuß vorgenommen, um 


250 e 
„den verſpuͤrten neben her ſtreichenden Gang zu erreichen, 
„da dann ein Gang von Quarz mit ſchmalen Trümmern 
„reicher Erze und daneben ein 1 Schuh maͤchtiger weißer 
„ ſchoͤner Spath erbrochen worden: nun wird wegen der 
„Verflaͤchung der Trümmer, welche dem Hauptgang zus 
„ ſetzen, und ſowohl in der Tiefe als im Felde zuſammen 
„kommen, ein Abſenken (N 13.) vorgenommen, wobey 
„zu hoffen iſt, daß durch dieſe Trümmer der Hauptgang 
z veredelt und mächtiger gemacht werde. 

Laut dem 19ten Grubenbericht „wurde der tiefe Quer⸗ 
„ ſtolle (No 11.) gegen den vorliegenden Gang des obern 
3 verfolgt, und auf dieſem letztern das Abteuͤfen des Schach⸗ 
„ tes fortgeſetzt, woſelbſt in einem 3 Schuh mächtigen 
„Gange ſchoͤne pochwuͤrdige Erze gewonnen worden: in 
„dem vordern Geſenk wurde das nebenſtreichende Spath⸗ 
„trumm verfolgt und bey ſeiner Abtiefung maͤchtiger und 
„mit reichſpeiſigten reichen Erzen eingeſprengt gefunden, 
„welches alles die beßten Hoffnungen giebt.“ 

In der Mitte des Jahrs 1787 ſcheint wieder bey die⸗ 


ſem ſeltſam zweckwidrigen Grubenbau Mangel an Luftzug 


eingetreten zu ſeyn, denn der 21ſte Grubenbericht fagt 2 
„Man hat auf Gnadenſonne den tiefen Querſtollen (Ne 21.) 
„17 5/8 Lachter 2 Zoll gegen den Gang verfolgt und her- 
„ausgeſchlagen, fo daß man, nach Beſchaffenheit der Ver— 
„flaͤchung des Ganges, in wenigen Lachtern den Gang er— 
„ſchroten wird: es wurde auch zu Beförderung befferer 
„Wetter über den zwey obern Schaͤchten (Ne 7 und 9.) 
„ein Ueberſichbrechen auf den Gang angefangen, um ein 
„Tagloch zu erbauen, damit in den tiefern Geſenken durch 
„Erhaltung guter Wetter ungehindert gearbeitet werden 
„koͤnne. Die Abtiefung des vordern Geſenkes wird fortge— 
„ ſetzt, und ſowohl da, als bey dem Ueberſichbrechen poch⸗ 
„wuͤrdige Erze gefunden.“ 


7 


251 

Laut dem 2zſten Grubenbericht „wurden die bisherigen 
„Arbeiten fortgeſetzt, der tiefe Querſtollen (N“ II.) auf 
„den Hauptgang eingeſchlagen: dieſer beſteht in einem horn— 
„artigen Quarz, wobey auf dem hangenden ein 4 Zoll 
„maͤchtiges Spathtrumm und eingeſprengte pochwuͤrdige 
„Erze ſich befinden, welche gute Hoffnungen geben: Im 
„obern Stollen (N° 6.) wurde mit dem Ueberſichbrechen 
„(Ne 9.) fortgefahren und an den Tag durchgeſchlagen, 
„fo daß wir daſelbſt nun beſſere Wetter haben: da ſich 
„hier ſchoͤne Neſter Erz finden, fo ſollen dieſelben auch 
„nachgebrochen werden. Im Feldort des Schachtes zeig— 
„ten ſich im Verfolge der Arbeiten verſchiedene Verwir— 
„rungen des Ganges, des hangenden und liegenden, jetzt 
„aber hat der Gang wieder ſein rechtes Streichen, der 
„Spath iſt in der Mitte des Orts 5 Zoll mächtig. Da 
„dieſe Aenderung des Ganges mit fernerer Auffahrung uns 
„edle Mittel verhoffen laͤßt, fo werden wir mit den Arbei— 
„ten fortfahren und haben die beßte Hoffnung einer Loͤbl. 


„ Gewerkſchaft bald mit einem fröhlichen Gluͤckauf erwuͤnſch— 


„te Anbruͤche einzuberichten, ” 
Laut dem z4ften Grubenberichte „wurde bey Fortſetzung 
„der bisherigen Arbeiten ein friſches Trumm, welches zum 


„Hauptgange gehoͤrt, erſchuͤrft; daſſelbe it 6 — 7 Zoll 


„mächtig und theils mit derben theils mit pochwuͤrdigen 
„Erzen, die in ziemlicher Menge ausgefoͤrdert worden, 
„ eingeſprengt.“ 

Der 25ſte Grubenbericht ſcheint hauptſaͤchlich darauf 
berechnet zu ſeyn, die Hoffnungen der durch die bisherigen 


Verſprechungen etwas ungedultig gewordnen Gewerken noch 


hoͤher zu ſpannen und zu laͤngerem Ausdauren zu bewe⸗ 
gen; es heißt darin: „Die Arbeiter wurden nun auf den 
„neuen Gang in den obern Stollen verlegt, andere aber 
„zur Schachtarbeit beſtimmt: auf dem erſlern beſteht der 


252 


„Gang aus einem acht bis 10 Zoll mächtigen Quarz mit 
„den ſchoͤnſten derben und pochwuͤrdigen Erzen, wovon vie— 
„les und gutes gewonnen worden. Dieſer Gang hat das 
„Anſehen, als wenn er in ſeinen Mitteln nicht nur anhal⸗ 
„ten, ſondern maͤchtiger werden wollte; ſollte er aber nur 
„in ſeiner wirklichen Maͤchtigkeit bleiben, ſo werden wir 
„den kuͤnftigen Sommer zu pochen und zu waſchen genug 
„vor uns ſehen, und eine reiche Schmelzung zu gewarten 
„haben.“ 

Im z26ften Grubenbericht heißt es: „Die Arbeiten 
„wurden fortgeſetzt. Auf des obern Stollen (Ne ı5.) Feld» 
„ort hat man den Gang ins höhere Gebirge verfolgt, nach— 
„her auch in alten Mann (Ne 23.) eingeſchlagen, wo aber 
„vorher auf dem Gange die ſchoͤnſten Erze gewonnen wor⸗ 
„den. In des vordern tiefen Schachtes Strecke wurde das 
„Feldort mit aller Macht verfolgt, wo ſich der Gang ſehr 
„ berbeſſerte und ſchoͤne pochwuͤrdige Erze heferte, ” 

Dem 27ſten Grubenberichte zufolge „wurde dey des 
„hintern Schachtes (Ne 10.) Abſenken ein Durchſchlag zu 
„dem untern Stollen (No 11.) erbrochen, beym obern 
„Stollen (Ne 15.) durch den alten Mann ins friſche Ge— 
„birge durchgedrungen und pochwuͤrdige Eric gefunden. 
„In des vordern tiefen Schachtes (Ne 7.) Strecke wur— 
„den die ſchoͤnſten pochwuͤrdigen Erze gefunden: dieſe Ars 
„beit zeigt durch die zuſetzenden Truͤmmer ein ganz neues 
„und hoffnungsvolles Anſehen, da das Gebirge und der 
„Gang ihre rohe Feſtigkeit verlieren und dagegen mild und 
„zahm zu werden anfangen.“ 

Nach dem 28ſten Grubenbericht „wurde in des vordern 
„tiefen Schachtes (No 7.) Strecke die Arbeit fortgeſetzt 
„Und eingeſprengte derbe Erze gefunden: auf dieſer Ar— 
„beit hat man die beßte Hofnung mit edeln Erzen begluͤckt 
„zu werden, weil ſowohl der Gang als das Gebirge im⸗ 


253 


„merhin milder wird, und das vorige feſte Weſen fich 
„ganzlich zu verlieren das Anſehen hat. Auf des obern 
„Stollen Feldort (NY 15.) iſt gegenwärtig der Gang 2 
„Schuh maͤchtig, und es ſind die ſchoͤnſten pochwuͤrdigen 
„Erze davon ausgefoͤrdert. Auf dieſes hoffnungsvolle An— 
„ſehen hin hat man auf den gleichen Gang, beſſer oben 
„am Gebirge noch einen Schurf geworfen (Ne 24.) 

Der 29fte Grubenbericht zeigt nur die Fortſetzung die— 
„fer hoffnungsvollen Arbeiten an, und der zoſte End Hor— 
nung 1790 herausgekommne ſagt: „Auf dem tiefen 
„Schachte (N“ 13.), wo gute Erze gebrochen, hat ſich 
„eine 2 Schuh maͤchtige Kluft a. c. uͤber dem Gang ge— 
„zeigt, welche aus dem hangenden: ins liegende kreuzt: 
„hinter derſelben ſteht wirklich ein ganzes Blatt, welches 
„von der Sohle herkommt und aus lauter Gangarten be— 
„ ſteht, aber noch nicht durchſchoſſen worden iſt. Auf des 
„obern Stollen (Ne 5.) Feldort hat man die Arbeit ges 
„gen den obern Schurf ſteigen laſſen, wo zugleich ein Ge> 
„ſenk abgeteuͤft wird, und die erzzeigenden Stroßen nach» 
„geriſſen werden. Vor dieſem Orte aͤnderte ſich der Gaug 
„ebenfalls. Alle dieſe Arbeiten haben ſich nicht nur verbeſ— 
„ ſert, ſondern zeigen, daß durch mehrere Tiefe die edelſten 
„Anbruͤche erlangt werden koͤnnen.“ 

Der zıfte Grubenbericht ſagt: „Die oben angeführte 
„Kluft wurde durchgebrochen und hinter derſelben die 
„ ſchoͤnſten Erze gewonnen: der Gang blieb jenſeits derfel; 
„ben in ſeiner gleichen Stunde, und wurde bald darauf 
„ durch eine andere kleine Kluft durchkreuzt, hinter welcher 
„neſterweiſe derbe und andere ſchoͤne eingeſprengte Erze zu 
„ verhauen waren. Alles giebt hier die beßte Hoffnung mit 
„ſchoͤnen Anbruͤchen erfreut zu werden. Auf die erſtere 
„Kluft hat man einen Verſuch vorgenommen, und ein 
„Trumm gefunden, wo die ſchoͤnſten reichſpeiſigten Erze 


254 


„liegen. Auf des obern Stollen Feldort wurde mit den 
„Arbeiten fortgefahren und die ſchoͤnſten Pocherze, zuwei⸗ 
„fen mit weißguͤldiſchen Augen (?) gefunden.“ 

Nach dem 32ften Grubenberichte „wurden die Arbeiter 
„auf den obern Stollen (Ne 15.) verlegt, weil man hier 
„die meiſten Erze zu verbauen hat.“ 

Im lezten Quartal 1790 wurde dieſer Raubbau mit 
aller Macht fortgeſetzt. 

Nach dem 34ften Grubenbericht aber „wurde das tiefe 
„ Feldort im Schacht wieder mit Arbeitern belegt, und 
„ins Gebirge verfolgt: der Gang zeigt reichſpeiſige Erze, 
„ welche nicht nur zu einem reichen Silbergehalt das Anſe— 
„hen haben, ſondern wegen der Aenderung des Ganges 
„gute Hoffnung verſprechen, daß mit Erhaltung mehrerer 
„Teuͤſe die ergiebigſten Mittel gefunden werden koͤnnen. 
„Auf dem obern Stollen (No 15.) wurden die angefange- 
„nen Arbeiten fortgeſetzt, ein guter Vorrath an Erzen ge— 
„wonnen, und der Gang befindet ſich gegenwaͤrtig in ei— 
„ner ſolchen Lage, daß auf allen hieſigen Arbeiten die ſchoͤn— 
„ſten Erze anſtehen.“ 

Nach dem 35ften Grubenbericht „ zeigte ſich vor dem 
„Feldorte im tiefen Schacht eine kleine Veraͤnderung, weil 
„der Gang wieder feſter zu werden das Anſehen hat: doch 
„ iſt dieß dabey vortheilhaft, daß ein edles Spathtrumm 
„vorkommt, welches feine Verflaͤchung aus dem Hangens 
„den durch den Gang in das Liegende hat, und ſich mit 
„dem Gange ins Feld laͤßt: der Gang befindet ſich vor dies 
„ſem Orte noch immer 2 bis 3 Schuh mächtig mit ſchoͤ— 
„nen eingeſprengten Erzen. Auf dem obern Stollen (Ne 
„ 15.) hat man mit Abteuͤfen im Schachte fortgefahren, 
„die Stroße ferner nachgeriſſen, und das Feldort ins hohe 
„vorliegende Gebirge verſolgt. Das Ueberſichbrechen aber, 
„welches man meiſtens wegen Befürdsrung friſcher Weiter 

N 


i 
| 


* 


255 


„borgenommen, und mit welchem der Durchfchlag in die 
„obere alte Arbeit erlangt werden kann, iſt theils aus 
„Furcht vor noch befindlichen Schnee- und Tagwaſſern, 
„die durch den Durchſchlag allzuſtark zulaufen moͤchten, 
„theils aber auch wegen den ſehr ſchoͤn anſtehenden Erzen, 
„welche leicht gewonnen werden koͤnnen, nicht weiter in 
„die Hoͤhe verhauen, ſondern gegen das Feldort nachge— 
„riſſen worden. Auf allen dieſen Arbeiten befindet ſich der 
„Gang mit den ſchoͤnſten Erzen in einem 2 1/2 Schuh 
„mächtigen weißen Quarze mit Spath vermifcht, wo ein 
„ſchoͤner Vorrath von Bleyerzen gewonnen worden iſt.“ 
Der zsſte Grubenbericht zeigt an: „Auf dem obern 
„Stollen No 15. hat man die Stroße vom Schacht ge 
„gen das Feldort nachgeriſſen und ſchoͤne Pocherze ver— 
„hauen. Da wir unweit dem Schacht noch ſchoͤnere Erze 
„ſahen, die ſich in die Tiefe ließen, ſo wurde auf dieſelben 
„abgeteuͤft, ein Theil der Stroße 3 Lachter tief verfolgt, 
„und nicht nur neſterweiſe, ſondern zu denen im Gange 
„eingefprengten, öfters; noch 4 bis 6 Zoll mächtig derbe 
„Bleyerze gewonnen *). In dem Ueberſichbrechen, wel« 
„ches erſt mit Schluß des Quartals nicht mehr in weitere 
„Höhe verhauen worden, ſondern von jetzt an unter die 
„alte obere Arbeit betrieben wird, haben wir, gleich wie 
„vor dem Feldort, in einem 2 1/2 Schuh mächtigen Quarz 
„ die ſchoͤnſten Bleyerze gewonnen. Der Gang befindet ſich 
„auf dieſen beyden Arbeiten in gleicher Maͤchtigkeit, und 
„mit gleich anhaltenden Erzen, wie vorher. Nur einzig 
„vor dem Feldort zeigte ſich im Juli 1791 ein Wechſel, 
„der vermittelſt etwelcher Geſchieben aus dem hangenden 


2 Derbe Erze find in dieſen Gruben nie gefunden worden, 
wie Herr Deggeler ſelbſt verſichert und die Waſchproeeduren 
beweiſen. 


250 


„einen / Schuh maͤchtigen Bergkeil in dem Gang vers 
„urfachte, welcher ſich bey dieſer Veraͤnderung etwas ins 
„Hangende lenkte, zu unſerm Vortheil aber ein ſchoͤnes 
„Saalband auf dem Liegenden dadurch anlegte. Bey ak 
„len dieſen Veraͤnderungen aber hatten wir doch vor dem 
„ Feldort beſtaͤndig eingeſprengte Erze zu verhauen, und 
„ vor End Auguſts richtete ſich der Gang wiederum in feis 
„ne vorige Stunde, wodurch der Bergkeil ſich meiſtentheils 
7 verdruͤckt hat, und die ſchoͤnen Erze ſich vollig wiederum 
z anlegten. Obſchon wir bis dahin immer gute Wetter ge 
„habt, ſo haben wir doch, kuͤnftigem Uebel vorzubauen, 
„ſchon im Anfang Juni 1791 einen von den alten verfal⸗ 
„lenen Querſtollen, welcher auf den obern Tagſchacht 
„(No 20.) ſchon im Jahr 1714 eingeſchlagen worden, er— 
„öfnet, wo wir auf kuͤnftiges Fruͤhjahr noͤthigen Falls 
„nicht nur mit aller Bequemlichkeit abteuͤfen und durch- 
„ſchlagen koͤnnen, um friſche Wetter auf den obern Stollen 
„(No 15.) zu bringen, ſondern wir haben auch auf einem 
„Stoß im Schacht ſchoͤne derbe Erze anſtehend gefunden.“ 

Nach dem z7ſten Grubenberichte wurden dieſe Arbeiten 
fortgeſezt und ſchoͤne Erze gewonnen. „Vor dem Feldorte,“ 
fuͤgt derſelbe weiter bey, „hatten wir ſchon wieder einen 
„ſtarken Wechſel, der vermittelſt einer Steinſcheidung in 
„blaͤtterigem Gneisgebirge eine Kluft aus dem Hangenden 
„ins Liegende zum Vorſchein brachte, die ſich mit dem 
„Hauptgange kreuzt und von Morgen gegen Abend ſetzt. 
„Dieſe Steinſcheidung hat aber den Hauptgang nicht aus 
„feinem Streichen gebracht, ſondern derſelbe blieb ſich 
„gleich und gab uns auch jenſeits der Kluft die ſchoͤnſten 
„ Pocherze. 

Der 38fte Grubenbericht ſagt: „Im obern Stollen 
„(No 15.) wurde das Feldort verfolgt, wobey ſich der 
„Hauptgang bald mächtiger, bald ſchwaͤcher erzeigt hat. 


257 


„Gleich hinter der oben angezeigten Kluft wurde ein ſchoͤ— 
„nes Spathtrumm in der Mitte des Hauptgangs aufge— 
„ ſchoſſen, welches mit ſchoͤnen Erzen in dem Gange fort 
„ins Feld ſchleppet. Die ganze Stroße (No 19.) vom 
„Schacht (No 18.) an bis gegen das Feldort fand man 
„noͤthig nachzureißen, damit die Förderung bequemer wer⸗ 
„de. Das obere Sitzort (No 21.), welches man der Wet⸗ 
„ter wegen zum Durchſchlage in die obere alte Arbeit bes 
„ſtimmt, iſt nun eingeſtellt, doch ſo weit getrieben, daß es 
„in wenigen Lachtern zum Durchſchlage kaͤme. Man hat 
„für noͤthig befunden, vorzüglich die Feldoͤrter zu betrei⸗ 
„ben und den Communicationsſchacht (No 18.) aus dem 
„obern Stollen (No 15.) bis in das untere Gebaͤude des 
„tiefen Schachtfeldorts (No 14.) abzuteuͤfen. Auch mit 
„dem Abteuͤfen wurde fortgefahren, der Gang blieb das 
„bey immer in gleicher Maͤchtigkeit und gab gute Erze. 
„Im nicht ſtark betriebnen tiefen Schachtfeldort (No 14.) 
„zeigten ſich die ſchoͤnſten, reinſpeiſigen, ſilberhaltigen Blev⸗ 
„Erze.“ 

Dem zoſten Grubenberichte zufolge „zeigten ſich auf 
„dem obern Stollen (No 15.) verſchiedne Abaͤnderungen 
„des Ganges: oͤfters erhielten wir neue Truͤmmer, welche 
„ſowohl aus dem hangenden als liegenden Gebirge dem 
„Hauptgange zus und auch wiederum abſetzten, wodurch 
„der Gang zuweilen maͤchtiger, aber auch wieder ſchwaͤcher 
„ wurde: es iſt aber wahrſcheinlich, daß dieſe Truͤmmer ſich 
„ in der Tiefe mit dem Gange vereinigen. In dem Schachte 
„(No 18.), mit dem wir in das untere Gebäude durch⸗ 

„zuſchlagen Willens find, hatten wir beym Abteuͤfen im⸗ 
„merhin ſchoͤne Erze, der Gang wurde bis auf 4 Schuh 
„mächtig und giebt ſchoͤne Hoffnung für die Zukunft. Vor 
on dem tiefen Feldort im untern Gebaͤude (No 14.) ereig⸗ 
nete ſich ein ſolcher ſtarker Wechſel, daß nicht nur der 
ar Bd. R 


258 
„Hauptgang, ſondern auch das Gebirge in ſeiner Art ein 
„ganz andres An ſehen hatte: er veränderte ſich hierauf noch 
„einige Mal, und bekam doch zuletzt fein voriges Streichen 
„wieder. Gegen das Hangende haben wir jetzt einen ſchoͤ⸗ 
„nen weißen Spath (Baryt), worin oͤfters derbe und ein- 
„ geſprengte Erze brechen; in der Mitte des Ganges aber 
„befindet ſich ein Bergkeil von 6 Zoll, der ſich wieder aus: 
y„keilen zu wollen ſcheint. Gegen das Liegende hingegen 
y bricht ein’ weißgrauer Quarz mit ſchoͤn eingeſprengten 
„Erzen, ſo daß der Gang im May 1792 ſich immer 4 
„Schuh maͤchtig fand und ſchoͤne Erze zu beleuchten hat. 
Wahrend dem Laufe des Jahres 1792 wurden mit dem 
Bergbau dieſer Gegend weſentliche Veraͤnderungen vorge 
nommen; die anfangs zu großen Hoffnungen uͤber deſſen 
guten Erfolg wurden zwar, wie die Grubenberichte zeigen, 
immer ſehr eifrig zu erhalten geſucht; allein da ein betraͤcht⸗ 
licher Theil der Kuxenbeſitzer aus Perſonen beſtand, die 
nur in Erwartung eines ſtarken und baldigen Gewinns 
ohne gemeinnuͤtzige Abſichten an dieſer Unternehmung Theil 
genommen hatten, ſo ſchreckten die beſtaͤndigen Zubußen 
von 3 Berner: Kronen für jedes Quartal Calfo jährlich 
beynahe 2 Neue Louisd'or) bald einen großen Theil der 
Gewerke ab, und die Kuxen fielen in Menge ins Retardat; 
nur wenige wurden von Perſonen aus dieſem gehoben, wel⸗ 
che nicht Gewinn, ſondern Beförderung einer gemeinnüßis 
gen, dem Vaterlande vielleicht einſt ſehr wohlthaͤtigen Un— 
ternehmung zum Zweck hatten. Dieſe Umſtaͤnde aber be⸗ 
wirkten eine ganze Umſchaffung der Oekonomie und der 
Betreibungsart dieſes Bergbaus. Herr Deggeler verließ 
die Direction derſelben, welche er in keinen Ruͤckſichten zu 
beſorgen im Falle war, und dagegen benutzte das Gewerk— 
ſchafts⸗Commits, das aus eben ſo einſichtsvollen als Ge⸗ 
meinnuͤtzigkeit bezweckenden Maͤnnern in Bern beſtand, die 


259 
Kenntniße des Herrn Samuel Gruners von Bern, nach⸗ 
maligen helvetiſchen Bergdirectors, der ſich auf der Berg— 
akademie zu Freyberg, als einer der talentvollſten Schüler 
Werners, gehoͤrig gebildet hatte, um einen beſtimmten 
Operationsplan fuͤr dieſen Bergbau entwerfen und unter 
deſſen Oberdirection betreiben zu laſſen. Zum unmittel⸗ 
baren und beſtaͤndigen Aufſeher wurde der bisherige Berg— 
werks⸗Secretair Herr Schlakter von Schafhauſen ernannt, 
welcher durch ſeine Rechtſchaffenheit, Puͤnktlichkeit und die 
bey dem bisherigen Bergbau gemachten Erfahrungen und 
eigne Studien ſich ganz dazu eignete, unter einer ſo zweck— 
mäßigen Oberdirection die Betreibung des neuen Opera— 
tionsplans zu bewerkſtelligen . 
Von nun an war der Hauptgeſichtspunkt des Opera⸗ 


tionsplans: Aufſchließung des Gebirges, um die Beſchaf— 


fenheit des Ganges im Innern deſſelben kennen zu lernen, 
und erſt dann einſt nach dieſer erhaltenen Kenntniß den 
Erzbau gehörig vorrichten zu koͤnnen. Dieſem zufolge wur 
de von nun an aller Abbau der edlern Strecken des Gangs, 
ſo wie alle Bearbeitung der gewonnenen Erze, die bisher 
von Zeit zu Zeit, aber immer mit Nachtheil vorgenommen 
worden war, gänzlich eingeſtellt, und der ganze Bau nach 
und nach nach den beßten bergmännifchen Grundſaͤtzen 
eingerichtet. Die Grubenberichte ertheilen hieruͤber folgende 
Belege. 5 

Im zoften Grubenbericht (vom 1 Jun. bis 31 Auguſt 
1792) beißt es: „Die Arbeiter wurden auf Gnadenſonne 


v ſo verlegt, daß ſowohl die Schacht - als Stollenarbeit 


„aufs moͤglichſte befoͤrdert wurde. Auf dem obern Stol⸗ 
len No 15. hatten wir noch immerhin verſchiedne Abaͤn⸗ 
„derungen des Ganges; wir erhielten zu verſchiednen Malen 
„eine Zinkblende in einem grauen Quarze, wo ſich der 
„Gang vermittelt einiger Geſchiebe in 2 Haupttrummer 


260 


„ausdehnte, und in der Mitte einen Bergkeil anlegte: wenn 
„aber, wie es oͤfters geſchieht, der Schwerſpath ſich an⸗ 
„legte, und vorzüglich wenn dieſe Truͤmmer ſich vereinig- 
„ten, fo hatten wir auch unfre vorigen Erze wieder, die 
„aber meiſt nur eingeſprengt ſind. Die Erfahrung lehrt 
„uns ſeit einigen Quartalen, daß wir mit dieſem Stollort 
„nur noch eine kleine Anzahl Lachter aufzufahren haben, 
„ebe wir unter der Zertruͤmmerung, welche am Tage zu 
„ſehen iſt, vorbey find; alsdann wird ſich der Hauptgang 
„in feiner Vollkommenheit und zwar in einem vortheilhaf⸗ 
„ten Gebirge wieder herſtellen. Der Schacht No 18., 


y welcher von No 15. abgeſunken wurde, konnte ſtaͤrker bes 
„legt werden, indem man das Schachtfeldort No 14, we⸗ 


„gen Mangel friſcher Wetter unbearbeitet liegen ließ. In 
„ dieſem Abteuͤfen hatten wir das ganze Quartal hindurch 
5 ſchoͤne Pocherze. Der Gang beſteht in einem grauen 
„Quarze mit etwas Schwerſpath vermengt, und iſt 2 2 
„ bis 3 Schuh mächtig mit eingeſprengten Erzen. Um de⸗ 
„quemere Förderung und beſſere Wetter und Wafferlöfung. 
5 zu bewirken, wurde beſchloſſen, die 2 Hauptfoͤrderungs⸗ 
y ſtollen No 11 und No 15, vom Mundloch an bis vor 
„Ort um 1 Schuh weiter nachzuſchießen, und auch die 
„Sohle um 3 Schuh Zoll tiefer nachzureißen, damit 
„die noͤthigen Tragwerke angebracht werden können.” 
Dem arſten Grubenberichte zufolge wurden im letzten 
Quartal 1792 alle Arbeiten auf die beſchloßne Erweiterung 
und Vertiefung der beyden Hauptſtollen verwendet, und 
alſo die Ortsarbeiten eingeſtellt. So wuͤnſchbar und zweck⸗ 
maͤßig dieſe Erweiterung der Hauptſtollen in den angefuͤhr⸗ 
ten Ruͤckſichten auch ſeyn mochte, ſo iſt doch anderſeits 
auch nicht zu verhelen, daß die Forttreibung der Feldoͤrter 
bis uͤber jene Kluft hinaus, die von Tag aus niederſetzte, 
und welche den Hauriberg von der Hauptgebirgsmaſſe 


c RT in 


261 
abſoͤndert, zur Unterſuchüng der Beſchaffenheit des Gangs 
auch jenſeits dieſer Kluft, wie beſonders der Erfolg zeigte, 
rathſamer geweſen waͤre: erſt wann ſich der Gang wirklich 
veredelt jenſeits der Kluft anhaltend gezeigt haͤtte, waͤren 
dann dieſe ſehr koſtbaren Erweiterungsarbeiten durchaus 
zweckmaͤßig geweſen; bis zur Loͤſung dieſes wichtigen Zweis 
ſels aber hatte vielleicht auf eine weniger koſtbare Art MWets 
terwechſel und Waſſerloſung bewirkt, und fo der Gewerk— 
ſchaft große Summen erſpart und die ganze Sache weit 
fruͤher in ihrer wahren Beſchaffenheit aufgedeckt werden 


koͤnnen. 


Dem gaften Grubenberichte zufolge „wurden die im 
„vorigen Quartal angefangenen Arbeiten auf dem Stollen 
„No 11. mit vielem Eifer forigefegt, fo daß bis zu Ende 
„Decembers 1792 die ganze Weitung dieſes Stollens bis 
„vor Ort nachgeſchoſſen, und nachher mit den gleichen 
„Arbeitern im Januar und Februar 1793 noch 2 3/8 Lach⸗ 
„ter (zu 10 Fuß jedes) Ort im Gedinge herausgeſchlagen 
„wurden. Die Vertiefung dieſes Stollens wurde auch 
„mit eben fo großem Eifer betrieben, indem wir mit Ende 
„ Merz 1793, 7 sfıo Lachter Stroße nachgeriſſen haben. 
„Die Ortarbeit war im Anfange des Gedinges und bis 
„auf 20 Fuß ſehr feſt, der Gang war 3 Schuh mächtig 
„und beſtand aus grauem Quarz, welcher nur im liegen- 
„den ein ſchmales Spathtrumm mit ſich ins Feld ſchleppte 
„und nebſt eingeſprengtem Bleyerze meiſtens einen Schwe⸗ 
y felkies, zuweilen aber auch etwas an Zinkblende in ſich 
„faßte. Gegen End Merz ſchien aber der Gang etwas mil⸗ 
„der zu werden und wurde auch 4 Schuh maͤchtig, da 


v» ſich der Quarz ausbreitete und in der Mitte des Orts cis 
» nen Bergkeil von s Zollen anlegte. Auf dem Stollen 


Ne 15. war es zu Anbringung der Tragwerke unumgaͤng⸗ 
v lich noͤthig, den Stollen ſo gerade als möglich zu richten 


L 


262 A 


„darum mußten wir an vielen Stellen Kruͤmmungen weg⸗ 
y ſchießen, wodurch der Stolle an zwey Orten zu weit 
„wurde und nun mit Mauerwerk enger gemacht werden 
„mußte: nun iſt der Stolle ſchon fo gerade, daß man 
„vom Schacht an bis zu Tage ſehen kann.“ 

Dem 43 ſten Grubenberichte zufolge „wurde die Stroßen⸗ 
„arbeit auf Stoll No 11. meiſtens mit 4 Mann auf 2/3 
„belegt: im Quergeſtein war noch die Stroße uͤbrig geblies 
„ben, welche nun in 4 Lachtern 5 ıf2 Schuh bis auf den 
„Gang nachgehauen wurde, wozu aber bis Ende Juni 
51793 noch 5 Schuh auf dem Gang herausgeſchlagen wur- 
„den. Das Stroßengeding mußte etwas höher als vorher 
„bezahlt werden, theils weil die Sohle nach der vorigen 
„Lage des Stollens beynahe um 2 Schuh angeſtiegen, und 
„nun gegenwärtig in einer horizontalen Lage nachgehauen 
„wird; theils auch weil die Arbeiten auf dem Gange, der 
„Feſtigkeit des Geſteines wegen, viel ſchwerer find, als die 
„auf dem Gebirge. Vor dem Orte No 11. ſchien der 

„Gang etwas milder zu werden; kaum war man aber 2 
„Schuh weiter aufgefahren, als der angezeigte Bergkeil 
y ſich verlor, die ganze Gangmaſſe ſich änderte, und einen 
„rohen Quarz anlegte, den man in einer Maͤchtigkeit von 
„3 1/4 Schuh bis zu Ende des Quartals verfolgte: Dies 
„ ſer Ort war ſtets mit 6 Mann auf 3/3 belegt, und konnte 
„ſo gut als im vorigen Quartal betrieben werden; den⸗ 
„noch wurden, der Feſtigkeit des Ganges wegen, nur 2 
»Lachter 7 Schuh, 7 ıf2 Zoll herausgeſchlagen: man hats 
„te zuweilen etwas Bleyerz eingeſprengt und kam am 
„Schluß des Quartals auf eine Kluft.” 

„Auf dem Stollen No ı5. wurden die Sohle und Firſt 
y bis zum Schacht nachgehauen, und überhaupt im gan⸗ 
„zen Stollen verſchiednes verbeſſert, fo daß jezt bis zum 
Schacht No 18. hinein alles zum anzubringenden Trage⸗ 


. 263 


„werke in erforderlichem Stande iſt. Man Hat auch über 
„dem Schachte und bis auf die hintere Stroße an der Wei⸗ 
„tung nachgeſchoſſen, aber bis zum Schluße dieſes Quar⸗ 
„tald nur eine Strecke von 18 Schuh vollenden koͤnnen.“ 

Nach dem gaſten Grubenbericht „wurden auf Stoll 
„No 11. die Anſtalten zum Tragewerk fortgeſetzt; die Stei⸗ 
„ger ſchlugen 45 Bühnlöcher und Anfalle für die Staͤgen, 
„worauf das Tragwerk zu liegen kommt. Die Strogen- 
„arbeit war im Juni und Juli mit 2 Mann, im Auguſt 
„aber nur mit 1 Mann auf 1/3 belegt, indem dieſelbe 
„dem Ort jetzt immer näher kommt. Beym Nachſchießen 
„dieſer Stroße war der Gang ſtets feſt und beſtand aus 
„einem 3 Schuh mächtigen Quarze. Im Auguſt aber kam 
„ man zu einigen Schluchten, die über den Gang ſetzten, 
„und die Arbeit ſehr erleichterten; uͤberhaupt kamen auf 
„der Stroße 23 ı Schuh heraus. Vor dem Ort Ne rt. 
„wurde die angezeigte Kluft durchgeſchoſſen und uͤberfah⸗ 
„ren: ihre Verfaͤchung zeigt, daß dieſcibe die gleiche iſt, 
„welche wir ehmals im obern Baue, auf der Stollenſtrecke 
„No 8g. bey Aa überfahren haben, und die Stunde, in 
„welcher dieſe Kluft den Gang durchkreuzt, und von Oſt 
„in Weſt ſetzet, beſtaͤtigt dieß noch mehr. Auf dieſe Kluft 
„erfolgte eine rauhe Gangart, welche das gleiche Strei⸗ 
„chen hielt. Im Hangenden und Liegenden beſtund der 
„Gang aus ſchwarzgrauem Quarze, welcher mit etwas 
»Spath und einer grünen Gneisart untermengt war. Bey 
„diefer Veraͤnderung hatte man wenige Pocherze, deſto mehr 
vaber an Schwefelkies und Zinkblende: In der Mitte des 
„Orts befand ſich ein 10 bis 15 Zoll maͤchtiger Bergkeil 
„bon Gneisgebirge, welches mit wenigem Quarz gemengt 
„und mit zwey ſchmalen Spathtruͤmmern eingefaßt war. 
v Kaum war man aber 4 bis; Schuh weiter aufgefahren, 
nals dieſe Gangart ſamt dem Bergkeil ſich verlor, und 


264 A 


„einen etwas mildern Quarz anlegte, worin öfters ſchoͤne 
„Pocherze gebrochen und zu Tage gefördert wurden. Ends 
„lich nahm der Gang eine Wendung ins Hangende, vers 
y aͤnderte ſich abermal in feiner Maſſe und legte ſchoͤne Erze 
van, welche man 4 bis s Zoll mächtig gewann und noch 
„fürs Kuͤnftige zu gewinnen vor ſich hat. Dieſer Ort war 
„immer mit 6 Mann auf 3/3 belegt, und ungeachtet der 
„Feſtigkeit des Geſteins ſchlug man in dieſem Quartal 
„29 ı Schuh heraus. ö 

„Der Stoll No 15. war wegen Mangel an Arbeitern 
„einzig im Juni mit 2 Mann belegt.“ 

Laut dem 45ſten Grubenberichte „wurden die Norar- 
„beiten zum Tragewerk auf dem Stollen No 11. im letz⸗ 
„ten Quartal 1793 beendigt, und das Tragwerk ſelbſt fo 
„weit geſchlagen, als man es mit Sicherheit vor den Schuß⸗ 
„befchadigungen auf der Stroßarbeit thun durfte: die Steis 
y ger ſchlugen noch 14 Buͤhnloͤcher und Anfälle. Das Trag⸗ 
„werk wurde vom 1 October an in 4 Wochen Zeit 165 ıf2 
„Fuß vom Stollen-Mundloch bis unter den Schacht 
„No 10, fertig, und der dadurch vorzuͤglich beabſichtigte 


— 


„Luftzug war fo ſtark, daß man ihn hemmen mußte, und 


„dennoch hinlaͤnglich friſche Luft auf den Arbeiten hat. 
„Auf der Stroße No 11. ſchlugen zwey Mann 23 ½½ Fuß 
„heraus; der Gang war abwechſelnd 3 bis 3 ıf2 auch 4 
„Fuß mächtig; beſtund meiſt aus ſchwer zu bezwingendem 
„Quarz und Hornſtein, in welchem zuweilen Pocherze ein⸗ 
„gefprengt waren. Am Vorort enthielt der Gang anfangs 
„September noch fehöne Pocherze, als eine ploͤtzliche Ver⸗ 
„änderung dieſelben faſt ganz wegnahm, und ſtatt der mil⸗ 
„dern Gangart ſich ein ſehr feſter Quarz und Hornſtein ans 
„legte, der abwechſelnd von 1 Fuß bis 8 Zoll mächtig 
„war und bis Mitte November viel zu ſchaffen gab. Nun 
„wukde die Hoffnung aufs neue belebt, als man einen 


3 


265 


„neuen ı 1/2 Fuß mächtigen Gang aufſchoß, der dem 
„Hauptgange A aus dem liegenden zufaͤllt, Stunde 9 3/8 
y ſtreicht und sg 1/2? gegen Weſt ſich verflächt, der nach 
u ſeiner Vereinigung mit dem Hauptgange ſich an denſelben 
„anlegt und in gleicher Lage mit ihm ins Feld ſetzt. Auf 
„dem Vereinigungspunkte enthielt der neue Gang eine 
„özöllige Drüſe, an deren Seitenwaͤnden man ſchoͤne, 
„weiße, durchſichtige, kleine, tafelartige Cryſtallen von 
„Schwerſpath von mancherley feinen Zuſammenhaͤufun⸗ 
„gen, mit einzelnen cubiſchen Bleyglanzeryſtallen uͤberſtreut 
„fand, welche auf einem ſchwammfoͤrmig poroͤſen, ſehr 
„mürben, hin und wieder von ſchwarzer und brauner Ei— 
„fenofer etwas gefärbten, feinkoͤrnigen Schwerſpath ſaßen, 
„in deſſen Vertiefungen ſich oft kleine Parthien von Chlo⸗ 
„riterde fanden; an einzelnen Stellen war der Schwerſpath 
„von dieſer Chloriterde grün gefaͤrbt, und von der fchwars 
„zen Eiſenoker einige Bleyglanz- und Schwerſpath⸗Cry⸗ 
„fallen glänzend ſchwarz uͤberzogen: außerhalb dieſer Drüfe 
„ war der Schwerſpath klein- und grobkoͤrnig, etwas vom 
„Bleyglanz grau gefaͤrbt und enthält 2 bis; Zoll maͤchti⸗ 
„gen feinkoͤrnigen Bleyglanz, mit etwas ſchwarzer Eiſen⸗ 
y oker auf den Kluͤften, und wenigem beygemengtem Schwe⸗ 
„felkits. Dieſer neue Gang veredelte alſo den Hauptgang 
„ ſehr, fo daß wir nicht nur die gegruͤndeteſten Hoffnungen 
„für die Zukunft haben, ſondern noch in den lezten Tagen 
„des Novembers ſchoͤne Erze davon gewannen: es wur⸗ 
„den vor dieſem Vorort überhaupt 29 1½ Fuß herausge⸗ 
y ſchlagen. 

v» Auf dem Stollen Ne 15. wurde vom Schacht Ne 1g. 
„(über den und den Stroßenbau No 19. man mittelſt 6 
»Bühnlöcher und Anfaͤlle eine Bühne zum hin- und her⸗ 
y fahren ſchlug) noch 1 Lachter Stroße herausgeſchlagen, 
„und er ſelbſt noch 37 1½ Fuß lang, auf 4 Fuß erwei⸗ 


266 


„tert, welche Erweiterung und auch feine Erhöhung man 
„von nun an einzuftellen beſchloß, da es der Zweck dieſes 
„Stollens nicht weiter erfordert: nur die enorm anſteigende 
„Stroße bis vor Ort beſchloß man herauszuſchlagen: man 
„hatte ſchon im Anfange auf diefer Stroße ſchoͤne Erze 
„und milde Gangart, die bis Ende November immer noch 
„anhielten. Auf dem Tagloch No 9. wurde im November 
„eine Rolllutte errichtet, um das Grubenklein auf den 
„Stollenffuͤgel No 6. hinunter zu rollen, wo man es denn 
„zu demjenigen von No r. auf die Halde ſtuͤrzen, und 
„weil es viel Erz enthält, einer leichten Setzwaͤſche unters 
„werfen will.“ 1 
Dieſem Grubenbericht iſt noch folgende Anzeige beige⸗ 
fügt: „Herr Gruner giebt den Committirten die Nach⸗ 
„richt, daß man ſchon ehmals, da man mit dem Quer⸗ 
„Schlag No 12. den Hauptgang A, auf der Feldſtrecke 
„No 8, verließ, einen ähnlichen Nebengang Ab uͤberfuhr, 
„und auf ihm den Schacht No 13. abteüfte, fo daß man 
„damit auf der Sohle der Feldſtrecke No 14. wieder auf 
„den Hauptgang A gekommen ſey. Dieſer Nebengang 
„A fiel alſo dem Hauptgange ebenfalls aus dem Liegen- 
„den zu, veredelte denſelben ebenfalls, und fuͤhrte meiſt 
„Schwerſpath zur Gangart, fo daß man gereist wurde, 
„den Schacht No 13. darauf abzuteuͤfen, und die Feld⸗ 
u ſtrecke No 14. zu treiben, welche leztere ungeachtet ihres 
„Wettermangels (der von der ſchlechten Anlage herruͤhrte) 
„immer der hoffnungsvollſte Punkt auf der Grube war. 
„Gegenwaͤrtig befindet ſich der neuerdings uͤberfahrne Gang 
„gerade unter dieſer Gegend, und verhält fich ziemlich aͤhn⸗ 
„lich, fo daß wir hoffen koͤnnen, das ganze Mittel zwi⸗ 
„ſchen dem tiefen Stollen No 11. und der Feldſtrecke 
„No 14. werde ſchoͤne Erze enthalten. Dieſe Erfahrung. 
beweist, wie viel wir von anſchaarenden und uͤberſetzen⸗ 


— 


267 


„ben Gängen, deren wir eine Menge in unſerm Gebirge 
„haben, zu hoffen haben, da man dieſelben mit den bey— 
„den Stollen, die man jetzt treibt, auf die leichteſte und 
»gefchwindefte Art aufſucht. Auch unſre Nachbaren im 
„Wallis (im Löfcherthale) haben ihre vielen Erze dem Ue— 
y berſetzen veredelnder Gänge zu danken. 

Der 46ſte Grubenbericht ſagt: „Damit wir auf dem 
„Stollen No 11. das angefangene Tragwerk nach und nach 
„fortfegen, fo haben wir wiederum 12 Buͤhnloͤcher und 
v eben fo viele Anfaͤlle geſchlagen. Bey der nachzureißen— 
„den Stroße daſelbſt wurde der Gang etwas ſchmaͤler, der 
bloße Quarz aber milder. Im December 1793 hatte man, 
„ nebſt einigen unbedeutenden Nebentruͤmmern, 1 Schuh 
„Quarz, in welchem nur zuweilen 1/2 Zoll ſchwach ein— 
„ geſprengte Bleyerze aufgeſchoßen wurden. Im Januar 
51794 erhielt man die gleiche Kluft von der Mittelſtrecke 
„No g. Aa, welche 6 Zoll mächtig, den Gang auf der 
„Stunde 4 1/4 durchſchneidet, und dem Arbeiter einen Bors 
„theil verſchafte. Auf dieſe Kluft folgte dann ein 6 Zoll 
„mächtiger Quarz, wozu noch einige ſchmale Quarztruͤm⸗ 
„mer kamen, die ſich gegen das Hangende und Liegende 
„auslenfen und endlich wieder zuſammen kommen. Auf 
„ dieſen herumſtreichenden Truͤmmern gewann man 2 bis 
52 1½ Zoll ſchwach eingeſprengte Bleyerze; gegen Ende 
„Januars aber wurden der Gang und das Nebengeſtein 
„wieder etwas feſter, und dieſe Erze hatten dann dabey 
„ein Ende. Im Februar theilte ſich das Gangweſen in 
y drey Trümmer, wo ein jedes nur noch 1 1ſ½ Zoll maͤch⸗ 
„tig und ohne Erze war; gleich darauf kamen dieſe Truͤm⸗ 
„mer wieder zuſammen, wurden etwas mächtiger und 
„machten im Ganzen zuſammen 7 Zoll aus. Auf dieſer 
„Stroße kamen im ganzen Quartal 31 1/2 Schuh her⸗ 
u aus. Vor dem Orte No 11. hingegen hatten wir einige 


268 

„gute Anbruͤche. Verſchiedne Veraͤnderungen auf dem 
„Gange und Nebengeſtein, welche wir überführen, be⸗ 
„wirkten eine ſchoͤne und milde Gangart, die ſich zu wah⸗ 
„ren Erzpunkten anſchickte, und auf denen wir nicht nur 
„eine gute Parthie Erze gewannen, ſondern auch viel wei— 
„ter als gewoͤhnlich vorgeruͤckt ſind. Im December 1793 
„hatten wir vor dieſem Orte 18 Zoll Quarz und 4 Zoll 
„Spath, worin 2 bis 3 Zoll oft ſehr reiche, zuweilen 
„aber auch nur ſtark eingeſprengte Erze brachen. In der 
„ Mitte dieſes Monats kamen wir auf eine mächtige Kluft, 
„welche dieſe Erze zwar auf eine kurze Zeit abſchnitt, aber 
„den Gang weder in feiner Maͤchtigkeit, noch in feinem 
„Streichen veränderte. Im Januar 1794 war die Maͤch⸗ 
„tigkeit des Ganges ſehr verſchieden, man hatte a bis 3 
„Schuh Quarz und 8 bis 12 Zoll Schwerſpath. Im 
„Quarz brachen meiſtens 3 bis 4 Zoll ſtark eingeſprengte, 
„ zuweilen aber auch 1 Zoll ſehr reiche Bleyerze. Auf dem 
„Hangenden, wo ſich der Quarz anlegte, war das Neben⸗ 
„ geſtein immer etwas feſte, das Liegende dagegen viel mil⸗ 
„der, weil es ſich blaͤttrig an den Spath anlegte und eine 
„Abloͤſung verurſachte. Im Februar zeigte ſich der Gang 
„wieder etwas ſchmaͤler; gegen das Hangende befand ſich 
„1 ıf2 Schuh mächtiger Quarz und in demſelben 1 12 
„Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze. Im Liegenden waren 
„ 6 Zolle Spath, der zuweilen 1 Zoll ſchwache eingeſprengte 
„Erze hatte. Gegen das Ende des Monats verſchmaͤlerte 
„ ſich der Quarz abermals bis auf 1 Schuh, der Spath 
„ bis auf 4 Zoll, und ohne einige Geſchiebe aus der Firſt 
„wurde der Gang wieder etwas feſter.“ 

„Wenn wir nun, heißt es ferner in dieſem Graben: 
berichte, „alle dieſe Abwechslungen der Beſchaffenheit des 
„Ganges und ſeiner Veraͤnderungen, gegen die in den vo⸗ 
„ rigen Quartalen geſammelten Data zuſammenhalten und 


269 


„in Betrachtung ziehen, daß in vorigen Zeiten in einem 
„Quartale kaum 30 Schuh bezwungen worden, in dieſem 
„Quartale aber 46 Schuhe herauskamen, fo giebt es uns 
„gegründete Hoffnungen, daß, wenn der Gang und das 
„ Nebengeftein alſo verbleiben, wir durch unſere ſtarken 
„ Fortſchritte nicht nur einen ſtarken Vorrath an Erzen 
„ ſammeln, ſondern auch in kurzer Zeit das Gebirge fo 
» weit aufſchließen werden, daß wir zugleich hinlaͤngliche 
„Erfahrungen von der Bauwuͤrdigkeit unſers Ganges und 
„ gewiß ere Aufſchluͤße und Erklärungen deſſelben zum Nutzen 
„der Zukunft ſammeln werden: denn obſchon wir allbe⸗ 
„reits einige gute Erzpunkte uͤberfahren, und daher die 
v beßte Hoffnung zu gutem Erfolge vor uns haben, fo 
v bleiben uns dennoch die innern Theile des Berges, aus 
„Mangel an noch ganz feſten Grundſaͤtzen über die Natur 
„und das Fortſtreichen der Gaͤnge, unbekannt; wohl aber 
„die beßten Hoffnungen, daß bald mehrere und reichere 
„Erze brechen werden, und dieſe Hoffnungen find um vie⸗ 
* les beſſer gegruͤndet, als die uns in den erſten Grubende— 
„ richten fo oft und prahleriſch angekuͤndigt wurden.“ 

» Auch auf dem Stollen No 15. laͤßt ſich ebenfalls aus 
„Erfahrungen ſagen, daß, wenn die ganze Stroße einmal 
»nachgeriffen, und mit dem Orte ins weitere Feld aufge⸗ 
„ fahren worden, man ſich ſchoͤner Anbruͤche zu erfreuen 
„ haben werde. Auch in dieſem Quartale wurde die Stroße 
„wiederum 41 Schuhe weit nachgeſchoſſen: ufan hatte 
„ dabey im December 1793. 18 Zoll Quarz, ein unbedeu⸗ 
„ tendes ſchmales Spathtrumm, und überhaupt 2 bis 3 
„Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze; bald darauf aber ver 
„lor ſich der Spath gänzlich, indem ſich ein noch feſterer, 
„2 Schub maͤchtiger Quarz anlegte, der mit Hornſtein 
„gemengt, ſehr unbruͤchig war, Im Januar 1794 wurde 
„der Gang wieder etwas milder und der Quarz blieb noch 


270 

„eine Zeitlang gleich maͤchtig, bis fich endlich ein r Schuh 
: maͤchtiger Bergkeil vorfand, welcher zu Ende des Monats 
„den Gang zertruͤmmerte, und dann ein 2 Zoll mächtis 
„ges Quarztrumm mit ſchoͤn eingeſprengten Erzen vom 


„Gange ab ins Liegende hinausſetzte. Auf den uͤbrigen 


„Truͤmmern aber, welche ſich gegen das Hangende und 
„Liegende auslenkten, und endlich wieder zuſammenſtießen, 
„gewann man noch ſtets 2 bis 3 Zoll ſtark eingeſprengte 
und oft 1 Zoll dick ſehr dichte reiche Erze. Im Februar 
„kamen wir auf eine lachtermaͤchtige Kluft und uͤberfuhren 
„ dieſelbe in ihrer ganzen Mächtigkeit, wo dann nach der> 
„selben ſowohl der Gang, als das Nebengeſtein wieder ſehr 
5 feſt wurden; dieſe Kluft kreuzte ſich mit dem Gange; im 
„Hangenden befand ſich ein 6 bis 8 Zoll mächtiger Quarz 
„und in demſelben 2 bis 3 Zoll ſtark eingeſprengte Bley⸗ 
„erze. Das übrige Gangweſen war durchaus kluͤftig und 
„beſtund in lauter Geſchieben: ſobald aber dieſe Kluft 
„überfahren war, fo kamen wir wiederum auf eine rohe 
„Gangart, die, fo wie vor der Kluft, ganz zertrümmert 
„und nur im Hangenden 4 Zoll Quarz mit 2 Zoll ſtark 
„ eingeſprengten Erzen hielt. Da man endlich dieſe Stroße 
„ſo weit nachgeſchoſſen hat, daß dieſelbe von der Ebens 
„ſohle an mehr als Ort hoch iſt, ſo wurde beſchloſſen, 
„mit einem Ort von 7 Schub Höhe unten durchzuſchluͤp⸗ 
„fen und den obern Theil ſtehen zu laſſen.“ 

Laut dem 47ſten Grubenberichte wurden im zweyten 
Quartal 1794 5 Buͤhnloͤcher und Anfaͤlle im Stollen 
No 11. geſchlagen und an dem Tragwerk 52 1½ Schuh. 
errichtet. Ferner heißt es darin „wurde bey der nachzu⸗ 


„reißenden Stroße der Gang wieder nach und nach maͤch⸗ 


„tiger, aber auch zugleich fefler. Im Merz hatten wir 
„8 bis 14 Zoll Quarz, aber in demſelben nur zuweilen 
„wenige eingeſprengte Bleyerze. Außer einem Blatt, wel⸗ 


r 


* 


271 


„ches ſich von der Sohle hinabzieht und darauf ablöst, 


„blieben der Gang und das Nebengeſtein gleich feſt. Im 
„April fand ſich der Quarz von 16 bis 18 Zoll maͤchtig; 
„im Hangenden legte ſich 2 bis 3 Zoll Spath an, wodurch 
„auch der Quarz etwas milder wurde, und ſich auch wie— 
„ der 1 bis 2 Zoll eingeſprengte Bleverze zeigten. Im May 
„wurde die Maͤchtigkeit des Ganges ſchon wieder ſchmaͤ— 
„ler; der Quarz kam von 18 bis auf 19 Zoll, doch blieb 
„der Spath im Hangenden noch immer 3 Zoll maͤchtig; 
„man hatte allezeit 2 Zoll eingeſprengte Bleyerze: Im 
„Ganzen kamen auf dieſer Stroße in dieſem Quartal 


„26 ı/2 Schuh heraus. Vor dem Orte Ne 1. uͤberfuhren 


„wir auf dem Gange und im Nebengeſtein ver ſchiedne Wech⸗ 
„ ſel, welche ihrer Feſtigkeit wegen ſehr nachtheilig waren. 
„In der erſten Hälfte des Merzen hatten wir noch 1 2 
„bis 2 Schuh Quarz, ein 2 Zoll maͤchtiges Spathtrumm 
„ und 1 bis 2 Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze; bald nach⸗ 
„ her aber ſetzte die Kluft Ae auf der Stunde 2 3/4 über 
„den Gang, brachte ihn zwar nicht aus ſeiner Stunde, 
„ſchnitt aber die bisherigen Erze ab, und druͤckte den 2 
„Schuh maͤchtigen Quarz bis auf 1 Schuh zuſammen. Im 
„April hatten wir nun weder Spath noch Erze; der Quarz 
„ ſelbſt verſchmaͤlerte ſich bis auf 6 Zoll; das Nebengeſtein 
„wurde dabey immer feſter und das ganze Ort hatte das 
„Anſehen zu einem abermaligen Wechſel. Im May aͤn— 


„derte ſich die ganze Maſſe, man hatte noch 4 Zoll Quart, 


Hals ſich derſelbe nach und nach zertruͤmmerte, und ſo— 


„wohl im Hangenden als Liegenden zuletzt nichts als ein 


» taubes Geſtein war; endlich erhielten wir darauf ein 
Ber Gemenge von Hornſtein, Quarz und Gneis: hierauf ka, 


vy men wieder einige neue aber nur ſchmale Quarztruͤmmer 


„aus dem Hangenden, brachten Spuren von Erzen mit 
„und werden dem Anſcheine nach nicht nur den Gang und 


272 


„das Nebengeſtein wieder milder machen, ſondern auch beſ⸗ 
„ ſere Erze bringen. In dieſem Quartale wurden der Fe— 
z ſtigkeit des Geſteins wegen nur 26 Schuh herausge⸗ 
„ bracht. 8 

„Auf dem Stollen Ne 15. iſt das meiſte Gangweſen 
„vor Ort durch die Kluft Ac, welche wir im vorigen 
„Quartale uͤberfahren haben, aus ſeiner Stunde heraus⸗ 
„gedruͤckt und ins Hangende verſchoben worden, welches 
„wir nun, um eine allzuſtarke Kruͤmmung des Stollens zu 
„berhuͤten, nach und nach wieder einholen muͤſſen, daher 
„wird daſelbſt einſtweilen nicht auf dem Hauptgange, ſon⸗ 
„dern auf einigen Nebentruͤmmern gearbeitet. Im Merz 
„hatten wir in der Mitte des Orts 4 Zoll Quarz, welcher 
„ſich in zwey Trümmer zertheilte und dann ſamt dem Ne— 
5 bengeſtein fo feſt wurde, daß es kaum zu bezwingen war. 
„Im April lenkten ſich dieſe zwey Quarztruͤmmer ins Lie⸗ 
„gende, ſtießen wieder zuſammen und machten im Ganzen 
„4 Zoll aus. Im May wurde dieſer Quarz um 1 Zoll 
„ ſchmaͤler; von Spath und Erzen ſah man im ganzen 
„Quartale nichts; vor dieſem Orte kamen im ganzen Quar⸗ k 

"tale 15 1/2 Schuh heraus. 

Der 48ſte Grubenbericht ſagt: „Das Tragewerk auf 
„No 11, wurde fo weit gebracht, daß abermals 20 Bühne 
„loͤcher und Anfälle geſchlagen, die Stegenhoͤlzer eingelegt 
„und 50 Schuh daran ſind gedeckt worden. Mit der 
„Stroßenarbeit ruͤckte man des mildern Geſteins wegen 
„geſchwinder vorwaͤrts als vorher. Im Juni hatten wir 
„beym Nachſchießen dieſer Stroße 2 Schuh Quarz mit 
„wenigem Spath vermengt, wo der Gang noch feſt und 
„ohne Erze war. Bald wurde der Nebengang Ad, und 
„gleich darauf die Kluft Ac aufgeſchoßen; dadurch wur» 
„ den der Gang und das Nebengeſtein mächtiger und mil⸗ 
„der; man hatte 3 ½/ Schuh Quarz, 6 Zoll Spath und 


; 273 


„ in demſelben 1 Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze. Im 
„Juli wurde der Gang wieder ſchmaͤler aber milder und 
5 kluͤftig; man hatte 2 bis 2 7/2 Schuh Quarz, 3 bis 6 
„Zoll Spath, beyde mit einander gemengt und darin 3 
5 bis 4 Zoll ſtarke eingeſprengte Erze. Im Auguſt waren 
„Gang und Nebengeſtein ſehr verſchieden. Einiger Gt» 
„ ſchiebe wegen, welche noch immer von der Kluft Ac her? 
„ kamen, und zwiſchen ihren Abloͤſungen bald feſter bald mil? 
„ der find, erhielten wir eine feſtere Maſſe, die jedoch im 
„Schuße gut brach; durch dieſe Veraͤnderung bekamen wir 
„auf einmal 2 Schuh Spath, welcher im Hangenden und 
5 Liegenden an beyden Seiten mit 8 Zoll Quarz und 2 Zoll 
„ ſchwach eingefprengten Erzen eingefaßt war; dann wurde 
„ der Gang wieder kluͤftig und beſtund meiſt in regulairen 
„Geſchieben, welche blattweiſe von der obern Ortſohle in 
„ die untere Ebenſohle hinabſetzten; durch jene abwechſeln— 
v den Blätter wurde der Spath auf 4 Zoll verringert; auf 
„ beyden Seiten hatte er aber wieder ı Schuh Quarz und 
„die gleichen Erze. Auf dieſer Stroße kamen in dieſem 
„Quartale 46 ıf Schuh heraus.“ 
„Im Vorort Ne 11. kamen wir im Juni auf zwey 
„ Quarztruͤmmer, wo jedes 8 Zoll mächtig, ſehr feſt und 
z ohne Erze war: zwiſchen dieſen Quarztruͤmmern befand 
3 ſich ein Bergkeil von bloßem Gneis, welcher bald mädıs 
s tiger bald ſchmaͤler wurde, doch meiſt s Zoll maͤchtig 
„war, Im Juli wurde der Gang wieder mächtiger; ges 
gen dem Liegenden fanden ſich 2 Schuh Quarz, und 
„darin 1 bis 2 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze mit etwas 


» Schwefelkies. In der Mitte des Gangs vor Ort befand 


„ ſich noch immer der Bergkeil, und aus dem Hangenden 

„kam ein 1 Zoll maͤchtiges Quarztrumm, mit etwas. 

„ Spath vermengt, und der Nebengeſtein, fo wie der Gang 

„waren ſehr feſt. Im Auguſt machte der Gang wieder 
a Vd S 


274 


„ſtarke Veränderungen: Der 2 Schuh mächtige Quarz auf 
„dem Liegenden verſchmaͤlerte ſich nach und nach bis auf 
„6 Zoll, in welchem aber dennoch 2 Zoll ſtark eingeſprengte 
„Erze brachen. Der 1 Zoll maͤchtige Quarz im Hangen⸗ 
„den wurde nach und nach 10 Zoll maͤchtig; neben ihm 
„brach ıfz bis 1 Zoll Spath und im Quarz ſelbſt 1 Zoll 
„ſchwach eingefprengter Bleyglanz und 1 Zoll ſtark Schwe⸗ 
„ felkies; am Ende des Quartals wurde der Gang wieder 
„viel edler aufgeſchoſſen. Vor dieſem Orte kamen im drit⸗ 
„ten Quartal 23 ½¼ Schuh heraus. 

„Beym Stollort Ne 5, find wir der geraden Richtung 
„des Stollens wegen ſo lange auf einem Nebentrumm 
„aufgefahren, bis daſſelbe uns allmaͤhlig wieder auf den 
„Hauptgang gefuͤhrt hat. Wir hatten dieſes Trumm im 
„Liegenden; im Juni beſtand es aus 2 bis 6 Zoll Quarz, 
„worin zuweilen 2 Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze brachen; 


„im Juli lenkte es ſich nach und nach gegen die Mitte des 


„Ortes an ein neues Gangweſen, welches aus dem Lies 
„genden dazu kam und unſre Maſſe vermehrte, ſo daß wir 
„wieder 1 Schuh Quarz mit etwas wenigem Spath ver⸗ 
„mengt, und darin 2 Zoll ſtark eingeſprengte Erze gewan⸗ 
„nen. Im Auguſt wurde der Quarz 1 ı/2 Schuh maͤch⸗ 
„tig; darin brachen 1 bis 2 Zoll ſchwach eingeſprengte 
„Erze, und auf dem Liegenden legte ſich 1 1/2 Zoll Spath 
„an, der endlich 4 Zoll maͤchtig wurde. Hier kamen 
u nicht mehr als 13 1/2 Schuh heraus. 

Der 49ſte Grubenbericht ſagt: „Zu dem fortzuſetzen⸗ 
„den Tragwerk auf Stoll Ne 11. find im vierten Quar⸗ 
„tale 1794 abermal 12 Buͤhnloͤcher und eben ſo viele An⸗ 
„falle gefchlagen worden. In den Schaͤchten Ne 7 und 
„13. wurden Reparationen gemacht, um fie fahrbar zu ers 
„halten. Auf dem Nebengang Ad wurden Verſuche ge 
„macht, ob ſich derſelbe durch das Nebengeſtein ins Feld 


3 


+ 


275 


z laſſe, wo ſich aber bald zeigte, daß die Gangmaffe alls 
„maͤhlig ſchmaͤler wurde und ſich ſamt den Erzen aus⸗ 
„ keilte. Bey der Stroßenarbeit auf Ne rr. wurde im 
„September der Gang wieder etwas maͤchtiger, man hatte 
„2 Schuh Quarz und in demſelben 1 Zoll ſchwach einge: 
„ſprengte Bleyerze. Am Hangenden und Liegenden fand, 
„ſich ıf2 bis 1 Zoll Spath, wobey aber das Nebengeſtein 
„ſowohl als der Quarz ziemlich feſt war. Im October 
30 hakte ſich der Quarz gegen dem Hangenden und Liegen⸗ 
„ den getheilt und dazwiſchen viel Gneis angelegt; der Gang 
„und das Nebengeſtein wurden aber bald wieder milder: 
„man uͤberfuhr die Kluft Xe; vor derſelben fand ſich am 
„Liegenden 4 Zoll Quarz mit etwas Spath vermengt; ge⸗ 
„gen dem Hangenden 1 Schuh Quarz und 1 Zoll Spath; 


v in dem Quarz aber 1 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze; nach 


„der Kluft hatte man wieder 2 Schuh Quarz, welcher mit 
„vielem Gneis gemengt und ohne Erze war. Im Novem— 
„ber wurde der Quarz 3 Schuh maͤchtig; man hatte aber 
„weder Spath noch Erze: an reinem Quarze fand ſich t 
„big 1 1/2 Schuh; das übrige Gangweſen war zuweilen 
„mit etwas Hornſtein, meiſtens aber mit vielen Gneis vers 
„mengt, welcher jedoch nicht mehr fo feſt war. Im De 
„cember vermengte ſich der Quarz durchaus mit dem Gneis, 


„und das Ganze blieb noch immer 3 Schuh mächtig; in 


„dieſem Gemenge fanden ſich wieder 102 bis 1 Zoll ſchwach 
„eingeſprengte Erze und es kamen im ganzen Quartale 
540 1/72 Schuh heraus. Mit dem Vorort No 1. haben 
„wir ſchon im Anfange dieſes Quartals den Gang viel 
„ vollkommener in Quarz und Spath und mit mehreren 
„Erzen aufgeſchoſſen. Im September zeigten ſich am Lies 
„genden 4 Zoll Spath und 2 Schuh Quarz, und in die 
„fen 3 Zoll ſtark eingefprengte Bleyerze, nebſt 2 Zoll 
„Schwefelkies. Am Hangenden blieb der 10 Zoll maͤch⸗ 


| 276 


„tige Quarz mit feinen Erzen ohne Veraͤnderung, den wir 
„aber ungern verlaſſen mußten, weil ſich das Hauptweſen 
„im Liegenden viel mächtiger und mit mehrern Erzen ans 
„legte, auch uns die Ortarbeit ſonſt uͤber 4 Schuh weit 
„wurde. Im October hatte man 12 bis 14 Zoll Spath, 
„2 Schuh Quarz und in lezterm ; Zoll ſtark eingefprengte, 
„ nebſt 1 Zoll derben Erzen und 3 Zoll ſtark eingeſprengten 
„Schwefelkies, wobey aber das Nebengeſtein allezeit feſt 
„war; endlich hatte ſich der 2 Schuh mächtige Quarz mit 
„dem Spath vermengt, wurde nach und nach weit ſchmaͤ⸗ 
„ler und gegen das Ende des Monats waren Quarz und 
„Spath nur noch 16 Zoll maͤchtig und die Erze hatten 
„ ſich beynahe alle verloren, nachdem ſich abermal ein Berg⸗ 
„ keil von 12 Zollen in der Mitte des Ortes anlegte. In 
„ dieſer Lage wurde der Ort bis 14 November verfolgt, da 
„ ſich dann ein uns fremdes 12 Zoll maͤchtiges Trumm auf 
„der Stunde 4 7/8 über den Gang ſetzte, und der bisdahin 
„gehabte Spath, der Quarz und die Erze dadurch gaͤnzlich 
„abgeſchnitten wurden, Dieſes uͤberſetzende Trumm beftand - 
„aus einem Gemenge von Quarz, Spath und Speckſtein, 
„welches mit vielem Schwefelkies eingeſprengt war. Hin⸗ 
„ter dieſem Trumm lenkte ſich der Hauptgang ins Liegen⸗ 
„ de; feine ganze Maͤchtigkeit konnte aber auf einmal nicht 
„ durchſchoſſen werden, weil man, um ſtarke Kruͤmmun⸗ 
„gen fo viel als möglich zu verhuͤten, das ganze Gangwe— 
„fen nur allmaͤlig einholen mußte. Der durch das übers 
„ ſetzende Trumm veraͤnderte und um vieles maͤchtigere 
„Gang beſtand aus grauem Quarz und Hoenſtein, wel⸗ 
„cher mit einer Menge Schwefelkies eingeſprengt und ſamt 
„dem Nebengeſtein ſehr feſt war. Im December hatte 
„man, ſo weit der Ort betrieben wird, und zwar ohne 
„ daß die ganze Mächtigkeit des Ganges noch durchſchoſſen 
„worden, 4 Schuh an Quarz und Hornſtein mit eimag 


* 


r 


\ 


| 277 
„ eingeſprengtem Schwefelkies. An dieſem Orte kamen im 


„ganzen Quartale 29 ½%½ Schuh heraus. 


„Beym Stollort Ne 15. wurde der Gang im Septem⸗ 
„ber 3 Schuh maͤchtig und beſtand aus Quarz, der mit 
„ein wenig Spath vermengt war, aber keine Erze hatte, 


„ doch etwas milder wurde; dagegen das Nebengeſtein, 


„ohne ſich zu andern, gleich feſt blieb. Im October hats 
„ten wir 3 bis 3 / Schuh Quarz mit Spath vermengt, 
„und darin 1 Zoll ſchwach eingeſprengte Bleyerze; Gang 
„und Nebengeſtein waren aber zu Ende des Monats cts 
„was feſter. Im Anfang November fanden ſich noch 2 1/2 
„Schuh Quarz mit Spath vermengt, und ı Zoll ſtark 
„ eingeſprengte Bleyerze. Man ſchlug durch die Firſt in 
„das obere Abteuͤfen durch, und kam mit der Ebenſohle 
„des untern Ortes gerade unter den obern Ort Ne 15. 
„Gegen Ende des Monats fanden ſich dann wieder 2 Zoll 


„ Spath, 1 1½ Schuh Quarz und in dieſem 1 1/2 Zoll ſtark 


„eingeſprengte Bleyerze. Im December wurde der Gang 
„wieder etwas maͤchtiger, veraͤnderte ſich etwas in ſeiner 
„Natur, wurde endlich 2 bis 2 ıfa Schuh mächtig, zeigte 
„ aber nur noch ıf2 bis 1 Zoll ſchwach eingefprengte Erze. 
„Im ganzen Quartale wurden nur 16 ı/2 Schuh hier 
„herausgebracht.“ 

Der softe Grubenbericht vom erſten Quartal 1795 ſagt: 
„Auf der Stroße N? 11. hatte man im Januar 2 bis 


„2 ıf Schuh Quarz und in demſelben 1 Zoll ſchwach 


„ eingeſprengte Bleyerze; neben demſelben befand ſich dann 
„immer noch etwa nr Schuh Quarz, der aber ganz zer⸗ 
„ truͤmmert, mit vielem Gneis gemengt, und ohne Erz 
„war. Im Februar war der Quarz nie mehr als 2 Schuh 
„mächtig; es fanden ſich in demſelben auch nur J Zoll 
„ſchwach eingeſprengte Erze, und am Ende des Monats 
„hatte ſich noch mehr Gneis unter den Quarz gemengt. 


278 


„Iin Merz wurde der Quarz allmaͤlig wieder 4 Schuh 
„maͤchtig, war aber nie ganz rein, ſondern immer mit 
» mehr oder weniger Gneis vermengt. Auf dem Liegenden 
„brachen 1 Zoll, auf dem Hangenden aber 1 / Zoll ſtark 
„eingeſprengte Bleyerze im Quarz. Am Ende des Mos 
„nats hatte ſich endlich auf dem h wieder 1 Zoll 
„Spath angelegt; wobey aber der Quarz und das Neben— 
„ geſtein ſehr feſt war; hier kamen in dieſem Quartal 21 1/2 
„Schuh heraus. Beym Vorort blieb der Gang ohne 
„merkliche Veraͤnderung wie im December, außer daß der— 
„ſelbe nach und nach um ı Schuh ſchmaͤler und wieder 
„maͤchtiger wurde: nur im Anfang Merzens hatte ſich 2 
„Zoll Spath in der Mitte des Ortes angelegt; der Spath 
„ſetzte zwar fort, das Gebirge blieb aber gleich feſt und 
„hart. Der Gang iſt nun 4 Schuh maͤchtig und beſteht 
„aus Quarz, Hornſtein, Calcedon und elwas Schwerſpath, 
„alles untereinander gemengt, mit vielem Schwefelkies 
„eingeſpreugt und ohne Erz. Der Feſtigkeit des Ganges 
„und Nebengeſteins wegen kamen im ganzen Quartale 
„nicht mehr als 16 Schuh heraus.“ 

„Beym Stollort Ne. 15, wurde wegen Krankheit vie⸗ 
„ler Arbeiter bis Mitte Februar nicht gearbeitet; damals 
„zeigte der Gang 2 Schuh Quarz, worin ſich ein Zoll 
v ſtark eingeſprengte Bleyerze fanden. Im Anfang Merzens 
„wurde der Quarz um ½ Schuh mächtiger, und es hatte 
„ ſich allmaͤlig wieder etwas Spath eingemengt: dagegen 
» hatten wir nur noch ½ Zoll ſchwach eingeſprengte Erze, 
v die ſich gegen das Ende des Monats gaͤnzlich verloren, 
„da der Quarz ſich mit dem eingemengten Spath in 4 
„Truͤmmer zertheilte und zwiſchen dieſelben etwas Gneis 
„anlegte. Auch hier ſind Gang und Nebengeſtein ſehr feſt 
„und es kamen bis zum Ende des Quartals nur 4 Schuh 
7 9 Zoll heraus. 


279 


Dem sıflen Grubenberichte zufolge „blieb auf der 
„Stroße Ne 1x. ſowohl der Gang als das Nebengeſtein 
„im Anfang Aprils gleich; gegen das Ende dieſes Monats 
„aber wurde der Quarz um 1 Schuh ſchmaͤler, und war 
„dennoch immerhin mit etwas Gneis vermengt; der Das 
„bey befindliche Spath wurde 1 7 Zoll maͤchtig; die 
„Erze aber hatten ſich wieder ausgeſchnitten. Im May 
„erhielt man nach und nach wieder 3 ıfe Schuh ganz 
„reinen Quarzes, 6 Zoll Spath und in beyden brachen 
„ wechſelsweiſe 1 Zoll ſtark eingeſprengte Bleyerze. Im 
„Juni wurde der Quarz allmaͤlig wieder um 1 Schuh 
„ſchmaͤler, wieder mit etwas Gneis gemengt: der Spath 
„aber wurde um 6 Zoll maͤchtiger, und dennoch nur mit 
„1 Zoll ſchwach eingeſprengten Erzen. Gegen Ende des 
„Monats kam man auf den Punkt, wo das Trumm Af 
„über den Gang ſetzt, und allen Spath mit den Erzen ab» 
„ſchnitt. Hier wurden im ganzen Quartale 19 1 Schuh 
„herausgebrochen. Auf dem Vorort Ne ı1. war wenig 
„Veraͤnderung, da der Gang wie vorher in Quarz, Horn⸗ 
„fein und Calcedon, meiſtens 3 bis 4 Schuh mächtig, 
„mit viel eingeſpreugtem Schwefelkies bricht, wo wir nur 
„ ſelten 1/2 bis 1 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze hatten; 
„bis gegen das Ende des Quartals verlor ſich allmaͤlig ein 
„großer Theil des Kieſes, die Gangart wurde etwas mil. 


der, und endlich legten ſich wieder 6 Zoll Spath mit N 


»1/2 Zoll eingeſprengter Erze an: hier kamen im ganzen 
„Quartale 3o Schuh heraus. Da man noͤthig fand auf 
„dem uͤberſetzenden Trumm A. f, welches ſchon den 14 
„November 1794 mit dem Vororte uͤberfahren worden 
„war, einen Verſuch zu machen, fo wurde auf demſelben 
„ein Querſchlag angeſetzt. Man fand auf dieſem Trumm 


„ein Gemenge von feinem Quarz, Spath und einem 


„ amianthartigen Geſtein, alles mit wenigem Bleyglanz 


280 a 


„und vielem Schwefelkieſe eingeſprengt; es war überhaupt 
„ 12 Zoll maͤchtig: es wurden aber bis zum Ende des Quar⸗ 
„ tals nur 2 ½½ Schuh hier herausgebrochen. Immer 
„aber ſahen wir aus dieſem Verſuche, daß unſer Haupt⸗ f 
„ gang mächtiger iſt, als wir vorher nie wußten; denn 
„kaum waren wir auf dieſem uͤberſetzenden Trumme 1 
„Schuh außer dem Hauptgange aufgefahren, ſo zeigte ſich 
„noch ein 10 bis 12 Zoll maͤchtiges Quarztrumm, wel⸗ 
„ches viel Schwefelktes mit ſich führt, mit dem Haupt⸗ 
„gange parallel ſtreicht, und ſeiner Verflachung nach in 
„nur kleiner Tiefe zum Hauptgange koͤmmt.“ 

„Im Stollort Ne 15, wurde nicht immer gearbeitet. 
„Ends Aprils war der Gang ohne Veränderung; man 
„hatte 2 1/2 Schuh Quarz, welcher in Trümmer zer⸗ 
„theilt, mit etwas Gneis vermengt, ohne Erze und feſt 
„war. Im Anfang May wurden diefe Quarztruͤmmer et⸗ 

» was ſchmaͤler und man gewann jedoch zuweilen wieder 
„1/2 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze. Gegen das Ende 
„Mays aber kamen dieſe Truͤmmer wieder zuſammen, 
„und nachdem ſich endlich aller bisher eingemengte Gneis 
„wieder verloren hatte, ſo war der reine Quarz nur noch 
„12 Zoll maͤchtig, in welchem dann wiederum 1 Zoll 
„ſchwach eingeſprengte Erze gewonnen wurden. In glei⸗ 
„chem Verhaͤltniße blieb nun auch der Gang in der erſten 
„Hälfte Juni. Von dieſem Orte kamen nur 7 Schuy 
35 heraus. k 

Der szfte Grubenbericht ſagt: „Als man auf der 
„Stroße des Stolls No 11. das uͤberſetzende Trumm Af 
„überfahren hatte, fo zeigte ſich jene rohe feſte und maͤch⸗ 
„tige Gangart wieder, welche im vierten Quartal 1794 
„ uͤberfahren wurde: fo mußten wir in dieſem ganzen Quar⸗ 
„tale die Stroße ohne Veränderung, auf einem 4 Schuh 
e mächtigen Quarze mit Hornſtein ohne Erz, aber mit 


— 


— — he 


m 


. 281 


„vlelem Schweſelkieſe eingeſprengt, nachſchießen. Da man 
„nun ſchon durch den Verſuch auf dem Trumm Af nur 
„1 Schuh außer dem Hauptgange ein 10 bis 12 Zoll 
„mächtiges Quarztrumm aufgeſchoſſen, welches mit dem 


„Gange parallel ſtreicht, fo haben wir daſſelbe wegen ſei— 


y ner ſtarken Verfaͤchung zum Hauptgange, durch das Nach⸗ 
y ſchießen der Stroße, ſchon auf der Sohle aus dem Han? 
„genden erhalten, ſo daß es nun ſchon wirklich bey dem 
» Gange iſt: hier kamen in dieſem Quartal 15 Schuh 
„heraus. Bey dem Vorort No 11. hatten wir in den ers» 
„fien 14 Tagen 3 ıf2 Schuh milden Quarz mit wenigen 
„Schwefelkies; dann 4 Zoll Spath, worin etwas Quarz 


y eingemengt und 1 Zoll eingefprengtes Bleyerz war. In 


„den folgenden 14 Tagen hatte ſich der Spatb wieder et⸗ 
„was ausgeſchnitten, der Quarz aber wurde 4 Schuh 
„mächtig und feſter, dennoch enthielt er 3 a 
y eingeſprengtes Erz. Im Auguſt blieb der feſte Quarz 
„immerhin 4 Schuh maͤchtig; dann aber zeigten ſich 2 
„ Zoll Spath mit 1 Zoll ſchwach eingeſprengten Bleyerzes: 
„Im Anfang September verlor ſich wieder der Spath und 
„man hatte bis zu Ende des Monats das vorige feſte Ge 
„Rein, welches nur Kies mit wenig Bleyerz enthielt. An 
„ dieſem Orte kamen 26 1 Schuh heraus. Das Trumm 
„Af, worauf man ſchon einen Verſuch ins Hangende an⸗ 
„gefangen, beſtund in der erſten Halfte Juni aus 8 Zoll 
„Spath, welcher mit feinem Quarze vermengt und mit 
„etwas Schwefelkies eingeſprengt war. In der zweyten 
„Haͤlfte legten ſich dabey noch 12 Zoll Spath mit ıfz Zoll 
„eingefprengter Bleyerze mit vielem Schwefelkieſe an; die 
„ Ablöſung war ein amiantartiges Trumm. In der erſten 
5 v Hälfte Auguſts ſah man bald, daß der hinzugekommene 
v 12 Zoll mächtige Spath ſich von dem andern Trumm wie⸗ 
u der ablenkte, und mit dem Hauptgange parallel fortſetzte, 


282 


„da ſich dann zwiſchen dem Quarz und Spath im Neben⸗ 
„ geſtein ein 12 Schuh mächtiger Bergkeil anlegte: In der 
„ erſten Hälfte Auguſt verwandelte ſich das ganze Trumm 
„in Quarz ohne Erze. Im September wurde das Trumm 
y immer ſchmaͤler und feſter. Hier kamen 6 Schuh heraus. 

Der szfte oder lezte Quartalbericht vom Jahr 1795 
meldet wenig Veränderungen auf dem Stoll N° 11. „in⸗ 
„den auf der Stroßenarbeit von Anfange October bis zu 
»Ende November ein 4 Schuh mächtiger Quarz und Horn⸗ 
„fein nachgeriſſen wurde, welcher oft ungleich mit mehr 
„oder weniger Schwefelkieſe eingeſprengt und mit dem Gnei⸗ 
„fe im Liegenden ziemlich feſt war: allein vor Ende dieſes 
„Monats lenkte ſich der Gang aus dem Hangenden wie 
„der herum, und richtete ſich allmaͤlig nach der vorigen 
„Stunde, welche wir nicht aus der Acht lieſſen, ſo daß 
„der Gang wohl noch im Hangenden anſtund, wir aber 
„auf dem Stroßſtoße wieder 2 Schub Quarz und Horn 
„fein hatten, welche am Ende des Quartals noch ſtets 
„mit viel Schwefelkies und / Zoll ſchwacher Erze eins 
ygeſprengt waren. Hier kamen in dieſem Quartale in 76 
» Schichten zu 10 Stunden 240 Cubikſchuh heraus. Beym 
» Vorort No ır, waren in der erſten Hälfte October Quarz 
„und Hornſtein 4 Schuh mächtig, mit vielem Schwefel 
„ kieſe und / Zoll ſchwachen Bleyerzen eingeſprengt, und 
»fowohl der Gang als das Nebengeſtein etwas milder als 
„im vorigen Gedinge. In der zweyten Hälfte dieſes Mo⸗ 
„nats wurden beyde wieder feſter; der Hornſtein, welcher 
„zuvor mit dem Quarz vermengt war, verlor ſich mit den 
„Erzen; der Quarz für ſich aber wurde 4 Schuh maͤch⸗ 
„tig, und war mit 8 Zoll Schwefelkies ſtark eingeſprengt. 
„Im Anfange November wurde der Quarz ſchon 5 Schuh 
„mächtig, und da man wegen uͤberfluͤßiger Weite des Orts 
„den Gang nicht ganz durchſchießen konnte, blieb ſowohl 


u © 


283 


„im Hangenden als Liegenden noch viel Quarz anſtehen: 

„Hierbey gewann man nebſt 10 Zoll Schwefelkies auch 
„wieder 1 Zoll ſtark eingefprengte Bleyerze. In der lezten 
„Hälfte dieſes Monats verlor ſich der Kies ſamt den Erzen 
„ beynahe ganz; der Quarz wurde zugleich um einen Schuh 
„ſchmaͤler und wieder feſter, jedoch hatten ſich am Ende 
„auf dem Liegenden von der Sohle herauf 3 Zoll Spath 


„angelegt. Im Anfange December blieb der Quarz, der 


„nun wieder um 4 Zoll mächtiger wurde, ſamt dem Ne 
„bengeftein gleich feſt; der Spath aber verſtaͤrkte ſich bald 
„und wurde endlich 8 Zoll mächtig. Man gewann 1/2 
u bis 1 Zoll ſchwach einge ſprengte Erze und fand nur ſelten 
„noch etwas weniges an Schwefelkies. In der andern 
„Hälfte dieſes Monats wurde der Gang ſchmaͤler: es 
u bildete ſich wieder ein Gemeng von Quarz und Hornſtein, 
„welches 3 Schuh mächtig und noch immer mit 1/2 Zoll 
„ ſchwachen Erzen eingeſprengt war, auch der Spath war 
„nur noch -s Zoll maͤchtig, und außer dieſem blieben Quarz 
„und Hornſtein ſamt dem Nebengeſtein ſtets gleich feſt. 
„In 401 Schichten zu 8 Stunden kamen 702 Cubic fuß 
heraus.“ 

Der Faſte Grubenbericht vom erſten Quartal 1796. 
meldet folgendes: „Wir hatten auf der Stroße Ne 11. 
„ in der erſten Halfte des Jenners 2 Schuh Quarz und 
„ ein ganz ſchmales Spathtruͤmmchen; mehr Quarz ſtand 
„ noch im Hangenden. In der lezten Hälfte dieſes Mo⸗ 


. „hats vermehrte ſich der Quarz um 1 Schuh, obgleich 
e der im Hangenden noch nicht ganz durchbrochen war: 
I der Spath hingegen verlor ſich, und den ganzen Mo: 


„nat hindurch waren Gang und Nebengeſtein gleich feſt. 
„In den erſten Tagen Februars wurde der Gang wieder 
„ ſchmaͤler, feine Maͤchtigkeit kam auf 2 Schuh; etwas 
v Hornſtein und Schwefelkies mengte ſich mit ein, und 


284 


„machte das Geſtein ſehr hart und unbruͤchig. In der 
„lezten Haͤlfte Februars theilten ſich Quarz und Horn⸗ 
„fein in 2 Trümmer, wovon jedes 10 zo mächtig, mit 
„etwas Schwefelkies eingeſprengt, das uͤbrige Gangweſen 
„mit vielem Gneis vermengt war. Hier waren aber Gang 


z und Rebengeſtein wieder etwas milder. Im März vers 


„lor ſich ſchon Anfangs wieder aller Gneis aus dem Gang 


„und ſo wie derſelbe abnahm, vermehrte ſich der Quarz 


„bis auf 3 Schuh, und nach und nach legte ſich auch 1 
„Schuh Schwerſpath an, der aber bald wieder ſchmaͤler 
„wurde und ſich zulezt gaͤnzlich verlor; der Quarz hinge⸗ 
„gen blieb 3 Schuh mächtig, und es hatte ſich auf dem 
„Liegenden ein Blatt von Gneis angelegt, worauf der 
„Gang abloͤste: allhier kamen in dieſem Quartale durch 
„ 170 1/2 Schichten zu 1o Stunden, 456 Cub iefuß heraus. 
„Beym Vorort Ne 1x. fanden ſich in der erſten Hälfte 
„Januars 3 Schuh Quarz und 4 Zoll Spath, beyde aber 
„ohne Erze. Hier war das Hangende vom Gange frey. 
„ geſchoßen, auf dem Liegenden aber ſtund noch mehr 
„Quarz an: in der erſten Haͤlfte dieſes Monats wurde 
„der Quarz 4 Schuh mächtig, der Spath hingegen um 
„1 Zoll ſchmaͤler, wobey doch wieder eingeſprengte 
„Spuren von Erze brachen. Man ſchoß ein Blatt auf) 
„welches anfaͤnglich 2 Schuh hoch von der Ortſohle, in 
„einer horizontalen Lage mitten durch den Gang ſezte und 
„etwas Waſſer brachte. Durch dieſen Wechſel glaubten wir 
„ auf eine Kluft zu kommen: nach einigen Schuhen aber 
„erhob ſich das Blatt allmaͤblig in die Firſte, verlor ſich 
„mit dem Waſſer, und wir erreichten wieder ganzes Geſtein. 
„In der erſten Haͤlfte Februars hatten ſich zu dem 4 Schuh 
„mächtigen Quarze einige Neſter Schwerſpath angelegt, 
„die aber zuweilen verſchwanden und ſich dann im Gange 
„ zerſtreut wieder bald mächtiger bald ſchmaͤler anleg⸗ 


1 


.- 2 


255 
„ten: Sowohl im Quarz als im Schwerfpath gewann 
„man zuweilen ½ Zoll ſchwach eingeſprengte Bleyerze. 
„In der zweyten Haͤlfte dieſes Monats blieb der Quarz 
„4 Schuh maͤchtig; die Spaͤthneſter aber bildeten 3 ſchma— 
„le Truͤmmchen, und auf einmal war die ganze Ortweitung 
„mit ſchwachen Erzen eingeſprengt; allein bald legte ſich 
„ein 6 Zoll maͤchtiger Bergkeil an, der den Gang nach und 
„nach in etwas verwirrte, ſo daß am Ende des Monats 
„hier noch 4 bis 5 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze vor⸗ 
„handen waren. In der erſten Haͤlfte des Merzen ſezten 
„die 3 Spathtruͤmmchen ins Hangende, der Bergkiel verlor 
y ſich wieder gänzlich, und in dem 4 Schuh mächtigen Quarz 
„wurden noch 3 —4 Zoll ſchwach eingeſprengte Erze 
„gewonnen: gegen das Ende des Monats veraͤnderte 
»fich der Quarz ſo, daß er von einer ganz andern Art 3 
„Schuh maͤchtig, noch feſter als vorher und nur noch 
„mit ½/ Zoll ſchwachen Erzen eingeſprengt war. Hier 
„kamen in dieſem Quartale durch 439 Schichten zu 8 
„Stunden 744 Cubicſchuh heraus. Die Unterſuchung der 
„Nebentruͤmmer wurde durch 2 Bohrlöcher im Haus 
„genden veranſtaltet: das erſte derſelben, auf Stollen 
„Ne 1, ſteht 33 Schuh vom Querort Af gegen Nord, 
„wurde mit No 1. bezeichnet, und auf 5 Schuh 9 Zoll 
„ hineingetrieben. Nach 4 Schub im Hangenden entdeckte 
„man ein 4 — Zoll maͤchtiges Quarztrumm mit Bley⸗ 
„erz und Schwefelkies, welches wahrſcheinlich das gleiche 
„it, womit der Querort A f nur 1 Schuh vom Gange 
„ aufgeſchoßen worden, dort aber 10 Zell mächtig war. 
„ Hinter dieſem Trumm konnte aber bis zu Ende des 


V Bohrlochs nichts mehr entdeckt werden. Das zweyte 


„ Bohrloch Ne 2. ſteht 75 Schuh von Ne 1, gegen Nord, 
„und wurde 6 Schuh tief, wobey aber nicht. das geringſte 
» weber von Quarz noch Spath verſpuͤrt wurde. Ein Be 


286 


„ weis, daß, nachdem auf dem Querort durch das uͤberſe— 
z zende Trumm Af der Quarz nur 1 Schuh vom Gans 
2 ge und der Spath in 3 Schuh aufgeſchoßen, und hier 
„auf dem erſten Bohrloch der Quarz erſt in 4 Schuh 
„bom Gange, der Spath aber gar nicht mehr entdeckt 
5 beyde ſich entweder verlieren, oder weiter vom 
* Gange abſezen.“ 

Dem ssften Grubenberichte zufolge „hatten ſich auf 
„der Stroße No 11. in den erſten 14 Tagen Aprils 1/2 
„Zoll ſchwach eingeſprengte Erze, und zugleich noch et⸗ 
„was Hornſtein zu dem vorherigen Quarze angelegt, fo 
„daß der Gang bis auf 4 Schuh maͤchtig, im Hangenden 
„und Liegenden aber ſehr feſt wurde. In der lezten Hälfte 
„ Aprils verloren ſich die Erze wieder; der Gang aber 
„blieb gleich maͤchtig, und mit dem Nebengeſtein gleich 
5 feſt und ohne Veränderung. In der erſten Hälfte Mays 
legten ſich abermal / Zoll ſtark eingeſprengte Erze, und 
„mit denſelben viel Schwefelkies im Quarz an, welche beys 
„de, fo wie der Gang in feiner Maͤchtigkeit und Feſtigkeit 


„bis ans Ende des Monats ohne Veraͤnderung blieben. 


„Anfangs Juni lenkte ſich der Gang wieder etwas ins 
„Hangende und konnte der geraden Richtung des Stol⸗ 
„ lens wegen nicht sans durchgeſchoßen werden: dem 
„ungeachtet waren der Quarz und Hornſtein auf der Stros 

„ße immer noch 3 Schuh mächtig, welche gleich feſt und 
„mit 2 Zoll Schweſelkies und / Zoll ſchwachen Erzen 
„eingeſprengt anſtunden. In der andern Haͤlfte dieſes 
„Monats hatten ſich die Erze ſchon wieder verloren, und 
„an deren Stelle ſich viele Blende zum Kies angelegt. 
„Der Gang aber, welcher noch immer aus Quarz und 
„Hornſtein beſtund, und gleich mächtig blieb, wurde bis, 
„zur Geding⸗Abnahme wieder etwas milder. Hier far 
„men in dieſem Quartale in 174 Schichten 38 Cubic fuß 


287 
„heraus. Bey dem Vorort Ne 11. verſchmaͤlerte ſich der 
„Quarz ſchon in den erſten 14 Tagen Aprils um einen Schuh, 
„waͤhrend dem 2 nur 1/2 Zoll mächtige Quarztruͤmmchen 
u ins Hangende hinaus ſezten, fo daß der Quarz im Durch» 
„ſchnitte nur noch 2 Schuh maͤchtig, nun aber mit 4 Zoll 
„Bleyerzen ſtark eingeſprengt war: daneben war der Gang 
„ ziemlich muͤrbe; das liegende Gneisgebirge aber ſehr zaͤhe ! 
„und unbruͤchig. In der andern Haͤlfte Aprils blieb der 
„Quarz 2 Schuh mächtig, und es wurden in deinfelben 
„ allmaͤhlig 12, 16 bis zo Zoll ftarf eingeſprengte Erze ge⸗ 
„wonnen. Am Ende des Gedings ſchoß man unten auf 
„der Sohle durch eine Abloͤſung etwas Waſſer auf, und 
„erhielt zugleich wieder 2 Zoll ſtark eingeſprengten Schwe⸗ 
„felkies. In der erſten Hälfte des May veredelte ſich der 
„Gang noch ſo, daß wir nicht allein viele derbe Neſter, 
„ fondern 2 Schuh ſtark eingeſprengte Erze (fo mächtig 
„jetzt der Gang war) gewinnen konnten. Allein bald darauf 
„theilte ſich der hoffnungsvolle Gang in 3 Trümmer, die 
„Erze nahmen allmaͤhlig wieder ab, und in der Mitte des 
„Monats waren dieſelben noch 10 Zoll ſtark eingeſprengt. 
„In der lezten Haͤlfte des May wurden nicht allein auch 
„diefe Trümmer wieder ſchmaͤler, deren jedes nach und 
„nach auf 6 Zoll kam; fondern man gewann in denſelben 
„uͤberhaupt nur noch 2 bis 4 Zoll ſtark eingeſprengte Erze, 
„wo ſowohl das Geſtein im Hangenden und Liegenden, 
„als auf dem Gange ſelbſt, wieder feſter als im vorigen 
„Gedinge war. Anfangs Juni theilte ſich eines jener 
„Trummer noch in 2 Theile, fo daß wir nun 4 Truͤmmer 
„zu verfolgen hatten, welche ungleich 2 bis 4 Zoll maͤchtig 
v» waren, und überhaupt nur noch 1 bis 2 Zoll ſchwach ein: 
n geſprengte Erze gaben. Indem ſich dieſe 4 Haupttruͤm— 
mer noch merklich verſchmaͤlerten, festen abermals; 
„Quarztrummchen, jedes / Zoll mächtig, ins Hangende, 


288 


u wobey die Gangmaſſe etwas milder aber ſehr unbruͤchig 
„war. Gegen End Juni keilten ſich 2 von dieſen Gang⸗ 
„trümmern allmaͤhlig ganz aus, und die beyden uͤbrigen, 
„worinn man wenig Erze mehr fand, verſchmaͤhlerten ſich 
„bis auf einen Zoll jedes. Jetzt war der Ortſtoß, welcher 
„meiſtens aus Gneis beſtund, an verſchiednen Stellen mit 
„etwas Quarz gemengt, der aber nicht anhielt; doch ſchien 
„es, als wenn ſich auf dem Liegenden wieder ein neues 
„Trumm von Quarz und Spath anlegen wollte. Hier 
„kamen in dieſem Quartale durch 414 Schichten 690 
„Cubicſchuh heraus. Ein neues Bohrloch Ne 3. im Lies 
„genden zu Unterſuchung der Nebentruͤmmer ward 13 
„Schuh vom Bohrloch No 2. gegen Nord angebracht und 
„6 Schuh tief getrieben, aber es zeigte nicht die geringſte 
„Spur von Quarz oder Spath. Zu Fortſetzung des 
„Tragwerks wurden auf dieſem Stollen 33 Paar Buͤhnlöͤs 
„cher und Aufaͤlle geſchlagen.“ 2 

Der söfle Grubenbericht zeigt an „daß die Stroße 
„No 11. im dritten Quartal 1796 wenig vorruͤckte, indem 
„in 71 Schichten von 8 Stunden nur 44 Cubicſchuh her⸗ 

„ auskamen. Der Gang und das Nebengeſtein blieben 
„ungefähr fü, wie fie im vorigen Bericht angezeigt worden. 
„Beym Vorort No 11. hatten wir im Anfange Juli im 
„Ortſtoße zwey 1 Zoll mächtige Quarztrummer, und zu 
„ denſelben legte ſich ſowohl auf der Sohle, als oberhalb 
„im Liegenden, noch etwas Quarz und Spath an, welche 
„Gangſpuren wir verfolgten, bis 2 Blatter aus dem Hans 
„genden und eines aus dem Liegenden dieſelben plotzlich 
„ins Nebengeſtein ausdruͤckten. Gegen End Juli ſtand 
„der Ort in bloßem Gneis: auf einmal ſchoß man wie⸗ 
„der 6 Zoll Quarz auf, welcher mit etwas Gneis gemengt 
„und mit 2 Zoll Eczen ſtark eingeſprengt, aber durch ein 
„neues Geſchiebe wieder groͤßtentheils abgeſchnitten wurde. 


283 
„ Anfangs Auguſts zeigten ſich im Ortſtoße hin und wieder 
z noch einige zerſprengte Quarzſpuren, die aber nie anhiel⸗ N 
„ten, ſondern bald wieder verſchwanden, fo daß man auf 
„ bloßem Gneis auffahren muß te, welcher bis zu Ende des 
„Quartals bald feſter, bald milder wurde. Bey dieſem 
„ Vororte kamen in 319 Schichten zu 8 Stunden 738 Eus 
bikfuß heraus. 
„Um zu unterſuchen, ob die verſchobenen Gangtruͤm⸗ 
2 mer auf einer Seite allein oder auf beyden im Hangen⸗ 
„den und Liegenden vertheilt lagen, wurden 4 Suchbohr⸗ 
„loͤcher angelegt: zu dieſem Ende hat man allbereit 3 
„Schuh hieher der Verſchiebung des Ganges 3 Schuh 
„tiefe Bohrloͤcher angebracht, wo das eine im Liegenden 
„mit No 4., und das andere gegenüber im Hangenden 
„ mit Ne 5. bezeichnet worden. Von Ne 4. erhielt man bis 
„auf 2 Schuh hinaus ſtarke Quarzſpuren, unter denen 
„aber dennoch etwas Gneis war: in den übrigen 3 Schuh 
„hingegen fand ſich nichts mehr von Gangarten. Von 
„ Ne 5, wurde von Anfang bis zu Ende ein Gemeng von 
„Quarz und Gneis erbohret, worin aber mehr von lez⸗ 
„ termin als von erſterm ſich zeigte, und alſo nicht beſtimmt 
„werden kann, ob der Quarz wirklich vom Gange, oder 


„nur von zufälligen Quarzdruſen aus dem Gneis her, 


* 


„komme. 2 

Der 5 7ſte Grubenbericht ſagt: „Das Vorort No ut. 
„war das ganze Quartal mit 4 Mann auf 2/3 belegt; 
„es kamen in dieſem Quartale in 296 achtftiindigen Schich⸗ 
„ten 28 1/2 Fuß Länge, 4 Fuß Breite, 6 Fuß Höhe; 
„folglich überhaupt 684 Cubikfuß heraus. Man fuhr mit 
zdieſem Orte bis Mitte November in dem im vorigen Be⸗ 
„richte angezeigten rohen und feſten Gneisgebirge auf: 
„es wurden zwar im October einige Geſteins-Abloͤſungen 
„überfahren mit verſchiedenen Verfſaͤchungen. Im Nds 

ar Bd. f T. f 


i \ 


290 


u vember kamen wir endlich unter jener mächtigen Schlucht 
„hindurch, welche das Haurigebirge von dem Ste— 
„genblatten-Gebirge am Tage von einander ſchei⸗ 
„det. Hier veraͤnderte ſich die Natur der Gebirgsart ſehr, 
„indem die ſich ſonſt von Oft in Weit verflaͤchenden Ab» 
„löfungen deſſelben entgegengeſezt von Weſt in Oft ver⸗ 


„ flaͤchten, und überhaupt das Geſtein um ſehr vieles mil⸗ 


„der ſich befand, ſo daß zu erwarten iſt, daß wir jenes 
„vorher gehabten rohen Geſteins auf immer los ſeyen. 
„Waͤhrend man in dieſem rohen Geſtein den Arbeitern 
„für das rofchuhige Lachter bis 86 Kronen (zu 25 Bas 
„zen) bezahlte, verdienten ſie kaum ihren Unterhalt, wo 
„ſie doch jezt bey dem Verdingpreis von 70 Kronen per 
„Lachter ihr hinlaͤngliches Auskommen verdienen. Man 
„bemerkte dieſe Geſteins-Veraͤnderung ſowohl als die 
„Vertheilung des Ganges fehon zu Tage. Nun hat es 
„ das Anſehen als ob in der Teuͤfe die nehmlichen Verhaͤlt— 


„niße ſtatt faͤnden. Wir haben freylich den Hauptgang 


„noch nicht, ſondern ſtecken jezt mit unſerm Vorort, aller 
„bisherigen Erfahrung gemäß, zwiſchen feinen beyden am 
„Tage ſichtlichen Trümmern, welche erſt nach 1s Lachs 
„tern in dem Stegenblatten-Gebirge am Tage 
„wieder zuſammen kommen. Um alſo unſern Hauptſtol⸗ 
y len nicht durch eine ſchnelle Kruͤmmung fuͤr den zukuͤnfti⸗ 
„gen Gebrauch zu verderben, laſſen wir ihn in gleicher 
„Richtung noch fortlaufen, bis wir auf den Punct kom⸗ 
„men, wo beyde Trümmer fich wieder vereinigen. Dies 
„fer Vereinigungspunct ſcheint nicht mehr fern zu ſeyn, 
„indem wir ſchon in dieſem Monat einige Gangfpus 
„ren erhielten, und nachdem man zuvor 2 Geſteinsabloͤ⸗ 
„fungen überfahren, oberhalb im Einbruche aus dem Lie, 
„genden ein Gemenge von Quarz und Spath aufſchoß. 
„Im December wurde das Geſtein von Zeit zn Zeit mil⸗ 


— 


291 


„der und leichter zu gewinnen: im Anfange verlor ſich 
„das Gemenge von Spath und Quarz, allein etliche Schich⸗ 
y ten nachher legte ſich aus dem Liegenden her etwa 4 bis 6 
„Zoll Quarz und Spath mit Schwefelkies und Blende an, 
„welche bis in die Mitte des Monats anhielt: nachher 
y trennte fich der Spath eines Meſſerruͤckens ſtark vom Quarz 
y ab, bildete ein beſonderes Truͤmmchen, das gegen die Mitte 
„des Orts ſtrich; der Quarz hingegen vermengte ſich mit 
„vielem Gneiße und blieb auf dem Liegenden. Die Stroße 
„Ne 11. war dieſes Quartal nur im November mit 2 
„Mann auf ı/z belegt: der Gang und das Nebengeſtein 
„blieb immer gleich. Auf dieſer Arbeit kamen nur s 3/4 
„Fuß in der Länge, 4 Fuß in der Breite, 5 Fuß in der 
„Höhe, mithin 115 Cubikfuß in 29 zehenſtuͤndigen Schich⸗ 
„ten heraus. Man hatte 2 Schuh Quarz und Hornſtein 
„mit 3 Zoll ſtark eingeſprengtem Schwefelkies, wobey noch 
„ſtets mehrerer Quarz auf dem Hangenden ſtehen blieb, 
„der wegen überfiügiger Stollenweitung nicht ganz erbro— 
„chen wurde. Am Ende des Quartals waren noch Gang 
„und Nebengeſtein gleich feſt. | | 
Zur Unterfuchung des Nebengeſteins wurden noch 
„zwey 5 Schuh tiefe Bohrloͤcher angelegt, welche von 
„Ne 4. und 5. des vorigen Quartals, 1 Lachter gegen 
„Nord zu im Hangenden und Liegenden zu ſtehen kamen: 
„man entdeckte aber durch ſie keine Spuren von Gang⸗ 
„maſſe; was man von Quarz fand, kann man wegen 
„der ſtarken Vermengung mit Gneis vielmehr zufälligen 

„Quarzneſtern als foͤrmuchen Gangtruͤmmern zuſchreiben.“ 
Dier zzſte Grubenbericht vom erſten Quartal 1797 ſagt: 
„ Auf dem Vorort Nr. gieng Anfangs Januars das 
p im vorigen Bericht angezeigte Spathtruͤmmchen wieder 
hbverlohren, und der etwas feſter gewordene Gueis war 
„nun auf dem Liegenden mit etwas Quarz und eingeſpreng⸗ 
s * 


292 


„tem Schwefelkies gemengt. In der zweyten Hälfte des 
„Monats ſchoß man im Einbruche wieder 3 Zoll Quarz 
„auf, welcher jedoch bis zu Ende des Monats bis auf 2 
„Zoll abgenommen; doch zeigten ſich ſowohl in dieſem als 
„in einem andern neu aufgeſchoßenen Quarztrümmchen 
„auf dem Liegenden Erzſpuren mit Schwefelkies ge» 
„mengt, und das Geſtein bekam das Anſehen, als wenn ſich 


„nach und nach mehr Gangart anlegen wollte. Im 


„Februar wurde wentg hier gearbeitet, und es fiel nichts 
„Erhebliches vor. Diesmal wurden vor dem Vorort nicht 
„mehr als 152 achtſtuͤndige Schichten gemacht, dennoch 
„kamen 153 / Fuß nach der Lange, 4 nach der Breite, 
„6 nach der Höhe, alſo 378 Cubicfuß Geſtein heraus. Auf 
„der Stroße beſtund der Gang aus 4 Schuh Quarz und 
„1 Zoll Schwerſpath, in welchem einige Spuren von Erz 
„auf dem Liegen den, insbeſondere 2 bis 3 Zoll eingeſpreng⸗ 
„te Schwefelkieſe anſtunden. Der Gang ſowohl als das 
„Nebengeſtein waren durchaus feſt. Im Februar wurde 
„ in 3 / Schuh Quarz und 6 Zoll Schwerſpath mit 2 
„Zoll ſtark ein geſprengten Erzen gearbeitet; der Gang 
„war aber noch weit mächtiger, indem auf dem Hangen⸗ 
„den noch viel Quarz mit eingeſprengtem Schwefelkies an⸗ 
„ſtehen blieb; auf dem Liegenden hingegen, wo er durch⸗ 
„ſchoßen ward, zeigte ſich der Gneis etwas kluͤftig, gegen 
„Ende die ſes Monats lenkte ſich der Schwerſpath ganz 
„aufs Hängende, der Quarz aber ward 4 Schuh mächtig 
„und man gewann in demſelben s Zoll ſchwach eingeſpreng⸗ 
„te Bleyerze. Im Merz ſchoß man auf dem Hangenden, 


„in dem darauf anſtehnden Quarz und Schwerſpath et⸗ 9 


„was Waſſer auf; man gewann in dem 4 Schuh maͤchti⸗ 


„gen Quarz 2 bis 4 Zoll ſchwach eingeſprengte Bleverze: 


„Endlich warf ſich der Gang auf einmal ſo ſtark ins Han— 


„gende, daß unten auf der Sohle nur 2 Schuh Quarz 
“ 


* 


2 


4 
1 


! 


293 
„ſtund, waͤhrend er oben auf dem 5 Fuß hoͤhern Stroßſtoße 
„4 Schuh maͤchtig war. Gegen End Merz richtete ſich 
„der Gang wieder in ſeine vorige Flaͤchung, ſo daß der 
„Quarz auf der Sohle und oben auf dem Stroßſtoße gleich 
„4 Schuh maͤchtig war. Von der Sohle herauf legte ſich 
„wieder 6 Zoll Schwerſpath an, der aber nicht lange an⸗ 
„hielt. Jetzt wurde Hangendes und Liegendes freyge— 
„ſchoßen um jede Veraͤnderung im Auge zu haben: allein 
„man verfolgte den Gang in gleicher Maͤchtigkeit bis auf 
„den Erzpunct, der letztes Jahr im April und May mit 
„dem Vorort überfahren wurde, ohne daß etwas von dem- 
„ſelben abſetzte. Ueber dieſen Erzpunct hatten wir theils 
„4 bis 5 Zoll derbe, im Durchſchnitt aber 18 bis 24 Zoll 
„ſtark eingeſprengte Bleyerze, die in ſolcher Mächtigkeit 
„aber nicht lange anhielten, ſondern ſich allmaͤhlig ver' 
„ſchmaͤlerten und am Ende des Monats auf dem Han⸗ 
„genden nur noch 2 Zoll ſtark eingeſprengt, in der uͤbrigen 
„Gangmaſſe aber nur ſchwach eingefprengt anſtunden. Am 
„Schluße des Quartals fand man ſich mit der Stroße 
„nur noch 16 Fuß von dem Puncte entfernt, wo der Gang 
„durch die beym Vororte angezeigten Klüfte verſchoben 
„oder verworfen wird, ohne daß ſich eine Veraͤnderung 
v zeigte, die auf dieſen Gegenſtand Bezug haben könnte: Hier 
„kamen 55 1½ Fuß in die Länge, 4 Fuß in die Breite, und 
„5 Fuß in die Höhe, alſo re Cubicfuß heraus. 

Dem syiten Grubenbericht zufolge „ verſchmaͤlerte ſich 
vim Anfang Aprils der Gang auf der Stroße immer 
„mehr, und zwar vom Hangenden gegen das Liegende 
» bis auf einen Schuh, auch die Erze verloren ſich nach und 
„nach meiſtens, und als man gegen Ende des Monats 
„mit der Stroße bis an die Verſchiebung des Gebirgs⸗ nach⸗ 
„gerückt war, und kaum das erſte Blatt von dieſen Ge‘ 
1 ſchieben aufgeſchoßen hatte, ſo wurden nicht nur alle Spu⸗ 


294 N 


ren vermißt, fondern auch der bisher gehabte mit Gneis 
„gemengte Quarz vollends abgeſchnitten. In dieſem Quar⸗ 
„tale kamen an der Stroße 78 Fuß Länge, s Fuß Höhe, 
„und 4 Fuß Breite heraus, und die Stroße war am Quar⸗ 
„talſchluß auf ein Lachter an das Vorort nachgeſchoßen. 
„Es wurden noch 27 Paar Buͤhnloͤcher und Anfaͤlle zur 
» Fortſetzung des Tragwerks eingehauen. ” 

Dieſer lezte dem Publicum durch den Druck bekannt 
gemachte Grubenbericht enthaͤlt noch folgende Anzeige: 
„Wann wir nun die beym Nachſchietzen der Stroße ges 
„machten Erfahrungen mit denen zuſammenhalten, welche 
„auf dem Vorort gemacht wurden, ſol ergiebt ſich daraus ein 
„ wichtiges Reſultat. Als das Vorort vom lezten Erzpunct 
„hinweg gegen die Stelle verfolgt wurde, wo der Gang 
v verſchoben war, verloren ſich einige / und „½ zoͤllige 
„ Quarztruͤmmer, welche zum Theil vom Gang hinab in 
„das Hangende hinaus ſezten, zum Theil ſich auch wirklich 
v auskeilten. Hingegen in der Sohle, wo man die gleichen 
„Stellen mit der groͤßten Aufmerkſamkeit uͤberfahren hatte, 
y» und Hangendes und Liegendes beyſchoß, verlor ſich von 
der Stelle an, wo der Gang am maͤchtigſten und ſchoͤn⸗ 
y ſten war, auch das Geſchiebe vom Trumm: woraus 
„ ſich deutlich die nicht unguͤnſtige Folge ergiebt, daß die 
ehemals im Vorort abgeſetzten und ausgekeilten Quarz⸗ 
y truͤmmchen wenig oder keinen Bezug auf die Verlierung 
„des Ganges haben koͤnnen, ſondern daß die Urſache des 
„verlornen Gangs im Grund einzig den im Gebirge er⸗ 
„folgten Geſchieben zugeſchrieben werden kann. Eben. dies 
„fer Gebirgsverſchiebung wegen, und da man nicht ge. 
„ wiß iſt, in welcher Richtung der Gang mit dem Vorort 
„fortläuft, — ob nicht vielleicht parallel? wurde mit 
„dem Arbeiten auf der Stroße und Vorort No 11. ein⸗ 
„ gehalten und dagegen 2 Querſchlaͤge durch das Neben⸗ 


' 295 
„ geſtein auf dem Gang zu machen erkannt, damit man 
„erfahre, ob man mit dem Vorort fernerhin auf gleicher 
„Stunde auffahren, oder ſich mit demſelben auf die eine 
„oder andere Seite wenden ſolle, welche Arbeit gleich im 
„ Anfange des künftigen Quartals mit 2 Querſchlaͤgen, die in 
y der Höhe des Tragwerks anfangen, und 6 Schuh hoch und 
„3 Schuh breit ſeyn werden, vorgenommen werden wird.“ 

Die im Archiv des Comites der Gewerkſchaft vorhand⸗ 
nen ſchriftlichen von Hr. Bergverwalter Schlatter ver⸗ 
faßten Grubenberichte enthalten folgende Angaben uͤber 
die Fortſetzung dieſes Bergbaus. 

„Die Querſtollen zur Aufſuchung des verlornen Gan⸗ 
„ges wurden auf dem lezten Geſchiebe, welches den Gang 
y vollends abgeſchnitten oder verſchoben hatte, angefangen; 
„ der Querſtoll im Hangenden ward mit No 26,, derjenige im 
„Liegenden No 27. bezeichnet. Auf Ne 26. arbeitete man 
„auf einem nicht ſehr feſten Gneis, ohne Veraͤnderung: 
„gegen End Auguſt 1797. überfegte ein Geſchicbe, wel— 
„ches auf der Sohle ein wenig Waſſer und eine neue Ab: 
„löfung brachte: Im dritten Quartal dieſes Jahrs wurde 
„diefer Querſtollen 26 Fuß weit getrieben. Auf Ne 27. 
„wurde immer im Gneis ohne alle Veraͤnderung in Dies 
„ fen Quartal 23 Fuß weit aufgefahren. Es wurden zur 
„Fortſezung des Tragwerks im Stolle No 11. bis zum 
„Ende der Stroßenarbeit noch 15 Paar Buͤhnloͤcher und 
„Anfälle eingehauen, und das Tragwerk vollendet. 

v Im vierten Quartale des Jahrs 1797. wurde der 
„Querſtolle No 26. noch 19 1/4 Fuß weit ins Feld fortge⸗ 
„trieben, ohne irgend eine Veraͤnderung im Gneisgebirge 
„zu zeigen. Der Querſtolle No 27. wurde ebenfalls oh⸗ 
„ ne eine Veränderung anzuzeigen, 20 3/4 Fuß ins Lies 
„gende fortgeſezt, dann zeigte ſich auf einer waſſerfuͤhren⸗ 
„den Geſteins⸗Abloͤſung noch eine Gangart in bloßen 


296 


„AQuarzneſtern mit vielem Glimmer und Schwefelkießen, 
„welche aber, da ſich weder Schwerſpath noch Bleyerz 
„zeigten, nur auf 2 Fuß aufgeſchoſſen wurde, ohne daz 
„ihre ganze Maͤchtigkeit noch erbrochen war. 

„In der Nähe des Schachts No 10. im ſuͤdlichen Theil 
„des Stolls No ır., da wo der Querſtollen auf den Gang 
»„einkommt, wurde der in der Kruͤmmung befindliche Stoß 
„ weggeſchoſſen; bey dieſer Arbeit fand ſich ein 2 ı Schuh 
„mächtiger, weißer, feſter Quarz, der zwar gut brach, 
„aber nur hier und da mit ſehr wenig Erz ſchwach eine 
„ geſprengt war. 

„Auf dem Erzpunkt des Hauptſtollens, der ſich vor der 
2 gaͤnzlichen Zertruͤmmerung des Gangs gezeigt hatte, wur⸗ 
„de ein Abteuͤfen No 28., 7 Fuß in die Laͤnge, nach der 
„ganzen 4 Fuß betragenden Maͤchtigkeit des Ganges vorge, 
„nommen und; Fuß tief getrieben. Auf dem Liegenden, 
» wo ſich eine Geſteinsabloſung fand, ſtunden 2 Schuh 
„Gneis an, der mit einigen 1/4 und 1/2 Zoll mächtigen 
„Quarztruͤmmern durchkreuzt, aber ohne Erz war: von 
„ da aus gegen das Hangende ſtunden 2 Schuh feſter Quarz, 

„der mit etwas Schwerſpath gemengt und mit 1 bis 2 
„Zoll Bleyg lanz ſtark eingeſprengt war. Da nun die Erze 
„nicht mehr ſo maͤchtig in die Tiefe ſetzen, wie ſie auf 
„gleichem Punkt mit dem Vorort und der Stroße übers 
„fahren wurden, der Gang auch zugleich ſich ſtark ins Han⸗ 
„gende druͤckt und immer ſchmaͤler zu werden das Anſehen 
„bat, fo iſt zu vermuthen, daß die Erze von dem nahe 
„liegenden Geſchiebe elwas ruͤckwaͤrts verſchoben wurden. 

„Im Jenner 1798 wurde der im Querſtollen No 27. 
„entdeckte Gang in feiner ganzen Maͤchtigkeit von 6 Schuh 
„0durchſchoſſen: dieſe Gangmaſſe hat ſich durch eine Zwi⸗ 
u ſchenkluft in zwey Theile getheilt; der zuerſt durchſchoſſene 


„Theil beſtund aus Glimmer mit Quarzueſtern vermengt 


297 


„und war 4 Schuh mächtig: der andere Theil war ein 
„mit viel Quarz gemengter Granit, welcher mit 2 Li⸗ 
„nien ſtarken Schwefelkiestruͤmmchen durchſetzt und 2 
„Schuh maͤchtig war. Da nun dieſer Gang ganz durch⸗ 
brochen war, fo ließ man den Querſchlag nicht weiter 
„treiben, hingegen wurde auf dem neuen Gange ſelbſt, 
„ ſowohl gegen Suͤd als gegen Nord, durch zwey Oerter 
„No 29. Unterſuchung angeſtellt. Hier war man 4 3/4 
„Fuß ins Feld vorgeruͤckt. 

„Obwohl zum voraus einzuſehen war, daß dieſer neue 
„Gang kaum ſuͤdlich durch die Verſchiebungsblaͤtter Durch» 
„ ſetzen würde, fo war es doch noͤthig, ihn auch in dieſer 
„Richtung zu unterſuchen, um dadurch zu erfahren, wie 
y weit ſich derſelbe erſtrecke: hierbey zeigte es ſich aber bald, 
„daß alle Beſtandtheile dieſes Gangs, nachdem man nur 
„1 1 Schuh vorgeruͤckt war und das erſte Verſchiebungs⸗ 
„blatt durchſchoſſen hatte, rein abgeſchnitten wurden; und 
„auch bis auf 5 Schuh hinaus fand ſich vom Gange keine 
„Spur mehr; daher wurde dieſer Verſuchſtoll wieder vers 
5 laſſen.“ 

„Im Ort No 29. gegen Nord hatte ſich im Gegen⸗ 
„theil der neue Gang hoffnungsvoll gezeigt, indem die 
„Quarzneſter ſich nach und nach zu einem 3 Schuh maͤch⸗ 
„tigen Quarzgang vereinigten, der mit 1 Schuh Glim⸗ 
„mer auf einem ſchwarzen Gneis beſtimmt ablöste: auf 
„der andern Seite, wo ſich ein Gemeng von Quarz mit 
„ Granit angelegt hatte, konnte die ganze Maͤchtigkeit we⸗ 
„gen uͤberfuͤßiger Ortweitung nicht nachgeſchoſſen werden. 
„Nach einer nicht ſehr großen Strecke aber verlor ſich der 
„Glimmer und die beſtimmte Gangmaſſeabloͤſung gegen 
„die Firſt hinauf; die Quarzmaſſe wurde durch querſtrei⸗ 
„chende Geſchiebe groͤßtentheils auf die rechte Seite hin⸗ 
„ausgedruckt oder abgeſchnitten, und nur noch wenige 


298 


„Quarzſpuren mit den Schwefelkiestruͤmmchen ſtrichen im 
„Ort fort; das Geſtein hingegen wurde wieder etwas mil⸗ 
„der. Gegen Ende Merz vereinigten ſich jene Quarzſpu⸗ 
„ren mit den Schwefelkiestruͤmmern zu einem einzigen 4 
„ bis 6 Zoll mächtigen Trumm. Dieſer Verſuchſtolle ruͤckte 
„in dieſem Quartal 19 / Fuß ins Feld.“ 
„Das Abteüfen No 28. auf dem Erzpunkt im Baut 
5 ſtollen No 11. zeigte ein Niederlaſſen der im Gneis herum⸗ 
„ ſtreichenden Quarztruͤmmer auf dem Liegenden: der Haupt⸗ 
„gang aber, welcher ſich gegen das Hangende immer ver 
„ ſchmaͤlerte, verlor auch nach und nach feine Erze, fo daß 
„er bald nur noch 1 Fuß mächtig war und nur ſehr we⸗ 
„nig Erze eingeſprengt enthielt: dieſe Arbeit wurde daher, 
„nachdem ſie wieder mit 4 Fuß Weitung und 7 Fuß Laͤn⸗ 
„ge 3 ıf2 Fuß abgeteuͤft war, eingeſtellt.“ 
„Der Querſchlag Ne 26. im Hangenden wurde wie⸗ 
„ der belegt, weil man glaubte, es koͤnnte fich auf dieſer Sei⸗ 


„te, als im Hauptgebirge, welches in Bezug auf die hier 


„ vorgegangne Verrückung, am wenigſten gelitten haben 
„mag, der verlohrne Hauptgang am leichteſten wieder fins 
„den. Im Anfange wurde auf bloßem Gneis gearbeitet, 
„ der ziemlich feſt und unbruͤchig war; nachher erhielt man 
„auf der rechten Seite eine Spur von Quarz, und auf 
„der linken Seite eine waſſerfuͤhrende Abloͤſung; der Gneis 
„im Ort veränderte ſich nach und nach in Granit. Nach 
„dem man einige Zeit auf dieſer Gebirgsart ohne Veraͤn⸗ 
„derung fortgearbeitet hatte, wurde auf jener Quarzſpur 
„durch zwey Schußloͤcher ausgebrochen; es fand ſich aber 
„nichts anders, als ein ohne Erz mit dem Ort gleich ſtrei⸗ 
„chendes Quarztrumm, welches ungefaͤhr 3 Zoll maͤchtig 
„war und ſich bald wieder auskeilte; dagegen legte ſich 
„eine ſchiefe Ablöſung an; die Gebirgsart blieb unveraͤn⸗ 
„dert. Dieſes Ort wurde in dieſem Quartal 12 3/4 Fuß 
„ ins Feld vorgeruͤckt. 


299 


Im zweyten Quartal 1798 wurden auf den Verſuchar⸗ 
beiten des Stolls N° 11. folgende Erfahrungen gemacht: 
„Im Querſchlag No 26. im Hangenden erhielt man auch 
„zur linken Seite elne Geſteinsablöfung; nach und nach 
„wurde der Granit etwas feſter; die Ablöfung auf der 
„rechten Seite fiei weg; es fanden ſich zuweilen einige 
„Quarz⸗ und Schwefelkiesſpuren im Orte eingeſprengt; 
„endlich ſchoß man vor Ort etwas Waſſer auf, welches 
„von einem unbedeutenden kleinen Geſteinswechſel herkam; 
„alles übrige blieb unveraͤndert. Dieſes Ort ruͤckte in 
„dieſem Quartal 19 1/4 Fuß ins Feld. 

»Im Ort No 29.“ gegen Nord hat ſich das 4 bis 6 

„Zoll mächtige Gangtrumm auf die linke Seite! gezogen, 
„und fo ſtund im Ort nichts mehr herum, als ein feſter 
„Gneis. Nachher gieng auch dieſes Trumm an der linken 
„Seite verloren und das Geftein wurde immer feſter, Das 
„her wurde beſchloſſen, dieſe Arbeit zu verlaſſen, und da⸗ 
„gegen auf jener Stelle, wo im verfloßnen Quartal die 
„ querfallenden Geſchiebe überfahren wurden, welche den 
„meiſten Quarz auf die rechte Seite hinaus verſchoben has 
„ben, einen Verſuch zu unternehmen: dieſes Ort wurde 
„6 1/4 Fuß ins Feld vorgetrieben. An dieſer neuen Ver⸗ 
„ ſuchſtelle zeigte ſich bald, daß zwiſchen dem erſten und 
„zweiten Blatt der querſtreichenden Geſchiebe 1 Schuh 
„Quarz mit Glimmer und Schwefelkies auf die rechte 
„Seite ins Nebengeſtein hinaus ſetzte. Nach und nach nahm 
„ dieſer Quarz wieder an Maͤchtigkeit ab, und wurde end» 
„lich mit dem Glimmer durch die anhaltenden Geſchiebe 
y ſo ausgedruͤckt, daß nur noch einige Quarzneſter im Ort 
„herum zerſtreut waren, aber auch nicht mehr anhielten. 
„Dieſes Ort wurde in dieſem Quartal 11 1/4. Fuß weit 
„ins Feld vorgetrieben.“ N 

„Da, fuͤgt der Bericht hinzu, „hiemit nach vielfaͤlti⸗ 


300 


„gen Unterſuchungen der vom Ort N® x. verrückte Haupt⸗ 
„gang bisher im Nebengeſtein nicht wieder entdeckt wer⸗ 
„den konnte, und derſelbe wahrſcheinlich weder im Hans 
„genden noch Liegenden nicht mehr gefunden werden wird, 
„fo läßt ſich daraus ſchließen, daß dieſer vorgefallene Wech⸗ 
„ſel vielleicht nur eine Maſſe Gebirg, die den Gang durch⸗ 
„kreuzt, angelegt hat, und hinter dieſer Maſſe der Gang 
„lich dennoch wieder findet, indem es kaum moͤglich wäre, 
„daß ein Hauptgang von dieſer Art, der vom Querſtollen 
„an ungefaͤhr 430 Fuß bis auf jene Vorruͤckung verfolgt 
„worden, und durch alle vorigen maͤchtigen Kluͤſte richtig 
„durch ſetzte, ſich auf einmal verlieren koͤnne, ohne daß man 
»» denſelben auf irgend eine Art wieder finden muͤßte! In. 
„dieſer Rücklicht wurde beſchloſſen, das Vorort No 11. 
„weiter ins Feld zu treiben.“ 

Der Grubenberickt vom zten Quartal 1798 ſagt: „Die 
„noch 1 Lachter vom Vorort Ne sr, zuruͤckgeſtandne Stroße 
„wurde vor allem aus nachgeriſſen, wo man in einem feſten 
„Gneis einige Quarzneſter mit Bleyerzſpuren aufgeſchoſſen 
„hatte. Da jetzt die Stroße vom Stollen⸗-Mundloch an 
„bis vor Ort auf 625 1½ Fuß ebenſoͤhlig nachgehauen war, 
„ ſo beſchloß man, die Stroßenardeit einzuſteben, und nur 
„das Vorort zu Aufſuchung des Hauptgangs fortzutreibene 
„Im Vorort zeigten ſich vorzuͤglich im Liegenden, zuwei⸗ 
„len aber auch im ganzen Ort herum verſchiedne Spuren 
„bon Bleyglanz und Schwefelkies, die ſich in einem feſten 
„und ſtarkguarzigen Gneis vorfanden. Dann wurden 3 
„ querſtreichende Blatter überfahren, die in Ruͤckſicht auf 
„die Gangſpuren ohne weitere Folgen waren. Nachher 
„fanden ſich zwey 1 Zoll maͤchtige Quarztruͤmmer, die ſich 
„in der Mitte des Orts mit vielem Schwefelkieſe anlegten 
Hund in der mit dem Stollen angenommenen Richtung ges 

zy gen Norden fortſtrichenz fie zogen ſich bald darauf zuſam⸗ 


301 


„men und machten ein ſchoͤnes Quarztrumm aus, welches 
„nun, nebſt dem Quarz, mit Schwefelkies und Bleyglanz, 
„auch etwas Schwerſpath mit ſich führte, Am Ende Sep» 
„tember wurden abermals zwey neue Quarztruͤmmer mit 
„aͤhnlichen Spuren von Bleyglanz und Schwefelkies er⸗ 
„ langt; allein nur das eine ſtrich mit dem vorigen im Ort 
„ fort, und das andere ſetzte wieder ab, und ſtrich gegen 
„Oſt. Dieſes Feldort wurde mit 4 Fuß Breite und 6 
„Fuß Höhe 21 1½ Fuß weit in dieſem Quartal vorge⸗ 
„trieben. g 5 

Dem 4ten Quartalberichte 1798 zufolge „zogen ſich 
„anfänglich die verſchiedenen Truͤmmer vor Ort No ır, 
„aus dem Hangenden in der Firſte zuſammen, und mach⸗ 
„ten eine ſehr feſte Maſſe von 1 j Schuh Quarz und 
„» Hornſtein aus, die ſich aber nur bis ins halbe Ort her, 
„ abließ / aber mit vielem Schwefelkies und etwas Bley⸗ 
„ glanz eingeſprengt war; ſpaͤter legte ſich auf dem Liegens 
„den ein 1 Zoll maͤchtiges Quarztrumm an, welches ſchoͤ⸗ 
„nen Bleyglanz eingeſprengt hatte. Im November ſetzte 
„ein Theil der 1 / Schuh mächtigen Quarzmaſſe auf 
„ einer ſchief laufenden Abloͤſung ins Hangende; an deren 
„ ſtatt aber legte ſich aus dem Liegenden immer mehrere 
„Gangart von grauem Quarz an, der mit Schwefelkies 
„und Bleyglanzſpuren eingeſprengt war; das Geſtein war 
„übrigens bald feſter bald milder. Im December wurde 
v abermals eine Kluft überfahren, welche ziemlich viel Waſ⸗ 
„ ſer zugezogen, ſich aus Nord in Sud wirft und von Oſt 
„gegen Welt das Ort durchkreuzt; die Gaugſpuren biie- 
„ben aber alle unbeſchaͤdigt. Gegen das Ende des Jahrs 
vuͤberfuhr man eine zweyte Geſteinsabloͤſung, die noch von 
„ bemeldter Kluft herkam. Dieſe Abloͤſung verdruͤckte zwar 
„alle bisher gehabten Gangtruͤmmer wieder gänzlich, aber 
„bald darnach fanden ſich wieder ahnliche Quark = und 


302 


„Schwefelkiesſpuren im ganzen Ort herum eingefprengt, 
„»Das Ort wurde in dieſem Quartal 27 Fuß weit ins 
„ Feld vorgeruͤckt.“ 

Dem ıften Grubenbericht vom Jahr 1799 zufolge „ ſtuͤrz⸗ 
„te ſich im Jenner das Gebirge auf Stollort No 11. und 
„die Schichten ſielen aus Weſt in Of; dieſer Wechſel 
„benahm uns alle Gangart, und im ganzen Ort hatte ſich 
„ein ganz taubes Geſtein von ſchwarzem glimmerhaltigem 
„Gneis in Schichten angelegt; dieſe Schichten liefen ganz 
„unregelmäßig über und widereinander, und es zeigte ſich 
„keine Spur mehr irgend eines Ganges oder Trumms. 
„Nachdem man auf dieſe Art noch 6 3/4 Fuß weiter ins 
„Feld vorgedrungen war, wurde beſchloſſen, dieſes nord» 
„liche Feldort des Stolls No 11. zu verlaſſen, und dage⸗ 
„gen auf dem vorgerichteten füdlichen Stollort Ne ır,, wo 
„der Querſtolle den Gang erreicht, anzuſitzen, wo der 
„Gang 2 1½ Schuh mächtig in Quarz mit Schwerſpath 
„gemengt, auf gleicher Sohle anſteht; er enthielt von der 
„Sohle herauf, beſonders aber auf dem Liegenden, 1 Zoll 
„Bleyglanz, etwas Schwefelkies und Eiſenglimmer (2) 
„eingefprengt: auf dem Liegenden löste ſich der Gang auf 
„einem grauen Gneis ab; auf dem Hangenden aber war 
„ derſelbe auf einem etwas ſchwaͤrzeren Gneiſe, der in Gra⸗ 
„nit übergeht, angewachſen. Von hier an wurde der 
„Gang wechſelweiſe mächtiger und wieder ſchmaͤler; von 
„der Firſt herab zeigten ſich hin und wieder kleine Erzneſter 
„ und gegen die Sohle war der Gang mit ſchwachen Erzen, 
„Schwefelkies und Eiſenglimmer eingeſprengt. Im Han⸗ 
„genden wurde der Gneis ſehr zaͤhe und unbruͤchig. Im 
„Merz veredelte ſich der uͤber 4 Fuß maͤchtig gewordene 
„Gang ſo, daß eine ſchoͤne Parthie ſtark eingeſprengter, 
„zuweilen ſelbſt derber Neſter von Bleyglanz gewonnen 
„ wurden; Hangendes und Liegendes war auch etwas mil⸗ 


303 


„der und bruͤchiger geworden. Dieſes Ort wurde bis zum 
„Ende des Quartals mit 6 Fuß Hoͤhe und 4 Fuß Wei⸗ 
„tung 17 Fuß vorgetrieben. 

Im aten Quartal 1799 wurden auf dem ſuͤdlichen 
Ort des Stolls No 11. folgende Beobachtungen gemacht: 
„Der Gang war 4 Fuß maͤchtig und beſtand aus feſtem 
„graulich⸗ weißem Quarz, zuweilen mit etwas Schwer⸗ 
„ſpath gemengt, und auf der Seite gegen das Liegende; 
„am meiſten aber unten auf der Sohle immer mit ſchoͤ⸗ 
„nem Bleyglanz eingeſprengt; das Nebengeſtein im Han⸗ 
„genden war ein ſchwarzglimmriger feſter Gneis; im Lie» 
„genden ein etwas bruͤchigerer grauer Gneis. Der Gang 
„hielt in gleicher Maͤchtigkeit an und war durchaus mit 
„ſchwachen Bleyerzen, zuweilen aber neſterweiſe 2 bis 4 
„Zoll ſtark eingeſprengt: Gang und Nebengeſtein wurden 
„nach und nach etwas milder. Gegen Ende Mays ver⸗ 
„ ſchmaͤlerte ſich der Gang um einen Schuh, und aus der 
„Firſte legte ſich dem Liegenden nach eine Art Hornſtein, 
„aus der Sohle dem Hangenden nach hingegen ein = bis 
„4 Zoll maͤchtiges Spathtrumm an: man gewann 1 Schuh 
„ ſtark eingeſprengte, zuweilen 2 bis 4 Zoll derbe Bleyerze. 
„Im Juni verlor ſich zum Theil wieder der Spath; Quarz 
„und Hornſtein waren 2 1½ Schuh mächtig, wurden aber 
„etwas milder und lieferten meiſtens 1 bis x 1/2 Schuh 
„ſtark eingeſprengte Bleyerze. Gegen Ende des Monats 
„legte ſich der Schwerſpath allmaͤlig wieder 2 bis 4 Zoll 
„ſtark an; Quarz, Hornſtein und Spath zuſammen mach— 
„ten eine Maſſe von 3 Schuh aus, in welcher ungleich 
„ſtark eingeſprengte Bleyerze und viele neſterweiſe gewon⸗ 
»nen wurden: das Nebengeſtein uͤberhaupt, beſonders das 
„Liegende, welches aus einem grauen Gneis nach und nach 
„in einen unbruͤchigen Granit uͤbergieng. In dieſem Quar— 
„talimurde das Ort 30 1/2 Fuß vorwärts getrieben.“ 


304 


Dem dritten Quartalberichte zufolge „blieb im Jult der 
5 Gang von Quarz mit etwas Schwerſpath immerfort 3 
„Schuh mächtig; die Erze brachen anfänglich in Neſtern 
» bald mächtiger bald ſchmaͤler, und wurden nach und nach 
„1 Schuh ſtark eingeſprengt, und nahmen bald wieder 
„ab, Im Auguſt gieng der Quarz in einen grauen Horn⸗ 
u ſtein über, der mit Gneis gemengt war und allmaͤlig 4 
„Fuß mächtig wurde; der Schwerſpath verlor ſich, die 
„Erze wurden immer ſchwaͤcher und waren nur noch gegen 
„die Sohle herab s Zoll ſchwach eingeſprengt; ſpaͤter vers 
u ſchmaͤlerte ſich der Hornſtein bis auf 3 Fuß, die Erze bis 
„anf 2 Zoll, und Gang und Nebengeſtein wurden ſehr feit: 
„Im September hatte ſich wieder ein wenig Schwerſpath 
„und unter dem Hornſtein vermengt etwas Quarz ange 
„legt; an der Firſt war der Gang 2 1/2, in der Sohle 3 
„Fuß mächtig, mit 1 ıfa bis 2 Zoll Erzen ſchwach eins 
„geſprengt. Gegen Ende des Monats verlor ſich der Schwer⸗ 
ſpath neuerdings, Quarz und Hornſtein wurden feſter, 
„ blteben aber gleich 3 Schuh maͤchtig und waren mit x 
bis 2 Zoll Erzen ſchwach eingeſprengt. In dieſem Quar⸗ 
„tal wurde diefes Ort 32 ½ Fuß ins Feld vorgetrieben.“ 

„Im 4ten Quartal 1799 nahm gleich anfangs die Maͤch⸗ 
„tigkeit des Ganges in Quarz und Hornſtein von 3 Schuh 
„bis auf 2 Schuh ab, die Erze verloren ſich gänzlich und 
„Gang und Nebengeſtein waren ſehr feſt. Im November 
„erhielt der Gang im Hangenden eine Abloͤſung; aber der 
„Gang und das Nebengeſtein im Liegenden blieben ohne 
„Veraͤnderung. Gegen End November zeigten ſich Spuren 
„von Schwerſpath, und in einem 4 Zoll mächtigen Quarz⸗ 
5trumm ſchwach eingefprengte Bleyerze; der Gang wurde 
„wieder 3 Schuh mächtig und behielt auf dem Hangen⸗ 
u den feine Abloͤſung. Im December mengte ſich nach und 
y nach immer mehrerer Gneis unter den Quarz / und waͤh⸗ 


92 1 


303 
„tend die Gangmaſſe 4 Fuß mächtig wurde, verloren fich 
„die Erze mit dem Schwerſpath wieder gaͤnzlich, worauf 


„ ſich viel Schwefelkies im ganzen Ort anlegte; in gleicher 


„ Beſchaffenheit blieb das Ganze bis ans Ende des Jahrs. 
„In dieſem Quartal wurde dieſes Ort 29 ½ Fuß vor⸗ 
„ waͤrts getrieben. 

„Das Stollort No 11. gegen Suͤd wurde im Jahr 
„1800 nur bis zum 14 Februar betrieben; man verfolgte 
„ein taubes Mittel, welches meiſt 4 Fuß maͤchtig war, 
„und aus Quarz und Gneis, mit Schwefelkies gemengt, 
„beſtand; bald aber legten ſich im Hangenden 2 Zoll 
„ Hornſtein an; und dann zeigten ſich ſpaͤter in dieſem eis 
„nige Erzneſter; beydes aber verlor ſich im Februar wies 
„ der gaͤnzlich. Dieſes Ort war noch in dieſem Jahr 17 
„Fut ins Feld getrieben und dann eingeſtellt worden.“ 

„Das noͤrdliche Vorort No 11. wurde nun wieder vör⸗ 
„genommen, in der Hoffnung, wenn der Gebirgswechſel 
„einmal voruͤber fen, fo werde ſich der Gang endlich in ei» 
z nem andern Geſtein wieder anlegen. Hier rückte man 
„ohne veraͤnderte Verhaͤltniße in der lezten Haͤlfte Februars 
„6 1½ Fuß ins Feld. In den Monaten Merz, April, 
„May und Juni wurde das noͤrdliche Ort No tt, un⸗ 
„ ausgeſetzt 38 3/4 Fuß ins Feld vorgetrieden, allein von 
„dem Gang zeigte ſich keine Spur; das Ortgeſtein zeigte 
„ ſich weniger kluͤftig aber merklich feſter; doch iſt merk⸗ 
„würdig, daß anhaltend zu beyden Seiten das Geſtein in 
„der Weitung von 4 Fuß ſich abloͤst, welche Abloͤſungen 


„auf dem tauben Geſtein genau nach dem Fallen des vor 


„hin gehabten Ganges ſich anlegten.“ 5 
Nach dem zien Quartalbericht 1888 „hatte ſich das 
„Vorort Ne 1. in feiner Gebirgsart wenig verändert und 


„der Gang ſich noch nicht gefunden; im Ortgeſtein, wel⸗— 


sches ein milder Granit iſt, fanden ſich zwar bisweilen 
ar Bd. u 


306 


„kleine Neſter von Quarz und Schwerfpath mit Spuren 
„von Schwefelkies, Blende und etwas Bleyglanz; allein 
„fo lange ſich dieſe Spuren nur in Neſtern finden und ſich 
„keine ſtreichenden Truͤmmer anlegen, kann man ſich auf 
„den Gang ſelbſt immer noch keine Hoffnung machen. 
„Dieſes Ort wurde in dieſem Quartal nur 6 ıfa Fuß 
„ins Feld vorgetrieben.” 

„Man beſchloß nun diejenige Stelle dieſes Gebirges, 
„wo ſich der Gang am beſtimmteſten und auch erzreichſten 
„ gezeigt hatte, noch näher kennen zu lernen, den Schacht 
„No 18. auf das Ort No 14. niederzutreiben, und nach» 
„her von No 14. auf No 11. durchzuſchlagen, welches 
„nun in dieſem Quartal noch unternommen wurde. Im 
„Schacht No 18. beſtund der Gang groͤßtentheils aus 
„2 ı/2 Schuh feſtem Quarz mit Hornſtein gemengt und 
„ 2 bis 3 Zoll Schwerſpath. In dieſer Gangmaſſe fanden 
„ ſich zuweilen ſchoͤne Reſter Bleyglanz, und überdem war 
„die Gang maſſe ſelbſt mit Erz ſehr ſchwach eingeſprengt. 
„Der Gang war im Hangenden und Liegenden meiſt an⸗ 
„gewachſen und der Granit auf beyden Seiten des Ganges 
„ſehr feſt: dieſes Ort wurde bis zu Ende des Quartals 
„mit 8 und 3 1½/ Fuß Weite 12 3/4 Fuß abgeteuͤft. 

Dem sten Quartalbericht 1800 zufolge „wurde mit 
„dem Ort No 11. im October eine Stelle überfahren, 
„wo der Gneis in der gehörigen Ortweite zu 4 Schuh auf 
„beyden Seiten ablöste, nicht ſehr feſt und ſtark mit brau⸗ 
„nem Glimmer gemengt war, allein im November legte 
„ ſich bald wieder, doch mit den gleich anhaltenden Ablös 
„ſungen, der vorherige Granit wieder an. Im Decem⸗ 
„ber gelangte man auf ein; bis 4 Zoll maͤchtiges Quarz⸗ 
„trumm, welches aus Oſten gegen Weſten das Ort durch⸗ 
u kreuzt, aber uͤbrigens in dem Ortgeſtein keine Veraͤnde⸗ 
„rung machte, In dieſem Quartal wurde dieſes Ort 22 


\ 
4 


307 


„Fuß ins Felde vorgetrieben. Im Jahr 1801 gieng den 
„Grubenberichten zufolge im Jenner im Ortgeſtein Nor. 
„nicht die geringſte Veränderung vor; im Februar wurde 
„ein 1/4 Zoll maͤchtiges Quarztruͤmmchen mit Schwefelkies 
„uͤberfahren, welches das Ort durchkreuzte, und worauf 
„noch einige kleine Quarzneſter folgten, die ſich aber bald 
„wieder verloren; im Merz aͤnderte ſich der rohe Gneis nur 
„dahin ab, daß ſich aus der Firſte gegen den Einbruch 
„herab ein brauner Glimmer anlegte, der ebenfalls ſehr 
„unbruͤchig war. In dieſem erſten Quartal wurde dieſes 
„Ort 18 ıf2 Fuß ins Feld getrieben.“ 

Im zweyten und dritten Quartal 1861 zeigte ſich mit 
dem 36 3/4 Fuß ins Feld vorgeruͤckten Ort Ne 11. auch 
nicht die geringſte Spur eines Ganges, ſondern daſſelbe 
blieb unausgeſetzt in einem kleinkoͤrnigen verſteckt flaſrigen 
Gneis, der da, wo er nicht viel Glimmer beygemengt 
enthaͤlt, in Granit, da wo ſich aber der dunkeltomback⸗ 
braune Glimmer häufiger vorfindet, in Glimmerſchiefer 
uͤbergeht. 

Im vierten Quartal 1801 wurde das Ort No t. ohne 
Ganganzeigen vorzufinden 9 3/4 Fuß ins Feld, meiſt in 
einem Granit vorgetrieben, und es zeigte ſich durchaus 
nichts im Gebirge als einige die Arbeit erleichternde Spal⸗ 
tungen der Gebirgsart. 

In erſten Quartal 1862 wurde dieſes Ort noch 11 3/4 
Fuß, ohne irgend eine Art von Veränderung zu zeigen, 
vorgetrieben, und dann deſſen weitere Betreibung einge⸗ 
ſtellt. Dagegen wurde im zweyten Quartal der Schacht 
No 18 aufs neue belegt: der Gang beſtund hier aus ſeſtem 
Quarz mit wenig Schwerſpath gemengt und war 2 / 
Schuh maͤchtig. Der Schacht wurde in dieſem Quartal 18 
Fuß abgeſunken. Im dritter Auartal zeigten ſich ſehr Hör 


Wetter im Schacht, doch wurde mit dem Abſinken deſſel⸗ 


308 


ben fortgefahren bis auf den 14 September, ohne einige 
Veraͤnderung auf dem Gange, dann aber hinderte der gaͤnz— 
liche Wettermangel jede weitere Arbeit auf dieſem Schacht, 
welcher in dieſem Quartal um 7 Fuß vertieft wurde. Nun 
wurden die Arbeiter wieder in den Stoll No ır, verlegt, 
wo fie 18 Fuß vom Stollort zurück einen neuen Querſchlag 
ins Hangende, No 31., treiben, und dadurch einen Ver— 
ſuch auf den verſchobenen Gang im Nebengeſtein machen 
ſollten; dieſe Arbeit wurde aber nur auf einem feſten Gneis 
3 Fuß weit getrieben, und dann im vierten Quartal, ſo 
bald als die Wetter im Schacht Ne 18. wieder beſſer waren, 
dieſe Arbeit aufs neue vorgenommen. Den 4 November 
kam man im Abſinken auf die Kluft Ac, welche den 3 
Schuh mächtigen Gang bis auf 1 ½ Schuh verfchmäs 
lerte, und denſelben auf einmal ſtark ins Hangende hin— 
auspruͤckte, wodurch man beym Durchſchlag auf Ne 14., 
welcher den 14 December erfolgte, im Liegenden des Ganz 
ges hinunterkam, ſo daß jetzt ohne die Stollenſohle von 


No 14. zu erbrechen, der Schacht von da aus in gleicher 


Richtung im Liegenden bis auf Ne 11. herabgeſunken wer⸗ 
den kann. Bis zum Durchſchlag in Ne 14. war der Gang 
1 1/2 Schuh mächtig und beſtund aus Quarz, welcher 
mit mehr und minder Schwerſpath gemengt war, und erſt 
auf der Kluft, hart auf dem Hangenden, nur wenige 
ſchwach eingeſprengte Erze lieferte; bis zum Durchſchlag 
mußte der Schacht 16 Fuß vertieft werden. 

In der erſten Haͤlfte des Jahrs 1803 wurde der Schacht 
Noe 18. von der Stollenſohle N° 14. bis in die Stollen⸗ 
hoͤhe No 11., vermittelſt 39 Fuß Abteuͤfung, durchgeſchla⸗ 
gen. Der Gang war 2 bis 2 ı Schuh maͤchtig, be⸗ 
ſtund meiſt aus einem grauen Quarz und war nur ſelten 
mit Schwerſpath gemengt, und enthielt eben ſo ſelten 
ſchwach eingeſprengte Bleyerze; das Nebengeſtein war im⸗ 
mer feſter Gneis ohne Veraͤnderung. 


309 


In der zweyten Hälfte des Jahrs 1803. wurde zu 
Beendigung des Schachts No 18. noch die Stollenhoͤ— 
he im Liegenden abgeſchoſſen; dieſe Abſinkung geſchah 
nicht auf dem Gange ſelbſt, ſondern neben demſelben auf 
dem liegenden Gebirge, welches keine Art von Veraͤnderung 
erlitt. Nach Beendigung dieſer Arbeit wurde der Quer- 
ſchlag No 31. wieder fortgeſetzt, und derſelbe 39 Fuß vor⸗ 
waͤrts getrieben. Das Geſtein, ein roher Gneis, welches 
im Aufange ganz und ſehr feſt war, aͤnderte ſich im aten 
Quartale fo ſehr, daß daſſelbe auf einmal kluͤftig wurs 
de. Alle auf dieſer kluͤftigen Stelle vorgefallnen Blätter 
hatten eine ſolche Lage, daß weder die Schußloͤcher mit Vor⸗ 
theil angebracht, noch das Pulver ſeine Wirkung machen 
konnte; auch wurden auf einem dieſer Blaͤtter die dahin» 
ter verſchloßnen Waſſer aufgeſchoßen, welche dann ſo lange 
über die ganze Ortarbeit herabſſoßen, bis die ganze Stelle 
dieſer Blatter uͤberfahren war. 

Im Jahr 1804. wurde der Querſchlag No 31. nur 
mit 2 Mann fortgefest: das Geſtein war und blieb das 
ganze Jahr hindurch in Ruͤckſicht auf feine Feſtigkeit und 
übrigen Verhaͤltniße beynahe immer gleich, ausgenommen 
daß fich einige Geſteinsabloͤſungen einfanden, die die Ar- 
beit ſtellenweiſe erleichterten. Dieſes Ort wurde im Lauf 
dieſes Jahrs 50 Fuß ins Feld getrieben. 

Im Jahr 1805. wurde dieſe hoffnungsloſe Arbeit noch 
einige Monate fortgeſezt, und der Querſchlag No 31. im⸗ 
mer noch ohne allen Erfolg betrieben. Im Juni kam eis 
nem Bergmann neben dem Bohrer. während der Arbeit. 
ein kleiner Waſſerſtrahl entgegen, und als er noch einige. 
Streiche that, wurde ihm der Bohrer mit einem ſehr hef— 
tigen Knall zuruͤckgetrieben, und es ſchoß ein Waſſerſtrahl 
mit einer Gewalt durch das Bohrloch heraus an die Stol- 
lenfirſt, daß er von da noch mit ſolcher Heftigkeit zuruͤck⸗ 


310 4 
prellte, daß der Bergmann zu Voden geworfen wurde. Mit 
großer Muͤhe konnte dieſer dem ſich anſchwellenden Waſſer 
durch die größte Eile entfiehen, indem er erſt auf dem 
Tragwerk des Hauptſtolleus vor dem nachſtuͤrzenden Waſ⸗ 
fer geſichert war. Dieſer Waſſerſtrom dauerte mehrere 
Tage mit großer Heftigkeit fort, und nahm dann nach und 
nach fo ab, daß das Ort wieder beſucht und die Klüfter 
aus denen das Waſſer zuerſt durch das Bohrloch heraus⸗ 
gedraͤngt wurde, überfahren werden konnten, hinter wel 
chen ſich aber nicht die geringſte Veränderung in der Ge⸗ 
birgsart zeigte. Nun wurde jede weitere Arbeit in dieſem 
Bergwerk eingeſtellt, und einige ſachkundige Maͤnner uͤber 
das künftige Schickſal deſſelben zu Rathe gezogen. Ehe 
aber deren Bericht mitgetheilt wird, find einige Nachriche 
ten noch beyzufuͤgen von dem Betrieb derjenigen Gruben⸗ 
gebaͤude, welche im Anfang dieſes neuern Bergbaus gleich⸗ 
zeitig mit dem Bau auf Gnadenſonne betrieben wurden. 

Schon ein Jahr nach Eroͤffnung der erſten Grube der 
Gnadenſonne, alſo A0 1783. legte Hr. Deggeler bey 
der Stegen oben am Steinberge eine zweyte Grube 
an, fuͤr welche in Bern eine neue Gewerkſchaft von 124 
Kuren errichtet ward, und die den Namen Gute Hoff“ 
nung erhielt. Ueber dieſen Bau ſind folgende Berichte 
vorhanden: 

„Vom Februar bis Juni 1783. wurde der alte Stolle 
5 B. 2.) geöffnet, in fahrbaren Stand geſtellt, und bey 
„8 Lachter ins Feld getrieben, auch hin und wieder ſchoͤne 
„ Neſter von ſilberhalt igem Bleyerz angetroffen. Auch 
v obenher wurde ein anderer Stolle hineingetrieben, und 
„ duch in demſelben ſchoͤne pochwuͤrdige filberhaltige Bley⸗ 
„erze angetroffen. 

„Vom Juni bis September hat man bey 7 Lachter 
vin den Berg hineingetrieben; der Gang iſt ſchoͤn und hat 


311 


„ zuweilen Neſter von reinſpeiſigem filberhaltigem Bleverz; 
„er wurde aber oft von durchſezenden Kluͤften verſchmaͤ— 
vlert. Im Auguſt ſieng man an, den Gang auf der Soh⸗ 
„le des Orts mit einem Schacht in mehrere Tiefe zu vers 
y folgen, und fand daſelbſt ſchoͤne eingeſprengte Poch⸗ und 

„ derbe Scheideerze. 

„Vom September bis December ſieng man an auf der 
„Sohle des Feldorts einen Schacht (B. 4.) abzuteuͤfen, 
„und fand im zten Lachter ſchoͤne grobglaͤnzende auch 
v feinfpeifige Bleyerze, worunter bey 102 Schuh mächtige 
5 ganz derbe Scheideerze gewonnen worden, und noch zu 
beleuchten ſtehn. 

Vom ıten October 1783. bis 29 Februar 1784. wurde 
„der Schacht s Lachter abgeteuͤft, zuweilen fanden ſich 
„Neſter ron ganz derbem Bleyerz. Man hieb in dieſem 
„Schacht ein Spitzort (B. 5.) ins friſche Feld, 2 L. 
„tief, wo ſcheid- und pochwuͤrdige Bleyerze angetroffen 
„ wurden. 

v Vom Merz bis 31 May wurden die Arbeiten durch 
„ein ausnehmend ſchoͤnes Gebirge, mit ſcheid- und poch⸗ 
„ würdigen Bleyerzen fortgeſetzt; es wurde auf dem Gang 
„ein tiefer Stollen (B. 6. u. 7.) angelegt, das Streichen 
„des Gangs verfolgt, und ſehr ſchoͤne Erze erbrochen. 

Vom ıten Juni bis 311 Au guſt wurden auf der Stroße 
„und ihrer Sohle pochwuͤrdige Erze angetroffen, auch im 

v Schachte find die fchönften derben Erze zu beleuchten. 
„ Zu Abfuͤhrung der Waſſer aus dem Schacht wurde ein 
„tiefer Querſtolle angelegt. 

„Vom 1 September bis 30 November wurde auf dem 
„obern Stollen (B. 2.) vor dem Feldort, rechter Hand 
„um den Hauptgang aufzuſchließen, ein Querſch lag von 3 L. 
„angetrieben, in welchem Spuren von Bleyerz erbeutet 
„worden. Der tiefe Stollen wurde 4 Lachter hineingetrit⸗ 
„ben, und ſcheidwuͤrdige Erze darin gefunden.“ 


* 
312 

„Vom 1 December 1784. bis 28 Februar 1785. wurde 
„der Schacht (B. 4.) im obern Stollen, wo der Gang 
„ııf Schuh mächtig it, weiterfort abgeteuͤft, und man 
v fand Pocherze, zuweilen auch ganz derbe ſilberhaltige Bleys 
v erze. Der tiefe Stollen (B. 7.) wurde in 8 L. aufgeſchoſ—⸗ 
„ten, der Gang war 2 Schuh maͤchtig, nebſt einem Ne: 
„ bentrumm, welches x 1/2 Zoll mit ganz derben reichen ſil⸗ 
v berhaltigen Bleyerzen maͤchtig if. ” 

„Vom ıten Merz bis 31 May wurde die Abteuͤfung 
„des im obern Stollen befindlichen Schachtes fortgeſezt, 
„allein bald mußte er der Tagwaſſer wegen verlaſſen wer: 
„den, Dagegen wurde der tiefe Stollen auf den Schacht 
v deſto ſtaͤrker verfolgt, damit nach dem Durchbruche deſ⸗ 
„selben die Waſſer abgeführt und friſche Wetter verſchaft 
„würden, Aller Orten fanden fich vochwuͤrdige Erze.“ 

Vom ıten Juni 1786. wurden die beyden Gewerk⸗ 
ſchaften von Gnadenſonne und guter Hoffnung 
in eine vereinigt, welche nun bis auf 256 Kuxen ange⸗ 
wachſen war. 

» Vom ıten Juni bis ziten Auguſt wurde das Feldort 
„ im untern Stollen s Lachter und 5 Zoll verfolgt. Im 
» Anfang des Jahrs 1786. war der Gang im tiefen Stol⸗ 
„ len, der immer fortgeſezt wurde, 2 Schuh mächtig, und 
ses wurden immer Erze gewonnen. Bis End Februar 
„1787 wurde der Durchſchlag in den Schacht (B. 4.) des 
„obern Stollen (B. 2.) vollendet, die Stroßenarbeit 
» noch beſſer eingerichtet und ſchoͤne Erze ausgefoͤrdert. Bis 
„End November hat man von dem obern Schacht bis ins 
„untere Gebaͤude die Stroßen nachgeriſſen und dabey 
„ ſchuhmaͤchtige Scheid⸗ und Pocherze gefunden: im uns 
stern Gebäude fieng man wiederum ein Geſenk an, wo 
„ein neben dem Hauptgange herſtreichendes Trumm mit⸗ 
genommen wurde, welches in dis Tiefe mächtiger zu wer⸗ 


4 
313 


„den ſcheint. Bis Anfangs 1788. hat man neben dem 

„ Geſenke des tiefen Stollen die Stroße ſamt den darauf 

» beſindlichen Erzen nachgeriſſen, der Witterung wegen 

waber die Gruben nachher verlaſſen muͤßen, indem die 

„Gegend dieſes Grubenbaus ſehr Witekchen Sch neelau⸗ 

„Minen ausgeſezt ifte” 

»Vom ıten Juni bis 31 December 1788. wurden die 
v bisherigen Arbeiten fortgeſezt, auch ein friſches Trumm, 
welches zum Hauptgange gehoͤrt, erſchuͤrft; es iſt bis 7 
„ Zoll mächtig, und theils mit derben, theils anit pochwürs 
„digen Erzen, die in ziemlicher Menge ausgefoͤrdert wor⸗ 
„den, eingeſprengt. 

Von dieſem Zeitpuncte an finden ſich keine weitern 
Nachrichten mehr von dieſer Grube in den Grubenberich⸗ 
ten, indem dieſelbe kurze Zeit nachher ganz eingeſtellt wurde, 
weil ſich der Gang bald ganz auskeilte. 

x Im Jahr 1785. wurden auch die alten Arbeiten auf 
Hohen- Aly an der rechten Seite des Lauterbrun— 
nenthalhintergrunds von der gleichen Gewerkſchaft 
unter dem Namen Friſchglück eroͤffnet, und 2 ſich 
daſelbſt vorgefundne Stollen belegt. „Im untern Stollen 
u zeigte ſich der Gang 3 Schuh mächtig mit Silber. (7) und 
„Bleyerzen eingeſprengt, wovon ein ſchoͤner Vorrath ge 
5 wonnen worden. Auch im obern Stollen, obſchon man 

vy hoch nicht tief hineingekommen, iſt der Gang ſchoͤn, und 
z mit reichen Weißguldenerzen (war weiter nichts als ſehr 

ṽſeinkoͤrniger in Bleyſchweif uͤbergehender Bleyglanz, wel⸗ 
cher, anſtatt wie gewöhnlich derb, nur angeflogen war,) 

„und andern verſehen, fo daß man auf eine baldige Vers 

wedlung deſſelben hoffen kann.“ 

„Vom ıten September bis 30, November gab der un⸗ 
w tere Stollen auf Hohen⸗Alp ſtets reichere Erze; da 
v ſelbſt wurde auch ein Geſenk angefangen und ſchoͤne 


314 


„Erze gefunden. Im obern Stollen wurde der Gang ins 
hohe Gebirge verfolgt und gab ſchoͤne Erze. Des Schnees 
„wegen mußte die Arbeit verlaſſen werden.“ 

Im Frühjahr 1786. wurde die Friſchgluͤckzeche wieder 
belegt, und vom Juni an daſelbſt folgende Arbeiten vorge⸗ 
nommen: „1) Ein neben dem Hauptgang hinſtreichender 
„Gang wurde durch einen Querſchlag erſchrotet, wo ein 1 
„ / Schuh mächtiger Spath mit eingeſprengten Erzen und 
„weißem Kieſe (2) mit der beßten Hoffnung verfolgt wer: 
„den kann. 2) In dem auf dem mächtigen Hauptgange ab? 
„geſenkten Schacht, welcher ſein Streichen in die Tieſe 
„ganz bevbehaͤlt und ſchoͤne reiche Erze geliefert hat. 
„ 3) Auf dem Hauptgange in einem Feldort, welches auch 
„in die Tiefe verfolgt werden muß. Alle dieſe Arbeiten 
* verſprechen in mehrerer Tiefe die edelſten Anbruͤche. 

„Vom ıten September bis 30 November wurden die 
„Arbeiten fortgefezt und reiche Erze gewonnen: es wurde 
„auch im Schacht tin Querſchlag auf den zur linken Seite 
„ ſtreichenden Gang angefangen, die Arbeiten aber des 
„Schnees wegen wieder verlaſſen. i 5 

„Erſt Ends May 1788. wurden die Arbeiten auf Ho⸗ 
„ henalyp wieder fortgeſezt, und nicht nur der Gang ins 
„hohe Gebirg verfolgt, ſondern auch obenher der Gang 
„aufs neue erſchuͤrft, und auf demſelben ſowohl ein Stolle 
„ als auch ein Geſenk angelegt: der Gang beſteht aus ei⸗ 
„nem milden weißen Schwerſpathe, im Geſenke 2 Schuh. 
„und vor Ort 1 Schuh mächtig, worin ſich theils derbe, 
„auch gute pochwuͤrdige ſilberhaltige Bleyerze erzeigten. 
„Auch im Herbſt wurde das Geſenk in die Tiefe noch ver— 
„folgt, die Stroßen nachgerißen und mit dem Feldort ins 
„ vorliegende Gebirge aufgefahren; aller Orten fanden ſich 
„derbe auch pochwuͤrdige Erze, bis der Winter die Arbeit 
> wieder einſtellte.“ 


n 


315 


Roch iſt aber dieſem Bericht folgender Vorſchlag bey» 
gefuͤgt: „Da die Gänge auf Hohenalp von vieler Hof 
„nung zu ſeyn das Anſehen haben, infonderheit wann dies 
„ ſelben in der Tiefe ergriffen werden koͤnnten, fo wuͤrde 
„ein tiefer Stolle nicht nur alle Huͤlfe dazu geben, ſondern 
„auch in Zukunft den obern Arbeiten das Waſſer loͤſen / 
„gute und friſche Wetter unterhalten, und leichtere Foͤr— 
„derung des Gebirgs und der Erze verſchaffen.“ 

„End Mays 1789. wurde Hohenalp wieder mit 
„Arbeitern belegt, und im untern Stollen das Feldort 

n auf linker Hand betrieben, und pochwuͤrdige Erze gewon⸗ 
„nen. Auf der obern Arbeit wurde der Schacht in die Tiefe 
y getrieben und die ſchoͤnſten ſilberhaltigen Erze gewonnen: 
5 auch die Stroße wurde nachgerißen und ſilberhaltige Er⸗ 
„ze angetroffen. Das Feldort wurde ins Gebirge verfolgt 
„und gab keine derben aber ſchoͤn eingeſprengte fi ſilberhaltige 
„Bleyerze. 

Dieſe Arbeiten wurden bis in November fortgeſezt, 
dann aber nicht mehr belegt, weil ſpaͤter alle Kraͤfte auf 
Gnadenſon ne vereinigt wurden, und weil auf Hohen» 
alp wie auf der guten Hoffnung die Gegend fuͤr den 
Aufenthalt der Bergleute ſehr beſchwerlich und gefaͤhrlich 
war, ſonſt waͤren allerdings auf Hohenalp die ges 

gruͤndeteſten Hoffnungen vorhanden geweſen, die verſchiede⸗ 

nen Gaͤnge dieſer Gegend in mehrerer Tiefe vereinigt zu 
finden, und ſo vielleicht einen ergiebigen Bergbau darauf 
vorrichten zu koͤnnen. ) 


) In Hoͤpfners Magazin für die Naturkunde Helvetiens Bd. 
IV. p. 85, findet ſich folgende Beſchreibung des Bergbaus 
auf Hohenalp von Hr. Wagner aus Bern: 

„Ez iſt daſelbſt der obere und untere Bau zu bemerken. 
„Im obern Bau werden ſich vermuthlich 2 Gänge kreufen“ 


316 


Der Bericht und das Gutachten der im Juli 1805. 
mit einigen Mitgliedern des Directions-Comite an Ort 
und Stelle geweſenen Naturforſcher enthalt folgende hie— 
hergehoͤrige Angaben und Vorſchlaͤge, welche leztern von 
der Gewerkſchaft angenommen und damit dieſer ganze Berg» 
bau eingeſtellt wurde. 

„Schon das ausgedehnte und wenig veraͤnderliche Strei⸗ 
„chen dieſes erzfuͤhrenden Ganges, am Tage, war allerdings 
z einladend genug, um wichtige Verſuchbaue auf demſelben 
2 zu veranſtalten und berechtigte zu großen Hofnungen durch 
„die Vergleichung dieſes Verhaͤltnißes mit demjenigen, un⸗ 
„ter denen ſich in andern Gebirgen die ſegenreichſten Gans 
„ge zeigen. Mit dieſer guͤnſtigen Anzeige verbindet ſich aber 
„auch noch die uͤbrige Beſchaffenheit des Ganges ſelbſt 
„laͤngs dem ganzen Zutagausſtreichen deſſelben. Zwar 


„ die in der 10 7/2 Stunde und in der 2/2 Stunde ſtrei⸗ 
„chen; auf den leztern iſt der Stollen angeſezt, und ein 
„Schurf nach dem Schaarkreuze getrieben. Auf den er— 
„fern iſt ein Abſinken gemacht, und zeigen ſich überall gute 
v feinſpeiſige Bleyerze in Schwerſpath mit etwas Weißguͤlden⸗ 
„ Erz.“ 

„Im untern Bau iſt ein Stollen auf einem in der 3 Stund 
„ ſtreichenden Gang, welcher 14. bis 15˙8 von Weſt in Of 
„fallt, go Lachter weit aufgefahren. 10 Lachter vom Mund⸗ 
„loch ſezt ein Trumm in 3 1/2 Stund ab, wodurch der 
„Gang gegen Oſt etwas verſchoben und verdrückt worden, 


„in einem 10 achter tiefen Abgeſenke aber weiter hinauf 


„auf den Hauptgang hat man gefunden, daß derſelbe ſich 
„in feiner vorigen Maͤchtigkeit wieder anlegt, dennoch ſezt 
„das Trumm ungeſtoͤrt ins Feld fort und ſtebet noch mit Er⸗ 
„ zen an. Außerdem ſezen noch mehrere Gänge oder Truͤm⸗ 
„mer in Hohenalp zum Theil zu Tag aus, worauf man 
„Ueberbleibſel von Stollen und Abteuͤfen findet, welche die 
„Alten getrieben haben, unter anderem ein bey dem obern 


= 


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T — — aa 


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„zeigt er fich in dieſem mit ſehr veränderlicher Stärke, 
„aber nirgends iſt er ganz verdruͤkt, noch durch Kluͤſte abs 
„ geſchnitten oder verworfen; und ſelbſt in der Gegend 
„der Stegenblatte, wo er ſich in 2 ſchmaͤlere Gaͤnge 
„theilt, vereinigen ſich dieſe bald wieder und ſetzen nun 
„ganz ungetheilt nach der Hoͤhe hinauf fort; ein Umſtand, 
„der ebenfalls für ſehv guͤnſtig angeſehen wird. Endlich 
„find ſelbſt die Beſtandtheile dieſes Ganges, im Ganzen 
„genommen, an feinen Tagſtellen fo edel, um einen ats 
„gedehnten Verſuchbau auf denſelben zu rechtfertigen, ine 
„dem er theils in der Gegend der Gnadenſonne, wo 
„er meiſt quarzartig iſt, theils Höher bey der Guten 
„Hoffnung, wo er aus Baryt beſtehet, oft ziemlich ſtark 
„Bleyglanz eingeſprengt, und ſelbſt an einigen Stellen derb 
„enthält, fo daß die Hoffnung, hier einen vortheilhaften 
„Bergbau zu begründen, keineswegs aus der Luft gegriffen 
„ war. 

„Allein fo guͤnſtig auch dieſe Anzeigen über die Bes 
„ſchaffenheit dieſes Ganges am Tage find, fo unguͤnſtig 


„Bau auf dem erſchuͤrften Gang von Tage ausgemachtes 
„Abgeſenke, das man nunmehr wieder auszuraumen beſchaͤf— 
„tigt iſt. Dieſes Gebirg ſcheint daher und wegen der guten 
„Beſchaffenheit des Geſteins, der Gangart und der Erze 
„einer vorzuͤglichen Aufmerkſamkeit werth. Die Gebirgs⸗ 
„art iſt hier, wie bey der Gnadenſonne und Guten 
„Hoffnung, Gneis, er iſt aber hier viel milder, enthaͤlt 
„weniger Quarz und mehr Spekſtein und Talk in ſeiner 
VM Miſchung, welcher leztere meiſtens den Hauptbeſtandtheil, 
v ſonderheitlich in der Nachbarſchaft der Gänge ausmacht, 
„ und oft in ziemlich großen gelblich weißen langfaſerigen, oft 
„auch in ſchoͤnen durchſcheinenden grünen breitblättrigen 
„Stücken darin vorkommt. Die Gangart iſt ein weißer blät- 

„ teriger.Schwerſpath mit wenig Quarz.“ g 


318 

u zeigten fie ſich hingegen, ſobald man denſelben tiefer in 
„das Gebirg hinein verfolgte; wohl ward auch die ſes Uns 
„ ſtandes wegen nicht leicht ein Raubbau, der ſich auf Bes 
„nutzung der zunaͤchſt am Tage liegenden edlern Punkte 
u beſchraͤnkt, härter beſtraft, als derjenige, der gleich an⸗ 
„ fangs bey Wiedereroͤffnung des Bergbaues im Hinter⸗ 
I grund des Lauterbrunnerthals vorgenommen wur⸗ 
„de *). Waͤren, ſtatt die reichern Erzpunkte in der Naͤhe 
„ der Gebirgsoberflaͤche abzubauen und darauf hin koſtbare 
„Taggebaͤude zur Zugutmachung des gewonnenen Erzes 
„aufzurichten, nur zwey horizontale Ver ſuchſtollen in das 
„Gebirge hineingetrieben worden, um damit die Befchafs 
„ fenheit des Ganges zu unterſuchen, fo würde man mit 
„einem ſehr geringen Theil jener ungeheuren Summe, 
„die hier verloren gieng **), die traurige Erfahrung über 
„die hoͤchſt unguͤnſtige innere Beſchaffenheit dieſes Ganges ge⸗ 
y macht haben, welche nun das Endreſultat dieſes Bergbaues 
y zu ſeyn ſcheint. Dieſer Gang nämlich verſchmaͤlert ſich vom 
„Tage an in das Gebirge hinein allmaͤhlig, wird bald un⸗ 


) Gegen das Direetions⸗Comité der Gewerkſchaft in Bern 
kann dieſe Bemerkung aber keineswegs als Beſchuldigung 
angeſehen werden, da daſſelbe nie verſaͤumte, ſich guten 
Rath zu verſchaffen, und zu dieſem Ende hin auch der Dber- 
Bergrath Ferber aus Berlin, aus Auftrag der Berner-Re— 
gierung, auch dieſes Bergwerk im Juli 1788 bereiste (fiche 

Magazin für die Naturkunde Helvetiens von Höpfner IV. 
pag. 74 — 108.) und die ganze Einrichtung deſſelben (ſiebe 
pag. 88. im angeführten Bericht) zweckmäßig fand, und als 
einen Beweis von Herrn Deggelers praktiſchen Kenntueßen 
im Bergweſen anſah. E. 

*) Die von der Gewerkſchaft an Zubußgeldern bezahlte Summe 
zum Betrieb dieſes Bergbaus beträgt ohne die Zinſen ber 
Einhundert und Dreyßigtauſend Schweizer Franken, 


j 


319 


„regelmäßig, verliert nach und nach ſein eingefprengtes 
„Erz, zeigt keine Abloͤſungsfaͤchen und noch viel weniger 
„beſtimmte Salbaͤnder gegen die anſtehende Geblrgsart, 
„ ſondern iſt mit dieſer ganz verwachſen, und verliert ſich 
„endlich ganz in dieſer, ohne eine Spur von tieferer Forts 
„ ſetzung. Auf dem Stollen No 11. der Gnadenſonne 
„erhielt ſich der Quarz- und zuweilen Calcedon » artige 
„Gang mit einiger ſchwacher Bleyglanz-Einſprengung un⸗ 
„gefahr 60 Lachter (zu so Fuß jedes) weit vom Tage an, 


v doch ſo, daß er ſich immer weniger von der Gebirgsart 


y unterſch ied, allmaͤhlig in dieſelbe uͤbergieng, und daß lich 
„mehrere Quarztrümmchen von ihm losrißen, welche eben⸗ 
y falls ohne irgend eine Abloͤſungsſſaͤche mit dem Hauptge⸗ 
» fein verwachſen waren und keine Bleyerzdeymengung 
y mehr zeigten; bald darauf endigte ſich die quarzartige 
„Maſſe des Hauptganges in der Gebirgsart, ohne irgend 
„eine Spur von Nebentruͤmmern oder anderer weitern Fort, 
y ſetzung übrig zu laſſen; doch berechtigte die ganz nahe 
„Kluft, die ſich vom Einſchnitt des Hauriberg herab 
„in die Gebirgsmaſſe ſetzte, und die man ſchon lange vor⸗ 
y ſah und ſelbſt gefuͤrchtet hatte, bey der ſchon früher und. 
y unerwartet eingetretnen Auskeilung des Ganges, zur frey⸗ 
y lich ſchwachen Hoffnung, daß dieſe nahe Kluft eigentlich 
„den Gang nur abgeſchnitten und vielleicht verſchoben hätte, 
y daher auch eine weitere noch über zo Lachter lange Vers 


y folgung dieſes Hauptverſuchſtollens und die beydſeitigen 


„Querſtollen, welche beynahe rechtwinkelicht von jenem ad» 
„gehen, und 6 bis 8 Lachter weit getrieben wurden, aller: 
y dings noch zweckmaͤßig und rathſam waren, um bey ſchon 


v ſo großen Aufopferungen, die gemacht waren, die Hoff 


„nung nicht zu fruͤhe und zu unbedaͤchtlich aufzugeben; 
y allein dieſer weitere Verſuchbau zeigte nur einige Spuren 
„von Quarztruͤmmchen mit hoͤchſt ſchwacher Bleyglanzein⸗ 


320 


„ſprengung, die aber nicht anhielten, und bey einigen 
„ ſchwachen Geſteinskluͤften ganz aufhoͤrten, fo daß in den 
„hinterſten ro Lachtern dieſes Stollens auch nicht eine 
„Spur mehr von Gangmaſſe ſich zeigte.“ 

» Diefe allmaͤhlige Auskeilung und endliches gaͤnzliches 
„Verſchwinden dieſes am Tage ſo anhaltenden Ganges iſt 
„aber nicht bloß eine Localität dieſes Hauptſtolls, ſondern 
„ ſie zeigte ſich ebenfalls in allen hoͤhern Arbeiten und vor⸗ 
„zuͤglich auf Gute Hoffnung, wo doch der Gang am 
„Tage über 2 Fuß mächtig iſt und groͤßtentheils aus ſchoͤ— 
„nem Baryt mit ſtark eingeſprengtem Bleyglanz beſteht, 
„ auch hier wird der Gang bald in das Gebirge hinein nach 
„und nach ſchmaͤler und keilt ſich in der Tiefe von unge 
„fahr 20 Lachter fo ganz aus, daß ſich keine weitere Spur 
„mehr davon zeigt.“ 

„Dieſe traurige Erfahrung der allmaͤhligen Auskeilung 
„des Hauptgangs dieſer Gegend gegen die Tiefe des Ges 
„ birges hinein, widerſpricht den meiſten Erfahrungen der 
„übrigen Gebirgs-Reviere und ſcheint eine Eigenthuͤmlich⸗ 
„keit dieſer Gegend zu ſeyn, die ſich aber doch nicht bloß 
auf die linke Seite dieſes hohen Thalhintergrunds zu bes 
„ ſchraͤnken ſcheint: denn auf Hohenalp, rechts demſel⸗ 
„ben, wo mehrere weit edlere und hoffnungsreichere Gaͤn⸗ 
„ge vorhanden find, zeigt ſich doch auch eine Verſchmaͤle— 
„rung derſelben gegen die Tiefe des Gebirgs hinein, die 
„auf eine allmaͤhlige Auskeilung hinzudeuten ſcheint. Mit 
„dieſen hoͤchſt nachtheiligen Verhaͤltnißen, unter denen ſich 
„der Hauptgang von Gnadenſonne und Gute Hoff 
„nung zeigte, vereinigte ſich auch noch der Umſtand, daß 
„einzelne wenig anhaltende reichere Erzpunkte in der Naͤhe 
„der Gebirgsoberflaͤche abgerechnet, die Hauptmaſſe dieſes 
„Ganges meiſt nur wenige Zoll breit nur ſchwach einge 
„ſprengten Bleyglanz enthält, fo daß derſelbe, an ſich ſelbſt 


324 


„ betrachtet, keineswegs bauwuͤrdig waͤre, wenn er auch 
„ ſchon wieder aufgefunden, aber unter den bisherigen Um⸗ 
v ſtaͤnden fortſetzend ſich zeigen wirde, ” 

„Vereinigt man nun alle dieſe Verhaͤltniße, naͤmlich! 

»1,) Daß der Gang auf Gnadenſonne fih nie ans 
„ haltend mit beſtimmten Abloͤſungsſſaͤchen und Salbaͤn⸗ 
» dern verſehen, ſondern mit der Hanptmaſſe des Gebirges 
v berwachſen und in fie uͤbergehend ſich zeigte; ” 

5 2.) Daß er gegen die Tiefe des Gebirges hinein im⸗ 
„ mer ſchwaͤcher wurde, ſich in kleine Truͤmmchen zertheilte, 
„ immer weniger Erzbeymengung enthielt und endlich ſich 
„in der Hauptgebirgsart ganz verlor;“ 8 
v3.) Daß er nicht durch Kluͤfte abgeſchnitten noch ver⸗ 
v ſchoben wurde, ſondern ſich in der feſten Gebirgsart ver⸗ 
„lor, und daß die tiefer noch aufgefundnen Trümmchen 
„ ſehr ſchwach und wenig anhaltend ſich zeigten; 

»4,) Daß uͤberhaupt dieſe Auskeilung der Gangmaſſe 
„überall in den Gebirgen des Lauterbrunnerthal⸗ 
„Hintergrundes ſtatt zu haben ſcheint;“ 

»5.) Endlich, daß der Gang, im Ganzen betrachtet, 
„wenige reichere Erzſtellen abgerechnet, ſo arm iſt, daß er 
„ auch bey der regelmäfigfien‘ Fortſetzung in das Innere 
„ des Gebirges hinein doch nicht bauwuͤrdig war:“ 

» So ergiebt ſich als Endreſultat dieſer Unterſuchung 
„ der Vorſchlag: 

» Dieſen Bergbau ganz aufzugeben, und die noch von 
» demſelben vorhandnen nutzbaren Gegenſtaͤnde beſtmoͤglich 
2 zu veraͤuſſern. 

» Um aber die bey dieſem Bergbau gemachten Erfah⸗ 
„rungen theils in naturhiſtoriſcher Hinſicht, theils in Ruͤck⸗ 
„het auf allfällig künftige Bauluſtige möglichft nutzbar zu 
» machen, ſollten vor gänzlicher Verlaſſung dieſes Berg⸗ 
„ baus die Hauptſtollen deſſelden fo von allen Hinder niſſen 

ar Bd. * 


323 
„ausgeräumt werden, daß fie unter gehörigen Vorſichts⸗ 
„Maßregeln moͤglichſt lange fahrbar bleiben, und ein mit 
„diefem Bergbau bekannter Mineralog ſollte endlich noch 
v beauftragt werden, eine moͤglichſt umſtaͤndliche miuͤera⸗ 
„ logiſch-techniſche Geſchichte dieſes Bergbaus abzufaſſen, 
„ dieſelbe in ein gutes Journal, einzuruͤcken, und fo alle 
„ hiebey gemachten Beobachtungen und Erfahrungen der 
„Nachkommenſchaft aufzubewahren und zuzuſichern.“ 

„So niederſchlagend dieſer Vorſchlag für die ganze Ge> 
„ werkſchaft und vorzüglich für das fo unverdroſſene Comité 
„auch ſeyn mag, nach ſo vieler Anſtrengung und nach mehr 
„als 20jaͤhrigem Harren auf beſſern Erfolg von allen ge— 
„machten Aufopferungen, nun das ganze Werk als unnuͤtz 
„und jede weitere Hoffnung als ungegruͤndet erklaͤrt zu ſe— 
„hen, fo iſt es gewiß doch wohlthaͤtiger, die ganze Unter 
„nehmung nun mit freyem Blick zu beobachten und darauf 
„ hin einen Entſchluß zu faſſen, als ſich länger zu taͤuſchen 
„und in dieſer Taͤuſchung die bisherigen Aufopferungen 
„nur noch mehr zu vergroͤßern.“ ö 

„Moͤge die Gewerkſchaft und das verdienſtvolle Comité 
5 derfelben in dem Bewußtſeyn, dem Vaterland etwas Gu⸗ 
„tes beendzweckt zu haben, Troſt, und in dem gluͤcklichen 
„Erfolg ihres anderweitigen Bergbaus Entſchaͤdigung fuͤr 
„ ihre großmuͤthigen Aufopferungen finden. 


323 


Erklärung des Plans der beyden Bergwerke 
Gnadenſonne und Gute Hoffnung im Stein⸗ 
berg an der linken Seite des Hintergrunds 
des Lauterbrunnerthals; aufgenommen von 
J. J. Schlatter, gezeichnet von J. C. Eſcher. 


Seiger und Sohlenriß der Gnadenſonne. 


A1, 2, 3, 4, 23 und 24 find die Schuͤrf⸗ und Erz⸗ 
baue der Alten. - 

No 5, iſt der erſte Stollen, der A 1782 zu treiben ans 
gefangen, der aber nur auf einem Trumm des Haupt— 
gangs angelegt war; bey No 6, kam man auf den Haupt- 
gang: hierauf ſenkte man den Schacht No 7, ab, bis auf 
No 8., und bald nachher den Schacht No 9. Von No 8. 
ſenkte man nachmal den Schacht 10. auf den Stollen 
No rr. ab. No 12, if nur ein Trumm, welches verfolgt 
wurde; dann ſenkte man den Schacht 13. ab, und verfolgte 
von da den Stollen No 14. Hierauf ſuchte man oben 
im Berg den Gang und legte in No 15. einen Stollen 
an, der bey 45 Lachter tief in Berg hinein verfolgt wur⸗ 
de: dann wurden die Erzbaue 16, 17 und 19 angelegt; 
durch den Schacht 18. ſuchte man den Stollen 14 und 
15 gute Wetter zu verſchaffen. No 20, 21 und 22 find 
theils Schuͤrf⸗, theils Querſtollen, mit denen man. Erze 
ſuchen wollte. No 25, iſt ein Querſtollen zur Unterſu⸗ 
chung eines Nebentrumms. 

No 26 und 27. find Querſtollen zur Auſſuchung des 
ganz verlornen Ganges. 

No 28. ein Abteuͤfen auf den lezten Erzpunkt des 
Gangs, 


324 6 
No 29. find zwey kleine Verſuchoͤrter zur naͤhern Un⸗ 
terſuchung einer Spur eines neuaufgefundnen Ganges. 


No 30, ein kleiner Querſchlag zur Aufſuchung auch 
dieſer wieder verlornen Gangſpuren. N 

No 31. der tiefſte Querſtolle in die Hauptmaſſe des 
Gebirges hinein. 

Aa, Ab, Ac, Ad, Af und Ag ſind uͤberfahrne 
offne Geſteinskluͤfte. 


Seiger und Sohlenriß der Guten Hoffnung. 


B 1. iſt ein Erzſchurf der Alten. 
B 2. ein wieder eröffneter alter und nun tiefer ins Feld 
getriebner Stoll. 


B 3. ein Querſtolle. 
B 4. ein auf einem Erzpunkt abgeſenkter Schacht. 
B 5. ein kleiner Verſuchſtolle. 


B 6. und 7. ein tiefer Stollen, durch den die Waſſer 
der obern Arbeiten gelöst wurden. 


B 8. 9. Firſten⸗ und Stroßen⸗Erzbaue. 


325 


Ruͤckerinnerungen einer Reife 
durch die 


Appenzelleralpen. 


Der Bibliotheks Befellfchaft in St. Gallen vorgeleſen 
den gten März 1804. 


von Dr. Caſp. Zollikofer. 


Beinahe alle Theile des Vaterlandes, ſeine Anſichten und 
Merkwuͤrdigkeiten ſind von neuern Reiſenden beſchrieben 
worden; einige darunter ſogar bis zum Uederfluß. Nur 
das Land Appenzell und deſſen Gebirge ſcheinen bis jezt 
in dieſer Hinſicht vernachlaͤßigt worden zu ſeyn. Denn außer 
einigen alten Chroniken und einigen hoͤchſt unbedeutenden 
Bruchſtuͤcken giebt es meines Wiſſens keine ausführliche 
Beſchreibung feiner Schönheiten und Merkwuͤrdigkeiten. 
Sogar Ebel, der ausgedehnteſte Verfaſſer uͤber dieſes 
Land, beſchraͤnkt ſich mehr auf die Verfaſſung und den 
Charakter der Einwohner, als daß er das Land ſelbſt und 
ſeine Eigenthuͤmlichkeiten beſchriebe; und das Wenige, was 
er hieruͤber ſagt, iſt ſo verworren, daß ich die Vermuthung 
nicht unterdruͤcken kann, ex. ſelbſt feye nie in dieſen Alpen 
geweſen. | 

Gegenwaͤrtige Fragmente, die ich die Ehre habe, Ih⸗ 
nen vorzulegen, ſind zwar keineswegs geeignet, jene Luͤcke 
auszufuͤllen; fie follen nur andeuten, daß auch dieſes Land 
einer ausführlichern Beſchreibung werth wäre, und daß 
ihm keiner der Vorzuͤge entgehe, die eine ſolche intereſſant 
und lehrreich machen koͤnnten. — Sollten ſie eine entfernte 
Veranlaſſung geben, daß eine geſchicktere Feder als die 
meinige, mit den. erforderlichen Kenutnißen, die mir aba 


326 | 

gehen, ausgeruͤſtet, dieſelbe unternaͤhme, fo hätten fie ih- 
ren Endzweck erreicht; und es ware mir doppelt erwuͤnſcht, 
mit der Erinnerung angenehm verfoſſener Tage dieſen 
Endzweck erzielt zu haben. 


aut des Thales von Appenzell und der 
Gebirge. 


Wenn man von der rothen Bruͤcke, wo Appenzell 
Inner⸗Rhoden beginnt, das hier von Außer-Rhoden 
durch den Rothbach, der ſich in die Sitter ergießt, ges 
trennt wird, waͤhrend einer halben Stunde geſtiegen, und die 
Hoͤhe von Lamenſteig zuruͤckgelegt hat, und man nun 
einen Pfad, der ſich um das Berggelaͤnde windet, verfolgt, 


ſo eroͤffnet ſich auf einmal vor dem Auge des Wanderers 


von Welten nach Oſten das anmuthigſte Thal) das mit den 
herrlichſten Wieſen und Weiden, dem gluͤcklichen Erbtheil 
eines Viehzuchttreibenden Volkes, geſchmuͤckt iſt. Die Sit⸗ 
ter durchſchlaͤngelt es in ſeiner ganzen Laͤnge in mancher⸗ 
ley Kruͤmmungen, und ſo wie ſie ſeine Fruchtbarkeit belebt, 
belebt fie auch feine Anſicht durch das Bild der ſteten Bes 
wegung, des unaufhoͤrlichen Wechſels der Fluthen. Ueberall 
durch das ganze Thal und bis oben an die Huͤgel, die es 
begraͤnzen, find Haͤuſer und Hütten in zahlreicher Menge 
zerſtreut, und es ſcheint gleichſam das Lager eines großen 
Heeres zu ſeyn. Aber willkommner als dieſes fuͤr den 
Blick des Menſchenfreundes, zeigt es ihm nur Wohnun⸗ 
gen eines friedlichen Hirtenvolkes, das die patriarchaliſche 
Sitte ſeiner Vaͤter, jeder in der Mitte ſeines laͤndlichen 
Eigenthums zu leben, noch groͤßtentheils ehrt, und auch 
für dieſes Eigenthum den charakteriſtiſchen altdeutſchen Nas 
wen: Heima th ausſchließend aufbewahrt hat. Nur da, 


En 


327 


wo einft in den Zeiten bußfertiger Andacht und kindlichen 
Glaubens für die frommen Pilger auf ihrer Wallfahrt von 
den benachbarten deutſchen Landen nach dem Wunderbilde 
der gelobten Maria in Einſiedlen, wo, ſage ich, für jene 


eine Kapelle zur Labung ihrer religioͤſen Gefühle und ein 


Gaſ haus zur Stillung eines materiellen Beduͤrfnißes in 
der Mitte des Waldes, der dieſes ganze Thal dazumal be— 
deckte, angelegt waren, ſteht nun in laͤndlich beſcheidener 
Bauart der Flecken Appenzell, und dient dem Gan, 
jen zum Vereinigungspunkt. Gleich hinter demſelben er— 
heben ſich zwiſchen friſch umgebrochener Erde in ſanften 
Wellen Getreidefelder, die Produkte muͤhſeligern Fleißes, 


die Zeugen zunehmender Bevoͤlkerung, aber auch überhands 


genommener neuer, dem Hirtenvolke zuvor unbekannter Be— 
duͤrfniße; und bald ſcheint Ceres in dieſem Thale durch 
freigebige Spendung ihrer Gaben Floren ihr bisher uns 
umſchraͤnktes Gebiet ſtreitig machen, und merkwuͤrdige 
Veraͤnderungen in den Sitten ſeiner Bewohner erzeugen 
zu wollen. 

Schweift aber der Blick hinuͤber uͤber dieſe Huͤtten und 
Fluren, uͤber dieſes Thal hinfaͤlliger menſchlicher Freuden 
und Sorgen, ſo begegnen ihm in furchtbarer Groͤße die 
Firſten des Alpengebirges, welches von Oſten und 
Süden daſſelbe umſchließt. Ehrfurchtgebietend und Herz 
erhebend iſt der Anblick der Gebirge. Das Erhabene 
und Ruhige, die Kraft und Maſſe erzeugen wechſelsweiſe 
Eindruͤcke, die die Seele zum Staunen und zur Bewun⸗ 


derung hinreiſſen. Die Mannigfaltigkeit und Kuͤhnheit der 


Formen, die wilde Geſtalt der Riſſe und Schlünde, uͤber⸗ 
raſchen das Gemuͤth durch neue ungewohnte Empfindun⸗ 
gen, die ſie erwecken, ſo wie ſie den Geiſt zum Nachdenken 


über die frühere Geſchichte dieſer Coloſſen ſtimmen. Wenn 


dem Auge vor der Höhe der Spitzen oder der Tiefe der 


323 


Abgründe ſchwindelt; wenn fein Blick von der kahlen ſenk⸗ 
rechten Felſenwand zuruͤckbebt und ein banges Gefühl die 
Bruſt erfuͤllt, fo weilt es hingegen mit neuem Enguͤcken 
auf den Stellen, wo ein liebliches Gruͤn Leben und Vege— 
tation verkuͤndet; wo der Felſen zugaͤnglicher ſich ruͤndet; 
wo durch mannigfaltige Schattierungen die unbelebte Schoͤ⸗ 
pfung zur belebten zuruͤckkehrt, und es entdeckt mit Wohlge⸗ 
fallen den zarten blaͤulichten Schimmer, der uͤber das 
Ganze, gleich einem durchſichtigen Schleier ausgegoſſen ist, 
die Abſtufungen uumerklicher macht und gleichſam dazu 
dient, das Bindungsmittel ungeheurer disparater Maſſen 
zu einem großen harmoniſchen Gemaählde, dem majeltätis 
ſchen Abdruck der Allmacht, zu ſeyn! 

Drey Circumvallationslinien gleichſam bilden 
dieſe Gebirge. Die aͤußerſte beginnt gegen Norden mit . 
der Berghoͤhe Faͤhnern, deren Ruͤcken ein Creuz, das Pa⸗ 
nier des chriſtlichen Glaubensbekenntnißes traͤgt, und das 
einer alljaͤhrlichen Wallfahrt der glaͤubigen Menge zum 
Sammelpunet dient. Noch iſt dieſer Berg, bis an ſeine 
Spitze, mit Viehweiden bedeckt, und ihm fehlt noch die 
rauhe zerriſſene Geſtalt der höheren Alpen; aber von hier 
an erhebt ſich die ſchaͤrfere Linie; der Fels wirft feine gruͤ— 
nende Decke allmaͤhlig ab und tritt kahl und ſchroff her⸗ 
vor; herrliche Triften ziehen ſich zwar in immer ſteigender 
Linie uͤber den Rücken des untern und obern Camor's 
und bis an deſſen hoͤchſten Punkt, den hohen Kaſten 
hin; allein fie werden ſchon häufig durch maͤchtige Stein⸗ 
bloͤcke, Rüfenen und Einſchnitte unterbrochen, und eine 
ſenkrechte Felſenwand, die kuͤhn der Zeit und ‚den. Ele 
nienten trozt, unterſtüzt den Scheitel dieſer Gebirge und 
tellt ſich kahl und nackt dem Auge dar. Rauh und zackigt 
fetzt fie ſich nach Süden fort; alle Vegetation verſchwin⸗ 
det) und nur graue Felſenhörner: die Staubern, Can⸗ 


329 


zel, Furglen, Wiederalp und der Hundsſtein ra⸗ 
gen uͤber ſie empor, und bilden mit ihren Spitzen den 
Hintergrund der Anſicht. 

Die zweite Linie wird von erſterer durch ein Berg 
thal „das in ſeiner Lange zwey Bergſeen, den Faͤhler⸗ 
und Saͤmtiſſer-See, einſchließt, und dem Brück 


bach ſeinen Urſprung giebt, getrennt, und hebt mit dem 


N 


weiten und fruchtbaren Gebirge der Alpſiegleten an, 


deſſen Flaͤche ſich ſanft gegen Suͤden neigt, und deſſen 


reiche Weiden mit ihren Alphuͤtten und Viehheerden ſich 
daher unſerm Auge entziehen. Sie ſetzt ſich in gleicher 
Fruchtbarkeit über Manns und dem, Noahs Arche glei⸗ 
chenden Gebirgsſtock Bogarten fort, und bildet die kirch⸗ 
thurmaͤhnliche Spitze Bogartenfirft oder uneigentlich 
alter Mann genannt. Von hier aber erhebt ſich eine 
wildere und furchtbarere Gebirgsmaſſe, nur den Ziegen 
und Gemſen noch zugaͤnglich; die Hirten nennen fie Maar⸗ 
wieß und Obermaar, und ſie zieht ſich mit weniger 
Unterbrechung uͤber Krayalp bis zum alten Mann 
hin, der der hoͤchſte Grenzpunkt dieſer Alpenlinie iſt, und 
mit feiner kahlen Stirne und dem grauen Scheitel ehrwuͤr— 
dig, gleich einem alten Familienvater, über feine ei 
wachſende Nachkommenſchaſt heruͤberblickt. 

Die dritte und unſerm Auge naͤchſte Linie trennt 


ö ſich von der vorigen durch den Seealperſee, das rei⸗ 


che und fruchtbare Bergthal, Schwende, und den 
Schwendebach, der aus dem Seecalperſee entſpringt. 
Ihren Anfang machen die herrlichen Alpweiden Bom men 
und Ebenalp; letztere vorzüglich ergoͤzt ſchon das bes 


waffnete Auge, indem es mit theilnehmendem Wohlgefal⸗ 


len die lebendigen Bilder der Alpenwirthſchaft, Hütten, 
Heerden und Hirten daſelbſt entdeckt, und das Gemuͤth in 
das gluͤckliche Alter der Vorzeit verſetzt. Höher, wilder, 


330 


und mit dunklem Gehoͤlz bewachſen erhebt fich uber Eben- 
alp der Fielder, und noch hoͤher der ſenkrecht abgeſchnit— 
tene Berggrath, der Schaͤffler. Ein Abgrund unter 
bricht hier die Linie; jenſeits ſetzt ſie ſich ſteiler und furcht— 
barer fort und bildet die unzugaͤnglichen Felſenſpitzen, die 
Thuͤrme genannt; hernach das uͤber den Abgrund ſchauer⸗ 
lich herausragende Horn, das Oehrle; dann den immer 
höher ſteigenden, majeſtaͤtiſchen und weitgedehnten Alpruͤ— 
cken, den Meßmer mit ſeinen Pfeilern, der Niedere, 
der Haͤngeten, dem Mürli, und der Silberblat— 
ten; endlich den aͤuſſerſten Grenzpunkt, den Gyrſpitz, 
und etwas hinter ihm den hoͤchſten Punkt dieſer Alpen, 
den Saͤntis, gleichſam die Citadelle dieſer Feſtungswerke 
der Schoͤpfung, die von allen Seiten Abgründe, Klip⸗ 
pen, Schnee» und Eismaſſen zu umgeben und zu beſchuͤtzen 
ſcheinen. 


Das Weiß bad. 


Da wo der Camor und die Alpfiegleten zur Ebe 
ne ſich geſenkt haben, und die Bergſchluͤnde von Seealp 
und Bruͤeltobel ihre rauhere Natur ablegen und zu einem 
anmuthigeren Thale ſich erweitern, da liegt, zunaͤchſt am 
Fuße jener Gebirge, in Florens laͤndlichem Schmucke, die 
Wieſe des Weißbades, und das Gebäude, das dies 
fen Namen trägt. Von zwey Seiten beſpülen jene die Ges 
waͤſſer, die von den Alpen und ihren Thaͤlern kommen. 
Eben hatten ſich an ihrem oͤſtlichen Ende der Bruͤelbach 
und der Schwendebach vereinigt; noch fehlt aber der 
dritte Bruder, der Weißbach; am weſtlichen Ende hoͤrſt 


du ihn murmelnd daherrauſchen, und du ſiehſt ihn hier 


fein ſchaumiges weißlichtes Waſſer mit dem Aüfigen Kri⸗ 
ſtall der erſtern vermiſchen. Aber anſpruchlos legt jeder 
der drey Waldſtroͤme an dieſer Vereinigungsſtelle ſeinen 


331 


Namen ab, und nur noch zum Andenken, daß drey Brüs 
der vereint von hier fortwallen und den gemeinſchaftlichen 
Fluß bilden, nennt ſich dieſer ſchon von Alters her Sintria, 
d. i.: Es find drey;' woraus durch die Zeit, die fo 
manches verſtuͤmmelt, das verſtuͤmmelte Wort Sitter 
entſtanden iſt. 

Ein kleines Gehoͤlz von Erlen und Weiden, das hier 
die Ufer dieſer Baͤche begraͤnzt, beſchattet noch ihre Fluthen, 
ehe fie dem heimiſchen Boden entfliehen; es umſaͤumet als 
eine lieblich lebendige Einfaͤſſung die Wieſe des Bades, 
und giebt wohlthaͤtigen Schatten und Kuͤhlung. Men⸗ 
ſchenfreundliche Haͤnde haben hier labyrinthiſche Gange 
zum Luſtwandeln, Kreiſe zur froͤhlichen Geſellſchaft und 
einladende Vlaͤzchen zur Meditation und zur Ruhe ange⸗ 
legt. Das murmelnde Plaͤtſchern des Waſſers, die ſanf— 
ten Töne einiger beſiederter Bewohner dieſer Gebuͤſche , die 
Bilder von froher Anmuth, ländlicher Einfalt und ſtillen 
Genußes, die ſich überall darbieten, ſtimmen das empfaͤng⸗ 
liche Gemuͤth zu zarten Empfindungen, zu ſuͤßen Traͤume— 
reyen der Vergangenheit und der Zukunft, und die Leidens 
ſchaften der menſchlichen Bruſt verſtummen. — Verfolgt 
man den Pfad, der unter dieſen gruͤnenden Gewoͤlben alle 
maͤhlig dahin ſich ſchlaͤngelt, und tritt man aus ihrem 
kuͤhlenden Schatten in die Hitze der Sonne, ſo gelangt 

man zu einem Huͤttchen, das am aͤußerſten Punkt ſteht, 
und das aus vier Pfaͤhlen nur und einem ſchmalen Daͤch⸗ 
gen gebildet iſt. Hier ſiehſt du den Strom ſeine Wellen 
unaufhaltbar datzin wälzen; fie eilen ſchnell und uns 
unterbrochen dem alles verſchlingenden Ocean zu, und 
jede Sccunde treibt ſich eine neue daher, um in der fol 
genden wieder zu verſchwinden: — ein lebendiges Bild des 
menſchlichen Lebens, vom Strome der Zeit unaufhaltbar 
dem unermeßlichen Ocean der Ewigkeit zugetrieben; und 


332 


noch glücklich der Menſch, deſſen Pfad lange unter ſchat⸗ 
tigten und gruͤnenden Gewoͤlben wie dieſer, und kurz an 
der Schwuͤle der Sonne, zum aͤuſſerſten Endpunkt des Le⸗ 
bens, — dem Hüttchen mit vier Brettern und zwey Breit 
chen — hinfuͤhrt! | 
Doch genug hier verweilt! wir kehren zum Bade zu⸗ 
ruͤck. Fröhliche Muſik und das Geſumſe taktſchlagender 
Fuͤße tönen uns fchon von ferne entgegen. Ein Zimmer, 
das des Morgens zum Sammelplatz der Curgaͤſte diente, 
iſt nun mit Tanzenden angefuͤllt, und der Tummelplatz 
brauſender Freude. Hier dreht ſich im Kreiſe der derbe 
Aelpler mit ſeiner Dirne, dem rothbackigten, runden Land⸗ 
maͤdchen herum; freudige Munterkeit und lautſchallendes 
Jauchzen miſcht ſich in ihren Tanz und hebt ihre Fuͤße zu 
luſtigen Spruͤngen und ſelbſterdachten kunſtioſen Tritten. 
Gezierter ſchon und im bunten Gemiſch franzoͤſiſcher und 


landesuͤblicher Tracht, draͤngt ſich zwiſchen dieſe Paare die 


junge luſtige Welt des Fleckens und der benachbarten Doͤr⸗ 
fer Außer⸗Rhodens; kunſtlicher wohl find ihre Tritte, und 
feiner tanzen ſie den Reigen; aber ihnen fehlt die maͤnnliche 
Kraft des Aelplers und die geſundheitsſtrotzende Fülle fei- 
nes Maͤdchens. Die Gallerie bilden ſolche, die, da ihre 
Fuͤße vom Alter ſchwer geworden, durch Muſik nicht mehr 
in Bewegung geſetzt werden, dafür deſto fleißiger die Glaͤſer 
in Bewegung ſetzen: wahre Bachusgeſichter und Vulkans⸗ 
köpfe, mit der dampfenden Feuereſſe zwiſchen den Lippen; 
— oder ſolche aus fernen Staͤdten, die ihre Geſundheit 
auf verſchiedenen Wegen eingebuͤßt, dieſelbe beym Genuß 
der Bergluft, der Molken oder der Baͤder wieder herzu⸗ 
fielen und den erſchoͤpften Körper zu pflegen, hieher ge 
kommen find, und die den Einfuß ſtaͤdtiſcher Sitten und 
Suͤnden, zum Contraſt laͤndlicher Einfalt und Genuͤgſam⸗ 
keit, auf ihren pathologiſchen Geſichtern der Welt hier zur 
Schau tragen. 


333 


Für diefe bietet nun das Weißbad mancherley Huͤlfs— 
mittel dar; die Schotten oder Molken werden tägs 
lich fruͤh morgens friſch aus den Alpen gebracht; die Sen: 
nen bereiten ſie aus der Milch der Ziegen, und ſchicken ſie 
anderthalb Stunden weit, vom Fuß des Schaͤfflers und 
Fielders, aus den Alptriften Clus und Garten, noch 
heiß den Schottentrinkern zum wohlthaͤtigen Fruͤhſtuͤck. 
Sieht man den Träger mit den Tauſen, die den ab» 
geklaͤrten Saft dieſer baͤrtigen, doch weiblichen und ihrer 
Naſchhaſtigkeit wegen etwas verſchrienen Geſchoͤpfe enthal— 
ten, über den Hügel, der vor dem Bade liegt, herabſtei— 
gen, ſo verſammelt ſich das ganze Chor der Trinker, 
gleich als waͤre Bachus mit ſeinem Nektar herabgeſtiegen, 
und die Tauſe wird zu ſeiner Tonne. Aber verſchieden 
etwas freylich ſind die Effekte; und wenn dieſer bekannt⸗ 
lich zu Kopfe ſteigt und das Haupt erfüllt, fo wirkt 
jener auf einen — in Ehren geſagt — ganz andern Theil, 
und hat eine entleerende Wirkung; dieß aber zum 
offenbaren Nutzen und Frommen aller, die mit den Ver⸗ 
richtungen des letztern nicht ganz zufrieden ſind. Doch! 
es iſt wohl ſchicklicher, dieſem Gegenſtand ein eignes Plaͤz⸗ 
chen anzuweiſen und ihn etwas ausführlicher zu behan⸗ 
deln, welches vielleicht in einem auen Fragment ge⸗ 
ſchehen duͤrfte. 

Ein Paar hundert Schritte von an Bad, in der 
Bergſchlucht, aus welcher der Weißbach ſich hervordraͤngt, 
entſpringt eine Quelle, die kuͤnſtlich nach dem Badhaus 
geleitet, dort gewaͤrmt und zu Baͤdern benutzt wird, 
und folglich einen andern Vortheil den Curgaͤſten darbie⸗ 
tet. Wenn man dedenkt, wie viele Menſchen uͤber den 
Punct der Reinlichkeit des Körpers nichts weniger als 
ſtrupulös find, wie ſehr der Gebrauch der Bader an vie 
len Orten vernachlaͤßigt iſt, und wie ſchlecht an manchen 


334 7 

andern die Anſtalten dazu ſind; wenn man von der andern 
Seite bedenkt, wie nuͤtzlich und wohlthaͤtig für den Körs 
per Baͤder, und beſonders warme Baͤder; wie ſehr ſie 
zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Gefundheit wich— 
tig und nothwendig, ja ſogar zur radikalen Heilung meh— 
rerer Hautkrankheiten durchaus unentbehrlich ſind, ſo wird 
der Vortheil einer Bade-Anſtalt, wo jede Viertelſtunde 
ein kaltes oder warmes Bad zu haben iſt, an einem Orte, 
der vorzugsweiſe zur Pflegung der Geſundheit beſucht wird, 
gewiß von ſelbſt einleuchten, und dies iſt auch der haupt— 
ſaͤchlichſte Geſichtspunct, aus dem die Nuͤtzlichkeit dieſes 
Bades, meines Beduͤnkens, betrachtet werden muß. Denn 
wenn ſchon geſagt wird, daß es ſeifenartiger Natur ſey, 
und dieſes ſogar ſchriftlich behauptet worden iſt, ſo ſcheint 


es mir doch nicht, daß es andere Beſtandtheile, als auf⸗ 


geloͤste Kalkerde, dieſe aber in ziemlicher Menge, enthalte, 
und von einem natuͤrlich ſeifenartigen Mineralwaſſer, in 
der gewohnten Bedeutung des Worts, habe ich keinen 
Begriff. 

Was endlich die übrigen Beduͤrfniße und Beluemlch⸗ 
keiten anbetrifft, die an einem Curorte geſucht werden, als 
Speiſe, Bett und Wohnung, ſo ſtehen fie zwar auf kei⸗ 
nem glaͤnzenden Fuß, jedoch ſind ſie nicht ſchlecht und ſo, 
daß Jemand, der nicht an eine uͤppige Tafel, ein Flaum⸗ 
bett und praͤchtige Zimmer ſo gewoͤhnt iſt, daß er nicht 
mehr ohne dieſe exiſtieren kann, ſich wohl damit begnuͤgen, 
und mit ſeinem hieſigen Aufenthalt nicht unzufrieden ſeyn 
wird. Rechnet man hiezu den freundſchaftlichen, anmaſ⸗ 
ſungsloſen Ton unter den Curgaͤſten; die gaͤnzliche Unbe⸗ 
kanntſchaft mit einem laͤſtigen Ceremoniell; den Genuß des 
nahgelegenen Waͤldchens, und ſeiner, durch die immer— 
waͤhrende Stroͤmung der Baͤche auch in der groͤßten Hitze 
unterhaltenen Kühlung; die Leichtigkeit und das Einls⸗ 


335 


dende von hier aus Luſtwandlungen in die benachbarten 
Alpentgaͤler, oder auf die Alpen ſelbſt zu unternehmen, 
ſo wird man ſich keinen ganz unrichtigen Begriff von dem 
Ort machen, und wer dieſe Vortheile zu wuͤrdigen und 
zu genießen weiß, und ſich nicht fcheut oder ſchaͤmt, allen⸗ 
falls zuweilen ein paar Stunden in der Geſellſchaft ſeiner 
Selbſt zuzubringen, der wird keine unangenehmen Ruͤck— 
erinnerungen mit ſich von hier fort nehmen. — Wer aber 
nur glänzende und geraͤuſchvolle Zirkel liebt; wer bewundert 
und geſchmeichelt feyn will; wem der Prunk und Schimmer 
der großen Welt beſſer gefaͤllt, als die laͤndliche genuͤgſa— 
me Einfalt; und wer ſich lieber im kleinlichten Labyrinth der 
menſchlichen Leidenſchaften umhertreibt, als im großen dieſer 
Gebirge, der bleibe fern von dieſem Ort und wähle ſich einen 
andern, denn ſeine Vorzuͤge ſind nicht fuͤr ihn geſchaffen! 


Die Reiſe nach dem Saͤntis. 


Es giebt zwey Wege, die gewoͤhnlich von dem Weiß⸗ 
dad aus gewaͤhlt werden, um die Reiſe nach dem Saͤntis 
zu machen: der erſte fuͤhrt durch Schwende nach 
Seealp und an der hintern oder Mittagsſeite des 
Meß mers bis zu deſſen obern Alphuͤtten herauf; er iſt 
der bequemere, und bis an die Hütten ganz gefahrlos. Der _ 
andere führt über Altenalp, hinter dem Oehrle vor 
bey, und über die hohe Niedere, ebenfalls nach den 
Hütten des Obern Meßmers; er iſt weit der beſchwer⸗ 
Sichere und gefahrvollere; hingegen aber auch der merk— 
würdigſte und genußreichſte. — Erſtern Weg machte ich 
vor 2 Jahren, den letztern das vergangene Jahr, und die⸗ 
ſer iſt vorzugsweiſe jedem Reiſenden anzurathen, ſo wie 
er auch der Gegenſtand dieſer Beſchreibung ſeyn wird. 

Wer alſo die Beſchwerlichkeiten einer Bergreife nicht 


— 


336 


ſcheut, und ſeines Kopfes ſicher iſt, der nehme feinen Berg» 
ſtab, und folge mir. — 

Es war Nachmittags 3 Uhr als unſere kleine Carabaue, 
die aus 4 Reiſenden und dem Fuͤhrer beſtand, das Weiß: 
bad verließ; druͤckend ſchwuͤl war die Hitze im Thal, aber 
uns teöftete der Gedanke, daß wir der reinern Bergluft 
und der Kuͤble des Abends entgegen giengen. Allmaͤhlig 
erhebt ſich der Pfad durch fruchtbare Wieſen, dann durch 
Viehweiden bis zur Alp Bommen; von hier windet 
er ſich immer ſteigend und ſteiler um die Felſen maſſe, die 
das Wildkirchlein, und uͤber ihm die Ebenalp mit 
ihren Weiden und Heerden tragt. Schon reiner und ers 
auickender wird die Luft. Rauher zwar, und überall 
durch herabgeſtuͤrzte Steinklumpen unterbrochen iſt der 
Boden; aber hereliche, dem Thale dort unten unbekannte 
Pflanzen zieren denſelben, und eine andere Blumengoͤttin 
ſcheint hier zu walten. Da wo das Thal zur Alpenweide 
allmaͤhlig ſich erhebt, ſtand die ſtol ze Nelke (Dian- 
thus superbus), ihren Ambroſiaduft verbreitend, und kuͤn⸗ 
digte gleichſam an, daß hier eine hoͤhere Vegetation beginne; 
dann zeigte ſich im Schatten das rundblaͤttrige Stein⸗ 
brech (Saxifraga rotundifolia) mit feinen blutbeſpriz⸗ 
ten Blumenblaͤttchen, und hoͤher herauf ſeine Geſchwiſter: 
das knorpelblaͤttrige, und das niedrige Herbſt⸗ 
Steinbrech (Saxifraga cotyledon et autumnale); dann 
ragten die fleifchfarbigten Köpfchen des Alpenhuflatigs 
(Tussilago alpina) oder die Dolden feines Halbbruders, 
des Eber Huflattigs (Tussilago hybrida) hervor, und 
neben ihnen ſtand in himmelblauem Gewande die baͤrtige 

Glokenblume (Campannula barbata), ihre Bluͤthe ſanft 
gegen die Erde neigend; oder der ſtolzere blaß gelbe F in— 
gerhut (Digitalis ambigua); und zwiſchen durch, mit 
den zarten Bluͤmchen der Unſchuld am purpurnen Stiele, das 


8 8 1 n 
e 


te an — 


337 


zwiebeltragende Wegetritt (Polygonum vivi⸗ 
parum ); höher vergoldete die Weide die Butterblume 
(Apargia aurea); von den Hirten ſo genannt, weil da, 
wo ſie ſich zeigt, die Kuͤhe die fetteſte Milch geben, und die 
Alpweide von ihr einen hoͤhern Werth erhaͤlt; am Felſen⸗ 
riff hieng der aromatiſche Alpenthymian (Thymus 
alpinus) mit ſeinen zahlreichen Lilabluͤthen und bekleidete 
gleichſam das Geſtein zu einem wolluͤſtigen Lager; und 
aus der Felſenritze draͤngten ſich die jungfraͤulichen Blu⸗ 
men des ſtieligten Fingerkrauts (Potentilla cau- 
lescens), und ihnen entgegen blinkten die mit Carmin 
eingefaßten Lippen des Alpenzieſts (Stachys alpina) 
oder die Goldſtuͤcken gleich ausgebreiteten Blumen des 
haarichten Habichtskraut (Hieracium villosum). 

Alle dieſe Pflanzen fanden hier im uͤppigſten Wuchs 
und ergoͤtzten das Auge durch das mannigfaltige Farben⸗ 
ſpiel ihrer Bluͤthen. Aber nicht minder praͤchtig von Far⸗ 
ben ſchwirrte ein Schmetterling um fie, der nur in dies 
fer Gegend ſehr Häufig, ſonſt aber ſelten angetroffen wird: 
der Apollo naͤmlich mit dem Rubinen-Auge auf den 
Fluͤgeln. — 

So gelangt man bis zum Schei depunkt, wo ein Weg 
rechts ſich trennt, und in den Felſen gehauen, über ein 
ſchmales Bruͤkchen, nach dem Wildkirchlein fuͤhrt. Gleich 
hinter dieſer Stelle, in einem Winkel, der durch die Fel⸗ 
ſenwand gebildet wird, liegt ein Raum kaum einige Klaf⸗ 
ter groß, der Aeſcher genannt, groͤßtentheis mit den 
Truͤmmern heruntergeſtuͤrzter Felsmaſſen bedeckt. — Hier 
ſtand vor wenigen Tagen noch eine niedere enge Huͤtte, 
der Aufenthalt einer zahlreichen duͤrftigen Familie, die ſich 
aus dem Ertrag einiger Kühe, die an dieſer Bergſeite weis 
deten, ernaͤhrte. Aber auch bis in Die Alpen verfolgt den 
Menſchen das Unglück! Eine ihrer Kühe verfiel, nach 

ar Bd. 5 


338 


dem Ausdruck der Hirten, d. i. fie ſtuͤrzte todt über einen 
Abgrund herunter; ein Ungluͤrsfall, der alle Jahre mehre⸗ 
ren Stuͤck Vieh begegnet. Der Hausvater, um das Fleiſch 


zu benutzen, zerſchnitt es in große Stucke, brachte es in 


ſeine Hütte und ſuchte es am angezuͤndeten Feuer zu 
raͤuchern und zu doͤrren. Mittler weile verließ er die Hütte 
wieder, um in der Ferne mit der Heuerndte ſich zu beſchaͤſtigen, 


und übergab die Aufſicht des Feuers und die Sorge fuͤr 


das weidende Vieh einem ſeiner Kleinen. Dieſer, nur mit 
letzterm beſchaͤftigt, ſahe auf einmal Flamme und Rauch 
aus der Huͤtte hervorbrechen; er eilte hinzu, aber ſchon 
hatte das Feuer alle Seiten der Huͤtte gepackt, und er konn⸗ 
te nicht mehr zur Thuͤre hereindringen, um etwas zu ret⸗ 
ten. Drinnen hörte er das Winſeln feines ka um jaͤhri⸗ 
gen Bruders, und ſchnell entſchloſſen ſteigt er durch das 
Fenſter herein, und — rettet jenen durch dieſes, er ſelbſt, 
nur ein achtjaͤhriger Bube! Bald darauf iſt die Huͤtte 
in einen Aſchen- und Steinhaufen verwandelt. — Ein 
Zug, der nebſt vielen andern beweist, daß das Alpenleben 
Kinder ſchon an kuͤhne Unternehmungen in Gefahr, und 
kaltbluͤtige Entſchloſſenheit gewöhne. — 

Von dieſer Brand ſtaͤtte nun, wo das Bild der Zer, 
ſtoͤrung im auffallendſten Contraſt der Seele ſich ausdringt, 
und wo neben den armſeligen Ueberbleibſeln einer menſch⸗ 
lichen Wohnung die rieſenhaften Trummer des Gerippes 
eines maͤchtigen Gebirges umher zerſtreut liegen; wo aber 
auch jenem Bilde der Verwuͤſtung ſtets das Bild der ſich 
jmmer verjuͤngernden und erneuernden Schöpfung zur Seite 
ſteht; — wo auf jener Kinder ahndungslos ſp ielen, 
und Stuͤckchen Eiſen zu einem neuen Gebaͤude zuſammen⸗ 
ſuchen; und auf dieſen Kraͤuter wachſen und bluͤhen, und 
ſelbſt aus dem zerkluͤfteten Geſtein ihre Nahrung ziehen, — 


von dieſer Stätte, ſage ich, bietet ſich dem Auge ein 


339 
Auferft uͤberraſchender und ſchoͤner Anblick dar. Gerade 
unter den Fuͤſſen, in der Tiefe, oder vielmehr im Abgrund, 
ſpiegelt ſich die dunkelblaue Flaͤche des Seealperſees; 
an feinem entferntern Ufer liegen die Hütten von 
Seealp zerſtreut, und zwiſchen ihnen entdeckt man die 
weidende Heerde; am einen Ende des Thals zeigt ſich mah⸗ 
leriſch ſchoͤn das Haupt des Camors: der Hohe Ka⸗ 
ſten; gegenuͤber ſteht groß und furchtbar das Gebirge 
Maarwieß und unterhalb ihm die Glockeren mit 
ihren 5 Köpfen; im Hintergrund, am andern Ende deſſel⸗ 
ben, erhebt ſich kahl und unzugaͤnglich der Alte Mann 
und ihm zur Seite glaͤntzen die Schnee- nnd Eisfel⸗ 
der, wodurch er vom Meßmer und Saͤntts getrennt 
wird; gerade uͤber dem Haupt ragt, in der Hoͤhe von ei— 
nigen hundert Fuß, die Felſenmauer von Ebenalp 
heruͤber, und droht jeden Augenblick zuſammenzuſtuͤrzen, und 
den Fremdling in dieſen Gegenden zu zerſchmettern; ein 
Anblick, wodurch das Schauerlich⸗Schoͤne dieſer ganzen 
Scene unendlich vermehrt und gehoben wird. Wanderer! 
der du nach dem Wildkirchlein wallfahrteſt, um in 
jener finſtern Capelle deine irdiſchen Geluͤbde niedergus 
legen, und deine Seele im Glauben an Gott zu ſtaͤrken, 
und in der Demuth zu üben, verweile erſt an dieſer Stelle 
und lerne die Majeſtaͤt des Schoͤpfers, — und den Staub 
des Menſchen kennen, und dann gehe hin und bete! 

Unſer Weg fuͤhrte uns laͤngs der Felſenwand nach 
Altenalp. Zuerſt iſt ed ein ebener Pfad; dann aber vers 
liert ſich dieſer, und nur noch hie und da ein Fußtritt zeigt, 
daß Menſchen hier wandlen. Am Rande des Abgrunds, 
den Seealperſee immer in ſchwindelnder Tiefe unter 
ſich, tritt man bald auf ſchluͤpfrigen Raſen; bald in die 
vom Regen ausgehoͤhlten Riſſe und Löcher des Felſen; bald 
auf ſchraͤg, gegen den Abgrund ſich neigende Steinplatten, 


340 


und fo gelangt man endlich nach einer halben Stunde mühe 
feligen Marſches nach Altenalp. Die vertikalſtehende 
Wand des Schaͤfflers namlich macht hier einen Aus» 
bug nach Norden, und es entſteht dadurch zwiſchen ihr 
und dem Abgrund von Secalp eine kleine Flaͤ⸗ 
che, die als Viehweide benutzt wird, und auf der zwey 
Sennhuͤtten ſtehen. Hier, nach einem zweyſtuͤndigen be= 
ſchwerlichen Marſch, lagerten wir, und erquikten uns mit 
wohlſchmeckender Alpenmilch und Rahm. Ich beſuchte 
mit einem Sennen die Muͤndung des in der Naͤbe liegen⸗ 
gen Ziegerlochs, ein maͤchtiges Gewoͤlbe im Felſen, 
deſſen Waͤnde mit Stalaktiten und Mondmilch bedeckt 
waren; deſſen Eingang aber eine daſelbſt ſich öffnende Kluft 
gefährlich macht. Ein kleineres Gewölbe mitten in 
der Felſenwand des Schaͤfflers, aus deſſen Muͤndung 
Waſſertropfen herausſikkerten, veranlaßte den Hirten, bis 
Morgen Abends ein Ungewitter voraus zu ſagen; indem 
er hinzu fuͤgte, bey anhaltend guter Witterung ſeye jene 
Mündung ganz trocken; wenn aber Waſſertropſen ſich zeig» 
ten, ſeye ein Sturm oder Regen in 24 Stunden zuverlaͤßig. 
Der Erfolg beſtaͤtigte nur zu ſehr ſeine Weiſſagung, die 
uͤbrigens nach phyſiſchen hydrologiſchen Gründen leicht ers 
klaͤrbar, und ein Beweiß mehr der metereologiſchen Kennt⸗ 
niſſe der Hirten iſt, die ſie aus der taͤglichen Beobachtung 
der Natur und ihrer Erſcheinungen ſchoͤpfen. 

Geſtaͤrkt, und durch einen Trunk Kirſchenwaſſer, das 
in dieſen Berghoͤhen und beym Genuß der fetten Alpen: 
milch durchaus erforderlich iſt, zu neuen Muͤhſeligkeiten 
vorbereitet, verließen wir die einſamen Huͤtten von Alten— 
alp, und zogen uns immer hoͤher gegen den Grath der 
Gebirgskette. Je naͤher wir dieſem zu ſeyn glaubten, je 
mehr thurmten ſich unerſteigliche Bergſpitzen vor uns auf, 
und je furchtbarer durch Anzahl und Groͤße wurden die 


* 


341 


losgeriſſenen Truͤmmer und Steinmaſſen, die wir zu er— 
klimmen hatten, bis ſich endlich unſerm Auge ein Einſchnitt 
in dieſen fuͤr Jahrtauſende geſchaffnen Wall darbot, und 
uns die Richtung zeigte, in wel cher allein er beſtiegen wer 
den kann. Die Hirten nennen dieſen Einſchnitt die vor⸗ 
dere Wagenluke, aus dem Grunde, ſagen ſie, weil er 
eben die Breite haͤtte, daß ein Wagen hindurchfahren 
koͤnnte. Sie trennt die, von keinem menſchlichen Fuß noch be⸗ 
tretenen Felshöͤrner: die Thuͤrme, von dem jenſeits 


eines Abgrundes beginnenden Bergruͤcken, dem Meßmer. — 


Kaum hatten wir uns durch dieſen Einſchnitt durchge⸗ 
wunden, und den Grath erſtiegen, ſo veraͤnderte ſich ploͤtz— 
lich die Ausſicht; ſtatt dem engen, von allen Seiten him⸗ 
melhoch ummauerten, und bereits ſchon in dunkle Abend, 
daͤmmerung verſunknen, Thale von Seealp, oͤffnete ſich 
nun ein unermeßlicher Horizont nach Norden und Weſten, 
in den mannigfaltigſten Nuangen von Bergen, Hügeln und 
Thaͤlern, von Triften und Korngeſilden, von Gebuͤſchen, 
Fruchtbaͤumen und Waͤldern, und der zwiſchen durch ſich 
ſpiegelnden Flaͤche des Bodans, und einiger den Gebirgen 
entfliehender Fluͤſſe. Dieſe ganze Ausſicht ſtand eben in 
jenem zarten, weichen Lichte der Abendſonne, in jenem 
eigenthuͤmlichen magiſchen Farbenſchmelz, und den unnach— 
ahmlichen zauberiſchen Uebergaͤngen von Helle und Schat⸗ 
ten, wodurch eine Abendlandſchaft unſerm Auge vorzuͤg⸗ 
lich wohlgefaͤllt, und gleichſam die ganze Schoͤpfung un⸗ 
ſerm Herzen naͤher gebracht wird. In der Tiefe, zwiſchen 
den Alpweiden gerade zu unſern Füßen, und dem 
Kronberg, ſchlaͤngelte ſich wie ein Silberfaden der Weiß⸗ 
bach dahin, und von allen Seiten aus den Alpen unter 
uns ſchallten die Abendgeſaͤnge der Hirten zu uns herauf, 
und die durchdringenden Toͤne des Kuͤhreihens, wodurch 
ſie die Heerde zum Melkgeſchaͤfte zuſammen locken. 


342 


Unſer Weg gieng nun an der Nordſeite des Gebirges, 
gegen den ſogenannten Oehrlekopf zu, zur Rechten den 


Abgrund, zur Linken die hoͤchſte, und mannigfaltig geſtal⸗ 


tete Linie des Meß mers. Zuerſt iſt zwiſchen beyden nur 
ein ſchmaler Pfad, kaum fuͤr einen einzelnen Menſchen breit 
genug; nachher aber entfernt ſich die Linie des Meß mers 
etwas nach Suͤden, und zwiſchen ihr und dem Abgrund 
bilden ſich hie und da einige, etliche Klafter breite, Stel⸗ 
len. Wenn aber in der Ferne das Auge nur Gegenſtaͤnde 
einer mahleriſch ſchoͤnen Landſchaft entdeckt, fo umgeben 
den Reiſenden hier die Schreckniſſe der Zerſtoͤrung, die un⸗ 
foͤrmlichen Trummer verwitterter und eingeſtuͤrzter Gebirgs⸗ 


maſſen, die chaotiſchen Ueberbleibſel einer duͤſtern Vorzeit, 


und die Zeugniſſe fuͤrchterlicher Revolutionen, die in dieſen 
Gegenden gewuthet haben. Wo man hinblickt, zeigen ſich 
nur Verwuͤſtung und Ruinen, und dies ſcheint gleichſam 
der Ort geweſen zu ſeyn, wo die Titanen frecherweiſe den 
Himmel erſtuͤrmen wollten. Aber auch jezt noch zuͤrnt der 
Himmel öfters über dieſe Stelle, und gerade acht Tage 
waren es, als eine Gewitterwolke hier heruͤber zog, und 
Regen und Hagel mit ſchrecklichem Gepraſſel herabſtuͤrzte; 


die Spuren waren jezt noch überall ſichtbar, und Schichten 


von Schloſſen lagen noch hie und da aufgehaͤuft, und zarte 
Pflaͤnzchen zerſchmettert und entwurzelt umher. Zu aͤuſ⸗ 
ſerſt) über den Abgrund heruͤberhaͤngend, und gleichſam 
den Grenzſtein dieſer Scene der Zernichtung und der Wan⸗ 
delbarkeit aller Dinge bildend, ſteht der Oehrlekopf, 


ein iſolierter, 2 bis 300 Schuh hoher, kegelfoͤrmiger Felſen, 


der wahrſcheinlich mit der Gebirgsmaſſe, wovon nur die 
Trummer hier noch umher liegen, zuſammenhieng, und 
dem eben fo wahr ſcheinlich zuerſt unter den noch ſtehenden 
Gebirgsmaſſen dieſer Gegend, wiederum eine gewaltſame 
Zerſtoͤrung und ein Sturz in den Abgrund bevorſteht. — 


* 


— a 


4 


345 


Dieſe Gegend waͤre gewiß für den Mineralogen nicht 
unwichtiz, und duͤrfte einige intereſſante Reſultate fir die 
Kenntnis der Gebirgsarten der hoͤhern Alpen darbieten. 
Hier werden auch, beſonders auf einer gegen Weſten ab» 
haͤngenden kahlen Flaͤche, am zahlreichſten die kleinen 
Bergeriſtalle, mit der doppelten Piramide auf einer 
ſchmalen Grundfläche, die in dieſen Alpen unter dem Na» 
men Strahlſteinchen bekannt ſind, zerſtreut im Sande 
liegend gefunden, und von den Hirten geſammelt. Ich 
bedeuerte nur, daß mir kein Aufenthalt hier geſtattet war, 
und daß die heruntereilende Sonne uns noͤthigte, unſte 
Schritte zu beſchleunigen. 

Wir erhoben uns allmaͤhlig uͤber dieſe wilden Gegen⸗ 
din, wo nur Schaafe und Ziegen hinkommen koͤnnen, 
und nur kuͤmmerliche Nahrung finden, und wo die Vege⸗ 
tition ſich auf die kleine Alpenranunkel (Ranuncu- 
Ius alpestris), das breitblättrige Hornkraut (Ce- 
rastium latifol.) und das pyrenaͤiſche Hungerblüm⸗ 
chen (Draba pyrenaica) beſchraͤnkte, indem wir zuerſt 
ein Schneefeld, hernach die Riffe einer ſteilen Felſenwand 
am Abhang der grauſendſten Kluft erſtiegen; endlich Hats 
ten wir die hohe Niedere, den hoͤchſten Punkt unſerer 

ö heutigen Reiſe, erreicht. 
| Eben ſpiegelte ſich noch der letzte Strahl der unerge⸗ 
henden Sonne auf der Flaͤche des Zuͤrichſees; — einen 
Moment ſpaͤter lag ſchon der weite Raum zwiſchen die⸗ 
ſem und dem Boden ſee im daͤmmernden Zweylichte; 
und immer dichter und dichter zog ſich der Schleyer der 
Nacht uͤber die ganze Gegend heruͤber, und unter ihm brei⸗ 
teten Ruhe und Stille ſich uͤber die ganze Natur aus, 
und ſchienen die Feyerſtunden von den Muͤhſeligkeiten des 
1 Tages zu verkünden. Nur hinter uns waren noch die 
Haͤupter der Alpen, der S aͤutis und der alte Mann, 


344 


vom fcheidenden Lichte der Sonne vergoldet; aber bald 
verloren auch ſie dieſen Schmuck, und wurden von den 


Schatten der Finſterniß und einer Todesſtille umgeben. — 


Die furchtbaren Geſtalten der um uns gelagerten Gebirge 
zerfloßen nun in duͤſtre Nebel, und der ſie umhuͤllende Flor 
ließ ſie uns nur wie ſchwarze Gewitterwolken am fernen 
Horizonte entdecken, bloß hie und da noch von einem ſchwa— 
chen Silberſtreifen des herabſinkenden Abendgeſtirns erhellt. 

Wir ſelbſt, im Dunkeln auf dieſen unwirthbaren Hös 
hen, ſahen uns von der lebendigen Schöpfung wie aͤge— 
ſchnitten; keine Stimme unterbrach das bedeutungsvolle 
Schweigen dieſer Einoͤden — als die Stimme des eignen 
Buſens; und jedes Gefühl ſchien erloſchen — als das Ge⸗ 
fuͤhl des eignen ſchlagenden Herzens. 

In ſolchen Augenblicken ſehnt ſich der Menſch nach ans 
dern menſchlichen Weſen; und er fühlt ſtaͤrker als nie die 
Bande und Triebe, die ihn an menſchliche Geſellſchaſt 
knüpfen. — Wir eilten daher am Abhang des obern 
Meß mers den Huͤtten entgegen, und wuͤnſchten ſehulich, 
fe bald erreichen zu koͤnnen. 

Aber ſieh hier zur Linken am Wege Schriftzüge 
auf einer Steinplatte, vom bleichen Lichte des Firma⸗ 

ments aus der Finſterniß ſich erhebend! Sind es zufaͤl⸗ 
lige Spiele der Natur? Oder find es Denkmaͤhler irgend 
eines gluͤcklichen Menſchenbezwingers, der die Alpen mit 
Heeren erſtieg? — Keines von beyden! Erſtere ſind ſie 
nicht, denn fie laſſen ſich zu Worten zuſammenſetzen und 


druͤcken menſchliche Gedanken aus. Letztere? Noch weni⸗ 


ger! Denn ſie ſind dem Andenken eines Manncs geheiligt, 
der ſein ganzes Leben dem Wohlthun und der Verbeſſerung 
und Veredlung der Menſchen widmete; eines Mannes, 
der, mit dem durch die Wiſſenſchaften gebildeten Geiſte 
den gluͤhendſten Eifer verband, feinem Vaterlande nuͤtzlich 


1 
4 


345 


zu ſeyn, und ihm andere nuͤtzliche Buͤrger zu erziehen; 
der dieſem großen Endzweck ſein Vermoͤgen und ſeine Kraͤfte 
mit einer ſeltnen Selbſtverlaͤugnung aufopferte, und der 
in der Geſchichte der letzten Jahrzehnde des ſchweizeri⸗ 
ſchen Staates uͤber den oͤden Steppen des Eigennutzes, 
der Selbſtliebe und des Ehrgeizes hervorleuchtet, wie jener 
Abendſtern am weſtlichen Himmel uͤber dieſe hier ſein Denk⸗ 
mahl umgebende Trümmerwelt. 

Dieſer Mann war Jetzeler von Schaffhauſen, 
Profeſſor am dortigen Gymnaſio, der im Jahr 1791, 
um ſeinen hohen Geiſt zu naͤhren, in dieſe Alpen gekom⸗ 
men war, ſich aber unvorſichtiger Weiſe bey ſpaͤter Jahrs⸗ 
zeit allein auf dieſe Gebirgshoͤhe wagte, und hier durch 
einen ſchaudervollen Tod ſein Leben einbuͤßte. Die Stein⸗ 
platte ſeines Denkmahls bezeichnet die Stelle, wo ſein ent⸗ 
ſeelter Leichnam gefunden wurde. N 

Mit beklommener Bruſt von hier uns wegwendend, 
und dem Edlen einen Seufzer zollend, entdeckten wir nun 
bald die Feuer von den Huͤtten des obern Meßmers 
und erreichten ſie endlich nach einem ſechsſtuͤndigen Marſch 
vom Weiß bade unter dem fröhlichen Zurufen der Hir⸗ 
ten und ihren freundlichen Haͤndedruͤcken. 

Kaum waren wir in die Huͤtte getreten, in der wir 
zu übernachten Willens waren, fo bereitete uns der Ei⸗ 
genthuͤmer, ein junger, flinker Alpenſohn, mit der dieſem 
Volke eignen feinen Phyſionomie, in gaſtfreundlicher Eile 
warme Milch und die ſogenannte Rahmzonne, ein Ge⸗ 
richt aus Rahm, Mehl und Butter, das in dieſen Alpen 
als der Triumph der Kochkunſt angeſehen wird. Sodann 
ward die Lagerſtaͤtte, ein Haufe Alpenheu aus gedoͤrrten 
aromatiſchen Kräutern und Blumen beſtehend, zugeruͤſtet, 
und nach unterhaltenden Geſpraͤchen über die ſichere und 
friedliche Wirthſchaft der Hirten in dieſen Gebirgen, und 


346 


die unſichere und feindliche Wirthfchaft der Mächtigen der 
Erde, ward ſie uns mit der ganzen Huͤtte zur Ruhe uͤber⸗ 
laſſen, und der Beſitzer ſuchte in einer andern fein Nachts 
lager. 

Es gewaͤhrt eine eigne Empfindung, aus dem verwoͤhn⸗ 
ten Leben der Städte ſich in eine Alpenhuͤtte verſetzt zu 
ſehen, und ſtatt in dem gewohnten erſchlaffenden Bette auf 
einem duftenden Heulager zu liegen, und alle die Geraͤthe 
des einfachen Hirtenlebens und die Gegenſtaͤnde ihrer taͤg⸗ 
lichen ſorgenloſen Beſchaͤftigungen um ſich her zu erblicken. 
Sie wird noch erhoͤht durch das Geklingel der weidenden 
Heerde, das Bloͤcken der Ziegen und Schaafe, das Ge 
bruͤlle des Viehes und das Gebelle der huͤtenden Hunde. 
Es erwacht in der Seele allmaͤhlig die Erinnerung an 
die glücklichen Tage der Patriarchen; die Bilder von find, 
licher Einfalt und genuͤgſamen Sitten, die ſich ihr in fruͤ⸗ 
her Jugend, durch die Leſung der heiligen Schriften ein, 
gepraͤgt hatten, treten mit erneuerter Kraft vor ſie, und 
fie glaubt ſich in jene erſten rohen, aber gluͤcklichſten Zeit 
alter der Menſchheit zuruͤck verſetzt. O! Sterbliche! die 
ihr euch gluͤcklich waͤhnt, und auf ſeidnen Lagern und in 
goldgezierten Kammern eure großen Sorgen und ſiechen 
Koͤrper umherſchleppt; oder ihr, deren Bruſt von tobenden 
Leidenſchaften gepeinigt, oder von Ueberdruß des Lebens 
niedergedruͤckt wird; oder ihr, Ungluͤckliche! dir ihr eure 
Exiſtenz vom Beginn bis zum Ende in Kummer und im 
Elende hinbrachtet, — blickt herauf oder hernieder auf den 
gleichfoͤrmigen, von keinen Stürmen des Lebens bedrohten 
Stand der Hirten, und laßt euer Herz entſcheiden, ob, 
nicht der Menſch, ſo wie er ihn verlaſſen, ſich auch von 
den ungetruͤbteſten Quellen ſeiner Gluͤckſeligkeit entfernt 
habe? 

Vom matten Lichte des anbrechenden Tages geweckt 


g 347 


beſorgten die Hirten ſchon das Vieh, als wir uns von ins 
ſerm Lager aufmachten. Eben brach der Strahl der wies 
derkehrenden Sonne hervor; von Gold und Purpur glaͤnzte 
der Oſten, mannigfaltig wechſelten die Farben Aurorens 
und überall verfolgte das belebende Licht die hinwegeilen— 
den Schatten; die gegenuͤber ſtehenden Koͤpfe der Alpen, 
der Ca mor und der Kaſten, ſtanden gleichſam im Glan⸗ 
ze der Verklaͤrung, bis ſich endlich die Sonne uͤber ſie er⸗ 
hob, und ihre wohlthaͤtigen Strahlen auch in die tiefern 
Gegenden, und in das vor uns liegende Thal von Seealy 
ergoß. Aber auf dem hinter uns ſtebenden Saͤntis, 
dem Ziel unferer Reife, lag ein dicker Nebel, und huͤllte 
ihn noch in naͤchtliche Duͤſternheit. Doch wir troͤſteten 
uns mit der Verſicherung der Hirten, die aus der reinen 
und falten Luft weiſſagten, daß er in kurzem feine Hülle 
ablegen und rein und klar daſtehen werde. — So ſchick⸗ 
ten wir uns dann, des Morgens ; Uhr, zur fernern Reife 
an, in Geſellſchaft einiger Hirten dieſer Alpen; eine Vor⸗ 
ſicht, die allen Reiſenden, die den Saͤntis beſteigen wol⸗ 
len, zu empfehlen iſt. 

Zuerſt gieng der Weg uͤber losgeriſſene Felſenſtuͤcke und 
Steinmaſſen, womit die Alpen des Meßmers vorzuͤglich 
Häufig bedeckt find, und die von großen gewaltſamen Zer⸗ 
ruͤttungen auf dieſem Gebirge zeugen; zwiſchen denen aber 
die ſchoͤnſten Alpengewaͤchſe in uͤppiger Fülle ſich hervor, 
draͤngten. Hier ſtand das großbluͤthige und das zwey⸗ 
blüthige Alpenveilchen (Viola grandiflora et bi- 
flora); die ſchwaͤrzlichte und zartblaͤttrige 
Schaafgarbe (Achillea atrata et macrophylla); das 
Alpenwucherblümchen (Chrysanthemum alpinum); 
die Mutteren (Phellandrium mutellina); das im- 


mergruͤnende Hungerblümchen (Draba aizoi- 


des) ; die ganzblaͤttrige Primel (Primula integri- 


348 


folia); das feuerfarbigte Laͤuſekraut (Pedicu- 
laris flammea), neben vielen andern den niedern Alpen 
gemeinſchaftlichen Pflanzen. — Dann gelangt man zu zwey 
elenden Huͤtten, auf den Spruͤngen genannt, wo der 
Boden nur noch wenige Gewaͤchſe hervorbringen und er— 
naͤhren kann, und wo ganz in der Naͤhe die ewigen S chnees 
und Eis felder, die ſich gegen den Saͤntis zu ziehen, bes 
ginnen. a 

Gleich neben dieſen Huͤtten hebt eine ſolche Schneewand 
an, die beynahe perpendikular emporſteigt, und die daher 
nur in diagonaler Richtung erſtiegen werden kann. Wir 
lieſſen unfre Gefährten voran, um uns einen Pfad in den 
Schnee zu bahnen; aber da der Schnee noch hart und ge⸗ 
froren war, konnten ſie nur kleine Tritte in denſelben ein⸗ 
drucken, und jeder mußte ſuchen, fo gut er konnte, feinen 
Fuß in dieſelben zu ſetzen, und ſich mit dem Bergſtab zu 
unterſtuͤtzen, um nicht in den Abgrund herunter zu glei⸗ 
ten. Mit vieler Anſtrengung erreichten wir endlich den 
Grath, da, wo er einen Einſchnitt in die Gebirgsmaſſe, 
die den Meßmer von Maͤglisalp trennt, bildet, und 
der von den Sennen die hintere Wagenlucke genannt 
wird. 5 

Auf dieſer Stelle hat man einen furchtbar imponieren⸗ 
den Anblick: vor ſich und hinter ſich ſind Abgruͤnde, die 
mit Schnee aufgefuͤllt und bekleidet ſind; jenſeits dieſem 
liegen die Hütten des Meßmers, jenſeits jenem, am 
Rande des weiten Schneefeldes, die Huͤtten von Maͤg⸗ 
lisalp, die lezten Beruͤhrungspunkte mit menſchlichen 
Wohnungen. Zur Rechten und zur Linken thuͤrmen ſich 
zackigte Felſenriffe gen Himmel einpor, wo kein Blaͤttchen 
mehr gruͤnt und kein lebendiges Geſchoͤpf mehr athmet; von 
allen Seiten zeigen ſich nur Spuren der erſtorbenen Natur, 
und man glaubt ſich auf einmal unter den erſtaͤrrten Nord⸗ 


349 


pol und in die ſchreckbaren Wildniße des mitternaͤchtlichen 


P ⁰ A 


* 


** 


Spitzbergens verſetzt. i 

Doch nein! Siehe unter deinem Fuß, an dieſer naͤm⸗ 
lichen Stelle, bluͤhet im purpurnen Kleide, und die Lippen 
von Gold, der Alpenloͤbenmund (Antirhinum al. 
pinum); das zarte Mannsſchild (Androsace villo- 
sa), mit den von Schnee gebildeten Bluͤmchen; die vom 
Himmel erborgten Sternchen mit ihrem Silberglanz, des 
ſternfoͤrmigen Steinbrechs (Saxifraga stellaris ) 
und zwiſchen ihnen das beſcheidene lilafarbigte Alpglöck— 


chen (Soldanella alpina) mit dem feingefranzten Rande. 
Siehe! und geſtehe, daß dieß das Land ſeye, wo die Wun⸗ 


der der Schoͤpfung im auffallendſten Lichte zuſammen— 
graͤnzen, und daß hier die Hand vorzüglich anbetungswuͤr— 
dig ſich zeige, die dieſe furchtbaren Coloſſen, dieſe ſtarren⸗ 
den Schnee- und Eisſelder, und das zarte, auf und neben 
ihnen bluͤhende Pfaͤnzchen zur Exiſtenz emporgehoben hat! 
Noch trennte ein ſtundenlanges, immer höher fleigens 
des und zu beiden Seiten von Klippen eingeſchloſſenes 
Schneefeld uns vom Ziele. Wir ſammelten unſre Kraͤſte, 
und von der erquickenden Bergluft vor dem Gefuͤhl der 
Muͤdigkeit bewahrt, ſetzten wir unſern, immer ſteiler wers 
denden Weg, im Schnee muthig fort, bis wir endlich ein 
Felſenriff erreichten, über welches wir, zwiſchen zwey Abs 
gruͤnden hinwandelnd, an den Fuß des Kegels, der den 
Saͤntisſpitz bildet, gelangten. Nun hatten wir noch 
an den von allen Seiten freyſtehenden, gaͤhen Wänden die, 
ſes Kegels, auf loſen Steinplatten und verwitterten Fels⸗ 
ſtuͤckchen zehn Minuten lang heran zu klimmen, bis wir 
auch dieſe Muͤhſeligkeit beſtanden hatten, und uns endlich 
auf der kleinen Flaͤche, die die Spitze bildet, befanden. 
Wer beſchreibt nun den majeſtaͤtiſchen Blick, der ſich 
hier von allen Seiten eroͤffnet? wer mißt den Horizont, 


350 


der ſich in dunkler Ferne ausbreitet und verliert? wer 
nennt die Gebirge und Gegenden alle, die ſich hier wie 
von einer Karte entrollen? wer kennt die Namen des bun⸗ 
ten Gewuͤhls von Staͤdten, Doͤrfern und Schloͤßern, die 
das Auge auf ſich ziehen? wer ſchildert den Eindruck dieſes 
bezaubernden Anblicks auf ein fuͤr Naturſchoͤnheiten em⸗ 
pfaͤngliches Gemuͤth? und welche Sprache hat Ausdruͤcke 
und Bilder genug, um ihn wuͤrdig wiederzugeben? ... 

In dem tiefſten Gefuͤhl meines eignen Unvermoͤgens 
werde ich nur einige ſchwache Zuͤge herausheben, und noch 
glücklich mich ſchaͤtzen, wenn fie nur entfernte Aehnlichkeit 
mit dem großen Originalſtuͤck der Natur behalten ſollten! 
Sie werden, nebſt einigen andern Fragmenten, den Ge⸗ 
genſtand einer kuͤnftigen Vorleſung, in fo fern Sie dieſe 
Ihrer Aufmerkſamkeit nicht ganz unperth gefunden haben, 
ausmachen. 


oe 


Litteratur. 


— 


Description des cols et passages des alpes par 


Mr Bourrit, chantre de l’eglise Cathedrale 


de Geneve etc. Geneve 1803. 2 Vol. 8 o, 
avec 4 planches. 


B ourrit gehört unſtreitig zu denjenigen, die nicht wenig 
zur geographiſchen Kenntniß eines Theils der Alpen beige⸗ 
tragen haben. Eben ſo unermuͤdet als unerſchrocken be⸗ 
ſuchte er beinahe alle Gegenden der griechiſchen und pen⸗ 
niniſchen Alpen, und war in Anſehung der Ausdehnung, 


die er feinen Reiſen gab, ein wuͤrdiger Nebenbuhler des 


a 351 


. unſterblichen de Sauſſure. Wir haben ſeine Werke, 


c 


die Früchte ſeiner Wanderungen im erſten Band der Als 
pina angeführt, Mit demjenigen, welches wir oben aus 
geführt haben, ſcheint er feine litterariſche Laufbahn be— 
ſchließen zu wollen. Wenn ſchon, im Ganzen genommen, 
feine Schriften das Wiſſenſchaftliche in der Keunthiß der 
Alpen nicht ſehr ausdehnen, ſo gewaͤhren ſie doch eine ſehr 
angenehme Lektuͤre, und dienen hauptſaͤchlich denjenigen, 
welche die Alpen nur ihres Vergnuͤgens wegen durchreiſen. 
Von dieſer Ait iſt beſonders gegenwärtige Beſchreibung 
der Uebergaͤnge und Paͤſſe über die Alpen. Auf eine ges 
wiße Art das Reſultat aller Reiſen des Verfaſſers, enthaͤlt 
es nicht nur eine ins Kurze gefaßte Geſchichte der Reiſen, 
die uͤber und auf die Alpen vom Mont Cenis an bis 
zum Mont Roſa find vollführt worden, ſondern nebſt 
einer Menge, zum Theil artiger Anekdoten, die auf dieſe 
Gebirge Bezug haben, findet man auch eine intereffante 
Darſtellung der Merkwuͤrdigkeiten dieſer erhabenen Gegen⸗ 
den darin. Eines Auszuges unfaͤhig wird es am beßten 
ſeyn, wenn ich den Leſern der Alpina den Inhalt der Ka⸗ 
pitel mittheile. 


F Erſte Abtheilung. 

Erſtes Kapitel. Anſicht von Genf bis Salen⸗ 
ches. Erſter Verſuch des Herrn von Sauſſure auf die 
Alpen. Gebirgsenge dei Cluſe. Angenehme Waͤldchen 
bei Maglan. Anblick des Montblanc zum erſtenmal 


auf der Bruͤcke von Salenches. 


Zweytes Kapitel. Ebene von Paſſy. Sie war 


ein See. Waſſerſturz bei Schede; See daſelbſt; ſeine 


Schoͤnheiten. Gefaͤhrliche Bergſtroͤme. Vorfaͤlle. Tha! 
von Servoz. Bruͤcke Peliſſier und ſchauerliche Enge. 
Eingang in das Thal Chamounix. Austreten der Bere 


352 

ſtroͤme. Ungluͤckliche Geſchichte. Uebergang über den Glek⸗ 
ſcher des Boſſons. Schoͤne Anſicht ſeiner Bergſpitzen. 
Ankunft im Prieure von Chamonix. Seine Bewoh⸗ 
ner. Wegweiſer. 

Drittes Kapitel. Praͤchtiger Anblick des Eistha⸗ 
les am Montanvert. Tempel auf dem Montanvertt. 
Erbauung deſſelben. Eine vier Stunden lange Streiferet 
uͤber die Ausdehnung des Thales hinaus. Erblickung des 
Col du Géant. Reiſe einer jungen Perſon. Empfind⸗ 
ſame Auftritte auf dem Montanvert. Klima in Cha: 
monix. Guͤte des Arve-Waſſers. 

Viertes Kapitel. Erſter Verſuch um auf den 
Montblanc über die Aiguille und den Dome du 
Gouté zu gelangen, Zwei Wegweiſer ſteigen hinan. Be⸗ 
ſorgniß ihrentwegen. Sie erſchrecken uͤber die Tiefe der 
Sonne bei ihrem Niedergang. Gefaͤhrlicher Schlaf. Praͤch⸗ 
tige Ausſicht auf Chamonix. 

Fuͤnftes Kapitel. Noch ein Verſuch durch den 
nämlichen Weg. Kurze Erzaͤhlung dieſer Reife von Herrn 
von Sauſſure. Seine Verſuche auf einer Hoͤhe von 
1907 Klafter, die bis jezt noch niemand erreicht hatte. 
Praͤchtiger Untergang der Sonne. Außerordentlicher Marſch 
eines Wegweiſers. 

Sechstes Kapitel. Einleitung zu den Verſuchen, 
den Montblanc zu erſteigen. Beſteigung durch Herrn 
von Sauſſure. Wirkung der Duͤnnheit der Luft. Man 
findet, daß die Spitze des Montblancs 2450 Klafter 
uͤber dem Meere erhaben iſt. Allgemeiner Ueberblick der 
Alpen. * 

Siebentes Kapitel. Reife des Verfaſſers auf den 
Montblanc mit ſeinem Sohne, mit einem Englaͤnder 
und einem Hollaͤnder. Ungluͤckliche Trennung. Einige Weg⸗ 
weiſer fallen in Ohnmacht. Schreckliches Ungewitter. Man 


1 


A 
ö 
. 


353 


fteigt über die Nigiille du Midi herunter. Prachtvol⸗ 
ler Gletſcher. Elender Zuſtand eines Reiſegefaͤhrten. Be 
trachtungen über verſchiedene Umſtaͤnde. Herr Beaufoy 


beſteigt auch den Montblanc. 


Achtes Kapitel. Beſteigung des Montblane 
durch die Herren Dortheren und Forneret. Ein 
Sturm überfällt fie. Sie kehren in Eile zuruͤck. Fruchts 
loſer Verſuch. Gefaͤhrlicher Paß uͤber den Glagier de 
la Cote. 

Neuntes Kapitel. Reiſe des Verfaſſers und ſeines 
Sohnes durch das Eismeer in Piemont. Ihre Noth. Sie 
werden durch den Muth und die Unerſchrockenheit des J. 
Michel Cachat gerettet. Uebergang uͤber den Col du 
Géant. Herr von Sauſſure Reife auf den naͤmlichen 
Col. Siebenzehntaͤgiger Aufenthalt daſelbſt. Schreckli— 
ches Ungewitter. Praͤchtige Lage feines Obſervatoriums, 
Reſultat ſeiner Verſuche. N 

Zehntes Kapitel. Vom Mont Breven. Aus⸗ 
dehnung des Horizontes. Praͤchtiger Aublick der Bergſpitzen 


und des Montblanc von demfelden, Man erblickt den 


Buet. Sonderbarer Begriff eines Bergbewohners von 
unfern Ebenen. Eine Englaͤnderin beſteigt den Breven: 

Eilftes Kapitel. Gletſcher⸗Anhaͤufung beim Ars 
veron. Gefahren daſelbſt. Sie ſtuͤrzt zuſammen; be 
dauernswuͤrdiger Zufall. Menſchlichkeit der Einwohner von 
Chamonix. Ueber die Lage der Stelle, le Chapeau 
genannt; trauriger Todesfall. Das Schrecklich-Schoͤne 


des Gletſchers des Bois und entzuͤckende Ausſicht uͤber 


das Thal. 

Zwoͤlftes Kapitel. Aufſuchung des Gletſchers, 
Buet genannt, durch die Valorſine. Erſter Verſuch; 
zweyter Verſuch. Die Spitze, die man unter dem Nas 
men Mortine kennt, iſt nichts anders als der Such, 

ar Bd. 23 


354 


Praͤchtiges Schaufpiel, welches auf demſelben die Alpen, 
die Ebenen und die Wolken darbieten. Von den Gemſen. 
Der Buet iſt 1578 1/2 Toiſes über das Meer erhaben. 

Dreyzehntes Kapitel. Kraftvoller Charakter der 
Wegweiſer von Chamonix. Ueber Herrn von Sauſ— 
ſure, ſeine Tugenden, ſeine Großmuth, ſeine Liebe fuͤr 
ſein Vaterland. Er trug in ſeinem Jahrhundert vieles 
bei, daß das Studium der Geologie und der Naturgeſchichte 
allgemeiner wurde. Sein Tod. Verdiente Grabſchrift. 

Vierzehntes Kapitel. Abſchweifung uͤber das 
Wachsthum der Gletſcher in den Alpen. 

Fuͤnfzehntes Kapitel. Lezter Blick auf die Ai⸗ 
guillen. Beobachtung des Herrn Jurine über dieje⸗ 
nige du Midi, eine auffallende Erſcheinung betreffend. 
Schoͤne Ausſicht auf die Ebene von Chamonix. Eingang 
in die Valorſine. Schoͤnheit des andern Geſchlechts 
daſelbſt. Uebergang über die Tete noire. Schreckliche 
Schoͤnheiten. Ankunft der Emigranten; ihre Noth mitten 
in dieſer Wildniß. 

Sechszehntes Kapitel. Vom Col de Balme. 
Schoͤne Anſichten daſelbſt. Reife des Herrn von Serrant 
auf den Col du Geant. Von den Hirten. Abſchwei⸗ 
fung, das Grauen betreffend, welches mit Eis bedeckte 
Bergſpitzen einfügen. Verſchiedene Anekdoten. Trauriger 
Tod des Herrn Eſcher von Zuͤrich. 

Siebenzehntes Kapitel. Aufenthalt in Bex. 
Vom Thale Illier und der Bergkette des Dent du 
Midi. Schönheit des andern Geſchlechts. Praͤchtige Buͤ⸗ 
cherſammlung. Nebenreiſe auf die Spitzen von Enzinde. 
Umſturz der Diablerets. Erſter Anblick des Mont 

Roſe. Der Genfer-See drang vor Zeiten bis in das 
Ober- Wallis hinauf. Von St. Maurice, von Mars 
tigni, von den Cretins. Der Meinung eines Schrifte 


„ 


9 


* 


r 


355 


ſtellers wird widerſprochen. Von Herrn Murit, Probſt. 
Abſchweifung, den Uebergang Hannibals betreffend. Vom 
Lager des Galba. Marſch der franzoͤſiſchen Armee uͤber 
den großen St. Bernhardsberg. Wink, einen andern Ue⸗ 
bergang betreffend. Lage des Hoſpitiums. Von der Stadt 
Aoſta und den Urſachen des Cretinismus. Anfuͤh⸗ 
rung einiger Stellen aus einer Reiſe in die Tartarei und 
Epina, 

Achtzehntes Kapitel. Vom Staͤdtchen Cor⸗ 
mayeur. Abſcheulicher Anblick der Cretins. Vom 
Cramont. Drey Gelehrte machen auf ſeiner Spitze Be⸗ 
obachtungen. Erhabenheit der Gedanken. Durchpaß durch 
die Allee blanche und über den Col de la Seigne. 
Neue Straßen. Schoͤner Anblick der Piramiden. Schoͤn⸗ 
heiten des Sees von Combal. Der Col de la Seigne 
iſt 1263 und der Col des Tours 1396 Klafter über 
dem Meere erhaben. Vom kleinen St. Bernhardsberg, 
Das Hoſpitium auf demſelben liegt 1125 Klafter hoch. 
Es iſt der leichteſte Uebergang über die Alpen. 


Zweite Abtheilung. 
Neunzehntes Kapitel. Vom Mont Cents. 
Gegenden um Genf gegen Mittag der Stadt. Das Ver⸗ 
lieren der Rhone. Von Annecy, Chambery, Straße 
über Lannebourg. Naturgeſchichte. Beſchreibungen. 
Der hoͤchſte Punkt der Straße über den Mont Cenis ers 
hebt ſich 1060 Klafter über das Meer. Schöne Lage des 
Sees auf dieſem Berge. 
Zwanzigſtes Kapitel, Fortſetzung, den Paß uͤber 


| den Mont Cenis betreffend, Beſchaffenheit der Gebirge, 


Gipfel, die dieſen Paß umgeben. Herunterſteigen in Pie⸗ 
mont. Fortſetzung der Alpen bis ans Meer. 
Ein und zwanzigſtes Kapitel. Weg auf den 


356 


Mont: Rofa über den Simplon. Schöne Ausſicht 
zu Vanzon. Macugnaga am Fuß des Mont⸗Roſa. 
Von der weißen Spitze. 2430 Klafter iſt der Mont-R o> 
ſa hoch. 

Zwey und zwanzigſtes Kapitel. Vom Col 
d'Egna. Praͤchtige Ausſicht. Col d'Obbia 1238 Klap 
ter uͤber dem Meere. Vom Mont Cervin; der Col iſt 
1736 Klafter, die Spitze aber 2309 Klafter über dem Meere 
erhaben. Beaͤngſtigung, die die Mauleſel uͤberfaͤllt. Sit⸗ 
ten der Bewohner der Thaͤler um den Mont-Roſa. 
Nachmaliger Ueberblick, die Beſchaffenheit dieſer Gebirge 
betreffend. Gedanken uͤber die Revoluzionen unſers Erd⸗ 
balls. 

Drey und zwanzigſtes Kapitel. Inſekten und 
Schmetterlinge von Herrn Jurine geſammelt. 

(Siehe in dieſem Bande ©. 38.) 

Vier und zwanzig ſtes Kapitel. Entfernung der 
Oerter. Hoͤhe der Gipfel ꝛc. Naturgeſchichte. i 

Fünf und zwanzigſtes Kapitel. Einleitung zu 
den Briefen an den Verfaſſer, und die Briefe ſelbſt. 

(Meiſtens ſehr unbedeutend; das Publicum haͤtte we⸗ 
nig verloren, wenn ſie auch ungedruckt geblieben waͤren.) 

Allgemeine Anleitung, wie man auf die Gletſcher rei⸗ 
ſen ſoll. 

(Hacquet, Sauffure, Ebel und andere geben 
weit beſſere und beſtimmtere Anleitungen.) g 


rr 


357 
2. 


Bergreiſen; herausgegeben von Chriſtian Au⸗ 
guſt Fiſcher. Erſter Theil. Nebſt einer 
Charte. 1804. Zweiter Theil. Nebſt einer 
Charte. 1805. 8. Leipzig, bei Joh. Friedr. 
Hartknoch. 6 


Wir übergehen den erſten Theil, weil er von den Pi⸗ 
renaͤen handelt, und wenden uns gleich zum zweiten Theil, 
der unſre Alpen angeht. Wir hoften eine in dem ſo be⸗ 
liebten Styl des Verfaſſers lebhaft dargeſtellte Beſchreibung 
unſerer Alpengegenden nach eigener Anſicht zu leſen ‚ fans 
den aber nichts anders als eine meiſtens aus von Sauſ⸗ 
ſure Alpenreiſen, zum Theil auch aus dem oben recen⸗ 
ſirten Werk des Herrn Bourrits aus gezogene Beſchrei⸗ 
bung des Montblanc und der ihn zunaͤchſt umgeben⸗ 
den Berge und Thaͤler. Fuͤr denjenigen, der noch gar 
keine Kenntniß von dieſen Gegenden hat und nur eine ober⸗ 
flaͤchliche zu befigen wuͤnſcht, mag dieſes Buch eine ſehr 
angenehme Lektuͤre abgeben. Wer ſich aber gruͤndlich uͤber 
ſolche merkwuͤrdige Gegenſtaͤnde zu unterrichten wuͤnſcht, 
der halte ſich an die Werke der Herren de Lue, Sauß 
ſure und Ebel, die wir im erſten Theile der Alpina 
bemerkt haben. 


— — 


358 


Ts 


Description des alpes Grecques et Cottiennes, 
ou tableau historique et statistique de la 
Savoie sous les rapports de son ancienneté, 
de son étendue, de sa population, de ses 
antiquites et de ses productions mineralo- 
giques, suivi d’un precis des evenemens mi- 
litaires et politiques, qui ont eu lieu dans 
cette province depuis sa rèunion a la France 
en 1792 jusqu’a la paix d’Amiens en 1802. 
Par J. F. Albanis Beaumont, membre ho- 
noraire des sociétés des arts et sciences de 
Londres, Geneve etc. etc. Premiere par- 
tie, Tome premier. Premiere partie, Tome 
second. 2 Vol. gr. in 4. A Paris de l’im- 
primerie de P. Didot l’aine et se vend à 
Geneve chez Pachoud, libraire, 1802. Mit 
einer Charte von Alt Sabaudien und 
23 Kupfertafeln, welche Alterthuͤmer dieſes 
Landes vorſtellen. 

Wenn ich im erſten Theile der Alpina Seite 4, als 
ich dieſes Werk ankuͤndigte, geſagt habe: Vielleicht hilft 
ein erſt kuͤrzlich angekuͤndigtes Prachtwerk unſerm Mangel 
auf einmal ab; (es war naͤmlich die Rede vom Mangel 
guter Beſchreiber der cottiſchen und griechiſchen Alpen); ſo 
habe ich mich in meiner Hoffnung nicht ganz betrogen, 
und mein Verdacht, unter jenem langen Titel etwas fuͤr 
uns ganz Unbrauchbares zu erhalten, war nur zum Theil 
gegründet. Wenn ſchon die Hauptabſicht des Verfaſſers 


TR CEER REITER 


359 


bei der Herausgabe dieſes Werks, die Darſtellung der Ge⸗ 
ſchichte ſeines Vaterlandes geweſen zu ſeyn ſcheint, ſo giebt 
er uns noch nebſt derſelben eine Menge der intereſſanteſten 
Nachrichten über die Alpenkette uͤberhaupt, und über Tos 
pographie, Statiſtik und Naturgeſchichte der cottiſchen und 
griechiſchen Alpen insbeſondre. Da ſich aber kein Natur: 
forfcher gerne ein koſtbares hiſtoriſches Werk nur wegen 
einzelnen darin vorkommenden, fuͤr ihn intereſſanten Bemer— 
kungen anſchaft, ſo werde ich, da ich dieſes Werk benutzen 
kann, alles dasjenige nach und nach und gelegentlich in 
der Alpina mittheilen, was in den Plan derſelben gehoͤrt. 
Hier aber werde ich nur kuͤrzlich den Inhalt des Werks, 
das vor uns liegt, angeben. 


Erſte Abtheilung. Erſter Theil. 
Erſtes Kapitel. Von den Alpen uͤberhaupt, ihrer 
tovographiſchen Lage, Eintheilung und Benennung in den 
aͤltern Zeiten. 
Das zweite und dritte Kapitel ſind hiſtoriſchen 
Inhalts. . 4 
Viertes Kapitel. Allgemeine Bemerkungen über 
die Bevoͤlkerung der cottiſchen und griechiſchen Alpen. Ue⸗ 
ber die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten der Bewoh— 
ner. Ueberblick dieſen Theil der Alpenkette betreffend. 
Dieſes Kapitel enthalt Rachforſchungen über den phy⸗ 
ſiſchen und moraliſchen Unterſchied zwiſchen den Bewoh⸗ 
nern der Gebirge und derjenigen der Ebenen. Verglei⸗ 
chende Nachrichten über das Verhaͤltniß der Bevölkerung 
auf den Gebirgen und in den Ebenen, nach einer oder meh⸗ 
rern Quadratſtunden berechnet. Phyſiſcher Charakter, vers 
mittelſt welchem die Bergbewohner fogleich erkannt wer— 
den. In was er beſtehe. Die Voͤlker, welche zwiſchen. 
dem Mont Cenis und dem Brenner die Alpen bewohnen, 


360 


ſcheinen wohlhabender und glücklicher, als diejenigen, wel⸗ 
che ſich in dem uͤbrigen Theile der Alpenkette befinden. 
Krankheiten, denen die Alpenbewohner am meiſten ausge⸗ 
ſetzt ſind. Philoſophiſche Beobachtungen uͤber die Alpen 
überhaupt ). 

Das fuͤnfte bis zehnte Kapitel, mit welchem der 
erſte Theil geſchloſſen iſt, und das eilfte und zwoͤlfte 
Kapitel, mit welchem der zweite Theil anfaͤngt, enthal⸗ 
ten hiſtoriſche Gegenſtaͤnde. 

Dreizehntes Kapitel. Bemerkungen über die Ber 
änderungen , welche die Abſchaffung der Feudalrechte in 
Frankreich in den Sitten und dem buͤrgerlichen Zuſtand 
der Einwohner bewirkten. Beſchreibung von Savoyen 
ſelbſt und der Provinz Maurienne. 

Vierzehntes Kapitel. Topographifche und hiſto⸗ 
riſche Beſchreibung der Provinzen Tarantaiſe, Fauſ⸗ 
ſigny und Chablais. ö 

Fuͤnfzehntes Kapitel. Fortſetzung des vorigen. 
Topographiſche und hiſtoriſche Beſchreibung der Provinz 
Genevois. 

Sechszehntes Kapitel. Statiſtiſche Ueberſicht von 
Savoyen, mit einigen vorlaͤufigen Bemerkungen uͤber 
die Regierungsform dieſer Provinz vor ihrer Vereinigung 
mit Frankreich, und über die Geſetze, Sitten und Gebraͤu⸗ 
che der Einwohner. 

Siebenzehntes Kapitel. Civil- und Criminal⸗ 
Gerichte des vormaligen Herzogthums Savoyen, ihre Be⸗ 


) Ich werde dieſes Kapitel in einem der naͤchſtfolgenden Baͤnde 
der Alpina nicht nur uͤberſezt, ſondern mit einer Menge 
von Zuſätzen vermehrt, liefern, da der Inhalt deſſelben Anlaß 
zu den wichtigſten Bemerkungen und Vergleichungen giebt. 

Der Herausgeber. 


361 


fugniße, Eintheilung und Vorrechte. Bemerkungen uͤber 
die Aufagen und Abgaben dieſer Provinz, und die Art 
dieſelben zu erheben. N 

Achtzehntes Kapitel. Fortſetzung der Statiſtik 
des vormaligen Herzogthums Savoyen. Zuſtand ſeiner 
Landwirthſchaft, feiner Handlung und der Zunahme ders 
ſelben ſeit der Vereinigung mit Frankreich, nebſt einigen 
Nachrichten uͤber die Erzadern, ſo ſich in dieſem Gebirge 
befinden. 

Neunzehntes Kapitel. Fortſetzung der Statiſtik 
von Savoyen. Ausdehnung, Bevölkerung, Handel, Erz⸗ 
adern in den Provinzen Tarantaiſe, Fauſſigny und 
Chablais. Gewerbsfſiß der Einwohner. 

Zwanzigſtes Kapitel. Fortſetzung der Statiſtik 
von Savoyen. Größe, Bevoͤlkerung, Landwirthſchaft und 
Handel des vormaligen Herzogthums Genevois. Analis 
tiſcher Verſuch uͤber die verſchiedenen Mineralwaſſer von 
Savoyen, worauf eine Beſchreibung des Thales Lauben 
und feiner Schwefelwaſſer folgt.) 

Ein und zwanzigſtes Kapitel. Beruͤhmte Ge⸗ 
lehrte und Kuͤnſtler des vormaligen Savoyens. 

Der erſte Theil der zweiten Abtheilung wird die Ge⸗ 
ſchichte der Herzoge von Savoyen bis zur Vereinigung 
mit Frankreich, und eine Darſtellung der in dieſem vor— 
maligen Herzogthum vorgefallenen Begebenheiten von 1792 
bis 1802 enthalten. 

Der zweite Theil aber ſoll eine mineralogiſche und li⸗ 
thologiſche Beſchreibung der verſchiedenen Provinzen dieſes 


*) Eigentliche Statiſtik gehört nicht in den Plan der Alpina, 

daher wird der Herausgeber in einer andern beliebten Zeit- 

ſchrift eine aus dieſem Werke gezogene Ueberſicht der Sta⸗ 
tiſtik Savoyens liefern. 


362 


vormaligen Herzogthums geben, und um die Ueberſicht ders 
ſelben zu erleichtern, hat er das Werk in ſo viel Kapitel ge 
theilt, als es Thaͤler giebt, welche er in uranfaͤngliche, 
von zweiter und dritter Entſtehung abtheilt. Dieſer Theil 
wird auch mit einer Menge ſehr ſchoͤner Anſichten von 
Savoyen und einer Charte geziert ſeyn, nach dem das 
maligen Zuſtande und Abtheilung, in welcher alle Fehler 
vermieden ſeyn werden, die man in derjenigen des Bor⸗ 
gonio findet. Wir erwarten mit Ungeduld dieſen lezten 
Theil, und fallt er nach Wunſch aus, fo hat auch Gas 
voyen ein Werk aufzuweiſen, das noch manchen andern 
Laͤndern zu wuͤnſchen bleibt, 


Miszellen. 


Der Canton Graubünden beſizt eine beträchtliche Anzahl 
der vortreſlichſten Mineralquellen, deren Waſſer aber noch 
nicht chemiſch unterſucht worden waren “), bis Herr Mo» 
rell in Bern mit dem St. Morizer Sauerwaſſer den Ans 
fang gemacht hatte. Die Analiſe deſſelben ſteht in feiner 
„Chemiſchen Unterſuchung einiger bekannten und beſuch⸗ 
ten Geſundbrunnen und Baͤder in der Schweiz, insbeſon⸗ 
dere des Cantons Bern. Bern 1788. 8. 


*) Es hat ſchon der unermuͤdete Scheuchzer verſchiedene Mi⸗ 
neralwaſſer Buͤndens ehemiſch unterſucht, und die Reſultate 
in ſeinen Reiſen bekannt gemacht. Wenn man die Zeiten 
nimmt, in welchen er lebte, ſo kann man ſeine Arbeiten 
nie genug bewundern. Allein nach den ungeheuren Fort⸗ 
ſchritten, die ſeitdem die Chemie gemacht hat, kann man 
freylich ſeine Analiſen nicht mehr gebrauchen. 8 


a 363 


Die oͤkonomiſche Geſellſchaft Graubuͤndens, die ſich alle 
Muͤhe giebt, ihr Vaterland bekannter zu machen, und ihm, 
in fo weit es ihre geringen Kräfte erlauben, aufzuhelfen, 
beſchloß in einer ihrer allgemeinen Sitzungen, einem er⸗ 
probten Chemiker einige Flaſchen Waſſer des Taraſper 
Bitterwaſſers zuzuſenden, um von ihm den eigentlichen 
Gehalt dieſes Waſſers zu erfahren. Nicht unberuͤhmte 
Scheidekuͤnſtler glaubten, zwar bei nur fluͤchtigen Verſu— 
chen, wahres Kochſalz darin in betraͤchtlicher Menge vers 
muthen zu duͤrfen. Dieſe Vermuthung, welche, wenn ſie 
zur Gewißheit gediehen waͤre, dem Canton Graubuͤnden 


den Weg zu einer reichen Huͤlfsquelle geöffnet haͤtte, vers 


anlaßte die oͤkonomiſche Geſellſchaft zu jenem Beſchluß, 
und einige Flaſchen jenes Bitterwaſſers, die aber leider 
von den dazu beſtellten Perſonen nicht fo ſorgfaͤltig vers 
ſtopft wurden, als man es ihnen eingefchärft, hatte, wur⸗ 
den dem obbenannten Herrn Morell in Bern zuge⸗ 
ſandt. Sein darüber eingeſandter Bericht lautet folgens 
dermaßen: 


Unterſuchung eines Salzwaſſers von Taraſp 
| im Inter» Engadin, 

Die phyſiſchen und aͤußeren Eigenſchaften waren fols 
gende: (Nb. die Kruͤge waren ſaͤmtlich mit ſchlechten Zapfen. 
vermacht.) 

Farbe und Durchſichtigkeit. Es war daſſelbe 
ſchoͤn hell, auch farblos. 

Geruch. Wurde kein beſonderer wahrgenommen. 
Geſchmack War ſalzig und ins Laugenhafte uͤber⸗ 
gehend. 


* 


364 * 


Bewegung. Es verlte nicht beym Ausgießen *), 
war uͤbrigens ſehr beweglich und keineswegs ſchleimig. 


Mit den Reagentien wurden folgende Verſuche anges 
ſtellt: a 

a. Lacmustinctur. Wurde in etwas davon gerd- 
thet. Es erfordert aber 1 Theil Waſſer und 2 Theil Tink— 
tur. Die Gegenprobe mit viel deſtillirtem Waſſer wurde 
hiebei nicht verſaͤumt. 

b. Kalkwaſſer. Fiel anfaͤnglich nicht, ſo wie aber 
mehr Kalkwaſſer zugegoſſen wurde, ſehr ſtark darnieder. 

c. Poctaſche gereinigt, damit vermiſcht, wurde kei⸗ 
ne Faͤllung bemerkt. 

d. Zuckerfäure Wurde bald truͤbe. 

e. Ammoniak faͤllte daraus alſobald eine weiße Erde. 

f. Salpeterſaure Kalkerde. Wurde bald da 
mit getruͤbet und entwickelte einige Bläschen. f 

8. Violenſyrup. Wurde grün. 

h. Barytauflöfung in Eßigſaͤure. Zeigte bald 
einen Niederſchlag und Blaͤschen am Glas. 

i. Silber in Salpeter ſaͤure. Gab einen kaͤſich⸗ 
ten und ſchweren, in Saͤure nicht loͤsbaren Niederſchlag, 
der an der Luft bald in Maͤuſegrau uͤbergieng. 

k. Preußiſch Alkali. Gab keine Spuren einer 
Veraͤnderung. 


) Dieſe Eigenſchaft muß es wegen der nachlaͤßigen Verſtopfung 
verloren haben, denn bei der Quelle, und auch zie mlich ent, 
fernt davon, wenn es in wohl verſtopften Flaſchen verwahrt 
wird, perlt es ziemlich ſtark. Auch ſchien es bei der Quelle 
einen eigenthuͤmlichen Geruch zu haben, den es aber bald 
verliert. 


365 
1 Schwefelleber. Blieb anfänglich hell, wurde 


aber in einigen Minuten truͤb. 


Auf dieſes hin wurde folgender Verſuch mit ſechs Un⸗ 


ten dieſes Wgſſers angeſtellt: 


Es wurde daſſelbe mit Salpeterſaͤure vermiſcht, wel⸗ 


che viele Blaſen entwickelte, in dieſe geſaͤuerte Aufoͤſung 
wurde nun ſalpeterſaures Silber getropft, bis es damit 


uͤberſaͤttigt war; der auf dem Filtro geſammelte und ges 


nau getrocknete und gewogene Niederſchlag betrug an Ges 
wicht 26 Gran. 


Hierauf wurden 25 Unzen dieſes Waſſers in einer ſil⸗ 


3 bernen Schale eingedampft, wobei fich gleich anfangs eine 
Haut zeigte; das Eingedickte wog 173 Gran. 


Dieſe wurden nun in Waffer aufgelöst ; der nicht aufs 


losbare Theil wog s8 Gran. Die Auföfung mit falpeter- 
ſaurer Kalkerde gefaͤllet, welcher Niederſchlag 35 Gran 
wog, nachdem er wohl getrocknet worden. 


Hierauf wurde mit ſalpeterſaurer Schwererde aller 


i ſchwefelſaure Antheil gefaͤllet, der aber unbeträchtlich war, 
und kaum x ı/2 Gran betrug. 


Die nun von kohlenſaurer Soda und ſchwefelſauren 
Salzen freie Miſchung wurde mit ſalpeterſaurem Silber 


gefaͤllet und aufs Haar eine aͤhnliche Menge Silberſalz⸗ 


ſaͤure erhalten, als nach der Berechnung des erſten Verſuchs 
mit ſechs Unzen Waſſer war erhalten worden, naͤmlich 


108 1/3 Gtan. 


Schluß aus dieſen Verſuchen. 
1. Aus a und b ergiebt ſich die Gegenwart der Koh⸗ 


lenſaͤure in freyem Zuſtand; nun färbt ein Theil Kohlen⸗ 
ſäure nach Struve se Theil Lakmustinctur roth, folg 
lich befinden ſich in einer Flaſche dieſes Waſſers 2 / Cu- 


366 


bikzoll Kohlenſaͤure. Es iſt aber zu vermuthen, daß an 
der Quelle viel Kohlenſaͤure muͤſſe vorhanden ſeyn, da die 
Flaſchen fo ſchlecht verwahrt waren ). 

2. Kohlenſaure Kalkerde iſt aus d ohne ale Zweifel 
zugegen. 

3. Kohlenſaure Bittererde aus e. Si wird durch 
c beſtaͤtigt, weil fonft dieſes Reagens einen Niederſchlag 
bewirkt haͤtte, wenn dieſe Erde ſo wie jene in Mineral⸗ 
ſaͤuren gelöfet geweſen waͤre. 

4. Kohlenſaure Soda iſt aus f und g allerdings vor⸗ 
handen, welches durch die nachherigen Verſuche deutlich 
ſich ergeben hat. 

5. Schwefelſaure Salze ſcheinen aus h zugegen, jedoch 
vermag die kohlenſaure Soda auch die Baryt» Auföfung 
zu faͤllen. f 

6. Salzſaure Soda macht nach 1. einen großen Theil 
dieſes Waſſers aus, welches ſich auch durch die Verſuche 
mit den eingekochten Salzen erzeiget hat. Nach der er⸗ 
haltenen Menge ſalzſauren Silber in 6 Unzen Waſſer ſo⸗ 
wohl als in 25 Unzen zu ſchließen, befindet ſich in einer 
Maaß Waſſer: 

131 Gran Kochſalz. 


117 — kohlenſaure Soda. 
125 — kohlenſaure Erden. 
373 Gran. 8 


*) Waſſer aus wohl verſchloſſenen Flaſchen roͤthete Streifen 
von Lakmuspapier im Augenblick an Orten, die von der 
Quelle über 20 Stunden entfernt find, 


nn 


367 
Unterſuchung des Sauerwaſſers von Schuls 
im Unter » Engadin. 

Da der Krug, fo dieſes Waſſer enthielt, ſehr ſchlecht 
verſtopft war, jo muß der mehrſte Gehalt an Kohlenſaͤure 
entwichen ſeyn. 

Phyſiſche Eigenfchaften beſaß dieſes Waſſer folgende: 

Durch ſichtigkeit. Es war ſchoͤn hell von Farbe. 

Geruch war keiner zu bemerken. 

Geſchmack war bitterlecht, eigen ). 
Limpiditaͤt. Es ſchien ſehr beweglich und frei von 


ſchleimichten Theilen, alſo edlen Urſprungs. 


Gegenwirkende Mittel bewirkten folgende Veraͤnde⸗ 
rungen: 


a. Lakmustinktur. Wurde geroͤthet wie jene beim, 
Taraſper⸗Waſſer. | 

b. Kalkwaſſer truͤbte ſich ſehr ſtark und ſehr ſchnell. 

c. Pottaſche bewirkte einen Niederſchlag. 

d. Zuckerſaͤure ebenfalls ſehr ſchnell und ſehr haͤu⸗ 
figen Praͤzipitat. 

e. Ammoniak truͤbte dieß Waſſer bald und ſtark. 

f. Salpeterſaurer Kalk veraͤnderte dieſes Waſſer 
nicht. 8 

g. Baryt aufloͤſung. Wurde unbetraͤchtlich verändert, 

h. Salpeterſauer Silber gab einen ziemlich gel: 
ben zarten Niederſchlag, der durch Salpeterſaͤure bald wie 
der gelöfet ward. . 

i. Preußiſch Alkali gab keine Veränderung zu 


ſehen. 


— — 


) An der Quelle prikkelnd, dem Geſchmack des St. Morizer 
Waſſers ganz aͤhnlich. 


368 

k. Schwefelleber wurde bald trübe und weiß ges 
faͤllet. 

Da aus dem Verſuch f die Abweſenheit der Eohlens 
ſauren Soda erwieſen war, fo bedurfte es weder der Vers 
ſuche mit Violenſaft, noch jenes der Gallusſaͤure, da mit 
Preußiſch Alkali keine Spur eines Metalls oder Eiſenge— 
halts zugegen war ). 


Schluß aus dieſen Verſuchen. 

1. Iſt freie Kohlenſaͤure zugegen, Beweis deſſen iſt. der 
Verſuch a und k. 

2. Die kohlenſaure Kalkerde wird erwieſen durch b und 
d. Daß die geloͤſeten Erden durch Kohlenſaͤure geloͤſet 
ſeyen, beweiſet b, c und h. 

3. Bittererde iſt nach e und kohlenſaure nach b, c und 
h erwieſen. 

4. Die Abweſenheit ſchwefelſaurer Salze iſt ſo wie jene 
der ſalzſauren durch den Verſuch h erwieſen. 

Dieſes Sauerwaſſer wird an der Quelle aller Wahr⸗ 
ſcheinlichkeit nach eine Menge Kohlenſaͤure mehr beſitzen, 
als durch dieſe Verſuche erhellet. Gründe dafür find, daß, 
ungeachtet der Krug ſo ſchlecht verwahret, dennoch freie 
Kohlenſaͤure darin zu finden war; ferner daß ungeachtet 
dieſes Waſſer weit her transportirt worden und nachher 
meiner eingefallenen Krankheit wegen nicht ſogleich untere 
ſucht werden konnte, dennoch kohlenſauer war, und die 
vielen Erden aufgelöfet behielt, ohne ſich zu trüben. 


) In der Quelle ſelbſt findet ſich haufig ein rothbrauner ocher⸗ 
artiger Bodenſatz, der auch den Ablauf derſelben, welcher 
durch eine Straße geht, eine ziemliche Strecke weit aus⸗ 
zeichnet. Die Unterſuchung dieſes Bodenſatzes moͤchte doch 
die Gegenwart einiges Eiſens vermuthen laſſen. 


— 


369 


In dem Briefe, welcher dieſem Bericht beigelegt war 
ſagt unter anderm Herr Morell: 

„Beigeſchloſſen erhalten Sie nun die Reſultate meiner 
Unterſuchungen der uͤberſandten Mineralwaſſer, aus denen 
ſich deutlich ergiebt, daß das Waſſer von Taraſp wirklich 
ſalzhaltig iſt, daß dieſes Salz aber erſtlich nicht in großer 
Menge, und noch uͤberdieß mit Soda verunreinigt iſt; 
welches letztere kein Ungluͤck wäre, wenn das Waſſer ſelbſt 
nur reichhaltiger ſich befaͤnde. Indeſſen iſt dieß genugſam 
Anlaß, dieſe Gegend genau zu unterſuchen, und die Salz⸗ 
lager ausfindig zu machen; vielleicht daß andere Tagwaſ— 


fer die wirklichen Salzquellen ſchwaͤchen, welches fo oft 


der Fall iſt.“ 


Zu obiger Analyſe der beiden Mineralwaſſer muß ich 
noch folgende Bemerkungen hinzuſezen: 

Das Taraſper Bitterwaſſer ſprudelt an dem Ufer des 
Inns, da wo ſich derſelbe zwiſchen Fettan und Tara ſp 
im Unterengadin, Canton Graubuͤnden, ein tieſes Bett 
ausgegraben hat, aus einem harten Kalkfelſen in zwey nahe 
beieinander liegenden Quellen hervor. Auch nicht die ge⸗ 
ringſte Vorkehrung iſt zur Benutzung dieſes heilſamen Waſ⸗ 
ſers gemacht. Wenige Klafter unter feinem Urſprung vers 
liert es ſich in den Inn; und ein ſehr ſteiler Fußweg lei— 
tet zu demſelben herab. Gleich ob der Quelle erhebt ſich 
ein Serpentinfels, der auf dem Kalkſtein aufliegt, und 
zwiſchen feinen Lagen wittert haufig Bitterſalz aus. An 


einem andern Orte wird die geognoſtiſche Beſchaffenheit die⸗ 


ſer merkwuͤrdigen Gegend weitlaͤuftiger beſchrieben werden. 

Hier bemerke ich nur, daß auf der rechten Seite des Inns, 

an der die Taraſp liegt und beſagtes Waſſer entfpringt, 

keine Anzeigen vorhanden ſind, die auf Steinſalz ſchlieſ⸗ 
RE. An 


370 

fen laſſen. Auf der lin ken Seite aber, unter Fettan, 
doch nicht gerad der Quelle gegenuͤber, ſondern einige 
hundert Fuß weſtlicher, bricht Gyvs in Menge. Es ha- 
ben ſchon einige Chemiker die Vermuthung geaͤuſſert, daß 
das Taraſper Waſſer Kochfalz enthalte, unter andern der 
beruͤhmte Thouvenel; allein nach neuern Verſuchen, die 
man mit Waſſer, das ſehr ſorgfaͤltig gefaßt und aufbe⸗ 
wahrt worden war, gemacht hat ſcheint der Gehalt davon 
ſehr gering zu ſeyn. 

Das Sauer waſſer entſpringt vb dem großen Dorſe 
Schuls im Unterengadin, an dem Fußwege, der von Fet⸗ 
tan auf Schuls leitet, kaum eine halbe Viertelſtunde ob 
dem lezten Dorfe. Die Quelle iſt reich und war zu Ende 
des Brachmonats 1806 viel ſtaͤrker im Geſchmack als zu 
der naͤmlichen Zeit das Waſſer zu St. Moriz. Das lez⸗ 
tere aber gewinnt an Kraft, fo wie der Sommer waͤrmer 
und des Schnees in den Gebirgen weniger wird, ſo daß 
es dann am Ende des Auguſts weit kraͤftiger als dasjenige 
von Schuls iſt. Es verdient bemerkt zu werden, daß die 
Sauerquelle in St. Moriz waͤhrend dem Winter friert, 
wenn man aber das Eis durchbricht, ſo findet ſich das 
Waſſer von außerordentlicher Kraft. Die Einwohner von 
Schuls hingegen verfichern, daß ihre Quelle nie zufriert, wel⸗ 
ches vielleicht auch dem weit mildern Klima zuzuſchreiben 
ift, da Schuld einige 1000 Fuß tiefer liegt. So viel iſt 
gewiß, daß nicht viel Brunnengaͤſte das Schulſerwaſſer, 
wie gut es auch ſeyn mag, beſuchen, daß hingegen die 
Schulſer von demſelben das ganze Jahr hindurch trinken, 
und es dem ſuͤßen Waſſer, welches ſie in großer Menge 
beſitzen, immer vorziehen. Sie nennen es Aqua forte. ' 


— 


— 


| 70 
Entdeckung des Corunds oder Diamant⸗ 
ſpaths in den Alpen. 


Aus einem Briefe des P. Profeſſor Ermenegildo Pini 
an den Herrn de la Metherie. 
— —— 
Mailand, den 25 Sept. 1884. 
(Aus Amoretti nueva scelta d'opuseoli Tom. 1. P. III. 
S. 193.) 
Na muß Ihnen die Entdeckung einer mineralögiſchen 
Seltenheit, die erſt kuͤrzlich in den bergamaskiſchen Bergen 
gemacht worden iſt, mittheilen. Man hat daſelbſt ſehr 
ſchoͤnen dunkel rubinrothen Corund oder Diamantſpath 
gefunden. Ich ſahe ihn das erſtemal unter den Minera⸗ 
lien, welche der Herr Brochi, Profeſſor der Naturge⸗ 
ſchichte in Breſcia, in dem Departement des Serio ge⸗ 
ſammelt hatte. Bei dem erſten Anblick hielt er ihn für 
Feldſpath, dem er ganz ähnlich iſt, und da der Corun⸗ 
dum bis leit nur aus ſehr entfernten Laͤndern zu uns 
kam, fo wäre es unklug geweſen, ihn fügieich als ſolchen 
zu beſtimmen. Er ſtummte aber in der Farbe fo genau 
mit einem Stuͤcke Corund überein, welches ich bon Pa⸗ 
tis mitgebracht und das aus Madras gekommen war, daß 
er ſogleich vermuthete, es möchte das naͤmliche Foßil ſeyn; 
Ich behielt mir aber vor, dieſe Steine genauer in Mai⸗ 
land zu vergleichen, wohin Herr Brochi zu kommen ver⸗ 


ſprach, und auch mit einem Stück feines Diamantſpaths 


kam. Gleich bei der erſten Vergleichung der beiden Stuͤcke 
erkannten wir ihre Identitat, Folgende Verſuche beſtaͤrk⸗ 
ten uns noch mehr in unſerer Meynung! 1.) Der italieni⸗ 
ſche Corund rizt den haͤrteſten Vergkriſtall. 2.) Am Lots 


372 


rohre ſchmilzt er weder allein noch mit Borax. 3.) Sein 
Gewebe iſt blaͤttricht und die Blaͤtter nehmen verſchiedene 
Richtungen. 4.) Der Durchgang der Blätter iſt drey fach, 
und wenn er nach allen drey Richtungen geſchnitten wird, 
ſo ſtellt er einen Rhomboid vor, deſſen ſpitziger Winkel 
64 1/3; Grad mißt. Auf dem Querbruche hat er einen 
Diamantglanz, doch mit Spiegelfaaͤchen, die einen ſilber⸗ 
farbigen Glanz zuruͤckwerfen. Seine ſpezifiſche Schwere 
iſt 3, 87, die wahre Mittelſchwere des Corunds. Bis jezt 
iſt er in einem Glimmerſchiefer, in Stuͤcken von einigen 
Zollen lang, von unbeſtimmter Figur, undurchſichtig, aber 
nur an den Kanten halb durchſcheinend, gefunden worden. 
Der Profeſſor Brochi und ich werden neue Nachforſchun⸗ 
gen anſtellen, die uns vielleicht zu noch wichtigern Entde⸗ 
ckungen fuͤhren werden. 


Zuſaͤtze zum Aufſatze Seite 104 in dieſem 
zweyten Band der Alpina. 


Eine Bergreiſe, welche der Verfaſſer erſt zu machen Ge⸗ 
legenheit hatte, gab ihm zu folgenden Zuſaͤtzen zu ſeiner 
Aufzählung der in, Buͤnden bisher entdeckten Bergpflanzen 
Anlaß: ' 

S. 107. Aretia Helvetica flore albo et roseo fand 
ich auf einer neulichen Bergreiſe auf dem rothen Horn 
ob Parpan. Ein ſehr pflanzenreiches Gneisgebirg zieht ſich 
zwiſchen Parpan und Aroſa hin, wovon obiges Horn 
eine der hoͤchſten Spitzen ausmacht. 

S. 109. Auf der gleichen Reiſe fand ich auf dem Weg 
von Davos uͤber Scaletta, auf der Engadiner Seite, Pri- 


373 


mula longiflora, marginata et minima in einer Felſen⸗ 
ſpalte. Erſtere dentibus calycinis convergentibus, 


lleztere beide, iisdem divergentibus. Bei Primula lon- 


giflora bemerkte ich, daß die Umbella nicht nutans, 
ſondern erecta war. Die Primula minima, deren ich 
auch beim Hinaufſteigen auf das rothe Horn pfluͤckte, würde 
ich nach den gefundenen Exemplaren alſo charakteriſiren: 
Foliis glabris hirsutis, Scapis subunifloris, exterdum 
multifloris, oder Umbella erecta,Lorolla carnea, tu- 
bus intus albus non hirsutus. Eine eigene Varietaͤt 
war: Primula minima, calycinis dentibus conver- 
gentibus sicut longiflora, foliis dentalis cruciformi- 
bus, sicut minima. Auf Kalkgebirgen ſah ich dieſe Pris 
meln nie. 

Was S. 109. P. minima heißt, ſoll marginata ſeyn. 

S. 110. Campanula cervicaria iſt auf Davos auf 
Viehweiden zwiſchen der Hauptkirche und dem Dorfi fehr- 
haͤuſig. 

S. 111. Lonicera alpigena wächst im Diſchmathal 
auf Davos am Wege. 

©. 113. Das Ornithogalum Flore albo extus 
fusco striato auf dem Augſtenberg iſt bei genauer Anſicht 
nichts anders, als: Anthericum serotinum. f 

S. 116. Dianthus Carthusianorum findet ſich hie 
und da an der Landſtraße im Unterengadin und bei Di⸗ 
ſentis. 

S. 117. Nichts iſt häufiger an der Landſtraße durch 
das Engadin, als: Sempervivum arachnoideum. 

Pontentilla norvegica fand ich auf dem rothen Horn. 

S. 119. Den Ranunculus pyrenaicus fand ich beym 
Herabſteigen vom rothen Horn gegen Aroſa auf einem 
ſteilen graſigen Abhang. 

Den Ranunculus glacialis traf id auch auf den 


8714 — 

rothen Horn, ſo wie vor zwey Jahren auf der Schamſes 
Alp à la Rosa an. Dieſe Alp liegt auf der Granze zwi⸗ 
ſchen Schams und Savien, iſt eine der ſchoͤnſten im Lan⸗ 
de / und mit den ſeltenſten Pflanzen iſt fie reichlich verſehen. 


— — 


3 
Aus Herrn von Zach | 
monatlicher Correſpondenz zur Befoͤrde⸗ 


rung der Erd- und Himmelskunde. Go⸗ 
tha, 1805. 2 Bände, 8. April. S. 293. 


Nachricht uͤber eine naturhiſtoriſche Reiſe in Ty⸗ 
rol und die Beſteigung der Ortelesſpitze, der 
hoͤchſten Bergſpitze im Lande. Von L. A. 
Fallon, K. K. Ingenieur Hauptmann und 
Adjutanten bei Sr. K. H. dem Erzherzog 
Johann . 


5 Als Seine Koͤnigl. Hoheit, der Erzherzog Johann, das 
erſte Mal eine Reiſe in Tyrol unternahmen, beſuchten Hoͤchſt⸗ 
dieſelben das Vintſchgau und die Quellen der Etſch. Bei 
dem Anblick des Berges Orteles, der gewaltig ſein Haupt 
uͤber alle nachbarliche Gletſcher und beſchneiten Gipfel er⸗ 

hebt, Aufferten Sie die Meynung, daß dieſer hohe Firſt 
(Berggipfel) den hoͤchſten Bergen von Savoyen und der 
Schwen an Hoͤhe wenig nachſtehen dürfte, Niemand konn⸗ 


9 Eike über deen Aufſaß den Nachtrag am Sanie def 
Kelten 


FFT P (ee 
= 


375 


te diefe Meynung weder bejahen noch verneinen. Undbetre⸗ 
ten lag auf dem hohen Felsruͤcken das tauſendjaͤhrige Eis; 
und wie konnte die Beſteigung oder Meſſung eines ſolchen 
Berges Gewinnſucht, dieſe Triebfeder der meiſten menſchli⸗ 
chen Handlungen, erwecken oder befriedigen? Was konnte 
man dort oben gewinnen? Contrebandiers wagen es nur 
im hoͤchſten Nothfalle über fo gefährliche ſtundenlange Eis > 
und Schneefelder zu ſetzen. Wildſchuͤtzen und Gemfenjäger 
lauern lieber am Fuße des Ferners. Schatzgraͤber mey⸗ 
nen, das Gold liege nicht fo boch. Nur hoher Sinn für 
erhabene Natur⸗Scenen, leidenſchaftliche Wißbegierde, koͤn⸗ 


nen den Menſchen zu ſolchen Unternehmungen ſtimmen, 


ihm Muth und Kraft dazu verleihen. Leider werden die 
Sauſſures und Bourrits nicht alle Tage gebohren. 
S. K. H. mit allem dem, was uͤber Tyrol geſchrieben iſt, 
innigſt vertraut, waren bald durch Autopſie uͤberzeugt, daß 
ſehr wenig fuͤr die daſige Laͤnderkunde gethan waͤre, ſehr 
viel Fehlerhaftes, Einſeitiges und Mangelhaftes bisher er— 
ſchienen ſey, und faßten den Entſchluß, dieſen Maͤngeln 
abzuhelfen und die Naturkunde eines der intereſſanteſten 
Laͤnder des oͤſterreichiſchen Kayſerthums maͤchtig zu befoͤr— 
dern und auf den moͤglichen Grad der Vollkommenheit zu 
bringen. Der Bergoffiziee Gebhard, welcher zur Berei⸗ 
ſung dieſes Landes beſtimmt worden iſt, erhielt vom Erz 
berzoge Verhaltungsvorſchriften, die ihm nicht allein die zu 
bereiſende Strecke, ſondern auch die zu verfolgenden Wege 
und jene Gegenſtaͤnde bezeichneten, welche einer genaueren 
Unterſuchung werth gehalten wurden. Mineralogie und 
Botanik iſt der Hauptzweck; Sitten, Gebraͤuche, Trach⸗ 
ten, Induſtrie, Bildung der Berg- und Thalbewohner ſoll⸗ 
ten aber keineswegs außer Acht gelaſſen werden; auch 
wurde Gebhard mit allen noͤthigen Inſtrumenten verſehen. 

Eine topographiſche Karte, wenn ſie auch ſo detaillirt, 


376 


fo genau als möglich aufgenommen iſt, reicht nicht zu, 
befriedigende Kenntniße der aͤußeren Bildung des Bodens 
zu verſchaffen. Iſt die Zeichnung ſorgfaͤltig, wahr und 
richtig behandelt worden, ſo kan man allerdings erkennen, 
was flach oder bergig iſt, wo die Hauptruͤcken laufen, wo 
die hoͤchſten Berge ſich befinden, ob dieſer Gipfel hoͤher 
oder niedriger ſey als jener. Dies iſt ſchon viel, aber nicht 
genug: denn es iſt noͤthig zu wiſſen, um wie viel ein 
Punct hoͤher ſey, als ein anderer; allein der Reigungs⸗ 
winkel der Bergwaͤnde, der Fall der Flüße und Thaͤler 
und dergleichen ſind Gegenſtaͤnde, welche durch Zeichnung 
der gewoͤhnlichen Projektions-Methoden nicht koͤnnen darge⸗ 
ſtellt werden. Es iſt alſo noͤthig die horizontale Projek⸗ 
tion zu cottiven, wodurch der Plan relief entſteht. Man 
druͤckt nehmlich durch Ziffern aus, wie hoch oder tief ein 
Objekt uͤber oder unter einem allgemeinen Vergleichungs⸗ 
plane liege, den man nach Belieben durch den tiefſten oder 
durch den hoͤchſten Bunct des Terrains fuͤhrt. Dieſe Me 
thode, welche man bey allen Karten anwenden ſollte, hat 
unter andern Vorzuͤgen den Vortheil, daß man mittelſt die⸗ 
ſer Cotten die Richtigkeit der Zeichnung beurtheilen, und 
ſelbſt im Cabinette berichtigen kann. Um aber alle Karten 
auf eine allgemeine Vergleichungsebene zuruͤck zu fuͤhren, 
und noch mehr um die Erhoͤhung eines Ortes uͤber der 
Flaͤche des Meers zu kennen (eine Erhoͤhung die auf Kli⸗ 
ma, auf Beſchaffenheit des Bodens, der Gewaͤchſe, der 
Geſundheit der Menſchen, Thiere ꝛc., fo vielen Einfuf 
hat): wird die Oberflache des Meers ſelbſt, als allgemei⸗ 
ner Vergleichungsplan angenommen, und auf dieſe Art 
geben die Cotten unmittelbar die Seehoͤhen an. In Ruͤck⸗ 
ſicht deſſen haben S. K. H. ihren Reiſenden mit tragbaren 
Barometern verſehen, und ihm den Auftrag ertheilt, ſeine 
Reiſerouten zu nivelllren, und ſo viel Berghoͤhen zu meßen, 


\ 


377 
als nur immer möglich iſt, dabey aber nicht zu mikrolo— 
giſch zu Werke zu gehen, indem, dem Zwecke gemäs, eine 
Ungewisheit von einigen Klaftern in der Beſtimmung fo 
gut als Null zu betrachten iſt. 

Ich glaube durch dieſe kleine Anzeige das gelehrte Pub— 


likum auf eine Unternehmung aufmerkſam zu machen, wel⸗ 


che, wenn ſie auch blos auf bekanntem Europaͤiſchen Boden 
geſchieht, und zwiſchen den Graͤnzen eines kleinen Landes 
eingeſchraͤnkt bleibt, dennoch die nuͤzlichſten und wichtigften 
Reſultate verſpricht. 


Erſteigung und barometriſche Meſſung der 
Ortelesſpitze in Tyrol. 


Im Sommer des verfſloßenen Jahres war das Vintſch⸗ 


gaͤu und die Graͤnze gegen Graubuͤnden der Gegenſtand der 


Gebhardiſchen Unterſuchungen. Um den Wunſch des ho⸗ 
hen Goͤnners in Erfüllung zu bringen, war die Beſteigung 
und Meſſung des Orteles ein Gegenſtand, der Gebharden 


ſehr am Herzen lag. Die Thaͤler Drofni und Sulden, 


die dem Berg am naͤchſten liegen und ihn gegen Nordoſt 
und Weſt einſchließen, wurden fleißig beſucht; denn von 


Graubuͤnden her duͤrfte man nicht hoffen, auf den Gipfel 


zu gelangen; alles iſt mit unzugaͤnglichen Gletſchern bedeckt, 


die ſich vom Wuͤrmſerjoche bis zum Paſſo nella Val⸗ 


tellina faſt ununterbrochen hinziehen. Man zog Kund⸗ 
ſchaften aus den umliegenden Gegenden ein, aber alle lies 
fen dahin, daß der Orteles nicht zu erſteigen wäre, Man⸗ 
che verſuchten zwar ihr Gluͤck, gelockt durch die verfpros 
chene Belohnung, allein beſchaͤmt kehrten ſie zuruͤck. In⸗ 
deſſen erkrankte Gebhard in Mals, und waͤhrend er krank 
darnieder lag, unternahm der Gemſenjaͤger Pichler muthig 
die Beſteigung des Berges und vollbrachte fie gluͤcklich. 


378 


Fragment eines Briefes des Bergofftziers 
Gebhard, 


an S. K. H. den Erzherzog Johann. 


Es iſt vollendet das große Werk! Der Stand der Bar 
rometer auf der Ortelesſpitze war den 27ſten September 
1804. zwiſchen ro und 11 Uhr Mittags 194 '% Die corres 
ſpondirende Beobachtung zu Mals zeigt 3200 “/. Wie uns 
ausſprechlich gluͤcklich fuͤhle ich mich, im Stande zu ſeyn, 
E. K. H. dieſe Nachricht in Unterthaͤnigkeit ertheilen zu 
koͤnnen. 5 

Schon waren alle meine Hoffnungen verſchwunden; 
ſchon ſehnte ich mich nach der Moͤglichkeit Mals verlaßen 
zu koͤnnen, um aus der Gegend zu kommen, wo ich von 
meinem Fenſter aus jede Minute den Berg ſehen muͤßte, 
deſſen Unerſteigbarkeit mir ſo viele misvergnuͤgte Tage mach⸗ 
te, als den 26ſten September gegen Mittag der kleine Paſ⸗ 
fayer Jaͤger Jo ſeph Pichler zu mir kam und ſagte: „Nun 
wolle er es wagen die Orteles Spitze zu erſteigen; ich ſoll⸗ 
te ihm alſo nur meine zwey Maͤnner zur Begleitung mit⸗ 
geben. 

„Allgemeine Freude herrſchte unter uns; denn ſtets 
war aller Credit auf dieſen Mann., Meine Zillerthaler 
ſchickten ſich zu ihrer Reiſe an, und folgten mit frohem 
Muthe ihrem Anfuͤhrer. Da ich meinen aͤltern Begleiter 
ſchon laͤnger im Beobachten des Barometers auf Gebirgen 
übte, weil es mir immer zweifelhaft war, ob ich ſelbſt 
ſo gluͤcklich ſeyn duͤrfte, die Ortelesſpitze erſteigen zu koͤnnen, 
ſo gab ich ihm zwey meiner Barometer mit, und hieß ihn 
die Meſſung mit aller Genauigkeit verrichten. Ich ſtehe 


dafur, dieſelbe iſt 70 genau, als haͤtte ich ſie ſelbſt unter⸗ 


nommen. 


> 


378 
„Kein Tag war mir freudiger als der 28ſte Se ptem⸗ 
ber, wo Nachmittags gegen 4 Uhr die Orteles Beſteiger 
zuruͤck kamen, und mir die frohe fo ſehnlichſt erwuͤnſchte 
Nachricht meldeten, wirklich die hoͤchſte Spitze erſtiegen zu 
haben. Haͤtte ich den 27ſten Vormittags zwiſchen 8 und 
10 Uhr mit meinem Fernrohre nach dem Orteles geſehen, 
ſo haͤtte ich die tapfern Steiger mehr als eine Stunde uͤber 
der Flaͤche des Ferners und bis an die Spitze gehen ſehen 
koͤnnen — aber ich dachte daran nicht, daß ſie ſchon an 
dieſem Tage und fo früh an dem Orte ihrer Beſtimm ung 
ſeyn koͤnnten. Nachmittags ſah ich oͤſters nach dem Berge, 
aber es war ſchon zu ſpaͤt, und es huͤllten auch haͤßliche 
Nebel die Spitze wieder ein.“ 
„Den wackern Steigern war es nur vier Minuten 


moglich, auf der hoͤchſten Spitze zu bleiben. Schon ins 


nerhalb dieſer kurzen Zeit erſtarrten Pichlern die Zehen, 
und einer meiner Leute brachte vor Kaͤlte geſchwollene und 
erſtarrte Finger nach Haufe. Alle drey ſahen wie Schnee⸗ 
maͤnner aus; ſie waren ganz von einer Kruſte von Schnee 
überzogen und der Sprache beraubt, da gerade ein heftiger 


Wind gieng, und den loſen Schnee auf ſie blies. Auf 


der hoͤchſten Spitze mußten fie ſich während der Meſſung 
wechſelſeitig halten, um nicht vom Winde uͤberſtürzt zu 
werden. Die treuen Leute, ſie wagten viel, recht viel, mehr 
als einmal das Leben.“ 

„Joſeph Pichler, der kleine Paßayer (ins gemein) iſt 
in der ganzen Gegend als ein Wahrheitliebender Menſch 
bekannt; nicht ruhmſuͤchtig, nicht prahleriſch, ſondern 
ernſt und ſtill; er ſpricht nichts was er nicht halt. Für 


die Rechtſchaffenheit meiner Leute ſtehe ich mit meiner Eh⸗ 


re. Die Erzählung, welche fie mir über den zuruͤckgeleg⸗ 
teu Weg machten, iſt daher ohne alle Uebertreibung und 
Verfaͤlſchung folgende : W 


380 


„Gleich, wenn man von Drofni hinter die heiligen drey 
Brunnen kommt, muß man einen gefährlichen und hoͤchſt 
beſchwerlichen Weg uͤber eine ſteile Wand hinauf machen. 
So wie man dieſe gewonnen hat, erreicht man den Ferner, 
welcher voll Kluͤfte iſt, zwiſchen welchen man auf kaum 
vier bis fuͤnf Zoll breiten Wegen gehen muß. So wie 
man dieſen gefaͤhrlichen lange Zeit dauernden Weg zuruͤck⸗ 
gelegt hat, kommt man wieder auf den Ferner, auf wel⸗ 
chem aber gut zu gehen iſt, bis man auf rollende Stein. 
tige trift, wo kein Tritt hält. Dann erreicht man aber. 
mals den Ferner, unter deſſen Waͤnden man muͤhſam durch⸗ 
kriechen muß. Nun kommt man zu jenen Felſen, von wel⸗ 
chen ſtets freye Steine von verſchiedener Groͤße herabſtuͤrzen 
und den Emporſteigenden leicht beſchaͤdigen, ja ſelbſt toͤdten 
koͤnnen. Nach diefen gefahrvollen Stellen kommen andere 
Waͤnde, wo nur ſohlbreite Flecken anzutreffen ſind, und wo 
man mit groͤßter Vorſicht ſehen muß, wie man eine Spitze 
des Steigeiſens einſetzen koͤnne. Solcher Waͤnde giebt es 
etwa acht. Wollte man den Orteles für minder kuͤhne und 
ungeuͤbtere Steiger zugaͤnglich machen, ſo muͤßten an allen 
dieſen Waͤnden, von welchen einige zehn dis fuͤnfzehn 
Klafter hoch find, eiſerne Stifte mit Ringen befeſtigt, 
und in dieſelben Seile eingehaͤngt werden. Der Steigen⸗ 
de muß aber vorher Muth genug haben, jene Stelle zu 
paßiren, wo die frey herabrollenden Steine Lebensgefahr 
drohen. Doch mit allen dieſen Vorrichtungen duͤrfte der 
Orteles nicht alle Jahre zu beſteigen ſeyn, indem faſt in 
der ‚größten Höhe eine ſogenannte rothe Rinne ſich befin⸗ 
det, welche nur ſelten ganz von Schnee geleert iſt. Iſt 
das nicht, ſo bleibt die Beſteigung des Berges unmoͤglich. 
Hat man nun endlich die Waͤnde und die rothe Rinne 

glücklich uͤberſtiegen, ſo erreicht man abermal den Ferner, 
und man kann ohne Muͤhe, ohne Gefahr bis auf den Gi⸗ 


381 


pfel ſteigen, nur iſt es ein gewaltig weiter Weg. E. K. 
H. können ſelbſt über die Weite dieſes Wegs urtheilen, 
indem die Beſteiger des Orteles von Drofni Morgens 
um ein und ein halb Uhr ſich aufmachten, den ganzen 
Tag, ohne zu raſten, immer fort giengen, und dann erſt 
gegen acht Uhr Abends wieder nach Drofni zuruͤckka— 
men, alſo gewiß volle ſiebzehn Stunden giengen. “ 

„Ich kann verſichern, daß unter hundert friſchen Bau⸗ 
erburſchen ſich kaum zwey finden duͤrften, die es wagen 
würden, hinaufzuſteigen. Jezt wettet man noch um hohe 
Preiſe, daß es niemand wagen wird, meinen drey wackern 
Maͤnnern nachzuſteigen, und daß niemand den Weg finde, 
welchen Pichler meine Leute führte. Mein aͤlterer Ziller⸗ 
thaler verſicherte mich, daß er in ſeinem Leben nie einen 
Menſchen ſo habe Berge ſteigen ſehen wie den Joſeph 
Pichler. Gerade wie eine Gemſe kletterte er an den Ber- 
gen hin, und wo andre Fußeiſen brauchen, dort geht er 
ohne dieſelben. Pichler iſt ein lieber guter Menſch, klein 
und mager von Perſon, ein Gemfenjäger , der feines glei, 
chen ſucht. Fuͤnfzig bis ſechzig Gemſen in einem Som⸗ 
mer iſt feine gewoͤhnliche Jagd. Waͤhrend meiner Krank⸗ 
heit in Mals wurde er viermal erſucht und aufgefordert, 
ſeine Meinung uͤber die Beſteigung des Berges zu ſagen, 
ob er Willens ſey dieſelbe zu unternehmen; aber er ſagte 
nie ja, nie nein, Als er ſeine Kundſchaften eingezogen, 
als er einen Weg ausgeſpaͤht hatte, kam er ſelbſt und 
ſprach: „Jezt wag ich es, gelingt es mir gut, fo werden 
ſie mir geben was ſie andern verſprochen haben; gelingt 
es mir nicht, dann brauch ich keinen Lohn.“ Gewiß ehr⸗ 
lich, da ich ſonſt jeden, der nur einen Schritt that, tuͤch⸗ 
tig bezahlen mußte.“ 

„Die Wildſpitze in der Gurgel, verſichert mich Pichler, 
iſt lange nicht ſo hoch, und weit leichter zu erſteigen als 


382 1 

der Orteles. Ich habe Glurns mit der Anficht des Dit 
les und der Koͤnigsſpitze gezeichnet, vielleicht iſt es das er⸗ 
fie Bild dieſer Gegend ). Auch habe ich während mei 
nes Geſundſeyns in Sulden faſt das ganze Thaͤlchen 
gezeichnet.“ 

So weit Gebhard in ſeinem erſten Berichte von Mals 
den ıflen October 1864. Nachdem S. K. H. auf mei⸗ 
ne gehorſamſte Bitte mir gnaͤdigſt die Erlaubniß ertheilt 
hatten, die Nachricht uͤber die Beſteigung des Orteles 
umſtaͤndlicher als es bis jezt in öffentlichen Blaͤttern geſchah 
und die zur Beſtimmung der Höhe angeſtellten Beobach- 
tungen herauszugeben, ſo wandte ich mich an den Berg- 
offigiee Gebhard, um von ihm uͤber verſchiedene Puncte 
Aufſchluß zu bekommen. Er hatte die Guͤte, mir auf 
das verbindlichſte zu antworten, und ſchrieb mir unter 
anderm folgendes: 

„Der Stand des Barometers in Glurns wurde viermal 
beobachtet, das erſtemal zeigte er 303 , die übrigen drey⸗ 
mal aber 304“. 

Von Mals habe ich 86 Beobachtungen aufgezeichnet. 
Die Variation des Barometers betraͤgt 6/4, nehmlich 
dreymal ſtand er auf 295“, neun» und zwanzig mal auf 
3010 und acht- und dreißigmal auf 300%. 

Die Beobachtungen zur Beſtimmung der Hoͤhe des Or⸗ 
teles ſtehen ſo: Stand des Barometers auf dem Gipfel des 
Berges 194, \ 


——— — Lœ᷑—é en nn — 


*) Es war ihm nicht bekannt, daß der Mahler Ruͤnk, der Ty⸗ 
rol in mahleriſcher Hinſicht bereiſete, dieſe Gegend aufge⸗ 
nommen hatte. Die Ederſche Kunſthandlung in Wien hat 
Blaͤtter davon ſtechen und illuminiren laſſen. Das Blatt: Urs 
ſprung der Etſch bey Reſchen ſtellt im Hintergrunde die Des 
teles⸗ und Tſchengels⸗ Geige ver 


383 


Temperatur der Luft und des Merkurs — ;“ Reaum. 

Corresp. Beobachtung zu Mals 300%. 

Temperatur der Luft und des Mercurs + 15 nach 
Reaum. 

Correſp. Beobachtung zu Zell 319% 

Temperatur der Luft und des Mercurs + 12° nach 
Reaum. 

Correſp. Beobachtung im Vicariat Gerlos 297% 

Temperatur der Luft und des Mercurs + 129 nach 
Reaum. 

Die Barometer, welche zur Beobachtung am Gipfel 
gebraucht wurden, waren jene die S. K. H. mir in Wien 
uͤbergaben. Der eine iſt mit einer Scale verſehen ). 
Uebrigens harmoniren beyde recht gut zuſammen. 

Ich glaube nicht, daß die Barometer an jenem Tage 
auf der Ortelesſpitze variirt haben. Der Stand des 
Barometers in Mals war ſich auch vom 2ö6ſten Septem⸗ 


ber bis zum zoften ſtets gleich, 300". Auch der Thermo, 


meter zeigte immer in der Frühe + 11 Mittags + 15“ 


Abends + 12°, Der Hygrometer 40%, Daß der Orteles 


ein Kalkgebirge iſt hat ſeine Richtigkeit, wenigſtens konnte 
von ihm keine andre Geſteinsart erbalten werden. Ich be⸗ 
ſitze von dieſem Berge mehrere Stuffen. Jener Stein, 


welchen meine Leute von dem böchfien Puncte herabtrugen, 


* 


*) Dieſe Scale habe ich ſelbſt mit Sorgfalt, und zwar jede 
einzelne Linie in 4 Theile eingetheilt. Die Beſtimmung des 
Standes kann demnach hoͤchſtens nur 1/3“ gefehlt ſeyn, was 

aber doch nicht wahrſcheinlich iſt, weil den Leuten, die auf 
dem Gipfel den Barometer aufzuſtellen hatten, beſonders 

aufgetragen war, die Stelle des Quekſilbers mit einer ihr. 
feinen Spitze auf der Scale zu bezeichnen, und fo die In. 
ſtrumente zurück zu bringen. 


384 


wo noch ein Stein zu bekommen war, iſt richtig Kalk. An 
der Seite gegen Sulden, wo der Berg am wenigſten mit 
Schnee bedeckt iſt, und ſeine ſteilen Waͤnde zeigt, ſieht man 
nichts als ſchwaͤrzlich grauen Kalkſtein, durchzogen mit 
fadenfoͤrmigen Adern von Kalkſpath. Daß dieſer Kalkfelſen 
auf Granit aufſitze, glaub ich, denn wenn man nach Sul» 
den geht, ſo findet ſich derſelbe links am Wege in großen 
Truͤmmern. 


Hoͤhe des Orteles uͤber Mals und Glurns. 


Berechnet man die oben gegebenen Beobachtungen nach 
der Formel von Trembley, ſo kommt fuͤr die Hoͤhe des Ber⸗ 
ges uͤber Mals 10930. Schuh alt Pariſer Maas. 

Die Höhe von Mals uͤber der Etſch beim Mittelwaſ⸗ 
fer unter der Bruͤcke vor Glurns iſt durch wirkliche Nivel⸗ 
lirung auf 420' beſtimmt worden. Alſo Höhe des Orte⸗ 
les uber der Etſch bey Glurns 

8 — 113590 — ı891 4, 

Die in Mals angeſtellten Beobachtungen find nicht 

hinlaͤnglich, um den Mittelſtand des Barometers daraus 


abzuleiten; ſie mit anderwaͤrts gemachten zu vergleichen, 


ſcheint mir auch nicht rathſam, indem ſolche Oerter, wo 
meteorologiſche Beobachtungen regelmaͤtzig gemacht werden, 
viel zu weit von Glurns entfernt liegen. Deswegen haben 
S. K. H. der Erzherzog ſolche Vorkehrungen treffen laſſen, 
daß nun der Barometer und Thermometer taͤglich, und 
wenigſtens ein Jahr lang in Glurns beobachtet wird. 


Ich koͤnnte zwar, und meines Erachtens mit ziemlicher 
Wahrſcheinlichkeit, die Höhe von Mals oder Glurns uber 


dem mittellaͤndiſchen Meere aus mitteln. Nivellirungen der 
Etſch, die mir mitgetheilt wurden, Vergleichungen baro⸗ 
metriſcher Beobachtungen zwiſchen Laas im Vintſch⸗ 


383 


gaͤu, Y an, Brixen, Bozen und Trient geben 
mir die Seehöhe von Glurns nahe auf 3000' an. 
Ebenfalls behauptet man im Tyrol, daß die Mälzer 
Heide, die Einſattlung des Brenners und die Tobla— 
cher Felder gleich hoch find. Wenn auch dieſe Behaup⸗ 
tung ungegruͤndet iſt, (der Scheidungspunet der Gewaͤſſer 
am Brenner iſt 4375 hoch) ) ſo ſpricht ſie doch dem 
Orte Mals eine ſehr beträchtliche Bodenserhoͤhung zu. 
Sollte das Mittel aus allen Gebhardſchen Beobachtun⸗ 
gen, naͤmlich 24“ 985, wirklich die mittlere Barometerhoͤhe 
für Mals ſeyn, fo wäre mit dem Stande am Meere 28“ 
184, die Seehöhe von Mals = 3074 und die abſolute 
Höhe des Orteles — 14004“. 
Mals mit Zell im Zillerthale verglichen, (Zell 
1615 uͤber dem Meere) ward 3244 erhoben und die Hör 
he des Orteles — 141744. 
Vergleiche ich Mals mit Wien, wo am 27ſten Geha 
tember der Barometer über 3 Linien über dem Mittelſtand 
und der Thermometer + 7° zeigte, fo. finde ich die Seehoͤhe 
von Mals 3072“ und die Höhe des Berges 14002/; 
Indeſſen bis wir die wahre mittlere Höhe des Barome⸗ 
ters in Mals oder Glurns kennen, glauben wir uns 
von der Wahrheit wenig zu entfernen, wenn wir die Hoͤhe 
der Orteles ſpitze auf 14000 Schuh feſt ſetzen, und ihr den 
zweyten Rang unter den bisher beſtiegenen, und den dritten 
unter den gemeſſenen Bergen der alten Welt einraͤumen. *) 


) Leopolds von Buch barom. Reiſe, in den Jahrbüchern 
N der Derg - und Huͤttenkunde des Ritters von Moll: 


0 Höhe des Montblane 14556 ] EEE AR 
m Mont Rofa 14380 Nach Weiß Carte 
— — Mont Cervien 13860 routiere de la Suisses 


— LE Finſtergarhorn 13234 nach Tralles, 
4 Bd. r B . 


386 


Nachtrag. 


In der Ueberzeugung, daß alles dasjenige, was die Ty⸗ 
roler⸗Alpen überhaupt undiden Orteles insbeſondere betrifft, 
die Leſer der Alpina intereſſiren werde, habe ich auch den 
vorhergehenden Aufſatz ganz geliefert, obſchon einige einzel— 
ne Data daraus im erſten Bande find mitgetheilt wor: 
den. Aus eben dieſem Grunde mache ich hier die Nach» 
richten bekannt, die ich auf einer eben vollendeten Reiſe 
durch einen Theil der Buͤndner- und Tyroler-Alpen in 
Mals uͤber die Beſteigung des Orteles eingeſam melt 
habe. 

Kaum hatte ich mit meinen Reiſegefaͤhrten den höch- 
ſten Punct der Straße die von Nauders auf Mals 
fuͤhrt, bey der Cappelle ob Reſchen erreicht, wo unſer 
Reiſe⸗Barometer (von Cary in London) den 2ten Heu: 
monat um 8 Uhr Morgens 23: 8, 7, 3, der anſtehende 
Thermometer + 8 der freyſtehende + 6 Reaum. zeig: 
te, die correſpondirende Beobachtung in Marſchlins 26: 
7,3, Therm. + ru zeigte: fo erhob ſich nach und nach ge 
gen Suͤden, wenn das meiſtens ſehr dichte Gewoͤlke ſich 
manchmal zertheilte, ein majeſtaͤtiſcher Schneecoloß, den 
wir ſogleich fuͤr den Orteles erkannten. Auf der Malſer 
Heide ſahen wir ihn am beſten, und einer meiner Reiſege⸗ 
faͤhrten, der mit der Anſicht und der Beſteigung der gan⸗ 
zen Schweizeriſchen Alpenkette ſehr bekannt iſt, wettete ſchon 
damals, daß der Orteles die Jungfrau an Hoͤhe wenig 
übertreffen werde, Unſre Abſicht bey dieſer Reife war ge⸗ 
weſen die Umgebungen des Otteles zu beſuchen, und die⸗ 
ſen neu entdeckten Rieſen in der Naͤhe anzuſtaunen, allein 
das Wetter war uns nicht guͤnſtig, und die Jahrszeit zu 
ö . dieſem Endzweck noch zu fruͤh, da wir bey minder hohen 


N 


— 


387 


Bergpaͤßen über weite Schneeflächen wandern mußten. Wir 
begnuͤgten uns alſo Erkundigungen einzuziehen, und geben 
ſie hier wie wir ſie bekommen haben. Nach der im Jahr 
1804 vollzogenen Beſteigung des Berges hatten S. K. H. 
der Erzherzog Johann, als großmuͤthiger Beförderer der Na— 
turwiſſenſchaften, Befehl gegeben, den Zugang zu der Spitze 
dieſes Berges fo viel als möglich zu erleichtern. Man fand 
bey genauerer Unterſuchung, daß derſelbe durch das Sul— 
dent hal leichter zu bewerkſtelligen ſey als durch das Drof⸗ 
nierthal. Es wurden Stuffen in das Eis und den Schnee 
gehauen, Stricke an den gefaͤhrlichen Felswaͤnden befe— 
ſtigt, und nicht wenig an dieſen Bergſteig gewendet. Ob 
derſelbe dem Vorgenommenen ungeachtet von ſehr großen Ges 
fahren nicht befreit blieb, ſo wagte es der kuͤhne und uner— 
muͤdete D. Gebhard im Jahr 180; doch, dieſe hohe Spitze 
dreymal zu beſteigen. Er machte nun ſorgfaͤltige Beobach⸗ 
tungen mit dem Barometer, und verglichen mit denjenigen, 
ſo ſeit 1804. in Mals angeſtellt worden waren, fand er, 
daß die Hoͤhe des Orteles wenig hundert Schuh mehr als 
13000 betrug. Auf der Spitze war der Schnee ſo tief, daß 
der Fels nicht konnte entblöst werden. Es wurde alſo ci» 
ne Art Monument in den Schnee gegruͤndet. Auch hat⸗ 
te er, um einige Ungläubige in Mals, die noch immer an 
der Moͤglichkeit zweifelten, die wahre Spitze des Orteles 
erreichen zu koͤnnen, zu uͤberzeugen, eine lange Stange mit 
Stroh einflechten und mit einer großen Menge Theer traͤn⸗ 
ken, hernach auf der Spitze einſtecken und dort bei einbre⸗ 
chender Nacht anzuͤnden laſſen. Dieſes Feuerwerk gewaͤhrte 
den Malſern ein praͤchtiges Schauſpiel. So bald man 
in Mals erfuhr, daß der Feind ſich dem Tyrol naͤhere, 
wurden alle Veranſtaltungen zur Erleichterung des Beſtei⸗ 
gens dieſer Spitze eingeſtellt, und die ſchon getroffenen wie⸗ 
der vernichtet, auch nahm D. Gebhard die in Mals zu⸗ 


1 


wi 


338 


ruͤckgelaſſenen Barometerbeobachtungen nebſt den Inſtrumen—⸗ 
ten wieder mit ſich. Es iſt ewig Schade, daß der Krieg die weis 
tern Nachforſchungen dieſes verdienten Gelehrten gehemmt 
hat; wir wollen aber doch hoffen, daß er die ſchon gemach⸗ 
ten der Welt eheſtens mittheilen wird, auf welche ich mich 
berufe, da ich für die eben gegebenen Nachrichten nicht 
buͤrgen kann. 

Zum Beſchluß ſetze ich noch die in Mals vorgenom- 
menen Barometerbeobachtungen nebſt den correſpondiren⸗ 
den her. 

Mals den aten um halb drey Uhr Nachmittags 
im Wirthshaus im ꝛ2ten Stocke. 

Barom. 24. 11. 7. Therm. anſt. + 16 fiy, + 13 
nach Reaum. 

Correſpondirende Beobachtung in Marſchlins. 

Barom. 26. 7. 6. Therm. + 12°, 

Glurus vor dem Stadtthor auf einer Wiese 
um halb 6 Uhr. 

Barom. 25. 5. 9. Therm. anſt. + 13“. Frei 1119. 

Correſp. Barom. 26. 8. 6. Therm. + 10°, 

Mals den ꝛten Abends um 8 Uhr. 

Barom. 25.0. 1. Therm. anſt. + 16. Frei + 10 230. 


Mals den zien Morgens um halb ſechs Uhr. 


Barom. 25. 0, 2. Therm. anſt. 15. Frei 4 10 1/2. 
Correſp. Barom. 26. 8. 3. Therm. + 9° *). 
Mit welcher innigen Freude wuͤrde ich meine Reiſen 


| 


*) Da im dritten Bande der Alpina auch die übrigen auf die⸗ 
ſer Reiſe gemachten barometriſchen Beobachtungen mitge « 
theilt werden, fo verſpare ich die Berechnung aller mit ein⸗ 
ander auf dorthin. ö 


in dieſe Gegenden fortſetzen, die für den Naturforſcher 
noch ſo viel unbekanntes enthalten: wenn ſie nicht zu ent— 
fernt von meinem Wohnorte, und zu koſtſpielig fuͤr einen 
Mann von meinen Umftänden wären, Ich will aber hof⸗ 
fen, daß es reiche Beförderer der Naturwiſſenſchaften geben 
wird, die noch durch weit tüchtigere Perſonen, als ich bin, 
dieſelben unterſuchen laſſen werden. 


Ibid. Seite 515. 


Einige Hoͤhenmeſſungen durch Barometer ins 
nert dem Gebiete der Alpen. 


Dr. Schultes, der geographiſchen Welt durch ſeine eben 
ſo lehrreiche als intereſſante Reiſe auf den Glockner ruͤhm— 
lichſt bekannt, hatte vor kurzem die Guͤte uns eine Menge 
in Ober-Oeſterreich gemachte barometriſche Beobachtun⸗ 


gen mitzutheilen und uns deren Bekanntmachung zu übers 


laſſen. Wir eilen die daraus erhaltenen Reſultate unſern 
Leſern darzulegen, da die Beſtimmung der erhabenſten 
Puncte eines Landes ſo manches Intereſſante mit ſich fuͤhrt, 
und fuͤr die Chorrograhie deſſelben, durch den unverkenn⸗ 


baren Einfluß, den die höhere oder niedere Lage einer Pro⸗ 


vinz auf deren Clima, Producte und ſelbſt auf die phyſiſche 
Conſtitution des Menſchen hat, ſehr wichtig iſt. Man 


wußte, ſchrieb uns Dr. Schultes bey dieſer Gelegenheit, 


bisher ja noch nicht, daß in dem kleinen und ſchoͤnen Ober⸗ 
Oeſterreich, eine Tagereiſe von Linz am Hallſtadter 
Schneeberge, ſchon ein wahrer Gletſcher iſt. Zu dieſem 
wallfahrtete ich mit meinem Glocknerfreunde Klinger im 


vergangenen Auguſt, und wiewohl es uns bey dieſer erſten 


359 


390 1 

Recognoſcirung nicht gelang, den Gipfel des Gletſcherber— 
ges zu erſteigen: ſo ſoll er uns Glocknerianern doch nicht 
lange mehr widerſtehen. Wir vermuthen, daß die Hoͤhe 
des Gipfels uͤber dem Eisfeld wenigſtens noch 700 Toiſen 
betragen wird. 

Das Reſultat dieſer Reiſe ſind die vorher erwaͤhnten 
barometriſchen Beobachtungen, die ſaͤmtlich an Orten ge⸗ 
macht ſind, von denen bis jezt keine Hoͤhenbeſtimmungen 
exiſtiren; und gewiß, jeder Freund der phyſiſchen Geogra⸗ 
phie unſers Vaterlandes wird es dem Dr. Schultes dan⸗ 
ken, daß er jene Gegenden, die ſo manche eigenthuͤmliche, 
aber leider faſt noch unbekannte Schoͤnheiten beſitzen, zum 
Ziel ſeiner Bergreiſen macht. 

Die Reſultate, die wir mittelſt der oben erwaͤhnten ba⸗ 
rometriſchen Beobachtungen fuͤr die Hoͤhen einer Menge 
Punkte erhielten, waren folgende: 


Hoͤhe uͤber der 
Meeresflaͤche 
Namen der Orte. in Toiſen. 
Draskirchen 4 . . es 
Neunkirchen 5 „„ 


Glocknitz, am Fuße des Schloßberges 220, 8 
Bayerbach, am Wirthshauſe bei der Kirche 236, 3 


Reichenau, im Wirthshauſe . 239, 6 
In der Breyn, am ar des Kirchenhů⸗ 
gels s 316,4 


Am Gipfel des Gecheides: am Grenzſteine 
zwiſchen Oeſterreich und Steyermark 516, 1 


Capellen; im Wirthshauſe R 341, 3 
Neuberg, im Wirthshauſe im erſten Stocke 351,0 
Maͤrzſteg 0 8 . 377,9 
Am Todtenweibe an der März 5 4173 


Ju der Freyn, am Wirthshauſe 4424/9 


391 
Hoͤhe uͤber der 

Meeres flaͤche 

Namen der Orte. in Toifen. 
Am Freynſattel . . N R 545, 3 
Maria: Zell 1 . 426, 7 
Hinter dem Gußhauſe zu St. Simm 356, 0 
Am Greiter⸗ Sattel beim Kreuze 2 436, 0 
Im Greite ß 356, 4 

An der Höhe vor Weichſelboden in der 
Holzhuͤtte . A . 4 398, 3 
Weichſelboden im Pfarrhauſe . 6. 324, 9 
Daſelbſt am Ufer der . . 318, 0 
Wildalpen 0 . ne 
Oberwildalpen - 375% 1 
An der Eiſenerzhoͤhe auf der Alpe, oben 

am Kreuze. , . 765, 2 
Eiſenerz 5 347% 3 
An der Geſchwornen Stube am Eriberge 615, 1 
Am Gipfel des Erzberges N „ 7827 4 
Leopoldſtein am See, Niveau des Sees 310, 5 
In der Laſingau f 4 4 260, 5 
In der Radmer . . 366, * 
Auf der Neuburgalpen am Gipfel 4 
Jons bas . . 04:8 757,0 

Beim Heinl *) . l g „ee 
Admont. . . . A 298, 2 
Lietzen . . . re 315, 4 
Wolkenſtein in den Ruinen . 460,0 


* 


*) Die Beobachtungen von Heinl bis Niederhofen geben den 
geringen Fall der Enns im Ennsthale auf eine Strecke von 
10 Stunden. 


®r 


392 


8 Namen der Orte. 
Woͤrtſchach, am Fuße des Huͤgels, worauf 


Wolkenſlein ſteht . » . 
Niederhofen : 7 1 R 
Steinach an der Gartenmauer + 4 
Grimming A R 1 6 
Klachau . R 1 ’ 5 
Mitterdorf R 0 
Oberndorf, bei dem heskden am Wege R 
Anger 85 
Am Grundlſee, Niveau des Sees ; 
Außee + 


Am alten Außeer⸗ See, Rivean des See 3 
Am Steinberge auf dem Außeer-Salzberge, 
der uͤber dem Mundloch des Stollens, 


Höhe über der 
Meeresflaͤche 
in Toiſen. 


320, 8 
321,3 
321, 3 
312,9 
402, 1 
387, 7 
412, 0 
387, 1 
338, 5 
338 ,.6 
346, 7 


wo die Beobachtung gemacht wurde, 


noch 100 Wienerklafter erhaben iſt . 


Am Traundorfe. A R ; 
Hallſtadt + 5 * + 
An der Mitterwand 0 0 + 
An der erften Holzhütte . R N. 


Auf der Alpe in der Wieſe ; 
Auf der Ochſenwieſe an der Alpenhütte , g 
Am Taubenkar bei der oberſten Alphuͤtte 


Auf der Hoͤhe uͤber dem Taubenkar ; 
An der Schneegranesam Gletſcher 8 
Am hoͤhern hintern Hierlats . ; 
Am vordern Hierlatd . R ‘ 


457 
246, 
244 
437 
466, 
851, 
937 
9125 
973/57 
981,4 
9817 0 
94970 


AD mm aA an 


c 


893 
Ibid. zter Band. November. Seite 503, 


Geographiſche Beſtimmungen in Oeſterreich 
von Prof. Buͤrg. 

Der noͤrdliche Gipfel des Schneeberges, Breite 
47% 46', 18°, 8 aus meinen Beobachtungen; aus Be⸗ 
obachtungen des Ca p. Fallon 47°, 46“, 13", 3. Die 
Ränge dieſes Punktes aus Pulver⸗Signalen 2’, 17¼/, 8 
in Zeit weſtlich von Wien. Ich hatte die Laͤngebeſtim⸗ 
mung bis auf 1" ſicher, da ich und Fallon einerlei Mit⸗ 
tag aus correſpondirenden Hoͤhen fanden, und beide Chro⸗ 
nometer für den Augenblick, als jedes Signal gegeben wur⸗ 
de, bis auf eine halbe Secunde einerlei mittlere Zeit gea 


ben, wenn ihr mittlerer Gang wahrend meiner Abweſen⸗ 


heit von Wien angenommen wird, um von der Zeit des 
Mittags auf die ſieben Stunden entfernte Zeit der Signale 
zuruͤckzugehen. Fuͤr Buchberg, ein Dörfigen nahe am 
Fuße des Schneeberges, fand ich Breite 4747, a", 3. 
Fallon, 47°, 48% so", 7; Länge von Wien in Zeit 
1055“ weſtlich aus der Bedeckung des Sterns A im Schuͤ⸗ 
tzen. Dieſes Reſultat koͤnnte aber bis auf 2“ zweifelhaft 
ſeyn, well der mittlere Gang der Chronometer für 2 Tage 
angenommen werden mußte, um die mittlere Zeit zu er⸗ 
halten; beide Uhren geben die mittlere Zeit der Conjunckion 
um 3", 7 verfihieden, i 
Die Erhöhung des Schneeberges uͤber der Meeresſlͤcht 
folgt aus der beobachteten Barometerhoͤhe nahe 1030 Totſen. 
Die Länge des Hochecks habe ich aus zehn am 19 Gem 
tember um 5 Uhr nach und nach gegebenen Pulverſignalen 
1% 30%, 3 weſtlich von Wien gefunden; dieſe Beſtim⸗ 
mung halte ich für ſehr genau, well mir durchaus kein 
Umſtand bekannt iſt, der ſie zweifelhaft machen könnte, 


Die Breite fand ich aus zwölf recht gut harmonirend en 


r Pd. Ke 


394 


Circummeridian-Hoͤhen der Sonne 47°, 59% 49", 0. 
‚Eben diefe Pulverfignale, von der Frau Baron von Matt 
in dem Rehhof beobachtet, gaben den Rehhof vom Hocheck 
weſtlich 3“, 65. Die Vergleichung der Uhren bei mei⸗ 
nem Weggehen vom Rehhof und bei meinem Zuruͤckkom⸗ 
men gab 3", 47. Die Breite des Rehhofs fand ich am 
20 September 48°, 1½ 42", 9, am 2ıflen 48°, 1’, 41½ 1. 
Eine Beobachtung der Frau von Matt, welche ich berech⸗ 
net habe, gab 48°, 1, 45". 


x 


N 


Trigonometriſche Hoͤhenbeſtimmungen der bekann⸗ 
ten Berge um Innſpruck im Tyrol. 


Von dem K. K. Ing. Capit. L. A. Fallon. 


Die maͤchtige Gebirgskette, die aus dem Gotthardt 
entſpringt und am linken Innufer hinſtreicht, trägt auch 
in betraͤchtlicher Entfernung von ihrem Urſprunge ſehr hohe 
Ruͤcken und Gipfel. Die Bergabhaͤnge gegen den Strom 
find ſehr ſteil, und ſtellen meiſtentheils ſchroffe Felſenwaͤnde 
und zackige Spitzen dar; jene hingegen gegen Norden ſtei⸗ 
gen nur allmaͤhlig nieder und verlieren ſich in fanften Bie⸗— 
gungen in die Flaͤchen von Bayern hin. 

Ich benutzte einen kleinen Aufenthalt in Innſpruck, um 
die merkwuͤrdigſten Berge in der umliegenden Gegend zu 
meſſen. Ich hatte zu dem Ende einen vortrefflichen Theo⸗ 
doliten von Dollond, welcher S. K. H. dem Erzherzog 
Johann angehoͤrt. Mit dieſem Werkzeuge, das zwar nur 
Minuten angiebt, wurden die Hoͤhenwinkel beobachtet. 
Weil dieſelben aber auf beiden Seiten des Stellpunktes 
gemeſſen worden find, fo glaube ich fie dis auf zo Se. 
cunden angeben zu koͤnnen. Die Entfernungen ſind mit 


395 
einem Stangenzirkel aus einer ſehr genau aufgenommenen 
topographiſchen Charte der Gegend um Innſpruck abgenom— 
men, und meines Erachtens auf so bis 12 Klafter rich— 
tig. Beide Fehler koͤnnen auf die Beſtimmung der Höhen 
nur einen ſehr unbeträchtlichen Einfluß haben. 

Der Standpunkt des Inſtruments war der Stadt⸗ 
thurm. Die gemeſſene Höhe dieſes Punktes über dem Ho⸗ 
rizonte der Stadt, verbunden mit der Seehoͤhe des Orts 
giebt 1325 Schuh ), welche, zu den berechneten Berghoͤhen 
addirt, folgende wirkliche Seehoͤhen hervorbringt, als: 


Berge scocasnnen Pariſer Schub. 
Großer Solfen f 9106. 
Schnee ⸗Chor⸗Keſſel⸗ Spig . 7478. 
Brandjoch (hoͤchſter Punct) 17423. 
Die Frau huͤt . 0 1 6492. 
Sattelsberg 5 Blihy x 6637. 


Seegruben⸗Spitz „ 6971. 
Gleiers⸗Spitz N . A . 6000, 


Penzen⸗Graben⸗Spitz 5 65624. 
Rummer⸗Joch (Gipfel) * 17082. 
Taurer⸗Joch (Gipfel) 3 5546. 
Zunderkopf A . - 6 5317. 
Waldkamme 8 5491. 


Hohe Wandkopf (über der Martinswand) 5409. 
Die Spitzen zwiſchen Sattele und Seegruben 7068, 


Berge Kr Süden. 


Datfcher > Kofel . . 6343. 
Serlles⸗ oder Waldraſter⸗ Spit . 7733. 
Glungeſerberg 0 8 317523. 


Saileberg . 1 h 6813. 


— 


Nach Leopold v. Buch 1311 F. (A. G. E. ar B. S. 167.) 


396 
Anmerkungen, 

Der große Solſtein 1517 Klaſter hoch erfcheint bil⸗ 
lig auf der Anichſchen Karte von Tyrol mit dem Zei⸗ 
chen 7“ als hoͤchſter Berggipfel im Gerichte. Seine Ab⸗ 
faͤlle gegen Norden beleben kleine Baͤche, die Quellen der 
Iſer. Die Abhaͤnge gegen Suͤden hingegen ſind ſteiler 
und rauher, und endigen plotzlich bey der Martinswand, 
berühmt durch die beynahe vertikale Lage ihrer Felſen, 
und durch die bekannte gefahrpolle Jagd des Kaiſers Maxi⸗ 
milian. 

Patſcher Kofel iſt durch feinen tonnenfoͤrmigen Gi⸗ 
pfel erkennbar. Er liegt oͤſtlich vom Dorfe Patſch am 
rechten Ufer des Sillbaches. 

Serlles Spitz ſudweſtlich von dem ehmaligen Klo⸗ 
ſter Waldraſt. Dieſer zackige Berg ſcheint von Innspruk 
aus betrachtet, als ſtuͤnde er ganz iſolirt da. Indeſſen 
haͤngt er mit dem hohen Bergarm zuſammen, den die 
Stuben und Freulle Eid» Gebirge zwiſchen den Stu⸗ 
bay und Gſchniz⸗Thaͤlern hinſchicken. 

Glungeſer⸗Berg oͤſtlich vom Patſcher⸗ Kofel. 
Selten verliert er ganz den Schnee. 

Saile⸗ Berg weſtlich vom Stubay⸗Thale und 
nordweſtlich von Mieders. Er iſt auf der noͤrdlichen 
Seite felſig und ſteil, gegen Suͤden aber mit Gras bewach⸗ 
fen. Ein Fußſteig führt bis auf den hoͤchſten Gipfel hinauf. 

Die Martins: Wand. Die Straße, welche von 
Innspruk nach Zirl führt, läuft hart am linken Innufer 
fort. In einer mäßigen Stunde hat man den Martinsbuͤ⸗ 
hel erreicht, naͤmlich eine kleine ſchmallaͤngliche Erhoͤhung 
zwiſchen dem Fluße und der Martinswand. Hier erbaute 
Kaiſer Maximilian, ein eben ſo geſchickter als kuͤhner Jaͤ⸗ 
ger, ein Jagdhaus, aus deſſen Fenſtern er die Gemſe der 
Wand erſchoß. Einmal hatte er ſich verſtiegen, und waͤ⸗ 


7 
3er 
re ſicher zu Grunde gegangen, wenn ihn nicht ein 
Engel gerettet hätte. Ich habe einen Plan und 


Profil dieſer Wand vor mir liegen, habe ſelbſt die Lo ca⸗ 


lität unterſucht, und wahrlich derjenige, der ihm aus der 
Felſenhoͤhle half, kann mit gutem Gewiſſen und ohne 
Aberglauben fuͤr einen Engel paßiren. Um dieſe wunder⸗ 
volle Rettung zu verewigen, wurde in der folgenden Zeit 
die Hoͤhe zugaͤnglich gemacht, und in derſelben ein 18 
Schuh hohes Kreuz errichtet. Dennoch iſt der Steig, der 
hinauf fuͤhrt, immer ſehr gefaͤhrlich, und das Volk der 
umliegenden Gegenden, welches manchmal dahin wall⸗ 
fahrtet, muß ſich mit Steigeisen verſehen. 

Hier folgen die Ausmeſſungen dieſes auch in der Ge⸗ 
ſchichte merkwuͤrdig gewordenen Ortes, die ſich auf ei ne 
geometriſche Aufnahme gruͤnden. 

Der Fuß der Martinswand, naͤmlich oberhalb des 
Waͤldchens, das ſich bis an die Landſtraße hinzieht, iſt hoͤher 
als das mittlere Innwaſſer um 36 Klafter. 
Das Kreuz. - 144 
Die Hoͤhe der Wand ber dem eben mit 

Gras beſezten Abſatze⸗ . 296 
Die Tiefe. R . 8 
Die Hoͤhle hat Breite 8 N 14 
— — — Tiefe d 1 
Neigungswinkel der Wand vom Fuße bis zur Felſenhoͤhle 
12, von da bis oben 30. 

Die Hoͤhle iſt von dem Buͤhel 142 Klaſter entfernt. 


Nach der Beobachtung des Herrn Ing. Capit. Fallon 
iſt die Breite von Innspruck: 
47°, 16, 1½, oo. 


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112 — 4 v. ob. l. Kazis ſt. Kazi ; 

114 — 13 v. unt. folle nach Augſtenberg ein; ſtehen. 
— — 9. unt. l. Strilſerberg fl. Trilſerberg 

116 — 12 v. ob. l. armeria fl. armerira 

118 — 1 v. unt. ſetze nach Unterengadin: Pol 

119 — 1 v. ob. ſtreiche nach Haldenſtein Pol aus 

123 — 9 v. ob. l. Juf ſt. Inf 

124 — 12 v. ob. l. im Thal Samnaun fl, Samnaun 
127 — 13 v. ob. l. viridis ſt. veridis 

128 — 5 v. ob, if zwiſchen Sabina und alpina et zu 


ſetzen. 1 
169 10 v. unt. I. Lukmannier fi, Luemaier 


170 — 6 v. ob. J. Pollenſer ſt. Potenſer 
— — 18 v. ob. l. Miſoxer ſt. Meſaxer u. f. ferner. 
172 — 14 b. unt. l. Berguͤnn ſt. Burguͤnn u. ſ. f. 
176 — 16 v. unt. l. Curkenill ſt. Curcenill 
177 — 10 v. unt. l. Stulz ſt. Sulz 
179 — 4 v. ob. l. Ganda ſt. Gauda 
— — 13 v. unt. I. Maſiner ſt. Maſnier 
— — 5 v. unt. l. Bernina fl. Beroina 
— — 2. unt. l. Comerſee ft. Comſerſee 
180 — 9 v. ob. l. Morbenner fl. Mobener 
188 — 6 v. ob. l. Heuͤſchobern ſt. Heuſchoben 
187 — 9. ob. l. Avers fl. Aters ? 
189 — 3 v. ob. 1, Sienit ſt. gemeiner Granit u. J. f. 
— — v. unt. ſchiebe man nach geben ein: Eigent⸗ 
lich iſt es Rauchwacke 
194 — 15 v. ob. I. Umbrail ft. Umbrailg u. ſ. f. 
198 — 18 v. ob. l. Campovico fl. Camporico 
196 — 8 v. ob. l. Miſox ſt. Mafor u. ſ. f. 
198 — I v. ob. l. Certig fl. Cortig 
— — 10 v. ob. l. Glarus ſt. Clarus 
— — 16 v. ob. l. 2 ft. Pens 
202 — I v. ob. I. Lichiertichen ft. Tſchietſchen 
204 — 17 v. ob. I. Tirano K. Firano a 
— — 9. unt. I. Bolladore ſt. Bolladonne u. ſ. f. 
— — 83 v. unt. l. Umbrail ſt. Umbrailg 
366 — 6 v. ob. l. Col d'Egua fl. Eana 
373 — F. unt. l. Potentilla ſt. Pontentilla 
377 — 134 v. unt. l. Drofui fl, Drofni u. fe 
387 — 9 v. ob. l. Drofuter fl. Drofnier 
— — 13 p, ob. nach Ob ſetze: gleich 
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