0)_
Ol-
CO
o-
N3_
o_
CO_
^♦Z©
.* '»
I
5034
• .4
G7
1923
c. I
I ROBA
1
1 ' "^
-♦
'--«
^5 ?',
Mi.
^"■'.s
<v1> 4,
^
J»"i*
• *♦
ALTHEBRÄISCHE
INSCHRIFTEN VOM SINAI
Alphabet, Textliches, Sprachlidies
mit Folgerungen
Verfasser:
HUBERT GRIMME
o. Professor der semitischen Sprachen an der Univ. Münster i. W.
HANNOVER 1923
ORIENT-BUCHHANDLUNG HEINZ LAFAIRE
(iermaBy
VORWORT.
Von den altsinaitisdien Schriftdenkmälern Einiges mehr zu erschließen, als bisher gelungen war,
ist die Aufgabe der folgenden Studie. Sie hat Manches von dem zur Voraussetzung, was besonders
Gardiner, Sethe und Eisler erforscht haben; wie aber jeder dieser Drei im Wesentlichen als ein
Eigener genommen werden muß, so sind aucJi meine Ziele meist jenseits der ihrigen gesteckt. Ich
habe mich bemüht, in methodischer Folge zunächst eine eingehende Kenntnis des Sinaialphabets zu
gewinnen, daran anschließend so tief in die TextentzifFerung einzudringen, wie es bei der eigentüm-
lichen Beschaffenheit der Denkmäler und der vielfach mangelhaften Art ihrer bildlichen Wiedergabe
möglich ist, und in Verbindung mit der Lesung der Texte das Wesen ihres Idioms zu erschließen.
Konnte der Philologe hier abbrechen, so mußte der Historiker noch einen Schritt weitergehen, um
einige der zahlreichen Fährten festzulegen, die die Sinaisteine mit der biblischen und Profangeschichte
anscheinend so intim verbinden.
Möge die Kritik erkennen, daß es sich bei der sinaitischen Inschriftenforschung um Fragen von
höchster wissenschaftlicher Bedeutung handelt, und möge sie, um sich mit ihnen gründlich auseinander-
zusetzen, die Erörterung über Alphabet und Schrift ebenso von der über den Inhalt der Inschriften
sondern, wie diese von den dem Inhalte entnommenen Folgerungen. Wo sie aber glaubt, zu Aus-
stellungen Grund zu haben, da gedenke sie auch der Schwierigkeiten, die der Boykott deutscher
wissenschaftlicher Bestrebungen im Auslande bei einem Gegenstande wie dem vorliegenden für den
Forscher im Gefolge hat. Wäre unter normalen Verhältnissen eine Reise zum Sinai erforderlich ge-
wesen, um sich über die zwischen Hypothese und Tatsache zu ziehenden Grenzen klar zu machen,
so lag jetzt schon der Besuch eines der Museen, in denen Sinaitika aufbewahrt werden, für mich
außerhalb des Bereichs der Möglichkeit. Diese bittere Erinnerung soll mich aber nicht abhalten, in
aufrichtiger Dankbarkeit der Förderung zu gedenken, die mir auch verschiedene ausländische Ge-
lehrte, wie Alan H. Gardiner, C. T. Currelly, Eugene Devaud und J. Capart zukommen ließen, wo-
durch es mir gelungen ist, ein Bildmaterial zusammenzubringen, wie es wohl noch keinem der bis-
herigen Bearbeiter der in Frage stehenden Inschriften zur Verfügung stand. Ob ich verstanden habe,
es voll auszunutzen, ob ich vor allem gut daran getan habe, entgegen meinen Vorgängern die von den
Originalen genommenen Photographien und Abklatsche den von anonymen Händen angefertigten
Handkopien der Inschriffen vorzuziehen, mögen meine Kritiker besonders angesichts der vom Folk-
wang-Verlag so opferfreudig hergestellten Lichtbildtafeln in Ruhe abwägen.
Eine an Aufregungen reiche Zeit, in der es oft schwer wurde, den Kopf klar und das Herz kühl
zu halten, liegt hinter mir. Was ich darin geleistet habe, sehe ich heute für gering an gegenüber dem,
was noch zu leisten übrig bleibt, besonders wenn der Sinai seine dem Boden wieder anvertrauten
Schätze zum zweiten Male ans Licht bringt. Bis dahin mag man des Goethe'schen Wortes gedenken:
Da muß sich manches Rätsel lösen -
Doch manches Rätsel knüpft sich auch?
H. GRIMME.
INHALTS ^VERZEICHNIS
1. EINLEITENDES
Seite
1. Fundgeschichte der altsinaitischen Schriftdenkmäler 9
2. Beschreibung der Denkmäler:
a) Tempelweihgeschenke 11
b3 Felstafeln 12
c) Graffito 13
3. Übersidit über die bisherige Erforschung der Inschriften:
a} Alphabet 13
b} Textlesungen 17
II. VORLÄUFIGES ZUR FRAGE
NACH DEM WESEN DER ALTSINAITISCHEN SCHRIFT
1. Ägyptischer Ursprung der Sinaischrift? 19
2. Hieroglyphische oder hieratische Herkunft? 19
3. Die Sinaischrift eine Konsonantenschrift? 21
4. Von den Buchstabenbezeichnungen zur Buchstabenbestimmung 22
5. Von der Reihenfolge der semitischen Buchstabennamen zu ihrer Deutung 23
6. Von den altsemitischen Buchstabenformen zu den sinaitischen 23
III. DAS ALTSINAITISCHE ALPHABET
1. Vorbemerkung 25
2. Die Buchstaben in ihrer historischen Entwicklung 25
3. Sprachliches zu den Buchstabennamen 28
4. Weiteres zur Sinaischrift:
a) Ligaturen ' ". .. .. 32
h") Zahlzeichen 33
c} Zeilenrichtung 33
d} Zeichenrichtung 34
e} Liniierung 34
f) Initialen 34
5. Zur Entstehung der sinaitischen Schrift:
a3 Ort der Entstehung 35
b) Nähere Umstände der Entstehung 36
0 Vorgänger und Nebenzweige des Sinai- Alphabetes? 36
IV. ZUR ENTZIFFERUNG DER ALTSINAITISCHEN TEXTE
Seite
1. Vermutliche Dubletten von Einzelwörtern und Wortverbindungen 38
2. Gruppierung der Inschriften 41
3. Erklärung der Inschriften:
a) Weihinschriften
Nr. 345 C= 1) 42
Nr. 346 C=23 44
Nr. 347 und 347a (=3 und 4} 49
Nr. 347b, 347c, 347d C^- 5, 6, 7} 50
b) Grabinschriften
Nr. 353 C= 133 52
. Nr. 354 C= 143 '. 55
Nr. 355 C= 153 56
Nr. 352a C= 123 57
Nr. 352 C= 113 57
Nr. 350 C=93 61
c3 Paralleltexte
Nr. 349 C = 83 63
Nr. 351 C=103:
Text B 72
Text A .. 73
d3 Rückblicit auf die Tafelinschriften 75
e3 Das Graffito Nr. 348 (= 16} 76
«
V. ERGEBNISSE UND FOLGERUNGEN
1. Die Sprache der altsinaitischen Inschriften 78
2. Der Lautwert der sinaitischen Buchstaben 80
3. Chronologisches 82
4. Jahu 85
5. Sinai 87
6. Die mosaischen Gesetzestafeln im Licht der Sinaiinschriften 90
7. Der Name des israelitischen Gesetzgebers 92
Anhang: Eine meroitische Totenopfertafel vom Hathor-Tempel 96
Vergleichende Sdirifttabelle , 102/103
Bilderanhang Tafel 1-23
I. EINLEITENDES.
1. FundgescKicKteder altsinaitischen Schriftdenkmäler.
*ie Inschriften, mit denen wir es im Folgenden zu tun haben, bilden eine Gruppe, die
man im Gegensatz zu den von Nabatäern herrührenden und bislang sdilechthin als
sinaitisdi bezeichneten Inschriften des Innern der Sinaihalbinsel altsinaitisch nennen
kann. Ihre Fundstätten sind dieselben wie die der hieroglyphischen Denkmäler
des Sinai, nämlich Wadi Magara und Serabit-el-Hadem, die beiden von den alten
Ägyptern ausgebeuteten Minendistrikte des Südwestrandes des Sinaimassivs. Jenes Gebiet war
seit der Regierung der pyramidenerbauenden Pharaonen das Ziel zahlreicher Expeditionen zur
Gewinnung von Kupfer und Türkisen; zu dem anderen, einer steinigen Hochebene mit nach drei
Seiten steil abfallenden Rändern, zu der vom Wadi Magara her ein beschwerlicher Saumpfad
führt, gelangten ägyptische Arbeiter seit der Zeit der XII. Dynastie (2000-1788 v.Chr.), und ihre
Spuren lassen sich bis zum Ende der XX. Dynastie C1200-1190} verfolgen. Am nachdrücklichsten
bezeugt jedoch Ägyptens friedliche Mission in dieser abgelegenen Gegend ein Tempelbau, dessen
Anfänge wohl in die Zeiten des ältesten Minenbetriebes auf Serabit-el-Hadem zurückgehen, und
an dem in der Folgezeit besonders zwischen 1500 und 1200 v. Chr. sich zahlreiche Pharaonen als
Bauherren zu verewigen getrachtet haben. Ursprünglich eine Kultstätte für „Hathor, die Herrin
der Türkisen", erhielt er später einen Nebenspeos, der dem „Sapdu, Herrn der östlichen Wüste",
,, Schläger der Bergvölker' , geweiht war, wodurch das Minenrevier in enge geistige Beziehung zu der
der im Wadi Tumilat, dem alten Lande Goschen, gelegenen Stadt Pi- Sapdu 0, „Residenz des
Gottes Sapdu", gesetzt wurde.
Dieser Tempel besaß aber nicht nur die Bedeutung eines Gotteshauses für Ägypter, sondern
hatte anscheinend auch große Teile der Eingeborenen der Sinaihalbinsel in seinen Bann gezogen
und ließ sie in Hathor und Sapdu Erscheinungsformen von zwei einheimischen Gottheiten erblicken
und in Formen eigener Gottesverehrung ihnen huldigen. So nahm dieser Sinaitempel unter den
ägyptischen Götterstätten eine ähnliche Sonderstellung ein wie der auf der Grenzscheide von
ägyptischer und äthiopischer Religion errichtete Tempel der Isis von Philä.
Die Durchforschung des altägyptischen Minendistrikts auf Sinai lag seit mehr als einem halben
Jahrhundert im Plane europäisdier Gelehrter und Entdecker, und schon 1 904 konnte Raymond Weill
mit der Ausbeute an hieroglyphischen Inschriften einen stattlichen Band füllen.'^) Eine reiche
Nachlese an Funden hielt sodann im Jahre 1 904/5 eine vom Egypt Exploration Fund aus-
gerüstete und von W. M. Flinders Petrie geleitete englische Expedition, über deren Verlauf und
wesentlichste Ergebnisse ihr Leiter in seinem Buche „Researches in Sinai" (London 1906) in Wort
'3 Die üblidie Aussprache Sopdu ist durch nichts sicher bezeugt, während für unsere Form die assyrische Transskription PiSaptu
spridit. - ^') Recueil des Inscn-iptions Egyptiennes du Sinai.
und Bild Beridit erstattete. Hierbei ist einer Auffindung von „Foreign inscriptions" Erwähnung
getan, die an zwei versdiiedenen Stellen des Plateaus von Serabit-el-Hadem ans Licht getreten
waren : im Tempel und an einem von alten Bergwerksstollen durchbohrten Felsen ungefähr eine halbe
Stunde westlich vom Tempel, über jene sagt Flinders Petrie (S. 129}: „Eine auffällige Gruppe von
Bildwerken wurde im Tempel gefunden, deren Stil gröber ist als der übliche ägyptische, und deren
einige Inschriften in unbekannten Schriftzeichen aufweisen". Von ihnen werden einzeln erwähnt
die Statuette eines hottenden Mannes sowie eine kleine Löwensphinx mit dem Kopfe einer Frau;
einige andere sind nur im Bilde vorgeführt (Fig. 131, 142^, 143'*}. Mit anderen bei Petrie uner-
wähnt gebliebenen Stücken bilden sie eine unter den Begriff „Tempelweihgeschenke" fallende
zusammengehörige Gruppe.
Die anderen Stüci<e haben einen wesentlich anderen Charakter, schließen sich jedocii auch zu einer
Gruppe zusammen. Über sie berichtet ihr Entdecker auf S. 130: ,,Als meine Frau die Felstrümmer
an dem Bergwerksstollen L überschaute, gewahrte sie ein Bruchstück, das einige unlesbare Schrift-
zeichen aufwies. Beim Weiterforschen entdeckte ich auf einem herabgefallenen Steinblocke nodi
mehrere solclier Zeichen. Mit Hilfe von einigen hergeholten Leuten drehte ich drei oder vier Fels-
stücke um, die von einem behauenen Teil der Felswand herabgestürzt waren, und legte dabei Teile
anderer Inschriften frei, die ich wieder zusammensetzte. Schließlidi ergab es sich, daß wir Reste
von ungefähr acht Inschriftentafeln vor uns hatten, die von einander durch starke Vertiefungen
abgegrenzt waren, im übrigen aber die Form der ägyptischen, oben abgerundeten Tafeln hatten.
Von ihren Inschriften war keine als ägyptisch zu entziffern. Sie zeigten einen Einschlag von
ägyptischen Hieroglyphen; doch die meisten Zeichen wichen bedeutend von denselben ab".
Es ist anzunehmen, daß diese acht Inschriftentafeln einmal über dem Stollen und zwar am
oberen Rande des Felsens ihren Platz hatten. Ob sie von dort infolge natürlicher Zer-
trümmerung des Gesteins oder gewaltsamer Loslösung durch Menschen herabgestürzt sind, läßt
sich vorderhand nicht ausmachen.
Der Auffindung der Tafeln folgte ihre Aufnahme im Lichtbilde sowie die Abzeichnung ihrer
Inschriften durch „most untrained students "■•■}; eine Herstellung von Papierabklatschen scheint
unterblieben zu sein.
Was an Tempelweihgeschenken gefunden war, wanderte mit anderen Fundstücten der Expedition
nach Ägypten und ward von dort nach verschiedenen Seiten hin zerstreut, so daß die Museen von
Kairo, London, Brüssel und Toronto sich jetzt in ihren Besitz teilen. Dagegen haben die Inschriften-
tafeln den Sinai nicht verlassen. Was die Expeditionsteilnehmer veranlaßt hat, sie nicht mitzu-
nehmen, was sie ferner zur Sicherung derselben gegen Entwendung oder Zerstörung getan haben,
ist ihr Geheimnis. Wir können nur hoffen, daß die Zeit nicht mehr fern ist, wo sie in Sicherheit
gebracht und der Wissenschaft voll zugänglich gemacht werden.
Als geraume Zeit nach der Auffindung dieser Denkmäler die Erforschung ihrer Schrift begann,
wurde ein Stück anderer Herkunft, nämlich ein Graffito von acht Zeichen, das E. W. Palmer im
Jahre 1868 in der Gegend von Wadi Magara abgeklatscht CBrit. Museum 47} und abgezeichnet
(Notebook S.29} hatte, als zu derselben Gattung gehörig erkannt. Hatte R.Weill es zuerst der
Vergessenheit entrissen und in seiner Sammlung der sinaitischen Inschriften als Nr. 22 veröffentlicht,
so war Alan Gardiner derjenige, der es im Jahre 1916 zuerst richtig klassifizierte.
+) Nach Mitteilung von A. H. Gardiner.
10
2. Beschreibung der Denkmäler.
Nach ihrem Äußeren kann man die uns beschäftigenden Denkmäler in drei Gruppen teilen:
Tempelweihgeschenke, Felstafeln, Graffiti. Unter die erste fallen sieben, unter die zweite acht
und unter die dritte eines von ihnen. Wir geben ihre Beschreibung in der Folge der drei Gruppen
und bezeichnen sie wie unsere Vorgänger mit der Zahl, die sie in der Reihenfolge der gesamten
Inschriften vom Sinai bekommen haben, setzen aber eine sie allein betreffende Numerierung in
Klammer hinzu.
a} Tempelweihgeschenke.
Nr. 345 CO: Löwensphinx mit Frauenkopf. Fußplattenbreite 15 cm, Höhe der Sphinx von der
Fußplatte bis zum Scheitel 11 cm. Aufbewahrungsort: British Museum (417483. In der Gesamt-
auffassung zwar ägyptisch, doch in einzelnen Teilen, wie Stirn, Augen, Kopftuch, fremdartig stilisiert,
daher von Flinders Petrie wohl mit. Recht als Werk sinaitischer Lokalkunst bezeichnet. Trägt an
fünf Stellen Inschriftliches, und zwar Hieroglyphisches an der rechten Schulter, zwischen den Vorder-
tatzen CKönigsnamen3 und vielleicht am linken unteren Zipfel des Kopftuches; weiter Sinaitisches
auf beiden Langseiten der Fußplatte.
Nr. 346(23: Männliche Hockerstatue. Körperbreite 13 cm, Höhe etwa 20 cm. Aufbewahrungs-
ort: Ägyptisches Museum in Kairo. In ihrem kubischen Aufbau erinnert die Statue besonders an
Männerdarstellungen der XVIII. Dynastie, z. B. die des Senmut (Berlin); die Bedeckung der Füße
durch das Gewand ist bisher nur an Werken dieser Zeit nachzuweisen. Einzelheiten in der Aus-
führung lassen auch bei dieser Statue einen speziell sinaitischen Kunststil erkennen. Der Dar-
gestellte erscheint als ein verhältnismäßig junger Mann mit breit entwickelten Gesichtsseiten, ziem-
lich kurzer Nase, vollen Lippen, bartlos (was die bei Gardiner gegebene Abbildung nicht deutlich
zur Erscheinung bringt}. Sinaitische Schrift zeigt 1 . die ganze Vorderseite (von den Schultern bis zu den
Knieen, von diesen bis über die Füße} und zwar in zwei vertikalen Zeilen und einer horizontalen;
2. die rechte Seite vom Arme abwärts bis ungefähr zum Boden.
Nr. 347 (3): Kopf mit herabfallendem Kopftuch auf rechteckiger Basis; könnte ebensowohl einen
Mann wie eine Frau darstellen. Höhe 12 cm, Breite 9 cm. Aufbewahrungsort: Musee du Cinquan-
tenaire in Brüssel. An der Basis (Brustseite} drei tief eingeritzte Zeichen in vertikaler Linie; rechts
davon (vielleicht auch links} weitere in flacherer Ausführung.
Nr. 347a (4}: Dublette von Nr. 347 (3}, gleichfalls in Brüssel. Die mittleren drei Zeichen sind eben
noch zu lesen. Rechts davon ein tief eingeschnittener flacher Winkel, wahrscheinlich Rest eines auf
Nr. 347 noch voll erhaltenen Schriftzeichens.
Nr. 347 b (5}: Hathorkopf mit Diadem, nicht Säulenkapitäl (Flinders Petrie}, sondern Weih-
geschenk. Größe (?}, Aufbewahrungsort (?}. Von sehr roher, wohl unägyptischer Ausführung. Trägt -
was bisher übersehen worden ist - einige Schriftzeichen auf der Stirn.
Nr. 347c (6): Kleiner konischer Räucheraltar. Höhe und Aufbewahrungsort nicht zu ermitteln.
Die Photographie bei Flinders Petrie (Fig. 143"*} läßt hart am rechten Rande drei Schriftzeichen
erkennen; andere mögen vom Schatten des Randes verdeckt sein.
Nr. 347 d (7}: Obere Hälfte der Statuette einer Königin (Flinders Petrie, Fig. 131}. Größe und
Aufbewahrungsort unbekannt. Als Königin besonders durch den über das herabfallende Haar gelegten
Schleier in Form von Flügeln gekennzeichnet. Die Darstellung wirkt eigenartig infolge des
11
vorgestreckten Kopfes und der fliegenden Stirn und nähert sidi der von Nr. 345. Im Stile mischen
sich jedenfalls Ägyptisches und "Fremdländisches. Auf der rechten Brustseite scheinen sinaitische
Schriftzeicfaen angebracht zu sein, deren Lesung aber auf der Photographie nicht möglich ist.
b3 Felstafeln.
Vorbemerkung: Die folgenden acht Tafeln zeigen alle dieselbe, oben flachgerundete, unten
meist geradlinig abschließende Form und annähernd gleiche Größenverbältnisse, nämlich zwischen
30 und 40 cm Höhe und 24-28 cm Breite; nur Nr. 352a (12} und 355 (153 sind bedeutend kleiner.
Die Schriftzeichen auf ihnen sind mehr oder minder tief eingeritzt. Bei Nr. 349 (83 und 351 (10)
täuscht die Photographie erhaben ausgemeißelte Zeichen vor; um den richtigen Eindruck von ihnen
zu bekommen, müßte man sie auf den Kopf stellen und dann betrachten.
Nr. 349 (8): Der äußeren Form nach gut erhalten; nach unten in flachem Bogen abschließend.
Die linke Seite zeigt Spuren von Verwitterung der Oberfläche. Trägt eine Inschrift von sieben
horizontalen Zeilen, worunter noch ein oder anderes Zeichen zu vermuten ist. Unter jeder Zeile
eine Richtungslinie.
Nr. 350 (9) : Von einer in sieben bis acht Stücke zersprungenen Tafel die rechte Seite, etwa ein
Drittel des ursprünglichen Ganzen. Von dem in vertikalen Zeilen geschriebenen und mit Richtungs-
linien versehenen Texte sind zwei Zeilen fragmentarisch erhalten. Die Wiedergabe der Stücke auf
der Situationsphotographie läßt erkennen, daß die Inschrift ursprünglich fünf bis sechs Zeilen hatte,
und giebt zugleich den gut lesbaren Abschluß der ersten Zeile, der auch auf der Handkopie der
Inschrift mit berücksichtigt ist. Der von oben nach unten gehende Strich nahe dem rechten Seiten-
rande bedeutet den ersten Versuch des Steinmetzen, die Tafel abzugrenzen.
Nr. 351 (10): In der Form bis auf die fehlende obere rechte Ecke gut erhalten. Nach unten
durch eine auffällig starke Vertiefung abgegrenzt. Auf den ersten Blick erkennt man auf der rechten
Seite der Tafel die roh ausgeführte, in streng ägyptischer Form gehaltene Darstellung des Gottes
Ptah (Hephaistos) in einer Zella, sowie links davon eine in vertikaler Zeilenrichtung verlaufende ein-
reihige Inschrift, die sich in der linken unteren Ecke noch etwas fortsetzt. Auch sie zeigt eine
plumpe, ungeschickte Ausführung. Bei näherer Betrachtung der auffällig rauhen Oberfläche treten
an verschiedenen Stellen der Tafel noch Schriftzeichen oder Reste von solchen zutage, deren Zeilen-
richtung anscheinend horizontal war. So steht man tatsächlich vor einer zweimal mit sinaitischen
Zeichen beschriebenen Tafel, einem steinernen Palimpseste,das den Erklärer vor die schwierige Aufgabe
stellt, außer dem jüngeren deutlicheren Texte womöglich auch etwas von dem älteren verwischten
zu entziffern. Die Handkopie berücksichtigt vom älteren Texte nur ein links oben stehendes Zeichen.
Nr. 352 (113: Eine offenbar infolge eines sehr alten Risses im Felsen in eine obere und untere
Hälfte gespaltene Tafel; von letzerer fehlt ein größeres keilförmiges Stück der linken Seite. Die
Inschrift der unteren Hälfte besteht aus drei (oder vier?} vertikalen Zeilen, deren gerader Verlauf
unten durch das auffällig große Zeichen eines Fisches gestört wird. Auf der oberen Hälfte sind
ebenfalls drei Vertikalzeilen erkennbar; weitere Schrift wird auf ihrer stark verwitterten linken Seite
gestanden haben. Nach dem Äußeren des Steines ist damit zu rechnen, daß auf jeder seiner
Hälften eine für sich abgeschlossene Inschrift stand.
Nr. 352 a (12}: Eine von den bisherigen Bearbeitern der sinaitischen Inschriften unbeachtet
gelassene Tafel, die sidi eng an Nr. 352 anschließt und durch den Riß, der diese hälftet, -seine
*) Eine Aufnahme, die eine Anzahl der Felstafeln nodi in situ zeigt; nodi nidit publiziert.
12
untere Hälfte eingebüßt hat. Bei der starken Verwitterung ihrer Oberfläche ist die Schrift bis auf
wenige Reste verschwunden.
Nr. 353 (133: Die am besten erhaltene Tafel. Eine ihre linke Seite bogig von oben nach unten
durchziehende Vertiefung weist uns darauf hin, daß der Steinmetz sie ursprünglich weiter links ab-
grenzen wollte. Auf ihrer ziemlich rauhen Oberfläche sind deutlich drei die Tafel ihrer ganzen
Höhe nach durchziehende vertikale Schriftzeilen zu erkennen. Ungefähr in der Mitte der Tafel
fallen drei bis vier größere Komplexe kleiner wagerechter Linien in vertikaler Anordnung auf; zwei
ähnliche, doch kürzere, stehen nahe dem linken Rande.
Nr. 354 (14}: Unmittelbar neben Nr. 353 in den Felsen eingehauen, durch einen Querriß in eine
linke und eine rechte Hälfte gespalten. Von letzterer ist nur der untere Teil erhalten, den der
Photograph in viel größerem Maßstabe aufgenommen hatte als die linke unversehrte Hälfte, wie die
Situationsphotographie erkennen läßt. Die linke Seite ist anscheinend inschriftlos, wenn man von
einem sehr flach eingeritzten Zeichen der unteren Hälfte absieht; was ihre obere Hälfte an Ver-
tiefungen aufweist, erinnert an die Linienkomplexe von Nr. 353. Dagegen zeigt das uns erhaltene Stück
der rechten Hälfte Schriftzeichen von schlechter Ausführung und Erhaltung in vertikaler Anordnung.
Nr. 355 (15}: Das obere linke Viertel einer Tafel. Die Inschrift scheint in drei Vertikalzeilen
angeordnet zu sein, von denen die mittlere etwa zur Hälfte, die linke zu einem kleinen Teil er-
halten ist. Die Schriftzeichen sind auffallend plump geformt und tief eingeritzt.
c} Graffito.
Nr. 348 (16}: Acht Schriftzeichen in vorwiegend vertikaler Anordnung. Das erste giebt Gardiner
wesentlich anders wieder als Weill (der nur sechs Zeichen erkannte}. Gardiner nimmt das Graffito
für fragmentarisch, was nicht ohne Weiteres zuzugeben ist.
Zusatz: Die Mitteilung R. Eisler's an Enno Littmann (Internat. Monatsschrift für Wissenschaft,
Kunst und Technik XV, 3, S. 262}, wonach ein Museum in Toronto ein noch unveröffentlichtes altsinai-
tisches Schriftdenkmal besäße, hat sich als irrig erwiesen. Nach brieflicher Benachrichtigung von Seiten
der Verwaltung des Royal Ontario Museum of Archaeology in Toronto (Canada} befinden sich dort nur
Sinaisteine mit hieroglyphischen Schriftzeichen. Über ein dort ebenfalls aufbewahrtes vom Sinai
stammendes meroitisches Denkmal siehe den Anhang zu diesem Buche.
3. Übersicht über die bisherige Erforschung der Inschriften.
a} Alpliabet.
Schon Flinders Petrie hatte in seinen „Researches" (S. 1 30} bemerkt, daß die von ihm ent-
deckten neuartigen Inschriften bei aller Ähnlichkeit mit den ägyptischen Hieroglyphen doch nach
eigenen Gesetjen geschrieben seien, für deren Aufdeckung vielleicht die fünfmalige Wiederkehr von
derselben Zeichengruppe - auf der Hockerstatue (vorn unten}, der Sphinx (Fußplatte links}, Tafel 352,
353, 354 - von Wert sein könnte. Ob es sich dabei um Buchstaben oder andere Schriftzeichen han-
dele, ließ er unentschieden. Es lag ihm nahe, die Sinaischrift für eines von vielen Schriftsystemen zu
nehmen, die in der Mittelmeerzone „lange bevor die Phönizier das später giltig gewordene Alphabet
aussuchten , in Gebrauch gewesen wären. Fremde Werkleute auf Sinai, vermutlich syrischer Her-
kunft, die der kretischen Schrift kundig gewesen seien, hätten aus dieser durch Beimischung von
ägyptischen Hieroglyphen etwa um 1500 v. Chr. die Sinaischrift entwickelt.
13
Bis 1916 erfuhr die weitere Welt von den Sinaischriftdenkmälern nur durdi zwei von Flinders
Petrie in den „Researdies" veröfFentliditen Photographien, die der Hod<erstatue und die einer
Zeile von neun besonders sdiarf eingeritjten Sdiriftzeidien von deren Vorderseite. Le^tere reizten
im Jahre 1908 C. A. Ball zu einem Entzifferungsversudi (A Phoenician Inscription of 1500 B. C. in
Proc. of the Soc. of Bibl. Ardi. XXX, S. 243 f}, wobei er die Zeidien für Budistaben nahm, die mit
den phönizisdien nahe Verwandtschaft hätten, und das Ganze als
mnjy nnny
las. Damit waren meines Eraditens zwei Buchstaben werte, V und fl, entdeckt.
Unabhängig von Ball fand der französische Theologe Charles Bruston (Revue de Theologie de
Montauban XX, 1911, 177 f.} in der gleidien Gruppe sowohl diese zwei Buchstabenwerte wie auch
das t» , las allerdings das Ganze, indem er die Inschrift auf den Kopf stellte, sehr phantastisch als
C^J» nnv Cldeogramm} '^nif
„Aufgestellt für den Vorhof das Ganzopfer der Hathor hier".
Einen Rüd^schritt machte die so begonnene Forschung mit E. J. Pilter's Studie „The scribings at
Sinai (Proc. XXXI, S. 38-413, worin er die Sinaizeichen für Kri^eleien von unkundiger Hand erklärte,
die sich in unverständiger Nachahmung von Hieroglyphen gefallen hätte.
Nach diesen Anfängen stockte die Beschäftigung mit der Sinaischrift bis zum Jahre 1916, als Alan
H. Gardiner in „The Journal of Egyptian Archaeology" QU, S. 1-16} eine Studie veröffentlichte:
„The egyptian Origin of the Semitic Alphabet". Als Herausgeber des gesamten von der englischen
Expedition auf Sinai gesammelten Inschriftenmaterials kannte er alle von den altsinaitischen Schrift-
denkmälern genommenen Photographien, bevorzugte aber auffallenderweise die Handkopien der
Inschriften. Seine These vom ägyptischen Ursprünge des semitischen Alphabets, worunter er sowohl
die süd- wie nordsemitische Schrift faßte, stufte er damit, daß 1 . die enge geographische Verbindung
von Syrien und Arabien mit Ägypten dafür spräche, 2. der konsonantische Charakter der semitischen
Schriften nur in der Schriftweise der Ägypter sein Analogen hätte, 3. das protosemitische Alphabet
sicher vor 1 100 v. Chr. entstanden sei, also zu einer Zeit, da Ägyptens und Babyloniens Kulturen für
den Vorderorient maßgebend waren; da die babylonische Keilschrift aber als Vorbild nicht in Betradit
kommen könne, bliebe nur die ägyptische Schrift dafür übrig. Sodann wies Gardiner auf das aus
Ägypten stammende Mittel der Akrophonie hin, um Konsonantzeichen aus Wortzeichen zu gewinnen.
Dasselbe sei auch für die Entwicklung der semitischen Konsonantzeichen maßgebend gewesen, indem
z. B. der Lautwert b von dem Buchstabennamen n'2 (beth) „Haus", oder m von D'C (mem}
„Wasser abgeleitet sei, was zur Annahme der Gleichaltrigkeit von altsemitischen Buchstabennamen
und Buchstaben führe. Um die Akrophonie des semitischen Alphabets voll zu erfassen, müsse man
trachten, zu möglichst authentischen altsemitischen Buchstabennamen zu gelangen, was nur unter
Berücksichtigung der südsemitischen Cäthiopischen) Buchstabennamen neben den in der Hauptsache
maßgebenden nordsemitischen geschehen könne.
Nach diesen mehr allgemeinen Begründungen wirft Gardiner das Gewicht der altsinaitischen
Inschriftenfunde in die Wagschale. Er läßt sie der Hand von Kanaanitern oder Syrern, die im Gefolge
ägyptischer Bergbau-Expeditionen zum Sinai gekommen seien, zur Zeit der XII. Dynastie (2000-17883
entstammt sein. Die Schrift selbst nimmt er für ein Gemisch von ägyptischen Hieroglyphen und fremden
Bildzeichen; ihren Ursprung sucht er nicht auf dem Sinai, sondern in der Heimat der erwähnten Leute.
14
Audi wagt er nicht, es als das semitische Uralphabet zu bezeichnen und nimmt es nur als einen Ver-
such in der Richtung zu diesem. „Der gemeinsame Ahne der phönizischen, griechischen, sabäischen
Schrift kann eines von verschiedenen, mehr oder weniger figürlichen Lokalalphabeten gewesen sein,
die alle auf Grund des akrophonischen Prinzips unter dem Einflüsse der ägyptischen Hieroglyphen
sich entwickelt hatten .
Gardiner schälte, besonders auf Grund der Handkopien der Inschriften, die Zahl der uns vor-
liegenden Zeichen auf etwa 150, in denen er 32 verschiedene Buchstabentypen vermutete. 15 von
ihnen glaubte er mit Hilfe semitischer Buchstabennamen und altsemitischer Buchstabenformen be-
stimmen zu können, und zwar als
Damit war meines Erachtens sowohl das Prinzip der Sinaischrift gefunden, als auch ein bedeutender
Bruchteil ihrer Buchstaben richtig ersdilossen, ob audi 1 ' und J' aus der Reihe des dauerhaft
Bestimmten auszuscheiden sind und die Vorstellung vom Werdegang des Sinaialphabetes verschiedener
Korrekturen bedarf.
Gardiner's Studie gab A. E. Cowley Veranlassung, noch im gleichen Hefte des „Journal" ihre
Grundlagen nachzuprüfen und ihre Verwendbarkeit für die Lesung von Wörtern der Sinaitexte zu
versuchen. Dabei kam er dazu, die Gesamtzahl der von Gardiner bestimmten Buchstaben folgender-
weise abzuändern:
N 2 3 -I i(?) •(?) n(?) \?) ■? D : y p n K* n.
Damit kam er meines Erachtens nur in der Beseitigung des zweiten 3 über Gardiner hinaus, während
sein Ansa^ von 3, l, 1, H, ' und p dessen Buchstabenreihe verschlimmbesserte.
Eine bessere Ergänzung Gardiner's bildete eine Abhandlung, die Kurt Sethe 1917 in den Ab-
handlungen der Göttinger Akademie unter dem Titel „Die neuentdeckte Sinaischrift und die Ent-
stehung der semitischen Schrift' erscheinen ließ und die zugleich eine Umarbeitung seiner 1916 der
Göttinger Akademie vorgelegten Studie „über den Ursprung des Alphabets" bedeutete. Im
Wesentlichen mit seinem Vorgänger einverstanden, glaubt er doch, sämtliche Zeichen des Sinai-
alphabetes mit ägyptischen Hieroglyphen in Verbindung se^en zu sollen. Die Zeit ihrer Entstehung
und die unserer Denkmäler, die zwischen 1850 und 1500 v.Chr. entstanden sein müßten, könnten
nicfit weit auseinander liegen. Er findet, daß G. sich zu vorsichtig ausgedrückt habe, wenn er in der
Sinaischrift nur eine gute Analogie zur ursemitischen Schrift erblicicte; tatsächlich sei sie das „missing
link für die Ableitung des sogenannten phönizischen Alphabetes von der ägyptischen Schrift.
Mit Gardiner's Methoden weiterbauend, stellte Sethe eine Liste der altsinaitischen Buchstaben
auf, in der 16 als sicher bestimmte und 5 als noch fraglich gelassene Zeichen figurieren. Jene sind:
N 2 n (einschließlich n} U •> r S O J D V E 1 ti' H;
mit Fragezeichen versehen sind:
3 1 CS K p.
Damit war Sethe meines Erachtens über Gardiner's Liste mit fünf richtiger bestimmten oder sie er-
gänzenden Buchstaben hinausgekommen, ob auch sein P, \ \ H und p die Probe der Richtigkeit nicht
bestehen können.
Noch stärker als Gardiner hat Sethe es ausgedrückt, daß er die nach den Denkmälern hergestellten
Photographien für irreführend bei der Buchstabenbestimmung ansehe und sich deshalb nur nach den
Handkopien ridite.
15
Gardiner's und Sethe's Aufstellungen bekamen einen Gegner an Hans Bauer, der ihnen 1918 ein
Essay „Zur Entzifferung der neuentdeckten Sinaisdirift" entgegenstellte. Nadi ihm wäre keinerlei Ver-
bindung sowohl zwischen der Sinaischrift und der phönizischen (oder semitisciienO, als auch zwischen
jener und der ägyptischen anzunehmen, und zwar le^teres deshalb nicht, weil sich im Sinaitischen
nicht die ägyptischen Konsonantbuchstaben wiederfänden. Auch leugnet er die Möglichkeit, von den
semitischen Buchstabennamen akrophonisch Buchstabenwerte abzuleiten. So bliebe für die Bestimmung
der Sinaibuchstaben nur der Weg der Induktion übrig, und auf diesem glaubt er aus der Fußplatten-
inschrift der Sphinx ein ^ und P, aus den drei Zeichen von Nr. 347 ein C und p gewinnen zu können.
Meines Erachtens liegt kein Grund vor, mit Bauer die Skepsis gegen Gardiner und Sethe bis zur
Ablehnung aller ihrer Beweismomente zu fähren; und auf rein induktivem Wege ist bisher noch
keine Schrift entziffert worden, es sei denn, daß man zu vermutende Eigennamen mit in Rechnung
stellen konnte.
Nach Bauer trat Dr. Robert Eisler mit seinem Buche „Die kenitischen Weihinschriften der Hyksos-
zeit im Bergbaugebiet der Sinaihalbinsel" (Freiburg 1919} hervor. Hier werden Gardiner's und
besonders Sethe's Ergebnisse der Buchstabenentzifferung für sicher genug gehalten, um mit ihnen
dem Inhalt der Inschriften selbst nahe zu kommen. Während der Entzifferungsarbeit selbst glaubte
Eisler die noch bestehenden Unvollkommenheiten des Alphabetes ausmerzen zu können und stellte
dann kurz vor Sdiluß des Buches 22 Zeichen zu einem Alphabet zusammen, in welchem sich von
Sethe's Liste wiederfinden:
N 2 3 (ohne Fragezeichen^ "1 Cohne Fragezeichen} H i T ' C2 ■> D ■? C j D V S y (ohne Fragezeichen} "^ t^' r.
Zutaten Eisler's sind n, das nun nicht mehr mit n als eine Buchstabeneinheit auftritt, '!'- (mit dem
Lautwert d} und p.
Meines Erachtens bestand der Fortschritt bei E. über Sethe darin, daß er dessen fraglich gelassenes
i und ~ sicher stellte, neben ri einen eigenen Buchstaben " anse^te, obwohl dieser selbst unrichtig
bestimmt ist, endlich das p entdeckte. So muß ich es ablehnen, in E.'s Alphabet den einzig
richtigen Schlüssel zur Enträtselung der Inschriftentexte zu sehen.
Von E.'s Ansichten über die Genesis der Sinaischrift sei noch erwähnt, daß er bei vier Zeichen
(:; 2 ä und p} Einwirkungen der Hieroglyphenschrift leugnet, auch im Sinaialphabete nicht das
ursemitische Alphabet, sondern einen alten Seitentrieb erblidct, der ursprünglich nichts mit der
ägyptischen Schrift zu tun gehabt hätte, aber auf Sinai unter den Händen von Leuten, denen das
Agyptischschreiben geläufig war, allmählich ägyptischen Duktus bekommen hätte.
Eisler's Buch bewog verschiedene deutsche Gelehrte, zu den bisherigen sinaitischen Forschungen
Stellung zu nehmen. So stimmte E. Littmann') den Ergebnissen Gardiner's und Sethe's im großen
Ganzen zu; Eisler's Zutaten zu ihrer Buchstabenliste ließ er unerwähnt, fand dagegen in seinen
Textlesungen ebensoviel Bedenkliches wie Verlockendes. M. Lidzbarski^) äußerte seine Befriedigung,
daß seine Meinung, das phönizische Alphabet sei in freier Nachbildung der Hieroglyphenschrift ent-
standen, nunmehr bestätigt werde; zu Eisler's Deutungen der Inschriften stellte er sich jedoch ab-
lehnend. Für H. Schneider^} wurde Eisler's Buch zum Anlaß, sich als Gegner der bisherigen Forschung
zu erklären, zumal sie nicht dazu geführt hätte, in den Sinn der Inschriften einzudringen. Er möchte
diese nicht vor 1000 v. Chr. entstanden sein lassen und hält philistäische Eroberer für ihre Urheber.
Erst wenn wir uns in kretischer Schrift und Sprache näher auskennten, würde ein Versuch ihrer
Entzifferung Erfolg versprechen können.
1 3 ,4>ie altsinait. Inschriften" in „Internat. Monatsschrift" XV, 248-262. - sjTheol. Lit. Zeitg. 1921, S.49. - 3) Or. Lit. Zeitg. 1921, S. 241-45.
16
Im Jahre 1921 ergriff dann noch einmal Ch. Bruston das WortO, um unter Benu^ung von Gar-
diner's und Eisler's Arbeiten seinerseits das Sinaialphabet festzulegen. Außer C scheinen ihm alle
22 Buchstaben des nordsemitisdien Alphabets sicher nachgewiesen. Ich möchte darin eine arge Selbst-
täuschung sehen, indem seine Liste für T l " JT ' ? !i p ~! falsche Zeidien führt, dazu auch keineswegs
vollständig ist. Der Bildcharakter verschiedener Sinaizeichen verleitet ihn, solche überhaupt nicht für
Buchstaben, sondern für Zeichnungen, die die Texte illustrieren sollen, zu nehmen. Mit Eisler gibt er
dem Sinaialphabete einen Vorgänger oder Nebenzweig unter Benu^ung von zwei von Flinders Petrie
in Kahun ausgegrabenen Kleindenkmälern CHolzklötjchen und Inschriftfragment) und einer Statue des
Ägyptischen Museums in Kairo (35562). Über dieses angebliche Nebenalphabet werden wir uns
später noch zu äußern haben.
Ein „Die Datierung der Petrie'schen Sinaiinschriften" ^3 behandelnder Aufsaß von W. von Bissing
nimmt Gelegenheit, über die Entstehung der Sinaischrift sich dahin auszusprechen, daß sie eine Ver-
wandte der phönizischen Schrift sei, erfunden von einem vermutlidi semitischen Manne, der eine
oberflächliche Kenntnis der ägyptischen Hieroglyphenschrift und ihrer Fähigkeit, Einzellaute aus-
zudrücken, besessen hätte.
b) Text-Lesungen.
Die Feuerprobe für die Richtigkeit einer Schriftentzifferung bildet immer ihre Brauchbarkeit für
die Lesung von Texten. So gingen bei Ball und Brustpn Buchstabenbestimmung und Textlesung Hand
in Hand ; eine genauere Kontrolle beider lag jedoch außer dem Bereich der Möglichkeit. Gardiner,
der einzig das Alphabet im Auge hatte, lieferte nur eine Lesung, für deren Richtigkeit aber vieles
spricht. Unter Benutzung des Hinweises von Flinders Petrie auf eine an fünf Stellen gleich wieder-
kehrende Gruppe von fünf Zeichen bestimmte er vier dieser Zeichen als ri/VT, zu lesen „Ba'^alat",
worin er den semitischen Namen der Hathor vom Sinai sah. Cowley und Sethe erklärten sich mit
dieser Lesung voll einverstanden, ohne zu erkennen, daß auf Nr. 352 mj!:; geschrieben steht.
Cowley bemühte sich noch um weitere Entzifferungen und konnte Wahrscheinlichkeitserfolge buchen
mit ^ = Dativpartikel (Nr. 345, 346), CV'j = „Freude" (Nr. 346), ^J! = „für" (Nr. 346}, 21 = „Meister"
(Nr. 346, 349); PiP (Nr. 347}, das er richtig las, nahm er für die Göttin Tanit der phönizisch-punischen
Inschriften. Sethe ging allen Neulesungen geflissentlich aus dem Wege, gab aber in Anmerkung eine
Vermutung Littmann's und Lidzbarski's wieder, wonach Nr. 349 mit jN = „ich" beginne, sowie
Bertholet's Bestimmung von i Czu Beginn von Nr. 351} als HT = „dieser".
Für Eisler war die Lesung und Deutung der Texte Hauptsadie. Zufrieden, wenn er einen sachlich
einleuchtenden Sinn aus einem Wortkomplex erzielte, brachte er unter der schweigenden Voraus-
setzung, daß der Sinaidialekt dem Hebräischen nahe verwandt sei, folgende Übersetzungen heraus :
Nr. 345 P'^ySHNC „Von dem von der Ba<=alat Geliebten".
rhv2^ -iV „Ein Denkmal für Ba'^alat".
Nr. 349 ... UiP JN „lA, Tzs . . .
. . . CJ2N p~l Vorsteher der Steine . . .
.... O^ND Mäßchen ....
.... "PN . . . . aussuchen . ."
Nr. 348 vbV2 PJPJ „Gegeben hat die Herrin".
'■) „Les plus vieilles inscriptions Cananfennes" in „Rev. Ardi." 1921 XIV, S. 49-80. - 23 Sitzungsber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., 7. Febr. 1920.
17
Nr. 346 nyiD ich ^ „Dies zur Schutzwehr der Weide
(Vermehrung der Herde?)".
nCN pj?J h]l Nach dem Beheben eines Orakels.
nbv^'^ Für die Ba^alat.
CJ21 12T cyj 7V Nach dem Beheben des Aufsehers der Aufseher".
„Sina, die Herrin".
„Tanit C= Hathor3".
„Dies auf Befehl der Sina, der Herrin
der Schätze
Zgbtl C= TiteO der Kainiter".
„Ich . . .
heimste ein zur Läuterung CSiebung)
Nr. 354
n':'y2 n[rtt'J
Nr. 347
nan
Nr. 353
rhv2
nJB' CE2 DT
cno3
p b2 hr\2 3T
Nr. 352
. . . ::di> m
rhv2
Nr. 350
:2iJ
^n3 .
. . nv; rbii
Ba'^alat".
„Diese hat X. X., der Ausgesonderte (Ausscheider ?3
[aufgestellt,
S "' ntl'J [nicht] vergessend [seines Gelübdes??]".
Nr. 351 [ij^ip^ 2U3 E'Cü'J^ PT „Dies hat BenSemeS aufgestellt weih[^räuchernd]
nt2[n] [als Sü-]hnopfer".
Es ist Eisler nicht gelungen, mit diesen Überse^ungen bei der Kritik durchzudringen. Littmann,
der sie nocJi am wohlwollendsten bespricht, tadelt an ihnen, daß sie zum größeren Teil auf Annahmen
beruhen, die grammatisch und sprachgeschichtlich sehr unwahrscheinlich oder gar unmöglich seien
und dem Stile und der Wortwahl der uns bekannten Inschriften fast durchweg widersprächen. Das
hätte die Kritik jedoch nicht abhalten sollen, die wichtigsten von Eisler's Lesungen Buchstabe für Buch-
stabe durchzuprüfen, um zu bestimmen, ob er, wenn auch nicht auf den Grund des Inschrifteninhalts,
so doch zur Kenntnis einzelner Wörter gelangt sei. Dazu ist es bei der meist summarischen Ab-
lehnung jedoch nicht gekommen.
Alles, was gegen Eisler vorgebracht worden ist, verdiente in erhöhtem Maße den überse^ungen
entgegengehalten zu werden, mit denen Ch. Bruston in seiner oben erwähnten Abhandlung von 1921
hervortrat. In der Annahme, die meisten Texte seien von figürlichen Darstellungen begleitet, hat er
seine überse^ungen meist auf diese Bilder Bezug nehmen lassen. Auch glaubt er sich berechtigt,
die meisten Inschriften von unten nadi oben zu lesen, was weder im Ägyptischen noch Semitischen
ein Analogon hat. Alle Seltsamkeiten, die dabei herausgekommen sind, hier wiederzugeben, lohnt
sich nicht der Mühe; als Proben seien seine Übersetzungen von Nr. 351 und 352 wiedergegeben:
Nr. 351 ■ n^j B'Ctr j5J2 Quand le soleil pique, retablis
Jpn les productions de celui-ci.
Dem ersten Worte soll vorhergehen "la figure, d'un homme assis, tete nue penche en avant
dans l'attitude de la priere"!
Nr. 352 • 3m I ^ , . . ^
^ „,j2_, j Etends ce genevrier et
' P J qu'il se repande en f orets (touff u 7")
Vor den beiden ersten Kurzzeilen soll das Bild eines Baumes stehen.
18
11. VORLÄUFIGES ZUR FRAGE NACH DEM WESEN
DER ALTSINAITISCHEN SCHRIFT.
L Ägyptischer Ursprung der Sinaischrift?
*iner Schrift gegenüber, deren Denkmäler ausschließlich der sinaitischen Minenzone ent-
stammen, muß sidi die Vermutung aufdrängen, daß sie unter dem Einflüsse des
ägyptischen Schriftsystems entstanden sei. Die durch lange Jahrhunderte stets neu
wiederholten Arbeitsexpeditionen, noch mehr der Tempel von, Hathor und Sapdu
mit seinem vermutlich ständig am Platze amtierenden Personal drückten der Gegend
den Stempel ägyptischen Wesens auf und ließen vom Osten kommende Einflüsse, als deren Träger
man am ehesten Amalek C= Meluha) ansehen möchte, nicht wirksam wurden. Mochte im nördlichen
Teile der Halbinsel, der Verkehrsbrücie zwischen Asien und Afrika, um die Mitte des zweiten
Jahrtausends v. Chr. die babylonische Weltverkehrssprache sich mit der ägyptisdien kreuzen - mochten
Pelusium und andere Küstenstädte die SdiifFc der Kreter und Cyprier zum Landen in freundlidier
oder feindlicher Absicht bewegen: die Natur hatte dafür gesorgt, daß Serabit- el-Hadem nichts von
diesen Fremden zu sehen bekam, sie, die in das von Norden her fast unbetretbare sinaitische
Gebirgsmassiv diesen Pla^ als unzugänglichste Festung gesetjt hatte. Was hierhin gelangte, konnte
nur aus Ägypten kommen. Davon zeugen nocfi jetzt Hunderte von ägyptischen Inschriften. Auch eines
der altsinaitisdien Denkmäler, die Sphinx, trägt an mehreren Stellen hieroglyphische Aufschriften.
Wenn nun neben ihnen zwei Zeilen sinaitischer Schrift angebracht sind in einer Ausführung, die
sich in nidits von der der Hieroglyphen unterscheidet, so daß beide Schriftarten gleichzeitig
müssen verwendet worden sein und auf Sinai jedenfalls Menschen gelebt haben, denen beide ge-
läufig waren, dann war die Sinaischrift weder ein frei für sich erwachsenes Gebilde noch ein Ab-
leger entfernter Kulturen, sondern ein Gastgeschenk, das Ägypten gegeben hatte - vielleicht hatte
geben müssen. An diese ihre Herkunft erinnert jedes ihrer Zeichen; wer sie als Gemisch von
ägyptischen und außerägyptischen Zeichen nimmt, verkennt ihr Wesen ebenso sehr wie der, der sie
nur ägyptisch umstilisiert sein läßt.
Aber ägyptische Schrift ist kein Einheitsbegriff; er deckt zwei alte Schriftentwicklungen: die
hieroglyphische und die hieratische. Welche von beiden stand an der Wiege der Sinaischrift? Ohne
bündige Antwort auf diese Frage wird der Zweifel an ihrer ägyptischen Herkunft kaum verstummen.
2. Hieroglyphische oder hieratische Herkunft?
Gardiner, Sethe und Bissing sind dafür eingetreten, daß die Sinaischrift hieroglyphischen Ur-
sprungs sei. „Der Ableitung vom Hieratischen" - sagt Sethe - „widersetzt sich, von den paläo-
graphischen Hindernissen abgesehen, die Tatsache, daß in dieser hieratischen Schrift die ursprüngliche
Gestalt der Bilder verloren war, während die phönizischen Buchstaben noch mehr oder weniger
deutlich durch ihre Formen und ihre Namen ihre Entstehung aus bildlicher Darstellung ahnen
lassen . Was aber vom Phönizischen gilt, müßte nun auch von dem Sinaitischen als dem semitischen
Mutteralphabet behauptet werden.
19
1'
Weldie „paläographisdien Hindernisse" Sethe vor sich sieht, hat er nicht deutlich gemacht;
ich schließe daraus, daß er ihnen im Ganzen keine große Beweiskraft beilegt. Seine Ansicht von dem
Bild-Charakter der phönizischen Buchstaben kann nicht unwidersprochen bleiben. Wohl aus keinem
derselben schaut etwas heraus, was als „Bild" angesprochen werden kann. Wäre es anders, wie erklärte
es sich dann, daß erst im Jahre 1916 Gardiner die Hypothese von den semitischen Buchstabennamen
als Zeugen des ursprünglichen Bild-Charakters der Buchstabenzeichen aufgebracht hat, und daß
selbst an der Hand von ihr es ihm nicht gelungen ist, in den meisten dieser Zeichen das, was ihr
Name besagt, wiederzufinden, oder wo der Name nicht klar ist, ihm durch den zugehörigen Buch-
staben Inhalt zu geben 1
Im Gegensatz zu der phönizischen oder südarabischen Schrift weist die Sinaischrift noch eine
Anzahl bildlich geformter Zeichen auf: so zu Anfang von Nr. 349, 350, 352 einen Kuhkopf, in
Nr. 352 Güntere Hälfte} einen Fisch, öfters ein Auge mit Pupille, eine Schlange u. a. Und gerade
diese Bilder hatte auch das Hieratische sich vom Hieroglyphischen her in der Zeit um 1500 v. Chr.
bewahrt. Wenn von seinen meisten Zeichen auch das Figürliche abgestreift ist, so hat dabei doch
zu gelten, daß ihre Schreiber bei jedem von ihnen sich eines Bildes erinnern konnten, das im
Hicroglyphischen seiner Zeit noch klar zum Ausdruck kam, während kein babylonischer Schreiber
der gleichen Zeit die Keilschriftzeichen noch figürlich begrifft, weil ihre bildliche Formung einer
längst vergangenen und vergessenen Schreibperiode angehörte.
So kann nicht Wunder nehmen, daß der Schöpfer der Sinaischrift für jedes Zeichen derselben,
ob er es nun figürlich formte oder nicht, einen es als Bild bezeichnenden Namen einsehen konnte,
falls wir ihm eine genügende Kenntnis des Hieratischen zuschreiben.
Weiter führt Sethe gegen eine Ableitung der Sinaischrift vom Hieratischen an, daß jene sowohl
links- wie rechtsläufig, sowohl in horizontalen wie in vertikalen Zeilen geschrieben wäre, was wohl
zu dem Hieroglyphischen, nicht aber zum Hieratischen passe. Nun zeigt aber die Zeilenrichtung
des Hieratischen bis gegen 1500 v. Chr. noch denselben Wechsel wie die des Hieroglyphischen,
könnte ihn also auch bis zu dieser Zeit auf das Sinaitische vererbt haben.
Bei horizontaler Zeilenriditung kennt das Sinaitisdie sowohl links- wie rechtsläufige Schreibung:
das verstößt gegen den hieratischen Schreibgebrauch, findet sich dagegen im Hieroglyphischen
wieder. Aber das genügt nicht, um die Anfänge des Sinaitisciien in der Richtung vom Hiero-
glyphischen zu suchen; denn dann wäre z. B. zu erwarten, daß dem hieroglyphischen Brauche ent-
sprechend die Sinaizeichen immer zum Anfang der Zeile hinsehend gesetjt würden. Aber eher das
Gegenteil ist der Fall, indem z. B. der Menschenkopf immer nach dem Zeilenende schaut, vom
Kuhkopfe (vielleicht mit einer Ausnahme} dasselbe gilt, und die Schlange regellos bald nach links,
bald nach rechts gerichtet auftritt. Damit stehen wir vor einem Problem, für dessen Entscheidung
es nicht genügt, einen Ausgangspunkt für die Schrift zu suchen, sondern das auch mit gewissen Ab-
sichten des Schrifterfinders zusammenhängen wird. Von solchen soll später noch gehandelt werden.
Wer wie Sethe die Sinaischrift von den Hieroglyphen ableitet, müßte annehmen, daß unsere
Sinaidenkmäler weitab von dem Punkte lägen, wo die Ablösung stattgefunden hat, weil bei ihnen
nur noch verhältnismäßig wenig an die Bildhaftigkeit der Hieroglyphen erinnert. Und doch bezeichnet
Sethe selbst die Schrift dieser Denkmäler als relativ jung, weil versdiiedene ihrer Zeichen noch
in Variationen vorkommen. Indem ich mehrere solcher Variationen für Buchstabendubletten nehme
und auch in ihnen wie in der wechselnden Zeichenrichtung gewisse Absichten des Schrifterfinders
wittere, möchte ich Sethe's Ausdrude relativ jung in absolut jung umändern und darurtter ver-
stehen, daß die Sinaidenkmäler zeitlich mit der Entstehung der Sinaischrift ungefähr zusammenfallen.
20
Um diese Zeit zu bestimmen, müssen wir untersuchen, welcher hieratische Duktus dem der
ganzen Reihe der Sinaibuchstaben am nächsten Hegt, eine Aufgabe, die besonders an der Hand
von G. Möller's Hieratischer Paläographie sich unschwer lösen läßt. So stelle ich die Behauptung
auf, daß einzig die aus der Periode nach der Vertreibung der Hyksos C+- 1500 v. Chr.) stammenden
Papyri, wie Pap. Ebers, Golenischeff , Westcar und der von Gardiner im Journal of Egyptian
Archaeology III veröifentlichte Papyrus Carnarvon I für die Vergleichung der Sinaischriftzeichen
in Betracht kommen. Aus ihnen nehme ich daher die hieratischen Zeichen meiner Schriftvergleichungs-
tabelle; wo idi aber ausnahmsweise auf einen anderen Papyrus zurückgegriffen habe, da ist solches
besonders angemerkt.
Schließlich sei in die Wagschale der Beweise für den Zusammenhang der Sinaischrift mit dem
Hieratischen noch der von Sethe selbst betonte Umstand gelegt, daß die Sinaizeichen nidit in
Hieroglyphenmanier als Vollkörper ausgemeißelt, sondern mit linearen Umrissen, wie sie das
Hieratische zeigt, in den Stein eingeritzt *") sind.
3. Die SinaiscKrift eine KonsonantenscKrift?
Gardiner, Sethe u. A. schätzen die Zahl der Zeichen auf unseren Denkmälern auf etwa 150, worin
ungefähr 32 Buchstabentypen zutage träten, deren einige aber wohl nur Varianten seien. Bei
genauem Studium der Photographien erhöht sich diese Zeichenzahl auf weit über 200, während die
der Buchstabentypen auf 26 oder 27 sinkt. Beachtet man nun, daß sich im Ägyptischen neben
Wort- und Silbenzeichen 24 Zeichen für Einzelkonsonanten finden, daß ferner die nordsemitischen
Alphabete 22, die südsemitiscfien zwischen 25 und 29 Buchstaben von konsonantischem Grundcharakter
enthalten, so drängt sich uns die Annahme von der Konsonantennatur der Sinaischrift auf - mit ihr
aber auch die der Herübernahme dieses Schreibprinzips aus dem Ägyptischen. Ist doch die Wieder-
gabe eines Wortes einzig durch seine Konsonanten etwas so Auffälliges, daß es zuversichtlich nicht
mehrmals und in mehreren Kulturzentren gefunden sein kann? Das entkräftet wesentlich die von
Flinders Petrie und Anderen vertretene Meinung, als ob in der Mittelmeerzone eine Anzahl von
Alphabeten in Gebrauch gewesen wären, von denen sowohl das Sinaialphabet wie auch das
ursemitische sich direkt oder indirekt abgezweigt hätten. Das wäre nur dann möglich gewesen, wenn
alle diese Alphabete sich von Haus aus an die ägyptische Schrift angelehnt hätten, was aber z.B.
für die kretischen Schriften im Ernste niemand behaupten wird.
Führt uns also die Zahl der 26 oder 27 Sinaischriftzeichen zur Annahme ihrer Konsonantennatur,
so könnte ihr ägyptischer Ursprung doch auch zur Folge haben, daß mit ihnen gelegentlich Vokallautc
ausgedrückt wären. In der Zeit, in die wir - zunächst aus Wahrscheinlichkeitsgründen - die Entstehung
der Sinaischrift setzen, versuchten die Ägypter fremdspradiige Wörter, besonders Namen, auch
nach ihrem Vokalklang schriftlich festzuhalten, und zwar mit Hilfe von Konsonantzeichen. Die Laut-
sphäre von a bekam ? C ^^ D, die von i ein j C W D, die von u ein w C ^ ) als andeutenden
Buchstaben. Ob dieser Sdireibgebrauch so genau geregelt war, wie W. Max Müller es annimmt,
will ich dahingestellt sein lassen; von der häufigen Verwendung dieser Vokalbuchstabenkann aber
schon ein flüchtiger Blick in die Palästinaliste des Thutmosis III überzeugen. Die Sinaischrift ist
nun für eine fremde Sprache geschaffen; ihr Schöpfer muß in der Praxis des Ägyptischschreibens
bewandert gewesen sein: so könnte es garnicht auffallen, wenn auch er einigen seiner Buchstaben
0 Daß soldies audi für Nr. 349 und 351 gilt, ist schon früher bemerkt.
21
neben ihren konsonantischen Werten vokalische zugeteilt hätte, und somit unsere Denkmäler nicht
in der fast gänzlidien Vokallosigkeit der phönizischen Inschriften, sondern etwa in der Schreibweise
des Biblisch-Hebräischen aufträten.
4. Von den Buchstabenbezeichnungen zur Buchstabenbestimmung.
Wie schon mehrfach erwähnt wurde, hat Gardiner versucht, die altsemitischen Buchstabennamen
für die Bestimmung der Sinaibuchstaben nutzbar zu machen, indem nach ihm der Schöpfer derselben
sie mit den ihren Bildwerten entsprechenden Namen benannt hätte. Gegen diese Idee ist an sich
nichts einzuwenden, am wenigsten der Umstand, daß unsere ältesten historischen Zeugnisse für
semitische Buchstabennamen nicht viel über 700 v. Chr. hinausgehen dürften. Aber mit ihr fruchtbar
zu arbeiten, wird durch zwei Umstände erschwert.
Wir haben das semitische Alphabet in zwei nicht unwesentlich von einander abweichenden
Fassungen, einer nordsemitischen und einer aus dem Äthiopischen noch nachweisbaren süd-
semitischen. Neben einem Grundstock von Namen, die in beiden bis auf gelegentliche Laut-
schwankungen gleich vorkommen, stehen fünf miteinander nicht auszugleichende : nordsem. Jod : südsem.
Jaman, ns. Lamed: ss. Lawe, ns. Nun: ss. Nahas, ns. Samekh: ss. Sat, ns. Sin: ss. Saut. Man hat sich
gewöhnt, die nordsemitischen Namen als die echteren anzusehen, ohne sich darüber Rechenschaft
abzulegen, woher die südsemitischen Dubletten gekommen sind. Aus dem Äthiopischen oder einer
der uns einigermaßen bekannten südarabischen Sprachen können sie ihrem Sprachcharakter nach nicht
stammen, man wird sie darum für Lehngut halten müssen. Damit erhalten sie die Berechtigung, für
alt und den nordsemitischen Bezeichnungen an Wert nicht nachstehend angesehen zu werden. Bei
welchen Namen aber die Priorität liegt, bleibt zunächst eine offene Frage, für deren Beantwortung
vieles von der Sinaischrift abhängen wird. Wenn diese z. B. ein Zeichen in Schlangenform hat, so ist
zu schließen, daß das ursemitische Alphabet auch einen Buchstaben mit Namen „Schlange" gehabt
habe; diesen bietet uns nun das südsemitische Nahas = n, dem damit die Priorität gegenüber Nun
„Fisch" gebührt. Das neben der Schlange im Sinaitischen vorkommende Fischzeichen kann nicht für
die Echtheit des Nun angerufen werden, weil auf dieses wohl nordsemitisches Samekh = ,, Fisch ' zu
beziehen ist und für zwei Buchstaben des Namens „Fisch" das ursemitische Alphabet kaum Platz
gehabt hätte. Das von nordsemitischem Samekh nun scheinbar abgetane südsemitische Sat könnte,
als aus '^asät C^aSät} verderbt, ebenfalls „Fisch" bedeuten und wäre dann als Dublette von Samekh
zu betrachten.
Man sieht an diesem Beispiel, daß mit Verstümmelung von Buchstabennamen zu rechnen ist; ein
noch größeres Hindernis für den Forscher liegt aber in der Schwierigkeit, hinter die genaue Wort-
bedeutung aller Namen zu kommen.
Schon für das scheinbar ganz klare Aleph kommen zwei verschiedene Bedeutungen in Frage:
„Kuh" und „Rind"; ebenso für Beth: „Haus" und „Tempel", für Daleth: „Tür" und ,, Türflügel". Jod
deutet man allgemein als „Hand" und Sin als „Zahn", obwohl keine uns bekannte semitische Sprache
Wörter dieser Formen für „Hand" und „Zahn" besitzt. Alles, was an Deutungen für Gimel, He,
Zajin, Heth, Teth, Lamed, Sadae und Koph bisher vorgebracht ist, gehört in das Gebiet des
reinen Begriffratens.
Unter diesen Umständen ist Gardiner's Forderung, mit den semitischen Buchstabennamen den
Figurenwert der Sinaizeichen zu bestimmen, bei fast der Hälfte der Zeichen des Alphabetes undurch-
führbar, wenn nicht eine neue Methode gefunden wird, um Klarheit in die Begriffspbäre der
Buchstabennamen zu bringen. Vielleicht leitet uns die folgende Betrachtung dazu.
22
5. Von der Reihenfolge der semitischen Buchstabennamen
zu ihrer Deutung.
Die nordsemitischen Buchstabennamen stehen in einer festen Reihe, für eieren hohes Alter ihr
Vorkommen in Akrostichen der Bibel (vor allem in dem der sicher vore^silischen Psalmen 9 und 10}
sowie ihre Übernahme durch die Griechen vor den Perserkriegen bürgt. Diese Reihenfolge als die
altsemitische zu bezeichnen, hat vieles für sich. Gegen sie spricht nur die ganz anders geordnete
Reihenfolge der äthiopischen Buchstaben. Sollen wir auch sie als dem Südarabischen entnommen und
deshalb für alt ansehen? Ich halte solches für unwahrscheinlich, schon im Hinblick darauf, daß der
speziell äthiopische Buchstabe Pait im Innern des Alphabetes steht, statt, wie es bei einer
entlehnten festen Buchstabenfolge zu erwarten wäre, an deren Ende.
Hat der Schöpfer des Sinaialphabetes selbst seine Buchstaben benannt, so wird er sie auch zu
einer bestimmten Reihe angeordnet haben; beides gehört zusammen, um ein Alphabet lehrbar zu
machen; und wer Inschriften schreib.t, die gelesen werden sollen, rechnet mit Leuten, die zuerst
das Alphabet lernen. Gaben wir nun der nordsemitischen Folge der Buchstaben die Bezeichnung
altsemitisch, so dürfen wir sie auch ursemitisch und damit sinaitisch nennen, weil keine andere in
Frage kommt und auf die Existenz einer solchen nicht verzichtet werden kann.
Nun behaupte ich: In dieser Reihe der Buchstabennamen liegt eine bestimmte Disposition.
Warum stehen auch sonst Ajin»,,Auge , P®-„Mund , Re5-„Kopf so eng beieinander? Warum
folgen auf Mem -„Wasser" ein Nahas-„CWasserO Schlange" und Samekh -„Fisch"? Kann es Zufall sein,
daß der zweite Buchstabenname, der hinter Beth-„Haus, Tempel" steht, Daleth-„TürC'FIügel)" ist?
Nehmen wir aber überhaupt Gruppen von Namen im Alphabet an, so werden wir auch folgern
müssen, das Ganze sei durchdisponiert - einerlei, ob in festerer oder loserer Weise.
Die Gruppenbildung fordert das Beisammensein nahe verwandter Begriffe und schließt jede
unpassende Beimischung aus. Deshalb muß vorausgesetzt werden, daß die beiden zwischen
Pa£'„Mund und Res -„Kopf ' stehenden, bisher unverständlichen Buchstabennamen Sadas und Koph
Teile des menschlichen Körpers bezeichnen; daß ferner das zwischen Beth -„Haus, Tempel" und
Daleth-„TürC-FlügeO" eingeschobene. Gimel einen zu diesen beiden Tempelausdrücken passenden
Begriff enthalte. Man wird die Konsequenz sogar so weit ziehen müssen, daß man den ersten Buch-
staben Aleph, der für sich keine Gruppe bilden kann, mit Bcth, Gimel, Daleth begrifflidi zusammen-
gehören läßt, so widersinnig solches auch auf den ersten Blick erscheinen mag.
Schwieriger, als das Innere von Gruppen zu bestimmen, ist deren Abgrenzung unter einander.
Hierbei möchte ich nach keinem anderen Grundsatz verfahren, als dem, daß nicht gänzlich Disparates
aneinanderstoßen dürfe. Sonst könnte das Ganze des Alphabetes nicht mehr als disponiert gelten.
6. Von den altsemitischen Buchstabenformen zu den sinaitischen.
Für die Bestimmung der Lautwerte der Sinaizeichen müssen auch die altsemitischen Buchstaben-
formen herangezogen werden bei unserer Voraussetzung, daß sie Abkömmlinge der Sinaischrifi
seien. Stellten wir für das Vergleichen der Sinaibuchstaben mit dem Hieratischen die Forderung
größtmöglicher Ähnlichkeit auf, weil beide Schriftsysteme zeitlich nahe beieinander liegen, so muß
jetzt mit anderem Maße gemessen werden. Zwischen den ältesten semitischen Schriftdenkmälern, als
welche wir die altminäischen Inschriften und die phönizische Aufschrift der Kition-Schaale nehmen.
23
und den Denkmälern vom Sinai liegt eine Spanne von ungefähr einem halben Jahrtausend. Es wäre
auffallend, wenn sich der Einfluß dieser Zwischenzeit nidit in Veränderungen an den semitischen
Buchstaben bemerkbar gemacht hätte. Sodann kommen neben diesem automatisch wirkenden Zeit»
einfluß für mehrere semitische Alphabete noch bewußt vorgenommene Änderungen in Betracht.
Am deutlichsten zeigt das die südarabische Schrift. Sie ist ersichtlich durch die Hände von Leuten
gegangen, die sie bereichern und verschönern wollten: bereichern durch die Zutat von sieben Buch-
staben zur Verdeutlichung gewisser Lautfeinheiten, verschönern durch Stilisierung. Man hat die
südarabische Schrift monumental genannt, und M. Lidzbarski glaubt, in ihr etwas von dem Wesen
südarabischer Tempelkolonnaden wieder erkennen zu sollen. Aber ihr eigentlicher Stil ist die
Symmetrie, mit der man ein gleich bequemes Lesen der Buchstaben bei rechts- wie linksläufigem
Schreiben bezwedcte, welche zwei Richtungen der Schrift in älterer Zeit nebeneinander hergegangen
sein müssen, da noch zu Anfang der sabäischen Schriftperiode 0 Bustrophedon- Inschriften die Regel
sind. Dieser symmetrischen Stilisierung, die zugleich die senkrechte Linie bevorzugte, mußte vieles
vom alten freien Duktus zum Opfer fallen; vor allem konnten sich naturalistisch-figürliche Formen
wenig vor ihr behaupten.
Einen anderen Weg zur Veränderung des Alphabetes gingen die Nordsemiten. Als sie davon
Abstand nahmen, in vertikalen Zeilen zu schreiben, und beim horizontalen Schreiben nur noch die
linksläufige Richtung beobachteten, empfanden sie es als passend für den Duktus, flachliegende
Zeichen entweder aufzurichten, wie bei Koph, Nun, und Samekh, oder hoch zu schreiben und den
leeren Raum durch Anbringung einer Stützlinie auszufüllen, wie bei Waw und Mem.
Vor ein besonders schwieriges Problem stellt uns die thamudische Schrift der Graffiti von Nord-
westarabien und der syrischen Safa. Mit der südarabischen Schrift verbindet sie der Gebrauch von
(fünf} Zusatzbuchstaben und manches von ihrem Duktus ; sie entfernt sich aber von ihr ^!) wie von der
nordsemitischen Schrift durch die fast ebenso häufige vertikale wie horizontale Folge ihrer Buch-
staben, die meist links-, nicht selten aber auch rechtsläufig aneinander gereiht werden. In dieser
Hinsicht ist sie wohl altertümlicher als alle anderen semitischen Schriftarten; denn damit tritt sie
unmittelbar an die Seite der Sinaischrift.
Nach den erwähnten Gesichtspunkten lassen sich viele Veränderungen der Buchstaben innerhalb
der semitischen Alphabete verstehen; doch bleibt daneben rioch allerlei, was sie formell von den
Sinaischriftzeichen trennt. Möglicherweise sind letztere, die wir wahrscheinlich im ersten Stadium
ihrer Entwicklung vor uns haben, noch umgemodelt worden, bevor sie vom Sinai her ihren Siegeszug
durch die semitischen Länder und weiter durch die ganze Welt antraten.
13 Die Insdiriften der sogenannten Mukarrib- Periode. Von minäisdien Bustrophedon-Insdiriften ist mir nur eine bekannt: Jaussen»
Savignac, Mission Ardi6olog., tom. II, Nr. 53.
23 Nur ein Fall von Vertikalsdireibung des Südarabisdien ist mir bisher aufgestoßen : das kurze minäisdie Graffito bei Jaussen-
Savignac, Mission Arch6oIog. II, Nr. 152.
24
111. DAS ALTSINAITISCHE ALPHABET.
1. Vorbemerkung.
' as altsinaitisdie Alphabet setzt sich aus 27 Zeichen zusammen. Von diesen sind fünf
Dubletten, die mit je einem anderen Zeichen zusammen gleiche Lautwerte haben.
Jedes Zeichen geht formell auf ein Ideogramm oder Determinativ der hieratischen
Schrift der Zeit um 1500 zurück. Den Wert als Konsonant erhielt jedes dadurch,
daß der Begriff des ihm zu gründe liegenden hieratischen Zeichens ins Semitische
übersetzt und der Anlaut des dabei entstehenden Wortes als sein Eigenwert genommen wurde.
In fünf Fällen standen je einem semitischen Worte zwei unter sich verwandte Wortbegriffe des
Ägyptischen gegenüber; das gab den Anlaß zu formalen Budistabendubletten. Alle Sinaizeichen
schwebten ihrem Schöpfer als bildliche Darstellungen vor; ihnen entsprechend geschah ihre Be-
nennung, die sich in späteren semitischen Buchstabennamen erhalten hat, und zwar besser bald im
Norden, bald im Süden der semitischen Welt. Gleichzeitig mit der Benennung der Buchstaben
erfolgte ihre Anordnung zu einer festen alphabetischen Folge, wobei verwandte Begriffe gruppen-
weise zusammengestellt und die Gruppen nach dem Grade ihrer Zusammengehörigkeit aneinander-
gereiht wurden. Die dadurch entstandene Disposition lassen die nordsemitischen Alphabete nodi
erkennen.
2. Die Buchstaben in ihrer historischen Entwicklung.*^
Aleph „Kuh, Symbol der Göttin Hathor":
a) Aleph I < hieratisches Determinativ von Kuh, auch Hathorsymbol, zeichnerisch zu einem
Kuhkopfe vereinfacht (E.) - Im Sinaitischen, entgegen dem Hieratischen, linksgewendet (aus-
genommen vielleicht Nr. 345}; in Nr. 349, Zeile 1, über den Hörnern mit einem diademartigen
Aufsatz versehen. - Im Nordsemitischen liegend, im Südsemitischen stehend, im Lihjanischen
und Thamudischen symmetrisch umgeformt.
b} Aleph II < hierat. Ideogramm für „Kuh" (ih-t) in ganzer Gestalt, doch auf einige charak-
teristische Linien reduziert (E., C, s. auch P.) - Im Sinaitischen mit Aleph I ohne ersichtlichen
Grund wechselnd, doch seltener als dieses; in der Regel nach rechts geöffnet, nur in Nr. 353 r. Z.
nach links. - Lebt in semitischen Alphabeten wohl nicht mehr nach.
Beth ,,Haus, Tempel":
a) Beth I < hierat. Ideogramm für „Haus, Tempel" Cpr}, unten teils offen (E."), teils geschlossen
CW., C.) - Im Sinaitischen unten stets geschlossen. - Im Südsemitischen unten stets geöffnet; im
Nordsemitischen bis zur Unkenntlichkeit umstilisiert.
b} Beth II < hierat. Ideogramm für „Palast" C^h}, (C., Z. 2). - Im Sinaitischen teils mit drei
Zinnen CNr. 349), teils mit zweien, wozwischen Öffnung (Nr. 346, 350D; seltener als Beth I.
Scheint auf die semitischen Alphabete nicht nachgewirkt zu haben.
Gimel „Gesamtheit (sei. der Tempelbeamten}": < hierat. Ideogramm für „Tempelbeamtenschaft"
(knb-t), fehlt in Papyri von 1500, doch vergl. Hatnub und Pentoere. - Zeigt im Sinaitischen
•) Im Folgenden bezeidinet die Abkürzung F.. Papyrus Ebers W. Pap. Wcstcar G. Pap. Golenisdieff C. Pap. Carnarvon I P. ist Pentoere.
25
einen der Schenkel nadi unten aufgesetzt, dabei Öffnung teils nadi rechts, teils nach links. - Im
Südarabischen in Form und Stellung des Hieratischen, im Thamudischen halbmondförmig, wohl
infolge von Nachwirkung der verdoppelten Schenkel (vergl. sin. Nr. 353, 355); im Nordsemitischen
etwas schräg gestellt.
Daleth „Tür, Türflügel" < hierat. Ideogramm für „TürC-flügeO" C^?}, gezeichnet in der Weise von
Pap. Pentoere. - Im Sinaitischen teils, wie im Hieratischen, mit nach unten gerichtetem Zapfen
C=Türblatt3, vergl. Nr. 345, teils umgedreht nach oben (Nr. 352, wo nicht Lamed vorliegt}} - Im
Südarabischen und Lihjanischen senkrecht gestellt, im Thamudischen in horizontal geschriebenen
Texten ganz wie im Sinaitischen; im Altaramäischen senkrecht mit dreieckigem Zapfen, im
Phönizischen und Moabitischen zum Dreieck reduziert.
He „CTempelOJubelruf" < hierat. Ideogramm für „jubeln" Ch^j}, CE., G.} - Zeigt im Sinaitischen
meist wie im Hieratischen nach rechts gezogene Beinlinie, doch auf Nr. 346, 348, 351 B nach
links gewundene. " Im Südarabischen und Thamudischen ohne Andeutung des Kopfes Cwie
sinait. Nr. 351 B?) und mit gerader Beinlinie: letzteres wohl der Symmetrie halber, die im
Lihjanischen durch Schiefstellung der Figur aufgehoben ist; im Nordsemitischen scheinen aus
Kopf und den beiden Armen drei Parallelen geworden zu sein, die in spitzem Winkel an die
ursprünglich wagerechte Beinlinie angesetzt wurden, worauf später die ganze Figur um 90 °
gedreht und mit Stützlinie versehen wurde.
Waw ,, Schmuckrosette" < vielleicht aus dem bisher als „Sieb" CMöller 574) gedeuteten hierat.
Ideogramm. '*^3 - Im Sinaitischen ohne Speiche im Innern, in Nr. 355 (und Nr. 353 nach der
Handkopie) mit kurzen Strahlen verziert. - Im Südarabischen mehr elliptisch, im Lihjanischen
und Thamudischen mehr rund, stets mit Mittelspeiche; im Nordsemitischen auf Stützlinie gesetzt
und oben geöffnet.
Zajin „Zierstab ' < hierat. Ideogramm für „Schmuck" Cursprünglich „Zierstab"} Chkr}, nicht in Papyri
von 1500, doch vergl. Pap. Sinuhe (Möller 593}. « Im Sinaitischen wie im Hieratischen langer
spitzer Winkel, teils nach links, teils nadi rechts geöffnet; darin vielleicht einmal (Nr. 351 B} eine
schräge Verbindungslinie. " Im Nordsemitischen in .der Form von zwei liegenden Parallelen mit
innerer Verbindungslinie, im Südsemitischen in der von zwei stehenden Parallelen mit einer oder
zwei Schräglinien.
Hauth (weniger gut nach dem Nordsemitischen Heth} „Lotosblume" < hierat. Determinativ
„(LotosOBlume" (F.} - Im Sinaitischen mit mehr gewellter Stengellinie (auf Nr. 345 gewinkelt},
das Ganze bald nach rechts (wie im Hieratischen}, bald nach links gerichtet. Im Südarabischen
und Thamudischen als Hauth mit senkrechtem, als Harm mit gewinkeltem Stengel, im Lihjanischen
(gelegentlich auch im Thamudischen} mit nach unten geöffneter Blüte; im Nordsemitischen so ver-
schieden, daß man fast an ein anderes Vorbild denken könnte.
Teth (oder nacii dem Südsemitischen Tajith} „Pflanze ' (welcher Art?} < hierat. Ideogramm für
„Grün (w ? d}, eigentlich Papyrusstengel mit hindurchgezogenem Konsonantzeichen d (= Schlange}
(E.} - Im Sinaitischen entgegen dem Hieratischen in wagerechter Lage. - Im Südarabischen ent-
spricht ihm nicht t, sondern z, wie im Hieratischen hochstehend, aber mit dem Kopfe nach
unten; im Nordsemitischen steht dafür ein Kreis mit eingezeichnetem Kreuz, was vielleicht un-
abhängig vom Sinai- t gebildet ist (Verbindung von Taw mit Ajin?}
Jod: Semitischer Gottesname = ägyptisch Set(eh}, Gott von Unterägypten, daher Symbol des Delta's
< hierat. Bild des Set in der. Gestalt seines Tieres (E., G.} - Das Sinaitische behält bald die volle
♦3 Bei einem Siebe würde man als Andeutung der Lödier Punkte (nidit Stridie) erwarten.
26
hierat. Form bei (Nr. 351 R, 352, 355, wohl auch 349, Z. 4}, bald begnügt es sich, den Buchstaben
als eine etwas bogig ansteigende Linie mit den beiden Kopfauswüchsen CNr. 345, 349, Z. 1, 3}
und einmal (Nr. 345) auch mit einer Andeutung des Steilschwanzes zu bilden. Soll man hierin
eine Dublette sehen, die auf ein hierat. Bild des Set, bei welchem der Tierkopf auf einen
Menschenleib aufgesetzt ist, zurüci<ginge ? Leider ist dieses in den hieratischen Papyri vor und
von 1 500 V. Chr. uns nicht erhalten, und so verzichte ich darauf, für die abgekürzte Buchstaben-
form ein hieratisches Vorbild festzulegen. - Im nordsemitischen Jod lebt die vollere F"orm mit
Fußlinie nach, wenn letztere hier nicht aus dem Steilschwanze entwid<elt ist; im südsemitischen
Jaman - Stab mit aufgesetztem Kreis - ist von der sinaitischen Form wenig mehr zu finden.
Kaph „Rispe" < hierat. Ideogramm für „Oberägypten" (äm^w}, eigentlich „Pflanze des Südens" (E.)
Im Sinaitischen entgegen dem Hieratischen nicht senkrecht gestellt, sondern teils schrägstehend
CNr. 353}, teils liegend. - Im Nordsemitischen gegenüber dem Sinaitischen wenig verändert, doch
stets aufrechtstehend; im Südsemitischen der Rechteckform angeglichen und dadurch unkennt-
lich gemacht (außer im Thamudischen bei vertikal gerichteten Zeilen}.
La we „Umkreis, Horizont" < hierat. Ideogramm für „Horizont" Öh-t}, (E.} - Im Sinaitischen ent-
gegen dem Hieratischen auch nach rechts gerichtet. " Im Südsemitischen gleichwie im Hieratischen
gerichtet, dazu im Südarabischen oben spitzgewinkelt; im Nordsemitischen nach unten gedreht
und mit dem Oberteile meist über die Buchstaben der Umgebung hinausgehoben.
Mem Coder Majim, nach äthiopisch Maj?} „Wasser" < hierat. Ideogramm für „Wasser" Cmw},
bestehend aus drei Wagerechten, die vom Schreiber, ohne mit der Feder abzusetzen, von oben
nach unten ausgeführt wurden und dabei zu einer aufrechtstehenden Zackenlinie geworden sind.
Im Sinaitischen ist die stehende hieratische Form zur liegenden Coder auch hängenden, vergl.
Nr. 349} geworden, mit bald zackigen, bald welligen Erhebungen ; auf Nr. 346 in einen Schlangen-
kopf auslaufend, wohl unter Einwirkung des Buchstabens n. - Im Nordsemitischen als wagerechte
Zackenlinie mit schrägstehender Stütje; im Südarabischen und Lihjanischen als senkrechte Zad^en-
linie mit Gegenstützlinie, im Thamudischen ähnlich geformt, doch liegend.
Nahas C„ Wasser-} Schlange":
a} Nahas I < hierat. Ideogramm für ,, Schlange" Cd-t}, CE., G.} - Im Sinaitischen bald, wie im
Hieratischen, nach rechts, bald nach links gerichtet. " Im Südarabischen und Lihjanischen mit
senkrecht heruntergehender Schwanzlinie; im Thamudischen teils stehend, teils liegend; im Nord-
semitischen stehend, in der Richtung der Schwanzlinie anscheinend der Stützlinie des Mem an-
geglichen. Im Semitischen nur ausnahmsweise Cminäische Graffiti und Lihjan.} nach rechts
gerichtet.
b} Nahas II < hierat. Determinativ für „Schlange", ,, Drache", „Wurm" CE.} - Im Sinaitischen
entgegen dem Hieratischen nach links gerichtet. ~ Innerhalb des Semitischen vielleicht noch im
Thamudischen Cbei Vertikalschrift} gebraucht; im übrigen durch Nahas I verdrängt.
Samekh „Fisch < hierat. Ideogramm ,, Fisch" Crm}, in naturalistischer Wiedergabe bei G., sonst
meist kaum noch als Fisch zu erkennen. - Im Sinaitischen einmal CNr. 352} in genauer Nach-
bildung vorhanden, sonst vereinfacht teils zu rundlicher, teils zu scharfgewinkelter Form, wobei
Bauch oder Rüdcen meist eine Andeutung der Flosse zeigen. Einmal CNr. 355} erscheint der
Fisch in vertikaler Stellung. - Im Südarabischen in scharfgewinkelter symmetrischer Form und
senkrecht gestellt; im Nordsemitischen zu drei kleinen horizontalen Parallelen auf senkrechter
Stütze entstellt. - Lihjanisch und thamudisch Samekh geht wohl auf südarabisch Sin, einen
späteren Zusatzbuchstaben zum sinaitischen Alphabete zurück.
27
Ajin „Auge" < hierat. Ideogramm „Auge" CifO, CG.) - Im Sinaitischen zuweilen CNr. 345, 346
Front) aufgeriditet, im übrigen teils mit, teils ohne Einzeichnung der Pupille. - In allen semi»
tischen Alphabeten zum Kreis geworden.
Ps „Mund" < hierat. Ideogramm ,,Mund" CrO, E., G.} - Im Sinaitischen ist die annähernd ellip-
tische Form des Hieratischen rhombisch geworden Cvergl. das Ähnliche bei Samekh II}. " Den
Rhombus bewahren - zumeist - das Südarabische und Lihjanische, doch immer in gerader Auf-
stellung. Seine Öffnung nach unten im Lihjanischen und noch mehr im Thamudischen könnte
im Nordsemitischen zu der nach links offenen Winkelform gefüht haben, der im Aramäischen
eine gebogene Form gegenüber steht.
Sadae Cob ursprünglidi Saddas?) „Gesicht" Ceigentlich „die beiden Gesichtsseiten") < hierat. Ideo-
gramm ,, Gesicht" Chr}, CE.) - Im Sinaitischen horizontal gelegt, mit etwas mehr naturalistisch
geformtem Halsansatz. - Im Südarabischen und Lihjanischen hochgerichtet, mit weit offenem
Halsansatz. - Die nordsemitische Form des Sadae entfernt sich von den erwähnten so weit, daß
es gewagt erscheint, sie der sinaitischen anzugliedern.
Koph „Bauchhöhle" < hierat. Ideogramm „Bauchhöhle" Ch"t), CE.) - Im Sinaitischen genau ent-
sprechend. " Im Südarabischen und Lihjanischen senkrecht gestellt mit kurzer Verlängerung der
Standlinie über den Kolben hinaus; im Nordsemitischen ebenso, außer daß die Standlinie in
einen Knauf endet.
Res „Kopf" < hierat. Ideogramm „Kopf" Ctp), CE.) - Im Sinaitischen ebenso; nur einmal CNr. 346
Front) mit längerem Halsansatz. - Im Nordsemitischen ist das Gesicht zu einem kleinen Dreieci^,
der Hals zu einer längeren Linie verkümmert; im Südsemitischen ist die Gesichtslinie fortgefallen
und nur die Haarscheidelinie in stilisierter Form geblieben.
Saut C-Sin) „Rute Cdes Urins)" = „Phallus" < hierat. Determinativ für „Holz", „Stab" usw. CE., C.) *^
Im Sinaitischen sind die im Hieratischen unsymmetrisdi gebogenen Enden symmetrisch geformt.
Das Südarabische und Lihjanische zeigt die Enden ausgeschweift, das Ganze senkrecht auf-
gerichtet; dem Thamudischen, das den Buchstaben in wagerechter und senkrechter Stellung ver-
wendet, ist eine kleine Gabel an einem Ende eigen, die vielleicht auf die hieratische Ungleich-
heit der beiden Seiten zurüci<geht; das Nordsemitisdie bewahrt die sinaitische Form unter Um-
wandlung der Bögen in Winkel.
Taw „CStirn-}Mal":
Taw I < hierat. Ideogramm , .Leben" C^nh), CE., W.) - Während das Hieratische den Quer-
balken auf den längeren Teil des Längsbalkens aufsetzt, bildet das Sinaitische den Buchstaben
als ein gleichschenkeliges Kreuz. Erhalten im Thamudischen Cneben Taw II) und Altgriechischen
. Cmit Fortlassung der Spitze).
Taw II < hierat. Determinativ für „Kraft", „Brechen" und Ähnliches CE.) - Im Sinaitischen
seltener als Taw I. - In allen altsemitischen Alphabeten unverändert vertreten.
3. Sprachliches zu den Buchstabennamen.
Aleph: Nach dem Hebräischen und Assyrischen sowohl „Kuh" wie „Rind"; ich ziehe die Über-
se^ung „Kuh" vor in der Annahme, der erste Buchstabe des Alphabetes stehe in enger Verbindung
mit den folgenden der „Tempelgruppe", sodaß die kuhgestaltige Göttin Hathor ihren Platz vor
*]) Doch vergl. den folgenden Absdinitt.
28
„Tempel" und Tempeleinriditung bekommen habe; sodann audi, weil das Aleph, mit dem die In-
sdirift Nr. 349 beginnt, über den Hörnern einen diademartigen Aufsaß zeigt, wie er den Hathor-
bildern eigen ist (vgl. z. B. Weihgesdienk Nr. 347 b}.
Beth: Dem Semiten ist „Haus", „Palast" und „Tempel" im spradilidien Ausdrud< Cbaith, beth}
dasselbe. Dem folgenden Daleth „große Tür" nadi zu sdiließen, ist mit Beth ein Großbau, Palast
oder Tempel gemeint; da der Sinai keinen Palast, wohl aber einen Tempel aufweist, so wird der
Sdiöpfer des Alphabetes diesen bei seiner Budistabenbenennung vor Augen gehabt haben.
Gimel: Die üblidie Überseßung „Kamel" widerlegt der Umstand, daß die ägyptisdie Sdirift
kein Zeidicn hat, das dieses Tier darstellt; Gamlu = „Wurfholz könnte in der Hieroglyphe für
„fremd" sted^en, hat aber in der hieratisdien Form keine Ahnlidikeit mit dem sinaitisdien Gimel.
So vergleidie idi dieses spradilidi mit arabisdi gumlCatu} „Gesamtheit = assyrisdi gimru, gimir;
seine formale Entsprediung im Hieratisdien und seine Stellung innerhalb der „Tempelgruppe"
führen weiter zur Bedeutung „Gesamtheit des Tempelpersonals .
Daleth Cim Athiopisdien zu Daneth verderbt}: vermutlidi mit „große Tür" zu übersetzen,
da das ägyptisdie C?, dessen Bild hier vorliegt, in erster Hinsidit „Thor" (weiter „Thorflügel"}
bedeutet.
He: Da es sidi nadi dem Budistabenbilde zu sdiließen, um ein „Jubeln" handelt (wie Sethe
erkannt hat}, so dürfte He im Sinne von hebräisdi "N" zu nehmen sein. Gemeint ist wohl der
Jubelruf der Tempelbesudier, wie wir ihn für Israel als Halleluja, für den Bannkreis von Mekka
als Labbaika kennen, und den für den Sinai vielleidit das dreimalige T Cmit folgendem Personen-
namen im Genitiv} der hieroglyphisdien Insdirifl Weill Nr. 22 bezeugt.
Waw: Aus den Anordnungen für den Bau der Stiftshütte in Exodus geht klar hervor, daß nidit
,, Nagelstift", sondern ,, Nagelkopf und zwar als Aussdimüdcungsgegenstand unter Waw zu ver-
stehen ist. Aus der ägyptisdien Kunst ist die SdimuArosette wohlbekannt; so mag audi eine der
versdiiedenen Hieroglyphen, die Rosettenform zeigen, als soldie zu deuten sein, am ehesten wohl
die bisher als „Sieb" erklärte.
Zajin: Wie ägyptisdi hkr, dessen liieratisdie Form wir als sein Vorbild nehmen, bedeutet
semitisdi Zajin sowohl „Waffe wie ,, Zierat - letjterer ursprünglidi wohl als Zierat in Stab- oder
Lanzenform genommen. Die neben Zajin gelegentlidi vorkommenden Namen Zaj Cäthiopisdi, spät-
hebräisdi, syrisdi} und Zeth Cgriediisdi und spätjüdisdi} müssen als Verstümmelungen von Zajin
genommen werden; gegen die Deutung „Ölbaum" (Hieronymus} spridit der epigraphisdie Befund
mit aller Entsdiiedenheit.
Hauth: Diese vom Athiopisdien überlieferte Form sdieint mir editer zu sein, als das Heth der
Nordsemiten. Mit ihr kommen wir dazu, die Blume, die der Budistabenform zu Grunde liegt, als
„Wasserrose", oder „ägyptisdier Lotos" zu deuten im Hinblid« auf arabisdies haudan (bei Ibn Baitar,
Ms. A, haudan}, das diesen Sinn hat und wohl haud mit dem vielleidit südarabisdien Artikelsuffix
-an darstellt. Hauth dürfte aus haud • th (Nomen unitatis von haud} zusammengezogen sein. Lotos
paßt in die „Sdimudtgruppe des Alphabets als ein Gegenstand, der bei keiner ägyptisdien reli-
giösen wie profanen Festlidikeit fehlte.
Teth (äth. Tajith}: Die Budistabenform führt uns zunädist auf den Begriff „Papyros", weiter
aber wegen des durdi den Papyrosstengel hindurdigezogenen Konsonantzeidiens d auf w^d
„Grün". So wird audi Teth etwas Ähnlidies bezeidinen. Idh stelle es zu dem arabisdien Pflanzen-
namen zajj oder zajjan, nadi Cudie-Belot „wilder Jasmin", „Clematis", nadi Dozy, Supplement
„Cenomyce coccifera", jedenfalls eine üppig wudiernde Pflanze, wie der abgeleitete Begriff mazja
29
„mit zajj überzogener Boden ' beweist. Dann wäre Teth Ctajith^ Nomen unitatis von zajj Czajj • th <
zaith, zeth}. Wie t dazu kommen kann, den Laut z zu vertreten, wird später bei der Erörterung des
Lautsystems der Sinaispradie erklärt werden.
Jod: Für die Erklärung kann hebräisches "■' C < jad) nicht in Frage kommen; lautlich genau
entspricht dagegen der Name des altsemitisdien (minäischen, nordarabischen) Gottes Wudd in
hebräischer Umgestaltung. Bei dieser Erklärung ließe sich auch der im Athiopisciien C=Südarabischcn3
an Stelle von Jod auftretende Buchstabenname Jaman verstehen. Denn dieser kann ebenso wie
Jod „Glüdk" bedeuten und ist in der Nebenform Jamin im hebräischen Eigennamen ]T'f? wohl
Gottesname. Die Gleichse^ung vom semitischen Jod-Jaman mit dem ägyptiscfien Gotte SetCeh)
ist zwar nur geraten, hat aber für die Zeit um 1500 v. Chr., nachdem in der Hyksoszeit Set seinen
Charakter gründlich geändert hatte und aus einem oberägyptischen Gott von düsterem Wesen der
Obergott der Deltasemiten geworden war, viel für sich.
Kaph : Wenn Jod nicht = „Hand ist, so fällt damit eine Hauptstü^e für die Annahme, daß Kaph
,, hohle Hand bedeute. Sethe sieht in dem Buchstaben das ägyptische Pflanzendeterminativ, das aber in
seiner hieratischen Form zu der des Sinai-Kaph durchaus nicht paßt. Eine genaue formale Entsprechung
hat dieses im hieratischen Zeichen für „Oberägypten" (dargestellt unter dem Symbol der „Südland-
pflanze" CämCw). Zum vorhergehenden „Unterägypten" gibt dieser Begriff die natürliche Ergänzung.
Lawe: Mit den nordsemitischen Namen Lamed, Labad usw. ist begrifflich nichts anzufangen.
Nimmt man aber äthiopisch Lawe als Grundlage der Erklärnng, so erhält man den sehr annehmbaren
Sinn „Kreis", „Umkreis" (vgl. hebr. ~'p < ~p „Guirlande", ~r''^ „Kranz"), der durch das figürliche
Äquivalent des Hieratischen zu „Horizont" verengt wird. Damit wäre auch die „geographisch-
kosmische Gruppe" im Alphabet um einen passenden Begriff erweitert.
Mem Coder Majim, nach äthiopisch Maj): Der Begriff „Wasser" muß hier, entsprechend den
drei vorhergehenden Begriffen, geographische Bedeutung haben, ist also so viel wie „Meer .
Nahas, oder, mit Umse^ung des südsemitischen s in nordsemitisches §, Naha§: Nach den beiden
Buchstabenformen für n und ihren hieratischen Vorbildern zu schließen, war nicht nordsemitisch Nun
„Fisch", sondern südsemitiscii Nahas ,, Schlange der ursprüngliche Name. Die Überführung von
„Schlange" zu „Fisch" konnte wohl nur dann geschehen, wenn „Schlange" den speziellen Begriff
„Wasserschlange" hatte oder sich begrifflich dem hebräischen "13 Sf'nJ ^, Meeresdrache , „Lew-
jathan näherte.
Samekh: Da das Arabische in samak ein gutsemitisches Wort für „Fisch bewahrt, und unserem
Samekh zwei Begriffe der Meereszone voraufgehen, so kommt nichts anderes für seine Überse^ung
in Betracht als „Fisdi ', dessen Bild noch deutlich in der Sinaischrift zutage tritt.
Ajin: Keinesfalls „Quelle", sondern wegen der folgenden Namen von Körperteilen: „Auge ,
wozu das Buchstabenbild vollständig paßt. Die Beibehaltung des Diphthongs «ai- Coder -aji-) in
Ajin ist ein deutlicher Hinweis, daß derselbe Diphthong auch einmal in Mem, Teth und Beth
gesprochen sein wird.
Pas: „Mund". Da auch die Aramäer den Buchstabennamen Päs und nicht Pum aussprachen, so
muß sein Ursprung in die hebräische Sprachzone verlegt werden.
Sadas : Wohl bei keinem Buchstabennamen ist so viel hin- und hergeraten worden, wie bei diesem.
Daß man dabei nicht zu seiner richtigen Deutung kam, lag an dem Mißgriff, sein auslautendes as für
wurzelhaft zu nehmen. Es dürfte aber Dualendung sein, so daß mit sad Cälter wohl sadd) als Grund-
bestand des Namens zu rechnen wäre. Dieses stelle ich mit hebräisch ~i¥ „Seite zusammen und
lasse beides etymologisch mit arabisch didd C*dadd} „Gegenstück eins sein. Den Dual hiervon als
30
„Gesicht" zu erklären, legt hebräisch appajim „Gesicht", eigentlich „beide Seiten" (nach Earth's
Erklärung) nahe, wozu ein saddajim - saddas die genaue Entsprechung bildet. Dem Einwurf, daß die
Status-constructus-Form SadCd3as nicht für sich allein gebraudit werden könnte, ist mit dem Hinweis
auf bald folgendes Saut zu begegnen. Wenn zu diesem der Genitiv sich zufällig erhalten hat, so mag
man annehmen, SadCd^as habe einmal SadCd^E roä „die beiden Seiten des Kopfes" = „Gesicht" ge-
lautet, wovon zufällig nur die Verkürzung SadCd])a5 sich erhalten habe.
Koph: Nicht als „Hinterkopf" zu deuten, da sicii arabisch Kaf a nur gezwungen damit vergleichen
läßt und die ägyptische Schrift für „Hinterkopf" kein Zeichen ausgebildet hat. Zur riditigen Er-
klärung führt die Erwägung, daß im Altsemitischen zwei Koph-Laute vorhanden waren, ein stimm-
loser und ein stimmhafter, das sind k und g mit „Emphase". Stimmhaftes Koph Cje^t noch im
Semitischen dialektlich viel vorhanden) lebt literarisch z. B. in vielen hebräischen 3 nach (vgl. Ab-
schnitt über Lautliches), ohne daß man entscheiden kann, ob der Laut g mit dem Laute g zusammen-
gefallen sei, oder ob der Buchstabe ^1 beide Laute deckt. Ich möchte le^teres für wahrscheinlicher
halten. War ein g vorhanden, dann könnte reciit wohl ein älteres Schriftstadium seine Wiedergabe
dem Buchstaben Koph zugewiesen haben. In dieser Annahme nehme ich Koph als dasselbe wie
arabisch gauf „Bauchhöhle" Cwas auch wohl die Urbedeutung von hebräisch ^i13> TM sein wird), und
finde dann das hieratische Zeichen für „Bauchhöhle" leicht im Sinaitischen wieder.
Re5: Ohne Zweifel „Kopf" Qvon der Seite gesehen}. Ob gemäß griechischem i'oi die Urform
des Namens als *Ro5 anzusehen ist, lasse ich noch dahingestellt sein.
Saut, genauer wohl Saut oder Söt: Wenn ich dieser äthiopischen Bezeichnung den Vortritt vor
der nordsemitischen Sin gebe, so geschieht das nicht, um diese für weniger echt zu halten; vielmehr
nehme ich beide für einzeln überlieferte Teile der älteren Wortgruppe sot-sin. In Sin ist nicht der
Begriff „Zahn" zu suchen; dagegen spricht die Länge des Vokalsund der Umstand, daß die ägyptische
Sdirift das Bild des Menschenzahnes nicht enthält. Man nehme aber sin als vokalisch leicht umge-
lautetes hebräisches j'tt* „Urin", und saut (sot) als „Rute" C=hebräisch i^ltJ'), und übersehe das
Ganze mit „Rute des Urins" = „Phallus", wofür verschiedene semitische Idiome, darunter das
Hebräische, in der Schriftsprache keinen Ausdruck haben. Es lag nahe, innerhalb der „Körpergruppe"
des Alphabetes hinter „Bauchhöhle" den „Phallus" zu erwähnen.
Das hieratische Bild des Phallus ist im Pap. Ebers /T X . Es ist nicht ausgeschlossen, daß
dieses das Vorbild vom sinaitischen C./\J sei, wobei mit Umdrehung des Zeichens zu rechnen
wäre. Aber genauere Übereinstimmung zeigt der Sinaibuchstabc mit der hieratischen Form von
„Holz", „Stab", „Rute", und so nehme ich an, daß der Schöpfer des Alphabetes, wie er einen
direkten sprachlichen Ausdruck für „Phallus vermied, ihn auch figürlich durch „Rute umschrieb.
Taw: Aus Ezechiel 9, 3-6 kennen wir Taw als „Stirnmal", vermutlicii von Kranzform (vgl. auch
I. Könige 20, 41) und damit als mit den P-Eul:;, deren Plat? auf der mittleren Stirne war,
nahe verwandt oder vielleicht gleich. Die Sitte des Einri^ens eines apotropäischen Zeichens auf der
Stirn oder zwischen den Augenbrauen ist so weit im Orient verbreitet, daß man ihr einen sehr alten
Ursprung zuschreiben muß, und zweifellos stecken hinter den verschiedenen Weisen seiner Aus-
führung verschiedene alte Symbole. So empfiehlt es sich, wenn wir unser Taw als Stirnmal deuten
wollen, seine gerade Kreuzform mit ägyptisch ^nh „Leben", seine schrägliegende Gestalt aber mit
dem ägyptischen Determinativ für „Kraft" zusammen zu bringen. Dann wäre Taw der Abschluß der
„Körpergruppe" im semitischen Alphabet. Aber es ließe sich auch denken, daß es gewissermaßen
als Mal auf das Alphabet selbst gese^t wäre, um es zu sichern und vor Veränderungen und
31
EingrifFen zu sdiü^en. Audi in diesem Falle wären „Leben und „Kraft" (weldi letjteres zudem
den Begriff „Redinen" determinierO gut am Pla^e.
Zusatz: Gestuft auf das Vorstehende, werde idi midi im weiteren Verlauf meiner Arbeit
folgender semitisdier Budistabennamen bedienen;
Aleph - Beth - Gimel - Daleth - He " Waw « Zajin - Hauth - Teth - Jod - Kaph - Lawe -
Mem - Nahas - Samekh - Ajin - Pae - Sadas " Koph - Re§ - Saut " Taw.
4. W
eiteres zur oinaisc
hrift.
a} Ligaturen.
In der ägyptisdien Sdirift sind die Fälle nidit selten, wo zum Zwedc passender Raumausfüllung
mehrere Zeidien in- oder aneinander gesdirieben werden. Mandie soldier Ligaturen haben neue
hieroglyphisdie bzw. hieratisdie Zeidien ergeben; andere Zeidien treten nur gelegentlidi verbunden
auf. In ähnlidiem Umfange wie im Ägyptisdien begegnen uns Ligaturen audi im Sinaitisdien ; als
sidier nehme idi folgende Fälle an:
d. i. Ajin + Lawe (Nr. 352, unterer Teil};
JU^ d.i. Saut + Waw (Nr. 349, Z. 1 .} ;
[-f] d. i. Beth + Taw (Nr. 349, Z. 3.};
^X\=>
d. i. Beth + Samekh + Pas (Nr. 353, rechte Z.};
d. i. Jod + Samekh (Nr. 351, links oben);
d.i. Beth + Hauth (Nr. 351, links unten}.
Man könnte hieraufhin erwarten, audi in den altsemitisdien Alphabeten Ligaturen zu finden. Wenn
dieses, abgesehen vom Thamudisdi-Safatenisdien (vgl. die Zeidientabelle bei E. Littmann „Zur Ent-
zifferung der thamudenisdien Insdiriften", Tafel XII, 1904) nidit der Fall ist, so ist daran zu erinnern,
daß die früher erwähnten Umstilisierungen der Sinaizeidien den Zwedc verfolgten, die Budistaben
nadi Form, Größe und Lage untereinander auszugleidien, womit der Anlaß, der im Sinaitisdien zum
Ligieren führte, fortfiel, übrigens könnte audi in den nidit seltenen, aus mehreren Budistaben zu-
sammengese^ten Monogrammen des Südarabisdien, von denen das minäisdie Attarmonogramm bei
Jaussen-Savignac, Mission ardieol. en Arabie IL Atlas, Tafel XVII, 3 das älteste Beispiel bietet, das
Wesen der sinaitisdien Ligatur nadileben.
32
b) Zahlzeichen.
Auf Tafel Nr. 353 finden sich unten links von der linken Zeile und rechts von der unteren Hälfte
der Mittelzeile kleine Horizontalstriche in senkrechter Anordnung, im ersten Falle 10 und 4 auf zwei
Linien verteilt, im anderen wahrscheinlich dreimal 10 auf drei Linien verteilt, die oben und unten von
je einer langen Horizontallinie begrenzt sind, und unter sich noch 2 und 3 Strichlein zeigen. Bei
flüchtigem Beschauen möchte man sie für Meißelspuren halten; aber ihre Regelmäßigkeit und ihr
Vorkommen an Stellen, die außerhalb einer versudisweise angestellten Abgrenzung der Tafel liegen,
stellen sich dieser Erklärung entgegen und lassen es als aussichtsreicher erscheinen, sie für Zahl-
zeichen zu nehmen. So primitiv das Verfahren aussieht, Zahlen über 40 hinaus nur durch Einerstridie
auszudrücken, so fehlt es doch nicht an Analogien dazu. Für Ägypten kennen wir eine solche aus
Papyros Sallier (wiedergegeben bei A. Erman, Ägypten'-, S. 349), wo die Zahl 109 mit 10 mal 10 und 9
in 11 Vertikallinien angeordneten Punkten geschrieben ist; durch dieses Zahlensystem läuft zwischen
dem 5. und 6. Punkte eine lange Horizontale. Mag diese Schreibung auch auf Schülerhände zurück-
gehen, so zeigt sie dodi, daß in Ägypten die Darstellung der Zahlen durch besondere Zeichen für
Einer, Zehner, Hunderter, Tausender usw. nicht die einzige war. Die altsemitisdie Zahlenschreibung
weicht von der ägyptischen Normalschreibung wesentlich dadurch ab, daß in ihr die Zahlen von 20
bis 99 auf der Basis der Einer-, Zehner- und Zwanzigerbezeichnung gebildet sind; dazu kommt im
Altaramäischen die Schreibung der 15 durch 15 nebeneinanderstehende kleine Senkrechte vor (vgl.
Lidzbarski, Handb. der nordsemit. Epigraphik, II, ZahlentafeO. Da auch das Zwanzigerzeichen eine
Kombination von zwei Senkrechten, also Einerzeichen, darstellt, so ist es wohl denkbar, daß in einer
unseren phönizischen und aramäischen Inschriften voraufliegenden Zeit das Einerzeichen für die
Schreibung der Zahlen von 1 bis 99 maßgebend gewesen wäre. Das alles könnte dazu führen, die
erwähnten Strichlein auf Nr. 353 für Zahlzeichen, und zwar im ersteren Falle für die Zahl 14, im
anderen für die Zahl 35 zu nehmen. Zur Gewißheit würde diese Hypothese aber erst dann erhoben,
wenn es gelänge, von der Tafel abzulesen, was der gezählte Gegenstand sei; an der Hand der Photo-
graphien allein kommt man jedoch nicht zu der Konstatierung, daß etwas Derartiges vorhanden sei.
c3 Zeilenrichtung.
Schon vorher ist bemerkt worden, daß die Sinaischrift sowohl die vertikale wie die horizontale
Zeile kennt und anscheinend nach Belieben verwendet. Das ist ein Verfahren, welches auch am Hiera-
tischen der Zeit um 1 500 zu beobaditen ist, während die frühere Zeit es fast ausschließlich vertikal,
die spätere aber horizontal schreibt. Ob der Zeilenanfang bei vertikaler Schreibung oben oder unten,
bei horizontaler rechts oder links liegt, kann erst mit Hilfe von Wortlesungen endgültig ausgemacht
werden; doch muß im Hinblick auf alle uns bekannten Schriftsysteme des Altertums eine Schreib-
richtung von unten nach oben für höchst unwahrscheinlich erklärt werden. Während im allgemeinen
im Sinaitischen für jede einzelne Inschrift nur eine Zeilenrichtung verwendet ist, zeigt Nr. 346, Front,
rechts und links je eine vertikale Zeile und darunter eine horizontale; die Inschrift der rechten Seite
ist ebenfalls im oberen Teile sicher vertikal, im unteren mehr horizontal geriditet, und zwar infolge
Zusammendrängens der Zeichen in so unregelmäßiger Weise, daß man hier von Kumulativschreibung
reden könnte. Die doppelte Zeilenrichtung des Sinaitischen findet sich im Thamudischen wieder; sogar
die Erscheinung, daß innerhalb einer Inschrift in verschieden gerichteten Zeilen geschrieben werden
33
konnte, läßt sich hier nadiweisen (vgl. Jaussen-Savignac, Mission ardieol. II, Atlas, Tafel CXLI, 2273.
Im übrigen haben die altsemitischen Abkömmlinge des Sinaialphabetes die vertikale Zeilenrichtung
zu Gunsten der horizontalen aufgegeben; eine ganz vereinzelte Ausnahme bildet das vertikal-
gerichtete minäische Graffito Jaussen-Savignac, II, Atlas, Tafel CXXVI, 1 52.
d} Zeichenrichtung.
Das Hieratische hat eine feste Regel in der Richtung seiner Schriftzeichen, wobei alles, was Lebe-
wesen darstellt, nach rechts schaut; vielleicht macht das Zeichen für Menschenkopf hiervon eine
Ausnahme. Das Sinaitische gibt sich viel freier in der Stellung seiner Zeichen. Bei einigen finden wir
die des Hieratischen fast ausschließlich beobachtet, z. B. bei Aleph II (Kuh in Vollgestalt), Samekh
(Fisch), Res (Menschenkopf). Bei Aleph I (Kopf der Kuh) und Jod (Tier des Set) ist das Gegenteil
der hieratischen Stellung anscheinend zur Regel erhoben; nur das Aleph von Nr. 345 ist zweifelhaft.
Die stehenden Vorbilder von Teth und Mem sind im Sinaitischen niedergelegt, das von Gimel hat die
Spi^e seines Winkels von oben «ach unten gedreht.
Für eine größere Zahl von Sinaibuchstaben gilt als Regel bezüglich ihrer Richtung anscheinend
■nur das Bedürfnis, sie ihrer Umgebung gut anzupassen. So kommt es mehrfach vor, daß sogar inner-
halb derselben Inschrift ein Buchstabe in doppelter Richtung auftritt: z. B. Lamed auf Nr. 346, Nahas I
auf Nr. 346, 347, 353, Heth auf Nr. 349. Häufiger ist der Wechsel in der Richtung von Inschrift zu
Inschrift zu beobachten, so bei Daleth (345 nach unten, 352 nach oben). He (345, 347 nach rechts, 346,
352, 353, 354 nach links), Heth (345 stehend, 347, 348, 351 nach rechts, 352, 353 nach links), Kaph
(349 nach links, 353 nach rechts). Lamed (345, 349 nach links, 347, 352, 353 nach rechts), Ajin (345
stehend, 352,353,354 liegend). Endlich kommt nicht selten der gleiche Buchstabe innerhalb derselben
Inschrift in Dubletten vor, so Beth I und II in Nr. 353, Lamed I und II in Nr. 352, Nahas I und II in
Nr. 353, Taw I und II in Nr. 346 und 349. Dieser wenig geregelte Wechsel der Buchstabenrichtung ist
ein sicherer Hinweis darauf, daß die Sinaischrift zur Zeit der Entstehung unserer InscJiriften noch
in ihrer Entwicklung begriffen war, noch etwas Individuelles bedeutete, das vom Gebrauche durch
eine Schreiberklasse noch unberührt war.
e) Liniierung.
Das Hieratische verwendet in älterer Zeit, d. h. etwa bis 1500, bei wagerechter Zeilenrichtung
nicht selten horizontale parallele Richtungslinien; bei senkrechter Zeilenrichtung sind ähnliche Linien
nicht zu belegen. Im Hieroglyphischen aller Perioden ist die Beifügung von Richtungslinien bei jeder
Art Zeilen das übliche. Im Sinaitischen zeigt je eine horizontal (Nr. 349) und vertikal (Nr. 350)
geschriebene Inschrift deutlich parallele Richtungslinien; auf Nr. 351 schimmert von einer älteren
horizontalen Inschrift auch etwas von Richtungslinien durch, und hat der jüngere, vertikale Text wenig-
stens in seinem unteren Teile etwas Derartiges links neben sich. So hat die sinaitische Schrift es auch
bezüglich der Liniierung nicht zu einer festen Regel gebracht.
f) Initialen.
Die Sinaitafeln liefern drei Beispiele dafür, daß der Anfang einer Inschrift durch einen sorgfältiger
ausgeführten Kopfbuchstaben ausgezeichnet ist. So sind auf Nr. 353 und 355 dem die Inschrift
34
beginnenden Waw Strahlen angefügt, die es sonst nirgends aufweist, und dem zu Anfang von Nr. 349
stehenden Kuhkopf C= Aleph) ist ein Diadem aufgese^t, das ihn recht deutlich als Hathorsymbol
kennzeidmen soll. Auf den übrigen Inschriften unterscheidet sich der Anfangsbuchstabe nicht von
denen des weiteren Textes.
5. Zur Entstehung der sinaitischen Schrift.
a) Ort der Entstehung.
Unsere sinaitischen Sdiriftdenkmäler sind innerhalb eines eng umschränkten Raumes gefunden;
ja, wäre nicht das kleine Graffito von Wadi Magara CNr. 347}, so bildeten sie alle eine lokal auf den
Hathortempel und eine nicht weit davon befindliche Felswand des Plateaus von Serabit-el-Hadem
beschränkte Gruppe. Das legt die Annahme nahe, es möchte die Sinaischrift auf diesem Boden über-
haupt entstanden sein, wobei vor allem der Tempel als geistiges Zentrum des ägyptischen Sinai's
in Frage käme. Diese Hypothese gewinnt außerordentlich an Haltbarkeit durch die von uns behauptete
und zur Bestimmung der Buchstabenbedeutung benut5te Disposition des altsemitischen Alphabetes.
Dieses beginnt mit einer „Tempelgruppe", die mit fünf Begriffen uns einen Großtempel der Hathor vor
Augen führt: mit Aleph „Kuh", d. i. „Göttin Hathor", Beth „Tempelgebäude", Gimel „Beamtenschaft
(des Tempels)", Daleth „großes Tor", He „Tempeljubelruf". Hieran schließt sich wohl als innere
Ergänzung die Aufzählung von vier Gegenständen, die zur Ausschmüci^ung eines ägyptischen Tempels
gehörten, nämlich Waw „Schmucicrosette", Zajin „Zierstab", Hauth „Lotosblume", Teth „Grün",
„Laubwerk" Nach diesen neun anscheinend von derselben Richtung hergenommenen Begriffen wird mit
vier weiteren ein Bild der Welt gegeben, wie es sich gerade vom Sinai aus am besten begreifen läßt.
Den Blick nach Süden gerichtet, wie es ägyptische Gewohnheit bei der Orientierung war, holte der
Schrifterfinder den nächsten Buchstabenbegriff vom Lande des Gottes Set -Jod, d. i. Unterägypten,
her, fügte dann mit Kaph = „Oberägypten" die natürliche Ergänzung hinzu, spannte den Blicic weiter
zum „Horizontkreis" CLawe} und endlich zur äußersten Weltgrenze, dem ,,Meer" (Mem!). Zur Illu-
strierung des Meeres dienten die folgenden zwei Begriffe: Nahas „Wasserschlange", vielleicht gar
Lewiathan, und Samekh „Fisch". Nachdem damit die Welt der Lebewesen berührt war, trat mit den
weiteren sieben Begriffen der Mensch als oberstes Lebewesen in den Rahmen der Disposition. Seine
Beschreibung beginnt mit Ajin „Auge", Pae „Mund" und Sadas „Angesicht" und bringt von weiteren
Körperteilen Koph „Bauchhöhle", ReS „Kopf" und Saut „Phallus". Daß der Kopf zwischen Bauchhöhle
und Phallus genannt wird, muß auffallen; sollte vielleicht die äthiopische Reihenfolge Res „Kopf' ,
CSat?!), Koph „Bauchhöhle" hier gegenüber der nordsemitischen das Richtige bewahrt haben? Mit
Taw „Stirnmal" könnte der Körperbeschreibung ein geistlich-symbolischer Stempel aufgedrückt sein,
der dann zugleich auf den religiösen Anfang des Alphabetes zurückwiese.
Eine solche Disposition des semitischen Alphabetes entstammt dem Geisteszustand eines Ägyp-
ters, für den Hathor die maßgebende Gottheit war. Indem er sie an die Spi^e des Alphabetes stellte,
widmete er ihr dieses oder wollte sie als dessen geistige Urheberin bezeichnen. Darin mag man die
Absicht erblicken, ein Gegenstück zu der ägyptischen, als Erfindung des Gottes Dhot betrachteten
Hieroglyphenschrift aufzustellen. Da seine Schrift, obwohl mit Hathor in Verbindung gebracht und
in ihren Formen von ägyptischen abhängig, den Zweck hatte. Laute einer sicher nichtägyptischen
Sprache festzulegen, so wird sie außerhalb des eigentlichen Ägyptens entstanden sein. Welcher Ort
35
könnte dafür eher in Frage kommen, als der Hathortempel auf Sinai, in dessen Kulte, wie Flinders
Petrie an der Hand der inneren Einriditung gezeigt hat, diarakteristisdie Züge semitischer Gottes-
verehrung neben editägyptisdien einträchtig einhergingen!
b} Nähere Umstände der Entstehung.
Der erste Eindruck, den die Sinaischrift auf uns macht, läßt sie als eine Vereinfachung der ägyp-
tischen Schrift durch Beschränkung ihrer nach vielen Hunderten zählenden Zeichen auf weniger als
30 erscheinen; diese haben sich uns als im Grunde rein konsonantische Buchstaben erschlossen. Die
dadurch entstandene Schrift als Erfindung im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, möchte man zunächst
Anstand nehmen, weil in der ägyptischen Schrift neben Ideogrammen, Silbenzeichen und Deter-
minativen auch 24 Konsonantzeichen vorhanden waren und die Möglichkeit bestand, mit ihnen jedes
ägyptische Wort nach seinen Konsonantlauten zu fixieren. Sie zu den alleinigen Trägern der schrift-
lichen Darstellung der Sprache zu machen, wäre an und für sich ein ebenso genialer wie praktischer
Griff gewesen; aber der Urheber der Sinaischrift hat ihn vermieden, um auf viel künstlichere Weise,
die ganz sein Eigentum war, zu Konsonantbuchstaben zu gelangen. Vermittelst der Akrophonie schälte
er sich aus semitischen Wörtern, mit denen er gewisse Wortzeichen der ägyptischen Schrift überse^te,
Konsonanten heraus und schrieb sie mit den hieratischen Formen jener Wortzeichen. Damit war
er, statt in gerader Richtung, auf einem großen Umwege zum Ziele gelangt. Was aber könnte
der Zweci^ dieses eigentümlichen Vorgehens gewesen sein? Ich finde keine andere Erklärung dafür,
als daß derjenige, dem wir nunmehr doch die Bezeichnung Schrifterfinder beilegen müssen, beabsich-
tigte, eine für Ägypter nicht lesbare Schrift zu schaffen, die ihnen die Schwierigkeit, fremdsprachige
Inschriften zu entziffern, noch erhöhen sollte. Zudem waren einzelne der von ihm gewählten Schrift-
zeichen danach angetan, die ägyptischen Leser geradezu irrezuführen, nämlich Waw, Nahas und Pas,
die für ihn den Konsonantwert w, n und p, für die Ägypter aber den von h, d und r hatten. Dem-
selben Zwecice könnten auch die fünf in doppelter Form vorkommenden Buchstaben (Aleph, Beth,
Nahas, Jod, Taw} gedient haben, die einem Ägypter, der in ihnen zehn verschiedene Zeichen seiner
Schrift erkannte, zehn verschiedene Laute vortäuschten. So wird alles, was die Sinaischrift von ihrem
Ausgangspunkt, dem Hieratischen, unterscheidet - einschließlich ihrer oben erwähnten Eigenheiten
in Richtung der Zeilen und Zeichen - nicht auf Unkenntnis oder Ungeschicklichkeit ihres Schöpfers,
sondern auf Absidit beruhen, und es ist kaum denkbar, daß ein Vollblutägypter so gehandelt hätte.
Bedeutet schon das Schreiben in einer nichtägyptischen Sprache bei einem der Hathor geweihten
Tempel das Durchbrechen einer den Ägyptern heiligen Tradition, so schaut aus der Weise des
Schreibens geradezu ein persönlicher Gegensa^ zum Ägyptischen heraus.
Der Privat- oder Geheimcharakter der sinaitischen Schrift schließt nun keineswegs ihre Ver-
wendung innerhalb eines Kreises solcher, die ihrem Schöpfer nahestanden, aus. Im Gegenteil, er
fordert geradezu die Annahme eines solchen; denn Schreiben bedeutet in erster Linie, sich Anderen
mitteilen. Welcher Art aber dieser Kreis war, das kann erst nach Lesung und Entzifferung der von
ihm herstammenden Schriftdenkmäler untersucht werden.
c} Vorgänger und Nebenzweige des Sinaialphabetes?
Diese Frage hat Eisler in seinem Buche S. 123 ff. aufgeworfen und Ch. Bruston sich zu eigen
gemacht im Hinblidc auf gewisse in Ägypten gefundene Kleindenkmäler mit Schriftzeichen. "Es sind
vor allem 1 . ein in den Ruinen von Kahun QHahun} von Flinders Petrie gefundenes Holzklötzchen
36
mit vier eingeschnittenen Zeichen, 2. ein Siegel mit vier Zeichen, 3. ein Inschriftenfragment aus
Kahun, das neben zwei Hieroglyphenzeilen eine von neun andersgearteten Zeichen aufweist, endlich
4. eine aus vier Zeichen bestehende Aufschrift einer Statue des Museums in Kairo (35,562}.
K.^h
l
1
0
K
Die beiden aus den Ruinen von Kahun stammenden Stücke können chronologisch in etwa dadurch
bestimmt werden, daß ihr Fundort schon am Ende der XII. Dynastie (2000« 1788} in Verfall geraten
war. Eisler, der von Denkmal 1 ausgeht, hat aus dessen Inschrift den semitischen Namen Zt^ma
herausgelesen und diese Lesung benutzt, um einem viel höheren Alter des semitischen Alphabetes
das Wort zu reden, als die Sinaidenkmäler es bezeugen. Bruston hält nicht nur für alle vier Denk-
mäler semitische Lesungen bereit, sondern stellt auch schon aus den Zeichen ein dem nordsemitischen
wesentlich analoges Alphabet zusammen, ob ihm auch Jod, Samekh, Sada; und Koph noch fehlen.
Über das Verhältnis dieses Alphabetes zu dem sinaitischen drückt Bruston sich wenig klar aus;
beide könnten nach ihm zeitlich oder auch nur örtlich auseinandergelegen haben.
Meines PZrachtens haben die Zeichen der vier genannten Denkmäler miteinander so nahe Ver-
wandtschaft, daß sie wohl demselben Schriftsysteme angehören dürften, stehen aber in keinerlei
Beziehung zu dem sinaitischen. Es geht ihnen ganz die weiche Linienführung der Sinaibuchstaben
ab, die diesen vom Hieratischen als einer ausgesprochenen Buchschrift als Erbteil mitgegeben ist;
ihre starren, eckigen Formen weisen ihnen die Bestimmung zu, in hartes Material eingeritzt zu
werden. Dazu kommt, daß sie schon im Banne weitgehender Stilisierung zu stehen scheinen, wovon
die Sinaischrift noch vollständig frei ist. So scheint es aussichtsvoll, sie mit der kretischen Schrift
der mittleren Periode zu vergleichen; und ein Blick auf die von A. Evans in "The Palace of Minos
at Knossos I auf Fig. 476 und 478 zusammengestellten Zeichen der minoischen Schrift läßt in ver-
schiedenen von ihnen nächste Verwandte von unseren Zeichen vermuten, vgl. :
ac
'^^.^ fJifX li-j^g
So wenig es bisher gelungen ist, kretische Schriftzeichen zu entziffern, so wenig wird man das, was
Eisler und Bruston kurzerhand aus den fremden Aufschriften ägyptischer Denkmäler herausgelesen
haben, als Entzifferungen von irgend welchem Werte bezeichnen können. Eine Verquickung der
sinaitischen Schriftforschung mit den Fragen nach Wesen und Herkunft der genannten Zeichen wird
beiden kaum förderlich sein, droht vielmehr das erstrebte Ziel nur weiter hinauszuschieben.
37
IV. ZUR ENTZIFFERUNG DER ALTSINAITISCHEN TEXTE.
1. Vermutliche Dubletten von Einzelwörtern und Wortverbindungen.
> ach der Bestimmung der Budistabenwerte der altsinaitisdien Sdiriftzeidien sollte
es möglich sein, die damit geschriebenen Texte zu enträtseln, wenn sie in einer
semitischen Sprache abgefaßt, gut erhalten und an guten Nachbildungen zu
studieren wären. Aber diese Bedingungen treffen nur teilweise zu. Am ehesten
noch die erste; denn nachdem das Alphabet der Inschriften sich als das semitische
erschlossen hat, kann an deren semitischem Sprachcharakter wohl nicht mehr gezweifelt werden.
Auch läßt ihr Fundort nicht zu, an eine andere als die semitische Sprache zu denken, wenn die
ägyptische als ausgeschlossen gelten muß. Übeler steht es mit der Erfüllung der zweiten Bedingung:
der guten Erhaltung. Man kann fast nur bei Nr. 345 CSphinxX Nr. 346 (HockerstatueO und in etwa
auch bei Nr. 347 den Zustand, in dem die Schrift auf uns gekommen ist, als zur Entzifferung
genügend bezeichnen; die Tafelinschriften weisen sämtlich große Schäden auf, teils Brüche, die einige,
wie Nr. 350, 354, 355, zu Trümmern des ursprünglichen Ganzen haben werden lassen, teils Ver-
witterungsspuren, die am störendsten bei den sonst am besten erhaltenen Steinen Nr. 349 und 353
auftreten. Bei Nr. 351 zeigt die Oberfläche außer einer verhältnismäßig gut erhaltenen Inschrift Reste
einer älteren, anscheinend gewaltsam entfernten auf. So kann der jetzige Zustand der Erhaltung bei
den wenigsten unserer Inschriften eine völlige Entzifferung versprechen.
Erschwert wird eine solche für den Augenblick noch durch Mangel an guten Nachbildungen der
Inschriften. Zwar sorgten Gipsabdrücke, Papierabklatsche und gute Photographien dafür, daß Nr. 345
und 346 von mir genügend studiert werden konnten. Wo ich aber, wie für die meisten Inschrifttafeln
und die kleineren Weihdenkmäler, auf je eine Photographie, wozu nur noch die schülerhaft an-
gefertigten Handkopien ihrer Texte hinzutraten, angewiesen war, da konnte öfters das letzte Wort
über das, was die Steine jetzt noch sagen, nicht gesprochen werden.
Schätzt man die Hindernisse, die der Entzifferung der Texte entgegenstehen, noch so hoch ein, so
dürfen sie uns doch nicht dahin führen, auf Ergebnisse ganz zu verzichten. Stehen ihnen doch auch
Umstände gegenüber, die sie begünstigen! Dazu rechne ich, daß es sich anscheinend um Inschriften
handelt, die alle zur gleichen Zeit entstanden sind, was ungefähr gleiche Schreibweise bedingte.
Das setzt uns in den Stand, uns verhältnismäßig leicht in den Duktus einzulesen. Von noch größerer
Wichtigkeit für die Entzifferung scheint es mir zu sein, daß sie zueinander in innerer Beziehung
stehen, was sich durch öfteres Auftreten gewisser Wärter und Wortverbindungen kund giebt. Schon
Flinders Petrie hatte auf das mehrmalige Vorkommen einer bestimmten Zeichengruppe aufmerksam
gemacht, die zehn Jahre später Gardiner mit großer Sicherheit als D'yV- las. Bei genauer Ver-
gleichung der Insciiriften untereinander sieht man eine größere Zahl von Buchstabenverbindungen
mehrmals auftreten, was auf Wiederholung gleicfier Wörter oder Wortgruppen von Inschrift zu
Inschrift schließen läßt. Es wird sich empfehlen, eine Zusammenstellung dieser Dubletten der
eigentlichen Entzifferung voraufgehen zu lassen und dabei außer gut lesbaren Zeichengruppen auch
schadhafte zu berücksichtigen, wenn sie sich durch jene ergänzen und erklären lassen.
Die folgenden zwei Tabellen vereinigen Dubletten von Zeichengruppen, hinter denen ich folgende
Wörter oder Wortverbindungen vermute: 1. fl^iyz in Verbindung a} mit ^, b} mit (DjPIXC, c} mit PUriJ;
2. •'JDD; 3. nti';C; 4. royj hV; 5. h; 6. JN; 7. . . . C 2Cü; 8. JONDJmrB^n^n; 9. 0:2N 02T; lO.'oj ?1;
11. m, ni, tn; 12. njNo und n'^ys n:ND.
38
i. /)!>yi if-::V,-:/iAli. • -/Tjyijy *f Qyj i'y
hi
3f6.
yH>,r.S.
3. n\^4;3
i63.y-Z- .:■,
L'-O
:3ft:-;.,.;' -5. : 35«?
J--.:'
o-o
U^^
if. r\t.M.f!>i<
3 ?3j:3i<.ja'i
3t6.rS.
Jtß,2.Z.
••\-^ .,
a
□^^-s.o gi:
"KySd
i^9,2.3.
• .. '**•■'
r^o. ••;jfß
J5+
P
:.t;
355,«.? x-V
i^iy.'-i
l3Si,u.
'--^_ ^'
i cYt
) L_
Ö.
i ii
1 ^— ^
^^ /"
: ^-v-:!,
III!
2. Gruppierung der Inschriften.
Von den altsinaitisdien Denkmälern lassen sieben, nämlidi Nr. 345, 346, 347, 347 a, 347 b, 347 c,
347d, durch ihr Äußeres ihre Bestimmung als Weihgeschenk für das Hathorheiligtum erkennen. Das
muß auch in ihren Inschriften sich irgendwie ausdrücken. Man erwartet darin die Erwähnung der
Gottheit des Tempels. Nr. 345 und 346 entsprechen dieser Erwartung, indem sie den Namen
r\7]12 enthalten. Sucht man weiter einen Ausdruck, der auf die Weihung der Gabe an die Gottheit
geht, so bietet Nr. 347 und 347 a einen solchen mit dem Worte rijn „Darbietung" und Nr. 346
(Vorderseite} mit der Präposition 7 „für (Ba'^alet}" dar. Wenn Nr. 345 dem n't'yZ/ „für Ba'^alet"
ein Tin'' vorhergehen läßt, dann ist auch hierin von vornherein ein WeihbegriiT zu vermuten.
Endlich kann, wenn die Inschrift eine gewisse Länge hat, auch die Nennung dessen, der weiht,
oder für den geweiht wird, erwartet werden.
Andere Erwägungen sind bei den Inschrifttafeln am Platze. Nr. 353 und 355 zeigen am Kopfe
der Mittelzeile den Buchstaben l (vielleicht mit folgendem n). Die kanaanäische Sprachgruppe
kennt anlautendes Waw nur noch in der Partikel wa „und", die aber hier nicht in Frage kommen
kann, weiter in einer Interjektion der Klage, in der das Waw als onomatopoetisch sich leicht
halten konnte. Mit Klageinterjektionen beginnen oder enden zahlreiche semitische Grabinschriften,
vergl. palmyrenisches tisn (passim}, lihjanisches 72n (Jaussen-Savignac. Mission archeol. II,
S. 412} und NH (Jaussen^Savignac, M. A. II, S. 446, unrichtig als „Bravo" gedeutet}. Das Waw von
Nr. 353 und 355 scheint auch am Kopfende von Nr. 352 a gestanden zu haben. Hierauf hin liegt der
Schluß nahe, daß die drei genannten Inschriften sepulkraler Art seien. Weiter spricht allerlei dafür,
daß auch Nr. 354 den Grabinschriften anzureihen sei, vor allem, da auf ihr nichts steht, was nicht
auf Nr. 353 wiederkehrt, und seine Nachbarschaft mit Nr. 353. Auf Grund nächster Nähe von Nr. 352a
könnte auch Nr. 352 für sepulkral erklärt werden. Sodann sind unweit von Nr. 353 und 354 die
Bruchstücke von Tafel 350 gefunden. Ihre Inschrift beginnt mit 1?N „diese" (plural}: worauf könnte
ein solcher Hinweis besser bezogen werden als auf die versdiiedenen Grabtafeln der Umgebung?
So muß damit gerechnet werden, daß die weitaus größte Zahl der Tafelinschriften dem Andenken
von Toten gewidmet ist.
Von anderer Art scheinen die beiden weiteren Inschriften Nr. 349 und 351 zu sein; denn auf
ihnen findet sich keines der Kennzeichen der Grabsteine wieder, wenn nicht etwa ein unter Nr. 349
stehendes Waw das Waw der Klage ist. Dafür weisen sie, wenn wir bei Nr. 351 die Spuren der
älteren, anscheinend gewaltsam entfernten Schrift ins Auge fassen, Verwandtschaft untereinander
auf, die sich in der gleichen Form des Steines, der horizontalen Schreibrichtung und wohl auch
dem gleichen Anfang des Textes äußert.
Der über die ältere Inschrift von Nr. 351 gesetzte spätere, vertikal verlaufende Text steht an-
scheinend für sich ebenso allein wie das Graffito von Wadi Magara (Nr. 348}. Wir werden daher
im Folgenden die Inschriften in der sachlichen Reihenfolge: „Weihinschriften", „Grabinschriften",
„Paralleltexte' , „übrige Texte' behandeln.
41
3. Erklärung der Inschriften.
a] Weihinschriften.
Nr. 345 C= O Tafel 4 und 5.
Dieses Weihgeschenk in Form einer Löwensphinx mit Frauenkopf weist an fünf Stellen
Insdiriftlidies auf: a} an der redeten Sdiulter,
b} zwisdien den Vorderpranken,
c} an der Hinterseite des linken Kopftudizipfels,
d) auf der Fußplatte redits von der Figur,
e) auf der Fußplatte links von der Figur.
Davon sind a) und bi) hieroglyphisdi, d3 und e) altsinaitisdi; c} ist unsidierer Lesung. Die Art des
Einritzens der Zeidien sowie der Grad ihrer Erhaltung ist für das Hieroglyphisdie wie Sinaitisdie
gleidi, so daß beides wohl derselben Zeit und demselben Urheber zuzusdireiben ist.
mrjj Hthr (nb-t!) mfk?-t
„Geliebt von Hathor, Cder Herrin) der Türkisen".
a3
Dieser Hieroglyphentext zeigt die bekannte Eigen-
tümlidikeit, daß der Gottesname als widitigstes Wort
vorangestellt ist und mrjj „geliebt ' den Sdiluß der
ganzen Phrase bildet. Nb-t Cso wohl hier auf der
Brudistelle zu ergänzen) mfk?-t „Herrin der Türkisen"
ist der offizielle Titel der Hathor vom Sinai; seine Verbindung mit mrjj kommt in hieroglyphisdien
Texten des Sinai sehr oft als Ehrenname von Personen hohen Ranges, besonders Mitgliedern des
Königshauses vor. So muß audi hier vermutet werden, daß auf der Sphinx irgendwo ein hiero-
glyphisdier Eigenname angebradit war. Ein soldier, und zwar ein Königsname, findet sidi zwisdien
den Vorderpranken als:
b}
H^
Die Erhaltung des Namens ist eine sehr sdiledite. Mit den Löwentatzen ist
audi seine untere Hälfte abgebrodien. An der oberen ist nur zu erkennen, daß
es ein „Horusname" ist, da er in einer reditedcigen Kartusdie steht und wohl
audi von einem Horus-Falken bekrönt ist. Die innerhalb der Kartusche stehen-
den Zeidien las Flinders Petrie als Snofru; aber nach genauer Untersuchung
des GipsabdruÄes muß idi Gardiner beistimmen, der den Namen als ganz
unleserlidi bezeidinet.
c3 Auf dem linken Kopftudizipfel steht, nadi dem Gips- r-^ Seine Bedeutung ist mir ein
abdrud^ zu sdiließen, ein einziges Zeidien der Form '^ Rätsel. Sollte es vielleidit die
in umgekehrter Riditung gesdiriebene Hieroglyphe knb-t „Tempelbeamtensdiaft" sein, von der unter
Drehung des Sdieitels des Winkels nadi unten der Budistabe Gimel abgeleitet ist? Und bezeidinet
sie dann etwa die Tempelbeamten als Stifter des Denkmals?
42
d)
H'Ha
Buchstaben: Mem (mit drei scharfen Gipfeln]. - Aleph I (ausnahmsweise nach rechts schauend);
He (mit eckiger Beinlinie). - Beth I (könnte vielleicht einen Punkt in der Mitte haben). - Ajin (in
der selteneren stehenden Form). - Lawe (in der selteneren liegenden Form mit nach unten ge-
richteter Schnecke). - Taw teilweise zerstört, wohl Taw II.
Übersetzung: „Vielgeliebt von Ba'^alet". Schon Eisler war mit der Erklärung me5ahub(b)a'^alat
„(herstammend) von Ahubba'^alat (= geliebt von B.)" der m.Er. richtigen Deutung nahegekommen.
Grammatisch wäre gegen ein ?? (= ]??) der Herkunft nichts einzuwenden, besonders unter Hinblick
auf diese in thamudischen Inschriften (vergl. J. J. Hess, Die Entzifferung der thamudischen Inschriften
Nr. 64-107) ähnlich gebrauchte Präposition; aber aus sachlichen Gründen ist wohl eine Deutung
des 2T]HC als Partizip Pual von 2n^ „lieben" vorzuziehen. So entspricht es dem hieroglyphischen
mrjj von a) und bildet mit seinem ri7y(2) zusammen die genaue semitische Übersetzung von mrjj
Hathor. Nun kann man nicht gut annehmen, der kleine Weihgegenstand sei eine königliche Stiftung
an den Tempel; dafür scheint er weder durch seine Größe noch auch durch seine technische Aus-
führung geeignet. Er wird vielmehr für die königliche Person, deren Kopf die Löwensphinx trägt,
von Anderen gestiftet worden sein. Einer solchen indirekten Stiftung werden wir auch bei Nr. 346
begegnen. - Wenn im Bibl. -Hebräischen das Partizip Piel -~NP öfters vorkommt, so wird auch das
passive Gegenstück -~ii<? als gebräuchlich zu vermuten sein. - Zur Kurzschreibung von 22 durch
3 hat schon Eisler den bibl. Königsnamen '^5??"^' verglichen.
e)
Buchstaben: Jod (könnte möglicherweise eine am Rand der Fußplatte herunterlaufende Stand-
linie haben, ähnlich wie Hauth, das hier auffällig gerade steht). - Waw (in der angegebenen Form
sicher vorhanden, ob es auch bisher übersehen war). - Daleth (mit Zapfen nach unten). " Lawe. -
Beth. - Ajin (stehend, wie bei d). - Lawe. - Taw IL
Übersetzung: „Spezialgabe für Ba'^alet".
Bei dieser Phrase dreht sich alles um die Bedeutung von "lin\ Darf man es im Sinne von neu-
hebräischem ITi] , .göttliche Einheit" nehmen und darin das Bekenntnis einer alle Götter über-
ragenden oder ausschließenden Göttlichkeit der Ba'^alet-Hathor erblicken? Dann würde das
kleine Denkmal eine religionsgeschichtliche Bedeutung ähnlich der des Sonnenhymnus Echnatons
bekommen und als das älteste Zeugnis des orientalischen Monotheismus gelten müssen. Aber ein
solches Bekenntnis, das bei seiner lapidarischen Kürze als Weihinschrift sehr überraschend wirkt,
43
konnte im Sinaitempel nicht gut abgelegt werden, da hier mit dem Hathorkultc der des Sapdu
Hand in Hand ging. So bevorzuge ich eine andere Übersetzung, die nicht nur am Neuhebräischen,
sondern auch an der Bibelsprache eine Stütze hat. In jenem bedeutet das Piel von "in^ auch „aus»
schließlich bestimmen, weihen ; und wenn wir in Psalm 86, 1 1 lesen
so sollte man nicht, wie bisher, übersetzen „Konzentriere mein Herz auf die Furcht vor deinem
Namen 1", sondern „Weihe es einzig d. F. v. d. N.", entsprechend dem neuhebräischen Spracii-
gebrauche.. Dann ist liri'' nichts als ein gesteigertes nJP (vergl. Nr. 347) und erfüllt das, was man für den
Sinn einer kurzen Weihphrase voraussetzt. Zur Abstraktform """1 vergl. altbibl. (C)":?!?, (Q'')~i:^ii' u.a.
Zusammengenommen besagen somit die Inschriften auf dem Denkmal:
a) Chieroglyphisch) „Geliebt von Hathor, [Herrin] der Türkisen"
b) „ „König C'in?} ..."
c) Chieroglyphisch?) „Tempelbeamtenschaft (??}
d} Csinaitisch} „Vielgeliebt von Ba'^alet"
e} „ „Spezialgabe für Ba'^alet"
Inschrift a) hat in d) sein Gegenstück; so liegt es nahe, auch für b} ein solches in sinaitischer
Schrift als einmal vorhanden anzunehmen. Ein Beiname, wie es D'^yzPNC auf alle Fälle ist, setzt
stets einen Hauptnamen voraus. Einen solchen weist unser Denkmal nun nicht auf; oder sollen wir
sagen: nicht mehr? Sollten auf der linken Schulterseite, die gegenüber anderen Teilen des Leibes
auffällig rauh, fast wie beschädigt aussieht, noch Schriftzeichen gestanden haben, die mit Fleiß
entfernt sind? Sollte mit dieser Beschädigung vielleicht das Abschlagen des Kopfes vom Leibe und der
Vordertatzen zusammenhängen? Wenn der Name zwischen den Vorderpranken auch nicht mehr zu
lesen ist, so verbürgt doch die Kartusche, daß es ein königlicher war, und der Frauenkopf darüber
bestimmt ihn als den einer Königin, und zwar einer regierenden, da mit einer Sphinx immer
Herrschergewalt symbolisiert wird. Aus der älteren ägyptischen Geschichte ist uns aber nur eine
Pharaonin bekannt, Hatäepsut, Tochter des Thutmosis I. und Gemahlin desThutmosis III. (1501-1480),
die sich in Wort und Bild Cvergl. das Titelbild mit dem ihre Züge tragenden Sphinxkopf} gern als
Mann gab. Danach scheint mir der Schluß unabweislich, daß unser Denkmal auf sie geht, wogegen
auch die Maskulinform mrjj bzw. ma^ohab „geliebt" nicht spricht. Hatäepsut stand zu dem Sinai-
tempel in besonders enger Beziehung, und sie war es, die für die in der Hyksoszeit erlittenen
Schäden durch glänzende Neubauten Abhilfe schaffte und den Hathor-Sapdukult auf Sinai neu belebte.
So kann es nicht befremden, ihrem Bilde auf einem sinaitischen Weihgeschenke zu begegnen, aber
auch nicht, auf diesem ihren Namen gewaltsam getilgt zu sehen. Vielmehr würde das genau zu dem
Verfahren stimmen, das ihr Gemahl und Nachfolger Thutmosis III. gegenüber allen ihren Bildern und
Namenszügen beobachtete, und dessen Nachwirkung auf dem Sinai uns Nr. 351 mit aller Deutlichkeit
vor Augen führen wird.
Nr. 346 C= 23 Tafel 6-10.
Diese Statuette eines hockenden, in seinen Mantel eng eingehüllten Mannes zeigt an Schrift:
a} an der Vorderseite im Räume zwischen Knie und Fuß eine Horizontalreihe,
b} „ „ „ „ „ von der linken Achsel bis zum Knie eine Vertikalreihe,
c) „ „ „ . „ „ von der rechten Achsel bis zum Knie eine Vertikalreihe,
d} an der rechten Seite eine vertikal beginnende und unregelmäßig horizontal fortgesetzte
Inschrift.
44
Die folgende Untersuchung ergiebt, daß es sich um vier inhaltlidi abgesdilossenc Texte handelt,
die aber zueinander in enger Beziehung stehen.
-^Üi
JS^" *
a}
'7 n
- /i '; y n > ^
Buchstaben: Lawe. - Beth II. ~ Ajin (in aufgerichteter Stellung ohne Andeutung der Pupille). -
Lawe (fast senkrecht}. - Taw I.
Übersetzung: „Für Ba'^alet' .
Damit ist die Statuette ohne Zuhilfenahme eines Zeitwortes als Weihgeschenk für die Göttin
des Sinaitempels gekennzeichnet. Keinesfalls darf man in Kratzern über der Brust Reste einer
Erweiterung der Phrase suchen, da sie schon wegen ihres Abstandes von unserer Zeile nicht zu ihr
gezogen werden dürfen. y
w « y
ö
1
y
^-€
Buchstaben: Ajin (nidit Zajin, denn eine Öffnung der Augenform nach rechts ist auch an dem
späteren Ajin zu konstatieren). - Lawe (liegend, mit der Schnecke nach oben}. - Samekh (mit
deutlicher Rücken- und Bauchflosse}. - Gimel (mit auffallend spitzem Winkel}. - Aleph II (wie auf
der Seiteninschrift}. - Waw (nicht deutlich, anscheinend infolge von Verwitterung}. - Mem (dreizackig
mit schlangenkopfartiger Fortsetzung}. - Re§ (Profillinie verwischt, Halsansatz stark hervortretend). -
Ajin. - Taw II. - He (verwittert, aber unter Vergleiciiung der verschiedenen Abbildungen fest
bestimmt; mit nach links gerichteter Beinlinie, wie auf der Seiteninschrift}. - Um nicht mit der
anscheinend zuerst eingeritzten Inschrift a} zusammenzustoßen, wurden die letzten Buchstaben von
b} im Bogen nach rechts geführt und zur Scheidung beider Texte eine wagerechte Linie - die also
nicht als Buchstabe zu erklären ist *• eingeschoben.
45
Übersetzung: „Für das Wachstum ihrer Weide". 7]1 wie hebr. ^V bei einem Begriffe wie
„Beten, Fürbitte einlegen" (vergl. Hiob 42, 8 cy'2V, '^PSO^ „er bete für euch"); doch könnte man
mit der Bedeutung „wegen" auskommen (vergl. hebr. P"73J „deswegen"}. - NlJD ist altsinait.
Schreibung für hebr. f^'i^tf , Infinitiv constr. von Njtf', das in Hiob 8, 1 1 speziell vom Wachsen der
Kräuter gebraucht ist. Über D als sinait. Vertreter des hebr. tf siehe den Abschnitt „Lautliches".
nnv~l0: hebr. (u. südarab.) n^VI'? „Weide", schon von Eisler erkannt; verbunden mit H, dem Suffix
der 3. pers. fem. sing. Chebr. !1^}. Das „ihr" an „Weide" ließe sich zur Not von Ba'^alet als Herrin
des Tempelsgebietes verstehen; doch liegt es viel näher, es auf Weidetiere zu beziehen und anzu-
nehmen, daß ein solcher Begriff in der Nähe dieser Inschrift genannt sei, mit welchem Schlüsse wir
imstande sind, die Lücke von Inschrift c) mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ergänzen.
C-)
J
7:1
Buchstaben: Ajin. - Lawe (liegend, Schnecke nach oben}. - Nahas I. " Ajin (an der oberen
genügend erhaltenen Linie noch erkennbar}. - Lücke von vermutlich drei Zeichen. « Mem (mit drei
Zackengipfeln}. - Taw I.
Übersetzung: ,, Für das Wohlbefinden [der Herdentiere] . Zu ^V sieheb}. - Ergänzung von yj
zu OJJJ wird durch das in d} deutlich überlieferte DVi ^V an die Hand gegeben. Mit CJ!J wird nicht
das Nomen CJ^j „Huld", „Lieblichkeit" der Bibel gemeint sein, sondern ein dem N"i3p von b}
entsprechender Infinitivus constr. von CJJ.J in einer Bedeutung wie der des Imperfekts C]}_^]
Prov. 24, 25, also „Wohlbefinden . Die folgenden zwei Buchstaben C\ü - ergeben kein vollständiges
Wort; ebenso wenig würden die zwei vor ihnen anzunehmenden, jetzt verschwundenen Zeichen
zu einem Worte semitischer Bildung genügen. So ist mit einem dreiradikaligen Nomen, das die
Endung n trägt, zu rechnen, dessen Bedeutung zu dem ^^y^C „ihrer Weide" von b} in enger
Beziehung stehen wird. Vom Hebräischen her bietet sich dafür sehr passend nD~2 „Herdentiere",
worunter in Anbetracht der Unfruchtbarkeit des Plateaus von Serabit-el-Hadem wohl Schafe und
Ziegen zu verstehen sind.
46
d3
n
•«fc«;«^
*)
«.
y
; ^
.■■"i
: J
LP
: y
; n .
^•:
71
^ ^ =^.:^ ']
n
c y : ':' y
n K' : c
Q J :; N ! 3 1
' 3 ? 2
Buchstaben: a3 Ajin. - Lawe Oiegend mit nach oben gewundener Schnecke}. - Nahas I (Hals
nach links gehoben). - Ajin. - Mem (mit drei Zackengipfeln, nach links in eine Art Kopf verlaufend}. -
b} Mem (unregelmäßig geschlängelt, zwar nicht deutlicfi, aber mit keinem anderen sinaitischen Buch-
staben außer Mem zu vergleichen}. " Unter Mem zwei auf den Photographien wie dem Abklatsche
nur schwacfi heraustretende Zeichen: bei dem mehr rechts stehenden könnte man an (vielleicht
doppeltes} Nahas I (Hals nach rechts gehoben} denken, obwohl auch Waw in Frage käme; das mehr
links stehende erweist sich bei genauer Prüfung als ein zwar auffällig kleines, im übrigen aber regel-
recht gezeichnetes Saut. - Noch tiefer, nahe dem Rande He (an Kopf, Rumpf und nach links gezogener
Beinlinie gut zu erkennen, obwohl nur der rechte Arm eben angedeutet ist}. Die vier bis fünf Zeichen
dieser Gruppe erwecken durch ihre Kleinheit den Eindruck, als ob sie zuletzt geschrieben wären, als
nur noch wenig freier Raum übrig war. - c} Re§ (Scheitellinie punktiert}. - Beth I; Nahas I (Hals nach
rechts gehoben, Schwanz mit dem folgenden Zeichen verbunden}. - Aleph II (entsprechend dem der
Vorderseite}. - Beth I. " Nahas II (auf meinem Papierabklatsch deutlich!}. - Mem: so möchte ich das
länglich gewellte, aber ziemlich zerstörte Zeichen erklären. - d} Beth I (kleiner als die der Umgebung
und schwadi eingeri^t}. - Rechts davon, miteinander fast parallel laufend, Nahas I (Hals nach links
gehoben} und Jod (Kopfende gegabelt, auf den Rücken ein steiler Gegenstrich aufgese^t, kurze
Standlinie}: - Zwischen Beth und dem oberen Ende des Nahas anscheinend noch Spuren eines
Buchstabens.
Obersetzung: „Für das Wohlbefinden des M(?}n(?}-ä-h, Obersten der Steinarbeiter auf
?~n-j . - Ein drittes Anliegen an Ba'^alet, das (a} mit der uns von der Vorderseite bekannten Phrase
oyj ?y „Für das Wohlbefinden" beginnt, weiter eine Person nennt (b}, sie in ihrer Amtseigenschaft
kennzeidinet (c}, endlich lokalisiert (d). Diese Reihenfolge der Teile der Inschrift läge uns am
nächsten und entspräche auch dem semitischen Inschriftstil; aber wie die Ägypter gern den Titel
vor den Namen se^en, und die Zeichen, worin wir hier einen Namen sehen, kleiner sind als die
anderen und sich mit dem engsten Räume begnügen müssen, so könnte Teil b wohl der le^te des
Sa^es sein. Die Freiheit, die Buchstaben in ziemlich unregelmäßiger Folge anzuordnen, hat der
Schreiber vermutlich der hieroglyphischen Schreibung von Namen und Titeln entlehnt, wovon
Inschrift a} von Nr. 345 uns eine Probe vor Augen geführt hat.
47
a) „Für das Wohlbefinden".
b} Gruppe von vier Zeichen, deren Eigennamencharakter durch den beigefügten Titel sicher
gestellt wird. Die beiden legten Zeichen lese ich mit Sicherheit als -ä-h; den Anfangsbuchstaben
als m zu nehmen, liegt jedenfalls sehr nahe. Den zweiten sicher zu bestimmen, überlasse ich der
Zukunft, wenn das Original zugänglicher ist. Also ntt'-O, eventl. riU'JD.
c} Der Titel beginnt deutlich mit 1^1, was nach dem Hebräischen sowohl p~! („Herr") wie ]31
C, Meister") sein könnte. Nimmt man das folgende Wort als hebräisch CJ^^? „Steine", so läge p1
näher; steckt aber die im Hebräischen (vielleicht zufällig} nicht vorkommende Weiterbildung von
pjSt „Stein": 12N „Steinarbeiter" darin, so empfiehlt sich mehr, JS"! zu lesen. Ich ziehe die letztere
Auffassung vor, zumal das Ägyptische verschiedene Titel ähnlicher Bedeutung aufweist, während
„Herr der (EdelOSteine" nicht als menschlicher Titel, sondern als Gottesbeiname vorkommt. Der
Titel entspricht inhaltlich unserem „Berghauptmann . Er kehrt wieder in Nr. 349, Z. 2 hinter einem
andersklingenden Eigennamen und gefolgt von einem zweiten Titel.
d) Gruppe von drei deutlichen Zeichen und einem zwischen ihnen vielleicht noch zu vermutenden.
Entsprechend der Erwartung, daß auch noch der Ort der Tätigkeit der eben erwähnten Person folgen
müsse, sehe ich in 3 die hebräische Präposition 3 „in, auf' . Dann blieben für den Ortsnamen
noch drei Zeichen übrig, von denen die letzten sicher n und j sind. Das Hebräische hat nur äußerst
wenige Wörter mit Jod finale; als einziges ortsbezeichnendes kenne ich darunter nur ^r? „Sinai",
dessen Kurzsdireibung ''JD wohl nur zufällig nicht vorkommt, jedenfalls für die alte Zeit normal wäre.
Der Ort, wo unser Denkmal gefunden ist, zwingt uns fast, diesen Namen hier anzunehmen, wenn
auch sein Samekh sich uns noch etwas verbirgt. Steckt es nicht in den von uns oben angemerkten
Buchstabenspuren, so wäre auch rechts von der Standlinie des Jod noch Platz dafür. Im übrigen
vergl. die Dublettentafel! «
Wir finden somit auf der Statuette Inschriften folgenden Inhalts :
„Für Bs'^alet!"
„Für das Wohlbefinden der Herdentiere"
„Für das Wachstum ihrer Weide"
„Für das Wohlergehen des Obersten der Steinarbeiter auf [Si]nai MC?DnC?}~S-h".
Wer wird der Stifter dieses Weihbildes gewesen sein? Jedenfalls nicht der Mann, der auf seiner
rechten Seite genannt ist; sonst hätte er von sich in der ersten Person geredet. Man wird an einen
Anderen zu denken haben, der dienstlich auf Sinai zu tun hatte, und zwar wohl als Aufseher von
Herden, und weiter in einem näheren Verhältnis zu M-?-§"h, dem Obersten der Steinarbeiter, stand.
Trägt nun die Statue die Züge dieses Stifters? Das widerspräche ganz dem, was wir von anderen
Weihestatuen wissen, z. B. von den beiden unserem Bilde stilistisch so nahestehenden Hockerstatuen
des Baumeisters Senmut (jetzt in Berlin und Kairo}, die ihm ehrenhalber von der Königin Hatäepsut
gesetzt worden sind. Scheidet hiernach der Stifter als der im Bilde Dargestellte aus, so bleibt uns
nur die Annahme, daß die Statuette uns Züge und Gestalt des vom Stifter der Tempelgottheit An-
empfohlenen bewahre, wozu auch das Kopftuch stimmt, dessen Tragen ein Vorrecht von Leuten
höheren Ranges gewesen sein dürfte. So darf die Kunstgeschichte von dem Denkmal als der Statue
des M"?-s-h (riC"C} reden; ob seiner auch die Weltgeschichte gedenken wird, hängt davon ab, was
bei näheren Erörterungen über Namen und Persönlichkeit dieses hier sowie auf Nr. 353 und 350 vor-
kommenden Mannes herauskommt.
48
Nr. 347 und 347a (- 3 und 4} Tafe! 11 und 12.
Zwei Weihdenkmäler, die voneinander wohl in nichts abweichen als in dem Grad ihrer Erhaltung,
der bei Nr. 347 ein mäßig guter, bei Nr. 347 a aber ein sehr schlechter ist. So ist für ihre epigraphische
Erforschung hauptsächlich der erstere Stein maßgebend; doch leistet zur Sicherstellung des Ergebnisses
der andere eine wertvolle Beihilfe. Auf beiden fällt eine vertikale Folge von drei tiefer eingeritzten
Zeichen zunächst ins Auge, so daß bei denen, die sich bisher mit Nr. 347 beschäftigt haben, die irr-
tümliche Meinung entstanden ist, als beschränke sich die Beschriftung auf sie. Daß mit noch mehr
wirklichen Buchstaben zu rechnen ist, verbürgt zunächst ein auf der rechten Seite von Nr. 347 a in
der Weise der anderen Buchstaben eingeritzter flacher Winkel. Dieser wiederholt sich auf Nr. 347
ungefähr an derselben Stelle, nur mehr nach unten geneigt und schwächer geritzt; durch einen gegen-
überstehenden ergänzt er sich zu einer Raute, und diese wird durch ein unten erkennbares Dreieck
zu einer schematisch gezeichneten Fischform, wie wir sie auf Nr. 346 vorne rechts kennen gelernt
und als den Buchstaben Samekh bestirnmt haben. Unter diesem Samekh läßt sich besonders auf der
Photographie ein mit dem Kopfe nach links oben gerichtetes Nahas I genügend deutlich wahrnehmen,
und unter diesem läuft fast parallel dazu eine Linie, deren Krümmungen und Spitzengabelung dem
Wesen eines Jod ohne Fußlinie entsprechen. Endlich taucht hinter dem Rücken des Fisches bei
scharfem Sehen etwas auf, was auf mich den Eindrucke eines Beth I macht, obgleich ein anderes Auge
vielleicht die Stelle für leer halten mag.
Photographie und Abklatsche des Bildwerks führen dazu, auch auf der linken Seite in der Höhe
des letztbesprochenen Buchstabens Geschriebenes zu vermuten, obgleich es nicht ausreicht, darauf
eine Wortlesung zu gründen. Vielleicht führt das Studium des Originals zu einer solchen von einiger
Gewähr der Sicherheit.
"*3ö:3 nin ^
ö
[npn
•«t-tir
run
Erklärung: In nJD hatte Cowley den Namen der aus dem Spätphönizischen und Punischen be-
kannten Göttin T-n-t CTanit?3 vermutet, und Eisler hat viele Mühe darauf verwendet, ihre Gleich-
heit mit Hathor nachzuweisen. Ich glaube, diese Erklärung von run abweisen zu sollen, zunächst weil
sie zur Annahme führen müßte, daß der über der Inschrift stehende Kopf die Hathor darstelle, was
beim Fehlen aller für diese Göttin charakteristischen Kennzeichen, Kuhohren, Seitenflechten und
Diadem, wenig glaublich ist. Weiter ist der Name, mit dem die Semiten die Göttin des Sinaitempels
benannten, wie sich bald herausstellen wird, ein ganz anderer als Tanit. Da nun einer Weihinschrift
49
gut ansteht, daß sie auf „Geben" Bezug nimmt, so erblidce ich in nJD den als Nomen gebrauchten
Infinitiv von iPj ,, geben", wie ihn das Hebräische als Vorstufe seines nn voraussetzen läßt. Durften
wir "11"'' von Nr. 345 d als „Spezialgabe" übersetzen, so steht hier nichts der Übersetzung „Gabe"
im Wege.
Das Wort „Gabe" allein wäre eine zu dürftige Aufschrift; man erwartet daneben noch irgend
einen Hinweis auf Geber oder Empfänger. Die von uns auf der rechten Seite gelesenen Buchstaben
wiederholen wohl die von uns auf Nr. 346, r. S. d}, gelesene Phrase ''jC- „auf Sinai". Sollen die
Worte „Gabe" und ,,auf Sinai" zusammenpassen, dann muß noch ein ZwischenbegrifF gesucht werden,
wofür sich am besten der Name eines der beiden im Sinaiheiligtum verehrten Gottheiten Hathor und
Sapdu eignen würde. Ich halte es für wahrscheinlich, daß auf der linken Seite etwas wie T „für"
mit folgendem Namen gestanden habe.
Nr. 347 b, c, d C= 5, 6, 7) Tafel 13.
Diese drei Weihgegenstände, über deren jetzigen Verbleib nidits verlautet, so daß ihre Unter»
suchung sich einzig auf Fig. 142', 143^° und 131 bei Flinders Petrie, Researches, stützen kann, sind
vielleicht auch in die Reihe der altsinaitischen Schriftdenkmäler einzustellen.
Von Nr. 347 b, einem Hathorkopf aus Stein, hat dieses jedoch nur mit großem Vorbehalt zu
gelten. Bei ihm fällt ein in der Mitte der Stirne eingeritztes Zeichen auf, das große Ähnlichkeit
mit einem gezacicten Mem hat, an das sich links ein aufgebogenes Lamed setzt. Die Buchstaben-
folge Lamed-Mem ließe sich deuten als Anfang der Widmungsformel [~^f^] l^'' „Für Ma^na",
d. h. Ma'na Bo'^alet, wie nach Nr. 353 der semitische Name der Sinai-Hathor gelautet hat. Aber
nur wenn die genaue Untersuchung des Steines ergiebt, daß nodi andere Budistaben der Formel
sich darauf finden, wird diese Deutung überzeugende Kraft gewinnen.
Wenn sich keine anderen Buchstaben nachweisen lassen, so liegt eine ganz andere Erklärung
des Stirnzeichens nahe. Flinders Petrie hat in den Ruinen des Hathortempels eine große Zahl von
kleinen Hathordarstellungen aus Fayence, zumeist in Tablettenform, ausgegraben, die sich von den
aus Ägypten stammenden in bemerkenswerter Weise unterscheiden. Einmal dadurch, daß auf ihnen
der Hathorkopf wie auf einer Tragstange aufgesteckt erscheint, was ihr Entdecker ansprechend
dahin erklärt, es sei hier das Tempelkultbild wiedergegeben, wie es bei Tempelfesten dem Volke
gezeigt zu werden pflegte. Eine andere Eigentümlichkeit, auf die bisher noch nicht geachtet worden
ist, ist ein der Stirn der Göttin hart unter dem Scheitelansatz aufgemalter flacher Bogen, durch
den mehi;fach noch kleine Vertikalstriche hindurchgehen, oder der von solchen allein gebildet wird,
was die folgenden drei Zeichnungen nach Flinders Petrie's Lichtdrucictafeln 151, 153, 152 ver-
anschaulichen können :
isi
6
ISi
1SX'
50
Eine solche Stirnzeidinung ist weder etwas Zufälliges nodi eine unwichtige dekorative Einzelheit,
sondern stellt offenbar ein Stirnmal dar; und zwar würde es kaum bei einer so großen Zahl von
Weihstüdcen auftreten, wenn es nicht auf dem Kultbilde selbst zu sehen gewesen wäre. Das
stempelt aber für uns die Hathor vom Sinai zu einer ursprünglich semitischen Göttin; denn die
Sitte, die Stirn mit einem Male zu versehen, ist im semitischen Orient tief eingewurzelt und durch
die Bibel CExod. 13, 16; Deuter. 6, 8; 11,18} auch für den alten Orient gut bezeugt, während sie für
das alte Ägypten bisher nicht nachgewiesen ist. Hätten nun die Ägypter den Hathor- Ma'na- Kult
nach dem Sinai gebracht, so würden sie kaum geduldet haben, daß dort ihre Hathor in semitischer
Weise dekoriert worden wäre; übernahmen sie ihn aber bei ihrem Vordringen nach Serabit-el-
Hadern von den Sinaibewohnern, so gebot ihnen die Klugheit, der Göttin Einiges zu belassen, was
an ihre semitische Herkunft: erinnerte, um damit ihrem Tempel Zulauf aus der Halbinsel zu sichern.
So ergänzt dieses Stirnmal gewisse speziell semitische Züge des sinaitischen Tempelkultes, wie
Waschungen und Rauchopfer, die Flinders Petrie als Eigentümlichkeiten vom Sinai hervorgehoben hat.
Vergleicht man das Stirnzeichen von Nr. 347 b mit den Stirnmalen der Fayencen, so zeigt es
ihnen gegenüber nur die Abweichung, daß hier nicht kleine Horizontale abwärts gehen, sondern
spitzwinklige Zacken sich über der Bogenlinie erheben. Ob das etwas Wesentliches ist, läßt sich
erst durch Vergleichung aller Hathorfayencen ausmachen, was z. Zt. nur ihr Entdecicer könnte. Bis
dahin möge auch die Frage, ob unser Hathorkopf auf der Stirn eine Aufschrift oder ein Mal trägt,
in der Schwebe bleiben.
Nr. 347 c, ein ungefähr 1 Fuß hoher konischer Räucheraltar aus dem Portikus vor der Hathor-
grotte, jedenfalls ein Weihgeschenk aus semitischer Hand, läßt auf der Darstellung bei Flinders
Petrie am rechten Rande mehrere erhaben gearbeitete Zeichen erkennen, die ganz den Eindruck von
Sinaibuchstaben machen. Hart am oberen Rande könnte ein Hauth (_na(h links geöffnet) stehen,
darunter ein Taw I und wesentlich tiefer eine Ligatur von Saut und Waw, wie wir sie besonders
deutlich auf Nr. 349, Z. 1 und 4 finden werden. Diese Buchstaben lassen zwischen und unter sich noch
Platz für weitere; dodi gestattet der Randschatten des Bildes nicht die Konstatierung von solchen.
Die Buchstabenfolge ilJ'nn erinnert an die Schreibung eines Eigennamens, mit dem wir uns bei
Nr. 349 näher beschäftigen müssen, und dessen erster Teil itl'Stt'P'n sicher ägyptisches H?tsps'wt
(Hjatsepsut) wiedergiebt. Danach müßte unser Räucheraltar für die Pharaonin Hjatsepsut dem
Sinaitempel gestiftet sein, und stellt sich damit zahlreichen anderen Weihgaben (besonders Hathor-
und Katzenbildern) an die Seite, die die hieroglyphische Kartusche dieser Herrscherin zeigen (vergl.
Flinders Petrie, Researches, Fig. 147, 148).
Nr. 347 d, das obere Stüdc der Statue einer ägyptischen Königin, weist auf der linken Seite hart
über der Bruchlinie ein Zeidien auf, das sich als sinaitisches Hauth (nach rechts-oben geöffnet) deuten
ließe und dann vermutlich auf dem jetzt fehlenden Stücke noch andere Buchstaben unter sich hatte.
Einen Anhaltspunkt dafür, welches Wort mit dem Hauth eingeleitet gewesen wäre, bietet uns das
Bild selbst, das, wie schon P'linders Petrie bemerkt hat, die Hand eines sinaitischen Künstlers verrät,
dem die ägyptischen Kunstregeln nicht unbedingt maßgebend waren und vor allem das Idealisieren
der königlichen Majestät fern lag. So hat er ein wenig schönes Frauengesicht geliefert, bei dem die
Stirn stark zurückweicht, die Nasenpartie vorspringt, der Mund einen Stich ins Gewöhnliche hat.
Diese Gesichtseigentümlichkeiten finden sich wieder bei dem Kopfe der früher behandelten Löwen-
sphinx, den wir der Pharaonin Hjatsepsut zugewiesen haben; sodann bei einem ganz naturalistisch
gehaltenen Reliefbildnis dieser Herrscherin aus Deir-el-Bahri (wiedergegeben in Flinders Petrie,
A History of Egypt II, Fig. 40). Da ferner der Kopfschmuck der Statue bei Bildnissen von Frauen
51
4*
königlichen Ranges der 18. Dynastie mehrfach zu belegen ist (vergl. Flinders Petrie, History II, Fig. 13,
auch Fig. 25, 30, 31}, so ist kaum daran zu zweifeln, daß uns auch hier Hjatsepsut im Bilde gegen-
übertritt. Der Buchstabe Hauth könnte daher recht wohl der Anfang ihres sinaitisch geschriebenen
Namens sein, wie ich ihn auf Nr. 347 c glaubte annehmen zu dürfen und später bei Nr. 349 mit
Sicherheit lesen werde.
Ich fasse im Folgenden die Schrift der drei Weihdenkmäler samt ihrer Transskription zusammen:
6;
c)
V-
n
lu/*
cL)
n
b) Grabinschriften.
Nr. 353 C- 133 Tafel 14 und 15.
Die Inschrift, die verhältnismäßig gut er-
halten ist, aber wegen der rauhen Oberfläche
des Steines und Spuren einer später ver-
lassenen Abgrenzung der Tafel dem Lesen
doch manche Schwierigkeiten bietet, verläuft
in drei vertikal gerichteten, die Tafel in ihrer
ganzen Höhe nach durchziehenden Zeilen.
Da die mittlere höher als die beiden anderen
beginnt, dürfte sie die erste darstellen; ob
auf sie die rechte oder linke folgt, kann nur
der Sinn entscheiden. Rechts von der unteren
Hälfte der Mittellinie und links von der der
linken Seitenlinie sind Strichlein, die keine
Buchstaben, ebensowenig aber Meißelspuren
ohne besondere Bedeutung sind; über die
Möglichkeit, sie als Zahlzeichen zu erklären,
ist schon auf Seite 33 geredet, so daß sie hier
unbesprochen bleiben können.
Buchstaben:
Mittellinie: Waw (Rosette, wohl wegen
des Beginns der Inschrift mit kleinen Strahlen
ausgeschmückt, wie auf Nr. 355; von der
Handkopie gut bezeugt, auf der Photographie
schwer zu erkennen.} - Gimel (Schenkel aus
52
Parallellinien gebildet, nach redits geöfFnet). - Nahas I (Hals nach rechts aufsteigend). - Waw (wie
alle weiteren Waw der Inscfirift augenförmig ohne Strahlen). " Zajin (nach links geöffnet, Lesung
nicht unbedingt sicher). - Jod (mit Fußlinie, die ungewöhnlich weit nach rechts geht; der Steil-
schwanz ist nahe an die Kopfgabelung gerüci^t, wodurch der Buchstabe auffällig gedrungen heraus-
kommt). - Waw (wegen des darunter befindlichen alten Risses im Steine länglicher als gewöhnlich). -
Samekh (wegen desselben Risses etwas schräg gerichtet; Schwanz nicht deutlich zu sehen). Die
folgende weiter nach rechts als nach links gehende Horizontale nehme ich als oberen Abschluß für
die von rechts beginnende Zahlengruppe. « Pe. « Von den weiteren Zeichen der Linie bleibt mir
das Meiste unklar. Die lange Horizontale scheint wieder zu der Zahlengruppe zu gehören. Darunter
vielleicht Nahas I (Hals nach links hochgehoben). Aber was bedeutet das links daranstoßende
Zeichen? Weiter nehme ich für fast sicher Pas und Daleth (schräger Stab mit rechts angese^tem
Zapfen). Das Folgende unbestimmbar.
Linke Seitenlinie: Zajin (nach links geöffnet). " He (Beinlinie weit nach rechts gezogen).
Hauth (aus den Windungen des Stengels zu erschließen, da durch den Blütenkopf ein Krater im
Stein geht). - Koph (sicher, obwohl der Stiel ungefähr mit einem horizontalen Riß im Stein
zusammenfällt). - Mem (wie alle Mem dieser Inschrift mit Wellengipfeln; weit nach rechts gehend,
weil je^t die Zeile immer mehr nach rechts ausbiegt, wohl wegen der linksstehenden Zahlengruppe).
Hart unter der linken Hälfte des Mem machen zwei kleine Bogen den Eindruck eines Buchstabens ;
man könnte an Nahas II denken. - Saut (die linke Seitenwindung mehr geschlossen als die rechte). -
He (Mittellinie in der verlassenen Randbegrenzungslinie; der Arm rechts nähert sich einer eben
solchen, von der vier Meißelspuren stark hervortreten ; Beinlinie auffällig langgezogen, um aus dieser
Linie herauszukommen). - Waw (oberer Abschluß wenig hervortretend, doch wohl sicher). - Eine
dünne Schlangenlinie links darunter ist wohl nicht als Buchstabe zu deuten. - Mem (nur schwach
sichtbar, doch kaum anders zu deuten). " Waw. - Nahas I (nach links ansteigend). - He (von ge-
drungener Form, da der Raum anfängt, knapp zu werden). - Lawe (Schnecke rechts oben). - Kaph
(schräg gestellt, Gabel rechts angeseilt). - Mem (ausgehend von der Schnecke des Lawe, schlängelt
sich bis zum linken Tafelrande). « Samekh (kenntlich am runden Rücken mit Stacheln [oder Flosse];
Baudilinie und Schwanz nicht mehr erkennbar).
Rechte Seitenlinie: Zajin (nach rechts geöffnet). - He (nicht, wie die Handkopie es nimmt,
Taw I mit überlangem Fußbalken; Beinlinie weit nach rechts gezogen). - Beth I mit Samekh und
Pae zusammen ligiert. - Ein von Pas aus sich herunterziehender Schrägstrich könnte auf Taw I
deuten. - Mem (Windungen undeutlich). - Samekh. " Kaph (liegend, die Gabel nach unten ge-
richtet). ~ Mem (auf der Photographie undeutlich, durch die Handkopie wohl gesichert). " Aleph II
(einziger Fall, wo dieser Buchstabe nach links offen ist; wie bei Nr. 346, Seite 45 von einer Quer-
linie durdischnitten). - Nahas IL - He (die Rechtswindung der Beinlinie vorhanden, doch schlecht
sichtbar). - Beth I. - Ajin (mit Pupille). - Lawe (wie Zeile rechts unten). - Taw I. - Links davon,
etwas höher ein ihm fast gleiches Taw I. - Darunter Mem (nicht scharf hervortretend, doch
wohl sicher).
Überse^ung: Mittellinie: „Wehe! Beigese^t ist Joseph, (Soh- event. vo)n • p-d . ."
Linke Seitenlinie: „Dieser hier ist der Steinschreiber (-me^?) des M-?-s-h
und der Zähler der Tempelabgaben".
Rechte Seitenlinie: „Dieser hier ist auf der Schwelle des Pronaos der Ma'na
Ba'^alet umgekommen".
53
Erläuterung. Mittellinie: Die Begründung, daß 1 hier als Interjektion der Klage zu nehmen
ist, siehe Seite 39. Es dürfte, nach arabisch waj zu schließen, mit auslautendem as zu sprechen
sein. Ob rechts unten vom 1 noch ein He geschrieben ist, kann ohne Hinzuziehung des Originals
nicht ausgemacht werden; Spuren eines solchen zeigt auch Nr. 355 links vom l Das folgende
Wort lese ich ""Ij3 (obwohl sein Zajin nicht unbedingt sicher ist) und sehe darin ein Partizip Passivi
Kai von Tj3 „verbergen" = „heimlich begraben". Da diese und die folgenden Grabinschriften
über einem Bergwerksstollen angebracht waren, so ist wohl dieser Stollen als Stätte der heimlichen
Beise^ung zu nehmen. Der Bestattete führte den Namen. ^0^\ der jedenfalls mit dem des „ägyp-
tischen" Joseph und eines Zeitgenossen des Moses (Num. 13,7) gleich ist, aber wegen seines C samt
den genannten mit dem i-sa-^pa-^a-ra der kanaanäischen Städteliste des Thutmosis III nichts zu tun
haben wird. Hinter dem Eigennamen des Bestatteten erwartet man entweder seinen Vaternamen
oder die Erwähnung seiner Heimat, und dann vor ersterem ein ]- „Sohn des . . . , vor letjterem ein '^
„stammend von . . .". Ist nun das von mir hypothetisch angese^te ] der Rest von I-, so könnte im
folgenden . . . ~E etwa der Eigenname "i~''~E stecken; ist es aber zu i'- zu ergänzen, so läge die
Lesung cnsi — bibl. C'"''^"] (Wadi Magara, s. u.") im Bereich der Möglichkeit, ohne jedoch eine
Reihe anderer Lesungen auszuschließen.
Linke Seitenlinie: ~' = hebräisdi ~l „dieser da" geht hier wie zu Anfang der rechten
Seitenlinie auf den vorgenannten Joseph, dessen Titel oder Ämter nunmehr aufgezählt werden.
Es sind ihrer zwei, durch 1 „und" aneinander geschlossen. Den ersten lese ich "K'jC pn und
erkläre ihn als „P" des ~p'jü". Als semitisches Wort übersehe ich es im Hinblick auf hebräisch
p'^r\, das einzelne seiner Formen mit pp^^ austauscht, mit „CStein^schreiber" oder „Steinme^ .
Bei dem folgenden r^'jC steht man vor der Wahl, ob man es als Eigenname (wie hebräisch "t^'C
oder "tj^'jp} nehmen soll, oder als einen Begriff, der Objekt zum ,, Schreiber wäre (wie hebräisch "#'?
„Schuld", Deut. 15,2). Letzteres aber würde gemäß dem folgenden Titel CDC':' riJlC ein "K.'C'P ver-
langen! Auch wäre die Vorausse^ung eines weltlichen Titels „Schreiber der Schulden' vor dem auf
eine Tempelfunktion gehenden „Zähler der Tempelabgaben keineswegs gewöhnlich, vielleicht sogar
ein Verstoß gegen Brauch und Sitte der altsemitischen Zeit. Für „Schreiber" (oder „Steinme^ '} des
(Mannes!) nti'JC spricht außer dem grammatischen Status -constructus -Verhältnis gegenüber der fol-
genden Anknüpfung mit t» der gewichtige Umstand, daß ein Name ~'£''C uns schon auf Nr. 346
(rechte Seite) entgegengetreten ist, und zwar als der eines hohen Beamten, der die sinaitischen
Minen oder Minenarbeiter unter sich hatte. Wenn einem solchen ein eigener „Schreiber oder
„Bildhauer" zur Hand gegangen wäre, so könnte das garnicht auffallen; denn wie oft begegnet uns
in ägyptischen Inschriften der „Schreiber"! Und Joseph als „Bildhauer" zu nehmen, dazu würden
die eigentümlichen Bildwerke sinaitischer Lokalkunst wie die Sphinx, die Hodcerstatue und der Torso
der Statue einer Königin geradezu einladen. « Der zweite Titel des Joseph ist ganz klar. Das
Hebräische läßt uns HJte als „Zähler" und Ü2C (D^C) als „(Heiligtums-^Abgabe" eindeutig ver-
stehen und gibt sogar zu der Verbindung "^ "O.IC die genaue Entsprechung (C'';::ir)/ r^ilc in Psalm
147, 4. Was in altsemitischer Zeit, und zwar auf der Sinaihalbinsel, unter C^^; verstanden wurde,
lehrt die Stelle Numeri 31, 37-41, wonach von der Midianiterbeute an Schafen, Rindern, Eseln
und Sklaven der fünfhundertste Teil an Jahwas als l;2,C abgeliefert wurde.
Rechte Seitenlinie: Der Anfang ist derselbe wie auf der linken Seite; es wird nunmehr die
Art des Todes Josephs angegeben. Das entscheidende Wort steht an letter Stelle, nämlich CT,
das wir nach dem Hebräischen wie auch nach dem Thamudischen als ., umkommen , genauer ,,, sterben
auf übele Art" zu nehmen haben, so daß es in der thamudischen Inschrift 409 bei Jaussen-Savignac
54
(Mission archeol. II, S. 584) als Gegensatj zu CV; „sich wohl befinden" gebraucht wird/D Daraus muß
auf einen gewaltsamen Tod des Joseph geschlossen werden. Was zwischen Hi und cn steht, will
nicht einfach den Ort des Tötens angeben, sondern dieses als einen Frevel am Sinaiheiligtum brand-
marken. Es geschah -C". rrC2 „an der Schwelle des Pronaos". Der ~ÜC „Schuüjraum", der im
mosaischen Heiligtum einen durch einen Vorhang C'"'?"!?) vom Adyton getrennten Raum bildete,
wird im sinaitischen Hathortempel wohl der von Flinders Petrie in seiner eingehenden Beschreibung
der Ruinen als „Court" bezeichnete Raum vor dem „Sanctuary" gewesen sein. Zu ihm hatten, wie
Nr. 349 uns lehren wird, zwar auch Leute nichtpriesterlichen Ranges noch Zutritt; aber die Tötung
eines Menschen an dieser Stelle mußte als ein schweres Verbrechen gegen die Unverle^lichkeit des
Gottesfriedens innerhalb des Heiligtums gelten; und daß der -OC ein heiliger Ort war, beweist der
Zusag ri^'Z h:nc „(der Pronaos) der Ma'na Ba^alet". Hier tritt uns nun der Name entgegen, unter
welchem die semitischen Besucher des Sinaitempels dessen Göttin verehrten. TüNC wird der
Hauptname gewesen sein. Ich sehe in ihm eine Bildung von der Wurzel '~n~j, die im nordarabischen
^anaCn) und ^anaC-un} „Zeit" vorliegt, woraus sich das Wesen der rONC als „Zeit ', „Schicksal ' er-
geben würde. Das mittlere N dieses- Namens, das auch bei seiner Wiederholung in Nr. 349, Z. 3
uns entgegentritt, scheint früh verklungen oder im vorhergehenden a-Vokal untergegangen zu sein;
denn sowohl lihjanisdies und thamudisches PJC (in den Eigennamen }^'p»~i:?;, DJC"', PJCjp, PjCn'y,
n:c~~y, p:cN;~ri - n:c'7P} [Jaussen-Savignac, Mission archeol. II, Wortregister] wie nabatäisches
iPljC und nordarabisches manätu, die sidier mit dem sinaitischen Gottesnamen inhaltsgleich sind,
lassen dessen N vermissen. Hinter "JNC ist n-J/'D nun beschreibender Zuname = „Herrin", „Göttin'
(wie babylonisch Istar, phönizisdi mnii'V, südarabisch Ceti'}, der aber ersa^weise für den Haupt-
namen gebraucht werden konnte (vgl. Nr. 345, Fußplatteninschriften]), vielleicht als Folge der Scheu
vor unnötiger Nennung des Namens eines Gottes. "
Schließlich ein Wort zu den beiden Gruppen von Strichen, die wir früher auf allgemeinere Er-
wägungen hin hypothetisdi als Zahlzeichen genommen haben, wobei die größere den Zahlenwert 35,
die kleinere aber den von 14 darstellen könnte. Ist unsere Hypothese richtig, so wird zu beiden
wohl nichts anderes als „Jahre" zu ergänzen sein; die größere gäbe uns dann die Angabe der
Lebensjahre, die kleinere vielleicht die der Dienstjahre des Joseph. Ob irgend etwas wie riJtt' oder
Cjü' in der Nähe der beiden Gruppen steht, könnte nur beim Studium der Originaltafel ausgemacht
werden.
Nr. 354 C- 143 Tafel 16.
Diese nur fragmentarisch erhaltene Nachbartafel von Nr. 353 trägt auf
ihrer linken Hälfte anscheinend gar keine Schrift, dagegen etwas, was sich
mit der zweizeiligen Gruppe von Horizontalstrichlein auf Nr. 353 ver-
gleichen ließe, also etwa als Zahlen zu nehmen wäre. Die Handkopie bietet
nahe dem unteren Rande ein He, das sich zur Not auch auf der Photo-
graphie wiederfinden läßt. Man hat den Eindruck, als ob hier eine Be-
schriftung des Steines versucht, aber nicht zu Ende geführt sei. Anders
steht es mit dem Bruchstück, das uns von der reciiten Seite erhalten ist. Es
zeigt folgende vertikale Buchstabenreihe von recht schlechter Ausführung:
et
'v^^/vrv
D
f^
H
n
<J>
1
y
n^
-/i
\
• n
n'iy:iu}i<n <-«
r\
♦3 Die Insdirift ist von ihren Herausgebern in beiden Verben mißverstanden; da sie aus Vorgingen entstanden ru sein sdieint, die
eine gewisse Ähnlidikeit mit der Vorgcsdiiditc der Sinaitafeln haben könnten, so zitiere idi sie hier gans: "^^'^ TrPN l^"" H'^NPl
K]!j NPNT '^"N cm >>0 gütiger Gott! Laß Jasir umkommen! Aber die Sippe Du-'t» laß wohlbehalten bleibenl"
55
Buchstaben: Über der inneren Bruchlinie vielleicht die linke Hälfte eines Samekh, unter ihr
eine undeutliche Budistabenspur, in der der Kopist die rechte Hälfte eines Taw I erblickte. Es folgen:
Mem Cwellig} - Aleph II (zweifelhaft} - Nahas II (wohl sidier, obgleich auf der Photographie fast
ohne Schatten} " He (vom Kopisten anscheinend genau gesehen, auf der Photographie nur in seinem
unteren Teile deutlich} « Beth - Ajin (mit Pupille} " Lawe (schräg stehend, nach rechts geöffnet}
Taw I. Links von der unteren Hälfte des Lawe und der oberen des Taw ein am oberen, rechten
und linken Balken ziemlich sicher bestimmbares Taw I.
Übersetzung: „ (der} Ma^ na Ba'^alet (umgekommen?}" Klar ist in diesem Textbruch-
stück die Erwähnung der Ba'^alet; aber auch die darüber stehenden Buchstaben dürften mit ziem-
licher Sicherheit den auf Nr. 353, r. Z. dem Wort n'^J/2 vorhergehenden Gottesnamen "INC „Ma^na"
(= Hathor} ergeben. Die Stellung des Taw I decit sich mit der des Taw I von Nr. 353, r. Z., so daß
man vermuten darf, es habe die Zeile hier wie bei Nr. 353 geendet mit dem Verb cn „er ist
umgekommen".
Ueber dem Mem steht in einer Höhe, die auf Ausfall von zwei Buchstaben schließen läßt, der
Buchstabenrest, der recht wohl eine Ergänzung zum Samekh zuläßt; auch solchem Samekh gegenüber
bietet Nr. 353, r. S. denselben Buchstaben. So sind verschiedene Anzeichen dafür vorhanden, daß
die ganze rechte Vertikalzeile von Nr. 354 derjenigen von Nr. 353 einmal entsprochen habe. Dieses
zusammen mit der Tatsache, daß die linke Hälfte der Tafel so gut wie garnicht mit Buchstaben be-
schrieben ist, aber zu dem vielleicht als Zahlzeichen zu deutenden Komplex von Strichlein etwas
sehr Ahnliches stellt, schließe ich: Die Tafel Nr. 354 war ursprünglich dazu bestimmt, Grabtafel
des Joseph zu werden; als eine Zeile der dafür geplanten Inschrift hineingeriet war, stellte sie
sich als ungeeignet dar, vielleicht wegen zu kleiner Umgrenzung oder wegen schlechter Beschaffen-
heit des Gesteines. Möglicherweise führte auch die häßliche Ausführung der einen Zeile zum Ent-
schluß, nebenan eine größere Tafel auszuhauen und sie in gefälligerer Weise zu beschreiben.
Nr. 355 (=15} Tafel 17.
Dieses Bruchstück einer besonders kleinen
Tafel - wie eine Photographie beweist, auf der
neben ihm das untere rechte Stück von Nr. 354
sich doppelt so groß ausnimmt - läßt von seiner
Inschrift nur sehr wenige Buchstaben deutlich er-
kennen, was aber zur Bestimmung ihres Wesens
als Grabinschrift genügt. Ich lese Folgendes :
jn
Buchstaben : Waw (Rosette, mit anscheinend viermal zwei Strahlen verziert, wohl wegen ihrer
Stellung am Kopfende der Inschrift}. - Gimel (nach links geöffnet, Schenkel aus Parallellinien ge-
bildet} - Nahas I (nach rechts aufsteigend; der Schwanz geht in eine Bruchlinie des Steines über,
die den Kopisten das Vorhandensein des Buchstabens übersehen ließ. - Zajin (nach links offen; die
Spi^e durchschneidet noch etwas die Bruchlinie}. - Samekh? (nur hier senkrecht stehend, mit Schwanz
nach unten, was an und für sich nicht auffälliger wäre als die Aufrechtstellung des Ajin auf Nr. 345
und 346}. ~ Beth I. - Nahas I (breit gelagert, Kopf nach rechts hochgerichtet}. - Der Kopist hat aus
dem Kopfe des legten Nahas I, einer darüber stehenden gesdilängelten Linie und einem Krater im
56
Steine die Hieroglyphe | (h) gemacfit und etwas ihr sehr Ahnliches audi aus Samekh und der
Spi^e des Zajin. Aber wenn diese Hieroglyphe auf das sinaitisdie Alphabet eingewirkt hätte, so
müßte sie es in ihrer hieratischen Umbildung getan haben; diese liegt jedocfi von den beiden
Zeichnungen des Kopisten (wozu auch noch eine weitere auf Nr. 353, Mittellinie, zu rechnen ist)
weitab. Die geschlängelte Linie, die nach oben in eine an Waw anstoßende Gerade (die ich nicht
als Strahl nehme) ausläuft, könnte zur Annahme führen, daß noch ein He neben Waw zu lesen sei ;
Sicherheit hierüber kann jedoch nur das Studium des Originals bringen.
überseQung: Mittelzeile: „Wehe! Bestattet ist S "
Linke Seitenlinie: „Sohn des "
Erläuterung: Wenn unsere Lesung und Auffassung der ersten Zeichen der Mittellinie von
Nr. 353 stimmt, so ist unserer Überse^ung nichts weiter hinzuzufügen, als daß der hier Bestattete
einen Namen trug, dessen erster (oder vielleicht zweiter) Buchstabe Samekh war, und der auf der
Inschrift bis an den unteren Rand hinabging, worauf in der linken Seitenlinie seine Familien-
zugehörigkeit zu einem, dessen Name bis auf einen kleinen Buchstabenrest verloren gegangen ist,
erwähnt worden war. Nach Nr. 353 kann man vermuten, daß die verloren gegangene rechte Zeile
eine Angabe über den Tod des S . . . . enthielt.
Nr. 352 a C = 12) Tafel 18.
Die Photographie, die uns Tafel Nr. 352 vermittelt, läßt links von dieser noch die obere Hälfte
einer anderen Tafel erkennen, die sich ihrer Größe nach zu Nr. 352 ungefähr so verhält, wie Nr. 355
zu Nr. 354. Die Schriftzeichen sind auf ihr unter denselben Einflüssen verwittert wie diejenigen der
linken oberen Hälfte von Nr. 352; doch sieht man - besonders wenn man einen Seitenblick nach
Tafel 355 wirft - an der linken oberen Seite noch ziemlich deutlich die Konturen eines Beth I und
eines Nahas L Rechts davon könnte ein Waw gestanden haben; oder man hat es mit einem von rechts
herkommenden geschlängelten Mem zu tun, dessen letter Bogen besonders bauchig ausgefallen ist.
Das Wort J2 „Sohn", das hier an derselben Stelle auf-
tritt, wie auf der Grabtafel 355, und die Möglichkeit der
- Lesung eines i „wehe", wie es auf Nr. 355 und 353 die
\ Nennung eines Verstorbenen einführt, machen es wahrschein-
lich, daß auch diese Tafel unter die Grabtafeln zu rechnen
ist, und zwar als eine solche, die einer Person gewidmet ist,
welche zu dem neben ihr genannten nctt'rüC (von Nr. 352)
irgend eine Beziehung gehabt hat.
Nr. 352C= 11) Tafel 18.
Ich behandele die Beschriftung dieser Tafel unter dem Gesichtspunkt, daß eine Doppelinschrift
vorliege entsprechend einer alten Teilung des Steines, die in die Tafel übergegangen sei. Vielleicht
war auch der Riß, der schräg durch die Tafel geht und bewirkt hat, daß von der unteren Hälfte ein
keilförmiges Stück ausgebrochen ist, schon zur Zeit des Schreibers vorhanden. Dieser sah sich da-
durch veranlaßt, zuerst die obere Hälfte ganz zu beschreiben (einschließlich des jetzt verwitterten
linken Drittels), wobei er die Buchstaben von oben nach unten, die Zeilen von rechts nach links
sich folgen ließ. Diesem in sich abgeschlossenen Teil der Inschrift ließ er auf der unteren Hälfte
57
einen ebenso für sich stehenden folgen, der in drei Vertikal-Zeilen verlief, die von rechts nach links
angeordnet waren und eine Ergänzung in drei (oder vier} ohne feste Richtung darunter gesetzten
Zeichen erhielt. Möglicherweise fehlt von der dritten Zeile jetzt der Anfang mit etwa drei Buch-
staben, die ehemals über der Bruchlinie standen. Ich überlasse es der späteren Untersuchung des
Originals, festzustellen, ob Linienspuren in der rechten unteren K(ke von Buchstaben herrühren,
die zu der Inschrift gehören, mödite es aber als wahrsdieinliA bezeidinen. Im Folgenden bezeichne
ich die obere Hälfte mit A, die untere mit B.
A^ /— :,/^v/Vr^ ..--ov
^.Y^/
^
Buchstaben: Alephl.- Nahas I (der nach links aufgerichtete Kopf allein ist erhalten, das Andere
mit einem größeren Stüdc der Oberfläche des Steines herausgesprengt; immerhin ziemlich sicher). -
Samekh I (auf fälligerweise mit nach rechts gerichtetem Schwanz, was wahrscheinlich darauf
zurüdczuführen ist, daß der Steinmetz einen bereits im Gestein vorhandenen schrägen Riß für die
Umrisse des Fisches mitbenutzte, wodurch die scharfen Winkel seines hinteren Teiles entstanden;
am Fischmaule ein emporstehender, rundlidi auslaufender Fühler, der im Samekh von B wiederkehrt}. -
Nahas II - He (mit erst gerade heruntergehender, dann leicht nach oben gekrümmter Beinlinie}. -
Saut ~ Mem (mit Zadcengipfeln). - He (kenntlich an der wie beim vorhergehenden He behandelten
Beinlinie; unter dem rechten Arme anscheinend ein dreieckiger Schaden im Stein). - Beth (mit
Punkt in der Mitte). - Weitere Buchstaben nur schwach zu erkennen oder zu erraten; so tiefer
unter Beth vielleicht Jod und rechts davon Taw; oben neben Mem: Saut. - Die Handkopie
bietet zwar nicht unser Samekh, wohl aber links unten davon ein solches in kleinerer Form, dem der
gekrümmte Fühler aus dem Rüd^en wächst; so ist auf alle Fälle ein Samekh vorhanden!
Übersetzung: „Ich bin S-n-h-s-m-h, Sohn des -jC^D-tC?)-? ..."
Erläuterung: • JN d.i. hebräisch ''jN, nicht aram. WN oder arab. ~3N (das im Sinaischen mit H
finale geschrieben worden wäre) „Ich (bin)": Der gewöhnliche Anfang semitischer Inschriften, mag
aus ihnen ein Lebender sprechen oder ein Toter; vgl. dazu Nr. 349, Z. 1. Es folgt der sehr auffallende
Name des Sprechers: PiCüTIjD, worin njc „Dornstrauch" und ~b!^ „sein Name" = seine Manifestation
sted^en. Eigennamen mit dem Komponenten CK' = „Cgöttlicher) Name" kennen wir aus dem älteren
Hebräisch und Südarabisch (von wo sie mit der I. babylonischen Stadtdynastie nach Babylonien ge»
kommen sind), vergl. bibl. '"•<^f:K', VT:?', I^^"'-;!^', südarab. ^imctf, pE:xr,cti', nc^NHCl^', babyl. Sumu-
la-ilu, Sumu-abu; sie sind in allen Fällen theophorer Art. So muß ri?:it' (zu dessen Suffixschreibung
altbiblische Schreibungen, wie ri"i''3^, rimc Genes. 49, 1 1 zu vergleichen sind) hier bedeuten „sein
C= eines Gottes) Name" oder „Manifestation". Der hier gemeinte Gott manifestiert sich nun im m^P,
d. i. „Dornstrauch". Damit stehen wir auf dem religiösen Boden von Exodus cap. 3, wo der „Engel"
Jahwes dem Moses in einer Waberlohe, die aus dem Sanae-Strauche kommt, erscheint und Gott aus
diesem Strauche zu ihm spricht (v. 2, 4); müssen aber auch Ägypten im Auge behalten, wo derselbe
58
Strauch unter dem Namen Nbs *') aem Gott Sapdu vom Nomos Arabia und jedenfalls auch vom
Tempel auf Serabit-el-Hadem Attribut und Wohnstätte war. Wie weit sich die beiden Gottheiten,
deren Attribut der heilige Dornstrauch war, in ihrem Wesen glichen, wird später zu untersuchen sein.
Hier kann es genügen, den Mann, der den Namen „Der Dornstrauch ist seine Manifestation" trug
und unweit des Sapdu-Heiligtums seine Grabtafel bekommen hat, als einen besonderen Verehrer des
Sapdu zu bezeichnen; nach seinem Namen werden wir dem Sapdu vom Sinai das Baum-Attribut des
Sapdu von Pi-Sapdu im Lande Goschen zuschreiben dürfen, auch wenn es bisher in Schrift und Bild auf
dem Sinai noch nicht gefunden ist. Hinter dem Namen nctI'n:D zeigt ein Beth (als Rest von ]- „Sohn"),
daß weiter der Vatersname genannt war. Davon ist nur ein Saut deutlich, ein Jod C?} und ein Taw spuren-
weise erhalten. Ob es einen Eigennamen gibt, in den •BTi^- ungezwungen hineinpassen, wird bei
Nr. 349 uns zu beschäftigen haben.
B3
TT
-T
n
w
V
li
Buchstaben: Gimel (nach rechts offen). - Nahas I CKopf nach links aufgerichtet). - Jod (sehr
gedrungen, so daß die Rückenlinie zu der gewellten Standlinie steil abfällt). - Ajin (ohne Pupille)
mit Lawe ligiert, wobei dieses ausnahmsweise die Schnecke nach unten kehrt. - Gimel (wie in Z. 1). -
Saut - LaweOiegend, Schnecke links). - Tawl. - Beth I. - Samekh (unter Z. 1 und 2 breit gelagert, als
Fisch sehr groß und naturalistisch ausgeführt). - Nahas 1 (Kopf nach links aufgerichtet, Hinterleib
fast horizontal). - Unter Nahas ein Buchstabe, dessen linke Hälfte wohl mit einem abgesprengten
Stück der Tafeloberfläche verloren gegangen ist; aus der horizontalen Standlinie mit vielleicht einem
Stück Rückenlinie ist auf Jod zu schließen. - Beth I. - Ajin Cmit großer Pupille). - Daleth (horizontal
liegend, mit rechteckigem, nach oben gekehrtem Zapfen, was auch die Handkopie bietet: also nicht
Lawe, wie bisher angenommen wurde). - Taw I. - Links davon: He (mit Beinlinie nach rechts). -
Auf der anderen Seite des Taw: Nahas I (Leib mit Kopf steil nach links aufgerichtet). - Hauth (mit
kleinem Blütenkopf an langem gewellten Stengel, entsprechend dem Nahas nach links gerichtet). -
Von der Beinlinie des He zieht sich bis zum unteren Teil des Hauth eine in der Mitte bauchig nach
unten gehende Linie; sollte sie Buchstabencharakter haben, so wäre am ehesten an Mem zu denken.
Man könnte vermuten, daß Zeile 3 ursprünglich noch über den schrägen Bruch im Steine hinaus
gereicht habe; aber da die Übersetzung die Unversehrtheit der gegen Zeile 1 ebenfalls kürzeren
Zeile 2 dartut, so mag der Schreiber die dritte Zeile wohl auch nur bis an den Bruch hinaufgeführt
haben, und wird die Übersetzung dem Rechnung tragen.
+) Es ist von Dr. L. Keimer unter Mitarbeit von Prof. Sdiweinfurt mit Sicherheit festgestellt, daß es sich bei Nbs Cund dann wohl auch
bei Sanae) nur um Zizyphus spina Christi handeln kann.
59
Übersetzung: „Mein Grab ist auf der Spitze in Sinai, innerhalb der Gemeinde der RuheC-nden?}."
Erläuterung: Sanesamo redet weiter: „Mein ''J3 ist auf r'^ii'J in )jD". Das "IJ^ „beigesetzt" vom
Kopfende der Tafeln Nr. 352 und 353 reizt dazu, eine Bildung der gleichen Wurzel zu Beginn unseres
Inschriftenstücks zu vermuten. Sollte rechts vom Jod ein Zajin anzunehmen sein, so daß die Form ''üJ
,, meine Beisetzung ' lautete? Ich vermeide diese etwas gewaltsame Lösung der Schwierigkeit, da
sich von Seiten des arabischen Lexikons ein Nomen gananu „Grab" Czum Verbum aganna „begraben '
bzw. zu ganna ,, zudecken"} darbietet, und dieses ebensogut die Stelle erklärt wie ein U3. Statt
,,mein Grab könnte auch ,,mein Begrabensein' gemeint sein. Die Bedeutung von P'ti'j ergiebt sich
aus seiner Vergleichung mit babylonisch gisallu ,, Spitze (des Berges}' , zumal da ein geographischer
Name folgt ; zur Verwendung der Status-constructus-Form vor der Präposition ^ liefert das Bibel-
Hebräische zahlreiche Beispiele, wie 2. Samuel 1,21 V.-^i^ ^~).\} „Ihr Berge in GilboaJ". In einer
solchen Konstruktion hat der erste Begriff stets als determiniert zu gelten, so daß hier zu übersetzen
ist: „auf der Spitze in Sinai"; also kannte der Schreiber nur eine Bergspitze im Sinaigebiete, was für
die später zu behandelnde Frage nach dem Begriff Sinai von Bedeutung ist. Die Ergänzung von pC2
zu "'jDZ; kann unbedenklich vorgenommen werden, da ein Ortsbegriff verlangt wird und der Ausdruck
„auf Sinai zu den häufigsten unserer Inschriften zählt. Aus der das Maß der übrigen Buchstaben
weit überschreitenden Größe des Samekh könnte geschlossen werden, daß der Begriff Sinai besonders
hervorgehoben werden soll; mir liegt es jedoch näher, darin ein Anzeichen der formalen Unaus-
geglichenheit des Sinaialphabetes, also auch seiner Jugend zu sehen.
Das Begraben auf Bergeshöhe wird kaum einen anderen Zweck gehabt haben, als einem Toten
eine sichere, gegen Entweihung und Zerstörung geschützte Ruhestätte zu schaffen. Wenn hier
nur Einem unter Mehreren eine solche zuteil geworden ist, so wird dieser sich von den Anderen
durch irgend einen Vorzug unterschieden haben. War Sanesamo etwa von vornehmerer Herkunft als
Joseph und die Anderen? Oder stand er dem, der die sinaitischen Totentafeln gesetzt hat (vergl.
weiter Nr. 350} besonders nahe, vielleicht weil er sein Sohn war?
Man mag die Bestattung in einem Berggrabe ägyptisch nennen, da z. B. die Pharaonen der
XVII.-XXI. Dynastie alle fern von den Städten Ägyptens in der Bergeinsamkeit von Biban-el-Muluk
beigesetzt worden sind; jedenfalls entsprach sie auch althebräischer Sitte. Die Bibel läßt Aaron auf
dem Berge Hör sterben und begraben werden CNum. 20, 25-28}, und verlegt auch das Sterben des
Moses auf einen Berg (Deut. 32, 48 ff.}. Wenn eine Schlußbemerkung des Buches Deuteronomium
von seinem Tode im Lande Moab und seinem Grab „in dem Tale im Lande Moab gegenüber Beth
Pe'^or" redet, so wird der Wert dieser Angabe sehr durch den Zusatz beeinträchtigt, daß niemand
bis auf den heutigen Tag sein Grab kenne. In dem Bericht vom Tode Aarons wie Moses' wird außer
von seinem Sterben auch von seinem Versammeltwerden zu den C^t^V. geredet; mag das nun „Vor-
fahren' bedeuten - wie es üblicherweise übersetzt wird « oder auf eine andere uns unbekannte
Totengemeinschaft gehen, so setzt der Ausdruck doch die Idee eines gewissen Fortlebens nach dem
Tode voraus. Damit nahe verwandt ist nun die Phrase, womit auf unserer Inschrift Sanesamo die
Rede von seinem Begrabensein schließt: nj" myi (nin n~y?} „in der Gemeinde der Ruhe" oder,
wenn wir uns entscheiden, die unterste Linie auf dem Steine als Mem zu lesen, cn:n rnj/2
(]cn3~l niy?} „in der Gemeinde der Ruhenden". Die Gestorbenen bilden hiernach eine „Gemeinde"
Ci^iy}. deren Mitglieder ruhend weiterleben, ganz so, wie die Bibel CProverb. 21, 16} von dem
„Ruhen" (m:} in der Gemeinde der Todesschatten C^''>'?1 ''"R?) redet. Was wir als cn:n lesen, wird
kaum etwas Anderes sein, als das biblische Caj; oder C\S?~i. Das aber läßt die ägyptische Anschauung
vom Totenzustand, wonach das Weiterleben auch ein Weiterarbeiten und Weitergenießen ist, hier
60
fernab liegen, und hiermit erweisen sich die sinaitischen Insdiriften trotz ihrer äußeren Zusammen-
gehörigkeit mit Ägyptens Sdirift und Kultur doch als Erzeugnisse des semitischen Geistes, wie er
uns besonders aus der israelitischen P'rühzeit anweht, und wir erhalten dadurch ein Redit, ebenso-
wohl, wo es nötig scheint, das Sinaitische mit dem Israelitischen, wie dieses mit jenem zu erklären.
Wem die Konstruktion , .begraben sein auf dem Gipfel in Sinai in der Gemeinde der RuheC^nden)"
etwas zu sehr mit präpositionalen Ausdrüdcen belastet vorkommt, der mag annehmen, über ri~]12
seien infolge des Ausfalles eines keilförmigen Stückes der Tafel einige Buchstaben verloren gegangen,
die ein Wort entsprediend dem ägyptischen k^ „Totengeist" gebildet hätten. Mir scheint eine solche
Annahme unwahrscheinlich und unnötig. -
Die uns befremdende Weise, daß ein Gestorbener auf seiner Grabinschrift in der ersten Person
redet, war in der semitischen Welt ganz gebräuchlich. Es braucht dafür nur an den Anfang der
Inschrift vom Sarge des Eschmunazar erinnert zu werden: „Es spricht E., König der Sidonier: Ich
wurde dahingerafft zur Unzeit . . . und ruhe in diesem Sarkophage".
Nr. 350 C=9} Tafel 17.
Tafelreste mit zwei Vertikalzeilen, neben denen links Zeilenriditlinien gezogen sind. Nicht als
Richtlinie, sondern als alte Randlinie, die der Steinmetz zu Gunsten einer mehr rechts liegenden
aufgegeben hat, hat eine die Zeichen der ersten Zeile mehrfach durchschneidende, oben nach links
ausbiegende Linie zu gelten. Die Tafel trug ursprünglich fünf bis sechs Zeilen Schrift, wie es die
Situationsphotographie, auf der der ganze untere Rand sichtbar ist, deutlich macht. Von den Buch-
staben der Zeilen 3-6 ist nur ein Beth, das wohl dem Schluß der letzten Zeile angehört, erhalten.
Der folgende Versuch, die Inschriftreste zu lesen, berücksichtigt nicht die in einem ganz unleserlichen
Zustande befindlichen Buchstaben des letzten Drittels von Zeile 2.
Buchstaben: Aleph I. - Lawe
Cauffällig lang heruntergezogen, oben
mit kleiner hakenförmiger Schnecke}.
- Zajin (nach links geöffneter Winkel,
dessen Spitze das Ende des Lawe
streift; doch könnte eben so gut ein
kürzerer, links von der alten Randlinie
beginnender als Zajin angesprochen
werden}. - Mem (jmit sehr unregel-
mäßigen Zackengipfeln; doch wohl
sicher}. - Nahas I Cmit nach rechts
aufgebogenem Halse und auffällig stark herabge-
krümmtem Schwänze: deshalb nicht ganz sicher}. -
Saut (auch vom Kopisten deutlich gelesen}. - He
(trotz Verlustes der Beinlinie mit Hilfe der Arme
und des Kopfes sicher herzustellen}. - Lücke (viel-
leicht etwas größer anzusetzen, als die jetzige
Anordnung der Tafelstücke sie scheinen läßt}
mit Raum für ungefähr zwei Buchstaben. - Beth 1
2ü: n
n2
.V 'TIN ni
61
(nur mit der unteren Hälfte erhalten, dodi wohl sicher}. - Taw I. - Kleine Lücke mit Platz für ungefähr
einen Buchstaben. » He Cnur die auffällig aufgebogene Beinlinie erhalten, die geradeso bei dem He
von Zeile 2 wiederkehrt}. - Rechts davon eine kleine geschlängelte Linie, die besonders auf der Hand-
kopie den Eindruck des Halses eines Nahas I macht. - Nahas I (Hals nach links aufgerichtet; auf der
Situationsphotographie ganz deutlich}. - Sadas. - Beth II C^it Punkt im Innern; auf der Situations-
Photographie genügend deutlich}. - Zeile 2: Oben etwas wie ein schrägstehendes Waw (?} und ein
He oder Taw I. Dann Aleph I (sehr groß und deutlich}. - He Cmit aufgekrümmter Beinlinie; links
von der Krümmung stößt das rechte Horn des zweitfolgenden Zeichens Aleph I an den Buchstaben}. ~
Lawe (dem von Z. 1 sehr ähnlich, durchschneidet das folgende Zeichen; könnte auch etwas Anderes
bedeuten}. " Aleph I Cnut mit Hörnern und Stirne erhalten: unsicher}.
Übersetzung: Zeile 1: „Diese (plur.!} hat M"nC?}-ä-h, [der Hauptmann] des Tempels von
[• Oh errichtet."
Zeile 2: [■ • •] die Familie C?} • • •
Erläuterung: Zeile 1 bietet einen Satz, in welchem das Objekt als der wichtigste Satzteil vor-
aufgesetzt ist und das Verbum den Schluß bildet; dazwischen steht das Subjekt mit appositionaler
Erweiterung. Als Objekt dient das Pronomen i'^N. Da vom Hebräischen her '1~ C~i?~} "nd ^T2~
als Verstärkungen der Demonstration "i und 'il C= '"'»^O bekannt sind, so darf man in unserem HN
wohl die von "^N „diese Cplur.}" erblicken. -KJ ist der typische Ausdrucic für das Errichten eines
Steindenkmales im Phönizischen, Aramäischen und Arabischen, endlich auch im Hebräischen, wo sich
aber statt des Kai die hiphilische Bildung -V'? eingebürgert hat. Das pluralische Objekt „diese da '
verbietet, daran zu denken, daß die Inschrift von der Errichtung der vorliegenden Tafel spreche; es
weist vielmehr auf die in der Nähe befindlichen Grabtafeln hin, die demnach von einem Manne
zur gleichen Zeit gesetzt worden sind. So wird auch das Sterben der vier Leute, von denen auf den
Tafeln 353, 354, 355, 352, 352 a die Rede ist, in einem inneren Zusammenhange gestanden haben, zu
dessen Erkenntnis erst noch die Erklärung von Nr. 349 und 35 1 zu geben sein wird. Als Urheber der den
Toten gewidmeten Tafeln nennt sich bescheiden in der dritten Person ein Mann namens nu'^C. Dieser
wird kaum ein Anderer sein als der "ii'iC, dessen ,, Schreiber" oder „Steinmetz der Joseph von
Nr. 353 war; aber auch für seine Gleichstellung mit dem TiB'JC, für dessen „Wohlergehen' die
Hoci^erstatue Nr. 346 der Hathor geweiht worden ist, liegt ein fast zwingender Grund vor. Letzterer
führt den Titel „Oberster der Minenarbeiter". Daß dieser Titel in der schlechterhaltenen Stelle
hinter H^'JC nicht zu lesen ist, scheint sicher ; vergleicht man aber Zeile 3 der gleich zu behandelnden
Inschrift 349, wo ein längerer Titel mit den Worten PiZ ~)D „Hauptmann des Tempels" beginnt, so
wird man ohne große Bedenken das . . PD . . unserer Inschrift zu P^ ~:C ergänzen und damit den Htt'JO
zum „Hauptmann des Tempels von . ." machen. Da der PI! "!□ von Inschrift 349 aber in erster
Hinsicht CJ2N J2T „Oberster der Minenarbeiter" ist, die beiden genannten Titel sich also nicht
ausschließen, sondern gut zusammen passen, so können wir schließen, daß der ,, Oberste der
Minenarbeiter" ~w:c von Nr. 346 mit dem „Hauptmann des Tempels . ." "B'JD unserer Tafel eine
und dieselbe Person darstellt.
So kann Zeile 1 trotz ihrer schlechten Erhaltung wohl für im wesentlichen erklärt genommen
werden. Dagegen bleibt Zeile 2 durchaus dunkel. Die einzig sicheren Buchstaben nx könnten mit
dem ungefähr sicheren '^ zusammen ein "^riN* „ZeltC-genossenschaft}" ergeben. Die vorhergehenden
beiden Zeichen könnten als Hl „wehe" gedeutet werden. Welchen Gedanken Zeile 2 enthält, ließe
sich vielleicht nach Bestimmung der Zeichen der unteren Hälfte von Zeile 2 ausmachen, wozu aber
an der Hand unserer Photographie und Handkopie nicht zu gelangen ist.
62
c} Paralleltexte.
Nr. 349 C= 83 Tafel 19 und 20.
Diese längste und wichtigste der altsinaitischen Inschriften besteht aus sieben horizontalen Zeilen,
die durch Richtungslinien von einander getrennt sind. Die Folge der Buchstaben innerhalb der
Zeilen ist im allgemeinen linksläufig; doch stehen nicht selten mehrere Buchstaben übereinander,
die meist von oben nach unten zu lesen sind. Alle Zeilen scheinen ursprünglich voll von Rand zu
Rand der Tafel ausgeschrieben gewesen zu sein; in Zeile 6 überschreiten zwei Zeichen den rechten
Tafelrand. Da die Tafel nach unten bogig abschließt, so sind die Zeilen 6 und 7 gegenüber den vorher-
gehenden etwas kürzer. Mitten unter Zeile 7 steht noch ein einzelnes Zeichen. Die Buchstaben
sind ziemlich tief in den Stein ^ _ - -_
eingeritzt; wenn die Photographie
ihre Umrisse erhaben erscheinen
läßt, so beruht das auf fehlerhafter
Bestrahlung des Steines im Augen-
blicic der Bildaufnahme. So können
die genauen Umrisse der Buch-
staben nur bei auf den Kopf gestell-
ter Photographie erkannt werden.
Infolge von Verwitterung des Ge-
steins hat besonders die linke
Hälfte der Inschrift gelitten; auch
zeigt die rechte Seite innerhalb
eines von Zeile 4-6 laufenden
schmalen Streifens Abreibung der
Oberfläche. Doch rechtfertigt die
Beschädigung lange nicht die vom
HandkopistengeübteBeschränkung
der Wiedergabe der Inschrift auf
etwa 20 Buchstaben, welche Zahl
schon allein die beiden ersten Zeilen
bei genauem Studium ergeben.
Ich stelle besserer Übersicht
halber eine Durchzeichnung der
ganzen Inschrift samt ihrer hebrä-
ischen Umschrift vorauf, um dann
Zeile 1.
-iLr-p:c^
:0ia''ajni»'i)2//Tn in
daraus Zeile für Zeile einzeln zu wieder-
-\ holen und in der Weise der früheren
Inschriften zu behandeln.
63
Buchstaben. Aleph 1 (über den Hörnern ein diademartiger Aufsatz, wie er der Hathor von
Sinai nach zahlreichen von FHnders Petrie aufgefundenen und in seinen „Researches" abgebildeten
Weihstücken eigen war}. - Nahas I (trotz starker Verwitterung unverkennbar; Hals nach rechts auf-
gerichtet). - Hauth (nach redits geöffnet). - Jod (ohne Standlinie, oben einfach gegabelt). - Taw I. -
Saut (die Seitenbögen nicht mehr ganz erkennbar). ^ Pas (längliche Raute). - Saut (rechter Seiten-
bogen nur noch eben sichtbar, nicht zu verwechseln mit dem an der linken unteren Ecke des Pas
ansetzenden zum folgenden Hauth gehörigen Bogen).- Waw (hier mit Saut zu einem Zeichen
ligiert, siehe Zeile 4). - Hauth (nadi rechts geöffnet; mit den folgenden zwei Zeichen aus Mangel an
Raum unterhalb von Pas und Saut untergebracht). - Nahas I (Hals nach rechts aufgerichtet). - Mem
(nur in geringen Spuren noch nachzuweisen). - Von den den äußersten linken Teil der Zeile füllen-
den Zeichen sind deutlich nur ein in der Höhe des Pas stehendes und ein von Saut-Waw sich abwärts
schlängelndes Mem sichtbar, die - wie alle Mem von Nr. 349 - nicht Zacien-, sondern Wellengipfel
zeigen. Zwischen beiden nahe dem Rande etwas wie Nahas I; über dem oberen, in den Schatten,
der den oberen Tafelrand bedeckt, hineinreichend, sowie unter dem unteren noch Spuren von Zeichen.
Übersetzung: „Ich bin Hjtspswhnm -m-m-"
Erklärung: 3N, d. i. hebräisch ^ani mit ungeschriebenem i (j), „ich" - wie zu Anfang von Nr. 352.
Es folgt ein langer, in allen seinen Teilen uns durchaus unsemitisch anmutender Eigenname. Aus
seiner ersten Hälfte Hjtspsw geht mit Sicherheit hervor, daß wir hier etwas dem Prunknamen der
Tochter des Thutmosis I. und Gemahlin des Thutmosis III., der von 1501-1480 regierenden Pharaonin
H^tspswt (= "Erste der Favoritinnen")
lautlich genau Entsprechendes vor uns haben; denn ägyptisch h = sem. ", 5 = sem. j (neben 5<),
t = sem. r, s = sem. tJ», p = sem. S, s = sem. ^ (neben D), w = sem. 1. Das ägyptische Aus-
lauts-t war um die Mitte des zweiten Jahrtausends in der Aussprache schon verschwunden. Der
Name der Pharaonin zeigt in seiner ägyptischen Vollschreibung noch den Zusatz
hnm?mn (= „zugesellt zu Amon"),
der uns in den weiteren Buchstaben unserer Zeile CC^n zweifellos geboten wird; denn ägypt.
h = sem. n, n = sem. J, m = sem. C. Der fehlende folgende Buchstabe war nach Zeile 4 sicher ^ das,
wie im ersten Teil des Namens, sem. Ersatz für ägypt. 5 sein wird. Da weiter "C zu ägypt. m stimmt,
so muß der folgende nicht mehr deutlich sichtbare Buchstabe j gewesen sein. Somit tritt uns in
einer über jeden Zweifel erhabenen Deutlichkeit und Genauigkeit der nur einmal in der ägyptischen
Pharaonenreihe vorkommende Name H^tspst-hnm^mn (= Hjtspsw -hnmjmn) entgegen. Und doch
ist nicht die große Pharaonin, die in zahlreichen Inschriften des Hathor- Sapdu -Tempels auf Sinai
redend auftritt, hier als Sprecherin anzusetzen; dagegen zeugen die in Zeile 2 und 3 folgenden Titel.
Es kann auch kein anderes mit der Pharaonin gleichnamiges Weib darin stecken, weil die Titel nur
auf eine männliche Person passen. Wer möchte aber den höchst seltsamen Fall annehmen, daß ein
Mann den Namen einer (eventl. seiner) Königin zu dem seinigen gemacht hätte? Alles Seltsame
an dieser Benennung schwindet jedoch, wenn wir beachten, daß über den Langnamen der Pharaonin
hinaus noch ein deutliches - m, und darunter eine undeutliche Buchstabenspur sich zu erkennen giebt.
So liegt ein mit dem Vollnamen der Königin komponierter Name vor, dessen zweiter Teil nach
seinem Anfangsbuchstaben und seiner aus dem geringen ihm zugewiesenen Zeilenraume zu schließen,
kaum anders als - ms (in semitischer Schreibung ms) „Sohn" gelautet haben wird. Diese Ergänzung
liegt um so näher, als die Nämensbildung mit -ms gerade zur Zeit der H^tspswt- sehr beliebt
geworden war, wohl um die in der Zeit des mittleren Reiches äußerst häufige Parallelbildung mit
64
s^ „Sohn" durch eine unabgenutzte Wortform zu ersetzen. Zwei dahin gehörige, mit deutUdiem
-ms C~ ti'^3 geschriebene Eigennamen werden uns noch bei Behandlung der Inschrift Nr. 351 begegnen.
Dabei braucht man den Mann, der sich „Sohn der H^tspswt-hnm^mn" nennt, nicht gerade für einen
leiblichen Sohn der Pharaonin zu halten; der Name könnte recht wohl auch einen Adoptivsohn oder
einen ihr sonst Nahestehenden decken. Auf alle Fälle war er ein Zeitgenosse der Königin; denn als ihr
Gemahl und Nachfolger Thutmosis III. gleich nach seinem Regierungsantritt ihr Andenken ächtete, da
war für lange Zeit die Möglichkeit, in Eigennamen an sie wieder anzuknüpfen, besonders für höhere
Beamte, zu denen nach den zwei folgenden Zeilen zu schließen, unser „H.-Sohn"gehört hat, abgeschnitten.
Zeile 2.
o:hit 2:2*1
Buchstaben: Re« (ob mit Augenandeutung?} - Beth I. - Nahas I (Hals nach links gehoben).
Aleph I (beide Hörner ungeschickterweise nach derselben Richtung hin gekrümmt; Kopfform auf
den ersten Blicic oval, doch bei genauem Besehen tritt auch die längliche Schnauze aus der Photo-
graphie hervor). Die Dublette der ganzen Buchstabenfolge auf der Seiteninschrift von Nr. 346 bietet
Nahas I mit Rechtsrichtung und Aleph II: ein deutlicher Beweis für die nur von Zufälligkeiten ab-
hängige Verwendung der Buchstabendubletten und Richtungsverschiedenheiten. - Beth I. - Nahas I
(Hals nach links gehoben}. - Die folgenden Zeichen haben alle - ein tief stehendes Nahas I mit nach
rechts gehobenem Halse etwa ausgenommen - so sehr gelitten, daß ihre Bestimmung mehr von dem
abhängt, was die Dublette auf Nr. 346 zeigt, und was man zur Ergänzung des Titels ungefähr ver-
muten darf, als von eigentlicher Lesung. So mag uns das horizontale Zeichen hinter Nahas I als Mem
gelten, die Wellenlinie an der oberen Richtlinie ebenfalls als Mem, die Schlangenlinie darunter als
Nahas I (mit Hals nach rechts}, der folgende Komplex mehrerer (zwei?) kleiner Rauten als Samekh,
die Schlange rechts unten davon als Nahas I Cmit Hals nach rechts}, endlich das nach links aufsteigende,
besonders arg verwitterte Zeichen als Jod der Form, wie es Zeile 1 bietet. Wer aber nur sicher zu
Lesendes gelten läßt, lasse diese ganze Stelle für die Erklärung bei Seite.
Übersetzung: „Oberster der Minenarbeiter (vom Sinai?}."
Erklärung: Es kann kein Zweifel sein, daß uns hier derselbe Titel entgegentritt, wie wir ihn auf
der Seiteninschrift von Nr. 346 als Charakterisierung des Mannes "tt'jo fanden. Am Schluß der
Phrase war dort deutlich ^^ - zu lesen, was zu nichts anderem als zu einem ^JD paßt; hier finden wir
ein dementsprechendes J, ein allenfalls noch erkennbares C, doch vom ' nur eben eine Spur.
Wenn auf Nr. 346 das Wort '-[d] durch - „auf" eingeführt worden ist, so gestattet der epigraphische
Befund hier höchstens die Annahme eines i'- „von"; für den Sinn macht diese kleine Wortverschieden-
heit kaum etwas aus.
Zeile 3.
' 3D 'Trr^' rOKn T)-D.-)0
Buchstaben: Samekh (mit Schwanz, Bauch- und Rücicenstadiel}. - Res Cwie in Zeile 2}. - Beth II
(mit zwei oder drei, nach dem Kopisten gar vier Zierspitzen}. - In seinem Inneren: Taw I, wodurch
die Ligatur 02 entsteht. - Mem. - Aleph II Cganz wie das von Zeile 7, - ob ohne Querstrich?}. - Nahas 1
65
(Hals nach rechts gehoben; der Strich darüber ist wohl das Ende eines schon in Zeile 2 beginnenden
längeren Ritzes}. - He CBeinlinie weit nach links gezogen, rechter Arm besonders lang}. - In dem
folgenden Gewirr von Linien treten drei Zeichen deutlicher hervor: Jod (ohne Standlinie und ganz
wie in Zeile 1}. - He Csdiräg nach links gelegt, sonst normal}. - Waw-. - An sicheren Zeichen sind weiter
wohl noch vorhanden: Samekh (mit Schwanz und Bauchstachel; streift oder durchbricht mit dem
Rücken die obere Richtungslinie}. - Darunter Jod (wie vorher}. - Weiter rate ich (teilweise aus dem
sprachlichen Zusammenhange} auf Mem On der Verlängerung des Nahas I über He} und Nahas I links
vom Ende der Beinlinie des He (durchbricht die untere Richtungslinie}. - Unter den beiden Jod noch
eine Buchstabenspur.
Übersetzung: „Hauptmann des Tempels des Ma^naCh} [und] des Jahu [vom] Si[n]ai."
Erläuterung: Dem Titel von Zeile 2 folgt ein weiterer, der auf ein Tempelamt geht, nämlicfi
PI ID. no ist sinaitische Schreibung für bibl. ~t' (vergl. Nr. 346 {<i:iD = bibl. Nijtr}, und H- kann
kaum etwas anderes sein als bibl. n'5, d. i. Status -constructus- Form von H'? „Tempel". Wir
haben es hier allem Anscheine nach mit einem auf die Verwaltung des Tempelgutes gehenden
Titel zu tun, dessen Träger nicht zur Priesterschaft (knb-t} des Tempels gehörte, sondern Laien-
charakter hatte; denn abgesehen von nachexilischen Büchern, bezeichnet die Bibel mit lii- stets einen
höheren Beamten weltlichen Standes, z. B. Obersten einer Stadt, einer Burg, einer Provinz oder der
Leibwache, der königlichen Mundschenken, Bäd<er, Trabanten u. a. Über die ägyptische Wortform
dieser Titulatur wie die der Zeile 2 werden die Ägyptologen unter Berücksichtigung der Zeit-
Verhältnisse der Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr. zu entscheiden haben. - Der Status-
constructus-Form P- folgt zunächst der uns schon von Nr. 353, rechte Zeile, bekannte Gottesname
"jNC, der für sich allein oder in Begleitung von r/^ys „Herrin", „Göttin" die semitische Bezeichnung
der ägyptischen Hathor war, ob auch beide Göttinnen von Haus aus verschiedenen Wesens sein
mögen. Zwischen dem Gottesnamen Ma'na und dem Titel und Zeile abschließenden Ortsbegriffe
^JD = Sinai, der zur Kennzeichnung des Tempels unentbehrlich war, steht nun eine Budistaben-
gruppe, die nichts mit einer Apposition zu der genannten Göttin, also etwa ^'V^, oder ihrem
ägyptischen Namen "nnrn zu tun hat. Was sie enthält, rechtfertigt es, daß wir sie in der Originalform
noch einmal vorführen:
In ihr sehe ich das älteste Zeugnis für den biblischen Gottesnamen i~' = Jahu, ein Zeugnis,
das um so schwerer wiegt, als es vom Sinai, der Wiege des israelitischen Jahwas-Kultes, herstammt.
An der Richtigkeit der Lesung dürfte nicht zu rütteln sein. Die drei Buchstabenformen geben sich
genügend deutlich; und daran, daß ein tiefer stehendes ''vor den über ihm gesdiriebenen H und 1 zu
lesen ist, ist kein Anstoß zu nehmen, weil auch in der folgenden Zeile sich Ähnliches mit ' und
darüberstehendem ti' wiederholt. Die Nennung Jahu's an dieser Stelle wirft nicht nur ein helles
Schlaglicht auf die Berichte der Bibel über die Ereignisse, die mit dem Exodus der Israeliten aus
Ägypten zusammenhängen, sondern sie löst auch das große religionsgeschichtliche Problem des ur-
sprünglichen Wesens des Jahu (allerdings nicht auch das des Jahwael}- Der Sinaitempel hatte, wie
seine Anlage, seine Inschriften und bildlichen Darstellungen beweisen, zwei göttliche Bewohner,
die Göttin Hathor und den Gott Sapdu. Die Semiten, die den Tempel besuchten, verehrten in
66
Hathor ihre Ma^na: das steht nadi Früherem genügend fest. Andrerseits war für sie der Gott, den
die Ägypter Sapdu nannten, Jahu 0~0: das sagt uns die Namensfolge Ma^na - Jahu zwischen
„Tempel" und „Sinai" in voller Deutlichkeit. Damit wird das, was Daniel Völter (Zeitschrift
für die Alttest. Wissenschaft XXXVII, Seite 126-1333 aufgestellt hat, „daß der ägyptische Sopd
und der israelitische Jahwe trotz der Versdiiendenheit der Bezeichnung ein und derselbe Gott
sind", aus einer Hypothese zur bewiesenen Tatsache - mit der Einschränkung, daß wir von Jahwae
zunächst garnichts wissen, als was ich schon seit vielen Jahren vertreten habe, nämlich seine sprach^
liehe Herkunft von Jahu (nicht umgekehrt}), und daß nur der Jahu an Sapdu seine ägyptisdie Ent-
sprechung hat. In einem späteren Abschnitt wird über das hier gewonnene Ergebnis unter Einschluß
des biblischen Gottesnamens ''~!i' Weiteres zu sagen sein. « Nachdem alle Hauptbegriffe von
Zeile 3 bestimmt sind, steht ihrem Verständnisse kein Hindernis mehr im Wege, obgleich noch zwei
kleinere Einzelheiten fraglich bleiben. Steht zwischen Ma^na und Jahu ein Waw = „und", und ist
die Nennung von "'JO durch ]'- „von" eingeleitet? Vom biblisch -hebräischen Sprachstandpunkt aus,
dem wir von Inschrift zu Inschrift uns immer mehr nähern, wäre beides zu erwarten, und man
könnte im Schriftbilde auf einige dahin weisende Schriftzüge den Finger legen. Aber da es sich um
begriffliche Kleinigkeiten handelt, so wird man ruhig abwarten können, welchen Entscheid hierüber
einmal das Herantreten an das Original der Inschrift bringen wird.
Zeile 4.
^a^^Hm"eJWF^7rn!7ya2-Kn"
Buchstaben: Mem (auffällig hängend). - Aleph II (Basis vielleicht mit der Oberseite des Beth
zusammenfallend; erkennbar besonders am Querstrich}. - Links von Mem: He (ungewiß, da die
obere Partie stark verwittert erscheint; die Beinlinie in der Art des He von Zeile 3). - Beth I (mit
einer Figur im Innern, die an ein Kreuz [Taw I] erinnert, doch vielleicht nur ein zur Querlinie er-
weiterter Punkt ist). - Links davon läuft die strichartige Vertiefung im Steine, wodurch wenigstens
ein Zeichen unlesbar geworden ist. - Lawe (nach links geöffnet, Schnecke unbestimmt). - Taw II
(zwischen dem Blütenkopf des Hauth und unterem Taw II). - Hauth (im Gegensatz zu drei vorher-
gehenden Hauth mit nach links geöffneter Blüte; Stengel zur oberen Trennungslinie hin leicht
gewellt). - Jod (oben einfach gegabelt; am entgegengesetzten Ende ein längerer Dorn [Schwanz];
Standlinie in spitzem Winkel angesetzt). - Taw II. - über Jod: vielleicht Saut (linker Seitenbogen
kaum erkennbar). - Pas (länglich schmale Raute). - Saut (linker Seitenbogen zum Kreis erweitert,
um den herum der Stein angefressen ist; unter Vergleichung der in gleicher Umgebung stehenden
Ligatur ilf von Zeile 1 jedenfalls als ligiertes Waw zu erklären). - Unter Pas und Saut: Hauth (nach
rechts geöffnet, mehr stehend als liegend). ~ Rechts davon: Nahas I (Hals nach rechts gehoben: fast
nicht mehr zu erkennen). - Mem (in langer Schlangenlinie vom Scheitel des Winkels des Jod her-
kommend). - Jod (ohne Standlinie, wie das erste von Zeile 1). - Mem (horizontal gewellt). Darunter
noch Raum für ein Zeichen. - Was die Handkopie bietet, ist gänzlich verlesen: ein Ochsenkopf aus
den drei Zeichen Hauth, Taw, Lawe, die Hieroglyphe K aus der rechten Ecke des Jod und Taw.
Übersetzung: „(Du,) Ma^lohlaM-Bai^aJlet Hjts(?)psw(?)hn(?)mjm-"
67
Erklärung: Mit der dritten Zeile ist der erste Teil der Inschrift zu Ende, der entweder den
Zweck hat, eine Persönlichkeit mit Namen und Titeln einfach vorzuführen, oder - was wohl näher liegt -
sie als Sprecher des Folgenden zu bezeichnen, so daß dahinter etwa das Verb ^CN „(bin) sprediend"
zu ergänzen wäre. Nun setzt Zeile 4 mit einer Anrede ein und zwar an jemand, von dessen Namen
uns als bereits früher gelesen in die Augen springt:
Das ist der Eigenname von Zeile 1 bis auf dessen letzten beiden Buchstaben:
• c•c•D0^1t^*ctf■n■^
Durdi diesen wird jede Unsicherheit der Bestimmung des t?' und i. von Zeile 4 beseitigt, während
andrerseits durch das sichere Jod gegen Ende der Zeile 4 das in Zeile 1 von uns nur geratene Jod
gesichert wird. Zwang uns das •?- des Schlusses von Zeile 1 zur Annahme, daß nicht etwa die
Pharaonin Hjatsepsu hier redend auftrete, sondern einer, der ihren Namen in dem seinigen trüge, so
steht jetzt der nacicte Name der Königin im Texte, und ist sie daher die von jenem, ihr näher Stehen-
den, Angeredete. Daß dabei nicht Gleich zu Gleich redet, zeigt ein dem Königsnamen vorgesetztes
Epitheton. Ich würde nicht wagen, es zu bestimmen, wenn nicht alle seine lesbaren Buchstaben, und
zwar ii} durchaus entsprechender Folge, in dem von mir auf der Fußplatte der Königinsphinx Nr. 345
sicher gelesenen pu,jj^-,j^j^
„VielgeliebteCr} der Ba'^alet" C= ägypt. mrjj Hthr} sich wiederfänden, so daß n'Pri{<c unbedenklich
zu n'P^nNC Ceventl. n^y^üriND) zu ergänzen ist. Aus dieser festen Verbindung des Königsnamens
mit seinem kultischen Epitheton ergiebt sich für Nr. 345, daß audi dort irgendwo der Name der
Hjatsepsu in Hieroglyphen oder sinaitischen Buchstaben gestanden haben wird.
Zeile 5.
Buchstaben:' Am rechten Rande eine abgeriebene Stelle, worin wohl Einiges vom Anfang der
ersten Buchstaben verloren gegangen ist. - Nahas I CHals nach rechts gehoben ; Unterteil nicht sicher
zu verfolgen). - Ajin (Pupille - s. auf Tafel 20 - unter dem oberen Augenrande). - Mem (flach ge-
wellt, trotz Fehlens schärferer Konturen wohl sicher). - Taw II (da im rechten Seitenbogen des Saut
sicher etwas Buchstabenartiges steckt, liegt^ der Gedanke an Taw II am nächsten). - Mem (an-
scheinend ziemlich unregelmäßig gewellt). '- Saut (linker Seitenbogen durch Abreibung beschädigt). -
Links davon ein nach beiden Seiten etwas geschweifter Bogen, der ebenso gut als Mittelstück von
Saut wie als Oberteil von Waw zu deuten wäre ; ich gebe Saut den Vorzug, weil die Handkopie ein
darunter stehendes an Taw sidi anschließendes Bogenstüd^ als Vollkreis (= Waw) giebt, dessen
linke Hälfte auf der Photographie in die zerfressene Stelle hineinragt. - Taw I (sehr tief geritzt,
daher jetzt mit zerfressenen Rändern). - Nahas I (Hals nach rechts zum Mittelbalken des Taw ge-
hoben ; Leib durchbricht die untere Richtungslinie). - Mem (an der Spitze des Taw beginnend, leicht
gewellt). - Nahas I (Hals nach rechts gehoben; Leib durchbricht die Richtungslinie). - Jod (mit
68
Standlinie; an der Rückenlinie unten Steilsdiwanz, oben vermutlidi Gabelung}. - über Jod: Aleph II
(die aufsteigende Linie deutlidi, die hcrabgehende länger als gewöhnlidi, die Mittellinie fast
horizontal}. - Hinter Jod: Res (Gesiditsprofil und Kinn entsprechend dem Reä von Z. 2, 3, 7: daher
wohl sidier trotz starker Verwitterung der Umrisse}. - Auf der Handkopte Andeutung von Ajin und
Saut ; dann Waw - Taw I - Mem (nur Anfang).
Übersetzung: „Du warst freundlich, hast mich gezogen (gegriffen) aus dem Nile."
Erläuterung: Zu der in Zeile 4 mit Namen Angeredeten wird nunmehr gesagt: HCV^ „Du
warst freundlicJi". Sinaitisdies CVj vereinigt wie bibl.-hebr. CVj in sich die beiden verwandten Be-
griffe: „Wohlergehen" (Nr. 346, Sprüche Sal. 24, 25) und „wohltun", „lieb, freundlicJi sein" (hier.,
Sprüche Sal. 2, 10 „Wissen wird Deiner Seele wohltun"), aus welcher Bedeutung das koranische
Arabisch dten besonders mit Gott in Verbindung gebrachten theologischen Begriff „Gnade" ent-
wickelt hat. Worin die Freundlichkeit der Hatsepsut gegen den Sprecher bestanden hat, sagt das
Folgende : „Du hast mich gezogen aus dem Nile". Ob wir der Lesung JHHi'B'C oder jPIK^O den Vor-
zug geben, verschlägt für die Übersetzung nichts ; denn in ersterer würde K'tt' wohl nichts Anderes
sein als Doppelschreibung von geminiertem s, so wie sie die Bibel in dem Eigennamen '^rti'^"' aus
alter Zeit bewahrt hat. Mit dem Problem der Schreibung eines geminierten Lautes ist der sinaitische
Schreiber oder Schrifterfinder wohl noch nicht ins Reine gekommen; in Dtsy^riNC (Nr. 345) hat er
-2 zu einem :! zusammengefaßt, hier vielleicht echte Gemination (ßf) in derselben Weise aus-
gedrückt, obwohl er anderswo Qz. B. bei J21 und CJSN Z. 2) sich mit einmaliger Setzung des Buch-
stabens begnügt. Wieweit er sich dabei an ägyptischen Schreibgebrauch anlehnte, werden die
Ägyptologen auszumachen haben, über die Bedeutung des jOiü'?^ Coder JniB'Ii'C) kann, wenn wir
das Bibl.-Hebräischc als nächstverwandtes Idiom des Sinaitischen nehmen, kein Zweifel sein. Die
Wortsippe ti'C (Z'Z'i:), W^ü, rm: drückt insgesamt aus „greifen", was in Verbindung mit der Prä-
position |C zu „herausziehen" wird (vergl. für K'lC Mich. 23, für HB'O Exod. 2, 10; 2 Sam. 22, 17
= Psalm 18, 17). So etymologisiert die Bibel (Exod. 2, 10) den Namen des "B'r: unter Anlehnung
an "K'c als „(aus dem Wasser) gezogen", und hier könnte der Mann, dessen Name als zweiten
Komponenten wahrscheinlich KD hatte, mit dem ^n'K'C ebenfalls ein Wortspiel beabsichtigt haben.
Mit dem folgenden Wort, das besagt, woraus Hatsepsut den Sprecher gezogen hat, werden sich wohl noch
viele Augen eingehend beschäftigen; die meinigen können nichts Anderes herauslesen als IN"' Cob auch
N weniger sicher zu lesen ist als ' und "•), und dieses läßt sich im Hinblick auf das Bibl.-Hebräische
nicht anders vokalisieren als "'N], was nach Form und Bedeutung das ägypt. itrw > i^rw „Nil" ist.
Hiernach stammte der Mann, der den Minenarbeitern am Sinai gebot und die Aufsicht über den
dortigen Hathor-Sapdu- Coder Ma'na-Jahu-) Tempel führte, aus Ägypten und verdankte der Hatsepsut
seine Rettung aus dem Nil. Und um solches zu dokumentieren, schreibt er es in semitischer Sprache
und einer den Ägyptern unverständlichen Schrift auf eine Felswand über einem Bergwerksstollen in
gleicher Reihe mit Grabinschriften von Leuten semitischer Herkunft? Es hält schwer, hier nicht an etwas
Bibhsches zu denken, was allerdings längst in den Geruch gekommen ist, Roman, Sage, Mythus zu sein.
Zeile 6.
h:iö^
69
Buchstaben: Die Lesung dieser Zeile macht große Schwierigkeiten. Sicher lesbar ist in ihr nur
ein Waw, das halb über den rechten Rand der Tafel hinausragt und besonders tief eingeritzt ist; ein
darauf folgendes Samekh, obwohl Schwanz und Bauchstachel nur eben noch zu erkennen sind; weiter
ungefähr in der Mitte der Zeile ein wenig gewelltes Mem und darunter ein Samekh II mit entweder
rautenförmigem oder dreieckigem Schwänze; daran anschließend ein sehr schräg liegendes Kaph, das
den stark ausgeprägten Doppelzahn nach links richtet; endlich ein von der oberen Richtungslinie
herunterkommendes wenig gewelltes Mem. Ganz verwischt ist der Rest der Zeile; aber auch die
Zeichenspuren zwischen den beiden Samekh ergeben nichts Lesbares; vielleicfit abgesehen von einem
nach der oberen Richtungslinie aufsteigenden Nahas I. Die Handkopie vereinigt die darunter sicht-
baren Spuren zur Form eines Saut, die auf der Photographie durchaus nicht zutage tritt. Möglicher-
weise steht unter dem Waw noch ein Nahas I, und liegt hart unter dem ersten Samekh ein Mem.
Von einer Übersetzung kann somit rein auf Grund des zu Lesenden nicht die Rede sein; dennoch
erlauben einige günstige Umstände, dem Sinn der Zeile nahe zu kommen. So wird wohl hinter dem
Waw „und" eine Verbalform anzusetzen sein, die das in Z. 5 über die „Freundlichkeit der Hatsepsut
Gesagte fortsetzt und wie vorhergehendes imtt'B'O transitiven Sinn haben wird. Das Samekh reizt
zunächst zur Ergänzung zu (j)nCD (= bibl.-hebr. ricb'} „Du hast (mich) gesetzt", zumal es an gewissen
Anzeichen für Mem und Taw nicht fehlt. Da wir in ZDC wohl dasselbe Wort vor uns haben, das
wir in Nr. 353, r. Z. fanden und mit „Pronaos" übersetzten, so ließe sich zwischen „Du hast mich
gesetzt" und „Pronaos" ungezwungen eine logische Verbindung herstellen durch die Annahme, daß
zwischen ihnen ^^V „über" gestanden hätte, worauf auch lineare Andeutungen weisen. Da -CO ohne
Artikel steht, so wird ihm ein Wort im Genitiv gefolgt sein; dieses war bei Nr. 353, r. Z. der Gottes-
name HjNO, dessen Anlaut in unserem •'- erhalten sein könnte. Der Sprecher rühmt somit der
Pharaonin nach, sie habe ihn mit dem „Pronaos", der nach der folgenden Zeile der des sinaitischen
Heiligtums war, in Verbindung gesetzt und zwar wohl durch „Setzen" (.CC = Ctl'} „über" 0'^') den-
selben. Das paßte zu dem in Z. 3 Gesagten, wonach er „Tempelhauptmann" C^^ ~ID}, also der könig-
liche Beamte für die Verwaltung des Tempelvermögens war, dessen Befugnisse an denen der über
den „Naos" oder ,, Innentempel" schaltenden Priesterschaft ihre Grenzen hatten. Die Konstruktion
roc hv :ncDl entspräche ganz bibl.-hebr. Wendungen wie 2. Sam. 17, 25: i^Z'irrhv. ■ ■ ■ zt' Ntf?frn{<i,
während ein anstelle von ^HCD anzunehmendes JPwSDJ (= bibl.-hebr. '':riNtt'^} „Du hast mich er-
hoben' in Verbindung mit lokalem ^V , dem Sprachgebrauch der Bibel fremd wäre.
Somit kann der Sinn der Zeile vermutungsweise so angesetzt werden:
„Und [du hast mich gesetzt über] den Außentempel d[er] M . . ."
Zeile 7.
Buchstaben: Aleph II Cganz wie in Z. 33. - Saut. - Res Cnächstverwandt dem von Z. 33. -
Raum für etwa zwei Zeichen, wovon das erste ein liegendes (Ajin?), das andere ein stehendes
70
CLawe?3 sein dürfte. - Samekh (mit deutlidiem Schwänze; Kopf vielleicht mehr viereckig als rund-
lich}. - Nahas I (Hals zum Vorderteil des Samekh aufsteigend). - Jod (dem Nahas ungefähr parallel;
Gabelung am Kopfende nicht genauer zu bestimmen). ~ Die Handkopie bietet uns ein Aleph II
(verschwommen) und ein Saut.
Übersetzung: „Welcher [auf] Sinai [ist]."
Erklärung: Schlußsatz des zweiten Teiles der Inschrift, eingeleitet durch das uns aus dem
Biblisch 'Hebräischen bekannte Relativpronomen Iti'N. Den Schluß der Zeile bildet (wie in Z. 3)
der Ortsbegriff 'jD „Sinai . Die einfachste Verbindung beider Satzglieder wäre hier die Präposition
'yV „auf", wozu audi die Zeichenreste ungefähr stimmen; passend wäre jedoch auch ihre Vermittlung
durch eine Verbalform wie „Du hast gebaut", da das Sinaiheiligtum der Hatsepsut seine Wieder-
erneuerung nach der Vertreibung der Hyksos verdankte.
Zeile 8.
Nach Fertigstellung der Inschrift scheint in den halbmondförmigen unteren Abschluß der Tafel
noch ein Wort als Unterschrift gesetzt' zu sein. Vielleicht bestand es nur aus dem einen Buchstaben
Waw, aus dem wir hier wie auf Nr. 352a, 353, 355 die Klageinterjektion „wehe!" herauslesen könnten.
Aber statt Waw könnte man auch Aleph I der Form, wie es in Z. 2 vorkommt, in dem Zeichen sehen,
müßte dann aber noch mit dem Verlust von einem oder anderem Buchstaben rechnen, um zu einem
vollständigen Absdilußworte zu gelangen, dessen sichere Lesung aber wohl kaum gelingen wird.
Zur besseren Übersicht lasse ich hier die Übersetzung der ganzen Inschrift folgen :
Z. 1 : Ich (bin) Hjtspsw-hnmjmnm- ,
Z. 2: Oberster der Minenarbeiter . . . . ,
Z. 3 : Hauptmann des Tempels der Ma^na [und] des Jahu [von] Sinai, (sprechend) :
Z. 4: M='hb-[b]'=lt Hjtspsw-hnmjmn,
Z. 5: Du warst freundlich, hast mich gezogen aus dem Nil,
Z. 6: Und [hast mich gesetzt über] den Pronaos de[r, s] M . . .,
Z. 7: Welcher [auf] Sinai [ist].
Nr. 351 (=10) Tafel 21 und 22.
Diese Tafel hat ihre besondere Geschichte. Sie ist zweimal mit sinaitischer Schrift beschrieben
worden. Die erste Inschrift, die in horizontalen Zeilen verlief, beded<te sie ihrer ganzen Länge und
Breite nach und ließ sie schon äußerlich als ein Gegenstüdc zu Nr. 349 erscheinen, die vermutlich
unmittelbar neben ihr eingehauen war. Dieser ältere Text ist auf gewaltsame Weise von Menschen-
hand entfernt, wobei man die ganze Oberfläche der Tafel zu glätten suchte, was aber so wenig gelang,
daß an verschiedenen Stellen Buchstaben oder Reste von solchen sichtbar blieben. Von demjenigen,
der die erste Inschrift zu beseitigen trachtete, wurde dann vermutlich eine Neubeschriftung der
Tafel vorgenommen in der Weise, daß er auf ihrer rechten Hälfte die Figur des Gottes Ptah in
der Zella in gut ägyptischer Darstellung anbrachte und links daneben eine Inschrift setzte, die aus
einer vertikal gerichteten Langzeile und einer sie ergänzenden, die linke untere Ecke ausfüllenden
Kurzzeile bestand. Während die erste Schrift, nach ihren Resten zu schließen, bei ziemlich kleinen
Buchr.tabenformen einen gefälligen Duktus zeigte, ist die spätere groß und grob ausgeführt. Unsere
Interpretation der Tafel geht von dem jüngeren, verhältnismäßig gut erhaltenen Texte (=B.) aus.
In der folgenden Kopie bezeichnet das mit Vollstridien Gezeichnete alles, was ich der späteren Hand
71
zuschreibe; das von der älteren Besdiriftung C=A) lesbar Gebliebene ist mit punktierten Linien
wiedergegeben. Beim Studium der Photographie ist ebenso wie bei dem von Nr. 349 zu beaditen,
daß sdiledite Beliditung der Tafel auf der Platte alles, was im Steine an Linien eingeritzt ist, erhaben
herauskommen ließ, und man deshalb gut tut, die Sdiriftzüge an dem auf den Kopf gestellten
Lichtbilde zu kontrollieren.
Text B. Umschrift aus der vertikalen Zeilenrichtung in horizontaWinksläufige :
Buchstaben: Zajin (Scheitel des spitzen Winkels nach rechts gerichtet}. - Taw L - Beth I. - Jod
(oben Gabelung, tiefer unten steil emporgerichteter Schwanz; Standlinie ungefähr horizontal}. - Quer
durch Jod, zwischen Gabel und Schwanz gezogen: Samekh (Schwanz nach rechts gerichtet). -
Zwisdien Samekh und der Standlinie des Jod vielleicht
Taw II Clinker Seitenarm schlecht erkennbar}. - He CBein-
linie in doppelter Wellung stark nach links gezogen; Arme
scharf gewinkelt; Hals und Kopf vielleidit nicht vor-
handen}. - Mem (mit drei Zad^engipfeln}. ~ Saut (links
mehr eckig als bogig}. - Nahas I (Hals nach links gehoben}. ~
Unter Kopf und Hals des Nahas : Hauth (Blütenkopf mit
Mittellinie; Stengel nach links unten gezogen}. - Unter
Leib und Schwanz des Nahas: Sadas (im Gegensatz zu
obigem Samekh links gerundeter, rechts scharf gewinkelter
Abschluß}. - Beth 1. -Darin: Hauth (Stengel aus der
unteren linken Ecke des Beth heraustretend}. - Koph. -
Teth (links in leichter Biegung bis zur Unterkante geführt}. -
Nun links von der Richtungslinie: Hauth (der auffällig
große Blütenkopf ohne erkennbare Mittellinie; Stengel
anscheinend ohne Wellung nach links herabgezogen}. -
Waw (linke Spitze mit sich überschneidenden Linien,
woraus die Handkopie kreuzförmigen Abschluß macht}. -
Taw I. " Darunter links: Mem (hart über dem unteren
Rande sich wellend, dann vielleicht rechts aufsteigend:
nicht sicher}. - Rechts vom Taw : Saut (vom unteren Ende des Taw bis zu dem der Richtungslinie
sich biegend: auf einer nicht reproduzierten Photographie fast sicher}.
Übersetzung: „Dieses hat Bjst(?}hm5 (= Bjaste-mose} abgekratzt auf Verordnung des
Thwtm(?}5 (= Thutmose}.
Erklärung: Wie Nr. 353 r. und 1. Seite und Nr. 350 r. Z. beginnt auch unsere Inschrift mit einem
hinweisenden Fürwort. In m erkennt man bibl.-hebr. HNi „diese (f.), dieses", dessen N, nach den
Nebenformen 1", T\^ zu schließen, rein graphisch ist; hier wohl in der Bedeutung „dieses" zu nehmen,
womit auf die erste Beschriftung der Tafel hingewiesen sein wird. Seine Geltung als Objekt ergiebt
sich aus dem folgenden Eigennamen und transsitivem Verb. Die Lesung des Eigennamens ist
sicher IS'crr
worin uns eine echtägyptische, nach dem östlichen Delta hinweisende Bildung
entgegentritt. Ihr erster Kompohent ist der Name der Göttin von Bubastis (bibl. PQ?"''? „Haus der
B^st-t"}, in ägypt. Schreibung B?st-t, zu der unser nnc^r genau paßt, da ägypt. b = sinait. 2,
72
ägypt. 5 — sinait. ^ Cvergl. 'K'EK'n^n}, ägypt. s = sinait. K' (vergl. ^'El!'n''n} oder D (vergl. bibl. TD^O*-'
ägypt. wurzclhaftes P = sinait. 0, ägypt. EndungS't, das um 1500 längst abgeschliffen war, = sinait. ~
C= a oder e). Der zweite Teil bringt uns das ägypt. Wort m^ C= mo§i, mose) „Sohn", dessen Gebrauch
als Namenskomponent besonders auf die Zeit der XVIII. Dynastie hinweist, wie schon bei Nr. 349,
Z. 1 bemerkt wurde.
Auf das Subjekt rcnnD^2 folgt in Nachstellung - wie in Nr. 350, 353 r. S. - das verbale Prädikat IJ™,
wofür uns das nordarabische nahada die passende Bedeutung „abkratzen, abschleifen" liefert. Bräche
hier die Inschrift ab, so würde man sich verwundert fragen, inwiefern jemand dazu kommt, sein
Zerstörungswerk inschriftlich zu beurkunden. Aber es folgt noch ein wichtiger Zusatz, womit der
Zerstörer sich als berechtigt oder sogar verpflichtet zum Zerstören der Inschrift ausweist; so durfte
er sein Tun auch auf die Nachwelt bringen. Die bedeutungsvollen Worte sind tt'cmntr pü2 „nach
Bestimmung des Thutmosis". Nach dem Hebräischen ist pH die gesetzliche Bestimmung; seine Ver-
bindung mit : ergiebt einen dem ^?~? der Bibel „nach dem Worte" analogen Ausdruck. CcniHi;
giebt Laut für Laut den Königsnamen Dhwtms nach der Aussprache um 1500 wieder: ägypt. d =
sinait. ü, ägypt. h = sinait. n, ägypt. w = sinait. 1, ägypt. t = sinait. P, ägypt. m = sinait. '-,
ägypt. s — sinait. Si' (wie in ^'cnncz). Was es mit der Bestimmung des Thutmosis betreffend das
Zerstören auf sich hat, sagen uns ungezählte ausgemeißelte Namenskartuschen und zerstörte Bilder.
Ägyptens größter Kriegsheld, Thutmosis III. (1 480 ~ 1447}, begann seine ruhmreiche Regierung mit
einem kleinlichen Feldzug gegen alles, was dem Andenken seiner Vorgängerin, der in Nr. 349 erwähnten
Hatsepsut, dienlich sein konnte, „überall, von den Katarakten bis zum Delta, sind ihre Gestalt und
ihr Name auf den Wänden aller Bauten ausgetilgt worden .... In allen Urkunden der Zeit, ja
selbst in den Gräbern und auf allen Statuen ist ihr Name und ihre Gestalt ausgemeißelt worden"
(Breasted, Geschichte Ägyptens, S. 246 f). So muß auf unserer Tafel ursprünglich etwas gestanden
haben, was an Hatsepsut erinnerte oder sonst geeignet war, den Zorn des Thutmosis zu erregen ;
denn dieser richtete sich auch noch gegen Alle, die als Freunde und Parteigänger der toten Pharaonin
bekannt waren, und hatte zum Ziele Ausrottung jeder Regung zu ihren Gunsten. Um den Sinai-
tempel hatte sich Hatseps'ut in ihrer großartigen Bautätigkeit höchst verdient gemacht ; so zählten
die Oberbeamten desselben vermutlich zu ihren treuen Anhängern - vor allem derjenige von ihnen,
der auf Tafel 349 sie als seine große Wohltäterin bezeichnet hat. Hat dieser darum vielleicht auch
die Paralleltafel 351 errichtet? Hat er auf ihr aus Dank gegen Hatsepsut oder aus Groll gegen ihren
königlichen Verfolger vielleicht Dinge gesagt, die aus der Welt zu sdiaffen einem aus seiner Um-
gebung, der die sinaitische Schrift lesen und schreiben konnte, Untertanenpflicht oder Sache der
Klugheit erschien? Um hierüber Gewißheit zu bekommen, wäre genaue Kenntnis des älteren Textes
von Tafel 351 nötig; um davon etwas zu ahnen, genügt m. Er. das wenige Lesbare, das uns davon
erhalten ist und dem wir uns jetzt zuwenden.
Teyt A. Den Schlüssel zur Erschließung des Wesens
von Text A bieten uns verschiedene näher beisammen-
stehende und ersichtlich nicht zu Text B gehörige
Zeichen, die bei der Voraussetzung, A habe aus hori- /
zontalen Zeilen bestanden, als Teile der zweiten Hälfte / ..
der ersten Zeile zu gelten haben. Es sind folgende: 1
♦) A. Erman, Agypt. Grammatiks, ^ 114: „Auch bei Umschreibung von Fremdwörtern im neuen Reich benutzt man i für tt* und B'. Do-
gegen geben die hebräischen und aramäischen Umschreibungen ägyptischer Worte es mit D wieder."
73
Diese Zeichen decken sich nach Gestalt und Folge fast ganz mit solchen von Tafel 349, die in der
ersten Zeile den größeren Teil des Namens ? C3CV;jnitJ'5K'''n''n ausmachen, dessen Anfang — EtTTTI samt
vorhergehendem jJ< wegen des Verlustes der oberen rechten Ecke von Tafel 351 zur Vergleichung
nicht mit herangezogen werden können. Die Zusammenstellung der Zeichen von Nr. 351 A mit den
erwähnten von Nr. 349 zeigt folgendes Bild :
? ü'jV ■ ■ n'itf^ — I
Daraus ergiebt sich für beide Texte die ursprüngliche Namensschreibung ?c:c^C3mK'D — , mit
— ü'rr'n als Eingang.
Ober die Form der Buchstaben von Nr. 351 A, Z. 1 ist zu bemerken: Auf Pae deutet nur eine kleine
Schräglinie, die vielleicht die linke Schmalseite eines Rhombus ist. Von Saut ist das Mittelstück samt
dem linken Seitenbogen noch gut erkennbar; man könnte selbst die Behauptung wagen, daß in
diesem Bogen etwas von einer Ligatur mit Waw zu sehen wäre. - Links von Saut steht ein deutliches
Hauth, das nach rechts geöffneten Blütenkopf und gewellten Stengel zeigt. - Von dem unter Hauth zu
erwartenden Nahas vermag ich nichts zu erkennen, ebenfalls nichts von Mem, das gemäß Nr. 349
rechts unten vom Blütenkopf sich entwickeln sollte; hier hat die Zerstörungsarbeit wohl zu stark
eingesetzt. - Das weiter zu erwartende Jod steigt in leicht geschwungener Linie vom linken Bogen
des Saut zum Zajin (von Text B) auf und durchschneidet dieses mit seiner Spitze, an der die
Gabelung noch sichtbar ist; diese zwei das Zajin durchquerenden Linien als zu ihm gehörig zu er-
klären, geht im Hinblick auf alle übrigen Zajin unserer Inschriften nicht an, so daß auch ein Hinweis
auf nordsemitisches Zajin nicht am Platze wäre. ~ Links unter Jod schlängelt sich deutlich ein Mem,
und unter diesem steigt ein Nahas I hoch, um mit seinem Halse in dem linken Seitenbalken des Taw
(von Text B} zu verschwinden. - Vom Schwanz des Nahas wird berührt der mittlere Zackengipfel
eines großen und deutlichen Mem, das als einzigen Buchstaben von Text A auch die Handkopie wieder-
giebt. - Daß darunter Reste von Saut sich befänden, ließe sich ebenso gut behaupten wie bestreiten.
Hieraus ergiebt sich für Text A von Nr. 351 derselbe Anfang, wie wir ihn auf Nr. 351 lesen. In
beiden Fällen steht der Mann, der den Namen der Pharaonin Hatsepsut in dem seinigen führt,
redend vor uns. Bauen wir diese Parallele weiter aus und nehmen wir an, es habe Text A ebenso
wie Nr. 349 in zwei weiteren Horizontalzeilen die beiden Titel des Mannes gebracht, ob auch kein
deutlicher Buchstabe davon übrig geblieben ist. Mit einer vierten Zeile mag dann die eigentliche Mit-
teilung des Mannes begonnen haben. Wo nun in Zeile 4 von Nr. 349 der Königs- Vv.-"...--."-. :. ...-;;:;
name JCCJniß'DiI'nTi steht, begegnen uns auf Nr. 351 die Buchstabenreste "••—■""■':•■■■/....,;•■•■;;' "'■
Wäre es zu kühn, aus diesem deutlichen Hauth (nach rechts geöffnet}, dem unter dessen Stengel
zu vermutenden Waw, dem danebenstehenden Taw I, der wohl als Mem anzusprechenden Folge
von Zackengipfeln und den darunterliegenden an Saut erinnernden Bögen ein ti'>.:ni~[j;] zu konstruieren,
also den in Text B deutlich ausgeschriebenen Namen von Thutmose III. dem Namen Hatsepsut von
Nr. 349 gegenüber zu stellen? Dann läge es nahe, der Zeile 5 die Erwähnung
zuzuschreiben, wie Thutmose III. - wohl im Gegensatz zu Hatsepsut - mit ,■" _.•...■' '.. '/
dem in der Inschrift Sprechenden verfahren habe. Rechts von dem Saut des """ •.'••■". •",
Textes B tritt wieder ein kleiner Komplex von Buchstaben zutage; es sind: ' " ' '"''
Lawe ist sicher, unter ihm könnte Taw II stehen. Links folgen Saut und darunter nach rechts
geöffnetes Hauth. Links vom Saut steht ein zwiebeiförmiges Zeichen, worin man ein Waw, vielleicht
aber auch den größeren Teil eines Teth vermuten könnte. Ich lasse ?'^ für die Deutung aus dem
74
Spiele; mit {j:nit' kämen wir zu der hebräischen Wurzel "ii' oder nnti' „sinken", „gedemütigt werden
oder zu 'cnz' „scfilachten", „töten" und hätten damit sdiarfe Gegensätze zu dem an der gleichen
Stelle in Nr. 349 stehenden jmtt'tS'C „du hast mich herausgezogen" (—„gerettet"}.
Es wäre meines Erachtens aussichtslos, von unserem Lichtbilde mehr Aufklärung über die Frage
nach dem Wortlaut des älteren Textes zu verlangen; aber so viel ist gewiß, daß er dem Thutmosis mit
scharfen Worten oder Anklagen nahe getreten war, weshalb die wohl allgemein ergangene Verordnung
dieses Pharaos, alles „Staatsgefährliche" an Inschriften auszutilgen, auch auf ihn Anwendung er-
heischte. Auffällig sind jedoch verschiedene Umstände, die seine Vernichtung begleiteten. Derjenige,
der sich inschriftlich als Vollstrecker des Königsbefehls nennt, trägt den reinägyptischen Namen
Bjastemose, schreibt aber in einer semitischen Sprache und gebraucht die sicher nur einem kleinen, um
das sinaitische Heiligtum gescharten Kreise geläufige neue Schrift, deren Anwendung sich kaum mit
starkägyptischem Nationalgefühl vertrug. So möchte man ihn am ehesten für einen dem östlichen
Delta oder geradezu der Stadt Bubastis, dem Mittelpunkt des Bjaste-Kultes, entstammten Semiten
nehmen. Ein ägyptischer Name bei fremder Abstammung und Gesinnung wird in der Hyksos-Periode,
die schließlich zu einer weitgehenden Ägyptisierung der fremden Eindringlinge führte, nichts Seltenes
gewesen sein; und wie uns die Bibel das mosaische Zeitalter schildert, gab es auch damals Hebräer
mit ägyptischen Eigennamen, wie "I^'C, cnXD und wohl auch pP'^r, dessen Nebenform X'?^-^ ihn
als mit dem ägyptischen Gottesnamen Min gebildet giebt. Was wird nun dieser Pseudoägypter mit
der Anbringung des Bildes von Ptah auf der rechten Seite der Tafel bezwecict haben ? Zunächst den
Ausdruck seiner eigenen Zugehörigkeit zum Handwerkerstande, dessen himmlischer Patron Gott Ptah
war, weshalb die Griechen ihn ihrem Hephaistos gleichstellten. Weiter wohl die Heiligung der Tafel
und ihrer Umgebung, so daß nun die übrigen Tafeln, deren Texte unangetastet geblieben waren, sich
im Schutze des Ptah befanden. So könnte Bjastemose vielleicht nicht der rücksichtslose Vollstrecker
des Pharaonen-Ukas gewesen sein, vielmehr für die Inschriften klug gesorgt haben, indem er zwar
eine, die gegen den König selbst ausfällig war, verschwinden ließ, den anderen aber - darunter der
ganz auf das Lob der Hatsepsut gestimmten Nr. 349 " einen schützenden Talisman beifügte.
d} Rückblick auf die Tafelinschriften.
Wir hatten früher auf äußere Anzeichen hin bei den Tafelinschriften zwei Gruppen unterschieden:
Grabinschriften und nichtsepulkrale, dazu parallel abgefaßte Inschriften. Unsere Erklärung der Texte
führte zur Erkenntnis, daß die fünf Grabtafeln auf vier Tote gingen, wovon drei wohl nahe bei ihren
Gedenksteinen ihr Grab gefunden hätten, während dem Vierten fern von der ihm gewidmeten
Inschrift ein Berggipfel zur Ruhestätte ward. Von einem der Toten sagt die Inschrift ausdrücklich, er
sei eines gewaltsamen Todes gestorben ; bei dem auf einem Berggipfel Begrabenen scheinen ebenfalls
ungewöhnliche Todesumstände vorzuliegen. Die Inschrift Nr. 350 ließ erkennen, daß die fünf Grab-
tafeln das Werk eines einzigen Mannes sind, des „Mnäh (Hauptmann) des Tempels von . . ", von
dem dann auch wohl die Beisetzung der Leichen, die nach dem dafür gebrauchten sprachlichen
Ausdrucke zu schließen, im Geheimen vorgenommen war, besorgt sein wird. Das gemeinsame
Begräbnis weist auf ein gemeinsames Sterben hin. Mit welchen Zeitverhältnissen dieses alles
zusammengehangen habe, wird aus den Texten selbst nicht klar.
Im Gegensatz hierzu reden die beiden nichtsepulkralen Parallelinschriften deutlich von der Zeit
ihrer Abfassung. Wenn die eine mit Liebe der Pharaonin Hatsepsut gedenkt, die andere aber aller
Wahrscheinlichkeit nach dem Pharao Thutmosis harte Vorwürfe macht, wird damit ihre Zeit auf das
75
Jahr 1480, oder allgemeiner auf die Periode des Überganges der Herrschaft von HatSepsut auf
Thutmosis III. festgelegt. Wiederum ist es ein Mann, der aus beiden Inschriften sprechende „HjtSpäw-
hnmjmn-m?", der Hauptmann des Tempels der Ma^na und des Jahu, der für beide der Urheber war.
Das auffällige Geständnis der Liebe zur Hatäepsut und des Hasses gegen Thutmosis muß einen
ungewöhnlichen Anlaß gehabt haben: vermutlich den der Verfolgung der Anhänger und Freunde der
Pharaonin durch Thutmosis. Waren nun etwa die vier von „Mnsh" bestatteten Toten dieser Ver-
folgung zum Opfer gefallen? Dafür spricht m. Er. eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit. Dann werden
sie dem Urheber der beiden Parallelinschriften im Leben so nahe gestanden haben, daß diesem die
Pflicht ihrer Bestattung obgelegen hätte. Erfolgt war diese jedoch durch einen nur dem Titel nach
gleichen, dem Namen nach aber verschiedenen Mann. Damit stehen wir vor einem Rätsel, dessen
Lösung wesentlich davon abhängt, wie man die von uns unbestimmt gelassenen Buchstaben der beiden
Namen ergänzt, weiter allerdings auch davon, ob man sich entschließen will, die biblische Tradition
von gewissen, den Auszug der Israeliten aus Ägypten einleitenden Geschehnissen mitreden zu lassen.
So lange unsere sinaitische Schrift- und Textforschung aber noch um Anerkennung seitens der
Gelehrtenwelt zu werben hat, werden gewisse Folgerungen - so nahe sie auch zu liegen scheinen -
besser nicht gezogen.
e} Das Graffito Nr. 348 C=16).
Von dem Papierabklatsch, den Palmer von diesem Graffito im Wadi Magara genommen hat,
liegen zwei Zeichnungen vor: eine bei R.Weill, Recueil des Inscr. egyptiennes du Sinai (Nr. 44}, die
andere bei Gardiner, The Egyptian Origin etc., Tafel III (Nr. 348}. Ihre folgende Wiedergabe zeigt,
daß sie nicht unwesentlich von einander abweichen:
Buchstaben: Bei Weill fehlt zunächst das zweitletzte Zeichen '''^''"^^ Gavc^.ner
Gardiner s ; daß es versehentlich ausgelassen ist, beweist der dabei frei- ./ *<.ää!*'*
gebliebene Raum. Weiter entsprechen sich beide Zeichnungen nicht in T "
dem obersten Zeichen. Diejenige Weill's giebt es wie ein nach rechts \rj ' ■ ei }
aufsteigendes Nahas I, dem nur der Kopf fehlt; dagegen glaubt man auf der -^ ^—jt^
von Gardiner das Mittelstüdc eines breitgewellten Mem vor sich zu haben, C 1 '"4
das sich nach rechts und links gleichmäßig fortzusetzen scheint. Die übrigen /ä
Buchstaben geben beide Zeichnungen ungefähr gleich. Es sind Taw 1 /!/
Cbei Weill mit überlangem Oberbalken}. - Nahas II - He (mit nach links •'^^'
ausbiegender Beinlinie und einer sonst nicht üblichen kleinen Rumpf- "f" ^^ ^^^^
Verlängerung}. « Beth I (worin Gardiner etwas wie einen mittleren Punkt '^J^
andeutet}. - Ajin Cmit undeutlichen Edcen und einer gebogenen Linie ""^^
statt Pupille}. - Lawe Cnach rechts geöffnet, stark spiralig - fehlt bei Weill}. - Taw I.
Erklärung: Die untere Hälfte dieser leicht nach rechts ausbiegenden Vertikalzeile bietet zweifel-
los das Wort tT^yD, den semitischen Beinamen der Hathor vom Sinai. Was davor steht, macht der
Erklärung Schwierigkeiten. Ist der erste Buchstabe Nahas, so kommt TijOJ heraus, d.i. die 3. pers. sgl. f em.
des Perfekts von IDJ „geben". Mit ntjyz eng verbunden, könnte es ein Eigenname nt'y^n:!"): C=B3'^alet
hat gegeben} sein, also ein Gegenstücic zu bibl. ^i^.'Ji?^, ''^'^'?^, ~'i;'rJ,Or und zahlreichen Namen aus
anderen semitischen Sprachgebieten mit einer Wurzel der Bedeutung „geben" als erstem oder
zweitem Komponenten. Aber es könnten njpj und P'7J?2 auch im Verhältnis von Prädikat zu Subjekt
stehen, wobei dann Ausfall eines Objekts anzunehmen wäre. Gegen diese losere Verbindung spricht
aber, daß sonst in den sinaitischen Inschriften ein verbales Prädikat nachzustehen pflegt (vergl.
76
Nr. 350, r. Z., 353, r. Z., 351,r. ZO. - Mit Gardiner's Anfangs-Mcm bekämen wir r:re:', was für sich
allein oder mit n^pD verbunden, keinen Sinn hat. Ist das Mem echt, dann könnte vielleicht in der
Zeichnung des zweiten Buchstabens ein Fehler stecken, indem nicht Taw I, sondern Aleph II auf
dem Abklatsche stände. Dann hätten wir einfach den semitischen Haupt- und Nebennamen der
Hathor vor uns, wie wir ihn aus Nr. 353, r. Z. und 354, r. Z. kennen gelernt haben, nämlich
n^jy^ nJND. Das entscheidende Wort hat hier der Abklatsch zu sprechen, da das Graffito selbst
wohl nicht mehr wiederzufinden ist.
Das, was dieser kleinen Inschrift ihren eigentlichen Wert ßiebt, ist nicht ihr Inhalt, sondern ihre
Fundstätte. Alle früher behandelten altsinaitischen Inschriften konnten wir mit dem Hathortempel
auf Serabit -cl' Hadern, sei es durch ihre Auffindungsstätte oder durch die daraus sprechenden
Persönlichkeiten, zusammen bringen; diese ziemlich entfernt von Serabit-el-Hadem gefundene steht
auch inhaltlich davon abseits. Sollte sie selbst die Göttin Ma'na Ba'^alet nennen, so könnte eben-
sowohl der ganze Sinaidistrikt als Gegend, die sie beherrscht, wie der Sinaitempel als ihr Wohnort
den geistigen Hintergrund zu ihr bilden.
77
V. ERGEBNISSE UND FOLGERUNGEN.
1. Die Sprache der altsinaitiscKen Inschriften,
[us der vorhergehenden Erklärung der altsinaitisdien Inschriften ergiebt sich für ihre
Sprache, daß sie ein reines Hebräisch ist, das sich an keinem irgendwie hervorstechen-
den Punkte von dem Idiom der Bibel, vor allem dem der älteren Teile derselben,
entfernt, dagegen von anderen semitischen Sprachen, deren Gebiete unweit der
Sinaihalbinsel liegen, wie Nord- und Süd-Arabisch und Aramäisch, stark abweicht.
Als spezifisch-hebräische Züge des Sinaitischen seien erwähnt :
a) die Bildung des nichtsegolaten weiblichen Nomens auf ~" (=ri^) : "JNp „(Göttin!) Ma^'na"; die
des segolaten weiblichen Nomens auf n~ : P^j;;! „CGöttin) Ba^alet". Im Status constructus wird
das erstere m v- zu H— : rny. „Gemeinschaft";
b} die Bildung des Plurals des männlichen Nomens auf C" (= C . ) : t^Jr^' „Steinarbeiter" Ceventl.
CJ5^! „Steine"}, vielleicht ""-," „die Ruhenden";
c) die Bildung der 3. pers. Sgl. fem. des Perfekts auf H (= n,0 : 'j^-, „sie hat gegeben" (doch
beachte das zur Zeichenlesung Gesagte 0;
d} die Bildung des aktiven Kai-Partizips nach dem Typus Kotel : HjIC „zählend", die des passiven
nach dem Typus Katul : "':j „heimlich beigesetzt";
e} die Bildung des Infinitivus constructus vom Kai nach dem Typus Katol : N'^^C „viel werden' ;
f) die Bildung des Infinitivus constr. vom Pi'^'^el nach dem Typus Kittul : "'^n; „Sonderdarbringung";
g) die Bildung des passiven Pu'^'^al-Partizips nach dem Typus makuttal : -"'^9 „vielgeliebt ;
h) die Einschiebung eines o vor konsonantischen Endungen im Perfekt der Verben Mediae
geminatae: ir.Wc (oder vielleicht ^Plii'E'D} „du hast mich ergriffen";
i) innerhalb des Pronomens die Formen J^; „ich", " „mich" (in ^rilltvr}, ''— „mein" (in ''J3},
ri" „sein" (in riotfTilD), ~,- „ihr" Gn "rync); -i „dieser", n"" „diese, dieses", "<?< „diese da
Cplur.}", vor allem auch der Artikel ~ (in (C)nj~.} und das Relativsatzzeichen "1?*?«.
Den hebräischen Sprachcharakter bestimmen ferner Wurzeln und Wörter wie i"N „Stein" (aus
i^N „Steinarbeiter" zu erschließen], -~'V „lieben" (aus ::7^"P „vielgeliebt" erschlossen), pn „Satzung,
Bestimmung", pn „ritzen, in Stein einschreiben", "l „(speziell) weihen" (aus "''"'', zu erschließen),
D2C „Tempelzins", mJC „zählen", "DC „Pronaos", U*C „ergreifen", n: „ruhen", HJD „Dornstrauch
(Zizyphus spina Christi)", "V. „Gemeinschaft", ""C „Hauptmann", CP „umkommen". Auf das ältere
Biblisch-Hebräisch weisen folgende Eigennamen hin : "N", „Nil", 'TP^ „(Gott) Jahu", f]CV „Joseph",
'^P „Sinai" ( '^^''^^- — '^^'^^ — ~^'^'- entweder Mosas oder Manass^).
Hebräisches Sprachgut mögen, obgleich die Bibel sie nicht überliefert, auch folgende Worte sein:
13 „Grab" oder „Bestattung", nStS'J (oder 0^11*3 ?) „Bergspitze", '' (ob Hl ?) „wehe", li" (im Kai)
„errichten", V~J „abkratzen", pl (- l?!) „Oberster".
Die Feststellung, daß um 1 500 v. Chr. auf der Halbinsel Sinai Hebräisch gesprochen und sogar
geschrieben wurde, ist geeignet, die bisherige Anschauung von der Geschichte der hebräischen Sprache
vollständig zu revolutionieren. Von Palästina als dem Ursitz des Hebräischen kann weiterhin nicht
mehr die Rede sein. Wir haben jetzt die Wahl, ihn entweder gestützt auf den Mesa-Stein in das
Ostjordanland zu verlegen, oder ihn mit dem Sinai in Verbindung zu bringen. Das über den Mesa-
Stein weit hinausgehende Alter der Sinaiinschriften macht die zweite Ansicht zur wahrscheinlicheren.
78
Das Auftreten des Hebräisdien im Ostjordanlande und in Palästina wird mit dem Vordringen südlicher
Stämme zum Norden zusammenhängen, wie es uns die TelUAmarna-Briete für das H.Jahrhundert
bezeugen; wenn die Israeliten dabei am erfolgreichsten waren, so wird man ihnen auch die
Hauptrolle bei der Übertragung der hebräischen Spradie in das phönizische Stammland zuweisen
müssen.
Zusatz: Alphabetische Zusammenstellung der in den Inschriften vorkommenden Wörter.
N CJrx : Stat. abs. plur. von ps , „Steinarbeiter" (346 r. S., 349, 2} ~ "'^vX : Pron. demonstr. plur.,
„diese hier" (350} - :n (=''JN}: Pron. pers. l.pers. sing., „ich" (349, 1; 352 o.} - "ilJ'N: Pron.
relat., „welcher" oder „weldien" (349, 7).
2 2: Präp., „in, auf " (346, r. S. ; 347[?]; 349,3,7; 352 u. bis 353 r.3 - r,i:[n2]: Stat. abs. plur.
von "Dr.D, „Weidetiere,Vieh"(346, V.) - Z'ü~rC'2: Nom.propr.masc, „Bjastemosse" (351 B} -
P: Stat. constr. sing, von p, „Sohn" (352, o [?]; 352a [?] ; 355} - n'py:!: „Ba^alet", Zuname
der Göttin n.-NC (345, r.u.l.; 346, v; 348; 353, r.; 354} - r\2: Stat. constr. sing, von 02 (=n':},
„Haus" (349,3; 350}.
3 '}i (PJ3 ?3: Part. act. Kai von ü2, „heimlich bestattet" (353, m.; 355} - '•jJ: p mit SufF. 1. pers.
sing., „meine Bestattung (mein Grab?}" (352, u.} - n'7ti'3: Stat. constr. sing, von iTJtfJ , „F'els-
spitze" (352, u.}.
n n : Artic. determinans (352, u.}.
1 1: Conj., „und" (353, 1.} - l (öl ?} „Interj., „wehe" (352 a [?]; 353, m.; 355}.
i Hi: Pron. demonstr. sing, masc, „dieser" (353, r. und 1.} - H: Pron. demonstr. sing, fem.,
„diese, dieses" (351 B}.
n pn: Part. act. Kai von pin, „(SteinO Schreiber, Bildhauer" (353, 1.} - pn : Stat. constr. sing.
von p~, „Gebot, Gesetz" (351 B} - IC^DJmutifn^n : Nom.propr.fem., „Hjatsepsuhnumjamon"
(349, 3} - [K'JCJC'CJ-iB'Ptj-n-'n: Nom. propr. masc, „H)atsepsuhnumjamonmo[se]" (349, 1;
351 A [?], 347 c [?]} - in [?]: Verb, „sidi erbarmen" [?] (352, u. ['?]}.
•C I^*>:n"r,C: Nom. propr. masc, „ThotmosEe" (351 B}.
' -!J<\ Nom. geogr., „JsW = „Nil" (349,5} - n^ Gottesname, „Jahu" (349, 3} - f]DV: Nom.
propr. masc, „Joseph" (353, m.} - "in': Inf. Pi=el von nr,\ „Spezialgabe" (345, 1.}.
^ •7: Präp., „für, zu" (349, 6; 353, I.}.
O [2]r,wXC: Part. pass. Pu'^al von 2n.s, „vielgeliebt" 345, r. ; 349, 4 [?]} - TJNC: Name der Göttin
Ma'na (349, 3; 353, r.; 354 [?]} - n:iD: Part. act. Kai von njc , „Zähler" (353, 1.} - CZü: Stat.
absol. von CZü, „Tempelabgabe" (353, 1.} - ,0: Präp., „von, aus" (349, 5} - -2':o: (n:i'-C,
rz'C ?} Nom. propr. masc, „Manassas (Mosas?} - ~CC: Stat. constr. sing, von ICC, „Pronaos"
(349,6; 353, r.} - nnv^C; Nomen r<V-\i: „Weide" mit Suff. 3. pers. sing, fem., „ihre Weide"
(346, V.} - :m^'D (oder JniE.'15'C ?}: 2. pers. fem. perf. sing. Kai von Ü'U^C oder HK'C mit Pron.
suffix. 1. pers. sing., „Du hast mich herausgezogen" (349, 5}.
J [C]n:: Part. act. plur (?} masc. Kai von mj, „Ruhende" (352, u.} - yi'C: 3. pers. masc. sing. perf.
Kai von fnj, „er hat abgekratzt" (351 B} - cyj: Stat. abs. von cy;, „Wohlergehen" (346, r.
und V.} - ncj;:(?}: 2. pers. fem. Sgl. Kai von Cy:, „du warst gnädig" (353, 5} - ri:n: : 3. pers.
fem. sing. perf. Kai von pi, „sie hat gegeben" (348}.
D N12D : Inf. Kai von N^D, „Vielsein" (346, v.} - r,ctfn:D : Nom. propr. masc, „Sanesamö" (352, o.} -
^:C: Nom.geograph., „Sinai" (346,r., 347, 347a[?],349,3.Z.,352,u.} - PEC (oder ^0}: Stat. constr.
79
sing, von "ED (oder ^D}, „Schwelle" - IC : Stat. constr. sing, von "ID, „Vorsteher" (349, 3.).
V n~y : Stat. constr. sing, von my, „Gemeinschaft, Gemeinde" (352, u.3 - t^y : Präp., „für, zum
Nutzen von" (346, v. und r.}.
1 p":-. Stat. constr. sing, von p~l, „Oberster" (346, r.; 349, 2}.
P CP: 3. pers. sing. masc. perf. Kai von CD, ,, er ist umgekommen' (353, r. ; 354 [?]) - njri: Inf . Kai
von jnj, „Geben, Weihgabe, (347, 347a}.
Außerdem sind dem Sinai -Hebräisch wohl noch (vergl. 8.23,35) folgende in den Buchstaben-
namen enthaltene Wörter zuzusprechen: ^?N „Kuh", n'3 Tempel" (s. oben}, '7C3 „(TempelO
Beamtenschaft", n'PT „große Tür' , "" „ein Jubelruf", ti „Schmudcrosette ', pT „Zierstab, Waffe' ,
n"'in Ori''"} „Lotos", rr'CO „ein Pflanzenname" oder - allgemein - „Grün", Tl^ „der Gott Jod
(Wudd}", n- „Rispe", m^ „Horizont", C^C „Wasser, Meer", K-'n: „Wasserschlange", "CD „Fisch",
VV „Auge", ne „Mund", HIH (bzw. ■'"H} „Antlitz", ^T „Baudihöhle", ti'n (oder älter tJ'n} „Kopf",
JOItt' (]''5i'} „Rute (des Urins}" = „Phallus", "Ti „kreuzförmiges Stirnmal".
2. Der Lautwert der sinaitischen Buchstaben.
Wenn das Sinai-Alphabet 22 Buchstaben (abgesehen von den fünf Dubletten} zählt, so muß
daraus nicht gefolgert werden, daß das Sinai-Hebräisch gerade 22 Konsonantlaute enthalten habe.
Man wird ja auch dem Konsonantbestande des Biblisch -Hebräischen nicht gerecht, wenn man ihn
nach der Zahl SQJner Konsonantzeichen abschätzt; denn noch in masoretischer Zeit gab man dem
ü'-Zeichen die Werte s und s, und in der Septuaginta-Zeit unterschied man beim Lesen von " ein
h und ein h, beim Lesen von V ein 5 und ein g. In der klassischen Zeit des Hebräischen wird die
Differenzierung der Konsonantzeichen beim Sprechen noch weiter gegangen sein, wie sich aus
Doppelschreibungen gewisser Worte des Bibeltextes ergiebt. Wenn nebeneinander vorkommen ]V'ü
und ]Va „tragen", pp und "LOip „Ekel empfinden", =1iJp* (gemäß HD^p} und 1J2p „abknidcen", =11JK''
und ']^^ „sich ergießen", "IHJ und 1i-j „bewachen", Wä (neuhebräisch} und f<Jt2 „Korb", so wird
man daraus auf die Existenz einer Art von althebräischem Mittellaut zwischen s und t schließen,
der sich auf etymologischem Wege als z bestimmen läßt. Ebenso ergeben die Schreiberdubletten
y^i und yi „zerschlagen", V-1 und V^l „gelagert sein", 1U und "ly „Widersacher", p^i" und p^y „enge
sein , £C-i' und tDSy „ergreifen", „pfänden", HUI und C^n)"'!'"' ein früher gesprochenes d, und weiter
31' und 2n „zerfließen", ']V' und ^yi „erlöschen", "l'J und "l'O „geloben", „weihen" vielleicht ein
von z unterschiedenes d. Endlich kann man wohl ohne Bedenken schließen: Wo von den alten
Bibelsdireibern 2 geschrieben ist, das etymologisch nordarabischem k entspricht (z. B. in "Ij „ein-
schneiden", '^■"'"1:1 „gedrehter Faden" (= arab. kalidu}, 1''^ „Sehne", rT?3 „Ölgefäß", "y: „brüllen",
C"1j „abnagen", ^33 (neben ^P-} „stoßen", 3'7~ „springen", - oder wo bibl. i von den alten Ägyptern
mit k umschrieben ist (z. B. in pi „Axt" und den Stadtnamen ti'J^3 und lU}, da steckt hinter solchem
3 der Laut g, d. i. das stimmhafte Gegenstück zu stimmlosem k. Damit verwandelt sich der noch
jetzt von den Grammatikern meist recht eng genommene Kreis der hebräischen Konsonantlaute in
den weiteren des Nord- und sogar des Südarabischen (mit dessen vier stimmlosen Sibilanten Samekh,
Sin, Sin und Sadas}.
Ähnlich wird man sich das Verhältnis von Konsonantzeichen und Konsonantlauten im Altsinai-
tischen vorstellen müssen. Eine Reihe von Buchstaben könnte eindeutig sein, nämlich Aleph (=^},
Beth (= bh}, Daleth (= dh}. He (= h}, Waw (= u}, Jod (= i}, Kaph (= kh}, Lawe (= 1}, Mem
80
C= m), Nahas C= n), Pas C" ph), Res C= r"), Taw C= th). Daneben stehen aber andere, deren
Lautcfiarakter eine genauere Untersuchung fordert:
Hauth: Es steht sowohl für ägyptisches | (h) in • • • ili^SCt'n^n und tt'CriTiil, wie für ägyptisches
<*-=■ Ch) in iCCJn — ; damit ist schon die Möglichkeit gegeben, daß es auch eine Mehrheit von
semitischen Hauchlauten ausdrücken konnte, vor allem h und h, die noch zur Zeit der Septuaginta
in hebräischem H gelesen wurden. Daß es nicht immer (wie im Aramäischen} nur h bedeutet hat,
ist auch aus dem südarabischen h zu schließen, das ersichtlich auf unser Hauth zurücitgeht, während
der südarabische Buchstabe h später nachgebildet worden ist.
Teth: Es wird jedenfalls semitisches t bezeidmen, obgleich wir dafür in den Sinaitexten keinen
Beleg haben. Daneben drückte es jedenfalls auch noch eine Sibilans aus, und zwar sowohl ägyptisdies
d Gn tt'cmn:;) als auch semitisches z, worauf seine Ableitung aus nordarabischem zajj[-t] führt.
Besonders aber fällt dafür ins Gewicht, daß südarabisches z mit einem Zeichen geschrieben wird, das
kaum etwas anderes ist als sinaitisches Teth, während südsemitisches t mit dem sinaitischen Alphabete
nichts zu tun hat.
Zajin: Es steht für etymologisches d Gn HT, n?, i'^N} und etymologisches z Gn "^O; wenn für das
ältere Bibelhebräisch die Scheidung von gesprochenem d und z angängig ist (s. oben), dann gilt jeden-
falls das Gleiche vom Sinaitischen, und sinait. Zajin hat dann die Vertretung für beide Laute.
Samekh: Es steht außer für ägypt. s C^) vor t Ctt'cnriD^::} für semit. s (• • -^'^C, '^^, 1°^', 1°^. °=°3
und semit. I C^O, vergl. "ID und NliD; da das Sinaitische analog dem Bibl. -Hebräischen ursemit. s
bewahrt haben wird, so ist sinait. Samekh C^nd nicht Sin} als dessen Vertreter anzusehen.
Sadas: Es steht zunächst für semit. s in -ä- und wohl auch jTlj, vielleicht auch für d, das im
Bibl.-Hebräischen (s. oben} noch gesprochen sein wird und dann gerade im sinaitischen Buchstaben-
namen Sadae = Dadds (arab. diddai „die zwei Gegenstücice, Seiten"} anzusetzen wäre.
Koph: Es steht für semit. (stimmhaftes} g Gn pH = äth. heg"}, das im Bibl. -Hebräischen vor-
handen war, aber durch 3 wiedergegeben wurde*); daß es weiter noch (stimmloses) k, wie im
Hebräischen, bezeichnete, macht sein Vorkommen in pH (= arab. hakka, äth. hakaka „kratzen") wahr-
scheinlich.
Ajin: Es steht für semit. i (cyj, n'?>'2, my), wahrscheinlich aber nicht für g (arab. Gajin), trotz-
dem dieser Laut wie im älteren Hebräischen, so auch im Sinaitischen vorhanden gewesen sein wird;
sein Buchstabenvertreter dürfte im semitischen Uralphabet Gimel gewesen sein, da aus dessen
Doppelsetzung (nach Fr. Hommel) das Südarabische sich den Zusatzbuchstaben Gajin gebildet hat.
Saut: Es bezeichnet außer ägypt. [1 = ä, wenn es nicht vor t steht (vergl. • • • ili'EK'n'n }, noch semit.
bzw. hebr. s (tf} in nülV----, Jmtt'C, ItfN usw., niciit aber hebr. s (tt'}, wofür Samekh eintritt.
Somit schreibe ich mit mehr oder weniger großer Wahrscheinliciikeit den sinaitischen Buchstaben
folgende Lautvertretung zu:
Aleph = ^, Beth — b (genauer bh), Gimel = g (genauer gh) und g (?), Daleth = d (genauer dh).
He = h, Waw = u, Zajin = z und wohl auch d, Hauth = h und h (daneben ägypt. h), Teth = t und
z (daneben ägypt. d), Jod — i, Kaph = k (genauer kh), Lawe = 1, Mem = m, Nahas = n, Samekh — s
und s (daneben ägypt. s vor t}, Ajin-= ?, Pae = p (genauer ph), Sadas = s und d (?), Koph = g und
k, Res = r. Saut = s (und ägypt. s), Taw — t (genauer th).
Neben den konsonantischen Lautwerten der sinaitisciien Buchstaben gingen noch solche vokalischer
Natur her. So verwunderlich das auf den ersten Blick ersdieint, da man die Vokalbezeichnung gern
+} In dem alten Volksnamen p'?pj), der gemäß seiner babylonisdien Sdircibung Meluha mit g gesprodien wurde, hat sidi p festgesetzt.
81
als eine besonders junge Zutat zu der semitisdien Sdirift zu nehmen pflegt, so entspricht es doch
durchaus dem engen Abhängigkeitsverhältnis, in dem die Sinaischrift zu der ägyptischen Schreibweise
der Zeit um 1500 steht, die - wie Max W. Müller in seiner Studie „Die Spuren der babylonischen
Weltschrift im Ägyptischen" (1912} eingehend gezeigt hat « sich bemühte, in Fremdwörtern vor-
kommende Vokallaute konsonantisch auszudrücicen. Im Sinaitischen teilen sich die Konsonanten Waw,
He und Jod in die Vokalvertretung, wobei Waw vorwiegend inlautende, He vorwiegend aus-
lautende, Jod nur auslautende Vokale, und zwar anscheinend stets lange, wieder giebt. Unter der
Annahme, daß die sinaitischen Vokalqualitäten im Wesentlichen den biblisch-hebräischen gleich seien,
lassen sich folgende Vokalbezeichnungen konstatieren:
1. durch den Konsonanten Waw bezeichnet es
ö: in njiD (.r\y\ü'), f]Dv Q^qV), ni:d CnI^d) :mt^r: CjT.'zv'), K-cnint: (E'criint:?};
ü: in nin^ O'^n^X [?] "^^^ C^), in' 0^0, i^^K^nvi (•••it^sti'n^n?}.
2. durch den Konsonanten He bezeichnetes
i: n:NQ (njNc oder njNo), run: C^Jn;};
e C?3: 5^*cnnD'2 Ctf'cnriD''^ ?3;
ö C?3: nDB^noD C^bB/nJD ?};
3. durch den Konsonanten Jod bezeichnetes
i: 'J2 0^} ?}.
Im Gegensatz zu der verhältnismäßig häufigen Wiedergabe von dunkeln Vokallauten steht die
Sparsamkeit in der Bezeichnung von T und e. Schreibungen wie JN C= hebr. ''JN}, jmti'C (= hebr. ''Jnllt'C},
nnno C= hebr. nn^Vl?}, n2 (== hebr. HO 3, vielleicht auch 1 „wehe" (= Hl ?} könnten die spätere
semitische Schrift zu der Gewohnheit des Nichtbeachtens gesprochener Vokale geführt haben, die im
Phönizischen ihren Höhepunkt erreichte, während das Biblisch -Hebräisdie sich nur zeitweilig über
das Maß der sinaitischen Vokalbezeichnung hinaus einschränkte, um dann von der alten Tradition
wieder die Anregung zu einem besonders reichlichen Vokalausdruck zu entnehmen.
Die Konstatierung des Alters der semitischen Vokalbezeichnung durch Konsonantersatz wirft ein
neues Licht auf die Geschichte der griechischen Schrift. Wenn hier Epsilon, Ypsilon und Jota über
semitisches He, Waw und Jod hinaus sich entwickelt haben, so wird man darin kaum eine Errungen-
schaft des Griechengeistes, sondern Nachwirkung der semitischen Urschrift zu erblicken haben;
erst bei Omikron und Etha als Abkömmlingen von semitischem Ajin und Hauth zeigt sich freies
Schalten mit überkommenen Werten. Da die Phönizier die Vokalbuchstaben so gut wie ganz aus
ihrer Schrift ausgeschieden hatten, so verdient die antike Annahme, wonach sie den Griechen
die Buchstaben übermittelt hätten, wenig Glauben.
3. Chronologisches.
Bislang wurde die Chronologie der altsinaitischen Denkmäler auf Indizien aufgebaut, mit deren
Hilfe nur Datierungsmöglichkeiten erzielt worden sind. Zeitlich am höchsten hinauf ging Gardiner,
indem er die Denkmäler der Zeit des mittleren Reiches von Ägypten (2000 bis ungef. ITOO) zuwies.
Dabei stützte er sich besonders auf das Vorkommen eines dem sinaitischen Aleph ähnlichen Stier-
kopfes unter einer sinaitischen Inschrift hieroglyphischen Charakters, die zur Zeit des Amenemhet III.
entstanden ist; weiter auf die von ihm als Eigentümlichkeit des mittleren Reiches bezeichnete
82
Einfassung des Ptahbildes von Nr. 351 durch einen zellaartigen Rahmen. Beide Gründe hat v. Bissing
in seiner Studie „Die Datierung der Petrieschen Sinaiinschriften Cl 920)" als nicht stichhaltig bezeichnet.
Sethe möchte Gardiner's Ansatz von der mittleren Periode Ägyptens in die Hyksoszeit hinunter-
setzen. Aber es ist sehr zweifelhaft, ob in letzterer überhaupt auf dem Sinai gearbeitet wurde,
da die große Bautätigkeit der ersten Thutmosiden auf Sinai doch wohl eine vorhergehende Zeit
des Verfalles zur Voraussetzung hat. Eine weitere Behauptung Sethe's, daß die sinnwidrige Aufrecht»
Stellung einiger sinaitischer Zeichen - besonders des Auges (Ajin) - ihr Analogon nur in der
Hieroglyphenschreibung der Zeit der XI. bis XIV. Dynastie hätte, will v. Bissing Ca. o. O.} nicht
gelten lassen.
Flinders Petrie, der Elntdecker unserer Denkmäler, hatte sich die Überzeugung gebildet,
daß sie der Zeit des Thutmosis III. (1480-1447) angehörten; eine braune Scherbe mit schwarzer und
roter Streifung, die er bei Mine L, dem Fundort der Tafeln, auffand, weiter der Rotsandstein, aus
dem die Sphinx gearbeitet ist, wiesen ihn dorthin, endlich auch der Fundort der Hockerstatuette,
der von Hatäeps'ut (1501-1480) errichtete Vorraum der Sapdu-Kapelle.
Bissing beschließt seine oben erwähnte, im Wesentlichen der Kritik der vorstehenden Indizien
gewidmete Studie mit der Behauptung, die Denkmäler seien jünger als 1500 v. Chr.; er möchte
aber nicht unter das letzte Drittel des zweiten Jahrtausends v. Chr. hinabgehen.
Noch sei die These Hermann Schneider's (Orient. Literaturzeitg. 1921, S. 241) von der Ent-
stehung der Sinaidenkmäler um spätestens 1000 v. Chr. erwähnt. Damals habe ein fremder Barbar
(vielleicht Philister) den Sinai betreten, das Alphabet dorthin gebracht und den Königsnamen
auf der Sphinx zerstört. So wenig aber feststeht, daß der letztere seine jetzige Unlesbarkeit
wirklich durch einen Gewaltakt bekommen hat, so wenig kann das andere von Schneider Behauptete
als irgendwie zwingend genommen werden.
Von den Indizien, die der Chronologie nur eine unsichere Basis zu geben vermögen, können
wir jetzt zu wirklichen Beweisen übergehen. Diese liegen vor in den drei von uns auf den Denk-
mälern selbst festgestellten Namen p'DjniK'eii'n^n (Nr. 349, Z. 3), ? D:o^c:mü'Erp:n (Nr.349, Z. 1,
Nr. 351, Z. 1) und ccmni^ (Nr. 351 B). Der erste entspricht genau dem ägyptischen Namen
(W^¥M
d. i. H 5 tsp^wthnm ? mn (jetzt üblicherweise HatSepsut gesprochen), der nur von der Tochter des
Thutmosis I., die nach ihm von 1501-1480 den Pharaonenthron inne hatte, als Prunkname geführt
wurde. Wenn in manchen Kartuschen der Königin nur die erste Hälfte dieses Namens, nämlich
H^tspswt geschrieben ist, so spricht doch seine sinaitische Umschreibung für die Popularität der
längeren Form. So kann es nicht auffallen, einen mit ihr komponierten sinaitischen Eigennamen zu
finden, nämlidi •OJCCimti'Dtt'nTI. Man kann fast sidier annehmen, daß sein zweiter Teil, von dem
nur O erhalten ist, zu t^'C zu ergänzen sei, somit das Ganze bedeute: „Sohn der Hatsep^ut".
Der Träger dieses Namens muß unter der Regierung der Königin geboren sein und zu ihr in intimer
Beziehung gestanden haben. Einer späteren Zeit gehörte er keinesfalls an; denn die Achtung der
Königin seitens ihres Nachfolgers Thutmosis III. ließ ihr Andenken untergehen und wohl auch keinen
eigentlichen Totenkult, der ihr Gedächtnis verewigt hätte, für sie aufkommen. Auf die Zeit der
XVIII. Dynastie deutet zudem die Zusammensetzung des Namens mit mä, wofür eine frühere Zeit
wohl sj gebraucht hätte.
83
6*
Noch genauer wird der Zeitansatz, auf den uns die genannten beiden Namen führen, durch
den dritten: t5'Qmn£3 bestimmt. Das ist hieroglyphisches
CMB
also Dhwtms, wofür Manetho die Aussprache Thutmosis überliefert hat. Von den vier Pharaonen,
die zwischen den Jahren + 1540-1411 diesen Namen trugen, kommt für uns nur Thutmosis III., der
Stiefbruder, Gemahl und Nachfolger der Hatsepsut, in Frage; denn zu deutlich bezeichnet Nr. 351 B
seine bekannte gehässig-feindselige Stellung zur toten Hatsepsut und ihren Getreuen. Somit ist
Nr. 351 B sicher der ersten Zeit nach Hatsepsut's Hinscheiden, also dem Jahre 1480 oder 1479 zu-
zuweisen, und kurz vor dieser Tafel mit ihrer doppelten Beschriftung werden alle anderen ent-
standen sein, wenn der innere Zusammenhang, den wir zwischen den Totentafeln einerseits und
ihnen und den beiden Paralleltafeln Nr. 349, 351 andrerseits glaubten ansetzen zu sollen, auf
Tatsächlichkeit beruht.
Etwas älter werden die beiden im Hathor-Sapdu -Tempel gefundenen Weihgeschenke in Sphinx-
und Hockerform sein, da sie noch zu Lebzeiten der Hatsepsut angefertigt worden sind. Für die
Sphinx geht das aus der Fußplatteninschrift nt'JJZnNC „Vielgeliebt von Ba'^alet", der semitischen
Übersetzung von mrjj Hthr, hervor; denn diesen Beinamen trägt Hatsepsut wie auf zahlreichen
hieroglyphischen Schriftdenkmälern des Sinai, so auch wohl auf Nr. 349, Z.4. Ferner, da die Sphinx
einen Frauenkopf trägt und sie ihrem Wesen nach Herrschergewalt symbolisiert, so muß der Kopf
auf eine Pharaonin gehen, bzw. auf die einzige Pharaonin, die die ältere ägyptische Geschichte
aufzuweisen hat: Hatäepsut. Für die Datierung der Hockerstatue ist wichtig der Titel CJ2X ]::"1
„Oberster der Steinarbeiter", der in Nr. 349 wiederkehrt, gefolgt von dem weiteren und vielleicht
höheren „Hauptmann des Tempels der Ma^na [und] des Jahu [in] Sinai". Im ersten Falle führt ihn
ein Mann mit Namen Hti'^C, im anderen aber der obengenannte [tt']0J0"'03niIJ'Etl'n"'n. Wie stehen diese
beiden Namen zu einander? ? Zu dieser vielleicht wichtigsten Frage, vor die uns die sinaitischen
Inschriften stellen, wird weiter unten (unter 7) Verschiedenes zu sagen sein. Aber wenn je, so ist
hier Zurücichaltung bei der letzten Entscheidung am Platz, bis Auge und Finger des Forschers
besonders die drei Fälle, wo der Name rwifjü vorkommt (Nr. 346, r. S.; 350, r. Z.; 353, 1. ZJ), auf den
Originalen geprüft haben.
Die vorstehende Datierung der Tafeln und wichtigsten Weihgeschenke erledigt auch die der
Kleindenkmäler. Sie schließen sich nach Form und Schrifttypus so eng an diese an, daß man sie
ohne Bedenken als gleichzeitig mit ihnen bezeichnen, also der Zeit um 1500 zuweisen wird.
Mit der Frage nach dem Alter der sinaitischen Schriftdenkmäler ist aber diejenige nach
dem der Schrift selbst noch nicht entschieden. Wir haben wohl die Zeitgrenze gefunden, hinter
der ihr Ursprung nicht mehr angesetzt werden kann; aber nach oben hinauf ist noch nichts fest-
gelegt worden. Dennoch fühle ich mich berechtigt, zu behaupten, daß die Sinaischrift kaum viel
älter sei als ihre Denkmäler. Die Formen ihrer Buchstaben spiegeln solche von hieratischen Zeichen
der Zeit des Beginns der XVIII. Dynastie wieder, wie sie uns besonders Papyrus Ebers, Westcar,
Golenischeff und Carnarvon I erkennen lassen. Der Duktus der Schrift ist ein schwankender, noch
unausgeglichener; die Möglichkeit, manche Zeichen rechts- oder linksgerichtet zu gebrauchen, hat
etwas Willkürliches an sich. Die Schrift ist besdiwert mit dem Ballast von fünf Buchstabendubletten,
den eine bereits von Schreibern viel gehandhabte Schrift sicher abgestoßen hätte. Endlich
84
spricht ein gewichtiges Wort die Entstehung des Sinaialphabetes beim Hathortempel vom Sinai.
Mag dieser auch bis in die XII. Dynastie zurückreichen, so ließ ihn doch erst die Bemühung von
Hatsepsut und Thutmosis III. zu Pracht und Bedeutung gelangen, nachdem die Hyksoszeit wahr-:
scheinlich seinen Verfall bewirkt hatte. So ist das Auftreten eines Mannes von der geistigen Höhe,
wie sie dem Schrifterfinder jedenfalls zuzuschreiben ist, bei ihm vor 1500 kaum denkbar. Sollte es
da noch gewagt sein, für Sinaischrift und Sinaischriftdenkmäler ungefähr die gleiche Entstehungszeit
anzusetzen?
4. Jahu.
Inschrift Nr. 349, Z. 3 hat uns die Lesung eines Wortes Ti'' geliefert, das neben HjNO jedenfalls
eine Gottheit bedeutet, die am Kulte im Sinaitempel teil hatte. Da für diesen nur zwei Gottheiten
in Frage kommen, die weibliche Hathor und der männliche Sapdu, Ma^na aber sicher die semitische
Bezeichnung für Hathor vom Sinai ist, so ergiebt sich für in^ Cjahu} die Identität mit Sapdu.
Damit bekommt die Forschung nach der Herkunft des Gottes Israels festen Boden unter die Füße.
Zugleich findet manches von dem, was Prof. Daniel Völter in seiner Studie „Die Herkunft Jahwes"
CZschr. f. d.Alttest.Wissensch., XXXVII, 8.126-133} über die Gleichung Jahwae = Sapdu vorgebracht
hat, nunmehr seine Bestätigung. Nach ihm weisen Sapdu (von ihm üblicherweise Sopdu genannt},
der auf ägyptischem Boden sein Hauptheiligtum in Per- Sapdu, dem heutigen Saft el- Henne im
Wadi Tumilat, dem alten Gosen, hatte, und Jahwae gleicherweise auf den Sinai als ihre Urheimat
hin; beiden gemeinsam sei das Attribut des heiligen Dornstrauches (ägypt. Nbs, hebr. H^D}, und
wie Sapdu sich in dem Himmelsphänomen des Zodiakallichtes manifestiere, so deute auch die
glänzende Erscheinung Jahwass vor Moses und den 70 Altesten (Exod. 24, 9-1 1} sowie die Feuer-
säule bei der Stiftshütte auf Jahwas als Gott des Zodiakallichtes. Die Schwäche von Völter's
Aufsatz liegt in dem Nichtbeachten, daß die ägyptische Anschauung von Gott Sapdu im Laufe der
Zeit verschiedene Wandlungen durchgemacht hat, und weiter im Zuweisen an Jahwas, was dem
Jahu zukommt. In dieser Richtung werden seine Ergebnisse zu revidieren sein, und wird vielleicht
Folgendes aufklärend wirken.
Die Ägypter des Alten Reiches sahen in Sapdu den „Herrn der Gebirgsgegenden", d. h. sowohl
des Gebirges östlich vom Niltal wie vom Sinai. Sie stellten ihn dar als Semiten, langhaarig und
mit Vollbart, mit zwei hohen steifen Federn auf dem Kopfe, am Hüftgurt das grüne ssmt-Mineral
tragend, in einer Hand das Lebenszeichen, in der anderen den langen Herrscherstab w?s. Seinem
Wesen nach wird er ihnen eine Kriegsgottheit bedeutet haben, denn auf einem Relief aus dem
Grabe des Königs Sa^-hu-re*^ führt er dem Pharao Gefangene zu. Im Mittleren Reiche war die
Anschauung von Sapdu noch dieselbe, wie seine Darstellung auf einem Denkstein vom I.Jahre des
Sesostris IL unweit Koser am Roten Meere mit der Beischrift „Sapdu, der Herr des ssmt-Landes,
der Herr des Ostens" CA} lehrt. Im Neuen Reiche wurde er aber mehr und mehr ägyptisiert und
verlor dadurch manches von seiner Eigenart. So ist auf einem Relief des Sinaitempels, das
Hatsepsut anfertigen ließ CB}, sein Haar und Bart durchaus nicht mehr semitisch; weiter fehlt ihm der
ssmt-Gurt, und die Linke hält jetzt das Pharaonenszepter hk?, während die Federn auf dem Kopfe
noch geblieben sind (vergl. Figur 98 in Flinders Petrie, Researches}. Seine Beziehung zu Gott Horus
und damit zur Sonne, auf die wohl seine alte Sperberhieroglyphe hinweist, wurde in spätägyptischer
Zeit der Anlaß, ihn zum Sohn von Re*^ oder auch von Isis und Osiris zu stempeln, und ihn auch
verschiedenen anderen Göttern enger anzuschließen.
85
Für unsere Vergleichung Sapdu's mit Jahu müssen wir uns möglichst an das halten, was uns seine
Sinai-Darstellung lehrt. Danach war er mehr ein Gott der Kraft als des Krieges; sein Federschmuck
deutet auf die Luftsphäre oder den Himmel als seinen Wohnsitz, sein Beiname „Herr des Ostens"
Cnb i?bt-t3 auf den Bereich seines irdischen Waltens. Vom Dornstrauch CNbs', jetzt mit Sicherheit
als Zizyphus spina Christi zu deuten^ bietet der Sinaitempel kein Bild; das ist jedoch kein Grund,
dieses Attribut erst einer spätägyptischen Wandlung des Sapdu- Begriffes zuzuweisen. Vielleicht
steci^t eine Andeutung davon in dem als Dorn zu nehmenden spitzwinkligen Dreieck, der üblichsten
Hieroglyphe für den Gott " wenn sie nicht etwa auf das patronenf örmige Zodiakallicht zu beziehen ist.
Eine ähnliche Beschränkung muß sich die Forschung bezüglich des hebräischen Gegenstückes zu
Sapdu auferlegen. Schon was seinen Namen anbetrifft, ist eine prinzipielle Scheidung zwischen
1"'' Cjahu} und mri"' Cjahwas} geboten. Entgegen der üblichen Ansicht hatte ich schon im Jahre 1896
CGrundzüge der hebr. Akzent- und Vokallehre, Anhang) Jahu für den ursprünglicheren Gottesnamen
erklärt, von dem aus durdi Anfügung einer Abstrakt-Endung Jahw^ gebildet sei. Diese Namens-
verlängerung habe eine Verengerung des Sinnes bewirkt, indem der alte Gotteseigenname, abstrakt
umgedacht, nicht viel mehr als „Gott" oder „Herr" Cwie ihn die Septuaginta übersetzt} schlechthin
bedeute. Daß tatsächlich Jahu an den Anfang der Entwicklungsreihe zu setzen ist, lehrt uns nun
sein Vorkommen in der sinaitischen Inschrift.
Den Namen Hin'' läßt die Bibel erst in der Zeit der RüAkehr Moses nach Ägypten entstanden
sein und unterstreicht seinen Abstraktcharakter durch die Sinndeutung: „Ich bin, der ich bin (Ti'TiH
n'riN ~lli\s'3". Was vorher des israelitischen Gottes Name war, sagt der Beginn der an Moses in
Ägypten gerichteten Gottesrede von Exodus 6, 3-8: „Ich bin Jahw^; dem Abraham, Isaak und
Jakob hatte ich mich als „El Sdiaddai" 0~^ '^^') gezeigt, aber mich ihnen unter meinem Namen
Jahwes nicht kundgegeben". Wo man nach unserer vorherigen Ausführung Jahu erwartet, steht
hier der Name Schaddai : ein Rätsel für die bisherige Exegese und darum für Viele ein Grund, dem
über Schaddai Gesagten zu mißtrauen. Dennoch ist alles in schönster Ordnung. Jahu birgt sich
86
hinter Sdiaddai; denn dieser Name giebt ägyptisches Sapdu in der Aussprache der zweiten Hälfte
des zweiten Jahrtausends v. Chr. wieder, wobei im Wortinlaut p ebenso versdiwunden ist, wie
das p von Sopdu „Sirius" > SöthiC-sD oder von hopru „Wesen" > huru Gni Königsnamen Naphururia
der EUAmarna-Briefe), das b von Sobek „Krokodilgott" > SudiC-os), das t von itrw ,,Nil" > Ja^or,
und wobei dem d etwas von der Energie des verlorenen Lautes als Gemination beigefügt wurde,
die als uneigentlidi durdi ihren Ausfall unter dem Nebenton Cvergl. "l'N"'"iIf'5 erwiesen wird. So
wissen wir nun : in vormosaisdier Zeit verehrten die in Ägypten ansässigen Israeliten als ihren
Gott den Sapdu und damit den Jahu, der mit jenem wesensgleidi war. Der heilige Dornstraudi
gehörte dem Kulte des Sapdu -Jahu, nidit dem des Jahwas an; denn er begegnet uns wie im
sinaitisdien Namen PICB'nJD „Der Dornstraudi ist seine (d.i. Jahu's} Manifestation", so in der
biblisdien Szene der Berufung des Moses, die der Proklamierung des neuen Gottesnamens Jahwae
vorhergeht, und versdiwindet von da ab aus dem israelitisdien, durdi Moses reformierten Kulte,
um nur nodi einmal in dem poetisdien Beinamen Jahwas's „Wohnend im Dornstraudi (Deuteron. 33,1 6)
aufzutaudien. Jahu war wie Sapdu im „Osten", d. h. in diesem Falle auf dem Sinai, bodenständig;
von Jahwas aber wird beriditet, daß er in der Wolke den Wüstenzug der Israeliten mitgemadit
habe, um weiter audi in Palästina in der heiligen Lade bei ihnen zu wohnen. Vollends der Gott
des mosaisdien Gesetzes verleugnet den ägyptisdien Sapdu und damit den altisraelitisdien Jahu
gründlidi; denn wenn er befiehlt, keinen anderen Gott als ihn zu verehren, kein Abbild von
ihm zu madien, seinen Namen als etwas Unausspredilidies zu ehren und seinen Sabbath zu feiern,
so sind das offenbar Forderungen eines früher in Israel nodi nidit dagewesenen Kultes, der Israel
von Ägypten religiös ebenso sdiarf sdiied, wie der von Moses eingeleitete und glüd^lidi durdi-
geführte Exodus beide Völker politisdi auseinander riß.
Da Moses die Jahwas-Religion über dem Jahu-Kulte gegründet hatte, so kann es nidit verwundern,
wenn Jahu nidit ganz im Jahwae unterging. Vielmehr blieb der Name Jahu in Israel gebräudilidi
für die Komposition theophorer Namen, für die der Name Jahwas, vielleidit als zu heilig, garnidit
in Betradit kam. Daneben lassen sidi audi Spuren einer tatsädilidien Jahu -Verehrung unter den
Israeliten durdi alle Perioden der Bibel bis in die nadibiblisdie Zeit verfolgen, deren Erklärung
ein nodi ungelöstes Problem ist. Beruhte sie etwa auf einem naditräglidien Auffladcern der
israelitisdien Urreligion besonders in den Zeiten, wo das mosaisdie Religionsgesetz die Massen nidit
mehr zwang? Näher liegt mir die Annahme, daß sidi später Jahu mit Jahwae friedlidi in die Stellung,
Israels Gott zu sein, geteilt habe, wobei man bei Jahu an den im Himmel thronenden Gott dadite,
in Jahwae aber dessen auf Erden, vor allem in der Nähe seines auserwählten Volkes wirksame,
über der heiligen Lade und später im Tempel zu Jerusalem wohnende Manifestation sah, deren
Wesen deutlidier auszudrüd^en man in nadimosaisdier Zeit die Wortverbindung filN^SJ mn^ (Jahwe
Saba^öth) „Herr der Betätigungen" sdiuf, die man bis zur Zerstörung des ersten Tempels mit Vorliebe
benutzte.
5. S
inai.
Die sinaitisdien Insdiriften bieten uns an fünf Stellen - Nr. 346, r. S., 347, r.S., 349, Z. 3 und Z. 7,
352, untere Hälfte - mehr oder weniger deutlidi das Wort 'JD, und zwar jedesmal in einem
Zusammenhang, der ihm die Bedeutung eines geographisdien Eigennamens sidiert. Es ist kaum
daran zu zweifeln, daß uns in ihm das biblisdie VC entgegentritt. Wenn es bisher nidit
gelungen ist, dieses irgendwie fest zu lokalisieren, und sdion die Sinaihalbinsel, weiter nördlidi das
87
edomitische Grenzgebiet und östlich das arabische Midian im Ganzen oder mit einem Teilbezirk
hypothetisch damit in Verbindung gesetzt worden sind, so bieten sich nun verschiedene Handhaben,
um der bisherigen Unsicherheit ein Ende zu machen und den Begriff des biblischen Sinai genau zu
umgrenzen und zu bestimmen.
Als Sinai hat von nun an das Felsplateau von Serabit-el-Hadem zu gelten, das im Norden vom
Wadi ed-Dhabba, im Osten vom Wadi Umm Agraf und Hamile, im Westen vom Wadi Baba begrenzt
wird, im Süden aber mit dem Massiv von Magara zusammenhängt. Die alleinige Berücksichtigung
der Phrase von Nr. 346, r. S.: „Oberaufseher der Minenarbeiter auf Sinai" könnte dazu führen, das
ganze von den alten Ägyptern bergmännisch bearbeitete Gebiet der Südwestecke der Halbinsel,
also Wadi Magara samt Serabit-el-Hadem, als „Sinai" anzusprechen. Aber wenn in Nr. 349 vom
„Tempel der Ma^na [und] des Jahu [auf] Sinai" und weiter vom ,,Pronaos [der] M . . . , der [auf]
Sinai . . " die Rede ist, so scheidet damit Wadi Magara, das kultisch keine Bedeutung hatte, aus
der Wahl aus, und das vom Hathor-Sapdu-Tempel beherrschte Serabit-el-Hadem bleibt allein für
den Namen Sinai übrig. Den letzten Zweifel an dieser Lokalisierung zerstreut sodann die Phrase
von Nr. 352 „Mein Grab ist auf 0^} der Bergspitze auf (-) Sinai". Hier wird dem ganzen Sinai
nur ein frei aufsteigender Berg zugeschrieben, und dieses stimmt genau dazu, daß über dem Plateau
von Serabit-el-Hadem nur im Südwesten sich ein Berg erhebt, der Umm RiglainO, dessen schroffe
Vorderwand und ungemein charakteristischer Doppelgipfel ihm wohl die Bezeichnung „Berg von
Serabit-el-Hadem C= Sinai} sichern könnten.
Tritt man mit diesem Ergebnis an die Stellen heran, in denen die Bibel von "'j''D redet, so hören
sie auf, vieldeutig zu scheinen und führen nun ebenfalls auf Serabit-el-Hadem hin. Nach dieser
Richtung weist Exodus 16, 1, wo die Steppe Sin als zwischen Elim und Sinai gelegen bezeichnet wird.
Da der Erzähler nicht mit allgemein geographischen Begriffen arbeitet, sondern sein Interesse sich
auf solche Punkte beschränkt, die sich zu Rastorten eigneten, Elim aber ein solcher ist (vergl. unten ^D,
so kann Sinai hier weder auf ein weites Gelände noch auf einen einzelnen Berg bezogen werden,
wohl aber empfiehlt sich dafür das zum Lagern geeignete und von Elim nicht zu fern gelegene Serabit.
Hierauf paßt auch die Bezeichnung 'J''D ^^~Ip „Steppe CTrift} Sinai", wo nach der Bibel die Israeliten
ein Jahr lang rasteten und Moses ihnen das Gesetz gab; die Bedingung, daß eine „Steppe" für
Herden genügenden Pflanzenwuchs bieten muß, hat das Plateau von Serabit um 1500 v. Chr. jeden-
falls erfüllt, wie aus der Erwähnung von „Vieh und „ihrer Weide* auf Inschrift Nr. 346 klar hervor-
geht. Was endlich den Ausdruck 'J"'P "IH anbetrifft, so bedeutet er keinesfalls „Berg Sinai"; denn
Steppe und Berg sind zu ungleiche Begriffe, um mit einem und demselben Namen benannt werden
zu können. Er will wohl nichts anderes besagen als „Berg von (der Steppe) Sinai", was voraussetzt,
daß nur ein Berg in Frage kommt, ganz wie bei sinaitischem (Nr. 352} 'jD2 D'^K'J „die Spitze auf
Sinai", und was auch zur Formation von Serabit stimmt. Dann muß aber der doppelgipfelige Berg
Umm Riglain als der Berg der Offenbarung und „Berg Gottes" genommen werden, ist somit den
klassischen Stätten der Welt- und Religionsgeschichte beizuzählen.
Das Fehlen eines eigenen Namens für einen Platz von solcher Bedeutung mußte einer späteren
Zeit auffällig erscheinen, und wenn beim Deuteronomisten, den man sich als Zeitgenossen Salomo's
denken darf ^3, der Gottesberg den Namen -l^t „Horeb" trägt, so liegt der Verdacht einer nach-
träglichen Namensgebung sehr nahe. Ob die Volkstradition dabei auch etwa die Hand im Spiele
gehabt hat: wer vermag es zu entscheiden?
'J Siehe seine Darstellung auf Tafel 2 nach Flinders Petrie, Researdies, Fig. 70. - 25 S. 89.
33 Vergl. meinen Aufsatz „Die Auffindung des salomonisdien Gesetzbudies unter Josia" (Orient. Lit. Zeitg. X, Sp. 610 ff, dazu XI, Sp. 188 ff}.
88
Mit der Annahme, Serabit-el-Hadem sei das biblisdie Sinai, wird der biblische Bericht über den
Auszug der Israeliten aus Ägypten und ihr Wandern von Station zu Station bis zu ihrem ersten Ruhe-
platze wenigstens in seinen Grundlinien durchaus einleuchtend, so daß ihm nicht Legendencharakter,
sondern der Wert einer guten alten Tradition zugeschrieben werden muß. Nach Exod. 5, 3 stellen Moses
und Aaron das Ansinnen an den Pharao : „Laß uns drei Tagesreisen v/eit in die Steppe ziehen, um
Jahwes, unserm Gotte, zu opfern!". Daß ihr Ziel Sinai sein könnte, deuteten sie damit in keiner
Weise an; es sollte vielmehr ganz den Anschein haben, als wollten sie nur eben die Grenze des be-
wohnten Ägyptens überschreiten, um etwas von dem h^s • t ,, Fremdland" oder der smj • t „Steppe" unter
den Füßen zu haben, das dem Gotte Sapdu-Jahu heilig war. Um nach Sinai mit dem Volke zu ge-
langen, hätte ein Wunder geschehen müssen, wie es aber die in Exod. 3, 12 Jahwae in den Mund
gelegten Worte erwarten ließen: ,,Dies soll dir das Zeichen C= Wunder^) sein, daß ich dich geschici<t
habe : wenn du das Volk aus Ägypten herausbringst, so werdet ihr auf diesem Berge Gott verehren".
Da ein Marsch von drei Tagen die Israeliten höchstens bis an den Rand der Steppe Etham, d. h. der
heutigen Tih, führen konnte, bis wohin jedenfalls die militärische Kontrolle der Ägypter noch reichte,
so drang Moses endlich mit seinem Verlangen durch, und der Auszug erfolgte in der Form einer
großen religiösen Wallfahrt von Ramses '3 über Sukkoth Cägypt. Tkw, heute Teil el-Mashuta}^) nach
Etham, wo die Steppe begann. Jetzt setzte das strategische Wagnis ein, von dessen Gelingen Moses
die Freiheit der Israeliten erhoffte: er schwenkte plötzlich von dem Verkehrswege in der Richtung
nach Süden, d. h. dem Sinaimassiv, wo die ägyptischen Militärposten aufhörten, ab und wählte den
ersten Lagerplatz so, daß er im Norden Pi-Hahiroth C= Serapeum des Itinerarium Antonini), im
Süden Migdol C= Serapeum der Description egyptienne}, gerade vor sich das seichte Sumpfgelände
des ,, Schilfmeeres und jenseits desselben das auf einem Hügel liegende Heiligtum des Ba'^al Saphon
hatte ^). Damit scheint er beabsichtigt zu haben, die Ägypter, auf deren schnelles Nachrücken er als
Deserteur jetzt rechnen mußte, in eine Falle zu lod^en. Die ägyptischen Grenztruppen nahmen wirklich
sogleich die Verfolgung auf und waren schon den Israeliten auf Sehweite nahe, als Moses das Wagnis
unternahm, nachts durch das ,, Schilfmeer zu ziehen, begünstigt von einem auf den Sumpfboden aus-
trocknend wirkenden Ostwinde. Als die verfolgenden Ägypter frühmorgens dasselbe versuchten,
hatte ein Wechsel der Windrichtung die Bodenverhältnisse für den Durchzug wieder verschlechtert,
so daß die ägyptischen Streitwagen kaum vorwärts kamen; je langsamer dabei der Marsch der Truppen
wurde, desto stärker floß jetzt aber die Flutwelle des Roten Meeres gegen sie und bewirkte schließlich
ihren Untergang. Nunmehr waren die Israeliten vor dem Nachrücken der Ägypter sicher und konnten
ungestört die Sinairoute verfolgen. Nach einem Marsch von drei Tagen wurde in MaraC?D Rast
gemacht, weiter in der Oase Elim, die sicher mit der heutigen Oase Garandel gleich zu setzen ist.
Der Zug ging sodann durch die Steppe Sin, berührte von kleineren Wegstationen Dophka und Alus und
stockte dann bei Raphidim, teils weil es an Wasser fehlte, teils wegen eines Angriffes der Amalekiter.
Beides sind - wie Currelly in Flinders Petrie's Researches, S. 248 f. gezeigt hat - Anzeichen dafür,
daß Raphidim mit Wadi Magara gleich zu setzen ist. Besonders klar zeigt das der Kampf mit den
Amalekitern. Wadi Magara ist gewissermaßen das Tor zu dem wasserreichen und daher von jeher
gut angebaut gewesenen Wadi Feiran, dessen Besitz zugleich den des ganzen Mittelmassivs der
Halbinsel bedeutet. So war es eine Macht- und Lebensfrage für die freien Stämme des Gebirges,
'3 Nadi Flinders Petrie und N-iville das heutige Teil er-Retabe, was aber Gardiner bestreitet. Mit Pi-Ramscs, der Deltaresidenr von
Ramses II. unweit Pclusium, hat dieser Ort wohl nidits zu tun.
23 Nadi der Feststellung von Gardiner.
8) Daß diese bibl. Angaben ganz mit den geographisdien Verhältnissen der Gegend übereinstinifflcn, hat E. Naville in seiner
Ardi£ologie de l'Ancien Testament, S. 122 gezeigt.
89
jeden Versuch des Eindringens in diese Gegend mit Waffengewalt abzuwehren. Obgleidi sie nun
nach der Bibel damals vor den Israeliten den Kürzeren zogen, erreichten sie doch das mit ihrem
Angriffe Beabsichtigte: Moses ließ seine Leute - ob nach altem Plane oder infolge des Widerstandes
der Amalekiter, muß dahingestellt bleiben - nordwärts weiter ziehen und gelangte nun zur „Steppe
Sinai", d.h. dem Plateau Serabit-el-Hadem, das ihm Sicherheit vor Ägyptern wie Amalekitern bot
und wegen des Tempels auch mit Mitteln zu längerem Verweilen einer größeren Volksmenge ver-
sehen war. Das darauf folgende Jahr war wegen der Proklamierung des „Gesetzes", der vielleicht in
Mara schon Verordnungen sanitär-ritueller Art vorhergegangen waren (Exodus 15, 25 f.), das ent-
scheidende im Leben Israels, das dadurch und durch die harten Nöte der Zeit zu einer Volkseinheit
zusammengeschweißt wurde. Zum Weitermarsch vermutlich in nördlicher Richtung könnte Moses
durch den Mangel an Lebensmitteln, der auf der steinigen Hochfläche bald mit Notwendigkeit ein-
treten mußte, bewogen worden sein. Oder sollte ihm daran gelegen gewesen sein, das Volk aus der
Nähe des Hathortempels, der mancherlei Erinnerungen an Ägypten weckte, zu entfernen, und
könnte nicht die Verehrung des „goldenen Kalbes", zu der sich bei Abwesenheit des Moses Aaron
mit der Mehrzahl des Volkes hinreißen ließ, dahin zu erklären sein, daß die kuhgestaltige, freundlidi
blickende Hathor mit Jahws zeitweilig noch ernstlich rivalisierte?
6.
Die mosaischen Gesetzestafeln im Licht der Sinaiinschriften.
Nach der biblischen Tradition ist der Sinai, von dessen Lage soeben gehandelt ist, der Ort, an
welchem den Israeliten das für sie bindend gewordene Gesetz gegeben wäre. Im Vordergrund des
Berichtes über dessen Mitteilung steht die feierliche Verkündigung und weiter die schriftliche Fixierung
von „zehn Geboten als der Unterlage für einen zwischen Gott Jahwas und dem Volk Israel
geschlossenen Bund. Diese beiden für die Giltigkeit des Gesetzes maßgebenden Begriffe werden
überall hervorgehoben oder vorausgesetzt, wo von der Entstehung der Thora die Rede ist, und sie
haben daher im Gegensatz zu anderen Fragen, z. B. ob die „zehn Gebote" in einfacher oder ir doppelter
Fassung gegeben seien, oder ob Moses oder der „Finger Gottes" sie aufgezeichnet habe, als eigent-
licher Kern der auf die Gesetzgebung bezüglichen Tradition zu gelten. Die mündliche Proklamierung
der Gebote setzt voraus, daß diese in der Sprache des Volkes Israel abgefaßt waren, als welche
besonders nach Ausweis der Mehrzahl der althebräischen Eigennamen das Bibelhebräisch oder eine
diesem nahestehende Sprache anzusehen ist. Für die schriftliche Fixierung dieser Sprache wären
weder die ägyptischen Hieroglyphen noch auch die Keilschriftzeichen geeignet gewesen; nur eine
Buchstabenschrift und zwar die semitische, käme für sie in Betracht, und zweifellos stand den biblischen
Schriftstellern diese als ursprüngliche Schrift des Gesetzes vor Augen.
Zu diesen beiden Vorstellungen verhält sidi nun die neuere Bibelwissenschaft zumeist scharf
ablehnend. Man hält es für sehr unwahrscheinlich, daß die Israeliten zur Zeit ihrer Wüstenwanderung
als Sprache das reine Bibelhebräisch gehabt hätten, da dieses nach Palästina, nicht aber nach Sinai,
Edom oder Nordarabien hinweise. Noch größere Bedenken hat man gegen eine Niederschrift des
mosaischen Gesetzes in einem semitischen Alphabete, weil bisher im Bereich des Nordsemitischen
keine über das Jahr 1000 v.Chr. hinausgehende Buchstabeninschrift gefunden worden ist, und die
90
meisten Epigraphiker die Minäertheorie von Eduard Glaser, wonadi unsere südarabisdicn Inschriften
bis 1200 oder gar 1300 v.Chr. reichen würden, zu Gunsten einer viel jüngeren Entstehung der
ältesten südarabischen Schriftdenkmäler ablehnen.
Danadi mußte es scheinen, als ob das, was in der Bibel von Proklamierung und schriftlicher
Fixierung der „zehn Gebote" berichtet ist, genau so sagenhaft wäre, wie es nach der Wellhausen'schen
Theorie von der Komposition des israelitischen Gesetzes dessen Verlegung in die Urzeit des Volkes
Israel sein müßte. Was von konservativer Seite zur Rettung der Tradition versucht worden ist,
blieb in weiteren Kreisen meist unbeachtet, abgesehen etwa von dem, was Eduard Naville in seiner
Schrift „Archeologie de l'Ancien Testament" entwickelt hat, daß nämlich das mosaische Gesetz in
babylonischer Schrift und Sprache den Israeliten gegeben, gegen Ende des babylonischen Exsils aber
von Ezra in das Aramäisch seiner Zeit übertragen sei, womit die Verdrängung der Keilschrift durch
die aramäische Buchstabenschrift Hand in Hand gegangen wäre. Erst nach dem aramäischen Text
des Ezra sei die jetzt vorliegende hebräische Fassung des Gesetzes gearbeitet worden, die somit
nicht mit einem so hohen Anspruch auf Echtheit auftreten könne, daß die an ihr seitens der modernen
Bibelkritik vorgenommenen Quellenscheidungen berechtigt erschienen. Es ist Naville jedoch nicht
gelungen, mit dieser gewagten Hypothese durchzudringen und das Ansehen der biblischen Tradi-
tion in den Augen ihrer Gegner wieder herzustellen.
Aber es hätte keines verzweifelten Versuches bedurft, um ihre Glaubwürdigkeit zu verteidigen;
vom Sinai selbst sind ihr Helfer gekommen, die für alles Zeugnis ablegen, was an ihr beanstandet
worden ist: die altsinaitiscfien Inschriften. Aus ihnen geht hervor, daß um die Mitte des zweiten
Jahrtausends v. Chr. auf dem Platze, wohin die Bibel die Gesetzgebung verlegt, dem Sinai, der
ägyptischen wie der babylonischen Schrift in der Buchstabenschrift der Nebenbuhler entstanden ist,
der ihnen den Todesstoß zu versetzen bestimmt war. Aus den Insdiriften geht weiter hervor, daß
einem Idiome, in dem man ein reines Bibelhebräisch erkennt, die Ehre zukommt, zuerst von der
neuen Schrift Gebrauch gemacht, vielleicht sogar zu ihrer Entstehung den Anstoß gegeben zu haben.
Hält man nur an der Identität des biblischen Sinai mit der Hochfläche Serabit-el-Hadem fest, so
ergiebt sich für die „zehn Gebote" das Hebräisdi als Idiom und das semitische Alphabet als Mittel
für ihre Aufzeichnung mit Notwendigkeit. Bei Verlassen dieses Punktes und Annäherung an
Ägypten kämen jedoch dessen Sprache und Schrift, bei Annäherung an Kanaan aber Babylons Idiom
und Schriftart für ein geschriebenes israelitisches Gesetz einzig in Betracht.
Verschiedenes von dem, womit die Bibel die Niederschrift der „zehn Gebote" näher charakterisiert,
ließe sich vielleicht bei Vergleichung der Sinaischrift deutlicher machen oder besser als bisher ver-
stehen. So veranschaulicht die primitive Art, wie auf den Sinaiinschriften die Buchstaben in den Stein
eingeritzt sind, das, was in Exodus 32, 16 vom „Ritzen" des Gesetzestextes „in Steintafeln" gesagt
ist. Wenn ferner dessen Schrift eine „Gottesschrift" CCM^^• Snzc) genannt wird: könnte damit nicht
auf das sinaitische Alphabet und seine Beziehung zur Göttin Hathor und deren Tempel auf Sinai
gezielt sein? Ja,auch der Ausdruck von Exodus 32, 1 5 : „Tafeln, an ihren beiden Seiten beschrieben",
den man üblicherweise auf doppelseitig beschriftete Tafeln bezieht, könnte jetzt so gedeutet werden,
daß die Schrift in zwei Vertikalzeilen nur auf einer Seite der Tafeln angebracht gewesen sei, so wie
es ähnlich bei 6 der Sinaitafeln der Fall ist. Selbst in der Größe ließen sich die Tafeln Moses denen
vom Sinai ungefähr gleichstellen; denn wenn jene von Moses den Berg herauf- und herabgetragen
werden konnten, so läßt das auf ein Format schließen, wie es uns die Sinaitafeln bei ihrer Höhe von
ungefähr einem Drittelmeter vorführen.
91
7. Der Name des israelitischen Gesetzgebers.
Welchen Namen hatte nach der Bibel der Gesetzgeber Israels? Es ist noch nicht erwogen
worden, daß die Antwort hierauf anders lauten könne als schlechthin „Moses". Nur die Deutung
dieses Namens hat bisher unter den Exegeten Meinungsverschiedenheit erzeugt. Die Bibel berichtet
CExodus 2, 10}, daß die Tochter Pharao's das von ihr gerettete Kind unter Bezugnahme auf das
Herausziehen aus dem Nil „Moäas" genannt habe, und gebraucht dabei das hebräische Verbum Hti'C
„herausziehen" in so auffälliger Hervorhebung, daß man annehmen muß, sie leite von ihm den
Namen Mosae ab. Eine solche Etymologie erscheint aber unpassend, weil eine Ägypterin ihrem
Adoptivkinde doch wohl einen reinägyptischen Namen gegeben hätte, und zugleich gewaltsam, da
nach der Grammatik Mosas „der Herauszieher", nicht aber „der Herausgezogene" bedeutet. Um
diese Schwierigkeiten zu beseitigen, haben jüdische Gelehrte vermutlich zur Zeit der Septuaginta
die biblische Namensdeutung so verstanden, daß damit ein aus den ägyptischen Worten mo „Wasser"
und use „gerettet sein ' komponierter Name sinngemäß ausgelegt werden sollte. Die neuere
Ägyptologie hat jedoch die Annahme, daß zwei Namenselemente vorlägen, verworfen und neigt
dazu, in Mosae das ägyptische Wort mos (oder mosi, mose} ,,Kind" wiederzufinden, das für sich
allein wie auch mit einem vorhergehenden Götter- oder Königsnamen verbunden besonders zur
Zeit der XVIII. Pharaonendynastie ein beliebter Personenname war. Im Munde von Israeliten konnte
dieses ägyptische Wort sich leicht hebräisieren, so daß man mit ihm unter Anlehnung an die
Wurzel ntl'O den Begriff ,,der Herauszieher" verband und damit gerade für den israelitischen
Nationalheros eine passende Benennung bekam.
Aber über den Namen Mosae wird das letzte Wort nicht eher zu sprechen sein, als bis man
sich klar gemacht hat, daß vielleicht außer ihm noch ein anderer von Israels Gesetzgeber geführt
wurde, nämlich Manassas. Dafür scheint eine Stelle des Richterbuches, Kapitel 18,30, zu sprechen,
wo es heißt: „Jonathan, der Sohn des Gersom, des Sohnes des Manassas, er und seine Söhne
waren Priester für den Stamm Dan". Der hier als Sohn des Manassas bezeichnete Gersom ist
anderwärts als Sohn des Mos^ gut bezeugt; es fragt sich somit, was von der Nennung des Manassae
als seines Vaters zu halten ist. Hebräisches Manasss zeigt dieselben Konsonanten wie Mosae,
nämlich m-g-h, dazu aber noch ein zwischen m und s stehendes n. Dieses n wurde in Richter 18, 30
schon von den Übersetzern der Septuaginta und des Targums gelesen, fehlt auch in keiner der
hebräischen Handschriften, obwohl es in einer Anzahl derselben ungewöhnlich hoch geschrieben
ist, was darauf schließen läßt, daß sich die Masoreten besondere Gedanken darüber gemacht haben.
Offenbar gab es eine masoretische Richtung, die das n für falsch hielt; von ihr hat sich die Vulgata
beeinflussen lassen, so daß sie den Namen einfach Moses schreibt; eine andere scheint sich über
Wert oder Unwert des n nicht einig geworden zu sein, was sie durch Hochsetzung des Buchstabens
ausdrücken wollte. Für einen masoretischen Einschub sehr früher Zeit nimmt Chr. D. Ginsburg
das n und legt ihm die Absicht unter, einen direkten Nachkommen des Moses von dem Makel, am
Bilderdienst des Stammes Dan beteiligt gewesen zu sein, zu befreien. Aber es ist sehr zweifelhaft,
ob nach der Festsetzung des alttestamentlichen Kanons, der mit dem Begriff der Heiligkeit um-
kleidet auftrat, noch irgend ein willkürlicher Zusatz innerhalb des Textes möglich gewesen wäre.
So ist kein zwingender Grund vorhanden, das n in unserem Namen nicht für edit zu halten und
ihn anders als Manasss zu lesen. Um seine Verbindung mit Gersom zu verstehen, wird man gut tun,
sich der Tatsache zu erinnern, daß Doppelnamigkeit im alten Israel gar keine seltene Erscheinung
war. Fälle, wo sie deutlich vorliegt, sind Ja'^kob-Iisra^el, Jerubba'^al-Gid'^on, Jadidjah-Salomo
92
und - wenn wir audi Midjan berüdcsiditigen - Ra'^u'el-Jithro'). Die Träger dieser Doppelnamen
sind sämtlidi Leute von besonderem Rang oder Ansehen, die sich zu ihrem ursprünglichen, theophor
gebildeten Namen einen weiteren hinzu erworben hatten, der auf ihre Verdienste oder Würden
ging: so Jerubba'^al den des „Zerbrechers' , Jadidjah den des „Friedensmannes", Ra'^u'el den des
,, Ausgezeichneten". Es liegt sehr nahe, im Hinblicke auf Gid'^on auch Simson (],,kleine Sonne" oder
„der Sonnenhafte"}, im Hinblick auf Salomo audi Sa^ul C„der Erbetene"} und Dawid („der Geliebte")
für ursprüngliche Beinamen anzusehen, die in der Volksüberlieferung die Hauptnamen ihrer Träger
verdrängt hätten, über das Wesen des Doppelnamens Ja'^kob^Ii^ra^el (oder li^ra^el-Ja'^kob?} ist
nidits Sicheres zu sagen. Seine beiden Teile stehen in einem anderen Verhältnis zu einander als
dem von Haupt- und Beinamen und finden vielleicht ihre Erklärung darin, daß ein und derselbe
Mann in verschiedener Umgebung verschiedene Namen tragen konnte.
Außerhalb Israels finden sich Doppelnamen wie Jerubba'^al-Gid'^on sehr zahlreich in Altarabien,
wo, nach den minäischen und katabanischen Inschriften zu schließen, vor allem die Könige, dann
aber auch priesterliche Personen hierdurch vor anderen ausgezeichnet wurden^). Wenn besonders
im Katabanischen daneben auch eine Namensdreiheit auftritt (z. B. cyJD^ p"il 7Nm oder '73' "intS*
^Jirr"), so könnten deren erster und dritter Teil vielleicht in ähnlichem Verhältnis zu einander
stehen wie lisra^el zu Ja'^kob.
Da man hiernach mit der Doppelnamigkeit führender Persönlichkeiten als einer Eigentümlichkeit
der altbiblischen Periode rechnen muß, so fordert solches auf, sie auch bei Moses zu suchen, sowohl
wegen seiner einzigartigen Bedeutung für Israel als auch wegen seines im Hebräischen wie im
Ägyptischen wurzelnden Wesens. Nennt ihn der Bibeltext nun wirklich statt Mosae einmal
ManaäSas, so könnte dieses recht wohl sein - vielleicht theophorer - hebräischer Name gewesen
sein. In seinem zweiten Namen Mo5ae müßten wir dann entweder eine ihm infolge seiner ägyp-
tischen Erziehung anhaftende Benennung sehen, die ihn wahrscheinlich als „Sohn" unter Auslassung
des Namens von Vater oder Mutter kennzeichnen sollte, oder er war ihm, als er zum weltlichen
und geistlichen Oberhaupt der Israeliten geworden war, als Ehrenname zuteil geworden und
bedeutete dann „Herauszieher" oder „Befreier". Auch wäre denkbar, daß die hebräische Volks-
etymologie aus ägyptischem Mosas den „Befreier" gemacht hätte.
Was bisher für die Doppelnamigkeit des Moses vorgebracht ist, erfährt eine eigenartige Beleuchtung
von Seiten der sinaitischen Inschriften, insofern hier ein fast ganz paralleler Fall von Doppel-
namigkeit zutage tritt, der besonders im Hinblick auf den biblischen Moses verständlich wird.
Es handelt sich um den Mann, der zu Anfang von Nr. 349 den ägyptischen Namen •c:D''COmK'Dti'n'n
führt. Da der letzte fehlende Buchstabe wahrscheinlich als K' zu ergänzen ist, so ergiebt sich ein
Langname, dessen erster Teil nichts anderes sein kann als der Name der Pharaonin Hjtspswhnmjmn
Czu lesen etwa Hjatsepsu-hnem-Jamon}, während im zweiten vermutlich das ägyptische Wort für
„Sohn" mosCe} steckt. Dieser Hjat5ep§u-hnem-Jamon-Sohn (der auch in Nr. 351 A, Zeile 1
höchstwahrscheinlich auftritt} führt zwei Amtsnamen, nämlich „Oberster der Minenarbeiter . . . ."
(Z. 2} und „Hauptmann des Tempels von Ma^na . . . Jahu [auf] Sinai" (Z. 3}. Der erstere kehrt
deutlich wieder auf der rechten Seite der Hockerstatuette als Titel eines gewissen "B'JO; der
andere läßt sich auf dem Bruchstück von Nr. 350 in der Verkürzung „[Hauptmann] des Tempels
1 3 Wie in hieroglyphischen Sinaitexten der Zeit des Amenhotep III. ein Pinhas Q— „der NegeO auftritt, der eigenttidi Sobekhotep
heißt Cvergl. Or. Lit. Zeit. XXVI, Sp. 1363, so wird wohl audi der Pinhas der Moseszeit ent«prediend seinem Priesterrange nodi einen
theophoren Namen getragen haben.
") Vergl. I. H. Mordtmann, Beiträge zur minäisdien Epigraphik, S.74 f.
93
[der Marina" ziemlich sicher erschließen und begleitet hier den Namen "tS'jp. Durdi den auf
Nr. 353, linke Z. vorkommenden Eigennamen ritJ'?0 (vielleicht iltJ'jC), der auf einen höheren Beamten
geht, wird die Lesung der beiden vorhergehenden Namen als DK'JC, d. i. hebräisches ~i^yo (Manass^},
ziemlich sicher gestellt. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind dann die beiden mit einem Titel auf-
tretenden Manassas eine und dieselbe Person, von der auch der titellose Manasss nicht zu trennen
sein wird.
Wie steht nun HjatSepsu-hnem-Jamon-MosCeD zu diesem Manassae? Beide führen die gleichen
Titel und sind Zeitgenossen. Ist es denkbar, daß nebeneinander auf dem ägyptischen Sinai zwei
Leute als Oberste der Minenarbeiter und Hauptmänner des Tempels gewirkt hätten? Da solches
schwer anzunehmen ist, so wird zu erwägen sein, ob wir nicht in diesen Beiden dieselbe Person-
lichkeit zu sehen haben, die mit einem doppelten Namen, einem ägyptischen und einem hebräischen
auftritt. Das Vorkommen dieser beiden Namen ist anscheinend durch Art und Inhalt der Inschriften
geregelt. Der ägyptische findet sich auf zwei Tafeln, auf denen die Pharaonin Hjatsepiu-hnem-Jamon
und des Pharao Thotmose direkt angeredet werden; hier erforderte die höfische Sitte, daß jemand,
der außer einem hebräisdien Namen einen ägyptischen führte, sich des letzteren bediente.
Der Name Manassas dagegen weist in unseren Inschriften wohl darauf hin, daß ein Semit zu
Semiten spricht, sei es, daß wie in Nr. 350 und 353 einer dem anderen in einer Grabinschrift die
letzte Ehre erweist, oder daß ein Ungenannter für das Wohlergehen des Manassas, offenbar seines
Vorgesetzten, dessen Statue für den Tempel stiftet. Unter diesen Umständen ließe es sich wohl
verstehen, daß aus Hjatäepsu-hnem-Jamon-MosCe} und Manassae derselbe Mann spräche " eine Mög-
lichkeit, die durch den Doppelnamen Joseph-Saphanath-Pa'^neh (Gen. 41, 45) und die Erwägung, daß
besonders in der Hyksoszeit viel Semitisches ägyptischen Anstrich bekommen hatte, stark gestützt wird.
Bis hierhin ist alles, was wir über das Verhältnis des sinaitischen Hjatsepsu-hnem-Jamon-MosCe)
und Manassas zu dem biblischen MoSas und Manass^ gesagt haben, nur Parallele, aber eine so
auffallende, daß man sich versucht fühlt, von der Ähnlichkeit oder - da Hjatsepsu-hnem-Jamon-
Mos'Ce) leicht zu MosCe!) verkürzt werden konnte - der Gleichheit der Namen auf die ihrer Träger
zu schließen. Wäre es möglich, daß aus den altsinaitischen Inschriften derselbe Moses zu uns rede,
der in der Bibel als Führer und Gesetzgeber der Israeliten erscheint?
Anhaltspunkte dafür sind in der Tat vorhanden, darunter solche, mit denen jeder ernste Forscher
auf dem Gebiete der Geschichte und Bibelexegese zu rechnen haben wird.
Beide Männer müssen als Zeitgenossen angenommen werden, da ihre Geburt in das zweitletzte
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts vor Christus fällt. Für den biblischen Moses ergiebt sich das aus
der Angabe des I. Königsbuches, Kap. 6, 1, wonach die Israeliten 480 Jahre vor dem Beginn des
Tempelbaues, d. i. vor dem 4. Regierungsjahr des Salomo C=ung. 960 v. Chr.}, somit gegen 1440 aus
Ägypten ausgewandert seien, verbunden mit der Angabe von Exodus 7, 7, daß Moses als Achtzig-
jähriger mit dem Pharao in Verhandlung getreten sei. Für seinen sinaitischen Doppelgänger ergiebt
sich das gleiche Geburtsjahr aus zwei Erwägungen. Sein Bild, das wir in der Hockerstatuette
glaubten erkennen zu sollen, läßt ihn als einen Mann auf der Höhe des Lebens, also zwischen dem
dreißigsten und vierzigsten Lebensjahre erscheinen; da die Statuette nicht nach 1479, dem Todes-
jahre der Hjatsep^u, und aus epigraphischen Gründen nicht lange vor dieser Zeit in den Sinai-
tempel gestiftet sein kann, so ergeben sich aus ihr die Jahre zwischen 1520 und 1510 als Zeitraum
für die Geburt des Mannes. Dieser Zeitansatz läßt sich noch verengern durch folgende Erwägung.
Die Pharaonin Hjatsep^u wurde gegen 1530 geboren und starb gegen 1479. Ihre Regierungszeit
rechnete sie vom Jahre 1515 an, als dem Zeitpunkte, da sie - wie es in ihrem Totentempel von
94
Der el-Bahari heißt *") ~ fünfzehnjährig mit ihrem Vater Thutmose I. eine Reise in den Norden
Ägyptens machte, auf welcher, jedenfalls beim Besuche aller größeren Tempelstädte, „ihre Mutter
Hathor, Buto . . , Amon . . , Atum . . , Mentu . . , alle Götter von Theben und alle Götter des
Südens und des Nordens sich ihr näherten .... und sagten : Willkommen ... du hast die
Verwaltung im Lande gesehen, so wirst du es in Ordnung halten" usw. Was liegt nun näher, als
das enge Verhältnis, das der Träger des Namens „Hjatsepsu-Sohn" zu ihr gehabt haben muß -
ein Verhältnis, das sich am einfachsten als das eines Adoptivkindes erklären läßt - von dieser Delta-
reise her zu datieren, da Hjatsepsu später wohl kaum noch Gelegenheit genommen hat, das semitische
Randgebiet des Deltas zu besuchen, wohin doch die Betrachtung des sinaitischen Wirkens ihres
Adoptivsohnes am ehesten dessen Heimat verweist? Somit wäre dieser im Jahre 1515 v. Chr. oder
kurz vorher geboren.
Zur gleichen Geburtszeit beider Männer kommt sodann die Gleichheit ihres Wesens. Der biblische
Moses gehörte durch Geburt dem hebräischen, durch Erziehung dem ägyptischen Volk an; seine
Mannszeit führte ihn wieder ganz zum Bewußtsein seiner hebräischen Natur. Der Mann vom Sinai
verbindet mit einem ägyptischen Namen einen hebräischen, mit einem ägyptischen Zivil- und
Tempelamte ein lebhaftes hebräisches Fühlen, das ihn veranlaßt, sich beim Schreiben einer den
Ägyptern unverständlichen Schrift und der Sprache der verachteten Semiten zu bedienen. Also auf
beiden Seiten eine Mischung von Eigenschaften, die jedenfalls in das Gebiet seltenster Aus-
nahmen schlägt!
In der Kindheitsgeschichte des biblischen Moses ist der vom Berichterstatter am meisten hervor-
gehobene Zug seine Aussetzung am Rande des Nils, von wo ihn die Tochter Pharaos gerettet hätte.
Dazu stimmt aufs genauste, was auf Nr. 349, Z. 5 der Hjat§ep^u-Sohn - wenn wir richtig gelesen
haben - aus liebevollem Herzen der Hjatsepsu zuruft: „Du hast mich aus dem Nil gezogen .
Wären alle Buchstaben dieser Zeile gleichmäßig gut lesbar, so würde dieses Geständnis allein
schon genügen, in dem Marine vom Sinai den biblischen Moses zu erkennen. Hoffentlich führt das
Studium des Originals von Nr. 349 einmal zu einer absolut sicheren Lesung.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß sich der biblische Beridit von der Flucht des Moses
und seiner Rückkehr nach Ägypten durch das, was uns die sinaitisdien Inschriften über den
Hjatsepsu- Sohn an die Hand geben, vortrefflich ergänzen und begründen ließe. Die Bibel läßt
Moses als erwachsenen Mann - also etwa vierzigjährig - vor dem ,, Schwerte des Pharao (Exod. 18,4)
nach Midjan fliehen. Warum? Er hatte einen Ägypter erschlagen, der einen hebräischen Frohn-
arbeiter mißhandelte. Aber hätte das unter normalen Verhältnissen genügt, ihn, den Angehörigen
des königlichen Hauses, dem Henker des Königs zu überliefern? Das leuchtet nicht recht ein.
Anders gestaltet sich das Bild, wenn wir das Verhältnis, das der Mann vom Sinai zu dem Pharao
hatte, dem biblischen Berichte unterlegen. Als treuer Anhänger der Hjatsepsu stand er nach
deren Tode auf der Liste derer, mit denen Thutmose III. blutig abzurechnen gedachte. Ließ sich
einem von diesen irgend eine Vergehung gegen die Vertreter des neuen Regierungssystems nach-
weisen, so war ihm strengste Bestrafung sicher; und so genügte die Tötung eines untergeordneten
Beamten, um über Moses das Todesurteil zu sprechen, dessen Ausführung seine Flucht vereitelt
haben wird. Als ein Achtzigjähriger kehrte der biblische Moses aus Midjan nach Ägypten zurüd<.
Was bewog ihn dazu? „Nach diesen langen Zeiten war der König von Ägypten gestorben', sagt
Exodus 2, 23. Dieser König muß sein persönlicher Feind gewesen sein und sein Tod für Ägyptens
+3 Vergl. Breasted, Ancient Records of Egypt. II, ^ 224 £.
95
Regierung einen Systemwechsel nach sich gezogen haben. Bringt man nun die sinaitischen Inschriften
mit den biblischen Worten in Verbindung, so erkennt man in „diesen langen Zeiten" die von
1479-1447 reichende Alleinherrschaft des Thutmose III., die die Furcht vor den ägyptischen Waffen
bis weit nach Mesopotamien und südlich tief nach Nubien hereintrug. Als der gewaltige Herrscher
starb, atmete die Welt auf; denn sein Nachfolger Amenhotep II. galt nicht als Geisteserbe seines
Vaters, was die tributpflichtigen Staaten des Vorderorients und Obernubien alsbald zum Aufstand
gegen das ägyptische Joch veranlaßte. Wenn es im Plane des Moses lag, seine hebräisdien Volks-
genossen aus dem „ägyptischen Feuerofen" zu befreien, so mußte ihm jetzt der passende Augenblidc
gekommen scheinen. Also wagte er die Rückkehr, um zuerst mit den Israeliten über die Bedingungen,
unter denen er ihre politische und religiöse Leitung in die Hand nehmen wollte, und weiter, gestützt
auf die Gesamtheit seiner Volksgenossen, mit Amenhotep II. über Linderung ihrer Frohnleistungen
zu verhandeln. *")
Bis hierhin dürfen, ja müssen wir in der Vergleichung der beiden gleichnamigen Persönlichkeiten
gehen, des biblischen Moses und des Mannes, mit dem es die altsinaitischen Inschriften hauptsächlich
zu tun haben. Nun aber zu entscheiden: „Ja, sie sind eine und dieselbe Person" - davon muß
noch Abstand genommen werden. Denn noch steht eine Anzahl wichtiger Wortlesungen nidit ganz
fest, und anderes, was meiner Überzeugung nach die Photographien der Tafeln deutlich erkennen
lassen, kann noch umstritten werden mit Rücksicht auf das Fehlen der Originale, die sich noch
auf dem Plateau von Serabit-el-Hadem befinden, wohlgeborgen - wie es heißt - aber unerreichbar
für Alle mit Ausnahme ihrer Entded<er. So sei eine Entscheidung, die geeignet sein könnte, die
bisherige Mosesforschung von Grund auf zu revolutionieren und in der christlichen, jüdischen und
mohammedanischen Welt einen mächtigen Nachhall zu erzeugen, in die Hände derer gelegt, denen
es vergönnt ist, die Originale ans Licht zu ziehen und - da deren Schriftcharakter nunmehr klar
geworden ist - die Texterklärung bis zur Grenze des Letzterreichbaren durchzuführen.
Anhang.
Ein meroitisches Denkmal aus dem Hathortempel auf Sinai CTafel XXIII).
Wie auf Seite 13 bemerkt worden ist, hatte R. Eisler an Professor E. Littmann gelegentlich die
Mitteilung gemacht, daß von den 1904/5 entdeckten altsinaitischen Schriftdenkmälern eines den Weg
in das Museum zu Toronto (Canada) gefunden hätte und noch der Veröffentlichung harre. Das konnte
glaubhaft scheinen, da Flinders Petrie's Hauptmitarbeiter bei der Expedition, C. T. Currelly, dem
Royal Ontario Museum of Archaeology von Toronto als Direktor vorsteht. Aber eine Anfrage an
die Verwaltung dieses Museums hat mich dahin belehrt, daß wohl hieroglyphisch beschriebene
Sinaitica dort vorhanden seien, aber nichts, was altsinaitische Schriftzeichen trägt. Zugleich aber
wurde mir die Photographie einer Steintafel sinaitischen Ursprungs mitgeschidct, die weder in die
Klasse der hieroglyphischen noch der altsinaitischen Schriftdenkmäler gehört. Ihre Bestimmung, die
anscheinend der Museumsverwaltung noch nicht gelungen war, wurde mir nach einigem Studium
klar; das erzielte Ergebnis war aber danach angetan, Zweifel daran zu erwecken, ob das Denkmal
wirklidi vom Sinai stamme. Jedes derartige Bedenken wurde jedoch in der Folge niedergeschlagen
durch eine ausdrückliche briefliche Erklärung des Direktors Currelly, daß es „im großen Tempel
vom Sinai", und zwar im Speos gefunden sei. Somit den Funden von Serabit-el-Hadem angereiht,
■•3 Möglidierweise hatte Amenhotep II. in Anbetracht, daß seine Mutter die Toditer der Hjatsepäu war, für deren Anhänger eine
Amnestie erlassen.
96
wird es in Zukunft von Keinem, der sidi mit der Geschichte des Sinaitempels befaßt, bei Seite
gelassen werden dürfen: das möge unser Plingehen auf dasselbe rechtfertigen, ob es auch mit den
früher besprochenen Denkmälern nur den Fundort gemein hat.
Die Tafel verrät auf den ersten Blid< nahe Verwandtschaft mit den Totenopfertafeln, wie sie
dem ägyptischen Totenkult älterer wie jüngerer Zeit eigen waren. Gleich diesen ist sie von recht»
eckiger Form und zeigt an einer der Langseiten einen Ausgußzapfen. Auch die auf ägyptischen
Totenopfertafeln selten fehlenden, in Hochrelief ausgearbeiteten Opferbrote sind an ihrem oberen
Rande zu erkennen. In manchem andern entfernt sie sich jedoch auffällig von dem ägyptischen
Typus. So fehlt die Darstellung weiterer Gaben für den Toten, und an ihrer Stelle zeigt das Innere
der Tafel eine figürliche Szene, wie sie den ägyptischen Tafeln vollständig fremd ist. Man sieht
zwei in lange Gewänder gekleidete Gestalten sich gegenüber stehen. Diejenige zur Linken bückt
sich etwas nach vorne und scheint mit ihren Händen etwas auszugießen oder auszustreuen. Die andere,
die auf menschlichem Leibe einen Schakalkopf mit gespitzten Ohren trägt und lang auf die Schulter
herabfallendes Haar hat, scheint, obwohl gerade aufgerichtet, nach der Haltung der Arme zu
schließen, dasselbe wie ihr Gegenüber zu tun. Als einen Anubis ägyptischen Stils sie anzusprechen,
geht wegen ihrer Kleidung nicht an. Zwischen beiden Gestalten befindet sich ein niedriger Altar,
bestehend aus einem Untergestell und einer viereckigen Platte, auf der vier kugelige Gebilde von
der Form der am oberen Rande dargestellten Opferbrote liegen; einige geschlängelte Linien, die
über ihm eingeritzt sind, könnten Opferdampf oder ausgegossenes Wasser bedeuten. Durch einen
Bruch im Stein ist der untere Teil des Kleides der linken Gestalt beschädigt; andere kleine Schäden
des Steines links und rechts von den Figuren haben der Darstellung keinen Abbruch getan. Stark
hat jedoch der flache Rand, der um das Denkmal rings herum läuft, gelitten; da von ihm an allen
vier Seiten etwas abgebrochen ist, so zeigt eine darauf angebrachte Inschrift jetzt große Lücken.
Das von ihr übriggebliebene reicht aber aus, die Untersuchung nach dem Wesen des Denkmals
auf die richtige Fährte zu lenken ; denn es ist altäthiopische oder, besser gesagt, meroitische Schrift,
was hier von Schriftzeichen noch zu erkennen ist. Die Werke, die sich besonders mit ihrer
Entzifferung beschäftigen, nämlich F. LI. Griffith's „Meroitic Inscriptions, Part I-II" (London
1910-19123 und „Meroe" (Oxford 19113 behandeln nun auch Totenopfertafeln, wie sie an ver»
schiedenen Stellen des Reiches von Meroe und Napata durch Ausgrabungen zutage getreten
sind. Unter ägyptischem Einfluß entstanden, haben sie doch einen besonderen Typus entwickelt.
Von der Darstellung der Opfergaben ist nur die der Brote übrig geblieben, die ~ stets acht an der
Zahl - am oberen oder unteren Rande in Relief angebracht werden. Eine weitere Gabe, nämlich
Wasser, den Toten zukommen zu lassen, scheint nach dem Glauben der Äthiopier den Göttern Isis
und Anubis vorbehalten gewesen zu sein; so stellte man auf dem Boden der Tafel gern diese
beiden Gottheiten dar, wie sie aus Krügen auf oder neben einen zwischen ihnen stehenden Altar,
auf dem Brote liegen, Wasser gießen. Diese Wassergießung wird auch wohl durch die Darstellung
von zwei Krügen symbolisiert, denen zuweilen Lotusblumen beigefügt sind. Das Äußere der
äthiopischen Isis unterscheidet sich kaum von dem der ägyptischen, abgesehen davon, daß jene
nicht immer ihre Hieroglyphe is-t auf dem Kopfe trägt. Zwischen dem äthiopischen und ägyptischen
Anubis besteht aber ein bemerkenswerter Unterschied, indem jener bis auf die Füße herab, dieser
aber nur bis zu den Knieen bekleidet ist.
Dieser Typus der äthiopischen Totenopfertafeln findet sich nun bei unserer sinaitischen wieder.
Wir haben in der links dargestellten Gestalt die Göttin Isis, in der ihr gegenüberstehenden den
Gott Anubis zu erkennen. Beide gießen, um einen Toten zu erquicken, Wasser auf einen Altar, auf
97
den die Angehörigen des Verstorbenen Brote gelegt haben. Die gesdilängelten Linien bedeuten
also ausgegossenes Wasser, nidit etwa Opferdampf.
Gleich den ägyptischen Totenopfertafeln sind auch die meroitischen stets von einer Inschrift
begleitet, die ihren Platz auf dem Tafelrande hat. Während aber die Ägypter sie, wohl der
Symmetrie halber, doppelt anbringen, so daß auf der linken wie rechten Seite das Gleiche zu lesen
ist, geht die meroitische Aufschrift in einmaliger Ausfertigung um die ganze Tafel linksläufig herum,
wobei der Rand des Ausgußzapfens Anfang und Ende für sie bedeutet. Bis auf seltene Ausnahmen
sind für diese Aufschriften nur meroitisch-demotische Buchstaben verwendet, und da nach Griffith's
Forschungen kein Zweifel über deren Zahl und Bedeutung mehr sein kann, so macht das Lesen einer
guterhaltenen meroitischen Inschrift keine besondere Schwierigkeit, zumal audi die Worte unter
einander durch Worttrenner geschieden sind, die aus zwei oder drei vertikal angeordneten Punkten
bestehen. Da aber vom Wort- und Formenschatz der altäthiopischen Sprache nur erst sehr wenig
erschlossen ist, so liegt die Deutung des Gelesenen noch sehr im Argen. Für diejenige der Auf-
schriften der Totenopfertafeln ist es günstig, daß durch Vergleichung zahlreicher, mehr oder weniger
gleidilautenden Texte ihre Disposition bestimmt werden konnte. Den Anfang madit stets eine
Anrufung der Götter Isis und Osiris in der Form: wesi aseriy; dann folgt die Nennung des Ver-
storbenen, seines Vaters und seiner Mutter, und den Schluß bildet eine vermutlich einen Segenswunsch
für den Toten enthaltende Formel, die in mehreren Variationen vertreten ist. Abweichungen von
dieser Disposition gehören zu seltenen Ausnahmen.
Was für die auf dem Boden von Nubien gefundenen Tafeln bezüglich der Inschrift von Griffith
ausgemacht ist, begegnet uns nun auch auf der sinaitischen. Ihre Aufschrift geht, bei dem Ausguß-
zapfen beginnend, linksläufig rings herum und zeigt gutmeroitischen Duktus. Ihrer Lesung steht
aber die starke Beschädigung des Randes hindernd im Wege und gestattet nur noch Teile von
Worten zu bestimmen. Formt man aus dem rund um den Rand gehenden Texte vier Zeilen, wovon
die erste das Stück von der rechten Seite des Zapfens samt dem des unteren rechten Randes, die
zweite das der rechten Seite, die dritte das der Oberseite, die vierte das der linken Seite enthält,
so giebt er sich jetzt folgenderweise:
. . . . ^ fw ^ W
In Transskription ergiebt das:
Zeile 1 ... i I a • seri
„ 2 . . . tea . . .
„ 3 ... r I ez . .
„ 4 akr • s
Zeile 1 ist zweifellos zu wesi aseriy „O (oder „bei") Isis und Osiris l" zu ergänzen. In Zeile 2 ist
der Name des Verstorbenen zu vermuten, der aber mit den noch lesbaren Buchstaben nicht her-
zustellen ist. In Zeile 3 bilden die Buchstaben ez . . den Anfang des Wortes ezhl oder ezhle, das
98
von anderen Tafeln her (z. B. Meroe, Nr. 27, 28, 34; Inscriptions, Nr. 49) bekannt ist und nach
Griffith ,, geboren von bedeutet. Da ihm der Muttername vorherzugehen pflegt, so ist . . . r als
Rest eines solchen anzusehen. Von Zeile 4 ist zu vermuten, daß sie einen Teil der Segensformel
bildet; doch versagt für ihre nähere Bestimmung die Vergleichung mit den von Griffith in den
Meroitic Inscriptions 11, S. 60 zusammengestellten Formeln. Vielleicht steckt aber in akr • s der
Vatersname, da dieser dem der Mutter gelegentlich auch nachgestellt wird.
Die bisher bekannten meroitisch-demotischen Inschriften setzt Griffith in die Zeit kurz vor Christi
Geburt bis zur Zeit der Zerstörung des Reiches von Meroe durch einen dem Namen nach nicht näher
bekannten König von Axum der Zeit um 400 n. Chr. ; dabei unterscheidet er zwischen alten, mittleren
und späten Inschriften mit den Zeitgrenzen 25 v. Chr., 250 n. Chr. und 400 n. Chr., nimmt aber seine
Zeitbestimmungen selbst für so wenig sicher, daß er Crowfoot's Ansicht, wonach die meroitischen
Schriftdenkmäler insgesamt der Zeit zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert nach Christi
Geburt angehörten, als nicht unwahrscheinlich bezeichnet (s. Mer. Inscr. II, S. XV}. Danach könnte
die Sinaitafel in Anbetracht der guten Ausführung ihrer Darstellung und des sauberen Duktus ihrer
Inschrift in der Zeit um Christi Geburt entstanden sein - kaum früher, möglicherweise aber geraume
Zeit später. Von dieser Zeitbestimmung aus gewinnen wir einen Anhaltspunkt, um das Bestehen
des Hathortempels von Serabit-el-Hadem um mehr als 1000 JaKfe über das Jahr 1 157 v. Chr. hinaus,
wo uns die ägyptischen Zeugnisse verlassen, zu verfolgen. Für die Ägypter hatte das Heiligtum seit
dem Ausgange der XXI. Dynastie anscheinend keine Bedeutung mehr, nachdem ihre Herrschaft auf
dem Sinai aufgehört hatte; den Sinaibewohnern wird es jedoch weiterhin eine Stätte ihres Ma'na-
oder auch Jahu-Kultes geblieben sein. Ferner wird es gelegentlich von Fremden, die das Innere des
Sinai zu durchqueren hatten, besucht worden sein. Das ließ schon eine römische Topfsdierbe ver-
muten, die Flinders Petrie im Hathorspeos aufgefunden hat, und wird nun durch die meroitische
Totenopfertafel zur Gewißheit. Man wird sidi vorzustellen haben, daß ein Äthiopier, den sein Weg
zum Sinai geführt hatte, hier starb und begraben wurde. Um ihm die Grabesruhe zu sichern, werden
Angehörige von ihm eine Totenopfertafel, wie sie die in der Heimat Gestorbenen in einem oder
mehreren Exemplaren mit ins Grab bekamen, zum Sinaitempel geschickt haben, wo sie als Weihgabe
an heiliger Stelle einen Platz bekam - ein Vorgang, der mit dem Versenden von Grabsteinen aus der
Osirisstadt Abydos nach anderen ägyptischen Orten, wo besondere Verehrer des Osiris gestorben
waren, manche Ähnlichkeit hat.
Der Untergang des Hathor-Sapdu-Tempels auf Sinai wird somit erst der Zeit angehören, da die
ägyptische wie auch die altsemitische Religion am Christentum ihren Gegner fanden und ihm
schließlich unterlagen.
99
*%
Vergleichend
I
hiiiLwerte
SinittiSih3%
wm
Sin. ^7 Sin.3iS
Sina.itiieYi 3+9
Sin. 360
SiniSiCyt)
S<n.3SI(&jSin.S5l
^
r fcv (^ 'cicci7<^i
?7i/ lyy
-Kuh
STfi'
C L^
Jf^i^S
o
np
DH
a o
n
D
D B
DLiJ
PdUst
ü
fü
ö
jeinpeHi'.Mn'tfii- ^\[
■fri44/";"
L
L L
Gtrai^e Tit-r
-^
_n.
Jz.ic»/
^^
l
1L
^
^p
J- ^^ <'^
A
Tu
J^
til!
Jiosettp (?;
o
o
o
o
c;'
Ji?
Zt.ersti6
COO
Lotos {&"-'/ ^<^
c^
1
nj^
. <ii^
C>rü-rt.
iL
^
p— o
-iö^
\Jt
Vi,
TT
'^^•-^
iV/i^j;
-Mr
^^ (^)
P
^
Horizont
CZD
5»
2^
.-r?
,^^
J^
M.
K^ijfr
31
AA/\
-vA^N''^
/N/V^
/\/V^
(W^SiPf-jSrAUluSr
^
r
/\nnß
yvV
'u-xy
^
^
•v/x;
Ö
Jrc'scL
&>3>
xp>
:^
K
X
O^
Ait-gc
O^
w
g^o
^
Hund
An/U^
3-
o^
Co
HoIti^r&>n<i <=:>0
X.f/
b
'->
:7^
Pa<f^
rio^j, A"?c
■<3s2p^
e^
«-«»
CV%^ (i^v. ■
CO
Lehen
t
t
t~
±
-t-
1^^
±
-H
/Cr-d/i?
7^
X
X X
-X
chrifttabelle.
• tisch iS3
5>nJ5^
i/M.JSf
1 1 I MoA
TW.i.iu//
/lU-- 1 i-U,s,kt\.AÜL<,cnxiL,iclnßudtitdifiv
/)Lfiemittit.hi
La uC werte
^
^
ftl
f
t
4
4:
IX
M/^;»i
3
A-
.■.;'<.';
1 Z]
L'
1 1
n
n
nn
^
^
5
6
n
isik
h
JJ
1
1
D
^
A
1
A
Z\
CftmeL
s
V
Dj
^
^-o-
d
A
<i
^
n
J^Aleik
d
\Jj'--f-'M-
.-■ 1?:
rr
^>
T-^
^
^
^
^
n
Hi
h
c ■•:>■
i;»
CD
<D
(D 0
Y .
1
t
1
T
W^w
w
■ -'—
::^
w^
W»l
T(Hk
X
-xz
t
X
T
XajcK
z
k-
vtj
X('^
K(U)
H
^
M
^
TT
Itiäiilh ChciT")
J>(IDJ
Mo
v^(jn)
€>
1
g^
®(9
u
Telh
r?
V
^.
%
2
^
s
JöcL(j^„^"J
i
?
V
?o-
\ T^
f\
f7
h-n
7
J
1
y
:)
K-nfl.
k
.^
/>
/\
)
I--
(^
d
L
^
•7
J fnardicnt. 1
I
%^
0
^CÄ7j7=n
IJ'
^
"1
>
72
Hem.
Ja
-^V
/
^-/
1
1
^^
n--
>
J
1
>
J
IVAtlAS i A'ü« J
11
y^j
'
t>.>\
^
pi
f7
i-^c
f
t
J
#
0
Sa rn^ekh
/
^^<xl>
<i>
i
o(fi;
Off?;
OCIJ
0
d
0
Q
y
'Afn.
i
zi^a
OQ
0
A
;
J
7
;
J)
?i
P
(li(H)
^f^l
XÄ
^
"A
^
^
Si
SjL<Lä.
— o
^
)
* —
I'
?
f
t
?
}(.öph
^■^
)
)>
)r^
1
1
^
1
n
Res
r
y^
^
)
H
vy
^N/
s^
w
^
s^uirjfrj
V
5
- ^r
-^
+ CÖ
f
7?
xV'W
t
>^(ä
x(lj
X
X
X
/
Hathor-SapdU'Tempel auf Serabit- el -Hadern.
(Fundstätte der Weihgesdienke mit althebräisdien InsdiriftenO
OOOB
Grundriß des Hathor-Sapdu -Tempels in seiner Gestalt um 1480 v. Chr.
Tafel 1
Mine L auf Serabit-el-Hadem.
CFundstätte der Felstafeln mit althebräisdien Insdiriften.)
Teil des Wadi Bata mit dem Dsdiebel Umm Ridsdilain im Hintergrund.
Tafel 2
353 as«
Handkopie der althebräisdien Insdiriften.
CDanach deren Veröttcntlidiung bei Gardincr-Pect „The Inscriptions of Sinai 1917"3
Weibliche Löwensphinx, Nr. 345 Gl 3.
Redite Seite.
Weibliche Löwensphinx, Nr. 345 (!}.
Linke Seite.
Tafel 4
Weibliche Löwensphinx, Nr. 345 (.1").
Rechte Seite.
Weibliche Löwensphinx, Nr. 345 (l).
Linke Seite.
Tafel 5
Männliche Hockerstatue, Nr. 346 (2}.
Vorderseite.
Tafel 6
Männliche Hockerstatue, Nr. 346 C2}.
Vorderseite.
Tafel 7
Männliche Hockerstatue, Nr. 346 (2).
Rechte Seite.
Tafel 8
Inschrift auf der Vorderseite der Hod<erstalue, Nr. 346 (2}.
Oben.
Insdirift auf der Vorderseite der Hodcerstatue, Nr. 346 (2).
Unten.
Tafel 9
Inschrift auf der rechten Seite der HoAerstatue Nr. 346 (2).
Tafel 10
J^B^ci.-
Weihgabe für den Hathor-Sapdu -Tempel, Nr. 347 (3}.
Tafel 11
Weihgabe für den Hathor-Sapdu -Tempel, Nr. 347 a (4}.
Tafel 12
Weihgaben aus dem Hathor-Sapdu -Tempel:
a) Hathorkopf, Nr. 347 b (5); b} Räucheraltärdien, Nr. 347 c (6);
c3 Statuette einer Pharaonin, Nr. 347 d (7).
Die weiblidie Löwensphinx, Nr. 345 CD, zum Vcrgleidi mit der Statuette Nr. 347 d (7).
Tafel 13
Fdstafel Nr. 353(13}.
Tafel 14
Felstafel Nr. 353 Cl 3}.
Vergrößert.
Tafel 15
■■•.i^'^'^'^'^.:y^^'S~iJZV'i<---'''^iKi'.^.^-Jt'~'--'--^''-:'^'X^^ '
i^-'.>e^,J*ff :-=>HIF"- i
BrudistüAe der Felstafel Nr. 354 0 4}.
(Größenverhältnisse der drei Teile nadi der Situationspliotograpliie beriditigtO
Tafel 16
^^>^
Oben links: Bruchstück der Felstafel Nr.355 (,15). Rechts: Bruchstück der Felstafel Nr.350 (9).
Unten links: Untere Kante von Nr.350 (,9").
Tafel 17
Felstafel Nr. 352 ClO und links oben Felstafel Nr. 352a (12).
Tafel 18
Felstafel Nr. 349 (8).
Tafel 19
Felstafel Nr. 349 (8).
Vergrößert.
Tafel 20
Felstafel Nr. 351 ClO).
Tafel 21
Felstatel Nr. 351 (10)..
Vergrößert.
Tafel 22
Meroitisdie Totenopfertafel aus dem Hathor-Sapdu -Tempel.
Tafel 23
University of Toronto
Library
DO NOT
REMOVE
THE
CARD
FROM
THIS
POCKET
Acme Library Card Pocket
Under Pat. "Rd. Index FUe"
Made by LIBRARY BUREAU
I
>^t-£^;
'^^m
1^
^V
'■^ÄJ*"
"%
^ ^
J'
« »v*
";^/>l^
\_/;^?^^ • ' pt^l^ '
. ,A'^ • ' %^ .\«'^
..', \:
'^^
„^.^.
/^
►W«»«*''"
^**^''
rf***
^^
^t
# *»