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Full text of "Althebräische Inschriften vom Sinai : Alphabet, Textliches, Sprachliches mit Folgerungen"

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ALTHEBRÄISCHE 
INSCHRIFTEN  VOM  SINAI 

Alphabet,  Textliches,  Sprachlidies 
mit  Folgerungen 


Verfasser: 
HUBERT  GRIMME 

o.  Professor  der  semitischen  Sprachen  an  der  Univ.  Münster  i.  W. 


HANNOVER   1923 
ORIENT-BUCHHANDLUNG   HEINZ   LAFAIRE 


(iermaBy 


VORWORT. 


Von  den  altsinaitisdien  Schriftdenkmälern  Einiges  mehr  zu  erschließen,  als  bisher  gelungen  war, 
ist  die  Aufgabe  der  folgenden  Studie.  Sie  hat  Manches  von  dem  zur  Voraussetzung,  was  besonders 
Gardiner,  Sethe  und  Eisler  erforscht  haben;  wie  aber  jeder  dieser  Drei  im  Wesentlichen  als  ein 
Eigener  genommen  werden  muß,  so  sind  aucJi  meine  Ziele  meist  jenseits  der  ihrigen  gesteckt.  Ich 
habe  mich  bemüht,  in  methodischer  Folge  zunächst  eine  eingehende  Kenntnis  des  Sinaialphabets  zu 
gewinnen,  daran  anschließend  so  tief  in  die  TextentzifFerung  einzudringen,  wie  es  bei  der  eigentüm- 
lichen Beschaffenheit  der  Denkmäler  und  der  vielfach  mangelhaften  Art  ihrer  bildlichen  Wiedergabe 
möglich  ist,  und  in  Verbindung  mit  der  Lesung  der  Texte  das  Wesen  ihres  Idioms  zu  erschließen. 
Konnte  der  Philologe  hier  abbrechen,  so  mußte  der  Historiker  noch  einen  Schritt  weitergehen,  um 
einige  der  zahlreichen  Fährten  festzulegen,  die  die  Sinaisteine  mit  der  biblischen  und  Profangeschichte 
anscheinend  so  intim  verbinden. 

Möge  die  Kritik  erkennen,  daß  es  sich  bei  der  sinaitischen  Inschriftenforschung  um  Fragen  von 
höchster  wissenschaftlicher  Bedeutung  handelt,  und  möge  sie,  um  sich  mit  ihnen  gründlich  auseinander- 
zusetzen, die  Erörterung  über  Alphabet  und  Schrift  ebenso  von  der  über  den  Inhalt  der  Inschriften 
sondern,  wie  diese  von  den  dem  Inhalte  entnommenen  Folgerungen.  Wo  sie  aber  glaubt,  zu  Aus- 
stellungen Grund  zu  haben,  da  gedenke  sie  auch  der  Schwierigkeiten,  die  der  Boykott  deutscher 
wissenschaftlicher  Bestrebungen  im  Auslande  bei  einem  Gegenstande  wie  dem  vorliegenden  für  den 
Forscher  im  Gefolge  hat.  Wäre  unter  normalen  Verhältnissen  eine  Reise  zum  Sinai  erforderlich  ge- 
wesen, um  sich  über  die  zwischen  Hypothese  und  Tatsache  zu  ziehenden  Grenzen  klar  zu  machen, 
so  lag  jetzt  schon  der  Besuch  eines  der  Museen,  in  denen  Sinaitika  aufbewahrt  werden,  für  mich 
außerhalb  des  Bereichs  der  Möglichkeit.  Diese  bittere  Erinnerung  soll  mich  aber  nicht  abhalten,  in 
aufrichtiger  Dankbarkeit  der  Förderung  zu  gedenken,  die  mir  auch  verschiedene  ausländische  Ge- 
lehrte, wie  Alan  H.  Gardiner,  C.  T.  Currelly,  Eugene  Devaud  und  J.  Capart  zukommen  ließen,  wo- 
durch es  mir  gelungen  ist,  ein  Bildmaterial  zusammenzubringen,  wie  es  wohl  noch  keinem  der  bis- 
herigen Bearbeiter  der  in  Frage  stehenden  Inschriften  zur  Verfügung  stand.  Ob  ich  verstanden  habe, 
es  voll  auszunutzen,  ob  ich  vor  allem  gut  daran  getan  habe,  entgegen  meinen  Vorgängern  die  von  den 
Originalen  genommenen  Photographien  und  Abklatsche  den  von  anonymen  Händen  angefertigten 
Handkopien  der  Inschriffen  vorzuziehen,  mögen  meine  Kritiker  besonders  angesichts  der  vom  Folk- 
wang-Verlag  so  opferfreudig  hergestellten  Lichtbildtafeln  in  Ruhe  abwägen. 

Eine  an  Aufregungen  reiche  Zeit,  in  der  es  oft  schwer  wurde,  den  Kopf  klar  und  das  Herz  kühl 
zu  halten,  liegt  hinter  mir.  Was  ich  darin  geleistet  habe,  sehe  ich  heute  für  gering  an  gegenüber  dem, 
was  noch  zu  leisten  übrig  bleibt,  besonders  wenn  der  Sinai  seine  dem  Boden  wieder  anvertrauten 
Schätze  zum  zweiten  Male  ans  Licht  bringt.  Bis  dahin  mag  man  des  Goethe'schen  Wortes  gedenken: 

Da  muß  sich  manches  Rätsel  lösen  - 
Doch  manches  Rätsel  knüpft  sich  auch? 

H.  GRIMME. 


INHALTS  ^VERZEICHNIS 

1.  EINLEITENDES 

Seite 

1.  Fundgeschichte  der  altsinaitischen  Schriftdenkmäler     9 

2.  Beschreibung  der  Denkmäler: 

a)  Tempelweihgeschenke    11 

b3  Felstafeln   12 

c)  Graffito   13 

3.  Übersidit  über  die  bisherige  Erforschung  der  Inschriften: 

a}  Alphabet    13 

b}  Textlesungen     17 

II.  VORLÄUFIGES  ZUR  FRAGE 
NACH   DEM  WESEN   DER  ALTSINAITISCHEN   SCHRIFT 

1.  Ägyptischer  Ursprung  der  Sinaischrift?     19 

2.  Hieroglyphische  oder  hieratische  Herkunft?     19 

3.  Die  Sinaischrift  eine  Konsonantenschrift?     21 

4.  Von  den  Buchstabenbezeichnungen  zur  Buchstabenbestimmung   22 

5.  Von  der  Reihenfolge  der  semitischen  Buchstabennamen  zu  ihrer  Deutung  23 

6.  Von  den  altsemitischen  Buchstabenformen  zu  den  sinaitischen     23 

III.  DAS  ALTSINAITISCHE  ALPHABET 

1.  Vorbemerkung    25 

2.  Die  Buchstaben  in  ihrer  historischen  Entwicklung     25 

3.  Sprachliches  zu  den  Buchstabennamen  28 

4.  Weiteres  zur  Sinaischrift: 

a)  Ligaturen    ' ".  ..  ..  32 

h")  Zahlzeichen    33 

c}  Zeilenrichtung    33 

d}  Zeichenrichtung     34 

e}  Liniierung   34 

f)  Initialen  34 

5.  Zur  Entstehung  der  sinaitischen  Schrift: 

a3  Ort  der  Entstehung    35 

b)  Nähere  Umstände  der  Entstehung    36 

0  Vorgänger  und  Nebenzweige  des  Sinai- Alphabetes?  36 


IV.  ZUR  ENTZIFFERUNG  DER  ALTSINAITISCHEN  TEXTE 

Seite 

1.  Vermutliche  Dubletten  von  Einzelwörtern  und  Wortverbindungen     38 

2.  Gruppierung  der  Inschriften 41 

3.  Erklärung  der  Inschriften: 

a)  Weihinschriften 

Nr.  345  C=  1)  42 

Nr.  346  C=23  44 

Nr.  347  und  347a  (=3  und  4}  49 

Nr.  347b,  347c,  347d  C^-  5,  6,  7} 50 

b)  Grabinschriften 

Nr.  353  C=  133     52 

.      Nr.  354  C=  143    '. 55 

Nr.  355  C=  153     56 

Nr.  352a  C=  123  57 

Nr.  352  C=  113 57 

Nr.  350  C=93   61 

c3  Paralleltexte 

Nr.  349  C  =  83   63 

Nr.  351  C=103: 

Text  B      72 

Text  A     .. 73 

d3  Rückblicit  auf  die  Tafelinschriften  75 

e3  Das  Graffito  Nr.  348  (=  16}  76 

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V.  ERGEBNISSE  UND  FOLGERUNGEN 

1.  Die  Sprache  der  altsinaitischen  Inschriften 78 

2.  Der  Lautwert  der  sinaitischen  Buchstaben  80 

3.  Chronologisches     82 

4.  Jahu  85 

5.  Sinai      87 

6.  Die  mosaischen  Gesetzestafeln  im  Licht  der  Sinaiinschriften     90 

7.  Der  Name  des  israelitischen  Gesetzgebers      92 

Anhang:  Eine  meroitische  Totenopfertafel  vom  Hathor-Tempel 96 

Vergleichende  Sdirifttabelle    , 102/103 

Bilderanhang    Tafel  1-23 


I.  EINLEITENDES. 

1.  FundgescKicKteder  altsinaitischen  Schriftdenkmäler. 

*ie  Inschriften,  mit  denen  wir  es  im  Folgenden  zu  tun  haben,  bilden  eine  Gruppe,  die 
man  im  Gegensatz  zu  den  von  Nabatäern  herrührenden  und  bislang  sdilechthin  als 
sinaitisdi  bezeichneten  Inschriften  des  Innern  der  Sinaihalbinsel  altsinaitisch  nennen 
kann.  Ihre  Fundstätten  sind  dieselben  wie  die  der  hieroglyphischen  Denkmäler 
des  Sinai,  nämlich  Wadi  Magara  und  Serabit-el-Hadem,  die  beiden  von  den  alten 
Ägyptern  ausgebeuteten  Minendistrikte  des  Südwestrandes  des  Sinaimassivs.  Jenes  Gebiet  war 
seit  der  Regierung  der  pyramidenerbauenden  Pharaonen  das  Ziel  zahlreicher  Expeditionen  zur 
Gewinnung  von  Kupfer  und  Türkisen;  zu  dem  anderen,  einer  steinigen  Hochebene  mit  nach  drei 
Seiten  steil  abfallenden  Rändern,  zu  der  vom  Wadi  Magara  her  ein  beschwerlicher  Saumpfad 
führt,  gelangten  ägyptische  Arbeiter  seit  der  Zeit  der  XII.  Dynastie  (2000-1788  v.Chr.),  und  ihre 
Spuren  lassen  sich  bis  zum  Ende  der  XX.  Dynastie  C1200-1190}  verfolgen.  Am  nachdrücklichsten 
bezeugt  jedoch  Ägyptens  friedliche  Mission  in  dieser  abgelegenen  Gegend  ein  Tempelbau,  dessen 
Anfänge  wohl  in  die  Zeiten  des  ältesten  Minenbetriebes  auf  Serabit-el-Hadem  zurückgehen,  und 
an  dem  in  der  Folgezeit  besonders  zwischen  1500  und  1200  v.  Chr.  sich  zahlreiche  Pharaonen  als 
Bauherren  zu  verewigen  getrachtet  haben.  Ursprünglich  eine  Kultstätte  für  „Hathor,  die  Herrin 
der  Türkisen",  erhielt  er  später  einen  Nebenspeos,  der  dem  „Sapdu,  Herrn  der  östlichen  Wüste", 
,, Schläger  der  Bergvölker' ,  geweiht  war,  wodurch  das  Minenrevier  in  enge  geistige  Beziehung  zu  der 
der  im  Wadi  Tumilat,  dem  alten  Lande  Goschen,  gelegenen  Stadt  Pi- Sapdu 0,  „Residenz  des 
Gottes  Sapdu",  gesetzt  wurde. 

Dieser  Tempel  besaß  aber  nicht  nur  die  Bedeutung  eines  Gotteshauses  für  Ägypter,  sondern 
hatte  anscheinend  auch  große  Teile  der  Eingeborenen  der  Sinaihalbinsel  in  seinen  Bann  gezogen 
und  ließ  sie  in  Hathor  und  Sapdu  Erscheinungsformen  von  zwei  einheimischen  Gottheiten  erblicken 
und  in  Formen  eigener  Gottesverehrung  ihnen  huldigen.  So  nahm  dieser  Sinaitempel  unter  den 
ägyptischen  Götterstätten  eine  ähnliche  Sonderstellung  ein  wie  der  auf  der  Grenzscheide  von 
ägyptischer  und  äthiopischer  Religion  errichtete  Tempel  der  Isis  von  Philä. 

Die  Durchforschung  des  altägyptischen  Minendistrikts  auf  Sinai  lag  seit  mehr  als  einem  halben 
Jahrhundert  im  Plane  europäisdier  Gelehrter  und  Entdecker,  und  schon  1 904  konnte  Raymond  Weill 
mit  der  Ausbeute  an  hieroglyphischen  Inschriften  einen  stattlichen  Band  füllen.'^)  Eine  reiche 
Nachlese  an  Funden  hielt  sodann  im  Jahre  1 904/5  eine  vom  Egypt  Exploration  Fund  aus- 
gerüstete und  von  W.  M.  Flinders  Petrie  geleitete  englische  Expedition,  über  deren  Verlauf  und 
wesentlichste  Ergebnisse  ihr  Leiter  in  seinem  Buche  „Researches  in  Sinai"  (London  1906)  in  Wort 


'3  Die  üblidie   Aussprache  Sopdu   ist  durch   nichts  sicher  bezeugt,  während  für  unsere  Form   die   assyrische  Transskription  PiSaptu 
spridit.  -  ^')  Recueil  des  Inscn-iptions  Egyptiennes  du  Sinai. 


und  Bild  Beridit  erstattete.  Hierbei  ist  einer  Auffindung  von  „Foreign  inscriptions"  Erwähnung 
getan,  die  an  zwei  versdiiedenen  Stellen  des  Plateaus  von  Serabit-el-Hadem  ans  Licht  getreten 
waren :  im  Tempel  und  an  einem  von  alten  Bergwerksstollen  durchbohrten  Felsen  ungefähr  eine  halbe 
Stunde  westlich  vom  Tempel,  über  jene  sagt  Flinders  Petrie  (S.  129}:  „Eine  auffällige  Gruppe  von 
Bildwerken  wurde  im  Tempel  gefunden,  deren  Stil  gröber  ist  als  der  übliche  ägyptische,  und  deren 
einige  Inschriften  in  unbekannten  Schriftzeichen  aufweisen".  Von  ihnen  werden  einzeln  erwähnt 
die  Statuette  eines  hottenden  Mannes  sowie  eine  kleine  Löwensphinx  mit  dem  Kopfe  einer  Frau; 
einige  andere  sind  nur  im  Bilde  vorgeführt  (Fig.  131,  142^,  143'*}.  Mit  anderen  bei  Petrie  uner- 
wähnt gebliebenen  Stücken  bilden  sie  eine  unter  den  Begriff  „Tempelweihgeschenke"  fallende 
zusammengehörige  Gruppe. 

Die  anderen  Stüci<e  haben  einen  wesentlich  anderen  Charakter,  schließen  sich  jedocii  auch  zu  einer 
Gruppe  zusammen.  Über  sie  berichtet  ihr  Entdecker  auf  S.  130:  ,,Als  meine  Frau  die  Felstrümmer 
an  dem  Bergwerksstollen  L  überschaute,  gewahrte  sie  ein  Bruchstück,  das  einige  unlesbare  Schrift- 
zeichen aufwies.  Beim  Weiterforschen  entdeckte  ich  auf  einem  herabgefallenen  Steinblocke  nodi 
mehrere  solclier  Zeichen.  Mit  Hilfe  von  einigen  hergeholten  Leuten  drehte  ich  drei  oder  vier  Fels- 
stücke um,  die  von  einem  behauenen  Teil  der  Felswand  herabgestürzt  waren,  und  legte  dabei  Teile 
anderer  Inschriften  frei,  die  ich  wieder  zusammensetzte.  Schließlidi  ergab  es  sich,  daß  wir  Reste 
von  ungefähr  acht  Inschriftentafeln  vor  uns  hatten,  die  von  einander  durch  starke  Vertiefungen 
abgegrenzt  waren,  im  übrigen  aber  die  Form  der  ägyptischen,  oben  abgerundeten  Tafeln  hatten. 
Von  ihren  Inschriften  war  keine  als  ägyptisch  zu  entziffern.  Sie  zeigten  einen  Einschlag  von 
ägyptischen  Hieroglyphen;  doch  die  meisten  Zeichen  wichen  bedeutend  von  denselben  ab". 

Es  ist  anzunehmen,  daß  diese  acht  Inschriftentafeln  einmal  über  dem  Stollen  und  zwar  am 
oberen  Rande  des  Felsens  ihren  Platz  hatten.  Ob  sie  von  dort  infolge  natürlicher  Zer- 
trümmerung des  Gesteins  oder  gewaltsamer  Loslösung  durch  Menschen  herabgestürzt  sind,  läßt 
sich  vorderhand  nicht  ausmachen. 

Der  Auffindung  der  Tafeln  folgte  ihre  Aufnahme  im  Lichtbilde  sowie  die  Abzeichnung  ihrer 
Inschriften  durch  „most  untrained  students "■•■};  eine  Herstellung  von  Papierabklatschen  scheint 
unterblieben  zu  sein. 

Was  an  Tempelweihgeschenken  gefunden  war,  wanderte  mit  anderen  Fundstücten  der  Expedition 
nach  Ägypten  und  ward  von  dort  nach  verschiedenen  Seiten  hin  zerstreut,  so  daß  die  Museen  von 
Kairo,  London,  Brüssel  und  Toronto  sich  jetzt  in  ihren  Besitz  teilen.  Dagegen  haben  die  Inschriften- 
tafeln den  Sinai  nicht  verlassen.  Was  die  Expeditionsteilnehmer  veranlaßt  hat,  sie  nicht  mitzu- 
nehmen, was  sie  ferner  zur  Sicherung  derselben  gegen  Entwendung  oder  Zerstörung  getan  haben, 
ist  ihr  Geheimnis.  Wir  können  nur  hoffen,  daß  die  Zeit  nicht  mehr  fern  ist,  wo  sie  in  Sicherheit 
gebracht  und  der  Wissenschaft  voll  zugänglich  gemacht  werden. 

Als  geraume  Zeit  nach  der  Auffindung  dieser  Denkmäler  die  Erforschung  ihrer  Schrift  begann, 
wurde  ein  Stück  anderer  Herkunft,  nämlich  ein  Graffito  von  acht  Zeichen,  das  E.  W.  Palmer  im 
Jahre  1868  in  der  Gegend  von  Wadi  Magara  abgeklatscht  CBrit.  Museum  47}  und  abgezeichnet 
(Notebook  S.29}  hatte,  als  zu  derselben  Gattung  gehörig  erkannt.  Hatte  R.Weill  es  zuerst  der 
Vergessenheit  entrissen  und  in  seiner  Sammlung  der  sinaitischen  Inschriften  als  Nr.  22  veröffentlicht, 
so  war  Alan  Gardiner  derjenige,  der  es  im  Jahre  1916  zuerst  richtig  klassifizierte. 


+)  Nach  Mitteilung  von  A.  H.  Gardiner. 


10 


2.  Beschreibung  der  Denkmäler. 

Nach  ihrem  Äußeren  kann  man  die  uns  beschäftigenden  Denkmäler  in  drei  Gruppen  teilen: 
Tempelweihgeschenke,  Felstafeln,  Graffiti.  Unter  die  erste  fallen  sieben,  unter  die  zweite  acht 
und  unter  die  dritte  eines  von  ihnen.  Wir  geben  ihre  Beschreibung  in  der  Folge  der  drei  Gruppen 
und  bezeichnen  sie  wie  unsere  Vorgänger  mit  der  Zahl,  die  sie  in  der  Reihenfolge  der  gesamten 
Inschriften  vom  Sinai  bekommen  haben,  setzen  aber  eine  sie  allein  betreffende  Numerierung  in 
Klammer  hinzu. 

a}  Tempelweihgeschenke. 

Nr.  345  CO:  Löwensphinx  mit  Frauenkopf.  Fußplattenbreite  15  cm,  Höhe  der  Sphinx  von  der 
Fußplatte  bis  zum  Scheitel  11  cm.  Aufbewahrungsort:  British  Museum  (417483.  In  der  Gesamt- 
auffassung zwar  ägyptisch,  doch  in  einzelnen  Teilen,  wie  Stirn,  Augen,  Kopftuch,  fremdartig  stilisiert, 
daher  von  Flinders  Petrie  wohl  mit.  Recht  als  Werk  sinaitischer  Lokalkunst  bezeichnet.  Trägt  an 
fünf  Stellen  Inschriftliches,  und  zwar  Hieroglyphisches  an  der  rechten  Schulter,  zwischen  den  Vorder- 
tatzen CKönigsnamen3  und  vielleicht  am  linken  unteren  Zipfel  des  Kopftuches;  weiter  Sinaitisches 
auf  beiden  Langseiten  der  Fußplatte. 

Nr.  346(23:  Männliche  Hockerstatue.  Körperbreite  13  cm,  Höhe  etwa  20  cm.  Aufbewahrungs- 
ort: Ägyptisches  Museum  in  Kairo.  In  ihrem  kubischen  Aufbau  erinnert  die  Statue  besonders  an 
Männerdarstellungen  der  XVIII.  Dynastie,  z.  B.  die  des  Senmut  (Berlin);  die  Bedeckung  der  Füße 
durch  das  Gewand  ist  bisher  nur  an  Werken  dieser  Zeit  nachzuweisen.  Einzelheiten  in  der  Aus- 
führung lassen  auch  bei  dieser  Statue  einen  speziell  sinaitischen  Kunststil  erkennen.  Der  Dar- 
gestellte erscheint  als  ein  verhältnismäßig  junger  Mann  mit  breit  entwickelten  Gesichtsseiten,  ziem- 
lich kurzer  Nase,  vollen  Lippen,  bartlos  (was  die  bei  Gardiner  gegebene  Abbildung  nicht  deutlich 
zur  Erscheinung  bringt}.  Sinaitische  Schrift  zeigt  1 .  die  ganze  Vorderseite  (von  den  Schultern  bis  zu  den 
Knieen,  von  diesen  bis  über  die  Füße}  und  zwar  in  zwei  vertikalen  Zeilen  und  einer  horizontalen; 
2.  die  rechte  Seite  vom  Arme  abwärts  bis  ungefähr  zum  Boden. 

Nr.  347  (3):  Kopf  mit  herabfallendem  Kopftuch  auf  rechteckiger  Basis;  könnte  ebensowohl  einen 
Mann  wie  eine  Frau  darstellen.  Höhe  12  cm,  Breite  9  cm.  Aufbewahrungsort:  Musee  du  Cinquan- 
tenaire  in  Brüssel.  An  der  Basis  (Brustseite}  drei  tief  eingeritzte  Zeichen  in  vertikaler  Linie;  rechts 
davon  (vielleicht  auch  links}  weitere  in  flacherer  Ausführung. 

Nr.  347a  (4}:  Dublette  von  Nr.  347  (3},  gleichfalls  in  Brüssel.  Die  mittleren  drei  Zeichen  sind  eben 
noch  zu  lesen.  Rechts  davon  ein  tief  eingeschnittener  flacher  Winkel,  wahrscheinlich  Rest  eines  auf 
Nr.  347  noch  voll  erhaltenen  Schriftzeichens. 

Nr.  347  b  (5}:  Hathorkopf  mit  Diadem,  nicht  Säulenkapitäl  (Flinders  Petrie},  sondern  Weih- 
geschenk. Größe  (?},  Aufbewahrungsort  (?}.  Von  sehr  roher,  wohl  unägyptischer  Ausführung.  Trägt  - 
was  bisher  übersehen  worden  ist  -  einige  Schriftzeichen  auf  der  Stirn. 

Nr.  347c  (6):  Kleiner  konischer  Räucheraltar.  Höhe  und  Aufbewahrungsort  nicht  zu  ermitteln. 
Die  Photographie  bei  Flinders  Petrie  (Fig.  143"*}  läßt  hart  am  rechten  Rande  drei  Schriftzeichen 
erkennen;  andere  mögen  vom  Schatten  des  Randes  verdeckt  sein. 

Nr.  347  d  (7}:  Obere  Hälfte  der  Statuette  einer  Königin  (Flinders  Petrie,  Fig.  131}.  Größe  und 
Aufbewahrungsort  unbekannt.  Als  Königin  besonders  durch  den  über  das  herabfallende  Haar  gelegten 
Schleier   in  Form    von   Flügeln    gekennzeichnet.      Die   Darstellung    wirkt    eigenartig   infolge    des 


11 


vorgestreckten  Kopfes  und  der  fliegenden  Stirn  und  nähert  sidi  der  von  Nr.  345.  Im  Stile  mischen 
sich  jedenfalls  Ägyptisches  und  "Fremdländisches.  Auf  der  rechten  Brustseite  scheinen  sinaitische 
Schriftzeicfaen   angebracht  zu  sein,   deren  Lesung    aber    auf   der  Photographie    nicht   möglich   ist. 

b3  Felstafeln. 

Vorbemerkung:  Die  folgenden  acht  Tafeln  zeigen  alle  dieselbe,  oben  flachgerundete,  unten 
meist  geradlinig  abschließende  Form  und  annähernd  gleiche  Größenverbältnisse,  nämlich  zwischen 
30  und  40  cm  Höhe  und  24-28  cm  Breite;  nur  Nr.  352a  (12}  und  355  (153  sind  bedeutend  kleiner. 
Die  Schriftzeichen  auf  ihnen  sind  mehr  oder  minder  tief  eingeritzt.  Bei  Nr.  349  (83  und  351  (10) 
täuscht  die  Photographie  erhaben  ausgemeißelte  Zeichen  vor;  um  den  richtigen  Eindruck  von  ihnen 
zu  bekommen,  müßte  man  sie  auf  den  Kopf  stellen  und  dann  betrachten. 

Nr.  349  (8):  Der  äußeren  Form  nach  gut  erhalten;  nach  unten  in  flachem  Bogen  abschließend. 
Die  linke  Seite  zeigt  Spuren  von  Verwitterung  der  Oberfläche.  Trägt  eine  Inschrift  von  sieben 
horizontalen  Zeilen,  worunter  noch  ein  oder  anderes  Zeichen  zu  vermuten  ist.  Unter  jeder  Zeile 
eine  Richtungslinie. 

Nr.  350  (9) :  Von  einer  in  sieben  bis  acht  Stücke  zersprungenen  Tafel  die  rechte  Seite,  etwa  ein 
Drittel  des  ursprünglichen  Ganzen.  Von  dem  in  vertikalen  Zeilen  geschriebenen  und  mit  Richtungs- 
linien versehenen  Texte  sind  zwei  Zeilen  fragmentarisch  erhalten.  Die  Wiedergabe  der  Stücke  auf 
der  Situationsphotographie  läßt  erkennen,  daß  die  Inschrift  ursprünglich  fünf  bis  sechs  Zeilen  hatte, 
und  giebt  zugleich  den  gut  lesbaren  Abschluß  der  ersten  Zeile,  der  auch  auf  der  Handkopie  der 
Inschrift  mit  berücksichtigt  ist.  Der  von  oben  nach  unten  gehende  Strich  nahe  dem  rechten  Seiten- 
rande bedeutet  den  ersten  Versuch  des  Steinmetzen,  die  Tafel  abzugrenzen. 

Nr.  351  (10):  In  der  Form  bis  auf  die  fehlende  obere  rechte  Ecke  gut  erhalten.  Nach  unten 
durch  eine  auffällig  starke  Vertiefung  abgegrenzt.  Auf  den  ersten  Blick  erkennt  man  auf  der  rechten 
Seite  der  Tafel  die  roh  ausgeführte,  in  streng  ägyptischer  Form  gehaltene  Darstellung  des  Gottes 
Ptah  (Hephaistos)  in  einer  Zella,  sowie  links  davon  eine  in  vertikaler  Zeilenrichtung  verlaufende  ein- 
reihige Inschrift,  die  sich  in  der  linken  unteren  Ecke  noch  etwas  fortsetzt.  Auch  sie  zeigt  eine 
plumpe,  ungeschickte  Ausführung.  Bei  näherer  Betrachtung  der  auffällig  rauhen  Oberfläche  treten 
an  verschiedenen  Stellen  der  Tafel  noch  Schriftzeichen  oder  Reste  von  solchen  zutage,  deren  Zeilen- 
richtung anscheinend  horizontal  war.  So  steht  man  tatsächlich  vor  einer  zweimal  mit  sinaitischen 
Zeichen  beschriebenen  Tafel,  einem  steinernen  Palimpseste,das  den  Erklärer  vor  die  schwierige  Aufgabe 
stellt,  außer  dem  jüngeren  deutlicheren  Texte  womöglich  auch  etwas  von  dem  älteren  verwischten 
zu  entziffern.   Die  Handkopie  berücksichtigt  vom  älteren  Texte  nur  ein  links  oben  stehendes  Zeichen. 

Nr.  352  (113:  Eine  offenbar  infolge  eines  sehr  alten  Risses  im  Felsen  in  eine  obere  und  untere 
Hälfte  gespaltene  Tafel;  von  letzerer  fehlt  ein  größeres  keilförmiges  Stück  der  linken  Seite.  Die 
Inschrift  der  unteren  Hälfte  besteht  aus  drei  (oder  vier?}  vertikalen  Zeilen,  deren  gerader  Verlauf 
unten  durch  das  auffällig  große  Zeichen  eines  Fisches  gestört  wird.  Auf  der  oberen  Hälfte  sind 
ebenfalls  drei  Vertikalzeilen  erkennbar;  weitere  Schrift  wird  auf  ihrer  stark  verwitterten  linken  Seite 
gestanden  haben.  Nach  dem  Äußeren  des  Steines  ist  damit  zu  rechnen,  daß  auf  jeder  seiner 
Hälften  eine  für  sich  abgeschlossene  Inschrift  stand. 

Nr.  352  a  (12}:  Eine  von  den  bisherigen  Bearbeitern  der  sinaitischen  Inschriften  unbeachtet 
gelassene  Tafel,   die  sidi  eng  an  Nr.  352  anschließt  und  durch  den  Riß,  der  diese  hälftet,  -seine 

*)  Eine  Aufnahme,  die  eine  Anzahl  der  Felstafeln  nodi  in  situ  zeigt;  nodi  nidit  publiziert. 


12 


untere  Hälfte  eingebüßt  hat.  Bei  der  starken  Verwitterung  ihrer  Oberfläche  ist  die  Schrift  bis  auf 
wenige  Reste  verschwunden. 

Nr.  353  (133:  Die  am  besten  erhaltene  Tafel.  Eine  ihre  linke  Seite  bogig  von  oben  nach  unten 
durchziehende  Vertiefung  weist  uns  darauf  hin,  daß  der  Steinmetz  sie  ursprünglich  weiter  links  ab- 
grenzen wollte.  Auf  ihrer  ziemlich  rauhen  Oberfläche  sind  deutlich  drei  die  Tafel  ihrer  ganzen 
Höhe  nach  durchziehende  vertikale  Schriftzeilen  zu  erkennen.  Ungefähr  in  der  Mitte  der  Tafel 
fallen  drei  bis  vier  größere  Komplexe  kleiner  wagerechter  Linien  in  vertikaler  Anordnung  auf;  zwei 
ähnliche,  doch  kürzere,  stehen  nahe  dem  linken  Rande. 

Nr.  354  (14}:  Unmittelbar  neben  Nr.  353  in  den  Felsen  eingehauen,  durch  einen  Querriß  in  eine 
linke  und  eine  rechte  Hälfte  gespalten.  Von  letzterer  ist  nur  der  untere  Teil  erhalten,  den  der 
Photograph  in  viel  größerem  Maßstabe  aufgenommen  hatte  als  die  linke  unversehrte  Hälfte,  wie  die 
Situationsphotographie  erkennen  läßt.  Die  linke  Seite  ist  anscheinend  inschriftlos,  wenn  man  von 
einem  sehr  flach  eingeritzten  Zeichen  der  unteren  Hälfte  absieht;  was  ihre  obere  Hälfte  an  Ver- 
tiefungen aufweist,  erinnert  an  die  Linienkomplexe  von  Nr.  353.  Dagegen  zeigt  das  uns  erhaltene  Stück 
der  rechten  Hälfte  Schriftzeichen  von  schlechter  Ausführung  und  Erhaltung  in  vertikaler  Anordnung. 

Nr.  355  (15}:  Das  obere  linke  Viertel  einer  Tafel.  Die  Inschrift  scheint  in  drei  Vertikalzeilen 
angeordnet  zu  sein,  von  denen  die  mittlere  etwa  zur  Hälfte,  die  linke  zu  einem  kleinen  Teil  er- 
halten ist.    Die  Schriftzeichen  sind  auffallend  plump  geformt  und  tief  eingeritzt. 

c}  Graffito. 

Nr.  348  (16}:  Acht  Schriftzeichen  in  vorwiegend  vertikaler  Anordnung.  Das  erste  giebt  Gardiner 
wesentlich  anders  wieder  als  Weill  (der  nur  sechs  Zeichen  erkannte}.  Gardiner  nimmt  das  Graffito 
für  fragmentarisch,  was  nicht  ohne  Weiteres  zuzugeben  ist. 

Zusatz:  Die  Mitteilung  R.  Eisler's  an  Enno  Littmann  (Internat.  Monatsschrift  für  Wissenschaft, 
Kunst  und  Technik  XV,  3,  S.  262},  wonach  ein  Museum  in  Toronto  ein  noch  unveröffentlichtes  altsinai- 
tisches  Schriftdenkmal  besäße,  hat  sich  als  irrig  erwiesen.  Nach  brieflicher  Benachrichtigung  von  Seiten 
der  Verwaltung  des  Royal  Ontario  Museum  of  Archaeology  in  Toronto  (Canada}  befinden  sich  dort  nur 
Sinaisteine  mit  hieroglyphischen  Schriftzeichen.  Über  ein  dort  ebenfalls  aufbewahrtes  vom  Sinai 
stammendes  meroitisches  Denkmal  siehe  den  Anhang  zu  diesem  Buche. 

3.  Übersicht  über   die   bisherige  Erforschung  der  Inschriften. 

a}  Alpliabet. 

Schon  Flinders  Petrie  hatte  in  seinen  „Researches"  (S.  1 30}  bemerkt,  daß  die  von  ihm  ent- 
deckten neuartigen  Inschriften  bei  aller  Ähnlichkeit  mit  den  ägyptischen  Hieroglyphen  doch  nach 
eigenen  Gesetjen  geschrieben  seien,  für  deren  Aufdeckung  vielleicht  die  fünfmalige  Wiederkehr  von 
derselben  Zeichengruppe  -  auf  der  Hockerstatue  (vorn  unten},  der  Sphinx  (Fußplatte  links},  Tafel  352, 
353,  354  -  von  Wert  sein  könnte.  Ob  es  sich  dabei  um  Buchstaben  oder  andere  Schriftzeichen  han- 
dele, ließ  er  unentschieden.  Es  lag  ihm  nahe,  die  Sinaischrift  für  eines  von  vielen  Schriftsystemen  zu 
nehmen,  die  in  der  Mittelmeerzone  „lange  bevor  die  Phönizier  das  später  giltig  gewordene  Alphabet 
aussuchten  ,  in  Gebrauch  gewesen  wären.  Fremde  Werkleute  auf  Sinai,  vermutlich  syrischer  Her- 
kunft, die  der  kretischen  Schrift  kundig  gewesen  seien,  hätten  aus  dieser  durch  Beimischung  von 
ägyptischen  Hieroglyphen  etwa  um  1500  v.  Chr.  die  Sinaischrift  entwickelt. 


13 


Bis  1916  erfuhr  die  weitere  Welt  von  den  Sinaischriftdenkmälern  nur  durdi  zwei  von  Flinders 
Petrie  in  den  „Researdies"  veröfFentliditen  Photographien,  die  der  Hod<erstatue  und  die  einer 
Zeile  von  neun  besonders  sdiarf  eingeritjten  Sdiriftzeidien  von  deren  Vorderseite.  Le^tere  reizten 
im  Jahre  1908  C.  A.  Ball  zu  einem  Entzifferungsversudi  (A  Phoenician  Inscription  of  1500  B.  C.  in 
Proc.  of  the  Soc.  of  Bibl.  Ardi.  XXX,  S.  243  f},  wobei  er  die  Zeidien  für  Budistaben  nahm,  die  mit 
den  phönizisdien  nahe  Verwandtschaft  hätten,  und  das  Ganze  als 

mnjy  nnny 

las.  Damit  waren  meines  Eraditens  zwei  Buchstaben  werte,  V  und  fl,  entdeckt. 

Unabhängig  von  Ball  fand  der  französische  Theologe  Charles  Bruston  (Revue  de  Theologie  de 
Montauban  XX,  1911,  177  f.}  in  der  gleidien  Gruppe  sowohl  diese  zwei  Buchstabenwerte  wie  auch 
das  t» ,  las  allerdings  das  Ganze,  indem  er  die  Inschrift  auf  den  Kopf  stellte,  sehr  phantastisch  als 

C^J»  nnv  Cldeogramm}  '^nif 
„Aufgestellt  für  den  Vorhof  das  Ganzopfer  der  Hathor  hier". 

Einen  Rüd^schritt  machte  die  so  begonnene  Forschung  mit  E.  J.  Pilter's  Studie  „The  scribings  at 
Sinai  (Proc.  XXXI,  S.  38-413,  worin  er  die  Sinaizeichen  für  Kri^eleien  von  unkundiger  Hand  erklärte, 
die  sich  in  unverständiger  Nachahmung  von  Hieroglyphen  gefallen  hätte. 

Nach  diesen  Anfängen  stockte  die  Beschäftigung  mit  der  Sinaischrift  bis  zum  Jahre  1916,  als  Alan 
H.  Gardiner  in  „The  Journal  of  Egyptian  Archaeology"  QU,  S.  1-16}  eine  Studie  veröffentlichte: 
„The  egyptian  Origin  of  the  Semitic  Alphabet".  Als  Herausgeber  des  gesamten  von  der  englischen 
Expedition  auf  Sinai  gesammelten  Inschriftenmaterials  kannte  er  alle  von  den  altsinaitischen  Schrift- 
denkmälern genommenen  Photographien,  bevorzugte  aber  auffallenderweise  die  Handkopien  der 
Inschriften.  Seine  These  vom  ägyptischen  Ursprünge  des  semitischen  Alphabets,  worunter  er  sowohl 
die  süd-  wie  nordsemitische  Schrift  faßte,  stufte  er  damit,  daß  1 .  die  enge  geographische  Verbindung 
von  Syrien  und  Arabien  mit  Ägypten  dafür  spräche,  2.  der  konsonantische  Charakter  der  semitischen 
Schriften  nur  in  der  Schriftweise  der  Ägypter  sein  Analogen  hätte,  3.  das  protosemitische  Alphabet 
sicher  vor  1 100  v.  Chr.  entstanden  sei,  also  zu  einer  Zeit,  da  Ägyptens  und  Babyloniens  Kulturen  für 
den  Vorderorient  maßgebend  waren;  da  die  babylonische  Keilschrift  aber  als  Vorbild  nicht  in  Betradit 
kommen  könne,  bliebe  nur  die  ägyptische  Schrift  dafür  übrig.  Sodann  wies  Gardiner  auf  das  aus 
Ägypten  stammende  Mittel  der  Akrophonie  hin,  um  Konsonantzeichen  aus  Wortzeichen  zu  gewinnen. 
Dasselbe  sei  auch  für  die  Entwicklung  der  semitischen  Konsonantzeichen  maßgebend  gewesen,  indem 
z.  B.  der  Lautwert  b  von  dem  Buchstabennamen  n'2  (beth)  „Haus",  oder  m  von  D'C  (mem} 
„Wasser  abgeleitet  sei,  was  zur  Annahme  der  Gleichaltrigkeit  von  altsemitischen  Buchstabennamen 
und  Buchstaben  führe.  Um  die  Akrophonie  des  semitischen  Alphabets  voll  zu  erfassen,  müsse  man 
trachten,  zu  möglichst  authentischen  altsemitischen  Buchstabennamen  zu  gelangen,  was  nur  unter 
Berücksichtigung  der  südsemitischen  Cäthiopischen)  Buchstabennamen  neben  den  in  der  Hauptsache 
maßgebenden  nordsemitischen  geschehen  könne. 

Nach  diesen  mehr  allgemeinen  Begründungen  wirft  Gardiner  das  Gewicht  der  altsinaitischen 
Inschriftenfunde  in  die  Wagschale.  Er  läßt  sie  der  Hand  von  Kanaanitern  oder  Syrern,  die  im  Gefolge 
ägyptischer  Bergbau-Expeditionen  zum  Sinai  gekommen  seien,  zur  Zeit  der  XII.  Dynastie  (2000-17883 
entstammt  sein.  Die  Schrift  selbst  nimmt  er  für  ein  Gemisch  von  ägyptischen  Hieroglyphen  und  fremden 
Bildzeichen;  ihren  Ursprung  sucht  er  nicht  auf  dem  Sinai,  sondern  in  der  Heimat  der  erwähnten  Leute. 


14 


Audi  wagt  er  nicht,  es  als  das  semitische  Uralphabet  zu  bezeichnen  und  nimmt  es  nur  als  einen  Ver- 
such in  der  Richtung  zu  diesem.  „Der  gemeinsame  Ahne  der  phönizischen,  griechischen,  sabäischen 
Schrift  kann  eines  von  verschiedenen,  mehr  oder  weniger  figürlichen  Lokalalphabeten  gewesen  sein, 
die  alle  auf  Grund  des  akrophonischen  Prinzips  unter  dem  Einflüsse  der  ägyptischen  Hieroglyphen 
sich  entwickelt  hatten  . 

Gardiner  schälte,  besonders  auf  Grund  der  Handkopien  der  Inschriften,  die  Zahl  der  uns  vor- 
liegenden Zeichen  auf  etwa  150,  in  denen  er  32  verschiedene  Buchstabentypen  vermutete.  15  von 
ihnen  glaubte  er  mit  Hilfe  semitischer  Buchstabennamen  und  altsemitischer  Buchstabenformen  be- 
stimmen zu  können,  und  zwar  als 

Damit  war  meines  Erachtens  sowohl  das  Prinzip  der  Sinaischrift  gefunden,  als  auch  ein  bedeutender 
Bruchteil  ihrer  Buchstaben  richtig  ersdilossen,  ob  audi  1  '  und  J'  aus  der  Reihe  des  dauerhaft 
Bestimmten  auszuscheiden  sind  und  die  Vorstellung  vom  Werdegang  des  Sinaialphabetes  verschiedener 
Korrekturen  bedarf. 

Gardiner's  Studie  gab  A.  E.  Cowley  Veranlassung,  noch  im  gleichen  Hefte  des  „Journal"  ihre 
Grundlagen  nachzuprüfen  und  ihre  Verwendbarkeit  für  die  Lesung  von  Wörtern  der  Sinaitexte  zu 
versuchen.  Dabei  kam  er  dazu,  die  Gesamtzahl  der  von  Gardiner  bestimmten  Buchstaben  folgender- 
weise abzuändern: 

N  2  3  -I  i(?)  •(?)  n(?)  \?)  ■?  D  :  y  p  n  K*  n. 

Damit  kam  er  meines  Erachtens  nur  in  der  Beseitigung  des  zweiten  3  über  Gardiner  hinaus,  während 
sein  Ansa^  von  3,  l,  1,  H,  '  und  p  dessen  Buchstabenreihe  verschlimmbesserte. 

Eine  bessere  Ergänzung  Gardiner's  bildete  eine  Abhandlung,  die  Kurt  Sethe  1917  in  den  Ab- 
handlungen der  Göttinger  Akademie  unter  dem  Titel  „Die  neuentdeckte  Sinaischrift  und  die  Ent- 
stehung der  semitischen  Schrift'  erscheinen  ließ  und  die  zugleich  eine  Umarbeitung  seiner  1916  der 
Göttinger  Akademie  vorgelegten  Studie  „über  den  Ursprung  des  Alphabets"  bedeutete.  Im 
Wesentlichen  mit  seinem  Vorgänger  einverstanden,  glaubt  er  doch,  sämtliche  Zeichen  des  Sinai- 
alphabetes mit  ägyptischen  Hieroglyphen  in  Verbindung  se^en  zu  sollen.  Die  Zeit  ihrer  Entstehung 
und  die  unserer  Denkmäler,  die  zwischen  1850  und  1500  v.Chr.  entstanden  sein  müßten,  könnten 
nicfit  weit  auseinander  liegen.  Er  findet,  daß  G.  sich  zu  vorsichtig  ausgedrückt  habe,  wenn  er  in  der 
Sinaischrift  nur  eine  gute  Analogie  zur  ursemitischen  Schrift  erblicicte;  tatsächlich  sei  sie  das  „missing 
link    für  die  Ableitung  des  sogenannten  phönizischen  Alphabetes  von  der  ägyptischen  Schrift. 

Mit  Gardiner's  Methoden  weiterbauend,  stellte  Sethe  eine  Liste  der  altsinaitischen  Buchstaben 
auf,  in  der  16  als  sicher  bestimmte  und  5  als  noch  fraglich  gelassene  Zeichen  figurieren.     Jene  sind: 

N  2  n  (einschließlich  n}  U  •>  r  S  O  J  D  V  E  1  ti'  H; 

mit  Fragezeichen  versehen  sind: 

3  1  CS  K  p. 

Damit  war  Sethe  meines  Erachtens  über  Gardiner's  Liste  mit  fünf  richtiger  bestimmten  oder  sie  er- 
gänzenden Buchstaben  hinausgekommen,  ob  auch  sein  P,  \  \  H  und  p  die  Probe  der  Richtigkeit  nicht 
bestehen  können. 

Noch  stärker  als  Gardiner  hat  Sethe  es  ausgedrückt,  daß  er  die  nach  den  Denkmälern  hergestellten 
Photographien  für  irreführend  bei  der  Buchstabenbestimmung  ansehe  und  sich  deshalb  nur  nach  den 
Handkopien  ridite. 


15 


Gardiner's  und  Sethe's  Aufstellungen  bekamen  einen  Gegner  an  Hans  Bauer,  der  ihnen  1918  ein 
Essay  „Zur  Entzifferung  der  neuentdeckten  Sinaisdirift"  entgegenstellte.  Nadi  ihm  wäre  keinerlei  Ver- 
bindung sowohl  zwischen  der  Sinaischrift  und  der  phönizischen  (oder  semitisciienO,  als  auch  zwischen 
jener  und  der  ägyptischen  anzunehmen,  und  zwar  le^teres  deshalb  nicht,  weil  sich  im  Sinaitischen 
nicht  die  ägyptischen  Konsonantbuchstaben  wiederfänden.  Auch  leugnet  er  die  Möglichkeit,  von  den 
semitischen  Buchstabennamen  akrophonisch  Buchstabenwerte  abzuleiten.  So  bliebe  für  die  Bestimmung 
der  Sinaibuchstaben  nur  der  Weg  der  Induktion  übrig,  und  auf  diesem  glaubt  er  aus  der  Fußplatten- 
inschrift der  Sphinx  ein  ^  und  P,  aus  den  drei  Zeichen  von  Nr.  347  ein  C  und  p  gewinnen  zu  können. 
Meines  Erachtens  liegt  kein  Grund  vor,  mit  Bauer  die  Skepsis  gegen  Gardiner  und  Sethe  bis  zur 
Ablehnung  aller  ihrer  Beweismomente  zu  fähren;  und  auf  rein  induktivem  Wege  ist  bisher  noch 
keine  Schrift  entziffert  worden,  es  sei  denn,  daß  man  zu  vermutende  Eigennamen  mit  in  Rechnung 
stellen  konnte. 

Nach  Bauer  trat  Dr.  Robert  Eisler  mit  seinem  Buche  „Die  kenitischen  Weihinschriften  der  Hyksos- 
zeit  im  Bergbaugebiet  der  Sinaihalbinsel"  (Freiburg  1919}  hervor.  Hier  werden  Gardiner's  und 
besonders  Sethe's  Ergebnisse  der  Buchstabenentzifferung  für  sicher  genug  gehalten,  um  mit  ihnen 
dem  Inhalt  der  Inschriften  selbst  nahe  zu  kommen.  Während  der  Entzifferungsarbeit  selbst  glaubte 
Eisler  die  noch  bestehenden  Unvollkommenheiten  des  Alphabetes  ausmerzen  zu  können  und  stellte 
dann  kurz  vor  Sdiluß  des  Buches  22  Zeichen  zu  einem  Alphabet  zusammen,  in  welchem  sich  von 
Sethe's  Liste  wiederfinden: 

N  2  3  (ohne  Fragezeichen^  "1  Cohne  Fragezeichen}  H  i  T '  C2  ■>  D  ■?  C  j  D  V  S  y  (ohne  Fragezeichen}  "^  t^'  r. 

Zutaten  Eisler's  sind  n,  das  nun  nicht  mehr  mit  n  als  eine  Buchstabeneinheit  auftritt,  '!'-  (mit  dem 
Lautwert  d}  und  p. 

Meines  Erachtens  bestand  der  Fortschritt  bei  E.  über  Sethe  darin,  daß  er  dessen  fraglich  gelassenes 
i  und  ~  sicher  stellte,  neben  ri  einen  eigenen  Buchstaben  "  anse^te,  obwohl  dieser  selbst  unrichtig 
bestimmt  ist,  endlich  das  p  entdeckte.  So  muß  ich  es  ablehnen,  in  E.'s  Alphabet  den  einzig 
richtigen  Schlüssel  zur  Enträtselung  der  Inschriftentexte  zu  sehen. 

Von  E.'s  Ansichten  über  die  Genesis  der  Sinaischrift  sei  noch  erwähnt,  daß  er  bei  vier  Zeichen 
(:;  2  ä  und  p}  Einwirkungen  der  Hieroglyphenschrift  leugnet,  auch  im  Sinaialphabete  nicht  das 
ursemitische  Alphabet,  sondern  einen  alten  Seitentrieb  erblidct,  der  ursprünglich  nichts  mit  der 
ägyptischen  Schrift  zu  tun  gehabt  hätte,  aber  auf  Sinai  unter  den  Händen  von  Leuten,  denen  das 
Agyptischschreiben  geläufig  war,  allmählich  ägyptischen  Duktus  bekommen  hätte. 

Eisler's  Buch  bewog  verschiedene  deutsche  Gelehrte,  zu  den  bisherigen  sinaitischen  Forschungen 
Stellung  zu  nehmen.  So  stimmte  E.  Littmann')  den  Ergebnissen  Gardiner's  und  Sethe's  im  großen 
Ganzen  zu;  Eisler's  Zutaten  zu  ihrer  Buchstabenliste  ließ  er  unerwähnt,  fand  dagegen  in  seinen 
Textlesungen  ebensoviel  Bedenkliches  wie  Verlockendes.  M.  Lidzbarski^)  äußerte  seine  Befriedigung, 
daß  seine  Meinung,  das  phönizische  Alphabet  sei  in  freier  Nachbildung  der  Hieroglyphenschrift  ent- 
standen, nunmehr  bestätigt  werde;  zu  Eisler's  Deutungen  der  Inschriften  stellte  er  sich  jedoch  ab- 
lehnend. Für  H.  Schneider^}  wurde  Eisler's  Buch  zum  Anlaß,  sich  als  Gegner  der  bisherigen  Forschung 
zu  erklären,  zumal  sie  nicht  dazu  geführt  hätte,  in  den  Sinn  der  Inschriften  einzudringen.  Er  möchte 
diese  nicht  vor  1000  v.  Chr.  entstanden  sein  lassen  und  hält  philistäische  Eroberer  für  ihre  Urheber. 
Erst  wenn  wir  uns  in  kretischer  Schrift  und  Sprache  näher  auskennten,  würde  ein  Versuch  ihrer 
Entzifferung  Erfolg  versprechen  können. 


1 3  ,4>ie  altsinait.  Inschriften"  in  „Internat.  Monatsschrift"  XV,  248-262.   -    sjTheol.  Lit.  Zeitg.  1921,  S.49.  -    3)  Or.  Lit.  Zeitg.  1921,  S.  241-45. 


16 


Im  Jahre  1921  ergriff  dann  noch  einmal  Ch.  Bruston  das  WortO,  um  unter  Benu^ung  von  Gar- 
diner's und  Eisler's  Arbeiten  seinerseits  das  Sinaialphabet  festzulegen.  Außer  C  scheinen  ihm  alle 
22  Buchstaben  des  nordsemitisdien  Alphabets  sicher  nachgewiesen.  Ich  möchte  darin  eine  arge  Selbst- 
täuschung sehen,  indem  seine  Liste  für  T  l  "  JT  '  ?  !i  p  ~!  falsche  Zeidien  führt,  dazu  auch  keineswegs 
vollständig  ist.  Der  Bildcharakter  verschiedener  Sinaizeichen  verleitet  ihn,  solche  überhaupt  nicht  für 
Buchstaben,  sondern  für  Zeichnungen,  die  die  Texte  illustrieren  sollen,  zu  nehmen.  Mit  Eisler  gibt  er 
dem  Sinaialphabete  einen  Vorgänger  oder  Nebenzweig  unter  Benu^ung  von  zwei  von  Flinders  Petrie 
in  Kahun  ausgegrabenen  Kleindenkmälern  CHolzklötjchen  und  Inschriftfragment)  und  einer  Statue  des 
Ägyptischen  Museums  in  Kairo  (35562).  Über  dieses  angebliche  Nebenalphabet  werden  wir  uns 
später  noch  zu  äußern  haben. 

Ein  „Die  Datierung  der  Petrie'schen  Sinaiinschriften"  ^3  behandelnder  Aufsaß  von  W.  von  Bissing 
nimmt  Gelegenheit,  über  die  Entstehung  der  Sinaischrift  sich  dahin  auszusprechen,  daß  sie  eine  Ver- 
wandte der  phönizischen  Schrift  sei,  erfunden  von  einem  vermutlidi  semitischen  Manne,  der  eine 
oberflächliche  Kenntnis  der  ägyptischen  Hieroglyphenschrift  und  ihrer  Fähigkeit,  Einzellaute  aus- 
zudrücken, besessen  hätte. 

b)  Text-Lesungen. 

Die  Feuerprobe  für  die  Richtigkeit  einer  Schriftentzifferung  bildet  immer  ihre  Brauchbarkeit  für 
die  Lesung  von  Texten.  So  gingen  bei  Ball  und  Brustpn  Buchstabenbestimmung  und  Textlesung  Hand 
in  Hand ;  eine  genauere  Kontrolle  beider  lag  jedoch  außer  dem  Bereich  der  Möglichkeit.  Gardiner, 
der  einzig  das  Alphabet  im  Auge  hatte,  lieferte  nur  eine  Lesung,  für  deren  Richtigkeit  aber  vieles 
spricht.  Unter  Benutzung  des  Hinweises  von  Flinders  Petrie  auf  eine  an  fünf  Stellen  gleich  wieder- 
kehrende Gruppe  von  fünf  Zeichen  bestimmte  er  vier  dieser  Zeichen  als  ri/VT,  zu  lesen  „Ba'^alat", 
worin  er  den  semitischen  Namen  der  Hathor  vom  Sinai  sah.  Cowley  und  Sethe  erklärten  sich  mit 
dieser  Lesung  voll  einverstanden,  ohne  zu  erkennen,  daß  auf  Nr.  352  mj!:;  geschrieben  steht. 
Cowley  bemühte  sich  noch  um  weitere  Entzifferungen  und  konnte  Wahrscheinlichkeitserfolge  buchen 
mit  ^  =  Dativpartikel  (Nr.  345,  346),  CV'j  =  „Freude"  (Nr.  346),  ^J!  =  „für"  (Nr.  346},  21  =  „Meister" 
(Nr.  346, 349);  PiP  (Nr.  347},  das  er  richtig  las,  nahm  er  für  die  Göttin  Tanit  der  phönizisch-punischen 
Inschriften.  Sethe  ging  allen  Neulesungen  geflissentlich  aus  dem  Wege,  gab  aber  in  Anmerkung  eine 
Vermutung  Littmann's  und  Lidzbarski's  wieder,  wonach  Nr.  349  mit  jN  =  „ich"  beginne,  sowie 
Bertholet's  Bestimmung  von  i  Czu  Beginn  von  Nr.  351}  als  HT  =  „dieser". 

Für  Eisler  war  die  Lesung  und  Deutung  der  Texte  Hauptsadie.  Zufrieden,  wenn  er  einen  sachlich 
einleuchtenden  Sinn  aus  einem  Wortkomplex  erzielte,  brachte  er  unter  der  schweigenden  Voraus- 
setzung, daß  der  Sinaidialekt  dem  Hebräischen  nahe  verwandt  sei,  folgende  Übersetzungen  heraus : 

Nr.  345  P'^ySHNC  „Von  dem  von  der  Ba<=alat  Geliebten". 

rhv2^  -iV  „Ein  Denkmal  für  Ba'^alat". 

Nr.  349         ...  UiP  JN  „lA,  Tzs  .  .  . 

.   .   .  CJ2N  p~l  Vorsteher  der  Steine  .   .  . 

....  O^ND  Mäßchen   .... 


....  "PN  .  .     .  .  aussuchen   .   ." 
Nr.  348  vbV2  PJPJ     „Gegeben  hat  die  Herrin". 


'■)  „Les  plus  vieilles  inscriptions  Cananfennes"  in  „Rev.  Ardi."  1921  XIV,  S.  49-80.  -    23  Sitzungsber.  d.  Bayer.  Akad.  d.  Wiss.,  7.  Febr.  1920. 


17 


Nr.  346  nyiD  ich  ^     „Dies  zur  Schutzwehr  der  Weide 

(Vermehrung  der  Herde?)". 
nCN  pj?J  h]l     Nach  dem  Beheben  eines  Orakels. 
nbv^'^     Für  die  Ba^alat. 
CJ21  12T  cyj  7V     Nach  dem  Beheben  des  Aufsehers  der  Aufseher". 
„Sina,  die  Herrin". 
„Tanit  C=  Hathor3". 
„Dies  auf  Befehl  der  Sina,  der  Herrin 

der  Schätze 

Zgbtl  C=  TiteO  der  Kainiter". 

„Ich   .  .  . 

heimste  ein  zur  Läuterung  CSiebung) 


Nr.  354 

n':'y2  n[rtt'J 

Nr.  347 

nan 

Nr.  353 

rhv2 

nJB'  CE2  DT 

cno3 

p  b2  hr\2  3T 

Nr.  352 

.  .  .  ::di>  m 
rhv2 

Nr.  350 

:2iJ 

^n3  . 

.  .  nv;  rbii 

Ba'^alat". 

„Diese  hat  X.  X.,  der  Ausgesonderte  (Ausscheider ?3 

[aufgestellt, 
S  "'  ntl'J     [nicht]  vergessend  [seines  Gelübdes??]". 

Nr.  351    [ij^ip^   2U3   E'Cü'J^    PT     „Dies  hat  BenSemeS    aufgestellt  weih[^räuchernd] 
nt2[n]  [als  Sü-]hnopfer". 

Es  ist  Eisler  nicht  gelungen,  mit  diesen  Überse^ungen  bei  der  Kritik  durchzudringen.  Littmann, 
der  sie  nocJi  am  wohlwollendsten  bespricht,  tadelt  an  ihnen,  daß  sie  zum  größeren  Teil  auf  Annahmen 
beruhen,  die  grammatisch  und  sprachgeschichtlich  sehr  unwahrscheinlich  oder  gar  unmöglich  seien 
und  dem  Stile  und  der  Wortwahl  der  uns  bekannten  Inschriften  fast  durchweg  widersprächen.  Das 
hätte  die  Kritik  jedoch  nicht  abhalten  sollen,  die  wichtigsten  von  Eisler's  Lesungen  Buchstabe  für  Buch- 
stabe durchzuprüfen,  um  zu  bestimmen,  ob  er,  wenn  auch  nicht  auf  den  Grund  des  Inschrifteninhalts, 
so  doch  zur  Kenntnis  einzelner  Wörter  gelangt  sei.  Dazu  ist  es  bei  der  meist  summarischen  Ab- 
lehnung  jedoch  nicht  gekommen. 

Alles,  was  gegen  Eisler  vorgebracht  worden  ist,  verdiente  in  erhöhtem  Maße  den  überse^ungen 
entgegengehalten  zu  werden,  mit  denen  Ch.  Bruston  in  seiner  oben  erwähnten  Abhandlung  von  1921 
hervortrat.  In  der  Annahme,  die  meisten  Texte  seien  von  figürlichen  Darstellungen  begleitet,  hat  er 
seine  überse^ungen  meist  auf  diese  Bilder  Bezug  nehmen  lassen.  Auch  glaubt  er  sich  berechtigt, 
die  meisten  Inschriften  von  unten  nadi  oben  zu  lesen,  was  weder  im  Ägyptischen  noch  Semitischen 
ein  Analogon  hat.  Alle  Seltsamkeiten,  die  dabei  herausgekommen  sind,  hier  wiederzugeben,  lohnt 
sich  nicht  der  Mühe;  als  Proben  seien  seine  Übersetzungen  von  Nr.  351  und  352  wiedergegeben: 

Nr.  351  ■  n^j  B'Ctr  j5J2     Quand  le  soleil  pique,  retablis 

Jpn     les  productions  de  celui-ci. 

Dem  ersten  Worte  soll  vorhergehen  "la  figure,  d'un  homme  assis,  tete  nue  penche  en  avant 
dans  l'attitude  de  la  priere"! 

Nr.  352  •  3m  I     ^        ,  .     .        ^ 

^  „,j2_,  j     Etends  ce  genevrier  et 

'    P  J     qu'il  se  repande  en  f orets  (touff  u  7") 
Vor  den  beiden  ersten  Kurzzeilen  soll  das  Bild  eines  Baumes  stehen. 


18 


11.  VORLÄUFIGES  ZUR  FRAGE  NACH  DEM  WESEN 
DER  ALTSINAITISCHEN  SCHRIFT. 

L  Ägyptischer  Ursprung  der  Sinaischrift? 

*iner  Schrift  gegenüber,  deren  Denkmäler  ausschließlich  der  sinaitischen  Minenzone  ent- 
stammen,  muß  sidi  die  Vermutung  aufdrängen,  daß  sie  unter  dem  Einflüsse  des 
ägyptischen  Schriftsystems  entstanden  sei.  Die  durch  lange  Jahrhunderte  stets  neu 
wiederholten  Arbeitsexpeditionen,  noch  mehr  der  Tempel  von,  Hathor  und  Sapdu 
mit  seinem  vermutlich  ständig  am  Platze  amtierenden  Personal  drückten  der  Gegend 
den  Stempel  ägyptischen  Wesens  auf  und  ließen  vom  Osten  kommende  Einflüsse,  als  deren  Träger 
man  am  ehesten  Amalek  C=  Meluha)  ansehen  möchte,  nicht  wirksam  wurden.  Mochte  im  nördlichen 
Teile  der  Halbinsel,  der  Verkehrsbrücie  zwischen  Asien  und  Afrika,  um  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrtausends  v.  Chr.  die  babylonische  Weltverkehrssprache  sich  mit  der  ägyptisdien  kreuzen  -  mochten 
Pelusium  und  andere  Küstenstädte  die  SdiifFc  der  Kreter  und  Cyprier  zum  Landen  in  freundlidier 
oder  feindlicher  Absicht  bewegen:  die  Natur  hatte  dafür  gesorgt,  daß  Serabit- el-Hadem  nichts  von 
diesen  Fremden  zu  sehen  bekam,  sie,  die  in  das  von  Norden  her  fast  unbetretbare  sinaitische 
Gebirgsmassiv  diesen  Pla^  als  unzugänglichste  Festung  gesetjt  hatte.  Was  hierhin  gelangte,  konnte 
nur  aus  Ägypten  kommen.  Davon  zeugen  nocfi  jetzt  Hunderte  von  ägyptischen  Inschriften.  Auch  eines 
der  altsinaitisdien  Denkmäler,  die  Sphinx,  trägt  an  mehreren  Stellen  hieroglyphische  Aufschriften. 
Wenn  nun  neben  ihnen  zwei  Zeilen  sinaitischer  Schrift  angebracht  sind  in  einer  Ausführung,  die 
sich  in  nidits  von  der  der  Hieroglyphen  unterscheidet,  so  daß  beide  Schriftarten  gleichzeitig 
müssen  verwendet  worden  sein  und  auf  Sinai  jedenfalls  Menschen  gelebt  haben,  denen  beide  ge- 
läufig  waren,  dann  war  die  Sinaischrift  weder  ein  frei  für  sich  erwachsenes  Gebilde  noch  ein  Ab- 
leger  entfernter  Kulturen,  sondern  ein  Gastgeschenk,  das  Ägypten  gegeben  hatte  -  vielleicht  hatte 
geben  müssen.  An  diese  ihre  Herkunft  erinnert  jedes  ihrer  Zeichen;  wer  sie  als  Gemisch  von 
ägyptischen  und  außerägyptischen  Zeichen  nimmt,  verkennt  ihr  Wesen  ebenso  sehr  wie  der,  der  sie 
nur  ägyptisch  umstilisiert  sein  läßt. 

Aber  ägyptische  Schrift  ist  kein  Einheitsbegriff;  er  deckt  zwei  alte  Schriftentwicklungen:  die 
hieroglyphische  und  die  hieratische.  Welche  von  beiden  stand  an  der  Wiege  der  Sinaischrift?  Ohne 
bündige  Antwort  auf  diese  Frage  wird  der  Zweifel  an  ihrer  ägyptischen  Herkunft  kaum  verstummen. 

2.  Hieroglyphische  oder  hieratische  Herkunft? 

Gardiner,  Sethe  und  Bissing  sind  dafür  eingetreten,  daß  die  Sinaischrift  hieroglyphischen  Ur- 
sprungs sei.  „Der  Ableitung  vom  Hieratischen"  -  sagt  Sethe  -  „widersetzt  sich,  von  den  paläo- 
graphischen  Hindernissen  abgesehen,  die  Tatsache,  daß  in  dieser  hieratischen  Schrift  die  ursprüngliche 
Gestalt  der  Bilder  verloren  war,  während  die  phönizischen  Buchstaben  noch  mehr  oder  weniger 
deutlich  durch  ihre  Formen  und  ihre  Namen  ihre  Entstehung  aus  bildlicher  Darstellung  ahnen 
lassen  .  Was  aber  vom  Phönizischen  gilt,  müßte  nun  auch  von  dem  Sinaitischen  als  dem  semitischen 
Mutteralphabet  behauptet  werden. 


19 

1' 


Weldie  „paläographisdien  Hindernisse"  Sethe  vor  sich  sieht,  hat  er  nicht  deutlich  gemacht; 
ich  schließe  daraus,  daß  er  ihnen  im  Ganzen  keine  große  Beweiskraft  beilegt.  Seine  Ansicht  von  dem 
Bild-Charakter  der  phönizischen  Buchstaben  kann  nicht  unwidersprochen  bleiben.  Wohl  aus  keinem 
derselben  schaut  etwas  heraus,  was  als  „Bild"  angesprochen  werden  kann.  Wäre  es  anders,  wie  erklärte 
es  sich  dann,  daß  erst  im  Jahre  1916  Gardiner  die  Hypothese  von  den  semitischen  Buchstabennamen 
als  Zeugen  des  ursprünglichen  Bild-Charakters  der  Buchstabenzeichen  aufgebracht  hat,  und  daß 
selbst  an  der  Hand  von  ihr  es  ihm  nicht  gelungen  ist,  in  den  meisten  dieser  Zeichen  das,  was  ihr 
Name  besagt,  wiederzufinden,  oder  wo  der  Name  nicht  klar  ist,  ihm  durch  den  zugehörigen  Buch- 
staben Inhalt  zu  geben  1 

Im  Gegensatz  zu  der  phönizischen  oder  südarabischen  Schrift  weist  die  Sinaischrift  noch  eine 
Anzahl  bildlich  geformter  Zeichen  auf:  so  zu  Anfang  von  Nr.  349,  350,  352  einen  Kuhkopf,  in 
Nr.  352  Güntere  Hälfte}  einen  Fisch,  öfters  ein  Auge  mit  Pupille,  eine  Schlange  u.  a.  Und  gerade 
diese  Bilder  hatte  auch  das  Hieratische  sich  vom  Hieroglyphischen  her  in  der  Zeit  um  1500  v.  Chr. 
bewahrt.  Wenn  von  seinen  meisten  Zeichen  auch  das  Figürliche  abgestreift  ist,  so  hat  dabei  doch 
zu  gelten,  daß  ihre  Schreiber  bei  jedem  von  ihnen  sich  eines  Bildes  erinnern  konnten,  das  im 
Hicroglyphischen  seiner  Zeit  noch  klar  zum  Ausdruck  kam,  während  kein  babylonischer  Schreiber 
der  gleichen  Zeit  die  Keilschriftzeichen  noch  figürlich  begrifft,  weil  ihre  bildliche  Formung  einer 
längst  vergangenen  und  vergessenen  Schreibperiode  angehörte. 

So  kann  nicht  Wunder  nehmen,  daß  der  Schöpfer  der  Sinaischrift  für  jedes  Zeichen  derselben, 
ob  er  es  nun  figürlich  formte  oder  nicht,  einen  es  als  Bild  bezeichnenden  Namen  einsehen  konnte, 
falls  wir  ihm  eine  genügende  Kenntnis  des  Hieratischen  zuschreiben. 

Weiter  führt  Sethe  gegen  eine  Ableitung  der  Sinaischrift  vom  Hieratischen  an,  daß  jene  sowohl 
links-  wie  rechtsläufig,  sowohl  in  horizontalen  wie  in  vertikalen  Zeilen  geschrieben  wäre,  was  wohl 
zu  dem  Hieroglyphischen,  nicht  aber  zum  Hieratischen  passe.  Nun  zeigt  aber  die  Zeilenrichtung 
des  Hieratischen  bis  gegen  1500  v.  Chr.  noch  denselben  Wechsel  wie  die  des  Hieroglyphischen, 
könnte  ihn  also  auch  bis  zu  dieser  Zeit  auf  das  Sinaitische  vererbt  haben. 

Bei  horizontaler  Zeilenriditung  kennt  das  Sinaitisdie  sowohl  links-  wie  rechtsläufige  Schreibung: 
das  verstößt  gegen  den  hieratischen  Schreibgebrauch,  findet  sich  dagegen  im  Hieroglyphischen 
wieder.  Aber  das  genügt  nicht,  um  die  Anfänge  des  Sinaitisciien  in  der  Richtung  vom  Hiero- 
glyphischen zu  suchen;  denn  dann  wäre  z.  B.  zu  erwarten,  daß  dem  hieroglyphischen  Brauche  ent- 
sprechend die  Sinaizeichen  immer  zum  Anfang  der  Zeile  hinsehend  gesetjt  würden.  Aber  eher  das 
Gegenteil  ist  der  Fall,  indem  z.  B.  der  Menschenkopf  immer  nach  dem  Zeilenende  schaut,  vom 
Kuhkopfe  (vielleicht  mit  einer  Ausnahme}  dasselbe  gilt,  und  die  Schlange  regellos  bald  nach  links, 
bald  nach  rechts  gerichtet  auftritt.  Damit  stehen  wir  vor  einem  Problem,  für  dessen  Entscheidung 
es  nicht  genügt,  einen  Ausgangspunkt  für  die  Schrift  zu  suchen,  sondern  das  auch  mit  gewissen  Ab- 
sichten des  Schrifterfinders  zusammenhängen  wird.   Von  solchen  soll  später  noch  gehandelt  werden. 

Wer  wie  Sethe  die  Sinaischrift  von  den  Hieroglyphen  ableitet,  müßte  annehmen,  daß  unsere 
Sinaidenkmäler  weitab  von  dem  Punkte  lägen,  wo  die  Ablösung  stattgefunden  hat,  weil  bei  ihnen 
nur  noch  verhältnismäßig  wenig  an  die  Bildhaftigkeit  der  Hieroglyphen  erinnert.  Und  doch  bezeichnet 
Sethe  selbst  die  Schrift  dieser  Denkmäler  als  relativ  jung,  weil  versdiiedene  ihrer  Zeichen  noch 
in  Variationen  vorkommen.  Indem  ich  mehrere  solcher  Variationen  für  Buchstabendubletten  nehme 
und  auch  in  ihnen  wie  in  der  wechselnden  Zeichenrichtung  gewisse  Absichten  des  Schrifterfinders 
wittere,  möchte  ich  Sethe's  Ausdrude  relativ  jung  in  absolut  jung  umändern  und  darurtter  ver- 
stehen, daß  die  Sinaidenkmäler  zeitlich  mit  der  Entstehung  der  Sinaischrift  ungefähr  zusammenfallen. 


20 


Um  diese  Zeit  zu  bestimmen,  müssen  wir  untersuchen,  welcher  hieratische  Duktus  dem  der 
ganzen  Reihe  der  Sinaibuchstaben  am  nächsten  Hegt,  eine  Aufgabe,  die  besonders  an  der  Hand 
von  G.  Möller's  Hieratischer  Paläographie  sich  unschwer  lösen  läßt.  So  stelle  ich  die  Behauptung 
auf,  daß  einzig  die  aus  der  Periode  nach  der  Vertreibung  der  Hyksos  C+-  1500  v.  Chr.)  stammenden 
Papyri,  wie  Pap.  Ebers,  Golenischeff ,  Westcar  und  der  von  Gardiner  im  Journal  of  Egyptian 
Archaeology  III  veröifentlichte  Papyrus  Carnarvon  I  für  die  Vergleichung  der  Sinaischriftzeichen 
in  Betracht  kommen.  Aus  ihnen  nehme  ich  daher  die  hieratischen  Zeichen  meiner  Schriftvergleichungs- 
tabelle;  wo  idi  aber  ausnahmsweise  auf  einen  anderen  Papyrus  zurückgegriffen  habe,  da  ist  solches 
besonders  angemerkt. 

Schließlich  sei  in  die  Wagschale  der  Beweise  für  den  Zusammenhang  der  Sinaischrift  mit  dem 
Hieratischen  noch  der  von  Sethe  selbst  betonte  Umstand  gelegt,  daß  die  Sinaizeichen  nidit  in 
Hieroglyphenmanier  als  Vollkörper  ausgemeißelt,  sondern  mit  linearen  Umrissen,  wie  sie  das 
Hieratische  zeigt,  in  den  Stein  eingeritzt  *")  sind. 

3.  Die  SinaiscKrift  eine  KonsonantenscKrift? 

Gardiner,  Sethe  u.  A.  schätzen  die  Zahl  der  Zeichen  auf  unseren  Denkmälern  auf  etwa  150,  worin 
ungefähr  32  Buchstabentypen  zutage  träten,  deren  einige  aber  wohl  nur  Varianten  seien.  Bei 
genauem  Studium  der  Photographien  erhöht  sich  diese  Zeichenzahl  auf  weit  über  200,  während  die 
der  Buchstabentypen  auf  26  oder  27  sinkt.  Beachtet  man  nun,  daß  sich  im  Ägyptischen  neben 
Wort-  und  Silbenzeichen  24  Zeichen  für  Einzelkonsonanten  finden,  daß  ferner  die  nordsemitischen 
Alphabete  22,  die  südsemitiscfien  zwischen  25  und  29  Buchstaben  von  konsonantischem  Grundcharakter 
enthalten,  so  drängt  sich  uns  die  Annahme  von  der  Konsonantennatur  der  Sinaischrift  auf  -  mit  ihr 
aber  auch  die  der  Herübernahme  dieses  Schreibprinzips  aus  dem  Ägyptischen.  Ist  doch  die  Wieder- 
gabe eines  Wortes  einzig  durch  seine  Konsonanten  etwas  so  Auffälliges,  daß  es  zuversichtlich  nicht 
mehrmals  und  in  mehreren  Kulturzentren  gefunden  sein  kann?  Das  entkräftet  wesentlich  die  von 
Flinders  Petrie  und  Anderen  vertretene  Meinung,  als  ob  in  der  Mittelmeerzone  eine  Anzahl  von 
Alphabeten  in  Gebrauch  gewesen  wären,  von  denen  sowohl  das  Sinaialphabet  wie  auch  das 
ursemitische  sich  direkt  oder  indirekt  abgezweigt  hätten.  Das  wäre  nur  dann  möglich  gewesen,  wenn 
alle  diese  Alphabete  sich  von  Haus  aus  an  die  ägyptische  Schrift  angelehnt  hätten,  was  aber  z.B. 
für  die  kretischen  Schriften  im  Ernste  niemand  behaupten  wird. 

Führt  uns  also  die  Zahl  der  26  oder  27  Sinaischriftzeichen  zur  Annahme  ihrer  Konsonantennatur, 
so  könnte  ihr  ägyptischer  Ursprung  doch  auch  zur  Folge  haben,  daß  mit  ihnen  gelegentlich  Vokallautc 
ausgedrückt  wären.  In  der  Zeit,  in  die  wir  -  zunächst  aus  Wahrscheinlichkeitsgründen  -  die  Entstehung 
der  Sinaischrift  setzen,  versuchten  die  Ägypter  fremdspradiige  Wörter,  besonders  Namen,  auch 
nach  ihrem  Vokalklang  schriftlich  festzuhalten,  und  zwar  mit  Hilfe  von  Konsonantzeichen.  Die  Laut- 
sphäre von  a  bekam  ?  C  ^^  D,  die  von  i  ein  j  C  W  D,  die  von  u  ein  w  C  ^  )  als  andeutenden 
Buchstaben.  Ob  dieser  Sdireibgebrauch  so  genau  geregelt  war,  wie  W.  Max  Müller  es  annimmt, 
will  ich  dahingestellt  sein  lassen;  von  der  häufigen  Verwendung  dieser  Vokalbuchstabenkann  aber 
schon  ein  flüchtiger  Blick  in  die  Palästinaliste  des  Thutmosis  III  überzeugen.  Die  Sinaischrift  ist 
nun  für  eine  fremde  Sprache  geschaffen;  ihr  Schöpfer  muß  in  der  Praxis  des  Ägyptischschreibens 
bewandert  gewesen  sein:  so  könnte  es  garnicht  auffallen,  wenn  auch  er  einigen  seiner  Buchstaben 


0  Daß  soldies  audi  für  Nr.  349  und  351  gilt,  ist  schon  früher  bemerkt. 


21 


neben  ihren  konsonantischen  Werten  vokalische  zugeteilt  hätte,  und  somit  unsere  Denkmäler  nicht 
in  der  fast  gänzlidien  Vokallosigkeit  der  phönizischen  Inschriften,  sondern  etwa  in  der  Schreibweise 
des  Biblisch-Hebräischen  aufträten. 

4.  Von  den  Buchstabenbezeichnungen  zur  Buchstabenbestimmung. 

Wie  schon  mehrfach  erwähnt  wurde,  hat  Gardiner  versucht,  die  altsemitischen  Buchstabennamen 
für  die  Bestimmung  der  Sinaibuchstaben  nutzbar  zu  machen,  indem  nach  ihm  der  Schöpfer  derselben 
sie  mit  den  ihren  Bildwerten  entsprechenden  Namen  benannt  hätte.  Gegen  diese  Idee  ist  an  sich 
nichts  einzuwenden,  am  wenigsten  der  Umstand,  daß  unsere  ältesten  historischen  Zeugnisse  für 
semitische  Buchstabennamen  nicht  viel  über  700  v.  Chr.  hinausgehen  dürften.  Aber  mit  ihr  fruchtbar 
zu  arbeiten,  wird  durch  zwei  Umstände  erschwert. 

Wir  haben  das  semitische  Alphabet  in  zwei  nicht  unwesentlich  von  einander  abweichenden 
Fassungen,  einer  nordsemitischen  und  einer  aus  dem  Äthiopischen  noch  nachweisbaren  süd- 
semitischen. Neben  einem  Grundstock  von  Namen,  die  in  beiden  bis  auf  gelegentliche  Laut- 
schwankungen gleich  vorkommen,  stehen  fünf  miteinander  nicht  auszugleichende :  nordsem.  Jod :  südsem. 
Jaman,  ns.  Lamed:  ss.  Lawe,  ns.  Nun:  ss.  Nahas,  ns.  Samekh:  ss.  Sat,  ns.  Sin:  ss.  Saut.  Man  hat  sich 
gewöhnt,  die  nordsemitischen  Namen  als  die  echteren  anzusehen,  ohne  sich  darüber  Rechenschaft 
abzulegen,  woher  die  südsemitischen  Dubletten  gekommen  sind.  Aus  dem  Äthiopischen  oder  einer 
der  uns  einigermaßen  bekannten  südarabischen  Sprachen  können  sie  ihrem  Sprachcharakter  nach  nicht 
stammen,  man  wird  sie  darum  für  Lehngut  halten  müssen.  Damit  erhalten  sie  die  Berechtigung,  für 
alt  und  den  nordsemitischen  Bezeichnungen  an  Wert  nicht  nachstehend  angesehen  zu  werden.  Bei 
welchen  Namen  aber  die  Priorität  liegt,  bleibt  zunächst  eine  offene  Frage,  für  deren  Beantwortung 
vieles  von  der  Sinaischrift  abhängen  wird.  Wenn  diese  z.  B.  ein  Zeichen  in  Schlangenform  hat,  so  ist 
zu  schließen,  daß  das  ursemitische  Alphabet  auch  einen  Buchstaben  mit  Namen  „Schlange"  gehabt 
habe;  diesen  bietet  uns  nun  das  südsemitische  Nahas  =  n,  dem  damit  die  Priorität  gegenüber  Nun 
„Fisch"  gebührt.  Das  neben  der  Schlange  im  Sinaitischen  vorkommende  Fischzeichen  kann  nicht  für 
die  Echtheit  des  Nun  angerufen  werden,  weil  auf  dieses  wohl  nordsemitisches  Samekh  =  ,, Fisch  '  zu 
beziehen  ist  und  für  zwei  Buchstaben  des  Namens  „Fisch"  das  ursemitische  Alphabet  kaum  Platz 
gehabt  hätte.  Das  von  nordsemitischem  Samekh  nun  scheinbar  abgetane  südsemitische  Sat  könnte, 
als  aus  '^asät  C^aSät}  verderbt,  ebenfalls  „Fisch"  bedeuten  und  wäre  dann  als  Dublette  von  Samekh 
zu  betrachten. 

Man  sieht  an  diesem  Beispiel,  daß  mit  Verstümmelung  von  Buchstabennamen  zu  rechnen  ist;  ein 
noch  größeres  Hindernis  für  den  Forscher  liegt  aber  in  der  Schwierigkeit,  hinter  die  genaue  Wort- 
bedeutung aller  Namen  zu  kommen. 

Schon  für  das  scheinbar  ganz  klare  Aleph  kommen  zwei  verschiedene  Bedeutungen  in  Frage: 
„Kuh"  und  „Rind";  ebenso  für  Beth:  „Haus"  und  „Tempel",  für  Daleth:  „Tür"  und  ,, Türflügel".  Jod 
deutet  man  allgemein  als  „Hand"  und  Sin  als  „Zahn",  obwohl  keine  uns  bekannte  semitische  Sprache 
Wörter  dieser  Formen  für  „Hand"  und  „Zahn"  besitzt.  Alles,  was  an  Deutungen  für  Gimel,  He, 
Zajin,  Heth,  Teth,  Lamed,  Sadae  und  Koph  bisher  vorgebracht  ist,  gehört  in  das  Gebiet  des 
reinen  Begriffratens. 

Unter  diesen  Umständen  ist  Gardiner's  Forderung,  mit  den  semitischen  Buchstabennamen  den 
Figurenwert  der  Sinaizeichen  zu  bestimmen,  bei  fast  der  Hälfte  der  Zeichen  des  Alphabetes  undurch- 
führbar, wenn  nicht  eine  neue  Methode  gefunden  wird,  um  Klarheit  in  die  Begriffspbäre  der 
Buchstabennamen  zu  bringen.    Vielleicht  leitet  uns  die  folgende  Betrachtung  dazu. 


22 


5.  Von  der  Reihenfolge  der  semitischen  Buchstabennamen 

zu  ihrer  Deutung. 

Die  nordsemitischen  Buchstabennamen  stehen  in  einer  festen  Reihe,  für  eieren  hohes  Alter  ihr 
Vorkommen  in  Akrostichen  der  Bibel  (vor  allem  in  dem  der  sicher  vore^silischen  Psalmen  9  und  10} 
sowie  ihre  Übernahme  durch  die  Griechen  vor  den  Perserkriegen  bürgt.  Diese  Reihenfolge  als  die 
altsemitische  zu  bezeichnen,  hat  vieles  für  sich.  Gegen  sie  spricht  nur  die  ganz  anders  geordnete 
Reihenfolge  der  äthiopischen  Buchstaben.  Sollen  wir  auch  sie  als  dem  Südarabischen  entnommen  und 
deshalb  für  alt  ansehen?  Ich  halte  solches  für  unwahrscheinlich,  schon  im  Hinblick  darauf,  daß  der 
speziell  äthiopische  Buchstabe  Pait  im  Innern  des  Alphabetes  steht,  statt,  wie  es  bei  einer 
entlehnten  festen  Buchstabenfolge  zu  erwarten  wäre,  an  deren  Ende. 

Hat  der  Schöpfer  des  Sinaialphabetes  selbst  seine  Buchstaben  benannt,  so  wird  er  sie  auch  zu 
einer  bestimmten  Reihe  angeordnet  haben;  beides  gehört  zusammen,  um  ein  Alphabet  lehrbar  zu 
machen;  und  wer  Inschriften  schreib.t,  die  gelesen  werden  sollen,  rechnet  mit  Leuten,  die  zuerst 
das  Alphabet  lernen.  Gaben  wir  nun  der  nordsemitischen  Folge  der  Buchstaben  die  Bezeichnung 
altsemitisch,  so  dürfen  wir  sie  auch  ursemitisch  und  damit  sinaitisch  nennen,  weil  keine  andere  in 
Frage  kommt  und  auf  die  Existenz  einer  solchen  nicht  verzichtet  werden  kann. 

Nun  behaupte  ich:  In  dieser  Reihe  der  Buchstabennamen  liegt  eine  bestimmte  Disposition. 
Warum  stehen  auch  sonst  Ajin»,,Auge  ,  P®-„Mund  ,  Re5-„Kopf  so  eng  beieinander?  Warum 
folgen  auf  Mem -„Wasser"  ein  Nahas-„CWasserO Schlange"  und  Samekh -„Fisch"?  Kann  es  Zufall  sein, 
daß  der  zweite  Buchstabenname,  der  hinter  Beth-„Haus,  Tempel"  steht,  Daleth-„TürC'FIügel)"  ist? 
Nehmen  wir  aber  überhaupt  Gruppen  von  Namen  im  Alphabet  an,  so  werden  wir  auch  folgern 
müssen,  das  Ganze  sei  durchdisponiert  -  einerlei,  ob  in  festerer  oder  loserer  Weise. 

Die  Gruppenbildung  fordert  das  Beisammensein  nahe  verwandter  Begriffe  und  schließt  jede 
unpassende  Beimischung  aus.  Deshalb  muß  vorausgesetzt  werden,  daß  die  beiden  zwischen 
Pa£'„Mund  und  Res -„Kopf  '  stehenden,  bisher  unverständlichen  Buchstabennamen  Sadas  und  Koph 
Teile  des  menschlichen  Körpers  bezeichnen;  daß  ferner  das  zwischen  Beth -„Haus,  Tempel"  und 
Daleth-„TürC-FlügeO"  eingeschobene. Gimel  einen  zu  diesen  beiden  Tempelausdrücken  passenden 
Begriff  enthalte.  Man  wird  die  Konsequenz  sogar  so  weit  ziehen  müssen,  daß  man  den  ersten  Buch- 
staben Aleph,  der  für  sich  keine  Gruppe  bilden  kann,  mit  Bcth,  Gimel,  Daleth  begrifflidi  zusammen- 
gehören läßt,  so  widersinnig  solches  auch  auf  den  ersten  Blick  erscheinen  mag. 

Schwieriger,  als  das  Innere  von  Gruppen  zu  bestimmen,  ist  deren  Abgrenzung  unter  einander. 
Hierbei  möchte  ich  nach  keinem  anderen  Grundsatz  verfahren,  als  dem,  daß  nicht  gänzlich  Disparates 
aneinanderstoßen  dürfe.  Sonst  könnte  das  Ganze  des  Alphabetes  nicht  mehr  als  disponiert  gelten. 

6.  Von  den  altsemitischen  Buchstabenformen  zu  den  sinaitischen. 

Für  die  Bestimmung  der  Lautwerte  der  Sinaizeichen  müssen  auch  die  altsemitischen  Buchstaben- 
formen herangezogen  werden  bei  unserer  Voraussetzung,  daß  sie  Abkömmlinge  der  Sinaischrifi 
seien.  Stellten  wir  für  das  Vergleichen  der  Sinaibuchstaben  mit  dem  Hieratischen  die  Forderung 
größtmöglicher  Ähnlichkeit  auf,  weil  beide  Schriftsysteme  zeitlich  nahe  beieinander  liegen,  so  muß 
jetzt  mit  anderem  Maße  gemessen  werden.  Zwischen  den  ältesten  semitischen  Schriftdenkmälern,  als 
welche  wir  die  altminäischen  Inschriften  und  die  phönizische  Aufschrift  der  Kition-Schaale  nehmen. 


23 


und  den  Denkmälern  vom  Sinai  liegt  eine  Spanne  von  ungefähr  einem  halben  Jahrtausend.  Es  wäre 
auffallend,  wenn  sich  der  Einfluß  dieser  Zwischenzeit  nidit  in  Veränderungen  an  den  semitischen 
Buchstaben  bemerkbar  gemacht  hätte.  Sodann  kommen  neben  diesem  automatisch  wirkenden  Zeit» 
einfluß  für  mehrere  semitische  Alphabete  noch   bewußt  vorgenommene  Änderungen  in  Betracht. 

Am  deutlichsten  zeigt  das  die  südarabische  Schrift.  Sie  ist  ersichtlich  durch  die  Hände  von  Leuten 
gegangen,  die  sie  bereichern  und  verschönern  wollten:  bereichern  durch  die  Zutat  von  sieben  Buch- 
staben zur  Verdeutlichung  gewisser  Lautfeinheiten,  verschönern  durch  Stilisierung.  Man  hat  die 
südarabische  Schrift  monumental  genannt,  und  M.  Lidzbarski  glaubt,  in  ihr  etwas  von  dem  Wesen 
südarabischer  Tempelkolonnaden  wieder  erkennen  zu  sollen.  Aber  ihr  eigentlicher  Stil  ist  die 
Symmetrie,  mit  der  man  ein  gleich  bequemes  Lesen  der  Buchstaben  bei  rechts-  wie  linksläufigem 
Schreiben  bezwedcte,  welche  zwei  Richtungen  der  Schrift  in  älterer  Zeit  nebeneinander  hergegangen 
sein  müssen,  da  noch  zu  Anfang  der  sabäischen  Schriftperiode  0  Bustrophedon- Inschriften  die  Regel 
sind.  Dieser  symmetrischen  Stilisierung,  die  zugleich  die  senkrechte  Linie  bevorzugte,  mußte  vieles 
vom  alten  freien  Duktus  zum  Opfer  fallen;  vor  allem  konnten  sich  naturalistisch-figürliche  Formen 
wenig  vor  ihr  behaupten. 

Einen  anderen  Weg  zur  Veränderung  des  Alphabetes  gingen  die  Nordsemiten.  Als  sie  davon 
Abstand  nahmen,  in  vertikalen  Zeilen  zu  schreiben,  und  beim  horizontalen  Schreiben  nur  noch  die 
linksläufige  Richtung  beobachteten,  empfanden  sie  es  als  passend  für  den  Duktus,  flachliegende 
Zeichen  entweder  aufzurichten,  wie  bei  Koph,  Nun,  und  Samekh,  oder  hoch  zu  schreiben  und  den 
leeren  Raum  durch  Anbringung  einer  Stützlinie  auszufüllen,  wie  bei  Waw  und  Mem. 

Vor  ein  besonders  schwieriges  Problem  stellt  uns  die  thamudische  Schrift  der  Graffiti  von  Nord- 
westarabien und  der  syrischen  Safa.  Mit  der  südarabischen  Schrift  verbindet  sie  der  Gebrauch  von 
(fünf}  Zusatzbuchstaben  und  manches  von  ihrem  Duktus ;  sie  entfernt  sich  aber  von  ihr  ^!)  wie  von  der 
nordsemitischen  Schrift  durch  die  fast  ebenso  häufige  vertikale  wie  horizontale  Folge  ihrer  Buch- 
staben, die  meist  links-,  nicht  selten  aber  auch  rechtsläufig  aneinander  gereiht  werden.  In  dieser 
Hinsicht  ist  sie  wohl  altertümlicher  als  alle  anderen  semitischen  Schriftarten;  denn  damit  tritt  sie 
unmittelbar  an  die  Seite  der  Sinaischrift. 

Nach  den  erwähnten  Gesichtspunkten  lassen  sich  viele  Veränderungen  der  Buchstaben  innerhalb 
der  semitischen  Alphabete  verstehen;  doch  bleibt  daneben  rioch  allerlei,  was  sie  formell  von  den 
Sinaischriftzeichen  trennt.  Möglicherweise  sind  letztere,  die  wir  wahrscheinlich  im  ersten  Stadium 
ihrer  Entwicklung  vor  uns  haben,  noch  umgemodelt  worden,  bevor  sie  vom  Sinai  her  ihren  Siegeszug 
durch  die  semitischen  Länder  und  weiter  durch  die  ganze  Welt  antraten. 


13  Die  Insdiriften  der  sogenannten  Mukarrib- Periode.    Von  minäisdien  Bustrophedon-Insdiriften  ist  mir  nur  eine  bekannt:  Jaussen» 
Savignac,  Mission  Ardi6olog.,  tom.  II,  Nr.  53. 

23  Nur  ein  Fall   von   Vertikalsdireibung   des  Südarabisdien   ist  mir  bisher  aufgestoßen :   das  kurze  minäisdie  Graffito   bei   Jaussen- 
Savignac,  Mission  Arch6oIog.  II,  Nr.  152. 


24 


111.  DAS  ALTSINAITISCHE  ALPHABET. 

1.  Vorbemerkung. 

'  as  altsinaitisdie  Alphabet  setzt  sich  aus  27  Zeichen  zusammen.  Von  diesen  sind  fünf 
Dubletten,  die  mit  je  einem  anderen  Zeichen  zusammen  gleiche  Lautwerte  haben. 
Jedes  Zeichen  geht  formell  auf  ein  Ideogramm  oder  Determinativ  der  hieratischen 
Schrift  der  Zeit  um  1500  zurück.  Den  Wert  als  Konsonant  erhielt  jedes  dadurch, 
daß  der  Begriff  des  ihm  zu  gründe  liegenden  hieratischen  Zeichens  ins  Semitische 
übersetzt  und  der  Anlaut  des  dabei  entstehenden  Wortes  als  sein  Eigenwert  genommen  wurde. 
In  fünf  Fällen  standen  je  einem  semitischen  Worte  zwei  unter  sich  verwandte  Wortbegriffe  des 
Ägyptischen  gegenüber;  das  gab  den  Anlaß  zu  formalen  Budistabendubletten.  Alle  Sinaizeichen 
schwebten  ihrem  Schöpfer  als  bildliche  Darstellungen  vor;  ihnen  entsprechend  geschah  ihre  Be- 
nennung, die  sich  in  späteren  semitischen  Buchstabennamen  erhalten  hat,  und  zwar  besser  bald  im 
Norden,  bald  im  Süden  der  semitischen  Welt.  Gleichzeitig  mit  der  Benennung  der  Buchstaben 
erfolgte  ihre  Anordnung  zu  einer  festen  alphabetischen  Folge,  wobei  verwandte  Begriffe  gruppen- 
weise zusammengestellt  und  die  Gruppen  nach  dem  Grade  ihrer  Zusammengehörigkeit  aneinander- 
gereiht wurden.  Die  dadurch  entstandene  Disposition  lassen  die  nordsemitischen  Alphabete  nodi 
erkennen. 

2.  Die  Buchstaben  in  ihrer  historischen  Entwicklung.*^ 

Aleph  „Kuh,  Symbol  der  Göttin  Hathor": 

a)  Aleph  I  <  hieratisches  Determinativ  von  Kuh,  auch  Hathorsymbol,  zeichnerisch  zu  einem 
Kuhkopfe  vereinfacht  (E.)  -  Im  Sinaitischen,  entgegen  dem  Hieratischen,  linksgewendet  (aus- 
genommen vielleicht  Nr.  345};  in  Nr.  349,  Zeile  1,  über  den  Hörnern  mit  einem  diademartigen 
Aufsatz  versehen.  -  Im  Nordsemitischen  liegend,  im  Südsemitischen  stehend,  im  Lihjanischen 
und  Thamudischen  symmetrisch  umgeformt. 

b}  Aleph  II  <  hierat.  Ideogramm  für  „Kuh"  (ih-t)  in  ganzer  Gestalt,  doch  auf  einige  charak- 
teristische Linien  reduziert  (E.,  C,  s.  auch  P.)  -  Im  Sinaitischen  mit  Aleph  I  ohne  ersichtlichen 
Grund  wechselnd,  doch  seltener  als  dieses;  in  der  Regel  nach  rechts  geöffnet,  nur  in  Nr.  353  r.  Z. 
nach  links.  -  Lebt  in  semitischen  Alphabeten  wohl  nicht  mehr  nach. 

Beth  ,,Haus,  Tempel": 

a)  Beth  I  <  hierat.  Ideogramm  für  „Haus,  Tempel"  Cpr},  unten  teils  offen  (E."),  teils  geschlossen 
CW.,  C.)  -  Im  Sinaitischen  unten  stets  geschlossen.  -  Im  Südsemitischen  unten  stets  geöffnet;  im 
Nordsemitischen  bis  zur  Unkenntlichkeit  umstilisiert. 

b}  Beth  II  <  hierat.  Ideogramm  für  „Palast"  C^h},  (C.,  Z.  2).  -  Im  Sinaitischen  teils  mit  drei 
Zinnen  CNr.  349),  teils  mit  zweien,  wozwischen  Öffnung  (Nr.  346,  350D;  seltener  als  Beth  I. 
Scheint  auf  die  semitischen  Alphabete  nicht  nachgewirkt  zu  haben. 

Gimel  „Gesamtheit  (sei.  der  Tempelbeamten}":    <  hierat.  Ideogramm  für  „Tempelbeamtenschaft" 
(knb-t),  fehlt  in  Papyri  von  1500,  doch  vergl.  Hatnub  und  Pentoere.  -  Zeigt  im  Sinaitischen 


•)  Im  Folgenden  bezeidinet  die  Abkürzung  F..  Papyrus  Ebers  W.  Pap.  Wcstcar  G.  Pap.  Golenisdieff  C.  Pap.  Carnarvon  I    P.  ist  Pentoere. 


25 


einen  der  Schenkel  nadi  unten  aufgesetzt,  dabei  Öffnung  teils  nadi  rechts,  teils  nach  links.  -  Im 
Südarabischen  in  Form  und  Stellung  des  Hieratischen,  im  Thamudischen  halbmondförmig,  wohl 
infolge  von  Nachwirkung  der  verdoppelten  Schenkel  (vergl.  sin.  Nr.  353,  355);  im  Nordsemitischen 
etwas  schräg  gestellt. 

Daleth  „Tür,  Türflügel"  <  hierat.  Ideogramm  für  „TürC-flügeO"  C^?},  gezeichnet  in  der  Weise  von 
Pap.  Pentoere.  -  Im  Sinaitischen  teils,  wie  im  Hieratischen,  mit  nach  unten  gerichtetem  Zapfen 
C=Türblatt3,  vergl.  Nr.  345,  teils  umgedreht  nach  oben  (Nr.  352,  wo  nicht  Lamed  vorliegt}}  -  Im 
Südarabischen  und  Lihjanischen  senkrecht  gestellt,  im  Thamudischen  in  horizontal  geschriebenen 
Texten  ganz  wie  im  Sinaitischen;  im  Altaramäischen  senkrecht  mit  dreieckigem  Zapfen,  im 
Phönizischen  und  Moabitischen  zum  Dreieck  reduziert. 

He  „CTempelOJubelruf"  <  hierat.  Ideogramm  für  „jubeln"  Ch^j},  CE.,  G.}  -  Zeigt  im  Sinaitischen 
meist  wie  im  Hieratischen  nach  rechts  gezogene  Beinlinie,  doch  auf  Nr.  346,  348,  351  B  nach 
links  gewundene.  "  Im  Südarabischen  und  Thamudischen  ohne  Andeutung  des  Kopfes  Cwie 
sinait.  Nr.  351  B?)  und  mit  gerader  Beinlinie:  letzteres  wohl  der  Symmetrie  halber,  die  im 
Lihjanischen  durch  Schiefstellung  der  Figur  aufgehoben  ist;  im  Nordsemitischen  scheinen  aus 
Kopf  und  den  beiden  Armen  drei  Parallelen  geworden  zu  sein,  die  in  spitzem  Winkel  an  die 
ursprünglich  wagerechte  Beinlinie  angesetzt  wurden,  worauf  später  die  ganze  Figur  um  90  ° 
gedreht  und  mit  Stützlinie  versehen  wurde. 

Waw  ,, Schmuckrosette"  <  vielleicht  aus  dem  bisher  als  „Sieb"  CMöller  574)  gedeuteten  hierat. 
Ideogramm. '*^3  -  Im  Sinaitischen  ohne  Speiche  im  Innern,  in  Nr.  355  (und  Nr.  353  nach  der 
Handkopie)  mit  kurzen  Strahlen  verziert.  -  Im  Südarabischen  mehr  elliptisch,  im  Lihjanischen 
und  Thamudischen  mehr  rund,  stets  mit  Mittelspeiche;  im  Nordsemitischen  auf  Stützlinie  gesetzt 
und  oben  geöffnet. 

Zajin  „Zierstab  '  <  hierat.  Ideogramm  für  „Schmuck"  Cursprünglich  „Zierstab"}  Chkr},  nicht  in  Papyri 
von  1500,  doch  vergl.  Pap.  Sinuhe  (Möller  593}.  «  Im  Sinaitischen  wie  im  Hieratischen  langer 
spitzer  Winkel,  teils  nach  links,  teils  nadi  rechts  geöffnet;  darin  vielleicht  einmal  (Nr.  351  B}  eine 
schräge  Verbindungslinie.  "  Im  Nordsemitischen  in  .der  Form  von  zwei  liegenden  Parallelen  mit 
innerer  Verbindungslinie,  im  Südsemitischen  in  der  von  zwei  stehenden  Parallelen  mit  einer  oder 
zwei  Schräglinien. 

Hauth  (weniger  gut  nach  dem  Nordsemitischen  Heth}  „Lotosblume"  <  hierat.  Determinativ 
„(LotosOBlume"  (F.}  -  Im  Sinaitischen  mit  mehr  gewellter  Stengellinie  (auf  Nr.  345  gewinkelt}, 
das  Ganze  bald  nach  rechts  (wie  im  Hieratischen},  bald  nach  links  gerichtet.  Im  Südarabischen 
und  Thamudischen  als  Hauth  mit  senkrechtem,  als  Harm  mit  gewinkeltem  Stengel,  im  Lihjanischen 
(gelegentlich  auch  im  Thamudischen}  mit  nach  unten  geöffneter  Blüte;  im  Nordsemitischen  so  ver- 
schieden, daß  man  fast  an  ein  anderes  Vorbild  denken  könnte. 

Teth  (oder  nacii  dem  Südsemitischen  Tajith}  „Pflanze  '  (welcher  Art?}  <  hierat.  Ideogramm  für 
„Grün  (w  ?  d},  eigentlich  Papyrusstengel  mit  hindurchgezogenem  Konsonantzeichen  d  (=  Schlange} 
(E.}  -  Im  Sinaitischen  entgegen  dem  Hieratischen  in  wagerechter  Lage.  -  Im  Südarabischen  ent- 
spricht ihm  nicht  t,  sondern  z,  wie  im  Hieratischen  hochstehend,  aber  mit  dem  Kopfe  nach 
unten;  im  Nordsemitischen  steht  dafür  ein  Kreis  mit  eingezeichnetem  Kreuz,  was  vielleicht  un- 
abhängig vom  Sinai- t  gebildet  ist  (Verbindung  von  Taw  mit  Ajin?} 

Jod:  Semitischer  Gottesname  =  ägyptisch  Set(eh},  Gott  von  Unterägypten,  daher  Symbol  des  Delta's 
<  hierat.  Bild  des  Set  in  der.  Gestalt  seines  Tieres  (E.,  G.}  -  Das  Sinaitische  behält  bald  die  volle 

♦3  Bei  einem  Siebe  würde  man  als  Andeutung  der  Lödier  Punkte  (nidit  Stridie)  erwarten. 


26 


hierat.  Form  bei  (Nr.  351  R,  352,  355,  wohl  auch  349,  Z.  4},  bald  begnügt  es  sich,  den  Buchstaben 
als  eine  etwas  bogig  ansteigende  Linie  mit  den  beiden  Kopfauswüchsen  CNr.  345,  349,  Z.  1,  3} 
und  einmal  (Nr.  345)  auch  mit  einer  Andeutung  des  Steilschwanzes  zu  bilden.  Soll  man  hierin 
eine  Dublette  sehen,  die  auf  ein  hierat.  Bild  des  Set,  bei  welchem  der  Tierkopf  auf  einen 
Menschenleib  aufgesetzt  ist,  zurüci<ginge  ?  Leider  ist  dieses  in  den  hieratischen  Papyri  vor  und 
von  1 500  V.  Chr.  uns  nicht  erhalten,  und  so  verzichte  ich  darauf,  für  die  abgekürzte  Buchstaben- 
form  ein  hieratisches  Vorbild  festzulegen.  -  Im  nordsemitischen  Jod  lebt  die  vollere  F"orm  mit 
Fußlinie  nach,  wenn  letztere  hier  nicht  aus  dem  Steilschwanze  entwid<elt  ist;  im  südsemitischen 
Jaman  -  Stab  mit  aufgesetztem  Kreis  -  ist  von  der  sinaitischen  Form  wenig  mehr  zu  finden. 

Kaph  „Rispe"  <  hierat.  Ideogramm  für  „Oberägypten"  (äm^w},  eigentlich  „Pflanze  des  Südens"  (E.) 
Im  Sinaitischen  entgegen  dem  Hieratischen  nicht  senkrecht  gestellt,  sondern  teils  schrägstehend 
CNr.  353},  teils  liegend.  -  Im  Nordsemitischen  gegenüber  dem  Sinaitischen  wenig  verändert,  doch 
stets  aufrechtstehend;  im  Südsemitischen  der  Rechteckform  angeglichen  und  dadurch  unkennt- 
lich gemacht  (außer  im  Thamudischen  bei  vertikal  gerichteten  Zeilen}. 

La  we  „Umkreis,  Horizont"  <  hierat.  Ideogramm  für  „Horizont"  Öh-t},  (E.}  -  Im  Sinaitischen  ent- 
gegen dem  Hieratischen  auch  nach  rechts  gerichtet.  "  Im  Südsemitischen  gleichwie  im  Hieratischen 
gerichtet,  dazu  im  Südarabischen  oben  spitzgewinkelt;  im  Nordsemitischen  nach  unten  gedreht 
und  mit  dem  Oberteile  meist  über  die  Buchstaben  der  Umgebung  hinausgehoben. 

Mem  Coder  Majim,  nach  äthiopisch  Maj?}  „Wasser"  <  hierat.  Ideogramm  für  „Wasser"  Cmw}, 
bestehend  aus  drei  Wagerechten,  die  vom  Schreiber,  ohne  mit  der  Feder  abzusetzen,  von  oben 
nach  unten  ausgeführt  wurden  und  dabei  zu  einer  aufrechtstehenden  Zackenlinie  geworden  sind. 
Im  Sinaitischen  ist  die  stehende  hieratische  Form  zur  liegenden  Coder  auch  hängenden,  vergl. 
Nr.  349}  geworden,  mit  bald  zackigen,  bald  welligen  Erhebungen ;  auf  Nr.  346  in  einen  Schlangen- 
kopf auslaufend,  wohl  unter  Einwirkung  des  Buchstabens  n.  -  Im  Nordsemitischen  als  wagerechte 
Zackenlinie  mit  schrägstehender  Stütje;  im  Südarabischen  und  Lihjanischen  als  senkrechte  Zad^en- 
linie  mit  Gegenstützlinie,  im  Thamudischen  ähnlich  geformt,  doch  liegend. 

Nahas  C„ Wasser-}  Schlange": 

a}  Nahas  I  <  hierat.  Ideogramm  für  ,, Schlange"  Cd-t},  CE.,  G.}  -  Im  Sinaitischen  bald,  wie  im 
Hieratischen,  nach  rechts,  bald  nach  links  gerichtet.  "  Im  Südarabischen  und  Lihjanischen  mit 
senkrecht  heruntergehender  Schwanzlinie;  im  Thamudischen  teils  stehend,  teils  liegend;  im  Nord- 
semitischen  stehend,  in  der  Richtung  der  Schwanzlinie  anscheinend  der  Stützlinie  des  Mem  an- 
geglichen. Im  Semitischen  nur  ausnahmsweise  Cminäische  Graffiti  und  Lihjan.}  nach  rechts 
gerichtet. 

b}  Nahas  II  <  hierat.  Determinativ  für  „Schlange",  ,, Drache",  „Wurm"  CE.}  -  Im  Sinaitischen 
entgegen  dem  Hieratischen  nach  links  gerichtet.  ~  Innerhalb  des  Semitischen  vielleicht  noch  im 
Thamudischen  Cbei  Vertikalschrift}  gebraucht;  im  übrigen  durch  Nahas  I  verdrängt. 

Samekh  „Fisch  <  hierat.  Ideogramm  ,, Fisch"  Crm},  in  naturalistischer  Wiedergabe  bei  G.,  sonst 
meist  kaum  noch  als  Fisch  zu  erkennen.  -  Im  Sinaitischen  einmal  CNr.  352}  in  genauer  Nach- 
bildung vorhanden,  sonst  vereinfacht  teils  zu  rundlicher,  teils  zu  scharfgewinkelter  Form,  wobei 
Bauch  oder  Rüdcen  meist  eine  Andeutung  der  Flosse  zeigen.  Einmal  CNr.  355}  erscheint  der 
Fisch  in  vertikaler  Stellung.  -  Im  Südarabischen  in  scharfgewinkelter  symmetrischer  Form  und 
senkrecht  gestellt;  im  Nordsemitischen  zu  drei  kleinen  horizontalen  Parallelen  auf  senkrechter 
Stütze  entstellt.  -  Lihjanisch  und  thamudisch  Samekh  geht  wohl  auf  südarabisch  Sin,  einen 
späteren  Zusatzbuchstaben  zum  sinaitischen  Alphabete  zurück. 


27 


Ajin  „Auge"  <  hierat.  Ideogramm  „Auge"  CifO,  CG.)  -  Im  Sinaitischen  zuweilen  CNr.  345,  346 
Front)  aufgeriditet,  im  übrigen  teils  mit,  teils  ohne  Einzeichnung  der  Pupille.  -  In  allen  semi» 
tischen  Alphabeten  zum  Kreis  geworden. 

Ps  „Mund"  <  hierat.  Ideogramm  ,,Mund"  CrO,  E.,  G.}  -  Im  Sinaitischen  ist  die  annähernd  ellip- 
tische Form  des  Hieratischen  rhombisch  geworden  Cvergl.  das  Ähnliche  bei  Samekh  II}.  "  Den 
Rhombus  bewahren  -  zumeist  -  das  Südarabische  und  Lihjanische,  doch  immer  in  gerader  Auf- 
stellung. Seine  Öffnung  nach  unten  im  Lihjanischen  und  noch  mehr  im  Thamudischen  könnte 
im  Nordsemitischen  zu  der  nach  links  offenen  Winkelform  gefüht  haben,  der  im  Aramäischen 
eine  gebogene  Form  gegenüber  steht. 

Sadae  Cob  ursprünglidi  Saddas?)  „Gesicht"  Ceigentlich  „die  beiden  Gesichtsseiten")  <  hierat.  Ideo- 
gramm ,, Gesicht"  Chr},  CE.)  -  Im  Sinaitischen  horizontal  gelegt,  mit  etwas  mehr  naturalistisch 
geformtem  Halsansatz.  -  Im  Südarabischen  und  Lihjanischen  hochgerichtet,  mit  weit  offenem 
Halsansatz.  -  Die  nordsemitische  Form  des  Sadae  entfernt  sich  von  den  erwähnten  so  weit,  daß 
es  gewagt  erscheint,  sie  der  sinaitischen  anzugliedern. 

Koph  „Bauchhöhle"  <  hierat.  Ideogramm  „Bauchhöhle"  Ch"t),  CE.)  -  Im  Sinaitischen  genau  ent- 
sprechend. "  Im  Südarabischen  und  Lihjanischen  senkrecht  gestellt  mit  kurzer  Verlängerung  der 
Standlinie  über  den  Kolben  hinaus;  im  Nordsemitischen  ebenso,  außer  daß  die  Standlinie  in 
einen  Knauf  endet. 

Res  „Kopf"  <  hierat.  Ideogramm  „Kopf"  Ctp),  CE.)  -  Im  Sinaitischen  ebenso;  nur  einmal  CNr.  346 
Front)  mit  längerem  Halsansatz.  -  Im  Nordsemitischen  ist  das  Gesicht  zu  einem  kleinen  Dreieci^, 
der  Hals  zu  einer  längeren  Linie  verkümmert;  im  Südsemitischen  ist  die  Gesichtslinie  fortgefallen 
und  nur  die  Haarscheidelinie  in  stilisierter  Form  geblieben. 

Saut  C-Sin)  „Rute  Cdes  Urins)"  =  „Phallus"  <  hierat.  Determinativ  für  „Holz",  „Stab"  usw.  CE.,  C.)  *^ 
Im  Sinaitischen  sind  die  im  Hieratischen  unsymmetrisdi  gebogenen  Enden  symmetrisch  geformt. 
Das  Südarabische  und  Lihjanische  zeigt  die  Enden  ausgeschweift,  das  Ganze  senkrecht  auf- 
gerichtet; dem  Thamudischen,  das  den  Buchstaben  in  wagerechter  und  senkrechter  Stellung  ver- 
wendet, ist  eine  kleine  Gabel  an  einem  Ende  eigen,  die  vielleicht  auf  die  hieratische  Ungleich- 
heit der  beiden  Seiten  zurüci<geht;  das  Nordsemitisdie  bewahrt  die  sinaitische  Form  unter  Um- 
wandlung der  Bögen  in  Winkel. 

Taw  „CStirn-}Mal": 

Taw  I  <  hierat.  Ideogramm  , .Leben"  C^nh),  CE.,  W.)  -  Während  das  Hieratische  den  Quer- 
balken auf  den  längeren  Teil  des  Längsbalkens  aufsetzt,  bildet  das  Sinaitische  den  Buchstaben 
als  ein  gleichschenkeliges  Kreuz.  Erhalten  im  Thamudischen  Cneben  Taw  II)  und  Altgriechischen 
.  Cmit  Fortlassung  der  Spitze). 
Taw  II  <  hierat.  Determinativ  für  „Kraft",  „Brechen"  und  Ähnliches  CE.)  -  Im  Sinaitischen 
seltener  als  Taw  I.  -  In  allen  altsemitischen  Alphabeten  unverändert  vertreten. 

3.  Sprachliches   zu  den  Buchstabennamen. 

Aleph:  Nach  dem  Hebräischen  und  Assyrischen  sowohl  „Kuh"  wie  „Rind";  ich  ziehe  die  Über- 
se^ung  „Kuh"  vor  in  der  Annahme,  der  erste  Buchstabe  des  Alphabetes  stehe  in  enger  Verbindung 
mit  den  folgenden  der  „Tempelgruppe",  sodaß   die  kuhgestaltige  Göttin  Hathor  ihren  Platz  vor 


*])  Doch  vergl.  den  folgenden  Absdinitt. 


28 


„Tempel"  und  Tempeleinriditung  bekommen  habe;  sodann  audi,  weil  das  Aleph,  mit  dem  die  In- 
sdirift  Nr.  349  beginnt,  über  den  Hörnern  einen  diademartigen  Aufsaß  zeigt,  wie  er  den  Hathor- 
bildern  eigen  ist  (vgl.  z.  B.  Weihgesdienk  Nr.  347  b}. 

Beth:  Dem  Semiten  ist  „Haus",  „Palast"  und  „Tempel"  im  spradilidien  Ausdrud<  Cbaith,  beth} 
dasselbe.  Dem  folgenden  Daleth  „große  Tür"  nadi  zu  sdiließen,  ist  mit  Beth  ein  Großbau,  Palast 
oder  Tempel  gemeint;  da  der  Sinai  keinen  Palast,  wohl  aber  einen  Tempel  aufweist,  so  wird  der 
Sdiöpfer  des  Alphabetes  diesen  bei  seiner  Budistabenbenennung  vor  Augen  gehabt  haben. 

Gimel:  Die  üblidie  Überseßung  „Kamel"  widerlegt  der  Umstand,  daß  die  ägyptisdie  Sdirift 
kein  Zeidicn  hat,  das  dieses  Tier  darstellt;  Gamlu  =  „Wurfholz  könnte  in  der  Hieroglyphe  für 
„fremd"  sted^en,  hat  aber  in  der  hieratisdien  Form  keine  Ahnlidikeit  mit  dem  sinaitisdien  Gimel. 
So  vergleidie  idi  dieses  spradilidi  mit  arabisdi  gumlCatu}  „Gesamtheit  =  assyrisdi  gimru,  gimir; 
seine  formale  Entsprediung  im  Hieratisdien  und  seine  Stellung  innerhalb  der  „Tempelgruppe" 
führen  weiter  zur  Bedeutung  „Gesamtheit  des  Tempelpersonals   . 

Daleth  Cim  Athiopisdien  zu  Daneth  verderbt}:  vermutlidi  mit  „große  Tür"  zu  übersetzen, 
da  das  ägyptisdie  C?,  dessen  Bild  hier  vorliegt,  in  erster  Hinsidit  „Thor"  (weiter  „Thorflügel"} 
bedeutet. 

He:  Da  es  sidi  nadi  dem  Budistabenbilde  zu  sdiließen,  um  ein  „Jubeln"  handelt  (wie  Sethe 
erkannt  hat},  so  dürfte  He  im  Sinne  von  hebräisdi  "N"  zu  nehmen  sein.  Gemeint  ist  wohl  der 
Jubelruf  der  Tempelbesudier,  wie  wir  ihn  für  Israel  als  Halleluja,  für  den  Bannkreis  von  Mekka 
als  Labbaika  kennen,  und  den  für  den  Sinai  vielleidit  das  dreimalige  T  Cmit  folgendem  Personen- 
namen im  Genitiv}  der  hieroglyphisdien  Insdirifl  Weill  Nr.  22  bezeugt. 

Waw:  Aus  den  Anordnungen  für  den  Bau  der  Stiftshütte  in  Exodus  geht  klar  hervor,  daß  nidit 
,, Nagelstift",  sondern  ,, Nagelkopf  und  zwar  als  Aussdimüdcungsgegenstand  unter  Waw  zu  ver- 
stehen ist.  Aus  der  ägyptisdien  Kunst  ist  die  SdimuArosette  wohlbekannt;  so  mag  audi  eine  der 
versdiiedenen  Hieroglyphen,  die  Rosettenform  zeigen,  als  soldie  zu  deuten  sein,  am  ehesten  wohl 
die  bisher  als  „Sieb"  erklärte. 

Zajin:  Wie  ägyptisdi  hkr,  dessen  liieratisdie  Form  wir  als  sein  Vorbild  nehmen,  bedeutet 
semitisdi  Zajin  sowohl  „Waffe  wie  ,, Zierat  -  letjterer  ursprünglidi  wohl  als  Zierat  in  Stab-  oder 
Lanzenform  genommen.  Die  neben  Zajin  gelegentlidi  vorkommenden  Namen  Zaj  Cäthiopisdi,  spät- 
hebräisdi,  syrisdi}  und  Zeth  Cgriediisdi  und  spätjüdisdi}  müssen  als  Verstümmelungen  von  Zajin 
genommen  werden;  gegen  die  Deutung  „Ölbaum"  (Hieronymus}  spridit  der  epigraphisdie  Befund 
mit  aller  Entsdiiedenheit. 

Hauth:  Diese  vom  Athiopisdien  überlieferte  Form  sdieint  mir  editer  zu  sein,  als  das  Heth  der 
Nordsemiten.  Mit  ihr  kommen  wir  dazu,  die  Blume,  die  der  Budistabenform  zu  Grunde  liegt,  als 
„Wasserrose",  oder  „ägyptisdier  Lotos"  zu  deuten  im  Hinblid«  auf  arabisdies  haudan  (bei  Ibn  Baitar, 
Ms.  A,  haudan},  das  diesen  Sinn  hat  und  wohl  haud  mit  dem  vielleidit  südarabisdien  Artikelsuffix 
-an  darstellt.  Hauth  dürfte  aus  haud  •  th  (Nomen  unitatis  von  haud}  zusammengezogen  sein.  Lotos 
paßt  in  die  „Sdimudtgruppe  des  Alphabets  als  ein  Gegenstand,  der  bei  keiner  ägyptisdien  reli- 
giösen wie  profanen  Festlidikeit  fehlte. 

Teth  (äth.  Tajith}:  Die  Budistabenform  führt  uns  zunädist  auf  den  Begriff  „Papyros",  weiter 
aber  wegen  des  durdi  den  Papyrosstengel  hindurdigezogenen  Konsonantzeidiens  d  auf  w^d 
„Grün".  So  wird  audi  Teth  etwas  Ähnlidies  bezeidinen.  Idh  stelle  es  zu  dem  arabisdien  Pflanzen- 
namen zajj  oder  zajjan,  nadi  Cudie-Belot  „wilder  Jasmin",  „Clematis",  nadi  Dozy,  Supplement 
„Cenomyce  coccifera",  jedenfalls  eine  üppig  wudiernde  Pflanze,  wie  der  abgeleitete  Begriff  mazja 


29 


„mit  zajj  überzogener  Boden  '  beweist.  Dann  wäre  Teth  Ctajith^  Nomen  unitatis  von  zajj  Czajj  •  th  < 
zaith,  zeth}.  Wie  t  dazu  kommen  kann,  den  Laut  z  zu  vertreten,  wird  später  bei  der  Erörterung  des 
Lautsystems  der  Sinaispradie  erklärt  werden. 

Jod:  Für  die  Erklärung  kann  hebräisches  "■'  C  <  jad)  nicht  in  Frage  kommen;  lautlich  genau 
entspricht  dagegen  der  Name  des  altsemitisdien  (minäischen,  nordarabischen)  Gottes  Wudd  in 
hebräischer  Umgestaltung.  Bei  dieser  Erklärung  ließe  sich  auch  der  im  Athiopisciien  C=Südarabischcn3 
an  Stelle  von  Jod  auftretende  Buchstabenname  Jaman  verstehen.  Denn  dieser  kann  ebenso  wie 
Jod  „Glüdk"  bedeuten  und  ist  in  der  Nebenform  Jamin  im  hebräischen  Eigennamen  ]T'f?  wohl 
Gottesname.  Die  Gleichse^ung  vom  semitischen  Jod-Jaman  mit  dem  ägyptiscfien  Gotte  SetCeh) 
ist  zwar  nur  geraten,  hat  aber  für  die  Zeit  um  1500  v.  Chr.,  nachdem  in  der  Hyksoszeit  Set  seinen 
Charakter  gründlich  geändert  hatte  und  aus  einem  oberägyptischen  Gott  von  düsterem  Wesen  der 
Obergott  der  Deltasemiten  geworden  war,  viel  für  sich. 

Kaph :  Wenn  Jod  nicht  =  „Hand  ist,  so  fällt  damit  eine  Hauptstü^e  für  die  Annahme,  daß  Kaph 
,, hohle  Hand  bedeute.  Sethe  sieht  in  dem  Buchstaben  das  ägyptische  Pflanzendeterminativ,  das  aber  in 
seiner  hieratischen  Form  zu  der  des  Sinai-Kaph  durchaus  nicht  paßt.  Eine  genaue  formale  Entsprechung 
hat  dieses  im  hieratischen  Zeichen  für  „Oberägypten"  (dargestellt  unter  dem  Symbol  der  „Südland- 
pflanze" CämCw).  Zum  vorhergehenden  „Unterägypten"  gibt  dieser  Begriff  die  natürliche  Ergänzung. 

Lawe:  Mit  den  nordsemitischen  Namen  Lamed,  Labad  usw.  ist  begrifflich  nichts  anzufangen. 
Nimmt  man  aber  äthiopisch  Lawe  als  Grundlage  der  Erklärnng,  so  erhält  man  den  sehr  annehmbaren 
Sinn  „Kreis",  „Umkreis"  (vgl.  hebr.  ~'p  <  ~p  „Guirlande",  ~r''^  „Kranz"),  der  durch  das  figürliche 
Äquivalent  des  Hieratischen  zu  „Horizont"  verengt  wird.  Damit  wäre  auch  die  „geographisch- 
kosmische  Gruppe"  im  Alphabet  um  einen  passenden  Begriff  erweitert. 

Mem  Coder  Majim,  nach  äthiopisch  Maj):  Der  Begriff  „Wasser"  muß  hier,  entsprechend  den 
drei  vorhergehenden  Begriffen,  geographische  Bedeutung  haben,  ist  also  so  viel  wie  „Meer    . 

Nahas,  oder,  mit  Umse^ung  des  südsemitischen  s  in  nordsemitisches  §,  Naha§:  Nach  den  beiden 
Buchstabenformen  für  n  und  ihren  hieratischen  Vorbildern  zu  schließen,  war  nicht  nordsemitisch  Nun 
„Fisch",  sondern  südsemitiscii  Nahas  ,, Schlange  der  ursprüngliche  Name.  Die  Überführung  von 
„Schlange"  zu  „Fisch"  konnte  wohl  nur  dann  geschehen,  wenn  „Schlange"  den  speziellen  Begriff 
„Wasserschlange"  hatte  oder  sich  begrifflich  dem  hebräischen  "13  Sf'nJ  ^, Meeresdrache  ,  „Lew- 
jathan    näherte. 

Samekh:  Da  das  Arabische  in  samak  ein  gutsemitisches  Wort  für  „Fisch  bewahrt,  und  unserem 
Samekh  zwei  Begriffe  der  Meereszone  voraufgehen,  so  kommt  nichts  anderes  für  seine  Überse^ung 
in  Betracht  als  „Fisdi  ',  dessen  Bild  noch  deutlich  in  der  Sinaischrift  zutage  tritt. 

Ajin:  Keinesfalls  „Quelle",  sondern  wegen  der  folgenden  Namen  von  Körperteilen:  „Auge  , 
wozu  das  Buchstabenbild  vollständig  paßt.  Die  Beibehaltung  des  Diphthongs  «ai-  Coder  -aji-)  in 
Ajin  ist  ein  deutlicher  Hinweis,  daß  derselbe  Diphthong  auch  einmal  in  Mem,  Teth  und  Beth 
gesprochen  sein  wird. 

Pas:  „Mund".  Da  auch  die  Aramäer  den  Buchstabennamen  Päs  und  nicht  Pum  aussprachen,  so 
muß  sein  Ursprung  in  die  hebräische  Sprachzone  verlegt  werden. 

Sadas :  Wohl  bei  keinem  Buchstabennamen  ist  so  viel  hin-  und  hergeraten  worden,  wie  bei  diesem. 
Daß  man  dabei  nicht  zu  seiner  richtigen  Deutung  kam,  lag  an  dem  Mißgriff,  sein  auslautendes  as  für 
wurzelhaft  zu  nehmen.  Es  dürfte  aber  Dualendung  sein,  so  daß  mit  sad  Cälter  wohl  sadd)  als  Grund- 
bestand des  Namens  zu  rechnen  wäre.  Dieses  stelle  ich  mit  hebräisch  ~i¥  „Seite  zusammen  und 
lasse  beides  etymologisch  mit  arabisch  didd  C*dadd}  „Gegenstück    eins  sein.    Den  Dual  hiervon  als 


30 


„Gesicht"  zu  erklären,  legt  hebräisch  appajim  „Gesicht",  eigentlich  „beide  Seiten"  (nach  Earth's 
Erklärung)  nahe,  wozu  ein  saddajim  -  saddas  die  genaue  Entsprechung  bildet.  Dem  Einwurf,  daß  die 
Status-constructus-Form  SadCd3as  nicht  für  sich  allein  gebraudit  werden  könnte,  ist  mit  dem  Hinweis 
auf  bald  folgendes  Saut  zu  begegnen.  Wenn  zu  diesem  der  Genitiv  sich  zufällig  erhalten  hat,  so  mag 
man  annehmen,  SadCd^as  habe  einmal  SadCd^E  roä  „die  beiden  Seiten  des  Kopfes"  =  „Gesicht"  ge- 
lautet, wovon  zufällig  nur  die  Verkürzung  SadCd])a5  sich  erhalten  habe. 

Koph:  Nicht  als  „Hinterkopf"  zu  deuten,  da  sicii  arabisch  Kaf a  nur  gezwungen  damit  vergleichen 
läßt  und  die  ägyptische  Schrift  für  „Hinterkopf"  kein  Zeichen  ausgebildet  hat.  Zur  riditigen  Er- 
klärung führt  die  Erwägung,  daß  im  Altsemitischen  zwei  Koph-Laute  vorhanden  waren,  ein  stimm- 
loser und  ein  stimmhafter,  das  sind  k  und  g  mit  „Emphase".  Stimmhaftes  Koph  Cje^t  noch  im 
Semitischen  dialektlich  viel  vorhanden)  lebt  literarisch  z.  B.  in  vielen  hebräischen  3  nach  (vgl.  Ab- 
schnitt über  Lautliches),  ohne  daß  man  entscheiden  kann,  ob  der  Laut  g  mit  dem  Laute  g  zusammen- 
gefallen sei,  oder  ob  der  Buchstabe  ^1  beide  Laute  deckt.  Ich  möchte  le^teres  für  wahrscheinlicher 
halten.  War  ein  g  vorhanden,  dann  könnte  reciit  wohl  ein  älteres  Schriftstadium  seine  Wiedergabe 
dem  Buchstaben  Koph  zugewiesen  haben.  In  dieser  Annahme  nehme  ich  Koph  als  dasselbe  wie 
arabisch  gauf  „Bauchhöhle"  Cwas  auch  wohl  die  Urbedeutung  von  hebräisch  ^i13>  TM  sein  wird),  und 
finde  dann  das  hieratische  Zeichen  für  „Bauchhöhle"  leicht  im  Sinaitischen  wieder. 

Re5:  Ohne  Zweifel  „Kopf"  Qvon  der  Seite  gesehen}.  Ob  gemäß  griechischem  i'oi  die  Urform 
des  Namens  als  *Ro5  anzusehen  ist,  lasse  ich  noch  dahingestellt  sein. 

Saut,  genauer  wohl  Saut  oder  Söt:  Wenn  ich  dieser  äthiopischen  Bezeichnung  den  Vortritt  vor 
der  nordsemitischen  Sin  gebe,  so  geschieht  das  nicht,  um  diese  für  weniger  echt  zu  halten;  vielmehr 
nehme  ich  beide  für  einzeln  überlieferte  Teile  der  älteren  Wortgruppe  sot-sin.  In  Sin  ist  nicht  der 
Begriff  „Zahn"  zu  suchen;  dagegen  spricht  die  Länge  des  Vokalsund  der  Umstand,  daß  die  ägyptische 
Sdirift  das  Bild  des  Menschenzahnes  nicht  enthält.  Man  nehme  aber  sin  als  vokalisch  leicht  umge- 
lautetes  hebräisches  j'tt*  „Urin",  und  saut  (sot)  als  „Rute"  C=hebräisch  i^ltJ'),  und  übersehe  das 
Ganze  mit  „Rute  des  Urins"  =  „Phallus",  wofür  verschiedene  semitische  Idiome,  darunter  das 
Hebräische,  in  der  Schriftsprache  keinen  Ausdruck  haben.  Es  lag  nahe,  innerhalb  der  „Körpergruppe" 
des  Alphabetes  hinter  „Bauchhöhle"  den  „Phallus"  zu  erwähnen. 

Das  hieratische  Bild  des  Phallus  ist  im  Pap.  Ebers     /T       X  .    Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß 

dieses  das  Vorbild  vom  sinaitischen    C./\J   sei,  wobei  mit  Umdrehung  des  Zeichens  zu  rechnen 

wäre.  Aber  genauere  Übereinstimmung  zeigt  der  Sinaibuchstabc  mit  der  hieratischen  Form  von 
„Holz",  „Stab",  „Rute",  und  so  nehme  ich  an,  daß  der  Schöpfer  des  Alphabetes,  wie  er  einen 
direkten  sprachlichen  Ausdruck  für  „Phallus  vermied,  ihn  auch  figürlich  durch  „Rute  umschrieb. 
Taw:  Aus  Ezechiel  9,  3-6  kennen  wir  Taw  als  „Stirnmal",  vermutlicii  von  Kranzform  (vgl.  auch 
I.  Könige  20,  41)  und  damit  als  mit  den  P-Eul:;,  deren  Plat?  auf  der  mittleren  Stirne  war, 
nahe  verwandt  oder  vielleicht  gleich.  Die  Sitte  des  Einri^ens  eines  apotropäischen  Zeichens  auf  der 
Stirn  oder  zwischen  den  Augenbrauen  ist  so  weit  im  Orient  verbreitet,  daß  man  ihr  einen  sehr  alten 
Ursprung  zuschreiben  muß,  und  zweifellos  stecken  hinter  den  verschiedenen  Weisen  seiner  Aus- 
führung verschiedene  alte  Symbole.  So  empfiehlt  es  sich,  wenn  wir  unser  Taw  als  Stirnmal  deuten 
wollen,  seine  gerade  Kreuzform  mit  ägyptisch  ^nh  „Leben",  seine  schrägliegende  Gestalt  aber  mit 
dem  ägyptischen  Determinativ  für  „Kraft"  zusammen  zu  bringen.  Dann  wäre  Taw  der  Abschluß  der 
„Körpergruppe"  im  semitischen  Alphabet.  Aber  es  ließe  sich  auch  denken,  daß  es  gewissermaßen 
als   Mal   auf  das   Alphabet   selbst  gese^t  wäre,   um   es  zu  sichern   und  vor  Veränderungen  und 


31 


EingrifFen  zu  sdiü^en.   Audi  in  diesem  Falle  wären  „Leben     und  „Kraft"  (weldi  letjteres  zudem 

den  Begriff  „Redinen"  determinierO  gut  am  Pla^e. 

Zusatz:    Gestuft  auf  das  Vorstehende,  werde  idi  midi  im  weiteren  Verlauf  meiner  Arbeit 

folgender  semitisdier  Budistabennamen  bedienen; 

Aleph  -  Beth  -  Gimel  -  Daleth  -  He  "  Waw  «  Zajin  -  Hauth  -  Teth  -  Jod  -  Kaph  -  Lawe  - 
Mem  -  Nahas  -  Samekh  -   Ajin  -  Pae  -  Sadas  "  Koph  -  Re§  -  Saut  "  Taw. 


4.  W 


eiteres   zur  oinaisc 


hrift. 


a}  Ligaturen. 

In  der  ägyptisdien  Sdirift  sind  die  Fälle  nidit  selten,  wo  zum  Zwedc  passender  Raumausfüllung 
mehrere  Zeidien  in-  oder  aneinander  gesdirieben  werden.  Mandie  soldier  Ligaturen  haben  neue 
hieroglyphisdie  bzw.  hieratisdie  Zeidien  ergeben;  andere  Zeidien  treten  nur  gelegentlidi  verbunden 
auf.  In  ähnlidiem  Umfange  wie  im  Ägyptisdien  begegnen  uns  Ligaturen  audi  im  Sinaitisdien ;  als 
sidier  nehme  idi  folgende  Fälle  an: 

d.  i.   Ajin  +  Lawe  (Nr.  352,  unterer  Teil}; 


JU^  d.i.  Saut  +  Waw  (Nr.  349,  Z.  1 .} ; 

[-f]  d.  i.  Beth  +  Taw  (Nr.  349,  Z.  3.}; 


^X\=> 


d.  i.  Beth  +  Samekh  +  Pas  (Nr.  353,  rechte  Z.}; 


d.  i.  Jod  +  Samekh  (Nr.  351,  links  oben); 


d.i.  Beth  +  Hauth  (Nr.  351,  links  unten}. 

Man  könnte  hieraufhin  erwarten,  audi  in  den  altsemitisdien  Alphabeten  Ligaturen  zu  finden.  Wenn 
dieses,  abgesehen  vom  Thamudisdi-Safatenisdien  (vgl.  die  Zeidientabelle  bei  E.  Littmann  „Zur  Ent- 
zifferung der  thamudenisdien  Insdiriften",  Tafel  XII,  1904)  nidit  der  Fall  ist,  so  ist  daran  zu  erinnern, 
daß  die  früher  erwähnten  Umstilisierungen  der  Sinaizeidien  den  Zwedc  verfolgten,  die  Budistaben 
nadi  Form,  Größe  und  Lage  untereinander  auszugleidien,  womit  der  Anlaß,  der  im  Sinaitisdien  zum 
Ligieren  führte,  fortfiel,  übrigens  könnte  audi  in  den  nidit  seltenen,  aus  mehreren  Budistaben  zu- 
sammengese^ten  Monogrammen  des  Südarabisdien,  von  denen  das  minäisdie  Attarmonogramm  bei 
Jaussen-Savignac,  Mission  ardieol.  en  Arabie  IL  Atlas,  Tafel  XVII,  3  das  älteste  Beispiel  bietet,  das 
Wesen  der  sinaitisdien  Ligatur  nadileben. 


32 


b)  Zahlzeichen. 

Auf  Tafel  Nr.  353  finden  sich  unten  links  von  der  linken  Zeile  und  rechts  von  der  unteren  Hälfte 
der  Mittelzeile  kleine  Horizontalstriche  in  senkrechter  Anordnung,  im  ersten  Falle  10  und  4  auf  zwei 
Linien  verteilt,  im  anderen  wahrscheinlich  dreimal  10  auf  drei  Linien  verteilt,  die  oben  und  unten  von 
je  einer  langen  Horizontallinie  begrenzt  sind,  und  unter  sich  noch  2  und  3  Strichlein  zeigen.  Bei 
flüchtigem  Beschauen  möchte  man  sie  für  Meißelspuren  halten;  aber  ihre  Regelmäßigkeit  und  ihr 
Vorkommen  an  Stellen,  die  außerhalb  einer  versudisweise  angestellten  Abgrenzung  der  Tafel  liegen, 
stellen  sich  dieser  Erklärung  entgegen  und  lassen  es  als  aussichtsreicher  erscheinen,  sie  für  Zahl- 
zeichen zu  nehmen.  So  primitiv  das  Verfahren  aussieht,  Zahlen  über  40  hinaus  nur  durch  Einerstridie 
auszudrücken,  so  fehlt  es  doch  nicht  an  Analogien  dazu.  Für  Ägypten  kennen  wir  eine  solche  aus 
Papyros  Sallier  (wiedergegeben  bei  A.  Erman,  Ägypten'-,  S.  349),  wo  die  Zahl  109  mit  10  mal  10  und  9 
in  11  Vertikallinien  angeordneten  Punkten  geschrieben  ist;  durch  dieses  Zahlensystem  läuft  zwischen 
dem  5.  und  6.  Punkte  eine  lange  Horizontale.  Mag  diese  Schreibung  auch  auf  Schülerhände  zurück- 
gehen,  so  zeigt  sie  dodi,  daß  in  Ägypten  die  Darstellung  der  Zahlen  durch  besondere  Zeichen  für 
Einer,  Zehner,  Hunderter,  Tausender  usw.  nicht  die  einzige  war.  Die  altsemitisdie  Zahlenschreibung 
weicht  von  der  ägyptischen  Normalschreibung  wesentlich  dadurch  ab,  daß  in  ihr  die  Zahlen  von  20 
bis  99  auf  der  Basis  der  Einer-,  Zehner-  und  Zwanzigerbezeichnung  gebildet  sind;  dazu  kommt  im 
Altaramäischen  die  Schreibung  der  15  durch  15  nebeneinanderstehende  kleine  Senkrechte  vor  (vgl. 
Lidzbarski,  Handb.  der  nordsemit.  Epigraphik,  II,  ZahlentafeO.  Da  auch  das  Zwanzigerzeichen  eine 
Kombination  von  zwei  Senkrechten,  also  Einerzeichen,  darstellt,  so  ist  es  wohl  denkbar,  daß  in  einer 
unseren  phönizischen  und  aramäischen  Inschriften  voraufliegenden  Zeit  das  Einerzeichen  für  die 
Schreibung  der  Zahlen  von  1  bis  99  maßgebend  gewesen  wäre.  Das  alles  könnte  dazu  führen,  die 
erwähnten  Strichlein  auf  Nr.  353  für  Zahlzeichen,  und  zwar  im  ersteren  Falle  für  die  Zahl  14,  im 
anderen  für  die  Zahl  35  zu  nehmen.  Zur  Gewißheit  würde  diese  Hypothese  aber  erst  dann  erhoben, 
wenn  es  gelänge,  von  der  Tafel  abzulesen,  was  der  gezählte  Gegenstand  sei;  an  der  Hand  der  Photo- 
graphien allein  kommt  man  jedoch  nicht  zu  der  Konstatierung,  daß  etwas  Derartiges  vorhanden  sei. 


c3  Zeilenrichtung. 

Schon  vorher  ist  bemerkt  worden,  daß  die  Sinaischrift  sowohl  die  vertikale  wie  die  horizontale 
Zeile  kennt  und  anscheinend  nach  Belieben  verwendet.  Das  ist  ein  Verfahren,  welches  auch  am  Hiera- 
tischen der  Zeit  um  1 500  zu  beobaditen  ist,  während  die  frühere  Zeit  es  fast  ausschließlich  vertikal, 
die  spätere  aber  horizontal  schreibt.  Ob  der  Zeilenanfang  bei  vertikaler  Schreibung  oben  oder  unten, 
bei  horizontaler  rechts  oder  links  liegt,  kann  erst  mit  Hilfe  von  Wortlesungen  endgültig  ausgemacht 
werden;  doch  muß  im  Hinblick  auf  alle  uns  bekannten  Schriftsysteme  des  Altertums  eine  Schreib- 
richtung von  unten  nach  oben  für  höchst  unwahrscheinlich  erklärt  werden.  Während  im  allgemeinen 
im  Sinaitischen  für  jede  einzelne  Inschrift  nur  eine  Zeilenrichtung  verwendet  ist,  zeigt  Nr.  346,  Front, 
rechts  und  links  je  eine  vertikale  Zeile  und  darunter  eine  horizontale;  die  Inschrift  der  rechten  Seite 
ist  ebenfalls  im  oberen  Teile  sicher  vertikal,  im  unteren  mehr  horizontal  geriditet,  und  zwar  infolge 
Zusammendrängens  der  Zeichen  in  so  unregelmäßiger  Weise,  daß  man  hier  von  Kumulativschreibung 
reden  könnte.  Die  doppelte  Zeilenrichtung  des  Sinaitischen  findet  sich  im  Thamudischen  wieder;  sogar 
die  Erscheinung,  daß  innerhalb  einer  Inschrift  in  verschieden  gerichteten  Zeilen  geschrieben  werden 


33 


konnte,  läßt  sich  hier  nadiweisen  (vgl.  Jaussen-Savignac,  Mission  ardieol.  II,  Atlas,  Tafel  CXLI,  2273. 
Im  übrigen  haben  die  altsemitischen  Abkömmlinge  des  Sinaialphabetes  die  vertikale  Zeilenrichtung 
zu  Gunsten  der  horizontalen  aufgegeben;  eine  ganz  vereinzelte  Ausnahme  bildet  das  vertikal- 
gerichtete minäische  Graffito  Jaussen-Savignac,  II,  Atlas,  Tafel  CXXVI,  1 52. 

d}  Zeichenrichtung. 

Das  Hieratische  hat  eine  feste  Regel  in  der  Richtung  seiner  Schriftzeichen,  wobei  alles,  was  Lebe- 
wesen darstellt,  nach  rechts  schaut;  vielleicht  macht  das  Zeichen  für  Menschenkopf  hiervon  eine 
Ausnahme.  Das  Sinaitische  gibt  sich  viel  freier  in  der  Stellung  seiner  Zeichen.  Bei  einigen  finden  wir 
die  des  Hieratischen  fast  ausschließlich  beobachtet,  z.  B.  bei  Aleph  II  (Kuh  in  Vollgestalt),  Samekh 
(Fisch),  Res  (Menschenkopf).  Bei  Aleph  I  (Kopf  der  Kuh)  und  Jod  (Tier  des  Set)  ist  das  Gegenteil 
der  hieratischen  Stellung  anscheinend  zur  Regel  erhoben;  nur  das  Aleph  von  Nr.  345  ist  zweifelhaft. 
Die  stehenden  Vorbilder  von  Teth  und  Mem  sind  im  Sinaitischen  niedergelegt,  das  von  Gimel  hat  die 
Spi^e  seines  Winkels  von  oben  «ach  unten  gedreht. 

Für  eine  größere  Zahl  von  Sinaibuchstaben  gilt  als  Regel  bezüglich  ihrer  Richtung  anscheinend 
■nur  das  Bedürfnis,  sie  ihrer  Umgebung  gut  anzupassen.  So  kommt  es  mehrfach  vor,  daß  sogar  inner- 
halb  derselben  Inschrift  ein  Buchstabe  in  doppelter  Richtung  auftritt:  z.  B.  Lamed  auf  Nr.  346,  Nahas  I 
auf  Nr.  346,  347,  353,  Heth  auf  Nr.  349.  Häufiger  ist  der  Wechsel  in  der  Richtung  von  Inschrift  zu 
Inschrift  zu  beobachten,  so  bei  Daleth  (345  nach  unten,  352  nach  oben).  He  (345,  347  nach  rechts,  346, 
352,  353,  354  nach  links),  Heth  (345  stehend,  347,  348,  351  nach  rechts,  352,  353  nach  links),  Kaph 
(349  nach  links,  353  nach  rechts).  Lamed  (345,  349  nach  links,  347,  352,  353  nach  rechts),  Ajin  (345 
stehend,  352,353,354  liegend).  Endlich  kommt  nicht  selten  der  gleiche  Buchstabe  innerhalb  derselben 
Inschrift  in  Dubletten  vor,  so  Beth  I  und  II  in  Nr.  353,  Lamed  I  und  II  in  Nr.  352,  Nahas  I  und  II  in 
Nr.  353,  Taw  I  und  II  in  Nr.  346  und  349.  Dieser  wenig  geregelte  Wechsel  der  Buchstabenrichtung  ist 
ein  sicherer  Hinweis  darauf,  daß  die  Sinaischrift  zur  Zeit  der  Entstehung  unserer  InscJiriften  noch 
in  ihrer  Entwicklung  begriffen  war,  noch  etwas  Individuelles  bedeutete,  das  vom  Gebrauche  durch 
eine  Schreiberklasse  noch  unberührt  war. 

e)  Liniierung. 

Das  Hieratische  verwendet  in  älterer  Zeit,  d.  h.  etwa  bis  1500,  bei  wagerechter  Zeilenrichtung 
nicht  selten  horizontale  parallele  Richtungslinien;  bei  senkrechter  Zeilenrichtung  sind  ähnliche  Linien 
nicht  zu  belegen.  Im  Hieroglyphischen  aller  Perioden  ist  die  Beifügung  von  Richtungslinien  bei  jeder 
Art  Zeilen  das  übliche.  Im  Sinaitischen  zeigt  je  eine  horizontal  (Nr.  349)  und  vertikal  (Nr.  350) 
geschriebene  Inschrift  deutlich  parallele  Richtungslinien;  auf  Nr.  351  schimmert  von  einer  älteren 
horizontalen  Inschrift  auch  etwas  von  Richtungslinien  durch,  und  hat  der  jüngere,  vertikale  Text  wenig- 
stens in  seinem  unteren  Teile  etwas  Derartiges  links  neben  sich.  So  hat  die  sinaitische  Schrift  es  auch 
bezüglich  der  Liniierung  nicht  zu  einer  festen  Regel  gebracht. 

f)  Initialen. 

Die  Sinaitafeln  liefern  drei  Beispiele  dafür,  daß  der  Anfang  einer  Inschrift  durch  einen  sorgfältiger 
ausgeführten  Kopfbuchstaben  ausgezeichnet  ist.    So  sind  auf  Nr.  353   und  355  dem   die  Inschrift 


34 


beginnenden  Waw  Strahlen  angefügt,  die  es  sonst  nirgends  aufweist,  und  dem  zu  Anfang  von  Nr.  349 
stehenden  Kuhkopf  C=  Aleph)  ist  ein  Diadem  aufgese^t,  das  ihn  recht  deutlich  als  Hathorsymbol 
kennzeidmen  soll.  Auf  den  übrigen  Inschriften  unterscheidet  sich  der  Anfangsbuchstabe  nicht  von 
denen  des  weiteren  Textes. 

5.  Zur  Entstehung  der  sinaitischen  Schrift. 

a)  Ort  der  Entstehung. 

Unsere  sinaitischen  Sdiriftdenkmäler  sind  innerhalb  eines  eng  umschränkten  Raumes  gefunden; 
ja,  wäre  nicht  das  kleine  Graffito  von  Wadi  Magara  CNr.  347},  so  bildeten  sie  alle  eine  lokal  auf  den 
Hathortempel  und  eine  nicht  weit  davon  befindliche  Felswand  des  Plateaus  von  Serabit-el-Hadem 
beschränkte  Gruppe.  Das  legt  die  Annahme  nahe,  es  möchte  die  Sinaischrift  auf  diesem  Boden  über- 
haupt entstanden  sein,  wobei  vor  allem  der  Tempel  als  geistiges  Zentrum  des  ägyptischen  Sinai's 
in  Frage  käme.  Diese  Hypothese  gewinnt  außerordentlich  an  Haltbarkeit  durch  die  von  uns  behauptete 
und  zur  Bestimmung  der  Buchstabenbedeutung  benut5te  Disposition  des  altsemitischen  Alphabetes. 
Dieses  beginnt  mit  einer  „Tempelgruppe",  die  mit  fünf  Begriffen  uns  einen  Großtempel  der  Hathor  vor 
Augen  führt:  mit  Aleph  „Kuh",  d.  i.  „Göttin  Hathor",  Beth  „Tempelgebäude",  Gimel  „Beamtenschaft 
(des  Tempels)",  Daleth  „großes  Tor",  He  „Tempeljubelruf".  Hieran  schließt  sich  wohl  als  innere 
Ergänzung  die  Aufzählung  von  vier  Gegenständen,  die  zur  Ausschmüci^ung  eines  ägyptischen  Tempels 
gehörten,  nämlich  Waw  „Schmucicrosette",  Zajin  „Zierstab",  Hauth  „Lotosblume",  Teth  „Grün", 
„Laubwerk"  Nach  diesen  neun  anscheinend  von  derselben  Richtung  hergenommenen  Begriffen  wird  mit 
vier  weiteren  ein  Bild  der  Welt  gegeben,  wie  es  sich  gerade  vom  Sinai  aus  am  besten  begreifen  läßt. 
Den  Blick  nach  Süden  gerichtet,  wie  es  ägyptische  Gewohnheit  bei  der  Orientierung  war,  holte  der 
Schrifterfinder  den  nächsten  Buchstabenbegriff  vom  Lande  des  Gottes  Set -Jod,  d.  i.  Unterägypten, 
her,  fügte  dann  mit  Kaph  =  „Oberägypten"  die  natürliche  Ergänzung  hinzu,  spannte  den  Blicic  weiter 
zum  „Horizontkreis"  CLawe}  und  endlich  zur  äußersten  Weltgrenze,  dem  ,,Meer"  (Mem!).  Zur  Illu- 
strierung des  Meeres  dienten  die  folgenden  zwei  Begriffe:  Nahas  „Wasserschlange",  vielleicht  gar 
Lewiathan,  und  Samekh  „Fisch".  Nachdem  damit  die  Welt  der  Lebewesen  berührt  war,  trat  mit  den 
weiteren  sieben  Begriffen  der  Mensch  als  oberstes  Lebewesen  in  den  Rahmen  der  Disposition.  Seine 
Beschreibung  beginnt  mit  Ajin  „Auge",  Pae  „Mund"  und  Sadas  „Angesicht"  und  bringt  von  weiteren 
Körperteilen  Koph  „Bauchhöhle",  ReS  „Kopf"  und  Saut  „Phallus".  Daß  der  Kopf  zwischen  Bauchhöhle 
und  Phallus  genannt  wird,  muß  auffallen;  sollte  vielleicht  die  äthiopische  Reihenfolge  Res  „Kopf' , 
CSat?!),  Koph  „Bauchhöhle"  hier  gegenüber  der  nordsemitischen  das  Richtige  bewahrt  haben?  Mit 
Taw  „Stirnmal"  könnte  der  Körperbeschreibung  ein  geistlich-symbolischer  Stempel  aufgedrückt  sein, 
der  dann  zugleich  auf  den  religiösen  Anfang  des  Alphabetes  zurückwiese. 

Eine  solche  Disposition  des  semitischen  Alphabetes  entstammt  dem  Geisteszustand  eines  Ägyp- 
ters, für  den  Hathor  die  maßgebende  Gottheit  war.  Indem  er  sie  an  die  Spi^e  des  Alphabetes  stellte, 
widmete  er  ihr  dieses  oder  wollte  sie  als  dessen  geistige  Urheberin  bezeichnen.  Darin  mag  man  die 
Absicht  erblicken,  ein  Gegenstück  zu  der  ägyptischen,  als  Erfindung  des  Gottes  Dhot  betrachteten 
Hieroglyphenschrift  aufzustellen.  Da  seine  Schrift,  obwohl  mit  Hathor  in  Verbindung  gebracht  und 
in  ihren  Formen  von  ägyptischen  abhängig,  den  Zweck  hatte.  Laute  einer  sicher  nichtägyptischen 
Sprache  festzulegen,  so  wird  sie  außerhalb  des  eigentlichen  Ägyptens  entstanden  sein.  Welcher  Ort 


35 


könnte  dafür  eher  in  Frage  kommen,  als  der  Hathortempel  auf  Sinai,  in  dessen  Kulte,  wie  Flinders 
Petrie  an  der  Hand  der  inneren  Einriditung  gezeigt  hat,  diarakteristisdie  Züge  semitischer  Gottes- 
verehrung neben  editägyptisdien  einträchtig  einhergingen! 

b}  Nähere  Umstände  der  Entstehung. 

Der  erste  Eindruck,  den  die  Sinaischrift  auf  uns  macht,  läßt  sie  als  eine  Vereinfachung  der  ägyp- 
tischen Schrift  durch  Beschränkung  ihrer  nach  vielen  Hunderten  zählenden  Zeichen  auf  weniger  als 
30  erscheinen;  diese  haben  sich  uns  als  im  Grunde  rein  konsonantische  Buchstaben  erschlossen.  Die 
dadurch  entstandene  Schrift  als  Erfindung  im  eigentlichen  Sinne  zu  bezeichnen,  möchte  man  zunächst 
Anstand  nehmen,  weil  in  der  ägyptischen  Schrift  neben  Ideogrammen,  Silbenzeichen  und  Deter- 
minativen auch  24  Konsonantzeichen  vorhanden  waren  und  die  Möglichkeit  bestand,  mit  ihnen  jedes 
ägyptische  Wort  nach  seinen  Konsonantlauten  zu  fixieren.  Sie  zu  den  alleinigen  Trägern  der  schrift- 
lichen Darstellung  der  Sprache  zu  machen,  wäre  an  und  für  sich  ein  ebenso  genialer  wie  praktischer 
Griff  gewesen;  aber  der  Urheber  der  Sinaischrift  hat  ihn  vermieden,  um  auf  viel  künstlichere  Weise, 
die  ganz  sein  Eigentum  war,  zu  Konsonantbuchstaben  zu  gelangen.  Vermittelst  der  Akrophonie  schälte 
er  sich  aus  semitischen  Wörtern,  mit  denen  er  gewisse  Wortzeichen  der  ägyptischen  Schrift  überse^te, 
Konsonanten  heraus  und  schrieb  sie  mit  den  hieratischen  Formen  jener  Wortzeichen.  Damit  war 
er,  statt  in  gerader  Richtung,  auf  einem  großen  Umwege  zum  Ziele  gelangt.  Was  aber  könnte 
der  Zweci^  dieses  eigentümlichen  Vorgehens  gewesen  sein?  Ich  finde  keine  andere  Erklärung  dafür, 
als  daß  derjenige,  dem  wir  nunmehr  doch  die  Bezeichnung  Schrifterfinder  beilegen  müssen,  beabsich- 
tigte, eine  für  Ägypter  nicht  lesbare  Schrift  zu  schaffen,  die  ihnen  die  Schwierigkeit,  fremdsprachige 
Inschriften  zu  entziffern,  noch  erhöhen  sollte.  Zudem  waren  einzelne  der  von  ihm  gewählten  Schrift- 
zeichen danach  angetan,  die  ägyptischen  Leser  geradezu  irrezuführen,  nämlich  Waw,  Nahas  und  Pas, 
die  für  ihn  den  Konsonantwert  w,  n  und  p,  für  die  Ägypter  aber  den  von  h,  d  und  r  hatten.  Dem- 
selben Zwecice  könnten  auch  die  fünf  in  doppelter  Form  vorkommenden  Buchstaben  (Aleph,  Beth, 
Nahas,  Jod,  Taw}  gedient  haben,  die  einem  Ägypter,  der  in  ihnen  zehn  verschiedene  Zeichen  seiner 
Schrift  erkannte,  zehn  verschiedene  Laute  vortäuschten.  So  wird  alles,  was  die  Sinaischrift  von  ihrem 
Ausgangspunkt,  dem  Hieratischen,  unterscheidet  -  einschließlich  ihrer  oben  erwähnten  Eigenheiten 
in  Richtung  der  Zeilen  und  Zeichen  -  nicht  auf  Unkenntnis  oder  Ungeschicklichkeit  ihres  Schöpfers, 
sondern  auf  Absidit  beruhen,  und  es  ist  kaum  denkbar,  daß  ein  Vollblutägypter  so  gehandelt  hätte. 
Bedeutet  schon  das  Schreiben  in  einer  nichtägyptischen  Sprache  bei  einem  der  Hathor  geweihten 
Tempel  das  Durchbrechen  einer  den  Ägyptern  heiligen  Tradition,  so  schaut  aus  der  Weise  des 
Schreibens  geradezu  ein  persönlicher  Gegensa^  zum  Ägyptischen  heraus. 

Der  Privat-  oder  Geheimcharakter  der  sinaitischen  Schrift  schließt  nun  keineswegs  ihre  Ver- 
wendung innerhalb  eines  Kreises  solcher,  die  ihrem  Schöpfer  nahestanden,  aus.  Im  Gegenteil,  er 
fordert  geradezu  die  Annahme  eines  solchen;  denn  Schreiben  bedeutet  in  erster  Linie,  sich  Anderen 
mitteilen.  Welcher  Art  aber  dieser  Kreis  war,  das  kann  erst  nach  Lesung  und  Entzifferung  der  von 
ihm  herstammenden  Schriftdenkmäler  untersucht  werden. 

c}  Vorgänger  und  Nebenzweige  des  Sinaialphabetes? 

Diese  Frage  hat  Eisler  in  seinem  Buche  S.  123  ff.  aufgeworfen  und  Ch.  Bruston  sich  zu  eigen 
gemacht  im  Hinblidc  auf  gewisse  in  Ägypten  gefundene  Kleindenkmäler  mit  Schriftzeichen.  "Es  sind 
vor  allem  1 .  ein  in  den  Ruinen  von  Kahun  QHahun}  von  Flinders  Petrie  gefundenes  Holzklötzchen 


36 


mit  vier  eingeschnittenen  Zeichen,  2.  ein  Siegel  mit  vier  Zeichen,  3.  ein  Inschriftenfragment  aus 
Kahun,  das  neben  zwei  Hieroglyphenzeilen  eine  von  neun  andersgearteten  Zeichen  aufweist,  endlich 
4.  eine  aus  vier  Zeichen  bestehende  Aufschrift  einer  Statue  des  Museums  in  Kairo  (35,562}. 


K.^h 


l 

1 

0 


K 


Die  beiden  aus  den  Ruinen  von  Kahun  stammenden  Stücke  können  chronologisch  in  etwa  dadurch 
bestimmt  werden,  daß  ihr  Fundort  schon  am  Ende  der  XII.  Dynastie  (2000«  1788}  in  Verfall  geraten 
war.  Eisler,  der  von  Denkmal  1  ausgeht,  hat  aus  dessen  Inschrift  den  semitischen  Namen  Zt^ma 
herausgelesen  und  diese  Lesung  benutzt,  um  einem  viel  höheren  Alter  des  semitischen  Alphabetes 
das  Wort  zu  reden,  als  die  Sinaidenkmäler  es  bezeugen.  Bruston  hält  nicht  nur  für  alle  vier  Denk- 
mäler semitische  Lesungen  bereit,  sondern  stellt  auch  schon  aus  den  Zeichen  ein  dem  nordsemitischen 
wesentlich  analoges  Alphabet  zusammen,  ob  ihm  auch  Jod,  Samekh,  Sada;  und  Koph  noch  fehlen. 
Über  das  Verhältnis  dieses  Alphabetes  zu  dem  sinaitischen  drückt  Bruston  sich  wenig  klar  aus; 
beide  könnten  nach  ihm  zeitlich  oder  auch  nur  örtlich  auseinandergelegen  haben. 

Meines  PZrachtens  haben  die  Zeichen  der  vier  genannten  Denkmäler  miteinander  so  nahe  Ver- 
wandtschaft, daß  sie  wohl  demselben  Schriftsysteme  angehören  dürften,  stehen  aber  in  keinerlei 
Beziehung  zu  dem  sinaitischen.  Es  geht  ihnen  ganz  die  weiche  Linienführung  der  Sinaibuchstaben 
ab,  die  diesen  vom  Hieratischen  als  einer  ausgesprochenen  Buchschrift  als  Erbteil  mitgegeben  ist; 
ihre  starren,  eckigen  Formen  weisen  ihnen  die  Bestimmung  zu,  in  hartes  Material  eingeritzt  zu 
werden.  Dazu  kommt,  daß  sie  schon  im  Banne  weitgehender  Stilisierung  zu  stehen  scheinen,  wovon 
die  Sinaischrift  noch  vollständig  frei  ist.  So  scheint  es  aussichtsvoll,  sie  mit  der  kretischen  Schrift 
der  mittleren  Periode  zu  vergleichen;  und  ein  Blick  auf  die  von  A.  Evans  in  "The  Palace  of  Minos 
at  Knossos  I  auf  Fig.  476  und  478  zusammengestellten  Zeichen  der  minoischen  Schrift  läßt  in  ver- 
schiedenen von  ihnen  nächste  Verwandte  von  unseren  Zeichen  vermuten,  vgl. : 


ac 


'^^.^  fJifX  li-j^g 


So  wenig  es  bisher  gelungen  ist,  kretische  Schriftzeichen  zu  entziffern,  so  wenig  wird  man  das,  was 
Eisler  und  Bruston  kurzerhand  aus  den  fremden  Aufschriften  ägyptischer  Denkmäler  herausgelesen 
haben,  als  Entzifferungen  von  irgend  welchem  Werte  bezeichnen  können.  Eine  Verquickung  der 
sinaitischen  Schriftforschung  mit  den  Fragen  nach  Wesen  und  Herkunft  der  genannten  Zeichen  wird 
beiden  kaum  förderlich  sein,  droht  vielmehr  das  erstrebte  Ziel  nur  weiter  hinauszuschieben. 


37 


IV.  ZUR  ENTZIFFERUNG  DER  ALTSINAITISCHEN  TEXTE. 

1.  Vermutliche  Dubletten  von  Einzelwörtern  und  Wortverbindungen. 

>  ach  der  Bestimmung  der  Budistabenwerte  der  altsinaitisdien  Sdiriftzeidien  sollte 
es  möglich  sein,  die  damit  geschriebenen  Texte  zu  enträtseln,  wenn  sie  in  einer 
semitischen  Sprache  abgefaßt,  gut  erhalten  und  an  guten  Nachbildungen  zu 
studieren  wären.  Aber  diese  Bedingungen  treffen  nur  teilweise  zu.  Am  ehesten 
noch  die  erste;  denn  nachdem  das  Alphabet  der  Inschriften  sich  als  das  semitische 
erschlossen  hat,  kann  an  deren  semitischem  Sprachcharakter  wohl  nicht  mehr  gezweifelt  werden. 
Auch  läßt  ihr  Fundort  nicht  zu,  an  eine  andere  als  die  semitische  Sprache  zu  denken,  wenn  die 
ägyptische  als  ausgeschlossen  gelten  muß.  Übeler  steht  es  mit  der  Erfüllung  der  zweiten  Bedingung: 
der  guten  Erhaltung.  Man  kann  fast  nur  bei  Nr.  345  CSphinxX  Nr.  346  (HockerstatueO  und  in  etwa 
auch  bei  Nr.  347  den  Zustand,  in  dem  die  Schrift  auf  uns  gekommen  ist,  als  zur  Entzifferung 
genügend  bezeichnen;  die  Tafelinschriften  weisen  sämtlich  große  Schäden  auf,  teils  Brüche,  die  einige, 
wie  Nr.  350,  354,  355,  zu  Trümmern  des  ursprünglichen  Ganzen  haben  werden  lassen,  teils  Ver- 
witterungsspuren, die  am  störendsten  bei  den  sonst  am  besten  erhaltenen  Steinen  Nr.  349  und  353 
auftreten.  Bei  Nr.  351  zeigt  die  Oberfläche  außer  einer  verhältnismäßig  gut  erhaltenen  Inschrift  Reste 
einer  älteren,  anscheinend  gewaltsam  entfernten  auf.  So  kann  der  jetzige  Zustand  der  Erhaltung  bei 
den  wenigsten  unserer  Inschriften  eine  völlige  Entzifferung  versprechen. 

Erschwert  wird  eine  solche  für  den  Augenblick  noch  durch  Mangel  an  guten  Nachbildungen  der 
Inschriften.  Zwar  sorgten  Gipsabdrücke,  Papierabklatsche  und  gute  Photographien  dafür,  daß  Nr.  345 
und  346  von  mir  genügend  studiert  werden  konnten.  Wo  ich  aber,  wie  für  die  meisten  Inschrifttafeln 
und  die  kleineren  Weihdenkmäler,  auf  je  eine  Photographie,  wozu  nur  noch  die  schülerhaft  an- 
gefertigten Handkopien  ihrer  Texte  hinzutraten,  angewiesen  war,  da  konnte  öfters  das  letzte  Wort 
über  das,  was  die  Steine  jetzt  noch  sagen,  nicht  gesprochen  werden. 

Schätzt  man  die  Hindernisse,  die  der  Entzifferung  der  Texte  entgegenstehen,  noch  so  hoch  ein,  so 
dürfen  sie  uns  doch  nicht  dahin  führen,  auf  Ergebnisse  ganz  zu  verzichten.  Stehen  ihnen  doch  auch 
Umstände  gegenüber,  die  sie  begünstigen!  Dazu  rechne  ich,  daß  es  sich  anscheinend  um  Inschriften 
handelt,  die  alle  zur  gleichen  Zeit  entstanden  sind,  was  ungefähr  gleiche  Schreibweise  bedingte. 
Das  setzt  uns  in  den  Stand,  uns  verhältnismäßig  leicht  in  den  Duktus  einzulesen.  Von  noch  größerer 
Wichtigkeit  für  die  Entzifferung  scheint  es  mir  zu  sein,  daß  sie  zueinander  in  innerer  Beziehung 
stehen,  was  sich  durch  öfteres  Auftreten  gewisser  Wärter  und  Wortverbindungen  kund  giebt.  Schon 
Flinders  Petrie  hatte  auf  das  mehrmalige  Vorkommen  einer  bestimmten  Zeichengruppe  aufmerksam 
gemacht,  die  zehn  Jahre  später  Gardiner  mit  großer  Sicherheit  als  D'yV-  las.  Bei  genauer  Ver- 
gleichung  der  Insciiriften  untereinander  sieht  man  eine  größere  Zahl  von  Buchstabenverbindungen 
mehrmals  auftreten,  was  auf  Wiederholung  gleicfier  Wörter  oder  Wortgruppen  von  Inschrift  zu 
Inschrift  schließen  läßt.  Es  wird  sich  empfehlen,  eine  Zusammenstellung  dieser  Dubletten  der 
eigentlichen  Entzifferung  voraufgehen  zu  lassen  und  dabei  außer  gut  lesbaren  Zeichengruppen  auch 
schadhafte  zu  berücksichtigen,  wenn  sie  sich  durch  jene  ergänzen  und  erklären  lassen. 

Die  folgenden  zwei  Tabellen  vereinigen  Dubletten  von  Zeichengruppen,  hinter  denen  ich  folgende 
Wörter  oder  Wortverbindungen  vermute:  1.  fl^iyz  in  Verbindung  a}  mit  ^,  b}  mit  (DjPIXC,  c}  mit  PUriJ; 

2.  •'JDD;   3.  nti';C;   4.  royj   hV;   5.  h;   6.  JN;   7.  .  .  .  C  2Cü;   8.  JONDJmrB^n^n;   9.  0:2N   02T;    lO.'oj  ?1; 

11.  m,  ni,  tn;  12.  njNo  und  n'^ys  n:ND. 


38 


i.    /)!>yi  if-::V,-:/iAli.  • -/Tjyijy *f Qyj  i'y 


hi 


3f6. 


yH>,r.S. 


3.     n\^4;3 


i63.y-Z-  .:■, 


L'-O 


:3ft:-;.,.;' -5.                                  :  35«? 

J--.:' 

o-o 

U^^ 

if.  r\t.M.f!>i< 


3 ?3j:3i<.ja'i 

3t6.rS. 


Jtß,2.Z. 


••\-^  ., 


a 


□^^-s.o  gi: 


"KySd 


i^9,2.3. 


•  ..  '**•■' 


r^o.     ••;jfß 


J5+ 


P 

:.t; 


355,«.?  x-V 

i^iy.'-i 

l3Si,u. 

'--^_  ^' 

i           cYt 

)                L_ 

Ö. 

i    ii 

1            ^— ^ 

^^ /" 

:              ^-v-:!, 

III! 


2.  Gruppierung  der  Inschriften. 

Von  den  altsinaitisdien  Denkmälern  lassen  sieben,  nämlidi  Nr.  345,  346,  347,  347  a,  347  b,  347  c, 
347d,  durch  ihr  Äußeres  ihre  Bestimmung  als  Weihgeschenk  für  das  Hathorheiligtum  erkennen.  Das 
muß  auch  in  ihren  Inschriften  sich  irgendwie  ausdrücken.  Man  erwartet  darin  die  Erwähnung  der 
Gottheit  des  Tempels.  Nr.  345  und  346  entsprechen  dieser  Erwartung,  indem  sie  den  Namen 
r\7]12  enthalten.  Sucht  man  weiter  einen  Ausdruck,  der  auf  die  Weihung  der  Gabe  an  die  Gottheit 
geht,  so  bietet  Nr.  347  und  347  a  einen  solchen  mit  dem  Worte  rijn  „Darbietung"  und  Nr.  346 
(Vorderseite}  mit  der  Präposition  7  „für  (Ba'^alet}"  dar.  Wenn  Nr.  345  dem  n't'yZ/  „für  Ba'^alet" 
ein  Tin''  vorhergehen  läßt,  dann  ist  auch  hierin  von  vornherein  ein  WeihbegriiT  zu  vermuten. 
Endlich  kann,  wenn  die  Inschrift  eine  gewisse  Länge  hat,  auch  die  Nennung  dessen,  der  weiht, 
oder  für  den  geweiht  wird,  erwartet  werden. 

Andere  Erwägungen  sind  bei  den  Inschrifttafeln  am  Platze.  Nr.  353  und  355  zeigen  am  Kopfe 
der  Mittelzeile  den  Buchstaben  l  (vielleicht  mit  folgendem  n).  Die  kanaanäische  Sprachgruppe 
kennt  anlautendes  Waw  nur  noch  in  der  Partikel  wa  „und",  die  aber  hier  nicht  in  Frage  kommen 
kann,  weiter  in  einer  Interjektion  der  Klage,  in  der  das  Waw  als  onomatopoetisch  sich  leicht 
halten  konnte.  Mit  Klageinterjektionen  beginnen  oder  enden  zahlreiche  semitische  Grabinschriften, 
vergl.  palmyrenisches  tisn  (passim},  lihjanisches  72n  (Jaussen-Savignac.  Mission  archeol.  II, 
S.  412}  und  NH  (Jaussen^Savignac,  M.  A.  II,  S.  446,  unrichtig  als  „Bravo"  gedeutet}.  Das  Waw  von 
Nr.  353  und  355  scheint  auch  am  Kopfende  von  Nr.  352  a  gestanden  zu  haben.  Hierauf  hin  liegt  der 
Schluß  nahe,  daß  die  drei  genannten  Inschriften  sepulkraler  Art  seien.  Weiter  spricht  allerlei  dafür, 
daß  auch  Nr.  354  den  Grabinschriften  anzureihen  sei,  vor  allem,  da  auf  ihr  nichts  steht,  was  nicht 
auf  Nr.  353  wiederkehrt,  und  seine  Nachbarschaft  mit  Nr.  353.  Auf  Grund  nächster  Nähe  von  Nr.  352a 
könnte  auch  Nr.  352  für  sepulkral  erklärt  werden.  Sodann  sind  unweit  von  Nr.  353  und  354  die 
Bruchstücke  von  Tafel  350  gefunden.  Ihre  Inschrift  beginnt  mit  1?N  „diese"  (plural}:  worauf  könnte 
ein  solcher  Hinweis  besser  bezogen  werden  als  auf  die  versdiiedenen  Grabtafeln  der  Umgebung? 
So  muß  damit  gerechnet  werden,  daß  die  weitaus  größte  Zahl  der  Tafelinschriften  dem  Andenken 
von  Toten  gewidmet  ist. 

Von  anderer  Art  scheinen  die  beiden  weiteren  Inschriften  Nr.  349  und  351  zu  sein;  denn  auf 
ihnen  findet  sich  keines  der  Kennzeichen  der  Grabsteine  wieder,  wenn  nicht  etwa  ein  unter  Nr.  349 
stehendes  Waw  das  Waw  der  Klage  ist.  Dafür  weisen  sie,  wenn  wir  bei  Nr.  351  die  Spuren  der 
älteren,  anscheinend  gewaltsam  entfernten  Schrift  ins  Auge  fassen,  Verwandtschaft  untereinander 
auf,  die  sich  in  der  gleichen  Form  des  Steines,  der  horizontalen  Schreibrichtung  und  wohl  auch 
dem  gleichen  Anfang  des  Textes  äußert. 

Der  über  die  ältere  Inschrift  von  Nr.  351  gesetzte  spätere,  vertikal  verlaufende  Text  steht  an- 
scheinend für  sich  ebenso  allein  wie  das  Graffito  von  Wadi  Magara  (Nr.  348}.  Wir  werden  daher 
im  Folgenden  die  Inschriften  in  der  sachlichen  Reihenfolge:  „Weihinschriften",  „Grabinschriften", 
„Paralleltexte' ,  „übrige  Texte'   behandeln. 


41 


3.  Erklärung  der  Inschriften. 


a]  Weihinschriften. 


Nr.  345  C=  O  Tafel  4  und  5. 

Dieses  Weihgeschenk    in   Form    einer   Löwensphinx   mit    Frauenkopf    weist    an    fünf    Stellen 
Insdiriftlidies  auf:    a}  an  der  redeten  Sdiulter, 

b}  zwisdien  den  Vorderpranken, 

c}  an  der  Hinterseite  des  linken  Kopftudizipfels, 

d)  auf  der  Fußplatte  redits  von  der  Figur, 

e)  auf  der  Fußplatte  links  von  der  Figur. 

Davon  sind  a)  und  bi)  hieroglyphisdi,  d3  und  e)  altsinaitisdi;  c}  ist  unsidierer  Lesung.  Die  Art  des 
Einritzens  der  Zeidien  sowie  der  Grad  ihrer  Erhaltung  ist  für  das  Hieroglyphisdie  wie  Sinaitisdie 
gleidi,  so  daß  beides  wohl  derselben  Zeit  und  demselben  Urheber  zuzusdireiben  ist. 


mrjj  Hthr  (nb-t!)  mfk?-t 

„Geliebt  von  Hathor,  Cder  Herrin)  der  Türkisen". 


a3 


Dieser  Hieroglyphentext  zeigt  die  bekannte  Eigen- 
tümlidikeit,  daß  der  Gottesname  als  widitigstes  Wort 
vorangestellt  ist  und  mrjj  „geliebt '  den  Sdiluß  der 
ganzen  Phrase  bildet.  Nb-t  Cso  wohl  hier  auf  der 
Brudistelle  zu  ergänzen)  mfk?-t  „Herrin  der  Türkisen" 
ist  der  offizielle  Titel  der  Hathor  vom  Sinai;  seine  Verbindung  mit  mrjj  kommt  in  hieroglyphisdien 
Texten  des  Sinai  sehr  oft  als  Ehrenname  von  Personen  hohen  Ranges,  besonders  Mitgliedern  des 
Königshauses  vor.  So  muß  audi  hier  vermutet  werden,  daß  auf  der  Sphinx  irgendwo  ein  hiero- 
glyphisdier  Eigenname  angebradit  war.  Ein  soldier,  und  zwar  ein  Königsname,  findet  sidi  zwisdien 
den  Vorderpranken  als: 


b} 


H^ 


Die  Erhaltung  des  Namens  ist  eine  sehr  sdiledite.  Mit  den  Löwentatzen  ist 
audi  seine  untere  Hälfte  abgebrodien.  An  der  oberen  ist  nur  zu  erkennen,  daß 
es  ein  „Horusname"  ist,  da  er  in  einer  reditedcigen  Kartusdie  steht  und  wohl 
audi  von  einem  Horus-Falken  bekrönt  ist.  Die  innerhalb  der  Kartusche  stehen- 
den Zeidien  las  Flinders  Petrie  als  Snofru;  aber  nach  genauer  Untersuchung 
des  GipsabdruÄes  muß  idi  Gardiner  beistimmen,  der  den  Namen  als  ganz 
unleserlidi  bezeidinet. 

c3   Auf  dem  linken  Kopftudizipfel  steht,  nadi  dem  Gips-         r-^         Seine  Bedeutung  ist  mir  ein 

abdrud^  zu  sdiließen,  ein  einziges  Zeidien  der  Form      '^     Rätsel.  Sollte  es  vielleidit  die 

in  umgekehrter  Riditung  gesdiriebene  Hieroglyphe  knb-t  „Tempelbeamtensdiaft"  sein,  von  der  unter 

Drehung  des  Sdieitels  des  Winkels  nadi  unten  der  Budistabe  Gimel  abgeleitet  ist?  Und  bezeidinet 

sie  dann  etwa  die  Tempelbeamten  als  Stifter  des  Denkmals? 


42 


d) 


H'Ha 


Buchstaben:  Mem  (mit  drei  scharfen  Gipfeln].  -  Aleph  I  (ausnahmsweise  nach  rechts  schauend); 
He  (mit  eckiger  Beinlinie).  -  Beth  I  (könnte  vielleicht  einen  Punkt  in  der  Mitte  haben).  -  Ajin  (in 
der  selteneren  stehenden  Form).  -  Lawe  (in  der  selteneren  liegenden  Form  mit  nach  unten  ge- 
richteter Schnecke).  -  Taw  teilweise  zerstört,  wohl  Taw  II. 

Übersetzung:  „Vielgeliebt  von  Ba'^alet".  Schon  Eisler  war  mit  der  Erklärung  me5ahub(b)a'^alat 
„(herstammend)  von  Ahubba'^alat  (=  geliebt  von  B.)"  der  m.Er.  richtigen  Deutung  nahegekommen. 
Grammatisch  wäre  gegen  ein  ??  (=  ]??)  der  Herkunft  nichts  einzuwenden,  besonders  unter  Hinblick 
auf  diese  in  thamudischen  Inschriften  (vergl.  J.  J.  Hess,  Die  Entzifferung  der  thamudischen  Inschriften 
Nr.  64-107)  ähnlich  gebrauchte  Präposition;  aber  aus  sachlichen  Gründen  ist  wohl  eine  Deutung 
des  2T]HC  als  Partizip  Pual  von  2n^  „lieben"  vorzuziehen.  So  entspricht  es  dem  hieroglyphischen 
mrjj  von  a)  und  bildet  mit  seinem  ri7y(2)  zusammen  die  genaue  semitische  Übersetzung  von  mrjj 
Hathor.  Nun  kann  man  nicht  gut  annehmen,  der  kleine  Weihgegenstand  sei  eine  königliche  Stiftung 
an  den  Tempel;  dafür  scheint  er  weder  durch  seine  Größe  noch  auch  durch  seine  technische  Aus- 
führung geeignet.  Er  wird  vielmehr  für  die  königliche  Person,  deren  Kopf  die  Löwensphinx  trägt, 
von  Anderen  gestiftet  worden  sein.  Einer  solchen  indirekten  Stiftung  werden  wir  auch  bei  Nr.  346 
begegnen.  -  Wenn  im  Bibl. -Hebräischen  das  Partizip  Piel  -~NP  öfters  vorkommt,  so  wird  auch  das 
passive  Gegenstück  -~ii<?  als  gebräuchlich  zu  vermuten  sein.  -  Zur  Kurzschreibung  von  22  durch 
3  hat  schon  Eisler  den  bibl.  Königsnamen  '^5??"^'  verglichen. 

e) 


Buchstaben:  Jod  (könnte  möglicherweise  eine  am  Rand  der  Fußplatte  herunterlaufende  Stand- 
linie haben,  ähnlich  wie  Hauth,  das  hier  auffällig  gerade  steht).  -  Waw  (in  der  angegebenen  Form 
sicher  vorhanden,  ob  es  auch  bisher  übersehen  war).  -  Daleth  (mit  Zapfen  nach  unten).  "  Lawe.  - 
Beth.  -  Ajin  (stehend,  wie  bei  d).  -  Lawe.  -  Taw  IL 

Übersetzung:  „Spezialgabe  für  Ba'^alet". 

Bei  dieser  Phrase  dreht  sich  alles  um  die  Bedeutung  von  "lin\  Darf  man  es  im  Sinne  von  neu- 
hebräischem  ITi]  , .göttliche  Einheit"  nehmen  und  darin  das  Bekenntnis  einer  alle  Götter  über- 
ragenden oder  ausschließenden  Göttlichkeit  der  Ba'^alet-Hathor  erblicken?  Dann  würde  das 
kleine  Denkmal  eine  religionsgeschichtliche  Bedeutung  ähnlich  der  des  Sonnenhymnus  Echnatons 
bekommen  und  als  das  älteste  Zeugnis  des  orientalischen  Monotheismus  gelten  müssen.  Aber  ein 
solches  Bekenntnis,  das  bei  seiner  lapidarischen  Kürze  als  Weihinschrift  sehr  überraschend  wirkt, 


43 


konnte  im  Sinaitempel  nicht  gut  abgelegt  werden,  da  hier  mit  dem  Hathorkultc  der  des  Sapdu 
Hand  in  Hand  ging.  So  bevorzuge  ich  eine  andere  Übersetzung,  die  nicht  nur  am  Neuhebräischen, 
sondern  auch  an  der  Bibelsprache  eine  Stütze  hat.  In  jenem  bedeutet  das  Piel  von  "in^  auch  „aus» 
schließlich  bestimmen,  weihen  ;  und  wenn  wir  in  Psalm  86,  1 1  lesen 

so  sollte  man  nicht,  wie  bisher,  übersetzen  „Konzentriere  mein  Herz  auf  die  Furcht  vor  deinem 
Namen  1",  sondern  „Weihe  es  einzig  d.  F.  v.  d.  N.",  entsprechend  dem  neuhebräischen  Spracii- 
gebrauche..  Dann  ist  liri''  nichts  als  ein  gesteigertes  nJP  (vergl.  Nr.  347)  und  erfüllt  das,  was  man  für  den 
Sinn  einer  kurzen  Weihphrase  voraussetzt.  Zur  Abstraktform  """1  vergl.  altbibl.  (C)":?!?,  (Q'')~i:^ii'  u.a. 
Zusammengenommen  besagen  somit  die  Inschriften  auf  dem  Denkmal: 

a)  Chieroglyphisch)  „Geliebt  von  Hathor,  [Herrin]  der  Türkisen" 

b)  „  „König  C'in?}  ..." 

c)  Chieroglyphisch?)  „Tempelbeamtenschaft  (??} 
d}  Csinaitisch}  „Vielgeliebt  von  Ba'^alet" 

e}  „  „Spezialgabe  für  Ba'^alet" 

Inschrift  a)  hat  in  d)  sein  Gegenstück;  so  liegt  es  nahe,  auch  für  b}  ein  solches  in  sinaitischer 
Schrift  als  einmal  vorhanden  anzunehmen.  Ein  Beiname,  wie  es  D'^yzPNC  auf  alle  Fälle  ist,  setzt 
stets  einen  Hauptnamen  voraus.  Einen  solchen  weist  unser  Denkmal  nun  nicht  auf;  oder  sollen  wir 
sagen:  nicht  mehr?  Sollten  auf  der  linken  Schulterseite,  die  gegenüber  anderen  Teilen  des  Leibes 
auffällig  rauh,  fast  wie  beschädigt  aussieht,  noch  Schriftzeichen  gestanden  haben,  die  mit  Fleiß 
entfernt  sind?  Sollte  mit  dieser  Beschädigung  vielleicht  das  Abschlagen  des  Kopfes  vom  Leibe  und  der 
Vordertatzen  zusammenhängen?  Wenn  der  Name  zwischen  den  Vorderpranken  auch  nicht  mehr  zu 
lesen  ist,  so  verbürgt  doch  die  Kartusche,  daß  es  ein  königlicher  war,  und  der  Frauenkopf  darüber 
bestimmt  ihn  als  den  einer  Königin,  und  zwar  einer  regierenden,  da  mit  einer  Sphinx  immer 
Herrschergewalt  symbolisiert  wird.  Aus  der  älteren  ägyptischen  Geschichte  ist  uns  aber  nur  eine 
Pharaonin  bekannt,  Hatäepsut,  Tochter  des  Thutmosis  I.  und  Gemahlin  desThutmosis  III.  (1501-1480), 
die  sich  in  Wort  und  Bild  Cvergl.  das  Titelbild  mit  dem  ihre  Züge  tragenden  Sphinxkopf}  gern  als 
Mann  gab.  Danach  scheint  mir  der  Schluß  unabweislich,  daß  unser  Denkmal  auf  sie  geht,  wogegen 
auch  die  Maskulinform  mrjj  bzw.  ma^ohab  „geliebt"  nicht  spricht.  Hatäepsut  stand  zu  dem  Sinai- 
tempel  in  besonders  enger  Beziehung,  und  sie  war  es,  die  für  die  in  der  Hyksoszeit  erlittenen 
Schäden  durch  glänzende  Neubauten  Abhilfe  schaffte  und  den  Hathor-Sapdukult  auf  Sinai  neu  belebte. 
So  kann  es  nicht  befremden,  ihrem  Bilde  auf  einem  sinaitischen  Weihgeschenke  zu  begegnen,  aber 
auch  nicht,  auf  diesem  ihren  Namen  gewaltsam  getilgt  zu  sehen.  Vielmehr  würde  das  genau  zu  dem 
Verfahren  stimmen,  das  ihr  Gemahl  und  Nachfolger  Thutmosis  III.  gegenüber  allen  ihren  Bildern  und 
Namenszügen  beobachtete,  und  dessen  Nachwirkung  auf  dem  Sinai  uns  Nr.  351  mit  aller  Deutlichkeit 
vor  Augen  führen  wird. 

Nr.  346  C=  23    Tafel  6-10. 

Diese  Statuette  eines  hockenden,  in  seinen  Mantel  eng  eingehüllten  Mannes  zeigt  an  Schrift: 
a}  an  der  Vorderseite  im  Räume  zwischen  Knie  und  Fuß  eine  Horizontalreihe, 
b}    „     „  „  „         „       von  der  linken  Achsel  bis  zum  Knie  eine  Vertikalreihe, 

c)    „     „  „  .  „         „       von  der  rechten  Achsel  bis  zum  Knie  eine  Vertikalreihe, 

d}  an  der  rechten  Seite  eine  vertikal  beginnende  und  unregelmäßig  horizontal  fortgesetzte 
Inschrift. 


44 


Die  folgende  Untersuchung  ergiebt,  daß  es  sich  um  vier  inhaltlidi  abgesdilossenc  Texte  handelt, 
die  aber  zueinander  in  enger  Beziehung  stehen. 


-^Üi 


JS^"  * 


a} 


'7  n 

-     /i ';  y  n  >  ^ 

Buchstaben:  Lawe.  -  Beth  II.  ~  Ajin  (in  aufgerichteter  Stellung  ohne  Andeutung  der  Pupille).  - 
Lawe  (fast  senkrecht}.  -  Taw  I. 

Übersetzung:  „Für  Ba'^alet' . 

Damit  ist  die  Statuette  ohne  Zuhilfenahme  eines  Zeitwortes  als  Weihgeschenk  für  die  Göttin 
des  Sinaitempels  gekennzeichnet.  Keinesfalls  darf  man  in  Kratzern  über  der  Brust  Reste  einer 
Erweiterung  der  Phrase  suchen,  da  sie  schon  wegen  ihres  Abstandes  von  unserer  Zeile  nicht  zu  ihr 
gezogen  werden  dürfen.  y 

w  «  y 


ö 

1 

y 


^-€ 


Buchstaben:  Ajin  (nidit  Zajin,  denn  eine  Öffnung  der  Augenform  nach  rechts  ist  auch  an  dem 
späteren  Ajin  zu  konstatieren).  -  Lawe  (liegend,  mit  der  Schnecke  nach  oben}.  -  Samekh  (mit 
deutlicher  Rücken-  und  Bauchflosse}.  -  Gimel  (mit  auffallend  spitzem  Winkel}.  -  Aleph  II  (wie  auf 
der  Seiteninschrift}.  -  Waw  (nicht  deutlich,  anscheinend  infolge  von  Verwitterung}.  -  Mem  (dreizackig 
mit  schlangenkopfartiger  Fortsetzung}.  -  Re§  (Profillinie  verwischt,  Halsansatz  stark  hervortretend).  - 
Ajin.  -  Taw  II.  -  He  (verwittert,  aber  unter  Vergleiciiung  der  verschiedenen  Abbildungen  fest 
bestimmt;  mit  nach  links  gerichteter  Beinlinie,  wie  auf  der  Seiteninschrift}.  -  Um  nicht  mit  der 
anscheinend  zuerst  eingeritzten  Inschrift  a}  zusammenzustoßen,  wurden  die  letzten  Buchstaben  von 
b}  im  Bogen  nach  rechts  geführt  und  zur  Scheidung  beider  Texte  eine  wagerechte  Linie  -  die  also 
nicht  als  Buchstabe  zu  erklären  ist  *•  eingeschoben. 


45 


Übersetzung:  „Für  das  Wachstum  ihrer  Weide".  7]1  wie  hebr.  ^V  bei  einem  Begriffe  wie 
„Beten,  Fürbitte  einlegen"  (vergl.  Hiob  42,  8  cy'2V,  '^PSO^  „er  bete  für  euch");  doch  könnte  man 
mit  der  Bedeutung  „wegen"  auskommen  (vergl.  hebr.  P"73J  „deswegen"}.  -  NlJD  ist  altsinait. 
Schreibung  für  hebr.  f^'i^tf ,  Infinitiv  constr.  von  Njtf',  das  in  Hiob  8,  1 1  speziell  vom  Wachsen  der 
Kräuter  gebraucht  ist.  Über  D  als  sinait.  Vertreter  des  hebr.  tf  siehe  den  Abschnitt  „Lautliches". 
nnv~l0:  hebr.  (u.  südarab.)  n^VI'?  „Weide",  schon  von  Eisler  erkannt;  verbunden  mit  H,  dem  Suffix 
der  3.  pers.  fem.  sing.  Chebr.  !1^}.  Das  „ihr"  an  „Weide"  ließe  sich  zur  Not  von  Ba'^alet  als  Herrin 
des  Tempelsgebietes  verstehen;  doch  liegt  es  viel  näher,  es  auf  Weidetiere  zu  beziehen  und  anzu- 
nehmen, daß  ein  solcher  Begriff  in  der  Nähe  dieser  Inschrift  genannt  sei,  mit  welchem  Schlüsse  wir 
imstande  sind,  die  Lücke  von  Inschrift  c)  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  zu  ergänzen. 


C-) 


J 


7:1 


Buchstaben:  Ajin.  -  Lawe  (liegend,  Schnecke  nach  oben}.  -  Nahas  I.  "  Ajin  (an  der  oberen 
genügend  erhaltenen  Linie  noch  erkennbar}.  -  Lücke  von  vermutlich  drei  Zeichen.  «  Mem  (mit  drei 
Zackengipfeln}.  -  Taw  I. 

Übersetzung:  ,, Für  das  Wohlbefinden  [der  Herdentiere]  .  Zu  ^V  sieheb}.  -  Ergänzung  von  yj 
zu  OJJJ  wird  durch  das  in  d}  deutlich  überlieferte  DVi  ^V  an  die  Hand  gegeben.  Mit  CJ!J  wird  nicht 
das  Nomen  CJ^j  „Huld",  „Lieblichkeit"  der  Bibel  gemeint  sein,  sondern  ein  dem  N"i3p  von  b} 
entsprechender  Infinitivus  constr.  von  CJJ.J  in  einer  Bedeutung  wie  der  des  Imperfekts  C]}_^] 
Prov.  24, 25,  also  „Wohlbefinden  .  Die  folgenden  zwei  Buchstaben  C\ü  -  ergeben  kein  vollständiges 
Wort;  ebenso  wenig  würden  die  zwei  vor  ihnen  anzunehmenden,  jetzt  verschwundenen  Zeichen 
zu  einem  Worte  semitischer  Bildung  genügen.  So  ist  mit  einem  dreiradikaligen  Nomen,  das  die 
Endung  n  trägt,  zu  rechnen,  dessen  Bedeutung  zu  dem  ^^y^C  „ihrer  Weide"  von  b}  in  enger 
Beziehung  stehen  wird.  Vom  Hebräischen  her  bietet  sich  dafür  sehr  passend  nD~2  „Herdentiere", 
worunter  in  Anbetracht  der  Unfruchtbarkeit  des  Plateaus  von  Serabit-el-Hadem  wohl  Schafe  und 
Ziegen  zu  verstehen  sind. 


46 


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n 


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71 


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n 


c  y  :    ':'  y 


n  K' :  c 


Q  J  :;  N    !  3  1 


'  3  ?  2 


Buchstaben:  a3  Ajin.  -  Lawe  Oiegend  mit  nach  oben  gewundener  Schnecke}.  -  Nahas  I  (Hals 
nach  links  gehoben).  -  Ajin.  -  Mem  (mit  drei  Zackengipfeln,  nach  links  in  eine  Art  Kopf  verlaufend}.  - 
b}  Mem  (unregelmäßig  geschlängelt,  zwar  nicht  deutlicfi,  aber  mit  keinem  anderen  sinaitischen  Buch- 
staben außer  Mem  zu  vergleichen}.  "  Unter  Mem  zwei  auf  den  Photographien  wie  dem  Abklatsche 
nur  schwacfi  heraustretende  Zeichen:  bei  dem  mehr  rechts  stehenden  könnte  man  an  (vielleicht 
doppeltes}  Nahas  I  (Hals  nach  rechts  gehoben}  denken,  obwohl  auch  Waw  in  Frage  käme;  das  mehr 
links  stehende  erweist  sich  bei  genauer  Prüfung  als  ein  zwar  auffällig  kleines,  im  übrigen  aber  regel- 
recht gezeichnetes  Saut.  -  Noch  tiefer,  nahe  dem  Rande  He  (an  Kopf,  Rumpf  und  nach  links  gezogener 
Beinlinie  gut  zu  erkennen,  obwohl  nur  der  rechte  Arm  eben  angedeutet  ist}.  Die  vier  bis  fünf  Zeichen 
dieser  Gruppe  erwecken  durch  ihre  Kleinheit  den  Eindruck,  als  ob  sie  zuletzt  geschrieben  wären,  als 
nur  noch  wenig  freier  Raum  übrig  war.  -  c}  Re§  (Scheitellinie  punktiert}.  -  Beth  I;  Nahas  I  (Hals  nach 
rechts  gehoben,  Schwanz  mit  dem  folgenden  Zeichen  verbunden}.  -  Aleph  II  (entsprechend  dem  der 
Vorderseite}.  -  Beth  I.  "  Nahas  II  (auf  meinem  Papierabklatsch  deutlich!}.  -  Mem:  so  möchte  ich  das 
länglich  gewellte,  aber  ziemlich  zerstörte  Zeichen  erklären.  -  d}  Beth  I  (kleiner  als  die  der  Umgebung 
und  schwadi  eingeri^t}.  -  Rechts  davon,  miteinander  fast  parallel  laufend,  Nahas  I  (Hals  nach  links 
gehoben}  und  Jod  (Kopfende  gegabelt,  auf  den  Rücken  ein  steiler  Gegenstrich  aufgese^t,  kurze 
Standlinie}:  -  Zwischen  Beth  und  dem  oberen  Ende  des  Nahas  anscheinend  noch  Spuren  eines 
Buchstabens. 

Obersetzung:  „Für  das  Wohlbefinden  des  M(?}n(?}-ä-h,  Obersten  der  Steinarbeiter  auf 
?~n-j  .  -  Ein  drittes  Anliegen  an  Ba'^alet,  das  (a}  mit  der  uns  von  der  Vorderseite  bekannten  Phrase 
oyj  ?y  „Für  das  Wohlbefinden"  beginnt,  weiter  eine  Person  nennt  (b},  sie  in  ihrer  Amtseigenschaft 
kennzeidinet  (c},  endlich  lokalisiert  (d).  Diese  Reihenfolge  der  Teile  der  Inschrift  läge  uns  am 
nächsten  und  entspräche  auch  dem  semitischen  Inschriftstil;  aber  wie  die  Ägypter  gern  den  Titel 
vor  den  Namen  se^en,  und  die  Zeichen,  worin  wir  hier  einen  Namen  sehen,  kleiner  sind  als  die 
anderen  und  sich  mit  dem  engsten  Räume  begnügen  müssen,  so  könnte  Teil  b  wohl  der  le^te  des 
Sa^es  sein.  Die  Freiheit,  die  Buchstaben  in  ziemlich  unregelmäßiger  Folge  anzuordnen,  hat  der 
Schreiber  vermutlich  der  hieroglyphischen  Schreibung  von  Namen  und  Titeln  entlehnt,  wovon 
Inschrift  a}  von  Nr.  345  uns  eine  Probe  vor  Augen  geführt  hat. 


47 


a)  „Für  das  Wohlbefinden". 

b}  Gruppe  von  vier  Zeichen,  deren  Eigennamencharakter  durch  den  beigefügten  Titel  sicher 
gestellt  wird.  Die  beiden  legten  Zeichen  lese  ich  mit  Sicherheit  als  -ä-h;  den  Anfangsbuchstaben 
als  m  zu  nehmen,  liegt  jedenfalls  sehr  nahe.  Den  zweiten  sicher  zu  bestimmen,  überlasse  ich  der 
Zukunft,  wenn  das  Original  zugänglicher  ist.    Also  ntt'-O,  eventl.  riU'JD. 

c}  Der  Titel  beginnt  deutlich  mit  1^1,  was  nach  dem  Hebräischen  sowohl  p~!  („Herr")  wie  ]31 
C, Meister")  sein  könnte.  Nimmt  man  das  folgende  Wort  als  hebräisch  CJ^^?  „Steine",  so  läge  p1 
näher;  steckt  aber  die  im  Hebräischen  (vielleicht  zufällig}  nicht  vorkommende  Weiterbildung  von 
pjSt  „Stein":  12N  „Steinarbeiter"  darin,  so  empfiehlt  sich  mehr,  JS"!  zu  lesen.  Ich  ziehe  die  letztere 
Auffassung  vor,  zumal  das  Ägyptische  verschiedene  Titel  ähnlicher  Bedeutung  aufweist,  während 
„Herr  der  (EdelOSteine"  nicht  als  menschlicher  Titel,  sondern  als  Gottesbeiname  vorkommt.  Der 
Titel  entspricht  inhaltlich  unserem  „Berghauptmann  .  Er  kehrt  wieder  in  Nr.  349,  Z.  2  hinter  einem 
andersklingenden  Eigennamen  und  gefolgt  von  einem  zweiten  Titel. 

d)  Gruppe  von  drei  deutlichen  Zeichen  und  einem  zwischen  ihnen  vielleicht  noch  zu  vermutenden. 
Entsprechend  der  Erwartung,  daß  auch  noch  der  Ort  der  Tätigkeit  der  eben  erwähnten  Person  folgen 
müsse,  sehe  ich  in  3  die  hebräische  Präposition  3  „in,  auf'  .  Dann  blieben  für  den  Ortsnamen 
noch  drei  Zeichen  übrig,  von  denen  die  letzten  sicher  n  und  j  sind.  Das  Hebräische  hat  nur  äußerst 
wenige  Wörter  mit  Jod  finale;  als  einziges  ortsbezeichnendes  kenne  ich  darunter  nur  ^r?  „Sinai", 
dessen  Kurzsdireibung  ''JD  wohl  nur  zufällig  nicht  vorkommt,  jedenfalls  für  die  alte  Zeit  normal  wäre. 
Der  Ort,  wo  unser  Denkmal  gefunden  ist,  zwingt  uns  fast,  diesen  Namen  hier  anzunehmen,  wenn 
auch  sein  Samekh  sich  uns  noch  etwas  verbirgt.  Steckt  es  nicht  in  den  von  uns  oben  angemerkten 
Buchstabenspuren,  so  wäre  auch  rechts  von  der  Standlinie  des  Jod  noch  Platz  dafür.  Im  übrigen 
vergl.  die  Dublettentafel!  « 

Wir  finden  somit  auf  der  Statuette  Inschriften  folgenden  Inhalts : 
„Für  Bs'^alet!" 

„Für  das  Wohlbefinden  der  Herdentiere" 
„Für  das  Wachstum  ihrer  Weide" 

„Für  das  Wohlergehen  des  Obersten  der  Steinarbeiter  auf  [Si]nai  MC?DnC?}~S-h". 
Wer  wird  der  Stifter  dieses  Weihbildes  gewesen  sein?  Jedenfalls  nicht  der  Mann,  der  auf  seiner 
rechten  Seite  genannt  ist;  sonst  hätte  er  von  sich  in  der  ersten  Person  geredet.  Man  wird  an  einen 
Anderen  zu  denken  haben,  der  dienstlich  auf  Sinai  zu  tun  hatte,  und  zwar  wohl  als  Aufseher  von 
Herden,  und  weiter  in  einem  näheren  Verhältnis  zu  M-?-§"h,  dem  Obersten  der  Steinarbeiter,  stand. 
Trägt  nun  die  Statue  die  Züge  dieses  Stifters?  Das  widerspräche  ganz  dem,  was  wir  von  anderen 
Weihestatuen  wissen,  z.  B.  von  den  beiden  unserem  Bilde  stilistisch  so  nahestehenden  Hockerstatuen 
des  Baumeisters  Senmut  (jetzt  in  Berlin  und  Kairo},  die  ihm  ehrenhalber  von  der  Königin  Hatäepsut 
gesetzt  worden  sind.  Scheidet  hiernach  der  Stifter  als  der  im  Bilde  Dargestellte  aus,  so  bleibt  uns 
nur  die  Annahme,  daß  die  Statuette  uns  Züge  und  Gestalt  des  vom  Stifter  der  Tempelgottheit  An- 
empfohlenen bewahre,  wozu  auch  das  Kopftuch  stimmt,  dessen  Tragen  ein  Vorrecht  von  Leuten 
höheren  Ranges  gewesen  sein  dürfte.  So  darf  die  Kunstgeschichte  von  dem  Denkmal  als  der  Statue 
des  M"?-s-h  (riC"C}  reden;  ob  seiner  auch  die  Weltgeschichte  gedenken  wird,  hängt  davon  ab,  was 
bei  näheren  Erörterungen  über  Namen  und  Persönlichkeit  dieses  hier  sowie  auf  Nr.  353  und  350  vor- 
kommenden  Mannes  herauskommt. 


48 


Nr.  347  und  347a  (-  3  und  4}    Tafe!  11  und  12. 

Zwei  Weihdenkmäler,  die  voneinander  wohl  in  nichts  abweichen  als  in  dem  Grad  ihrer  Erhaltung, 
der  bei  Nr.  347  ein  mäßig  guter,  bei  Nr.  347  a  aber  ein  sehr  schlechter  ist.  So  ist  für  ihre  epigraphische 
Erforschung  hauptsächlich  der  erstere  Stein  maßgebend;  doch  leistet  zur  Sicherstellung  des  Ergebnisses 
der  andere  eine  wertvolle  Beihilfe.  Auf  beiden  fällt  eine  vertikale  Folge  von  drei  tiefer  eingeritzten 
Zeichen  zunächst  ins  Auge,  so  daß  bei  denen,  die  sich  bisher  mit  Nr.  347  beschäftigt  haben,  die  irr- 
tümliche Meinung  entstanden  ist,  als  beschränke  sich  die  Beschriftung  auf  sie.  Daß  mit  noch  mehr 
wirklichen  Buchstaben  zu  rechnen  ist,  verbürgt  zunächst  ein  auf  der  rechten  Seite  von  Nr.  347  a  in 
der  Weise  der  anderen  Buchstaben  eingeritzter  flacher  Winkel.  Dieser  wiederholt  sich  auf  Nr.  347 
ungefähr  an  derselben  Stelle,  nur  mehr  nach  unten  geneigt  und  schwächer  geritzt;  durch  einen  gegen- 
überstehenden ergänzt  er  sich  zu  einer  Raute,  und  diese  wird  durch  ein  unten  erkennbares  Dreieck 
zu  einer  schematisch  gezeichneten  Fischform,  wie  wir  sie  auf  Nr.  346  vorne  rechts  kennen  gelernt 
und  als  den  Buchstaben  Samekh  bestirnmt  haben.  Unter  diesem  Samekh  läßt  sich  besonders  auf  der 
Photographie  ein  mit  dem  Kopfe  nach  links  oben  gerichtetes  Nahas  I  genügend  deutlich  wahrnehmen, 
und  unter  diesem  läuft  fast  parallel  dazu  eine  Linie,  deren  Krümmungen  und  Spitzengabelung  dem 
Wesen  eines  Jod  ohne  Fußlinie  entsprechen.  Endlich  taucht  hinter  dem  Rücken  des  Fisches  bei 
scharfem  Sehen  etwas  auf,  was  auf  mich  den  Eindrucke  eines  Beth  I  macht,  obgleich  ein  anderes  Auge 
vielleicht  die  Stelle  für  leer  halten  mag. 

Photographie  und  Abklatsche  des  Bildwerks  führen  dazu,  auch  auf  der  linken  Seite  in  der  Höhe 
des  letztbesprochenen  Buchstabens  Geschriebenes  zu  vermuten,  obgleich  es  nicht  ausreicht,  darauf 
eine  Wortlesung  zu  gründen.  Vielleicht  führt  das  Studium  des  Originals  zu  einer  solchen  von  einiger 
Gewähr  der  Sicherheit. 


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Erklärung:  In  nJD  hatte  Cowley  den  Namen  der  aus  dem  Spätphönizischen  und  Punischen  be- 
kannten Göttin  T-n-t  CTanit?3  vermutet,  und  Eisler  hat  viele  Mühe  darauf  verwendet,  ihre  Gleich- 
heit mit  Hathor  nachzuweisen.  Ich  glaube,  diese  Erklärung  von  run  abweisen  zu  sollen,  zunächst  weil 
sie  zur  Annahme  führen  müßte,  daß  der  über  der  Inschrift  stehende  Kopf  die  Hathor  darstelle,  was 
beim  Fehlen  aller  für  diese  Göttin  charakteristischen  Kennzeichen,  Kuhohren,  Seitenflechten  und 
Diadem,  wenig  glaublich  ist.  Weiter  ist  der  Name,  mit  dem  die  Semiten  die  Göttin  des  Sinaitempels 
benannten,  wie  sich  bald  herausstellen  wird,  ein  ganz  anderer  als  Tanit.    Da  nun  einer  Weihinschrift 


49 


gut  ansteht,  daß  sie  auf  „Geben"  Bezug  nimmt,  so  erblidce  ich  in  nJD  den  als  Nomen  gebrauchten 
Infinitiv  von  iPj  ,, geben",  wie  ihn  das  Hebräische  als  Vorstufe  seines  nn  voraussetzen  läßt.  Durften 
wir  "11"''  von  Nr.  345  d  als  „Spezialgabe"  übersetzen,  so  steht  hier  nichts  der  Übersetzung  „Gabe" 
im  Wege. 

Das  Wort  „Gabe"  allein  wäre  eine  zu  dürftige  Aufschrift;  man  erwartet  daneben  noch  irgend 
einen  Hinweis  auf  Geber  oder  Empfänger.  Die  von  uns  auf  der  rechten  Seite  gelesenen  Buchstaben 
wiederholen  wohl  die  von  uns  auf  Nr.  346,  r.  S.  d},  gelesene  Phrase  ''jC-  „auf  Sinai".  Sollen  die 
Worte  „Gabe"  und  ,,auf  Sinai"  zusammenpassen,  dann  muß  noch  ein  ZwischenbegrifF  gesucht  werden, 
wofür  sich  am  besten  der  Name  eines  der  beiden  im  Sinaiheiligtum  verehrten  Gottheiten  Hathor  und 
Sapdu  eignen  würde.  Ich  halte  es  für  wahrscheinlich,  daß  auf  der  linken  Seite  etwas  wie  T  „für" 
mit  folgendem  Namen  gestanden  habe. 

Nr.  347  b,  c,  d  C=  5,  6,  7)  Tafel  13. 

Diese  drei  Weihgegenstände,  über  deren  jetzigen  Verbleib  nidits  verlautet,  so  daß  ihre  Unter» 
suchung  sich  einzig  auf  Fig.  142',  143^°  und  131  bei  Flinders  Petrie,  Researches,  stützen  kann,  sind 
vielleicht  auch  in  die  Reihe  der  altsinaitischen  Schriftdenkmäler  einzustellen. 

Von  Nr.  347  b,  einem  Hathorkopf  aus  Stein,  hat  dieses  jedoch  nur  mit  großem  Vorbehalt  zu 
gelten.  Bei  ihm  fällt  ein  in  der  Mitte  der  Stirne  eingeritztes  Zeichen  auf,  das  große  Ähnlichkeit 
mit  einem  gezacicten  Mem  hat,  an  das  sich  links  ein  aufgebogenes  Lamed  setzt.  Die  Buchstaben- 
folge Lamed-Mem  ließe  sich  deuten  als  Anfang  der  Widmungsformel  [~^f^]  l^''  „Für  Ma^na", 
d.  h.  Ma'na  Bo'^alet,  wie  nach  Nr.  353  der  semitische  Name  der  Sinai-Hathor  gelautet  hat.  Aber 
nur  wenn  die  genaue  Untersuchung  des  Steines  ergiebt,  daß  nodi  andere  Budistaben  der  Formel 
sich  darauf  finden,  wird  diese  Deutung  überzeugende  Kraft  gewinnen. 

Wenn  sich  keine  anderen  Buchstaben  nachweisen  lassen,  so  liegt  eine  ganz  andere  Erklärung 
des  Stirnzeichens  nahe.  Flinders  Petrie  hat  in  den  Ruinen  des  Hathortempels  eine  große  Zahl  von 
kleinen  Hathordarstellungen  aus  Fayence,  zumeist  in  Tablettenform,  ausgegraben,  die  sich  von  den 
aus  Ägypten  stammenden  in  bemerkenswerter  Weise  unterscheiden.  Einmal  dadurch,  daß  auf  ihnen 
der  Hathorkopf  wie  auf  einer  Tragstange  aufgesteckt  erscheint,  was  ihr  Entdecker  ansprechend 
dahin  erklärt,  es  sei  hier  das  Tempelkultbild  wiedergegeben,  wie  es  bei  Tempelfesten  dem  Volke 
gezeigt  zu  werden  pflegte.  Eine  andere  Eigentümlichkeit,  auf  die  bisher  noch  nicht  geachtet  worden 
ist,  ist  ein  der  Stirn  der  Göttin  hart  unter  dem  Scheitelansatz  aufgemalter  flacher  Bogen,  durch 
den  mehi;fach  noch  kleine  Vertikalstriche  hindurchgehen,  oder  der  von  solchen  allein  gebildet  wird, 
was  die  folgenden  drei  Zeichnungen  nach  Flinders  Petrie's  Lichtdrucictafeln  151,  153,  152  ver- 
anschaulichen können : 


isi 


6 


ISi 


1SX' 


50 


Eine  solche  Stirnzeidinung  ist  weder  etwas  Zufälliges  nodi  eine  unwichtige  dekorative  Einzelheit, 
sondern  stellt  offenbar  ein  Stirnmal  dar;  und  zwar  würde  es  kaum  bei  einer  so  großen  Zahl  von 
Weihstüdcen  auftreten,  wenn  es  nicht  auf  dem  Kultbilde  selbst  zu  sehen  gewesen  wäre.  Das 
stempelt  aber  für  uns  die  Hathor  vom  Sinai  zu  einer  ursprünglich  semitischen  Göttin;  denn  die 
Sitte,  die  Stirn  mit  einem  Male  zu  versehen,  ist  im  semitischen  Orient  tief  eingewurzelt  und  durch 
die  Bibel  CExod.  13,  16;  Deuter.  6,  8;  11,18}  auch  für  den  alten  Orient  gut  bezeugt,  während  sie  für 
das  alte  Ägypten  bisher  nicht  nachgewiesen  ist.  Hätten  nun  die  Ägypter  den  Hathor- Ma'na- Kult 
nach  dem  Sinai  gebracht,  so  würden  sie  kaum  geduldet  haben,  daß  dort  ihre  Hathor  in  semitischer 
Weise  dekoriert  worden  wäre;  übernahmen  sie  ihn  aber  bei  ihrem  Vordringen  nach  Serabit-el- 
Hadern  von  den  Sinaibewohnern,  so  gebot  ihnen  die  Klugheit,  der  Göttin  Einiges  zu  belassen,  was 
an  ihre  semitische  Herkunft:  erinnerte,  um  damit  ihrem  Tempel  Zulauf  aus  der  Halbinsel  zu  sichern. 
So  ergänzt  dieses  Stirnmal  gewisse  speziell  semitische  Züge  des  sinaitischen  Tempelkultes,  wie 
Waschungen  und  Rauchopfer,  die  Flinders  Petrie  als  Eigentümlichkeiten  vom  Sinai  hervorgehoben  hat. 

Vergleicht  man  das  Stirnzeichen  von  Nr.  347  b  mit  den  Stirnmalen  der  Fayencen,  so  zeigt  es 
ihnen  gegenüber  nur  die  Abweichung,  daß  hier  nicht  kleine  Horizontale  abwärts  gehen,  sondern 
spitzwinklige  Zacken  sich  über  der  Bogenlinie  erheben.  Ob  das  etwas  Wesentliches  ist,  läßt  sich 
erst  durch  Vergleichung  aller  Hathorfayencen  ausmachen,  was  z.  Zt.  nur  ihr  Entdecicer  könnte.  Bis 
dahin  möge  auch  die  Frage,  ob  unser  Hathorkopf  auf  der  Stirn  eine  Aufschrift  oder  ein  Mal  trägt, 
in  der  Schwebe  bleiben. 

Nr.  347  c,  ein  ungefähr  1  Fuß  hoher  konischer  Räucheraltar  aus  dem  Portikus  vor  der  Hathor- 
grotte,  jedenfalls  ein  Weihgeschenk  aus  semitischer  Hand,  läßt  auf  der  Darstellung  bei  Flinders 
Petrie  am  rechten  Rande  mehrere  erhaben  gearbeitete  Zeichen  erkennen,  die  ganz  den  Eindruck  von 
Sinaibuchstaben  machen.  Hart  am  oberen  Rande  könnte  ein  Hauth  (_na(h  links  geöffnet)  stehen, 
darunter  ein  Taw  I  und  wesentlich  tiefer  eine  Ligatur  von  Saut  und  Waw,  wie  wir  sie  besonders 
deutlich  auf  Nr.  349,  Z.  1  und  4  finden  werden.  Diese  Buchstaben  lassen  zwischen  und  unter  sich  noch 
Platz  für  weitere;  dodi  gestattet  der  Randschatten  des  Bildes  nicht  die  Konstatierung  von  solchen. 

Die  Buchstabenfolge  ilJ'nn  erinnert  an  die  Schreibung  eines  Eigennamens,  mit  dem  wir  uns  bei 
Nr.  349  näher  beschäftigen  müssen,  und  dessen  erster  Teil  itl'Stt'P'n  sicher  ägyptisches  H?tsps'wt 
(Hjatsepsut)  wiedergiebt.  Danach  müßte  unser  Räucheraltar  für  die  Pharaonin  Hjatsepsut  dem 
Sinaitempel  gestiftet  sein,  und  stellt  sich  damit  zahlreichen  anderen  Weihgaben  (besonders  Hathor- 
und  Katzenbildern)  an  die  Seite,  die  die  hieroglyphische  Kartusche  dieser  Herrscherin  zeigen  (vergl. 
Flinders  Petrie,  Researches,  Fig.  147,  148). 

Nr.  347 d,  das  obere  Stüdc  der  Statue  einer  ägyptischen  Königin,  weist  auf  der  linken  Seite  hart 
über  der  Bruchlinie  ein  Zeidien  auf,  das  sich  als  sinaitisches  Hauth  (nach  rechts-oben  geöffnet)  deuten 
ließe  und  dann  vermutlich  auf  dem  jetzt  fehlenden  Stücke  noch  andere  Buchstaben  unter  sich  hatte. 
Einen  Anhaltspunkt  dafür,  welches  Wort  mit  dem  Hauth  eingeleitet  gewesen  wäre,  bietet  uns  das 
Bild  selbst,  das,  wie  schon  P'linders  Petrie  bemerkt  hat,  die  Hand  eines  sinaitischen  Künstlers  verrät, 
dem  die  ägyptischen  Kunstregeln  nicht  unbedingt  maßgebend  waren  und  vor  allem  das  Idealisieren 
der  königlichen  Majestät  fern  lag.  So  hat  er  ein  wenig  schönes  Frauengesicht  geliefert,  bei  dem  die 
Stirn  stark  zurückweicht,  die  Nasenpartie  vorspringt,  der  Mund  einen  Stich  ins  Gewöhnliche  hat. 
Diese  Gesichtseigentümlichkeiten  finden  sich  wieder  bei  dem  Kopfe  der  früher  behandelten  Löwen- 
sphinx,  den  wir  der  Pharaonin  Hjatsepsut  zugewiesen  haben;  sodann  bei  einem  ganz  naturalistisch 
gehaltenen  Reliefbildnis  dieser  Herrscherin  aus  Deir-el-Bahri  (wiedergegeben  in  Flinders  Petrie, 
A  History  of  Egypt  II,  Fig.  40).   Da  ferner  der  Kopfschmuck  der  Statue  bei  Bildnissen  von  Frauen 


51 

4* 


königlichen  Ranges  der  18.  Dynastie  mehrfach  zu  belegen  ist  (vergl.  Flinders  Petrie,  History  II,  Fig.  13, 
auch  Fig.  25,  30,  31},  so  ist  kaum  daran  zu  zweifeln,  daß  uns  auch  hier  Hjatsepsut  im  Bilde  gegen- 
übertritt. Der  Buchstabe  Hauth  könnte  daher  recht  wohl  der  Anfang  ihres  sinaitisch  geschriebenen 
Namens  sein,  wie  ich  ihn  auf  Nr.  347  c  glaubte  annehmen  zu  dürfen  und  später  bei  Nr.  349  mit 
Sicherheit  lesen  werde. 

Ich  fasse  im  Folgenden  die  Schrift  der  drei  Weihdenkmäler  samt  ihrer  Transskription  zusammen: 


6; 


c) 


V- 


n 


lu/* 


cL) 


n 


b)  Grabinschriften. 

Nr.  353  C-  133   Tafel  14  und  15. 

Die  Inschrift,  die  verhältnismäßig  gut  er- 
halten ist,  aber  wegen  der  rauhen  Oberfläche 
des  Steines  und  Spuren  einer  später  ver- 
lassenen Abgrenzung  der  Tafel  dem  Lesen 
doch  manche  Schwierigkeiten  bietet,  verläuft 
in  drei  vertikal  gerichteten,  die  Tafel  in  ihrer 
ganzen  Höhe  nach  durchziehenden  Zeilen. 
Da  die  mittlere  höher  als  die  beiden  anderen 
beginnt,  dürfte  sie  die  erste  darstellen;  ob 
auf  sie  die  rechte  oder  linke  folgt,  kann  nur 
der  Sinn  entscheiden.  Rechts  von  der  unteren 
Hälfte  der  Mittellinie  und  links  von  der  der 
linken  Seitenlinie  sind  Strichlein,  die  keine 
Buchstaben,  ebensowenig  aber  Meißelspuren 
ohne  besondere  Bedeutung  sind;  über  die 
Möglichkeit,  sie  als  Zahlzeichen  zu  erklären, 
ist  schon  auf  Seite  33  geredet,  so  daß  sie  hier 
unbesprochen  bleiben  können. 

Buchstaben: 

Mittellinie:  Waw  (Rosette,  wohl  wegen 
des  Beginns  der  Inschrift  mit  kleinen  Strahlen 
ausgeschmückt,  wie  auf  Nr.  355;  von  der 
Handkopie  gut  bezeugt,  auf  der  Photographie 
schwer  zu  erkennen.}  -  Gimel  (Schenkel  aus 


52 


Parallellinien  gebildet,  nach  redits  geöfFnet).  -  Nahas  I  (Hals  nach  rechts  aufsteigend).  -  Waw  (wie 
alle  weiteren  Waw  der  Inscfirift  augenförmig  ohne  Strahlen).  "  Zajin  (nach  links  geöffnet,  Lesung 
nicht  unbedingt  sicher).  -  Jod  (mit  Fußlinie,  die  ungewöhnlich  weit  nach  rechts  geht;  der  Steil- 
schwanz ist  nahe  an  die  Kopfgabelung  gerüci^t,  wodurch  der  Buchstabe  auffällig  gedrungen  heraus- 
kommt). -  Waw  (wegen  des  darunter  befindlichen  alten  Risses  im  Steine  länglicher  als  gewöhnlich).  - 
Samekh  (wegen  desselben  Risses  etwas  schräg  gerichtet;  Schwanz  nicht  deutlich  zu  sehen).  Die 
folgende  weiter  nach  rechts  als  nach  links  gehende  Horizontale  nehme  ich  als  oberen  Abschluß  für 
die  von  rechts  beginnende  Zahlengruppe.  «  Pe.  «  Von  den  weiteren  Zeichen  der  Linie  bleibt  mir 
das  Meiste  unklar.  Die  lange  Horizontale  scheint  wieder  zu  der  Zahlengruppe  zu  gehören.  Darunter 
vielleicht  Nahas  I  (Hals  nach  links  hochgehoben).  Aber  was  bedeutet  das  links  daranstoßende 
Zeichen?  Weiter  nehme  ich  für  fast  sicher  Pas  und  Daleth  (schräger  Stab  mit  rechts  angese^tem 
Zapfen).  Das  Folgende  unbestimmbar. 

Linke  Seitenlinie:  Zajin  (nach  links  geöffnet).  "  He  (Beinlinie  weit  nach  rechts  gezogen). 
Hauth  (aus  den  Windungen  des  Stengels  zu  erschließen,  da  durch  den  Blütenkopf  ein  Krater  im 
Stein  geht).  -  Koph  (sicher,  obwohl  der  Stiel  ungefähr  mit  einem  horizontalen  Riß  im  Stein 
zusammenfällt).  -  Mem  (wie  alle  Mem  dieser  Inschrift  mit  Wellengipfeln;  weit  nach  rechts  gehend, 
weil  je^t  die  Zeile  immer  mehr  nach  rechts  ausbiegt,  wohl  wegen  der  linksstehenden  Zahlengruppe). 
Hart  unter  der  linken  Hälfte  des  Mem  machen  zwei  kleine  Bogen  den  Eindruck  eines  Buchstabens ; 
man  könnte  an  Nahas  II  denken.  -  Saut  (die  linke  Seitenwindung  mehr  geschlossen  als  die  rechte).  - 
He  (Mittellinie  in  der  verlassenen  Randbegrenzungslinie;  der  Arm  rechts  nähert  sich  einer  eben 
solchen,  von  der  vier  Meißelspuren  stark  hervortreten ;  Beinlinie  auffällig  langgezogen,  um  aus  dieser 
Linie  herauszukommen).  -  Waw  (oberer  Abschluß  wenig  hervortretend,  doch  wohl  sicher).  -  Eine 
dünne  Schlangenlinie  links  darunter  ist  wohl  nicht  als  Buchstabe  zu  deuten.  -  Mem  (nur  schwach 
sichtbar,  doch  kaum  anders  zu  deuten).  "  Waw.  -  Nahas  I  (nach  links  ansteigend).  -  He  (von  ge- 
drungener Form,  da  der  Raum  anfängt,  knapp  zu  werden).  -  Lawe  (Schnecke  rechts  oben).  -  Kaph 
(schräg  gestellt,  Gabel  rechts  angeseilt).  -  Mem  (ausgehend  von  der  Schnecke  des  Lawe,  schlängelt 
sich  bis  zum  linken  Tafelrande).  «  Samekh  (kenntlich  am  runden  Rücken  mit  Stacheln  [oder  Flosse]; 
Baudilinie  und  Schwanz  nicht  mehr  erkennbar). 

Rechte  Seitenlinie:  Zajin  (nach  rechts  geöffnet).  -  He  (nicht,  wie  die  Handkopie  es  nimmt, 
Taw  I  mit  überlangem  Fußbalken;  Beinlinie  weit  nach  rechts  gezogen).  -  Beth  I  mit  Samekh  und 
Pae  zusammen  ligiert.  -  Ein  von  Pas  aus  sich  herunterziehender  Schrägstrich  könnte  auf  Taw  I 
deuten.  -  Mem  (Windungen  undeutlich).  -  Samekh.  "  Kaph  (liegend,  die  Gabel  nach  unten  ge- 
richtet). ~  Mem  (auf  der  Photographie  undeutlich,  durch  die  Handkopie  wohl  gesichert).  "  Aleph  II 
(einziger  Fall,  wo  dieser  Buchstabe  nach  links  offen  ist;  wie  bei  Nr.  346,  Seite  45  von  einer  Quer- 
linie durdischnitten).  -  Nahas  IL  -  He  (die  Rechtswindung  der  Beinlinie  vorhanden,  doch  schlecht 
sichtbar).  -  Beth  I.  -  Ajin  (mit  Pupille).  -  Lawe  (wie  Zeile  rechts  unten).  -  Taw  I.  -  Links  davon, 
etwas  höher  ein  ihm  fast  gleiches  Taw  I.  -  Darunter  Mem  (nicht  scharf  hervortretend,  doch 
wohl  sicher). 

Überse^ung:  Mittellinie:  „Wehe!  Beigese^t  ist  Joseph,  (Soh-  event.  vo)n  •  p-d  .  ." 

Linke  Seitenlinie:  „Dieser  hier  ist  der  Steinschreiber  (-me^?)  des  M-?-s-h 

und  der  Zähler  der  Tempelabgaben". 
Rechte  Seitenlinie:  „Dieser  hier  ist  auf  der  Schwelle  des  Pronaos  der  Ma'na 
Ba'^alet  umgekommen". 


53 


Erläuterung.  Mittellinie:  Die  Begründung,  daß  1  hier  als  Interjektion  der  Klage  zu  nehmen 
ist,  siehe  Seite  39.  Es  dürfte,  nach  arabisch  waj  zu  schließen,  mit  auslautendem  as  zu  sprechen 
sein.  Ob  rechts  unten  vom  1  noch  ein  He  geschrieben  ist,  kann  ohne  Hinzuziehung  des  Originals 
nicht  ausgemacht  werden;  Spuren  eines  solchen  zeigt  auch  Nr.  355  links  vom  l  Das  folgende 
Wort  lese  ich  ""Ij3  (obwohl  sein  Zajin  nicht  unbedingt  sicher  ist)  und  sehe  darin  ein  Partizip  Passivi 
Kai  von  Tj3  „verbergen"  =  „heimlich  begraben".  Da  diese  und  die  folgenden  Grabinschriften 
über  einem  Bergwerksstollen  angebracht  waren,  so  ist  wohl  dieser  Stollen  als  Stätte  der  heimlichen 
Beise^ung  zu  nehmen.  Der  Bestattete  führte  den  Namen.  ^0^\  der  jedenfalls  mit  dem  des  „ägyp- 
tischen" Joseph  und  eines  Zeitgenossen  des  Moses  (Num.  13,7)  gleich  ist,  aber  wegen  seines  C  samt 
den  genannten  mit  dem  i-sa-^pa-^a-ra  der  kanaanäischen  Städteliste  des  Thutmosis  III  nichts  zu  tun 
haben  wird.  Hinter  dem  Eigennamen  des  Bestatteten  erwartet  man  entweder  seinen  Vaternamen 
oder  die  Erwähnung  seiner  Heimat,  und  dann  vor  ersterem  ein  ]-  „Sohn  des  .  .  .  ,  vor  letjterem  ein  '^ 
„stammend  von  .  .  .".  Ist  nun  das  von  mir  hypothetisch  angese^te  ]  der  Rest  von  I-,  so  könnte  im 
folgenden  .  .  .  ~E  etwa  der  Eigenname  "i~''~E  stecken;  ist  es  aber  zu  i'-  zu  ergänzen,  so  läge  die 
Lesung  cnsi  —  bibl.  C'"''^"]  (Wadi  Magara,  s.  u.")  im  Bereich  der  Möglichkeit,  ohne  jedoch  eine 
Reihe  anderer  Lesungen  auszuschließen. 

Linke  Seitenlinie:  ~'  =  hebräisdi  ~l  „dieser  da"  geht  hier  wie  zu  Anfang  der  rechten 
Seitenlinie  auf  den  vorgenannten  Joseph,  dessen  Titel  oder  Ämter  nunmehr  aufgezählt  werden. 
Es  sind  ihrer  zwei,  durch  1  „und"  aneinander  geschlossen.  Den  ersten  lese  ich  "K'jC  pn  und 
erkläre  ihn  als  „P"  des  ~p'jü".  Als  semitisches  Wort  übersehe  ich  es  im  Hinblick  auf  hebräisch 
p'^r\,  das  einzelne  seiner  Formen  mit  pp^^  austauscht,  mit  „CStein^schreiber"  oder  „Steinme^  . 
Bei  dem  folgenden  r^'jC  steht  man  vor  der  Wahl,  ob  man  es  als  Eigenname  (wie  hebräisch  "t^'C 
oder  "tj^'jp}  nehmen  soll,  oder  als  einen  Begriff,  der  Objekt  zum  ,, Schreiber  wäre  (wie  hebräisch  "#'? 
„Schuld",  Deut.  15,2).  Letzteres  aber  würde  gemäß  dem  folgenden  Titel  CDC':'  riJlC  ein  "K.'C'P  ver- 
langen! Auch  wäre  die  Vorausse^ung  eines  weltlichen  Titels  „Schreiber  der  Schulden'  vor  dem  auf 
eine  Tempelfunktion  gehenden  „Zähler  der  Tempelabgaben  keineswegs  gewöhnlich,  vielleicht  sogar 
ein  Verstoß  gegen  Brauch  und  Sitte  der  altsemitischen  Zeit.  Für  „Schreiber"  (oder  „Steinme^  '}  des 
(Mannes!)  nti'JC  spricht  außer  dem  grammatischen  Status -constructus -Verhältnis  gegenüber  der  fol- 
genden Anknüpfung  mit  t»  der  gewichtige  Umstand,  daß  ein  Name  ~'£''C  uns  schon  auf  Nr.  346 
(rechte  Seite)  entgegengetreten  ist,  und  zwar  als  der  eines  hohen  Beamten,  der  die  sinaitischen 
Minen  oder  Minenarbeiter  unter  sich  hatte.  Wenn  einem  solchen  ein  eigener  „Schreiber  oder 
„Bildhauer"  zur  Hand  gegangen  wäre,  so  könnte  das  garnicht  auffallen;  denn  wie  oft  begegnet  uns 
in  ägyptischen  Inschriften  der  „Schreiber"!  Und  Joseph  als  „Bildhauer"  zu  nehmen,  dazu  würden 
die  eigentümlichen  Bildwerke  sinaitischer  Lokalkunst  wie  die  Sphinx,  die  Hodcerstatue  und  der  Torso 
der  Statue  einer  Königin  geradezu  einladen.  «  Der  zweite  Titel  des  Joseph  ist  ganz  klar.  Das 
Hebräische  läßt  uns  HJte  als  „Zähler"  und  Ü2C  (D^C)  als  „(Heiligtums-^Abgabe"  eindeutig  ver- 
stehen und  gibt  sogar  zu  der  Verbindung  "^  "O.IC  die  genaue  Entsprechung  (C'';::ir)/  r^ilc  in  Psalm 
147,  4.  Was  in  altsemitischer  Zeit,  und  zwar  auf  der  Sinaihalbinsel,  unter  C^^;  verstanden  wurde, 
lehrt  die  Stelle  Numeri  31,  37-41,  wonach  von  der  Midianiterbeute  an  Schafen,  Rindern,  Eseln 
und  Sklaven  der  fünfhundertste  Teil  an  Jahwas  als  l;2,C  abgeliefert  wurde. 

Rechte  Seitenlinie:  Der  Anfang  ist  derselbe  wie  auf  der  linken  Seite;  es  wird  nunmehr  die 
Art  des  Todes  Josephs  angegeben.  Das  entscheidende  Wort  steht  an  letter  Stelle,  nämlich  CT, 
das  wir  nach  dem  Hebräischen  wie  auch  nach  dem  Thamudischen  als  ., umkommen  ,  genauer ,,, sterben 
auf  übele  Art"  zu  nehmen  haben,  so  daß  es  in  der  thamudischen  Inschrift  409  bei  Jaussen-Savignac 


54 


(Mission  archeol.  II,  S.  584)  als  Gegensatj  zu  CV;  „sich  wohl  befinden"  gebraucht  wird/D  Daraus  muß 
auf  einen  gewaltsamen  Tod  des  Joseph  geschlossen  werden.  Was  zwischen  Hi  und  cn  steht,  will 
nicht  einfach  den  Ort  des  Tötens  angeben,  sondern  dieses  als  einen  Frevel  am  Sinaiheiligtum  brand- 
marken. Es  geschah  -C".  rrC2  „an  der  Schwelle  des  Pronaos".  Der  ~ÜC  „Schuüjraum",  der  im 
mosaischen  Heiligtum  einen  durch  einen  Vorhang  C'"'?"!?)  vom  Adyton  getrennten  Raum  bildete, 
wird  im  sinaitischen  Hathortempel  wohl  der  von  Flinders  Petrie  in  seiner  eingehenden  Beschreibung 
der  Ruinen  als  „Court"  bezeichnete  Raum  vor  dem  „Sanctuary"  gewesen  sein.  Zu  ihm  hatten,  wie 
Nr.  349  uns  lehren  wird,  zwar  auch  Leute  nichtpriesterlichen  Ranges  noch  Zutritt;  aber  die  Tötung 
eines  Menschen  an  dieser  Stelle  mußte  als  ein  schweres  Verbrechen  gegen  die  Unverle^lichkeit  des 
Gottesfriedens  innerhalb  des  Heiligtums  gelten;  und  daß  der  -OC  ein  heiliger  Ort  war,  beweist  der 
Zusag  ri^'Z  h:nc  „(der  Pronaos)  der  Ma'na  Ba^alet".  Hier  tritt  uns  nun  der  Name  entgegen,  unter 
welchem  die  semitischen  Besucher  des  Sinaitempels  dessen  Göttin  verehrten.  TüNC  wird  der 
Hauptname  gewesen  sein.  Ich  sehe  in  ihm  eine  Bildung  von  der  Wurzel  '~n~j,  die  im  nordarabischen 
^anaCn)  und  ^anaC-un}  „Zeit"  vorliegt,  woraus  sich  das  Wesen  der  rONC  als  „Zeit ',  „Schicksal '  er- 
geben würde.  Das  mittlere  N  dieses-  Namens,  das  auch  bei  seiner  Wiederholung  in  Nr.  349,  Z.  3 
uns  entgegentritt,  scheint  früh  verklungen  oder  im  vorhergehenden  a-Vokal  untergegangen  zu  sein; 
denn  sowohl  lihjanisdies  und  thamudisches  PJC  (in  den  Eigennamen  }^'p»~i:?;,  DJC"',  PJCjp,  PjCn'y, 
n:c~~y,  p:cN;~ri  -  n:c'7P}  [Jaussen-Savignac,  Mission  archeol.  II,  Wortregister]  wie  nabatäisches 
iPljC  und  nordarabisches  manätu,  die  sidier  mit  dem  sinaitischen  Gottesnamen  inhaltsgleich  sind, 
lassen  dessen  N  vermissen.  Hinter  "JNC  ist  n-J/'D  nun  beschreibender  Zuname  =  „Herrin",  „Göttin' 
(wie  babylonisch  Istar,  phönizisdi  mnii'V,  südarabisch  Ceti'},  der  aber  ersa^weise  für  den  Haupt- 
namen gebraucht  werden  konnte  (vgl.  Nr.  345,  Fußplatteninschriften]),  vielleicht  als  Folge  der  Scheu 
vor  unnötiger  Nennung  des  Namens  eines  Gottes.  " 

Schließlich  ein  Wort  zu  den  beiden  Gruppen  von  Strichen,  die  wir  früher  auf  allgemeinere  Er- 
wägungen hin  hypothetisdi  als  Zahlzeichen  genommen  haben,  wobei  die  größere  den  Zahlenwert  35, 
die  kleinere  aber  den  von  14  darstellen  könnte.  Ist  unsere  Hypothese  richtig,  so  wird  zu  beiden 
wohl  nichts  anderes  als  „Jahre"  zu  ergänzen  sein;  die  größere  gäbe  uns  dann  die  Angabe  der 
Lebensjahre,  die  kleinere  vielleicht  die  der  Dienstjahre  des  Joseph.  Ob  irgend  etwas  wie  riJtt'  oder 
Cjü'  in  der  Nähe  der  beiden  Gruppen  steht,  könnte  nur  beim  Studium  der  Originaltafel  ausgemacht 
werden. 

Nr.  354  C- 143   Tafel  16. 

Diese  nur  fragmentarisch  erhaltene  Nachbartafel  von  Nr.  353  trägt  auf 
ihrer  linken  Hälfte  anscheinend  gar  keine  Schrift,  dagegen  etwas,  was  sich 
mit  der  zweizeiligen  Gruppe  von  Horizontalstrichlein  auf  Nr.  353  ver- 
gleichen ließe,  also  etwa  als  Zahlen  zu  nehmen  wäre.  Die  Handkopie  bietet 
nahe  dem  unteren  Rande  ein  He,  das  sich  zur  Not  auch  auf  der  Photo- 
graphie wiederfinden  läßt.  Man  hat  den  Eindruck,  als  ob  hier  eine  Be- 
schriftung des  Steines  versucht,  aber  nicht  zu  Ende  geführt  sei.  Anders 
steht  es  mit  dem  Bruchstück,  das  uns  von  der  reciiten  Seite  erhalten  ist.  Es 
zeigt  folgende  vertikale  Buchstabenreihe  von  recht  schlechter  Ausführung: 


et 

'v^^/vrv 

D 

f^ 

H 

n 

<J> 

1 
y 

n^ 

-/i 

\ 

•  n 

n'iy:iu}i<n  <-« 

r\ 

♦3  Die  Insdirift  ist  von  ihren  Herausgebern  in  beiden  Verben  mißverstanden;  da  sie  aus  Vorgingen  entstanden  ru  sein  sdieint,  die 
eine  gewisse  Ähnlidikeit  mit  der  Vorgcsdiiditc  der  Sinaitafeln  haben  könnten,  so  zitiere  idi  sie  hier  gans:  "^^'^  TrPN  l^""  H'^NPl 
K]!j  NPNT   '^"N   cm    >>0  gütiger  Gott!    Laß  Jasir  umkommen!    Aber  die  Sippe   Du-'t»  laß  wohlbehalten  bleibenl" 


55 


Buchstaben:  Über  der  inneren  Bruchlinie  vielleicht  die  linke  Hälfte  eines  Samekh,  unter  ihr 
eine  undeutliche  Budistabenspur,  in  der  der  Kopist  die  rechte  Hälfte  eines  Taw  I  erblickte.  Es  folgen: 
Mem  Cwellig}  -  Aleph  II  (zweifelhaft}  -  Nahas  II  (wohl  sidier,  obgleich  auf  der  Photographie  fast 
ohne  Schatten}  "  He  (vom  Kopisten  anscheinend  genau  gesehen,  auf  der  Photographie  nur  in  seinem 
unteren  Teile  deutlich}  «  Beth  -  Ajin  (mit  Pupille}  "  Lawe  (schräg  stehend,  nach  rechts  geöffnet} 
Taw  I.  Links  von  der  unteren  Hälfte  des  Lawe  und  der  oberen  des  Taw  ein  am  oberen,  rechten 
und  linken  Balken  ziemlich  sicher  bestimmbares  Taw  I. 

Übersetzung:  „ (der}  Ma^ na  Ba'^alet  (umgekommen?}"  Klar  ist  in  diesem  Textbruch- 
stück die  Erwähnung  der  Ba'^alet;  aber  auch  die  darüber  stehenden  Buchstaben  dürften  mit  ziem- 
licher Sicherheit  den  auf  Nr.  353,  r.  Z.  dem  Wort  n'^J/2  vorhergehenden  Gottesnamen  "INC  „Ma^na" 
(=  Hathor}  ergeben.  Die  Stellung  des  Taw  I  decit  sich  mit  der  des  Taw  I  von  Nr.  353,  r.  Z.,  so  daß 
man  vermuten  darf,  es  habe  die  Zeile  hier  wie  bei  Nr.  353  geendet  mit  dem  Verb  cn  „er  ist 
umgekommen". 

Ueber  dem  Mem  steht  in  einer  Höhe,  die  auf  Ausfall  von  zwei  Buchstaben  schließen  läßt,  der 
Buchstabenrest,  der  recht  wohl  eine  Ergänzung  zum  Samekh  zuläßt;  auch  solchem  Samekh  gegenüber 
bietet  Nr.  353,  r.  S.  denselben  Buchstaben.  So  sind  verschiedene  Anzeichen  dafür  vorhanden,  daß 
die  ganze  rechte  Vertikalzeile  von  Nr.  354  derjenigen  von  Nr.  353  einmal  entsprochen  habe.  Dieses 
zusammen  mit  der  Tatsache,  daß  die  linke  Hälfte  der  Tafel  so  gut  wie  garnicht  mit  Buchstaben  be- 
schrieben ist,  aber  zu  dem  vielleicht  als  Zahlzeichen  zu  deutenden  Komplex  von  Strichlein  etwas 
sehr  Ahnliches  stellt,  schließe  ich:  Die  Tafel  Nr.  354  war  ursprünglich  dazu  bestimmt,  Grabtafel 
des  Joseph  zu  werden;  als  eine  Zeile  der  dafür  geplanten  Inschrift  hineingeriet  war,  stellte  sie 
sich  als  ungeeignet  dar,  vielleicht  wegen  zu  kleiner  Umgrenzung  oder  wegen  schlechter  Beschaffen- 
heit des  Gesteines.  Möglicherweise  führte  auch  die  häßliche  Ausführung  der  einen  Zeile  zum  Ent- 
schluß, nebenan  eine  größere  Tafel  auszuhauen  und  sie  in  gefälligerer  Weise  zu  beschreiben. 


Nr.  355  (=15}    Tafel  17. 


Dieses  Bruchstück  einer  besonders  kleinen 
Tafel  -  wie  eine  Photographie  beweist,  auf  der 
neben  ihm  das  untere  rechte  Stück  von  Nr.  354 
sich  doppelt  so  groß  ausnimmt  -  läßt  von  seiner 
Inschrift  nur  sehr  wenige  Buchstaben  deutlich  er- 
kennen, was  aber  zur  Bestimmung  ihres  Wesens 
als  Grabinschrift  genügt.      Ich  lese  Folgendes : 


jn 


Buchstaben  :  Waw  (Rosette,  mit  anscheinend  viermal  zwei  Strahlen  verziert,  wohl  wegen  ihrer 
Stellung  am  Kopfende  der  Inschrift}.  -  Gimel  (nach  links  geöffnet,  Schenkel  aus  Parallellinien  ge- 
bildet} -  Nahas  I  (nach  rechts  aufsteigend;  der  Schwanz  geht  in  eine  Bruchlinie  des  Steines  über, 
die  den  Kopisten  das  Vorhandensein  des  Buchstabens  übersehen  ließ.  -  Zajin  (nach  links  offen;  die 
Spi^e  durchschneidet  noch  etwas  die  Bruchlinie}.  -  Samekh?  (nur  hier  senkrecht  stehend,  mit  Schwanz 
nach  unten,  was  an  und  für  sich  nicht  auffälliger  wäre  als  die  Aufrechtstellung  des  Ajin  auf  Nr.  345 
und  346}.  ~  Beth  I.  -  Nahas  I  (breit  gelagert,  Kopf  nach  rechts  hochgerichtet}.  -  Der  Kopist  hat  aus 
dem  Kopfe  des  legten  Nahas  I,  einer  darüber  stehenden  gesdilängelten  Linie  und  einem  Krater  im 


56 


Steine  die  Hieroglyphe  |  (h)  gemacfit  und  etwas  ihr  sehr  Ahnliches  audi  aus  Samekh  und  der 
Spi^e  des  Zajin.  Aber  wenn  diese  Hieroglyphe  auf  das  sinaitisdie  Alphabet  eingewirkt  hätte,  so 
müßte  sie  es  in  ihrer  hieratischen  Umbildung  getan  haben;  diese  liegt  jedocfi  von  den  beiden 
Zeichnungen  des  Kopisten  (wozu  auch  noch  eine  weitere  auf  Nr.  353,  Mittellinie,  zu  rechnen  ist) 
weitab.  Die  geschlängelte  Linie,  die  nach  oben  in  eine  an  Waw  anstoßende  Gerade  (die  ich  nicht 
als  Strahl  nehme)  ausläuft,  könnte  zur  Annahme  führen,  daß  noch  ein  He  neben  Waw  zu  lesen  sei ; 
Sicherheit  hierüber  kann  jedoch  nur  das  Studium  des  Originals  bringen. 

überseQung:  Mittelzeile:  „Wehe!  Bestattet  ist  S " 

Linke  Seitenlinie:   „Sohn  des " 

Erläuterung:  Wenn  unsere  Lesung  und  Auffassung  der  ersten  Zeichen  der  Mittellinie  von 
Nr.  353  stimmt,  so  ist  unserer  Überse^ung  nichts  weiter  hinzuzufügen,  als  daß  der  hier  Bestattete 
einen  Namen  trug,  dessen  erster  (oder  vielleicht  zweiter)  Buchstabe  Samekh  war,  und  der  auf  der 
Inschrift  bis  an  den  unteren  Rand  hinabging,  worauf  in  der  linken  Seitenlinie  seine  Familien- 
zugehörigkeit zu  einem,  dessen  Name  bis  auf  einen  kleinen  Buchstabenrest  verloren  gegangen  ist, 
erwähnt  worden  war.  Nach  Nr.  353  kann  man  vermuten,  daß  die  verloren  gegangene  rechte  Zeile 
eine  Angabe  über  den  Tod  des  S  .   .   .   .  enthielt. 

Nr.  352  a  C  =  12)    Tafel  18. 

Die  Photographie,  die  uns  Tafel  Nr.  352  vermittelt,  läßt  links  von  dieser  noch  die  obere  Hälfte 
einer  anderen  Tafel  erkennen,  die  sich  ihrer  Größe  nach  zu  Nr.  352  ungefähr  so  verhält,  wie  Nr.  355 
zu  Nr.  354.  Die  Schriftzeichen  sind  auf  ihr  unter  denselben  Einflüssen  verwittert  wie  diejenigen  der 
linken  oberen  Hälfte  von  Nr.  352;  doch  sieht  man  -  besonders  wenn  man  einen  Seitenblick  nach 
Tafel  355  wirft  -  an  der  linken  oberen  Seite  noch  ziemlich  deutlich  die  Konturen  eines  Beth  I  und 
eines  Nahas  L  Rechts  davon  könnte  ein  Waw  gestanden  haben;  oder  man  hat  es  mit  einem  von  rechts 
herkommenden  geschlängelten  Mem  zu  tun,  dessen  letter  Bogen  besonders  bauchig  ausgefallen  ist. 

Das  Wort  J2  „Sohn",  das  hier  an  derselben  Stelle  auf- 
tritt, wie   auf   der  Grabtafel  355,   und  die  Möglichkeit  der 
-  Lesung  eines   i  „wehe",   wie   es   auf   Nr.  355   und   353   die 

\  Nennung  eines  Verstorbenen  einführt,  machen  es  wahrschein- 
lich, daß  auch  diese  Tafel  unter  die  Grabtafeln  zu  rechnen 
ist,  und  zwar  als  eine  solche,  die  einer  Person  gewidmet  ist, 
welche  zu  dem  neben  ihr  genannten  nctt'rüC  (von  Nr.  352) 
irgend  eine  Beziehung  gehabt  hat. 

Nr.  352C=  11)   Tafel  18. 

Ich  behandele  die  Beschriftung  dieser  Tafel  unter  dem  Gesichtspunkt,  daß  eine  Doppelinschrift 
vorliege  entsprechend  einer  alten  Teilung  des  Steines,  die  in  die  Tafel  übergegangen  sei.  Vielleicht 
war  auch  der  Riß,  der  schräg  durch  die  Tafel  geht  und  bewirkt  hat,  daß  von  der  unteren  Hälfte  ein 
keilförmiges  Stück  ausgebrochen  ist,  schon  zur  Zeit  des  Schreibers  vorhanden.  Dieser  sah  sich  da- 
durch veranlaßt,  zuerst  die  obere  Hälfte  ganz  zu  beschreiben  (einschließlich  des  jetzt  verwitterten 
linken  Drittels),  wobei  er  die  Buchstaben  von  oben  nach  unten,  die  Zeilen  von  rechts  nach  links 
sich  folgen  ließ.    Diesem  in  sich  abgeschlossenen  Teil  der  Inschrift  ließ  er  auf  der  unteren  Hälfte 


57 


einen  ebenso  für  sich  stehenden  folgen,  der  in  drei  Vertikal-Zeilen  verlief,  die  von  rechts  nach  links 
angeordnet  waren  und  eine  Ergänzung  in  drei  (oder  vier}  ohne  feste  Richtung  darunter  gesetzten 
Zeichen  erhielt.  Möglicherweise  fehlt  von  der  dritten  Zeile  jetzt  der  Anfang  mit  etwa  drei  Buch- 
staben, die  ehemals  über  der  Bruchlinie  standen.  Ich  überlasse  es  der  späteren  Untersuchung  des 
Originals,  festzustellen,  ob  Linienspuren  in  der  rechten  unteren  K(ke  von  Buchstaben  herrühren, 
die  zu  der  Inschrift  gehören,  mödite  es  aber  als  wahrsdieinliA  bezeidinen.  Im  Folgenden  bezeichne 
ich  die  obere  Hälfte  mit  A,  die  untere  mit  B. 


A^  /— :,/^v/Vr^  ..--ov 


^.Y^/ 


^ 


Buchstaben:  Alephl.-  Nahas  I  (der  nach  links  aufgerichtete  Kopf  allein  ist  erhalten,  das  Andere 
mit  einem  größeren  Stüdc  der  Oberfläche  des  Steines  herausgesprengt;  immerhin  ziemlich  sicher).  - 
Samekh  I  (auf fälligerweise  mit  nach  rechts  gerichtetem  Schwanz,  was  wahrscheinlich  darauf 
zurüdczuführen  ist,  daß  der  Steinmetz  einen  bereits  im  Gestein  vorhandenen  schrägen  Riß  für  die 
Umrisse  des  Fisches  mitbenutzte,  wodurch  die  scharfen  Winkel  seines  hinteren  Teiles  entstanden; 
am  Fischmaule  ein  emporstehender,  rundlidi  auslaufender  Fühler,  der  im  Samekh  von  B  wiederkehrt}.  - 
Nahas  II  -  He  (mit  erst  gerade  heruntergehender,  dann  leicht  nach  oben  gekrümmter  Beinlinie}.  - 
Saut  ~  Mem  (mit  Zadcengipfeln).  -  He  (kenntlich  an  der  wie  beim  vorhergehenden  He  behandelten 
Beinlinie;  unter  dem  rechten  Arme  anscheinend  ein  dreieckiger  Schaden  im  Stein).  -  Beth  (mit 
Punkt  in  der  Mitte).  -  Weitere  Buchstaben  nur  schwach  zu  erkennen  oder  zu  erraten;  so  tiefer 
unter  Beth  vielleicht  Jod  und  rechts  davon  Taw;  oben  neben  Mem:  Saut.  -  Die  Handkopie 
bietet  zwar  nicht  unser  Samekh,  wohl  aber  links  unten  davon  ein  solches  in  kleinerer  Form,  dem  der 
gekrümmte  Fühler  aus  dem  Rüd^en  wächst;  so  ist  auf  alle  Fälle  ein  Samekh  vorhanden! 

Übersetzung:  „Ich  bin  S-n-h-s-m-h,  Sohn  des  -jC^D-tC?)-?  ..." 

Erläuterung:  •  JN  d.i.  hebräisch  ''jN,  nicht  aram.  WN  oder  arab.  ~3N  (das  im  Sinaischen  mit  H 
finale  geschrieben  worden  wäre)  „Ich  (bin)":  Der  gewöhnliche  Anfang  semitischer  Inschriften,  mag 
aus  ihnen  ein  Lebender  sprechen  oder  ein  Toter;  vgl.  dazu  Nr.  349,  Z.  1.  Es  folgt  der  sehr  auffallende 
Name  des  Sprechers:  PiCüTIjD,  worin  njc  „Dornstrauch"  und  ~b!^  „sein  Name"  =  seine  Manifestation 
sted^en.  Eigennamen  mit  dem  Komponenten  CK'  =  „Cgöttlicher)  Name"  kennen  wir  aus  dem  älteren 
Hebräisch  und  Südarabisch  (von  wo  sie  mit  der  I.  babylonischen  Stadtdynastie  nach  Babylonien  ge» 
kommen  sind),  vergl.  bibl.  '"•<^f:K',  VT:?',  I^^"'-;!^',  südarab.  ^imctf,  pE:xr,cti',  nc^NHCl^',  babyl.  Sumu- 
la-ilu,  Sumu-abu;  sie  sind  in  allen  Fällen  theophorer  Art.  So  muß  ri?:it'  (zu  dessen  Suffixschreibung 
altbiblische  Schreibungen,  wie  ri"i''3^,  rimc  Genes.  49,  1 1  zu  vergleichen  sind)  hier  bedeuten  „sein 
C=  eines  Gottes)  Name"  oder  „Manifestation".  Der  hier  gemeinte  Gott  manifestiert  sich  nun  im  m^P, 
d.  i.  „Dornstrauch".  Damit  stehen  wir  auf  dem  religiösen  Boden  von  Exodus  cap.  3,  wo  der  „Engel" 
Jahwes  dem  Moses  in  einer  Waberlohe,  die  aus  dem  Sanae-Strauche  kommt,  erscheint  und  Gott  aus 
diesem  Strauche  zu  ihm  spricht  (v.  2,  4);  müssen  aber  auch  Ägypten  im  Auge  behalten,  wo  derselbe 


58 


Strauch  unter  dem  Namen  Nbs  *')  aem  Gott  Sapdu  vom  Nomos  Arabia  und  jedenfalls  auch  vom 
Tempel  auf  Serabit-el-Hadem  Attribut  und  Wohnstätte  war.  Wie  weit  sich  die  beiden  Gottheiten, 
deren  Attribut  der  heilige  Dornstrauch  war,  in  ihrem  Wesen  glichen,  wird  später  zu  untersuchen  sein. 
Hier  kann  es  genügen,  den  Mann,  der  den  Namen  „Der  Dornstrauch  ist  seine  Manifestation"  trug 
und  unweit  des  Sapdu-Heiligtums  seine  Grabtafel  bekommen  hat,  als  einen  besonderen  Verehrer  des 
Sapdu  zu  bezeichnen;  nach  seinem  Namen  werden  wir  dem  Sapdu  vom  Sinai  das  Baum-Attribut  des 
Sapdu  von  Pi-Sapdu  im  Lande  Goschen  zuschreiben  dürfen,  auch  wenn  es  bisher  in  Schrift  und  Bild  auf 
dem  Sinai  noch  nicht  gefunden  ist.  Hinter  dem  Namen  nctI'n:D  zeigt  ein  Beth  (als  Rest  von  ]-  „Sohn"), 
daß  weiter  der  Vatersname  genannt  war.  Davon  ist  nur  ein  Saut  deutlich,  ein  Jod  C?}  und  ein  Taw  spuren- 
weise erhalten.   Ob  es  einen  Eigennamen  gibt,  in  den  •BTi^-  ungezwungen  hineinpassen,  wird  bei 


Nr.  349  uns  zu  beschäftigen  haben. 


B3 


TT 


-T 

n 


w 


V 


li 


Buchstaben:  Gimel  (nach  rechts  offen).  -  Nahas  I  CKopf  nach  links  aufgerichtet).  -  Jod  (sehr 
gedrungen,  so  daß  die  Rückenlinie  zu  der  gewellten  Standlinie  steil  abfällt).  -  Ajin  (ohne  Pupille) 
mit  Lawe  ligiert,  wobei  dieses  ausnahmsweise  die  Schnecke  nach  unten  kehrt.  -  Gimel  (wie  in  Z.  1).  - 
Saut  -  LaweOiegend,  Schnecke  links).  -  Tawl.  -  Beth  I.  -  Samekh  (unter Z.  1  und  2  breit  gelagert,  als 
Fisch  sehr  groß  und  naturalistisch  ausgeführt).  -  Nahas  1  (Kopf  nach  links  aufgerichtet,  Hinterleib 
fast  horizontal).  -  Unter  Nahas  ein  Buchstabe,  dessen  linke  Hälfte  wohl  mit  einem  abgesprengten 
Stück  der  Tafeloberfläche  verloren  gegangen  ist;  aus  der  horizontalen  Standlinie  mit  vielleicht  einem 
Stück  Rückenlinie  ist  auf  Jod  zu  schließen.  -  Beth  I.  -  Ajin  Cmit  großer  Pupille).  -  Daleth  (horizontal 
liegend,  mit  rechteckigem,  nach  oben  gekehrtem  Zapfen,  was  auch  die  Handkopie  bietet:  also  nicht 
Lawe,  wie  bisher  angenommen  wurde).  -  Taw  I.  -  Links  davon:  He  (mit  Beinlinie  nach  rechts).  - 
Auf  der  anderen  Seite  des  Taw:  Nahas  I  (Leib  mit  Kopf  steil  nach  links  aufgerichtet).  -  Hauth  (mit 
kleinem  Blütenkopf  an  langem  gewellten  Stengel,  entsprechend  dem  Nahas  nach  links  gerichtet).  - 
Von  der  Beinlinie  des  He  zieht  sich  bis  zum  unteren  Teil  des  Hauth  eine  in  der  Mitte  bauchig  nach 
unten  gehende  Linie;  sollte  sie  Buchstabencharakter  haben,  so  wäre  am  ehesten  an  Mem  zu  denken. 

Man  könnte  vermuten,  daß  Zeile  3  ursprünglich  noch  über  den  schrägen  Bruch  im  Steine  hinaus 
gereicht  habe;  aber  da  die  Übersetzung  die  Unversehrtheit  der  gegen  Zeile  1  ebenfalls  kürzeren 
Zeile  2  dartut,  so  mag  der  Schreiber  die  dritte  Zeile  wohl  auch  nur  bis  an  den  Bruch  hinaufgeführt 
haben,  und  wird  die  Übersetzung  dem  Rechnung  tragen. 

+)  Es  ist  von  Dr.  L.  Keimer  unter  Mitarbeit  von  Prof.  Sdiweinfurt  mit  Sicherheit  festgestellt,  daß  es  sich  bei  Nbs  Cund  dann  wohl  auch 
bei  Sanae)  nur  um  Zizyphus  spina  Christi  handeln  kann. 


59 


Übersetzung:  „Mein  Grab  ist  auf  der  Spitze  in  Sinai,  innerhalb  der  Gemeinde  der  RuheC-nden?}." 

Erläuterung:  Sanesamo  redet  weiter:  „Mein  ''J3  ist  auf  r'^ii'J  in  )jD".  Das  "IJ^  „beigesetzt"  vom 
Kopfende  der  Tafeln  Nr.  352  und  353  reizt  dazu,  eine  Bildung  der  gleichen  Wurzel  zu  Beginn  unseres 
Inschriftenstücks  zu  vermuten.  Sollte  rechts  vom  Jod  ein  Zajin  anzunehmen  sein,  so  daß  die  Form  ''üJ 
,, meine  Beisetzung  '  lautete?  Ich  vermeide  diese  etwas  gewaltsame  Lösung  der  Schwierigkeit,  da 
sich  von  Seiten  des  arabischen  Lexikons  ein  Nomen  gananu  „Grab"  Czum  Verbum  aganna  „begraben  ' 
bzw.  zu  ganna  ,, zudecken"}  darbietet,  und  dieses  ebensogut  die  Stelle  erklärt  wie  ein  U3.  Statt 
,,mein  Grab  könnte  auch  ,,mein  Begrabensein'  gemeint  sein.  Die  Bedeutung  von  P'ti'j  ergiebt  sich 
aus  seiner  Vergleichung  mit  babylonisch  gisallu  ,, Spitze  (des  Berges}'  ,  zumal  da  ein  geographischer 
Name  folgt ;  zur  Verwendung  der  Status-constructus-Form  vor  der  Präposition  ^  liefert  das  Bibel- 
Hebräische  zahlreiche  Beispiele,  wie  2.  Samuel  1,21  V.-^i^  ^~).\}  „Ihr  Berge  in  GilboaJ".  In  einer 
solchen  Konstruktion  hat  der  erste  Begriff  stets  als  determiniert  zu  gelten,  so  daß  hier  zu  übersetzen 
ist:  „auf  der  Spitze  in  Sinai";  also  kannte  der  Schreiber  nur  eine  Bergspitze  im  Sinaigebiete,  was  für 
die  später  zu  behandelnde  Frage  nach  dem  Begriff  Sinai  von  Bedeutung  ist.  Die  Ergänzung  von  pC2 
zu  "'jDZ;  kann  unbedenklich  vorgenommen  werden,  da  ein  Ortsbegriff  verlangt  wird  und  der  Ausdruck 
„auf  Sinai  zu  den  häufigsten  unserer  Inschriften  zählt.  Aus  der  das  Maß  der  übrigen  Buchstaben 
weit  überschreitenden  Größe  des  Samekh  könnte  geschlossen  werden,  daß  der  Begriff  Sinai  besonders 
hervorgehoben  werden  soll;  mir  liegt  es  jedoch  näher,  darin  ein  Anzeichen  der  formalen  Unaus- 
geglichenheit  des  Sinaialphabetes,  also  auch  seiner  Jugend  zu  sehen. 

Das  Begraben  auf  Bergeshöhe  wird  kaum  einen  anderen  Zweck  gehabt  haben,  als  einem  Toten 
eine  sichere,  gegen  Entweihung  und  Zerstörung  geschützte  Ruhestätte  zu  schaffen.  Wenn  hier 
nur  Einem  unter  Mehreren  eine  solche  zuteil  geworden  ist,  so  wird  dieser  sich  von  den  Anderen 
durch  irgend  einen  Vorzug  unterschieden  haben.  War  Sanesamo  etwa  von  vornehmerer  Herkunft  als 
Joseph  und  die  Anderen?  Oder  stand  er  dem,  der  die  sinaitischen  Totentafeln  gesetzt  hat  (vergl. 
weiter  Nr.  350}  besonders  nahe,  vielleicht  weil  er  sein  Sohn  war? 

Man  mag  die  Bestattung  in  einem  Berggrabe  ägyptisch  nennen,  da  z.  B.  die  Pharaonen  der 
XVII.-XXI.  Dynastie  alle  fern  von  den  Städten  Ägyptens  in  der  Bergeinsamkeit  von  Biban-el-Muluk 
beigesetzt  worden  sind;  jedenfalls  entsprach  sie  auch  althebräischer  Sitte.  Die  Bibel  läßt  Aaron  auf 
dem  Berge  Hör  sterben  und  begraben  werden  CNum.  20,  25-28},  und  verlegt  auch  das  Sterben  des 
Moses  auf  einen  Berg  (Deut.  32,  48  ff.}.  Wenn  eine  Schlußbemerkung  des  Buches  Deuteronomium 
von  seinem  Tode  im  Lande  Moab  und  seinem  Grab  „in  dem  Tale  im  Lande  Moab  gegenüber  Beth 
Pe'^or"  redet,  so  wird  der  Wert  dieser  Angabe  sehr  durch  den  Zusatz  beeinträchtigt,  daß  niemand 
bis  auf  den  heutigen  Tag  sein  Grab  kenne.  In  dem  Bericht  vom  Tode  Aarons  wie  Moses'  wird  außer 
von  seinem  Sterben  auch  von  seinem  Versammeltwerden  zu  den  C^t^V.  geredet;  mag  das  nun  „Vor- 
fahren' bedeuten  -  wie  es  üblicherweise  übersetzt  wird  «  oder  auf  eine  andere  uns  unbekannte 
Totengemeinschaft  gehen,  so  setzt  der  Ausdruck  doch  die  Idee  eines  gewissen  Fortlebens  nach  dem 
Tode  voraus.  Damit  nahe  verwandt  ist  nun  die  Phrase,  womit  auf  unserer  Inschrift  Sanesamo  die 
Rede  von  seinem  Begrabensein  schließt:  nj"  myi  (nin  n~y?}  „in  der  Gemeinde  der  Ruhe"  oder, 
wenn  wir  uns  entscheiden,  die  unterste  Linie  auf  dem  Steine  als  Mem  zu  lesen,  cn:n  rnj/2 
(]cn3~l  niy?}  „in  der  Gemeinde  der  Ruhenden".  Die  Gestorbenen  bilden  hiernach  eine  „Gemeinde" 
Ci^iy}.  deren  Mitglieder  ruhend  weiterleben,  ganz  so,  wie  die  Bibel  CProverb.  21,  16}  von  dem 
„Ruhen"  (m:}  in  der  Gemeinde  der  Todesschatten  C^''>'?1  ''"R?)  redet.  Was  wir  als  cn:n  lesen,  wird 
kaum  etwas  Anderes  sein,  als  das  biblische  Caj;  oder  C\S?~i.  Das  aber  läßt  die  ägyptische  Anschauung 
vom  Totenzustand,  wonach  das  Weiterleben  auch  ein  Weiterarbeiten  und  Weitergenießen  ist,  hier 


60 


fernab  liegen,  und  hiermit  erweisen  sich  die  sinaitischen  Insdiriften  trotz  ihrer  äußeren  Zusammen- 
gehörigkeit  mit  Ägyptens  Sdirift  und  Kultur  doch  als  Erzeugnisse  des  semitischen  Geistes,  wie  er 
uns  besonders  aus  der  israelitischen  P'rühzeit  anweht,  und  wir  erhalten  dadurch  ein  Redit,  ebenso- 
wohl, wo  es  nötig  scheint,  das  Sinaitische  mit  dem  Israelitischen,  wie  dieses  mit  jenem  zu  erklären. 

Wem  die  Konstruktion  , .begraben  sein  auf  dem  Gipfel  in  Sinai  in  der  Gemeinde  der  RuheC^nden)" 
etwas  zu  sehr  mit  präpositionalen  Ausdrüdcen  belastet  vorkommt,  der  mag  annehmen,  über  ri~]12 
seien  infolge  des  Ausfalles  eines  keilförmigen  Stückes  der  Tafel  einige  Buchstaben  verloren  gegangen, 
die  ein  Wort  entsprediend  dem  ägyptischen  k^  „Totengeist"  gebildet  hätten.  Mir  scheint  eine  solche 
Annahme  unwahrscheinlich  und  unnötig.  - 

Die  uns  befremdende  Weise,  daß  ein  Gestorbener  auf  seiner  Grabinschrift  in  der  ersten  Person 
redet,  war  in  der  semitischen  Welt  ganz  gebräuchlich.  Es  braucht  dafür  nur  an  den  Anfang  der 
Inschrift  vom  Sarge  des  Eschmunazar  erinnert  zu  werden:  „Es  spricht  E.,  König  der  Sidonier:  Ich 
wurde  dahingerafft  zur  Unzeit  .  .  .  und  ruhe  in  diesem  Sarkophage". 


Nr.  350  C=9}    Tafel  17. 

Tafelreste  mit  zwei  Vertikalzeilen,  neben  denen  links  Zeilenriditlinien  gezogen  sind.  Nicht  als 
Richtlinie,  sondern  als  alte  Randlinie,  die  der  Steinmetz  zu  Gunsten  einer  mehr  rechts  liegenden 
aufgegeben  hat,  hat  eine  die  Zeichen  der  ersten  Zeile  mehrfach  durchschneidende,  oben  nach  links 
ausbiegende  Linie  zu  gelten.  Die  Tafel  trug  ursprünglich  fünf  bis  sechs  Zeilen  Schrift,  wie  es  die 
Situationsphotographie,  auf  der  der  ganze  untere  Rand  sichtbar  ist,  deutlich  macht.  Von  den  Buch- 
staben der  Zeilen  3-6  ist  nur  ein  Beth,  das  wohl  dem  Schluß  der  letzten  Zeile  angehört,  erhalten. 
Der  folgende  Versuch,  die  Inschriftreste  zu  lesen,  berücksichtigt  nicht  die  in  einem  ganz  unleserlichen 
Zustande  befindlichen  Buchstaben  des  letzten  Drittels  von  Zeile  2. 

Buchstaben:    Aleph  I.  -  Lawe 
Cauffällig  lang  heruntergezogen,  oben 
mit  kleiner  hakenförmiger  Schnecke}. 
-  Zajin  (nach  links  geöffneter  Winkel, 
dessen   Spitze  das   Ende   des    Lawe 
streift;  doch  könnte  eben  so  gut  ein 
kürzerer,  links  von  der  alten  Randlinie 
beginnender  als  Zajin   angesprochen 
werden}.  -  Mem  (jmit  sehr  unregel- 
mäßigen   Zackengipfeln;    doch    wohl 
sicher}.  -  Nahas  I    Cmit  nach  rechts 
aufgebogenem  Halse  und  auffällig  stark  herabge- 
krümmtem Schwänze:  deshalb  nicht  ganz  sicher}.  - 
Saut  (auch  vom  Kopisten  deutlich  gelesen}.  -  He 
(trotz  Verlustes  der  Beinlinie  mit  Hilfe  der  Arme 
und  des  Kopfes  sicher  herzustellen}.  -  Lücke  (viel- 
leicht   etwas    größer    anzusetzen,    als    die    jetzige 
Anordnung    der    Tafelstücke    sie    scheinen    läßt} 
mit  Raum  für  ungefähr  zwei  Buchstaben.  -  Beth  1 


2ü:  n 


n2 


.V  'TIN  ni 


61 


(nur  mit  der  unteren  Hälfte  erhalten,  dodi  wohl  sicher}.  -  Taw  I.  -  Kleine  Lücke  mit  Platz  für  ungefähr 
einen  Buchstaben.  »  He  Cnur  die  auffällig  aufgebogene  Beinlinie  erhalten,  die  geradeso  bei  dem  He 
von  Zeile  2  wiederkehrt}.  -  Rechts  davon  eine  kleine  geschlängelte  Linie,  die  besonders  auf  der  Hand- 
kopie den  Eindruck  des  Halses  eines  Nahas  I  macht.  -  Nahas  I  (Hals  nach  links  aufgerichtet;  auf  der 
Situationsphotographie  ganz  deutlich}.  -  Sadas.  -  Beth  II  C^it  Punkt  im  Innern;  auf  der  Situations- 
Photographie  genügend  deutlich}.  -  Zeile  2:  Oben  etwas  wie  ein  schrägstehendes  Waw  (?}  und  ein 
He  oder  Taw  I.  Dann  Aleph  I  (sehr  groß  und  deutlich}.  -  He  Cmit  aufgekrümmter  Beinlinie;  links 
von  der  Krümmung  stößt  das  rechte  Horn  des  zweitfolgenden  Zeichens  Aleph  I  an  den  Buchstaben}.  ~ 
Lawe  (dem  von  Z.  1  sehr  ähnlich,  durchschneidet  das  folgende  Zeichen;  könnte  auch  etwas  Anderes 
bedeuten}.  "  Aleph  I  Cnut  mit  Hörnern  und  Stirne  erhalten:  unsicher}. 

Übersetzung:  Zeile  1:  „Diese  (plur.!}  hat  M"nC?}-ä-h,  [der  Hauptmann]  des  Tempels  von 
[•  Oh  errichtet." 

Zeile  2:  [■  •  •]  die  Familie  C?}  •  •  • 

Erläuterung:  Zeile  1  bietet  einen  Satz,  in  welchem  das  Objekt  als  der  wichtigste  Satzteil  vor- 
aufgesetzt ist  und  das  Verbum  den  Schluß  bildet;  dazwischen  steht  das  Subjekt  mit  appositionaler 
Erweiterung.  Als  Objekt  dient  das  Pronomen  i'^N.  Da  vom  Hebräischen  her  '1~  C~i?~}  "nd  ^T2~ 
als  Verstärkungen  der  Demonstration  "i  und  'il  C=  '"'»^O  bekannt  sind,  so  darf  man  in  unserem  HN 
wohl  die  von  "^N  „diese  Cplur.}"  erblicken.  -KJ  ist  der  typische  Ausdrucic  für  das  Errichten  eines 
Steindenkmales  im  Phönizischen,  Aramäischen  und  Arabischen,  endlich  auch  im  Hebräischen,  wo  sich 
aber  statt  des  Kai  die  hiphilische  Bildung  -V'?  eingebürgert  hat.  Das  pluralische  Objekt  „diese  da  ' 
verbietet,  daran  zu  denken,  daß  die  Inschrift  von  der  Errichtung  der  vorliegenden  Tafel  spreche;  es 
weist  vielmehr  auf  die  in  der  Nähe  befindlichen  Grabtafeln  hin,  die  demnach  von  einem  Manne 
zur  gleichen  Zeit  gesetzt  worden  sind.  So  wird  auch  das  Sterben  der  vier  Leute,  von  denen  auf  den 
Tafeln  353,  354,  355,  352,  352  a  die  Rede  ist,  in  einem  inneren  Zusammenhange  gestanden  haben,  zu 
dessen  Erkenntnis  erst  noch  die  Erklärung  von  Nr.  349  und  35 1  zu  geben  sein  wird.  Als  Urheber  der  den 
Toten  gewidmeten  Tafeln  nennt  sich  bescheiden  in  der  dritten  Person  ein  Mann  namens  nu'^C.  Dieser 
wird  kaum  ein  Anderer  sein  als  der  "ii'iC,  dessen  ,, Schreiber"  oder  „Steinmetz  der  Joseph  von 
Nr.  353  war;  aber  auch  für  seine  Gleichstellung  mit  dem  TiB'JC,  für  dessen  „Wohlergehen'  die 
Hoci^erstatue  Nr.  346  der  Hathor  geweiht  worden  ist,  liegt  ein  fast  zwingender  Grund  vor.  Letzterer 
führt  den  Titel  „Oberster  der  Minenarbeiter".  Daß  dieser  Titel  in  der  schlechterhaltenen  Stelle 
hinter  H^'JC  nicht  zu  lesen  ist,  scheint  sicher ;  vergleicht  man  aber  Zeile  3  der  gleich  zu  behandelnden 
Inschrift  349,  wo  ein  längerer  Titel  mit  den  Worten  PiZ  ~)D  „Hauptmann  des  Tempels"  beginnt,  so 
wird  man  ohne  große  Bedenken  das  .  .  PD  .  .  unserer  Inschrift  zu  P^  ~:C  ergänzen  und  damit  den  Htt'JO 
zum  „Hauptmann  des  Tempels  von  .  ."  machen.  Da  der  PI!  "!□  von  Inschrift  349  aber  in  erster 
Hinsicht  CJ2N  J2T  „Oberster  der  Minenarbeiter"  ist,  die  beiden  genannten  Titel  sich  also  nicht 
ausschließen,  sondern  gut  zusammen  passen,  so  können  wir  schließen,  daß  der  ,, Oberste  der 
Minenarbeiter"  ~w:c  von  Nr.  346  mit  dem  „Hauptmann  des  Tempels  .  ."  "B'JD  unserer  Tafel  eine 
und  dieselbe  Person  darstellt. 

So  kann  Zeile  1  trotz  ihrer  schlechten  Erhaltung  wohl  für  im  wesentlichen  erklärt  genommen 
werden.  Dagegen  bleibt  Zeile  2  durchaus  dunkel.  Die  einzig  sicheren  Buchstaben  nx  könnten  mit 
dem  ungefähr  sicheren  '^  zusammen  ein  "^riN*  „ZeltC-genossenschaft}"  ergeben.  Die  vorhergehenden 
beiden  Zeichen  könnten  als  Hl  „wehe"  gedeutet  werden.  Welchen  Gedanken  Zeile  2  enthält,  ließe 
sich  vielleicht  nach  Bestimmung  der  Zeichen  der  unteren  Hälfte  von  Zeile  2  ausmachen,  wozu  aber 
an  der  Hand  unserer  Photographie  und  Handkopie  nicht  zu  gelangen  ist. 


62 


c}  Paralleltexte. 


Nr.  349  C=  83   Tafel  19  und  20. 

Diese  längste  und  wichtigste  der  altsinaitischen  Inschriften  besteht  aus  sieben  horizontalen  Zeilen, 
die  durch  Richtungslinien  von  einander  getrennt  sind.  Die  Folge  der  Buchstaben  innerhalb  der 
Zeilen  ist  im  allgemeinen  linksläufig;  doch  stehen  nicht  selten  mehrere  Buchstaben  übereinander, 
die  meist  von  oben  nach  unten  zu  lesen  sind.  Alle  Zeilen  scheinen  ursprünglich  voll  von  Rand  zu 
Rand  der  Tafel  ausgeschrieben  gewesen  zu  sein;  in  Zeile  6  überschreiten  zwei  Zeichen  den  rechten 
Tafelrand.  Da  die  Tafel  nach  unten  bogig  abschließt,  so  sind  die  Zeilen  6  und  7  gegenüber  den  vorher- 
gehenden etwas  kürzer.  Mitten  unter  Zeile  7  steht  noch  ein  einzelnes  Zeichen.  Die  Buchstaben 
sind    ziemlich    tief    in    den    Stein  ^  _  -  -_ 

eingeritzt;  wenn  die  Photographie 
ihre  Umrisse  erhaben  erscheinen 
läßt,  so  beruht  das  auf  fehlerhafter 
Bestrahlung  des  Steines  im  Augen- 
blicic  der  Bildaufnahme.  So  können 
die  genauen  Umrisse  der  Buch- 
staben nur  bei  auf  den  Kopf  gestell- 
ter Photographie  erkannt  werden. 
Infolge  von  Verwitterung  des  Ge- 
steins hat  besonders  die  linke 
Hälfte  der  Inschrift  gelitten;  auch 
zeigt  die  rechte  Seite  innerhalb 
eines  von  Zeile  4-6  laufenden 
schmalen  Streifens  Abreibung  der 
Oberfläche.  Doch  rechtfertigt  die 
Beschädigung  lange  nicht  die  vom 
HandkopistengeübteBeschränkung 
der  Wiedergabe  der  Inschrift  auf 
etwa  20  Buchstaben,  welche  Zahl 
schon  allein  die  beiden  ersten  Zeilen 
bei  genauem  Studium  ergeben. 

Ich  stelle  besserer  Übersicht 
halber  eine  Durchzeichnung  der 
ganzen  Inschrift  samt  ihrer  hebrä- 
ischen Umschrift  vorauf,  um  dann 


Zeile  1. 


-iLr-p:c^ 


:0ia''ajni»'i)2//Tn  in 


daraus  Zeile  für  Zeile  einzeln  zu  wieder- 
-\  holen  und  in  der  Weise  der  früheren 
Inschriften  zu  behandeln. 


63 


Buchstaben.  Aleph  1  (über  den  Hörnern  ein  diademartiger  Aufsatz,  wie  er  der  Hathor  von 
Sinai  nach  zahlreichen  von  FHnders  Petrie  aufgefundenen  und  in  seinen  „Researches"  abgebildeten 
Weihstücken  eigen  war}.  -  Nahas  I  (trotz  starker  Verwitterung  unverkennbar;  Hals  nach  rechts  auf- 
gerichtet). -  Hauth  (nach  redits  geöffnet).  -  Jod  (ohne  Standlinie,  oben  einfach  gegabelt).  -  Taw  I.  - 
Saut  (die  Seitenbögen  nicht  mehr  ganz  erkennbar).  ^  Pas  (längliche  Raute).  -  Saut  (rechter  Seiten- 
bogen  nur  noch  eben  sichtbar,  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  an  der  linken  unteren  Ecke  des  Pas 
ansetzenden  zum  folgenden  Hauth  gehörigen  Bogen).-  Waw  (hier  mit  Saut  zu  einem  Zeichen 
ligiert,  siehe  Zeile  4).  -  Hauth  (nadi  rechts  geöffnet;  mit  den  folgenden  zwei  Zeichen  aus  Mangel  an 
Raum  unterhalb  von  Pas  und  Saut  untergebracht).  -  Nahas  I  (Hals  nach  rechts  aufgerichtet).  -  Mem 
(nur  in  geringen  Spuren  noch  nachzuweisen).  -  Von  den  den  äußersten  linken  Teil  der  Zeile  füllen- 
den Zeichen  sind  deutlich  nur  ein  in  der  Höhe  des  Pas  stehendes  und  ein  von  Saut-Waw  sich  abwärts 
schlängelndes  Mem  sichtbar,  die  -  wie  alle  Mem  von  Nr.  349  -  nicht  Zacien-,  sondern  Wellengipfel 
zeigen.  Zwischen  beiden  nahe  dem  Rande  etwas  wie  Nahas  I;  über  dem  oberen,  in  den  Schatten, 
der  den  oberen  Tafelrand  bedeckt,  hineinreichend,  sowie  unter  dem  unteren  noch  Spuren  von  Zeichen. 

Übersetzung:  „Ich  bin  Hjtspswhnm -m-m-" 

Erklärung:  3N,  d.  i.  hebräisch  ^ani  mit  ungeschriebenem  i  (j),  „ich"  -  wie  zu  Anfang  von  Nr.  352. 
Es  folgt  ein  langer,  in  allen  seinen  Teilen  uns  durchaus  unsemitisch  anmutender  Eigenname.  Aus 
seiner  ersten  Hälfte  Hjtspsw  geht  mit  Sicherheit  hervor,  daß  wir  hier  etwas  dem  Prunknamen  der 
Tochter  des  Thutmosis  I.  und  Gemahlin  des  Thutmosis  III.,  der  von  1501-1480  regierenden  Pharaonin 

H^tspswt  (=  "Erste  der  Favoritinnen") 
lautlich  genau  Entsprechendes  vor  uns  haben;  denn  ägyptisch  h  =  sem.  ",  5  =  sem.  j  (neben  5<), 
t  =  sem.  r,  s  =  sem.  tJ»,  p  =  sem.  S,  s  =  sem.  ^  (neben  D),  w  =  sem.  1.    Das  ägyptische  Aus- 
lauts-t  war  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrtausends  in  der  Aussprache  schon  verschwunden.    Der 
Name  der  Pharaonin  zeigt  in  seiner  ägyptischen  Vollschreibung  noch  den  Zusatz 

hnm?mn  (=  „zugesellt  zu  Amon"), 

der  uns  in  den  weiteren  Buchstaben  unserer  Zeile  CC^n  zweifellos  geboten  wird;  denn  ägypt. 
h  =  sem.  n,  n  =  sem.  J,  m  =  sem.  C.  Der  fehlende  folgende  Buchstabe  war  nach  Zeile  4  sicher  ^  das, 
wie  im  ersten  Teil  des  Namens,  sem.  Ersatz  für  ägypt.  5  sein  wird.  Da  weiter  "C  zu  ägypt.  m  stimmt, 
so  muß  der  folgende  nicht  mehr  deutlich  sichtbare  Buchstabe  j  gewesen  sein.  Somit  tritt  uns  in 
einer  über  jeden  Zweifel  erhabenen  Deutlichkeit  und  Genauigkeit  der  nur  einmal  in  der  ägyptischen 
Pharaonenreihe  vorkommende  Name  H^tspst-hnm^mn  (=  Hjtspsw -hnmjmn)  entgegen.  Und  doch 
ist  nicht  die  große  Pharaonin,  die  in  zahlreichen  Inschriften  des  Hathor- Sapdu -Tempels  auf  Sinai 
redend  auftritt,  hier  als  Sprecherin  anzusetzen;  dagegen  zeugen  die  in  Zeile  2  und  3  folgenden  Titel. 
Es  kann  auch  kein  anderes  mit  der  Pharaonin  gleichnamiges  Weib  darin  stecken,  weil  die  Titel  nur 
auf  eine  männliche  Person  passen.  Wer  möchte  aber  den  höchst  seltsamen  Fall  annehmen,  daß  ein 
Mann  den  Namen  einer  (eventl.  seiner)  Königin  zu  dem  seinigen  gemacht  hätte?  Alles  Seltsame 
an  dieser  Benennung  schwindet  jedoch,  wenn  wir  beachten,  daß  über  den  Langnamen  der  Pharaonin 
hinaus  noch  ein  deutliches  -  m,  und  darunter  eine  undeutliche  Buchstabenspur  sich  zu  erkennen  giebt. 
So  liegt  ein  mit  dem  Vollnamen  der  Königin  komponierter  Name  vor,  dessen  zweiter  Teil  nach 
seinem  Anfangsbuchstaben  und  seiner  aus  dem  geringen  ihm  zugewiesenen  Zeilenraume  zu  schließen, 
kaum  anders  als  -  ms  (in  semitischer  Schreibung  ms)  „Sohn"  gelautet  haben  wird.  Diese  Ergänzung 
liegt  um  so  näher,  als  die  Nämensbildung  mit  -ms  gerade  zur  Zeit  der  H^tspswt-  sehr  beliebt 
geworden  war,  wohl  um  die  in  der  Zeit  des  mittleren  Reiches  äußerst  häufige  Parallelbildung  mit 


64 


s^  „Sohn"  durch  eine  unabgenutzte  Wortform  zu  ersetzen.  Zwei  dahin  gehörige,  mit  deutUdiem 
-ms  C~  ti'^3  geschriebene  Eigennamen  werden  uns  noch  bei  Behandlung  der  Inschrift  Nr.  351  begegnen. 
Dabei  braucht  man  den  Mann,  der  sich  „Sohn  der  H^tspswt-hnm^mn"  nennt,  nicht  gerade  für  einen 
leiblichen  Sohn  der  Pharaonin  zu  halten;  der  Name  könnte  recht  wohl  auch  einen  Adoptivsohn  oder 
einen  ihr  sonst  Nahestehenden  decken.  Auf  alle  Fälle  war  er  ein  Zeitgenosse  der  Königin;  denn  als  ihr 
Gemahl  und  Nachfolger  Thutmosis  III.  gleich  nach  seinem  Regierungsantritt  ihr  Andenken  ächtete,  da 
war  für  lange  Zeit  die  Möglichkeit,  in  Eigennamen  an  sie  wieder  anzuknüpfen,  besonders  für  höhere 
Beamte,  zu  denen  nach  den  zwei  folgenden  Zeilen  zu  schließen,  unser  „H.-Sohn"gehört  hat,  abgeschnitten. 


Zeile  2. 


o:hit  2:2*1 

Buchstaben:  Re«  (ob  mit  Augenandeutung?}  -  Beth  I.  -  Nahas  I  (Hals  nach  links  gehoben). 
Aleph  I  (beide  Hörner  ungeschickterweise  nach  derselben  Richtung  hin  gekrümmt;  Kopfform  auf 
den  ersten  Blicic  oval,  doch  bei  genauem  Besehen  tritt  auch  die  längliche  Schnauze  aus  der  Photo- 
graphie hervor).  Die  Dublette  der  ganzen  Buchstabenfolge  auf  der  Seiteninschrift  von  Nr.  346  bietet 
Nahas  I  mit  Rechtsrichtung  und  Aleph  II:  ein  deutlicher  Beweis  für  die  nur  von  Zufälligkeiten  ab- 
hängige Verwendung  der  Buchstabendubletten  und  Richtungsverschiedenheiten.  -  Beth  I.  -  Nahas  I 
(Hals  nach  links  gehoben}.  -  Die  folgenden  Zeichen  haben  alle  -  ein  tief  stehendes  Nahas  I  mit  nach 
rechts  gehobenem  Halse  etwa  ausgenommen  -  so  sehr  gelitten,  daß  ihre  Bestimmung  mehr  von  dem 
abhängt,  was  die  Dublette  auf  Nr.  346  zeigt,  und  was  man  zur  Ergänzung  des  Titels  ungefähr  ver- 
muten darf,  als  von  eigentlicher  Lesung.  So  mag  uns  das  horizontale  Zeichen  hinter  Nahas  I  als  Mem 
gelten,  die  Wellenlinie  an  der  oberen  Richtlinie  ebenfalls  als  Mem,  die  Schlangenlinie  darunter  als 
Nahas  I  (mit  Hals  nach  rechts},  der  folgende  Komplex  mehrerer  (zwei?)  kleiner  Rauten  als  Samekh, 
die  Schlange  rechts  unten  davon  als  Nahas  I  Cmit  Hals  nach  rechts},  endlich  das  nach  links  aufsteigende, 
besonders  arg  verwitterte  Zeichen  als  Jod  der  Form,  wie  es  Zeile  1  bietet.  Wer  aber  nur  sicher  zu 
Lesendes  gelten  läßt,  lasse  diese  ganze  Stelle  für  die  Erklärung  bei  Seite. 

Übersetzung:  „Oberster  der  Minenarbeiter  (vom  Sinai?}." 

Erklärung:  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  uns  hier  derselbe  Titel  entgegentritt,  wie  wir  ihn  auf 
der  Seiteninschrift  von  Nr.  346  als  Charakterisierung  des  Mannes  "tt'jo  fanden.  Am  Schluß  der 
Phrase  war  dort  deutlich  ^^  -  zu  lesen,  was  zu  nichts  anderem  als  zu  einem  ^JD  paßt;  hier  finden  wir 
ein  dementsprechendes  J,  ein  allenfalls  noch  erkennbares  C,  doch  vom  '  nur  eben  eine  Spur. 

Wenn  auf  Nr.  346  das  Wort  '-[d]  durch  -  „auf"  eingeführt  worden  ist,  so  gestattet  der  epigraphische 
Befund  hier  höchstens  die  Annahme  eines  i'-  „von";  für  den  Sinn  macht  diese  kleine  Wortverschieden- 
heit kaum  etwas  aus. 


Zeile  3. 


'  3D     'Trr^'  rOKn  T)-D.-)0 

Buchstaben:  Samekh  (mit  Schwanz,  Bauch-  und  Rücicenstadiel}.  -  Res  Cwie  in  Zeile  2}.  -  Beth  II 
(mit  zwei  oder  drei,  nach  dem  Kopisten  gar  vier  Zierspitzen}.  -  In  seinem  Inneren:  Taw  I,  wodurch 
die  Ligatur  02  entsteht.  -  Mem.  -  Aleph  II  Cganz  wie  das  von  Zeile  7,  -  ob  ohne  Querstrich?}.  -  Nahas  1 


65 


(Hals  nach  rechts  gehoben;  der  Strich  darüber  ist  wohl  das  Ende  eines  schon  in  Zeile  2  beginnenden 
längeren  Ritzes}.  -  He  CBeinlinie  weit  nach  links  gezogen,  rechter  Arm  besonders  lang}.  -  In  dem 
folgenden  Gewirr  von  Linien  treten  drei  Zeichen  deutlicher  hervor:  Jod  (ohne  Standlinie  und  ganz 
wie  in  Zeile  1}.  -  He  Csdiräg  nach  links  gelegt,  sonst  normal}.  -  Waw-.  -  An  sicheren  Zeichen  sind  weiter 
wohl  noch  vorhanden:  Samekh  (mit  Schwanz  und  Bauchstachel;  streift  oder  durchbricht  mit  dem 
Rücken  die  obere  Richtungslinie}.  -  Darunter  Jod  (wie  vorher}.  -  Weiter  rate  ich  (teilweise  aus  dem 
sprachlichen  Zusammenhange}  auf  Mem  On  der  Verlängerung  des  Nahas  I  über  He}  und  Nahas  I  links 
vom  Ende  der  Beinlinie  des  He  (durchbricht  die  untere  Richtungslinie}.  -  Unter  den  beiden  Jod  noch 
eine  Buchstabenspur. 

Übersetzung:  „Hauptmann  des  Tempels  des  Ma^naCh}  [und]  des  Jahu  [vom]  Si[n]ai." 
Erläuterung:  Dem  Titel  von  Zeile  2  folgt  ein  weiterer,  der  auf  ein  Tempelamt  geht,  nämlicfi 
PI  ID.  no  ist  sinaitische  Schreibung  für  bibl.  ~t'  (vergl.  Nr.  346  {<i:iD  =  bibl.  Nijtr},  und  H-  kann 
kaum  etwas  anderes  sein  als  bibl.  n'5,  d.  i.  Status -constructus- Form  von  H'?  „Tempel".  Wir 
haben  es  hier  allem  Anscheine  nach  mit  einem  auf  die  Verwaltung  des  Tempelgutes  gehenden 
Titel  zu  tun,  dessen  Träger  nicht  zur  Priesterschaft  (knb-t}  des  Tempels  gehörte,  sondern  Laien- 
charakter hatte;  denn  abgesehen  von  nachexilischen  Büchern,  bezeichnet  die  Bibel  mit  lii-  stets  einen 
höheren  Beamten  weltlichen  Standes,  z.  B.  Obersten  einer  Stadt,  einer  Burg,  einer  Provinz  oder  der 
Leibwache,  der  königlichen  Mundschenken,  Bäd<er,  Trabanten  u.  a.  Über  die  ägyptische  Wortform 
dieser  Titulatur  wie  die  der  Zeile  2  werden  die  Ägyptologen  unter  Berücksichtigung  der  Zeit- 
Verhältnisse  der  Mitte  des  zweiten  Jahrtausends  v.  Chr.  zu  entscheiden  haben.  -  Der  Status- 
constructus-Form  P-  folgt  zunächst  der  uns  schon  von  Nr.  353,  rechte  Zeile,  bekannte  Gottesname 
"jNC,  der  für  sich  allein  oder  in  Begleitung  von  r/^ys  „Herrin",  „Göttin"  die  semitische  Bezeichnung 
der  ägyptischen  Hathor  war,  ob  auch  beide  Göttinnen  von  Haus  aus  verschiedenen  Wesens  sein 
mögen.  Zwischen  dem  Gottesnamen  Ma'na  und  dem  Titel  und  Zeile  abschließenden  Ortsbegriffe 
^JD  =  Sinai,  der  zur  Kennzeichnung  des  Tempels  unentbehrlich  war,  steht  nun  eine  Budistaben- 
gruppe,  die  nichts  mit  einer  Apposition  zu  der  genannten  Göttin,  also  etwa  ^'V^,  oder  ihrem 
ägyptischen  Namen  "nnrn  zu  tun  hat.  Was  sie  enthält,  rechtfertigt  es,  daß  wir  sie  in  der  Originalform 
noch  einmal  vorführen: 


In  ihr  sehe  ich  das  älteste  Zeugnis  für  den  biblischen  Gottesnamen  i~'  =  Jahu,  ein  Zeugnis, 
das  um  so  schwerer  wiegt,  als  es  vom  Sinai,  der  Wiege  des  israelitischen  Jahwas-Kultes,  herstammt. 
An  der  Richtigkeit  der  Lesung  dürfte  nicht  zu  rütteln  sein.  Die  drei  Buchstabenformen  geben  sich 
genügend  deutlich;  und  daran,  daß  ein  tiefer  stehendes  ''vor  den  über  ihm  gesdiriebenen  H  und  1  zu 
lesen  ist,  ist  kein  Anstoß  zu  nehmen,  weil  auch  in  der  folgenden  Zeile  sich  Ähnliches  mit  '  und 
darüberstehendem  ti'  wiederholt.  Die  Nennung  Jahu's  an  dieser  Stelle  wirft  nicht  nur  ein  helles 
Schlaglicht  auf  die  Berichte  der  Bibel  über  die  Ereignisse,  die  mit  dem  Exodus  der  Israeliten  aus 
Ägypten  zusammenhängen,  sondern  sie  löst  auch  das  große  religionsgeschichtliche  Problem  des  ur- 
sprünglichen Wesens  des  Jahu  (allerdings  nicht  auch  das  des  Jahwael}-  Der  Sinaitempel  hatte,  wie 
seine  Anlage,  seine  Inschriften  und  bildlichen  Darstellungen  beweisen,  zwei  göttliche  Bewohner, 
die  Göttin  Hathor  und  den  Gott  Sapdu.    Die  Semiten,  die  den  Tempel  besuchten,  verehrten  in 


66 


Hathor  ihre  Ma^na:  das  steht  nadi  Früherem  genügend  fest.  Andrerseits  war  für  sie  der  Gott,  den 
die  Ägypter  Sapdu  nannten,  Jahu  0~0:  das  sagt  uns  die  Namensfolge  Ma^na  -  Jahu  zwischen 
„Tempel"  und  „Sinai"  in  voller  Deutlichkeit.  Damit  wird  das,  was  Daniel  Völter  (Zeitschrift 
für  die  Alttest.  Wissenschaft  XXXVII,  Seite  126-1333  aufgestellt  hat,  „daß  der  ägyptische  Sopd 
und  der  israelitische  Jahwe  trotz  der  Versdiiendenheit  der  Bezeichnung  ein  und  derselbe  Gott 
sind",  aus  einer  Hypothese  zur  bewiesenen  Tatsache  -  mit  der  Einschränkung,  daß  wir  von  Jahwae 
zunächst  garnichts  wissen,  als  was  ich  schon  seit  vielen  Jahren  vertreten  habe,  nämlich  seine  sprach^ 
liehe  Herkunft  von  Jahu  (nicht  umgekehrt}),  und  daß  nur  der  Jahu  an  Sapdu  seine  ägyptisdie  Ent- 
sprechung hat.  In  einem  späteren  Abschnitt  wird  über  das  hier  gewonnene  Ergebnis  unter  Einschluß 
des  biblischen  Gottesnamens  ''~!i'  Weiteres  zu  sagen  sein.  «  Nachdem  alle  Hauptbegriffe  von 
Zeile  3  bestimmt  sind,  steht  ihrem  Verständnisse  kein  Hindernis  mehr  im  Wege,  obgleich  noch  zwei 
kleinere  Einzelheiten  fraglich  bleiben.  Steht  zwischen  Ma^na  und  Jahu  ein  Waw  =  „und",  und  ist 
die  Nennung  von  "'JO  durch  ]'-  „von"  eingeleitet?  Vom  biblisch -hebräischen  Sprachstandpunkt  aus, 
dem  wir  von  Inschrift  zu  Inschrift  uns  immer  mehr  nähern,  wäre  beides  zu  erwarten,  und  man 
könnte  im  Schriftbilde  auf  einige  dahin  weisende  Schriftzüge  den  Finger  legen.  Aber  da  es  sich  um 
begriffliche  Kleinigkeiten  handelt,  so  wird  man  ruhig  abwarten  können,  welchen  Entscheid  hierüber 
einmal  das  Herantreten  an  das  Original  der  Inschrift  bringen  wird. 


Zeile  4. 


^a^^Hm"eJWF^7rn!7ya2-Kn" 


Buchstaben:  Mem  (auffällig  hängend).  -  Aleph  II  (Basis  vielleicht  mit  der  Oberseite  des  Beth 
zusammenfallend;  erkennbar  besonders  am  Querstrich}.  -  Links  von  Mem:  He  (ungewiß,  da  die 
obere  Partie  stark  verwittert  erscheint;  die  Beinlinie  in  der  Art  des  He  von  Zeile  3).  -  Beth  I  (mit 
einer  Figur  im  Innern,  die  an  ein  Kreuz  [Taw  I]  erinnert,  doch  vielleicht  nur  ein  zur  Querlinie  er- 
weiterter Punkt  ist).  -  Links  davon  läuft  die  strichartige  Vertiefung  im  Steine,  wodurch  wenigstens 
ein  Zeichen  unlesbar  geworden  ist.  -  Lawe  (nach  links  geöffnet,  Schnecke  unbestimmt).  -  Taw  II 
(zwischen  dem  Blütenkopf  des  Hauth  und  unterem  Taw  II).  -  Hauth  (im  Gegensatz  zu  drei  vorher- 
gehenden Hauth  mit  nach  links  geöffneter  Blüte;  Stengel  zur  oberen  Trennungslinie  hin  leicht 
gewellt).  -  Jod  (oben  einfach  gegabelt;  am  entgegengesetzten  Ende  ein  längerer  Dorn  [Schwanz]; 
Standlinie  in  spitzem  Winkel  angesetzt).  -  Taw  II.  -  über  Jod:  vielleicht  Saut  (linker  Seitenbogen 
kaum  erkennbar).  -  Pas  (länglich  schmale  Raute).  -  Saut  (linker  Seitenbogen  zum  Kreis  erweitert, 
um  den  herum  der  Stein  angefressen  ist;  unter  Vergleichung  der  in  gleicher  Umgebung  stehenden 
Ligatur  ilf  von  Zeile  1  jedenfalls  als  ligiertes  Waw  zu  erklären).  -  Unter  Pas  und  Saut:  Hauth  (nach 
rechts  geöffnet,  mehr  stehend  als  liegend).  ~  Rechts  davon:  Nahas  I  (Hals  nach  rechts  gehoben:  fast 
nicht  mehr  zu  erkennen).  -  Mem  (in  langer  Schlangenlinie  vom  Scheitel  des  Winkels  des  Jod  her- 
kommend). -  Jod  (ohne  Standlinie,  wie  das  erste  von  Zeile  1).  -  Mem  (horizontal  gewellt).  Darunter 
noch  Raum  für  ein  Zeichen.  -  Was  die  Handkopie  bietet,  ist  gänzlich  verlesen:  ein  Ochsenkopf  aus 
den  drei  Zeichen  Hauth,  Taw,  Lawe,  die  Hieroglyphe  K  aus  der  rechten  Ecke  des  Jod  und  Taw. 

Übersetzung:   „(Du,)  Ma^lohlaM-Bai^aJlet  Hjts(?)psw(?)hn(?)mjm-" 


67 


Erklärung:  Mit  der  dritten  Zeile  ist  der  erste  Teil  der  Inschrift  zu  Ende,  der  entweder  den 
Zweck  hat,  eine  Persönlichkeit  mit  Namen  und  Titeln  einfach  vorzuführen,  oder  -  was  wohl  näher  liegt  - 
sie  als  Sprecher  des  Folgenden  zu  bezeichnen,  so  daß  dahinter  etwa  das  Verb  ^CN  „(bin)  sprediend" 
zu  ergänzen  wäre.  Nun  setzt  Zeile  4  mit  einer  Anrede  ein  und  zwar  an  jemand,  von  dessen  Namen 
uns  als  bereits  früher  gelesen  in  die  Augen  springt: 

Das  ist  der  Eigenname  von  Zeile  1  bis  auf  dessen  letzten  beiden  Buchstaben: 

•  c•c•D0^1t^*ctf■n■^ 

Durdi  diesen  wird  jede  Unsicherheit  der  Bestimmung  des  t?'  und  i.  von  Zeile  4  beseitigt,  während 
andrerseits  durch  das  sichere  Jod  gegen  Ende  der  Zeile  4  das  in  Zeile  1  von  uns  nur  geratene  Jod 
gesichert  wird.  Zwang  uns  das  •?-  des  Schlusses  von  Zeile  1  zur  Annahme,  daß  nicht  etwa  die 
Pharaonin  Hjatsepsu  hier  redend  auftrete,  sondern  einer,  der  ihren  Namen  in  dem  seinigen  trüge,  so 
steht  jetzt  der  nacicte  Name  der  Königin  im  Texte,  und  ist  sie  daher  die  von  jenem,  ihr  näher  Stehen- 
den, Angeredete.  Daß  dabei  nicht  Gleich  zu  Gleich  redet,  zeigt  ein  dem  Königsnamen  vorgesetztes 
Epitheton.  Ich  würde  nicht  wagen,  es  zu  bestimmen,  wenn  nicht  alle  seine  lesbaren  Buchstaben,  und 
zwar  ii}  durchaus  entsprechender  Folge,  in  dem  von  mir  auf  der  Fußplatte  der  Königinsphinx  Nr.  345 
sicher  gelesenen  pu,jj^-,j^j^ 

„VielgeliebteCr}  der  Ba'^alet"  C=  ägypt.  mrjj  Hthr}  sich  wiederfänden,  so  daß  n'Pri{<c  unbedenklich 
zu  n'P^nNC  Ceventl.  n^y^üriND)  zu  ergänzen  ist.  Aus  dieser  festen  Verbindung  des  Königsnamens 
mit  seinem  kultischen  Epitheton  ergiebt  sich  für  Nr.  345,  daß  audi  dort  irgendwo  der  Name  der 
Hjatsepsu  in  Hieroglyphen  oder  sinaitischen  Buchstaben  gestanden  haben  wird. 


Zeile  5. 

Buchstaben:'  Am  rechten  Rande  eine  abgeriebene  Stelle,  worin  wohl  Einiges  vom  Anfang  der 
ersten  Buchstaben  verloren  gegangen  ist.  -  Nahas  I  CHals  nach  rechts  gehoben ;  Unterteil  nicht  sicher 
zu  verfolgen).  -  Ajin  (Pupille  -  s.  auf  Tafel  20  -  unter  dem  oberen  Augenrande).  -  Mem  (flach  ge- 
wellt, trotz  Fehlens  schärferer  Konturen  wohl  sicher).  -  Taw  II  (da  im  rechten  Seitenbogen  des  Saut 
sicher  etwas  Buchstabenartiges  steckt,  liegt^  der  Gedanke  an  Taw  II  am  nächsten).  -  Mem  (an- 
scheinend ziemlich  unregelmäßig  gewellt).  '-  Saut  (linker  Seitenbogen  durch  Abreibung  beschädigt).  - 
Links  davon  ein  nach  beiden  Seiten  etwas  geschweifter  Bogen,  der  ebenso  gut  als  Mittelstück  von 
Saut  wie  als  Oberteil  von  Waw  zu  deuten  wäre ;  ich  gebe  Saut  den  Vorzug,  weil  die  Handkopie  ein 
darunter  stehendes  an  Taw  sidi  anschließendes  Bogenstüd^  als  Vollkreis  (=  Waw)  giebt,  dessen 
linke  Hälfte  auf  der  Photographie  in  die  zerfressene  Stelle  hineinragt.  -  Taw  I  (sehr  tief  geritzt, 
daher  jetzt  mit  zerfressenen  Rändern).  -  Nahas  I  (Hals  nach  rechts  zum  Mittelbalken  des  Taw  ge- 
hoben ;  Leib  durchbricht  die  untere  Richtungslinie).  -  Mem  (an  der  Spitze  des  Taw  beginnend,  leicht 
gewellt).  -   Nahas  I  (Hals  nach  rechts  gehoben;   Leib  durchbricht  die  Richtungslinie).  -   Jod  (mit 


68 


Standlinie;  an  der  Rückenlinie  unten  Steilsdiwanz,  oben  vermutlidi  Gabelung}.  -  über  Jod:  Aleph  II 
(die  aufsteigende  Linie  deutlidi,  die  hcrabgehende  länger  als  gewöhnlidi,  die  Mittellinie  fast 
horizontal}.  -  Hinter  Jod:  Res  (Gesiditsprofil  und  Kinn  entsprechend  dem  Reä  von  Z.  2,  3,  7:  daher 
wohl  sidier  trotz  starker  Verwitterung  der  Umrisse}.  -  Auf  der  Handkopte  Andeutung  von  Ajin  und 
Saut ;  dann  Waw  -  Taw  I  -  Mem  (nur  Anfang). 

Übersetzung:  „Du  warst  freundlich,  hast  mich  gezogen  (gegriffen)  aus  dem  Nile." 
Erläuterung:  Zu  der  in  Zeile  4  mit  Namen  Angeredeten  wird  nunmehr  gesagt:  HCV^  „Du 
warst  freundlicJi".  Sinaitisdies  CVj  vereinigt  wie  bibl.-hebr.  CVj  in  sich  die  beiden  verwandten  Be- 
griffe:  „Wohlergehen"  (Nr.  346,  Sprüche  Sal.  24,  25)  und  „wohltun",  „lieb,  freundlicJi  sein"  (hier., 
Sprüche  Sal.  2,  10  „Wissen  wird  Deiner  Seele  wohltun"),  aus  welcher  Bedeutung  das  koranische 
Arabisch  dten  besonders  mit  Gott  in  Verbindung  gebrachten  theologischen  Begriff  „Gnade"  ent- 
wickelt hat.  Worin  die  Freundlichkeit  der  Hatsepsut  gegen  den  Sprecher  bestanden  hat,  sagt  das 
Folgende :  „Du  hast  mich  gezogen  aus  dem  Nile".  Ob  wir  der  Lesung  JHHi'B'C  oder  jPIK^O  den  Vor- 
zug geben,  verschlägt  für  die  Übersetzung  nichts ;  denn  in  ersterer  würde  K'tt'  wohl  nichts  Anderes 
sein  als  Doppelschreibung  von  geminiertem  s,  so  wie  sie  die  Bibel  in  dem  Eigennamen  '^rti'^"'  aus 
alter  Zeit  bewahrt  hat.  Mit  dem  Problem  der  Schreibung  eines  geminierten  Lautes  ist  der  sinaitische 
Schreiber  oder  Schrifterfinder  wohl  noch  nicht  ins  Reine  gekommen;  in  Dtsy^riNC  (Nr.  345)  hat  er 
-2  zu  einem  :!  zusammengefaßt,  hier  vielleicht  echte  Gemination  (ßf)  in  derselben  Weise  aus- 
gedrückt, obwohl  er  anderswo  Qz.  B.  bei  J21  und  CJSN  Z.  2)  sich  mit  einmaliger  Setzung  des  Buch- 
stabens begnügt.  Wieweit  er  sich  dabei  an  ägyptischen  Schreibgebrauch  anlehnte,  werden  die 
Ägyptologen  auszumachen  haben,  über  die  Bedeutung  des  jOiü'?^  Coder  JniB'Ii'C)  kann,  wenn  wir 
das  Bibl.-Hebräischc  als  nächstverwandtes  Idiom  des  Sinaitischen  nehmen,  kein  Zweifel  sein.  Die 
Wortsippe  ti'C  (Z'Z'i:),  W^ü,  rm:  drückt  insgesamt  aus  „greifen",  was  in  Verbindung  mit  der  Prä- 
position |C  zu  „herausziehen"  wird  (vergl.  für  K'lC  Mich.  23,  für  HB'O  Exod.  2,  10;  2  Sam.  22,  17 
=  Psalm  18,  17).  So  etymologisiert  die  Bibel  (Exod.  2,  10)  den  Namen  des  "B'r:  unter  Anlehnung 
an  "K'c  als  „(aus  dem  Wasser)  gezogen",  und  hier  könnte  der  Mann,  dessen  Name  als  zweiten 
Komponenten  wahrscheinlich  KD  hatte,  mit  dem  ^n'K'C  ebenfalls  ein  Wortspiel  beabsichtigt  haben. 
Mit  dem  folgenden  Wort,  das  besagt,  woraus  Hatsepsut  den  Sprecher  gezogen  hat,  werden  sich  wohl  noch 
viele  Augen  eingehend  beschäftigen;  die  meinigen  können  nichts  Anderes  herauslesen  als  IN"'  Cob  auch 
N  weniger  sicher  zu  lesen  ist  als  '  und  "•),  und  dieses  läßt  sich  im  Hinblick  auf  das  Bibl.-Hebräische 
nicht  anders  vokalisieren  als  "'N],  was  nach  Form  und  Bedeutung  das  ägypt.  itrw  >  i^rw  „Nil"  ist. 
Hiernach  stammte  der  Mann,  der  den  Minenarbeitern  am  Sinai  gebot  und  die  Aufsicht  über  den 
dortigen  Hathor-Sapdu-  Coder  Ma'na-Jahu-)  Tempel  führte,  aus  Ägypten  und  verdankte  der  Hatsepsut 
seine  Rettung  aus  dem  Nil.  Und  um  solches  zu  dokumentieren,  schreibt  er  es  in  semitischer  Sprache 
und  einer  den  Ägyptern  unverständlichen  Schrift  auf  eine  Felswand  über  einem  Bergwerksstollen  in 
gleicher  Reihe  mit  Grabinschriften  von  Leuten  semitischer  Herkunft?  Es  hält  schwer,  hier  nicht  an  etwas 
Bibhsches  zu  denken,  was  allerdings  längst  in  den  Geruch  gekommen  ist,  Roman,  Sage,  Mythus  zu  sein. 


Zeile  6. 


h:iö^ 


69 


Buchstaben:  Die  Lesung  dieser  Zeile  macht  große  Schwierigkeiten.  Sicher  lesbar  ist  in  ihr  nur 
ein  Waw,  das  halb  über  den  rechten  Rand  der  Tafel  hinausragt  und  besonders  tief  eingeritzt  ist;  ein 
darauf  folgendes  Samekh,  obwohl  Schwanz  und  Bauchstachel  nur  eben  noch  zu  erkennen  sind;  weiter 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Zeile  ein  wenig  gewelltes  Mem  und  darunter  ein  Samekh  II  mit  entweder 
rautenförmigem  oder  dreieckigem  Schwänze;  daran  anschließend  ein  sehr  schräg  liegendes  Kaph,  das 
den  stark  ausgeprägten  Doppelzahn  nach  links  richtet;  endlich  ein  von  der  oberen  Richtungslinie 
herunterkommendes  wenig  gewelltes  Mem.  Ganz  verwischt  ist  der  Rest  der  Zeile;  aber  auch  die 
Zeichenspuren  zwischen  den  beiden  Samekh  ergeben  nichts  Lesbares;  vielleicfit  abgesehen  von  einem 
nach  der  oberen  Richtungslinie  aufsteigenden  Nahas  I.  Die  Handkopie  vereinigt  die  darunter  sicht- 
baren Spuren  zur  Form  eines  Saut,  die  auf  der  Photographie  durchaus  nicht  zutage  tritt.  Möglicher- 
weise steht  unter  dem  Waw  noch  ein  Nahas  I,  und  liegt  hart  unter  dem  ersten  Samekh  ein  Mem. 

Von  einer  Übersetzung  kann  somit  rein  auf  Grund  des  zu  Lesenden  nicht  die  Rede  sein;  dennoch 
erlauben  einige  günstige  Umstände,  dem  Sinn  der  Zeile  nahe  zu  kommen.  So  wird  wohl  hinter  dem 
Waw  „und"  eine  Verbalform  anzusetzen  sein,  die  das  in  Z.  5  über  die  „Freundlichkeit  der  Hatsepsut 
Gesagte  fortsetzt  und  wie  vorhergehendes  imtt'B'O  transitiven  Sinn  haben  wird.  Das  Samekh  reizt 
zunächst  zur  Ergänzung  zu  (j)nCD  (=  bibl.-hebr.  ricb'}  „Du  hast  (mich)  gesetzt",  zumal  es  an  gewissen 
Anzeichen  für  Mem  und  Taw  nicht  fehlt.  Da  wir  in  ZDC  wohl  dasselbe  Wort  vor  uns  haben,  das 
wir  in  Nr.  353,  r.  Z.  fanden  und  mit  „Pronaos"  übersetzten,  so  ließe  sich  zwischen  „Du  hast  mich 
gesetzt"  und  „Pronaos"  ungezwungen  eine  logische  Verbindung  herstellen  durch  die  Annahme,  daß 
zwischen  ihnen  ^^V  „über"  gestanden  hätte,  worauf  auch  lineare  Andeutungen  weisen.  Da  -CO  ohne 
Artikel  steht,  so  wird  ihm  ein  Wort  im  Genitiv  gefolgt  sein;  dieses  war  bei  Nr.  353,  r.  Z.  der  Gottes- 
name HjNO,  dessen  Anlaut  in  unserem  •'-  erhalten  sein  könnte.  Der  Sprecher  rühmt  somit  der 
Pharaonin  nach,  sie  habe  ihn  mit  dem  „Pronaos",  der  nach  der  folgenden  Zeile  der  des  sinaitischen 
Heiligtums  war,  in  Verbindung  gesetzt  und  zwar  wohl  durch  „Setzen"  (.CC  =  Ctl'}  „über"  0'^')  den- 
selben. Das  paßte  zu  dem  in  Z.  3  Gesagten,  wonach  er  „Tempelhauptmann"  C^^  ~ID},  also  der  könig- 
liche Beamte  für  die  Verwaltung  des  Tempelvermögens  war,  dessen  Befugnisse  an  denen  der  über 
den  „Naos"  oder  ,, Innentempel"  schaltenden  Priesterschaft  ihre  Grenzen  hatten.  Die  Konstruktion 
roc  hv  :ncDl  entspräche  ganz  bibl.-hebr.  Wendungen  wie  2.  Sam.  17, 25:  i^Z'irrhv.  ■  ■  ■  zt'  Ntf?frn{<i, 
während  ein  anstelle  von  ^HCD  anzunehmendes  JPwSDJ  (=  bibl.-hebr.  '':riNtt'^}  „Du  hast  mich  er- 
hoben'  in  Verbindung  mit  lokalem  ^V ,  dem  Sprachgebrauch  der  Bibel  fremd  wäre. 

Somit  kann  der  Sinn  der  Zeile  vermutungsweise  so  angesetzt  werden: 

„Und  [du  hast  mich  gesetzt  über]  den  Außentempel  d[er]  M  .  .  ." 


Zeile  7. 


Buchstaben:   Aleph  II  Cganz  wie  in  Z.  33.  -   Saut.  -  Res  Cnächstverwandt  dem  von  Z.  33.  - 
Raum  für  etwa  zwei  Zeichen,  wovon  das  erste  ein  liegendes  (Ajin?),  das  andere  ein  stehendes 


70 


CLawe?3  sein  dürfte.  -  Samekh  (mit  deutlidiem  Schwänze;  Kopf  vielleicht  mehr  viereckig  als  rund- 
lich}. -  Nahas  I  (Hals  zum  Vorderteil  des  Samekh  aufsteigend).  -  Jod  (dem  Nahas  ungefähr  parallel; 
Gabelung  am  Kopfende  nicht  genauer  zu  bestimmen).  ~  Die  Handkopie  bietet  uns  ein  Aleph  II 
(verschwommen)  und  ein  Saut. 

Übersetzung:   „Welcher  [auf]  Sinai  [ist]." 

Erklärung:  Schlußsatz  des  zweiten  Teiles  der  Inschrift,  eingeleitet  durch  das  uns  aus  dem 
Biblisch 'Hebräischen  bekannte  Relativpronomen  Iti'N.  Den  Schluß  der  Zeile  bildet  (wie  in  Z.  3) 
der  Ortsbegriff  'jD  „Sinai  .  Die  einfachste  Verbindung  beider  Satzglieder  wäre  hier  die  Präposition 
'yV  „auf",  wozu  audi  die  Zeichenreste  ungefähr  stimmen;  passend  wäre  jedoch  auch  ihre  Vermittlung 
durch  eine  Verbalform  wie  „Du  hast  gebaut",  da  das  Sinaiheiligtum  der  Hatsepsut  seine  Wieder- 
erneuerung nach  der  Vertreibung  der  Hyksos  verdankte. 

Zeile  8. 

Nach  Fertigstellung  der  Inschrift  scheint  in  den  halbmondförmigen  unteren  Abschluß  der  Tafel 
noch  ein  Wort  als  Unterschrift  gesetzt'  zu  sein.  Vielleicht  bestand  es  nur  aus  dem  einen  Buchstaben 
Waw,  aus  dem  wir  hier  wie  auf  Nr.  352a,  353, 355  die  Klageinterjektion  „wehe!"  herauslesen  könnten. 
Aber  statt  Waw  könnte  man  auch  Aleph  I  der  Form,  wie  es  in  Z.  2  vorkommt,  in  dem  Zeichen  sehen, 
müßte  dann  aber  noch  mit  dem  Verlust  von  einem  oder  anderem  Buchstaben  rechnen,  um  zu  einem 
vollständigen  Absdilußworte  zu  gelangen,  dessen  sichere  Lesung  aber  wohl  kaum  gelingen  wird. 
Zur  besseren  Übersicht  lasse  ich  hier  die  Übersetzung  der  ganzen  Inschrift  folgen : 

Z.  1  :  Ich  (bin)  Hjtspsw-hnmjmnm- , 

Z.  2:  Oberster  der  Minenarbeiter  .  .  .  .  , 

Z.  3 :  Hauptmann  des  Tempels  der  Ma^na  [und]  des  Jahu  [von]  Sinai,  (sprechend) : 

Z.  4:  M='hb-[b]'=lt  Hjtspsw-hnmjmn, 

Z.  5:  Du  warst  freundlich,  hast  mich  gezogen  aus  dem  Nil, 

Z.  6:   Und  [hast  mich  gesetzt  über]  den  Pronaos  de[r,  s]  M  .  .  ., 

Z.  7:  Welcher  [auf]  Sinai  [ist]. 

Nr.  351   (=10)    Tafel  21  und  22. 

Diese  Tafel  hat  ihre  besondere  Geschichte.  Sie  ist  zweimal  mit  sinaitischer  Schrift  beschrieben 
worden.  Die  erste  Inschrift,  die  in  horizontalen  Zeilen  verlief,  beded<te  sie  ihrer  ganzen  Länge  und 
Breite  nach  und  ließ  sie  schon  äußerlich  als  ein  Gegenstüdc  zu  Nr.  349  erscheinen,  die  vermutlich 
unmittelbar  neben  ihr  eingehauen  war.  Dieser  ältere  Text  ist  auf  gewaltsame  Weise  von  Menschen- 
hand entfernt,  wobei  man  die  ganze  Oberfläche  der  Tafel  zu  glätten  suchte,  was  aber  so  wenig  gelang, 
daß  an  verschiedenen  Stellen  Buchstaben  oder  Reste  von  solchen  sichtbar  blieben.  Von  demjenigen, 
der  die  erste  Inschrift  zu  beseitigen  trachtete,  wurde  dann  vermutlich  eine  Neubeschriftung  der 
Tafel  vorgenommen  in  der  Weise,  daß  er  auf  ihrer  rechten  Hälfte  die  Figur  des  Gottes  Ptah  in 
der  Zella  in  gut  ägyptischer  Darstellung  anbrachte  und  links  daneben  eine  Inschrift  setzte,  die  aus 
einer  vertikal  gerichteten  Langzeile  und  einer  sie  ergänzenden,  die  linke  untere  Ecke  ausfüllenden 
Kurzzeile  bestand.  Während  die  erste  Schrift,  nach  ihren  Resten  zu  schließen,  bei  ziemlich  kleinen 
Buchr.tabenformen  einen  gefälligen  Duktus  zeigte,  ist  die  spätere  groß  und  grob  ausgeführt.  Unsere 
Interpretation  der  Tafel  geht  von  dem  jüngeren,  verhältnismäßig  gut  erhaltenen  Texte  (=B.)  aus. 
In  der  folgenden  Kopie  bezeichnet  das  mit  Vollstridien  Gezeichnete  alles,  was  ich  der  späteren  Hand 


71 


zuschreibe;  das  von  der  älteren  Besdiriftung  C=A)  lesbar  Gebliebene  ist  mit  punktierten  Linien 
wiedergegeben.  Beim  Studium  der  Photographie  ist  ebenso  wie  bei  dem  von  Nr.  349  zu  beaditen, 
daß  sdiledite  Beliditung  der  Tafel  auf  der  Platte  alles,  was  im  Steine  an  Linien  eingeritzt  ist,  erhaben 
herauskommen  ließ,  und  man  deshalb  gut  tut,  die  Sdiriftzüge  an  dem  auf  den  Kopf  gestellten 
Lichtbilde  zu  kontrollieren. 

Text  B.   Umschrift  aus  der  vertikalen  Zeilenrichtung  in  horizontaWinksläufige : 

Buchstaben:  Zajin  (Scheitel  des  spitzen  Winkels  nach  rechts  gerichtet}.  -  Taw L  -  Beth  I.  -  Jod 
(oben  Gabelung,  tiefer  unten  steil  emporgerichteter  Schwanz;  Standlinie  ungefähr  horizontal}.  -  Quer 
durch  Jod,  zwischen   Gabel  und  Schwanz   gezogen:    Samekh   (Schwanz   nach  rechts   gerichtet).    - 

Zwisdien  Samekh  und  der  Standlinie  des  Jod  vielleicht 
Taw  II  Clinker  Seitenarm  schlecht  erkennbar}.  -  He  CBein- 
linie  in  doppelter  Wellung  stark  nach  links  gezogen;  Arme 
scharf  gewinkelt;  Hals  und  Kopf  vielleidit  nicht  vor- 
handen}. -  Mem  (mit  drei  Zad^engipfeln}.  ~  Saut  (links 
mehr  eckig  als  bogig}.  -  Nahas  I  (Hals  nach  links  gehoben}.  ~ 
Unter  Kopf  und  Hals  des  Nahas :  Hauth  (Blütenkopf  mit 
Mittellinie;  Stengel  nach  links  unten  gezogen}.  -  Unter 
Leib  und  Schwanz  des  Nahas:  Sadas  (im  Gegensatz  zu 
obigem  Samekh  links  gerundeter,  rechts  scharf  gewinkelter 
Abschluß}.  -  Beth  1. -Darin:  Hauth  (Stengel  aus  der 
unteren  linken  Ecke  des  Beth  heraustretend}.  -  Koph.  - 
Teth  (links  in  leichter  Biegung  bis  zur  Unterkante  geführt}. - 
Nun  links  von  der  Richtungslinie:  Hauth  (der  auffällig 
große  Blütenkopf  ohne  erkennbare  Mittellinie;  Stengel 
anscheinend  ohne  Wellung  nach  links  herabgezogen}.  - 
Waw  (linke  Spitze  mit  sich  überschneidenden  Linien, 
woraus  die  Handkopie  kreuzförmigen  Abschluß  macht}.  - 
Taw  I.  "  Darunter  links:  Mem  (hart  über  dem  unteren 
Rande  sich  wellend,  dann  vielleicht  rechts  aufsteigend: 
nicht  sicher}.  -  Rechts  vom  Taw :  Saut  (vom  unteren  Ende  des  Taw  bis  zu  dem  der  Richtungslinie 
sich  biegend:  auf  einer  nicht  reproduzierten  Photographie  fast  sicher}. 

Übersetzung:  „Dieses  hat  Bjst(?}hm5  (=  Bjaste-mose}  abgekratzt  auf  Verordnung  des 
Thwtm(?}5  (=  Thutmose}. 

Erklärung:  Wie  Nr.  353  r.  und  1.  Seite  und  Nr.  350  r.  Z.  beginnt  auch  unsere  Inschrift  mit  einem 
hinweisenden  Fürwort.  In  m  erkennt  man  bibl.-hebr.  HNi  „diese  (f.),  dieses",  dessen  N,  nach  den 
Nebenformen  1",  T\^  zu  schließen,  rein  graphisch  ist;  hier  wohl  in  der  Bedeutung  „dieses"  zu  nehmen, 
womit  auf  die  erste  Beschriftung  der  Tafel  hingewiesen  sein  wird.  Seine  Geltung  als  Objekt  ergiebt 
sich  aus  dem   folgenden  Eigennamen   und  transsitivem  Verb.     Die  Lesung   des  Eigennamens   ist 


sicher   IS'crr 


worin  uns   eine   echtägyptische,  nach  dem  östlichen  Delta  hinweisende  Bildung 


entgegentritt.  Ihr  erster  Kompohent  ist  der  Name  der  Göttin  von  Bubastis  (bibl.  PQ?"''?  „Haus  der 
B^st-t"},  in  ägypt.  Schreibung  B?st-t,  zu  der  unser    nnc^r    genau   paßt,    da   ägypt.  b  =  sinait.   2, 


72 


ägypt.  5  — sinait.  ^  Cvergl.  'K'EK'n^n},  ägypt.  s  =  sinait.  K'  (vergl.  ^'El!'n''n}  oder  D  (vergl.  bibl.  TD^O*-' 
ägypt.  wurzclhaftes  P  =  sinait.  0,  ägypt.  EndungS't,  das  um  1500  längst  abgeschliffen  war,  =  sinait.  ~ 
C=  a  oder  e).  Der  zweite  Teil  bringt  uns  das  ägypt.  Wort  m^  C=  mo§i,  mose)  „Sohn",  dessen  Gebrauch 
als  Namenskomponent  besonders  auf  die  Zeit  der  XVIII.  Dynastie  hinweist,  wie  schon  bei  Nr.  349, 
Z.  1  bemerkt  wurde. 

Auf  das  Subjekt  rcnnD^2  folgt  in  Nachstellung  -  wie  in  Nr.  350, 353  r.  S.  -  das  verbale  Prädikat  IJ™, 
wofür  uns  das  nordarabische  nahada  die  passende  Bedeutung  „abkratzen,  abschleifen"  liefert.  Bräche 
hier  die  Inschrift  ab,  so  würde  man  sich  verwundert  fragen,  inwiefern  jemand  dazu  kommt,  sein 
Zerstörungswerk  inschriftlich  zu  beurkunden.  Aber  es  folgt  noch  ein  wichtiger  Zusatz,  womit  der 
Zerstörer  sich  als  berechtigt  oder  sogar  verpflichtet  zum  Zerstören  der  Inschrift  ausweist;  so  durfte 
er  sein  Tun  auch  auf  die  Nachwelt  bringen.  Die  bedeutungsvollen  Worte  sind  tt'cmntr  pü2  „nach 
Bestimmung  des  Thutmosis".  Nach  dem  Hebräischen  ist  pH  die  gesetzliche  Bestimmung;  seine  Ver- 
bindung mit  :  ergiebt  einen  dem  ^?~?  der  Bibel  „nach  dem  Worte"  analogen  Ausdruck.  CcniHi; 
giebt  Laut  für  Laut  den  Königsnamen  Dhwtms  nach  der  Aussprache  um  1500  wieder:  ägypt.  d  = 
sinait.  ü,  ägypt.  h  =  sinait.  n,  ägypt.  w  =  sinait.  1,  ägypt.  t  =  sinait.  P,  ägypt.  m  =  sinait.  '-, 
ägypt.  s  —  sinait.  Si'  (wie  in  ^'cnncz).  Was  es  mit  der  Bestimmung  des  Thutmosis  betreffend  das 
Zerstören  auf  sich  hat,  sagen  uns  ungezählte  ausgemeißelte  Namenskartuschen  und  zerstörte  Bilder. 
Ägyptens  größter  Kriegsheld,  Thutmosis  III.  (1 480  ~  1447},  begann  seine  ruhmreiche  Regierung  mit 
einem  kleinlichen  Feldzug  gegen  alles,  was  dem  Andenken  seiner  Vorgängerin,  der  in  Nr.  349  erwähnten 
Hatsepsut,  dienlich  sein  konnte,  „überall,  von  den  Katarakten  bis  zum  Delta,  sind  ihre  Gestalt  und 
ihr  Name  auf  den  Wänden  aller  Bauten  ausgetilgt  worden  ....  In  allen  Urkunden  der  Zeit,  ja 
selbst  in  den  Gräbern  und  auf  allen  Statuen  ist  ihr  Name  und  ihre  Gestalt  ausgemeißelt  worden" 
(Breasted,  Geschichte  Ägyptens,  S.  246  f).  So  muß  auf  unserer  Tafel  ursprünglich  etwas  gestanden 
haben,  was  an  Hatsepsut  erinnerte  oder  sonst  geeignet  war,  den  Zorn  des  Thutmosis  zu  erregen ; 
denn  dieser  richtete  sich  auch  noch  gegen  Alle,  die  als  Freunde  und  Parteigänger  der  toten  Pharaonin 
bekannt  waren,  und  hatte  zum  Ziele  Ausrottung  jeder  Regung  zu  ihren  Gunsten.  Um  den  Sinai- 
tempel  hatte  sich  Hatseps'ut  in  ihrer  großartigen  Bautätigkeit  höchst  verdient  gemacht ;  so  zählten 
die  Oberbeamten  desselben  vermutlich  zu  ihren  treuen  Anhängern  -  vor  allem  derjenige  von  ihnen, 
der  auf  Tafel  349  sie  als  seine  große  Wohltäterin  bezeichnet  hat.  Hat  dieser  darum  vielleicht  auch 
die  Paralleltafel  351  errichtet?  Hat  er  auf  ihr  aus  Dank  gegen  Hatsepsut  oder  aus  Groll  gegen  ihren 
königlichen  Verfolger  vielleicht  Dinge  gesagt,  die  aus  der  Welt  zu  sdiaffen  einem  aus  seiner  Um- 
gebung, der  die  sinaitische  Schrift  lesen  und  schreiben  konnte,  Untertanenpflicht  oder  Sache  der 
Klugheit  erschien?  Um  hierüber  Gewißheit  zu  bekommen,  wäre  genaue  Kenntnis  des  älteren  Textes 
von  Tafel  351  nötig;  um  davon  etwas  zu  ahnen,  genügt  m.  Er.  das  wenige  Lesbare,  das  uns  davon 
erhalten  ist  und  dem  wir  uns  jetzt  zuwenden. 

Teyt  A.  Den  Schlüssel  zur  Erschließung  des  Wesens 
von  Text  A  bieten  uns  verschiedene  näher  beisammen- 
stehende und  ersichtlich  nicht  zu  Text  B  gehörige 
Zeichen,  die  bei  der  Voraussetzung,  A  habe  aus  hori-  / 

zontalen  Zeilen  bestanden,  als  Teile  der  zweiten  Hälfte  /    .. 

der  ersten  Zeile  zu  gelten  haben.    Es  sind  folgende:  1 

♦)  A.  Erman,  Agypt.  Grammatiks,  ^  114:  „Auch  bei  Umschreibung  von  Fremdwörtern  im  neuen  Reich  benutzt  man  i  für  tt*  und  B'.  Do- 
gegen geben  die  hebräischen  und  aramäischen  Umschreibungen  ägyptischer  Worte  es  mit  D  wieder." 


73 


Diese  Zeichen  decken  sich  nach  Gestalt  und  Folge  fast  ganz  mit  solchen  von  Tafel  349,  die  in  der 
ersten  Zeile  den  größeren  Teil  des  Namens  ?  C3CV;jnitJ'5K'''n''n  ausmachen,  dessen  Anfang  —  EtTTTI  samt 
vorhergehendem  jJ<  wegen  des  Verlustes  der  oberen  rechten  Ecke  von  Tafel  351  zur  Vergleichung 
nicht  mit  herangezogen  werden  können.  Die  Zusammenstellung  der  Zeichen  von  Nr.  351  A  mit  den 
erwähnten  von  Nr.  349  zeigt  folgendes  Bild : 

?  ü'jV  ■  ■  n'itf^  —  I 

Daraus  ergiebt  sich  für  beide  Texte  die  ursprüngliche  Namensschreibung  ?c:c^C3mK'D — ,  mit 
—  ü'rr'n  als  Eingang. 

Ober  die  Form  der  Buchstaben  von  Nr.  351  A,  Z.  1  ist  zu  bemerken:  Auf  Pae  deutet  nur  eine  kleine 
Schräglinie,  die  vielleicht  die  linke  Schmalseite  eines  Rhombus  ist.  Von  Saut  ist  das  Mittelstück  samt 
dem  linken  Seitenbogen  noch  gut  erkennbar;  man  könnte  selbst  die  Behauptung  wagen,  daß  in 
diesem  Bogen  etwas  von  einer  Ligatur  mit  Waw  zu  sehen  wäre.  -  Links  von  Saut  steht  ein  deutliches 
Hauth,  das  nach  rechts  geöffneten  Blütenkopf  und  gewellten  Stengel  zeigt.  -  Von  dem  unter  Hauth  zu 
erwartenden  Nahas  vermag  ich  nichts  zu  erkennen,  ebenfalls  nichts  von  Mem,  das  gemäß  Nr.  349 
rechts  unten  vom  Blütenkopf  sich  entwickeln  sollte;  hier  hat  die  Zerstörungsarbeit  wohl  zu  stark 
eingesetzt.  -  Das  weiter  zu  erwartende  Jod  steigt  in  leicht  geschwungener  Linie  vom  linken  Bogen 
des  Saut  zum  Zajin  (von  Text  B)  auf  und  durchschneidet  dieses  mit  seiner  Spitze,  an  der  die 
Gabelung  noch  sichtbar  ist;  diese  zwei  das  Zajin  durchquerenden  Linien  als  zu  ihm  gehörig  zu  er- 
klären, geht  im  Hinblick  auf  alle  übrigen  Zajin  unserer  Inschriften  nicht  an,  so  daß  auch  ein  Hinweis 
auf  nordsemitisches  Zajin  nicht  am  Platze  wäre.  ~  Links  unter  Jod  schlängelt  sich  deutlich  ein  Mem, 
und  unter  diesem  steigt  ein  Nahas  I  hoch,  um  mit  seinem  Halse  in  dem  linken  Seitenbalken  des  Taw 
(von  Text  B}  zu  verschwinden.  -  Vom  Schwanz  des  Nahas  wird  berührt  der  mittlere  Zackengipfel 
eines  großen  und  deutlichen  Mem,  das  als  einzigen  Buchstaben  von  Text  A  auch  die  Handkopie  wieder- 
giebt.  -  Daß  darunter  Reste  von  Saut  sich  befänden,  ließe  sich  ebenso  gut  behaupten  wie  bestreiten. 

Hieraus  ergiebt  sich  für  Text  A  von  Nr.  351  derselbe  Anfang,  wie  wir  ihn  auf  Nr.  351  lesen.  In 
beiden  Fällen  steht  der  Mann,  der  den  Namen  der  Pharaonin  Hatsepsut  in  dem  seinigen  führt, 
redend  vor  uns.  Bauen  wir  diese  Parallele  weiter  aus  und  nehmen  wir  an,  es  habe  Text  A  ebenso 
wie  Nr.  349  in  zwei  weiteren  Horizontalzeilen  die  beiden  Titel  des  Mannes  gebracht,  ob  auch  kein 
deutlicher  Buchstabe  davon  übrig  geblieben  ist.  Mit  einer  vierten  Zeile  mag  dann  die  eigentliche  Mit- 
teilung des  Mannes  begonnen  haben.  Wo  nun  in  Zeile  4  von  Nr.  349  der  Königs-  Vv.-"...--."-.  :.  ...-;;:; 
name  JCCJniß'DiI'nTi  steht,  begegnen  uns   auf  Nr.  351    die  Buchstabenreste    "••—■""■':•■■■/....,;•■•■;;'     "'■ 

Wäre  es  zu  kühn,  aus  diesem  deutlichen  Hauth  (nach  rechts  geöffnet},  dem  unter  dessen  Stengel 
zu  vermutenden  Waw,  dem  danebenstehenden  Taw  I,  der  wohl  als  Mem  anzusprechenden  Folge 
von  Zackengipfeln  und  den  darunterliegenden  an  Saut  erinnernden  Bögen  ein  ti'>.:ni~[j;]  zu  konstruieren, 
also  den  in  Text  B  deutlich  ausgeschriebenen  Namen  von  Thutmose  III.  dem  Namen  Hatsepsut  von 
Nr.  349  gegenüber  zu  stellen?  Dann  läge  es  nahe,  der  Zeile  5  die  Erwähnung 
zuzuschreiben,  wie  Thutmose  III.   -    wohl  im  Gegensatz  zu  Hatsepsut    -    mit      ,■"   _.•...■'    '..         '/ 

dem  in  der  Inschrift  Sprechenden  verfahren  habe.    Rechts  von  dem  Saut  des     """     •.'••■".    •", 

Textes  B  tritt  wieder  ein  kleiner  Komplex  von  Buchstaben  zutage;  es  sind:  '  "     '       '"'' 

Lawe  ist  sicher,  unter  ihm  könnte  Taw  II  stehen.  Links  folgen  Saut  und  darunter  nach  rechts 
geöffnetes  Hauth.  Links  vom  Saut  steht  ein  zwiebeiförmiges  Zeichen,  worin  man  ein  Waw,  vielleicht 
aber  auch  den  größeren  Teil  eines  Teth  vermuten  könnte.    Ich  lasse  ?'^  für  die  Deutung  aus  dem 


74 


Spiele;  mit  {j:nit'  kämen  wir  zu  der  hebräischen  Wurzel  "ii'  oder  nnti'  „sinken",  „gedemütigt  werden 
oder  zu  'cnz'  „scfilachten",  „töten"  und  hätten  damit  sdiarfe  Gegensätze  zu  dem  an  der  gleichen 
Stelle  in  Nr.  349  stehenden  jmtt'tS'C  „du  hast  mich  herausgezogen"  (—„gerettet"}. 

Es  wäre  meines  Erachtens  aussichtslos,  von  unserem  Lichtbilde  mehr  Aufklärung  über  die  Frage 
nach  dem  Wortlaut  des  älteren  Textes  zu  verlangen;  aber  so  viel  ist  gewiß,  daß  er  dem  Thutmosis  mit 
scharfen  Worten  oder  Anklagen  nahe  getreten  war,  weshalb  die  wohl  allgemein  ergangene  Verordnung 
dieses  Pharaos,  alles  „Staatsgefährliche"  an  Inschriften  auszutilgen,  auch  auf  ihn  Anwendung  er- 
heischte. Auffällig  sind  jedoch  verschiedene  Umstände,  die  seine  Vernichtung  begleiteten.  Derjenige, 
der  sich  inschriftlich  als  Vollstrecker  des  Königsbefehls  nennt,  trägt  den  reinägyptischen  Namen 
Bjastemose,  schreibt  aber  in  einer  semitischen  Sprache  und  gebraucht  die  sicher  nur  einem  kleinen,  um 
das  sinaitische  Heiligtum  gescharten  Kreise  geläufige  neue  Schrift,  deren  Anwendung  sich  kaum  mit 
starkägyptischem  Nationalgefühl  vertrug.  So  möchte  man  ihn  am  ehesten  für  einen  dem  östlichen 
Delta  oder  geradezu  der  Stadt  Bubastis,  dem  Mittelpunkt  des  Bjaste-Kultes,  entstammten  Semiten 
nehmen.  Ein  ägyptischer  Name  bei  fremder  Abstammung  und  Gesinnung  wird  in  der  Hyksos-Periode, 
die  schließlich  zu  einer  weitgehenden  Ägyptisierung  der  fremden  Eindringlinge  führte,  nichts  Seltenes 
gewesen  sein;  und  wie  uns  die  Bibel  das  mosaische  Zeitalter  schildert,  gab  es  auch  damals  Hebräer 
mit  ägyptischen  Eigennamen,  wie  "I^'C,  cnXD  und  wohl  auch  pP'^r,  dessen  Nebenform  X'?^-^  ihn 
als  mit  dem  ägyptischen  Gottesnamen  Min  gebildet  giebt.  Was  wird  nun  dieser  Pseudoägypter  mit 
der  Anbringung  des  Bildes  von  Ptah  auf  der  rechten  Seite  der  Tafel  bezwecict  haben  ?  Zunächst  den 
Ausdruck  seiner  eigenen  Zugehörigkeit  zum  Handwerkerstande,  dessen  himmlischer  Patron  Gott  Ptah 
war,  weshalb  die  Griechen  ihn  ihrem  Hephaistos  gleichstellten.  Weiter  wohl  die  Heiligung  der  Tafel 
und  ihrer  Umgebung,  so  daß  nun  die  übrigen  Tafeln,  deren  Texte  unangetastet  geblieben  waren,  sich 
im  Schutze  des  Ptah  befanden.  So  könnte  Bjastemose  vielleicht  nicht  der  rücksichtslose  Vollstrecker 
des  Pharaonen-Ukas  gewesen  sein,  vielmehr  für  die  Inschriften  klug  gesorgt  haben,  indem  er  zwar 
eine,  die  gegen  den  König  selbst  ausfällig  war,  verschwinden  ließ,  den  anderen  aber  -  darunter  der 
ganz  auf  das  Lob  der  Hatsepsut  gestimmten  Nr.  349  "  einen  schützenden  Talisman  beifügte. 

d}   Rückblick  auf  die  Tafelinschriften. 

Wir  hatten  früher  auf  äußere  Anzeichen  hin  bei  den  Tafelinschriften  zwei  Gruppen  unterschieden: 
Grabinschriften  und  nichtsepulkrale,  dazu  parallel  abgefaßte  Inschriften.  Unsere  Erklärung  der  Texte 
führte  zur  Erkenntnis,  daß  die  fünf  Grabtafeln  auf  vier  Tote  gingen,  wovon  drei  wohl  nahe  bei  ihren 
Gedenksteinen  ihr  Grab  gefunden  hätten,  während  dem  Vierten  fern  von  der  ihm  gewidmeten 
Inschrift  ein  Berggipfel  zur  Ruhestätte  ward.  Von  einem  der  Toten  sagt  die  Inschrift  ausdrücklich,  er 
sei  eines  gewaltsamen  Todes  gestorben ;  bei  dem  auf  einem  Berggipfel  Begrabenen  scheinen  ebenfalls 
ungewöhnliche  Todesumstände  vorzuliegen.  Die  Inschrift  Nr.  350  ließ  erkennen,  daß  die  fünf  Grab- 
tafeln  das  Werk  eines  einzigen  Mannes  sind,  des  „Mnäh  (Hauptmann)  des  Tempels  von  .  .  ",  von 
dem  dann  auch  wohl  die  Beisetzung  der  Leichen,  die  nach  dem  dafür  gebrauchten  sprachlichen 
Ausdrucke  zu  schließen,  im  Geheimen  vorgenommen  war,  besorgt  sein  wird.  Das  gemeinsame 
Begräbnis  weist  auf  ein  gemeinsames  Sterben  hin.  Mit  welchen  Zeitverhältnissen  dieses  alles 
zusammengehangen  habe,  wird  aus  den  Texten  selbst  nicht  klar. 

Im  Gegensatz  hierzu  reden  die  beiden  nichtsepulkralen  Parallelinschriften  deutlich  von  der  Zeit 
ihrer  Abfassung.  Wenn  die  eine  mit  Liebe  der  Pharaonin  Hatsepsut  gedenkt,  die  andere  aber  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  dem  Pharao  Thutmosis  harte  Vorwürfe  macht,  wird  damit  ihre  Zeit  auf  das 


75 


Jahr  1480,  oder  allgemeiner  auf  die  Periode  des  Überganges  der  Herrschaft  von  HatSepsut  auf 
Thutmosis  III.  festgelegt.  Wiederum  ist  es  ein  Mann,  der  aus  beiden  Inschriften  sprechende  „HjtSpäw- 
hnmjmn-m?",  der  Hauptmann  des  Tempels  der  Ma^na  und  des  Jahu,  der  für  beide  der  Urheber  war. 
Das  auffällige  Geständnis  der  Liebe  zur  Hatäepsut  und  des  Hasses  gegen  Thutmosis  muß  einen 
ungewöhnlichen  Anlaß  gehabt  haben:  vermutlich  den  der  Verfolgung  der  Anhänger  und  Freunde  der 
Pharaonin  durch  Thutmosis.  Waren  nun  etwa  die  vier  von  „Mnsh"  bestatteten  Toten  dieser  Ver- 
folgung zum  Opfer  gefallen?  Dafür  spricht  m.  Er.  eine  nicht  geringe  Wahrscheinlichkeit.  Dann  werden 
sie  dem  Urheber  der  beiden  Parallelinschriften  im  Leben  so  nahe  gestanden  haben,  daß  diesem  die 
Pflicht  ihrer  Bestattung  obgelegen  hätte.  Erfolgt  war  diese  jedoch  durch  einen  nur  dem  Titel  nach 
gleichen,  dem  Namen  nach  aber  verschiedenen  Mann.  Damit  stehen  wir  vor  einem  Rätsel,  dessen 
Lösung  wesentlich  davon  abhängt,  wie  man  die  von  uns  unbestimmt  gelassenen  Buchstaben  der  beiden 
Namen  ergänzt,  weiter  allerdings  auch  davon,  ob  man  sich  entschließen  will,  die  biblische  Tradition 
von  gewissen,  den  Auszug  der  Israeliten  aus  Ägypten  einleitenden  Geschehnissen  mitreden  zu  lassen. 
So  lange  unsere  sinaitische  Schrift-  und  Textforschung  aber  noch  um  Anerkennung  seitens  der 
Gelehrtenwelt  zu  werben  hat,  werden  gewisse  Folgerungen  -  so  nahe  sie  auch  zu  liegen  scheinen  - 
besser  nicht  gezogen. 

e}  Das   Graffito   Nr.  348  C=16). 

Von  dem  Papierabklatsch,  den  Palmer  von  diesem  Graffito  im  Wadi  Magara  genommen  hat, 
liegen  zwei  Zeichnungen  vor:  eine  bei  R.Weill,  Recueil  des  Inscr.  egyptiennes  du  Sinai  (Nr.  44},  die 
andere  bei  Gardiner,  The  Egyptian  Origin  etc.,  Tafel  III  (Nr.  348}.  Ihre  folgende  Wiedergabe  zeigt, 
daß  sie  nicht  unwesentlich  von  einander  abweichen: 

Buchstaben:     Bei  Weill    fehlt   zunächst   das    zweitletzte   Zeichen        '''^''"^^      Gavc^.ner 
Gardiner  s ;  daß  es  versehentlich  ausgelassen  ist,  beweist  der  dabei  frei-       ./  *<.ää!*'* 

gebliebene  Raum.    Weiter  entsprechen  sich  beide  Zeichnungen  nicht  in         T  " 

dem  obersten  Zeichen.     Diejenige  Weill's  giebt  es  wie  ein  nach  rechts         \rj  ' ■  ei  } 

aufsteigendes  Nahas  I,  dem  nur  der  Kopf  fehlt;  dagegen  glaubt  man  auf  der         -^  ^—jt^ 

von  Gardiner  das  Mittelstüdc  eines  breitgewellten  Mem  vor  sich  zu  haben,        C      1  '"4 

das  sich  nach  rechts  und  links  gleichmäßig  fortzusetzen  scheint.  Die  übrigen  /ä 


Buchstaben  geben   beide  Zeichnungen  ungefähr  gleich.     Es  sind  Taw  1  /!/ 

Cbei  Weill  mit  überlangem  Oberbalken}.  -  Nahas  II  -  He  (mit  nach  links  •'^^' 

ausbiegender  Beinlinie  und  einer  sonst  nicht  üblichen  kleinen  Rumpf-  "f"  ^^    ^^^^ 

Verlängerung}.  «  Beth  I  (worin  Gardiner  etwas  wie  einen  mittleren  Punkt  '^J^ 

andeutet}.   -  Ajin  Cmit  undeutlichen  Edcen  und  einer  gebogenen  Linie  ""^^ 

statt  Pupille}.  -  Lawe  Cnach  rechts  geöffnet,  stark  spiralig  -  fehlt  bei  Weill}.  -  Taw  I. 

Erklärung:  Die  untere  Hälfte  dieser  leicht  nach  rechts  ausbiegenden  Vertikalzeile  bietet  zweifel- 
los das  Wort  tT^yD,  den  semitischen  Beinamen  der  Hathor  vom  Sinai.  Was  davor  steht,  macht  der 
Erklärung  Schwierigkeiten.  Ist  der  erste  Buchstabe  Nahas,  so  kommt  TijOJ  heraus,  d.i.  die  3.  pers.  sgl.  f  em. 
des  Perfekts  von  IDJ  „geben".  Mit  ntjyz  eng  verbunden,  könnte  es  ein  Eigenname  nt'y^n:!"):  C=B3'^alet 
hat  gegeben}  sein,  also  ein  Gegenstücic  zu  bibl.  ^i^.'Ji?^,  ''^'^'?^,  ~'i;'rJ,Or  und  zahlreichen  Namen  aus 
anderen  semitischen  Sprachgebieten  mit  einer  Wurzel  der  Bedeutung  „geben"  als  erstem  oder 
zweitem  Komponenten.  Aber  es  könnten  njpj  und  P'7J?2  auch  im  Verhältnis  von  Prädikat  zu  Subjekt 
stehen,  wobei  dann  Ausfall  eines  Objekts  anzunehmen  wäre.  Gegen  diese  losere  Verbindung  spricht 
aber,   daß   sonst  in  den  sinaitischen  Inschriften  ein  verbales  Prädikat  nachzustehen  pflegt  (vergl. 


76 


Nr.  350,  r.  Z.,  353,  r.  Z.,  351,r.  ZO.  -  Mit  Gardiner's  Anfangs-Mcm  bekämen  wir  r:re:',  was  für  sich 
allein  oder  mit  n^pD  verbunden,  keinen  Sinn  hat.  Ist  das  Mem  echt,  dann  könnte  vielleicht  in  der 
Zeichnung  des  zweiten  Buchstabens  ein  Fehler  stecken,  indem  nicht  Taw  I,  sondern  Aleph  II  auf 
dem  Abklatsche  stände.  Dann  hätten  wir  einfach  den  semitischen  Haupt-  und  Nebennamen  der 
Hathor  vor  uns,  wie  wir  ihn  aus  Nr.  353,  r.  Z.  und  354,  r.  Z.  kennen  gelernt  haben,  nämlich 
n^jy^  nJND.  Das  entscheidende  Wort  hat  hier  der  Abklatsch  zu  sprechen,  da  das  Graffito  selbst 
wohl  nicht  mehr  wiederzufinden  ist. 

Das,  was  dieser  kleinen  Inschrift  ihren  eigentlichen  Wert  ßiebt,  ist  nicht  ihr  Inhalt,  sondern  ihre 
Fundstätte.  Alle  früher  behandelten  altsinaitischen  Inschriften  konnten  wir  mit  dem  Hathortempel 
auf  Serabit -cl' Hadern,  sei  es  durch  ihre  Auffindungsstätte  oder  durch  die  daraus  sprechenden 
Persönlichkeiten,  zusammen  bringen;  diese  ziemlich  entfernt  von  Serabit-el-Hadem  gefundene  steht 
auch  inhaltlich  davon  abseits.  Sollte  sie  selbst  die  Göttin  Ma'na  Ba'^alet  nennen,  so  könnte  eben- 
sowohl der  ganze  Sinaidistrikt  als  Gegend,  die  sie  beherrscht,  wie  der  Sinaitempel  als  ihr  Wohnort 
den  geistigen  Hintergrund  zu  ihr  bilden. 


77 


V.  ERGEBNISSE  UND  FOLGERUNGEN. 

1.  Die   Sprache  der  altsinaitiscKen  Inschriften, 

[us  der  vorhergehenden  Erklärung  der  altsinaitisdien  Inschriften  ergiebt  sich  für  ihre 
Sprache,  daß  sie  ein  reines  Hebräisch  ist,  das  sich  an  keinem  irgendwie  hervorstechen- 
den Punkte  von  dem  Idiom  der  Bibel,  vor  allem  dem  der  älteren  Teile  derselben, 
entfernt,  dagegen  von  anderen  semitischen  Sprachen,  deren  Gebiete  unweit  der 
Sinaihalbinsel  liegen,  wie  Nord-  und  Süd-Arabisch  und  Aramäisch,  stark  abweicht. 
Als  spezifisch-hebräische  Züge  des  Sinaitischen  seien  erwähnt : 

a)  die  Bildung  des  nichtsegolaten  weiblichen  Nomens  auf  ~"  (=ri^)  :  "JNp  „(Göttin!)  Ma^'na";  die 
des  segolaten  weiblichen  Nomens  auf  n~  :  P^j;;!  „CGöttin)  Ba^alet".  Im  Status  constructus  wird 
das  erstere  m  v-  zu  H—  :  rny.  „Gemeinschaft"; 
b}  die  Bildung  des  Plurals  des  männlichen  Nomens  auf  C"  (=  C  .  )  :  t^Jr^'  „Steinarbeiter"  Ceventl. 

CJ5^!  „Steine"},  vielleicht  ""-,"  „die  Ruhenden"; 
c)  die  Bildung  der  3.  pers.  Sgl.  fem.  des  Perfekts  auf  H  (=  n,0  :  'j^-,    „sie  hat  gegeben"  (doch 

beachte  das  zur  Zeichenlesung  Gesagte  0; 
d}  die  Bildung  des  aktiven  Kai-Partizips  nach  dem  Typus  Kotel :  HjIC  „zählend",  die  des  passiven 

nach  dem  Typus  Katul :  "':j  „heimlich  beigesetzt"; 
e}  die  Bildung  des  Infinitivus  constructus  vom  Kai  nach  dem  Typus  Katol :   N'^^C   „viel  werden' ; 

f)  die  Bildung  des  Infinitivus  constr.  vom  Pi'^'^el  nach  dem  Typus  Kittul :  "'^n;  „Sonderdarbringung"; 

g)  die  Bildung  des  passiven  Pu'^'^al-Partizips  nach  dem  Typus  makuttal :   -"'^9  „vielgeliebt  ; 

h)  die  Einschiebung   eines    o   vor  konsonantischen  Endungen   im  Perfekt  der  Verben   Mediae 

geminatae:  ir.Wc  (oder  vielleicht  ^Plii'E'D}  „du  hast  mich  ergriffen"; 
i)  innerhalb  des  Pronomens  die  Formen   J^;   „ich",    "   „mich"  (in   ^rilltvr},   ''—  „mein"  (in  ''J3}, 
ri"  „sein"  (in  riotfTilD),  ~,-  „ihr"  Gn  "rync);  -i  „dieser",  n""  „diese,  dieses",  "<?<  „diese  da 
Cplur.}",  vor  allem  auch  der  Artikel  ~  (in  (C)nj~.}  und  das  Relativsatzzeichen  "1?*?«. 
Den  hebräischen  Sprachcharakter  bestimmen  ferner  Wurzeln  und  Wörter  wie  i"N  „Stein"  (aus 
i^N  „Steinarbeiter"  zu  erschließen],  -~'V  „lieben"  (aus  ::7^"P  „vielgeliebt"  erschlossen),  pn  „Satzung, 
Bestimmung",  pn  „ritzen,  in  Stein  einschreiben",  "l  „(speziell)  weihen"  (aus  "''"'',  zu  erschließen), 
D2C  „Tempelzins",  mJC  „zählen",  "DC  „Pronaos",  U*C  „ergreifen",  n:  „ruhen",  HJD  „Dornstrauch 
(Zizyphus  spina  Christi)",  "V.  „Gemeinschaft",  ""C  „Hauptmann",  CP  „umkommen".  Auf  das  ältere 
Biblisch-Hebräisch  weisen  folgende  Eigennamen  hin :  "N",  „Nil",  'TP^  „(Gott)  Jahu",  f]CV  „Joseph", 
'^P  „Sinai"  (   '^^''^^-  —  '^^'^^  —  ~^'^'-  entweder  Mosas  oder  Manass^). 

Hebräisches  Sprachgut  mögen,  obgleich  die  Bibel  sie  nicht  überliefert,  auch  folgende  Worte  sein: 
13  „Grab"  oder  „Bestattung",  nStS'J  (oder  0^11*3  ?)  „Bergspitze",  ''  (ob  Hl  ?)  „wehe",  li"  (im  Kai) 
„errichten",  V~J  „abkratzen",  pl  (-  l?!)  „Oberster". 

Die  Feststellung,  daß  um  1 500  v.  Chr.  auf  der  Halbinsel  Sinai  Hebräisch  gesprochen  und  sogar 
geschrieben  wurde,  ist  geeignet,  die  bisherige  Anschauung  von  der  Geschichte  der  hebräischen  Sprache 
vollständig  zu  revolutionieren.  Von  Palästina  als  dem  Ursitz  des  Hebräischen  kann  weiterhin  nicht 
mehr  die  Rede  sein.  Wir  haben  jetzt  die  Wahl,  ihn  entweder  gestützt  auf  den  Mesa-Stein  in  das 
Ostjordanland  zu  verlegen,  oder  ihn  mit  dem  Sinai  in  Verbindung  zu  bringen.  Das  über  den  Mesa- 
Stein  weit  hinausgehende  Alter  der  Sinaiinschriften  macht  die  zweite  Ansicht  zur  wahrscheinlicheren. 


78 


Das  Auftreten  des  Hebräisdien  im  Ostjordanlande  und  in  Palästina  wird  mit  dem  Vordringen  südlicher 
Stämme  zum  Norden  zusammenhängen,  wie  es  uns  die  TelUAmarna-Briete  für  das  H.Jahrhundert 
bezeugen;  wenn  die  Israeliten  dabei  am  erfolgreichsten  waren,  so  wird  man  ihnen  auch  die 
Hauptrolle  bei  der  Übertragung  der  hebräischen  Spradie  in  das  phönizische  Stammland  zuweisen 
müssen. 

Zusatz:   Alphabetische  Zusammenstellung  der  in  den  Inschriften  vorkommenden  Wörter. 

N  CJrx :  Stat.  abs.  plur.  von  ps ,  „Steinarbeiter"  (346  r.  S.,  349,  2}  ~  "'^vX :  Pron.  demonstr.  plur., 
„diese  hier"  (350}  -  :n  (=''JN}:  Pron.  pers.  l.pers.  sing.,  „ich"  (349,  1;  352  o.}  -  "ilJ'N:  Pron. 
relat.,  „welcher"  oder  „weldien"  (349,  7). 

2  2:  Präp.,  „in,  auf "  (346,  r.  S. ;  347[?];  349,3,7;  352  u.  bis  353  r.3  -  r,i:[n2]:  Stat.  abs.  plur. 
von  "Dr.D,  „Weidetiere,Vieh"(346,  V.)  -  Z'ü~rC'2:  Nom.propr.masc,  „Bjastemosse"  (351  B}  - 
P:  Stat.  constr.  sing,  von  p,  „Sohn"  (352,  o  [?];  352a  [?] ;  355}  -  n'py:!:  „Ba^alet",  Zuname 
der  Göttin  n.-NC  (345,  r.u.l.;  346,  v;  348;  353,  r.;  354}  -  r\2:  Stat.  constr.  sing,  von  02  (=n':}, 
„Haus"  (349,3;  350}. 

3  '}i  (PJ3  ?3:  Part.  act.  Kai  von  ü2,  „heimlich  bestattet"  (353,  m.;  355}  -  '•jJ:  p  mit  SufF.  1.  pers. 
sing.,  „meine  Bestattung  (mein  Grab?}"  (352,  u.}  -  n'7ti'3:  Stat.  constr.  sing,  von  iTJtfJ ,  „F'els- 
spitze"  (352,  u.}. 

n        n :  Artic.  determinans  (352,  u.}. 

1  1:  Conj.,  „und"  (353,  1.}  -  l  (öl  ?}  „Interj.,  „wehe"  (352  a  [?];  353,  m.;  355}. 

i  Hi:  Pron.  demonstr.  sing,  masc,   „dieser"  (353,  r.  und  1.}    -    H:    Pron.  demonstr.  sing,  fem., 

„diese,  dieses"  (351  B}. 
n         pn:    Part.  act.  Kai  von  pin,    „(SteinO  Schreiber,  Bildhauer"  (353,  1.}  -   pn :  Stat.  constr.  sing. 

von  p~,  „Gebot,  Gesetz"  (351  B}  -  IC^DJmutifn^n :  Nom.propr.fem.,  „Hjatsepsuhnumjamon" 

(349,  3}    -    [K'JCJC'CJ-iB'Ptj-n-'n:    Nom.  propr.  masc,   „H)atsepsuhnumjamonmo[se]"  (349,  1; 

351  A  [?],  347  c  [?]}  -  in  [?]:  Verb,  „sidi  erbarmen"  [?]  (352,  u.  ['?]}. 
•C        I^*>:n"r,C:  Nom.  propr.  masc,  „ThotmosEe"  (351  B}. 
'  -!J<\  Nom.  geogr.,  „JsW  =  „Nil"  (349,5}   -   n^  Gottesname,  „Jahu"  (349,  3}  -  f]DV:  Nom. 

propr.  masc,  „Joseph"  (353,  m.}  -  "in':  Inf.  Pi=el  von  nr,\  „Spezialgabe"  (345,  1.}. 
^         •7:  Präp.,  „für,  zu"  (349,  6;  353,  I.}. 
O        [2]r,wXC:  Part.  pass.  Pu'^al  von  2n.s,  „vielgeliebt"  345,  r. ;  349,  4  [?]}  -  TJNC:  Name  der  Göttin 

Ma'na  (349,  3;  353,  r.;  354  [?]}  -  n:iD:  Part.  act.  Kai  von  njc ,  „Zähler"  (353, 1.}  -  CZü:  Stat. 

absol.  von   CZü,  „Tempelabgabe"  (353,  1.}   -    ,0:  Präp.,  „von,  aus"  (349,  5}  -   -2':o:  (n:i'-C, 

rz'C  ?}  Nom.  propr.  masc,  „Manassas  (Mosas?}  -  ~CC:  Stat.  constr.  sing,  von  ICC,  „Pronaos" 

(349,6;  353,  r.}  -  nnv^C;  Nomen  r<V-\i:  „Weide"  mit  Suff.  3.  pers.  sing,  fem.,  „ihre  Weide" 

(346,  V.}    -  :m^'D  (oder  JniE.'15'C  ?}:  2.  pers.  fem.  perf.  sing.  Kai  von  Ü'U^C  oder  HK'C  mit  Pron. 

suffix.  1.  pers.  sing.,  „Du  hast  mich  herausgezogen"  (349,  5}. 
J  [C]n::  Part.  act.  plur (?} masc.  Kai  von  mj,  „Ruhende"  (352,  u.}  -  yi'C:  3.  pers.  masc.  sing.  perf. 

Kai  von  fnj,   „er  hat  abgekratzt"  (351  B}  -  cyj:  Stat.  abs.  von   cy;,  „Wohlergehen"  (346,  r. 

und  V.}   -    ncj;:(?}:  2.  pers.  fem.  Sgl.  Kai  von  Cy:,  „du  warst  gnädig"  (353,  5}   -    ri:n: :  3.  pers. 

fem.  sing.  perf.  Kai  von  pi,  „sie  hat  gegeben"  (348}. 
D        N12D :  Inf.  Kai  von  N^D,  „Vielsein"  (346,  v.}  -  r,ctfn:D :  Nom.  propr.  masc,  „Sanesamö"  (352,  o.}  - 

^:C:  Nom.geograph.,  „Sinai"  (346,r.,  347,  347a[?],349,3.Z.,352,u.}  -  PEC  (oder  ^0}:  Stat. constr. 


79 


sing,  von  "ED  (oder  ^D},  „Schwelle"   -    IC :  Stat.  constr.  sing,  von   "ID,  „Vorsteher"  (349,  3.). 

V         n~y :   Stat.  constr.  sing,  von   my,   „Gemeinschaft,  Gemeinde"  (352,  u.3   -  t^y :  Präp.,  „für,  zum 
Nutzen  von"  (346,  v.  und  r.}. 

1         p":-.  Stat.  constr.  sing,  von  p~l,  „Oberster"  (346,  r.;  349,  2}. 

P        CP:  3.  pers.  sing.  masc.  perf.  Kai  von  CD,  ,, er  ist  umgekommen'   (353,  r. ;  354  [?])  -  njri:  Inf .  Kai 
von  jnj,  „Geben,  Weihgabe,  (347,  347a}. 

Außerdem  sind  dem  Sinai -Hebräisch  wohl  noch  (vergl.  8.23,35)  folgende  in  den  Buchstaben- 
namen enthaltene  Wörter  zuzusprechen:  ^?N  „Kuh",  n'3  Tempel"  (s.  oben},  '7C3  „(TempelO 
Beamtenschaft",  n'PT  „große  Tür' ,  ""  „ein  Jubelruf",  ti  „Schmudcrosette  ',  pT  „Zierstab, Waffe' , 
n"'in  Ori''"}  „Lotos",  rr'CO  „ein  Pflanzenname"  oder  -  allgemein  -  „Grün",  Tl^  „der  Gott  Jod 
(Wudd}",  n-  „Rispe",  m^  „Horizont",  C^C  „Wasser,  Meer",  K-'n:  „Wasserschlange",  "CD  „Fisch", 
VV  „Auge",  ne  „Mund",  HIH  (bzw.  ■'"H}  „Antlitz",  ^T  „Baudihöhle",  ti'n  (oder  älter  tJ'n}  „Kopf", 
JOItt'  (]''5i'}  „Rute  (des  Urins}"  =  „Phallus",  "Ti  „kreuzförmiges  Stirnmal". 

2.  Der  Lautwert  der  sinaitischen  Buchstaben. 

Wenn  das  Sinai-Alphabet  22  Buchstaben  (abgesehen  von  den  fünf  Dubletten}  zählt,  so  muß 
daraus  nicht  gefolgert  werden,  daß  das  Sinai-Hebräisch  gerade  22  Konsonantlaute  enthalten  habe. 
Man  wird  ja  auch  dem  Konsonantbestande  des  Biblisch -Hebräischen  nicht  gerecht,  wenn  man  ihn 
nach  der  Zahl  SQJner  Konsonantzeichen  abschätzt;  denn  noch  in  masoretischer  Zeit  gab  man  dem 
ü'-Zeichen  die  Werte  s  und  s,  und  in  der  Septuaginta-Zeit  unterschied  man  beim  Lesen  von  "  ein 
h  und  ein  h,  beim  Lesen  von  V  ein  5  und  ein  g.  In  der  klassischen  Zeit  des  Hebräischen  wird  die 
Differenzierung  der  Konsonantzeichen  beim  Sprechen  noch  weiter  gegangen  sein,  wie  sich  aus 
Doppelschreibungen  gewisser  Worte  des  Bibeltextes  ergiebt.  Wenn  nebeneinander  vorkommen  ]V'ü 
und  ]Va  „tragen",  pp  und  "LOip  „Ekel  empfinden",  =1iJp*  (gemäß  HD^p}  und  1J2p  „abknidcen",  =11JK'' 
und  ']^^  „sich  ergießen",  "IHJ  und  1i-j  „bewachen",  Wä  (neuhebräisch}  und  f<Jt2  „Korb",  so  wird 
man  daraus  auf  die  Existenz  einer  Art  von  althebräischem  Mittellaut  zwischen  s  und  t  schließen, 
der  sich  auf  etymologischem  Wege  als  z  bestimmen  läßt.  Ebenso  ergeben  die  Schreiberdubletten 
y^i  und  yi  „zerschlagen",  V-1  und  V^l  „gelagert  sein",  1U  und  "ly  „Widersacher",  p^i"  und  p^y  „enge 
sein  ,  £C-i'  und  tDSy  „ergreifen",  „pfänden",  HUI  und  C^n)"'!'"'  ein  früher  gesprochenes  d,  und  weiter 
31'  und  2n  „zerfließen",  ']V'  und  ^yi  „erlöschen",  "l'J  und  "l'O  „geloben",  „weihen"  vielleicht  ein 
von  z  unterschiedenes  d.  Endlich  kann  man  wohl  ohne  Bedenken  schließen:  Wo  von  den  alten 
Bibelsdireibern  2  geschrieben  ist,  das  etymologisch  nordarabischem  k  entspricht  (z.  B.  in  "Ij  „ein- 
schneiden", '^■"'"1:1  „gedrehter  Faden"  (=  arab.  kalidu},  1''^  „Sehne",  rT?3  „Ölgefäß",  "y:  „brüllen", 
C"1j  „abnagen",  ^33  (neben  ^P-}  „stoßen",  3'7~  „springen",  -  oder  wo  bibl.  i  von  den  alten  Ägyptern 
mit  k  umschrieben  ist  (z.  B.  in  pi  „Axt"  und  den  Stadtnamen  ti'J^3  und  lU},  da  steckt  hinter  solchem 
3  der  Laut  g,  d.  i.  das  stimmhafte  Gegenstück  zu  stimmlosem  k.  Damit  verwandelt  sich  der  noch 
jetzt  von  den  Grammatikern  meist  recht  eng  genommene  Kreis  der  hebräischen  Konsonantlaute  in 
den  weiteren  des  Nord-  und  sogar  des  Südarabischen  (mit  dessen  vier  stimmlosen  Sibilanten  Samekh, 
Sin,  Sin  und  Sadas}. 

Ähnlich  wird  man  sich  das  Verhältnis  von  Konsonantzeichen  und  Konsonantlauten  im  Altsinai- 
tischen vorstellen  müssen.  Eine  Reihe  von  Buchstaben  könnte  eindeutig  sein,  nämlich  Aleph  (=^}, 
Beth  (=  bh},  Daleth  (=  dh}.  He  (=  h},  Waw  (=  u},  Jod  (=  i},  Kaph  (=  kh},  Lawe  (=  1},  Mem 


80 


C=  m),  Nahas  C=  n),  Pas  C"  ph),  Res  C=  r"),  Taw  C=  th).  Daneben  stehen  aber  andere,  deren 
Lautcfiarakter  eine  genauere  Untersuchung  fordert: 

Hauth:  Es  steht  sowohl  für  ägyptisches  |  (h)  in  •  •  •  ili^SCt'n^n  und  tt'CriTiil,  wie  für  ägyptisches 
<*-=■  Ch)  in  iCCJn  — ;  damit  ist  schon  die  Möglichkeit  gegeben,  daß  es  auch  eine  Mehrheit  von 
semitischen  Hauchlauten  ausdrücken  konnte,  vor  allem  h  und  h,  die  noch  zur  Zeit  der  Septuaginta 
in  hebräischem  H  gelesen  wurden.  Daß  es  nicht  immer  (wie  im  Aramäischen}  nur  h  bedeutet  hat, 
ist  auch  aus  dem  südarabischen  h  zu  schließen,  das  ersichtlich  auf  unser  Hauth  zurücitgeht,  während 
der  südarabische  Buchstabe  h  später  nachgebildet  worden  ist. 

Teth:  Es  wird  jedenfalls  semitisches  t  bezeidmen,  obgleich  wir  dafür  in  den  Sinaitexten  keinen 
Beleg  haben.  Daneben  drückte  es  jedenfalls  auch  noch  eine  Sibilans  aus,  und  zwar  sowohl  ägyptisdies 
d  Gn  tt'cmn:;)  als  auch  semitisches  z,  worauf  seine  Ableitung  aus  nordarabischem  zajj[-t]  führt. 
Besonders  aber  fällt  dafür  ins  Gewicht,  daß  südarabisches  z  mit  einem  Zeichen  geschrieben  wird,  das 
kaum  etwas  anderes  ist  als  sinaitisches  Teth,  während  südsemitisches  t  mit  dem  sinaitischen  Alphabete 
nichts  zu  tun  hat. 

Zajin:  Es  steht  für  etymologisches  d  Gn  HT,  n?,  i'^N}  und  etymologisches  z  Gn  "^O;  wenn  für  das 
ältere  Bibelhebräisch  die  Scheidung  von  gesprochenem  d  und  z  angängig  ist  (s.  oben),  dann  gilt  jeden- 
falls das  Gleiche  vom  Sinaitischen,  und  sinait.  Zajin  hat  dann  die  Vertretung  für  beide  Laute. 

Samekh:  Es  steht  außer  für  ägypt.  s  C^)  vor  t  Ctt'cnriD^::}  für  semit.  s  (•  •  -^'^C,  '^^,  1°^',  1°^.  °=°3 
und  semit.  I  C^O,  vergl.  "ID  und  NliD;  da  das  Sinaitische  analog  dem  Bibl. -Hebräischen  ursemit.  s 
bewahrt  haben  wird,  so  ist  sinait.  Samekh  C^nd  nicht  Sin}  als  dessen  Vertreter  anzusehen. 

Sadas:  Es  steht  zunächst  für  semit.  s  in  -ä-  und  wohl  auch  jTlj,  vielleicht  auch  für  d,  das  im 
Bibl.-Hebräischen  (s.  oben}  noch  gesprochen  sein  wird  und  dann  gerade  im  sinaitischen  Buchstaben- 
namen Sadae  =  Dadds  (arab.  diddai  „die  zwei  Gegenstücice,  Seiten"}  anzusetzen  wäre. 

Koph:  Es  steht  für  semit.  (stimmhaftes}  g  Gn  pH  =  äth.  heg"},  das  im  Bibl. -Hebräischen  vor- 
handen war,  aber  durch  3  wiedergegeben  wurde*);  daß  es  weiter  noch  (stimmloses)  k,  wie  im 
Hebräischen,  bezeichnete,  macht  sein  Vorkommen  in  pH  (=  arab.  hakka,  äth.  hakaka  „kratzen")  wahr- 
scheinlich. 

Ajin:  Es  steht  für  semit.  i  (cyj,  n'?>'2,  my),  wahrscheinlich  aber  nicht  für  g  (arab.  Gajin),  trotz- 
dem dieser  Laut  wie  im  älteren  Hebräischen,  so  auch  im  Sinaitischen  vorhanden  gewesen  sein  wird; 
sein  Buchstabenvertreter  dürfte  im  semitischen  Uralphabet  Gimel  gewesen  sein,  da  aus  dessen 
Doppelsetzung  (nach  Fr.  Hommel)  das  Südarabische  sich  den  Zusatzbuchstaben  Gajin  gebildet  hat. 

Saut:  Es  bezeichnet  außer  ägypt.  [1  =  ä,  wenn  es  nicht  vor  t  steht  (vergl.  •  •  •  ili'EK'n'n },  noch  semit. 
bzw.  hebr.  s  (tf}  in  nülV----,  Jmtt'C,  ItfN  usw.,  niciit  aber  hebr.  s  (tt'},  wofür  Samekh  eintritt. 

Somit  schreibe  ich  mit  mehr  oder  weniger  großer  Wahrscheinliciikeit  den  sinaitischen  Buchstaben 
folgende  Lautvertretung  zu: 

Aleph  =  ^,  Beth  —  b  (genauer  bh),  Gimel  =  g  (genauer  gh)  und  g  (?),  Daleth  =  d  (genauer  dh). 
He  =  h,  Waw  =  u,  Zajin  =  z  und  wohl  auch  d,  Hauth  =  h  und  h  (daneben  ägypt.  h),  Teth  =  t  und 
z  (daneben  ägypt.  d),  Jod  —  i,  Kaph  =  k  (genauer  kh),  Lawe  =  1,  Mem  =  m,  Nahas  =  n,  Samekh  —  s 
und  s  (daneben  ägypt.  s  vor  t},  Ajin-=  ?,  Pae  =  p  (genauer  ph),  Sadas  =  s  und  d  (?),  Koph  =  g  und 
k,  Res  =  r.  Saut  =  s  (und  ägypt.  s),  Taw  —  t  (genauer  th). 

Neben  den  konsonantischen  Lautwerten  der  sinaitisciien  Buchstaben  gingen  noch  solche  vokalischer 
Natur  her.    So  verwunderlich  das  auf  den  ersten  Blick  ersdieint,  da  man  die  Vokalbezeichnung  gern 


+}  In  dem  alten  Volksnamen  p'?pj),  der  gemäß  seiner  babylonisdien  Sdircibung  Meluha  mit  g  gesprodien  wurde,  hat  sidi  p  festgesetzt. 


81 


als  eine  besonders  junge  Zutat  zu  der  semitisdien  Sdirift  zu  nehmen  pflegt,  so  entspricht  es  doch 
durchaus  dem  engen  Abhängigkeitsverhältnis,  in  dem  die  Sinaischrift  zu  der  ägyptischen  Schreibweise 
der  Zeit  um  1500  steht,  die  -  wie  Max  W.  Müller  in  seiner  Studie  „Die  Spuren  der  babylonischen 
Weltschrift  im  Ägyptischen"  (1912}  eingehend  gezeigt  hat  «  sich  bemühte,  in  Fremdwörtern  vor- 
kommende Vokallaute  konsonantisch  auszudrücicen.  Im  Sinaitischen  teilen  sich  die  Konsonanten  Waw, 
He  und  Jod  in  die  Vokalvertretung,  wobei  Waw  vorwiegend  inlautende,  He  vorwiegend  aus- 
lautende, Jod  nur  auslautende  Vokale,  und  zwar  anscheinend  stets  lange,  wieder  giebt.  Unter  der 
Annahme,  daß  die  sinaitischen  Vokalqualitäten  im  Wesentlichen  den  biblisch-hebräischen  gleich  seien, 
lassen  sich  folgende  Vokalbezeichnungen  konstatieren: 

1.  durch  den  Konsonanten  Waw  bezeichnet  es 

ö:  in  njiD  (.r\y\ü'),  f]Dv  Q^qV),  ni:d  CnI^d)  :mt^r:  CjT.'zv'),  K-cnint:  (E'criint:?}; 
ü:  in  nin^  O'^n^X  [?]  "^^^  C^),  in'  0^0,  i^^K^nvi  (•••it^sti'n^n?}. 

2.  durch  den  Konsonanten  He  bezeichnetes 

i:  n:NQ  (njNc  oder  njNo),  run:  C^Jn;}; 

e  C?3:  5^*cnnD'2  Ctf'cnriD''^  ?3; 
ö  C?3:  nDB^noD  C^bB/nJD  ?}; 

3.  durch  den  Konsonanten  Jod  bezeichnetes 
i:  'J2  0^}  ?}. 

Im  Gegensatz  zu  der  verhältnismäßig  häufigen  Wiedergabe  von  dunkeln  Vokallauten  steht  die 
Sparsamkeit  in  der  Bezeichnung  von  T  und  e.  Schreibungen  wie  JN  C=  hebr.  ''JN},  jmti'C  (=  hebr.  ''Jnllt'C}, 
nnno  C=  hebr.  nn^Vl?},  n2  (==  hebr.  HO 3,  vielleicht  auch  1  „wehe"  (=  Hl  ?}  könnten  die  spätere 
semitische  Schrift  zu  der  Gewohnheit  des  Nichtbeachtens  gesprochener  Vokale  geführt  haben,  die  im 
Phönizischen  ihren  Höhepunkt  erreichte,  während  das  Biblisch -Hebräisdie  sich  nur  zeitweilig  über 
das  Maß  der  sinaitischen  Vokalbezeichnung  hinaus  einschränkte,  um  dann  von  der  alten  Tradition 
wieder  die  Anregung  zu  einem  besonders  reichlichen  Vokalausdruck  zu  entnehmen. 

Die  Konstatierung  des  Alters  der  semitischen  Vokalbezeichnung  durch  Konsonantersatz  wirft  ein 
neues  Licht  auf  die  Geschichte  der  griechischen  Schrift.  Wenn  hier  Epsilon,  Ypsilon  und  Jota  über 
semitisches  He,  Waw  und  Jod  hinaus  sich  entwickelt  haben,  so  wird  man  darin  kaum  eine  Errungen- 
schaft des  Griechengeistes,  sondern  Nachwirkung  der  semitischen  Urschrift  zu  erblicken  haben; 
erst  bei  Omikron  und  Etha  als  Abkömmlingen  von  semitischem  Ajin  und  Hauth  zeigt  sich  freies 
Schalten  mit  überkommenen  Werten.  Da  die  Phönizier  die  Vokalbuchstaben  so  gut  wie  ganz  aus 
ihrer  Schrift  ausgeschieden  hatten,  so  verdient  die  antike  Annahme,  wonach  sie  den  Griechen 
die  Buchstaben  übermittelt  hätten,  wenig  Glauben. 

3.  Chronologisches. 

Bislang  wurde  die  Chronologie  der  altsinaitischen  Denkmäler  auf  Indizien  aufgebaut,  mit  deren 
Hilfe  nur  Datierungsmöglichkeiten  erzielt  worden  sind.  Zeitlich  am  höchsten  hinauf  ging  Gardiner, 
indem  er  die  Denkmäler  der  Zeit  des  mittleren  Reiches  von  Ägypten  (2000  bis  ungef.  ITOO)  zuwies. 
Dabei  stützte  er  sich  besonders  auf  das  Vorkommen  eines  dem  sinaitischen  Aleph  ähnlichen  Stier- 
kopfes unter  einer  sinaitischen  Inschrift  hieroglyphischen  Charakters,  die  zur  Zeit  des  Amenemhet  III. 
entstanden  ist;  weiter  auf  die  von  ihm  als  Eigentümlichkeit  des  mittleren  Reiches  bezeichnete 


82 


Einfassung  des  Ptahbildes  von  Nr.  351  durch  einen  zellaartigen  Rahmen.  Beide  Gründe  hat  v.  Bissing 
in  seiner  Studie  „Die  Datierung  der  Petrieschen  Sinaiinschriften  Cl 920)"  als  nicht  stichhaltig  bezeichnet. 
Sethe  möchte  Gardiner's  Ansatz  von  der  mittleren  Periode  Ägyptens  in  die  Hyksoszeit  hinunter- 
setzen. Aber  es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  in  letzterer  überhaupt  auf  dem  Sinai  gearbeitet  wurde, 
da  die  große  Bautätigkeit  der  ersten  Thutmosiden  auf  Sinai  doch  wohl  eine  vorhergehende  Zeit 
des  Verfalles  zur  Voraussetzung  hat.  Eine  weitere  Behauptung  Sethe's,  daß  die  sinnwidrige  Aufrecht» 
Stellung  einiger  sinaitischer  Zeichen  -  besonders  des  Auges  (Ajin)  -  ihr  Analogon  nur  in  der 
Hieroglyphenschreibung  der  Zeit  der  XI.  bis  XIV.  Dynastie  hätte,  will  v.  Bissing  Ca.  o.  O.}  nicht 
gelten  lassen. 

Flinders  Petrie,  der  Elntdecker  unserer  Denkmäler,  hatte  sich  die  Überzeugung  gebildet, 
daß  sie  der  Zeit  des  Thutmosis  III.  (1480-1447)  angehörten;  eine  braune  Scherbe  mit  schwarzer  und 
roter  Streifung,  die  er  bei  Mine  L,  dem  Fundort  der  Tafeln,  auffand,  weiter  der  Rotsandstein,  aus 
dem  die  Sphinx  gearbeitet  ist,  wiesen  ihn  dorthin,  endlich  auch  der  Fundort  der  Hockerstatuette, 
der  von  Hatäeps'ut  (1501-1480)  errichtete  Vorraum  der  Sapdu-Kapelle. 

Bissing  beschließt  seine  oben  erwähnte,  im  Wesentlichen  der  Kritik  der  vorstehenden  Indizien 
gewidmete  Studie  mit  der  Behauptung,  die  Denkmäler  seien  jünger  als  1500  v.  Chr.;  er  möchte 
aber  nicht  unter  das  letzte  Drittel  des  zweiten  Jahrtausends  v.  Chr.  hinabgehen. 

Noch  sei  die  These  Hermann  Schneider's  (Orient.  Literaturzeitg.  1921,  S.  241)  von  der  Ent- 
stehung der  Sinaidenkmäler  um  spätestens  1000  v.  Chr.  erwähnt.  Damals  habe  ein  fremder  Barbar 
(vielleicht  Philister)  den  Sinai  betreten,  das  Alphabet  dorthin  gebracht  und  den  Königsnamen 
auf  der  Sphinx  zerstört.  So  wenig  aber  feststeht,  daß  der  letztere  seine  jetzige  Unlesbarkeit 
wirklich  durch  einen  Gewaltakt  bekommen  hat,  so  wenig  kann  das  andere  von  Schneider  Behauptete 
als  irgendwie  zwingend  genommen  werden. 

Von  den  Indizien,  die  der  Chronologie  nur  eine  unsichere  Basis  zu  geben  vermögen,  können 
wir  jetzt  zu  wirklichen  Beweisen  übergehen.  Diese  liegen  vor  in  den  drei  von  uns  auf  den  Denk- 
mälern selbst  festgestellten  Namen  p'DjniK'eii'n^n  (Nr.  349,  Z.  3),  ?  D:o^c:mü'Erp:n  (Nr.349,  Z.  1, 
Nr.  351,  Z.  1)   und    ccmni^    (Nr.  351  B).      Der  erste   entspricht  genau   dem   ägyptischen  Namen 


(W^¥M 


d.  i.  H 5 tsp^wthnm ? mn  (jetzt  üblicherweise  HatSepsut  gesprochen),  der  nur  von  der  Tochter  des 
Thutmosis  I.,  die  nach  ihm  von  1501-1480  den  Pharaonenthron  inne  hatte,  als  Prunkname  geführt 
wurde.  Wenn  in  manchen  Kartuschen  der  Königin  nur  die  erste  Hälfte  dieses  Namens,  nämlich 
H^tspswt  geschrieben  ist,  so  spricht  doch  seine  sinaitische  Umschreibung  für  die  Popularität  der 
längeren  Form.  So  kann  es  nicht  auffallen,  einen  mit  ihr  komponierten  sinaitischen  Eigennamen  zu 
finden,  nämlidi  •OJCCimti'Dtt'nTI.  Man  kann  fast  sidier  annehmen,  daß  sein  zweiter  Teil,  von  dem 
nur  O  erhalten  ist,  zu  t^'C  zu  ergänzen  sei,  somit  das  Ganze  bedeute:  „Sohn  der  Hatsep^ut". 
Der  Träger  dieses  Namens  muß  unter  der  Regierung  der  Königin  geboren  sein  und  zu  ihr  in  intimer 
Beziehung  gestanden  haben.  Einer  späteren  Zeit  gehörte  er  keinesfalls  an;  denn  die  Achtung  der 
Königin  seitens  ihres  Nachfolgers  Thutmosis  III.  ließ  ihr  Andenken  untergehen  und  wohl  auch  keinen 
eigentlichen  Totenkult,  der  ihr  Gedächtnis  verewigt  hätte,  für  sie  aufkommen.  Auf  die  Zeit  der 
XVIII.  Dynastie  deutet  zudem  die  Zusammensetzung  des  Namens  mit  mä,  wofür  eine  frühere  Zeit 
wohl  sj  gebraucht  hätte. 


83 

6* 


Noch  genauer  wird  der  Zeitansatz,  auf  den  uns  die  genannten  beiden  Namen  führen,  durch 
den  dritten:  t5'Qmn£3  bestimmt.    Das  ist  hieroglyphisches 


CMB 


also  Dhwtms,  wofür  Manetho  die  Aussprache  Thutmosis  überliefert  hat.  Von  den  vier  Pharaonen, 
die  zwischen  den  Jahren  +  1540-1411  diesen  Namen  trugen,  kommt  für  uns  nur  Thutmosis  III.,  der 
Stiefbruder,  Gemahl  und  Nachfolger  der  Hatsepsut,  in  Frage;  denn  zu  deutlich  bezeichnet  Nr.  351  B 
seine  bekannte  gehässig-feindselige  Stellung  zur  toten  Hatsepsut  und  ihren  Getreuen.  Somit  ist 
Nr.  351  B  sicher  der  ersten  Zeit  nach  Hatsepsut's  Hinscheiden,  also  dem  Jahre  1480  oder  1479  zu- 
zuweisen, und  kurz  vor  dieser  Tafel  mit  ihrer  doppelten  Beschriftung  werden  alle  anderen  ent- 
standen sein,  wenn  der  innere  Zusammenhang,  den  wir  zwischen  den  Totentafeln  einerseits  und 
ihnen  und  den  beiden  Paralleltafeln  Nr.  349,  351  andrerseits  glaubten  ansetzen  zu  sollen,  auf 
Tatsächlichkeit  beruht. 

Etwas  älter  werden  die  beiden  im  Hathor-Sapdu -Tempel  gefundenen  Weihgeschenke  in  Sphinx- 
und  Hockerform  sein,  da  sie  noch  zu  Lebzeiten  der  Hatsepsut  angefertigt  worden  sind.  Für  die 
Sphinx  geht  das  aus  der  Fußplatteninschrift  nt'JJZnNC  „Vielgeliebt  von  Ba'^alet",  der  semitischen 
Übersetzung  von  mrjj  Hthr,  hervor;  denn  diesen  Beinamen  trägt  Hatsepsut  wie  auf  zahlreichen 
hieroglyphischen  Schriftdenkmälern  des  Sinai,  so  auch  wohl  auf  Nr.  349,  Z.4.  Ferner,  da  die  Sphinx 
einen  Frauenkopf  trägt  und  sie  ihrem  Wesen  nach  Herrschergewalt  symbolisiert,  so  muß  der  Kopf 
auf  eine  Pharaonin  gehen,  bzw.  auf  die  einzige  Pharaonin,  die  die  ältere  ägyptische  Geschichte 
aufzuweisen  hat:  Hatäepsut.  Für  die  Datierung  der  Hockerstatue  ist  wichtig  der  Titel  CJ2X  ]::"1 
„Oberster  der  Steinarbeiter",  der  in  Nr.  349  wiederkehrt,  gefolgt  von  dem  weiteren  und  vielleicht 
höheren  „Hauptmann  des  Tempels  der  Ma^na  [und]  des  Jahu  [in]  Sinai".  Im  ersten  Falle  führt  ihn 
ein  Mann  mit  Namen  Hti'^C,  im  anderen  aber  der  obengenannte  [tt']0J0"'03niIJ'Etl'n"'n.  Wie  stehen  diese 
beiden  Namen  zu  einander?  ?  Zu  dieser  vielleicht  wichtigsten  Frage,  vor  die  uns  die  sinaitischen 
Inschriften  stellen,  wird  weiter  unten  (unter  7)  Verschiedenes  zu  sagen  sein.  Aber  wenn  je,  so  ist 
hier  Zurücichaltung  bei  der  letzten  Entscheidung  am  Platz,  bis  Auge  und  Finger  des  Forschers 
besonders  die  drei  Fälle,  wo  der  Name  rwifjü  vorkommt  (Nr.  346,  r.  S.;  350,  r.  Z.;  353, 1.  ZJ),  auf  den 
Originalen  geprüft  haben. 

Die  vorstehende  Datierung  der  Tafeln  und  wichtigsten  Weihgeschenke  erledigt  auch  die  der 
Kleindenkmäler.  Sie  schließen  sich  nach  Form  und  Schrifttypus  so  eng  an  diese  an,  daß  man  sie 
ohne  Bedenken  als  gleichzeitig  mit  ihnen  bezeichnen,  also  der  Zeit  um  1500  zuweisen  wird. 

Mit  der  Frage  nach  dem  Alter  der  sinaitischen  Schriftdenkmäler  ist  aber  diejenige  nach 
dem  der  Schrift  selbst  noch  nicht  entschieden.  Wir  haben  wohl  die  Zeitgrenze  gefunden,  hinter 
der  ihr  Ursprung  nicht  mehr  angesetzt  werden  kann;  aber  nach  oben  hinauf  ist  noch  nichts  fest- 
gelegt worden.  Dennoch  fühle  ich  mich  berechtigt,  zu  behaupten,  daß  die  Sinaischrift  kaum  viel 
älter  sei  als  ihre  Denkmäler.  Die  Formen  ihrer  Buchstaben  spiegeln  solche  von  hieratischen  Zeichen 
der  Zeit  des  Beginns  der  XVIII.  Dynastie  wieder,  wie  sie  uns  besonders  Papyrus  Ebers,  Westcar, 
Golenischeff  und  Carnarvon  I  erkennen  lassen.  Der  Duktus  der  Schrift  ist  ein  schwankender,  noch 
unausgeglichener;  die  Möglichkeit,  manche  Zeichen  rechts-  oder  linksgerichtet  zu  gebrauchen,  hat 
etwas  Willkürliches  an  sich.  Die  Schrift  ist  besdiwert  mit  dem  Ballast  von  fünf  Buchstabendubletten, 
den    eine    bereits    von    Schreibern  viel  gehandhabte  Schrift    sicher    abgestoßen   hätte.      Endlich 


84 


spricht  ein  gewichtiges  Wort  die  Entstehung  des  Sinaialphabetes  beim  Hathortempel  vom  Sinai. 
Mag  dieser  auch  bis  in  die  XII.  Dynastie  zurückreichen,  so  ließ  ihn  doch  erst  die  Bemühung  von 
Hatsepsut  und  Thutmosis  III.  zu  Pracht  und  Bedeutung  gelangen,  nachdem  die  Hyksoszeit  wahr-: 
scheinlich  seinen  Verfall  bewirkt  hatte.  So  ist  das  Auftreten  eines  Mannes  von  der  geistigen  Höhe, 
wie  sie  dem  Schrifterfinder  jedenfalls  zuzuschreiben  ist,  bei  ihm  vor  1500  kaum  denkbar.  Sollte  es 
da  noch  gewagt  sein,  für  Sinaischrift  und  Sinaischriftdenkmäler  ungefähr  die  gleiche  Entstehungszeit 
anzusetzen? 

4.  Jahu. 

Inschrift  Nr.  349,  Z.  3  hat  uns  die  Lesung  eines  Wortes  Ti''  geliefert,  das  neben  HjNO  jedenfalls 
eine  Gottheit  bedeutet,  die  am  Kulte  im  Sinaitempel  teil  hatte.  Da  für  diesen  nur  zwei  Gottheiten 
in  Frage  kommen,  die  weibliche  Hathor  und  der  männliche  Sapdu,  Ma^na  aber  sicher  die  semitische 
Bezeichnung  für  Hathor  vom  Sinai  ist,  so  ergiebt  sich  für  in^  Cjahu}  die  Identität  mit  Sapdu. 
Damit  bekommt  die  Forschung  nach  der  Herkunft  des  Gottes  Israels  festen  Boden  unter  die  Füße. 
Zugleich  findet  manches  von  dem,  was  Prof.  Daniel  Völter  in  seiner  Studie  „Die  Herkunft  Jahwes" 
CZschr.  f.  d.Alttest.Wissensch.,  XXXVII,  8.126-133}  über  die  Gleichung  Jahwae  =  Sapdu  vorgebracht 
hat,  nunmehr  seine  Bestätigung.  Nach  ihm  weisen  Sapdu  (von  ihm  üblicherweise  Sopdu  genannt}, 
der  auf  ägyptischem  Boden  sein  Hauptheiligtum  in  Per- Sapdu,  dem  heutigen  Saft  el- Henne  im 
Wadi  Tumilat,  dem  alten  Gosen,  hatte,  und  Jahwae  gleicherweise  auf  den  Sinai  als  ihre  Urheimat 
hin;  beiden  gemeinsam  sei  das  Attribut  des  heiligen  Dornstrauches  (ägypt.  Nbs,  hebr.  H^D},  und 
wie  Sapdu  sich  in  dem  Himmelsphänomen  des  Zodiakallichtes  manifestiere,  so  deute  auch  die 
glänzende  Erscheinung  Jahwass  vor  Moses  und  den  70  Altesten  (Exod.  24,  9-1 1}  sowie  die  Feuer- 
säule bei  der  Stiftshütte  auf  Jahwas  als  Gott  des  Zodiakallichtes.  Die  Schwäche  von  Völter's 
Aufsatz  liegt  in  dem  Nichtbeachten,  daß  die  ägyptische  Anschauung  von  Gott  Sapdu  im  Laufe  der 
Zeit  verschiedene  Wandlungen  durchgemacht  hat,  und  weiter  im  Zuweisen  an  Jahwas,  was  dem 
Jahu  zukommt.  In  dieser  Richtung  werden  seine  Ergebnisse  zu  revidieren  sein,  und  wird  vielleicht 
Folgendes  aufklärend  wirken. 

Die  Ägypter  des  Alten  Reiches  sahen  in  Sapdu  den  „Herrn  der  Gebirgsgegenden",  d.  h.  sowohl 
des  Gebirges  östlich  vom  Niltal  wie  vom  Sinai.  Sie  stellten  ihn  dar  als  Semiten,  langhaarig  und 
mit  Vollbart,  mit  zwei  hohen  steifen  Federn  auf  dem  Kopfe,  am  Hüftgurt  das  grüne  ssmt-Mineral 
tragend,  in  einer  Hand  das  Lebenszeichen,  in  der  anderen  den  langen  Herrscherstab  w?s.  Seinem 
Wesen  nach  wird  er  ihnen  eine  Kriegsgottheit  bedeutet  haben,  denn  auf  einem  Relief  aus  dem 
Grabe  des  Königs  Sa^-hu-re*^  führt  er  dem  Pharao  Gefangene  zu.  Im  Mittleren  Reiche  war  die 
Anschauung  von  Sapdu  noch  dieselbe,  wie  seine  Darstellung  auf  einem  Denkstein  vom  I.Jahre  des 
Sesostris  IL  unweit  Koser  am  Roten  Meere  mit  der  Beischrift  „Sapdu,  der  Herr  des  ssmt-Landes, 
der  Herr  des  Ostens"  CA}  lehrt.  Im  Neuen  Reiche  wurde  er  aber  mehr  und  mehr  ägyptisiert  und 
verlor  dadurch  manches  von  seiner  Eigenart.  So  ist  auf  einem  Relief  des  Sinaitempels,  das 
Hatsepsut  anfertigen  ließ  CB},  sein  Haar  und  Bart  durchaus  nicht  mehr  semitisch;  weiter  fehlt  ihm  der 
ssmt-Gurt,  und  die  Linke  hält  jetzt  das  Pharaonenszepter  hk?,  während  die  Federn  auf  dem  Kopfe 
noch  geblieben  sind  (vergl.  Figur  98  in  Flinders  Petrie,  Researches}.  Seine  Beziehung  zu  Gott  Horus 
und  damit  zur  Sonne,  auf  die  wohl  seine  alte  Sperberhieroglyphe  hinweist,  wurde  in  spätägyptischer 
Zeit  der  Anlaß,  ihn  zum  Sohn  von  Re*^  oder  auch  von  Isis  und  Osiris  zu  stempeln,  und  ihn  auch 
verschiedenen  anderen  Göttern  enger  anzuschließen. 


85 


Für  unsere  Vergleichung  Sapdu's  mit  Jahu  müssen  wir  uns  möglichst  an  das  halten,  was  uns  seine 
Sinai-Darstellung  lehrt.  Danach  war  er  mehr  ein  Gott  der  Kraft  als  des  Krieges;  sein  Federschmuck 
deutet  auf  die  Luftsphäre  oder  den  Himmel  als  seinen  Wohnsitz,  sein  Beiname  „Herr  des  Ostens" 
Cnb  i?bt-t3  auf  den  Bereich  seines  irdischen  Waltens.  Vom  Dornstrauch  CNbs',  jetzt  mit  Sicherheit 
als  Zizyphus  spina  Christi  zu  deuten^  bietet  der  Sinaitempel  kein  Bild;  das  ist  jedoch  kein  Grund, 
dieses  Attribut  erst  einer  spätägyptischen  Wandlung  des  Sapdu- Begriffes  zuzuweisen.  Vielleicht 
steci^t  eine  Andeutung  davon  in  dem  als  Dorn  zu  nehmenden  spitzwinkligen  Dreieck,  der  üblichsten 
Hieroglyphe  für  den  Gott "  wenn  sie  nicht  etwa  auf  das  patronenf  örmige  Zodiakallicht  zu  beziehen  ist. 


Eine  ähnliche  Beschränkung  muß  sich  die  Forschung  bezüglich  des  hebräischen  Gegenstückes  zu 
Sapdu  auferlegen.  Schon  was  seinen  Namen  anbetrifft,  ist  eine  prinzipielle  Scheidung  zwischen 
1"''  Cjahu}  und  mri"'  Cjahwas}  geboten.  Entgegen  der  üblichen  Ansicht  hatte  ich  schon  im  Jahre  1896 
CGrundzüge  der  hebr.  Akzent-  und  Vokallehre,  Anhang)  Jahu  für  den  ursprünglicheren  Gottesnamen 
erklärt,  von  dem  aus  durdi  Anfügung  einer  Abstrakt-Endung  Jahw^  gebildet  sei.  Diese  Namens- 
verlängerung habe  eine  Verengerung  des  Sinnes  bewirkt,  indem  der  alte  Gotteseigenname,  abstrakt 
umgedacht,  nicht  viel  mehr  als  „Gott"  oder  „Herr"  Cwie  ihn  die  Septuaginta  übersetzt}  schlechthin 
bedeute.  Daß  tatsächlich  Jahu  an  den  Anfang  der  Entwicklungsreihe  zu  setzen  ist,  lehrt  uns  nun 
sein  Vorkommen  in  der  sinaitischen  Inschrift. 

Den  Namen  Hin''  läßt  die  Bibel  erst  in  der  Zeit  der  RüAkehr  Moses  nach  Ägypten  entstanden 
sein  und  unterstreicht  seinen  Abstraktcharakter  durch  die  Sinndeutung:  „Ich  bin,  der  ich  bin  (Ti'TiH 
n'riN  ~lli\s'3".  Was  vorher  des  israelitischen  Gottes  Name  war,  sagt  der  Beginn  der  an  Moses  in 
Ägypten  gerichteten  Gottesrede  von  Exodus  6,  3-8:  „Ich  bin  Jahw^;  dem  Abraham,  Isaak  und 
Jakob  hatte  ich  mich  als  „El  Sdiaddai"  0~^  '^^')  gezeigt,  aber  mich  ihnen  unter  meinem  Namen 
Jahwes  nicht  kundgegeben".  Wo  man  nach  unserer  vorherigen  Ausführung  Jahu  erwartet,  steht 
hier  der  Name  Schaddai :  ein  Rätsel  für  die  bisherige  Exegese  und  darum  für  Viele  ein  Grund,  dem 
über  Schaddai  Gesagten  zu  mißtrauen.     Dennoch  ist  alles  in  schönster  Ordnung.    Jahu  birgt  sich 


86 


hinter  Sdiaddai;  denn  dieser  Name  giebt  ägyptisches  Sapdu  in  der  Aussprache  der  zweiten  Hälfte 
des  zweiten  Jahrtausends  v.  Chr.  wieder,  wobei  im  Wortinlaut  p  ebenso  versdiwunden  ist,  wie 
das  p  von  Sopdu  „Sirius"  >  SöthiC-sD  oder  von  hopru  „Wesen"  >  huru  Gni  Königsnamen  Naphururia 
der  EUAmarna-Briefe),  das  b  von  Sobek  „Krokodilgott"  >  SudiC-os),  das  t  von  itrw  ,,Nil"  >  Ja^or, 
und  wobei  dem  d  etwas  von  der  Energie  des  verlorenen  Lautes  als  Gemination  beigefügt  wurde, 
die  als  uneigentlidi  durdi  ihren  Ausfall  unter  dem  Nebenton  Cvergl.  "l'N"'"iIf'5  erwiesen  wird.  So 
wissen  wir  nun :  in  vormosaisdier  Zeit  verehrten  die  in  Ägypten  ansässigen  Israeliten  als  ihren 
Gott  den  Sapdu  und  damit  den  Jahu,  der  mit  jenem  wesensgleidi  war.  Der  heilige  Dornstraudi 
gehörte  dem  Kulte  des  Sapdu -Jahu,  nidit  dem  des  Jahwas  an;  denn  er  begegnet  uns  wie  im 
sinaitisdien  Namen  PICB'nJD  „Der  Dornstraudi  ist  seine  (d.i.  Jahu's}  Manifestation",  so  in  der 
biblisdien  Szene  der  Berufung  des  Moses,  die  der  Proklamierung  des  neuen  Gottesnamens  Jahwae 
vorhergeht,  und  versdiwindet  von  da  ab  aus  dem  israelitisdien,  durdi  Moses  reformierten  Kulte, 
um  nur  nodi  einmal  in  dem  poetisdien  Beinamen  Jahwas's  „Wohnend  im  Dornstraudi  (Deuteron.  33,1 6) 
aufzutaudien.  Jahu  war  wie  Sapdu  im  „Osten",  d.  h.  in  diesem  Falle  auf  dem  Sinai,  bodenständig; 
von  Jahwas  aber  wird  beriditet,  daß  er  in  der  Wolke  den  Wüstenzug  der  Israeliten  mitgemadit 
habe,  um  weiter  audi  in  Palästina  in  der  heiligen  Lade  bei  ihnen  zu  wohnen.  Vollends  der  Gott 
des  mosaisdien  Gesetzes  verleugnet  den  ägyptisdien  Sapdu  und  damit  den  altisraelitisdien  Jahu 
gründlidi;  denn  wenn  er  befiehlt,  keinen  anderen  Gott  als  ihn  zu  verehren,  kein  Abbild  von 
ihm  zu  madien,  seinen  Namen  als  etwas  Unausspredilidies  zu  ehren  und  seinen  Sabbath  zu  feiern, 
so  sind  das  offenbar  Forderungen  eines  früher  in  Israel  nodi  nidit  dagewesenen  Kultes,  der  Israel 
von  Ägypten  religiös  ebenso  sdiarf  sdiied,  wie  der  von  Moses  eingeleitete  und  glüd^lidi  durdi- 
geführte  Exodus  beide  Völker  politisdi  auseinander  riß. 

Da  Moses  die  Jahwas-Religion  über  dem  Jahu-Kulte  gegründet  hatte,  so  kann  es  nidit  verwundern, 
wenn  Jahu  nidit  ganz  im  Jahwae  unterging.  Vielmehr  blieb  der  Name  Jahu  in  Israel  gebräudilidi 
für  die  Komposition  theophorer  Namen,  für  die  der  Name  Jahwas,  vielleidit  als  zu  heilig,  garnidit 
in  Betradit  kam.  Daneben  lassen  sidi  audi  Spuren  einer  tatsädilidien  Jahu -Verehrung  unter  den 
Israeliten  durdi  alle  Perioden  der  Bibel  bis  in  die  nadibiblisdie  Zeit  verfolgen,  deren  Erklärung 
ein  nodi  ungelöstes  Problem  ist.  Beruhte  sie  etwa  auf  einem  naditräglidien  Auffladcern  der 
israelitisdien  Urreligion  besonders  in  den  Zeiten,  wo  das  mosaisdie  Religionsgesetz  die  Massen  nidit 
mehr  zwang?  Näher  liegt  mir  die  Annahme,  daß  sidi  später  Jahu  mit  Jahwae  friedlidi  in  die  Stellung, 
Israels  Gott  zu  sein,  geteilt  habe,  wobei  man  bei  Jahu  an  den  im  Himmel  thronenden  Gott  dadite, 
in  Jahwae  aber  dessen  auf  Erden,  vor  allem  in  der  Nähe  seines  auserwählten  Volkes  wirksame, 
über  der  heiligen  Lade  und  später  im  Tempel  zu  Jerusalem  wohnende  Manifestation  sah,  deren 
Wesen  deutlidier  auszudrüd^en  man  in  nadimosaisdier  Zeit  die  Wortverbindung  filN^SJ  mn^  (Jahwe 
Saba^öth)  „Herr  der  Betätigungen"  sdiuf,  die  man  bis  zur  Zerstörung  des  ersten  Tempels  mit  Vorliebe 
benutzte. 


5.  S 


inai. 


Die  sinaitisdien  Insdiriften  bieten  uns  an  fünf  Stellen  -  Nr.  346,  r.  S.,  347,  r.S.,  349,  Z.  3  und  Z.  7, 
352,  untere  Hälfte  -  mehr  oder  weniger  deutlidi  das  Wort  'JD,  und  zwar  jedesmal  in  einem 
Zusammenhang,  der  ihm  die  Bedeutung  eines  geographisdien  Eigennamens  sidiert.  Es  ist  kaum 
daran  zu  zweifeln,  daß  uns  in  ihm  das  biblisdie  VC  entgegentritt.  Wenn  es  bisher  nidit 
gelungen  ist,  dieses  irgendwie  fest  zu  lokalisieren,  und  sdion  die  Sinaihalbinsel,  weiter  nördlidi  das 


87 


edomitische  Grenzgebiet  und  östlich  das  arabische  Midian  im  Ganzen  oder  mit  einem  Teilbezirk 
hypothetisch  damit  in  Verbindung  gesetzt  worden  sind,  so  bieten  sich  nun  verschiedene  Handhaben, 
um  der  bisherigen  Unsicherheit  ein  Ende  zu  machen  und  den  Begriff  des  biblischen  Sinai  genau  zu 
umgrenzen  und  zu  bestimmen. 

Als  Sinai  hat  von  nun  an  das  Felsplateau  von  Serabit-el-Hadem  zu  gelten,  das  im  Norden  vom 
Wadi  ed-Dhabba,  im  Osten  vom  Wadi  Umm  Agraf  und  Hamile,  im  Westen  vom  Wadi  Baba  begrenzt 
wird,  im  Süden  aber  mit  dem  Massiv  von  Magara  zusammenhängt.  Die  alleinige  Berücksichtigung 
der  Phrase  von  Nr.  346,  r.  S.:  „Oberaufseher  der  Minenarbeiter  auf  Sinai"  könnte  dazu  führen,  das 
ganze  von  den  alten  Ägyptern  bergmännisch  bearbeitete  Gebiet  der  Südwestecke  der  Halbinsel, 
also  Wadi  Magara  samt  Serabit-el-Hadem,  als  „Sinai"  anzusprechen.  Aber  wenn  in  Nr.  349  vom 
„Tempel  der  Ma^na  [und]  des  Jahu  [auf]  Sinai"  und  weiter  vom  ,,Pronaos  [der]  M  .  .  .  ,  der  [auf] 
Sinai  .  .  "  die  Rede  ist,  so  scheidet  damit  Wadi  Magara,  das  kultisch  keine  Bedeutung  hatte,  aus 
der  Wahl  aus,  und  das  vom  Hathor-Sapdu-Tempel  beherrschte  Serabit-el-Hadem  bleibt  allein  für 
den  Namen  Sinai  übrig.  Den  letzten  Zweifel  an  dieser  Lokalisierung  zerstreut  sodann  die  Phrase 
von  Nr.  352  „Mein  Grab  ist  auf  0^}  der  Bergspitze  auf  (-)  Sinai".  Hier  wird  dem  ganzen  Sinai 
nur  ein  frei  aufsteigender  Berg  zugeschrieben,  und  dieses  stimmt  genau  dazu,  daß  über  dem  Plateau 
von  Serabit-el-Hadem  nur  im  Südwesten  sich  ein  Berg  erhebt,  der  Umm  RiglainO,  dessen  schroffe 
Vorderwand  und  ungemein  charakteristischer  Doppelgipfel  ihm  wohl  die  Bezeichnung  „Berg  von 
Serabit-el-Hadem  C=  Sinai}    sichern  könnten. 

Tritt  man  mit  diesem  Ergebnis  an  die  Stellen  heran,  in  denen  die  Bibel  von  "'j''D  redet,  so  hören 
sie  auf,  vieldeutig  zu  scheinen  und  führen  nun  ebenfalls  auf  Serabit-el-Hadem  hin.  Nach  dieser 
Richtung  weist  Exodus  16, 1,  wo  die  Steppe  Sin  als  zwischen  Elim  und  Sinai  gelegen  bezeichnet  wird. 
Da  der  Erzähler  nicht  mit  allgemein  geographischen  Begriffen  arbeitet,  sondern  sein  Interesse  sich 
auf  solche  Punkte  beschränkt,  die  sich  zu  Rastorten  eigneten,  Elim  aber  ein  solcher  ist  (vergl.  unten  ^D, 
so  kann  Sinai  hier  weder  auf  ein  weites  Gelände  noch  auf  einen  einzelnen  Berg  bezogen  werden, 
wohl  aber  empfiehlt  sich  dafür  das  zum  Lagern  geeignete  und  von  Elim  nicht  zu  fern  gelegene  Serabit. 
Hierauf  paßt  auch  die  Bezeichnung  'J''D  ^^~Ip  „Steppe  CTrift}  Sinai",  wo  nach  der  Bibel  die  Israeliten 
ein  Jahr  lang  rasteten  und  Moses  ihnen  das  Gesetz  gab;  die  Bedingung,  daß  eine  „Steppe"  für 
Herden  genügenden  Pflanzenwuchs  bieten  muß,  hat  das  Plateau  von  Serabit  um  1500  v.  Chr.  jeden- 
falls erfüllt,  wie  aus  der  Erwähnung  von  „Vieh  und  „ihrer  Weide*  auf  Inschrift  Nr.  346  klar  hervor- 
geht. Was  endlich  den  Ausdruck  'J"'P  "IH  anbetrifft,  so  bedeutet  er  keinesfalls  „Berg  Sinai";  denn 
Steppe  und  Berg  sind  zu  ungleiche  Begriffe,  um  mit  einem  und  demselben  Namen  benannt  werden 
zu  können.  Er  will  wohl  nichts  anderes  besagen  als  „Berg  von  (der  Steppe)  Sinai",  was  voraussetzt, 
daß  nur  ein  Berg  in  Frage  kommt,  ganz  wie  bei  sinaitischem  (Nr.  352}  'jD2  D'^K'J  „die  Spitze  auf 
Sinai",  und  was  auch  zur  Formation  von  Serabit  stimmt.  Dann  muß  aber  der  doppelgipfelige  Berg 
Umm  Riglain  als  der  Berg  der  Offenbarung  und  „Berg  Gottes"  genommen  werden,  ist  somit  den 
klassischen  Stätten  der  Welt-  und  Religionsgeschichte  beizuzählen. 

Das  Fehlen  eines  eigenen  Namens  für  einen  Platz  von  solcher  Bedeutung  mußte  einer  späteren 
Zeit  auffällig  erscheinen,  und  wenn  beim  Deuteronomisten,  den  man  sich  als  Zeitgenossen  Salomo's 
denken  darf  ^3,  der  Gottesberg  den  Namen  -l^t  „Horeb"  trägt,  so  liegt  der  Verdacht  einer  nach- 
träglichen Namensgebung  sehr  nahe.  Ob  die  Volkstradition  dabei  auch  etwa  die  Hand  im  Spiele 
gehabt  hat:  wer  vermag  es  zu  entscheiden? 


'J  Siehe  seine  Darstellung  auf  Tafel  2  nach  Flinders  Petrie,  Researdies,  Fig.  70.  -  25  S.  89. 

33  Vergl.  meinen  Aufsatz  „Die  Auffindung  des  salomonisdien  Gesetzbudies  unter  Josia"  (Orient.  Lit.  Zeitg.  X,  Sp.  610  ff,  dazu  XI,  Sp.  188  ff}. 


88 


Mit  der  Annahme,  Serabit-el-Hadem  sei  das  biblisdie  Sinai,  wird  der  biblische  Bericht  über  den 
Auszug  der  Israeliten  aus  Ägypten  und  ihr  Wandern  von  Station  zu  Station  bis  zu  ihrem  ersten  Ruhe- 
platze wenigstens  in  seinen  Grundlinien  durchaus  einleuchtend,  so  daß  ihm  nicht  Legendencharakter, 
sondern  der  Wert  einer  guten  alten  Tradition  zugeschrieben  werden  muß.  Nach  Exod.  5,  3  stellen  Moses 
und  Aaron  das  Ansinnen  an  den  Pharao :  „Laß  uns  drei  Tagesreisen  v/eit  in  die  Steppe  ziehen,  um 
Jahwes,  unserm  Gotte,  zu  opfern!".  Daß  ihr  Ziel  Sinai  sein  könnte,  deuteten  sie  damit  in  keiner 
Weise  an;  es  sollte  vielmehr  ganz  den  Anschein  haben,  als  wollten  sie  nur  eben  die  Grenze  des  be- 
wohnten  Ägyptens  überschreiten,  um  etwas  von  dem  h^s  •  t ,, Fremdland"  oder  der  smj  •  t  „Steppe"  unter 
den  Füßen  zu  haben,  das  dem  Gotte  Sapdu-Jahu  heilig  war.  Um  nach  Sinai  mit  dem  Volke  zu  ge- 
langen, hätte  ein  Wunder  geschehen  müssen,  wie  es  aber  die  in  Exod.  3, 12  Jahwae  in  den  Mund 
gelegten  Worte  erwarten  ließen:  ,,Dies  soll  dir  das  Zeichen  C=  Wunder^)  sein,  daß  ich  dich  geschici<t 
habe :  wenn  du  das  Volk  aus  Ägypten  herausbringst,  so  werdet  ihr  auf  diesem  Berge  Gott  verehren". 
Da  ein  Marsch  von  drei  Tagen  die  Israeliten  höchstens  bis  an  den  Rand  der  Steppe  Etham,  d.  h.  der 
heutigen  Tih,  führen  konnte,  bis  wohin  jedenfalls  die  militärische  Kontrolle  der  Ägypter  noch  reichte, 
so  drang  Moses  endlich  mit  seinem  Verlangen  durch,  und  der  Auszug  erfolgte  in  der  Form  einer 
großen  religiösen  Wallfahrt  von  Ramses  '3  über  Sukkoth  Cägypt.  Tkw,  heute  Teil  el-Mashuta}^)  nach 
Etham,  wo  die  Steppe  begann.  Jetzt  setzte  das  strategische  Wagnis  ein,  von  dessen  Gelingen  Moses 
die  Freiheit  der  Israeliten  erhoffte:  er  schwenkte  plötzlich  von  dem  Verkehrswege  in  der  Richtung 
nach  Süden,  d.  h.  dem  Sinaimassiv,  wo  die  ägyptischen  Militärposten  aufhörten,  ab  und  wählte  den 
ersten  Lagerplatz  so,  daß  er  im  Norden  Pi-Hahiroth  C=  Serapeum  des  Itinerarium  Antonini),  im 
Süden  Migdol  C=  Serapeum  der  Description  egyptienne},  gerade  vor  sich  das  seichte  Sumpfgelände 
des  ,, Schilfmeeres  und  jenseits  desselben  das  auf  einem  Hügel  liegende  Heiligtum  des  Ba'^al  Saphon 
hatte  ^).  Damit  scheint  er  beabsichtigt  zu  haben,  die  Ägypter,  auf  deren  schnelles  Nachrücken  er  als 
Deserteur  jetzt  rechnen  mußte,  in  eine  Falle  zu  lod^en.  Die  ägyptischen  Grenztruppen  nahmen  wirklich 
sogleich  die  Verfolgung  auf  und  waren  schon  den  Israeliten  auf  Sehweite  nahe,  als  Moses  das  Wagnis 
unternahm,  nachts  durch  das  ,, Schilfmeer  zu  ziehen,  begünstigt  von  einem  auf  den  Sumpfboden  aus- 
trocknend wirkenden  Ostwinde.  Als  die  verfolgenden  Ägypter  frühmorgens  dasselbe  versuchten, 
hatte  ein  Wechsel  der  Windrichtung  die  Bodenverhältnisse  für  den  Durchzug  wieder  verschlechtert, 
so  daß  die  ägyptischen  Streitwagen  kaum  vorwärts  kamen;  je  langsamer  dabei  der  Marsch  der  Truppen 
wurde,  desto  stärker  floß  jetzt  aber  die  Flutwelle  des  Roten  Meeres  gegen  sie  und  bewirkte  schließlich 
ihren  Untergang.  Nunmehr  waren  die  Israeliten  vor  dem  Nachrücken  der  Ägypter  sicher  und  konnten 
ungestört  die  Sinairoute  verfolgen.  Nach  einem  Marsch  von  drei  Tagen  wurde  in  MaraC?D  Rast 
gemacht,  weiter  in  der  Oase  Elim,  die  sicher  mit  der  heutigen  Oase  Garandel  gleich  zu  setzen  ist. 
Der  Zug  ging  sodann  durch  die  Steppe  Sin,  berührte  von  kleineren  Wegstationen  Dophka  und  Alus  und 
stockte  dann  bei  Raphidim,  teils  weil  es  an  Wasser  fehlte,  teils  wegen  eines  Angriffes  der  Amalekiter. 
Beides  sind  -  wie  Currelly  in  Flinders  Petrie's  Researches,  S.  248  f.  gezeigt  hat  -  Anzeichen  dafür, 
daß  Raphidim  mit  Wadi  Magara  gleich  zu  setzen  ist.  Besonders  klar  zeigt  das  der  Kampf  mit  den 
Amalekitern.  Wadi  Magara  ist  gewissermaßen  das  Tor  zu  dem  wasserreichen  und  daher  von  jeher 
gut  angebaut  gewesenen  Wadi  Feiran,  dessen  Besitz  zugleich  den  des  ganzen  Mittelmassivs  der 
Halbinsel  bedeutet.    So  war  es  eine  Macht-  und  Lebensfrage  für  die  freien  Stämme  des  Gebirges, 


'3  Nadi  Flinders  Petrie  und  N-iville  das  heutige  Teil  er-Retabe,  was  aber  Gardiner  bestreitet.  Mit  Pi-Ramscs,  der  Deltaresidenr  von 

Ramses  II.  unweit  Pclusium,  hat  dieser  Ort  wohl  nidits  zu  tun. 
23  Nadi  der  Feststellung  von  Gardiner. 
8)  Daß  diese   bibl.  Angaben    ganz   mit  den   geographisdien  Verhältnissen    der    Gegend    übereinstinifflcn,  hat  E.  Naville  in   seiner 

Ardi£ologie  de  l'Ancien  Testament,  S.  122  gezeigt. 


89 


jeden  Versuch  des  Eindringens  in  diese  Gegend  mit  Waffengewalt  abzuwehren.  Obgleidi  sie  nun 
nach  der  Bibel  damals  vor  den  Israeliten  den  Kürzeren  zogen,  erreichten  sie  doch  das  mit  ihrem 
Angriffe  Beabsichtigte:  Moses  ließ  seine  Leute  -  ob  nach  altem  Plane  oder  infolge  des  Widerstandes 
der  Amalekiter,  muß  dahingestellt  bleiben  -  nordwärts  weiter  ziehen  und  gelangte  nun  zur  „Steppe 
Sinai",  d.h.  dem  Plateau  Serabit-el-Hadem,  das  ihm  Sicherheit  vor  Ägyptern  wie  Amalekitern  bot 
und  wegen  des  Tempels  auch  mit  Mitteln  zu  längerem  Verweilen  einer  größeren  Volksmenge  ver- 
sehen war.  Das  darauf  folgende  Jahr  war  wegen  der  Proklamierung  des  „Gesetzes",  der  vielleicht  in 
Mara  schon  Verordnungen  sanitär-ritueller  Art  vorhergegangen  waren  (Exodus  15,  25  f.),  das  ent- 
scheidende im  Leben  Israels,  das  dadurch  und  durch  die  harten  Nöte  der  Zeit  zu  einer  Volkseinheit 
zusammengeschweißt  wurde.  Zum  Weitermarsch  vermutlich  in  nördlicher  Richtung  könnte  Moses 
durch  den  Mangel  an  Lebensmitteln,  der  auf  der  steinigen  Hochfläche  bald  mit  Notwendigkeit  ein- 
treten mußte,  bewogen  worden  sein.  Oder  sollte  ihm  daran  gelegen  gewesen  sein,  das  Volk  aus  der 
Nähe  des  Hathortempels,  der  mancherlei  Erinnerungen  an  Ägypten  weckte,  zu  entfernen,  und 
könnte  nicht  die  Verehrung  des  „goldenen  Kalbes",  zu  der  sich  bei  Abwesenheit  des  Moses  Aaron 
mit  der  Mehrzahl  des  Volkes  hinreißen  ließ,  dahin  zu  erklären  sein,  daß  die  kuhgestaltige,  freundlidi 
blickende  Hathor  mit  Jahws  zeitweilig  noch  ernstlich  rivalisierte? 


6. 

Die  mosaischen  Gesetzestafeln  im  Licht  der  Sinaiinschriften. 

Nach  der  biblischen  Tradition  ist  der  Sinai,  von  dessen  Lage  soeben  gehandelt  ist,  der  Ort,  an 
welchem  den  Israeliten  das  für  sie  bindend  gewordene  Gesetz  gegeben  wäre.  Im  Vordergrund  des 
Berichtes  über  dessen  Mitteilung  steht  die  feierliche  Verkündigung  und  weiter  die  schriftliche  Fixierung 
von  „zehn  Geboten  als  der  Unterlage  für  einen  zwischen  Gott  Jahwas  und  dem  Volk  Israel 
geschlossenen  Bund.  Diese  beiden  für  die  Giltigkeit  des  Gesetzes  maßgebenden  Begriffe  werden 
überall  hervorgehoben  oder  vorausgesetzt,  wo  von  der  Entstehung  der  Thora  die  Rede  ist,  und  sie 
haben  daher  im  Gegensatz  zu  anderen  Fragen,  z.  B.  ob  die  „zehn  Gebote"  in  einfacher  oder  ir  doppelter 
Fassung  gegeben  seien,  oder  ob  Moses  oder  der  „Finger  Gottes"  sie  aufgezeichnet  habe,  als  eigent- 
licher Kern  der  auf  die  Gesetzgebung  bezüglichen  Tradition  zu  gelten.  Die  mündliche  Proklamierung 
der  Gebote  setzt  voraus,  daß  diese  in  der  Sprache  des  Volkes  Israel  abgefaßt  waren,  als  welche 
besonders  nach  Ausweis  der  Mehrzahl  der  althebräischen  Eigennamen  das  Bibelhebräisch  oder  eine 
diesem  nahestehende  Sprache  anzusehen  ist.  Für  die  schriftliche  Fixierung  dieser  Sprache  wären 
weder  die  ägyptischen  Hieroglyphen  noch  auch  die  Keilschriftzeichen  geeignet  gewesen;  nur  eine 
Buchstabenschrift  und  zwar  die  semitische,  käme  für  sie  in  Betracht,  und  zweifellos  stand  den  biblischen 
Schriftstellern  diese  als  ursprüngliche  Schrift  des  Gesetzes  vor  Augen. 

Zu  diesen  beiden  Vorstellungen  verhält  sidi  nun  die  neuere  Bibelwissenschaft  zumeist  scharf 
ablehnend.  Man  hält  es  für  sehr  unwahrscheinlich,  daß  die  Israeliten  zur  Zeit  ihrer  Wüstenwanderung 
als  Sprache  das  reine  Bibelhebräisch  gehabt  hätten,  da  dieses  nach  Palästina,  nicht  aber  nach  Sinai, 
Edom  oder  Nordarabien  hinweise.  Noch  größere  Bedenken  hat  man  gegen  eine  Niederschrift  des 
mosaischen  Gesetzes  in  einem  semitischen  Alphabete,  weil  bisher  im  Bereich  des  Nordsemitischen 
keine  über  das  Jahr  1000  v.Chr.  hinausgehende  Buchstabeninschrift  gefunden  worden  ist,  und  die 


90 


meisten  Epigraphiker  die  Minäertheorie  von  Eduard  Glaser,  wonadi  unsere  südarabisdicn  Inschriften 
bis  1200  oder  gar  1300  v.Chr.  reichen  würden,  zu  Gunsten  einer  viel  jüngeren  Entstehung  der 
ältesten  südarabischen  Schriftdenkmäler  ablehnen. 

Danadi  mußte  es  scheinen,  als  ob  das,  was  in  der  Bibel  von  Proklamierung  und  schriftlicher 
Fixierung  der  „zehn  Gebote"  berichtet  ist,  genau  so  sagenhaft  wäre,  wie  es  nach  der  Wellhausen'schen 
Theorie  von  der  Komposition  des  israelitischen  Gesetzes  dessen  Verlegung  in  die  Urzeit  des  Volkes 
Israel  sein  müßte.  Was  von  konservativer  Seite  zur  Rettung  der  Tradition  versucht  worden  ist, 
blieb  in  weiteren  Kreisen  meist  unbeachtet,  abgesehen  etwa  von  dem,  was  Eduard  Naville  in  seiner 
Schrift  „Archeologie  de  l'Ancien  Testament"  entwickelt  hat,  daß  nämlich  das  mosaische  Gesetz  in 
babylonischer  Schrift  und  Sprache  den  Israeliten  gegeben,  gegen  Ende  des  babylonischen  Exsils  aber 
von  Ezra  in  das  Aramäisch  seiner  Zeit  übertragen  sei,  womit  die  Verdrängung  der  Keilschrift  durch 
die  aramäische  Buchstabenschrift  Hand  in  Hand  gegangen  wäre.  Erst  nach  dem  aramäischen  Text 
des  Ezra  sei  die  jetzt  vorliegende  hebräische  Fassung  des  Gesetzes  gearbeitet  worden,  die  somit 
nicht  mit  einem  so  hohen  Anspruch  auf  Echtheit  auftreten  könne,  daß  die  an  ihr  seitens  der  modernen 
Bibelkritik  vorgenommenen  Quellenscheidungen  berechtigt  erschienen.  Es  ist  Naville  jedoch  nicht 
gelungen,  mit  dieser  gewagten  Hypothese  durchzudringen  und  das  Ansehen  der  biblischen  Tradi- 
tion  in  den  Augen  ihrer  Gegner  wieder  herzustellen. 

Aber  es  hätte  keines  verzweifelten  Versuches  bedurft,  um  ihre  Glaubwürdigkeit  zu  verteidigen; 
vom  Sinai  selbst  sind  ihr  Helfer  gekommen,  die  für  alles  Zeugnis  ablegen,  was  an  ihr  beanstandet 
worden  ist:  die  altsinaitiscfien  Inschriften.  Aus  ihnen  geht  hervor,  daß  um  die  Mitte  des  zweiten 
Jahrtausends  v.  Chr.  auf  dem  Platze,  wohin  die  Bibel  die  Gesetzgebung  verlegt,  dem  Sinai,  der 
ägyptischen  wie  der  babylonischen  Schrift  in  der  Buchstabenschrift  der  Nebenbuhler  entstanden  ist, 
der  ihnen  den  Todesstoß  zu  versetzen  bestimmt  war.  Aus  den  Insdiriften  geht  weiter  hervor,  daß 
einem  Idiome,  in  dem  man  ein  reines  Bibelhebräisch  erkennt,  die  Ehre  zukommt,  zuerst  von  der 
neuen  Schrift  Gebrauch  gemacht,  vielleicht  sogar  zu  ihrer  Entstehung  den  Anstoß  gegeben  zu  haben. 
Hält  man  nur  an  der  Identität  des  biblischen  Sinai  mit  der  Hochfläche  Serabit-el-Hadem  fest,  so 
ergiebt  sich  für  die  „zehn  Gebote"  das  Hebräisdi  als  Idiom  und  das  semitische  Alphabet  als  Mittel 
für  ihre  Aufzeichnung  mit  Notwendigkeit.  Bei  Verlassen  dieses  Punktes  und  Annäherung  an 
Ägypten  kämen  jedoch  dessen  Sprache  und  Schrift,  bei  Annäherung  an  Kanaan  aber  Babylons  Idiom 
und  Schriftart  für  ein  geschriebenes  israelitisches  Gesetz  einzig  in  Betracht. 

Verschiedenes  von  dem,  womit  die  Bibel  die  Niederschrift  der  „zehn  Gebote"  näher  charakterisiert, 
ließe  sich  vielleicht  bei  Vergleichung  der  Sinaischrift  deutlicher  machen  oder  besser  als  bisher  ver- 
stehen. So  veranschaulicht  die  primitive  Art,  wie  auf  den  Sinaiinschriften  die  Buchstaben  in  den  Stein 
eingeritzt  sind,  das,  was  in  Exodus  32,  16  vom  „Ritzen"  des  Gesetzestextes  „in  Steintafeln"  gesagt 
ist.  Wenn  ferner  dessen  Schrift  eine  „Gottesschrift"  CCM^^•  Snzc)  genannt  wird:  könnte  damit  nicht 
auf  das  sinaitische  Alphabet  und  seine  Beziehung  zur  Göttin  Hathor  und  deren  Tempel  auf  Sinai 
gezielt  sein?  Ja,auch  der  Ausdruck  von  Exodus  32, 1 5 :  „Tafeln,  an  ihren  beiden  Seiten  beschrieben", 
den  man  üblicherweise  auf  doppelseitig  beschriftete  Tafeln  bezieht,  könnte  jetzt  so  gedeutet  werden, 
daß  die  Schrift  in  zwei  Vertikalzeilen  nur  auf  einer  Seite  der  Tafeln  angebracht  gewesen  sei,  so  wie 
es  ähnlich  bei  6  der  Sinaitafeln  der  Fall  ist.  Selbst  in  der  Größe  ließen  sich  die  Tafeln  Moses  denen 
vom  Sinai  ungefähr  gleichstellen;  denn  wenn  jene  von  Moses  den  Berg  herauf-  und  herabgetragen 
werden  konnten,  so  läßt  das  auf  ein  Format  schließen,  wie  es  uns  die  Sinaitafeln  bei  ihrer  Höhe  von 
ungefähr  einem  Drittelmeter  vorführen. 


91 


7.  Der  Name  des  israelitischen  Gesetzgebers. 

Welchen  Namen  hatte  nach  der  Bibel  der  Gesetzgeber  Israels?  Es  ist  noch  nicht  erwogen 
worden,  daß  die  Antwort  hierauf  anders  lauten  könne  als  schlechthin  „Moses".  Nur  die  Deutung 
dieses  Namens  hat  bisher  unter  den  Exegeten  Meinungsverschiedenheit  erzeugt.  Die  Bibel  berichtet 
CExodus  2,  10},  daß  die  Tochter  Pharao's  das  von  ihr  gerettete  Kind  unter  Bezugnahme  auf  das 
Herausziehen  aus  dem  Nil  „Moäas"  genannt  habe,  und  gebraucht  dabei  das  hebräische  Verbum  Hti'C 
„herausziehen"  in  so  auffälliger  Hervorhebung,  daß  man  annehmen  muß,  sie  leite  von  ihm  den 
Namen  Mosae  ab.  Eine  solche  Etymologie  erscheint  aber  unpassend,  weil  eine  Ägypterin  ihrem 
Adoptivkinde  doch  wohl  einen  reinägyptischen  Namen  gegeben  hätte,  und  zugleich  gewaltsam,  da 
nach  der  Grammatik  Mosas  „der  Herauszieher",  nicht  aber  „der  Herausgezogene"  bedeutet.  Um 
diese  Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  haben  jüdische  Gelehrte  vermutlich  zur  Zeit  der  Septuaginta 
die  biblische  Namensdeutung  so  verstanden,  daß  damit  ein  aus  den  ägyptischen  Worten  mo  „Wasser" 
und  use  „gerettet  sein  '  komponierter  Name  sinngemäß  ausgelegt  werden  sollte.  Die  neuere 
Ägyptologie  hat  jedoch  die  Annahme,  daß  zwei  Namenselemente  vorlägen,  verworfen  und  neigt 
dazu,  in  Mosae  das  ägyptische  Wort  mos  (oder  mosi,  mose}  ,,Kind"  wiederzufinden,  das  für  sich 
allein  wie  auch  mit  einem  vorhergehenden  Götter-  oder  Königsnamen  verbunden  besonders  zur 
Zeit  der  XVIII.  Pharaonendynastie  ein  beliebter  Personenname  war.  Im  Munde  von  Israeliten  konnte 
dieses  ägyptische  Wort  sich  leicht  hebräisieren,  so  daß  man  mit  ihm  unter  Anlehnung  an  die 
Wurzel  ntl'O  den  Begriff  ,,der  Herauszieher"  verband  und  damit  gerade  für  den  israelitischen 
Nationalheros  eine  passende  Benennung  bekam. 

Aber  über  den  Namen  Mosae  wird  das  letzte  Wort  nicht  eher  zu  sprechen  sein,  als  bis  man 
sich  klar  gemacht  hat,  daß  vielleicht  außer  ihm  noch  ein  anderer  von  Israels  Gesetzgeber  geführt 
wurde,  nämlich  Manassas.  Dafür  scheint  eine  Stelle  des  Richterbuches,  Kapitel  18,30,  zu  sprechen, 
wo  es  heißt:  „Jonathan,  der  Sohn  des  Gersom,  des  Sohnes  des  Manassas,  er  und  seine  Söhne 
waren  Priester  für  den  Stamm  Dan".  Der  hier  als  Sohn  des  Manassas  bezeichnete  Gersom  ist 
anderwärts  als  Sohn  des  Mos^  gut  bezeugt;  es  fragt  sich  somit,  was  von  der  Nennung  des  Manassae 
als  seines  Vaters  zu  halten  ist.  Hebräisches  Manasss  zeigt  dieselben  Konsonanten  wie  Mosae, 
nämlich  m-g-h,  dazu  aber  noch  ein  zwischen  m  und  s  stehendes  n.  Dieses  n  wurde  in  Richter  18,  30 
schon  von  den  Übersetzern  der  Septuaginta  und  des  Targums  gelesen,  fehlt  auch  in  keiner  der 
hebräischen  Handschriften,  obwohl  es  in  einer  Anzahl  derselben  ungewöhnlich  hoch  geschrieben 
ist,  was  darauf  schließen  läßt,  daß  sich  die  Masoreten  besondere  Gedanken  darüber  gemacht  haben. 
Offenbar  gab  es  eine  masoretische  Richtung,  die  das  n  für  falsch  hielt;  von  ihr  hat  sich  die  Vulgata 
beeinflussen  lassen,  so  daß  sie  den  Namen  einfach  Moses  schreibt;  eine  andere  scheint  sich  über 
Wert  oder  Unwert  des  n  nicht  einig  geworden  zu  sein,  was  sie  durch  Hochsetzung  des  Buchstabens 
ausdrücken  wollte.  Für  einen  masoretischen  Einschub  sehr  früher  Zeit  nimmt  Chr.  D.  Ginsburg 
das  n  und  legt  ihm  die  Absicht  unter,  einen  direkten  Nachkommen  des  Moses  von  dem  Makel,  am 
Bilderdienst  des  Stammes  Dan  beteiligt  gewesen  zu  sein,  zu  befreien.  Aber  es  ist  sehr  zweifelhaft, 
ob  nach  der  Festsetzung  des  alttestamentlichen  Kanons,  der  mit  dem  Begriff  der  Heiligkeit  um- 
kleidet auftrat,  noch  irgend  ein  willkürlicher  Zusatz  innerhalb  des  Textes  möglich  gewesen  wäre. 

So  ist  kein  zwingender  Grund  vorhanden,  das  n  in  unserem  Namen  nicht  für  edit  zu  halten  und 
ihn  anders  als  Manasss  zu  lesen.  Um  seine  Verbindung  mit  Gersom  zu  verstehen,  wird  man  gut  tun, 
sich  der  Tatsache  zu  erinnern,  daß  Doppelnamigkeit  im  alten  Israel  gar  keine  seltene  Erscheinung 
war.     Fälle,  wo  sie  deutlich  vorliegt,   sind   Ja'^kob-Iisra^el,  Jerubba'^al-Gid'^on,  Jadidjah-Salomo 


92 


und  -  wenn  wir  audi  Midjan  berüdcsiditigen  -  Ra'^u'el-Jithro').  Die  Träger  dieser  Doppelnamen 
sind  sämtlidi  Leute  von  besonderem  Rang  oder  Ansehen,  die  sich  zu  ihrem  ursprünglichen,  theophor 
gebildeten  Namen  einen  weiteren  hinzu  erworben  hatten,  der  auf  ihre  Verdienste  oder  Würden 
ging:  so  Jerubba'^al  den  des  „Zerbrechers' ,  Jadidjah  den  des  „Friedensmannes",  Ra'^u'el  den  des 
,, Ausgezeichneten".  Es  liegt  sehr  nahe,  im  Hinblicke  auf  Gid'^on  auch  Simson  (],,kleine  Sonne"  oder 
„der  Sonnenhafte"},  im  Hinblick  auf  Salomo  audi  Sa^ul  C„der  Erbetene"}  und  Dawid  („der  Geliebte") 
für  ursprüngliche  Beinamen  anzusehen,  die  in  der  Volksüberlieferung  die  Hauptnamen  ihrer  Träger 
verdrängt  hätten,  über  das  Wesen  des  Doppelnamens  Ja'^kob^Ii^ra^el  (oder  li^ra^el-Ja'^kob?}  ist 
nidits  Sicheres  zu  sagen.  Seine  beiden  Teile  stehen  in  einem  anderen  Verhältnis  zu  einander  als 
dem  von  Haupt-  und  Beinamen  und  finden  vielleicht  ihre  Erklärung  darin,  daß  ein  und  derselbe 
Mann  in  verschiedener  Umgebung  verschiedene  Namen  tragen  konnte. 

Außerhalb  Israels  finden  sich  Doppelnamen  wie  Jerubba'^al-Gid'^on  sehr  zahlreich  in  Altarabien, 
wo,  nach  den  minäischen  und  katabanischen  Inschriften  zu  schließen,  vor  allem  die  Könige,  dann 
aber  auch  priesterliche  Personen  hierdurch  vor  anderen  ausgezeichnet  wurden^).  Wenn  besonders 
im  Katabanischen  daneben  auch  eine  Namensdreiheit  auftritt  (z.  B.  cyJD^  p"il  7Nm  oder  '73'  "intS* 
^Jirr"),  so  könnten  deren  erster  und  dritter  Teil  vielleicht  in  ähnlichem  Verhältnis  zu  einander 
stehen  wie  lisra^el  zu  Ja'^kob. 

Da  man  hiernach  mit  der  Doppelnamigkeit  führender  Persönlichkeiten  als  einer  Eigentümlichkeit 
der  altbiblischen  Periode  rechnen  muß,  so  fordert  solches  auf,  sie  auch  bei  Moses  zu  suchen,  sowohl 
wegen  seiner  einzigartigen  Bedeutung  für  Israel  als  auch  wegen  seines  im  Hebräischen  wie  im 
Ägyptischen  wurzelnden  Wesens.  Nennt  ihn  der  Bibeltext  nun  wirklich  statt  Mosae  einmal 
ManaäSas,  so  könnte  dieses  recht  wohl  sein  -  vielleicht  theophorer  -  hebräischer  Name  gewesen 
sein.  In  seinem  zweiten  Namen  Mo5ae  müßten  wir  dann  entweder  eine  ihm  infolge  seiner  ägyp- 
tischen Erziehung  anhaftende  Benennung  sehen,  die  ihn  wahrscheinlich  als  „Sohn"  unter  Auslassung 
des  Namens  von  Vater  oder  Mutter  kennzeichnen  sollte,  oder  er  war  ihm,  als  er  zum  weltlichen 
und  geistlichen  Oberhaupt  der  Israeliten  geworden  war,  als  Ehrenname  zuteil  geworden  und 
bedeutete  dann  „Herauszieher"  oder  „Befreier".  Auch  wäre  denkbar,  daß  die  hebräische  Volks- 
etymologie aus  ägyptischem  Mosas  den  „Befreier"  gemacht  hätte. 

Was  bisher  für  die  Doppelnamigkeit  des  Moses  vorgebracht  ist,  erfährt  eine  eigenartige  Beleuchtung 
von  Seiten  der  sinaitischen  Inschriften,  insofern  hier  ein  fast  ganz  paralleler  Fall  von  Doppel- 
namigkeit zutage  tritt,  der  besonders  im  Hinblick  auf  den  biblischen  Moses  verständlich  wird. 
Es  handelt  sich  um  den  Mann,  der  zu  Anfang  von  Nr.  349  den  ägyptischen  Namen  •c:D''COmK'Dti'n'n 
führt.  Da  der  letzte  fehlende  Buchstabe  wahrscheinlich  als  K'  zu  ergänzen  ist,  so  ergiebt  sich  ein 
Langname,  dessen  erster  Teil  nichts  anderes  sein  kann  als  der  Name  der  Pharaonin  Hjtspswhnmjmn 
Czu  lesen  etwa  Hjatsepsu-hnem-Jamon},  während  im  zweiten  vermutlich  das  ägyptische  Wort  für 
„Sohn"  mosCe}  steckt.  Dieser  Hjat5ep§u-hnem-Jamon-Sohn  (der  auch  in  Nr.  351  A,  Zeile  1 
höchstwahrscheinlich  auftritt}  führt  zwei  Amtsnamen,  nämlich  „Oberster  der  Minenarbeiter  .  .  .  ." 
(Z.  2}  und  „Hauptmann  des  Tempels  von  Ma^na  .  .  .  Jahu  [auf]  Sinai"  (Z.  3}.  Der  erstere  kehrt 
deutlich  wieder  auf  der  rechten  Seite  der  Hockerstatuette  als  Titel  eines  gewissen  "B'JO;  der 
andere  läßt  sich  auf  dem  Bruchstück  von  Nr.  350  in  der  Verkürzung  „[Hauptmann]  des  Tempels 


1 3  Wie  in  hieroglyphischen  Sinaitexten  der  Zeit  des  Amenhotep  III.  ein  Pinhas  Q—  „der  NegeO  auftritt,  der  eigenttidi  Sobekhotep 
heißt  Cvergl.  Or.  Lit.  Zeit.  XXVI,  Sp.  1363,  so  wird  wohl  audi  der  Pinhas  der  Moseszeit  ent«prediend  seinem  Priesterrange  nodi  einen 
theophoren  Namen  getragen  haben. 

")  Vergl.  I.  H.  Mordtmann,  Beiträge  zur  minäisdien  Epigraphik,  S.74  f. 


93 


[der  Marina"  ziemlich  sicher  erschließen  und  begleitet  hier  den  Namen  "tS'jp.  Durdi  den  auf 
Nr.  353,  linke  Z.  vorkommenden  Eigennamen  ritJ'?0  (vielleicht  iltJ'jC),  der  auf  einen  höheren  Beamten 
geht,  wird  die  Lesung  der  beiden  vorhergehenden  Namen  als  DK'JC,  d.  i.  hebräisches  ~i^yo  (Manass^}, 
ziemlich  sicher  gestellt.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sind  dann  die  beiden  mit  einem  Titel  auf- 
tretenden Manassas  eine  und  dieselbe  Person,  von  der  auch  der  titellose  Manasss  nicht  zu  trennen 
sein  wird. 

Wie  steht  nun  HjatSepsu-hnem-Jamon-MosCeD  zu  diesem  Manassae?  Beide  führen  die  gleichen 
Titel  und  sind  Zeitgenossen.  Ist  es  denkbar,  daß  nebeneinander  auf  dem  ägyptischen  Sinai  zwei 
Leute  als  Oberste  der  Minenarbeiter  und  Hauptmänner  des  Tempels  gewirkt  hätten?  Da  solches 
schwer  anzunehmen  ist,  so  wird  zu  erwägen  sein,  ob  wir  nicht  in  diesen  Beiden  dieselbe  Person- 
lichkeit  zu  sehen  haben,  die  mit  einem  doppelten  Namen,  einem  ägyptischen  und  einem  hebräischen 
auftritt.  Das  Vorkommen  dieser  beiden  Namen  ist  anscheinend  durch  Art  und  Inhalt  der  Inschriften 
geregelt.  Der  ägyptische  findet  sich  auf  zwei  Tafeln,  auf  denen  die  Pharaonin  Hjatsepiu-hnem-Jamon 
und  des  Pharao  Thotmose  direkt  angeredet  werden;  hier  erforderte  die  höfische  Sitte,  daß  jemand, 
der  außer  einem  hebräisdien  Namen  einen  ägyptischen  führte,  sich  des  letzteren  bediente. 
Der  Name  Manassas  dagegen  weist  in  unseren  Inschriften  wohl  darauf  hin,  daß  ein  Semit  zu 
Semiten  spricht,  sei  es,  daß  wie  in  Nr.  350  und  353  einer  dem  anderen  in  einer  Grabinschrift  die 
letzte  Ehre  erweist,  oder  daß  ein  Ungenannter  für  das  Wohlergehen  des  Manassas,  offenbar  seines 
Vorgesetzten,  dessen  Statue  für  den  Tempel  stiftet.  Unter  diesen  Umständen  ließe  es  sich  wohl 
verstehen,  daß  aus  Hjatäepsu-hnem-Jamon-MosCe}  und  Manassae  derselbe  Mann  spräche  "  eine  Mög- 
lichkeit, die  durch  den  Doppelnamen  Joseph-Saphanath-Pa'^neh  (Gen.  41, 45)  und  die  Erwägung,  daß 
besonders  in  der  Hyksoszeit  viel  Semitisches  ägyptischen  Anstrich  bekommen  hatte,  stark  gestützt  wird. 

Bis  hierhin  ist  alles,  was  wir  über  das  Verhältnis  des  sinaitischen  Hjatsepsu-hnem-Jamon-MosCe) 
und  Manassas  zu  dem  biblischen  MoSas  und  Manass^  gesagt  haben,  nur  Parallele,  aber  eine  so 
auffallende,  daß  man  sich  versucht  fühlt,  von  der  Ähnlichkeit  oder  -  da  Hjatsepsu-hnem-Jamon- 
Mos'Ce)  leicht  zu  MosCe!)  verkürzt  werden  konnte  -  der  Gleichheit  der  Namen  auf  die  ihrer  Träger 
zu  schließen.  Wäre  es  möglich,  daß  aus  den  altsinaitischen  Inschriften  derselbe  Moses  zu  uns  rede, 
der  in  der  Bibel  als  Führer  und  Gesetzgeber  der  Israeliten  erscheint? 

Anhaltspunkte  dafür  sind  in  der  Tat  vorhanden,  darunter  solche,  mit  denen  jeder  ernste  Forscher 
auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  und  Bibelexegese  zu  rechnen  haben  wird. 

Beide  Männer  müssen  als  Zeitgenossen  angenommen  werden,  da  ihre  Geburt  in  das  zweitletzte 
Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts  vor  Christus  fällt.  Für  den  biblischen  Moses  ergiebt  sich  das  aus 
der  Angabe  des  I.  Königsbuches,  Kap.  6,  1,  wonach  die  Israeliten  480  Jahre  vor  dem  Beginn  des 
Tempelbaues,  d.  i.  vor  dem  4.  Regierungsjahr  des  Salomo  C=ung.  960  v.  Chr.},  somit  gegen  1440  aus 
Ägypten  ausgewandert  seien,  verbunden  mit  der  Angabe  von  Exodus  7,  7,  daß  Moses  als  Achtzig- 
jähriger mit  dem  Pharao  in  Verhandlung  getreten  sei.  Für  seinen  sinaitischen  Doppelgänger  ergiebt 
sich  das  gleiche  Geburtsjahr  aus  zwei  Erwägungen.  Sein  Bild,  das  wir  in  der  Hockerstatuette 
glaubten  erkennen  zu  sollen,  läßt  ihn  als  einen  Mann  auf  der  Höhe  des  Lebens,  also  zwischen  dem 
dreißigsten  und  vierzigsten  Lebensjahre  erscheinen;  da  die  Statuette  nicht  nach  1479,  dem  Todes- 
jahre der  Hjatsep^u,  und  aus  epigraphischen  Gründen  nicht  lange  vor  dieser  Zeit  in  den  Sinai- 
tempel gestiftet  sein  kann,  so  ergeben  sich  aus  ihr  die  Jahre  zwischen  1520  und  1510  als  Zeitraum 
für  die  Geburt  des  Mannes.  Dieser  Zeitansatz  läßt  sich  noch  verengern  durch  folgende  Erwägung. 
Die  Pharaonin  Hjatsep^u  wurde  gegen  1530  geboren  und  starb  gegen  1479.  Ihre  Regierungszeit 
rechnete  sie  vom  Jahre  1515  an,  als  dem  Zeitpunkte,  da  sie    -    wie  es  in  ihrem  Totentempel  von 


94 


Der  el-Bahari  heißt  *")  ~  fünfzehnjährig  mit  ihrem  Vater  Thutmose  I.  eine  Reise  in  den  Norden 
Ägyptens  machte,  auf  welcher,  jedenfalls  beim  Besuche  aller  größeren  Tempelstädte,  „ihre  Mutter 
Hathor,  Buto  .  . ,  Amon  .  . ,  Atum  .  . ,  Mentu  .  . ,  alle  Götter  von  Theben  und  alle  Götter  des 
Südens  und  des  Nordens  sich  ihr  näherten  ....  und  sagten :  Willkommen  ...  du  hast  die 
Verwaltung  im  Lande  gesehen,  so  wirst  du  es  in  Ordnung  halten"  usw.  Was  liegt  nun  näher,  als 
das  enge  Verhältnis,  das  der  Träger  des  Namens  „Hjatsepsu-Sohn"  zu  ihr  gehabt  haben  muß  - 
ein  Verhältnis,  das  sich  am  einfachsten  als  das  eines  Adoptivkindes  erklären  läßt  -  von  dieser  Delta- 
reise her  zu  datieren,  da  Hjatsepsu  später  wohl  kaum  noch  Gelegenheit  genommen  hat,  das  semitische 
Randgebiet  des  Deltas  zu  besuchen,  wohin  doch  die  Betrachtung  des  sinaitischen  Wirkens  ihres 
Adoptivsohnes  am  ehesten  dessen  Heimat  verweist?  Somit  wäre  dieser  im  Jahre  1515  v.  Chr.  oder 
kurz  vorher  geboren. 

Zur  gleichen  Geburtszeit  beider  Männer  kommt  sodann  die  Gleichheit  ihres  Wesens.  Der  biblische 
Moses  gehörte  durch  Geburt  dem  hebräischen,  durch  Erziehung  dem  ägyptischen  Volk  an;  seine 
Mannszeit  führte  ihn  wieder  ganz  zum  Bewußtsein  seiner  hebräischen  Natur.  Der  Mann  vom  Sinai 
verbindet  mit  einem  ägyptischen  Namen  einen  hebräischen,  mit  einem  ägyptischen  Zivil-  und 
Tempelamte  ein  lebhaftes  hebräisches  Fühlen,  das  ihn  veranlaßt,  sich  beim  Schreiben  einer  den 
Ägyptern  unverständlichen  Schrift  und  der  Sprache  der  verachteten  Semiten  zu  bedienen.  Also  auf 
beiden  Seiten  eine  Mischung  von  Eigenschaften,  die  jedenfalls  in  das  Gebiet  seltenster  Aus- 
nahmen schlägt! 

In  der  Kindheitsgeschichte  des  biblischen  Moses  ist  der  vom  Berichterstatter  am  meisten  hervor- 
gehobene Zug  seine  Aussetzung  am  Rande  des  Nils,  von  wo  ihn  die  Tochter  Pharaos  gerettet  hätte. 
Dazu  stimmt  aufs  genauste,  was  auf  Nr.  349,  Z.  5  der  Hjat§ep^u-Sohn  -  wenn  wir  richtig  gelesen 
haben  -  aus  liebevollem  Herzen  der  Hjatsepsu  zuruft:  „Du  hast  mich  aus  dem  Nil  gezogen  . 
Wären  alle  Buchstaben  dieser  Zeile  gleichmäßig  gut  lesbar,  so  würde  dieses  Geständnis  allein 
schon  genügen,  in  dem  Marine  vom  Sinai  den  biblischen  Moses  zu  erkennen.  Hoffentlich  führt  das 
Studium  des  Originals  von  Nr.  349  einmal  zu  einer  absolut  sicheren  Lesung. 

Schließlich  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  sich  der  biblische  Beridit  von  der  Flucht  des  Moses 
und  seiner  Rückkehr  nach  Ägypten  durch  das,  was  uns  die  sinaitisdien  Inschriften  über  den 
Hjatsepsu- Sohn  an  die  Hand  geben,  vortrefflich  ergänzen  und  begründen  ließe.  Die  Bibel  läßt 
Moses  als  erwachsenen  Mann  -  also  etwa  vierzigjährig  -  vor  dem  ,, Schwerte  des  Pharao  (Exod.  18,4) 
nach  Midjan  fliehen.  Warum?  Er  hatte  einen  Ägypter  erschlagen,  der  einen  hebräischen  Frohn- 
arbeiter  mißhandelte.  Aber  hätte  das  unter  normalen  Verhältnissen  genügt,  ihn,  den  Angehörigen 
des  königlichen  Hauses,  dem  Henker  des  Königs  zu  überliefern?  Das  leuchtet  nicht  recht  ein. 
Anders  gestaltet  sich  das  Bild,  wenn  wir  das  Verhältnis,  das  der  Mann  vom  Sinai  zu  dem  Pharao 
hatte,  dem  biblischen  Berichte  unterlegen.  Als  treuer  Anhänger  der  Hjatsepsu  stand  er  nach 
deren  Tode  auf  der  Liste  derer,  mit  denen  Thutmose  III.  blutig  abzurechnen  gedachte.  Ließ  sich 
einem  von  diesen  irgend  eine  Vergehung  gegen  die  Vertreter  des  neuen  Regierungssystems  nach- 
weisen, so  war  ihm  strengste  Bestrafung  sicher;  und  so  genügte  die  Tötung  eines  untergeordneten 
Beamten,  um  über  Moses  das  Todesurteil  zu  sprechen,  dessen  Ausführung  seine  Flucht  vereitelt 
haben  wird.  Als  ein  Achtzigjähriger  kehrte  der  biblische  Moses  aus  Midjan  nach  Ägypten  zurüd<. 
Was  bewog  ihn  dazu?  „Nach  diesen  langen  Zeiten  war  der  König  von  Ägypten  gestorben',  sagt 
Exodus  2,  23.    Dieser  König  muß  sein  persönlicher  Feind  gewesen  sein  und  sein  Tod  für  Ägyptens 


+3  Vergl.  Breasted,  Ancient  Records  of  Egypt.  II,  ^  224  £. 


95 


Regierung  einen  Systemwechsel  nach  sich  gezogen  haben.  Bringt  man  nun  die  sinaitischen  Inschriften 
mit  den  biblischen  Worten  in  Verbindung,  so  erkennt  man  in  „diesen  langen  Zeiten"  die  von 
1479-1447  reichende  Alleinherrschaft  des  Thutmose  III.,  die  die  Furcht  vor  den  ägyptischen  Waffen 
bis  weit  nach  Mesopotamien  und  südlich  tief  nach  Nubien  hereintrug.  Als  der  gewaltige  Herrscher 
starb,  atmete  die  Welt  auf;  denn  sein  Nachfolger  Amenhotep  II.  galt  nicht  als  Geisteserbe  seines 
Vaters,  was  die  tributpflichtigen  Staaten  des  Vorderorients  und  Obernubien  alsbald  zum  Aufstand 
gegen  das  ägyptische  Joch  veranlaßte.  Wenn  es  im  Plane  des  Moses  lag,  seine  hebräisdien  Volks- 
genossen aus  dem  „ägyptischen  Feuerofen"  zu  befreien,  so  mußte  ihm  jetzt  der  passende  Augenblidc 
gekommen  scheinen.  Also  wagte  er  die  Rückkehr,  um  zuerst  mit  den  Israeliten  über  die  Bedingungen, 
unter  denen  er  ihre  politische  und  religiöse  Leitung  in  die  Hand  nehmen  wollte,  und  weiter,  gestützt 
auf  die  Gesamtheit  seiner  Volksgenossen,  mit  Amenhotep  II.  über  Linderung  ihrer  Frohnleistungen 
zu  verhandeln.  *") 

Bis  hierhin  dürfen,  ja  müssen  wir  in  der  Vergleichung  der  beiden  gleichnamigen  Persönlichkeiten 
gehen,  des  biblischen  Moses  und  des  Mannes,  mit  dem  es  die  altsinaitischen  Inschriften  hauptsächlich 
zu  tun  haben.  Nun  aber  zu  entscheiden:  „Ja,  sie  sind  eine  und  dieselbe  Person"  -  davon  muß 
noch  Abstand  genommen  werden.  Denn  noch  steht  eine  Anzahl  wichtiger  Wortlesungen  nidit  ganz 
fest,  und  anderes,  was  meiner  Überzeugung  nach  die  Photographien  der  Tafeln  deutlich  erkennen 
lassen,  kann  noch  umstritten  werden  mit  Rücksicht  auf  das  Fehlen  der  Originale,  die  sich  noch 
auf  dem  Plateau  von  Serabit-el-Hadem  befinden,  wohlgeborgen  -  wie  es  heißt  -  aber  unerreichbar 
für  Alle  mit  Ausnahme  ihrer  Entded<er.  So  sei  eine  Entscheidung,  die  geeignet  sein  könnte,  die 
bisherige  Mosesforschung  von  Grund  auf  zu  revolutionieren  und  in  der  christlichen,  jüdischen  und 
mohammedanischen  Welt  einen  mächtigen  Nachhall  zu  erzeugen,  in  die  Hände  derer  gelegt,  denen 
es  vergönnt  ist,  die  Originale  ans  Licht  zu  ziehen  und  -  da  deren  Schriftcharakter  nunmehr  klar 
geworden  ist  -  die  Texterklärung  bis  zur  Grenze  des  Letzterreichbaren  durchzuführen. 

Anhang. 
Ein  meroitisches  Denkmal  aus  dem  Hathortempel  auf  Sinai  CTafel  XXIII). 

Wie  auf  Seite  13  bemerkt  worden  ist,  hatte  R.  Eisler  an  Professor  E.  Littmann  gelegentlich  die 
Mitteilung  gemacht,  daß  von  den  1904/5  entdeckten  altsinaitischen  Schriftdenkmälern  eines  den  Weg 
in  das  Museum  zu  Toronto  (Canada)  gefunden  hätte  und  noch  der  Veröffentlichung  harre.  Das  konnte 
glaubhaft  scheinen,  da  Flinders  Petrie's  Hauptmitarbeiter  bei  der  Expedition,  C.  T.  Currelly,  dem 
Royal  Ontario  Museum  of  Archaeology  von  Toronto  als  Direktor  vorsteht.  Aber  eine  Anfrage  an 
die  Verwaltung  dieses  Museums  hat  mich  dahin  belehrt,  daß  wohl  hieroglyphisch  beschriebene 
Sinaitica  dort  vorhanden  seien,  aber  nichts,  was  altsinaitische  Schriftzeichen  trägt.  Zugleich  aber 
wurde  mir  die  Photographie  einer  Steintafel  sinaitischen  Ursprungs  mitgeschidct,  die  weder  in  die 
Klasse  der  hieroglyphischen  noch  der  altsinaitischen  Schriftdenkmäler  gehört.  Ihre  Bestimmung,  die 
anscheinend  der  Museumsverwaltung  noch  nicht  gelungen  war,  wurde  mir  nach  einigem  Studium 
klar;  das  erzielte  Ergebnis  war  aber  danach  angetan,  Zweifel  daran  zu  erwecken,  ob  das  Denkmal 
wirklidi  vom  Sinai  stamme.  Jedes  derartige  Bedenken  wurde  jedoch  in  der  Folge  niedergeschlagen 
durch  eine  ausdrückliche  briefliche  Erklärung  des  Direktors  Currelly,  daß  es  „im  großen  Tempel 
vom  Sinai",  und  zwar  im  Speos  gefunden  sei.     Somit  den  Funden  von  Serabit-el-Hadem  angereiht, 

■•3  Möglidierweise  hatte  Amenhotep  II.  in  Anbetracht,  daß  seine  Mutter  die  Toditer  der  Hjatsepäu  war,  für  deren  Anhänger  eine 
Amnestie  erlassen. 


96 


wird  es  in  Zukunft  von  Keinem,  der  sidi  mit  der  Geschichte  des  Sinaitempels  befaßt,  bei  Seite 
gelassen  werden  dürfen:  das  möge  unser  Plingehen  auf  dasselbe  rechtfertigen,  ob  es  auch  mit  den 
früher  besprochenen  Denkmälern  nur  den  Fundort  gemein  hat. 

Die  Tafel  verrät  auf  den  ersten  Blid<  nahe  Verwandtschaft  mit  den  Totenopfertafeln,  wie  sie 
dem  ägyptischen  Totenkult  älterer  wie  jüngerer  Zeit  eigen  waren.  Gleich  diesen  ist  sie  von  recht» 
eckiger  Form  und  zeigt  an  einer  der  Langseiten  einen  Ausgußzapfen.  Auch  die  auf  ägyptischen 
Totenopfertafeln  selten  fehlenden,  in  Hochrelief  ausgearbeiteten  Opferbrote  sind  an  ihrem  oberen 
Rande  zu  erkennen.  In  manchem  andern  entfernt  sie  sich  jedoch  auffällig  von  dem  ägyptischen 
Typus.  So  fehlt  die  Darstellung  weiterer  Gaben  für  den  Toten,  und  an  ihrer  Stelle  zeigt  das  Innere 
der  Tafel  eine  figürliche  Szene,  wie  sie  den  ägyptischen  Tafeln  vollständig  fremd  ist.  Man  sieht 
zwei  in  lange  Gewänder  gekleidete  Gestalten  sich  gegenüber  stehen.  Diejenige  zur  Linken  bückt 
sich  etwas  nach  vorne  und  scheint  mit  ihren  Händen  etwas  auszugießen  oder  auszustreuen.  Die  andere, 
die  auf  menschlichem  Leibe  einen  Schakalkopf  mit  gespitzten  Ohren  trägt  und  lang  auf  die  Schulter 
herabfallendes  Haar  hat,  scheint,  obwohl  gerade  aufgerichtet,  nach  der  Haltung  der  Arme  zu 
schließen,  dasselbe  wie  ihr  Gegenüber  zu  tun.  Als  einen  Anubis  ägyptischen  Stils  sie  anzusprechen, 
geht  wegen  ihrer  Kleidung  nicht  an.  Zwischen  beiden  Gestalten  befindet  sich  ein  niedriger  Altar, 
bestehend  aus  einem  Untergestell  und  einer  viereckigen  Platte,  auf  der  vier  kugelige  Gebilde  von 
der  Form  der  am  oberen  Rande  dargestellten  Opferbrote  liegen;  einige  geschlängelte  Linien,  die 
über  ihm  eingeritzt  sind,  könnten  Opferdampf  oder  ausgegossenes  Wasser  bedeuten.  Durch  einen 
Bruch  im  Stein  ist  der  untere  Teil  des  Kleides  der  linken  Gestalt  beschädigt;  andere  kleine  Schäden 
des  Steines  links  und  rechts  von  den  Figuren  haben  der  Darstellung  keinen  Abbruch  getan.  Stark 
hat  jedoch  der  flache  Rand,  der  um  das  Denkmal  rings  herum  läuft,  gelitten;  da  von  ihm  an  allen 
vier  Seiten  etwas  abgebrochen  ist,  so  zeigt  eine  darauf  angebrachte  Inschrift  jetzt  große  Lücken. 

Das  von  ihr  übriggebliebene  reicht  aber  aus,  die  Untersuchung  nach  dem  Wesen  des  Denkmals 
auf  die  richtige  Fährte  zu  lenken ;  denn  es  ist  altäthiopische  oder,  besser  gesagt,  meroitische  Schrift, 
was  hier  von  Schriftzeichen  noch  zu  erkennen  ist.  Die  Werke,  die  sich  besonders  mit  ihrer 
Entzifferung  beschäftigen,  nämlich  F.  LI.  Griffith's  „Meroitic  Inscriptions,  Part  I-II"  (London 
1910-19123  und  „Meroe"  (Oxford  19113  behandeln  nun  auch  Totenopfertafeln,  wie  sie  an  ver» 
schiedenen  Stellen  des  Reiches  von  Meroe  und  Napata  durch  Ausgrabungen  zutage  getreten 
sind.  Unter  ägyptischem  Einfluß  entstanden,  haben  sie  doch  einen  besonderen  Typus  entwickelt. 
Von  der  Darstellung  der  Opfergaben  ist  nur  die  der  Brote  übrig  geblieben,  die  ~  stets  acht  an  der 
Zahl  -  am  oberen  oder  unteren  Rande  in  Relief  angebracht  werden.  Eine  weitere  Gabe,  nämlich 
Wasser,  den  Toten  zukommen  zu  lassen,  scheint  nach  dem  Glauben  der  Äthiopier  den  Göttern  Isis 
und  Anubis  vorbehalten  gewesen  zu  sein;  so  stellte  man  auf  dem  Boden  der  Tafel  gern  diese 
beiden  Gottheiten  dar,  wie  sie  aus  Krügen  auf  oder  neben  einen  zwischen  ihnen  stehenden  Altar, 
auf  dem  Brote  liegen,  Wasser  gießen.  Diese  Wassergießung  wird  auch  wohl  durch  die  Darstellung 
von  zwei  Krügen  symbolisiert,  denen  zuweilen  Lotusblumen  beigefügt  sind.  Das  Äußere  der 
äthiopischen  Isis  unterscheidet  sich  kaum  von  dem  der  ägyptischen,  abgesehen  davon,  daß  jene 
nicht  immer  ihre  Hieroglyphe  is-t  auf  dem  Kopfe  trägt.  Zwischen  dem  äthiopischen  und  ägyptischen 
Anubis  besteht  aber  ein  bemerkenswerter  Unterschied,  indem  jener  bis  auf  die  Füße  herab,  dieser 
aber  nur  bis  zu  den  Knieen  bekleidet  ist. 

Dieser  Typus  der  äthiopischen  Totenopfertafeln  findet  sich  nun  bei  unserer  sinaitischen  wieder. 
Wir  haben  in  der  links  dargestellten  Gestalt  die  Göttin  Isis,  in  der  ihr  gegenüberstehenden  den 
Gott  Anubis  zu  erkennen.    Beide  gießen,  um  einen  Toten  zu  erquicken,  Wasser  auf  einen  Altar,  auf 


97 


den  die  Angehörigen  des  Verstorbenen  Brote  gelegt  haben.  Die  gesdilängelten  Linien  bedeuten 
also  ausgegossenes  Wasser,  nidit  etwa  Opferdampf. 

Gleich  den  ägyptischen  Totenopfertafeln  sind  auch  die  meroitischen  stets  von  einer  Inschrift 
begleitet,  die  ihren  Platz  auf  dem  Tafelrande  hat.  Während  aber  die  Ägypter  sie,  wohl  der 
Symmetrie  halber,  doppelt  anbringen,  so  daß  auf  der  linken  wie  rechten  Seite  das  Gleiche  zu  lesen 
ist,  geht  die  meroitische  Aufschrift  in  einmaliger  Ausfertigung  um  die  ganze  Tafel  linksläufig  herum, 
wobei  der  Rand  des  Ausgußzapfens  Anfang  und  Ende  für  sie  bedeutet.  Bis  auf  seltene  Ausnahmen 
sind  für  diese  Aufschriften  nur  meroitisch-demotische  Buchstaben  verwendet,  und  da  nach  Griffith's 
Forschungen  kein  Zweifel  über  deren  Zahl  und  Bedeutung  mehr  sein  kann,  so  macht  das  Lesen  einer 
guterhaltenen  meroitischen  Inschrift  keine  besondere  Schwierigkeit,  zumal  audi  die  Worte  unter 
einander  durch  Worttrenner  geschieden  sind,  die  aus  zwei  oder  drei  vertikal  angeordneten  Punkten 
bestehen.  Da  aber  vom  Wort-  und  Formenschatz  der  altäthiopischen  Sprache  nur  erst  sehr  wenig 
erschlossen  ist,  so  liegt  die  Deutung  des  Gelesenen  noch  sehr  im  Argen.  Für  diejenige  der  Auf- 
schriften der  Totenopfertafeln  ist  es  günstig,  daß  durch  Vergleichung  zahlreicher,  mehr  oder  weniger 
gleidilautenden  Texte  ihre  Disposition  bestimmt  werden  konnte.  Den  Anfang  madit  stets  eine 
Anrufung  der  Götter  Isis  und  Osiris  in  der  Form:  wesi  aseriy;  dann  folgt  die  Nennung  des  Ver- 
storbenen, seines  Vaters  und  seiner  Mutter,  und  den  Schluß  bildet  eine  vermutlich  einen  Segenswunsch 
für  den  Toten  enthaltende  Formel,  die  in  mehreren  Variationen  vertreten  ist.  Abweichungen  von 
dieser  Disposition  gehören  zu  seltenen  Ausnahmen. 

Was  für  die  auf  dem  Boden  von  Nubien  gefundenen  Tafeln  bezüglich  der  Inschrift  von  Griffith 
ausgemacht  ist,  begegnet  uns  nun  auch  auf  der  sinaitischen.  Ihre  Aufschrift  geht,  bei  dem  Ausguß- 
zapfen beginnend,  linksläufig  rings  herum  und  zeigt  gutmeroitischen  Duktus.  Ihrer  Lesung  steht 
aber  die  starke  Beschädigung  des  Randes  hindernd  im  Wege  und  gestattet  nur  noch  Teile  von 
Worten  zu  bestimmen.  Formt  man  aus  dem  rund  um  den  Rand  gehenden  Texte  vier  Zeilen,  wovon 
die  erste  das  Stück  von  der  rechten  Seite  des  Zapfens  samt  dem  des  unteren  rechten  Randes,  die 
zweite  das  der  rechten  Seite,  die  dritte  das  der  Oberseite,  die  vierte  das  der  linken  Seite  enthält, 
so  giebt  er  sich  jetzt  folgenderweise: 


.  .  .  .  ^  fw  ^    W 


In  Transskription  ergiebt  das: 


Zeile  1  ...     i  I  a  •  seri 

„      2  .  .  .     tea     .  .  . 

„      3  ...     r  I  ez    .  . 

„      4        akr • s   


Zeile  1  ist  zweifellos  zu  wesi  aseriy  „O  (oder  „bei")  Isis  und  Osiris  l"  zu  ergänzen.  In  Zeile  2  ist 
der  Name  des  Verstorbenen  zu  vermuten,  der  aber  mit  den  noch  lesbaren  Buchstaben  nicht  her- 
zustellen ist.    In  Zeile  3  bilden  die  Buchstaben  ez  .   .  den  Anfang  des  Wortes  ezhl  oder  ezhle,  das 


98 


von  anderen  Tafeln  her  (z.  B.  Meroe,  Nr.  27,  28,  34;  Inscriptions,  Nr.  49)  bekannt  ist  und  nach 
Griffith  ,, geboren  von  bedeutet.  Da  ihm  der  Muttername  vorherzugehen  pflegt,  so  ist  .  .  .  r  als 
Rest  eines  solchen  anzusehen.  Von  Zeile  4  ist  zu  vermuten,  daß  sie  einen  Teil  der  Segensformel 
bildet;  doch  versagt  für  ihre  nähere  Bestimmung  die  Vergleichung  mit  den  von  Griffith  in  den 
Meroitic  Inscriptions  11,  S.  60  zusammengestellten  Formeln.  Vielleicht  steckt  aber  in  akr  •  s  der 
Vatersname,  da  dieser  dem  der  Mutter  gelegentlich  auch  nachgestellt  wird. 

Die  bisher  bekannten  meroitisch-demotischen  Inschriften  setzt  Griffith  in  die  Zeit  kurz  vor  Christi 
Geburt  bis  zur  Zeit  der  Zerstörung  des  Reiches  von  Meroe  durch  einen  dem  Namen  nach  nicht  näher 
bekannten  König  von  Axum  der  Zeit  um  400  n.  Chr. ;  dabei  unterscheidet  er  zwischen  alten,  mittleren 
und  späten  Inschriften  mit  den  Zeitgrenzen  25  v.  Chr.,  250  n.  Chr.  und  400  n.  Chr.,  nimmt  aber  seine 
Zeitbestimmungen  selbst  für  so  wenig  sicher,  daß  er  Crowfoot's  Ansicht,  wonach  die  meroitischen 
Schriftdenkmäler  insgesamt  der  Zeit  zwischen  dem  zweiten  und  vierten  Jahrhundert  nach  Christi 
Geburt  angehörten,  als  nicht  unwahrscheinlich  bezeichnet  (s.  Mer.  Inscr.  II,  S.  XV}.  Danach  könnte 
die  Sinaitafel  in  Anbetracht  der  guten  Ausführung  ihrer  Darstellung  und  des  sauberen  Duktus  ihrer 
Inschrift  in  der  Zeit  um  Christi  Geburt  entstanden  sein  -  kaum  früher,  möglicherweise  aber  geraume 
Zeit  später.  Von  dieser  Zeitbestimmung  aus  gewinnen  wir  einen  Anhaltspunkt,  um  das  Bestehen 
des  Hathortempels  von  Serabit-el-Hadem  um  mehr  als  1000  JaKfe  über  das  Jahr  1 157  v.  Chr.  hinaus, 
wo  uns  die  ägyptischen  Zeugnisse  verlassen,  zu  verfolgen.  Für  die  Ägypter  hatte  das  Heiligtum  seit 
dem  Ausgange  der  XXI.  Dynastie  anscheinend  keine  Bedeutung  mehr,  nachdem  ihre  Herrschaft  auf 
dem  Sinai  aufgehört  hatte;  den  Sinaibewohnern  wird  es  jedoch  weiterhin  eine  Stätte  ihres  Ma'na- 
oder  auch  Jahu-Kultes  geblieben  sein.  Ferner  wird  es  gelegentlich  von  Fremden,  die  das  Innere  des 
Sinai  zu  durchqueren  hatten,  besucht  worden  sein.  Das  ließ  schon  eine  römische  Topfsdierbe  ver- 
muten, die  Flinders  Petrie  im  Hathorspeos  aufgefunden  hat,  und  wird  nun  durch  die  meroitische 
Totenopfertafel  zur  Gewißheit.  Man  wird  sidi  vorzustellen  haben,  daß  ein  Äthiopier,  den  sein  Weg 
zum  Sinai  geführt  hatte,  hier  starb  und  begraben  wurde.  Um  ihm  die  Grabesruhe  zu  sichern,  werden 
Angehörige  von  ihm  eine  Totenopfertafel,  wie  sie  die  in  der  Heimat  Gestorbenen  in  einem  oder 
mehreren  Exemplaren  mit  ins  Grab  bekamen,  zum  Sinaitempel  geschickt  haben,  wo  sie  als  Weihgabe 
an  heiliger  Stelle  einen  Platz  bekam  -  ein  Vorgang,  der  mit  dem  Versenden  von  Grabsteinen  aus  der 
Osirisstadt  Abydos  nach  anderen  ägyptischen  Orten,  wo  besondere  Verehrer  des  Osiris  gestorben 
waren,  manche  Ähnlichkeit  hat. 

Der  Untergang  des  Hathor-Sapdu-Tempels  auf  Sinai  wird  somit  erst  der  Zeit  angehören,  da  die 
ägyptische  wie  auch  die  altsemitische  Religion  am  Christentum  ihren  Gegner  fanden  und  ihm 
schließlich  unterlagen. 


99 


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Hathor-SapdU'Tempel  auf  Serabit- el -Hadern. 

(Fundstätte  der  Weihgesdienke  mit  althebräisdien  InsdiriftenO 


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Grundriß  des  Hathor-Sapdu -Tempels  in  seiner  Gestalt  um  1480  v.  Chr. 


Tafel  1 


Mine  L  auf  Serabit-el-Hadem. 

CFundstätte  der  Felstafeln  mit  althebräisdien  Insdiriften.) 


Teil  des  Wadi  Bata  mit  dem  Dsdiebel  Umm  Ridsdilain  im  Hintergrund. 


Tafel  2 


353  as« 

Handkopie  der  althebräisdien  Insdiriften. 

CDanach  deren  Veröttcntlidiung  bei  Gardincr-Pect  „The  Inscriptions  of  Sinai  1917"3 


Weibliche  Löwensphinx,  Nr.  345  Gl 3. 

Redite  Seite. 


Weibliche  Löwensphinx,  Nr.  345  (!}. 


Linke  Seite. 


Tafel  4 


Weibliche  Löwensphinx,  Nr.  345  (.1"). 

Rechte  Seite. 


Weibliche  Löwensphinx,  Nr.  345  (l). 

Linke  Seite. 


Tafel  5 


Männliche  Hockerstatue,  Nr.  346  (2}. 


Vorderseite. 


Tafel  6 


Männliche  Hockerstatue,  Nr.  346  C2}. 

Vorderseite. 


Tafel  7 


Männliche  Hockerstatue,  Nr.  346  (2). 

Rechte  Seite. 


Tafel  8 


Inschrift  auf  der  Vorderseite  der  Hod<erstalue,  Nr.  346  (2}. 

Oben. 


Insdirift  auf  der  Vorderseite  der  Hodcerstatue,  Nr.  346  (2). 

Unten. 


Tafel  9 


Inschrift  auf  der  rechten  Seite  der  HoAerstatue  Nr.  346  (2). 


Tafel  10 


J^B^ci.- 


Weihgabe  für  den  Hathor-Sapdu -Tempel,  Nr.  347  (3}. 


Tafel  11 


Weihgabe  für  den  Hathor-Sapdu -Tempel,  Nr.  347  a  (4}. 


Tafel  12 


Weihgaben  aus  dem  Hathor-Sapdu -Tempel: 

a)  Hathorkopf,  Nr.  347  b  (5);    b}  Räucheraltärdien,  Nr.  347  c  (6); 
c3  Statuette  einer  Pharaonin,  Nr.  347  d  (7). 


Die  weiblidie  Löwensphinx,  Nr.  345  CD,   zum  Vcrgleidi   mit   der   Statuette  Nr.  347 d  (7). 


Tafel  13 


Fdstafel  Nr.  353(13}. 


Tafel  14 


Felstafel  Nr.  353  Cl  3}. 


Vergrößert. 


Tafel  15 


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BrudistüAe  der  Felstafel  Nr.  354  0  4}. 

(Größenverhältnisse  der  drei  Teile  nadi  der  Situationspliotograpliie  beriditigtO 


Tafel  16 


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Oben  links:  Bruchstück  der  Felstafel  Nr.355  (,15).  Rechts:  Bruchstück  der  Felstafel  Nr.350  (9). 

Unten  links:  Untere  Kante  von  Nr.350  (,9"). 


Tafel  17 


Felstafel  Nr.  352  ClO  und  links  oben  Felstafel  Nr.  352a  (12). 


Tafel  18 


Felstafel  Nr.  349  (8). 


Tafel  19 


Felstafel  Nr.  349  (8). 

Vergrößert. 


Tafel  20 


Felstafel  Nr.  351  ClO). 


Tafel  21 


Felstatel  Nr.  351  (10).. 

Vergrößert. 


Tafel  22 


Meroitisdie  Totenopfertafel  aus  dem  Hathor-Sapdu -Tempel. 


Tafel  23 


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